HANDBOUND
AT THE
UNIVERS1TY OF
TORONTO PRESS
ö rs ->
JAHRESBERICHTE
KUR
NEUERE
DEUTSCHE LITERATURGESCHICHTE
UNTER MITWIRKUNG VON
J. BOLTE, L. BÜRGER, W. CREIZENACH, K. DRESCHER, G. ELLINGER, E ELSTER
W. GOLTHER, C. GURLITT, 0. HARNACK, 0. VON HASE, A. HAUFFEN, K. HEINEMANN
A. HOFMEISTER, G. KAWERAU, K. KEHRBACH, A. KOESTER, G. LIEBE, R. M. MEYEr'
V. MICHELS, J. MINOR, ERNST MÜLLER, F. MÜNCKER, E. NAUM ANN, L. PARISER, 0. PNIOWEr!
A. REIFFERSCHEID, H. REIMANN, RICH. ROSENBAUM, A. SAUER, W. SCHEEL, ALWIN
SCHULTZ, AD. STERN, V. VALENTIN, 0. F. WALZEL, A. VON WEILEN, R. M. WERNER,
G. WINTER, G. WITKOWSKI, R. WOLKAN, TH. ZIEGLER
MIT BESONDERER UNTERSTÜTZUNG
VON
ERICH SCHMIDT
HERAUSGEGEBEN
VON
JULIUS ELIAS und MAX OSBORN.
FÜNFTER BAND (JAHR 1894).
LEIPZIG.
G. J. GOSCHE N'SCHE VERLAGSHANDLUNG.
1897.
"Bd. 5
Während die Hauptmasse unserer Berichte in diesem Jahre frühzeitiger heraus-
gehen konnte als sonst, hat sich die Ausgabe des verhältnismässig schmalen Registerheftes
über Gebühr verzögert. Ohne jede Schuld der Redaktion. Denn durch verspätete
Manuskriptablieferungen waren wir gezwungen, zwischendurch die Vorbereitung zu den neuen
Bänden zu betreiben, und als das Register, zu dem ohnehin schon seitens unserer Mit-
arbeiter nicht so beigesteuert wurde wie ehedem, zum Druck gelangen sollte, war die
Zeit schon so wesentlich vorgeschritten, dass wir auf den Druck des sechsten Bandes eilig
bedacht sein mussten. So tritt denn das letzte Heft dieses Bandes fast gleichzeitig mit
dem ersten des neuen Berichtes hervor. Die Redaktion sieht sich in die Zwangslage
versetzt, hier von ihrer eigenen Arbeit sprechen zu müssen. Thatsächlich aber wird diese
Arbeit für zwei Herausgeber, die ihre gesamte Lebensthätigkeit auf die Dauer unmöglich
allein in der Leitung der Jahresberichte suchen können, kaum mehr zu bewältigen sein,
wenn es ihnen nicht gelingen sollte, dem Redaktionskörper neue Hilfskräfte zuzuführen.
Da nun überdies der Herausgeber, der in kritischer Zeit die Bearbeitung des
Kapitels IV, 2 b übernehmen musste, durch persönliche Verhältnisse in seiner Thätigkeit
zeitweilig aufgehalten war, so wird man ihm zu gute halten, dass er seinem Notenapparat
nicht den vollständigen Text, wie er ihn beabsichtigt hatte, beigeben konnte. Die Be-
sprechung der bedeutenden Erscheinungen in diesem Schlussteile seines Berichtes wird im
nächsten Bande nachgetragen werden.
Ein Haupthemmnis liegt für die Thätigkeit der Redaktion nach wie vor im fort-
dauernden Wechsel der Mitarbeiter. Doch wir haben die Hoffnung aufgegeben, ihm mit Erfolg
entgegenzutreten. Denn ebenso, wie wir im vergangenen Jahre für den gegenwärtigen
Bericht eine Reihe von neuen Besetzungen ankündigten, so müssen wir auch heute schon
wieder zahlreiche Veränderungen im Mitarbeiterkreise des künftigen Bandes feststellen.
Zunächst ist der Beitritt Adolf Hofmeisters anzuzeigen, der noch für 1894 im letzten
Augenblicke, da Ernst Jeep uns im Stiche Hess, eine doppelte Arbeitslast auf sich nahm.
Er entriss uns einer grossen Verlegenheit und darf unserer aufrichtigen Dankbarkeit
gewiss sein. Dank auch schulden wir vor allem Richard Rosenbaum, weil er von dem
in allerletzter Stunde zurücktretenden Max von Waldberg, dessen Entschluss freilich durch
Krankheit bedingt war, die Erbschaft zweier umfangreicher Jahrgänge (IV, 3) opfer-
willig übernahm.
Es folgt die Liste der weiteren Verschiebungen : Literaturgeschichte (I, 1) über-
nimmt Franz Muncker von Otto Harnack, der an Veit Valentins Stelle den allgemeinen
Goethe -Abschnitt (IV, 8a) bearbeiten wird; Geschichte des Buch- und Schriftwesens (I, 3)
geht von Oskar von Hase auf Ludwig Burger über, Kulturgeschichte (I, 4) von Georg
Liebe auf Alwin Schultz, Geschichte der Schriftsprache (I, 7) von Willy Scheel auf Wolf-
gang Golther, dem wir hierdurch aufs neue verpflichtet worden. Im Kapitel Geschichte
der Metrik, das Jakob Minor zu unserem lebhaften Bedauern aufgiebt, werden wir Franz
Saran als neuen Mitarbeiter begrüssen. Ebenso haben wir uns die Mitwirkung Max Fried-
laenders für die Geschichte der Musik (an Stelle Heinrich Reimanns), Rudolf Wolkans
für die Geschichte der Lyrik im Reformationszeitalter (an Stelle Georg Ellingers), schliesslich
die Teilnahme Theobald Zieglers für ein Kapitel gesichert, das neu zu schaffen ist : auf den
Wunsch Richard M. Meyers nämlich haben wir von der Didaktik des 18. und 19. Jahrhunderts
die Geschichte der Philosophie und Theologie abgetrennt, um für dieses Gebiet einen be-
sonderen Fachmann zu gewinnen. Karl Drescher rückt nun an den Platz Ludwig Parisers
(III, 2), der seinerseits das Kapitel Didaktik des 17. Jahrhunderts (III, 5) übernimmt. Dafür
löst Victor Michels in IV, Ic Franz Muncker ab. Der Goethe-Teil bringt durch den Um-
stand, dass der erkrankte Karl Heinemann durch Georg Witkowski ersetzt wird, eine
weitere Veränderung.
Einen Verlust, der uns auch persönlich sehr nahe geht, erleiden die Jahres-
berichte durch den vorläufigen Rücktritt Albert Kösters. Seit der Begründung unseres
Unternehmens hat er treu zu unserer Sache gehalten, und nur dringende andere Ver-
pflichtungen vermochten ihn zum Scheiden zu bewegen. Seinen Platz wird Ernst Müller
einnehmen.
In den Recensionen, die den Jahresberichten zuteil wurden, kehrt die Klage über
das Anwachsen unserer Bände und die damit verknüpfte Preiserhöhung immer wieder.
Die Frage, wie dem abzuhelfen sei, hat sich die Redaktion selbst schon seit Jahr und Tag
vorgelegt. Wir haben darum eine neue allgemeine Fixierung des Gesamtumfangs vor-
genommen unter dem Gesichtspunkte, die Bände kleiner zu gestalten, ohne dass der Charakter
der Darstellung berührt wird. Sie hat die Billigung unserer Mitarbeiter gefunden, und so
dürfen wir erwarten, in Zukunft der Oeffentlichkeit weniger angeschwollene und wohlfeilere
Jahresbäude vorlegen zu können.
Wenn von unseren Kritikern hier und da die Erwähnung eines Aufsatzes vermisst
wird, so sind uns in den meisten Fällen diese Dingo thatsächlich nicht entgangen, und wir
bemerken hier ganz allgemein, dass es bei der Feststellung der Bibliographie häufig durchaus
unmöglich ist, diese oder jene Zeitschrift, bezw. diesen oder jenen Band einer Zeitschrift
rechtzeitig zu erlangen. Es wird stets aufgezeichnet, was fehlt, um im nächsten Bande
nachgetragen zu werden. Bei den Werken der englischen Litteratur wird man grössten-
teils einen Kreis finden als Zeichen dafür, dass dem Referenten das Werk unzugänglich
war. Während in früheren Zeiten von den eingeforderten englischen Büchern etwa die
Hälfte einging, haben wir für das Jahr 1894 nur ein einziges Buch erhalten.
Die Firma A. As her & Co. in Berlin hat wie immer tapfer ausgeholfen.
Ebenso fühlen wir uns den Firmen Heinrich Welter in Paris und R. Fried-
länder & Sohn in Berlin für ihr liebenswürdiges Entgegenkommen in bibliographischen
Fragen lebhaft verpflichtet. Gleichfalls können wir nicht unterlassen, dem Buchhändler
Herrn Oskar Arnstoin, der jetzt als Sekretär in die Redaktion eingetreten ist, für
die grossen Dienste, die er uns Jahr aus, Jahr ein leistet, unsere aufrichtige Erkennt-
lichkeit zu bezeugen. Wir wollen endlich nicht vergessen zu erwähnen, dass einzelne
unserer Mitarbeiter ihren Notenapparat nach der Bibliographie des „Euphorion" und
nach dem „Jahresbericht über Germanische Philologie" ergänzt haben; die Redaktion
erkennt gern den Vorteil an, der daraus erwachsen ist. Wer uns sonst noch unterstützt
und gefördert hat, dem haben wir am Schlüsse des Bandes auf einer besonderen Tafel
unseren Dank ausgesprochen.
Berlin W.
Matthäikirchstr. *n. JULIUS ELIAS. MAX OSBORN.
Inhaltsverzeichnis.
I. Allgemeiner Teil.
1. Litteratur geschichte. Von Dr. Otto Harnack, Professor an der Technischen
Hochschule zu Darmstadt.
2. Geschichte der deutschen Philologie. Von Dr. Wolfgang Golther,
Professor an der Universität Rostock.
3. Schrift- und Buchwesen. Von Dr. Oskar von Hase in Leipzig.
4. Kulturgeschichte. Von Dr. Georg Liebe, Assistenten am Staatsarchiv zu
Magdeburg.
5. Volkskunde. Von Dr. Adolf Hauffen, Professor an der Universität Prag.
6. Die Litteratur in der Schule. Von Dr. Ernst Naumann, Professor am
Friedrich Wilhelms-Gymnasium zu Berlin.
7. Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. Von Dr. Willy-
Scheel in Berlin.
8. Geschichte der Metrik. 1893, 1894. Von Dr. Jakob Minor, Professor an
der Universität Wien.
9. Kunstgeschichte. Von Dr. Cornelius Gurlitt, Professor an der Technischen
Hochschule zu Dresden.
10. Musikgeschichte. Von Professor Dr. Heinrich Reimann, Bibliothekar
an der Königlichen Bibliothek zu Berlin.
11. Stoffgeschichte. Von Dr. Johannes Bolte, Oberlehrer am Königstädtischen
Gymnasium zu Berlin.
12. Geschichte des Unterrichts- und Erziehungs wesens. Von Professor
Dr. Karl Kehrbach in Berlin.
13. Poetik und ihre Geschichte. Von Dr. Richard Maria WTerner, Professor
an der Universität Lemberg. vgl. Bd. 6 der jbl.
IL Von der Mitte des 15. bis znm Anfang des
17. Jahrhunderts.
1. Allgemeines. Von Dr. Max Osborn in Berlin.
2. Lyrik. Von Dr. Georg Ellinger, Oberlehrer an der 6. Städtischen Real-
schule zu Berlin.
3. Epos. Von Dr. Adolf Hauffen, Professor an der Universität Prag.
4a. Drama. Von Dr. Wilhelm Creizenach, Professor an der Universität Krakau.
b. Hans Sachs. Von Dr. Karl Drescher, Privatdocenten an der Universität Bonn.
o. Didaktik. 1893, 1894. Von Dr. Adolph Hofmeister, Kustos der Universitäts-
bibliothek zu Rostock.
6. Luther und die Reformation. Von Dr. Gustav Kawerau, Professor an
der Universität Breslau.
7. Humanisten und Neulateiner. Von Dr. Georg Ellinger, Oberlehrer
an der 6. Städtischen Realschule zu Berlin.
Inhaltsverzeichnis.
III. Vom Anfang des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts.
1. Allgemeines. Von Dr. Alexander Reifferscheid, Professor an der
Universität Greifswald.
2. Lyrik. Von Dr. Ludwig- Pariser in München.
3. Epos. Von Dr. Alexander Reifferscheid, Professor an der Universität
Greifswald.
4. Drama. Von Dr. Johannes Bolte, Oberlehrer am König-städtischen Gymnasium
zu Berlin.
5. Didaktik. Von Dr. Victor Michels, Professor an der Universität Jena.
IV. Von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.
1. Allgemeines.
a) Litteraturgeschichte. Von Dr. Adolf Stern, Professor an der
Technischen Hochschule zu Dresden.
b) Politische Geschichte. 1893,1894. Von Dr. Georg Winter, Archivar
am Staatsarchiv zu Stettin.
c) Memoiren, Tagebücher und Briefwechsel. Von Dr. Franz Muncker,
Professor an der Universität München.
d) Die deutsche Litteratur und das Ausland. Von Dr. Adolf Stern,
Professor an der Technischen Hochschule zu Dresden.
2. Lyrik.
a) Von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zu den Freiheitskriegen.
Von Dr. August Sauer, Professor an der Universität Prag.
b) Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. Von Dr. Julius
Elias in Berlin.
3. Epos. 1893, 1894. Von Dr. Richard Rosenbaum in Berlin.
4. Drama und Theatergeschichte. Von Dr. Alexander von Weilen,
Privatdocenten an der Universität Wien. vgl. Bd. 6 der jbl.
5. Didaktik. Von Dr. Richard M. Meyer, Privatdocenten an der Universität
Berlin.
6. Lessing. Von Dr. Erich Schmidt, Professor an der Universität Berlin.
7. Herder. Von Dr. Ernst Naumann, Professor am Friedrich -Wilhelms-
Gymnasium zu Berlin.
8. Goethe.
a) Allgemeines. Von Professor Dr. Veit Valentin in Frankfurt a. M.
b) Leben. Von Dr. Karl Heinemann, Oberlehrer am Kgl. Gymnasium
zu Leipzig.
c) Lyrik. Von Dr. Otto Pniower in Berlin.
d) Epos. Von Dr. Georg Witkowski, Professor an der Universität
Leipzig.
e) Drama. Von Dr. Georg Witkowski, Professor an der Universität
Leipzig.
9. Schiller. Von Dr. Albert Köster, Professor an der Universität Marburg.
10. Romantik. Von Dr. Oskar F. Walzel, Privatdocenten an der Universität
Wien.
11. Das junge Deutschland. Von Dr. Ernst Elster, Professor an der
Universität Leipzig, vgl. Bd. 6 der jbl.
Autorenregister.
Sachregister.
Siglenregister.
Bemerkungen für den Gebrauch.
Druckfehlerverzeichnis.
Danktafel.
: I
I. Allgemeiner Teil.
1,1
Literaturgeschichte.
Otto Harnack.
Methodisches: Allgemeine historische Wissenschaft N. 1. - Literaturgeschichte : Aufgaben und Methode
N 18; Betrachtungsweise N. 24. - Litterarische Kritik N. 33. - Litteratu rgeschichte: Gesamtdarstellungen: allgemeine
N 38: deutsche N. 41; literarhistorische Betrachtungen in umfassenden Geschichtswerken N. 50. - Lokale Literaturgeschichte
N. 58. - Verschiedenes N. 61. - Gesammelte Aufsätze N. 65. - Praktisches: Ueber den literarischen Betrieb im all-
gemeinen N. 73. — Hilfsmittel N. 86. —
In Anknüpfung- an den vorjährigen Bericht weisen wir zunächst auf einige
Besprechungen hin, welche die dort aufgeführten methodischen Schriften über die
allgemeine historische Wissenschaft von Villari1), Stoeckert2) und Bernheim;>)
(vgl. JBL. 1893 I 1 : 2/4) noch erfahren haben. Aus unserem Berichtsjahre nennen wir
sodann vorerst zwei Schriften, welche das Verhältnis der Geschichte zu anderen
Wissenschaften behandeln: von Pfleiderer4) und von Windelband5). Dererstere,
der die Bedeutung der Geschichte für die Theologie behandelt, hebt besonders das
Verdienst Hegels hervor, der den Gedanken der „immanenten Vernunft in der Ge-
schichte" zum Siege geführt habe; der letztere bestimmt den eigentumlichen Charakter
historischen Erkennens gegenüber dem Naturerkennen, indem er die Erlassung und
Rekonstruktion des Einzelnen, nicht die Ergründung allgemeiner Gesetze als sein
Ziel hinstellt.6) — Herbert Spencers Philosophie der Geschichte würdigte Busse')
in einer klaren und ruhigen Darstellung, die aber am Schluss in entschieden
formulierten Widerspruch auslief. B. ist der Meinung, dass eine Erklärung des
historischen Prozesses bloss aus der Kausalverknüpfung unzureichend, dass ein
Finalzusammenhang erkennbar sei und erkannt werden müsse, nicht im Sinne der
überwundenen Teleologie, sondern im Sinne der „Zielstrebigkeit", die sich nach
innerem Gesetz notwendig verwirklicht. - Von streng religiösen, aber nicht dogmatisch-
bestimmten, sondern mehr mystisch -empfundenen Grundlagen aus sucht Steftensen,
mit Schellina- verwandt, eine Geschichtsphilosophie zu ermöglichen und vorzubereiten;
aus seinem hs. Nachlass gab Eucken*) Auszüge, zu denen er ein Vorwort hinzu-
füs-te.9"11) — Rocholls im vorigen Jahrgang behandeltes Werk (JBL. 1.J93 11 : 15)
fand noch Besprechung"). - Monods») Buch über die Meister der Geschichts-
schreibung, welches in Renan, Taine und Michelet Haupttypen historischer Arbeits-
weise darstellt, gab Bamberger14) zu feinen Bemerkungen Anlass. M. sieht in
Renan den Kritiker, in Taine den Feststeller der Thatsachen und ihres Zusammen-
hangs, in Michelet den Darsteller. Seine Sympathie ruht merklich auf dem letzt-
genannten. — Ueber die Bedeutung des Genies in der Geschichte handelte Schilder")
u V war 90 q 112- BllHSch 11 S 123 160.-2)Xib-;RnHScn-ll>S-t06--3>XRLU.S.222; KonsMschr. S. 217.
'- 4) 0. Pf' Uef: iheo gl; Ü Gesthichtswis.nsch. Reklatsrede. B., J. Becke, 4». 22 ,. M 0,75. - 5) W. Windel-
band, Gesch. u. Naturwissensch. Rektoratsrede. Strassburg iE., Heitz. 27 * M. 060 - 6) X A. J";«^'^-
Bedeuiung d. Studiums d. Kirchengesch. Rektoratsrede. München Korff. 4° 34 S M 1 00. - 7 k. Busse H. s
Philos. d Gesch. E. Beitr. z. Lösung sociolog. Probleme. Diss. Halle a. S. (^^^ck, 114S - g. ^ Jensen APhUos.
d. Gesch. Auszüge aus seinem hs. Nachl. Mit Vorw. v. R. Eucken. Basel Reich. XXXVI «IS. M. 600 - 9) X ' R ^M
Wenley, The logic of hist.: ScottishR. 24, S. 297-319. - 10) X F. Mehring Z. hist.-matenahst. ***«*»• N&" •
S 142/8 170/5 - 11) X H. Cunow, Sociologie, Ethnologie u. raateriahst. Geschichtsauffassung ibS 549-59 591-603 -
12) X LRs 20, S. 1868X- 13) G. Monod, Les maitres de »'hist: Renan, Taine, Michele Paris, ^ W«"™^ »" *
Fr. 3750. j[RCr. 38, S. 422/4.]| - 14) L. Bamberger, G. Monod über Renan, Taine, Michelet: DRs. 81, b. lol/6. - 15) O X
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (U1
I 1:16-22 0. Harnack, Literaturgeschichte.
in einer mir unzugänglich gebliebenen Schrift, welche nicht günstige Beurteilung
fand. — Dem geschichtlichen Unterricht wollte Kriegs mann16) als ausschliessliches
Ziel die Erweckung des Staatsbewusstseins zuweisen, mit besonderer Beziehung auf
den von der deutschen Historikerversammlung zurückgewiesenen Vortrag des Direktors
Martens. welcher dieselbe These verfochten hatte.17) —
Ueber die Aufgaben und Methode der Literaturgeschichte äusserte
sich Elster18) in einem gedrängten Vortrag, welcher das Verdienst hat, mit grosser
Schärfe augenblickliche Mängel des Betriebes hervorzuheben. Wenn eine solche
Selbstkritik sicherlich anzuerkennen ist, so muss man doch dagegen einwenden, dass
E. zu sehr als Schuld angesehen hat, was eine charakteristische Eigentümlichkeit der
gegenwärtigen wissenschaftlichen Arbeit überhaupt und, wie ihre Beschränkung, so auch
ihr Vorzug ist: die sorgfältige und exakte Materialsammlung. Mit einem noch so gut
gemeinten Machtspruch: so könne es nicht länger fortgehen, ist dabei nicht allzu viel
gethan. Und ein wenig zusammenhangslos ist die Mannung, sich zur Vertiefung der
literarhistorischen Erkenntnis an die Ethiken zu halten, in welchen wir „jetzt brauch-
bare Ergebnisse finden". (Der Vf. scheint besonders Wilhelm Wundt im Auge zu
haben, den er öfters citiert.) Es hat zu jeder Zeit Ethiken gegeben, welche dem je-
weiligen Standpunkt der Zeit entsprachen, und ob gerade die jetzigen eine besonders
lange gesicherte Dauer versprechen, ist nicht zu entscheiden. Sicher aber wird es für den
Litterarhistoriker immer von Wert sein, wenn er auch aus diesen Quellen Erkenntnis
schöpft; ob er es thut, wird von seiner ganzen Geistesrichtung und Ausbildung ab-
hängen und sich nicht durch Forderung erzwingen lassen. Interessant ist aber
jedenfalls, wie E. selbst sich diese Quellen zu Nutze machen will. Er fragt einer-
seits nach den speciellen Gemütseigenschaften und der eigentümlichen Form der
Phantasiebethätigung, welche für die einzelnen Dichter bestimmend sind, andererseits
nach den Normen, die zur Wertschätzung poetischer Gebilde dienen. Bei der letzten
Frage, welcher der grösste Teil der Schrift gewidmet ist, fällt besonders auf, wie
sehr E. den empirischen Boden verlassen und sich der theoretischen Betrachtung
ergeben will, indem er es abweist, aus der Wirkung des Kunstwerkes die Normen
zu gewinnen, angeblich weil es sich hierbei um „rein subjektive Wünsche" handle.
Es handelt sich aber hierbei gerade um Thatsachen, welche zu beobachten sind und
meines Erachtens den sicheren empirischen Boden für die Ermittlung der Normen
bieten. E. dagegen will diese aus drei Quellen erschliessen : 1. aus dem durch das
Kunstwerk dargestellten Leben, 2. aus den allgemeinen Gesetzen der ästhetischen
Anschauung, 3. aus den besonderen Gesetzen der poetischen Darstellungsmittel. Aber
die Frage ist eben, wie diese „Gesetze" zu finden sind. Uns von „Normen" zu „Ge-
setzen" zurückzuführen, damit ist noch wenig gethan. Was nun E. aus den drei
Quellen erschliessen will, das zeugt von einem regen Gedanken- und Empfindungs-
leben; aber es hat nicht die zwingende logische Schärfe des Zusammenhangs, welche
von derartigen systematischen Erwägungen zu verlangen ist; wir erhalten mehr An-
einanderreihung von Gedanken als logische Entwicklung (man sehe z. B., wie S. 12
und 13 das, was mit den Gemütsbedürfnissen des Dichters in Uebereinstimmung steht,
durch das Mittelglied des „Bedeutsamen" plötzlich den Charakter der „Allgemein-
gültigkeit" erhält). Auch das Schlussresultat, welches als die drei Gruppen von Normen
der Beurteilung die logischen, die ethischen, und die „formalen, im engeren Sinne
poetischen" nennt, kann wohl nicht befriedigen, da in Beurteilung von dichterischen
Kunstwerken die ersten beiden der letztgenannten nicht gleichgestellt werden dürfen
und weil in dieser letzten das „Poetische" durchaus nicht durch die Bestimmung
des „Formalen" erschöpft wird.19-20) — Zu einer Reihe von Betrachtungen über
Aufgabe und Methode gab die Begründung der neuen litteraturgeschichtlichen Zeit-
schrift „Euphorion" Anlass. Aus einem Kollegienheft Wilhelm Scherers veröffent-
lichte Erich Schmidt21) einen Abschnitt über „Wissenschaftliche Pflichten", der in
kurzen eindringlichen Sätzen sich über die „Berufsmoral" des Gelehrten aus-
spricht. Wie sich aus dem obersten Gebot „nach der Wahrheit zu streben"
höhere und niedere Pflichten entwickeln, wird dargelegt und mit besonderem Nach-
druck betont, dass nicht alle Forschungsgegenstände gleichwertig sind, dass es Pflicht
des Forschers ist, dem keine „befehlende Stelle" seinen Platz anweist, diesen sich
selber da zu wählen, wo es nach dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft am
nötigsten ist, wo die wichtigsten Probleme der Erforschung harren. — In einem offenen
Briefe an den Herausgeber des „Euphorion", A. Sauer, äussert Schönbach22) den
A. Schilder, D. Bedeutung d. Genies in d. Gesch. L., Dunclter A Humblot. III, 37 S. M. 1,00. |[LCB1. S. 1484. (Un-
gunstig.)]! — 16) G. Kriegsmann, D. Staatsbewnsstsein als Ziel d. gesch. Unterr.: DWB1. S. 414/5. — 17) X E Groth, Be-
merkungen z. Geschichtsunterr. Progr. L.. (Fock). 28 S. M. 0,80. — 18) E. Elster, D. Aufgaben d. Litt.-Gesch. Atad.
Antrittsrede. Halle a. 8., Niemeyer. II, 22 S. M. 0,80. |[LCB1. S. 11089: M. NecVer: NFPr. N. 10775.1! — 19) X A.
Philippi, Vom Wert d. dtsch. Litt.-Gesch.: Grenzb. 4, S. 219-26. — 20) X M- Necker, Ueber Litt.-Gesoh.: BLU. S. 577/9,
593/5. — 21) W. Scherer, Wissensch. Pflichten. Aus e. Vorles. (Mitget. v. Erich Sohmidt): Euph. 1, S. 1/4. — 22) A. E.
O. Harnack, Literaturgeschichte. I 1 •. 23-40a
Wunsch nach möglichst eifriger wissenschaftlicher Behandlung der neuesten, nach-
klassischen Literaturgeschichte; man kann dem nur aufrichtigst beipflichten. Was
Seh. dazwischen hinsichtlich der heutigen Verbreitung unserer klassischen Litteratur-
werke bemerkt, scheint mir doch zu pessimistisch geurteilt. Dass Goethes Tod an
sich keinen Einschnitt in der Literaturgeschichte bildet, ist gewiss richtig; aber
wenige Jahre nach seinem Tode vollzieht sich doch ein deutlicher Wechsel der
Zeiten, etwa mit dem Tode Platens, Immermanns, Chamissos und dem Aufkommen
Hebbels, Ludwigs und Frey tags; auch die politische Dichtung des „Jungen Deutsch-
land" in den dreissiger Jahren ist eine andere als die der Achtundvierziger Freiligrath
und Kinkel. Sehr hübsch ist, was Seh. über die Bedeutung äussert, welche die wissen-
schaftliche Erforschung der neuesten Litteratur für die zeitgenössische litterarische
Produktion gewinnen kann. — In einem zweiten Briefe an den Herausgeber spricht
Harnack23) den Wunsch aus, dass zwischen den im Programm des „Euphorion"
unterschiedenen Specialuntersuchungen und Aufsätzen allgemeineren Inhalts keine
allzugrosse Verschiedenheit herrschen möge, und entwickelt an dem Beispiel der
wissenschaftlichen Arbeitsweise Goethes die Forderung, dass die Empirie der Einzel-
betrachtung überall den Ausgangspunkt bilde, aber stets mit der Absicht, zur Er-
kenntnis eines Ganzen und seines inneren Zusammenhangs vorzuschreiten. —
lieber die Betrachtungsweise der „Literaturwissenschaft" hat
Froehde24-25), der schon im vorigen Berichtsjahr ihr Wesen zu bestimmen suchte, noch-
mals gehandelt und in klassifizierender Methode ihr Verhältnis zur Kunst- und Sprach-
wissenschaftgekennzeichnet. ErschematisiertdieLitteraturwissenschaftineineallgemeine
(Encyklopädie, Geschichte, Methodologie) und eine besondere, welche wieder in reine
(Litteraturlehre und Literaturgeschichte) und eine angewandte (Herstellung der
Litteraturwerke; müsste heissen „Herstellungslehre") zerfällt. Er stellt fest, dass sie
mit der Sprachwissenschaft das Objekt gemein habe, aber im Forschungsprinzip ab-
weiche, dagegen mit der Kunstwissenschaft in dem letzteren übereinstimme, aber im
Objekt getrennt sei. — Ueber die Gesichtspunkte, welche für die Beurteilung der
litterarischen Entwicklung in Betracht kommen, sich zu äussern nahmen öfters
Anlass die Kritiker von Nerrlichs26) Buch über das Dogma vom klassischen Alter-
tum, welches gegen die gesamte ideale Betrachtung, von der unsere eigene klassische
Epoche erfüllt war, aufs heftigste vorgeht. — Dageg-en brach eine Lanze für den
Klassizismus Baecker27-29). — Ein Beispiel ultramontaner Behandlung der Literatur-
geschichte gab Hildebrand30"32). —
Hier sei auch kurz der Betrachtungen gedacht, welche jetzt gern über
litterarische Kritik angestellt werden. Es macht sich dabei immer mehr die
Neigung geltend, sich mit rein ästhetischen oder rein historischen Massstäben nicht
zu begnügen, sondern die Schriftwerke nach ihrer Bedeutung für den allgemein
menschlichen oder den speciell sittlichen Fortschritt zu bemessen. In mehreren Auf-
sätzen seiner Zeitschrift „La Cultura" hat der im vorigen Jahre verstorbene Bonghi33)
sich in diesem Sinne geäussert und sich dabei auf Tolstoi, besonders dessen Vorrede
zu Maupassants Romanen berufen. Auch die Notwendigkeit fester Voraussetzungen
der Kritik, bestimmter „Vorstellungen vom Schönen, Wahren, Guten" wurde von B.
betont. Es bedarf keines Beweises, dass auf dieser Bahn sich die Kritik immer
weiter von der litteraturgeschichtlichen Arbeit entfernen würde. — Dagegen trat für
eine streng nach historischen Massstäben arbeitende Kritik Puglisi-Pico34) ein in
dem interessanten Aufsatz: „II feticismo neli' arte e la critica moderna".35) — Taines
kritische Methode (JBL. 1893 I 1:62—75) fand noch durch Bernfeld36) Besprechung.
— Ola Hansson und A. E. Schönbach wurden als Kritiker von Necker37) charak-
terisiert. —
Litteraturgeschichte. Von Gesamtdarstellungen fanden der all-
gemein orientierende „Katechismus" von Stern3*) (JBL. 1893 I 1 : 76) und Karpeles3")
ausführlicheres Buch (JBL. 1893 I 1:90) noch Besprechung. — Harts Geschichte der
Weltliteratur (JBL. 1893 I 1:77) schritt vorwärts40"40*). —
Schönbach, Offener Brief an d. Herausgeber: ib. S. 4-12. — 23) 0. Harnack, Offener Brief an d. Heransgeber: ib. S. 12 6.
— 24) X R- M. Werner, Neuere dtsch. Litt.-Gesch. Offener Brief: AZg". 1893, N. 322. - 25) 0. Froeh de. Litt.-, Kunst- n. Sprach-
wissensch.: NJbbPh. 149, S. 1-13. —26) P. Nerrlich, D. Dogma vom klass. Altertum. L., C L. Hirschfeld. XIV, 400 S. M. 7,50.
|[Zeitgeist N. 22; F. Muncker: DWB1. S. 479-80: R.Opitz: BMJ. S. 273.6.] | (S. u. IV 5.) — 27) P. Baecker, E.Wort für d-
Klassizismus: AkBU. 9, S. 25 8. - 28) X E. v. Sallwürck, C. F. Hermann, D. Bildnngsideale d Deutschen [Basel, Reich. 1892-
93 S. M. 1,20]: DB11EU». 21,8. 5. - 29) K. Walcker, D schöne Litt. u. d. polit.-soc. Entwicklung: Geg. 46, S. 55 6 —30 > R Hilde-
br an d, E. Stückchen ultramont. Litt.-Gesch.: ZDU. 8, S. 217 9. — 31) X H- Dieck, Bemerkung zu „E. Stückchen nltramont. Litt.-
Gesch.": ib.S. 412/3. — 32)X St. v. Sy cho wski , Hieronynvus als Litterarhist. E. quellenkrit. Untersuch, d Schrift d. Heil. Hierony-
mus „De riris illnstribus." (= Kirchengesch. Stnd. 2. Bd.. 2. Heft.) Münster, Schöningh. VIII, 198 S. M. 4,60. — 33) K. Bonghi,
La Critica: Cultura S. 113/6, 145/8, 385/7. — 34) M. Puglisi-Pico, II feticismo nell' arte e la critica moderna. (= Note
di Letteratura Contemporanea.) Acireale, Donzuso. HOS. L. 3,00. — 35) X L- Berg, D. Ultima ratio d. Kritik: Zuschauer 1,
S. 84 9. — 36) S. Bernfeld, Taines krit n. bist. Essais: Zeitgeist N. 39. — 37) M. Kecker, Zwei Kritiker: Ola Hansson,
A. E. Schönbach: BLU. S. 2414. — 38) X Anglia 34, S. 745. - 39) X il}- — 40) J. Hart, Gesch. d. Weltlitt. u. d. Theaters
aller Zeiten u. Völker. 1. Bd. (= Hausschatz d. Wissens Bd. 15.) B , Pauli. VI. 847 S. M. 7,50. |[Zuschauer 1, S. 5745;
TglRsn. N. 134; Ges. S. 9634.] (Vgl. JBL. 1S95 I 1, wo d. vollständ. Werk besprochen wird ) — 40a) O X K- Faulma*n,
(1)1*
I 1:41-48 O. Harnack, Literaturgeschichte.
Von deutschen Literaturgeschichten gelangte die von Leixners41)
rasch zur dritten Auflage. — Wilhelm Scherers Werk, seit langer Zeit unter Edw.
Schröders42) pietätvoller Fürsorge, erschien in siebenter Auflage. — Von Vilmars
immer noch lebenskräftigem Buche gab Stern43) die vierundzwanzigste Auflage
heraus; bekanntlich ist Vilmars Text seit langer Zeit stereotypiert, dagegen führt
St. seinen Anteil, die Litteraturgeschichte seit Goethes Tode, in jeder Auflage
gewissenhaft weiter. Diesmal hatte er insbesondere die schwierige Aufgabe, der seit
den achtziger Jahren aufgekommenen „modernen" Richtung historisch gerecht zu
werden. Er hat das in einem Schlusskapitel gethan, welches die Mängel der seit 1870
massgebenden schlaffen Behaglichkeitslitteratur kräftig zeichnet und daraus die Not-
wendigkeit einer Reaktion ableitet; die Art und Weise dieser Reaktion beurteilt
er jedoch als durchaus verfehlt und findet in ihr keine verheissungsvolle Trieb-
kraft. — Die Fortschritte der neuen unter Goetzes43") Leitung stehenden Be-
arbeitung von Goedekes fundamentalem Werke werden in den betreffenden Einzel-
abschnitten der JBL. verzeichnet und besprochen. — Die im vorigen Jahrgang
behandelten Litteraturgeschichten von Borinski44) (JBL. 18931 1 :89) und von Koch45)
(JBL. 1893 I 1 : 88) fanden in verschiedenen Zeitschriften noch Besprechung. — Das
wichtigste Ereignis auf diesem Gebiete aber war die Vollendung der von Martin46)
fortgeführten und neubearbeiteten „Geschichte der deutschen Litteratur" von Wilhelm
Wackernagel. Schon 1879 war der erste, das Mittelalter behandelnde Band zu Ende
geführt; erst 1894 war der zweite abgeschlossen, der freilich zum grössten Teil eine
neue Arbeit ist. Nur für das 16. Jh. und für den allgemeinen Abschnitt über das
17. lag Wackernagels Ausarbeitung vor; alles Weitere ist selbständige Leistung M.s.
Das Buch im ganzen stellt sich dar als ein treffliches Hilfsmittel zum wissenschaft-
lichen Studium der Litteraturgeschichte. Charakteristisch sind die jedem Zeitabschnitt
vorausgeschickten Darstellungen der Sprachentwicklung und der Fortschritte des
Versbaus; sie leihen dem Ganzen die philologische Grundlage, welche auch Wacker-
nagel seinem Anteil gegeben hatte. Dass die Anmerkungen unter den Text gesetzt
sind und verhältnismässig viel Raum einnehmen, zeigt gleichfalls, dass man ein Buch
mehr zum Studium als zur Lektüre vor sich hat. Trotzdem ist der Text auch durch-
aus lesbar gehalten; die Sprache ist knapp und prägnant, aber nicht dunkel; die
Ausdrücke massvoll, aber sehr absichtlich und bezeichnend gewählt; jeder
rednerische Schmuck ist verschmäht. Bei aller Kürze ist die möglichste
Reichhaltigkeit erstrebt; es werden viele Namen genannt, die in anderen Litteratur-
geschichten fehlen; dagegen werden die bedeutendsten Dichter verhältnismässig kurz
behandelt. Letzteres ist insofern gerechtfertigt, als wohl jeder, der sich mit den
Klassikern und anderen hervorragenden Persönlichkeiten näher beschäftigen will,
sich zu den Monographien wenden und nicht in der „Litteraturgeschichte" Rats er-
holen wird; aber gerade für das blosse fortlaufende Studium der Litteratur wird
mancher doch wohl nähere Auskunft über Lessing, Goethe, Schiller, besonders auch
über die ihnen gewidmeten Schriften wünschen. Dankenswerter Weise ist auch
die neueste Litteratur bis auf Spielhagen, Heyse und Gottfried Keller (K. F. Meyer
nicht mehr) einbezogen. In den kurzen, manchmal herben Urteilen ist eine Hin-
neigung zu konservativen, protestantisch-religiösen Bestrebungen wahrzunehmen.
Ueber Heine urteilt M. so streng, dass selbst die erschütternden Gedichte der
,, Matratzengruft" ihm kein mildes Wort abringen. Im „Ueberblick über die wissen-
schaftliche Prosa seit der Mitte des Jh." ist die Auswahl der behandelten Gelehrten
keine glückliche; der Blick ist auf der Oberfläche haften geblieben; nur so lässt es
sich erklären, wenn z. B. unter den Historikern W7ilhelm Giesebrecht genannt, Jakob
Burckhardt nicht erwähnt wird. Sehr treffend und eindringlich ist in allen Perioden
die landschaftliche Verwandtschaft der einzelnen Dichter hervorgehoben, so dass wir
ein Bild der Litteraturbewegung in den einzelnen Stammgebieten Deutschlands er-
halten, welches sich mit der Darstellung der territorialen, mundartlichen Sprachent-
wicklung trefflich verbindet.47) — Aus Frankreich haben wir zwei litterarhistorische
Werke zu erwähnen: erstens das als Unterabteilung einer Anthropologie auftretende
Buch von Letourneau48), das sich freilich hauptsächlich mit der Litteratur der
Im Reiche d. Geistes. 111. Gesch. d. Wissenschaften, anschaulich dargest. Wien, Hartleben. XVI, 941 S. Mit 13 Taf., 30 Beil.
u. 220 Text-Abbild. M. 15,00. jfCOIRW. 22, S. 251; N&S. 76, S. 151.]| — 41) O. v. Leixner, Gesch. d. dtsch. Litt. 3. Aufl.
L., Spamer. VIII, 1124 S. Mit 411 Text-Abbild, u. 50 Taf. M. 14,00. — 42) W. Scherer, Gesch. d. dtsch. Litt. ".Aufl. Be-
sorgt v. Edw. Schröder. B., Weidmann. XII, 822 S. M. 10,00. - 43) A. F. C. Vilmar, Gesch. d. dtsch. Nationallitt.
24. verm. Aufl. Mit e. Anh.: D. dtsch. Nationallitt. v. Tode Goethes bis z. Gegenw. Her. v. Ad. Stern. Marburg u. L., Elwert.
XII, 746 S. M. 7,00. |[COIRW. 22, S. 101/2.]| — 43a) K. Goedeke, Grundriss (JBL. 1893 IV la:2). |[A. Sauer: Euph. 1,
S. 139-44; BLU. S. 269-70.]| (Bd. 6 wird besprochen JBL. 1895 IV la.) — 44) X LCB1. S. 89-91. (Günstig, jedoch mit Aus-
stellungen.) - 45) X ZDÜ. 8, S. 146/8; LCB1. S. 827; MLN. 9, S. 246/8; W1DM. 76, S. 512; Zuschauer 1, S. 94/5; AkBll. 8,
S. 248; BLU. S. 83/4; COIBW. 22, S. 174; Gymn. 12, S. 573/5; PaedA. 36, S. 308,9; DWB1. S. 251,2. — 46) W. Wackernagel,
Gesch. d. dtsch. Litt. E. Hausbuch.» 2. Aufl. Neu bearb. u. zu Ende geführt v. E. Martin. 2. Bd. Basel, Schwabe. XVI,
710 S. M. 13,20. |[KonBMechr. S. 438; ZGyron. 28, S. 373,7.] | — 47) X W. Reuter, Litteraturkunde, enth. Abriss d. Poetik u.
Gesch. d. dtsch. Poesie. 15. Aufl. Freiburg i. B., Herder. V1U, 253 S. M. 1,20. (16:143.) -48) Ch. Letourneau, Devolution
0. Harnack, Literaturgeschichte. I 1 : 49-02
Urvölker beschäftigt, kürzer das klassische Altertum und das Mittelalter behandelt
und die Neuzeit kaum berührt, von deutscher Litteratur das Nibelungenlied mit
völliger Verständnislosigkeit bespricht und keine neueren deutschen Dichter nennt; für
die Zukunft prophezeit der Vf., dem das eigentlich ästhetische Empfinden abgeht,
wohlgefällig eine Dichtung, welche die modernen socialen und wissenschaftlichen Ideen
mit den Mitteln des melodiösen Verses, des reichen Kolorits und des reinen Stils zum
Ausdruck bringen soll. — Das zweite Buch, von Dietz49), gehört einer Sammlung
von Literaturgeschichten an und bringt zuerst die englische, dann die deutsche.
Das Hauptgewicht ist auf die Anführung von Proben aus dichterischen wie aus
Prosawerken gelegt, die nur durch einen knappen erklärenden und biographischen
Text verbunden werden; das Hildebrandslied macht den Anfang und Fritz R'euter
schliesst ab. Die Auswahl ist im ganzen wohlgelungen, und der Text zeugt von
Kenntnis und Urteil; leider sind die Uebersetzungen der poetischen Stücke un-
befriedigend; grossenteils in Prosa oder gar in Alexandrinern, und trotz des Ver-
zichts auf Nachbildung der Versform doch auch inhaltlich nicht getreu. Ganz un-
erhört ist die S. 480 gegebene Erweiterung des „Königs von Thule" zu einem elf-
strophigen Gedicht (Tonnelle ist als Vf. genannt); nur wenige lyrische Gedichte sind
befriedigend in Uebersetzungen von Schure wiedergegeben. —
Wir fügen hier die literarhistorischen Betrachtungen an, die sich im
Rahmen umfassender Gechichts werke als ein ergänzendes Element der politischen,
kulturhistorischen und wirtschaftsgeschichtlichen Darstellung zugesellen. An erster
Stelle sei Lindners50) kurzgefasste „Geschichte des deutschen Volks" genannt. L.
will klar und bündig schreiben; aber er wird dabei banal. Seine Charakteristiken,
mögen sie Persönlichkeiten oder ganze Perioden betreffen, erheben sich nicht über
das Selbstverständliche, das mit Aplomb verkündigt wird. Lessing wird „so wenig
wie Friedrich der Grosse jemals von seinem Ehrenplatz in der Geschichte des
deutschen Volkes gestossen werden." Herder „huldigte dem Genius der Menschheit,
selbst ein grosses Genie". „Mühelosigkeit des Lebens und des Erfolges ist Sterblichen
nie ganz verliehen, aber so viel von ihr zu teil werden kann, hat Goethe genossen."
— Lamprechts51) gedankenreiche „Deutsche Geschichte" wird nach ihrer Vollendung
eine ausführliche, zusammenhängende Besprechung erfordern.52'55) — Speciell vom
katholischen Standpunkte behandelte Widmann56) die Geschichte des deutschen
Volkes. — Roethes trefflicher Vortrag „Die deutschen Kaiser und die deutsche
Litteratur" (JBL. 1893 I 1 : 103) wurde noch recensiert57). —
Auf dem Gebiete der lokalen Literaturgeschichte tragen wir zunächst
eine dankbare, von landsmannschaftlichem Gefühl getragene Besprechung nach, welche
Baechtolds hervorragendes Werk (JBL. 1893 I 1:110) erfuhr58). — Sodann sei ein
Vortrag Schroeders59) genannt, der die Mecklenburgische Litteratur behandelt und
sein Material wesentlich der im vorigen Jahrgang behandelten Untersuchung von
Lorenz (JBL. 1893 I 1 : 111) entnimmt. Der Vf. gesteht letzteres selber ein und
liefert so in seiner bis auf Lauremberg reichenden Darstellung zu Lorenz fleissig
gesammelten Daten die verknüpfende Ausführung.59*) — Eine Broschüre über deutsche
Dichtung im Elsass60) ist mir leider unzugänglich geblieben. —
Hier seien noch verschiedene Arbeiten angereiht, welche die Literatur-
geschichte in einzelnen Beziehungen unter bestimmten Gesichtsspunkten betrachten.
Ein anspruchsloser, sympathischer Aufsatz von Reusch61) handelt über den Aus-
druck der Vaterlandsliebe in der Litteratur. — Eine ganze Geschichte Deutschlands
in gesammelten Gedichten suchte Tetzner62) zu geben; im ganzen mit Glück und
Gelingen, wenn auch der Wunsch nach möglichst lückenlosem historischem Fortschritt
den Herausgeber dazu führte, manche poesielose Reflexionsdichtung um ihres historischen
Inhalts willen aufzunehmen. Einiges hat er auch selbst beigesteuert, um Lücken
litt, dans les diverses races humaines. (— Bibl. anthropol. N. 15.) Paris, Bataille ft Cie. VII, 575 S. — 49) H. Dietz,
Les litt, etrangeres. (Angleterre-Allemagne.) Paris, Cnlin & Co 622 S. — 50) Th. Lindner, Gesch. d. dtsch. Vollces. 2Bde.
St., Cotta. XII, 342 S.; X. 388 S. M. 10,00. IfVossZgB. N. 32.]| — 51) K. Lam precht, Dtsch. Gesch. Bd.4 u. 5, T. 1. B., Gaertner.
XV, 488 S.; XIII, 358 S. a M. 6,00. |[F. Mehring: NZ. 12', S. 443/8, 475-80; BllHSch. 41, S. 56 7.]; - 52) X Da™* Müller,
Gesch. d. dtsch. Volkes in kurzgefasster ühersichtl. Darstellung. 15. Aufl. Bes von Fr. Junge. Ausg. für d. Schulgebr.
B., Vahlen. XXXVI, 512 S. Mit 6 Kart. M. 6,00. — 53) X E- E- Melcher, Gesch. d. dtsch. Kaiser u. Könige v. Preussen
nebst Kurfürsten v. Brandenburg mit Beitrr. z. Gesch. d. Wenden u. alten Deutschen. B., Fontane & Co. VI, 373 S. M. 6,00.
(D. Titel ist irreführend; d. Buch giebt nur brandenburg. Gesch.) — 54) X Joh- Meyer, Bilder aus d. Gesch. d. dtsch.
Volkes. 1. Bd. Dlsch. Stammesgesch. Dtsch. Kaisergesch. Gera, Th. Hofmann. 606 S. M. 5,00. IfCOIRW. 22, S. 239-40.]|
— 55) X B- Gebhardt, Dtsch. Kaisersaal. Gesch. d. dtsch. Kaiser in Biogr. St., Union. X, 787 S. M. 15,00. |[Bär 20,
S. 338.]| — 56) S. Widmann, Gesch. d. dtsch. Volkes. Paderborn, Schöningh. XII, 908 S. M. 8,00. ||ZChrK. 7, S. 1589;
KZEÜ. 43, S. 5701: BLU. S. 187/8; StML. 46, S. 319; Kath. 2, S. 276 9.]| - 57) X G- Ellinger: DLZ. S. 334. — 58)
NZürcherZg. 1892, N. 275. — 59) Carl Schroeder, Mecklenburgs Anteil an d. dtsch. Nationallitt, bis z. Ende d. 17. Jh.
Schwerin i. M., Bärensprung. 40 S. M. 1,00. |[LCB1. S. 1810,2.]| (Vgl, III 1 : 208.) — 59 a) Uebersicht über d. Leistungen d. Deutschen
in Böhmen auf d. Gebiet d. Wissensch., Kunst u. Litt. Her. v. d. Ges. z. Förderung dtsch. Wissensch., Kunst u. Litt, in Böhmen
1891 u. 1892. Prag (J. G. Calve). 161, 169 S. ä M. 2,00. |[A. John: ÖLB1. 3, S. 102 ,3.]| — 60) O Ed. Halter, D. dtsch. Muse
im Elsass. E. Gespräch. Strassburg i. E., C F. Schmidt. 39 S. M. 0,50. — 61) G. A. Keusch, Heimat- U.Vaterlandsliebe
in Dichtermund u. Völkerleben: NB11EU. 22, S. 73-97. — 62) F. Tetzner, Dtsch. Gesch. in Liedern dtsch. Dichter. 2 Tle.
I 1 : 63-87 0. Harnack, Litteraturgeschichte.
auszufüllen, und dabei ein hübsches dichterisches Talent gezeigt. -— Ueber die Be-
deutung des deutschen Adels in der Literaturgeschichte schrieb Eckardt63), die
Eisenbahn in der Litteraturgeschichte verfolgte ein Anonymus64). —
Von gesammelten Aufsätzen und Essays zur Litteraturgeschichte sind
die Michael Bernays gewidmeten Studien (JBL. 1895 I 1:118) sehr viel besprochen und
ihrem Werte nach sehr ungleich befunden worden65). — Auch die neue Sammlung
von Wilhelm Scherers „Kleinen Schriften" (JBL. 1893 I 1: 117) wurde noch besprochen66);
ebenso die Essays von Weigand67) und de Vogüe68) (JBL. 1893 I 1:120, 126). —
Eine charakteristische Sammlung, von Lyon69) herausgegeben, erschien zu Rudolf
Hildebrands siebzigstem Geburtstage. Die Verbindung von literarhistorischem und
sprachwissenschaftlichem Forschen, besonders in der Ausnutzung feiner Beobachtung
der lebenden Sprache für die Erkenntnis poetischer, seelischer Wirkungen, das In-
teresse für den volkserziehenden Einfluss literarhistorischer und sprachforschender
Arbeit, diese Eigenschaften, welche Hildebrands persönliches Schaffen kennzeichnen,
suchen seine Schüler in ihren Beiträgen bald von dieser bald von jener Seite wieder-
zuspiegeln70"71). — Eine Sammlung französischer Essays über deutsche Litteratur
von Le Pevre-Deumier'2) blieb leider unzugänglich. —
Im Folgenden mögen einige Schriften zusammengestellt werden, welche die
praktische Seite des litter arischen Betriebs im allgemeinen,
den Schriftstellerberuf und das Verhalten des Publikums behandeln. Wohlverdienter
Massen hat Schönbachs73) hübsches Buch „lieber Lesen und Bildung" es zur
vierten Auflage gebracht, der gewiss noch andere folgen werden. Es ist ein Ver-
dienst, in einer überhasteten Zeit, die Kunst, ruhig zu lesen und .an einem Buche
Freude zu haben, die Menschen wieder zu lehren. Bei der Auswahl und Würdigung
der Litteratur finde ich allerdings, dass Seh. manchen modernen Schriftstellern einen
zu grossen Wert beilegt, und nicht verständlich ist mir, warum den fünf allgemein
betrachtenden Abschnitten nun ein sechster über „Henrik Ibsen" beigefügt ist, als
wäre in Ibsen, den ich wahrlich auch zu schätzen weiss, der Messias der Litteratur
erschienen. An sich ist dieses Kapitel übrigens durchaus massvoll gehalten und
wird für jeden, möge er persönlich zu Ibsen stehen wie er wolle, von grossem
Interesse sein. 74_75) — Ueber die Veröffentlichung von „Nachlass- und Vortragslitte-
ratur" äusserte sich L o rm76) sehr ungehalten; „Enqueten-Unfug" (vgl. Huret und seine
Nachfolger) wies Stoessel77) zurück. — Urteile über die Lage der Schriftsteller in
Deutschland lauteten meist sehr ungünstig, wobei die Schuld bald mehr in den all-
gemeinen Verhältnissen, bald mehr auf Seite der Schriftsteller selbst gefunden
wurde78-82). — Die Schriftstellerkongresse wurden von Hildebrand83) streng be-
urteilt. — Zwei Aufsätze beschäftigen sich mit der Verbreitung der Litteratur in
weiteren Volkskreisen8485). —
Unter den praktischen Hilfsmitteln zur Litteraturforschung dürfen billig
an erster Stelle diese Jahresberichte86) genannt werden, welche thatsächlich schon
überall als unentbehrlich anerkannt sind und in zahlreichen Besprechungen weit
überwiegend Lob und nur in einzelnen Punkten nicht Tadel, sondern freundschaftliche
Ratschläge empfangen durften. Einer der Herausgeber, S z am a t ö lski86a), be-
richtete über sie auf der 47. Versammlung deutscher Philologen. — Die „Jahresberichte
über die Erscheinungen auf dem Gebiete der deutschen Philologie"87) stehen ihnen er-
0= ÜB. N. 3278-83.) L., Reclam. 360, 360 S. M. 1,20. — 63) R. Eckardt, D. dtsch. Adel in d. dtsch. Litt. Biogr.-luit,
Essays. Eingel. v. 0. v. Uechtritz. B., Stargardt. 164 S. M. 4,00. (Ans DAdelsbl.l — 64) H. G., D. Eisenbahn in d.
Litt.- Gesch.: NWienerTBl. N. 48. — 65) X MLN. 9, S. 384; B. Seuffert: DLZ. S. 235,7 (ungünstig): W1DM. 75, S. 655;
0. Harnack: PrJbb. 75, S. 377,8; ÖLB1. 3, S. 77/8; DRs. 78, S. 477; F. Muncker: ZVLR. 7, S. 10l<;8; RCr. 37, S. 356/7. —
66) X GLB1. 3, S. 208,9.- 67) X 0. Harnack: PrJbb. 75, S. 379. - 68) X G- ▼• Suttner: ML. 63, S. 112/6 („Gesch. Zeit-
bilder"). — 69) 0. Lyon, Festschr. z. 70. Geburtst. Rud. Hildebrands in Aufsätzen z. dtsch. Sprache u. Litt, sowie z. dtsch.
Unterr. (= 3. Ergänzungsheft zu ZDU. Bd. 8.) L., Teuhner. IV, 364 S. M. 4,00. (Vgl. I 2:51.) — 70) X F- Sander,
Deo Patriae Litteris. Ges. Vortrr. n. Aufsätze. Breslau, Sperber. VII, 247 S. M. 3,00. |[Grenzb. 4, S. 591/2.] | - 71) X
A. Kluckhohn, Vortrr. u. Aufsätze, her. v. K. Th. Heigel u. A. Wrede. München, Oldenbourg. V, 509 S. Mil Bild. M. 6,50.
— 72) O J. Le Fevre-Deumier, Celebrites allemandes. Essais bibliogr. et litt. Paris, Firmin-Didot. 4°. 293 S. —
73) A. E. Schönbach, Ueber Lesen u. Bildung. Umschau u. Ratschläge. 4. Aufl. Graz, Leuschner & Lubensky. XIII, 257 S.
M. 2,80. |[Frau 1, S. 277; Ges. S. 836.J| — 74) X Max Meyer, Ueber Lesen u. Bildung: Zeitgeist N. 6. — 75) X J-
Bayer, D. dtsch. Dichtung u. d. dtsch. Haus. I— VIII: DDichtung. 15, S. 76/7, 97-101, 122/5, 148-51, 176/9, 201/3. - 76)
H. Lorm, Nachlass- u. Vortrags-Litt.: Geg 45, S. 86/8. — 77) A. Stoessel, Enqueten-Unfug: ib. S. 394/6. — 78) X 0.
v. Leixner, Randglossen z. dtsch. Schrifttum: Kai. aller Deutschen S. 198-2C0. — 79) X K- Krüger, D. litt. Carriere:
Kritik 1, S. 124/8. — 80) X °- ▼• Weddigen, Dtsch. Dichter Loos oder Staat u. Dichter. E. Betrachtung zu Nutz u.
Frommen Aller: IntematLB. N. 4/6. — 81) X A- Stoessel, Schulen u. Cliquen: Geg. 45, S. 69-71. — 82) X A. Reichen-
bach, Aus d. litt. Geschäftspraxis d Neuzeit: Zuschauer 1, S. 22,8. — 83) Mart. Hildebrand, Schriftsteller-Kongrosse:
ML. 03, S. 937/9. - 84) X M. G. Conrad, D. Volkslitt. u. die Weimarsche Schriften- Verbreitungs-Anst.: Ges. S. 987-1001.
— 85) X Wer ist Bchuld an d starken Verbreitung d. Schundlitt. ?: BerlTBl. N. 35. - 86) Jahresberichte für neuere dtsch. Litt.-
Gesch. Mit besond. Unterstützung v. Erich Schmidt her v. J Elias u. M. Osborn. 3. Bd. (Jahr 1892.) 2 Halbbde.
St., Göschen. 208 u. 395 S. M. 23,S0. |[ASNS. 92, S. 89-91; M. Koch: LCB1. S. 440*1; A. Wulckow: Zeitgeist N. 7;
R.M.Meyer: VossZg". N. 9;ZDU.8, S. 413/6; N&S. 69, S. 132/3; A. Sauer: DLZ. S. 12B4/6; id.: Euph. 1, S. 144,8; G. Wit-
kowski: LBIGRPh. 15, S. 223/6; ZDPh. 26, S. 400/5: Zuschauer 2, S. 281/2.]| — 86a) S. Szamatölski, Ueber d. JBL.
(= Verhundl. d. 42. Vers, dtsch. Philol. u. Schulmänner in Wien [L., Teubner. 4°. XVII, 626 S. M. 24,00J, S. 387-95.)
HP. Detter: ZDPh. 26, S. 400/5.] | — 87) JB. über d. Erscheinungen auf d. Gebiete d. german. Philol., her. v. d. Ges. für
W. Golther, Geschichte der deutschen Philologie. I 1 : ss-98 I 2 : 1-4
gänzend zur Seite, und auch Jastrows88) „Jahresberichte der Geschichtswissen-
schaft", welche für derartige Unternehmungen vorbildlich geworden sind, könnendem
Literarhistoriker manches bieten. — Als Hilfsmittel zur Kenntnis der neuesten Litte-
ratur ist Kürschners89) sechzehnter Jahrgang in unveränderter Zuverlässigkeit
erschienen, und ihm zur Seite steht der speciell katholische Litteraturkalender von
Keiter90) (im neunten Jahrgang). — Seinen festen Platz behauptete auch Büch-
manns Citatenschatz, in achtzehnter Auflage von Robert-tornow91) heraus-
gegeben. — Einige Citatensammluugen seien hier noch angeführt: Hoddicks92)
„Weltliche Texte", eine vorzügliche, ebenso reichhaltige wie verständnisvoll ausge-
wählte Sammlung; Perls93) „Hausschatz", gut gemeint, aber von sehr ungleich-
wertigem Inhalt; und, einem speciellen Thema gewidmet, „Glück" von Ewald94),
der nur Aussprüche zusammenstellt, in welchen die Worte „Glück" oder „glücklich",
wenn auch in sehr verschiedener Bedeutung, vorkommen. 95) — Die immer grössere
Schwierigkeit, des sich vervielfältigenden und zersplitternden literarhistorischen
Materials Herr zu werden, schlug Minor96) vor dadurch zu heben, dass man die
Litteraturarchive zu Centralanstalten für die notwendigen Hilfsarbeiten erhebe und so
dafür Sorge trage, den sich aufhäufenden Rohstoff sogleich für die wissenschaftliche
Behandlung nutzbar zn machen und in übersichtlicher Registrierung seines wesent-
lichen Inhalts dem Forscher vorzulegen. — Ueber die in Berlin gegründete Litteratur-
archiv-Gesellschaft wurde berichtet97). — Schliesslich haben wir des neuen Central-
Organs für neuere deutsche Litteraturgeschichte zu gedenken, des von Sauer98)
begründeten „Euphorion", der in gewissem Sinn an die Stelle von Seufferts Viertel-
jahrsschrift (JBL. 1893 I 1 : 174) getreten ist. Die neue Zeitschrift wurde überall so-
wohl in den wissenschaftlichen Blättern als in der übrigen Presse zustimmend be-
grüsst und hat in ihrem ersten Jahrgang sowohl an allgemeineren Aufsätzen als
auch an Specialarbeiten, ebenso an Kritiken wie an sonstigen bibliographischen Mit-
teilungen, einen reichen Inhalt dargeboten. —
1,2
Geschichte der deutschen Philologie.
Wolfgang Golther.
Vorläufer (Eberh. Tappe) N. 1. — Brüder Grimm: Allgemeines N. 3; Briefe N. 4; Wörterbuch K. 8; Denkmal
N. 11. — Luchmann N. 13. — Von der Hagen N. 17. — Gervinus N. 18. — Diez N. 19. — V. Hehn N. 36. — W. Strobel N. 37.
— Tittmann K. 38. — B. ten Brink N. 39. — H. Kurz N.40. — H. Hettner N. 41. — Rud. Hildebrand N. 42. — Kuno Fischer
N. 56. — D. Sanders N. 57. — G. Brandes N. 59. — Reinh. Bechstein N. 60. — F. Kern N. 62. — J. Klaiber N. 64. —
S. Szamatolski N. 65. —
Zu den Vorläufern der grossen deutschen Philologen gehört Eber-
hard Tappe, um dessen Gedächtnis Fränkel 1_2) sich verdient gemacht hat.
Tappe ist der Vf., einer deutsch-lateinisch-griechischen Sprichwörtersammlung, welche
1539 erschien. Bekannt ist weiter noch, dass er aus Lüne bei Lüneburg gebürtig
und 1525 in Wittenberg immatrikuliert war. Alles Uebrige ist aus der Art seines
Buches zu erschliessen. Tappe, der über ein ausgedehntes philologisches Wissen
verfügt, schliesst sich dem Johann Agricola an. Er hatte schon 1529 eine kleinere,
unvollkommene Sammlung ausgehen lassen und trug sich 1539 mit dem Gedanken
einer theoretischen Abhandlung im Anschluss an die grosse Sammlung. Dass Tappe
Schulmeister war, ist eine Vermutung F.s. —
Eine allgemeine Würdigung der Brüder Grimm brachte Franke3)
zu Jakobs Geburtstag (4. Jan.). Er hebt ihren Einfluss auf die Kindererziehung
dtsch Philol. in Berlin. 15. Jahrg. (1393). Dresden, Reissner. 417 S. M. 9,00. — 8g) JB. d. Geschichtswissensch., im Auftr.
d hist Ges zu Berlin, her. v. J. Jastrow. 15. Jahrg. (1892). B., Gaertner. XVII, 1066 S. M.30,00.-89) J. Kürschner,
Dtsch. Litt -Kai. auf d. J. 1894. 16. Jahrg. St., Göschen. 12». 1498 S. Mit 2 Bildn. M. 6,50. - 90) H. Keiter, Kathol.
Litt -Kai. 4. Jahrg. Regensburg, Selbstverl. IV, 286 S. Mit 8 Bildn. M. 2,70. — 91) G. Büchmann, Geflügelte Worte.
D. Citatenschatz d. dtsch. Volkes. Ges. u. erlänt. Nach des Vf. Tode fortges. v. W. Rober t-torno w. 18. Aufl. B.,
Haude & Spener. XIX, 699 S. Mit Bild. M. 6,00. - 92) F. Hoddick, Weltl. Texte. Aphorismen-Schatz d. Welt-Litt.
2 Aufl ebda XII 546 S. M. 5,00. — 93) A. Perls, Hausschatz guter Gedanken. B., Ullstein & Cie. VIII, 272 S. M.200 —
94)0 Ewald D Glück Aphorismen d. Weltlitt B., Voss. Buchh. VII, 256 S. M. 2,25. - 95) X W. Eichner, Aus Werk-
stätten d Geistes (JBL. 1893 I 1 : lc9). |[Zuschauer 1, S. 126/7; KonsMschr. S. 446 ]| — 96) J. Minor, Centralanstalten für d.
litteraturgesch. Hilfsarbeiten: Euph. 1, S. 17-26. - 97) D. Litt.- Arch -Ges. in Berlin: KBGV. 42, S. 81/2. - 98) Euphorion,
Zeitschr. für Litt.-Gesch. Her. v. A. Sauer. 1. Bd. Bamberg, Buchner. X, 863 S. M. 16,00. |[CBlBibl. 11, S. 511/2; TglRs.
N. 120; NorddAZg. N. 257; ZDÜ. 8, S. 8568; VossZg». N. 5.]| —
1) L. Fränkel, E. Tappe: ADB. 37, S. 390/4. — 2) id., E. Tappe, e. dtsch. Schulmeister u. Germanist älterer
(=11 : 69, S. 298-309.) — 3) C. Franke, Z. Würdigung der Brüder Grimm: LZgB. N. 1. — 4) R. Steig, Brief-
Zeit.
12:5-8 W. Golther, Geschichte der deutschen Philologie.
(durch die Märchen) und auf die Ausbildung- des Gemütes, auf Wissenschaft und
Kunst hervor. Zumal der letztere Gedanke, die unmittelbare Anregung-, welche die
Kunst aus den Werken der Grimms empfing, wäre gründlicher und sachkundiger
Erörterung wohl wert. F.s Bemerkungen sind teils zu äusserlich, teils falsch. —
Die Briefe J. Grimms an die Uebersetzerin und Sammlerin von Volks-
liedern, Therese von Jacob, vermählte Frau Robinson, die Steig4) bekanntmachte,
umfassen die J. 1825—44. Sie dienen zur Charakteristik der geistvollen Frau, welche
durch die Gewandtheit ihrer zu Angriff und Verteidigung stets gleichbereiten Dis-
kussion in Erstaunen setzt, sie enthalten manches schöne gemütstiefe Wort J. Grimms.
Die ersten Briefe betreffen die von Talvj übersetzten Volkslieder der Serben (1826).
J. Grimm macht an Thereses Uebertragung Ausstellungen. Er fordert mehr Nach-
ahmung der Slavismen: „Darf ich mir den Tadel erlauben, dass mir in dieser Rück-
sicht Ihre Uebersetzung etwas zu viel deutsch geworden ist". Er tadelt einige Wen-
dungen und missbilligt alle abstrakten Wörter, da das Volk nur sinnliche im Munde
führe. Ueberhaupt ist er gegen die überhand nehmenden Uebersetzungen, da „die
Zimmer unserer Litteratur ein wenig vollgestellt stehen, ich will nicht sagen, mit
lauter dem vortrefflichsten Gerät". Therese erwidert: „Ich kann nicht leugnen, dass
meine Meinung von einer guten Uebersetzung nicht mit der von Ew. Wohlgeboren
übereinstimmt. Sie finden die meinige zu deutsch, vermissen die Slavismen. Nach
meiner Ansicht aber ist das Ziel einer Uebersetzung, soviel als möglich auf den Hörer
oder Leser den nämlichen Eindruck hervorzubringen, den das Original macht. Ein-
fach, wahr musste daher der Ton dieser Lieder sein, alles falsche Pathos vermieden,
so wie alles was den Zuhörer nicht einen Augenblick vergessen lassen kann, dass
er sich in fremdem, unheimischem Gebiete bewegt". „Sie begreifen nicht, warum
viel und alles verdeutscht werden soll, nun wenn die Volkslieder unter das nicht zu
Verdeutschende gehören, warum denn sollen gerade die ihnen so nahe verwandten
Märchen etc. übersetzt werden?" Grimm hatte die irischen Elfenmärchen geschickt
und gewünscht, Therese möge der serbischen Märchensammlung Wuks den gleichen
Dienst wie seinen Volksliedern erweisen. Ueber die Slavismen sagt Therese an
einer anderen Stelle: „Sie werden mich vielleicht tadeln, dass ich die Deminutive
nicht häufig genug nachgeahmt; allein man braucht nur einmal mit Slaven verkehrt
zu haben, um zu fühlen, dass der slavische Deminutiv etwas ganz anderes ist als
unser deutscher, der doch immer etwas Tändelndes hat, während jener bloss
schmeichelt und eine zarte Gesinnung des Sprechenden' ausdrückt". Aus alledem
erhellt die selbständige und meist auch richtige Ueberzeugung Thereses, die sie
Grimms Forderungen gegenüber nicht aufgiebt. Sehr anerkennend äussert sich
J. Grimm zu Talvjs 1840 erschienenem Werk über die Volkslieder. Er bekennt,
aus der umfassenden Arbeit Belehrung geschöpft zu haben, und rühmt: „Sie haben
über deutsche Poesie und Volksart viel Treffendes wahrgenommen und ausgesprochen".
Grimms Heimatgefühl bricht schön hervor, wenn er der nach Amerika Scheidenden
schreibt: „Gottes Sonne leuchtet Ihnen dort wie hier, das Neue hat an sich seinen
Reiz, und Manches wird dort schöner oder besser sein als hier in Deutschland. Aber
das Heimweh gleicht darin der Erinnerung an die Vergangenheit der Jugend, dass
wir das in der Nähe und Gegenwart Farblose und Gleichgültige nun im Duft der
Ferne erblicken, und mit der Seele daran hängen. Ich habe mir nie gewünscht,
mein Vaterland auf immer zu verlassen, oft aber, den anderen Weltteil auf kurze Zeit
zu bereisen, wäre es nur, um die uns verdeckte Seite des Sternenhimmels zu sehen.
In Land und Meer mögen sich die Völker teilen; die Gaben des Himmels, sollte man
meinen, müssten allen Menschen gemein und anschaulich sein". — Ein Brief
J.Grimms an Reimer5) vom 31. Mai 1838 ist gleichgültigen Inhalts, ein anderer vom
15. April 1830, den Meissner6) veröffentlicht, dankt dem^ Amtsassessor W. Heine
in Hannover für Bemerkungen zu den Rechtsaltertümern. — Die Schrift von
St e ngel"), „Private und amtliche Beziehungen der Brüder Grimm zu Hessen", eine
Sammlung von Briefen und Aktenstücken in zwei Bänden, erschien in zweiter un-
veränderter Auflage. —
Ueber ein umfassendes, wünschenswertes Wörterbuch der deutschen
Sprache äusserte sich H. Grimm8) schon in der DLZ. 1893 (N. 45; JBL. 1893
I 8:100). Genauer bestimmte er den Plan eines „Thesaurus linguae germanicae",
indem er dessen Verhältnis zum Grimmschen Wörterbuch erörterte. Verlangt wird
eine ganz neue Arbeit, ein Lexikon der deutschen Sprache, wie sie im 18. und 19. Jh.
gesprochen, geschrieben und gedruckt wurde. Das Stoffgebiet des 18. Jh. ist in-
zwischen durch neue wissenschaftliche Ausgaben gewaltig vennehrt worden. Ins-
wechsel zwischen J. Grimm u. Therese v. Jacoh: PrJbb. 70, S. 346-66. — 5) St., E. Brief J. Grimms: ADA. 20, S. 206. —
6) K. Meissner, E. Brief J. Grimms: ib. S. 4067. — 7) E. Stengel, Private u. amtliche Beziehungen d. Brüder Grimm
zu Hessen. E. Samml. v. Briefen u. Aktenstücken. (Als Festschr. z. 100. Geburtst. W. Grimms, d. 24. Febr. 1886 zusammengest.
u. erläut.) 2. (Titel-)Ausg. 2 Bde. Marburg, N. G. Elwert. VIII, 420 S. mit 2 Faosim.; 443 S. M. 4,00. — 8) H.Grimm,
W. Golther, Geschichte der deutschen Philologie. I 2 : 9-15
besondere achtet man auf die Stilentwicklung unserer Klassiker. Fürs 19. Jh.
werden Moltkes Schriften, Bismarcks Briefe, Reden und Staatsschriften, die eigenen
Schriften der Brüder Grimm genannt. Als Vorarbeit fordert G. Wörterbücher für
einzelne sehr wichtige Autoren oder Gruppen von Autoren, z.B. Klopstock, Lessing,
Geliert, Winckelmann als Vertreter der Mitte des 18. Jh., weiter Goethe, Schiller,
Herder, Wieland als Hauptgruppe; dann die Romantiker von Bürger bis Heine, die
Historiker von Schlosser bis Treitschke usw. Die so entstehenden Wörterbücher
bildeten den Anfang einer einstweilen nicht zu beziffernden Reihe, welche, im Be-
ginne des 20. Jh. in einander gearbeitet, dann erst das grosse deutsche Wörterbuch
ausmachten. — Otto Hoffmann9) zeigt aus Herders Wortschatz, wie sehr das
Grimmsche Wörterbuch der Ergänzung bedarf. — Pauls10; geistvolle, anregende
Ausführungen legen die Grundsätze dar, nach denen ein neues Wörterbuch grossen
Stils ausgearbeitet werden müsste. Er hebt bisher völlig vernachlässigte Seiten der
Wortforschung hervor. Aus alledem geht hervor, dass der Wunsch nach einem er-
schöpfenden umfassenden deutschen Wörterbuch besteht. Schon werden die Wege
zum Ziel gewiesen. Bedauerlich ist nur, dass die gründlichste Vorarbeit, das Wörter-
buch der Brüder Grimm, noch nicht einmal fertig ist, und bereits viel mehr verlangt
wird. —
Ueber das in Hanau zu errichtende Denkmal der Brüder Grimm wurde
in einer Sitzung des grossen Ausschusses am 29. Okt. berichtet. Gegenstand der
Beratungen bildeten Einzelheiten der Ausführung und Termine der Fertigstellung11).
— Ein gehaltvoller Vortrag, den der verstorbene Gymnasiallehrer T h i m m 12) in
Tilsit im Nov. 1884 hielt, um bei seinen Mitbürgern Interesse für das Grimmdenkmal
zu erwecken, gelangte mit anderen Vorträgen und Aufsätzen nun auch zum Druck.
Th. schildert Leben und Wirken der Brüder schön und gemeinverständlich. —
Lachmann sehe Briefe veröffentlichte Weinhold 13), teilweise im Aus-
zug, mit erklärendem Vorbericht und mit Anmerkungen versehen. „Die Briefe an
Klenze reichen von 1820 bis 33; die inhaltreichsten sind die aus der Trennung der
Freunde, von Königsberg nach Berlin geschriebenen. Sie werfen auf die Jahre, die
Lachmann am Pregel verlebte, manches Licht und bieten ausser anderen Mitteilungen
Genaueres über die Versetzungsgeschichte Lachmanns nach Berlin." „Die Briefe
Lachmanns atmen die wärmste Freundschaft. Lachmann hatte ein tiefes Gefühl der
Liebe in der innersten Kammer seines Herzens, er konnte nach Freundschaft dürsten
und war in den jungen Jahren nicht frei von einer sentimentalen Stimmung, die man
nur nicht romantisch nennen darf. Er bedurfte damals der Hingabe an eine andere
Natur und fand im Anschluss an den kraftvollen Klenze dieses Bedürfnis befriedigt."
In Berlin wohnte Lachmann bei Klenze, zu dessen Familie er ebenso innige Be-
ziehungen gewann. Wir hören von Lachmanns Hochachtung für Schleiermacher, von
seinen Beziehungen zu den nächsten Verwandten. Seinen eigenenBruder Friedrich charak-
terisiert Lachmann mit den bezeichnenden Worten: „Mein Bruder Fritz giebt sich
wenig- mit anderen Leuten ab, ausser wenn er sie scharf recensiert, dazu ist er
kränklich und überall wenig erfreulich". Für die Königsberger Zeit bestätigen die
Briefe, was Martin Hertz in seinem Leben Lachmanns (S. 48/9) berichtet, „dass
dieser während der sechs Jahre seiner akademischen Thätigkeit am Pregel zu keinem
erfreulichem Verhältnis zu den Studenten und zu keiner grösseren Wirksamkeit als
Lehrer gelangte. Der Ruf eines tadelsüchtigen Kritikers, eines kalten Menschen war
wie ein Reif auf ihn gefallen. An seinen Vorlesungen hatte er keine rechte Freude,
teils weil er die Zuhörer stumpf und unwissend fand (er nennt seine Vorlesungen
einmal „die Qual mit den faulen Hunden"), teils weil er ihnen gleichgültige Dinge
wie Theorie und Kritik der schönen Wissenschaften lehren sollte. Nörgeleien der
vorgesetzten Behörde -über verspätete Habilitation, über Zahl und Richtung seiner
Vorlesungen, über die Zuhörerziffer verdrossen ihn". Als durch von der Hagens
Ernennung zum ordentlichen Professor der deutschen Sprache und Litteratur an der
Berliner Universität 1824 Lachmanns sichere Hoffnung auf Versetzung zunächst ver-
eitelt wurde, versank er in tiefen Unmut. Verachtete er von der Hagen schon aus
wissenschaftlicher Ueberzeugung, so kam nun noch persönlicher Neid dazu. W. fühlte
sich veranlasst, einige scharfe Bemerkungen über Personen besser zu unterdrücken.
Zum Beschluss folgen drei Briefe an Niebuhr, die zwei letzten beziehen sich auf den
Nibelungenaufsatz im Rheinischen Museum, und einer an Simrock, worin Wieland der
Schmied sehr gelobt wird. — Erdmann14) hebt aus Lachmanns Briefen an
Thesaurus linguae germanicae: PrJbb. 76, S. 239-48. — 9) 0. Hoffmann, Thesaurus linguae germanicae. Aus Herders
Wortschatz: ib. S. 248-58. — 10) H. Paul, TJeber d. Aufgaben d. wissensch. Lexikographie: SBAkMünchenPh. S. 53-81. —
11) Gebrüder Grimm-Denkmal in Hanau: Hessenland S. 299. — 12) R. Thimm, D. Brüder Grimm. (= Dtsch. Geistesleben.
2. Aufl. |B., Simion. 209 S. M. 4,00], S. 173-209.) (S. 1-27 enthalten e. schön geschriebenes Lebensbild Thimms, dessen
Persönlichkeit trefflich charakterisiert wird.) — 13) K. Weinhold, Mitteilungen über K. Lachmann: SBAkBerlin. 2, S. 651-87.
|[VossZg. N.334.]| (IVlc:75.) — 14)0. Erdmann: ZDPh. 26, S.267/8. — 15) J. Bruns, J. Vahlen u. F. Leo, Reden auf Lachmann;
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (1)2
I 2 ■. 16-37 W. Golther, Geschichte der deutschen Philologie.
Moritz Haupt (JBL. 1892 12:9; 189312:22) hervor, was daraus zur Charakteristik der
Lachmannschen Persönlichkeit dient. — Die Briefe und die Festreden auf Lach-
mann (JBL. 1893 I 2: 16) werden von Bruns15) und Schönbach16) angezeigt. —
In der Anzeige der Briefe von der Hagens (JBL. 1893 I 2 : 14) im ADA.17)
werden namentlich >die ungünstigen Seiten in den Vordergrund gerückt. Im ganzen
bestätigen auch diese Briefe das Urteil, das über von der Hagen längst feststeht. Zum
Inhalt werden ein paar Kleinigkeiten angemerkt. —
Die Selbstbiographie von Gervinus (JBL. 1893 I 2 : 25) fand mehrfache An-
erkennung18). —
Die Feier des 100. Geburtstages von Friedrich Diez brachte einige gehalt-
volle Reden hervorragender Romanisten und in Verbindung hiermit wertvolle neue
Mitteilungen über sein Leben. Diez verdankt seine erste Schulung der klassischen
Philologie, der Lehre Welckers. Die Romantik begeisterte ihn zur Erforschung der
romanischen Litteraturen, Goethe verwies ihn aufs Provenzalische. Diezens erste
Arbeiten behandeln die provenzalische Literaturgeschichte. Dann wird der Literar-
historiker zum Grammatiker, indem er nach dem Vorbilde J. Grimms die romanische
Sprachgeschichte begründet. Der Grammatik folgt das Wörterbuch. Endlich kehrt
er im hohen Alter wieder zur Litter aturgeschichte zurück. Foerster19-20) eröffnet
mit den Freundesbriefen einen Einblick in das tiefe, reiche Gemütsleben Diezens,
der ein gut Teil wahrhaft dichterischen Empfindens und dichterischer Gestaltungskraft
besass. Aus amtlichen Akten wird uns der Verlauf der äusseren Lebensstellung
mitgeteilt. — Behrens21) schildert namentlich die Beziehungen, welche Diez zur
Universität Giessen gewann. Auch von den Vorfahren des Gelehrten hören wir. —
Stengel22"23) veröffentlicht ungedruckte Sammlungen zur romanischen Grammatik
und Briefe an Bartsch. — Breymann24) steuert einiges zur Kenntniss von Diezens
Persönlichkeit, z. B. über seine Verlobung und über die Art seiner Vorlesungen bei.
— Aus den Briefen Welckers an Schwenk sammelt Neubürger25) die auf Diez be-
züglichen Stellen. — Den Briefwechsel zwischen Moritz Haupt und Diez druckt
A. Tobler26) ab. — Viele Tagesblätter und Zeitschriften 2>35) brachten Aufsätze und
Festberichte. Ueberall finden Diezens trefflicher Charakter und wissenschaftliche
Grösse volle und gerechte Würdigung. (Vgl. IV 1 c : 73/4.) —
Victor Hehns Schaffen will aus seiner Persönlichkeit heraus verstanden
werden. So umfassend auch seine wissenschaftlichen Leistungen waren, sie geben
doch nur einen geringen Teil dessen, was er der Welt zu sagen hatte. Entwürfe zu
den später ausgeführten und veröffentlichten Arbeiten, daneben zahlreiche, oft recht
umfassende Sammlungen, die nicht zur Vollendung reiften, eröffnen interessante Ein-
blicke in Hehns Entwicklung und vielseitige Thätigkeit. Schiemann36) schöpft
aus Hehns Nachlass; er bietet darum grösstenteils Neues und weiss sein wertvolles
Material zu einem lebensvollen Charakterbilde zu verarbeiten. Der äussere Lebens-
lauf wird nur kurz angedeutet; das Hauptgewicht fällt auf die Darstellung der
geistigen Entfaltung, auf die Entstehungsgeschichte der Hehnschen Entwürfe und
Arbeiten. Die einzelnen acht Abschnitte handeln über Hehns Vorfahren und Jugend,
seinen Aufenthalt in Deutschland, seine Reise nach Italien und Frankreich, die
Pernauer Lehrjahre, das Lehramt in Dorpat, die Verbannung nach Tula, das biblio-
thekarische Amt zu Petersburg, die letzten Lebensjahre zu Berlin. Im Anhang wird
ein merkwürdiger, der amtlichen Stellung Hehns entsprungener Aufsatz. „Ein Blick
auf die auswärtige Politik des Kaisers Nikolaus I." mitgeteilt, endlich ein paar Briefe
an Verwandte und Freunde. Schon frühzeitig heben Hehns tiefe und weit aus-
schauende Forschungen über Kultur und Sprache, über Völkerpsychologie und
Literaturgeschichte an, von denen seine berühmten Schriften gleichsam nur ver-
einzelte Bruchstücke sind, die ihre volle Würdigung erst aus der Kenntnis der
gesamten Thätigkeit des Vf. empfangen. Seine feinsinnige Beobachtungsgabe und
anschauliche, ja wahrhaft künstlerische Gestaltungskraft, sein ausgebreitetes und gründ-
liches Wissen, seine durchaus eigenartigen und selbständigen Gedanken leuchten
Lachmanns Briefe an Haupt: PrJbb. 77, S. 171/6. — 16) A. Schönbach, F. Leo, Rede z. Säkularfeier K. Lachmanns: ÖLB1. 3,
S. 653/5. — 17) St.: ADA. 20, S. 198,9. — 18) X A. Baldamus: NJbbPh. 150, S. 542/4; R. Friedrich: BLU. 8. 225,7;
N&S. 70, S. 134: Nation". U, S. 676; K. Obser: ZGORh. 9, S. 346/7. — 19) W. Foerster, F. Diez: AZg". N. 62. Festrede
an d. Univ. Bonn, 3. März. 13 S. (Sonderabdr. in d. NBonnerZg.) — 20) id., Freundesbriefe v. F. Diez. Progr. u. Einladung
z. Diezfeier am 3. März. Bonn, Georgi. 4°. 35 S. (Privatdr.) — 21) D. Behrens, F. Diez. Festrede, geh. an d. TIniv.
am 5. Mai. Progr. Giessen, v. Münchow. 4°. 41 S. M. 1,00. (Mit e. Portr. u. bisher nicht veröffentl. biograph. Material.) —
22) E. Stengel, F. Diez: BFDII. 10, S. 330-45. - 23) id., Diez-Reliquien. (= Ausg. u. Abhandl. aus d. Gebiete d. roman.
Philol. 91. Heft.) Marburg, Elwert. III, 43 S. M. 1,20. — 24) H. Breymann, F. Diez, Sein Leben u. Wirken. Festrede.
L., A. Deichert Nuchf. IX, 54 S. M. 0,90. — 25) K Neubarger, F. Diez: Didask. 4. März. — 26) A. Tobler, Brief-
wechsel zwischen M. Haupt u. F. Diez: SBAlcBerlin. S. 139-56. — 27) X <*• Paris, F. Diez: Journal des Debats 2. März. —
28) X K. Sachs, F. Diez: VossZg». 11. März. — 29) X E. Stengel, F. Diez: FZg. 15. März. — 30) X id., E. Diez:
WestöstlRs. 1. März. — 31) X B> Sohröder, F. Diez: HannovCour. 15. März. — 32) X °- Sohultz, F.Diez: NatZg. 15. März.
- 33) X R- Busch, F. Diez: DarmstädtZg. 15. März. — 34) X E. Diez: GiessenAnz. 18. März. — 35) X p. Diez: MLN.
S. 2513. — 36) Th. Schiomann, V. Hehn. E.Lebensbild. St., Cotta. VI, 343 S. Mit Bild. M. 5,00. - 37) W. Wiegand,
W. Golther, Geschichte der deutschen Philologie. 12:3«
auch aus den unfertigen Entwürfen hervor. Zur Ergänzung der Werke über Italien,
Kulturpflanzen und Haustiere, das Salz sind die Studien über die Skythen (S. 40 ff.),
die Sammlungen zur allgemeinen Kulturgeschichte Europas (S. 186 ff.), der Aufsatz
über das Feuer (S. 192 ff.j zu erwähnen. Schon die Briefe und Tagebuchblätter aus
der. Jugendzeit bekunden Hehns poetische Anlage, die seiner Wissenschaft sicherlich
' zu gute kam ; denn diese Anlage besteht keineswegs in ausschweifender Einbildungs-
kraft, vielmehr in der ausserordentlichen Fähigkeit zu schauen nicht bloss mit leib-
lichen, sondern auch mit geistigen Augen. Die Betrachtung von Land und Leuten
der Gegenwart weckt alsbald Hehns Forschertrieb, er verlangt geschichtlich zu ver-
stehen, was er vor sich sieht. Gerade diejenige Phantasie, welche die Forschung
fördert, indem sie das Einzelne wie das Ganze, das Ueberlieferte ebenso wie das zu
Erschliessende lebendig sich vorstellt, ohne aus oberflächlicher Betrachtung und
geringem Wissen Trugbilder vorzugaukeln, zeichnet Hehns Arbeiten aus, er besitzt
die glückliche Mischung künstlerischer und gelehrter Begabung, die zu gegenseitigem
Nutzen zusammen wirken. Wie plastisch ist die Stadt Pernau geschildert (S. 108 ff.),
mit derselben Anschaulichkeit, die wir an den Reisebildern bewundern. Die Eigenart
eines Volkes zu erfassen und in kurzen treffenden Sätzen zu charakterisieren,
dazu war Hehn ganz besonders befähigt. Den „mores Ruthenorum", die er nament-
lich in Tula hatte kennen lernen, folgen hier Auszüge aus den Tagebuchblättern de
moribus Francorum (S. 84 ff.) und de moribus Judaeorum (S. 208 ff.). Hehn fasst
die Judenfrage als Rassenfrage. Der Judengeist zerstört nach seiner Anschauung
die europäische Kultur, weil seine Vergangenheit eine andere ist. Der Jude kann,
so glaubt er feststellen zu können, nie in dem Volke, unter dem er lebt, aufgehen, er
wird ihm stets feindselig gegenüber stehen. Vernichtend wird u. a. Lassalle
charakterisiert: „Ueberall Lüg-e, Demagogentum bei Trüffeln und Sekt. Unzüchtiges
Abenteurerleben dessen, der den Heiland der Armen spielte." Hehns Ansichten über
den verderblichen Einflu ss der Juden auf das gesamte öffentliche Leben der Gegenwart
kennzeichnet der Satz: „Statt oü est la femme? frage ich in allen abnormen Fällen:
oü est le juif?u Hehns vornehme Art begeisterte und vertiefte sich endlich allein an
grossen urgewaltigen Charakteren, an Bismarck und Goethe. Damit verband sich
notwendig eine entschiedene Abneigung gegen den Liberalismus, den er als flach
und schädlich verdammte, zumal da er jüdischen Elementen freies Spiel gewähre.
„Der jetzige Liberalismus ist der legitime Sohn oder Enkel der Philanthropie des
18. Jh., ebenso leer und wohlklingend wie diese." „Parlamentarismus ist die
Herrschaft der Dummen und macht jede Staatskunst unmöglich." Je hoffnungsloser
die Zustände der Gegenwart erschienen, desto mehr versenkte sich Hehn in die
Gestalt Goethes. Die Biographie zeigt uns den Hintergrund, aus welchem die
„Gedanken über Goethe" an die Oeffentlichkeit traten. In Dorpat hielt Hehn von
1847 bis 51 Vorlesungen, darunter über gotische und deutsche Grammatik, über
deutsche Litteraturgeschichte, über Schiller und Goethe. Höchst dankenswert sind
die Mitteilungen über diese Thätigkeit (S. 118 ff.). Treffend werden Vilmar, Menzel
und Gervinus beurteilt; Hehns litterargeschichtliche Vorlesungen waren eigenartig
und selbständig, sie gründeten sich auf reiche Kenntnis, sorgfältige Erwägung und
feines ästhetisches Gefühl. Bald traten Schiller und Goethe in den Mittelpunkt
seiner Studien. In Schillers Dramen werden (S. 124 ff.) die verschiedenen Ent-
wicklungsstufen aufgezeigt. Die Faustvorlesung (S. 131 ff.), die aber nur im Ms.
vorbereitet, nicht mehr gehalten wurde, leitet Hehns Goetheforschung würdig ein.
In der Tulaer Verbannung gewann sie volle Vertiefung. Da entstand der Plan einer
Goethebiographie, worin die Geschichte des Goetheschen Stiles eine besonders ein-
gehende Berücksichtigung finden sollte. S. 154 ff. wird der Entwurf zur Goethe-
biographie mitgeteilt, der sich (S. 157 ff.) besonders auf die Sprache einlässt.
S. 204 ff. steht eine schöne Betrachtung über die Farbenlehre. Die Gedanken über
Goethe finden in diesen Mitteilungen wenigstens einigermassen Ergänzung. Hehns
Leben gestaltete sich im letzten Grunde zu einem Aufgehen in Goethe, für alles
stand ihm ein Goethesches Wort zur Seite. Dieses tiefe Verhältnis macht Hehns
Empfindungsweise zu einer im innersten Grunde echt deutschen, so wenig er äusser-
licher Deutschtümelei huldigte. Hieraus erwuchs sein Stilgefühl, das er in seinen
Schriften, aber auch in der Kritik anderer bethätigte. Umfangreiche Sammlungen
über das Deutsch der Gegenwart (S. 221 ff.) legen dafür Zeugnis ab. Mit Liebe und
Zorn trat Hehn dieser Aufgabe nahe, schonungslos richtete er seinen Zorn und den
Ausdruck seiner Missachtung gegen diejenigen, die ihm sein geliebtes Deutsch ver-
derben. Aus zwei Quellen leitete er die Verrottung der neueren deutschen Sprache
ab, aus dem Stil der „höheren Commisbildung" und aus dem „judaistischen, heini-
sierenden Stil". Was er damit meint, zeigt er an trefflich ausgewählten Beispielen.
Hehn tritt somit würdig unter die Vorkämpfer für den edlen, deutschen Stil und be-
währt hier am besten sein deutsches Wesen. Seltsam berührt nach allem, was wir
(1)2*
I 2 : 38-54 W. Golther, Geschichte der deutschen Philologie.
über Hehns geistige Entwicklung erfahren, die oberflächliche Verurteilung Schopen-
hauers (S. 184 und 220). Schopenhauers künstlerische Veranlagung, seine Stellung
zur Judenfrage und zur Verrottung der deutschen Sprache, sein echt deutsches
Denken, fernab jedem „Teutonismusu, seine Verehrung für Goethe, namentlich auch
für Goethes Naturwissenschaft sind doch mit Hehns Anschauungen aufs engste ver-
wandt, und trotzdem fehlt jegliches Verständnis von Seiten Hehns. Vermutlich verbaute
die Nachwirkung Hegels hier die Möglichkeit richtiger, unbefangener Erkenntnis. —
Nur kurz gedenkt die ABB. Walther Strobels37) (1792 — 1850), der sich
mit geschichtlichen und litterargeschichtlichen Forschungen um seine elsässische Heimat
verdient machte. —
Tittmann (1814—83) überrascht nach langer fruchtloser Bocententhätigkeit
in Göttingen, wo er seit 1846 habilitiert war, von 1867 ab, von Goedeke angeregt,
durch überreiche Produktivität. Roethe38) bemängelt die fehlende philologische
Schulung Tittmanns, die namentlich dem Erklärer und Herausgeber sehr schadet,
andererseits rühmt er seine Belesenheit, die besonders Quellen- und Motivunter-
suchungen in den inhaltreichen Einleitungen sehr förderte. —
Mit einer kurzen Uebersicht über Bernhard ten Brinks äusseren Lebens-
lauf verbindet Edw. Schröder39) eine feine Charakteristik seiner wissenschaftlichen und
Lehrthätigkeit. Ten Brinks umfassende, tiefe philologische Bildung wird gerühmt.
So gründlich er bei litterargeschichtlichen Arbeiten alle Faktoren erwog, so verlor
er sich doch nie in Einzelheiten, sondern behielt stets die höchsten Ziele im Auge.
Handwerksmässige Kärrnerarbeit verachtete er. „Hinter einem glänzenden Philologen-
harnisch schlug ein echtes Poetenherz." —
Ein warm empfundener Vortrag schildert Herrmann Kurz Leben und
Schaffen. Krau ss4ü) führt uns den Dichter vor, aber von ihm ist der Gelehrte nicht
zu trennen. Bei Kurz vereinigt sich wissenschaftliche Bildung und poetische Anlage
in glücklichster Weise. Darum vermochte er Tristan und Isolde zu erneuen, fein-
fühlige litterargeschichtliche Untersuchungen zu führen, das Mittelalter und die
schwäbische Heimatkunde in seinen Dichtungen aufleben zu lassen. —
Im Anschluss an eine Besprechung der neuesten, durch O. Harnack besorgten
Ausgabe von Hettners Literaturgeschichte giebt Friedrich41) einen kurzen
Lebensabriss Hettners und hebt die Bedeutung seines Werkes hervor. Zu rühmen
sind in Bezug auf die Form der künstlerisch durchgearbeitete Stil, die feine Gliede-
rung des Stoffes, in Bezug auf den Inhalt die Verbindung von Litteratur und Kunst,
in der Betrachtung die Bewertung Friedrichs IL und die Gegenüberstellung von Re-
naissance und Volkstümlichem. Hettner misst die deutsche Litteratur an der gleichzeitigen
auswärtigen, nicht wie Gervinus vom Gesichtspunkt der klassischen Glanzperiode. —
Am 13. März feierte Rudolf Hildebrand42"49) seinen 70. Geburtstag, am
28. Oktober erlag er seinem langjährigen schweren Leiden. Die treue Liebe seiner
Schüler und Freunde verschönte des verehrten Lehrers letztes Fest, tiefe und wahre
Trauer klagte um den Entschlafenen. Am 13. März ernannte der deutsche Sprach-
verein Hildebrand zum Ehrenmitglied, dieZDU. gab zu seinen Ehren einen besonderen
Band50) heraus, ausserdem erschien noch eine weitere Festschrift51), von Vertretern
der germanischen Altertumskunde veranstaltet. Die Bände legen im Schaffen der Schüler
beredtes Zeugnis ab für die weite und nachhaltige Wirkung der Lehre Hildebrands. —
Von den Nachrufen sei hier nur der ausführlichste, der Berlits52), hervorgehoben;
aber auch die kürzeren, so besonders die von Wünschmann53) und von der Leyen54)
bieten schätzbare Beiträge zu Hildebrands Charakteristik. Alle sind darin einig,
Hildebrands gemütvolle, poetische, tiefgründige, echt deutsche Sinnesart zu rühmen.
Mit dieser Persönlichkeit muss man rechnen, will man Hildebrand nach Gebühr
würdigen. Seine schriftstellerische Thätigkeit findet Ergänzung in seiner Lehrthätig-
keit, welche freilich nicht in gewohnten Geleisen verlief, aber offenbar ungemein
anregend wirkte. Als Gymnasiallehrer vereinigte er nach Haupts Vorbild klassische
und deutsche Philologie, die er überhaupt nicht gänzlich von einander losgelöst, viel-
mehr harmonisch mit einander ausgeglichen wünschte. Im deutschen Unterricht
wusste er die Denkmäler sehr lebendig zu erklären und dabei das Sprachgefühl zu
wecken. Seine Schüler bewahrten diesen Stunden dankbare Erinnerung. Ebenso
eigenartig gestalteten sich seine akademischen Vorträge, in denen er unendlich viel
A. W. Strobel: ADB. 37, S. 334. — 38) G. Roethe, F. J. Tittmann: ib. 38, S. 386 7. — 39) Edw. Schröder, B. ten Brink:
ib. 37, S. 785/8. — 40) B. Krause, H. Kurz. Vortr.: BBSW. S. 194-206. — 41) B. Friedrich, H. Hettner: BLU. S. 3a5/7.
— 42) X H- Unbescheid, Z. 70. Geburtst. R. Hildebrands: ZDU. 8, S. 478/9. (Gedicht.) — 43) X O. Lyon, Zu R. Hilde-
brands 70. Geburtst : ib. S. 153/4. (Gedicht.) — 44) X Z. 70. Geburtst. R. Hildebrands: TglRs». N. 37. — 45) X Schloener,
R. Hildebrand als Vorkämpfer dtsch. Bildung u Frz.: ib. N. 81. (Mit bes. Hervorhebung v. Hildebrands Lehrthätigkeit.) — 46) X
.1. Goebel, R. Hildebrand: MLN. 9, S. 171,5. — 47) X O. Lyon, R. Hildebrand (Nekrol.): ZDU. 8, S. 785/8. (Mit d. letzten
Artikel Hildebrands iür ZDU. „Wache stehn u.dgl.") — 48) X E- Hildebrand: VossZg. N. 507. — 49) X R- Hildebrand:
BerlTBl. N. 552. — 50) X Forschungen z. dtsch. Philol. Festgabe für R. Hildebrand z. 13. März 1894. L„ Veit & Co. HI,
324 S. M. 7,50. — 51) X (I 1 = 69.) — 52) G. Berlit, R. Hildebrand. E. Erinnerungsbild: N.lbbPh. 150, S. 544-80. — 53) X
M. Wünschmann, Nachruf auf R. Hildebrand: LeipzTBlu. 4. Nov. — 54) X F. v. d. Leyen, Z. Erinnerung an R. Hilde-
W. Golther, Geschichte der deutschen Philologie. I 2:55-66
gab, wenn auch in steter Abschweifung- vom eigentlichen Gegenstände. Er mag hierin
Konrad Hofmann ähnlich gewesen sein. Hildebrands schriftstellerische Thätigkeit
gehörte vorwiegend der Wortforschung und dem deutschen Unterricht. Staunenswerte
Belesenheit, unvergleichlich tiefer und feiner Sprachsinn, Fähigkeit, die Sprache im
Zusammenhange mit dem Leben des Volkes in Glauben, Sitte und Recht anzuschauen,
stellen Hildebrand in nächste Verwandtschaft zu J. Grimm. — Berlit55) hebt die
Bedeutung des Büchleins vom deutschen Sprachunterricht hervor und zeigt, wie
grosse Förderung die Lehrer für ihren Beruf daraus schöpften. In der Gedächtnis-
rede nannte Sievers den toten Amtsgenossen einen Praeceptor Germaniae. —
Kuno Fischer wird von einem Anonymus56) so charakterisiert: „Er ist
kein bahnbrechender Originaldenker, auch kein nüchterner Kritiker, aber eine ganz
bedeutende Persönlichkeit. Er besitzt seltene Formschönheit in der Wiedergabe und
Auslegung philosophischer Systeme; er vermag bis in die feinsten Gedanken-
windungen einem Denker oder Dichter zu folgen. Fischer zergliedert, um wieder
aufzubauen und zeigt seinen Hörern in den einzelnen Teilen das ganze Gesetz. Als
Literarhistoriker ist er sehr anregend und unterhaltend; er versteht sich trefflich
auf wirkungsvollen Vortrag der Dichtungen. Darum ist sein Hörsaal immer voll. Im
persönlichen Verkehr ist er gegen seine Schüler sehr freundlich, in der Prüfung
sehr streng, aber nicht pedantisch; er weiss Nichtwissen und augenblickliche Ver-
wirrung wohl zu unterscheiden. Auch hier rechnet er als wohlwollender Lehrer mit
der Individualität seiner Schüler." —
Der Bericht des britischen Museums über neu anzuschaffende Werke mit
hs. Einträgen nennt 2 Exemplare des Wörterbuches von Daniel Sanders57) mit
beinahe 40000 Vermehrungen und Verbesserungen von der Hand des Vf. Dabei
wird Sanders Fleiss und Gewissenhaftigkeit sehr gelobt und diese Arbeit für die
Lexikographie als sehr wertvoll bezeichnet. — Sanders Verdienste hebt auch ein
Aufsatz von Böhme58) hervor. —
In überschwenglichen Lobpreisungen der Verdienste Georg Brandes, die
im einzelnen aufgezählt werden, ergeht sich Clemen59). Brandes führte deutsche
Kunst und Philosophie im Norden ein und eröffnete der neu erwachenden skandi-
navischen Litteratur den Weg nach Deutschland. Brandes sei der Typus der wirk-
lichen schöpferischen Kritik, die nicht nur Vorurteile aus dem WTege räumt, sondern
auch als Gedankenerzeugerin wirkt. —
Der Nachruf auf Reinhold Bechstein von Glöde60) betont seine trefflichen
Eigenschaften im persönlichen Umgange mit den Schülern, worin er eine Hauptaufgabe
erblickte. So wurden die Studenten durch unmittelbare zwanglose Belehrung in die
Wissenschaft eingeführt, ein herzliches Verhältnis entstand zwischen Lehrer und
Schülern. Bechsteins Hauptgebiet war Mittelhochdeutsch. Im Unterricht legte er
grosses Gewicht auf die Altertümer, durch deren genaue Schilderung er die Lesung
der Gedichte zu beleben wusste. Auch Bibliographie wurde fleissig betrieben. G. ver-
zeichnet die wichtigsten der aus dem Seminar hervorgegangenen Dissertationen. —
In ähnlichem Sinne charakterisiert Kopp mann61) den Gelehrten. —
Der verstorbene Direktor des Köllnischen Gymnasiums zu Berlin Franz
Kern62-63) findet nach seiner literarhistorischen und pädagogischen Thätigkeit
Würdigung. Seine Goetheforschung erstreckt sich auf den Faust und auf die Lyrik. Er
betonte den wirklichen Faust, wie ihn Goethe geschaffen, im Gegensatz zu dem
idealisierenden Faustkult. Seine Schrift über Goethes Lyrik ebnet weiteren Kreisen
den Weg zum Verständnis. Gegen die Goetheforschung, die sich in Kleinigkeiten
verliert und allzu sehr Goethes Persönlichkeit in den Werken aufzuspüren trachtet,
verhielt sich Kern ablehnend. Die deutsche Grammatik behandelte er vom pädagogischen
Standpunkt. Er suchte durch deren logische, klare Gliederung den deutschen
Unterricht in den höheren Klassen zu heben und zu beleben. —
J. Klaiber, der württembergische Schulmann und Litterarhistoriker, wird von
Straub64) gerühmt als vaterländischer Redner, als sinniger Dolmetscher und
begeisterter Herold des Schönen der Poesie. —
Ueber S. Szamatölski bringt das Athenäum eine kurze Notiz.65) — Worte
warmer Anerkennung widmete dem allzu früh verstorbenen Mitbegründer der JBL.
Erich Schmidt66) in einem Nachrufe, der dem ersten Halbbande des dritten Bandes
(vgl. I 1 : 86) beigelegt wurde. —
brand: NatZg. N. 656. — 55) (S. o. V. 52.) — 56) Zu Kuno Fischers 70. Geburtst.: BerlTBl. N 370. — 57) Z. Wertschätzung
D. Sanders in England: BerlTBl. N. 568. — 58) O B- Böhme, D. Sanders: MADSprV. 5, S. 118-26. — 59) P. Clemen,
G. Brandes: ML. 63. S. 236-41. — 60) O. Glöde, Reinh. Bechstein (Nekrol.): ZDU. 8, S. 763 7. — 61> K. Koppmann,
K. Bechstein: KBIVNiederdSpr. 17. S. 73,4. - 62) X F- Rern (Nekrol.): VossZg. N. 585. — 63) X P- Wendland, F. Kern:
ib. N. 594. — 64) J. Straub, Bede bei d. Enthüllung d. Bütte J. Klaibers auf d. Fragfriedhof am 22. März: BBSW. S. 66 7.
— 65) S. Szamatölski: Ath. 2, S. 291. — 66) [Erich Schmidt], Nachruf auf S. Szamatölski: Beibl. zu JBL. 1892. —
I 3 : i-ii 0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen.
1,3
Schrift- und Buchwesen.
Oskar von Hase.
Die Inhaltsangabe s. am Schlüsse des Abschnitts.
Die wissenschaftliche Behandlung- des Schriftwesens der neueren deutschen
Litteratur ist gleich der gesamten Wissenschaft von der neueren Litteratur bei Grund-
legung und weiterem Aufbau auf Erfahrung und Arbeitsweise der verwandten älteren
Wissenschaften angewiesen. Die Paläographie muss deshalb, um deren Methode
auch für die neuere deutsche Literaturgeschichte fruchtbar zu machen, dauernd auf
weiter zurückliegende Gebiete verfolgt werden. Die von der Wiener Akademie durch
Veranstaltung des Corpus scriptorum ecclesiasticorum und die durch die Auetores
antiquissimi der Monumenta Germaniae gestellten grossen Aufgaben haben der
mittleren Zeit den Segen paläographischer Untersuchung derartig zugewandt, dass
Chatelain1) seine Paläographie der lateinischen Klassiker im Hinblick darauf unter-
nommen hat, dass Cicero und Vergil gegenüber Orosius und Marius Victor zu kurz
gekommen seien. Dem ersten Teil dieser im J. 1884 begonnenen Veröffentlichung mit
105 vortrefflichen Heliogravüren Dujardins ist jetzt die achte Lieferung gefolgt; das
Werk umfasst bis jetzt Plautus, Terenz, Varro, Catull, Cicero, Cäsar,- Sallust, Lucrez,
Vergil, Horaz, Ovid, Properz und Tibull. Die Absicht ist, 300 photographische Auf-
nahmen in dieser Weise zu veröffentlichen. — Thompson2) und Warner haben
das grosse Unternehmen der Paläographischen Gesellschaft in London, das nicht nur
zeitlich sich weitere Grenzen gesetzt hat, nunmehr abgeschlossen.3"4) — Ein beachtens-
wertes Beispiel, wie die Paläographie doch auch zur Erforschung einer bedeutenden
Persönlichkeit der jüngeren Vergangenheit nutzbar werden kann, bietet die Bach-
gesellschaft zu Leipzig, in deren Auftrag Kretzschmar5) Joh. Seb. Bachs Hs aus
allen Zeiten und aus allen Gebieten seiner Komposition, möglichst den bekanntesten
und bedeutendsten der jetzt in 43 Jahrgängen vorliegenden Werke entnommen, in
142 Lichtdrucktafeln wiedergiebt. Gerade bei einem Autor, dessen Werke bei Leb-
zeiten fast ausnahmslos nicht im Druck und zumeist auch nicht in Abschrift erschienen
sind, bietet die zeitlich geordnete Wiedergabe der Hss.-Proben Anhalt für den Wert
der Hs., ob hingeworfenes Konzept oder sauber ausgeführte Reinschrift, ferner Ein-
blick in Arbeitsmethode, in äussere Voraussetzungen der Entstehung und in die Ent-
wicklung der Hs. und giebt in Stichproben Gelegenheit, die Grundsätze der kritischen
Herausgeber nachzuprüfen. —
Zur Litteratur über die Kurzschrift ist anzumerken, dass von Schrey6) (im
Verein mit Johnen) der erste Jahrgang eines sehr verdienstvollen Zeitungsunter-
nehmens zu Ende geführt worden ist. Das Blatt, das den Titel früherer ähnlicher Zeit-
schriften aufgenommen hat, ist musterhaft redigiert und wird bei zu erhoffendem Be-
stände eine reiche Fundgrube für den künftigen Geschichtsschreiber der neueren
Stenographie abgeben. — Gleichfalls für Anhänger aller Schulen bestimmt ist eine
von Arendsscher Seite ausgehende, von Hirsch7) herausgegebene Broschürensamm-
lung, die in zwangloser Folge sowohl Fragen allgemein stenographischen Interesses
als einzelner Systeme behandelt; ferner Kronsbeins8) Zusammenstellung von Aus-
sprüchen bedeutender Parlamentarier über die Stenographie, die durch die beigedruckten
Namenszüge zugleich für Autographenliebhaber Wert bekommt. — In 2 Vorträgen
behandelt Fröhliger9) das geistvollste aber auch anfechtbarste Kapitel der Gabels-
bergerschen Schrift, die Lehre von den Wort- und Satzkürzungen. — Die beiden
hauptsächlichsten Sammlungen von Lesestoff in Gabelsbergerscher Schrift, die von
Marnet10) und Reuter11), sind in letzter Zeit zu stattlichem Umfang angewachsen.
1) E. Chatelain, Paleographie des classiques latins. Collect, de facsimiles. Livr. 8. Paris, Hachette. Fol.
15 Taf. u.. 4 S. Text. Fr.8,00. (Livr. 1-7: 1884-92.) - 2) O E. M. Thompson u. G. F. Warner, The paleographical society.
Facsimiles of ancient mss. etc.. 2. ser. part. 10. London, Clowes. Fol. 25 Taf. Sh. 12. — 3) O A. Giry, Manuel de diplo-
matique. Paris, Hachette. XVI, 544 S. Fr.20,00. |[H. Pirenne: RCr. 38, S . 282/5. ]| — 4) X *"• Leist, Katechismus d. Urkunden-
lehre (JBL. 1893 I 3:4). |[J. Lampel: ÖLB1. 3, S. 392/4; H.Löschhorn: MHL. 22. S. 136/7.]| — 5) J. S. Bach, Hs. in zeitlich
geordneten Nachhildungen. Her. v. H. Kretzschmar. (= J. S. Bachs Werke. 44. Jahrg.) L., Bachgesellschaft. Fol. XXII,
142 Bll. (Privatdr.) — 6) D. Schriftwart. Z. für Stenographie u. Schriftkunde. Ked. v. F. Schrey. 1. Jahrg. N. 1-12.
B., Schrey. 120 S. M. 2,00. — 7) Paul Hirsch, Stenograph. Zeit- u. Streitfragen. Unter Mitw. hervorrag. Knnstgenossen
für Anhänger aller Systeme her. Heft 1-5. B., Haufes Buchdr. u. Verl. 16, 18, 19, 14, 15 S. je M. 0,30. — 8) W. Kronsbein,
Parlament u. Stenogr. Aeusserungen d. bekanntesten Parlamentarier über d. Stenogr. Wiesbaden. Bechtold & Co. 12". 110 S.
M. 1,50. — 9) M. Fröhliger, Satzkürzung oder Wortkürzung? D. Entsteh, u. Entwickl. d. Gabelsbergerschen Satz-
kürznngslehre. (= Vortrr. u. Abhandl. z. Gabelsb. Sfenogr. N. 4.) Dresden, Eenter. 64 S. M. 1,00. — 10) W. Marnet,
Biichersamml. für Gabelsbergersche Stenographen. 29 Bde. Neustadt a. H., Marnet. VII, 44 S.; 47, 47, 47, 80, 64, 36, 29.29,
48, 61, 58, 66, 195, 183, 96, 44, 42, 87, 76, 28, 54, 48, 48, 64, 104, 16, 55, 44 S. M. 23,65. — 11) Beuters Bibl. für Gabeis-
O. v. Hase, Schrift- und Buchwesen. 13
12-20
— Von den Veröffentlichungen der neuerdings gut fortschreitenden Schule der ver-
einfachten Stenographie (System Schrey-Johnen-Socin) sind das eine gute Uehersicht
bietende Jahrbuch12) und die Schreysche13) Arbeit über den Nutzen der Kurz-
schrift für den Kaufmann zu erwähnen. — Für die Gesamtheit der litterarischen Er-
scheinungen wie für Statistik und Vereinswesen sei abermals auf die betreffenden
Abteilungen der beiden wichtigsten Stenographen-Kalender14"15) verwiesen; leider
verzeichnet das Gabelbergersche Jahrbuch in neuerer Zeit nicht mehr auch die aus-
ländischen Erscheinungen. Hoffentlich beschert ein kommendes Jahr den deutschen
Stenographen zwei Dinge, die sie längst erwarten: eine umfassende Geschichte der
Kurzschrift und eine wissenschaftliche internationale Bibliographie. Für beides sind
gute Vorarbeiten vorhanden; aber bei ihrer Benutzung wächst die Lust nach etwas
Erschöpfendem und Mustergiltigem, wie es bei der zunehmenden Bedeutung der be-
flügelten Schrift in unserer Zeit und der führenden Stellung, die Deutschland auf
diesem Gebiete behauptet, wohl berechtigt wäre. —
Die Verzeichnung der Handschriften im preussischen Staate schreitet rüstig
vorwärts. Das bahnbrechende Göttinger Verzeichnis16) ist mit dem dritten Bande
abgeschlossen, in dem Wilhelm Meyer der Unterstützung von K. Dziatzko und
R. Pi et seh mann gedenkt. Ueber die europäischen und orientalischen Hss., diese
von J. Flemming u. a. herausgegeben, sind gesonderte Register beigegeben. Der
Schlussband enthält wichtige Nachlässe von Gelehrten, beschrieben von Karl Meyer,
0. Günther u. a. Die eingehende Beschreibung neuerer Hss., deren Göttingen eine
Menge besitzt, widersprach dem hergebrachten Brauche. Gerade die neuere deutsche
Literaturgeschichte darf sich des Bruchs mit den alten Anschauungen freuen, zumal
der Herausgeber bekundet, dass jetzt schon dieses neue Vorgehen Anregungen und
Arbeiten geweckt hat.17) — Von den zuvor im Gange befindlichen Hss.-Verzeichnissen
der Kgl. Bibliothek in Berlin ist der 18. Band litterargeschichtlich wichtig, denn
Ahlwardt18) verzeichnet im 6. Bande der arabischen Hss. nächst den grammatischen,
lexikalischen, metrischen und rhythmischen Hss. (Buch 15/8) den Anfang des Faches
der Poesie, das Werkein metrischer Form und schöngeistige Litteratur, Unterhaltungs-
werke, in Prosa oder gemischt, umfasst. Den Anfang machen litterargeschichtliche
Werke, Dichter der Vorzeit und Sammlungen und Dichter seit der Zeit des Islam
nach den einzelnen Jhh. (Buch 19, N. 1/3). — Aus dem Kreise der rheinischen Biblio-
theken bietet Ke uff er slfl) wertvolles Hss.- Verzeichnis der Stadtbibliothek zu Trier,
von dem bisher die Hefte über die h. Schrift und die Kirchenväter als Quellen des
religiösen Lebens im Mittelalter erschienen waren, im dritten Hefte deren Ausbeutung
in Predigten des 10.— 16. Jh., darunter am stärksten vertreten das 15. Jh. ("89 Bände
ganz und 5 teilweise). Die Einleitung berichtet über Herkunft, Vf. und Schreiber,
weist auch besonders auf Laienpredigten, deutsche Uebersetzungen und Ver-
deutschungen hin, am meisten ist unter den Predigtmagazinen die Sammlung des
Soccus vertreten. — Von der badischen Hof- und Landesbibliothek in Karlsruhe
haben zwei frühere Angehörige, Lamey und Längin 20), zur Begrüssung des 6. all-
gemeinen deutschen Neuphilologentages dankenswerte Beschreibungen der romanischen
und deutschen Hss. dieser Anstalt veröffentlicht. Unter der bescheidenen Zahl der
von Lamey beschriebenen romanischen Hss. tritt das reich geschmückte Trostschreiben
an Louise von Savoyen nach der Gefangennahme ihres Sohnes Franz I. bei Pavia
hervor; von den 14 Bildern und 3 Wappen sind 4 Nachbildungen beigegeben. Längins
reiches Verzeichnis der deutschen Hss. reicht von der Karolingerzeit bis ins neue
Reich, der Hauptbestand kommt aus g-eistlichem Besitze oberrheinischer Klöster im
14. und 15. Jh. und ist nicht unwichtig für die Geschichte der deutschen Mystik.
Nächst der Beschreibung der Hss. aus dem Benediktinerkloster St. Georgen in
Villingen wird eine systematische Uebersicht über die Hss. gegeben, für das Mittel-
alter bis zum J. 1500 vollständig, für die spätere Zeit, abgesehen vom 16 Jh., mit Aus-
schluss der Fachschriften. Sprachgeschichtlich wertvoll ist die durchgeführte Be-
stimmung der Mundarten, unter den alemannischen sind viele oberelsässische, unter
den bayerischen dürften manche aus dem deutschen Böhmen zu luxemburgischer
Zeit stammen, bei den als alemannisch-schwäbisch bezeichneten liegt das Hauptgewicht
auf letzterer Mundart. Unter den 183 mittelalterlichen Hss. entstammen der älteren
bergersche Stenographen. Bd. 1-51. Dresden. W. Reuter. 12°. ä 3 bis 10 Bogen. a M. 0,40 bis M. 1,60. — 12) Jb. d. Schule
d. Vereinfachten Stenogr. 4. Jahrg. Bearb. v. F. Schrey. B.. Schrey. 118 S. M. 3,00. — 13) F. Schrey, Stenographie
u. Kaufmann, ebda. 8 S. M. 0,25. — 14) Dtsch. Stenographenlcal. her. v. W. Mertens. 4. Jahrg. L., Kllnkhardt. 16°. 175 S.
M. 1,25. — 15) Jb. d. Schule Gabelsbergers. Her. v. Kgl. stenogr. Inst, zu Dresden. 37. Jahrg. L., Zehl. 16°. XXIV,
116 S. M. 3,00. — 16) Verzeichnis d. Hss. im Preuss. Staate. I. Hannover 3. Göttingen 3. Univ.-Bibl., Nachlässe v. Gelehrten.
Oriental. Hss. Hss. im Besitz v. Instituten u. Behörden. Reg. zu Bd. 1-3. B., Bath. VIII, 551 S.; 244 S. M. 26,00. (Vgl.
JBL. 1893 I 3 : 29.) — 17) Tabnlae codicum manu scriptorum (JBL. 1893 I 3 : 35): ÖLB1. 3, S. 15,6. — 18) D. Hss.- Verzeichnisse
d. Kgl. Bibl. zu Berlin. 18. Bd. Verzeichnis d. Arab. Hss. v. W. Ahlwardt. 6. Bd. B., Asher <fc Co. 4°. VUI, 623 S.
M. 28,00. (Vgl. JBL. 1893 I 3 : 34.) — 19) M. Keuffer, Beschreib. Verzeichnis d. Hss. d. Stadtbibl. zu Trier. Heft 3:
Predigten. Trier, Lintz. XIV, 166 S. M. 3,00. IfStML. 46, S. 566.] | (Vgl. JBL. 1891 14:1.) — 20) D. Hss. d. Grossherz.
Bad. Hof- u. Landesbibl. in Karlsruhe. Beil. II. Romanische Hss. v. P. Lamey. Dtsch. Hss. v. Th. Längin. Karlsruhe,
I 3:21-29 0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen.
Zeit 30 Glossen, der mittleren u. a. 11 poetische Werke, die weltlichen darunter
sind: Albrechts von Scharffenberg jüngerer Titurel (Bayer. 1431), Boners Edelstein
und Frigedangk (Alem. 15. Jh.), der Stricker, Karl (Schwab. Schreiber 15. Jh.),
Thomasins von Zirclaria welscher Gast, Ulrikh der Busant usw., poetische Erzählungen
und Schwanke (15. Jh.). An prosaischen Schriften ist am reichsten (mit 114 N.)
Theologie und Erbauung vertreten. Unter den 100 Hss. der neueren Zeit tritt die
weltliche Poesie hervor. Karlsruhe, Lichtenthai, H. Peter, Reichenau, Ettenheim-
münster, Durlach, Rastatt, St. Blasien sind die Hauptherkunftsstätten des verzeichneten
Hss.-Besitzes. — Von den Hss. der Universitätsbibliothek in München berichtet den
Lesern der Allgemeinen Zeitung Rueppr echt21), mag dies das Vorspiel für eingehende
Verzeichnung der 2024 Nummern umfassenden Sammlung sein, die zahlreiche Stücke
allgemeinen und landesgeschichtlichen Interesses besitzt. — Ueber das Herstellungs-
wesen des mittelalterlichen Buches22) hat Paoli23), dessen handlichen Grundriss der
lateinischen Paläographie seiner Zeit E. Lohmeyer der deutschen Benutzung gewonnen
hat, eine anschauliche Schrift verfasst. — Dass neben dem das Fach beherrschenden
Gelehrten auch ein angesehener geschäftlicher Praktiker wie Quaritch24) seine Er-
fahrungen über Geschichte der Schrift und mittelalterliche. Bilderhss. einem vertrauten
Kreise mitteilt, kann nur freudig begrüsst werden. — Den schriftlichen Anweisungen
für die Illuministen in Hss. des Mittelalters sind in Frankreich Berg er und Durrieu25)
bei französischen und deutschen Bibeln, litterarischen, wissenschaftlichen, litur-
gischen u. a. Werken nachgegangen. Zur Bezahlungsweise werden Belege, gelegentlich
mit Empfangsbestätigung angeführt, hiernach werden Miniaturen und grösserer Zierrat
nach Stück und Tarif, minder wichtige Buchstaben und Verzierungen nach Dutzend
oder Hundert berechnet. — Als Quellen zur Geschichte der Miniaturmalerei, mit dem
ausgesprochenen Zwecke, dass nach solchem Plane nach und nach die wichtigeren
Miniaturen aller grösseren Bibliotheken behandelt werden möchten, hat B eissei26)
vatikanische Miniaturen herausgegeben. Aus dem reichen Schatze der vatikanischen
Bibliothek sind auf 30 Tafeln 43 Bilder in gutem Lichtdrucke der Fototipia Danesi
in Rom wiedergegeben, im Texte sind die Farbenwerte für die einzelnen Bilder an-
gemerkt. Bei den teueren Preisen farbiger Wiedergabe mag dieses Verfahren als
ein angemessener Behelf bei Lichtdruck weiterer Beachtung empfohlen sein. In fünf
Gruppen werden Miniaturen altklassischen Stils, abendländische vom 7.— 11. Jh.,
griechische des Mittelalters, abendländische des 11.— 14. Jh. und des 15. und 16. Jh.
geboten. Jeder Gruppe ist eine Uebersicht der vatikanischen Bilderhss. dieser Periode
beigegeben, insgesamt werden über 350 Bände herangezogen. Der Bilderschmuck
altklassischen Stils, vertreten auch die Virgilhss. (lat. 3867 und 3225), Terenz (lat. 3868),
die Schrift De agrimensoria (lat. 1564) und die griechische Josua-Rotel (graec. 431),
war durchweg schon früher veröffentlicht und entstammt späteren Nachbildungen.
Von Bilderhss. des 11. — 14. Jh. werden solche aus Süddeutschland, Italien und Frank-
reich wiedergegeben, von denen des 15. und 16. Jh. zumeist italienische edler Art, zum
Schlüsse eine flämische und eine Augsburger; Bücher deutschen Textes sind nicht ver-
treten. — Ohne Beigabe von Tafeln, aber wichtig durch die Nachweisung von Hss. in
Spanien, die sich durch ihre Bilder oder die Schönheit ihrer Ausführung auszeichnen,
ist eine Arbeit von Durrieu27) nach Aufzeichnungen auf der Kolumbusausstellung
in Madrid unter Heranziehung der Bibliotheca nacional und der Bibliothek des Escurial;
er berichtet ausführlich über französische, flämische, spanische, italienische, deutsche,
englisch-normannische Hss. — Wertvolle Bilderhss. des Hauses Savoyen aus dem
15. Jh. beschreibt und vervielfältigt Mugnier28), das Brevier der Herzogin Marie
von Mailand, wohl einheitlich von einem italienischen Franziskaner hergestellt, wird
auf der Stadtbibliothek von Chambery bewahrt, die Livres d'Heures der Herzöge
Ludwig und Amadeus IX. auf der Pariser Nationalbibliothek und teilweise in Cham-
bery. — Varnhagen29) handelt unter Beigabe guter Lichtdrucke über vier fran-
zösische Hss. des 15. und 16. Jh. — Für Gewinnung eines Ueberblickes wichtiger als
die an sich wertvolle Aufzeichnung und Beschreibung einzelner künstlerisch hervor-
Groos. 4°. IV, VI, 49 S.; XIII, 117, XX S. M. 4,00. |[A. Cartallieri: ZGORh. 9, S. 726/7.]| — 21) Chrn. Ruepprecht,
Mitteil, über d. Hss.-Samml. d. kgl. Univ.-Bibl. in Münohen: AZgB, n. 253/4. — 22) O X ch- Mendel et G. Brunei, Le
livre ä trayers les äges, mnnero unique, resumant l'hist. du livre depuis les origines de l'ecriture. Opinions sur le livre par
l'elite de gens de lettres. Paris, Mendel. 4°. 51 S. — 23) O C. Paoli, Programroa scolastico di Paleografla Latina e di
Diplomatica. II. Materie scrittorie e Hbrarie. Firenze, Samoni. 152 S. L. 3,20. — 24) B. Quaritch, Paloography. Notes
upon the hist. of writing and the medieval art of illurainating. London, Quaritch. Fol. 95 S. mit 22 Taf. (Privatdr.) —
25) S. Berger und P. Durrieu, Les notes pour Tenlumineur dans les mss. du MA. (= MSNAFr. 53, S. 1-30.) Paris,
Klinoksieok. 1893. 30 S. |[0. v. Gebhardt: ThLZ. N. 13.]| — 26) St. Beissel, Vatikan. Miniaturen. Mit 30 Taf. in
Lichtdr. Froiburg i. B„ Herder. 1893. Fol. VIII, 00 S. M. 20,00. ||W. Neumann: ÖLB1. 3, S. 240/2.]| — 27) P. Dur rieu,
Mss. d'Espagne remarquables principalement par leurs peintures et par la beaute de leur execution: BECh. 54, S. 251-326. —
28) F. Mugnier, Les mss. ä miniatures de la maison de Savoie. Le breviaire de Marie de Savoie Duchesse de Milan, les
heures des ducs Louis et Aniedee IX. Moutiers-Tarentaise, F. Ducloz. 123 S. mit 17 Taf. — 29) H. Varnhagen, Ueber d.
Miniaturen in vier franz. Hss. d. 15. u. 10. Jh. auf d. Bibl. in Erlangen, Mnihingen u. Berlin. (Zwei Horarien-Fleur de Vertus-
Petrarca.) Erlangen, Junge. 4°. 40 S. Mit 1 Abbild, u. 24 Lichtdr. M. 10,00. |[M. Hippe: LBIGRPh. 15, S. 18-20.] I —
0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen. I 3:30-36f
ragender Hss. ist das Unternehmen, in die Werkstatt der Hss.-Illustratoren selbst
einzudringen und die Hss.-Herstellung in die Zusammenhänge mit den voran-
gegangenen und gleichzeitigen Kunstströmungen zu setzen. Kautzsch30) hat, durch
Janitscheks grundlegende Forschungen zur deutschen Malerei angeregt und mit ihm
und Lamprechts Darstellungen der Geistesentwicklung in dessen deutscher Geschichte
sich vielfach berührend und auseinandersetzend, die deutsche Hss.-Illustration im
späteren Mittelalter eingehend behandelt. Diese Zeit ist von besonderer Wichtigkeit,
weil damals wesentliche Umgestaltungen vor sich gingen nach Inhalt, Ausdrucks-
weise und wirtschaftlichem Betriebe. Für die mittelalterliche Buchmalerei nimmt K.
die ausserkünstlerische Aufgabe in Anspruch, klar zu sagen, was dargestellt wird,
wobei die Nachahmung der Natur weder Zweck der Schöpfung noch unerlässliche
Vorbedingung für deren Wirkung war. Indem er an die kunstlosen Federzeichnungen
von der Peripherie des karolingischen Kulturkreises anknüpft, begründet er die
Umgestaltung der zeichnenden Kunst in der Mitte des 12. Jh. durch die neuen
Stoffe und das neue Seelenleben der deutschen Dichtung, das die Künstler, wenn
auch ihre Formensprache wieder eine schematische war, zur Wiedergabe von sprechen-
den Ausdrucksbewegungen anregt. Die Hss.-Illustration der ersten und der zweiten Hälfte
des 14. Jh. wird eingehend geschildert, sodann der etwa um 1410 wahrnehmbare,
1450 vollendete Umschwung dargelegt: zuvor Bildersprache und Symbol, nunmehr
bei dem guten Durchschnitte der Werke — von rohen Dilettantenarbeiten und Erzeug-
nissen zurückgebliebener Werkstätten abgesehen — Abbild und täuschender Schein.
Der Vf. lässt die Frage, ob der Ursprung dieser Naturschilderungen etwa in der
französisch-burgundischen Buchmalerei zu suchen sei, unbeantwortet, giebt statt dessen
einen nach Landschaften gegliederten Ueberblick über den weiteren Verlauf im 15. Jh.,
wobei neben anderen im bayerisch-österreichischen Sprachgebiete besonders die Hss.
Perchtold Furtmeyrs in Regensburg und in Schwaben Ulrich Richentals Chronikhss.
des Konstanzer Konzils näher erörtert werden. Unter den elsässischen Hss. der Zeit
werden die bekannten Erzeugnisse der Werkstatt Diebolt Laubers in Hagenau als
sämtlich auf einer zurückgebliebenen Stufe des 14. Jh. stehend bezeichnet. Die Her-
stellung der Bilderhss. des 15. Jh. in Werkstätten wird hauptsächlich im Hinblick
auf Lauber geschildert, zum Schlüsse die gegenseitige Beeinflussung von Feder-
zeichnung und Bilddruck erörtert. — Kautsch31) hat durch seine Darlegungen, die
eine Einleitung zu den inzwischen veröffentlichten gründlichen Untersuchungen über
die Werkstatt Laubers und die Bilderhss. von Richentals Konzilschronik bilden, den
Beruf zur Abfassung einer dringend erwünschten Geschichte der deutschen Hss.-
Illustration des Mittelalters erwiesen.32"34) — W. N. du Rieu35) nimmt den von
Hartwig36) angeregten Plan einer internationalen Gesellschaft zur Vervielfältigung
der wichtigsten Hss. der Welt von neuem auf. Gegen phototypographische Heraus-
gabe ist Bedenken auszusprechen; nicht der Hochdruck der Buchdruckpresse, der
Farbentöne in Punkte oder Striche aufzulösen verlangt, sondern nur der Flachdruck
unmittelbar von der Gelatinehaut, also der eigentliche Lichtdruck kann die Originalhs.
ersetzen. Auch muss, wenn einmal die photographische Aufnahme erfolgt, die Ver-
vielfältigung für das übersehbare Bedürfnis voll ausgenutzt werden, kurzsichtige Be-
schränkung auf einige wenige unveränderliche Photographien kann nicht genügen.
Die deutsche Litteraturforschung wird wider die Beschränkung auf griechische und
lateinische Codices Einspruch erheben und Berücksichtigung ihrer Bestrebungen
fordern müssen. —
Das Archivwesen3611) hat einen stattlichen Teil der älteren Hss. in Ver-
wahrung und Bearbeitung genommen. Ueber Benutzung und bedeutsame wissenschaft-
liche Verwertung der preussischen Staatsarchive berichtet amtlich der Reichsanzeiger.36b)
— Von der Thätigkeit der Städte für das Archivwesen legt nach Hansens, Keyssers
und Heimanns36c) Bericht die Stadt Köln ein glänzendes Zeugnis ab; Hansen 36d)
führt die Stadtarchive von Andernach, Duisburg und Linz a. Rh. vor, Korth36e) das
Gräfl. von Mirbachsche Archiv zu Harff, Schneidewirt36f) lässt sich zur Geschichte
30) Rud. Kautzsch, Einleit. Erörterungen zu e. Gesch. d. dtsch. Hss.-Illustr. im späteren MA. (= Stud. z. dtsch. Kunstgesch.
1. Bd., 3. Heft.) Strassburg i. E., Heitz. 87 S. M. 2,50. — 31) id., D. Hss. v. Ulrich Richentals Chronik d. Konstanzer Konzils:
ZGORh. 9, S. 443-96. — 32) X F- Grimm, D. Anordnung d. ersten grossen Heidelberger Liederhs.: NHJbb. 4, S. 53-90. —
33) X F. G. Hann, Ueber bemalte Urkk. im Arch. d. kärntnerischen GV. zu Klagenfurt: Carinthia 1. S. 65-71. — 34) O D.
Priebsch, German and dutch Mss. : NQ. 6, S. 307. — 35) W. N. duRieu, Phototypograph. Herausg. v. Hss.: CBIBibl. 11, S. 225 8.
— 36) 0. Hartwig, In Sachen d. Ges. z. phototypograph. Vervielfältig, v. Hss. An Herrn Oberbibliothekar W. N.
du Rieu in Leyden: ib. S. 319-20. — 36a) X J- A- Frhr. v. Helfert, Staatl. Archivwesen: ÖLB1. 3, S. 233/4.
— 36b) O X Amtl. Ber. über d. Thätigkeit d. preuss. Staatsarch. im J. 1894: Reichsanz. N. 25. — 360) [Jos. Hansen, Ad.
Keysser, F. C. Heimann], D. Arch. u. d. Bibl. d. Stadt Köln. Festschr. z. 23. Jahres- Versamml. d. bans. Geschichtsver.
zu Köln. Pfingsten 1894. Köln, Du Mont-Schauberg. 4". 30 S. Mit 4 Taf. M. 1.60. |[DLZ. S. 985(5; KB1WZ. 13, S. 102.]|
— 36 d) Jos. Hansen, D. Stadtarch. v. Andernach, Duisburg u. Linz. (Aus: AnnHVNiederrh. Heft 59.) Köln, Boisseree.
VU, 268 S. M. 5,00. — 366) O L. Korth, D. Gräfl. v. Mirbachsche Arch. zu Harff. II. 1431 — 1599. (= ebda. Heft 57, 2. Abt.)-
VII u. S. 337-482. M. 2,00. — 36f) F. Schneide wirt, Z. Gesch. d. Arch. d. ehemal. Reichsstifts Kempten: ArchivZ. 5, S. 109-26
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (1)^
I 3 : 36g-5i 0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen.
des Archivs im Reichstift Kempten vernehmen, Reu ss36«) über den Kolmarer Archivar
Mossmann. — Das Leben des Begründers des jetzigen k. k. Haus-, Hof- und Staats-
archivs in Wien, Th. Taulow, und die Ursachen, die 1749 zum Plane des Staatsarchivs
führten, werden von Kratochvil36h) geschildert.361) — Von Schweizer Archiven36*)
ist die Geschichte des Züricher Staatsarchivs von Schweizer361) als beachtenswert
zu erwähnen. — Baumgartens 1875 geschriebene Ausführungen in den PrJbb. über
Archive und Bibliotheken in Frankreich und Deutschland hat Marcks36m) mit Zu-
sätzen neu herausgegeben. — Dienen die Archive im allgemeinen der Geschichte, so
hat das neue Bannen eröffnende Vorgehen des Weimarer Goethe-Schiller-Archivs
in dem Litteratur-Archiv zu Berlin36™) eine Anwendung erfahren, die eine Ver-
allgemeinerung des Gedankens anstrebt. —
Wissenschaftliche Bearbeitung oder geschichtliche Behandlung im grossen
Massstabe hat für die Autographen lange Zeit keine Druckschrift von Bedeutung
hervorgebracht; wenn nicht ein grosser Sammler37) sein stilles Lebenswerk mit dem
Tod und einem grossen Auktionskataloge beschliesst, beschränkt sich die Be-
wegung auf das geschichtliche Zusammenfassen der anwachsenden Bestände unter
gewissen, gelegentlich auch litterarischen, Gesichtspunkten38"39). —
Die Graphologie wird von Preyer40) nach wie vor als Physiologie und
Psychologie des Schreibens wissenschaftlich zu begründen versucht, ohne dass hieraus
die Hss.-Wahrsager in selbständigen Schriften und zumal in den Zeitungen Ver-
tiefung gewonnen hätten41"43). — Nicht übel angebracht ist der Versuch Kleins44),
Völkertypen in Hss. vor Augen zu führen. Von Bedeutung ist die Feststellung des
Einflusses psychischer Leiden auf die Schrift, wie es in der Studie .von Scholz45)
geschieht. — Auf Grund der neueren Bestrebungen fordert Langenbruch46) zur
Steuer der „Schreibsachverständigen-Kalamität" Ersatz der in der konventionellen
Schreibform erfahrenen Kalligraphen, Schreiblehrer und Bureaubeamten durch Kenner
individueller Schriftformen, die Kenntnisse in wissenschaftlicher Psycho -Physiologie
der Hss. nachzuweisen vermögen.4") —
Das Buchwesen der neueren Zeit, das durch die Erfindung des Buch-
drucks neue Gestalt gewonnen hat, weist keine neue Schrift zur Geschichte der
Erfindung auf. Dziatzko48) berichtet, dass sein 1892 unternommener Versuch, in
den italienischen Bibliotheken neue Urkunden zur Druckergeschichte der Deutschen des
15. Jh. in Italien zu sammeln, und namentlich seine Hoffnung, im Geheimarchiv des
Vatikans Material zur Geschichte der Erfindung und ersten Verbreitung dieser Kunst
zu entdecken, sich nicht erfüllt hat. Die Sammlung päpstlicher Breven (Armar. N. 39
des Archivio Segreto d. S. Sede) weise zwischen Bd. 6 und 7 eine Lücke von
1447 — 56 auf, sei dann aber einseitig von Türkennot erfüllt. Dieser Misserfolg des
erfahrensten Forschers, der scheinbar stumme Bücher über die Geschichte der Erfindung
reden gemacht hat, darf nicht abschrecken. — Die früher veröffentlichten Unter-
suchungen Dziatzkos zur Erfindung der Buchdruckerkunst hat Delisle49) in einem
Aufsatze über die Gutenberg-Bibeln gewürdigt.50) —
Die ältere Buchdruckergeschichte weist auf eine vom Buche teilweise un-
abhängige Geschichte des Druckes zurück, die dann noch lange neben ihr herläuft.
Für ein wichtiges Gebiet der. Geschichte des Druckes vor Erfindung der Buchdrucker-
kunst hat Forrer51) ausserordentliches geleistet. Seine Geschichte der Zeugdrucke
vom 6. — 18. Jh. nach den Originalen seiner eigenen aus Gräbern, Reliquienhüllen,
Futterstoffen von Messgewändern und dergl. zusammengebrachten, einzig dastehenden
Sammlung bietet, abgesehen von ihrer Bedeutung für Technik und Ornamentik der
Webgewerbe, wertvolle Belege für die älteste Geschichte der Druckkunst und des
Bilderdruckes. Der Vf. giebtdie, auch für spätere Zeiten massgebenden, unterscheidenden
— 36g) O R. Reuss, Xav. Mossmann arohiviste de In Tille de Colmar: BMHMulhouse. 17.S.5-71. |[A. Chuquet: RCr.37,S.394 5.]|
— 36h) V. Kratochvil, Th. Taulow v. Rosenthal: ADB. 37, S. 465/7. — 361) O X V- Steiermark. Landesarch. zu Graz. Z.
25. J. seines Bestehens. Mit e. Grundriss. Graz, Moser. V, 35 S. M. 1,80. — 36k) O X Inventare Schweiz. Archive:
Beil. zu AnzSchwG. — 361) TP. Schweizer], Gesch. d. Züricher Staatsarch. (= Njbl. z. Besten d. Waisenhaus, in Zürich
v. e. Ges. her. 57. Stück.) Zürich, Fäsi & Beer. 4". 40 S. Mit 1 Taf. M. 2,40. |[L. v. Rockinger: ArchivZ. 5, S. 295/8;
v. W.: ZGORh. 9, S. 347/8.] | — 36m) (= IV lb : 3, S. 418-53.) — 36n) X H. Meisner, D. Litt.-Arch.-Ges. zu
Berlin für 1893: DLZ. S. 1368/9. — 37) D. Autographensamml. v. F. E. Brill in Leyden. (Darunter Brief Melanchthons): VossZg.
N. 218. — 38) X Kat. wertvoller Autographen, Musik-Mss. u. Kunstgegenstände aus verschiedenen berühmten Samml. B.,
Alb. Cohn. 38 S. — 39) X K. B., Autograph.- Auktion: DDichtung. 16, S. 151/2. — 40) W. Preyer, Hs. n. Charakter. Z.
Physiolog. u. Psycholog, d. Schreibens: DRs. 79, S 262-94. |[H. Göring: Sphinx 104, S.S11.JI — 41) X 0. Zix, Oeffentl.
Charaktere (.TBL. 1893 1 3 : 63). |[K VZg. N. 180; WIDM. 76, S. 252/3.]| - 42) X L- M e y e r : ÜL&M. 71, S. 22, 66, 90, 150, 346, 385, 426, 487, 305.
— 43) X Culpieux-Jamin, D. Graphologe Frau 1, S. 821. - 44) A. Klein, Völkertypen in Hss.: Quellwasser 18, S. 331/2.
— 45) Fr. Scholz, D. Hs. u. ihre charakterist. Merkmale. Brnunschweig, Rauert & Rocco Nachf. 30 S. Mit 19 Taf. M. 1,00. |[H.
Göring: Sphinx 104, S. 311.]| — 46) W. Langenbruch, Schreibsaohverständige: Zukunft 8, S. 85/6. — 47) X id.. Falsche Pro-
pheten (Graphologisches): SchorerFamilienbl. 15, S. 54/6. —48) K. Dziatzko, E. Reise durch d. grösseren Bibliotheken Italiens.
(= Samml. bibliothekswissensch. Arbeiten her. v. K. Diatzko. Bd. 6 [L.. Spirgatis. 128 S. M. 5,00], S. 96-128.) — 49) L.
Delisle, Les bibles de Gutenberg, d'apres les recherches de K. Diatzko. (Aus: JSav.) Paris (Irapr. nat.). 4». 14 S. —
50) X E. Korner, Daniellis Gutenberg-Statue : IllZg. 102, S. 653. — 51) R. Forrer, D. Zeugdrucke d. byzant, roman , got.
u. späteren Kunstepochen. Strasburg i. E., Selbstverl. 4°. 89 S. Mit 57 Taf. M. 75,00. |[W. L. Schreiber: CBIBibl. 11,
,0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen. 1 3 : 5i-do
Kennzeichen der bemalten, der durch Schablone gemusterten und der bedruckten
Gewebe an: für die bemalten Zeuge wässerig* verlaufende Ränder, willkürlich ge-
zogene Linien, ungleichmässig verteilte Farbenmengen, für die schablonierten plumpere
Umrisse und Fehlen von frei in der Farbe liegenden weissen Einzeichnungen, für
die bedruckten scharf abbrechende Ränder, gleichmässig starke und gut anschliessende
Linien, sowie gleichartig aufgetragene Farbe. Die Entwicklung greift weit zurück,
bis in das 6. Jh. Nach Darstellung der Zeugdrucktechnik und Musterung der
romanischen Periode, der gemusterten Drucke des 14. und des 15. Jh., behandelt der
Vf. die figürlich bedruckten gotischen Antependien und Tapeten und diesen entgegen-
stehend die gotischen Bild-Zeugdrucke, die auch der Schrift nicht entbehren. Aus
diesem nur einmal auf dem Zeuge wiederholten ßilddrucke, der nach F.s Annahme
zunächst als Vordruck zu Stickereien diente, leitet er die Herkunft des Bild- und
Kunstdrucks des 15. Jh. auf Papier, als eines Vorläufers der Buchdruckkunst, ab. Der
meisterhafte, auf Tafel 30 abgedruckte Zeugholzschnitt der fünf singenden Engel in
Vogelgestalt vor Anna mit der ein Spruchband haltenden Maria stellt sich jedem
Holzschnitt für Papierdruck ebenbürtig zur Seite. Weiter werden die Zeugdrucke
von den Bilddrucken des 16. Jh. bis zu den bedruckten historisch-satirischen Taschen-
tüchern der Revolutionszeit und des Empire verfolgt. F. ist selbst Urenkel eines
Zeichners, Modellstechers und Seidendruckers, der für Kaiser Alexander solche Tücher
druckte; wir Jüngeren haben im letzten französischen Kriege dergleichen volkstümliche
Litteratur auf baumwollenen Taschentüchern aufleben sehen. — Der Kartendruck, der
auch als Vorläufer der Buchdruckkunst gelten mag, wird von Charlotte Schreiber52),
von deren grossem Werke über Spielkarten verschiedener Zeiten und Länder der
früher erschienene erste Band England und Schottland, Holland und Belgien ge-
widmet war, auf Grund der eigenen grossen Sammlung für Frankreich und Deutsch-
land behandelt. Die abgebildeten deutschen Karten vom 15. — 18. Jh. verdienen Be-
achtung. In nicht eben übersichtlicher Folge werden die in Deutschland besonders
mannigfachen Spielkarten, zumeist aus Süddeutschland, gegeben, unter thunlichster
Angabe der Ursprungsorte und der Kartenmaler, doch ohne Register. Einig-e Spiele,
so die Männer- und Weiber- Vexierkarten bey Andreas Romisch zu Augsburg (Tafel 85,
auch 103/5, 129) weisen Verse auf, andere Theaterscenen, Citate aus Bühnen-
stücken, Charakterdarstellungen (Tafel 127/8, 131/4). Aus der Folge der Cottaschen
Karten-Almanache (1805 — 8, 1810 — 11) werden Karten aus den J. 1805—6 wieder-
gegeben, Gestalten aus der Jungfrau von Orleans u. a. , von dem für Cotta
thätigen Oslander in Tübingen auch selbständige Spiele aus der Zeit der Befreiungs-
kriege, vom Industrie-Comptoir „eine Erinnerung an die grosse Völkerschlacht
bei Leipzig." Obgleich frühzeitig bedeutende Meister auf diesem Gebiete Besonderes
geleistet haben (Taf. 94 — 102), so hat sich doch trotz einer Fülle neuer geistreicher Einfälle
auf keinem anderen Gebiete der Kunst eine derartige primitive Technik bis zur
Gegenwart erhalten. — Auf die ersten Wege, die die junge Buchdruckerkunst zu ihrer
Verbreitung eingeschlagen hat, wird Licht geworfen durch Schorbachs53) Nach-
weis, dass Günther und Johannes Zainer aus Reutlingen 1463 und 65 ihrer Haus-
frauen wegen Bürger von Strassburg geworden sind und mit den Malern gedient
haben; danach ist die Einführung des Buchdrucks, spätestens. 1468 und 69, in Augs-
burg und Ulm von Strassburg54) ausgegangen. — Ueber die Augsburger Drucker
des 15. Jh. hat Aldrich55) vom British Museum eine gute Uebersicht gegeben;
über die Speierer im 15.— -16. Jh. hat auf Grund bibliographischer Unterlagen Roth56)
berichtet. — Zur Geschichte der Buchdrucker in Lübeck liefert Lange57) aus
Dänemark einen Beitrag. — Nach den Akten des Leipziger Ratsarchivs und zahl-
reicher Drucke der Stadtbibliothek schildert Wust mann58) das nicht eben erfolg-
reiche Wirken des tüchtigen Buchdruckers und Verlegers der Reformationszeit Jakob
Thanner, dem u. a. Heinrich Stromer von Auerbach und namentlich Gregorius Breit-
kopf aus Conitz als wissenschaftliche Herausgeber zur Seite standen. — Keller59)
weist auf Grund der hinterlassenen Briefe und Schriften des Druckers Thomas von
Imbroich (oder von Truden) in Köln auf dessen Bedeutung als Wiedertäufer hin;
das „Bekenntniss von der Taufe", das der sterbensfreudige Ketzer den Kölner Inquisitoren
übergab, hat, nachdem der 25jährige Blutzeuge 1558 mit dem Schwerte gerichtet
worden war, unter den Taufgesinnten mächtig gewirkt. — Jacob60) berichtet über
S. 512/3.]| — 52) Playing Cards of various ages and countries. Sei. froni the collection of Lady Charlotte Schreiber.
Vol. II. French and German. London, J. Murray. 1893. Boy. 20 S. 154 Taf. Sh. 736. — 53) K. Schorbach, D. Buch-
drucker Günther u. Joh. Zainer in Strassburg. (= N. 48, S. 28/9.) — 54) O X eh. Schmidt, Z. Strassb. Buchdruckergesch.
(JBL. 1893 I 3:72, 177): ZGOEh. 9, S. 179-80. — 55) [S. J. Aldrich], The Augsburg printers of the fiftheenth Century:
BookWorm. S. 201/3. — 56) O F. W. E. Both, Gesch. u. Bibliogr. d. Buchdruckereien zu Speier im 15.-16. Jh.: MHVPfalz. IS,
S. 1-80. — 57) O H. 0. Lange, Z. Gesch. d. Buchdruckerkunst in Lübeck: NachrBuchh. 1, S. 425. (Nach TBogvenner. 1893.)
— 58) G. Wust mann, Jak. Thanner: ADB. 37, S. 6534). — 59) L. Keller, Thomas v. Imbroich: ib. 38, S. 73/4. —
60) F. Jacob, D. Torgauer Druckereien u Zeitungen: PAVTorgau. 7, S, 43 6. — 61) O Th. Schwarze, Joh. Eichhorn, erster
(1)3*
I 3 : 61-69 0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen.
die bescheidene Druckthätigkeit Torgaus von den ersten amtlichen Ausschreiben seit
1531 und der 1596 errichteten silbernen Offizin Herzog1 Friedrich Wilhelms von
Sachsen-Altenburg bis zur Gegenwart. Schwarze61) über die ersten Drucker in
Frankfurt a./O. — Heidemanns62) Aufsatz über Leonhard Thurneisser bezeichnet
die Begründung der Berliner Buchdruckerei als die beste seiner Schöpfungen, gilt
aber dem geistvollen Hauptvertreter des Paracelsus im 16. Jh. — Einen erfolgreichen
und allerseits nachahmenswerten Versuch, von einer deutschen Landschaft die ur-
kundliche Geschichte aller ihrer Drucker von der ältesten Zeit bis zur Gegenwart
zu gewinnen, macht Könn eck es63) „Hessisches Buchdruckerbuch", das in der ersten
Abteilung die bisher bekannt gewordenen hessischen Druckereien nachweist, in
der zweiten Abteilung aber die 1890 — 92 in Hessen wirkenden Drucker selbst ein-
führt. So hübsch der Gedanke ist, die Drucker mit eigenen Worten und Lettern
reden zu lassen, ist doch dieser Teil dürftig ausgefallen; dafür bietet der geschicht-
liche Hauptteil durchweg gründliche Auskunft über etwa 450 Druckereien an 44 Druck-
orten. Als wichtigster Druckort erscheint Marburg, für die früheste Druckzeit, auf
Dommers musterhafter bibliographischer Grundlage. Erst im gegenwärtigen Jh. hat
die Landeshauptstadt die Universitätsstadt an Druckerzahi übertroffen (Kassel ins-
gesamt 125, Marburg- 66); sonst kommen Fulda, Hanau, Hersfeld und Schmalkalden
m Betracht, auch der Rintelner Universitätsdrucker mag gedacht sein. Die Geschichte
des Buchdrucks, des Buchhandels und der Censur erfährt mannigfache Förderung
auf Grund urkundlicher Unterlagen. 96 Buchdruckerzeichen beleben das Bild, gleich
das erste von Wilhelm Wessel in Kassel überrascht durch die Riesenfaust, die durch
den Boden einer belebten Stadt — wohl Wesels am Rhein — bricht, um anmutig
drei Blumen über die Wolken der Sonne entgegen zu reichen. — Kade64) liefert
eine vierhundertjährige Buchdruckergeschichte von Freiberg (JBL. 1893 I 3 : 77/8),
freilich ist es zunächst bei dem einzelnen Gastdrucke von 1495 des vor der Pest aus
Leipzig geflohenen Kunz Kachelofen geblieben, und Wolfgang Mayerpeck, der seit
1551 in Zwickau druckte, konnte, als Kurfürst August zu Sachsen Druckereien bloss
noch in Leipzig, Wittenberg (1569) und Dresden (1571) dulden wollte, nur nach
lautem Wehgeschrei als ältester Buchdrucker in Sachsen, Meissen und Thüringen Duldung
am Platze erreichen. Ueber 300 Jahre hat seitdem Freiberg nur eine, meist durch Erben
und Heirat weitergegebene privilegierte Druckerei besessen, in deren Geschichte sich
die Entwicklung der alten Bergstadt treu wiederspiegelt. — Landsberger65) macht
von den Privilegien einer jüdischen Druckerei des 18. Jh. in Dyernfurth Mitteilung'. —
Der Buchdruckerkunst in der italienischen Renaissance widmet der Verleger Ongania66)
ein grosses Sammelwerk zum 50jährigen Jubiläum seiner Buchhandlung, ehemals
H. F. u. M. Münster in Venedig. Der Text zu diesen Veröffentlichungen, die im
wesentlichen den Bücherschmuck jener Zeit vor Augen stellen wollen, wird für das
ganze Unternehmen von Castellani, Konservator der St. Marcus-Bibliothek in Venedig,
geleistet werden. Bis jetzt liegt „Venedig" in zwei Bänden vor; als demnächst er-
scheinend werden „Rom," „Mailand" und „Palermo" angezeigt; jeder Stadt soll ein
Band von 96 Seiten mit Facsimiles, Schrift, Zierfiguren, Druckermarken, Wasser-
zeichen und Einbänden gewidmet sein. Der Venedig gewidmete Band giebt nach
dem Vorbericht O.s und dem sehr kurzen Text Castellanis ein voll gedrängtes Bild des
verschwenderischen Reichtums an kunstvollem Druckzierrat, der in dieser Zusammen-
stellung fast verwirrend wirkt. Von den Reproduktionen sind die der Einbände am
besten gelungen. — Redgrave67) veröffentlicht als erste der von der Bibliographical
Society angebahnten illustrierten Monographien eine willkommene Einzeldarstellung
der Thätigkeit des deutschen Druckers Erhard Ratdolt in Venedig (1476 — 86). Mag
dem schmucken Büchlein mit der Bibliographie von 67 Venediger Drucken, dem
10 Tafeln, darunter die herrliche Augsburger Schriftprobe von 1486, beigegeben sind,
bald eine Darstellung seines Wirkens in der deutschen Heimat folgen. — Steiff68)
stellt kurz fest, was von dem deutschen Drucker Thomas Septemcastrensis aus
Hermannstadt über sein Wirken 1472 in Mantua und 1481 in Modena bekannt ist. —
Eine Geschichte des Buchdrucks in Lyon, die man, da Montfaucons einst so
wichtige Schriften weit zurückliegen, für diesen frühesten Hauptplatz des Druck-
gewerbes in Frankreich dringend herbeiwünschen musste, ist zur Feier der Lyoner
Ausstellung erschienen. Der greise Stadtbibliothekar Vingtrinier69) hat darin
Buchdrucker in Frankfurt a. 0.: MVGBerlin. S. 57/8. — 62) J. Heide mann, Leonh. Thurneisser z. Thurn: ADB. 38, S. 226,9.
— 63.) G. Könnecke, Hess. Bnchdruckerbuch, enth. Nachweis aller bisher bekannt gewordenen Buchdruckereien d. jetzigen
Regierungsbez. Cassel u. d. Kreises Biedenkopf. Im Auftr. d. Marburger GV. bearb. u. her. v. dessen zeitigem Vorsitzenden.
Mit Abbild, v. 96 Buchdruckerzeichen. Marburg, Elwert. IV, 366, 174 S. n. Reg. XXIII S. M. 12,00. |[0. H.: CBIBibl. 11,
S. 565/6 (sehr anerkennend); Hessenland S. 99-100.] | — 64) R. Kade, Gesch. d. Freiberger Buchdrucks 1494—1894. Mit 19
typogr. Kunstbeil, aus alter Zeit. (= MFreibergAV. 30, S. 1-86.) Freiberg i. S., Gerlach. 85 S. Mit 19 Beil. M. 2,00. —
65) J. Landsberger, Z. Gesch. d. jüd. Buchdruckerei in Dyernfurth u. d. jüd. Buchhandels: MLWJ. 38, S. 187/9. — 66) F.
Ongania, L'arte della stampa nel rinascimento italiano. Venezia 2. T. Venedig, Ongania. 110, 119 S. L. 20,00. — 67) G.
R. Redgrave, Erh. Ratdolt and his work at Vonice. A paper read before the Bibliograph. Soc. 20. Nov. 1893. London,
Biograph. Soc. VI. 4". 50 8. 10 Taf. (Privutdr.) — 68) K. Steiff. Th. Septemcastrensis: ADB. 38, S. 86/7. — 69) A.
O. v. Hase, Schrift- und Buchwesen. I 3 : 8»-8ü
seine reichen Sammlungen über Lyoner Drucker dargeboten, er zeigt sich in den ein-
leitenden Ausführungen zu den verschiedenen Jhh. von frischer, ehrlicher Begeisterung
erfüllt; das Buch ist stattlich hergestellt und. mit Druckermarken, die Marie Pellechet
gelegentlich ihrer bedeutsamen Inkunabeln-Kataloge französischer Städte gesammelt
hat, erfreulich geschmückt, lässt aber seine hastige Zusammenstellung erkennen. Es
bleibt bei Mitteilungen über einzelne Drucker ohne genügende Quellenangabe; eine
einheitliche tiefergTÜndende Geschichte des Buchdrucks an diesem weiland buch-
händlerischen Mittelpunkte Frankreichs bleibt noch zu schreiben. — Eine gedrängte
Darstellung der Wirksamkeit Joh. Trechsels in Lyon, des Ahnherrn der grossen
Pariser Druckerfamilien, giebt Steiff70), der für dessen Herkunft gegenüber Rettig
auf Johannes Drechsel de Nurenberga in der Erfurter Matrikel 1454 hinweist; übrigens
stimmt auch die Namengebung für seine Söhne Melchior und Balthasar, deren Wirken
gleichfalls geschildert wird, mit Nürnberger Dreikönigsbrauche. — M. A. de la Bou-
raliere71) schliesst weitere Nachweise an seine vorjährigen Untersuchungen (JBL.
1893 I 3 : 86) über die Druckanfänge von Poitiers, neue Erstlingswiegendrucke, weitere
Mitteilungen über die ersten Drucker, sowie über die Drucker von Bouyer und Baucher,
über die Gebrüder von Marnef und drei bisher unbekannte Buchhändler. Das Schlusskapitel
setzt sich mit Claudin auseinander, ein Anhang bietet Schriftproben und Drucker-
marken. — Der stets erfolgreich spürende Claudin72-74a) hat auf eine Andeutung
Delisles hin den Buchhändler, Buchbinder und Krämer Barthelemy de la Gorge in
Grenoble (1516 — 22) ausgegraben, den hervorragenden Drucker Claude Garnier in
Limoges behandelt, zumal seine Drucke auswärts und für Auswärtige (1520 — 57),
und ist den Beziehungen der ersten Drucker von* Pau näher nachgegangen. —
Guibert74b) berichtet über die ersten Drucker von Limoges. — Auf gründlichem
Studium beruht Lhotes75) Geschichte der Buchdruckerkunst in Chalons-sur-
Marne (1488 — 1894), die Bibliographie ist nur soweit angeführt, als sie zu sachlichen
und persönlichen Feststellungen dient, die öffentlichen und privaten Urkunden sind
planmässig ausgenutzt und im Anhang, soweit sie allgemeines Interesse haben, mit-
geteilt, die den alten Werken entnommenen Schriftstücke gut gewählt; so erhält
man trotz der verhältnismässig geringen Bedeutung des Druckplatzes in diesem
durchweg wohlgepflegten Buche ein Werk, das für ähnliche Veröffentlichungen zum
Vorbild dienen kann. — Zur Druckgeschichte der französischen Hauptstadt hat
Coyecque76) eine Arbeit über Pariser Buchhändler unter Franz I. (1521 — 29) ver-
öffentlicht. Vom Enkel A. Renouards, dem man die Annalen der Estiennes verdankt,
Ph. Renouard77), wird eine Bibliographie der Ausgaben des Simon de Colines
(1520 — 46) geboten, der des Henricus I. Stephanus Nachfolger als Mann und Verleger
war. — Jadarts78-78*) Anfänge der Druckkunst in Rheims, die das 1. Jh., 1550 — 1650,
umfassen, sind als eine erfreuliche Erscheinung zu begrüssen; sie bieten in den bis-
her unveröffentlichten Urkunden vielfach über das Oertliche hinausgehendes Interesse.
J.hat diese Forschungen durch eine Darstellung der Kupferdrucks in derselben Stadt von
1618 bis zur Gegenwart ergänzt. — Steins79) Versuch, den protestantischen Druckereien
des 17. Jh. in Frankreich nachzugehen, ist dankbar aufzunehmen, seine ersten Unter-
suchungen führen nach Sedan.80) — Einen wertvollen Beitrag zur Druckgeschichte Genfs
leistet Gar ti er81) in seinen Genfer Ratsbeschlüssen in Sachen des Buchdrucks und Buch-
handels. Sind diese Veröffentlichungen nur auf das 5. Jahrzehnt des 16. Jh. beschränkt,
so geben sie doch mit der Fülle von Nachweisungen des Vf. ein treues lebendiges Bild
dieses seit der Reformation zu so eigenartiger Bedeutung gelangten Bücherplatzes in-
mitten der geistigen Bewegungen dreier Nationen. — Ueber zwei Buchdrucker in den
Niederlanden handelt Steift'.82-83) Die reiche Thätigkeit Richard Pafraets aus
Vingtrinier, Hist. de l'iroprimerie ä Lyon de l'origine jusqu'ä nos jours. Lyon, A. Storek. IV, 440 S. — 70) R. Steiff,
Joh., Melch. n. Kasp. Trechsel: ADB. 38, S. 5524. — 71) M. A. De la Bonraliere, Nouveaux docaments sur les debuts de
Timprimerie ä Poitiers. Paris, Paul, Huard et Gnillemin. 64 S. Mit 6 Taf. — 72) A. Clandin, B. de la George, libraire, relieur et
marchand mercier ä Grenoble (1516—22). (— Extr. du BBiblioph.) Cbateandun, J. Pigelet. 7 S. — 73) id., L'iraprimeur
Cl Garnier et ses peregrinations (1520—57). Notes pour servir a l'hist. de rimp. ä Limoges. (= ib.) Paris, Claudin. 29 S.
— 74) id., Les antecedents d'H. Poyvre et de J. de Vingles, premiers impr. de la ville de Pau. Note pour servir a l'hist.
de l'impr. en Bearn. (= Extr. de la RGasc:) Auch, G.Foix. 1893. 3 S. — 74a) id. , Les origines de l'impr. ä Saint- Lö,
en Normandie. (= Estr. du BBibl.) Paris, Claudin. 39 S. — 74b) L. Guibert, Les premiers impr. de Limoges. Limoge,
Ducourtieux. 44 S. — 75) A. Lhote, Hist. de l'impr. a Chalons-sur-Marne. Not. biogr. et bibliogr. sur les impr., libraires,
relieurs et lithographes (1488—1894). Avec marques typogr. et illustr. Chalons-sur-Marne, Martin Freres. 232 S. — 76) O E.
Coyecque, Cinq librairies parisiennes sous Francis I. (1521 — 29). (= Extr. des MSHParis.) Nogent-le-Rotrou (Imp. Daupeley,
Paris). 88 S. — 77) O Ph. Renouard, Bibliogr. des editions de S. de Coline (1520-46). Avec une not. biogr. et 37
reprod. en fac-simile. Paris, Paul, Huard et Gnillemin. VU, 520 S. Fr. 40. |[Le livre et l'image 1, S. 307 8]| — 78) H.
Jadart, Les debuts de l'impr. ä Rheims et les marques des premiers imprimeurs lc50— 1650. Rheims, L'Independant Remois.
118 S. — 78a) id., La chalcographie de la ville de Reims, 1618—1892. Paris, Plön, Nourrit & Cie. 39 S. — 79) H. Stein,
Recherches sur les imprimeries protest. Les ateliers typogr. de Fr. Chayer ä la Ferte-sous-Jouavre et ä Sedan: Le livre et
l'image 2, S. 154-62. — 80) O X c- Sommervogel, Introd. de l'impr. dans differentes villes au XVII. et au XVIII. siecle.
(= Extr. de la RBibl.) Paris, Bouillon. 16 S. — 81) A. Cartier, Arrets du Conseil de Geneve sur le fait de l'impr. et
de la librairie de 1541 ä 50. Recueillis et ann. (= Extr. des MDSHGeneve.) Geneve, Georg & Co. 206 S. Mit 3 Taf.
|[J. G(rand)-C(arteret): Le livre et l'image 3, S. 51/2.)]| — 82) K. Steiff, Rieh. Pafraet: ADB.37, S. 711,3. — 83) id.,
I 3 : 84-94 0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen.
Köln oder Paffrath nahebei, der um 1477 in Deventer den Buchdruck einführte, und
die Druckerfamilie seines Namens wird durch ein Jh. verfolgt; ebenso das lange
Wirken des Theodoricus von Borne zu Deventer, das beim derzeitigen Zustande der
Bibliographie des 16. Jh. nicht genügend verfolgt werden kann. Dirk Borne wie
Richard Pafraet haben sich durch Anfechtungen wegen wiedertäuferischer Schriften
erfolgreich durchgewunden. — Ueber das Museum Plantin-Moretus hat dessen ver-
dienter Direktor Rooses84) ein stattliches, mit Radierungen Kriegers geschmücktes
Werk veröffentlicht, das insbesondere die Baugeschichte dieser unvergleichlichen
Werkstätte (.1576—1876) unter Wiedergabe reicher Details behandelt. — Einem Auf-
satze über dieses, einer grossen Vergangenheit geweihte Museum nach de Vinne
schickt eine englische Druckerzeitung85' 86) in nicht unberechtigtem Stolze eine
Schilderung der ehrwürdigen Clarendon-Presse, insbesondere des technischen Be-
triebes der noch blühenden Universitätsdruckerei zu Oxford voraus. — Der englische
Quäker W. Bradford87) hat, von Philadelphia aus berufen, in New-York den Buch-
druck eingeführt; die 200jährige Feier der Einführung der Buchdrucks-, d. h. dort der
Zeitungspresse hat zu einer Darstellung seines Wirkens und des ersten Jh. der dortigen
Druckthätigkeit veranlasst. — Seidenstick er87a) hat das erste Jh. des deutschen
Druckes in Amerika (1728—1830) behandelt. — Haebler88) hat die deutschen
Buchdrucker, die bis 1500 in Spanien und Portugal thätig waren, eingehend
und umsichtig unter Benutzung der seit Volgers Forschungen veröffentlichten
spanischen Arbeiten über die heimischen Wiegendrucke behandelt. Danach
haben 26 Deutsche 280 Bücher in 19 Städten der pyrenäischen Halbinsel, davon
in 11 als die ersten gedruckt: nur in 9 minder bedeutenden Städten, sind lediglich
von Spaniern ein oder ein paar Drucke geliefert worden. Bezeichnend für die
Schwierigkeit des Durchdringens ist der Umstand, dass nur 43 Werke von ihnen in
neuer Auflage gedruckt werden konnten. — Steiff89) bespricht die deutsche Drucker-
gesellschaft in Sevilla zu Ende des 15. Jh., Thomas Glockner, Paul von Köln,
Johann Pegnizer von Nürnberg und Magnus Herbst. — Ueber die Anfänge süd-
slawischen Druckes vor 400 Jahren hat Jagic90) in seiner Schrift über den ersten
Cetinjer Kirchendruck nachgewiesen, dass zwar für Südslawen (Kroatien) schon
1483 mit glagolitischen Lettern ein Messbuch gedruckt worden ist, desgleichen 1491
in Krakau mit cyrillischen Typen, aber nur für Kleinrussen und Rumänen, dass aber
erst 1494 — 95 der Mönch Macarius von Montenegro in Cetinje für die Serben griechisch-
orientalischer Kirche Octoechos und Psalter gedruckt hat. '— Elze91) hat sachkundig
die Lebensschicksale des Reformators in Krain Primus Trüber geschildert, der zuerst
von Rothenburg a. T. aus die slowenische Schriftsprache begründete und zunächst
mit deutschen Lettern drucken Hess, im ganzen 25 slowenische Druckwerke, später
mit P. P. Vergerius und Freiherr Hans Ungnad zu Urach mit glagolitischen, cyrillischen
und lateinischen Lettern. — Ueber die selteneren Drucke selbst giebt Ahn92) aus-
giebige bibliographische Auskunft. — Dramatisch hat sich nach Kemkes93) Dar-
stellung der Versuch der Einführung des Buchdrucks in Konstantinopel gestaltet.
Auf Veranlassung des Patriarchen von Konstantinopel Cyrillus Lukaris hat im
Juni 1627 der griechische Mönch Nikodemus Metoxa eine Presse eingeführt samt
zwei Holländern, die sie aufstellen und ihren Gebrauch lehren sollten. Die Aufstellung
geschah unter dem Schutze des englischen Gesandten Roe, der, obgleich er dadurch
in seinen Hss.-Bestrebungen aufgehalten zu werden fürchtete, die Aufstellung beim
türkischen Vesier durchsetzte und Metoxa für seine Person eine Freistätte bot. Der
Groll der Franzosen und der Hass der Jesuiten vereinigten sich nun zu einer
Denunziation des Patriarchen, auf die hin more Turcheso der Vesier während eines
englischen Maskenspieles am Dreikönigstag mit 150 bewaffneten Janitscharen
MetoxasHaus überfiel und Presse, Bücher und Papier fortschleppte. Die Jesuiten büssten
darnach die falsche ^Anschuldigung mit Kerker und Verbannung, die Presse aber
stand still; die Bekenntnisschrift des Patriarchen erschien in Genf, London, Sedan
und deutsch in Berlin (1631). —
Für die Durchforschung der Wiegendrucke verlangt Dziatzko94) „Fest-
Theodoricus v. Borne (Dirk Borne): ib. S. 710/3. — 84) M. Kooses, Le musöe Plantin-Moretus ä Anvers. Kaux-fortes et dessins
par M. B. Krieger. Bruxelles, Lyon, Claesen. Fol. 16 S. Mit 8 Taf. — 85) The Plantin-Moretus niuseum of Antwerp : British
Printer 7, S. 143-52. — 86) The university press of Oxford: ib. S. 77-92. — 87) A Bl-Centennial celebration. Two hundredth
anniversary ofthe introd. of printing into New-York by William Bradford: American Bookmaker 16, S. 186-96. — 87a) O. Seiden-
st ick er, The ftrst Century of German printing in America 1728—1830. Preced. by a notice of the library work of F. D. Pastorius.
Philadelphia, Schaefer & Konradi. 254 S. Doli. 1,00. — 88) K. .Haebler, Dtsch. Buchdrucker in Spanien u. Portugal: CBIBibl. 11,
S. 529-64. — 89) K. Steiff, Thomas [Glockner, dtsch. Buchdrucker in Sevilla]: ADB. 38, S. 85/6. — 90) V. Jagic, D. erste Cetinjer
Kirchendruck vom .1. 1494. E. bibliogr.-lexik. Stud. 1. Hälfte. (= Denkschriften d.Kaiserl.Ak. d. Wissensch. 43. Bd.) Wien.Tempsky.
4°. 80 8. M.4,40. — 91) Th. F.lze, Primus Trüber: ADB. 38, S. 669-74. — 92) Frdr. Ahn, Bibliogr. Seltenheiten d. Truber-
litt. L., Uarrussowitz. 48.8. M. 1,50. — 93) J. Keule, Z. Gesch. d. Buchdrucks in Konstantinopel: CBIBibl. 11, 8.178-84. —
94) K. Dziatzko, D. Feststellung d. typograph. Praxis aller dtsch. Druckorte d. 15. Jh. (= N. 48, S. 1-20.) |[LCB1. S. 1544/5.]|
0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen. I 3 ■. 94-104
Stellung- der typographischen Praxis aller deutschen Druckorte des 15. Jh." Nachdem
er schon früher bei der Untersuchung von Drucken Gutenbergs ein Musterbeispiel
gegeben hatte, derartige Arbeiten fruchtbar zu gestalten, stellt er jetzt die Grund-
sätze für ein allgemeines Vorgehen auf. Jedermann wird diesen Grundsätzen zu-
stimmen, vorweg Burger (JBL. 1893 I 3 : 94), dem man dankbar sein muss, dass er
mit seinen Schriften-Satzbildern der deutschen und italienischen Inkunabeln und
seinem inzwischen vergriffenen Druckerregister zu Hains Repertorium bibliographicum
das Wiegendruckwesen von zwei Seiten kräftig angepackt hat, wenn er auch zunächst
mit der mehr ästhetischen Auffassung der Reichsdruckerei rechnen und sie nicht
beim ersten Ansturm zur Durchführung des offen gehaltenen Gesamtplanes verpflichten
konnte. Die besondere Veröffentlichung der Alphabete in dem von Steiff und D. an-
geregten Letternlexikon der Wiegendruckzeit wird ebenso willkommen sein, wie
Copingers Supplement zu Hain. Werden Tafelwerk und Alphabetenverzeichnis gleich-
sam als Atlas und Index zu dem darauf aufzubauenden Werke über die Geschichte
der Wiegendruckschrift dienen, so die Register- und Ergänzungsarbeiten zu Hain als
Unterlagen für die Gesamtbibliographie der Drucke dieses Zeitalters mit Nach-
weisung ihrer insbesondere deutschen Hauptfundorte. Jedenfalls bedarf es, wie D.
mit Recht ausführt, für das weitere Vorgehen „eines Zusammenwirkens aller oder
doch thunlichst vieler geeigneter Kräfte". Eine Guten berg-Gesellschaft nach des Vf.
Vorschlag wäre ein geeignetes Organ, wenn sie die vorhandenen Mitstreiter zu ge-
meinsamer Friedensarbeit aufruft, nicht aber befehdet95). — Das Ziel wissenschaftlicher
Inkunabelforschung', „die Gründung eines möglichst vollständigen Corpus aller Wiegen-
drucke", hat auch Voulliemes96) Verzeichnis der Inkunabeln der Universitäts-
Bibliothek zu Bonn für sein Teil im Auge gehabt. Man darf sich mit dem
Grundsatze, in einem derartigen Einzelverzeichnis nur diejenigen Werke genauer
zu beschreiben, die noch nicht von Hain oder Campbell aus eigener Anschauung
bibliographisch aufgenommen sind, trotz der hierdurch bedingten Buntscheckigkeit
so lange einverstanden erklären, als nicht eine gemeinsame Stelle für einheitliche Auf-
nahme aller Wiegendrucke geschaffen worden ist, der vorerwähnte Hain redivivus.
Wenn Bibliotheksverwaltungen sich dann nicht auf kurze Verzeichnisse mit ausführ-
lichen Registern zur Erhöhung der Brauchbarkeit beschränken wollen, so bleibt für
die Individualbeschreibung des Exemplars, für die Anstellung eingehenderer Unter-
suchungen zur Theorie und Praxis des ältesten Buchwesens, namentlich aber zu den
gebotenen litterargeschichtlichen Erörterungen willkommener Raum. Die übersichtlichen
Register des gegen 1200 Wiegendrucke umfassenden Bonner Kataloges über Drucker,
Druckorte und Druckjahre weisen über 270 Drucker nach, Venedig 9") allein ist mit
85 Druckwerkstätten vertreten, also mit mehr als die deutschen Hauptdruckorte
Augsburg, Basel, Köln, Leipzig, Mainz, Nürnberg und Strassburg zusammen, daneben
weisen die Drucke aus anderen italienischen Druckorten wie Bologna, Brescia, Mailand,
Rom, Treviso und Vicenza nur je 5 — 7 Werkstätten auf, auch die Pariser nur 9. —
Gallis98) Verzeichnis der Wiegendrucke der Gemeindebibliothek von Imola ist an
das der Hss. angeschlossen; das beigegebene Autorenverzeichnis bezieht sich nur auf
die Mss. — Nentwig99) hat in Ergänzung seines 1887 erschienenen Katalogs der
Stadtbibliothek zu Hildesheim, der sich auf die breiteren Volksschichten nutzbaren
Werke beschränkt hatte, die damals ausgeschlossenen, nicht eben bedeutenden Hss.
und 94 Wiegendrucke dieser Sammlung verzeichnet; das Register enthält neben den
Druckorten mit Druckern und Druckjahren auch die Vorbesitzer. — Die kleineren
Aufsätze zur typographischen Praxis aus Dziatzkos 10°) Kreise haben manches will-
kommene Ergebnis gezeitigt.101) — Auf Schorbachs 102) umsichtige Arbeit über
die Drucke der Lothariustype (mit der noch nicht erklärten Jahrzahl 1448) ist be-
sonders hinzuweisen. — K. Meyers103) Untersuchungen über die Druckausgaben
der Geschichte des Pfarrers von Kaienberg erweisen das Münchener Fragment (V.
1733—2013) in der Druckschrift der ersten illustrierten deutschen Bibel für Jod.
Pflanzmann in Augsburg als den ersten bekannten Druck dieses Buches. Seine Auf-
fassung, dass eine grosse Zahl von Ausgaben verloren sei, dürfte mehr den Ver-
hältnissen entsprechen als der Schluss Molsdorfs104), der das Fehlen einer von ihm
Sorg zug-eschriebenen und in die J. 1481—84 gesetzten deutschen Ausgaben von
— 95) X Ij- Delisle, Les bibles de Gutenberg d'apres les recherches de K. Dziatzko: JSav. S. 401/3. |f0. H.: CBIBibl. 11,
S. 515.]) — 96) E. Voul Herne, D. Inkunabeln d. Kgl. TJniv.-Bibl. zu Bonn. (= Beiheft z. CBIBibl. XIII.) L.. Harrassowitz.
VI, 262 S. M. 11,00. (Mit e. Vorw. v. C. Schaarschmidt.) — 97) O Incunables et editions aldines pröcieuses en vente
ä la librairie ancienne Leo S. Olschki, Venise. Venise, Leo S. Olschlci. 54 S. — 98> R- Galli, I manoscritti e gli incunaboü
della biblioteca comraunale d'Imola. Imola, Galeato e flglio. CXXIL 94 S. L. 3,50. (Wiegendrucke S. 1-94.) — 99) H.
Nentwig, D. MAüchen Hss. u. d. Wiegendrucke in d. Stadtbibl. zu Hildesheim: CBIBibl. 11, S. 345-67. — 100) X (— N- 48- )
|[LCB1. S. 1544/5.] | — 101) X P- Jorges, D. über horarum canonic. sec. nov. imp. eccl. Bamberg, rubricara v. J. Sensen-
schmidt u. H. Petzensteiner (Bamberg 14S4). (— N. 48, S 67-73.) — 102) K. Schorbach, Lotharius, über de miseria
humanae conditionis [m. d. J. 1448] u. d. mit gleicher Type hergestellten Drucke. (= N. 48, S. 30/9.) — 103) K. Meyer,
Ausgaben d. Gesch. d. Pfarrers v. Kaienberg. (= N. 48, S. 62/6.) — 104) W. Molsdorf, E. unbek. dtson. Druck d. Fasciculus
I 3 : 105-115U 0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen.
Rolevincks Fasciculus temporum (Bürdlin der Zijt), von der nur ein einseitiges in-
korrektes Blatt vorhanden ist, mit den Censuredikten von 1479 und 86 in Zusammen-
hang bringt. — Als ersten deutschen Druck nimmt Roth105) die von ihm in das J.
1466 gesetzte Druckschrift Ingang der hymel mit den Mainzer Lettern der 1468 er-
schienenen Grammatik in Anspruch. — Von Nachbildungen seltener Wiegendrucke
durch Lichtdruck ist Dietrich von Bern (Sigenot) zu nennen. Schorbach106), der
zugleich eine vollständige Bibliographie der 16 alten Ausgaben des Sigenot bietet,
giebt Heinrich Knoblechtzers Heidelberger Druck von 1490 nach dem Darmstädter
Exemplar, ergänzt durch das herangezogene Berliner, wieder. — Eine reiche Samm-
lung von lateinischen Bibeln107), unzweifelhaft die Copingers (JBL. 1893 I 3:106),
wird von der Londoner Antiquariatshandlung Sotheran & Co. ausgeboten. Das britische
Museum enthält 478, die Bodleiana 192, die Universitätsbibliothek von Cambridge 167
Ausgaben, die angebotene Sammlung 543 lateinische Bibeln. — Mit Freude ist die Aus-
gabe wertvoller, mit Abbildungen geschmückter Antiquarkataloge von Inkunabeln und
wertvollen Büchern in der Weise des von Albert Cohn10S) seitens deutscher Anti-
quare zu begrüssen. —
Von der Litteratur der Druckermarken wird im „Börsenblatt"109) eine
gute Uebersicht gegeben, die Signete einzelner Personen und Familien sind hierbei
nicht berücksichtigt worden. — Heitz110) lässt auf die italienische111) Sammlung
wieder eine deutsche folgen, die zeitlich da einsetzt, wo jene schliesst. Hauptbestand-
teil der Zürcher Büchermarken bilden 22 Froschowersche Zeichen, die das Wappen-
tier des Hauses unermüdlich und humorvoll verwenden. Ein Vorbericht handelt
kurz von den Züricher Druckern Hans Rügger, Hans von Wasen, den Froschauern,
ihrem Nachfolger Joh. Wolf, sodann von Hans Hager, Augustin Fries, Rudolf Weyssen-
bach und Andreas Gesner.— Van der Haeghen, Van den Berghe und Arnold112)
von der Genter Universitätsbibliothek veröffentlichen die belgisch-holländischen
Druckermarken. Der erste Band enthält abgesehen von einer einzigen aus Alkmaar
nur solche aus Amsterdam und Antwerpen, das allein die Hälfte der gesamten 891
Stück umfassenden Sammlung ausmacht; im zweiten Bande treten in der alphabeti-
schen Folge der Städte Brügge, Brüssel, Delft, Dordrecht, Douai, Gent, Haarlem,
Haag, Leyden, Lille, Löwen, Rotterdam und Utrecht hervor. Hoffentlich wird ein
Textband mit Untersuchungen in der Weise der Heitzschen Sammlungen das Unter-
nehmen ergänzen, das sich jetzt auf Abdruck mit Angabe des Druckers und des Jh.
beschränkt. — Als eine der Quellen der Büchermarkeri muss das mittelalterliche
Siegel gelten. Seyler113) handelt darüber unter Beigabe von Abbildungen zumal
auch der weltlichen Stände, doch hat die Darstellung der Entwicklung der Sphragistik
als Wissenschaft leider in dem Prokrustesbette der illustrierten Bibliothek der Kunst-
und Kulturgeschichte keinen Platz gefunden. —
Wichtiger als die Beigabe der Druckerzeichen ist der sonstige bildliche und
ornamentale Bücher schmuck. Der Originalabdruck von Strassburger Form-
schneiderarbeitendes 16. und 17. Jh. wird deshalb von Heitz114) fortgesetzt. Diese
neue Folge des 1892 in 2. Auflage erschienenen Unternehmens zieht weitere alte
Druckereien herbei, die aus Bibel und erbaulichen Büchlein, Chronik und Kalender,
Sallusts Bundtschuch und dem Narrenspiegel, aus Abenteuern und Legenden, nament-
lich aber aus einem Dutzend Volksbücher thunlichst unter Nachweis der Herkunft alte
Holzstücke spenden. — Daneben beginnt Heitz115) Initialschmuck elsässischer Drucke
des 15. und 16. Jh. zu veröffentlichen. Den Anfang machen Thomas Anshelms
Hagenauer Zierbuchstaben mit Ausschluss der griechischen Schmuckinitialen, auf
20 Tafeln vier Missal-Alphabete Regensburger Schule und zwei Kinderalphabete, das
grössere von H. Koberger für den Plinius geliefert. Kunstgeschichtliche und technische
Nachweise machen das WTerk wertvoll. (Vgl. I 9.) — Der Herzog von Rivoli,15a) liefert
temporäre (Bürdlin der Zijt) v. Anton Sorg. (= N. 48, S. 21/7.) — 105) F. W. E. Roth, Z. Litt, dtsch. Drucke d. 15.-16. Jh.
E. Nachtr. zu d. Rep. v. Hain u. Weller: ZDPh. 26, S. 467-80. — 106) K. Schorbach, Seltene Drucke in Nachbildungen.
Mit einl. Text. II. Dietrich v. Bern. (Sigenot) Heidelberg 1490. Mit vollst. Bibliogr. L., Spirgatis. 4°. 16,43 S. Mit 1 Taf.
M. 15,00. |[L. Fr.: LOB!. S. 1462,3.] | — 107) E. T., Priyatsaranil. lat. Bibeln: CBIBibl. 11, S. 89. (London, Sotheran & Co.)
— 108) 205 Kat. v. Alb. Cohn. Seltene u. kostbare Bücher, grösstenteils aus d. XV. u. XVI. Jh. B., Alb. Cohn. 72 S.
M. 1,00. — 109) Rr., D. Litt. d. Signete: BörsenblDBuchh. S. 674. — HO) P. Heitz, D. Zürcher Büchermarken bis z. Anf.
des 17. Jh. E. bibliogr. u. bildl. Nachtr. zu C. Rudolphis u. S. Vögelins Arbeiten über Zürcher Dr uckwerke. Her. durch d.
Stiftung v. Schnyder v. Wartensee. Zürich, Fäsi & Beer. Fol. 48 S. Mit 39 Abbild. M. 7,00. — 111) X °- v- Hase, P.
Kristeller, D. ital. Buchdrucker- u. Verlegerzeichen (JBL. 1893 I 3: 114): LCB1. N. 447/9. — 112) [F. Van der Haeghen,
R. Vanden Berghe u. Th. J. I. Arnold], Marques typogr. das impritneurs et libraires qui ont exerce dans les Pays-Bas,
et marques typogr. des imprimenrs et libraires beides ötablis ä l'etranger Tinio I. u. II. (== Extr. de la Bibliotheca belgica.) Gand,
Vyt. 16". 891 Marques typogr. Fr. 20,00. — 113) A. Seyler, Gesch. d.Siegel. ( = Bibl.d. Kunst- u. Kulturgesch. N. 3.) L., Fliesenhahn.
III, 383 S. M. 5,00. — 114) P. Heitz, Originalabdr. v. Formschneider-Arbeiten d. XVI. u. XVII. Jh. N. F. Taf. LX XXIV— CXX1X.
Strassburg i. E., Heitz. Fol. XI S. Mit 46 Taf. M. 10,00. |[0. v. Hase: LCB1. S. 1262/3.]| — 115) id., D. Zierinitialen in d.
Drucken d. Thomas Anshelm (Hagenau 1516 — 23). E. Beitr. z. Gesch. d. Holzschnitts. (== D. Initialschmuck in d. elsäss. Drucken
d. XV.u.XVl. Jh. 1. Reihe.) ebda. 4". 20S. Mit 20 Taf. M.6,00. |[0. v. Hase: LCB1. g. 1303]| - 115a) Duc de Riv oli, Les misseis
venit. Descript.,illust., bibliogr. Etüde suiTart delagrav.surboisä Venisede 1481 :\1600. Paris, Rothschild. 5Lfgn. ä50S. ä Fr. 50,00. —
0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen. I 3 i 116-130
eine reichausgestattete Studie zur Holzschneidekunst in seinem Werke über die
Venediger Miggale. — Bei der grossen Bedeutung", die der in Deutschland geborene
Kupferstich als Bücherschmuck in seiner engen Verknüpfung mit vielen Werken der
neueren deutschen Litteratur erlangt hat, ist es willkommen, dass unter die kleinen
Handbücher, die von der Generalverwaltung der kgl. Museen in Berlin herausgegeben
werden, eine übersichtliche Darstellung des Kupferstiches von dem besonders hierzu
geeigneten Direktor des Berliner Kupferstichkabinets Li pp mann116) aufgenommen
worden ist. — Das 1., 3. und 8. Kapitel von der Stechkunst in Deutschland bis auf
Dürer und vom Kupferstich bis zum Ende des 16., sowie im 17. und 18. Jh. in
Deutschland, auch die angeführte Litteratur des Kupferstichs und die Darstellung
seiner Technik werden dem Litteraturforscher sich als nützliche Hülfe erweisen.
— Eine reiche Ergänzung hierzu bietet Jessens117) Ornamentstich-Katalog des
Berliner Kunstgewerbemuseums. Ist die Anordnung, die sich die Vorzüge der be-
reits veröffentlichten Kataloge der gleichartigen Sammlungen von Wien und Leipzig
zu Nutze machen konnte, im wesentlichen nach kunstgewerblichen Gesichtspunkten
erfolgt, so bieten die trefflichen Namen- und Sachregister doch die Möglichkeit der
Benutzung für Forschungszwecke, zudem sind Schreibvorlagen, Chiffern und Mono-
gramme, Drucktypen, illustrierte Bücher und Buchornamente in einer besonderen
Gruppe „Schrift und Druck" zusammengefasst (S. 340—81), nur die Sammlung der
Schreibvorlagen erweist sich als reichhaltig. — Verzeichnisse wertvoller Sammlungen,
z. T. aus Rudolf Weigels und Wilhelm Lübkes Besitz, haben Hiersemann118) und
Jos. Baer119) veröffentlicht. Was soll aber der englische Umschlag bei H.s treff-
lichem, durch und durch deutschen Kataloge N. 112? — Eine Fülle von bildlichem
Bücherschmuck legt Detzel120) in seiner christlichen Ikonographie, nicht nach
Schulen und Meistern, sondern nach den Vorwürfen geordnet, vor ; dabei verfolgt er
das Ziel, dem Bücherschmucke christlicher Kunst beschränkende Regeln aufzuerlegen :
Warum solle, was weltlichen Auftraggebern, z. B. Max I., zugestanden sei, die Kirche
allein nicht berechtigt sein, vom Künstler zu verlangen, dass er bei Darstellung
religiöser Werke auch ihre Traditionen befrage und berücksichtige? — Für die Ver-
bindung von Buch und Bild hat neuerdings ein wahrer Feinschmecker auf diesem
Gebiete, Grand-Carteret 121J, ein besonderes Organ geschaffen. „Le livre et l'image"
mit seinem reichen liebenswürdigen Inhalt verdient liebevolle Beachtung der Bücher-
liebhaber. — Grand-Carteret122-123) selbst behandelt das illustrierte Buch in England,
Deutschland und der Schweiz, wobei er die gegenwärtige Bewegung in Deutschland
trefflich schildert; den russischen Abbildungen hat er eine besondere Arbeit ge-
widmet.124-126) — Einen fremdartigen Auswuchs des Bücherschmuckes, die Extra-
Illustration, schildert Thaussig 127) an hervorragenden Beispielen dieses individuell
von • Liebhabern, planmässiger, aber reizloser von Buchhändlern in England ge-
pflegten und von Amerika überbotenen Brauches, dabei stellt er Gott sei Dank fest,
dass Deutschland in dieser Büchernarrheit, ehrliche in sich abgeschlossene Bücher
mit fremden Federn zu schmücken, nichts geleistet habe; auch von Frankreich ist
ihm derartiges nicht bekannt. —
Die Druckschrift von 78 Sprachen-Alphabeten giebt übersichtlich das
Büchlein des alten Ballhorn128) wieder, aber warum fehlt das lateinische Abc, und
warum wird das deutsche in dem sonst deutsch abgefassten Buch auf dessen letzter
Seite mit englischem Begleittexte gebracht? Zu der gesperrt wiedergegebenen Be-
merkung, dass das Buch durchgängig in Letternsatz hergestellt ist, hätte der Zusatz
gehört, dass diese 13. Auflage anastatisch hergestellt ist. Gerade für ein derartiges
Werk, das scharfe klare Schriftzüge verlangt, eignet sich Abklatsch vom Stein durch-
aus nicht. — Mit Recht hat man de Brysche129) Initialen von neuem als ein
Musterbüchlein veröffentlicht. — Eine ausgiebige Sammlung von Schriften und ins-
besondere Initialen alter und neuer Zeit giebt namentlich für die Vertreter der
graphischen Künste Petzendorfers 13°) in 2. vermehrter Auflage erschienener
116) F. Lippmann, D. Kupferstich. Mit 110 Abbild. (= Handbücher d. Kgl. Museen zu Berlin.) B., Speraann. 1893. 223 S.
M 250. (Vgl I 9.) — 117) P- Jessen, Kat. d. Ornamentstich-Sauiml. d. Kunstgewerbe-Mus. Mit 200 Abbild. L., Seemann. VIII,
480 S. M. 7 50. —118) K.W. Hiersemann, Cat. N. 112. Engravings and etchings of old and modern Masters. L., Hiersemann.
1893 81 S — 119) Jos. Baer, Bibl. W. Lübke. 2. Abt. Malerei u. Kupferstichkunde vom frühen MA. bis z. neuesten Zeit.
Frankfurt a M. Baer & Co. 104 S. — 120) H. Detzel, Christi. Ikonographie. E. Handb. z. Verständnis d. christl. Kunst. Bd. 1.
D bildl Darstellungen Gottes, d. allerseligsten Jungfrau u. Gottesmutter Maria, d. guten u. bösen Geister u. d. göttl. Ge-
heimnisse Freiburg i B., Herder. XVI, 587 S. Mit 220 Abbild. M. 7,00. - 121) J. Grand-Carteret, Le livre et l'image.
Rev. documentaire ill. mensuelle. Bd. IUI Paris, Fontaine <E. Rmdeau). 1893-94. 336, 356, 320 S. - 122) id., Le livre
ill. a l'etranger. Angleterre - Alleraagne - Suisse: Le livre et l'imuge. 3, S. 129-49. — 123) id., L'image Russe: ib. 2, S. 189-208.
— 124) X Le livre ill. en 1893. Livres ill. d'images documentaires. — Livres ill. de corapositions de fantaisie: ib. 1, S. 106-13.
(Gez. „Un vieux bouquiniste«.) — 125) X J- Adeline, Hist. du livre par les prospectus: ib 2, S. 272-85; 3, S. 150-62. —
126) X E. Bella, A Coli, of Posters. The ill. cat. of the first exhibition. London, Royal Aquarium. 48 S. — 127 t E.
Taussig Extra- illustr. Bücher: BörsenblDBuchh. 61, S. 816,8. — 128) P. Ballhorn, Alphabete oriental. und occident.
Sprachen.' 13. unveränd. Aufl. Würzburg, Ballhorn & Cramer. 1893. IV, 80 S. M. 4,50. - 129) O J. T. u. J. I. de Bry ,
Initialen. E. Alphabet vom J. 1596. Nach d. Originalkupfern. Muster-Büchlein für Künstler u. Kunstgewerbetreibende. B.,
Stargardt. 4°. 24 Taf. mit 2 S. Text. M. 4,00. — 130) L. Petzendorfer, Schriften- Atlas. E. Samml. d. wichtigsten
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (l)3a
I 3 : 131-146 0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen.
Schriften-Atlas. — Die Pflicht möglichst genauer orthographischer Wiedergabe der
Titel führt zur Untersuchung über den Wandel in Gebrauch gewisser Buchstaben.
Hörn 131) hat dankenswert die Erörterung des Schriftgebrauchs von U und V, I und J
in Fraktur- und römischer Schrift eingeleitet. In den Schlusssätzen seiner Dar-
legungen erklärt er es für wünschenswert, dass man in Deutschland zu einem über-
einstimmenden, eindeutigen Gebrauch der Antiqua-Buchstaben U, V, I, J, u, v, i, j
gelangt. „Hat ein preussischer Minister die deutsche Orthographie geregelt, so kann
ein anderer Minister auch etwas über die lateinische verfügen"; an diesen kurzer
Hand vom Vf. gemachten Vorschlag zur Güte wäre wohl der Wunsch zu knüpfen,
dass vor derartiger Reglementierung weitere gründliche Arbeiten auf diesem Gebiete
dem Minister die peinlichen Erfahrungen seiner Vorgänger ersparten. — Die Frage
der Anwendung deutscher oder lateinischer Buchstaben bleibt im Flusse132). Gute
Beobachtungen, allerdings weniger auf Grund von Hss. als von Mitteilungen der
Gelehrten, von kritischen Ausgaben und Facsimiledrucken, bietet für die Entwicklung
der deutschen Satzzeichen und Redestriche Glöde133), der über die Anwendung
in der mittelhochdeutschen und Uebergangsperiode handelt und bei der Darstellung
der historischen Entwicklung die beiden Hauptgruppen durch die Erfindung der
Buchdruckerkunst scheidet. — Gillhoff 134), der die Majuskelfrage abseits vom
orthographischen Hader135) behandelt, verlangt als Regeln im Interesse der Einheit
und der Schule grosse Anfangsbuchstaben nach Absätzen, nach einem Punkt und
bei Eigennamen.136) — Einen frisch geschriebenen Führer für den, der druckt und
drucken lässt, für Setzer und Korrektoren, Herausgeber, Vf. und Verleger hat
Landi137) veröffentlicht. —
Ueber die Lothringer Wasserzeichen veröffentlicht Wiener138) eine wert-
volle Studie mit zahlreichen Nachbildungen und einem vollständigen Verzeichnis von
alten Papiermühlen (die ältesten von Viile sur Sailla [1381] und von Saint-Die [1464]);
willkommen ist der Abdruck des französischen Papiertarifs von 1741, der die Namen
aller gebräuchlichen Papiersorten anführt. — Marabini 138a) unternimmt eine bayerische
Papiergeschichte, die er wie billig mit Nürnberg beginnt. — Der greise Lempertz138b)
liefert von neuem Beiträge zu den alten Wasserzeichen. — Piekosinski139) bietet einen
reichhaltigen Atlas von Wasserzeichen aus Hss. in polnischen Archiven und Bibliotheken,
insbesondere aus der Jagellonischen Universitätsbibliothek zu Krakau. — Die neueste
Errungenschaft ist die Herstellung künstlicher Wasserzeichen durch Satinagedruck,
worüber Neuburger140) berichtet. —
Eine der literarhistorischen Wissenschaft dienende, wohlgeordnete Biblio-
graphie stellt fortan Sauer141) zusammen, die von den Fachmännern mannigfach zu
Rate gezogen wird. — Der Bibliographie im weiteren Sinne, der „Booklore", soll das
1894— 96 jährlich in vier Heften erscheinende vornehme Sammelwerk neuer Einzelbeiträge
von angesehenen Bücherkennern „Bibliographica"142) dienen. — Einen durch Aeusser-
liches bestimmten Ueberblick über die Bibellitteratur knüpft der Bookworm an die
bibliographisch verzeichneten Bestände des Bibelhauses von Geo. Cläre143) in London.
— Willi Müller144) stellt gelegentlich der allerdings nötigen Nachprüfung von
Copingers Bibelwerk ein Verzeichnis der lateinischen Bibelausgaben des 15. Jh. in
der Göttinger Universitätsbibliothek auf.145) — Ein bisher ungeschriebenes Kapitel
der Bibliographie liefert Clouston 146) in seinem sorgfältigen Werke über den
Ursprung und die Geschichte der hieroglyphischen Bibel. Diese seltsamen Bibel-
Auszüge, die einzelne Worte durch figürliche Sinnbilder ersetzen, werden von der
Augsburger Stammausgabe Mattspergers und Bodenehrs von 1687 bis zur Gegenwart
durch alle Länder verfolgt und unter Wiedergabe von Bildern beschrieben. Eine
Schreib- u. Druckschriften aus alter u. neuer Zeit nebst Initialen, Monogrammen, Wappen, Landesfarben u. herald. Motiven für d.
praktischen Zwecke d. Kunstgewerbes. St., J. Hoffmann. Fol. X. 126 Taf. M. 21,00. — 131) E. H o r n , Z. Orthographie v. U
und V, I .und J. E. hist.-typogr. Erörterung: CBIBibl. 11, S. 385-400. — 132) X E- Lohmeyer, Sollen wir mit dtsch.
oder lat. Buchstaben schreiben?: BurschenschBH. 8, S. 79-80. (Dazu: A. Rein ecke: ib. S. 80/1.) — 133) 0. Glöde, D. hist.
Entwickl. d. dtsch. Satzzeichen u. Redestriche: ZDÜ. 8, S. 6-22. - 134) J. Gillhoff, Z. Majuskelfrage: Paed. 16, S. 304-13. -
135) X D- Orthographieelend: Grenzb. 4, S. 235/6. — 136) X F- Kogler, D. Dehnungsfrage in unserer Rechtschreibung.
Progr. d. Colleg. Borromaeum. Salzburg. 1892. 42 S. |[G. Helmer: ÖLB1. 3, S. 143.]| — 137) 8. Landi, Tipographia I.
Guida per qui stampa e fa stampare; compositori e correctori, revisori, autori ed editori. Mailand, Hoepli. 1892. XIX, 280 S.
L. 2,50. — 138) L. Wiener, Etudes sur les filigranes des papiers lorrains. Nancy, R. Wiener. 1893. 78 S. Fr. 15,00.
|[J. Grand-Carteret: Le livre et l'image 3, S. 93;7.]| — 138a) E. Marabini, Bayerische Papiergesch. Nach archival. Quellen
verf. 1. T. D. Papiermühlen im Gebiet d. weiland freien Reichstadt Nürnberg. Nürnberg, J. Ph. Raw. 147 S. mit 100 Abbild.,
6 Taf. u. 1 Karte. M. 4,50. — 138b) H. Lompertz, Gesch., Papierstudien, Wasserzeichen. Einige Erinnerungsbll. an d. 23. Jahres-
Versamml. d. HansGV. zu Köln. Köln, Lempertz. 1 1 Bll. u. Schlusswort. — 139) F. Piekosinski, Sredniowieczne Znaki Wodne zebrane
z rekopisöw przechowanych w Archiwach i Bibliotekach polskioh, glöwnie krakowskich, Wiek XIV. Krakowic, Nakladem Akademii
Umiejetnosci. 1893. 4°. 34 S. 77 Taf. (Privatdr.) — 140) A. Neuburger, D. Herstellung künstl. Wasserzeichen: TypogrJb. 15,
S. 9-12, 17/8.— 141) (11:98, S. 179-236, 424-90, 658-92, 832-52.) - 142) O Bibliographica. A mag. of bibliography in twelve
quaterly parte. Parti. London, Paul, Trench, Trübner & Co. 128 S Sh. 10,00. |[C. Haeberlin: CBIBibl. 11, S. 406; 0. H: ib
S.572.]| — 143) [Bookmaker], A Bible Library : Book Worm. S. 217-24. - 144) Willi Müller, D. Biblia Latina d. 15. Jh. in d
Göttinger Univ.-Bibl. (= N. 48, S. 89-95.) - 145) X&- Villa, Deutschland u. d. Bibel: DEKZ. 8, S 77/8. - 146) W.A. Clouston,
Hieroglyphie bibles, their origin and hist. a hitherto unwritten chapter of bibliography. With facs. and illustr. and a new hieroglyphic
0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen. I 3 : 147-109
neue Miniaturbibel von Laing mit farbigen Bildern dieser besonders in England
eingebürgerten Spielart wird dem Leser im Anhange nicht erspart. — Bahlmann147)
verdankt man eine Bibliographie der deutschen und ins Deutsche übersetzten
katholischen Katechismen bis zum Ende des 16. Jh.148) — Elze148a) ergänzt seine
früheren Aufsätze über die slovenischen protestantischen Katechismen, Postillen und
Gesangbücher durch die Beschreibung von vier Gebetbüchern des 16. Jh. — Die
Bibliographie der meist auf Frankreich weisenden epischen lateinischen Dramen des
Mittelalters (JBL. 1893 I 3: 120) ergänzend, giebt Bahlmann140) eine Uebersicht der
ausschliesslich in Italien zur ersten Entwicklung gelangten wirklichen lateinischen
Dramen, insgesamt 26, z. T. verschollene Werke. Die Tragödie der antiken Mythologie
und Geschichte entnommen nach Senecas Vorbild, die Komödie, meist derbe Liebes-
und Kupplergeschichten, nach Terenz, gelegentlich auch nach Plautus, Dramatisierung
der neuesten geschichtlichen Ereignisse ohne wesentlichen Einfluss des klassischen
Dramas, sind auch in Deutschland hs. verbreitet, gedruckt und bald beliebt geworden,
bis Wimpfeling und Reuchlin hier das humanistische Drama begründeten. — Zur
BibliogTaphie des Columbus giebt Harrisse150) in einem scharfen kritischen Angriffe
wider die kgl. Akademie für Geschichte in Madrid sorgfältige Berichtigungen. — Eine
kleine Nachlese zur Bibliographie der Paracelsisten im 16. Jh. hält wiederum Sud-
hoff151_151a), der nunmehr mit einer kritischen Arbeit über die Gesamtheit der Paracel-
sischen Schriften vorgeht. — Hans Sachs-Litteratur stellt Braun152) zum 400jährigen
Geburtsjubiläum zusammen. — Roth153) widmet dem Gelehrtengeschlechte Lorich eine
Bibliographie. — Das „Freie deutsche Hochstift" hat eine Faustausstellung mit Katalog ver-
anstaltet. Heuer154) giebt zur Bibliographie des Spiesschen Faustbuchs Beiträge, danach
ist das Exemplar der Breslauer Universitätsbibliothek das 17. Exemplar, ein bisher
unbekannter neuer Abdruck der Ausgabe von 1590 als Zarncke d2 einzureihen; das
Exemplar der gereimten Bearbeitung in der kgl. Bibliothek zu Berlin ist wohl
ein Abdruck des Originalverlegers Alexander Hock in Tübingen nach der Ausgabe
von 1588. — Eine Antiquarkatalog Wegs bietet 420 Schriften zum Faustbuch155),
den Vor-Goetheschen Bearbeitungen, zu Goethes Faust und den Faustdichtungen nach
Goethe, ein anderer eine Lessingbibliothek156), ein dritter157) die deutsche Litteratur
von 1750—1850, zumal Goethe.158) — Die Jahreslitteratur über Goethe wird wie üblichim
GJb. durch Geiger159) eingehend verzeichnet. — Israel160), ein verdienter sächsischer
Schulmann, stellt die Schriften von Pestalozzi und über ihn zusammen. — Die deutsche
Shakespeare-Gesellschaft161) bietet in dem Gesamtverzeichnis zu den ersten 30 Bänden
ihrer Jbb. eine gute Uebersicht der Shakespeare-Bewegung in Deutschland und ver-
öffentlicht durch P. von Bojanowsky162) ihr Bibliotheksverzeichnis. — Cohn163)
giebt die Shakespeare-Bibliographie der J. 1892—93 nach den Ländern geordnet, wobei
neben England- Amerika nur Deutschland eine Rolle spielt. — Die Inhaltsübersicht
der Shakespeare-Gedächtnisbibliothek164) zu Birmingham weist unter 9312 Werken
in 54 Gruppen an deutscher Shakespeare-Litteratur 2261 Werke auf. — Als ein be-
rufener Kenner der Universitätsgeschichte greift K a u f m a n n 165) die aus bibliographischen
Aufzeichnungen hervorgegangene Arbeit Horns156) (JBL. 1893 I 3:136), die aus
12000 Dissertationen und Disputationen Mitteilungen bot, wegen der Art der Benutzung
dieses an sich wertvollen Materials scharf an.167-168) — Von Bibliographien zur
Förderung wissenschaftlicher Landeskunde von Deutschland wird die Bibliotheca
Hassiaca Ackermanns169) dauernd auf dem Laufenden erhalten; sie weist schon den
fünften Nachtrag des 1883 erschienenen verdienstlichen Werkes auf. — Die bayerische
bible told in stories by F. A. Laing. Glasgow, Bryce < Son. 316 S. Mit 25 Taf. Sh.21. — 147) P. Bahlmann, Deutschlands
Katechismen bis z. Ende d. 16. Jh. Mit e. Beil.: Taf. des christl. Lebens (ca. 1480). Münster, Regensberg. 80 S. M. 1,60. kath.
IfLCBl. S. 1658/9.H - 148) O X E- Voullieme, Z. Bibliogr. d. Trierer Heiligtumsbücher: KBWiederdSpr. 17, S. 67(8. —
148a) Th. Elze, D. sloven.-protest. Gebetbücher d. 16. Jh.: JGGPÖ. 15, S. 15-22. — 149) P. Bahlmann, D. lat. Dramen d.
Italiener im 14. u. 15. Jh : CBIBibl. 11, S. 172/8. — 150) H. Harri sse, Ch. Colomb et les Academiciens espagnols. Notes
pour servir ä l'hist . de la science bibliogr. en Espagne au XIX. siecle: ib. S. 1-70. — 151) K. Sudhoff, E.Nachtr z. Bibliogr.
d. Paracelsisten im 16. Jh.: ib. S. 169-72. (Vgl. JBL. 1893 I 3 : 124.) - 151a) id.. Versuch e. Krii. d. Echtheit d. Paracelsischen
Schriften, Bd. 1: Bi bliographia Paracelsica. B., Reimer. XIII, 722 S. M. 18,00. - 152) J. Braun, Hans Sachs-Litt Z. 400j. Geburts-
jubil. d. Hans Sachs zusammengest.: NachrBuchh. 1, S. 249-50, 258/9, 276/7. (Vgl. II 4b.) — 153) F. W. E. Roth, D. Gelehrten-
familie Lorichius aus Hadamar. Biogr.-bibliogr. Mitteil.: CBIBibl. 11, S. 368-85. - 154) O. Heuer, Z. Bibliogr. d. Spiesschen
Faustbuches: BFDH. 10, S. 83/6, 274/7. (Vgl. II 3:41.) — 155) Faust. Hat. N. 32. L., M. Weg. 15 S. - 156) Lessing- Bibl.
E. überaus reichhaltige Samml. v. Schriften von u. über G. E. Lessing. Kat. N. 31. ebda. 23 S. — 157) Dtsch. Litt. v. 1750—1850.
E. reichhaltige Samml. v. Büchern u. Bildnissen mit bes. Berücksicht. v. Goethe. Kat. N. 35. ebda. 66 S. — 158) O
Goethe -Bibl.: ChWGV. 8, S. 20. — 159) [L. Geiger], Goethe-Bibliogr. : GJb. 15, S. 312-62. — 160) O A. Israel, Versuch
e. Zusammenstell, d. Schriften v. u. über Pestalozzi. Zschopau, Gensei. 105 S. M. 3,00. - 161) Gesamt- Verzeichnis zu d.
Bänden I-XXX d. Jb.: JbDShakespeareGes. 29, S. 410-90. — 162) P. v. Bojanowsky, Kat. d. Bibl. d. dtsch. Shakespeare-
Ges.: ib. S. 365-409. — 163) A. Cohn, Shakespeare- Bibliogr. 1892 u. 93: ib. S. 324-64 — 164) The Shakespeare memorial
library: BookWorm. S. 205/6. — 165) G. Kaufmann, Z. Gesch. d. akad. Grade u. Disputationen: CBIBibl. 11, S. 201-25. —
166) E. Hörn, Vorläufige Antwort an Herrn Prof. Kaufmann : ib. S. 278,9. — 167) X G. Fock, Bibliogr. Monatsber. über neu
erschienene Schul- u. Univ.- Schriften. Jahrg. V. L., Fock. 152 S. M. 2,00. (Vgl. JBL. 1893 I 3 : 137.) — 168) X E- Kluss-
mann, System. Verzeichnis d. Abhandl., welche in d. Schulschriften sämtl. an d. Programmtausche teilnehmenden Lehranst.
erschienen sind. 2. Bd. L., Teubner. 1893. VII, 285 S. M. 5,00. |[BBG. 30, S. 318.]| — 169) K. Ackermann, Repert. d.
landeskundl. Litt, für d Preuss. Regierungsbez. Kassel d. ehemal. Kurfürstentums Hessen. 5. u. 6. Nachtr. u. Autoren- Reg. für
(l)3a*
I 3 : 170-188 0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen.
Bücherei170) ist nicht im Sinne des von Maximilian II. veranlassten vierbändigen
Prachtwerkes Bavaria, sondern als landeskundliche Ergänzung eines Verzeichnisses
ausgewählter Jugendschriften gedacht. — Zu erwähnen ist, dass Steffenhagen171172)
bei bibliographischer Durchprüfung von Schmidts Repertoire bibliogr aphique stras-
bourgeois die Notwendigkeit vorsichtiger Benutzung erweist. — Auch im deutschen
Auslande werden die Schriften zur Landeskunde173"176) gewissenhaft verzeichnet.177)
— Zur Bibliographie der Volkskunde in Italien liegt ein wichtiges Werk Pitres178)
vor, das in 6 Abteilungen: I. Eovelline, Racconti, Leggende, Facezie; IL Canti e Melodie;
III. Giuochi e Canzonette infantili; IV. Indovinelli, Formole, Voci, Gerghi; V. Pro-
verbi; VI. Usi, Costumi, Credenze, Pregiudizi sich gliedert. — An bibliographischem
Material enthält das Jahrbuch179) der Pariser Gesellschaft für Folklore nur das Ver-
zeichnis der Zeitschriften, die sich mit der Volkskunde beschäftigen. — Eine wert-
volle bibliographische Gabe verdankt man dem Teilhaber des alten Verlagshauses
Macmillan and Bowes180): ein Verzeichnis der zu Cambridge gedruckten oder darauf
bezüglichen Schriften mit einem Anhang von Jenkinson, enthaltend ein Jahres-
verzeichnis der Cambridgedrucke von 1521 — 1650. Bücherschmuck aus Cambridger
Drucken ist dem Katalog vorausgeschickt, der ausführliche Index ist als besonderes
Büchlein erschienen. — Wierzbo wski181) bietet den 3. Band seiner polnischen
Bibliographie des 15. und 16. Jh., die insgesamt 3200 Werke umfasst und reichliche
Register aufweist.182) — Mühlbrecht183) hätte seine Schrift „Die Bibliographie im
Dienste des Buchhandels" wohl auch „Der Buchhandel im Dienste der Bibliographie"
bezeichnen können; denn die Verzeichnung neuerer Bücher wird in Deutschland zum
grössten Teile von Buchhändlern geleistet. Die bibliographische Uebersicht der
litterarischen Arbeiten des Vf. (N. 1 — 196) kennzeichnet ihn selbst als unermüdlichen
Bibliographen. — Russeis184) Gesamt- Verlagskatalog des deutschen Buchhandels
ist nunmehr mit Abschluss des Bandes Ausland (XV) und des Ergänzungsbandes
(XVI) vorläufig durchgeführt. Der Verlag des deutschen Reiches von Aachen bis
Zwickau umfasst 11 Bände, darunter Berlin und Leipzig Doppelbände, Oesterreich-
Ungarn füllt 3 Bände, darunter einen für Wien, die Schweiz und das übrige Aus-
land je 1 Band, die Ergänzungen des 16. Bandes sind auf 9 Bände angewachsen,
ein Vorband „0" giebt Vorwort, General-Firmenverzeichnis und Nachzügler, leider
noch kein Vf.- und Künstlerverzeichnis. Die Anordnung nach Ländern und
Städten, für den Hauptteil willkommen und für Beurteilung der Verlagsplätze von
Bedeutung, erschwert doch den gleichzeitigen Abschluss der Ergänzungen auch für
die Zukunft. Der Musikalienverlag fehlt fast gänzlich in dem Verzeichnis. Der
Buchverlag ist annähernd vollständig in diesem Werke grossen Stils vertreten, das
auf 1200 Bogen an 800000 Titel wiedergiebt, davon viele, die bisher weder in Ver-
lagskatalogen noch Bibliographien verzeichnet waren. Die Zusammenfassung der
^erlagskataloge hat nicht schädigend, sondern anregend auf die Veranstaltung von
Einzelverzeichnissen, namentlich der kleinen Verleger, gewirkt. — Von den Verlags-
katalogen systematisch arbeitender grösserer Verlagshandlungen haben sich die
festlichen von Vahlen185) und Parey186) in Berlin zu Sonderbibliographien ihrer
Gebiete ausgewachsen. — Als eine liebevoll und förderlich in die neue deutsche
Litteratur sich eingrabende Buchhändlerarbeit ist der schmucke Verlagskatalog von
Liebeskind187) hervorzuheben, der eine Reihe von Biographien, Auszügen aus
Dichtungen, sowie Aufsätzen und Besprechungen darbietet. — Die ständige biblio-
graphische Hauptarbeit für den Buchhandel leistet die J. C. Hinrichssche Buch-
handlung188) in Leipzig, deren Thätigkeit doch auch den Ausgangspunkt für wissen-
d. Hauptteil u. d. Nachtr. 1—6. Bibliotheca Hassiaca. Kassel, Selbstverl. 18, 21, 18 S. M. 0,75. — 170) Bayer. Bucherei.
Versuch e. Samml. gemeinverständl. Werke über bayer Vaterland ti. Volkstum. Zusammenlest, u. her. vcm Bezirkslehrerver.
Würzburg. Wörzburg (Ballhorn u. Cramer). VII, 89 S. M. 0,40. — 171-172) E. Sf tef f enhagejn, C. Schmidt, Repert. bibliogr.
strasbourgeois (JBL. 1893 I 3:72): LCB1. S. 285, 1540/1. — 173) X W ilh. Haas, Bibliogr. z. Landesk. v. Niederösterr. im J. 1894:
BVLNiederöstr. 28, S. 492-528. — 174) X J- L Brandstetter-, Repert. über d. in Zeit- und Sammelschriften 1812—90 enth. Auf-
sätze u. Mitteilungen schweizergesch. Inhalts (JBL. 1893 1 4:486): BURS. 61, S. 665. — 175) X N- Kymmel. Bibliotheca Baltica.
Werke z. halt. Gesch. u. Landesk. Riga, N. Kymmel. 57 S. (Antiqu. Kat. N. 55.) — 176) OX A- Poelch.au, D. livländ. Gesch. -Litt,
im J. 1892 u. 93. ebda. 12°. 92, 111 S. M. 1,00. — 177) X *■ Holtze, D. Berolinensien d. Peter Hafftitz (=14: 292, N. 1).
— 178) O G. Pitre, Bibliogralia delle tradizioni popolari dltalia con tre indici speciali. Turin-Palermo, Clausen. XX, 603 S.
L. 25,00. — 179) O Soc. des traditions pop. au palais du Trocadero. Annuaire des traditions pop. 19. annee. Paris, Lechevalicr.
IV, 165 S. — 180) K. Bowes, A cat. of books printed at or relating to the Univ., Town and County of Cambridge from
1521 to 1893, with bibliograph. and biograph. notes. Cambridge, Macmillan & Bowes. XXXII, 516 S. Sh. 10. |[NachrBuchh. 1,
S. 42ö.]| (Index 67 S.) — 181) O Th. Wierzbowski, Bibliographica Polonica XV ad XVI ss. Vol. III, continens numeros
2001-320. Warschau, Kowalewski. XI, 391 S. |[P.: CBIBibl. 11, S. 324/5.]| (Vol. I 1889 XI, 304 S.; Vol. II 1891 XV, 351 S.)
— 182) X^. Claretie, Bibliogr. Muselmane. Notes d'un profane ä l'exposition d'art Muselman: Le livre et l'image 2, S. 209-17. —
183) 0. Mühlbrecht, D. Bibliographie im Dienste d. Buchh. B., Puttkammer & Mühlbrecht. 32 S. M. 1,00. — 184)
[A. Russell], Ges. Verl.-Kat. d. dtsch. Buchh. u. d. mit ihm im direkt. Verkehr stehenden Auslandes. 15. Bd.: 5.-8. Lfg. ;
16. Bd.: 1. Abt. 30.-36. Lfg.; 2. Abt. 21. u. 22. Lfg.; 4. Abt. 12.-27. Lfg. — Bd. 0.: Vorw., General-Firmenverzeichnis, Nach-
zügler. Münster, Kussell. IV, S. 705-1266; XX, S. 4705-5762; XII, S 3169-3484: XXXII, X, S. 1729-4158; VI, 288, 92, IV, X, 1 S.
ä Lfg. M. 0,60. (Bd. 0 wurde nicht berechnet.) ||E.: NachrBuchh. 1, S. 521/4.] | - 185) F. Vahlen, Verl.-Kat. 1870-94.
B., Vahlen. 91 S. — 186) P. Parey, Verl.-Kat. B., Parey. 212 S. — 187) A. G. Liebeskind, Verl.-Verzeichuis. L., Liebes-
kind. VIII, 184 S. — 188) X D. Erscheinungen d. dtsch. Buchh.: NachrBuchh. 1, S. 69-70. — 189) [Erschienene Neuigkeiten
0. v. Oase, Schrift- und Buchwesen. I 3 i lsö-sis
schaftliche Zusammenstellungen bildet. Sie veröffentlicht täglich189) die erschienenen
Neuigkeiten des deutschen Buchhandels, nach den Verlagshandlungen geordnet, ihr
wöchentliches190) Verzeichnis ist nach Wissenschaften in 17 Abteilungen gesondert,
dabei erhält jede Nummer ein Register mit den Vf.-Namen und Stichworten der Titel.
Auch erscheinen noch 12 alphabetische Monatsregister. — Monatliche191) Uebersichten
geben die bedeutenderen Erscheinungen in 16 Gruppen. — Der Vierteljahrs-Katalog192)
der Neuigkeiten, nach den Wissenschaften geordnet mit alphabetischem Register,
wird auch in Sonderausgaben für einzelne Gruppen abgegeben. — Der Halbjahrs-
katalog193), an den sich die Monatsregister und Vierteljahrskataloge genau anschliessen,
ist das massgebendste Verzeichnis. Der seit 1851 erscheinende Fünfjahrs Katalog,
früher durch ein Repertorium ergänzt, ist zuerst 1886—90 mit Sachregister verbunden
worden. — Von dem seit 1812 erscheinenden allgemeinen Bücher-Lexikon der
deutschen Litteratur seit 1700 von Heinsius veröffentlicht Boihoevener194) den
19. Band, die J. 1887 — 92 umfassend. — Daneben ist von Kaysers seit 1833 aus-
gegebenem Bücherlexikon (von 1750 beginnend) der 27. Band durch Wetzel195)
zur Ausgabe gelangt. Das Nebeneinander dieser drei vortrefflichen Werke erscheint
als eine Vergeudung von Kraft des Buchhandels, die anderweit besser zu verwenden
wäre. — Da gute neue Systeme praktische Verwertung heischen dürfen, ist daneben
als Bücherverzeichnis nach sachlicher Anordnung Georgs196) Schlagwort-Katalog
sehr willkommen, nur bedeuten 12 Bogen für ein Jahr ein zu langsames Vor-
wärtsschreiten. — Bücherverzeichnisse von grossem Werte für die Verbreitung
gewisser Zweige der Litteratur sind die systematischen Lager-Kataloge der
Leipziger Grossbuchhandlungen, namentlich Koehlers197) und Volckmars198), die, den
deutschen Sortimentsbuchhandlungen als Vertriebsmaterial geliefert, die für weite
Kreise wichtigsten Gebiete, aber auch schon wissenschaftliche Handbücher in ge-
schickter Auswahl behandeln; ähnlich, teilweise auf besonderen Gebieten, die Lager-
verzeichnisse von Staackmann199) und von Fock200"201), der ausserdem eine monatliche
Rundschau des deutschen Büchermarktes veröffentlicht. — Fast ebenso bestimmend
wirken für weite Kreise die anmutig geschmückten Weihnachtskataloge202-208). —
Bibliographien der aus dem Deutschen in die hauptsächlichsten Kultursprachen über-
setzten Bücher liefert alljährlich Mühlbrecht209), für die osteuropäischen Sprachen
Pech210). — Der französische Jahreskatalog, herausgegeben von Jordell211), steht in-
mitten von Lorenzens Monats- und Generalkatalog des französischen Buchhandels. —
Vicaire212-213) bietet ein Handbuch für Bücherliebhaber über die Litteratur des
19. Jh. — Das praktisch doch gut zu handhabende Buchungetüm der Reference
Catalogue214), bestehend aus den alphabetisch geordneten englischen Verlagskatalogen
der noch vom Verleger vertriebenen Bücher, umfasst laut des vorangeschickten Ge-
samtverzeichnisses gegen 87000 Werke. — Für die den öffentlichen Bücherver-
steigerungen verfallenen Bücher giebt der Book-Prices-Current215) die nötige Kunde. —
Als vierter Nachtrag zu dem Amerikanischen Bücher-Katalog von 1884 — 90 ist das
raisonnierende Verzeichnis der 1893 in Amerika erschienenen Bücher, darunter
d. dtsch. Buchhandels. Mitget. v. der J. C. Hinrichsschen Buohh.: BörsenblDBuchh. 61, N. 1-302. — 190) Wöchentl. Ver-
zeichnis d. ersch. u. d. vorbereiteten Neuigkeiten d. dtsch. Buchh. 52 Nir. nebst 12 Monatsreg. 53. Jahrg. L., Hinrichssche
Buchh. 1336 S. M. 7,50. — 191) Monatl. Uebersicht d. bedeutenderen Erscheinungen d. dtsch. Buchh. 13 Nrr. ebda. 208 S.
M. 1,50. — 192) Vierteljahrskat. d. Neuigkeiten d. dtsch. Buchh. Nach d. Wissenschaften geordnet. Mit alphab. Reg. 49. Jahrg.
ebda. 864 S. M. 7,00. (Sonderausgaben: Theologie und Philosophie; Medizin, Naturwissenschaften u. Mathematik; Erz. u.
Unterr., Jugendschriften; Kriegswissensch., Pferdekunde u. Karten; Bau- und Ingenieurwissensch. ; Haus-, Land- u. Forst-
wissenschaft.) — 193) Verzeichnis d. im dtsch. Buchhandel neu erschienenen u. neu aufgelegten Bücher, Landkarten, Zeit-
schriften etc. 2 Bde. (= Halbjahrskat. N. 192,3.) L., J. C. flinrichs. 290 u. 832 S.; 293 u. 827 S. M. 10,80. — 194) K.
Boihoevener, W. Heinsius, Allg. Bücher-Lex. 19. Bd. 1889 bis Ende 92. 2. Abt. L., Brockhaus. 4°. VI, 772 S.; 851 S.
M. 61,50. — 195) Chr. Gottl. Kayser, Vollst. Bücher-Lexikon, enthalt, d. vom .1. 1750 bis Ende d. J. 1890 im dtsch. Buchh.
ersch. Bücher u. Landkarten. 27. Bd. Bearb. v. 0. Wetzel. L., Weigel Nachf. 4°. 993 S. M. 36,00. — 196) C. Georg,
Schlagwort-Kat. IL Bd. 1888-92. 6.-11. Lfg. Hannover, Cruse. S. 161-352. ä M. 1,30. — 197) Litt. Sortiraents-Kat. 1S94— 95.
Mit alphab. Sach- u. Schlagwortreg. L., Koehler. IV, 352 S. — 198) Systemat. Lagerverzeichnis. Mit ausföhrl. Schlagwörter-
verzeichnis. L., Volckmar. 12°. VII, 292, 146 S. — 199) Baar-Sortiments-Kat. XXVII. Jahrg. L., Staackmann. 256 S. —
200) Barsortiment Lagerverzeichnis 1894-95. L., Fock. 147 S. — 201) [G. FockJ, Leipz. Litt.-Berichte. Ks. auf allen Ge-
bieten d. dtsch. Büchermarktes. II. Jahrg. (12 Nrr.) ebda. 4°. 263 S. M. 2,00. — 202) X Weihnachtskat. 1894. L., Hinrichs.
92 S. — 203) X JJtt. Weihnachtskat. 1894. L., Koehler. 128, 44 S. — 204) X K- Heinemann, Litt. JB. für 1894 u. Weih-
nachtskat. 24. Jahrg. L., Seemann. 132 S. — 205) X Hl. Weihnachtskat. 1894. L., Volckmar. 4. 88 S. - 206) X Weih-
nachts-Alm. Mit Kalendarium u. eingedr. Bildern. Freiburg i. B., Herder. 62 S. — 207) X E- Kraus, Christi. Bücherschatz.
111. Weihnachtskat, fürs evang. Haus. Zugleich Kat. d. Ver. v. Verlegern christl. Litt. 16. Jahrg. L., Ver. v. Verlegern christl.
Litt. 160 S. M. 0,50. — 208) X v- Ottmann, Was soll ich lesen? Weihnachtsalm. 1894. Aeusserungen dtsch. Männer u.
Frauen, eingel. v. H. Heiberg. Nebst e. Rs. über d. neueren Erscheinungen d. Büchermarktes. B., Pfeilstücker. 112 S.
M. 0,50. — 209) 0. Mühl brecht, Uebors. aus d. dtsch. in d. dän., engl., franz., holländ., ital., norweg., schwed. u.
span.Sprache: BörsenblPBuch. 61, S. 3078-83. (Ferner: NachrBuchh. 1, S. 498-500, 526,8.) - 210) T. Pech, Uebers.
aus d. dtsch. in d. slav., d. magyar., ruiuän. u. andere osteurop. Sprachen: ib. 60, S. 606,9; 61, S. 3856-60. — 211) O 1>.
Jordell, Cat. ann. de la librairie franc. pour 1893. Paris, Nilsson. 246 S. Fr. 10,00. — 212-13) O G. Vicaire,
Man. de l'amateur de livres du XIX. siecle (1S01— 93). Editions originales, ouvrages et periodiques ill., romantiques etc
Pref. de M. Tourneux. Paris, Rouquette. XIX. 177 S. Fr. 10,00. — 214) The Reference-Cat. of Ourrent Lit.
Contain. the füll titles of books now in print and on sale with the prices at which they may be obtened of all booksellers
and an index contain. of 87 000 References. London, Whitacker & Sons. 6464 S. (Nicht im Handel.) (Index 515 S.) —
215) Book-Prices-Current. A record of the prices at which books have been sold at auction, froni Dec. 1S92 to Nov. 1893
t 3-.216-247 0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen.
mancherlei deutscher, ausgegeben worden216). — Ueber die wichtigen Antiquar-
kataloge gewährt das CBIBibl. regelmässige Uebersichten 217). — Unter den mancherlei
Fachbibliographien berücksichtigt die Bibliotheca philologica218) Blaus die Neuphilo-
logie in weitem Umfange. — Grethleins219) allgemeiner deutscher Theater-Katalog, von
dem die erste Abteilung vorliegt — die zweite soll das Autorenregister bringen — , dient
im wesentlichen dem Handel. — Einen gründlichen Versuch zu einer Auswahl von
Jugendschriften legt Beyl220) unter besonderer Berücksichtigung der paritätischen
Verhältnisse Bayerns vor. — Hirt221) bietet in sachlicher Anordnung ein wertvolles
Verzeichnis der Unterrichtsschriften seines umfassenden Verlages. — Im Auftrage der
Hamburger Jugendschriften-Kommission stellt Wo 1 gast222) über Bilderbuch und
Illustration beachtenswerte, durchweg gesunde Grundsätze auf. — Unter den volkstüm-
lichen Bibliographien populärer katholischer Litteratur223-224) hat die Ober dörffers225),
als vom Centralkomitee der Vereinigungen der arbeitenden Stände veranlasst, prak-
tische Bedeutung. — Als ersten Band einer Bibliographie der socialökonomischen
Litteratur hat St am in h am mer226) die Bibliographie des Socialismus und Kommunis-
mus, etwa 8000 Schriften, alphabetisch, aber mit ausgiebigem Sachregister dargeboten. —
In der internationalen Bibliographie der gedruckten Werke über Krieg und Kriegs-
wissenschaft bis 1880 lässt Pohler226a) der Geschichte der einzelnen Kriege im
3. Bande die Kriegsgeschichte einzelner Staaten, einzelner Städte und einzelner Heere
in drei Heften folgen. —
Das Zeitungswesen, dessen Begriff und Geschichte Neukamp227) in
kurzer Fassung behandelt, ruft naturgemäss mehr klein gemünzte Aufsätze hervor
als Bücher von Gewicht. — Gegenüber dem 250jährigen Jubiläum der „Gazette de
la France", deren Begründer man als ersten Journalisten feiert228"229), wird gelegent-
lich einiger Zeitungsjubiläen230"234) darauf hingewiesen, dass in Deutschland eine
Reihe von Zeitungen ins 17. Jh. zurückreichen235). — Zur Geschichte der Zeitungen236)
giebt Walzel237) einen Beitrag für die Wiener Journalistik; auch das ältere Ham-
burger Zeitungswesen 23S) ist näher geschildert worden. — Für Frankreich behandelt
Fournel239), an Renaudot anknüpfend, die Tagespresse des 17. Jh. sehr anregend
unter Benutzung gleichzeitiger Stiche; Grand-Carter et240) führt die Tagesblätter im
Spiegel des Bildes vor. — Bienenstein241) erörtert kundig Stand und hohe Auf-
gabe der Tagespresse. — Aus der Presse verschiedener Farben242) hebt Keiter243)
das Aufgebot der katholischen Presse samt ihren Hülfskräften heraus. — Die gesamte
Ordre de bataille des diesjährigen Zeitungswesens ist wie alljährlich aus den amt-
lichen Preisverzeichnissen der kaiserlichen Postämter zu Berlin244) und Wien245) zu
ersehen, sowie aus Sperlings246) Adressbuch und Gracklauers247) deutschem
Vol. VII. London, Elliot Stock. 530 S. Sh. 27;6. — 216) The ann. american cat. 1S93. Fnurth suppl. to the anierican cat.
1884—90. New- York, Office of the Fublishers Weekly. 362 S. Sh. 15,00 — 217) Antiau. Kataloge: CBIBibl. 11, S. 95/6, 150/2,
199-200, 247/8, 295/6, 343, 431/2, 525/6, 581/3. — 218) A. Blau, Bibliotheca Philologica oder vierteljährl. systemat. Bibliogr. d.
auf d. Gebiete d. klass. Philologie u. Altertumswissenschaft, sowie d. Neuphilologie in Deutschland u. d. Auslande neu er-
schienenen Schriften u. Zeitschriften-Aufsätze. Unter Mitwirk. v. F. Kuhn her. VIII. Jahrg. 1894. 1.--4. Heft. Göttingen,
Yandenhoeck & Ruprecht. 66, 82, 78, 78 S. M. 4,80. — 219) O K. Grethlein, Allg. dtsch. Theater- Kat., e. Verzeichnis
d. in Druck u. Handel befind!. Bühnenstücke u. dramat. Erzeugnisse. 13 Lfgn. Münster i. W., Russell. IV, 803 S. ä M. 1,20.
— 220) [J. Beyl], Verzeichnis ausgew. Jugendschriften. Zusammengest. auf Grund v. Beurteilungen d. verschied. Wegweiser
u. Führer durch d. dtsch. Jugendlitt, für d. XII. Hauptversamml. d. bayer. Volksschullehrer-Ver. Würzburg, Stuber. VIII,
42 S. — 221) F. Hirt, Unterrichtsmittel Verzeichnis in sachl. Anordn. L., Hirt & Sohn. 64 S. M. 1,00. - 222) H.Wolgast,
Ueber Bilderbuch u. Illustration. Hamburg (C. Kloss). 22 S. M. 0,40. — 223) X Litt.-Verzeichnis für erwachsene kath. Mädchen
gebildeter Stände. Augsburg, Seitz. 24 S. (Gratis.) — 224) OX M. Hohnerlein, Wegweiser durch d. pop.-wissenschaftl.
kath. Litteratur. 1. Lfg. Horb, H. Christian. 80 S. M. 0.50. — 225) P. Oberdörffer, Verzeichnis geeigneter Bücher u.
Bühnenstücke für kath. Vereinsbibl. Her. im Namen d. Central- Komitees d. Vereinigungen d. arbeitenden Stände. Köln,
Bachern. 1893. VIII, 60, 28 S. M. 1,00. — 226) J. Stammhammer, Bibliogr. d. Socialismus u. Kommunismus. Jena, Fischer.
1893. IV, 303 S. M. 10,00. |[X. X : CBIBibl. 11, S. 132/3; K. K(antsky): NZSt. 121, S. 25/6.]| — 226a) O J- Pohler,
Bibliotheca historico-militaris. Systemat. Uebersicht d. Erscheinungen aller Sprachen auf d. Gebiete d. Kriege u. Kriegswissensch.
seit Erfindung d. Buobdruckerkunst bis z. Schluss d. J. 1880. Bd. 3, Heft 1-3. Kassel, Kessler. 440 8. M. 14,00. —
227) E. Neukamp, Begriff u. Gesch. d. Zeitnngswesens: Handwörterb. d. Staatswissensch. 6, S. 805,8. — 228) X W. Gold-
bauni, D Ahnherr d. Journalistei. (Th. Renaudot): NFPr. N. 10573/4. — 229) O L. Geiger, D. erste Journalist: Geg. 45,
S. 119-21 — 230) X z- !öOj. Bestehen d. Braunschweig. Anzeigers: VossZg. N. 592. (Stift. Herzog Karls I.) — 231) X 75j.
Jubil. d. in Ratzeburg erscheinenden LauenburgZg.: AVGLauenburg. S. 120/5. — 232) X Ad- Müller-Palm, Z. 50j. Jubil.
d. NStuttgTBl.: BLU. S. 222. — 233) X D. Jubil. d. Flieg. Bll. [100. Bd.]: Daheim S. 288. (Dass. ÜL&M. 71, S. 363/5; s. u.
I 4 : 137.) — 234) X *". St., E. Zeitungsjubil.: DPB1. 27, S. 133. - 235) X Zeitungs Jubil.: KVZg. N. 9. — 236) O Otto
Lehmann, Z. Gesch. d. Zeitungen: NorddAZg. N. 392. — 237) 0. F. Walzel, E. V. Zenker, Gesch. d. Wiener Journalistik
(JBL. 1892 I 4 : 168): ADA. 20, S. 192/5. - 238) O X Z- Entwicklungsgesch. d. Hamburg. Zeitungswesens. (= Mitteilung, d. Innung
d. Buchdrucker-Prinzipal- Ver. N. 75.) Hamburg, Schlotke. (Nähere Angaben unerreichbar.) |[NachrDBuchh. 1, S. 332,3.]| (Ange-
schlossen an d. Journ. für Buchdrnckerkunst.) — 239) V. Fournel, Les origines du journalisme. Le nouvelliste au XVII. siecle:
Le livre et l'image 1, S. 273-87. - 240) J. Grand-Carteret, Le Journal dans l'image: ib. S. 197-210. — 241) K. Bienen-
stein, D. Tagespresse. Aus: Drei Essays, N. 2. (— Kult.- u. Litt.-Bilder. Her. v. R. H. Greinz. N. 3.) Neuwied, Schupp.
38 S. M. 0,60. — 242) D. farblose Presse: StML. 47, S. 615/6. — 243) H. Keiter, Handbüchlein d. kath. Presse Deutsch-
lands, Oesterreichs, d. Schweiz u. d. Ver. Staaten. Regensburg, Selbstverl. IV, 80 S. M. 1,20. — 244) Preisliste d. durch d.
kaiserl. Post-Zeitungsamt in Berlin u. d. kaiserl. Postanst. d. Reichs-Postgebiets im J. 1894 zu beziehenden Zeitungen, Zeit-
schriften. B. (W. H. Kühl). Fol. VII, 366 S. M. 4,70. (Vgl. JBL. 1893 I 3 : 168.) — 245) Preis- Verzeichnis d. in d. österreich.-
ung. Monarchie u. im Auslande erscheinend. Zeitungen u. period. Druckschriften für d. J. 1894. Bearb. v. d. K. K. Postzeitungs-
Amte I in Wien. Wien (R. v. Waldheim). 4°. VII, 222 S. M. 2,00. (Vgl. JBL. 1893 I 3: 169.) — 246) H. 0. Sperling,
Adressbuch d. dtsch. Zeitschriften u. d. hervorragenden polit. Tagesbll. Hand- u. Jb. d. dtsch. Presse. 35. Jahrg. L.,
Exped. d. Zeitschriften-Adressb. VI, 170, 72, 122 S. M. 4,00. (Vgl. JBL. 1893 I 3: 170.) — 247) 0. Gracklauer, Dtsch.
0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen. t 3
243-269
Journalkataloge. — Hettlers248) Versuch einer Inhaltsangabe deutscher Zeitschriften,
auch der wissenschaftlichen Fachblätter, erweist sich als mit ungenügenden Kräften
unternommen. — Mackie249) reicht den jungen Journalisten ein flott geschriebenes
Handbuch, das guten Einblick in die Technik des Zeitungswesens und die Standes-
vei tretung der Tagespresse in England bietet. — Steffen250) erörtert deren Ver-
hältnis zum geistigen Leben.251) — Der berühmte amerikanisch- englische Zeit-
schriftenkatalog des kürzlich verstorbenen Poole252), in neuer Ausgabe unter
Beteiligung von Fletcher, enthält in seinem Hauptteile die J. 1802 — 8 i, in den Nach-
tragsbänden die J. 1882— 91. 253"256) —
Das Bibliothekwesen beschäftigt immer weitere Kreise. Die allgemeine
Bibliothekenkunde hat durch die italienische Uebersetzung von Petzholds257) be-
währtem Handbuche Förderung erfahren. — Aus Italien selbst stammt Garinos258)
Bibliosophie, allgemeine Gedanken über den Begriff des Buches und die Anordnung der
Bibliotheken. — Ueber Bau, Einrichtung, Aufstellung und Katalogisierung von Biblio-
theken äussert sich E i c h 1 e r 25!)). — Es geben Schwenkes 260) Erneuerung von Petzholds
Adressbuch der deutschen Bibliotheken und Dziatzkos261) Entwicklung der wissen-
schaftlichen Bibliotheken Deutschlands (JBL. 1893 I 3 : 193/4) nach wie vor zu weiteren
Erörterungen Anlass. — Graesel262) hat für die in kurzer Zeit geschaffene, an-
gemessene Bibliotheksausstellung der deutschen Universitäten in Chicago einen Katalog
ausgearbeitet. — Ueber den Weltkongress von Bibliothekaren in Chicago, dem aber
vom Auslande nur drei Fachmänner, darunter von Deutschland N ö r r e nbe r g263),
beiwohnten, hat dieser eingehend berichtet, dabei den Plan einer Organisation der
Fachgenossen mit regelmässigen Konferenzen für Deutschland von Neuem anregend. —
Aus älteren Bibliotheken ist der von Omont 264) mitgeteilte Katalog
der Büchersammlung des Erzbischofs Bernhard IL von St. Jacob von Compostella
(1226) hervorzuheben. — Wattenbach265) äussert sich zu den ältesten Bibliotheken
in Strassburg. — Ein anschauliches Bild von Bibliotheken des Mittelalters, der
Renaissance und darüber hinaus gab Clark266) in einer Vorlesung, die durch
Augenblicksbilder an der Wand belebt war, und auch im Abdruck mit einzelnen
Bildern nach Hss. und Druck, und wo alte Bibliothekseinrichtungen noch erhalten
sind wie in Zütphen, Hereford und Casena auch in unmittelbaren Abbildungen ge-
schmückt ist. — Eine erwünschte Ergänzung zu den Bücherverzeichnissen des Mittel-
alters, bei denen sich G. Becker und Th. Gottlieb mit Recht im wesentlichen auf
Bibliotheken beschränkt haben, giebt für das Ordensland Preussen P e r 1 b a ch267)
durch die Nachweise aus Einzelbüchern unter Feststellung der Besitzer nach Universitäts-
matrikeln. — Davon der Bibliothek des Augsburger Humanisten Sigismund Gossembrot
nicht, wie von der Peutingers, ein vollständiger Katalog vorhanden ist, hat Joachim-
sohn268) aus Hss. und Randnoten ein alphabetisches Verzeichnis herzustellen ver-
sucht; die Arbeit ist durch dankenswerte Ausführungen über die Herstellung dieser
Büchersammlung ergänzt. — Eine erschöpfende, wertvolle Arbeit haben Schwenke
und Lange269) der Silberbibliothek Herzog Albrechts von Preussen gewidmet. Nach
einer das Bibliothekswesen und Buchgewerbe unter Herzog Albrecht beleuchtenden
Einleitung* werden Entstehung und Schicksale der von seiner prunkliebenden Ge-
mahlin Anna Marie zusammengebrachten Silberbibliothek von 20 Bänden urkundlich
nachgewiesen. Die eingehende Beschreibung, Gruppierung und kunstgeschichtliche
Journ.-Kat. für 1894. Zosammenstell. v. über 2700 Titeln dtsch. Zeitschriften. 30. Jahrg. L., Gracklauer. VI S. M. 1,35.
(Vgl. JBL. 1S93 I 3: 171.) — 248) O A. Hettler, Inhaltsang. d. wichtigsten in Deutschland u. d. dtsch. Sprachgebieten d.
Auslandes erscheinenden Zeitschriften. Oynhausen, Hettler. (Nähere Angaben unerreichbar) |[Rr. : BörsenblDBuchh. 61, 8, 3556
(vernichtend).]| — 249) John B. Mackie, Modern journalism. A Handb. of instruction and counsel for the young Journalist.
London, Lockwood & Son. VIU, 144, 48, 16 S. Sh. 2. — 250) O X X <*. F. S t e f f e n , Aus d. rood. England. E. Ausw. Bilder u.
Eindrücke. Vom Vf. verro. u. umgearb. dtsch. Ausg. Aus d. Schwed. v. 0. Key her. L., Hobbing. VIII, 439 S. M. 7,00.
(Darin Kap. übor d. „Presse u. d. geist. Leben"; besonders gedr. in NachrBuchh.) — 251) X W. F. Brand, D. engl. Presse:
SchlesZg. N, 555. — 252) O W. F. Poole, Index to periodical litt. Rev. ed. Boston n. New- York, Houghton, Mifflin & Co. 1893.
1442, 483, 476 S. D. 16,00. |[0. H(artwig): CBIBibl. 11, S. 280;2 (sehr anerkennend i.]| - 253) X C. Nörrenberg, W. F.
Poole: CBIBibl. 11, S. 526/8. — 254) X .Streiflichter auf araerik. Zeitangswesen : NachrBuchh. 1, S. 539-90, 607 9. — 255) X
Ph. Berges, Was wir v. d. Reklame auf d. Welt-Anstell. zu Chicago lernen können. Dargelegt in sechs Briefen. B.,
Exner & Co. 33 S. M. 1,00. (Sonderabdr. aus „D. Reklame.") — 256) X Zeitschriften u. Bücher in Russland im J. 1S92:
NachrBuchh. 1, S. 165 6, 177 ß, 182/3, 212/4, 224/5, 257/9, 284 6. — 257) G. Petzhold. Mannuale del bibliotecario. Trad. v. G. Biagie
G. Furoagalli. Mailand, Hoepli. 16". XX, 364, CCXUI. S. L. 7,50. |[E. G. Ledos: Polybibl1'. 71, S.455 6.J| — 258) O C. P. Garino,
Bibliosona. II über (suo deftnizione) e la biblioteca (suo ordinaraento), idee generali. Sassari, G. Dessi. 1S93. |[NAnt. 50,
S. 171.j| (Näheres nicht festzustellen). — 259) F. Eich ler, Bibliothekstechnisches: CBIBibl. 11, S. 308-19. — 260) LCB1. S. 449. —
261) ib. S. 327/8. — 262) A. Graesel, Dtsch. Unterr.-Ausstell. in Chicago 1893. Spec.-Kat. d. Bibl.-Ausslellung (Gruppe IX d.
Univ.-Ausstell.). B., Trowitzsch & Sohn. 1893. X, 44 S. \[3 — n: LCB1. S. 327,8.]| (Nicht im Handel.) — 263) C. Nörren-
berg, Kongress u. Konferenz d. Bibl. in Chicago: CBIBibl. 11, S. 70/7, 97-103. — 264) H. Omont, Cat. de la bibl. de
Bernard IL, archeveque de Saint-Jacques - de - Compostelle (1226): BECh. 54, S. 327-33. — 265) W. Wf attenbachj,
Aelteste Bibl. in Strassburg: ZGORh. 9, S. 178. — 266) J. W. Clark, Libraires in the Medieval- and Renaissance-Periodes.
Mit 7 Abbild. Cambridge, Macmillan & Bowes. 61 S. Sh. 2,6. — 267) M. Perlbach, Z. Gesch. d. Bücherwesens im Ordens-
lande Preussen: CBIBibl. 11, S. 153-63. — 268) P. Joachimsohn, Ans d. Bibl. Sigisni. Gossembrots: ib. S. 249-68, 297-307.
— 269) P. Schwenke u. K. Lange, D. Silberbibl. Herz. Albrechts v. Preussen u. seiner Gemahlin Anna Maria. Festgabe
d. Kgl. n. Univ. Bibl. Königsberg i. Pr. z. 350 j. Jubelfeier d. Albertus-Üniv. Mit 12 Taf. u. 8 Textillustr. L., Hiersemann. 4°.
40 S. Mitl2Taf. Geb.M.25,00. ||M. P.: CBIBibl. 11, S. 566/8; H. Ehrenberg: AltprMschr. 31, S. 497 9; VossZg. N. 347 ; Daheim 30,
I 3 : 270-2S2 0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen.
Würdigung-, bei der der Einband die Hauptsache ist, weist die Herkunft eines Bandes
aus München, der Heimat des Herzogs, zweier aus Nürnberg- nach, während die
übrigen 17 zwar in Königsberg fabrikmässig hergestellt sind, aber auf deutsche,
niederländische und italienische Einflüsse, insbesondere auf Nürnberg, Augsburg und
Frankfurt, Wittenberg und Leipzig, Münster und Antwerpen hindeuten. 12 Tafeln
mit Lichtdrucken von Sinsel & Co. geben die Silbertechnik überraschend treu wieder.
— P e t r i 270) gewährt bei einer Arbeit über das Album des Lichtenberger Konvents
in den 1575 von der WTittenberger Fakultät herausgegebenen Sakramentsschriften
Luthers eine Schilderung der 4000 Bände umfassenden wertvollen Kirchenbibliothek
St. Salvator zu Zellerfeld. Begründer war M. Kaspar Calvör, geb. 1650 zu Hildes-
heim. — Schilling271) weist in den gedruckten Flugschriften der Zwickauer
Ratsschulbibliothek eine wichtige Quelle für die Geschichte der Reformation und des
30 jährigen Krieges nach, wobei er Mitteilungen aus den Spottgedichten über Tilly, ins-
besondere aus dem Leipziger Konfekt macht. — Ueber die Entführung der fürstlichen
Liberei zu Tübingen 1635 durch Kurfürst Maximilian nach München wird in der
SchwäbKron. berichtet272); Spitta27?) legt in seinem Lebensabrisse des Tübinger
Universitätsbibliothekars Tafel (1796 — 1863) dessen Wirken für Swedenborg dar, das
trotz der ihm bei Antritt auferlegten Verpflichtung-, der Herausgabe Swedenborgscher
Schriften zu entsagen, sein Lebenswerk verbleiben durfte. — Eine Muster-Leistung
zur Geschichte deutscher Büchersammlungen ist von Heinemann s274) völlig um-
gearbeitete Darstellung der Wolfenbüttler Bibliothek von Anbeginn bis zu der
Gegenwart, die durch des Vf. eigene, mächtig umgestaltende Thätigkeit ihr Gepräge
gewonnen hat. — S t e f f e n h a g e n274a) veröffentlicht zur Geschichte der Kieler
Universitätsbibliothek eine Verordnung Herzog Karl Friedrichs vom J. 1724, die er,
soweit sie sich auf gewisse Leistungen wie u. a. den Pflichtexemplarzwang (JBL.
1891 I 4 : 139) der schleswig-holsteinschen Drucker und gelehrten Vf. bezieht, als
rechtsgültig und nur auf dem Wege des Gesetzes aufhebbar verficht, während er
einzelne von ihm als nicht mehr praktisch befundene Bestimmungen für von selbst
gefallen erachtet. — Koch275) berichtet in seiner Abhandlung von der Berlinischen
Gesellschaft für deutsche Litteratur über die jetzt 830 Werke umfassende Bibliothek
dieser 1815 begründeten, um 1880 entschlafenen Vereinigung und bespricht als Ab-
schlag auf einen vollständigen Katalog mit einer genaueren Beschreibung der Hss.,
soweit sie für die deutsche Sprachforschung wichtig sind, die hierfür weniger bedeut-
samen N. 462/8, 470/1. — Leitschuhs276) Geschichte der wertvollen kgl. Bibliothek
zu Bamberg nach der Säkularisation, ein Ausschnitt aus einer geplanten Gesamt-
darstellung, bringt den aktenmässigen Nachweis der Selbständigkeit dieser Anstalt
als eine Schutzschrift wider Angriffe. — In die Geschichte der österreichischen
Bibliotheken im 18. Jh. führt der von Weiss277) entworfene Lebensabriss
Gottfrieds Freiherrn van Swieten zurück, der gleich seinem Vater Präfekt der k. k,
Hofbibliothek in Wien war (1777 — 1803) und seine künstlerischen Neigungen auch
dieser Anstalt zu teil werden liess. — H. von Z wie dineck- S üden hörst278) be-
richtet über Geschichte und Neueinrichtung der steiermärkischen Landesbibliothek
zu Graz und bricht dabei eine Lanze für numerus currens.279) — Powell280) giebt
ein Buchblatt des Marquis von Macciucca mit originellen Lesegesetzen für die Ent-
leiher wieder.281) —
Unter den Begründern von Privatbibliotheken wagt sich in Grisebach282)
einmal ein deutscher Dichter mit seiner Büchersammlung an die Oeffentlichkeit. An-
schaulicher und ehrlicher kann der Gegensatz zwischen einer Eigenbücherei und einer
allgemeingültigen öffentlichen Bibliothek samt den sich daran anschliessenden vielen
Privatbibliotheken, die nur Hausbedarf, Handwerkszeug und Fachergänzung zu einer
S. 335.JI (Vgl.I9.) — 270) E. Petri, D. Album d. Lichtenberger Konvents auf d. Calvörschen Kirchenbibl. zu Zellerfeld: NKZ. 5,
S. 646-67. - 271) M. Schilling, D. Bedeutung d. Zwickauer Ratsschulbibl. für d. polit. Gesch.: MAVZwickau. 4, S. 78-96.-272)
E. N., D. Tübinger Bibl. im 30j. Krieg: SchwäbKron. N. 289. — 273) H. Spitta, J. F. I.Tafel: ADB. 37, S. 346/8. — 274)
O v. Heinemann, D. Herzogl. Bibl. zu Wolfenbüttel. E. Beitr. z. Gesch. dtsch. Büchersamml. 2. völlig umgearb. Aufl.
Mit 4 bildl. Darstell. Wolfenbüttel, Zwissler. VIII, 345 S. M. 6,00. |[E. S( tef f enhage)n: LOBI. S. 18423; VossZg. N. 352;
BerlBörsCour. N. 556.1 1 — 274a) E. Steffenhagen, Z. Gesch. d. Kieler Univ.-Bibl. Mitteil. u. Aktenstücke. 1. E. Verordn.
d. Herz. Karl Friedrich. Kiel, Univ.-Buchh. 15 S. M. 1,1)0. (Sonderabdr. aus ZSchlH.) - 275) J. Koch, D. ehemal.
Berlinische Ges. für dtsch. Spr. u. ihre Büchersamml. Progr. d. Dorotheenstädt. Realgymn. B. (Gaertner). 4°. 32 S. M. 1,00.
irCOIRW. 22, S. 330; G. Karpeles: VossZg. N. 314; NatZg" 30. Sept.]| (Vgl. I 7 : 187.) - 276) O F. Leitschuh. Gesch.
d. kgl. Bibl. zu Bamberg nach d. Säkularisation. Mit d. Bildn. J. H. Jäcks. Bamberg, Buchner. IV, 34 S. M. 1,00. I[0. H. :
CBIBibl. 11, S. 568; L. v. Eockinger: ArchivZ. 5, S. 305/6.JJ — 277) K. Weiss, G. Frhr. van Swieten: ADB. 37, S. 271 2.
— 278) O H. v. Zwiedineck-Südenhorst, D. Steiermark. Landesbibl. am Johanneura in Graz. In ihrer gcsch. Entwickl.
u. neuen Einrichtung aus Anlass d. Eröffn. d. neuen Bibliotheksgebäudes am 16. Nov. 1893 geschildert. Graz, Landesbibl.
1893. 24 S. Mit 7 Taf. [S — n: LCB1. S. 1382/3.]| (Privatdr.) - 279) O X W. Greiffenhagen, Gesch. d. esthländ. öffentl.
Bibl.: BKELK. 4, S. 343-50. — 280) G. H. Powell, A remarkable bookplate: BookWorm. S. 49-50. — 281) X v- Advielle,
La bibl. de Napoleon ä Sainte-Helene. Paris, Lechevalier. 4°. 33 S. Fr. 1,00. — 282) E. Grisebach, Katalog d. Bücher e.
dtsch. Bibliophilen mit litt. u. bibliogr. Anm. Nebst e. Portr. -Rad. nach d. Pastellgemälde von M. Liebermann. L.,
Drugulin. VI, 288 S. M. 6,00. |[<1. Haeberlin: CBIBibl. 11, S. 286,7; L. Fr.: LCB1. S. 14634; RCr. 37, S. 479-80;
PrJbb. 76, S. 547/9 (fruchtbare Kritik mit selbständigen Gesichtspunkten); Geg. 45, S. 366; VossZgn. N. 40]| —
0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen. 1 3
888-806
Öffentlichen Bibliothek bedeuten, gar nicht dargestellt werden, als in diesem Verzeich-
nis einer durchaus persönlichen Büchersammlung. Der schmuck ausgestattete Katalog
wirkt wie die bibliographische Beilage zur Selbstbiographie dieses erotischen Dichters,
weltschmerzlichen Philosophen und feinschmeckerischen Litteraturforschers. Unter den
von ihm gepflegten Litteraturgebieten steht das deutsche voran, im französischen tritt
Anthoine de la Säle, dem Exkurse gewidmet sind, in den Vordergrund. — Für die
Allgemeinheit wichtiger sind die von Privaten der Oeffentlichkeit zur Verfügung
gestellten Sammlungen. Dem Zweck entsprechend trägt die von Rothschildsche283)
Bibliothek in Frankfurt a. M., nach dem diesjährigen Jahresbericht zu urteilen, kein
persönliches Gepräge. — Die am 1. Jan. neu begründete und gleichfalls zur öffent-
lichen Benutzung gestellte Musikbibliothek Peters in Leipzig hat gleich bei der Er-
öffnung einen von Vogel284) musterhaft zusammengestellten Katalog mit Registern
ausgegeben. Diese vorbildliche Musiksammlung umfasste Ende des J. gegen 10000
Werke, darunter 6000 praktische, vornehmlich moderne von den kritischen Gesamt-
ausgaben der Klassiker angefangen, zumal Partituren von Opern, Oratorien, Orchester-
werke und Erstlingsdrucke von Beethoven und den Romantikern, auch wertvolle
Hss. — Ueber die Sammler und die Entwicklung von Büchersammlungen in Frankreich
äussert sich Grand-Carteret2S5). — Ueber Kataloge derartiger Sammlungen im 18. Jh.
berichtet Tourneux286), über Verkäufe solcher in der Gegenwart d'Eylac287-288). —
Von der Bibliothek des Grafen Lignerolles289) ist gelegentlich der Versteigerung ein
wertvolles Katalogalbum erschienen. — In Paris sind auch die grossen Sammlungen
der Ausländer Maglione290) und Heredia291) auf Grund ihrer trefflichen Kataloge zur
Versteigerung gelangt. — Ueber Buchsammlung in England spricht sich ein neuer-
dings veröffentlichter Brief Samuel Johnsons292) aus. — T haussig293) teilt Erinne-
rungen an die Spencer- Bibliothek mit, Haz lit t 294) giebt ein alphabetisches Verzeichnis
der englischen und schottischen Büchersammler, Roberts296) berichtet von einigen
Sammlern, Hamilton296) schreibt anregend über Sammelwut.297) —
Bei der Bedeutung der grossen öffentlichen Bibliotheken für die
Wissenschaft ist das von Richter298) zusammengestellte Verzeichnis der Bibliotheken
von etwa 50000 Bänden an willkommen. — Zur Feststellung der Stärke der Benutzung
von Bibliotheken, soweit diese sich in der durchschnittlichen Anwesenheit der Be-
nutzer in Leseräumen ausspricht, macht Berghoeff er299) zweckmässige Vorschläge. —
Roquette300) hat die Mittel und Bedürfnisse der deutschen Universitätsbibliotheken
ins Verhältnis gesetzt zum Verkaufspreise der jährlichen Buchernte Deutschlands
nach den Hinrichsschen Halbjahresverzeichnissen und begründet darauf, allzuschüchtern
mit Forderungen zurückhaltend, die Anerkennung erhöhten Bedürfnisses in der Hoffnung
auf Abhilfe bei Besserung der Staatsfinanzen. Nach seinen Aufstellungen ist die
kgl. Bibliothek in Berlin die einzige, deren Vermehrungsfonds den Preis der Jahres-
erscheinungen allein des deutschen Buchhandels übersteigt. — Das Verzeichnis der
von dieser Anstalt 1893 erworbenen Druckschriften301) liegt gedruckt vor, auch ein-
seitig zu anderweiter Verwertung der Titel. — Für die an Zahl der Drucke und
Hss. grösste deutsche Büchersammlung, die Hof- u. Staatsbibliothek in München302),
werden Reformen verlangt, die in Forderung eines ausserordentlichen Betrags für
Umbauten und Einrichtungen und erhöhter jährlicher Mittel beim Landtage zur Geltung
kommen sollen. — Eine Benutzungsstatistik der Strassburger303) Bibliothek im letzten
Jahrzehnt ergiebt zugleich als Gesamtergebnis für 1872 — 93 382772 Benutzer von
846042 Werken in 1405694 Bänden.304) — Die herzogliche Bibliothek zu Wolfenbüttel
Iässt als zweiten Band ihrer Bücherverzeichnisse Milchsacks305) alphabetisches
283) Zugangs -Verzeichnis d. freiherrl. C. v. Rothschildschen öffentl. Bi'ul. für d. J. 1894. Frankfurt a. M. 56 S. —
284) E. Vogel, Kat. d. Musikbibl. Peters. Abt. I. Theoret. Werke. Abt. U. Prakt. Werke. L., Peters. VIII. 163 S.; IV,
162 S. M. 18,00. |[VossZg. N. 28.JI — 285) J. Grand- Cartere t, Les collectionneurs et les etapes de la collection:
Le livre et l'image 1, S. 3-13. — 286) M. Tourneux, Cjllections et catalogues au XVIII. siecle. I. Vente Gros de Boze.
II. Vente Collin. III. Vente Lottin: ib. S. 28-32, 236-40. — 287) d'Eylac, Les ventes de livres de 1893: ib. S. 96-102. —
288) id., La bibl. du comte de Lignerolles: ib. 3, S. 21-37, 82-92, 226-35. — 289) Albnm de cat. de la bibl. de feu M. le comte
de Lignerolles, renfermunt 167 planches, titres, facs. de relieures, reprod. de planches de mss. Paris, Porquet. 4".
Fr. 50,00. — 290) Cat. de la bibl. de feu M. Benedetto Maglione de Naples. I.-II. Paris, Paul, Huard & Guillemin.
315, 308 S. — 291) Cat. de la Bibliotheque de M. Ricardo Heredia Comte de Benaharis. 3. P. Hist.-Antographes. 4. P.
Theologie, Jurisprudence, Sciences et Arts, Beaux-Arts, Belles-Lettres, Histoire. ebda. 13!)3— 94. 340, 524 S. — 292) Dr.
Johnson on book-collecting: BookWorm. S. 363 6. — 293) E. Thaussig, Erinnerungen an d. Spencer-Bibl. : BörsenblDBucbh. 61,
S. 3151/3. — 294) W. C. Hazlitt, English and scottish book-collectors and collections (Alphabetically arranged): BookWorm.
S. 65-74, 97-106, 151/2. — 295) W. Roberts, Book-collectors of to-day: ib. S. 193-200,257-60,353,7. — 296) W. Hamilton.
The collecting-mania (From the note-book of a mad doctor): ib. S. 41/6. - 297) X Verzeichnis amerik. P.ivatbibl. : ExportJourn. 7,
N. 1-12. — 298) P. E. Richter, Verzeichnis d. Bibl. mit gegen 50000 u. mehr Bänden. 2 Tle. L., Hedeler. 57 S. M. 8,00.
— 299) Ch. Berghoeffer, Z. Benutzungsstatistik: CBIBibl. 11, S. 103/6 — 300) A. Roqnette, D. dtsch. Univ.-Bibl., ihre
Mittel u. ihre Bedürfnisse. (= N. 48, S 40-61.) — 301) Verzeichnis d. ans d. neu ersch. Litt. v. d. Kgl. Bibl. zu Berlin er-
worbenen Druckschriften. B., Asher & Co. 1893. 809 S. M. 35,00. - 302) D. Bedürfnis nach Reformen an d. Hof- u.
Staatsbibl. in München. Beobachtungen e. Besuchers zugleich als Motivierung für e. Nachtragsetat. München, Th. Ackermann.
29 S. M. 0,40. — 303) Benutzungs- Statistik d. Kaiserl. Univ.- u. Landes-Bibl. Strassburg i. E. für d. J. 1884-93: CBIBibl. 11,
S. 188/9. — 304) X Zugangs- Verzeichnis 1S93. Enth. ausser d. regelm. Zuwachs e. Schenkung d. Herrn Hofbuchh. Max Müller.
(= Kat. d. grossherzogl. Hof- u. Landesbibl. in Karlsruhe XXI.) Karlsruhe, Groos. 47 S. M. 0,50. — 305) G. Milchsack,
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (1)3 b
t 3 : 306-325 0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen.
Verzeichnis der schönen und ihr verwandten Litteratur Frankreichs bis zum Ende
des 18. Jh. gelegentlich der Drucklegung ihrer Zettelkataloge erscheinen. In diese
wertvolle Sammlung sind auch die für die Geschichte der Litteratur in Deutschland
wichtigen Uebersetzungen aufgenommen.306) — Von den Mitteilungen aus den Biblio-
theken der freien Städte307) treten die Eyssenhardts308) über die Stadtbibliothek zu
Hamburg vor, doch schliessen sie mit dem 11. Hefte ab, um künftig in das Jahrbuch
der wissenschaftlichen Anstalten aufgenommen zu werden. Ein Abriss der Geschichte
dieser Bibliothek nach Petersen dient als Einleitung des Katalogs zur Ausstellung
der Bibliothek für den Journalisten- und Schriftstellertag. Nächst den Belegstücken
zur Buchdruckergeschichte nach Lappenberg sind die Hamburger Moralischen Wochen-
schriften, die älteren politischen Zeitungen in Hamburg und eine Auswahl von Ham-
burger Theaterzetteln von 1684 an zu erwähnen.308*) — Von den Reichsanstalten
sammelt des Reichspostamt309) Sprachenkunde, Reise- und Geschichtswerke über
den engen Kreis seiner Aufgabe hinaus; ähnlich die Wiener Handelsakademie nach
Borowskys310) Katalog. -- Ueber die Bibliotheken Italiens, deren altrömische Zeit
Gar belli3") unter Beigabe einer Bibliographie über diesen Geg-enstand behandelt,
ist gelegentlich des Kongresses von Chicago ein ausgiebiger Bericht31'2) erstattet
worden313). — Von Torchi314) ist der 3. Katalogband des Liceo musicale in Bologna,
der wertvollsten Musikbibliothek der Welt, erschienen. — Dziatzko315) urteilt in
einem wissenschaftlichen Reisebericht, mit Beobachtungen über die grössten Biblio-
theken Italiens, sehr günstig über die einheitliche organisatorische Regelung des italie-
nischen Bibliothekwesens von 1885—89, das ihm nur zu weit auf Einzelheiten und
Aeusserlichkeiten der Verwaltung eingeht und nicht genügend für- Nachwuchs zu-
gleich wissenschaftlich und technisch vorgebildeter Bibliotheksbeamten sorgt. —
Carlander316) hat mit dem 3. Teil sein in die Vergangenheit zurückgreifendes Werk
über die schwedischen Bibliotheken mit besonderer Beachtung der Ex-libris beendet ;
ein ausführliches Gesamtregister schliesst die gross angelegte Arbeit ab. — Ein
Bookmaker317) veröffentlicht Erinnerungen an die Kgl. Bibliothek in Schloss
Windsor318). — Von Fl int319), dem Statistiker im Unterrichtsamte, liegt eine amt-
liche Statistik der öffentlichen Bibliotheken in den Vereinigten Staaten und Canada
vor. — Auf Grund dieser bedeutungsvollen Unterlagen zeigt Reyer320), dass der
Schwerpunkt des Bibliothekswesens in Amerika derzeit in den freien Volksbiblio-
theken liege. — Ueber die Bibliothek der Harvard-Universität zu Cambridge, die
öffentlichen Bibliotheken von Chicago und Jersey City, die Cornellbibliothek von Ithaka,
die neuerdings Fr. Zarnckes germanistische Bibliothek von 13000 Bänden und
eine Dantebibliothek von nahezu 2000 Bänden erworben hat, und andere amerikanische
Bibliotheken berichtet Hae b e r 1 i n321). — Aus dem Jahresberichte der Staatsbibliothek
in Albany322) bringt N ör r e n b e r g323) über drei neue Bibliothekgesetze des
Staates New-York Mitteilungen : ein allgemeines Bibliotheksgesetz, den Schutz von
Bibliotheksfonds und das Schulbibliothek sgesetz ; ebenso macht er mit dem Bericht
der Kommission für die Free public library von Massachusetts324) bekannt. —
Kukula325) giebt bei den Vorarbeiten zu seinem Jahrbuch für die gelehrte Welt
„Minerva" in Ergänzung von Schwenkes Adressbuch der deutschen Bibliotheken
Bestand und Benutzung der wichtigsten ausserdeutschen Bibliotheken zumeist mit
Schluss des J. 1892 an. Die Angaben für Frankreich stammen vom Inspektor der
Alphabet. Verzeichnis d. franz. Litt, in d. herzogl. Bibl. zu Wolfenbüttel. D. Bücher-Verzeichnisses 2. Bd. Wolfenbüttel,
Zwissler. XV, 593 S. M. 20,00. — 306) OX A- Schlosaar, Bibliotheken. Reisen in Süd- u. Nordwest-Deutschland: WienZg.
N. 187, 189-90. ,[Ht.: CBIBibl. 11, S. 515.]! - 307) X C. Curtius, Ber. über d. Verwalt. d. Stadtbibl. im J. 1893. Lübeck:.
4°. 3 S. — 308) T. Eyssenhardt, Mitteil, aus d. Stadtbibl. zu Hamburg XI. Hamburg, Lütcke & Wulff. 1893-94. 82, 130 S.
M. 2,40. |[Th. Mehring: DBühneng. 23, S. 203.]| — 308a). O X Stadtbibl. zu Frankfurt a. M. Verzeichnis d. Handbibl. d.
Lesesaals u. d. daselbst aufliegenden Zeitschriften. — Kat. d. perm. Ausstell. Frankfurt a. M. SOS. M. 0,20. — 309) Nachtr. zu Bd. I
(Bücher) d. Verzeichnisses d. Bücher- u. Karten-Samml. d. Reichs-Postamts. B. (Springer). 1893. XII, 295 S. M. 6,00. —
310) M. Borowsky, Kat. d. Bibl. d. Wiener Handelsak. (= Jb. d. Ver. d. Wiener Handelsak. [2. Abt.J.) Wien. 134 S. —
311) F. Garbelli, Le biblioteche in Italia. All'epoca romana con un'appendice sulle antiche biblioteche di Ninive ed
Allessandria. Milano. Hoepli. 232 S. L. 6,50. — 312) O Notizie storiche, bibliografiche e statistiche sulle biblioteche
governative del regno d'Italia (Ministero della publica istruzione). (= Publicate in occasione del congresso internazionale
dei bibliotecari, Chicago, Luglio 1893.) Roma, tip. Elzeviriana. 1893. 334 S. — 313) O X Le biblioteche d'Italia.
Elenco generale e indici speciali. Milano. 4°. 61 S. — 314) G. Gaspari, Catalogo della biblioteca del liceo musicale
di Bologna, compiuto e pubblicato da L. Torchi. Vol. III. Bologna, Romagnoli dall'Acqua. 1893. 389 S. L. 20,00. —
315) K. Dziatzko, E. Reise durch d. grösseren Bibl. Italiens. (= N. 43, S. 96-128.) — 316) C. M. Carlander, Svenska
Bibliotek och Ex-libris. Anteckninger III. Med 110 Illustr. Stockholm, Iduns Tryckeri Aktiebolag. VIII, 692, 4 S.
Kr. 25,00. — 317) Bookmaker, In the royal library, Windsor Castle: BookWorm. S. 329-35. — 318) O X Library-association
Series N. 5: Cataloguing rules 1. of the British Museum, 2. of the Bodleian library, 3. of the library-association. London,
Simpkin. 27 S. Sh. 6. — 319) W. Flint, Statistics of public libraries in the United States and Canada. Washington,
Governement Printing Offlee. 1893. 213 S. — 320) E. Reyer, Oeffentl. Bibl. d. Vereinigten Staaten. 1891: CBIBibl.
11, S. 269-72. — 321) C Haeberlin, Amerik. Bibl.: ib. S. 287/9. — 322) O State- library bulletin. Legislation,
('omparative summary and index to state legislation. N. 13. Albany N.-Y., State library. 1891—93. 290 S. —
323) C. Nörrenberg, M. Dewey, D. neuen Bibliotheksgesetze dl Staates New-York: CBIBibl. 11, S. 272/8. — 324) O Report
of the Free public library commission of Massachusetts. 3 Bde. Boston, Wrigt & Potter Printing Co. 1891—93. XII, 290,
39, 34 S. |[C. N(örren)b(er)g: CBIBibl. 11, S. 323/4.]| — 325) R. Kukula, Statistik d. wichtigsten ausserdtsch
0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen. I 3 i 326-3.50
französischen Bibliotheken und Archiven Ulysse Robert, für Italien vom Präfekten
der Bibliotheca nazionale centrale in Florenz Desiderio Chilori, für Oesterreich von
den einzelnen Bibliotheks-Vorständen. — Von den Anläufen zur Abzweigung von
Schülerbibliotheken aus den Schulbibliotheken gewährt Dressel326) in der Vor-
geschichte der Schülerbibliothek der Kgl. Ritter-Akademie zu Liegnitz ein anschau-
liches Beispiel; der von ihm veröffentlichte Katalog, nach Klassenstufen und Unter-
richtsfächern geordnet, kann in seiner reichen Gliederung als Anhalt für ähnliche
Arbeiten dienen. — Reyer327), dessen Buch über die Volksbibliotheken (JBL. 1893
I 3:130) immer breitere Spuren zieht328"330), begründet auf Dziatzkos Urteil
über das Zurückbleiben der Stadtbibliotheken gegenüber den staatlichen Anstalten
und auf Schwenkes Uebersichten ihrer bescheidenen Aufwendungen für wissenschaft-
liche Zwecke seine Aufforderung, dass die städtischen Bibliotheken Volksbibliotheken
werden müssen, die dann auf Unterstützung seitens der Bürgerschaft rechnen dürfen. —
Tews331) verbreitet den Gedanken der Volksbibliothek in Schulkreisen. — Der
Dresdener Musterkatalog332) erscheint schon in 3. Auflage333). — Bereits wird er-
örtert, welche Geistesmächte diese zukunftsreichen Anstalten in ihren Bereich ziehen
könnten334). — Die Volkslesehalle schliesst sich an die Volksbibliothek335). —
Mit gedruckten Bücherzeichen ist Deutschland allen anderen Ländern
um die Mitte des 15. Jh. weit vorangegangen; seitdem vom Auslande in der All-
gemeinheit des Gebrauches überflügelt, hat es erst neuerdings wieder eine Gemeinde
für diese Bestrebungen gebildet. Den Mittelpunkt für die deutschen Sammler von
Bücherzeichen bildet die Zeitschrift für Bücherzeichen336); für Bibliothekenkunde
und Gelehrtengeschichte, die im Titel des Blattes miterwähnt sind, fallen nur mittel-
bar Späne ab. Von zusammenfassenden Arbeiten sei unter den Beiträgen von
Eisenharts auf „Die Ex-libris der deutschen Klöster", und auf des Grafen zu
Leiningen -Westerburg „Ex-libris mit Ortsansichten" hingewiesen. Die Seele
dieses Organs ist, auch nach diesem Jahrgange zu urteilen, Warnecke, der seine
Studien gleichmässig vom 15. Jh. bis zur Gegenwart erstreckt. — Als ein besonderes
Werk hat Warnecke337"338) die Bücherzeichen des 15. und 16. Jh. in Proben der
besten Meister herausgegeben. Aus seiner gleichzeitigen Veröffentlichung von
hundert heraldischen Kunstblättern derselben Zeit geht deutlich hervor, dass die
Bücher- und Wappenblätter demselben edlen Stamme entsprossen sind. Jost Amman,
Barthel und Sebald Beham, Hans Burgmair der Jüngere, Lukas Cranach der Aeltere,
Albrecht Dürer und seine Schule, Hans Sebald Lautensack, Conrad Saldörfer, Hans
Leonhard Schäufelin, Barthel Schön, Johann Sibmacher, Virgil Solis, Heinrich Ulrich
und Matthias Zündt sind auf beiden Gebieten vertreten, die Blätter könnten herüber
und hinüber verwandt werden. (Vgl. I 9.) — Der sinnreichste der gegenwärtigen Schöpfer
von Bibliothekszeichen ist Sattler339). Nichts von gleicher Bedeutung ist seit
Beginn der Bewegung für Bücherzeichen, die etwa gleichzeitig mit der Begründung
dieser JBL. eingesetzt hat, geschaffen worden. — Als eine beachtenswerte junge
Kraft hat Warnecke neuerlich den heraldisch gut geschulten Otto 340) eingeführt.
— Teske341) hat die Bücherzeichen des Herzogs Ulrich von Mecklenburg ge-
sammelt und auf das ihnen zu Grunde liegende mecklenburgische Wappen von Lukas
Cranach d. Ä. zurückgeführt. — Auch die deutsche Unterhaltungspresse regt sich,
den Sinn für Bücherzeichen weiter zu verbreiten 342) und, während in Frankreich343-344)
und England345-348) teilweise unter Heranziehung deutscher Originalwerke349"350)
Bibl. d. Erde: CBIBibl. 11, S. 111-24. — 326) K. Dressel, Verzeichnis d. Schüler-Bibl. d. Kgl. Ritter-Ak. zu Liegnitz, nach
Klassenstufen n. nach Unterrichtsfächern geord. u. mit e. Vorw. vers. Progr. Liegnitz (Oskar Heinze). XX, 63 S. — 327)
E. Reyer, Reform d. dtsch. Stadtbibl.: CBIBibl. 11, S. 401/2. — 328) X E. v. Sallwürck: DLZ. S. 311. — 329) X P- ?-
Volksbibliotheken: SchorersFamilienhl". N. 7. — 330) X Volksbibliotheken: Didask.N. 301. - 331) J. Tews, Volksbibliotheken.
(= Päd. Mag. Her. v. F. Mann. N. 40.) Langensalza, Beyer & Söhne. 15 S. M. 0,20 |[Nation». 11, S. 2057; DB11EÜ. 21,
S. 101/5.]| — 332) Mnsterkat. für Volksbibl. Verzeichnis v. Büchern, welche z. Anschaffung für Volksbibl. zu empfehlen sind.
Her. vom Gemeinnützigen Ver. zu Dresden. 3. Aufl. L, Spamer. VI, 83 S. M. 1,00. — 333) X Bücherverzeichnis d. Volksbibl.
Freiburg i. B. Fieiburg i. B. 127 S. M. 0,25. — 334) O X R- Hochegger, Relig. Volksbibl.: MhComeniusGes. 3, S. 1623.
— 335) A. Pfungst, Volkslesehallen: Jungdeutschland 3, S. 7. — 336) Es-libris. Zeitschr. für Bücherzeichen, Bibliotheken-
kunde u. Gelehrtengesch. Org. d. Ex-libris- Ver. zu Berlin. Bd. IV. Görlitz, Starke. 4°. VI, 127 S. M. 15,00. (Vgl. JBL. 1890
I 3:235.) — 337) F. Warnecke, Bücherzeichen (Ex-libris) d. 15. u. 16. Jh. v. Dürer, Burgmair, Beham, Virgil Solis, Jost
Amman u. a. B., Stargardt. 16 S. Mit 100 Taf. M. 28,00. |[DHerold. 25, S. 92.J| — 338) id., Herald. Meister. 100 herald.
Kunstbll. nach Entw. v. Mart. Schongauer, Israel v. Mecken, Albr. Dürer, Virgil Solis, Jost Amman u. a. dtsch. n. ausländ,
hervorrag. Meistern, ebda. 4°. 11 S. Mit 26 Taf. M. 20,00. - 339) J. Sattler, Dtsch. Kleinkunst in 42 Bücherzeichen.
Mit e. Vorw. v. F. War necke, ebda. 4U. 10 S. Mit 42 Taf. M. 40,00. — 340) G. Otto, 20 Bücherzeichen. Mit e. Vorw.
v. F. Warn ecke. ebda. 4 S. Mit 20 Taf. M. 4,00. — 341) C. Teske, D. mecklenb. Wappen v. Luk. Cranach d. Ae., d.
Bücherzeichen (Ex-libris) d. Herz. Ulrich zu Mecklenb. u. a. ebda. 4°. 12 S. Mit 22 Abbild. M. 6,00. — 342) X H.
v. Zobeltitz, Ex-libris: Daheim 30, S. 4914. — 343) X Archives de la soc. franc. des collectionneurs d'ex-libris. Rev.
mens. ill. Annee 1894. Paris, Paul, Huard & Guillemin. 12 Nrr. Fr. 18,00. — 344) X <*• Gauthier et R. deLurion,
Marques et bibl. et ex-libris frano-comtois. Besancon, Jacquin. 79 S. — 345) X Tne Journal of the Ex-libris-soc: NQ. 5,
S. 19; 6, S. 199. — 346) X Th« annual book-plate and armorial year book. 111. London, Black. 4°. Sh. 26. — 347) X
Dated book-plates: BookWoTm. S. 337-40. — 348) X J- Vinycomb, Processes for the production of Ex-libris (book-plates).
London, Black. Sh. 3 6. — 349) A. Dnerer and others. Rare book plates (Ex-libris) of the 15. and 16. cent. London, Grevel & Co.
4°. Sh. 5. — 350) X C. Kissel, Symbolical book plates. 25. Ex-libris. ebda. Sh. 4. — 35DX °- J- örellet u. M.Tripet,
(l)3b*
t 3 : 851-369 Ö. v. Hase, Schrift- und Buchwesen.
die Bewegung weiter schreitet, wird es auch in solchen Gebieten des Auslandes351-362),
die bisher der Bewegung ferner gestanden haben, lebendiger. —
Der Buchhandel hat die Forschungen zu seiner älteren Geschichte,
abgesehen von dem weiter zurückgreifenden, zusammenfassenden Werke des
amerikanischen Buchhändlers P u t n a m 353) über Vf. und ihr Publikum in alten
Zeiten, wieder im Archiv für Geschichte des deutschen Buchhandels354) niedergelegt.
— Roth 355) stellt die Thätigkeit des Buchdrucker- und Buchhändler-Geschlechtes
Biener (Apiarius) zu Strassburg, Bern und Basel dar, Buchwald356) steuert Briefe
der Erben des Petrejus zu Nürnberg und Peter Brubachs zu Frankfurt a. M. bei. —
Von K i r ch h o f f s367'360) Forschungen, die wie immer die geschichtlichen Bräuche
und das Wirtschaftsleben des mittleren Buchhandels beleuchten, sind zu erwähnen
die Arbeiten über das Sortimentslager des Christoph Ziehenaus in Leipzig 1563,
über Ernst Vögelins Druckerei um 1576, über des Andreas Hoffmann von Wittenberg
Sortiments-Messlager in Leipzig 1600 und über Schulprivilegien in Leipzig nach
dem 30jährigen Kriege. — Stieda361) hat in seinen Studien zur Geschichte des
Buchdruckes und Buchhandels in Mecklenburg ganz aus dem Frischen — nur für die
Einleitung' diente Lisch als Vorarbeit — die Geschichte eines litterarisch wenig
entwickelten Landes gegeben, die eben deshalb eine willkommene Ergänzung der
Geschichte dieses Gewerbes an seinen Hauptplätzen bietet. Das Hauptgewicht legt
er auf die Schilderung der Universitäts-Buchdruckerei und des Universitäts-Buch-
handels in Rostock von 1560 bis Ende des 16. Jh. und der Rostocker Universitäts-,
Rats- und Privatbuchdrucker im 17. Jh., namentlich Joh. Hallervords ; der Buch-
handel wurde in Mecklenburg im 17. Jh. zu Wismar, Schwerin, Parchim, Güstrow,
Neubrandenburg, Malchin und Friedland nur von Buchbindern betrieben. Aus drei
Jhh. werden Versuche auswärtiger Buchhändler, in Mecklenburg Geschäfte zu be-
treiben, geschildert am Beispiele Feyerabends, des Disputationshändlers Klopffleisch
und des Magdeburgers Hechtel. — K i r c h h o ff 362-363^ wejst aus Gutachten von 1788
das Entgegenkommen der Leipziger Buchhändler gegen den ausländischen Buch-
handel nach und erklärt die in den Litteratur- und Nachdrucksverhältnissen be-
gründete Zurückhaltung der Holländer, Franzosen und Italiener, auch teilt er die
Gutachten von Barth, Kummer und Richter über die französische Sperre von 1811
als erste Lebensäusserung der „Leipziger" Buchhandlungs-Deputierten mit. —
Landsberger364) macht von jüdischen Buchhandlungen des 18. Jh. in Breslau
Mitteilung, von Sabbatai und Sabatke, erst verbundenen, dann entzweiten Juden aus
Dyhernfurth und Prag, sowie von dem über das Reglement tolerierten David
Moyses. —
Von einzelnen deutschen Buchhändlern ist zunächst ein Landkarten-
händler zu erwähnen. Sandler365), dem man schon wertvolle Arbeiten über den
Landkartenstecher und -Verleger Joh. Bapt. Homann in Nürnberg und die Homan-
nischen Erben verdankt, behandelt mit gleicher Gründlichkeit Matthäus Seutter in
Augsburg, deren einzigen nennenswerten Wettbewerber. — Der kundige Vf. der Buch-
druckergeschichte Wiens, Anton Mayer 366), stellt den ersten Wiener Gross-
industriellen des Druckgewerbes im 18. Jh. und eifrigsten Verfechter des Nach-
drucks deutscher Klassiker, Joh. Thomas Edlen von Trattner in Wien, nach Licht
und Schatten wahrheitsgetreu dar. — W u s t m a n-n367"368) hat den angesehenen
Leipziger Buchhändlern und Buchdruckern Karl Tauchnitz und Benedikt Gotthelf
Teubner anerkennende Darstellungen ihrer grossartigen Wirksamkeit zumal im
Klassikerverlage gewidmet, dabei tritt bei Karl Tauchnitz dem Vater die schöpfe-
rische Thätigkeit zumal auch in der Neugestaltung der Technik, beim Sohne, der
beim Tode des Vaters der ersehnten Missionsarbeit entsagen musste, das edle Gemüt
und die grossartige Wohlthätigkeit, bei B. G. Teubner der ausdauernde Fleiss und
die Sicherheit des geschäftlichen Blickes hervor. — Thomälen 369) hat einem der
Les Ex-libris Neuchätelois. Neuchätel, Inst, herald. 60 S. Fr. 10,00. — 352) X (= N. 316.) — 353) O G. H. Putnam, Autliors
and their public in ancient times. A sketch of litt, oonditions, and of the relations with the public of litterary producers,
Irom the earliest times to the invention of printing in 1450. 2. ed. rev. New York u. London, G. P. Putnam. 12°. Doli. 1,50.
— 354) AGDBuchhandel. Her. v. d. bist. Komm. d. Börsenver. d. dtsch. Buchändler. XVII. (= Publ. d. Börsenver. d. dtsch.
Buchhändler. N. F.) L, Börsenver. d. d. Buchh. VI, 365 S. M. 6,00. ][W. Schultze: BLU. S. 326/7.JI — 355) F. W. E.
Roth, D. Buchdruckerfamilie Apiarius zu Strassburg, Bern u. Basel. 1533-92. (= N. 354, S. 26-35.) — 356) G. Buch wald.
Vier Buchhändler-Briefe aus d. 16. Jh. (= N. 354, S. 354/5.) — 357) A. Kirchhoff, D. Sortimentslager v. Chrph. Ziehenaus
in Leipzig. 1563. (= N. 354, S. 3-25.) — 358) id., Wirtschaftsleben im älteren Buchh. E. Vögelin in Leipzig. 2. Nachtr.
(= N. 354, S. 36-52; vgl. JBL 1803 I 3:248.) — 359) id., Sortiments-Messlager in Leipzig. Andr. Hoffraann v. Wittenberg.
(= N. 354, S. 53-78.) — 360) id., D. Privilegien über d. Elementar-Schulbücher in Leipzig 1652 u. sonstige Schädigungen
nach d. Kriege. (= N. 354, S. 79-106.) — 361) W. Stieda, Studien z. Gesch. d. Buohdr. u. d. Buchh. in Mecklenburg.
(= N. 354, S. 119 325.) |[0. v. H(asej: LCB1. S. 1S88/9.J| — 362) A. Kirchhoff, D.Zeitpunkt d. Wegbleibens d.Holländer
v. d. Leipz. Messe. (= N. 354, S. 363/5.) — 363) id., Ursprung u. erste Lebensäusserungen d. Leipz. Buchh.-Deputierten.
(D. franz. Sperre v. 1811.) (= N. 354, S. 326-53.) - 364) J. Landsberger, Z. Gesch. d. jfld. Buchdruckerei in Dyhern-
furth u. d. jüd. Buchh. 4.: MLWJ. 38, S. 189-92. — 365) Chrn. Sandler, Matthäus Seutter u. seine Landkarten: Aus
MVELeipzig. S. 1-38. — 366) Ant. Mayer, Joh. Thomas Edler v. Trattner: ADB. 38, S. 499-501. — 367) G. Wust-
mann, Karl Chrph. Traugott Tauchnitz: ib. 37, S. 441/3. — 368) id., B. G. Teubner: ib. S. 609-11. — 369, G. Th[omälen],
O. v. Hase, Schrift- und Buchwesen. I 3 i 370-388
genialsten und liebenswürdigsten deutschen Verleger, Georg Wigand in Leipzig, eine
warme Schilderung seines kurzen Lebenslaufes gewidmet; ihm verdankt die deutsche Litte-
ratur und Kunst mancherlei Förderung, die über die eigenen, oft geringen Verstösse
hinaus vielfach noch jetzt weiterwirkt. — W u s t m a n n370) giebt einen Lebensabriss
von 0. Spamer, der, wenn auch gelegentlich mit etwas zusammengewürfelten Holz-
stücken, die illustrierte deutsche Jugendschriftenlitteratur seiner Zeit nicht unverdienst-
lich beherrscht hat. — O. von Hase371) setzt die Geschichte von Breitkopf
und Härtel bis auf die lebendige Gegenwart als Erinnerungsschrift für seine Mit-
arbeiter fort. — Von der kräftig weiterblühenden Buchhandlung Vieweg & Sohn
in Braunschweig entwirft Boy372) ein hübsches Augenblicksbild. — Das um das
deutsche Lied verdiente Haus Geiger-Schauenberg in Lahr fand gelegentlich seines
50 jährigen Jubiläums durch S ü t terlin373) eine kundige Darstellung, und Hölzel
in Olmütz und Wien374) wurde in gleicher Weise als deutscher Buchhändler geehrt. —
Im ausländischen, insbesondere italienischen375) Buchhandel nimmt
der Deutsch-Schweizer Ulrich Höpli376) in Mailand seit 1871 eine hervorragende
Stellung ein, die die Geschäftsgeschichte im Verlagskatalog für Philadelphia kenn-
zeichnet. — Ein Verein böhmischer Sortiments- und Verlagsbuchhändler377) lässt ein
eigenes Organ erscheinen. — Die Zeitung des niederländischen Buchhandels378) steht
bereits im 61. Jahrgange. — Dolleris379) giebt ein Buch von den dänischen Buch-
händlern heraus. — In der Festschrift zur 50jährigen Feier der schwedischen Buch-
händlervereinigung380) behandelt Schuck den ältesten Buchhandel in Schweden,
Seligmann das Wirken des angesehenen Vereins. — Der französische Buchhandel
hat nicht nur den Erstling eines Jahrkatalogs aller französischen Bücher des In- und
Auslandes zu verzeichnen (JBL. I 3 : 211), sondern auch den ersten Katalog einer
Fachbibliothek des französischen Buchhandels, den der Vorsitzende des Bibliotheks-
ausschusses des Cercle de la librairie, Delalain381), mitUnterstützung von Picard
und P o 1 a i n abgefasst hat. Bezeichnend für die Entwicklung des fortgesetzt
reglementierten französischen Buchgewerbes ist die Litteratur über die alte Gesetz-
gebung für Buchdruck, Buchhandel und Papierwesen dank einer Sammlung Merlins
aus dem Anfang dieses Jh. glänzend vertreten, die deutsche Litteratur nur zufällig,
Kirchhoffs Name fehlt gänzlich. — Tourneux382) giebt eine liebenswürdige Schilderung
von Jouast, der früh Bibliophile, nachmittags Buchhändler war; d'Eylac383) stellt das
einhundertjährige Wirken des Hauses Mame — ausserhalb Paris — dar. — Adolf
Ulm384), — dessen äusserlich bescheidenen Lebensschattenriss man in der ADB.
ungern vermisst, da er für das wissenschaftliche deutsche Antiquariat Schule gemacht
hat wie kein anderer, - hat kurz vor dem eigenen Heimgange dem in Paris thätigen
deutschen Antiquar und Bibliographen Edwin Tross aus Hamm einen Nachruf ge-
widmet. — Steiff385) lässt dem Buchhändler Nik. Trübner in London gerechte
Würdigung zu teil werden. Dieser deutsche Buchhändler hat als erster die Bedeutung
von Englands WTeltstellung für den Buchhandel erkannt und grossartig in einem
wissenschaftlichen Weltbuchhandel seines Gepräges verwertet; -dabei hat er sich, zu-
mal 1870 — 71, als treuer Sohn seines Vaterlandes bewährt, die Sammlungen für die
neue Strassburger Bibliothek in England und den Kolonien betrieben und mit der
eigenen Bibliothek seine Heimat Heidelberg bedacht. — Von den Registern der
Company of stationers in London (1554—1640) hat A r b er386) den fünften Band (Index)
veröffentlicht. — Einen Bericht über die Londoner387) Buchhändler von 1803 entnimmt
der BookWorm der wenig bekannten Zeitschrift Picnic. Bei der Bedeutung, die in
England den Buch er Versteigerungen zukommt, geben H a z 1 i 1 1 s 388) fast vierzigjährige
Erinnerungen an Sothebys Auktionen einen lesenswerten Beitrag zur Geschichte
G. Wigand. Mit e. Stahlstich v. A. Krausse: Adressb. d. dtsch. Buchh. S. IS. — 370) G. Wustmann, Otto Spamer:
ADB. 36, S. 31/2. — 371) O. v. Hase, Breitkopf & Härtel, Buch- u. Notendrucker, Buch- u. Musikalienhändler
in Leipzig. Aus d. Papieren d. Breitltopf * Bärtelschen Geschfiftsarchives. 1664-1894. Ergänzter Sonderabdr. aus
d. ADB. Herbst 1875- Sommer 1894. L., Breitkopf & Härtel. 4°. 48 8. (Privatdr.) - 372) Job. Boy, E. Besuch bei Fr.
Vieweg & Sohn in Braunschweig: Quellwasser 18, S. 199-202. — 373) A. Sütterlin, Z. Geschäftsjubil. d. Firma .T.H.Geiger-
Moritz Schaumburg in Lahr: NacbrBuchh. 1, S. 325/7. — 374) M. W., Z. fünfzigj. Geschäftsjubil. d. Firma Ed. Hölzel in
Olmütz u. Wien (15. Okt. 1844-94): ib. S. 127/9. — 375) X Giornale della libreria, della tipogTafia e delle arti e industrie
affini. Supplemento alla Bibliografia italiana pubblicato dall'Associazione tipogrsifico-libraria italiana. VII. Mailand, TJfficio
dell'Associazione. 52 Nrr. Fr. 11,50. — 376) Catalogue of U. Hoepli's Publications 1872-93: Uno Sguardo al presente e al
passato (S.II-XVII). Mailand, Hoepli. 1893. XX, 128 S. — 377) X *• Hovorka, Knihkupecky oznamovatel. Prag, Otto. (Nähere
Angaben unerreichbar.) — 378) Nieuwsblad voor den boekhandel uitgegeven door de Vereeniging tor bevordering van de belangen
des boekhandels. Hg. de Eochemont. Jaarg. 61. Amsterdam, Bestelhuis van denNederlandschen Boekhandel. 4°. 572, 25 S. Fl. 10,00. —
379) O A. Dolleris, Danmarks boghandlere. Kopenhagen, Eibe. 232 S. Kr. 6,00. — 380) Fest*krift med anledning af
Svenska Bokförläggareföreningens Cemtiarsjubilenni den 4. Dcc. 1893. Stockholm, Svenska Bokförläggareföreningen. 1893.
291 S. Kr. 6,00. — 381) P. Delalain, Cercle de la librairie. Cat. de la bibliotheque technique. Paris, Cercle de la librairie.
XII, 233 S. — 382) M. Tourneux, TJn editeur bibliophile Damase Jouast: Le livre et l'image 1, S. 153 9. — 383) d'Eylac,
Alfr. Mame et ses publications d'art: ib. S 300/3. - 384) A. Ulm, K. Th. Edwin Tross: ADB. 38, S. 652. — 385) K. Steiff,
Joh. Nik. Trübner: ib. S. 674/7. — 386) O E. Arber, A transcript of the registers of the Company of stationers of London,
1554-1640. Vol. 5: Index. Birmingham (Selbstverl.). 4°. CXI, 277 S. (Privatdr.) — 387) Bookseilers in 1803: BookWorm.
S. 325/7. — 388) W. C Hazlitt, My Eecollections of an auetion-room : ib. S. 1/7, 33/7. — 389) J. Clegg, The internat.
I 3 : 389-417 0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen.
solcher Anstalten. — Dem gegen wärtigen Betriebe des eigenartigen englischen Buch-
handels dienen in' vierter Auflage Cleggs389) Buchhändlerhandbuch sowie alt-
bewährte Fachzeitschriften390"391). — Neuerdings ist eine gute kurze Uebersicht des
anglo-amerikanischen Buchhandels392) veröffentlicht worden. —
Der gegenwärtige Betrieb des deutschen Buchhandels hat in dem
wohlgepflegten Adressbuch393) und dem täglich erscheinenden BörsenblDBuchh.394)
zuverlässige Unterlagen. — Die neubegründeten Nachrichten aus dem Buchhandel395)
versuchen über den Händlerkreis hinauszutreten. — Aehnlichen Zwecken dient die
Allgemeine Buchhändlerzeitung396) und die Rundschau für Bücherfreunde397). — Ueber
die Bewegung des Leipziger Buchhandels im J. 1893 veröffentlicht Rost398) im Auf-
trage des Vereins der Buchhändler zu Leipzig eine wohlgegliederte Gesamtübersicht,
wobei er sich an bisherige Handelskammerberichte anschliesst. — Für den Berliner
Buchhandel veranstaltet die Korporation der Berliner Buchhändler ein Hilfsbuch399). —
Für den Vertrieb in der österreichischen Monarchie besteht ein besonderes Adress-
buch von Perl es.400) — Die mancherlei Strömungen im modernen Buchhandel
spiegeln sich in den Stimmungsbildern401) eines unbekannten Humoristen.402) — Welche
Bedeutung die Entwicklung des Grosssortiments gewonnen hat, lässt ein Blick auf
die architektonische Schrift über das neue Anwesen K. F. Koehlers403) erkennen. —
Der Börsenverein der deutschen Buchhändler veröffentlicht zum Abschlüsse lang--
jährigen auch litterarischen Streites das endgültige, mit Entscheidungsgründen belegte
Rechtsurteil404), durch das innerhalb der vom Reichsgericht zulässig erachteten Grenzen
die Massnahmen des deutschen Buchhandels wider Preisschleuderei als erlaubt an-
erkannt werden.405) — Hell ist der Streit über die Berechtigung des Kolportagehandels
infolge von Gesetzesvorlagen entbrannt. F. v o n Biedermann406"407) hat unter
dem Schlagwort „Pressfreiheit und Gewerbeordnung" ein geschichtlich und statistisch
begründetes Gutachten für den Volks- und Reisebuchhandel abgegeben; gegen diese
Bewegung der „Schwanngeister im Buchhandel"408), als das christliche Volksleben
gefährdend, richtet sich Dehn409) in einer Betrachtung der Kolportagelitteratur
und Kraus410) in einer Schilderung des deutschen Büchermarktes, die sich einseitig
auf das gemeine Leben und dessen Ausschreitungen beschränkt. — Tienken411)
macht verständige Vorschläge, wie der ehrenhafte Buchhandel und das Publikum die
unsittliche Litteratur bändigen können. — Baumbach412) tritt vom politischen,
Blumenthal413) vom Standpunkte des buchhändlerjschen Fachmanns für den
Kolportagebuchhandel ein. —
Eine übersichtliche Darstellung der Geschichte des Press rechtes, auch des
englischen und französischen im Abriss, hat Kloeppel414) seinem für die Anwendung
wissenschaftlich erörterten Reichspressrecht, das erstmalig die 15jährige Spruchthätig-
keit des Reichsgerichts verwertet, vorausgeschickt. — Von Bücherverboten des 16. Jh. in
Bayern415) wird nach M. Mayer Mitteilung gemacht, — Ahn416) berichtet über die
Massenzerstörung protestantischer Bücher in Oesterreich, besonders in Krain, durch die
Jesuiten teilweise nach ihren eigenen Eintragungen in der hs. Historia Collegii
Societatis Jesu Labacencis. — Roth417) bringt vier Mainzer Censuredikte von 1522—1673
directory of secor.d-hand booksellers and bibliophiles manuul, including lists of the public librairies of the world; publishers,
book collecters, learned societies and institutions, theologicnl Colleges bums Clubs. London, Simpkin. 288, 51 S. Sh. 6. —
390) X The publishers circnlar and boolcsellers record of british and foreign litt. Vol. 60. London, Sarapson Low,
Marston & Co. 4°. Sh. 8. — 391) X The 'Publishers weekly.' American book-trade Journal, with wich ist incorporated the
uroerican litt, gazette and publishers circnlar. Vol. 45. New York, Office of the 'Publishers Weekly.' Doli. 3,00. —
392) —er-, D. anglo-araerik. Buchhandel: BörsenblDBuchh. 61, S. 457/9. — 393) Adressb. d. dtsch. Bnchh. u. d.
verwandten Geschäftszweige. (Begründet v. 0. A. Schulz.) 56. Jahrg. Im Auftr. d. Vorstandes beaTb. v. d. Geschäftsstelle d.
Börsenver. d. dtsch. Buchhändler. L., Börsenver. d. dtsch. Buchhändler. XXVI, 1210 S. M. 16,00. HBörsenblDBuchh. 61, S. 2162.||
— 394) Börsenbl. für d. dtsch. Buchh. u. d. verwandten Geschäftszweige. 61. Jahrg. Redig. v. Max Evers. ebda. 4°.
8114 S. M. 20,00. — 395) Nachr. aus d. Buchh. u. d. verwandten Geschäftszweige für Buchhändler u. Bücherfreunde. Red. v.
M. Evers. 1. Bd. ebda. 4°. 632 S. M. 1,50. — 396) Ällg. Buchhändlerzg. Mit d. Beil.: InternatLB. Red. v. C.
Thomas. 52 Nrr. L„ C. F. Müller. M. 8,00. — 397) Rs. für Bücherfreunde. Uebersicht d. neuen Erscheinungen d. Buchh.
Jahrg. VIII. 12 Nrr. L., Förster. 4°. M. 1,50. — 398) [A. Rost], D. Leipz. Buchh. 1893. (= JB. d. Handelskammer zu
Leipzig.) L., Hinrichs. 32 S. — 399) Hilfsbuch für d. Berl. Buchh. Her. vom Vorstande d. Korp. d. Berliner Buch-
händler. B., Bernstein. 4, 130 S. M. 1,00. — 400) M. Perles, Adressbuch für d. Buch-. Kunst-, Musikalienh. u. verwandte Ge-
schäftszweige d. österr.-ung. Monarchie mit e. Anh.: Oesterr.-ung. Zeitungs-Adressbuch. XXIX. Jahrg. Wien, Perles. 336 S. M.5,60. —
401) Stimmungsbilder aus d. Buchh. L., Hobbing. 110 S. M. 1,50. — 402) X Erinnerungen e. Buchhändlers von ***. L.,
Pfau. 79 S. M. 2.70. - 403) D. neue Geschäftshaus d. Firma K. F. Köhler in Leipzig. L. (Köhler). 32 S. (Privatdr.) —
404) Klagesache Artist. Union E. K. Müller & Co. in Berlin gegen d. Börsenver. d. dtsch. Buchhändler, Erkenntnis vom
19. April 1893: BörsenblDBuchh. 61, N. 45", S. 2-14. - 405) X G- H- Lipsius, E. Urteil d. Börsenvorstandes. Aktenroässig mitget.
(= Rechtspflege im Buchhandel I.) Kiel u. L., Lipsius & Tischer. 29 S. (Privatdr.) — 406-407) F. v. Biedermann, Press-
freiheit u. Gewerbeordnung. E. Stud. z. mod. Gesetzgebung. (Aus BörsenblDBuchh.) L.. F. W. v. Biedermann 48 S. M. 0,50.
— 408) Schwarmgeister im Bnchh.: Grenzb. 1, S. 198-205. - 409) P. Dehn, Mod. Kolportagelitt. (= ZFChrVL. Bd. 19,
Heft 1.) St., Belser. 35 S. M. 0,60. — 410) 0. Kraus, D. dtsch. Büchermarkt 1893. (=ebda. Heft 3.) 51 S. M. 1,00.
|[D.: KonsMschr. S. 1113.]| — 411) Ohr. G. Tienken, D. unsittl. Litt. u. d. Buchh. Mit e. Einl. v. W. Bode. (= Tages- u.
Lebensfragen. Her. v. W. Bode. N. 17.) Bremerhaven, Tionken. 47 S M. 0,50. — 412) K. Baumbach, D. Kolportagebuchh.
n. seine Widersacher. (= Volkewirtseh. Zeitfragen N. 118.) B., Simion. 32 S. M. 1,00. — 413) H. Blumenthal, D.Buch-
Sortiment u. d. Kolportage-Buchh. Iglau, Selbstverl. 26 S. M. 2,00. — 414) P. Kloeppel, D. Reichspressrecht. Nach Gesetz
u. Rechtsprechung für d. Bedürfnisse d. Rechtsanwendung wissensch. dargest. L., C. L. Hirschfeld. XIV, 495 S. M. 11,50.
|[LCB1. S. 1768/9.J| - 415) E. „Lex Heinze« nach altem Stil: Didask. 1893, N. 138. - 416) (= N. 91, S. 5/6.) — 417) F. W.
0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen. I 3 s 418-449
zum Abdruck.418) — Die Hamburger Stadtbibliothek hat, nach Eyssenhardt419),
12 Pressmandate des Staatsarchives ausgestellt. — Houssaye420) schreibt in Vor-
bereitung1 seines Werkes „1815" über die Tagesblätter und die Pressfreiheit während
der hundert Tage. — Pannier421) hat das deutsche Gesetz über die Presse samt
den Urhebergesetzen mit Anmerkungen versehen 422~424). — G rell in g425) behandelt von
ihm hell beleuchtete Tagesfragen des Pressrechts und der Theatercensur ; der er-
regte Ton und die einseitige Betrachtungsweise erschweren eine unbefangene Würdigung
dieser selbständigen und anregenden Tagesschriften. — Ingwer4251) wirft einen
grimmigen Rückblick auf die österreichischen Presszustände und das bisherige
Schicksal der Reformanträge von 1891 und 92. — Challier de Grandchamps426) be-
handelt das wichtige Gebiet der Druckerverantwortlichkeit. —
Dz iatzko427) bestreitet ein Urheber- und Verlagsrecht des Altertums im
Sinne alleiniger Verfügung nach der Veröffentlichung, deren Zwecke einengende Vor-
schriften zu Gunsten des Vf. oder eines einzelnen Buchhändlers widersprochen haben
würden. — K ir ch h of f428"429) giebt Einblicke in verlagsrechtliche Anschauungen
von Verlegern zu Beginn des 18. Jh. — Meyers Volksbücher430) tragen gleich
Panniers Reklamausgabe die Urhebergesetze und Litterarkonvention in der Ausgabe
eines praktischen Juristen in weite Kreise. — Benedikt431) bespricht den Gesetz-
entwurf des österreichischen Urhebergesetzes, dessen Anlehnung an das deutsche er
billigt. — Im Droit d'auteur432) ist eine amtliche Stelle für das internationale Urheber-
recht geschaffen worden; die freie Vereinsthätigkeit der Association litteraire et
artistique internationale hat in Antwerpen433) für die Förderung dieses Rechts ge-
wirkt. — Co 11 in434) stellt das Urheberrecht im römischen, französischen und inter-
nationalen Rechte dar. — E i s e n m a n n435) behandelt den Verlags vertrag, entgegen
der deutschen Auffassung, aber gründlich, als Mietsvertrag an geistigen Werken. —
Wauwerman s436) geschichtlicher und wissenschaftlicher Kommentar zum Urheber-
recht in Belgien ist eine gründliche Arbeit, die allgemeineBeachtung beanspruchen darf. —
Für das Buchgewerbe, das für technisch-künstlerische Zwecke im
Central verein 437) verbunden ist, hat 0. von Hase438) einen Zukunftsplan auf-
gestellt, der die von Lorck439) geforderte Gutenberghalle in sich schliesst. — Von
den druckgewerblichen Vereinen hat Wi en er440) für den wirtschaftlich bedeutendsten,
den deutschenBuchdruckerverein441) in Leipzig zum Jubeltage seines 25jährigenBestehens
eine Vereinsgeschichte veröffentlicht, deren Kern die Durchführung und Ausbildung
eines allgemeinen deutschen Buchdruckertarifs bildet, der zwar für die Ordnung dieses
gesamten Gewerbes eine Notwendigkeit geworden war, die Verlags möglichkeit
wissenschaftlicher Litteratur insbesondere monographischer Art aber erschwert.442"449) —
Selten wird die Bedeutung des modernen Grossbetriebs für die Umgestaltung des
Buchgewerbes so klar ersichtlich gemacht, wie durch die von der Schriftgiesserei
E. Koth, Aktenstücke z. Gesch. d. Censnr im Knrfürstent. Mainz im 16. u. 17. Jh. (= N. 354, S. 356,'S.) — 418) X Censorship
and jewish litterature: BookWorm S. 1356. — 419) T. Eyssenhardt, Mitteil, aus d. Stadtbibl. zu Hamburg. (JBL. I 3 : 30S).
— 420) H. Houssaye, Les journaux et la liberte de la presse pendant les cent jours: Le livre et l'image 1, S. 338. —
421) K. Pannier, D. Pressgesetz nebst d. Gesetzen über d. Urheberrecht u. d. Musterschutz sowie d. Berner Litteratur-
konvention. 5. Aufl. (= ÜB. N. 1590.) L., Reclam. 16°. 106 S. M. 0,20. — 422) O X F- Oetker, D. strafrechtl. Haftung
d. verantwortl. Redakteurs. St, Enke. 1893. 120 S. M. 3,60. |rLCBl. S. 721/2JI - 423) X Politicus, D. Regierung u. d.
Presse: Geg. 45, S. 308-10. — 424) X K. Walcker. D.Frage d. Pressfreiheit: ib. S. 371 2. — 425) R. Grelling, Streifzüge.
Ges. Aufsätze. B., Bibliogr. Inst. VUI, 272 S. M. 4,00. |[M. G. Conrad: Ges. S. 1633,5; M. Bernstein: ML. 63, S. 1543/6.]|
425a) J. Ingwer, D. Presszuständo in Oesterreich: NZSt. 2, S. 2618. — 426) P. Challier de Grandchamps,
Le timbre des affiches et la rcponsabilite des iruprimeurs. Rapport präsente au Congres des Maitres-Imprimenrs de France.
Lyon. 30 S. (Nicht im Handel.) — 427) K. Dz iatzko, Autor- u. Verlagsrecht im Altertum: RhMusPh. 49, S. 559-7-j. —
428) A. Kirchhoff, D. Ueberhebung d. Grossverleger: Ambros. Haude. C isp. Fritsch. (= N. 354, S. 107-18) — 429) id.,
Selbständ. Illustrat. als Nachdr. d. HL Werkes. ( — N. 354, S. 359-62.) — 430) D. Urhebergesetze u. Litterarkonventionen d.
Deutschen Reiches. (= Meyers Volksbücher N. 1104/5.) L.. Bibliogr. Inst. 104 S. M. 0,20. — 431) E. Benedikt, Bemerkung,
über d. Urheberrecht u. d. Gesetzentwurf d. österr. Regierung. (Aus JuristBlI.) Wien, Manz. 1893. 54 S. M. 1,20.
11$.: DRs. 78, S. 319. (Anerkennend.)]| — 432) Le Droit d'auteur. Org. officiel du bureau de l'union internat. pour la pro-
tection des ceuvres litt, et artist. 7. annee. Bern, Collin. 12 S. Fr. 5,60. — 433) Kongress d. Association litt, et artist.
internat. (in Paris) zu Antwerpen. (Beschlüsse.): NachrBuchh. 1, S. 42/4. — 434) J. Collin, Le droit des auteurs et des
artistes, en droit roraain, en droit franc. et en droit internat. (These.) Rennes, Simon. 283 S. — 435) E. Eisenmann, Le
contrat d'edition et les autres louages d'ueuvres intellectnelles. (Extr. de CR.) Paris, F. Pichon. 93 S. — 436) P. Wau wermans ,
Le droit des auteurs en Belgique. Bruxelles, Soc. beige de Lihrairie. 467 S. — 437) X C. B. Lorck, D. Centralver. für d.
ges. Buchgewerbe u. d. dtsch. Buchgewerbemus. in Leipzig: BörsenblDBuchh. 61, S 527/9. — 438) 0. v Hase, Zukunftsplan:
NachrBuchh. 1, S. 2221/4. — 439) C. B. Lorck, E. monument. Gutenberghalle als d. beste Gutenbergdenkmal in Leipzig:
Buchgewerbebl. 3, S 57. — 440) E. Wiener, Rückblick auf d Entwickl. d. dtsch. Buchdrucker- Ver. (= Zs. für Deutsch-
lands Buchdrucker. Fest-N ) L. (Breitkopf & Härtel). 4°. 50 S. M. 2,00. — 441) X Zs- {ür Deutschlands Buchdrucker.
Her. vom dtsch. Buchdruckerver. 6. Jahrg. ebda. 4°. VIII, 474 S. M. 8,00. — 442) X Arch. für Buchdruckerkunst u. ver-
wandte Geschäftszweige. Her. v. Alex. Waldow. 37. Bd. L., Waldow. 4°. 483 S. M. 12,00. — 443) X Typograph. Jbb.
Her. v.Jul. Maser. 15. Jahrg. L., Maser. 96 S. M. 3,60. (Mit ungez. Beul.) — 444) X freie Künste. F.ichbl. für Lithogr.
Steindr. u. Buchdr. Her. von Jos. Heim. Bd. 15. Wien, Heim. 1S93. 4°. 344 S. M. 10,00. - 445) O A. Waldow,
Katechismus d. Buchdruckerkunst. 6. Aufl. L., J. J. Weber. 12°. XII, 234 S. Mit 43 Abbild, u. Taf. M. 2,50. — 446) X
-r.- E. Rückblick auf d. Entwicklungsgesch. d. Schnellpresse seit deren Erfind, bis auf d. Jetztzeit: NachrBuchh. 1, S. 356 8,
372/5,400/1,423/5. — 447) X H.Schwarz, Ueber dtsch., engl., araeiik. u. franz. Accidenz- Ausstatt. E. techn. Stud.:
ABuchdruckerkunst. 37, S. 1/8, 41/4, 85,9, 129-33, 169-73, 209-16. 253 7, 293-302, 357-65. 403,6. — 448) X Dtsch. Licht-
druckereien: Export Journ. 7, N. 9, 7-12. (Dreisprachig.) — 449) X Heinr. Fischer, Wegweiser für d. gewerbl. Jug. durch Beruf/
I 3 : 450-478 0. v. Hase, Schrift- und Buchwesen.
und mechanischen Betriebsstätte Schelter u. Giesecke450) in Leipzig veranstaltete
musterhafte Festschrift zum 75jährigen Bestände dieses Hauses. Auch hier vollzog
sich wie fast überall im deutschen Buchgewerbe nach den Prüfungen der grossen
Kriege der Aufschwung; eigentümlich bei diesem Zweige ist die starke Beinflussung
der Betriebsweise durch die in den Vereinigten Staaten von Amerika gewonnenen
Kenntnisse von dem dortigen hochentwickelten Maschinenwesen.451"454) — Vachon455)
stellt das Buchgewerbe Frankreichs 1871 — 94 in einem reich illustrierten, mit
dem alten Reichsadler der Buchdrucker geschmückten Werke dar, das selbst ein
schönes Denkmal des leistungsfähigen französischen Buchgewerbes ist456-463). —
Die Weltausstellung in Chicago 1893 hat zu einem Völkerwettbewerb geführt, bei
dem die buchgewerbliche Kollektivausstellung des deutschen Reiches in ihrer Ge-
samtwirkung den Vogel abgeschossen hat. Das erhellt nicht nur aus Lorks und
B aumgärt el s464) amtlichem Bericht über das deutsche und ausserdeutsche Buch-
gewerbe, sondern namentlich aus Le Soudiers465) vorurteilsfreiem französischen
Berichte, in dem Deutschland (S. 25 — 68) am ausführlichsten gewürdigt wird466). —
Die Buchbinderkunst ist gelegentlich der Jubelfeier der Leipziger
Buchbinderinnung mit Kofels467) Chronik, M. zur Strassens Ausstellungs-
katalog und einer Festschrift468) bedacht worden.460-473) — Der Katalog von Buch-
einbänden der National Art Library in South Kensington474) beschreibt unter
325 Stücken der Buchbinderkunst 57 deutsche. — Fl et eher475) bietet eine
wertvolle Darstellung der englischen Buchbinderei vom Mittelalter, beim Zeitalter
Elisabeths und Karls I. verweilend, bis zur Gegenwart mit ausgezeichneten Nach-
bildungen.476 477) — Hendley478) vermittelt eine Auswahl von 77 indischen Buch-
bänden, deren beste von Ulwar kommen und persischen Ursprungs sind. An Güte
der Zeichnung und Sorgfalt der Ausführung reichen wenige Buchkünstler an Kari
Ahmed und seine Söhne heran, die beigegebenen Einbandtafeln sind glänzende
Vorbilder. —
Schrift wesen: Paläographie N. 1. — Kurzschrift N. 6. — Handschriften N. 16. — Archiv wesen N. 36a. —
Autographen N. 37. — Graphologie N. 40. — Buchwesen: Erfindung des Buchdrucks N. 48. — Aeltere Buchdruckergeschichte
N. 51. — Wiegendrucke N. 94. — Druckermarken N. 109. — Bücherschmuck N. 114. — Druckschrift N. 128. — Wasserzeichen
N. 139. — Bibliographie N. 142. — Zeitungswesen N. 226b. — Bibliothekswesen: Allgemeine Bibliothekenkunde N. 257; ältere
Bibliotheken N. 264; Privatbibliotheken N. 282; öffentliche Bibliotheken der Gegenwart N. 298. — Bücherzeichen N. 336. — Buch-
handel: Aeltere Geschichte N. 353; deutsche Buchhändler N. 365; ausländischer Buchhandel N. 375; gegenwärtiger Betrieb
N. 393. — Pressrecht N. 414. — Urheber- und Verlagsrecht N. 427. — Buchgewerbe N. 437. — Buchbinderkunst N. 467. —
u. Leben. Worms, H. Fischer. VII. 144 S. M. 1,80. — 450) 75 J. d. Hauses .1. G. Schelter & Giesecke in Leipzig. D.
Freunden d. Hauses gewidmet. L. (Schelter & Giesecke). Fol. IV, 62 S. (Privatdr.) -- 451) X &• Fritz, D. K. K. Hof- u.
Staatsdruckerei u. deren techn. Einrichtungen. Mit 6 Textillustr., 13 Ansichten u. 10 Plänen. Wien, Hof- n. Staatsdr. 62 S.
M. 1,20. — 452) X Export-Jonrn. Internat. Anz. für Buchh. u. Buchgewerbe, Papierindustrie, Schreibwaaren- u. Lehrmittelhandel.
Bd. 7. L., Hedeler. 256 S. M. 4,00. (Franz., dtsch. u. engl.) — 453) X Zoll-Vaderaeoum für Buch- u. Papiergewerbe, sowie
d. damit zusammenhängenden Industriezweige. Nachtr. 1893—94. ebda. 75 S. M. 2,00. — 4541 X Bogen, en populaer
Vejledning ved Bogen fremstilling. Praktisk Haandbog for Boghandlere, forfattere, Kunstnere o. fl., udg. og forlogt of Bog-
handler-Medhjaelper foreningen i Kjöbenhavn. 147 S. (Nicht im Handel.) — 455) M. Vachon, Les arts et les industries
du papier en France 1871 — 94. Paris, Librairips-imprimeries Reunies. 4°. 246 S. — 456) X Vte. de Savigny de Mon-
corps, Un cat. de fers ä dorer: Le livre et l'image 2, S. 14-23. — 457) X I". Morel, La nouv. loi sur les conseils de
Prud'hommes et lenr competence. Rapport presente au congres des maitres-imprimeurs de France. Lyon, Morel. 19 S. —
458) X The british Printer. Vol. VII. London, Raithby, Lawrence & Co. 398 S. a Nr. Sh. 10. — 459) X The british Lithographer.
Vol. III. (1893/4). ebda. 1893-94. 196 S. ä N. Sh. 8. — 460) X F. G. Kitton, The art of photo-etching and engraving. A
visit of establishement of Messrs. John Swain <fc Son. (= N. 458, S. 217-31.) — 461) X F. E. Ives, Composite heliochromy
by three-colour printing (= N. 458, S. 93/8.) — 462) X The american bookmaker, a journ. of technical art and Information.
Vol. XV-XVI. (1892-93). New -York, Lockwood & Co. 4°. 198, 232 S. - 463) X American dictionary of printing
and bookmaking. ebda. 591 S. — 464) C. B. Lorck u. M. Baumgärtel, D. buchgewerbl. Kollektivausst. d. dtsch.
Reichs. — D. ausserdtsch. Buchgewerbe (== Sonderabdr. aus d. amtl. Ber.) B., Reichsdr. 4°. 61 S. (Nicht im Handel 1 —
465) H. Le Sondier, Rapports, pub). sous la direction de M. Camille Krantz, Commiss. gen. du Gouvernement Franc
Comite XXXIV. Imprimerie, librairie. (Paris.) VI, 196 S. |[C B. Lorck: NachrBuchh. 1, S. 559-60, 568/9.]| (Nicht im
Handel.) — 466) X O A Growoll, „The Pnblishers" and other book exhibits at the worlds Columbian exposition. New-
York, The Publishers Weekly. 1893. 74 S. D. 2,00. |[-n.: CBIBibl. 11, S. 421.]| — 467) H. Kofel, Chronik d Buchbinder-
Innung zu Leipzig 1544 — 1894. z. 350j. Jubil. zusammengest. Nebst Kat. d. Fachausstell. z. Jubil.-Feier. L, Buchbinder-
Innung. VIII, 63 S.; XLVIII, 112 S. M. 1,20. (Kat. v. M. zur Strassen.) — 468) Festschrift z. Jubiläumsfeier d. 350j.
Bestehens d. Leipziger Buchbinder-Innung. (= Sondornr. d. Buchgewerbebl.) L, Verl. d. Buchgewerbebl. 4°. 52 S Mit Abbild,
u. 11 Taf. M. 1,35. — 469) X '■ Maul, Z. Erinnerung an d. 50j. Geschäftsjubil. d. Firma J. Hager, Leipz. am 6. Dec. L.,
J. Hager. 37 S. (Nicht im Handel.) — 470) X E. Bosquet, La relinre. Etndes d'un praticien sur l'hist. et la technologie de
l'art du relienr-doreur. Avec une lettre-preface de L. Gruel. Paris, Imprimerie Gen. Lahnre. 183 S. Mit 24 Taf. —
471) O X Bookbinding and Lettering in France: SaturdayR. 78, S. 414. — 472) X w- s- Brassington, A hist. of art of book-
binding. With some aecount of the books of the ancients. London, Elliot Stock. 4°. 277 S. Sh. 42 — 473) X H. P. Hörne,
The binding of books. An essay in the hist. of gold-tooled bindings. London, Kegan Paul, Trench, Trübner & Co. 224 S.
Sh. 6. (JBL. 1893 I 3 : 103.) — 4741 Bookbindings and rubbings of bindings in the National Art Library South Kensington.
London. III, 329 S. I|W. Seh.: CBIBibl. 11, S. 569.JI (Nicht im Handel.) — 475) W. Y. Fletcher, English bookbindings.
London, Kegan Paul Trübner & Co. Fol. Sh. 63. IfSome minor arts as practised in England (London, Seely & Co.): S. 8-26.]|
— 476) X Bookbindings of the past: BookWorm. S. 245/8. — 477> X T. I. Cobden-Sanderson, Bookbinding: processes
and ideal: FortnR. 56, S. 214-24. — 478) Th. H. Hendley, Persian and indian bookbindings: Journal of indian art and
industry 5, N. 43. (Als Sonderabdr. 3 S. Mit 14 Taf.) —
G. Liebe, Kulturgeschichte. I 4 : 1-9
M
Kulturgeschichte.
Georg Liebe.
Bedeutung der Kulturgeschichte N. 1. — Allgemeine Darstellungen N. 3. — Sammelwerke N. 8. — Gesamt-
darstellungen deutscher Kultur N. 9. — Häusliches und Familienleben N. 16. — Geselliger Verkehr und gesellschaftliche
Sitte, Vergnügungen, Spiele und Feste N. 24. - Sittengeschichtliches N. 43. — Geistige und gemütliche Entwicklung:
Bildungsanstalten N. 57; Geistesbildung N. 81; Recht N. 98; Nationalgefühl N. 111; Gefühlsleben N. 116; Reisebeschreibnngen
N. 124; Stammbücher und Tagebücher N. 129; Humor N. 135. — Aberglaube und Verbrechen N. 138. - Sociale Entwicklung,
Gesellschaft und Stände N. 148. — Wirtschaftliche Entwicklung: Wirtschaftsgeschichte N. 161; Agrargeschichte N. 173; Be-
völkerungsstatistik N. 180; Industrie N. 188; Handwerk N. 199: Handel N. 206. — Aeussere Kultur: Das Haus N. 217;
Trachten N. 224; Nahrungs- und Genussmittel N. 235; Gerät N. 239; Gesundheitswesen N. 250; Sicherheitswesen N. 258;
Verkehrswesen N. 260. — Territorial- und Lokal forschung: Allgemeines N. 269; Preussen N. 273; Posen N. 276; Schlesien
N. 279; Mark (Berlin) N. 282; Hamburg N. 301; Schleswig-Holstein N. 305; Hannover N. 308; Provinz Sachsen N. 312;
Königreich Sachsen N.324; Thüringen N. 328; Hessen N. 331; Westfalen N. 334; Rheinprovinz N. 336; Reichslande N. 343;
Baden N. 351; Württemberg N. 353; Bayern N. 355; Oesterreich N. 374; Schweiz N. 395; Ostseeprovinzen N. 398. — Klöster,
Stifter, Orden N. 401. — Besondere Volkselemente N. 419. — Familiengeschichte N. 440. — Einzelne Personen N. 460. — Zur
Kultur der Gegenwart N. 471. —
Bedeutung der Kulturgeschichte. Nach den Auseinandersetzungen mit
der politischen Geschichte, die im vorigen Berichte besprochen wurden, rückt jetzt
die praktische Verwertung der Kulturgeschichte in den Vordergrund. Gegenüber der
steigenden Wertschätzung in akademischen Kreisen bemerkt Steinhausen1) einen
Mangel auf Seiten der Schule, wie er sich schon in der Zusammensetzung der Lehrer-
und Schülerbibliotheken ausspricht. In der That ist es bei der wachsenden Bedeutung
des socialen Elementes bedauerlich, die Schule immer noch an der durch die Ge-
schichtstabelle fixierten Anschauung festhalten zu sehen, die den staatsfeindlichen
Bestrebungen stets ein beliebtes Angriffsfeld darbietet. Eine richtige Anschauung
von dem Wert des Volkstums zu allen Zeiten würde mancher heutigen Deklamation
den Boden entziehen. Ia) — Für derartige Forschungen auch Laien heranzuziehen,
giebt Biedermann2) eine nützliche Anweisung, indem er auf die in Familien vor-
handenen Chroniken, Tagebücher usw. aufmerksam macht. —
Allgemeine Darstellungen. Ein abstraktes Kulturideal entwickelt in
vornehmer und massvoller Form Ritter3), indem er den Gedanken von den unheil-
vollen Folgen einseitiger Ausbildung der einzelnen geistigen Mächte: Sinne, Vernunft,
Vorstellungskraft und der durch sie erzeugten Kulturfaktoren: Religion, Kunst,
Wissenschaft durchführt und ein Streben nach ihrer Harmonie durch Erziehung
fordert. — Die Anwendung des für die Sprachwissenschaft bewährten Prinzips der
Vergleichung auf Sitten- und Rechtsgeschichte hat Usener4) zum Gegenstand fein-
sinniger Ausführungen gemacht, indem er nicht nur Bewunderung erweckt über
die Vergeistigung der Materialfülle, sondern auch aufrichtige Freude über das warme
Gefühl für deutsches Volkstum gegenüber dem ablehnenden Hochmut vieler Fach-
genossen. — Die feindliche Annäherung der beiden einflussreichsten Kulturkreise ver-
anlasste Metzger5) zu einer scharfsinnigen Klarstellung der Gefahren, die aus einer
von kurzsichtiger Wirtschaftspolitik noch befürworteten Durchtränkung mit dem
Chinesentum auch für unser geistiges Leben neben dem wirtschaftlichen erwachsen
würden. — Den friedlichen wechselseitigen Einfluss von Morgen- und Abendland
behandelt Brockhaus6) in stofflicher Beschränkung auf die Kunst, in lokaler auf
die Grenzstaaten6a"7). —
Sammelwerke. Hier ist nur auf die allseitige freundliche Begrüssung hin-
zuweisen, die Steinhausens Zeitschrift für Kulturgeschichte erfahren hat.8) —
Gesamtdarstellungen deutscher Kultur. Als Fortsetzung eines seit
lange genannten Werkes kommt hier zuerst der durch Pastor9) herausgegebene
8. Band von Janssens Geschichte des deutschen Volkes in Betracht, der sich ausschliess-
lich mit den Kulturzuständen im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und religiös-sittlichen
Leben beschäftigt. Auch dieser Band ist nicht nur vom konfessionellen Standpunkt
1) G. Steinhausen, Die Lehrer u. d. Kulturgesch.: ZKultG. 2, S. 85/6. — la) X Rieh. Köhler, Ueber d.
Verbind, d. Kulturgeschichtlichen mit d. Geschichtsunterr. : Paed. S. 281-303. — 2) K. Biedermann, Z. Förderung d.
Kulturgesch. durch Laien: ZKultG. 2, S. 312/6. — 3) H. Ritter, Wellenschläge d. menschl. K ulturentwiokl. u. unser Kultur-
ideal. Kulturgesch. u. eth. Betracht. Bamberg, Handelsdr. X, 37 S. M. 1,00. — 4) H. Usener, TJeber vergleichende Sitten-
u. Rechtsgesch. : Yerhandl. d. 42. Vers, dtsch. Philologen u. Schulmänner in Wien S. 22-45. — 5) E. Metzger, D. Zukunfts-
kampf d. weissen u. d. gelben Rasse. (= SGWV. N. 194.) Hamburg, Verlagsanst. 38 S. M. 0,80. — 6) H. Brockhaus,
Abendland u. Morgenland in ihren Beziehungen zu einander auf d. Gebiet d. neueren Kunst (=Festschr. z. dtsch. Historiker-
tage in Leipzig [Duncker & Humblot. 253 S. M. 6,00], S. 205-14). — 6 a) X V. Hehn, Kulturpflanzen. ( JBL. 1893 1 4 : 13) : LCB1. S. 1757/8.
— 7) O G.Adams, Civilisation duringthe MA. and modern civilisation. London.Nutt. Sh. 10/6. — 8) X G. Steinhausen, Zeitschr. für
Kulturgesch. (JBL. 1893 I 4 : 19.) |[BLTJ. S. 767; Markhauser: BBG. 30, S. 687/8; AkBll. 9, S. 49-50; Bär 20, S. 531;
E. A. Schröder: DR. 4, S. 126/7.J| — 9) J. Janssen, Gesch. d. dtsch. Volkes. Bd. VDL (4, Buch: Volkswirtsch., gesellsch.
u. relig.-sittliche Zustände, Hexenwesen u. Hexenverfolgung.) 1-12. Aufl. Her. v. L. Pastor. Freiburg i. B., Herder. LV, 719 S.
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (1)4
I 4-.10-25 G. Liebe, Kulturgeschichte.
zu bedauern wegen der unverändert festgehaltenen Tendenz, die Quellen in polemischer
Absicht auszuwählen, sondern auch in historiographischer Beziehung wegen der
geringen Verarbeitung des Stoffes. Ein Werk, welches so wenig vom geistigen
Leben giebt und den Scheusslichkeiten des Hexenwahns solchen Raum gönnt, ist
keine historische Arbeit, auch nicht für den Katholiken. — Das von gleichen An-
schauungen geleitete, wenn auch als Kunstwerk bei weitem höher zu stellende Werk
von Grupp10) reicht in seinem ersten Bande nur bis zum 10. Jh. — Seit lange nicht
ist das Fortschreiten eines Geschichtswerkes mit solcher mehr und mehr gesteigerten
Erwartung begleitet worden wie das der deutschen Geschichte von Lamprecht11);
denn zum ersten Male ist es hier unternommen, die Resultate getrennter Disciplinen
zusammenzufassen und ein Gesamtbild aller Lebensäusserungen unseres Volkstums zu
geben. Dass es gelungen ist, muss trotz pflichtmässigen Zweifels der alten Schule
als erwiesen gelten gegenüber der tadellosen Sicherheit, mit der die bewegenden Ge-
danken der Zeit, denen auch die Grössten nur dienen können, auf den verschiedensten
Gebieten als herrschend nachgewiesen werden, in einer schönen und einfachen
Sprache. Die beiden vorliegenden Bände, welche die Zeit von Rudolph von Habsburg
bis zu den Anfängen der Reformation umspannen, zeigen das Bürgertum als Träger
der Entwicklung, unter der Herrschaft zweier verschiedenen Ideen. Im 14. Jh.
findet noch die mittelalterlich-konventionelle Anschauung ihren Ausdruck, wie im
genossenschaftlichen Charakter der Stadtverwaltung und der Geselligkeit, so in der
familienhaften Gebundenheit des Vermögens und in der typisch charakterisierenden
Kunst und Dichtung. Im 15. Jh. dagegen tritt der Individualismus zu Tage, im
Erwerbsleben durch den Kapitalismus, im geselligen durch die Berührung bisher
abgeschlossener Kreise infolge der verallgemeinerten Bildung, in der Kunst als
Naturalismus, auf religiös-philosophischem Gebiet durch Luther. — Eine Einzelstudie
Lamprechts12) betrachtet die Periode der absolutistischen Verfassungen in der
deutschen Entwicklung und findet ihren Verlauf bestimmt durch das Verhältnis der
Centralgewalt zu den mit halbstaatlicher Gewalt ausgestatteten Ständen. — Der
Methode Lamprechts, die, auf Sammlung statistischen Materials aus Urkundenmassen
beruhend, ein Bild des Zuständlichen gewinnt, ist durch Winter13) eingehende
Würdigung zu teil geworden.14-15) —
Häusliches und Familienleben. Hier sei zuerst einiger Besprechungen
von Achelis wertvollem Werke (JBL. 1893 I 4 : 31) über die Ehe gedacht.16) -- - Stein-
hausens Gedanken über Namengebung haben, wie vorauszusehen war, sehr anregend ge-
wirkt. Mackel17) macht auf die in Nord- und Süddeutschland verschiedene Aende-
rung der zu Familiennamen gewordenen Personennamen aufmerksam und vermutet
eine Abschwächung der poetischen Empfindung schon vor dem 13. Jh. durch kirch-
lichen Einfluss. — Littig18) erörtert das Vorkommen der Eigennamen als Gattungs-
namen, — Tümpel19) die Häufigkeit des Johannesnamens. 20_21a) — Den konser-
vativen Charakter der Volkssitte weist Rieder22) an den Totenbrettern des bayeri-
schen Waldes auf, die zuerst als Unterlage dienten, späterhin eine von diesem Zweck
absehende verzierte Gestalt erhielten, die einer gewissen Mode unterliegt. 22a-23a) (Vgl.
I 5 : 399—401, 410). —
Geselliger Verkehr und gesellschaftliche Sitte, Vergnügungen,
Spiele und Feste. Die Gewohnheiten des Sitzens als Spiegel der gesellschaftlichen
Anschauungen behandelt von Ey e24) im Anschluss an die Kunst- wie kunstgewerblichen
Denkmäler von der Pharaonenzeit bis ins 18. Jh. — Die Vereinigungen der Junggesellen,
wie sie auf allen Kulturstufen auftreten, macht Usener24a) zum Gegenstand ver-
gleichender Beobachtungen. — Anziehend erläutert Steinhausen25) aus litterarischen
Zeugnissen das Hofleben als Ideal des Rococo, wie es mit der steigenden Fürsten-
macht notwendigerweise werden musste. — Eine behagliche Schilderung des 1780
gefeierten Fastelabends der Rostocker Schiffergesellschaft enthält ein Aufsatz
M. 7,00. (S. u. II 1.) — 10) G. Grupp, Kulturgesch. d. MA. 1. Bd. St., Eoth. VIII, 357 S. 28 Abbild. M. 6,20. |[P.H.:
LCB1. S. 348-51; J. Werner: ThLB. 17, S. 285; G. Liebe: ZKultG. 2, S. 89-90; S. Merkle: HPBH. 113, S. 730-48;
COIRW. 22, S. 762.]| — 11) d 1 : 51.) — 12) K. Lampreoht, D. Stufen d. dtsch. Verfassungsentwicklung vom 14. bis 18. Jh.
(= N. 6, S. 165-76.) — 13) G. Winter, D. Begründung e. socialstatist. Methode in d. dtsch. Geschichtsschreibung durch
K. Lamprecht: ZKultG. 1, S. 196-219. — 14) X '• ▼• Löher, Kulturgesch. d. Deutschen im MA. 3. Bd. Aus d. Nachl. her.
München, Schweitzer. VII, 383 S. Mit Bild. M. 7,50. (Umfasst d. Kaiserzeit.) — 15) X O. Schwebel, Dtsch. Bürgertum.
V. seinen Anfängen bis z. J. 1808 dargest. 2. (Titel-)Aufl. B., Felber. VIII, 532 S. M. 5,00. — 16) X K. Brsg.: LCB1.
S. 948/9; WIDM. 76, S. 382; Frau 1, S. 557; N&S. 70, S. 275.] | — 17) E. Mackel, Z. Namenforsch.: ZDÜ. 8, S. 186-90. (Vgl.
auch S. 483/7.) — 18) F. Litt ig, Eigennamen: ib. S. 853/4. — 19) H. Tümpel, D. Johannesmann: ib. S. 776. — 20) O
W. Tobler-Meyer, Dtsch. Familiennamen nach ihrer Entstehung u. Bedeutung mit bes. Rücksichtnahme auf Zürich u. d.
Ostschweiz. Zürich, A. Müller. VIII, 234 S. M. 4,00. — 21) X E. Ortjohann, Unsere Vornamen. Ihr Urspr. u. ihre
Bedeut. E. Namenbüchlein für d. dtsch Haus. Paderborn, Jnnfermann. VUI, 86 S. M. 1,00. |[StML. 46, S. lll.]| (Vgl.
JBL. 1893 I 5:364.) — 21a) X F. Tetzner, Namenbuch. (= ÜB. N. 3107/8.) L., Beclam. 167 S. M. 0,40. IfE. Loh-
meyer: DWB1. 7, S. 470.]| — 22) 0. Bieder, Totenbretter im bayer. Walde mit Berücksicht. d. Totenbretter überhaupt:
ZKultG. 2, S. 59-79. — 22 a) X E. v. Oidtmann, Schutz d. Grabsteinen: AnnHVNiederrh. 68, S. 176-82. — 23) X E.Her-
ford, TJeber Totenbestattung: DEB11. 19, S. 313-34. - 23a) X H-. D- Feuerbestattung: FrBlw. N. 94. — 24) A. v. Eye, D.
Gesch. d. Sitzens: ZKultG. 1, S. 396-413. — 24a) (S. o. N. 4.) — 25) G. Steinhausen, D. vollkommene Hofmann: ZKultG. 1,
G. Liebe, Kulturgeschichte. I 4:26-58
Stiedas26-28»). — Unter den Festen fordert das Weihnachtsfest bei dem späten
Auftreten der jetzigen Form immer von neuem zu Erklärungen auf. Die jüngste
Deutung, von Tille29), wird dem deutschen Empfinden wenig sympathisch sein.
Nach seiner — übrigens schwach gestützten — Ansicht ist der Ursprung nicht im
Wintersonnfest, sondern in kirchlicher Anordnung von 813 zu suchen, weshalb es
vor 1400 nicht populär wurde; die volkstümlichen Gebräuche sollen nur vom
Martins- und Nikolaustag übertragen sein.29a-30a) — Von den bürgerlichen Ver-
gnügungen des Mittelalters giebt Thimm3') in der richtigen Anschauung, die Ge-
selligkeit mit der Verfassungsentwicklung verbunden zu betrachten, ein ansprechendes,
wenn auch nicht erschöpfendes Bild. — Hoch über den meisten Lokalforschungen
steht Ottos32) auf Grund der Stadtrechnungen gegebene Darstellung der Festlich-
keiten und des Fremdenverkehrs der Stadt Butzbach.32*) — Einer Beschreibung der
Fastnacht zu Münster im 16. Jh. hat Ba hl mann33) Röcheis Chronik zu Grunde ge-
legt. — Mehrfach sind dramatische Aufführungen Gegenstand von Studien geworden.
Foss34) erzählt nach einem Aufsatz des Schweizer Geschichtsfreundes die Aufführung
des im 16. und 17. Jh. gebräuchlichen Luzerner Osterspiels mit scenischen Veranstaltungen
voll naiver Komik. 34a_35a) — Erwähnt sei hier die erfreuliche Thatsache, dass das
Rotenburger Volksschauspiel, wie Böhm36) und Halbfass37) berichten, Nachahmung
gefunden hat, in Altdorf und in Neuhaldensleben, wofür der Stoff — die Zerstörung
1181 — allerdings einer gar zu entlegenen Zeit entnommen ist.38-40) — Eine be-
sondere Form der Geselligkeit, die des Badelebens, hat Bayer41) zum Gegenstand
einer Darstellung gemacht, die sehr geschickt eine Fülle von Einzelheiten verbindet
und Altertum, Mittelalter und neuere Zeit bis ins vorige Jh. berücksichtigt.42) —
Sittengeschichtliches. Ueber die Lebensgewohnheiten bestimmter Kreise
geben eine Anzahl einzelner Mitteilungen Aufschluss. Sie beschäftigen sich mit
Akten fürstlicher Repräsentation43-46), mit dem akademischen Leben47"49"), dem des
Bürgers50"52) und Bauers53-54) vergangener Zeit. — Die Erklärung einer modernen
sprachlichen Bildung für einen von Alters her bekannten Begriff hat das „Gigerl"
angeregt.55-56*) (Vgl. I 5 : 434/5.) —
Geistige und gemütliche Entwicklung. Der Hauptanteil der Studien
entfällt hier auf die Bildungsanstalten. Es zeigt Varrentrapp57), wie der
Grosse Kurfürst bemüht ist um seine Universitäten, im besondern gegen den
Pennalismus. — Unter den einzelnen Hochschulen steht natürlich in diesem Jahr
Halle im Vordergrunde. Hertzberg58) schildert Stadt und Universität im Jahr
des ersten Jubiläums, als der Streit der theologischen Fakultät mit Wöllner die
S. 414-25. — 26) (S. u. N. 209.) — 27) X p- Schmidt-Neuhaus, Berliner Nenjahrswünsche aus d. Anfang dieses Jh.:
Bär 20, S. 288/9. — 27a) X H. Boesch, D. Vorläufer unserer Neujahrskarten: Gartenlaube S. 882/4. — 28) X L- Bam-
b erger, Ueber Toaste: Nation1*. 11, S. 180/3, 194/6. — 28a) X J. v. Falke, Tischgebet u. Tischsitten in alten Zeiten:
WienZg. N. 668. — 29) A. Tille. D. Gesch. d. dtsch. Weihnacht. L., Keil. XI, 355 S. M. 4,00. [[PrJbb. 75, S. 373/6;
DR. 1, S. 394,5; K.Weinhold: ZVVolksk.4, S.100/l.]| (Vgl. JBL. 18931 5:61.) — 29a) Xid- Wintersonnenwende: Zukunft 9,
S. 544-53. — 30) X id-' Weihnachtsgeheimnisse: Gartenlaube S. 837/9. — 30a) X M- Estermann, Berchtoldstag oder
Berchtentag ? : AnzSchwG. S. 135. — 31) R. Thimm, D. öffentl. Vergnügungen u. Lustbarkeiten im dtsch. Bargerleben d. MA.
(=12: 12, S. 79-111.) — 32) E. Otto, Aus d. Volksleben d. Stadt Butzbach im MA.: AHessG. S. 327-400. — 32a) O L.
To b ler, Altschweiz. Volksfeste : JbSchwG. 99, S. 1-40. — 33) P. Bahlmann, Münsterische Fastnachtsbelustigungen: ZKultG. 1,
S. 220-52. (S. u. I 5 : 40.) — 34) E. Foss, E. Luzerner Osterspiel: ZDTJ. 8, S. 244-50. - 34a) X A- Tille, D. Eierspiele
d. Osterzeit: Gartenlaube S. 188,9. — 35) X w- Koppen, Beitrr. z. Gesch. d. dtsch. Weihnachtsspiele (JBL. 1892 II 4 : 11; 1893
II 4:3): ThLB. 17, S. 285,6. — 35a) X A- Tille, Weihnachtsmärchenspiele: Gartenlaube S. 864/6. - 36) J. Böhm, D, Festspiel
„Wallenstein" in Altdorf: IllZg 103, S. 290. (Vgl. III 1 : 29.) — 37) W. Halbfass, D. neue Volksschauspiel in Neuhaldensleben:
MagdZgB. S. 35/6. — 38) X H- Ehrenberg, D. Posener Theater in südpreuss. Zeit: ZHGPosen. 9, S. 27-90. — 39) X K-
Krafft, Aktenstücke betr. den Kampf im Wupperthal gegen d. Erbauung e. Theaters in Elberfeld (1806): ZBergGV. 30,
S. 253-66. — 40) O A. Raeder, Kroll. E. Beitr. z. Berliner Kult.- u. Theatergesch. 1844-94. B., Steinitz. 384 S. M. 5,00.
— 41) E. Bayer, Aus d. Gesch. d. Badelebens. (= SGV. N. 187 8) Prag, Härpfer. 32 S. M. 0,60. — 42) XTh- Dielitz,
Bäder u. Badereisen im dtsch. MA.: VossZgB. N. 39. — 43) X J- Burckhardt, D. Vermählung d. Herz. Johann v. Sachsen
1.-5. März 1500: NASächsG. 15, S. 283-98. — 43a) X M- Bach, Hochzeit d. Herz. Johann Friedrich v. Württemb. mit Barbara
Sophia, Markgräfln zu Brandenb. 5.-13. Not. 1609: BBSW. S. 179-84. — 44) X G- Hertel, D. Einzug d. Administrators
Joachim Friedrich in Magdeburg 1579: MagdZgB. g. 4^. — 44 a) X Vor 10° J- Kurze Beschreibung d. Feierlichkeiten bei
d. öffentl. Einzug u. eingenommener Erbhuldigung Herzogs Ludwig Eugen 1794: BBSW. S. 237-40. — 45) X p- Kaiweit,
E. fürstl. Leichenbegängnis im 17. Jh. zu Königsberg i. Pr.: AltprMschr. 31, S. 193-239. (Kurfürst Georg Wilhelm.) — 46) X
A. Börckel, E. fürstl. Brautfahrt nach Russland im vorig. Jh.: FZg. N. 320. (Briefe d. Landgräfin Karoline v. Hessen.) —
47) O F. W.. König, Aus zwei Jhh. Gesch. d. Studentenschaft u. d. student. Korporationswesens auf d. Univ. Halle. Nach
urkundl. Quellen bearb. Halle a. S., Waisenhaus. IX, 259 S. Mit Titelbild. M. 4,00. — 48) E. Heyck, Heidelberger
Studentenleben zu Anf. unseres Jh. Heidelberg, Winter. V, 94 S. M. 1,00. — 49) X Studentensprache u. -lied in Halle vor
100 J. Neudr. d. Idiotikon d. Burschensprache v. 1795 u. d. „Studentenliedes" t. 1781. E. Jubil.-Gabe für d. Univ. Halle- Wittenberg
dargebr. vom Deutschen Abend in Halle. Halle a. S., Nieraeyer. XLIII, 118 S.; VIU, 127 S. M. 3,00. (Vgl. 1 5 : 293.) — 49a) John
Meier, Halllsche Studentensprache. E. Festgabe z. 200 j. Jubil. d. Univ. Halle a. S. ebda. IV, 97 S. M. 2,80. — 50) X
G. v. Below, D. Bürgermeisterschmaus in Köln: AHVNiederrh. 58, S. 207. — 50a) X Tn- Hampe, Spruchsprecher, Meister-
singer u. Hochzeitlader in Nürnberg: MGNM. S. 25-44, 60,9. — 51) X L. Roll. D. Handwerkerfest in Erfurt am „grünen
Montag": IllZg. 103, S. 192. — 51a) X H. Bosch, D. Hänseln d. Fuhrleute in Nürnberg: MGNM. S. 105-113. (Vgl. I 5:81.)
— 52) X M. Radlkofer, D. Schützengesellschaften u. -feste Augsburgs im 15. u. 16. Jh.: ZHVSchwaben. 21, S. 87-138. —
53) X Haberfeldtreiben: Sammler*. N. 129. (Vgl. I 5 : 59 ) — 54) X E. Müller, E. wendisches Erntefest: Bär20, S. 456/8.
— 55) X A.. Richter, Gigerl: ZDU. 8, S. 539-40. — 56) X S. May r, Gigerl: ib. S. 541,2. — 56a) X Gigerl: Grenzb. 1,
S. 641-50. — 57) Konr. Varrentrapp, D. Grosse Kurfürst u. d. Universitäten. Rede z. Feier d. Geburtst. S. M. d. Kaisers
am 27. Jan. in d. Aula der Kaiser- Wilhelms-Univ. Strassburg. Strassburg i. E., Heitz. 42 S. M. 0,80. (Vgl. IU 1 : 200.)
— 58) G. Hertzberg, D. Stadt u. Univ. Halle a. S. im J. 1794. Festschr. Halle a. S. (E. Anton). 65 S. M. 1.00. (Vgl.
(1)4*
I 4:59-98 G. Liebe, Kulturgeschichte.
Säkularfeier hinderte.59) — Die Entwicklung- Königsbergs im 19. Jh. in Verbindung
mit den politischen Vorgängen legt Prutz60) in lebendiger Form dar.61) — Die Fort-
setzung der von Friedländer62) mustergiltig edierten Matrikel von Greifswald
bringt eine Anzahl unterrichtender Aktenstücke, so über den Besitz der Artisten-
fakultät im 15. Jh., über die Themata der Disputationen im 16. Jh. sowie ein höchst aus-
führliches Register. — Gess63) erörtert die Zustände in Leipzigs, Lehrerkollegium
auf Grund der 1502 von Herzog Georg eingeforderten Gutachten, die ihn zum Erlass
einer Reformation bewogen. — Zeit, Urheber und Gründe zur Anlage der Universität
in Erfurt untersucht Oergel64"65), der auch die Bedeutung des noch erhaltenen
Kollegiengebäudes im akademischen Leben würdigt. — Eine Zusammenstellung der
Hamburger Studenten aus 18 Matrikeln liegt von Heraeus66) vor.66a) — Auf dem
Gebiet der Jugendausbildung ist Hirschs67) eingehende Schilderung der Erziehung
hervorzuheben, die den beiden ältesten Söhnen des Grossen Kurfürsten durch den
Minister von Schwerin zu teil geworden ist.68) — Rüdiger69) veröffentlicht eine
1706 von Hamburger Privatschulmeistern getroffene Vereinbarung zum Zweck der
Regelung des Wettbewerbs. — Mit einzelnen Anstalten beschäftigt sich eine Anzahl
Monographien.70-80) —
Begriff und Strömungen der geistigen Bildung werden durch mehrere
Arbeiten beleuchtet. Steinschneider81) bestimmt sie als Assimilation des Ge-
botenen, begrenzt durch die Harmonie der Kräfte.82) — Die Faustsage als in ihren
verschiedenen Elementen charakteristisch für die jeweilige Zeit ihrer litterarischen
Behandlung erläutert Biedermann83). — Jacobs84) macht aus dem Rechnungs-
buch des Wernigeroder Dechanten Kerkener im 16. Jh. Mitteilungen über dessen
Bemühungen um Begründung einer öffentlichen Bibliothek am Ort. — Borinski85)
bespricht den Einfluss des spanischen Jesuiten Gracian, der zu seiner Zeit als erster
litterarischer Vertreter des Geschmacks und der modernen Weltklugheit eine starke
Wirkung z. B. auf Thomasius geübt hat, und sieht in der höfischen Bildung ein
Gegengewicht gegen die Schulfuchserei. 86) — Recht in diese hinein versetzen zwei
biographische Sammelwerke vom alten Geisthirt87) und von Jentsch88) über Gelehrte
des 17. Jh. — Von Wert für den Fortschritt des geistigen Lebens in Oesterreich ist
die durch G. van Swieten, den Leibarzt Maria Theresias, als Censor und im Kampfe
gegen die Jesuiten geübte Thätigkeit. Sein Leben schildert J a c o b y. 89_90) — Der
Freimaurerei wird fortgesetzt rege Aufmerksamkeit gewidmet. Bröcker91) bietet
eine Statistik der deutschen Logen 1737 — 1893 nebst den hauptsächlichsten
historischen Daten. — Schäfers92) Versuch, mit dankenswerter Schlichtheit des
Ausdrucks, die Freimaurerei als das Gebiet zu erweisen, wo Religion und Wissen-
schaft sich die Hand reichen, ist in 3. Auflage erschienen.93"97) —
NMThürSächsGV. 94, S. 1-65.) — 59) X D. Friedrichs-Univ. zu Hallo: PrJbb. 77, S. 124-41. (Nach Schrader, vgl. JBL. 1893
I 6 : 110.) — 60) H. Prutz, D. Königl. Albertus-Univ. zu Königsberg i. P. im 19. Jh. Königsberg i. P., Härtung. VII, 325 S.
M. 4,00. |[FBPG. 7, S. 329-30.]| — 61) X ?• Stettiner, Aus d. Gesch. d. Albertina (1544-1894). ebda. 82 8. M. 1,00. —
62) E. Friedländer, Aeltere Universitätsmatrikeln. II. Greifswald. Bd. 2 (vgl. JBL. 1893 I 4 : 95). L., Hirzel. VIII, 532 S.
Mit 1 Tab. M. 18,00. |[FBPG. S. 298/9.]| — 63) F. Gess, D. Leipz. Univ. im J. 1502. (= N. 6, S. 177-90.) — 64) G. Oergel,
Z. Erinnerung an d. Univ. Erfurt: MVGErfurt. 15, S. 1-22. — 65) id., D. Collegium majus zu Erfurt. Erfurt, Villaret. 43 S.
M. 0,60. — 66) M. Heraeus, Hamb. Studenten auf dtsch. u. ausländ. Hochschulen 1290-1650: ZVHambG. 9, S. 557-633. —
66a) X F- Jetter, Ueber württemb. Klosterzucht im 17. u. 18. Jh. Vortr.: BBSW. S. 283-91. (Nach sog. Carentenbüchern
des Blaubeurer Seminars.) — 67) F. Hirsch, D. Erzieh, d. älteren Söhne d. Gr. Kurfürsten : FBPG. 7, S. 141-71. — 68) O G.
Steinhausen, D. Idealerz. im Zeitalter d. Perrücke: MGESchG. 14, S. 209-46. — 69) 0. Rüdiger, Versuch e. Zunftbildung
unter d. Schulhaltern im St. Jacobikirchspiel : ZVHambG. 9, S. 495-504. — 70) X FritzWeber, Z. Gesch. d. Magdeb. Schul-
wesens. (= Festschrift für d. 22. Hauptvers. d. Lehrerverbandes d. Prov. Sachsen. [Magdeburg. 76 S.J, S 19-74.) (Privatdr.) — 71) X
M. Fr i ehe, Gesch. d. ehemal. Lateinschulen Fraustadts. Progr. Fraustadt. 4°. 54 S. — 72) X 0- Drenckhahn, Bilder
aus d. Gesch. d. Mühlhäuser Gymn. Progr. Mühlhausen. 4°. 15 S. — 73) X Matthes, Aktenstücke z. Gesch. d. Schule
u. Kirche Kloster Rossleben. Progr. Rossleben. 4°. 17 S. — 74) X F. Berbig, Nachrichten u. Urkk. d. lat. Schule z.
Crossen. II. Progr. Crossen. 4°. 36 S. — 75) X H. Lemcke, Beitrr. z. Gesch. d. Stettiner Ratsschule in 5 Jhh. I. Urkk. II. Progr.
Stettin. 4°. 17 S. — 76) X G. Windhaus, Gesch. d. Lateinschule zu Friedberg. Festschr. z. 350 j. Jubil. d. grossherzogl.
Realschule u. d. Progymn. Friedberg (C. Bindernagel). 1893. V, 196 S. Mit Tab. M. 3,50. — 77) X K- Seitz, Akten-
stücke z. Gesch. d. früheren lat. Schule. VI. Itzehoe. 48 S. — 78) X A- Lemmen, D. niedere Schulwesen im Erzstift Trier
bes. d. 17. u. 18. Jh. Progr. Prüm. 40 S. — 79) P. Goldberg, D. Landschulwesen auf d. Zittauer Dörfern bis 1811.
L. (Fock). 122 S. M. 1,50. — 80) H. Knothe, D. Schulwesen auf d. Dörfern d. Landkreises Zittau bis 1835: NLausitzMag. 70,
S. 188-221. — 81) M. Steinschneider, Ueber Bildung u. d. Einfluss d. Reisens auf d. Bildung. Zwei Vortrr. (= SGWV.
N. 198.) Hamburg, Verlagsanst. 34 S. M. 0,60. — 82) X F. Paulsen, Bildung: PaedA. 36, S. 65-85. — 83) K. Bieder-
mann, D. Faustsage nach ihrer kulturgesch. Bedeut.: ZKultG. 2, S. 31-50. — 84) Ed. Jacobs, Aus d. Rechnungsbuche d.
Wernigeroder Dechanten Joh. Kerkener (1507—41): ZHarzY. 27, S. 593-612. — 85) K. Borinski, Balt. Gracian u. d. Hoflitt,
in Deutschland. Halle a. S., Niemeyer. 147 S. M. 3,60. |[LCB1. S. 1674/5.] | (Vgl. III 1 : 206 ; 2 : 37.) — 86) O G. S t ei n h a u s e n , D Anfänge
d. franz. Litteratur- u. Kultureinflusses in neuerer Zeit: ZVLR. 7, S. 849-82. — 87) J- C Geisthirt, Schmalkaldia litterata.
(== ZVHennebergG. Heft XII.) Schmalkalden u. L. (F. Wilisch). 4». 94 S. M.2,00. — 88) H. Jentsoh, Aus J. G. Stephanis
Sammelwerk über 500 gelehrte Gubener : NiederlausitzM. 3, S. 247-60, 384-96. — 89) D. J a c o b y , Gern, van Swieten : ADB. 37, S. 265-71.
— 90) X M- Goldschmidt, Geist. Leben in Frankfurt a. M.: ML. 63, S. 257-62. — 91) K. Bröcker, D. Freimaurerlogen
Deutschlands v. 1737-1837. B., Mittler. VIII, 196 S. M. 3,00. — 92) Th. Sohäfer, Was ist Freimaurerei? 3. Aufl. ebda.
VIII, 76 S. M. 2,25. — 93) O X EL Boos, Gesch. d. Freimaurerei. E. Beitr z. Kulturgesch. Aarau, Sauerländer. VIII, 308 S.
M. 5,40. ![LCB1. S. 1758/9.]| — 94) X 0. Henne am Rhyn, D. Freimaurer, deren Urspr.. Gesoh., Verfass., Relig. u. Politik.
4. Aufl. L., Spohr. 99 S. M. 1,50. — 95) X ö- Sohuster, Friedrioh d. Gr. u. seine Beziehungen zu d. Freimaurern:
NorddAZg" 20/2. — 96) X L- Abafi, Gesch. d. Freimaurerei in Oesterr.-Ung. IV. Budapest, Aigner. VI, 382 S. M. 7,00. —
97) X H. Schrader, Naturgesch. u. Symbolik im MA.: HPB11. 114, S. 237-60. — 98) L. v. Rookinger, Z. Bedeutung v.
Gr. Liebe, Kulturgeschichte. I 4:99-125
Das Recht als Spiegel der Zeitanschauung beansprucht vorzugsweise Be-
rücksichtigung. Dem Eindringen des römischen Rechts sind Arbeiten L. von
Rockingers98) und Fabricius") gewidmet, die dessen spätes Uebergewicht
in Bayern und Pommern erweisen. 10°) — Zwei alte, für das deutsche Recht charak-
teristische Bräuche, Bahrrecht und Fürbitte, verfolgt Liebe101) bis in ziemlich späte
Zeiten selbst städtischer Kultur. — Sehr überflüssig sind die Versuche Berdrows102),
Thudichums genügend widerlegte Verbindung von Veme und Inquisition zu popu-
larisieren. 103-1Ö4) — Der Kampf zwischen der staatlichen Centralisierung und den
territorialen Organismen auf dem Gebiet des Strafrechts hat durch H o 1 1 z e 105) Dar-
stellung gefunden. — H o 1 1 z e 106) auch führt in Anknüpfung an Koser den Nach-
weis, dass zu der juristischen Mythenbildung aus Anlass der Aufhebung der Folter
der Prozess gegen Fonk wesentlich beigetragen hat, der 1822 beinahe zum Justiz-
mord führte.107"108) — Umfang und Formalitäten des Bonner Bannbegangs schildert
Hauptmann109) nach den 1590—1775 erhaltenen Protokollen. — Die Formen der
Besitzergreifung in Goslar erläutert ein von Hölscher110) abgedrucktes Instrument
von 1747. 110*) —
Unter den Regungen des geistigen Lebens, die sich als Gemüt zusammen-
fassen lassen, ist das Nationalgefühl als eins der einflussreichsten zu betrachten.
Die in den letzten Jahren sich zu seiner Stärkung in Deutschland regenden Be-
strebungen haben auch wissenschaftlich ihren Niederschlag gefunden. Das gross an-
gelegte Werk von Schultheiss in) hat gerechtfertigtes Aufsehen erregt. llla'n2a) —
Eine Warnung für uns ist die gedankenreiche Schrift von Brandes113), die eine
Stärkung des dänischen, an geringem Selbstvertrauen leidenden Nationalgefühls durch
Kulturleistungen fordert, so — die Bewahrung dänischen Sprachgebiets in Nord-
schleswig. — Im württembergischen Volkscharakter verfolgt Rümelin114) mit
geistvoller Feinheit das in Natur und Geschichte Schwabens sich äussernde Element
des Individualismus.115) —
Für das so wenig durchforschte Gebiet des Gefühlslebens wird fortan
Steinhausens116) Arbeit, die den wechselnden Ausdruck von Liebe und Schmerz
zum Gegenstande hat, als Wegweiser dienen. Niemand beherrscht ja in diesem Masse
wie er das nicht litterarische also unbewusste Zeugnis, den Brief. — In der Frage
der Vernunftheiraten gelangt Steinhausen117), gestützt auf umfassendes, meist dem
bürgerlichen Leben entnommenes Material zu dem Schlüsse, dass sie in vergangenen
Jhh. zum mindesten die gleiche Rolle gespielt haben wie heute. — Goette118) be-
zweckt nachzuweisen, wie die Grundform des Volksliedes, der Vierzeiler, Träger
der umgeformten Anschauungen des Minnesangs war, um dem konventionellen
Unterhaltungsbedürfnis des Bürgertums im Hofliede zu dienen. — Die Freundschafts-
Schwärmerei 119) des vorigen Jh. hat in ihrer Selbstbespiegelung wie in ihrer Be-
deutung für die Dichtung Darstellung gefunden. 120-121). — G i 1 1 h 0 f f 122) giebt eine Zu-
sammenstellung sprichwörtlicher Redensarten über den Reichtum.123) —
Dass Reisebeschreibungen sehr verschiedene Gedankenwelten
wiederspiegeln, ist neuerdings mehr und mehr erkannt worden. Die nach den Zeit-
anschauungen wechselnden Beweggründe zum Reisen hat Liebe 124) kurz dar-
gestellt. — Auf die hs. in München befindliche Beschreibung einer 1588 nach dem
Orient unternommenen Reise wird von Ru epprecht125) hingewiesen. 126) — Eine
Anklängen an römisches Recht in bayer. Urkk. d. 15. Jh.: ArchivZ. 5, S. 127-97. — 99) F. Fabricius, Ueber d. Schwerinische
Recht in Pommern: HansGBll. 22, S. 1-45. — 100) X J- Grunze 1, Ueber d. dtsch. Stadtrechte Böhmens: MVGDB. S. 348-57.
— 101) G. Liebe, Bahrrecht u. Fürbitte in dtsch. Städten d. MA:: ZKultG. 1, S. 316-22. — 102) H. Berdrow, Femgericht
u. Inquisition: Daheim 30, S. 2046. — 103) X Tn- Lindner, Veme u. Inquisition (JBL. 1393 I 4 : HO): DLZ. S. 880. — 104) X
P. Wigand, D. Femgericht Westfalens. Nach d. Quellen dargest. u. durch Urkk. erläut. E. Beitr. z. dtsch. Staats- u.
Rechtsgesch. 2. verb. Aufl. Halle a. S., H. W. Schmidt. VIII, 445 S. M. 6,00. |[WZ. S. 231/2.JJ — 105) F. Holtze, Straf-
rechtspflege unter König Friedrich Wilhelm I. (= Beitrr. z. Brand.-Preuss. Rechtsgesch. N. 3.) B., Vahlen. 94 S. M. 2,00.
|[FBPG. 7, S. 317.]| — 106) id., D. Prozess gegen Fonk u. Jurist. Mythenbildung in Preussen: FBPG. 7, S. 127-39. — 107) X
E. Hawelka, D. Halsgerichtsbarkeit d. Stadt Braunau: MVGDB. S. 48-55. — 108) X W. Dührsen, Lowenburg. peinlicher
Prozess u. Urgicht d. daselbst gefänglich sitzenden Amtsschreibers v. Bergersdorf 1603: AVGLauenburg. S. 27-90. — 109) F.
Hauptmann, D. Bonner Bannbegang. (:= Bilder aus d. Gesch. v. Bonn.) Bonn, Hauptmann. 56 S. M. 0,50. — HO) D.
Hölscher, D. Formen d. Besitzergreifung in Goslar (Notariats-Instrument 1747): ZHarzV. 27,S.287,9. — 110a) X H. Kn othe,
D. Hausmarken in d. Oberlausitz: NLausitzMag. 70, S. 1-12. — 111) F. Schultheiss, Gesch. d. dtsch. Nationalgefühls (JBL. 1893
I 4: 153). |[G. Steinhausen: DLZ. S. 270,2; LCB1. S. 177/8; H. Walther: Nation». 11, S. 4434; TglRs". N. 412; E. Her-
mann: PaedA 36, S. 312 3; Ges. 392; Sohns: COIRW. 22, S. 109.] | — lila) X Schwarz-rot-gold als dtsch. Reichsfarben:
BurschenschBll. 8, S. 85/7, 113/8, 157-60, 182/3, 210/1. (Vgl. VossZg». N. 17.) — 112) X H. Schrader, „D. dtsch. Michel":
ZDS. 8, S. 46/7. (Aus d. Michaelsliedern erklärt.) — 112a) X E- Wasserzieher, Dtsch. Treue u. dtsch. Ehre: ZDU. 8,
S. 250/1. — 113) G. Brandes, Nationalgefühl. Vortr. Köln u. Paris, Langen. 38 S. M. 0,50. JfDRs. 80, S. 318; L. Berg:
Zuschauer 2, S. 132/3; BerlTBl. N. 206.J | — 114) G. Rümelin, D. Württemberg. Volkscharakter. (= Reden u. Aufsätze. 3. Folge.
[Freiburg i. B., Mohr. VII, XX, 405 S. M. 6,00], S. 375-405.) — 115) X '■ Stöcklein, Beobacht. über d. Znsammenh.
zwischen Sprache u. Volkscharakter: BBG. S. 335-57. — 116) G. Steinhausen, D. Wandel dtsch. Gefühlslebens seit d. MA.:
VossZgB. N. 19-21. — 117) id., Vernunft- u. Liebesheiraten: VoraFelsz.Meer. 2, S. 704. — 118) R. Goette, Liebesleben u.
Liebesdienst in d. Liedesdichtung d. dtsch. MA.: ZKultG. 1, S. 426-66. — 119) Aus d. Zeitalter d. Freundschaft: TglRs».
N. 3012. - 120) X K- G-. D- dtsch. Gemüt u. d. Pflanzenwelt: ib. N. 156. — 120a) O A. Biese, Z. Litt. d. Gesch. d. Natur-
gefühls: ZVLR. 7, S. 311-40. —121) X H- N°ö. wind u Menschen: WIDM. 75, S. 201/8. — 122) L. Gillhoff, D. Geld im
Volksmunde: TglRsB. N. 282/4. — 123) X !*■ Meyer, Hs.-Beurteilung: ÜL&M. 72, S. 566, 587, 627, 64C, 746, 787, 846, 865,
887, 947, 986, 1007. — 124) G. Liebe, Reiseinteressen vergangener Zeiten: MagdZg". N. 2 3. - 125) Chrn. Rn epprecht,
I 4:127-149 Gr. Liebe, Kulturgeschichte.
Rechnung- über die 1518 nach Mont S. Michel unternommene Reise eines vornehmen
Deutschen veröffentlicht Liebe127). — Eine Probe aus dem Bericht über eine Reise
nach Frankreich (1773—75) führt G er 1 an d 128) an; die Berichterstatterin gehörte
der Familie Dy Ry zu Kassel an. —
Die Quellen zur Kenntnis früheren Empfindungslebens sind ausser den Briefen
nicht zahlreich. A dam129) behandelt das akademische Stammbuch des Danzigers
Plato aus dem Anfang des 17. Jh.130) — Das derselben Zeit angehörige Tage-
buch des Pfarrers von Brandenburg, Garcaeus, das Tschirch 131) veröffentlicht,
giebt ein wenig erfreuliches Bild der gelehrten, aber moralisch anfechtbaren Persönlich-
keit wie der trüben Zeit.132) — Ehrenfest und oft schalkhaft ist der Geist der alten
Hildesheimer Haussprüche, die Buhlers 133) aus einer Hs. in Hannover bekannt
macht.134) —
Dem Humor nicht allein, aber doch vorwiegend dient das ergötzliche Büchlein
von S chlie b en 135), das die Resultate einer grossen Belesenheit sehr geschickt
verwendet, die Beziehungen des Esels zum Menschen darzustellen, nicht nur als
des Nutztieres, sondern auch als eines Symboles in den verschiedenen Kulten wie
im Volksleben.136"137») —
Aberglaube und Verbrechen. Aus den Veröffentlichungen über
Hexenprozesse bietet die von Fabian138) ein merkwürdiges Zeugnis, wie um die
Mitte des 16. Jh. in Zwickau sich Aufklärung und Menschlichkeit geltend
machten. 138a"140a) — Dem Arzt Johann Weiher spricht Neubürger141) das Ver-
dienst zu, den Wahn noch vor Spee bekämpft zu haben. — Als von der Astrologie
beeinflusst zeigt Schwartz142) den Markgrafen Johann von Küstrin, auf Grund
hinterlassener Schriften. — Caro143) übt eine scharfe Kritik an Kiesewetters Buch
über Dee, an dem er nicht allein die spiritistische, sondern auch die politische Wirk-
samkeit gering anschlägt, die ihm wegen seiner Verbindung mit dem polnischen
Abenteurer Laski beigemessen wird, wogegen seine Bedeutung als Gelehrter unter-
schätzt wird. — F u n c k 144) bespricht das in den achtziger Jahren des vorigen Jh.
in Baden gepflegte Interesse für den durch Marquis von Puisegur begründeten, von
Lavater vertretenen Heilmagnetismus. — Mit dem Verbrechertum beschäftigen sich
einige populäre Skizzen.145"147) —
Sociale Entwicklung, Gesellschaft und Stände. An Be-
deutsamkeit des Stoffes wie der Behandlung sind hier zunächst mehrere der Ge-
schichte des Beamtentums gewidmete Arbeiten zu nennen, an erster Stelle
Seh m o 1 1 e r s 148) in weiterer Ausführung erschienener Vortrag vom Leipziger
Historikertag, der in zweifelsfreier Klarheit den verwickelten geschichtlichen Werde-
gang erkennen lässt. Nach allgemeiner Erörterung des Amtswesens sind die beiden
frühesten Gestaltungen, die römische und französische der deutschen vorangestellt,
in der das 14. Jh. den Uebergang von der Lehn- zur Amtsverfassung bildet. Die
um 1500 einsetzende Entwicklung charakterisiert sich im Ersatz der Räte von Haus
aus durch ein collegium formatum mit Geschäftsteilung. Die brandenburgisch-preussische
Centralisation ist vollendet durch Friedrich Wilhelm I. Der Schluss erörtert das
Hervorgehen des besonderen Beamtencharakters aus der Gefolgschaft durch die
Aenderungen in Besoldung und Bestallung. — Holtze149) giebt eine von gleich-
E. hs. Orient-Reisebeschreibung vom J. 1588: ZKultG. 1, S. 241/3. — 126) X F- G- Schultheiss, Montaignes Reise v. Lindau
über Augsburg u. München bis Mittenwald (1580): Sammler*. N. 77/8. — 127) G. Liebe, E. Reiserechnung aus d. J. 1518:
NMThürSächsGV. 18, S. 71-81. — 128) 0. Gerland, Auch e. Reise ins mittägige Frankreich: Didask. N. 261. — 129) K. Adam,
D. Reisestammbuch d. D. Abr. Plato v. 1607—16: ZKultG. 1, S. 281-94. — 130) X Ro°- *>. Rich- Keil. D- dtsch. Stammbücher (JBL.
1893 14:141). | [LCBI. S. 712/3 ; W. K a h 1 : KZEU. 43, S. 428.J| — 131) 0. Tschirch, Tägliche Aufzeichnungen d. Pfarrherrn J. Gar-
caeus in Sorau u. Brandenb. aus d. J. 1617—32. Brandenburg (P. Haeckert). 98 S. Mit 1 Taf. M. 1,00. (Aus : JBHVBrandenburg. 25,
S. 15-116; vgl. III 1 : 18.) - 132) X E., Kalender u. Almanache. Kulturhist. Skizze: FrBIW. N. 9. — 133) Buhlers, Zerstörte
Hildesheimer Haussprüche: ZHarzV. 27, S. 210-34. — 134) X R- Eckart, Allg. Samml. niederdtsch. Rätsel. L, Weigel. 12°.
VIII, 136 S. M. 1,60. |[BLÜ. S. 440/l.]| — 135) A. Schlieben, D. Esel u. d. Mensch. E. Beitr. z. Kulturgesch. Wiesbaden,
Bechtold & Co. 143 S. M. 1,00. — 136) X E. Isolani, D. Humor auf d. Kanzel: MagdZgn. N. 106/8. — 136a) X T-
Szafranski, D. Humor im Reichstag: AkBll. 9, S. 137. — 137) X E. Peschkau, 50 J. dtsch. Humors: SchorersFamilienbl. 15,
S. 72/5. (Jubil. d. „Fl. Blätter".) — 137a) X R. Artaria. E. Schatzkammer dtsch. Humors: Gartenlaube 94, S. 26-30. —
138) E. Fabian, Hexenprozesse in Zwickau u. Umgegend: MAVZwickau. 4. S. 122-31. — 138a) A. v. Jaksch, Hexen u.
Zauberer. Nach Akten im gräfl. Lodronschen Herrschaftsarch. in Gmünd: Uarinthia S. 7-15, 43-51. (Vgl. I 5:143.) — 139) X
F. Heigl, D. Hexenglaube. E. Rückblick als Perspektive für d. Spiritisten unserer Zeit. Bamberg, Handelsdr. 16°. 85 S.
M. 0,20. (Vgl. I 5:141.) — 140) X Kleiner Beitr. z. Gesch. d. Quedlinbnrger Hexenprozesse: ZHarzV. 27, S. 620/7. — 140 a) X
J. Kiele, Hexenwahn u. Hexenprozesse in Hagenau (JBL. 1893 I 5 : 114): LRs 20, S. 162,3. — 141) E. Neubürger, D. Hexen-
wahn u. Joh. Weiher: Didask. N 261. — 142) P. Schwartz, D. Politik d. Markgrafen Joh. v. Küstrin unter d. Einfluss d.
Astrologie: SVGNeumark. 2, S. 1-12. — 143) J. Caro, Aus d. Tagen d. Königin Elisabeth v. England (John Dee, Albrecht
Laski, Giordano Bruno, Shakespeare): ZKultG. 1, S 353-95. — 144) H. Funck, D. Magnetismus u. Somnambulismus in d.
bad. Markgrafschaft. Freiburg i. B., Mohr. VII, 76 S. M. 1,20. JfF. v. Weech: ZGORh. 9, S. 525/6; LCBI. S. 1841.]| —
145) X A. Moll, D. Weib als Verbrecherin: BerlTBl. N. 19. — 146 1 X E. Schulz, Cagliostro u. Konsorten: N*S. 68,
S. 67-75. — 146a) X p- Lindau, D. Lebensgang e. Verbrechers: ib. S. 363-79. — 147) X D- Kriminalpolizei in Hamburg:
lUZg. 103, S. €43/4. — 148) G. Schmoller, D. dtsch. Beamtenstaat vom 16.-18. Jh. Vortr. auf d. Leipz. Historikertag: JGVV. 18,
S. 695-714. |[FBPG. 7, S. 312/7.]| (Vgl. G. Schmoller, Ueber Behördenorganisat., Aratswesen U.Beamtentum. Als Einl. zu:
G. Schmnller u. 0. Krauste, D. Behördenorganisat. u. d. allg. Staatsverwalt. Preussens im 18. Jh. 1. Bd. B., Parey.
143, S43 S. M. 21,00. [-. Acta borussica IV.]) (Vgl. III 1 : 147.) - 149) F. Holtze, I). ältesten mark. Kanzler u. ihre Familien:
G. Liebe, Kulturgeschichte; I 4 : iöo-I&j
zeitigen Porträts begleitete Sammlung von Lebensbeschreibungen der branden-
burgischen Kanzler von Kracht (1440 — 44) bis zu Weinleben, dem Vorgänger Distel-
meyers. — Kruschs150) Fortsetzung der braunschweigischen Behördenentwicklung
gipfelt in der Kanzleiordnung Herzogs Julius von 1575, die durch zahlreiche Einzel-
züge Leben gewinnt. — Hof- und Kanzleiordnungen aus Jülich-Berg veröffentlicht
von Below151). — Die Entstehung der Bürgerrepräsentanten in Breslau hat durch
Markgraf'52) Darstellung erfahren.153) — Für die militärische Entwicklung ist
das von K o s e r ,54) bekannt gegebene Urteil Valorys über Friedrichs des Grossen
Verdienste um die Reiterei (1748) hervorzuheben. — Liebe 155) vertritt den Ge-
danken, dass die Uniform, früher in den Städten als in den Territorien auftretend,
das Symbol der allgemeinen Wehrpflicht darstelle. 156) — Die Farbenfolge der
preussischen Lanzenfähnchen (weiss - schwarz) wird auf die Kabinetsordre vom
4. April 1815 zurückgeführt, die an Stelle der Regimentsfarben die hohenzollernschen
setzte. 157) — Für die Schüderung der Gesellenbewegung im Nürnberg des 16. Jh.
hat Schönlank 158) archivalisches Material geschickt, aber tendenziös ausgenutzt,
indem er sie in eine Parallele zu der der heutigen Fabrikarbeiter stellt, während die
materielle Notlage damals nicht entfernt dieselbe Rolle spielte. — Chrn. Meyers159)
Schrift über die unehrlichen Leute ist wesentlich ein Produkt der Sammelthätigkeit;
eingehender behandelt ist nur der Scharfrichter und die Entstehung seines früher
nicht vorhandenen Makels. 16°) —
Wirtschaftliche Entwicklung. Mehrfach haben Studien zur Wirt-
schaftsgeschichte ein bestimmtes Territorium zur Grundlage genommen. So be-
leuchtet Rachfahl161) die schlesische Verwaltung in drei Abschnitten zuerst bis zur
staatlichen Einigung unter Mathias Corvinus, dann die Central isation vornehmlich
durch Ferdinand L, zuletzt die Finanzbehörden im besonderen. — Ein Bild von un-
gewöhnlicher Lebendigkeit — Georg Müller162) hat es gezeichnet — gewährt
die Thätigkeit Hans Harrers, Kammermeisters des Kurfürsten August von Sachsen.
Er war hauptsächlich in Geldgeschäften thätig, bis ihm die Beteiligung an Roths Pfeffer-
ring Sturz und Selbstmord brachte; so eröffnet seine Geschäftigkeit durch die Besorgung
der mannigfachsten Hof-Bedürfnisse und den Anteil an den verschiedensten Industrien
zahlreiche kulturgeschichtliche Ausblicke.163"164) — Ein Quellenwerk, dessen Ver-
arbeitung allerdings etwas schwierig sein dürfte, ist das durch G. vonMülverstedt165)
veröffentlichte Tagebuch des Matthias von Oppen, Domdechanten des Hochstifts
Halberstadt (1596 — 1608). Schrittweise die Thätigkeit des höchsten Beamten begleitend,
gewährt es einen Einblick in die wirtschaftlichen Zustände eines geistlichen Terri-
toriums kurz vor dem 30jährigen Kriege bis zu den Details, wie der Anpflanzung
märkischer Rüben. — Auf dem Gebiete städtischer Wirtschaftspolitik erläutert
Bücher166) das Wesen mittelalterlicher Auffassung dahin, dass Einkommen und Ver-
mögen, Haushalt und Erwerbswirtschaft nicht geschieden werden, weil wegen des
starken landwirtschaftlichen Betriebes ein Teil des Erwerbs unmittelbar in Konsum
überging. Erst als, vom Handel ausgehend, das Prinzip von Kapital und Zins zur
Herrschaft gelangte, wurde es Grundsatz, den Vermögensstamm zu schonen und nur
den Zuwachs zu treffen. 166a) — Wie die Stadt Bern im 18. Jh. ihren Staatsschatz
durch Gewährung von Darlehen an protestantische, vorzugsweise deutsche Fürsten
nutzbar machte, führt Burkhardt 167) in einer langen Reihe von Beispielen aus. — Die
nur zu sehr den Dilettanten überlassene Numismatik ist von fiebert 168) zur Er-
kenntnis wirtschaftlicher Zustände ausgenutzt in einer Biographie des Bartholomäus
Albrecht, dem, als Pächter kaiserlicher Münzstätten, die Thätigkeit des Aufkaufens
FBPG. 7, S. 479-531. — 150) B. Km seh, D. Entwickl. d. Herzogl. Brannschweig. Centralbehörden, Kanzlei, Konsistorium n.
Hofgericht bis z. J. 1584. Forts.: ZHVNiedersachsen. S. 39-179. (Vgl. JBL. 1893 1 4:188.) — 151) G. r. Below u. Geich,
Quellen z. Gesch. d. Behördenorganisat. in Jülich-Berg im 16. Jh.: ZBergGV. 30, S. 8-168. — 152) H. Markgraf, Finanz-
n. Verfassnngsgesch. Breslaus unter Friedrich Wilhelm II.: ZVGSchlesien. S. 1-80, 411-20. — 153) X H. Iwanowius.D.
Vernichtung d. stand. Einflusses u. d. Beorganisat. d. Verwalt. in Ostpreussen durch Friedrich Wilhelm I. Progr. Königs-
berg i. P. 42 S. — 154) R. Koser, E. franz. Schilderung d. preuss. Heeres v. 1748: FBPG. 7, S. 299-311.— 155) G. Liebe,
Z. Gesch. d. Uniform: ZKultG. 1, S. 51/8. — 156) X ß- Knötel, Uniformenkunde. Lose Bll. z. Gesch. d. Entwickl. d. milit.
Tracht. Bd. V. (= 12 Hefte.) Rathenow, Babenzien. je 5 färb. Taf. u. 4 S. Text, ä M. 1,50. — 157) Sohwarz-Weiss u.
Weiss-Schwarz: Didask. N. 97. — 158) B. Schönlank, Soc. Kämpfe vor 300 J. Altnürnberg. Studien. L., Duncker 4 Humblot.
212 S. M. 4,00. — 159) Chrn. Meyer, D. unehrlichen Leute in älterer Zeit. (= SGWV. N. 193.) Hamburg, Verlagsanst.
87 8. M. 0,80. |[A. Schröter: BLÜ. S. 756.]| — 160) O Signor Saltarino, Fahrend Volk. Abnormitäten, Kuriositäten
u. interess. Vertreter d. wandernden Künstlerwelt. L., J. Weber. 4°. XI, 150 S. M. 12,00. — 161) F. Rachfahl, D. Or-
ganisat. d. Gesamtverwalt. Schlesiens vor d. 30 j. Kriege. (= Staats- u. socialwissensch. Forschungen, her. v. G. Seh m oll er.
13. Bd., 1. Heft.) L., Duncker & Humblot. XII, 482 S. M. 10,00. — 162) Georg Müller, Hans Harrer, Kammermeister d.
Kurf. August. E. Beitr. z. sächs. Verwalt.- u. Wirtschaftsgesch.: NASächsG. 15, S. 63-118. — 163) X H. Gebauer, D. Volks-
wirtsch. im Königr. Sachsen. Hist., geograph. u. statist. dargest. III. Bd. Dresden, Baensch. 1893. LXIV, 781 S. M. 10,00.
|[E. 0. Schulze: NASächsG. 15, S. 179-85.JI — 164) X A- Beer, Studien z. Gesch. d. österr. Volkswirtsch. unter Maria
Theresia. L: AÖG. S. 1-133. — 165) G. v. Mülverstedt, D. Tagebuch d. Domdechanten d. Hochstifts Halberstadt Matth.
T. Oppen 1596—1608. Magdeburg, Bänsch. XXXII, 483 S. (Nicht im Buchhandel.) — 166) K. Bücher, Zwei MAliche Steuer-
ordnungen. (= N. 6; S. 123-64) — 166a) id., D. Entstehung d. Volkswirtsch. (JBL. 1893 14:199). |rAd. Wagner:
PrJbb. 75, S. 546-58; W. Hasbach: GGA. S. 531/5.] | — 167) 0. Burkhardt, Bern als Bankier dtsch. Fürsten u. Städte:
FZg. N. 163. — 168) C. Gebert, Bartholomäus Albreoht, d. Nürnb. Münzer u. Erzkäufer. Nürnberg, Schräg. 38 S. Mit Bild.
I 4 : i69-i93a G. Liebe, Kulturgeschichte.
und Umprägens neben der Anfeindung des Nürnberger Rats den Verdacht zuzog,
die Kipperzeit verschuldet zu haben. — Diese grösste Geldkrisis Deutschlands (1618—23)
bezeichnet W u 1 1 k e 169) als Spekulationsperiode mit folgendem Krach, indem er in
mühevoller Untersuchung aus ständischen Akten die wirtschaftlichen Folgen und
Gegenmassregeln der nach seiner Meinung auf verkehrter Scheidemünzpolitik des
Reiches beruhenden Bewegung für Kursachsen nachweist. — Ein besonderes Gebiet
staatlicher Fürsorge hat im preussischen Salzwesen mehrfache Behandlung gefunden.
Nachdem Wutke1'0'171) die Salzerschliessungsversuche in Schlesien unter den
Piasten und in österreichischer Zeit beleuchtet hat, liefert er in seiner Schrift über die
Salz Versorgung der Provinz von aussen her (1772—90) einen Beitrag zu der handels-
politisch bestehenden Absperrung der Provinzen gegen einander unter Friedrich IL
— Schwemann 172) schildert die Thätigkeit des hauptsächlich um das Bergwesen
verdienten Heinitz im Salzdepartement. —
Zur Agrargeschichte sind einige Studien über die bäuerliche Rechts-
stellung zu erwähnen. Nach G. F. Knapp 173) wäre Oesterreich in der Bauern-
befreiung Preussen 25 Jahre voraus gewesen. 174~174a) — Die Leibeigenschaft der in
den vier Dörfern der Reichsstadt Heilbronn Angesessenen untersucht T. Knapp175)
vom 16. Jh. bis 1802, um sie nur in einer gewissen Art der Besteuerung begründet
zu finden.175**-176) — Einige von Küster177) aus dem Archiv des Ritterguts Falken-
berg bei Luckau publizierte Gutsunterthanen-Eide gehen bis zum Schäfer und
Drescher herab. — Weinhold 177a) ordnet und erklärt aus älteren Quellen ge-
sammelte, auf den Wald bezügliche Flurnamen, um daraus auf die Waldbeschaffen-
heit zu schliessen. — Ein Werk wie das von Andrea178) über die Jagd im Taunus,
das zwar für die Gegenwart reiches Material bietet, auf archivalische Studien aber Ver-
zicht leistet, zeigt nur, wieviel auf diesem Gebiet noch zu thun ist.179) —
Für die Bevölkerungsstatistik liegen Forschungen vor von Koser180) für
Preussen unter Friedrich IL und vonDitt mar 181)für Magdeburger Dörfer 1634182).— Ueber
Württembergs verschiedene Bevölkerungselemente, wie sie schon in der Vielartigkeit
körperlicher Typen zu Tage treten, liefert Hart mann183) eine verdienstliche
Statistik. — Einen unglücklichen Versuch deutscher Auswanderung im vorigen Jh.
behandelt Vignols184). Er schildert das Geschick einiger zur Kolonisation von
Guyana angeworbenen Elsässer Familien, die mangels Transportmittel mehrere Jahre
in der Bretagne ihr Dasein fristeten, froh, endlich zurückkehren zu können.185) —
Biedermann186) macht einige Bemerkungen über die in- den deutschen Städten des
vorigen Jh. hohe Sterblichkeitsziffer und die geringe Zahl der Ehen und Kinder.187) —
Auf dem Gebiet der Industrie hat besonders der Textilzweig Aufmersamkeit
hervorgerufen.188-191) — Eine eingehende Darstellung widmet Sei dl192) der Um-
wälzung in der Hauptindustrie Augsburgs, welche Ende des vorigen Jh. durch das Auf-
treten des Johannes Schule erfolgte, eines Mannes, der, durch eigene Kraft aus niederem
Stande zum Reichsfreiherrn emporgestiegen, die Vermorschtheit der Zunftverfassung
wie des Stadtregiments selbstsüchtig auszubeuten verstand. 192a) — Eine von Hintze193)
publizierte Denkschrift über die Berliner Manufakturen von 1801 hat schon den
richtigen Gedanken der Decentralisation.193a) — In der Montanindustrie hat der von
M. 2,00. — 169) R. Wuttke, Z. Kipper- u. Wipperzeit in Kursachsen: NASächsG. 15, S. 119-56. — 170) K. Wutke, D.
Salzerschliessungsversuche in Schlesien in vorpreuss. Zeit: ZVGSchlesien. S. 99-146. — 171) id., Die Versorgung Schlesiens
mit Salz 1772-90. Nach archival. Quellen aargest. B., Stargardt. VII, 135 S. M. 4,00. — 172) A. Schwemann, Frhr.
v. Heinitz als Chef d. Salzdepartements: FBPG. 7, S. 409-56. — 173) G. F. Knapp, D. Bauernbefreiung in Oesterreich u.
Preussen: JGVV. 18, S. 402-32. — 174) X K- Grünberg, D. Bauernbefreiung u. d. Auf lös. d. gutsherrlich-bäuerl. Verhält-
nisses in Böhmen, Mähren, Schlesien. 2 Bde. L., Duncker & Humblot. X, 432 S.; XI, 497 S. M. 16,00. — 174 a) X p-
Boenisch, Gesch. Entwickl. d. ländl. Verhältnisse in Mittelschlesien. Diss. Jena. VI, 123 S. — 175) T. Knapp, Ueber
d. vier Dörfer d. Keichsstadt Heilbronn. Progr. Heilbronn. 4°. 45 S. — 175 a) X °- Glöde, E. mecklenb. Freibrief (1793):
ZDU. 7, S. 429. — 176) X H. Ferber, D. Grevenhühner im Amte Angermund: BGNiederrh. 8, S. 104/8. — 177) A. Küster,
Gerichtshalter- u. Unterthaneneide im 18. Jh.: NiederlausitzM. 3, S. 268-74. — 177a) K. Weinhold, Flurnamen aus d. Erz-
gebirge: Erzgebirge 2, S. 29-59. — 178) E. Andrea, Gesoh. d. Jagd im Taunus. Frankfurt a. M., Selbstverl. 423 S. —
179) X L- Schilling, Gesch. d. Bunzlauer Stadtforstes 1594—1894. Bunzlau tKreuschmer). 41 S. M. 1,00. — 180) R. Koser,
Z. Bevölkerungsstatist, d. preuss. Staats 1740— 56: FBPG. 7, S. 540/8. — 181) M. Dittmar, Z. Bevölkerungsstatist, d. magdeburg.
Landes 1634: GBllMagdeburg. 29, S. 262-302. - 182) H. Silbergleit, Stand u. Bewegung d. Bevölker. Magdeburgs: ib. S. 408.
— 183) J. Hartmann, D. Besiedlung Württembergs v. d. Urzeit bis z. Gegenw. (= WürttembNjbll. K. 11.) St., Gundert.
48 S. Mit 3 Bild. M. 1,00. |[ZGOKh. 9, S. 727.]| — 184) L. Vignols, Un petit episode accessoire de l'expedition du Kourou.
Emigrants allemands cantonnes en Bretagne 1763— 66. Rennes, Simon. 16 S. — 185) X '• Bienemann, Werden u. Wachsen
d. dtsch. Kolonie in Südrussland. Gesch. d. evang.-luther. Gemeinde zu Odessa. Odessa, Hörschelmann. 1893. X, 460 S.
M. 5,00. |[S. Eck: ThLZ. 19, S. 304/5.] | — 186) K. Biedermann, Z. Bevölkerungsbeweg. im 17. u. 18. Jh.: ZKultG. 2, S. 83/4.
— 187) X A- Kerschbaumer, Volksbeweg. in Krems. Kulturgesch. Studien über d. 17. u. 18. Jh.: BVLNiederöstr. 28,
S. 3-11. — 188)- X c Grünhagen, Ueber d. angeblich grundherrl. Charakter d. hausindustriellen Leinengewerbes:
ZSocWirtschG. 2, S. 241-61. - 189) X L- Brentano, Ueber d. Einfluss d. Grundherrlichkeit unter Friedrich d. Gr. auf d.
schles. Leinengewerbe: ib. S. 295-376. — 190) X K- Spannagel, D. Gründung d. Leineweberznnft in Elberfeld u. Barmen
1338: ZBergGV. 30, S. 181,9. — 191) X A- Riegl. Hauskunst, Hansfleiss u. Hausindustrie: MVGDB». S. 52/3. —192) A. Seidl,
J. H. v. Schule u. sein Prozess mit d. Augsburg. Weberschaft 1764-85. (= Hist. Abhandl. Her. v. Th. Heigel u. H. Grauert
N. 5.) München, Lüneburg. 60 S. M. 2,40. — 192a) X R- R. Z. Gesch. d. Meeraner Industrie: SchönburgGBlI. 1, S. 11/8. —
193) 0. Hintze, Denkschrift über Berliner Munufakturverhältnisse aus d. J. 1801. (== SGVBerlin. 31. Heft [B., Mittler.
ISO S. M. 3.00], N. 2.) — 193 a) X G- Schruoller u. 0. Hintze, D. preuss. Seidenindustrie im 18. Jh. (JßL. 1892
G. Liebe, Kulturgeschichte. I 4 i 194-229
den Fuggern zu Reichenstein und Freiwaldau betriebene Bergbau auf Blei und Gold
durch Fink194) eine Darstellung erfahren, der des modernen Mansfelder Häuer- und
Hüttenbetriebs durch Fischer195). — Ueber Stolberg am Vichtbach liegt eine
Schilderung der dortigen Zink- und Glasindustrie vor.196"198) —
Indem wir zu den handwerksmässigen Betrieben übergehen, finden
wir Otto199), in Fortsetzung seiner Arbeit über die Bevölkerung Butzbachs, als Vf.
einer gleich sorgfältigen Studie über das dortige Gewerbe wieder, die neben der
über das Mittelalter hinaus bedeutsamen Landwirtschaft das einzige wichtige Gewerbe,
die Wollenweberei, würdigt.200"201) — Petzsch202) sucht mit Hilfe von Signaturen
auf Richtschwertern wahrscheinlich zu machen, dass Angehörige der aus Solingen
bekannten Schwertfegerfamilie Pols auch in Dresden vorkommen. — In Rockenberger,
zu Wittenberg, erblickt von Ehrenthal203) einen der letzten Vertreter der Plattnerkunst
um die Mitte des 16. Jh., da die Kurfürsten Johann und Johann Friedrich noch
eifrig das in Süddeutschland bereits abgekommene Stechen übten. — Im Anschluss
an teilweise reproduzierte Musterblätter giebt Warschauer204) ein Bild der bürger-
lichen Stellung der ursprünglich deutschen Goldschmiedfamilie Kamyn in Posen
während des 16. Jh. als anziehendes Beispiel von der erblichen Pflege und dem
glänzenden Erfolg des Kunsthandwerks im Osten.205) —
Berücksichtigen wir im Handel zunächst die organisatorischen Momente,
so kann die erste Stelle nur der Hanse gebühren.206-207) — Die nach der Richtung
ihrer Handelsfahrten organisierten Gilden Groningens im 15. Jh. behandelt Kunze208),
die in Rostock 1566 aus den Kompagnien der Schonen- und Bergenfahrer gebildete
Gesellschaft S t i e d a209 210). — Ein bergischer Zolltarif von 1639, den Mörath211)
veröffentlicht, lässt die Ausfuhrartikel erkennen. — Biedermann21'2) macht der
Warenpreise halber auf Rechnungen des 16. Jh. im Archiv zu Weimar aufmerksam.
— Von einzelnen Handelsplätzen haben Hamburg und Thorn Betrachtungen ge-
funden.213-214) — Was die Handelsgegenstände betrifft, so lassen die von Grün-
hagen215) publizierten Monatsberichte des Ministers von Hoym Licht auf den
schlesischen Leinen- und Wollenexport fallen. — Forst216) veröffentlicht Akten-
stücke zum Export von Andernacher Tufstein nach Holland; 1622 verbot ihn Spinola
wegen Gefahr der Kontrebande. —
Aeussere Kultur. Das deutsche Haus217-220) der verschiedenen Land-
schaften erfreut sich fortgesetzt der Aufmerksamkeit der Forscher, insbesondere der
leider dem Untergang geweihte Fachwerkbau. Hier ist Brinkmanns221) vortreff-
liche, lehrreiche, von schönen Abbildungen unterstützte Abhandlung hervorzuheben,
welche die organische Entwicklung der durch volkstümliches Gepräge ausgezeichneten
Quedlinburger Holzbauten zum Gegenstande hat.222-223a) —
In der Trachtenkunde ist neben einigen Pracht werken 224~228) der Be-
mühungen um Erhaltung der Volkstrachten229) zu gedenken, wie des von Erfolg
I 4:454; IV lb:67.) |[Th. Geering: DLZ. S. 692/6; E. Gothein: AHVNiederrh. 58, S. 198-203.] | - 194) E. Fink, D.
Bergwerksunternehmnngen d. Fugger in Schlesien: ZVGSchlesien. S. 294-340. — 195) W. Fischer, D. Segen d. Mansfelder
Bergbaus: Didask. N. 45/6. — 196) X Stolberg am Vichtbach. (Westdtsch. Städtebilder. N. 13): KVZg. N. 524. — 197) X
E. Heydenreich, Gesch. u. Poesie d. Freiberger Berg- u. Hüttenwesens. Freiberg i. S., Craz & Gerlach. 1892. XII, 180 S. M. 2,00.
— 198) X E. Marabini, Bayer. Papiergesch. I. Nürnberg, Raw. 147 S. M. 4,50. — 199) E. Otto, Z. Gesch. d. Gewerbes
in Butzbach während d. MA. u. d. Bef ormationszeit : AHessG. S. 401-50. — 200) X H. Weber, Bunte Bilder aus d. alten
Zunftleben. (= Frankf. Broschüren Bd. 15, N, 5.) Frankfurt a. M., Foesser Nachf. 27 S. M. 0,50. — 200a) X P- Bartels,
Noch einmal vom Böhnhasen: ZDÜ. 7, S. 454/6. — 201) X K- T- Rohrscheidt, Vor- u. Rückblicke auf Zunftzwang u. Ge-
werbefreiheit: JNS. 8, S. 1-55, 481-535. — 202) G. Petzsch, D. Familie Pols in Solingen u. Dresden: NASächsG. 15, S. 169-74.
— 203) M. v. Ehrenthal, E. sächs. Plattnerwerkstatt zu Wittenberg: ib. S. 299-312. — 204) A. Warschauer, D. Posener
Goldschmiedfamilie Kamyn. Posen, Jolowicz. 26 S. M. 1,50. — 205) X F- Mencik, D. Prager Goldschmiedezunft:
MVGDB. S. 384-400. — 206) X Hanserecesse. 3. Abt. 1477—1530, bearb. v. D. Schäfer. L., Duncker & Humblot. 4°. XIII, 785 S.
M. 26,00. — 207) X E- Remus, D. Hanse u. d. Contor zu Brügge a. Ende d. 15. Jh.: ZWestprGV. 30, S. 1-52. — 208) K.
Kunze, Hansen u. Hansegrafen i. Groningen: HansGBll. S. 129-36. — 209) W. Stieda, D. Schiffergesellsch. in Rostock:
JbbVMecklG. 59, S. 86-143. — 210) X A- Doren, Untersuchungen z. Gesch. d. Kaufmannsgilden im MA. (= Staats- u. social-
wissensch. Forschung. Her. v. G. S chmoller. 12. Bd., N. 2.) L., Duncker & Humblot. 1893. XII, 220 S. M. 4,80. |[ÖLB1. 3,
S. 150/1.] | — 211) A. Mörath, E. Berg. Zolltarif vom J. 1639: ZBergGV. 30, S. 169-71.— 212) K. Biedermann, Miscellen:
ZKultG. 2, S. 82/3. — 213) X E. Baasch, Hamburgs Seeschifffahrt u. Warenhandel vom Ende d. 16. bis Mitte d. 17. Jh.:
ZVHanibG. 9, S. 295-420. — 213a) H. Mack, Z. Hamb. Handel im 16. Jh.: HansGBll. S. 136/9. — 214) X H. Oesterreich,
Thorns Handel während d. 1. Jh. d poln. Herrsch. 1454—1577: ZWestprGV. 33, S. 47-93. — 215) C. Grünhagen, Monats-
berichte d. Ministers v. Hoym über d. schles. Handel: ZVGSchlesien. S. 341-410. — 216) H. Forst, Z. Gesch. d. Handels mit
Andernacher Steinen nach Holland im 17. Jh.: BGNiederrh. S. 226-35. — 217) X Fr. Schultze, Bürgerhäuser in Osnabrück.
Mit 47 Abbild, u. 3 Taf. B., Ernst. Fol. 9 S. M. 10,00. (Aus ZBauwesen.) — 218) X B- Korsmann, Bauernhäuser im
bad. Schwarzwald: Alemannia 22, S. 285,8. — 219) X Ferd. Vetter, D. Schweiz. Haus im Reformationszeitalter. Vortr.
Zürich, A. Müller. 34 S. M. 1,00. — 220) X Aus d. dtsch. Haus in Chicago: Kunstgewerbebl. 5, S. 33/9. — 221) Ad. Brink-
mann, Gesch. d. Holzbaukunst in Quedlinburg. Mit 10 Taf.: ZHarzV. 27, S. 241-81. — 222) X '■ C Raschdorff, Rhein. Holz-
u. Fachwerksbauten d. 16. u. 17. Jh. Her. v. 0. Raschdorff. B., Wasmuth. 4». 3 S. Mit 55 Taf. M. 18,00. — 223)
Th. Peters, MAliche. Fachwerksbauten: MagdZg». S. 379-80, 386,7, 394/6. — 223a) X (s- <>• N. 347.) — 224) X A.. Frhr.
v. Schweiger- Lerchenfeld, I costumi delle donne. Traduz. con agginute, di Migliorini. Disp. 1/4. Milano, F. Vallardi.
160 S. L. 2,00. — 225) X^ontaille, Le costume feminin depuis l'epoque gauloise jusqu'ä nos jours. Paris, Malherbe.
16°. VI, 66 S. — 226) X J- Baer, Costumes civils et militaires (Lager-Katal. N. 334). Frankfurt a. M. 109 S. — 227)
Fr. Ho ttenroth, Handb. d. dtsch. Tracht. 10. u. 11. Lfg. St., Weise. S. 677-704. Mit Textbildern u. 4 färb. Taf. ä M. 2,00.
|[J. Edgar: DBühneng. 23, S. 91.]| (Vgl. JBL. 1893 I 4: 262.) — 227a) X id.. Ueber d. Zeitcharakter in d. Mode: DR. 1,
S. 380/6. — 228) X M. Estermann, Kleiderstoffe im 16. Jh. in Beromünster: ASchwAlt. 8. 347. — 229) X K. A.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (1)5
i 4 : 230-261 Gr. Liebe, Kulturgeschichte.
gekrönten Festes im Schwarzwald230). — Vom Hamburger Kleiderluxus und von Haar-
trachten weiss N a t h an s en231) unterhaltend zu erzählen.232) — Westerbergs233)
Artikel über das Hemd bringt nur eine Reihe oberflächlicher Notizen.234) —
Unter den Nahrungs- und Genussmittel n235) ist der dankbare Stoff
einer litterarischen Würdigung des Sauerkrauts von Bayer 236) nicht erschöpfend
behandelt. — Dem seit dem 13. Jh. berühmten Eimbecker Bier widmet Dom ei er237)
kurze Ausführungen.238) — Ueber das in Hamburg schon Ende des 16. Jh. eingeführte
Rauchen bringt N athansen238a) vieles aus der älteren Litteratur bei. —
Bei der Vielseitigkeit des Gerätes wiegt das kunstgewerbliche Interesse
vor. Für das Düsseldorfer Schloss bringt Redlich239) ein Inventar der reich-
haltigen Silberkammer aus dem 17. Jh.; de Raadt240) Nachrichten über Brüsseler
Tapeten. — 0. Webers241) Geschichte der böhmischen Porzellanindustrie eröffnet
lehrreiche Einblicke nicht nur in das technische Verfahren, sondern auch in die
wenig fördersamen volkswirtschaftlichen Grundsätze, durch die sich die österreichische
Regierung im vorigen Jh. leiten liess. — Ein kurzer Bericht242) enthält die merk-
würdige Thatsache, dass von dem bisher nur im Gräflich Brühischen Besitz bekannten
Schwanenservice eine Doublette bestanden hat, von der einige Stücke durch das
Kölner Kunstgewerbemuseum in London erworben sind. — Auf den wechselnden
Dekorationsstii des Meissener Porzellans243) beschränkt sich ein kurzer Artikel.244) —
Habs-Randau245) bespricht das 1530 in Braunschweig zuerst auftauchende Spinn-
rad hinsichtlich seiner Verbesserungen und seines Kultureinflusses.246) — Für die
kirchlichen Geräte giebt Jacobs247) eine Zusammenstellung der Orgeln in der Graf-
schaft Wernigerode, die erst im 17. Jh. häufiger werden; Hach248.) behandelt auf
Grund von Rechnungen die verschiedenen Renovierungen der aus dem Anfang des
16. Jh. stammenden grossen Orgel in der St. Jacobikirche zu Lübek. — Schi ob ach249)
macht auf ein Missalbuch des Bischofs Johann VI. von Meissen von 1583 (in Oppel-
hain bei Luckau) aufmerksam. 249a) —
Auf dem Gebiet des Gesundheitswesens ist ein Repetitorium der all-
gemeinen Geschichte der Medizin erschienen250). — Snell251) beschreibt die 1657 zu
Hildesheim gegen die Pest durch Absperrung und sonst ergriffenen Massregeln. 25la)
— Den in Halberstadt im 16. Jh. den Apothekern auferlegten Eid hat Liebe 252j
veröffentlicht. 252a_254a) — Wehrmann255) bringt die Entstehung des Seebades
Travemünde zur Darstellung; 1802 wurde es, ungünstigen Verhältnissen zum Trotz,
durch den Unternehmungsgeist einiger Lübecker Bürger begründet mittels einer
Aktiengesellschaft zum Zweck der öffentlichen Wohlfahrt.256"257) —
Für das Sicherh eits wesen liegt von Gaedechens258) eine eingehende
Schilderung der (anderswo Einspänniger genannten) Hamburger Polizeitruppe der
„Reiten-Diener" auf Grund von Rechnungen vor, die in das Mittelalter zurück-
reichen.259-259") —
Im Verkehrswesen beschäftigen sich mehrere Arbeiten mit den einem
regelmässigen Verkehr dienenden Instituten. Die auf das Post wesen so einflussreiche
Familie Taxis hat in einer Reihe von R ü b s a m 26°) verfasster Artikel der ADB.
v. Cohausen, D. Volkstrachten in Nassau. Vortr.: AnnVNassauG. 26, S. 159-62. — 230) E. Trachtenfest im Schwarzwald:
Didask. N. 199. — 231) W. Nathansen, Aus Hamburgs alten Tagen. Hamburg, Jürgensen & Becker. 136 S. M. 2,00.
(S. 105-16.) — 232) X Z. Gesch. d. Perrücke: Didask. N. 208. — 233) Westerberg, Was mir am nächsten liegt:
MagdZgB. S. 292/4. — 234) X E- Schulz, Vom Schminken: N&S. 69, S. 387-946. — 235) X K- Weissenturn, D. Kunst
d. Essens. E. Handb. für alle Gesellschaftsklassen. B., Steinitz. 1893. XX, 330 S. M. 3,50. — 236) Bayer, D.Sauer-
kraut in Poesie u. Prosa: MagdZg». S. 252,3, 258,9. — 237) H. Domeier, Z. Gesch. d. Einbecker Biers: ZHarzV. 27, S. 567-74.
— 238) X !>• Brot d. Armen: SchwäbKron. N. 216. (D. Kartoffel.) — 238a) (= N. 231, S. 7-38.) - 239) 0. Redlich,
D. Schätze d. herzogl. Silberkammer zu Düsseldorf im 17. Jh.: BGNiederrh. 8, S. 109-38. — 240) X J- de Raadt, Bestell,
v. Brüsseler Kunstwirkereien f. d. Düsseldorfer Schloss 1701: ib. S. 139-48. — 241) 0. Weber, D. Entstehung d. Porzellan-
u. Steingut-Industrie in Böhmen. (= Beitrr. z. Gesch. d. dtsch. Industrie in Böhmen N. 3.) Prag, Dominicus. VIII, 128 S. M. 2,40.
— 242) D. Meissener Schwanenservice: Daheim 30, S. 527/8. - 243) Meissener Porzellan: FZg. N. 102. — 244) X H. Bosch,
E. mark. Familienschmuck: Bär 20, S. 516/9. — 245) R. Habs-Randau, D. Spinnrad: Didask. N. 56. — 246) X B- Braungart,
D. Hufeisenfunde in Dtschl. u. d. Gesch. d. Hufeisens, namentlich in Südbayern: LandwirtschJbb.22, S. 325— 433. | [AnnVNassauG. 26,
S. 163/4.J| — 247) Ed. Jacobs, D. Einführ. d. Kirchenorgeln in d. Grafschaft Wernigerode: ZHarzV. 27, S. 289-92. — 248) E.
Hach, Z. Gesch. d. grossen Orgel in d. St. Jacobikirche zu Lübeck: ZVLübG. 7, S. 129-50. — 249) 0. Schlobach, Aus d.
Endperiode d. vorreformat. Zeit: NiederlausitzM. 3, S. 261,2. — 249a) X G. Krauss., Ueb. eiserne Kirchenglocken Oberbayerns:
OberbayrA. 48, S. 522/8. — 250) Kurzes Rep. d. Gesch. d. Medizin. I. Allg. Gesch. d. Medizin bis zum Anf. d. 19. Jh. Wien,
Breitenstein. 93 S. M. 1,35. — 251) 0. Snell, D.Pest zu Hildesheim 1657: ZHarzV. 27, S. 235-40. - 251a) O 0. Mar quez,
Un serment professionel ä Colmar au XVI. siecle. Coup d'oeil dans le passe. (Extr. de la Gaz. hebdomad. de medecine et
Chirurgie.) Paris, Barnagaud. 7 S. — 252) G. Liebe, D. Halberst. Apothekereid aus d. 16. Jh.: ZHarzV. 27, S. 304,5. —
252a) X K- Koppmann, Thorenkiste: BGRostock. S. 87/8. (Irrenanstalt.) — 253) X *• W. Dehio, Mitteil, über d.
Medizinalverhältnisse Alt-Revals: BKELK. 4, S. 219-94, 439-49. - 253a) X H. Bosch, Inh. e. Balsambüchleins: MGNM. S. 71.
— 254) H. Granier, E. Aerztin unter Friedrich d. Gr.: VossZgB. N. 28. — 254a) Bnsoh, Aerzte, Aerztinnen' u. d.
sechste Gebot: ThLB. 17, S. 156. — 255) K. Wehrmann, D. Seebadeanstalt zu TraTemünde: ZVLübG. 7, S. 108-28. —
256) X V- Helrarich, D. Leibesübungen in alter u. neuer Zeit u. ihre Bedeutung f. Gesundheit u. Leben. Vortr. L., Strauch.
45 S. M 0,80. — 257) X W. Struve, Gesch. d. Kieler Männerturnvereins v. 1844. Kiel (Marquardsen). 134 S. Mit 1 Tab.
M. 1,25. — 258) C. Gaedechens, D. Herrenstall u. d. Reiten-Diener: ZVHambG. 9, S. 517-56. — 259) X U. Hölscher,
Goslarische Feuerordnung v. 1540: ZHarzV. 27, S. 590/3. — 259 a) E. alte Armen- n. Almosen-Ordnung 1658: DPB1. 27,
S. 226/9, 235/6, 242/3. — 260) J. Rübsam, D. Thurn u. Taxis: ADB. 37, S. 477-523. — 261) X J- Schwalm, D. hess. Post-
G. Liebe, Kulturgeschichte. I 4 : 201-286
gründliche Würdigung- erfahren; als allgemein bedeutsam hervorgehoben seien die
Studien über Franz, den Gründer (gest. 1517), Gabriel (gest. 1529), Lamoral (1621—7(5),
Eugen (1652-1714), Karl (1733— 1805). 26 »-263a) _ Die Post wertzeich enkunde nimmt
doch allmählich eine zu weitgehende Bedeutung für sich in Anspruch. Die Monats-
schrift „ Austria-Philatelist" 264) bezeugt leider, wieviel Fleiss und Eifer unter der Härte
des heutigen Lebens noch für Nichtigkeiten aufgewendet werden. Die Beigabe von
Porträts nebst Biographien von Sammlern eröffnet jedenfalls einen bequemen Weg zur
Unsterblichkeit. 265) — Biedermann 26<5) bringt aus Weimarer Akten eine Nachricht
über Bemühungen um Verbesserung einer Thüringer Landstrasse im 16. Jh., die
trotz der Klagen der betroffenen Nürnberger Kaufleute vergeblich blieben.267-268) —
Territorial- und Lokalforschung. Hiersei zunächst eines allgemeinen
WTerkes gedacht, das seine Aufgabe, Schilderungen aus allen deutschen Gauen zu bieten,
zwar nicht auf dem Wege der Forschung, aber in äusserst gefälliger und unter-
haltender Weise löst. Trinius269) führt uns im dritten Bande seines „Alldeutschland"
in den Harz, an die Seeküsten, in das Riesengebirge, die sächsische Schweiz und die
Mark. Wäre nur neben der Natur der Mensch mehr berücksichtigt worden, und
fänden sich nur häufiger Betrachtungen wie die über die aufkommende Würdigung
der sächsischen Schweiz im 18. Jh.210"272) —
Für die Provinz Preussen liegen einige Arbeiten rein lokalgeschichtlichen
Charakters vor273-275a). —
In Posen hat das Jubiläumsjahr der Vereinigung mit Preussen mehrfach
den Anstoss zur Beleuchtung des deutschen Einflusses gegeben276). Pietsch277)
gewährt in der Fortsetzung seiner Geschichte von Kempen ein Bild der Verfolgungen,
denen die evangelische Gemeinde und damit das Deutschtum ausgesetzt war. —
Kades278) Gründungsgeschichte von Meseritz, die allerdings vor die hier zu be-
handelnde Periode fällt, interessiert durch die berechtigten Bemühungen um Ver-
deutschung des polnischen Namens einer durchaus deutschen Stadt. —
In Schlesien ist Markgrafs279) Arbeit über den Breslauer Ring eine
wertvolle Ergänzung zu Genglers einschlägigen allgemeinen Ausführungen. Die
äusserst gediegene quellenmässige Darstellung geht davon aus, dass der Ring zu
Handelszwecken von Anfang an in gewaltigem Umfang als Herz der Stadt angelegt
wurde, und behandelt, durch einen Plan unterstützt, besonders ausführlich die Buden
und das Rathaus.280"281) —
Für die Mark hat Linden berg282) seine in vielen Skizzen bewährte
Kenntnis der Reichshauptstadt zu einem grösseren WTerke verwendet. Es handelt sich
hier um das allermodernste Berlin, dessen Schilderung die Rückblicke auf die Ver-
gangenheit nur stilvoll machen sollen wie die Butzenscheiben das moderne Zimmer.
Der Zweck aber, unterhaltend über alle auch weniger hervortretenden Seiten der
Weltstadt zu unterrichten, ist trefflich erfüllt. Die sehr zahlreichen Illustrationen fallen
aus dem Rahmen der sonstigen opulenten Ausstattung bedenklich heraus. 2S3-285a) —
Als ein immer wieder zu Erklärungsversuchen reizendes Rätsel erweist sich der
Name Berlin, neuerdings von Krupka286) in Königgrätz als slavisches brlin = Gegend
wesen unter Landgraf Wilhelm IX., nachherig. Kurfürst Wilhelm L: Hessenland S. 44/7. — 261a) X ö- Steinhausen, Z.
Gesch. d. briefl. Gelegenheitsverkehrs : APT. 22, S. 19-27. —262) X F. Wächter, Errichtung e. regelmässigen direkt. Dampf-
schiffahrt zwischen Köln, Düsseldorf u. London, resp. Hamburg u. Havre: BGNiederrh. 8, S. 149-210. — 262a) X °- Tes-
dorpf, Z. Gesch. d. Berlin-Hamb. Reihefahrt: ZVHambG. 9, S. 183-201. — 263) X H- Bosch, Z. Verkehrsleben im 15. Jh.:
MGNM. S. 22/4. — 263 a) X D* D- letzte Eckensteher: Bär 20, S. 387, 434. — 264) Austria-Philatelist. 111. Mschr. für d. Ge-
samtinteressen d. Postwertzeichenkunde. Her. v. A. Eckert. 1. Jahrg. Heft 1-6. Prag, Calve. 220 S. Mit Abbild, u. Taf.
M. 4,00. — 265) X k- Berger, D. Postwertzeichen d. Herzogt. Braunschweig nebst e. kurzen Abr. d. braunschweig. Postgesch.
L., Senf. VU, 138 S. M. 4,00. — 266) K. Biedermann, Miscellen: ZKulttf. 2, S. 80/1. - 267) X M- Kriele, D. Re-
gulierung d. Eibschiffahrt 1819-21. (= Abhandl. d. staatswissensch. Seminars zu Strassburg. Her. v. G. F. Knapp. N. 13.)
Strassburg i. E., Trübner. XV, 187 S. M. 5,00. — 267a) X D- Sprache d. Schiffe: KVZg. N. 532. — 268) L.v. Hörmann,
Wirtshausschilder u. -sprüche: MüncbNN. N. 198. — 269) A. Trinius, Alldeutschland in Wort u. Bild. 3. (Schluss-)Bd.
B., Dümmler. 8°. VIII, 384 S. M. 5,40. |[BLU. S. 361.]| (Vgl. JBL. I 4 : 28.) — 270) X id., Kreuz u. Quer. Wander-
fahrten. Minden, Bruns. 8°. VU, 233 S. M. 3,00. — 271) X J- c- Heer, Im dtsch. Reich. Reisebilder. Zürich, A. Müller.
III, 296 S. M. 4,00. — 272) X W. Harbutt-Dawson, Germany and the Gernians. 2 vols. London, Chapman. Sh. 26.
|[SaturdayR. 77, S. 207/8.] — 273) X Fr. Tribukeit, Chronik. Schilderung a. d. Leben d. preuss.-littauischen Landbewohner
d. 18. u. 19. Jh., her. v. A. u. P. Hörn. Insterburg (Königsberg i. P., Gräfe & Unzer;. 111, DJ, 47 S. M.2,00. |[FBPG. 7, S. 321.]|
— 274) X H- Schuch, Nachrichten über Lapin u. a. Hospitalgüter v. Danzig. Danzig, Bertling. 4°. VI, 104 S. M. 6,00.
— 275) X C. Dorn, Gesch. Rückblicke auf Stadt u. Festung Thorn: Bär 20, S. 465,8, 480,2,490,1. — 275a) X G- Köhler,
Gesch. d. Festungen Danzig u. Weichselmünde bis z. J. 1814. 2 Bde. Breslau, Koebner. 1893. X, 507 S.; V, 533 S. M. 40,00.
HGGA. S. 984-1001.]| — 276) X Fr. Hengstenberg, Gesch. d. Deutschtums i. d. Prov. Posen vor d. ersten Anfall an
Preussen. Progr. Ra witsch. V, 91 S. Mit 1 PI. — 277) P. Pietsch, Beitrr. z. Gesch. d. Stadt Kempen i. Posen. HI.
Gesch. d. evangel. Gemeinde. Progr. Kempen. 4°. 18 S. — 278) K. Kade, Gründung u. Namen v. Stadt u. Schloss
Meseritz. Mit Plan v. 1780. Meseritz, Hang. 1893. 85 S. M. 1,00. — 279) H. Markgraf, D. Breslauer Ring u. seine
Bedeut. für d. Stadt. Mit Plan vom Anf. d. 19. Jh. (= Mitteil, aus d. Stadtarch. zu Breslau. N. 1.) Breslau, Morgenstern.
IV, 92 S. M. 1,50. |[LCB1. S. 1590/1.]| — 280) X K- Wolf, Schlesien vor u. unter d. preuss. Herrschaft. Für Jung u. Alt.
L., Spamer. IV, 152 S. M. 1,40. — 281) X A- Jonetz, Brieg: ZBK. 5, S. 25-33, 105-10, 181/6. — 282) P. Lindenberg,
Berlin i. Wort u. Bild. Mit 244 Illustr. B., Dümmler. VIII, 612 S. M. 7,50. pLU. S. 639; Bär 20, S. 243.JI — 283) X
id., Am Kaiserhofe zu Berlin. B., Siegismund. IU, 151 S. M. 2,00. — 284) X Typen u. Bilder. Mit Abbild. B., Fischer.
VII, HOS. M.2,00. — 285)X W.Bonnell, Ueber d. Entwickl. Berlins von seiner Gründung bis in d. Neuzeit: MVGBerlin. S. 31/8.
— 285a) X H- v- Zobeltitz, Wie Berlin wächst: VelhKlasMh. 1, S. 43-55. — 286) A. Krupka, D. Name Berlin: Didask.
(1)5
*
i 4:287-323 Gr. Liebe, Kulturgeschichte.
am Teichgatter angesprochen.287"288) — Mit dem Bilde der Stadt in früheren Perioden
beschäftigt sich eine Reihe kürzerer Skizzen in angemessener Beschränkung auf die
neuere Zeit, in der von einem Charakter der Stadt erst zu reden ist. 289-2!>3) — Einzel-
heiten hauptsächlich architektonischer Art haben Beachtung gefunden.294"296) — Das
von Melcher297) als Geschichte der nordwestlichen Neumark bezeichnete Werk be-
handelt nur das Amt Zehden und dessen Dörfer, die Darstellung der älteren Zeit be-
steht in einem Aneinanderreihen von Urkunden und Regesten. Eine Beschränkung
auf die Neuzeit, da der Streit zwischen Stadt und Amt Zehden über die Dienste und
die städtische Statistik manches Lehrreiche bietet, wäre von Nutzen gewesen. — Ein
erschöpfendes Bild städtischen Wesens für eine bestimmte Periode giebt Schwartz'298)
für Königsberg i. N.299) — Eine belletristische Skizze von Schwartzkoppens300)
über Ereienwalde enthält Notizen über die Entwicklung des Bades seit der Zeit des
Grossen Kurfürsten. 300a) —
Unter den Hansestädten konnte Hamburg das 50jährige Stiftungsfest seines
verdienstvollen Geschichtsvereins begehen; es wurde von Schrader301) und
Wohlwill301a) verherrlicht. — Die in ihrer Anspruchslosigkeit ganz ausgezeichneten
humoristischen Schilderungen Kopals302) vom alten soliden Geschäftsleben haben
die 2. Auflage zu verzeichnen. 303~3ü4a) —
Für Schleswig-Holstein macht ein Artikel Rose ler s305) auf die Kunst-
schätze von Schloss Emkendorf aufmerksam.306"307 ) —
Aus Hannover sind einige Einzelstudien anzuführen308"311). —
Die Provinz Sachsen erfreut sich bei ihrer bunten territorialen Zusammen-
setzung eines vielseitig regen geschichtlichen Interesses. Unter den zusammen-
fassenden Lokalgeschichten312"313) giebt die Fortsetzung von Borkowskys314)
Werke über Naumburg in belebter Sprache ein Bild des bürgerlichen Lebens einer
regsamen Gemeinde in ihrer Glanzzeit, dem 16. Jh. — Ein zum ersten Mal 1873
gehaltener Vortrag Stier s315) knüpft an einen Gang durch Wittenbergs Erinnerungs-
stätten eine populäre Darstellung der geschichtlichen Ereignisse. — Eckarts316)
Blätter aus der Geschichte Nordhausens, bestimmt, die Freude an der Heimat zu
pflegen, bieten zerstreut auch Einzelheiten von weiterem Interesse, wie die Anlage
der Wasserkünste 1546 und 1598. — Unter den Darstellungen einzelner Perioden
sind mehrere aus der Zeit des grossen Krieges zu nennen, so die von Hertel317)
veröffentlichten Aufzeichnungen des Pfarrers von Bottmarsdorf, mit ergreifender
Schilderung des Wiederaufbaus.318"319) — In einer Vergleichung der verschiedenen
Erklärungen des Namens Erfurt entscheidet Reischel320) sich für die einfachste:
Furt des Erpo. — Zur Erklärung des Wahrzeichens von Wernigerode führt Jacobs321)
eine Kriegsanekdote von 1674 an.322-323) —
N. 157. (Aus APT. 22, S. 678.) — 287) X P- Clanswitz, Aeltere u. neuere Erklärungen d. Namens Berlin: MVGBerlin.
S. 41/2. — 288) X H. N., Ueber d. Entstehung d. Namens Berlin: DAdelsbl. S. 772. — 289) X G. Karpeles, Vor vierzig J.:
Bär 20, S. 299-300. — 290) X K- Stichler, Vor fünfzig J. Gesch. Erinner, e. Alt-Berliners: BerlTBl. N. 3, 6, 11. —
290a) X E- Schild, Berlin im J. 1813: Bär 20, S. 22/4. — 291) X K- Holzhausen, Berlin vor hundert J. (Nach franz.
Memoiren): Zeitgeist N. 11. — 292) X K. Biltz, Berlin im Urteil unserer Poeten. Vortr. Ref.: ASNS. 93, S. 152. — 293) X
P. Clauswitz, Krit. Uebersicht über d. Litt. z. Gesch. Berlins. (= SVGBerlin. Heft 31 [B., Mittler. 180 S. M. 3,00], N.3.)
— 294) X H. Brendicke, E. berühmte Berl. Ecke: Bär 20, S. 564/6. — 295) X E- Georg, Blick auf d. grossen Jüdenhof:
ib. 8. 303. — 295a) X E- Meyer, Kulturgeschichtliches v. d. Langen Brücke in Berlin: VossZg. N. 470. — 296) X v-
Laverrenz, D. Denkmäler Berlins u. d. Volkswitz. Mit Illustr. 2. Aufl. B., Laverrenz. 117 S. M. 1.00. — 297) E. Melcher,
Gesch. d. nordwestl. Neumark. Aus amtl. Quellen bearb. Prankfurt a. 0. (Königsberg i. N., J. G. Striese). VI, 258 S. M. 4,00. — 298) P.
Schwartz, E. Menschenalter im Frieden: SVGNeumark. 2, S. 62-126. — 299) X G. Winkel, D. Wappen u. Siegel d. Städte,
Flecken u. Dörfer d. Altmark u. Priegnitz. Magdeburg, Baensch. X, 80 S. M. 2,50. — 300) v. Seh wart zkoppen, Aus mark. Ver-
gangenh. u. Gegenw. : NatZgi*. N. 374. — 300 a) X H. G 1 ö d e , Heimatl. Bilder aus alter Zeit. Beitrr. z. Heimatkunde u. Kulturgesch.
d. Odergegend an der märk.-pommerschen Grenze. B., Mittler. 1893. XII, 150 S. M. 3,00. |[Bär 20, S. 12.J| — 301) Th. Schrader, D.
50 j. Stiftungsfest d. Ver. für Hamb. Gesch.: ZVHambG. 9, S. 1-34. — 301a) A. Wohlwill, Festrede z. Feier A. 30 j. Jubil.:
ib. S. 51-76. — 302) G. Kopal, Aus d. Hamb. d. 60er J. Federzeichn. aus d. Hamb. Kaufmannsleben. 111. v. C. Schildt.
Hamburg, Verl. d. „N. Börsen-Halle". 1893 140 S. M. 1,50. — 303) X w- Stieda, Hamb. Gewerbetreibende im Ausland:
ZVHambG. 9, S. 421-43 — 304) X B- Singer, Hamburg: WIDM. 76, S. 167-94. — 304a) X *>• St. Jacobikirche in Ham-
burg: Zinnendekoration. S. 81. — 305) W. Röseler, Schloss Emkendorf: NatZgB. N. 27. — 306) X D-* E- nolst- Dichter-
städtchen: Bär 20, S. 398/9. (Eutin.) — 307) X H. Heiberg, Kiel: VomFelsz.Meer. 2, S. 444-50. — 307a) X 0. Mahrt,
Ost-Holstein: Quellwasser 18, S. 682/4. — 308) X J- Breckwoldt, Hist. Nachrichten über d. Elbinsel Altenwerder. Mit
8 Kart. Harburg, Dankwerts. 60 S. M. 1,50. — 309) X F- Muhlert, Chronolog. Abriss d. Gesch. Göttingens. Göttingen,
Peppmüller. 32 S. M. 0,60. — 309a) X E- Siercke, Braunschweig: Gartenlaube S. 124,7.— 310) X A. Tr in i'us, Goslar:
WIDM. 76, S. 349-60, 415-27. - 310a) X A. Ellissen, Einbeck im 16. Jh.: ZHarzV. 27, S. 540-66. — 311) X Th. Eckart,
Burg Scharzfels i. Gesch. u. Sage. 2. Aufl. (= Gesch. südhann. Burgen u. Klöster N. 2.) L, Franke. 26 S. M. 0,50. —
312) X D- Brauns, Halle a. S.: VomFelsz.Meer. 2, S. 406-12. — 313) X E- Strassburger, Heimatskunde v. Aschersleben.
Progr. Aschersleben. 4°. 16 S. — 314) E. Borkowsky, Aus d. Vergangenh. d. Stadt Naumburg. Forts. (D. Stadt im
16. Jh.) Progr. Naumburg. 39 S. (D. 1. T. ist 1893 erschienen.) — 315) G. Stier, Denkwürdigkeiten Wittenbergs i. gesch.
Anordnung. Vortr. Dessau, Kahle. 32 S. M. 0,40. — 316) Th. Eckart, Gedenkbll. aus d. Gesch. d. ehemal. freien Reichs-
stadt Nordhausen. L., Franke. 1V,54S. M. 1,00. — 317) G. Hertel, Nachrichten über Bottmarsdorf während d. 30 j. Krieges:
GBllMagdeburg. 29, S. 248-61. — 318) X A. Düning, Stift u. Stadt Quedlinburg im 30j. Kriege. Quedlinburg, Selbstverl.
65 S. — 318a) X L. Hänselmann, 2 Briefe aus Kriegsnöten: ZHarzV. 27, S. 282,4. (Quedlinburg 1642.) — 319) X G.
Poppe, Kriegserlebnisse e. Heygendorfer Einwohners 1806—13: MansfelderBll. 8, S. 149-54. — 320) G. Reischel, D. Name
Erfurt: MagdZg». N. 27. — 321) E. Jacobs, D. Wahrzeichen v. Wernigerode: ZHarzV. 27, S. 301/3. — 322) X E- Schild,
Z. 350 j. Jubil. d. Garnisonkirche in Torgau: DEB11. 19, S. 461-80. — 322a) X J- E- Pietsch, Z. Gesch. d. Schlosses Liohten-
burg 1542-1850: PAVTorgan. 7, S. 61,4. (Urkk. aus d. Turmknopf.) - 323) X H. Gutbier, D. Hainich. E. Beitr. z.
G. Liebe, Kulturgeschichte. I 4 : 324-348
Aus dem Königreich Sachsen liegen mehrere Darstellungen volkstüm-
lichen Lebens vor324"327). —
Was Thüringen betrifft, so ist G e b h a r d t s 328) Arbeit über Molschleben
in ihrer Beschränkung auf das Zuständliche eine sehr erfreuliche Leistung. Haupt-
sächlich auf Kirchenbüchern beruhend, bietet sie eine Reihe wirtschafts- und sitten-
geschichtlicher Mitteilungen, worunter die Notizen über die Folgen des 30jährigen
Krieges hervorzuheben sind.329-330) —
Hessen hat in dem Werk des verewigten Mün scher331) eine ausge-
zeichnet gründliche Wiedergabe seiner Geschichte erhalten; die Gruppierung des Stoffes
ist vortrefflich, die Darstellung freilich recht nüchtern. Zu bedauern ist nur, dass
sie nach der alten Schule fast einzig die politische Geschichte berücksichtigt, die
Kultur indessen, z. B. die hier so lehrreiche Verwaltungs-Organisation vernach-
lässigt. 332-332a)_ Einige Veröffentlichungen über Frankfurt a. M. seien hier an-
geschlossen333"333*). — ^^
Für Westfalen hat ein Führer334) durch Soest neben der politischen nur
die Baugeschichte im Auge.335) —
In der Rhein provinz entfaltet sich vorzugsweise in den niederrheinischen
Gegenden rege historiographische Thätigkeit. Der Schlussband von Jacobs336)
Werk über das ehemalige Stift Werden behandelt die Geschichte der Pfarreien nach
der Säkularisation. — Kuhls337) Geschichte der Stadt Jülich ist mit dem dritten, von
1742—1815 reichenden Teile zu Ende geführt. — Duisburg hat durch Averdunk338)
zum ersten Male eine allseitige historische Würdigung gefunden, welche die wirtschafts-
und kulturgeschichtlichen Momente stark berücksichtigt.— H a u p tmann339) bietet
eine Geschichte der 1887 abgebrannten Wallfahrtskirche und des damit verbundenen
Marktes zu Pützgen bei Bonn.340'342) —
Ein erfreuliches Zeichen der im allgemeinen — z. B. touristisch — viel zu
wenig gepflegten Beachtung der Reichslande ist das Steigen der sie behandelnden
litterarischen Produktion. T r i n i u s343) nimmt in seiner fesselnden Vogesen Wanderung
mehr als es sonst seine Art ist, Rücksicht auf die Lebensweise der Bewohner; von
Wert sind die Nachrichten der Einleitung über das deutschnationale Element. —
Alb er s344) giebt in einer historischen Untersuchung über die kaiserliche Besitzung
Urville nach einer, durch eine Karte unterstützten, lehrreichen Einleitung über die
wechselnde Verschiebung der Sprachgrenze eine Darstellung der früheren Besitzver-
hältnisse, die bisher wenig bekannt waren, obgleich das Gebiet, der alte Niedgau,
das Feld erbitterter Grenzkämpfe bildete. — Auch das als Garnison jetzt vielgenannte
Mörchingen345) erfährt eine Darlegung seiner deutschen Vergangenheit unter den
Wild- und Rheingrafen. 346_346a) — Foersters347) mit hohem Geschmack ausgestat-
tetes Werk will ein Bild vom baulichen Charakter des alten wie des neuen Strassburg
geben; besondere Beachtung finden die wertvollen alten Hausbauten. 347a) — Die Schrift
Herrenschneiders348) über Horburg knüpft an die Fundamente eines Römerkastells
eine lange und breite Betrachtung der römischen Geschichte ; das auf diesem Kastell
errichtete Schloss der Mömpelgarder Nebenlinie giebt Anlass zu einer ausführlichen
Heimatsk. Langensalza, Wendt. 12°. 48 S. M. 0,50. — 324) X 0. Hinke, D. dtsch. Oberlausitzer nach seiner Sprache
u. Kleidung, Sitten u. Festen: Gebirgsfrennd 6, S. 25/7, 55/6, 62/4, 77/9. — 325) X A. Lippold, Vor 100 J. Leipz. Mess-
bilder mit Orig.-Zeichn.: ZLeipzMessverband. S. 93/6. - 326) X w- Kirchbach, Dresdener Leben: ML. 63, S. 33-41, 353-60.
— 327) X Bunte Bilder aus d. Sachsenlande. Für Jugend u. Volk. Her. v. sächs. Pestalozzi- Ver. II. L., Klinkhardt. VIII,
504 S. M. 3,00. — 328) H Gebhardt, Aus d. Gesch. d. Borfes Molschleben. Gotha, Schlössmann. IV, 106 S. M. 1,60. —
329) X G- Jacob, D. Ortsnamen d. Herzogtums Meiningen. Hildburghausen, Kesselring. III, 150 S. M. 4,00. |[ÖLB1. 3,
S. 626/8.] | (S. u. I 5:417.) — 330) X K. Wiemer, Schloss Molsdorf in Thüringen in Vergangenh. u. Gegenw. Gotha,
Glaeser. II, 18 S. M. 0,50. — 331) F. MOnscher. Gesch. v. Hessen. Marburg, El wert. XI, 550 S. Mit 1 Bild. M. 6,00.
|[COIRW. 22, S. 639-44.]] — 332) X Hess. Städte u. hess. Land Tor 100 J.: Hessenland S. 4/8, 21/2, 30/2,42/4,60/2,70/2,104/6.
— 332 a) X E- Schild, D. Schlosskirche zu Hartenfels : Pfarrkirche 10, S. 155/7. (Erste evang. Kirche.) —333) O C.Reif fen-
stein, Frankfurt a. M., d. freie Stadt, in Bauwerken u. Strassenbildem. 1. Heft. (Mit 2 färb. u. 10 Lichtdr.-Taf.) Frank-
furt a. M., Jügel. 12 S. M. 16,00. — 333a) X R- Jung, 11 Jhh. Frankfurter Geschichte: FZg. N. 24. - 334) Soest in
Vergangenh. u. Gegenw. 4. Aufl. Mit 1 Abbild, u. Stadtpl. Soest, Nasse. 16°. 36 S. M. 0,75. - 335) X K. Frhr. v. d. Horst,
D. Rittersitze d. Grafschaft Kavensberg u. d. Fürstentum Minden. B., Stargardt. XIV, 212 S M. 6,00. |[DAdelsbl. S.489-90.]|
— 336) P. Jacobs, Gesch. d. Pfarreien im Gebiet d. ehemal. Stifts Werden. II. Düsseldorf, Schwann. S. 233-544. M. 4,00.
|[LHandw. 33, S. 179-81.]| (Vgl. JBL. 1893 I 4:414.) — 337) J. Kühl, Gesch. d. Stadt Jülich insbes. d. früh. Gymnasiums. III.
1742-1815. Jülich, Fischer. VIII, 341 S. M. 5,00. |[WZ. 13, S. 213,4.]] (Vgl. JBL. 1893 14:412; 6:182.) — 338) H.
Averdunk, Gesch. d. Stadt Duisburg bis z. endgült. Vereinigung mit d. Hause Hohenzollern. 1666. Mit e. alten Stadtpl.
I. Abt. Duisburg, Ewich. 343 S. M. 5,00. |fWZ. 13, S. 130.]| — 339) F. Hauptmann, St. Adelheidis-Pützohen. 2. Aufl.
(= Bilder aus d. Gesch. y. Bonn. N. 2.) Bonn, Hauptmann. 45 S. M. 0,50. — 340) X J- Gross, Beitrr. z. Gesch. d. Aachener
Reichs. Aachen, Cremer. IV, 237 S. M. 3,00. — 341) X H. t. Ach enbach, Gesch. d. Stadt Siegen. 2 Bde. Siegen, Vorländer.
2 Bll., 463 S. ; 2 Bll., 585 S. (Nicht im Handel.) J[MhComeniusG. 35, S. 336/7.]| — 342) X H. Kniebe, Bilder aus Saarbrückens
Vergangenh. I. Saarbrücken, Schmidtke. V, 283 S. M. 2,60. (Novellist. Schilderungen vom 15.-17. Jh.) — 343) A. Trinius, D.
Vogesen in Wort und Bild. Mit 23 Lichtdr.-Vollbild. Karlsruhe, Nemnich. IX, 449 S. M. 10,00. — 344) J. A 1 b e r s , D. Kaiserl.
Besitzung Urville i. L. E. Beitr. z. Gesch. d. alten Niedgans. Mit kolor. Karte. Progr. Metz. 4°. 64 S. — 345) Mörchingen:
MagdZg15. N. 26/7. — 346) O v. Westphal, Metz vom Beginn d. ersten franz. Kaiserreichs bis zu seiner Wiedervereinig, mit
d. dtsch. Reich. 1804-1871. L., Lang. XX, 364 S. M. 3,00. (Titel-Ausg.; z. 1. Male erschienen 1878.) — 346a) X Ch. Pfister,
L'Alsace sous la domination francaise. Nancy, Berger-Levranlt. 27 S. |[ZG0Rh. 9, S. 345/6.]| — 347) E. Fo er st er, Strassburg
d. Hauptstadt d. Reichslandes Elsass-Lothringen. Mit 2 Chromotaf., 6 Tonfarbenbild. u. 30 Abbild. Strassburg i. E., Bull. 95 S,
M. 4,00. — 347a) X A. S., Strassburg u. seine Bauten: ZGORh. 9, S. 735/6. — 348) E. A. Herrenschneider, RömerkasteU
I 4:349-372 G. Liebe, Kulturgeschichte.
Belehrung- über die ältere Württembergische Geschichte. Soviel zur Charakteristik
einer Art von Lokalgeschichte, über der nicht Klio, sondern die Danaiden gewaltet
haben. 349-350a) _
Aus Baden wird für Heidelberg351) eine wertvolle Veröffentlichung1 geliefert
in dem Einwohnerverzeichnis des vierten Stadtquartiers aus dem J. 1600, das in einer
Art Civilstandsregister Nachrichten über Schulbesuch und Dienstbotenlöhne, in den
Anmerkungen lehrreiche Erörterungen der Erwerbsverhältnisse bietet. 352-352a) —
Die amtliche Beschreibung des Königsreichs Württemb erg 353) ist zum
Abschluss gelangt. 353a_354a) —
Ueber Bayern ist ein zusammenfassendes Werk in Angriff genommen.355-359)
— Ein überaus anziehender Stoff hat eine fesselnde Darstellung durch Luise von
Kobell360) gefunden, die, durch persönliche Beziehungen begünstigt, eine Fülle von
Zügen zu geben vermag, die den von den ersten Königen auf das geistige Leben
geübten Einfluss wiederspiegeln.361) — Unter den zahlreichen Arbeiten über einzelne
Ortschaften gebührt der Landeshauptstadt der erste Platz. Eine aktenmässige Ge-
schichte des städtischen Museums von Destouches362) behandelt zunächst das im
15. Jh. als städtisches Zeughaus errichtete Gebäude, sodann die Sammlungen, deren
Grundlage, wie in Hamburg, die von früher her aufbewahrten alten Waffen bildeten,
während sie jetzt, vereint mit der einzig dastehenden Maillinger-Sammlung, die
graphische Darstellungen umfasst, ein Bild der verschiedensten Seiten alten Bürger-
lebens gewähren. — Graf Rambaldi363) giebt zu den zahlreichen neuen Strassen-
namen der letzten Jahrzehnte Erklärungen historischen und biographischen Cha-
rakters.364) — Die Memminger Chronik von Clausz, 1826—92, hat, von einem Privat-
mann angelegt und ursprünglich nur für die Familie bestimmt, mit den mittelalter-
lichen Chroniken die Buntheit des Inhalts und den Reiz des subjektiven Interesses
gemein. Vom Herausgeber Döderlein365) nach Kategorien geordnet und durch
Anmerkungen erläutert, bietet sie vieles Originelle, beispielsweise über die Gesellig-
keit.366) — Lommers367) Geschichte von Waldmünchen enthält Einzelnes über das
patriarchalische Stadtregiment und das bürgerliche Leben im 17. und 18. Jh., be-
sonders über das von den Bürgern geübte Jagdrecht. — Bayersdorf, das den Mittel-
punkt der Hohenzollernherrschaft in Franken bildete, bis die Ansiedlung französischer
Kolonisten Erlangen emporhob, hat durch Hutz elmann368) eine vorwiegend regesten-
mässige Darstellung gefunden. 369370a) — Aus der Pfalz liegt über Landau ein mit
trefflichen Abbildungen nach Originalen der Zeit ausgestattetes Werk von Heuser371)
vor, worin neben den von sachkundiger Feder gegebenen Beschreibungen typischer
Belagerungen vom Anfang des 18. Jh. die vom Kommandanten Melac aus seinem
Tafelsilber geschnittenen Notmünzen vieles Interesse erwecken werden. — Ueber
Frankenthal (JBL. 1893 I 4:460), das bereits im Vorjahre eine kurze historische
Behandlung erfahren, sind Aktenstücke des 16. und 17. Jh. durch Hildebrand372)
zur Veröffentlichung gelangt, unter denen eine Kapitulation mit vertriebenen
u. Grafenschloss Horburg mit Streiflichtern auf d. röm. n. elsäss. Gesch. Colmar, Barth. IV, 240 S. M. 3,00. — 349) X M-
Lortz, Gesch. d. evang.-reform. Gemeinde Oberseebach-Schleithal. Strassburg i. E., Heitz. XVI, 88 S. M. 1,50. |[ZGOBh. 9,
S. 349.]| — 350) X L.Kiefer, Gesch. d. Gemeinde Balbronn. Strassburg i. E., Noiriel. IX, 360 S. M. 5,00. |[ECr. 38,
S. 454.] | — 350a) X A. 8., Allerlei aus dem alten Colmar: ZGOBh. 9, S. 344. — 351) Neues Arch. für d. Gesch. d. Stadt
Heidelberg u. d. rhein. Pfalz, her. v. K. Christ. 2. Bd., 3. Heft. Heidelberg, Koester. S. 129-92. M. 0,60. — 352) X
G. Meidinger, Un mot sur l'Allemagne. Manheim et ses habitants. Le Havre, Colin. 35 S. — 352a) O F. Frossard,
Rippoldsau il y a quarante ans: BTJKS. 62, S. 113-22. — 353) X Württemberg, d. Königr. E. Beschreib, v. Land, Volk u.
Staat. Her. v. Kgl. statist. Bureau. 3. Bd. St., Kohlhammer. XVI, 935 S. Mit Abbild. M. 4,00. — 353a) X J- Hart-
mann, Vor 100 J.: BBSW. S. 305-11. — 354) X ?■ Weizsäcker, Hohenstaufen : ib. S. 134-50. (Gesch. u. litt. Würdig.) —
354a) X F. Majer, D. Grund, u. d. ersten Bewohner Freudenstadts: ib. S. 243,6. (Für d. J. 1600.) - 355) M. Schwann,
111. Gesch. v. Bayern. 2. Aufl. 1. Lfg. St., Südd. Verl.-Inst. S. 1-32. M. 0,40. (Vgl. JBL. 1892 I 4 : 700.) — 356) X F.
Baumann, Gesch. d. Allgäu. 32. Heft. Kempten, Kösel. S. 577-640. M. 1,20. (Vgl. JBL. 1893 I 4:440.) — 356a) X A.
v. Steichele, D. Bistum Augsburg. 40. Heft. Augsburg, B. Schmid. S. 673-768. ä M. 1,30. — 357) O Schriften d. Ver.
für d. Gesch. d. Bodensees u. seiner Umgeh. 22. Heft. Lindau, Stettner. IV, 162, 77 S. M. 7,00. (Vgl. JBL. 1893 14:439.) —
358) X A- Steinberger, Aus Bayerns Vergangenh. I Bd. Aus d. älteren u d. Beginn d. mittleren Gesch. II. Bd. Aus d.
Ende d. mittleren u. d. neueren Gesch. Regensburg, Nat. Verl.-Anst. 268, 171 S. M. 2,40. — 359) X Chr. Gruber, D.
landeskundl. Erforsch. Altbayerns im 16., 17., 18. Jh. (= Forschung, z. dtsch. Landes- u. Yolksk.. her. v. A. Kirchhoff.
N. 4.) St., Engelhorn. 77 S. Mit Karte. M. 3,00. — 360) Luise v. Kobell, Unter d. vier ersten Königen Bayerns. Nach
Briefen u. eig. Erinnerungen. 2 Bde. München, Beck. VII, 199 S.; V. 258 S. M. 0,10. |[NatZg. N. 148, 151. ]| (Vgl.IVlb: 410.)
— 361) X J. Beck, Charakterköpfe ans Bayern: SchorersFamilienbl. N. 3. — 362) E. v. Destouches, Gesch. d. hist.
Museums u. d. Maillinger-Samml. d. Stadt München. Mit 13 Abbild. München, Lindaoer. 123 S. M. 2,00. — 363) C. Graf
v. Rambaldi, D. Münchener Strassennamen u. ihre Erklärung. München, Piloty. 346 S. M. 3,00. (Vgl. SammlerA. N. 148.)
— 364) X °- Frhr. v. Völderndorff, Harmlose Plaudereien e. alten Müncheners (JBL. 1893 IV lc:40): KonsMschr. S. 895/6.
— 365) F. Clauss, Memminger Chronik 1826—92, her. v. F. Döderlein. Mit Abbild. Memmingen, Hartnig. VII. 354 S.
M. 6,00. — 366) X Franconian city Rothenburg o. d. Tauber. London, Nutt. Sh. 6. - 367) F. X. Lommer, Gesch. d.
oberpf&lz. Grenzstadt Waldmünchen. II. T.: Innere Gesch. Amberg, Pustet. 83 S. M. 1,20. — 368) Chrn. Hutzelmann,
Gesch. d. Stadt Bayersdorf u. d. Schlosses Scharfeneck. Erlangen, Merkel. 71 S. M. 1,00. — 369) O L. Rösel, Alt-Nürn-
berg. Gesch. e. dtsch. Stadt im Zusammenh. d. dtsch. Reichs- u. Volksgesch. Mit Titelbild u. hist. Plan. 1. Hälfte. Nürn-
berg, Korn. 320 S. M. 3,50. — 370) O Alt-Nürnberg. Kulturgesch. Bilder aus Nürnbergs Vergangenh. 1. Lfg. Rathaus,
Regiment u. Rat (14 Taf.). Nürnberg, Heerdegen. 8 S. M. 4,00. — 370 a) D. Germ. Mns. in Nürnberg (Geschäftliches, Or-
ganisation, Verwalt.): BerlTBl. N. 152. — 371) E. Heuser, D. Belagerungen v. Landau 1702 u. 1703. Mit 6 Lichtdmcktaf.,
1 Lithogr. u. vielen Abbild. Landau (Kaussler). XL,- 208 S. M. 4,00. — 372) Fr. Hildebrand, Quellen z. Gesch. d. Stadt
G. Liebe, Kulturgeschichte. I 4 i 373-415
niederländern behufs Ansiedlung (1562) als für die Gewerbegeschichte wichtig- ge-
Nannt sei.373) —
Aus Oest er reich sind neben einer volkstümlichen Gesamtdarstellung-374)
einige Arbeiten über die Hauptstadt zu nennen. Schi ö gl375) bietet unter der er-
müdenden Wiederkehr von Schilderungen aus dem Genussleben des modernen Wien
wenigstens Erinnerungen aus der Vergangenheit des Grabens. 3™-378) — Mose 379)
skizziert die Verwaltung des Marktes Neunkirchen nach Protokollen des Markt-
rats.380_380a) — Mit Tirol381-385) beschäftigt sich eine Anzahl Einzelstudien. —
J. von Zahns schöne Sammlung zur steierischen Kulturgeschichte (JBL. 1893 I 4:481)
hat verdiente Würdigung gefunden386). — In Böhmen hat der Egerländer Volks-
charakter im Spiegel der Dialektdichtung einen warmen Anwalt an John387) er-
halten388). — Peters389) Schilderungen von Burgen des Herzogtums Schlesien er-
weisen sich durch starke Berücksichtigung der Sage als wesentlich populären Zwecken
dienend.300"391") — Für Siebenbürgens Geschichte von hohem Wert ist, dass der von
dem verewigten Teutsch392) unternommene Abriss noch die Zeit der Wahlfürsten
(1526—1699) behandelt.393394) —
Für die Schweiz hat Hotz395) geschickt das anziehende Thema behandelt,
die wirtschaftliche und politische Bedeutung Basels aus der durch hydrographische
Verhältnisse bedingten günstigen Verkehrslage der Stadt abzuleiten.396"397) —
Von Seraphim s398) populärer Geschichte der Ostseeprovinzen liegt der
erste Band vor.399"400) —
Klöster, Stifter, Orden. Hier sind eine Anzahl Einzeldarstellungen
zu nennen, die sich — meist den Federn von Ordensangehörigen entstammend — mit
Benediktiner- und Kapuzinerklöstern beschäftigen401-410). — In gefälliger Form
bringt eine Schrift W en i ge r s411) über das Eisenacher Dominikanerkloster die
Resultate der Forschung zum Ausdruck, um dessen Zusammenhang mit den Begeben-
heiten der Welt, im besonderen der thüringischen Geschichte, zu schildern. — Der
Löwenanteil des Interesses fällt stets dem Jesuitenorden zu; unter den einschlägigen
Werken hat das von Reu seh412) besondere Aufmerksamkeit erregt.413"414) — Eine
tendenziöse Sammlung415) führt eine Reihe von Urteilen hervorragender Protestanten
zu Gunsten des Ordens vor, die teils ohne den Zusammenhang nicht verständlich
Frankenthal. I. Mit 4 Abbild. Frankenthal. Göhring 30 S. M. 1,00. — 373) X 0. Mehlis, D. Drachenfels bei Dürk-
heim a. d. H. 1. Abt. mit e. topogr. PI. (=r Stud. z. älteren Gesch. d. Rheinlande. N. 11.) L., Duncker & Humblot. 32 8.
M. 1,60. — 374) O Fr. Mayer. Gesch. d. österr.-ung. Monarchie. D.Jugend u. d. Volke erz. Mit 58 Abbild. Wien, Tempsky. X, 320 S.
M. 4,80. |[COIRW. 22, S. 699-700.] | — 375) Fr. Schlögl, Aus meinem Felleisen. 1. Bd. A. Europäisches. I. Niederösterreich
a. Wien. (= Deutsch-österr. Nationalbibl. N. 127 8.) Wien, Weichelt. 62 S. M. 0,80. — 376) X D- Narae „Wien": BerlTBl.
N. 230. (Aus JBAVWien.) - 377) X H Schütter, E. Engländerin über Wien (Letters and Journal of Lady Coke): WienZg.
N. 108. — 378) X E- Zetsche, Aus d. Umgebungen Wiens. St., Dtsch. Verl.-Anst. V, 132 S. Mit 90 Vollbild. M. 5,00.
IfBLU. S. 456.7.]| — 379) H. Mose, D. börgerl. Leben im kaiserl. Markt Neunkirchen 1690-1708: Neunkirchener Bezirks-Bote
S. 101/7. — 380) X A- Burgerstein, Aufklärungen über d. „Stock im Eisen" in Waidhofen an der Yps u. in Pressburg:
BVLNiederösterr. 28, S. 219-22. (Vgl. JBL. 1893 I 4:468a.) — 380a) O J. Puntschert, Denkwürdigkeiten d. Stadt Retz.
2. Aufl. Mit Holzschn. Wien, Konegen. IX, 416 u. CXI S. M. 12,00. — 381) X p- Straganz, Beitrr. z. Gesch. Tirols. I.
Progr. Hall. 41 S. — 382) X H. Sem per, Wanderungen u. Kunsstudien in Tirol. 1. Bd. Innsbruck, Wagner. 282 S.
M. 2,00. — 382a) O id., D. hist. Abt. d. Tiroler Landesausstell. 1893: ÖUR. 16, S. 75-92. — 383) X Cnr- Schneller,
Beitrr. z. Ortsnamenkunde Tirols. 2. Heft. Her. v. Zweigver. d. Leo-Ges. für Tirol u. Vorarlberg. Innsbruck, Vereinsbuchh.
III, 112 S. M. 2,00. (S. u. I 5 : 423.) — 384) X <*• K., D. Lage d. dtsch. Volkstums in Südtirol : TglRsB. N. 270. — 385) X
D. Vordringen d. Italiener in Tirol: ib. N. 208. — 386) ÖLB1. 3, S. 201/3; BLU. S. 37/8. — 387) A. John, D. EgeTland u. seine
Dialektdichtung: LJb. 4, S. 12-33. — 388) X E.Wanderung durch böhm. Adelsschlösser: DAdelsbl. S 1006/9. — 389) A. Peter,
Burgen u. Schlösser im Herzogtum Schlesien. N. F. Teschen, Prochaska. III, 253 S. M. 3,60. — 390) O J- Paul er, Gesch. t. Ungarn
uoter d. Arpaden. Pest (Ak.). XXIII, 1457 S. (Nicht im Handel.) |[UngR. S. 330/4.] | — 391) X '• Jekelfalussy, D. Intelligenz in
Ungarn u. d. Ungarntuni : UngR. S. 303-30. — 391a) XEa-Wertheimer, Erzherz. Rainers Reise durch Ungarn: ib. S. 1-39. —
392) G. Teutsch, Abr. d. Gesch. Siebenbürgens: AVSbnbgL. 26, S. 5-59. — 393) X K. Pröll, Magyaren u. Siebenbürger
Sachsen: Kai. aller Deutschen S. 148-50. — 394) X H. Schmidkunz, V. d. Deutschen in Siebenbürgen: Geg. 46, S. 52/5. — 395)
R. Hotz, Basels Lage u. ihr Einfluss auf d. Entwickl. u. Gesch. d. Stadt. Progr. Basel. 4°. 28 S. — 396) X w- v- Mülinen,
Verzeichn. d. Burgen, Schlösser u. Ruinen im Kanton Bern dtsch. Teils. Bern, Expod. d. Tagbl. 34 S. M. 0.50. — 397) X
Gilg Tschudi, Glarus u. Säckingen: .IbSchwG. 18, S. 1-156. |]ZG0Rh. 9, S. 177.]] - 398) E. Seraphim, Gesch. Liv-,
Est- u. Kurlands v. d. „Aufsegelung" d. Landes bis z. Einverleib, in d. russ. Reich. 1. Bd. Bis z. Untergang livländ.
Selbständigkeit. Reval, Kluge. VIU, 425 S. M. 6,50. — 399) X D- Charakter d. Balten in Gegenw. u. Vergangenh.:
BaltMschr. 41, S. 147-72. — 400) X <*• Sitzen, D. alten dtsch. Herzogtümer Estland, Livland, Kurland : Kai. aller Deutschen
S. 155-64. — 401) O J. B. Grere, Gesch. d. Benediktiner-Abtei Abdinghof bei Paderborn. Nach d. Tode d. Vf. Her. v. F. J.
Greye. Paderborn, Junfermann. 231 S. Mit Titelbild. M. 2,75. |[StML. 46, S. 565/6; H. Wurm: LRs. 20, S. 200; L. Leon-
hard: LHandw. 33, S. 46 7; B. Albers: StMBCO. S. 325/7.]| — 402) X B. Albers, Z. Gesch. d. Benediktinerordens in
Polen: StMBCO. S. 194-232. — 403) X C. v. P., E. Besuch in d. Abtei Seckau: HPB11. 114, S. 368-76. — 404) F. Baum-
garten. Aus d. Gengenbacher Klosterleben (Schluss): ZGORh. 9, S. 240-60. (Vgl. JBL. 1893 14:507.) — 405) X M.
Hetzenauer, D. Kapuzinerkloster zu Innsbruck. 111. v. J. Findl. Innsbruck, Rauch. VIII, 192 S. M. 1,60. IfLCBl. S. 1449.]|
— 406) X Melchior, Frauen-Chiemsee : StMBCO S. 605-16. - 407) F. Endl, Gesch. d. eheraal. Nonnenklosters St. Bern-
hard bei Hörn: BVLNiederöstr. 28, S. 455-76. (17.-19. Jh.) — 408) D. Trappistenkloster Oelenberg i. E.: DPB11. 27, S. 2903,
298-301, 306/9. — 409) X L- Korth, Verhandl. über Hausweberei im Kloster d. Tertiarier zu Köln: AnnHVNiederrh. 56,
S. 180/8. — 410) X F. J. Schmitt, D Bauthätigkeit d ehemal. Präraonstratenser- Abtei Allerheiligen: ZGORh. 9, S. 274-83.
— 411) L. Weniger, D. Dominikaner in Eisenach. (= SGWV. N. 199.) Hamburg, VeTlagsanst. 44 S. M. 0,80. - 412)
Fr. Keusch, Beitrr. z. Gesch. d. Jesuiten-Ordens. München, Beck. IV, 266 S. M. 5,00. |[Paul Graf v. Hoensbroech:
DLZ. S. 579-81 ; G.Bossert: ThLZ. 19, S. 591/4; LCB1.S.887; O.Zöckler: ThLBl. 15, S. 221/3.J) — 413) X 0. Henne am Rhy n,
D. Jesuiten, deren Gesch., Verfass., Moral, Politik, Religion u. Wissensch. 3. Aufl. L., Spohr. 107 S. M. 1,50. — 414) X
Ewald (Amtsgerichtsrat), D. Sittenlehre d. Jesuiten beleuchtet aus Escobar: DEB11. 19. S. 21-45, 96-114. — 415) Pro-
testantische Urteile über d. Jesuiten im Lichte gesch. Wahrheit an d. Hand v. Aussprüchen preuss. Könige, Staatsmänner u, a.
I 4:416-426 G. Liebe, Kulturgeschichte.
sind, teils nur einzelnen Persönlichkeiten gelten — eine aus Janssen zur Genüge
bekannte Methode. — Thoemes416) antwortet neuerlich auf Berners Kritik seiner
Schrift (JBL. 1892 III 1:38; 1893 III 1 : 77/7a).416a) — Einen lehrreichen Beitrag
zur Vielseitigkeit des Ordens liefert H o f f m a n n417) in der ausführlichen Darstellung
der Spekulationsgeschäfte des P. Lavalette, Superior des Ordens auf den Antillen,
sowie der Verurteilung der Societät zum Ersatz der dadurch veranlassten Verluste und
der daher 1761 erfolgten Auflösung in Frankreich. — Eine Geschichte der mit
der Gesellschaft Jesu eng verknüpften Bonner Sodalität giebt Hauptmann418)
unter Voranschickung eines kurzen Berichts über die marianischen Kongregationen
überhaupt. —
Besondere Volkselemente. Hier zeichnet sich die Gruppe der Refugies
durch eifriges Festhalten an ihren Besonderheiten, aber auch durch liebevolles Ver-
tiefen in ihre Vergangenheit aus, wovon in den mit Rührigkeit fortgesetzten, teilweise
in zweiter Auflage erschienenen und um sechzehn neue Hefte vermehrten Geschichts-
blättern419) ein schönes Denkmal vorliegt. Von weiterem Interesse ist beispielsweise
der in Frankenthal von ihnen geübte industrielle Einfluss. — Das mit jedem Bande
bedrohlicher anwachsende Volumen von T ollin s420) Geschichte der Magdeburger
Kolonie ist bei dem glücklicherweise letzten auf 1327 Seiten gestiegen und erneut
das Bedauern, dass so reiches Material so wenig Verarbeitung gefunden hat. Hier
war der Stoff zu einem lebensvollen Bilde geboten; statt dessen ist gleichsam nur ein
hugenottisches Lexikon herausgekommen. Auch der Humor, den unbestreitbar der
Vf. in seine Selbstbiographie legte, kann dafür nicht entschädigen. Ueber den Gottes-
dienst und die Beamten der Gemeinde wird der Interessent die ausführlichste Auskunft
vorfinden, doch sind Behauptungen wie die, dass die Universität Halle aus der dortigen
Ritterakademie La Fleurs hervorgegangen sei, abzuweisen, und die Möglichkeit
einer auf dieselbe Art entstandenen Universität Magdeburg wird jedem Kenner der
lokalen Verhältnisse als müssige Phantasie erscheinen. — Thiel es421) Jubiläums-
schrift für die wallonische Kirche ebenda giebt einige Nachrichten über die Verdienste
des Magdeburger Augustiner-Konvents um die Reformation.422) — Die Entstehung
der wenig ausgebreiteten Sekte der Sabbatharier sucht Kohn423) in einer überaus
sorgsamen Untersuchung durch die in Siebenbürgen mehr wie überall infolge der
Reformation gestiegene Wertschätzung der Bibel und ihrer Bewahrer, der Juden, zu
erklären. Lehre und Geschichte der mit Strenge verfolgten, jetzt dem Untergang
nahen Sekte sind nach grossenteils unedierten Hss. dargelegt. — Von den dem
Judentum gewidmeten Werken seien zuerst die allgemeineren Charakters erwähnt.
Back424) will die Geschichte des jüdischen Volkes einem weiteren Kreise durch sein
bis 1848 reichendes Lesebuch zugänglich machen, als dies durch die grösseren Werke
von Grätz u. a. möglich war. Zunächst für Juden bestimmt, ist das jetzt in zweiter
vermehrter Auflage erschienene Buch bei seiner Uebersichtlichkeit auch für andere
dankenswert. Nur selten tritt eine einseitig jüdische Anschauung zu Tage, wohl aber
eine auch anderswo bemerkbare Beschränktheit der Quellen. So tritt im Mittelalter
allgemein den Leiden gegenüber die Schilderuug des Erwerbslebens zurück und
damit der von den Juden geübte oft anregende, oft schädliche wirtschaftliche Ein-
fluss. — Lombroso425) bemüht sich in seiner ethnologischen Untersuchung den
Rassenunterschied des Judentums anderen gegenüber möglichst klein darzustellen;
bedauerlich nur, dass ihn seine Geringschätzung der gegenteiligen Ansicht dazu
führt, schmutzigen Verleumdungen (S. 17) eines halbwissenschaftlichen Fanatismus
Gehör zu geben. — Bahrs426) nach bekanntem Rezept gefertigte Sammlung von
Interviews über den Antisemitismus interessiert mehr durch die Beschreibung der
Interieurs als durch die unauthentischen Aeusserungen gegenüber einem für die
Ravensburg, Kitz. 16 S. M. 0,20. — 416) N. Thoemes, D. Dankesschuld d. preuss. Staats u. Volks gegen d. Jesuiten. Krit.
Briefe an d. preuss. Hausarchiv. Dr. E. Berner, sowie d. Herausg d. PrJbb. u. d. FBPG. Frankfurt a. M., Foesser. 76 S. M. 0,60.
— 416a) X K- W., Aus Bekehrungsgeschichten d. Jesuiten: ZVVolksk. 4, S. 91. — 417) Fxid. Hoffmann, E. betrüg.
Bankerott im J. 1761. E. Kap. aus d. Gesch. d. Jesuitenordens. (= Flugschr. d. evang. Bundes. N. 91.) L., C. Braun. 35 S.
M. 0,25. |[ThLB. 17, S. 221.]| — 418) F. Hauptmann, D. Junggesellen-Sodalität unter d. Tit. „Maria- Reinigung". (= Bilder
aus d. Gesch. v. Bonn.) Bonn, Hauptmann. 114 S. M. 1,00. — 419) GBllHugenottenV. Zehnt II, Heft 9-10; Zehnt III, Heft 1-10;
Zehnt IV, Heft 1-4. (D. Kolonien in Göttingen, Altona, Billigheim, Frankenthal, Halle a. S., Bückeburg, Domholzhausen,
Rohrbach, Mannheim usw.) Magdeburg, Heinricbshofen. 33 EL; III, 48 S.; 19, 24, 26, 20, 64, 40, 30, 59, 45, 56 S. M. 0,50;
0,60; 0,40; 0,50; 0,50; 0,40; 1,20; 0,80; 0,60; 1,00; 0,90; 1,20. |[KonsMschr. S. 103; ThLB. 17, S. 221.JI — 420) H. Tollin,
Gesch. d. franz. Kolonie v. Magdeburg (JBL. 1893 I 4:527). III. Bd., Abt. 1, C. (Schluss). Magdeburg, Faber. VIII, 1327 S.
M. 18,90. |[LCB1. 46, S. 1449-50; O. Tschirsch: DLZ. S. 1579-82; ThLB. 17, S. 125; R. Setzepf andt: MHL. 22, S. 215/7;
DEKZB. 8,8.89.] | (Vgl. III 1 : 168.) — 421) E.Thiele, Einlad. z. Festgottesdienst z. Feier d. 200 j. Jubil. d. wallonisch- reform. Kirche
in Magdeburg nebst Abr. ihrer Gesch. Magdeburg (Faber). 11 S. (Privatdr.) — 422) X 0. Spielmann, D. Mennoniten u.
ihre Bedeut. für d. Kult, in Nassau: AnnVNassanG. 26, S. 137-44. — 423) S. Kohn, D. Sabbatharier in Siebenbürgen. Ihre
Gesch., Litt. u. Dogmatik. Budapest, Singer & Wblfner. VIII, 296 S. M. 7,00. — 424) S. Back, D. Gesch. d. jüd. Volkes
u. seiner Litt. 2. Aufl. Frankfurt a. M„ Kauftmann. VIII, 546 S.; V, 104 u. XII S. M. 4,00. — 425) C. Lombroso, D.
Antisemitismus u. d. Juden im Lichte d. mod. Wissensch. Autoris. dtsch. Ausg. v. H. K u r e 1 1 a. L., Wigand. Vni, 114 S. Mit 1 Tab.
M. 2,00. |[NAnt. 51, S. 373/4.]| - 426) H. Bahr, D. Antisemitismus. E. internat. Interview. B., Fischer. VIH, 215 S.
G. Liebe, Kulturgeschichte. I 4 : 426a-458
Juden voreingenommenen Frager. 426a) — Den Judenhass Voltaires führt Klem-
perer427) wunderlich auf den Berliner Bankier Hirschel zurück; fruchtbarer ist der
Gedanke seines litterarischen Gegners, des portugiesischen Juden de Pinto, vom
Rassenunterschied innerhalb der Juden selbst. — Lenz428) giebt die Ansicht des
katholischen Prälaten S. Brunner wieder, deren Kern bildet, dass nicht die Religion,
sondern die Nationalität das Entscheidende sei. — So schwerwiegend die Frage der
Stellung des Judentums zu den deutschen Universitäten ist, muss es doch zweifelhaft
erscheinen, ob die Veröffentlichung von Zöllners429) umfangreicher Schrift wohl-
gethan war. Die Titel eines ehrlichen Mannes und eines bedeutenden Astro-
physikers wird dem Verblichenen kein Einsichtiger bestreiten; die Häufung dieser
beständig den Gegenstand wechselnden Polemik aber kann trotz der Berechtigung
vieler Einzelheiten nur unerquicklich wirken. 430~431) — Von Untersuchungen
einzelner Gemeinden giebt Stern432) als Fortsetzung seiner Publikationen eine solche
über Zahl und Steuern der Nürnberger Judenschaft im 14. u. 15. Jh., der Kieler im
18. Jh.432a"433) — Frankl-Grün434) erörtert den traurigen Einfluss der schlesischen
Kriege auf die Geschicke der Juden von Kremsier infolge der Beschuldigung des
Einverständnisses mit dem Feinde. — Popper435) bringt mehrere hierher gehörige
Erlasse der Prager Gemeinde zum Abdruck, die anfangs des 7 jährigen Krieges ihren
Patriotismus bekunden sollten. — Eine Monographie ist von Samt er436) dem Joh.
Peter Spaeth (Moses Germanus) gewidmet, der Ende des 17. Jh., innerhalb weniger
Jahre vom Katholizismus zum Protestantismus, Katholizismus, Judentum hinüber-
schwankte.437) — Unter den kleineren eingesprengten Völkerbruchstücken sind die
Zigeuner von Pischel438) zum Gegenstand einer Arbeit gemacht worden, die sich
mit dem misslungenen Versuch ihrer Ansiedlung in Thüringen anfangs des Jh. be-
schäftigt; ein Wörterverzeichnis ist beigefügt.439) —
Familiengeschichten. Aus der grossen Zahl der adligen Geschlechtern
gewidmeten Werke seien hier nur wenige, durch Wert des Stoffes oder der Dar-
stellung ausgezeichnete, herausgehoben. Der dritte Band der Geschichte des Ge-
schlechts von Tümpling führt die gründliche und reich ausgestattete Familien-
geschichte, die W. von Tümpling440) zusammenstellt, zum Ende. — In dem Rück-
blick auf die Geschichte des rheinischen Geschlechts der Hammerstein, von Pauls441),
ist der Abschnitt über den Abt Johann von Kornelimünster besonders anziehend. —
Die ausführliche Regestensammlung des Gräflich Mirbachschen Archivs zu Harff von
Korth442) ist durch ein Register nutzbar gemacht.443-446) — Eine Anzahl heraldischer
Publikationen schliesst sich hier naturgemäss an.447-454) — Mehrfach sind auch
bürgerliche Familien Gegenstand der Darstellung geworden.455"458) — Die bekannte
M. 2,00. — 426a) X D- Antisemitismus, wie er ist: Grenzb. 2, S. 108, 150 7, 248-53. — 427) W. Klemperer, Voltaire u.
d. Juden. Vortr. B., Bibliogr. Bureau 35 S. M. 0,50. — 428) H. Lenz, Judenlitt. u. Litteraturjuden. Münster, Russell.
II. 67 S. M. 0,90. — 429) F. Zöllner, Beitrr. z. dtsch. Judenfrage mit akad. Arabesken als Unterlagen zu e. Reform d. dtsch.
Univ. Mit 3 Taf u. 8 Facs.-Briefen (1880). Her. v. M. Wirth. L., Mutze. XXXIII. 755 S. M.4,00. - 430) X B- v- w<> rl"
hof, D. Jude als Ackerbauer u. Handwerker: Nation15. 11, S. 379-80. — 431) X B- Markgraf, Z. Gesch. d. Juden auf d.
Messen in Leipzig v. 1664-1839. Diss. Rostock. 93 S. — 432) M. Stern, D. Israelit. Bevölkerung d. dtsch. Städte. E.
Beitr. z. dtsch. Städtegesch. Mit Benutz, archival. Quellen. III. Nürnberg im MA. 1. Hälfte Kiel, Selbstverl. S. 9-94. M. 3,00.
(Vgl. JBL. 1892 I 4:806.) — 432a) X E- Schmidt, De coniuratione Judaeorura (1540): MGNM. S. 102/4. — 433) X A.
Glaser, Gesch. d. Juden in Strassburg. V. Karl d. Gr. bis auf d. Gegenw. Strassburg i. E.. Noiriel. 88 S. M. 2,00. —
434) A. Frankl-Grün, D. Folgen d. österr. Erbfolgekrieges für d. Juden Kremsiers: MLWJ. 38, S. 272-80, 323-30. — 435)
M. Popper, Beitrr. z. Gesch. d. Juden in Prag: ib. S. 371/9, 414-21, 467-72. — 436) N. Samt er, Joh. P. Spaeth (Moses
Germanus), d. Proselyt: ib. S. 178-85. — 437) X D. Kaufmann, Z. Gesch. jüd. Familien. IL R. Jair Chajjim Bacharach
(1638-1702) u. seine Ahnen Trier, S. Mayer. VIII, 139 S. M. 4,00. |[M. Steinschneider: DLZ. S. 1547/9.]| (Vgl. III 1: 182.) —
438) R. Pischel, Beitrr. z. Kenntnis d. dtsch Zigeuner. Halle a. S., Niemeyer. 4°. 50 S. M. 2,00. (Aus Festschr. z. 200j. Jubel-
feier d. Univ. Halle-Wittenberg. — 439) X Halle u. d. Halloren. Mit Abbild, d. Stadt Halle, d. Burg Giebichenstein, sowie
Hallorenbildern aus d. J. 1601. L., Verl. z. Greiffen. 24 S. M. 0,75. — 440) W. v. Tümpling, Gesch. d. Geschlechts
v. Tümpling. 3. (Schluss-)Bd. (Gesch. d. erloschenen Häuser Posewitz u. Casekirchen.) Weimar, Böhlau. VI, 385, 42, 167 S.
M. 14,00. (Vgl. JBL. 1892 I 4:791.) — 441) E. Paule, Z. Gesch. d. Burggrafen u. Freiherrn v. Hammerstein: AnnHVNiederrh. 58,
S. 183,9. — 442) L Korth, D. Graft. Mirbachsche Arch. zu Harff: ib. 57, S. 1-348. — 443) X E. Graf v. Fugger, D. Seins-
heims u. ihre Zeit. E. Familien- u. Kulturgesch. 1155-1890. München, Piloty u. Löhle. 270, 268 S. M. 50,00. '[KBGV.42, S.87 ;
DAdelsbl. S. 428/9, 447,9 ]| - 444) X H. Zöge v. Manteuffel u. E. v. Nottbeck, Gesch d. Familie Zöge v. Manteuffel esthländ.
Linie. Reval (F.Wassermann). IV, 186 S. Mit 1 Stammtaf. M. 5,00. |[DHerold. 25, S. 63; DAdelsbl. S. 249-50.J| — 445) X Chron. d.
vormal.Reichsherren, jetzigen Grafen u. Freiherren zu Egloffstein. Würzburg (Wailandsche Dr.). 356 S. M. 10,00. |[DAdelsbl. S.845,6.][
— 445a) X K- Arendt, Blumenlese aus d. Gesch. d. Burg Vianden u. d. Nassau- Viandener Grafengeschlechts. Luxemburg,
Bück. 4°. 31 S. Mit Ornamenten u. 2 T;f. M. 6,00. — 446) X G- v- B> D- Adel im Spiegel d. Litt.: DAdelsbl. S. 679-80.
(Vgl. I 1:63.) - 447) X St. Kekule, Ueber d. Bedeut. d. Heraldik, Sphragistik u. Genealogie u. ihre Beziehungen zu
anderen Wissenschaften u. Künsten. Vortr. B., Stargardt 23 S. M. 0,80. (Vgl. DHerold. 25, S. 136-43.) — 448) O Festschr.
z. Feier d. 25j. Bestehens d. Ver. „Herold", Red. v. A. M. Hildebrandt, ebda. III, 236 S. Mit Abbild., 18 Taf., 1 Stammtaf.
M. 20,00. — 449) X A. Seyler, Gesch. d. Siegel. (= 111. Bibl. d. Kunst- u. Kulturgesch. Bd. 6.) L., Friesenhahn. VIII,
383 S. M. 5,00. — 450) X M. Gritzner, Handb. d. Ritter- n. Verdienstorden aller Kulturstaaten d. Welt innerhalb des
19. Jh. L., J. J. Weber. 12°. XIV, 618 S. Mit 760 Abbild. M. 12,00. |[F. W.: DHerold. 25, S. 39.]| — 450a) X id.,
Landes- u. Wappenkunde d. brandenb.-preuss. Monarchie. Gesch. ihrer einzelnen Landesteile, deren Herrscher u. Wappen.
B., C. Heymann. XXII, 310 S. M. 12,00. |[LCB1. S. 1451.]| — 451) X Cl. Kissel, Hess. Wappenbuch. Städte- u. Orts-
wappen. Giessen, v. Münchow. 1893. IV, 78 S. Mit Abbild. M. 8,00. |[DHeTold. 25, S. 37.] | — 452) X M. Bach, Die
Wappensammlung d. Kgl. öffentl Bibliothek in Stuttgart: DHerold. 25, S. 69-70. — 453) X W. Zahn, Altmärk. Wappen u.
Blutzeichen: ib. 25, S. 89. — 454) X M- v- Baumgarten, Z. Fugger- Wappen : ib. 25, S. 125. — 455) X Genealog. Handb.
bürgerl. Familien. I. Her. v. Ver. „Herold". 3. Bd. B., Bruer. 12°. Vm, 404 S. Mit Abbild, u. 13 Wappentaf. M. 6,00.
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (1)6
I 4 : 459-486 G. Liebe, Kulturgeschichte.
Magdeburger Predigerfamilie Sucro betreffend, ist ein kurzer Nachtrag459) zu Pröhles
Artikel in der ADB. erschienen. 45i,a) —
Einzelne Personen. Die enge Auswahl, welche hier getroffen werden
muss, wird einer Arbeit von Krones460) über Zierotin, den mährischen Staatsmann
und Schwager Wallensteins gedenken, einen durch politische Thätigkeit, humanistische
Bildung und wegen seiner weiten Reisen merkwürdigen Mann; sein Tagebuch einer
1591 zur See nach Frankreich unternommenen Fahrt enthält interessante Bemerkungen
über Niederdeutschland. — Von Thomasius Bedeutung für unsere geistige und
sprachliche Entwicklung entwirft Opel461) ein fesselndes Bild in der Einleitung zu
den Schriften „Von der Nachahmung der Franzosen" und „Vom elenden Zustand der
Studenten", die einen wichtigen Schritt jener Entwicklung bezeichnen.462"46411) —Das
4. Bändchen von Bülau465) behandelt neben Naundorff einen Prätendenten des
16. Jh., ein verstossenes Mitglied der ausgestorbenen Linie der Reuss von Plauen. —
Von einer neuen Seite gewürdigt wird Herzog Karl August durch Bojanowski466). —
Jahn hat als Kämpfer für deutsches Volkstum unter geringer Berücksichtigung des
turnerischen Elements durch Schultheiss467) form volle Darstellung gefunden. —
Pechts468) Autobiographie liefert eine Anzahl mit dem Auge des Malers geschauter
Charakterköpfe, beispielsweise aus dem Frankfurter Parlament.469) —
Zur Kultur der Gegenwart. Unter der Ueberfülle der Arbeiten, welche
Fragen der modernen Kultur behandeln, werden hier nur solche zu berücksichtigen
sein, die diese Fragen im Zusammenhang geschichtlicher Entwicklung beleuchten.
Der zweite Band von Röhrichs470) umfangreichem Werk hat zum Gegenstande seiner
drei Abschnitte: 1. Geld, Kapital und Kredit; 2. den Socialismus und die Umsturz-
parteien ; 3. den Staat, und es giebt im zweiten Teil eine Entwicklung des deutschen
Socialismus.471-472) — Hobsons473) Entwicklung des modernen Kapitalismus unter
dem Einfluss der Maschine berücksichtigt besonders Lohnverhältnisse, Frauenarbeit
und den Einfluss auf das Stadtleben und ist durch zahlreiche graphische Tabellen
unterstützt. — Vor st er474) bekämpft die akademische Opposition gegen den Kapi-
talismus einseitig, aber mit dem richtigen Gedanken vom unheilvollen Einfluss des
Gymnasiums.47411) - Zur Bekämpfung der Arbeiternot auf dem Lande befürwortet
Hergel475) Wiederherstellung der Interessengemeinschaft mit dem Besitzer durch
Naturallöhnung und Gewährung von Pachtland.476"478) — Auf dem Kampfplatze der
Frauenfrage überwiegt leider das Interesse für das nur wenigen erreichbare Frauen-
studium und damit ein unfruchtbares Streiten über die Grenzen der Befähigung.
P. Müller479) steht der Zulassung zu medizinischen Specialfächern nicht unfreundlich
gegenüber, fordert aber von den Frauen dieselbe Vorbereitung und Dauer wie vom
Manne.480"482) — Popper483) sieht in der Frauenbildung, für deren mangelhaften
ökonomischen Wert er nicht blind ist, ein Mittel zur Ethisierung der Gesellschafts-
Ordnung. 483a"486) — Fruchtbarer sind Arbeiten, welche mit bestehenden Verhältnissen
|[DHerold. 25, S. 91/2.]| — 456) X R. Eckart, Gesch. d. Familie Eckart. 2 Tle. (I. 1690-1866, II. 1867-1878.) (L., Wall-
mann.) VIII, 326 S. Mit 1 Wappentaf. M. 6,00. - 457) X L- Saeuberlin, Stammbaum d. Familie Burckhardt in Basel,
Nachkommen v. Chrph. Burckhardt u. Gertrud Brand. Basel (Reich). Fol. 17 Taf. M. 27,00. 458) X O- Gerland, Gesch.
d. Familie Dithmar: Hessenland S. 106/8, 114/7, 126/9, 139-42. — 458a) X Er. Hille, Gesch. d. Familie Hille: ib. S. 223/6,
236/9, 255/8. — 459) M. D., D. Familie Sncro in Magdeburg: MagdZg«. S. 374/5. — 459a) X E. W. E. Roth, D. Gelehrten-
familie Lorichius aus Hadamar: CBIBibl. 11, S. 368-85. — 460) F. v. Krones, Karl v. Zierotin u. sein Tageb. vom J. 1591 :
ZKultG. 2, S. 1-30. — 461) J. 0. Opel, Chrn. Thomas (Thomasius), Kleine dtsch. Schriften. Mit Einl. ( — Festschr. d. hist.
Kommiss. d. Prov. Sachsen z. Jubelfeier d. Univ. Halle.) Halle a. S., Hendel. VI, 208 S. M. 3,00. |[FBPG. 7, S. 306;7.]| —
462) X A. Sauer, Chr. Thomasius, V. Nachahmung d. Franzosen. Nach d. Ausg. v. 1687 u. 1701. ( = DLD. N. 51.) L.,
Göschen. IX, 50 S. M. 0,60. - 463) X E. Landsberg, Z. Biogr. a. Thomasius. Festschr. z. 2. Säkularfeier d. Friedrichs-
Univ. Halle. Bonn, F. Cohen. 4° 36 S. M. 2,00. |[FBPG. 7, S. 307,J| — 464) X J- Bartsch, Ph. Clüver, d. Begründer
d. hist. Landesk.: MVGDBB. S. 75/7. — 464a) X G Albrecht, Adam Ries u. d. Entwickl. unserer Rechenkunst: Didask.
N. 50. — 465) F. Bülau, Geh. Geschichten u. rätselhafte Menschen. Samml. verborgener u. vergessener Merkwürdigkeiten.
4 Bdchen. (= ÜB. N. 3214.) L., Reclam. 16°. 80 S. M. 0,20. (Vgl. JBL. 1893 I 4:569.) — 466) P. v. Bojanowski,
Karl August als Chef des 6. Preuss. Kürassier-Reg. 1787-94. Weimar, Böhlau. VII, 147 S. M. 3,00. (Vgl. IV Ib.) —467) Fr. G.
Schultheiss, F. L. Jahn. |- Geisteshelden. Her. v. A. Bettelheim. Bd. 7.) B., E. Hofmann. VII, 198 S. M. 2,00. —
468) F. Pecht, Aus meiner Zeit. Lebenserinnerungen. 2 Bde. München, Verl.-Anst. f. Kunst u. Wiss. IV, 363 S ; 343 S.
Mit Bild. M. 10,00. |[Didask. N. 214/5.]| — 469) X c- B- 1Iase- Briefe v. d. Wanderung u. aus Paris. Her. v. 0. Heine.
L., Breitkopf & Härtel. XII, 115 S. M. 2,00. — 470 1 W Röhr ich, D. Buch v. Staat u. Ges. E. allg. üarstell. d ges. soc.
Lebens d. Gegenw. L., Biedermann. 432 S. M 5,40. (Vgl. JBL. 1892 I 4:857.) — 471) X E. Engels, D. Ursprung d.
Familie, d. Privateigentums u. d. Staates. 6. Aufl. St., Dietz. XXIV, 188 S. M. 1,00. |[Grenzb. 1, S. 101,2.]| — 472) X
M. Broemel, D. Romane vom Idealstaat v. Morus bis Bellamy. Vortr. Ref.: VossZg. N. 132. — 473) J. Hobson, Tlio
evolution of modern capitalism. A study of machine production. London, Scott. 383 S. Sh. 3/6. — 474) J. Vorster, D.
Socialismus d. gebildeten Stände. Vortr. Köln, J. G. Schmitz. 49 S M. 0,50. — 474a) X I*. Say, L'univ. et le socialisme:
KChr. 1, S. 457-64. — 475) C. Ilergel, D. Arbeiternot auf d. Lande u. d. Verbess. d. ländl. Arbeiterverhältnisse. (= SGV.
N. 195.) Prag, Härpfer. 16 S. M. 0,30. - 476) X K. Kautsky, E. socialdemokr. Katechismus: NZSt. u\ S. 3614, 402-10,
501,4. — 477) X D. erste socialdemokr. Bilderbuch: ib. S. 340/3. — 478) X Er. Scharwächter, Soc. Jugendlitt.: Kritik 1,
S. 583/7. — 479) P. Müller, Ueber d. Zulassung d. Frauen z. Studium d. Medizin. (= SGWV. N. 195.) Hamburg, Verl.-Anst.
43 S. M. 1,00. — 480) X Hedwig Henrich-Wilhelm i, D. Recht d. Frauen z. Studium u. ihre Befähigung für alle
Berufsarten. B., Rubenow. 40 S. M. 0,50. — 480a) X Luise Hitz, D. neuere Frauenbewegung nach ihrer idealen Seite.
Vortr. Ref.: FrauenZg. N. 16. - 481) X Kläre Schobert- Feder, D. Leben d. Studentinnen in Zürich: AkBll. 8, S. 137.
— 482)XWeibl. Studenten: ib. S. 26/8. - 483) M. Popper, Bahn frei! E. Wort für unsere Frauen. Prag, Calve. 31 S.
M. 0,80. — 483a) X R. Artaria, D. Führerinnen d. Frauenbeweg. in Deutschland: Gartenlaube S. 256/9. — 484) X s-
G. Liebe, Kulturgeschichte. I 4 •. 487-526
rechnen. Sommers487) gründliche und massvolle Darlegung will in Anerkennung
der bestehenden Unterschiede die Frauenbildung nicht auf das auch körperlich
schädliche Gymnasium, sondern auf Kurse im Anschluss an die Töchterschule be-
gründen. 4S8-4!,(») _ jjen fQr Frauen geeigneten Erwerbszweigen und der nötigen Vor-
bildung ist eine Betrachtung von Mathilde Lammers491) gewidmet.492494) — Lehr-
reich für die Ausartung der Anschauungen auf diesem Gebiete ist das Buch von
Laura Marholm495), in dem sie mutig wie immer den Gedanken vertritt, der das
extreme Frauenrechtlertum widerlegt: Des Weibes Inhalt ist der Mann. Die gegebenen
Biographien illustrieren das teils ergreifend, 'teils abstossend, aber erschütternd
wahr. — Die dritte Auflage von Wolfs496) Schrift darf wohl als ein Zeichen des
Verständnisses für den schweren sittlichen Ernst des Buches gelten.496'1 498a) — Nicht
gering ist die Zahl der Schriften, welche die Schäden der Zeit und ihre Heilung zum
Gegenstande haben. Das physische Element berücksichtigt ein Vortrag von Erb499),
der mit durchdringender Klarheit die pathologischen Beobachtungen mit den modernen
Kultur Verhältnissen in Verbindung zu setzen weiss.500-501) — Hier sei erwähnt, dass
auch der französische Unterrichtsminister auf den mit der geistigen Anstrengung
steigenden Pessimismus der Jugend hingewiesen hat502). — Die Heilmittel erstreben
teils eine intellektuelle Hebung, wovon der Prager Verein ein schönes Beispiel
segensreicher, durch 25 Jahre geübter Thätigkeit bietet 503_506a). — Rege ist das
Streben, der christlichen Kirche neue Aufgaben zu schaffen. 507~511) — Am aussichts-
vollsten wohl sind die Bestrebungen socialen Charakters, die eine Ausgleichung der
Gegensätze in der Gesellschaft und eine moralische und physische Kräftigung er-
streben.512"526) -
Waitz, Socialismus u. Frauenfrage: HPB11. 124, S. 668-87. — 485) X W. Manke, D. Stellung d. Frau in „Freiland": Ges.
S. 710-21. — 486) X H, Lange, Th. Ziegler u. d. Frauenfrage: Frau 1, S. 236-41. — 487) 0. Sommer, Z. Frauenbeweg.
in Deutschland. Wolfenbüttel, Zwissler. 72 S. M. 0,75. — 488) X A.. Schubert, D. dtsch. Mütter Teil an dtsch. Lande Heil.
2. Aufl. B., Oehmigke. 48 S. M. 0,60. (1. Aufl. 1892.) — 489) X A. Philippi, D. Frauenfrage. E. zeitgesch. Stud. Bielefeld,
Velhagen & Klasing. 12°. VII, 70 S. M. 0,80. — 489a) X Z. Frauenfrage: Grenzb. 1, S. 517-33; 2, S. 40/4; 3, S. 396-405.
437-47. — 490) X Helene v. Forster, D. Frau, d. Gehilfin d. Mannes. Vortr. Nürnberg, Raw. 10 S. M.0,30. —491) Mathilde
Lammers, D. Frauenbeweg. in Deutschland: Zeit 1, S. 151,2. — 492) X Elise Oelsner, D. Leistungen d. dtsch. Frau
in d. letzten 400 J., auf wissensch. Gebiet. Guhrau, Lemke. 234 S. M. 3,00. |[Frau S. 821; N&S. 70, S. 412 Jj — 493) X
G. Ferrero, D. Weib als Künstlerin: Zukunft 9, S. 216/9. — 494) X 6- Dahms, D. Recht d. Frauen auf Arbeit: Frau 1,
S. 513,6. — 495) Laura Marholm, D. Buch d. Frauen. Zeitpsycholog. Portrr. Mit 6 Autotyp. München u. L., Langen. VIII,
195 S. M. 3,00. |[K. v. Thaler: NFPr. N. 10881.]| - 496) M. Wolf, D. phys. u. sittl. Entartung d. mod. Weibes. 3. verm.
u. verb. Aufl. Neuwied, Schupp. VIII, 114 S. M. 2,50. — 496a) X El-iza Jchenhäuser, Frauenfrage u. Darwinismus:
Kritik 1, S. 273-92. (Vgl. R. Konemann: ib. S. 409-13.) — 497) X J- Petri, Frauenlitt.: ML. 63, S. 1426-30, 1449-53. —
498) X C. v. B., Z. Frauenfrage: DAdelsbl. S. 7/9. — 498a) X A. Ecke, D. gesellsch. Stellung d. Landpfarrfrauen u.
-Töchter: DEB11. 19, S. 259-69. — 499) W. Erb, Ueber d. wachsende Nervosität unserer Zeit. (Aus NHJbb.) Heidelberg,
Koester. 32 S. M. 0,80. |[PaedA. 36, S. 129-37.]| — 500) X H- Holtzmann, D. Gefährdung unserer Geistesknlt.: DR. 2,
S. 66-81. — 501) X B- Vetter, D. mod Weltanschauung u. d. Mensch. Jena, G. Fischer. XII, 157 S. M. 2,50. |[LCBI. S 1659-60;
D. Spiegel: DPB1. 27, S. 124/5.]| - 502) D. Pessimismus d. Jugend: Didask. N. 178. — 503) X J- Lippert, 25 J. d.
Strebens für Volksbildung. Z. Gesch. d. dtsch. Volksbildungsbestrebungen inner- u. ausserhalb Böhmens. (= SGV. N. 185,6.)
Prag, llärpfer. 35 S. M. 0,80. — 504) XFTomberSer> E- Vierteljh. Kulturarbeit. Festschr. z. Feier d. 25 j. Jubil. d.
österr. Reichsyolksschulgesetzes. Wien, Sallmayer. 16 S. M. 0,40. — 505) X E. v. Sallwürk, Wie kann d. dtsch. Volks-
bildungswesen lebenskräftig werden? Vortr. Ref.: DB11EU". 21, S. 5. — 506) X Hauptversamml. d Ges. für Verbreit. v.
Volksbildung: DB11EU. 21, S. 193/5, 201/2. — 506a) X Volksunterhaltungsabende: ib. S. 82 3. — 507) X A- Tschuprow,
D. Wissen u. d. Volkswohlstand: Paed. S. 549-63. — 508) X «!• Shairps, Culture and religion. New. ed. (AusJ. F. Cruiup
„Greetings in the market and other soc. Sketches.") London, Simpkin. Sh. 36. — 509) X Th. Brieger, D. fortschreitende
Entfremdung v. d. Kirche im Licht d. Gesch. Ak. Rede. L., Hinrichs. 28 S. M. 0,50. ||K. Köhler: ThLZ. 19, S. 539-40 J|
— 510) Christentum u. Socialdemokratie: DEKZ. 8, S. 209-11. (Vgl. Socialdemokratie u. Religion: ib. S. 316/7.) - 511) N.
Gro dtczinsky , Mod. Kastengeist in unseren Kultureinrichtungen. Kulturgesch-philosoph. Skizzen. B., Steinitz. 72 8.
M. 1,00. — 512) X L- Fulda, D. Reform unserer Geselligkeit: VomFelsz.Meer 2, S 13,8. — 513) X & Müllenbach,
Demoiselle — Fräulein — Gnädiges Fräulein: Grenzb. 2, S. 33/7. — 514) X Ch. G. Tienken, D. unsittl. Litt. u. d. Buchh.
(= Tages- u. Lebensfragen. Her. v. W. Bode. N. 17.) Bremerhaven, Tienken. 47 S. M. 0,50. |[R. Busch: ThLB. 17,
S. 229.JI — 515) X „Volksdienst". V. e. Socialaristokraten. B., Wiener. 1893. III, 397 S. M. 3,00. |[WIDM. 76, S. 639.JI
— 516) X R- Mielke. Volkstum u. Volkskunst: TglRs1*. N. 276. — 517) X Fr- Lange, Reines Deutschtum (JBL. 1893
I 4:615.) |[AkBll. 8, S. 95; LCB1. S. 160/2; 0. Lyon: ZDU. 8, S. 421,4; Ges. S. 966/8.JI - 518) X M. Löwisch, Dtsch.
Dichtung u. „Reines Deutschtum": TglRsü. N. 53/4, 97/8, 102. — 519) X K Pröll, Volksschulen u. Nationalgesinnung: Kai.
aller Deutschen S. 25-30 — 520) X *>• „Internationale" u. d. Schule: NZSt. 2, S. 824,7. — 521) X 1- Msch. Kongress für
Jugend- u. Volksspiele: PaedA. 36, S. 112/4. — 521a) X Dass.: DB11EU. 21, S. 65/6, 74,5. - 522) X Georg Hoffmann u.
E. Groth, Dtsch. Bürgerkunde. Kleines Handb. d. politisch Wissenswerten. L, Grunow. VIII, 312 S. M. 2,00. |[BBG. 30,
S. 767; L Rudolph: COIRW. 22, 8. 569-78; W. Wendland: AkBll. 9, S. 49; J. Wychgram: BLU. S. 514/5; A. Giese:
Bär 20, S. 279.]| — 522a) X E v- Sehen kendorff u. F. A. Sohmidt, Ueber Jugend- u. Volksspiele Jb. d. Centralaussch.
I. Förder. d. Jugend- u. Volksspiele in Deutschland. 1. u 2. Jahrg. L., Voigtländer. 1893-94. 193, 309 S. M. 1,20; M. 2,00.
|[L. Rudolph: COIRW. 22, S. 767; A. Heitmann: PaedA. 36, S 116-23, 747-54.J| (D. Zeitschr. trägt seit 1894 nur d.
Titel: Jb. für Jugend- u. Volksspiele.) — 523.) X K. Koch, D. Entwickl. d Jugendspiels in Deutschland. Vortr. Hannover-
Linden, Manz & Lange, 30 S. M. 0,60. |[L. Rudolph: COIRW. 22, S. 188. J| - 524) L. Bahlsen, Schulfestspiele aus d.
Gesch. d. Vaterlandes. (= ÜB. N. 3127) L., Reolam. 72 S. M. 0,20. |[L. Rudolph: COIRW. 22, 8. 191/2.]| - 525) X
A. v. Raseg, D vläm. Beweg, in Belgien: Kai. aller Deutschen S. 166-73. — 526) X Th. Jaensch, Niederdtsch. u. Alldtsch. :
BayreuthBll. 17, S 341-51. -
(1)6*
15:1-4 A. Hauffen, Volkskunde.
1,5
Volkskunde.
Adolf Hauffen.
Einleitung und Allgemeines: Sammlungen N. 1; Quellen N. 4. — Sammlungen volkstümlicher
Ueberlief erungen einzelner Gegenden: Anleitung N. 6. — Mecklenburg N. 10; Baden N.14; Bayern, Schlesien N. 16;
Siebenbürger Sachsen N. 19; Deutsch-Böhmen, Oesterreich N. 20. — Zusammenfassende Darstellungen der Volkskunde einzelner
Gegenden (Böhmen, Niederrhein, Tirol, Elsass, Meiningen) N 23. — Einzelne Volksbräuche: Totenbretter N. 37; Jahres-
festbräuche (Fastnacht, Ostern, Frühling, Weihnachten) N.40; Bräuche in einzelnen Landschaften N. 58. — Aberglauben: All-
gemeines N. 89. — Besondere Gebiete: Beziehungen zur Rechtspflege, Kartenspiel, Zahl Neun, Fuss und Schuh N. 100; Kinder,
Tiere, Fflanzen N. 107. — Volksmedizin N. 118. — Segen, Beschwörungen, Zauberformeln N. 124. — Traumdeutung N. 137. —
Hexen N. 138. — Teufel N. 145. — Sagensammlungen: Allgemeines N. 149. — Oberdeutschland N. 152. — Mitteldeutsch-
land N. 169. — Niederdeutschland N. 189. — Märchensammlungen N. 200. - Geschichte volkstümlicher Stoffe
N. 237. — Volksschauspiel N. 267.— Volkslied: Allgemeines N. 280. - Sammlungen: Allgemeine N. 297; mich den ein-
zelnen Landschaften: Oberdeutschland N. 300, Mitteldeutschland N. 311, Niederdeutschland N. 316. — Verschiedenes:
Kinderlieder und Kinderspiele N. 320. — Sprachscherze N. 344. — Sprüche N. 350. — Sprichwörter und Redensarten N. 360.
— Rätsel N. 389. — Volkswitz N. 396. — Namengebung: Eigennamen, Familiennamen N. 399; Ortsnamen N. 414; Ver-
einzeltes N. 429. —
Die Volkskunde, deren wissenschaftlicher Ausbau nun aller Orten so eifrig
verfolgt wird, hat nach dem von Weinhold entworfenen, wohl allgemein anerkannten
Programm (ZVVolksk. 1, S. 1 — 10) ein sehr weites Arbeitsgebiet. Darnach ist es
ihre Aufgabe, die äusseren Erscheinungen, die Lebensweise, Sitte, Recht und Glauben,
Sprache und Poesie des Volkes zu erforschen, deren historische Entwicklung und
deren Beziehungen zu verwandten oder fremden Stämmen aufzudecken. In diesem
grossen Umfange kann, wie ich einleitend bemerken muss, die Volkskunde hier nicht
berücksichtigt werden, weil einzelne Gebiete sich in die Rahmen anderer Abschnitte
dieser JBL. besser hineinfügen, und weil anderes, so die physische Erscheinung
und die äusseren Lebensverhältnisse , als in keiner Beziehung zur neueren
deutschen Literaturgeschichte stehend, völlig ausgeschieden werden musste. Bei
der jährlich anschwellenden ausserordentlich grossen volkskundiichen Litteratur war
es zur Entlastung dieses Berichtes nötig, dass zahlreiche kleinere Aufsätze, deren
wesentlicher Inhalt durch den Titel schon genügend gekennzeichnet wird, ferner
Mitteilungen von Dilettanten (deren Stellung zu unserer Wissenschaft F. Vogt JBL.
1893 15:1 treffend beurteilt hat), endlich Ausgaben, die, für die Jugend und die
Schule berechnet, die Wissenschaft weiter nicht fördern, nur in den Anmerkungen
kurz angeführt wurden. WTider Willen war ich zu dieser knappen Angabe zuweilen
auch bei anscheinend wichtigeren, doch unzugänglich gebliebenen Aufsätzen genötigt.
Das weit versprengte Material war eben leider höchst unvollständig eingeliefert
worden. Indem ich mich im ganzen an die vom vorjährigen Berichterstatter klar
und übersichtlich getroffene Anordnung halte, freut es mich, an die Spitze des all-
gemeinen Abschnitts eine so prächtige Sammlung stellen zu können, wie R. Köhlers
nachgelassene Aufsätze zur vergleichenden Litteraturgeschichte und Volkskunde, die
Bolte und Erich Schmidt1) gemeinsam herausgaben. Nur der erste weitaus-
greifende Vortrag über Alter, Abstammung und Verbreitung der europäischen Märchen
war bereits gedruckt, die übrigen fünf sind von den verdienstvollen Herausgebern nach
dem hs. Nachlass mit Anmerkungen und Nachträgen versehen und sorgfältig redigiert
worden. Dem Aufsatz über die Sagen von den „eingemauerten Menschen" folgt
„S. Petrus, der Himmelspförtner", eine Besprechung zahlreicher Schwanke voll
Humor und Satire, ferner Abhandlungen über die nordgermanischen Balladen „Von
der sprechenden Harfe", und über die Märchen und Allegorien von „Glück und Un-
glück" und vom „Hemd des Glücklichen". Alle in der schlichten, herzerfreuenden
Weise des grundgelehrten und vielbelesenen Forschers abgefasst. Seh. hat seinen schönen
Nachruf (JBL. 1893 I 2 : 30) und ein Verzeichnis der Schriften Köhlers (neben mehreren
Ausgaben gegen 500 Aufsätze und Recensionen) beigegeben. Den Anmerkungen
kam B.s glänzende Beherrschung der Stoffgeschichte zu statten.2) — Die im Vor-
jahre angezeigte Sammlung von Gustav Meyer (JBL. 1893 I 2 :49; 5 : 2) hat noch
eine Besprechung erfahren3). —
Nach wie vor bemühen sich nur wenige Forscher um die Aufdeckung der
in der älteren Litteratur, in geistlichen Erlassen des Mittelalters usw. reichlich vor-
handenen Quellen zur Volkskunde. Gröber4) hat Konzilbeschlüsse und Kapi-
1) Reinh. Köhler, Aufsätze über Märchen u. Volkslieder. Aus seinem hs. Nachl. her. v. J. Bolte u. Erich
Schmidt. B.Weidmann. VIII, 152 S. M. 3,00. |[K. Weinhold: ZVVolksk. 4, S. 98; E.Matthias: WeimarZg. N. 93;
H. Gaidoz: Melusine 7, S.46,7; D. K(ock): Folklore 7, S. 172.J| - 2) X &• Ellinger, R. Köhlers letzte Gabe: NationB. 11,
S. 602,4. (üeber N. 1.) — 3) X E. Wasser zieh er: PrJbb. 75, S. 173/5. — 4) G. Gröber, Z. Volkskunde aus Konzil-
beschlüssen u Kapitularien. Herrn Geh.-R. K. Weinhold z. 26. Okt. 1893 dargebr. Strassburg i. E., Trübner. 26 S. M. 1,00.
A. Hauffen, Volkskunde. I 5.5-23
tularien, Amersbach5) die Schriften Grimmeishausens für die Volkskunde ver-
wertet. —
Weit eifriger ist man jetzt in der Sammlung der gegenwärtigen volks-
tümlichen Ueberlieferungen in einzelnen Gegenden Deutschlands. Eine
Anleitung für Mitarbeiter an solchen Sammlungen hat Jiriczek6) im Auftrage
des deutschen Hauses in Brunn (an ältere Schriften der Art sich anschliessend) in
übersichtlicher und sehr zweckdienlicher Weise ausgearbeitet. — In einem an die
rheinische Lehrerschaft gerichteten Vortrag giebt Rademac her") einen guten
Ueberblick über das ganze Gebiet der Volkskunde und deren bisherigen Betrieb in
Deutschland, und zeigt dann im einzelnen, in welcher Weise sich die Volksschullehrer
an der Sammlung und Darstellung des volkskundlichen Materials fruchtbar beteiligen
könnten.8-9) —
Von den älteren Unternehmen dieser Art ist die Sammlung mecklen-
burgischer Volksüberlieferungen, die W o s si dlo l0_11) leitet, am weitesten ge-
diehen. Neben Proben : Redensarten über das Tanzen, hat W. seinen zweiten Bericht
veröffentlicht, aus dem wir ersehen, dass er an Rätseln, Liedern, Sagen, Kinder-
reimen, Sprüchen, Redensarten usw. schon über 20000 Varianten beisammen hat und
schon weit über die bekannte Sammlung von Bartsch hinausgekommen ist.12"13) —
Auch die badische Sammlung (JBL. 1893 15: 13) schreitet, wie Pfaff14)
berichtet, rüstig vorwärts. Nach der Verteilung von 3000 Fragebogen ist alsbald
ein grosses Material eingelaufen, und der grossherzogliche Oberschulrat hat, „von
der hohen Nützlichkeit dieses Unternehmens überzeugt", die badischen Volksschul-
lehrer zur Mitarbeit auffordern lassen. — Zur Erläuterung der badischen Fragebogen
hat E. G. Meyer15) eine kleine Schrift veröffentlicht, worin er einen geschichtlichen
Ueberblick über den bisherigen wissenschaftlichen Betrieb der Volkskunde (vornehmlich
in Baden) giebt, auf die Wichtigkeit der Namen, Mundarten, Haustypen für die Er-
forschung der Stammesgeschichte, sowie der Bräuche, Volksanschauungen und Sagen
für die Erhaltung der Mythologie verweist und seine Erörterungen an zahlreichen
Beispielen (so S. 21 an der Sage von der weissen Frau) erklärt. -
Zur Sammlung heimatlicher Volksüberlieferungen hat sich in Würzburg
ein Verein für bayerische Volkskunde und Mundartenforschung unter O. Brenners
Leitung gebildet 16j, zu dem gleichen Zweck in Breslau auf Vogts und Nehrings An-
regung hin eine schlesische Gesellschaft für Volkskunde17). Die letztere giebt
unter Vogt und Jiriczeks18) Leitung Mitteilungen heraus, deren erste Hefte noch
in das Berichtsjahr fallen. —
Den für die Siebenbürger Sachsen berechneten Fragebogen (JBL.
1893 I 5:26) hat Wagner19) für Draas reichhaltig und musterhaft beantwortet. —
Für volkskundliche Sammlungen in ganz Deut seh- Böhmen hat Hauffen20),
als Leiter des Unternehmens, im Auftrage der Gesellschaft zur Förderung deutscher
Wissenschaft, Kunst und Litteratur in Böhmen, einen sehr ausführlichen Fragebogen
veröffentlicht. — Die Gründung des inzwischen zu schönen Erfolgen vorgeschrittenen
Vereins für österreichische Volkskunde kündigte Haberlandt21) in einem warm
und fesselnd geschriebenen Aufsatz an, in dem er zugleich die Aufgaben und Ziele
des neuen Vereins andeutete. 22~22a) —
Neben diesen (Grösseres erst vorbereitenden) Unternehmen sind auch einige
zusammenfassende Darstellungen der Volkskunde einzelner Gegenden
zu verzeichnen. So wurde in dem grossen Sammelwerke über Oesterreich-Ungarn
das Volksleben der Deutschen in West-, Nord- und Ostböhmen (Menschenschlag',
Lebensverhältnisse, Trachten, Dorfanlage, Hausbau, Feste und Bräuche, Lieder und
Sagen) von Naaff23), das Leben und die Poesie der Deutschen im Böhmerwalde
— 5) K. Amersbach, Aberglaube, Sage u. Märchen bei Grimmeishausen. II. Progr. Baden-Baden. 1893. 4°. 46 S. (Ygl.
JBL. 1891 III 3:3; s. auch u. UI 3 : 7.) — 6) 0. Jiriczek, Anleit. z. Mitarbeit an volkskundl. Samml. Brunn, Dtsch. Haus.
31 S. M. 0,20. |[K. Weinhold: ZVVolksk. 4, S. 218.]| — 7) C. Rademacher, Lehrerschaft u. Volkskunde. Bielefeld.
Helmich. 16 S. M. 0,40. |[P. Schaeffer: Urquell 5, S. 115.]| — 8) X A.- Schullerus, Volkstum u. Yolkst&ml. Er-
ziehung. (= D. 6. siebenbürg.-sächs. Lehrertag. [Hermannstadt, Krafft. 83 S. M. 1,20], S. 30-55.) — 9) X L. Fränkel,
F. S. Krauss, Böhmische Korallen (JBL. 1893 I 5:3): ASNS. 92, 8. 70/1. — 10) B. Wossidlo, Volkstümliches aus Mecklen-
burg aus d. Volksmunde. V. Tanzen: BostockZg. N. 252. — II) id., 2. Bericht über d. Samml. mecklenbnrg. Volksüberlieferungen :
ib. 11. März. (Ausz. daraus im QBer. zu JbbVMecklG. 59, S. 54;9.) — 12) X Ueber d. Samml. mecklenbnrg. Volks-
überlieferungen: KBGV. 42, S. 80/1. — 13) X M- Drfeyer], Mecklenburg. Volksüberlieferungen. E. Sammelwerk dtsch.
Geistes u. dtsch. Fleisses: TglRs". N. 244. - 14) F. Pfaff, Biid. Volksk.: Alemannia 22, S. 96, 191/2. — 15) E. H. Meyer,
Bad. Volksk. Bonn, Hanstein. 23 S. M. 0,50. |[K. Weinhold: ZVVolksk. 4, S. 459.]| (Sonderabdr. aus Alemannia 22,
S. 97-119.) — 16) Aufruf z. Samml. bayer. Volksüberlieferungen. Würzburg, Sturtz. 4 S. (Nebst e. Fragebogen.) — 17) Frage-
bogen d. Schles. Ges. für Volksk. Breslau, Wollmann. 8 S. (Privatdr.) — 18) F. Vogt u. 0. Jiriczek, Mitteilungen d.
schles. Ges. für Volksk. Bd. 1, Heft 1 u. 2. Breslau, im Verl. d. Ges. - 19) J. Wagner, Z. Volksk. aus Draas: KBIVSbnbgL. 17,
S. 81-119. — 20) [A. Hauffen], Fragebogen z. Samml. d. volktüml. Ueberlieferungen in Deutsoh - Böhmen. Prag,
Verl. d. Ges. z. Förderung dtsch. Wissensch., Kunst u. Litt, in Böhmen. 14 S. — 21) M. Haberlandt, Oesterr.
Volksk.: NFPr. N. 10 894. — 22) X A. Tille, D. 2. internat. Folklore-Kongr. : Zukunft 6, S. 297-305. — 22a) OX Bll. für
Pommersche Volksk. Her. v. 0. Knoop u. A. Haas. 3. Bd. Stettin, Burmeister. 12 Nrr. ä 1 Bog. M. 4,00. —
23) A. Naaff, Volksleben d. Deutschen in West-, Nord- u. Ostböhmen. (=D. österr.-ung. Monarohie in Wort n. Bild.
I 5:24-58 A. Hauffen, Volkskunde.
von Rank24) anschaulich geschildert. — Als Ergänzung- hierzu dient Gradls25)
Uebersicht über die vier deutschen Mundarten in Böhmen und deren Grenzen. — Für
einzelne Kreise des Niederrheins, die Gegend von Geldern, Aachen und Düssel-
dorf, hat Schmitz26) sehr reiche volkskundliche Beiträge geliefert: mundartliche
Lieder, Reime, Sprüche, Redensarten, ferner eine eingehende Schilderung des Lebens,
der Spiele, Feste und Bräuche mit vollständiger Angabe der darauf bezüglichen mund-
artlichen Bezeichnungen. — Ihre köstlichen Schilderungen der Lebens- und Arbeits-
weise, der Bräuche und Anschauungen von Tiroler27) Landleuten hat Marie
Rehsener28) (JBL. 1893 I 5:20) fortgesetzt. — Mitteilungen über Kalenderfeste,
Hochzeit, Kinderspiele, Dämonen und Hexenglauben im Elsass hat Stehle29) bei-
gesteuert.30) — Schleichers31) Sammlung von Volksüberlieferungen aus Sonneberg
im Meininger Oberlande, die zuerst 1858 erschienen ist, wurde in neuer unver-
änderter Auflage ausgegeben. — Verwandte im Vorjahre erschienene Schriften32"33)
sind neuerdings recensiert worden.34-36) —
Unter den Abhandlungen über einzelne Volksbräuche37) muss die be-
lehrende Studie über die Totenbretter von Hein 38) hervorgehoben werden,
worin die Verbreitung dieses höchst beachtenswerten Seelenkultes genau angegeben
wird. Seine Grenzen umfassen ein weites Gebiet, grösstenteils des bayerischen
Stammes. Von der Oberpfalz bis ins Tirolische, vom Lech bis in den Böhmerwald
und nach Oberösterreich, ferner Westböhmen und den nordöstlichen Winkel Böhmens
(Braunau). Nebenbei erfahren wir hier manches über die Sitten beim Todesfall, über
den malerischen Schmuck und die Inschriften der Totenbretter. Instruktive Bilder
(namentlich aus Salzburg) und eine Bibliographie sind beigegeben. 39). —
Zahlreiche Sonderarbeiten sind über Jahresfestb rauche erschienen.
Ueber münsterische F a s t n a c h t s belustigungen des 16. Jh. veröffentlicht Bahl-
mann40) die ausführlichen Berichte des Oberkantors Melchior Röcheil. Die ver-
schiedensten derben Maskenscherze, die Faschingsbräuche der einzelnen Zünfte und
Brüderschaften lernen wir hier kennen. Zum Schluss teilt B. zwei Ballordnungen der
münsterischen Landesregierung aus dem 18. Jh. mit. — Einen knappen Ueberblick
über deutsche Fastnachts-Bräuche und -Lieder giebt Gehmlich41), über Oster-
bräuche42) G i 1 1 h o ff43). — Zu den Frühlings brauchen 44~48) gehört auch das
Scheibentreiben. Zu seiner über diesen Gegenstand veröffentlichten Abhandlung hat.
Vogt49) im Anschluss an eine Schrift von Gaidoz Nachträge veröffentlicht. — Tilles
„Geschichte der deutschen Weihnacht" (JBL. 1893 I'5:61) ist wiederholt be-
sprochen worden50). Wein hold lehnt das Gesamtergebnis dieser fleissigen, aber
unzuverlässigen Untersuchung mit ähnlicher Begründung ab, wie es Vogt im Vor-
jahre an dieser Stelle gethan hat. W. tadelt ausserdem die unsichere Beweisführung,
die mangelhafte Gliederung der Zeugnisse nach Zeit und Landschaft, und berichtigt
eine Reihe von einzelnen Versehen.51) — Nachrichten über eine Gruppe verschiedener
Volksbräuche52) werden durch die von der Zeitschrift „Am Urquell" veranlassten Um-
fragen53-57) von verschiedenen Seiten zusammengetragen. —
Böhmen. 1. Abt., 14. Bd. [Wien, Hof- u. Staatsdrnckerei. 618 S. M. 11,40], S. 496-564.) - 24) J. Rank, Volksleben d. Deut-
schen im Böhmerwalde. (= N. 23, S. 564-603.) — 25) H. Gradl, D. Dialekte d. Deutschen. (= N. 23, S. 604-18.) —
26) W. Schmitz, D. Misch-Mundart in d. Kreisen Geldern (südlicher Teil), Kempen, Erkelenz, Heinsberg, Geilenkirchen,
Aachen, Gladbach, Crefeld, Neuss u. Düsseldorf, sowie noch mancherlei Volkstümliches aus d. Gegend. Dülken, Kugelmeier.
211 S. M. 1,80. — 27)XTh. Hell, Auf e. Bauernhofe im Gsiessthal in Tirol: ZVVolksk. 4, S. 77-80. — 28) MarieRehsener,
Aus Gossensass. Arbeit u. Brauch in Haus, Feld, Wald u. Alm. IL: ib. S. 107-33. — 29) B. Stehle, Volkstüml. Feste, Sitten
u. Gebräuche im Elsass: JbVogesClub. 10, S. 217-42. — 30) X Kassel, Z. Volkssitte im Elsass: ib. S. 180 8. (1. D.
Rummelbrettchen in Minversheim. E. Nachbarschaftszeichen, wodurch z. Glockenläuten bei nahendem Gewitter gemahnt
wurde. 2. E. Hochzeit in Mietesheim.) — 31) O X A. Schleicher, Volkstümliches aus Sonneberg im Meininger Oberlande.
2. Aufl. Sonneberg, Albrecht. XXV, 158 S. M. 3,00. — 32) X W. Müller, Beitrr. z. Volksk. d. Deutschen in Mähren (JBL. 1893
I 5:38). |[L. Fränkel: Urquell 5, S. 200/1; L. Frey tag: COIRW. 22, S. 184; A. Hruschka: MVGDßB. S. 62,3.]| — 33) X
H. v. Wlislocki, Volksglaube u. Volksbrauch d. Siebenb. Sachsen (JBL. 1893 I 5:22). |[G.E.: Nation». 11, S. 748 ; W.Golther:
ZVLR. 7, S. 233,4; L. K(aton)a: LCB1. S. 1301/2; R. M.: Bär 20, S. 40; DR. 1, S. 272; VossZg. N. 364.]| - 34) O X E- F-
v. Mülinen, Beitrr. z. Heimatkunde d. Kantons Bern dtsch. Teils, fortges. v. W. F. v. Mülinen. 6. Heft. (3. [Schluss-]T1. :
D. Seeland.) Bern, Wyss. S. 385-606. M. 2,40. — 35) X E- Otto, Aus d. Volksleben d. Stadt Butzbach: AHessG. 1, S. 329-99.
(Reiche Mitteil, über Spiele, Tänze, Bräuche u. a. aus archival. Quellen.) — 36) X S. Schweinburg, Z. Volkskunde d.
Juden Böhmens: Urquell 5, S. 1701, 225/8. — 37) O X G. A. Keusch, Dtsch. Festzeiten u. Festbräuche einst u. jetzt:
NK11EU. 23. S. 152-80. — 38) W. Hein, D. geograph. Verbreitung d. Totenbretter. Wien, Holder. 4°. 17 S. Mit 2 Lichtdr.-
Taf. M. 3,00. |[K. Weinhold: ZVVolksk. 4, S. 463,4.]! (Sonderabdr aus MAnthrGesWien. 24, S. 56-71.) - 39) X A. Frey be,
D. dtsch. Leichen- oder Totenmahl: NKZ. 5, S. 677-86. — 40) (I 4:33.) — 41) E. Gehmlich, Fastnacht: LZg". N. 16. —
42) X H- Sohnrey, Grüne Ostern u. fröhliche Leute. E. Osterbild u. e. Ostermahnung v. Lande: TglRs». N. 29. — 43) X
.1. Gillhoff, Allerlei Ostern: NatZg". N. 193. - 44) X R- ▼• Strele, April: WienZg. N. 96. — 45) X id., Mai: ib. N. 112/3.
— 46) X C. Sterne, Walburgisnacht: TglRs". N. 99-100. — 47) X E- Glaser, Pflanzen- u. Kräuterkultus am Johannistage :
Bär 20, S. 312/4. - 48) X H. Hartmann, Mittsommer: VossZg'5. N. 25. — 49) F. Vogt, Beitrr. z. dtsch. Volksk. aus älteren
Quellen. V. Z. Scheiben treiben: ZVVolksk. 4, S. 195,7. (Vgl. JBL. 1893 I 5:52.) — 50) X K- Weinhold: ZVVolksk. 4,
S. 100,1; L. Fränkel: Urquell 5, 8. 140; TglRs. N. 47 (Nachtr. N. 50). — 51> X A- v. Weilen, D. heilige Nacht : MontagsB.
N. 52. — 52) X L- Müller, Loosbräuche unter d. Kinderwelt: LZg». N. 136. — 53) X ß- Sprenger, Vom Bahrrecht. E.
Umfrage: Urquell 5, S. 284. — 54) X M. Höfler, D. Lösung d. Zungenbändchens. E. Umfrage: ib. S. 191, 281. — 55) X
J. Mestorf, D. Ausbuttern. E. Umfrage: ib. S. 281/2. — 56) X J. Mestorf, E. Mandel, H. Volksmann, Bauopfer: ib.
S. 157/8. — 57) X R Krause, Hahn aus d. Tonne werfen: ib. S. 30/1, 289. — 58) 0. Panizza, D. Haberfeldtreiben im
A. Hauffen, Volkskunde. I 5 : 59-108
Noch zahlreicher sind kleinere Beiträge über den oder jenen Brauch in
einzelnen Landschaften oder einzelnen Orten. Dem Haberfeldtreiben, diesem be-
kannten volkstümlichen Strafgericht im bayerischen Gebirge hat Panizza58) eine
sehr anziehende, wie es scheint ein bischen idealisierende Studie gewidmet. Er
schildert die Geschichte und die Art der Ausführung beim Treiben, betont die Be-
rechtigung und den sittlichen Wert dieses aus dem unverfälschten Rechtsgefühl des
Volkes erwachsenen Brauches und teilt — dies geschieht überhaupt zum ersten
Male — einen vollständigen Haberertext mit59). — Neue Belege zu dem alten Rechts-
brauch vom „Schwur unter dem Rasen" (JBL. 1893 I 5:77) haben Wein hold60)
aus Oels in Schlesien (1610) und Paudler61) aus Nordböhmen beigesteuert. — Be-
sprechungen des Kölner Karnevals 62) und fröhlicher Maifeste (von Rade-
macher63), eine Fortsetzung zu JBL. 1893 I 5:60) führen uns an den Rhein. 64) —
Eine kleine Sammlung von Haus- und Hofmarken zumeist aus der Steiermark ver-
öffentlichte 1 1 w o f 65). — Vereinzelte Mitteilungen sind ferner zu verzeichnen aus
Schwaben66"67), Nieder-68"71*) und Oberösterreich72), aus den österreichischen
Alpenländern73"76), aus Böhmen76a), aus Nassau77), den Rheinlanden78"70), Thüringen80),
Franken81"82), Sachsen83), der Lausitz84) und aus dem nördlicheren Deutschland85"88). —
In dem Abschnitte über Aberglauben8991) oder Volksglauben fs. auch
I 4 : 138— 144), dem die Mythologie92-94), natürlich nur so weit als sie mit den lebenden
Volksanschauungen zusammenhängt, beigefügt werden mag, muss der schöne all-
gemein zusammenfassende Vortrag von Vogt 95) vorangestellt werden. Seine Quellen
waren allerjüngste hs. Berichte evangelischer Geistlicher aus 55 Diöcesen an das
königliche Konsistorium der Provinz Schlesien. Wenn auch dieses Material be-
greiflicher Weise fast nur solche abergläubische Vorstellungen und Sitten darbot, die
vom kirchlichen Standpunkt aus für gefährlich galten, so war es doch so reich-
haltig, dass V., eine Auswahl treffend, höchst belehrende Mitteilungen von den noch
heute geltenden Anschauungen über Gestalt und Wanderung der Seele, über Dämonen
und Elbe, zauberische Heilkräfte und Bräuche geben konnte. — Ebenfalls auf den
gegenwärtigen Volksglauben in Mittelschlesien beziehen sich Baumgarts96) bunte
Aufzeichnungen. 97_99a) —
In einzelnen Mitteilungen und Darstellungen wurden verschiedene besondere
Gebiete des Volksglaubens behandelt, so dessen Beziehungen zur Rechts-
pflege von Fuld100), zum Kartenspiel von Treichel101), zur Zahl Neun von
Weinhold102). — Eine überaus reichhaltige Zusammenstellung aller auf Fuss und
Schuh bezüglichen Volksanschauungen und Bräuche hat Sartori103) geliefert.
bayer. Gebirge: FrB. 5, S. 37-50. — 59) X (I 4:53.) — 60) K. Weinhold, Abermals d. Schwur unter d. Rasen:
ZVVolksk. 4, S. 214/5. (Vgl. JBL. 1893 15:77.) - 61) X A. Paudler, D. Schwörgrube: MNordböhmExcursClub. 17,
S. 331/2. — 62) X D- Köln. Karneval: Sammler A. N. 28. — 63) X C Eadem acher, Maisitten am Rhein: Urquell 5,
S. 17/9, 57/9. (Darunter e. Pfingstlied mit Erltat) — 64) X W. v. Schnlenburg, Volkskundl. Mitteil.: VGAnthr. S. 306-11.
(V. Rhein u. aus Bayern; Niklas; Göttin Bertha.) — 65) P. Ilwof, Haus- u. Hofmarken: ZVVolksk. 4, S. 279-82. — 66) X
H. Sohnrey, E. Bauernhochzeit im Schwarzwalde: TglRsB. N. 179-80. — 67) X D Eierlesen an Ostern: SchwäbKron. N. 73.
— 68) X E- Frischauf, E. alter niederösterr. Hochzeitsbranch : ZVVolksk. 4, S. 215/6. — 69) X Ph. Goldberger, D.
wilde Braut: Urquell 5, S. 279-80. (Wilde = falsche Braut; niederösterr.) — 70) X E- Frischauf, Schwerttanz u. Wett-
lauf: ZVVolksk. 4, S. 88. (Aus Leesdorf in Niederösterr.) — 71) X id-. Gebräuche bei Grenzbegehungen in Niederösterr.:
NiederösterrLandesf reund. 2, S. 7/8. — 71 a) X Marianne Bauer, Weihnachtsgebräuche im Wald viertel : ib. 3, S. 8-10. — 72) X E-
Piger, Geburt u. Taufe, Tod u. Begräbnis in Oberösterr.: ÖUR. 16, S. 185-201. — 73) X L- ▼. Hörmann, D. Sautreiben. E. Er-
klärungsvers, dieses Kinderspiels: BAnthrTirol. S. 243-59. (Kindl. Nachahmung d. Erntebrauchs v. Fangen u. Töten d.
Roggensau.) — 74) X K- Reiterer, Allerlei Volksbräuche aus Steiermarks Bergen: Heiragarten 18, S. 773/8. — 75) X
F. Franziszi, Unterm Hütel spielen: Carinthia 1, S. 63. (Weihnachtsbräuche aus d. Mettnitzthal. Erforschung d. Zukunft.) —
76) X J- Hutter, Pinzgauer Ranggelfeste: MGSalzburgL. 34, S. 262/4. (E. alljährl. stattfindendes Wettringen.) — 76a) X
M. ürban, Geburt, Leben u. Sterben im Egergau: FreieBildungsbll. 3, S. 24/7, 37,9, 58-60, 93/5, 121,4, 139-42. — 77) O X
H. Düsseil, Ueber d. Gebrauch u. d. Bedeutung d. Logbäume: AnnVNassauG. 26, S. 168. — 78) X C. Rademacher, D.
Spengeltuch. E. Totenbrauch aus d. Eifel: ZVVolksk. 4, S. 86/8. — 79) X H. Merkens, D. Hochzeit-Freibier im Brohlthal:
Urquell 5, S. 126/7, 154/5. — 80) X E- Haase, Kinderspiele aus Greussen in Thüringen: ib. S. 171/3. (1. Es kommt e. Pan-
toffel an [Ninive]. 2. Goldfisch. 3. Zwei Vöglein sind verbunden. 4. Meine Mutter bäckt Plätze. 5. Böses Tier. 6. Königs-
tochter.) — 81) X (I 4:51a.) — 82) X A. Hartmann, Todaustragen in Franken: Bayerns Mundarten 2, S. 289-90. (Nach
e. Kupferstich aus d. 18. Jh. „D. Toden-Mägdlein".) — 83) X E- Straumer, D. Brautsuppe in Chemnitz. E. Beitr. z. Gesch.
d. Adjuvantengesellschaften in Sachsen. Chemnitz, Troitzsch. VII, 101 S. M. 3,00. — 84) X C. Gander, Frühlings-
gebräuche in d. Lausitz: JHhAnthrOberlausitz. 1893, S. 149-60. — 85) X O. Gl öde, D. Tonnenabschlagen. E. raecklenb.
Brauch: Urquell 5, S. 30/1. — 86) X L- Frahm, Holst. Kinderspiele: ib. S. 188,9, 231/2. (Himmelhakenhoch; Mudder Ross;
Klinsch; Sag [Sauspiel].) — 87) X H. M., „Kgl. Siebenjungens-Angelegenheit": Bär 20, S. 98. — 88) X O. Glöde, D.Braut-
werber in Masuren: Urquell 5, S. 229. — 89) X F. Behr, V. Aberglauben: DPB1. 27, S. 353 5. — 90) X G. Albrecht,
Hansaberglauben: Bär 20, S. 370 2. — 91) X A- Freybe, D. dtsch. Volksabergl. u. seine pastorale Behandl.: BG1. 15,
S. 377-90, 431,2, 456-61. — 92) X M- Roediger, F. Kauffmaun, Dtsch. Mythologie (JBL. 1893 15:8): DLZ. S. 87/8. —
93) X E Mogk, Carns Sterne als Mythenforscher: BLU. S. 337,9. — 94) X O. Knoop, D. neu entdeckten dtsch. Götter-
gestalten u. Götternamen: Urquell 5. S. 9-13, 45/9, 69-71, 101/3, 134/7. — 95) F. Vogt, Ueber schles. Volksglauben:
MSchlesGesVolksk. 1, S. 4-15. — 96) X A- Baumgart, Verschiedenes V.Aberglauben, v. Sitten u. Gebräuchen in Mittelschles.:
ZVVolksk. 4, S. 80 6. — 97) X B- Freuler, E. Gang durch dunkle Kammern. Korrefer. z. „Altglarnerischen Heidentum"
im bist. Ver. Glarus. Glarus, Vogel. 162 S. M. 2,50. — 98) X °- Heilig, Aberglaube u. Bräuche d. Bauern im Tauber-
grund: Alemannia 22, S. 74,7. — 99) X V. Roth, Kleinere Mitteil. z. Aberglauben: KBIVSbnbgL. 17, S. 59-60. — 99a) X
K. Reiterer, Volksaberglaube: Heimgarten 18, S. 287-91. (Steiermark.) — 100) L Fuld, Aberglaube u. Rechtspflege: Ges.
S. 1571/3. — 101) A. Treichel, Kartenspiel u. Losglaube aus Westpreussen: Urquell 5, S. 257-61. — 102) K. Weinhold,
Z. Bedeut. d. Zahl Neun: ib. S. 1,2. — 103) P. Sartori, D. Schuh im Volksglauben: ZVVolksk. 4, S. 41-54, 148-80, 282-305,
I 5 : 104-139 A. Hauffen, Volkskunde.
Aus zahllosen Berichten vom Altertum bis in die neueste Zeit schöpft er seine Mit-
teilungen über die Bedeutung- der Fussspur, über die Glücks- und Unglücks-
verkündigung, über Zauber- und Heilkraft des Fusses und seiner Bekleidung, über
den Schuh als Sinnbild der Zeugungskraft, der Fruchtbarkeit, des Liebeszaubers,
als Zeichen der Würde und Herrschaft, als Vertreter der eilenden Wolke, endlich über
die Verwendung des Schuhes bei Hochzeiten und Begräbnissen.104-106) —
Ueber Kinder107"109), über Tiere110'111) und Pflanzen 112-115) im
Volksglauben sind kleinere Berichte aus verschiedenen deutschen Gebieten erschienen. —
Mehrere volkskundliche Aufsätze über Blumen und Bäume hat Kronfeld116) ver-
öffentlicht: von allen Seiten zusammengetragene Anekdoten, Sagen, Mythen, Lieder,
Zaubermittel und abergläubische Anschauungen. Besonders genannt seien die (zu-
meist deutsche Volkskunde behandelnden) Aufsätze „Wie die Tanne Weihnachtsbaum
wurde" und „Blumen auf Gräbern". — Mit dem letztgenannten Motiv hängt die
Anschauung vom Fortleben der menschlichen Seele in Blumen zusammen. Diese berührt
Sprenger117), indem er zu dem im Faustbuch erzählten todbringenden Zerschlitzen
des Lilienstengels Parallelen aus der neueren Volksüberlieferung beibringt. —
Wahre oder vermeintliche Heilkräfte der Pflanzen118), sowie Sympathie-
mittel119-121) aller Art finden ihre Verwendung in der Volksmedizin122), an der
die Landleute entlegener Gegenden noch heute zähe festhalten. 123) —
Verwandt damit sind die noch vielfach üblichen Segen, Beschwörungen
und Zauberformeln, die gegen Krankheiten124) und Feinde, gegen Feuer125-126)
und Unwetter127-129) angewendet werden. Sie sind nach dem Volksmunde, doch auch
aus alten Hss. 130"131) vom 15. Jh. abwärts, aufgezeichnet worden.132"136) —
Ganz im allgemeinen über Traumdeutung handelt Graff und er 137) in
einem belehrenden Vortrage, worin er u. a. auch Nachrichten über prophetische
Träume aus der Natur- und Kunstpoesie verschiedener Völker zusammenträgt. Für
die deutsche Volkskunde kommt dabei wenig heraus. —
Eine übersichtliche Schilderung des Hex enwahns 138) in Deutschland hat
C. Müller139) versucht. Er bespricht das Wesen der Hexerei und das Treiben der
einzelnen Hexen nach der älteren Volksmeinung, sowie das bestialische Verfahren bei
den Hexenprozessen; als Anhang fügt er Urteilssprüche Leipziger Schöffen nach Carpzow
bei. Carpzow ist überhaupt Müllers Hauptquelle; die übrige wichtigere Litteratur
ist fast gar nicht herangezogen worden, so erscheint die ganze Darstellung einseitig
und unvollständig. Alten und weitverbreiteten Vorurteilen leistet M. Vorschub, wenn
er in der Einleitung die furchtbare Verirrung der Hexenprozesse dem Mittelalter und
der katholischen Geistlichkeit zuschiebt. Ist es doch schon lange erwiesen, dass erst
das 16. und das 17. Jh. die hohe Zeit der Hexenprozesse waren, und dass schon zu
Beginn der Neuzeit die Hexengerichtsbarkeit aus den Händen der geistlichen in die
Hände weltlicher Richter übergegangen ist. — Eine grossartige, auf ausgedehntester
Quellenforschung beruhende Darstellung dieses Gegenstandes hat im Berichtsjahre
412-27. — 104) X 0- Schell, Einige Bemerkungen über d. Mond im heutigen Glauben d. berg. Volkes: Urquell 5, S. 173/4.
— 105) X id-. s'Ch drehende u. blutende Steine: ZVVolksk. 4, S. 214. — 106) X S. Spitzer, Blut u. Eisen: Urquell 5,
S. 133,4. - 107) X A. Haas, D. Kind im Glauben u. Brauch d. Pommern: ib. S. 179-80, 252,5, 278/9. (1. Während d.
Schwangerschaft. 2. D. Geburt. 3. Nach d. Geburt.) — 108) X M- Walesch, Volksglaube aus Bodendorf: KBIVSbnbgL. 17,
S. 17/9. (Geburt u. Herkunft d. Kindes.) — 109) X 0- Schell, Woher kommen d. Kinder? E. Umfrage: Urquell 5, S. 80,1,
162, 287. (Mitteil, aus Pommern, Elberfeld, Thüringen, Siebenbürgen.) — HO) X id.. Einige Bemerk, über d. Eidechse im
Volksglauben: ib. S. 113/4. — 111) X H. Theer-Söby, Bienenzauber u. Bienenzucht: ib. S. 21,3. — 112) X A. Treichel,
Volkstümliches aus der Pflanzenwelt, bes. für Westpreussen. IX-X: AltprMschr. 31, S. 240-319, 431-69. — 113) X J- Sepp,
Baumkult in Oberbayern u. d. mehrfacheu Schicksalsbäume: MschrHVOberbayern. 3, S. 136-41. - 114) X °- Medung, D.
Symbolik d. Pflanzen: SchorersFamilienbl. 15, S. 116,9. — 115) X L- Frey tag, C. Rosenkranz, D. Pflanzen im Volksaberglauben
(JBL. 1893 I 5:106): COIRW. 22, S. 249-50. - 116) M. Kronfeld, Bei Mutter Grün. Wien, Merlin. VIU, 124 S. M. 1,20.
- 117) R. Sprenger, D. Wurzel d. Lebens: Urquell 5, S. 143/4. — 118) X M- Höfler, Wald- u. Baumkult in Beziehung
z. Volksmedizin Oberbayerns. Neue (Titel-)Ausg. München, Galler. VIII, 170 S. M. 2,00. — 119) X w- Marshall, Neu
eröffnetes wundersames Arzneikästlein, darin allerlei gründl. Nachrichten, wie es unsere Voreltern mit d. Heilkräften d. Tiere
gehalten haben, zu finden sind. L., Twietmeyer. 127 S. M. 2,00. |[H. v. W(lislocki): Ethnographia 5, S. 209-10.]| — 120) X
0. Gl öde, Sympathieformeln aus Mecklenburg: Urquell 5, S. 286. (Heilsprüche gegen Kinderschwamm u. Blutungen.) —
121) X Aberglaube u. Sympathie in d. Altmark. Bismark. Bergau. 12°. 41 S. M, 0,15. — 122) X Genth, Aberglaube u.
Volksmedizin in d. Gegenw.: AnnVNassauG. 26, S. 164/ä. (Ref. aus e. Vortr.) — 123) X E- Lemke, Z. Volksarzneikunde.
Sympathetisches Mittel wider d. Gicht : Brandenburgia N. 5. (Nach e. Danziger Aufzeichnung aus d. Ende d. 18. Jh.) — 124) X
S. Weber, Zipser Beschwörungsformeln. D. Wunder- u. Heilkraft d Frosches: EthnMUng. 3, S, 296. — 125) X A. Zinke,
Feuer- u. Blutsegen: MNordböhmExcursClub. 17, S. 329-31. — 126) X H., Feuersegen: Bär 20, S. 3267. — 127) X F. v. An-
drian, Ueber Wetterzauberei. Wien, Holder. 121 S. M.4,00. |[H. v. W(lislocki): Ethnographia 5, S. 132/3. j| (Sonderabdr.
aus MAnthrGesWien. Bd. 24.) — 128) X A. Treichel, Beitr. über Wetterzauber u. Steinaberglauben: KBlAnthr. 25, S. 12,3. —
129) X K. Fuchs, E. alte Beschwörungsformel: EthnMUng. 3, S. 240/3. (Aus d. Zips. Wenn Wolken d. Sonne bedecken.)
130) X F- R- v. Wieser, E. Zauberspruch: ZFerdinandeum. 38, S. 521/3. (Gegen Hundswut, aus e. Hs. d. 15. Jh.) — 131) X
K. Priebsch, Segen aus Londoner Hss.: ZDA. 38, S. 13-21. (15. Jh. Zumeist dtsch. Segen.) — 132) X R- Kaindl, E.
dtsch. Beschwörungsbuch, aus d. Hs. her. Czernowitz, Pardini. 28 S. M. 1,00. — 133) X F- Kluge, Tagwahlen u. Segen
aus e. Freiburger Hs. d. 16. Jh.: Alemannia 22, S. 120/2. — 134) X L- Mätyäs. Aus d. Volksglauben d. Schwaben v. Solymäs,
Szent-lvänu. Hidegkut: EthnMUng. 3, S. 244/7. (Beschwörungen.)- 135) X A. Hermann, Zaubergeld : Urquell 5, S. 23, 104. (Aus
Kurmark u. Pommern.) — 136) X Diebglauben: ib. S. 289-90. (Aus Pommern.) — 137) P. Graffunder, Traum- U.Traum-
deutung. (== SGWV. N. 197.) Hamburg, Verlagsanst. 38 S. M. 0,80. — 138) X B- E- König, Ausgeburten d. Menschen-
wahnes (JBL. 1893 I 5 : 113): BerlTBl. N. 99. — 139) C. Müller, Hexenprozesse u. Hexenaberglaube in Deutschland. (= ÜB.
A. Hauffen, Volkskunde. I 5 ■ 140-179
Janssen140) in seiner deutsehen Geschichte geliefert. — Mit einer guten bündigen
Schilderung des Hexenwesens verbindet Hei gl141) seine Kampfschrift gegen den
Spiritismus, auf die inneren Beziehungen zwischen diesen beiden menschlichen Ver-
irrungen hinweisend. — Nachrichten über den noch heute im Bergischen als Ver-
sammlungsort der Hexen geltenden Jaberg bringt Schell 142). — Ueber Hexen und
Zauberer in Kärnten berichtet von Jaksch 143) nach älteren Akten, über den heutigen
Hexen wahn im niederösterreichischen Wald viertel Popp 144). —
Ueber Teufelsnamen145) handelt Höfler146), über volkstümliche An-
schauungen vom persönlichen Tode N e e d on147"148). —
Ueberaus zahlreich sind die Sagensammlungen des Berichtsjahres :
neben einigen unbedeutenden Veröffentlichungen allgemeiner Art14""151) zumeist
grössere Sammlungen oder kleinere Mitteilungen aus den einzelnen Landschaften,
von denen hier nur die wissenschaftlichen, neues Material bietenden Ausgaben näher
berücksichtigt werden können. —
Oberdeutschland 152) ist durch drei Sammlungen aus Baden-
Baden 153"155), einige Versteinerungssagen aus Oberbayern156"157) und einzelne Mit-
teilungenaus Niederösterreich158"159), Tirol160-161), Vorarlberg162163), Steiermark 104-i65),
Kärnten 166) und der Schweiz 16T) vertreten. — Besonders hervorzuheben sind nur die
von Hauser 168) herausgegebenen Sagen aus dem Paznaun, einem an Vor-
arlberg grenzenden Tiroler Thale. H., selbst ein geborener Paznauner, giebt die
Sagen genau nach den Mitteilungen des Volkes (die eingestreuten Redensarten,
Sprüche usw. in der Mundart), darum sind sie durch einen ganz besonderen Reiz
frischer Unmittelbarkeit ausgezeichnet. Die meist uralten Sagenmotive werden
von den Erzählern auf heimische Oertlichkeiten und Zeitgenossen übertragen
und haben darum für das Volk dauernd eine ganz gegenwärtige Bedeutung. Die
eigenartigen Lebensverhältnisse des Hochgebirges, vor allem die Almwirtschaft, bilden
den Hintergrund dieser Sagen. Wichtig ist N. 74 „Der Geliebte am Kammerfenster",
wodurch zum ersten Male das Lenorenmotiv auch für Tirol belegt erscheint. —
Die mitteldeutschen Gegenden169"170) sind noch stärker vertreten.
An die Rheinufer schliessen sich viele romantische, zumeist unvolkstümliche Sagen
und Erzählungen an, die immer wieder für weitere Kreise171"172), auch in französischer
Sprache173174) neu aufgelegt werden. — Sieben nordthüringer Sagen teilt Fränkel175)
aus einer seltenen Schrift F. C. Lessers aus dem J. 1754 mit. — Unter den sächsischen
Sammlungen ,76~178) ist Meiches179) Sagenbuch hervorzuheben, das aus dem
N. 3166/7.) L., Reclara. 173 S. M. 0,40. — 140) (I 4:9.) — 141) (I 4:139.) — 142) 0. Schell, D. berg. Blocksberg:
ZVVolksk. 4, S. 213/4. — 143) (I 4:138a.) — 144) K. Popp, Volksglaube im nlederösterr. Waldviertel: Urquell 5,
S. 175/6, 261/2. — 145) X P- Jacob, Ueber d. Teufel in Torgau: PAVTorgau. 7, B. 27. (Ref. über e. Vortr.) -
146) M. Höfler, Teufel-Namen: Urquell 5, S. 205/7, 242/5. — 147) X K- Needon, Freund Hein: LZg». N. 141. — 148) X
G. Feilberg, Warum gehen Spukgeister kopflos um? E. Umfrage: Urquell 5, S. 78/9, 197. (Vgl. auch JBL. 1891 I 5 : 120/2.)
— 149) X B. Schlegel, J. u. W. Grimm, Dtsch. Sagen. Ausgew. u. bearb. L„ Gressner. 12°. 100 S. M. 0,60. — 150) X
J. Andrä u. O. Hoffmann, Kleine Sagenkunde. Erzählungen aus d. griech., röm. u. dtsch. Sage. Für d. 1. Unterr. in d.
Gesch. 2. Aufl. L., Voigtländer. III, 114 S. M. 0,80. — 151) X Carola Freiin v. Eynatten, Dtsch. Sagen u. Ge-
schichten. 2. (Titel-)Aufl. Bonn, Hanstein. III, 233 S. M. 1,80. - 152) X Mari" Savi-Lopez, Alpensagen (IBL. 1893 15:154).
||L. Freytag: COIRW. 22, S. 431/2; VossZg. N. 170. [j — 153) X D- Sagen v. Baden-Baden u. seiner Umgebung, nach d.
14 Fresken d. Trinkhalle erzählt. Baden-Baden, Wild. 12°. VI, 100 S. M. 0,75. — 154) X Aurelias Sagenkreis. D. schönsten
Geschichten, Sagen u. Märchen v. Baden-Baden u. d. Schwarzwalde. 2. verm. Aufl. ebda. VII, 224 S. M. 2,00. — 155) X
L. B e r n o w , D. Sagen d. Trinkhalle zu Baden-Baden. 2. Aufl. Baden-Baden, Spiess. 31 S. M. 0,50. — 156) Xw-V- Schulen-
burg, Steinaltertümer in Oberbayern: VGAnthr. S. 249-53. (Einige Versteinerungssagen.) — 157) X A- Steinberger, Aus
Bayerns Vergangenheit. Erzählungen aus d. Gesch. u. Sage unseres Vaterlandes. Für Schule u. Haus verf. 1. u. 3. Bd.
Regensburg, Nat. Verlagsanst. XII, 268 S.; V, 171 S. ä M. 1,20. (1. Bd.: Aus d. älteren u. d. Beginn d. mittleren
Gesell. 2. verm. u. verb. Aufl.; 3. Bd.: Aus d. Ende d. mittleren u. aus d. neueren Gesch.) — 158) X G. Calliano, Nieder-
österr. Volkssagen : NiederösterrLandesfreund. 3, S. 10/5, 50/1, 115/6. — 159) X H. Mose, Aus d. Waldmark. Sagen u. Geschichten
aus d. Rax-, Semmering-, Schneeberg- u. Wechselgebiete. 2. verb. u. verm. Aufl., Pottschach, Lipsch. VI, 87 S. M. 0,70. —
160) X J- Seeber, J. v. Zingerle, Sagen aus Tirol (JBL. 1893 I 5 : 164): ZDPh.26, S. 280/1. — 161) X P- Linder, Aus d.
Sagenkreise Osttirols. Erzählungen. Innsbruck, Vereinsbuchh. III, 143 S. M. 1,20. — 162) X J- Wichner, Vor d. Arlberg.
Natur, Gesch., Sagen u. Legenden. (= Jugendlaube. Her. v. Hermine Proschke. Bd. 9-10.) Graz, Leykara. 12°. V, 144 S.
M. 1,40. — 163) X L. Frey tag, F. J. Vonbun, D. Sagen Vorarlbergs: COIRW. 22, S. 429. — 164) X K. Reiterer, Sagen
u. Volksmeinungen aus d. Ennsthaler Gebiete: Heimgarten 18, S. 543/8. — 165) X Aus d- Gegend v. Sausal in Untersteiermark:
ZVVolksk. 4, S. 451. (Sagen v. Wassergeistern, v. Verstorbenen, v. d. Mutter Gottes u. vom Teufel.) — 166) X G- Nageler,
Teufelssagen aus Oberkärnten: ib. S. 445,7. (Nach d. Aufzeichn. e. Kärtner Bauern v. K. Weinhold mitget.) — 167) X
S. Singer, Sagen u. Gebräuche d. 17. Jh. aus d. Schweiz: ib. S. 447-51. (Nach e. Züricher Druck d. J. 1646.) — 168) Ch.
Hauser, Sagen aus d. Paznaun. Innsbruck, Wagner. IV, 121 S. M. 1,20. |[L. Frey tag: COIRW. 22, S. 428/9.JJ - 169) X
Th. Aufsberg, Sagen u. Geschichten aus Mittelfranken. Bausteine für d. Unterr. in Geogr., Gesch. u. Heimatk. ges. u.
bearb. Nürnberg, Korn. VI, 58 S. M 0,60. — 170) X F- Hundt, Barg Hohenfels in Gesch. u. Sage, nebst e. kurzen
Beschreib. Wiesbaden, Birlenbach. 12°. 29 S. M. 0,25. - 171) X w- 0. Hörn, D. Rhein. Gesch. u. Sagen seiner Burgen,
Abteien, Klöster u. Städte. 4. Aufl. St., Greiner & Pfeiffer. VIII, 464 S. M. 10,00. — 172) X c- Trog, Rheinlands Wunder-
horn. Sagen, Geschichten u. Legenden, auch Ränke u. Schwanke aus d. alten Ritterburgen, Klöstern u. Städten d. Rheinufers.
Neue (Titel-)Ausg. 15 Bde. Wiesbaden, Quiel. 16°. M 15,00. — 173) X J- C. Saintonges, Sagas Rhenanes ou recuil de
plus interess. traditions du Rhin. Trad. de l'allem. 5. ed. ebda. VIII, 304 S. Mit 6 Stahlst. M. 2,50. - 174) X W. Ruland,
Legendes du Rhin. St., Roth. 63 S. M. 1,20. — 175) L. Fränkel, Nordthür. Volkssagen: ZVVolksk. 4, S. 327 9. - 176) X
0. Rebros, Sagenklänge v. Oybin. Ges. Sagen. Löbau, Oliva 12°. 32 S. Mit Bild. M. 0,40. — 177) X id., Sagenklänge
aus d. Sachsenlande in Prosa u. Poesie, ges. u. her. 1. Abt. d. sächs. Oberlausitz. 1. Bd. Zittau u. Umgegend, ebda. 12°.
VII, 146 S. M. 1,20. — 178) X id., Sagenklänge aus d. sächs. Schweiz. (Aus N. 177.) ebda. 12°. VII, 158 S. M. 1,20. —
179) A. Meiche, Sagenbuch d. sächs. Schweiz. L., Franke. VIII, 139 S. M. 2,00. |[A. Paudler: MNordböhmExcursClub. 17,
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. Y. (. ' J *"
I 5 : 180-212 A. Hauff en, Volkskunde.
„Meissner Hochland", zum Teil nach älteren Drucken, zum Teil nach dem Volks-
munde in acht Abteilungen Geschlechts-, Dämonen-, Gespenster-, Teufels-, Zauber-,
Schatz-, geschichtliche und Namensagen bringt. Eine Einleitung, knappe ver-
gleichende Anmerkungen und ein Anhang (Sprichwörter, Kinderlieder, Neckereien,
Aberglauben) sind beigegeben. — Aus dem benachbarten Nordböhmen sind kleinere
Mitteilungen zu verzeichnen180"182"). — Mehrere zumeist nach dem Volksmunde auf-
gezeichnete schlesische Sagen erzählt Weinhold183) mit reichen bibliographischen
und mythenvergleichenden Anmerkungen (u. a. die weisse Frau, die grüne Wiese im
Jenseits, die grosse Weltschlacht) 184). — Eine Fülle von neuem Material bringt
Knoops185) Sammlung von Posener Sagen186). Neben altem deutschem Gut sehr
viel polnische Motive, die von den Posener Deutschen aufgenommen worden sind,
endlich historische Sagen, die in der neuen Heimat in späterer Zeit entstanden.
Märchen, kurze Andeutungen über Aberglauben, Sitten und Bräuche, sowie An-
merkungen, die die slavische Volkskunde besonders berücksichtigen, sind bei-
gegeben.187-188) —
Aus Niederdeutschland189"192) seien westpreussische Stein- und Orts-
sagen193"194), ferner Magdeburger Ortssagen195) zur Deutung von Namen, Wappen u. ä.
und Schachts196) Sammlung hansischer Sagen erwähnt. Die letztgenannten beziehen
sich zumeist auf Häuser, Kirchen, Wahrzeichen, Glocken u. a. in Hamburg, Bremen
und Lübeck. Sie sind teils nach mündlicher Ueberlieferung, teils nach älteren
Sammlungen für das weitere Publikum „bearbeitet" und ohne Anmerkungen mit-
geteilt. — Eine der tüchtigsten wissenschaftlichen Leistungen auf diesem Gebiete ist
G anders197) Sammlung der Volkssagen aus dem nördlichen Teile der Nieder-
Lausitz. 198) Von den 339 Nummern sind 279 unmittelbar dem Volksmunde ent-
nommen und ohne Aenderungen schlicht und gewissenhaft wiedergegeben. Die An-
ordnung ist sehr übersichtlich: die gleichartigen Stücke sind zu abgerundeten Gruppen
an einander gereiht. Sagen über mythische Erscheinungen (besonders zahlreiche über
den Nachtjäger ohne Kopf), über Teufel und Zauberer, Hexen und Drachen, Heinzel-
männchen und Wasserjungfrauen, Glocken und Schätze, Gespenster und Irrlichter
folgen einander ; eine geringere Zahl von historischen, Orts- und Namensagen bilden
den Beschluss. Die von der Sage umwobenen Ereignisse reichen von den Wander-
fahrten Kaiser Heinrichs L, von den Raubzügen der Hussiten bis in die jüngste Ver-
gangenheit. Eigenartig wendische Motive sind nur in geringem Masse zu erkennen.
Das ergiebt sich aus G.s Anmerkungen, die parallele deutsche Sagen heranziehen,
Mythisches und Historisches erläutern, und die sich trotz ihrer Reichhaltigkeit durch
eine vernünftige Beschränkung und ihre knappe Form auszeichnen. Sauber und
sorglältig wie die ganze Ausgabe sind auch die beigegebenen (Orts- und Sach-) Ver-
zeichnisse.199) —
Von Märchensammlungen sind zunächst die zahlreichen Neudrucke der
freigewordenen Grimmschen Märchen200-202) zu verzeichnen. Viele davon liegen
illustriert203"210) und in beschränkter Auswahl211-218), fünf in englischer lieber -
S. 289.]l — 180) X M- Klapper, Sagen: MNordböhmExcursClub. 17, S. 324/9. - 180a) X V. Stolle, Elbthal-
sagen aus Schwaden: ib. S. 22/6. — 181) X '■ Tille, Sagen aus Niemes: ib. S. 272/4. — 182) X A. Tscherny,
Z. St. Kümmernis-Legende: ib. S. 317/9. — 182a) X M> Urban, Königswarter Sagenschatz: ErzgebirgsZg. 15, S. 105,9,
130/2, 150.4, 174/9, 213/5, 229-34, 246/9. — 183) K. Weinhold, Schles. Sagen: ZVVolksk. 4, S. 452/8. - 184) X
Osk. Vogt, 3 Hornschloss-Sagen. Nach e. alten Ueberlief. erz. Wüstegiersdorf, Jacob. 23 S. M. 0,30. — 185) O.
Knoop, Sagen u. Erzählungen aus d. Prov. Posen. (= Sonderveröffentl. d. Hist. Ges. für d. Prov. Posen. 2. Bd.)
Posen, Jolowicz. XIX, 363 S. M. 7,00. |[K. L.: LCB1. S. 1587/9.]| — 186) X *"• Schulz, Zwei Sagen: ZHGPosen. 9, S. 97/8.
— 187) X M- Landau, Z. Ethnogr. d. ostgaliz. Juden: Urquell 5, S. 183/6. (Bespr. jüd.-dtsch. Sagen u. Märchen.) — 188) X
W. Biegeleisen, Jüd.-dtsch. Erzählungen aus Lemberg: ZVVolksk. 4, S. 209-10. —189) X (I 4:311.) — 190) XH- Theen,
Helgoländer Sagen: Urquell 5, S. 233/4. — 191) X ß- M. Meyer, Berlinische Legende. (Ber. über e. Vortr., geh. im Ver. für
Volksk. in Berlin): VossZg. N. 508. — 192) X R- M-> Zwei Hohenzollernsagen: Brandenbnrgia N. 8. — 193) A. Treichel,
Steinsagen: ZHVMarienwerder. 31, S. 1-16. — 194) X id-* Sagen: ib. S. 29-74. — 195) W. Leinung u. R. Sturavoll, Aus
Magdeb. Sage u. Gesch. Magdeburg, Neumann. 6, 237 S. M. 2,80. — 196) A. Schacht, Hans. Sagen, Erzählungen aus Alt-
Hamburg, sowie aus d. Vergangenh. d. Hansastädte Lübeck u. Bremen. Hamburg, Kloss. IV, 166 S. M. 2,00. — 197) K.
Gander, Niederlausitzer Volkssagen, vornehml. aus d. Stadt- u. Landkreise Guben, ges. u. zusammengest. B., Dtsch. Schrift-
steller-Genossensch. XVII, 197 S. M. 3,00. — 198) X W. v. Schulenburg, Hantscho-Hanos Sagen: NLausitzMag. 3, S. 292/9.
— 199) X N. Warker, Sagen d. luxemburg. Völker. Aus belgisch Luxemburg u. d. Eischthal. Neu bearb. n. her. Arlon,
Willems. 1893. 143 S. M. 1,40. — 200) X Brüder Grimm, Kinder- u. Hausmärchen. Vollst. Ausg. in 2 Bdch. (= ÜB.
N. 3191/6.) L., Reclam. 384 u. 400 S. M. 1,20. — 200 a) X 50 Kinder- u. Hausmärchen, ges. durch d. Brüder Grimm. Her.
v. Herman Grimm. Kleine Ausg. Mit 12 Bild. v. Ludw Richter. (= ÜB. N. 3179-80.) ib. 258 S. M. 0,40. —
201) X Daes. (= Meyers Volksbücher N. 1009-11.) L., Bibliogr. Inst. 208 9. M. 0,30. — 202) X Dass. (= BGLIA. N. 740/5.)
Halle a. S., Hendel. XII, 628 S. M. 3,00. (ib. N. 738,9: Ausw. VIII, 196 S. M. 0,50.) — 203) X Dass., Volksausgabe, ill.
▼. P. Grot Johann u. R. Leinweber. St., Dtsch. Verlaganst. XV, 556 S. M. 8,00. — 204) X Dass., Pracht-Ausg. (JBL. 1893
I 5: 200.) |[DR. 2, 8. 132; Quellwasser S. 76; Hessenland S. 313.J| — 205) X Dass. Ausg. I. B., Liebau. 192 S. M. 3,00.
(Mit 5 Bild.) — 206) X Dass. Ausg. II. ebda. 144 S. M. 2,20. (Mit 4 Farbendr.) — 207) X Dass. Ausg. III. ebda.
144 S. M. 1,60. (Mit 4 Farbendr.) — 208) X Dass. 111. v. H. Vogel. München, Braun «t Schneider. IV, 287 S. M. 9,00.
— 209) X Dass. Mit ß Farbendr. nach Aquarellen v. E. Klinisch u. F. Flinzer, sowie 68 Textabbild, nach E. Klimsch, V. Mohn,
A. Zick u. a. St., F. Loewe. 4». IV, 126 S. M. 3,00. - 210) X Dass. Mit 4 Tondr., 63 Textabbild, nach E. Klimsch,
V. Mohn, A. Zick u. a. Wohlfeile Ausg. (Ohne Buntbilder.) ebda. IV, 160 S. M. 1,20. — 211) X Dass., Kindernlärchen.
In neuer, Sorgfalt. Ausw. Mit 4 Farbdr., 8 Tonbild. u. 78 Textabbild, nach E. Klimsch, V. Mohn, F. Flinzer u. a. ebda. IV,
208 S. M. 2,50. — 212) X Dass. Mit Weglassung d. für d. Kindergemüt weniger geeigneten Märchen. Grosse Ausg. Mit
A. Hauffen, Volkskunde. I 5 : 213-266
setzung-219"223), je einer in holländischer224) und in schwedischer225) Uebersetzung
vor. — Der Versuch von Georg und Lily von Gizycki226), die Grimmschen
Märchen vom ethischen Standpunkt aus zu bearbeiten, hat in der Presse wiederholt
lauten Tadel erfahren227""229). — Auch vom Bechsteinschen 23° ) Märchenbuch sind
Neu-Ausgaben231"232) zu verzeichnen.233-236) —
Zur Geschichte volkstümlicher Stoffe sind überaus zahlreiche einzelne
Beiträge erschienen, die (soweit sie sich auf heute noch lebende Sagen, Märchen und
Schwanke beziehen) hier wenigstens in den Anmerkungen genannt seien237-257). —
Eine mustergültige Erläuterung einer Schwarzwälder Sage und ihrer einzelnen Be-
standteile hat Pfaff258) geliefert. — Eine grosse Reihe von Litteraturnach weisen und
Parallelen zur Melusinensage steuert Fränkel259) bei.260) — In zwei Aufsätzen be-
spricht Wünsche261-262) die zahlreichen Sagen von Riesen, ungeheuren Bauwerken,
Teufelsbrücken, -mühlen und -kirchen, die auf das Motiv vom geprellten Teufel zu-
rückgehen. — Der Märchenstoff vom König Drosselbart in der dramatischen Be-
handlung bei Raupach (Schule des Lebens) und bei Drachmann (Es war einmal) wurde
von Minor263) eingehend gewürdigt. — Feilberg264) setzt auseinander, wie sich
Märchen durch Handelsbeziehungen, wandernde Handwerksgesellen, Seeleute, Bettler
und Landstreicher verbreiten und weist an Beispielen nach, dass gegenwärtig auch ge-
druckte Märchensammlungen die Erzählungsstoffe des Volkes beeinflussen. — Nach-
zutragen ist noch aus dem Vorjahre die in zweiter Auflage erschienene hübsche Märchen-
Studie von Hönnicke265), worin die deutschen Volks- und Kunstmärchensammlungen
charakterisiert werden und deren Eignung als Jugendlektüre erörtert ist.266) —
Dem Volksschauspiele muss in diesem Jahre ein besonderer Abschnitt ge-
widmet werden. Das nach altheimischen Motiven von Gröllhesel 1816 nieder-
geschriebene und seitdem wiederholt in ländlich-schlichter Weise dargestellte
Passionsspiel zu Höritz (s. auch IV 4) am Südabhang des Böhmer waldes wurde im
Sommer 1893 in der Neubearbeitung von Ammann in grossartiger Weise zur Auf-
führung gebracht (vgl. JBL. 1892 IV 4: 176; 1893 IV 4:282/5). Mit diesem Ereignis
5 Farbendr. nach W. Claudius. Wesel. Düms. 192 S. M. 2,00. — 213) X Dass- Mit 111. v. H. Friedrich. L., Simon. 203 S.
M. 1,00. (Ausw. v. 50 Märchen.) — 214) X Brüder Grimm, 50 Kinder- u. Hausmärchen. Mit 16 Farbendr. nach Thekla
Brauer. 2. Aufl. L., Spamer. IV, 300 S. M. 2,50. — 215) X id., Kinder-, Volles- Märchen. Kleine Ausw. B., Liebau. 12°.
64 S. M. 0,60. — 216) X ü> Märchenbuch. E. Blütenlese aus d. Kinder- u. Hausmärchen. Mit 6 Farbendr. nach W. Schäfer.
Wesel, Düms. 120 S. M. 1,00. — 217) X id., Kleines Märchenbuch. E. auserlesene Samml. d. Kinder- u. Hausmärchen. Mit
15 Farbendr. v. W. Schäfer, ebda. 12°. 72 S. M. 0,50. — 218) X id., Ausgew. Märchen. In neuer Bearb. her. v. M. Weber.
(= Jugendfreude. Ausgew. .Tugendscbrr., her. v. M. Weber. N. 5.) Frankfurt a. M., A. Foesser. IV, 120 S. M. 1,25. —
219) X >d., Fairy Tales, introd. by S. Baring-Gould and drawings by G. Browne. London, Gardner. Sh. 6. — 220) X
id., Fairy Tales. (= Hearth and honie library.) London, Routledge. Sh. 1. — 221) X id., Household Tales, ed. by A. Gardiner.
London, Heywood. Sh. 1/6. — 222) X id., Household Stories. (= Hearth and Home Library.) London, Routledge. Sh. 1. —
223) X id., Household stories, from the German by L. Crane, and done into pictures by W. Crane. London, Macmillan.
X, 269 S. Sh. 6. — 224) X id., Sprokjes en vertellingen. Geillustreerd door P. Grot Johann. Gravenhage, Van Cleef. 480 S. Fl. 15,00.
— 225) X id., Aeventyr. Praptudg., ill. af P. Grot Johann og R. Leinweber. Kopenhagen, Stjernholm. 460 S. Kr. 14,50. —
226) id., Kinder- u. Hausmärchen. Nach eth. Gesichtspunkten ausgew. u. bearb. v. G. u. Lily v. Gizycki. Mit 8 Bild.
v. F. Holbein. (Volksansg.) B., Dümmler. VIII, 280 S. M. 1,00. — 227) XO. Panizza, D. „unsittlichen" Gebrüder Grimm: Ges. 10,
S. 919-24. — 228) X H. Grimm, Versittlichung d. dtsch. Litt.: NatZg. 28. März. — 229) X D. „ethisierten" Grimmschen
Märchen: DAdelsbl. S. 289-90. — 230) X L. Frey tag, L. Bechstein, Neues dtsch. Märchenbuch (JBL. 1892 I 5:210,1):
COIRW. 22, S. 36/7. — 231) X L. Bechstein, Dtsch. Märchenbuch. (= Meyers Volksbücher. N. 1069-71.) L, Bibliogr. Inst.
202 S. M. 0,30. — 232) X Dass. Mit färb. Bild. Fürth, Löwensohn. 192 S. M. 2,00. — 233) X F- Schauberg, Kinder-
u. Hausmärchen nach Bechstein, Grimm u. a. d. Jugend erz. Mit Bildern. Würzen, Kiesler. VI, 160 S. M. 1,25. — 234) X
Aus d. Märchenwelt. E. Ausw. d. schönsten dtsch. Märchen, ges. v. Gebr. Grimm, Bechstein u, a. Nürnberg, Stroefer. 12".
143 S. M. 1,80. (Mit Bild.) — 235) X E. Scherdlin, Contes populaires tires de Grimm, Musaeus, Andersen, Herder et
Liebeskind (Feuilles de palmier) et publies avec des notices sur les auteurs et df-s notes en franc. Nouv. ed. (Classiques
allem.) Paris, Hachette. IV, 470 S. Fr. 2,50. — 236) 100 Aesop. Fabeln für d. Jugend. Neu bearb. u. mit moral. Antnerk.
versehen. Mit Bildern nach W. Zweigle. St., Nitzschke. 66 S. M. 1,20. - 237) X A. Tille, W. Hertz, D. Sage v. Gift-
mädchen (JBL. 1893 I 5:229): LOB1. S. 321/2. — 238) X c- Sterne, Rotkäppchen, Dornrösohen u. Sneewittchen. E. Beitr.
z. Gesch. d. dtsch. Sonnenmärchen: TglRs». N. 50,1, 56, 62/3. — 239) X B- Eisel, Ueber d. Entsteh, d. Sage v. unter-
irdischen Gange: JBVogtländAV. S. 1-15. — 240) X K. Kaiser, D. Höllenbau. Volksmärchen aus Niederösterr.: Heim-
garten 18, S. 632/3. — 241) X «• C. Keidel, D. Eselherz- (Hirschherz-, Eberherz-)Fabel : ZVLR. 7, S. 264/7. — 242) X
A. Zingerle, Ueber Berührungen tirol. Sagen mit antiken: BAnthrTirol. S. 213-26. |[ZVVolksk. 4, S. 461.]| — 243) X
L. Fränkel, D. Lenorensage. E. Umfrage: Urquell 5, S. 128. - 244) X Hidber, Z. Tellsage: Didask. S. 938. - 245) X
W. Saliger, P. Passler, Z. Heimesage (JBL. 1893 I 5:146): Gymn. 12, S. 829. — 246) X 0. Glöde, Z. Sage v. Blau-
mäntelchen: KBIVNiederdSpr. 17, S. 29. — 247) X B. Sprenger, Z. d. Kinder- u. Hausmärchen d. Brüder Grimm : Urquell 5,
S. 248-50. (Varianten zu d. Märchen v. d. Wichtelmännern u. v. Rumpelstilzchen.) — 248) X id., Z. Sage v. Trinkhorn d.
Grafen v. Oldenburg: ib. S. 34. — 249) X E- Haase, Vergrabene Schätze. E. Umfrage: ib. S. 79-80. — 250) X H. Volks-
mann, D. Mann im Monde. E.Umfrage: ib. S. 285/6. — 251) X F. Tenhagen, Ueber d. vredensche Sixtussage: ZVtGWestf. 52,
S. 1-11. — 252) X K. Schultess, D. Sagen über Silvester IL (Gerbert.) (= SGWV. N. 167.) 36 S. M. 0,80. |[E. Sackur:
DLZ. S. 1135.11 — 253) X R- Schröder, D. dtsch. Kaisersage u. d. Wiedergeburt d. dtsch. Reiches. 2 Vortrr. Heidelberg,
Winter. 1893. 63 S. M. 1.80. |[G. Ellinger: DLZ. S. 114/5; F. Volkmer: MHL. 22, S. 384.]; - 254) X *>. KyffTiäusersagc:
AkBll. 8, S. 221/2. - 255) X P- Dehn, Im Banne d. Untersberges: ib. S. 257. — 256)X«J- A. v. Wagner, Fürst Mittscherlich
im Oberlausitzer Sagenkreis: Geg. 46, S. 366. — 257) X H. Buchhol tz, Ueber Volksanekdoten: Vortr., geh. in d. Ges. für
neuere Sprachen in Berlin. Ref.: ASNS. 92, S. 165/7. — 258) F. Pfaff, D. Sage v. d. Ahornhäusern: Alemannia 22, S. 65-74.
- 259) L. Fränkel, Altes u. Neues z. Melusinensage: ZVVolksk. 4, S. 387-92. - 260) X K- Biltz, Z. dtsch. Bearbeitung
d. Melusinensage. (=11: 69, S. 1-15.) — 261) A. Wünsche, Aus d. Sagenkrelse vom geprellten Teufel: LZgB. N. 150. —
262) id., D. Sagenkreis vom geprellten Teufel als Baumeister: AZg«. N. 202/3. - 263) J. Minor, Es war einmal: WienZg.
N. 266. — 264) G. Feilberg, Wie sich Volksmärchen verbreiten: Urquell 5, S. 165 9, 2158, 239-41, 272/5. — 265) B.
Hönnicke, Märchen-Studie. 2. Aufl. L., Robolsky. 12°. 43 S. M. 0,60. - 266) X p- Lehmensick, Warum Märchen?:
(1)7*
I 5 : 267-296 A. Hauffen, Volkskunde.
beschäftigten sich noch zahlreiche Aufsätze267"269). — L am bei270) hat das alte
Spiel mit der Neubearbeitung- Ammanns eingehend verglichen, Hauffen271) hat in
einem Vortrage darüber gleichzeitig eine kurze Geschichte des deutschen Volksschau-
spiels entworfen nnd andere deutsch-böhmische geistliche Schauspiele besprochen. —
Für die Aufführung des Sommers 1894 hat Propst Landsteiner272) eine neue Be-
arbeitung unternommen und veröffentlicht.273) — Ein Paradeisspiel aus Kärnten hat
Laschitzer274) nach zwei jüngeren Hss. mitgeteilt. — Ueber Aufführungen
lateinischer, deutscher und slovenischer Passionsspiele in Krain vom 16.— 18. Jh. be-
richtet Hauffen275) nach einer slo venisch geschriebenen Abhandlung Koblars. —
Von einem jährlich aufgeführten Volksschauspiel zu Englmar im bayerischen Walde
erzählt Fränkel276). In Verbindung mit der Fronleichnamsprozession wird von
zahlreichen Spielern die Auffindung und Bergung der Leiche des heiligen Englmar
pantomimisch dargestellt. — Mit Benützung volkstümlicher Ueberlieferungen hat
Kralik277) ein Weihnachtsspiel gedichtet und in Wien zur Aufführung ge-
bracht. 27*-279) (Vgl. IV 4.) -
Ueber das deutsche Volkslied im allgemeinen280"281) hat Vo-
r e t z s c h 282) gehandelt. Er bespricht mehrere jüngst erschienene Sammlungen, ver-
folgt die Wanderungen einzelner Lieder durch verschiedene Landschaften und die
Veränderungen, denen Kunstlieder im Volksmunde ausgesetzt sind, und teilt hierbei
zahlreiche bisher unbekannte Lieder, namentlich aus dem grossen Kriege, mit. —
Auch Hauffens283) zusammenfassende Charakteristik des Volksliedes in Oester-
reich-Ungarn behandelt allgemeine Erscheinungen der deutschen Volkslyrik, so vor
allem die Verwendung der Mundart und der Schriftsprache bei den Volksliedern.
Nach H. finden wir in der Regel bei ober- und niederdeutschen Liedern und im allgemeinen
bei Liedern lokaler Färbung die heimische Mundart, hingegen bei Liedern Mitteldeutsch-
lands, der Rheinlande und grösserer Städte, sowie überall bei Balladen und älteren
Liebesliedern höheren Stiles die Schriftsprache. H. bespricht hierauf eingehend In-
halt und Form der besonderen deutsch-österreichischen Liedergruppen, der an das Hoch-
gebirge gebundenen Alm- und Wildschützenlieder, Schnaderhüpfeln und Jodler, der
Liederschätze in den Sprachinseln (Siebenbürger Sachsen und Gottschee), der histo-
rischen Lieder, der geistlichen Lieder und der Spruchpoesie, ihre Beziehungen zum
allgemeinen deutschen Liedergute und ihre Wesensverschiedenheit von slavischen,
magyarischen und romanischen Liedern derselben Monarchie. — Einige dialogische
Volksballaden hat Erich Schmidt284) in einem Vortrage behandelt. — Zu einzelnen
Liedern sind Erläuterungen oder sprachliche Bemerkungen veröffentlicht worden285"289). —
Die Beziehungen zwischen Heine und dem Volksliede untersucht Greinz290), indem
er die Stoffe, Motive, Figuren, Gegenstände, Wendungen usw., die Heine der Volks-
lyrik entnommen hat, an zahlreichen Beispielen und weitschichtigen Sammlungen der
Parallelen darthut. G. beschränkt sich aber auf das rein Aeusserliche, Stoffliche. Die
wesentlichen Unterschiede zwischen Heine und dem Volksliede in Stil, Darstellung,
Auffassung werden kaum berührt. — Unter der anderweitig gewürdigten Litte-
ratur über ältere Volkslieder291"294) seien hervorgehoben Boltes295) Neudruck des
„Trinkerordens", 78 niederdeutscher Verse nach einem Blatte des 16. Jh. und die
von J. Meier296) gefundene und veröffentlichte vollständige Fassung des Reigenliedes
vom Sant Grobian (das bisher nur fragmentarisch bekannt war) nach einem ober-
rheinischen Einzeldruck aus der Mitte d. 16. Jh. —
PaedSt. 15, S. 1-15. — 267) X J- Peter, Im Oberamraergau d. Böhmerwaldes : LJb. 4, S. 43-53. — 268) X L- Stetten-
heim, D. Passionsspiel v. Höritz: NFPr. 1893, N. 10433. (S. auch IllZg. 103, S. 2662.) — 269) X A. Hauffen, D. Auf-
führungen d. Passionsspiels zu Höritz im Böhmerwald: ZVVolksk. 4, S. 211,3. — 270) H. Lambel, D. Aufführungen d.
Höritzer Passionsspiels: MVGDB. 32, S. 194-211, 299-304. — 271) A. Hauffen, Ueber d. Höritzer Passionsspiel. (= SGV.
N. 192.) Prag, Härpfer. 20 S. M. 0,30. — 272) P. Gröllhesel, Text d. Böhmerwald. Passionsspieles. Teilweise umgearb.,
mit neuen Liedertexten u. Bildererklärungen v. K. Landsteiner. Her. v. dtsch. Böhmerwaldbunde. Budweis, Hansen.
X, 139 S. M. 1,20. — 273) X D. Höritzer Passionsspiel im J. 1894: Bohemia N. 127. — 274) 8. Laschitzer, D. Paradeis-
spiel: Carinthia 1, S. 80-90, 119-27. — 275) A. Hauffen, Passionsspiele in Krain: ZVVolksk. 4, S. 443. — 276) L. Fränkel,
D. Volksschauspiel in Englmar: ib. S. 443,5. — 277) R- Kralik, D. Mysterium v. d. Geburt d. Heilands. E. Weihnachtsspiel
nach volkstüml. Ueberlieferungen. Her. auf Veranlass, d. Leo-Ges. 2 Tle. Wien, Konegen. Vin, 189 S.; IV, 44 S. M. 3,60.
|[J. v. Helfert: ÖLB1. 3, S. 90/1; ZVVolksk. 4, S. 93/4.] | — 278) X A. En giert, Nachtr. zu d. Scherzgespräch (JBL. 1893
1 5 : 332): ZDU. 8, S. 408-10. (Dazu auch K. Haase: ib. S. 595.) - 279) X F- Lentner, Dtsch. Volkskomödie u. Salzburg.
Hanswurstspiel. Innsbruck, Wagner. 1893. 39 S. M. 1,00. |[A. Mair: ÖLB1. 3,S. 462/3 ]| — 280) X M. Lilie, D.Lied im Munde d.
Volkes: LZg«. N. 149. (Kurzer Ueberblick über d. Gesch. d. dtsch. Liedes überhaupt, auch d. Kunstliedes.) —281) X O. Bie,
D. Aufersteh, d. dtsch. Volksliedes: Kw. 8, S. 65/8. — 282) C. Voretzsch, V. dtsch. Volkslied: PrJbb. 77, S. 193-222. —
283) A. Hauffen, D. dtsch. Volkslied in Oesterr.-Ung. : ZVVolksk. 4, S. 1-33. |[F. Detter: ZDPh. 26, S. 400/5.]| (Ausz.
daraus in d. Verhandl. d. 42. Versamml. dtsch. Philologen u. Schulmänner in Wien [L, Tenbner. 1893. XVII, 626 S. M. 24.00J,
S. 386/7.) — 284) Erich Schmidt, Einige dialogische Volksballaden. Vortr., geh. in GDL. Ref.: VossZg. N. 216. — 285) X
A. Roeschen, Z. Erklär, d. Volksliedes rDrei Lilien, drei Lilien": Hessenland S. 8-10. — 286) X c- F- A., Drei Lilien,
drei Lilien: BBSW. S. 240. — 287) X R- Sprenger, Zu Ublands Volksliedern: ZDU. 8, S. 131. — 288) X id., Zu Matthias
Samml. „D. dtsch. Volkslied": ib. S. 123. — 289) X E. G., D. Kuckuck (im Volksliede): LZg11. N. 76. - 290) R. H. Greinz,
H. Heine u. d. dtsch. Volkslied. E. krit. Untersuchung nach d. Stoffgebiete d. Heineschen Lyrik. (= Kult.- u. Litt.-Bilder,
Heft 2.) Neuwied u. L, Schupp. 96 S. M. 1,50. (S. auch u. IV 11.) — 291-92) X G- Tobler, Pauli Schullers Lied. 1568:
JbIlVGlarus.S.29. — 293)Xd4 : 49.) — 294) X*"- Frederioq, Onze historische yolksliederen. Hang, Nijhoff. XII,119S. Fl.1,50.
- 295) J. Bolte, Trinkerorden: JbVNiederdSpr. 19, S. 167/8. — 296) J. Meier, E.Lied v. St. Grobian : BGDS. 18, S. 572-31.
A. Hauffen, Volkskunde. I 5 : 297-315
Eine allgemeine deutsche Volkslieder Sammlung' 297-298) von grösstem Um-
fange, Erks deutscher Liederhort in der Neubearbeitung von Böhme299), hat nun mit
dem dritten Band ihren Abschluss gefunden. Diese weite historisch -kritische
Ausgabe bringt rund 3000 der wertvollsten, schönsten, litterar- und kulturhistorisch
denkwürdigsten Volkslieder in Wort und Weise vom 9. bis zum 19. Jh. aus allen
deutschen Landschaften von Flandern bis nach Siebenbürgen. Alle Arten des Volks-
liedes sind hier vertreten, nach ihrem Inhalt übersichtlich angeordnet und innerhalb
dieser sachlichen Gruppen nach dem Alter angereiht. Dieses reiche und erhebende
Gesamtbild deutschen Volksgesanges wird in weiten Kreisen die Kenntnis der Lieder
und deren Wiederbelebung fördern und der wissenschaftlichen Durchforschung der
Volkslyrik einen neuen Aufschwung verleihen. Zu bedauern ist nur, dass B. die
älteren aus Sammlungen und Einzeldrucken des 15. und 16. Jh. stammenden Texte
allzu einschneidend redigiert, namentlich die archaistischen oder mundartlichen
Sprachformen ohne zwingende Gründe umgeändert hat. Auch die neueren mund-
artlichen Lieder giebt B. öfters nicht im Original, sondern in einer freien Ueber-
setzung. Ueberaus reichhaltig sind die von B. herrührenden Anmerkungen zu den
einzelnen Liedern. Sie sind zuweilen bei gedrängter Knappheit förmliche Abhand-
lungen über die betreffende Nummer. Sie bringen den Nachweis der Quellen für
Wort und Weise, Untersuchungen über das Alter des betreffenden Liedes, über seine
Verbreitung und die verschiedensten Varianten mit ausführlichen Litteraturangaben,
Nachrichten und Urteile über das Lied von massgebender Seite, sprachliche und
sachliche Erläuterungen des Textes, eine Geschichte des Motives und, wo es nötig
ist, eine Zeichnung des historischen Hintergrundes. Beigegeben sind bibliographische
Angaben, ein Sachregister und ein Verzeichnis der Liederanfänge. (Vgl. II 2.) —
Die übrigen Sammlungen und Sondermitteilungen von Volksliedern lassen
sich am besten nach den einzelnen Landschaften zusammenfassen.
Unter den oberdeutschen Gebieten ist neben dem Elsass300), der Schweiz301"302)
und Bayern303), Oesterreich304"306) besonders reich vertreten. Die „lebfrische"
Schnaderhüpfeln-Sammlung von Hörmann307), die mit ihrem zierlichen Gewände
diesen kecken und derben Kindern der Alpenmuse auch in norddeutschen Salons
eine gastliche Aufnahme vermittelt hat, ist nun bereits in dritter Auflage erschienen.
Der Liederschatz und die wohldurchdachte Einteilung ist unverändert geblieben.
Neu ist die Beigabe flotter Zeichnungen Schumachers und die mit Hülfe Schön-
bachs durchgeführte Verbesserung der mundartlichen Schreibung und der erläuternden
Anmerkungen. — Eine Reihe von Schnaderhüpfeln und verwandten Stücken teilt
P i c h 1 e r 308) aus Tarrenz bei Imst mit. — Zwei neue Fassungen des bekannten
Liedes vom sterbenden Soldaten aus Tirol und Steiermark bringt Englert309)
bei. — Der steiermärkische „Raufjodl", den Wein hold310) aus einer Sammlung
des J. 1687 abdruckt, stammt sicher nicht aus dem Volksmunde. —
Auf mitteldeutschem311"312) Gebiete hat nun Lewalters313)
Sammlung niederhessischer Lieder ihren Abschluss gefunden. Das letzte (5.) Heft
bringt 65 Volks- und volkstümliche Lieder (einige überhaupt zum ersten Male auf-
gezeichnet, die bekannteren mit reichen Literaturnachweisen versehen), ferner die
Einleitung und das Gesamtverzeichnis für die ganze Sammlung.314) — Wie bei Le-
walter, so ist auch in der nassauischen Sammlung Wolframs315) den meisten
Liedern die Melodie beigegeben. Hier wie dort ist nur das noch lebende Volkslied
berücksichtigt worden. W. bringt über 500 Nummern der verschiedensten Gattungen,
neben Balladen und Berufsliedern aus älterer Zeit, moderne Scherz- und Liebeslieder,
und — was besonders bemerkenswert ist — viele Kriegslieder aus den J. 1870—71.
— 297) X 13° Volkslieder. Mit e. Anh. Verm. u. durchges. Aufl. d. v. Seminarlehrer-Kolleginm in Ludwigshorst ausgew.
100 Volkslieder. Rostock, Werther. 96 S. M. 0,30. — 298) X A. v. Arnim n. Cl. Brentano, D. Knaben Wunderhorn. 3 Bde.
(— Meyers Volksbücher N. 1041-54.) L„ Bibl. Inst. 354, 398, 294 S. M. 1,40. - 299) F. Böhme, L. Erk, dtsch. Liederhort
(.JBL. 1893 I 5:261a: 13:43; II 2:1.) Bd. III. L., Breitkopf & Härtel. IV, 919 S. M. 12,00. |[LBlGRPh. S. 487/8, 1899-1900;
K. Wei|nhold: ZVVolksk. 4, S. 338/9; NPrZg. N. 46; A. Schlossar: BLU. S. 488; E. Sack: FZg. N. 320 (mit sehr be-
merkenswerten Berichtig.]! — 300) X B. Stehle, Nachtwächterlieder aus d. Elsass: Alemannia 22, S. 259-63. — 301) X
H. Stickelberger, Wie Altes im Berner Volksmunde fortlebt. (=12:50, S. 85-101.) (Abdr. einiger Volksreirae.) — 302) X
F. Kugler, Schweiz. Soldatenlied: ZDU 8, S. 598. — 303) X ß- Greinz, Schlierseer Schnadahüpfeln. Ges. u. her.
1 Bdch. (= Schlierseer Bauerntheater. > München, Brackl. 32°. 32 S. M. 0,20. — 304) X p- Franziszi, Lieder aus d.
Josefl-Gspiel (Glanthal): Carinthia 83', S. 19-22. (Vgl. dazu id., Hirtenkinder aus d. Möllthal: 84», S. 95/6.) — 305) X G.
Versenyi, Dtsch. Volkslieder aus d. Körmöcz-bänyer Gegend (Kremnitz): EthnMUng. 3, S. 255/6. — 306) X M. Urban,
As da Haimat. E. Samml. dtsch. Volkslieder aus d. ostfränk. Sprachgebiete d. österr. Prov. Böhmen als Beitr. z. Kulturgesch.
Deutsch-Böhmens. Falkenau, Schwaab & Müller. 4°. 291 S. Fl. 1,50. — 307) L. v. Hörmann, Schnaderhüpfeln aus d. Alpen.
3. Aufl. 111. v. Ph. Schumacher. Mit Singweisen. Innsbruck, Wagner. 16°. XXVII, 376 S. M. 2,00. — 308) A. Pich ler,
Tirol. Volksdichtung: ZVVolksk. 4, S. 197-201. — 309) A. Englert, Zu d. Liede: D. Sonne steht am Himmel: ib. S. 90. —
310) K. Weinhold, Steyermark. Raufjodl: ib. S. 335/6, 459-60. — 311) X C. v. Geldern-Crispendorf , Volkslieder aus
d. Herrschaft Burgk: Unser Vogtland 1, S 235-41. (Bringt 7 auch anderwärts bekannte Lieder: Es war einst e. Jüdin. D.
Himmel ist sehr trübe. Es ging e. treu verliebtes Paar u. a.) — 312) X s- M- [Pre]m, E. Volkslied aus Altbielitz.
(Oesterr.-Schlesien): Bielitz-Bialaer Stadtbl. N. 33. — 313) J. Lewalter, Dtsch. Volkslieder in Niederhessen. Heft 5. Ham-
burg, Fritsche. X, 117 S.; 7, VII S. M. 1,00. |[A.: Hessenland S. 329-30.] | (Vgl. JBL. 1893 I 5:282.) - 314) X 1*m Ueber
d. Volkslied: D. Kurfürst v. Hessen ist e. kreuzbraver Mann: Hessenland S. 173/4. — 315) E. N. Wolfram, Nassauische Volks-
I 5 : 316-357 A. Hauffen, Volkskunde.
Unter den verschiedenen Beigaben seien die Einleitung, die hübsch die Art und Weise
auseinandersetzt, wie in Nassau der Volksgesang geübt wird, und das vorgedruckte
Gutachten Gustav Freytags besonders hervorgehoben. —
Auf niederdeutsches316) und niederländisches Gebiet führen uns
Bolte317) und Muller318), indem sie aus älteren Hss. oder Drucken Volkslieder
mitteilen.31*») —
In einer Schlussgruppe sei Verschiedenes zusammengefasst. Den
Kinderliedern und Kinderspielen ist eine reichhaltige Ausgabe Dungers320)
gewidmet, die im Berichtsjahr in einer zweiten, um 50 Nummern vermehrten Auflage
erschienen ist. Die mitgeteilten Texte stammen aus dem Vogtlande, der einleitende
Vortrag aber unterrichtet in trefflicher Weise über Wert, Wesen und Entstehungsart
des deutschen Kindeiiiedes überhaupt und giebt sehr beherzigenswerte Ratschläge
zur Pflege dieser volkstümlichen Reime. — Aus seiner Untersuchung des Rhythmus
in Schweizer Kinder- und Volksreimen sucht Reinle321) Ergebnisse für das Wesen
des germanischen Verses zu gewinnen. Den Anhang seiner Schrift bilden Texte aus
den Sammlungen des Vf. — Den Humor der Kinderlieder behandelt ein sinniger
Aufsatz Hildebrands322). — Kleinere Untersuchungen wurden einzelnen Kinder-
liedern323 328) gewidmet. So hat Bolte329) nach einer vergleichenden Untersuchung
sämtlicher Parallelen und alter Berichte das weit verbreitete Spiellied vom Herrn
von Ninive (entstellt aus: Nonnen) daher richtig zu deuten vermocht. — Zum Lied
vom Pater Guardian haben Diels330) und Engler t331) mehrere Passungen aus den
verschiedensten Gegenden beigebracht. — Kleinere Sammlungen von Kinderliedern sind
entweder in inhaltlich begrenzten Gruppen — Bastlösereime332"335), Wiegen-336) und
Laternenlieder337) — oder nach einzelnen Landschaften338-341) veröffentlicht worden.
Unter den letzteren seien die phonetisch transskribierten Kinderverse Wo lfr ums342)
aus Oberfranken und die reichhaltigen und verschiedenfältigen Mitteilungen Posts343)
aus Bremen besonders genannt. —
Ueber die auch bei Post berücksichtigten Sprachscherze, Zungen-
übungen usw. ist eine Reihe kleinerer Mitteilungen erschienen344"349). —
Zu den vom Volke gesungenen Liedern stehen in deutlichem Gegensatze die
nur gesprochenen oder geschriebenen Sprüche350-353) und gereimten Inschriften.
Alte Sprüche aus Büchereintragungen des 16. und 17. Jh. veröffentlichen Englert354)
und Bosch355). — Aus Tirol teilen von Hörmann356) Wirtshaussprüche, Prem357)
Grabschriften und Marterln mit.358-359) —
lieäer (JBL. 1893 I 5:281). [fC. Blümlein: FZg. N. 318; A. Schlossar: BLU. S. 488,9; Urquell 5, S. 201.]| — 316) X
If . Frischbier, Hundert ostpreuss. Volkslieder (JBL. 1898 I 5 : 299). |[J. B. W a c k e r n e 1 1 : ÖLB1. 8, S. 427 ; J. B o 1 1 e : AltprMschr. 37,
S. 685-91.]) — 317) J. Bolte, Niederdtsch. u. niederländ. Volksweisen: JbVNiederdSpr. 18, S. 15/8. (1. D. blaue Flagge.
2. Siebensprung. 3. Pierlala. 4. „Van waer compt ons den coelen usw." aus Amsterdamer u. Wolfenbütteler Hss. d. 18. Jh.) — 318)
J. W. Mull er, Ben nieu liedeken vande negen Soldaten, die op vrybuydt gingen unde worden alle gaer ghevangen: TNTLK. 13,
S. 151/6, 233. (Het waren negen Soldaten. 22 Strophen aus e. Druckbl. ca. 1600. Vgl. Erk N. 65.) — 319) X <*• ▼• Mann-
teuffel, Dtsch. altlivländ. Volkslieder für e. Singstimme ges. Heft 1/2. Riga, Nelcker. 5 S. M. 2,00. |[NedörptscheZg. 30,
N. 41; J. Bolte: JBGPh. 16, S. 183.] | (Enth. 4 N., frühestens aus d. 18. Jh.: 1. D. arme Dorfschulmeisterlein [= Wegener,
Norddtsch. Volkslieder N. 834]. 2. D. Bur [= Erk-Böhme N. 1540]. 3. D.Junker u. d. Bürgermädchen. 4. D. Frau soll nach
Hause komme. T= Erk N. 910.] (Als alte Rigaer Ueberlieferungen werden noch angeführt: Schlaf, Kindchen schlaf; Bruder
Liederlich; D. allerbeste, d. ich hab'; Spinn, meine liebe Tochter; Ich u. mein altes Weib; Jung, schenk ein.) — 320) H. Dunger,
Kinderlieder u. Kinderspiele aus d. Vogtlande. Mit e. einleit. Vortr. über d. Wesen d. volkstüml. Kinderlieder. 2. verm. Aufl.
Plauen, Neupert. 4°. XII, 194 S. M. 1,50. - 321) K. E. Reinle, Z. Metrik d. Schweiz. Volks- u. Kinderreime. Diss. Basel,
Werner, Riehm. 83 S. — 322) R. Hildebrand, Humor im Kinderliede: ZDU. 8, S. 281/6. — 323) X A. Englert, Zu d.
Kinderliedchen „Christkind, komm' in unser Haus": ib. S. 124. — 324) X ia-» Zu d- Kettenreim „Ihr Diener, meine Herrn":
ib. S. 482/3. — 325) X s- Mayr, Kinderpredigt: ib. S. 600. — 326) X A. Englert, Zu d. Spottvers „Bonapart ist nimmer
siolz«: ib. S.201. — 327) X K. Haase, Spottlied auf d. König v. Rom: ib. S. 540. — 328) H. A. Carstensen, A-B-C-Spiel.
E. Umfrage: Urquell 5, S. 114, 192, 290. — 329) J. Bolte, D. Kinderlied v. Herrn v. Ninive: ZVVolksk. 4, S. 180/4. (Vgl. III 2:3.)
— 330) H. Diels, D. Lied v. Pater Guardian: ib. S. 332/3. (Vgl. dazu K. Weinhold: ib. S. 334.) — 331) A. Englert, D. Lied v.
Pater Guardian: ib. S. 437-41. — 332) X 0. Heilig, Nene Bastlösereime ans Franken u. Aleraannien : Alemannia 22, S. 77-80.
— 333) X A. Englert, Bastlösereime aus d. Spessart: ib. S. 81/7. - 334) X K- E- Haase, Bastlösereime: ZVVolksk. 4,
S. 74,6. - 335) X 0. Schell, Bastlösereime: Urquell 5, S. 193. — 336) X A. Englert, Wiegenlieder aus d. Spessart:
ZVVolksk. 4, S. 54-60, 88,9. — 337) X °- Gl öde, Laternenlieder: ZDU. 8, S. 198/9. (Lieder d. an Sommerabenden mit Papier-
laternen herumgehenden Kinder.) — 338) X C. Franke, Ueber d. Volksdichtung im Meissnischen. (= 12:69, S. 27-35.)
(Mundartl. Kinderlieder, Auszähl- u. Spottreime.) — 339) X A. Ben da, Aus d. Volksmunde (Kinderlieder u. Sprüche):
MVLübG. 5, S. 171/2; 6, S. 47/8. — 340) X F- Haller, Berndeutsche Verschen u. Lieder für Kinder. Erweit. v. Emma
Matthys. 7. Aufl. Bern, Nydegger & Baumgart. 12°. XI, 332 S. Mit 13 Abbild. M. 2,50. — 341) X M. Berkowicz,
Reime galiz. Judenkinder: Urquell 5, S. 196. — 342) X !"• Wolfrum, Volksreime aus Oberfranken: Bayerns Mundarten 2,
S. 182-92. — 343) A. H. Post, Mitteil, aus d. bremischen Volksleben: Urquell 5, S. 37-41, 64/9, 104,9, 128-33, 149-53, 176/9,
218-21, 245/8, 275(8. (Wiegenlieder u. Sprechübungen, Rätsel, Abzählreime, Lügenlieder, Sprachscherze, Volksreime verschiedener
Art, Kinderspiele.) - 344) X C. Dirks en, Ostfries. Lautspiele u. Sprechübungen: ZVVolksk. 4, S. 91/2. — 345) X A.
Treichel, Zungenübungen aus Preussen. II: Urquell 5, S. 122/6, 144/8, 180/2, 222/4. — 346) X A. Brunk, Tierstimmen im
Volksmunde: ib. S. 31,3, 53/7. (Zumeist aus Pommern.) — 347) X Kulckmann, Volkstümliches aus Eisleben:
MansfelderBll. S. 174,6. (1. Kirschkernketten. 2. Was d. Glocken Eislebens läuten.) — 348) X s- Krauss, Geheime
Sprachweisen: Urquell 5, S. 74,8, 155/7, 193/4. — 349) X £• Sartori, Sondersprachen: ib. S. 23/6, 72,4. (V. Göttern, Geistern,
Tieren im Volksmunde.) — 350) X P- Wigand, 50 Haussprüche aus d. Umgeg. Marburgs: Hessenlands, S. 303/6. — 351) X
A. Freybe, Dtsch. Sprüche: KonsMsohr. S. 1102/4. — 352) X B- Bk-. P. Rowald, Brauch, Spruch u. Lied d. Bauleute (JBL. 1893
I5:72):Kunstchr.ö, S.241. - 353) XA Englert, Zu d. Spruche: Heile.heile Segen: ZDU. 8, S 118-22. (Vgl.K.E Haase: ib.S.599.)
— 354) X id., Alte Sprüche: Urquell 5, S, 232/3. — 355) X H- Bosch, Alter Spruch: MGNM. S. 118. (Wisse vil, wenig sag | verant-
wort nicht alle frag | sey still und verschwigen | was nicht dein ist, das lass liegen | borg nicht vil, bezals bar | gelob wenig
und rede wahr. — Auf d. Deckel v. Magister Glaser Hennebergs Chronicka, 16. Jh.) — 356) X (1 4 : 268.) — 357) X S. M. P r e m ,
A. Hauffen, Volkskunde. I 5 •. 358-4oo
Neben Sammlungen von Sprichwörtern und Redensarten einzelner
Gebiete360"363) ist im Berichtsjahr auch eine allgemeine deutsche Sammlung-, die von
Borchardt, in fünfter, durch Wust mann364) neu besorgter Ausgabe erschienen.
Ein bequemes Nachschlagebuch, wo zahlreiche Redensarten aufgezeichnet, deren Be-
deutung und die Zeit ihres ersten Auftretens nachgewiesen werden. Eine will-
kommene Ergänzung zu den deutschen Wörterbüchern. Doch wenn der Heraus-
geber in der Einleitung auf den zünftigen Betrieb der germanischen Philologie schilt,
die „Begriffe, wie Volkslied, Volkskunde in Verruf gethan zu haben scheint oder doch
wenigstens die Beschäftigung damit in stiller Uebereinkunft als unzünftig, als eine
Art Afterwissenschaft ansieht", so braucht diese Behauptung in unserem Berichte nicht
erst besonders widerlegt zu werden. 36s-367) _ Viele Sonderuntersuchungen
behandeln einzelne Redensarten368"378»), sowie die Stellung verschiedenartiger
Begriffe im Volksmunde379"386). — Ausserordentlich reichhaltig ist die von
Wossidlo387) in Mecklenburg unternommene Sammlung von Sprichwörtern,
Redensarten, Vergleichen und Bezeichnungen für Tod und Sterben.388) —
Zur Litteratur über Rätsel ist neben kleineren Beiträgen389-394)
Eckarts 395) Sammlung zu nennen. Sie enthält über 1000 meist gereimter nieder-
deutscher Rätsel, ohne die Spur einer inhaltlichen Anordnung bunt aneinandergereiht.
Das Litteraturverzeichnis am Schluss ist ungenau und lückenhaft. Erläuternde An-
merkungen fehlen. Der Vf. ist stolz darauf: „Unbeschadet des wissenschaftlichen
Wertes" seiner Sammlung, vermeidet er alles Beiwerk, „womit die Forscher in ihren
Untersuchungen gern prunken". Noch unbescheidener ist die Behauptung, dass seine
„Nachforschungen an Umfang und Genauigkeit nichts zu wünschen übrig Hessen".
Nach dem, was wir von der Zusammenstellung seiner Sprichwörtersammlung wissen
(JBL. 1893 1 5:322), sind wir berechtigt, daran zu zweifeln. —
Der Volks witz ist durch einige schwäbische Schildbürgergeschichten396)
und anderes397-398) vertreten. —
Ueberaus reichhaltig ist auch in diesem Berichtsjahre die Litteratur über
die Namengebung. Das die Eigennamen behandelnde Büchlein von
Tetzner399) ist in 2. Auflage erschienen, um 12 Seiten und mehrere altdeutsche
Namen vermehrt, mit Berichtigung einiger Deutungen und aller Druckfehler. Kleine
Versehen sind noch stehen geblieben. •— Das Aufkommen der Familiennamen
möchte Mackel400), im Gegensatz zu Steinhausen (JBL. 1893 I 5:362), nicht als
Grabschriften u. Marterln: Bote für Tirol u. Vorarlberg N. 235. — 358) X id-, Volkshumor in Grabinschriften: Bielitz-
BialaerStadtbl. N. 79. (Besprech. d. bekannten Hörraannschen Samml.) — 359) X M. v. W., Grabinschrift auf d. Freithof v.
Gossensass: ZVVolksk. 4, S. 92. — 360) O X K- Wagner, Sprichwörter u, sprichwörtl. Redensarten in Rudolstadt u. dessen
nächster Umgeb. Ges. u. nach Sprichwörtern alph. geordn. Progr. Rudolstadt. 4°. 43 S. -- 361) X K- E. Haase, Sprich-
wörter aus d. Grafsch. Hohustein: Urquell 5, S. 255/7. — 362) X J. R. Bunker, Heanzische Sprichwörter: EthnMUng. 3,
S. 287-91. (Vgl. dazu: ib. S. 291/4; bezieht sich auf Deutsche in Westungarn.) — 363) X R- Eckart, Niederdtsch. Sprich-
wörter (JBL. 1893 I 5:322). |[L. Freytag: COIRW. 22, S. 171; N&S. 68, S. 270/1; Grenzb. 1, S. 320; KonsMschr. S. 938.]|
— 364) W. Borchardt, D. sprichwörtl. Redensarten im dtsch. Volksmunde nach Sinn u. Ursprung erläut. In gänzl. Neubearb.
her. v. G. Wustmann. 5. Aufl. L., Brockhaus. X, 534 8. M. 6,00. |[0. Lyon: ZDU. 8, S. 862/4; R. Lange: BLU. S. 461/2;
Eger: ThLB. 17, S. 185; VossZg. N. 294; BBG. 30, S. 701; de Cook: Folklore 7, S. 90.]| — 365) X A. Richter, Dtsch. Redens-
arten (JBL. 189315:337; s. u. 17:161). |[C. Matthias: ZDU. 8, S. 202/3; DRs. 80, S. 478-97.] | - 366) X <*• Wunder lieh, Dtsch.
Sprichwörter, volkstüml. erklärt u. gruppiert. Z. Pflege nat. Bildung in unseren Volksschulen. 3. Bdch. 4. Aufl. Langensalza,
Schulbuchh. VIII, 99 S. M. 0,75. — 367) X D- dtsch. Redensarten: Grenzb. 2, S. 112/8. — 368) X L- Mohr, Er geht durch
wie e. Holländer: Hessenland S. 239-40. — 369) X s-> Erklärung d. Redensart „Falsch wie Galgenholz" : ib. S. 229. — 370) X
M. Hoferer, Das ist e. andere Art v. Krebsen: ZDU. S, S. 850. — 371) X D- Haut (d- Eell, d- Bast) versaufen: Urquell 5,
S. 161/2. (So heisst in niederdtsch. Gegenden d. Trinkgelage nach e. Beerdigung.) — 372) X H- Seh rader, Karnickel hat
angefangen : ZDS. 8, S. 193/4. (Wird aus e. Berliner Vorfall anekdotisch erklärt ; vgl.1 7 : 159, 162/5.) — 373) X 'l d- , Etwas über d. grünen
Klee loben: ib. S. 263/4. (Erklärt sich v. selbst aus d. hohen Wert d. Klees für d. Landmann.) — 374) X id., Einem d. Daumen
halten, drücken: ib. S. 223/6. (Abdr. aus Herrn. Schraders: D. Bilderschmuck d. dtsch. Sprache in Tausenden volkstüml.
Redensarten. Nach Ursprung u. Bedeut. erkl. 4. Aufl. Weimar, Felber. XX, 543 S. M. 6,00 [JBL. 1893 I 8 : 119].) — 375) X
Wo Barthel d. Most holt: Quell wasser 18, S. 349. — 376) X L- <*•• Es giebt für d. Kammerdiener keine Helden: Euph. 1,
S. 792. — 377) X Fr. Losch, Vom Aufschneiden: BBSW. S. 192. — 378) X R- Köhler, Schnell wie d. Gedanke: Euph. 1,
S. 47-51. — 378a) X D- dumme Junge v. Meissen: Daheim N. 30. - 379) X R- Eckart, Stand u. Beruf im Dichterwort
u. Volksmund. 1. Bd.: Fürsten u. Adel; 2.: Medizin u. Justiz. Hannover, Meyer. 56 u. 48 S. M. 0,80. |[LZg«. N. 95.]| —
380) X J- Gillhoff, Schlaf u. Tod im Volksmunde: TglRsB. N. 229. — 381) X id., D. Geld im Volksmunde: ib. N. 282, 284.
— 382) X H. Schrader. D. Rot in sprachl. Bildern u. Gleichnissen: ZDS. 8, S. 281-99. — 383) X id., D. Ohr in sprachl.
Bildern u. Gleichnissen: ib. 7, S. 401/8, 441-50. (Vgl, ib. 8, S, 60/1: Auszüge aus d. Buche: „Bilderschmuck d. dtsch. Sprache"
[s. o. N. 374].) — 384) X ?■ P-, D- Bibel im Volksmunde. E. sprachl. Studie v. e. Theol.: LZg». N. 116. — 385) X iL
Merkens, Bezeichnungen d. Trunkenheit in d. Sprache d. Volkes: Urquell 5, S. 27-30, 513. — 386) X D- „Kunst" im Sprich-
wort: HambNachr». N. 33. - 387) R. Wossidlo, D. Tod im Munde d. mecklenb. Volkes : ZVVolksk. 4, S. 184-95. - 388) X
W. Unseld, D. Tod in Schwab. Sprichwörtern u. Redensarten: Alemannia 22, S. 87/9. — 389) X J- Gillhoff, Ueber Alter
u. Art d. Volksrätsels: TglRs". N. 86/7. — 390) X A.. Englert, Z. d. niederdtsch. Rätseln: ZDÜ. 8, S. 600/1. — 391) X
H. Monges, Zu d. Volksrätseln: ib. S. 849. — 392) X J- p- Schmitz, D. Scherzrätsel aus Tirol: ib. S. 197. —
393) X K- E. Haase, Z. Fiohrätsel: ib. S..547. - 394) X F. Asmus, Bibl. Rätsel aus Pommern: Urquell 5, S. 20, 229-30.
— 395) R. Eckart, Allg. Samml. niederdtsch. Rätsel. Nebst einigen anderen mundartl. Rätselaufgaben u. Auflösungen.
L., Weigel. VUI, 136 S. M. 1,50. |[K. Weinhold: ZVVolksk. 4, S. 224; J. Z(upitza): ASNS. 93, S. 172 4; Hessenland
S. 100.JI — 396) X 0- Heilig, Ortsneckereien u. Schildbürgergeschichten: Alemannia 22, S. 276,9. - 397) X P. Quilling,
Humorist. Allerlei aus Sachsenhausen. Mit e. Anh.: Sagen aus Sachsenhausen. 4. Aufl. Frankfurt a. M., Selbstverl. 12°.
112 S. M. 1,00. — 398) X E. Düsel, Jägerlatein: Grenzb. 4, S. 35-43, 76-83. — 399) (I 4 : 21 a.) — 400) E. Maokel, Zu
I 5:401-437 A. Hauffen, Volkskunde.
eine Folge der Verkümmerung" der Vornamen401"406), sondern als ihren Grund an-
sehen. — Zu den Familiennamen im allgemeinen meint M a c k e l407), dass die fremden
Namen in Niederdeutschland mit der fremden, in Oberdeutschland mit der ein-
heimischen Betonungsweise Aufnahme fänden.408) — Unter den Arbeiten über die
Familiennamen einzelner Gebiete409) greift die auf gründlichen Urkunden-Unter-
suchungen beruhende Darstellung von T obl e r -M ey er410) weit über die selbst
gesteckte Begrenzung (Zürich und die Ostschweiz) hinaus. In den allgemeinen Er-
örterungen über die Entstehung der deutschen Familiennamen (teilweise auf die be-
kannten Schriften von Heintze und Steub sich stützend) schildert T., wie in der Ost-
schweiz, vom 11. Jh. angefangen, infolge der Vermehrung des Verkehrs und der Be-
völkerung, zu den Personennamen unterscheidende Beinamen treten, die durch Ver-
erbung zu Familiennamen werden. Hierauf behandelt er die grosse Zahl alter Ost-
schweizer Namen in mehreren Gruppen nach der Art und Herkunft ihrer Bildung,
überall in der Deutung auf die älteste zu belegende Form zurückgreifend. Eine
Reihe von Ausläufen über die Adelsnamen überhaupt, über Schwankungen und
Wechsel in Familiennamen bis in die neueste Zeit herein, über fremdsprachige Namen
der Schweiz usw. erhöhen den Wert dieser sorgfältigen Arbeit. — Adameks411)
fleissige Zusammenstellung zeigt schon in dem höchst ungeschickten Titel, dass sich
der Vf. seinen Gegenstand ganz willkürlich und unhistorisch begrenzt hat und nicht
die eigentlichen einheimischen und alten niederösterreichischen Familiennamen be-
handelt. Da er nicht auf die früheren, urkundlich belegten Namensformen zurück-
greift, lässt er sich um so leichter zuweilen zu erzwungenen Erklärungen verleiten. —
Von seiner auf drei Teile berechneten Arbeit über die deutschen und slavischen
Familiennamen in Neustadt in Oberschlesien veröffentlichte Ondrusch412) den
ersten Teil, über die aus altdeutschen Personennamen entstandenen Familiennamen. —
T arn eller413) setzte seine mit urkundlichen Belegen versehene Zusammenstellung
mitteltirolischer Hofnamen fort. —
Unter den Zusammenstellungen und Deutungsversuchen von Orts-
namen414-415) einzelner Gebiete416"421) seien hervorgehoben Hammers422) Er-
klärungen der (grossenteils slavischen) Namen in den märkischen Kreisen Teltow, Ober-
und Nieder-Barnim und das zweite Heft von Schnellers423) Deutungen von zu-
meist romanischen Ortsnamen Tirols. Beide gehen von der ältesten Schreibung und
von der besonderen Lage des betreffenden Ortes aus. — Auch die Berg-, Fluss-,
Flurnamen usw. einzelner Landschaften424"428) sind gesammelt und untersucht
worden. —
Vereinzelte kleinere Beiträge zur volkstümlichen Namengebung seien
nur anhangsweise erwähnt429"437). —
d. Vornamen-Studien v. G. Steinhausen (JBL. 1893 I 5:362): ZDTJ. 8, S. 483/7. — 401) X (I 4 : 19) - *02) X p-
Oascorbi, D. Vornamen unserer Mädchen: MindenscheNachr. 26. u. 31. Jan. — 403) X B» Maydorn, Sinn u.
Gestaltung d. dtsch. Personennamen : NWestprM. 30. Mai. — 404) X &■ A- » Ueber dtsch. Vornamen : BerlNN. 28.
u. 29. Juni. — 405) X E- N-. Namen u. Modethorheiten: LZg. 22. März. — 406) X E- Eckstein, Eigennamen: WIDM. 76,
S. 760/4. (Vgl. I 7 : 142.) — 407) E. M a c k e 1 , Z. Namenforschung: ZDU. 8, S. 186-91. — 408) X L. F r ä n k e 1 , Z. Namenkunde : ib. S. 479-80.
(Wendet sich gegen N. 407.) — 409) X 0. Weise, Eisenberger Familiennamen aus d. 12. bis 18. Jh.: MGVEisenberg. 9,
S. 39-40. — 410) (I 4 : 20.) — 411) E, A d a m e k , D. Rätsel unserer dtsch. Schülernaraen. An d. Namen d. nieder-
österr. Lehrerschaft erklärt. Wien, Konegen. XXIV, 143 S. M. 4,00. — 412) K. Ondrusch, D. Familiennamen in Neu-
stadt O.-S. I. Progr. Neustadt, Reichelt. 4°. 31 S. — 413) J. Tarn eil er, D. Hofnamen d. Burggrafenamtes in Tirol. Progr.
Meran, Jandl. 54 S. — 414) X Imme, Unsere Ortsnamen: RheinWestfZg. 20. Mai. - 415) X W. Golther, üeber Orts-
namen auf -ingen u. -ungen: SB11HU. 1, S. 44/5. — 416) O X 0. Heilig, Beitrr. z. Wörterbuch d. ostfränk. Mundart d.
Taubergrundes. Progr. Heidelberg. 4°. 20 S. (Mit Berücksicht. d. Ortsnamen.) - 417) X (I 4:329.) - 418) X J- Hel bi£.
D. Ortsnamen im Bez. Friedland i. B. E. etymolog. Versuch. Friedland, Weeber. 12°. 48 S. M. 0,35. (Sonderabdr. aus d.
Friedländer Wochenbl.) — 418 a) X A- P au dl er, Z. Ortsnamenk.: MNordböhmExcursClub. 17, S. 50-61, 355/9. (Vgl. dazu
J. Just: ib. S. 40/2.) — 419) X G- Schöner, Z. Erklärung d. Namens Büdingen. Progr. Büdingen. 12 S. — 420) X
W. Streitberg, O. Name Wiesbaden: AnnVNassauG. 26, S. 131/4. — 421) X Ed. Reichl, Neue Erklärungen d. Ortsnamen
Berlin u. Köln: Bär 20, S. 218/9. — 422) W. Hammer, Ortsnamen d. Prov. Brandenb. I. Progr. B., Gaertner. 4°. 32 S. -
423) X (I 4:383.) — 424) X Th. Lohmeyer, D. Hauptgesetze d. ältesten dtsch. Berg- u. Flussnamengebung, hauptsächl.
an süderländ. Beisp. erläut. : PNaturwissVAltena. 11, S. 31-49. — 425) X id., Beitrr. z. Namenkunde d. Süderlandes. Progr.
Altena. VI, 76 S. — 426) X F- Kühnel, D. slav..Orts- u. Flurnamen d. Oberlausitz, ges. u. erklärt. 3. Heft. L., Harrasso-
witz. 75 S. M. 1,S0. — 427) X E. Brandis, Berg- u. Thalnamen im Thüringer Walde. Gesamm. u. sprachl. untersucht.
Erfurt, Neumann. 12'. 74 S. M. 1,00. — 428) X ö. Reischel, Unsere heimatlichen Berg- u. Waldnamen: MagdZg". N. 10 2.
— 429) X c- Schumann, Beitrr. z. lübeckschen Volksk.: MVLübG. 5, S. 188-90; 6, S. 11/5, 27-32, 42 5, 59-64. (Volkstum!.
Ausdrücke für Krankheiten, Körperteile, Speisen u. Getränke, Kleidung usw.) — 430) X H. Monges. D.Name d. Haushahns
in d. Schriftsprache u. im Elsass: ZDU. 8, S. 578-84. — 431) X id., D. Sperlingsname: ib. S. 267,8. — 432) X °- Glöde,
Lüning, Lünken, e. Name für d. Sperling: ib. S. 122. — 433) X Höf er, D. Volksname d. Tiere in Niederösterr. : BVLNiederöstr. 16,
S. 110. - 434) X (I 4 : 55.) — 435) X (I * "• 56.) - 436) X A.. Englert, Muskate in d. Bedeut. v. Kot: ZDU. 8, S. 126,9.
- 437) X L- Fränkel, Zu Schurle-Murle: ib. S. 480/2. —
E. Naumann, Die Litteratur in der Schule. I 6:1-2
1,6
Die Litteratur in der Schule.
Ernst Naumann.
Allgemeines und Methodologisches: Aufgaben und Ziele des deutschen Unterrichts N. 1. — Methodik
N. 3. — Einzelfragen: Goethes Faust und Kleists Hermannsschlacht als Schullektüre N. 13; Schriftstellerlektüre einzelner
Klassen N. 10; Volksschule N. 19; Privatlektüre N. 26. — Deutscher Aufsatz N. 29. — Methodische Erläuterungsschriften:
zu Dramen (Schiller, Goethe) N. 40; zu Epen N. 47; zu Lessings Werken N. 49; zu Lesebüchern N. 50. - Hilfsmittel für
den Unterricht: Schulausgaben (Lessing, Herder, Goethe, Schiller, J. H.Voss) N. 56. — Lesebücher N. 94. — Sammelwerke
von Musterstücken N. 126. — Leitfäden der Litteraturgeschichte und Poetik N. 133. —
Allgemeines und Methodologisches. Unter den Abhandlungen, mit
denen Schüler und Anhänger den genialen Vertreter des deutschen Unterrichts, Ru-
dolf Hildebrand, zu seinem siebenzigsten Geburtstage begrüssten, gehen einige im
Sinne des Gefeierten, auf die allgemeinen Aufgaben und die höchsten Ziele dieses
Unterrichts ein. Lyon1) erblickt in ihm eins der mächtigsten und festesten Ein-
heitsbänder für die bunte Mannigfaltigkeit des Lebens und Schaffens der Nation und
weist ihm die Aufgabe an, mitarbeiten zu helfen an der Erneuerung des deutschen
Geistes und Wesens und an der langersehnten Wiedergeburt unseres Volkes. Dar-
um soll er der um sich greifenden Zersplitterung politischer und wissenschaftlicher
Bestrebungen, der Vereinzelung der Stände und Schichten unseres Volkes, der
Trennung von Universität und Schule, der Absonderung der Wissenschaft von der
Praxis gegenüber ein einheitliches Band herstellen, welche das ganze Volk umfasst.
Dazu muss der deutsche Unterricht selbst eine Einheit bilden, die auf Schule und
auf Universität sich gleichmässig erstreckt. L. stellt vier Leitsätze auf, deren Beob-
achtung diese Einheit herbeiführt. Der deutsche Unterricht soll sich auf geschicht-
liche Betrachtung der Sprache gründen. Das geschieht auf der Universität schon
jetzt, in der Schule aber sollte neben Festsetzung der Regeln der Schriftsprache die
geschichtliche Betrachtungsweise geübt und schon in den unteren Klassen der Be-
griff der „sprachrichtigen Schwankung" eingeführt und dadurch der geistvernichtende
Einfluss der Regel eingeengt werden. Der deutsche Unterricht soll zweitens national
sein. Wir müssen an der Hand der Kultur- und Sittengeschichte unseres Volkes,
wie sie in Litteratur und Sprache am deutlichsten hervortritt, die Erkenntnis des
unter einer aus allen Völkern und Ländern zusammengesuchten „Bildung" noch
lebendigen deutschen Volksgeistes und Volkstums zu gewinnen suchen. Auf diesem
Gebiete muss die hauptsächlich verstandesmässige Behandlung der deutschen Litte-
ratur auf der Universität sich ihrer Ausschliesslichkeit begeben und muss lernen,
die Ergebnisse der Forschung mit Wärme und Begeisterung zu beleben. Die ger-
manische Philologie darf sich einer wahrhaft deutschen Gesinnung am allerwenigsten
verschliessen. Drittens soll der deutsche Unterricht unserem Volke eine gesunde
ästhetische Bildung geben. Eine gesunde Aesthetik ist, soweit sie die Dichtung be-
trifft, nur möglich auf Grund einer genauen geschichtlichen Betrachtung unserer
Sprache und Litteratur, und zu einer allgemeinen Aesthetik kann man erst dann
aufsteigen, wenn man eine nationale Aesthetik geschaffen hat. Dringend zu wünschen
ist daher, dass man die ästhetische Behandlung unserer Dichter nicht lediglich der
Schule überlässt, sondern dass auch die Deutschphilologen unter den Universitäts-
lehrern sich dieser Behandlung wieder zuwenden. Auf dem festen Grunde, den
die philologische Aesthetik geschaffen hat, mag erst die philosophische Aesthetik
weiter arbeiten, beide müssen sich zuletzt durchdringen und gegenseitig berichtigen.
Schliesslich soll der deutsche Unterricht eine tiefgehende sittliche Wirkung ausüben.
Diese Aufgabe hat keineswegs allein die Schule, sondern auch die Universität zu
erfüllen. Gerade die sachgemässe und in die Tiefe dringende Interpretation der
Dichter wird eine Hauptaufgabe der germanischen Philologie bleiben, und durch
die Darlegung der grossartigen Gedankenwelt unserer Dichter wird sie eine ein-
dringende sittliche Wirkung üben. Dadurch wird auch dem niedrigen Standpunkt,
von dem aus der Brotstudent und der Fachphilister urteilen, nachdrücklich und mit
Erfolg entgegengetreten werden; die germanische Philologie wird auf diesem Wege sich
immer mehr der Erfüllung ihrer Aufgabe nähern, die auf sicherem Boden einher-
schreitende Führerin und Beherrscherin des deutschen Geistes- und Gemütslebens,
die tiefdringende Deuterin unserer Volksseele, die berufenste Auslegerin unserer
Dichter und die heilbringende Erzieherin unseres Volkes zu sein. — Die Mittel,
welche der Unterricht im Deutschen auf der Schule bietet, um eine sittliche Bildung
zu erzielen, betrachtet Löhn er2). In den vom Lehrer erzählten Geschichtchen wirkt
1) O. Lyon, D. Einheit d. dtsch. Unterr. an d. Univ. n. in d. Sohule. (= I 1 : 69, S. 356-64.) - 2) R. Löhner,
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. i 1 ;N
I 6:3-12 E. Naumann, Die Litteratur in der Schule.
der Stoff vorbildlicher Thaten und Gesinnungen auf Gemüt und Charakter; die
stimmungsreiche Lyrik, der Sprichwörterschatz des deutschen Volkes, sein Drama,
besonders das Schillersche, wecken einen Strom edler Gefühle und Entschlüsse und
helfen die sittliche und ästhetische Ausbildung- des jungen Menschen fördern. Dazu
treten Deklamation, Vortrag, Aufsatz als selbständige Leistungen, die schon eigene
Kraft und Persönlichkeit erkennen lassen. Die Grammatik bildet den Ordnungs-
sinn, nährt die Freude am Heimischen und Volkstümlichen; die Lektüre unserer
Klassiker führt zu Lebensweisheit, bewahrt vor Unduldsamkeit und Chauvinismus;
überall findet aber das beste Können Ausblicke auf noch höhere Bildungsstufen und
bleibt so vor Ueberhebung und Eitelkeit bewahrt. —
Auf dem Gebiete der Methodik begegnen wir mehrfach Arbeiten, deren
Vf. mit Erfolg die von Hildebrand eröffneten Bahnen wandeln. So entwickelt Krum-
bach3) eine Reihe von Sprachbildern, um zu zeigen, wie in der Schule, auch in
der Volksschule, der Inhalt der Sprache, ihr Lebensgehalt frisch und warm erfasst
werden kann. Uebungen solcher Art sind vortrefflich geeignet, den Sprachschatz der
Schüler zu mehren, ihre Denkkraft zu üben und sie zu eigenen Beobachtungen auf
dem Gebiete der Sprache anzuleiten. In unseren hochbegabten Dichtern und Schrift-
stellern ist noch jene alte Kraft lebendig geblieben, dem Geistigen sinnliche Gestalt
zu leihen; um den Schülern eine Ahnung von solchem geheimnisvollen Schaffen des
Sprachgeistes zu geben, dazu bieten die zwanglosen Gespräche über die „Hildebrand-
schen" Sprachbilder stets willkommene Gelegenheit. Nach solchen Vorbemerkungen
zeigt der Vf. an einer ganzen Reihe von Sprachbildern, wie z. B. „mit Krieg über-
ziehen", „auf sein Wort ist kein Gewicht zu legen", „der heut aüfschleusst sein
Himmelreich", die grosse Fülle sinnlicher Vorstellungen, die damit verbunden sind
und weiter in volkstümliche und geschichtliche Anschauungen hineinführen. In den
Sprachbildern mit Uebertreibungen kommt auch der Humor zur Geltung. — In der
von Hildebrand angebahnten Auffassung vom deutschen Unterrichte bewegt sich
auch Beck er 4J, indem er zunächst für das engere Gebiet des rein sprachlichen Ver-
ständnisses zeigt, wie man der Forderung, das Deutsche im altsprachlichen Unter-
richt zu fördern, gerecht werden kann. Das Uebersetzen der alten Schriftsteller ver-
langt eine durchgehende Vergleich ung des deutschen Ausdrucks mit dem fremd-
sprachlichen ; von der Muttersprache dabei auszugehen, empfiehlt sich sowohl aus
pädagogischen Rücksichten, welche verlangen, dass die eigene Sprache als das Ver-
traute und Naheliegende zum Anknüpfungpunkt für die Auffassung des Unbekannten
und Fremden gemacht werde, als auch vom vaterländischen Gesichtspunkte aus,
welcher gerade heutzutage es als Ehrensache des deutschen Volkes empfinden lässt,
nicht in Ungewissheit über unser eigenstes Wesen dahin zu wandern oder gegen-
über den Hütern des eigenen Volkstums in Gleichgültigkeit zu verharren. Es handelt
sich also viel mehr um ein Unterrichtsprinzip, als um einen Unterrichtsgegenstand.
Zunächst muss, wenn an das Deutsche angeknüpft werden soll, Begriff, Ausdrucks-
weise usw. in der deutschen Sprache klar sein oder richtig gestellt werden, schon
daraus ergiebt sich ein Gewinn: erhöhtes Verständnis für die eigene Sprache. Die
sprachlich-logische Schulung, welche durch die alten Sprachen u. a. auch erreicht werden
soll, überträgt sich nicht ohne weiteres auf das Deutsche, es bedarf dazu einer ausdrück-
lichen Hebung im Unterricht. Aber die menschliche Sprache ist nicht ein Erzeugnis
verstandesmässigen Denkens, sondern der dichterischen Phantasie, der sinnlichen Vor-
stellung, des volksmässigen Denkens, kindlicher Anschauungsweise, des Volks-
glaubens, ja des Volksaberglaubens. Indem aus diesen Gebieten die Thatsachen zur
Erklärung des Sprachgutes gesammelt werden, wird das eigene Volkstum lebendig
ins Bewusstsein gerufen, Verständnis und Sinn für bildliche Redeweise geweckt und
eine ursächliche Erklärung für den Sprachgebrauch geg'eben. In vielen Fällen lässt
sich durch die deutsche Uebersetzung mehr oder weniger ein Abbild der fremden
Sprachweise bieten, in anderen sind im Deutschen Analogien für Idiotismen vor-
handen, die bei der Uebersetzung verwertet werden können. Oft genug stösst man
auf Satzbildungen oder Ausdrücke, die dem Lernenden in der Muttersprache ebenso
fremdartig und ungewohnt sind als in der fremden Sprache; sie sind selbstverständ-
lich an der deutschen Sprache zuerst zu erörtern. An zahlreichen wohlgewählten
Beispielen, welche die Abhandlung begleiten, wird dargelegt, wie überall der Schüler
davor bewahrt werden kann, die Wörter ohne Bewusstsein von ihrem begrifflichen
Wert wie eine abgegriffene Münze weiter zu geben.5-12) —
Wie kann d. dtsch. Unterr. z. Erzieh, d. Jug. beitragen? (= ib., S. 126/9.) — 3) C. Krumbach, Aus d. Praxis d. dtsch.
Unterr. (= ib., S. 151-65.) — 4) Th. Becker, ü. Deutsche im altsprach]. Unterr. Progr. Neu-Strelitz (Helhvigsche Hofbuchd.).
4°. 28 S. - 5) O X V. Koch, Lehrplan für d. dtsch. Unterr. T. 1 u. 2. Progr. d. Progymn. St. Wendel. 1893-94. 20, 21 S.
|[Th. Matthias: Gymn. 12, S. 26. ]| - 6) O X J- Ottens, Lehrplan für d. dtsch. Unterr. Progr. d. Oberrealsch. Kiel. 1893. 4°.
13 8. |[Th. Matthias: Gymn. 12, S. 25. ]| — 7-8) XX"' Crampe, Ueber d. kleineren dtsch. Ausarbeitungen in ihrem
Verhältnis z. dtsch. Unterr. BllHSch. 11, S. 125-30. — 9) X X p- Cauer, E. dtsch. Lesebuch für Prima: ZGymn. 28,
S. 442-55. — 10-11) O X X J- Dowrtiel, Z. Behandl. d. Redefiguren in d. unt. Klassen d. Gymn. Progr. d. Untergymn.
im VIII. Bez. Wien. 1893. 17 8. |[W. Sauger: Gymn. 12, S. 872/3.|| — 12) O X J- Nioklas, Abriss d. dtsch. Gramm.
E. Naumann, Die Litteratur in der Schule. I 6 s 13-19
Eine Reihe von Einzelfragen betreffs der Ausgestaltung des deutschen
Unterrichts wird erörtert. Goethes Faust, auf der obersten Stufe in den Be-
reich der Schullektüre gezogen zu sehen, ist Haehnels13) Wunsch; er findet sich
mit der Bestimmung der österreichischen Instruktion, welche den Faust der Privat-
lektüre zuweist, dadurch ab, dass er einen strengen Unterschied zwischen Privat-
um! Schullektüre in Abrede stellt und annimmt, dass auch bei ersterer einzelne
Stellen in der Klasse gelesen werden. Der Lektüre des Faust soll eine gekürzte
Ausgabe zu Grunde gelegt werden, von den vorhandenen entspricht den Anforde-
rungen Haehnels allerdings keine. — Auch Unbescheid14) spricht sich für die
Lektüre der Faustdichtung in der Schule aus. —
Gegen die Aufnahme von Kleists Hermannsschlacht in die Schul-
lektüre führt Ortner15) gewichtige Bedenken aus der Komposition und Ausführung
im einzelnen an. Der Stoff ist für dramatische Darstellung nicht geeignet, in Er-
findung und Charakterzeichnung hat der Dichter Halbheiten und Widersprüche nicht
vermieden, bei aller Grösse der Empfindung fehlt es ihm an der Fähigkeit, die ein-
mal gewollte Anlage folgerecht durchzuführen. Dazu kommen noch vielerlei Irr-
tümer in mythologischer, geographischer, geschichtlicher Hinsicht, ja sogar sprach-
liche Härten. Erklärlich sind diese Mängel, besonders auch die Uebertreibungen in
einzelnen Charakteren, aus der Entstehungsgeschichte des Stückes, das als ein aus-
gesprochenes Tendenzstück zum Hass gegen Napoleon anfeuern sollte. Daher
stammt das Schwanken zwischen den alten Zuständen und den modernen Verhält-
nissen, welches die Vorstellung von einem wahren Kunstwerke nicht aufkommen
lässt. 0. geht im Uebereifer sogar so weit, beginnende Krankhaftigkeit des Dichters
für die Halbheiten des Stückes mit verantwortlich zu machen. —
Die Stelle, welche die deutsche Litteratur in der Schrift stelle rlektüre
einer einzelnen Klasse, der Obersekunda, einnimmt, würdigt Ahl heim16). Parallel
mit der Lektüre der Odyssee läuft die des Nibelungenliedes, die sich mit jener in
die Aufgabe, den Begriff des Epos zu erarbeiten, zu teilen hat. Sie liefert Bilder
hervorragender Tugenden und ein Kulturbild des ritterlichen Heldentums, das mit
dem Heroentum vielfach zusammentrifft. Die Beschäftigung mit Walther von der
Vogelweide führt zum Begriff der Lyrik. Neben das Kulturbild der mittelalter-
lichen Ritterburg tritt in Hermann und Dorothea das des deutschen Bürgerhauses
am Ausgang des 18. Jh.; es ist ein bürgerliches Epos, zeigt innerhalb eines . engen
Kreises hochstehende, auch sittlich hochstehende Personen. Die vielfachen Bezie-
hungen innerhalb jener Stoffgebiete legt A. mit Geschick dar; nur sollte man Hermann
und Dorothea nicht bis Obersekunda aufsparen, sondern als das Einfachere, auch
stofflich uns Näherliegende noch vor der Odyssee, wenigstens gleichzeitig mit ihrem
Anfang lesen und den Begriff des Epos lieber an der letzteren als an jenem Ge-
dichte sich zu einem vorläufigen Abschluss entwickeln lassen. — Die Lektüre des
Homer in den Realanstalten behandelt Mathi17) nach Art der deutschen Gedichte
und nach Anleitung der Normalstufen. Er erstrebt klare Anschauung des Dichter-
werkes und gute Kulturbilder. — Der Schulordnung für bayerische Schulen sich
anschliessend giebt Nicklas18) eine Abgrenzung der Pensen für die drei untersten
Gymnasialklassen mit eingehenden Anweisungen über Methode. Ohne gerade neue
Gesichtspunkte aufzustellen giebt er auf Grund einer zuverlässigen Kenntnis der
einschlägigen pädagogischen Litteratur und aus eigener Beobachtung für jüngere
Lehrer brauchbare Winke, das bestimmt abgegrenzte Lehrziel zu erreichen. Mit
grosser Sorgfalt werden die ersten Aufsatzübungen vorbereitet, die nach N. schon
in der untersten Klasse beginnen; am Maximiliansgymnasium hat man sich über be-
stimmte Korrekturzeichen geeinigt, aus denen die Art der Fehler zu erkennen ist, ge-
wiss eine nützliche Einrichtung. Mit Recht liegt in den untersten Klassen der
Hauptnachdruck auf den mündlichen Uebungen, die sich mit Lektüre, Wiedererzäh-
lungen und Beschreibungen beschäftigen. Das Gesamtmass der Forderungen ist
nicht niedrig gegriffen, aber entspricht nach der Vorrede dem Lehrplan des Maxi-
miliansgymnasiums zu München. —
An die Volksschule wendet sich M ä h r 1 e 19) mit seinen Vorschlägen,
wie Sprachverständnis und Sprachfertigkeit zu fördern seien. Er verlangt u. a., dass
der gesamte Unterricht mehr in den Dienst sprachlicher Schulung gestellt werde;
in Beispielen. 3. T. München, Lindauer. 24 S. M. 0,30. |[L. Bauer: BBG. 30, S. 479-80.]| — 13) K. Haehnel, Goethes
Faust im Gymnasialunterr. Progr. Leitmeritz. 31 S. (S. u. N. 45; vgl. auch IV 8e.) — 14) H. Unbescheid, Goethes Paust
(1. T.) als Schullektüre. (=11: 69, S. 199-208.) (S. u. N. 46: vgl. auch IV 8e.) — 15) H. Ortner, ttemerknngen zu Heinrich
v. Kleists Hermannsschlacht. Progr. Regensburg, Druck. M. Wasner. 32 S. — 16) A. Ählheim, D. Schriftstellerlektüre d.
Ober-Sekunda nach d. Grundsätzen d. Konzentralion. 2. T. Progr. Bensheim. 4°. 23 S. (1. T.: JBL. 1S93 I 7 : 33.) —
17) J. Mathi, D. Ilias im dtsch. Unterr. d. Realanstalten. Progr. d. Realprogymn. Höchst a. M. 1893. 4°. 22 S. |[Th.
Matthias: Gymn. 12, S 28.]| - 18) J. Nicklas, Method. Winke für d. dtsch. Unterr. in d. 3 unt. Klassen höh. Lehranst.
München, Lindauer. 68 S. M. 1,20. ||L. Bauer: BBG. 30, S. 479-80.]| — 19) F. M&hrle, Was k;.nn d. Schule thun, um
unserem Volke zu e. richtigeren, reineren u gewandteren Gebrauch seiner Muttersprache zu verhelfen?: NBUEU. 23, S. 193-202
(1)8*
I 6 : 20-30 E. Naumann, Die Litteratur in der Schule.
in dem Streit um die Grammatik in der Volksschule tritt er ein für grammatische
Uebungen, damit die Gewöhnung1 gestützt und für zweifelhafte Fälle theore-
tische Erwägung herbeigezogen werde; er denkt sich die Durchnahme der Regeln
von dem jedesmal vorliegenden Bedürfnis abhängig. — Einer nachdrücklicheren Be-
schäftigung der Volksschule mit der Poesie redet Salz mann20) das Wort. Was
die geistliche Dichtung betrifft, so beschränken sich die Forderungen auf die richtige
Behandlung des vorgeschriebenen Stoffes ; aber die herrliche vaterländische Litteratur
soll in viel weiterem Umfange und in passenderer Form dargeboten werden. Mehr
poetischer Stoff in den Lesebüchern ! Eine Auswahl giebt S. an, bei der Durchnahme
stellt er die Wirkung des Kunstwerks der sprachlichen Form voran. — Für die Be-
handlung deutscher Gedichte in der Volksschule gewinnt Otto Schulze21"22) aus
der vorhandenen pädagogischen Litteratur einige Gesichtspunkte; er tritt der Spaltung
des Sprachunterrichts in statarisches und kursorisches Lesen, in Grammatik, Ortho-
graphie, Aufsatz und Diktat entgegen und will streng genommen nur mündliche und
schriftliche Uebungen gelten lassen. Den mündlichen fällt die Durchnahme der Ge-
dichte zu. Eine allgemein verbindliche Behandlungsweise schreibt er mit Recht nicht
vor: „denn das Schema ist nicht das allein Seligmachende im Unterrichte". Aber
die Eigenart des dichterischen Erzeugnisses muss hervortreten, die Behandlung muss
vor allem ästhetisches Interesse erregen. Treffend ist die Empfehlung gruppen-
artiger Zusammenstellung der Gedichte, wofür der Vf. mehrere gute Beispiele giebt.
Es können auf diese Weise viel Schätze der Litteratur vorgeführt werden, und es
werden weitläufigere Erörterungen erspart, da eins das andere erklärt. Dass grosser
Wert auf sorgfältiges Einlesen und sinngemässen Vortrag zu legen ist, ist selbst-
verständlich. Ein Verteilungsplan der poetischen Lesestoffe für die drei oberen
Klassen unterscheidet Lernstoffe und Zusatzstoffe, die ersteren treten neu auf und
sind als Gruppen zu behandeln, die letzteren dienen der fortlaufenden Wiederholung
und vervollständigen die Gruppen. In der dritten und zweiten Klasse sind die Dich-
tungen lediglich nach dem Inhalt geordnet, in der ersten tritt eine Anordnung nach
Dichtergruppen ein, die weniger durch die geschichtliche Entwicklung als durch
den Inhalt bestimmt werden.23-25) —
Eine jedenfalls der Lösung dringend bedürftige Frage behandelt ein Anony-
mus26), indem er die Privatlektüre unserer Töchter auf gesunde Grundlagen zu
stellen sucht. Er tritt mit Recht gegen die litterarische Fabrikware der sogenannten
Backfischlitteratur auf und weist auf die Pflicht der Eltern und Erzieher hin, die in
Deutschland vorhandenen vorzüglichen Jugendschriften wieder ans Licht zu ziehen,
verlangt eine Sichtung des vorhandenen Lesestoffes und stellt als Anforderungen,
die an ein gutes Buch für Mädchen zu machen seien, folgende auf: christliche Grund-
lage, sittlicher Grundgedanke, das Ziel, tüchtige, fleissige, denkende Frauen zu
bilden, Anregung des gesamten Seelenlebens, spannende Darstellung, nationales Ge-
präge, mustergültige Sprache. Es werden eine ganze Reihe Schriftsteller aufgezählt,
die diesen Anforderungen entsprechen.27-28) —
Das gewonnene Verständnis für die Sprache führt zur Herrschaft über den
Ausdruck in mündlicher und schriftlicher Darstellung. Der deutsche Aufsatz ist
daher als eine der wichtigsten Uebungen auf allen Schulen immer wieder Gegen-
stand eingehender Erwägungen. Kretschmann29) weist darauf hin, dass der Aufsatz
für die Gymnasialschüler, welche nach der Abschlussprüfung in das Leben über-
treten, eine erhöhte Bedeutung gewinnt. Er teilt zwölf Musteraufsätze mit, deren
Themen fast alle aus der alten und neuen Litteratur genommen sind. Was in den
einleitenden Bemerkungen ausgeführt wird, ist alles beherzigenswert: der Lehrer
arbeite sich den Aufsatz selbst aus, teile ihn auch den Schülern mit, dringe auf sach-
lich richtige und wahre Angaben, betreibe die Arbeit des Suchens und Sammeins
mit den Schülern gemeinschaftlich. An den Aufsätzen selbst tritt mehrfach bewusste
Anlehnung an bedeutende Muster aus Mommsen, Luden, Curtius hervor; sicherlich
eine ganz vorzügliche Art der Anleitung, welche zugleich ehrliche Benutzung fremden
Gutes lehrt. — Das W7erk von Laas über den deutschen Aufsatz, welches von epoche-
machender Bedeutung für den deutschen Unterricht gewesen und dessen Einfluss
auch in den neuesten amtlichen Vorschriften erkennbar ist, hat in Imelmann30)
einen pietätvollen und kundigen Herausgeber gefunden. Nennenswerte Eingriffe in
den Text sind vermieden worden, im einzelnen waren etwa thatsächliche Angaben
— 20) E. Salzmann, D. Poesie in d. Volksschule: ib. S. 235-45. — 21) Otto Schulze, Z. Behandl. dtsch. Gedichte.
(= PaedMag. Her. v. F. Mann. 52. Heft.) Langensalza, Beyer & Söhne. 28 S. M. 0,35. — 22) id., Gesichtspunkte
für Behandl., Ausw. u. Anordn. der dtsch. Gedichte: DB11EÜ. 21, S. 349-53, 357-61. — 23-24) O X Gedichtskanon für d.
einzelnen Klassen. Trogr. Coesfeld. 1893. 4°. 15 S. — 25) O X X Heinr. Schmitt, D. Behandl. d. Lesestücke. Vortr.
Bühl, Konkor dia in Komm. 21 S. M. 0,25. (Aus: NSchZgBaden.) — 26) K., D. Lektüre unserer Töchter: NB11EU. 23,
S. 227-35. — 27) X Einiges über Jugendlektüre: KZEU. 43, S. 513/8. - 28) X H- Liebeskind, Was kann d. Lehrer z.
Verbreit, guter Lektüre in d. Schulgemeinde thun: DB11EU. 21, S. 333/6, 341/4. — 29) H. Kretschmann, Dtsch. Aufsätze
in Unter-Sek. Progr. Danzig, A. Müller. 4". 25 S. — 30) E. Laas, D. dtsch. Aufsatz in d. ober. Gymnasialklassen. Theorie
E. Naumann, Die Litteratur in der Schule. I 6 : 31-40
oder Voraussetzungen richtig- zu stellen oder kleine Aenderungen des Ausdrucks
vorzunehmen, auch ist die frühere Fülle an Fremdwörtern und Kunstausdrücken
auf ein richtiges Mass zurückgeführt. Aus dem Handexemplar des Vf. war nur
Weniges nachzutragen. Die Zuthaten des Bearbeiters finden sich in den Anmerkungen,
wenig- umfangreich, aber gehaltvoll, die Litteratur fortführend, abweichende Behand-
lung oder Kritik der von Laas gestellten Aufgaben nachweisend, überall in be-
sonnener Beschränkung das Wichtigste hervorhebend. Die Reichhaltigkeit dieser
Zusätze, welche dem Vf. auf alle Gebiete folgen, denen er seine Materialien zu den
praktischen Hebungen entnommen hat, sind ein glänzender Beweis, dass der Be-
arbeiter den Stoff vollständig beherrscht und durchdringt. „Die mächtig anregende
Kraft dieses Buches wird sich sobald nicht erschöpfen". Sie wird sich auch in der
Gegenwart, wo mit neuem Eifer an der Festigung des deutschen Unterrichts auf
allen Stufen gearbeitet wird, erfolgreich bewähren. — Sorgfältig durchgearbeitete
Aufsatzentwürfe, die sich an die würdigsten Stoffe anknüpfen, liefert Straub31).
Sie zeichnen sich ebensowohl durch lebendigen Ausdruck wie durch Gedankentiefe
aus und berühren die wichtigsten Fragen geistiger Kultur. Vieles ist auch bei Be-
sprechung Goethescher und Schillerscher Gedichte zu verwerten. — Leuchten-
berg e r s 32) vortrefflich ausgewählte und durchgearbeitete Dispositionen sind in der
neuen Auflage übersichtlicher verteilt; man findet sämtliche Aufgaben aus Schiller
und aus Horaz im ersten, diejenigen aus Goethe im zweiten Bändchen, welches auch
die an die griechische Lektüre sich anlehnenden Aufgaben enthält. Von den
Aufgaben aus der älteren deutschen Litteratur wird manche nach den neuesten Lehr-
plänen wieder Verwendung finden. Für die gelegentliche Bearbeitung sogenannter
allgemeiner Themen führt L. mit Recht an, dass sie den Schüler über sich selbst
und sein Inneres aufzuklären, ihm in aller Stille sittliche Antriebe zu verschaffen
vermag. — Die in Büchern und Abhandlungen zerstreuten Aufgaben zu deutschen
Aufsätzen im Anschluss an die der Schullektüre zugewiesenen deutschen Dramen
geordnet zusammenzustellen, haben Heinz e und Schröder33"35) begonnen. Das
Ziel bringt es mit sich, zuweilen sehr ähnliche Themata oder zu demselben Thema
mehrere Ausführungen aufzunehmen; an sich ist das ganz zu billigen, nur sollten
nicht, etwa nur um äusserer Vollständigkeit willen, nebeneinander Abschnitte auf-
genommen werden, zwischen denen ein nennenswerter Unterschied nicht mehr zu
erkennen ist. Ebenso wenig hätten sich die Sammler die Gelegenheit entgehen
lassen dürfen, unrichtig angeführte Textstellen zu verbessern, z. B. II, S. 57 ; III,
S. 65, 75. Ob freilich die Vf. von Dispositionen und Aufsatzbüchern mit einer
solchen Verwertung ihrer Arbeit zufrieden sein werden, bleibt abzuwarten.36-39) —
Die Reihe der methodischen Erläuterungsschriften hat mit seiner
Erklärung weiterer Dramen Schillers in würdigster Weise Gaudig40) im
Rahmen des von 0. Frick begründeten Werkes „Aus deutschen Lesebüchern" er-
öffnet. Fricks Erläuterungsweise, die in dem Drama eine kleine Welt erkannte, die
diese Welt mit allen ihren Kräften und ihrem Leben im Geiste des Schülers von
neuem entstehen Hess, hatte etwas Schöpferisches. Mit einem auf das Ganze ge-
richteten Blick wies er dem einzelnen die rechte Stelle an; er verfolgte die Ent-
stehung und das Werden des dramatischen Gedankens und Planes von dem ge-
schichtlich gegebenen oder erforschbaren Anlass und Stoff aus hindurch durch das
Werk bis zu seiner Vollendung. Das besonnene Abwägen der im Drama gegen
einander ringenden Geisteskräfte, der Leidenschaften, der unglücklichen Verschlin-
gungen bedeutsamer Umstände, das Verfolgen der einmal aufgedeckten Grundzüge
der Handlung- in Haupt- und Nebenthemen, die vornehme Beurteilung der Charaktere
und die umsichtige Verwertung der erhaltenen Ergebnisse zur Einsicht in die Form
des Kunstwerks, diese Vorzüge von Fricks Behandlung des deutschen Dramas haben
vorbildlich gewirkt. Mit der Handhabung jener Methode hat sich G. auf das innigste
vertraut gemacht; er wendet sie im vorliegenden Bande auf Schillers fünf letzte
u. Materialien. 2. Abt.: Materialien. 3. Aufl. bes. v. J. Imelmann. B., Weidmann. XU, 405 S. M. 6,00. — 31) L. W.
Straub, Aufsatz-Entwürfe. 2. Aufl. (= Samml. Göschen N. 17.) L., Göschen. 12°. IV, 148 S. M. 0,80. — 32) G.
Leuchtenberger, Dispositionen zu dtsch. Aufsätzen u. Vortrr. für d. oberen Klassen höh. Lehranst. 1. Bdch., 5. verb.
Aufl. 2. Bdch., 4. verb. Aufl. B., Gaertner. VII, 160 S.; 149 S. ä M. 2,00. — 33) H. Heinze u. W. Schröder, Aufgaben
aus dtsch. Dramen. 1. Bdch. Aufgaben ans „Wilhelm Teil". Zusammengest. von H. Heinze. L., W. Engelmann. VII, 89 S.
M. 0,80. — 34) Dass. 2. Bdch. Aufgaben ans „d. Jungfrau v. Orleans". Zusammengest. v. W. Schröder, ebda. VI, 80 S.
M. 0,80. — 35) Dass. 3. Bdch. Aufgaben aus rWallensteinu. Zusammengest. v. H. Heinze. ebda. IX, 118 S. M 1,00. —
36) X W. Saliger, J. Hörtnagl, Pralct. Lehrgang im Disponieren dtsch. Aufsätze. (JBL. 1893 I 7:22): Gymn. 12, S. 873.
— 37) O X X V. Kiy, Themata u. Dispositionen zu dtsch. Aufsätzen u. Vortrr. im Anschl. an d. dtsch. Schullektüre für d.
ober. Klassen höh. Lehranst. 1. T. B., Weidmann. XII, 182 S. M. 3,00. — 38) O X X °- Boehm, Dispositionen zu dtsch.
Aufsätzen. Nach Gedichten aus dtsch. Lesebüchern für d. mittl. Klassen höh. Schulen u. d. ob. Klassen d. Mittel- u. Bürger-
schulen. B., Grote. XIV, 154 S. M. 2,00. ||Lg.: COIRW. 22, S. 741/2.]| - 39) O X J- Wagner, Musterbeispiele zu dtsch.
Aufsätzen für Elementar-, Volks-, Fortbildungs- u. Präparandenschulen. 1. Bdch. 4. Aufl. Langensalza, Schulbuchh. VIII,
148 S. M. 1,20. — 40) Wegweiser durch d. klass. Schuldramen. Bearb. v. O. Frick n. H. Gaudig. 3. Abt. Schillers Dramen.
IL (Bearb. v. H. Gaudig) Maria Stuart; Jungfr. v. Orleans: Braut v. Messina; Wilh. Teil; Demetrius. (= Aus dtsch. Lese-
büchern, Ep., lyr. u. dramat. Dichtungen, erläut. für Oberklass. d. höh. Schulen. 5. Bd., 2. Abt.). Gera u. L, Th. Hofmann.
I 6 : 4i-43 E. Naumann, Die Litteratur in der Schule.
Dramen: Maria Stuart, Jungfrau von Orleans, Braut von Messina, Wilhelm Teil und
Demetrius an. Für seine Gesamtauffassung von Schillers dramatischer Kunst ist
die Uebereinstimmung mit Scherer ausschlaggebend, dass die Beurteilung Schillers
auf völlig falsche Wege geriet, weil man Shakespeares Drama für das moderne
Drama schlechtbin erklärte und daher jede Abweichung Schillers von Shakespeare
dem ersteren als Fehler anrechnete. Schiller hat seine ästhetischen Prinzipien selbst
formuliert und setzt uns so in den Stand, seine Dramen auf Grund seiner eigenen
Voraussetzungen zu beurteilen. Dieser Standpunkt macht sich besonders für Maria
Stuart geltend, die ganz nach den Abhandlungen vom Erhabenen, über die tragische
Kunst, über das Pathetische gemessen wird. Maria Stuart ist nach G. eine pathe-
tische Tragödie im wahren Sinne des Wortes und als solche eine typisch reine
Ausprägung des Begriffs der Tragödie, wie ihn Schiller fasst. Somit muss denn
auch im einzelnen gelegentlich der Aesthetiker Schiller den Dramatiker Schiller
gegen von anderen Gesichtspunkten ausgehende Erklärungen rechtfertigen, z. B. be-
treffs der Streitscene in Maria Stuart (III, 4; vgl. S. 72/3). In der Erklärung der
übrigen in diesem Bande behandelten Tragödien, mit selbstverständlicher Ausnahme
der Braut von Messina, nimmt die Darlegung des geschichtlichen Materials, das mit
grosser Sorgfalt behandelt wird, einen breiten Raum ein; die Gründe, die G. dafür
in der Einleitung anführt, treffen nicht bloss auf „Maria Stuart" zu, sie gelten noch
besonders für den Demetrius. In den beiden genannten Dramen ist die Aufgabe,
die Stellung des Dichters zu seinem Stoffe zu verfolgen, deshalb interessanter, weil
gerade hierdurch ein tiefer Einblick in die schöpferische Arbeit des Dichters ge-
wonnen wird. Für die übrigen Dramen aber giebt die Vergleichung des Geschicht-
lichen mit der Dichtung gleichfalls Anregung zur Beantwortung wichtiger Fragen,
die die Komposition des Ganzen betreffen. So ist G. der Meinung, der Grund, wes-
halb Schiller den Ausgang der Jungfrau, die herbe Tragik ihres geschichtlichen
Unterganges abweisend , frei erdichtete, liege vor allem in der nahen Verwandtschaft,
die zwischen der Tragik im Endschicksal der geschichtlichen Johanna und der Tragik
im Ende der Maria Stuart bestand. Die verschiedenen Spielarten des Tragischen
offenbaren sich in und neben einander in den behandelten Tragödien, und die Ver-
anschaulichung des Begriffs des Tragischen selbst scheint eines der Hauptziele der
Gesamterklärung zu sein. Im einzelnen gliedert sich die Behandlung der Dramen
nach dem aus den früheren Bänden bekannten Gedankengange, in der Besprechung
ist der Bearbeiter mit selbständigem Urteile seinem Vorbilde gefolgt, er verzichtet
zum Beispiel auf die vorläufige Aufstellung der „Themata" und deren Ergänzung
in der Schlussbesprechung und lässt dafür die Personen als Träger der Handlung
von vornherein mehr hervortreten. Wenn er auch die Begriffe Spiel und Gegen-
spiel gebraucht, so ist er doch kein Anhänger von Freytags Technik des Dramas,
er ist viel mehr überzeugt, dass es unmöglich ist, die von Frey tag aufgestellten Ge-
setze des Dramas in den Dramen unserer Klassiker wiederzuerkennen, weil der
dichterische Geist weder bewusst, noch unbewusst nach solchen Gesetzen geschaffen
hat (vgl. S. 2, 79). Von seinem Standpunkte aus hat G. öfters Gelegenheit, sich auch mit
Düntzer, Bellermann, Fielitz u. a. auseinanderzusetzen, was überall sachlich und
ohne die eigentliche Aufgabe zu beeinträchtigen geschieht (vgl. S. 72, 217, 218, 2191,
362, 4641). Die Aufnahme des Demetrius unter die behandelten Dramen rechtfertigt
G. erstens mit der überwältigenden Grösse des Inhalts, sodann durch den Hinweis,
dass dieses Fragment uns mehr als ein anderes Werk die Vorstudien des Dichters,
die Wandlungen des Stoffes, die Selbstkritik Schillers erkennen lässt, zumal dieser
die Gesichtspunkte, nach denen er den Stoff organisiert, selbst aufgezeichnet hat.
Auf alle Fälle verdiente der „Torso" eine eingehende Behandlung und, selbst wenn
im Unterrichte nur ausnahmsweise sich Zeit darbieten sollte, den Entwurf durch-
zunehmen, so ist die Studie darüber in dem Wegweiser hochwillkommen. Es ist
kein Fehler, wenn das Buch viel mehr Stoff enthält, als bei schulmässiger Behand-
lung der Dramen bewältigt werden kann; durch die vielseitige, man könnte fast sagen
erschöpfende Erörterung der genannten Dramen, durch seine Fülle brauchbarer Winke
und feinsinniger Bemerkungen und nicht am wenigsten vermöge des ernsthaft unter-
nommenen Versuches, den Dichter nach seinem eigenen Mass zu messen, ist das
Werk das geworden, was es sein will, ein brauchbarer Wegweiser durch die letzten
Werke unseres grössten Dramatikers.41) — Die von König42"43) herausgegebenen
eigenen Erläuterungen zu Schillers Teil und Erläuterungen Stechers zur Jungfrau
von Orleans bestehen etwa zur Hälfte aus sprachlichen und sachlichen Erklärungen,
von denen die letzteren nicht gerade tief dringen; dazu kommen Uebersichten über
VII, 517 S. M. 5,00. |[Paeä. S. 788/9 j | (Vgl. .1BL. 1893 I 7 : 43a.) — 41) O X X ß- Franz, Gesichtspunkte u. Materialien
z. Behandl. v. Schillers Demetrius. Progr. d. Bealgymn. Halberstadt. 1892-93. 4°. 20,24 8. |[Th. Matthias: Qyron. 12,
S. 29-30.11 (JBL. 1892 I 5:41; 1893 IV 9:144.) - 42) W. König, Erläuterungen zu Schillers Wilh. Teil für d. Schulgebr.
L., L'hl. 12°. 64 S. M. 0,40. |[L. Frey tag: COIRW. 22, S. 097/8.]| — 43) M. R. Stecher, Erläuterungen zu Sohillers
E. Naumann, Die Litteratur in der Schule. I 6 •. 44-47
den Gang der Handlung-, welche aber einer begrifflichen Gliederung nicht unterzogen
wird, je ein Abschnitt über die Vorgestalt des Stoffes, sowie über die Entstehung
des Stückes, zum Teil auch kurze Bemerkungen über die Charaktere, zur Jungfrau
eine Erklärung der Benennung „romantische Tragödie". Gelehrter Ballast ist in
beiden Heften allerdings vermieden, aber manches Selbstverständliche ist gesagt.
Das sprachliche Gewand ist nicht immer mustergültig, z. B.: „Statt eines Jambus
beginnt dieser Vers mit einem Creticus" (zu Teil S. 32) und „War doch die histo-
rische Johanna selbst ein reines Produkt ihres Zeitalters, das, seines noch unge-
schwächten kindlichen Wunderglaubens wegen, Mutter und Säugamme der roman-
tischen Poesie werden konnte" (zu Jungfrau S. 61). — Als einen Beitrag zur Be-
lebung des deutschen Unterrichts bietet Kraft44) eine Studie über Klingers Zwillinge,
Leisewitz Julius von Tarent und Schillers Braut von Messina dar. Ohne die Lektüre
der beiden ersteren Dramen für die Schule fordern zu wollen, zieht er sie doch zur
Vergleichung heran, um für das letztere dem Schüler ein klareres Verständnis zu
erschliessen. Aesthetische Theorien beiseite lassend, geht er auf die Gestaltung des
Grundmotives, den dramatischen Aufbau und die Charakterzeichnung ein. Haupt-
ergebnisse sind: in dem feindlichen Verhältniss beider Brüder fehlen bei Schiller
zwei Momente, die sich bei Klinger und Leisewitz finden, die ausdrückliche Be-
zeichnung des Streitobjektes und die offensive Haltung des einen, sowie die defen-
sive des anderen Bruders. Bei der Gewaltthat Don Cäsars habe der Dichter einen
Gegensatz des Charakters oder Temperaments nicht mitspielen lassen, sie sei viel
mehr alleiniges Ergebnis der Unkenntnis des wahren Sachverhalts: er fühlt, dass er
unbewusst das Werkzeug der Schicksalsfügung geworden ist. Daher steht bei
Schiller die Charakteristik zur dramatischen Handlung in einem anderen Verhältnis
als bei Klinger und Leisewitz. Bei diesen ist sie Grundlage der Handlung, bei
Schiller Nebensache. Bei Schiller geht die allgemein sittliche Tendenz des Dramas
höher hinaus, sie zielt auf das Uebergewicht der ewigen, unerschütterlichen Not-
wendigkeit über die kurzsichtigen Pläne der Staubgeborenen; im Zusammenhange
damit bringt der Dichter ein Beispiel freiwilliger Unterordnung unter die Macht der
sittlichen Notwendigkeit zu erschütternder Darstellung. — Bei der Durchnahme des
Goe theschen Faust in der Schule soll nach Haehnel45) eine Einleitung dem
Schüler einen Blick in das Glaubensleben des Mittelalters eröffnen, die Geschichte
der Faustsage und ihrer Bearbeitungen vorführen, wobei Lessings Plan, die Ver-
suche der Stürmer und Dränger und eingehender die Entstehungsgeschichte des
Goetheschen Dramas behandelt werden. Kritische Bemerkungen über Stil und Plan
bleiben ausgeschlossen, dagegen sind Uebersichten über Zeit und Schauplatz voran-
zuschicken. Das Verständnis der durchzunehmenden einzelnen Scenen oder Scenen-
gruppen wird unterstützt durch orientierende Vorbemerkungen und gesichert durch
Vorlegung bestimmt formulierter und genau vorbereiteter Einzelfragen; Schluss-
bemerkungen werden sich zuweilen noch als notwendig ergeben. Diese Vorbemer-
kungen, Fragen und Schlussbemerkungen führt H. zum ersten Teil auf; die Bespre-
chung schliesst mit Aufstellung eines erläuternden Schemas der Gesamtdichtung und
Mitteilung des Hauptinhalts des zweiten Teils. Selbst, wenn man dem Vf. trotz der
schwerwiegenden Bedenken, die gegen die Beschäftigung der Schule mit dem Faust
geltend gemacht worden sind, deren Erspriesslichkeit zugeben wollte, so bleibt noch
nachzuweisen, woher der von allen Seiten neu in Anspruch genommene deutsche
Unterricht die Zeit zu der geforderten, doch recht eingehenden Durchnahme ge-
winnen soll. — Für eine Behandlung des ersten Teils der Faustdichtung in der
Schule entnimmt Unbescheid46) dem eben erschienenen zweiten Bande von V.
Valentins Aesthetischen Schriften (s. u. IV 8e), der Goethes Faustdichtung in ihrer
künstlerischen Einheit darstellt, die leitenden Gesichtspunkte wie die Grundzüge im
einzelnen; er führt Valentins Inhaltsangabe, die er am Ende mitteilt, im engsten
Anschluss an das genannte Werk des weiteren aus. Aber er geht in seiner Zer-
gliederung so weit, dass der Schüler Gefahr läuft, über dem Schema die lebendige
Gestaltuug der Dichtung aus den Augen zu verlieren. —
Eine besonnene Erklärung zum Goetheschen Epos Hermann und Dorothea
liefert Stoffel47), indem er Gesang für Gesang den Inhalt so gliedert, dass der Fort-
schritt der Handlung heraustritt; ein Rückblick sucht jedesmal das Neugewonnene
für Geist und Gemüt zu verwerten. Die Benennung der Gesänge nach den Musen
aus dem Inhalt zu rechtfertigen, gelingt nicht ohne Gewaltsamkeit. Die Schluss-
abschnitte über Gliederung des Ganzen, Züge aus Goethes Leben in der Dichtung,
das Nationale im Epos u. a. enthalten brauchbares Material. Auch die Pädagogik
Jungfrau v. Orleans für d. Schulgebr. Her. v. W. König, ebda. 61 S. M. 0,40. — 44) G. Kraft, Klingers „Zwillinge",
Leisewitz „Julius v. Tarent" u. Schillers „Braut v. Hessina". E. vergleichende Betracht, mit bes. Rucks, auf ihre Verwertung
beim Unterr. Progr. Altenburg, Bunde. 4". 20 S. — 45) (= N. 17.) — 46) (= N. 13.) — 47) J. Stoffel, Goethes
Hermann u. Dorothea erlrl. u. ge.würd., bei Gelegenh. d. 100 j. Jubelfeier d. Seminars zu Weissenfeis her. (= Dtsch. Dramen
I 6:48-58 E. Naumann, Die Litteratur in der Schule.
Goethes in Hermann und Dorethea findet ihre Würdigung durch Wiederabdruck einer
Abhandlung aus Dörpfelds Evangel. Schulbl. 1890.48) —
Den Erläuterungen zu Lessings Werken, welche die Lehrerin Bertha
Rot he49) herausgab, fehlt die Tiefe, die allein Lessing gerecht werden kann; be-
sonders unzureichend ist die Behandlung der kritischen Werke. Die Vf. wendet sich
an Seminaristinnen und angehende Lehrerinnen. —
Eine bis in alle Einzelheiten ausgeführte Anleitung zum Unterricht im
Deutschen mit Grundlage des Lesebuchs erhalten die Lehrer katholischer Volks-
schulen durch Havers50-51). Ziel und Methode des deutschsprachlichen Unterrichts
werden so formuliert, dass das Lesebuch den Mittelpunkt für alle seine Zweige bildet.
Die Durchführung dieser auch schon früher als berechtigt anerkannten Forderung
hat nach dem Vf. Schwierigkeiten gefunden infolge der hohen Ansprüche, die
sie an die Lehrer stellte. Einer umsichtigen Vorbereitung soll nun durch die vor-
liegenden Bände das Zeit und Mühe raubende Sammeln des Materials erspart werden,
indem die Anwendung der entwickelten Grundsätze gezeigt wird. Es werden also
genau die Pensen von Woche zu Woche verzeichnet und ihre Bearbeitung angegeben.
So knüpfen sich z. B. auf der Oberstufe an die durch Erzählung des Inhalts vor-
bereitete Lektüre von Uhlands Gedicht „Der blinde König" eine Reihe von Fragen,
wodurch Inhalt und Gliederung festgestellt werden, ferner Aufgaben für Aufsätze sowie
gelegentliche und planmässige sprachliche Uebungen. Auf Grund dieser eingehenden
und vielseitigen Durcharbeitung ist wohl zu erwarten, dass die in den Lesebüchern
enthaltenen Proben unserer Litteratur dem Volksschüler zum vollen Verständnis ge-
bracht werden können.52 55) —
Hülfs mittel für den Unterricht. Auch dieses Berichtsjahr ist reich an
Schulausgaben, unter denen sich manche tüchtige Leistung findet, wenn auch
andere den Stempel eiligster Arbeit tragen, so dass durch sie das Verständnis der
Klassiker keine nennenswerte Unterstützung findet.56) — Den Text von Lessings
Laokoon giebt V a 1 e n t i n57) mit einigen Kürzungen, hauptsächlich in den Ab-
schnitten über Spence. Das Verständnis wird durch eine Einleitung, welche auf
Entstehung und Charakter der Untersuchung, auf das Hauptproblem und den Aufbau
der Abhandlung eingeht, sowie durch geschickte zusammenfassende Bemerkungen
über den Gedankengang, die den einzelnen Abschnitten vorausgeschickt sind, und
durch eingeschobene Ueberschriften erleichtert. Der Fortschritt des Gedankenganges
wird ausserdem durch an den Rand gesetzte Ziffern bezeichnet ; die griechischen und
lateinischen Stellen sind in Urtext und Uebersetzung, die französischen nur im Ur-
text, die englischen uud italienischen nur deutsch gegeben. Der Text gründet sich
auf Blümners Ausgabe, der auf diese Schulausgabe nicht passende Zusatz auf dem
Titel „Mit beiläufigen Erläuterungen verschiedener Punkte der alten Kunstgeschichte"
ist fortgelassen. Das Ganze ist eine für den Schüler nützliche Arbeit. — In Pölzls58)
Ausgabe des Laokoon kommen höchstens kurze Inhaltsangaben aus den einzelnen
Abschnitten dem das Verständnis Suchenden zu Hülfe, die spärlichen Anmerkungen
enthalten Geschichtliches, auch die Einleitung betrifft nur Chronologisches. — Für
die Bearbeitung von Freytags Schulausgaben klassischer Werke der nhd. Litteratur
sind folgende Gesichtspunkte aufgestellt: Sie bieten einen auf besten Quellen beruhenden
Text in der amtlichen Orthographie; Stellen, die vom Standpunkte des erziehenden
Unterrichts aus betrachtet, bedenklich erscheinen, werden weggelassen oder geändert;
wenn nur eine Auswahl gegeben wird, so tritt ein durch anderen Druck gekennzeichneter
verbindender Text ein; Anhang und Anmerkungen enthalten Erläuterungen in
knappster Form, die, zur Erleichterung des Verständnisses dienend, die häusliche
Vorbereitung oder die Privatlektüre unterstützen ; der Einleitung sind die notwendigen
litterarhistorischen Angaben und eine allgemeine Einführung zugewiesen, welche der
richtigen Auffassung des Stoffes und dem Verständnis der Kunstform vorarbeitet.
u. epische Dichtungen für d. Schulgebr. erlcl. u. erläut. T. III.) Langensalza, Beyer & Söhne. 92 S. M. 0,80. — 48) X T h-
Matthias, K. Lorenz, Klopstocks u. Goethes Lyrik. 2. Goethe (JBL. 1893 I 7 :44): Gyran. 12, S. 29. — 49) Bertha Kot he,
Erläuterungen zu Lessings Werken. (= Erläuterungen zu Werken dtsch. Klassiker, für Schulgebr. und Selbststud. als
litteraturkundl. Rep. her. N. 1.) Breslau, Sperber. 12°. VIII, 88 S. M. 0,75. — 50) J. Havers, D. ünterr. im Dtsch.
auf Grundl. d. Lesebuches. E. prakt. Lehrgang für d. gesamten dtsch.-sprachl. Unterr. in raehrklass. Volksschulen. Unter
Zugrundlegung d. Crüwellschen Losebücher für Mittel- u. Oberklassen kath. Volksschulen. Ausg. A für sämtl. Bezirks- u.
Provinzial-Ansg. d. Crüwellschen Lesebücher, ausschliessl. derjen. für Westfalen u. Trier. 1. Bd Theorie. — Praxis : Unter- u. Mittel-
stufe. 2. Aufl. Aachen, A. Jacobi& Co. IV, 427 S. M. 2,80. |[B. C Uppers: KZEU.43, S. 323.] | —51) id., Dass. Ausg. B für d. westfäl.
u. Trieier Ausg. d. Crüwellschen Lesebücher. 2. Bd. Praxis: Oberstufe. 2. Aufl. ebda. IV, 431 S. M. 2,80. — 52) X G-
Bauer, D. Lied vom Monde, für d. 2. Schuljahr behand.: DB11EU. 21, S. 368/9. — 53)OXG-Wttnderlicn' Dtwjh. Muster-
stücke, erläut. u. erkl. Z. Gebr. in Volksschulen. 3. Bd. 4. Aufl. Langensalza, Schulbuchh. VIII. 373 S. M. 2,60. —
54) O X H- Tewes, D. Behandlung dtsch. Lesestücke. Ausgeführte Lektionen z. Gebr. in Volks- u. Bürgerschulen. L.,
Siegismund & Volkening. 154 S. M. 1,00. — 55) O X E. Vogl, L. Schub, Lehrproben über Lesestücke für d. Mittelstufe
d. Volksschule: KZEU. 43, S. 428/9. — 56) O X X ö- Böttioher u. K. Kinzel, Denkmäler d. älteren dtsch. Litt. (JBL. 1892
I 5:56; 1893 I 7:57.) |[W. Golther: PaedA. 37, S. 232; B. Schneider: COIRW. 22, S. 375/6.]| — 57) V. Valentin,
Laokoon oder über d. Grenzen d. Malerei u. Poesie. 1. T. V. G. E. Lessing. 1766. (r= Dtsch. Sohulausg. v. II. Schiller
u. V. Valentin N. 6/7.) Dresden, Ehlermann. XXIV, 136 S. Mit Abbild. M. 1,00. — 58) J. Pölzl, Laokoon v. Lessing.
E. Naumann, Die Litteratur in der Schule. I 6 : 59-74
Diese Grundsätze sind bis auf die Vorschrift der Streichungen, die einer grossen Will-
kür Spielraum verstattet, als zweckentsprechend anzuerkennen; die Bearbeitungen selbst
sind von ungleichem Werte.59) — Lessings Laokoon, herausgegeben von Manlik60),
ist eine sorgsame Arbeit, die Einleitung verbreitet sich über die geschichtlichen
Voraussetzungen des Werkes und die Entstehung des Problems mit Klarheit, ohne
in die Breite zu gehen, die Kürzungen treten an den geeigneten Stellen ein, die An-
merkungen sind verständig, das Personen Verzeichnis ist willkommen. Es ist ein
ganz guter Gedanke, die Stelle Homers über den Schild Achills und Vergils Be-
schreibung vom Schilde des Aeneas deutsch vollständig mitzuteilen. Für die Unter-
suchungen Lessings im sechsten Abschnitt ist es gleichgültig, in welche Zeit die
Neueren die Entstehung der Laokoongruppe setzen, oder wie diese Frage überhaupt ent-
schieden wird. Die Abbildung der Gruppe vor dem Titelblatt ist gänzlich misslungen;
eine einfache Linearzeichnung würde hier mehr lehren.61"62) — Lessings Abhandlungen
über die Fabel giebt L am bei63) ungekürzt. Die Einleitung zerfällt in zwei Haupt-
teile; im ersten wird die Fabeldichtung von Lafontaine bis auf Lessing geschichtlich
behandelt, im zweiten wird die Entstehung der Abhandlungen nebst den Grundlagen
der Lessingschen Fabeltheorie dargelegt und die Wirkung der Abhandlungen ge-
würdigt. In den Anmerkungen finden sich notwendige sprachliche und sachliche
Erklärungen, auch erhält der Schüler dort ausreichende Nachweise über die von
Lessing erwähnten Werke der Litteratur. Im Anhang sind sechsundzwanzig Fabeln
Lessings, auf die er sich selbst bezieht, oder die in innerer Verbindung mit den
Abhandlungen stehen, mitgeteilt. Die ganze Ausgabe entspricht ihrem Zwecke voll-
kommen. 64J — Von Herders Cid giebt Naumann65) den unverkürzten Text auf
wissenschaftlich gesicherter Grundlage. Die Einleitung stellt dem nach Herder
charakterisierten Cid den geschichtlichen Helden gegenüber, seine Aehnlichkeit mit
Wallenstein hervorhebend, folgt dann seinen Spuren in der spanischen und französischen
Dichtung, stellt Herders Verhältnis zu den Quellen sowie seine persönlichen Beziehungen
zu dem Stoffe ins Licht und behandelt zuletzt mit Hindeutung auf Herders Adrastea
die Kunstform, den Vers und die Sprache. Den Text begleiten knapp geformte An-
merkungen, welche die Auffassung auch im einzelnen sichern und zu dem Zwecke,
wo es nötig, auf Herders Vorlagen zurückgehen; die Eigentümlichkeiten epischer
Dichtung sind ebenfalls berücksichtigt, auf sprachliche Erscheinungen ist gelegentlich
verwiesen.66"67) — InderEinleitungzuGoeth.es68) Iphigenie entwickelt Valentin69)
mit Geschick das dichterische Problem und den künstlerischen Aufbau des Dramas.
Allerdings ist der eine Faktor für die Heilung Orests, die durch ihr blosses Dasein,
durch ihr natürliches Wesen läuternde Reinheit der Schwester, vor der alles Unlautere
zurückweichen und fliehen muss, schwer fassbar; neben der „inneren Busse" Orests
wirken vielmehr seine Absicht, sich selbst zu opfern, das Gebet der Priesterin und
die Gnade der Götter zusammen; aus rein menschlicher Einwirkung ist die Heilung
nicht zu erklären, in der das Orakel Apolls bereits erfüllt ward. — Unter Hölders
Klassikerausgaben ist die Bearbeitung der Iphigenie auf Tauris von Pölzl70) für
höhere Schulen nicht geeignet. Die anderthalb Seiten lange Einleitung enthält einige
dürftige Notizen über Goethes Beschäftigung mit dem Stoff; was über sein Ver-
hältnis zu Euripides gesagt wird, ist völlig unzureichend, eine Vertiefung der Auf-
fassung wird nicht angebahnt. Die Anmerkungen beschränken sich auf Nachweis
der landläufigsten mythologischen Beziehungen, enthalten viel Selbstverständliches,
gehen aber auf den Zusammenhang nicht ein.71-72) — Buchner73) leitet Goethes
Egmont74) durch eine übersichtliche Darstellung der Zeitumstände ein, die Würdigung
Mit e. Abbild. 3. Aufl. Wien, Holder. 99 S. Fl. 0,25. — 59) ,X L- Zürn, Freytags Schulausg. klasa. Werke d. nhd.
Litt. (JBL. 1893 I 7:62, 69, 71,2, 82,3, 91): ZGymn. 28, S. 263.'— 60) M. Manlik, G. E. Lessings Laokoon oder üb. d.
Grenzen d. Malerei u. Poesie. Für d. Schnlgebr. her. Mit e. Abbild. (= Freytags Schulausg. klass. Werke für d. dtsch.
Unterr.) L., Freytag. 12°. 128 S. M. 0,60. HNB11EU. 23, S. 126/7; GG.: COIRW. 22, S. 577.JI — 61) O X X J- Busoh-
mann, Lessings Laokoon, für d. Schnlgebr. bearb. u. erläut. ö. Aufl. (= Schöninghs Ausg. dtsch. Klassiker mit ausführl.
Erläut. N. 1.) Paderborn, Schöningh. 162 S. Mit 2 Holzschn. M. 1,20. (Vgl. JBL. 1891 I 7:52.) — 62) O X X ü*
Lessings Hamburg. Dramaturgie. Für d. Schulgebr. eingericht. u. mit Erläut. vers. 2. Aufl. (= ebda. N. 20.) 272 S. M. 1,60. —
63) H. Lam bei, G. E. Lessing, Abhandlungen über d. Fabel. Für d. Schulgebr. her. (= N. 60.) 146 S. M. 0,70. HNBI1EU.
S. 126 7; Lg.: COIRW. 22, S. 746.]j — 64) O X X 0. Netoliczka, Lessing, Nathan d. Weise. Für d. Schulgebr. her.
ebda. 163 S. M. 0,80. |[BBG. 30, S. 316.JI - 65) E. Naumann, D. Cid. Gesch. d. Don Ruy Diaz, Grafen v. Bivar.
Nach span. Romanzen y. J. G. Herder her. u. erläut. (= Samml. Göschen N. 36.) L., Göschen. 181 S. M. 0,80. —
66) O X X & Reich el, J. G. v. Herder, D. Cid. Gesch. d Don Ruy Diaz, Grafen v. Bivar. Nach span. Romanzen besungen.
(= N. 60.) 182 S. M. 0,80. — 67) O XX Ä- Edel, Herders Cid. (= Samml. dtsch. Dichtungen u. Prosawerke für d.
Schulgebr. her. v. A. Bruiiner. N. 3.) Bamberg, Buchner. 12°. 165 S. M. 0,70. — 68) O XXJHeuwes. Goethes
Götz v. Berlichingen mit d. eis. Hand. E. Schausp. mit ausführ]. Erläut. für d. Schulgebr. u. d. Privatstud. Mit
e. Übersichtskarte. (= N. 61, Heft 14.) 184 S. M. 1,35. - 69) V. Valentin, Iphigenie auf Tauris. E. Schausp. v. Goethe.
(= N. 57, Heft 5.) 81 S. M. 0,50. |[BLU. S. 749-50.]| — 70) J. Pölzl, Iphigenie auf Tauris. E. Schausp. v. Goethe.
3. Aufl. (= Hölders Klass.-Ausg. für d. Schulgebr. N. 5) Wien, Holder. IV, 65 S. Fl. 0,25. — 71) O X X H- Vockeradt,
Goethes Iphigenie auf Tauris. E. Schausp. Für d. Zwecke d Schule erläut. u. method. bearb. 4., verb. Aufl. (= N. 61,
Heft 3.) V, 166 S. M. 1,35. (Vgl. JBL. 1891 IV 9e:52.) — 72) O X X M. Hoferer, Goethes Iphigenie auf Tauris.
(= N. 67, Heft 5.) 90 S. M. 0,50. — 73) W. Buchner, Egmont. E. Trauersp. in 5 Aufz. v. Goethe. Schulausg. Essen,
Bädeker. 92 S. M. 0,80. |[LZg«. N. 122.JJ — 74) O X X <*• Burghauser, Goethes Egmont. (= H. 60.) 123 S. M. 0,60.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgesohichte. V. (1)9
I 6:75-84 E. Naumann, Die Litteratur in der Schule.
des Stückes schliesst sich an Schillers Besprechung- an, über die Entstehungs-
geschichte wird ausreichend berichtet. In der ersten Scene des fünften Aufzuges
vermutet B. als Antwort Klärchens auf Brackenburgs Aufforderung : Wenn wir nach
Hause gingen! „Geht" statt des überlieferten „Gut."75"76) — Die Aufzeichnungen
Goethes über seine italienische Reise werden von Nöldeke77) der Schule zugänglich
gemacht. Aus den reichen Selbstzeugnissen über des Dichters inneres Leben und
Entwicklung bietet der Bearbeiter eine knapp bemessene Auswahl, die geeignet ist,
zn eingehenderer Beschäftigung mit dem ganzen Werk und mit Goethe überhaupt an-
zuregen. Vorbemerkung und Anmerkungen beschränken sich mit Recht auf geringen
Umfang, hauptsächlich sollen des Dichters eigene Worte wirken. — In ihrer Sammlung
deutscher Schulausgaben stellen sich Schiller und Valentin in allgemeinen das
Ziel, ganz besonders das ästhetische Verständnis des Kunstwerkes zu fördern und
zu diesem Zwecke die Gliederung des Aufbaues, den Wert und die Bedeutung der
einzelnen Glieder für das Ganze und den Zusammenhang des Ganzen in möglichst
knapper, für eigene Vorbereitung des Schülers geeigneter Form darzulegen. In
Aussicht genommen sind zunächst deutsche Dichtwerke und Uebersetzungen solcher
fremdsprachlichen Dichtungen, die Eigentum des deutschen Volkes geworden sind;
eine zweite Reihe von Lieferungen soll die wichtigsten ästhetischen Schriften unserer
Denker und Dichter, eine dritte prosaische Werke geschichtlichen Inhalts und auch
Erläuterungsschriften umfassen. Diesen Grundsätzen gemäss stellt Schiller78) in
recht glücklicher Auswahl aus Goethes Dichtung und Wahrheit das Wichtigste,
jedenfalls alles das, was einem Schüler bekannt werden muss, zusammen. In der
Einleitung deutet er mit Klarheit die Gesichtspunkte für die Lektüre an, an geeigneten
Stellen setzt er durch Schlussbemerkungen die Ergebnisse der Lektüre fest. Während
der erste Teil, des Dichters Jugend bis zum Uebergang auf die Universität Leipzig
umfassend, sich der Bucheinteilung anschliesst, wird diese in dem zweiten, der des
Dichters Urteile über die deutsche Litteratur bis 1775 enthält, da verlassen, wo es
sich um Selbstzeugnisse Goethes über eigene Dichtungen handelt. Es ist ein frucht-
barer Gedanke, diese Selbstzeugnisse nach ihrem Gegenstande zu gruppieren. An-
ziehend wirken die zahlreich beigegebenen Abbildungen aus dem alten Frankfurt. —
Die Einzelausgabe von Schillers Lied von der Glocke, die Steiger79) veranstaltete,
enthält eingehende Erläuterungen. Auf den Text folgt zunächst eine durch Abbildung
veranschaulichte Beschreibung des Glockengusses, dann giebt es sachliche und sprach-
liche Erklärungen ; der völligen Durcharbeitung des Inhalts dient eine zusammenhängende
Abhandlung über die Meistersprüche und die Betrachtungen, deren Ineinandergreifen
in einer tabellarischen Inhaltsübersicht zusammengestellt wird. Auf eine Katechese
über den siebenten Meisterspruch samt Betrachtung folgen Abschnitte über die
künstlerische Form und die Idee des Gedichts, zur Geschichte desselben, über
Schillers Anziehungskraft für die Jugend und schliesslich zahlreiche Aufgaben für
mündliche und schriftliche Uebungen. Gegen die teilweise zurückhaltenden, teilweise
mäkelnden Urteile über das Gedicht macht St. seine grosse Verbreitung in den
Kreisen gebildeten Bürgertums sowie die mannigfachen Anregungen, die es für
andere Künste gegeben hat, geltend. Die den Erörterungen folgenden, meist kurz
ausgeführten Aufgaben ziehen den Kreis ihres Inhalts nicht eben eng, aber sie ver-
werten im allgemeinen brauchbares Material und tragen noch manches zum vollen Ver-
ständnis des Ganzen nach. Das Buch wird seinen Platz in der Unterrichtslitteratur
mit Ehren ausfüllen.80-82) — Ein Heftchen aus Velhagen und Klasings Sammlung
deutscher Schulausgaben enthält einen Auszug aus der Ilias in der Uebersetzung von
Joh. Heinr. Voss.83) Die Einteilung in Gesänge ist aufgegeben, dafür erhält man
fünfzehn Kapitelüberschriften, welche den Gang der Handlung hervorheben. Die
grössten Kürzungen finden sich in der Beschreibung der Schlachten, an denen Achill
nicht beteiligt i§t, so dass die Hauptmomente dicht zusammengerückt werden und eine
klare Uebersicht derselben erzielt wird, die der ersten Bekanntschaft mit der Dichtung
nur förderlich sein kann. — Auf solche, die der alten Sprache unkundig sind, ist die
zu einer Achilleis verkürzte Ausgabe der Vossischen Iliasübersetzung von Primozic
und K. A. Schm idt84) berechnet. In der Einleitung teilen die Bearbeiter das Wichtigste
|[BBG. 30, S. 316.]| — 75) O X X J- B. Krallinger, Goethes Hermann u. Dorothea. (— N. 67, Heft 2.) 100 S. M. 0,50.
|[NB11I-.U. 23, S. 127; F. Kuntze: ZGyran. 28, S. 755/8.]| — 76) O X X A. Funke, Goethes Hermann u. Dorothea. Mit
ausfuhr]. Erläut. für d. Schulgebr. u. d. Privatstud. (~ N. 61, Heft 2) 7. Aufl. 146 S. M. 1,00. — 77) W.
Nöldeke, Italien. Beise v. Goethe. (— Velhagen & Klasings Samml. dtsch. Schulausg. N. 67.) Bielefeld u. L., Vel-
hagen & Klasing. 1893. 12». IV, 119 S. M. 0,60. — 78) H. Schiller, Goethe, Dichtung u. Wahrheit. 1. T. Mit vielen
Abbild. 2. T. Mit d. Bildn. d. Dichters nach Juel. (= N. 57, Heft 3/4.) 196, 86 S. ä lt. 0,50. — 79) J. Steiger,
Schillers Lied v. d. Glocke. Für mittl. n. höh. Schulen bearb. Mit e. Wandtafelzeichnung z. Glockenguss. Bern, Schmid,
Franke & Co. VIII, 148 S. M. 1,50. — 80) O X X A. Funke, Wallenstein. E. dram. Gedicht v. Sohiller. Mit ausführl.
Erläut. für d. Schulgebr. u. d. Privatstud. 3. Aufl. (=s N. 61, Heft 7.) 337 S. M. 1,80. (Vgl. JBL. 1891 I 7 : 53.)
— 81) O X X J- B. Krallinger, Schillers Wilhelm Teil. (= N. 67, Heft 6.) 153 S. Mit 1 Karte. M 0,6'). _ 82) O X X
K. Tumlirz, Schiller, D. Braut v. Messina. (= N. 60.) 1893. 150 S. M. 0,70. |[GG.: COIRW. 22, S. 574/5.] | — 83) Homers
Ilias im Ausz. In d. Uebers. v. J. H.Voss. (= N. 77, Heft 68.) 152 S. M. 0,90. — 84) A. Priraozio u. K. A.Schmidt,
E. Naumann, Die Litteratur in der Schule. I 6 : 86-94
über Entstehung der Sage und der Dichtung sowie aus der Homerischen Frage und
der Geschichte der Homerübersetzung mit, die Anmerkungen entsprechen dem eben
angedeuteten Leserkreise. — Zürn85) bietet Voss Luise nach der ersten Gesamtaus-
gabe von 1795, den siebzigsten Geburtstag zur Vergleichung in den Fassungen von
1780 und von 1825. Einleitung und Anmerkungen enthalten das für das Verständnis
Notwendigste.86"93) —
Die Geschichte des deutschen Lesebuchs behandelt Krumbach94) in einer
Einzelschrift. Mit dem mächtig aufstrebenden Bildungsdrange, den die Reformation
hervorgerufen, und seit der Erfindung der Buchdruckerkunst ist das Bedürfnis nach
deutschen Lehr- und Lesebüchern erwacht; in Schulordnungen und den Schriften
einzelner hervorragender Männer wird die Fertigkeit im Lesen deutscher Schrift ge-
fordert. Bibel und Gesangbuch mussten im Anfange genügen, erst allmählich ent-
standen Fibel und Lesebuch, auch ihrerseits noch fast ausschliesslich an religiösen
Stoff gebunden. Der Unterricht in den Schulen musste sich ausserdem erst von der
Herrschaft der lateinischen Sprache losringen; er hatte während des 17. Jh. unter
der Sprachmengerei von neuem zu leiden. Das erste Lesebuch, welches eine all-
gemeinere Bedeutung erlangte und einen weitgehenden Einfluss ausübte, war der
„Kinderfreund" von Rochow, eine hervorragende litterarische That auf dem Gebiete der
Pädagogik. Dieses Lesebuch sollte die Verbindung zwischen Fibel und Bibel her-
stellen. Rochow, der Anschauungen und Bedürfnisse des Volkes aus eigener Er-
fahrung genau kannte, verfasste alle Stücke seines Kinderfreundes selbst; sein Ziel
war, die Kinder zu tugendhaften Menschen zu machen, die grenzenlose Unwissenheit
und den herrschenden Aberglauben im Volke zu beseitigen, sowie Arbeitsscheu,
Spielsucht und Trunksucht, die Quellen menschlichen Elends, zu bekämpfen. Für
die Einwirkung auf die Bauern — das Buch hiess zuerst; Bauernfreund — war das
Einfachste das Beste, ihnen verständlich konnte nur ein Rochow schreiben. Das
Lesebuch hat also einen tiefmoralischen Grundzug und ist ein Spiegelbild seiner
realistischen Zeit. Heckers „Berlinisches neu eingerichtetes Schulbuch" ist frei von
jeder moralischen Tendenz; es gehört mehr in das Gebiet der Realienbücher, wie es
denn z. B. eine Beschreibung des Kalenders nach Einrichtung, Gebrauch und Nutzen
enthält. Weit überlegen ist ihm das Werk des feinsinnigen Aesthetikers Sulzer,
welches dieser zum Gebrauch am Joachimsthalschen Gymnasium bestimmt hatte.
Der Inhalt verbreitet sich über Merkwürdigkeiten der Natur; Lebensart, Sitten und
Gebräuche verschiedener Völker; Verstand und Unverstand; Tugenden und Laster;
Fabeln und Erzählungen; Betrachtungen und Bemerkungen; Beschreibungen (Dis-
position des zweiten Bandes). Eine grosse Anzahl von Stücken ist mit wenigen
Aenderungen auch heute noch brauchbar. Der religiöse Standpunkt ist durch den
Rationalismus der Aufklärungsperiode gegeben. Salzmann und Guts Muths bedeuten
keinen Fortschritt gegen Sulzer; Campe kann sich von einem sentimentalen Zugseiner
Zeit nicht befreien, sein Robinson, ursprünglich nicht für die Schule bestimmt, ge-
langte bald in die Hände aller Kinder der gebildeten Stände, aber „die langweilige
Moralpredigt drückte die Seele nieder". Wolkes Lesebuch verirrte sich zu einem
Sammelsurium ungereimten und einfältigen Zeuges. Gegenüber der von Rochow
eingeschlagenen Bahn entwickelte sich im letzten Viertel des vorigen Jh. die Richtung
der Lesebücher auf das Gemeinnützige. Man fängt an zu individualisieren, gelangt
aber in den zahllos erscheinenden Lesebüchern doch zu einer ziemlichen Ueber-
einstimmung des Inhalts: neben mehr oder weniger moralischen Geschichtchen und
kindischen Belehrungen finden sich Schilderungen bürgerlicher und bäuerlicher Ver-
hältnisse, Unterweisungen über Obstbaum- und Bienenzucht, Wohlanstandsregeln,
Gesundheitsregeln, geographische, physikalische und naturgeschichtliche Abrisse im
trockensten Stil, grammatische, Denk- und Schönleseübungen. Die weiteste Ver-
breitung haben unter den „gemeinnützigen" die Lesebücher des Berliner Predigers
Wilmsen gefunden, der den verschiedensten Anforderungen gleichzeitig gerecht zu
werden suchte. Er hat übrigens den richtigen Gedanken, dass das Lesebuch eine
Auswahl aus den klassischen Werken der Deutschen enthalten solle, durch Aufnahme
zahlreicher Originalstücke verwirklicht, wobei er allerdings häufig zu hoch griff.
Homers Ilias. Nach d. Uebersetz. v. J. H. Voss für d. Schnlgebr. bearb. 1. Taus. (= Graesers Schulausg. klass. Werke.
N. 49.) Wien. Graeser. X, 105 S. M. 0,60. — 85) L. Zürn, J. H. Voss, Luise u. D. 70. Geburtstag. Für d. Schulgebr. her.
(= N. 63.) 124 S. M. 0,60. [NB11EU. 23, S. 126/7; GG.: COIRW. 22, S. 574, 5.] | - 86) O X X A. Engler, Shakespeares
Julius Caesar, übers, v. A. W. v. Schlegel. (= N. 67, Heft 4.) IV, 105 S. M. 0,50. — 87-88) O X X L Bauer, ühlands
Herzog Ernst v. Schwaben. (= N. 67, Heft 7.) 93 S. M. 0,50 — 89) O X K- Halling, Gedichte d. Grafen Ad. Fr.
v. Schack. Für Schule u. Haus ausgew. u. erläut. Dresden, Ehlermann. 1890. XVI, 204 S. M. 1,30. |[Fr. Muncker:
BBG. S. 26,7.]! (Vgl JBL. 1890 IV 2:126.) - 90) X Löhrer, Ausgaben dtsch. Klassiker mit ausführl. Erläut. für d.
Schulgebr. u d. Privatstudium. (Paderborn, Schöningh): KZEU. 43, S. 323/4. - 91) X s- M. Pr em. Geistiges Leben in
Oesterr.-Ung. Schullitt.: ÖUR. 16, S. 133/7. (Sehr kurze Notizen über einige Lesebücher, Schulausg. u. Erläuterungen.) —
92-93) O X X A. Baldi, Ausgew. Abhandlungen u. Reden. (= N. 67, Heft 1.) 120 S. M. 0,60. |[NB11EU. 23, S. 127;
F. Kuntze, ZGymn. 28, S. 766,8.J| - 94) C. .1. Krumbaoh, Gesch. u. Kritik d. dtsch. Schullesebücher. 1. T. L., Teubner.
(1)9*
I 6 : 95-101 E. Naumann, Die Litteratur in der Schule.
Da er aber absichtlich vermied, aufzunehmen, was schon andere Sammlungen dar-
boten, so konnte der Plan, aus dem Besten einen eisernen Bestand, ein festes Inven-
tarium zu schaffen, in ihm gar nicht entstehen. „Schönlesen" war die Parole für
Joh. Ferd. Schlez; er will beim Lesen nicht bloss den fragenden, strafenden und
ausrufenden Ton, sondern auch den gebrochenen und gemischten verwendet sehen.
Die Darstellung des realistischen Teiles ist trocken und Schlez selber hat eingesehen,
dass ein Lesebuch nicht zugleich ein Lehrbuch sein kann. Unmittelbar hat der
grosse Reformator der Pädagogik, Pestalozzi, in die Lesebuchfrage nicht eingegriffen,
aber seine Ideale haben auf die Gestaltung des Lesebuchs entscheidend gewirkt,
und K. nennt ihn geradezu den geistigen Urheber unserer idealen Lesebücher
von Hiecke und Wackernagel. Hat Pestalozzi den Geist und den Inhalt gegeben,
so lassen sich aus Herbarts Schriften Grundsätze für Form und Anordnung ent-
nehmen. Diese Grundsätze sind durch Ziller und Dörpfeld nach verschiedenen
Seiten weitergebildet worden, die Zillersche Richtung ist durch den Anfang eines
Lesebuchs von Thrändorf vertreten, die Theorie Dörpfelds liegt dem Lesebuche von
Kahnmeyer und Schulze zu Grunde. Diesterweg hat sich dem Fortschritte auf dem
Gebiete der Lesebuchlitteratur erst allmählich angeschlossen. Anfangs Vertreter der
Schönlesemethode, dann Anhänger der grammatisch-formellen Behandlung der deut-
schen Sprache, konnte er sich der durch Kellner herbeigeführten Wendung nicht
entziehen, welche die analytische Methode zur vollen Geltung brachte, und schrieb
sein drittes, nach Verwandtschaft des Inhalts geordnetes Lesebuch. Unter den Lese-
büchern der Gegenwart erfreuen sich diejenigen von Hiecke und Wackernagel schon
seit fünfzig Jahren ausgesprochener Gunst, sie sind auch in ihren neuen Bearbeitungen
tonangebend geblieben und haben viel Nachfolge gefunden, selbst nach einigen
Schwankungen ist man wieder zu ihrer idealistisch-belletristischen, dabei volkstüm-
lichen Richtung zurückgekehrt. — Ein Lesebuch für die reichsländischen Schulen des
französischen Sprachgebietes hat Florian M eyer95) geliefert. Der Gebrauch desselben
setzt die in jenen Gebieten die ersten zwei Schuljahre füllenden Uebungen im fran-
zösischen Lesen und Schreiben und in deutschen Sprechübungen voraus, des Ueber-
ganges wegen sind die lateinischen Lettern beibehalten. Für die Durchnahme der
einzelnen Stücke verlangt der Vf. eine sprachlich-stoffliche, eine grammatische und
eine orthographische Vorbereitung. Die Kinder aus dem französischen Sprachgebiet
sollen vor allem Fertigkeit in der deutschen Umgangssprache erlangen, daher die
vielseitige Behandlung des Stoffes, wie sie sich in den einzelnen Nummern in allen
nur möglichen Konstruktionen bekundet; sie sollen aber auch Liebe zur deutschen
Sprache und echtes deutsches Sprachgefühl gewinnen; um dieses anzubahnen, sind
neben einer Reihe kleinerer Gedichte deutsche Kern- und Denksprüche reichlich
aufgenommen, deren Rhythmus und melodischer Klang einen seltenen Reiz auf das
kindliche Gemüt ausüben. Bei der Durchnahme ist von der französischen Sprache so
wenig als möglich Gebrauch zu machen, zur Uebersetzung darf nur in den aller-
dringendsten Fällen geschritten werden. Die Herausgeber (der Vf. ist vor Druck-
legung des Buches gestorben) sind der Ueberzeugung, dass dieses Hülfsmittel bei
den eigentümlichen Verhältnissen des Gebietes, für das es bestimmt ist, gute Dienste
leisten werde.96) — Der evangelischen Volksschule bieten Bartholomäus und
Heinecke97 10°) ein in jeder Beziehung vortreffliches Lesebuch dar. Die Anordnung
des Stoffes nach Vorstellungskreisen führt, vom Nächstliegenden ausgehend, das
Kind allmählich zu einem weiteren Gesichtskreise und erweckt sein Verständnis für
die grossen Lebensgemeinschaften, in denen der einzelne steht. Familie und Haus,
Staat und Vaterland, Feld, Wald, Berg und der Weltenraum, Menschenleben, Geschichte
und Gott, das sind einige von den Gedankencentren, um welche in geschicktester
Auswahl die Lesestücke sich ordnen. Poetische und prosaische Stücke, inhaltlich
zusammengestellt, ergänzen einander, die durch Ueberschriften hervorgehobene
Gliederung erleichtert Uebersicht und Gebrauch. Das Buch ist mit offenem Ver-
ständnis für das Leben der Gegenwart, mit ungekünstelter Liebe zum deutschen
Vaterlande und mit mildem, frommem Sinne bearbeitet. Die Darstellung ist auch
in den Stücken, die der Kenntnis der Realien gewidmet sind, nie trockene Beschreibung.
Aufgenommen sind nur wirklich wertvolle Stücke, ausser den altbewährten Mustern
haben die Vf. mit feinem Gefühl aus neueren und neuesten Schriftstellern noch eine
IV, 81 S. M. 1,20 (Auch als Leipz. Dias.) —95) Florian Meyer, Erstes dtsch. Lese- n. Uebungsbuch für d. reichsländ. Schulen
d. franz. Sprachgebietes. Nach seinem Tode her. Strassburg i. F., P. E. Lindner. 1893. VI, 185 S. M. 1,00. — 96) O X
P. Tesch, Dtsch. Lesebuch für d. Unterstufe. 2. Aufl. Bielefeld, Velhagen & Klasing. 96 S. M. 0,50.-97) W.
Bartholomaeus u. H. Heinecke, Lesebuch für mehrkhissige evangel. Volksschulen. 1. T. Mittelstufe. Mit e. Anh., enth.
heimatkundl. Lesestücke. Ausg. für d. Kheinprov. Essen, G. D. Bädeker. XXXII, 250, 67 S. M. 1,00. — 98) Dass.
Ausg. für d. Prov. Westfalen, ebda. XXXII, 258, 64 S. M. 1,00. (Daraus: d. Prov. Westfalen. Heimatkundl. Lesestücke.
Sonder-Ausg. d. Anh. zu d. Lesebuch für mehrklass. evang. Volksschulen v. W. Bartholomaeus u. H. Hei necke. 1. T.
[Mittelstufe.] ebda. II, 64 S. M. 0,40.) - 99) O X Dass. Ausg. für d. Prov. Schlesien, ebda. XXXII, 256, 64 S. M. 1,50.
— 100) Dass. 2. T., Oberstufe, ebda. XVI, 438 8. M. 1,20. — 101) Auszüge aus Gutachten über d. Lesebuch v. Bartholomaeus
E. Naumann, Die Litteratur in der Schule. I 6 •. 102-107
überraschende Ausbeute gewonnen. Sehr zweckmässig" ist im ersten für die einzelnen
Provinzen je ein besonderer Anhang vorgesehen, der z. B. für die Rhein pro vinz 50,
für Westfalen 43 Nummern aufweist. Das Werk enthält eine so grosse Fülle des
Anziehenden und Belehrenden, dass es alle Aussicht hat, zu einem Hausbuch in den
Familien seiner jugendlichen Leser zu werden. Auch die äussere Ausstattung ist
musterhaft. Die zahlreichen anerkennenden Gutachten, die dem Verleger zugegangen
sind101), verdient das Werk vollkommen, auch Krumbach (s. 0. N. 94) rechnet es zu
den besten, die es für evangelische Volksschulen überhaupt giebt.102-103) — Für die
unteren Klassen höherer Schulen hat Schmelzer104) ein Lesebuch nach folgenden
Gesichtspunkten zusammengestellt. Will man die Jugend zum Idealismus erziehen,
so muss man sie die klassische Litteratur als den Hauptträger des idealen Empfindens
der Nation kennen lehren; das thut man am besten, wenn man den Knaben in den
seinem Alter entsprechenden Kreis der Dichtung einführt und ihn mit wenigen der
ersten Dichter möglichst genau bekannt macht. Der Inhalt des Lesebuchs soll ganz
Eigentum des Schülers werden, besonders die Gedichte, welche es bietet, soll er ganz
seinem Gedächtnis anvertrauen. Diesen Grundsätzen gemäss sind im Kursus für
Sexta nur die Namen Hebel, Brüder Grimm, Pfeffel, Geliert, Lichtwer, Goethe, Uhland,
Matthias Claudius, Giesebrecht und Pierson vertreten, im Quintanerbuch kommen
Lessing, Luther, Masius, E. M. Arndt, W. Müller, Rückert, Hölty, Schiller, Gerhardt
und Gustav Freytag hinzu, zu diesen treten im Kursus für Quarta Tieck, Musaeus,
Gleim, Hagedorn, Bürger, Chamisso, Eichendorff, Geibel, Duller, Sybel, Curtius.
Selbstverständlich ist die Auswahl der Schriftsteller nach ihrer Verwendbarkeit für
die entsprechende Stufe getroffen. Auffallen muss aber, dass in allen drei Klassen
Abschnitte sowohl aus der griechischen wie aus der deutschen Mythologie aus-
geschlossen bleiben; Seh. ist der Ansicht, dass der Inhalt der ersteren überhaupt
nicht in den Rahmen eines deutschen Lesebuchs passe und dass die Grundzüge
der deutschen Mythologie frühestens in Obertertia zu geben seien. So kommt es,
dass die Märchen und Sagen in Quinta und Quarta nur durch wenige Stücke ver-
treten sind. Die Schlussabteilungen enthalten jedesmal Erzählung-en aus der älteren
und neueren deutschen Geschichte. — Das besonders wegen seiner geschickten Be-
handlung der antiken Sage recht brauchbare Lesebuch für Sexta, das von
D adelsen105-107) herausgab, liegt in zweiter Auflage vor (vgl. JBL. 1892 I 5:78).
Würdig reiht sich ihm der Band für Quarta an. Was seinen Inhalt betrifft, so ist an
Stelle der Märchen eine Auswahl äsopischer Fabeln getreten, ausserdem ist der
Versuch gemacht worden, ganz leichte Abschnitte aus der Volkswirtschaftslehre in
einer dem Knabenalter verständlichen Fassung darzubieten. Als Vorbereitung auf
die in Quarta beginnenden Aufsatzübungen sind einzelnen Lesestücken kurze Dis-
positionen hinzugefügt worden. Die Prosastücke sind auch in diesem Bande sprachlich
und stilistisch in eine dem Knabenalter verständliche Form gebracht worden, einzelne
inhaltlich schwierigere Stücke fordern zu eingehenderer Behandlung durch den Lehrer
auf. Einbezogen sind wiederum Stoffe aus den übrigen Unterrichtsfächern, aus der
Länder- und Völkerkunde, der Naturgeschichte und ganz besonders aus der Ge-
schichte, wobei auch die verschiedenen Richtungen menschlicher Thätigkeit zur An-
schauung gebracht werden, so dass der Benutzung des Buches in Realanstalten
Rechnung getragen wurde. Beim Entwurf des Planes zum vierten Bande haben sich
die Bearbeiter dafür entschieden, den Lesestoff für Tertia und Untersekunda zu einem
einzigen Bande zu vereinigen. Der Band reicht also für drei Schuljahre und für
manche Schüler bis zum Ende ihrer Schullaufbahn aus; es hat auch hier das Be-
streben geherrscht, anregenden Inhalt mit einer für diese Stufen geeigneten Form,
die, was die Prosastücke betrifft, zugleich für die eigenen Aufsatzübungen der Schüler
vorbildlich sein soll, zu verbinden. Die Gedichte sind vorangestellt, zuerst epische,
dann lyrische, Nachbildungen und Uebersetzungen folgen ausgesondert als dritter
Abschnitt, sie umfassen Stellen aus den Nibelungen und Gudrun in einer auf Grund
des Urtextes mit Anlehnung an Simrock und L. Freytag hergestellten, lesbaren Be-
arbeitung, kurze Abschnitte aus Wolfram, die Charakteristik zeitgenössischer Dichter
aus Gottfrieds Tristan und zwei Gedichte aus Walther ; ausser den Proben aus den
u. Heinecke. ebda. 53 S. (Prospekt d. Verl.) — 102) O X F. W. Hunger, Lesebach für ätsch. Volksschulen. Ausg. B.
in 3 Tln. 3. T., Oberstufe. 3. Aufl. Ausg. C. in 2 Tle. 2. T., Oberstufe. 3. Aufl. Frankfurt a. M., Kesselring. XIV, 506 S.
M. 1,35. — 103) O X 0- F- Schmidt u. H. Schulmann. Dtsch. Lesebuch für mehrklass. Schulen. Ausg. für kath. Schulen.
Bearb. v. A. Knossala. 5 Tle. 1. (Unterstufe); 2. (Mittelstufe I); 3. (Mittelstufe II): 4. (Oberstufe I); 5. (Oberstufe II).
L., Klinkhardt. XII, 100 S.; IV, 156 S.; VI, 218 S.: VI, 258 S.; VI, 342 S. M. 0,40; 0,50; 0,70; 0,80; 0,90. -
104) Schmelzer, Dtsch. Lesebuch für d. Unterklassen höh. Schulen. 1. T. Sexta; 2. T. Quinta; 3. T. Quarta. B., Hof-
mann & Cie. 1893-94. 191 S.; VI, 133 S.: Vn, 157 S. M. 1,50; 1,60. - 1051 H. t. Dadelsen, Dtsch. Lesebuch für
höh. Schulen. Unter Mitwirk. v. Kollegen her. 1. T. für Sexta. 2. durchges. Aufl. Strassburg i. E., F. Bull. XU, 244 S.
M. 2,00. (Vgl. JBL. 1893 1 7:115.) — 105a) id., Dass. 2. T. Fflr Quinla. Strassburg i. E., C. F. Schmidt. XI, 246 S.
M. 2,00. (Vgl. JBL. 1893 I 7 : 102.) — 106) id , Dass. 3. T. FOr Quarta. Strassburg i. E., F. Bull. XI, 244 S. M. 2,00.
(Vgl. JBL. 1893 I 7 : 115.) — 107) id., Dass. 4. T. Fflr d. mittl. Klassen (Tertia— Untersekunda, 3. — 1. Bealklasse). ebda.
I 6 : 108-110 E. Naumann, Die Litteratur in der Schule.
Volksepen sind diese Abschnitte entbehrlich. Im allgemeinen ist die Auswahl reich-
haltig", insbesondere birgt sie eine ausreichende Anzahl von Gedichten, die für
Untersekunda geeignet sind, kaum eines findet sich darunter, das über den Standpunkt
dieser Klasse hinausgeht. Der Inhalt des Prosateiles lässt infolge der encyklopädischen
Verbreitung über untereinander wenig zusammenhängende Gebiete eine sichere Ein-
heitlichkeit vermissen. Die Abschnitte litteraturgeschichtlichen Inhalts, an sich
dankenswert, in Darstellung klar und verständlich, gehen, da sie die ältere Litteratur
bis auf Luther betreffen, über die Anforderungen für Untersekunda auf preussischen
Schulen hinaus, sie sind wohl hauptsächlich denen zu Liebe aufgenommen, welche
aus der ersten Realklasse abgehen; in den übrigen Anstalten dient die Obersekunda
dazu, die Schüler mit der älteren Litteratur in ausgiebiger Weise bekannt zu machen.
Es erscheint mir pädagogisch gewagt, den die Schule Verlassenden noch zuletzt
schnell einen Blick in ein neues Gebiet zu öffnen, auf dem sie doch nicht mehr
heimisch werden können. Manche geschichtlichen Abschnitte, einzelnes aus den
geographischen und naturgeschichtlichen Bildern geht aus dem Rahmen des deutschen
Lesebuchs hinaus und greift ins Fachwissenschaftliche über. So gross Sorgfalt und
Geschick in der Darbietung jedes einzelnen sind, scheint die Frage doch noch nicht
endgültig beseitigt, ob sich nicht auf dieser Stufe, wenigstens im letzten Schuljahre
eine Trennung der Lesebücher für die Realschulen und für Lehranstalten mit neun-
jährigem Kursus als notwendig erweist. — Auch die beiden folgenden Lesebücher
geben auf diese Frage keine sichere Antwort. Der für Tertia bestimmte Teil des
Lesebuchs von Kohts, Meyer und Schuster hat auf Grund der neuen Lehrpläne durch
Schuster, Fiehn und Schaefe r 108"109) eine durchgreifende Umgestaltung er-
fahren. Zunächst musste eine Fülle neuen Lehrstoffes aufgenommen werden, nordische
und germanische Göttersagen, kulturgeschichtliche Darstellungen, Einzeldarstellungen
aus der brandenburgisch-preussischen Geschichte und über die deutschen Kolonien
u. a. Durch diesen Zuwachs an Stoff, sowie durch die erhöhte Bedeutung des
Deutschen für den Gesamtunterricht wurden die Bearbeiter veranlasst, den Band
für Tertia in zwei Teile zu zerlegen und bei der Umarbeitung wesentliche Aenderungen
eintreten zu lassen. In dem Teile für Untertertia sind neu aufgenommen nordische
Sagen und Darstellungen aus der Natur, die übrigen Abschnitte sind mehr oder
weniger umgestaltet, die Darstellungen im Anschluss an die Lektüre der alten
Klassiker sind fortgelassen. In dem Teile für Obertertia treten Darstellungen aus
der germanischen Götter- und Heldensage ergänzend ein, die geschichtliche Ab-
teilung ist den Lehrplänen entsprechend umgestaltet und führt bis auf das J. 1871;
ebenso sind die Darstellungen aus Geschichte und Erdkunde den Bedürfnissen des
Unterrichts gemäss vervollständigt. Von den Dichtungen sind die Uhlandschen und
grösstentheils die Schillerschen Balladen der Untertertia überlassen, für Obertertia
dagegen Goethe und Geibel in grösserem Umfange herangezogen. — Den vierten
Teil ihres Lesebuches haben Hellwig, Hirt und Zernial110) nicht über die Tertia
hinaus ausdehnen wollen, da die für die poetische Lektüre der Untersekunda be-
stimmten grösseren Dichtungen in Sonderausgaben benutzt zu werden pflegen und
für die Prosalektüre die Auswahl des Stoffes je nach den Zielen, die man im Auge
hat, sehr verschiedenartig sein kann. Einige für diese Klasse geeignete Gedichte
sind deshalb aufgenommen, weil für die Anstalten mit sechsjährigem Kursus in
diesem Lesebuch die letzte systematisch geordnete Gedichtsammlung dem Schüler in
die Hände gegeben wird. Andererseits ist jedoch sogar bis in das Pensum der
Obersekunda hinein vorgegriffen worden, indem auch einzelne Stücke aus den ahd.
und mhd. Epen in nhd. Uebersetzung Aufnahme gefunden haben. Die Herausgeber
begründen diese Anordnung damit, dass die Aufgabe der Obersekunda tieferes
Eindringen fordert als die Lektüre einzelner zusammenhangloser Proben aus diesen
Epen; ausschlaggebend war für sie die Erwägung, dass es nicht als zulässig zu er-
achten sei, wenn eine überaus grosse Zahl von Schülern nach sechsjährigem Kursus
die höheren Schulen verlässt, ohne von unseren altdeutschen Epen in ihrem
dichterischen Gewände eine Vorstellung erhalten zu haben. Ergänzt werden jene
Abschnitte aus den Epen durch umfangreiche Darstellungen in dem Prosateile, welcher
u. a. einen Umriss der nordisch -germanischen Göttersage nach Uhland, die Sieg-
friedsage gemäss nordischer Ueberlieferung nach Klee, den Inhalt des Nibelungen-
liedes nach Vilmar enthält. Die Anordnung der Gedichte beruht auf der Zeitfolge
der Dichter und innerhalb derselben auf der Reihenfolge der Entstehung, womit dem
für die Erziehung wichtigen persönlichen Momente Rechnung getragen werden soll;
VIII, 504 S. M. 4,00. — 108) R. Kohts, K. W. Meyer u. Alb. Schuster, Dtsch. Lesebnoh für höh. Lehranst. 4. T. (Unter-
Tertia). 6. Aufl., nach d. neuen Lehrplänen beafb. v. A. Schuster, W. Fiehn u. H. Schaefer. Hannover, Helwing.
X, 265 8. M. 1,90. — 109) Dass. 5. T. (Ober-Tertia). 6. Aufl. ebda. X, 239 S. M. 1,60. — 110) P. Hellwig, P. Hirt,
ü. Zernial, Dtsch. Lesebuch für höh. Schulen. 4. T. Tertia. Her. v. P. Hellwig u. U. Zernial. Dresden, Ehlermann.
1893. XII, 400 S. M. 2,50. |[E. Hermann: PaedA. 36, S, 310,2; Sohns: COIRW. 22, S. 98/9; H. Schiller: ZGyran. 28,
E. Naumann, Die Litteratur in der Schule. I 6 i 111-120
gleichwohl werden die Vf. nicht beabsichtigen, dass die Durchnahme der Dichtungen
in dieser Gruppenbildung erfolgen soll." In dem prosaischen Teil tritt, wie schon aus
den umfangreichen Mitteilungen aus deutscher Sage sich ergiebt, die Richtung auf
das Vaterländische besonders hervor, die geschichtlichen Darstellungen betreffen mit
verschwindenden Ausnahmen die deutsche, die preussische Geschichte und behandeln
vorwiegend Zustände und Fortschritte der Kultur ; soweit sie auf die Kunst, besonders
die Baukunst, eingehen, wird ihr Verständnis durch eine Reihe von Abbildungen am
Ende des Buches unterstützt. Zwei Erzählungen, Bilder aus der Erdkunde, Proben
aus Abhandlungen und einige Briefe bilden den Abschluss.111"116) — Der von
Foss117""118) bearbeitete Band des Lesebuchs von Hopf und Paulsiek, der für Tertia
und Untersekunda bestimmt ist, erschien in neuer, unveränderter Auflage (vgl. JBL.
1892 I 5 : 82). Die Bearbeitung ist von der Kritik nicht mit ungeteiltem Beifall auf-
genommen worden. Manche halten es für keinen glücklichen Griff, dass Proben aus
den Nibelungen nach Frey tags Uebertragung und Teile des Gudrunliedes aus San
Marte aufgenommen sind. In der That sollte man, wenn einmal von Simrock ab-
gesehen wird, lieber nach der vorzüglichen Uebertragung von Legerlotz greifen.
Dagegen ist jedoch erneut darauf hinzuweisen, dass die deutsche Geschichte dem
Pensum der Tertia entsprechend in einer Reihe von Musteraufsätzen aus Mommsen,
Dahn, Raumer, Freytag, Ranke u. a. vertreten ist, und dass hier auch Ab-
schnitte aus Schiller und Goethe herangezogen sind. Daran schliessen sich als Bei-
spiele beschreibender Prosa eine Reihe vortrefflicher Naturbilder, hauptsächlich von
Moltke, die sicher geeignet sind, Gefühl und Verständnis für die Natur zu erwecken.
Durch Aufnahme einer Schilderung der deutschen Kolonie Kamerun ist dem erneuten
Interesse für Afrika Rechnung getragen. Im ganzen füllen die prosaischen Lesestücke
148 Seiten.119) — Da die neuen Lehrpläne für Obersekunda die Einführung in das
Nibelungenlied unter Mitteilung von Proben aus dem Urtext, Ausblicke auf nordische
Sagen und die grossen germanischen Sagenkreise, auf die höfische Epik und die
höfische Lyrik vorschreiben, so ist der Teil des genannten Lesebuches für Ober-
sekunda von Henrici120) gänzlich umgestaltet. Der Band hat das mhd. Gewand
wieder angelegt, giebt besonders aus den Nibelungen umfangreiche Abschnitte mit
verbindendem Text und gewährt durch sehr reichlich bemessene Proben Ausblicke
auf die übrige Litteratur. Die Einteilung der erzählenden Dichtung in geistliche,
Tier-, Gelehrten-, Ritter-, Geschichts- und Lehrdichtung ist aber schief und führt zu
unhaltbaren Unterordnungen. Die Texte sind von kurzen Anmerkungen nicht ganz
gleichmässig begleitet, für den Schüler werden diese Hülfen nicht ausreichen ; ein
Wörterverzeichnis ist für ihn unentbehrlich; es sollte zugleich mit dem Abriss der
mhd. Grammatik unmittelbar mit dem Lesebuche verbunden sein. Zweckmässiger
wäre auch eine zusammenhängende Darstellung der nordischen Vorgestalt von Nibe-
lungen- und Kudrunsage als gelegentliche Mitteilungen daraus unter dem Texte. Im
ganzen führt das Buch seiner Anlage nach über die Bedürfnisse der Schule hinaus,
vielleicht hat der Bearbeiter daran gedacht, es auch für Studierende brauchbar zu
machen. Der Text beruht auf sicheren Grundlagen.121"125) —
Ein umfangreiches Sammelwerk von Musterstücken, Poesie und
S. 310, 621/2.J| (3. T. Quarta; vgl. JBL. 1893 I 7 : 116.) - Hl) OXX Bemh. Schulz, Dtsch. Lesebuch für höh. Lehranst.
1. T. Für d. unt. u. roittl. Klassen. 2. Abt. für d. mittl. Klassen. 10. Aufl. Paderborn, Schöningb. XII, 972 S. M. 4,00.
|[Gymn. 12, S. C52.]| (Vgl. JBL. 1891 I 7:82.) — 112) O X X Franz Neumann, Dtsch. Lesebuch für d. unt. u. mittl.
Klassen d. Bealschulen. Mit bes. Rucks, auf mündl. u. schriftl. Uebungen. 4 Tle. 1. Für d. 1. Klasse; 2. für d. 2. Klasse;
3. für d. 3. Klasse; 4. für d. 4. Klasse. Wien, Manz. 215 S.; VII, 251 S.; VIII, 235 S.; VIII, 272 S. M. 6,80. — 113) O X X
J. Kehrein, Dtsch. Lesebuch für Gymnasien, Seminarien, Bealschulen. Nach d. Tode d. Vf. neu hearb. v. Val. Kehr ein.
2. Mittl. Lehrstufe. L., Wiegand. XX, 587 S. M. 4,50. (Vgl. JBL. 1891 I 7 : 78.) — 114) O X X ß- Leite, D. Bilder d.
Lesebuchs v. Gabriel u. Supprian, für d. Oberstufe bearh. Bielefeld, Velhagen & Klasing. VII, 56 S. M. 0,60. — 115) X F-
Perktold, Bemerkungen z. 4. Bd. d. Lesebuchs v. Kuramer-Stejskal, insbes. d. Dispositionen d. Prosastücke. 1. u. 2. T.
Progr. d. Staats-Gymn. Oberhollabrunn. 40, 44 S. |[W. Saliger: Gymn. 12, S. 873.]| (Gruppierung d. Lesestoffes nach
Gesichtspunkten d. Inhalts u. d. Form; überwiegend Dispositionen. Vgl. JBL. 1893 I 7:50.) — 116) O X X Chrn. Muff u.
A. Dammann, Dtsch. Lesebuch f. höh. Mädchenschulen. 1. Bd. Für d. 2. Schuljahr. B., G. Grote. X, 162 S. M. 1,20. —
117) J Hopf u. K. Paulsiek, Dtsch. Lesebuch für höh. Lehranst. Abt. für Tertia u. Untersekunda. D. neuen Lehrplänen
gemäss bearb. v. R. Foss. 22., mit d. 20. u. 21. übereinstimmende Aufl. B„ Mittler. XX, 395 S. M. 2,20. (Vgl. JBL. 1893
I 7: 113.) — 118) OXX Da88- 2. T. 2. Abt. 1. Abschn. 7. Aufl. Anh.; Altdtsch. Sprachproben nebst Beispielen für d.
Grimmsche Lautverschiebungsgesetz, ebda. 14 S. M. 0,20. — 119) O X X Dass. VI. Abt. Für Untersekunda. Bearb. v.
Chrn. Muff. B.,Grote. XIV, 384 S. M. 2,50. (Vgl. JBL. 1893 I 7 : 112.) — 120) Dass. Abt. für Obersek. u. Prima. Her.
v. R. Foss. 1. Abschn. Proben d. Dichtungen d. MA. eingerahmt in e. kurzen Abriss d. Litt.-Gesch. D. neuen Lehrplänen
gemäss bearb. von E. Henrici. 9. mit d. 8. übereinstimm. Aufl. B., Mittler. VIII, 150 S. M. 1,50. |[Gymn. 12, S. 161/5;
A. Nusch: BBG. 30, S. 3834.JI (Vgl. JBL. 1893 I 7:113.) — 121) O X X Fr. Linnig, Dtsch. Lesebuch. 1. T. Mit bes.
Rucks, auf mündl. u. schriftl. Uebungen. Für unt. Klassen höh. Lehranst. 10. Aufl. Paderborn, Schöningh. XU, 606 S.
M. 2,65. |[BBG. 30, S. 446; Gymn. 12, & 652.]| — 122) O X X Dass. 2. T. Für d. mittl. Klassen höh. Lehranst. einschliessl.
Sekunda. 8. verb. Aufl. ebda. 1893. XVI, 581 S. M. 5,30. l[Gymn. 12, S. 652; Stühlen: COIRW. 22, S. 102,3.j| —
123) X Erwiderung v. E. Boesser auf d. Besprech. d. v. ihm u. Lindner her. Lesebuchs durch Oberl. Viereck: PaedA. 36,
3. 1546. (Antw. d. Berichterstatters: ib. S. 156.) — 124) O X K. Petelenz u. R. M. Werner, Dtsch. Lesebuch für d.
galiz. Mittelschulen. 7. u. 8. Klasse. Lemberg, Seyfarth .v Czajkowsky. VI, 453 S.; VII, 530 S. M. 3,00; 4,40. —
125) O X X H. Bone, Dtsch. Lesebuch. 2. T. Handbuch für d. dtsch. Unterr. in d. ob. Klassen d. höh. Lehranst. mit Ein-
schluss d. Rhetorik, Poetik, Litt.-Gesch. u. d. schriftl. Aufsätze. Neu bearb. v. K. Bone. 14. Aufl. Köln, Du Mont-Schauberg.
I 6:126-128 E. Naumann, Die Litteratur in der Schule.
Prosa, bringt Hessel126) zum Abschluss (vgl. JBL. 1892 I 5: 86/7; 1893 17:103/4).
Der poetische Teil zunächst soll diejenigen für die Jugend geeigneten deutschen
Gedichte aus nhd. Zeit enthalten, deren poetischer Wert ebenso innerlich und dauernd
begründet als allgemein anerkannt ist, diese aber auch in möglichster Vollständigkeit.
Ausgeschlossen blieb mit geringen Ausnahmen die Zeit vor Opitz, das kirchliche
Lied im engeren Sinne* auch das eigentliche Liebeslied, alles Geschraubte und
Schwülstige. Bietet sich das Buch auch zuerst angehenden Lehrern und Lehrerinnen
an, so dient es doch ebenfalls den Schulen verschiedenster Art, deshalb ist in der An-
ordnung den unmittelbaren Schulbedürfnissen Rechnung getragen. Der Begriff der Unter-
stufe umfasst das 6.— 10. Lebensjahr, die Mittelstufe das Lebensalter von 11 — 14 Jahren.
Für das fünfte bis achte Schuljahr ist das Vaterländische, das Epische, Frische in
den Vordergrund gerückt, während Reflexionen über Gefühle ganz beiseite geschoben
sind. Für Mädchenschulen ist dieser Gesichtspunkt besonders beherzigenswert. Die
Oberstufe enthält Dichtungen, die sich für das reifere Jugendalter eignen. Die Texte
sind mit Sorgfalt möglichst den Originalausgaben gemäss festgestellt; die Anordnung
ist aus inneren und aus äusseren Gründen auf jeder Stufe lexikalisch nach den
Namen der Dichter. Dadurch ist die Reihenfolge der Durchnahme in jeder Schule und
jedes Lehrers Ermessen gestellt; wer aber eine Anordnung nach dem Inhalt oder nach
Dichtungsgattungen wünscht, dem ist sie in einem besonderen Register gegeben; in
einem anderen stehen die Anfänge der Dichtungen alphabetisch geordnet; ausserdem sind
in jedem Bande kurze Lebensnachrichten über die Vf. gegeben. Die Auswahl für
die Oberstufe hat in der dritten Auflage einige Veränderungen erfahren, Inter-
punktion und Rechtschreibung ist in der ganzen Sammlung einheitlich geordnet.
Der Prosateil enthält nach Inhalt und Form ebenfalls manche Abweichungen von
dem „deutschen Lesebuch", er soll das Ziel erreichen helfen, dass die Schüler
die Prosa kennen lernen sollen, welche ein Teil unserer nationalen Dichtung ist,
soweit sie sich für die Jugend eignet, dass sie ferner befähigt werden, ihren Vor-
stellungskreien mündlich und schriftlich einen der edleren Schriftsprache gemässen
Ausdruck zu geben. Darum ist abgesehen von Stücken encyklopädischen Inhalts,
die den deutschen Unterricht zu einem Lückenbüsser für andere Lehrfächer herab-
drücken. Die Unterstufe enthält vorwiegend Fabeln und beschäftigt sich mit Gegen-
ständen aus der Umgebung des Kindes; für die Mittelstufe sind Grimm und Hebel
reichlich ausgeschöpft; kürzere erzählende Stücke, leichtere Parabeln, Sagen, Märchen,
einfache Naturschilderungen reihen sich an. Darauf folgen Abschnitte patriotischen
und ethischen Inhalts, auch das Naturgefühl wird angeregt. Die Stücke der Ober-
stufe sind erstlich nach dem litterarischen Gesichtspunkt, jedoch so ausgewählt, dass
nur Schönes aufgenommen wurde, die Poesie des Altertums, Shakespeare und das
französische Drama sind herangezogen, manche Kapitel der deutschen Literatur-
geschichte sind vorgeführt; berücksichtigt ist auf diesem Gebiet im allgemeinen, was
bis zum Alter von sechzehn Jahren auch mit Mädchen durchgenommen werden kann.
Weitere Grundsätze für die Auswahl lieferten die Absichten, Anregungen auch für
die Kunstgeschichte, die zusammenhängend noch nicht getrieben werden kann, Stücke
patriotischen und ethisch anfeuernden Inhalts aufzunehmen und schliesslich gute
Muster für den Stil zu geben. Die äussere Anordnung der Prosastücke unterscheidet
sich von der der Mustergedichte nicht. An ihrem Text ist aus pädagogischen
Gründen zuweilen eine Aenderung vorgenommen, häufiger sind Kürzungen ein-
getreten, die mit Recht im Text unbezeichnet bleiben. Grundlage und Aufbau des
Gesamtwerkes beruhen, wie man sieht, auf gesunden Ansichten; das Werk ist ein
vorwiegend litterarisches Lesebuch, welches den besonderen Aufgaben des deutschen
Unterrichts mit einer gewissen Ausschliesslichkeit dient. — Die Mustersammlung
deutscher Gedichte von H. L. Wolff 127) hat, um den veränderten Ansprüchen unserer
Tage zu genügen, eine gründliche Umgestaltung erfahren. Veraltete Gedichte sind aus-
geschieden, dafür gegen hundert neu aufgenomminen, besonders solche patriotischen
Inhalts. Ausserdem sind jetzt auch die Hauptnamen aus der zeitgenössischen Litteratur,
wie Scheffel, Heyse, Keller u. a. vertreten. Die Anordnung ist die alte geblieben,
eine Abteilung für die unteren, eine für die oberen Klassen, die Gedichte nach den
Dichtern alphabetisch geordnet. — Das Sammelwerk eines Ungenannten128) vereinigt
in einem Bande Goethes Hermann und Dorothea und Götz, Schillers Wallenstein und
Teil und Lessings Minna von Barnhelm. Ein zweiter Band enthält Erzählungen be-
sonders aus Schubert, Houwald, Jakobs, Hebel, Aurbacher, Immermann, Zschokke u. a.,
darauf folgen Abschnitte geschichtlichen Inhalts und Bilder aus Seumes, Gellerts,
XV, 783 S. M. 5,50. - 126) K. lies sei, Mostergedichte u. Musterprosa z. Schulgebr. Masterprosa. 2. T. Obere Mittel-
stufe. 3. Aufl. Bonn, E. Weber. III, 284 S. M. 3,10. (Mit Mustergedichten, Ausg. A, 3. Aufl. in 1 Bd. ebda. VIII, 284 8.
M. 3,10; vgl. JBL. 1892 I 5:87.) — 127) H. L. Wolff, Mustersamml. dtsch. Gedichte für höh. Lehranst., Bürgerschulen,
Privat-Inst. u. für d. dtsch. Haus. 21. verm. u. verb. Aufl. Halle a. S., II. W. Schmidt. XII, 436 S. M. 2,00. — 128) Aus
d. dtsch. Litt. Für d. dtsch. Jugend. 1. Bd. Meisterwerke dtsch. Dichtung. 2. Bd. Erzählungen u. Lebensbilder. L., K. Richter.
E. Naumann, Die Litteratur in der Schule. I 6 i 129-134
Goethes, Nettelbecks Leben u. a., zuletzt Briefe von Luther, Spener, Claudius, aus
Schillers Freundeskreise, von der Königin Luise und Kaiser Wilhelm I. Die etwas
buntscheckige Auswahl giebt einen reinen, gesunden Lesestoff, der Herz und Gemüt
anregt und zu Gottesfurcht und Vaterlandsliebe hinzuführen geeignet ist.129) — Für
den Unterricht in der Literaturgeschichte ist von Fachlehrern130) bayerischer Bildungs-
anstalten ein literarhistorisches Lesebuch zusammengestellt. Um eine innige Ver-
bindung der Litteraturkunde mit der Lektüre herbeizuführen, stellen die Herausgeber
die geistige Entwicklung unseres Volkes in dessen wichtigsten litterarischen Er-
zeugnissen von der frühesten Zeit bis auf die Gegenwart dar. Die dramatische
Poesie bleibt allerdings ausgeschlossen, weil Auszüge aus Dramen zu sehr den Stempel
des Unvollkommenen tragen und auch dem Buche einen zu starken Umfang verliehen
hätten. Die Proben der ältesten deutschen Dichtung sind durch Bruchstücke aus der
Edda und dem Beowulfsliede ergänzt; fortgeführt ist die Reihe über Goethes Tod
hinaus bis auf Wildenbruch. In den Zusammenhang der Litteraturgeschichte führt die
nach den Hauptabschnitten getroffene Anordnung sowie die für den einzelnen Dichter
gegebene kurze geschichtliche Vorbemerkung ein. Jener Anordnung des Neuhoch-
deutschen fehlt übersichtliche Gliederung, da unter den Buchstaben a bis r die Einteilung
nach geschichtlicher und begrifflicher Entwicklung unmerklich in eine andere nach
geogTaphischen Gesichtspunkten übergeht. Hier wäre die Uebersichtlichkeit gefördert
worden, wenn der mit Goethes letzter Epoche oder seinem Tode eingetretene Ab-
schnitt auch durch die Einteilung hervorgehoben wäre. Die Auswahl zeigt manchen
guten Griff, auch in Verwertung der besten Uebertragungen aus der älteren Poesie.
Es ist freilich nicht möglich, auf 316 Seiten von jedem der 177 Dichter auch
nur eine annähernd deutliche Vorstellung zu erwecken, da viele nur mit einem
einzigen, oft kurzen Gedichte vertreten sind. Eine doch nur für den Anfänger be-
stimmte Sammlung würde sich mit grösserem Erfolge auf die wirklich bedeutendsten
Dichter beschränken, von denen dann ausreichende Proben gegeben werden könnten.
Namen wie Günther, Brockes, Hagedorn, von Saar, Milow könnten ohne Schaden
fortbleiben; wer ihre grossen Zeitgenossen eingehender kennen gelernt hat, und das
ist wesentlich, wird bei späterer Bekanntschaft auch die Dichter zweiten Ranges an
richtiger Stelle einorden.131"132) —
Die Leitfäden der Litteraturgeschichte und Poetik sondern sich in
zwei Gruppen, je nachdem die Vf. mehr die Bekanntschaft mit dem geschichtlichen
Verlauf der Litteratur vermitteln wollen oder die Einführung in das Studium der
Litteratur und Poetik ins Auge fassen. Für Lehrer-Bildungsanstalten g-iebt Meixners133)
Bearbeitung des Leitfadens von Zeynek ein brauchbares Hülfsmittel. Das Buch enthält
eine Fülle von geschichtlichem Stoff, ohne Ueberladung und übersichtlich geordnet,
auch mit verständigem Urteil ausgewählt, nur oft nicht aus den besten Quellen ge-
schöpft. Aus einer Betrachtung der älteren deutschen Sprachgeschichte geht es
allmählich zur Litteratur über, Sprachproben und Stellen aus den Dichtungen sind
reichlich mitgeteilt. Wissenschaftlich bedarf einzelnes genauer Feststellung; dass
„eine von Ulfilas Hand verfasste Bibelübersetzung" vorhanden sei, ist ungenau und
schief ausgedrückt, in den Ausführungen über Lessing (S. 175) ist Zusammenhang und
Darstellung besserungsbedürftig. Die Litteraturgeschichte ist über Goethes Tod bis
auf die Gegenwart fortgeführt; man wird es dem österreichischen Vf. nicht verargen,
dass er unter den neuesten Dichtern seine Landsleute besonders berücksichtigt; die
ausserösterreichischen und die Prosaschriftsteller sind zum Nachschlagen registriert.
Die Vereinigung der Proben mit der Geschichte mag für den nächsten Zweck aus-
reichen, eine wirkliche Bekanntschaft mit der Litteratur können sie nicht befördern.
Die Inhaltsangaben, besonders der Dramen, sind zu billigen. — Gleichfalls auf die
Geschichte legen den Nachdruck Kummer und Stejskal 134), daher die strenge
Beobachtung der Perioden, die umfangreichen biographischen Angaben und tabel-
larischen Uebersichten über Leben und Geistesentwicklung mit zahlreichen Jahres-
zahlen. Daneben sind die Inhaltsangaben etwas ungleichmässig behandelt, über
Wilhelm Meister berichten etwa drei Viertelseiten, über Herders Ideen sechs Zeilen,
Klopstocks Messias wird kritisiert, ohne dass der Aufbau wenigstens der ersten drei
Gesänge dargestellt ist; Grillparzers König Ottokar ist ausführlicher behandelt als
510, 438 S. M. 3,00. — 129) O XX^Heinrichi, Deutschlands Dichterhort Gediohtsaiuml. z. Deklamieren für d. Schulgebr.
Hannover, Manz & Lange. VI, 326 S. M. 2,00. — 130) Litterarhist. Lesebuch. München, Pohl. XI, 316 S. M. 2,50. —
131) O X X Aug. Lühen, Ausw. charakterist. Dichtungen u. Prosastüclce z. Einführ, in d. dtsch. Litt. E. Lehr- u. Lesebuch
für höh. Schnlanst. u. z. Selbstunterr. 2. T. 7. Zeitraum. V. 1770 bis zn Goethes Tode. 7. Aufl. Aus d. Quellen verb. v.
H. Huth. L, Brandstetter. VI, 352 S. M. 1,60. — 132) O X X H. Kletke u. H. Sobald, Lesebuch für höh. Mädchen-
schulen mit Berücksicht. d. Unterr. in d. Litt.-Gesch. v. Haller bis auf d. Gegenw. 9. Aufl., bes. v. L. H. Fischer. Alten-
burg, Pierer. 594 S. M. 4,00. |[NB11EÜ. 23, S. 64; M. Krummacher: COIBW. 22, S. 746.]| (Vgl. JBL. 1893 I 7 : 121 ) —
133) G. v. Zeynek, Dtsch. Litt.-Gesch. E Leitfaden für Schulen, mit bes. Berücksicht. d. Lehrer-Bildungsanst., bearb. v.
A. Meixner. 6. Aufl. Graz, Leuschner * Lubensky. IV, 358 S. M. 2,80. — 134) K. F. Kummer u. K. Stejskal, Leit-
faden z. Gesch. d. dtsch. Litt. Z. Unterr.-Gebrauch an Lehrer- u. Lehrerinnenbildungsanst. Wien, Manzsche Buchh. (J. Klink-
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (1)10
I 6:i35-no E. Naumann, Die Litteratur in der Schule.
irgend ein anderes Drama. Die neuere Litteratur ist durch das J. 1832 geschieden,
so dass mit diesem Zeitpunkte das junge Deutschland beginnt und dann eine weitere
Teilung in nord- und süddeutsche und in österreichische Dichter eintritt. Den
Abschluss bildet Hamerling. Für gedächt nismässige Einprägung der Literatur-
geschichte ist der Leitfaden geeignet. — Einem weniger litteraturgeschichtlichen als
litteraturkundlichen Unterrichte dient der Leitfaden von Zurbonsen.135) Die Ein-
teilung in Perioden ist nur in zweiter Linie herangezogen worden, durchaus im
Mittelpunkte stehen die beiden Blütezeiten, den grösseren Umfang nimmt die zweite
ein, die im wesentlichen nach Klopstock, Lessing, Goethe, Schiller gegliedert ist;
dem ersten ist Wieland, dem zweiten Herder angereiht. Ein letztes Kapitel, Aus-
klänge der zweiten Blütezeit, umfasst die Romantiker, die Vaterlandsdichter, Uhland
und seinen Kreis und eine Uebersicht der neueren und neuesten Dichtung. Was an
bemerkenswerten Erscheinungen zwischen den beiden Blütezeiten liegt, ist in drei
Paragraphen kurz angedeutet. Der nach Anlage und Ausführung recht brauchbare
Leitfaden hat in zweiter Auflage in einem Anhange über Shakespeare eine dankens-
werte Zugabe erhalten. — Krügers 136) Deutsche Litteraturkunde ist für Volks-,
Bürger- und Mittelschulen bestimmt, ihre Brauchbarkeit für den dadurch bedingten
Kreis des Unterrichts ist in zahlreichen dem Werkchen vorgedruckten Aeusserungen
aus Schul- und Lehrerzeitungen anerkannt. Gleichwohl könnten die Inhaltsangaben
der Dramen gleich massiger durchgearbeitet werden, von den beigegebenen Bildnissen
sind einige (z. B. Herder, Chamisso, Rückert) wenig ansprechend. Die Darstellung
selbst entbehrt zuweilen des rechten Zusammenhanges, z. B. „Zurückgekehrt von
einer Reise nach Italien, wurde er auf die Litteratur des Morgenlandes aufmerksam" ;
„Rückert vertiefte sich eifrig in das Studium und wurde Professor der orientalischen
Sprachen zu Erlangen in Bayern. Zuvor lebte er einige Jahre in Koburg und hatte
sich hier vermählt." Abschnitte über Metrik und Poetik bilden den Schluss. —
Wychgrams137) Hilfsbuch für den Unterricht in der deutschen Litteraüngeschichte
ist mit anerkennungswerter Frische und Lebhaftigkeit geschrieben; der Vf. will zum
Lesen der Werke selber anregen und hält darum mit dem Ausdruck seiner persön-
lichen Teilnahme und seines Urteils nicht zurück. Die ältere Litteratur hätte viel-
leicht etwas ausführlicher behandelt werden können ; ausreichend und in guter Ueber-
sicht dargestellt ist die Geschichte der neueren Dichtung von 1700 bis 1832, die Zeit
nach Goethes Tode ist zum Schluss auf 17 Seiten kurz behandelt. Ueberall beweist
der Vf. das Geschick, vom Wichtigen das Nebensächliche zu trennen. Eine Zeit-
tafel ist der zweiten Auflage beigegeben. Das Hülfsbuch führt sich als Ergänzung
der Sammlung deutscher Schulausgaben von Velhagen und Klasing ein, wird aber
auch ausser Zusammenhang mit dieser sich brauchbar erweisen. — VonLeimbachs138)
weit angelegtem Sammelwerke ist eine neue Lieferung erschienen, umfassend die
Biographie von Meissner bis Moser. Voran gehen jedesmal genaue Nachweise der
sorgfältig studierten Quellen, zu denen zuweilen sogar persönliche Mitteilungen der
Dichter gehören, dann folgen kurze Abrisse der Lebensgeschichte, den Hauptwert
hat aber die Würdigung der Werke und der dichterischen Eigentümlichkeit. Der
Herausgeber hat überall ein sicheres und selbständiges Urteil, das sich unbeirrt aus-
spricht. Geschickt ausgewählte Proben unterstützen und vervollständigen die Dar-
stellung.139) — Lehmanns140) Uebersicht ist für die oberen Klassen höherer Lehr-
anstalten bestimmt; er setzt überall den Lehrer voraus. Dieser soll die einzelnen
Abschnitte mit den Schülern durchsprechen und kann diese dann zur Wiederholung
und Einprägung auf das Buch verweisen; auch für gelegentliche Ausführungen im
Anschluss an die Lektüre bietet es einen Repetitionsstoff. Diesem Zwecke gemäss
ist der Stoff auf das engste Mass beschränkt, die Erörterungen aus der Geschichte
der Sprache behandeln nur die wichtigsten Perioden und Erscheinungen und bieten
bloss typische Beispiele. Die Anordnung ist übersichtlich, den Nachweisen über
lautliche Entwicklung sind Abschnitte über Bedeutungswandel, innerhalb dessen
der Wert der Metapher gebührend hervortritt, über Fremd- und Lehnwörter und
über die Schriftsprache hinzugefügt. Die Ausgestaltung dieser Uebersicht über die
Sprachentwicklung ist durch des Vf. Buch über den deutschen Unterricht (JBL. 1890
17:4) bestimmt. Ebendort finden sich auch die Gesichtspunkte für den litteratur-
hardt & Co.) V, 196 S. Fl. 0,90. — 135) Fr. Zurbonsen, Dtsch. Litt.-Kunde. Leitfaden für höh. Schulen. Mit Anra. aus
d. Poetik. 2. Aufl. B., Nicolaische Verlagsh. VI, 160 S. M. 1,50. — 136) C. Krüger, Dtsch. Litt.-Kunde in Charakter-
bildern u. Abrissen. 4., verb. Aufl. Mit 29 Abbild. Danzig, Axt. 116 S. M. 0,75. (Vgl. JBL. 1893 I 1 : 81.) — 137) J.
Wychgrara: Hülfsbuch für d. ünterr. in d. dtsch. Litt.-Gesoh. 2. Aufl. (= N. 77, Heft 56.) III, 154 S. M. 1,25. (Vgl.
JBL. 1892 I 5:100.) — 138) K. Leirabach, D. dtsch. Dichter d. Neuzeit u. Gegenw. Biographien, Charakteristiken u.
Ausw. ihrer Dichtungen. 6. Bd. 2. Lfg. (= Ausgew. dtsch. Dichtungen, für Lehrer u. Freunde d. Litt, erläut. 10. Bd.,
1. Lfg.) L. u. Frankfurt a. M., Kesselring (E. v. Mayer). S. 161-320. M. 1,50. |[Haus u. Schule N. 35; MagdebZg. N. G31.j|
(Vgl. JBL. 1893 IV la: 15.) — 139) O XX^ Franz u. K. Lindecke, Dichtungen d. neueren Zeit nebst Lebensabrissen
d. Dichter. Hilfsbuch für d. dtsch. ünterr. in Prima. B., G. Grote. X, 402 S. M. 2,60. — 140) R. Lehmann, Uebers.
über d. Entwicklung d. dtsch. Sprache u. d. alt. dtsch. Litt. Für d. ob. Klassen höh. Lehranst. B., Weidmann. VIII, 59 S.
IC. Naumann, Die Litteratur in der Schule. I 6 •. uo-U$
geschichtlichen Teil. L. ist der Ueberzeugung, es bedürfe für diejenigen Perioden
und Werke, die der eigenen Lektüre zugänglich sind, überhaupt keiner eigentlichen
Literaturgeschichte; der sich hieraus erg-ebenden Folgerung, dass eine Uebersicht
über die Gesamtentwicklung der mittelalterlichen Litteratur und ein Ueberblick auf
die Entwicklung von Opitz bis auf Kloptstock dem Bedürfnis genüge, entspricht
die Behandlung der Litteratur in dem Leifaden. In drei Abschnitten ist zunächst
die älteste Zeit, die geistliche und die ritterliche Dichtung, letztere mit weiterer
Gliederung behandelt, ein vierter ist dem Jh. der Reformation, ein fünfter der ge-
lehrten Dichtung des 17. Jh. gewidmet, der letzte behandelt die Vorboten der
klassischen Litteratur in der ersten Hälfte des 18. Jh. An die ungemeine Zusammen-
ziehung des Stoffes in den letzten beiden Abschnitten mag man sich gewöhnen; der
Litteratur der Reformationszeit fehlen aber wesentliche Züge, wenn man die Satiriker
und Fabeldichter übergeht und auf Luthers geistliche Lieder „nicht eingehen kann".
Religiöser Inhalt entrückt die Dichtungen ebenso wenig dem Bereiche der Litteratur
wie vaterländischer, das Kirchenlied erfreut sich aber überhaupt in diesem Leit-
faden keiner Beachtung, auch am Schluss findet sich die Bemerkung', dass wir „hier
nicht näher darauf eingehen können". Ebenso wenig kommt Luther selbst zur Gel-
tung. Der „Professor der Theologie" wird erwähnt als Begründer einer neuen Ent-
wicklungsepoche unserer Sprache und als Neugestalter des Schul- und Unterrichts-
wesens. Es „bleibt ihm das Verdienst, zur Einigung unserer Sprache mehr bei-
getragen zu haben als irgendjemand anders"; das ist weniger, als selbst die Vf. von
Literaturgeschichten für katholische Schulen ihm zugestehen. Die litterarischen Be-
strebungen des 17. Jh. würden beachtenswerter erscheinen, wenn sie mit den Wir-
kungen des dreissigjährigen Krieges in Gegensatz gestellt wären.141) — Stilistik, Poetik
und Litterat Urgeschichte vereinigt Lyon142) in einem Handbuch. Die beiden ersten
Abschnitte enthalten eine Fülle von Beobachtungen und Beispielen des vielbelesenen
Vf. und bieten, wenn sie auch über das Bedürfnis der Schule weit hinausgehen, doch
auch dem Lehrer mancherlei Stoff, der im Unterrichte unmittelbar zu verwerten ist.
Die Stilistik ist, als die Wissenschaft der sprachlichen Darstellung, ebensowohl
von der Rhetorik, welche der Vf. nicht behandelt, wie von der Poetik geschieden.
Für die Bearbeitung der letzteren sind die Ergebnisse der neuesten Forschungen von
R. M. Werner, V. Valentin, Th. Lipps, E. Sievers, H. Paul, J. Minor u. a. berück-
sichtigt worden. Die Verslehre baut L. durchaus auf dem deutschen Betonungsgesetz
auf und wendet dieses auch auf die nach antikem Muster gebauten deutschen Verse
an. Es ist dabei nur folgerichtig, wenn er jetzt die vierteiligen Füsse, welche auch
nur der Terminologie der griechischen Metriker ihr Dasein verdanken, von der
deutschen Metrik ausschliesst und selbst im jambischen und anapästischen Metrum
trochäisches Mass mit ein- oder zweisilbigem Auftakt erkennt. Ueber die Dichtungs-
gattungen finden sich manche anziehende Bemerkungen; irre führen könnte aller-
dings die Angabe von beherrschenden Ideen oder Grundgedanken für Ilias, Odyssee,
Nibelungen und Gudrun, mit deren Ursprung- und Entwicklung der in der schliess-
lich gewonnenen Form hervortretende Gedanke ausser Verbindung steht. Nur zu
billigen ist es, wenn der sonst wohl behauptete Unterschied zwischen Romanze und
Ballade aufgegeben ist. Dagegen Hesse sich Fabel und Parabel, selbst wenn man
der ersteren ein weiteres Gebiet zugesteht als Lessing, wohl auch durch ein Kenn-
zeichen der Form deutlich scheiden. Der litteraturgeschichtliche Teil ist jetzt durch
Einfügung sprachgeschichtlicher Abschnitte in dankenswerter Weise erweitert, in
denen die Haupteigentümlichkeiten der germanischen Ursprache, des Ahd., des Mhd.
und der nhd. Schriftsprache übersichtlich zusammengestellt sind. Im übrigen enthält
die Literaturgeschichte einige glänzende Partien, besonders in der Darstellung der
Volksepen und sehr viele Bereicherungen; stellenweise ist allerdings das Gleich-
mass der Darstellung gestört, z. B. durch die zu ausführliche Erörterung des Minne-
sangs. In den Abschnitten über neuere Litteratur treten solche Ungieichmässigkeiten
häufiger ein; von Schillers Leben ist die Jugendgeschichte im Verhältnis zu dem
übrigen und zu anderen Lebensbeschreibungen viel zu umständlich erzählt; Bodmers
Verstimmung gegen Klopstock ist breit und nicht ohne Anflug von „burschikosem"
Ton dargelegt. Dagegen vermisse ich, wie ich schon der ersten Auflage (L., Teub-
ner; 1885) gegenüber ausführlich begründet habe (ZGymn. 19, S. 603/6), Inhalts-
angaben der Werke, die dem Verständnis der Lesenden vorbereitend zu Hilfe
kommen. Die Litteratur nach Goethe ist allzu kurz behandelt, es treten nicht alle wich-
tigen Namen gebührend hervor; ebenso wenig finden aber auch schon die verschie-
M. 1,00. — 141) O X X B- Huppe, Gesch. d. dtsch. Nationallitt. Z. Gebr. an Gymn. u. and. höh. Lehranst. sowie z. Privatgebr.
4., verb. Ann., bes. v. A. Franzem. Paderborn, Schöningh. VIII, 233 S. M. 2,00. — 142) 0. Lyon, Handbuch d. dtsch.
Spr. 2. T. Für ob. Klassen. Stilistik, Poetik n. Litt.-Gesch. 4. ?erra. u. verb. Aufl. L., Teubner. VIIL 313 S. M. 2,80.
|[F. Mnncker: BBG. 30, S. 483,7; E. Hermann: P.iedA. 36, S 307,8; W. Bartels: ib. 37, S. 515 6; Rob. Schneider:
COIRW. 22, S. 375.JI (Auch in 3 einzelnen Abt. käufl.: 1. Stilistik M. 1,00; 2. Poetik M. 1,00; 3. Litteraturgescb. M. 1,60.
(1)10*
I 6:143-146 I 7:1-2 W. Scheel, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache.
denen Richtungen neben dem alternden Goethe klaren Ausdruck. Besserungsvor-
schläge im einzelnen hat Muncker angegeben. Die Litter aturan gaben am Schluss
bieten demjenigen, der mit der Forschung nicht im Zusammenhange steht, dankens-
werte, aber nicht gleichmässige Sammlungen. Einige Versehen der ersten Auflage
schleppen sich noch immer mit fort: Albhard S. 210, Abderiden S. 263; Chr. Ew.
von Kleist starb nicht in der Schlacht bei Kunersdorf (S. 259); Uhland legte nicht
die deutsche Litteratur in Tübingen nieder (S. 282 143). — Die Grundzüge der Poetik
stellt Durmayer144) in knapper und übersichtlicher Form zusammen. Der Leit-
faden ist unter Benutzung der besten neueren Arbeiten verfasst, zeichnet sich aus
durch wohlgewählte Beispiele und fasst die Ergebnisse erster Unterweisung auf
diesem Gebiete nicht ungeschickt zusammen.145"146) —
V
Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache.
Willy Scheel. .
Historische Entwicklung der neuhochdeutschen Gemeinsprache: Kanzlei N. .1. — Luther N. 8. —
Hans Sachs N. 9. — Grammatiker des 16. Jahrhunderts (Clajus, A. Oelinger und Laurentius Albertus) N. 11. — 17. Jahr-
hundert: E. Schwabe von der Heyde N. 13; deutscher Sprachverderber N. 14; llarsdörffer, S. von Birken N. 15. — 18. und
19. Jahrhundert: Gottsched N. 17; Bürger N. 19; J. H. Campe, F. Hebbel N. 21; Goethe N. 23; Wieland N. 26; Hebel, Grill-
parzer N. 28; neueste Schriftsteller und Dichter N. 30. — Mundartenforschung: Grammatik N. 36; Wortschatz N. 70;
Sprachen einzelner Stände (Studenten, Bergleute, Weidmänner, Militär, Kaufleute, Gauner) N. 80; Einigung der Aus-
sprache N. 90. — Das jetzige Neuhochdeutsch: Allgemeines N. 95. — Historische Grammatik N. 102. — Formen-
lehre N. 109. — Syntax N. 113. — Stilistik N. 121. — Umgangssprache N. 123. — Wortschatz N. 126. — Worterklärnng
und Bedeutungswandel N. 137. — Redensarten N. 156. — Fremdwörter N. 167. — ' Kampf gegen Schäden im heutigen Deutsch
(Sprachdummheiten) N. 200a. — Auszählung der deutschen Sprache N. 216. — Orthographie und Interpunktion N. 218. —
Ein Bericht über die Geschichte unserer Schriftsprache zerfällt von selbst in
zwei grosse Abschnitte : in die Geschichte der historischen Entwicklung
der neuhochdeutschen Gemeinsprache von ihren Anfängen an und in
die Uebersicht über den heutigen Stand der Schriftsprache und die Bestrebungen,
die vorhandenen Schäden und Fehler zu verbessern. Die Forschungen dieses
Berichtsjahres verteilen sich freilich auf beide Abschnitte sehr ungleich ; sehr wenige
Arbeiten beschäftigen sich mit den Jhh., in die die Herausbildung unserer
Schriftsprache aus den Dialekten fällt, nur einige beleuchten die Entwicklung, die
sie in den späteren Zeiten genommen, als sie durch mancherlei Kräfte gestärkt, durch
grosse Dichter und Schriftsteller gehoben, zu dem gewaltigen Berge geworden ist,
von dem wir Nachgeborenen nun rings in die deutschen Lande blicken, die Eine
Sprache beherrscht. Dieser Einigungsprozess, der Jhh. lang gedauert hat,
ist besonders noch in seinen Anfängen dunkel. Die Sprache in den Urkunden der
Kanzleien, die neben und öfters auch vor dem Einfluss der Drucksprache zu
einer ersten Einigung gelangte, hängt im letzten Grunde von dem Aussteller, ja oft
vielleicht sogar von dem Schreiber selbst ab, und so ist es von allergrösster Wichtig-
keit, das Personal der Kanzleien näher kennen zu lernen, wie im vorigen Jahre
Burdach uns die böhmische Kanzlei und ihre Beamten, vorzüglich Joh. von Neumarkt
und sein Wirken, näher gebracht hat, was freilich die Besprechung von W o t k e ')
keineswegs zum Ausdruck bringt. — Die Kanzleisprache einer bestimmten Stadt oder
Gegend hat in diesem Jahre nur Haendcke2) behandelt, indem er die mundart-
lichen Elemente in den Urkunden des Strassburger Urkundenbuches zusammenstellte.
— Sonst berühren nur einige Recensionen dies wichtige Thema: Die Schriften Brand-
stetters, die sich mit dem Eindringen der neuhochdeutschen Schriftsprache in Luzern
ausschliesslich auf Grund von hs. Material beschäftigen und in eindringendster
Forschungsweise die verschiedenen Zeiten der Entwicklung, besonders die Gestaltung
der Kanzleisprache und ihre Schicksale, zur Anschauung bringen, werden von
Vgl. JBL. 1893 I 7 : 149.) — 143) O X (I 1 i 47; vgl. JBL. 1890 I 7 : 29.) - 144) J. Durmayer, Grundzüge d. Poetik. Für.
Mittelschulen. 2. Aufl. Nürnberg, Korn. IV, 91 S. M. 1,00. — 145) O X X M- noffmann, Leitfaden d. Aesthetik für d.
Schul- u. Selbstunterr. 2. Aufl. Wien, Bermann & Altmann. VII, 90 S. Mit 15 Textfiguren. M. 1,80. |[M. Dessoir: DLZ.
S. 340.JI (Vgl. JBL. 1893 I 7 : 36.) — 146) O X X F. Wagner, D. posit. Wissen d. Lehrers in d. dtsch. Sprache. D. Gramm.,
Stillehre, Metrik, Poetik u. dtsch. Litt.-Gesch. in übersichtl. Darstell. E. prakt. Hülfsbuch für Lehrer u. Schulamts-
kandidaten z. Vorbereit, auf d. verschied. Examina, sowie e. Leitfaden für höh. Lehranst. 3. Aufl. Langensalza, Schulbuchh.
12°. VIII, 119 S. M. 1,00. —
1) K. Wotke, K. Burdach, Vom MA. z. Reformation. 1. Heft. (JBL. 1893 II 1:73): ZOG. 45, S. 418-20. —
2) E. Haendcke, D. mundartl. Elemente in d. elsäss. Urkk. d. Strassb. Urkundenbuches. (= AlsatSt. N. 5.) Strassburg i. E„
\V. Scheel, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. I 7 : 3-12
Bechstein3) in einem eigenen Aufsatze besprochen, der Material und Methode
zwar sehr lobt, selbst jedoch die weittragende Bedeutung- derartiger Arbeiten für die
Kenntnis der Grundlagen unserer Schriftsprache sicher nicht genug* würdigt. — Von
den übrigen zahlreichen Besprechungen4) Brandstetters seien hier nur Heusler
und besonders Kauffmann genannt, die eigene neue Gesichtspunkte hinzufügen.
— Ebenso ist auch die Arbeit von Scheel, die die schriftsprachliche Entwicklung der
Rheinlande und zwar der Metropole Köln behandelt, in Recensionen 5) berührt
worden : so von Martin, ferner in einem auf der Jahresversammlung des Vereins
für niederdeutsche Sprachforschung zu Köln gehaltenen Vortrage über die Kölner
Mundart von Blumschein6). — Die ältere dialekt - kölnische Schriftsprache
vor dem Eindringen des Neuhochdeutschen in Kanzlei und Buchdruck, bespricht
Nörrenberg")an der Hand seltener Kölnischer Druckwerke. — Sehr wichtig und inter-
essant ist für die Entwicklung der Stilformen die Arbeit von Joachimsohn7a), der die
Entstehungsgeschichte des Kanzleihandbuches, das wir unter dem Namen „Formulare und
deutsch Rhetorica" kennen, auf breitester Grundlage giebt und nach einer Besprechung
der Ausgraben die verschiedenen Abschnitte des Buches durchgeht, aus dessen 3. Teile
er in scharfsinnigster Weise mit Benutzung vieler hs. Quellen den Entstehungsort
und den Redaktor der Sammlung, Bernhart Hirssfelder, eruiert. Die Thätigkeit des
letzteren bei der Kompilation der übrigen Teile hat J. in eindringendster Untersuchung
dargelegt und deren Quellen und Vorlagen (besonders Niklas von Wyle) im ein-
zelnen erörtert. —
Weitere Forschungen, die aus neuem Material die Kanzleisprache der neu-
hochdeutschen Frühzeit beleuchteten, sind in unserem Berichtsjahre nicht erschienen;
auch der sprachgewaltige Luther ist nur in einem Aufsatz von K 1 a i b e r 8) be-
handelt worden, der eine Erklärung und Erläuterung dunkler Worte und Stellen in
Luthers Werken giebt ; über seine Stellung in der Sprachgeschichte, die im Bericht
des vorigen Jahres zu Kontroversen Anlass gab (JBL. 1893 I 8:29—31), wird erst
ein bindendes Urteil gefällt werden können, wenn die Aktenmassen der einzelnen
Städte, wie die Tausende und aber Tausende von Druckwerken sprachlich näher
untersucht sind; ich glaube, dass der Ehrenplatz, den Scherer unserem Reformator
gab, durch diese Forschungen bestätigt werden wird. Dass Luther durchaus nicht
überall in der sprachlichen Entwicklung voranging, zeigt deutlich die Sprach-
geschichte der rheinischen Lande, wo gerade durch die Katholiken eine Gemein-
sprache im besten Sinne in Köln geschaffen worden ist. —
Aus dem 16. Jh. ist ausserdem nur die Sprache des Hans Sachs in zwei
Arbeiten von James9) und Shumway10) bearbeitet worden, die beide die
starke Konjugation in übersichtlichen Tabellen vorlegen. In der Einleitung betont
Sh. die Wichtigkeit der Sprache des Hans Sachs neben der Luthers, weil er nicht
durchaus den Dialekt Nürnbergs schreibt, sondern sich, wie Luther, an die kaiser-
liche Kanzlei anlehnt und ihm auch das gemeine Deutsch nicht fremd ist. Leider
sind die Vf. beider Arbeiten nicht auf die hs. Quellen zurückgegangen; vielleicht
hätten sich daraus interessante Vergleichungspunkte ergeben, vielleicht hätte sich
auch ein Blick auf die Sprache Nürnbergs, wenn auch ganz im allgemeinen, geben
lassen, da ja gerade diese Stadt ihres Verhältnisses zur kaiserlichen Kanzlei wegen
sprachlich die grösste Wichtigkeit hat. (Vgl. II 4 b.) —
Von hier aus möchte ich sogleich auf die drei Grammatiker des 16. Jh.
übergehen, mit denen sich Weidling11) und C. Müller12) im Berichtsjahre
beschäftigt haben. W. giebt mit seiner Ausgabe des Clajus einen wichtigen Bei-
trag zur Kenntnis der Fixierung unserer Schriftsprache im 16. Jh. Die umfangreiche
Einleitung berichtet zuerst kurz über das Leben des Clajus nach Perschmann, ver-
zeichnet sodann die Ausgaben seiner Grammatik, deren letzte in das J. 1720 fällt.
Der Hauptteil der Einleitung gliedert sich in einen sprachlichen und einen historischen
Abschnitt. Die Darstellung des Laut- und Formenstandes (S. VII— XXXII) deckt
vorzüglich das Verhältnis des Clajus zur Luthersprache auf, das ja auf dem Titel
Trübner. VII, 48 S. M. 1,50. — 3) R. Bechstein, D. Lnzerner Mnndart u. d. nhd. Schriftspr.: ZDU. 8, S. 561-71. (Rec. d.
drei Aufsätze R. Brandstetters: Prolegomena zu e. urkundl. Gesch. d. Luzerner Mundart. Einsiedeln, Benziger. 1890. 88 S.;
D. Reception d. nhd. Schriftspr. in Stadt und Landschaft Luzern 1600—1830. ib. 1891. 90 S.; D. Luzerner Kanzleisprache
1250-1600. [Sonderabdr. aus GFrSO. 47, S. 257-317.] Vgl. JBL. 1891 18:5; 1892 I 6 : 9-11.) — 4) X R- Brandstetter, D.
Recept. d. nhd. Schriftspr. — id., D. Luzerner Kanzleispr. (JBL. 1891 18:5; 1892 I 6:9-11). ||L. Tobler: ZDPh. 26, S. 137;
F. Kauffmann: AlndogermSprAK. 4, S. 72,3: A. Leitzmann: ib. S. 50/1; K. Weinhold: ASNS. 90, S. 40S; A. Heusler: ADA. 20,
S.26/9.]|-5)XW. Scheel, Jaspar v.Gennep( JBL 189318:9). |[KBlVNiederdSpr.l7,S.4S,71,2;KBlWZ.12,S.3G: E.Martin: ADA.20,
S. 400,1. ]| — 6)G. Blumschein, Ceber d. Kölner Mundart : RhGBll. 1,3. 137-49. - 7) [C. N ö r r e n b e r g] , Altköln Sprachdenkmäler :
KZg.N.404. — 7a)P. Joachimsohn, Aus d. Vorgesch. d. „Formulare u. dtsch. Rhetoria": ZDA. 26, S. 24-121. — 8) K. H. K laiber,
Lutherana: ZDPh. 26, S. 30-58, 430,1. (Vgl. ib. S. 281.) — 9) A. W. James, D. starken Praeterit.i in d. Werk«n v. Hans
Sachs. Diss. München. 83 S. — 10) D. B. Shumway, D. ablautende Verbum bei Hans Sachs. E. Beitr. z. Formenlehre d.
Dentschen im 16. Jh. Diss. Göttingen. 152 S. — 11) F. Weidling, D. dtsch. Grammatik d. Job. Clajus nach d. ältesten
Druck v. 1578 mit d. Varianten d. übrigen Ausg. (= Aeltere dtsch. Grammaliken in Neudrucken. Her. v. John Meier. Bd. 2.)
Strassburg i. E., Trfibner. LXXVI, 179 S. M. 6,00. (Auch als Diss. Freiburg i. B. 32 S.) — 12) C. Müller, Laurentius
1 7 : n-i7 W. Scheel, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache.
der Grammatik besonders hervorgehoben ist, und zeigt, dass hauptsächlich die Bibel
von 1545 benutzt wurde. Sehr interessant ist die Zusammenstellung aller in der
Schriftsprache ausgestorbenen oder durch ihre Bildung hervortretenden Wörter
(S. XXXIII — XLII), zu denen Belege aus Dietz, Grimm, Sanders, Weigand, Campe usw.
(S. XXXIII) gegeben werden. Ein Anhang (S. XLII— XLIII) behandelt die Aende-
rungen in den späteren Ausgaben. Der historische Teil (S. XL VI) bespricht das
Verhältnis des Clajus zur lateinischen Grammatik des 16. Jh. (S. XL VI— LVII) und
darauf zu den Vorgängern in der deutschen Grammatik also vorzüglich zu Oelinger
und Albertus (S. LVII — LXXI), die W. weit tiefer stellt als den Clajus, der Luthers
Sprache zum sprachlichen Vorbild erhob und nach dem Vorgange der lateinischen
Grammatik feste Regeln aufstellte. Den Beschluss machen Bemerkungen zur äusseren
Geschichte der Grammatik (S. LXXI— LXXVI), die sich aber auf Zeugnisse für die
Verbreitung und Benutzung des Clajus in den bekannten Grammatiken des 17. Jh.
beschränken. Erwünscht wäre vielleicht zur allseitigen Beleuchtung gerade seines
Werkes ein weiterer Ausblick, nach Burdachs Vorgange, auf die Entwicklung der von
ihm geschilderten Luthersprache gewesen; mit dem Veralten dieser Luthersprache
fällt auch ihre Grammatik im Beginn des 18. Jh. (zu S. LXXV) und muss zeit-
gemässeren Bearbeitungen Platz machen. Die merkwürdige Uebereinstimmung der
genannten beiden Vorgänger des Clajus, nämlich des Albert Oelinger und des
Laurentius Albertus (eine Ausgabe des letzteren von 'M. wird im nächsten
Berichtsjahr zu verzeichnen sein), die schon Raumer, Heinr. Rückert und AI. Reiffer-
scheid zu Hypothesen veranlasste, sucht M. durch nochmalige genaue Prüfung der
bis jetzt vorgebrachten Gründe, besonders der Angaben der den Grammatiken bei-
gegebenen Empfehlungsschreiben und Begleitgedichte in einfachster Weise dahin zu
erklären, dass wir in diesen scheinbar einander benutzenden Autoren Einen Vf. vor
uns hätten, der in Würzburg als Laurentius Albertus eine Grammatik des Deutschen
fertig gestellt und nach seiner Uebersiedlung nach Strassburg diese seine Dar-
stellung für das Bedürfnis von Ausländern umgearbeitet hätte, eine Annahme, durch
die nicht nur die Aehnlichkeiten, sondern auch die Verschiedenheiten beider Werke
aus der veränderten Tendenz vollkommen ihre Erklärung fänden. Zum Schluss
giebt M. der Vermutung Raum, dass auch die Namen (Laur-entius-Oel-inger) in
eins zusammenfallen könnten. Ich kann natürlich auf die genaue Beweisführung
hier nicht eingehen; eine nochmalige Untersuchung der Sachlage wird sich jedenfalls aufs
genaueste mit dieser bis jetzt sehr einleuchtenden Hypothese zu beschäftigen haben. —
In das 17. Jh. führt uns B ur dach 13) durch die Besprechung des Gesetzes
vom sogenannten Hiatus, das Ernst Schwabe von der Heyde und, nach
seinem Vorgange, Martin Opitz aufgestellt hatte. —
Ferner giebt G r a e f u) von einer in Wolfenbüttel gefundenen Ausgabe des
deutschen Sprachverderbe rs (1647) Nachricht, die abgesehen von ganz
geringen Abweichungen mit der 1650 in Cocays „Teutschem labyrinth" abgedruckten
übereinstimmt. —
Die sprachlichen Bestrebungen des Jh. behandelt Bischoff15) in seiner
Biographie Harsdörffers in dem Kapitel über die fruchtbringende Gesellschaft
(S. 45 ff.), das nach einem nur das übliche bietenden Ueberblick über die Entwicklung
der Schriftsprache dann aber für das 17. Jh. ein Bild von dem Anteil und Zu-
sammenhang Harsdörffers mit sprachlichen Problemen, vorzüglich der fruchtbringenden
Gesellschaft giebt und besonders auf den Inhalt seiner Schrift „Specimen philologiae
Germanicae" eingeht, in der sich Harsdörffer über die Fremdwörter und ihre Be-
rechtigung, über orthographische Fragen, ja sogar über die Anfertigung eines
deutschen Wörterbuches usw. auslässt; freilich mag er weit hinter Schottel und seinen
Werken zurückstehen; trotzdem rühmt B. an ihm Belesenheit, gesundes Urteil und
ehrliche Begeisterung. Auch über Harsdörffers bekannten „Poetischen Trichter" er-
halten wir nähere Auskunft, wie überhaupt im weiteren Verlauf der Darstellung
über die sprachlichen Interessen der Gesellschaft und ihrer Mitglieder. — Zusammen
mit Bisch off in der Festschrift des Pegnesischen Blumenordens berichtet Schmidt16)
über die Tendenzen dieses Ordens in seiner Lebensbeschreibung Sigmund von
Birkens; doch sind nur Sprachreinigungsbestrebungen zu verzeichnen. —
Für das 18. und 19. Jh. gewährt das Berichtsjahr reichere Ausbeute. Eugen
Wolff n) hat über Gottsched und seine Stellung in der deutschen Sprachgeschichte für
dieses Gebiet fast die förderndste Abhandlung des ganzen Jahres geliefert, vielfach
aus unbenutzten Quellen schöpfend. Er zeigt uns Gottscheds vielverzweigte
Thätigkeit nicht für die Poesie, sondern für die deutsche Sprache und benutzt dazu
Albertus u. Alb. Oelinger. (=11:69, S. 140-51.) — 13) K. Burdach, Z. Gesch. d. nhd. Schriftspr. (= 1 2 : 50, S. 291-323.)
||0. Lyon: ZDU. 8, S. 427-30; G. Ehrismann: LBIGRPh. 16, S. 74.]| — 14) H. Graef, E. bis jetzt unbek. gebliebene Ausg.
d. dtsch. Sprachverderbers : ZDU. 8, S. 185/6. — 15) (III 1 : 191; 2 : 22.) — 16) (III 1 : 193; 2 : 23.) - 17) Eug. Wolff, Ueber
Gottscheds Stellung in d. Gesch. d. dtsch. Sprache. (=11: 69, S. 208-97.) (Vgl. auch ZDU. 8, S. 633-83, 713-57, 789-831.)
W. Scheel, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. I 7 : 17-23
besonders ausser den Lehrbüchern und Schriften Gottscheds den umfangreichen Brief-
wechsel aus seinem Kreise und dem seiner Gegner. Wenn ich im folgenden einen Gang
durch die übersichtlich disponierte Abhandlung W.s mache, vermag ich natürlich
keineswegs auf alle Einzelbeobachtungen einzugehen, sondern muss mich darauf
beschränken, die Wege zu weisen, die W. gewandelt ist. Gottsched fordert zuerst
Deutsch gegenüber dem Latein der Gelehrten und dem Französischen der vornehmen
Kreise der damaligen Zeit (S. 209 ff.), er wendet sich gegen die Einmischung von
Fremdwörtern aus diesen beiden Sprachen und stellt das Deutsche, was Prägnanz
und Kürze des Ausdrucks angeht, weit über sie (S. 217 f.). Er fordert • ferner
die Stärkung der Gemeinsprache, des „wahren Hochdeutschen" (S. 220), und war
selbst zu einer derartigen sprachgeschichtlichen Mission durch den Umstand be-
sonders gerüstet, dass er, der Ostpreusse, nach Sachsen kam, dort seine der Gemein-
sprache nicht sehr fern stehende Mundart zum grössten Teile abwerfen konnte und
nun zu einer gewissen Reinheit der Schriftsprache vorzudringen vermochte (S. 220 ff.,
besonders S. 225). Provinzialismen und Spuren des Dialekts verfolgte Gottsched
überall mit seinem Zorn, sowohl in den mitteldeutschen, wie in den rheinischen
Mundarten (S. 226 ff.), ja sein Einfluss erstreckte sich über das ganze deutsche
Sprachgebiet hin bis nach Bayern und Oesterreich (S. 239 ff.); natürlich hat auch
die Schweiz seine Aufmerksamkeit erregt (S. 257 ff.); hier hinein spielt ja sein Streit
mit den Schweizern, die er erst als Freund, dann als Feind durch seine Kritiken zu
einer Gemeinsprache hinführte (S. 257 ff.). Als seine dritte Forderung bezeichnet
W. das „korrekte Deutsch", und zwar will Gottsched bemerkenswerter Weise keines-
wegs der Sprache Gesetze geben, sondern den an guten Schriftstellern beobachteten
Sprachgebrauch durch Empfehlung einführen. 18) W. bespricht sodann ausführlich
(S. 268 ff.) die grammatischen Schriften Gottscheds, beleuchtet richtig seine durchaus
folgerichtige und gesunde Abwendung von der Nachahmung Luthers (S. 270) und
berichtet über Gottscheds Kampf gegen die Kanzleisprache (S. 271 ff.). Als letztes
fordert Gottsched „Elegantdeutsch" (S. 281) und wird dadurch nicht zum wenigsten
der Erbauer der Fundamente, auf denen die „klassischen" Dichter dann den herrlichen
Bau ihrer Sprache aufführen konnten (S. 289). Den Schluss macht ein Blick auf
Gottscheds Dichtersprache und seine Forderungen darüber und berührt dabei auch
den Kampf gegen die Sprache Klopstocks und der Züricher (S. 290/6). —
Einer dieser klassischen Dichter, Bürger, hat, wie uns S a h r 19) nach
Aeusserungen von Lenz, Woltmann, Schlegel, Althof usw., die eine kleine, aber
treue Gemeinde Bürgers bildeten, schildert, als Professor der deutschen Sprache in
Göttingen (seit 1784) seine Ansichten und Bestrebungen in den Einladungsblättern
zu seinen Vorlesungen über deutsche Schreibart auf Universitäten (1787) aus-
gesprochen. Der Gedankengang dieses Schriftchens wird von S. näher angegeben;
die Bemerkungen Bürgers sind freilich ziemlich allgemein gehalten, sie drehen sich
hauptsächlich darum, das Sprachstudium auf die Höhe der übrigen akademischen
Studien zu heben (S. 346); sprachliche Fragen im engeren Sinne werden nicht be-
rührt ; derartiges behandelt der Dichter in einem erst aus seinem Nachlass gedruckten
Aufsatze „Rechenschaft über die Veränderungen in der Nachtfeier der Venus", aus
dem S. (S. 346—52) einzelne vortreffliche Bemerkungen heraushebt: so Bürgers
Ansicht über die Bedingungen, unter denen ein Gedicht klassisch ist, ferner Bemer-
kungen über Sprachgebrauch und Sprachrichtigkeit20), die durchaus neuesten An-
schauungen entsprechen und gegen Wustmann geschrieben sein könnten (besonders
S. 347); ja Bürger betont sog*ar Adelung gegenüber den Wert der Mundarten (S. 350),
doch tritt er natürlich auch für die deutsche Spracheinheit und eine sich über die
Mundarten erhebende Schriftsprache ein. Wir finden also bei ihm durchaus gesunde
Ansichten; hätte er zehn bis fünfzehn Jahre länger gelebt, „wäre er vielleicht ein
Genosse der Brüder Grimm und ihres Lebenswerkes geworden." Jedenfalls darf er
in einer Sprachgeschichte des 18. Jh. nicht übergangen werden. —
An Sahrs Schrift schliessen sich zwei ähnliche Aufsätze an: Böhme21"22)
schildert uns J. H. Campes Verdienste um die deutsche Sprache, besonders aus der
Schrift über die Reinigung und Bereicherung der deutschen Sprache (1791 — 95) und
giebt in einer zweiten Arbeit Mitteilungen aus Friedrich Hebbels Gedanken
über die Sprache. —
Die Beobachtungen an den Werken der grossen Dichter und Schriftsteller
führen uns in das Ende des 18. und das 19. Jh. hinein. Goethes Sprache ist
mehrfach Gegenstand der Darstellung geworden. Zuerst erläutert ein Anonymus 23)
— 18) X (Vgl- N. 202.) — 19) J. Sahr, G. A. Bürger als Lehrer d. dtsch. Sprache. (=11: 69, S. 310-54.) — 20) (X =N. 202a.)
— 21) R. Böhme, J. H. Campes Verdienste um d. dtsch. Sprache: MDSprVi Berlin). 5, S. 51-64. — 22) id., Mitteil, ans
F. Hebbels Gedanken über d. Sprache: ib. S. 5-16. — 23) D. dtsch. Kanzleistil vor 100 J.: Didask. N. 33. — 24) [D.
I 7 : 24-35 W. Scheel, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache.
in einem kurzen Aufsätzchen durch Besprechung des Gesuches vom 28. Aug. 1771,
in dem Goethe den Rat seiner Vaterstadt um Aufnahme in die Zahl der Advokaten
bittet, die Verschiedenheit dieses Geschäftsstiles von der Sprache im „Götz" und im
„Werther", die zeitlich nicht weit abliegen. — Ferner giebt Sanders24) aus
„Dichtungund Wahrheit" Auszüge, ähnlich wie inseinem Stil-Musterbuche (Berlin 1886). —
Toews24a) handelt über das Verbum im „Tasso". — Endlich wendet sich Knauth25)
gegen die sonst allgemein vertretene Ansicht, dass Goethes Sprache im Alter einen
degenerierenden Charakter trage, und zeigt in eingehender Darstellung, dass ein in
sich vollständig abgeschlossener Altersstil, der sich schroff von der Schreibart der
Jugend und der der Blütezeit und Mannesjahre sondert, zwar eine seltene Erscheinung
ist, aber doch keineswegs unerhört genannt werden darf. Die neuen Erkenntnisse und
die Erweiterung seines Gesichtskreises im Alter, griechische, serbische, orientalische,
ja chinesische Litteratur, all diese „Erze ferner Weltteile, in deutschen Hütten ge-
schmolzen", reinigen seinen Stil und bringen die Sprache seines Alters hervor. Sie
wird nach Wortform, Wortbildung, Wortgebrauch und Wortstellung besprochen.
K. sieht in diesem Stil das abschliessende Glied einer reichen Entwicklung: Neues
Leben, neue Lieder — neue Sprache (S. 9). —
Sehr fördernd kann auch Thalmayrs26) Behandlung von Wielands
Sprache genannt werden. Er betrachet an den drei Hauptwerken Wielands: Oberon,
Musarion und Agathon Formenlehre, Wortbildung, Wortbedeutung und Syntax des
einfachen und zusammengesetzten Satzes und betont die Wichtigkeit der Sprache
Wielands als Schöpferin einer feineren Umgangssprache, seine Anmut und Grazie
gegenüber Klopstockschem Pathos. —
Ausser M e n g e s 27) Recension von Willomitzers Aufsatz über die Sprache
in Hebels rheinischem Hausfreund (JBL. 1891 I 8:28) kommen sodann des leider
inzwischen verstorbenen Tomanetz 28~29) Arbeiten über Grillparze r in Betracht.
Er behandelt hierin als Fortsetzung seiner Studie über den Wortschatz des Dichters
(JBL. 1893 I 8:115) die Syntax und die Präpositionen in Grillparzers Prosa und
weist auch hier dessen enge Fühlung mit dem heimatlichen Dialekte nach. —
Auch an den neuesten Schriftstellern und Dichtern werden
sprachliche Beobachtungen gemacht. So behandelt Deye30) die Sprache in Richard
Wagners Nibelungen und will besonders dessen altertümliche Formen rechtfertigen;
Wunderlich31) setzt seine Beobachtungen an der Sprache des neuesten deutschen
Schauspiels fort; Blümner32) berichtet über den bildlichen Ausdruck in den
Briefen des Fürsten Bismarck. — So hat uns diese Reihe von Abhandlungen bis in
die jüngste Zeit geführt, der wir eine einheitliche Schriftsprache verdanken. Jhh.
haben an ihrer Entwicklung arbeiten müssen, und die Schriftsprache des 15. oder
16. Jh. unterscheidet sich gewaltig von dem Deutsch, das wir heute schreiben. Der
Unterschied wird recht deutlich in den Arbeiten, die sich mit der Modernisierung der
Luthersprache befassen, in den Erneuerungen der Bibel und des kleinen Katechismus;
diese Fragen werden in verschiedenen Recensionen 33_34) berührt. —
In grossen Zügen skizziert die verschiedenen Vorgänge und Einheitsbestrebungen
Kluge35), der im Entwicklungsgange der Gemeinsprache drei Stufen unterscheidet: lexi-
kalischen Ausgleich, grammatische Einigung, phonetische Einheitsbestrebungen. Letzteres
ist noch in weitem Felde; die grammatische Regelung der Rechtschreibung und Formen-
bildung von Luther bis Lessing wird kurz gezeichnet; der lexikalische Ausgleich an einer
Reihe von Beispielen, besonders mit Heranziehung des schweizerischen Dialekts, er-
läutert. — Aber nicht nur der schweizerische Dialekt, sondern alle Mundarten des
deutschen Vaterlandes haben mehr oder weniger Teil an der Schriftsprache, haben
beigesteuert zu dem grossen Sprachendom, in dem wir jetzt weilen dürfen. Daher
halte ich es für nötig, wenigstens einen Blick auch auf die Mundartenforschung
dieses Jahres zu werfen. Zwar würde es über den Rahmen des Berichtes hinausgehen, auf
diesem Gebiete Vollständigkeit zu erzielen ; es sollen nur die Erscheinungen, zunächst die
grammatischen, hier ihren Platz finden, die die Beziehungen der Schriftsprache zur
Mundart besonders betonen oder sonst für unser Gebiet Interessantes darbieten. Das ganze
Sanders], Aus Goethes Wahrheit u. Dichtung. (9. B.): ZDS, 8. S. 321-34. — 24a) P. Toews, Ueber d. Verbum m Goethes
„Tasso". Dis. Heidelberg. 45 S. — 25) P. K n a u t h , V. Goethes Sprache u. Stil im Alter. Diss. Leipzig. (Fock.)
4°. 46 S. |[R. M. Meyer: DLZ. S. 1228,9.]| — 26) F. Thalmayr, Ueber Wielands Klassizität, Sprache u. Stil.
Progr. d. Staatsrealsch. Pilsen (C. Maasch). 42 S. — 27) K. Menge: ZDU. 8, S. 708/9. - 28) K. Tomanetz,
Studien z. Syntax in Grillparzers Prosa. Progr. Wien. 29 S. (Vgl. JBL. 1893 I 8:115.) — 29) id., D. Präpositionen in
Grillparzers Prosa: ZOG. 45, S. 873-82. — 30) ß. Deye, D. Sprache in B. Wagners Musikdrama „D. Ring d. Nibelungen":
MünchNN. N. 33. - 31) H. Wunderlich, Z. Sprache d. neuesten dtsch. Sohauspiels. IL: NHJbb. 4, S. 115-42. (Vgl. JBL. 1893
18:96.) -32) (IV lb : 265.) — 33) X H- Grosse. G. Leuchtenberger, D.Sprache im kl. Lutherschen Katechismus. Zeitgemässe
Betracht, u. Vorschläge. IB., Gaertner. 1891. 39 S. M. 0,80): DB11EU". 21, S. 22. — 34) X D. Bibel. 2. Abdr. Hallo a. S.
1892. (JBL. 1892 II 6 : 17.) |[H. Rohrs: ZDÜ. 8, S. 211/2; M. Heyne: ADA. 20, S. 350/2.H (Rec. v. der Bibel nach d. deut-
schen Uebersetzung D. Martin Luthers. Im Auftr. d. Deutschen evang. Kirchonkonferenz durchgesehene Ausg. 2. Abdr.
Halle a. S., v. Canstein. 1892.) - 35) F. Kluge, Ueber d. Entsteh, unserer Sohriftspr. (= Wiss. Beihefte z. ZADSprV. 2. Reihe
W. Scheel, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. I 7 : 36-64
Gebiet der Mundartenforschung umfasst in einer bibliographischen Ueb ersieht das
Buch von Mentz (JBL. 1893 1 8 : 17), zu dem mehrere Recensionen36), besonders die von
Behag*h el, zu erwähnen sind. — lieber die Arbeiten am Sprachatlas des deutschen Reiches,
dem gewaltigen Lebenswerke G. Wenkers und seiner Gehülfen, berichtet auch in diesem
JahreWr ede37), indem er die 1894fertig gewordenen Kartenblätter bespricht und dieaus
ihnen zu gewinnenden Resultate in übersichtlichster Weise zusammenstellt. — Kleine
Beiträge und Ergänzungen für Süddeutschland giebt dazu Brenner38), auf die auch
Wrede in seinen Ausführungen zurückkommt. — Beginnen wir nun von Norden
ausgehend einen Gang durch das gesamte deutsche Sprachgebiet. Bernhardt39"40)
behandelt den angeblichen Einfluss des Dänischen auf die niederdeutsch-schleswigschen
Mundarten und weist nach, dass die fraglichen Ausdrücke auch in anderen räumlich
ganz getrennten deutschen Gebieten vorkommen. — Glöde41"42) giebt in ganz grossen
Zügen einen Ueberblick über die niederdeutsche Litteratur und ihr Verhältnis zur
hochdeutschen, ohne Neues zu bieten, und druckt in einer Notiz einen Brief aus dem
J. 1749 ab, in dem ein alter Bauer sich über das Abnehmen der niederdeutschen
Sprache beklagt.43) — Kupka44) behandelt den heutigen Dialekt des Kreises Guben
unter steter Bezugnahme auf ältere Stufen der Mundart, wie sie in Gubener Drucken
oder Aufzeichnungen des 16. und 17. Jh. noch Vorscheinen, und auf die heutige
Schriftsprache.45) — Regere Thätigkeit hat sich für die fränkischen Mundarten ent-
wickelt: Schmitz46) untersucht die „Mischmundart" in dem Gebiet zwischen Kleve,
Aachen, Gladbach und Düsseldorf, besonders im Gegensatz zum Hochdeutschen. —
B. Schmidt47) zeichnet den Vokalismus der Siegerländer Mundart, ebenfalls durch-
gängig unter Bezugnahme auf die neuhochdeutsche Schriftsprache. Hierher gehört
auch eine Recension Höfers48), der Leidolfs Behandlung der Naunheimer Mundart
scharf kritisiert, trotzdem aber die Sammlung des Materials für die so zersplitterten
fränkischen Dialekte anerkennt.49"50) — Wir kommen nach Lothringen, für das die
Arbeiten von Witte51"52) vorzüglich in. Betracht kommen, der sowohl für die ältere
als auch die jüngere Zeit (nach 1870) das deutsche Sprachgebiet Lothringens und
seine Wandlungen behandelt.53) — Für das 15. Jh. giebt J. Meier54) ebenfalls für
Lothringen aus einem Itinerar über die Reisen Kaiser Friedrichs III. ein Zeugnis
über die deutsche Sprachgrenze und die romanische Nationalität der Bevölkerung
von Metz. — Nach Elsass hinein führen uns die sehr anerkennenden Recensionen
Martins55) über Kahl und Menges (JBL. 1893 I 8:23/4), sowie die von Socin56"57)
über Lienharts Laut- und Flexionslehre des mittleren Zornthaies im Elsass; nach
Schwaben desselben S. sowie Heuslers58) Besprechungen von Bohnenberger
(JBL. 1892 I 6 : 30).— Auch Erbe59) gehört hierher, der unter ganz unnötigen Ausfällen
gegen norddeutsche Sprache und Aussprache die Leser der schwäbischen Kronik
dazu bringen will, die allergröbsten Verstösse in der schwäbischen Aussprache des
Schriftdeutschen fallen zu lassen. — Für die Schweiz sind die Arbeiten von
Schild60"62) zu nennen. Er veröffentlicht in diesem J. als zweiten Teil seiner
Behandlung der Brienzer Mundart den Konsonantismus und bespricht die Arbeiten
von E. Hoffmann über den Vokalismus von Basel-Stadt und Wisslers Suffix-i in der
Berner, bezw. Schweizer Mundart. — Der erste Teil seiner eigenen Arbeit wird von
Hoffmann-Kray er63) recensiert. — üeber Bayern finden wir eine reichere Litteratur
in der von Brenner und Hart mann64) herausgegebenen Zeitschrift „Bayerns
Mundarten", deren einzelne Aufsätze nicht alle aufgezählt werden können. — Von
Heft 6, S. 1-15.) — 36) BBG. 30, S. 178; Anglia 4, S. 167/9; A. Holder: Alemannia 22, S. 282/5; C H. Bierwirth:
MLN. 9, S. 119-20; 0 Behaghel: LBIGRPh 15, S. 220. — 37) F. Wrede, Berichte über Wenkers Sprachatlas: ADA. 20,
S. 95-110, 207-24, 320-34. (D.Berichte d. J. 1893 sind in d. KBIVNiederdSpr. 17, S. 15-6, 32 aufgeführt [vgl. JBL. 1893 I 8 : 15].)
— 38) O. Brenner, Z. Sprachatlas d. dtsch. Reiches: Bayerns Mundarten 2, S. 269-73. (Vgl. dazu F. Wrede: ADA. 20,
S. 322/3 Anm.) - 39-40} J. Be r nhar dt , Einfluss d. Dänischen?: KBIVNiederdSpr. 17, S. 80/2. — 41) 0. Glöde, D. Stellung d.
niederdtsch. Dialekts u. seiner Werke z. hochdtsch. Schriftsprache u. Litt. (=11 : 69, S. 35-61.) — 42) id., D. niederdtsch.
Sprache vor 150 J.: KBIVNiederdSpr. 17, S. 37/8. — 43) X 0. Bremer, Z. Emsländer Hochdeutseti: ib. S. 12. — 44) P.
Kupka, D. Mundart d. Kreises Guben: NiederlausitzM. 3, S. 275-82, 337-77. - 45) X — a — , Mundartliches: Hessenland
8.326/7. — 46) (15:26.) — 47) B. Schmidt, D. Vokalismus d. Siegerländer Mundart. E. Beitr. z. fränk. Dialektforsch. Halle,
Niemeyer. 139 S. M. 3,60. (Als Berl. Diss. 103 S.) — 48) A. Höfer, J. Leidolf, D. Naunheimer Mundart. E. lautl.
Untersuch. (Diss. Jena. 1891. 93 S.): LBIGRPh. 15, S. 1123. — 49) X ^ Sütterlin, D.Genetiv im Heidelberger Volksmnnd.
Festschr. d. lleidelb. Gymn. Progr. N. 607B. Heidelberg. 4°. 15 S. - 50) H. Reis, Syntakt. Stud. im Anschltiss an d.
Mundart v. Mainz: BGD3. 18, 8. 475-510. (S. u. N. 116.) — 51) H. Witte, D. dtsch Sprachgebiet Lothringens u. seine
Wandlungen v. d. Festste'.!, d. Sprachgrenze bis z. Ausg. d. 16. Jh. (= Forsch, z. dtsch. Land es- u. Volksk. Her. v. A.
Kirchhoff. Bd. 8, Heft 6.) St., Engelhorn. 111, 129 S. Mit 1 Karte. M. 6,50. — 52) id., Nat. n. polit. Strömungen in
Elsass-Lothringen in Vergangenh. u. Gegenw. III. Sprache u. Bevölkerung nach 1370: AkBU. 9, S. 66/9. (Vgl. IV 1 b : 463.) —
53) X Ber. über dtsch. Sprachinseln in Frankreich: TglRs". N. 26. - 54) J. Meier, D. dtsch. Sprachgrenze in Lothringen
im 15.Jh : BGDS. 18, S. 401/2. -55)X E- Martin: ADA. 20, S. 84/6; K. Weinhold: ASN'S. 90, S. 408 9. - 56) A. Socin:
ZDPh. 26, S 137/8. - 57) id.: LRlGRPh. 15. S 890/1. — 58) A. Heusler: ADA. 20, S. 29. - 59) K. Erbe, Schwäbisch u.
Schriftdtsch.: SchwäbKron. N. 58. 64. - 60) P- Schild, D. Brienzer Mundtrt II. T. Konsonantismus: BGDS. 18, S.301-93. —
61) X id., E Hoffmann, D. raundartl. Vokalismus v. Basel-Stadt (Basel, Geering. VI, 94 S. M. 2,00): ZDPh. 26, S. 138-40. —
62) id., H. Wissler, D. Suffix-i in d. Berner resp. Schweizer Mundart (Diss. Bsrn. 1892. 40 S.): LBIGRPh. 15, S. 148/9. —
63) E. Hoffmann-Kray er, P. Schild, Brienzer Mundart. 1. T.: Allg. Lautgesetze u. Vokal ismus (Diss. Göttingen. 1891.
106 8.): ib. S. 76/8. (Entgegn. d. Vf.: ib. 16, S. 38-40.) — 64) Bayerns Mundarten her. v. 0. Brenner u. A. Hartmann.
Jahresberichte für neuere deutaoho Literaturgeschichte. V. (1)1 1
I 7 : 65-81 W. Scheel, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache.
dort gelangen wir nach Böhmen und Oesterreich: Gradl65) setzt seine Forschungen
über die Mundarten Westböhmens fort, Ritschel66) behandelt das Prager Deutsch,
Nagl67) stellt den Vokalismus der bayerisch-österreichischen Mundart historisch dar.
— Ganz nach dem Osten führt uns Keintzels68) Lautlehre der Mundarten von
Bistritz und Sächsisch-Regen, also der beiden kulturell und volkswirtschaftlich
wichtigsten Gemeinden im nordöstlichen Siebenbürgen, die ihrem Ursprung nach
jedoch gerade an die westlichen deutschen Dialekte anknüpfen69), so dass damit unser
Rundgang durch die Mundarten deutscher Lande beendet ist. —
In den Bereich der Mundartenforschung treten auch die Bearbeitungen
mundartlichen Wortschatzes, die Brenner70) mit seinem Aufruf zu Dialekt-
wörtersammlungen besonders für Bayern einleiten möge. — Fortsetzungen erschienen
zum grossen „Schweizerischen Idiotikon"71), und zu H. von Pfisters72) Idiotikon von
Hessen ein Ergänzungsheft. — In einem nachgelassenen Aufsatze B i r 1 i n g e r s 73) bind
bemerkenswerte Wörter und Wortverbindungen aus Schriften schlesischer Vf. von
1680—1760, unter denen sich auch Daniel Stoppe befindet, zusammengestellt: besonders
interessieren alte medizinische Kunstausdrücke in den Arbeiten einiger schlesischer
Aerzte dieser Zeit. — Für die niederrheinischen Mundarten fasst L e it h ä u s er74),
der schon 1891 begonnen hatte, die zahlreichen Gallizismen des Niederrheins zu
sammeln, umfangreicheres Material in einer zweiten Sammlung zusammen, die den
Anteil der einzelnen Mundarten genauer absteckt und auch einen Blick auf die an-
grenzenden Dialekte (z. B. Hessens und Thüringens) gestattet. Wir sehen in den
Bezeichnungen für gewerbliche Ausdrücke starke fremde Einflüsse, so z. B. in den
terminis technicis der Besatzindustrie von Elberfeld und Barmen, der Eisenindustrie
von Rem scheid- Solingen, die teils aus Frankreich direkt, teils aber auch durch Handels-
beziehungen über Holland zu uns gelangt sind. Eine zweite Gruppe bilden Soldaten-
und Kriegsausdrücke, ferner Tier- und Pflanzennamen, am stärksten endlich sind die
Ausdrücke für den Verkehr und das tägliche Leben vertreten. — Mit der Umgangs-
sprache des Niederrheins beschäftigt sich Gloel75), jedoch mehr in grammatisch-
syntaktischer Beziehung. — Für die Mundart des TaubergTundes, also des nordöstlichen
Badens, hat Heilig76) lexikalisch-grammatische Beiträge gesammelt, für den Wort-
schatz des oberen Saalegebietes Z a p f 77). — Himmelstos s78) setzt seine Beiträge
aus dem bayerischen Walde auch in diesem J. fort f JBL. 1892 I 6 : 34; 1893 18:1 14).79) —
Neben den Mundarten, die aus ihrem unerschöpflichen Quell der Schriftsprache
neues Leben zufliessen lassen, stehen als wichtiger Zufluss die Sprachen der ver-
schiedenen Stände. Die Studentensprache hat aus Anlass des Jubiläums der
Universität Halle -Wittenberg eine zweifache Behandlung erfahren. Erstlich hat der
„Deutsche Abend" in Halle, die Professoren und Docenten B u r d ac h 8Ü), Strauch, John Meier
sowie eine Anzahl Studierender, in gemeinsamer Arbeit zwei Werke herausgegeben, die für
die Studentensprache des 18. Jh. in Halle von grösstem Interesse sind: das Idiotikon
der Burschensprache aus dem J. 1795 von Chr. Fr. B. Augustin und die Studentenlieder
Kindlebens vom J. 1781. Die ausserordentlich frisch und anziehend geschriebene
Vorrede B.s orientiert über die literarhistorische Stellung beider Werke und die
Persönlichkeiten Augustins und Kindlebens. Die Publikation des Idiotikons lässt uns
einen Blick thun in die Hallische Studentensprache am Ende des vorigen Jh. und
zeigt in ihren fortlaufenden Anmerkungen das Schicksal jedes damals für Plalle als
studentisch geltenden Ausdrucks an (S. XII— XIII): viele sind in die Literatursprache,
viele in die Umgangssprache übergegangen, viele leben in der Sprache der heutigen
Studenten fort, einige sind in die vulgäre Rede hinabgesunken, einige ganz ver-
schwunden. — Ferner hat John Meier81) allein in breiterer Ausführung die Hallische
Studentensprache besonders nach Hallischen Quellen gezeichnet. Er behandelt die
verschiedenen Quellen der Studentensprache und zwar zuerst (S. 5 — 19) den Anteil
der Gaunersprache mit ihren allgemein bekannten Ausdrücken wie Kies, Moos usw.;
Bd. 2. München, Kaiser 304 S. M. 8,00. (S. bes. S. 161-304.) — 65) H. Gradl, D. Mundarten Westböhmens (Forts, ans
Bd. 1, S. 81-111): ib. S. 207-42. |[Fr. Jacobi: BBG 30, S. 110,4; Fr. Kauffmann: LBIGRPh. 15, S 220-222. (K. bespr.
d. 1. T.)]| — 66) A. Ritschel, Präger Deutsch: PhonetSt. 6, S. 129-33 |[J. Jent: BBG. 30, B 655.]| — 67) W. Nagl, D.
Vokalismus unserer Mundart, bist, beleuchtet (bayer.-ö^terr.): HVLNiederöstr. 28, 8. 421-54. (Jetzt auch bosonders : Wien,
C.Fromme. IV, 124 H. M 2,00.) — 68) G. Keintzel, Lautlehre d. MundarW v. Bistritz u. Sächs.-Regen. Mit Be-
rücksicht. abweichender Lautverhältnisse in d. sächs. Ortsdialekten d. Umgeb. : AVSbnbgL. 26, S. 133-222. — 69) X G. O.
Kisch, Ueber d. Bistritzer Mundart, verglichen mit d. moselfränk.: BGDS. 17, S. 347-411. (Als Tübinger Diss. 64 S.) —
70) O. BfrennerJ, Ueber mundartl. Wörtersamml.: Bayerns Mundarten 2, S. 281,3. — 71) Schweiz. Idiotikon: Heft 26/7.
Frauenfeld, J. Huber. S. 768-1088. ä M. 2,00. |[L. Freytag: COIRW. 22, S. 692/3 (vgl. ib. S. 177)11 (JBL. 1893 I 5 : 15;
8:109.) - 72) H. v. Pfister, Idiotikon v. Hessen. 2. Ergänzungsheft. Marburg, Elwert. 49 S. M. 1,20. — 73) A. Birlinger,
Lexikalisches: ZDPh. 26, S.235-55. (Vgl. i!>. 20, S. 238-47,349-60,487-95.) - 74) J. Leithäuser, Gallizismen in niederrhein.
Mundarten. IL Progr. d. Realgymn. Barmen, Steinborn & Co. 4". 25 S. M. 1,00. (Vgl. N. 86, 195 a.) — 75) H.
Gloel, Niederrhein. Deutsch. (=11:69,8.63-70.) - 76) O. Heilig, Beitrr. zu e Wörterb d. ostfränk. Mundart d.
Taubergrundes. Beil, zu d. Progr. d. Grossherzogl. Bad. Roalschnle zu Heidelberg. Heidelberg. 4°. 20 S. — 77) L.
Zapf, Aus d. Wortschatze d. bayreuth.-fränk. Mundart im oberen Saalegebiet: Bayerns Mundarten 2, S. 261/8. — 78) M.
Hiramelstoss, Aus d. bayer Wald: ib. S. 243-61. — 79) X F. Martin, Haarigel und Huareule. (= I 1 : 2, S. 129-33.)
— 80) (I 4:49; 5:293.) |[M. Heyne: ADA. 22, S. 253/8.]| — 81) (I 4:49a.) — 82) X F. Tetzner, Dtsch. Wörterb.
W. Scheel, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. I 7 : 81-96
sodann (S. 19 — 37) den Einfluss der Antike, der sich ausser in Anklängen der
Mythologie, besonders in Worten und Wortelementen aus dem Altertum zu erkennen
giebt: es sind Bildungen wie Grobität, Filzität usw.; daran schliessen sich alle
die anderen Ausdrücke, die auf klassische Bildungsart zurückzuführen sind, z. B. das
rätselhafte Fidibus (S. 24), ferner die griechische Endung -w (S. 26/7), eine lange
Reihe bildend von der Zeit an, da das Latein noch lebende Sprache war, bis auf die
allerneueste Zeit (S. 37). Es folgen die französischen Elemente, deren Aufnahmezeit
sich auf das 17. und 18. Jh. beschränkt (S. 37—41). Dazu kommen (S. 41 — 59) Aus-
drücke der Umgangssprache, die ihre eigentliche Bedeutung eingebüsst und studen-
tisches Gewand angezogen haben. Den Schluss machen Proben aus den Tafelliedern
der Hallisch-akademischen Zeitgenossen aus den J. 1785-90 (Berlin 1820), sowie der
Anfang des 5. Aktes von Romeo und Julie aus Fr. Chr. Laukhards Annalen der
Universität zu Schiida (1, S. 301 ff.; 1798). — Für die übrigen Standessprachen82)
sind nur kleinere Aufsätze zu verzeichnen: so behandelt Steinecke821) die Berg-
mannssprache, ferner ein Anonymus83) die Weidmannssprache, beide jedoch mehr
vom Standpunkte des Sprachreinigers aus. — Ziemer84) bespricht die Plauderei
Habeiiands über militärische Terminologie (JBL. 1893 I 8:99). — Rehorn85) will
das Wort „Sergeant" aus dem Deutschen erklären. — Auf Leithäusers86) Bericht
über die kaufmännische Verkehrssprache in den Rheinlanden ist schon oben hin-
gewiesen worden. — Ueber Gaunersprache und - namen handeln zwei
Anonymi87"88). —
Bei dem grossen Einigungsprozess der neuhochdeutschen Gemeinsprache,
den uns, wie oben erwähnt, Kluge89) in grossen Zügen geschildert hat, ist die
Einigung der Aussprache noch am weitesten zurück. Gerade wie bei dem lexi-
kalischen und grammatischen Ausgleich zwischen den einzelnen Dialekten jede Mund-
art etwas beisteuert, aber in arideren Stücken wieder Fremdes annehmen muss, so
darf auch die Einigung der Aussprache des Schriftdeutschen nicht dadurch erzielt
werden, dass ein einzelner Dialekt als massgebend hingestellt, sondern dass
eine über dem Mundartlichen stehende Aussprache angestrebt wird. — In ersterem
Sinne schildert Schmolke, über dessen Arbeit Franke90) in diesem J. berichtet,
sorgfältig die in den gebildeten Kreisen Brandenburg-s übliche Aussprache. F. wird
jedoch nicht zu der Ansicht bekehrt, dass eine vollständige Einheitlichkeit der Aus-
sprache des Schriftdeutschen überhaupt erstrebenswert oder erreichbar wäre; in jedem
Falle wird hier dem Niederdeutschen, dort dem Oberdeutschen eine allzu grosse
Verleugnung seines Dialektes zugemutet. — Felsberg91) bestreitet die Allgemein-
gültigkeit eines einzelnen Dialektes und stellt, parallel der mitteldeutschen Herkunft
unserer Schriftsprache im allgemeinen, auch für die Aussprache eine Beobachtung
der allgemein mitteldeutschen Eigentümlichkeiten als fruchtbar hin, freilich mit Be-
rücksichtigung davon, dass das Oberdeutsche auf die Entstehung, das Niederdeutsche
auf die Weiterbildung der Schriftsprache einen grossen Einfluss gehabt hat. — Ebenso
strebt Zimmermann92) eine gewisse Einheitlichkeit an, indem er das Schwanken
und die daraus entstehende Unsicherheit im Lehren einer vorbildlichen Aussprache
an Beobachtungen im Seminar zu Meersburg in Baden erläutert und über wichtige
Fälle eine Einigung zu erzielen sucht, mit denen der Recensent Rudolph nicht
immer einverstanden ist. — Eine gewisse Einigung in der Aussprache ist bis jetzt
nur in der Bühnensprache unserer grossen Theater erzielt, wie sie auch in den
beiden Schriften Vietors93 94), die in Recensionen berührt werden, als Norm an-
gegeben ist. —
Haben wir so an der Hand der diesjährigen Erscheinungen die Entwicklung
der Schriftsprache von ihren Anfängen an verfolgt, so wenden wir uns nun zu den
Arbeiten, die den jetzigen Stand des Neuhochdeutschen charakterisieren
und erläutern, Schwächen und Mängel ergänzen, sowie Schäden und Fehler, die
sich eingeschlichen, ausmerzen wollen. Im allgemeinen würdigt die deutsche
Sprache und Art Hess in seinem bekannten Buche, das in diesem Jahre eine
Besprechung von Roediger 95) erfahren hat, die das auch für weitere Kreise Anregende
und Belehrende hervorhebt. — Hildebrand96) setzt wiederum seine wie immer
(= Uß. N. 3168-70.) L., Reclani. 331 S. M. 0,60 |[C. K.: TglRsB. N. 37.]] — 82a) V. Steinecke, D. dtsch. Bergmanns-
sprache: ZADSprV. 5, S. 106-14. — 83) Z. Weidmannssprache: ZDS. 8, S 258/9. (Vgl. ib. S. 3412.) - 84) H. Ziemer:
Gymn. 12, S. 429-30. — 85) K. Rehorn, Sergeant: MDSprV(Berlin). 5, S. 839. - 86) (= N. 74: vgl. auch N. 195a.) - 87)
Verbrecher-Spitznamen: Didask. N. 188. — 88) Rotwälsch: ZDS. 8, S. 234/6. — 89) (= N. 35.) — 90) C Franke,
H. Schmolke, Regeln über d. dtsch. Aussprache (Progr. d. Friedrichs-Realgymn. Berlin fGaertnerJ. 1890. 4°. 44 S.):
ZDU. 8, S. 268/9. — 91) 0. Felsberg, Z. Aussprache d. Schriftdentschen. Ber. d. Alexandrinenschule zu Koburg.
Koburg (Dietzi. 19 S. — 92) J. N. Zimmermann, D. Aussprache d. Hochdtsch. in unserem Seminar. Progr. üeber-
lingen (A. Feyel). 71 S. |[L. Rudolph: COIKW. 22, S. 236/7.)| — 93) W. Vietor, Wie ist d. Aussprache d. Deutschen zu
lehren? E. Vortr. Marburg, Elwert. 1893. 26 S. M. 0,50. |[Söhns: C01RW. 22, S. 371,2.]! - 94) id., D. Aussprache d.
Schriftdeutschen. (2 umgearb. Aufl. d. Schrift. D. Aussprache d Wörterverzeichnisses für d. dtsch. Rechtschreib.) L., Reisland.
1890. IV, 101 S. M. 1,60. irGymn. 12, S. 651 2.] | — 95) M. Roediger, G. Hess, Geist u. Wesen d. dtsch. Spr. (JBL. 1892
1 6:55): ASNS. 92, S. 78. - 96) R. Hildebrand, Z. Logik d. Sprachgeistes: ZDU. 8, S. 684-92. (Forts, zu ZDU. 6, S. 802;
(1)11*
I 7:96-113 W. Scheel, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache.
anregenden Beobachtungen über die Logik des Sprachgeistes fort und giebt kleine
aneinandergereihte Abhandlungen über einzelne Worte, z. B. „der Bediente", „jetzt",
oder über den rätselhaften Konjunktiv „da wären wir endlich" usw., in denen
der Sprachgeist nicht streng logisch verfahren ist. Erwähnt sei dazu der unvoll-
endete Aufsatz H.s über „Wache stehen und dergl." — Ebenfalls im allgemeinen
redet über die deutsche Sprache L innig97), dessen Buch in zweiter Auflage vorliegt,
sowie Stock lein98), der in seinen Ergänzungen zu Weises Charakteristik der latei-
nischen Sprache auch auf unsere Muttersprache zu sprechen kommt. — Biltz 99) Auf-
sätze und Schumanns100-101) sprachliche Betrachtungen sind in Anzeigen besprochen
worden. —
Unter den Arbeiten, die unsere Sprache vom historischen Standpunkte
betrachten, steht Wilmanns deutsche Grammatik (JBL. 1893 I 8:66) obenan,
die von K. von Bah der102) Verdientermassen gelobt wird. B. wünscht nur mehr
Rücksichtnahme auf die neueren Dialektarbeiten und trägt zu einigen strittigen
Punkten selbständige Ansichten vor. — In dritter Auflage kam lieferungsweise die
neuhochdeutsche Grammatik von B latz 103) heraus, die jedoch erst 1895 vollständig ge-
worden, also der Besprechung des nächsten Jahres vorbehalten bleibt. — Bemerkens-
wert ist die in zwei starken Bänden erschienene ausführliche Grammatik und Syntax
der deutschen Sprache von Valentine104), die nicht nur die älteren Sprachperioden
des Deutschen, sondern auch die verwandten indogermanischen Sprachen genauer
berücksichtigt. Besonders anzuerkennen ist, dass auch Beispiele aus dem 16. und 17. Jh.
herangezogen sind ; das 18. und 19. Jh. ist selbstverständlich ebenfalls stark vertreten. —
Das ältere Neuhochdeutsch nimmt Raph. Meyer105) zum Ausgangspunkt der Be-
trachtung und erläutert an 55 Strophen des Liedes vom „Hürnen Seyfrid" die
Unterschiede des älteren Neuhochdeutsch von der jetzigen Sprache zur Einführung
für Anfänger und zwar besonders für Ausländer, die sich mit dieser Sprachperiode
beschäftigen wollen. — Speciell die Abweichungen im Konsonantismus beleuchtet
Procyk106). — Die beiden Werke von Lyon107) und Wilke108) sind mehrfach
besprochen worden. —
Zur Formenlehre sind nur wenige Abhandlungen zu verzeichnen.
Brenner109) und ein Anonymus110) erörtern die drei Geschlechter des Zahlwortes
„Zwei". — Jeitteles ln) setzt seine Betrachtungen über das neuhochdeutsche Pronomen
fort (JBL. 1893 I 8: 77) und behandelt in diesem J. die Demonstrativpronomina: der,
dieser, jener, derjenige, derselbe, derselbige, selber, selbiger; sodann das Relativ,
Interrogativ und die unbestimmten Pronomina: jemand, niemand, jeder, jedweder,
jedermann. — Die Flexion und zwar nicht nur im Substantiv, Adjektiv, Zahlwort
und Pronomen, sondern auch im Verbum ist von Bender112) in zwei Programm-
abhandlungen in ihren vielgestaltigen Wandlungen bis auf die heutige Zeit verfolgt
worden, vorzüglich mit Rücksicht auf die Analogiebildungen. Ziemer lobt die Ab-
handlungen als besonders dem Bedürfnisse des Fachlehrers entsprechend. —
In das Gebiet der Syntax leitet das theoretische Buch von Ries113) ein.
Der Vf. wendet sich gegen die jetzt übliche Behandlungsweise der Syntax und
scheidet unter den gegenwärtigen Behandlungsarten syntaktischer Probleme drei
Gruppen : a) die Mischsyntax, die nicht nur Erörterungen über Wesen und Gebrauch
der Wortarten, sondern auch die Lehre von der Bedeutung der Flexionsformen in
ihre Darstellung- aufnimmt und durch die Mischung ganz verschiedenartiger Bestand-
teile die geringste systematische Bedeutung hat; b) das System Miklosichs, der die
Syntax als Darlegung der Bedeutung der Wortklassen und Wortformen definiert
und, ebenso wie sein Nachfolger Erdmann, den Satz und dann das Satzgefüge ganz
bei Seite lässt; c) im Gegensatz dazu die Behandlung der Syntax als Satzlehre, der
R. im allgemeinen wenigstens zustimmt. Nach diesem ö eberblick giebt er dann das
Resultat seiner eigenen Beobachtungen und beleuchtet die Syntax und ihre Stellung'
vgl. JBL. 1892 I 6 : 6 ; 1893 I 8 : 62 ; dazu auch d. unvollend. Aufsatz „Wache stehn u. dergl." : ZDU. 8, S. 787/8.) — 97) F. L i n n i g, Bilder
z. Gesch. d. dtsch. Spr. 2. (Titel-)Ausg. Paderborn, Schöningh. X, 490 S. M. 3,00. (1. Aufl. 1881.) - 98) J. Stock lein,
Beobachtungen über d. Znsamroenh. zwischen Spr. u. Volkscharakter: BBG. 30, S. 335-57. — 99) K. Biltz, Z. dtsch. Spr. u.
Litteratnr. Vortrr. u. Aufsätze (Potsdam, A. Stein. 1888. 3C0 S. M. 3,00): ib. S. 316/7. — 100-101) P. Schumann,
Kpvachl. Betrachtungen (JBL. 1893 I 8: 139): VossZg. N. 88. - 102) K. v. Bahder: LBIGBPh. 15, S. 217-20. — 103) X X
F. Blatz, Neuhochdtsch. Grammatik mit Berücksicht. d. hist. Entwickl. d. dtsch. Spr. 3. Aufl. 1. Lfg. Karlsruhe, Lang.
S. 1-128. ä M. 1,00. — 104) W. W. Valentine, New High German, a comparative study. 2 vols. (Ed. by A. H. Keane.)
London, Isbister & Co. XIV, 456 S.; X, 444 S. Sh. 30. — 105) Raph. Meyer, Einführung in d. ältere Neuhochdeutsche z.
Stud. d. Germanistik. L., Reisland. VII, 99 S. M. 1,60. — 106) A. Procyk, D. wichtigsten Abweichungen d. neuhochdtsch.
Konsonantismus vom mittelhochdtsch. Progr. Leroberg. 31 S. — 107) (I 6:142.) — 108) E. Wilke, Dtsch. Wortkunde.
E. Hilfsb. für Lehrer u. Freunde d. Mutterspr. L., R. Richter. 1893. VII, 278 S. M. 2,75. j[R. Schwenk: BBG. 30, S. 492/3 ;
K. Scheffler: ZADSprV. S. 156,7; E. K.: TglRsB. N. 20; W.: Paed. 16, S. 406; H. P.: LCB1. S. 1540 ]| — 109) 0. Brenner,
Denkt d. Volk über seine Sprache nach?: ZDU. 8, S. 258. — 110) E. merkwürd. Sprachgebranch: FZg. N. 203. — 111) A. Jeitteles,
D. neuhochdtsch. Pronomen. IL: ZDPh. 26, S. 180-201. — 112) 0. Bender, D. Analogie. Ihr Wesen u. Wirken in d. dtsch.
Flexion. Progr. d. Bad. Lehrerseminars Meersburg 1. u. 2. Ueberlingen (Fleyel). 1893—94. 74, 99 S. |[H. Ziemer:
Gymn. 12, S. 429.] | — 113) J. Ries, Was ist Syntax? E. krit. Versuch. Marburg, Elwort. IX, 163 S. M. 3,00. |[H. Ziemer:
Gymn. 12, S. 679-80; P. Kretschmer: WSKPh. 11, S. 743,6; G. Meyer: LCB1. S. 958/9; Fr. Stolz: BPhWS. 14, S. 12079
W. Scheel, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. I 7 : in-120
im Rahmen der Gesamtgrammatik, ihr Verhältnis zur Formen- und Bedeutungslehre,
sodann zur Wort- und Lautlehre, wie zur Stilistik. Seine Definition (S. 142/3) ist
folgende : Syntax behandelt die Verbindung der Worte zu neuen Einheiten oder die
Wortfügung. Ihr Gegenstand sind die Wortgefüge: alle Wortgefüge und nicht nur
die Sätze, nichts als die Wortgefüge und nicht auch die WTortarten und Wortformen. —
Wunderlichs „Deutscher Satzbau" (JBL. 1892 I 6 : 74) ist auch in diesem Jahre viel-
besprochen114); hervorzuheben sind die Recensionen von T omanetz und Erdmann.
— Ebenso ist eine Besprechung115) zu Freys Arbeit (JBL. 1893 I 8 : 91) anzuführen.
Der Recensent glaubt, dass die Beleuchtung eines längeren Entwicklungsabschnittes
ein klareres Bild geben würde, als die Zusammenstellung des Sprachgebrauches eines
oder zweier Werke. — Die Arbeiten des Berichtsjahres selbst sind nicht zahlreich.
Reis 116) behandelt als Fortsetzung seiner Dissertation (Giessen 1891; JBL. 1891 1 8: 14)
nach Behaghels Einteilung der Syntax die Bedeutung der Wortklassen, Kongruenz,
Wort- und Satzstellung, Ersparung, Pleonasmus und Tautologie im Anschluss an die
Mainzer Mundart. 1,7_12üj —
In die Stilistik gehören nur neben der elften Auflage von Sanders121)
deutschen Sprachbriefen die ziemlich bizarren Aeusserungen „Aus der Mappe eines
lachenden Philosophen"122), der sich auch über Sprache und Stil auslässt. (Vgl.
N. 200a— 15.) —
Neben der geschriebenen Sprache ist in diesem J. auch die Umgangssp rac he
oder Umgangsprache, wie Wunderlich will, zum Gegenstand der Betrachtung gemacht
worden. Gloel123) behandelt die zwischen Mundart und Schriftsprache stehende
Umgangssprache des Niederrheins, das „niederrheinische Deutsch", das sich ja schon
äusserlich durch seinen unverkennbaren Tonfall verrät, aber auch in Deklination und
Wortbildung, sowie besondersin syntaktischen Dingen eine Reihe von Eigentümlichkeiten
der rheinischen Sprache hervorbringt. Er schöpft aus der lebendigen Rede des ge-
selligen Verkehrs. — Wunderlich124) dagegen legt die Werke der Litteratur seiner
Darstellung zu Grunde, in denen die Sprache des täglichen Lebens geboten zu werden
scheint. Von Goethes Götz und Egmont an bis zum neuesten Schauspiel von Suder-
mann und Halbe 125) werden die Autoren herangezogen. Von dem Unterschied
zwischen Rede und Schrift ausgehend, bespricht er die Eröffnungsformen des Gesprächs,
sodann die Neigung der Umgangssprache, sparsam im Ausdruck zu sein, im Gegen-
satz dazu andererseits gerade wieder verschwenderisch mit ihren Mitteln umzugehen,
beleuchtet die altertümlichen Reste neben modernsten Neubildungen unserer Sprache,
besonders am Verbum und Pronomen, und behandelt zum Schluss die Satzverknüpfung
und Wortstellung. —
Grösseren Umfang hat die Erforschung des Wortschatzes gewonnen, wie
sie uns besonders in den Wörterbüchern entgegentritt. Von dem grossen deutschen
Wörterbuche der Brüder Grimm sind aus dem 4., 8. und 9. Bande neue Lieferungen'
erschienen; der 8. Band unter Leitung Heynes126) ist dadurch vollständig geworden.
— Allgemeine Betrachtungen zum deutschen Wörterbuche giebt Steig127), der auf
den grossen Umfang des Unternehmens hinweist, das jetzt auf mehr als fünfzig Jahre
seiner Geschichte zurückblicken kann. Er deutet ferner darauf hin, dass die Brüder
Grimm schon selbst die Notwendigkeit erkannt haben, die in den ersten Bänden
nicht bekannten und benutzten Quellenwerke in den späteren nachzutragen. Be-
merkenswert ist endlich, dass die Brüder ihre eigenen Schriften ausschlössen, so dass
öfters dadurch Leute, die ihnen nahe standen, wie z. B. Uhland als erste Benutzer
von Wörtern auftreten, die die Grimms zuerst geprägt haben. — Kleine Nachträge
zum Wörterbuche trägt Reichel127u) zusammen. — Neben Wessely128), dessen
Buch in zweiter Auflage erschien und sich durch geschickte Auswahl und
Anordnung auszeichnet, freilich aber andererseits nicht ohne Vorsicht zu benutzen ist,
ist Fetzners129) deutsches Wörterbuch in der Reclamschen Sammlung zu erwähnen,
das sich an weitere Kreise wendet und Kenntnis wie Liebe zur deutschen Sprache
und Art fördern will. Auch sind hier die einzelnen Standessprachen behandelt. Das
0. Behaghel: LBIGRPh. 15, S. 3535; Ad. Tobler: ASNS. 93, S. 159-60.]| — 114) K. Tomanetz: ADA. 20, S. 1-13;
A. Bauer: RO. 38, S. 2946; F. Hartmann: DWB1. 7, 8. 190; R Löhner: ZOG. 45, S. 2379; 0. Erdmann: ZDPh. 20,
S. 275,7. - 115) LCB1. S. 1066,8. — 116) (= N. 50.) — 117) X 'ln- Matthias, D. Nennform mit um zu : ZADSprV. 5, S. 137-42.
— 118) X J- Poeschel, Noch e. letztes Wort z. Stellung d. Zeitwortes nach und: ib. S. 96/8. — 119) X Zu d- Stellung d.
Zeitwortes nach und: ib. S. 34/6. — 120) X p- L- Ipsen, Wechsel v. Zeit u. Modus: ZDS. 8, S. 416. — 121) D. Sanders,
Dtsch. Sprachbriefe. 11. Aufl. nebst Anh.: Gesch. d. dtsch. Sprache u. Litt, bis zu Goethes Tod. 2 Bde. B., Langenscheidt.
424, LXX S.; 142, IX S. M. 20,00. — 122) Aus d. Mappe e. lachenden Philosophen. 4. D. Sprache: ML. 63, S. 1582,8,1607-12.
— 123) (= N. 75.) — 124) H. Wunderlich, Unsere Umgangsprache in d. Eigenart ihrer Satzfngung dargest. Weimar,
Felber. XV, 271 S. M. 4,50. — 125) X (= N. 31.) — 126) J. u. W. Grimm, Dtsch. Wörterbuch. (JBL. 1S93 I 8 : 104.) 4. Bd.,
1. Abt., 2. Hälfte, 10. Lfg.; 8. Bd., 14. Lfg. Bearb. unter Leit. v. M. Heyne; 9. Bd., 1. Lfg. L., Hirzel. S. 3881-4072; X,
S. 2497-684: S. 1-192. ä M. 2,00. ||F. D.: TglKs«. N. 167.]| — 127) E. Steig, Z. dtscb. Wörterbuche: NatZg. N. 243.
— 127 a) B. Reich ei, KlDine Nachtrr. z dtsch. Wörterbuche: ZDPh. 27, S. 251-63. — 128) J. E. Wessely,
Grammat.-stilist. Wörterbuch d. dtsch. Spr. 2. Aufl. L., Reisland. X, 19S S. IL 3,00. |[Gymn. 12, S. 823; ZRealschulw. 19,
S. 309.]| — 129) (= N. 82.) — 130) X G- G-: COIRW. 22, S. 173; F. Jostes: LRs. 20, S. 195/6; J. Seemüller:
I 7:130-167 W. Scheel, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache.
Werkchen beruht auf guten Quellen und berücksichtigt die Etymologie in hohem
Masse. — So leitet es uns zu seinem Vorbilde Kluge130) (JBL. 1893 I 8: 101) über,
dessen fünfte Auflage in mehreren Besprechungen als ein grosser Fortschritt gerühmt
wird. — Ebenso sind zu Duden131) (JBL. 1893 I 8:103) und Faulmann132) (JBL.
1891 I 8:44; 1893 I 8: 102) Recensionen zu erwähnen. — Aehnlich wie Faulmann
werden die Beiträge Mays133) von der Kritik vollständig abgelehnt.134) — Im all-
gemeinen über die Etymologie und ihre pädagogische Bedeutung handelt Kirch -
berg135). — Als Vorbereitung aufsein deutsches Wörterbuch, das noch im Erscheinen
begriffen ist, spricht Paul136) über die Aufgaben der wissenschaftlichen Lexiko-
gTaphie. —
Hieran reihen sich die kleineren Beiträge zur Worterklärung und zum
Bedeutungswandel in einzelnen Wörtern, für die in der ZDU. ein Mittelpunkt
gegeben ist137). Ich kann mich daher damit begnügen, unten nur die wichtigsten
aufzuzählen. — Ueber die Möglichkeiten des Bedeutungswandels besonders in der
griechischen und lateinischen Sprache, jedoch auch das Deutsche streifend, spricht
Thomas138), der bedauert, dass für unsere Muttersprache keine Zusammenstellung
der Art vorhanden ist, wie sie Darmesteter für das Französische oder Trench für
das Englische gegeben haben. — Die psychologischen Bedingungen dieser Vorgänge
sucht Rosenstein139) zu erklären; einzelne bekannte Beispiele sammelt Baum-
gartner140). — Zur Erklärung einzelner Wörter hat Eckstein141"143) mehrere
Untersuchungen in Aufsätzen populärer Art gegeben, die auch das Gebiet der Namen-
kunde streifen und recht lesenswert sind. — Ueber das Wort „Schiessprügel"
spricht Schmitz144), über „Pumpernickel" ein Anonymus145), über „Gigerl", zu
dessen Erklärung "Wunderlich im vorigen Jahresbericht (JBL. 1893 I 8:118 a)
das Wort „gikelmann" aus Schmeller beigetragen hatte, Richter146) und May r14"),
über „Schurle-Murle" Fränkel148) und Kuntze 149), über „dereinst" Brenner150),
über „Muskate" in der Bedeutung von Kot Englert151), über das Verbum „zannen,
sich zauen" Sprenger152"153); derselbe Sp. datiert und erklärt den Ausdruck
„binnen kurzem". Endlich behandelt Gl öde154) das rätselhafte „Minlede" = „Mein
Lebtage". — Allgemeines bietet Gillhof155). —
Hierher gehört auch die Erklärung dunkler Redensarten, über die
Gemss156) im allgemeinen spricht. — Die Redensart „in die Pilze gehen" wird von
Rössner15"), „einem einen Bären aufbinden" (= „einem zum Spass eine Tierfigur
an den Arm oder Rücken binden") von Kubin158), „einem denDaumen halten, drücken"
von Schrader159), und „Stein und Bein klagen" von Becker160) zu erklären ver-
sucht.161) — Um Schra der s162"165) „Bilderschmuck" (JBL. 1893 I 8:119) gruppieren
sich eine Reihe von Abhandlungen desselben Vf., die ebenfalls volkstümliche Ver-
gleichungen und Gleichnisse zum Gegenstand haben. Er bespricht die Verwendung
der Farben rot und grün sowie des menschlichen Ohres in der Rede des Volkes.166) —
Einen verhältnismässig hohen Prozentsatz unserer Wörterbücher bilden die
Fremdwörter, mit denen sich auch in diesem J. zahlreiche Schriften beschäftigen.
In einer schon 1887 separat erschienenen, jetzt in die „Reden und Aufsätze" auf-
genommenen Abhandlung giebt Rümelin167) eine breite Uebersicht über die Fremd-
wörterfrage : er scheidet internationale, d. h. in Wissenschaft, Kunst und Fachkreisen
gebrauchte, also unübersetzbare Fremdwörter und solche, bei denen Ersatz durch ein-
heimische Ausdrücke allein in Frage kommen kann, die bei fortschreitender Kultur
aus höher entwickelten Sprachen geborgt sind, weil eben in der eigenen Sprache nicht
vollständig Entsprechendes vorhanden war. Er hält also die Fremdwörter nicht für
ZOG. 45, S. 518-21.|] - 131) X Gymn. 12, S. 823; W.: Päd. 16, S. 405/6; R. Schwenk: BBG. 30, S. 280/1. —
132) X H- Franck: ADA. 20, S. 81/3. -- 133) M. May, Beitrr. z. Stammkunde d. dtsch. Spr. L., v. Biedermann. 1893. 4".
CXXX, 301 S. M.8,00. ||Bgm.: LCB1. S.962/3.]| — 134) X H.' Ziemer, A. Gombert, Weitere Beitrr. (JBL. 1893 I 8:106):
Gymn. 12, S. 430. — 135) Th. Kirchberg, D. Etymolog, u. ihre Bedeut. für Schule u. Leben. (= Päd. Mag. Her. v. F. Mann.
N. 27.) Langensalza, Beyer & Söhne. 1893. 32 S. M. 0,40. — 136) H. Paul, Ueber d. Aufgaben d. wissenschaftl. Lexiko-
graphie mit bes. Rucks, auf d. dtsch. Wörterb. Ak. Abhiindl. Mönchen (Ak.). 39 S. (= SBAkMünchenPi". S. 53-91.) —
137) X z°ü. 8, S. 118-36, 197-202, 258-68, 408-13, 478-87, 538-48, 595-602, 702-10, 770/6, 849-56. — 138) R. Thomas, Ueber
d. Möglichkeiten d. Bedeutungswandels: BBG. 30, S. 705-32. — 139) A. Rosenstein, D.Leben d. Sprache. Vortr. (=SGWV.
N. 187.) Hamburg, Verlagsanst. 1S93 35 S. M. 0,60. — 140) R. Baumgartner, D. Leben d. Sprache: FrBIW. N. 222. —
141) E.Eckstein, Verstehen wir deutsch ? Volkstüml. Sprachuntersuch. L., Reissner. 163 S. M. 2,00. [Grenzb. 2, S. 47;
K. Scheffler: ZADSprV. 5, S. 154,6.] | - 142) id., Aus d. Gebiete d. Wortdeutekunst: WIDM. 76, S. 1126. — 143) (I 5:406.)
— 144) J. P. Schmitz, Wie d. Sprache altes Leben fortführt: ZDU. 8, S. 201/2. — 145) V. d. Entstehung d. Wortes
Pumpernickel: Didask. N. 177. — 146) (I 5:434.) — 147) (I 5:435.) — 148) L. Fränkel, Schurle-Murle: ZDU. 8, S. 4802.
— 149) F. Kuntze, Schurle-Murle: ib. S. 199-200. — 150) 0. Brenner, Dereinst: ib. S. 258. — 151) A. Englert, Muskate
in d. Bedeut. v. Kot: ib. S. 126/9. — 152) R. Sprenger, Zannen, sich zauen: ib. S. 199. — 153) id., Binnen kurzem: ib. S. 130.
— 154) 0. Glöde, Minlede = Mein Lebtage: ib. S. 123. — 155) J. Gillhof f, Verstehen wir unsere Muttersprache?: Päd. 16,
H. 182/8. — 156 l Gemss, Dunkle Redensarten in d. dtsch. Spr.: NorddAZg. N. 413. — 157) O. Rössner, In d. Pilze gehn:
ZDU. 8, S. 198. — 158) F. Kubin, Einem e. Bären aufbinden: ib. S, 598/9. — 159) (I 5:374.) — 160) Th. Becker, Stein
u. Bein klagen: ZDU. 8, S. 259. — 161) X (I 5:365.) |[LCB1. S. 1069.JJ — 162) H. Schrader, D. Rot in sprachl. Bildern
u. Gleichnissen :MDSprV(Berlin). 5, S. 65-73. — 163) (1 5 : 382.) — 164) (I 6:878.) — 165) (1 5:383.) — 166) X Aus d- Bilder-
sprache d. Volkes: DPB1. 27, S. 132/3. — 167) G. Rßmelin, Ueber d. Berechtig, d. Fremdwörter. (= Reden u. Aufsätze.
W. Scheel, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. I 7:168-192
eine Entstellung-, sondern eine Ergänzung unseres Wortschatzes.168) — Auf demselben
Standpunkte steht Andrä169): Fremdwörter sind ihm nicht bloss das Zeichen ver-
schiedener Stände, sondern sie können auch eine Nuance der Auffassung anzeigen. —
Auch Pölzl170) (JBL. 1892 I 6 : 129) hatte eine Uebersicht über diese Frage gegeben;
sein Buch wird mehrfach besprochen. — Gegen die Ausländerei redet Eckstein171);
dagegen richten sich auch natürlich die Abhandlungen der deutschen Sprach-
vereine172"173), die meist polemischer Natur sind.174) — Zu erwähnen wäre endlich
noch Roedigers ,75)Recension über Cremers „Kein Fremdwort", sowie Schefflers 176)
„Schule und Sprachreinheit"; die anderen kleineren Artikel kann ich übergehen177"1791»).
— Einen historischen Ueberblick über die Geschichte der Fremdwörter und ihre
Berechtigung giebt aus reicherem Material Kluge180). Er beleuchtet die Bedingungen
ihres längeren Lebens in der Sprache und ihres Absterbens und scheidet die Schichten
der einzelnen Jhh., sowie das Vor- und Zurückfluten der Fremdwörter in den ver-
schiedenen Zeiten.181) — Dies führt uns auf die deutschtümelnden Bestrebungen
früherer Epochen: Saalfeld182) bezeichnet Philander von Sittewald als Vorläufer
solcher Sprachbewegungen; Khull183) giebt Grimmeishausens Schrift „Pralerey und
Gepräng mit dem Teutschen Michel" heraus, die in ihren Tendenzen und Bestrebungen
unserer heutigen Zeit recht nahe steht. Kh.s Einleitung orientiert ganz kurz über
das Werkchen, dem die neueren Darstellungen der Sprachbewegung des 17. Jh. nicht
gerecht werden, und begleitet in Gemeinschaft mit Paul Pietsch des Büchleins
Abdruck mit kurzen sprachlich und sachlich erläuternden Bemerkungen. Trotz allen
Spottes gegen die Fremdwörter will Grimmeishausen doch alte eingebürgerte Lehn-
wörter, z. B. „Fenster", nicht entbehren, wie Philipp von Zesen es that: er nähert sich
auch dadurch heutigen Anschauungen, wie sie z. B. von Vernaleken 184) aus-
gesprochen sind. — In das 18. Jh. führt uns Eugen Wolff185) durch seine Be-
merkungen über Gottscheds Ansichten vom Fremdwörterwesen : Gottsched will deutsche
Wörter angewendet wissen da, wo für die fremden ein genau passender Ausdruck
vorhanden ist; den zugelassenen Fremdlingen will er durch Orthographie und deutsche
Endungen ein heimisches Gewand umlegen. — Als Mahnruf aus dem J. 1816 ver-
öffentlicht Mehring186) die Bemerkungen eines Recensenten Rt. im Dramaturgischen
Wochenblatt 1816 N. 14 über Fremdwörter in Adolf Müllners „Schuld". — Sprach-
reinigende Tendenzen verfolgte in derselben Zeit die „Berlinische Gesellschaft für
deutsche Sprache", über die J. Koch187) sehr interessante Mitteilungen von den
Sclniften der einzelnen Mitglieder aus ihren Sitzungsberichten und Protokollen ge-
macht hat. Wir erfahren daraus, dass neben literarhistorischen Thematen, die hier
übergangen werden müssen, auch Vorträge über Sprachlehre und Sprachreinigung
in der Gesellschaft gehalten worden sind, der keine geringeren Leute wie Zeune,
Zumpt, Ribbeck, Giesebrecht, Massmann, F. Bopp, Bellermann und viele andere an-
gehörten oder in ihren Bestrebungen nahe standen. Ihre Büchersammlung soll vom
Vf. im nächsten J. katalogisiert werden ; die Hss. sind genauer (S. 26 ff.) besprochen. — Für
praktische Verdeutsch ungs versuche und Ausmerzung der Fremdwörter in heutiger
Zeit ist die ZADSprV. ein Mittelpunkt geworden, die in kleineren Bemerkungen An-
regungen zur Reform der Gesetzes- und Verordnungssprache geben will. Für das
grössere Publikum ist Liebknechts188) Buch bestimmt, dessen 7. Auflage zu ver-
zeichnen ist, ebenso Sarrazin189), dessen zweite Auflage (1889) in diesem J. be-
sprochen wird. — Die Fremdwörter der Handelssprache bekämpft Eitzen 190"191);
er sammelt sie zugleich in einem Fremdwörterbuch der Handelssprache. — Die ent-
behrlichen Fremdwörter im Wörterverzeichnis zum Rechtschreibungsbüchlein für
preussische Schulen verdeutscht Linhoff ,M), die Sprache der Wissenschaft, besonders
3. Folge. [Freilrarg i. B., Mohr. VII, XX, 405 S. M. 6,00], S. 179-221.) — 168) X id-. Ueber d. neuere deutsche Prosa.
(= N. 167, S. 222-47.) - 169) R. Andrä, Beobachtungen am Fremdwort: ZDS. 8, S. 2514. — 170) X F- Prosoh: ZOG. 45,
S. 468; G. Burghau ser: ib. S. 104*. — 171) (= N. 141, S. 125-49.) — 172) X G- A. Saalfeld, V. d. „puristischen Mode-
krankheif oder ?: ZADSprV.5, 8. 142,4. - 173) X E. Seitz, Meine Bekehrung: FZg. N. 232, S. 1/3. (= MI)SprV(ßerlin).5,
S. 89-98.) — 174) X H. Scheffler, D. Fremdwörterfrago. Braunschweig, F. Wagner. 16 S. M. 0,50. |[H. Dunger:
ZADSprV. 5, S. 146/8.]! — 175) M. Roediger, W. Cremer, Kein Fremdwort (Hannover-Linden, Manz* Lange. 1891. VII, 64 S.
M. 1,50): ASNS. 92, S. 78/9. - 176) K. Scheffler, Schule U. Sprachreinheit: Kai. aller Deutschen S. 222,8. — 177) X M-
Horwitz, V. d. Sprachreinigern: KönigsbAZg. 22. Apr. — 178) X A. Rke , Sprachreinheit u. Sprachrichtigkeit: Frei Deutsch-
land 20. Mai u. 1. Juli. - 179) X Haberkorn, Sprachreinigung: DR. 3, S. 249-54. — 179a) X F- Reuleaux, Ver-
kannte Fremdwörter: MDSprV(Berlin). 5, S. 17-23. — 179b) X Dtsch. Wörter als Fremdwörter im Deutschen: DAdelsbl. S. 350.
— 180) Fr. Kluge, Sprachreinheit u Sprachreinigung gesch. betrachtet: ZADSprV. 5, S. 201-11. IfVossZg. N. 388; BerlTBl.
N. 424. j | (Auch abgedr. in d. DB11EU. 21, S. 4113, 415,8.) - 181) X J. Gillhoff, Zweierlei Mass: Päd. 16, S. 645-54. —
182) G. A. Saalfeld, E. Bahnbrecher vor mehr als zwei Jhh.: ZADSprV. 5, S. 312. — 183 1 F. Khull, Grimraelshausens
Schrift „Pralerey und Geprang mit d. Teutschen Michel' (1673). (= N. 35, Heft VII, S. 41-87.) — 184) T h.
Vernaleken, Entlehnungen u. Verdeutschungen in unserer Spr. (Abschn. II: Ueber unsere Lehnwörter, ihre
Bedeut. und nat. Einkleidung . . .) : Päd. 16, S. 250,5, 365-70. (Vgl. auch N. 197.) — 185) (= N. 17, S. 217.) - 186) Th.
Mehring, E. Mahnruf vom J. 1816: ZADSprV. 5, S. 98. — 187) (I 3:275.) - 188) VV. Liebknecht, Volks-Freradwörter-
buch. 7. Aufl. Stettin, J. H. VV. Dietz. VIII, 616 S. M. 3,20 — 189) O. Sarrazin, Verdeutschungs- Wörterbuch. 2. bedeut.
verm. Aufl. (B., Ernst & Korn. 1889. XXI, 293 S. M. 5,00): Gyran. 12, S. 97 8. - 190) F. W. Eitzen, Vom Missbrauch d.
Fremdwörter im Handel. L., Haessel. 52 S. M. 0,50. HTglRsB. N. 294, 296,7, 302.J| — 191) id., Fremdwörter d. Handels-
sprache, verdeutscht u. erläut., z. Ergänz, seiner mehrsprachl. Wörterbücher für Kaufleute, ebda. 176 S. M. 3,00 — 192) M.
I 7 : 193-209 W. Scheel, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache.
der Mathematik, Natur- und Erdkunde möchte Hullmann m) im Gegensatz zu
Rümelin 194) vollständig- deutsch gestalten. — Ueber die Fremdwörtersucht einesneuesten
Schriftstellers handelt ein Anonymus195), über die Fremdwörter im Ostfriesischen
Goedel195a). — Mit der Ausmerzung der Fremdwörter aus der deutschen Sprache
geht naturgemäss die Verpflichtung Hand in Hand, nun deutsche Wörter an die Stelle
zu setzen; da dies aber nicht immer möglich sein wird, ist die Notwendigkeit da,
neue Bildungen zu versuchen; gegen derartige Neubildungen, die sehr oft oder
vielleicht fast immer Sprachwidrigkeiten sein werden, wendet sich ja schon Gott-
sched196); ebenso dagegen sprechen sich Vernaleken197) und Gillhoff198) aus,
die der Ansicht sind, dass die Sprache durch derartige Verrenkungen in noch höherem
Grade verunziert werde, als selbst durch die Fremdwörter. — Im Gegensatz dazu
setzt Erdmann199) die bekannte Thatsache auseinander, dass der ursprüngliche Sinn
vieler Worte vergessen und durch einen übertragenen ersetzt wird200); er sieht
gerade darin den Ansatz und die Möglichkeit neuer Wortbildungen und Zusammen-
setzungen. —
Dies leitet uns hinüber zum Kampf gegen die Schäden im heutigen
Deutsch, den man seit Wustmanns Buch den Kampf um die „Sprachdumm-
heiten" zu nennen pflegt (JBL. 189118:59; 1892 I 6: 104—18; 1893 I 8: 13 I/o)200*).
— Gegen Wustmanns Seh ulmeisterei über die Sprachrichtigkeit bringt Behaghel201)
den Sprachgebrauch und seine Richterbefugnis wieder zu Ehren. Er geht von dem
ewig wechselnden und schwankenden Sprachgebrauch aus und zeigt an zahlreichen
Beispielen mit Seitenblicken auf das ähnliche Verhältnis von Sitte und Unsitte
im socialen Leben, dass nicht ein Einzelner als Sprachmeister auftreten darf, sondern
dass das ewig flutende Leben der Sprache selbst über die Lebensfähigkeit ihrer Er-
scheinungen, besonders der neu auftretenden Bildungen zu Gericht sitzt und Ausgleich
übt zwischen den Forderungen der Vergangenheit und der Gegenwart. Er schildert
sodann den Einfluss hervorragenden Schrifttums auf die Schriftsprache, verwirft jedoch
das einseitige Zurückgehen auf die klassischen Autoren, deren Sprache teilweise für
uns veraltet ist und stellt Heine, Uhland, Heyse, C. F. Meyer, Schopenhauer, Lotze,
Gregorovius, Treitschke, Moltke, auch Scheffel und Freytag mit Abzug ihrer alter-
tümlichen Wendungen als Muster hin. Er rühmt die Leitartikel unserer grossen
Zeitungen; trotzdem ist nicht alles, was sie bringen, Sprachgebrauch: der Einzelne
soll die Fülle der Erscheinungen auf sich wirken lassen und daraus eine Auswahl
treffen. Geht ein Ausdruck über das Gewohnte hinaus, dann sollen wir nicht ver-
gessen, dass damit vielleicht Brauchbares geschaffen ist für die Nachwelt. — Interessant
ist es, dass schon Gottsched202) und Bürger202a) ebenfalls für den Sprachgebrauch
eingetreten sind. — Wustmann selbst wird in einem Aufsatze von Brunner203) an-
gegriffen, der jedoch schliesslich ebenfalls mit Gründen des Geschmackes und Sprach-
gefühls streitet, trotzdem er sachliche Widerlegung anstrebt. — Zu erwähnen sind
ferner Roedigers204) Recension (vgl. auch JBL. 1892 I 6:107, 116), sowie van
Hoffs206) kurze Bemerkung über die Vergleichungssätze der Nichtwirklichkeit mit
„als ob" und die Umschreibung mit „würde". — Teilweise unbekannter gebliebene
Schriften vom Kampfplatz um die Sprachdummheiten recensiert Hart mann206) in
einem selbständigen Aufsatze. — Wust mann207) wendet sich gegen neue Sprach-
dummheiten und zwar in einem ersten Aufsatz gegen den so sehr häufig falsch ge-
setzten Bindestrich in Zeitungen und auf Firmenschildern und bespricht besonders
die fehlerhaften Strassenbezeichnungen, die auch Gegenstand der Polemik des
deutschen Sprachvereins zu Berlin sind.208) Die zweite Abhandlung verspottet die
immer mehr um sich greifende Mode, für das einfache „haben" das vornehmer klingende
„besitzen" einzuführen; den Schluss macht eine Bemerkung gegen den die Herkunft
und eigentliche Bedeutung der Wortzusammensetzung nicht mehr beachtenden Gebrauch
des Wortes „Gesichtspunkt". — So sehr gerade in diesem J. sich die Meinung
einigermassen gegen Wustmann gewendet zu haben scheint, ein Verdienst wird ihm
jedoch zuerkannt: das sprachliche Gewissen wachgerüttelt und das Interesse für
sprachliche Fragen vermehrt zu haben. Als ein Zeichen dafür kann es gelten, wenn
das Buch von Heintze209) eine ganze Reihe von Auflagen innerhalb eines J. erlebte.
Linhoff, Verdeutschungsbüchlein. Verdeutsch, d. in d. Wörterverzeichnisse d. preuss. Schulschreibungsbüchleins vor-
kommenden entbehrlichen Fremdwörter. Münster i. W., Aschendorffsche Dr. 32 S. M. 0,30. — 193) K. Hullmann, D.
Wissenschaft u. ihre Spr. E. zeitgeraässe Abhandl. L., Hirt & S. 40 S. M. 0,60. — 194) (= N. 167.) — 195) E. führender
Schriftsteller: Grenzb. 3, S. 284 5. — 195a) X G- Goedel, Fremdwörter im Ostfriesischen: TglRs». N. 192, 195. — 196) X
(= N. 17, S. 273.) — 197) (= N. 184.) — 198) (=: N. 181.) - 199) K. Erdmann, „Gedankenloser" Wortgebrauch u. sein
Nutzen: ZADSprV. 5, S. 25-30, 49-56. — 200) X G. Wustmann, Neue Sprachdummheiten. D. Bindestrich. Haben u.
Besitzen. D. Gesichtspunkt: Grenzb. 3, S. 114-23,608-16. (.Vgl. ebda. S. 614,5; Tgl. N. 207.) — 200a) X B. W., Z. Sprach-
meisterei: BerlTBl. N. 69. — 201) O. Behaghel, Sprachgebrauch u. Sprachrichtigkeit. (= N. 35, S. 16-30.) — 202) X
(= N. 17, S. 262/3.) — 202a) X (= N. 19, S. 347.) — 203) A. Brunner, Wustmanns Formenlehre: ZDS. 7, S. 428-33.
(Vgl. JBL. 1891 I 8:59; 1892 I 6:104-18; 1893 18:130,5.) - 204) M. Roediger: ASNS. 92, S. 79-86. — 205)F. vanHof fs.
Einiges über gewisse Sprachsünden: ZADSprV. 5, S. 211/2. — 206) F. Hartmann, Z. Sprachbeweg.: DWB1. 7, S. 177/8,
189-90. - 207) (= N. 200.) — 208) X MDSprV(Berlin). 5, S. 97-104. - 209) A. Heintze, Gut Deutsch. E. Anleit. z. Ver-
W. Scheel, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache. I 7:209-225
H. steht als Sprachmeister auf einem gemässigten Standpunkt; er deckt, wie besonders
H. Hoffmann betont, in ruhiger Art die gebräuchlichsten Sprachfehler auf und zeigt,
wie diese Fehler zu vermeiden sind; auch trägt er dem Sprachgebrauch durchaus
Rechnung. Ebenso wie die Haltung des Buches im allgemeinen wird auch die Ein-
teilung gelobt: die Arbeit ragt aus der Masse der neueren Litteratur über die „Sprach-
dummheiten" durchaus hervor; es verdient auch die Fülle der oft kaum glaublichen
Beispiele aus neueren Schriftstellern in jeder Hinsicht Anerkennung. — Ebenfalls be-
sonders den Schwulst des „jüngsten Deutschlands" stellt Sosnosky210) durch eine
reichhaltige Blütenlese aus den neuesten Roman- und Novellendichtern zusammen;
sprachliche Versehen werden ihm durch den Recensenten des LCBL nachgewiesen.
— Viele einzelne Beiträge und Besserungen sind in der ZDS. verstreut, die nicht alle
einzeln aufgezählt werden können. — Gesondert zu erwähnen wäre noch Pietsch211),
der im Anschluss an Minors Bemerkungen (BGDS. 16, S. 477 ff.) über den relativen
Gebrauch von „welcher" und „der" aus Schopenhauers Schrift „Ueber die seit einigen
Jahren methodisch betriebene Verhuntzung der deutschen Sprache" den Beweis führt,
dass am Ende der 50er J. „welcher" vor „der" „nicht gerade bevorzugt" wurde,
wonach also Minors Behauptung, die Neueren brauchten lieber „welcher", zu mo-
difizieren ist; ferner Branky212) und Menge s213). — Mit der Recension von Menge214)
über die humorvollen und treffenden Verbesserungsvorschläge Daubenspecks (JBL.
1893 I 8: 147) knüpft dies Berichtsjahr an das vorige an; einen einzelnen Ausdruck
der Gesetzessprache zieht wieder Daubenspeck215) hervor. —
Als ein Nachtrag zur Lexikographie wäre die Auszählung der deutschen
Sprache zu erwähnen. Amsel216) giebt uns einen Einblick in dies Unternehmen,
von dem man wichtige Resultate für die Kenntnis des Wortschatzes und den Gebrauch
einzelner Formen und Wortbildungen erwartet. — Enthusiastisch berichtet auch ein
Ungenannter217) über das mühevolle Werk. —
Zum Schluss kommen wir zur Orthographie und Interpunktion.
Duden218"219), dessen Wörterbuch (JBL. 1893 I 8: 108) in einer Besprechung berührt
wird, wünscht die neue Orthographie nicht nur in der Schule durchgeführt: Man sollte
ihr besonders im öffentlichen Leben mehr Entgegenkommen zeigen. — Ein Anonymus220)
giebt humoristisch im Gewände einer Reichstagsverhandlung einen Ueberblick über
die heutigen orthographischen Zustände, betont ebenfalls, dass die in der Schule
gelernte Orthographie im Bureau, Kontor, in der Presse und im öffentlichen Leben
zu wenig Anwendung finde und bietet selbst schon durch das Gewand seines Büchleins
eine allerdings sehr radikale Orthographie. — Wasserzieher 221) empfiehlt besonders
für Ortsnamen und Fremdwörter eine lautg-etreue Schreibung und glaubt, dass erst
durch sie die fremden Wörter recht ins Volk eindringen würden, wünscht zum Schluss
freilich auch für die echtdeutschen Wörter eine dem Lautstande mehr entsprechende
Schreibung. — Interessant ist, dass eine ähnliche Forderung für die Fremdwörter
schon Gottsched (s. N. 185) geäussert hat; Gleiches verlangt in seinem oben be-
sprochenen Aufsatze Vernaleken222). — Gegen orthographische Neuerungen spricht
sich A lbrecht223)aus. — Auch Grimmeishausens Ansichten sind uns durch Khulls224)
Ausgabe wieder näher gebracht. — Glödes225) Interpunktionslehre wird in den
BBG. besprochen. —
meidung d. häufigsten Verstösse gegen d. guten Sprachgebrauch u. e. Ratgeber in Fällen schwankender Ausdrucksweise.
2.-4. Aufl. B„ Regenhardt. VIII, 180 S. M. 1,50. |[H. Hoffmann: Neuere Spr. 2, S. 370/1; LCBl. S. 900/1; P. Cascorbi:
Gymn. 12, S. 459; BerlBörsCour. N. 96; VossZg. N.134; K. Scheffler: ZADSprV. 5, S. 64,5, 99-100. ]| - 210) Th. v. Sosn osky ,
D. Sprachwart. Sprachregeln u. Sprachsünden als Beitrr. z. dtsch. Grammatik u. Stilistik. Breslau, Trewendt. XII, 231 S.
M. 3,00. |[LCB1. S. 1539; KonsMschr. S. 106; WIDM. 76, S. 511; VossZg. N. 236; K. Scheffler: ZADSprV. 5, S. 65/6.JI -
211) P. Pietsch, Welcher u. der in Relativsätzen: BGDS. 18, S. 270,3. — 212) F. Branky, Welche u. Welches: ZDU. 8,
S. 115/8. — 213) H. Menges, Tautologien: ib. S. 692/6. (Ergänz, zn Wasserziehers Samml. v. tautolog. Zusammensetzungen:
ib. 7, S. 606 = JBL. 1893 I 8 : 141.) — 214) LCBl. S. 146; BBG. 30, S. 62/3; K. Menge: Gymn. 12, S. 863. (Vgl. im An-
schluss daran d. Aufs. v. Junins: Z. guten Stunde S. 85-94, sowie Grenzb. 2, S. 476/7.) — 215) H. Daubenspeck, D. un-
wahren Thatsachen d. Juristen: ZDS. 7, S. 365-71. — 216) G. Amsel, Untersuch, über d. Häufigkeit d. VVortformen d. dtsch.
Spr. (= N. 35, S. 30-40.) |[L. Rudolph: (JOIRW. 22, S. 576; R. M. Meyer: ML. 63, S. 1273/4; DB11EU. 21, S. 35.]| —
217) D. Auszähl. d. dtsch. Spr.: Didask. N. 134. — 218) X Gymn. 12, S. 823/4. — 219) K Duden, Wozu lehren wir d. neue
Orthogr.?: ZGymn. 28, S. 559-63. — 220) F. S.. E. Sprachpauke. Kein Dogma d. ortografi-entviklungsfreiheit. Bonn, Hanstein.
41 S. M. 0,60. - 221) E. Wasserzieher, Z. papiernen Spr.: ZDÜ. 8, S. 476/8. — 222) (=N. 184.) — 223) A. Albrecht,
Sprache u. Muttersprache. Halle a. S., Kaemmerer & Co. 1893. 41 S. M. 0,60. — 224) (= N. 183, S. 57/9.) — 225) O. Gl öde,
D. dtsch. Interpunktionslehre. L., Teubner. 1893. VI, 33 S. M. 0,30. |[BBG. 30, S. 445/6.]| —
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (1)1 2
18:1 J. Minor, Metrik. 1893, 1894.
1,8
Metrik. 1893, 1894.
Jakob Minor.
Allgeraeines und Prinzipielles N. 1. — Psychologisches und Physiologisches N. 13. — Accentlehre N. 18. —
Verslehre: Gemischter Rhythmus N. 24; Hexameter N. 25; Trimoter N. 27; Fünffüssiger Jambus N. 23; Knittelvers N. 30. —
Strophenhau N. 31. — Einzelne metrische Probleme: Enjambement N. 33; Reim N. 34; Hiatus N. 36. —
Auf keinem anderen Gebiet ist es gleich schwierig-, die einzelnen Arbeiten,
die sich zufällig- in einem Jahre zusammenfinden, zu einem Gesamtbilde zu ver-
einigen, wie in diesem Kapitel. Denn es herrscht wenig Eintracht, nicht bloss in den
Arbeiten selbst, sondern auch in den Prinzipien, und nirgends ist es den Vf. so
schwer, bei ihrem Thema zu bleiben, als wo man auf Schritt und Tritt erst den Boden
prüfen muss, auf dem man bauen will. Darum scheint es mir geraten, die Arbeiten
vorauszuschicken, welche den Gegenstand von der allgemeinen und prin-
zipiellen Seite behandeln. Man ist vielfach der Meinung, als ob hier noch gar keine
Uebereinstimmung herrsche. Wer aber die gleichzeitigen Arbeiten von Minor und
Sievers, und die gleich darauf folgende von Meamann vergleichend betrachtet, der
wird erkennen, dass sie sich in vielen Punkten berühren, namentlich in der Auf-
stellung der Probleme, lieber die neuhochdeutsche Metrik von Minor') steht mir
ein Urteil nicht zu; ich kann nur sagen, was ich gewollt habe, und greife aus dem
ganzen einige Punkte heraus, auf die ich besonderen Wert lege und die ich als mein
Eigentum betrachte, während es sich sonst darum handelte, die Ergebnisse früherer
Forschungen in den Zusammenhang meiner Gedanken einzuordnen. Gegenüber der
statistischen Methode, die in der Metrik bis vor kurzem allein herrschend war und
die stark nach der Schablone zu arbeiten begann, habe ich wieder auf die Prinzipien
der Verskunst zurückzuweisen versucht und überall die Frage vorangestellt: wofür
soll man Beispiele sammeln'? Als die nächste Aufgabe der Metrik erscheint es mir,
die Uebereinstimmung oder Nichtübereinstimmung des natürlichen Rhythmus mit
den Anforderungen des Verses festzustellen; die rhythmischen Wirkungen des Verses
sind damit freilich nicht erschöpft, aber erst in späterer. Zeit wird die Rhythmik
so weit entwickelt sein, um auch dort Gesetze aufzustellen, wo sich die Versbetonung
von der natürlichen Betonung (diese besteht aber nicht etwa bloss in der prosaischen
Betonung!) entfernt. Das erste Kapitel geht also von den Anforderungen des
Rhythmus aus: der Takt beruht auf der Taktdauer und auf dem Accent; diese beiden
Stützen des Rhythmus können (das bestätigen neuere Experimente; s. u.) einander
gegenseitig bis zu einem gewissen Grade vertreten. Darauf beruht meine Unterscheidung
der Verse in solche, in denen Hebungen und Senkungen regelmässig wechseln, die also
aus den gleichen Versfüssen bestehen, und in die sogenannten gemischten Verse, die
aus ungleichen Versfüssen bestehen. In den ersten wird die Taktdauer nicht genauer
eingehalten, der Rhythmus beruht hauptsächlich auf dem Accent ; in den zweiten da-
gegen gewinnt sie an Bedeutung, sie allein hält bei der ungleichen Folge von betonten
und unbetonten Silben den Rhythmus aufrecht, darum sind die Knittelverse und die
freien Rhythmen, trotz dem freien und laxen Schema, die am meisten musikalischen
Versarten. Auf die allgemeinen Bedingungen des Rhythmus gründet sich auch meine
Bekämpfung der sogenannten „gleichgewogenen Spondeen" der antikisierenden
Metriker: sie betrachten den antiken Spondeus als - -, und vergessen den rhyth-
mischen Accent (■<■ -) ; weil aber der ersten Länge im Spondeus eine betonte
Silbe entspricht (eben wegen des Versaccentes), so schliessen sie irrig weiter, dass
auch der zweiten (im Verse unbetonten) Länge eine betonte Silbe im Deutschen ent-
sprechen müsste (w11!? im Vers ist wWi also genau gleich Stürmflut). In der
Unterabteilung der Takte aber trennt sich der gesprochene Vers von der Musik
ab. In der Musik zerfällt in dem zweizeitigen, dreizeitigen usw. Takt der ganze Takt
wiederum in einzelne, durch besondere Noten bezeichnete Zeitmomente, die sich
wie vielfache oder wie Brüche von 2 (bezw. 3) verhalten. Es herrscht also auch
zwischen diesen kleineren Zeitmomenten ein gerades (oder ungerades) Ver-
hältnis, das nur durch die sogenannten Trioien und die punktierten Noten unter-
brochen wird. In den gesprochenen Versen dagegen besteht nach meiner Meinung
(ebenso Sievers) ein geregeltes Verhältnis zwischen Hebung und Senkung in Bezug
auf die Dauer überhaupt nicht, es ist die grösste Mannigfaltigkeit und die bunteste
1) J. Minor, Neuhochdtsch. Metrik. E. Handb. Strasburg i. E., Triibner. 1893. XVI, 490 S. M. 10,00.
|[M. Carriere: AZgB. N. 87; W. Braune: LCB1. S. 643,6; R. M. Meyer: DLZ. S. 630/2.JI (Einzelne Abschnitte daraus
J. Minor, Metrik. 1893, 1894. I 8 : 1
Gliederung- möglich. Zweizeitige und dreizeitige Takte können, unbeschadet der
gleichen Taktdauer (s. vielmehr die Experimente unten) neben einander stehen.
Versfüsse können daher auch nicht ein für allemal durch Noten dargestellt werden
(wohl aber konkrete Versfüsse und Verse), und es ist nicht notwendig, die im Hexa-
meter vereinigten Versfüsse, den Spondeus und den Daktylus, auf gleichzeitige Takte
zurückzuführen. Die beiden folgenden Kapitel untersuchen, mit welchen Mitteln
der natürlichen Rede der gesprochene Vers den Anforderungen des Rhythmus zu
entsprechen sucht: der Taktdauer entspricht die natürliche Quantität (II) der Silben,
die freilich keine absolute, sondern eine von der Betonung und dem Tempo ab-
hängige relative Grösse ist, aber nicht mit der Taktdauer selbst verwechselt werden
darf. Mit dem rhythmischen Accent muss nach den Grundsätzen des deutschen
Verses die natürliche Betonung (III) zusammenfallen : die Accentlehre habe ich auf
eine neue Basis zu stellen gesucht, indem ich den Nebenaccent als frei im Satze zu
verteilen anleite, die Lehre vom Satzaccent auf Pauls Prinzipien besser als Behaghel
zu begründen suche (ein sehr gutes allerneuestes Lehrbuch der Metrik führt noch
als Beispiel für den Satzaccent die Betonung an: „der berg ist hoch!"), zum ersten
Male den grammatischen Accent berücksichtige (woraus sich allein die unbetonten Zeit-
wörter erklären lassen in: „schweben auf, schweben ab"; und in: „den Jüngling
bringt keine wieder") und die letzte Entscheidung in Betreff des Satzaccentes phy-
siologischen Gründen zumesse (beim Zusammentreffen dreier Accente wird der mittlere
durch Tonhöhe ersetzt ; man darf also nicht von der fakultativen Betonung deutsch-
end, mittelhochdeutsch lantgrsve reden, sondern darauf kommt es an, dass eine betonte
Silbe vorhergeht: stolz deutschländs). Durch grössere Rücksicht auf die Tonhöhe (s. u.)
wird das Kapitel über den Satzaccent weiter ausgebildet werden müssen. Das
vierte Kapitel handelt von den Versfüssen ; hier habe ich zuerst die Lehre von den
Sprechtakten herbeigezogen, um das Verhältnis zwischen Versfüssen und Wortfüssen
zu erörtern; die Versfüsse und daher auch der steigende oder der fallende Rhythmus
werden nach meiner Meinung durch den grösseren oder kleineren Abstand zwischen
den Silben bestimmt. Von dieser Meinung hat mich auch Sievers (s. u. N. 3) nicht
bekehrt, der die Wortfüsse durch gemeinsamen Willensimpuls entstehen lässt; denn
wie teilt sich dieser Willensimpuls aus dem Inneren des Vortragenden dem Zuhörer
mit? Hier scheint mir ein Mittelglied zu fehlen, die Uebersetzung des Psychologischen
ins Hörbare, auf dem gerade das metrische Moment beruht. In dem Kapitel über
den Vers (V) habe ich die Lehre von der Cäsur und vom Versschluss zum ersten
Male auf Beobachtungen über Satzpausen und Redepausen gegründet, bei denen nach
meiner Ansicht das künstlich geregelte Atemholen des Vortragenden die letzte Ent-
scheidung hat. Das heisst: der Sinn (Grammatik und Logik) lehrt uns bloss, wo
eine Pause in der Rede möglich ist; die Oekonomie des Atems dagegen lässt sie
wirklich eintreten. Die Redepausen sind daher nicht bloss von der logischen und
grammatikalischen Gliederung-, sondern noch viel mehr von dem Umfang- der Glieder
eines Satzes und von dem Tempo der Rede abhängig. Die Lehre von dem Versschluss oder
von der Integrität des Verses habe ich nicht wie meine Vorgänger allein auf
die Redepausen, sondern auch auf den Abschluss des Rhythmus gegründet: die regel-
mässige Wiederholung des schwächeren Accents im dipodischen Rhythmus, oder des
zweisilben Fusses nach je 6 Takten im Hexameter und andere ähnliche rhythmische
Erscheinungen können (wie in derMusik)auch ohnePause einen Abschnitt kennzeichnen.
Diese allgemeinen Gesichtspunkte werden nun auf die einzelnen Arten von Vers-
füssen und Versen angewendet, wobei namentlich die Frage nach der Berechtigung'
des Trochäus im Hexameter eine neue Beleuchtung erfährt. Für den deutschen
Hexameter und Pentameter habe ich zum ersten Male die Forschungen von Drobisch
verwertet, so weit sie sich nicht bloss auf mathematischesKalkul,sondern auf Beobachtung
gründen. Dagegen ist es mir durch einen Zufall nicht gelungen, über den Vers des Hans
Sachs zu einem entscheidenden, jeden Zweifel beseitigenden Resultat zu gelangen. In
dem Kapitel über den Reim (VI) hatte ich nur zu ordnen und besonders die Termino-
logie, die auch bei W. Grimm noch schwankend ist, klar zu stellen. In dem
Strophenbau (VII) habe ich mich mehr als billig an Westphals bestrickende Archi-
tektonik angeschlossen. Den Hauptaccent lege ich hier auf die Untersuchung der
romanischen Strophenformen in der romantischen Zeit, für die ich das in den Rass-
mannischen Sammlungen vereinigte reiche Material zum ersten Mal ausgenutzt habe.
Solchen, denen das Buch selbst gar nichts bringen sollte, wird hoffentlich doch das
reiche Literaturverzeichnis am Schluss gute Dienste leisten. — Noch ganz auf dem
Standpunkt seiner zwanzig' Jahre älteren Schriften über griechische und über deutsche
Metrik steht Westphal (JBL. 1892 17:1) in seinem posthumen Werk über die
Metrik der indogermanischen und semitischen Völker, wo die Verstheorien und Vers-
schemen der verschiedenen Nationen einfach neben einander gestellt werden, ohne
dass sich der Vf. über sie zu einem allgemein gültigen Standpunkt erhöbe. An-
(1)12*
I 8 : 2-12 J. Minor, Metrik. 1893, 1894.
sohliessend an die in den Berichtsjahren erschienenen Besprechungen2) komme ich in
diesem Zusammenhange noch einmal auf das Werk zurück. In der Vorrede macht
der greise Vf. den modernen Ideen zwar eine Konzession, indem er zwischen
gesungenen und gesagten Versen und dem entsprechend ganz richtig zwischen
Rhythmik und Metrik unterscheidet: nur im Gesang, meint er, hätten die deutschen
Versfüsse eine bestimmte rhythmische Zeitdauer, erst hier würden sie also zu Takten,
und erst hier wären die Lehren der griechischen Metriker seit Aristoxenos auf sie
anwendbar. Im gesagten Verse dagegen haben wir es mit keinen vierzeitigen Dak-
tylen und keinen dreizeitigen Trochäen usw. wie im griechischen, sondern einfach
mit zwei- und dreisilbigen Versfüssen zu thun, für die der Vf. (wozu? da zwei- und
dreisilbig weit deutlicher ist) die von Schmeckebier gebrauchten Benennungen durch-
zuführen verspricht. Aber im Text kommen nicht einmal diese Benennungen zur
Geltung; das Kapitel über die accentuierenden Verse der Germanen steht auf ganz
veralteter Basis (der altdeutsche Vers3) nach Vilmar-Grein !) und kann zahlreicher
Schnitzer wegen nur mit einer Warnungstafel versehen werden. Opitz soll zuerst
dreisilbige Versfüsse eingeführt haben! Im Neuhochdeutschen gebe es keinen Tiei'ton (die
Accentlehre ist überhaupt mehr als falsch)! Auch hier natürlich spuken neben den
rhythmischen Versen die rhythmuslosen Verse (woher dann Verse?), d. h. die Verse
ohne Versfüsse, die gerade am meisten Rhythmus enthalten! aber diese deutschesten
Verse werden nur vorübergehend erwähnt, das Herz des Vf. gehört den schönen
Versfüssen nach griechischem Muster, und man wundert sich nur, wie er darauf
gekommen ist, die deutsche Metrik vor der griechischen zu behandeln, auf die sie
sich stützt! Schillers Glocke (S. 138 ff.) wird, nicht ohne einzelne feine Beobachtungen,
ganz in - und v dargestellt. Aber wie verkennt W. schöne Goethesche Daktylen, wenn er
betont „Nur wer die Sehnsucht kennt, weiss was ich leide!"; oder wie entspricht es
so gar nicht der Vorrede, wenn er den fünffüssigen Jambus noch immer als kata-
lektische Hexapodie auffasst! Gegentlich des Hexameters wird ein Exkurs von einem
modernen Dichter (Heinrich Kruse) eingeschaltet, der zu den fleissigsten deutschen
Hexameterdichtern gehört, aber besser Hexameter als über Hexameter schreibt: er
eifert gegen fabelhafte Metriker, die ihm verwehren wollen oder, aber zu verkürzen;
die deutsche Sprache sträube sich gegen das Verbot des Hiatus usw. Zur
Orientierung über die verschiedenen metrischen Prinzipien und Formen der indo-
germanischen und semitischen Nationen kann das Buch immer dienen ; schade, dass es
durch solche Unmassen von Druckfehlern entstellt ist.4"11). — Für Erweiterung des
Begriffes der Metrik plaidiert Sievers12) in seinem mit grossem Beifall auf-
genommenen Vortrag am Wiener Philologentag. Metrik ist nach ihm nicht bloss die
Lehre von den Zeitmassen der gebundenen Rede, sondern sie hat überhaupt den
Anteil festzustellen und zu zergliedern, den die lautliche Kunstform der Poesie
im Gegensatz zu der Lautform der ungebundenen Rede an der eigentümlichen
Wirkung des einzelnen Dichtwerkes wie der Dichtung überhaupt hat. Als oberstes
Gesetz gilt ihm, dass der Metriker bei seiner Analyse der Form doch nie den Inhalt
ausser Acht lasse, dass er nie mit blossen Schemen operiere, sondern mit lebendigen
Teilen des Kunstwerkes selbst, dem diese Schemen zukommen: „Mit andern Worten,
es ist unzulässig, dass der Metriker die einzelnen Teile eines Dichtwerkes . . . (also
Verse, Strophenteile, Strophen) gewissermassen aufbaue aus den erst durch weiter-
gehende Analyse zu gewinnenden abstrakten Einzelstücken, als da sind Silben, Vers-
füsse u. dgl." Eine eigentümliche Schwierigkeit entsteht daraus, dass das Dichtwerk
in der Regel nur in schriftlicher Ueberlieferung vorliegt und erst durch mündliche
Interpretation, durch Vortrag, wieder ins Leben zurükgerufen werden muss. Die sub-
jektive Nachempfindung und Nachbildung (des Lesers) muss also an die Stelle der
direkten Anregung (durch den Dichter, dessen Stimme längst verklungen ist) treten ;
Fehlgriffe sind kaum zu vermeiden, aber ein weitreichendes Mittel zur Korrektur haben
wir in dem Experiment, indem wir verschiedene Interpretationen einer solchen mehr-
frfiher: ZOG. 44, S. 1-30; DDichtung. 13, S. 223,5, 247/8, 294/6.]| — 2) X E- Graf: NPhilolRs. 13, S. 138/9; J. v. Jan:
BPhWS. 13, S. 723, 755; LCB1. 1893, 8. 1680/2; R. Meringer: ZOG. 45, S. 784/5; R. M. Meyer: DLZ. 1893, S. 278/9.] | —
3) X E. Sievers, Altgerm. Metrik. (= Samml. kurzer Grammatiken germ. Dialekte. Ergänznngsreihe II.) Halle a. S.,
Kiemeyer. XVI, 252 S. M. 5,00. |[0. Lyon: ZDU. 7, S. 281/7 .J| — 4) X A. Heusler, Ueber german. Versbau. (= Schriften
z. german. Philol. her. v. M. Roediger. N. 7.) B., Weidmann. VIII, 139 S. M. 6,00. — 5) X Th. Schäfer, Grundzöge
d. dtsch. Metrik. Bremen, Heinsms Nachf. 1893. 14 S. M.0,30. (Aus: J. W. Schaf er, Ausw. aus dtsch. Dichtern ; JBL. 1893 I 7:110.) —
6) X L- Voigt, Hilfsbüchlein für d. dtsch. Unterr., enth. d. Wichtigste aus d. Litt.-Gesch., Metrik u. Poetik. Wien, Holder.
1893. 32 S. Fl. 0,20. (JBL. 1893 I 7:136.) — 7) X E. Leipold, Dtsch. Litt.-Gesch. in 50 Kreise abgeteilt. Mit e. Anh.
über Metrik u. Poetik. Straubing, Attenkofer. 1893. VIII, 136 S. M. 1,20. (JBL. 1893 I 7:146.) — 8) X Q- Bötticher
u. K. Kinzel, Gesch. d. dtsch. Litt. Mit e. Abriss d. Gesch. d. dtsch. Sprache u. Metrik. (Anh. zu d. Denkmälern d. alt.
dtsch. Dichtung.) Halle a. S., Buchh. d. Waisenhauses. 1893. X, 174 S. M. 1,80. (JBL. 1893 I J : 83.) — 9) X ß- Benedix,
Katechismus d. dtsch. Verskunst. 3. Aufl. L., J. J. Weber. 12°. VI, 88 S. M. 1,50. — 10) X E- Stier, Th. Lohmeyer,
Kleine dtsch. Satz-, Formen- u. Interpunktionslehre nebst e. Anh. aus d. Poetik u. Metrik. 3. Aufl. (JBL. 1S92 I 5:109):
PaedA. 36, S. 444. — 11) X & Mehring, Dtsch. Verslehre (JBL. 1891 19:2). |[.I. B. Wackernell: DLZ. S. 73/5 (dazu:
S. Mehrin g, Entgegn. u. W., Duplik: ib. S. 407,8); Rieh. Müller: ÖLB1. 2, S. 396/7.]| — 12) E. Sievers, Z. Rhythmik
J. Minor, Metrik. 1893, 1894. I 8 : 12
deutigen Stelle uns vorführen : das Richtige trifft diejenige lautliche Interpretation,
von der die vollste und zugleich reinste, d. h. angemessenste Wirkung auf den
prüfenden Zuhörer ausgeht. Die erste Forderung an den Metriker besteht also
darin, dass er selbst richtig vortragen lerne. Metrik ist also die Einführung in die
Form eigen heiten und Formschönheiten der Dichtung: Und sie hat es nicht so sehr
mit den üblichen Vers- und Strophenschemata als vielmehr mit gewissen mehr all-
gemeinen Eigenheiten der gebundenen Rede zu thun. Um diese richtig beurteilen
zu können, schlägt der Vf. den Weg der historischen Betrachtung ein. Er geht von
dem Satz aus, dass alle Dichtung ursprünglich Gesang war und zwar Vermutlich ein
von Tanz begleiteter Gesang; die gebundene Rede entstand dadurch, dass man die
Rede den rhythmischen Tanzbewegungen anzupassen suchte. Ein fertiges Musikstück
aber besteht aus dem Rhythmus (A) und aus der Melodie (B). Die. Melodie wird in ver-
schiedenen Zeiten Und bei Verschiedenen Völkern verschieden gebildet, hier
giebt es keine allgemeinen Regeln. Die Gründgesetze des Rhythmus dagegen sind
immer und überall dieselben: er beruht auf Zeit (der Zerlegung des Tonwerkes
in bestimmte Zeitabschnitte) und auf Kraft (oder Nachdruck, der dynamischen Ab-
stufung der Lautmassen gegen einander). Aber die Dichtung bleibt nicht immer
Gesang; aus dem Gesangvers entwickelt sich der Sprech vers, der für grosse Ge-
biete der Dichtung die Herrschaft gewinnt. So beträchtlich der Abstand ist, so ist
er doch nur ein Gradunterschied, kein Wesensunterschied, auch der Sprechvers hat
Rhythmus und Melodie; und es ist eine der ersten Aufgaben des Metrikers, sich die
Uebereinstimmungen und die Unterschiede zwischen Sprechvers und Gesangvers klar
zu machen (Aa). Für den Rhythmus des Sprech verses kommt nach S. unser musikalischer
Takt, der nur ein praktisches Hilfsmittel für die richtige Zeiteinhaltung beim Vortrag
ist und nur der abstrakten Zeitmessung dient, indem er die Zeiteinheiten zählt und
ordnet, nicht in Betracht. Eine rhythmische oder melodische Gruppe oder Figur
bindet vielmehr eine Reihe von Einzelschällen dadurch zu einer höheren Einheit, dass
man sie mit einem gemeinschaftlichen Willensimpuls hervorbringt; das Ein- und
Absetzen dieser Impulse scheidet die einzelnen Gruppen von einander. Diese können
daher ebensogut mit der Senkung wie mit der Hebung beginnen, d. h. fallenden,
steigenden oder fallend-steigenden (Amphibrachys) Rhythmus haben (der Vortragende
macht auf Wechsel des Rhythmus im Gesänge aufmerksam; die drei ersten Zeilen des
Studentenliedes „Es sä- | ssen beim schäü- J me'nden fün- | kelnden Wein" haben
steigenden, der vierte zur Variation fallenden Rhythmus: „Und | lüstig die | Becher
er- | klän j gen"). Der verschiedene Rhythmus" ändert auch das dynamische Ver-
hältnis zwischen Hebung und Senkung: ein fallender Takt schwächt auch die Hebung,
während der steigende (crescendo) die Hebung zu verstärken und zu dehnen verlockt
(im obigen Beispiel ist sas — punktiertes Viertel, lus — blosses Viertel). Im Sprech-
vers ist der Rhythmuswechsel noch häufiger und mannigfaltiger als im Gesang.
Innerhalb eines einheitlichen Versstückes freilich begegnet er selten; vgl. aber W.
Schlegels Choliamben. Dagegen ist er ohne weiteres gestattet zwischen Vers und Vers;
vgl. Bürgers Lied vom braven Mann: „Der | Tauwind | kam vom | Mittags- | meer";
aber „er fegte | die Felder, | zerbrach | den Forst." Besonders wirkungsvoll ist der
Wechsel des Rhythmus in der Cäsur. (b) Wie die Musik einfache und zusammengesetzte
Takte durch Unterordnung des einen unter den anderen zu einer höheren Einheit
zusammenfasst, so werden auch im Sprechvers die einfachen Rhythmusgruppen oder
Füsse entweder bloss koordiniert (monopodische oder podische Bindung); oder einer
dem anderen an Nachdruck untergeordnet (dipodische Bindung), wobei die minder
betonten Füsse auch an Zeitmass hinter den vollbetonten zurücktreten, die sich auf
ihre Kosten etwas ausdehnen. Auch in den dipodisch gebundenen Versen findet
man Wechsel des Rhythmus, d. h. Bindung von steigenden und fallenden Dipodien
(Verse mit gleichlaufendem Rhythmus oder mit gebrochenem; „als ich noch ein | Knabe
war" neben „sah ein Knäb' | ein Roslein stehn"). Der podische Vers besteht also
aus doppelt so vielen gleichgewichtigen Wörtern als der dipodische: der erste ist
schwerer, zum Ausdrucke schwerster Gedankenfülle geeignet und unser eigentlicher
Kunstvers; der dipodische leichter, und der Lieblingsvers der Volksdichtung, (c)
Den Hauptunterschied zwischen dem Gesangvers und dem Sprechvers bildet die
Zeitaufteilung innerhalb der rhythmischen Gruppe. Der musikalische Takt baut sich
aus einer bestimmten Anzahl ideeller Zeiteinheiten oder /^6roi ntycörot auf, die man
durch Taktschlagen oder durch Zählen markieren kann; der Sprechvers kennt nur die
Fussteilung, innerhalb der Füsse ist die Zeiteinteilung frei, es herrscht also auch keine
bestimmte Taktart, die sich durch eine Vorzeichnung ausdrücken Hesse. Es ist also
auch vergebliche Mühe, die Versfüsse in Noten darstellen und das Verhältnis zwischen
Länge und Kürze in den einzelnen Versfüssen ein für allemal fixieren zu wollen
(hier trifft S. mit meinen Anschauungen zusammen; während ich aber in Versen mit
unregelmässigem Wechsel von Hebung und Senkung Taktgleichheit annehme). (B)
I 8:i2-i4a J. Minor, Metrik. 1893, 1894.
In Bezug auf die Melodie stehen dem Sprechverse nur die festen Tonhöhen und
Intervalle der empirischen Sprache zu Gebote. Aber das Zusammentreffen von Vers-
accent und Sinnesaccent in der deutschen Dichtung" und der im Deutschen stark
hervortretende Parallelismus zwischen Satzaccent und Satzmelodie (die Starkton-
silben liegen auch höher in der Skala) gestattet auch eine Anknüpfung der ver-
schiedenen Arten der Melodieführung an die rhythmischen Hauptarten. Dipodische
Verse müssen daher auch einförmiger sein als podische. In podischen Versen haben die
gleichen Accente auch ungefähr die gleiche Tonhöhe, das ganze also einen wesentlich
getragenen Charakter. Solchen melodisch gleichschwebenden Versen treten andere
podische gegenüber mit stärkerem aber ungeordnetem Wechsel von Nachdruck und
Tonhöhe, aus denen wieder besonders zwei Formen heraustreten: die Verse mit Sprung-
ikten („Weh, steck ich in dem Kerker noch?") und die Skalenverse, wo die Accente
stufenweise in Stärke und Höhe steigen (im Dialog zwischen Wagner und Faust redet
Wagner in Skalenversen, Faust in Versen mit Sprungikten). Endlich giebt es Verse,
die der Melodie nach dipodisch gebaut sind (d. h. je eine höhere Note mit einer
tieferen verbunden), sich aber doch von der rhythmischen Dipodie deutlich unter-
scheiden,indem die mit den stärkeren Hebungen regelmässig abwechselnden schwächeren
mindestens zum grösseren Teile auf sinnvollere Wörter fallen und daher nicht so
stark zurücktreten wie in der rhythmischen Dipodie („Das wässer rauscht', das wässer
schwoll"; Gegensatz von schwerer und leichter Dipodie). —
Psychologisches und Physiologisches. In seinen Untersuchungen
geht Meumann13) von einem Ueberblick über die bisherigen Erklärungsarten des
Rhythmus aus: die genetische — aus dem Tanz; Moriz, Scherer und Hildebrand14) —
scheint ihm nichts zu erklären, weil sie den Rhythmus schon voraussetzt; ebenso-
wenig die physiologische (aus den rhythmischen Vorgängen unseres Organismus:
Atem, Herzschlag, Puls), weil man wahrscheinlich erst, als die rhythmischen Er-
scheinungen schon bekannt geworden waren, auf die Uebereinstimmung geführt
worden sei; der teleologischen (W. Schlegel: Schonung der Kräfte durch Wirkung
des Masses) will er wenigstens die Zweckmässigkeit des Rhythmus für das Gedächtnis
(Experimente von Müller und Schumann) gelten lassen (rhythmisch geformte Wort-
reihen prägen sich leichter ein); wenig kann er von den Aesthetikern und Musik-
theoretikern, mehr von den Physiologen und Psychologen (besonders von Mach und
Wundt) brauchen. Rhythmische Formen aus den physiologischen Vorgängen abzu-
leiten, ist nach M. schon deshalb unmöglich, weil sie sämtlich Kunstprodukte sind.
Mit Herbart und Wundt betrachtet er alle rhythmischen Eindrücke als Prozesse höherer
Art, bei denen wir vorstellend thätig sind; wenn auch ausser dem ästhetischen Effekt
noch eine Summe rein sinnlicher Lust- und Unlustursachen thätig ist. Mit Herbart
sieht er in ihnen nur einen besonderen Fall der (mittelbaren oder unmittelbaren)
Wahrnehmung zeitlicher Verhältnisse, wobei die Aufmerksamkeit nur in sekundärer
Weise mit dem Rhythmus selbst, in erster Linie aber mit dem Rhythmizomenon
(musikalischer Gedanke oder poetischer Text) beschäftigt ist. Herbart hat beobachtet,
dass wir die langsamen Takte mit einem Gefühl des Aufschiebens und des Wartens,
die schnellen mit einem Gefühl der Erregung begleiten, und er giebt dafür die
Erklärung, dass wir im ersten Fall den kommenden Schall immer schon innerlich
vorgebildet haben, dass dagegen im letzteren Fall der schnell eintretende Schlag
immer die Reproduktion des vorigen in abnormer Weise beschleunige. Es handelt
sich also bei den rhythmischen Eindrücken um ein Zu- und Abwenden der Auf-
merksamkeit, ein Reproduzieren succedierender Empfindungen, ihr Zusammenfassen
zu leicht überschaubaren Vorstellungsgruppen durch Unterordnung der schwächeren
Eindrücke unter die stärkeren, teilweise sogar um ein bewusstes Vergleichen. Als
die allgemeine Bedingung des Rhythmus betrachtet M. mit Herbart, Wundt und
Riemann daher die regelmässige Wiederholung: das nachfolgende Glied erscheint als
die Wiederholung des ersten, das voraufgehende als die Vorbereitung des folgenden.
(„Höre ich," sagt der Vf., „zwei ganz gleiche Töne an, so habe ich keine Veranlassung
sie aufeinander zu beziehen" — dieser Satz widerspiicht aber direkt den Experimenten
über subjektiven Rhythmus bei M. S. 301 — ; „ist der erste beträchtlich stärker
als der zweite, so bilden sie sofort eine Einheit, der zweite ist die schwächere Wieder-
holung des ersten, der erste die kräftigere Vorbereitung des zweiten"). So macht
sich beständig die Erwartung geltend, das Folgende nach Analogie des Voraufgehenden
gestaltet zu finden, und sobald nun regelmässige mit unregelmässigen Bildungen
wechseln, wird die Erwartung bald befriedigt, bald steigert sie sich zu dem peinlichen
Gefühl der Verzögerung, bald macht sie der Ueberraschung Platz (Lotze, Wundt).
u. Melodik d.nouhochdtsch. Sprechverses. (=11 :86a, S. 870-82.) ||F. Detter: ZDPh. 26, 8.400,5.]| - 13) E. Meumann, Unter-
suchungen •/,. Psychologie u. Aetthetik d. Rhythnms. Habilitationsschr. L., Engelmann. 113 S. (Auch: PhilosSt. 10, 8. 249-822,
393-430." — 14) R. Hildebrand, Z. Urgesch. unserer Metrik: ZDU. 7, S. 1 6. — 14 a) X K. Skr au p, D. Kunst d. Rede
J. Minor, Metrik. 1893, 1894. I 8:i3-i4a
Die einfachste Form ist daher der zweigliedrige Takt, und zwar der fallende • ?;
ihm koordiniert ist der dreigliedrige, als dessen einfachste Form M. mit Wundt die
amphibrachische fff betrachtet, wo eine Hebung sowohl durch eine vorausgehende,
als durch eine folgende Senkung hervorgehoben wird (auch hiermit stehen aber die
Experimente M.s [S.304] in Widerspruch, nach denen beim subjektiven Rhythmus
nie amphibrachische Bewegung erscheint). Kompliziertere Formen kommen dann mit
Hilfe des Gedächtnisses zu Stande; es ist ein stetes Inbeziehungsetzen, ein Vorführen
von Analogie und Gegensätzen, wobei die rhythmischen Elemente, die durch Unter-
schiede in der Tonhöhe, Tonstärke und Tondauer ausgezeichnet sind, bei ihrer
Wiederkehr natürlich als Wiederholungen auffallen. Das Prinzip der Wiederholung
liegt also dem Rhythmus zu Grunde (vgl. das Accentsystem der hebräischen Sprache
und den Parallelismus der Satzglieder in der alttestamentlichen Dichtung). Die
Elemente des subjektiven Rhythmus ermittelt M. zunächst an Schalleindrücken, die
mit gleicher Qualität und Intensität in gleichen Intervallen (am günstigsten bei 0,3
oder 0,2 Sekunden, nicht unter 0,1 und nicht über 1,5, ganz aufhörend bei 4,25
Sekunden nach den Experimenten) auf einander folgen und längere Zeit fortdauern.
Wir — auch die an den Rhythmus nicht Gewöhnten? — glauben dann (fälschlich)
stärker betonte herauszuhören, die periodisch wiederkehren ; die Eindrücke werden
nicht einzeln gehört, sondern zu Gruppen zusammengefasst; zwischen je zwei Gruppen
fällt eine leere Zeit; der Rhythmus ist meistens ein fallender. Werden die Schläge
nicht in gleichen Intervallen geführt, so tritt (wie ich schon in meiner Metrik
[s. o. N. 1, S. 13/4] gezeigt habe) die Zeitordnung stellvertretend für den Accent ein:
es erscheint nicht immer der zweite, vierte, sechste usw. Schall betont, sondern die
durch die gleiche Zeitdauer von einander getrennten. Mit diesen rhythmischen
Gruppen streitet aber nun in der Musik eine andere Gruppenbildung, die durch das
innere Zusammenfassen der Töne (den musikalischen Gedanken, die Phrasierung)
gebildet wird und hauptsächlich auf der Qualität der Töne beruht. Je mehr unsere
Aufmerksamkeit auf die Tonfolge gerichtet ist, umsomehr tritt die Aufmerksamkeit
auf rhythmische Verhältnisse zurück, und besonders die mannigfachsten Zeit-
täuschungen treten ein. Der Rhythmus wird nur behauptet, indem er wie jede
gleichmässige Bewegung mechanisch oder automatisch wird (linke Hand beim Klavier).
Diese Grundsätze wendet M. nun auch auf den- gesprochenen Vers an, indem er
vorausschickt, dass die metrische Litteratur ihm für seine Zwecke sehr wenig zu
bieten habe. Ich muss dagegen protestieren; denn es wird sich zeigen, dass ich in
meiner ihm wohlbekannten Metrik die meisten Probleme vor ihm in Angriff genommen,
teilweise ganz ähnlich beantwortet habe, in dem Resultat aber freilich von ihm
abweiche, aus guten Gründen wie sich noch (s. u.) ergeben wird. Auch M. be-
schränkt sich, wie ich, auf den neuhochdeutschen Vers, der allein der experimentellen
Beobachtung zugänglich sei; auch er nimmt ihn nur in freier, künstlerischer Dekla-
mation1411), nicht in skandierender Sprechweise zur Grundlage. Den Unterschied des
poetischen Rhythmus von dem musikalischen leitet er, wie ich, zunächst aus der
Natur des Rhythmizomenon ab. Während es die Musik mit Empfindungen zu
thun hat, hat es die Poesie mit nach logischen Zusammenhängen zu Sätzen geordneten
Worten zu thun, die schon in der Prosa eine feste Betonung haben, so dass die
Poesie mit einem schon rhythmisierten Material arbeitet. Durch den Sinn bedingte
kleinere rhythmische Abschnitte durchbrechen den metrischen Aufbau derVersfüsse
beständig (bei mir: Antagonismus zwischen Versfuss und Wortfuss, zwischen
natürlicher und künstlicher Betonung) und bestimmen erst den ganzen Rhythmus
seinem Charakter nach. Neu ist M.s Erklärung: unsere Aufmerksamkeit wird dadurch
beständig (wie durch die musikalische Phrasierung) von dem Rhythmus als solchem
abgezogen; daher ist oft eine Zeitlang die freieste Behandlung des Rhythmus möglich,
ohne dass wir ästhetisch etwas vermissen. Wie jede künstlerische Durchbildung
die Natur des Stoffes zu respektieren hat, so ist auch ein völlig regelmässiger Wechsel
des Bedeutsamen und des minder Bedeutenden uns zuwider, weil dabei (wie beim
blossen Skandieren) das logisch Unbedeutende in gleicher Weise hervortritt wie das
Bedeutsame (ebenso in meiner Metrik). Völlige Regelmässigkeit wäre der Ausdruck
einförmiger Gedankenbewegung (bei mir: es ist nicht die erste Aufgabe des Dichters,
korrekte Verse zu machen). In betreff des Anteils der Quantität, die M. mit Recht
als einen unglücklichen Namen bezeichnet (ich habe zwischen Quantität als der natür-
lichen Silbendauer und zwischen der Taktdauer genau unterschieden), wirft M. den
Metrikern vor, dass sie über den Anteil der Zeitfaktoren an dem Rhythmus keine
bestimmte Antwort geben; ich habe die ganz bestimmte Antwort gegeben, die durch
die von M. selbst angeführten Experimente gestützt wird, dass sie nur dort in
Betracht kommt, wo der Rhythmus nicht durch den regelmässigen Wechsel von Hebung
und Senkung ohnedies gesichert ist. Aber M. selber führt uns in diesem Punkte
I 8:i3-ua J. Minor, Metrik. 1893, 1894.
nicht weiter. Er schickt voraus, dass, wenn unsere Aufmerksamkeit von dem Rhythmus
abgelenkt und auf den Sinn gerichtet ist, besonders die Zeitwahrnehmung so gut wie
abgeschnitten wird. Dann aber untersucht er doch die Bedeutung der Quantität für
den Rhythmus und er findet sie in denselben Punkten, wie ich in meiner Metrik:
1. tn der Silbendauer, wobei es sich zeigt, dass die betonte Silbe immer auch eine
längere Dauer hat; 2. in den Pausen zwischen den Silben, Worten und Versenden
Kur Markierung der Gruppen und grosseren Abschnitte (ich war wohl der erste, der
auf die Bedeutung der Pausen auch im gesprochenen Vers aufmerksam gemacht hat);
& in der Taktdauer. Aber in Bezug auf die Frage, in wie weit sie gewahrt wird,
konlnlt auch M. nicht weiter als die früheren Metriker vor mir. Obwohl er sie als
Wesentliche Bedingung, aller komplizierten rhythmischen Bildungen betrachtet, so
;,däss sich nirgendwo ein rhythmischer Wechsel unserer Erlebnisse nächweisen lässt,
der ihrer ganz entbehrt", findet, er, sie im gesprochenen Vers bald gewahrt, bald
vollständig preisgegeben. Die Tendenz zur Einhaltung der Taktdäuer ist allerdings
vorhanden, aber sie dient nur zur Einleitung des Automatismus und des geregelten
Fortganges der Bewegungen (also doch!). Ja sogar die Tendenz zur Einhaltung
einer absoluten Taktdauer (= 1 Sekunde) die M. als die natürliche Länge der Auf-
merksamkeitsperiode betrachtet, ist durch Experimente erwiesen. Wir empfinden,
giebt er zu, alle Verletzung der Taktgleichheit als ein rhythmusauflösendes Element.
Zwei Tendenzen der poetischen Deklamation (vgl. Sievers und meine Metrik) stehen
sich gegenüber: die taktierende oder skandierende, die das Interesse an dem Rhythmus,
und die phrasierende oder gruppierende, die das Interesse an dem Inhalt zum Aus-
druck bringt. Eine sinnvolle Deklamation nötigt zu beständiger Aufgebung des
Rhythmus, und auch die Taktgleichheit wird, wie jede künstlerische Regel, bald ein-
gehalten, bald aufgehoben (wann und wo kann also der Psychologe so wenig bestimmen
wie die bisherigen Metriker). Auf Wiederholung beruhen beide Arten des Vortrages:
dort handelt es sich um die Wiederkehr gleicher Zeitabschnitte, hier um die Wieder-
aufnahme gleich oder ähnlich gebauter Gruppen, ja oft sogar beträchtlich ungleicher,
je mehr die Aufmerksamkeit von dem Rhythmus ab und auf den Sinn gelenkt ist
(das heisst doch: je weniger von Rhythmus die Rede sein kann!). Worin besteht
denn aber nun der Rhythmus des gesprochenen Verses? Wie sich im Rhythmus
das Unbetonte dem Betonten unterordnet, so bilden sich auch im gesprochenen Vers
logische Gruppen in einem System abgestufter Betonungen, die sich unter der Herrschaft
einer Hauptbetonung in eine rhythmische Gruppe zusammenschliessen, die für das Ohr
des Hörenden so markiert wird. Für die Poesie sei (gegenüber der Musik) ein relativ
unregelmässiger Betonungswechsel charakteristisch; aber auch hier giebt es zwei
Extreme: die Annäherung an die Regelmässigkeit im Wechsel betonter und unbetonter
Silben und die Annäherung an die vollkommene Willkür und Auflösung aller Regeln.
Aber „die einzelne rhythmische (!) Gruppe kann durchaus rhythmischen (!) Charakter
haben, auch wenn sie nicht durch eine zweite wieder aufgenommen wird und von
einer Markierung des gleichen Zeitfortschrittes keine Rede sein kann . . . Soll aber
ein grösseres rhythmisches Ganzes entstehen, das einen ästhetisch befriedigenden
Eindruck macht, so muss die rhythmische Gruppe von anderen gleich oder ähnlich
gebauten wieder aufgenommen werden und zwar, falls die Pausen sich nicht in
unangenehmer Weise vordrängen sollen, mit gleichen Pausen zwischen den Gruppen,
womit von selbst eine gewisse Gleichheit in der Markierung der Hauptbetonungs-
zeiten gegeben ist" (also doch! vgl. meine Metrik. Ja „die rhythmischen Gruppen
können, wenn sie unter sich gleich gebaut sind, ihrerseits gerade die Einheit der
Taktgleichheit garantieren", dies in wörtlicher Uebereinstimmung mit meiner Metrik).
Aber da die logischen Gruppen in der Regel (!) vermöge der Subordination der Be-
tonungsstufen in denselben unmittelbar als entsprechende rhythmische Gruppen (!)
für das Ohr ins Gewicht fallen, so haben sie eine die Taktgleichheit beständig durch-
kreuzende Bedeutung nicht nur wegen der Abschnittbildung, sondern vor allem wegen
ihres in sich abgeschlossenen Betonungssystemes. Diese logische Gruppenbildung
nun ist es, die Zusammenfassung nach dem Sinn, die, indem sie beim Deklamieren in
einem der logischen und emotionellen Bedeutung entsprechenden System von Betonungs-
stufen zum Ausdruck kommt, die kleinsten rhythmischen Einheiten konstituiert; als
solche gelten unserem Erfassen also die logischen (rhythmischen) Gruppen, nicht
die Takte. Eine grössere Kombination rhythmischer Gruppen, die an sich ganz
unrhythmisch wirkt wegen allzulanger Ungleichheit der Einzelgruppen, erscheint
ferner sofort rhythmisiert, wenn sie als Ganzem wiederholt wird; ja sogar wenn sie
nur teilweise wiederholt wird, und die rhythmisierende Wirkung erstreckt sich dann
auch auf die nicht wiederholten Teile; sie wird in ihrem Effekt noch gesteigert, wenn
sie durch eine folgende reicher gegliederte in entwickelterer Form wieder aufgenommen
wird. Die Wiederholung sich entsprechender rhythmischer Teile ist das eigentlich
synthetische Element des Rhythmus. Diese Ausführungen des Vf. sind in allen
J. Minor, Metrik. 1893, 1894. I 8 : is-Ha
Punkten unhaltbar, so weit sie nicht auf den jedem Metriker wohlbekannten Satz
hinauslaufen, dass das metrische Schema in jedem Gedicht verlassen und wiederher-
gestellt wird. Sie beruhen auf dem fundamentalen Widerspruch, dass der Vf. die
logischen Gruppen, weil auch die Sprache schon ihren Rhythmus hat, mit den
rhythmischen Gruppen zusammenwirft, ohne durch die oben angezeigte (1— I) Tautologie
auf seine petitio principii aufmerksam zu werden. Es ist freilich richtig, dass auch
die logischen Gruppen ihren Rhythmus haben; als die Bedingungen des Rhythmus
aber, um den es sich hier handelt, hat M. selber die Elemente aufgezeigt: darunter
regelmässig wechselnde betonte und unbetonte Silben und Quantität; er hat ferner
oft genug darauf hingewiesen, dass die einzelnen Faktoren der Rhythmusbildung
einander ersetzen können. Während es sich in der logischen Gruppe um freien
Wechsel betonter und unbetonter Silben handelt, handelt es sich in den rhythmischen
Gruppen, ausser bei gleicher Quantität, um regelmässigen Wechsel von betonten und
unbetonten Schällen oder Tönen. Die beiden Begriffe sind also nicht gleichwertig und
können nicht vertauscht werden. Aus M.s Darstellung ergiebt sich bloss, dass hier von
Rhythmus überhaupt nicht die Rede sein kann. Sonst wäre jeder Prosatext, der ja immer in
rhythmische Gruppen zerfällt, im ästhetischen Sinne rhythmisch. Dasselbe Resultat ergiebt
sich, wenn M. die automatische Taktgleichheit leugnet, während unsere Aufmerksam-
keit vom Rhythmus ab und auf den Sinn gelenkt wird: hier ist also auch überhaupt
kein Rhythmus vorhanden, und unsere vorstellende Thätigkeit jedenfalls nicht mit
dem Ordnen der Zeiteindrücke, sondern mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Anders
verhält es sich natürlich mit der Wiederholung gleicher oder ähnlicher Gruppen,
wo entweder die eine Bedingung (regelmässiger Wechsel von Hebung und Senkung)
oder die andere (gleiche Taktdauer) erfüllt ist, oder wo sich bei grösseren Kombinationen
diese Bedingungen in einer höheren Einheit erfüllen (französischer Vers, Klopstocks
Odenverse). Gerade die Gattungen aber, deren metrisches Schema am freiesten ist,
also Knittelverse, freie Klopstocksche Rhythmen usw. kommen unter M.s Gesichts-
punkten am wenigsten zur Geltung. Denn hier findet, wenn die Senkung fehlt, gar
keine Ueber- und Unterordnung statt, trotz der logischen Gruppen! Oder wenn die
Anzahl der Senkungen rasch und stark wechselt, wiederholen sich ganz unähnliche
Figuren. Wo steckt hier der Rhythmus? Also gerade die Versarten, die dem
musikalischen Rhythmus am nächsten stehen, würden nach M. unsere Aufmerksamkeit
von dem Rhythmus ablenken auf den Sinn; M. verwechselt hier selber das metrische
Schema mit dem Rhythmus, wie er uns Metrikern vorwirft. Man lese nur die Knittel-
verse des Faust oder Goethes hohe Oden anders als taktierend! Man kann es gar
nicht, der Takt stellt sich von selber immer her. In Wahrheit aber bestätigen alle
von M. angeführten Experimente meinen Satz: bei regelmässigem Wechsel von
Hebung und Senkung ist die ohnedies garantierte Taktdauer gleichgültig; bei
freiem Wechsel von Hebung und Senkung wird der Rhythmus nur durch Ein-
haltung der Taktdauer aufrecht gehalten, wo er nicht überhaupt höheren dichterischen
Absichten geopfert wird. Diesen Satz bestätigen zunächst die Experimente von Sievers
und dem Amerikaner Bolton (bei M. S. 317, 406), wonach wir, wenn wir einen zwei-
zeitigen und einen dreizeitigen Takt unmittelbar hinter einander schlagen, die Taktdauer
unwillkürlich einhalten, d. h. die drei Schläge des zweiten Taktes erfolgen unwillkürlch
rascher als die zwei Schläge des ersten (vgl. das ganz gleichbedeutende Experiment
bei Minor [s. o. N. 1; S. 13/4]). Ferner kommt M. selber oft genug auf den Satz
zurück, den ich gleichfalls meiner Metrik zum Grunde gelegt habe, dass die einzelnen
Faktoren der Rhythmusbildung einander teilweise ersetzen können : es kann im musikali-
schen Rhythmus die Qualität des Tones (Tonhöhe) für den Accent eintreten (z.B. bei Orgel-
spiel; Wundt und Lobe, der den rhythmischen Accent überhaupt nicht gleichbedeutend
mit stärkerer Betonung hält); es können sich auch Zeitdauer und Betonung in
grossem Masse vertreten (Lobe ; Riemann: Accent auch durch geringe Dehnung der
auf den Schwerpunkt fallenden Note möglich). Und so giebt M. selber zu: jedes der
beiden Elemente kann die dominierende Stelle im Rhythmus übernehmen, wenigstens
für eine kurze Zeitstrecke; und: wenn die Schläge in ungleichen Zeiten folgen, tritt
die Zeitordnung stellvertretend für die Betonung ein. Soll im Verse überhaupt von
Rhythmus die Rede sein, so müssen diese allgemeinen Bedingungen auch für ihn
gelten. Aus ihnen ergiebt sich aber mein Satz mit Notwendigkeit. Das Experiment,
wonach ungleichzeitige Takte neben einander gestellt zur Einhaltung der Takt-
gleichheit drängen, ist aber für die Metrik auch sonst noch von Wert: denn da die
Zeiteinteilung im Inneren der Takte beim Sprechvers nicht eingehalten werden muss
(vgl. Sievers und meine Metrik), so liegt gar kein Grund mehr vor, im Hexameter
etwa den Spondeus und den Daktylus als gleichzeitige Takte zu betrachten und
eine künstliche Notenschrift zu ersinnen, in der sie beide gleich viel viertel oder
halbe Noten ausmachen. Auch in seiner Verwendung des Namens Metrik kann
ich dem Vf. nicht Recht geben. Er verwirft die herkömmliche Bedeutung, nach der
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (l)t''
I 8:13-16 J. Minor, Metrik. 1893, 1894.
Metrik der speciellere, (auf den poetischen Text bezogene) Teil der Rhythmik ist,
weil sie ihm eine beständige Quelle der Verwechslung- des metrischen und des rhyth-
mischen Gesichtspunktes zu sein scheint. Metrik ist für ihn bloss ein System von
Regeln und Symbolen für die sinnfällige Wiedergabe der Mittel, die dem Spielenden
zur Verfügung stehen, um die von dem Komponisten beabsichtigten rhythmischen
Eindrücke zu erkennen und zu verwirklichen, kurz gesagt: die (immer mehr oder
weniger unvollkommene) Fixierung für das Auge durch Noten und Versschemen
(S. 289, 297, 317, 394, 415 ff.). Der Begriff des Taktes ist für ihn ein rein metrischer ;
Takte sind metrische Einheiten, vom Rhythmus unterschieden (wie verhält sich dazu
aber die „taktierende Tendenz" beim Vortrag der Verse?). Ich kann nicht finden,
dass mit dieser Unterscheidung etwas gewonnen sei; denn wenn auch das Wort
Metrik hier in der Musik und im gesprochenen Vers dasselbe bedeutet, so werden
von M. dafür die Worte Rhythmus und Rhythmik ebenso zweideutig verwendet:
was M. den Rhythmus des gesprochenen Verses nennt, hat mit den allgemeinen
Bedingungen des Rhythmus eben so wenig zu thun, wie früher in der sogenannten
Metrik eine durchgängige Anwendung der Prinzipien des Rhythmus auf einen
besonderen Fall stattfand. Wir werden also besser auch künftig die ältere Bedeutung
des Wortes beibehalten und es sub inteso verstehen, wie M. das Wort Rhythmus.
M.s Untersuchung enthält noch eine Menge, zum grössten Teile freilich schon von
Früheren angestellter Experimente und Beobachtungen, die für die Metrik fruchtbar
werden können. Z. B. diejenigen über den fallenden und steigenden Rhythmus
(S. 280, 285/6, 299, 426). Auch nach der Meinung der Physiologen und Psychologen
ist es bloss konventionell, wenn in unserer Notenschrift immer die erste Note die betonte
ist (Wundt); derselbe physikalische Rhythmus kann physiologisch sehr verschieden
sein, je nachdem die Aufmerksamkeit, durch die Betonung geleitet, verschieden
einsetzt (Mach). Auch nach dem Musiktheoretiker (Riemann) sind beide Taktformen
berechtigt, je nachdem ein Ton als die gesteigerte oder die abgeschwächte Wieder-
holung des vorigen betrachtet wird. Aber M. führt doch Experimente an (S. 286, 426), die
fast alle die natürliche Neigung (und nicht bloss bei den Deutschen, sondern auch bei den
Amerikanern) zeigen, den betonten Schall als den taktbeginnenden zu hören.15) — Recht
im Gegensatz zu M. steht von Dubczynski16) ganz auf dem Standpunkt
Brückes. Die Taktgleichheit gilt ihm heute noch, wie bei den antiken Völkern
und bei den alten Deutschen, überall als Gesetz ; die geringste Verletzung empfinden
wir lästig, als Knittel- oder stolpernde Verse (!). Das skandierende Hersagen von
Versen durch Kinder wird als natürliche Grundlage des Rhythmus auch für den
gesprochenen Vers herangezogen; mit Brücke betrachtet D. den Rhythmus gern los-
gelöst von Sinn und von Worten an sinnlosen Lauten bimbam. D. arbeitet noch mit
dem Kymographion; für die übrigen Experimente stehen ihm keine Apparate zur
Verfügung. Sein Hauptgegenstand ist die physiologische Wirkung der Musik und des
Verses auf den Körper. Dass eine solche besteht, beweist nicht bloss die Heils-
wirkung, welche die Alten und die Wilden dem Rhythmus zuschreiben, sondern
auch die neueren Untersuchungen Dogiels über den Einfluss der Musik auf den
Blutkreislauf. In einem erkenntnistheoretischen Exkurs betrachtet der Vf. die Zeit
als eine Relation, die nicht direkt zu beurteilen ist, weil sie nicht als Zeit percipiert
werden kann, sondern die nur an einem Masse zu messen ist. Um dieses Mass aus-
findig zu machen, konstatiert der Vf. zunächst aus Versuchen, dass wir in einer
Minute meistens 70 — 80 Arsen lesen, beim Hexameter durchschnittlich 70 — 75, niemals
aber unter 60; interessant ist, dass dieselben Menschen denselben Text an ver-
schiedenen Tagen mit verschiedener Geschwindigkeit lesen. Die Atemperiode entspricht
dem nicht: wir machen in der Minute nur 16 — 20 Atemzüge, und das Atemholen
wird beim mündlichen Vortrag ausserdem künstlich geregelt. Aber der Herzschlag
mit seinen 60—80 Kontraktionen in der Minute entspricht. Versuche haben dem Vf.
gezeigt, dass der Pulsschlag mit dem Tempo der Rede zunehme. Nun sind wir
uns des Herzschlages freilich nicht bewusst, weil wir an ihn gewöhnt sind;
aber der Vf. sucht nachzuweisen, dass zwischen dem Herzen und dem Ohr in den
Gefässen des Blutumlaufes ein Zusammenhang bestehe, dass also der Aortenstoss
auf das Ohr einen direkten Reiz ausüben könne. Glockenschläge die mit dem Aorten-
stoss zusammenfallen, sind dem Vf. deutlicher, andere die dazwischen fallen, undeut-
licher erklungen. Ebenso will er gefunden haben, dass bei einem Deklamator die Puls-
schläge und die Arsen zusammenfallen. Er schliesst daraus, dass uns das Sprechen
weniger anstreng-end sei und angenehmer klinge, wo die Geschwindigkeit des Sprechens
mit dem Herzschlag gleichen Schritt hält. Als praktische Folgen für die Metrik
u. d. Vortrags. L., J. J. Weber. XVI, 284 S Mit 16 Abbild. M. 4,50. — 15) X E- Sievers, Grundzüge d. Phonetik z.
Einfährung in d. Studium d. Lautlehre d. indogerm. Sprachen. 4. verb. Aufl. (= Bibl. indogerman. Grammatiken, bearb. v.
B. Delbrück, K. Foy, W. Hubschraann u. a. 1. Bd.) L., Breitkopf & Härtel. 1893. XVI. 298 S. M. 5,00. — 16) A. J. R.
v. Dubozynski, Beurteilung n. Begriffsbildung d. Zeitintervalle in Sprache, Vers u. Musik. Psycho-philos. Studie v. Stand-
J. Minor, Metrik. 1893, 1894. I 8 : le-ao
will der Vf. daraus ableiten: 1. dass Verse mit vielen Senkungen (jambische und
trochäische Trimeter und Tetrameter) ungleich schneller gelesen werden müssen als
z. B. daktylische Verse, weil bei der Pulsfrequenz oder Hebungszahl von 70 Schlägen
in einer Minute dort 280, hier nur 210 Silben zu sprechen seien; 2. dass uns am Eingang
des Verses Unregelmässigkeiten, d. h. ungleichwertige Silben nicht stören, während sie
(Brücke) nach der zweiten Arse schon störend wirken: weil sich hier die Ge-
schwindigkeit der Sprache dem Masse bereits zu akkomodieren beginnt (aber doch
nicht bei jedem Verse von neuem?). Endlich glaubt der Vf. beobachtet zu haben,
dass auch die Pulsfrequenz des Zuhörers, besonders des aufmerksameren, sich nach
der des Sprechers regelt . . . Die Ausführungen des Vf. sind recht anfechtbar
— wie kommt es, dass viele Menschen trotz Puls und Herzschlag vollkommen un-
rhythmisch sind? — und seine Versuche flössen mir wenig Vertrauen ein. Was an
ihnen wahr ist, hat schon Dogiel erkannt, der der Musik nicht bloss Einfluss auf den
Blutkreislauf der Menschen und Tiere zuschrieb, sondern auch Veränderungen in der
Atmung mit diesen Schwankungen des Blutkreislaufes in Verbindung' brachte.
Hervorhebung verdient, dass auch D. (mit Berufung auf Vierordt, Mach und Hermann)
unsere Empfindlichkeit für gleiche Intervalle bei einer Geschwindigkeit zwischen
0,3 und 0,4 Sekunden am schärfsten findet ; am meisten bei 0,375 Sekunden, wo
Unterschiede von 0,05 (Mach, 0,046 Vierordt) Sekunden empfunden werden. Bei
0,3 Sekunden wird ein Unterschied von 3,3 °/0, resp. 5 °/0 noch erkannt ; bei langsameren
Schlagfolgen, über 0,3, wird das Urteil immer weniger sicher, bei 1,4 ist die Hälfte
der Urteile falsch, wobei kleine Zeiträume g-e wohnlich für grösser, grosse gewöhnlich
für kleiner genommen werden. Ich will auch nicht unterlassen, darauf aufmerksam
zu machen, dass die Zahl von 70 Arsen in der Minute an Meumanns Untersuchungen
eine Stütze findet, der für eine rhythmische Gruppe durchschnittlich eine Sekunde
rechnet. — Ueber die physiologischen Grundlagen der rhythmischen Empfindungen
handelt auch das einleitende Kapitel der nachgelassenen Schrift von Billroth17):
„Wer ist musikalisch?" Vf. betrachtet den Rhythmus als ein wesentliches, mit unserem
Organismus innig verbundenes Element des Musikalischen: Rhythmus des Atmens,
des Herzschlags, der Körperbewegungen (Gehen, Marschieren, Tanzen). Nach dem
Gesetze der Mitbewegungen werden wir umgekehrt durch den Rhythmus zur Be-
wegung mit fortgerissen. Sehr interessant sind besonders die statistischen Angaben
von Militaristen über die Prozentsätze von Rekruten, die schwer oder nie rhythmisch
marschieren lernen; es giebt also Menschen, denen (trotz Atemholen und Herzschlag!!)
das rhythmische Gefühl nicht angeboren und auch nicht beizubringen ist. Körper-
und Gedankenbewegungen scheinen dem Vf. im Mittelalter weit langsamer gewesen
zu sein als jetzt, daher die langsameren Rhythmen. Auf dem Rhythmus beruht die
Popularität und daher die Langlebigkeit der Komposition; ohne einen sehr deutlich
decidierten Rhythmus lebt kein Volkslied besonders lange. Eintöniger Rhythmus
macht die Musik langweilig, übermässig rascher Wechsel im Rhythmus spannt uns
ab. Von dem Rhythmus der Bewegung unterscheidet B. den ruhenden Rhythmus,
die Symmetrie im Räume (Meumann bekämpft diese Uebertragung bildlicher Ausdrücke
auf andere Vorstellungsarten). In dem Kapitel über die Beziehungen von Tonhöhe,
Tonklang und Tonstärke zu unserem Organismus ist besonders das Ueberspringen
von einem Sinnescentrum zum anderen interessant: Trompetenklang oder Pfeifenton
ruft dem einen die Vorstellung von gelb, die Kirchenglocke anderen violett, der
Violinton rotviolett vor ; die Vokale A = schwarz, E = halbviolett, I == hellgelb,
O = dunkelviolett, U = braungrau. Uas Ueberspringen von Sinneswahrnehmungen
auf Empfindungen und von Empfindungen auf Bewegungen wird durch sehr lehr-
reiche Beispiele, auch aus der Tierwelt, belegt. —
Accentlehre. Ueber den natürlichen Rhythmus der neuhochdeutschen Sprache,
über die Quantitäts-18) und Betonungsverhältnisse der Prosa, liegen so gut wie gar
keine besonderen Arbeiten vor, so dringend gerade dieses Gebiet die Sprachforscher
zu einer Bearbeitung herausfordert. Besonders die Accentlehre wünschte ich durch
meine Metrik aus dem langen Winterschlaf herausgerissen zu haben. Hof f mann -
Krayer19-20) in Zürich hat in seinem Aufsatz namentlich seine Beobachtungen über
Gleichgewichtserscheinungen (unabsehbar für unabsehbar) mit einigen Zusätzen der
Schule zugänglich gemacht. So unhaltbare Behauptungen, wie menschheit mit dem
Nebenaccent (vgl. menschheit lebt), werden hoffentlich bald ganz verschwinden. Wenn
H. meint, dass man etwas Abschliessendes über die Betonung ohne viele Belege aus
den indogermanischen und ausserindogermanischen Sprachen nicht werde bieten
können, so teile ich diese Ansicht nicht; ich rate vielmehr bei der Stange zu bleiben
und die lebende Sprache zur alleinigen Lehrmeisterin zu wählen. Mit Recht aber
punkte d. Physiologie. L., Litt. Anst. (A. Schulze). 50 S. M. 2,00. — 17) Th. Bill roth, Wer ist musikalisch?: DRs. 81, S. 78-106. —
18) X A.Heu sler,G.Burghauser, D. neuhochdtsch. Dehnung d. mittelhochdtsch. kurzen Stammvokals (JBL. 1891 1 8:30): DLZ. 1893,
S.333,4. -19)E. Hoffmann-Krayer, Z. Accent u. Sprachrhythmus: ZDU. 8, S. 757-63. - 20) id., Stärke, Höhe, Länge. E. Beitr.
(1)13*
I 8:20-23 j. Minor, Metrik. 1893, 1894.
lässt sich H. durch die doppelte Bedeutung- des Wortes Accent (1. Hervorhebung
einer Silbe oder eines Wortes; 2. mundartlicher Tonfall, z. B. sächsischer Accent)
darauf führen, auch den Tonfall in Betracht zu ziehen. Ich habe schon in meiner
Metrik, leider zu selten, die Qualität der Töne bei der Accentlehre berücksichtigt.
Es ist heute meine Oeberzeugung, dass die Tonhöhe bei der Betonung, namentlich
im Satzaccent, eine viel grössere Rolle spielt. Wie der Musikästhetiker Lobe gezeigt
hat, dass der rhythmische Accent keineswegs immer identisch ist mit stärkerer Be-
tonung, dass vielmehr der Accent auch durch die Tonhöhe vertreten werden kann,
so ist auch der prosaische Accent keineswegs bloss Tonstärke. In „ein edles
pferd" herrscht bei ruhiger Sprechweise aufsteigender Accent; will ich aber
das Attribut betonen („ein edles pferd duldet keinen sporn"), so ist „edles" nicht
stärker, sondern nur höher betont. ' Accent ist nicht immer Tonstärke, er ist nur
Auszeichnung, die Auszeichnung kann auch durch die Tonhöhe geschehen. — Auf
solche Gedanken führt auch der Aufsatz von Hildebrand21) über „rhythmische Be-
wegung in der Prosa". Er geht von dem Unterschied zwischen der deutschen und
der französischen Betonung aus, die den Unterschied zwischen Haupt- und Neben-
accent nicht kennt und dem Zusammentreffen der beiden Accente auszuweichen sucht:
der Franzose sagt statt Vorlesung immer Vorlesung (man übersehe hier nicht die
feinen Bemerkungen von Lindau22) über den Accent im französischen Vortrag).
Mit Recht sagt H., dass vorlesen genau so viel Zeit in Anspruch nimmt wie vorzu-
lesen oder vorgelesen ; der „Raum" zwischen den beiden Accenten bleibe offen, wenn
keine unbetonte Silbe eingeschoben ist. Anders als Hoffmann, namentlich vom Stand-
punkt der Tonhöhe aus, beurteilt H. das sog. Rücken des Accentes- in ansehnlich
und unansehnlich, in ünausfüllbar und unaüsfüllbär. Aus füllen, sagt er, wird aus-
füllen, wobei „aus" höher gelegt wird, als die Tonlinie der Stammsilben ist, aber füll
in seinem Tonrechte keineswegs verkürzt wird; ebenso aus sehen: ansehen. Kommt
nun noch eine betonte Vorsilbe un hinzu, so besteht das Bestreben, un noch höher
zu legen, an tritt zurück, sehen müsste noch mehr zurücktreten — d. h. die künstliche
Abstufung der Töne würde zu künstlich, man kehrt daher wieder zum Natürlichen,
zum Möglichen zurück, und die Sprache behilft sich mit dem regelmässigen Wechsel
von Hebung und Senkung, wobei es ihr, da alle Silben Anspruch auf Accent haben,
gleichgültig ist, ob unabsehbar oder unabsehbar betont wird (vgl. dagegen nur
unabwendbar, unausdenkbar). Solche Betonungen ziehen durch Analogie noch andere
ähnliche Fälle in ihren Bereich, ohne das Schwanken ganz zu beseitigen. Betonungen
wie wahrscheinlich und notwendig will H. aus den Substantiven (Wahrscheinlichkeit,
Notwendigkeit) erklären ; sie werden um so fester, weil sie dem Bedürfnis des Verses
entgegen kommen. — Eine die Betonung betreffende Specialfrage, nämlich die Hebung
des schwachen e, behandelt auf Grund eines sehr reichen Materials Vogt 23). Für
uns kommt nur der auf die neuere Litteratur bezügliche Teil der Abhandlung in Betracht.
Die mittelhochdeutsche Dichtung der Blütezeit sucht das schwache e bekanntlich aus der
Hebung nicht bloss am Versschluss, sondern ganz zu verbannen. In der neuhochdeutschen
Zeit werden solche Hebungen erstens durch die Dehnung der Stammsilben (daraus
folgt die Unmöglichkeit der Verschleifung in Fällen wie maneger), zweitens durch
das Gesetz des regelmässigen Wechsels von Hebung und Senkung (daraus folgt die
Unmöglichkeit ein Wort wie dienete mit Nebenton auf zweiter Silbe zu brauchen)
unentbehrlich. Bei den Meistersingern können die Endsilben, besonders die auf -er
und -el, sogar wie im frühmittelhochdeutschen in der Hebung stehen, während die
Stammsilbe in der Senkung steht (meister: her); am häufigsten im Teuerdank (helden:
standen), wo alle Arten der Endsilben -e vorkommen, während Hans Sachs nur das
-er so reimt (wer : götter), Hans Sachsens Schüler Puschmann aber auch in der
Theorie alle diese Fälle nur dann strafbar findet, wenn „man klügeln will oder in
die Schärfe merkt." Seit Opitz kommen, da der Wortaccent jetzt beachtet und regel-
mässiger Wechsel von Hebung und Senkung Gesetz wird, nur mehr dreisilbige
Wörter in Betracht, in deren Beurteilung und Anwendung keine Uebereinstimmung
herrscht. Opitz braucht sie nicht bloss im Versinnern (selbst wenn kein -e in der
Senkung folgt), sondern auch in der Cäsur des Alexandriners, nie aber im stumpfen
Reim. Zesen betrachtet das Flexions-e in dreisilbigen Wörtern als kurz, besonders
in Komposita (obsiegen), nur — er (prediger) bezeichnet auch er als anceps, jedoch eher
kurz als lang, aber in der Vershebung lässt er sie sowohl im Innern als in der Cäsur
gelten und deutet nur an, dass die mittlere Silbe auch kurz sein müsse; in seinem
Reimregister stehen daher schwer : förderer: wagenschmeer, aber auch Spree : bessere:
irdische, obwohl er weiss, dass die dreisilbigen eigentlich unter die Daktylen gehören.
Schottel dagegen betrachtet sie, auch bei unbetonter Mittelsilbe, schon nur mehr als
z. Physiol. d. Accentuat. mit speo. Berücks. d. Deutschen. Habilitationsschr. Zürich. 1892. IX, 51 S. — 21) R. H i 1 d e b r a n d , Rhy thm. Be-
wegung in d. Prosa: ZDU. 7, S. 641/7. — 22) P.Lindau, Bemerkungen über Regie u. Inscenierung: N&S. 65, S. 35-106, 227-42. (Bes.
J. Minor, Metrik. 1893, 1894. I 8 : 23-24
eine „Vergünstigung- oder Uebersehung", und Birken lässt sie überhaupt nur als
Daktylen gelten, obwohl er in der Praxis das betonte e mitunter nicht entbehren
kann. Hunold spottet über Reime wie Schlesier : peiniger, die sehr übel klappen;
trotzdem hat im 18. Jh. nur Goethe solche Reime bloss daktylisch verwendet, während
Lessing, Schiller (dieser besonders, vgl. Jungfrau von Orleans Könige : Höh und die
Preussenhymne „nicht Ross noch Reisige : sichern die steile Höh") usw. keinen Anstoss
an e im Reime nehmen. Im Versinnern ist betontes e ganz gewöhnlich. Nur
Moriz lässt (hei-)liger nur als w «, nicht als - * gelten. Voss betrachtet sie in der
natürlichen Betonung auch als kurz; aber aus rhythmischen Gründen, und zwar aus
Gründen nicht des Accentes sondern der Quantität (weil die betonte Silbe an Dauer
gewinnt), findet er sie gerade an den starkbetonten Stellen des Verses, im Versschi uss,
in der Cäsur tauglich, aber auch in der Pause (?) am Wortschluss (während im
Wortinnern flüchtigeren unmöglich sei). W. Schlegel lässt es im Versinnern bei
seltenem Gebrauch, aber nicht in der Cäsur und im Versschluss gelten; Brücke be-
schränkt es auf die minder betonten Arsen. Die Dichtung des 18. Jh. lässt es,
wenigstens bei schwacher Mittelsilbe, an allen Stellen, in der Cäsur des Alexandriners,
in der letzten Hebung des fünffüssigen Jambus usw. so gut wie im Versinnern gelten (auch
Wieland, den ich Metrik S. 120 mit Bezug auf Sauer S. 26 ausgenommen hatte); Goethe
verbindet sogar Hiatus damit (vgl. meine Metrik S. 179 — 80) und lässt in der Pandora
eine schwere Senkung folgen („freundlicher Meerwünder schreitend"), aber dennoch
braucht Goethe die -e in dem Tasso und in der Claudine seltener als in der früheren
Iphigenie. Und wenn sie in seinen ältesten Trimetern häufiger vorkommen, besonders
im Versschluss, so ist er hier durch das antike Schema beeinflusst, dessen C er nachzubilden
trachtet. Darum hat er auch später in der Ueberarbeitung und in den neuen Partien
der Helena die e im Versinnern getilgt, aber gerade am Versende (entsprechend
dem antiken j) beibehalten. Aus dem Briefe an Schiller über die Phädra (1805)
ergiebt sich, dass Goethe das Problem mit der antikisierenden Metrik von Seite der
Quantität auffasste (der ohnedies kurze Vers würde dadurch noch kürzer, und der
Schauspieler knicke gleichsam zusammen!), und dem entspricht in den Lesarten
zur Helena die Praxis, in solchen Fällen der Taktdauer durch Zerdehnung nach-
zuhelfen: erschütterendes schien Goethe besser als erschütterndes. In den fünffüssigen
Jamben der Helena hat sich Goethe Anapäste nicht gestattet, daher finden sich hier die e
weit häufiger als je zuvor, wobei er wieder nach dem obigen Grundsatze dem
Vers durch eine folgende schwere Senkung Fülle zu geben sucht. Vogt hat ganz Recht,
wenn er diesem Prinzip seine Zustimmung erteilt: denn bei der taktierenden
Deklamation der Weimarer Schule wurde das e so stark betont, dass es eine
schwere Senkung (unmittelbar vor folgender starker Hebung) aushalten konnte, was
im fünffüssigen Jambus bei unserer Vortragsweise nicht mögiich wäre. Schade, dass
sich der Vf. die höchst lehrreichen Beobachtungen Heines gelegentlich der Mitarbeit
an Immermanns Tulifäntchen (Elster 7, S. 262—75 passim) hat entgehen lassen. —
Verslehre. In seiner feinsinnigen Art und Weise, die auchBekanntes (s.o. N. 12, unter
Aa)als neu erscheinen lässt, handelt Hildebrand24) über den gemischten Rhythmus
(d. h. die Mischung schreitender und hüpfender, oder besser zweisilbiger und dreisilbiger
Versfüsse). Von den drei möglichen Formen der Mischung* (1. verschiedene Zeilen
derselben Strophe gehen in verschiedenem Rhythmus, vgl. Schillers Erwartung*; 2. die
verschiedenen Strophen desselben Gedichtes gehen in verschiedenem Rhythmus, vgl.
Schillers Eleusisches Fest) behandelt H. nur den dritten, wo die Mischung in
derselben Verszeile auftritt; und auch hier unterscheidet er wiederum die beiden
Fälle, wo die verschiedene Bewegung an eine strenge Regel gebunden ist (der von
Zeile zu Zeile um einen Fuss vorrückende Daktylus in der Klopstockschen Nachbildung
der sapphischen Strophe lässt uns kühl) und den anderen, wo die Bewegung frei
mit dem Inhalt wechselt, wie in Goethes Erlkönig (es dürfte aber kaum : „er hat
den | Knaben wohl | in dem | Arm" und „manch bunte | Blumen sind | an dem |
Strand", zu lesen sein, sondern: „Knaben | wohl in dem" und „Blumen | sind an dem").
Das historische Fundament des Artikels ist sehr schwach, H. selbst muss es wiederholt
ausbessern. Zuerst findet er darin eine ganz neue Erscheinung*, die er auf den
Einfluss der Herderschen Volkslieder zurückführen möchte, obwohl Herder sich der
Freiheit mehr aus Bequemlichkeit als aus höheren Kunstabsichten bediene (war nicht
im gesungenen Lied, auch im Gesellschaftslied des 17. und 18. Jh. die Auflösung einer
längeren Note in zwei kürzere seit jeher gestattet?). Dann aber findet er sie, wie er
meint, bloss aus bequemer Nachlässigkeit, auch in Wielands Oberon, in Goethes freien
Rhythmen (die auch für H. im Grunde eigentlich gehobene Prosa sind), in Schillers
„Schlacht", in improvisierten Versen usw. Diese Untersuchung muss auf Grund eines
weniger zufälligen Materiales neu geführt werden. —
S. 236 7.) — 23) F. V o g t , V. d. Hebung d. schwachen e. E. Beitr. z. Gesch. d. dtsch.Versbaus. (=12: 50, S. 150-79.)- 24) R. H i 1 d e b r ;i n d ,
I 8:25-2? j. Minor, Metrik. 1893, 1894.
Zu Beobachtungen über den Hexameter hat Hildebrand25) eine Stelle
in meiner Metrik (S. 3) den Anlass gegeben, wo ich ihn auf Grund seiner mir
damals allein zugänglichen Ausführungen über den Rhythmus der Auszählsprüche,
in denen er ganz mit Zelle übereinstimmt, zu den deutschnationalen Metrikern
gerechnet habe. In den beiden Aufsätzen will er keineswegs zu den krittlichen
Verkleinerern des deutschen Hexameters gezählt werden. Er geht von dem Daktylus
aus und wirft den Deutschen, besonders in der Schule, vor, dass sie die zweite Kürze
unwillkürlich zu verlängern bestrebt seien; also cörporä, münerä sagen (aber das
ist doch bloss ausserhalb des Hexameters der Fall, wenn nicht wiederum die stark-
betonte Silbe des nächsten Versfusses darauf folgt?), während die richtige Betonung
sei: münera, cörpöra. Solche Daktylen findet der Vf. nun auch instinktiv im deutschen
Hexameter bevorzugt : „häb ich den | markt und die | Strassen doch | nie so | einsam
ge|sehen"; und er macht aufmerksam, dass auch die Musiker Daktylen mit Nebenaccent
auf der ersten Senkungssilbe behandeln, z. B. Beethoven in „freudvoll und leidvöll",
oder „wir hätten gebaüet ein stättliches Haus". Sogar im alten römischen Daktylus
falle auf die erste der beiden Kürzen ein Prosaton. (Den Namen Daktylus leitet
Hildebrand mit Aristides von „Finger" ab: die drei Glieder des Fingers und des
Daktylus stehen in dem absteigenden Grössenverhältnis; das Hauptglied grösser als
zweite, das zweite grösser als das dritte — also nach dem Gesetz des goldenen
Schnittes, den ich in meiner Metrik (S. 211) zuerst auf die Teile des Hexameters
angewendet habe). — In dem zweiten Aufsatze betrachtet Hildebrand26) den
Hexameter als einen Vers von gemischtem Rhythmus. Der dreisilbige Versfuss ist
der bevorzugte, dem im vorletzten Fuss seine Stelle gewahrt ist; aber auch dem
zweisilbigen Versfuss bleibt am Schluss, im letzten Fuss, sein Recht gewahrt. Also
nicht der hüpfende Rhythmus allein, sondern die Mischung des hüpfenden und des
schreitenden Rhythmus charakterisiert den Vers. H. zeigt an etlichen Stellen
aus lateinischen, griechischen und deutschen Dichtungen, dass dem letzten Daktylus
(oder den beiden letzten Daktylen) gern ein Spondeus vorausgeht, der mit ihm ab-
wechselt und also die Vorliebe für die Mischung der Versfüsse an vierter und fünfter
Stelle (bezw. dritter und vierter Stelle) verrät. Die genauen statistischen Unter-
suchungen von Drobisch, auf denen meine Aufstellungen in der Metrik (S. 285) beruhen,
hat H. nicht zu Rate gezogen. Er erklärt die Erscheinung aus dem Gesetz des Gegen-
satzes: die verschiedenartigen Versfüsse heben sich gegenseitig in ihrer Wirkung,
indem sie nebeneinander treten. Ich glaube vielmehr, dass sie in ein noch un-
geschriebenes, aber sehr notwendiges Kapitel der Metrik gehört, das von der Bewegung
handelt: der lebhafte dreisilbige Versfuss wird durch den ruhigeren zweisilbigen
gestaut und aufgehalten, und umgekehrt der trägere zweisilbige durch den muntereren
dreisilbigen wieder beflügelt, und auf diesem Antagonismus beruht die gleichmässige,
nicht zu lebhafte und auch nicht zu träge Bewegung des Verses. Erst im Zusammen-
hang mit dem Kapitel von der Bewegung wird man förderlich über das Ethos der
Versfüsse und Verse handeln können. —
Mit dem Tr im et er Goethes beschäftigt sich ausser Vogt (s. o. N. 23) auch
Niejahr27) in seiner Studie über die Helenadichtung. Er unterscheidet nicht
zwei (Harnack), sondern drei Perioden in Goethes Trimeterdichtung: I. 1800 — 2, wo
Goethe ohne genaue Kenntnis des griechischen Verses an die Arbeit geht, G. Hermanns
griechische Metrik verschmäht, aber mit ihrem Vf. 1800 überProsodie und Rhythmik
sich unterhält, und sich an das Muster und die Lehre W. von Humboldts (Ueber-
setzung des Agamemnon von Aeschylos und ein hs. Aufsatz über den Trimeter) anlehnt.
So entsteht das Helenafragment mit kunstloser Behandlung des neuen Masses:
zu lange und zu kurze Verse; (spärliche) dreisilbige Füsse nach Muster des Aeschylos
und seines Uebersetzers; monopodische Bewegung wie bei J. E. Schlegel und Eamler
(Wieland ist übersehen trotz meinem Hinweis). Obwohl Goethe selber bekennt, dass
er „nur so nach allgemeinen Eindrücken" arbeite, lässt N. sich verleiten, die Goetheschen
Verse auf die strenge Regel des antiken tragischen Trimeters hin zu prüfen, wonach
der Anapäst (ausser bei Eigennamen) nur im ersten Fuss statthaben kann, während
es sich sonst nur um Tribrachys (* t> ») und falschen Daktylus (- « «) handelt. Da er
nun keinen Zweifel gelten lässt, dass man „von Vä|ter Ere|bus melde" zu lesen habe
und nicht „von vä|terE|rebus meljde", ferner dass eine Form wie „erfolgte" als Tribrachys
aufzufassen sei, so hat er es leicht, auch diese Regel nicht bloss bei Goethe, sondern
in der deutschen Trimeterdichtung überhaupt bestätigt zu finden. Ich frage nur,
worauf sich diese Unterscheidung der Versfüsse gründet, und ob je ein deutscher
Dichter, der nicht zugleich Philologe war, etwas anderes als Jamben und Anapäste
im Trimeter verwendet hat? Nach N. hat Goethe auch das von Humboldt gelernt, und
Gemischter Rhythmus: ZDU. 8, S. 173-83. — 25) id., Z. Daktylus, d. dtsch. u. latein., auch v. Hexameter: ib. S. 1/6. (S.
auch PrJbh. 75, S. £36-41.) - 26) id., Z. Hexameter: ib. S. 89-94. - 27) J. Niejahr, Goethes Helena: Euph. 1, S. 81-109.
J. Minor, Metrik. 1893, 1894. I 8 : 27-30
ebenso die Anwendung* der Cäsur; die Mängel liegen nur in der Behandlung der
Silben messung (! also nicht in der Unkenntnis des antiken Verses?). II. 1807 und 8:
In der Pandora (die im „Prometheus" wirklich nur bis zum Abgang der Elpore
erschienen ist, obwohl noch vier Hefte der Zeitschrift herauskamen) macht sich Vorliebe
für zweisilbige Senkungen geltend; aber im Halleschen Theaterprolog wieder strenge
Jamben wie bei Ramler, dessen Einfluss sich auch in der Archilochischen Epoden-
form (Trimeter wechseln mit jambischen Dimetern) des Fragmentes vom „Löwenstuhlu
zeigt. Der Einfluss Riemers und das Studium der Metrik von Hermann bestimmen
Goethe: ni. 1825 — 30. Unter Riemers und Göttlings Einfluss erhält Goethe (jetzt erst?)
eine sichere Anschauung von dem Wesen des antiken Verses und er bildet ein festes
Stilprinzip im Anschluss an die Form des altgriechischen Verses aus. Bei der Um-
arbeitung des Helenafragmentes und in den neugedichteten Partien handelt es sich
nach N. besonders um die Vermehrung der Senkungen (vgl. dagegen Vogt N. 23),
daher wird Synkope absichtlich vermieden. Muster ist aber jetzt nicht mehr Aeschylos,
sondern Euripides. Auch sonst findet N. peinliche Nachbildung der Antike: die
dreisilbigen Füsse seien auf die erste bis vierte Versstelle beschränkt; der Iktus falle
meistens auf die erste Silbe eines neuen, mehrsilbigen Wortes, wenn die Länge auf-
gelöst ist; die Cäsur gewöhnlich im dritten, seltener im vierten Fuss. Mich haben
seine Ausführungen in keinem Punkte überzeugt; am allerwenigsten die (bloss
chronologische) Periodisierung, denn schon aus diesem Auszug wird man ersehen
haben, dass die Perioden im wesentlichen sich decken. —
Während über den englischen fünffüssigen Jambus aus der jüngsten
Zeit zahlreiche Untersuchungen vorliegen28"28,1), die künftig vielleicht auch der
deutschen Metrik zu gute kommen werden, kann es sich im Deutschen, wo seit
Zarncke, Dannehl und Sauer gerade der fünffüssige Jambus das Lieblingsthema einer
freilich oft nach der von dem Vorgänger ererbten Schablone arbeitenden Untersuchung
geworden ist, bloss noch um Ergänzungen handeln. So vervollständigt Schlösser29) die
Arbeiten Dannehls und Sauers über den fünffüssigen Jambus bei Zachariä, indem er die
von diesen übersehenen Bruchstücke einer Jambenübersetzung von Miltons verlorenem
Paradies (in dem Vorbericht zum zweiten Teil der hexametrischen Uebersetzung
1763) und die Jamben in „Tayti" 1777 einer Untersuchung nach dem Muster Sauers
unterzieht. Neues ergiebt sich wreder für die Geschichte des fünffüssigen Jambus
noch für den Vers Zachariäs, dessen Vorliebe für stumpfe Ausgänge (auch auf
nebentoniges [nicht „unbetontes"] e) allerdings 1763 noch nicht Gesetz ist, der aber
in seiner Vermeidung des Hiatus, in seiner Bevorzugung langer Perioden (nach
Zarnckes unglücklichem Ausdruck, d. h. des durch 20—30 Zeilen hindurchgehenden
Antagonismus zwischen Satzschluss und Versschluss) und in der freien Handhabung
des Enjambement seine aus den älteren Forschungen wohlbekannten Züge zeigt.
Leider beurteilt auch Seh. das Enjambement noch immer allein nach der zufälligen
Zusammengehörigkeit der Satzglieder (der Genetiv vom regierenden Substantiv ge-
trennt usw.), obwohl die Redepausen mehr von der Länge der einzelnen Satz-
gliederund von der Struktur des ganzen Satzes abhängig sind; in „treueste, || gefälligste
Gefährtin" z. B. liegt gar kein Enjambement vor, weil hier auch in der raschesten
Prosa jeder eine Pause einhalten muss ; vgl. „ordentliche, || brave Leute" und „ordent-
liche junge Leute"! —
Eine sehr lehrreiche Arbeit über den Knittelvers bis auf Goethe ver-
danken wir Flohr30). Der Name, von den leoninischen Hexametern auf die deutschen
Alexandriner mit Innenreimen übertragen, wird dann auch von den ähnlich kurzen
Nachzüglern der alten Reimpaare tadelnd gebraucht; in der Litteratur kommt er
zuerst bei Canitz (1677) vor, Wernicke gebraucht ihn dann für das französische
poeme burlesque. Der Hans Sächsische Vers, den F. nicht als silbenzählend, sondern
als den altdeutschen Reimvers betrachtet, wird nach den strengen metrischen und
stilistischen Vorschriften Opitzens als altfränkisch empfunden, und er muss dem
Alexandriner in der Kunstdichtung das Feld räumen; nur im Sinngedicht sind,
vermöge der Volkstümlichkeit des Inhaltes, die vierfüssigen Jamben, allerdings meistens
in strophischer Gliederung, nie ganz geschwunden. Es leben aber die von den
Litteraten verachteten Reimpaare in den Versen der Spruchsprecher, Pritschmeister
und der unstudierten Handwerker auf Schützenfesten, in Festdichtungen und Ge-
legenheitsgedichten aller Art, in Improvisationen fort, veredelt durch das der Kunst-
(S. bes. S. 95-102; vgl. auch IV 8 e.) — 28) X H. Clages, D. Blankvers in Thomsons Seasons n. Youngs Night-Thoughts.
Dies. Halle a. S. 1892. 57 S. — 28a) X p- Kupka, Ueber d. draraat. Vers Thomas Dekkers. Diss. Halle a. S. 1893.
37S. — 28b) XErail Eiste, D.Blankvers in d. Dramen G.Chapmans. Diss. Halle a. S. 1892. 63 S. — 28c) X C. K naut,
Ueber d. Metrik Bob. Greens. Diss. Halle a. S. 1890. 65 S. - 28d)X R Boyle: EnglSt. 19, S. 274/6, 278,9. (Heber N. 23-28o.)
— 29) B. Schlösser, D. fünffüss. Jambus bei Zachariä: VLG. 6, S. 119-2S — 30) O. Flohr, Gesch. d. Knittelverses v.
17. Jh. bis z. Jugend Goethes. (= Berliner Beitrr. z. german. u. roman. Philol. Veröffentl. v. E. Ebering. Germ. Abt. N. 1.)
B., C. Vogt. 112 S. M.2,40. |[R. M. Meyer: DLZ. S. 1196/7; LCB1. S. 1066/7.]| (E. Teil auch als Berliner Diss. 1893. 42 S.) —
I 8:30 J. Minor, Metrik. 1893, 1894.
dichtung gemässe Streben, den Accent besser zu beobachten und den regelmässigen
Wechsel von Hebung und Senkung, sowie von männlichen und weiblichen Endungen
einzuhalten. Auch werden von den Kunstdichtern die älteren Dichter des 16. Jh.
um ihres treuherzigen nationalen Inhalts wegen gelesen und belobt, trotz ihrer
kunstlos gescholtenen Form. Die Kunstpoesie nimmt dann den Pritschmeistern den
Reimvers aus der Hand, zunächst um ihn als Waffe gegen die Pritschmeister selbst zu
gebrauchen in mimischer ("ausspottender) Satire. (Hier vermisse ich bei P. den
rechten Uebergang. Es sollte gesagt sein, dass das Wesen des Reimverses für die
Opitzianer zunächst in dem besteht, was Hunold später die Licentia poetica nennt:
nämlich in der Freiheit I) von den strengen metrischen Vorschriften Opitzens, also
1. von dem Accentgesetz, oder 2. von dem regelmässigen Wechsel von Hebung und
Senkung, und II) von den strengen stilistischen Vorschriften Opitzens. Und es hätte
starke Betonung verdient, dass unsere Kunstdichter, indem sie ohne Beachtung der
Versfüsse regellose Verse zu schreiben sich vornahmen, ohne jedes feste, seit
Opitz gültige metrische Prinzip arbeiteten und gerade so darauf geführt wurden,
sich allein dem Gehör zu überlassen.) So verspottet Gryph zuerst die un-
gleichen Versfüsse in parodistischen Reimen und Versen, die absichtlich schlecht
und stümperhaft sein sollen; während später Weise und Frisch im Drama, in der
Satire Sacer, Zeitler, Callenbach namentlich die Verletzung des Accentgesetzes
parodieren und auch andere Kunstdichter Personen aus dem Volk in Knüttelversen
redend einführen. Der Hofdichter Oanitz, der die Reimpaare auch in höfischen Fest-
dichtungen vorfand, ist dann der erste, der, nicht andere verspottend, sondern im
eigenen Namen, in Knittelversen redet, die also keine satirische Absicht mehr haben,
sondern in ihrem launigen, gemütlichen Ton ihm zu vertraulichen Ergiessungen,
zu heiterer Selbstironie und zu gelegentlichen Improvisationen, auf die er selber
gar keinen litterarischen WTert legt, willkommen sind. Der achtsilbige burleske Vers
in den Episteln des Franzosen Scarron veranlasst ihn, sich in ähnlicher Form mit
seinem Freunde Willnitz zu unterhalten, wobei er sich in diskreter Weise nur
gelegentlich einen Verstoss gegen den Wortaccent erlaubt, die vierfüssigen Jamben auch
zu volkstümlichen Strophen (aab ccb) gliedert und auch im Stil eine leise Färbung von
der Pritschmeisterdichtung entlehnt. In seiner Umgebung folgen andere, darunter
sogar ein Freifräulein, ohne jede litterarische Ambition seinem Beispiel ; erst die wenigen
Proben, die sich später im Anhang hinter seinen Gedichten ans Licht wagen (1700),
finden sofort auch in der Litteratur Nachfolge. Wernicke parodiert seine eigenen
Alexandrinerheroiden, indem er „Dieselbe im Scherz oder Burlesque" (so 1701, dagegen
schon 1704 „Dieselbe in Knittelversen") und in derb humoristischem Tone folgen
lässt. Hunold redet über die Knittelverse in seiner Poetik: „Stehen am meisten
unter Protektion der Licentia poetica" — „Unter guten Freunden in scherzhaften
und lustigen Dingen noch üblich" ; „Sie sollen ohne Kunst eine Kunst in sich haben,
sein gar nicht so leicht zu machen." In Hamburg, wo sie durch die in der Ge-
legenheitsdichtung fortlebenden niederdeutschen Reimverse und durch die in den
Opernrecitativen und in der Fabel aufgekommenen vers libres begünstigt werden,
finden wir sie bei Brockes, Richey usw. 1738 giebt Renner schon „eine Handvoll
Knittelverse" heraus, von verschiedenen Vf. und immer noch in Gelegenheits-
gedichten und in Sendschreiben; aber auch Quodlibets (Zusammenstellungen von dem
Sinn nach nicht zusammengehörigen Gedanken und Versen) werden beliebt. Auf
Koromandel, Philander von der Linde, Günther, Picander-Henrici folgen die Dichter
von Fabeln und Erzählungen, die sich wie Le Passes und Riederer der Knittelverse
bedienen ; Drollinger und noch Zachariä dichten in B. Waldis Manier. Als die besten
gelten Gottsched die von Geander an der Oberelbe (Hofrat Müldener) 1729, die bei
überwiegend regelmässigem jambischem Rhythmus doch fehlende und mehrsilbige
Senkungen aufweisen und stilistisch den Ton des Hans Sachs so überraschend treffen
sollen, dass ein Neudruck erwünscht wäre. Gottscheds empfehlende Aeusserungen
sind bekannt ; er lässt sie zum Scherz gelten und verlangt archaisierenden Ton ; seine
eigenen Versuche und die seiner Frau stehen unter dem Einfluss des Canitz. Er rät
auch die englischen Knittelverse von Butlers Hudibras im Versmass des Originals zu
übersetzen; Riedel und Schubart wiederholen die Aufforderung, die dann Soltau (1787)
erfüllt. In den Kämpfen zwischen den Gottschedianern und den Schweizern wird der
Knittelvers wieder, zuerst von Gottscheds Schülern (Rosts Epistel des Teufels an
die Kunstrichter), dann auch von anderen (Cronegk) zur Satire und Parodie ver-
wendet. Mit Recht hat der Vf. sein Thema nicht bloss von der metrischen, sondern
auch von der stilistischen Seite behandelt und nicht allein die Geschichte eines Vers-
masses sondern auch die einer Dichtungsgattung geschrieben, beide Gesichtspunkte
sind hier nicht von einander zu trennen. Es steckt ein ganzes Kapitel der
travestierenden und parodistischen Litteratur in der Geschichte des Knittelverses.
Von Haus aus beruht ja die satirische Wirkung auf der Beiseitesetzung der Opitzischen
J. Minor, Metrik. 1893, 1894. I 8 i 30-32
Stilregeln : alles was seit Opitz verpönt war, die harten Synkopen und die Apokopen,
das fehlende Personalpronomen bei Anfangsstellung des Verbs, die freie Wortstellung- (das
Adjektiv nachgesetzt) wird hier gesucht; gemeine und unedle Wörter, archaistische
Formen und Wendungen sind beliebt; eine einfache Syntax, die nur das chronologische
Nacheinander, keine logische Unterordnung kennt, gehört zum Stil. In den Reimen
dominieren die Füllsel und Flickwörter, die typischen Adjektive wie fein, lobesam
usw., und die so bequemen Diminutiva auf -lein und -gen; auch die Häufung
der Reime dient oft der stets beabsichtigten komischen Wirkung. Sehr gern lässt
die Knittelversdichtung das Gedicht selbst im Gedicht entstehen und nach dem be-
rühmten Muster des Hans Sachs werden Datum und Absendung des Gedichtes mit-
gereimt. Der Bänkelsängerton wird namentlich in den Aufrufen des Publikums
(„Merkt, Christen!" — „Denkt, Christen!") nachgeahmt, oft sogar in privaten Episteln,
die sich bloss an einen Freund wenden; aber auch der Vortrag von Marktschreiern,
Guckkastenmännern ist beliebt. Immer aber ist die Dichtungsgattung entweder ein
Brief oder ein Gelegenheitsgedicht.3011) —
Mit dem Strophenbau beschäftigt sich allein das Programm von Bück-
mann31), das die Verwendung des Verses von 7 Hebungen im deutschen Strophenbau
zum Gegenstand hat. Der Vf. will dazu beitragen, die Lehre vom deutschen Strophenbau
von äusserlichen und zufälligen Einteilungsgründen (wie der Anzahl der Verse, der
Stellung der Reime) zu befreien, und einer Einteilung das Wort reden, die das
Wesen der Strophen trifft: nämlich der Einteilung nach der Art, wie die Takte zum
Kolon, das Kolon zur Periode, die Perioden zur Strophe verbunden sind. Hierin ist
Westphal sein Vorgänger ; aber wie dieser so hat auch B. sich nicht immer von dem
Fehler zu weit getriebenen Schematisierens frei gehalten, und es macht oft den
Eindruck, als ob sich die verschiedenen Strophenformen nicht in lebendigen Dichtungen,
bei denen die Form dem Dichter sehr oft gar nicht klar zum Bewusstsein kommt, sondern
als ob sie sich auf dem Papiere als Schemata auseinander entwickelten; dazu verleitet
freilich auch die gewohnte Terminologie (z. B. eine Strophe entsteht durch „Waisenein-
schub", was doch nur als Erkenntnisgrund für den Metriker, nicht als Erklärungsgrund
richtig ist), die den Mangel einer psychologischen Grundlegung auf diesem Gebiete
recht fühlbar macht. B. geht von der Entwicklung des siebenhebigen Verses aus:
das viertaktige, stumpf ausgehende Kolon fordert ein Gegengewicht und so entsteht der
deutsche Vollvers, die Langzeile ; neben dem Gesetz des Gegengewichtes wirkt aber
auch das Streben nach Abwechslung* im Gleichwertigen (Differenzierung), das, um
den Vers bei öfterer Wiederholung vor Eintönigkeit zu bewahren, die Zusammen-
ziehung von Hebung und Senkung in eine Silbe mittels Dehnung der Hebung-ssilbe
bewirkt, also den weiblichen Ausgang, der die beiden letzten Takte umfasst (± -).
So entsteht der Berner Vers (4 mjannlich] + 4 w[eiblich]), der dem Pavierton, der
Lindenschmiedstrophe, der Lieblingstrophe Luthers, Goethes Sänger, Günthers und
Bürgers Lenore u. a. zu Grunde liegt. Seine Umkehrung (4 w + 4 m) ist der
Nibelungenschlussvers, dessen beide letzten Hebungen in den Kinderreigen oft auf
eine Silbe fallen (einsilbiger Dehnschluss * -, Brachykatalexis). Von da ist dann nur
ein weiterer Schritt, die letzte Hebung durch eine Pause zu ersetzen, und es entsteht
der Nibelungenvers ('4 w + 3 m), den also B. mit Recht als einen Vers von 7 Hebungen,
aber von 8 Takten betrachtet und nicht (wie Wilmanns) aus dem romanischen Zehn-
silbler, sondern aus den selbwachsenen Kinder- und Volksreimen ableitet.32) B. er-
örtert die verschiedenen Formen, die der Nibelungenvers annehmen kann, je nach
den Cäsuren (männliche oder weibliche Hauptcäsur, Nebencäsur im ersten Glied)
und nach dem Rhythmus (jambisch oder trochäisch, mehrsilbige oder fehlende
Senkungen). In Bezug auf den Rhythmus folgt B. dem Beispiel Stoltes, und sehr
feinsinnig weiss er die verschiedenen, durch iVuflösung oder Zusammenziehung (d.h.
mehrsilbige oder fehlende Senkungen) entstehenden Formen auf die verschiedenen
Taktarten zu beziehen ; freilich geht es auch hier wie bei Stolte nicht ohne die
beliebte Verwechslung des rhythmischen und des metrischen Gesichtspunktes ab,
vor der ich in meiner Metrik hoffentlich nicht vergeblich gewarnt habe: „Das Wandern
ist des Müllers Lust — das Wandern" kann in 8 Takten komponiert werden, ein 7hebiger
Vers ist es nicht. Aus dem zweigliedrigen Nibelungenvers entsteht durch Ver-
doppelung die einfachste Form der Strophe, die Halbstrophe (erste Hälfte der
Nibelungenstrophe). Zweimal zwei Nibelungenverse (= 2 Halbstrophen) bilden
den vielgebrauchten Hildebrandston; drei Nibelungenverse + einem Vollvers die
Nibelungenstrophe. Aus den Verbindungen des 7hebigen Verses mit dem Gudrun-
verse (4 w + 4 w) und mit dem alten Vollverse (4 m -f- 4 m), sowie mit mehr-
30a) X H- Stekker, D. Versbau im niederdtsch. Narrenschiff (JBL. 1892 17:10; II 5b : 6). |[W. S(eelraann):
KBIVNiederdSpr. 16, S. 62; L. Hol scher: ASNS. 90, S. 339-40.] | — 31) L. Backmann, D. Vers v. 7 Hebungen im dtsch.
Strophenbau. Progr. Lüneburg (L., Fock). 1893. 4°. 38 S. ![R. M. Meyer: DLZ. S. 973.]| — 32) XX (15:321.)
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschiohte. V. (1)14
I 8:33-36 J. Minor, Metrik. 1893, 1894.
gliedrigen Perioden entstehen massenhafte Strophenbildungen, die B. sorgfältig ver-
zeichnet und mit Beispielen belegt. —
Einzelne metrische Probleme. Das Enjambement behandelt
B o r i n s ki33), der in ihm das gemeinsame Kriterion der asynartetischen Verse der
Alten sehen will (?). Eine Pause scheint ihm am Ende eines jeden Verses un-
entbehrlich; sie des Enjambements wegen schwinden zu lassen, sei ein künstlerisch
durch nichts gerechtfertigter pedantischer Naturalismus, der unter Umständen (z. B.
in Lessingschen Jamben) zu einem grenzenlosen Getratsch veranlassen könnte (!). Als
die Wurzeln der Uebereinstimmung von metrischen Einheiten und Sinneseinheiten
(„des bäurischen Zwanges des Reihenschlusses primitiver Kunst") betrachtet B. den Reim
und die Allitteration. Die mittelalterliche Lyrik kennt zu Anfang kein Enjambement, erst
Wolfram steht frei gegen die rohen Schaaren von Bundschuhreimereien auf. Auch bei
Shakespeare und bei Ronsard (hier unter Berufung auf Vergil) findet B. den Ueber-
gang von steifer Aengstlichkeit zu bewusster Freiheit in der Sinnfügung. Erst
Malherbe verbannt das Enjambement wieder, und nicht bloss die Praxis der fran-
zösischen Klassiker, sondern auch die Theorie der Encyklopädie (s. v. Enjambement)
vertritt einen rigorosen Standpunkt. Durch Weise und Gottsched wird dieser auch
in Deutschland herrschend und erst durch Klopstocks Oden, die freiestes Enjambement
gestatten, und durch Lessings Jamben durchbrochen. Goethe bevorzugt die Form
des Enjambements, wo der Vers dem Sinne nach in seinem Vorgänger beginnt
(„Versvorschlag"), auch bei Sophokles sei sie beliebt und auch bei Schiller ist sie,
wenn auch nicht so häufig wie bei Goethe, so doch beliebter als der „Vers nach schlag"
(wenn der Vers erst in den ersten Silben des folgenden seinen syntaktischen Ab-
schluss findet). Unter den modernen scheine Grillparzer beweisen zu wollen, dass
im Dramenvers auch ohne die sich überstürzende Unruhe Nathanscher Enjambements
Geist, Freiheit und Leben herrschen können; Heyse begünstige einen leichten Vers-
nachschlag. . . Auch B., wie Schlösser (s. N. 29), rechnet nur mit der syntaktischen
Gliederung, nicht mit den Redepausen, die von dieser oft ganz unabhängig sind.
Auch er berücksichtigt nicht das Tempo des Vortrages: in einer langsamen, feier-
lichen pathetischen Klopstockschen Ode ergeben sich Pausen von selber leichter als
in dem raschen, lebendigen Vers des Nathan, dessen Ende doch unmöglich jedesmal
durch eine Pause zu markieren ist ! Denn auch die Ansicht, dass der Vers nur durch
die Pause ein metrisches Ganze werde, muss ich bestreiten. —
Ueber die Seele des Reimes handelt Kirchbach34) sehr einsichtig, aber ohne
Kenntnis der älteren Litteratur, die ihm vieles vorweggenommen hat. Nach K. ist
ein musikalischer Wert des Reimes überhaupt gar nicht vorhanden. Die Freude
am Reim beruht wie die an dem Echo einfach auf dem Vergnügen an jeder Nach-
ahmung überhaupt; nicht aber der Gleichklang als solcher erfreut uns um seiner
selbst willen, sondern nur der Gleichklang der lebendigen, bedeutungsvollen Worte zu
einem geistigen Zwecke. Wie Poggl u. a. sagt auch K.: wir freuen uns, zwischen
gleichen Lauten auch einen Sinnesbezug herauszufinden; ihn aufzusuchen werden wir
eben durch die Nachahmung d Laute veranlasst, denn jede Nachahmung ist zugleich
Betonung und fordert zur Vergleichung heraus. Nicht im Gleichklang also, sondern
in dem durch den Gleichklang herausgefundenen geistigen Verhältnis zwischen den
gleichklingenden Worten liegt der Reim, die „Seele des Reimes". Er dient daher
immer auch als Nebenmittel zur Unterstützung des geistigen Nachdruckes, den wir
auf gewisse Anschauungsfolgen und Ideengänge legen. An anderen Stellen, besonders
der strophischen Gedichte, versieht er freilich oft auch bloss leichthin den äusserlichen
Zweck der antiken Cäsur, die dem Ausruhen und Atemschöpfen des Redners ent-
spricht. Der Vf. giebt Beispiele seelenloser Reime besonders aus der nachklassischen
neueren Dichtung, der er den Vorwurf macht, dass sie über dem pedantischen
Streben nach äusserer Richtigkeit der Gleichklänge das Gefühl für die viel wichtigere
geistige Accentuierung der Reimbegriffe verloren habe. Ich kann ihm aber nicht
in der Beurteilung aller angeführten Beispiele Recht geben und ihm auch nicht den
Vorwurf ersparen, dass er das musikalische Element des Reimes missachtet : durch
die Wiederholung derselben Laute wird die Aufmerksamkeit eben doch auch auf die
Laute selbst, auf das Materielle des Tones gelenkt, und die einzige Wirkung von
Harmonie erzielt, freilich nur in der unvollkommenen Weise, deren der gesprochene
Vers fähig ist.35) —
Ueber den Hiatus in der deutschen Poesie handelt wenig förderlich
N eub u r g e r36), dem nicht bloss die elementaren Vorkenntnisse auf philologischem
Gebiete überhaupt, sondern auch der rechte Begriff des Hiatus im besonderen fehlen,
— 33) K. Borinski, D. Ueberf&hrung d. Sinnes ober d. Versschluss n. ihr Verbot in d. neueren Zeit. (= Stnd. z. Litt.-Gesch.
M. Bernay s gewidmet [.TBL. 1893 I 1 : 118], S. 41-60.) — 34) W. Kirohbaoh, D. Seele d. Reimes: ML. 62, S. 491/4. — 35) X
A. Zukertort, Ueber d. Stabreim: MADSprV(Berlin). 4, S. 10-21. - 36) E. Neubarger, Ueber d. Hiatus in d. dtsch.
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. I 8:36-37 I 9 : 1
obwohl Scherers grundlegende Arbeit nun in den von Erich Schmidt und
Burdach37) herausgegebenen „Kleinen Schriften" bequem zugänglich ist. Er betrachtet
sogar das Zusammentreffen voller und langer Vokale als Hiatus und sucht aus zu-
sammengerafften Beispielen von Otfried bis auf den Grafen von Schack und aus der
Unvermeidlichkeit des Hiatus in der grammatikalisch richtigen Prosa zu beweisen,
dass die Vermeidung des Hiatus nicht national, sondern der griechischen Prosodie
entnommen sei (ebenso Kruse, s. oben). —
I>9
Kunstgeschichte.
Cornelius Gurlitt.
Knnstlehre N. 1. - Kunstkritik N. 15. — Kunstgeschichte: Allgemeine Darstellungen N. 75. —
Topographie: Allgemeines N. 118; Schlesien N. 121; Sachsen N. 124; Thüringen N. 126; Bayern N. 127; Württemberg N. 137;
Reichslande N. 140; Rheinlande N. 143; Westfalen N. 146; Pommern N. 147; Westpreussen N. 148; Ostpreussen N. 149:
Anhalt N. 151; Österreich N. 152; Schweiz N. 159. — Malerei der Renaissance: Frühzeit N. 160; Dürer N. 169; Philipp Hain-
hofer N. 190; Hans Holbein d. Ae. N. 191 ; Hans Baidung gen. Grien N. 194: Chrph. Amberger, M. Giünewald, S. Beham, W. Haber,
P. Flötner, H. Burgkmair N. 197; Jörg Breu, Hans Muelich, Jost de Negker. N. 200; J. Heintz, W. Traut, F. Sustris, Jan
Thomas N. 204; Sammlungen N. 208; L. Cranach N. 209; B. Bruyn N. 212. — Bildhauerei N. 215. — Barockkunst N. 222. -
Zeitalter Friedrichs d. Gr. N. 240. — Uebergang vom Rokoko zur klassischen Schule N. 250. — Klassische und romantische
Periode N. 268. - Neuere und neueste Zeit: H. M.ikart N.2S2; B. riglhein N. 283: H Baisch N. 286; K. Stauffer-Bern N. 309;
A. Boecklin N. 311; F. von Uhde N. 315; M. Liebermann N. 318; F. Stuck N. 322; M Klinger N. 324; H. Thoma N. 83»;
H. Pndor N. 340a; Humoristen N. 341: W. Friedrich, II. Hendrich. H Prell, F. Röber N. 346. - Bildnerei N. 350. — Archi-
tektur N. 362. — Kunsthistoriker N. 400. — Specialgebiete: Vervielfältigende Künste N. 410. — Gartenbau N. 426. —
Kunstgewerbe N. 429. —
Kunstlehre. Das meist besprochene und wohl auch meist gelesene
Buch des Berichtsjahres war Woermanns1) Schrift: „Was uns die Kunst-
geschichtelehrt", die in rasch aufeinanderfolgenden Auflagen erschien. Man erkennt
an diesem Erfolge zunächst das Bedürfnis der Menge, sich von einem bewährten
Kenner alter und neuer Kunst leiten und in das Verständnis der ihr so oft fremd-
artigen neueren Schaffensart einführen zu lassen. Denn dies ist der vortrefflich erreichte
Zweck des Werkes. Die Ansicht, die in manchen Besprechungen auftauchte, dass es
den jeweiligen Gegnern des Kritikers missfallen werde, hat sich im allgemeinen nicht
bewahrheitet. Bei manchen, je nach der Parteistellung hin und her zerrenden Aus-
stellungen, die aber sich nicht zu einer wirklichen Ablehnung steigerten, zeigt sich,
dass W. der Welt so recht eigentlich aus dem Herzen sprach, als er einen ver-
söhnenden Weg zum Verständnis suchte und nach keiner Richtung hin schroff auftrat.
Folgt man seinen Ausführungen, so erscheint manches in der Kunstdebatte leiden-
schaftlich gesprochene Wort recht unnötig. Freilich bleibt ein kritischer Punkt
unerledigt, der nämlich, dass W. sich nur der meisterhaft behandelten Kunst zuneigt,
nur diese, nicht aber die Stümperei gelten lassen will, nur von ihr spricht. Damit
ist aber eine grosse Lücke im Kreise der Beweisführung offen geblieben, vielleicht
weniger für die ältere, als für die jeweilig neue und neueste Kunst, um die es sich
doch eigentlich handelt. W. meint nun, es gebe ein festes Urteil darüber, was
Stümperei sei und was nicht. Man müsse das Gute gelten lassen, in welcher Form
es erscheine, das Schwache aber ablehnen. All der Streit der „Richtungen" kommt
aber, meines Ermessens, doch wohl daher, dass die Vertreter verschiedener Kunst-
anschauungen jenen der anderen mit dem leidenschaftlich verfochtenen Anspruch
auf Richtigkeit nur ihrer Ansichten vorwerfen, schlecht, ungenügend, stümperhaft zu
sehen, zu zeichnen, zu malen, zu komponieren, dass sie sich gegenseitig die Würde
der Meisterschaft absprechen. Mit dem bei W. vorherrschenden liebenswürdigen
Zuge wohlwollenden Verständnisses ist mithin leider nicht sehr viel gethan. Bellen
hilft hier nichts, hier muss gebissen werden. Die Alten — man sehe Pechts weiter
unten zu besprechendes Buch — halten immer noch die Jungen für „Schwindler",
und die Jungen lachen über den Ruhm vieler Alten, die einst als Meister gepriesen
wurden. Der Massstab dafür, was schön, gut, echt, meisterhaft in der Kunst ist,
bleibt ungefunden, ja der Weg zum Entdecken des Schönen im bisher für stümper-
Poesie: Didask. 1893, S. 571,2. — 37j W. Scherers Kleine Schriften her. v. K. Burdach u. Erich Schmidt (JBL. 1893
I 1 : 117); 2. Bd., S. 375. —
1) K. Woerroann, Was uns d. Kunstgesch. lehrt. Einige Bemerk, über alte, neue u. neueste Malerei. Dresden,
Ehlermann. IV, 202 S. M. 3,00. i[H Helferich: Zukunft 7, S. 135/9; F. Sebastian: Ges. S. 6S9-91; Kurd Lange:
LCB1. S. 443/4; Ad. Bartels: Didask. N. 140; Carl Neumann: PrJbb. 76, S. 370,3; Kunstchr. 5, S.482; H. Rosenhagen:
(1)14*
19:1-8 C. Gurlitt, Kunstgeschichte.
haft Erklärten ist nicht freigelegt. Die Kunstgeschichte lehrt W. nicht und uns allen
nicht, gerecht zu sein: denn wo es kein Gesetz giebt, wie in der Kunst, giebt es
kein Recht, und wo kein Recht ist, kann auch keine Gerechtigkeit walten. Nach
wie vor wird der eine die mit sich selbst unfertigen grossen Anreger feiern, der
andere die Könner, je nach der Art des Urteiles, nach der Grundlage der urteilenden
Persönlichkeit. Wohl aber verdient W.s Buch die erlangte Verbreitung, weil es mit
ausserordentlichem Geschick und, wie bei dem geistvollen und vielerfahrenen Vf.
nicht anders zu erwarten, mit weitem Blick das Material ordnet und es zahlreichen
Lesern gewiss zum ersten Mal begreiflich macht, warum die ihnen so missfallenden
Werke anderen ehrliche Begeisterung wecken, unter welchem „Gesichtswinkel", wie
das Ding jetzt heisst, die moderne Kunst zu betrachten ist, und welches ihr Verhältnis
zur alten sei.2 4) — In seinem Buche „Zwischen den Künsten" vertritt Bie5) seine
Vorliebe für induvidualistische Kunst gegenüber der formalen durch eine Darleguug
seiner ästhetischen Anschauungen. Er betont gleich WToermann, dass jeder] Förderer
der Kunst Realist, das heisst ein Mann sein müsse, der seine persönliche Stellung
zur Naturerscheinung darzubieten habe, nicht aber zum Typus hindränge, also zur
Darstellung einer abgereiften Naturerfahrung. Er giebt damit Kunde von der all-
gemein veränderten Stellung der Kritik, die sich namentlich auch darin äussert, dass
die Kritiker nicht mehr „urteilen" sondern ihr Verhältnis zum einzelnen Kunstgegenstand,
und zwar ihr augenblickliches Verhältnis, darzustellen suchen. — Sich philosophierend
über diese Fragen Klarheit zu schaffen, versuchte Carstanjen6)in einem sehr lesens-
werten Aufsatz. „Schön" ist ihm eine individuelle Charakteristik unseres ästhetischen
Verhaltens, bezeichnet also nicht eine Eigenschaft der Dinge, sondern unser Ver-
hältnis zu den uns wohlgefallenden Dingen. Er wendet sich hierin im Grundinhalt
seines Gedankenganges gegen jenen Woermanns, welcher die alte Ansicht Kants
modifiziert aufnahm, dass es eine allgemein anerkannte, also aprioristische Schönheit
gebe, und stimmt mir in meinem Satze zu: „Schön ist was gefällt; für mich ist schön,
was mir gefällt; für andere anderes."7) Weiterschreitend untersucht dann C. die
Gründe des Gefallens auf Grund psychologischer Betrachtungsweise. Er weist
zunächst nach, dass das Gefallen nicht auf einzelnen Eigenschaften des Gegen-
standes beruhe. So habe man die Verhältnisse als einen Grund der Schön-
heit bezeichnet: Aber welche? und warum? Sind die Türme des Kölner Domes
zu hoch, wie der Engländer Fergusson sagt, um schön zu sein, oder sind sie
schön, weil sie so hoch sind? Giebt es ein Gesetz der Verhältnisse, oder machen die
Verhältnisse selbst sich Gewohnheitsgesetze? Hier schweigt die alte Aesthetik!
Form, Gehalt, Materie sind C. nichts als ein physiologischer Reiz, es besteht kein
kausaler Zusammenhang zwischen diesem und dem ästhetischen Urteil. Es kommt
also sicher keine feste, allgemein giltige, geregelte Beziehung zwischen Objekt und
Urteil zu stände, sondern nur ein durch die Verhältnisse bedingtes; es ist Aufgabe
der Aesthetik, die Beziehungen klar zu legen, unter welchen die Urteile sich bilden,
nicht die Urteile als Grundlage für die Beziehung zu fassen. Nur scheinen diese
Beziehungen mir ausschliesslich durch die Individualität des Urteilenden, dessen Sinnes-
erfahrung und Formengefühl bedingt zu sein. Also das „Ich" ist der Massstab des
Urteils, das Wert und Recht nur für das Ich hat. Ordnen sich meinem Urteil viele
unter, so bin ich eine starke Persönlichkeit, wie es der starken künstlerischen
Persönlichkeit gelingt, viel beifällige Urteile auf sich zu lenken. Ein künstlerisch
Unfertiger (Stümper) kann ein grosser Mann sein und die Kunst der Könner (Meistert
über den Haufen werfen, ein Mann von sehr starkem Urteil und Kraft der Rede des
Meisters Werk in den Augen der Menge verächtlich, das des Stümpers bewundert
machen. Und so bleibt es wohl bei obigem Satz: „Schön ist, was gefällt"; und das
ganze Gerede von „ewigen Gesetzen der Schönheit" ist Ein grosser Irrtum, die
Aesthetik des 18. und 19. Jh., namentlich die romantische, eine Wissenschaft vom
Wert etwa der Scholastik oder der Astrologie, interessant als Denkmal ihrer Zeit. —
Wohl aber sind für die Künstler und die Kunstfreunde jene Untersuchungen an-
regend, welche das Wesen der Kunst beschreibend festzuhalten und erklärend zu-
gänglicher zu machen trachten. Findet man auch nicht die über der Kunst schwebenden
Gesetze, nach welchen sie notwendig zu bilden hat, so findet man leichtlich jene,
nach welchen sie schuf, das heisst die Bedingungen, aus welchen heraus sich das
Werk in Künstlerhand bildete. „Das Wesen der architektonischen Schöpfung" nennt
Seh m[a r s o w 8) seine an der Leipziger Universität gehaltene Antrittsrede, in welcher
TglRs". N. 58; ML. 63, S. 541; H. A. Li er: Kunstchr. 5, S. 382; RepKunstw. S. 199-200.JI — 2) X C. Gurlitt, Woermann
u. Hildebrand: Geg. 45, S. 313/5. (Ueber N. 1.) — 3) X A.d. Rosenberg, D. Lehrer d. Kunstgesch. n. d. nene Kunst:
Grault. 2, S. 264-70. (Ueber N. 1.) - 4) XE- Neuling, D. Kunstgesch. e. lebendige Wissensch.: WeserZg. N. 17139-40. (Ueber
N.l.) — 5) 0. Bie, Zwischen d. Künsten. Beitr. i rood. Aesthetik: FrB 5, 8.353-68,476-85,605-21,705-22,821-35,903-18,966-1016.
|[Kunstw.8,S.20/3.]| (1895als Buch ersch.) — 6) F. Car st an jen, „Schön": Kunstw.8, 8.129-34,145,188.-7) XM. Kl ein, Aesthetik
auf naturwissensch, Grundlage : Naturwissensch Wschr. N. 25. — 8) A. Schmarso w, L>. Wesen d. architekt. Schöpfung. L., Hierse-
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. I 9 : 8-20
er in diesem Sinne die ästhetische Behandlung- der Baukunst aus der seit dem
18. Jh. beliebten Manier der Zergliederung- der Bauformen zur Würdigung der Raum-
wirkung hinzuführen beabsichtigt. Denn der Aussenbau erscheine der Plastik ver-
wandt, im Innenbau, wo der Mensch den Mittelpunkt seiner Schöpfung darstelle, sei
die Baukunst erst ganz ihrem Wesen nach verständlich, sie umrahmt hier den
Menschen. Hier steckt gewiss ein durchaus richtiger und auch geschickt ausgeführter
Gedanke, freilich keineswegs ein neuer, wie man beim Lesen des Vortrages zu glauben
sich angeregt fühlt. — Aus gleichem Grunde beschäftigte Hildebrands Problem der
Form(JBL. 1893 I 11 : 19) in so vielfacher Weise gerade die besten Köpfe. Denn es ist das
Buch ein Rechenschaftsbericht über die von dem trefflichen Bildhauer für seine eigene
Produktion festgestellten Gesetze. Aber auch hier ist die Produktion das Ursprüngliche,
Gebietende, das Gesetz das Entlehnte, — nicht umgekehrt, wie Hildebrand vielleicht
selbst manchmal glauben mag9"14*). —
Kunstkritik. In 7. Auflage erschien des Grafen Schack15) Werk
über seine Gemäldesammlung, deren Schicksal durch seinen Tod in Frage kam und
daher in der Tagespresse vielfach besprochen wurde16). Je mehr sich die Kunst-
geschichte mit der wichtigen Zeit der Entstehung der modernen deutschen Kunst
beschäftigt, nämlich mit den Zeiten, da Schwind, Feuerbach, Böcklin nach dem Aus-
druck ihrer Ideale ringend dem Alten entgegentraten, um so lebhafter ist die Zu-
stimmung der Kunstkritik zu den Thaten Sch.s. Freilich werden auch Zweifel an
ihm laut. Aber es beweist schon der starke Absatz der Buches, dass die von Schack
ausgehende Anregung heute noch nachwirkt. Liest man aber das Buch selbst, so
spürt man doch deutlich, dass Sch.s Kennerschaft noch stark durch seine geschicht-
liche Bildung und seine dichterische Auffassung beeinträchtigt wurde, dass er rein
künstlerisch nur in bedingter Weise zu sehen vermochte, dass also die Zweifel, welche
gerade die von ihm geförderten Künstler gegen seine Kennerschaft ausgesprochen
haben, nicht Ergebnisse schwarzen Undankes, sondern eines inneren Missverstehens
sind. — Mit Schack wetteifert Pecht17) um die Ehre, in frühen Zeiten die Talente
erkannt zu haben, welche Münchens Kunstruhm darstellen. Seine Autobiographie
ist fliessend geschrieben, aber hinterlässt den Eindruck, als sei man einer sehr liebens-
würdigen, doch keineswegs einer sehr ernsten Persönlichkeit begegnet. Unter dem
Ernst ist hier sicher nicht Griessgrämlichkeit und auch nicht Pedanterie zu verstehen,
sondern das Streben, die dem Manne verliehenen Gaben durch Selbstzucht zur vollen
Entfaltung zu bringen. Es ist ja kein Wunder, dass P., selbst Maler und mit-
schwimmend in dem künstlerischen Fahrwasser Münchens, überall an jenen Künstler-
erschein ung-en Gefallen fand, die in der ihm geläufigen Richtung sich neben ihm
vorwärts bewegten, dass er ein Befreier der koloristischen Schule der Malerei und
des Kunstgewerbes wurde, die mit ihm emporwuchs, ein Befreier von der unverständigen
Kritik der durch" die Wissenschaft zur Besserwisserei gekommenen Aesthetiker, dass
er einer künstlerischen Anschauung der Kunst die Bahn öffnete. Mit Recht beglück-
wünschte man ihn daher zu seinem 80. Geburtstag18-19). Neben Pietsch hat er hierin
zweifellos das meiste in Deutschland gethan, in dieser Beziehung überragt er auch
den freilich „später aufgestandenen" Schack ganz erheblich. Aber wenn es schon
ein grosses Verdienst ist, dass er sich rühmt, kein Talent verkannt zu haben, das
später zu ehrlich erworbenem Ruhm kam, so bleibt er doch noch der Parteimann,
der manchem diesen Ruhm nicht gönnt, ihn nicht für ehrlich erworben hinzunehmen
vermag. Wenn er die um Manet „Schwindler" nennt und Thoma, den von ihm einst
so bitter Angegriffenen, auch jetzt noch nicht namhaft macht, so zeigt sich eben, dass
er sicher nicht alle, sondern nur die schulgerechten Talente seiner Zeit verstand.
Dass Feuerbach und Böcklin in ihm früh Verteidiger fanden, ist sein Ruhm, dass er
Makart und Defregger über sie stellte, seine Schwäche. — Den gleichen kritischen
Ruhm haben die Kachlebenden für einen verstorbenen Berliner Schriftsteller durch
erneute Herausgabe seiner für Tagesblätter geschriebenen Aufsätze beansprucht.
Auch die Kritiken von Titus Ullri c h20) begleiten die Hauptereignisse der Kunst-
geschichte, namentlich der Geschichte der Malerei seit 1852, soweit sie in Berlin
mann. 30 S. M. 1,00. |[H. Wölfflin: RepKnnstw. 17, S. 141/2: MÖsterrMusKunstlndustr. 9, S. 13<>.]| — 9) X Kurd Lange:
LCBI.S. 731/4; H.Grimm: DLZ S.116S; W. v. Seydlitz: RepKunstw. 17,S.46/8; 0. Harnack: PrJbb. 77, S.160; J. Lessing:
Kunstchr. 5, S. 457, 467.] | - 10) X (= N.' 2.) — 11) X Konr Lange, D. künstler. Erz. d. dtsch Jng. (JBL. 1893 111:2). |f Grenzb. 2, S. 83-90 ;
AtBn.9,S.73/4.], — 12)XR-Hocheg&er-I)könBtler-Erz-d-dtsch Jng.:ZInnendekoration..r),S.66 7,74/51823,90. — lStXW.Koop-
mann^.Entsteh.d.KBnstwerkes^BL.lSgSIll^ß). |[H.W.: LCB1 S.445;O.Harnack:PrJbb.77, S.160.]| - 14) X Al.Riegl, Stil-
fragen (JBL. 1893 I 11:26). |[LCB1.S.21; R. Bock: Kunstchr. 5,S. 254,6.]| - 14a)X Emil Koch, D. Kunst als Gegenstand d.
Gymn.-Unterr.: NJbbPh. 150, S. 131-45, 170/7. - 15) Ad. Fr Graf y. Schack, Meine Gem&ldegal. 7. Ann. Nebst e. Anh., enth.
e. vollst. Verzeichnis d. Gemälde-Samml. nach Nummern. St., Cotta. VII, 384 S. M. 3,00. — 16) X B- Becker: Nation,,. 11,
S. 4524: BURS 62, S. 620/1; AI. Braun: ÜLAM. 72, S. 844/5: 0. Panizza: Zuschauer 1, S. 5014; IllZg. 102, S. S98,«;
BerlTBl. N. 192, 205; Wilh. Schmidt: AZg". N. 179; B. Hirth: Kunstchr. 5, S. 441/6. — 17) (I 4:468; IV 1 c : 66.)
j[M. Necker: BLU. S. 753/5; Max Schmid: ML. 63, S. 1618-20; Geg. 46, S. 180/4; Ad. Rosenberg: Grenzb. 4, S. SM] 8
- 18) X F. v. Reher, F. Pecht z. 80. Geburtst.: Kunstfür Alle 9, S. 2,6. — 19) X H. V, F. Pecht z. 80. Geburtst. : NorddAZg.
N. 461. - 20) T. Ullrich, Krit. Aufsätze über Kunst, Litt. u. Theater. B., Gaertner. VII, 352 S. Mit Bildn. M, 4,50. -
I 9-.20-25 C. Gurlitt, Kunstgeschichte.
in öffentlichen Ausstellungen zu sehen waren. Delaroche, Gallait, Leutze, Fr. Preller,
Cornelius, Knaus, C. F. Lessing usw. erscheinen nach einander. Die Auswahl aus
seinen Arbeiten — um eine solche handelt es sich doch — ist sichtlich in der" Absicht
geschehen, nachzuweisen, das auch U. das Gute alsbald erkannt habe und somit
seiner Zeit voraus geeilt sei. Ein Lob Böcklins vom J. 1860 ist ja wirklich" eine
kritische That. Aber im allgemeinen ist seine Kritik Nacherzählen der im Bilde
dargestellten Thatsachen, nicht Nachempfinden des künstlerischen Wertes. U. bleibt
trotz mancher erfreulichen Züge ein Kritiker der romantischen Aesthetik, und es ist
ihm so wenig wie anderen gelungen, aus dieser heraus sich von der Ueber-
schätzung des geschichtlichen oder poetischen „Inhalts" frei zu machen. — Ludwig
Pietschs 70. Geburtstag gab den Anstoss, sich auch mit diesem Kritiker zu beschäftigen.
Wenn er Ludw. Stettenheims21) Lob über sich ergehen lassen muss, dass er
anspruchsvoller Mittelmässigkeit und gespreizter Talentlosigkeit mit herbem Tadel ent-
gegenträte, so muss man dagegen erinnern: Gerade, dass er Gutes tadle und gegen die
Mittelmässigkeit zu milde urteile, ist der oft erhobene, gerechtere Vorwurf gegen den
viel gepriesenen und viel geschmähten Haupt Vertreter der älteren Kritik in Berlin.
— Der Wunsch sich über den Stand der künstlerischen Dinge im allgemeinen klar
zu werden, tritt auch in diesem Jahresabschnitt deutlich hervor. Ich greife einige
Versuche heraus, die mir als typisch scheinen. So Aldenhovens22) Aufsatz
„Die Kunst und das Publikum". Ein offenes Geständnis, dass er nicht verstehe, was
die Neuen wollen: So haben wir als Quartaner die Farben unseres Tuschkastens
verwendet! sagt er von einer schattenlosen Landschaft. Ihm ist die Richtung der
Impressionisten kaum mehr als eine Verirrung, zumeist wohl ein Beweis allgemein
vorherrschender Unfähigkeit. Es ist immerhin psychologisch merkwürdig, dass ein
grundgescheiter Mann wie A. sich niemals fragt, ob der Grund des Missverstehens
nicht etwa doch in ihm liege, nicht in dem Sinne, in welchem Helferich23) von
ihm redet: „Er ist ein guter Mann; er ist sehr ästhetisch; aber hat gar keine Ahnung
von der Kunst!", sondern in dem, dass er in seiner Jugend aufnahmefähig für
vielerlei Kunst war, und dass er nun es nicht mehr ist, dass seine Sinne vorzeitig
zu stumpf wurden, um sich neuem Fassen zu erschliessen, dass ihm gerade seine
Aesthetik einen Riegel vor die Erweiterung seines Schönheitsempfindens schob. Man
kann von Kunst eine Ahnung haben, ohne aller Kunst gerecht werden zu können.
Winckelmann hatte mehr als eine solche Ahnung, hatte aber gewiss über die Skulpturen des
Zeustempel in Olympia ähnlich geurteilt wie der Bildhauer Hahnel: Es ist erfreulich
zu sehen, dass es auch Griechen gab, die nichts gekonnt haben! Nicht das Unverständnis
im allgemeinen macht A., der hier nur als Beispiel für viele Gleichwertige genannt
sein soll, unfähig zur Kritik, sondern die Meinung, die Kunst müsse sich nach
seinem Verständnis richten. Man kann andererseits heute öfters lesen, was früher
undenkbar war, dass nämlich ein Kritiker selbst sagt, er bespreche den und jenen
Künstler nicht, nicht weil er ihm unwürdig hierzu erscheine, sondern weil er ihn nicht
verstehe! Bisher hat es geheissen: Jener Künstler ist ein Narr, den der ästhetisch
Gebildete und noch viel mehr der Kritiker von Beruf nicht ohne weiteres versteht.
Denn die alte Aesthetik forderte von der Kunst Unterordnung, während die heutige in
ihr Förderung sucht. Ob nun die „Alten" oder die „Neuen" schliesslich Recht
behalten, ob die moderne Kunst voll Unsinn oder voll Sinn ist, das wird doch unent-
schieden bleiben. Denn auch kommende Zeiten werden kein gerechtes Urteil zu fällen
vermögen. Auch sie werden von den für sie massgebenden Lebensbedingungen
aus bedingt richtig urteilen. Man muss die Geschichte der Wertschätzung etwa eines
Franz Hals verfolgen, um sich hierüber klar zu werden. Aber die, welche der zeit-
genössischen Kunst zustimmen, weil sie sie verstehen, weil sie mit den Künstlern gleich-
gestimmt sind, werden dauernd für die Kunstgeschichte grösseren Wert haben; sie sind
die berufenen Erklärer ihrer Zeit, nicht jene, welche als Fremdlinge in ihren eigenen Tagen
hausen. — Den Wunsch, sich wenigstens über die äusseren Vorgänge, das Hin und Her
des Kampfes zu unterrichten, wird man wieder am besten durch die Fachblätter befriedigen.
Ihre Reihe wurde im letzten Bericht aufgezählt, ebenso wie in diesem der sich an-
bahnende Sieg der modernen Art kritischer Besprechung erwähnt wurde. Einzelnen
Blättern sei aber noch besondere Aufmerksamkeit zugewendet. So dem „Kunstwart"24 25),
welchen F. Avenarius auf der von vornherein eingenommenen vornehmeren Höhe
erhielt. Diese äussert sich nicht im Nichteinmischen in die Tagesfragen, sondern
gerade durch kräftige, aber allem Cliquenwesen fremde Parteinahme. Die Ausstellungs-
und Kunstberichte von Paul Schumann, Albert Dresdner, Alfred
Freihofer, Oskar Bie usw., das ernste Streben nach ästhetischer Klärung,
nach Vertiefung, ohne dadurch die Frische aufzugeben, die weitsichtige Art der
21) L. Steltenheim.L. Pietsch: FrBl". K. 301. - 22) C. Aldenhoven, 1). Kunst u. d. Publikum: Nation". 11,3.1835.—
23) II. llelferich, Kunstausstellungen in d. Fremde: Zukunft 8, S. 72/9. — 24-25) X *>• Kunstwart: WIDM. 75, S. 521. —
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. I 9 : 26-33
Berichterstattung' über alle Vorkommnisse in den verschiedenen Kunstgebieten machen
auch für den Historiker das Blatt zu einer Art Denkmal der Zeit. Die Arbeiten von
Julius Elias in der „Nation" gehören zu jenen, in welcher sich ein Aufmerksamer
den Kunstwerken gegenüber selbst beobachtet und von seinen Erfahrungen vor
diesen Nachricht giebt: Kritik ist das Kunstwerk, gesehen durch ein Temperament.
Das „Atelier" hat sich mehr und mehr eine führende Stellung unter den Blättern
erobert, welche im Kampfe oder doch in der Durchführung bestimmter Anschauungen
zum Siege ihrer Aufgabe sehen. Hans Rosenhagen, der Leiter des Blattes,
ficht mit Frische und heilsamer Rücksichtslosigkeit für die Sache und namentlich
für die Berliner Verhältnisse; Friedrich Fuchs, Gerhard Romint, Will3r
Pastor, Max Schmid, Robert Mielke, P.TW alle, J. van Eyck usw.
stehen ihm zur Seite. Der „Kunstsalon", das Organ der trefflichen Amsler und Ruthardtschen
Kunsthandlung in Berlin, litt unter dem Umstände, dass er zugleich kunstgeschichtlichen
Zwecken dienen wollte. Auch hier ist aber das zur Tagesgeschichte Gegebene das
Bessere : Fred Walter in München, Clemens Sokal in Wien, H e i n r.
Bothmer in der Schweiz lieforten, die deutschen Kunstverhältnisse beschreibende,
Aufsätze. Leider war ihm ein wunderlicher Kultus mit halbschürigen künstlerischen und
schriftstellerischen Talenten, eine grosse Unklarheit in der redaktionellen Mache be-
schieden. Im Okt. erschienen statt des Kunstsalon „Wochenberichte" mit nicht weniger als
drei Gratisbeilagen, die das Blatt völlig ungeniessbar machten ; sie bewiesen, dass die Firma
hinsichtlich ihres Redakteurs einen schweren Fehlgriff gethan hatte.26"28) — Be-
merkenswert ist die Schwenkung der ZBK. von C. v o n Lützow29), deren neuer
Jahrgang mit einem der neuen Kunst sich zuwendenden Aufsatz des Herausgebers
eröffnet wurde, der sich auf Bierbaums Arbeiten stützt. Die Berichterstattung über
die Ausstellungen usw. ist auch zumeist an jüngere Kräfte übergegangen, unter denen
H. Hirth als beachtenswert hervortritt. — Ebenso waltet über Pechts „Kunst für
Alle" entschieden der Geist zum mindesten der Duldung für das Neue und auch die
politischen- und Wochenschriften sind mehr und mehr zur Anerkennung der jüngeren
Kunst übergegangen. Hermann Helferichs (Emil Heilbuts) Aufsätze in
der „Zukunft" werden in diesen Blättern mehrfach als besonders reife Früchte eines
mit der Gesamtleistung der Weltkunst innig Vertrauten und als Meisterwerke
fein durchbildeten Stiles sowie tiefer Sachkenntnis Erwähnung finden. —
Francquarts Schriftchen über den „Schaupöbel" hat den Dresdener Maler Ehrenberg30)
zu einer anonymen Entgegnung angeregt, die an Verbissenheit und Erregtheit
nichts zu wünschen übrig lässt. Der Ankauf der Pietä von Klinger durch die Dresdener
Galerie sowie P. Schumanns31) und W o e r m a n n s32) Aufsätze über diese bieten
ihm den Anlass zu einer Darlegung seines idealistischen Standpunktes. Belehrung
wird man in seiner Schrift nur insofern finden, als es wissenswert ist, den Grad
gegenseitiger Erbitterung und plumpen Miss verstehens kennenzulernen. — In ähnlichem
Tone ist F e d d e r sen s33) Broschüre gehalten, gleichfalls, soviel ich weiss, das
Werk eines Malers, den die neue Kunst beiseite zu drücken droht oder bereits beiseite
gedrückt hat. — Streitentfachend, nicht streitmildernd, wie sie wohl sollte, hat auch die
Schrift des Mediziners F ritsch34) gewirkt, der die neue Kunst nach den Anschau-
ungen des Anatomen zu prüfen vornahm, um ihr ihre Fehler vorzuhalten. — Natürlich
wusste sie Entgegnungen hervorzurufen. Namentlich suchte der Maler Aug. von
Hey den35) in ruhiger, würdiger Sprache die Künstler vor der von Ueberhebung,
ja Schulmeisterei nicht freien Beurteilung zu bewahren, indem er Fritsch eine für
den Zweck nicht genügende Methode der Beurteilung vorwarf, dessen Ansicht be-
kämpfend, dass die modernen Maler absichtlich hässliche Modelle wählten und dass
sie nicht richtig zu zeichnen vermöchten. Dabei ist zu beachten, dass H. ja selbst
künstlerisch zu den „Alten" gehört. — Auch hierin bot Klinger das eigentliche Kampf-
objekt; neben ihm waren L. von Hofmann, Exter usw. die zumeist besprochenen
Künstler. F r i t s c h 36) antwortete wieder auf diese Schrift, ohne wesentlich Neues
zur Frage beizubringen.37) — „Fort mit der Censur in der bildenden Kunst" heisst
eine weitere Broschüre38), die sich gegen die „Jury" für Aufnahme von Bildern auf
den Ausstellungen überhaupt oder doch gegen die jetzige Arbeitsart dieser
Aufnahmerichter äussert. Im Grunde weiss sie bessere Vorschläge in dieser
26) X H. Häfker, D. Kunst in Berlin: Ges. S. 1616-20. - 27) X M. G. Conrad, Aus d. Münchener Kunstleuen: ib.
S. 1224, 246-50, 376/9, 924-31, 1092,3, 1210/1. — 28) X Wilh. Meyer, Aus d. FranW. Kunstleben: ib. S. 10935. - 29) C.
v. Lützow, Neue Bahnen in d. Kunst: ZBK 5, S. 1/6 — 30) [K Ehrenberg], D. neue Kunst u. d. ,,Schaupöbel". V.
e. Mitgliede d. „Schaupöbels". Dresden, Union (Herzog * Schwinge). 39 S. M. 0,60. (Vgl. JBL 1893 I 11 : 49, 54.) — 31)
P. Schumann: DresdAnz. N. 306. — 32) K. W[oermann]: DresdJourn. 20. Mai 1893. — 33) M. Feddersen, D.Entartung
d Münch. Kunst. München, Scholl. 38 S. M. 1,00. — 34) G. Fritsch, Unsere Körperforraen im Lichte d. mod. Kunst. B.,
Habel. 39 S. M. 0,80. |[J. Levin: Geg. 45, S. 403-10; H. A. Li er: Kunstchr. 5, S. 377-82.]| - 35) A. v. Hey den, Aus
eigenem Rechte d. Kunst. E. Wort z. Abwehr. B., Fontane. 24 S. M. 0,50 |fBLU. S. 702.JI — 36) G. Fritsch, Ne sutor
supra crepidam! B., Habel. 36 8. M.0.80. — 37) X E- Du Bois-Ray mond, Naturwissensch. u bild Kunst. L., Veit * Co.
1891. 64 S. M. 1,20, |[WID31. 75, S. 144 J| — 38) Fort mit d. Censur in d. bild. Kunst! E. Reformschrift gegen d. Jury-
I 9:39-72 C. Gurlitt, Kunstgeschichte.
Frage auch nicht zu geben, sondern ruft nur die Gerechtigkeit der -Erwählten an:
als ob es im Kunsturteil eine Gerechtigkeit gäbe! — Ruhiger und sachlicher äussert
sich in gleicher Frage abermals Aug. von H e y d e n39). — Die eigentlichen persön-
lichen Streitigkeiten der Berliner bespricht Helfer ich40) in einer ihrem Werte
angemessenen Behandlung. Als ob die unter direkter Beeinflussung Kaiser Wilhelms IL
erfolgte Prämiierung der Frau Vilma Parlaghi irgendwie ein Unrecht sei, anderen
von den Künstlern selbst getroffenen Wahlen gegenüber. — In einem zweiten Aufsatz
wendet Helferich41) sich gegen die Akademien und deren Künstlerzüchtung
mit einem Humor, dessen Schärfe zumeist in der klaren Erkenntnis begründet ist,
dass seine berechtigte Abneigung gegen diese „bombastischen Institute" deren Bestand
doch nicht beeinträchtigen wird.42-43) — Je mehr die zünftige Kritik durch die Thatsache
des Emporsteigens der von ihr so lange Zeit Verketzerten an die Wand gedrückt wurde,
desto eifriger war man bemüht, die Künstler selbst um ihre Ansicht zu fragen,
Bestätigung ihrer Ansichten von „berufenster Seite" suchend. Freilich nicht überall
mit gewünschtem Erfolge, namentlich nicht mit dem, nun ein abschliessendes Urteil
zu erlangen. Denn die Künstler selbst erweisen sich zumeist in der Betrachtung
der Kunst als noch einseitiger als der ärgste der von ihnen verhöhnten Kunstschreiber.
So wurden denn eine Anzahl von Meistern ausgeholt, ohne dass dadurch viel Gutes
zu Tage gekommen wäre. Wohl aber ist denjenigen, die freiweg ihre Einseitigkeit
bekannten, dieser Freimut oft herzlich schlecht bekommen. So hat Reinhold
Begas44) „Aphorismen über Kunst" drucken lassen und in diesen eine Anzahl
von Ansichten über das Verhältnis der Bildnerei zu Bestellern und Kritikern
niedergelegt, welche natürlich mancherlei Widerspruch hervorriefen, gerade weil er
ein hervorragender Künstler ist. Dass er unter „Realismus" das Betonen des Neben-
sächlichen zu verstehen scheint, ist immerhin bei einem Manne mit so offenen Augen
als ein Beweis dafür merkwürdig, dass er von alle dem, was über diese Fragen ge-
schrieben und geredet wurde, nichts gehört oder doch nichts gelernt hat. Seine fast
wegwerfenden Aeusserungen über Cornelius stehen nicht in rechtem Verhältnis zu
dem lebhaft betonten WTunsche der Hochhaltung aller Kunst, denn auch Cornelius
ist daseinsberechtigt trotz Begas! Wie alle Künstleräusserungen, und mit Recht,
sind die Aphorismen im Grunde eine Selbstverteidigung. — Aehnlich hat sich
Franz Lenbach45) über die moderne Malerei geäussert — natürlich vom Stand-
punkt seines eigenen Schaffens aus; Ladewig46) hat -Ferdinand Keller befragt,
durch Amsler und Ruthardts Wochenberichte sind ganze Reihen von Künstlern zur
Enthüllung ihrer Gedanken angeregt worden. — Selbst der Präsident der Londoner
Akademie Sir Frederic Leighton47) sah sich veranlasst, sich über die deutsche
Kunst zu äussern. Neues hat auch er nicht vorgebracht, wohl aber bewiesen, dass
selbst eine so hervorragende Stellung nicht zu einem weitsichtigen Urteil befähigt,
wenn diesem nicht ein zielklares Studium und die besondere Befähigung, welche den
Kritiker ausmacht, zu Grunde liegt; dass, wenn auch die Kritiker in künstlerischer
Beziehung oft dilettantisch urteilen, Künstler ebenso oft in kritischer Beziehung
nicht Besseres leisten. — Im Gegensatz hierzu ist es nicht uninteressant, Leighton im
Lichte deutscher Kritik48) zu betrachten. — Bierbaums „Aus beiden Lagern" (JBL.
1893 I 11 : 50; 12 : 262) wurde Veranlassung zu einer ergötzlichen Auseinandersetzung
über das Wesen der Kritik zwischen Max Schmid48a) und Servaes48b). —
Die Frage, inwiefern die neue Kunst eine nationale und daher lebensfähige sei,
suchten mehrere Kritiker in verschiedener Weise zu erörtern, indem sie, nach ihrem
Ursprung forschend, sich über ihr Wesen Klarheit zu schaffen trachteten; Muthers
und Woermanns Arbeiten boten hierzu vielfach die Anregung*. Häufig sind diesen
Besprechungen auch solche kunstgeschichtlichen Inhalts beigefügt49"72). — Rosen-
wesen miserer grossen Kunstausstell. V. C. B. u. H. W. Düsseldorf, Lintz. 19 S M. 0,50. — 39) A. v. Hey den, Jury u.
Kunstausstellungen. B., Fontane. IX, 37 S. M. 0,50. — 40) H. Helferich, Medaillenwirtschaft: FrB. 5, S. 1261/5. —
41) id.. Malerisch: Zukunft 9, S. 4133. — 42) X w- Schölermann, Freilicht! E. Plein-air-Stud. 2. Aufl. Frankfurt a. M.,
Jäger. 55 S. M. 1,00. — 43) X *"• Sarvaes, Berliner Kunstfrühling (JBL. 1893 I 11 :48): WI.)M. 7>, S. 52>. — 44) R. Begas,
Aphorismen über Kunst: Zukunft 6, S. 610/3. —45) F. Lo'nb ach, Maltechnik u. Akad.: ib 5, S. 214/8. |[Luise v. Kobell: DR. 4,
S. 88-93; Kunstchr. 5, S. 45/Q; Max Schmid: ML. 63, S. 1436/8.] | — 46) P. L.tdewig, Künstlergespräche: DR. 4, S. 336-41.
— 47) Sir Frederic Leighton, On german Art: ArtJourn. Jan. — 48 1 (= N. 23.) — 48a) Max Schmid, Z. Abwehr:
ML. 63, S. 123/4. - 48b) F. Servaes, Kunstkritik u. Berufskritik: FrB. 5, S. 83/5. — 49) X E- D-. Ursprung
v. Wesen d. mod. Malerei: DWB1. 7, S. 561/3, 574/6. — 50) X H- A- Lier, D. mod. Kunst u. d. Kunstgesch.: BLU.
S. 257-60. — 51) X Ernst Lehmann, Z. Kunst u. Kunstgesch.: ib. S. 390/3. — 52» X id-. D- Einzug d. mod. Kunst: ib.
ß. 290/1. — 53) X F- Servaes, D. Herkunft d. mod. Malerei: N*S. 70, S. 202-16. — 54) X G. Dehio, D. Malerei d. 19. Jh.
beleucht. v. e. Jüngeren: PrJbb. 76, S. 122-33. - 55) X H. Rosenhagen, D. germ. Beweg, in d. mod. Malerei: TglRs". N. 35.
— 56) X Nat- Kunst u. Realismus: NatZg. N. 2 — 57) X C. Gn rli tt, Was ist dtsch. Kunst?: Kai. aller Dtsch. S. 207-13.
— 58) X C. Aldenhoven, Mod. Kunstgesch : Nation«. 11, 8.552/6. - 59) X E- Lehmann, Z. Kunstgesch.: BLU. S. 806/8.
— 60) X B- Becker, Technische Probleme mod. Malerei: Nation». 11, S. 332/4. — 61) X c- Gurlitt, Z. Kunstgesch.:
Geg. 45, 8. 25/7. — 62) X id., Z, Kunst u. Kunstgesch.: ib. S. 103/4. — 63) X '*■ Hermann, D. dtsoh. Säle im Louvre:
VossZg. N. 602. - 64) X H. Hirth, D. Publikum u. d. mod. Malerei: WIDM. 75, S. 622/7. - 65) X °- P'inizza, Kunst
u. Künstlerisches aus München: Zuschauer 2, S. 64/7 — 66) X A> Kruhl, Im Zeichen d. Kunst: Kritik 1, S. 85-91. —
67) X F- Knnert, Aus unserem mod. Kunstleben: NZ«. 12', S. 388-96, 428-36. — 68) X H T-. Glossen zu d. Aufs. „Aus
pnserem mod- Kunstleben" v. F. Kunert: ib. S. 709-14. - 69) X Kunstkrit. SnaziorgÄn'ra: Grenzb. 4, S. 323/8. — 70) X H-
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. I 9 : 71-85
berg73) erklärt, die „neue Kunst" sei im Grunde nur eine „Leimrute für Gimpel",
entstanden, um eine Parteiherrschaft neuer Personen herbei zu führen, die aber auf
„Lug und Trug gebaut" sei. In diesem Tone behandelt er die Münchener secessio-
nistische Bewegung. Das mag dem ganz um sein Ansehen gekommenen Nachfolger
Nicolais in der „berlinischen" Art der Kritik nicht übel genommen werden, aber ist
hier doch festzustellen für jene, die die streitenden Parteien später einmal studieren
wollen. Sehr bemerkenswert ist die Antwort R.s74), in der er sich verwahrt, gehässige
Ausdrücke in seiner „ruhigen Darlegung des Thatbestandes" verwendet zu haben. —
Kunstgeschichte. Auf dem hier zu behandelnden Gebiete der neueren
deutschen Kunst gab es verschiedene allgemeine Darstellungen75). Das gross
angelegte Kuhn sehe76) Werk rückt in der eigenartigen Anordnung vor, dass jedes
Heft Bogen aus allen drei Teilen (Malerei, Architektur und Plastik) bringt, freilich zu-
nächst mit entschiedener Bevorzugung der Baukunst. — Das altbewährte Müllersche all-
gemeine Künstlerlexikon erschien in dritter,von Singer 77), völlig überarbeiteter Auflage.
Da ja überhaupt die neuere deutsche Kunstgeschichte seit dem Erscheinen der letzten
Auflage (1882) grosse Fortschritte machte, hat das Lexikon vielfache Erweiterungen
erfahren müssen. — Unter den für den Schulgebrauch bestimmten kunstgeschichtlichen
Lehrbüchern erlebten die von Graul78"79) je eine dritte Auflage, jenes von M. von
Broecker80) einezweite, Sackens81) Katechismus der Baustile eine elfte, Buchners82)
Leitfaden der Kunstgeschichte eine fünfte, Warneckes83) Vorschule der Kunst-
geschichte eine zweite Auflage. Dass G. die neuere Kunst nicht mehr über-
arbeitete, überrascht bei seiner sonstigen Stellung zur modernen Kunst und bei seiner
unbedingt weiter gehenden Sachkenntnis. Es scheint sich nur um einen Nachdruck
der älteren Auflage zu handeln. Gerade von ihm, der doch thatsächlich inmitten der
Kunstbewegung unserer Tage steht, hätte man erwarten sollen, dass erder Auffassung
unserer Zeit Raum gebe, die in der Kunst von 1810—20 nicht mehr eine Auf-
erstehung aus dem Nichts, sondern die Fortentwicklung einer starken Strömung auf
Klassizismus und Romantik erblickt. Man muss den Mut unserer Väter dem un-
mittelbar hinter uns Liegenden gegenüber gewinnen und sich von der Kunsthistorie,
wie sie 1850—1860 zusammengebraut wurde, nicht über Gebühr imponieren lassen ! —
Das von der ausgezeichneten Berliner Kunsthandlung Amsler und Ruthardt heraus-
gegebene, wissenschaftlich durchgearbeitete Verzeichnis von Photographien84) nach
Werken der Malerei, ein Hülfsmittel ersten Ranges für das vergleichende Studium der
Gemälde umiässt nun bereits in seiner vierten Lieferung die deutsche Kunst bis auf
Dürer, Cranach und Holbein und bietet in seiner sorgfältigen Durcharbeitung ein vor-
zügliches Hülfsmittel für die Kunstgeschichte. — Ein neues Lehrbuch dieser Wissen-
schaft trat mit in den Wettbewerb ein, und zwar von dem inzwischen leider verstorbenen
Goeler von Ravensburg85). Es hat eine thunlich knappe Form gewählt,
um in der Kürze viel zu bieten. Es verzichtet auf jede Ausschmückung des That-
sächlichen durch schriftstellerische Durchbildung, sondern giebt das Gerippe, dem der
Vortragende und der Lernende selbst das Seine hinzuzufügen hat. Dabei ist es eine
tüchtige wissenschaftliche Leistung, welche beweist, dass der Vf. nicht bloss aus zwei
Lehrbüchern ein drittes machte, sondern dass er den Stand der jeweiligen Special-
forschungen festzustellen bemüht war. Eine systematisch klare Gliederung des
Stoffes — bei der es natürlich ohne Härten in der Scheidung und Verbindung ver-
wandter Kunstwerke nicht abgeht — eine kurze, klare Charakterisierung, eine vor-
sichtige Auswahl der zu erwähnenden Werke geben dem Buche einen hervor-
ragenden Lehrwert. — Trotz der eigentümlichen Erscheinungsart, dass nämlich der
dritte, die Renaissance behandelnde Band zuerst in Heften ausgegeben wird, ist
Rosenhagen, Mod. Kunst: TglRsK. N. 200. — 71) X Ad- Rosenberg, D. dtsch. Kunstausstell. 1894: Grenzb. 4, S. 559-69.
— 72) X F- Stahl. D. Lebensfrage d. mod. Kunst: Kritik 1, S. 3114. — 73) id.. Vom Hexentanzplatz d. neuen dtsch.
Malerei: Grenzb. 1, S. 435-42. — 74) E. Wort für d. neue dtsch. Kunst mit Entgegnung: ib. S. 633-41. — 75) X Denkmäler
d. Kunst. Z. TJebers. ihres Entwicklungsganges v. d. ersten künstl. Versuchen bis zu d. Standpunkte d Gegenw. bearb. v.
W. Lübke u. -C v. Lützow. 7. Aufl. Klass.-Ausg. (36. Mg.) Mit 196 Taf. St., Neff. Fol. IV, 450 S. M. 36,00.
(Dass. Stahlstich-Ausg. M. 92,00.) — 76 1 Alb. Kuhn, Allg. Kunstgesch. Mit über 1000 111. u. mehr als 120 ganzseit. artist.
Beil. 6. Lfg. (Z. 1. u. 2. Bd.) Einsiedeln, Benziger. S. 177-240; 97-112. M. 3,00. (JBL. 1893 I 11 : 66.) — 77) Allg.
Künstlerlex. Leben u. Werke d. berühmtesten bild. Künstler. 3. Aufl., vorbereitet v. Herrn. Alex. Müller, her. v. H. W.
Singer. 1. Halbbd. Frankfurt a. M., Litter. Anst. 288 S. M. 6,30. — 78) R. Graul, Bilderatlas z. Einführ, in d. Kunstgesch.
Schulausg. d. kunsthist. Bilderbogen. 3. Aufl. L., Seemann. 4°. IV, 104 S. M. 3,60. (JBL. 1893 I 11 : 59.) — 79) id..
Einführ, in d. Kunstgesch. Textbuch z. Schulausg. d. kunsthist. Bilderbogen. 3. Aufl. ebda. VI, 128 S. M. 1,40. —
80) M v. Broecker, Kunstgesch. im Grundriss d. kunstliebend. Laien z. Stud. u. Genuss. 2. Aufl. Göttingen, Vanden-
hoeck & Ruprecht. X, 164 S. Mit 41 Abbild. M. 2,60. |[Geg. 46, S. lll.]| — 81) Ed. Sacken, Katechismus d. Baustile
oder Lehre d. architekt. Stilarten v. d. ältesten Zeiten bis auf d. Gegenw. 11. Aufl. Mit 103 Abbild. L., J. J. Weber. 12°.
XII, 196 S M. 2,00. — 82) W. Buchner, Leitfaden d. Kunstgesch. Für höh. Lehranst. n. d. Selbstunterr. bearb. 5. Aufl.
Mit 87 Textabbild. Essen, Baedeker. X, 179 S. M. 2,80. (JBL. 1893 I 11 : 58.) — 83) G. War necke, Vorschule d. Kunstgesch.
Textbuch zu d. kunstgesch. Bilderbuch. 2 Aufl. L., Seemann. VIII, 98 S. M. 1,00. (JBL. 1893 I 11:57.) — 84) Verzeichnis
v. Photographien nach Werken d. Malerei bis z. Anfang d. 19. Jh. nach kunstwissensch. Gesichtspunkten geordn. 3. u. 4. Lfg
B., Amsler & Ruthardt. S. 279-562. M. 10,00. — 85) Fr. Frhr. Goeler v. Ravensburg, Grundriss d. Kunstgesch. B.,
C. Dnncker. XII, 478 S. Mit 9 Fig. M. 6,00. |[S. Huber: LHw. 33, S. 684 7; VossZg. N. 250; ChristlKunstbl. N. 8; TglRs».
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (1)15
I 9:86-96 C. Gurlitt, Kunstgeschichte.
Alwin Schultz86) allgemeine Geschichte der bildenden Künste im J, 1894 noch
nicht in das hier zu behandelnde Gebiet eingetreten. Jedenfalls aber zeigt es sich
schon im ersten Hefte, dass hier ein mit ausserordentlichem Aufwand ausgestattetes
Werk an die Oeffentlichkeit kommt, über welches eingehend zu berichten sein wird.
— Frantz87"88) Geschichte der christlichen Malerei gelangte nun zum Schluss,
indem auch ein Bilderheft beigefügt wurde. Leider fehlt in diesem Buche die Be-
handlung der für diese Besprechung massgebenden Zeit. Mit der Reformation endet
das im katholischen Sinne das Christentum auffassende Buch, welches in ruhiger
Form die besonderen Anschauungen des Vf. kund giebt und somit auch auf den
nicht in gleicher Weltauffassung Stehenden belehrend und anregend wirkt. Freilich
klebt diesen katholischen Büchern der gleiche Fehler an wie den „aufgeklärten",
der nämlich, dass sie den Stand der Weltanschauung von heute auf vergangene
Zeiten erstrecken. Wie die liberalen Gelehrten jeden wissenschaftlich Vorwärts-
strebenden und gar Antiklerikalen vergangener Zeit als Parteigenossen ansprachen,
so thun die Katholiken, als habe die römische Kirche zu allen Zeiten eine Einheit
der Gleichgesinnten gebildet, als hätten alle Gläubigen sich auf das Programm der
Centrumspartei von jeher ein geschworen. — Wegen ihres Textes und, für die hier
vorliegenden Zwecke, namentlich auch wegen der sehr reichen Illustrierung ist
Kaemmels89) illustrierte Weltgeschichte an dieser Stelle zu empfehlen. Die
bildliche Ausstattung geschah namentlich durch Wiedergabe zeitgenössischer Bild-
und Kunstwerke, die in hervorragender Weise geeignet sind, die Zeitstimmung
auf den Beschauer zu übertragen und somit den kulturgeschichtlichen Lehrwert des
Buches zu steigern. Das 17. und 18. Jh. bilden im wesentlichen- den Inhalt der
beiden stattlichen Bände. — Unter den neueren, weitere Gebiete umfassenden
Publikationen sind die Bilder aus -der Kunstgeschichte von Leithäuser90) zu
nennen. Ob es ein wirkliches Bedürfnis war, die an sich verständigen und klaren,
aber keineswegs hervorragenden, doch für den Laien lehrhaften Berichte über die
Forschungen anderer, nachdem sie in den Zeitungen ihre Pflicht gethan, in einen
Band zu vereinen, lasse ich dahingestellt. — Origineller ist das Buch von
Engels91), ob es gleich weder als wissenschaftliche Forschung noch in illustrativer
Beziehung eine Förderung unserer Erkenntnis herbeiführt. Es ist das Buch
eines Mannes, der mit Herzenswärme an seine Aufgabe herantrat und sie mehr
mit den Trieben eines frommen Sammlers wie mit der Absicht kritischer Sichtung
behandelte: Ein Buch, an dessen Entstehen er selbst gewiss durch Jahrzehnte die
grösste Freude hatte. — Merlos Werke über die Kölner Künstler schritt in lieferungs-
mässigem Erscheinen fort. Die unter Firmenich Richartz92) vollzogene Bearbeitung
des berühmten Buches hat, dies ist schon jetzt deutlich ersichtlich, dessen Wert noch
ausserordentlich gesteigert93-94). — Von Muthers95) Geschichte der Malerei im
19. Jh. erschien der dritte Band. Wieder begleitete das Buch eine Reihe von Be-
sprechungen, in welchen der erreichte Fortschritt in der Erkenntnis dankend anerkannt
wurde, aber sich auch Widerspruch gegen die Art der Benutzung fremder Quellen
erhebt96). In diesen Bande bespricht M. die „Jungen" aller Kunstvölker, ist er mit-
hin in jenem Gebiete, in dem er sich völlig heimisch fühlt, als einer der „dazu gehört".
Das, was das Buch auszeichnet, ist vor allem die Beherrschung des Ganzen durch
eine Persönlichkeit, die auf das Ich, nicht auf die Meinung der „strengen Wissen-
schaft" begründete Auffassung des Werdeganges und der Werte der Kunst. Ver-
gleiche ich M.s Buch mit dem so vieler anderer, so ist das eine ein solches, welches
überall an die bestehende Lehrmeinung anstösst, weil es von einem Selbstdenkenden
geschrieben ist, so bieten die anderen tüchtige Gelehrtenarbeit, welche ergründet, wie
man über den Gang der Dinge nach den neuesten Forschungen zu denken habe.
M. scheut sich nicht, von anderen einen Satz, einen Abschnitt wörtlich zu entlehnen,
wrenn nur der Gedankengang der seineist; andere glauben, wenn nur die Wortstellung
eine neue ist, über die fremden Gedanken frei verfügen zu dürfen. Ihnen ist der
Gang der Kunstentfaltung endgültig klar gelegt, sie geben nur Bestätigungen der
Darstellungsart, die Schnaase, Lübke und ihre Zeitgenossen feststellten. M. hat es
N. 169.]! — 86) Alwin Schultz, Allg. Gesch. d. bild. Künste. 3. Bd., 1. Lfg. B., Grote (S^p. Conto). S. 1-48. M. 2,00.
l[Bär 20, S. 579; VossZg. N. 560.]| - 87) E. Frantz, Gesch. d. christl. Malerei. 15.-17. Lfg. Freiburg i. B., Herder.
S. 673-950. M. 7,00. UKath. 2, S. 378-80; ThLB. 17, S. SS. [ [ (.JBL. 1S93 I 11 : 63.) - 88) id., Bilder z. Gesch. d. christl.
Malerei, ebda. 72 Taf. u. 7 S. Text. M 5,00. — 89) (II 1:1; III 1:2.)- 90) G. Leithäuser, Bilder aus d. Kunstgesch. Ham-
burg, Verlagsanst. VII, 228 S. M. 3,00. - 91) M. Engels, D. Darstellungen d. Gestalten Gottes d. Vaters, d. getreuen u.
gefallenen Engel in d. Malerei. E. kunsthist. Stud. mit 112 Abbild, auf 65 Taf. Progr. Luxemburg. 4°. VI, 94 9. — 92) J. J.
Merlo, Köln. Künstler. Her. V.E.Firmen ich- Richartz (JBL. 18931 11 :71). 5. u.6 Lfg. Düsseldorf, Schwann. S.321-480. äM.1,50.
|[J. Helby:RAC4, S. 491 ; H. de Cur zon: RCr. 36, S 382; LCB1.S. 125.JI - 93) O A. Wintterlin, Württemb Künstler in Lebens-
bildern. Mit 22 Bildn. in Holzschn. St., Dtsch. Verlagsanst. IX, 498 S. M. 5,00. |[R'BGV. 42, S. 136.]| — 94) O Karoline
Murau, Wiener Malerinnen. Dresden, Pierson. XII, 127 S. M. 2,00. — 95) R. Muther, Gesch. d. Malerei im 19. Jh.
(JBL 1893 I 11 :276.) 3. Bd. Mit 442 Illustr. G. Hirth, München. IX, 757 S. M. 15,00. IfMax Schmid: ML. 63, S. 829-30;
J. S.: LCB1. S. 1380/2; WIDM. 76, S. 503,9; BerlBörsCour. N. 60; Alf. Gotth. Meyer: NatZg. N. 319; H. A. Lier: ZBK. 5,
S. 219-23.]| - 96) X Th. Wolff, Grosse Kunst u. kleine Künste: BerlTBl. N. 60. - 97) X Gesch. d. dtsch. Kunst. (JBL. 1893
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. I 9
97-125
endlich gewagt, hiermit für ein immerhin beschränktes Gebiet zu brechen. Hoffent-
lich kommt bald die Errettung- auch aus der formalistischen Gesamtanschauung der
Kunstgeschichte, aus der Trennung nach „Stilen" — als sei das Wesen der Bau-
kunst darin zu suchen, ob Spitzbogen oder Rundbogen angewendet würden! Ist
dieser Umschwung einmal vollzogen, so wird die Welt staunend sich fragen, wie
es ihr möglich war, die stumpfe Betrachtungsart der Kunstgeschichte als eine grosse
That zu feiern97"101). — Einzelne Sonderarbeiten seien hier angezogen. Gurlitt102)
brachte einen auf Leischings (JBL. 1893 I 11:9) Buch l03) sich aufbauenden, seine
Aesthetik heranziehenden Text zu einigen Bildern Reynolds. — Von der grossartigen
Herausgabe der Kupferstiche und Holzschnitte alter Meister, welche unter Führung
Lippmanns104) die Reichsdruckerei in Berlin mustergültig veranstaltet, erschien
ein weiteres, 50 Blätter umfassendes, Heft. — Das von Hanfstaengel in München
vorbereitete Prachtwerk über die Kgl. Galerie zu Dresden, zu welchem H. Lücke den
Text liefert, wurde angezeigt105). — Das Seidlitzsche106) Portraitwerk schritt bis
ins Zeitalter des 30jährigen Krieges vor. -- Besonders vielseitige Aufschlüsse über
Kunst und Künstler vorwiegend des 16. Jh. giebt der Katalog der Portraitsammlung
des Erzherzogs Ferdinand, welchen Kenner107) herausgab108"117). —
Topographie. Die beschreibende Darstellung der Bau- und Kunstdenk-
mäler in Deutschland nahm ihren stetigen Fortgang. Ihr Zweck ist ja nicht lediglich
ein kunstgeschichtlicher, sondern mehr noch ein kunsterzieherischer, insofern als sie
den Gemeinden und den Behörden ein Mittel an die Hand geben soll, für Erhaltung
des geschichtlich und künstlerisch Wertvollen zu wirken. Daher machte sich auch
eine Reihe von Versuchen bemerkbar, welche die Folgerung der Darstellung, nämlich
die Fürsorge für die Erhaltung der Denkmäler, weiter auszubilden suchten. So gab
Ermisch118) einen kurzen, aber vielseitigen abwägenden Ueberblick über den
allgemeinen Stand der Erhaltungsfrage in verschiedenen Staaten119). — Aehnliche
Ziele verfolgt die Denkschrift120) betreffend den staatlichen Schutz der Denkmäler
im Herzogtum Braunschweig. —
Von Lutsch s121) Verzeichnis der Denkmäler Schlesiens wurde der
Band über den Reg.-Bezirk Oppeln durch die Bearbeitung der Fürstentümer Oppeln
und Ratibor und der freien Standesherrschaften Beuthen und Pless vollendet. Die
Städte Oppeln, Ratibor, Gleiwitz, Beuthen und andere Orte bieten mancherlei Be-
merkenswertes, wenn gleich das Gesamtergebnis ein für die Entwicklung der neueren
deutschen Kunstgeschichte nicht sehr reiches ist. — Wernicke122), ein Gelehrter
mit glücklicher Hand im Finden von Aktennachrichten, schrieb einen Aufsatz zur
Künstlergeschichte von Liegnitz. — Umfangreicher ist der gut illustrierte Aufsatz von
Jonetz123) über Brieg und namentlich über seine vornehmen Renaissancebauten. —
In Sachsen nahm Gurlitt124) die infolge von Steches Tod ruhende Arbeit
wieder auf, indem er den Band Leipzig-Land lieferte. Gegenüber den Stecheschen Bänden
wurde die illustrative Seite etwas stärker betont, namentlich wurde die zeichnerische
Wiedergabe auf alle vorkommenden Zeichen, Marken und Muster erstreckt. Auch hier
ist das Ergebnis nicht ein eben sehr reiches, wenn schon an Malereien und Schnitz-
werken der Zeit um 1500 nicht unbedeutende Arbeiten auftreten. Namentlich die
Madonna aus Eythra und die Pietä aus Taucha sind hervorragende Werke sächischer
Schnitzkunst. — Auf einzelnen Bauten zu Stolpen machte ein besonderer, Archivalien
heranziehender Aufsatz Gurlitts125) aufmerksam. — Die Schlosskirche zu Torgau,
I 11:64.) |[H. Grosse: DBUEU15. 21. S. 47; Kunstgewerbe!)!. 5, S. 46.]| — 98) X F- Reber, Gesch. d. Malerei (JBL. 1S93
I 11:61). |[TglRsB. N. 1; Max Schmid: ML. 63, S. 7C2.J| — 99) A. Ilg, Kunstgesch. Charakterbilder (JBL. 1893 111:106):
WIDM. 75, S. 524. — 100) X B- Haendcke, D. Bannerträger (JBL. 1893 I 11:217): LCB1. S. 1148,9. — 101) X W. Lübke,
Grundriss d. Kunstgesch. (JBL. 1893 I 11:56): VossZg. N. 570. — 102) C. Gurlitt, Josh. Reynolds: V. Fels z. Meer. 2,
S. 168-76. — 103) X Konr. Lange: LCB1. S. 1036/8; id.: Grenzb. 1, S. 531-42; WIDM. 75, S. 139. — 104) Kupferstiche n.
Holzschnitte alter Meister in Nachbildungen. Her. v. F. Lippmann. 5. Mappe. B., Reichsdr. Folio. 50 Bll. mit 1 S.Text.
M. 100,00. — 105) VossZg. N. 592. — 106) Allg. hist. Portraitwerk. Neue Ausg. (JBL. 1893 I 11 : 74.) II. Abt.: D.Zeitalter
d. 30j. Krieges (1600—70). 13.-19. Lfg. München, Verlagsanst. für Kunst u. Wissensch. Fol. ä 10 Taf. Mit 10 Bll. Text,
ä M. 4,00. |[J. Sahr: ZDU. 7, S. 651-69.]| - 107) Fr. Kenner, D. Porträtsamnil. d. Erzherz. Ferdinand v. Tirol: JKSAK. 15,
S. 147-259. |[J. Juveczeck: ÖLB1. 3, S. 174/6.] | (JBL. 1893 I 11 : 76.) - 108) X *• Bo'e. Sieben Meisterwerke d. Malerei
(JBL. 1893 I 11 :73). |fA. E.: HPB11. 113. S. 460/4; ÖLB1. 3, S. 51.]| — 109) X W. Wunderer, F. Bender, Klass. Bilder-
mappe (JBL. 1892 I 5:105): BBG. 30, S. 417,8. — HO) X Max F. Friedländer, Nachbildungen älterer Kupferstiche:
VossZg". N. 16/7. — 111) X D- Ausstell, v. Werken d. Holzschneidekunst d. 15. bis 18. Jh.: VossZg. N. 45. - 112) X A. G.
Horst, D. hist. Samml. d. Münchner Künstlergenossenschaft: Kunstchr. 5, S. 169-74. — 113) X Uebers. d. kunsthist. Samm-
lungen d. Allerhöchst. Kaiserhauses. L., Litt. Anst. (A. Schnitze). 390 S. Mit 4 Grundrissen. M. 2,00. — 114) X !*• v- Rades,
Leopold I. als Förderer der Kunst: Kunstchr. 5, S. 10/3, 402. — 115) X K. Budde, D. neubegründ. Samml. v. Gemälden
alter Meister zu Strassburg i. E.: DWB1. 7, S. 149-53. — 116) X Rud. Wackernagel, Ueber Altertumsammlungen. Fest-
rede. Basel (R. Reich). 40 S. Mit 3 Taf. M. 2,00. — 117) X E. A. Stfickelberg, D. hist. Museum in Basel: NZürichZg.
27. April. — 118) H. Ermisch, D. Fürsorge d. Staats für d. Erhalt, d. Denkmäler d. Vergangenh.: LZgH. N. 153. — 119) X
KBGV. 42, S. 93/7. — 120) Denkschrift betr. d. staatl. Schutz d. Denkmäler im Herzogt. Braunscbweig. Wolfenbüttel, Zwissler.
16 8. M. 0,50. — 121) H. Lutsch, Verzeichnis d. Kunstdenkmäler d. Prov. Schlesien. 4. Bd. (1. u. 2. Hälfte: JBL. 1893
I 11 :82). Breslau, C. Korn. XVI, 444 S. M. 7,20. — 122» E. Wernicke, Z. Künstlergesch. v. Liegnitz: SchlesiensVorz. 5,
N. 10. — 123) (1. v. Jonetz, Brieg: ZBK. 5, S. 25-33, 105-10, 181/6. - 124) C. Gurlitt, Beschreibende Darstell, d. Bau-
u. Kunstdenkmäler d. Kgr. Sachsen. Auf Kosten d. Staats her. vom Altertumsver. 16. Heft. Dresden, Moedeheld. 156 S.
Mit 118 Illustr. u. 14 Beil. M. 7,00. - 125) id., Kurfürt Augusts Bauten zu Stolpen: NASächsG. 15, S. 157-61. — 125a)
(1)15*
I 9 : I25a-i35a C. Gurlitt, Kunstgeschichte.
den ältesten protestantischenKirchenbau, deren Wiederherstellung" der wackere Divisions-
pfarrer Schild 125a) vorzubereiten sich die Aufgabe stellte, besprach und beschrieb er
in einer kurzen geschichtlichen Studie. —
In Thüringen, wo Lehfeldt126) sein Werk mit grossem Fleisse fortsetzte,
treten uns in den Schlössern Schwarzburg und Rudolstadt zwei hervorragende Bauten
des 18. Jh. entgegen. Ausser dem Schloss Könitz aus dem 16. Jh., einer Anzahl
von gewerklichen Erzeugnissen in fürstlichen Sammlungen, einem hübschen
Renaissancehaus in der Stadt Rudolstadt bietet auch hier das endende Mittelalter den
Kern des Erhaltenen. Die kleinen thüringischen Höfe zeigen sich als Kunstcentren
von dankenswertem Einfluss auf die Gesamterscheinung des Landes; sie bringen ihm
eine Kultur, die sich seit dem Ende des 30jährigen Krieges stetig, wenn auch mit
bescheidenen Mitteln entwickelt. —
Auch die bay eri sehe Inventarisation schritt 1894 rüstig fort und umfasste die
Bezirksämter Weilheim, Garmisch und Tölz. Wieder bietet sie unter dem Einfluss
der katholischen Kirche und des sie stützenden Hofes ausserordentlich reiche Gaben
für die Kunstgeschichte der letzten Jhh. Die Klosterkirchen zu Schlehdorf, Polling,
Benediktbeuren, die Reste des altberühmten Klosters Wessobrunn, welchen das
an anderer Stelle zu erwähnende Buch Hagers (N. 225) besonders sorgfältige Unter-
suchungen widmete, die Pfarrkirchen verschiedener auch kleinerer Orte, namentlich
jene von Weilheim aus dem 17. Jh., die Wandmalereien in Oberammergau, Mitten-
wald usw., die Holzvertäfelungen desSchlosses Reichersbeuren (um 1515), vor allem
aber die Prachtkirche zu Ettal, eines der Hauptwerke deutscher Kunst im
18. Jh., predigen wieder den Höhestand deutscher Barockkunst in Bayern. Die
Herausgeber sind nach wie vor G. von Bezold und Berthold Riehl127). —
Diesen aus öffentlichen Mitteln herausgegebenen Werken über bayerische Kunst reihen
sich wieder die gemeinsamen Veröffentlichungen von Aufleger und Traut-
mann128"129) an. Jetzt haben sie der prachtvollen Hofkirche in Fürstenfeld und der
Amalienburg zu Nymphenburg ihre Fürsorge zugewendet. D.s Arbeiten erweisen sich
stets als ebenso lehrreich für die Gesamtgeschichte, wie erschöpfend für den besonderen
Fall, so dass man nur die ruhige Fortentwicklung seiner Studien freudig begrüssen
kann. — Nicht minder beachtenswert ist Hagers130) Untersuchung über das Kloster
Steingaden in Oberbayern. — Der Führer durch den Dom zu Eichstätt, welchen
Schmitz131) herausgab, sei hier mit erwähnt, sowie das nur teilweise in das Ge-
biet dieses Berichtes fallende Büchlein Haa cks 132) über die gotische Kunst Lands-
huts.—Dem Anfang des 16. Jh. gehört das Chorgestühl der Martinskirche zu Meiningen
an, dessen Studium sich Schiller133) widmete. — Spechts134) kurze Beschreibung
und Geschichte der Frauenkirche in München ist auch um ihrer kulturgeschichtlichen
Nachrichten willen ein Buch, das sich erfreulich über die gewöhnliche Art der
Führer erhebt. — Eine selbständige Arbeit von grossem Interesse ist die von
Lochner von Hüttenbach136) über die Jesuitenkirche zu Dillingen, einem Werke
der Zeit von 1607—17, welches im 17. und 18. Jh. weiter ausgeschmückt wurde, in
der Grundrissanordnung aber der Michaelskirche in München verwandt bleibt. Die
Darstellung der Baugeschichte dieser berühmten Ordensniederlassung stürzt manche
falschen Ansichten über das Wesen der Jesuitenbauten und den „Jesuitenstil"
um135a). — Die Pfälzer haben der staatlichen Inventarisation durch Selbsthilfe vor-
gearbeitet. Die vom dortigen Architekten- und Ingenieurverein herausgegebene
Darstellung der Kunstdenkmäler greift zunächst wichtige Bauten heraus, um sie
monographisch zu behandeln. Dabei liegt das Hauptgewicht auf den früh mittel-
alterlichen Kunstwerken. Doch bietet die Schlossruine, die Orangerie, die katholische
Kirche und andere Bauten zu Blieskastel für das 18. Jh., die Grabmäler zu Mimbach
für das 16. Jh. gute Beispiele auch späterer Zeit. Das letzte Heft ist dem Dom zu
Speyer gewidmet, dessen Geschichte infolge der Erneuerungen nach der französischen
Verwüstung von 1689 durch die Architekten der Kurfürsten von Trier (Balthasar
E. Schild. Z. 350 j. Jubil. (3. Okt.) d. Garnisonkirche auf Schloss Hartenfels in Torgau. (Sonderabdr. aus DEB11.) Halle a. S.
(Strien). 20 S. M. 0,30. — 126) P. Lehfeldt, Bau- u. Kunstdenkmäler Thüringens (JBL. 1893 I 11 : S4). Heft 19-20. Jena,
G. Fischer. IV, 185 S. Mit 60 Abbild, u. 7 Lichtdr.-Taf. VIII, VI, 281 S. Mit 22 Abbild, u. 5 Lichtdr.-Taf. M. 6,00; 3,60.
j[VossZg. N. 584; CBIBauverw. S. 39-40.]| — 127) G. v. Bezold u. B. Riehl, D. Kunstdenkm. d Kgr. Bayern (JBL. 1893
I 11 :S5). I. Bd., 2.-9. Heft. München, Jos. Albert. Fol. S. 49-741. Mit Abbild, ä 12 Taf. ä M. 10,00. — 128) O. Auf-
leger u. K. Trautmann, D. kgl. Hofkirche in Fürstenfeld. (= Süddtsch. Archit. u. Ornamentik im 18. Jh. N. 9.) München,
Werner. 14 S. Mit 35 Taf. M. 36,00. — 129) 0. Aufleger, D. Amalienburg im kgl. Schlosspark zu Nymphenburg. (= ebda.
N. 10.) 8 S. Mit 25 Taf. M. 25,00. — 130) Gg. Hager, D. Bau- u. Kunstdenkmale d. Klosters Steingaden. Mit 11 Taf.:
OberbayrA. 48, S. 124-78. — 131) W. Sohmitz, Führer durch d. Domkirche in Eichstätt. Eichstätt, Brönner. 12°. 32 S.
M. 0,30. — 132) Fr. Ilaack, D. got. Architektur u. Plastik d. Stadt Landshut. München, A. Buchholz. II, 95 S. M. 1,60.
— 133) H.Schiller, Gesch. d. Allgäuer Kunst. Progr. Memmingen. 4°. 64 S. |[MÖstrMusKunstIndustr. 9, S. 82.]| —
134) F. A. Specht, D Frauenkirche in München. Kurze Gesch. u. Beschreib, dieses Gotteshauses z. Feier d. 400j. Jubil. d.
Ein weih. München, Braun & Schneider. 42 5. Mit Abbild. M. 0,80. — 135) 0. Frhr. Lochner v. Hüttenbach, D.
Jesuitenkirche zu Dillingen, ihre Gesch. u. Beschreib, mit bes. Berücksichtig, d. Meisters ihrer Fresken: Chrph. Thoni.
Scheffler (1700-56). Diss. München. 30 S. — 135a) X J- Neuwirth, M. Birkler, D. Kirchen im Obermarchthal (JBL. 1893
C. Grurlitt, Kunstgeschichte. 19: 136-143
Neumann, Pigage, Schlaun) nach der abermaligen Verwüstung von 1792 durch die
bayerischen Architekten Wiebeking, Martin und durch die Maler Hess und Schraudolph
vielfach in das Gebiet der neueren Kunst hinübergreift. Für die beim „Restaurieren"
zu verschiedenen Zeiten massgebendenden Gedanken bildet er geradezu ein muster-
gültiges Beispiel, da er erst im Sinne des vorigen Jh. so schön wie möglich,
dann im Sinne König Ludwigs I. so romantisch wie möglich erneuert wurde, während
man ihn jetzt so echt alt wie möglich restaurieren möchte. Die reiche Zahl von Ab-
bildungen vermittelt einen guten öeberblick über die unglücksreiche Geschichte
des ehrwürdigen Kaiserdomes 136). —
Aus Württemberg137-138) lag auch in diesem Jahre ein neuer Band
nicht vor; ebenso haben Baden und Hessen eine Fortsetzung des Werkes in- diesem
J. nicht erscheinen lassen. Einzelforschungen haben uns einstweilen zu entschädigen.
Schäfer139) machte die Baukunst des 16. Jh. in Freiburg i. B. zum Gegenstand
seiner Studien, nachdem er schon früher der älteren Baugeschichte des Münsters einer
sorgfältige Untersuchung gewidmet hatte. —
Bei den Reichs landen ist von einer hervorragend gelungenen Veröffent-
lichung zu berichten: „Strassburg und seine Bauten" behandelt die jüngste Schrift,
mit welcher den Verband deutscher Architekten- und Ingenieur vereine140) einer
seiner Zweigvereine zu seiner diesmaligen Tagung beschenkte. Die Stadtgeschichte
in diesem kostbar ausgestatteten Buche schrieb F. von Borries, die des Münsters ver-
fassten G. Dehio und E. Mey er, von dem auch eine die Umgestaltungen im 18. Jh. mit
berücksichtigende Sonderarbeit M ey er s- A 1 1 ona141) über die Skulpturen des
berühmten Bauwerkes vorliegt. Für die Geschichte der neueren Kunst bieten diese
Arbeiten mancherlei Neues, namentlich für die Zeit des Ueberganges zur Renaissance.
Das vielbehandelte Gebiet der älteren Stadtgeschichte verlassend, tritt das Buch in
eine neue wichtige Periode ein. Die Profanbauten des Mittelalters und der Renaissance
wurden von 0. Winckelmann und Th. Schmitz, die bemalten Hausfassaden
von A. Schricker, die Bauthätigkeit vom Anfang des 17. Jh. bis 1870 vom
Stadtbaurat Ott behandelt und bieten eine überraschende Menge wichtiger
Aufschlüsse,- F. X. Krauss Elsässer Inventarisations-Werk glücklich ergänzend.
Als Zwischenglied zwischen französischer und deutscher Kunst, als Sitz eines
französischen Erzbischofs, als reich entfaltetes Gemeinwesen äussert die Stadt
auch in der vielseitigen Schöpfumigsweise ihrer -Bauten die eigenartige Stellung,
in welche "sie in die Revolutionszeit eintrat. In die Darstellung des neuen
Strassburg teilten sich zumeist jene Männer, die selbst an seiner Verjüngung mit-
arbeiteten. Die ausserordentliche Sorgfalt in Text und Abbildung, welche namentlich
auch dem 16. — 18. Jh. gewidmet wurde, macht das Buch zu einer kultur-
historischen Quelle ersten Ranges und erneuert den Ruhm der deutschen Architekten
und Ingenieure: Aehnliches leistet in seinen Verbänden kaum ein anderer Berufsstand
Deutschlands, keine Künstlerschaft des Auslandes. — Im gleichen Sinne erklärend
wirkte auch der an jenem Verbandstage in Strassburg gehaltene Vortrag Otts 142)
über „Die bauliche Entwicklung Strassburgs". —
Rasch und erfolgreich schreitet die Arbeit in den Rheinlanden fort.
C 1 e m e n 143) hat diesmal in Düsseldorf eine schwierige, aber lohnende Aufgabe ge-
funden, und zwar eine solche, welche gerade über die späteren Jhh. wichtige Aufschlüsse
brachte. Die Jesuitenkirche S. Andreas mit ihren Denkmalen, das schöne Wilhelms-
denkmal in der Lambertskirche, die Kamine von Schloss Hugenpoet (1577), das lange
noch nicht — meiner Ansicht auch nicht von C. — genug gewürdigte, Schlüters
Grossem Kurfürsten vorausgehende Reiterbild des Kurfürsten Johann Wilhelm von dem
Niederländer Grupello, die Bauwerke des Rokoko halten den mittelalterlichen Kunst-
resten an Wert die Wage. Bescheidener ist das, was das zweite Heft bietet. Von den
protestantischen Kirchen zu Elberfelcl (1688 und 1749), Wupperfeld (1779), Wichlinghusen
(1742), Luttringhausen (1734) usw., hätte man, ihrer inneren Einrichtung wegen,
einen Grundriss gern gesehen, der doch, wie die merkwürdige Kanzel von Langenberg
zeigt, mancherlei Eigenart haben dürfte. Gerade weil C. mit so geschickter Hand
überall neben dem Eigenartigen auch das Typische auszuwählen und darzustellen versteht,
sei es seiner trefflichen Arbeit gegenüber erlaubt, diesen Wunsch laut werden zu
I 11: 147): ÖLB1. 3, S. 327 8. — 136) D. Kunstdenkra. in d Pfalz ges. u. her. v. d. Pfalz. Kreisges. d. bayer. Architekten- u.
Ingenieurver. (3. Bd., 4. u. 5. Lfg.; 4. Bd., 1. Lfg.) Ludwigshafen, Lauterborn. S. 121-58; S. 159-95; S. 1-46. ä M. 2,00. — 137) X Kunst
u. Kunstliebhaber in Württemberg um 1612: BBSW. S. 273/5. — 138) X B- p> E. franz. Baumeister in Oberschwaben: ib.
S. 133/4, 192. — 139) K. Schäfer, D. Baukunst d. 16. Jh. in Freiburg i. B.: ZGORh. 9, S. 665-711. — 140) Strassburg
u. seine Bauten. Her. vom Architekten- u. Ingenieur- Ver. für Els.-Lothr. Mit 655 Abbild , 11 Taf. u. 1 Plan. Strassburg i. E.,
Trübner. XII, 686 S. M. 20,00. |[CBlBauverw. S. 341/2; DBauZg. S. 401,3, 434-40, 442,4, 446/8, 450/2.]| — 141) E. Meyer-
AI tona, D. Skulpturen d. Strassb. Münsters bis 1789. I. Diss. Strassburg i. E. 53 S. — 142) Ott: DBauZg. S. 434-40,
442/4, 446,8, 450/2. — 143) P. C lernen, D. Kunstdenkm. d. Rheinprovinz (JBL. 1893 I 11:93). 3. Bd ., 1. Heft (Düsseldorf).
2. Heit (Barmen). M. 7,00. Düsseldorf, Schwann. VI, 172 S. Mit 77 Abbild, u. 8 Taf. VI, 134 S. Mit 5 Taf. u. 65 Abbild.
M. 7,00; 5,00. |[KBWZ. 13, S. 129-30; StML. 46, S. 221/2; H. Ehrenberg: Kunstchr. 5, S. 90/1; Jos. Clausa: StMBCO.
I 9-.144-151 C. Gurlitt, Kunstgeschichte.
lassen. — Einzelne Sonderschriften begleiteten die Arbeit: Eine solche über den
Umbau des dem 18. Jh. angehörigen Schlosses Poppeisdorf bei Bonn144) bringt
dessen Grundreste und einzelne geschichtliche Nachrichten. — Der Helmkensche145)
Führer durch den Dom zu Köln, eine der besten dieser so wichtigen kleinen Arbeiten,
erlebte seine 3. Auflage. Er ist auch wichtig wegen der kurzen, aber anregenden
Mitteilungen über die Restaurierung, einen nicht unwesentlichen Teil moderner Kunst-
geschichte. —
In dem neuen, dem Kreis Dortmund-Stadt gewidmeten, Hefte der Inven-
tar isation Westfalens von Ludorff146) fallen 28 Seiten des nur 54 Seiten starken
Textes auf die Stadtgeschichte. Bloss der Rest ist der eigentlichen Beschreibung der
Kunstdenkmäler gewidmet. Es bleibt nach Abzug jenes verhältnismässig langen
Vorwortes (von Rose) nicht viel mehr als ein Bilderbuch übrig. Dass gerade das
so ausserordentlich reiche Ergebnis in den westfälischen Landen, der für viele Zeiten
ganz eigenen Stellung dieser zur deutschen Kunstgeschichte die wissenschaftliche
Ergründung und Beschreibung zu sehr in den Hintergrund trat, muss immer wieder
bedauernd betont werden. Freilich ist Dortmund für neuere Kunstgeschichte ein
wenig ergiebiger Platz, wohl aber erweist es sich nach den trefflichen Abbildungen
als überaus reich an Gaben des Mittelalters. -•
Im vorliegenden, den Kreis Stolp behandelnden, Bande der pommer sehen
Inventarisation ist die Kirche zu Schmolin als ein bewusst protestantischer Bau von
1581 beachtenswert. Sonst haben die letzten Jhh. fast nur in der Kirchenausschmückung
künstlerische Reste hinterlassen, und auch diese erheben sich selten über eine wohl-
anständige Mittelmässigkeit, Ein schwerer Schlag traf das Werk durch den kurz
nach Erscheinen des Heftes erfolgten Tod seines Bearbeiters Böttger 147). —
Wie die früheren Hefte, so bearbeitete den westpreussischen Kreis Grau-
denz Landbauinspektor Heise148). Das Altarbild der katholischen Pfarrkirche zu
Graudenz aus dem 15. Jh., kunstgewerbliche Erzeugnisse der Folgezeit und die
katholische Barockkirche (Zuchthaus- und Seminarkirche zu Graudenz) bieten das
nicht eben reiche Ergebnis für die hier zu behandelnde Kunstperiode. —
Böttichers149) Arbeit über Ostpreussen vermehrte sich um den das Erm-
land behandelnden Band. Auch hier gehört das Beste dem späteren Mittelalter an.
Doch haben die katholischen Borockkirchen (Kreuzkirche zu Braunsberg; Wallfahrts-
kirchen zu Glottau, Krossen, Stegmannsdorf, das Kloster Springborn) nicht un-
interessante Gestaltung, und Braunsberg, Frauenberg und andere Orte bieten mancherlei
zur Geschichte der älteren Malerei. Die zahlreichen Altarwerke der Renaissance und
der folgenden Zeiten, namentlich aber die schönen Kirchengeräte sind besonders
hervorzuheben, das prachtvolle Grabmal des Kardinals Bathori von 1598, anscheinend
holländische Arbeit, hätte wohl eine eingehendere Darstellung verdient. Man kann
deutlich beobachten, wie sehr der Katholizimus hier im Nordosten wie überall im
17. und 18. Jh. dem Protestantismus darin überlegen war, dass er die Kraft der Kunst
zu würdigen und sich dienstbar zu machen verstand150). —
Von bemerkenswertem Reichtum ist die Inventarisation des Anhalter
Landes, die Büttner Pf ä n n e r zu Thal151) vornimmt. Die Renaissanceschlösser
zu Plötzkau, Köthen, das Rathaus zu Sandersleben, namentlich die um die Wende
vom 17. zum 18. Jh. entstandenen Bauten zu Bernburg, Bierdorf und zahlreiche
Erzeugnisse gewerblicher Kunstthätigkeit reihen sich den stattlichen romanischen
Anlagen des Landes nicht unebenbürtig an und lehren, wie in Thüringen, dass nur
die kleinen Höfe eine den Kunstbestrebungen der katholischen Kirche entsprechende
Thätigkeit in schönheitlicher Richtung entwickelten, während das Volk in seinen
Gemeinden und Stadtverwaltungen nur sehr selten sich über die Anforderung plattester
Nützlichkeit erhob. Somit erscheint der „Despotismus" der Fürsten, wie er sich
aus dem Merkantilsystem entwickelt hatte, so übel doch nicht, wie ihn die liberale
Geschichtsschreibung geschildert.
Für Oester reich fehlt es zunächst noch an einer Inventarisation. Dort
ersetzt sie die k. k. Centralkommission für Erhaltung der Kunstdenkmäler in ihren
„Mitteilungen", wenngleich nicht in völlig entsprechendem Umfange. Während diese
S. 134/9.JI — 144) CBIBauverw. S. 144/5. — 145) F. Th. Helmken, D. Dom zu Köln, seine Gesch. u Bauweise, Bildwerke u.
Kunstschätze. 3.Aufl. Köln, Boisseree. IV, 160 S. Mit Abbild. M. 1,50. — 146) A. Ludorff, D. Bau- u. Kunstdenlcm. v.
Westfalen (JBL. 1893 I 11:94). D. Kreis Dortmund-Stadt. Mit gesch. Einl. v. E. Kose. Paderborn, Schöningh. 4°. III, 54 S.
Mit 4 Karten u. 175 Abbild. M. 3,00. |[H. Ehrenberg: CBIBauverw. S. 292.]| — 147) D. Baudenkm. d. Prov. Pommern
(JBL. 1893 I 11 :96). Bearb. v. L. Böttger. III. Bd. 2, Heft 1: Kreis Stolp. Stettin, Saunier. V,112S. Mit Abbild. M. 6,00.
— 148) D. Bau- u. Kunstdenkm. d. Prov. Westpreussen (JBL. 1893 I 11:97). Heft 9 D. Kreis Graudenz. Bearb. v. K.Heise.
Danzig, Bortling. VII, 133 S. Mit 96 Textabbild, u. 9 Beil. M. 6,00. |[FBPG. 7, S. 588.JI — 149) Ad. Bötticher, D. Bau-
u. Kunstdenkm. d. Pro?. Ostpreussen (JBL. 1893 I 11 : 98). 4. Heft. Königsberg i. Pr., Teichert. VIII, 296 S. Mit Abbild
u. 15 Lichtdr.-Taf. M. 4,00. — 150) X H- Ehrenberg, Gesch. d. Kunst im Gebiete d. Prov. Posen (JBL 1893 111: 105).
|[Fr. Sarre: ßepKunstw. 17, S. 450/2; F. Schwartz: FBPG. 7, S. 280; LCB1. S. 1071.]| — 151) F. Büttner Pfännor
zu Thal, Anhalts Bau- u. Kunstdenkm. (JBL. 1893 I 11 : 100). Dessau, Kahle. S. 113-264. Mit Illnstr. M. 5,00. |[WIDM. 75,
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. I 9 : 152-167
früher den deutschen Provinzen und Staaten vorbildlich sein konnte, ist sie jetzt,
wenigstens was die Erforschung" der Denkmäler betrifft, entschieden überholt.
Nur in Kärnten ist eine Inventarisation begonnen worden. Dort setzt auch
Hann 152) seine Uebersicht über die wichtigsten Baudenkmäler nach zeitlicher Ordnung
fort, die er 1892 begann und nun bis zum Schluss der Gotik fortführt; Spuren
dieses Stiles bis 1572 verfolgend. — Das reich ausgestattete Tafelwerk von
Franz153) über mährische Kunstschätze fordert dringend einen Text. Kunstgewerb-
liches überwiegt zunächst in diesem stattlichen Buche und zwar namentlich solches
in Renaissanceformen. Aber das Buch weist doch eine solche Fülle von darzustellenden
Einzelwerken auf und giebt sie so geschickt wieder, dass es auch als wissenschaft-
liche Gabe willkommen ist154-158). — Die beneidenswerte Aufgabe, Tirol wandernd
zu durchstreifen, hat sich der Innsbrucker Professor Semper158') gestellt. Seine
Kunststudien zeigen, welche Fülle des Beachtenswerten, ja Hervorragenden das Land
bietet, und wie sehr sich auch dort eine planmässige Inventarisierung nötig macht.
Der von ihm selbst vor einigen Jahren erst „entdeckten" Brixener Malerschule des 15. Jh.
geht S. nun weiter nach, ebenso den Werken und dem Einfluss des Michael Pacher. —
Unter den Schweizer Werken steht in erster Linie das Pracht werk von
Haendcke und Aug. Müller159) über das Münster in Bern. —
Der Betrieb der neueren deutschen Kunstgeschichte hat sich wieder im
wesentlichen um einzelne strittige Punkte und besonders gefeierte Namen gedreht.
Die Malerei der Renaissance steht immer noch in erster Linie; dann aber auch
der Kupferstich des 15. und 16. Jh. Die seiner Zeit von Lübke mächtig angeregte
Erforschung der Bauthätigkeit des 16. Jh. ist jetzt gegenüber der Vorliebe für das
18. zurückgetreten. Wäre es möglich, der Wissenschaft die Wege zu weisen, so
müsste auf die Lücken hingezeigt werden. Nur in Oesterreich wird dem Anfang des
17. Jh. genügende Aufmerksamkeit geschenkt, nirgends macht sich bis heute eine
auch nur einigermassen erschöpfende Uebersicht über die deutsche Bildnerei seit
dem 15. Jh. und über die süddeutsche Freskomalerei bemerkbar. Dass eine solche
Uebersicht hinsichtlich der Baukunst besteht, darf ich wohl meinem Buche über
Barockarchitektur zuschreiben. Und wenn gleich diesem fast in jeder die ein-
zelnen Teile des grossen Gebietes behandelnden Sonderschrift Irrtümer oder doch
nicht ausreichende Kenntnis des Vorhandenen nachgewiesen werden, so birgt schon
dies negative Ergebnis einen Vorteil in sich. Es sollte demnach irgend wer versuchen,
auch für die anderen Künste einen Ueberblick zu schaffen, so gut es eben möglich ist,
damit erst einmal das Haus da ist, an welchem die notwendige Flickarbeit von den
Specialisten vollzogen werden kann. Freilich wird eine solche Arbeit, wie die
meinige, nicht auf fleissige Benutzung der Bibliotheken, sondern der Eisenbahnbillette
sich aufbauen müssen. Und das ist leider zumeist das dem deutschen Gelehrten minder
geläufige „Hülfsmittel". Die Arbeiten, die die gotische Frühzeit der Kunst be-
handeln, gehören nur in beschränktem Masse hierher. Aldenhovens160) Aufsatz
über die altkölnische Malerschule gab einen Ueberblick über das wichtige Gebiet
mit weiter Ausschau in die zeitgenössische Kunst. — Dem Amsterdamer Meister
Joost van der Beeke aus Kleve schreibt Firmenich-Richartz 161) die bisher unter
dem Namen des Meisters des Todes Mariae bezeichneten Werke zu, somit den Kreis
der Kölner Malerschule noch mehr einengend. — Dagegen wendet sich mit grosser
Entschiedenheit A. von Wurzbach162). — Eine Reihe von Arbeiten beschäftigen
sich mit gotischen, meist unter alter Uebermalung hervorgeholten Wandmalereien,
welchen jetzt überall eine besondere Teilnahme zugewendet wird. So zu Ingolstadt,
Zell bei Oberstaufen, Memmingen, auf die Lochner von Hüttenbach163) weist,
zu Bozen, die der für die Tiroler Landesgeschichte verdiente Atz164) aufdeckte, in
Dahlem bei Berlin, welche Voss165) dem 13. Jh. zuweist, in Engstatt in Württem-
berg, welche Gmelin166) behandelt. — Die Ulmer Malerschule, vorwiegend Bartholo-
mäus Zeitblom, unterzog Bach167) einer genauen Untersuchung, welche das bisher
S. 523 4.]| — 152) Fr. G. Hann, D. gnt. Kirchenbaukunst in Kärnten. Progr. Klagenfurt (St. Hermagoras). 1893. 20 S.
(JBL. 1893 I 11:245,6.) — 153) AI. Franz, Kunstarchäolog. Aufnahmen aus Mähren. Brunn, Knauthe. Folio. 100 Taf. mit
9 S. Text. M. 8,50. — 154) X D- Rathäuser d. Stadt Wien seit 600 J. Her. v. d. Gemeinde Wien, L., Litt. Anst. (A. Schnitze).
12°. 45 S. Mit 13 Abbild. M. 2,00. - 155) X K. Drex ler, D. Stift Klosterneuburg. E. knnsthist. Skizze. Wien, St. Nobertus.
VII, 276 S. Fl. 4,20. — 156) X Rud. Müller, Kunst- u. Baudenkm. d. Salhausen im Elleethale: MVGDB. S. 401-12. —
157) X Verzeichnis d. wichtigsten Grabdenkmäler in Niederösterr.: BMAltVWien 28, S. 130-44. — 158) X W. Deininger
Interieurs u. Mobilien aus Schloss Joatzberg. B., Uessling & Spielmeyer. 12 Bll. in Lichtdr. M. 12,00. [[Kunstgewerbe^. 5,
S. 47/8; Zinnendekoration. 5, S. 25, 73.]/ — 158a) H. Semper, Wanderungen u. Kunststud. in Tirol. I. (Smderabir. aus d.
„Boten für Tirol u. Vorarlberg.") Innsbruck, Wagner. II, 262 S. M. 2,00. — 159) B. Haendcke u. Aug. Müller, 1). Münster
in Bern. Bern, Schmidt, Francke & Co. X, 179 S Mit 31 Textillustr. u. 20 Taf. Fl. 14,40. |[0. J. Neuwirth: ÖLB1. 3,
S. 304/9.JI — 160) C Aldenhoven, Ueber d. altköln. Malerschule: Nation«. 11, S. 73/5, 89-92. — 161) E. Firmenioh-
Richartz, D. Meister d. Todes Mariae, sein Käme u. sein Herkommen: ZBK. 5, S. 187-94. — 162) A. v. Wurzbach, Josse
v. Cleve u. d. Meister vom Tode d. Maria: ib. S. 247 8. - 163) O. Frhr. Lochner v. Hüttenbach, Bayer. Wandgemälde
d. 14. u. 15. Jh.: RepKunstw. 16, S. 337-47. — 164) K. Atz, Ueber e. jüngst entdecktes Wandgemälde zu Bozen: MCC. 20,
S. 57. — 165) G. Voss, D neu entdeckten Wandgemälde zu Dahlem: ZBK. 5, S. 261-72. — 166) A. Gmelin, D. Wand-
gemälde im Chor d. Kirche zu Engstatt (Ballingen): BBSW. S. 2469. — 167) M. Bach, Stud. z. Gesch. d. Ulmer Maler-
I 9 : ir>7a-i83 C. Gurlitt, Kunstgeschichte.
über diesen Meister bekannte Material kritisch behandelnd, seine Eigenart der Er-
kenntnis näher bringt. — Marguilliers167aj eingehende und gut illustrierte Ar-
beit über den Tiroler Maler Michael Pacher bringt dem deutschen Fachmann nicht
viel mehr Neues als eine geschickte Orientierung über das betreffende Kunstgebiet.
— Bilder aus der Schule des Michel Wohlgemuth weist Hann168) im Museum zu
Klagenfurt nach, und zwar Reste eines dem heiligen Vitus geweihten Altares. —
Gleich mächtig wie in den vorhergehenden Jahren ist die Flut der Dürer-
Arbeiten im J. 1894 nicht gewesen. Noch wirken die teilweise für seine Lebens-
beschreibung grundlegenden Veröffentlichungen in den Zeitschriften nach. So er-
fuhr das Werk von Lange und Fuhse, welches Dürers schriftlichen Nachlass
zusammenstellte, mehrere Recensionen169), bei welchen namentlich auch die litterarische
Bedeutung Dürers hervorgehoben wurde. — Golling170) besprach Neuwirths Arbeit
(JBL. 1893 111:200) über Kaiser Rudolf IL als Dürersammler170*). — Dissel-
hoffs171) kurze Lebensbeschreibung des Meisters erschien in wohlverdienter zweiter
Auflage, neu kam heraus ein (mir nicht zugängliches) Werk von Dobson172) über
Dürers „kleine Passion". — Die „Auferstehung Christi" behandelt Blumenstengel 173).
— Zu Tereys Arbeit (JBL. 1893 I 11 : 176) über Dürers venezianischen Aufenthalt174)
äusserte sich Lange. — Mit Holbein gemeinsam betrachtet den grossen Nürnberger
Sayous175). — Es versuchte Sepp176) eine Erklärung der Apokalypse Dürers, mit
Bezug auf die Strassburger Ausgabe von 1502. 177_179) — In Buchform tritt uns eine
Lebensbeschreibung Dürers entgegen, welche aus einem in Regensburg mit Beifall
aufgenommenen Vortrage entstand. Der Beifall blieb dem Buche treu, so dass es als-
bald in 2. Auflage erschien. Dem Vf., Ant. Weber180), kommt es darauf an, Dürers
„Glaubensbekenntnis" festzustellen. Dem Entwicklungsgange des Künstlers sind 64,
seiner Charakteristik als solcher 8, dem Glaubensbekenntnis 70 Seiten gewidmet. Es
erscheint der kunstgeschichtliche Teil mithin als die schmückende Beigabe zu jener,
welche ein nachträgliches „Wegtaufen" des grossen Malers für den Katholizismus
bezweckt. Da geht es denn ohne grobe Gewaltsamkeit nicht ab. Dürers Brief an
Spalatin von 1520, in welchem er den Wunsch ausspricht, Luthers Bildnis zu malen,
wird nach W. dadurch als Beweis gegen die in seinem Briefe bekundete Liebe für
den „christlichen Mann" entkräftet, dass er thatsächlich nicht hingereist sei; die be-
rühmte Stelle in seinem Tagebuche über Luthers Gefangenschaft als nicht „pro-
testierenden" Geistes bezeichnet, da von den guten Werken und vom „Einig"-Leben
der Christen die Rede darin sei. Sobald Dürer sich nicht völlig im Geiste Luthers
äussert, seinen alten religiösen Gewohnheiten folgend, wird er als Gegner der Neuerungen
bezeichnet, wird mit allerhand wohl auf die Hörer des Vortrages in Regensburg ganz
gut berechnete Fechterkunststücken fortgearbeitet. Mir scheint es als eines der wider-
lichsten Bücher, das sich je an das Andenken eines grossen Mannes drängte, ein
solches, das nicht Klarheit erstrebt, sondern sein Bild zu Parteizwecken auszunutzen
sucht. Wissenschaftlich ist es ohne jeden Belang, lehnt sich völlig an M. Zucker
(Dürers Stellung zur Reformation, Erlangen 1886) an, nur an dessen Folgerungen
herummäkelnd. Bedauerlicher als das Buch selbst scheint mir noch sein Erfolg, der
Umstand, dass es doch eine grössere Zahl Menschen giebt, die sich an solchen „histo-
rischen" Klopffechtereien erfreuen. — Knackf uss181), der bekannte Kasseler Maler
und Kunsthistoriker, brachte dagegen ein Werk, das den Mann nicht zu sich und
seiner Tagesmeinung herabziehen, sondern ihn in seiner Grösse die Welt verstehen
lehren will, eine namentlich für die vorzügliche Ausstattung billige, recht für die
Menge berechnete Arbeit, die sich bei der wissenschaftlichen Streitfrage nicht lange
aufhält, um mit herzlichem Verständnis Dürers Schöpfungen sich widmen zu
können.182-187) — Dem Dürer aberkannt und dem Jan von Eyck zugeschrieben wird
schule: ZBK. 5, S. 201/7, 235-40. - 167a) A. Marguillier, Un maitre oublie du XV. siecle: Michel Pacher: GBA. 11,
S. 327-49; 12, S. 42, 265-80. - 168) F. G. Hann, D. Tafelgemälde aus d. Vituslegende in d. Samml. d. Kärntnischen GV. zu
Klagenfurt: Carinthia 1, S. 1,7, 33/7. — 169) X K. Lange u. F. Fuhse, Dürers schriftl. Na.:hlass (JBL. 1893 I 11: 173).
Ip. S.: RepKunstw. 16, S. 469-71; NAS 69, S. 411; FränkKur. N. 201; LCB!. 1893, S. 1705/7; A. P.: RCr. 38, S. 134;
K. Kö tschau: Grenzb. 2, S. 28-33; W. Conway: Ac. 46, S. 157; StML 47, S. 363/4; G. Vermeulen: HPB11. 113, S. 382/4;
P. Schumann: Kw. 8, B. 13; WIDM. 76, S. 510; ,T. Neuwirth: Euph. 1, S. 155/9; M. Osborn: Nation*3. 11, S. 345,6;
G. Günther: ib. S. 469-70.]| — 170) J. Golling: Gymn. 12, S. 723/4. — 170a) J. Neuwirth, F. v. Reber, Kurfürst
Maximilian v. Bayern als Gemäldesammler (JBL. 1893 I 11:198): ÖLB1. 3, S. 339-40. — 171) J. Disselhoff, A. Dürer,
Luthers Freund (JBL 1893 I 11 : 175). 2. Aufl. — 172) A. Dobon, The Jittle passion of A. Dürer. London, Bell & Sons.
Sh. 5. |[Ac 45, S. 293; Ath. 2, S. 230; SaturdayR. 77, S. 369-70.]| — 173) K. Blumenstengel, A. Dürers Auferstehung
Christi: Grenzb 4, S. 236,8. — 174) Konr. Lange: Grenzb. 2, S. 478-80. — 175 ) E. Sayous, Durer et Holbein portraitistes:
BURS, 63, S. 293-309. - 176) J. N. Sepp, A. Dürer. D. geheime OfFenb. Johannis. 15 Vollb. nach d. Handzeichn. u. gleichzeit.
Text nach d. Strassb. Ausg. v. Mart. Graeff 15(12. Mit e. Vom. n Jw»;jl(»'|s. Auslegungen. München, Hamböck. Folio. 8 S.
Mit 15 Taf. M. 8,00. — 177) X A. W. Tu er, Dürers „Adam and EveJ: NQ. 5, S. 347, 439. - 178) X V. Valentin, A.
Springer, A. Dürer (JBL. 1893 I 11 : 171): DWB1. 7, S. 359. - 179) X B Ri«U', Dtsch. u. it»l. Kunstchuraktere (JBL. 1893
I 11 : 196). |[WIDM. 75, S. 267; LCB1. 189t, S. 604.]| - 180) Ant. Weber, A.Dürer, Sein Leben, Wirken u. Glauben. 2. Aufl.
Regensburg, Pustet. IV, 148 S. M. 1,20. |[0. Frhr. Lochner v. Hüttenbach: LRs. 20, S. 200,1; StML. 46, S. 221 ;
ZChiistlK.6, S. 350; Phil. Schneider: Kath. 1, S. 284/5; F. Koch: StMBOO. S. 139-40.]| (Vgl. II 6:200.) — 181) H. Knackf uss,
Dürer u. Holbein. Bielefeld, Velhagen & Klasing. 76 S. Mit 83 Illustr. M. 2,00. (Aus NMhDalieim.) — 182) X H. Fievens-
Gavaert, A. Dürer au Musee du Louvre: L'Art. Heft 3. — 183) X O. Frhr. Lochner v. Ilüttenbuch, E. neu auf-
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. I 9 •. 184-201
durch Frimm el188"189) ein kleines Bild zu Hermannstadt in Siebenbürgen. Abge-
sehen etwa vom Schweizer Jos. Heinz und einigen Malern des 18. Jh. findet sich
wenig in dem diese Frage behandelnden ersten Bändchen der „Galeriestudien", das in
das Gebiet des hier Aufzuzählenden fiele: Zunächst beschäftigt es sich mit Erzeug-
nissen der niederländischen Kunst. —
Für die jetzt von Ilg geleitete Sammlung „Quellenschriften zur Kunstgeschichte"
brachte Döring190) einen neuen Band bei, in dem er die Beziehungen des Augsburger
Patriziers, Sammlers und Kunsthändlers Philipp Hainhofer zum pommerschen
Hof, namentlich den dorthin schwunghaft betriebenen Handel mit Kunstwerken an
Briefen aus der Zeit zwischen 1610 und 19 darlegte. Weitaus das Wichtigste ist
das, was über Dürer gesagt wird; keiner der älteren Künstler wird so oft erwähnt,
nach keines Werken ist die Jagd des genannten Unterhändlers eine so lebhafte. Die
Briefe geben einen sehr lehrreichen Einblick in die Kunstverhältnisse der Zeit, die
ein ganz entschiedenes Gefühl dafür hatte, dass ihre künstlerischen Leistungen nicht
mehr auf der Höhe des verflossenen Jh. standen. Ausser den zeitgenössischen Augs-
burger Künstlern, an der Spitze Rottenhamer, werden namentlich Italiener, vorzugs-
weise solche des endenden 16. Jh., erwähnt. Doch ist das Ergebnis für die Geschichte
deutscher Kunst und namentlich deutschen Kunstgewerbes immer noch ein sehr
reiches. Namentlich findet sich über die Augsburger Goldschmiede und Kunsttischler
vielerlei Neues und zum Studium Anregendes in den Berichten. —
Die Vorgeschichte Hans Holbeins d. Ae. berührt Burckhardt 191) in
seinen Studien zur Geschichte der Baseler Malerei des späteren Mittelalters. —
Die Annahme, welche Lippmann in einem Vortrage ausgesprochen hatte, dass der
sog. „Meister des Amsterdamer Kabinets" identisch mit Hans Holbein d. Ae. sei,
wurde durch einen Anonymus192) ablehnend besprochen. Warum schrieb er ohne Namen-
nennung? Sollte Lippmanns Macht wirklich so gefährlich sein, dass sich niemand
öffentlich an den Berliner Geheimrat heranwagt? — Die Holbeinforschung machte
sonst im Berichtsjahre nur wenige erkennbare Fortschritte. Ueber die Wirksamkeit
der Holbeingesellschaft zu Manchester habe ich nichts erfahren. His193) Aufsatz
über die wahrscheinlich um 1518 entstandene Zeichnung eines Bergwerkes, die er
im British Museum zu London auffand, ist als einzige mir vorliegende Publikation zu
erwähnen 193a). —
Dem Verzeichnisse der Werke des Han.s Baidung gen. Grien (JBL.
1893 I 11 : 230) hat Terey194) rasch eine vornehme Ausgabe der Handzeichnungen
folgen lassen, dank der Unterstützung durch die Reichslande und die Stadt Stras-
burg eines der nicht eben häufig gelungenen Werke dieser Art. — Eigene Studien
über den Meister veröffentlichte Stiassny195). — Ueber den Fund des in Frei-
burg i. B. in einem Speicher verwahrten Mittelstückes von Baidungs dortigem Altar-
werk berichtet Terey196) noch besonders. —
Durch eine Dissertation Haaslers197) über Christoph Amberger ist
die Reihe der biographischen Einzelschriften glücklich bereichert worden. — Ihr
zur Seite steht der Aufsatz von Heinr. Alfr. Schmid 198), welcher sich Matthias
Grünewalds Leben zum Thema stellte und dabei eine Klarlegung der Art dieses
selbständigsten aller deutschen Meister seiner Zeit versuchte. — Im Anschluss an ein
1883 erschienenes Werk von A. J. von Brenner-Enkervoerth über die kaiserlichen
Landsknechte kommt Wilh. Schmid199) auf Zeichnungen von S. Beham, Am-
berger, Wolf Huber, Peter Flötner, Hans Burgkmair usw. zu
sprechen. —
Stiassny200) ergänzt einige Punkte in der Kenntnis der beiden JörgB reu von
gefundenes Gemälde A. Dürers, d. sog. Heiland. Knnstgesch. Stud. B., H. Spanier. 10 S. M. 1,00. — 184) X M. Bach,
D. angebl. Dürer im kgl. Kunstkab. in Stuttgart: Kunstchr. 5, S. 383/4. — 185) X S. Rein ach, Durer Germanus et Xenophantos
Athonaios: CAC. Bd. 76, N. 10. — 186) X (I 3 : 337/8.) — 187) X w- ▼• Seydlitz, B. neues Selbstbildnis Dürers: JPrK. 15,
S. 23,6. — 188) Th. v. Frimmel, E. neuer Jan van Eyck: Kunstchr. 5, S. 4301. — 189) id., Kleine Galeriestud. N. P.
1. Lfg. D. Geraäldesamml. in Hermannstadt. Wien, Gerold & Co. 94 S. Mit 6 Abbild, u. 3 Facs. M. 3,60. |[RepKunstw. 16,
S. 392,3; C. Woermann: Kunstchr. 5, S. 88-90.] | — 190) Oslt. Döring, D. Augsb. Patriciers Philipp Hainhofer Beziehungen
zu Herz. Philipp II. v. Pommern-Stettin. Korresp. aus d. J. 1610—19 im Ausz. mitget. u. kommentiert. (= Quellenschriften
für Knnstgesch. u. Kunsttechnik d. MA. u. d. NZ. her. v.A. Ilg. VI. Bd.) Wien, Graeser. XX, 362 S. M. 7,00. |[L. Kämmerer:
RepKunstw. 17, S. 142,4; MMusKnnstlndustr. 9, S. 156 7; LCBI. S. 683/4; W1DM. 75, S. 267; BBSW. S. 673/5; N&S. 69, S. 411.]|
— 191) D. Burckhardt, Stud. z. Gesch. d. Baseler Malerei. (= Festbuch z. Eröffn. d. hist. Mus. [Basel, Reich. VI, 257 S. Mit Abbild.,
9 Lichtdr.-Taf., 1 Bildn. u. 2 färb. Plänen], S. 127-50.) —192) Historicus, Hans Holbein d. Ae. u. d. Meister d. Amsterdamer
Kabinets: Kunstchr. 5, S. 313/6. — 193) E. His, Holbeins Bergwerkszeichnung im Britischen Museum: JPrK. 15, S. 207-10.
— 194) Hans Baidung gen. Grien, Handzeichnungen in Orig.-Grösse u. Lichtdr.-Abbild. nach d. Orig in Basel, Berlin, Bern usw.
Her. v. G. v. Terey. I. Bd. Strassburg i. E., Heitz. Folio. XXII S. Mit 84 Taf. M. 100,00. |[ZGORh. 9, S. 180/1. 342;
H. A. Schmid: RepKunstw. 16, S. 293/6; LRs. 20, S. 165/8; RepKunstw. 16, S. 74/5; W. v. Seydlitz: AZg". N. 58; AGNM.
N. 2: R. Strassny: Kunstchr. 5, S. 2226; A. Schnütgen: ZChrK. 7, S. 314.li — 195) R- Stiassny, Baldung-Stud.:
Kunstchr. 5, 8. 137-42. — 196) G. v. Terey, E. wiedergefund. Altarwerk Hans Baidungs: Alemannia 22, S 279-80. (Vgl.
RepKunstw. 16, S. 446/7.) — 197) E. Haasler, D. Maler Chrph. Amberger v. Augsburg. Dias. Heidelberg. 141 S. |[Max
Friodländer: RepKunstw. 16, S. 414/5.] | — 198) Heinr. Alfr. Schmid, Matth. Grünewalds Leben. (= N. 191, S. 37-96.)
|[Max F.Friedländer: RepKunstw. 16, 8. 471/4.] | —199) Wilh. Schmid, Zeichnungen v. S. Beham, Amberger, Wolf Huber,
Flötner, Burgkmair: RepKunst. 16, S. 366/8. - 200) R. Stiassny, Ueber Jörg Breu : ZChrK. 7, S. 102. - 201) id., Jörg
Jahresberichte für neuere deutsche LittoraturgeBchichte. V. ( 1 J 1 D
I 9 : 201-222 C. Gurlitt, Kunstgeschichte.
Augsburg-, namentlich in der Unterscheidung- von Vater und Sohn, an Heinr. Alfr.
Schmids 201~202) Aufsatz sich anlehnend; dieser behandelt den bayerischen Miniatur-
maler Hans Muelich, Chmelarz203), den Formschneider Jost de Negker204),
welcher zu Burgkmair in einem ähnlichen Verhältnis stand wie Hans Lützelburger zu
Holbein und namentlich für die Fortbildung des Clairobscur-Druckes von Bedeutung
wurde. —
Dem auf die grossen Meister folgenden Zeitabschnitt gehört der Schweizer Maler
Josef Heintz an, über welchen Haendcke204) im Anschluss ansein im Vorjahr be-
sprochenes Werk (JBL. 1893 I 11 : 216) über die Schweizer Malerei genauere Nachricht,
namentlich auf Grund von Forschungen in Wien, giebt. — Die Lebensbeschreibung des
Wolf Traut, Friedr. Sustris und des unter Kaiser Leopold I. in Wien thätigen
niederländischen Malers Jan Thomas gehören noch hierher: Sie sind von Ree205),
Wessely206) und Li er207) verfasst. —
Zu dem Pracht werk über die Sammlung des Dr. Schubart. in München,
eines der hervorragendsten und sachkundigsten „Amateure" Deutschlands, schrieb der
holländische Kunstgelehrte Hofstede de Groot208) den Text. Hier sind namentlich
zwei schöne Bildnisse von Amberger hervorzuheben, die neben Cranach die hervor-
ragendsten Werke deutscher Kunst in dieser Sammlung bilden, während sonst Italiener
und Niederländer vorwiegen. —
Lieber Lukas Cranach liegt fast nur die Arbeit von Bauch209) vor, in der
auf Symphorian Reich, als einen Holzschnitzer aus Cranachs Werkstätte, auf die
Ausschmückung des Schlosses Wittenberg usw. aufmerksam gemacht wird. Jacopo
dei Barbaris Anwesenheit in Frankfurt a. 0. 1508 wird erwähnt. — Das von Cranach
geschaffene mecklenburgische Wappen und daran anschliessend andere Ex-libris
(diese sind ja die neuesten Ziele des Sammeleifers) kamen in ansehnlichen Ver-
öffentlichungen durch Teske210) und Warnecke211) zur erneuten Vervielfältigung. —
Einen durch Lichtdrucke illustrierten Nachtrag zu seinen Studien (JBL. 1893
I 11 : 241) über den Kölner Maler Barthomäus Bruyn bringt Firmenich-
Richartz212-214). -
Gleiche Berücksichtigung wie die Malerei hat die Bildhauerei215-217) wieder
nicht gefunden. Hervorzuheben sind hier die Lebensbeschreibungen der beiden
Syrlin, in denen durch den sachkundigen Klemm218"219) in Kürze das festgestellt
wurde, was die Forschung über die beiden Ulmer Holzschnitzer zu Tage förderte. —
Einer späteren Zeit, dem Barock, gehört der im steyrischen Kloster Admont
thätige Holzbildhauer Stammel an, eine überaus eigenartige Erscheinung in jener an
Talenten so reichen Zeit. Wichner220) berichtet über ihn221). —
Somit werden wir in das Gebiet der Barockkunst übergeführt: Ein für
deren Geschichte höchst wichtiges, lange erwartetes Werk ist in dem von II g222)
über den grossen Wiener Architekten Fischer von Erlach nunmehr erschienen. 1.
ist mit stürmischer Liebe Oesterreicher und Freund des Barock, dessen Schönheit
er als einer der ersten erkannte. Bedauerlicherweise hat diese Leidenschaft einen
etwas eifersüchtigen Zug. Er möchte für Oesterreich wissenschaftlich eine Art Monroe-
Doktrin aufstellen: Oesterreichische Kunst nur für die Oesterreicher. Sowie ein
Reichsdeutscher sich in sein Gebiet mischt, wird er misstrauisch; stammt dieser aus
Berlin, so wird er ärgerlich. Das Buch I.s ist das Ergebnis eines erstaunlichen Fleisses.
Man kann es als eine Grundlegung der Geschichte der Kunst des 17. und 18. Jh.
in Wien, ja in Oesterreich bezeichnen. Alles was vor diesem Buche über das darin
berührte Thema geschrieben ist, wird hinfällig; man findet in ihm nicht nur den
Hauptmeister, sondern alle jene gründlich behandelt, die in seinen Schaffenskreis
traten. Es ist aber dabei nicht recht klar ersichtlich, warum I. so böse auf alle die
ist, die vor ihm schrieben, ohne seine kolossalen Studien gemacht zu haben, warum
er rings um sich beisst, obgleich doch die anderen eigentlich niemandem zu Leide
ihre Fehler niederschrieben. I. nennt sein Werk nur eine Vorarbeit, und eine
Breu d. Ae. u. Jörg Breu d. J.: ZBK. 4, S. 21-74. — 202) W. Schraid, Hans Muelich, Miniaturmaler am Hofe Albrechts IV.
V.Bayern: ZBayerKunstgewV. 9, S. 3/5, 81/4. — 203) E. Chmelarz, Jost de Negkers, Helldunkelbll. Kaiser Max u. St. Georg:
JKSAK. 15, S. 392/7. — 204) B. Haendcke, Jos. Heinz, d. Hofmaler Rudolfs IL: ib. S. 45-60. — 205) P. J. Ree, Wolf
Traut: ADB. 38, S. 515/6. — 206) J. E. Wessely, F. Sustris: ib 37, S. 195/6. — 207) H. A. Lier, Jan Thomas: ib. 38,
S. 90. — 208) Samml. Schubart. E. Ausw. v. Werken alter Meister. Reprod. in Heliograv. u. Phototyp. Text v. C
Hofstede de Groot. München, Verlagsanst. für Kunst- u. Wissensch. Polio. VIII, 54 S. Mit 24 Taf. M. 100,00. j[W. v.
Seydlitz: AZg». N. 23; Th. v. Frimmel: ZBK. 4, S. 215/9.] | — 209) G. Bauch, Z. Cranachforschung: RepKunstw. 17,
S. 421-35. - 210) X (I 3:341.) - 211) (= N. 186.) — 212) E. Firmenich- Richartz, D. Flügelgemälde d. Essener
Altares: ZChrK. 7, S. 226-30. — 213) X J. R. Rahn, B. Haendcke, Schweizer Malerei (JBL. 1893 I 11 :216): Kunstchr. 5,
S. 158-62. — 214) X G. Koetschau, Barthel Behani (JBL. 1893 I 11:228). |[W. v. Seydlitz: RepKunstw. 16, S. 73/4;
Th. v. Frimmel: Kunstchr. 5, S. 241 2. |] - 215) X L. M., Adam Krafts Stationen zu Nürnberg: ChristlKunstbll. N. 8. —
216) X P- J- Ree, Veit Stoss: BayerGewerbeZg. N. 15. - 217) X B- T., P. Vischers Grabmal d. Kurfürsten Friedrichs d. W.:
D. österr.-ung. Bildhauer u. Steinmetz N. 27. — 218) A. Klemm, Jörg Syrlin d. Ae.: ADB. 37, S. 1668. — 219) id., Jörg
Syrlin d. Jung.: ib. S. 168/9. — 220) J. Wichner, D. Admonter Plastiker Thaddaeus Stammel: StMBCO. S. 651/8. —
221) X Wilh. Schmidt, S. Troger: ADB. 38, S. 634. — 222) A. Ilg, D. Fischer v. Erlach. I. Leben u. Werke Joh.
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. I 9 1 222-234
solche blieb es auch trotz seines erstaunlichen Umfanges. Vielleicht wäre wohl auch
möglich gewesen, sein Material noch weniger nach einem Buchplane, sondern viel-
leicht gar lexikalisch zu ordnen, um dann, an der Hand einer solchen Material-
sammlung, in künstlerischer Behandlung die Art und das hohe künstlerische Verdienst
Fischers darzustellen, wozu I. ja, wie allbekannt, im hohen Grade befähigt ist. So
wird ihm über kurz oder lang irgend jemand das Fett aus seinem Buch wegschöpfen,
um die eigene Suppe damit zu schmalzen. Diese Bedenken mögen ausgesprochen
sein im Gefühl des Dankes für die ausserordentlich reichen Ergebnisse des 20jährigen
Sammelfleisses, denen gegenüber eine im Rahmen dieses Berichtes zu haltende Be-
sprechung sich als völlig machtlos erweist. Es ist nur gut, auf die Planlosigkeit der
Forschung über die Berliner Baugeschichte hinzuweisen, um zu erkennen, wie hoch
I.s Arbeit vom rein wissenschaftlichen Standpunkt einzuschätzen ist. — In engem
Zusammenhang mit diesem Hauptwerk stehen weitere Publikationen Ilgs223"224);
so jene über das Palais Kinsky in Wien, eines der glänzendsten Barockwerke der
Kaiserstadt, wobei auf die im Hauptwerke fehlende Illustration um so stärkeres Ge-
wicht gelegt wurde. Der Bau wurde von Hildebrand für den Feldmarschall Daun mit
vollendetem Geschmack errichtet als ein Zeichen des hohen Kunstsinnes der öster-
reichischen Grossen jener Zeit. Aehnliohe, vorwiegend bildliche Darstellungen bietet
das Werk über die stattlichen Hausthore der Barockzeit Wiens. — Ein zweites Buch,
das die Kunstgeschichte der Barockzeit ruckweise um ein tüchtiges Stück vorwärts
brachte, ist das Hagers225) über Wessobrunn. Der Vf. giebt hierin nicht nur die
Kunstgeschichte des berühmten Klosters, sondern namentlich eine Darstellung des Kunst-
treibens der im Schutze des Klosters im 16., 17. und 18. Jh. blühenden Schule von weithin
wandernden Stukkaturen, Bildhauern und Architekten. Diese Darstellung wirft ein
plötzliches Licht über die Möglichkeit rascher Stilverbreitung durch eine einzige wohl-
geschulte Künstlerverbindung, welche Verwandtschaft, Heimatsgemeinschaft und die
Ueberlieferung, nicht aber irgend ein geschriebenes Gesetz zusammenhielt. Es ist
somit ein Einblick nicht nur in die Kunstgeschichte der betreffenden Zeit, sondern
auch in den Werdeprozess für andere Zeiten der Kunst gegeben, der geradezu über-
raschend ist. Denn die Erkenntnis vom gewaltigen Wert eines solchen „Kunstnestes"
auf das ganze Schaffen weiter Gebiete muss dahin führen, andere solcher Nester aus-
zuheben, deren es an den oberitalienischen Seen, im Bregenzer Land, in Tirol und
den Ostalpen sicher noch giebt. Freilich erscheint zunächst W'essobrunn so gross, dass man
sich schwer vorstellen kann, dass Aehnliches sich oft wiederholt habe226) (s.o.N. 127). —
Diese dem süddeutschen Barock gewidmeten Werke werden durch mehrere biographische
Arbeiten ergänzt227-229). Nach wie vor bot die Berliner Kunstgeschichte des 17. und
18. Jh. ein reiches, vielleicht im Verhältnis zu wichtigeren oder doch gleich bedeutenden
Zweigen der Barockkunst, zu viel bearbeitetes Gebiet. Leider wirken aber noch
die einzelnen Kräfte in völlig unsystematischer Weise; sie suchen sich gegenseitig
durch überraschende Entdeckungen zu überflügeln. Namentlich klebt der archivalischen
Erforschung noch ein Zug von Dilettantismus an, der nur in den Arbeiten von
Seidel völlig überwunden erscheint. Es wird noch zu viel „mit heisser Feder" ge-
arbeitet, mit dem Bedürfnis, das Gefundene rasch an die Oeffentlichkeit zu bringen.
In den österreichischen Urkunden und Regesten wurden 1894 wieder auf 215 Seiten
über 1100 die Kunst betreffende Aktenstücke veröffentlicht: Aus dem k. u. k. Reichs-
Finanz- Archiv von Kreyczi230), aus dem k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv von
H. von Voltelini231). — An solchen Arbeiten eines ruhig schaffenden Fleisses er-
kennt man die Schäden der Berliner, durch des alten Nicolai Geistreichigkeit noch
heute gründlich verfahrenen Kunstbeschreibung. Josephs232) Werk über dieParochial-
kirche giebt einen klaren Bericht von Entstehung und Durchbildung eines Baues,
zu welchem der von Nicolai zum grossen Meister erhobene Nering den Entwurf
lieferte. Sein erster Plan von 1694 ist eine rein holländische Saalkirche, von höchst
bescheidenem Kunstwert, die zweite ausgeführte leitet J. auf St. Maria della consolazione
in Todi zurück. Es wird mir schwer, an eine solche direkte Entlehnung- zu glauben ; ich
meine vielmehr, dass hier noch unerschlossene Einflüsse sich geltend machten, um
Nerings schwaches Können plötzlich zu einer so ansehnlichen und seinem sonstigen
Schaffen gegenüber fremdartigen Leistung zu steigern. — Nerings gesamte künstlerische
Persönlichkeit behandelt eingehend Bor r mann233). Er ist zwar der Ansicht, dass
Bernh. Fischers t. Erlach d. Vaters. Wien, Konegen. XIU, 819 S. Mit Bildn. u. 1 Tah. M. 20,00. — 223) id , D. Palais
Kinsky auf d. Freiung in Wien. Wien, Löwy. 16 S. Mit 30 Taf. in Lichtdr. M. 25,00. |[MÖstrMusKunstInd. 9, S. 158.]|
— 224) id., Portale v. Wiener Profanbauten d. 17. u. 18. Jh. 60 Lichtdr. Wien, Schroll. 18 S. u. 2 Bll. Text. M. 60,00. —
225) G. Hager, D. Bauthätigkeit in Kloster Wessobrunn u. d. Wessobrunner Stukkatoren. München (G. Franz). 328 S. Mit
16 Abbild, u. 9 Taf. M. 5,00. (Aus: OberbayrA. 48, S. 195-521.) — 226) id., Z. Gesch. d. Barocks u. Rokoko in Altbayern:
AZg». N. 26. - 227) X H- A. Lier, P. Troger: ADB. 33, S. 633 4. — 228) X id-. Joh. Trautmann: ib. S. 5189. — 229) X
(=N. 135.) — 2301 F. Kreyczi: JKSAK. 15, S. I- XL VIII. — 231) H. v. Voltelini, Aus d. k. u. k. Hof-, Haus- n. Staats-
arch.: ib. S. IL-CLXXIX. — 232) D. Joseph, D. Parochialkirche in Berlin. 1694—1894. E. bau- u. kunsthist. Stnd. auf
Grund archival. Quellen. B., Bibliogr. Bureau. VI, 176 S. Mit 11 Holzschn. M. 2,50. |[CBlBauverw. S. 312; C. Gurlitt:
KepKunstw. 17,3.278-80. Jj — 233) R.Borrm an n: Joh. Arn. Nehring: DBauZg. S. 5013, 553/9. -234) X G. Galland, D. grosse
(1)16*
I 9:234-255 C. Gurlitt, Kunstgeschichte.
nicht Nering sondern der Pariser Architekt Blondel das Zeughaus entwarf. Hiermit
ist Nerings Bedeutungslosigkeit besiegelt. Denn was er sonst schuf, zeigt so sehr
die Spuren der Mittelmässigkeit, dass es wahrlich ein verfehltes Unternehmen —
wenigstens im Sinne einer gerechten Verteilung des Studiums über die ganze Barock-
architektur ist, auf diesen Künstler dritten Ranges immer wieder die Aufmerksamkeit
hinzulenken, den Hunderte von kaum berücksichtigten Baumeistern weltferner Klöster
in den Thälern der Alpen oder dem mitteldeutschen Berglande an Können und an Eigen-
art übertreffen. Zudem sind die Schlüsse B.s, nach welchen er Nering u. a. das
Fürstenhaus zuschreibt, mehr als gewagt; es fehlt für sie immer noch an einer
einigermassen ernsthaft zu nehmenden Stilvergleichung.234) — Gelegentlich der
200jährigen Wiederkehr des Tages, da Andreas Schlüter235) nach Berlin berufen
wurde, besprach Borrmann236) dessen Lebenswerk. Um die, wie mir scheint,
im Augenblicke wichtigste Frage, welchen Anteil Schlüter am Berliner Schlossbau
gehabt habe, und in wie weit fremde Hände thätig waren, schlängelt er sich mit der
Wendung, „Schlüter sei auf freieren malerischen Wechsel der Formen ausgegangen",
habe demnach einmal mit der festen Hand eines italienischen Meisters, das andere
Mal mit der eines in Baukunst dilettierenden Bildhauers geschaffen. Ich hoffe noch,
dass es in dieser Angelegenheit einstens so ergehen wird, wie in den vielen anderen
zur Berliner Baugeschichte. Eines Tages wird ein dort Einheimischer dasselbe „ent-
decken", was ich in meinem Buche über Schlüter schon vor Jahren darlegte, und
von dem Augenblicke an wird es als wahr hingenommen werden. Solange aber dort
jene Leute das grosse Wort führen, die über die Bannmeile von Berlin hinaus
Barockkunst nicht studierten, müssen natürlich die Berliner Meister als ganz besonders
gestaltete, das Unmögliche leistende gepriesen werden237-238). — Die Wiederher-
stellung des Flügels am Schlosse zu Königsberg i. Pr., von dem Ehrenberg nach-
wies, dass ihn ein Architekt Schultheis von Unfried, nicht aber Schlüter erbaute, wurde
durch Knappe239) bewirkt. Es nähert sich dieser Bauteil in den Formen demjenigen
am Berliner Schloss, welcher italienischen Palastmotiven folgt. —
Die von der Berliner kunstgeschichtlichen Gesellschaft veranstaltete Aus-
stellung240) (JBL. 1893 I 11 : 259) von Kunstwerken aus dem Zeitalter Fried-
richs des Grossen brachte noch eine Reihe von Untersuchungen über einzelne
Gebiete hervor. So arbeitete S arre241) über die Erzeugnisse der Silberschmiedekunst,
Graul242) über das Mobiliar, W. von Seydlitz243) über das Porzellan der Meissener
Fabrik, Stettiner244) über jenes von Vincennes und Sevres. — Die wertvollsten
Nachrichten aber brachte Seidel245) in seinem Aufsatz über das Bildhaueratelier
Friedrichs des Grossen und über F. G. Adam, S. Fr. Michel und J. P. A. Tassaert,
die Meister, welche es inne hatten. — In engstem Zusammenhang mit diesem Auf-
satze steht eine zweite Reihe, in welcher Seidel246"247) seine archivalischen For-
schungen über Friedrich den Grossen als Sammler fortsetzt, und ein Artikel über
ein Pästellbild J. E. Liotards; sodann aber auch eine Betrachtung Grauls248) über
die französische Malerei am Hofe Friedrichs. — Derselben Zeit und der auf sie folgen-
den gehören Woermanns249) umfassende Untersuchungen über die vorzugsweise
in Dresden thätigen Maler Ismael und Anton Raphael Mengs an, jene Meister, die
den Wandel zum Klassizismus so mächtig vorbereiteten. —
Die Zeit dieses Ueberganges vom Rokoko zu der klassischen
Schule in Deutschland gewinnt für die Kunsthistoriker sichtlich an Interesse. Dies
äussert sich in der wachsenden Zahl der Studien über die Kunst dieser Zeit. Neben
den Biographien über die Maler Traunfellner, über die Künstlerfamilie Thomann
von Hagelstein und Tischbein, und anderen, die durch den Fortgang der
ADB.250"252) bedingt waren253), erscheinen die grossen Bildhauer der Zeit wieder
häufiger in der Litteratur. — Eine sehr lesenswerte Studie über den alten Schadow
lieferte Geiger254). Es war bisher Sitte, Schadow als „Vorläufer" der höchsten
Kunst in der Bildnerei zu nennen und Tassaert eine kleine Huldigung dafür dar-
zubringen, dass er der Berliner Plastik vorausgegangen sei. Mir will scheinen, als
Kurfürst (JBL. 1893 UI 1 : 123). |[F. Richter: DWB1. 7, S. 252; J. Neuwirth: ÖLB1. 3, S. 17/9.] | — 235) X *"• Walle,
Schlüters Eintritt in d. Dienst d. Gr. Kurfürsten: VossZg. N. 364. — 236) R. Borrmann, A. Schlüter: CBIBauw. S. 317/9,
330/2, 350/1. — 237) X A- Hai was, A. Schlüters Masken sterbender Krieger. B.. Stahn. 22 Aufnahmen. M. 25,00. —
238) X F. Eiselen, D. Umbau d. langen Brücke in Berlin: DBauZg. S. 617/8, 625/7, 632,3. — 239) P. Knappe, D.
Wiederherstell. d. Umfriedschen Flügels am Schlosse zu Königsberg i.P.: CBIBauverw. S. 33,9. — 240) X W. Gretor, D. alte
Kunst in Berlin: Zukunft 9, S. 279-81. (Vgl. auch Kunstgewerbe^. 5, S. 162.) — 241) Fr. Sarre, Erzeugnisse d. Silber-
schmiedekunst: JPrK. 15, S. 26-40. — 242) R. Graul, D. Mobiliar: ib. S. 127-35. - 243) W. v. Seydlitz, D. Porzellan d.
Meissener Fabrik: ib. S. 135/9. — 244) R. Stettiner, D. Porzellan v. Vincennes u. Sevres: ib. S. 140-57. — 245) P. Seidel,
D. Bildhaueratelier Friedrichs d. Gr.: ib. S. 101-76. - 246) id., Friedrich d. Gr. als Sammler: ib. S. 48-57, 81-93. — 247)
id., Pastellbildnis d. Grafen Fr. Algarotti v.J. E. Liotard: ib. S. 122,4.— 248) R. Graul, Franz. Malerei am Hofe Friedrichs d. Gr.:
GraphKünste. 17, S. 11-22. — 249) K. Woermann, Ismael u. A. R. Mengs: ZBK. 5, S. 7-14, 82-91, 163-76, 208-15, 285-93. —
250) X H. A. Lier, J Traunfellner: ADB. 33, S. 511. — 251) X Wilh. Schmidt, Thormann v. Hagelstein: ib. S 65/6. —
252) X L. Katzenstein, J. Tischbein u. seine Brüder: ib. S. 362-71. — 253) X k. Geiger, Berliner Kunstausstell. v.
1798: MVGBerlin. S. 81/8. — 254i id., Vom alten Schadow: WIDM. 77, S. 80-95, 224-39, 314-21. — 255) X E- Lehmann,
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. I 9 ■. 256-272
sei die Zeit nicht fern, in der man von Tassaert zu Schadow und endlich zu Rauch
und seiner Schule den langsamen Rückgang" erkennen wird, derart, dass zwar die
Künstler an persönlichem Gehalt eine steigende Linie, das allgemeine Können um sie
herum aber eine fallende Linie darstellt. Mir wenigstens scheint, als seien Büsten von dem
Werte, wie sie Tassaert schuf, in der ersten Hälfte des 19. Jh. nur sehr spärlich wieder
aufgetaucht. Ueber die Schäden der idealistischen Auffassung der Bildniskunst, die
nicht den Menschen darstellte, sondern des Künstlers erhabenere Vorstellung von
ihm, kann man deutlich an den Bildnissen Goethes erkennen.255) — Den Maler und
Architekten Friedr. Thouret behandelt Win tterlin256), indem er somit auch in den
Goethekreis 257) einführt. — Der für die ADB. zu liefernde Aufsatz über A. Trippel
fiel Lier258) zu259-260). — Wenn es gleich um einen Dänen sich handelt, so ist doch
Jul. Langes261) Buch über Thorwaldsen hier zu nennen, eine der feinsinnigsten
Darstellungen der künstlerischen Bestrebungen jener Zeit. Die in Thorwaldsen wirkende
Mischung von Eigenart und einer in der Darstellung- fremder Ideale schwelgenden
Phantasie, von nationaler Selbständigkeit, die unwillkürlich sich äussert, und be-
absichtigter Internationalität, von einer in den Skizzen sich deutlich äussernden Rokoko-
empfindung und dabei dem Streben, die dieser eigene Schärfe der Charakteristik
zu mildern, — alle die Züge einer nach Normen suchenden Zeit sind hier meisterhaft
dargelegt. Da ist einer, der den Klassizismus „schon wieder" historisch versteht,
nachdem er an der Kenntnis der junghellenischen Plastik durch die moderne
Kunstauffassung sich durchgerungen.262) — Die Geschichte der jüngeren Berliner
Bildner erhielt eine starke Anregung durch die von der Grimmstiftung öffentlich
ausgeschriebene Aufgabe, die Entstehungsgeschichte des Denkmals Friedrichs des
Grossen in Berlin zu behandeln. Von den beiden Bearbeitungen von Merckle263)
und Mackowsky264) stand nur die letztere mir zur Berichterstattung zur Ver-
fügung. Der Vf. behält sich in dieser ein Werk über die Reiterdenkmale vor, welche
die Ratlosigkeit der modernen Plastik ihren monumentalen Aufgaben gegenüber
dringend erfordere. Es wäre sehr wünschenswert, dass er den Künstlern, die sich
nicht zu helfen wissen, recht bald den erlösenden Rat erteile. Was er über Schinkels
Stellung zu seinen Vorgängern, über die Sachlage in Rom zu Anfang des Jh. sagt,
hätte ebensogut vor 30 Jahren geschrieben werden können. Das Studium des 18. Jh.
hat diesen Reformator der Denkmalplastik noch nicht beschäftigt; der Rat, den dieser
die Kunst Rauchs ,,noch" Verstehende uns erteilt, dürfte vielleicht der sein, zu
Rauch zurückzukehren. Sonst ist seine kleine Arbeit brav und lesenswert, der In-
halt ein Blick in das intimere Treiben am preussischen Hofe und in die bei der
Denkmalbildung zu Grunde liegenden Absichten und idealistischen Ziele.265-267) —
Ueber die klassische und romantische Periode der deutschen Malerei
lag tiefes Schweigen. Die spärlichen sie behandelnden WTerke konnten im Grunde
nicht mehr thun als festzustellen, dass zwischen der Kunst von Cornelius und Rauch
und der von heute eine gleiche Kluft liegt, wie zwischen Rokoko und Klassizismus.
Gerade die wenigen zu erwähnenden Arbeiten bekräftigen den Bruch. Die Jul.
Schnorr von Carolsfeld-Ausstellung in Frankfurt am Main brachte einen Ueberblick
über die Gesamtthätigkeit des Künstlers, von der der Katalog268) seiner dort ver-
einten Werke Kunde giebt. Dies war die Veranlassung, dass mehrere Federn sich
zu seiner Charakteristik regten269-271). Den meisten Schriftstellern kam es darauf
an, Schnorrs Stellung zur Kunst von heute festzustellen, wobei denn meist die Er-
kenntnis hervortrat, dass sein fördersamer Einfluss bereits mit den 50er Jahren ab-
schloss. — Ludwig Richters Lebenserinnerungen, dieser Hausschatz des deutschen
Volkes, erschienen in 8. Auflage, herausgegeben von Heinrich Richter272). Als
Schriftsteller wie als Künstler überdauert der schlichte Mann seine vornehmen Zeit-
genossen. — Ueber ihn, ferner über Carl Madjera, namentlich aber über seinen Vater
Joseph von Führich berichtet die schon im letzten Bande erwähnte von
Goethes Bildnisse u. d. Zarnckesche Samml.: ZBK. 5, S. 249-58, 276-85. — 256) A. Wintterlin, F. Thouret: ADB. 3S,
8. 1213. — 257) X A. Frhr. v. Berger, Ueber Goethes Ansicht v. d. Kunst: MontagsR. N. 20. — 258) H. A. Lier, A.
Trippel: ADB. 38, S. 6215 — 259) X D- Burckhardt- Werthmann, E. Bäohel. E. Beitr. z. Baseler Kunstgesch.:
BaslerJb. 18, S. 187-219. — 260) X F- Holtze, Gemälde v. Rode im Kgl. Kammergericht: MVGBerlin. S. 86/7. - 261) Jul.
Lange, Thorwaldsens Darstellung d. Menschen. E. kunstgesch. Umriss. Uebers. v. Mathilde Mann. B., Siemens. XII,
144 S. Mit 8 Vollbild, u. 16 Textillustr. M. 5,00. - 262) X Leop. Gustav, Thorwaldsens 50j. Todestag: Didask. N. 69.
— 263) O X XK. Merckle, D. Denkm. Friedrichs d. Gr. in Berlin. Aktenmäss. Gesch. u. Beschreib, d. Monuments. B.,
Besser. XV, 200 S. Mit 1 Lichtdr. M. 5,00. |[VossZg. N. 218: LCB1. S. 1342; G. A.: Bär 20, S. 531; Grenzb. 2, S. 191 2.] |
— 264) H. Mackowsky, D. Friedrichsdenkm. nach d. Entwürfen Schinkels u. Rauchs. 1822—36. B., C.Vogt. 64 S. M. 1,80.
— 265) X Z. 50 j. Gedenktage d. Vollend. d. Modells z. Rauchschen Reiterstandbild Friedrichs d. Gr.: VossZg. N. 318. — 266) X
Jul. Disselhoff, E. Rietschel, d. Schöpfer d. Lutherdenkmals. 2 Aufl. Kaiserswerth, Buchh. d. Diakonissen-Anst. 72 S.
Mit Abbild, u. Bildn. M. 0,25. — 267) X Rauch u. d. Durchlaucht: Bär 20, S. 326. — 268) Kat. d. Ausstell, v. Werken
Jul. Schnorr v. Carolsfeld, reranst. v. Freien Dtsch. Hochstift in Frankfurt a. M. Juli u. Aug. 1894. Frankfurt a. M. (Gebr.
Knauer). XV, 112 S. Mit Abbild, u. 1 Tafel. M. 2,50. |[V. Valentin: DWB1. 7, S. 392/4; Didask. N. 176. J | — 269) X
J. Schnorr v. Carolsfeld. Z. 100J. Geburtst.: BerlBörsCour. N. 140. — 270) X K- Woermann, J. Schnorr v. Carols-
feld. E. Gedenkbl.: TglRs". N. 69. - 271) X J- Schnorr v. Carolsfeld: IUZg. 102, S. 338. — 272) (IV lc : 62.)
I 9:273-280 C. Gurlitt, Kunstgeschichte.
H. von Wörndle273) herausgegebene Sammlung ausgewählter Schriften des Lukas
Ritter von Führich, eines österreichischen Verwaltungsbeamten. Vieles ist
fein empfunden, das Ganze von echter Religiosität getragen, ohne dass man in den
Aufsätzen ein tieferes Menschentum, eine starke Eigenkraft bemerkte. — Wolters-
dorff274) vollendete sein Essai sur la vie et les oeuvres de Rudolphe Toepffer. Zu-
meist gilt es zwar dem Schriftsteller. Aber auch die Stellung zur zeitgenössischen
Kunst, namentlich zu den Anfängen der Landschaftsmalerei in der Schweiz, zu
Calame, zur Alpenlandschaft findet Erwähnung.275) — Eine Beschreibung von An-
selm Feuerbachs Leben und Wirken! Sicher eine der schönsten Aufgaben, die
dem Kunsthistoriker winken: den Mann zu schildern, der, durch den Realismus der
auf ihn folgenden Zeit prophetisch hindurchschauend, das kommende Streben nach
selbständig empfundener, geschlossener Form im Geist erkannte und mit allen
Kräften ihm sich hingab, der darum noch heute Vielen zu wenig wahr, anderen zu
klassisch, den ganz Alten zu persönlich, zu willkürlich erscheint. Er ist für die
Welt nie modern gewesen und wird es nie sein, seine Zeit ist auch heute noch nicht
gekommen und wird, nie kommen, so wenig wie die Rethels. Was er schuf, ist zu
abstrakt, zu sehr innerlich verarbeitet, um je der Menge gefallen zu können. Ihm
winkt wohl die Hochachtung der Kunstgeschichte und das Achselzucken derjenigen,
denen die Kunst Freuden bringen „soll". Das alles hat der Vf. der Lebens-
beschreibung, der wegen der treuen Freundschaft in trüben Tagen und wegen seines
frühen Verständnisses der Eigenart Feuerbachs hochverdiente Allgeyer276) wohl
empfunden. Aber er hat nicht jenen Ueberblick über die zeitgenössische Kunst, um
dem Leser die Wandlungen in der Entwicklung des Malers und der Menschen
klar zu machen, er bringt in dankenswerter Weise Thatsächliches-, Neues die Fülle,
er würzt es mit Funken von Feuerbachs Geist, er ordnet diese in die Folge der
Lebensgeschichte ein, — aber es fehlt ihm die Kraft, diese zu runden, als ein Er-
gebnis des Mannes, der Zeit, der Weltströmungen und des diese überhastenden Vor-
wärtsdrängens schriftstellerisch zu gestalten. Wie Muther richtig ausführt, ist A. trotz
des unmittelbaren Verkehrs mit dem Freunde dem Wesen des Künstlers nicht gerecht
geworden, wenn ihm auch für die liebevolle Darstellung des Lebensganges dauernd
zu danken sein wird. Mich machte eine Stelle im Vorwort des Buches stutzig, nach
welchem dem Vf. die Benutzung der Briefe Feuerbachs an seine Mutter, die beste Kennerin
des Wertes ihres Sohnes, und anderer Akten von der Direktion der Berliner National-
galerie versagt wurde, welche diese vor Jahren von Frau Feuerbach erwarb. Etwa
1890 ersuchte mich die Mutter, infolge eines Aufsatzes über den Künstler, ich solle dessen
Leben schreiben. Die Benutzung jener Akten, welche sie für mich erbat, wurde
auch ihr versagt, wie ich hörte, weil ein Beamter der Galerie ein Werk über Feuer-
bach vorbereite. Ich schwieg damals, da die Angelegenheit zunächst mich persönlich
betraf. Frau Feuerbach schrieb mir in ihrem Unmute, sie wolle in ihrem Testament
jenen Wunsch nochmals niederlegen. Ob dies geschah, weiss ich nicht. Jedenfalls
aber ist jenes Werk jetzt (1896) noch nicht erschienen, und es zweifeln die, welche
den betreffenden Beamten kennen, daran, dass es je, sicher nicht in einer des Meisters
Grösse nur einigermassen entsprechenden Form erscheinen werde. Ich möchte aber
fragen : Sind die aus Staatsmitteln erkauften Akten für die Beamten oder für die
Nation da? Der neue Direktor der Sammlung giebt vielleicht Aufschluss hierüber. —
Unter den Künstlern, welche abseits von der grossen Heeresstrasse sich eigenartig
entfalteten, ist Anton Burger erst jetzt, nach seinem Tode, zu vollen Ehren gelangt,
durch eine Sonderausstellung277) sowie durch Schilderungen Anna Spiers278"279).
Aehnlich wie Spitzweg und der Hamburger Kauffmann ist er ein Genremaler älterer
Schule, der seiner Zeit zu schlicht und zu helläugig war, um als „bedeutend" und
„stilvoll" zu gelten. — Eine wahre Entdeckung brachte für die meisten von Ber-
lepsch280) durch sein Buch über Gottfried Keller als Maler. Auch hier ging dem
Buche eine Ausstellung von Werken des berühmten Dichters voraus, die den wunder-
vollen Mann von dieser Seite kennen lehrte. Aber erst durch B.s feinsinnige Auf-
fassung ist uns das technisch nicht genügend geschulte, aber künstlerisch um so
weiter dringende Naturerfassen des tiefsinnigen Schweizers nahe geführt worden. Das ist
nicht Dilettantismus, sondern jenes Schaffen des ohne Arme oder doch ohne den
allzeit fertigen Gebrauch dieser geborenen Malers. Meinte man einst, das Können
— 273) L. Ritter v. Führich, Ausgew. Schriften. Her. v. A. v. Wörndle (JBL. 1893 111:298). |[A. v. Maler:
ÖLB1. 3, S. 176/7; G. Grupp: LRs. 20, S. 135/6.]| — 274) H. Wol tersdorff, Essai sur la vie et les oouvres de Rudolphe
Toepffer (JBL. 1893 I 11:324). II. Progr. Magdeburg, Baensch. 29 S. — 275) X Ed- ß°d< Notes sur la peinture alpestre:
BURS. 62, S. 318-37. — 276) J. Allgeyer, Ans. Feuerbach. Sein Leben u. seine Kunst. Mit e. in Kupfer gest. Selbstbildn.
d. Künstlers u. 38 Text-Illustr. in Autotypie. Bamberg, Buchner. XIV, 432 S. M. 8,00. |[R. Muther: Zeit S. 89-90, 105/7;
F. Rieffei: FZg.N.24.J| — 277) 1). Ant. Burger- Ausstell, in Frankfurt a.M.: Didask. N. 19. - 278) Anna Spier, A. Burger:
KunstUZ. 3, S. 57-80. — 279) id., A. Burger: FZg. N. 316. — 280) H. E. v. Berlepsch, G. Keller als Maler. Nach seinen
Erzählungen, seinen Briefen u. d. künstl. Nachl. dargest. L., Seemann. V, 152 S. M. 2,75. |[F. Avenarius: Kw. 8, S. 109;
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. I 9:281-326
mache den Künstler, so lehrt Keller, dass ohne dieses das Empfinden Herzerquickendes
zu leisten vermag. 2S1) —
Neuere und neueste Zeit. Während Pechts Buch eine erneute Lob-
E reisung Hans Makarts bringt, glaubt von Vincenti282) ihn bereits gegen
mterschätzung verteidigen zu müssen, indem er in Wort und Bild seine Werke
nochmals vorführt. —
Nachrufe wurden einer Anzahl Münchener Künstler gewidmet durch ver-
schiedene Federn283) in den Journalen, keinem mehr als dem in noch jungen
Jahren verstorbenen Bruno Piglhein. Der gut illustrierte Aufsatz Böhms284) dürfte
zunächst den besten Ueberblick über die Leistung des Mannes, jener von Becker285)
über seine Persönlichkeit bieten. —
Sodann war es Hermann Baischs Tod286), der die lebhafteste Teil-
nahme erregte.287"308) —
Die leidige Karl S tauf fer- Angelegenheit309), derentwegen im Vorjahr
schon so viel Tinte geflossen war, hielt Binswanger310) für nötig von der psychia-
trischen Seite zu beleuchten, wobei er dann zu Ergebnissen kam, die eigentlich nichts
anderes bewiesen, als dass seine Wissenschaft noch sehr mit der Stange im Nebel
herumfahre. Die sich daran knüpfenden Misshelligkeiten werden besser nicht weiter
erwähnt. —
lieber Arnold Böcklin erschienen zwei trefflich illustrierte Aufsätze von
F. von Ostini311) und Meissner312), welche Kunde von der wachsenden Be-
geisterung für den Meistergeben. — Voll feiner Beobachtung ist He lferi chs313)
Vergleich zwischen Munkaczy, dem Mann der Reklame, und Böcklin.314) —
Ebenso hat Bierbaums Buch315) über Fritz vonUhde (JBL. 1893 I 11 : 352)
die zustimmende Besprechung seiner Anschauungsgenossen hervorgerufen. —
M e i s s n er316"317) behandelte den Münchener Meister in seiner lebhaft anerkennenden
und sorglich um das Verständnis bemühten Art in zwei Aufsätzen. —
Den Dienst, welchen Bierbaum Uhde und Stuck leistete, that Kämmerer318)
in einer eingehenden Besprechung seiner Kunstart für Max Lieber mann, während
Th. Wolff319) diesen allein als Radierer betrachtete. — Otto Feld320) u. a.321) giebt
einen Ueberblick über sein Schaffen und über seinen wachsenden Einfluss auf das
jüngere Geschlecht. —
Bierbaums Buch über Franz Stuck (JBL. 1893 I 11:359) veranlasste eine
Anzahl von Besprechungen322) und mehr oder minder selbständigen Behandlungen
desselben Themas, von welchen namentlich jene von Anna Spier323) als ein gutes
Mittel zum Verständnis seiner Art um der reichen Illustrationen willen hervorgehoben
zu werden verdient. —
Max Klingers jüngerer Ruhm drang mächtig in die Weite. Die sorgsame
Pflege, welche dieser am Dresdener Kupferstichkabinet fand, brachte ihn einem fran-
zösischen Kritiker, Michel324), nahe, der sich in begeisterter Form über den jungen
Meister äusserte, dem er den ersten Platz in der deutschen Kunst neben Menzel zu-
wies. — Gurlitt325) schildert ihn auf Grund persönlicher Bekanntschaft. — Die
„Brahmsphantasien" und andere Neuschöpfungen brachten dem Leipziger Künstler
lebhafte Zustimmung326"328). — Die in seiner Vaterstadt erscheinende ZBK. söhnte
J. Proelss: Vom Fels z. Meer 2, S. 262/4.] | — 281) X C. Brun, G. Keller als Maler. (== Njbl. her. v. d. Stadtbibl. in Zürich
auf d. J. 1894.) Zürich (Faesi & Beer). 4°. 31 S. Mit Bildn. u. 6 Taf. M. 3,00. — 282) K. v. Vincenti, Z. 10. Todest.
H. Makarts: Kunst für Alle 9, S. 17-20. — 283) X Vom Fels z. Meer 2, S. 41; IllZg. 103, S. 103; EL Rosenhagen- TglRs«
N. 166; Max Schmid: ML. 63, S. 944/6; VossZg. N. 327; ÜL&M. 72, S. 904; J. Elias: FreisZg. 22. Juli (Charakteristik u.
persönl. Erinnerungen.) — 284) G. Böhm, B. Piglhein: KunstUZ. 2, S. 31-90. — 285) B. Becker, B. Piglhein: Nation«. 11,
S. 626/7. - 286) X ÜL&M. 72, S. 743; IllZg. 102, S. 586/7; Vom Fels z. Meer 2, S. 30; TglRs«. N. 116; A. R[osenberg]:
ZBK. 5, S. 259-62. — 287) X Joh. Max, Carl v. Blaas : AllgKunstChr. 6, S. 289-98. - 288) X *"• Pecht, W. v. Linden-
schmit: Kunst für Alle 9, S. 344/6. — 289) X Tn- Horschelt: ib. S. 37-41, 529. — 290) X A. Fellin, Edm. Kanoldt, d.
Illustrator u. Landschafter: Daheim 30, S. 56;8. — 291) X G. V[osb], L. Bokelmann: TglRs». N. 90, 97. — 292) X E-
Stinkelberg, L. Bokelmann: Kunst für Alle 9, S. 149-51. — 293) X Rnd- Berger, E. dtsch. Maler-Radierer (B. Mann-
feld): AllgKunstChr. 6, S. 457-62. — 294) X C< *• Lützow, L. Carl Müller: GraphKünste. 17, S. 1-10. — 295) X H-
Holland, K. Trost: ADB. 38, S. 653,6. - 296) X K. F., G. Engelbach: VossZg. N. 539. - 297) X E- sch., Johannes
Wölffle: BBSW. S. 190,2. — 298) X H. A. Lier, Gust. Taubert: ADB. 37, S. 429-38. — 299) X Py1. R- Fr- K- Saarland:
ib. S. 141. — 300)XZ. 100J. Geburtst. d. Hofmalers W. Hensel: VossZg. N. 310/1,315.-301) X W. Sillem, ChristofTer Suhr :
ADB. 37, S. 139-41. - 302) X H- A. Lier, K. B. Stürmer: ib. S. 51/2. — 303) X '*•. K- G. Ad. Thomas: ib. 38, S. 91. —
304) X Ed. Daelen, A. Tidemand: ib. S. 243/6. - 305) X Gerhardt v. Reutern: BaltMschr. 41, S. 294-312, 333-74,494-511.
— 306) X H. A. Lier, P. v. Tiesenhausen: ADB. 38, S. 289-90. — 307) X W. Bernhardi, Friedr. Tieck: ib. S. 247-51.
— 308) X Hermine Villinger, W. Hasemann u. sein Kunstlerheim im Schwarzwald: VelhKlasMh. 1, S. 297-305. — 309) X
O. Brahm, K. Stauffer (JBL. 1893 I 11 : 16): WIDM. 75, S. 24,5. — 310) Rob. Binswanger, K. Stauffer-Bern : DR. 1, S. 109-25.
— 311) F. v. Ostini, A. Böcklin: VelhKlasMh. 2, S. 31-51. — 312) F. H. Meissner, A. Böcklin: KunstUZ. 1, S. 21-34. —
313) H. Helferich, Munkaczy u Böcklin: Zukunft 9, S. 497-504. — 314) X A. Böcklin: BÜRS. 63, S. 416. — 315) X F-
Kunert: NZSt. 121, g. 695/6; J. S.: LCB1. S. 22; E. Altkirch: Zuschauer 2, S. 380,1. — 316) F. H. Meissner, F. v. Uhde:
WIDM. 75, S. 19-42. — 317) id., E. Besuch bei F. v. Uhde: Zukunft 6, S. 331,4. — 318) L. Kämmerer, M. Liebermann.
(Erweit. Abdr. aus JBK.) L., Seemann. 17 S. Mit Abbild, u. 5 Taf. M. 5,00. — 319) Th. Wolff, M. Liebermann als
Radierer: BerlTBl. N. 580. — 320) Otto Feld, M. Liebermann: N&S. 30, S. 309-19. — 321) X Ernst Lehmann, M. Lieber-
mann: BLU. S. 369-71. — 322) X sP-: WIDM. 76, S. 128; Max Schmid: ML. 63, S.821; F. H. Meissner: FrB.5,.S 148/5.
— 323) Anna Spier, F. Stuck: WIDM 76, S. 545-63. — 324) E. Michel, M. Klinger: GBA. 35, S. 361-83. — 325) C.
Gurlitt, M. Klinger: Kunst für Alle 9, S. 65-75, 81/5. — 326) X *"■ Avenarius, Neues v. Rlinger: TglRsB. N. 24/5. —
I 9 : 327-357 C. G u r 1 i 1 1 , Kunstgeschichte.
sich mit seiner Art aus und Hess seinen Verehrern das Wort 32i,~330), und selbst Rosen-
berg 330a) erkannte an, dass er in der Plastik „eine ziemlich grosse Gewandheit" und
dass er „tüchtig zeichnen gelernt habe". —
Hans Thoma widmet Bier ba um331) eine längere Besprechung. — Es
äusserte sich Weizsäcker332) über die Lithographien des Luxemburgers H. Pidoll
und des Frankfurters Steinhausen, als zweier hervorragender Vertreter der Kunst-
verjüngung auch in diesem Gebiet. — Graul333) tritt für Josef Sattlers, der
Dürers verwandte, Zeichnungsweise ein.334) — Dem Oesterreicher Hans Schwaiger
widmete Graul335) eines der vornehm ausgestatteten Hefte der Graphischen
Künste.336-340) —
Heinrich Pudor310a) veranstaltete eine „Einer-Ausstellung", in der er mit
eigenen Werken gegen die Massenausstellungen protestieren wollte. Ueber den Wert
seiner Bilder und Skulpturen, die ich nicht einmal sah, ist hier nicht zu urteilen.
Wie immer leiden die dem Katalog beigegebenen Aufsätze bei gutem Grundgedanken
unter dem Umstände, dass P. sich selbst hoch, vielleicht viel zu hoch hält. Einen der-
artigen Irrtum können die Menschen, die auf Bescheidenheit halten, am wenigsten
vertragen. Mir will scheinen, dass, was in seinem Katalog steht, sehr verständig und
bei unbefangener Durchsicht für P. einnehmend sei, trotz mancher Uebertreibungen,
und dass man sehr unrecht thut, sich über einen Mann zu empören, weil er sich
vielleicht zu gewaltsame Mühe giebt, nicht so zu sein wie die anderen alle. So viel
ich weiss, hat er noch keinen geschädigt durch seine Eigenart ausser sich selbst und
die, welche unbedingt glauben, die Welt könne nur glücklich sein, wenn alle in
einer Uniform stecken. Jedenfalls sind mir seine kurzen Aufsätze lehrreicher als
viele längere der Weisesten im Senat der Kritiker. —
Der Humoristen unter den Zeichnern zu gedenken, gab das Erscheinen des
100. Bandes der „Fliegenden Blätter" Veranlassung. Fred Walter341) widmete ihnen
einen reich illustrierten Aufsatz. — Wilhelm Busch wurde von Paul Ernst342) und
Fuchs, Adolf Oberländer343) von Fuchs344) allein charakterisiert. — Hier ist wohl
auch das Buch Olindas345) über „Freund Allers" zu nennen. Die kräftige Ab-
lehnung, welche Avenarius diesem Afterrealisten bot, war gewiss allzu aufdringlicher
Lobhudelei gegenüber am rechten Platze. —
Woldemar Friedrichs Wandmalereien im Gymnasium zu Wittenberg er-
klärt der Direktor der Anstalt Guhrauer346) in einem Vortrage. — Van der linden347)
preist die Kunst Hermann Hendrichs nicht ohne weidliches Schimpfen auf jene,
welche ihm in seiner Begeisterung nicht zu folgen vermögen; Hermann Prell
und Fritz Röber werden als Historienmaler grösseren Stiles gefeiert. 348_34!') —
Am bescheidensten ist die schriftstellerische Ernte wieder hinsichtlich der
Bildnerei. Es sind zu verzeichnen nur der, anlässlich der Fertigstellung des grossen
Brunnenwerkes inDresden geschriebene, treffliche Aufsatz von Paul Schumann350) über
Robert Diez, der Nachruf zu Victor Tilgners Tod von Sokal351), Nachträge zur
Lebensbeschreibung des Wiener Bildners Hans Gasser von Waizer352), ein Auf-
satz über Robert Cauer, den Bildhauer von allerhand „herzigen" Süssigkeiten, von
Rosenberg353). — Erwähnt354) seien hier ferner die liebevolle Betrachtung des Lebens
eines wenig beachteten niederösterreichischen Kirchenbildhauers, Josef Angeler
von Reimar355) und eine Nachricht356) über einen Tafelaufsatz Karl Winterhalters.
In der Frage des Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm I. ergriff die „Bauzeitung"
wiederholt das Wort. Fritsch357) wendet sich noch einmal gegen die Aufstellung
des Nationaldenkmales in der Achse des Schlossportales mit der ihm eigenen Ruhe
327) X id-, M. Klingers Cyklus „Vom Tode": Kw. 8, S. 60/1. — 328) X AI fr. Gotth. Meyer, M. Klingers Brahras-
phantasien: ML. 63, S. 170/7. — 329) X Hans W. Singer, M. Klingers Gemälde: ZBK. 5, 8. 49-54. — 330) X A- See-
mann, D. Klinger-Ausstell. in Leipzig: Kunstchr. 5, S. 203/6. — 330a) A. Rosenberg, D. Maler u. Kadierer M. Klinger:
ib. S. 208/9. - 331) Otto J. Bierbaum, H. Thoma: Ges. S. 1017-30. - 332) H. Weizsäcker, H. Pidoll u. Steinhausen:
GraphKünste. 16, S. 90/6. — 333) R. Graul, J. Sattler: ib. S. 102/4. — 334) X p- Jessen, J. Sattler, e. dtsch. Zeichner:
Kunstgewerben. 6, S. 25. — 335) R. Graul, Hans Schwaiger (Aus: GraphKünste.) Wien, Ges. für vervielfält. Kunst.
Fol. 13 S. Mit 3 Taf. u. 21 Abbild. M. 9,00. — 336) X'D- Affenmenschen v. Gabr. Max: Grenzb. 3, S. 432. — 337) X F-
Pecht, F. v. Defregger: Kunst für Alle 9, S. 209-13. — 338) X id-. Jal- Adam: ib. S. 50/1. — 339) X C. v. Lützow, F
Simm: ZBK. 5, S. 15-20. — 340) X ö. Fuchs, Alb. Keller: AllgKunstChr. 6, S. 2-10. — 340a) H. Pndor, Einer-Ausstell.
Kat. d. Ausstell, v. Werken d. bild. Kunst. 2. Aufl. Mit e. Vorw. L., Selbstverl. 19 S. 0,65. — 341) Fred Walter, E.
Jubil.-Stud. : KunstüZ. 1, S. 75-118. — 342) Paul Ernst, W. Busch: ML. 63, S. 20/3. — 343) G. Fuchs, W. Busch:
AllgKunstChr. 6, S. 33/7. — 344) id., Ad. Oberländer: ib. S. 37/8. — 345) Alex. Ol in da, Freund Allers. E. Künstlerleben.
Mit Bildern v. C. W. Allers. St., Union. X, 336 S. M. 20,00. |[Joh. Proelss: Gartenlaube S. 820; F. Avenarius:
Kunstw. 8, S. 121/2.]| — 346) H. Guhrauer, D. Wandgemälde in d. Aula d. Gymn. zu Wittenberg. Festrede. Progr. Witten-
berg, Wattrodt. 14 S. Mit 1 Taf. — 347) Ch. Vanderlinden, H. Hendrich: AllgKunstChr. 0, S. 193-200. — 348) H. V.,
H. Prell. E. dtsch. Geschichtsmaler: NorddAZg. N. 204. — 349) F. Röbers Untergang d. nord. Götterwelt u. d. Erscheinen
d. Christentums: ZBK. 5, S. 97-101. — 350) P. Schumann, Rob. Diez: Kunst für Alle 9, S. 129-34, 145-54. — 351) C 1.
Sokal, V. Tilgner: AllgKunstChr. 6, S. 1016. — 352) R. Waizer, Biographisches über Hans Gasser: Carinthia 1, S. 72-80,
148-54, 178-83. — 353) Ad. Rosenberg, Rob. Cauer: Daheim 30, S. 840,3. — 354) X E- Jul- Hähnel, Litt. Reliquien (JBL. 1893
I 11 : 21): TkIRsH. N. 25. — 355) S. Reimar, Jos. Angeler: Neukirchner Bezirksbote S. 97;9. — 356) K. Winterhalters Tafel-
aufsatz: Gartenlaube S. 292. — 357) K. E. O. Fritsoh, Noch einmal d. Frage d. Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm I.:
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. I 9:858-374
und Sachlichkeit. — Theoretisch behandelte die Frage Albert Hofmann358) in einem
Vortrage: Die Gestaltung von „Nationaldenkmälern", welche im wesentlichen einen
Ueberblick über Inhalt und Wert der älteren Denkmäler und die daraus sich er-
gebenden Nutzanwendungen bietet359"359-1). — Die Geschichte der Denkmale im all-
gemeinen bespricht Rieh. M. Meyer360), indem er auf deren Vergänglichkeit weist.
— Solche zu hemmen, ruft von Oidtmann361) zum Schutze der älteren Werke
dieser Art auf. —
Architektur. Die Frage des protestantischen Kirchenbaues, welche durch
das Werk der „Vereinigung Berliner Architekten" angeregt worden war, fand eine
gründliche Behandlung auf dem ersten Kongress für denKirchenbau des Protestantismus.
Die „Vereinigung" gab einen eingehenden Bericht362) über den Verlauf sowie über
die Hauptvorträge (J. Otzen, Nik. Müller, Com. Gurlitt, Otto March, Orth, C. Doflein usw.)
heraus. — Das Ergebnis der Berliner Besprechung war ein sehr erfreuliches. War es das
Ziel gewesen, gegen die formalistisch-gotisierenden Bestrebungen der im Kirchenbau
noch vorherrschenden Romantik zu Gunsten einer klaren Zweckstrebigkeit Sturm zu
laufen, so war der Erfolg geradezu überraschend. Ernstlich hielten die Romantiker
kaum stand, das ihnen als Norm geltende sog. „Eisenacher Regulativ" wurde völlig
verleugnet, dem Grundgedanken, dass die religiösen Anschauungen der Gemeinde
und die aus diesen sich ergebenden Forderungen der Liturgie den Ausschlag der
„Tradition" gegenüber zu geben habe, wurde nur schwach widersprochen. Eine
umfangreiche Litteratur schloss sich dem Kongress an, aus welcher Marchs363) treff-
liche, Bemerkungen und Salzmanns364) Vortrag genannt sein mögen364*). — Die
planmässige Erforschung des deutschen Bauernhauses und der dabei entwickelten
Volkskunst ist in das Arbeitsprogramm des Verbandes deutscher Architekten- und
Ingenieurvereine aufgenommen worden365). — Die somit gegebene Anregung äusserte
sich dann auch im Erscheinen mehrerer hierher gehöriger Arbeiten. Kossmann366)
veröffentlichte eine sehr gediegene Abhandlung über das alemannische Bauernhaus,
Eisenlohrs ältere Arbeit hierüber in wertvoller Weise ergänzend. — Das Thüringer
Bauernhaus fand auf der Erfurter Gewerbeausstellung eine praktische Darstellung367). —
In gleichem Sinne gehalten ist Eigls368) noch umfangreichere Veröffentlichung über
das Salzburger Bauernhaus und zwar vorzüglich über den Pinzgau, wo die auch
hier meist aus Holz errichteten ländlichen Bauten in eingehendster Weise geschildert
werden. — Aehnlich Bunker369) über die deutsch-ungarischen Bauernhäuser. —
Diese neuen Aufnahmen erfolgten in einer von der früheren, zumeist von Anthropologen
ausgehenden Darstellung abweichenden, nicht bloss die Grundrissverteilung und das
äussere Bild, sondern das Wichtigste, die Konstruktion, berücksichtigenden Art. — In
gleicher Richtung wirkte Gruners (JBL. 1893 111: 166) kleines Buch, welches noch
kürzlich besprochen wurde370). — Hier sind auch die den Burgenbau betreffenden
Arbeiten hervorzuheben, die ebenfalls auf die Erkenntnis des alten Wohnungswesens neben
der des Festungswesens hinzielen371"372). — Dem volkstümlichen Schmuck der Häuser,
namentlich der Hausmalerei373) in den Alpen, wendete man gleichfalls das Augenmerk zu.
— Eine Frage von allgemeinem künstlerischen Interesse beschäftigte die Architekten
aufs lebhafteste: die des Städtebaues, der Gestaltung der Strassen auch nach der
ästhetischen Seite hin. Der Aachener Professor Henrici, der Wiener Camillo Sitte,
in minder weitblickender Art noch der Kölner Stubben haben in jüngster Zeit die
Ansichten nach dieser Richtung hin ganz umgeformt. Theoretisch behandelte
Henrici373'1) die Angelegenheit nochmals in einem sehr beachtenswerten Aufsatze:
„Einiges zur Beachtung bei Anlage von Strassen, Plätzen und Gebäuden auf unebenem
Gelände". — Die von K. E. O. Fritsch und A. Hofmann meisterhaft redigierte und
in allen dem Fortschritte dienenden Fragen führende „Deutsche Bauzeitung" widmete
überhaupt dieser Frage viele Aufmerksamkeit373b). — Die Fertigstellung des Reichstags-
DBanZg. S. 57/9. — 358) Alb. Hofiuann, D. Gestaltung d. Nutionaldenkm.: ib. S. 1817, 1936. — 359) X P- Walle, D.
neueste Entwurf für d. Kaiser Wilhelm-Denkm. in Berlin: Atelier N. 6. — 359a) O X X H. Maertens, D. dtsch. Bild-
säulen-Denkm. d. 19. Jh. 11. 15. Heft. St., J. Hoffmann, ä 4 Lichtdr. u. 4 Bll. Text. S. 45-65. |[VossZg. N. 572] | — 360)
Rieh. M. Meyer, D. Schicksale d. Denkmäler: Nation«. 11, S. 713/5. — 361) (14:22a.) — 362) Vereinig. Berliner Architekten.
1. Kongress für d. Kirchenbau d. Protestantismus. Abgeh. in d. Neuen Kirche zu Berlin am 24. u. 25. Mai 1894. B. (Greve).
60 S. — 363) 0. March, Unsere Kirchen: BayreuthBll. 17, S. 160 7. — 364) Salzmann, D. Kirchenbau d. Protestantismus:
DPB1. 27, S. 398,9. — 364a) X J- L- Sponsel, D. Frauenkirche zu Dresden (JBL. 1893 I 11 : 162). |[A. v. Oechelhäuser:
NASächsG. 15, S. 338-41; C. Gurlitt: RepKunstw. 16, S. 278-80.]| — 365) X D- planmäss. Erforsch, d. dtsch. Bauernhauses.
Arbeitsprogr. d. Verbandes dtsch. Architekten u. Ingenieure: CBIBauverw. 8. 363. (S. auch DBauZg. N. 479.) — 366) B.
Kossmann, D. Bauernhäuser im bad. Schwarzwald. (Aus ZBauwesen.) B., Ernst & Sohn. Folio. 26 S. Mit 108 Abbild,
n. 5 Taf. M. 12,00. (Vgl. I 4:218.) — 367) CBIBauverw. S. 272. — 368) J. Ei gl, D. Salzburger Gebirgshaus. Wien, A.
Lehmann. Fol. IV, 40 S. Mit 67 Textillustr. u. 37 Taf. M. 30,00. — 369) J. ß. Bunker, Typen v. Bauernhäusern aus d.
Gegend v. Oedenberg in Böhmen. (Aus MAnthrGesWien.) Wien, (A. Holder) 4°. 16 S. Mit 14 Abbild. M. 1,60. |[Alb.
Hofmann: DBauZg. S. 473/4; O. Marmorek: ÜL&M. 72, S. 794/5.] | - 370) X Didask. N. 205. — 371) X P Clemen,
Tiroler Burgen. Wien, Braumüller. IV, 141 S. Mit Abbild. M. 5,00. — 372) X Ant. Peter, Burgen u. Schlösser im
Herzogt. Schlesien. Teschen, Prochaska. XVIII, 253 S. M. 5,00. — 373) X K- Atz, Tiroler Hausmalerei: BepKunstw. 17,
S 436 8. — 373a) K. Henrici, Einiges z. Beachtung bei Anlage t. Strassen, Plätzen u. Gebäuden auf unebenem Gelände:
DBauZg. S. 5012, 5079. - 373b) X ib- s- 5/6> 65.7' 70/2- 123/5- 133 5> 377A 608-10. — 374) K. E O. Fritsch, D. Beichs-
Jahresberiohte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (l)l'
I 9:374-413 C. Gurlitt, Kunstgeschichte.
gebäudes und die keineswegs freundliche Stellung, welche Kaiser Wilhelm IL zu
diesem Bau und zu seinem Schöpfer Paul Wallot nahm, brachte eine ganze Litteratur
zu Wege. Das sachlich Wertvollste durften die Fachgenossen des Künstlers über
den Bau gesagt haben; so Fritsch374), der dem Erbauer freundschaftlich nahe
steht, ohne sich hierdurch in seiner ausserordentlichen Klarheit des Urteils bestimmen
zu lassen. — Streiter375) vermochte, als Mitarbeiter Wallots (1888—94) in alle Einzel-
heiten eingeweiht, dabei ein denkender Kopf, dem Wesen seines Meisters trefflich zu
folgen. — Auch R ap s i lb e r376) liess eine Broschüre erscheinen, worin er die
Baugeschichte, die Baubeschreibung und einen Lebensabriss des Künstlers gab,
welche den späteren Arbeiten meist zu Grunde gelegt wurden. — Besonders lebhaft
wurde der Ton durch die unverständige und eben in diesem Unverstand harmlose
Kritik, mit welcher C. von L ü t z o w 377) den Bau und die Berliner Baukunst über-
haupt abkanzelte. Sie gab zu scharfen Entgegnungen Anlass378"380). — Mit des Wiener
Architekten K. von Hasenauer Tod trat die grosse Frage seines Lebens : welchen
Anteil er neben Semper am Entwurf der Wiener Museumsbauten habe,
wieder lebhafter hervor. Wie Hasenauer sich bei Lebzeiten sehr bemühte, die An-
erkennung als eigentlicher Erfinder jener Bauten auf sich zu lenken — ich habe ein Schreiben
dieses Inhalts selbst in Händen gehabt — , so beeilte sich auch die Wiener Presse381)
nach seinem Tode diese Ansicht zu verbreiten. — Dies gab dem Sohne Gottfried
Sempers, Manfred Semper382), Veranlassung, die Sachlage unter Beibringung
eines grossen Aktenmateriales klar zu legen, aus welchem deutlich hervorgeht, wie
Semper nicht nur als Künstler, sondern auch als Mensch seinem einstigen Genossen
überlegen war. und wie viel mehr die Bauten seines als des jüngeren Architekten
Geistes sind. — In den Besprechungen383"388) von Hasenauers Lebenswerk klingt
diese Frage überall an. — Von den, anderen verstorbenen Architekten gewidmeten
Nachrufen sind die auf Denzinger von G. von Bezold389), auf C. Lipsius von
Gu r 1 i 1 1390), auf O. Sommer391"392) von zwei Ungenannten hervorzuheben. — Biographien
von Baumeistern verschiedener Jhh. und Epochen seien hier kurz angemerkt393"399). —
Der Tod hat unter den Kunsthistorikern wieder seine Ernte
g-ehalten und somit auch zu Nachrufen Anlass gegeben. Die Erinnerungen an
Ludwig Pfau sind freilich lediglich dem Dichter gewidmet gewesen. — Aber
die Nachrufe auf Robert Dohme von Seidel400) und Jordan401), auf Hubert
Janitschek von H. von Tschudi402), auf Julius Meyer403) von Rosenberg404),
auf Quirin Ritter von Leitner von H e i n r. Zimmermann405), auf Valentin
Teirich, den Wiener Architekten und Herausgeber italienischer Kunstdenkmäler, von
Lier406), auf Moritz Thausing von T h. von Frimmel407), auf Sulpiz Boisseree408)
und auf Joh. Trost wiederum von Lier409), geben über die deutsche Kunstforschung
weitere Aufschlüsse. —
Specialgebiete: Vervielfältigende Künste. Das Handbuch
Lippmanns (JBL. 1893 I 11:411) über die Kupferstechkunst besprach Singer410),
indem er bei manchem Widerspruch in speciellen Fragen die Gesamtanlage als eine
treffliche pries. — Einen populären Ueberblick über die Holzschnittkunst gab
Sondheim411). — Ein Sondergebiet, die Kupferstecher Mährens, hat sich Schräm412)
zur Bearbeitung- gewählt. Sein Verzeichnis bringt zwar mancherlei dankenswertes Neues,
leider aber nicht über den wichtigsten der Stecher, überWenzel von Olmütz, indem hier ledig-
lich Schmids und Lehrs Forschungsergebnisse kurz wiedererzählt werden. — Lehrs413)
haus: DBauZg. S. 553/6, 565/6, 577-30, 589-92, 597-600. - 375) R- Streiter, D. neue Reichstagshaus in Berlin v. P. Wallot.
E. baugesch. Darstell. (Aus CBIBauverw.) B., Ernst & Sohn. Folio 23 S. Mit 17 Abbild, u. 5 Taf. M. 5,00. — 376) M.
Rapsilber, D. Raichstagshaus in Berlin. E. Darstell. d. Baugesch. u. d. künstlerischen Ausgestalt, d. Hauses. B., Siemens.
80 S. Mit 2 Illustr. M. 1,80. [VossZg. N. 574.]| - 377) C. v. Lützow, D. neue Reichsgebäude in Berlin: NFPr. N. 10815.
— 378) X K- Th. O. Fritsch, D. Urteil e Kunsthistorikers über d. neue Architektur Berlins: DBauZg. S. 505-10. — 379) X
H. Schliepraann, Vom neuen Reichstagsgebäude. E. Stud. über d. Fragen d. Monnmentalkunst: TglRsB. N. 165/6, 168. —
380) X C. Gurlitt, Wallot u. d. Reichstagshaus: VelhKlasMh. 1, S. 241-56. — 381l FrBIW. N. 5. — 382) M. Semper,
Hasenauer u. Semper: ABauZg. S. 57-63, 75-82, 85-96. | Mit 6 Taf.) - 383) X v- Doderer, K. Frhr. v Hasenauer: ib.
S. 29-31. — 384) X Frhr. v. Hasenauer: SchorersFaiuilienbl". N. 5. - 385) X J- v- Falke, Hasenauer als Künstler:
WienerZg. N. 10. — 386) X B- Ranzoni, Hasenauer: Didisk. N. 10. — 387) X K- Prnr- v- Hasenauer: ÜL&M. 71. S. 362.
- 388) X F- v- Feldegg, K. v. Hasenauer: CBIBauverw. S. 13/4. — 389) G. v. Bozold. F. 3. v. Denzinger: CBIBauverw.
S. 82. (S. auch Carl Weber: SüddBauZg. S. 72/6: DBauZg. S. 111/3.) - 390) C Gurlitt: Const. Lipsius: ib. S. 157/8.
(S. auch DBauZg. S. 195) - 391) K„ 0. Sommer: ib. S. 76. - 392) L., O.Sommer: DBauZg. S. 100, l. - 393) X H- Hol land,
Ivo Thürmer: ADB. 38, S. 221,2. - 394) X G. Veesenmeyer, Ferd. Thrän: ib. S. 127. — 395) X J- Stammler, Joh. G.
Müller, Architekt u. Dichter. (1822-49): SchwRs. 4, S. 41-54, 167-76. — 396) X L- TrZesch tik, Joh. G. Müller:
ABauZg. S 7/8. — 397) X K. Weiss, H Tschorte: ADB. 38, S. 716/3. (Mit Dürer bekannt gewesen.) -398) X A. Klemm,
Aberlin Tretsch: ib .'S. 577/9. — 399) X & ▼■ L&tzow, Z. Gedächtnis Friedr. Schmidts: Kunstchr 5, S 531/4. (S. auch:
ÖLBI. 3, S. 465.) — 400) P. Seidel, R. Dohme: RepKunstw. 17, S. 8/9. - 401) M Jordan, R. Dohme: JPrK. 15, S. 3/4. —
402) H. v. Tschudi, Hub. Janitschek: RepKunstw. 17, S. 17. (Vgl. JBL 1393 I 11:4013.) - 403) X J*L Meyer:
JPrK. 15, S. 61,4. — 404) Ad. Rosenberg, Jul. Meyer: Kunstchr. 5, S. 425-30. — 405) II ein r. Zimmermann, Quirin
Ritter v Loitner: JKSAK. 15, S. 393-405. — 408) H. A. Lier, Val. Teirich: ADB. 37, S. 550/2. - 407) Th. v. Fr i mmol,
Moritz Thausing: ib. S. 660/4. — 408) X Sulpiz Boisseree: DEB1I. 19, S. 846 52. - 499) H. A. Lier, Joh Trost: ADB. 38,
S. 653. - 410) W. Singer: RepKunstw. 17, S. 165/8. - 411) M. Sondheim, Ueber d. dtsch. Holzschnitt: BFDH. 10,
S. 123-37. — 412) W. Schräm, Verzeichnis mährischer Kupferstecher aus d. Zeit vom J. 1480 bis z. Gegenw. Auf Grund
gedr. u. hs. Quellen. Brunn, Winiker. 40 S. M. 0,60. — 413) M. Lehrs, D. dtsch. u. niederländ. Kupferstich d. 15. Jh. in
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. I 9 : «4-434
setzte seine Specialstudien über den Kupferstich des 15. Jh. fort, indem er die
Sammlungen zu Gotha, Karlsruhe, Sigmaringen, Donaueschingen und Danzig einer
Untersuchung unterwarf. — Die von Strassburg aus mit besonderem Eifer betriebenen
Studien der älteren Formschneiderkunst rückten um ein erhebliches Stück mit
H e i tz444"416) fleissigen Arbeiten vorwärts. — Einen Holzschnitt von 1562 und, hieran
anknüpfend, die unterscheidenden Merkmale zwischen Dürers und Hans Springinklees
Kunstart erörtert Wilh. Schmidt417"421). — In einer Studie wird das Werk
William Ungers, Karl Koeppings, Wilhelm Hechts, Johannes Sonnenleiters sowie die
moderne Lithographie von Graul422-423) zusammengefasst, während er die Radierung
an anderer Stelle besonders umfassend behandelt424). — Die neue Zeitschrift „Pan"
kündigt von Seidlitz425) an. —
Einen längeren Aufsatz über den Gartenbau der letzten Jhh. liefert
B ie426), die fortschreitende Sachkenntnis hinsichtlich der geschichtlichen Entwicklung
in diesem von Dilettantenhand viel geplagten Gebiete zusammenfassend427"428).
Auch im Kunstgewerbe vollzog sich ein starker Wandel hinsichtlich der
als erstrebenswert aufgestellten Ziele. Die Siege der Schotten in der grossen Kunst,
der plötzlich erwachte Sinn für die prärafaelitische Kunst Englands, die Weltaus-
stellung von Chicago und die von ihr ausgehende Bekanntschaft429) mit amerikanischer
Gleichgültigkeit gegen Reinheit hinsichtlich der geschichtlichen Stile leiteten den
raschen Umschwung ein. — Ein Vortrag des Direktors im Berliner Kunstgewerbe-
museum, Lessings430), die auf Gurlitts Veranlassung vom Berliner Kunstgewerbe-
museum veranstaltete Ausstellung* von Werken des Engländers Walter Crane431),
die dann wandernd Deutschland durchzog, bereiteten die Schwenkung weiter
vor432"433). — Das Kunstgewerbe verliess seine alten stilistischen Bahnen. Hierin liegt
an sich weder etwas Befremdliches noch etwas zu Bekämpfendes. Die Engländer,
die uns bisher als „geschmacklos" — Woermann würde sagen als ,,Stümper'; —
erschienen, sind jetzt für uns geschmackvoll und Meister. Dieser Umschwung ist
natürlich, ist das Recht der Kunst wie des Kunstgewerbes, ein Zeugnis seiner Lebens-
kraft, wie auch die „Alten" zetern mögen. Minder löblich ist der rasche Abfall der
deutschen Tagesästhetiker von ihren alten Idealen, und nun gar die überraschende
Fixigkeit, mit der sie das eben von ihnen selbst Vertretene für Unsinn und die neue
Kunst für das allein Richtige erklärten. Während früher die „Ueberzeugung" und
die ^charaktervolle" Starrheit der Ansicht den Kritiker zu Ansehen brachte, jeder,
der einmal zu einer Ansicht gelangte, die ihm richtig schien, alles was gegen diese
war, kurz und klein kritisierte, so ist jetzt das „Finden" zu Ehren gekommen. Die junge
Welt der Kunstschreiber geht um wie der brüllende Löwe, um eine unerkannte Schönheit
der Welt vorzuhalten und ihr die Sünde unter die Nase zu reiben, dass jene noch un-
bekannt sei! In Ermangelung einerleitenden Person ist nur im Kunstgewerbe eine Theorie
vielfach angepriesen worden. M eurer434) hat das Verdienst, ein vertieftes Studium der
Pflanze angeregt zu haben, als ein Heilmittel gegen den stilistischen Schematismus
und gegen die Altertümelei im Kunstgewerbe. Er hat das in eigenen Schriften und neuer-
dings wieder in einem zum Abdruck gelangten Vortrag dargelegt und dabei namentlich
einen individualisierenden Unterricht gefordert, einen solchen, der die Schüler und
das Naturvorbild seiner Eigenart nach behandelt. Freilich hinkt der böse Teil hinten
nach: Dass er nämlich selbst ein System fand und an sein System glaubt, dass er
die Pflanze geometrisch erfassen zu können glaubt, und dass er ein Verstehen dieses
Systems mit dem künstlerischen Erfassen der Natur zu verwechseln scheint. Wenn
wir nicht einen Crane bekommen, der uns die Pflanze im Muster lebendig macht,
werden uns alle M.s nichts helfen. Dazu kommt, dass M. glaubt, Rom allein
biete die nötigen oder doch brauchbaren Pflanzen. Crane hat sie hinter jeder Hecke
zu finden g'ewusst. — Selbst die Vornehmen unter den Kunsttheoretikern schreiten
kleinen Samml. (JBL. 1893 I 11 :413): KepKunstw. 17, S. 348-65. — 414) (I 3:114.) |[ZGORh. 9, S. 734/5.]| — 415) (13:115.)
|[G. v. Terey: RepKunstw. 17, S. 225/7.]| — 416) P. Heitz, Dietrich t. Bern (Sigenot). 14 Strassb. Orig.-Holzstöcke aus
e. „allen Bibliographen völlig unbekannten Ausg.- d. 16. Jh. Strassburg i. E., Heitz. IV S. u. 6 Bll. M. 1,50. — 417) Wilh.
Schmidt, H. Springinklee: EepKunstw. 17, S. 39. — 418) X *<*., Johannes Thurneysser: ADB. 38, S. 229. — 419) X H-
A. Lier, A. Tischler: ib. S. 373 4. — 420) X E- Wunschmann, Jak. Sturm: ib. 37, S. 20/1. (N. 428-30 behandeln Kupfer-
stecher.) — 421) X D- Künstlerklub St. Lucas: DWB1. 7, S. 200/2. (Düsseldorf.) — 422) E. Graul, D. Ausstell, v.
Werken graph. Kunst in Wien 1894: GraphK&nste. 17, S. 23-42. - 423) id., D. vervielfältig. Kunst d Gegenw. 33. Heft:
3, Bd. D. Eadierung d. Gegenw. in Europa u. Nordamerika. Wien, Ges. für vervielfältig. Kunst. Folio. VII, 268 S. Mit
eingedr. Fig. u. 6 Taf. M. 80,00. — 424) X D- Kupferstichsamml. aus d. Nachl. S. M. d. Königs Ferdinand v. Portugal.
Versteig, zu Köln d. 29. Nov. 1893 u. d. folg. Tage durch J. M. Heberle. Köln (J. M Heberle). XI, 201 S. M. 3,00. — 425)
W. v Seydlitz, Pan: Zukunft 9, S. 319-23. — 426) O. Bie, D. Gartenbaukunst: WIDM. 75, S. 635 52, 690-706. — 427) X
P. Jessen, Gartenanlagen u. Gartendekorati men: Kunstgewerbebl. 5, S. 1803. — 428) X L. Krause, Aus P. Laurem-
bergs Tageb : BGEostock. S. 41-64. (Gartenbau während d. 30j. Krieges.) — 429) X w- ßode, D. Kunst in d. Ver. Staaten.
Eindrücke v. e. Besuch d. Weltausstell. in Chicago: ZBK 5, S 137-45, 162,8. — 430) J u 1. Lessing, D. amerik. Kunstgewerbe.
Referat: Kunstchr. 5, S. 211. — 431) X Rücklin, E. engl. Musterzeichner: ZMusterzeichner. N. 2. — 432) X B- Borr-
mann, E. Ausstell, v. Erzeugnissen d. amerik. Kunstgewerbes: CBIBauverw. S. 98-100. — 433) X L. Gmelin, Architek-
tonisches aus Nord-Amerika: DBauZg. S. 4535, 4813, 485/7, 495/8, 520/2, 532/8, 566-70, 582,3. — 434) M. M eurer, D. Ziele
u. Bedingungen d. Naturforroenstnd. an technischen Kunstschulen u. meine Bestrebungen auf diesem Gebiete. Dresden, Küht-
(1)17*
I 9 : 435-448 C. G u r 1 i 1 1 , Kunstgeschichte.
sehr rasch und, wie uns scheinen will, nicht ohne Sprünge in der einmal gewiesenen
Richtung weiter. Der feinsinnige Hamburger Museumsdirektor Li chtwark435) hätte
vielleicht in seinem Werkchen „Makartbouquet und Blumenstrauss" einen kurzen
Auszug aus jenen Anschauungen beifügen können, mit dem wir alle Makarts Sieges-
zug einst begTÜssten; sie waren so thöricht nicht; wenigstens hat sich niemand ihrer
zu schämen, ausser eben denjenigen, welche in der kritischen Charakterfestigkeit ihre
Ehre suchten. Diese Anmerkung soll die Freude über L.s geistreiche, auf die Pflege
der natürlichen Blume gegenüber der Blumenverbildung hinzielende Arbeit sonst
nicht beeinträchtigen. — Buss436) behandelt die kunstgewerbliche Frage mit Ruhe,
jedoch zugleich auch mit völliger Absage von jenen Ueberzeugungen über schön und
kunstgemäss, die er einst mit gleicher Sachlichkeit verteidigte. Auf dem bisherigen
Wege sei, so sagt er, kein Heil zu finden. Es wird auch auf dem jetzigen nur durch
starke Persönlichkeiten, nicht durch ein System oder allein durch den WTeg gefunden
werden. — Auch Luthmer437), der Frankfurter Meister, äussert sich zum Problem.
— Lichtwarks438^439) Versuche, die Künste des „Amateurs" und „Dilettanten"
heranzuziehen und heranzubilden, damit sie der echten Kunst eine grössere Menge
von Empfänglichen entgegenführen, verdienen die grösste Beachtung. Wie der für
die Kunstpflege Hamburgs unermüdlich thätige Mann durch die Darstellung Ham-
burgs im Bilde, durch die Berufung moderner Künstler zum Malen des den Museums-
besuchern Bekanntesten im naturalistischen Sehen zu schulen trachtet (man vergleiche
dazu den Aufsatz von Elias440) über eine gelegentliche „Berlinische Ausstellung" im
Rathause), so hat er durch Ausstellungen von Dilettantenarbeiten und Amateur-
photographien und durch an diese geknüpfte Vortragsreihen seinen Weg weiter ver-
folgt. Es giebt wohl keinen Museumsdirektor, der mehr als er seinen Posten als
einen volkserzieherischen betrachtet, der gründlicher mit jener „Vornehmheit" brach, die
zumeist auf selbstgefälliger Trägheit beruht441"442). — An der Spitze der kunstgewerb-
lichen Veröffentlichungen stehen die Kataloge zweier Museumsleiter: Brinckmann443)
und Jessen444). B. giebt in einem starken Bande an der Hand der fast aus-
schliesslich durch seine Bemühung zusammengebrachten Sammlung eine Darstellung-
der gesamten Geschichte des Kunstgewerbes. Spielt in dieser naturgemäss das
Oertliche oder doch das Norddeutsche eine besonders wichtige Rolle, so gelang
es B. doch auch aus allen ferner liegenden Gebieten Stücke und zwar meistens
solche ersten Ranges aufzubringen, an die sich dann die gewerbegeschichtlichen
Betrachtungen anknüpfen. Die sorgtältige Illustrierung macht das Buch besonders
wertvoll, in welchem einer der grössten Kenner seines Faches die Summe seines
Wissens niederlegte. J., der Bibliothekar des Berliner Museums und wohl der beste
Kenner des Ornamentstiches, gab in seinem Katalog ebenfalls eine Geschichte des
ganzen Kunstgebietes, welche das früher für dies Gebiet Erschienene weit hinter sich
lässt, dabei aber doch die praktischen Zwecke der von ihm geleiteten Anstalt vor-
walten lässt. — Riegl445) schlägt die Begründung von Museen für Volkskunst vor,
in welchen gesammelt werden soll, was die häusliche Werkstätte an Eigenartigem
lieferte, und durch welches aufzuzeichnen sei, wie sie diese Arbeiten herstelle. In
der Schilderung des Unterschiedes zwischen Sklaven-, Haus- und Lohnarbeit, des
Nebenzweiges zur Fabrikarbeit, der verschiedenen meist mit Vernichtung endenden
Versuche, die Hausindustrie zu „heben", bietet das Buch sehr viel Anregendes, wie
denn R. sich überall als Mann von selbständiger Gedankenarbeit äussert. — Die
Geschichte der Töpferkunst scheint im Berichtsjahre besonders begünstigt. Graesses
seit Jahrzehntenim Gebrauch befindlicher „Guide" wurde durch Jaennicke446) erneut
aufgelegt und umfasst jetzt 5200 Marken von keramischen Erzeugnissen. Während
deutsche Autoren hier die französische Sprache für ihre Arbeit wählen, zeigt
das Dictionnaire de la Ceramique 447), dass in Frankreich ein derartiges
Werk noch bei gänzlicher Unkenntnis deutscher Töpferei entstehen kann. —
Hier mag auch der Aufsatz über Christoph Feilner448) erwähnt sein, jenen Töpfer,
welcher um 1800 im Verkehr mit den Künstlern Berlins sein Gewerbe erhob und
neben March der Schöpfer einer Berliner Kunstkeramik wurde. — Die Goldschmiede-
mann. 12°. 39 S. M. 0,60. — 435) A. Lichtwar k, Makartbouquet u. Blumenstrauss. Mönchen, Verl.-Anst. für Kunst
u. Wissensch. 64 S. M. 1,80. — 436) G. Buss, Unser Kunstgew.: FrB. 5, S. 729-38. — 437) F. Luthmer, Unsere Be-
strebungen im Ornament: DBauZg. S. 501. — 438) A. Li chtwark, Wege u. Ziele d. Dilettantismus. München, Verlagsanst.
für Kunst u. Wissensch. 88 S. M. 1,80. — 439) id., D. Bedeut. d. Amateur- Photogr. Halle a. S., Knapp. 4". 72 S. Mit
17 Taf. u. Abbild. M. 10,00. — 440) J. Elias, D. Berlinische Ausstellung im Rathause: Nation". 11, S. 4156. — 441) X
L. Pietsch, Kunst u. Photogr.: VelhKlasMh. 2, S. 385-99. — 442) X E. Servae s, Frauenarbeit in d. mod. Kunst: Frau 1,
S. 224-30. — 443) J. Brinckmann, D. Hamb. Mus. für Kunst u. Gewerbe. E. Führer. L, Seemann. XIII, 827 S. Mit
431 Abb. M. 15,00. |[J. L(essing): NatZg. N. 674; Kunstgewerbebl. 5,S. 191-20O.]| - 444) P. Jessen, Kat. d. Ornament-
stichsamml. d. kgl. Kunstgewerbemus. zu Berlin, ebda. VIII, 450 S. M. 7,50. IfMÖstrMusKunstlnd. 9. S. 285, 6.] | — 445) A.
Riegl, Volkskunst, Hausfleiss u. Hausindustrie. B., Siemens. III, 82 S. M. 2,00. |[MÖstrMusKunstInd. 9, S. 136.]| — 446)
J. G. Th. Graesse, Guide de l'amateur de porcelaines et de faiences augm. par F. Jaennicke. Dresden, Schönfeld. VI,
236 S. M. 8,00. - 447) Dictionnaire de la ceramique. Paris, Libr. de l'art. 260 S. Fr. 30,00. |[J. V. v. Falke: RepKunstw. 16,
S. 302/4.]| — 448) Im Hause meines Grossvaters, d. Töpfers Chrph. Feilner: NorddAZg. 1893, N. 8, 12, 14, 16/7, 20. — 449)
C. Gurlitt, Kunstgeschichte. I 9 •. 449-477
kunst hat vor Allen der Geschichtsschreibung guten Anhalt geboten, schon wegen
ihrer Verbindung mit dem Kupferstich. So hat Lehrs449) aus seiner streng fach-
wissenschaftlichen Thätigkeit eine lehrreiche kunstgewerbliche Studie abgezweigt,
indem er das gestochene Vorlagewerk für Goldschmiede zusammenstellte, welches die
in Sammlungen verstreuten Blätter des Meisters E. S. ausmachen. — Einzelne Gold-
schmiedewerke der Renaissance behandelt Bosch450'452). — Dem Wiener Goldschmiede
Dietrich widmet List453) einen Aufsatz. — Den Niederländer Paulus van Vianen,
einen der hervorragendsten Meister am Hofe Kaiser Rudolfs IL, und sein Werk
schildert eing-ehend Modern454), während von Drach455) den hessischen Uhrmacher
Jost Burgi und dessen für Kassel, den Kaiserhof und andere Besteller gelieferte,
seiner Zeit berühmte Werke zum Gegenstand der Untersuchung macht. — Aus dem
Nordosten bringen uns zwei Arbeiten Kunde, welche die Kunstfertigkeit der Gold-
schmiede auch jener Landesteile in glänzendem Licht zeigen. Namentlich ist die
„Silberbibliothek" Herzog Albrechts von Preussen, die Schwenke und Lange456)
beschreiben, ein hervorragendes Erzeugnis prunkvoller Kleinkunst. — Ueber die Stiche
des Goldschmiedes M. Z., wahrscheinlich Matthias Zündt, handelt ein Aufsatz von
Ritt er457). — Zur Glockenkunde kamen mehrere Beiträge458-459), ausser den in den In-
ventarisationswerken niedergelegten Untersuchungen über dieses Gebiet. — Die Waffen-
kunde fand in Böheims460) stattlicher Publikation über die in Wien bewahrten Objekte
eine erfreuliche Bereicherung. Bei der Sachkenntnis des Vf. und dem grossen Stoff-
reichtum der dortigen Sammlung konnte er einen vollständigen Ueberblick über den
Stand der wissenschaftlichen Forschung* auf diesem Gebiete geben. Die Anordnung
des Stoffes ist eine chronologische, die Vertretung der deutschen Waffen in seinem
neuen Werke eine ansehnliche. — In einer Besprechung461) der namentlich durch Leon
Robert mit Unterstützung des Ministers Freycinet bewirkten Veröffentlichung des
„Musee rf Artillerie" in Paris wird auf den auch für die deutsche Gewerbegeschichte
wichtigen Inhalt dieser reichhaltigen Sammlung hingewiesen. — Die Schätze der
namentlich durch ältere Stücke ausgezeichneten Sammlung Zschille in Grossenhain
bei Dresden, welche inzwischen an das historische Museum zu Dresden überging,
wurden umfassend von Forrer462) publiziert. — M. von Ehrenthal463), der Direktor
dieses Museums, behandelte auf Grund archivalischer Forschungen die Wittenberger
Plattner Werkstatt des Hans Eryngk und Andreas Rockenberger, wobei es zur Fest-
stellung einer Anzahl erhaltener Arbeiten in Dresden, Wien und Paris usw. kommt. —
Umfassende Studien über das Waffenwesen der Zeit von 1500 lieferte Böh ei m464). —
Einer älteren Zeit gehören zumeist die mit figürlichen Darstellungen reich verzierten
Elfenbeinsattelan, welche von Schlosser465) an gleicher Stelle nach Kunstwert und
ikonographischem Inhalt beschrieb. — Ueber die Geschichte der Glasmalerei466"470)
lag nicht viel Neues vor471"477). —
M. Lehrs, Vorlagen für Goldschmiedegravierungen vom Meister E. L. : ZChrK. 7, S. 235-43. — 450) H. Bosch, E. mark.
Familienschmuck aus d. Anf. d. 17. Jh.: MGNM. S. 73/9. - 451) id., E. Pokal d. Nürnberger Goldschmieds Elias Lenker:
ib. S. 1/8. — 452) id., Selbstbildnis d. Goldschmieds Nik. Weiler: ib. S. 114/6. — 453) C. List, D. Wiener Goldschmied
Dietrich: MBlAltVWien. 29, S. 9. — 454) H. Modern: JKSAK. 15, S. 60-102. — 455) C. Alhard v. Drach, Jost
Burgi, Kammeruhrmacher Rudolfs II. Beitr. zu seiner Lebensgesch. u. Nachrichten v. d. Arbeiten desselben: ib. S. 15-44. —
456) (I 3:269.) |[H. Ehrenberg: RepKunstw. 16, S. 397,8.]| — 457) F. Ritter, Matth. Zündt, d. Meister d. Kraterographie :
MÖstrMusKunstlnd. 9, S. 724. — 458) X J- Geissberger, Beitr. z. Glockenkunde: St. Leopolds BI. 8, N. 3,4. — 459) X
J. Kothe, Gesch. d. Glockengiesserei in d. Prov. Posen: ZHGPosen. S, S. 411/3. — 460) W. Böheim, Album hervorrag.
Gegenstände aus d. Samml. d. Allerh. Kaiserhauses. Wien, Löwy. Folio. 29 S. Mit 50 Taf. in Lichtdr. u. Textillustr. M. 50,00.
|[MÖstrMusKunstInd. 9, S. 53.]| — 461) MÖstrMusKunstlnd. 9, S. 1112. - 462) R. Forrer, D. Waffensamml. d. Stadtrats
Rieh. Zschille in Grossenhain. 2 Bde. B., Mertens. 31 S. Mit 236 Taf. in Lichtdr. M. 1,60. — 463) M. v. Ehrenthal,
E. sächs. Plattnerwerkstatt zu Wittenberg: NASächsG. 15, S. 299 312. — 464) W. Böheim, D. Zeugbücher d. Kaisers
Maximilian I. (Schluss) beschrieben u. erläut.: JKSAK. 15, S. 295-391. — 465) J. v. Schlosser, Elfenbeinsättel d. aus-
gehenden MA.: ib. S. 260-94. — 466; X '• Merz, D. Glasgemälde in d. Barfüsserkirche zu Augsburg: ChristlKunstbl. N. 10.
— 467) X H. Stähelin, E. Glasgemälde in Unter-Bussnang aus d. J. 1591: ThurgauischeBVtG. 33, S. 169. — 468) X
D. Glasgemälde d. Klosterkirche zu Königsfelden : AnzSchwAlt. S. 389-97. — 469) X D- Wandgemälde im Beinhuus zu Ober-
Aegeri: ib. 8. 363/6. — 470) X *• J> Dr<>i Churer Glasmaler d. 16. Jh. (1589): ib. S. 4034. - 471) X (I 3 : 467.) — 472) X
E. Pazaurek, Kunstschmiede n. Schlosserarbeiten d. 13. bis 18. Jh. aus d. Samml. d. Nordböhm. Gewerbemus. in Reichenberg.
Reichenberg. 5 S. Mit 30 Taf. in Lichtdr. M. 35,00. — 473) X M znr Strassen, Spitzen d. 16. bis 19. Jh. Aus d. Samml.
d. Kunstgewerbemns. zu Leipzig. 2 Tle. Text v. M. Heiden. (= Ornament, u. knnstgewerbl. Sammelmappe N. 45.) L.,
Hiersemann. ä 25 Lichtdr.-Taf. M. 60,00 — 474) X Fr. Schilde, Aus d. kunstgewerhl. Abteil, d. grossherz. Mus. zu
Schwerin: Kunstgewerbe^. 5, S. 87-90. — 475) X F. Moser, D. Kunstgew.- u. Handwerkerschule zu Magdeburg 1793 — 1893:
ib. S. 4/7. — 476) X Otto Schulze, D. Bedeut. d. dekorat. Malerei d. Fläche im Heim: Zinnendekoration. 5, S. 33-40. —
477) X Th. Vollhehr, D. Kunstgew. u. d. Künstler: ib. S. 27. —
I 10:1-5 PL Reimann, Musikgeschichte.
1,10
Musikgeschichte.
Heinrich Reimann.
Allgemeines: Bibliographisches N. 1. — Musikphilosophie und -kritik N. 4. — Akustik N. 21. — Musik-
geschichte: Quellen N. 22. — Zusammenfassende Darstellungen N. 23. — Lokale Musikgeschichte N. 27. — Musikinstrumente
N. 30. — Sammelwerke N. 34. — Einzelne musikalische Formen: Lied N. 38. — Oper N. 57. — Einzelne
Musiker und Komponisten: TJgolino von Orvieto, H. Buchner N. 68. — Palestrina und Orlando di Lasso N. 70. —
F. Soriano, S. Calvisius, Monteverdi, D. Strunck, Joach. Meyer N. 86. — J. S. Bach N. 91. — Händel, Ch. D. F. Schuhart N. 94.
— J. A. Hiller, Gluck N. 97. — Mozart N. 99. — F. W. Eust N. 101. — Beethoven N. 102. - Th. Körner N. 109. — K. M.
von Weber, J. L. F. Glück N. 111. — Mendelssohn N. 115.— B. Schumann, I. Moscheies N. 120. — Jenny Lind N. 124 — C. Loewe
N. 125. — Eich. Wagner: Facsimileausgabe, Uebersetzungen, Briefe N. 128; Biographie N. 139; Kritik N. 146; zu einzelnen
Werken N. 160; Bayreuther Festspiele N. 176 — Liszt N. 185. — Smetana, Eaff N. 190. — Gounod, Flotow, N. Gade, E. Franz
N. 193. — H. von Bülow N. 200. — A. Eubinstein N. 230. — Ph. Spitta N. 246. — Tschaikowski, Johanna Jachmann- Wagner,
Hermine Spiess, Jenny Meyer, Aloyse Krebs-Michalesi, Em. Faisst, Alex. Bitter N. 252. — Joh. Strauss N. 262. — E. Hanslick
N. 272. — F. Erkel, A. Brückner, Herrn. Levi, M. Zenger, E. Leoncavallo, P. Mascagni N. 273. —
Allgemeines. Wie im vergangenen Jahre eröffnet auch diesmal ein
bibliographisches Werk Vogels1) den Bericht: er hat nun als Bibliothekar
der Musikbibliothek Peters in Leipzig deren Katalog herausgegeben. Wie alle
bibliographischen Arbeiten des Vf., so zeichnet sich auch diese letztere durch ausser-
ordentliche Sorgsamkeit und Genauigkeit aus. lieber die Vollständigkeit der Bibliothek
selbst ein Urteil zu fällen, gehört nicht zu unserer Aufgabe, die sich im vorliegenden
Falle wesentlich mit dem Wert der rein bibliothekarischen bezw. bibliographischen
Arbeit des Vf. zu beschäftigen hat. Und in dieser Hinsicht seien einige Be-
merkungen gestattet. Ich kann mich weder mit der Anordnung des Kataloges im
ganzen noch im einzelnen einverstanden erklären. In letzterer Hinsicht schwankt
nämlich die Anordnung zwischen systematischer Folge (nach den Titeln) und
alphabetischer (nach den Vf.). Doch das mag in Rücksicht auf praktische Beweg-
gründe geschehen sein. Was jedoch die systematische Anordnung des Ganzen
betrifft, so weicht sie von jedem bibliothekarischen System ab und bedarf, vom
Standpunkt der Bibliothekwissenschaft betrachtet, einer Umgestaltung. Namentlich ist
mir unklar, wie der Vf. „Biographien" und „Monographien" (das letztere ist doch die
allgemeinere Bezeichnung) trennen konnte. Den Anfang machen allgemeine encyklo-
pädische Schriften (Kataloge, Lexika, Encyklopädien); dann folgen „Periodika". Nun-
mehr müssten die einzelnen Kategorien etwa so aufeinander folgen: III. Philosophie
(inkl. Akustik) und Kritik. IV. Theorie im engeren Sinne: a) allgem. Musiklehre;
b) Generalbass; c) Gesangstheorie; d) Instrumentale Theorie. V. Geschichte:
a) Quellen; bj Gesamtdarstellungen bezw. Darstellungen einzelner Perioden; c) Lokal-
geschichte; d) Geschichte einzelner theoretischer Disciplinen; e) einzelner Formen usw.
a) Gesangsmusik (Lied, Oper usw.), ß) Instrumentalmusik (Sonate, Symphonie usw.);
f) Geschichte der Instrumente; g) Sammelwerke. VI. Einzeldarstellungen (Monographien)
in historischer Folge. Dies Prinzip, das ich im wesentlichen auch diesen Berichten
zu Grunde gelegt habe, hat sich bis jetzt vollkommen bewährt. — Die Donebauersche
Autographensammlung in Prag verzeichnete Batka2) und gab dazu als Vorwort
eine in vertraulichem Plauderton gehaltene Erläuterung, die an Joh. Strauss gerichtet
ist. — Riemanns3) Musiklexikon erschien in vierter Auflage. Das Werk ist ein
unentbehrliches Nachschlagebuch geworden, das man immer zur Hand hat. Der Vf.
ist eifrigst bemüht gewesen, den Text zu berichtigen und zu ergänzen. Wenn er
nur auch den Sieg über sich selbst errungen und von der Darlegung seiner Lieblings-
theorien in so ausgedehntem Umfange abgesehen hätte. —
Musikphilosophie und -kritik. Ein bedeutsames, ich möchte fast sagen,
grundlegendes Werk besitzen wir nunmehr in Billroths4) Aufsätzen: „Wer ist
musikalisch?" Da die Schrift nach des berühmten Vf. Tode (1896) in erweiterter Form
erschienen ist, so wird die eingehende Würdigung dieses ausserordentlichen, dem
Helmholtzschen nahezu ebenbürtigen Werkes erst später zu erfolgen haben. — Eine
Schrift des bereits in den 30er J. unseres Jh. verstorbenen Göttinger Privatdocenten
Krause, von Vetter5) herausgegeben, enthält recht viel Ueberspanntes in gespreizter
Ausdrucksform z. B. : „Beethovens Kompositionen sind Weltgemälde mit darüber
schwebender Schwermut und unbesiegbarer Heldenkraft". Ferner : „Es ist ein eigener
1) E. Vogel, Kat. d. Musikbibl. Peters. L., Peters. 168, 161 S. M. 18,00. |[M. Seiffert: AMusZg. 21, S. 27.]|
— 2) E. Batka, Aus d. Musik- u. Theaterwelt. Beschreib. Verzeichn. d. Autogr.-Samml. Fritz Donebauer in Prag. Prag,
Selbstverl. LXXX, 150 S. M. 4,00. — 3) H. Eiemann, Musiklex. 4. vollst, umgearb. Aufl. L., Hesse. 1210 S. M. 10,00.
|[J. Merkel: MusWBl. 25, S. 349-50; F. X. Haberl: KirchenmusJb. 20, S. 125.]| — 4) X X (I 8:17.) (Erschien nach d.
Tode Billroths in erweit. Formals Schrift, v. E. Hanslick her. [1896], u. wird später bespr.) — 5) K. Chr. F. Krause, Z.
H. R ei mann, Musikgeschichte. I 10 : e-io
Grund, warum wir keine Dichter wie Händel, Haydn, Mozart, Beethoven, haben; —
denn gegen, diese ist selbst Goethe in seiner Art wie ein blinder Heide (! !). Es ist
in ihnen Nachtwachen und Nachtwandeln der Ideen" (! !). Besser sind die apho-
ristischen Entwürfe zu „Vorlesungen über die Theorie der Musik". — Einen recht
günstigen Eindruck machen W. Wolffs6) Aufsätze über Tonmalerei, musikalische
Vorstellung von Schlaf und Tod, Unhörbares in der Musik usw. Der Vf. besitzt
eine sichere musikalische Litteraturkenntnis und die Gabe einer wohlabgerundeten,
feinen Darstellung. — Unbedeutend dagegen, sind und auf ausgetretenen Gleisen
wandeln Mogaveros") „Note d'estetica musicale". In bunter Reihe und ohne
inneren Zusammenhang bietet der Vf. Bilder aus dem Leben Chopins, Beethovens,
Berlioz, Schumanns, Mozarts usw. mit einem abschliessenden Exkurs: L'influenza
della musica e la critica". — Ebenso oberflächlich behandelte Schlicht8) die
öffentliche Musikübung in Hinsicht auf die verschiedenen Komponisten und die lokalen
Musikcentren Europas, während Bie9) eine recht einseitige Interpretation des
Wagnerschen Wortes: „Deutsch sein, heisst eine Sache um ihrer selbst willen thun"
gab. — Den pädagogischen Wert der Hausmusik entwickelte S inend10) in einem
zu Soest gehaltenen Vortrage, worin er zugleich recht praktische und darum
beherzigenswerte Ratschläge für eine gute Auswahl des musikalischen Materials für
gedachten Zweck gab. — Dass die „moderne Kunstmusik" zu kompliziert und deshalb
dem Verständnis des grossen Publikums verschlossen, dass dies früher anders gewesen,
und Wagner ein Thor sei zu glauben, seine Werke, insbesondere sein „Ring" sei eine
nationale Errungenschaft für das deutsche „Volk"; dass ebenso „Liszt, Brahms, Raff,
Rubinstein" absolut nicht volkstümlich seien, beklagte Röckner11). Tolstoi verlange,
jeder solle für alle schaffen; folglich müsse populärer komponiert werden. Der
Vf. ist offenbar mit unserer „populären" Musik, die den Bedürfnissen des „Volkes"
entspricht, nicht recht bekannt. Wir raten ihm, die Werke von Strelewicz zu studieren.
Was unsere grossen Meister betrifft, so waren Bach, Mozart, Beethoven ebenso wenig
für die Zeitgenossen „populär" wie Wagner und die Seinen. — Eine sorgsame Ab-
wägung der Ansichten Hartmanns und Hanslicks über das Schöne in der Musik, ihr
Wesen und ihre Wirkung überhaupt giebt M o o s12). Die schliessliche Entscheidung
fällt für Hartmann gegen Hanslick aus13). — Ein Aufsatz Arends14) wendet sich
speciell gegen die Oberflächlichkeit der musikalischen Kritik. Es kommt nicht bloss
darauf an, „etwas Richtiges" zu schreiben, das aber so allgemein gehalten sei, dass
es eben jeder sag*en und schreiben könne; der Kritiker solle sich immer und überall
als Sachkenner, im allgemeinen wie im besonderen, erweisen. — Ueber Kunst und
Kritik ergeht sich R eis s mann15) in breiten Redewendungen, als handelte es sich
um eine Darstellung der paläontologischen Urgenese der Kunst, während als Gegen-
satz hierzu Rosenthal16) Zukunftskritik treibt. Er wendet sich gegen das
„Autoritätsprinzip und die Festlegung der Nuancen" in der Musik. Der sogenannte
Objektivismus ist die „Bankerotterklärung des künstlerischen Gestaltungsvermögens"
und „Tradition" ist die „Krücke der Objektivität". Die „Technik" wird heutzutage
wegen der Ueberproduktion an Technikern gering geachtet. In ihr liegt aber die
wahre Kunst. Bachs Kontrapunkt ist eben auch nur „Technik", und „tcx"»?" hiess bei
den Alten in specie: die „Kunst". So sehr wir im ersten Punkt mit dem Vf. über-
einstimmen, so sehr beklagen wir den Irrtum im zweiten Falle. Bachs Kontrapunkt
ist mehr als blosse Technik, ist Seele, Geist, Leben, Blut: kurz alles, was zu Bachs
Individualität überhaupt gehört, sein ganzes, volles, übermenschlich grosses „Ich".
Und das war doch sicherlich mehr als eine „technische" Maschine! — Mit der „neuesten
Programmmusik" befasst sich E hr li ch 17"18). Seitenlang zählt er philosophisch-
musikalische Litteratur auf zu Gunsten der Programmmusik; ja er kommt zuletzt
sogar auf den nicht einmal sonderbaren, weil gar zu billigen Gedanken: „Jedes
Musikstück sei eigentlich Programmmusik, insofern es eine bestimmte Stimmung
ausdrücke !" Alle Programmmusiker haben also Recht, namentlich auch Berlioz. Nur
einer nicht: F. Liszt! Dessen „lange" Programme versuchten jeden Takt ohrgerecht
zu legen. Der Vf., dessen eigentümliche Beziehungen zu Liszt wir leider im vorigen
JB. rückhaltslos darlegen mussten, mag über Liszt denken wie er will; das sei
Theorie d. Musik. Aus d. hs. Nachl. d. Vf. her. t. B. Vetter. Weimar, Felber. 75 S. M. 1,60. — 6) W. Wolff, Ges.
musikästh. Aufsätze. St., Grüninger. IV, 51 S. M. 1,20. |fA. Seiffert: AMusZg. 21, S. 423/4; E. R(ochlich): NZMusik. 61,
S. 511; VossZg. N. 132]j (Erschienen zuerst in d. NBerlMusZg. u. im .,Klavierlehrer.u) — 7) G. Mogavero, Note
d'estetica musicale. Palermo, Clausen. 93 S. — 8) J. Schucht, D. Tonkunst in d. Kulturstaaten am Ende d. 19. Jh.:
NZMusik. 61, S. 2,3, 135. — 9) 0. Bie, Etwas über nat. Kunst: AMusZg. 21, S. 601/8. - 10) J. Smend, Ueber d. erziehl.
Wert d. Hausmusik. Dortmund, Crüwell. 23 S. M. 1,00. — 11) H. Röckner, Mod. Musik u. Volkstümlichkeit: Geg. 45,
S. 23/5. — 12) P.Moos, Ed. v. Hirtmann gegen El Hanslick: AMasZg. 21, S. 395/6. 418-20,437,8. — 13) X A. C. Kalischer, Philo-
sophen u. Astronomen d. 17. Jh. u. d. eth. Seite d Musik: N&S. 70, S. 352-82. — 14) M. Arend, D. Aufgaben d. Kritikers :
MusWBl. 25, S. 1/2, 13/4. 25/6. — 15) A Reissmann, Kunst u. Kritik; Künstler u. Kritiker: NZMusik. 61, 8. 37 8, 49-51. —
16) M. Rosenthal, Präludien zu e. Musikkritik d. Zukunft: Zeit 1, S. 169-70. |[(0. Lessraann): AMusZg. 21, S. 681/2.]| —
17) H. Ehrlich, Neueste Programm-Musik: Geg. 45, S. 134/6. — 18) X id., Musiker u. Publikum: ib. 46, S. 217j8. — 19)
I 10-.19-25 H. Reimann, Musikgeschichte.
ihm seit der „Rhapsodie" unbenommen. Aber der obige Satz ist nicht wahr.
Liszts Progamme sind nicht „lang", sondern so knapp wie möglich (ausser wo ein
ganzes Gedicht [MazeppaJ den Vorwurf bildet), noch will Liszt jemals „jeden Takt"
ohrgerecht zurechtlegen. Das letztere ist eine Verleumdung ! — Einen ähnlichen Kunst-
verfall, den des Gesanges, und zwar durch Wagnersche Musik, beklagte Kohut19).
Wagner stellt „an das brutale (!) Material" der Stimme und die Kraft der Lungen
unerhörte Anforderungen; das „Singen mit der Brust" ist Hauptsache. Als Beweis
führt der Vf. seinen „Schwiegervater" Mannstein an, des weiteren Rietz und Hiller!
Auch in Italien könne man seit LampertisTode nicht mehr singen ! Nur die Rückkehr zur
italienischen Gesangsschule werde dem drohenden Verderben abhelfen! Demgegenüber
ist zu betonen : Verdi, Meyerbeer, sogar Mozart in einzelnen Partien (z. B. Konstanze,
Donna Anna), Beethoven, Weber (Euryanthe, Eglantine, Rezia) stellen ebenso starke
Anforderungen an die Stimme wie Wagner. Dass freilich so viel unfertige, nur
halb ausgebildete Sänger sich sofort als „Wagnersänger" aufthun, schadet ihnen und der
Sache. Was ferner die Stimmausbildung betrifft, so giebt es weder eine italienische
noch eine deutsche, sondern nur eine natürliche Methode. Das Specifikum der
„italienischen Methode" bereitet wesentlich zu italienischem Gesänge (nach Sprache und
Charakter der Musik) vor; wir Deutsche bedürfen für unsere deutsche Musik
„deutscher Methoden", um unsere (nicht italienischen) Vokale, Konsonanten, Silben
und Worte gesangsmässig richtig sprechen zu lernen. — Die wahre historisch
berechtigte musikalische Form der Orgelsonate entwickelt Reimann20) in einer
Reihe von Einzelkritiken. —
Aus dem Gebiet der Akustik habe ich nur einen, aber einen vortrefflichen
Beitrag zu verzeichnen: Planck21) weist aus praktischen Erfahrungen im Konzert-
saale nach, dass die moderne Vokalmusik sich in der temperierten Stimmung bewegt.
Durch das Akkomodationsvermögen des an die Temperatur gewöhnten Ohres wird
dies ermöglicht. Aber es giebt Fälle, bei denen der praktische Einfluss der „natür-
lichen" Stimmung nachweisbar ist. Der hierzu mitgeteilte praktische Fall (Aufführung
einer Schützschen Motette durch den Chor der kgl. Hochschule) ist ein sehr lehr-
reiches Exempel. Gewisse Akkordfolgen führen bei temperierter Stimmung zu Er-
höhung oder Vertiefung der Normalhöhe. Die einschlägige Korrektur erfolgt jedesmal
an betreffender Stelle durch den Einfluss der „natürlichen" Stimmung. —
Musikgeschichte. Als hervorragendes Quellen werk sind hier in erster
Reihe die „Denkmäler deutscher Tonkunst in Oesterreich" 22) zu nennen. Die Seele
des Unternehmens ist Guido Adler, der hierfür wie heutzutage kein zweiter befähigt ist.
Er verfügt nicht bloss im weitesten Umfange über die dazu gehörigen musik-
geschichtlichen Kenntnisse : sein ruhiges, besonnenes Urteil, sein klarer Verstand
und seine von aller ehrgeizigen Nebenabsicht weit entfernte, der reinsten Kunst
gewidmete Begeisterung verbindet sich mit einem ungemein praktischen Blick, der
für ein solches Unternehmen doppelt wertvoll ist, wenn es eben mehr bedeuten soll als
eine bloss momentane Wiederbelebung längst vergessener Meister in Zeichen und
Formen, die ein schnelles abermaliges Vergessen — diesmal auf ewig — sicher ver-
bürgen. Gerade in letzterer Hinsicht sind die österreichischen Denkmäler den von
der preussischen Kommission herausgegebenen „Denkmälern deutscher Tonkunst"
weit voraus, wie denn auch in Oesterreich die Mitarbeiter entschieden glücklicher,
weil weniger engherzig, gewählt sind. Im Verlauf unseres Berichtsjahres sind die
ersten zwei Bände in Halbbänden erschienen : 1, 1 enthält des durch seinen „Gradus
ad Parnassum" wohlbekannten J. J. Fux Messen, von J. E. Habert vorzüglich re-
digiert; I, 2 G. Muffats erstes Florilegium, von H. Rietsch höchst sorgsam heraus-
gegeben; II, 1 bietet Motetten von Fux, und 11,2 das zweite Florilegium Muffats, von
denselben Herausgebern. Nach diesen überaus gelungenen Publikationen darf man
den weiteren Folgen, namentlich der Publikation der berühmten Trientiner Hss., mit
Musikstücken von Dufay, Binchois usw., mit freudiger Spannung entgegensehen. —
Eine z u s am m e nf a ss e nde Darstellung der Musikgeschichte „in usum
delphini" bietet Kothe 23), eine Kompilationsarbeit ähnlicher Art Gebeschu s24).
— Das Unglaublichste aber an Nachlässigkeit, Flüchtigkeit, Unwissenheit, was je
unter dem Namen einer „Geschichte der Musik" auf den Büchermarkt gekommen,
leistete Keller25). Der Raum ist hier zu kurz bemessen, all das zu wiederholen,
was ich in meiner Kritik dieses Buches in den BLU. angeführt habe. Ich verweise
A. Kohut, Vom Verfall d. Gesangeskunst. E. rousik.-ästhet. Betracht.: Bühne & Leben 2, S. 166/7, 178/9.— 20) H. Reimann,
Orgelsonaten. Krit. Gänge: AMusZg. 21, N. 40 6. — 21) M. Planck, D. natürl. Stimmung in d. mod. Vokalmusik. L., Breitkopf &Härtel.
25 S. M. 0,75. - 22) Denkmale dtsch. Tonkunst in Oesterr. Her. v. G. A d 1 e r. Bd. I. I. u. 2. Hälfte. Wien, Artaria. XI, 142 S. ; X, 146 S.
M.17,00. |[SignaleN.40;SchwMusZg. N. 15; (R. Eitner): MhMusikgesch. S. 205; E. H(an slick): NFPr. N. 10 629; M. Seiffert:
AMusZg. 21, S. 215/6; LCB1. S. 684; Kirchenohor S. 9; Mus. sacr. S. 5.J| — 23) B. Kothe, Abriss d. Musikgesch. 6. Aufl. L,
Leuckart. 316 S. M. 2,00. — 24) J. Gebeschus, Gesch. d. Musik v. d. ältesten vorchristl. Zeiten bis auf d. Gegenw. B.,
A. Schultze. 272 8. M. 3,00. — 25) 0. Keller, Gesch. d. Musik. (= 111. Bibl. d. Kunst- u. Kulturgesoh. Bd. 4.) L.,
H. Reimann, Musikgeschichte. I 10
26-34
daher darauf, kann mir aber doch der Ergötzlichkeit wegen nicht versagen, wenigstens
einige K.sche Quidproquos anzuführen; Aubers Oper: Leocadie, erscheint bei K. als
„Leo ladi"; „La dot de Luzette" als: „La dos de Lucatte"; Glinkas „Ruslan und
Ludmilla" als „Russland und Ludmilla"; von Wagner heisst es, er liege „in der
Nähe des Festspielhauses (!) zur ewigen Ruhe gebettet". Die beigegebenen Bilder
sind fast durchweg zum Entsetzen (vgl. z. B. das Joachimportrait) ; einzelne sind
mit einander verwechselt; „Meyerbeer" z. B. ist als „Mehul" bezeichnet! Doch
genug. — Zu etwas Erquicklicherem, wie es der dritte Band der Ambrosschen Musik-
geschichte, von Kade26) bearbeitet, bietet! Der Bearbeiter ist allzu konservativ
gewesen; nicht einmal die Seitenzahlen der zweiten und dritten Auflage weichen von
einander ab, jede Seite ist in der dritten genau an derselben Stelle gebrochen, wie
in der zweiten! Hat der Bearbeiter etwa eine „Stereotypauflage" korrigiert? Einzelne
(nicht alle) Citate sind ergänzt, Druckfehler und anderweitige Versehen im Text wie
in den Notenbeispielen sind (allenthalben, nicht immer) verbessert. Vieles, was
einer Umgestaltung dringend bedurft hätte, ist genau so geblieben wie früher. Unter
denen, welche mit Mitteilungen und Beiträgen den Herausgeber unterstützten, hatte
der Vf. die Güte, auch mich in der Vorrede aufzuführen. Leider wurde: H. Riemann
in Charlottenburg gedruckt. —
LokaleMusikgeschichte nach archivalischen Quellen behandelt ein Auf-
satz Helds27) über das Dresdener Kreuzkantor at. Dasselbe wird 1542 zuerst er-
wähnt. Den Kernpunkt der Arbeit bildet die Aufzählung sämtlicher Kantoren von
1240 bis auf unsere Zeit. Die Lebensschicksale, das künstlerische Wirken eines jeden
Kantors ist, soweit es möglich war, eingehend geschildert und den wichtigsten und
berühmtesten unter diesen Kantoren, z. B. Rüling, Neander, Homilius (1755—85),
Ch. Theod. Weinlig (Lehrer Wagners), E. Jul. Otto (gest. 1875) ist besondere Be-
achtung unter Hinzufügung eines Verzeichnisses ihrer Werke geschenkt. — Regesten
über die Münchener Hofkapelle giebt Walter28). Das Material dazu stammt aus der
Hinterlassenschaft des verdienstvollen Kustos der Münchener Musikbibliothek,
J. J. Maier. — In einer ausserordentlich eingehenden und umfangreichen Abhandlung-
behandelt Heinr. Webe r 29) die Geschichte des liturgischen Gesanges im Bistum Bam-
berg, von der frühesten Zeit, der der Mutterdiöcesen Bambergs und des heiligen Boni-
facius, beginnend bis zum 18. Jh. Der zweite Abschnitt der Monographie betrifft
den deutschen Kirchengesang vom 11. Jh. ab, die Einwirkung der Reformation, eine
Geschichte und Kritik der fränkischen Kirchengesangbücher u. dgl. —
An Beiträgen zur Geschichte einzelner Musikinstrumente verzeichnen wir
zunächst Frenzeis30) Schrift über die Orgel. Das Werkchen enthält eine nicht
immer geschmackvoll zusammengestellte Anthologie von Gedichten, Aussprüchen
berühmter und unberühmter Männer (Dichter, Komponisten, Schriftsteller) über die
Orgel und ihre Meister. — Ein wenig anspruchsvoll nannte Bie31) die skizzen-
hafte Beschreibung einiger Tasteninstrumente der kgl. Instrumentensammlung' in
Berlin: „Geschichte des Klaviers", wogegen Krebs32) einen wirklich sehr dankens-
werten Beitrag zur Instrumentalgeschichte mit dem Aufsatz über Kaspar Tieffen-
brucker lieferte. — Die seltsamen, aus dem Bronzealter stammenden, in Dänemark
sehr zahlreich gefundenen und im Museum zu Kopenhagen verwahrten, trotz ihres
hohen Alters von 2500 Jahren aber wohl erhaltenen „Luren" (Hörner aus Bronze,
den römischen Heerhörnern ähnlich) beschreibt Hammerich33). Die Windung des
Instrumentes ging vom Mundstück unter dem rechten Arme nach rückwärts, so dass
der mit Hängezierat und ornamentierten Platten versehene Schallbecher (Stürze)
oberhalb des Kopfes nach vorn gerichtet war. Unwichtig sind die vom Vf. auf-
geworfenen Fragen: ob man auf den „Luren" zweistimmig geblasen, und wie viele
Naturtöne (Obertöne) im Bronzezeitalter als bekannt anzusehen sind. —
An Sammelwerken sind vor allen anderen S p i 1 1 a s 34) musikgeschichtliche
Aufsätze zu erwähnen, nicht bloss weil sie einen so überaus reichen Inhalt bieten
und als letzte und reifste Frucht eines ungemein arbeitsvollen und ergebnisreichen,
leider zu früh abgeschlossenen Forscherlebens veröffentlicht wurden, sondern wegen
ihrer thatsächlichen wissenschaftlichen Bedeutung. Wohl waren die Aufsätze fast
sämtlich einzeln in Zeitschriften schon vorher veröffentlicht worden, aber sie haben
Friesenhahn. 438 S. M. 4,00. |[M. Seiffert: AMusZg. 21, S. 184; H. Reimann: BLU. S. 728.U — 26) A. W. Ambros,
Gesch. ä. Musik. 3. Aufl. 3. Bd. Her. t. O. Kade. L., Leuekart. 1893. 640 S. M. 12,00. (Vgl. JBL. 1892 I 9 : 12; 1893
I 13:15.) — 27) K. Held, D. Kreuzkantorat zu Dresden. Nach archiv. Quellen bearb. : VjsMusikwissensch. 10, S. 239-410. —
28) K. Walter, Archiv. Excerpte über d. herzogl. Hofkapelle in München: KirchenmusJb. 20, S. 76-87. — 29) Heinr.
Weber, D. Kirch enge sang im Fürstbistum Bamberg. E. Beitr. z. Gesch. d. Kirchenges, in Ostfranken. (= 2. Vereinsschr. d.
Görres-Ges. z. Pflege d. Wiss. im kath. Deutschi.) Köln, Bachern. 1893. VIII, 64 S. M. 1,20. |[StML. 46, S. 4573;
J. Veith: ÖLB1. 3, S. 3/4; M. Heimbucher: Kath. 1, S. 91/2.JI — 30) R. Frenzel, D. Orgel u. ihre Meister. Dresden,
Naumann. 145 S. M. 1,20. — 31) O. Bie, D. Gesch. d. Klaviers: Daheim 30, S. 615/8. — 32) C. Krebs, Kasp. Tieffen-
brucker, d. älteste dtsch. Geigenbauer: VossZg. N. 383.'— 33) A. Hammerich, Stud. über d. altnord. Luren im National-
mus. zu Kopenhagen: VjsMusikwissensch. 10, S. 1-32. — 34) (II 2:54.) |[MusRs. N. 16; SohwMusZg. N. 11; RiMusIt. N. 4f
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (1)18
i 10:35-39 H. Reimann, Musikgeschichte.
alle eine gründliche Durcharbeitung" erfahren. Soll ich unter den vorzüglichen Ar-
beiten die vorzüglichsten erwähnen, so nenne ich: „H. Schütz" (Begleitwort zu der
von Spitta kurz vor seinem Tode abgeschlossenen Gesamtausgabe der Werke); „Die
Anfänge madrigalischer Dichtung"; „Bachiana"; die Kritik über Jansens Ausgabe
der schriftstellerischen Werke Schumanns und den Aufsatz über die „Ballade". Die
von Schülern Sp.s vielgerühmte und als musterhaft gepriesene Arbeit über „Sperontes
singende Muse" halte ich in ihrem Endresultat: Sperontes sei der Schlesier J. Sigis-
mund Scholz gewesen, für verfehlt. Die Beweise, die Sp. hierfür beibringt, sind teils
zu wenig erschöpfend, teils zu wenig überzeugend. Auch sonst findet sich gerade
in diesem Aufsatz so manches (vgl. die Beziehungen gleicher Melodien zu einander
und ihre Entwicklung aus einander), was vom rein musikalischen Standpunkte nicht
annehmbar erscheint. Ich komme darauf im nächsten JB. gelegentlich zurück. —
Von La Maras35) „Musikalischen Studienköpfen", dem wohlbekannten, trefflich ge-
schriebenen und mit sorgfältig gearbeiteten Verzeichnissen versehenen Werke, und
zwar von dessen erstem, die Romantiker enthaltenden, Bande, ist bereits die siebente
Auflage erschienen. Das Buch wird sich in dieser erweiterten und teilweise um-
gearbeiteten Form sicher neue Freunde erwerben36). — Payer37) (nicht: Poyer)
veröffentlichte fünf Briefe, und zwar zwei von Weber, je einen von Marschner, Lind-
paintner und Spohr. Inhaltlich sind sie unbedeutend; nur der Lindpaintnersche ist
zur Charakterisierung dieser eitlen, selbstgefälligen Künstlernatur interessant. —
Einzelne musikalische Formen: Lied. Das laufende Jahr hat auf
diesem Gebiet ein Riesenwerk zum Abschluss gebracht. Erks Liederhort erfüllt
seine Aufgabe, ein „allgemeines deutsches Volksgesangbuch" zu sein, in hohem Masse.
Die wertvollsten deutschen Volkslieder alter wie neuer Zeit sind hier in reicher Aus-
wahl zusammengetragen, kritisch gesichtet und historisch kommentiert. Damit ist
zunächst der deutschen Litteratur wie der deutschen Kunst ein so grossartiger Zu-
wachs zu teil geworden wie niemals seit Menschengedenken. Aufnahme haben nur
Volkslieder gefunden; der höfische, der Meistergesang und die „Gesellschaftslieder" des
16. und 17. Jh., desgleichen die seit dem Neuerwachen der alten Volkslieder alsbald
entstehenden volkstümlichen Lieder des 18. und 19. Jh. — gemeiniglich als „Kunst-
lieder" bezeichnet — sind ausgeschlossen. Dafür sind niederdeutsche, selbst altnieder-
ländische Lieder ohne Bedenken aufgenommen worden. Beides mit Recht. Ist das
Verdienst, dieser Sammlung das Leben gegeben zu haben, zunächst Erk zuzuschreiben,
so ist nichtsdestoweniger ein mindestens gleicher Teil dem Herausgeber, Böhme38), zu
überweisen. Der Plan des Werkes, das höchst mühsame Quellenverzeichnis, die Litterätur-
angaben, Wort- und andere Erklärungen, die Register usw. sind ausschliesslich B.sWerk.
Seiner jahrelangen, mühevollen und vor allem sehr uneigennützigen Arbeit in erster
Reihe, demnächst den hochherzigen Spenden der Kaiser Wilhelm 1. und Wilhelm II.
verdankt das deutsche Volk ein monumentales Werk, wie es keine andere Nation
besitzt. Eine genaue und vollkommen erschöpfende Kritik an dem Buche zu üben,
alle seine Einzelheiten zu prüfen, dazu halte ich mich nicht für befähigt; ich meine
überhaupt, dass dies bei dem Umfange des Werkes und der Unmasse des verarbeiteten
Stoffes schlechterdinge ausser dem Bereiche der Kraft eines einzelnen Menschen liegt.
Aber ich hatte bei der Herausgabe einer grösseren Sammlung geistlicher Lieder
reichliche Gelegenheit, die Richtigkeit der angegebenen Melodien (3, S. 624 ff.), sowie
der Litteraturangaben zu prüfen. In ersterer Hinsicht habe ich gar manche Unrichtig-
keiten bemerkt, die zu korrigieren hier nicht der rechte Platz ist. In letzterer Hin-
sicht wären ab und zu genauere Citate (Angabe der Seitenzahl) erwünscht. Ich muss
es ferner als einen Mangel bezeichnen, dass B. die in seinem „Altdeutschen Lieder-
buch" so vortrefflich bewährte Methode des Druckes der Melodien in den alten Typen
aufgegeben hat, offenbar eine Cession an Erk, der in den alten Melodien weniger
sicher bewandert war. Doch sehen wir angesichts der Grösse und Bedeutung
dieses Liederwerkes von diesen Mängeln ab und freuen wir uns eines solchen
Besitzes. — Eine Sammlung litauischer Kirchengesänge (aus dem 18. und 19. Jh.)
von Hoffheinz35') muss deshalb hier erwähnt werden, weil die litauischen Lieder
zum nicht geringen Teil Umbildungen deutscher Melodien sind. Eigentümlicher Weise
ist der Zeilenumfang dieser Melodien zumeist auffallend kurz (häufig nur 2 Zeilen),
auch für recht lange Texte. Die Melodien sind 4 stimmig gesetzt. Spitta
tadelt dies; die Weisen seien nur melodisch, nicht harmonisch gedacht. Die letztere
Scheidung muss ich im Prinzip bekämpfen; jeder Melodie — auch der einfachsten
Signale N. 67; N&S. 76, S. 286; LCB1. S. 863/4; C. K(rebs): VossZg. N. 452, 454.]| - 35) La Mara, Musikal. Studienköpfe.
Bd. 1. Romantiker. 7. umgearb. Aufl. Mit Portrr. L., Schmidt & Günther. VII, 417 S. M. 3,50. |[0. L( essmann):
AMusZg. 21, S. 637.]j — 36) O J. A. Fuller-Mailland, Masters of germun music. London, Osgood Sh. 5. |[J. S.
S(hedlock): Ac. 46, S. 219 ]| - 37) 0. Payer, Fünf Briefe berühmter Tondichter: NZMusik. 61, S. 25,7. - 38) (I 5:299;
II 2:39.) HKVZg. N. 359; Grenzb. 2, S. 572/3; VossZg. N. 524; LCBF. S. 1839-90; NorddAZg. N. 329.]) - 39) W. Hoff-
bein'/., Giesmiu Balsui. Litauische Kirchengesänge. Her. v. d. Litauischen litt. Ges. in Tilsit. Heidelberg, Winter. 4°.
H. Reimann, Musikgeschichte. I 10 : 40-57
gregorianischen — liegt ein harmonisches Element zu Grunde, und zwar dasjenige, auf
dem das Tonsystem, dem die Melodie angehört, beruht. Eine andere Frage ist es
freilich, ob jener 4 stimmige Satz dem Wesen der Melodie in der angedeuteten
Hinsicht auch immer entspricht. Diese Frage würde ich im vorliegenden Falle mit
„nein" beantworten. — Das von Kothe und Scholz40] herausgegebene katholische
Gesangbuch ist zwar nur für religiöse Zwecke bestimmt, aber wegen einiger wert-
voller und selten zu findender Volksmelodien, die es enthält, beachtenswert. — Fuchs41)
Melodienalbum erwähne ich lediglich als trauriges Beispiel musikalischer Geschmacks-
losigkeit. Geistliche Volksmelodien mit Guitarren-, bezw. Zitherbegleitung in marsch-
und tanzartigen Rhythmen! — Von Reimanns im vorigen Jahre erwähnten Lieder-
sammlungen (JBL. 1893 I 13:44/5) handeln zwei Aufsätze von R. Weber42) und
Kretzschmar43). — Eine sehr willkommene Fortsetzung, aber hoffentlich noch
nicht den Abschluss bildet Lew alters44) fünftes Heft der niederhessischen Volks-
lieder. L. verfügt über ansehnliche Litteraturkenntnis und den richtigen Geschmack.
Das letztere zeigt sich in dem einfachen, aber guten 2- oder 3stimmigen Satze, in
welchem er die Lieder mitteilt. — Eine verdienstliche Arbeit Seyferts45) behandelt
das volkstümliche Lied von 1700—1800. Verwunderlich ist nur, warum das Lied
im Singspiele (J. A. Hiller, Andre, Reichardt, Neefe, Himmel usw.) von der „selbständigen
Liedkomposition" getrennt und dadurch eng Zusammengehöriges auseinandergerissen
wird. Auch muss ich bestreiten, dass Hillers Lieder, namentlich die Kinderlieder,
lediglich als „Mittel zur Gesangsbildung" anzusehen sind. In diesen verschiedenen
Liedformen tritt uns vielmehr Volks- und Mode- (meinetweg-en auch Kunst-) Gesang
in ihrem Widerstreit sehr drastisch vor die Augen. Recht gut sind J. P. A. Schulz
und seine Nachfolger: Andre, Neefe, Reichardt behandelt. Die süddeutschen Lieder-
sänger werden dagegen nur gestreift. Die Umgestaltung des volkstümlichen Liedes
zum 2 — 3 stimmigen Chorliede (Kinder-, Studenten-, Gesellschaftslieder) und zahl-
reiche Notenbeispiele bilden den Schluss dieses Aufsatzes, zu welchen Max Fried-
laender dankenswerte Zusätze und Berichtigungen gegeben hat. — EinAnonymus46)
verlangt, dass das Volkslied die Grundlage des Gesangsunterrichts auf den
Gymnasien bilden müsse. Dies sei das beste Mittel gegen die Verbreitung elender
Gassenhauer. Ein frommer Wunsch nach beiden Seiten hin. — Ueber Veränderungen
von Volksmelodien, und zwar von solchen, die (der Regel entgegen!) Verbesserungen
sind, handelt Bleisteiner47), während die Depravation der Melodien auf den Kneipen
und die schlechte Wahl der Lieder von Lorentzen4S 49) getadelt werden. In einem
späteren Aufsatz giebt L. nebst einer Kritik des Lahrer Kommersbuches (41. Auflage)
eine annehmbare Auswahl guter Kneiplieder. — Eine im „Daheim" enthaltene Mittei-
lung aus „Souvenirs de la M1116 de Crequy de 1710 ä 1803" enthält eine Erklärung
dreier Damen v. St. Cyr, wonach der ursprüngliche Text zur Melodie der preussischen
Nationalhymne50) von Aln,e de Brinon, einer Aebtissin v. St. Cyr, und die Melodie von
Lully ist. Eingehendere Beweise werden hierfür nicht erbracht. — Ein Vortrag
Max Friedlaenders51-53) erörterte die Beziehungen des Hauffschen Volksliedes
„Morgenroth" zu Gedichten Günthers usw. sowie die Herkunft der Melodie. In ähn-
licher Weise wird das bekannte triviale „Lied vom Kanapee", dessen früheste Form
aus dem J. 1740 nachweislich ist, behandelt. Dieser zweite Teil des Vortrags wurde
noch in mehreren anderen Zeitschriften veröffentlicht. — Das ursprünglich russische,
aber in Deutschland ganz volkstümlich gewordene Lied: „Schöne Minka, ich muss
scheiden" bespricht ein Anonymus54). — Das specielle Gebiet des Männergesanges
betrifft ein Aufsatz55), der ganz sachgemäss einen Abriss seiner Geschichte von Mich.
Haydn bis Reichardt giebt. — Eine vortreffliche Sammlung volkstümlicher Männer-
chöre enthält Reisers56) Liederkranz. —
Oper. Die hierher gehörige Schrift von Pfohl5r) ist aus einer Sammlung
Hamburger Musikkritiken entstanden, aber trotzdem kein schlechtes Buch. Schon
dass allen diesen Einzelarbeiten ein gemeinsames Ziel gegeben ist, nämlich: „Die
IV, 113 S. M. 5,00. |[Ph. Spitta: VjsMusikwissensch. 10, S. 216-2l.]l — 40) W. Kothe u. E. Scholz, Kath. Gesang- n.
Gebetbuch. Im Auftr. d. Dekanatsamtes d. Grafseh. Glatz zusammengest. u. her. 3. verm. u. verb. Aufl. Habelschwerdt,
Franke. 12°. XVI, 206 S.; VIII, 211 S. M. 1,20. — 41) J. Fu ch s, Melodien- Album mit geistl. Liedern. Für d. Zither bearb.
St., Selbstverl. 64 S. (Nicht im Handel.) — 42) E. Weber: BLU. S. 515 6 — 43) [H. Kretzschmar]: Grenzb. 1, S. 53 5.
— 44) (I 5:313.) — 45) B. Seyfert, D. musikal.-yolkstüml. Lied v. 177O-1S0O: VjsMusikwissensch. 10, S. 33-102. (Vgl.
Nachtrr. u. Berichtigungen v. Max Friedlaender: ib. S. 234.) — 46) D. Volkslied auf d. Gymn.: Grenzb. 1, 8. 535 7. —
47) G. Bleisteiner, Äenderungen d. Volksmundes an bekannten Liedern: VjsMusikwissensch. 10, S. 474-82. — 48) [Th.
Lorentzen], Ueber d. Singsang auf d. Kneipen: BurschenschBH. 8, S. 107-10. (Vgl. dazu H. Gillische wski: ib. S. 136 7.)
— 49) id.. Unsere Kommerslieder: ib. S. 177-85. (Vgl. dazu H. Gillische wski: ib. S. 248/9.) — 50) H. v. S. z. T., Z.
Melodie d. preuss. Nationalhymne; Daheim 30, S. 588. — 51) Max Friedlaender, Ueber einige volkstüral. Lieder d. 18. Jh.
(= I 1:86a, S. 400,3.) (Vgl. dazu F. Detter, Ber. über d. Philologenver. in Wien: ZDPh. 26, S. 400/5.) — 52) X (H 2 : 55.)
— 53) X M. Friedlaender, D. Lied v. Kanapee: Grenzb. 2, S. 573/4. — 54) D., „Schöne Minka, ich muss scheiden":
Bär 20, S. 98, 134. — 55) D. dtsch. mehrstimm. Männergesang u. seine hervorragendsten Vertreter. I.: Daheim15. 30, N. 46, 52. — 56)
A. Heiser, Liederkranz aus Schwaben. St., Nitzschke. 456 S. M. 2,00. — 57) F. Pfohl, D. mod. Oper. L., Reissner. 401 S.
M. 5,00. |[0. Bie: AMusZg. 21, S. 400,1; H. Eeimann: BLU. S. 729-30; NZMusik. N. 22 3; EiMusIt. N. 3; SchwäbKron,
(1)18*
I 10:58-67 H. Reimann, Musikgeschichte.
Strahlenbrechung" der Kunst Wagners im Schaffen der Gegenwart zu zeigen", spricht
für eine sorgsame Ueberarbeitung der Augenblicksarbeiten. Vortrefflich ist die Ana-
lyse des Corneliusschen „Barbiers", ferner die vonGoldmarcks „Merlin", Verdis „Otello",
Smetanas „Verkaufter Braut", Tascas „A Santa Lucia". Dem Urteil über Mascagnis
„Cavalleria" und „Amico Fritz", die zu günstig wegkommen, Verdis „Falstaff", der
zu ungünstig beurteilt wird, stimme ich nicht bei; auch sonst hätte ich Neben-
sächliches (unkorrekte und aus dem Klavierauszug bezogene Musikbeispiele, In-
korrektheiten und Absurditäten im Ausdruck, z. B.: „Der Tod schreitet in den dumpfen
Schlägen der grossen Trommel über die Scene") zu tadeln. Aber das Gute überwiegt
bei weitem. — Interessant und belehrend behandelt Krebs58) das Musikdrama
in Spanien. — Stoessel5<J) wendet sich gegen einen Aufsatz Heubergers, der über
die Geringschätzung und die Vernachlässigung klagte, die Dichter der Oper gegen-
über an den Tag legen. Ein guter Dichter, meint der Vf., braucht den Musiker
nicht, um sein Ziel und seinen Kunstzweck zu erreichen. Andererseits muss der
Operntextdichter zum grössten Teil auf seine künstlerische Selbständigkeit verzichten,
er wird nur Handlanger für den Komponisten. Die Polemik ergiebt als Resultat,
dass Wagner der einzig vernünftige Mensch und Künstler war. — Zu ähnlichem
Resultate hätte Graf60) gelangen müssen, wenn er seinen Grundgedanken streng ver-
folgt hätte. Die Oper entstand aus einer „zufällig falschen Auffassung der griechischen
Tragödie bei Gelegenheit des Wiederbelebungsversuches derselben zur Zeit der
Renaissance". Sie wurde Modeschöpfung und damit allen Wandlungen der Mode
unterthan. Daher ihre mannigfachen, oft sich widersprechenden Formen. Dieser an
sich richtige und fruchtbare Gedanke wird leider vom Vf. nicht ausgeführt. Ueber
Monteverdi, Gluck gerät er mit einem Salto mortale auf Wagner, dessen Opernmusik
im wesentlichen „symphonische Musik zu Bühnenbildern" sei. Der Vf. zeigt damit,
dass er das WTesen des Dramas ganz äusserlich auffasst. Schon Lessing betont be-
kanntlich, die fortschreitende „innere" Handlung als das Wesentliche des Dramatischen.
Nun, wenn in diesem Lessingschen Sinne irgend ein Wagnerscher Opernakt eminent
dramatisch ist, dann ist es der 2. Akt des „Tristan", den der Vf. gerade als Beispiel für
„undramatische" symphonische Musik zu einem lebenden Bilde bezeichnet. — Ertel61)
will die Formen der modernen Oper behandeln, bietet aber ein konfuses Durch-
einander von Einzelheiten und zeigt, dass er für solche Aufgabe weder Kenntnisse,
noch Beruf, noch Geschick hat. — Sehr zeitgemäss wendet sich Mauke62) gegen
das Missverständnis Wagners seitens der modernen Komponisten Italiens (Mascagni,
Franchetti), Frankreichs (Chabrier), Deutschlands (Hummel, Umlauft usw.). Sie kopieren
und geben nichts oder nur verschwindend wenig Eigenes. Am deutlichsten tritt dies
bei der Anwendung des dramatischen Pathos vor Augen. Wenn beiMascagni (im Freund
Fritz) der alte Rabbi in die geringste Emotion gerät, oder (in den Rantzau) der Schulmeister
hinausgeworfen wird, geht ein Getöse im Orchester los, als ob der Himmel einfiele.
Der Vf. hat gewiss Recht; in dem Unwesentlichen, ja in dem Falschverstandenen
wähnt man Wagners „wahre" Originalität, und so ahmt man sie in gröbster Manier nach63).
— Wie Grillparzer seinerzeit für die Italiener und gegen die deutsche Oper, insbesondere
gegen den „Freischütz" und die „Euryanthe" Webers zu Felde zog, und welche jammer-
volle Kabalen die Aufführung des „Freischütz" in Wien gänzlich erfolglos machten
(das Schiessen auf der Bühne war polizeilich untersagt, die Darstellung des Ein-
siedlers und Samiels wurde aus religiösen Gründen verboten), stellt Batka64) trefflich
dar und hebt in dem Kampfe der Deutschen gegen die Italiener (Cera und Barbaja)
namentlich die Verdienste des Hofrats Mosel gebührend hervor. Leider krankt Wien
heute noch an dem 1816 durch die Truppe Geras (die Borgondio!) ihm eingeimpften
Italianismus.65) — Eine interessante briefliche Mitteilung Rubin steins an Herrn Rud.
Loewenstein über seine Ansichten von der Oper überhaupt und insbesondere von der
durch ihn selbst kultivierten geistlichen Oper verdanken wir einer Dame: Margarete
Toeppe66). Rubinsteins innerstes Gefühl beleidigte der Christus, der Samson, Josua,
Elias, Paulus „im Frack", wie er bei unseren landläufigen Oratorienaufführungen
zu sehen ist. Das Oratorium hat einen dramatischen Kern, es bedarf keiner so
spannenden Handlung, keiner so packenden Auftritte, keiner „Liebesgeschichte" wie
die Oper. Aber es kann des dramatischen Kernes, folglich auch der dramatischen
Vorführung nicht entraten. Darum soll die geistliche Oper an Stelle des Oratoriums67)
treten. —
N. 174; N&S. 76, S. 286; Ges. S. 1382/3; MusWBl. 25, S. 322/3, 337,9.]| — 58) C Krebs, D. Musikdrama in Spanien:
VoBsZg". N. 501. — 59) A. St oes sei, Textdichter u. Komponisten: Geg. 45, S. 2947. — 60) M. Graf, D. Opernpiobleni :
Didask. N. 278. — 61) P. Ertel, D. Formen d. rood. Oper: Bühne * Leben 2, S. 702,3, 719-21. — 62) W. Mauke, Ueber
d. falsche Pathos in d. dramat. Musik: BerlE. 1, S. 272/6.-63) X IJ- Kar eil, Naturgesch. in d. Oper: Didask. N. 44. (E.'
Humoreske.) — 64) R. Batka, Grillparzer u. d. Kampf gegen d. dtsch. Oper in Wien: GrillpurzerJb 4, S. 119-44. |[O.B(ie):
AMusZg. 21, S.360.]| - 65) X 0. M.-M., D. Hoftänze d. früheren Jhh. : Daheim". 30, N. 1. — 66) M argarete Toeppe, A. Rubin-
Stein, Christus. Geistl. Oper (L., Senff. 66 8. M. 1,00 [Textbuch]): Zukunft 9, S. 456-61. — 67) X c- O-i., D. Entwicklung d.
H. Reimann, Musikgeschichte. I 10 i 68-77
Einzelne Musiker und Komponisten. Den musiktheoretischen Traktat
des Ugolino von Orvieto (1450) übersetzte Kornmüller68), während gleichzeitig"
Hab er 1 sehr dankenswerte „bio-bibliographische" Mitteilungen über Ugolino machte,
von denen ich besonders den Nachweis erwähnen muss, dass Ugolino da Orvieto als
identisch mit Ugolino da Civitavecchia anzusehen ist. — Den alten Organisten am
Münster in Konstanz, Hans Buchner, der ebenfalls als identisch mit dem „Meisler
Hans von Konstanz" zu betrachten ist, betrifft ein Aufsatz des Konstanzer Organisten
von Werra69). —
Eine grosse Anzahl Schriften und Aufsätze brachte das Berichtsjahr über
Palestrina und Orlando di Lasso. War doch 1894 gerade das 300. J. seit Pale-
strinas und Orlandos Tode verflossen. Wir erwähnen zunächst die, in welchen Palestrina
und Orlando gemeinsam behandelt werden. Zuerst den Aufsatz Th. Schmids70),
eines ausserordentlich feinen Kenners und gründlichen Forschers, sodann den Vor-
trag Rebers71): eine einfache, aber verständnisvolle Darlegung der Bedeutung
beider Meister, endlich Walters72) ebenfalls sehr sorgsamen und gründlichen
Essay. — Palestrina allein, und zwar seine Bedeutung im 16. und seine Ver-
breitung und Würdigung im 19. Jh. beleuchtet in seiner lichtvollen und überzeugenden
Art Spitta73). Er geht davon aus, dass jene Musik der Italiener, die ihren Höhe-
punkt in Palestrina erreicht, nicht „autochthon", sondern aus Belgien, Nordfrankreich
und England nach Italien gekommen sei. Das Madrigal in nordischer Polyphonie
sei für die italienische Kunst grundlegend geworden. Später habe man sich dieser
Polyphonie, bei der jede Stimme ihre Selbständigkeit strengstens vertritt, entwöhnt
und sich an bestimmte, usuelle Akkordfolgen gewöhnt. So entstand der Fundamental-
bass. Palestrina verhalte sich zu Orlando wie etwa Bach zu Händel. Dieser Vergleich
ist wohl doch etwas zu systematisch, nicht minder der andere: die Messen und
Hymnen Palestrinas verhielten sich zu den gleichen Kompositionen der Kunstitaliener,
wie italienische Madrigale zu deutschen, niederländischen und französischen Liedern.
Ist damals überhaupt ein so strenger Unterschied in nationaler Beziehung zu kon-
statieren? Ist der weltliche Gesang wesentlich verschieden vom geistlichen? Und
nicht vielmehr nach Melodie, Charakter und Ausführung nahezu identisch? Somit
glaube ich auch nicht, dass Palestrinas Hauptbedeutung auf der Vereinigung zweier ver-
schiedener Elemente, eines weltlichen (Madrigal) und eines geistlichen (polyphoner
Figuralgesang), beruhen könne. — Seinem Meister Spitta folgt Seiffert74) in der
wohlbegründeten Betonung des Satzes, dass Palestrina den Höhepunkt einer lange
vorhergegangenen Kunstentwicklung (deren Boden freilich nicht durchweg Italien
war) bilde, dass nach Palestrina ein völliger Umschwung vor sich ging und
eine ganz neue und gänzlich verschiedene Kunst unter Beseitigung der bisher
geltenden Prinzipien entstand. — Eine, bescheidenen Ansprüchen allenfalls genügende,
Kompilation ist Langes75) Palestrinaartikel. — Den höchsten Ansprüchen an die
Kritik sollte eigentlich Sandbergers76) W7erk über Orlando entsprechen. Man
hatte gerade von diesem Vf. eine endgültige Lösung so vieler offener Fragen er-
wartet. Leider scheint das zum Orlandojubiläum veröffentlichte erste Buch dieses
Werkes etwas schnell fertig gestellt worden zu sein. Wenigstens macht es nicht
den Eindruck, als wenn der Vf. des reichen Materiales, das er zusammen getragen,
vollkommen Herr sei. Ueber wichtige Dinge, wie z. B. über das Geburtsjahr, bleiben
wir trotz seitenlanger Erörterungen im Unklaren und müssen uns begnügen, als
Resultat zu vernehmen: des Vf. „persönliche Meinung" sei, Orlando ist 1530 (und
nicht 1520 oder 1532) geboren. Eine rein „persönliche" Meinung ohne stützende
Gründe, noch dazu im schreienden Widerspruche zu so glaubhaften Quellen, wie sie
das Münchener Grabdenkmal und die Datierung von Sadelers Portrait bilden (nach
denen Orlando zweifellos 1532 geboren), ist wissenschaftlich wertlos. — Ein Lands-
mann Sandbergers, von Destouches77), feiert Orlando als „Münchener", als einen
„von den Unseren", als Leiter „unserer Hofkapelle" „zu Ruhm und Ehre unserer
Stadt München". Auch der Vf. vermag sich dem Schwanken Sandbergers gegenüber
nicht für 1532 als Geburtsjahr auszusprechen. Und doch heisst es deutlich genug:
„Post lustra ac hyemes sena bis acta duas"; da Orlando 1594 gestorben, ist er, bei einem
Alter von 62 J., 1532 geboren. D. giebt genaue Auskunft über die Vermögens- und
Oratoriums. T. IL: Daheim^. 30. N. 3. — 68) II. K o r n m ü 11 e r , Musiklehre d. Ugolino v. Orvieto (1450): Kirchenmus-lb 20, S. 19-40.
(Dazugehören:!" X. H aber 1. Bio-Biblicgr. Notizen über Ugolino: ib. S. 40,9.) — 69) E. v. W e r r a, Joh. Buchner (1483— 1540): ib.
S. 88-92. — 70) Th. Seh mid d J., Principes musicae: ib. S. 49 76. — 71> J. R e b e r , Vortr. z. Feier d. grossen Meisler d Tonkunst
Giovanni da Palestrina u. Orlando di Lasso. Progr. d. kgl. bayer höh. weibl. Bildungsanst. Asciiaffenburg (Wailandt). 24 S. - 72)
C. Walter. Palestrina u Orlando. I1PB11. 113, S. 777-804, 873-89. — 73) P h. Spitta, Palestrina im 1«. u. 19. Jh.:
DRs. 79, S. 74-95. — 74) M. Seiffert, Palestrina Auch e. Gedenkbl. zu seinem 300. Todest.: AMusZg. 21, S. 65/7, 81/3.
— 75) E. Lange, Palestrina. E. Erinnerungsbl.: NZMusik. 61, S. 178/9, 190,1,222,4,230/1,290,2 — 76) A. Sandberger,
Beitrr. z. Gesch. d bayer. Hofkapelle unter Orlando di Lasso. 1. Buch. L., Breitkopf & Härtei. 119 S. M 3 00. ||C. Krebs:
VjsMusikwissensch. 10, S. 225/7; F. X. II a b e r 1 : KirchenmusJb. 10, S. 120,2; W. Bäumker: LHandw. 33, S. 728/9.]| —
77) E. v. Destouches, Orlando di Lasso. E. Lebensbild z. 3. Centenn. seines Todest. München, Lentner. 110 S. M. 1,5Q,
I 10 : 78-9« H. Reimann, Musikgeschichte.
Familienverhältnisse des Meisters und seiner Nachkommen, über die Orlandohäuser
auf Münchens feuchtfröhlichem „Platzl"; über die Bedeutung- des Musikers schweigt
sich der Vf. aus. — Das Werk, welches Decleve78) gewissermassen als Vertreter
der Heimat Orlandos (Hennegau) seinem grossen Landsmanne widmete, hat als fast
einziges Gute und Lobenswerte eine schöne Ausstattung aufzuweisen. Sonst ist es
(inhaltlich) flüchtig und unkritisch abgefasst. — Vortrefflich dagegen und höchst
anerkennenswert ist wiederum Th. Schmids79) Orlandostudie. — Porges80) führt
aus, es sei an Palestrina und Orlando das vor allem bewundernswert, dass in ihren
Werken „die schrankenlos sich ergiessende Ekstase in strenge Kunstform gefasst
und idealisiert werde. Palestrinas Heimat sei der Himmel, sein Auge daher immer
nach oben gerichtet; Orlando sei realistischer, gehöre der Erde an." — Auch Bussler81)
und Seiffert82) fixieren den Unterschied zwischen beiden Meistern ähnlich83"85). —
Den Lebensgang und die Thätigkeit Francesco Sorianos (geb. 1549, gest.
nach 1621) entwickelt Haberl86) in einer bewundernswert klaren und meisterhaft
übersichtlichen Weise, in Form von Regesten. — Den berühmten Leipziger Theore-
tiker Seth Calvisius hat eine grössere Arbeit Benndorfs87) zum Gegenstande. Der
Vf. betrachtet zunächst Calvisius Vorläufer: Gafur, Glarean, Zarlino, ohne über diese
Musikgelehrten etwas Neues beizubringen, und stellt sodann die Theorie des Gelehrten
in ziemlich klarer Form dar, wobei namentlich Calvisius Uebersicht über die Musik-
geschichte von Interesse ist. — Kretzschmar88), den ausgezeichneten Leipziger
Musikforscher, finden wir bei seinem Lieblingsthema, der altitalienischen Oper. Er
weist nach, dass Monteverdis „Incoronazione di Poppea" den Geist,- aus dem das
Musikdrama im Kreise Florentiner Hellenisten hervorging, am reinsten und sichersten
repräsentiert. — Auch Seiffert89) kehrt mit einer trefflichen Untersuchung über den
Orgelmeister Delphin Strunck (1601 — 94) zu seinem eigentlichen Arbeitsfelde zu-
rück. — Einem Kollegen Struncks in Wernigerode, dem Organisten Joachim Mayer
(1607—78) widmet Jacobs90) einen längeren Artikel, der, wie so viele Arbeiten
sogenannter Schüler Spittas, sich in Aufzählungen von Rechnungen, Emolumenten-
skalen, Erzählungen von persönlichen Verhältnissen usw. des Langen und Breiten ergeht
und über die Hauptsache: die Stellung und Thätigkeit in der Kunst, recht wenig bringt.
Eine dürftige „Hochzeitsmotette" ist alles, was über die künstlerischen Leistungen
Mayers mitgeteilt wird. —
Die Oertlichkeit, den Johannneskirchhof in Leipzig, wo Bach begraben
wurde, und die unbekannte Grabstätte Bachs auf ihm (eichener Sarg, flaches Grab)
beschreibt nach archivalischen Quellen Wustmann91); er kommt zu dem Resultat:
da Bachs Grab bald neu belegt wurde, sei es aussichtslos, seine Gebeine zu finden;
ein Resultat, das, wenn Hiss Entdeckungen und Forschungen nicht trügerisch sind,
bereits ad acta gelegt ist. — Nicht mit den sterblichen Ueberresten, sondern mit dem
Unsterblichen bei Bach, mit seiner „Kunst der Fuge" beschäftigt sich Riemann92).
Er giebt eine, bis auf die Phrasierungszeichen, wohlgelungene Analyse jenes Bachschen
Wunderwerkes, während Ruthardt93) Anweisung erteilt, womit „Bachstudien" am
besten beginnen. —
Von Händel sprechen zwei Arbeiten von Stein94) und Fleischer95); jener
beschreibt das Händelhaus in Halle, dieser erklärt das daselbst gefundene, angeblich
von dem jungen Händel benutzte Klavier für „unecht", d. h. aus späterer Zeit als
Händeis Jugend stammend. — Ch. F. D. Schubarts Aufenthalt in Augsburg, seine
erspriessliche Thätigkeit als Musiklehrer und Redakteur der Schwäbischen Chronik,
sein Auftreten gegen den jesuitischen, quacksalbernden Pfarrer Gassner, das zur end-
lichen Katastrophe und Verhaftung Schubarts führte, schildert lebendig und über-
zeugend Simmet96). —
J. H. Hill er, der Begründer des deutschen Singspiels, der Komponist zahl-
reicher volkstümlicher Lieder, der „Vater des deutschen Kinderliedes", hat endlich durch
![H. Reim an n: BLU. S. 730; NZMusik. 61, S. 321; LHandw. 33, S. 155/6.]| - 78) J Decleve, Roland de Lassus, sa vie
et ses reuvres. (Her. t. d, Soc. d. scienoes, des arts et des lettres de Hennegau.) Mons, S Loret 242 S. |[M. Seiffert:
AMusZg. 21, S. 375; KirchenmusJb. 10, S. 119.]| — 79) T h. Schraid, Orlando di Lasso: StML. 47, S. 265-86. — 80) H.
Porges, Z. 300j. Todest Orlando di Lassos: NZMusik. 61, S. 301/2. — 81) L BfusslerJ, Orlando Lisso: NatZg. N. 353.
— 82) M. Seiffert, Orlando di Lasso: AMusZg. 21, S. 331/2. — 83) X C, G-d., Orlandus Lassas: DaheimB. N. 42. —
84) X W. Fronmüller-Lindau, Z. 300j. Todest. d. Orlando di Lasso: Sammler*. N. 70. — 85) X R- J. Hartman n,
Orlando di Lasso: ÜL&M. 72, S. 40/2. — 86) F. X. Haberl, Lebensgang u. Werke d. Francesco Soriano: KirchenmusJb. 20,
S. 95-103. — 87) K. Benndorf, Sethus Calvisius (1556-1615) als Musiktheoretiker: VjsMusikwi=sensch. 10, S. 411-70. (D.
Aufs, ist e. erweit. Diss.) - 88) H. K r e t z s r li m ar , Monteverdis „Tncm-nnaaione di Poppea": ib. S 483-530. — 89) M.
Seiffert, Alte Orgelmeister. I. Delphin Strunck (1601 -94): AMusZg. 21, S.617/9. (Vgl. auch ADB. 36, S. 665 7.) — 90) E.
Jacobs, D. Organist Joach. Mayer in Wernigerode (1607—78). E. Beitr. a. Gesch. d. Mus. seiner Zeit, bes. d. Orgel:
VjsMusikwissensch. 10, S. 146-202. - 91) G. Wustraann, Bachs Grab: Grenab. 4, S. 117-26. - 92) H. Riemann, Katech.
d. Fugen-Komposition. 3. T. Analyse v. J S. Bachs „Kunst d. Fuge." (= 111. Katech. v M. Hesse. N. 29.) L., Hesse.
VIII, 166 S. M. 1,50. — 93) A. Ruthardt, Bachstudien: Daheim». 30, N. 38. — 94) P h. S t e i n , D. Händel-Haus in
Halle a 8.: IllZg. 102, S 18. — 95) 0. Fleischer, D. angebl. Handel- Klavier in Halle a. S.: AMusZg. 21, S 41. - 96)
L. Simmet, D. Dichter, Publizist u. Musiker Ch. Fr. D. Schubart in Augsburg 1774-75 (JBL. 1893 IV 2a: 59). Progr.
H. Reimann, Musikgeschichte. I 10 : 97-117
Peisers97) wohlgelungene Arbeit die verdiente Würdigung- erfahren. Singt man
doch heute noch „Ohne Lieb und ohne Wein", den „Aeolus", „Schön sind Rosen
und Jasmin" und „Als ich auf meiner Bleiche"! — Einen sehr annehmbaren Beitrag
zur Gluck -Biographie verdanken wir Funck98). —
Zur Mozartforschung spendete wiederum Engl99) einen ausgezeichneten Bei-
trag, aus dem wir vor allem die erneute und hoffentlich endgültige Ablehnung der
Friedlaend ersehen Verrufserklärung gegen Mozarts Wiegenlied (JBL. 1893 I 13:83)
hervorheben. Sonst bietet E. einen Nachweis über Mozarts Taufnamen: Johannes
Chrysostomns (nach dem Kalenderheiligen), Wolfgang (nach dem Grossvater
mütterlicherseits), Theophilus fnach dem Taufpaten). Dazu kommt als Firm-
name: Sigismund. 1770, bei Gelegenheit seines Aufenthaltes in Italien, wandelte
Mozart Theophilus in „Amadeo" um ; ferner eingehende biographische Nachrichten
über Mozarts Söhne: Karl und Wolfgang100). —
Den tüchtigen Sonatenkomponisten F. W. Rust, einen Vorgänger Beethovens,
suchte Prieger101) der Vergessenheit zu entreissen. —
Von und über Beethoven hat der JB. zunächst einen Brief an L. Spohr102),
betreffend die Subskription auf die „Missa solemnis", eine von Prieger103) verfasste
Gelegenheitsschrift über die Entstehungszeit und die Beurteilung- der Beethovenschen
Symphonien, sowie einen Artikel Kalbecks104) über Beethovens Heimstätten zu
verzeichnen. — Unbedeutend sind: Kalischers 105) Aufsatz, der die Beziehungen
Beethovenszur Fürstin Josephine von Lichtenstein darlegensoll, aber wiederum unter einem
sensationslüsternen Titel ein „Nichts" enthält (vgl.Beweisführung-enwie: die kunstsinnige
Fürstin wird — wie viele andere Gräfinnen, Baroninnen und Fürstinnen — Beethovens
Schülerin gewesen sein; die „Beziehungen" reduzieren sich darauf, dass Beethoven
für F. Ries einen Bittbrief an die Fürstin schrieb), und Wirths106) langatmiger, in
unleidlich anmassendem Stil geschriebene Deutung des Allegretto derA-dur-Symphonie.
Von Wagners unsterblicher Erläuterung dieser Symphonie als einer „Apotheose des
Tanzes" ausgehend, sieht W. im zweiten Satze die „Ruhe vom Tanze": das „Ein-
schlafen". Ueber den Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. — Auf Rei-
manns Apostrophe wegen der angeblichen, von Kuhac107) behaupteten Entlehnung
der Hauptmotive der Pastoralsymphonie aus kroatischen Volksliedern (JBL. 1893
I 13:80) antwortet dieser, ohne jedoch die Sache vollständig klar zu legen und die
Entlehnnng sicher nachzuweisen. — Einen dankenswerten Aufschluss über das Ori-
ginalprogramm zu Beethovens Ballettmusik : „Die Geschöpfe des Prometheus" bringt
ein Anonymus108) bei. Es handelt sich um ein Ballett von Salv. Vigano, dessen Text
verloren war und von Friedr. Rust hergestellt worden ist. —
Wohlgemeint, aber für die Musikgeschichte nicht sehr ergiebig ist Müsiols 109)
Schrift über Th. Körner, desgleichen was Roeder110) über die Laute und Guitarre
des Dichters von „Leyer und Schwert" berichtet. —
Eine recht oberflächliche und unmusikalische Plauderei, keine Kritik, ist Lin-
daus nl) Bericht über die Jubiläumsaufführung von Karl Maria von Webers „Frei-
schütz" in Dresden. — Die ursprüngliche Form derselben Oper, insbesondere die dem
jetzigen Anfange vorausgeschickte Scene desEremiten und der Agathe beschreibt ein Ano-
nymus 112). — Recht pedantisch-trocken und der Form nach fast schülerhaft zu nennen
ist ein Expose von Joss113) über Weber als Schriftsteller. — Einem vergessenen
Liederkomponisten („Herz mein Herz, warum so traurig", „In einem kühlen Grunde"),
J. L. F. Glück, widmet Lang114) einen Immortellenkranz. —
Mendelssohns115) freundschaftliche und künstlerische Beziehungen zu Schu-
mann stellt Wasi el e w s ki 116) im ganzen überzeugend dar, während Spittas117) Ver-
öffentlichung eines Mendelssohnschen Briefes, in welchem sich ein lobendes Urteil Mendels-
sohns über Schumanns „Paradies und Peri" befindet, doch für die supponierte Herzens-
Augsburg (J. P. Himmer). 1893. 32 S. — 97) K. P e i s e r , .Toh. Ad. Hiller. B. Beitr. z. Musikgesch. d. 18. Jh. L , Hug & Co.
136 S. M. 2,40. ![M. S(eiffert): AMusZg. 21, S. 678; E. R(ochlich): NZMusik 61, S. 547/8.JI — 98) H. F u n c k ,
Glucks zweimal. Zusammentreffen mit Klopstock am Hofe Karl Friedrichs v. Baden: Euph. 1, S. 790,2 — 99) J. E. Engl,
Studien über W. A. Mozart. 2. F (= 13 JB d. Internat. Stift. „Mozarteum.") Salzburg, v. Kiesel. 38 S. M. 0,50. - 100) X
E. neues Mozart-Bildnis: IllZg. 101. 8. 74. — 101) E. Prieger. Friedr. Wilh. Rust. E. Vorgänger Beethovens. Köln, P. P.
Tonger. 32 S. M. 0,30. - 102) L. Tan Beethoven. Brief an L. Spohr: AMusZg. 21, S. 663 — 103) [E. Prieger], Beethoven-
Fest, veranst. zu Bonn. Bonn (J. F. Carthans). 83 S. |fG. E(ngel): VossZg. N. 272.J| (Nicht im Handel.) — 104) X M-
Kalbeck, Beethovens Heimstätten: VelhKlasMh. 2, S. 611-20. — 105) A. C. Kalischer, Fürstin Josephine v. Lichtenstein
in ihren Beziehungen zu Beethoven: Sammler*. N. 126. — 106) M. Wirth, D. Allegretto v. Beothovens A-Dur-Symphonie
u. e. Bischen (!) diese selbst: MusWBl. 25, S. 53 4, 65/6, 77/8, 93/4, 105/6, 117/8, 129-30, 145,6. — 107) F. X. Kuhac, Ant-
wort auf d. Beethovensche Entlehnnngsfrage: AMusZg. 21, S. 331-96, 420/1,438-40. — 108) R. B., Zu Beethovens Prometheus-
Musik: ib S. 142/3. — 109) R. Müsiol, Th. Körner u. seine Beziehungen z Mnsik. Ratibor, Simmich. 1893. 96 S. M. 1.50.
IfWIDM. 75, S. 525]| — H0l E. Roeder, Th. Körners Saitenspiel: Didask. N. 6. — 111) P. Lindau, D. 500. Auffuhr, d.
„Freischütz" in Dresden: Nl'Pr. N. 10683. — 112) D. ursprüngl Form v. Webers Freischütz: DBühneng. 23, 8. 195.6. (Vgl.
auch TglRs«. N. 129.) — 113) V. Joss, K. M. v. Weber als Schriftsteller. Prag (SelbstverU. 11 S. (Sonderabdr. aus d. JB.
d. Lese- u. Rodehaue d. dtsch. Studenten in Prag.) — 114) P. Lang, Z. 100. Geburtst e. weltberühmten unbekannten Spiel
manns (J. L. F Glück): Daheim«. 30, N. 1. — 115> O (IV lc:55) - 116) W. J. v Wasielewski, F. Mendelssohn u. R.
Schumann: DR. 3, S. 329-41. - 117) X F. Mendelssohn-Bartholdy, Brief an Ewer & Co. in London. (Veröffentl. v. Ph S[pitta]):
I 10:iis-i5i H. Reimann, Musikgeschichte.
freundschaft beider nicht so beweiskräftig ist, als Sp. es wünscht. Schumanns Ver-
ehrung- für Mendelssohn steht über allen Zweifel. Mendelssohns menschliche Eigen-
art, seine Exklusivität und manches andere lassen den Gedanken nicht aufkommen,
dass er ein ebenso rückhaltloser Bewunderer der Kunst Schumanns, wie dieser der
seinigen war. — Sehr verdienstvoll ist die Mitteilung ungedruckter Briefe Mendels-
sohns an Taubert118), desgleichen S e i f f e r t s 119) Ergänzung zu den bisher bekannten
Loreleyfragmenten. —
Jansen 120) giebt (im Anschluss an Hanslicks Mitteilungen über Vesque
von Püttlingen im musikalischen Skizzenbuche) eine Darstellung der Verhandlungen
Robert Schumanns mit Vesque gelegentlich der geplanten Verlegung der Neuen Zeit-
schrift für Musik von Leipzig nach Wien und Schumanns üebersiecllung dahin.
Obwohl der Plan fehlgeschlagen war, blieben doch die freundschaftlichen Beziehungen
beider einander sehr sympathischen Männer gleich rege und aufrichtig121). — An
Ignaz Moscheies 100. Geburtstag erinnerte Vogel122"123). —
Eine ganz seltsame, fast unbegreifliche Schrift ist, was Wilkens i24) über Jenny
Lind veröffentlichte. Fast eine Profanierung evangelischen Geistes durch einen
hyperorthodoxen, sich in den Dunst abstruser Schwärmerei verlierenden ,,Dr. der
Theologie und Philosophie in Kalksburg bei Wien". Seine phantastisch-religiöse
Verzückung, die infolge mangelhafter musikalischer Kenntnisse jeden Augenblick
ins Lächerliche umschlägt, feiert in der Lind die „Christin als Primadonna ihrer
Zeit". Die Künstlerin, so meint er (S. 15), studierte eifrigst „im Gehorsam gegen
Gottes Gebot, weil sie wusste, was sie durch Gottes Gnade sein konnte, also sein
sollte." „Himmlischer Glanz", „Leuchten prophetischer Inspiration" — sind bei der
Lind Kleinigkeiten. Von der „Regimentstochter" in der Darstellung der Lind sagt
der Vf. wörtlich: „Das Cisternenwasser des 'Es rückt an, Frisch darauf, Es ist da,
Passt auf verwandelte dieser Gesang in Johannisberger" ! Und endlich: „Die Jenny
Lind war eine strenggläubige Christin, die nie aus der Taufgnade gefallen ist". Wer
sich hiefür interessiert, findet in Reimanns Recension (BLÜ.) eine reiche Blütenlese
ähnlicher Kraftaussprüche. —
Bei Carl Löwe, dem Balladenkomponisten, hat man „den alten Sturm, die alte
Müh" zu bestehen. Kritiklose Enthusiasten sind es ausnahmslos, die über ihn
schreiben und alle Lobesepitheta auf ihn erschöpfen. Wossidlo125) will nun gar
durch Analysen den Schatz Löwescher Balladen der Allgemeinheit erschliessen. Als
ob das nötig wäre. Die Löweschen Balladen samt und sonders, die schönsten, die
schönen wie die geringwertigen (denn auch solche giebt es) erschliessen sich rätsel-
und mühelos dem Willfährigen. Lowes Gaben waren beschränkt. Unbestreitbar
Grosses hat er nur auf dem Gebiete der „Ballade" geleistet. — Vielen anderweitigen
Arbeiten merkt man die schwielige Hand des Handwerkers an, und es ist geradezu un-
begreiflich, wie R u n z e 126-127^ behaupten kann: „Eine grosse Anzahl der berühmtesten
Wagnermotive: Fafner, Gral, Siegfrieds Heldenmotiv, mit (sie!) die bekanntesten Stellen
aus dem Holländer, Tristan, Walküre, kommen schon bei Löwe vor". Nur ein musik-
alischer Dilettantismus ohne Gleichen kommt auf solche Gedanken. Von der reich
besetzten Tafel, auf der der Vf. Lowes Ruhm dem gläubigen Leser serviert, fällt auch
ein Brosamen auf dessen Freund und Textdichter Giesebrecht. —
Von unheimlicher Reichhaltigkeit ist die Richard Wagner-Litteratur dieses
Jahres. Wir mussten darauf verzichten, all die Berichte über die Bayreuther Aufführungen
zu verzeichnen. Sie bilden allein für sich eine ganze, eigene Litteratur. Wir haben
nur diejenigen Aufsätze erwähnt, die nicht als blosse „Kritiken" der Aufführungen
von 1894 zu gelten haben, sondern sich mit den Prinzipien der Wagnerfrage und
Bayreuths befassen. — Die vortrefflich gelungene Facsimileausgabe des Meister-
singertextes128) eröffne die lange Reihe der W^agnerschriften. — Demnächst sei
eine italienische (Torchi129)) und eine englische Uebersetzung (Ellis)130) von
„Oper und Drama" erwähnt. — Es folgen zwei überaus dankenswerte Brief-
publikationen. Fünfzehn Briefe Wagners an Eliza Wille131), geb. Sloman, die
Gattin des 1851 aus Hamburg nach Zürich übergesiedelten Journalisten Wille, in
VjsMusikwissensch. 10, S. 230. — 118) V. Mendelssohn u. W. Taubert. Mit ungedr. Briefen v. Mendelssohn: DR. 1, S. 57-73.
— 119) M. Seiffert, Mendelssohns Loreley-Skizzen: AMusZ». 21, S. 393/9. — 129) F. G. Jansen, Roh. Schumann u. Vesque
v. Püttlingen: Grenzb. 3. S. 20-33. — 121) X A- Kohnt, D. Stiefmutter Klara Schumanns. Persönl. Erinnerungen: BerlTBL
N. 55. — 122) B. V[ogelJ, Z. 100. Geburtst. v. I. Moscheies (geb. 30. Mai 17 94): NZMusik. 61, S. 229-30. — 123) X z"
100. Geburtst. v. I. Moscheies: VossZg N. 246. — 124) C. A. Wilkens, Jenny Lind. E. Cäcilienbild aus d. evang. Kirche"
Gütersloh, Bertelsmann. 66 S. M. 0,80 |[E Luthardt: ThLBl. 15, S 300; KinsMschr. S. 1113; H. Reimann: BLÜ. S. 730/l.]|
(Sonderabdr. aus BG1. 15, S. 107-28, 143-59, 183-208.) —125) W. Wossidlo, C. Löwe als Balladenkoraponist. B., Schlesinger.
71 S. M. 1,00 |[0. L(essmann): AMusZg. 21, S. 665.J] — 126-27) M. Run/.e, L. Giesebrecht u. C. Löwe, Z. 350j. Ge-
denkfeier d. Stettiner Manne rstiftsgy ran B., C. Duncker. 34 S M. 0,80. — 128) R- Wagner, D. Meistersinger v. Nürn-
berg. (Facs.-Ausg. d. Textes.) Mainz, Schott. 4°. 82 S. M. 12,50. -- 129) O id., Opera e dramma. Trad. italiana, eseguita
sulla second.i ed. tedesca di L. Torchi. Annotata e illustr. dal traduttore con esempi musicali. 2 Vol. (■= Bibl. artistica
N. 2/3.) Torino, Pratelli Bocca. 221, 26t S L. 6,00. — 130) id., Prose works, transl. by W. A. Ellis. V. 2. Opera and dramu-
London, P. Kegan. Sh. 12(5. - 131) id., 15 Briefe. Her. v. Eliza Wille. B., Paetel. 163 S. M. 2,00. |[VossZg. N. 603;
H. Reimann, Musikgeschichte. I 10: 132-145
dessen Villa zu Mariafeld Wagner mit Herwegh, Gottf. Keller, Moleschott, Mommsen
usw. häufigen Verkehr pflegte; und die Briefe an Aug. Röckel, den Gesinnungs-
und Leidensgenossen Wagners aus den sturmbewegten Dresdener Maitagen. Die
Briefe an Frau Wille zählen unbedingt zu den schönsten und lichtvollsten Blättern
der Lebensgeschichte des Meisters. Eine keineswegs aufdringliche, fortlaufende
kommentierende Erzählung verbindet die in den Briefen berührten Thatsachen
mit einander und macht den Genuss dieser auserlesenen Schriftstücke noch um vieles
reizvoller. Die Röckelbriefe verdanken wir der trefflichen La Mara132). Sie sind
nach „Waldheim" adressiert, wo der unglückliche, zu lebenslänglicher Gefängnisstrafe
„begnadigte" Freund dreizehn Jahre (bis 1862) zubrachte. Wagner sucht durch
Uebersendung von Lektüre (Feuerbach, Schopenhauer, den „Ring des Nibelungen"
usw.), durch Trosteszuspruch, Erörterungen über kunstphilosophische und musikalische
Fragen das bedauernswerte Los des Unglücklichen nach Kräften zu erheitern und
zu lindern133). — Wiederum habe ich über die Praeger-Angelegenheit (JBL. 1892
19:95/6; 1893 113:112) zu berichten. Die von Chamberlain134-135) veröffent-
lichten „echten" Briefe Wagners an den Londoner „Freund" geben Anlass dazu. Ich
kann meine im vorigen J. ausgesprochene Ansicht auch nach Kenntnisnahme dieser
Publikation nicht ändern. Gegen eine Sprache, wie sie sich der Herausgeber gegen
Praeger erlaubt ("„Sumpf von dummer Bosheit, der einen anekelt"), muss man vom
Standpunkt des litterarischen Anstandes protestieren. Dass Wagner mit Praeger be-
freundet, dass er ihm seiner Zeit aufrichtig sympathisch gesinnt war, lässt sich nicht
hinweg disputieren. Wenn es nun gar endlich feststeht, dass Praeger die letzten 20 J.
seines Lebens erblindet war, so ist für mich damit das Briefrätsel vollkommen gelöst.
Der arme, bedauernswerte, blinde Mann ist ein Opfer seiner Hülfslosigkeit geworden.
Im übrigen meinte er es ehrlich, auch wo er irrte, und ein „Freund" Wagners war
er doch, trotz Chamberlain. — Auf einige nicht erhebliche Jugendbriefe Wagners136),
die im BerlBörsCour. veröffentlicht wurden, sei hier kurz hingewiesen. —
Interessanter ist der Brief Wagners an Th. Hell137) (K. G. Th. Winkler), woraus
sich die Thatsache ergiebt, dass Wagner 1841 es übernommen hatte, im Verein mit
dem Pariser Bibliothekar Anders eine grosse Beethovenbiographie zu schreiben.
Die indirekte Veranlassung zu diesem geplanten Unternehmen bot Schindlers gleich-
artige, aber ganz ungenügende Arbeit. — Auf das Verhältnis Wagners zu Ludwig II.
einerseits und zu von der Pfordten andererseits wirft ein anderer Brief Wagners l38)
ein grelles Licht. Derselbe Brief, 1866 geschrieben, enthält den bezeichnenden Satz:
„Mit Deutschlands Wiedergeburt und Gedeihen steht und fällt das Ideal meiner Kunst." —
Auf dem Gebiet der Wagnerbiographie ist in erster Reihe Glasenapps139)
Werk, von dem der erste Band (bis 1843 reichend) in dritter, gänzlich umgearbeiteter
Auflage erschienen ist, zu erwähnen. Wir behalten uns vor, eine eingehende
Würdigung dieses monumentalen und von keiner anderen Wagnerbiographie bis
jetzt erreichten Werkes nach seinem vollständigen Erscheinen zu geben. — Gut ge-
meint, aber eine dünne Leistung ist Heinrichs140) Wagnerbüchlein 14!). — Ein
Angriff gegen Dingers bekanntes Wagnerwerk, in welchem Chamberlain142) dem
genannten Vf. Unzuverlässigkeit bei Thatsachenangaben in hochfahrender Rede vor-
warf, führte zu einer gründlichen Abwehr von Seiten Dingers, worauf es „stille
ward". Der Streit betraf Wagners Stimmung bei Uebernahme des Dresdener Kapell-
meisterpostens und seine Teilnahme an dem Maiaufstand. — Für die letztere Frage erstand
ein neuer Zeuge in einem Deutsch- Amerikaner: R. Roempler, dessen Wahrhaftigkeit
gut beglaubigt ist, und der nach Smolians143) Mitteilung erzählt, dass Wagner
durch gedruckte Zettel sächsische Truppen gegen die drohende preussische Invasion
angefeuert habe144). Man darf darauf gespannt sein, wie Chamberlain diesen „Kron-
zeugen" wiederum ä la Praeger vernichten wird. — Die Kabalen, die in München
gegen Wagner angezettelt wurden, stellt Wittmer145) dar. Etwas Neues bringt er
zur Sache nicht bei. —
Sehr reichhaltig ist die Litteratur zur Wagner kr itik im allgemeinen. Ihrem
A. H(eintz): AMusZg. 21, S. 593.11 — 132) (IV lo:56.) |[0. Bie: AMusZg. 21, S. 423; SchwMusZg. N. 18; E. R(oohlich ) :
NZMusik. 61, S. 588/9; DBühneng.23, S. 267.] | — 133) X G. Schönaich, R. Wagner u. A. Röckel: WienTBl. N. 203. — 134)
(IV lc:57.) |[LCB1. S. 798,9.] | — 135) X R- Wagner, Echte Briefe an F. Präger. Her. v. H. St. Chamberlain. Mit
Vorw. v. H. v. Wolzogen. Bayreuth, Gnu 124 S. M. 1,50. |[0. Bie: AMusZg. 21, S. 423JI (Erweit. Abdr. v. N. 134.) —
136) Briefe d. jungen R. Wagner: BerlBörsCour. N. 206. — 137) R. Wagner, Brief an K. G. Th. Winkler (Th Hell): AMusZg. 21,
S. 5/7. — 138) id., Brief über d. bayer. Zustände im J. 1866 an Jul. Fröbel: FZg. N. 249. (Abdr. aus Vom Fels z. Meer.) - 139)
C. Fr. Glasenapp, D. Leben R. Wagners in 6 Bachern dargest. 1. Bd. (1813-43). L, Breitkopf * Härtel. 413 S. M. 7,50.
j[LCBl. S. 17078; VossZg». N. 41.]| - 140) Heinrich, R. Wagners Leben u. Schaffen u. d. Nibelungenring. Dresden,
Lehmann. 12°. 95 S. M. 0,60. — 141) X H- T- Wolzogen, Recollections of R. Wagner. Transl. by A. u. C. Simpson.
Bayreuth, Giesel. 103 S. M. 1,20. — 142) H. St. Chamberlain, Unter uns. An d. Herausgeber d. BayreuthBll. :
BayreuthBll. 17, S. 73,8. (Erwiderung v. Dinger: ib. S. 272/6.) — 143) R. Roempler, E. Erinnerung an R. Wagner.
Mitget. v. A. Smolian (unter d. Tit.: Wagner als Revolutionär): MusWBI. 25, S. 3212. (Vgl. Nachtr. v. Fr. Lattich: ib.
S. 540.) — 144) X G- Schönaich, R. Wagner u. d. Maiaufstand in Dresden: WienTBl. N. 231. — 145) G. Wittmer, ß.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgesohichte. V. (1)'^
I 10:146-164 H. Reimann, Musikgeschichte.
altbewährten Grundsatze getreu zetern die Grenzb.146) gegen Wagner und sprechen
viel Erbauliches über die erlahmende Teilnahme an Wagners Werken. Auch im
Gewandhause zu Leipzig habe man billigerweise von dem Todestag des Meisters
in diesem J. keine Notiz genommen. „Wer überhaupt in Leipzig Wagner hören will,
der gehe ins Theater, oder auf die — Wachtparade" ! — Ebenso gut „brüllt" ein
anderer Löwe: W. Hoffmann147), über Wagnersche „Tonungetüme". Wagnersche
Akkorde und Wagnersche Orchesterbehandlung „scheuchen gleich einem nebelhaften
Gespenst jeden Realismus (!) und jedes frische Leben von der Bühne." — Ist schon die
Wirkung, die dieser P. Abraham redivivus ausübt, verblüffend, weil unfreiwillig
komisch, so bleibt sie doch noch zurück hinter der, die Hennig148) als reissender
Wolf im Schafsfell erreicht. Unter dem friedsamen Titel „Zur Verständigung" tadelt
er — als ganz selbstverständlich — an Wagner die Breite, Unbeholfenheit und
Unklarheit der Darstellung, den Schwulst der Sprache, die unglaublichen Längen im
„Tristan" und die Aufzählung der 35 Meisterweisen in den „Meistersingern", weist
nach, wodurch Wagner sich um die ganze Wirkung des „Charfreitagszaubers" bringt,
und wie weder König Marke, noch Hans Sachs, noch Eva irgend wie erklärbare
Charaktere seien, wie Brünhildens Kampf mit Siegfried um den Ring abstossend
wirke, und der Mangel polyphoner Musik bei Wagner geradezu unerträglich sei.
Und das nennt H. „Verständigung"!149-150) — Da ist mir doch Fiedler151) noch
lieber, der uns Wagner stracks „aus der Musikantenhölle" heraufbeschwört und uns
erzählt, welch wohlverdiente Qualen der „Meister" auszustehen habe. — Eine gerechte
und keineswegs übertriebene Anerkennung Wagners nebst einer energischen Zurück-
weisung des grassierenden Mascagnidusels, über dem man unser rüstig strebendes
musikalisches Jungdeutschland vergesse, enthält Traudts152) Artikel.153"154) —
Speci euere Aufgaben aus dem Gebiete des Musikdramas behandeln eine Reihe von
Schriften, deren vorzüglichste Chamberlains155) Vortrag über die Bedeutung des
Todes bei Wagner ist. Der Tod, als das Aufgehen in der Allgemeinheit, der Ver-
lust des Ichs, das Aufhören des Egoismus, ist die vollendete That der Liebe. Da
mit dem Tode die Individualität aufhört, wird durch den Tod des Meisters Art erst
recht und vollständig erkannt. Aus letzterem ergiebt sich die Bedeutung des Todes
für die dramatische Handlung. Ist jener Gedanke die sittliche Auffassung des Todes,
so ist dieser die künstlerische. Der Tod wird die versöhnende That des Lebens; er
führt zur Verklärung, zur Erlösung (Holländer und Senta, Tannhäuser und Elisabeth,
Elsa, Tristan usw.). — Die strenge Einheit künstlerischer' Grundanschauung, welche
gerade Wagner charakterisiert, bringt es von selbst mit sich, dass man zwischen den
Einzelwerken eine Fülle von Uebereinstimmungen und Parallelismen, philosophisch-
dichterische, wie musikalisch-dramatische findet. Ernst156), vor allem aber zwei
von H. von Wol zogen157) inspirierte Artikel bieten hierfür sehr interessante Einzel-
heiten.158) — Während in die dramatischen Fusstapfen Wagners wohl nur Weingartner
und Strauss zu treten wagten, hat der rein musikalische Stil Wagners sich viel all-
gemeiner verbreitet und zahlreiche Nachahmer gefunden. Dass diese Nachahmung
nicht überall glücklich war, dass teilweise blosse Kopien zu Tage gefördert wurden,
zeigt Anton Seidl159) und weist auf Amerika hin, das sich in dieser Hinsicht von
jeder platten Wagnern ach ah merei fern hält. —
Zu einzelnenWerken Wagners liegen eine ganze Reihe von Aufsätzen,
Analysen vor. Zunächst Arthur Sei dl s160) Monitum an die Rienzisänger und
Kapellmeister, die Verzierung im ersten Takt der bekannten As-dur-Arie, die übrigens
kein „Mordent", sondern ein Doppelschlag ist, nicht wie gewöhnlich von oben, sondern
von unten anfangend zu machen. Der Doppelschlag „von unten" ist keine Wagnersche
Erfindung; der Vf. hätte sich darüber aus jedem guten theoretischen Werke belehren
und vor allem erfahren können, dass „Mordent" und „Doppelschlag" ganz andere
Dinge sind. — Eine Anzahl Tannhäuser-161) und Lohengrinführer162-164) geben zu
Wagner in München: MusWBl. 25, S. 161/2, 173/4, 213/4, 225/6.. — 146) Z. Wagnerkultus: Grenzb. 1, S. 508-10. - 147) W.
Hot'fmann, D. Rieh. Wagner- Taumel. E. Mahnruf gegen d. Verfall d. Künste. L„ Siegismund & Volkening. 54 S. M. 0,80.
|[AMusZg. 21, N. 223; Signale N. 27; BayreuthBll. 17, S. IV- VI.] —148) 0. R. Hennig, Z. Verständigung. E Beitr. z. Wagner-
Sache. L., Reinboth. 34 S. M. 1,00. — 149) O X A- Riechetti, Note wagneriane. Milano, M. Kantorowicz. 1893. 113 S.
L. 1,00. — 150) O X S. Ursini-Scuderi, Rico. Wagner e l'opera sua. Studio critico sulla (cosi detta) questione wagneriana.
Palermo, Clausen. 39, XI S. L. 1,25. — 151) F. Fiedle r, Aus d. Musikantenhölle. E. Urteil über R. Wagner im Jenseits.
Graz, Wagner. 47 S. M. 1,25. —152) V. Traudt, Wagner u. d. Italiener: BerlR. 1, S. 36-40. — 153) X D. Rieh. Wagnermuseum,
u. d. Zukunft d. Wagnertums. E. Aufruf an d. Wagnerianer. L. u. Baden-Baden, C. Wild. 38 S. M. 0,50. (Erweit. Abdr.
aus d. MusWBl.) — 154» X M- Hebert, Tetralogie. Tristan & Iseult, Parsifal. Trois moments de la pensee de
R. Wagner: APC. 27, S. 235-48, 335-63, 411-29. — 155) H. S t. C hambe r lain , D. Bedeutung d. Todes bei Wagner. (Ge-
dächtnisrede am 13. Febr. 1893 im Neuen Wagnerver. Wien): BayreuthBll. 17, S. 30-40. — 156) A. Ernst, D. Ueberein-
stimmung d. einzelnen Scenen in d. Dramen Wagners: ib. S. 234/9. — 157) Musikal.-dramat. Parallelen. Beitr. z. Erkenntnis
v. d. Musik als Ausdruck. Ges. v. mehreren Wagnerianern, erläut durch Einen [H. r. W o 1 zöge n]: ib. S. 139-51, 313-41.
— 158) X J- Beyer, üeber d Dramatische in R.Wagners Tondichtungen: NLB11. 1, S. 56/7. — 159 1 Anton Seidl, Wagner
inflaeneeonpresent-day composers: NAR. 158, S. 86-93. — 160) Arthur Seidl, D. Mordentim „Rienzi": MusWBl. 25, S. 481, 493/4.
— 161) X *• Pfohl, Führer durch R. Wagners Tannhäuser. 3. Aufl. L, Reinbotb. 63 S. M. 1,00. — 162) X A. Jahn, Leit-
faden zu R. Wagners „Lohengrin." ebda. 52 S. M. 1,00. — 163) X F- Panzer, Lohengrin-Stud. Halle a. S„ Niemeyer.
60 S. M. 1,60. — 164) X A. Heintz, R. Wagners Lohengrin. Nach Dichtung u. rousikal. Entwickl. d. Werkes dargest. :
H. Reimann, Musikgeschichte. I 10 : ir»ö-isü
weiteren Bemerkungen nicht Anlass. — Dafür sei eines satirisch beginnenden, aber
ernst und würdig endenden Aufsatzes 165) gedacht, der sich gegen die hyperkritische
Textauslegung im Tristan166) wendet. „Blaue Streifen stiegen im Westen auf —
Auf ruhiger See vor Abend — Erreichen wir sicher das Land — Cornwalls grünen
Strand." Tristans Schiff auf der Fahrt von Westen nach Osten erblickt Cornwall
im. Osten. Bezögen sich also jene Streifen auf Cornwall, so müsste Wagner „Osten"
geschrieben haben. Man gab nun die allerunsinnigsten und thörichtesten Erklärungs-
versuche, um den „WTesten" zu retten, wandte sich sogar an die „Deutsche Seewarte",
deren Direktor Niemeyer die vortreffliche Naturbeobachtung Wagners bestätigte, aber
ebenfalls „Osten" für „Westen" forderte. Der Vf. betont nun mit Nachdruck, dass
Haarspalterei in der Kritik zu nichts führe; „Westen" ist eben ein Schreibfehler.
„Dormitat interdum" usw. Man setze, wenn es einem um die Richtigkeit in solcher un-
glaublich kleinlichen Nebensache zu thun sei, „Osten" ein, oder lasse „Westen" stehen und
— grüble einer poetischen Licenz nicht nach.167) — „L'oeuvre d'art la plus magnifique
de ce siecle" nennt Ehrhard168) den „Ring des Nibelungen"169) und preist, im
Gegensatz zu dem „kühleren" Frankreich, Deutschland, weil hier Wagnersche Kunst
triumphiere und Wagners Werke den Menschen in Fleisch und Blut übergegangen
seien. Wie doch der Schein täuscht! — Nicht so begeistert, auch nicht so tief und
verständnisvoll lässt sich De la Laurencie170) über „Parsifal" vernehmen. — Doch
ist seine Auseinandersetzung klar und ansprechend, während D r ön ew o 1 fm) von
Parsifalbegeisterung überströmt und insbesondere die „christliche" Heilslehre als
Grundgedanken des Festspiels nachweist. Durch Leiden führt der Weg zum Heil;
wo die Kraft des Mitleids für andere den eigenen Wunsch, das eigene Ich über-
windet, da ist Erlösung. — Viel reservierter zeigt sich H a r d e n 172) dem gleichen
Thema gegenüber. Er hält klug und vorsichtig die Mitte zwischen den Empfindsamen
„vom Stamme Hanslicks" und den Schwarmgeistern, die vor Wagners Parsifal auf
die Knie sinken und „Gebete lallen." H. giebt lediglich eigene, äussere, teilweise
sogar recht äusserliche Eindrücke wieder. Zu einer erkenntnisvollen Wertschätzung
des Werkes selbst scheinen, trotz der gelehrten litterarischen Einleitung, seine Mittel
nicht zu reichen173). — Wagners Faust-Ouverture hat einen neuen Erklärer gefunden,
van Santen-Kol f f 174), nach Bülow freilich wie eine Ilias nach der Odyssee. Trotz der
unendlichen Ausführlichkeit dieser neuen Analyse steht in Bülows kurzer Schrift ent-
schieden zehnmal mehr und zwanzigmal Besseres, als bei S.-K. — Wagners Unfähigkeit
als „Baumeister" erweist schlagend Bayer175). Die Einrichtung, das Orchester unsichtbar
zu machen, die schwitzenden Angesichter der armen Musiker mit ihren wütenden Arm-
und Gesichtsbewegungen dem Publikum zu entziehen, hat schon Rubinstein die Freude
an der Tannhäuser-Ouverture verdorben. Darum, und weil Maler und Bildhauer
musizierende Engel ebenfalls mit unverdeckten Instrumenten (und Pausbacken!)
darstellen, sei auch das Wagnersche „verdeckte Orchester" unkünstlerisch und
ein Nonsens. Der ganze Baustil des Bayreuther Theaters sei nicht normal, daraus
lasse sich also auf keine normale Musik schliessen. Denn normale Musik lässt sich
auch in normalem Baustil unterbringen! —
Eine Apologie der materiellen wie künstlerischen Leitung der Bayreuth er
Festspiele verfasste Koch 176). Er berücksichtigte und betonte vorzugsweise die
Konsonanzen und reinen, ungetrübten Akkorde des „deutschen Olympia", während
im Gegensatz zu ihm Mauke177) ein kräftig Wort von den Dissonanzen zu reden
weiss. Fremdländische Sänger werden bevorzugt, ein schlimmes Günstlings- und
Protektionswesen reisst ein, die Höhe der Eintrittspreise verwehrt gerade so vielen
Besten den Zutritt. Auch die Aufführungen sind nicht mehr auf der Höhe der
Zeit.178"180) — C h amb erlain s181) Märchen vom Tode Parsifals scheint auf den
ersten Blick nicht hierher zugehören. Allein das Ganze ist eine — recht wenig
geschickte Allegorie auf den Tod Wagners und die Weiterführung der Festspiele
durch Parsifal- Wagners Sohn: Lohengrin-Siegfried.182) Parsifal stirbt, als eben
AMusZg. 21, N. 1-18. — 165) D. dtsch. Seewarte u. Wagners „Tristan u. Isolde": Geg. 46, S. 168-71. — 166) O M. Kufferath,
Tristan et Isenlt. Paris. Fischbacher. 367 S. Fr. 500. \[0. B i e : AMusZg. 21, S. 241.]| — 167) X F. P f o h 1 , Führer durch R. Wagners
dtsch. Nationaloper rD. Meistersinger v. Nürnberg." E. Essay. 2. Anfl. L., Reinboth. 68 S. M. 1,00. — 168) A. Ehrhard,
L'anneau du Nibelung de R. Wagner. Clerraont-FeTrand (Selbstverl.j. 38 S. (Conference iaite a TAmphitheätre de la Fac.
d. Lett. de Clermont-Ferrand.) — 169) X H- Porges, R. Wagners Bühnenfestsp. : rD. Ring d. Nibelungen." E. Stud.
3. (Tit.-)Aufl. München, MeThoff. 64 S. M. 1, 00. — 170) L. De la Laurencie, La legende de Parsifal et le drarue musical
de R. Wagner. 2. ed. Nantes, E. Grimaud. 104 S. — 171) O. Drönewolf, E. Parsifal-Aufführung in Bayreuth. Bayreuth,
Heuschmann. 37 S. M. 1,00. |[DEKZ. 8, S. 57, 15;6.]| — 172) M. H[ardenJ, Parsifal: Zukunft 8, S. 376-84. — 173) O
C. T. Gatty, R. Wagner Parsifal, the argument, the raus, drama. London, Schott. Sh. 2. — 174) J. van Santen-Kolf f ,
D. Faust-Ouverture Werden u. Wachsen. Geschichtliches, Biographisches, Aesthetisches. |Z. 50 j. Jubil. ihrer ersten Aufführ.):
BayreuthBll. 17, S. 240^8, 368-75. — 175) J Bayer, R. Wagner als Baumeister: NFPr. N. 10 757. — 176) M. Koch, Aus
Bayreuth: DWB1. 7, S. 394,6, 416,8. — 177) W. Mauke, Akkorde u. Dissonanzen vom dtsch. Olympia: Ges. S. 1215-30. —
178) O E. E. Cuthell, A Bayrenth-Pilgrimage. 2 V. London, Low. Sh. 12. — 179) O P. H. Waddell, Parsifal of B.
Wagner at Bayreuth 1894. London, Blackwoods. Sh. 26. — 180) X L« programme ae Bayreuth: BÜRS. 62, S. 1878. — 181)
H. St. Chamberlain, Parsifals Tod. E. Märchen: BayreuthBll. 17, S. 152-60. — 182) X Siegfr. Wagner: SchorersFamilienbl11.
(1)19*
I 10 : 183-191 H. Reimann, Musikgeschichte.
Lohengrin von seiner Ausfahrt zurückkehrt. Lohengrin soll jetzt des Amtes als
Gralshüter walten. Er besinnt sich, dass soeben ein Pfingstwunder (!) an ihm
geschehen sei: „Die Flamme war ihm bis tief ins Herz gedrungen"; „dort warf sie
helles Licht auf manches, was ihm bisher dunkel (!) geblieben war" und zeigte ihm
„eine neue Welt." Er vernahm bis dahin nie gehörte Stimmen, und „die Gnade des
heiligen Geistes hatte es gefügt, dass Lohengrin-Siegfried nunmehr die Sprachen
der anderen Wesen gleich seiner eigenen verstand." „Und diese Erleuchtung war
ein letztes Vermächtnis Parsifals !" Aus der Märchensprache in gemeine Prosa übersetzt,
heisst das: so wurde aus dem Architekten Siegfried Wagner der junge „Meister"
von Bayreuth, der alle Fähigkeiten eines Komponisten, Dirigenten, Regisseurs kraft
jenes „Pfingstwunders" in sich vereinigt. — Dass unter solchen Umständen alte,
treue Anhänger des Meisters, die an jenes „Wunder" nicht zu glauben im stände
sind, um die Zukunft Bayreuths besorgt sind, zeigten Lessmanns 183) Aus-
führungen. — Andererseits hebt jetzt München als gefährlicher Rivale Bayreuths
sein Haupt stolz empor und dachte bereits 1892 alles Ernstes daran, ein eigenes
Wagnertheater 184) zu errichten. Der Plan wurde zurückgelegt; dafür trat die Münchener
Oper mit sehr rühmenswerten Aufführungen hervor. —
Einen reichen Zuwachs hat die Lisztlitteratur zu verzeichnen, vornehmlich
durch La Maras185) dritten Band der Lisztbriefe: der „Briefe an eine Freundin".
Die Briefe stammen aus den J. 1855—69 und 1878 — 86; der letzte ist vom 7. Juli
datiert, also etwa 4 Wochen vor Liszts Tode geschrieben. Schon diese Daten
gestatten einen Schluss auf die Reichhaltigkeit der Sammlung. Wagners und seiner
Werke Schicksale, Liszts gute und schlimme Erfahrungen während seiner Weimarer
Kapellmeisterschaft, alle die unzählbaren Beziehungen und Bekanntschaften, die
Liszts nimmer ruhende Natur aller Orten anknüpfte, der bunte Wechsel persönlicher,
musikalischer (die ungenannte Adressatin war einst seine Schülerin) und politischer
Mitteilungen (die Adressatin, Tochter eines Diplomaten, war an der Redaktion
politischer Zeitungen beteiligt und hatte weitverzweigte diplomatische Verbindungen),
all dies giebt jener Briefsammlung neben ihrem geschichtlichen Wert noch den
besonderen Reiz einer ausserordentlich unterhaltsamen Lektüre.186) — In ihrer
Unmittelbarkeit wirkte diese „Biographie in Briefen" viel eindringlicher als Lina
R a m a n n s ,87) grosses biographisches Werk, das nunmehr mit dem sehr umfang-
reichen zweiten Teile des zweiten Bandes abgeschlossen vorliegt. Dass die Vf. das
Beste gewollt und erstrebt hat, wird jeder zugeben; indessen Wollen und Vollbringen
sind zweierlei. Für die positiven Ereignisse in Liszts Leben ist das Werk eine
sichere Quelle. Aber es fehlt der Vf. die Gabe, den Stoff zu konzentrieren, ein einheitliches
Bild zu geben und alle die zahlreichen bunten Farben, in welchen dieses Bild strahlt,
zu einer rechten Farbenharmonie zu vereinigen. Schon bei den einfachsten Klavier-
werken Liszts ergeht sie sich in so überschwenglichen Redensarten, dass ihr die
Sprache bei den grossen Oratorien und symphonischen Werken naturgemäss ganz
versagt. Das ist kein Reden mehr, sondern ein Stammeln. Zum Unglück ist dieDiktion der
Vf. eine sehr unbeholfene, bombastische und ekstatisch-übertriebene, die gar häufig eine
der guten Absicht entgegengesetzte Wirkung erzielt. Die Vf. will das Beste, gewiss. Aber
die Form, in der sie ihre Arbeit der Welt bietet, schadet der Lisztsache mehr, als
sie ihr nützt. Einzelheiten, die dies näher erläutern und beweisen, findet man in
Reimanns Recension.188) — Eine flüchtige Zusammenstellung der Verdienste Liszts
um den deutschen Tonkünstlerverein gab Simon189) auf Grund zahlreicher, in dem
Kahutschen Musikverlage befindlicher Briefe. —
Zu den musikalischen Grössen, die erst nach dem Tode zu gebührender
Anerkennung gelangt sind, gehört Smetana, dessen „Verkaufte Braut" als wirk-
sames Antidoton gegen das Gift der Sonzognisten erst 1892 bei Gelegenheit der Wiener
Ausstellung entdeckt wurde. Smetana, dem Neid das Leben verbitterte, und der am
21. Okt. 1874 von Taubheit befallen wurde, hat seine „tragische" Biographie der Welt
in der Form eines wundervollen Streichquartetts „Aus meinem Leben" hinterlassen.
Eine Biographie in Worten widmet dem trefflichen Künstler ein Landsgenosse:
Hlaväc190), während Payer191) in dankenswerter Weise Smetanas komische Opern
bespricht und ihnen in der Litteratur die ehrenvolle Stelle zwischen Cornelius und
Götze anweist, mit denen beiden Smetana geistig verwandt ist. — Wie das Schick-
N. 5. — 183) 0. Lessmann, D. Zukunft Bayreuths: FrB. 5, S. 930/4. — 184) E. Wagnertheater in München: Geg. 45, S. 151,3.
— 185) (IV lc:58.) |[E. H (an slick): NFPr. N. 10845; Didask. N. 22; LCB1. S. 1086,7; LHw. 32, S. 300,1; 0. Bie:
AMusZg. 21, S. 69-71; Signale N. 26; Geg. 43, S. 207; GazMusMilano. N. 13; WIDM. 75. S. 145; ib. 76, S. 510; NAS. 76,
S. 286.J| — 186) O F. Liszt, Letters coli., ed. by La Mara, transl. by Consta nee Bache. 2 vols. London, Grevel. Sh. 28.
|[SaturdayR. 77, S. 477/8; J. J. Shedlook: Ac. 46, S. 74.]| — 187) Lina Hamann, F. Liszt. Bd. 2, Abt. 2. (Sohluss.) L.,
Breitkopf & Härtel. 531 8. M. 9,00. |[R. Pohl: NZEusik. 61, S. 61/2; LCB1. S. 288; J. L.: Frau 1, S. 344; H. Beimann:
BLU. S. 697,9.] | — 188) X M. Chop (Charles), Führer durch F. Liszts sinfon. Dichtungen. N. 1/4. 3. Aufl. L., Bossberg.
32 S. M. 1,00. — 189) P. Simon, F. Liszt als Förderer d. Allg. Dtsch. Musikver.: NZMusik. 61, S. 237-40. — 190) F.
Hlavao, F. Smetuna. E. biogr. Skizze: N&S. 68, S. 175-82. — 191) 0. Payer, D. kom. Opern F. Smetanas: AMusZg. 21,
tl. Reimann, Musikgeschichte. I 10:192-226
sal mitunter begangene Sünden rächt, weist Ziehn192) an Raff nach, der Wagners
Lohengrin heftig befehdete, schliesslich aber in seiner „Leonorensymphonie" sich
Wagnerschen Geistes so voll zeigt, dass eine Reminiscenz an Wagner der anderen
folgt. —
Den vornehm empfindenden, aber etwas weiblich gearteten Gounod, dessen
Ideale die deutschen Künstler Mozart, Weber, Mendelssohn und Meyerbeer waren,
charakterisiert vortrefflich Gump recht193), in viel knapperer Form ein Ano-
nymus194 195). — Von Flotow, der in manchen Stücken Gounod dem Wesen nach
sehr ähnlich ist, handelt ein anderer Anonymus 196). — Auch Niels W. Gades poetisch-
musikalische Natur hat, abgesehen von ihrer nordischen Eigenart, etwas Weiches,
Weibliches. Seinen von seiner Tochter, Dagmar Gade197) veröffentlichten Briefen und
Aufzeichnungen verdanken wir einen höchst interessanten Einblick in das eigenste
Wesen des mit Schumann und Mendelssohn so innig verbundenen dänischen Meisters.
Ein reiner, edler Künstler und ein unendlich liebenswerter Mensch, das ist der kurze
Gesamteindruck all dieser Aufzeichnungen. — Dem unsterblichen Liedersänger
Rob. Franz, einer Halloren-Kraft und -Kernnatur dem Aeusseren nach, ist in dem
Freiherrn von Prochäzka198) ein ausserordentlich tüchtiger und sachkundiger Bio-
graph erstanden. Ein Büchlein von kleinem Umfange, aber von grossem Wert für
die richtige Schätzung dieses Liedermeisters, der übrigens redend und sich offen
mitteilend in den von Waldmann199) veröffentlichten Gesprächen eingeführt wird. —
Es folgt nunmehr eine kurze Uebersicht über einen Teil der fast unerschöpf-
lichen Litteratur, die der Heimgang zweier Grossen: Hans vonBülows und Rubin-
steins zu Tage gefördert hat. Bezeichnend ist, dass von Rubinstein bereits eine An-
zahl Biographien existieren, von Bülow — mit Ausnahme der kleinen B. Vogelschen
Schrift noch keine. Und in der That ist es eine unendlich schwere Aufgabe, eine
Natur, wie Bülow zu fixieren, eine Natur, scheinbar aus allerlei Widersprüchen zu-
sammengesetzt, und doch in sich so fest gefügt und einheitlich: scheinbar so wandel-
bar, und doch so stet und treu, so kleinlich und doch so riesengross, so beissend-
witzig und bitter-sarkastisch, und doch so harmlos einfach und kindlich gut. Pfeiffers200)
Studien bei Bülow geben hierfür — obwohl sie nur einen verhältnismässig kleinen
Wirkungskreis Bülows betreffen — einen herrlichen Beweis. — Von den zahllosen
Nachrufen an Bülow geben wir dem We 1 1 i s201) zweifellos den Preis. „Die mächtigste,
bedeutsamste Persönlichkeit unseres nationalen Musiklebens ist dahin gesunken."
Das ist mit wenig Worten alles und nicht zu viel gesagt. Bülows „ehrfurchtsvolle
Leidenschaft für Beethoven", „seine unablässige, planmässige Arbeit" für diesen
seinen Helden stehen im Mittelpunkte dieses Nachrufes, wie sie im Mittelpunkte
Bülows chen Denkens und Empfindens standen. — Die Macht der Bülowschen Persönlich-
keit, namentlich dem „süssen Konzertpöbel" gegenüber, den Sonderling, der „mit dem
blitzblanken Schwerte der Skepsis der Modernen auf die Suche nach Wundern" ging,
den anderen „Baumeister Solness", den feinen Geist, der malgre lui so oft die Zu-
flucht zu trivialen Spässen (?) nahm, alle diese Rätsel stellt Harden202); aber er
löst sie nicht. Sein Blick haftet auch hier wieder an der Oberfläche. — Rührend
und teilweise ergreifend sind Zabels203"205) Mitteilungen über die letzten
Lebenstage Bülows, höchst pietätvoll und von inniger Verehrung diktiert seine
„Gedenkblätter"206). — Von den übrigen Nachrufen, die den Dirigenten und Pianisten
Bülow in warmen, ja begeisterten Reden preisen, aber seine produktive Kraft gering
anschlagen, erwähne ich den von Bussler207), von Sternfeld208), der übrigens
Bülows Verdienste um die Wagnersche Kunst mit ganz besonderer Emphase feiert,
Vogel209), Taubert210), Hirschfeld211), sodann neben anderen212-215) auch
einige ausserdeutsche216"219). — Porges220) bezeichnet Bülows künstlerische
Individualität sehr treffend als das Resultat Wagnerschen und Lisztschen Geistes.
S. 515-60. - 192 ) B. Ziehn, Eaffs „Wagnerf rage" u. „Leonore" : ib. N. 19-26, 50-52. — 193) 0. öimprecht, Ch.
Gounod: W1DM. 76, S. 454-64.— 194) Ch. Gounod: Daheim". 30, N. 3. — 195) O C. Saint-Saens, Ch. Gounod et le Don
Juan de Mozart. Paris, Olh ndorff. 16°. 44 S. — 196) TL, F. t. flotow : Bär 20, S. 206. — 197) Dagmar Gade, Niels W. Gade, Auf-
zeichnungen u. Briefe. Autoris. Uebers. aus d. Dan. Basel, Geering. 279 S. M. 4,00. |[LCB1. S. 326; P h. Spitta:
VjsMusikwissensch. 10, S. 114/5; H. Beimann: BLD. S. 100,1] | — 198) E. Frhr. v. Prochäzka, B. Franz. (= ÜB. N. 3273 4
I Musiker-Biographien N. 16J.) L., Reclam. 12°. 167 S. M. 0,40. — 199) W. Waldmann, B. Franz. Gespräche aus 10 J.
L., Breitkopf & Härtel. 168 S. M. 3,00. — 200) Th. Pfeiffer, Sind, bei H. v. Bülow. 5. Aufl. B., Luckhardt. 123 S.
M. 3,00. |[GazMusMiiano. N. 35; MusTimes. N. 616; E. R(ochlich): NZMusik. 61, S. 589; VossZg. N. 282.J| - 201) H.
Welti, H. v. Bülow: Nation«». 11, S. 306 7. (Vgl. auch TglRsB. N. 37, 39.) — 202) M. H[ardenJ, H. v. Bülow: Zukunft 6,
S. 385 8. — 203) E. Zabel, Z. Erinn. an fl. v. Bülow: NatZg. N. 130 - 204 J id.. Am Beerdigungstage H. t. Bülows: ib.
N. 197. — 205) id., H. v. Bülow. Gedenkbll. aus seinen letzten Lebensjahren. Hamburg, Gräfe & Sillem. 56 S. M. 1,00.
|[VossZg. N. 282; BerlTBl. N. 217.][ — 206) X Bubinstein über Bülow: FrBl»'. N. 52. — 207) L. B[usslerJ, H. v. Bülow:
NatZg. N. 107. - 208) B. Sternfeld, H. t. Bülow. L., Fritzsch. 20 S. M. 0,50. l[VossZg. N. 282.J| — 209) B. Vogel,
H. y. Bülow: lllZg. 102, S. 197. — 210) E. E. Taubert, H. v. Bülow: Post N. 46. — 211) B. Hi r schf e 1 d , H. v.
Bülow: Presse N. 46. — 212) X H- v- Bülow: ÜLAM. 71, S. 455. — 213) X H. v. Bülow: SchorersFamilienbl". N. 9. — 214) X
II t. Bülow: NZMusik. 61, S. 85,6. — 215) X H- T- Bülow. E. Erinnerungsbl.: Didask. N. 42. (Abdr. aus d. MagdZg.) —
216) X La mort de H- de Bulow: BTJBS. 61, S. 624,6. — 217) X H. ▼• Bülow: Ath. 1, 9. 221. — 218) X &*• H- ▼• Bülow:
Ac. 45, S. 155. — 219) X H- T- B&low: SaturdayB. 77, S. 170,1. — 220) H. Porges, Z. Gedächtn. H. v. Bülows: NZMusik. 61,
t 10:221-251 £t. Reimann, Musikgeschichte.
Berlioz war ebenfalls bestimmend für ihn. Der „Komponist" Bülow ist noch längst
nicht zu seiner verdienten Würdigung gelangt. — Auch Pfohl221) hat Bülows
künstlerische Objektivität, aus der seine eigen geartete subjektive Anschauung ent-
sprang, richtig geschätzt, während ein anderer Hamburger Kritiker, S i tt ar d 222),
fälschlich behauptet: Bülow sei im Alter konservativ geworden, habe von „Tristan"
nichts mehr wissen wollen, und den Ausdruck „Bayreuthknecht" habe er als Opposition
gegen den „Wagnertaumel" ersonnen. Den Beweis dagegen liefert Bülow selbst mit
seinem 1880 geschriebenen Briefe an Wolzogen, den eine Spende von 40000 Mark
für Bayreuther Zwecke begleitete. Der Vf. entstellt Bülows Aeusserungen, indem er
sie in ganz veränderte Situationen rückt, die verschiedensten Zeiten bunt durch-
einander mengt und anderes, oft ganz Entgegengesetztes aus Bülows Worten folgert,
als sie wirklich besagten. — Bülows viel getadeltes excentrisches Wesen rührte von
seiner starken „Opposition gegen das Triviale" her; trotzdem vermahnten ihn unausgesetzt
„schäbige Journalisten" um seines Wesens willen. So charakterisiert Robert223). —
Mar schal k224) hat richtig erkannt, dass Bülows „Extempores" in Konzertsälen
vorbereitet, und kein unbesonnener Ausbruch, sondern der wohl vorbedachte Aus-
druck seines längst gehegten Zorngefühls waren. Von der bekannten „Bismarckrede"
mag dies als zutreffend gelten. — Etwas nüchtern klingt Rodenbergs 225), fast
allzu poetisch Neubürgers 226) Nachruf. Der letztere ist jedenfalls besser gemeint.
Mit Bezug auf Bülows Opfer für Bayreuth heisst es da: „Er war treu! Dem grossen
Künstler, welcher ihm das Haus — Zerstörte, baute er den prächt'gen Tempel — Und
was mit süssen Tönen er gewann .... er brachte es als Spende — Hin nach Bay-
reuth, den Tempel ihm zu bau'n!" — Den „jungen Bülow" versucht Wichmann227)
zu charakterisieren. Erinnerungen an Bülow in München erweckt Elisabeth Marr228)
durch Mitteilung zweier Briefe Bülows vom J. 1865 aus jener Stadt. — Bülows und
Lassalles Freundschaft, für die Lassalles Briefe an Bülow, von diesem selbst zur Ver-
öffentlichung gegeben, das schönste Zeugnis ablegen, behandelt lediglich auf Grund
dieses Materials B r a s c h229). —
Die Nekrologe auf AntonRubinstein zollen durchweg dem Pianisten, dem
einzigen Erben Liszts, die höchste Anerkennung. Den zahlreichen Kompositionen
Rubinsteins gegenüber sind die Meinungen vorwiegend weniger günstig. Sehr
richtig sagt B u s sie r 23°): Rubinstein sei als Komponist gross im Wollen, aber
nicht im Vollbringen gewesen. — Hanslick231) giebt eine interessante Parallele
zwischen Liszt und Rubinstein. Der letztere spielte zwar stets, „wie ich will" und
„wie es mir gefällt"; aber er war Liszt gegenüber weit naiver. So manche seiner
Kompositionen wird jetzt nach seinem Tode wieder aufleben; „den Klavierspieler
wird nichts mehr lebendig machen". — Als Rubinsteins, des Komponisten, Hauptübel
bezeichnet Schenker 232) die „Ungleichmässigkeit des Ideenniveaus", als seinen
Hauptvorzug die Befähigung für das einfach Grosse und die Fähigkeit, „die Poesie
der Bibel einzuatmen"233). — Porges234) findet bei Rubinstein überall gute An-
empfindung, aber selten tieferen Gehalt und noch viel weniger scharfe Charakteristik.
Für Wagner hatte Rubinstein so gut wie keine Empfänglichkeit235"236). — Mosz-
kowski237) nennt Rubinstein einen „Dämon des Klavierspiels", der sich nicht scheut,
um dieser dämonischen Wirkung willen die Struktur eines Tonstückes vollkommen
aufzulösen. — Weihevolles Versenken in die Kunst und innere Vertiefung vermisst
R ö c k n e r 238) bei Rubinsteins Werken239-245). —
Noch einen dritten grossen Toten betrauerte in diesem J. die musikalische Welt:
Philipp Spitta. Ihm widmete Rodenberg 246), dessen Zeitschrift Spitta
sehr nahe stand, einen warmen Nachruf. — Desgleichen thaten zwei Schüler Spittas:
Seif f er t247) und Vo ge 1 248); ferner Andrich249) und B ussler250). Des letzteren
längerer Aufsatz ist im wesentlichen eine durchaus zustimmende Kritik des Spittaschen
Opus posthumum: der musikgeschichtlichen Aufsätze (s. o. N. 34). — Eine in
keiner Weise pro oder contra beeinflusste Schätzung der Bedeutung Spittas für die
Musikgeschichte suchte R ei mann251) zu geben. Spittas Hauptverdienst ist seine
S. 109-11, 121/2. — 221) F. Pfohl, H.v. Bülow: Daheim 30, S. 400/2. — 222) J. Sittard, H. t. Bülow: NZMusik. 61, S. 97/9.
— 223) A. Rohert, Bülow: ML. 63, S. 232/4. — 224) M. Marschälle, H.v.Bülow: FrB. 5, S. 298/9. — 225) J. R[oden-
berg], H. v. Bülow: DRs. 79, S. 122,3. — 226) F. Neubürger, Nachruf an H. v. Bülow: Didask. N. 104. — 227) H.
Wichmann, Z. Charakteristik d. jungen H. v. Bülow: Zeitgeist N. 33. — 228) Elisabeth Marr, Erinnerungen an
H. v. Bülow: Geg. 45, S. 327/9. — 229) M. Brasch, F. Lassalle u. H. v. Bülow: Didask. N. 203. — 230) L. B[ussler],
A. Rubinstein: NatZg N. 630. — 231) E. Hanslick, A. Rubinstein: Didask. N. 281. (Abdr. aus d. NFPr.) — 232) H.
Schenker, A. Rubinstein: Zukunft 8, S. 326 9. — 233) G. Efngel], A. Rubinstein: VossZg. N. 545, 546, 549. — 234)
H. Porges, A. Rubinstein: NZMusik. 61, S. 545,7. — 235) X O. Lessmann, A. Rubinstein: AMusZg. 21, S. 635/6. —
236) X B- Vogel, A. Rubinstein: NZMusik. 61, S. 533/4. — 237) A. Moszkowski, A. Unbinstein: ML. 63, S. 1518-20.
— 238) H. Röckner, A. Rubinstein: Geg. 46, S. 357/9. — 239) X A. Rubinstein: Gartenlaube S. 876. — 240) X A. Rubin-
stein: SammlerA. N. 141. — 241) X H. Neumann, A. Rubinstein: BerlTBl. N. 592. — 242) X H- Ehrlich, Erinnerungen
an Rubinstein: ib. N. 632. — 243) X A. Rubinstein: WienZg. N. 269. — 244) X A. Rubinstein: Ac. 46, S. 431. — 245) X
A. Rubinstein: Ath. 2, S. 723. — 246) J. R[odenberg], Ph. Spitta: DRs. 79, S. 468-70. - 247) M. Seif f er t, Ph. Spitta:
AMusZg. 21, S. 228/9. — 248) E. Vogel, Ph. Spitta: MusWBl. 25, S. 239-40. — 249) X s- Andrich, Ph. Spitta:
Nation«. 11, S. 441/2. — 250) L. BfusslerJ, Z. musikal. Litt. (Nachruf für Ph. Spitta): NatZg. N. 536. — 251) H. Rei-
H. R ei mann, Musikgeschichte. I 10:252-276
Bachbiographie, die zwar in vielen Stücken einen Vergleich mit der Jahnschen
Mozartbiographie nicht aushält, auch die Vorarbeiten anderer etwas stark bei Seite
schiebt, aber eine auf feste Fundamente gestützte, mit grösster Hingabe gearbeitete
Künstlerbiographie allerersten Ranges bildet. Nächst diesem Werke sind die Schütz-
ausgabe, auch, wenngleich in geringerem Masse, die Ausgabe der Buxtehudeschen
Orgelkompositionen verdienstvoll. Nicht so glücklich war Spitta in der Lösung aller
derjenigen Fragen, die praktisch-musikalischer Art waren. Die Polemik über die
Ausführung des bezifferten Basses bei Bach und der Cembalobegleitung bei der
Ausgabe der Sonaten Friedrichs des Grossen endigte nicht günstig. Aber wenn er
hier auch irrte, er irrte menschlich, und wohl jedem, der nicht schwerer fehlte
als er. —
Verfolgen wir die Liste der Toten dieses J. weiter, so folgt Tschaikowski,
aus dessen im „Ruskij Vestnik" veröffentlichten Tagebuche die Aufzeichnungen über
den Aufenthalt in Leipzig 1887 mitgeteilt wurden252). — Ferner: die eminente
dramatische Künstlerin Johanna Jachmann-Wagner, der Taubert253)
einen würdigen Nachruf widmete254); Hermine Spiess, die ausserordentlich
liebenswürdige und vortreffliche Liedersängerin, deren Andenken ihre treue Begleiterin
und Schwester, Minna Spiess 255), in einem ungemein lesenswerten Buche der
Nachwelt bewahrt hat256). — Jenny Meyer, die bekannte Berliner Gesangslehrerin,
für die Helene Lange257) einen Nekrolog schrieb; die Dresdener Sängerin Aloyse
Krebs-Michalesi, deren Wirken 0. Schmid258) verherrlichte; endlich Em. Faisst,
der Direktor des Stuttgarter Konservatoriums259). — Das Wirken und Streben des
Dichter-Komponisten Alex. Ritter, der inzwischen auch den Toten beigesellt ist,
schilderte sehr ansprechend Ho f m üll e r260"261). —
Das laufende Berichtsjahr war übrigens das 50jährige Jubeljahr der künst-
lerischen Thätigkeit des Walzerkönigs Joh. Strauss. Dem Jubilar zu Ehren
veröffentlichte Kl ei necke262) eine Biographie von Strauss, dem Vater, Eisen-
berg263) eine ausführliche Geschichte der Familie Strauss, insbesondere aber ein
sehr ins Einzelne gehendes Lebensbild des Jubilars, unter dessen „Blauen Donau-
Walzer" bekanntlich Brahms die treuherzige, lakonische Kritik schrieb: „Leider nicht
von Brahms"!264-271) —
Zur selben Zeit ungefähr feierte ein anderer „grosser" Wiener das fünfzig-
jährige Jubiläum seiner Thätigkeit: Hanslick272), der bekannte Musikkritiker der
NFPr. Er ist ein lebendiger, aktiver Zeuge des grossen Umschwungs, den das
Wiener Musikleben innerhalb dieser 50 J. genommen, vielleicht auch zum grossen
Teil ein Beförderer dieses Umschwungs selbst. Seine Selbstbiographie ist hierfür ein
trefflicher Beweis. H.s Gegnerschaft gegen die Wagnersche Kunst, in deren Dienst
er sich am Anfange seiner kritischen Laufbahn, im J. 1846, hingebungsvoll gestellt
hatte, und auch sein Buch vom „musikalisch Schönen", die theoretische Negation der
Möglichkeit eines musikalischen Fortschritts und das philosophische Verdammungsurteil
der neuen Kunst, alles das wird man von der Summe der Bedeutung dieses Kritikers
getrost in Abrechnung bringen können, und es bleibt immerhin noch ein so grosser
Rest übrig, dass trotz allem H. für eine der bedeutendsten Erscheinungen in der Musik-
litteratur gelten muss. So herrlich und trefflich wie er, hat kein Mensch über Mozart,
Weber, Schubert, Schumann und unzählige andere Meister geschrieben; so treu zu
ihren Idealen, wie er, haben nur wenige gestanden; so geistvoll, liebenswürdig und
unterhaltsam versteht keiner zu plaudern! Und so bietet auch seine Autobiographie mit
ihrem, dem Andenken seines Freundes Billroth gewidmeten, Anhange dem Leser einen
in seiner Art unvergleichlichen Genuss. —
Den ungarischen Nationalkomponisten Franz Erkel schildert von Boro-
styäny273), den populärsten der Wiener Künstler, Anton Brückner ein Ano-
nymus274-275). — Einen der treuesten aus der Zahl der Getreuen Wagners, den
mann, Ph. Spitta : BLU. S. 737,9. - 252) Aus d. Tagebnehe P. Tschaikowskis: MusWBl. 25, S. 324,5, 339-40, 362, 379-80,
395,410/1. (Vgl. auch C. Resch, Tagebuchbll. P. Tschaikowslcis: BerlTBl. N. 143.) — 253) E. E. Taubert, Johanna
Jachmann- Wagner: Frau 2, S. 147,9. — 254) X Johanna Jachmann- Wagner: Bühne & Leben 2, S. 557. — 255) Minna
S p i e s , Hermine Spies. E. Gedenkbuch für ihre Freunde. Mit e. Vorw. v. H. B n 1 1 h a u p t. St., Göschen. VIII, 300 S.
M. 5,00. |[S. O(chs): AMusZg. 21, S. 593; G. Eberhard: Zuschauer 2, S. 517.]| - 256) X Hermine Spiess: Gartenlaube
S. 740. — 257) Helene Lange, Jenny Meyer: Frau 1, S. 790,3 — 258) O. Schmid, Aloyse Krebs-Michalesi: Bahne
u. Leben 2, S. 403,4. — 259) Imm. Faisst: NZMusik. 61, S. 295|6. — 260) J. Hofm aller, Alex. Ritter, d. Dichter u. Kom-
ponist: Ges. S. 519-25. — 261) X W. Steinhäuser, D. Abenteuer e. dtsch. Orgelvirtuosen. Aus Jos. Mar. Homeyers
Leben. Mühlhausen i. Th., C. Andres 265 S. M 4,00. — 262) R. Kleinecke, Joh. Strauss. E. Lebensbild. (= ÜB. fBr
Musiklitt. N.8.) L., Laurencic. 45 S. M. 0,50. — 263) L. Eisenberg, Joh. Strauss. E.Lebensbild. L, Breitkopf A Härtel.
368 S. M. 4,00. |[0. L(essmann): AMusZg. 21, S. 623: VossZg. N. 536; S. Loewy: BerlBörsCour. N. 470.]| - 264) X
A. Moszkowski, J. Strauss. E. Gedenkbl. z. Jubil. d Walzerkönigs: ML. 63, S. 1-J87-91. — 265) X E. L ö w e n , D.
50 j. Jubil. t. J. Strauss: Bahne & Leben 2, S. 533/4. — 266) X ö- Ramberg, D. Walzerkönig (J. Strauss): Gartenlaube
S. 636/7. — 267) X A. Ritter v. Hermann, D. Strauss- Jubil.: MontagR. N. 42. - 268) X J- Strauss: Presse N. 275. —
269) X R- Uirschfeld, J. Strauss: ib. N. 281. — 270) X Le jubile de trauss: BÜR3. 64, S. 396 7. — 271) O X H.
Imbert, Et. sur J. Brahms avec le catal. de ses ajuvres. Paris, Fischbacher. 36 S. Fr. 1,00. — 272) (IV lc : 60.) |[Signale X. 69.J|
— 273) F. v. Borostyäny. F. Erkel: IUZg. 101, S. 47. - 274) H., E. Wiener Figur (A. Brückner): FrBl^. N. 243. —
275) X E. Virtuosenpaar (E. d'Albert u. Teresa Careno): SchorersFamilienbl«. N. 4. — 276) A, Hahn, Herrn. Levi. E. Ton-
I 10:277-285 I 1 1 : i-3 J. Bolte, Stoffgeschichte.
Münchener Kapellmeister Herrn. Levi, preist Hahn276), während Hofmiller277)
eine „Beckmesser-Natur", den Komponisten Max Zenger, gebührend geisselt. Zenger
vergriff sich an Wagners „Wieland", indem er den Wag'nerschen Entwurf zu einem
Operntext für sich umarbeiten Hess. 278"283) — Auch gegen die italienischen Ausbeuter
Wagners wendet sich endlich der allgemeine Groll der deutschen Kritik. Zwei Auf-
sätze sind hierfür der Beweis: der erste von Schenk er284) gegen Ruggiero
Leoncavallo („eine triviale Erfindernatur", „trivial im Allerheiligsten!"); die andere
von Mauke285) unter dem sachlich vollkommen zutreffenden Titel: „Pietro Mascagni
hat abgewirtschaftet". —
Stoffgeschichte.
Johannes Bolte.
Antike Stoffe: Helena N. 1; Atlantis N. 2; Hero und Leander ET. 8; Ribe und Fachs N. 4. — Orientalische Stoffe:
Scharfsinnsproben N. 5; Testament des Hnndes N. 5a. — Mittelalterliche Legenden und Sigen: Johannes von Alexandria N. 6;
Kreuzauffindung, Siebenschläfer N. 7; Einsiedler und Engel N. 8; Papst Silvester, St. Julian N. 9; Fabliaux N. 10; Schwan-
ritter N. 11; Melusine N. 12; Ewiger Jude N. 14. — Historische Persönlichkeiten: Jungfrau von Orleans N. 17; Faust N. 21;
Demetrius N. 23; Wallenstein, Cromwell N. 24. — Märchen- und Schwankstoffe: Hans Sachs N.27; Meistersängerpoesie N. 29 ;
Gevatter Tod, Sieben Schwaben N. 30; R. Baurabach N. 32; Kaiser und Abt N. 33; Pat°r Guardian N 34; Sshnell wie der Ge-
danke N. 35. — Dramatische Stoffe: Romeo und Julia N. 36; Titus Andronicus N. 41; Mass für Miss N. 42; Komödie der
Irrungen N. 44; Niemand und Jemand N. 46; Spinische Tragödie N. 47; Herzogin von Amalfi N. 49; Rule a wife N. 49: Der
Falke N. 50. — Verschiedenes (Burleske Litteratur, Reiterleben, Wein, Glocke, Teufel) N. 51. —
Antike Stoffe. Kaum in den Kreis unserer Betrachtung gehört Deckers1)
weitschweifiges Schulprogramm über die Helenasage, da es sich im wesentlichen
darauf beschränkt, die Auffassung Homers von dem sittlichen Charakter der Helena
darzulegen. Das Resultat ist nicht neu: im Gegensatze zu den kyklischen Dichtern
und zu Euripides fällt in den ursprünglichen Teilen der homerischen Gedichte die
Schuld des Ehebruches nicht auf das Weib des Menelaos, sondern auf die gewaltige
Göttin Aphrodite. Was der Vf. ausserdem über die Entwicklung des Mythos von
Helena und den Dioskuren sagt, in denen er drei Berggipfel des Taygetos wieder-
erkennen will, giebt zu mehrfachen Bedenken Anlass. —
Dagegen richtet Sander2) in seiner Abhandlung über die platonische Insel
Atlantis von vornherein seinen Blick auf die Bedeutung, die jene im Timaios und
Kritias erscheinende Erzählung von der versunkenen reichen Insel für die Welt-
literatur gewonnen hat. Anschaulich zeigt er, teilweise im Anschluss an Th. Henri
Martins Timaios-Studien, wie Piatos Bericht schon im Altertume bald als historische
Ueberlieferung, bald als freie Mythendichtung angesehen wurde, wie der christliche
Geograph Kosmas Indikopleustes damit die biblische Sintfluterzählung in Verbindung
setzte, und welche Rolle die Atlantissage nach der Entdeckung Amerikas in den
Dichtungen vom besten Staate, namentlich bei Thomas Morus, Campanella und Bacon,
spielt. Die Geographen des 16. und 17. Jh. meinten die versunkene Insel bald in
dem neu entdeckten Erdteile, bald anderwärts wiederzufinden; Olaus Rudbek bewies
in vier Folianten, dass seine Heimat Schweden darunter zu verstehen sei, während
Bailly ihn dadurch übertrumpfte, dass er Spitzbergen für die wahre Atlantis erklärte.
Auch die Geologen und Prähistoriker von Buffon bis auf den wunderlichen Donnelly
0886) haben in der platonischen Dichtung eine Bestätigung ihrer Theorien wieder-
finden wollen. Zum Schlüsse weist S. auf das Trauerspiel „Atlantis" des Grafen
Schack hin, worin ein schwärmerischer Fürst kurz vor dem Ausbruche der französischen
Revolution eine Schar von Kolonisten nach Amerika, dem Lande seiner Träume,
führt, um dort zu erkennen, dass das wahre Glück nur dem reinen Herzen be-
schieden ist. —
Zu Jellineks früher (JBL. 1892 I 8:3) besprochener Untersuchung über die
Sage von Hero und Leander liefert H o e n i g 3) mehrere dankenswerte Nach-
träge aus der italienischen, englischen und deutschen Litteratur, darunter eine
kttnstler-Portr : N&S. 71, S. 195-208. — 277) 3. Hnfmiller, Sixtns Beckmesser vor d. Münchener Ak. d. Tonkunst: Ges.
S. 934-44. — 278) X Camilla Krohn, Elisabeth Leisinger: NZMusik. 61. S. 74/5,87/8. — 279) A. Klughardt: Daheim». 30,
N. 46. — 280) X W. Pastor, Chrn. Sinding: VossZg». N. 27/8. — 281) X Hans Sommer: Daheim«. 30, N. 1. — 282) X
A. Niggli, K. Munzinger. E. biogr.-krit. Skizze. (= Biographien Schweiz. Tonkünstler.) L. u. Zürich, Hug & Co. 25 S.
M 0,40. — 283) X Aus d. Leben e. Tonkünstlerin (Julie v. Pfeilschifter): Didisk. N. 119. — 284) H. Schenker, R.
Leoncavallo: Zukunft 6, S. 138-40. — 285) W. Mauke, Mascagni hat abgewirtschaftet: Ges. S. 118-24. —
1) F. Decker, D. griech. Helena in Mythos u. Epos. Progr. Magdeburg (Baensch). 4°. 30 S. - 2) F.Sander,
Ueber d. platonische Insel Atlantis. Progr. Bunzlau (Voigt). 1893. 4°. 40 S. — 3) B. Hoenig: ADA. 20, S. 85/8. —
J. B o 1 1 e , Stoffgeschichte. 111:4-8
bisher ungedruckte Romanze Höltvs im Bänkelsängerton aus dem Nachlasse von
J. H. Voss. —
lieber die zahlreichen Fassungen der äsopischen Fabel vom Raben und
Fuchs handelt umsichtig und klar die Promotionsarbeit von Ewert4). Da die
Verschiedenheit der Versionen meist nur auf nebensächlichen Zügen beruht, hat J er
auf die Zuthaten der einzelnen Erzähler sorgfältig geachtet, unter denen er Lafontaines
Darstellung mit Recht den Preis erteilt. Nebenbei orientiert er hübsch über die
litterarischen Zusammenhänge der mittelalterlichen Fabelsammlungen; seine Ueber-
zeugung, im indischen Jataka vom Schakal und Raben liege uns das Original zu
der griechischen Erzählung vor, braucht man freilich nicht zu teilen. —
Orientalische Stoffe. Ebenso wie Ewert geht Prato5) von der
allzu allgemein aufgefassten Benfeyschen Hypothese des indischen Ursprunges der
Novellenmotive aus, indem er an zwei von Schiefner aus der tibetanischen Sammlung
Kandjur mitgeteilte Erzählungen verschiedene Parallelen aus anderen Ländern anreiht,
leider ohne eine Genealogie derselben aufzustellen. Es handelt sich in beiden Fällen
um Scharfsinnsproben eines weisen Alten oder mehrerer Brüder : um die
Unterscheidung einer Mutterstute von ihrem Fohlen, einer männlichen Schlange von
einer weiblichen, des unteren Endes eines Zweiges vom oberen, sowie um die genaue
Beschreibung eines verlorenen Kamels oder Pferdes aus dessen Fussspuren. Beide
Erzählungen sind aus dem Orient auch nach Europa gewandert und mit ähnlichen
verbunden worden — in Italien ist z. B. eine Novelle Sercambis und die Reise der
Söhne Giaffers, in Frankreich Voltaires Zadig, in Deutschland ein Märchen Hauffs
anzuführen — , aber dass diese Motive wirklich aus der buddhistischen Litteratur, die
ein grosses Reservoir für allerlei längst umlaufende Geschichten verschiedenster Her-
kunft bildet, herstammen, scheint mir eine Annahme zu sein, die erst bewiesen werden
muss. Auch hat gerade für die Fabel von dem verlorenen Kamele und den scharf-
sinnigen Brüdern Siegfried Fränkel fZVVolksk. 3, S. 320) den arabischen Ursprung
wahrscheinlich gemacht. Eine wahrhaft kritische Untersuchung sämtlicher Varianten
wäre erwünscht und würde trotz ihrer Schwierigkeit wohl zu lohnenden Ergebnissen
hinführen. —
Dieselbe Einwendung lässt sich gegen Am a 1 f i5a) machen, der dem Schwanke
Poggios vom Testament des Hundes (wiederholt in Paulis Schimpf und
Ernst N. 72) ohne weiteres orientalischen Ursprung zuschreibt, weil er auch in einer
türkischen Sammlung des 16. Jh. wiederkehrt. A. hat gar nicht die Möglichkeit er-
wogen, dass der Türke Lamai die Fassung Poggios benutzte, ebenso wie wir in der
1882 von Decourdemanche veröffentlichten türkischen Fabelsammlung aus dem 16. Jh.
verschiedene Uebersetzungen aus Poggio, Rimicius und Abstemius antreffen. —
Wieviel Interesse die Erforschung der mittelalterlichen Legenden
und Sagen (vgl. auch I 5:237—66), die man allzulange nur den theologischen
Bearbeitern der Kirchengeschichte überlassen hat, auch für den Literarhistoriker
besitzt, zeigt Wendland6) in einem knappen Feuilletonartikel. In den apokryphen
Evangelien, Apostel- und Märtyrergeschichten finden wir nicht nur erbauliche Ten-
denzen, sondern die Regungen dichterischer Phantasie, die eine niedere christliche
Unterhaltungslitteratur erschafft. Ausser dem bekannten geistlichen Romane von
Barlaam und Joasaph erinnert W. in diesem Zusammenhange an die kürzlich von
Geizer herausgegebene griechische Lebensbeschreibung des mildthätigen Erzbischofes
Johannes von Alexandria, die, gleichfalls im 7. Jh., von Leontios von
Neapolis verfasst wurde und u. a. den Stoff von Gottfried Kellers zierlicher Novelle
vom schlimmheiligen Vitalis enthält; vermutlich benutzte Keller eine alte lateinische
Uebersetzung des Leontios. —
Einige als Quellen griechischer und lateinischer Legenden bedeutsame syrische
Texte übersetzt R y s s e 1 7) aus Bedjans Publikation der Märtyrerakten, nämlich die
im 4. und 5. Jh. zu Edessa entstandene Kr e uz auffindungsiegende, die sich aus
der Helenasage entwickelte, und die älteste bekannte Fassung der vor 500 ent-
standenen Siebenschläferlegende, die dann durch Gregor von Tours nach der
Uebersetzung eines Syrers dem Abendlande zugeführt wurde. —
Die Legende vom Einsiedler und Engel verfolgt Rohde8) in seiner
Dissertation durch die orientalischen und occidentalen Litteraturen. Da er jedoch
nicht alle von Oesterley und Gaston Paris nachgewiesenen Bearbeitungen berück-
sichtigt und auf die seit 1880 erschienene Litteratur kaum geachtet hat, so kommt
er wenig über eine unvollständige Aufzählung und Inhaltsangabe hinaus. Von
4) M. Ewert, TJeber d. Fabel „D. Rabe u. d. Fuchs." Diss. Rostock. (B., C. Vogt.) 124 S. M. 2,00. [h. Fränkel: ZVLR. 7,
S. 484-90.]| — 5) St Prato, 2 Episoden aus 2 tibetanischen Novellen in d. Orient, u. occident. Ueberlief. E. krit Versuch:
ZVVolksk. 4, S. 347-73. — 5a) G. Araalfi, E. türk. Erzähl, in e. ital. Schwanke: ib. S. 428-30. — 6) P. Wendland, Alt-
christi. Legenden u. mod. Litt: VossZgB. N. 16. — 7) V. Ryssel, Syr. Quellen abendländ. Erzählungsstoffe: ASNS. 93, S. 1-22,
241-80. — 8) 0. Rohde, D. Erzähl, vom Einsiedler u. d. Engel in ihrer gesch. Entwickl. E. Beitr. z. Exempellitt Diss.
Jahresberichte lilr neuere deutsche Litleruturgescbicbte. V. (1)20
I 11 : 9-20 J. Bolte, Stoff geschichte.
deutschen Fassungen bespricht er eigentlich nur Gellerts „Schicksal", weiss aber
nichts von Vintler, Kaufringer, Hans Sachs (vgl. S. 57), von dem Schelzschen Gedichte,
das Moritz von Schwind zu seiner schönen Zeichnung anregte, von Köhlers Nach-
weisen zu Gerings isländischen Erzählungen usw. Neu ist eigentlich nur die Mit-
teilung einer lateinischen Prosafassung aus einer Rostocker Hs. des 15. Jh., die der
von Wright in den „Latin Stories" veröffentlichten nahe verwandt ist. —
Auf Grafs9) gesammelte Aufsätze über mittelalterliche Sagen und Aber-
glauben (1892—93) macht eine ausführliche Besprechung von Landau aufmerksam.
L. hebt die Untersuchungen über das Schlaraffenland (il paradiso terrestre), über
Papst Silvester IL, Michael Scotus, König Arthur im Aetna, den heiligen
Julian und einen italienischen Pilatusberg hervor als ausgezeichnet durch die
Fülle des beherrschten Materiales und die Eleganz der Darstellung, indem er einige
Nachträge, namentlich aus der hebräischen Legendenlitteratur, anhängt. —
Dem früher (JBL. 1893 I 10:9) erwähnten Buche Bediers über die alt-
französischen F a b 1 i a u x tritt ein scharfer Kritiker in C 1 o e 1 1 a 10) entgegen, der
nicht bloss die sprachlichen und literarhistorischen Untersuchungen in vielen Punkten
bekämpft, sondern auch für den Wert der Quellenuntersuchungen und der ver-
gleichenden Literaturwissenschaft eine Lanze bricht. —
Mehr der mythologischen Forschung als der Litterat Urgeschichte gehört ein
Aufsatz von Bloete11) über die Sage vom Schwanritter (Lohengrin) an. Im
Gegensatz zu Pleyte und Hoffory, die in dem Schwanritter den germanischen Himmels-
gott Tius und im Schwane ein Symbol des Lichtes oder der Wolke zu erkennen
meinten, erklärt B. die Sage für einen Jahreszeitmythus, den die' germanischen
Bataver am Niederrheine aus dem regelmässigen Erscheinen der Wandervögel zur
Frühlings- und Spätherbstzeit folgerten, wie auch vor ihnen die in der gleichen
Gegend sesshaften Kelten die Singschwäne als Begleiter ihres Lichtgottes Lugus an-
gesehen hatten. —
Die Vorzüge der ältesten deutschen Bearbeitung der M elusinen sage
durch den Berner Schultheissen Thüring von Ringoltingen aus dem Ende des 15. Jh.
legt Biltz12), teilweise im Gegensatze zu Baechtold, dar; er verlangt einen
kritischen Neudruck dieses trefflichen Ausbildners der deutschen Prosa, während
Frank el13) zu Nutz und Frommen eines künftigen Forschers die von ihm gesammelten
Notizen und Büchertitel über die Verbreitung derselben Sage zusammenstellt. —
Neubaurs 1893 erschienene Arbeit über die Sage vom ewigen Juden (JBL. 1893
I 10:14/5) hat von verschiedenen Seiten14) die verdiente Anerkennung für die um-
sichtige Sammlung des weitschichtigen Materials gefunden; an den Betrachtungen
über die Entstehung der Sage, in denen sich Neubaur zumeist an Gaston Paris
anschliesst, hat Singer einiges auszusetzen. Er zweifelt an dem Zusammenhang
der Erzählungen von Cartaphilus, dessen Namen er als Papierliebhaber, Schrift-
gelehrter deutet, mit den erst spät bezeugten Malchussagen und denkt vielmehr an
buddhistischen Einfluss; auch trägt er einige Schweizer Volkssagen von Ahasverus
nach. — Nichts Neues bietet ein anspruchsloser Vortrag Reinsteins15) über den
ewigen Juden und Faust.16) —
Unter den Arbeiten, welche den in der Litteratur verherrlichten historisch en
Persönlichkeiten gelten, haben wir, absehend von einigen Besprechungen
älterer Werke17"19), eine Musterung der frühen Dichtungen über die Jungfrau
von Orleans zu verzeichnen. H a n e b u t h20), ein Schüler Stengels, hat in seiner
Dissertation sieben französische und lateinische Dichtwerke ausführlich und sorg-
fältig besprochen, die während des Zeitraumes 1433 — 1629 entstanden sind und die
patriotische Laufbahn der Jeanne d'Arc verherrlichen. Das älteste davon ist das
Mystere von der Belagerung von Orleans, 1581 und 1600 folgen zwei französische
Tragödien, 1629 ein lateinisches Schuldrama im Jesuitenstil von dem Löwener Professor
Vernulaeus. H. beschäftigt sich mit der Textgeschichte und dem Metrum der einzelnen
Stücke, erzählt den Inhalt und spürt den Quellen nach; doch ist seine Darstellung
meist trocken und ohne rechten Fluss. Interessant ist, dass er als Quelle für
Vernulaeus ausser Hordais Geschichtswerk auch die Tragödie von 1600 annehmen zu
müssen meint; dankenswert die summarische Aufzählung der späteren Jeanne d' Are-
Dichtungen. —
Rostock. 57 S. [[O. Glöde: ASNS. 93, S. 161/4.]| — 9) O A. Graf, Miti loggende e superstizioni del raedio evo. Torino,
E.Loescher. 1892-93. XXIII, 310 S.; 398 S. [[AI. Tille: LCB1. S. 19-20; M. Landau: ZVLR. 7, S. 237-41.]l - 10) W. Cloetta:
ASNS. 93, S. 206-26. — 11) J. F. D. Bloete, D. 2. T. d. Schwanrittersage. E. Versach z. Erklärung d. Schwans: ZDA. 26,
S. 272-88. — 12) (I 5:260.) |[L. Fränkel: ZDPh. 27, S. 410.]| — 13) (I 5 : 259.) - 14) X 8. Singer: ADA. 20, S. 195/8; J.
Steinschneider: DLZ. S. 56/7; L. Proescholdt: Anglia«. 4, S. 137/8; K. Engel: ZVLR 7, S. 234/7. — 15) T h. Rein-
stein, D. Sage vom ewigen Juden u. d. Faustsage: PAVTorgau. 7, S. 24/5. — 16) X J- Seeber, D. ewige Jude. Episches
Gedicht. Freiburg i. B., Herder. 12». VII, 216 S. M. 2,00. |[W. Kreiten: StML. 47, S. 597-611.]| — 17) X Ad. Tobler,
G. Paris, II Saladino (JBL. 1893 I 10:19): ASNS. 93, S. 164/6. — 18) X K. Lechner, E. Söffe, Rudolf v. Habsburg
(JBL. 1893 I 10:20): Gymn. 12, S. 832. - 19) X O- F. Walzel, J. Potri, D. Agnes Bernauer-Stoff (JBL 1893 I 10:21):
ADA. 20, S. 205/6. — 20) K. Hanebuth, Ueber d. hauptsächlichsten Jeanne d'Arc-Dichtungen d. 15., 16. u. beginnenden
J. Bolte, Stoffgeschichte. 111: 21 33
Die Entwicklung- der Faustsage stellt Nover21) in populärer, flüssiger
Weise dar; für die Zeugnisse über den historischen Faust stützt er sich, neuere Ent-
deckungen übersehend, auf Kiesewetters Buch, spricht dann ziemlich flüchtig über
das Volksbuch von 1587, Marlowes Drama, das deutsche Puppenspiel und schliesst
mit Goethes Dichtung ab. — Weit höher steht der zur Erläuterung der vom Frank-
furter Freien Hochstifte veranstalteten Faustausstellung gehaltene Vortrag Heu er s22)
über Faust in der Geschichte, Sage und Dichtung, der an einer anderen Stelle dieser
Berichte näher charakterisiert werden wird. —
Popek23) setzt seine eingehenden und dankenswerten Studien (JBL. 1893
I 10:26) über die neueren Dramen vom falschen Demetrius fort und bespricht
von den Ergänzern Schillers : Gruppe, der die Fehler seiner Vorgänger zu vermeiden
suchte, Laube, der sich als Theaterpraktiker bewährte, aber keine tiefere seelische
Erschütterung hervorzurufen verstand, Sievers, der von Laube ausgehend wiederum
Schiller näher kam. und Zimmermann, der sich am strengsten an des letzteren Plan
hielt. Dagegen folgte Herman Grimm in seinem Jugendwerke einer anderen Ueber-
lieferung, nach der ein anderer Knabe an Stelle des echten Demetrius ermordet ward ;
dieser bleibt am Leben und tritt später seinem Doppelgänger entgegen, der sich
darauf selber ersticht. Eine weitere Fortsetzung* soll folgen. —
Die ältesten Wallenstein dramen des Micraelius, Vernulaeus und Glapthorne
führt Vetter24) in eingehenden Inhaltswiedergaben vor, während Trost25) in
einem Zeitungsartikel über C r o m w e 1 1 als Helden der Tragödie sich gar nicht mit
bestimmten Dichtwerken beschäftigt, sondern dem modernen Dramatiker von diesem
Stoffe abrät, weil die Vorstellungswelt, Sprache und Handlungsweise der Puritaner
unserem Publikum nicht verständlich und nachfühlbar seien; eine subtile psychologische
Analyse Cromwells zu geben, sei Sache des Historikers, nicht des Dramatikers.26) —
Märchen- und Schwankstoffe. An erster Stelle ist hier zu erwähnen,
dass Goetze27) seine sorgsame Ausgabe der Fabeln und Schwanke des Hans
Sachs abgeschlossen hat. Der zweite Band bringt 187 Nummern aus der Zeit 1558—73;
in der Einleitung sind die vom Dichter benutzten Quellen übersichtlich zusammen-
gestellt. — Teilweise neue Ergebnisse liefert Stiefels28) ausführliche Arbeit über
die Vorlagen derselben Fabeln, Märchen und Schwanke, die ebenso wie seine
frühere Untersuchung der Fastnachtspiele die dem Nürnberger Dichter eigentümlichen
Züge hervorhebt. —
Welchen Ertrag das noch wenig durchforschte Gebiet der Meistersänge r-
poesie für die Motivkunde liefern kann, zeigt eine von Bolte29) veröffentlichte
Lese von 18 Meisterliedern des 16. — 17. Jh. aus Berliner, Erlanger und Weimarer
Hss., die volkstümliche Märchen- und Schwankstoffe behandeln, aber nicht aus den
bekannten gedruckten Sammlungen Boccaccios, Paulis usw., sondern grösstenteils
aus mündlicher Ueberlieferung schöpfen. Wir finden hier die älteste Aufzeichnung
des Märchens von den Bremer Stadtmusikanten vom J. 1551, die Schwanke von den
drei Wünschen, von St. Peter als Drescher, von Luther und dem Teufel mit dem
Tintenfass, das Fabliau „L'äme au vilain", Rabelais Episode vom Teufel zu Pape-
figuiere, ferner die Vorlagen zu zwei Nummern in Schumanns Nachtbüchlein usw.
Die Mehrzahl der Gedichte rührt von Hans Sachs her, einzelne sind von Hager,
Benedikt von Watt, Hans Deisinger und Ambrosius Metzger verfasst. Auf andere
verwandte Fälle verweist die Einleitung. —
Dazu gehören auch zwei von Bolte30) anderwärts vorgelegte Meisterlieder
vom Gevatter Tod: eins hat wiederum Hans Sachs zum Vf., das andere ist 1644
von Heinrich Wolff nach einem Fastnachtspiele Ayrers bearbeitet. Ausserdem ver-
zeichnet B. schematisch sämtliche bisher bekannten Versionen des Märchens. —
Ebenso geht der Schwank von der Hasenjagd der sieben Schwaben, dessen
Geschichte Bolte31) vom 16. bis ins 19. Jh. verfolgt, auf ein Meisterlied des Hans
Sachs zurück. —
Zupitza32) untersucht die anmutigen Erneuerungen alter Schwanke durch
Rudolf Baumbach auf ihre Quellen hin und weist namentlich Erzählungen und
Dichtungen des 16. Jh. als Grundlagen nach: Paulis Schimpf und Ernst, Hans Sachs,
Wlckrams Ritter Galmy, Thyms Thedel von Walmoden, Volkslieder. Leider liegt
nur ein kurzes Referat über seine Arbeit vor. —
Zu Bürgers Gedicht vom Kaiser und Abt liefert Dörfler33) zwei
Parallelen, die aus dem Munde des rumänischen Landvolkes stammen; die erste
17. Jh. Diss. Marburg. 1893. 91 S. - 21) (113:38; IV8e:72.) — 22) (n 3 : 42.) — 23) A. Popek, D. falsche Demetrius in d.
Dichtung mit bes. Berücksicht. Schillers u. seiner Fortsetzer (Fortsetz.) Progr. Linz. 2(5 S. |[M. Saliger: Gymn. 12, S. 830.]|
(Vgl. IV 9 : 173.> — 24) (in 4 : 8; IV 9 : 100.) - 25) K. Trost, Cromwell als Held d. Tragödie: NorddAZg. N 359. — 26) X
L. Fränkel, R. Spiller, Z. Gesch. d. Märchens vom Dornröschen (JBL. 1893 I 5:233): ZVVolksk. 4, S. 221 3. - 27) (113:22;
4b : 3.) — 28) (II 4b : 68.) - 29) (II 2 : 32; 4b : 81.) - 30) (II 2 : 35.) - 31) (in 3:2.) - 32) J. Zupitza, Ue'oer Quellen
zu d. Abenteuern u. Schwänken R. Banmbachs. Vortr. Referat: ASNS. 92, S. 1702; 93, S. 151. — 33) A. F. Dörfler, Rumänisches
(1)20*
I 11 : 34-45 J. Bolte. Stoffgeschichte.
stimmt mit dem deutschen Gedichte überein; in der zweiten legt der Kaiser einem groben
Wirte drei teilweise abweichende Fragen vor, die ein armer Tagelöhner für ihn be-
antwortet. —
Für ein verbreitetes Scherzgespräch zwischen Pater und Nonne, das eine
Beichte parodiert, für den Pater Guardian, erhalten wir von E n g 1 e r t 34) eine
Reihe von Varianten, die in neuerer Zeit in Deutschland, Frankreich und England
aufgezeichnet sind. —
Erich Schmidt35) legt aus Reinhold Köhlers Nachlass eine sehr reich-
haltige Sammlung von Stellen vor, in denen der aus dem Puppenspiele von Dr. Faust
jedem geläufige Vergleich der höchsten Schnelligkeit mit dem menschlichen
Gedanken erscheint und meist den Gipfel einer dreifachen Steigerung bildet. So
lautet im finnischen Märchen die Stufenfolge: Vogel, Wind, Gedanke; im schwedischen
Ross, Vogel, Gedanke; anderwärts erscheinen der Pfeil, der Blitz, der Sonnenstrahl
als Vorstufen; in der rumänischen Volkspoesie findet sich sogar die Gradation: schnell
wie der Wind, der Gedanke, die Sehnsucht, der Fluch, oder endlich schneller als
das Glück vergeht. —
Dramatische Stoffe. Wiederum sind verschiedene Quellenunter-
suchungen36"37) zu den Bühnendichtungen Shakespeares und seiner Zeitgenossen zu
verzeichnen. Frank el38-39) (JBL. 1893 I 10:38) setzt seine stoffvergleichenden
Sammlungen zu Romeo und Julia fort; er trägt fleissig nach, was ihm an weiteren
Bearbeitungen der Hauptfabel seither zu Gesicht gekommen; namentlich bespricht er
das um 1500 gedruckte italienische Gedicht „Ipolito Buondelmonti e Dianora de' Bardi",
in dem die Liebenden glücklich vereint werden, und er druckt eine niederländische und
eine englische Uebertragung von Guyons kurzem Bericht aus Joh. van Nyenborghs
Weeckwerken fl657) und aus dem Archaioplutos (1613) sowie eine Stelle aus Conlins
Narrnwelt C1706) ab. In einem anderen Artikel verteidigt er den Dichter gegen
mancherlei Vorwürfe und verweist auf mehr oder weniger ähnliche Stoffe wie den
Callimachus der Hroswitha, Bandellos Novelle von Edward III. und der Gräfin von
Salisbury, Garters Bearbeitung des Brookeschen Gedichtes, Titzs Grabesheirat, die
schottische Ballade vom lustigen Habicht, die im Sommemachtstraume verwertete
Pyramusfabel oder die verwandten Situationen und Charaktere in den „beiden Vero-
nesern". Doch mangelt es der hin- und herspringenden Darstellung an der rechten
Scheidung von Wichtigem und Nebensächlichem, wozu ich auch die Mehrzahl der
Citate rechne, und somit auch an klaren und greifbaren Resultaten. — Aehnlich be-
urteilt Brandl40) Fränkels Buch „Shakespeare und das Tagelied" (JBL. 1893
1 10 : 38), das ja als ein Teil derselben Untersuchungen entstanden ist, indem er ihm
in seiner Kritik (der eingehendsten, die seither erschienen ist) die Nutzlosigkeit
„chaotischer Gelehrsamkeit, verwirrender Citierwut und plan- und zweckarmer Stoff-
anhäufung" vorhält. —
Varnhagen41) teilt aus einer um 1400 entstandenen Erlanger Hs. ein
lateinisches Predigtmärlein mit, das als Vorstufe des Shakespeareschen Titus
Andronicus Beachtung verdient. Ein geblendeter Räuber rächt sich an dem allzu
vertrauensseligen Ritter, indem er seine Frau und Kinder ermordet und sich mit dem
jüngsten Sohne vor den Augen des Vaters vom Thurme herabstürzt. —
Für die in Shakespeares „Mass für Mass" behandelte Geschichte von der
Frau, die ihre Ehre für das Leben des Gatten oder Bruders preisgiebt, haben gleich-
zeitig von Osztoya42) und ein englischer Anonymus43) die älteste schriftliche Auf-
zeichnung in einem lateinischen Briefe entdeckt, den ein in Wien studierender Ungar
Namens Joseph Macarius 1547 an einen Gönner gerichtet, und den J. Illesy 1893 in
einer ungarischen Zeitschrift veröffentlicht hat. Hier wird jener Vorfall als kürzlich
in einer Stadt bei Mailand geschehen erzählt, wozu die Ortsangabe Como späterer
Berichte stimmt; der verräterische Richter wird vom kaiserlichen Statthalter zu Mai-
land, Don Fernando Gonzaga, bestraft. —
Groene44) macht darauf aufmerksam, dass Shakespeare in der „Komödie
der Irrungen" nicht bloss die plautinischen Menächmen, den Amphitruo und den
Apollonius von Tyrus ausgenutzt habe, sondern dass ihm auch für die Anfangs- und
Schlussscene, in denen der Syrakusaner Aegeon in Ephesus verhaftet, das Todesurteil
aber infolge einer Aufklärung nicht vollstreckt wird, bestimmte Vorgänge in Chaucers
Erzählung des Ritters und in Sidneys Arcadia als Vorbilder vorschwebten.45) —
zu Kaiser u. Abt: ZVLR. 7, S. 221/3. — 34) (I 5:331; s. auch I 5:330.) — 35) (I 5 : 378.) — 36) X (H4a : 24.) ![C.:RCr. 38,
S. 512/3] | -^JX^-Proescnoldt,!! Landau, Shakespeares Kaufmann v. Venedig (JBL. 1893 1 10 : 36) : JbDShakespeareGes. 29-30,
S. 310/1. — 38) L. Franke 1, Neue Beitrr. z. Gesch. d. Stoffes v. Shakespeares Romeo and Juliet: EnglStud. 19, S. 183-206.
— 39) id., Untersuchungen z. Entwicklungsgesch. d. Stoffes v. Romeo u. Julia: ZVLR. 7, 143/8.— 40) X A- Brandl:
ADA. 20, S. 227-31; Max Koch: ZVLR. 7, S. 345/7; L. Proescholdt: JbDShakespeareGes. 29-30, S. 314/5; F. S. Krause:
ZVVolksk. 4, S. 97; M. Landau: Urquell 5, S. 35/6. — 41) H. Varnhagen, Z. Vorgesch. d. Fabel v. Shakespeares
Titus Andronicus: EnglStud. 19, S. 163,4. — 42) A. H. v. Osztoya, Z. Quelle v. Shakespeares „Mass für Mass": ZVLR. 7,
S. 223/6. — 43) L. L. K., Ueber d. Stoff zu „Measure for Measure": JbDShakespeareGes. 29-30, S. 292/6. — 44) J. Groene,
2 neu entdeckte Quellen zu Shakespeares Komödie d. Irrungen: ib. S. 281/7. — 45) X (1114:7.) |[L. Pr oesohol dt:
J. Holte, Stoffgeschichte. I 11: «NM
Ein anonymes englisches Drama „Niemand und Jemand" vom J. 1606,
das Tieck für den nie erschienenen dritten Band seiner „Vorschule Shakespeares"
verdeutscht hatte, untersucht Bolte46) bei Gelegenheit des Abdruckes dieser Tieckschen
Uebersetzung auf seine Quellen. Interessanter als die Geschichte des sagenhaften eng-
lischen Königs Elidure ist das darin eingeflochtene Zwischenspiel, das die Verfolgung
des ehrlichen Niemand durch den Schurken Jemand darstellt. Die Figur des Niemand
(Nobody), die von den Schauspielern als ein Mann ohne Rumpf (Body) mit einem
Paar ungeheurer, am Halse beginnender, Hosen dargestellt wurde, ist zusammen-
gewachsen aus der um 1290 von Radulfus von Anjou aus Bibelstellen zusammen-
geflickten lateinischen Legende des heiligen Nemo und einem (hier zum ersten Male
edierten) deutschen Poem des um 1500" dichtenden Strassburger Barbiers Jörg Schan,
das den armen Niemand als den unschuldigen Sündenbock für die Uebelthaten nach-
lässiger Dienstboten schildert und samt der vom Vf. beigegebenen bildlichen Dar-
stellung des Niemand in Deutschland, Holland und England Verbreitung- fand.
Besprochen werden auch die beiden älteren Verdeutschungen des englischen Schau-
spieles durch die englischen Komödianten (1620) und durch A. von Arnim (1813), sowie
die niederländischen Bearbeitungen von Isaak Vos (1645) und von Joh. Nomsz (1768). —
Die in Kyds „Spanischer Tragödie" dramatisierte Fabel weist Worp47)
in Everaert Sycerams niederländischer uebersetzung von Ariosts rasendem Roland
(Antwerpen 1615) nach; und zwar hat der Niederländer die englische Tragödie selber
vor Augen gehabt und stellenweise wörtlich übertragen. —
Sorgsam und anschaulich, aber ohne gerade neue Ergebnisse zu gewinnen,
vergleicht Kiesow48) in seiner Doktorarbeit die aus Bandellos Erzählung von der
Herzogin von Amalfi und ihrem Hausmeister Antonio erwachsenen novellistischen
und dramatischen Bearbeitungen. Direkt auf Bandello beruht das spanische Stück
des Lope de Vega, während Websters etwa zehn Jahre später entstandene Tragödie
aus Painters „Palace of Pleasure" geschöpft ist, der ebenso wie Goularts kurze Er-
zählung auf die 1559 erschienene, mit vielen Reden und mythologischen Beispielen
ausgeschmückte Erweiterung des Franzosen Belieferest zurückgeht, lieber den öfter
behaupteten Einfluss Shakespeares auf Webster urteilt der Vf. sehr nüchtern und
zurückhaltend; auch lehnt er mit Recht ab, aus den wenigen Gemeinsamkeiten, die
Webster und Lope gegenüber ihren Quellen aufweisen, auf eine Benutzung Lopes durch
den englischen Dichter zu schliessen, dessen Werk durch den einheitlichen Grund-
gedanken und künstlerischen Wert das spanische überragt. —
In ähnlicher WTeise, doch weniger bedachtsam und ausführlich geht Bahlsen49),
der schon früher (JBL. 1893 I 10:40) die bei den englischen Dramatikern des 17. Jh.
erkennbaren spanischen Einflüsse behandelt hatte, auf die spanische Quelle von
Fletchers Lustspiel „Rule a wife and have a wife" und ihre litterarische Sippschaft
ein. Während nämlich die Haupthandlung bei Fletcher, die Zähmung eines herrsch-
süchtigen Weibes, das Vorbild von Shakespeares „bezähmter Widerspenstigen" keinen
Augenblick verleugnet, ist der andere Teil des englischen Stückes, der sich mit dem
Ehepaare Perez und Estefania beschäftigt, aus der 1613 gedruckten Novelle des
Cervantes „Die trügerische Heirat" entlehnt. Kurz beleuchtet B. noch einige aus-
ländische Nachahmungen Fletchers, namentlich Holbergs „Heinrich und Pernille" und
Schröders „Stille Wasser sind tief", während er für Gherardis Posse „Les Chinois"
und Tobins „Honey Moon" einen direkten Zusammenhang mit jenem ablehnt. —
Zu Anschütz früher (JBL. 1893 I 10 : 42) von uns angeführter Arbeit über
die Verbreitung der Boccaccioschen Novelle vom Falken des verarmten Liebhabers
trägt Ullrich50) einige weitere deutsche und dänische Fassungen in erzählender und
dramatischer Form nach. —
Verschiedenes. Als einen nützlichen Beitrag zu der ziemlich vernach-
lässigten Geschichte der burlesken Litteratur möchteich auf ein Büchlein Toi dos51)
kurz hinweisen, obwohl es unser Gebiet nicht direkt berührt. Der junge italienische
Gelehrte stellt darin, um Morillots Werk zu ergänzen, die Beeinflussung der burlesken
Werke Scarrons durch italienische Vorbilder fest, indem er nach einem Blicke auf
die litterarischen Beziehungen zwischen Frankreich und Italien die bei Scarron wieder-
klingenden Stellen aus Amelonghis komischem Heldengedicht „Gigantea", aus Lallis
Travestie der Aeneis und aus Boccalinis Berichten vom Parnass hervorhebt. — Mit
Uebergehung einiger uns unzugänglich gebliebener Bücher52-54) über das Reiter-
AngliaB. 4, S. 131,3.] | — 46) J. Bolte, Niemand u. Jemand. E. engl. Drama aus Shakespeares Zeit, übers, v. L. Tieck:
JbDShakespeareGes. 29-30, S. 4-91. — 47) .T. A. Worp, D. Fabel d. „Spanish Tragedy« in e. niederländ. Uebersetz. d. Orlando
furioso: ib. S. 183-91. — 48) K. Kiesow, D. verschied. Bearbeitungen d. Novelle v. d. Herzogin v. Amalfi d. Bandello in d.
Litteraturen d. 16. u. 17. Jh. Diss. Leipzig. 29 S. (Vollständig in: Anglia 17, S. 199-258.) — 49) L. Bahlsen, E.Komödie
Fletchers, ihre span. Quelle u. d. Schicksale jenes Cervantesschen NovellenstofFes in d. Weltlitt. Progr. B. (Gaertner). 4°.
27 S. — 50) H. Ullrich: ZVLR. 7, S. 480/1; Rieh. Schröder: DLZ. S. 237 8. — 51) P. Toldo, Ce que Scarron doit
aux auteurs burlesques d'Italie. Pavie, Fusi freres. 1893. 38 S. — 52) O V. v. F ritsch, Keiterleben in Lied u. Bild.
München, Bruckmann. 4°. X,86S. Mit 111. M. 20,00. j[N&S. 68, S. 135.]| —53) O XXH- Treuheit, D.Wein in Prosa u. Poesie.
Weines Wahrheit. Nürnberg, Raw. 12°. 79 S. M. 1,00. — 54) O X X G- Morel n. Vogel v. Glarus, D Glocke im Lichte
I 11:55-56 1 12-.1-4 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
leben, den Wein, die Glocke in der deutschen Dichtung", die wohl nur als Material-
sammlungen in Betracht kommen, sei noch zur Ergänzung unseres vorjährigen Berichtes
daran erinnert, dass, zufolge einer Besprechung von Barewicz55), die polnische Studie
von Matuszevvski (JBL. 1893 I 10:44) über den Teufel in der Poesie ein Bild aller
Entwicklungsstufen entrollt, die diese Gestalt in der accadischen, ägyptischen, indischen
und persischen Litteratur und namentlich bei den christlichen Völkern durchgemacht
hat. Die Reformation machte den Teufel zu einem mächtigen Herrscher auf Erden,
wie eine Zusammenstellung der protestantischen Teufelsfigur in Marlowes Faust mit
der katholischen Auffassung bei Calderon, Tasso, Dante, Machiavelli lehrt. Protestan-
tische Dichter wie Milton, Goethe und Byron vertieften den Charakter am meisten.
In der polnischen Litteratur haben nur Krasinski und Zmorski dem gefallenen Engel
originelle Züge verliehen, während die Volkssage von Twardowski keine der Faust-
sage analoge Entwicklung- erfahren hat.56) —
1,12
Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
Karl Kehrbach.
Allgemeines: Uebersichten und Bibliographie N. 1. — Geschichte der Paedugogik N. 4. — Methodik einzelner
Unterrichtsfächer: Religion N. 6; Latein N. 7. — Einzelne Persönlichkeiten: Reformationszeit N. 8. — Comenius N. 15.
— H.Tolle N. 24. — Jak. und Chrn. Thomasius N. 25. — A. H. Francke N. 28. — Lüneburger Schreib- und Rechenmeister N. 29. —
Lessing N. 30. — Chrn. 6. Salzmann H..SI. — Pestalozzi und Pestalozzianer N. 35. — F. E. von Rochow N. 40. — Philanthropinisten : E. Ch.
Trapp, P. Villaume, J. Stuve N. 43. — K. Chrn. F. Krause, F. W. Sturz, B. Chr. L. Natorp N. 46. — Herbart N. 49. — F. Th. Thiersch, F. W. K.
Sucro, K.F. SüpfleN. 50. — A. von Seid N. 53. — F. Molmann N. 54. — Schulmänner des 19. Jh.: Baden N. 55; Oesterreich N.67: Preussen
N. 74; Sachsen N. 91; Württemberg N. 94; russische Ostseeprovinzen N. 95. — Universitäten: Allgemeines N. 97. — Berlin N. 99;
Bonn N. 100 ; Dillingen N. 101 ; Erfurt N. 108; Greifswald N. 103 ; Halle N. 104 ; Königsberg N. 134 ; Leipzig N. 144 ; Prag N. 147 ; Rostock
N. 148; Salzburg N. 149; Tübingen N. 150. — Disputationen N. 153. — Akademische Stifte und Seminare N. 156. — Studententum
N. 158. — Schulwesen: Allgemeines N. 172. — Gymnasien und Lateinschulen: Baden N.174; Bayern N. 175; Braunschweig
N. 178; Oldenburg N. 179; Preussen: Brandenburg N. 180, Hannover N. 185, Hessen-Nassiu N. 187, Pommern N. 190, Posen
N. 195, Provinz Sachsen N. 196. Schlesien N. 200, Schleswig-Holstein N. 203, Rheinprovinz und Westfalen N. 204; Königreich
Sachsen N. 208; Oesterreich N. 210. — Realschulwesen: Herders Forderungen N. 214; Baden N. 215; Braunschweig N. 216;
Hannover N. 217; Hessen N. 218: Preussen: Brandenburg N. 220, Hessen-Nassau N. 221, Rheinlande N. 223; Oesterreich N. 224.
— Lehrerbildungswesen: Seminar N. 225; Normalschule N. 226; Lehrerkonferenzen N. 227. — Volksschulwesen: Baden N. 223 ;
Bayern N. 229; Ostpreussen N. 230; Rheinland und Westfalen N. 231; Provinz Sachsen N. 234; Königreich Sachsen N. 236;
Württemberg N. 238; Oesterreich N. 239; Schweiz N. 240. — Mädchen- und Frauenbildung N. 241. — Verschiedenes:
Schulkomödie N. 242. — Kavaliermässige Erziehung N. 243. — Ordenserziehung N. 244. — Weihnachtssingen der Dorfschullehrer
N. 245. — Volksschullehrerverein N. 246. —
Allgemeines. Ehe wir in die Besprechung der Einzelheiten eintreten, sei
auf ein Werk hingewiesen, in dem alljährlich über die innerhalb eines Jahres er-
schienenen Veröffentlichungen zur Schulgeschichte in grossen Uebersichten be-
richtet wird: auf die von Rethwisch1) herausgegebenen Jahresberichte über
das höhere Schulwesen. Für diese Jahresberichte hat Bender2) die Bearbeitung der
ersten Abteilung „Schulgeschichte'1 übernommen und die Aufgabe gelöst, indem er
den Stoff in vier Abteilungen gliedert: Werke allgemeineren Inhalts, Anstaltsgeschichte,
Schulmänner, Schriften zur Erziehungslehre. — Wie ehedem im Plane der MGP. für
die innerhalb des Rahmens dieses Unternehmens erscheinenden Veröffentlichungen
der Bibliographie ein grösserer Wert, als es sonst bei ähnlichen Veröffentlichungen
der Fall war, beigemessen wurde, so hat auch die Gesellschaft für deutsche Erziehungs-
und Schulgeschichte, die das Erbe der in jenem Plane niedergelegten Bestrebungen
angetreten hat, diese Berücksichtigung des Bibliographischen zu ihrer Aufgabe ge-
macht und begonnen, in ihren Mitteilungen Verzeichnisse der historisch-pädagogischen
Litteratur der einzelnen Jahre anzulegen3). —
Geschichte der Pädagogik. Von dem dreiteiligen Lehrbuche der Pädagogik,
das Ost ermann und Wegener4) verfasst haben, kommt für uns nur der erste Teil, die
Geschichte des christlichen Erziehungswesens, in Betracht. Abweichend von anderen
für den Unterricht in Lehrerseminaren bestimmten Geschichts werken der Pädagogik, in
denen die Erziehungsgeschichte des Orients, Griechenlands und Roms mitbehandelt wird,
beschränken sich die Vf. auf die Darstellung des christlich-deutschen Erziehungs-
wesens. Die Form der Darstellung ist überwiegend die biographische, die wohl auch
d. dtsch. Dichtung. 2. Aufl. Glarus, Vogel. 237 S. M. 2,00. — 55) W. Barewicz: Euph. 1, S. 418/9. — 56) O X
F. Wernicke, Weihnachtspoesien: All Deutschland N. 12. —
1) K. Rethwisch, JB. über d. höh. Schulwesen. 7. Jahrg. (1393.) B., Gaertner. VIII, 744 S. M. 14,00. -
2) M. Bender, Schulgesch. (= N. 1, S. 1-23.) — 3) Yerzeichn. d. im J. 1892 erschien. Veröffentlichungen z. dtsch. Er-
ziehungs- u. Schulgesch.: MGESchG. 4, S. 207/8, 234/8. - 4) W. Ostermann u. L. Wegener, Lehrbuch d. Päd. 1. Bd.
tC. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. I 12-.5-i4
als die geeignetste für den Seminarunterricht angesehen werden muss. Doch ist auch
dem pragmatischen Zusammenhange der Geschichte Rechnung getragen. Durch die
beigefügten Literaturnachweise, die allerdings in einer Reihe von Fällen noch er-
gänzt werden könnten, ohne dadurch dem Charakter des Buches Eintrag zu thun,
sind Fingerzeige für weiteres Studium auf diesem Gebiete gegeben. —
Methodik einzelner Unterrichtsfächer. Unter den methodischen
Fragen des Religionsunterrichts der letzten J. steht die Schulbibelfrage mit im
Vordergrunde. Wie bei vielen Erörterungen über die Methodik des Unterrichts,
zeigt sich auch hier, wie gering die Kenntnisse über die historische Entwicklung
dieser Frage, die wohl die meisten für eine Frage der letzten Jahrzehnte halten, sind,
und wie mangelhaft auch hier in den einzelnen methodischen Veranstaltungen ihre
Kontinuität ist. Seit 150 J. ist eine Reihe von Versuchen gemacht worden, die Schul-
bibelfrage zu lösen. Diese Versuche hat Friedrich Dix in seiner Geschichte der
Schulbibel (Gotha, Behrend; 1892) zur Darstellung gebracht. Einen kurzen Aus-
zug aus diesem Buche veröffentlichen die MGESchG.5). — Dasselbe Thema
hat auch Bergemann6) behandelt, der nach ausführlicher Abwägung des Für und
Wider zu dem Resultate kommt, dass eine Schulbibel thatsächlich ein Bedürfnis sei,
vor allem für die Volksschule. —
Zur Geschichte der Methodik des lateinischen Unterrichts an der Kirch-
spielschule zu St. Marien in Rostock im Anfange des 16. Jh. bringt Hofmeister7)
durch seine geschichtliche Nachricht, die einem Ms. des Magisters Hildebrand Dorgelo
entnommen ist, einen Beitrag'. Das aus dem J. 1502 stammende Ms. enthält die für
den Schulunterricht zubereiteten drei ersten Komödien des Terenz: Andria, Eunuchus
und Heautontimorumenos. Aus den dem Texte eingefügten oder an den Rand ge-
schriebenen Bemerkungen geht hervor, dass im Vordergrunde der Interpretation die
reine Sacherklärung durch Synonyma oder Umschreibungen steht, dass Parallelstellen
aus Horaz, Vergil, Cato, Boethius usw. angezogen, Realien aber nur selten berührt
werden, und dass die interpretatio durch läica lingua, also niederdeutsch, erfolgte. —
Einzelne Persönlichkeiten: Reformationszeit. Einem ver-
dienstvollen Schulmanne, einem Schüler des Murmellius, einem Freunde der
Wittenberger Reformatoren, dem Rektor der Lüneburger Johannesschule, Hermann
Tulichius (1486—1540), hat Koldewey8) ein Denkmal errichtet. Die von Tulichius
im Verein mit Rhegius für die Lüneburger Schule aufgestellten Schulgesetze sind
als Leges Tulichianae lange Zeit in Erinnerung geblieben. Seine bereits 1525
in Eisleben mit Agricola verfasste Schulordnung kann als ein Vorläufer des kur-
sächsischen Schulplanes angesehen werden. — Die wechselvollen Schicksale eines
Schulmannes, der ebenfalls den Reformatorenkreisen in Wittenberg nahe stand, des
Sigmund Suevus (Schwabe 1526 — 96), hat Erdmann9) dargestellt. Von Haus aus
Theologe, später Lehrer in den Gymnasialfächern in Reval, Lauban, Thorn, Breslau,
verdient Schwabe auch in der Geschichte der Methodik des Rechenunterrichts ge-
nannt zu werden. Hat er doch ein Werk über die löbliche Rechenkunst verfasst, in
dem eine Reihe von Rechenaufgaben gestellt sind, die an die biblische Geschichte
anknüpfen. Unvergessen seien auch seine Verdienste um die zum Besten der Kirche
und Schule von ihm begründete Laubaner Bibliothek. — Ueber den ersten Rektor
des von Bugenhagen am 24. Mai 1529 in den Räumen des Johannisklosters in
Hamburg eröffneten Johanneums, den Magister Theophilus (Frydag scheint sein
Familienname gewesen zu sein), berichtet Bert he au10). — Durch Kr aus s11) werden
wir mit dem Leben des Michael Tiffernus (1488 — 1555) bekannt gemacht, eines Mannes,
der in Wien studierte, dort Mitglied der Bursa animi war und bald als Erzieher edler
Knaben jenen Ruf erlangte, der Ursache war, dass der österreichische Hof auf ihn
aufmerksam wurde und ihn zum Präceptor des Prinzen Christoph, nachmaligen
Herzogs von Württemberg, bestellte. Dass seine Einwirkung auf diesen Fürsten von
Erfolg war, bezeugen die sich später entwickelnden Freundschaftsbeziehungen zwischen
Präceptor und Zögling. — Den Lebensgang Jakob Sturms (1489—1553), des Spröss-
lings einer hochangesehenen Strassburger Patricierfamilie, der als Staatsmann die
Macht und das Ansehen Strassburgs gehoben hatte, hat Winkelmann12) be-
schrieben. Hier sei nur seiner Verdienste um den Humanismus und die Reformation
— er war ein Freund WTimpfelings, Sleidans, des Landgrafen Philipp von Hessen —
und vor allem um die Begründung des späterhin so berühmten Strassburger
Gymnasiums gedacht. — Ueber dessen ersten Rektor, den berühmten Johann Sturm
(1507—89), veröffentlicht Ziegler13) ausführliche, auf sorgfältigen Studien be-
6. Aufl. Oldenburg, Schulze. VIII, 243 S. M. 3,00. — 5) Z. Gesch. d. Schulbibel: MGESchG. 4, S. 2056. — 6) P- Berge-
mann, Z. Schulbibelfrage. E. hist.-krit. Untersuch. (= Päd. Mag. N. 37.) Langensalza, Beyer & Söhne. 1893. 44 S.
M. 0,50. (Vgl. auch U 6:75/7.) - 7) Ad. Hofmeister, Z. Gesch. d. Kirchspielschule zu St. Marieu: BGRostock. 4, S. 77-82.
— 8) F. Koldewey, H. Tulichius: ADB. 33, S. 777-81. — 9) Chr. Fr. D. Erdmann, Signi. Suevus (Schwabe): ib. 37,
S. 129-35. — 10) C. Bertheau, Magister Theophilus: ib. S. 722,4. — 11) R. Krauss, Mich. Tiffernus: ib. 33, S. 293 ,5. -
12) (II 1:69; 6:239.) - 13) (II 5:36; 6:240.) — 14) R. Kade, D. Kantor Chrph. Demant in Zittau: NLausitzMag. 70,
I 12:15-26 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehuugswesens.
ruhende Nachrichten. Trotz der über Joh. Sturm und die Strassburger Schule be-
reits vorhandenen Monographien muss Z.s Arbeit als eine Darstellung", in der auf
bescheidenem Räume klar und übersichtlich alles Bemerkenswerte hervorgehoben ist,
begrüsst werden. Für die Ausgabe eines Sonderdrucks würden sicher Viele Z.
dankbar sein. — lieber Chrph. Demant, einen sächsischen Schulmann, der von
1597 — 1604 in Zittau, später in Freiberg thätig war und der auch als Komponist und
Kantor grossen Ruf genoss, über den aber — was Kaemmel (NLausMag. 49,
S. 295) bedauernd hervorhebt — trotzdem nähere Nachrichten fehlen, hat jetzt der
verdiente Musikhistoriker Kade14) einige Mitteilungen gebracht. —
Reber15), der im vorigen Jahre die Sittenvorschriften des Comenius für
die Schule zu Saros Patak (JBL. 1893 I 6:31) ediert hatte, fügt seinen Comenius-
arbeiten eine Ausgabe der Regulae vitae hinzu, die Comenius während seiner
Elbinger Thätigkeit (1643) für seinen damaligen Zögling Kochlewski geschrieben
hatte. Der Ausgabe sind eine Uebersetzung ins Deutsche und Mitteilungen über
den Aufenthalt des Comenius in Elbing beigegeben. — Während Uebersetzungen
der Magna didactica des Comenius in den verschiedenen deutschen Ausgaben der
pädagogischen Werke des Comenius vorhanden sind, war eine neue Separatausgabe
des Werkes in der Originalsprache noch nicht vorhanden. Eine solche handliche
und billige Ausgabe hat jetzt Hultgren16) veröffentlicht und mit Anm. versehen. —
Reinhardt17) zieht eine Parallele zwischen der Schulordnung in der Unterrichts-
lehre des Comenius und den Frankfurter Lehrplänen. Die Frage, ob Latein in Sexta
zu beginnen habe oder erst in Tertia, sei keineswegs eine moderne; vielmehr
stimmten bereits die Ansichten des Comenius mit jenem Lehrplane überein, der
in Deutschland zuerst in Altona eingeführt worden sei und jetzt an mehreren höheren
Schulen in Frankfurt a. M. die Probe zu bestehen habe. — Nebe18), der verdienst-
volle Comeniusforscher, hat einen neuen Beitrag zur Geschichte der Geistesentwicklung
des Comenius veröffentlicht, worin er über des Comenius Studienzeit in Herborn
Mitteilungen giebt, die auf teilweise neuen Funden beruhen. — Ein Verzeichnis der
in der neueren Zeit entstandenen Comeniuslitteratur hat Mämpel19) zusammen-
gestellt. — Zum vorigen JB. sei die Festpredigt, die Borgius20) zur Comeniusfeier
im J. 1892 gehalten hat, nachgetragen.21) — Hier sei sogleich Johann Heinrich Stuss
(1686 — 1775), der die Lehrbücher des Comenius empfahl, angeführt. Schumann22-23),
der die Entwicklung seines Lebens darbietet, hebt hervor, dass Stuss bereits im
J. 1734 für die Schule eine Sammlung auserlesener Gedichte herausgab, nachdem er
einige Jahre vorher eine Sammlung „teutscher Reden" zum Dienste der studierenden
Jugend veröffentlicht hatte. Sein Interesse für die deutsche Sprache und Litteratur
zeigt sich auch durch seinen Hinweis auf die Bedeutung des Ulfilas, von dessen
gotischer Bibelübersetzung er eine neue Ausgabe forderte. Klopstocks Messiade hat
er freudig begrüsst und 1751 in einem lateinischen Programme lobend hervorgehoben,
auch später das Gedicht gegen die heftigen Angriffe Gottscheds in drei Commentationes
tapfer und glücklich verteidigt. Diese Liebe zur deutschen Litteratur rühmt Seh.
auch an dem Sohne des Genannten, an Just. Chrn. Stuss, der, obwohl Theologe, in
Göttingen Mitglied des philologischen Seminars und der von Gessner gegründeten
deutschen Gesellschaft war. In den J. 1755 — 56 edierte er eine Anthologie unter dem
Titel „Muster und Proben der Teutschen Dichtkunst in den mehrsten Arten der
Poesie.". Erwähnt sei auch sein historisch - pädagogischer Aufsatz „Erneuertes An-
denken der Erziehungs- und Schulanstalten Herzog Ernst des Frommen von Gotha"
(Hannov. Mag. 1776, Stück 61/4). —
Ueber Heinrich Tolle (1629 — 79), einen Schulmann und Dramatiker, der
21 Jahre lang das Göttinger Gymnasium leitete, unterrichtet uns Roethe24). Zu
den Dramatikern wird dieser* Schulmann gerechnet wegen der von ihm für die
Schüler gedichteten Schäferspiele, die bei den öffentlichen Aktus neben lateinischen
Darstellungen aus Ciceros Leben aufgeführt wurden und in der Form der Allegorie
gewisse Lehrsätze entwickelten, wobei auch der niederdeutschen Sprache der Ein-
gang gestattet wurde. —
Mit den beiden Thomasius, Jakob und seinem berühmteren Sohne Christian,
haben sich zwei Forscher beschäftigt. Sachse25-26) schildert die Wirksamkeit des
Jakob Thomasius als Rektors der Thomasschule in Leipzig, und zwar auf Grund
S. 253-61. — 15) J- Reber, D. Arnos Comenius Lebensregeln (Regulae vitae). Aschaffenburg, Wailandtsche Druck. (L., Fock.)
45 S. M. 0,80. — 16) F. K. Hultgren, J. A. Comenii Magna didactica. Ex editione Amstelodaroensi a. 1657 omnes libros
didacticos complectente nunc priraum separatim ed. L., Siegisraund & Volkening. 255 S. M. 5,00. — 17) K. Reinhardt,
D. Schulordnung in Comenius Unterrichtslehre u. d. Frankfurter Lehrpläne: MhComeniusG. 3, S. 16-30. — 18) A. Nebe,
Comenius Studienzeit in Herborn: ib. S. 78-95. — 19) K. Mämpel, Neue Comeniuslitt. : DB11EU". 21, S. 25/6. - 20) E.
Borgius, Festpredigt •/.. Comeniusfeior am 28. März 1S92. Progr. Lissa. 1893. 4°. 6 S. — 21) X K. Pro eil, E. slav.
Weltbürger als Bahnbrecher dtsch. Geistesfreihoit (Comenius): Kai. aller Deutschen S. 71/5. — 22) A. Schumann, Joh.
Heinr. Stuss: ADB. 37, S. 68-70. - 23) id., Just Chrn. Stuss: ib. S. 70/1. ■- 24) G. Roethe, Heinr. Tolle: ib. 33, S. 4212.
— 25) R. Sachse, Jak. Thomasius, Rektor d. Thonrisschnle. Progr. L., A. Edelmann. 4". 24 S. — 26) (III 5:50.) —
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. I 12 •. 27-.1)
von dessen eigenen Aufzeichnungen. Einleitend behandelt er auch die frühere Ge-
schichte der Familie, wofür ihm einige Programm ata funebria, die mit Recht als
gute Quellen für die Gelehrtengeschichte anzusehen sind, gedient haben. Die Haupt-
ausbeute gaben aber die Acta Thomana, die Thomasius als Rektor der Thomasschule
in den J. 1676—84 abgefasst hat. Diese — Fragmente — hat S. erg-änzt durch
die Acta des Nicolaigymnasiums, dessen Rektor Thomasius vorher gewesen war und
das er nach denselben Grundsätzen organisiert hatte wie das Thomasgymnasium.
Die Lektüre der lateinischen klassischen Schriftsteller wollte er beschränkt und da-
für die neueren Latinisten christlicher Richtung vorgezogen wissen. Ebenso bevorzugte
er statt der griechischen Klassiker das Neue Testament. Der Leipziger Rat, dem
beide Gymnasien unterstellt waren, stimmte übrigens diesen Bestrebungen des Jakob
Thomasius zu. — Bei Christian Thomasius, mit dem sich die Abhandlung- von
Rausch27) beschäftigt, hat man bisher merkwürdiger Weise immer nur seiner
Bestrebungen um die Reform des Unterrichtsbetriebes auf den Universitäten, seines
Eintretens für die Verwendung der deutschen Sprache im akademischen Vortrage
gedacht und dabei ganz übersehen, dass er auch für die Reform des höheren Schul-
wesens thätig gewesen ist und an der Erörterung der pädagogischen Fragen seines
Zeitalters lebhaften Anteil genommen hat. Schon als Doctor privatus in Leipzig hat
er betont, dass, um das akademische Studium zu heben, das höhere Schul-
wesen verbessert werden müsse. R. weist hier auf die in den Geschichten der
Pädagogik bisher unerwähnt gebliebenen, im J. 1688 erschienenen „Gedanken über
allerhand lustige und nützliche Bücher" hin. Besonders hat Thomasius den Jenaer
Professor Erhard Weigel, der gegenüber der einseitigen Bevorzugung der Grammatik
den vernachlässigten Realien zu ihrem Rechte verhelfen wollte, die deutsche Sprache
beim Unterricht verwendete und eine Anstalt gründete, in der seine Reformen durch-
geführt wurden, als pädagogischen Reformer hochgeehrt. Dass Thomasius auch die
Anstalt Weigels besucht und sein günstiges Urteil darüber im Decemberhefte seiner
,, Monatsgespräche" von 1689 veröffentlicht hat, dürfte wohl erst jetzt durch R. zur
öffentlichen Kenntnis gebracht worden sein. Leider hat R. diesen Besuch, der nach
dem Titel der Abhandlung den Hauptinhalt bilden müsste, in der Oekonomie seiner
Schrift nur mit wenigen Sätzen abgefunden. —
Zum ersten Male ist August Hermann Franckes Grosser Aufsatz, der
schon in mehreren Francke betreffenden Schriften erwähnt worden war, durch
Fries28) herausgegeben worden, der sich dadurch ein Verdienst um die Geschicht-
schreibung der Pädagogik im allgemeinen und der Franckeschen Stiftungen im be-
sonderen erworben und auch zur Charakteristik der Persönlichkeit Franckes einen
wichtigen Beitrag- geliefert hat. Francke beabsichtigte durch seinen Aufsatz Hilfe
und Unterstützung- für den Ausbau seines Werkes zu gewinnen. Hervorzuheben
sind Kapitel I, in welchem er über die sittliche Verderbtheit der einzelnen Stände,
vornehmlich des Lehrstandes spricht, Kapitel II, das als höchst wirksames Mittel,
der Verderbtheit zu steuern, die Gründung der Universität Halle rühmt, Kapitel V
und VI, worin Verbesserungsvorschläge und die Mittel zur Erhaltung und Er-
weiterung der Stiftungen erörtert werden. —
Ueber eine Anzahl von Schreib- und Rechenmeistern der Stadt
Lüneburg- aus der Zeit von 1547—1756 hat S ch 0 n e ck e2i)) Nachrichten dar-
geboten, die in der Hauptsache in der Wiedergabe von Bestallungsurkunden bestehen.
Neben den Lateinschulen hatten die Magistrate der Städte entweder Schreib- und
Rechenschulen selbst noch eingerichtet oder ihre Zulassung als Winkelschulen geduldet.
Eine genügende Darstellung dieses Schreib- und Rechenschulwesens wird erst
möglich sein, wenn auch für andere Städte ähnliche Veröffentlichungen herausgegeben
werden. —
Aus Lessings Schriften hat Mann 30) in einer gründlichen Abhandlung
alles das ausgezogen und verarbeitet, was Lessing-s Stellung zu Unterricht und
Erziehung charakterisiert. Sein Erziehungsideal ist die sittliche Vollkommenheit. Die
Erziehungsarbeit an dem Einzelnen gilt ihm nur als eine Teilarbeit an der Erziehung
der Gesamtheit. Solle der Mensch vollkommener werden, so müssten seine Begriffe
geklärt werden, das sei die Aufgabe des Unterrichts. Der Unterricht müsse ein
erziehender sein, er müsse den Forschungsdrang im Zöglinge hervorbringen und zwar
durch „Ehrgeiz und Neubegierde" und das Vergnügen an der Erkenntnis der Wahr-
heit. Die Auswahl der Unterrichtsstoffe habe nach psychologischen Gesichtspunkten
zu erfolgen, und es müsse eine beständige Bezug-nahme der Wissenschaften auf
einander stattfinden. Wie Herbart verlangt er zuerst das Darbieten, dann das Aus-
27) A. Bausch, Chrn. Thomasius als Gast in Erhard Weigels Schule zu Jena. E. Beitr. z. Gesch. d. Täd. im 17. Jh.
Sonderabdr. aus d. Festschr. d. Jenaer Gymn. z. 350j. Jubelfeier d. Eisenacher Gymn. am 18. Okt. Jena, Neuenhahn. 4".
11 S. — 28) W. Fries, A. H. Frankes Grosser Aufsatz. Festschr. z. 200j. Jubil. d. Unir. Halle. Halle a. S., Waisenhaus.
XII, 70 S. M. 2,00. - 29) W. Schonecke, Lnneburger Schreib- u. Bechenmeister: MGESchG. 4, S. 111-30. — 30) G.Mann,
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgcschichte. V. (1)21
I 12:31-36 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
arbeiten des begrifflichen Materials und endlich Uebung und Anwendung der
gewonnenen Ergebnisse, um diese zu einem wirklichen geistigen Besitztume des
Zöglings zu machen. M. zeigt auch, wie Lessing einzelne Unterrichtsfächer aufgefasst
und behandelt wissen will. —
Aus Veranlassung der 150. Wiederkehr des Geburtstages von Chrn. G. Salz-
mann, dem Patriarchen unter den Philanthropen, ist eine Anzahl von Schriften und Auf-
sätzen erschienen. Von Werken Salzmanns haben Schreck31), der früher bereits das
,, Ameisenbüchlein" in einem Neudruck herausgegeben hat, und Wimmers32) jetzt
jenes Werk neu gedruckt, das nach dem Titel der 3. und 4. Auflage Krebsbüchlein
genannt wurde, in der 1. und 2. Auflage aber unter dem Titel „Anweisung zu
einer zwar nicht vernünftigen, doch modischen Erziehung der Kinder" weithin sich
Eingang zu verschaffen gewusst hatte. Beide haben ihrer Ausgabe den Text der
Ausgabe letzter Hand zu Grunde gelegt, ohne die Varianten der vorhergehenden
Ausgaben zu verzeichnen. W. hat, da er mit seinem Buche den Zweck verbindet,
jenes Werk Salzmanns der reiferen Jugend und dem häuslichen Kreise zugänglich
zu machen, dabei noch eine Anzahl von „Mitteln und Erzählungen", die entweder
irgend wie anstössig sein konnten oder weniger anziehend sind, weggelassen und
ausserdem seiner Ausgabe eine Lebensgeschichte Salzmanns vorausgeschickt. — Von
den zahlreichen in Zeitschriften und Zeitungen sowie in Programmen veröffentlichten
Aufsätzen über Salzmann sind mir leider nur wenige zugegangen, und ich selbst war
nicht in der Lage, im J. 1894 eine Sammlung des gesamten Materials oder doch des
grössten Teiles davon zu veranstalten; ich kann hier also nur die Arbeiten berück-
sichtigen, die mir von der Redaktion zur Verfügung gestellt worden sind. Es
sei nun zunächst auf Breyers33) Aufsatz hingewiesen, der nach einer im
Verhältnis zum Umfange der Arbeit etwas weit ausholenden Einleitung eine Lebens-
beschreibung Salzmanns giebt und Mitteilungen macht über Salzmanns Prinzipien der
Erziehung, über die Mittel, wie diese Prinzipien erreicht werden können, ferner
welche Eigenschaften Salzmann von einem Erzieher fordert und wie er eine Erziehungs-
anstalt eingerichtet wissen will. — Ein Werk Salzmanns, das seiner Zeit einen grossen,
nur durch die Kulturströmungen des letzten Drittels des vorigen Jh. verständlichen
Erfolg hatte, den sechsbändigen, in den J. 1783—88 in Briefform erschienenen
Roman „Karl von Karlsberg", hat G e h m 1 i c h 34) durch ein Schriftchen aus der
Verg-essenheit gezogen. Wenige, höchstens die berufsmässigen Literarhistoriker und
solche, die sich mit der Geschichte der Pädagogik beschäftigen, kennen das Werk,
von dem Gervinus berichtet, dass es durch seinen populären Stil ein „ungeheures
Publikum" gehabt, und dass der Vf., als die Bände nicht regelmässig auf einander
folgten, „flehentlich" um die Fortsetzung gebeten und mit sehr bedeutendem Honorar
ermutigt wurde, während die Xenien dem Vf. des Romans einen Platz in der Charite
anwiesen. Und doch ist dieser unendlich breite und triviale, als ein Seitenstück zum
Faustin oder Belphigor bezeichnete Roman eine Fundgrube für die Geschichte des
Erziehungs- und Unterrichtswesens im 18. Jh.; denn er schildert uns die Kleinkinder-
erziehung, den Unterrichtsbetrieb in den öffentlichen Schulen, die Verhältnisse der
Lehrer, ihre Besoldung, Schülerverhältnisse, das Hofmeisterwesen, die Beschaffenheit
der Akademien usw. in der damaligen Zeit und giebt auch Vorschläge zu ihrer Ver-
besserung, die sich meistens mit den Forderungen des Philanthropinismus decken. —
Mann35) hat von seiner Ausgabe ausgewählter Werke Pestalozzis den
vierten Band, und zwar in 4. Auflage, erscheinen lassen (JBL. 1893 I 6:51). Der
Band enthält Pestalozzis Reden an sein Haus und Pestalozzis Schwanengesang aus
dem J. 1826. Die Texte giebt der Herausgeber nach der Cottaschen Ausgabe, fügt
aber die Abweichungen von der 1. Ausgabe hinzu und erläutert das Ganze durch
Einleitungen und Anmerkungen. Durch das beigefügte alphabetische Namen- und
Sachregister hat M. den Gebrauch des Buches in dankenswerter Weise erleichtert
und dadurch seinen Verdiensten um das Pestalozzistudium ein neues hinzugefügt. —
Der verdienstvolle Herausgeber der pädagogischen Bibliothek Alb. Ric h t er36) hat
bereits die 5. Auflage seiner Ausgabe von Pestalozzis „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt"
veröffentlicht. Er giebt den Text auch nach der Cottaschen Ausgabe und gewährt —
ebenfalls wie Mann — dem Leser eine genaue Vergleichung mit den früheren Aus-
gaben, hier mit der Ausgabe von 1801. In angehängten Anmerkungen werden die
Pestalozzischen Ansichten vom Standpunkte der „heutigen pädagogischen Wissen-
Lessings Päd., dargest. auf Grund seiner Philos. Diss. Jena. 55 S. — 31) (IV 5 : 612.) — 32) Chrn. G. Salzmann, Krebs-
büchlein oder Anweis, zu e. Unvernunft. Erziehung d. Kinder. Für Schule u. Haus bearb. u. mit e. Einl. vers. v. Dr. Wirame rs.
2. Aufl. (= Samml. d. bedeutendsten päd. Schrr. aus alter u. neuer Zeit. N. 6.) Paderborn, Schöningb. 154 S. M. 1,20. —
33) E. Breyer, Chrn. G. Salzmann. Progr. Wiener Neustadt, (Verl. d. n. ö. Lehrersemin.). 29 S. — 34) E. Gehmlich,
Erzieh, u. Unterr. im 18. Jh. nr,ch Salzmanns Roman „Karl v. Karlsberg". (= Päd. Mag. N. 42.) Langensalza, Beyer & Söhne.
11, 42 S. M. 0,50. — 35) Fr. Mann, J. H. Pestalozzis ausgew. Werke. 4. Bd. 4. Aufl. (— Bibl. päd. Klass. 4. Bd.) ebda.
V, 382 S. M. 2.00. - 36) J- iL Pestalozzi, Wie Gertrud ihre Kinder lehrt. Bearb. u. mit Erlänt. vers. v. Alb. Richter,
K. Kehr b ach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. 1 12 : 37-44
schaff kritisiert. Die als Einleitung" gegebene Darstellung von Pestalozzis Lebens-
gange will R. nicht als eine eigentliche Biographie angesehen wissen; denn hierzu
gehöre Kongenialität mit der so wunderbaren, merkwürdigen, liebenswerten Natur
Pestalozzis, sowie das Verständnis für seine grossartigen Eigenschaften nicht minder
als für seine Schattenseiten. Die biographische Skizze solle nur einer schnelleren
Orientierung- über den äusseren Werdegang- Pestalozzis dienen.37) — Auch über einige
Pestalozzianer sind neue Mitteilungen erschienen. So hat Hunziker38) uns
Johann Georg Toblers (1769—1843) Leben vorgeführt. Als begeisterter Verehrer
Pestalozzis hatte dieser nach beendigtem theologischen Studium eine Schule für Mädchen
gegründet. Zu zwei verschiedenen Malen hat er an der Seite Pestalozzis in Burgdorf
gewirkt, und wenn er auch 1808 bleibend aus dem Pestalozzischen Kreise ausschied,
so ist er doch den Ideen Pestalozzis in seinem späteren Lehrerberufe und auch als
pädagogischer Schriftsteller treu geblieben. — Ho saus39) hat Tillichs (1780—1807)
Leben und Wirken ansprechend beschrieben. Schon in seiner ersten Publikation
trat Tillich mit aller Entschiedenheit für Pestalozzi ein. Seine segensreiche erzieherische
Thätigkeit in Gemeinschaft mit Olivier in Dessau hat H. besonders berücksichtigt. —
So gross die Wirksamkeit F. E. von Rocho w s im vorigen Jh. gewesen, so sehr
er auch von seinen Zeitgenossen anerkannt worden ist, und so sehr sein Name bei uns
noch mit Ehren genannt wird, so hat Gänsen40"41), der eine Ausgabe von Rocho ws
ausgewählten pädagogischen Schriften bewirkt hat, doch Recht, wenn er sagt, dass
die Mehrzahl der Werke dieses überaus fruchtbaren Schriftstellers verschollen sei.
Selbst um seine wichtigsten Schriften zusammenzubringen, hat G. grosse Mühe an-
wenden müssen. W^enn er von ihnen nur einige kleinere, eine Auswahl aus dem
Kinderfreund und den Versuch eines Schulbuchs neu herausgiebt, so kann man das
für die Zwecke, die die Sammlung der bedeutendsten pädagogischen Schriftsteller an-
strebt, nur billigen, das dargebotene Material genügt, ein abgeschlossenes und an-
schauliches Bild des Pädagogen Rochow zu geben, und das, was er gewollt und
erreicht hat, kann deutlich aus den mitgeteilten Texten erkannt werden. Als
Erläuterung hierzu ist die unter sorgfältiger Benutzung der Quellen verfasste, auch
in der KZEU. abgedruckte Biographie Rochows beigegeben, bei deren Abfassung
— woran ich aber einen Anstoss nicht nehmen kann — der katholische Standpunkt
G.s nicht ohne Einfluss geblieben ist. — Ueber das Verhältnis Rochows zum
Philanthropinismus hat Lütholz42) eine Dissertation abgefasst, in der er Rochow
nicht unrichtig den Volksmann unter den Philanthropen nennt. In den für den
Philanthropinismus charakteristischen Merkmalen stimme er mit diesem überein, und
nur die Künsteleien auf dem Gebiete der Zucht und des Unterrichts habe er ver-
mieden. Während aber die Philanthropinisten in Dessau Reformen auf dem Gebiete
des höheren Schulwesens anstrebten, habe Rochow diese Prinzipien auf die Schule
des niederen Volkes angewandt. —
Philanthropinisten. Das Leben E. Ch. Trapps (1745 — 1818), eines Mitarbeiters
Basedows und Campes, wird uns von Zimmermann43) vorgeführt. Nachdem Trapp
eine Zeit lang am Philanthropin gewirkt hatte, wurde er 1779 als Professor der
Pädagogik nach Halle berufen. Seine Thätigkeit war aber hier nicht von langer
Dauer. Infolge seines Konfliktes mit Semmler legte er bereits 1783 seine Professur
nieder, und er übernahm die von Campe bei Hamburg gegründete Erziehungsanstalt,
von wo er nach einigen Jahren auf Anregung Campes nach Braunschweig als
Professor und Mitglied des neu begründeten Schuldirektoriums berufen wurde in der
Voraussetzung, dass er vor allem zweckmässige Lehrbücher entwerfe. Als aber bereits
1790 das Direktorium aufgelösst wurde, gründete Trapp in Wolfenbüttel eine kleine
Erziehungsanstalt und schriftstellerte nebenher in der alten Weise, indem er be-
sonders als Mitarbeiter am Braunschweigischen Journal thätig war. — Die Bedeutung
eines anderen Philanthropinisten, der in engen Beziehungen zu dem Dessauer Kreise
stand, des Predigers an der französischen reformierten Gemeinde in Halberstadt,
P. Villaume, hat Funk44) ausführlich dargestellt. Seine Ansichten, die ganz im
Geiste des Basedow-Campeschen Utilitarismus und Eudämonismus wurzeln, hat V.
niedergelegt im philanthropischen Journal, in Campes Revisionswerk, im Braun-
schweiger Journal und in der Bibliothek für das gesamte Schul- und Erziehungs-
wesen. Aus allem geht hervor, dass seine Bestrebungen eng verknüpft sind mit der
Entwicklung des Dessauer Philanthropinismus. — Ueber Joh. Stuve (1752—93),
5. Aufl. (= Päd. Bibl. her. v. K. Richter. 1. Bd.) L., Siegisraund & Volkening. 210 S. M. 2,00. — 37) X H- W. Hoff-
meister, Pestalozzi. Hist. Volksschausp. aus d. 2. Hälfte d. 18. Jh. Giessen, K. Krebs. IV, 133 S. M. 1,50. — 38) J.
Hunziker, Joh. G. Tobler v. Wolfhalden: ADB. 38, S. 393/4. — 39) W. Hosäus, E. G. Albr. Tillich: ib. S. 3039. — 40)
J. Gänsen, F. Eb. v. Rochows ausgew. päd. Schriften. (= Samml. d. bedeutendsten päd. Schriften aus alter u. neuer Zeit.
N. 19.) Paderborn, Schöningh. 411 S. M. 2,40. — 41) id., F. Eb. v. Rochow: KZEU. 43, S. 97-105, 145-57. — 42) F. LQt-
holz, Ueber d. Verhältn. Rochows z. Philanthropinismus. Diss. Leipzig. 41 S. — 43) P. Zimmermann, E. Ch. Trapp:
ADB. 38, S. 4978. — 44 J G. Funk, D. Päd. P. Villanmes. E. Beitr. ■/.. Gesch. d. Philanthropinismns. Diss. Leipzig. 82 S.
(1)21*
1 12:45-53 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
einen Anhänger des Philanthropinismus, der an Campes Allgemeiner Revision und am
Braunschweigischen Journal, das von Campe in Gemeinschaft mit Trapp und Heusinger
herausgegeben wurde, fleissig mitarbeitete, unterrichtet uns Zimmermann45). Wir
erfahren dabei, dass er auch zur Hebung des Mädchenschulwesens durch seine Ab-
handlung „Ueber die Notwendigkeit der Anlage öffentlicher Töchterschulen für alle
Stände" einen kräftigen Anstoss gegeben hat. —
Während Karl Chrn. Fried r. Krause bisher in den meisten der ihm
gewidmeten Schriften nur in seiner Bedeutung für die Philosophie (s. auch IV 5 : 129 — 32)
gefeiert wurde, hat Vetter46) sich ein Verdienst erworben durch Veröffentlichung'
einer Anzahl von Abhandlungen und Einzelsätzen über Erziehung und Unterricht,
die er aus dem hs. Nachlasse Krauses herausgegeben hat. Verdienstvoll und wichtig,
auch für solche, die nicht Anhänger Krauses sind, ist ein angefügtes Verzeichnis aller
bis jetzt erschienenen philosophischen, mathematischen und geschichtlichen Schriften
Krauses. — Das Leben des sächsischen Schulmannes Fr. W i 1 h. Sturz (1762 — 1832),
der, nachdem er am Rutheneum in Gera als Professor gewirkt hatte, von 1803—23
Rektor der Fürstenschule in Grimma war, diese Schule aber freilich nicht aus ihrem
tiefen Verfall gehoben hat, schildert Koldewey *'). — Einer Anregung des Vor-
standes der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte folgend, hatte
der preussische Kultusminister Bosse in einer Verfügung den Wunsch ausgesprochen,
dass die Lehrer höherer Bildungsanstalten in Einzelschriften mehr, als es bisher
geschehen ist, Themata aus der Schul- und Erziehungsgeschichte behandeln möchten.
Dieser Anregung« verdankt das ungemein reichhaltige Werk 0. Natorps48) über
B. Chr. Ludw. Natorp (1774—1846) sein Entstehen. Es handelt sich hier nicht
nur um eine einfache Biographie des um die Kirche und Schule hochverdienten
Mannes, sondern auch um ein Zeitbild aus der Geschichte des Niederganges und der
Wiederaufrichtung Preussens in der ersten Hälfte dieses Jh. Für die Geschichte der
Bestrebungen auf dem Gebiete des Schulwesens in Brandenburg und Westfalen, in
welchen beiden Provinzen Natorp während seines Lebens gewirkt hat, enthält das
Werk ungemein reichhaltiges Material, über das der beigegebene Index, der freilich
etwas ausführlicher hätte sein können, wenigstens eine annähernde Uebersicht gewährt. —
Von Kehrbach s19) Ausgabe der sämtlichen Werke Herbarts ist der
achte Band erschienen, der den Text des zweiten, des systematischen Teiles der
allgemeinen Metaphysik bringt. Es sind diesem Bande eine Reihe von Anhängen
beigegeben, darunter auch noch nicht edierte, der Text der bereits edierten aber ist
einer genauen Revision unterzogen worden, wodurch mehrfach das Unzuverlässige
früherer Ausgaben zu Tage getreten ist. —
Dem um die Entwicklung des höheren Bildungswesen in Bayern insbesondere,
sowie um die Entwicklung der klassischen Philologie im weitesten Umfange über-
haupt verdienten Philologen F. Th. Thiersch hat Baumeister50) ein mit liebevoller
Hingabe gearbeitetes Denkmal in seiner Darstellung des Lebens und Wirkens von
Thiersch gesetzt. - In F. W. K. Sucro (1789—1861) führt uns Pro hie51) einen
Schulmann vor, der seine Thätigkeit an der Domschule zu Magdeburg, deren Direktorat
er übrigens ausschlug, fast ausschliesslich mit dem Unterrichte in den klassischen
Sprachen ausgefüllt hat. — In der Geschichte der Methodik des lateinischen Unter-
richts wird K. F. Süpfle (1799— 1871) stets eine geachtete Stellung einnehmen. Sein
Leben und seine Verdienste hat Koldewey52) gezeichnet und charakterisiert. —
Eine fesselnde Darstellung der Lebensentwicklung A. von Selds hat
dessen Schwiegersohn, der verdienstvolle Bibliothekar des preussischen Unterrichts-
ministeriums, Schindler53), auf Grund von selbstbiographischen Aufzeichnungen,
Tagebüchern, Briefen und mündlichen Berichten verfasst. Der Name Selds war in
der ersten Hälfte unseres Jh. ein vielgenannter, weil sein Träger der Führer der
damals im Aufschwung befindlichen Mässigungs- und Enthaltsamkeitsbestrebungen
war und häufig als Redner in Volksversammlungen und Bildungsvereinen hervor-
trat. Für die Geschichte des Erziehungs- und Unterrichtswesens ist das Werk
Sch.s insofern wichtig', als es Mitteilungen über die Beschaffenheit des von Seid
besuchten Gymnasiums in Guben und ganz seltsam anmutende Schilderungen der
Krakauer Universitätsverhältnisse enthält. Hervorragend sind Selds Verdienste um
das Berliner Sonntagsschulwesen und sein Streben, den vaterländischen Sinn der
— 45) P. Zimmermann, Joh. Stnve: ADB. 37, S. 82/3.— 46) R. Vetter, Grundlehren d. Wissensch. z. TJnterr. v. K. Chrn.
F. Krause. Ans d. hs. Nachl. d. Vf. her. (= Abhandl. n. Einzelsätze über Erz. n. L'nterr. Bd. 2.) Weimar, Felber. V,
104 S. M. 2,50. — 47) F. Koldewey, F. W. Sturz: ADB. 37, S. 56/9. — 48) 0. Natorp, B. Chr. L. Natorp, Doktor d. Theol.,
Oberltonsistorialrat u. Vice-Qeneralsnperint. zu Münster. E. Lebens- u. Zeitbild aus d. Gesch. d. Niederganges u. d. Wieder-
aufrichtung Preussens in d. 1. Hälfte dieses Jh. Essen, Bädeker. VIII, 259 S. Mit Bildn. M. 2,40. — 49) K. Kehrbach,
J. Fr. Herbarts sämtl. Werke in chronol. Reihenfolge. Bd. 8. Langensalza, Beyer A Söhne. 1893. XVI, 444 S. M. 5,00.
(Vgl. JBL. 1890 I 6:24; 1891 I 6 : 33; 1892 I 10:58; 1893 I 6:54.) — 50) A. Baumeister, Fr. Th. Thiersch: ADB. 38,
S. 7-17. (Berühmter Philol., Päd. n. Philhellene, 1784-1860.) — 51) (1115:86.) - 52) F. Koldewey, K. F. Süpfle:
ib. 8. 163/4. — 53) K. Schindler, Baron Alb. v. Seid, e. treuer Königs- u. wahrer Volksfrennd. E. Lebensbild. Basel,
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- nnd Erzieh ung-swesens. I 12 : 54-74
Schüler zu stärken und den Unterricht in vaterländischer Geschichte anschaulich zu
machen zu einer Zeit, da der Geschichtsunterricht meistens nur im Auswendiglernen
einer Reihe von Daten und Zahlen bestand. —
Im J. 1831 hatte der Seminardirektor Münch zu Unlingen ein Vademecum
für ältere und jüngere Volksschullehrer herausgegeben, ein Werk, das bereits seit 50 J.
vollständig vergriffen ist. In diesem Werke war der schriftliche Nachlass P. Molmanns,
eines hochbegabten badischen Volksschullehrers, mit dargeboten. Pieper54) hat aus
dem in jenem Werke dem Nachlasse Molmanns entstammenden Material alles zu-
sammengezogen, um ein kurzes Lebensbild Molmanns daraus zu konstruieren, und
hat einen Teil jenes hs. Materials wörtlich veröffentlicht. Molmann, 1755 geboren
(leider erfährt man in dem Aufsatze P.s das Todesjahr nicht) hatte sich auf den Rat
seines früheren Lehrers Bop, des Direktors des Lehrerseminars zu Freiburg i. B., ein
Tagebuch angelegt, in welches er, wie er selbst schreibt, eigene und fremde An-
sichten eintrug, die ihm wichtig schienen und sein Verfahren sicher machten. —
Schulmänner des 19. Jh.: Baden. Einem Manne, der in der Blüte der
Jahre, zu früh für die Wissenschaft und die Seinen dahingerafft wurde, der rasch
durch seine Studien sich zu einem der gründlichsten Kenner des Humanisten- und
Reformationszeitalters emporgearbeitet hatte, Karl Hartfelder, sind bereits im
vorigen Jahre eine Reihe von Nekrologen gewidmet55""64). Die Verdienste Hartfelders
um die Geschichte des deutschen Erziehungs- und Unterrichtswesens, auf die es hier
allein ankommt, hat Kehrbach65) kurz skizziert und dazu im Anhange den Lebens-
abriss, den Hartfelders Freund Brandt66) in Heidelberg im Südwestlichen Schulblatte
veröffentlicht hatte, mit unwesentlichen Aenderungen dargeboten. —
Eine ausführliche Darstellung des Entwicklungsganges und der Verdienste
des ehemaligen österreichischen Unterrichtsministers Graf Leo Thun-Hohenstein,
des grossen Reformators des höheren Unterrichts wesens Oesterreichs, hat Frank-
furter67) verfasst. Bereits im vorigen J. (JBL. 1893 I 6:63) konnte auf das ge-
diegene Werk F.s, in dem er ausser dem Grafen Leo Thun-Hohenstein noch dessen
Mitarbeiter Exner und Bonitz behandelt, hingewiesen werden. — Hier sei auch gleich
der Abdruck von Harteis 6S) Festrede zur Enthüllung des Thun-Exner-Bonitz-Denkmals,
die bereits im Vorjahre (JBL. 1893 I 6 : 64) charakterisiert war, erwähnt, — Die Ver-
dienste, die sich der bekannte Kirchenfürst Rauscher (1797— 1876), dessen Thätigkeit
in Oesterreich in eine Zeit fällt, in der grosse Umwälzungen auch auf dem Gebiete des
Erziehungs- und Unterrichtswesens sich abspielten, um das katholische Bildungs-
wesen erworben hat, werden von Schaefer69) geschildert, der zugleich die äussere
Lebensentwicklung Rauschers darstellt. Unter den Werken, die in den öster-
reichischen Lehrer- und Lehrerinnenseminaren für den Unterricht in der Geschichte
der Pädagogik mit Erfolg benutzt worden sind und noch benutzt werden, nimmt die
Geschichte der Erziehung und des Unterrichts, ein Lehrbuch von dem verdienten
österreichischen Schulmanne Josef Lukas, eine geachtete Stellung ein. Von dem
Leben dieses Mannes, der — 1835 in einem steirischen Bauernhause geboren — durch
eigene Kraft vom Volksschullehrer zum tüchtigen pädagogischen Schriftsteller sich
emporarbeitete, und unter dessen historisch-pädagogischen Leistungen die Monographien
über Ignaz von Felbiger und Diesterweg besonders verdienen erwähnt zu werden,
entwirft Jos. Mayer70) ein ansprechendes Bild. — Dem jüngst verstorbenen Gym-
nasialdirektor Heinr. Hackel (s. u. N.210) hat Knöpfler71) eine biographische Skizze
gewidmet, die diesen verdienten Schulmann schildert, dessen Gewissenhaftigkeit bei
dem Erteilen des deutschen Unterrichts aus seinen hs. hinterlassenen Präparationen
hervorgeht. Teutsch, dem Bischof der evangelischen Landeskirche Siebenbürgens,
dem hervorragendsten Vertreter des siebenbürgisch-sächsischen Volkstums der neueren
Zeit (s. 0. I 4 : 392), ist eine Reihe von Nekrologen gewidmet, unter denen der von
Kehrbach72) seine Bedeutung für die Geschichtsschreibung der Pädagogik und seine
Verdienste um die MGP. sowie um die Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und
Schulgeschichte, hervorhebt. 73) —
Jaeger & Kober. VI, 293 S. Mit Bildn. M. 2,00. — 54) J. Pieper, F. Molmann oder d. Leben u. Wirken e. christl.
Mustererz. vor 100 J. Nebst Auszügen päd. Lehren u. Grundsätze aus dessen Tagebuche. 2. Aufl. (= Samml. d. bedeutendsten
päd. Schrr. aus alter u neuer Zeit. N. 6.) Paderborn, Schöningh. 70 S. M. 1,20. — 55) X K Wotke: ZOG. 45, S. 1155.
— 56) X J- Neff, K. Hartfelder. E. Lebensskizze: ZGGFreiburg. 11, S. 47-74. — 57) X K Hartfelder: HZ. 35, S. 398.
(JBL. 1893 IV 5:379.) — 58) X H. Haupt: ZKG. 14, S. 492/3. (JBL. 1893 I 2:42.) - 59) X G. Knod: ZGORh. 8,-S. 539-41.
fJBL. 1893 IV 5:378.) - 60) X H. Bassermann: PKZ. 1893, S. 595/6. (JBL. 1893 I 2:41.) — 61 1 X SchwäbKron. 1893,
N. 133. — 62) X BreisgauerZgB. 1893, N. 135. — 63) X J Wille: BadLandesZg. 1893, N. 140. - 64) X J Häussner:
KarlsruherZgB. 1893, N. 165. - 65) K. Kehrbach, K. Hartfelder: MGESchGB. 4, S. XXV-XXXI. (Vgl. II 7:8.) — 66) X
K. Brandt: HeidelbergerZg. 1S93, N. 131. — 67) S. Frankfurter, Graf Leo v. Thun-Hohenstein: ADB. 38, S. 178-212. —
68) W. v. Hartel, Festrede z. Eröffn. d. 42. Versamml. dtsch. Philol. u. Schulmänner in Wien. (=11 :86a, S. 7-20.) —
69) P. Schaefer, Kardinal Rauscher als Päd.: KZEU. 43, S. 385-95, 481-90, 433-47, 529-33. — 70) Jos. Mayer, Schulrat
J. Lukas. Progr. Wiener-Neustadt, Verl. d. n. ö. Landes-Lehrersemin. 11 S. — 71) J. Knöpfler, H. Hackel, k. k. Gymnasial-
direktor. (E. biogr. Skizze.) Progr. d. Kaiser Franz Josef-Staatsgymn. Freistadt in Oberösterr. 14 S. — 72) K. Kehrbach,
G. D. Teutsch: MGESchG. 4, S. XXXI-XXXIV. -- 73) X Denkrede auf G. D. Teutsch: AVSbnbgL. 26, S. 293-412. - 74)
I 12:75-80 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
Ueber des bekannten Pädagogen und Publizisten Böttiger Berufung nach
der preussischen Hauptstadt (1803) hat Geiger74) zu den bereits in den BLU.
nach den Materialien des Berliner Geheimen Staatsarchivs gegebenen Mitteilungen
neue, wichtige hinzugefügt, die der Böttigerschen Briefsammlung in der Kgl. Bibliothek
zu Dresden zu verdanken sind. — Gründlich und objektiv hat Pechner75) die Lebens-
entwicklung Wilhelm Moritz Thilos, des bekannten Direktors des Berliner Lehrer-
seminars, dargestellt. So sehr F. diese hochgebildete, geistvolle Persönlichkeit mit
ihrem reichen organisatorischen Talente und ihrer wissenschaftlichen Bildung hervor-
hebt, so fügt er doch auch zugleich zu dem Lichte den Schatten hinzu. Thilos kühle
Natur, sein Sarkasmus im Verkehr mit Zöglingen und Lehrern bewirkte, dass ihm
von beiden Seiten nie viel Liebe entgegengebracht wurde; im Lehrerkollegium fehlte
es während seines Direktorates an Einigkeit und Gemeinsamkeit. Trotzdem muss
man ihn mit F. zu den hervorragenden Schulmännern seiner Zeit zählen und es ihm
als ein Verdienst anrechnen, dass er nach dem Erscheinen der Regulative 1854 dem
Berliner Seminar eine eigenartige Stellung, bei der ein hervortretender Einfluss der
Regulative nicht zu bemerken war, bewahrte. Seine schriftstellerische Thätigkeit er-
streckte sich ausser auf Pädagogik — es sei hier nur an seine Arbeit über Spener
als Katecheten (1840), durch die er die Aufmerksamkeit des Ministers von Altenstein
erregte, und an seine verschiedenen Aufsätze in der Schmidschen Encyklopädie
erinnert — auch auf Theologie und Hymnologie — hier sei erwähnt „Das geist-
liche Lied in der evangelischen Volksschule Deutschlands". Mit Recht hebt
F. hervor, dass diesen zahlreichen schriftstellerischen Arbeiten zwar originelle Auf-
fassung und schlagende Beweisführung zugesprochen werden müssen, dass aber der
Stil hart, oft überladen, nicht selten maniriert sei. — Philipp Spitta, einem eifrigen
Förderer der historisch-pädagogischen Bestrebungen, hat Kehrbach76) einen Nach-
ruf gewidmet, der ausser dem Lebensabrisse und der Verzeichnung von Spittas
musikwissenschaftlichen Publikationen sein Verhältnis zu den MGP. und der Gesell-
schaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte hervorhebt. — Runze77) ge-
denkt in einer warm empfundenen Schilderung zweier Männer, Ludwig Giesebrechts
und Karl Loewes: Giesebrecht hervorragend als Schulmann, Dichter und Gelehrter,
und in dieser Eigenschaft von dem bekannten Literarhistoriker Franz Kern ge-
würdigt (Stettin 1875); Karl Loewe, der berühmte Balladen kompon ist, — beide Lehrer
am Marienstiftgymnasium in Stettin, beide über den Schulkreis hinaus gemeinsam
künstlerisch wirkend. Für viele der Loeweschen Kompositionen, Oratorien, Kantaten
lieferte Giesebrecht den Text. — Hensel78) entrollt uns das Leben eines ost-
preussischen Schulmannes, dessen Andenken „viele Generationen von Schülern, die
die Erinnerung an seinen Unterricht zu ihren liebsten zählen, segnen", des
Königsberger Gymnasialprofessors Karl Witt. Wenn H. in seiner Darstellung zum
grössten Teile Witt selbst durch seine Briefe und Aufzeichnungen reden lässt, so
kann man ihm dafür nur danken ; denn das Bild von W7itts Erziehung, von der Be-
schaffenheit der Schulanstalten und der Universität, die er besuchte, wirkt dadurch
um so plastischer. Was er von seinen Schulerinnerungen schildert, lässt sich in dem
Worte Dressur zusammenfassen. Vor lauter grammatischen Spinngeweben hat er auf
der Schule von den alten Klassikern so viel wie nichts gesehen, und selbst die schöne,
dem kindlichen Geschmacke so zusagende Odyssee blickte nur trübe hindurch. Die
Wissenschaft bestand auf dem Gymnasium, das er besuchte, nicht in lebendigen Be-
griffen, sondern in toten Buchstaben. Schule und Leben standen in gar keiner Be-
rührung, wie leider anderswo vielfach auch. Und ganz im Wesen dieses Dualismus
ist die von Witt erzählte Anekdote, dass ein ostpreussischer Lehrer, der Jahre lang
die eiliTToSts ßoca als schleppfüssige Rinder demonstriert hatte, ganz ausser sich ge-
wesen sei und das wunderbare Zusammentreffen der lebendigen Natur mit dem ge-
schriebenen Homer gepriesen habe, als er auf einem Spaziergange die Rinder wirk-
lich die Füsse nachschleppen sah. Das Buch liefert auch Beiträge zur politischen
Geschichte Preussens, besonders der Schicksale des 1848er Tiberalismus, dessen An-
hängerschaft Witt sein Amt als Gymnasiallehrer in Hohenstein kostete. Erst nachdem
er zehn Jahre seines Amtes entsetzt gewesen war, wurde er in Königsberg am alt-
städtischen Gymnasium wieder angestellt. Da die Zeiten inzwischen andere geworden
waren, so konnte er bis an sein Lebensende (1891) seinen fortschrittlichen Ansichten
huldigen, ohne je wieder belästigt zu werden. — Lohmeyer79) hat uns sehr aus-
führlich den Lebensgang und die wissenschaftliche Thätigkeit des ehemaligen
Gymnasialdirektors in Eibingen Max Toeppens (1822—93) vorgeführt. Toeppens Be-
deutung liegt in seinen Leistungen für das Gebiet der altpreussischen Geschichte. Nennt
(IV 5:615.) — 75) H. Fechner, G. W. M. Thilo: ADB. 38, S. 37-40. — 76) K. Kehrbach, Ph. Spitta: MGESchG. 4,
S. XXXVI-VII. — 77) (I 10 : 126,7.) — 78) 8. Hensel, K. Witt, e. Lehrer u. Freund d. Jugend. B., Behr. XI, 340 S. M. 5,00.
— 79) K. Lohmeyer, M. Toeppen: AltprMschr. 31, S. 148-83. - 80) F. W. Dörpfeld, Ges. Sohriften. I. Bd.: Beitrr. z.
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. I 12 : 81-94
ihn doch die Universität Königsberg- in dem erneuten Doktordiplom alter parens et
conditor der preussischen Geschichte. — Der steigende Einfluss, den Dörpfeld auf die
Schulpädagogik ausgeübt hat und noch ausübt, wird auch dokumentiert durch die
Neuausgabe seiner Schriften. Von der von Bertelsmann verlegten Ausgabe der ge-
sammelten Schriften Dörpfelds 80-8r) sind Band I und II erschienen: Beiträge zur
pädagogischen Psychologie (Denken und Gedächtnis, Bildung der Begriffe) und die
Schriften zur allgemeinen Didaktik (Grundlinien einer Theorie des Lehrplans und der
didaktische Materialismus). Auch die bekannte Denkschrift „Das Fundamentstück einer
gerechten, gesunden, freien und friedlichen Schulverfassung" ist neu aufgelegt worden. —
Ueber seine Schriften zur Schulverfassungsfrage hat Dörpfeld sich selbst in einem
Briefe, den er Mitte der 80 er J. an einen Wiener Universitätsprofessor gerichtet
hatte, und der jetzt von Georg Müller82) veröffentlicht wird, ausgelassen. — Nach dem
Tode Dörpfelds sind eine Reihe Veröffentlichungen erschienen, die sich mit diesem
verdienstvollen Schulmanne, der in den Spuren Herbarts gewandelt, beschäftigen.
Die Schrift Vogelsangs83) will nicht eine ausführliche Biographie, sondern nur eine
kurze Darstellung seines Lebens nebst dem Wichtigsten aus seiner segensreichen
und vielseitigen Thätigkeit liefern : Dörpfeld, obwohl während seines ganzen Lebens
Volksschullehrer, verdiene mit Comenius, Pestalozzi, Herbart usw. in eine Reihe
gestellt zu werden. Zu der Allseitigkeit seiner wissenschaftlichen Bildung und der
Weite seines philosophischen Blickes käme noch seine charaktervolle Persönlich-
keit.84-85) — Durch Ho che86) erfahren wir Näheres über des ehemaligen evangelischen
Rektors Suffrian (1805- 76) Lebensgang. Frühzeitig lag er naturwissenschaftlichen
Studien ob, die besonders der Entomologie galten. Als Organisator hat er in der
Realschule in Siegen, deren Direktor er 1836 geworden war, einen Typus geschaffen,
der die Grundlage für die 1859 erfolgte Regelung des preussischen Realschulwesens
gebildet hat. — Eines verdienstvollen Mannes aus dem Benediktinerorden, der als
Ordensbruder den bezeichnenden Namen Hermann Contractus trug, als Lehrer und
Seelsorger zugleich geschätzt war, allgemeineren Ruf aber noch erlangte durch seine
Thätigkeit als Jugendschriftsteller, besonders als Herausgeber der katholischen Kinder-
bibliothek und der in ungemein starker Auflage verbreitet gewesenen Unterrichts-
und Gebetsperlen, des P. Hermann Koneberg (1837—91), gedenkt Grimm87).
— Eine kurze biographische Skizze der Entwicklung von Gust. Völcker (1845—82),
ehemaligem Direktor des Realprogymnasiums in Schönebeck, hat Mangold88) ge-
geben. — Der Lebensgang Ed. Bocks, eines Mannes, der sich um die Entwicklung
der Methodik des deutschen Unterrichts besondere Verdienste erworben hat, wird
von Förster89) vorgeführt. — Carstens90) schildert uns die Verdienste eines
Schleswig- hoMeinschen Schulmannes, des Rektors an der Stadtschule in Friedrich-
stadt a. E., Karl Chrn. Tadey (1802—41), der mit Nachdruck die Notwendigkeit der
Gründung höherer Bürgerschulen, in denen der Bürgers- und Geschäftsmann die
unumgänglich notwendigen Kenntnisse auf der Grundlage eines Herz und Geist Ver-
edelnden Unterrichts sich erwerben könnte, betonte. —
Einem sächsischen Schulmanne, dem ehemaligen Rektor der evangelischen
Freischule in Leipzig, Louis Thomas, widmet der verdiente Historiograph der säch-
sischen Schuigeschichte, Georg Müller91), einen Artikel, aus dem Thomas Geschick-
lichkeit für die Praxis des Lehrerberufs und für die pädagogische Schriftstellerei, die
er mit Berthelt, Jaeckel und Petermann in der Abfassung ungemein verbreiteter Lehr-
bücher für den Volksschulunterricht ausübte, zu erkennen ist. — Eines Mannes, dessen
Verdienste um die Organisation der allgemeinen deutschen Lehrerversammlungen,
als deren getreuer Eckehart er mehrfach bezeichnet wurde, jetzt noch bei älteren
Lehrern unvergessen sind, des ehemaligen Ohrdrufer Superintendenten und Bezirks-
schulinspektors Adolf Moritz Schulze (1808—81), gedenkt Schumann92). Eine un-
gemein vielseitige pädagogische Wirksamkeit hat Schulze in dem Herzogtum Gotha
ausgeübt. Er hat es verstanden, vielen modernen Anforderungen an die Schule:
Errichtung von Turnplätzen, Schulbibliotheken, physikalischen Kabinetten, Einführung
von weiblichen Handarbeiten in den Schulunterricht, Jugendfesten, Erhöhung der
päd. Psychol. 1. Denken u. Gedächtnis. 2. D. sohulmäss. Bildung d. Begriffe. II. Bd.: Z. allg. Didaktik. 1. Grandlinien e.
Theorie d. Lehrplans. 2. D. didakt. Materialismus. Gütersloh, Bertelsmann. XXVI, 171 u. 47 S.; XIV, 170 u. 140 S. M. 2,50;
M. 3,20. — 81) id., D. Fnndamentstück e. gerechten, gesunden, freien u. friedl. Schulverfassung. 1.-4. Lfg. Hilchenbach,
Wiegand. 1392—93. IX, 350 S. M. 3,50. (Lfg. lu.2: 1892; 3u.4: 1893.) — 82) Georg Maller, Dörpfeld über seine Schriften
z. Schulverfassungsfrage: DB11EU. 21, S. 1336. — 83) W. Vogel sang, Rektor F. W. Dörpfeld, Kurze Darst. seines Lebens
u.Wirkens. Hilchenbach, Wiegand 23 S. M. 0,60. — 84) X Hörn, Gedächtnisrede auf F. W. Dörpfeld. Geh. im Ver. f. Her-
bartsche Paed, in Rheinland-Westfalen. Referat: DB11EU. 21, S. 113,4. - 85) X Th. Hermann, F. W. Dörpfeld, e.
Altmeister unter d. dtsch. Lehrern: Daheim 30, S. 316 8. — 86) R. Hoche, Ch. W. L. Ed. Suffrian: ADB. 37, S. 135,6. —
87) O. Grimm, P. H. Koneberg: KZEU. 43, S. 5025. - 88) Fr. Mangold, Direktor G. Völker: COIRW. 22, S. 465,9. —
89) Ed. Förster, Ed. Bock, weil. Geh. Regierungs- u. Schulrat. E. Beitr. z. Gesch. d. preuss. Volksschule: PädBll. 23,
S. 101-60. - 90) C. E. Carstens, K. Chrn. Tadey: ADB. 37, S. 3412. - 91) Georg Mal ler, L. Thomas: ib. 38, S. 90. —
92) A. Schumann, Ad. M. Schulze: ib. 37, S. 325/8. — 93) (I 2:52.) — 94) E. Gundert, W. Glauncr: MGESchG. 4,
I 12:95-100 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
Lehrerbesoldung', die Zustimmung der Behörden und anderer Kreise zu erwirken.
Zahlreich sind die pädagogischen Abhandlungen, Lehrbücher und Recensionen, die
von ihm ausgegangen sind. — Bruchstücke zu einer zukünftigen ausführlicheren
Lebensbeschreibung Rudolf Hildebrands (1824—94), des verstorbenen Germanisten
an der Leipziger Universität, werden von Berlit93) nach persönlichen Eindrücken
und Erinnerungen dargeboten. Ausser seiner Thätigkeit als Universitätslehrer und
vorher als Lehrer an der berühmten Thomana ist auch Hildebrands Mitarbeit an dem
Grimmschen Wörterbuche hervorragend. Das Interesse für die Schule und den
deutschen Unterricht hat er noch in späteren Lebensjahren durch sein treffliches
Buch von der deutschen Sprache und — bereits früher — durch seine Mitbegründung
der von Lyon herausgegebenen ZDU. bethätigt. —
Gundert94), der Vorsitzende der Gruppe Württemberg der Gesellschaft
für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte, widmet einem Mitgliede dieser Gruppe,
dem verstorbenen Stadtpfarrer Wilhelm Glauner in Wildbad, einen Nachruf, in dem
Glauner als pädagogischer Schriftsteller gewürdigt wird. —
Die Erinnerung an einen Schulmann und Apostel des evangelischen Deutsch-
tums in den russischen Ostsee pro vinzen wird wachgerufen durch Ed. Thrämer s95)
Biographie von Theod. von Thrämer (1809 — 59), dessen ganze Lebensarbeit eine
reformatorische war, der in die baltische Pädagogik ein frisches, bald auch von
Deutschland mit Genugthuung bemerktes Leben brachte, der in seinen Bestrebungen
für Hebung des deutschen Sprachunterrichts die Zustimmung J. Grimms fand und
durch seinen Grundriss der deutschen Stillehre auf die Methodik des deutschen
Unterrichts am Gymnasium befruchtend wirkte. — Die von M. Böhm96)' veröffentlichten
Tagebuchblätter aus dem Nachlass seines Vaters Chr. Böhm führen uns die Lebens-
entwicklung eines Mannes vor, der, in der Jugend Weingärtnerlehrling bei Stuttgart,
später Zögling des Seminars zu Esslingen, durch eigene Kraft sich — besonders in
den Sprachen — weiter bildete, was ihn befähigte, als Lehrer in verschiedenen
Pensionaten und Anstalten thätig zu sein. Seine Mitteilungen sind für die Geschichte
der Schule und der sie innerhalb gewisser Zeiträume beherrschenden Fragten nicht
unwichtig. Nachdem er vor dem Kuratorium der Dorpater Universität, noch ein
Staatsexamen gemacht, wurde er später Lehrer an der Kreisschule zu Wenden in
Livland. —
Universitäten: Allgemeines. Nicht ohne Wert sowohl für den Einblick in
den Unterricht deutscher Fürstensöhne in früheren Zeiten als auch für die Universitäts-
geschichte ist ein von Friedr. Schmidt97), dem verdienstvollen Historiker der Erziehung
der bayerischen W7ittelsbacher (MGP. XIV), veröffentlichter, von dem Prinzen Wilhelm
von Bayern 1562 als Stilübung verfasster lateinischer Brief. Es wird da erwogen,
welche Universitäten für einen Deutschen am geeignetsten sind. Vor dem Besuche
französischer und italienischer Hochschulen wird abgeraten und unter den deutschen
Ingolstadt empfohlen. — Va r ren t r ap p98), der die Verdienste des Grossen Kur-
fürsten um die Universitäten vorführt, hat für seine Studie das Gewand einer Festrede
an Kaisers Geburtstag gewählt. Er hebt hervor, wie der Grosse Kurfürst den in
Frankfurt und Königsberg unter den Studenten grassierenden Pennalismus einschränkte,
wie er den in den Disputationen an den Universitäten herrschenden dogmatischen
Spitzfindigkeiten entgegentrat und aus diesem Grunde seinen Landeskindern den
Besuch der Wittenberger Universität verbot, wie er die Reformierten gegen die
Verketzerungen durch die Lutheraner schützte, und wie er, um eine Universität mit
freiem wissenschaftlichen Geiste zu schaffen, die von den Jülich-Kleveschen Herzögen
geplante Universität Duisburg gründete; ja, er dachte sog'ar daran, eine branden-
burgische „Universal-Universität der Völkerwissenschaften und Künste" zu errichten. —
lieber die Zustände an der Berliner Universität in den ersten Jahren
ihres Bestehens hat Geiger99) eine Anzahl von Mitteilungen veröffentlicht, die aus
den Briefen des Staatsrats Uhden an K. A. Böttiger in Dresden entnommen sind. Wir
erfahren Einzelheiten über verschiedene Docenten, so über Fichte, über ihre Berufungen,
über die Studentenschaft usw. —
Von einem Anonymus100) sind Bilder aus der Geschichte der kurfürstlichen
Universität Bonn veröffentlicht, die sich im wesentlichen mit der Gründung (1786)
und den Gründungsfeierlichkeiten dieser Universität, die 1797 einging, beschäftigen.
Am Schlüsse berichtet der Vf. über die ferneren Schicksale einzelner Lehrer dieser
Hochschule, unter denen Eulogius Schneider in berüchtigtem Andenken steht. —
S. XXXV. - 95) Ed. Thrämer, Th. v. Thrämer: ADB. 38. S. 123/7. — 96) M. Böhm, Lebenswege e. sohwäb. Päd. Tage-
bnchbll. ans d. Nachl. d. weil. Schnlinsp. zu Wenden (Livland) Chrn. Böhm. Reval, Kluge. 1893. 83 S. M. 1,20. — 97)
Friedr. Schmidt, E. epistola suasoria d. Prinzen Wilhelm v. Bayern aus d. J. 1562. E. Beitr. z. Charakteristik verschiedener
Univ. u. Länder: MGESchG. 4, S. 167-71. — 98) (1 4:57; III 1:200.) — 99) L. Geiger, Berliner Analekten. D. Anfänge
d. Berliner Univ.: Euph. 1, S. 365-82. -• 100) A., D. kurfttrstl. Univ. zu Bonn. (= Bilder aus d. Gesch. v. Bonn u. seiner
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehung-swesens. I 12 : 101-109
Ein Verzeichnis von Studierenden in Dillingen im J. 1599, das eine
Beilage zu den Berichten des damaligen schweizerischen Nuntius an den Kardinal
Staatssekretär S. Giorgio gebildet hatte, veröffentlicht von Weech101). Es sind in
dem Verzeichnisse nur die Angehörigen der Benediktiner, Cistercienser und Präin on-
stratenser mit Angabe der Abtei, aus der sie stammten, aufgeführt. —
Die Erinnerung an die vor 500 J. gegründete, 1816 aufgelöste, ehemals
berühmte Universität Erfurt ist von dem Vereine für die Geschichte Erfurts
durch einen Vortrag, den 0 e r g e 1 102) im Aultrage des Vereins im Mai 1892
gehalten hat, aufgefrischt worden. Oe., der schon durch seine Studie über das
Erfurter Collegium majus die Universitätsgeschichte gefördert hat (vgl. I 4 : 65),
spricht zunächst über die Gründung dieser Universität, beantwortet hierbei die Frage,
wann sie gegründet wurde, teilt dann mit, dass ähnlich wie in Köln die Universität
durch den Rat und die Bürgerschaft ins Leben gerufen worden sei, und erörtert die
Gründe, die die Bürgerschaft hierzu veranlassten in einer Zeit, in der Kursachsen,
Kurbrandenburg, Hessen, Kurtrier usw. noch kein Studium generale eröffnet hatten.
Indem er sich Denifles Forschungen zu Nutze macht, weist er übrigens nach, dass
schon vor der Gründung des Studium generale ein hochentwickeltes Bildungswesen
in Erfurt existierte. —
Gesterding 103) hat sich durch das Verzeichnis der für die Studierenden
der Universität Greifswald vorhandenen Stiftungen, Stipendien und Benefizien
ein Verdienst erworben, da das im J. 1829 von einem Verwandten des Vf. heraus-
gegebene Buch (Greifs waldische Stipendien für Studierende) im Buchhandel längst
vergriffen war und selbstverständlich auf Vollständigkeit keinen Anspruch mehr
erheben kann. (Vgl. auch I 4 : 62.) —
Zwei berühmte deutsche Universitäten haben in diesem Jahre Jubiläen ge-
feiert, die Universität Halle, auf deren Feier des 200jährigen Bestehens schon
im vorigen Bande (JBL. 1893 I 6: 110) aufmerksam gemacht wurde, und die Univer-
sität Königsberg, die auf eine 350jährige Existenz zurückblicken kann. Die be-
deutsamste Gabe, die aus Veranlassung der Hallenser Jubiläumsfeier entstanden ist,
— Schraders vorzügliches Werk fällt in das J. 1893 (JBL. 1893 I 6: 110; vgl. auch
III 5 : 67) — ist der von der Universitätsbibliothek in Halle herausgegebene zweite
Band des von Förstemann im J. 1841 begonnenen Album academiae Vitebergensis
(1502 — 60) ,04). Von der ganzen mühsamen Arbeit, die unter der Oberleitung Hart-
wigs in der Hauptsache von Naetepus und Häckradt unter freundschaftlicher
Beihilfe der übrigen Bibliothekbeamten ausgeführt worden, ist leider nur der erste
Teil veröffentlicht worden, der die Fortsetzung der Inscriptiones bis zum J. 1602 enthält.
Der zweite Teil, durch den der erste erst recht nutzbar werden wird, soll die Indices
enthalten. Auf dem Titelblatte des vorzüglich ausgestatteten Werkes, einer ausser-
ordentlich ergiebigen Quelle besonders auch für die Geschichte des Protestantismus,
sind die von Ludwig Cranach gemalten Porträts Luthers und Melanchthons zum
ersten Male in Originalgrösse reproduziert. Die in Aussicht gestellte Fortsetzung
des Werkes wird jeder mit Freuden begrüssen. — Eine ungemein fleissige Arbeit ist
auch die des bekannten Nationalökonomen Conrad105) in Halle. Seine statistischen
Nachrichten erstrecken sich auf die Frequenzverhältnisse der Universität vom
J. 1693 — 1893. C. giebt ziffernmässige Belege über die Frequenz Verhältnisse der
einzelnen Fakultäten, über die Dauer des Studiums, über Stand oder Beruf der
Väter der Studierenden, über die Finanz Verhältnisse der Universität, über die
Docenten, den Universitätsbesuch durch Ausländer, über die Gehaltsverhältnisse
der Professoren, über Promotionen usw. — Auch von dem verdienstvollen His-
toriker Hertzb erg 106_109) rühren mehrere durch das Jubiläum veranlasste
Schriften her. In gedrängter Kürze giebt er eine übersichtliche Darstellung der
Geschichte der Universität Halle, wobei hervorragende Vertreter der einzelnen Fakul-
täten charakterisiert, das Verhältnis der Universität zur Stadt, das studentische Leben
in den verschiedenen Perioden und allerlei interessante Einzelheiten geschildert
werden. In der Festschrift des thüringisch-sächsischen Geschichts- und Altertums-
vereins hat H. sein Thema enger gefasst und eine fliessend geschriebene Schilderung
der Stadt und Universität Halle im J. 1794 gegeben. Hier interessiert besonders
die Darstellung, soweit sie sich auf die Bildungsanstalten Halles beziehen. Das alte
lutherische Gymnasium, das 1565 im alten Franziskanerkloster gegründet worden
Umgebung.) Bonn, Hauptmann. 28 S. M. 0,50. — 101) F. v. Weeoh, Studierende in Dillingen 1599: ZGORh 9, S. 518,9
— 102) (I 4:64.) — 103) K. Gesterding, Stiftungen, Stipendien u. Beneficien für Studierende an d. Univ. Greifswald.
Greifswald, Abel. IV, 96 S. M. 1,80. - 104) (II 6 : 154.) — 105) J. Conrad, D. Statistik d. Univ. Halle währ. d. 200 J.
ihres Bestehens. (Sonderabdr. aus Festschr. z. 200j. Jubil. d. Univ. Halle.) Jena, G. Fischer. 4». 78 S. M. 3,00. — 106) G.
Hertzberg, Kurze Uebersicht über d. Gesch. d. Univ. in Halle a. S. bis z. Milte d. 19. Jh. Halle a. S., Anton. III, 78 S. Mit
Bild. M. 1,00. — 107) id., 55. Entwicklung d. Fridericiana. Festschr. z. Feier d. 200 j. Besteh, d. Univ. Halle. Halle a. S.,
Hendel. Fol. 4 S. M. 0,50. (Ist e. Ausz. aus N. 106.) — 108) id., Z. Entwickl. d. Fridericiana: FZg. N. 211. — 109)
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (1)22
I 12 i uo-183 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
war, leitete seit 1780 Mag. Benjamin Friedrich Schmieder, unter dem bei den grossen
„Rede-Aktus" die Schüler kleinere Schauspiele aus Weisses Kinderfreund aufführten,
ein Gebrauch, der erst 1801 abgeschafft wurde. Das reformierte Gymnasium war um
jene Zeit nur schwach besucht: 1790 hatte es in den beiden obersten Klassen nur
5 Schüler. Interessant ist der Beschluss der Bürgerschaft und des Presbyteriums,
in dem reformierten Gymnasium mehr Rücksicht auf die realen Disciplinen zu nehmen,
da die Anstalt nicht bloss für künftige Studierende da sei, sondern auch für die Bürger
und Kaufleute mehr sorgen müsse. Von dem damaligen Subrektor Dessmann wird
berichtet, dass er 1793 eine Schule für die Töchter der vornehmeren Familien ein-
richtete. Die bedeutendste Stellung nahmen nach wie vor die Franckeschen Stiftungen
ein, trotzdem die Zeiten ihres alten Glanzes vorüber waren — eine Folge des Aus-
lebens des Pietismus. Die Universität nahm gerade beim Abschluss des ersten Jh. ihres
Bestehens einen neuen Aufschwung; eine Säkularfeier aber unterblieb damals infolge
der durch das Wöllnersche System veranlassten Vorgänge. — Geiger 110) hat in
seinem Beitrage zur Geschichte der Universität Halle zwei Persönlichkeiten aus dem
ehemaligen Lehrkörper dieser Universität, Christian Thomasius und Friedr. Aug. Wolf,
herausgegriffen und charakterisiert.111) — Speciell über die Gründung der Universität
haben von Hanstein112) und W. Kawerau113) gehandelt. — Eine Anzahl von kleineren
Aufsätzen, Illustrationen, Gedichten, Erinnerungen zur Geschichte der Universität
bringt die Festausgabe der Saale-Zeitung114). Es befinden sich darunter ausser dem
Aufsatz von Hertzberg auch eine Plauderei über den Dichter des Gaudeamus igitur,
den Mag. Kindleben, von Arnold Wellmer, und Erinnerungen von Justus Hendel. —
Ehrenberg115) hat seine in der Strassburger Post veröffentlichten, die Geschichte der
Stadt und der Universität Halle betreffenden kleinen Skizzen in einem besonderen
Schriftchen vereinigt.116-128) — In der von Mirbt129) verfassten Geschichte der theo-
logischen Fakultät der Universität Halle werden drei Epochen unterschieden: Die
Epoche des Pietismus ist an den Namen August Hermann Franckes, die des Ratio-
nalismus an Christian Wolff, Semmler, Wegscheider und Gesenius, die der Ver-
mittlungstheologie an den Namen Tholucks geknüpft130). — Die Beziehungen zwischen
der Hallischen Universität und den Franckeschen Stiftungen werden von Knauth in
der Epistola gratulatoria, die die Einleitung der von der Latina der Universität
gewidmeten Festschrift 131) bildet, charakterisiert. Dass auch das Kloster Unserer
lieben Frauen in Magdeburg in enge Beziehung zur Universität Halle gebracht werden
sollte, dürfte bis jetzt weiteren Kreisen nicht bekannt geworden sein. Um so dank-
barer sind Hertels132) Nachrichten hierüber. Das Kloster sollte mit seinen Ein-
künften nach Halle verlegt und mit der zu gründenden Universität vereinigt werden.
Obwohl die Verhandlungen hierüber mit grösstem Eifer betrieben wurden, blieb
schliesslich das Kloster doch in Magdeburg. — Auch die Beziehungen der Universität
Halle zum alten Dessauer, die freilich niemals die besten waren, werden wieder auf-
gefrischt133). —
Der bekannte Historiker Prutz134) hat in einem auf genauer Quellen-
forschung beruhenden Werke die Geschichte der Königsberger Universität im
19. Jh. dargestellt. Nach einem kurzen Ueberblick über die ältere Geschichte der
Albertina schildert er die Bedeutung Kants, der der Universität am Ende ihrer alten
Epoche zum Weltruf unter den Hochschulen Deutschlands verholfen hatte. Nach dem
Tode Kants (1804), der übrigens schon 1797 seine Lehrthätigkeit aufgegeben,
wird der erste Versuch der so notwendigen Reorganisation der Albertina 1805 und
1806 gemacht. Das Unglücksjahr 1806 hat nur vorübergehend diese Arbeit gehemmt.
Es ist geradezu erstaunlich, dass in jener Zeit der tiefsten Erniedrigung Preussens
die Mittel für die Hebung des höheren und niederen Bildungswesens so reichlich
fliessen konnten. Neue Kräfte wurden berufen, unter denen Herbart und Bessel
(I 4:58.) — 110) L. Geiger, Z. Gesch. d. Univ. Halle: NFPr. N. 10753. - 111) X Aus d. Gesch. d. Hallenser Univ.: VossZg.
N. 354. — 112) A. v. Hanstein, Gründung d. Univ. Halle: Didask, S. 502/3. — 113) W. Kawerau, D. Anfänge d. Univ.
Halle: MhComeniusG. 3, S. 233-52. — 114) Festsohr. z. Feier d. 200 j. Bestehens d. Univ. Halle. Festausg. d. SaaleZg. Halle a. S.,
Hendel. Fol. 11 S. M. 0,50. - 115) F. Ehrenberg, D. Univ. Halle 1894. E. Grass aus Strassbarg z. 200. Jahresfeste.
Strassburg i. E., W. Heinrich. 17 S. M. 0,40. — 116) X Acaderaicus, Alte u. neue Erinnerungen an Halle: NatZg. N. 408.
— 117) X J-. D> Hallenser Jubil.-Tage : ib. N. 444, 446. — 118) X H. S., D. Jubelfeier d. Univ. Halle: WeserZg. N. 17126,
17129, 17130. — 119) X W. Kawerau, D. Jubelfeier d. Univ. Halle. Halle a. S., E. Strien. 62 S. M. 0,75. (Sonderabdr.
aus MagdZg.) — 120) X D. 200j. Jubelfeier d. Univ. Halle: DB11EU. 21, S. 273/4, 282,3. — 121) X ß-, D. 200 j. Jubelfeier
d. Univ. Halle: SchlesZg. N. 537. — 122) X R- s- 200j. Jubelfeier d. Univ. Halle: Post N. 208-12. — 123) X Th. Braun,
D. Univ. Halle: Zeitgeist N. 30. — 124) X Hallesche Festtage: ÜL&M. 72, S. 962. — 125) X p- Rache, Z. 200j. Jubil. d.
Univ. Halle- Wittenberg: ib. S. 875/8. — 126) X O. Günther, D. Jubelfeier d. Univ. Halle: Gartenlaube N. 378-82. — 127) X
Z. Universitätsjubil. in Halle: BerlBörsCour. N. 352. — 128) X Ad. Müller, Z. Jubelfeier d. Univ. Halle: NorddAZg. N. 355.
— 129) K. Mirbt, D. theol. Fakultät d. Friedrichs-Univ. zu Halle: KM. 13, S. 653-66. — 130) X & Fey, D. theol. Fakult.
zu Halle 1694—1894: Pfarrhaus 10, S. 113/5. — 131) Festschr. z. 200j. Jubelfeier d. vor. Friedrichs-Univ. Halle- Wittenberg,
dargebr. v. d. lat. Hauptschule d. Franckeschen Stiftungen. Halle a. S., Waisenhaus. 4°. IX, 117 S. M. 2,00. — 132) G.
Hertel, D. Kloster U. L. Fr. u. d. Errichtung d. Univ. Halle: MagdZgB. N. 29. — 133) D. „Alte Dessauer" u. d. Univ.
Halle: Didask. S. 758. — 134) (I 4:60.) I [SchlesZg. N. 670.] | — 135) K. Gareis, D. Univ. Königsberg im 19. Jh.: NatZg.
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. I 12 : 136-149
hervorragten. An der burschenschaftlichen Bewegung, die in dem Wartburgfeste
ihren Ausdruck fand, haben Königsberger Studenten sich nicht beteiligt. — Die
gediegene Arbeit von Prutz hat mehrfach die Grundlage für kleinere Artikel gebildet,
so für den Aufsatz von Gar eis135) über die Universität Königsberg im 19. Jh. und
für die Arbeit von Hertz ,36). — Auch Prutz 137) selbst giebt in seiner vorzüglichen,
in der Aula der Königsberger Universität am 27. Jan. 1894 gehaltenen Festrede einen
Auszug* aus seinem Werke. Eine ganz kurze Skizze 138) der Entwicklung der Universität
nebst dem Programm für die Festfeier bringt die Frankfurter Zeitung.139"142) —
Stettiner 143) hat seine vorher einzeln veröffentlichten Skizzen über die Geschichte
der Albertina in einer kleinen Schrift vereint, durch die man in unterhaltender, das
kulturhistorische Element besonders hervorhebender Form eine Gesamtübersicht über
die Entwicklung der Universität von den Zeiten des Georgius Sabrinas, des ersten
Rektors der Königsberger Universität, eines Schwiegersohnes von Melanchthon, bis
in die neuere Zeit hinein erhält. —
Gess144) schildert die Verhältnisse der Leipziger Universität um das
J. 1502 auf Grund der vom Herzog Georg eingeforderten Gutachten über Missstände
an der Universität und über Vorschläge zu deren Beseitigung. Diese Gutachten
und Reform vorschlage, die übrigens mit einer einzigen Ausnahme sämtlich deutsch
abgefasst sind, hatte der Herzog eingefordert, um Mittel zu finden, die Leipziger
Universität nicht von der soeben gegründeten Wittenberg-er überflügeln zu lassen. —
Von B lanck mei s t e r 145) rührt eine populär geschriebene Geschichte der theo-
logischen Fakultät der Universität Leipzig her, deren älteste Statuten vom J. 1415
datieren und deren Lehrstühle ursprünglich von den Dominikanern des Pauliner-
klosters besetzt wurden. Niemand konnte Licentiat werden, der nicht vorher die
Priesterweihe empfangen hatte. Ein protestantisches Gepräge erhielt die Fakultät
erst 1543. B. unterscheidet in seiner weiteren Darstellung das Zeitalter der Orthodoxie
und des Pietismus und das Zeitalter der Aufklärung; während dieses Zeitalters
studierte Goethe in Leipzig. In dem Gegensatze zwischen den Anhängern Ernestis,
der die Bibel ganz philologisch interpretierte, und seinem Antipoden Crusius stellte
sich Goethe auf die Seite der Ernestischen „klaren" Partei, erklärte aber doch dabei,
dass „durch diese höchst löbliche verständige Auslegungsweise" zuletzt der poetische
Gehalt der Schriften der Propheten verloren gehen müsse. Auch von Jean Paul
rühren briefliche Mitteilungen über den Streit der Ernestianer und Crusianer aus
dem J. 1781 her. — Wie in Paris und Prag herrschte auch an der Universität Leipzig
die Einteilung der Universitätsangehörigen in Nationen, und zwar hatte Leipzig die
vier Abteilungen: Sachsen, Meissner, Bayern und Polen, letztere auch Schlesier
genannt ; zu diesen gehörten die Preussen oder, wie sie sich selbst bezeichneten, die
natio Prutenica oder Prutenorum. Die Schicksale dieser natio, die bis zum J. 1830
bestand und die im vorigen Jh. in Gottsched einen warmen Beschützer ihrer Rechte
gefunden hatte, werden von Georg Müller 146) ansprechend geschildert. —
Bredl147), ein Mitglied des Cistercienserordens, hat ein Verzeichnis der an
dem erzbischöflichen Seminar in Prag thätig gewesenen Professoren mit Angabe
der Abteien, denen sie angehörten, und der Werke, die sie verfasst haben, zusammen-
gestellt. —
Ueber die Entstehung und die älteste Geschichte der Universität Rostock
hat Koppmann148) interessante Mitteilungen gemacht, durch die die Angaben in
seiner Geschichte der Stadt Rostock ergänzt und die Darstellung in Grabbes Werke
über die Geschichte der Rostocker Universität berichtigt werden. K. stellt fest, dass
aus dem Aktenmaterial nicht zu ersehen ist, von wem der Gedanke der Gründung
einer Universität in Rostock ausgegangen ist, dass aber sowohl die Herzöge Johann
und Albrecht als auch der Rat der Stadt gleichmässigen Anteil an der Gründung
hatten. Bis 1437 sind die Unterhaltungskosten aus städtischen Mitteln bestritten
worden. —
Aus dem reichen Vorrat von urkundlichem Materiale zur Geschichte der
ehemaligen Benediktiner -Universität in Salzburg schöpft Hamm erles149) in-
teressante Darstellung, wodurch die grosse Bedeutung, die diese eingegangene
Universität einst gehabt hat, erwiesen wird. —
Ein wertvoller Beitrag zur Geschichte der Universität Tübingen, den
N. 428. — 136) M. Hertz, Schriften z. Königsberg. Univ.-Jubil.: SchlesZg. N. 570. — 137) (I 4:60.) - 138) D- 350j. Jubel-
feier d. Albertina: FZg. N. 161. — 139) X Fr. Skowronnek. Anf d. Wacht im Osten. Z. Feier d. 350 j. Bestehens d.
Albertina in Königsberg: Zeitgeist N. 31. — 140) X Alb- Jacoby, Athenae Prussicae. (Z. Gesch. d. Univ. Königsberg):
FZg.N. 180. — 141) X H- Wagner, Jubelfeier d. Albertus-UniT. : ÜL&M. 72, S. 943/4. — 142) X Z. Feier d. 350j. Bestehens
d. Albertina in Königsberg i. P.: Post N. 198. — 143) (I 4:61.) - 144) (I 4:63.) — 145) F. Blanckmeister, D. theol.
Fakult. d. üniv. Leipzig: Pfarrhaus 10, S. 49-55, 68-74. (Auch als Sonderabdr. unter gleichem Titel erschienen: L., Fr. Richter.
53 S. M. 0,50.) — 146) Georg Müller, D. preuss. Nation an d. Univ. Leipzig: NJbbPh. 150, S. 353-72, 401-20. — 147)
S. Bredl, Cistercienser Professoren im erzbischöfl. Seminar zu Prag: StMBCO. 15, S. 297-306. — 148) K Koppmann,
Z. Gesch. d. Univ. Rostock: HansGBll. 1893, S. 23-40. — 149) A. J. Hammerle, E. Beitr. z. Gesch. d. ehemal. Salzburger
(1)22*
112: 150-161 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
Rümelin150) bereits im J. 1882 veröffentlicht hatte, ist jetzt in einem Neudruck er-
schienen. Den Abschnitt, den er bebandelt, rechnet R. selbst zu den interessantesten
der Universität und dabei zu den unbekanntesten; denn die Einrichtungen der alten
Hochschule in den Zeiten des Herzogtums seien bekannt, die jetzigen in den letzten
50er J. entstandenen Ordnungen ebenfalls; aber die dazwischen liegende Zeit, wie
der alte Bau allmählich eingerissen und abgebrochen, der neue „nach mancherlei
wechselnden Plänen" versucht und schliesslich aufgeführt wurde, sei zwar nach all-
gemeinen Umrissen bekannt, aber noch nicht aus den Akten und Urkunden im
inneren Zusammenhange dargestellt worden. R. behandelt nur den Zeitraum der
Regierung des Königs Friedrich, den Treitschke den geistvollsten, aber auch ruch-
losesten unter den Satrapen Napoleons nennt, ein Urteil, dem sich R. nicht anschliesst.
Friedrich war es, der die korporative Freiheit der Universität, wonach sie ihr Ver-
mögen selbständig verwalten durfte, freie Rektoren- und Professorenwahl und die
volle bürgerliche und peinliche Gerichtsbarkeit hatte, während andererseits dem
Landesherrn nur ein beschränktes Bestätigungsrecht zustand, durch Manifest vom
18. März 1806 beseitigte. 1809 hob er die bedingte Exemption der Studierenden
vom Militärdienst auf und 1811 wurde durch die „organischen Gesetze" die Korpo-
ration in eine vollständig staatliche Lehranstalt umgewandelt. — Ein Anonymus151)
giebt eine Uebersicht über die Entwicklung der evangelisch- theologischen Fakultät
in Tübingen in einzelnen Abschnitten, die die Anfänge, das Reformationszeitalter,
die Zeit des Luthertums, die ältere Tübinger Schule, die sich um Baur gruppiert,
und Beck und seine Schule schildern.152) —
Aus dem Vorjahre muss hier das Werk von Hörn153) über akademische
Disputationen nachgetragen werden, das von grosser Gründlichkeit und Belesenheit
Zeugnis giebt. In übersichtlicher Anordnung des Stoffes behandelt er Wesen und
Zweck, die verschiedenen Arten der Disputationen, Aufgabe und Bedeutung des
Präses, die Autorschaft der akademischen Disputationen, die Schuldisputationen in
den akademischen Gymnasien, die Disputierschriften, den Missbrauch der Disputationen,
erörtert die Bedeutung und geschichtliche Entwicklung der Doktorpromotion und giebt
in einem Anhange ein Verzeichnis der ehemaligen und jetzigen deutschen Univer-
sitäten. Auf die über das Werk zwischen Kaufmann154) und Hörn155) ent-
standene Polemik kann ich nicht eingehen, da ich die betreffenden Aufsätze nicht
erhalten habe. —
Akademische Stifte und Seminare.' E r i ch son s 156) Buch
über das Strassburger theologische Studienstift, das Collegium Wilhelmitanum, wird
im nächsten JB. besprochen werden. — lieber Herbarts pädagogisches Seminar in
Königsberg, über das bis jetzt nur spärliche Nachrichten in die Oeffentlichkeit ge-
langt waren, hat Kehrbach157) auf der deutschen Philologen Versammlung in
Wien einen Vortrag gehalten, dessen Inhalt auf den wiederaufgefundenen Akten
des Seminars beruht. Diese Akten werden zunächst innerhalb der „Texte und
Forschungen" der Gesellschaft für deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte und
sodann im letzten Bande der Kehrbachschen Herbartausgabe (s. o. N. 49) wörtlich
abgedruckt werden. —
Studententum. Buchwald 158), der kundige Historiker des Refor-
mationszeitalters, hat unter dem Titel „Simon Wilde aus Zwickau" ein Wittenberger
Studentenleben zur Zeit der Reformation gezeichnet, auf das im nächsten JB. näher
eingegangen werden soll. — H e y c k s 159) Schilderungen des Heidelberger Studenten-
lebens im Anfange unseres Jh. sind jetzt in zweiter Auflage veröffentlicht. — Von
Schneider160), dem verdienstvollen Forscher auf dem Gebiete des deutschen
Studentenlebens, ist ein ausführlicher Aufsatz über die Entstehung der Burschen-
schaft erschienen, der auf neuen Quellen, die das Berliner Staatsarchiv birgt, beruht.
Darnach sei die Gründung der Burschenschaft als das Ergebnis langjähriger Be-
strebungen, als die Frucht einer im Geiste der Zeit liegenden Neugestaltung, zugleich
als der Anfang eines sittlichen Aufschwunges der deutschen akademischen Jugend
zu betrachten. Es werden vor allen Jahns und Friesens Verdienste hervorgehoben.
— Interessante, zu der landläufigen Auffassung über die Gründung der Burschen-
schaft im Gegensatz stehende Mitteilungen hat Fabricius161) veröffentlicht. Zu-
Benediktiner-UniT.: StMBCO. 15, S. 249-70, 445-61, 561/9. — 150) G. Rümelin, König Friedrich V.Württemberg u. seine Bezieh,
z. Landesuniv. 1882. (= IV 5:476, S. 37-110.) — 151) D. evangel.-theol. Fakultät Tübingen: Pfarrhaus 10, S. 146-52. —
152) O H., D. Tübinger Univ.-Wappenbueh v. J. 1628: DHerold. 25, S. 98-100. — 153) E. Hörn, D. Disputationen u. Pro-
motionen an d. dtsch. Univ., vornehml. seit d. 16. Jh. Mit e. Anh., enth. e. Verzeichn. aller ehemal. u. gegenwärt, dtsch.
Uniy. (JBL. 1893 I 3 : 136.) (= Beihefte z. CBIBibl. N. 11.) L., Harrassowitz. 1893. VIII, 128 S. M. 5,00. — 154) O
(I 3:165.) — 155) O (I 3:166.) - 156) O X X AI. Erichson, D. theol. Studienstift Collegium Wilhelmitanum. Zu
dessen 350 j. Gedächtnisfeier. Festschr. Strassburg i. E., Heitz. VIII, 212 S. M. 3,50. — 157) K. Kehrbaoh, Mitteilungen
über J. F. Herbarts päd. Seminar in Königsberg. (=1 1 : 86 a, S. 158-69.) - 158) O X X (H 1 : 122.) - 159) (I 4 : 48.) -
160) G. H. S[chn eider], D. Entstehung d. Burschensch. (Mitteil. d. Vereinig, für Geschichtsschreibung): BurschenschBll. 8,
S. 1/4, 25/8, 57-62, 89-96, 117-23. — 161) W. Fabrioius, D. Gründung d. Jenaisohen Burschensch.: ib. S. 145-50, 173/5,
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. 1 Vl-.na-tio
nächst lässt er allerdings Jena den Ruhm, der Sitz der ersten wirklichen Burschen-
schaft zu sein, weist dann aber nach, dass die burschenschai'tlichen Bestrebungen bereits
1812 ihre Pflege und zwar bei der Landsmannschaft der Vandalen, zu denen auch
Jahn Beziehungen unterhielt, gefunden hatten. Der erste Sprecher dieser Korporation,
Karl Hörn, war es, der 1815 nach Beendigung des Feldzuges die Gründung der
Burschenschaft bewirkte. Die Farben der Vandalen: schwarz-rot mit goldener Ein-
fassung, gingen auf die Burschenschaft über; die Vandalen übertrugen ihre Gesinnung
auch auf die mit ihnen durch Kartelle verbundenen auswärtigen Landsmannschaften. —
Hier sei auch der ersten grösseren Feier der neu gegründeten Burschenschaft, der
Friedensfeier zu Jena im J. 1816, gedacht, die mit der Pflanzung der Burschenschafts-
eiche abschloss 162). — Ueber einige Persönlichkeiten, die zu der deutschen Burschen-
schaft in der ersten Zeit ihres Bestehens in Beziehung standen, über Fichte, Jahn
und Friesen, bringen die B urschen schBll. einige Nachrichten163"165). — Ueber
den berühmtesten Göttinger Studenten, Otto von Bismarck, sind Nachrichten
gegeben, die, angeregt durch die Aushängebogen einer neuen Bismarckbiographie,
die darin gegebene Schilderung von Bismarcks Göttinger Studentenzeit mehrfach
berichtigen 166J. — Zu den im vorigen Jahrgange (JBL. 1893 I 6 : 148/9) erwähnten
Studentenauszügen bringen die BurschenschBll. einen neuen in Erinnerung, nämlich
den bekannten Frankenthaler Auszug der Heidelberger Studenten im J. 1828 167). —
Veranlasst durch das Jubiläum der Universität Halle hat König168) Beiträge zur
geschichtlichen Entwicklung des Hallenser Studententums gegeben. — Das Hallenser
Universitätsjubiläum hat auch zwei wertvolle kleinere Werke über Studentensprache
und Studentenlied gezeitigt. Unter der Leitung Burdachs hat der „Deutsche Abend
in Halle" 16<J) einen Neudruck des Idiotikons der Burschensprache, das einen Teil der
Schrift Chrn. Fr. Augustins „Bemerkungen eines Akademikus usw." (1795) bildete,
veranstaltet und mit einer wertvollen Einleitung nebst eingehenden Anmerkungen
versehen. Als zweiter Teil des Buches sind die vom Mag. Chrn. Fr. Kindleben,
dessen Studentenlexikon Augustin vielfach benützt hat, 1781 herausgegebenen Studenten-
lieder abgedruckt. — Eine Ergänzung hierzu bildet John Meiers170) eingehende
Studie über die Hallische Studentensprache. — Die Reproduktion einer Hiebermensur
zwischen zwei Landsmannschaften171) ist insofern kulturgeschichtlich interessant, als
die Verschiedenartigkeit der Trachten so recht ein Bild der ganzen politischen Zer-
fahrenheit Deutschlands in der damaligen Zeit (1808) ist. —
Schulwesen. Bei den allgemeinen Arbeiten ist zunächst aus dem
vorigen Jahre Rüdes 172) Studie über den pädagogischen Gehalt der bedeutenderen
evangelischen Schulordnungen nachzutragen, die in der Hauptsache auf dem Studium
der Quellen beruht, wie sie die MGP., Vormbaum, Reyscher und Müllers Quellen-
schriften geben. Ausführlicher behandelt R. den von Melanchthon verfassten sächsischen
Schulplan, die braunschweigische Schulordnung Bugenhagens, die grosse württem-
bergische und die von Trotzendorf. — Hier sei auch gleich W i r t h s 173) im
wesentlichen auf Vormbaums Ausgabe evangelischer Schulordnungen beruhende
Abhandlung über die Arten der Schulen und ihre Organisation während des
16. und 17. Jh. im evangelischen Deutschland angeführt. —
Gymnasien und Lateinschulen. Wir beginnen — der alphabeti-
schen Reihenfolge entsprechend — mit Baden. In seiner Festrede, die Uhlig174)
bei der Einweihung des neuen Gymnasialgebäudes zu Heidelberg gehalten, hat er
auch einen Blick auf die Vergangenheit des Heidelberger Schulwesens geworfen
und übersichtlich seine Entwicklung skizziert. —
Veranlasst durch die Erhebung der Kreis-Lateinschule in Frankenthal in
der bayerischen Pfalz zu einem sechsklassigen Gymnasium haben Hildenbrand
und Koch175) eine Darstellung der früheren Entwicklung des Frankenthaler
höheren Schulwesens gegeben, und zwar hat H. die Geschichte bis zum J. 1816 ver-
folgt, während K. mit dem J. 1817 einsetzt. Die ältesten Schulen Frankenthals waren
Stiftungen der Klöster und zwar der Augustiner Chorherren, die 1119 ein Kloster
dort gründeten. Später fiel das Kloster an die Reformierten, und die einzelnen
Pfarreien unterhielten ihre eigenen Schulen, neben denen um 1600 noch die lateinische
205-11, 237;9. - 162) D. Friedensfeier zu Jena 1816: ib. S. 149, 152,3, 163. — 163) X (IV 5 : 112.) — 164) X F- L- Jahn-
(= N. 160, S. 89-122.) (Vgl. auch IV 5:627, 631/3.) — 165) X F- Friesen: BurschenschBll. 8, S. 68-70. — 166) F., Aus
Fürst Bismarcks Studentenzeit in Göttingen: ib. S. 228/9. — 167) D. Frankenthaler Auszug d. Heidelberger Studenten
am 14. Aug. 1828. (Mit Bild): ib. S. 121, 138. — 168) (I 4:47.) — 169) (I 4:49.) — 170) (I 4:49a.) — 171) W. F.,
E. Mensurbild aus napoleon. Zeit (1808). (Mit Bild): BurschenschBll. 8, S. 48-50. — 172) A. Rüde, D. bedeutendsten
evangel. Schulordnungen d. 16. Jh. nach ihrem päd. Gehalte. (= PädMag. N. 32.) Langensalza, Beyer <fc Söhne. 1893. II,
60 8. M. 0,75. — 173) A. Wirth, D. evang. Schule d. 16. u. 17. Jh. Mit Zugrundelegung v. Vormbaums evangel. Schul-
ordnungen. Progr. Meerane i. S. 26 S. — 174) G. Uhlig, Z. Gesch. d. Gymn. zu Heidelberg (d. neue Gebäude u. seine Ein-
weihung). Progr. Heidelberg. 4°. 20 S. — 175) F. J. Hildenbrand u. Alw. Koch, Uebersicht d. Gesch. d. höh. Lehr-
anstalten d. Stadt Frankenthal in d. Pfalz. (= Beitrr. z. Gesch. d. Stadt Frankenthal i. d. Pf. I.T., S. 3-31.) Progr. Franken-
thal. (Auch als Sonderabdr. unter d. gleichen Titel: Frankenthal, Göhring&Co. 31 S. M. 1,00; für d. Mitgl. d. AV. M. 0,50.)
I 12 : i75a-i8o K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
Schule erwähnt wird. Wie fast überall in Deutschland, so verfiel auch hier durch den
30jäbrigen Krieg" das Schulwesen, und erst als 1657 die kalvinistische Schule (gym-
nasium illustre) von Neuhausen bei Worms nach Frankenthal verlegt wurde entstand
eine kurze Blüte. In jener Zeit war auch Jakob Redinger, ein Schüler von Comenius,
Lehrer an der Anstalt. Bemerkt zu werden verdient, dass auch die philanthropinistische
Richtung in Frankentbai Eingang fand, indem 1779 ein männliches, 1780 ein weibliches
Philanthropin gegen die „misanthropischen Gymnasien" errichtet wurde. Eine stetige
Entwicklung trat erst nach der französischen Revolution, die die Auflösung des
Gymnasiums herbeiführte, und nach den napoleonischen Kriegen ein durch die Besitz-
ergreifung der Pfalz seitens der Witteisbacher. Diese spätere Zeit wird durch die
Verordnung Max I. vom 29. Okt. 1817 eingeleitet. Das frühere Gymnasium wird
Progymnasium, später lateinische Schule, dann Kreis-Lateinschule, bis sie 1894—95
Vollgymnasium wird. Mit dieser Anstalt, deren Entwicklung K. nach den ver-
schiedensten Seiten hin (Dotation, Prüfungen, Unterricht, Anstaltsvorstände, Lehrer,
Programme, Frequenz) schildert, wurden 1836, den Bedürfnissen jener Zeit nach-
gebend, ein Realkursus und eine wenn auch unvollständige Landwirtschafts- und
Gewerbeschule verbunden. — Einige kurze geschichtliche Notizen über die Latein-
schule (mit Realkursus) zu Günzburg an der Donau besonders während der
J. 1843 — 93 hat deren derzeitiger Vorsteher Rummelsburger 175a) veröffentlicht.
Die ersten Spuren dieser Lateinschule führt er zurück bis auf das J. 1750, in welchem
die Piaristen dort ihre Lehrthätigkeit begannen. — Mit der Geschichte des Regens-
burger Gymnasiums hat sich H ein i s ch 176 _1"j beschäftigt. Zunächst giebt er
den Abdruck der Instruktion für die Lehrer des Gymnasiums aus dem J. 1557;
sodann berichtet er über die Ausgaben der Stadt Regensburg für ihr Gymnasium
in den J. 1613 — 47, die nach verschiedenen Richtungen lehrreich sind. Es werden
Ausgaben verzeichnet für die Praemia (Schulmedaillen) des Münzmeisters, für Bücher
und Medikamente, die von der Stadt für die Schüler bezahlt wurden, für Speise und
Trank, für die an die Examina sich anschliessenden Gastmähler der Lehrer, für
Dekorationen bei Schulfeierlichkeiten usw. Uebrigens werden auch an drei Stellen
die Ausgaben für die deutschen Schulen, für Reiseunkosten der Lehrer und für
Mahlzeiten bei den Visitationen angeführt. —
Der unermüdliche Forscher auf dem Gebiete pädagogischer Geschichts-
schreibung, Koldewey 178), giebt in seinem Verzeichnisse der seit dem J. 1828 am
braunschweigischen Martino-Katharineum thätig gewesenen Direktoren und
Lehrer nicht nur einen schätzenswerten Beitrag zur braunschweigischen Schul-
geschichte, sondern auch einzelne Materialien zur Gelehrtengeschichte, der Geschichte
der Philologie und, was für uns hauptsächlich in Betracht kommt, zur Geschichte
der deutschen Litteratur. Unter den angeführten Persönlichkeiten ragt in letzterer
Beziehung besonders Griepenkerl hervor, der — von 1816 — 49 an der Anstalt thätig —
in den von ihm herausgegebenen Dichtungen, besonders in seinem Drama „Robes-
pierre", grosse dichterische Begabung verrät. Dass er auch ein feinsinniger Philosoph
war, belegen sein Lehrbuch der Logik und seine Briefe über die Philosophie Her-
barts, der als sein Lehrer grossen Einfluss auf ihn geübt hat. Dichterisch thätig'
und weiteren Kreisen dadurch bekannt war auch der Direktor Ferd. von Heinemann,
der 1850—64 an der Anstalt wirkte. Sonst verdienen noch aus dem Verzeichnisse
hervorgehoben zu werden: der Historiker Assmann, der übrigens 1859 bei der
Schillerfeier eine Festrede über Schillers nationale Bedeutung hielt, und Dürre, dessen
Name ebenfalls weiteren Kreisen vertraut geworden ist, besonders wegen seiner
Arbeiten zur Geschichte des Herzogtums Braunschweig und hierin wiederum durch
seine auf die Schulgeschichte bezüglichen Untersuchungen. —
Sello179) unterrichtet uns an der Hand der Archivalien des olden-
burgischen Haus- und Centralarchivs über die geschichtliche Entwicklung der
Schule in Wildeshausen im Herzogtum Oldenburg und reproduziert dabei einige
Urkunden von 1583—84, die über die Stellung des Schreib- und Rechenmeisters
Beiträge geben. S.s Darstellung ist auch für die Reformationsgeschichte im Herzog-
tum Oldenburg nicht unwichtig. —
Unter den preussischen Provinzen sei Brandenburg voran-
gestellt. Richter180) giebt einen kurzen Abriss über die Gründung und Ein-
weihung des unter seiner Leitung stehenden kgl. Prinz Heinrichs-Gymnasiums in
— 175 a) J. Rummelsberger, D. Lateinschule zu Günzburg v. 1843 bis 1893/4. Progr. d. kgl. bayer. Lateinschule. Günz-
burg a. d. Donau, (Paul). S. 28-37. — 176) H. Heinisoh, Ausgaben d. Stadt Regensburg für ihr Gymn. Poöticum in d.
J. 1613-47: MGESchG. 4, S. 29-32. — 177) id.. Instruktion für d. Lehrer d. Gymn. in Regensburg aus d. J. 1557: ib. S. 131/2.
- 178) Fr. Koldewey, Verzeichnis d. Uirektoren u. Lehrer d. Gymn. Martino-Katharineum zu Braunschweig seit d. J. 1828.
Progr. Braunschweig, (B. Goeritz). 4°. IV, 56 S. — 179) G. Sello, Z. Gesch. d. Schule in Wildeshausen im Herzogt. Olden-
burg v. MA. bis in d. 18. Jh. nebst urkundl. Beitrr. aus d. J. 1583—84: MGESchG. 4, S. 182-99. — 180) O.Richter, Grund,
u. Einweih. d. kgl. Prinz Heinrich-Gymn. (Mit Ansichten d. Gymn. u. einzelner Teile dess ) Progr. B., (A. W. Hayns Erben).
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. 1 12 : 18I-190
Berlin-Schöneberg. Es sei erwähnt, dass er in demselben JB. eine Schilderung- der
für den am 25. Febr. 1894 verstorbenen Geh. Regierungsrat Klix abgehaltenen
Trauerfeier bietet. — Nachdem B erb ig181) bereits im J. 1889 einen Teil der Schul-
geschichte der alten Lateinschule zu Krossen und zwar aus der Zeit vor der Re-
formation und von der Reformation bis zum J. 1586 unter Beifügung wertvoller
urkundlicher Beläge geschrieben hatte, hat er jetzt seine Darstellung bis zum J. 1695
weitergeführt. In diesem J. war der langjährige Rektor Gottfried Rothe gestorben,
der ein Schüler des Comenius war und der hier auch als Dichter einer grossen
Menge deutscher, freilich geschmackloser Gelegenheitsgedichte erwähnt sein möge.
Seiner Darstellung hat B. die brandenburgische Visitationsordnung von 1596, soweit
sie die Schule betrifft und des Kantors Gregorius Möller Vokation und Lektionspläne
aus den J. 1635—84 beigegeben. — Wie dürftig oft die Einrichtungen der Stadt-
schulen waren, geht aus Brummers182) Mitteilungen über die Schulgeschichte der
Stadt Nauen, für die er den Lektionsplan von 1701 und die Schulgesetze von 1723
veröffentlicht, hervor. Die vier Klassen dieser Lateinschule wurden durch einen
einzigen Ofen erwärmt, was nur möglich war, wenn die einzelnen Klassen einfach
durch eine Bretterwand, die natürlich nicht bis an die Decke reichen durfte, g-eschieden
waren. — Als eine Ergänzung zu der aus Anlass der Feier des 350jährigen Be-
stehens des Prenzlauer Gymnasiums herausgegebenen Festschrift zur Geschichte
dieser Anstalt (JBL. 1893 I 6:171) sei Arnoidts183) Bericht über die Feier dieses
Jubiläums hier angeführt. — Grosser s184) Ueberblick über die Entwicklung des
Gymnasiums zu Wittstock in den ersten 25 J. giebt zunächst eine Chronik, dann
Nachrichten über die Einrichtungen des Gymnasiums, die Lehrer, die Frequenz-
verhältnisse, Abiturienten und widmet die Schlusskapitel dem Schuleigentum und
dem Schuletat, einschliesslich der Stiftungen, Benefizien usw. —
Hannover. Ueber die ersten zwei J. der Entwicklung der Göttinger Kaiser-
Wilhelmsanstalt macht Ah r en s185) einige Mitteilungen. — Wichtige Dokumente
zur Geschichte des berühmten Pädagogiums zu Ilfeld und des hannoverschen höheren
Schulwesens überhaupt sind die von Holstein186) aus den Schätzen der Göttinger
Bibliothek veröffentlichten Verbesserungsvorschläge des Philologen C. G. Heyne und
des Abtes Jerusalem in Braunschweig. —
Hessen-Nassau. Durch die Gedenkfeier des 50jährigen Bestehens des
kgl. Gymnasiums zu Wiesbaden ist eine Festschrift hervorgerufen worden, in der
auch Streiflichter auf die frühere Geschichte des höheren Schulwesens in Wiesbaden
fallen. Paehler187) schildert, aus den Quellen schöpfend, die Entwicklung vom
J. 1543— 1817. — Spiess188) setzt diese Untersuchungen insofern fort, als er ein Ver-
zeichnis der Lehrer des Pädagogiums von 1817 — 44 und des Gymnasiums von
1845 — 94 giebt, und Fritze189) erg-änzt sie durch das Abiturienten Verzeichnis aus
den J. 1847—94. Interessant sind P.s Mitteilungen über das Pädagogium, das eine
Vorbereitungsanstalt einerseits für diejenigen Schüler, die auf das Gymnasium über-
gingen und später sich dem höheren Staatsdienste widmen wollten, andererseits für die
Knaben, welche einen gelehrten Beruf nicht im Auge hatten, sein sollte. Es trug
also hier den Charakter eines Progymnasiums, an dem der Unterricht in der deutschen
Sprache von dem analytisch-grammatikalischen Unterrichte bis zum Lesen und Er-
klären leichter Schriftsteller und dem Verf ertigen schriftlicher Aufsätze fortgeführt
werden sollte und die Schüler zu Versuchen in der deutschen Poesie aufgemuntert
wurden, „um manches schlummernde Dichtergenie zu erwecken." Für die Geschichte
der Schulprogramme von Wichtigkeit ist die Nachricht, dass 1821 die nassauische
Regierung, um Ersparnisse zu machen, bestimmte, dass die Programme der nassaui-
schen Pädagogien in Einem Hefte vereint erscheinen sollten, dass jedesmal einer der
Rektoren abwechselnd eine pädagogische Arbeit zu liefern habe. Das erste Heft
brachte Kecks Abhandlung „Ueber den Unterricht in der deutschen Sprache auf
öffentlichen gelehrten Schulen." —
Pommern. Nachgetragen zum vorigen JB. sei Brands190) Darstellung
der geschichtlichen Entwicklung des vor 25 Jahren gegründeten, aus dem städtischen
4°. 20 S. — 181) F. Berbig, Nachrr. u. Urkk. d. Lateinschule zu Krossen. 2. T. Progr. Krossen a. 0., Zeidler. 4°. 36 S.
(D. 1. T. ist 1889 ebda, erscb.) - 182) F. Brummer, Z. Schulgeseh. d. Stadt Nauen. a) Lektionsplan v. 1701; b) Schulgesetze
v. 1723: MGESchG. 4, 8. 33-64. — 183) R. Arnoldt, Ber. über d. Feier d. 350 j. Bestehens d. Gymn. zu Prenzlau am 17.,
18. u. 19. Mai 1893. Progr. Prenzlau, (Vincent). 73 S. — 184) R. Grosser, Ueberbliok aber d. ersten 25 J. d. Gymn. zu
Wittstock. Progr. Wittstock, (Wessely). 4". 19 S. — 185) H. Ahrens, Gesch. d. Entstehung d. Kaiser -Wilhelms-
anstalt u. ihre Entwicklung in d. ersten 2 J. Progr. Göttingen. 1893. 5 S. — 186) H. Holstein, 2 Schriftstücke
z. Hebung d. Pädagogiums zu Ilfeld u. d. hannöv. höh. Sohulwesens aus d. J. 1770. a) Des Hofrats u. Göttinger Prof. C. G.
Heyne Verbesserungsvorschläge, b) D. Schreiben d. Abtes Jerusalem in Braunschweig an d. Premierminister v. Münchhausen
in Hannover, d. Heyneschen Vorschläge betr.: MGESchG. 4, S. 65-84. — 187) R. Paehler, Gesch. d. Wiesbadener Pädagogiums.
(= Festschr. d. kgl. Gymn. zu Wiesbaden z. Gedenkfeier d. 50j. Bestehens d. Anstalt, S. 1-29.) Wiesbaden, H. Lützenkirchen.
4°. 133 S. -188) B. Spiess, Verzeichn. aller Lehrer d. Pädagogiums (1817-44) u. d. Gymn. (1844-94). (= N. 187, S. 31-103.)
— 189) A. Fritze, Verzeichn. aller Abiturienten d. Gymn. v. 1847-94. (= N. 187, S 104-33.) — 190) A. Brand, Ber. über
1 12:i9i-i97 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erzieh ungswesens.
Progymnasium hervorgegangenen Gymnasiums zu Dramburg, das 1888 Staatsanstalt
wurde. Beigegeben ist ein Bericht über die Feier des Jubiläums der Anstalt und
ihres vormaligen Direktors, Prof. Queck, der 25 J. Leiter des Gymnasiums gewesen
war; ferner ein Verzeichnis der seit 1872 entlassenen Abiturienten. — Weitere Nach-
richten zur Schulgeschichte Pommerns giebt Beyer101) in der Fortsetzung seiner
im vorigen Bande (JBL. 1893 I 6 : 178) angeführten fleissigen Arbeit. Es werden aus
der Matrikel des Pädagogiums zu Stettin und des Danziger Gymnasiums die aus
Neustettin stammenden Schüler aus den J. 1641 — 1714 aufgezählt. Von Schülern des
Neustettiner Gymnasiums aus den J. 1640—1714, für welche Zeit das Schüleralbum
fehlt, hat B 16 Schüler nachweisen können. Den einzelnen mitgeteilten Namen sind
kurze biographische Bemerkungen beigefügt. — Wehrmann192), der verdienstvolle
Forscher auf dem Gebiete der Pommerschen Schulgeschichte, schildert die Wirk-
samkeit des Rektors Thomas Reddemer, der von 1604—18 der Ratsschule zu Stargard
vorstand und eifrig bemüht war, durch Aufstellung geeigneter Stundenpläne und
durch Abfassung von Schulbüchern für den lateinischen und griechischen Unterricht
die Anstalt zu heben. — Einen weiteren Beitrag sowohl zur Geschichte des pommerschen
Schulwesens als auch zur Geschichte der akademischen Gymnasien hat Wehr-
mann193) geliefert durch seine Mitteilungen über die Disputationen am Stettiner
Pädagogium. — Lemcke194) fährt fort Beiträge zur Geschichte der Stettiner
Ratsschule (JBL. 1893 I 6 : 158) zu publizieren und zwar giebt er Auszüge aus den be-
reits bekannten pommerschen Kirchenordnungen, die die gesetzlichen Bestimmungen
für die äussere und innere Einrichtung des Schulwesens enthalten und mehr als
2 Jhh. hindurch die Grundlage für alle pommerschen Schuleinrichtungen gebildet
haben. —
Posen. Friebe195) giebt eine interessante Darstellung der wechselvollen
Schicksale der ehemaligen Lateinschulen Fraustadts, deren erste seit 1404 beglaubigt
ist, aber wahrscheinlich bereits viel früher bestanden hat. Ihre Blütezeit begann,
nachdem 1555 fast ganz Fraustadt evangelisch geworden war, hauptsächlich unter
dem Rektorate Joh. Brachmanns, und sie behielt ihren guten Ruf bis ins 18. Jh.
hinein. Die inneren Unruhen im Königreiche Polen hemmten die stetige Entwicklung
dieser lateinischen Stadtschule, neben der bereits eine zweite Lateinschule, von
Jesuiten geleitet, entstand. Von Wichtigkeit ist der von F. mitgeteilte Unterrichts-
plan der Fraustädter Schule aus 'dem J. 1749, „ein Spiegelbild seiner Zeit und des
Umschwunges, den alle deutschen Schulen erlebt hatten"; das Lateinische wurde
eingeschränkt zu Gunsten der deutschen Sprache und deutscher Stilübungen. Er-
wähnt zu werden verdient, dass zu den Schülern der Fraustädter Stadtschule auch
Andr. Gryphius gehörte, der hier 1633 seinen ersten poetischen Versuch, ein Gedicht
über den Kindermörder Herodes in heroischem Versmasse, wagte. Die katholische
Lateinschule war 1724 durch den Adel, der bedeutende Geldmittel zusammenbrachte,
als fünfklassige Schule gegründet worden und wurde von den Jesuiten geleitet.
Nach Aufhebung des Ordens 1775 wurde sie bis zur zweiten Teilung Polens von
Cisterciensern weitergeführt. Preussen gründete nachher als Ersatz eine Kreisschule,
aus der eine Realschule und 1890 das jetzige Gymnasium hervorgingen. —
Provinz Sachsen. Matthias196) schildert in seiner Festschrift die Ent-
wicklung des Gymnasiums zu Burg, das 1864 aus der im J. 1844 gegründeten Real-
schule hervorgegangen ist. Ausser den Verzeichnissen ehemaliger und jetziger
Lehrer, der Abiturienten seit 1849 werden auch einige Mitteilungen über die alte in
der Reformationszeit gegründete Lateinschule, die 1878 in die Bürgerschule um-
gewandelt wurde, hinzugefügt. — Durch die Erinnerungen an seine Schülerzeit, die
„goldene Zeit der sieben Klosterjahre", werden wir von Nebelung197) mit den Ein-
richtungen einer eigenartigen Schule bekannt gemacht. Wir erfahren, dass im
Pädagogium Unserer lieben Frauen zu Magdeburg das Lektionssystem bestand, wo-
nach ein Schüler in einem Fache in Oberprima, im anderen in Sexta sitzen konnte,
dass ferner mit Ausnahme des Propstes, des Rektors und des Prorektors alle Kon-
ventualen und Lehrer unverheiratet waren, dass die Alumnen eine besondere Tracht
trugen, dass zwar allerlei Spiele getrieben und Spaziergänge mit den Lehrern unter-
nommen wurden, aber das Turnen untersagt wurde, dass die Alumnen fleissig das
Theater und die Konzerte besuchten und dass sie sogar einen Klosterball veranstalteten,
d. 25 j. Bestehen d. Anstalt. Progr. d. kgl. Gymn. Dramburg, (Schade & Co.). 1893. 4°. 17 S. — 191) Th. Beyer, D.
ältesten Schüler d. Neustettiner Gymn. Progr. Neustettin, (R. G. Hertzberg). 4°. II, 32 S. — 192) M. Wehrmann, D.
Schule zu Stargard i. P. unter d. Rektor Th. Reddemer (1604-18): MGESchG. 4, S. 17-28. — 193) id., D. Disputationen
am Pädagogium (akad. Gymn.) in Stettin: ib. S. 172-81. — 194) H. Lemcke, Beitrr. z. Gesch. d. Stettiner Rats-
schule in 5 Jhh. I. ürkk., 2. Abt. Progr. Stettin, (Herrcke & Lebeling). 4». 27 S. — 195) M. Friebe, Gesch. d.
ehemal. Lateinschulen Fraustadts. Progr. Fraustadt, (Pucher). 4n. 54 S. — 196) E. Matthias, Beitrr. z. Gesch. d.
Realsch. u. d. Gymn. Fostschr. z. Feier d. 50j. Bestehens d. höh. Lehranst. in Burg. (Mit 1 Bild d. Viktoria-Gymn. u.
7 Autotyp.) Burg (bei Magdeburg), Hopfer. 106 S. M. 1,00. -- 197) A. Nebelung, 7 Schalerjahre im Pädagogium z.
Kloster „Unserer Lieben Frauen" in Magdeburg (1820-27). 2. (Titel-)Aufl. Giessen, Krebs. 8°. 40 S. M. 0,60. (Erschienen
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. I 12 : ios-206
zu welchem die besten Magdeburgischen Familien eingeladen und mit den Kloster-
kutschen abgeholt wurden. — Die von Matthes198) mitgeteilten Aktenstücke zur
Geschichte der Schule und Kirche des Klosters Rossleben erstrecken sich auf die
Zeit, in der Rossleben der Superin tendentur zu Sangerhausen unterstand, d. h. etwa
von 1571 bis zur Mitte des 17. Jh. Uebrigens bezieht sich ein nur geringer Teil
des Dargebotenen auf die Schule, die 1580 im Range den Fürstenschulen beinahe
gleichgestellt wurde. Aus der Zeit des 30jährigen Krieges sind nur belanglose An-
ordnungen, z. B. über Vertretung, mitgeteilt worden. Von 1639—75 war die Schule
ganz verödet. — In der Beilage zum Programm der Landesschule Pforta ergänzt
Max Hof mann109) sein Pförtner Stammbuch (JBL. 1893 I 6:184). —
Sohlesien. Einige Mitteilungen unterrichten uns über die Lateinschule
in Lauban , deren Reorganisation im Geiste des Comenius durch den Rektor
M. Gottfried Hoffmann am Ende des 17. Jh. bewirkt wurde 200). — Die so wechsel-
vollen Schicksale einer alten schlesischen Schulanstalt, des kgl. Gymnasiums zu Oels,
hat Werner201) dargestellt. Der Stifter der Schule war der Herzog Karl IL von
Münsterberg-Oels, bei dessen Lebzeiten sich die Schule rasch entwickelte; aber nach
seinem 1617 erfolgten Tode ging sie rasch wieder zurück, wozu der 30 jährige Krieg
das Seinige beitrug-. Neue Lebenskraft erhielt die hinsiechende Schule erst im J. 1737
durch die Kospoth-Stiftung. Bemerkt zu werden verdient, dass der Wert der deutschen
Muttersprache bereits in der Eröffnungsrede von 1594 hervorgehoben wurde, und dass
unter dem Rektor Dominici (1776--- 92) in allen Klassen deutscher Unterricht erteilt
wurde, in der Prima 2, in Sekunda und Tertia 3, in Quarta 5, in Quinta 6 Stunden
wöchentlich: es wurden Uebungen im deutschen Stil, im Deklamieren und Disponieren
nach Sulzers Vorübungen und nach Schützens Lehrbuch zur Bildung des Verstandes
und Geschmacks, zwei damals sehr gebräuchlichen Lehrbüchern, angestellt. Ortho-
graphische Uebungen wurden in der Quarta an der Hand von Campes Sittenbüchlein
vorgenommen; in der letzten Klasse wurde Lesen und Orthographie an Rochows
Kinderfreund geübt. In Tertia fanden besondere Uebungen im Briefschreiben statt.
Daneben liefen deutsche dramatische Schüleraufführungen, unter denen hervorgehoben
zu werden verdient die Aufführung von Lessings Minna von Barnhelm im J. 1776.
Von 1813 ab führt die Anstalt, die seit 1737 Seminarium geheissen hatte, wieder den
Namen Gymnasium. An der patriotischen Begeisterung des J 1813 hatte auch das
Oelser Gymnasium gebührenden Anteil; Blüchers Adjutant, von Nostiz, war ein
ehemaliger Schüler des Gymnasiums. Aus der Zahl der späteren Schüler sei auf
Gustav Freytag hingewiesen. — Die Geschichte einer anderen schlesischen Anstalt,
die erst seit 25 J. besteht, des kgl. Gymnasiums zu Gross-Strelitz, hat L arisch202)
geschrieben. Es handelt sich dabei hauptsächlich um Verhandlungen zwischen
Bürgerschaft, Magistrat, der Regierung und dem Provinzial-Schulkollegium wegen
des Zustandekommens der Anstalt. —
Schleswig-Holstein. Wiederum bringt S e i t z 203) zur Geschichte der
früheren lateinischen Schule in Itzehoe Mitteilungen und Aktenstücke (Einladungen,
Lehrpläne, Gesuche, Verhandlungen mit dem Rate), die sich auf die J. 1717—48 er-
strecken und die früheren Veröffentlichungen fortsetzen. —
Rheinprovinz und Westfalen. In seiner Geschichte des Bonner
Gymnasiums (JBL. 1893 I 6 : 179) fährt Buschmann204) fort und liefert jetzt den
dritten Teil, der das kgl. preussische Gymnasium in der Uebergangszeit und das
Gymnasium während der Leitung Biedermanns bis zum J. 1846 behandelt. Inter-
essant sind in dieser sorgfältigen Darstellung Grasshofs Charakteristik der Lehrer
des Gymnasiums in der Uebergangszeit und die Wiedergabe der Erinnerungen
Gottfried Kinkels, eines ehemaligen Zöglings und späteren Lehrers der Anstalt,
letztere auch deshalb, weil sie zeigen, wie ungenügend deutsche Sprache und
Litteratur am Bonner Gymnasium — wie an so vielen anderen — gepflegt wurden.
Das war dort auch noch der Fall nach der Reifeprüfungsordnung von 1834, die aus-
drücklich für deutsche Sprache und Litteratur höhere Anforderungen stellte. —
Bruders205) Geschichte des Schulwesens zu Bingen a. Rh. während des MA kann
hier erwähnt werden, da seine Mitteilungen bis ins 16. Jh. hinein reichen. Sie sind für
verschiedene Seiten des Schullebens nicht ohne Wichtigkeit, so die Berichte über Steuer-
freiheit der Lehrer, über Besoldungsverhältnisse, über Schulgeld und über die Feier
des Bischofspiels. — S t e u slo f f206), der Direktor des Herforder Gymnasiums, ver-
zuerst 1891.) — 198) Matthes, Aktenstücke z. Gesch. d. Schule u. Kirche Kloster ßossleben. Progr. Görlitz, (Görlitzor
Nachrichten u. Anz.). 4°. 21, UI S. — 199) Max Hofmann, Z. Pförtner Stammbuch 1543—1893. Progr. Kgl. Landessch.
Pforta. 6 S. — 200) Gymn. in Lauban: MhComeniusG. 3, S. 338 9. — 201) E. Werner, Gesch. d. kgl. Gyran, zu Oels.
Festschr. z. Feier d. 300 j. Bestehens d. Anst. Oels, A. Ludwig. 96 S. — 202) B. Larisch, D. Gründung u. d. bisher.
Entwicklung d. Anst, aus An!, ihres 25j. Bestehens dargest. Progr. d. kgl. Gyran. Gross-Strelitz, (Hübner).
4°. 16 S. — 203) K. Seitz, Aktenstücke z. Gösch, d. früheren lat. Schule zu Itzehoe VI. Progr. Itzehoe,
(Pfingsten). 48 S. — 204) J. Buschmann, Z. Gesch. d. Bonner Gymn. 3. T. Progr. Bonn, (Georgi). 4°. 49 S. —
205) P. Bruder, D. Schulwesen zu Bingen a. Rh. während d. MA.: MGESchG. 4, S. 85-102. — 206) Steusloff, E. lat.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (1)23
1 12:207-215 K. Kehrbaeh, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
öffentlicht eine lateinische Schulordnung- (mit beigefügter Uebersetzung) aus dem
J. 1555, die der ehemalige Rektor Froböse für die Lateinschule in Herford entworfen
hat. Ganz im Charakter der Zeit wird den Schülern das Schlittschuhlaufen und
Baden, sowie der Gebrauch der deutschen Sprache verboten. — Von K u h 1 s 2Ü7) Ge-
schichte der Stadt Jülich, insbesondere des früheren Gymnasiums zu Jülich, liegt der
dritte und letzte Teil vor, der die Zeit von 1742 — 1815 umfasst und die Geschichte
des Gymnasiums bis zu seinem Untergänge 1799 führt. Die Aufhebung des Jesuiten-
ordens 1773 zog schon im folgenden J. die der Schule nach sich, doch wurde sie
Dank den Bemühungen des Magistrats und der Bürgerschaft 1777 wieder eröffnet,
bis sie, mehr und mehr im Niedergang begriffen, 1799 aufgelöst und trotz aller Ver-
suche der Stadt nicht wieder ins Leben gerufen wurde. 1818 wurde eine höhere
Stadtschule errichtet. —
Königreich Sachsen. Ueber den Unterricht in der Wolkensteiner
Lateinschule, eine der ältesten des sächsischen Erzgebirges, in den J. 1598 und 1706
werden wir orientiert durch zwei Stundenpläne aus diesen Jahren, die Gehmlich208)
ediert. — Unter dem Titel „Humanismus und Realismus im höheren Schulwesen
Sachsens während der J. 1831—51" schildert Scholtze209) im ersten Teile seiner
Arbeit das sächsische höhere Schulwesen in den J. 1831—40, in denen der Realismus
in dem Lehrplane des Gymnasiums seine rechtliche Anerkennung und in zwei
neuen Schulgattungen, der Realschule und dem Realgymnasium, seinen ersten eigen-
tümlichen und bereits unterschiedenen Ausdruck fand. —
Oester reich. Die Schicksale des Freistädter Gymnasiums (Oberösterreich)
während der ersten 25 J. seines Bestehens hat dessen inzwischen verstorbener Direktor
Hackel210) (s. o. N. 71) angefangen zu schreiben. — Ein interessanter Beitrag
zur Geschichte des Schulwesens und der Reformation in Böhmen ist von Horcicka211)
durch seine Geschichte der Lateinschule des böhmischen Bergstädtchens Schlaggen-
wald dargeboten worden. Die Schule, die lange segensreich gewirkt hatte und als
die beste Böhmens galt, fiel — ein Opfer der Gegenreformation — um 1624. Der
Vf. hat seine Gabe durch eine Reihe von Beilagen: Bestallungen, Instruktionen,
Bibliothekskataloge usw., bereichert. — Holzer212) hat eine Vergleich ung des der-
zeitigen österreichischen Gymnasiums mit den Forderungen des berühmten, vom
Grafen Leo Thun, Franz Exner und Hermann Bonitz herrührenden Entwurfes der
Organisation usw. angestellt und gezeigt, wie weit die -Organisation des jetzigen
Gymnasiums von jenem ursprünglichen Entwürfe abweicht, und nach welchen
Richtungen hin Veränderungen und Verbesserungen eingetreten sind. — Ueber das
erste Decennium des Bestehens des Wiener Staatsgymnasiums des XII. Bezirks (Unter-
Meidling) hat dessen Direktor de Ma th a-Wastl 213) eine chronologische Ueber-
sicht gegeben. —
Realschulwesen. Ueber Herders Bedeutung und seine Forderungen
für Unterricht und Erziehung ist mehrfach berichtet, dabei aber in den meisten Fällen
seine Ansicht über den Wert der klassischen Sprachen in den Vordergrund gestellt
worden. Dass Herder aber auch verdient, in der geschichtlichen Entwicklung der
Realschulidee genannt zu werden, erhellt aus Volkers214) Aufsatz über Herders
Plan einer livländischen Schule, der in seinem „Journal meiner Reise" (1767) dar-
gestellt ist, einen Plan, in dem Prinzipien der Erziehung sich finden, „welche unsere
Zeit mehr und mehr als förderlich anerkennen wird." Herders Plan fordert zunächst,
dass in der Schule die deutsche Muttersprache mehr zu ihrem Rechte gelange, und
zwar solle die Grammatik und der Stil aus der Sprache erkannt werden. Nach der
Muttersprache tritt in der zweiten Realklasse das Französische ein, das er vor dem
Lateinischen bevorzugt wissen will, und zwar soll das Französische nicht aus der
Grammatik, sondern lebendig gelernt werden, nicht für das Auge und durch das
Auge studiert, sondern durch das Ohr und für das Ohr gesprochen. Erst nach dem
Französischen folgte das Lateinische und später das Griechische. Für diese alten
Sprachen verlangt er weniger Grammatik, dagegen viel Lektüre. —
Baden. Die ersten 25 J. einer Realanstalt, die aus einer siebenklassig'en
höheren Bürgerschule hervorgegangen war, des Realgymnasiums zu Karlsruhe,
schildert Kappes215). —
Den Plan zur Errichtung der ältesten Realschule im Herzogtum Braun-
Schulordnung d. Rektors Froböse aus d. J. 1585 nebst Uebersetz. Progr. Herford, (Gebr. Heidemann). 4°. 3 S. — 207) J.
Kühl, Gesch. d. Stadt Jülich, insbes. d. früheren Gymn. III. T.: 1742—1815. Jülich. J. Fischer. VIU, 194 S. M. 5,00. —
208) E. Gehmlich, 2 Stundenpläne d. Lateinsch. in Wolkenstein 'im Erzgebirge aus d. J. 1593 u. 1706: MGESchG. 4, S. 133/6.
— 209) A. Scholtze, Humanismus u. Realismus im höh. Schulwesen Sachsens während d. J. 1831—51. I. T. Progr.
Plauen i. V., (Neupert). 4°. 38 S. — 210) H. Hackel, Gesch. d. Gymn. in Freistadt (Oberösterr.) in d. ersten 25 J.
seines Bestandes (1867—92). I. T. Progr. Freistadt. 1893. 62 S. — 211) (II 6:187.) — 212) Jos. Holzer, D. Gymn. d.
Organisations-Entwurfes u. unser heutiges Gymn. Progr. d. Staatsobergymn. Mähr.-Trübau. 25 S. — 213) J. de Matha-
Wastl, Chronol. Rückblick auf d. 1. Decenn. d. Bestandes d. Lehranst. Progr. d. k. k. Staatsgymn. im XII. Bez. Wien. 1893.
61 S. - 214) Völker, Herders Plan e. livländ. Schule: COIRW. 22, S. 469-511. — 215) K. Kappes, Rückblick auf d. ersten
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. I 12 : 210-222
schweig-, nämlich der zu Königslutter aus dem J. 1745, hat Koldewey216) als
Ergänzung" zu den von seinem Vater herausgegebenen braunschweigischen Schul-
ordnungen (MGP. Bd. II und VIII) bekannt gemacht. Dieser Plan ist dadurch wichtig,
dass er die für die einzelnen Fächer von Lehrern und Schülern benutzten Bücher ver-
zeichnet. Hier sei erwähnt, dass auf das Briefschreiben damals grosses Gewicht gelegt
wurde, und dass für dieses Unterrichtsfach dem Lehrer die Benutzung von Gellerts
Briefen vorgeschrieben war. —
Die Darstellung der Entwicklung des Realprogymnasiums zu Uelzen fin
Hannover hat Schober217) sich zur Aufgabe gestellt. —
Eine umfangreiche, sorgfältige, mit wertvollen Beilagen und wichtigem ein-
gestreuten urkundlichen Material bereicherte Geschichte der Lateinschule zu Friedberg
in Hessen hat Windhaus218), der bereits im J. 1892 in den MGESchG. Friedberger
Schulrechnungen veröffentlicht hatte (JBL. 1892 I 10 : 334) geschrieben. Die gross-
herzogliche Realschule und das Progymnasium sind als Fortsetzung der alten Latein-
schule zu Friedberg anzusehen, und es kann insofern von einem 350jährigen Jubiläum
dieser Anstalten gesprochen werden. Im ersten Abschnitte seines Buches hat W. auch
Beiträge zur Kenntnis des Friedberger Schulwesens vor der Gründung der Latein-
schule (1543) gegeben. Urkundlich belegt ist die Schule zum ersten Male im J. 1381
durch einen Rector parvulorum Sifridus. Wichtig für die Kirchengeschichte ist seine
Schilderung des Einzuges der Reformation. Viel Material fällt auch für die Gelehrten-
geschichte ab. Eingefügte Stundenpläne und Schulordnungen illustrieren den Unter-
richtsbetrieb in den einzelnen Perioden der Friedberger Schulentwicklung. Zu bedauern
ist, dass der Vf. es unterlassen hat, das ungemein reiche und authentische Material
durch ein Namen- und Sachregister, das die Reichhaltigkeit des Stoffes übersichtlich
gegliedert darbieten würde, leichter zugänglich zu machen. — Eine kurze Geschichte
der grossherzoglichen Real- und Landwirtschaftsschule zu Grossumstadt in Hessen
hat deren derzeitiger Direktor Dersch219) geschrieben. Die Schule hat sich nach
und nach unter Ueberwindung grosser Schwierigkeiten aus einer zweiklassigen Vor-
bereitungsanstalt für die oberen Klassen der Realschule und des Gymnasiums ent-
wickelt. Die damit verbundene Landwirtschaftsschule soll jungen Leuten die nötige
wissenschaftliche Grundlage zu einem späteren rationellen Betriebe der Landwirtschaft
geben. D. fügt seiner Skizze ein Verzeichnis der Direktoren und Lehrer der Anstalt
sowie eine kurze Statistik der Schülerfrequenz bei,
Preussen: Provinz Brandenburg. In kurzer statistischer Form giebt
Martus220) einen Rückblick auf das 25jährige Bestehen des Berliner Sophienreal-
gymnasiums. —
So sehr der Deutsche wohl ein Recht hat, die französische Fremdherrschaft
im ersten Jahrzehnte unseres Jh. als eine Schmach zu beklagen, so darf doch nicht
übersehen werden, dass auch manches Gute durch sie geschaffen oder angeregt wurde.
So müssen der Regierung des Königreiches Westfalen ihre Verdienste um Hebung
des Bildungswesens angerechnet werden. Was in jener Zeit für die Bürger- und
Realschulen der jetzigen Provinz Hessen- Nassau beabsichtigt und gethan worden
ist, hat Knabe221) übersichtlich dargestellt und dadurch wieder eine Lücke in der
Geschichtsschreibung des Realschulwesens ausgefüllt. — Ueber die Entwicklung des
Kasseler Realgymnasiums berichtet Wittich222), dessen derzeitiger Direktor. Er giebt
kurze biographische Notizen über die Direktoren und Lehrer. Unter den ersteren sei
Kreyssig genannt, dessen Verdienste um die deutsche Litteratur — er hat über
Goethes Faust und über den deutschen Roman der Gegenwart geschrieben — be-
kannt sind. Auch W. selbst hat Beziehungen zur deutschen Sprache und Litteratur.
Er war Heyse behülflich bei der Herstellung der 14. Auflage seines Wörterbuches,
hat über Goethes Tasso geschrieben und auch eine Schulausgabe von dieser Dichtung
in der Schoeninghschen Sammlung veranstaltet. Unter den Lehrern verdienen hier
Karl Knabe, jetzt an der Oberrealschule in Kassel, der mehrfach Beiträge zur Schul-
geschichte Hessen-Nassaus geliefert hat, und Heuser, der vor zwei Jahren (1892) in
der Programmarbeit die Frage behandelte, warum Schiller populärer sei als Goethe,
erwähnt zu werden. Auch Seelig sei hier genannt wegen seiner Dissertation über den
elsässischen Dichter Hans vom Bühel. —
Die wechselvollen Schicksale der höheren Lehranstalt (Oberrealschule und
25 J. d. Anst. (Realgymn.) n. Nachtrr. zu d. r883 mitgeteilten Verzeichn. d. Lehrer. Progr. Karlsrahe. rS93. 5 S. — 216)
F. Koldewey, Schulordnungen d. Stadt Königslutter (Braunschweig). II. Plan f. d. Errichtung d. Realsch. aus d. J. 1745:
MGESchG. 4, S. 137-47. — 217) L. Schöber, Gesch. d. Schule (Realprogymn. zu Uelzen) 1869—94. Progr. Uelzen. 19 S.
— 218) G. Windhaus, Gesch. d. Latein seh. zu Friedberg. Festschr. z. 350j. Jubil. d. grossherz. Realsch. u. d. Progymn. zu
Friedberg i. H. (Mit 1 Tab.) Friedberg, Bindernagel. 1893. V, 196 S. — 219) 0. Dersch, Gesch. d. grossherz. Real- u.
Landwirtschaftssch. zu Grossumstadt in d. 25 J. ihres Bestehens. Progr. Grossnmstadt, (Lindauer). 18 S. Mit Bild. —
220) H. Martus, Rückblick auf d. 25j. Bestehen d. Schule. Progr. d. Sophiengymn. B., (H. Müller). öS. — 221) K.
Knabe, Lchrpläne v. Bürger- u. Realschulen d. Prov. Hessen-Nassau aus d. Zeit d. französ. Fremdherrsch.: MGESchG. 4,
S. 279-84. - 222) W. Wittich, Rückschau auf d. 25j. Gesch. d. Kasseler Realgymn. Progr. Kassel, (Gebr. Schneider). 4°.
(1)23*
I 12:223-228 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erzieh ungswesens.
Progymnasium) zu Rheydt im Rheinlande hat Wittenhaus223), der langjährige
verdiente Direktor dieser Schule, zur Darstellung gebracht. —
In seiner Geschichte des Realgymnasiums in Waidhofen a. d. Thaya (Nieder-
Oester reich) giebt K. Seh mit224) eine Chronik, die mit dem J. 1870 beginnend
bis 1894 in jedem Jahre wichtige Sehulereignisse anmerkt. Er spricht auch über
Schulaufsicht, verzeichnet die Lehrkräfte nach der Zeit ihres Diensteintritts usw.,
schliesst hieran ein alphabetisches Verzeichnis der Schüler aus den J. 1870—94 und
giebt bei den einzelnen ihre derzeitige Stellung an. — ,
Lehrerbildungswesen. Die Einweihung des neuen braunschweigischen
Seminargebäudes hat Bosse225) die Anregung gegeben, die Entstehung und Ent-
wicklung des herzoglichen Lehrerseminars von 1751—1801 auf Grund eingehender
Quellenstudien darzustellen. Die Schilderung der Gründung des Seminars setzt erst
mit dem dritten Abschnitte (S. 72) ein, während im Vorhergehenden ein Ueberblick
über die Anfänge der' deutschen Lehrerbildungsanstalten bis zum J. 1751 gewährt
und im zweiten Kapitel einige „charakteristische Bilder" aus der Entwicklungs-
geschichte des braunschweigischen Stadt- und Landschulwesens gegeben werden,
wobei die innerhalb der MGP. und der MGESchG. und anderswo bereits veröffent-
lichten gründlichen Untersuchungen Koldeweys zur braunschweigischen Bildungs-
geschichte benutzt worden sind. Ein Verdienst würde sich der Vf. erwerben, wenn
er seine treffliche Arbeit weiter führen wollte und durch ein Namen- und Sachregister
— im vorliegenden Werke fehlt sogar leider das Inhaltsverzeichnis — die Benutzung
des Buches erleichterte. —
Die Bestrebungen, nach dem 7jährigen Kriege das darniederliegende Volks-
schulwesen zu heben, mussten bei der Heranbildung eines geeigneten Lehrerstandes
einsetzen. In Oesterreich waren auf Felbigers Anregung die sogenannten Normal-
schulen, die in den einzelnen Provinzen eine Richtschnur für alle übrigen Schulen sein
und in denen zugleich die Lehrer ausgebildet werden sollten, eingerichtet worden. Was
Felbiger für Oesterreich, das hat für die Münsterschen Lande Franz von Fürstenberg, an-
geregt durch Overberg, der die Seele der Münsterschen Normalschule war, gethan. Obwohl
nun schon mancherlei über diese Normalschule veröffentlicht worden ist — hier sei
besonders an Krabbes vorzügliches Leben Overbergs erinnert — , so hat Krass226)
sich doch ein unstreitbares Verdienst erworben durch seine kurze, übersichtliche
Geschichte der Münsterschen Normalschule, in der er auf Grund von Aktenmaterial und
Mitteilungen ehemaliger Schüler ein Bild entwirft, wie es in dieser Vollständigkeit
bisher noch nicht existiert hat. —
Einen interessanten Beitrag zur Geschichte der Schullehrerkonferenzen
hat Gundert227) geschrieben. In Württemberg hatten die Lehrerkonferenzen, noch
ehe die Regierung ihre Einrichtung 1793 amtlich empfohlen hatte, bereits als Privat-
unternehmungen bestanden. Es hatte nämlich bereits 1759 und 1760 der Ludwigs-
burger Waisenhausschulmeister Israel Hartmann, ein Anhänger des Pietismus, nach
Analogie der Lehrerkonferenzen A. H. Franckes solche eingerichtet. Was auf diesen
Konferenzen während der J. 1759 und 60 verhandelt wurde, hat G. aus den hinter-
lassenen Papieren Hartmanns herausgegeben und dabei in seiner begleitenden Dar-
stellung Streiflichter auf die Entwicklung des württembergischen Volksschulwesens
fallen lassen, wodurch die Mitteilungen Palmers über diese ersten Konferenzen in
seinem Artikel „Schulkonferenzen" in der Schmidschen Encyklopädie wertvoll er-
gänzt werden. —
Volksschulwesen. Im grossen Stile hat der badische Volksschullehrer-
verein228), angeregt durch seinen verdienstvollen Obmann Heyd, die Geschichte des
Volksschulwesens im Grossherzogtum in Angriff genommen. Sämtliche badische
Lehrer sollten sich an der Sammlung der in den Kirchen-, Schulen- und Ortsarchiven
ruhenden Materialen zur badischen Volksschulgeschichte beteiligen. Es wurde eine
Kommission gebildet, die Regierung und die Archivdirektionen förderten die Be-
strebungen, und so war es möglich, dass bereits jetzt drei stattliche Lieferungen des
geplanten Werkes vorliegen, in denen eine Anzahl von Schulgeschichten einzelner
Geoiete des Grossherzogtums dargestellt sind. Dem ganzen geht eine allgemeine
historische Einleitung von J. Barth vorauf. An den anderen Teilen arbeiteten bis
jetzt Jak. Hoffmann und L. Feigenbutz. Ungleichheiten in der Anlage und
Bearbeitung werden sich nicht vermeiden lassen; um so mehr ist der Wunsch
63 S. — 223) Wittenhaus, D. Entwickl. d. höh. Lehranst. zu Kheydt. Progr. d. Oberrealsch. u. Progymn. Rheydt.
S. 1-20. — 224) Karl Schmit, Gesch. d. n.-ö. Landes-Realgymn. Waidhofen a. d. Thaya in d. ersten 25 J. seines Bestandes
(1870—94). I. Progr. Waidhofen a. d. Th., (Ruth). 39 S. — 225) F. Bosse, D. Entsteh, d. herzogl. Lehrerseminars zu
Braunschweig u. seine Entwickl. v. 1751 — 1801. Festschr. z. Einweih. d. neuen Serainargebäudes. Braunschweig, Woller-
mann. IV, 150 S. M. 2,00. — 226) M. Krass, Gesch. d. Münsterschen Nornialschule. Progr. Münster, (Aschendorff). 82 S.
— 227) E. Gundert, Z. Gesch. d. Schullehrerkonferenzen: NB11EU. 23, S. 1-12. — 228) Gesch. d. Entwickl. d. Volksschul-
wesens im Grossherzogt. Baden. Im Auftr. d. allg. had. Volksschullehrerver. quellenmäss. bearb. unter Leitung u. Mitwirk.
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. I 12:229-237
gerechtfertigt, dass am Schlüsse des ganzen Werkes ein sorgfältig gearbeitetes Namen-
und Sachregister die Benutzung des Buches erleichtere. —
Bayern. Nachdem Kr allinger229) bereits durch die Edition einer Rede
des Exjesuiten Domin icus Zöttl einen Beitrag zur Geschichte des Landsberger Schul-
wesens geliefert hat (JBL. 1891 I 6:197), erörtert er jetzt dasselbe Thema, wenn auch
mit der Beschränkung* auf das Volksschulwesen, viel ausführlicher. Er unterscheidet
drei Entwicklungsperioderi: die elementare Privatschule unter obrigkeitlicher Auf-
sicht, die Landsberger Kloster-Mädchenschule uud die Entstehung der öffentlichen
Volksschule. —
Ostpreussen. Durch seine Veröffentlichung, in der Mitteilungen über
Schulverfassung, Schulbesuch, Schuleinnahmen, Schulunterricht, Bildung der Lehrer
usw. von sechs Schulen des Kirchspiels Georgenburg in Ostpreussen im J. 1766 ge-
macht werden, hat Froehlich230) einen wertvollen Beitrag zur Geschichte des Land-
schulwesens geliefert, das in Ostpreussen in damaliger Zeit im Vergleich zu anderen
Gegenden als hochentwickelt bezeichnet werden muss. —
Zur Geschichte des Volksschulwesens in Rheinland und Westfalen liegen
mehrere Beiträge vor. Lemmen231) schildert das niedere Schulwesen im Erzstift
Trier während des 17. und 18. Jh., nicht ohne dabei die spärlichen Belege über das
Vorhandensein von Volksschulen in früheren Zeiten kurz zu erwähnen. Während
vor dem 17. und noch im 17. Jh. selbst nur ein geringer Teil der Jugend die Schule
besuchte, wurde es unter Joh. Hugo von Orsbeck hierin etwas besser. Grosser Ein-
fluss und weitgreifende Reformen, auch für das Volksschulwesen, gingen von Clemens
Wenzel (1768) aus, der den Spuren lgnaz von Felbigers folgend zur besseren Vor-
bildung der Volksschullehrer eine Normalschule in Koblenz gründete. — Einen
kleinen Beitrag zur Geschichte der Dorfschule hat Falk232) durch die Mitteilung des
Schulmeistereides zu Steinheim a. M. aus dem J. 1518 geliefert. — Kurze geschicht-
liche Mitteilungen über die früheren und jetzigen Verhältnisse einer kleinen Dorf-
schule, der zu Hetterscheid in der Ruhrgegend, hat Crem er283) gebracht. —
Provinz Sachsen. Indem Martens234) eine kurze, aber fleissige Skizze
über die Verordnungen des Erfurter Rats für die Volksschulen des ihm unter-
stehenden Gebietes veröffentlicht, macht er uns mit einer Einrichtung bekannt, über
deren Existenz wohl bisher wenige etwas gewusst haben. In der 1620 vom Erfurter
Rat für das Landschulwesen erlassenen Verfügung wird das Lateinische als obli-
gatorisches Unterrichtsfach unter Angabe der Lehrziele dieses Faches vorgeschrieben.
Die Dorfschulen sollen in drei Klassen zerfallen, von denen die beiden unteren wieder in
drei Abteilungen (decuriae) eingeteilt sind. In der ersten und zweiten Klasse soll sogar
Griechisch getrieben werden. Dass diese Schulordnung hinsichtlich der erstrebten
Lehrziele nicht allgemein verbindlich sein konnte, ist klar, und der Rat von Erfurt
wird schon zufrieden gewesen sein, zumal in der Zeit des 30jährigen Krieges, ein-
klassige Dorfschulen, in denen der Katechismusunterricht die Hauptsache war, in seinen
Dörfern aufrichten zu können. Dass aber der Rat selbst in dieser traurigsten Zeit
immer bemüht war, neue Vorschläge zur Hebung der Stadt- und Landschulen zu
machen, beweisen die Bildungen verschiedener Kommissionen, deren eine, die vom
J. 1637, Meyfarth, der Dichter des Liedes „Jerusalem, du hochgebaute Stadt", an-
regte. Wie genau es der Rat bei dem 1647 von ihm herausgegebenen Visitations-
ausschreiben genommen hatte, erhellt daraus, dass darin 200 Fragen an Pfarrer
und 40 Fragen an die Lehrer gerichtet sind. — Ueber die Verhältnisse der
Volksschulen in den auf dem Eichsfelde gelegenen fünf WTintzingerodischen Dörfern
bis zum J. 1803 hat Grosse235) berichtet. Das Schulwesen daselbst hat sich un-
abhängig von den von Kurmainz erlassenen Bestimmungen entwickelt. Erst in der
Zeit nach dem 30jährigen Kriege lässt sich über das Schulwesen in diesen Dörfern
etwas Genaueres sagen. —
Königreich Sachsen. Zu den wertvollen Monographien, die bereits über
einzelne Teile des sächsischen Dorfschulwesens erschienen sind, hat Goldberg236)
eine neue hinzugefügt, die sich mit der Entwicklung der Schule auf den Zittauer
Dörfern bis zur Eröffnung des Zittauer Seminars (1811) beschäftigt. Diese Mono-
graphien erfordern, da hier die Quellen viel dürftiger fliessen, meistens grössere Mühe
als die über das höhere Schulwesen. G. hat mit grossem Fleisse die Kirchen- und
d. Obmannes H. Heyd. Lfg. 1/3. Bühl (Baden), Aktienges. Konkordia. S. 1-288. a M. 1,00. — 229) H. Kr allinger, Ueber
d. Volksschulwesen d. Stadt Landsberg a. L. v. d. frühesten Anfängen bis z. Durchführung d. Schulzwanges zu Beginn d.
gegenw. Jh.: OberbayrA. 48, S. 87-112. — 230) G. Froehlich, E. Landschulkat. v. J. 1766: AltprMschr. 31, S. 470-90. —
231) (I 4:78.) — 232) F. Falk, Schulmeister- Annahme u. Schulmeistereid zu Steinheim am Main im J. 1518: MGESchG. 4,
S. 277/9. — 233) Cremer, Schulgeschichtliches: KZEU. 43, S. 2138. — 234) K. Martens, D. Fürsorge d. Erfurter Rates
für d. Dorf Schulwesen während d. 30 j. Krieges. Progr. Erfurt. 10 S. — 235) H. Grosse, D. Verhältnisse d. Volksschulen
sowie d. Lehrer u. Küster in den 5 zum ehemal. Wintzingerodischen Gerichte gehörigen Dörfer bis z. J. 1803: DBUEU. 21,
S. 88-90, 98/9, 105,6. — 236) (I 4 : 79.) — 237) B. Pahner, E. Keyisionsber. über d. ira Hnllischen Viertel zu Leipzig be-
I 12:238-243 K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens.
Schularchive, die Schöppenbücher, besonders aber die Akten des Zittauer Rathauses,
die freilich nur bis zum Anfange des 18. Jh. reichen, durchforscht und hat das
Resultat seiner Forschungen, die mit dem Mittelalter einsetzen, in übersichtlicher
Gliederung vorgeführt. Durch die Beilagen: Lehrerprüfung im Rechnen, Vorschriften
für den Schulhalter und Hochzeitsbitter, Dorfschulmatrikel, Martin Grünwalds Schul-
ordnung von 1706 hat G. seine Studie noch erweitert. — Die Geschichte des Winkel-
schulwesens hat Pahner237) durch die Veröffentlichung eines Revisionsberichtes über
einzelne Leipziger Winkelschulen um 1741 bereichert. Leipzig hatte bis zum Ende
des 18. Jh. nur zwei städtische Lateinschulen, aber keine deutsche Stadtschule. Es
war daher kein Wunder, wenn das Winkelschulwesen dort üppig wucherte und einen
Einfluss auf die Bildung der mittleren und unteren Stände ausübte, der bei der Be-
urteilung kultureller Gegenstände einzelner Städte und Stände nicht ausser Acht ge-
lassen werden darf. —
Die von Kaisser238), dem fleissigen Durchforscher der württembergischen
Volksschulgeschichte, herausgegebene Bestallungsurkunde für den Messner Bonaven-
tura Schilling ist insofern interessant, als hier als Kandidat des Messnerdienstes ein
Student auftritt, und die Schulmeisterstelle getrennt von dem Kirchendienste erscheint,
ferner dass ein Teil des Einkommens vom Messneramt und Schuldienst unter die
Vertreter beider Aemter gleichmässig geteilt wird, und dass die Anstellung immer
nur auf ein Jahr Geltung hat. —
Oesterreich. Trotzdem die Geschichte des Volksschulwesens der Sieben-
bürger Sachsen im einzelnen und im ganzen bereits tüchtige Bearbeiter gefunden
hat, muss man das Buch Beckers235') willkommen heissen. Zwar hat Teutsch
in seinen innerhalb der MGP. (Bd. VI und XIII) veröffentlichten siebenbürgisch-
sächsischen Schulordnungen mit Einleitungen, Anmerkungen und Register, die
wesentlichsten Urkunden zur Geschichte auch des siebenbürgischen Volksschulwesens
veröffentlicht, allein es fehlt doch bei dieser Veröffentlichung, die durch die Urkunden
dem Forscher ein Bild der gesamten Entwicklung des siebenbürgischen Bildungs-
wesens geben will, an einer zusammenfassenden fortlaufenden Darstellung der eigen-
artigen Entwicklung des siebenbürgischen Volksschulwesens Eigenartig — denn in
Siebenbürgen sind Staat und Kirche, politische und kirchliche Gemeinde stets eins
gewesen, und auch heute noch ist die deutsch-evangelische Gemeinde und die deutsche
Schulgemeinde im wesentlichen eine und dieselbe. Es ist daher anzunehmen, dass da,
wo eine Kirche war, auch eine Schule gewesen ist, wenngleich eine solche im Mittel-
alter nicht immer da, wo von einer Kirche die Rede ist, nachgewiesen werden kann.
Seiner schwungvollen, für das Wesen des siebenbürgischen Volkstums begeisterten
Darstellung hat B. im Anhange noch einige Beilagen: Schulordnungen, Schulgesetze,
Reformvorschläge, sowie ein siebenbürgisches Volksgedicht beigegeben. —
Der arbeitsfreudige Forscher und Sammler auf dem Gebiete des schweize-
rischen Schulwesens, Hunziker240), giebt die Entwicklung der Reformbestrebungen
innerhalb des Dorfschulwesens Zürichs, die, angeregt durch den Antistes Ulrich, in
den 70 er J. des vorigen Jh. zum Durchbruch gelangten und 1878 die offizielle
Sanktion erhielten. Die Verbesserungen bestanden u. a. in der Erweiterung der
Winterschule um zwei Wochen, in allgemeiner Einführung der Sommerschule mit
zwei Tagen wöchentlich Unterricht, Einführung einheitlicher Schüler- und Absenzen-
Tabellen, verschärftem Vorgehen gegen Vernachlässigung des Schulbesuchs, schärferer
Betonung der Klasseneinteilung, Aufstellung eines Lehrplanes, Verpflichtung der
Gemeinde, Schulhäuser oder wenigstens Schulstuben herzugeben, Schutz der Lehrer
gegen widerspenstige Eltern. —
In seinen beiden Vorträgen über den höheren Mädchenunterricht und über
Frauenbildung hat Müller-Frauenstein241) auch eine Anzahl von Nachrichten
zur Geschichte der weiblichen Erziehung in Deutschland und" zur Entwicklung der
Frauenfrage eingefügt. —
In einem letzten Abschnitte sei Verschiedenes zusammengestellt. Dass
die Jesuiten auf die Aufführungen von Schulkomödien grosses Gewicht legten,
ist allgemein bekannt. Leider ist die Absicht, eine grössere zusammenfassende Dar-
stellung über die Geschichte der Schulkomödie bei den Jesuiten zu schreiben, von
dem Herausgeber der Ratio studiorum et Institutiones scholasticae Societatis Jesu
(MGP. Bd. II, V, VIII, XV) nicht ausgeführt worden. Umsomehr sind einzelne Beiträge
als Vorarbeiten hierfür willkommen. Wilh. Richter242) hat eine Zusammenstellung
stehenden Winkelschulen u. seine weiteren Folgen (1741): MGESchG. 4, S. 2004. — 238) B. Kaisser, Bestallungsurk. für d.
Messner Bonaventura Schilling in Nendingen, Oberamt Tuttlingen, aus d. J. 1786: ib. S. 147/8. — 239) K. Th. Becker, D.
Volksschule d. Siebenburger Sachsen. E. Ueberblick über ihre gesch. Entwickl. mit e. Anh. erklärender Beul. Bonn, Paul.
II, 156 S. M. 2,50. - 240) O. Hunziker, Aus d. Reform d. Zürcherischen Landsohulen 1770-78: XürcherTb. S. 222-76. —
241) G. Müller-Frauenstein, Ueber höh. Mädchenunterr. u. über Frauenbildung. 2 Vortrr. Hannover u. L., Ost. 60 S.
M. 0,60. — 242) Wilh. Richter, Paderborner Jesuitendramen in d. J. 1592-1770: MGESchG. 4, S. 5-16. — 243) (I 4:68.)
K. Kehrbach, Geschichte des Unterrichts- und Erziehungswesens. I 12:244-24«
der Titel der innerhalb der J. 1592—1770 im Paderborner Jesuitengymnasium auf-
geführten Dramen veröffentlicht. —
Kavaliermässige Erziehung. Zu den mächtigen Strömungen der
deutschen Kultur gehört auch jene, die bereits im 16. Jh. sich bemerkbar macht
und im 17. immer stärker anschwillt, und durch die uns die neue französische
Bildung und Lebensweise zugeführt wird. Dieser von dem französischen Hofe aus-
gehende Einfluss zeigt sich auch in den Zielen der Erziehung jener Periode. Der
ideale Mensch ist für diese Zeit der Typus des Hofmanns, und die Idealerziehung
besteht in der Erziehung, die die Hofkreise hochhielten. Was nun damals als not-
wendige Bestandteile im Unterricht und in der Erziehung zu einem gebildeten Menschen,
zu einem Kavalier, angesehen wurde, legt Steinhausen243), der schon kurz vorher
in seiner ZKultG. dieses Thema erörtert hatte (JBL. 1893 1 6 : 238), in seinem Aufsatze
„Die Idealerziehung im Zeitalter der Perücke" klar auseinander. —
Ordenserziehung. Zu den Beiträg-en über die Schuldisciplin vergangener
Jhh. hat Wilh. Richter244) ein neues, auf authentischen Nachrichten beruhendes
interessantes Kapitel hinzugefügt, das ausser der historischen Pädagogik auch der
Sittengeschichte neue, noch nicht benutzte Stoffe zuführt. Es steht zu erwarten, dass in
der von der GESchG. beabsichtigten Herausg'abe der Texte und Forschung-en R.
weitere Mitteilungen aus den hs. Tagebüchern der Paderborner Studienpräfekten des
17. Jh. bekannt giebt. —
An der Hand zweier alter Zeitung-snummern des Schwäbischen Merkur
und der Deutschen Zeitung vom J. 1791 erinnert Sarrazin245) an die Unsitte des
Weihnachtssingens der Dorfschullehrer, die in Baden bereits im letzten
Decennium des vorigen Jh. abgeschafft worden ist. —
Nachdem der im J. 1873 gegründete Verein Hamburger Volksschul-
lehrer sich in diesem Jahre zu Guusten der Gesellschaft der Freunde des vater-
ländischen Schul- und Erziehungswesens aufgelöst hat, ist als letztwillige Verfügung
des Vereins seine Geschichte, die die Gründung und das Wesen, seine Arbeiten,
seine Krisen, seine Beziehungen usw. darstellt, von Köhncke und Scheel246)
geschrieben worden. —
1,13
Poetik und ihre Geschichte.
Richard Maria Werner.
[Der Bericht über die Erscheinungen des Jahres 1894 wird im sechsten Bande
nachgeliefert.]
— 244) Wilh. Richter, Aus d. Tageb. d. Paderborner Studienpräfekten P. H. Rexing. S. J. (1665-67): MGESchG. 4, S. 247-76.
— 245) J. Sarrazin, Die Schulmeister u. d. Weihnachtssingen vor 100 J.: Alemannia 22, S. 53/5. — 246) H. Köhncke u.
J. J. Scheel, Gesch. d. Ver. Hamburger Volksschullehrer (1873—94). Hamburg, Fritzsche. 105 S. M. 1,00. —
II. Von der Mitte des 15. bis zum Anfang
des 17. Jahrhunderts.
IM
Allgemeines.
Max Osborn.
Geschichte: Allgemeine Darstellungen N. 1; revolutionäre Bewegungen N. 20; Specialgeschichtliches N. 33;
einzelne Persönlichkeiten N. 55. — Geistiges Lehen: Allgeraeines N. 72; Literaturgeschichte N. 82; Wissenschaft N. 91. —
Kulturgeschichtliches N. 110. — Briefe und Memoiren N. 139. — Bibliographisches N. 153. —
Die Zeiten, da die Geschichtsschreibung* sich im wesentlichen damit be-
gnügte, politische und Kriegsgeschichte zu geben, da sie auch die wichtigsten
geistigen Strömungen bei weitem nicht ihrer Bedeutung entsprechend berücksichtigte
und der Litteratur wie den bildenden Künsten kaum einen gnädigen Seitenblick zu-
warf, sind lange dahin. Der moderne Historiker befleissig't sich einer Universalität, die
sich der moderne Litterarhistoriker zum Beispiel nehmen sollte, wenn er Geschichte der
Dichtung, d. h. Geschichte der Menschheit von der litterarischen Seite her, treiben
und schreiben will. In keiner der umfassenden geschichtlichen Darstellungen
unserer Epoche suchen wir in dem allgemeinen Rahmen vergeblich nach einer
eingehenden Würdigung der Zeitlitteratur, der Kunst, der ganzen Weltauffassung,
der wissenschaftlichen Anschauungen und der Ideen, die emportauchten und wirk-
sam geworden sind. Aus Lamprechts1) „Deutscher Geschichte", deren zahlreiche
Verehrer den Kampf wider die weit kleinere Gruppe der Gegner siegreich zu be-
stehen scheinen, kommt von dem fünften, das 16. Jh. behandelnden Bande diesmal
für uns nur der erste Teil in Betracht, der die deutsche Dichtung jener Zeit noch
nicht in einer gesonderten Uebersicht behandelt. Aber dieser Abschnitt des grossen
Werkes bietet trotzdem eine reiche Ausbeute auch für die speciellen Zwecke des
Literarhistorikers. Denn mit einem weitblickenden souveränen Zuge sind hier die
Kräfte gezeichnet, die beim Beginn der aufdämmernden neuen Zeit in unserem Vater-
lande lebendig wurden und zur Macht gelangten. Der Uebergang zur Geldwirtschaft
ist L. das entscheidende Moment, das den gewaltigen Umschwung im Gange der
nationalen Entwicklung herbeiführte. Er bringt zunächst eine Wendung auf wirt-
schaftlichem, socialem und politischem Gebiete herbei, als deren unmittelbare Folge
sich die geistige Revolution darstellt. Mit dem Augenblick, da die Erscheinungen
der Geldwirtschaft social deutlich zu Tage treten, setzt auch die geistige Entwicklung
ein, die zum Individualismus des 16. und 17. Jh. hinüberleitet. Auf dem Gebiete
der Kunst wie der Litteratur und der Wissenschaften, im Kreise der ästhetischen
wie der intellektuellen Bethätigung verschieben sich die Interessen; das Bestreben
nach naturalistischer Beherrschung der Aussenwelt tritt auf. „Die Malerei erreicht
den im einzelnen unübertroffenen Realismus der van Eycks und ihrer Nachfolger
bis zum Schluss des 15. Jh. Die Litteratur nähert sich der persönlichen Charakte-
ristik in den ersten Formen der Satire und des Dramas, und die Wissenschaft sucht
die realen, geschichtlichen, geographischen Probleme und befreit sich langsam von
1) (I 1 : 51; 4 : 11.) j[0. Zöctler: ThLBl. 15, S. 241/4; LCB1. S. 987/8; H. Grimm: DLZ. S. 811/5; Grenzt. 2,
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (2)1
II 1 : i M. Osborn, Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts.
der Herrschaft der Scholastik eines Thomas und Bonaventura." Gestärkt wird diese
Bewegung- und diese Bildung durch die grossen Strömungen der Renaissance und des
Humanismus, gesichert indessen für immer erst durch das wichtigste nationale Er-
eigniss des ganzen Zeitalters: durch die Reformation. „Luther ist es, der dem Indi-
vidualismus auf dem tiefsten Gebiete des Geisteslebens, auf dem religiös-philosophischen,
freie Bahn bricht, indem er die Einzelperson unmittelbar, ohne die Daz wisch enkunft
irgend welcher Sakramentsanstalt, dem göttlichen Prinzip gegenüberstellt." Freilich
nicht alle hat Luther mit dem Geist seiner Lehre erfüllt. Und wie er zu Beginn
seines öffentlichen Auftretens der populärste Mann in Deutschland war, so ward er
nach den Bauernkriegen, als er offen aufdeckte, wie sehr ihn die unteren Kreise
missverstanden hatten, „auf lange Zeit einer der unpopulärsten Männer im Reiche."
So erklärt L. die erstaunlichen Erfolge der Gegenreformation bereits in der zweiten
Hälfte des 16. Jh. Und mit Humanismus und Renaissance stand es nicht anders.
Die ganze neue individualistische Kultur mit ihrem künstlerischen und litterarischen
Realismus, mit ihrer Freude am klassischen Altertum, mit der wahren Begeisterung,
dem tieferen Verständnis für die Lehre Luthers war auf einen nur kleinen Kreis be-
schränkt, weil eben auch ihre materiellen und socialen Voraussetzungen nur dünn
gesät waren: „Die ungleichmässige Entwicklung der materiellen Kultur spiegelte
sich wieder in den zerstreuten ungleichmässigen Fortschritten des Geisteslebens."
Dem 17. und 18. Jh., so führt L. aus, blieb die Aufgabe, „die im 16. Jh. erreichte
Höhe der Geisteskultur nun auch wirtschaftlich und social dauernd zu stützen", die
individualistische Kultur zum Allgemeingut der Nation zu machen — eine Aufgabe,
die der Vf. als am Schlüsse des 18. Jh. thatsächlich gelöst ansieht. Er betrachtet
diese ganze Periode, vom Beginn des humanistischen Zeitalters und der grossen
Entdeckungen bis zum Ende des vergangenen Jh., als eine in sich geschlossene
Epoche des Individualismus, der nun die Epoche des „modernen Subjektivismus"
gefolgt sei. Darum hält L. es geradezu für einen „verhängnisvollen" geschichtlichen
Irrtum, wenn man in unserer Zeit, was oft und gern geschieht, sich dem Glauben
hingiebt, „dass wir heutzutage noch mit der Geisteskultur der Reformationszeit
durch unmittelbare Zusammenhänge verbunden seien". Eine Gegenüberstellung
Luthers und Kants, welch letzterer an der Schwelle der jüngsten Phase steht, soll
das veranschaulichen: „Luther weist den religiösen Individualismus noch an die
Offenbarung des Evangeliums" (und damit an die daraus abgeleiteten kirchlichen
und dogmatischen Autoritäten); Kants ethischer Subjektivismus dagegen „verwirft
jede statutarische Autorität und stellt das Individuum nur auf sich und damit auf
den Begriff einer menschlichen Freiheit, die sich allein ihre Gesetze giebt." Nach
diesen in der Einleitung klar und scharf entwickelten allgemeinen Gedanken wendet
sich L. zur Darstellung der historischen Ereignisse, der wirtschaftlichen und socialen
Wandlungen vom 14. zum 16. Jh. und ihrer Ergebnisse auf geistigem und gesell-
schaftlichem Gebiete. Er zeigt das langsame Heranreifen der kapitalistischen Form
im Wirtschaftsleben und die „proletarischen Bildungen". Es entsteht ein neuer, rein
auf die Arbeit gestellter, in dauernder kapitalistischer Abhängigkeit befindlicher prole-
tarischer Stand, der ein „allzeit gewärtiges Element des Aufstandes" ist. Alle Kreise
der Bevölkerung werden unter diesem Gesichtspunkte vorgenommen. In dem immer
stärker hervortretenden höheren Bürgertum zeigt sich vor allem die geistige Be-
fruchtung der Nation durch die realen Thatsachen. Auf den Kaufmannstand, auf
den lebhaften, gesteigerten Verkehr, den die neue Art des Handels mit sich brachte,
wird nachdrücklich hingewiesen. Aus der neuen Welt der Anschauungen, aus dem
neuen Tempo, das in den Gang der europäischen Kultur hineingekommen ist, gehen
„ganze, allseitig individuelle Menschen" hervor. „Ein allgemeiner Drang nach ver-
geistigtem Dasein, nach der Durchbildung des Einzelnen zum Mikrokosmus hin
trat ein." Die reissende Entwicklung des Buchdrucks und der polygraphischen
Gewerbe, dieser Vermittler geistiger Errungenschaften von Ort zu Ort, von Person
zu Person, zeigte diesen Fortschritt am deutlichsten. Die „Demokratisierung des
Waffenhandwerks durch die Erfindung der Feuerwaffen" bringt den Adel um seinen
alten Beruf. Aber nur vereinzelte Personen aus ritterlichen Geschlechtern erkennen
dies und begreifen, dass nur durch geistige Leistungen eine neue Stellung zu ge-
winnen sei. Wie ein Adliger, der noch schwankend in seiner Erkenntnis ist, steht
Maximilian I. inmitten all dieses brausenden Lebens. L. zeichnet ihn mit wenigen
Strichen und führt, um die imperialistischen und dynastischen Beweggründe auch
seiner litterarischen wie künstlerischen Bestrebungen zu erweisen, treffend eine
Stelle aus dem Weiskunig an, die zugleich den erwachenden Individualismus der
Zeit kennzeichnet: „Wer ihme in seinem Leben kein Gedächtnis macht, der hat nach
seinem Tod kein Gedächtnis, und desselben Menschen wird mit dem Glockenton
vergessen." In einer vollendeteren Beherrschung der Aussenwelt und der mensch-
lichen Umgebung offenbart sich die immer höher steigende individualistische Per-
M. Osborn, Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts. II 1 = 2-12
sönlichkeit. Es wächst das Gefühl für die Natur, die Freude an der Landschaft,
es entwickelt sich der historische Sinn, und die Selbstbetrachtung sowie die kritische
Beachtung der nächst liegenden Lebensverhältnisse beginnen eine Rolle zu spielen.
So kommen Charakteristiken, Lebensbeschreibungen, Autobiographien, Memoiren in
die Höhe, so fängt man an, in Briefen seine Persönlichkeit mitzuteilen, so steigt, die
Kunst der Porträtmalerei auf eine ansehnliche Höhe. Vor allem wird dann der
Humanismus von den Anfängen bis zu seiner Konsolidierung als Alleinherrscher
im Lande der Gelehrsamkeit (S. 151—63, 183 — 202) und die neu aufblühende
naturalistische bildende Kunst (S. 164—83, 203—17) behandelt; Albrecht Dürer
zumal wird eine hohe Stellung eingeräumt. Es folgt Luther und seine
Wirksamkeit bis zum J. 1525. Die radikalen Ausläufer der Reformation auf reli-
giösem und politischem Gebiete, Wiedertäufer und Bauernkriege, machen den
Schluss des Bandes. Es ist unvermeidlich, dass bei einem WTerke wie dem L.s, das
einen solchen Riesenstoff von hoher Warte aus überblicken will, Ungenauig-
keiten im einzelnen mit unterlaufen. Es soll darum keine krittlerische Mäkelei sein,
wenn bei den speciellen Angaben, die in die zusammenfassende Darstellung eingefügt
sind, zur Vorsicht gemahnt wird; einzelne Stichproben haben verschiedentliche Irr-
tümer ergeben (so S. 138 „Im J. 1556 ist Eichhorns Schrift vom Hosenteufel erschienen":
die Schrift erschien 1555 und ihr Vf. ist Andreas Musculus, Eichhorn in Frankfurt a. O.
ist der Verleger; so S. 187, wo sich unrichtige Angaben bei den Gründungsjahren der
Universitäten finden: Heidelberg 1385 statt 1386, Rostock 1409 statt 1419). — In
der Spamerschen illustrierten Weltgeschichte hat Kaemmel2) nun den fünften Band,
der die allgemeine Geschichte Europas vom Beginn der grossen Entdeckungen bis
zum 30jährigen Kriege umfasst, in dritter, „völlig veränderter" Auflage heraus-
gegeben. Das Buch sucht den Zielen der Spamerschen Sammlung, die der Kultur-
geschichte besondere Berücksichtigung zu teil werden lassen will, mit Erfolg gerecht
zu werden. Trefflich ausgewählte Illustrationen, Porträts, Karten, Facsimiles, zumal
die vorzüglichen Reproduktionen alter Holzschnitte und Kupferstiche (zwischen S. 472/3
ist ein Abdruck der „Newezeitung aus der Türekey", einer der ersten in Berlin ge-
druckten Zeitungen [1578], eingefügt) führen den Leser unmittelbar in die geschilderte
Zeit. Besonders wirksam illustrieren die Abbildungen die Abschnitte, die über
bildende Kunst handeln. Aber auch die Litteraturkapitel profitieren von dieser
popularisierenden Tendenz des Werkes. Hervorgehoben seien zumal die Partien
über die Dichtung und Kunst der italienischen Renaissance (S. 108—29), über
deutsche Wissenschaft und Kunst zur Reformationszeit (S. 401—28) und über die
französische Renaissance (S. 492—500). Die musterhafte Ausstattung seitens der
Verlagshandlung, die für den verhältnismässig" immerhin recht niedrig bemessenen
Preis ungemein viel bietet, sei rühmend erwähnt. — Bach mann3) behandelt in dem
umfangreichen zweiten Bande seines hauptsächlich -die österreichischen Verhältnisse
berücksichtigenden Werkes nur den kurzen Zeitraum von 1467—86 mit durchaus
selbständiger Durchforschung und Verarbeitung des zersplitterten und spröden
Materials.4-7) — Für die Sammlung Göschen hat Kurze8) die deutsche Geschichte
bis zum J. 1500 in einem kleinen Bändchen von 180 Seiten knapp und über-
sichtlich, im Einklang mit den Zwecken des ganzen Unternehmens, erzählt. — In
einem Aufsatz Zimmermanns9), der vom katholischen Standpunkte aus die neuesten
protestantischen Geschichtsschreiber der Reformationszeit vornimmt, wird in herab-
lassendem Tone zumal bei Bezold (JBL. 1890 II 1:1; 1893 II 1:2) anerkannt, dass
man allmählich „aus der Periode der Einseitigkeit" herauskomme, allerdings wird
sogleich hinzugefügt, dass man dafür „den Schein der Unparteilichkeit und Gerechtig-
keit annehme." — Die älteren Werke von Droysen10) (JBL. 1893 II 1 : 1; III 1 : 6)
und Egelhaaf11) (JBL. 1892 II 1:2) fanden noch Besprechungen.12) — Das für die
Kenntnis der allgemeinen Zustände während des Reformationsjh. so überaus wichtige,
grossartig* angelegte und musterhaft herausgegebene Sammelwerk der Nuntiatur-
berichte aus Deutschland, dessen frühere Bände (JBL. 1892 II 1:75; 1893 II 1 : 140/1,
S. 592-603.]| — 2) O. Kaemmel, 111. Gesch. d. Neueren Zeit I. T.: Vom Beginn d. gross. Entdeckungen bis *. 30 j. Kriege.
3. Aufl. (= Spamers 111. Weltgesch. Mit bes. Berücksicht. d. Knltnrgesch. her. t. 0. Kaemmel u. K. Sturmhoefel.
5. Bd., 1. T.) L., Spamer. XII, 752 S. Mit 340 Abbild, u. 40 Beill. M 3,50. |[Grenzb. 2, 8. 45/6; NJbbPh. 150, S. 2905
(bes. v. S. 292 an).]| (S. u. III 1:23: vgl. auch JBL. 1993 III 1 : l.> — 3) A. Bachmann, Dtsch. Reichs-Gesch. im Zeit-
alter Friedrichs III. u. Maximilians I. Bd. 2. 1467—86. L., Veit. XII. 768 S. M. 18,00. |[Diemar: KBWZ. 13, S. 1647;
MVGDBB. 33, S. 17-21-]) — 4) X V. v. Kraus, Dtsch. Gesch. 1438-1519. 4. Lfg. (bis 1455). (= Bibl. dtsch. Gesch. Lfg. 90.)
St., Cotta S. 241-320. M. 1,00. - 5) X (1U 1:6.) &• Perier: RQH. 53, S. 327,3.J| (Vgl. auch JBL. 1S90 III 1:1;
1893 II 1 : 4.) — 6) X Th- Lindner, Gesch. d. dtsch. Volkes. Bd. 2: Vom Augsb. Religionsfrieden bis z. Grund, d. neuen
Reiches. St., Cotta. X, 388 S. M. 5,00. — 7) O X M. Creighton, A hist. of the papaey durin? the period of the Re-
formation. Vol. 5: The german revolt 1517-27. London u. New-York, Longmans, Green & Co Sh. 15. |[ScottishR. 23,
S. 419-21.]| — 8) F. Kurze, Dtsch. Gesch. im MA.— 1500. (=: Samml. Göschen N. 33.) L., Göschen. 12°. 181 S. M. 0,SJ.
[Stühlen: COIRW. 22, S. 701.]| — 9) A. Zimmermann, Z. Charakteristik d. neuesten Geschichtsschreiber über d. dtsch.
Reform.: HPB11. 113, S. 126-40. — 10) X id-: Kath. 1, S. 80/5. — U) X ThLBl. 17, S. 29. — 12) O X Allg. hist. Porträt-
werk. Neue Ausg. Abt. 1. (Lfg. 1-12) ca. 1300—1600. München, Verlagsanst. für Kunst n. Wiss. Fol. ä 10 Taf. mit 10 Bil.
(2)1*
II 1:13-17 M. Osborn, Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts.
146; 6:35) wiederum einige rühmende Recensionen erfahren haben13-14), ist aber-
mals um einen stattlichen Band weiter fortgeschritten : es ist der zweite Band der
dritten Abteilung-, die unter Hansens15) Redaktion gestellt ist. Wir werden in das
Pontifikat Gregors XIII. geführt und lesen die klugen feinen Briefe der päpstlichen
Beauftragten: des Kardinallegaten Giovanni Morone vom Reichstage zu Regensburg
1576, des Nuntius Giovanni Baptista Castagna vom niederländischen Pacifikations-
tage zu Köln im J. 157916) und des Kardinallegaten Ludovico Mandruzzo vom
Reichstage zu Augsburg 1582. Wir werden, wie auch in den früheren Bänden, nicht
nur aufs eingehendste über die thatsächlichen Einzeiereignisse, hier also die
auf den beiden Reichstagen geführten Kämpfe um die religiöse Frage, unter-
richtet und über die Umstände, welche die Spaltung der niederländischen
Provinzen und ihre Trennung vom Reiche herbeiführten, sondern wir sehen
im Spiegel der sorgfältigen Berichte das ganze Deutschland jener Zeit. Inter-
essant zumal sind die Mitteilungen Morones, des fähigsten Diplomaten, über den
die Kurie zu jener Zeit verfügte, und seine Korrespondenz mit dem Staatssekretär
Kardinal von Como in Rom, von der übrigens einzelne Teile schon früher ver-
öffentlicht worden sind (Theiner, Annales ecclesiastici), die H. jedoch hier, um den
Zusammenhang nicht zu stören, noch einmal zum Abdruck gebracht hat. Als er
im J. 1576 über die Alpen fuhr, um den heiligen Vater auf dem Reichstage zu
Regensburg zu vertreten, sah bereits die päpstliche Regierung wie die katholische
Partei in Deutschland hoffnungsreicher in die Zukunft. Es war die Zeit, da der
Katholizismus sich wieder verjüngte und von neuem seine Kräfte zusammenraffte, da
er begann, in planmässig vorbereiteten und geschickt geführten gegenreformatorischen
Stössen die uneinigen protestantischen Feinde zurückzudrängen. Mit Eifer sieht darum
auch Morone darauf, dass die zuverlässigsten, fleissigsten und brauchbarsten Diener
und Vorkämpfer Roms, die Jesuiten, immer mehr festen Fuss in deutschen Landen
fassen und neue Gebiete sich und der Kirche erobern. Von Regensburg selbst und
von Dillingen ist in diesem Sinne vielfach die Rede (S. 31, 43/4, 58, 99 10 1, 136 usw.).
Auch auf die notwendige Reorganisation der Universität Freiburg i. B. wird als auf
eine wichtige Forderung hingewiesen ('S. 39 — 40, 119). Von den katholischen
deutschen Schriftstellern tritt der Feind Fischarts, Johannes Nas, einmal auf (S. 40);
P. Canisius begleitete Morone zum Reichstag (S. 99). Ein wenn nicht geradezu
störendes, so doch dauernd hemmendes Element für die Gegenreformation ist in
jenem Jahre noch die Persönlichkeit des Kaisers Maximilian IL, dessen frühe
Neigungen zum Protestantismus unvergessen geblieben sind, und der auch nun
immer noch durch sein stetiges Schwanken und seine thatenlose Unentschlossenheit
ein Gegenstand ununterbrochener Sorge für die Kurie ist. Zwar zeigt er sich beim
Besuche Morones als ein durchaus frommer Fürst (S. 66), aber er ist kein Führer
der deutschen Katholiken, die so noch nicht recht aus ihrer Nachlässigkeit und
Schlaffheit sich aufraffen und den gespaltenen Lutheranern und Kalvinisten gegenüber
noch nicht energisch sich zusammenschliessen. Am schlimmsten wird diese Un-
behaglichkeit dem Kaiser gegenüber, als der ernstlich erkrankte Monarch sich durch-
aus weigert, die Sakramente der römischen Kirche zu empfangen (S. 151, 156/7,
159—60, 163, 167). Die Kaiserin, der spanische Gesandte, Morone selbst und der
Nuntius Delfino — sie alle bieten umsonst ihren Einfluss auf: Maximilian stirbt, ohne
die Sterbesakramente genommen zu haben, aber doch immerhin als ein treuer Sohn der
Kirche: Halbheit im Tode, wie Halbheit im Leben ihn beherrscht hatte. Sein Hin-
gang schmerzt die Päpstlichen nicht sehr. Seine guten Eigenschaften rühmt nun,
da er tot ist, der Kurial Minutio Minucci in einer Relation (S. 175 ff.), aber zuver-
sichtlicher sieht man doch seinem Nachfolger Rudolf II. entgegen. Morone meint,
die neue Majestät „sia catholichissima", und man werde sie behandeln können „come
figlio obediente" (S. 167, 171). Während der zweite Abschnitt des von H. heraus-
gegebenen Bandes fast nur die rein politischen Verwicklungen in der Nordw7estecke
des Reiches behandelt, kommen im dritten die allgemeinen Gesichtspunkte wieder
mehr zur Geltung. Es ist der erste Reichstag unter Rudolf IL, um den es sich hier
handelt: der Reichstag zu Augsburg 1582, bei dem der Kardinal Mandruzzo als
Legat aus Rom erscheint. Wir sind im rechten Fahrwasser der Gegenreformation.
Die päpstlichen Beamten sprechen von der „herkömmlichen Ergebenheit" des Kaisers,
der „solita devotione verso la santa sede Apostolica". Bei alledem aber beklagt
Mandruzzo immer noch die Gleichgültigkeit, Lauheit, Uneinigkeit der Katholiken,
denen es auch an einem geeigneten Führer, einem Manne wie wir heute sagen
Text, ä M. 4,00. (Vgl. I 9: 106.) — 13) X LCB1. S. 237/8; NedSpect. S. 327/8. - 14) X °- Brau n sberger, F. Dittrich,
Nuntiaturberichte G. Morones (.TBL. 1892 II 1 : 77; 1893 II 1 : 145): StML. 46, S. 90/2. — 15) J. Hansen, Nuntiaturberichte
aus Deutschland, nebst ergänz. Aktenstücken. Abt. III, Bd 2. D. Reichstag zu Regensburg 1576; d. Paciflkationstag zu Köln
1579; d. Reichstag zu Augsburg 1582. Im Auftr. d. kgl. preuss. hist. Inst, in Rom bearb. B„ Bath XCIII, 679 S. M. 25,00.
— 16) X iQ-. D- niederlünd. Paciflkationstag in Köln im J. 1579: WZ. 13, S. 227-72. — 17) A. Pieper, Z. Entstehungsgesch.
M. Osborn, Allgemeines des 15./ 16. Jahrhunderts. II 1 : 17-19
würden „der schärferen Tonart", gebricht (S. 387, 414, 430, 547/8). Darum ist die
Förderung' der Jesuiten immer noch eine wichtige Angelegenheit (S. 396). Mandruzzo
ist mit eisernem Fleisse dabei, sich einen Ueberblick über die polemische Litteratur
zu verschaffen und. sich darüber genau zu unterrichten, wie der Gang der Dinge
bisher sich gestaltet hat. Auch Sleidan wird zu Rate gezogen (S. 424; vgl. S. 636).
Besonders interessiert den Kardinallegaten das Konkordienbuch vom 28. Mai 1577,
diesen Abschluss der lutherischen Dogmatik, der in der lateinischen, Mandruzzo
natürlich allein verständlichen, Fassung erst soeben herausgekommen war (1580 von
Osiander, 1582 von Seinecker übersetzt). Er erörtert eingehend den Plan, gegen
dies protestantische Werk eine katholische Gegenschrift ins Leben zu rufen, für
deren Abfassung er zumal Petrus Canisius, Georg Eder, Nikolaus Elgardus und
Robert Bellarmin in Vorschlag bringt (S. 410, 416, 423, 433, 460). Alle seine Gedanken
über die Zweckmässigkeit einer solchen Konfination der Wittenberger Konkordie
und die Hauptgesichtspunkte, die darin zur Geltung kommen müssten, hat Mandruzzo
in einem besonderen Gutachten („Parere") zusammengefasst, das H. im Anhang
mitteilt (S. 596/9). Die wichtigste Frage von allgemeinem Interesse aber ist in
diesem dritten Teile des vorliegenden Nuntiaturberichtsbandes die Einführung des
neuen Kalenders. Como giebt Mandruzzo die Anweisung, für seine Annahme in
Deutschland zu sorgen (S. 422/3). Der Legat trägt die Sache dem Auftrage gemäss
dem Kaiser vor, und Rudolf willigt gern ein, glaubt auch, es würden sich keine
Schwierigkeiten in den Weg stellen (S. 465). Aber die Sache geht recht langsam
voran. Como erinnert, der Kalender sei in den meisten europäischen Ländern an-
genommen, und es würde „troppo gran scandalo et deformitä" sein, wenn sich das
in Deutschland nicht erreichen lasse (S. 517). Immer grösser werden die Hindernisse,
der Widerstand der Protestanten wächst, und es scheint nur schwer möglich, in der
Frage zu einem befriedigenden Abschluss zu gelangen (S. 532, 548, 550). Bald ist
Mandruzzo „mezzo desperato" (S. 553) und erklärt, dass es völlig undenkbar sei, in
diesem Punkte rasch zum Ziele zu kommen. Immer toller wird die uns so gering-
fügig erscheinende Angelegenheit, immer grössere Kreise zieht sie und immer kom-
pliziertere Verwicklungen hat sie im Gefolge (S. 562/7). Erwähnt sei noch, dass von
einem Drucker Aurelius Frobenius die Rede ist (S. 492), der eine Zeit lang in Rom
den Eindruck hervorrief, als ob er ein Katholik sei, und dadurch päpstliche Förderung
gewann. — An dieser Stelle sei gleich auf Piepers17) Arbeit über die Entstehungs-
geschichte der ständigen Nuntiaturen hingewiesen, der demnächst ein Band von
Instruktionen an die Nuntien folgen soll. Der erste ständige Nuntius in Deutsch-
land war Lorenz Campeggio. Aus der Reihe seiner Nachfolger ist nach P.s Meinung
Morone bei weitem der gewandteste und gebildetste gewesen, während Beilesheim
in seiner Besprechung Aleander die Krone zuerkennt. P. giebt wichtige Nachrichten
über die Kreditive der Nuntien, Aufschlüsse über das Chiffresystem der geheimen
Korrespondenzen, die durch Proben erläutert werden; u. a. veröffentlicht er
auch die vollständigen Depeschen, welche Paul III. im J. 1547 dem Gurone Bertano
an Karl V. mitgab. — Einige Werke verwandten Charakters schliessen sich an. So
die Sammlung der venetianischen Depeschen vom Kaiserhofe (JBL. 1893 II 1 : 148),
die wiederholt besprochen wurde18), so die Dissertation Rösemeiers19), die
Macchiavellis erste Legation zu Kaiser Maximilian I. und seine drei Schriften über
Deutschland zum Thema hat. R. kommt im ganzen nicht viel über die zwei Jahre
ältere Heidelberger Dissertation Sillibs (JBL. 1892 II 1 : 77) hinaus, die ihm un-
bekannt zu sein scheint. Er sucht aus den einschlägigen Büchern Macchiavellis,
dem „Rapporto delle cose della Magna", dem „Discorso sopra le cose della
Magna e l'imperatore Massimiliano" und den „Ritratti delle cose della Magna"
die Anschauungen des Florentiners über Deutschland herauszudestillieren, ohne
aber sehr tief zu bohren oder sehr weit zu blicken. Macchiavelli durch-
schaute Maximilians wankelmütigen Charakter, er beurteilt treffend seine Stellung
zu den Reichsständen, zu den Städten, in denen er die Stärke des ganzen
Landes erblickt, zu den Fürsten, deren wachsende Macht er freilich nicht
klar erkennt. Deutschland erscheint ihm gross und reich; reich besonders, weil
die Bewohner — massig seien, und weil fast nichts von fremden Ländern importiert,
dagegen sehr viel nach dem Ausland, zumal an Manufakturwaren, ausgeführt werde
(S. 26). Aber er sieht mit scharfem Auge die unglückseligen Umstände, durch
welche die grossen Machtmittel des Landes paralysiert werden. R., der die Berichte
Macchiavellis im einzelnen weder vollständig noch ganz der Wirklichkeit ent-
sprechend nennt, berichtigt einige Punkte. Zum Schlüsse giebt er anhangsweise
d. stand. Nuntiaturen. Freiburg i. B., Herder. VIII, 222 S M. 3,50 |[A.. Bellesheim: HPB11. 113, S. 58S-97; id.: LHw. 33,
8. 6/8; O. Braunsberger: StML 47, S. 350/2 J| - 18) X Gust. Wolf: MHL. 22, S. 2928; EHR. 9, S. 379; RSIt. 11,
S. 279-89. — 19) H. Rose m ei er, Nico. Macchiavellis 1. Legation zu Kaiser Maximilian I. u. seine 3 Schriften über Deutschland.
II 1 : 20-24 M. Osborn, Allgemeines des 15./ 16. Jahrhunderts.
einen Auszug1 aus zwei verwandten Werken. Zunächst aus dem „Viaggio in Allemagna"
des Francesco Vettori, des Gefährten Macchiavellis auf der deutschen Legation. R.
nennt die geistvolle, witzige und für die Kenntnis unserer Kulturverhältnisse so
ungemein wichtige Schrift „voll von Obscönitäten", weil in der That der Landsmann
Boccaccios eine schmunzelnde Renaissancefreude an pikanten Novelletten und
schlüpfrigen Anekdoten nicht verleugnen kann. Aber er ist lustig und hat Grazie,
und darum* beleidigen seine Zoten und Erzählungen von geilen Mönchen, verbuhlten
Weibern und betrogenen Ehemännern nicht. Der dritte Italiener, der bei R. zu
Worte kommt, ist Vincenzo Quirini, dessen „Relazione di Germania'1 eingehender
und ausführlicher von Deutschland berichtet als Macchiavellis Schriften, der aber doch
nicht im stände ist, ein so packendes Gesamtbild zu entwerfen wie der Vf.des „Principe." —
Das Interesse der heutigen Zeit ist ganz besonders auf die revolutionären
Bewegungen des 16. Jh. gerichtet. Trotz aller unleugbar bestehenden und von
Lamprecht (s. o. N. 1) so scharf herausgehobenen Grundverschiedenheiten der beiden
Epochen sind die äusseren und inneren Aehnlichkeiten doch oft so überraschend und
so einleuchtend, dass man sich einen Vergleich nicht versagen kann (vgl. JBL. 1891
II 1 : 4). Die socialen Missstände der Reformationszeit und die revolutionären Ver-
suche, ihrer Herr zu werden, wie sie in den Bauernkriegen und in der grossartigen
Wiedertäuferbewegung zur Geltung kamen, stehen uns trotz aller zeitlichen und
sachlichen Entfernung so nahe, dass die Forschung sich unablässig und voll glü-
henden Eifers mit ihnen beschäftigt. Man studiert sie, man schildert sie, und man
hat dabei, vielfach vielleicht ganz unbewusst, das Gefühl, zur Klärung der brennendsten
und wichtigsten Fragen und Probleme, die der Allgemeinheit wie dem Einzelnen von
heute am Herzen liegen, ein Scherflein beizutragen. Es ist nur natürlich, dass die
radikalen Reformbestrebungen der Bauern und Täufer wie ihrer mittelbaren und un-
mittelbaren Vorgänger2021) das besondere Interesse der Socialdemokratie erregen22).
Die moderne socialdemokratische Partei sieht mit Fug in den damaligen Forderungen,
Programmen, Tendenzen zahllose Analogien mit den heutigen, sie hat so gut wie ihre
Gegner die Linie erkannt, die vom Einst zum Jetzt führt, und sucht nun ihr Ver-
langen und ihr Ideal mit dem Hinweis auf die „Vorläufer" und mit ihre'r wissen-
schaftlichen Behandlung zu stützen. Im nächsten Jahrgang der JBL. werden wir
uns mit einem Werke zu beschäftigen haben, aus dem dies besonders klar hervor-
geht: mit dem ersten Bande der bei Diez in Stuttgart erscheinenden, man kann fast
sagen partei-offiziellen „Geschichte des Socialismus", der von Plato über den ur-
christlichen Kommunismus bis ins Reformationszeitalter führt (vgl. JBL. 1895 II 1).
Diesmal haben wir es mit den nicht vom Parteistandpunkt ausgehenden, vielmehr
völlig objektiven Studien von Loserth23-24) zu thun, die den Abschluss seiner höchst
verdienstvollen Arbeiten zur Geschichte der Wiedertäufer in Oesterreich bilden (JBL.
1892 II 1 : 29; 1893 II 1:25; 6: 181). Sie handeln — ebenso wie die früheren ge-
gestützt auf Materialsammlungen des verstorbenen Josef von Beck — von dem Kom-
munismus der mährischen Wiedertäufer im 16. und 17. Jh. und bringen Beiträge zu
ihrer Geschichte wie zur Kenntnis ihrer Lehre und ihrer Verfassung. Zuerst zeigt
L. die Entwicklung der Huterschen „Gemeinschaft" von ihrer Entstehung und
wachsenden Verbreitung an; er erzählt die Parteiungen unter den Taufgesinnten,
schildert die ansehnlichen Fortschritte des Anabaptismus, die Wirksamkeit Peter
Riedemanns, Lienhard Lanzenstiels, Peter Walpots und Hansel Krals, die glückliche
Zeit der Blüte und den Rückgang unter dem Drucke der katholischen Reaktion, die
in Nicolsburg einsetzte, bis zur Vernichtung und Vertreibung aus Mähren im Beginn
des 17. Jh. AufS. 190 wird in kurzem Auszug ein „Dialogus oder Gespräch" mitgeteilt,
das den antitäuferischen Maximilian von Dietrichstein, Herrn zu Nicolsburg, feiert.
Wie in diesem ersten Teile lässt sich L auch in dem zweiten Abschnitt, der „Leben
und Lehre der Wiedertäufer" behandelt (S. 222- 91), stets von den Quellen leiten,
von Briefen, Berichten, Mandaten, „Rechenschaften", „Ordnungen" aller Art und von
den Schriften der Gegner, zumal des Feldsberger Pfarrers Christoph Andreas Fischer,
dessen leidenschaftliche Hetzbüchlein am meisten zur Verjagung, aber nicht minder
zur Kenntnis und dadurch mittelbar auch zum Ruhme der Brüder von der huterischen
Gemeinschaft beigetragen haben. Vielfache Auszüge ergänzen und illustrieren die
Darstellung L.s. Die mährischen Wiedertäufer hatten eine völlig kommunistische
Lebensform eingeführt. Sie beruhte auf dem streng festgehaltenen Gesetz der abso-
luten Gütergemeinschaft und dem Satze, dass Eigentum Sünde sei. Der Begriff des
„Mein und Dein" ist dem Geiz verwandt und die schliessliche Ursache aller Kriege.
Diss. Kiel. 46 S. — 20) X L- Keller, D. böhra. Brüder u. ihre Vorläufer : MhCoraenlusG 3, S. 172-209. (Auch als Sonderabdr. :
L, Voigtländer. 39 S, M. 0,75.) — 21) X H- Schreiber, D. Bundschuh zu Lehen i. B. u d. arme Konrad zu Bühl, 2 Vor-
boten d. dtsch. Bauernkrieges: Schau ins Land 19, S. 8-23. — 22) X B- Schönlank, Sociale Kämpfe vor 300 J. Alt-
nürnberg Studien. L., Duncker & Humblot. XII, 212 S. M. 4,00. ,[K. Kautski: NZ. 121, S. 823/5; C. Koehne: MHL. 22,
S. 314;8.]| - 23) (II 6:273.) — 24) J. Loserth, D. Kommunismus d. huterischen Brüder in Mähren im 16. u. 17. Jh.;
M. Osborn, Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts. II 1 •. 24-27
Wer der Gemeinschaft beitritt, hat alles, was er persönlich besitzt, in die Gemein-
schaftskasse abzuliefern und verliert jedes Recht auf dieses sein früheres Besitztum.
Freilich sind es zumeist Arbeiter, Handwerker und Kleinbauern, die sich hier zu-
sammenfinden, aber es kommen auch vereinzelte wohlhabende Bauern und sogar
Adelige hinzu. Aecker, Wiesen, Wälder, Häuser sind gemeinschaftlicher Besitz. Ge-
werke und Gewerbe werden zum Nutzen der „Gemain" betrieben, die alle ihre An-
gehörigen mit Essen, Kleidung und Wohnung versorgt. Verdienst, Geschenke, auch
Trinkgelder, zu deren fleissigem Sammeln aufgefordert wird, sind abzugeben. Hat
sich eine genügend grosse Anzahl von „Brüdern" in einem Orte angesiedelt, so
gründen sie eine „Haushabe", d. i. ein grosses Haus mit einer Reihe kleinerer Neben-
gebäude; wir finden oft bis 600 Personen in einer solchen „Haushabe" vereinigt.
Nicht alle Berufe dürfen betrieben werden: „Kramerei und Kaufmannschaft" ist „ein
sündiger Handel" (S. 259 ff.), Wirtsgeschäfte sind ein für alle Mal verboten, Schneider
und Schmiede in der Ausübung ihres Handwerks sehr beschränkt, da jeder Luxus
und jede Waffenfabrikation verpönt sind (S. 261/2). Die Täufer sind ernste, ehren-
werte, bescheidene, massige, fromme, pflichtgetreue Menschen, redlich, weil sie die
Lust am Eigentum nicht kennen wollen, freilich auch nüchtern und ohne Freude an
der Kunst wie ohne viel Achtung vor der Wissenschaft. Jedoch bilden sie in ihrer
Weise ein vortreffliches Schulwesen aus (S. 278 ff.). In einer Schulordnung von 1568
werden ganz kostbare Grundsätze aufgestellt, die jeder Pädagog von heute einmal
durchlesen sollte. Ganz früh werden die Kinder von der Mutter genommen und in
ein Schulhaus gesteckt, wo alles ihrer Körper- und Geistespflege dient, wo sie in
gemeinsamen Schlaf-, Speise-, Arbeitszimmern dem kommunistischen Sinne gemäss
erzogen werden. Aber der Unterricht ist zweifellos ein guter. Das erkennen wir
an den durchweg ganz ausgezeichnet abgefassten, klaren, von einer soliden Sprach-
unterweisung zeugenden Schriftstücken aus dem Kreise der Brüder. Ja, L. ist der
Ansicht, dass nahezu alle, nur mit geringen Ausnahmen, des Lesens und Schreibens
kundig waren. Ihre Bäder erweisen sich als hervorragende hygienische Einrich-
tungen. Ihre Aerzte sind im ganzen Lande gesucht; 1599 wird sogar einer an den
kaiserlichen Hof gezogen. Die grösste Bedeutung aber haben ihre wirtschaftlichen
und Handwerks-Einrichtungen. „Hier ging alles auf den Grossbetrieb hinaus, und
die einzelnen Handwerker arbeiteten einander in die Hände. Es war strengstens
untersagt, ein Rohprodukt wo anders als von Wiedertäufern selbst zu nehmen, vor-
ausgesetzt, dass es vorhanden war." So wurden z. B. aus den Schlächtereien die
Felle an die Gerber abgeliefert und von diesen zubereitet an Sattler, Riemer und
Schuster weitergegeben. Diese Produktionsmethode im Verein mit den einfacheren
Lebensverhältnissen und Gewohnheiten setzten sie in den Stand, ihre Waren er-
heblich billiger zu verkaufen als die andersgläubigen Handwerker. Ihr korrektes
Verhalten, ihr Pflichteifer, ihre unbedingte Treue und Gewissenhaftigkeit machten
sie allenthalben beliebt und gesucht. Und wie nicht nur die Konfessionsgenossen,
sondern auch alle anderen von den täuferischen Handwerkern kauften, so nahmen
die Barone im Lande mit Vorliebe ihre Gutsverwalter und sonstigen Bediensteten
aus dem Kreise der Anabaptisten. Diese scharfe Konkurrenz jedoch machte ihnen die
gesamte andersgläubige Bevölkerung ringsum zum erbitterten Feinde; sie ward am
letzten Ende der Hauptgrund der fanatischen Agitation gegen die Brüder. Ein
Lied vom J. 1586, das L. stückweise mitteilt, giebt diesen Empfindungen Ausdruck
(S. 192/3). Aber neben dem Neid der Gegner war es noch ein innerer Feind, der
ihrer kommunistischen Gesellschaftsordnung die Wurzel abgrub: der „Eigennutz",
wie sie ihn nennen („Die Gemeinschaft war nicht schwer, Wenn der Eigennutz nicht
war"), die unvertilgbare Lust am persönlichen Eigentum, wie wir ihn bezeichnen
könnten. Der dem Menschengeschlecht innewohnende Individualismus lässt sich,
das zeigte sich auch hier, wenn überhaupt, so doch nicht leicht durch den rein
socialistischen Gedanken unterdrücken oder gar ganz aus der Welt schaffen. Und
wenn die hohe Blüte der kommunistischen Täufergemeinschaft den modernen An-
hänger kommunistisch-socialistischer Staats- und Gesellschaftsauffassung in seiner
Ueberzeugung bekräftigen mag, so mag sie ihm auf der anderen Seite durch manche
Einzelheiten und durch ihren Ausgang auch die Zweifel und Bedenken nahe rücken,
denen er sich nicht verschliessen darf. Dabei soll niemals vergessen werden, dass
das religiöse Moment, von dem die ganze Bewegung schliesslich ausgegangen war,
das Beispiel der Apostel, das Vorbild der kommunistischen urchristlichen Gemeinden
das System der mährischen Täufer erst ermöglichte und ein Ferment darstellte, ohne
dessen kittende Kraft der ganze Bau kaum je so entstanden, zweifellos aber weit
früher zusammengekracht wäre. — Was neben Loserths Arbeit auf diesem Gebiete
im Verlauf des Berichtsjahres ans Licht gekommen ist, gewährt für unsere Zwecke
nicht sonderlich viel25-26). Die Lokalforschung geht rüstig voran: Sander27) handelt
ZSocWirtschG. 3, S. 61-92. (Ausz. aus N. 23; vgl. auch II 2 : 19-20.) — 25) X & Lehnert, Studien z. Gesch. d. 12 Artikel
II 1 : 26-40 M. Osborn, Allgemeines des 15./ 16. Jahrhunderts.
vom Bauernkriege in Vorarlberg und teilt kulturhistorisch wie sprachgeschichtlich
wertvolle Aktenstücke in sorgfältigem Abdruck mit; Schäfer'28) veranstaltet eine
Ausgabe der Darstellung des Bauernkrieges um Schwäbisch-Hall, die einst der
wackere Stadtschreiber Hermann Hoff mann verfasst hat; Manns29) führt uns in die
„Zimmerischen Lande", indem er natürlich die Zimmerische Chronik als Hauptquelle
benutzt. — Meli30) giebt einen Beitrag über den späten Nachklang der grossen ober-
deutschen Bauernbewegung, den „windischen" oder auch innerösterreichischen Auf-
stand vom J. 1573: er veröffentlicht ein kürzlich im steiermärkischen Landesarchiv
gefundenes interessantes Aktenfascikel, das ausführlich die Kosten registriert, die von
der Landschaft zur Dämpfung des Aufstandes aufgewandt wurden.31-32) —
Die sonstigen specialgeschichtlichen Arbeiten können wir hier rasch
übersehen. In seiner kurzen Darstellung der Entwicklung des deutschen Beamten-
staates geht Schmoller33) vom 16. Jh. aus. — Aus der Zeit Karls V.34) ist einiges
zu notieren. Die Studie Fürstenwerths über die Verfassungsänderungen in den
oberdeutschen Reichsstädten (JBL. 1893 II 1 : 47) fand wiederholt Besprechung35). —
Hans Schulz36) hat einer Dissertation über den Sacco di Roma eine eingehende
Studie folgen lassen. Er giebt, bevor er seine Darstellung beginnt, eine Uebersicht
über das gesamte vorliegende Aktenmaterial, das recht bedeutend ist; denn die Ein-
nahme und Plünderung der Hauptstadt der Welt, dies unerhörte und verblüffende
Ereignis, fand als die grösste Sensation der Zeit überall ein litterarisches Echo. Uns
interessieren zumal unter den Memoirenwerken die Aufzeichnungen des bayerischen
Edelmannes Ambrosius von Gumppenberg (S. 29—32) sowie die Erwähnung Sebastian
Schärtlins von Burtenbach (S. 32/3), ferner ganz besonders die Schar- der deutschen,
vielfach mit eingestreuten Gedichten versehenen Flugschriften, „Newen Zeitungen",
„Wahrhafftigen Relationen", der Dialoge und ähnlichen Hefte, die Seh. (S. 34— 48) auf-
zählt, schliesslich noch unter den „Geschichtswerken" die „Historia" des zur Um-
gebung Georgs von Frundsberg gehörigen Jakob Ziegler aus Landau (S. 62—70),
die bereits im J. 1527 niedergeschrieben ist, und die den Frundsbergen (Georg und
Kaspar) gewidmete Schrift von Adam Reissner (1572). — Unter dem Titel „Der
Reichstag zu Augsburg im J. 1530" giebt der protestantische Pfarrer Lenk37) in
gehobenem Kanzelton eine treuherzig gemeinte Schilderung der Reformation bis zur
Confessio Augustana. — In die Zeit des Schmalkaldischen Bundes38) führt uns
Brandenburg39), der eine kritische Darstellung der Vorgänge bei der Gefangen-
nahme Herzog Heinrichs von Braunschweig im J. 1545 giebt und die Auffassung
Issleibs, Landgraf Philipp von Hessen habe den Braunschweiger durch arglistige
Verheissungen in sein Lager gelockt und dort widerrechtlich festgehalten, bekämpft
(vgl. MSächsAV. 26, S. 1-52 und ASächsG. 5, S. 97—166). — Die älteren Ar-
beiten von Goetz (JBL. 1892 II 1 : 34)40) und Walter41), die sich mit der Wahl
Maximilians IL befassen, wurden besprochen. — Aus dem Wust der lokalgeschicht-
lichen Veröffentlichungen nennen wir, im Südosten Deutschlands beginnend, zunächst
Gindelys42) Werk über die Gegenreformation in Böhmen43), das freilich zum
guten Teil schon den Rahmen dieses Teiles der JBL. überschreitet, weil die wichtigsten
entscheidenden Ereignisse erst ins 17. Jh. fallen. — Recensionen über Ludewigs44)
Schilderung der Politik Nürnbergs in der Reformationszeit (JBL. 1893 II 1 : 48) und
über Schäfers45) Ueberlinger Studie (JBL. 1893 I 4:431) schliessen sich an. —
Hollaender46) hat seiner vorjährigen Abhandlung47) zur Strassburger Geschichte
(JBL. 1893 II 1:43) eine neue über die Politik der Stadt im J. 1532 hinzugefügt. —
Hier sei auch auf einen Aufsatz Baum gar tens48) „Strassburg vor der Refor-
vom J. 1525. Disa. Halle a. S. 93 S. — 26) X (H 6 : 265.) — 27) Herrn. Sander, Einige Aktenstücke z. Gesch. Vorarlbergs
im Zeitalter d. dtsch. Bauernkrieges. Progr. d. k. k. Oberrealsch. Innsbruck. 1893. 27 S. — 28) D. Schäfer, Stadt-
schreibet Herrn. Hoffmanns Bauernkrieg um Schwäbisch-Hall. (= Württemberg. Gesch.-Quellen. Her. v. Dietr. Schäfer.
Bd. 1 [St., Kohlhammer. IV, IV, 443 S. M. 6,00], S. 271-352.) |[KBWZ. 13, S. 117; LCB1. S. 1662; ZGORh. 9, S. 732; DLZ.
S. 1489.]| — 29) P. Manns, D. Bauernkrieg in d. Zimmerischen Landen. Progr. d. Realsch. Hechingen. 1893. 18 S. —
30) A. Meli, Z. kindischen Bauernaufstände d. J. 1573: BKSteiermGQ 26, S 34-52. — 31) X G- Maisch, Religion u. Re-
volution (JBL. 1892 II 1 : 30; 1893 II 1 : 25 a): LCB1. S. 1166/7. — 32> X H- Haupt, E. oberrhein. Revolutionär. (JBL. 1893 II 1 : 19.)
|[G. Bossert: ThLZ. 11, S. 300/3; AI. S.: LCB1. S. 1917/8.JJ - 33) (I 4 : 148; III 1 : 146; IV lb : 85.1 - 34) X A. Kluck-
hohn, Dtsch. Reichstagsakten. 1. Bd. (JBL. 1893 II 1 : 36.) |[H. Ulmann: DLZ. S. 495/8; H. Virck: ThLZ. 19, S. 417-20;
M. Immich: FBPG. 7, S. 591/2.JI — 35) X ZGORh. 9, S. 181/2; E. Brandenburg: MHL. 22, S. 437; G. Bossert: ThLBl. 15,
S. 246/8. — 36) Hans Schulz, D. Sacco di Koma, Karls V. Truppen in Rom. 1527-23. (= Hallesche Abhandl. z. neueren
Gesch. her. v. G. Droysen. N. 32.) Halle a. S., Niemeyer. 188 S. M. 4,60. (T. I schon vorher als Hallenser Diss. 1893.
32 S.) — 37) H. Lenk, D. Reichstag zu Augsburg im J. 1530. Barmen. Wiemann. 156 S. M 2,00. |[KonsMschr.
S. 1333/4.]| - 38) X O. Winckelmann, D. schmalkald. Bund. 1530-32 (JBL. 1893 II 1:39): MHL. 22, S. 198-204. — 39) E.
Brandenburg, D. Gefangennahme Herz. Heinrichs v. Braunschweig durch d. schmalkald. Bund (1545). L., Fock. 74 S. M. 1,50.
— 40) X G- Blondel: RH. 55, S. 169-71. — 41) F. Walter, D. Wahl Maximilians II. Diss. Heidelberg. 1892. 71 S.
|[M(IL. 22, S. 205/7.]| - 42) A. Gindely, Gesch. d. Gegenreform. in Böhmen. L., Duncker & Humblot. XII, 532 S. M. 12,00.
|[L. Viereck: MHL. 22, S.440/4.JI - 43) X '■ Emier. Paneti Rakovnicke od roku 1425-1639: SBGWPragPh. N. 4. (= 43 S.)
(Gedenkbücher v. Rakonitz aus d. J. 1425-1639.) — 44) X H- Ulmann: DLZ. S. 1135/6; LCB1. S. 7834; MhComeniusG. 3,
S. 102. - 45) X V. Knipping: KBWZ 13, S. 102/3; W. Naude: MHL. 22, S. 209-10. — 46) Ale. Hollaender, Strass-
burgs Politik im J. 1562: ZGORh. 9, S. 1-48. — 47) X G- Egelhaaf: ZGOBh. 9, S. 722/4; L. Schädel: MHL. 2>, S. 204/5.
- 48) (IV lb:8, S. 475-85.) — 49) G. Tournier, Mülhausen im 16. Jh. D. Reform, u. d. Aufruhr v. 1587 in d. Mül-
M. Osborn, Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts. II 1 i 49 63
mation" hingewiesen, der sich in der Sammlung* seiner kleinen historischen und
politischen Arbeiten findet. — In erzählendem Tone gab Tournier40) Schilderungen
aus der Geschichte Mühlhausens im 16. Jh., Hauptmann50) eine populäre Dar-
stellung der Ueberrumpelung Bonns durch Martin Schenk von Nideggen (1587), der
er das Facsimile eines gleichzeitigen Hogenbergschen Stiches beigab. — Aus des
Freiherrn von Wintzingeroda-Knorr51) Schrift über die Vollendung der Gegen-
reformation auf dem Eichsfelde kommt für unseren Zeitraum nur das erste Kapitel
(S. 1 — 55) in Betracht, das die antiprotestantischen Bemühungen unter den Mainzer
Kurfürsten Wolfgang, Johann Adam und Johann Schweikart umfasst. — Aus dem
J. 1892 sei der erste Band des Werkes von Priebatsch52) nachgetragen, das in
Einzeldarstellungen den Kampf der deutschen Städte gegen die territoriale Fürsten-
gewalt schildert. Er beschäftigt sich mit den Streitigkeiten, welche die Hohenzollern
mit den märkischen Städten im 15. Jh. ausgefochten haben. Die Markgrafen
Friedrich IL, Albrecht Achilles, Johann Cicero und Joachim I. stehen (nach Friedrich I.,
dessen Regierungszeit ja vor die von den JBL. umfasste Epoche fällt,) im Vorder-
grunde. Mit Recht hat man der verdienstvollen Arbeit den Vorwurf gemacht, dass
sie die Dinge lediglich von der rein politischen Seite in Angriff nehme und die
wirtschaftlichen wie socialen Faktoren zu sehr ausser Acht lasse. — Von den Drang-
salen norddeutscher Frauenklöster in der Reformationszeit schrieb Falk53). Erzieht
Eimbeck, Wienhausen, Göttingen, Kloster Lüne, Kloster Medingen, Kaufungen-
Gehrden, Hamburg, Stralsund und das Magdalenenkloster zu Riga in den Kreis
seiner einseitig katholischen Betrachtungen.54) —
Unter den Arbeiten über einzelne Persönlichkeiten aus der Geschichte
unseres Zeitraums finden wir am wenigsten über die Kaiser jener Epoche. Zu Karl V.
sind ausser einer Besprechung des Baumgartenschen Werkes (JBL. 1892 II 1:6;
1893 II 1 : 57) von Egelhaaf55) nur einige kürzere Aufsätze zu notieren, von denen
der eine, der Bergers56), einen Abschnitt aus desselben Vf. im nächsten Bande näher
zu besprechendem grossen Werke über die Kulturaufgaben der Reformation bildet,
während der andere einen Bericht von Krebs57) über das schöne Buch des belgischen
Musikforschers Van der Straeten „Charles Quint Musiciena (Gand, Jules Vaylsteke)
enthält. — Dem Landgrafen Philipp dem Grossmütigen von Hessen58) hat Metz59)
im „Hessenland" eine eingehende Schilderung gewidmet. — Nachzutragen aus dem
vergangenen Jahre ist hier das populäre Lebensbild, mit dem von Wagner60) den
trefflichen Johann von Schwarzenberg weiteren Kreisen bekannt machen wollte. Das
Buch hat einen unverzeihlichen Mangel, den der Vf. aber ganz naiv eingesteht. Er
wollte ein lebendiges, untrockenes, ja ein amüsantes Buch schreiben, und da der Stoff
hierzu allein oft leider nicht ausreichende Gelegenheit bot, so sah er sich gezwungen,
um seine Zwecke zu erfüllen, „mancherlei hinzuzudichten1', was er sich denn auch
wirklich wiederholt gestattete. Es ist schade, dass die Arbeit durch diese Geschmack-
losigkeit und durch sonstige Ungenauigkeiten verdorben ist. Der Gedanke, Johann
von Schwarzenberg, der in seiner genialen Vielseitigkeit, seiner Klugheit und seiner
brutalen körperlichen Kraft wie ein ins Deutsche übersetzter uomo universale der
italienischen Renaissance wirkt, als ein echtes Kind seiner wilden schönen Zeit dem
deutschen Publikum zu schildern, ist gar nicht übel. — Dem Führer der lutherischen
Partei in Bayern, Pankraz von Freyberg auf Hohenaschau (1508-65), hatPreger61)
ein Heft gewidmet. — Mit dem historischen Götz von Berlichingen beschäftigt sich
ein Programm von P a 1 1 m a n n 62). Er steht auf dem entgegengesetzten Standpunkt wie
Kamann, der in seiner Studie über die Fehde Götzens63) mit der Reichsstadt Nürn-
berg (JBL. 1892 I 4:459; II 1:33) auf Grund nüchterner Kritik ein nicht sehr
schmeichelhaftes Bild von dem Ritter mit der eisernen Hand entworfen hat. Aber
wenn Kamann vielleicht ein wenig allzu nüchtern und vom heutigen Standpunkte
hausener Chronik nacherz. Illzach i. E., Verl. d. Buchdr. „Z. Heimat." 53 S. M. 1,00. |[HJb. 15, S. 669; KonsMschr. S. 553.] |
— 50) F. Hauptmann, D. ueberrumpelung Bonns am 22. Dec. 1587. (=: Bilder aus d. Gesch. v. Bonn u. Umgebung.)
Bonn a. Rh., P. Hauptmann. 70 S. M. 0,50. — 51) L. Frhr. v. Wintzingeroda-Knorr, D. Kämpfe u. Leiden d. Evan-
gelischen auf d. Eichsfelde während 3 Jhh. Heft II: D. Vollend. d. Gegenreforra. u. d. Behandl. d. Evangel. seit d. Beendigung
d. 30j. Krieges. (= Schriften d. Ver. für Keform.-Gesch. N. 42.) Halle a. S., Niemeyer. 128 S. M. 1.20. — 52) F. Priebatsch,
D. dtsch. Städte im Kampfe mit d. Fürstengewalt. I. D. Hohenzollern u. d. Städte d. Mark im 15. Jh. B., Weidmann. 1892.
VIII, 270 S. M. 6,00. |[H. Pirenne: RCr. 33, S. 265/6; L. Viereck: WIDM. 76, S. 213/8.]| — 53) F. Falk, D. Drangsale
norddtsch. Frauenklöster in d. Reformationszeit: Kath. I, S. 250/5, 447-61. — 54) X E. Joachim, D. Politik d. letzten Hoch-
meisters (JBL. 1892 II 1:26; 1893 II 1:35). |[H. Ehrenberg: FBPG. 7, S. 588|9; J. Kolberg: LRs. 20, S. 3178.JI -
551 G. Egelhaaf: HZ. 71, S. 95/9. — 56) A. E. Berger, Karl V. u. Luther: VossZgB. N. 446. — 57) C. K[rebs], Karl V.
als Musikfreund: VossZg. N. 220. — 58) X F. Falk, D. Fussfall d. Landgrafen Philipp v. Hessen: HPB11. 114, S. 713/8. —
59) H. Metz, Philipp d. Grossmutige, Landgr. v. Hessen (1504-67): Hessenland S. 138,9, 154/5, 166/7, 182 3, 196:7, 222/3,
252/5, 266/9, 278-80. — 60) J. Frhr. v. Wagner (= Joh. Renatus), Joh. v. Schwarzenberg. E. Lebens- u. Geschichtsbild
aus d. 15. u. 16. Jh. 11.-16. Taus. B., Ver. d. Bücherfreunde. 1893. VII, 373 S. M. 4,00. |[ThLB. 17, S. 275; Edm. Lange:
BLU. S. 343/4.[| — 61) K. Preger, Pankraz v. Freyberg auf Hohenaschau, e. bayer. Edelmann aus d. Reformationszeit.
(= Schriften d. Ver. für Reform.-Gesch. N. 40.) Halle a. S., Niemeyer. 1893. 59 S. M. 1,20. — 62) K. Pallmann, D.hist.
Götz v. Berlichingen mit d. eisernen Hand n. Goethes Schausp. über ihn. E. Quellenstud. Progr d. Luisenstädt. Oberrealsch.
B., (Gaertner). 44 S. M. 1,00. (Vgl. u. IV 8e:12.) - 63) X H. L-> Götz v. Berlichingen: NatZg. N. 160. (Ausgehend v,
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (2)2
II 1 -.64-75 M. Osborn. Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts.
aus urteilte, ohne sich recht in die Situation des Mannes zu versetzen, wenn er auf
diese Weise vielleicht ein Historikergebot missachtete, so ist P. sicherlich noch viel
weiter von der Wahrheit entfernt, wenn er behauptet, Götzens Endziel sei „Vernichtung'
der Fürstengewalt und Herstellung' eines mächtigen Kaisertums auf Grund des Unter-
thanenverhältnisses" gewesen: er wollte „wie nur Einen Gott, so nur Einen Herrn
haben" (S. 38), er „erstrebte ein sociales Ziel von eminenter Bedeutung". Das ist
ohne Frage auch grundfalsch. Aber P.s Schilderung der allgemeinen Zustände,
seine Darstellung der Rechtsunsicherheit jener Jahre zu Beginn des 16. Jh., wobei
Münchener Staats- und Privatakten manchen bestätigenden Zug zu dem bekannten
Material hinzubrachten, ferner die Analyse von Götzens Selbstbiographie (S. 14—43)
nach deren Kapiteln, mit reichlich eingestreuten Citaten, machen das Programm doch
lesenswert. Von demjenigen Teile der P. sehen Arbeit, der sich mit dem Drama
Goethes befasst, wird an einer anderen Stelle dieses Bandes die Rede sein. — Dem
Zeitgenossen des Burgherrn vonJaxthausen, dem Landsknechtführer Georg von Frunds-
berg, gilt ein trefflicher Essay A resin-Fattons64), der in schlichter Darstellung
den „deutschen Bayard" aus seiner Zeit herauswachsen lässt und eine gute
Charakteristik des tapferen, grundehrlichen Mannes giebt.65) — Das interessante Leben
und den biederen Charakter der Philippine Welser hat Böheim66) nach den älteren,
rein wissenschaftlich gehaltenen Arbeiten von Josef Hirn, David von Schönherr,
Friedrich Kenner und von einem Angehörigen der Familie Philippinens, Freiherrn
Johann Michael von Welser, für ein weiteres Publikum geschildert. Er hat selbst
einige bereits feststehende Punkte durch archivalische Belege bekräftigt, sonst aber
hauptsächlich sich die Aufgabe gesetzt, diejenige Auffassung von der bürgerlichen Gattin
Erzherzog Ferdinands IL von Tirol zu bekämpfen, die lange Jhh. hindurch die einzig
gültige war, die in den mannigfachen dramatischen Bearbeitungen des Stoffes, wie in
den bekanntesten von Emanuel Schikaneder (1780) und Oscar von Redwitz, herrschte
und noch heute von weiten Kreisen des Volkes geglaubt wird. Vor allem weist er
jede Möglichkeit einer Ermordung Philippinens aus politischen Gründen als eine
Absurdität zurück. Vom Verlage ist das Werk B.s aufs vornehmste ausgestattet und
mit über zwanzig gut gelungenen Reproduktionen alter Bildnisse und Hss., sowie mit
Photographien kunstgewerblich wichtiger Stücke aus dem Besitze Philippinens ge-
schmückt worden. Die Originale einer ganzen Reihe von Porträts des Erzherzogs
und seiner Gemahlin sind im Besitze des Freiherrn von Lipperheide auf Matzen bei
Brixlegg in Tirol. — Die ADB. bringt uns wieder einige hervorragende Männer des
16. Jh. in Erinnerung. Mummenhoff67) schildert Anton Tucher, den Nürnberger
Kaufmann und Politiker, und rühmt zumal den grossen orts- und kulturgeschichtlichen
Wert seiner vom Stuttgarter Litterarischen Verein (als 134. Publikation) herausgegebenen
Haushaltungsbücher. — Girgensohn68) erzählt von Heinrich von Tiesenhausen,
der neben einer Geschichte seiner Familie u. a. auch eine Historie der Erz-
bischöfe von Livland verfasst hat. — Eine gewaltige Persönlichkeit ist Jakob Sturm,
Strassburgs grösster Staatsmann und einer der hervorragendsten Führer und Leiter
der Reformation. Winckelmann69) preist seine politischen Berichte auch als
litterarische Denkmäler ersten Ranges. Er bedauert, dass Sturms reiches Leben
und fruchtbringende Thätigkeit noch keine erschöpfende Darstellung gefunden haben.
Das von W. sorgfältig zusammengestellte Material mag seinem kommenden Biographen
eine Stütze bieten. — Heinrich Sudermann (1520 — 91), über den Keussen7") schrieb,
war der allgeehrte und geachtete Syndikus der deutschen Hansestädte.71) —
Das gesamte geistige Leben des deutschen Volkes bei Beginn der Neu-
zeit72) hat in einer allgemein gehaltenen, sehr lesenswerten Skizze Ulmann73)
geschildert. In vier Abschnitte hat er seine Uebersicht gegliedert : politische Lage
des Reiches und der Territorien (S. 3 — 29), die Kirche und das religiöse Volksleben
(S. 30— 50), gesellschaftliche Formen und wirtschaftliche Fragen (S. 51 — 72), Wissen-
schaft und Unterricht, Litteratur und Kunst (S. 73 — 92). Es ist natürlich, dass in
diesem engen Rahmen nur ganz ilüchtig die allerwichtigsten Hauptpunkte berührt
werden konnten. Am schlechtesten kommt die Litteratur in dem Heftchen fort.74)
— Mit gläubigem Herzen und aus begeistertem Gemüt feiert Walther75) die
Hamann. ) — 64) J. M. R. Aresin-Fatton, Georg v. Frundsberg. (— Hist. Essays [Wien, C. Gerold. 357 S. M. 5,00],
S. 193-357.) — 65) X L. Schädel, H. Witte, D. letzte Puller v. Hohenbarg (JBL. 1893 II 1 :32): M1JL. 22, S. 45/6. —
66) W. Bö he im, Philippine Welser. E. Schilderung ihres Lebens u. ihres Charakters. Innsbruck, Verl. d. Ferdinandeum.
4". 67 S. Mit Abbild. M. 5,00. |[LZgB. N. 424; Grenzb. 3, S. 2S7/8.J | (Vgl. auch NedSpect. S. 287-90.) — 67) E. Mummen-
hoff, Ant. Tucher: ADB. 38, S. 756-64. — 68) J. Girgensohn, Heinr. v. Tiesenhausen: ib. S. 289. - 69) Otto Winckel-
mann, Jak. Sturm: ib. 37, S. 5-20. — 70) H. Haussen, Heinr. Sadermann: ib. S. 1217. — 71) O X X W. Vogt, Konr.
Pentinger. E. Lebensbild aus d. Blütezeit d. Reichsstadt Augsburg (= Festschr. z. 22. dtsch. Juristentag [ Augsburg, Reichel.
102 S. Nicht im Handel], S. 29-67.) — 72) X K Burdach, Vom M A. z. Reform. (JBL. 1893 II 1 : 73). |[J. S e e ra & 1 1 e r : Euph. 1, S. 149-53 ;
K. Wenck: HZ. 73, S. 173; K. Wotke: ZOG. 45, S. 418-20; LCB1. S. 748,9; R. Wolkan: MVGDB». S. 48-50.] | — 73) H. Ul-
mann, D. Leben d. dtsch. Volkes bei Beginn d. Neuzeit. (= Schriften d. Ver. für Reform. -Gesch. N. 41.) Halle a. S., Nie-
weyer. 92 S. M. 1,20. — 74) X w- Dilthey, Auffassung u. Analyse d. Menschen im 15. u. 16. Jh. (JBL 1892 II 1:1; vgl.
auch III 5:1): MhComeniusG. 3, S. 38,9. — 75) Wilh. Walther, D. Bedeutung d. Reform, für d. Gesundheit unseres
M. Osborn, Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts. II 1 : 76-78
Reformation als den Höhepunkt der die neue Zeit heraufbringenden Bewegungen und
als den ewigen Hort der „Gesundheit unseres Volkslebens'1.76) — Die wichtigste Er-
scheinung des Berichtsjahres, die hierher gehört, ist der siebente Band von Janssens
Geschichtswerk, den Pastor") ergänzt und herausgegeben hat. Das Buch wird noch
an einer anderen Stelle dieser Berichte besprochen, und wir müssen uns darum
kurz fassen. P. fand das Ms. zu dem Bande, der „Schulen und Universitäten,
Wissenschaft und Bildung" umfassen sollte, nach dem Tode des Lehrers und Freundes
keineswegs in druckfertigem Zustande vor. Nur sehr wenig war ganz abgeschlossen;
alles Uebrige erforderte eine nochmalige genaue Durchsicht, die Materialsammlungen
J.s mussten noch verarbeitet werden. Vor allem aber musste P. in der zweiten Hälfte
eine ganze Reihe von Kapiteln selbst ausarbeiten, natürlich auch hier gestützt auf
zahlreiche Notizen und Vorarbeiten J.s, die auch für die Fortführung des Werkes bis
zum Untergang des alten Reiches im J. 1806 so zahlreich vorliegen, dass nach P.s Ver-
sprechen „die Vollendung der Geschichte des deutschen Volkes als gesichert be-
trachtet werden darf". Immer klarer wird — das geht aus zahlreichen Be-
sprechungen hervor — auch in protestantischen Kreisen die hohe Bedeutung der
ultramontanen Historiographie, deren Gipfel J. darstellte, erkannt. Man glaubt zu
entdecken, dass man seine Anschauung von der Reformationszeit doch vielleicht ein
wenig zu sehr nach immerhin einseitigen Schilderungen gebildet hat, dass es für den
Historiker, dem Objektivität als das höchste Gesetz gelten muss, von hohem Werte
ist, auch einmal die Kehrseite der Medaille zu betrachten. Kein besonnener Mensch
wird je die J.sche Auffassung für die richtige, sein Gemälde für ein der vergangenen
Wirklichkeit entsprechendes halten; die Wahrheit wird ja wohl auch nicht in der
Mitte zwischen den beiden Extremen liegen, sondern fraglos näher bei dem protestan-
tischen. Aber trotz alledem wird der kommende unparteiische Historiker des 16. Jh.
starke Förderung durch J.s Werk erfahren. Auch in dem vorliegende Bande ist
wieder mit staunenswertem Fleisse eine unerschöpfliche, unendliche Fülle von
Material herangeschleppt und verteilt worden ; freilich ist es noch weniger verarbeitet,
als dies früher der Fall war, es bleibt noch mehr als sonst lediglich aufgesammelter Roh-
stoff. Zuerst ist vom Schulwesen die Rede, von dem grossartigen Aufschwung in
der zweiten Hälfte des 15. Jh. und dem „Verfall seit der Kirchenspaltung". Fast über-
all in protestantischen Lateinschulen, Gymnasien, Volksschulen trostlose Zustände,
Verkommenheit bei Lehrern wie Schülern; dagegen die grossartige Thätigkeit der
Katholiken, besonders der Jesuiten, als Erzieher, die keiner jemals geleugnet hat.
Dem Schuldrama wird ein eigener Abschnitt gewidmet (S. 106—34): Anstössigkeiten,
Roheiten, Unpassendes, Verunglimpfungen und Verhetzungen bei den Lutheranern;
Ruhe, Gleichmass, pädagogische Zielbewusstheit, wahre Kunst und trefflichste moralische
Wirkungen auf der anderen Seite. Bei den Universitäten ist es nicht anders (S. 135
bis 211). Alles Ungünstige, was durch die Stürme der Reformation zweifellos ans
Licht gekommen war, alles Schlimme, was die Reformatoren nicht beseitigen konnten,
wird eifrigst betont; aber alle die tausend neuen Keime der Forschung und des
Unterrichts, die jener Epoche ihre Entstehung verdanken, sind verschwiegen. Nicht viel
anders ist es in den von P. selbst geschriebenen Abschnitten. Der Schüler hat von
seinem Meister willig alles angenommen, und man würde es kaum merken, dass ein
neuer Vf. nun einsetzt, wenn die Vorrede es uns nicht unzweideutig verraten hätte.
P. hat die sehr verdienstvollen Kapitel über Naturwissenschaften, Heilkunde, Theologie
und Philosophie bei den Katholiken, und vor allem „Uebertragungen der heiligen
Schrift in die deutsche Sprache bei Katholiken und Protestanten" bearbeitet. Da-
neben finden sich eingehende Darstellungen der humanistischen Studien in Deutsch-
land und der neulateinischen Dichtung (S. 222—56), der Rechtswissenschaft und des
Rechtsstudiums, der Mathematik und Astronomie, der Geschichtsschreibung (S. 276— 306).
Den Schluss des Bandes bilden die Mitteilungen über die katholische und
protestantische Predigt (S. 576—606) und die über Buchdruckerei, Buchhandel, Bücher-
censur sowie über die Anfänge des Zeitungswesens. Keiner, der sich mit unserer Epoche
beschäftigt, wird an diesem trotz aller Einseitigkeit und meinetwegen tendenziösen
Absichtlichkeit bewundernswerten Kompendium vorübergehen können, und niemand
wird es ohne hohen Nutzen lesen, wenn er sich einerseits seine Ruhe, andererseits
seine Kritik zu wahren weiss.77a) — Wie im vergangenen Jahre seien auch diesmal hier
einige italienische Studien genannt, welche die Renaissance-Zeit betreffen: zunächst
zwei Bände, die dem wenig älteren Sammelwerke von Aufsätzen über das Rinascimento
(JBL. 1893 II 1 :74) entsprechen; sie führen den Titel „La vita italiana nel Cinquecento"78);
Volkslebens. Vortr. L., Dörffling & Franke. 24 S. M. 0,40. (Abdr. ans AELKZ.) — 76) X w- Schmitz, D. Einfluss d.
Religion auf d. Leben beim ausgehend. MA., bes. in Dänemark. (= StML. Ergänzungsheft N. 61.) Freiburg i. B„ Herder.
160 S. M. 2,20. |[A. Bellesheim: Kath. 2, S. 267,9; HPBH. 114, S. 547/8.J) — 77) (II 6:2.) (Vgl. JBL. 1892 II 1 : 7-15;
1893 II 1:7-11.) — 77a) X A. Baum gar tn er, Dtsch. Bildung u. Wissensch. im 16. Jh.: StML. 46, S. 233-54. (Im Anschl.
an N. 77.) — 78) La Tita italiana nel Cinquecento. Conferenze tenute a Firenze nel 1893. I. Storia; II. Letteratura. Milano,
(2)2*
II 1 : 79-82 M. Osborn, Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts.
sodann eine Studie Venturis79); Kükelhaus80) besprach das Buch von Wolffs
über Lorenzo Valla (JBL. 1893 II 1:79).81) -
Zur deutschen Literaturgeschichte des 16. Jh. haben wir endlich wieder
einmal ein grosses zusammenfassendes Werk zu nennen, das freilich auch von einem
lokalen Gesichtspunkt ausgeht. Wolkan82) hat seinen früheren Studien über die
Geschichte der deutschen Dichtkunst und des deutschen Geisteslebens in Böhmen
(JBL. 1890 II 1: 13; 1891 II 1:1; 1892 II 1:42; 1893 II 1:89) nun als Abschluss
einen stattlichen Band folgen lassen, der die „Geschichte der deutschen Litteratur in
Böhmen bis zum Ausgange des 16. Jh." darstellt. Er bildet mit den älteren Arbeiten
zusammen nun ein schönes Denkmal des Eifers, mit dem heute die Deutschböhmen
auch mit der Waffe wissenschaftlicher Arbeit gegen die wilden czechischen Gegner
ihre Nationalität verteidigen. Man darf diesen Gesichtspunkt nicht aus den Augen
lassen, wenn man das Buch vornimmt. Es ist für die deutsche Sache in Böhmen
gewiss nicht ohne Wichtigkeit, dass einmal ein zuverlässiger, gründlicher Gelehrter,
der einen höchst achtbaren Fleiss sein eigen nennt, alles sammelt, was an deutscher
Geistesarbeit aus dem schönen Lande hervorgegangen ist. Sonst könnte man ernstlich
die Frage aufwerfen: besteht nicht ein Missverhältnis zwischen der wahren Grösse
und allgemeinen Bedeutung des Stoffes und dem riesenhaften Umfang dieses Buches,
das vom Verlage, wohl mit Hülfe einer öffentlichen Unterstützung, mit beneidenswert
schönem Papier und grossen Antiqualettern ausgestattet ist, so dass es nun noch
gewaltiger dareinschaut als es in Wahrheit ist? Es fehlt an dieser Stelle naturgemäss
der Raum, alles das auszusprechen, was man gegenüber dem W.schen Buche em-
pfindet, alle seine grossen Verdienste und hohen Vorzüge zu beleuchten und seine
unleugbaren Schwächen zu kennzeichnen. Nur das Wichtigste kann hier heraus-
gehoben werden. W. hatte ursprünglich die Absicht, den älteren Teilen seines
Werkes „Böhmens Anteil an der deutschen Litteratur des 16. Jh.", von denen der
erste eine vortreffliche Bibliographie, der zweite eine Auswahl von Texten gebracht
hatte, als dritten Teil eine zusammenfassende Darstellung dieses „Anteils" nachzu-
schicken. Aber der Plan erweiterte sich. Zum wirklichen Verständnis des Huma-
nismus des Reformationsjh. ergab sich ein Zurückgehen auf den Humanismus des
15. und 14. Jh. als unumgänglich notwendig. Und so kam der Vf. allmählich dazu,
die ganze Zeit bis zum Schlüsse des 16. Jh., genauer noch bis zum J. 1618, da in
Böhmen die Sturmglocke zum grossen Kriege geläutet wurde, in den Kreis seiner
Betrachtung zu ziehen. Ein einleitendes Kapitel über die „Entwicklung des deutsch-
tums in Böhmen" (I) giebt die Grundlage. Ein zweites, sehr willkommenes über
„Schulwesen" (II) steht ihm zur Seite. Es folgt der „Humanismus" (III), von seinen
Anfängen unter Karl IV. bis zur Mitte des 16. Jh. gesondert aus dem Ganzen des
Stoffes herausgehoben. Sodann schliessen sich zwei, nicht sehr geschickt von ein-
ander abgegrenzte Abschnitte an: „Höfische Dichtung" (IV) und „Das 14. und
15. Jh." (V). Das bei weitem umfangreichste Kapitel „Das 16. Jh." (VI) macht den
Schluss. Während W. erklärt, dass die Behandlung der ältesten Zeit ihm am
wenigsten Mühe gemacht habe, da er hier am meisten sich auf Vorarbeiten habe
stützen können, und während er die Arbeit über das 14. und 15. Jh. die un-
erfreulichste und auch unerspriesslichste nennt und offen eingesteht, dass hier sich
der Kritik am meisten Angriffspunkte bieten, glaubt er in der Darstellung seiner
letzten, auch uns hier hauptsächlich interessierenden Epoche die Stärke seiner Arbeit
zu sehen. In der That hat der Vf. als Frucht unermüdlichen Suchens und Forschens
hier eine ungeheure Fülle von Material herangebracht, die uns überhaupt erst in
stand setzt, die Entwiklung der deutschen Dichtung und der deutschen Prosa
in Böhmen zu verfolgen. Zum ersten Male wird uns hier die ganze litterarische
Ueberlieferung, die gedruckte wie die hs.liche, gesichtet und geordnet, vorgeführt.
An allen Punkten und Enden wird unsere Kenntnis tüchtig gefördert. Und wenn
gar manches mitgeteilt wird, was wir wohl entbehren könnten, so wird das durch die
zahllosen neuen Aufschlüsse, zumal über das geistliche und weltliche Lied sowie
über das Drama, wieder gut gemacht. Die hohe Bedeutung des Erzgebirges wird
hervorgehoben, Joachimsthal besonders als Heimstätte des deutschen Wesens ge-
rühmt, seines grossen Pfarrers Johann Mathesius vielseitige Wirksamkeit eingehend
an verschiedenen Stellen gewürdigt. Auch andere hervorragende Persönlichkeiten:
Bohuslous Lobkowitz von Hassenstein, Cl. Stephani, Nik. Hermann, J. Krüginger,
kommen zur Geltung. Indessen sie erscheinen nicht, wie wir es wünschen.
Fratelli Treves. 455 S. in 2 Bdn.: S. 1-279; S. 280-455. L.3,00; 2,00. (Darin bes. zu merken: S. 1-51: L. A. Ferrai, Francesco I.
e Carlo V.; S. 282-316: C. Paoli, GH scrittori politici del Cinquecento; S. 317-68: G. Carducci, L'Orlando Furioso;
S. 369-408: E. Nencioni, Torquato Tasso; S. 409-55: G. Mazzoni, La lirica del Cinquecento.) — 79) A. Venturi, Natura
del „Rinascimento": NAnt. 40, S. 440-59. — 80) Th. Kükelhaus: DLZ. S. 268-70 - 81) X p- Roden. Shakespeares „Sturm"
(JBL. 1893 II 1:81). |[Ges. S. 284; JbDShukespeareGes. 29-30, S. 311/2; J. Z(upitza): ASN3. 93, S. 182/3.] | — 82) R.
Wolkan, Gesch. d. dtsch. Litt, in Böhmen bis z. Ausg. d. 16. Jh. (= Böhmens Anteil an d. dtsch. Litt. d. 16. Jh. 3. T.) Prag,
M. Osborn, Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts. II 1 : 82-ss
Sie werden ziemlich äusserlich hingestellt, mit allen notwendigen thatsächlichen An-
gaben über ihr Leben und ihre Werke. Aber sie werden nicht als ganze Menschen
gezeichnet, nicht charakterisiert, nicht in ihrer individuellen Eigentümlichkeit ge-
packt und lebendig gemacht. Wir sehen sie nicht, wir können uns keine Vor-
stellung von ihnen machen. Wir durchschauen und begreifen aber auch nicht
den Gehalt ihres poetischen Schaffens, das Wirken und Gelten ihrer Persönlichkeit
im geistigen Leben ihrer Zeit. Nur den Rohstoff bekommen wir vorgesetzt. Als ein
besonders in die Augen fallendes Beispiel sei auf die dreizehn grossen Seiten hin-
gewiesen, auf denen der interessante und wichtige Theobald Hoeck behandelt wird
(S. 364—76). Da giebt W. eine lange Reihe von gewiss trefflich ausgewählten
Proben aus den Gedichten, die immer nur durch einige spärliche Zeilen Textes von
einander getrennt sind. Aber das ist keine Charakteristik, kein Wiedererschaffen
der Persönlichkeit, wie wir es ersehnen. Es sind zusammengeklebte Fetzchen, jedoch
kein volles, einheitliches Bild. Die vornehmste Aufgabe des Literarhistorikers, die
Dinge in sich aufzunehmen und sie aus seinem Geiste wieder werden zu lassen,
diese Aufgabe, die auch seine höchste ist, weil sie fast eine produktive ist wie die
des schöpferischen Künstlers, — sie hat der Vf. nicht gelöst. Wie bei diesem einen
Beispiel so ist es allenthalben. W. hat sich nicht über seinen Stoff emporgeschwungen.
Man sieht ihn in seinem Museum arbeiten. Der Schweiss ist nicht g-enügend ab-
getrocknet, und man braucht nicht Baechtolds wundervolle Geschichte der deutschen
Litteratur in der Schweiz, die dem Vf. nach seinem eigenen Worte als Muster vor-
schwebte, zum Vergleich heranzuziehen, um diesen Mangel zu empfinden. Doch
darf man darüber auch das Gute nicht vergessen oder unterschätzen, das wir dem
Werk W.s verdanken. Diese umfassende und erschöpfende Sammlung und Sichtung
des Stoffes (soweit sich das unter den heutigen Umständen ermöglichen liess) ist
eine Leistung von dauernder Geltung. Auch die vielfachen ungenauen Einzelheiten,
welche die im nächsten Jahrgange zu verzeichnenden, eingehenden Besprechungen
des Buches berichtigen und verbessern, ändern daran nichts. (Auf die Anzeige von
R. Fürst [Euph. 2, S. 649—57], die eine vortreffliche kurze Inhaltsangabe des Ganzen
bringt, sei hier schon im voraus hingewiesen.) Wenn jedoch W. sagt, seine schwer-
gelehrte Arbeit möchte „der Wissenschaft zu Liebe geschrieben sein, aber ihr nicht
allein und nicht zuletzt dem deutschen Volke in Böhmen", so muss man sagen, dass
er diesen letzten Teil der selbstgestellten Aufgabe -noch nicht erfüllt hat. Wir dürfen
aber auch das gewiss zuversichtlich von ihm erwarten. Er ist vielleicht zur Zeit
der Einzige, der es kann, und ohne Zweifel der Berufenste dazu. Nur müsste er
sich entschliessen, über sein Buch nun wieder ein Buch zu schreiben, das seinerseits
nicht nur Benutzer, sondern auch Leser fände. Und er muss sich vornehmen, nach
seinem tiefen Sinn das heilige litterarhistorische Gebot zu befolgen, das einer unserer
Meister einmal aufgestellt hat: „Du sollst nicht töten, sondern lebendig machen!" —
Was wir hier von Wolkan selbst erhoffen, das hat, um Kleineres mit Grösserem zu
vergleichen, mit der knappen Studie von Lorenz über Mecklenburgs Anteil an der
deutschen Nationallitteratur (JBL. 1893 I 1:111; II 1:86; III 1:136) Schröder83)
versucht. Das Heftchen, aus einem Vortrag und aus Zeitungsaufsätzen ent-
standen, giebt freilich auch nicht viel mehr als Lorenz Materialsammlung, über
deren Trockenheit es sich nur wenig erhebt. Manche Proben, die Lorenz nicht ge-
bracht hatte, werden von Seh. mitgeteilt. Gelegentlich des Reinke de Vos finden
sich ein paar Zusätze über das Tierepos (S. 13/5), und vom Drama der Reformations-
zeit wird ein wenig ausführlicher gesprochen (S. 25—30). — Von der kurzen Ueber-
sicht über die deutsche Litteratur des 16. und 17. Jh., die Zipper84) für ein pol-
nisches Sammelwerk schrieb, kann ich nur nach Werners Anzeige berichten.
Danach ist sie eine völlig unzulängliche Stümperei: „Nicht durch ein Wort", urteilt
WT. nach einigen Belegen im einzelnen, „verrät der Herr Vf., dass er etwas zu
sagen hat, und so kann man nur den — Mut bewundern, mit dem er an die Dar-
stellung ging." — In seinem illustrierten Hans Sachs-Buch, das an anderer Stelle
des näheren besprochen wird, hatte Genee85) die Absicht, den Dichter aus seiner
Zeit und seiner Stadt heraus zu zeigen. Er widmete darum Altnürnberg und seiner
Kultur, seiner Kunst, seinem religiösen und Geistesleben, seinen Handwerkern und
Gelehrten, seinen Meistersingern und Theateraufführungen manche Seiten, die uns jedoch
nichts Neues bringen, das Altbekannte niemals in neuer, dagegen öfters in künstlich
zurechtgemachter Beleuchtung. Doch mag in den bekannten „weiteren Kreisen" das Inter-
Haase. XVI, 538 S. M. 20,00. — 83) (I 1 : 59; III 1 : 208.) — 84) A. Zipper, D dtsch.Litt. d. 16. u. 17. Jh. (= Allg. Litt -Gesch.
mit Illustr. 3. T. Neuere Litt.-Gesch 1. Periode: D. Zeiten d. Humanismus u. d. Reform. [Warschau, S. Lewental. 1891.
564 S. Eub. 2,25], S. 196-236) IfKwH. 8, S. 297-302; R M. Werner: Euph. 1, S. 14S/9.JI (l). poln. Titel lautet: „Literatur»
nimiecka wiecku 16. i 17. [üziejie literatury powszechnej z illustracyami. Tora. III. Dzieje literatury nnwozytnej. Okres
pierwszy: Czasy huraanizmu i reformaeyi.") — 85) (II 4b : 12.) — 86) X Ij- Pariser, H. Sachs, Luther, Fischart etc. (JBL. 1893
II 1:86-87 M. Osborn, Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts.
esse für die Epoche, in der Hans Sachs stand, durch G.s Buch immerhin gefördert
werden.86) — Einen höchst inhaltvollen, viel Neues bietenden, an trefflichen An-
regungen reichen Aufsatz hat von Reinhardstöttner87) über Volksschriftsteller
der Gegenreformation in Altbayern veröffentlicht. Trotz allen Stimmen, die sich
hier nicht minder als sonst im Reiche für eine Verbesserung der Kirche erhoben,
hatte die Reformation in den wittelsbachischen Ländern doch keinen Boden. Freilich,
ohne Zweifel und Spaltungen ging es auch hier nicht ab. Noch 1546, beim Tode
Luthers, ja noch in der ersten Regierungszeit Albrechts V. (1550—79) schwankt die
Wage in Altbayern; dann freilich neigt sie sich rapide zu Gunsten des Katholi-
zismus. Nun wird München das „zweite Rom", und von hier sowie von Ingolstadt
aus beginnen die Jesuiten mit planmässigem Bedacht vorzugehen. Die bayerischen
Fürsten sind nun die vornehmste Stütze der Kurie in Deutschland: Es ist fürchter-
lich, so ruft der Jesuit Konrad Vetter aus, „was dieser Trach (Luther) in den aller-
schönsten Stiften und Klöstern dises gantzen Lands I sowol im Obern als Nidern
Bayrn ! mit seinem Trachenschwantz vn[d] Sawrüssl für eine Verwüstung vnnd
Grewel würde angericht haben", hätten nicht „die hertzhafften Löwen j vnnd unbe-
wegliche Säulen der alten Catholischen Religion | oder die durchleuchtigiste Fürsten
vnnd Hertzogen von Bayrn" ihm gewehrt (S. 50). Treffend führt R. aus, dass für
die ruhige Entwicklung der humanistischen Studien und friedlichen Künste das
Fernhalten von der neuen Lehre während des 16. Jh. nicht schlecht für Bayern war,
dass aber nach dem dreissigjährigen Kriege, als alle Blüten hinweggefegt waren,
Bayern, „gerade weil es den Kampf um die geistige Freiheit im vorigen Jh. mitzu-
kämpfen verabsäumt hatte", nicht auf frühere Errungenschaften zurückgreifen konnte
und darum schwerer als die übrigen Einzelstaaten in unserem Vaterlande unter den
Folgen litt, viel langsamer erst sich wieder erholen konnte. Mit feinem Sinne wird
hier der Grund aufgedeckt, warum nach dem grossen Kriege der katholische Süden
Deutschlands lange Zeit hindurch so beträchtlich und so überraschend hinter dem
protestantischen Norden zurückblieb. Sodann wendet sich R. seinem eigentlichen
Thema zu. Nicht auf das will er aufmerksam machen, was Theologen, Staatsmänner,
Kirchenlehrer verfasst haben, nicht auf die scharfen dogmatischen Erörterungen,
Lieder, gelehrten Dialoge, Jesuitendichtung und -spiele — das alles ist so ziemlich
gesichtet und ausgeschöpft. Sondern er will den Blick der Forscher auf das lenken,
was für die niederen Schichten und was aus ihnen heraus geschrieben wurde, und er
verspricht hier sehr interessante litteratur- wie besonders sprachgeschichtliche Er-
gebnisse. Die Streiter für Rom mussten deutsch schreiben, „dem einfältigen völcklein
zu gut, welches das latein nit allenthalben versteet", wie Cochlaeus einmal sagt;
die Protestanten sprachen deutsch — also muss man „das gegenteil auch im Teutschen
dem volck fürhalten". Das war ein gewaltiger Umschwung; denn seit 1369 soll so
gut wie nichts über religiöse Dinge in deutscher Sprache abgefasst worden sein.
Nun werden deutsche geistliche Gesänge den protestantischen gegenübergestellt;
Luthers und der Seinen Lieder gehen oft. unversehrt über (so „Christum wir sollen
loben schon Der reinen Magd Marie Sohn, Soweit die liebe Sonne leucht"), oder
Stücke aus den Psalmen und den Evangelien werden, auch vielfach nach Luthers Ueber-
setzung, in Verse gebracht. Die Dialoge werden als wirksame populäre Form bevor-
zugt. R. giebt Proben dafür (S. 58 — 61). Streite und Zwiste hat in massenhaften
deutschen Schriften u. a. der Barfüssermönch Kaspar Schatzger ausgefochten.
Wir sehen ihn (S. 63—71) in seinen Heften und Büchern, die für die bayerisch-ober-
pfn'lzische Mundart seiner Zeit sehr interessant sind, jedenfalls die Sprache des da-
maligen München treu wiederspiegeln, im Kampfe mit Joh. von Schwarzenberg,
mit Oslander, mit dem Pfarrer Antonius Zymmermann. Der letztere hatte
gepredigt, Christus habe, als er zur Vorhölle hinabstieg, die höllische Pein ge-
spürt. Schatzger stellte dagegen ein leidenschaftliches „Beduncken" auf, dessen
Erfolg war, dass der arme Pastor „gefenglich angenummen" wurde. Als be-
sonders hervorgetretene antilutherische Verlagsfirmen macht R. folgende nam-
haft: Schobser, Nik. Henricus, Adam Berg in München; Sartor, Eder, Weissenborn
in Ingolstadt; dazu noch einige in Straubing und Amberg. Einen weiten Leserkreis
hatten die Schriften des schon genannten Konrad Vetter (S. 76/7), der wütend und
und mit verbissener Gehässigkeit gegen Luther tobte. Joh. Nas (S. 77/9), Laurentius
Forer (S. 79 — 80) und Adam Walasser, der sich besonders um die Einführung und
Verbreitung der antireformatorischen Lieder verdient machte, werden erwähnt. Der
bedeutendste aber von allen ist Aegidius Albertinus. „Tn seinen umfangreichen Werken
spiegelt sich die Anschauung, welche man in der Hauptstadt des Südens in den
ersten J. des 17. Jh. über die Reformation hatte". Er schreibt bereits ganz ruhig,
„wie ein überlegener Sieger". Der Schluss von R.s Aufsatze (S. 86 — 118) ist der
II 1 :88; 3:50; 4:28): BBG. 30, S. 315. — 87) K. v. Reinhardstöttner, VolkSBchriftsteller d. Gegenreform. in Altbayern :
M. Osborn, Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts. II 1 •. 88-112
Charakteristik dieses geschickten Schriftstellers gewidmet, dessen polemische
Werke ein echtes Denkmal der Gegenreformation sind. Er ist ein so nüchterner,
starrer Philister, dass ihm die Kunst des Schönschreibens alle anderen, auch die
Malerei, übertrifft und die Künstler lediglich als „eitele, liderliche, verschlagene, arg-
listige, unverschambte und gottlose Leut" erscheinen. Er ist so asketisch und
fleischfeindlich, dass ihm die Ehe nur ein notwendiges Uebel ist, dass er Komödien
und Schauspiele ingrimmig hasst. Den ungemein lesenswerten Ausführungen hat
R. eine Reihe von Quellennachweisen fS. 118—39) angefügt. — W eddigen88) hat
seine knappe „Geschichte der Einwirkungen der deutschen Litteratur auf die
Litteraturen der übrigen europäischen Kulturvölker der Neuzeit" in zweiter Auflage
herausgegeben. — Faguets80) Studien über die französische Litteratur des 16. Jh.
seien nicht vergessen. — McClumph a90) erinnerte wieder an Herfords bekanntes
Werk über die litterarischen Beziehungen zwischen England und Deutschland. —
Ganz kurz nur seien die Arbeiten verzeichnet, die von der wissenschaft-
lichen Bethätigung des 16. Jh. handeln. G. v o n Kress91) veröffentlicht eine Studie
über gelehrte Bildung im alten Nürnberg und das Studium der Nürnberger an
italienischen Hochschulen. — Die bibliographischen Zusammenstellungen Roths92)
über die Gelehrtenfamilie Lorichius aus Hadamar sowie die Studie Falk s 93) über
zwei Bürgermeister und „treugebliebene Katholiken": G. Agricola in Chemnitz, den
ersten grossen Mineralogen der neueren Zeit und Begründer der Bergwerkskunde,
und J. Hass in Görlitz, der (übrigens stark von dem Einfluss der lutherischen
Sprache zeugende) Ratsannalen hinterlassen hat, haben schon an anderen Stellen
Erwähnung gefunden. — Auch über die Schriften Hart in an ns94) und Sud-
hof fs95-96) über Paracelsus ist an anderem Orte näheres zu finden; zu den Gedenk-
artikeln, die der 400. Geburtstag Hohenheims im Vorjahre hervorgerufen hat (JBL.
1893 II 1:100/5), sind noch einige nachzutragen97"100). — Ein Hauptvertreter der
medizinischen Theorien des Paracelsus war Leonhard Thurneisser. Ihm hat Heide-
mann101) eine Skizze gewidmet, die auch die vielseitige litterarische Thätigkeit
Thurneissers, seine Schriften über Magie und Alchimie, seine Vorbereitungen zu
einer Chronik und einer Karte der Mark Brandenburg usw. berücksichtigt.102-104)
— Peter von Andlau, der als Gelehrter in Basel wirkte, in seinem „Libellus de Cesarea
monarchia" den Ansatz zur Bildung eines deutschen Staatsrechts schuf und in den
ersten Jahren der Universität eine Rolle spielte, hat in H ü r b i n105) einen Biographen
gefunden. Die Studie enthält beachtenswertes Material zur Kenntnis des gelehrten
Lebens in der zweiten Hälfte des 15. Jh. Dass von Briefen die Rede ist (S. 211), die
Sebastian Brant an Peter von Andlau schrieb, sei noch besonders bemerkt. — Ein
Anonymus106) handelte nach den Quellen kurz über Matthias Kretz, den ersten Vor-
stand der von Aventin ins Leben gerufenen Ingolstädter gelehrten Gesellschaft, den
langjährigen Domprediger in Augsburg und Mühchen. Kretz ist ein eifriger Ver-
ehrer des Erasmus; er hat, wie er in einem (S. 13/4) auszugsweise wiedergegebenen
Briefe mitteilt, des grossen Humanisten Abhandlung vom christlichen Ritter öffentlich
auf der Kanzel erklärt und eine Schrift verfasst, in der er nachweisen wollte, dass
Erasmus kein Lutheraner sei. „Jetzt", d. h. 1530, meint der Briefschreiber, wäre
eine solche „Apologie" nicht mehr nötig, da jetzt jeder von Erasmus wisse, dass er
„catholicissimus" ist.107"109) —
Unter den kulturgeschichtlichen Erscheinungen110), die in unser
Gebiet fallen, hat neben einer englischen Arbeit von Bax111) zunächst und vor allen
anderen eine ausgezeichnete Studie Steinhausens112) Anspruch auf Beachtung.
Sie handelt von den Anfängen des französischen Litteratur- und Kultureinflusses auf
Deutschland in der neueren Zeit und will die Gründe und allmähliche Ausbreitung
FKLB. 2, S. 46-139. (Auch Sonderabdr.: München, Franz. 94 S.; nicht im Handel.) — gg) F. H. 0. W eddigen.
Gesch. d. Einwirkungen d. dtsch. Litt, auf d. Litt. d. übrigen europ. Kulturvölker d. Neuzeit. 2. (Titel- lAnsg.
L., Wigand. 183 S. M. 2,00. — g9) E. Faguet, 16. siecle. Etüde litt. Paris, Lecene. XXXIII, 426 S. Fr. 3,50.
[RIE. 27, S. 188: RCr. 37, S. 131/4; BSProtFranc. 43, S. 108; L. Geiger: NatZg. N. 122.JI (Daraus id., Calvin
ecrivain: RPL. 52, S. 648-61.) — 90) Ch. F. McClumpha, C. H. Herford, The litt, relations of England and Qermany.
(Cambridge 1886): MLN. 9l, S. 45/9. — 91) G. v. Kress, Gelehrte Bildung im alten Nürnberg u. d. Studium d. Nürnberger
an italien. Hochschulen. ( = III 5:8: 2, S. 14-50.) — 92) (I 3 : 153.) — 93) (II 6 : 20.) — 94) (II 6 : 279.) — 95) (II 5:53.)
|[BLChrSchw- 24, S. 173/4.JI — 96) (II 5:54.) - 97) X K- Lasswitz, Z. Erinnerung an Paracelsus: Nation». 11, S. 183/5.
- 9g) X F- Lampert, Theophr. Paracelsus. E. Gedenkbl. post festum: FränkKur. 28 März. — 99)X Paracelsus: NZ. 12l,
S. 436/9. — 100) X K. Kiesewetter, Theophr. Paracelsus: ÜL.fcM 71, S 241/2. - lOll J. Heidemann, Leouh.
Thurneisser znm Thurn: ADB. 38, S. 226/9. — 102) X N. Paulus, G. Pictorius v. Villingen: LHw. 33, S. 7212. (Arzt d.
16. Jh.) - 103) X T. Stein, 350 J. (Kopernikus): SchorersFamilienbl 16, S. 111. - 104) X <* Berthold, Joh. F.tbricius
u. d. Sonnenflecken. Nebst e. Exkurs über D. Fabricius. L., Veit. 60 S. M. 1,80. |[LCB1. S. 1567.]| — 105) J. Hürbin,
Peter v. Andlau: KathSchwBU. 10, S. 207-37, 285-318. (Vgl. dazu P. Albert: ZGORh. 9, S. 524/5.) - 106) M. Kretz. E.
bayer. Gelehrter d. 16. Jh.: HPB11. 114, S. 1-19. — 107) X A. Bachmann, Zach. Theobald: ADB. 37, S 6S2/4. - 10g) X
E. Schaumkell, D Rechtsgelehrte Franciscus Balduin als Ironiker u Historiker. Progr. Güstrow. 4". 34 S. — 109) X
Th. Brandi, Mtnfr. Meyer, Wig. Hundt (JBL. 1892 II 1:62; 1393 II 1:96): HZ. 73, S 512,3. - 110) X Alw. Schultz,
Dtsch. Leben im 14. u. 15. Jh. (JBL. 1891 I 5 : 16; 1892 I 4 : 21; II 1 : 63; 1893 II 1 : 115): LRs. 20, S. 19-20. - 111) E. B.
Bax, German society at the close of the MA. London, Sonnenschein. Sh. 5. — 112) (I 4:86; IV ld: 12.) — U3) X Rieh,
II 1 i 112 M. Osborn, Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts.
dieses Einflusses, der etwa von 1670 — 1730 seinen Höhepunkt erreichte, im 16. Jh.
verfolgen. St. möchte dies Thema eingehender und „schärfer" erörtern, als es bis-
her geschehen ist. Es war nicht das erste Mal, dass Frankreich eine massgebende
Einwirkung auf die Kultur und Litteratur Deutschlands gewann. Das römisch gewordene
Gallien war dem Westen Germaniens durchaus ein Vorbild. Später ist namentlich
die Epoche des Rittertums von Bedeutung; die ganze Erscheinung ist lediglich oder
doch wesentlich ein Produkt des französischen Einflusses. Das 14. und 15. Jh. zeigen
dann in Deutschland einen kräftigen nationalen Aufschwung und eine hohe selbst-
ständige Entwicklung, deren Hauptfaktor das Bürgertum war. Nun aber, im 16. Jh.,
beginnt von neuem das Vorbild der westlichen Nachbarn in unserem Vaterlande eine
massgebende Rolle zu spielen, und St. stellt den Satz auf, dass diesem Umstände
jetzt ganz ähnliche Thatsachen zu Grunde liegen wie einstens in der Ritterzeit. Da-
mals war das wesentlichste Element zunächst die „Ausbildung eines bestimmten
Lebens- und Bildungsideals, das zur Nachahmung reizte": des ritterlichen Gesellschafts-
ideals, das sich in Frankreich entwickelt hatte. So war es auch zu Beginn des
Reformationsjh. Jetzt freilich ist es ein anderes Ideal: das Ideal des Hoflebens, das
in dem reichen, glänzenden, heiteren Paris Franz des Ersten heranwächst. Paris als Haupt-
stadt des festesten und einheitlichsten monarchischen Staatswesens in Europa ward
mehr und mehr der führende Ort des Weltteils, der Sitz der Bildung. Und wenn
auch damals Italien noch einen grossen Kultureinfluss besass und Spanien begann,
einen solchen auszuüben, so ist es doch erklärlich, dass zumal die benachbarte und
wenigstens seit 1550 in einem unaufhaltsamen Niedergange befindliche deutsche Nation
auf Frankreich als auf ein „gesellschaftliches Musterland" hinblickte. Wie uns ferner
als wichtige Vermittlungfserscheinung im Mittelalter die direkte Verbindung beider
Länder, teils durch die Kreuzzüge, teils durch Reisen der Deutschen nach Frankreich,
entgegentritt, so ist es auch nun. Die Reiselust beginnt im Verlaufe des 16. Jh. zu
einer Modekrankheit, zu einer Reisesucht zu werden. Schon um 1500 sehen einige
deutsche Fürsten den französischen Hof als die beste Erziehungsstätte für ihre Söhne
an; auf der viel besuchten Pariser Hochschule war schon lange unter den vier Nationen
eine von Germania. Wie in der Epoche der Troubadoure und der Minnesänger sind
es auch nun ganz naturgemäss die Frankreich zunächst gelegenen Gebiete, der Elsass,
die Pfalz, das Rheinland, die Niederlande, die einen Vermittelungsboden für den
französischen Einfluss bieten. Am wichtigsten ist jene allmähliche Vervollkommnung
einer neuen gesellschaftlichen Bildung, der höfischen, nach der man sich in Deutschland
besonders in der zweiten Hälfte des Jh. um so mehr zurichten beginnt, als jetzt das Bürger-
tum aus seiner führenden Stellung gedrängt wird und mit der wachsenden Bedeutung
der Territorialfürsten die zahlreichen Höfe mehr in den Vordergrund treten. Der
geistige wie politische Niedergang Deutschlands entwickelt dann eine nicht bloss
auf Frankreich gerichtete Fremdsucht, die sich jedoch immer entscheidender und
ausschliesslicher gallischem Leben und gallischer Sprache zuwendet. Hinzu kommen
nun noch verschiedene Momente, die den Sieg des französischen Kultureinflusses
vollkommen machen, die jedoch eine mehr accidentelle Bedeutung haben und
nicht die essentielle, die man ihnen von vielen Seiten beilegt: Karls V. aus den
Niederlanden mitgebrachte französische Bildung, die auch zum grossen Teil durch ihn
hervorgerufene französische Färbung des diplomatischen Verkehrs, weiter die Ein-
wirkung der vertriebenen und massenhaft zugewanderten Kalvinisten, schliesslich
die politischen Momente, die Verbindung des protestantischen Deutschlands mit dem
aufstrebenden und sogar nach der römischen Kaiserkrone blickenden französischen
Königtum. Für alle diese Punkte bietet St. aus der Fülle seines Reichtums an Wissen
zahlreiche treffende Beweise und Erläuterungen. Wir hören Näheres über die Kalvinisten
in Deutschland und ihre Thätigkeit, über die politischen Agenten Frankreichs in
unserem Vaterlande, über die allgemein zur Mode gewordenen Bildungsreisen, vor
allem über das Leben an den Höfen (S. 367—72). Hofleute und Vornehme werden
immer mehr das Vorbild der Massen; die in sich ruhende, selbstbewusste Kraft des
Bürgertums schwindet. Auch auf die Sprache wirkt alles das — die einwandernden
französischen Fremdwörter zeigen es — und auf die Litteratur. St. weist auf die
zunächst für adelige Kreise geschriebenen, nachher als „Volksbücher" populär ge-
wordenen Prosaromane hin, zumal die Amadisromane, dann auf Fischart, der wie sein
Lehrer Caspar Scheit ein Freund der französischen Litteratur ist, auf die neuen
„welschen Liedlein" und „franckreichischen gesenglein" usw. (S. 374/5). Sodann
geht der Vf. auf die Uebersetzungen und Nachahmungen französischer Bücher
sowie deren Verbreitung ein, die er nach den seit 1564 auftretenden buchhändlerischen
Messkatalogen kontrolliert. Hier ist allerdings im 16. Jh. noch nicht allzu viel zu finden.
Schliesslich werden noch die an Zahl zunehmenden Wörterbücher, Sprachlehren und
Sprachlehrer, meist zugewanderte Kalvinisten, herangezogen (S. 377 — 80). An
der Schwelle des 17. Jh. ist dann der französische Einfluss vollständig- durch-
M. Osborn, Allgemeines des 15./16. Jahrhunderts. II 1 : 113 139
gedrungen. St., der die schädlichen, ja oft verderblichen Folgen der deutschen
Ausländerei keineswegs verkennt, spricht offen die zweifellos berechtigte Ansicht
aus, dass jener französische Einfluss auf die Deutschen teilweise recht günstig ge-
wirkt hat. Vor allem betont er sehr fein, „dass die französische neue gesellschaftliche
Kultur den Deutschen, der in theologischem Eifer und Interesse zu ersticken drohte,
wieder verweltlichte. Ohne die weltliche Kultur des neuen Frankreich, die ja freilich
die Frivolität und Verderbtheit nicht ausschliesst, ist der antikirchliche Zug der
späteren Zeiten, namentlich des 18. Jh., nicht denkbar."113) — Zum Verkehrsleben
des 16. Jh.114) und zur Geschichte des Kaufmannstandes wird einiges gemeldet :
Sim onsf el d115) brachte noch eine Nachricht über den Fondaco dei tedeschi in
Venedig, Liebes116) Notizen über die Anfänge der lombardischen Wechsler im
Mittelalter gehören nur mittelbar hierher, Staub er117) berichtete von Augsburger
Kaufleuten in Afrika und Vorderindien im J. 1505. — Hier sei auch die ausgezeichnete
Studie Stiedas118) genannt, die eingehende Mitteilungen über die hansisch-vene-
tianischen Handelsbeziehungen bringt, obschon sie nur die erste Hälfte des 15. Jh. in den
Kreis ihrer Betrachtungen zieht. Von hohem Interesse sind namentlich die sorg-
fältig zum Drucke gebrachten „Urkunden'1 (S. 119—81), meist Geschäftsbriefe an
den aus Lübeck stammenden Grosskaufmann Hildebrand Veckinchusen.119) —
Einige Beiträge zur Schul-120) und Universitätsgeschichte121) schliessen sich an.
Buchwald122), der fleissige Erforscher der Zwickauer Akten und Hss., giebt ein
fesselndes Bild aus der Wittenberger Studentengesellschaft. Die Stadt Zwickau ge-
leitete mit der gleichen Fürsorge, die sie ihren Knaben auf ihrem wohlberühmten
Gymnasium angedeihen Hess, ihre Jünglinge auf die Hochschule. Meist wandten sie
sich nach Wittenberg, und der Stadtschreiber von Zwickau, M. Stephan Roth, hielt
ein wachsames Auge über sie. Die Zwickauer Studenten nun sandten von Wittenberg
aus eine grosse Zahl von Briefen an Roth, die einen reichen kulturhistorischen
Schatz bergen. B. hat schon früher daraus geschöpft (s. u. N. 139). Nun giebt er die
33 lateinischen Briefe eines einzelnen aus der Schar, des Simon Wilde, mit einer Ein-
leitung heraus. Der junge Mann berichtet seinem Gönner über alles, was in der
Lutherstadt vorgeht, über seine Studien, sein Leben, seinen Verkehr. Er schickt
ihm kleine Geschenke, denen er lateinische Gedichte beifügt, erzählt mancherlei von
der litterarischen Hetzjagd, die Heinz von Wolfenbüttel entfesselte, auch von Spuk-
geschichten, vor allem aber von neuen buchhändlerischen Erscheinungen (S. 84/5).
Wilde war Mediziner, wurde später Arzt zu Eisleben und war im J. 1546 persön-
licher Zeuge von Luthers Hinscheiden, dem er vielleicht schon früher näher gestanden
hat. — Einen „Blick in die Justizpflege des 16. Jh." warf von Zeschau123) nach
archivali sehen Quellen. — In einem populären Vortrage stellte Albrecht124) das
Wissenswerte über Adam Ries und die Anfänge unserer Rechenlehre zusammen. —
Ueber Lukas Geizkofler, dessen Erinnerungen viel Stoff bieten, um das süd-
deutsche Leben in der ersten Periode der Gegenreformation verstehen zu lernen,
berichtete, ebenfalls in einem Vortrage, Foss125). — Von den vielfachen Reisen,
die im 16. Jh. von Deutschland aus unternommen wurden (s. o. N. 112), ist einiges
zu notieren126128), ferner von Hochzeiten, fürstlichen129-130) wie bürgerlichen131), von
Schmausen132) und Trinkgelagen133"135). — Zwei Mitteilungen schliessen sich an, die
von dem Elend der Pest136"137) Kunde geben.138) —
Was von den wichtigsten und unmittelbarsten Quellen zur Kenntnis der all-
gemeinen Zustände unserer Zeit, von Briefen und Memoiren, im Berichtsjahre
ans Licht gekommen ist, sei hier kurz verzeichnet. Buchwalds Sammlung (JBL. 1893
I 6 : 113; II 1 : 155; 6 : 48) wurde wiederholt besprochen139). Ihr stellt sich eine
Möller, M. Manlik, D. Leben u. Treiben d. oberdtsch. Bauern (JBL. 1893 II 1:127): ÖLB1. 3, S. 299-300. - 114) X (I 4:263.)
— 115) H. Simonsfeld, Z. Gesch. d. Fondaco dei tedeschi in Venedig (1441): ZKultG. 1, S. 323/5. — U6> G. Liebe, D.
Anfänge d. lombard. Wechsler im dtsch. MA.: ib. S. 273-80. — 117) A. Stauber. Augäburger Kauflente in Afrika U.Vorder-
indien, 1505: Bayerland 3, S. 89, 101. — 118) W. Stieda, Hansisch-venetian. Handelsbeziehungen im 15. Jh. Festschr. d.
Landesuniv. Rostock z. 2. Säkularfeier d Univ. Halle a. S. Rostock, Druck d. Univ.-Buchdr. (Adlers Erben). XII, 192 S.
M. 5,00. (Vgl. auch I 4: 206-216.) — 119) X L- Eid* D. Bäckerstrike zu Speier 1479: Bayerland 3, 3. 461,4. — 120) X *•
Hollweck, Z. Gesch. d. bayer. Schulwesens im 16. Jh.: HPBll. 114, S. 71S-49. — 121) X B- Brugi, Gli studenti tedeschi
e la S. inquis. a Padova nella 2. metä dei sec. 16. Venezia. 19 S. |[CBlRechtswesen. 13, S. 406.]| (Sonderabdr. aus
AMIV. Bd. V.) — 122) G. Buchwald, Simon Wilde aus Zwickau. E Wittenberger Studentenleben z. Zeit d. Reform.:
MDGLeipzig. 9, S. 63-111. — 123) W. v. Zeschau, E. Blick in d. Justizpflege d. 16. Jh. Nach archiv.il. Quellen:
NiederlausitzMag. 4, S. 175-211. — 124) G. Alb recht, Ad. Ries u. d. Entwicklung unserer Rechenkunst. (= SGV. N. 184.)
Prag, Haase. 20 S. Fl. 0,20. — 125) R. Foss, Geizkofler, e. Lebensbild aus d. Reformationszeit. Vortr., geh. in HGBerlin.
Ref.: SBHGBerlin. (an MHL 22), S. 1. — 126) X K Kunze n. W.Stein, Reiseberichte. (Forschungen z Gesch. d. Hansa
in holländ. u. niederrhein. Arch.): HansGBll. 7, S. X-XXXI. (Vgl. auch I 4:124/5.) - 127) X (I 4:126.) - 128) X (I 4:127.)
— 129) X (I 4:43.) — 130) X (I 4:43a.) — 131) X M Wehrmann, Z. Hochzeit Rektor P. Treskows in Gaben (1606):
MNLGATJ. 3, S. 263 5. - 132) X (I 4:50.) — 133) X (ü 5:105.) -- 134) X M. Knibbe, Ber. über e Gasterei auf
d. Trinkstube, 1599. Mit Beil.: PAVTorgau. 7, S. 26, 87-94. (Vgl. II 5:105.) — 135) X E. hess. Mässigkeits?er. ans d.
J. 1601: Hessenland S. 13/5. 136) X A- Leicht, E. Pestrechnung aus d. 16. Jh.: MVGMeissen. 3, S. 326-30. - 137) X
L. Geiger, Berl. Ratsverordnung gegen d. Pest (1585): VossZgB. n. 8. — 138) X H. Regung, Niedergang d. öffentl. Sicher-
heit nm d. Wende d. 16. Jh.: Bär 20, S. 300/3. — 139) X Th. Kolde: ThLBl. 15, S. 334/5: G. Kaweran: DLZ. S. 324,5;
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. ('-)<>
II 1:140-154 II2-.1 Gr. Ellinger, Lyrik des 15./16. Jahrhunderts.
Publikation Tschackerts140) an die Seite, die ungedruckte Briefe „zur allgemeinen
Reformationsgeschichte" aus Hss. der Universitätsbibliothek in Göttingen, meist in
wörtlichem Abdruck, in einzelnen Fällen in kurzen Inhaltsangaben, mitteilt. Ihre
Hauptbedeutung ist an anderer Stelle gewürdigt worden. Hier sei nur noch einmal
von einem anderen Gesichtspunkt aus auf die Briefe des Eobanus Hessus an Hiero-
nymus Baumgärtner141) (N. 1, 2, 5) aufmerksam gemacht, in denen der Gelehrte von
seiner Vergilübersetzung, von einem Gedicht, das er verfasst (S. 4), und von seinem
Epicedium auf Albrecht Dürer (S. 6) spricht. In einem Schreiben (N. 11) bestätigt F.
Myconius den Empfang eines Briefes von Joh. Spangenberg und seiner „Mar-
garita", in einem anderen (N. 21) beklagt D. Milesius den „miserandum statum"
der Universität Königsberg, in einem dritten (N. 24) macht P. Eber Mitteilung über
Geburt und Taufe eines Enkels des Erasmus, Sohnes von Erasmus Tochter Helena,
sowie über den Rückgang der Pest in Wittenberg. Ein dankenswertes Register
„zur Ausnutzung der Briefe" hat T. angefügt. — Albrecht Dürers herrliche Künstler-
briefe und Aufzeichnungen sind nun in diplomatisch genauem Abdruck durch die
Ausgabe des gesamten schriftlichen Nachlasses von Lange und Fuhse142) allgemein
zugänglich gemacht. — Von Kunst und Künstlern handeln meist auch die Kor-
respondenzen des Augsburger Patriziers Philipp Hainhofer, von denen Doering143)
einen kleinen Teil veröffentlicht hat. Hainhofer, der weitverzweigte Beziehungen zu den
meisten deutschen und verschiedenen auswärtigen Höfen unterhielt, erweist sich in seinen
deutschen, französischen, lateinischen, italienischen und spanischen Briefen teils als
politischer Korrespondent, teils als Ratgeber und Agent für alle Angelegenheiten
der Kunst und des Kunstgewerbes. Aus dem massenhaften Material hat D. nur
einen kleinen Ausschnitt gegeben, nämlich einen Teil der Briefe Hainhofers an den
Herzog Philipp II. von Pommern-Stettin, mit dem er in enger Verbindung stand.
Sie bieten eine reiche Fülle höchst lesenswerter Partien.144"146) — Ein Eingehen auf
von Bezolds147) Studie über die Anfänge der Selbstbiographie muss für das nächste
Jahr aufgespart werden. — Aus den Publikationen über Memoiren und Stamm-
bücher148"151) hebe ich den Abdruck der „Jerusalemfahrt" des Heinrich von Zedlitz
(1493) hervor, den Röhricht152) veranstaltete. Der Text, der schon früher auszugs-
weise bekannt gemacht war, ist besonders wertvoll durch die Reichhaltigkeit der
Nachrichten über Hin- und Rückreise auf ziemlich ungewohnten Wegen, über Mit-
reisende und über die heiligen Stätten selbst. Er ergänzt so die gleichzeitigen kürzerenBe-
richte von der Fahrt des Kurfürsten Friedrich des Weisen und des Herzogs Christoph
von Bayern. Die Schilderung ist sehr ausführlich, aber sehr trocken. In Venedig
und Rhodus wird der Schreiber ein wenig lebendiger und wärmer. Die Hauptsache
ist natürlich überall der „Aplas". Heinrich von Zedlitz glaubt alles, was ihm von
Legenden erzählt und von Seltsamkeiten aufgebunden ist. „Man gewaist vns auch
den steinn, do das loch Inne ist, do der han gesessenn hat vnd gekreet" (S. 195). —
Zum Schlüsse sei noch auf den bibliograph ischen Beitrag von Roth153),
der wieder eine kleine Nachlese zu Hain und Weller giebt, und auf den Katalog
seltener und kostbarer Bücher des 15. und 16. Jh. hingewiesen, den Albert Cohn,
mit reichem illustrativen Schmuck, herausgegeben hat154). —
11,2
Lyrik.
Georg Ellinger.
Kirchenlied: Evangelisches Lied: Allgemeines N. 1; einzelne Dichter N. 3. — Katholisches Lied N. 17. —
Täuferisches Lied N. 19. — Meistergesang: Allgemeines N. 22; einzelne Sänger und Lieder N. 30. — Volkslied: All-
LCB1. S. 668/9; HZ. 72, S 372; ChristlWelt. N. 46. — 140) (116:155.) (25 N. 1527-69; Separatabdr. aus AbhGWGöttingen.
Bd. 40.) — 141) X Nile. Müller, Beitrr. z. Briefw. d. älteren Hieronyraus Baumgärtner u. seiner Frau: MVGNürnberg. 10
S. 241-66. - 142) (I 9 : 169.) — 143) (I 9 : 190.) - 144) X J- Kamann, Aus d. Briefw. e. jungen Nürnberger Kaufmanns im
16. Jh.: MGNM. S. 9-22, 45-56. — 145) X *". Stieve, Witteisbacher Briefe (JBL. 1892 II 1 : 83; III 1:6; 1893 II 1 : 153). |[J.
Hirn: ÖLB1.3, S. 266/7; LCB1. S. 916/7.]| — 146) X F. W. E. Roth, E. Brief d. Stanisl Hosius, Bischof v Warschau 1538:
CBIBibl. 11, S. 125. - 147) X X (IV 1 c : 77.) — 148) X H. S c h r ö d e r , H. v. Seh weinichens Lehr- u. Wanderjahre : WIDM. 38, S. 497-507.
— 149) X A v- Rahden, D. Stammbuch Christophers v. Sacken auf Dübenalken, 1577—1618: VHSG. 21, S. 9-32. Mit 4 Taf.
— 150) X F. v. Krones, Karl v. Zierotin u. sein Tageb. v. 1591: ZKultG. 2, S. 1-30. — 151) X (I * = 129.) — 152) R.
Röhricht, D. Jemsalemfahrt d. Heinrich v. Zedlitz, 1493: ZDPV. 17, S. 98-114, 185-200, 277-301. — 153) (I 3:105.) —
154) (I 3 : 108.) —
G. Ellinger, Lyrik des 15./16. Jahrhunderts. II 2 •. t-5
gemeines N. 36; einzelne Landschaften N. 38; Liedersammlungen N. 39; ältere Lieder N. 42; Uebergang zum neueren Volkslied
N. 54; neueres Volkslied N. 56; Beziehungen zur Musik N. 82. —
Kirchenlied. Eine eingehendere und umfassende Arbeit über das evan-
gelisch e Kirchenlied im allgemeinen ist in diesem Berichtsjahre nicht zu verzeichnen.1)
Nur eine Gattung" ist einer etwas genaueren Betrachtung unterzogen worden: Boy2)
hat die Passionslieder der evangelischen Kirche in einem grösseren Ueberblicke zu
würdigen gesucht. Die von ihm gegebene Darstellung bringt keine neuen und
bedeutenden Gesichtspunkte, legt aber im grossen und ganzen ansprechend die
wichtigsten Epochen und die Hauptleistungen der besprochenen Gattung dar. Von
Wert scheint mir der Hinweis auf die Entstehung der berühmten Lieder Joh.
Heermanns: „Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen" und „Jesu, deine tiefen Wunden."
Beide Lieder sind bekanntlich von Betrachtungen des heil. Augustin über das Leiden
Christi abhängig. B. stellt die Behauptung auf, dass die unmittelbare Vorlage
Heermanns nicht Augustin selbst gewesen sei, sondern dass man zwischen dem
lateinischen Original und dem deutschen Liede noch ein Bindeglied anzunehmen habe:
„Ein solches Bindeglied ist die evangelische Erbau ungslitteratur, deren inniger Zu-
sammenhang mit dem evangelischen Kirchenliede noch viel zu wenig untersucht
worden ist." Als Beleg für seine Behauptung druckt der Vf. die deutschen Bearbeitungen,
die Martin Moller in seinem Erbauungsbuche den betreffenden Augustinschen Stellen
hat zu teil werden lassen, ab, und es lässt sich in der That nicht bestreiten, dass
eine Anlehnung Heermanns an eine derartige Bearbeitung dadurch sehr wahr-
scheinlich wird. Genaueres konnte allerdings erst eine eingehende Untersuchung
ergeben. —
Von den einzelnen Dichtern ist Erasmus Alberus durch Schnorr von
Carolsfeld3) in seiner vortrefflichen Biographie gewürdigt worden (S. 103—12).
Ausser den beiden weltlichen Volksliedern, die nachweislich von Alberus verfasst
sind (Liliencron 4, N. 57 — 187, auch bei Wackernagel Bd. 3; in der Hs. werden die
Daten der Entstehung mitgeteilt: 14. Aug. 1550 und 10. Jan. 1551), möchte Seh. ihm
noch ein in der gleichen (Dresdener) Hs. überliefertes Lied „wider die Feinde des
Evangelij" zuschreiben. Zur Begründung seiner Hypothese führt Seh. eine hs. Notiz
an, durch die dieses Lied mit den beiden vorhergenannten Liedern gewissermassen
in Verbindung gesetzt wird. Da der Vf. selbst seine Vermutung nicht allzustark
betont, so muss man wohl darauf verzichten, hier zu einem einigermassen sicheren
Resultate zu gelangen. Noch unsicherer ist das Urheberverhältnis bei zwei anderen
Liedern der gleichen Hs., die Seh. wegen ihres ähnlichen Inhalts wohl sonst
für Alberus in Anspruch zu nehmen geneigt wäre: „Erhalt vns herr bey deinem
wort, gebessert" und „Ach du arger Heintze, was hast du gethan." Von den drei
anderen weltlichen Liedern, die dem Dichter zugeschrieben werden, hält Seh. nur
seine Autorschaft bei dem Liede „von Grickel Interim" (gegen Agricola gerichtet)
für wahrscheinlich, weil Form und Inhalt ebenso auf den Dichter hinweisen wie die
Thatsache, dass es von dem Liede einen Druck giebt, der vermutlich aus einer
Magdeburger Presse hervorgegangen ist. Eine vortreffliche Betrachtung hat Seh. den
Kirchenliedern gewidmet, ihre Entstehungszeit (ungefähr zwischen 1545 und 50) sowie
die (teilweise, wie es scheint, verlorenen Drucke) und die Zahl der noch erhaltenen 14
wirklichen Kirchenlieder festgestellt. Ebenfalls die bibliographischen Angaben (S. 222)
bieten noch manche schätzbaren Nachweise. — Sehr glücklich hat auch W. Kawerau4)
über die Lyrik des Alberus gehandelt; seine Darstellung, die auch die gegen Karl V.,
Herzog Moritz und das Interim gerichteten polemischen Volkslieder berührt, wird auch
neben Schnorr noch ihren Wert behalten. — Von den Forschungen, welche Vogel5) über
Lieder des Alberus, Widebram und Pincier angestellt, verdienen namentlich die Ausfüh-
rungen über Widebram Interesse. Es handelt sich um das bei Wackernagel (5, S. 323)
abgedruckte Lied: „Wir leben wie ein Wandersmann", für das seit 1886 ältere Zeugnisse
beigebracht worden sind, die als Autor Friedrich Widebram nennen. Nun sind die ersten
vierzehn Zeilen in einer Leichenpredigt überliefert, die ein sächsischer Hofgeistlicher
dem Sohne des Kurfürsten August von Sachsen gehalten hat. Da der Kurfürst erst
zwei Jahre vor dem Tode seines Sohnes Widebram als Kryptokalvinisten vertreiben
liess, hält V. es für ausgeschlossen, dass der Hofprediger ein von dem verjagten
Ketzer verfasstes Lied citiert habe. Aus dieser Thatsache wie aus dem Zustande des
bei Wackernagel vorliegenden Textes schliesst der Vf., wie mir scheint, mit Recht,
dass nur die letzte Hälfte des Liedes von Widebram herrührt, der auch wahrscheinlich
1) O X H. Grosse, Th. Meyer. D. Kirchenlied, e. ästhet. Untersuch. (JBL 1893 I 12: 194 : DBllEÜ«. 21, S. 301,
— 2) P. Boy, D. Passionslieder d. evang. Kirche: KM. 13, S. 281-93. — 3) F. Schnorr v. Carolsfeld, Erasm. Alberus.
"E. hiogr. Beitr. z. Gesch. d. Reformationszeit (JBL 1893 II 6 : 146). Drosden, Ehlermann. 1893. VIII, 232 S. M. 6,00.
][LCB1. S. 630.j| (Vgl. II 5: 113.) — 4) W. Kawerau, Erasm. Alberus in Magdeburg (JBL. 1893 116:147): GBllMagdeburg. 28,
S. 1-62. (Vgl. II 5 : 115.) — 5) A.Vogel, Beitrr. z. nassauischen Kirchenliederdichterkunde: BllHymn. 8. S. 84,5, 102/6,
2(3)*
II 2:6-20 G. Ellinger, Lyrik des 15./16. Jahrhunderts.
die Stropheneinteilung hergestellt hat. Betreffs der ersten Hälfte des Liedes möchte
ich einer früheren Aufstellung" Linkes beipflichten, der in dem ersten Teile die
(vielleicht von dem oben erwähnten Hofprediger Martin Mirus verfasste) Uebersetzung
eines ebenfalls in jener Leichenpredigt erhaltenen lateinischen Gedichtes sieht. —
Unter den biographischen Skizzen, welche in dem vorliegenden Jahrgange der ADB.
den Vertretern des evangelischen Kirchenliedes gewidmet sind, ragt die Charakteristik,
die Zahn6) von Valentin Triller entwirft, durch Sachkenntnis und eindringende
Sorgfalt hervor. Die dürftigen Lebensnachrichten, die über Trillers irdische Laufbahn
nur spärliches Licht verbreiten, werden zusammengestellt und die Nachricht von der
Vertreibung Trillers wegen abweichender Lehrmeinungen mit Recht als mit dem,
was wir sonst von ihm wissen, unvereinbar bezeichnet. Dann wendet sich Z. dem
höchst merkwürdigen Gesangbuch (1555, Titelauflage mit neuer Widmung und
Vorrede 1559) zu, das wegen seiner Originalität und der offenbar beabsichtigten Un-
abhängigkeit von den Wittenberger Gesangbüchern eine so eigentümliche Stellung
innerhalb des protestantischen Kirchenliedes einnimmt; auch diese Partie orientiert
vortrefflich über die einschlägigen Fragen. — Michael Tham, der Herausgeber des
grossen deutschen Gesangbuches der böhmisch-mährischen Brüder, hätte wegen der
Wichtigkeit der in Betracht kommenden Fragen wohl eine eingehende Darstellung
verdient. Diese wird ihm in dem vorliegenden Artikel7) nicht zu teil; auch weist
die Skizze recht bedenkliche Angaben auf, die sich doch wohl hätten vermeiden
lassen. Nach dem Vf. sollen die Lieder wohl fast alle ohne Ausnahme aus dem
Czechischen übersetzt sein; bekanntlich lässt sich das nach Wolkans8) Ermittlungen
nur von 77 unter 348 nachweisen; ebenso sollen nach des Vf. Angabe im Hornschen
Gesangbuche die meisten Lieder aus dem Czechischen stammen, während das
thatsächlich nur bei 9 der Fall ist. — Bloss eine unbedeutende Notiz findet sich über
den Kirchenliederdichter des 16. Jh. Chr. Thalheimer9). — Auch die kurze Biographie
von Gregor (Georg) Sünderreiter kommt über einige dürftige Angaben nicht hinaus10). —
Noch spärlich er sind Johannes Trache, Benedikt Thaurer und Esajas Tribauer bedacht11"13);
etwas mehr hätte sich über diese Kirchenliederdichter des 16. Jh. doch auch trotz des
spärlichen Materials sagen lassen. — Wenigstens etwas eingehender ist der Artikel,
der den beiden Kirchenliederdichtern Valentin Thilo14) (1579 — 1620) und seinem
gleichnamigen Sohne (1607—62), dem Freunde Simon Dachs, gewidmet ist; er zählt
die Lieder auf, bei denen es feststeht, ob sie vom Vater oder vom Sohne herrühren.
Bei dem Liede: Mit Ernst, o Menschenkinder, giebt der Vf. kurz die heute meist all-
gemein angenommene Ansicht wieder, nach der die ältere Fassung von dem Vater,
die jüngere Form, in der das Lied dauerndes Besitztum geworden ist, von dem Sohn
herrühre. Ein Urteil über diese Frage äussert der Vf. nicht; vielleicht würde sich
eine erneute Prüfung der Mühe verlohnen; in der vorliegenden Arbeit, wo es sich
um eine Zusammenfassung der einigermassen gesicherten Resultate handelte, war
allerdings keine Veranlassung dazu. — Abraham Suarinus (1563—1615) erhält eine
kurze Notiz15); Abraham Tellers (1609—58) Leben16) ist kurz erzählt worden, ohne
dass auf seine Thätigkeit als Dichter geistlicher Lieder näher eingegangen wäre. —
Auf dem Gebiete des katholischen Liedes sind nur wenige Arbeiten zu
verzeichnen. Ein von Hartmann17) veröffentlichtes, aus dem Anfang des 17. Jh.
stammendes Marienlied hat fast nur lokale Bedeutung. — In recht ausführlicher
Darstellung handelt Eickhoff18) über das Lied: „Es ist ein Ros entsprungen"
und betont, da es sich in dem Liede um ein Marienlied handelt, die Richtigkeit der
Lesart: Ros gegenüber dem neuerdings wieder beliebten Reis. Gewiss ist seinen
Ausführungen zuzustimmen. —
Für das Verständnis der täuferischen Liederdichtung in den österreichi-
schen Ländern leisten die Untersuchungen des zu früh verstorbenen J. von Beck,
die Loser th 19"20) zugänglich gemacht hat, und L.s ebenfalls auf Grund der Studien
Becks gearbeitete Biographie Balthasar Hubmaiers vortreffliche Dienste. Hier werden
die dankbaren Motive aufgezeigt, durch deren Verwendung die täuferische Lieder-
dichtung in ihren Märtyrerliedern einen so unmittelbaren und lebensvollen Eindruck
hervorzubringen weiss (vgl. z. B. S. 469 in N. 19 das so häufig auftretende wirk-
same Motiv von der Rache Gottes, die die trifft, die das unschuldige Blut der
Märtyrer vergossen haben; wichtig auch S. 469: „Sein [des Täufers] Herz könnt man
118-29, 131/2. — 6) J. Zahn, Val. Triller: ADB. 38, S. 615/8. (Vgl. II 6:278.) — 7) L n.. Mich. Tham: ib, 37, S. 649. (Vgl.
II 6 : 277.) — 8) X B. Wolkan, D. Kirchenlied d. böhm. Brüder (JBL. 1891 II 2 : 3) : MhComeniusG. 3, S. 101. — 9) 1. u.,
Chrn. Thalheimer: ADB. 37, S. 645/6. — 10) id., G. Sünderreiter: ib. S. 156/7. - 11) id., Joh. Trache: ib. 38, S. 483 9. —
12) id., Benedikt Thaurer: ib. 37, S. 660. — 13) id., Esajas Tribauer: ib. 38, S.595. — 14) id., Val. Thilo n.Sohn: ib. S. 42/3.
— 15) id., Abr. Snarinus: ib. 37, S. 102/3. — 16) id., Abr. Teller: ib. S. 555/6. — 17) A. Hartmann, Ans Altmünohen.
E. Lied: MschrHVOberbay. 3, S. 40/5. 18) P. Eickhoff, Z. Liede: „Es ist ein Ros entsprungen": BllHymn. 8, S. 1828. —
19) J. Loserth, J. v. Beck, D. Anabaptismus in Tirol (JBL. 1892 II I : 29): AÖG. 78, S. 427-604. (S namentl. S. 469, Anm. 4
n. 565.) — 20) id., Dr. Balth. Hubmaior u. d. Anfänge d. Wiedertaufe in Mähren (JBL. 1893 II 1:25: 6:181). Brunn
(C. Winiker). 1893. VIII, 217 S. Mit 1 Lichtdr. M. 2,40. (S. namentl. S. 191, Str. 1 u. 3 d. ergreifenden Liedes d. Wieder-
G. Ellinger, Lyrik des 15./16. Jahrhunderts. II 2 ■. 21-23
nicht verbrennen, sie wurfens zuletzt in einen See)." — Die Besprechung- der Wieder-
täufer-Hs., die Unger21) vor zwei Jahren begonnen (JBL. 1892 II 2:11), findet jetzt
die sehnlichst erhoffte Fortsetzung. U. reiht, wie er angefangen, die Lieder
nach Ländern ein. Für Kärnten bringt die Hs. keine Belege, wohl deshalb, weil, wie
U. vermutet, die Bewegung hier weniger intensiv aufgetreten ist; einige Belege
über die erfolgten 10 Hinrichtungen von Kärntner Wiedertäufern und einem
Widerruf zweier Wiedertäufer vom J. 1538 werden mitgeteilt. Dagegen erhalten wTir
für Mähren ein sehr ausführliches Lied in 35 zwölfzeiligen Strophen ; es schildert die
Verfolgung, die die Brüder in den J. 1619 — 22 in Pribitz zu erdulden hatten,
und ihre schliessliche Vertreibung. Der Vf. ist einer der Vertriebenen. An poetischem
Wert scheint mir das Gedicht hinter den früher veröffentlichten zurückzustehen;
litterarhistorisch bietet es dagegen viel Interessantes, so die merkwürdige Einleitung,
wo der Dichter von der Verfolgung spricht, die die Frommen zu erdulden haben, und
dabei mit Abel anfängt; auch der Anfang der Strophe 34 ist für die täuferische Ge-
sinnung ungemein charakteristisch; in der Bitte für die Feinde tritt wiederum die
bereits vor zwei Jahren hervorgehobene Parallelisierung mit Christus hervor.
Knapper, frischer, volkstümlicher sind die beiden weiter mitgeteilten Märtyrerlieder;
das eine stammt aus Oesterreich unter der Enns, es ist von dem Liederdichter
Christoph Hueter verfasst und schildert die Ermordung des Schusters Hans Gurtzheim
zu Wien 27. Juni 1548 (bemerkenswert sind die mystischen Wendungen, Str. 9, auch
der in der Mystik fortwährend wiederkehrende Vergleich von dem Gold, das im
Feuer erprobt wird, Str. 12; Str. 29 wiederum Parallelisierung mit Christus); das
zweite erzählt den Tod des württembergischen Webers Hans Missel, der zu Wart-
hausen in Württemberg, 13. Dec. 1571, hingerichtet wurde. Einige dankbare Motive,
die U. aus den Quellen mitteilt, und welche an die oben bei Gelegenheit der Beckschen
Publikation erwähnten Motive erinnern, hat sich der Dichter merkwürdigerweise ent-
gehen lassen. Die neu bekannt gegebenen Stücke bestätigen im ganzen das Urteil,
das sich dem Leser schon bei der Lektüre der ersten Hälfte der Edition U.s auf-
drängte: In diesen Liedern treten uns die tiefe, innige, weit verachtende Frömmigkeit
und die todesmutige, unerschütterliche Bekenntnistreue der Täufer ergreifend
entgegen. —
Meistergesang. Die oberflächlichen allgemeinen Ausführungen
Weddigens22) (JBL. 1891 II 2:20) sind in der Separatausgabe nicht gehaltvoller
geworden; eine ebenfalls wenig erfreuliche Anthologie aus dem Meistergesang ist bei-
gefügt. — Wertvoll sind die Mitteilungen, welche Hartmann23) aus Pester Meister-
singerhss. giebt, die aus Nürnberg stammen. H. bringt ein alphabetisches Verzeichnis
der Singer, zählt die Lieder und Töne auf und gewährt als Beilage 20 Liedtexte, die
von Hans Sachs, Daniel Holzmann, Hans Winder, Jobst Zolner, Ambrosius Metzger,
Jörg Holzbock, Heinrich Wolf, Hans Steinlein, Johann Georg Mozner herrühren, teils
anonym sind. Die angehängten Aktenstücke bringen nicht viel Neues; wichtig da-
gegen ist der von dem Vf. (S. 39 ff.) gegebene Exkurs über die Bezeichnungen :
Fechter und „approbiert Fechtmeister", die in den Pester Hss. je einmal Hans Sachs
zu teil werden, wie denn auch in einer anderen, hauptsächlich von Georg Hager ver-
fassten Berliner Hs. Hans Sachs einmal als Fechter bezeichnet wird. Ob sich aber
aus diesen Benennungen etwas Sicheres ergeben wird, ist sehr fraglich; es ist wohl
als wahrscheinlicher zu betrachten, dass es sich um eine irrige Nachricht handelt,
zumal auch aus Hans Sachsens Dichtung: der Fechtspruch, hervorzugehen scheint,
dass der Dichter die Fechtkunst nicht gelernt hat. — Mit dem zuletzt behandelten
Gegenstande berühren sich auch die wertvollen Mitteilungen Hampes24), der u. a.
einige bisher unbekannte hs. Dichtungen mitteilt. — Aus der Münchener Hs. Clm. 5102
legt Keinz25) ein launiges Gedicht des Meistersängers Daniel Holzmann vor, in
welchem Meistertöne in scherzhafter Weise aufgezählt werden.26) — Auf die wert-
vollen Beiträge, die Mummenhoff, Keinz und Martin zur Geschichte des Meister-
gesanges geliefert haben, soll im nächsten Jahresbericht zurückgekommen werden27);
ebenso auf die interessanten Mitteilungen von Streinz28) über den Meistergesang zu
Iglau in Mähren. — Auf die Prosaauflösungen von Meistergesängen hatte Bolte bereits
in seiner Ausgabe von Valentin Schumanns Nachtbüchlein (1893) aufmerksam gemacht
und dort nachgewiesen, dass Val. Schumann 5 Meistergesänge des Hans Sachs in
täuferbischofs Leonh. Schiemers.) - 21) Th. Unger, Ueber e. Wiedertäufer-Liederhs. d. 17. Jh.: JGGPÖ. 15, S. 23-35, 187-93.
(Vgl. II 6:274.) — 22» 0. Weddigen, D. dtsch. Meistergesang. Mit e. litteraturgesch. Einl. u. Ausw. v. Probestücken.
B., Friedberg & Mode. 100 S. M. 1,00. j|A. Schröter: BL.U. S.648;L. Freytag: COIRW. 22, S. 6945.] -23) A. Hartmann,
Dtsch. Meisterliederhss. in Ungarn. E. Beitr. z. Gesch. d. Meisterges. Festgabe z. Hans Sachs-Jub. 5. Not. 1894. Mönchen,
Kaiser. 106 S. M. 2,40. (Vgl. II 4b : 63.) — 24) Th. Hampe, Spruchsprecher, Meistersinger u. Hochzeitlader, vornehral.
in Nürnberg: MGNM. S. 25-44, 60,9. — 25) F. Keinz, Altdtsch. Kleinigkeiten. 13: ZDA. 38, S. 145-60. (Vgl. II 3:3.) —
26) X X E- Goetze, Hans Sachsens Gemerkbüchlein: ZVLR. 7, S. 439-48. (Vgl. II 4b : 10.) — 27) O X X A. L. Stiefel,
Hans Sachs-Forschungen. Festschrift z. 400. Geburtstagsfeier d. Dichters. Nürnberg, Raw. VII, 472 S. M. 6,00. (Vgl. 113:25;
4b: 60.) — 28) O X X F- Streinz, D. Meistergesang in Mähren: BGDS. 19, S. 131-73. — 29) F. Pfaff, Karls Becht:
II 2:29-36 G. Ellinger, Lyrik des 15./16. Jahrhunderts.
Prosa umgesetzt hat; bei fünf anderen Stücken ist der gleiche Vorgang ebenfalls mit
Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Eine ähnliche Prosaauflösung des Meisterliedes:
Karls Recht, teilt Pfaff29) jetzt aus einer Freiburger Hs. des 16. Jhh. mit.29a) —
Wir kommen zu einzelnen Meistersängern und -liedern. Aus Wolf
Bautners Liederhs. zieht Streinz30) zehn Stücke von Strassburger Meistersängern (Job.
Ulrich, Martin Gümpel, Georg Ichinger, Joseph Schmierer und Simon Otthofer) nach
Liedanfängen, Strophenbau und -zahl aus und fügt dazu noch zwei schon längst un-
zweifelhaft mit Recht für Wolfbart Spangenberg in Anspruch genommene Poeme.
Mit Ausnahme eines einzigen Gedichtes liegen sämtlichen Gedichten religiöse
Stoffe, bezw. kirchliche Vorwürfe, zu Grunde. Str. giebt einige Texte, Umschreibung
zweier biblischen Stellen (Klagelieder Jeremiä, Psalm), beides von Jon. Ulrich; ferner
ein Lied zur hundertjährigen Jubelfeier der Reformation, im wesentlichen eine Ver-
herrlichung des göttlichen Wortes; schliesslich das einzige weltliche, relativ gelungenste
Lied: Die frölich Mayenzeit von M. Gümpel; es zeigt namentlich am Anfang in der
Naturschilderung eine gewisse Frische und Mannigfaltigkeit; die beiden letzten
Strophen, die geistliche Nutzanwendungen geben, sind dann matter. — Aus Berliner,
Dresdener und Weimarer Hss. stellt Bolte31) sechs Meisterlieder des jüngeren Georg
Hager von Nürnberg (geb. um 1560, gest. um 1645) zusammen. Das erste: Sankt
Franziscus und Sankt Petrus (1588 gedichtet), behandelt einen weitverzweigten und
in vielfachen Fassungen vorliegenden bekannten Schwankstoff; das zweite: der
Krokodilfang im Prediger-Kloster, bezieht sich auf ein 1596 in Nürnberg vorgefallenes
Ereignis und gehört in die Reihe der so vielfach vorkommenden Spottlieder auf miss-
glückte Jagden. N. 3 schildert die Sommerlust in der Buchenklinge, einem Lustort
in der Nähe von Nürnberg, anmutig und reizvoll, während N. 4 eine recht trockene
und kahle Aufzählung der „Umgebungen von Nürnberg" veranstaltet. Das fünfte Lied
berichtet nach einer kurzen epischen Einleitung, welche Waren in Nürnberg meistens
ausgerufen werden, das sechste ist ein von dem bereits hoch in den Fünfziger
stehenden Meister an seine spätere Frau während der Brautschaft gerichtetes Liebes-
lied. Am meisten Beachtung scheinen mir N. 3 und 6 zu verdienen, N. 3 wegen des
auch von B. besonders hervorgehobenen Naturgefühls, das sich mit einer sonst im
16. Jh. nicht häufig vorkommenden Stärke äussert, N. 6 wegen der Formen der volks-
tümlichen Liebeslyrik, die hier in den Meistergesang herübergenommen worden
sind. — Wertvolle Proben aus Erlanger, Weimarer und Berliner Hss. (teilweise den
gleichen wie oben) reiht Bolte3'2) nach ihrem gemeinsamen Inhalt an; er teilt
18 Meisterlieder mit, die Märchen- und Schwankstoffe behandeln und begleitet sie
mit reichen Nachweisen, auch eine kurze, aber trotzdem sehr belehrende Uebersicht
über die Stoffkreise des Meistergesanges wird (S. 53) entworfen. Die Vf. der auf-
gefundenen Meisterlieder sind: Hans Sachs, Benedikt von Watt, Georg Hager,
Am brosius Metzger, Hans Deisinger; vier Lieder sind anonym. — Aus einer Berliner
Hs. hebt Bolte33) ein Lied des Nürnberger Meistersingers Friedrich Beer aus, welches
dadurch ein gewisses Interesse gewinnt, dass es ein Kapitel (41) aus dem Faustbuch
von 1587 bearbeitet. Da das Lied bereits Juni 1588 gedichtet worden ist, sieht man
zugleich, wie schnell sich das Faustbuch verbreitet hat. — Zwei Meisterlieder des
Nürnbergers Heinrich Wolff legt Bolte34"35) aus einer, Gottscheds Nachlass ent-
stammenden, Weimarer Hs. vor; das eine behandelt Wallensteins Tod (gedichtet
5. Aug. 1635), das andere den Sieg des sächsischen Generals Arnheim bei Liegnitz
(gedichtet 16. Aug. 1635). Auch ein später gedichtetes Meisterlied Wolffs, nicht minder
ein stofflich nahestehender Meistergesang von Hans Sachs sind bei B. zu finden. —
Volkslied. Den allgemeinen Grundbegriffen: Kunstdichtung und Volks-
dichtung, sucht Berger36) zu Leibe zu gehen. Er stellt fest, in welchem Sinne Herder
den Begriff Volksdichtung der Kunstdichtung entgegensetzt, weist auf die engere
Auffassung und Beschränkung der beiden Ausdrücke hin, wie sie sich bei Arnim,
Brentano und den Brüdern Grimm Bahn brach, und gelangt, indem er die
wichtigsten Definitionen der Volkspoesie prüft, zu dem Resultate, dass ein durch-
greifender und prinzipieller Unterschied zwischen Kunst- und Volkspoesie überhaupt
nicht vorhanden sei. Im Anschluss an Scherer führt er dann den Unterschied
zwischen Volks- und Kunstpoesie im wesentlichen auf den Unterschied zwischen ge-
schriebener und mündlich überlieferter Dichtung zurück; ferner wird noch hervor-
gehoben, welche Bedeutung für die Verbreitung des Volksliedes der Melodie zukommt.
Was die an erster Stelle erwähnte Unterscheidung betrifft, so ist es unzweifelhaft
richtig, dass die Hauptmerkmale der Technik des Volksliedes durchaus auf die Art
ZVLR 6, S. 3979. — 29a) X E. Mummenhoff, D. Versammlungsorte d. Meistersänger: FränkKur. N. 16. (Vgl. II 4b: 84.)
— 30) F. Streinz, Z. Gesch. d Meistergesangs in Strassburg: JbGElsLothr. 9, S. 76-82. — 31) J. Bolte, 6 Meisterlieder
G. Hagers: Alemannia 22, S. 159-84. - 32) id., Märchen- u. Schwankstoffe im dtsch. Meisterliede: ZVLR. 7, S. 449-72. (Vgl.
II 4b: 81.) — 33) id., E. Meisterlied v. Doctor Faust: Euph. 1, S. 787/8. — 34) id., E. Meisterlied auf Wallensteins Tod:
Üb. 5, 8. 20/5. - 35) id., D. Märchen vom Gevatter Tod: ZVVolksk. 4, S. 37-40. - 36) A. E. Berger, Volksdichtung u.
G. Eliinger, Lyrik des i5./16. Jahrhunderts. II 2 : 37-40
ihrer Ueberlieferung zurückzuführen sind. Muss man nun hierin dem Vf. zustimmen,
so ist es doch fraglich, ob er sich im Rechte befindet, wenn er wie den Unterschied
zwischen Volks- und Kunstepos, so auch den zwischen Volks- und Kunstlied für
gegenstandslos erklärt. — Eine für jeden Freund des Volksliedes erfreuliche Gabe
verdanken wir der Sorgfalt Boltes und Erich Schmidts37). Aus dem Nachlasse
Reinhold Köhlers haben sie fünf im Weimarer Schlüsselverein gehaltene Vorträge
herausgegeben und einen sechsten bereits gedruckten hinzugefügt. Würdiger wie
durch diese Publikation und den einleitenden Nachruf konnte das Andenken des
teuren und liebenswerten Mannes nicht g'eehrt werden. —
Ueber das deutsche Volkslied einzelner Landschaften ist Verschiedenes
gearbeitet worden. Eine knappe, aber lehrreiche Charakteristik des Volksgesanges
in Oesterreich-Ungarn hat Hauffen38) entworfen. Er spricht zunächst über den
Dialekt im Volksliede und weist ganz richtig darauf hin, dass die Behauptung
Hoffmanns von Fallersieben, das Volk singe durchweg im hochdeutschen Dialekt, sich
nicht halten lasse. Die Verwendung der Schriftsprache beschränke sich vielmehr auf
bestimmte Gegenden (Mitteldeutschland, Ober- und Mittelrhein); in anderen Teilen der
deutsch sprechenden Länder finde sie sich im wesentlichen nur bei den Volksliedern,
die einem höheren Stoffkreise angehören (den älteren Balladen und Liebesliedern
höheren Stiles). Den Unterscheidungsmerkmalen, die H. hier für den Dialekt auf-
stellt, wird man zustimmen können, wenn auch wohl im einzelnen noch Modifikationen
eintreten müssen. Nach einem Ausblick auf den augenblicklichen Bestand des deutsch-
österreichischen Volksliedes und einer Uebersicht über die einzelnen Sammlungen
wendet sich H. den Liedergattungen zu, die für die deutsch -österreichischen Länder
charakteristisch und in ihnen allein vertreten sind, den Almliedern, Jägerliedern,
Schnadahüpfeln. Hübsch sind bei den ersten beiden Gattungen kurz die Motive
charakterisiert, die sich aus den behandelten Stoffgebieten ergeben; ausführlich und
lehrreich wird über die Schnadahüpfel gehandelt (vgl. namentlich S. 12 über das
Schnadahüpfel als Tanzweise). Ausser den Hochgebirgsgegenden ist namentlich in
den sog. Sprachinseln das deutsche Volkslied in eigentümlicher Weise weiter ent-
wickelt worden. Für das siebenbürgische Volkslied sind vornehmlich die Hochzeits-
lieder und die Totenklagen charakteristisch; neben ihnen finden sich natürlich auch
Lieder, für die wir im deutschen Volksliede Analogien nachweisen können; nicht so
reich wie bei den Siebenbürger Sachsen hat sich die Entwicklung bei den Deutschen
im ungarischen Bergland gestaltet, sehr reich dagegen wieder bei den Bewohnern der
deutschen Sprachinsel Gottschee, deren Lieder wir eingehend im nächsten Berichts-
jahr betrachten werden. Auch das historische Volkslied in Oesterreich wird nach
seinen wichtigsten Stoffen durchgenommen, hierauf ein Blick auf die Lieder geworfen,
die Oesterreich mit Deutschland gemeinsam sind; ebenfalls die geistliche Volkslyrik, die
Kinderlieder, sowie sonstige Denkmäler volkstümlicher Poesie, wie Haussprüche und
Grabschriften, werden kurz gewürdigt.38") —
Die jetzt mir vollständig in drei Bänden vorliegende Liedersammlung
von Erk verfolgt, wie der Herausgeber Böhme39) selbst sich ausdrückt, den Zweck,
„das Wertvollste von allen in alter und neuer Zeit gesungenen Volksliedern in reicher
und kritischer Auswahl darzubieten, um von der lyrischen Volkspoesie der Deutschen
ein Gesamtbild zu geben, den Zusammenhang zwischen altem und neuem Liede und
den Entwicklungsgang erkennen zu lassen, und dadurch zunächst der Wissenschaft
zu dienen, nebenbei auch gebildeten Freunden des Volksgesanges in Stunden der Er-
holung durch die dargebotene frische Naturpoesie gemütliche Unterhaltung und edle
Erheiterung zu verschaffen." Ob eine derartige populäre Absicht, wie sie in den
letzten Worten angedeutet ist, bei einem Werke von solcher Ausdehnung überhaupt
in Betracht kommen kann, bleibe dahin gestellt. Wir haben es hier naturgemäss nur
mit dem wissenschaftlichen Werte der Sammlung zu thun. Den Grundstock des Werkes
bilden die reichen Aufzeichnungen noch im Volke lebender Lieder, die Ludwig ICrk
sich angelegt hatte. Wer, gleich mir, schon Gelegenheit gehabt hat, den hs. Nachlass
Erks zu benutzen, wird wohl nicht ohne ein Gefühl der Ehrfurcht die Hingebung
bewundert haben, mit der der bescheidene Mann alle seine Kräfte in den Dienst der
grossen Aufgabe seines Lebens gestellt hat, und jeder wahre Freund des deutschen
Volksliedes müsste schon deshalb dem vorliegenden Werke zu lebhaftestem Dank ver-
pflichtet sein, weil es die reichen Erträgnisse der Arbeit Erks nun einem jeden
zugänglich macht. Indessen hat es B. bei Erks Sammlungen nicht bewenden lassen,
er hat auch die gedruckten älteren und neueren Liederbücher durchgearbeitet und
aus eigenen Liederaufzeichnungen manches hinzugethan. Aus dem so gewonnenen
Material hat er nun wieder eine Auswahl getroffen, um so eine Art von Durchschnitts-
bild der Leistungen im deutschen Volksgesange zu erreichen. Die Auswahl verdient
Kunstaichtnng: N&S. 68, S. 76-96. — 37) (I 5 : 1.) - 38) (I 5 : 283.) - 38 a) X X (I 5 : 338.) — 39) (I 5 : 299.) - 40)
IT 2 : 39 G. Ellinger, Lyrik des 15./16. Jahrhunderts.
alles Lob; dieses Urteil bezieht sich auf die Gesamtanlage, im einzelnen ergeben sich
naturgemäss manche Meinungsverschiedenheiten; indessen ist hier nicht der Ort, der-
artige Dinge zur Sprache zu bringen. Hervorzuheben ist ferner der Fleiss, den B.
aufgewendet, und die Hingebung, mit der er die übernommene Aufgabe erfasst hat.
Demnach kann man sagen: der Herausgeber hat in dem vorliegenden Sammelwerk
das geleistet, was sich nach seinen bisherigen Arbeiten von ihm erwarten Hess.
Dieses Urteil schliesst nun allerdings keineswegs aus, dass der Liederhort, wenn man
den Massstab an ihn legt, mit dem man jede kritische Ausgabe zu messen berechtigt
ist, vieles zu wünschen übrig lässt. Zunächst wird man mit der Behandlung der
aufgenommenen Texte aus der älteren deutschen Zeit (das 16. Jh. eingeschlossen) und
anderen germanischen Dialekten sich nicht einverstanden erklären können. Es darf
an dieser Stelle davon abgesehen werden, dass die Uebersetzungen aus niederländischen
Volksliedern fast überall arge Versehen aufweisen; wichtiger ist es noch, dass der
Herausgeber sich mit der Sprache und den wichtigsten literarhistorischen Gesichts-
punkten für die Beurteilung der deutschen Dichtung des 16. Jh. zu wenig vertraut
zeigt. Gerade dadurch erklärt es sich, dass er bei manchen Textdeutungen sehr
schnell seine Entscheidung trifft, während jemand, der mit dem 16. Jh. vertrauter ist,
erst lange zwischen verschiedenen Deutungen schwanken und auch dann sich noch
mit einiger Vorsicht entscheiden würde. Ich greife ein beliebiges Beispiel heraus.
In dem Tendenzliede des Ludwig Hailmann: „Lobt Gott, ihren frommen Christen",
N. 278 (Bd. 2, S. 78/9) werden die Worte: („Zum Waffen wollen wir greifen,) — Den
Harnisch legen an, — Den Paulus hat geschlagen, — In seiner Liberei" von B.
folgendermassen erklärt: „Die geistliche Rüstung, die Paulus durch seine Bücher ge-
schmiedet hat." Natürlich handelt es sich aber gar nicht um Bücher, sondern nur
um eine einzige Stelle, nämlich die allbekannten Worte: Epheser VI, 13 — 17. Schon
dadurch musste die Deutung Liberey=Bibliothek zweifelhaft werden, und jedenfalls
war die Frage zu erwägen, ob wir es nicht hier mit dem im 16. Jh. und gerade
speciell auch in der Volksdichtung so häufig vorkömmenden Worte liberei=livree, also
in diesem Falle: Rüstung, zu thun haben. Dem entspricht es denn nun auch, dass
sich B. mit den wichtigsten literarhistorischen Voraussetzungen des älteren deutschen
Volksliedes auffallend wenig vertraut zeigt. Bd. 3, S. 297 wird zu dem Jägerliede:
„Es wollt ein Jäger jagen" die sonderbare Bemerkung gemacht: „Dass dieses unsaubere
Jägerlied zu einer geistlichen Umdichtung (einem Adventliede „Der geistliche Jäger"
genannt) Anlass geben konnte und dieses in katholischen Gesangbüchern gedruckt
werden konnte, begreifen wir heutzutage nicht." Man muss aus dieser Bemerkung
den Schluss ziehen, dass B. die Tendenz der geistlichen Parodien unbekannt ist.
Diese aber ging von so entschiedenen moralischen Gesichtspunkten aus, dass heutzutage
gewiss Niemand Grund hat, sich darüber zu entrüsten. Indem man nämlich die beliebte
Melodie des Liedes beibehielt und sich möglichst eng auch an den Text anschloss,
wollte man die „fleischlichen Buhllieder" verdrängen und sie durch geistliche ersetzen,
d. h. man wollte das Volk gewöhnen, einen von allen Anstössigkeiten gereinigten
und in den Dienst der Religion gestellten Text zu der liebgewordenen Melodie zu
singen. Auch mit der Textrekonstruktion kann man keineswegs überall zufrieden
sein; manche Lieder des 16. Jh., bei denen über die beste der vorliegenden
Fassungen bereits seit Uhland ein Zweifel nicht mehr bestehen konnte, werden
nach minderwertigen Texten abgedruckt. Bei manchen, namentlich neueren Volks-
liedern werden jüngere Fassungen als Haupttext abgedruckt, während die ältesten
manchmal nur mit ihren Anfangszeilen in die Anmerkung gesetzt werden (vgl. z. B.
1, S. 488; 2, S. 329, 333, 349, 480; 3, S. 576/7). Man könnte nun eine derartige An-
ordnung verstehen und sogar bei einer Volkssammlung von der Anlage des ursprünglichen
Liederhortes für die einzig zweckmässige halten, wenn zunächst als Haupttext die
am meisten charakteristische der noch im Volke lebenden Formen g-egeben und
darauf rückwärts schreitend das Lied bis zu seiner ältesten Fassung verfolgt würde,
so weit das noch möglich ist. Indessen ein solches Prinzip hat B. keineswegs
verfolgt; überhaupt sieht man nicht recht ein, welche Gesichtspunkte für die An-
reihung des Textes massgebend gewesen sind. Hier hätte vieles gebessert werden
können, denn die Benutzung des umfangreichen Werkes wird durch diese Art der
Anordnung entschieden erschwert. Sollte ferner wirklich, wie B. beabsichtigte, ein
Bild von dem allmählichen Werden und Wachsen des Volksliedes gegeben werden,
so musste bei den einzelnen Liedern alles herbeigezogen werden, was geeignet ist,
uns die Entstehungsgeschichte erkennen zu lassen. Das ist aber keineswegs geschehen;
ich führe wieder ein Beispiel an. Das Lied: „Als wir jüngst in Regensburg waren"
(1, S. 459) ist die völlige Umdichtung eines alten Gesellschaftsliedes, das wahrscheinlich
aus dem endenden 17. oder dem beginnenden 18. Jh. stammt; B. führt von diesem Liede nur
die erste Strophe an; sollte man aber wirklich eine Vorstellung von der Umbildung
erhalten, die das Volk vorgenommen hat, so musste der ganze Text mitgeteilt werden.
G. Ellinger, Lyrik des 15./ 16. Jahrhunderts. II 2 : 40-43
Raum zu derartigen Mitteilungen und zur Vervollständigung" einzelner nur in
fragmentarischer Form aufgenommener Lieder hätte sich leicht schaffen lassen, wenn
B. notorisch unechte Lieder wie den Rattenfänger von Hameln oder die schwäbische
Tafelrunde entweder stillschweigend bei Seite gelassen oder nur kurz angeführt, wenn
er ferner eine Reihe von älteren deutschen Stücken, die für jeden Leser entbehrlich
sind, nicht unter die Volkslieder, mit denen sie gar nichts zu thun haben, gestellt,
sondern sich hier ebenfalls mit kurzen Verweisungen begnügt hätte. Auch zahlreiche
ganz belanglose Erklärungen, wie die nachfolgende zu Lied N. 53 gegebene (1, S. 182),
wären am zweckraässigsten fortgeblieben: „Gier nach Reichtum bringts bis zum
scheusslichen Verbrechen des Giftmords und gemeine Behandlung des Leichnams ist
das Schlussglied in der Kette der teuflischen Bosheit. Doch der Zeuge der Blutthat
ist da und Strafe ereilt den Mörder, der seinen Tod vor Augen sehend in der Ver-
zweiflung die Geldsucht verwünscht, die ihn auf die Bahn des Verbrechens trieb."
Ebenso gern würde man auf manche höchst fragwürdige historische Deutungen ver-
zichtet haben, so wenn zu den Schlussstrophen des Liedes N. 122, die man im
höchsten Falle auf die oppositionelle Stimmung der ländlichen Kreise gegen die von
der Kurie namentlich im 15. und beginnenden 16. Jh. ausgeübten finanziellen Be-
drückungen zurückführen darf, die Bemerkung gemacht wird: „Die drei Schluss-
strophen klingen halb heidnisch : aus ihnen spricht der Hass der neubekehrten Sachsen
gegen die Papen, die beim Begräbnis Opfergeld für die Seelenmesse forderten". Als
eine billigen wissenschaftlichen Ansprüchen vollständig genügende Bearbeitung des
weitschichtigen Materials kann demnach die neue Form, in der der Liederhort vor-
liegt, nicht betrachtet werden. Aber kein Einsichtiger wird diese Thatsache benutzen,
um dem Herausgeber daraus einen Vorwurf zu machen. B. hat vielmehr,- wie nochmals
hervorgehoben werden möge, gethan, was in seinen Kräften stand. Es wäre die
Aufgabe der Regierung gewesen, ihm noch einen mit den allgemeinen litterarhistorischen
Voraussetzungen, deren Kenntnis bei der Bearbeitung eines derartig wichtigen Einzel-
gebietes unmöglich entbehrt werden kann, gründlich vertrauten Mitarbeiter an die
Seite zu stellen. Dann hätte das, was jetzt an dem Werke sich störend geltend macht,
mit Leichtigkeit beseitigt werden können. Indessen auch so, wie der Liederhort heute
vorliegt, wird er für jeden Freund des deutschen Volksliedes ein notwendiges
Hülfsmittel bleiben. — Eine wesentliche Bereicherung unserer Kenntnis des deutschen
Volksliedes bildet die Sammlung von Lew alt er40), welche uns vortrefflich den
augenblicklichen Liederbestand Niederhessens vorführt. Natürlich besteht der grösste
Teil von L.s Buch aus bereits bekannten Liedern, für die L. gute Nachweise bei-
gesteuert hat, aber das Buch bietet auch manches neue Material, für das die Volks-
liederforschung alle Ursache hat dankbar zu sein, zumal eine Reihe schöner Melodien
— auch für bereits bekannte Texte — hier zum ersten Male mitgeteilt wird. Manches
allerdings, was L. als nicht belegbar anführt, ist bereits bekannt (vgl. z. B. für das
Lied 2, N. 9, unten N. 66/7 und Erk-Böhme 2, S. 469; das Lied, obschon offenbar kein
eigentliches Volkslied, ist geschichtlich um deswillen ausserordentlich lehrreich, weil
es eben erst anfängt zersungen zu werden und man deshalb den Prozess der volks-
tümlichen Umbildung fast mit Händen greifen kann. 5, S. 47 knüpft wenigstens in
den Anfangsworten an ein aus fliegenden Blättern des 18. Jh. bekanntes Volkslied
an und scheint ein parodistisches Seitenstück sein zu sollen ; es liegt allerdings hier
in recht zerrütteter Form vor.) Im übrigen aber bieten die von L. zum ersten Male
mitgeteilten Texte 2, N. 4, 16; 3, N. 5, 23; 4, N. 25, 46; 5, N. 13, 17, 19—21, 32, 39, 42,
45, 48—51, 53/5, 60, 63 ausserordentlich dankenswertes Material für die Erkenntnis
der Fortbildung des Volksliedes in unserem Jh. Wir sehen deutlich, wie der
Volksgesang ältere formelhafte Elemente übernimmt und sie auf neue Stoffgebiete
überträgt, wie auch selbständigere Neubildungen versucht werden. Eine starke
Neigung zur Sentimentalität weist z. B. das Lied 3, N. 23 auf, bei dem sich der gleiche
Vorgang wiederholt wie oben bei 2, N. 9. Anknüpfung an kunstmässige Elemente
findet sich ebenfalls; 5, N. 19 entspricht in seinen beiden ersten Zeilen, was L. nicht
hervorgehoben hat, dem Anfang von Kaspers Lied im Freischütz, nachher schliesst
sich eine selbständige Nachdichtung daran. Für die Fragen nach der Entstehung
des Volksliedes gewinnen auch die Weiter- bezw. Umdichtungen der Hauffschen Lieder,
die L. mitteilt (2, N. 37; 3, N. 44), eine gewisse Wichtigkeit.41) — Auch die noch
dem vorigen Berichtsjahr angehörenden ostpreussischen Volkslieder, die der ver-
storbene Fri schb ier41a) gesammelt hat, bringen schönes Material; unbekannte
Stücke sind freilich in der Sammlung so gut wie gar nicht vertreten, aber für die
Umbildungen von Liedern und Liedfragmenten, wie sie sich in einer ziemlich ab-
geschlossenen Landschaft vollzogen haben, kann man hier manche interessanten Belege
finden. —
(I 5 : 313.) - 41) X (I 5 : 314.) — 41a) (I 5 : 316.) — 42) O X X (I 5 : 315.) - 43) O X X G. Tob ler, D. Liederdichter
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (2)4
Il 2 : 42-62 G. Ellinger, Lyrik des 15./16. Jahrhunderts.
Aus einem Sammelbande älterer deutscher Lieder42"44) teilt A. Schmidt44*)
einige wertvolle Stücke mit; einzelne bereits bekannte Lieder in bemerkenswerten
Fassungen ; hervorzuheben ist namentlich das S. 123 erwähnte Lied von Hans Sachs
auf die Belagerung von Wien durch die Türken 1529. — Ein „Reygenlied" von Sant
Grobian, von dem wir seit Zarnckes Ausgabe des Narrenschiffes bereits 2 Strophen
kennen, teilt John Meier45) vollständig mit; der Dialekt weist auf das ober-
rheinische Gebiet; der vorliegende Abdruck wird aus der Mitte des 16. Jh. stammen.
Dem Lied liegt, wie schon Zarncke bemerkte, das 72. Kapitel des Narrenschiffes zu
Grunde, doch ist das dort aufgespeicherte poetische Material von dem Dichter des
Liedes nicht ohne Selbständigkeit verarbeitet worden. — Zwei poetische Volkslieder,
von denen das eine in niederdeutscher, das andere in hochdeutscher Sprache abg-efasst
ist, teilt von Hansen46J aus dem Revaler Stadtarchiv mit. N. I stammt aus
dem J. 1554 und schildert den Krieg, den der deutsche Orden gegen den Erzbischof
Wilhelm von Brandenburg und dessen Koadjutor Christof von Mecklenburg führte; das
zweite ist im J. 1601 entstanden und knüpft an die polnisch-schwedischen Wirren, die
Streitigkeiten im Hause Wasa an; die Stadt Riga wird in dem Liede ermahnt, nicht
sich Schweden anzuschliessen, sondern dem Polenkönige treu zu bleiben. —
Bartholomäus Theiler, nach Angabe eines Druckes von 1621 der Vf. eines Liedes
auf die Schlacht bei Moncontour (eine Zürcher Hs. nennt als Vf. des Liedes Barth
Reygell), hat in Roethe47) einen Biographen gefunden. R. schildert den Dichter in
seiner antihugenottischen Tendenz, die ihn zu Uebertreibungen und vielleicht auch zu
bewussten Unwahrheiten verführt, und in seinem schweizerischen Nationalstolz. Die
Darstellung des Liedes wird als klar aber trocken gekennzeichnet. — Das bereits
durch Reinhold Köhler nach einer Weimarer Hs. bekannt gegebene Lied auf die Be-
lagerung von Magdeburg durch W7allenstein, dessen Vf. N. Rittershaus ist, wird von
Rüben söhn48) nach einer Berliner Hs., die jener Weimarer offenbar als Vorlage
gedient hat, abgedruckt und mit guten Bemerkungen begleitet. — Von den Mitteilungen
Boltes49"50) über niederdeutsche und niederländische Volksweisen kommen für
das deutsche Volkslied in Betracht die beiden von B. nach Amsterdamer Auf-
zeichnungen wiedergegebenen Melodien zu dem Volkslieder „Laet de blaue Flagg1
mael weinen", von dessen Text sich leider nur der Anfang erhalten hat, der schon bei
Müllenhoff „Sagen, Märchen und Lieder usw.u zu finden ist. Ferner giebt B. ebenfalls
nach einer Amsterdamer Hs. eine Melodie zu dem Liede: Pierlala, die älter ist als die
bisher bekannten und hier angeführt werden muss, da das im 17. Jh. entstandene
niederländische Lied, verkürzt und teilweise dadurch unverständlich gemacht, auch in
Deutschland bekanntlich eine gewisse Popularität erlangt hat.51"53) —
Einen Uebergang zum neueren Volkslied bedeutet S p i 1 1 a s 54)
mustergiltiger Aufsatz: Sperontes Singende Muse an der Pleisse. Er ist in diesem
Jahre mit manchen Verbesserungen neu gedruckt worden, und es ist hier gewiss an-
gezeigt, nochmals auf diese vortreffliche Arbeit hinzuweisen, die für musikalische und
literarhistorische Untersuchung eines Liederbuches ein ausgezeichnetes, namentlich
methodisch höchst wichtiges Vorbild aufstellt. — Aus dem 18. und 19. Jh. sind fliegende
Blätter nachgewiesen; Friedlaender55) hat diese Beobachtungen in bestimmtem
Kreise fortgesetzt. —
Aus der Litteratur zum neueren Volkslied teilt Pich ler56) eine Reihe
von Schnadahüpfeln, Kinderliedern und anderen kleineren volkstümlichen Stücken
aus Tirol mit.57"59) — Eines der von ihm beigebrachten Lieder vom Pater Guardian giebt
Diels60), Weinhold und Englert noch Gelegenheit zu Nachträgen von Fassungen
aus verschiedenen deutschen Landesteilen; auch eine französische und eine englische
Form wird angeführt und eine Melodie mitgeteilt. Ein bisher nur unvollständig
bekanntes Volkslied, einen stey ermärkischen Raufjodl, teilt Weinhold61) vollständig
aus einem gedruckten Liederbuche des 17. Jh. mit Melodie mit. — Aus dem Spessart
sammelt Englert61a) eine Reihe von Wiegenliedern mit lehrreichen Erläuterungen
und Varianten. — Eine ganz vortreffliche Untersuchung hat Bolte62) dem Kinderliede
vom Herren von Ninive zu teil werden lassen, die den scheinbar sinnlosen Text
Matthis Zollner: AnzSchwG. S. 65,6. — 44) O X X F- w- E- Roth, Mitteilungen aus Hss. u. älteren Druckwerken: ZDPh. 26,
S. 58-70. (Vgl II 5:31.) — 44a) A. Schmidt, E. Sammelnd, dtsch. Lieder aus d. J. 1529 in d. Grossherzogl. Hofbibl. zu
Darmstadt: CBIBibl. 11, S. 113-30. — 45) (I 5:296; II 5:102.) — 46) G. v. Hansen, Publikat. aus d. Revaler Stadtarch.
VI. Dichtungen: BKELK. 4, S. 154-61. — 47) G. ßoethe, Barth. Theiler: ADB. 37, S. 673. — 48) (III 1 : 27; 2 : 4.) - 49)
(I 5:317.) - 50) X (I 5:295; II 5:103.) — 51) O X X C. SchQddekopf, D. Breslauer Judenlied Jakobs v. Ratingen:
KBlNiederdSpr. 17, S. 6-10. — 52) O X X K. Sprenger, Zu Soltaus hist. Volksliedern: ib. S. 34/5. — 53) O X X f ■
Frennsdorf, Zu Soltaus Volksliedern: ib. S. 51. — 54) Ph. Spitta, Sperontes Singende Muse an d. Pleisse. (= Musikgesch.
Aufsätze [B., Gebr Paetel. VIII, 471 S. M. 9,00], S. 175-295.) (Vgl. 110:34.) — 55) M. Friedlaender, D.Lied vom Kanapee:
VjsMusikwissensch 10, S. 203-15. (Vgl. I 10: 52.) — 56) (I 5 : 308.) — 57) X J.Pommer, 252 Jodler u. Juchezer. N. F. (JBL. 1893
15:266.: Wien, Rebay A Robitschek. 1893. XII, 212 S. M. 2,50. - 58) X R- H. Greinz u. J. A. Kapferer, Tiroler Volkslieder. 2. F
(JBL.1893I5:263.)L.,Liebtskind. 1893. 16°. XI, 185S.M. 1,50.- 59)X(1 3:303.) — 60) (15: 330,1.) — 61) (15:310.) - 61 a) (1 5 : 336.)
- 62) (I 5 : 329; III 2:3.) — 63) (I 5 : 311.) - 64) ß. Sprenger, Zu Uhlands Volksliedern u. Simrocks dtsch. Mythol.
Gr. Ellinger, Lyrik des 1.5./16. Jahrhunderts. ü 2 : 63-82
wenigstens stückweise aufzuhellen geeignet ist. An der Hand zweier Citate aus den
Briefen der Herzogin Elisabeth Charlotte und eines weiteren Zeugnisses aus dem
17. Jh. weist er nach, dass die erste Zeile des Liedes ursprünglich entweder: „Da
kommen wir Gecken und Nonnen her" oder „Hi kommen wir käkken Nonnen her"
gelautet haben muss. — Von den durch Geldern-Crispendorf63) aus der Herr-
schaft Burgk geholten Liedern sind 6 schon bekannt, wenigstens in nah verwandten
Fassungen. Hervorzuheben ist nur der vorliegende Text des Liedes: Es war einst
eine Jüdin (N. 1), der von allen mir bekannten anderen sehr zahlreichen Fassungen
ganz erheblich abweicht; das wichtigste Motiv: die Werbung der Judentochter um
den Schreiber und seine Forderung, dass sie erst Christin werden müsse, fehlt hier
ganz, und auch sonst sind die realen Verhältnisse, die dem Liede zu Grunde liegen,
ziemlich verwischt. Das einzige unbekannte Lied (N. 2) ist jüngeren Datums; merk-
würdig ist es, dass das Gedicht eine Nachbildung von Heines: Ich hatte einst
ein schönes Vaterland (Elsters Ausg. 1, S. 2ö3) ist; die erste Strophe lehnt sich
ziemlich genau an Heine an, die beiden letzten sind eine freie Weiterführung. Es
wäre von hohem Interesse, wenn sich etwas über die Art feststellen Hesse, in der
Heines Gedicht auf diese Weise in volkstümliche Kreise verpflanzt worden ist (etwa
durch Vermittlung einer populären Melodie, was wohl das Wahrscheinlichste wäre). —
Eine Notiz Sprengers64) berichtigt ein kleines Missverständnis in einer mythologischen
Bemerkung, die Unland (Abhandlung 3, S. 123, 3. Aufl.) zu einem Volksliede beisteuert.
— Schell65) druckt ein bergisches Volkslied ab, das eine kurze Schilderung des
Soldatenlebens giebt; einzelne Teile sind bekannt, das Ganze in dieser Fassung meines
Wissens nicht. — Von den drei Volksliedern aus Mecklenburg, die [Ulöde66) ver-
öffentlicht, ist nur das dritte echt und aus anderen Fassungen bereits bekannt (die
vorliegende ist sehr verwahrlost; charakteristisch die Schlusswendung, wenn auch in
ähnlicher Form schon belegt); die beiden ersten, zu denen Schermann67) noch
einige Varianten aus dem Spessart weiss, während Englert68) und Krönig69)
Fassungen aus Studentenkreisen, aus Tirol, Lindau, Mittelfranken, Bamberg und dem
nördlichen Thüringen heranziehen, sind neueren Ursprungs. Bemerkenswert ist, dass
sowohl Seh. als G. ihre Lieder von ganz alten Leuten haben singen hören.70_7üa) —
Ebenfalls neueren Datums, wenn auch mit Benutzung älterer Wendungen, scheint ein
aus Südungarn von Dörfler71) mitgeteiltes Volkslied zu sein. — Ein ganz hübsches
Liedchen der Ofener Schwaben giebt ebenfalls Dörfler72) bekannt. — Zwei wichtige
Varianten zu dem Liede: Es ritten drei Reiter wohl über den Rhein (Erk-Böhme 1,
S. 188), fand Mätyäs73) in der Ofener Gegend. In der ersten aus dem Dorfe
Szent-Ivän stammenden Fassung ist ausser einigen bemerkenswerten formellen
Varianten noch wichtig, dass die Diebe sich nicht für Grafen und Herren, sondern
für Goldschmiede ausgaben; die zweite in Solymär aufgezeichnete ist vor allem durch
die sonst nicht überlieferten Reden der Räuber nach der Blutthat von Interesse. —
Ganz neuen Ursprungs ist das von Heilig74) aus Baden entnommene Volkslied. —
Ein Aufsatz von Ra dem ach er75): Maisitten am Rhein, bringt einige dankenswerte
Zusammenstellungen von volkstümlichen Liedern und Liedfragmenten am Rhein. —
Dasselbe leistet für Bremen ein ganz gut orientierender Aufsatz von Post76). Doch
sind die benutzten Texte fast durchweg', wenn auch teilweise in anderer Fassung, bereits
bekannt. Immerhin sind die Mitteilungen brauchbar, zumal der Vf. auch gleichartige
Texte anderer Landschaften zum Vergleich heranzieht. — Manches Hübsche fällt für
die volkstümliche Lyrik in der Sagensammlung1 Fabers77) ab.7s"81) —
Die reichhaltige Arbeit Eitners82), die des Liedes Beziehungen zur
Musik erörtert und nach der rein musikalischen Seite hin in einem anderen Ab-
schnitte besprochen wird, bietet auch in den litterarhistorischen Beziehungen des Volks-
liedes viel Bemerkenswertes. Wichtig ist z. B. die Thatsache (25, S. 151), dass Konrad
Paumann (gest. 1473) in seinem Lied: Weiblich Figur, kein Volkslied als Cantus firmus
hat; wir haben es also hier im 15. Jh. schon mit einem für das Unterhaltungs-
bedürfnis der vornehmeren Gesellschaft berechneten Kunstlied (Gesellschaftslied) zu
(JBL. 1893 I 5 : 260): Urquell 4, S. 33/4. (Vgl. I 5 : 287.) — 65) 0. Schell, Bergisches Volkslied (JBL. 1893 I 5 : 293): ib.
S. 20. — 66) 0. Glöde, Volkslieder aus Mecklenburg (JBL. 1893 I 5:297/8): ib S. 71/2. — 67) L. Schermann, Volkslieder
aus d. Spessart: ib. S. 144/5. — 68) A. Englert, Zu d. Liedern: „In d. Gartens dunkler Laube" u. „Müde kehrt e. Wanders-
raann zurück": ib. 5, S. 93/5, 138,9. — 69) F. Krönig, In d. Gartens dunkler Laube: ib. S. 195. — 70) X H- Merkens,
Altes Kölner Studentenlied; Volkslied: ib. 4, S. 173. (D. mitget. Volkslied e. Bauernlied aus d. Kölner Gegend.) — 70a) X
L. Fränkel, Zu „E. Volkslied im Studentenmund" (JBL. 1893 I 5:252): ib. S. 174. (Bestätigt d. längst bekannte Thatsache,
dass d. Lied: „Ich ging in e. Nacht [in d. ältesten Fassungen aus d. 16. Jh. „Es sass ein Eul und spann" u. „Ich ging bei
eitler Nacht"J auch als Stadentenlied fortlebt.) — 71) A. F. Dörfler, Dtsch. Volkslied aus Sndung (JBL. 1893 I 5: 272):
ib. S. 274. — 72) id., Volkslied d. Ofener Schwaben: ib. 5, S. 230. — 73) L. Mätyäs, Zu d. Liede: „Es kamen
drei Diebe ans": ib. S. 262/3 — 74) 0. Heilig, Volkslied, ges. v. Burschen in Grötzingen bei Karlsruhe (Baden): ib. S. 286.
— 75) (I 5 : 63.) — 76) (I 5 : 343.) — 77) K. W. Faber, Sagen u. Volksgebräuche aus d. Sund-Gau (JBB. 1893 I 5 : 14):
JbGElsLothr. 9, S. 4-75. — 78) X (I 5 : 309.) — 79) X ß 5 : 288.) — 80; X (l 5 = 237.) - 81) X C1 5 : 302.) - 82) K. Eitner,
D. alte dtsch. mehrstimm. Lied (JBL 1893 I 13:46): MhMusikgesch. 25, S. 149-55, 164-79, 183-204, 207-20; 26, S. 1-14, 17-22,
25-33, 35-42, 47-54, 57-64, 67-82, 87-103, 106-35. —
(2)4*
II 2 : 82 II 3 -. i-7 A. Hauffen, Epos des 15./16. Jahrhunderts.
thun. In dieselbe Thatsachenreihe gehört die (26, S. 107 erörterte) Möglichkeit, dass
Georg- Vogelhuber (Anfang des 16. Jh.) die Melodien, die den Cantus firmus bilden,
selbst erfunden hat. Der auch für die textliche Seite des Volksliedes so wichtige
Uebergang zum Sologesang wird angebahnt durch die Lieder mit Lautenbegleitung;
26, S. 27 erste Versuche in Deutschland sind die 15 Lieder mit Arnoldt Schlick (geb
um die Mitte des 15. Jh.) Am Schluss weist E. kurz auf das wichtige Faktum des
Eindringens der italienischen Villanellen in Deutschland hin; ihrem Einfluss gelingt
es, den kontrapunktischen Gesang vollständig zu verdrängen: die Oberstimme gelangt
bald zur ausschliesslichen Herrschaft; die übrigen Stimmen werden, wenn es auch
bei ihnen zunächst nicht ganz an selbständiger Führung fehlt, im wesentlichen als
Begleitung verwendet. —
11,3
Epos.
Adolf Hauffen.
Erzählende Dichtungen (Sigenot, Wigalois) N. 1. — Volksbücher: Lucidarius N. 6; Eulenspiegol und Reinke de Voss
N. 8; Magelone N. 16; Melusine N. 16a. — Schwanke: V. Schumann N. 19; Einzelnes N. 20: Hans Sachs N. 22; G. Wickram
N. 28. — J. Fischart N. 31. — Faust N. 38. — Chroniken und Geschichtsschreiber: Schweiz N. 43; Süddeutschland N. 47;
Oesterreich K. 50; Mitteldeutschland N. 56; Korddeutschland N. 58. —
Die Anzahl der Arbeiten auf unserem Gebiete ist in diesem Berichtsjahre
gering; auch zusammenfassende Darstellungen fehlen, dagegen sind ein paar aus-
gezeichnete Monographien zu verzeichnen, die durch die erschöpfende Behandlung
eines begrenzten Stoffes reiche Ergebnisse für unseren ganzen Zeitraum zu Tage
gefördert haben. Unter den neueren Erscheinungen1) über erzählende Dichtungen
verdient besondere Beachtung Schorbachs2) Ausgabe des sogenannten jüngeren
Sigenot aus dem Dietrichsepenkreise nach dem lange verloren geglaubten ältesten
Druck: Heidelberg 1490. Diese auch wegen ihrer 43 Holzschnitte wertvolle, in einem
einzigen vollständigen Exemplar erhaltene Inkunabel ist in Lichtdruck getreu nach-
gebildet. Die Einleitung bringt bibliographische Beschreibungen der zahlreichen
Sigenotdrucke von 1490 — 1661, wodurch unsere bisherigen Kenntnisse (vgl.
Goedekes Grundriss l2, S. 250) wesentlich berichtigt und ergänzt werden. — Aus
einer Münchener Hs. des 15. Jh. teilt Keinz3) ein grösseres Bruchstück einer Er-
zählung in Reimpaaren mit, die einen Stoff der Gesta Romanorum (bei Keller
S. 148 ff.) vom Harnisch des toten Ritters ziemlich getreu nach der Vorlage und in
schwäbischer Mundart wiedergiebt. — Edw. Schröder4) weist nach, dass die be-
kannte Bearbeitung des Volksbuches vom Wigalois in jüdisch-deutschen Reimen
von Josel Witzenhausen ins 16. Jh. fällt, gleichzeitig auf eine spätere Umarbeitung in
travestierender Prosa (1786) hinweisend. — Dem sächsischen Schulmeister Georg
Thym (1520 — 60), der bekanntlich über den schönen braun schweigschen Sagenstoff
vom Thedel von Wallmoden ein nüchternes moralisierendes Gedicht in Reimpaaren
verfasst hat, widmet Zimmermann5) eine kurze Skizze. —
Reiche Förderung6) brachte das Berichtsjahr den deutschen Volksbüchern.
Die ganz ausserordentliche Monographie von Schorbach7) über den Lucidarius
verbreitet durch die sichere Beherrschung eines ungeheuren Materials über ein bisher
sehr dunkles und verworrenes Gebiet völlige Klarheit. Wenn die Untersuchung auch
im wesentlichen bibliographischer Natur ist, so bietet sie doch auch für die Literatur-
geschichte überaus wichtige Ergebnisse dar. Aus der grossen Masse der ver-
schiedenartigen, unter dem Titel Lucidarius (und ähnlich) vorhandenen Hss. und Drucke
hebt Seh. zwei bestimmte Werke heraus, den deutschen Lucidarius und das lateinische
Elucidarium. Der Lucidarius ist eigentlich die erste deutsche Encyklopädie. In drei
Abschnitten werden in Gesprächsform das Wesen Gottes, die Schöpfung und die Be-
schaffenheit der Welt, die Bedeutung und die kirchlichen Einrichtungen des Christen-
tums, endlich das Leben nach dem Tode und das jüngste Gericht besprochen. Seh.
1) X S. Englert, Heinrichs Buch (JBL. 1892 113:7; 1893 II 3 : 3a). |[K. Kochendörffer: DLZ. S. 12/4;
A.Leitzmann: LBIGRPh. 15, S. 108/9; J. E. Waokernell: Alemannia 21, S. 294/7.]| — 2) (I 3:106) - 3) (II 2:25.) —
4) Edw. Schröder, Aus d. Nachgesch. d. Wigalois: ZDA. 38, S. 111/2. — 5) P. Zimmermann, G. Thym: ADB. 38, S. 234 5.
— 6) O XHistori, e. fast kurzweilige, v. d. schönen Elisa, e. Künigs Tochter aus Portugal, u. Grave Albrechten v. Werdenberg,
wie d. dieselbe aus ires Vaters Hof entführet u. nach vil ausgestandenen Abentheuern, glücklich in sein Heimat nach Sargans
gebracht hat. Lustig u. anmutig zu lesen u. dem schwäb. Volk z. Nutzen u. Vergnügen aus alter Geschrift gezogen, auch
nunmehr z. ersten mal in Druk ausgeben durch e. fahr. Schueler. Strassburg i. E., Heitz. 96 S. M. 3,00. — 7) K. Schor-
bach, Studien über d. dtsch. Volksbuch Lucidarius u. seine Bearbeitungen in fremden Sprachen. (=r QF. N. 74.) Strass-
A. Hauffen, Epos des 15./16. Jahrhunderts. II 3 1 7-19
erweist, dass Herzog1 Heinrich der Löwe zwischen 1190 und 95 zu Braunschweig
von seinen Kaplänen nach lateinischen Vorbildern den Lucidarius herstellen Hess.
Das Buch fand ausserordentliche Verbreitung. Seh. giebt die genaueste bibliographische
Beschreibung von 42 Hss., von 1200 bis ins 17. Jh. hinein, und von 82 Drucken vom
Ende des 15. bis zum Anfang des 19. Jh. Nur ein kleiner Teil davon war uns bisher
bekannt. Auch die Geschichte des Textes hat Seh. zum ersten Mal untersucht. Danach
zerfallen die Hss. in zwei Gruppen, von denen die Passung B die Grundlage der
Drucke geworden ist. In diesen hat der Text mannigfache Veränderungen und Um-
gestaltungen erfahren, so 1534 durch J. Cammerlander im protestantischen Sinne,
während die jüngeren Ausgaben immer mehr das theologische Element zu Gunsten
der länderbeschreibenden Abschnitte einschränken. Als Quellen des Lucidarius weist
Seh. nach: 1. das Elucidarium des Honorius Augustodunensis, ein dogmatisches
Handbuch zum Gebrauche für Theologen. Der Lucidarius ist also weder identisch
mit dem Elucidarium, noch eine Uebersetung davon; er hat nur daraus geschöpft.
2. und 3. "des Honorius Imago mundi und Gemma animae. 4. die Philosophia mundi des
Wilhelm von Conches. Seh. bespricht ferner den dänischen Lucidarius (eine freie
Bearbeitung), den mittelniederländischen und den czechischen Lucidarius (Ueber-
setzungen des deutschen Werkes), endlich die zahlreichen in den verschiedensten
Sprachen nachzuweisenden Uebersetzungen des Elucidarium. Als Fortsetzungen
dieser mit musterhafter Sorgfalt und geradezu verblüffendem bibliographischen Wissen
durchgeführte Untersuchung verspricht Seh. eine kritische Ausgabe des Lucidarius
und eine Monographie über Honorius. —
Einige sprachliche Bemerkungen zum Eulenspiegel8_9b) und zum Reinke
de Voss1010*) hat Sprenger11-12) veröffentlicht. — Die im Vorjahre erwähnten platt-
deutschen Bearbeitungen dieser beiden Volksdichtungen durch Tannen13"14) sind in
Sonderausgabe erschienen.15) —
Ein im Berichtsjahre eröffnetes Unternehmen Sauers, die „Bibliothek älterer
deutscher Uebersetzungen", soll auch unserem Gebiete durch die Veröffentlichung von
Uebersetzungen fremder Novellen und Volksbücher des 15. und 16. Jh. neues Material
zuführen. Im ersten Bändchen giebt Bolte16) die von ihm in Gotha aufgefundene
Originalhs. von Warbecks Uebersetzung der französischen Mageion e heraus. Das
Volksbuch von der schönen Magelone hat in Warbecks Fassung bis in die letzten
Jahre immer wieder neue Auflagen erlebt und eine ausserordentlich grosse Ver-
breitung gefunden; gerade darum ist der Abdruck des ursprünglichen Textes und die
monographische Behandlung des ganzen Stoffes in der Einleitung dazu sehr will-
kommen. Mit weit ausgreifender Gelehrsamkeit schildert B. (alle Ergebnisse der
grossen Magelonelitteratur verwertend und seinerseits bereichernd) die Entstehung
des französischen Originals, ferner auf Grund neu erschlossenen Materials das Leben
Veit Warbecks, zeichnet den Einfluss der französischen Litteratur in Deutschland zu
Beginn des 16. Jh. mit Ausläufen, deren Bedeutung weit über den besonderen Zweck
hinausgeht, vergleicht Warbecks Uebersetzung mit dem Originale und mit dem ersten
Druck (dessen Varianten im Anhang verzeichnet sind) und stellt endlich die Biblio-
graphie der zahllosen Mageloneausgaben bei fünfzehn Nationen zusammen. —
Biltz16») handelt über die Verdeutschung des französischen Melusine-
Romans durch den Berner Schultheissen Thüring von Ringoltingen 1456 und über
den ersten Druck dieser Arbeit 1474.17-18) —
Auch in der Litteratur über ältere Schwanke steht eine Ausgabe Boltes19)
im Vordergründe: Valentin Schumanns Nachtbüchlein (1559), die aus dem
Vorjahre nachzutragen ist. Dem sorgfältigen Neudruck sind eine Einleitung über
Schumanns Leben, über seine schriftstellerische Eigenart und seine Quellen (u. a.
Hans Sachs und eine Züricher Bibelübersetzung 1531), ferner ein Anhang verwandter
Schwanke und Meisterlieder des 16. Jh. und Anmerkungen beigegeben. Die letzteren
bürg i. E., Trübner. X, 276 S. M. 6,50. — 8) O X r- Goebel, Till Eulenspiegels wunderbare u. seltsame Abenteuer. Nach
d. Volksbuche d. Jug. erz. Mit 5 Farbendruckb. von W. Schäfer. Wesel, Däms. 12°. 72 S. M.0,50. — 9) O X E Friedel,
Till Eulenspiegel: Bär 20, S. 7,9, 19-21. 34/5, 46,8, 58,9, 70/1, 801, 91,2, 105/8. - 9a) O X 'd'. Z. Eulenspiegel-Legende mit
bes. Rucks, auf Berlin u.d. Mark Brandenburg: BrandenburgiaN. 10.— 9 b) OXX Chr. Wal th er, Z. Gesch. d Volkshuch.es v. Eulen-
spiegel : JbVNiederdSpr. 19, S. 1-67. - 10 ) O X A Hofmeister, D. Vf. d.jungeren Glosse z. Reinke Voss : ib. S. 113 21 - 10 a) X J- w-
Muller u. H. Logeman,D.hystorie van Reynaert(JBL. 1893 II 3:14i. |fJ.Nagl:ÖLBl. 3,S. 620,1; H.Hirt: AngliaB. 34, S.72/3.]| -11) K.
Sprenger, Z.Till Eulenspiegel: ZDPh. 27, S. 249-50. •- 12 1 id.. Zu Reinke de Voss: ib. S. 315/6. — 13) K. Tannen, Tyl üulen-
speegels eerste weltvaari in 6 historien mit vööreeden v. Lessing, myn bestvaar u. my. Bremen, Hampe. XII, 83 S. M. 2,00.
— 14) id., Reinke Vos. 2. Uplaage. ebda. LIII. 243 S. M. 6,00. — 15) X J Nagl, K. Tannen, Niederdtsch. Haupt-
u. Heldenbuch (JBL. 1893 II 3: 6l: ÖLB1. 3, S. 622 3. - 16) J. Bolte, D. schöne Magelone, aus d. Franz. übers, v. Veit War-
beck 1527. Nach d. Originalhs. her. (- Bibl. älterer dtsch. Uebers. her. v. A. Sauer. N. 1.) Weimar, Felber. XLVII, 87 S.
M.3,00. - 16 a) (15:260; 11: 12.) — 17) X (HI 3:1.) |[KonsMschr S.447/8.]| (Enthält in gewandter u. zweckdienlicher Ueberarbeit. :
Fortunat, Alexander u. Ludwig, Oktavianus, Melusine, Loher u. Maller, schöne Magelone, Heinrich d. Löwe, Schildbürger, Griseldis,
Apollonius v Tyrus, Genovefa, Kaiser Karl, Haimonskinder, Eulenspiegel, Flos u. Blankflos, Gerhard v. Köln, Herzog Ernst,
Fierabras, 7 Schwaben, Schwabenritter, Oberon, Faust.)— 18 ) X J- Strohschneider, Mittelf.-änk. Prosalegenden (Schluss).
Progr. Prag. 1893 31 S. (Schluss d. Barbara u. d. vollständ. Agathalegende nach e. Prager Hs. v. ca 1400, samt e Wörter-
verzeichnis. D. ersten Teile 1891—92 [35 u. 26 S.J ) — 19) J. B o 1 1 e , Val. Schumanns Nachtbüchlein 1559. (= BLVSt. N. 197.) Tübingen,
II 3:20-40 A. Hauffen, Epos des 15./16. Jahrhunderts.
liefern zu den einzelnen Motiven eine erstaunliche Fülle von Parallelen aus allen
Litteraturen und eine Untersuchung- ihrer Beziehungen zu Schumanns Schwänken.
Ein reichhaltiges Namen-, Sach- und Wortregister beschliesst die Ausgabe. —
Ein bereits länger bekanntes Einzelblatt eines Amisdruckes versetzt
E d w. S c h r ö d e r 20) in die Offizin des älteren Johannes Prüss in Strassburg (um 1483).
— Eine Parallele zu Paulis Schwank vom Eiszapfen-Kinde bringt von R e i n h ard-
stöttner21) aus G. Brunmylleus 1560 bei. —
Die Schwänkesammlung- des Hans Sachs, die Goetze22) besorgt, hat
mit dem 2. Bande ihren Abschluss gefunden, worin 187 Schwanke (acht darunter
zum ersten Male) veröffentlicht werden. Ein Vorwort giebt für die ganze Sammlung
die Gesichtspunkte an, die für die Textgestaltung massgebend waren. Beigefügt
sind Nachträge zu den Anmerkungen des 1. Bandes sowie eine Zusammenstellung
der Stoffquellen für die Schwanke. Alle Vorzüge, die im Vorjahre dem 1. Bande23J
nachgerühmt werden konnten, gelten auch für den zweiten. - Den Humor derSachsschen
Schwanke hat Semler24) mit Rücksicht auf ihre Verwertung im deutschen Unter-
richte behandelt und die einzelnen Stücke je nach der dargestellten Situation in 4
Gruppen geteilt: Der Tölpel gegenüber den Dingen, der Tölpel gegenüber dem Schelm,
der Schelm gegenüber dem Schelm, Tölpelei und Schelmerei gegenüber geistig-sittlicher
Ueberlegenheit und dem Humor. — Näher kann ich auf diese und verwandte Ar-
beiten25-27) nicht eingehen, um nicht dem besonderen Hans Sachs-Abschnitt des
Berichtsjahres vorzugreifen. —
Bibliographischer Natur sind die Beiträge28) zu Georg Wickram. — Barack20)
beschreibt eine (in Strassburg aufbewahrte) bisher unbekannte Ausgabe des Roll-
wagenbüchleins vom J. 1556, die im Anfang zwölf Stücke mehr enthält, als die erste
Ausgabe des J. 1555. — Nachträge zu Goedekes Verzeichnis vonWickrams Schriften
liefert Bolte30) mit gelegentlichen Bemerkungen zur Stoffgeschichte. —
Zur Fischartlitteratur31"34) sind diesmal nur kleinere Beiträge zu ver-
zeichnen. Ein hübscher Fund gelang Adolf Schmidt35): Das Bücherzeichen
Fischarts in einem Darmstädter Exemplar des Valerianus 1567. Das dem Aufsatze
in einer guten Nachbildung beigegebene, hervorragend schöne Zeichen rührt von
Jost Amman her. Es hat rechts die Worte: Insignia J. Fischarti Mentzer V. J. D.,
links: Jove fovente gignitur Minerva, oben Non cuius vis vector. Das Wappen ist ein
redendes, indem es durch entsprechende Embleme den Namen Fisch-art andeutet. —
Berichtigungen und Nachträge zur Bibliographie des Bienenkorbs liefert En giert36). —
In einer eingehenden Untersuchung hat Hauffen37) den zweiten Teil von Fischarts
Ehezuchtbüchlein mit dessen Quellen verglichen und die Arbeitsweise Fischarts an
zahlreichen Beispielen beleuchtet, zum Schlüsse auch die Beziehungen zwischen
Fischart und Tobias Stimmer in grossen Zügen skizziert. Auch auf die merkwürdige
Thatsache wird hingewiesen, dass Fischart, der verschiedene weitabliegende Quellen
oft seitenlang' nahezu wörtlich abgeschrieben hat, die reiche Ehelitteratur der Zeit
für das Mittelstück des Ehezuchtbüchleins gar nicht benutzt. —
In seinem Vortrage über die Faustsage wandelt N o v er38) auf oft betretenen
Pfaden. Er führt die Zeugnisse über den historischen Faust und die einzelnen Faust-
bücher vor, teilweise im Änschluss an Kiesewetter39), und er bespricht darin in wenig
fruchtbarer Art die Bearbeitung der Faustsage bei Marlowe, in den Puppenspielen,
bei den neueren Dichtern, endlich bei Goethe. — Zum Spiesschen Faustbuch bemerkt
Kluge 40), dass das Abenteuer mit den vollen Bauern (S. 84 des Neudruckes) schon
vor 1587 bei J. J. Wecker 1582 De Secretis (S. 43) vorkommt. — Zur Bibliographie
Selbstverl. d. Ver. 1893 XXIV, 439 S. (Nur för Mitglieder.) — 20) Edw. Schröder, D. alte Druck d. Pfaffen Amis: ZDA. 38,
S. 112. — 21) K. v. Reinhardstöttner, Zu Joh. Paulis „Schimpf u. Ernst": ZVLR. 7, S. 473,4. (Zugleich in d. Fest-
schrift d. ZVLR. z. Hans Sachs-Feier [= II 4b : 62J, S. 74/5; vgl. II 5:124.) — 22) E. Goetze, Hans Sachs Sämtliche Fabeln
n. Schwanke (JBL. 1893 II 3:20) 2. Bd (= NDL. N. 126-34.) Halle a. S., Niomeyer XXXI, 640 S. M.5,40 (Vgl. 114 b:3.)
— 23) X A- ▼. Weilen, Dass. 1. Bd. (JBL. 1893 II 3: 20): ZOG. 45, S. 786/7. - 24) Chr. Semler, D. Schwanke d. Hans
Sachs u. d Komische: ZDÜ. 8, S. 95-114. (Vgl. II 4b : 103.) — 25) X M- s-- D- Engelhut, e. Schwank d. H. Sachs u. seine
Quelle. (= II 2:27, S. 352; vgl. II 4b : 69.) - 26) X E. Haueis, E. Lobspruch d. Stadt Salzburg. Mit e litteraturgesch.
Einl. u. Wort- n. Sacherklärnngen. (Aus MGSalzbnrgL. Bd. 34.) Wien, Konegen. 35 S. Mit 2 Abbild. M. 1,00. (Vgl.
II 4b: 8.) — 27) X E. Samhaber, Hans Sachs. Vortr. (= Beil. zum ^Volksboten".) Linz (Wimraer). 4°. 15 S. (Mit
sehr schönen Uebersetzungsproben. Nicht im Handel. Vgl. II 4b :47a.) — 28) X J Hochstetter, G. Wickram:
RAlsace. 45, S. 45-60. (E. Besprech. d. im J. 1866 ersch Stöoerschen Büchleins über W.) — 29) [K A.J Bfarack], Zu Jörg
Wickrams Rollwagenbüchlein : CBIBibl. 11, S. 491. - 30) J. Bolte, Zu G. Wiokraras Schriften: Alemannia 22, S. 45/8. (Vgl.
II 5 : 122.) — 31) X J- Fischart, D. Jesuitenhütlein. Sat. Gedicht. (— Meyers Volksbücher N. 1055.) L., Bibliogr. Inst.
44 S. M. 0,10. (In sprachlich modernisierter Fassung.) — 32) X A. Englert, A. Hauffen, J. Fischarts Werke (JBL. 1893
II 3 : 47): Euph. 1. S. 807-15. — 33) X O. Glöde, F. Galle, D. poet. Stil Fischarts (JBL. 1893 I 8 : 35; II 3 : 43): ASN*. 91,
S. 278-80. (Vgl. II 5:87.) — 34) X L. Fränkel, A. Alsleben, l'ischarts Geschichtsklitterung (JBL. 1891 II 3:22; 1892
II 3:32a): LBIGRPh. 15, S. 109-10. (Vgl. II '5:88.) - 35) Ad. Schmidt, D. Bücherzeichen Joh. Fischarts in d. Grossherzogl.
Hoibibl. zu Darmstadt: QBllHVHessen. 14, S. 474/6. (Vgl. JBL 1893 I 3:233.)- 36) A. Eng lort, Z. Bibliogr. d. Fischarischen
Bienenkorbes: Alemannia 22, S. 48-53. — 37) A. Hauffen, D. Quellen v. Fischarts Ehezuchtbüchlein: ZDPh. 27, S. 308-50.
— 38) J. Nover, D. Faustsage u. ihre poet Gestaltung. (= SGWV. N.201.) Hamburg, Verlagsanst. 45 S. M. 0,80. (Vgl. I 11:21.1 -
39) X C. Kiesewetter, Faust in der Gesch. u. Trad. (JBL. 1893 II 3:28.) |[L. Fr&nkel: ASNS. 92, S. 180,1; WIDM. 75,
S. 400.]| - 40) F. Kluge, Z. Spiesschen Fanstbuch: ZVLR 7, S. 111. — 41) (I 3: 154.) — 42) O. Heuer, Faust in Gesch.,
A. Hauffen, Epos des 15./16. Jahrhunderts. II 3 ■. 41-57
desselben Faustbuches verzeichnet Heuer41) ein bisher unbekanntes Breslauer
Exemplar o. 0. u. J., das wahrscheinlich einen Abdruck der Ausgabe von 1590 dar-
stellt. Ausserdem zeigt er, dass das Kopenhagener und das Berliner Exemplar des
gereimten Faustbuches (Tübingen 1588) völlig miteinander übereinstimmen. — In
hübscher zusammenhängender Darstellung schildert Heuer42) die reichhaltige
Frankfurter Faustausstellung des J. 1893 (JBL. 1893 III 3:8), indem er diebemerkens-
wertesten Gegenstände, einzelne historische Faustzeugnisse, Volksbücher und Lieder-
drucke, einzelne Zauberbücher, die aus Fausts Schule stammen, seltene Drucke,
Theaterzettel, Bildwerke zu Faustdramen besonders hervorhebt. —
In aller Kürze sei noch der zahlreichen Arbeiten über Chroniken und
Geschichtsschreiber unseres Zeitraumes gedacht43). In die Schweiz
führen44) uns zwei biographische Artikel: den 1589 geborenen Solothurner Staatsmann
Hans Jacob von Staal, der eine Familienchronik mit genauen Nachrichten über die
eidgenössischen Ereignisse seiner Zeit hs. hinterliess, behandelt Fäh45). — Dem
Vater der schweizerischen Geschichtsschreibung Aegidius Tschudi widmet Oechsli46)
eine ausführlichere Darstellung, indem er sowohl dessen bewegtes politisches Wirken
im Dienste der katholischen Partei der Schweiz, als auch dessen reiche, das ganze
Gebiet der Schweizer Altertümer und Geschichte umspannende litterarische Thätigkeit
eingehend würdigt. —
Auf süddeutschem Boden47) sind Joachimsohns48) quellenkritische
Untersuchungen zur städtischen und klösterlichen Geschichtsschreibung Augsburgs
im 15. Jh. zu nennen. J. charakterisiert die einzelnen Chronisten, besonders Mülich,
Burkard Zink, Wilhelm Wittwer und deren Beziehungen zu Meisterlin.481) — Die geo-
graphischen und ortsgeschichtlichen Arbeiten über Altbayern im 16., 17. und 18. Jh.
würdigt Grub er49) im einzelnen: Die Kartographie, die Studien über die Bodenform,
die Gewässer des Landes, die Pflege der Ortskunde, Beobachtungen über das alt-
bayerische Volk und seine Eigenart. In den beiden letzten Kapiteln sind besonders
Westenrieders Arbeiten über München und die Münchener berücksichtigt. —
Mehrere Beiträge wurden zur österreichischen Geschichtsschreibung50"51)
veröffentlicht. In dem umfangreichen (an der Wiener Hofbibliothek aufbewahrten)
hs. Nachlass des Wolfgang Lazius hat Michael Mayr52) den Plan einer grossen,
aus den Quellen gearbeiteten Geschichte Oesterreichs von ihren Anfängen bis auf die
Epoche des Vf. als den Mittelpunkt der ganzen vielgestaltigen Schriftst ellerei des
Wiener Humanisten entdeckt. Diese sorgfältige kritische Untersuchung gewährt
auch dem Literaturhistoriker die Gelegenheit zu mannigfacher Ausbeute. — Drei
Historikern aus der Umgebung des Kaisers Maximilian I. wurden biographische
Artikel gewidmet. Max Treitz-Sauerwein, den Geheimschreiber und Mitarbeiter an
den Schriften des Kaisers, schildert von L i li e n er 0 n53), indem er besonders aus-
führlich Treitz Anteil an dem „WTeisskunig", dieser wichtigsten autobiographischen
Arbeit Maximilians, darlegt. Der erste Teil (die Vorgeschichte: Friedrichs III. Ver-
mählung und Krönung) sowie der zwTeite Teil (Maximilians Jugendzeit und Vermählung)
rühren wahrscheinlich im wesentlichen von Treitz her; der dritte Teil (Maximilians
Kriegsfahrten) ist nach dessen eigenen fragmentarischen Erzählungen und Diktaten
von Treitz redigiert, jedoch nicht abgeschlossen worden. — Den Hofkaplan
des Kaisers, den 1513 verstorbenen Ladislas von Suntheim, der u. a. geo-
graphische Darstellungen österreichischer und süddeutscher Länder mit wichtigen
Nachrichten zur alten Wirtschaftsgeschichte und Topographie veröffentlicht hat,
charakterisiert von Heyd54); den Ehrenhold Karls V., Kaspar Sturm, der nach
einem Ausspruch Maximilians den satirischen Versuch „Die vier namhaftesten
Königreiche" (Frankfurt 1538) unternahm, behandelt Roethe55) in einer knappen
Skizze. —
Aus Mitteldeutschland56) ist die eingehende Besprechung der Zwickauer
Annalen des Matthäus Winter durch Klotz57) anzuführen. Nach vereinzelten Angaben
älteren Datums gewährt sie regelmässigen Bericht für die J. 1590—1640 (abgesehen
Sage u. Dichtung :BFDH. 10, S.39*-52*. (Vgl. 111: 22.1 — 43) XA.Hegler, Geist n. Schrift hei Seb. Frank (.TBL. 1893 II 3 : 62). \[G.
Kawerau: GGA. S. 76-30: J. H. Maronier: ThT. N. l.JI — 44) X F- J- P0,it- B- reliS Testament d. Chronisten Barthol.
Anhorn: AnzSchwG. S 89-92. (Anfang d. 17. Jh.) - 45) F. Fah, H. J. v. Staal: ADB. 37, S. 329-30. — 46) W. Oechsli,
Aeg. Tschudi: ib. 38, S. 723-44. — 47) O X X Th- Ludwig, D. Konstanzer Geschichtsschreibung bis z. 18. Jh. Strass-
burg i. E, Trübner. VIII, 271 S. M. 6,00. — 48) P. Joachimsohn. Z. städt. u. klösterl Geschichtsschreibung Augsburgs
im 15. Jh. -.Alemannia 22, S. 1-32, 123-59. i[ZHVSchwaben 21, S.181/2.]| - 48a)X W.Vogt. D. Augsb. Chronik d.Cl Sender bis 1512:
ZHVSchwaben. 21, S. 149-64. -49)Chrn.Grubor,D. landeskundig Erforsch. Altbayerns im 16., 17. u. 18. Jh. (= FDLV. 8. Bd.. N 4.) St.,
Engelhorn 77 S. Mit 1 Karte. M.3,00. —50) X Eberh. Windeck u. sein Sigmundbuoh: CBIBibl. 71, S. 433-83. — 50a)XJLosertn.
Kleine Beitrr. z. Gesch. Eberh. Wind»cks, d. Biographen d. Kaisers Sigismund: MVGDB. 32, S. 18-24. — 51) X M. Klimesch, Ge-
schichtsschreiber d. ehemal. Cisterzienser-Stiftes Goldenkron: ib. S. 158-70,256-72. — 52) Mich. Mayr, Wolfg. Lacius als Geschichts-
schreiber Oesterreichs. E. Beitr. z. Historiogr. d. 16. Jh. Mit Nachtrr. z. Biogr. Innsbruck, Wagner. IV, 91 S. M. 1,80.
|[J. Seemöller: Euph. 1. S. 153/5.]| — 53) B. v. Liliencron, Max Treitz-Sauerwein: ADB. 33, S. 559-62. — 54) W.
v. Heyd, Ladislas v. Suntheim: ib. 37, S. 1612. — 55) G. Roethe, Casp. Sturm: ib. S 41/2. — 56) X Chrn. Meyer, Quellen
z. Gesch. d. Stadt Hof (JBL. 1893 II 3:85): LCB1. S. 1622. — 57) H. Klotz, D. Zwickauer Annalen d. Matth. Winter:
113:58-63 II4a:i-6 W. Creizenach, Drama des 15./16. Jahrhunderts.
von den zwei Lücken 1613 — 18 und 1624 — 26), und zwar vor allem Familienereignisse,
dann aber auch kulturhistorisch wertvolle Nachrichten über städtische Angelegenheiten,
Gewerbe, Marktverkehr, Schützenfeste, kirchliches Leben, Ortsgeschichte usw. —
Aus Norddeutschland58"60) sei hervorgehoben F. Schroeders61)
Ausgabe der klevischen Chronik des Johannes Turck, der ("als Fortsetzer Gerts) die
Ereignisse seiner Heimat von 1452 bis zum Aussterben des klevischen Herzogshauses
1609 erzählt. Neben Kleve sind auch die Nachbarländer berücksichtigt. Die Be-
nutzung und Mitteilung reichen urkundlichen Stoffes macht die Chronik wertvoll. —
Aus dem Mikrochronologikon des märkischen Chronisten Peter Hafftiz druckt
Holtze62) die für die Berliner Geschichte von 1440—1597 reichenden wertvollen
Bestandteile ab und versieht sie mit Erläuterungen. Neben zahlreichen Sagen sei
hervorgehoben die Geschichte des Rosshändlers Kohlhase (S. 34 — 42), Hexen in
Berlin (S. 51/2) und die Berichte über des bekannten Alchymisten Thurneysser
Aufenthalt in Berlin (S. 79— 83).63) —
11,4
a) Drama.
Wilhelm Creizenach.
Zusammenfassende Darstellungen N. 1. — Mittelalterliches Drama: einzelner Landschaften N 4; Weihnachtsspiele
N. 6; Theophilusdraraa N. 8; geistliches Drama und kirchliche Kunst N. 16. — Dialogische Werke N. 17. — Bühnengeschichte
einzelner Landschaften und Städte N. 19. — Estherdramen N. 24. — Dramatiker des 16. Jh.: P. Rebhun N. 26; A. Seitz
N. 28; Joh. Baumgart N. 29; Joh. Kasser N. 30; Tob. Stimmer N. 31; Joh. Teckler, B. Thamni, H. Tilesius N. 3t; M. Rinck-
hart N. 37. — Fortlehen des geistlichen Volksdramas N. 38. —
Eine zusammenfassende Darstellung des deutschen Dramas im
späteren Mittelalter ist in dem Berichtsjahre nicht versucht worden, doch wurde die
Sammlung mittelalterlicher Spiele von Froning1) (JBL. 1891 II 4:3) und der erste
Band der Geschichte des neueren Dramas von Creizenach2) (JBL. 1893 II 4:1)
wiederholt besprochen.3) —
Auch zur Geschichte des mittelalterlichen Dramas in ein-
zelnen Landschaften oder Städten ist nur wenig neues Material ans Licht
gezogen worden. Wackerneils4) Aufsatz über die altdeutschen Passionsspiele
in Tirol hat den Charakter einer vorläufigen Mitteilung. Der Vf. giebt uns einen
Ueberblick über die Tiroler Passionshss., die seit seiner bekannten früheren Publikation
über diesen Gegenstand (1887) neu entdeckt wurden, und über die wir Näheres
erfahren werden, wenn einmal — was hoffentlich recht bald der Fall sein wird —
die von W. schon längst geplante Ausgabe dieser Spiele erscheint. Den wichtigsten
Zuwachs bilden ein Bozener Text, ein Sterzinger Text von 1551 sowie ein Text, der
sich nach Amerika verirrt hat, und über den Schmidt- Wartenberg in den Publications
of the Modern Language Association (Baltimore 1890) berichtete. — Dass auch in
Bayreuth zur Zeit des ausgehenden Mittelalters das geistliche Drama beliebt war,
ergiebt sich aus dem merkwürdigen Requisitenverzeichnis, das B r u n c o 5) aus den
dortigen Kirchenbaurechnungen zum ersten Male buchstabengetreu veröffentlicht hat.
Es werden da u. a. ein Regenbogen, sechs Hüte für die Teufel, „drei heidnische
huett dem kaiser" und ein Schwert für den Apostel Paulus erwähnt.
Die „Beiträge zur Geschichte der deutschen Weihnachtsspiel e", die
Koppen6) veröffentlicht hat, sind von sehr ungleichem Werte. Das erste Kapitel,
über die lateinischen Weihnachtsdramen ist sowohl, was die Litteraturkenntnis, als
auch was die Arbeitsmethode des Vf. betrifft, durchaus ungenügend. Ergiebiger ist
Kap. II, worin das hessische Weihnachtsspiel mit dem Sterzinger verglichen wird,
das dem Vf. in einer Abschrift Zing-erles vorlag; es wird gezeigt, dass beide Spiele
MAVZwickau. 4, S. 97-121. — 58) O X E. Runge, D. niederdtsch. Bischofschronik bis 1553. (= Osnabrücker Geschichts-
quellen. 2. Bd.) Osnabrück (Rackhorst). LXIV, 381 S M. 10,00. |[LCB1. S. 1558/9.]| — 59) X P- Bahlmann, Newe
Zeitung v. d. erschröcklichen Wunderzeichen. Münster. l.")9">: ZVtGWestf. 52, S. 227/9. — 60) O X K- Kopp-
mann, Magister Nik. Rutze, Vf. d. „Bokeken von dem Repe": BGRostnok. S. 88/9. — 61) F. Schroeder, D. Chronik d. Joh.
Türck: AHVNiederrh. 58, S. 1-175. - 62) (I 3 : 177; II C: 227.) - 63) X E- G. Schultheiss, D. Geographische in Hart-
mann Schcdels Liber chronicarum. 1493: Globus 65, S. 6-11, 27-32. (Mit 5 Abbild, u. 1 Karte.) —
1) X H. Holstein: ZDPh. 26. S. 563/6; J. E. Wackemell: ÖLB1. 2, S. 2389; R. Schneider: COIRW. 21,
S. 104/5. - 2) X F. V[ogt]: LCB1. S. 245/7; K. Dziatzko: WSKPh. S. 326/8 ; St. Graf Tarnowski: Przeglad Polski 114,
S. 392/9; B. Renier: GSLIt, 24, S. 436,9. - 3) X E. Montan us, D. ältesten Volksschauspiele: Didask. *N. 85. (Vgl.
FränkKur. N. 190.) - 4) J. E. Wackerneil, D. altdtsch. Passionsspiele in Tirol. Wien. St. Norbertus. 18 S. M. 0,36. —
5) W. lirnnco, Verteidigung Wilh. Holles gegen d. Dr. phil. M. Bendiner: AGOberfranken. 19, S. 25. - 6) (I 4:35.) |fA.
W. Creizenach, Drama des 15./16. Jahrhunderts. II 4a : 7-19
miteinander verwandt sind und auf eine gemeinsame Quelle hindeuten. In Kap. III
sucht der Vf. für die Weihnachtsspiele von St. Gallen und Erlau eine gemeinsame
lateinische Grundlage zu rekonstruieren; in Kap. IV strebt er die Einwirkung eines
verlorenen Erlösungsspieles auf die Weihnachtsspiele des Mittelalters nachzuweisen,
doch sind seine Ausführungen wenig überzeugend. Kap. V endlich behandelt Hans
Sachsens Christi Geburtsspiel in seinem Verhältnis zum volkstümlichen Weihnachtsspiel
(vgl. II 4b :86a).7) —
Die französischen Dramatisierungen der Theophilussage hat
ein ausgezeichneter Kenner der geistlichen Litteratur, Sepet8), besprochen; für die
deutsche Literaturgeschichte ist die von ihm aufgestellte Meinung von Interesse, dass
der niederdeutsche Theophilus auf das französische Drama zurückgehe, das 1384 in
Aunai (Eure et Loire) aufgeführt wurde. — Dieser Ansicht ist jedoch Stroh mayer9)
entgegengetreten, der die Abhängigkeit des deutschen Theophilus von einem französischen
Vorbild in Abrede stellt. Doch ist es ihm nicht vollkommen gelungen, die für ein
französisches Vorbild sprechenden Umstände zu entkräften. Es ist doch sehr auffallend,
dass der Helmstädter Theophilus ganz wie der des Rutebeuf mit einem Monolog des
abgesetzten Theophilus beginnt, und dass wie in den französischen Mirakeldramen
eine Predigt in extenso in das Stück eingefügt ist, durch deren Anhörung Theophilus
in Reuegedanken versinkt. St. vermutet, ein Passionspiel, in dem Magdalena durch
eine Predigt bekehrt wurde, möge vielleicht den Anlass zu dieser Scene gegeben
haben. Beachtenswerter ist eine andere Aufstellung St.s; er bestreitet, dass die
französischen Judennamen im Trierer Theophilus etwas für den französischen Ursprung
des Stückes bewiesen, und meint, der Dichter könne auf diese Namengebungen sehr
wohl dadurch gekommen sein, dass im 14. und 15. Jh. so viele aus Frankreich ver-
triebene Juden sich in den Rheingegenden aufhielten. 10~15) —
Einen interessanten Beitrag zur Geschichte des Verhältnisses zwischen dem
geistlichen Drama und der kirchlichen Kunst enthält Webers 16)
Schrift über bildliche Darstellungen der Kirche und Synagoge. Mit grosser
Belesenheit und feinem Spürsinn hat W. ein Material von erstaunlicher Reichhaltigkeit
zusammengebracht und einer kritischen Besprechung unterzogen, die ihm von Seiten
der Kunsthistoriker reichen Beifall eingetragen hat. Auch der Literaturhistoriker
wird in W.s Schrift Belehrung und Anregung finden und die Tendenz des Vf., bei
Uebereinstimmungen zwischen dem geistlichen Drama und der bildenden Kunst das
Drama als den gebenden und die Kunst als den empfangenden Teil zu betrachten,
ist gewiss im allgemeinen berechtigt. Doch enthalten gerade seine Ausführungen
über das Drama manches, was zum Widerspruch herausfordert, so namentlich die
Hypothese (S. 35 ff.), die Streitscene zwischen Ecclesia und Synagoga sei schon im
10. Jh. in den Kirchen vorgeführt worden, um dem Volke einen Ersatz für die alt-
hergebrachten Streitgedichte zwischen Frühling und Winter zu gewähren. Auch ist
es dem Vf. entgangen, dass für die Vorführung- der Synagoge mit verbundenen
Augen sich schon im Tegernseer Antichrist ein Beispiel findet (vgl. Creizenach,
Geschichte des neueren Dramas 1, S. 85). —
Schliesslich seien noch zwei dialogische Werke aus der Erbauungs-
literatur flüchtig erwähnt: ein Gespräch zwischen Gott und der menschlichen Seele,
das Roth17) aus einer Hs. des 15. Jh herausgegeben hat, und die Unterredung
zwischen dem heiligen Anseimus und der Jungfrau Maria, von der ein Aufsatz
G r af fu n der s18) handelt. —
Zur Bühnengeschichte einzelner Landschaften undStädte
im Reformationszeitalter wären nur ein paar kurze Notizen zu verzeichnen. Aus den
Torgauer Stadtrechnungen ergiebt sich, wie Taubert19) mitteilt, dass im J. 1535
die Darsteller einer Historie von Joseph (deutsch oder lateinisch?) ein Fass Bier
erhielten. 1535 wurde auch Agricolas bekannte Tragödie von Johannes Hus in der
Nicolaikirche aufgeführt, die schon damals keinen kirchlichen Zwecken mehr diente.
Bei einer 1549 vom Schulrektor geplanten Terenzaufführung ist es gleichfalls zweifel-
haft, ob es sich um das Original oder um eine Uebersetzung handelt. Ausserdem
bespricht T. eine Plautusauffiihrung, die am 1. Jan. 1553 veranstaltet wurde und
Schlossar: BLü. 1893, 8. 790.]| — 7) X E. Gehmlich, D. dtsch. Weihnachtsspiel d. MA.: LZg». N. 154. — 8) M. Sepet,
Un drarae relig. au MA.: Le Miracle de Theophile. Paris (Retaux-Brayl. 33 S. (Sonderabdr. aus RHMaine.) — 9) H. Stroh-
mayer: Romania 23, S. 6017. - 10) X K- Drescher, R. Hange, Dietr. Schernberg (JBL. 1891 n 4:8): LBIGRPh. 14,
S. 86/9. — 11) X E. Wasserzieher, Carl Schröder, Redent. Osterspiel (JBL. 1893 II 4:4): COIRW. 21, S 57L — 12) X
D. Redentiner Osterspiel vom J. 1464: KonsMschr. S. 337-51. (Uebers ins Neuhochdtsch.) — 13) O X X c- Schumann,
Z. Redentiner Osterspiel: KBIVNiederdSpr. 17, S. 75/6. - 14) X K- Drescher, T. Mansholt, D. Künzelsaoer Fronleichnamsspiel
(JBL 1892 II 4: 12): LBIGRPh. 15, S. 293 4. -15) O XX A. Kleinlcnecht, 6 dtsch. Fronleichnamsspiele: SchwäbKron. N. 44.
— 16) P. Weber, Geistl. Schauspiel u. bild. Kunst in ihrem Verhältnis erläut an e. Ikonographie d. Kirche u. Synagoge.
E. knnsthist Stud. Mit 10 Abbild, in L'chtdr. u. 18 Textbild. St., Ebner & Seubert. 152 S. M. 4,00. — 17) fc W. E. Roth,
Mitteilungen aus Hss. u. alteren Druckwerken: ZDPh. 26. S. 58,9. — 18) O P. Graffunder, Z. Anseimus: JbVNiederdSpr. 19,
S. 155-63. — 19) 0 Taubert, Torgauer Theaterauffuhrangen im Reformationszeitalter. Vortr. Referat: PAVTorgau. 7,
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. I '-.)•'
II 4a : 20-29 W. Creizenach, Drama des 15./16. Jahrhunderts.
zwar von Studenten der Universität Wittenberg-, die der Pest wegen nach Torgau
verlegt worden war. Vor der Komödie spielte man eine allegorische Scene, die
1554 in Wittenberg im Druck erschien: Pater Albis freut sich über die Eintracht
der beiden Schwesterstädte Leucoris (Wittenberg) und Argelia (Torgau). — Gelegentlich
der Aufführung eines Spiels vom reichen Mann und Lazarus durch Bürgerin Chur20)
am Sonntag Laetare 1541 wird in den Ratsprotokollen ausdrücklich bemerkt, es sei „gar
glücklichen und wol gangen, gar niemandt kein schaden nit geschächen".21) — Von
Gaedertz22) Buch über das niederdeutsche Schauspiel ist eine neue Titelauflage
erschienen.23) —
Durch seine Untersuchung über Esther im deutschen und lateinischen
Drama des Reformationszeitalters hat Schwartz24) die Reihe der Abhandlungen
vermehrt, in denen die Dramen des 16. Jh. nach stofflich zusammengehörigen Gruppen
betrachtet werden. Etwa ein Viertelhundert Dramen sind besprochen und zwar nicht
nach der chronologischen Reihenfolge, sondern nach ihrer Abhängigkeit von den
beiden Dramen, die der Vf. als die in erster Linie massgebenden erweist, nämlich
der „Hester" des Hans Sachs und dem „Hamanus" des Naogeorgus. Der Vf. hat nicht
nur mehrere seltene Drucke, sondern auch interessantes neues hs. Material heran-
gezogen, so z. B. die dialogischen Inhaltsangaben, die bei einer Aufführung von
Naogeorgs Haman in Zürich 1601 den einzelnen Akten vorangestellt wurden, ferner
eine lateinische Esthera von Fabronius (160Q) und ein Münchener Jesuitendrama, das
vor allem deshalb merkwürdig ist, weil der Dichter das Stück des protestantischen
Streiters Naogeorgus ausgiebig benutzte. — Unter den Besprechungen der Schwartz-
schen Abhandlung sei die von Singer25) besonders hervorgehoben. Der Vf. be-
richtigt ein offenbares Versehen in dem Abdruck der erwähnten dialogischen Inhalts-
angaben (Sylnang lies Sylvanus), beschreibt einen auf der Züricher Stadtbibliothek
befindlichen seltenen Druck des Magdeburger Estherspiels von Voith aus d. J. 1537
und weist darauf hin, dass sich zwischen den Estherspielen des Voith und des Hans
Sachs einerseits und den Estherscenen im französischen „Mistere du viel testament"
andererseits merkwürdige Uebereinstimmungen finden, die noch eine nähere Be-
trachtung verdienen —
Zahlreicher sind die neuen Mitteilungen über einzelne hervorragende Drama-
tiker des 16. Jh. Fries26) erörtert die Frage nach dem Geburtsort Paul Rebhuns.
Er ist geneigt, der Angabe Schwindels im Thesaurus bibliothecalis Glauben zu
schenken, wonach Rebhun in der österreichischen Stadt Waidhofen an der Ibs ge-
boren wurde. Wie F. mit Recht hervorhebt, kann es nur zur Bestätigung dieser
Angabe dienen, dass Rebhuns Bruder in der Wittenberger Matrikel 1542 als „Joannes
Perdix Austriacus" bezeichnet wird. Ausserdem gelang es F., die Existenz einer
Familie Rebhun in Waidhofen im 16. Jh. urkundlich nachzuweisen. Im Zusammen-
hang" mit diesen Mitteilungen berichtet er über die lutherischen Sympathien der
Bewohner dieser gewerbfleissigen Stadt und über die auffallend zahlreichen Waid-
hofener, die im 16. Jh. in Wittenberg studierten.27) —
Ueber die „Tragedi" des Alexander Seitz (Strassburg 1 540) berichtet B ölte28)
und vervollständigt damit das Bild, das Linder von diesem merkwürdigen Mann
entworfen hat. Mit Recht bezeichnet B. es als einen Beweis der geistigen Frische
des alten Mannes, dass er sich noch die neue Form des biblischen Dramas aneignete,
über deren Vorzüge er sich in der Vorrede verbreitet. Sehr charakteristisch ist auch
die ausführliche Anweisung zur Inscenierung, wo u. a. die Kostüme und die An-
ordnung des feierlichen Zuges der Darsteller zum Schauplatz genau vorgeschrieben
werden. Das Stück selbst ist eine Verbindung der Parabeln vom grossen Abendmahl
und von den klugen und thörichten Jungfrauen. Unter denen, die sich zum Mahl
begeben, befinden sich auch die Kaiser Julianus und Trajanüs; ihre Unterredungen
mit den Aposteln am Himmelsthor bilden den eigentlichen Kern des Ganzen. —
Dem „Gericht Salomonis" (1561) von Johann Baumgart, Pfarrer in Magde-
burg, einem sehr dürftigen und weitschweifigen Machwerk, sucht W. Kawerau25*)
dadurch einiges Interesse abzugewinnen, dass er es als ein typisches Erzeugnis der
damaligen Schuldramatik betrachtet und mit anderen Dramatisierungen des nämlichen
Stoffes vergleicht, wobei jedoch die auswärtigen Dramen und auch die lateinischen
S. 30. — 20) F. J., Schauspielaufführung in Chur: AnzSchwG. S. 95. — 21) X J- Baechtold, Schweiz. Schauspiele d. 16. Jh.
(JBL. 1893 II 4: 11.) |[W. C(reizenach): LCB1. S. 89; F. Pfaff: Alemannia 22, S. 92; R. Seuffert: GGA. S. 839-40.]|
— 22) K. Th. Gaedertz, D. nioderdtsch Schauspiel. Z. Kulturleben Hamburgs. 2 Bde. Neue, um 2 V orw. verm. Ausg.
Hamburg, Verlagsanst. XVIII, 258 S.; XXXI, 286 S. M. 8,00. |[L. Fränkel: ASNS. 93, S. 171/3.]) (Vgl 1114:18.) —
23) X F. Leist, Gesch. d. Theaters in Bamberg (JBL. 1893 III 4: 29): BHVBamberg. N. 55 (278 SA (Enth. nichts Bemerkens-
wertes für d. altere Zeit.) — 24) Und. Schwartz, Esther im dtsch. u. neulat. Drama (JBL 1893 I 10:35'. Oldenburg u. L.,
Schulze. VII, 276 S. M. 4,00. ||W. C(reizenach): LCB1. S. 899-900; R. Friedrich: BLU. S. 663,4 J| - 25) S.Singer,
Ueber N. 24: Bundl'. S. 255/6. — 26) G. Fries, War P. Rebhun, d. erste dtsch. Kunstdramatiker, aus Waidhofen an d. Ibs
gebürtig?: BVLNiederöstcrr. 28, S. 311-32. — 27) O X X w- Kawerau, J. Greff in Magdebnrg: GBUMagdeburg. 29,
S. 154-77. - 28) J. Bolte, E. protest. Moralitiit t. Alex. Seitz: ZDPh. 26, S. 71/7. — 29) W. Kawerau, Joh. Baumgarts
W. Creizenach, Drama des 15./ 16. Jahrhunderts. II 4a : 30 38
Dramen Birks und Evrards unberücksichtigt bleiben. Das Merkwürdigste an dem
Stück sind die von der Haupthandlung unabhängigen Kontrastscenen, in denen
uns bestechliche, thörichte und feige Richter vorgeführt werden; der Vf. zeigt ein-
gehend, wie in diesen satirischen Scenen charakteristische Tendenzen jener Zeit zum
Ausdruck kommen. Was die unflätigen Derbheiten Baumgarts betrifft, so sucht
Janssen gegenüber K. die mildernden Umstände hervorzuheben. —
Johann Rassers Spiel von der Rinderzucht, das 1573 zu Ensisheim im
Elsass aufgeführt und 1574 gedrückt wurde, galt bisher für verschollen. Jetzt ist
dieses Spiel in der Baseler Universitätsbibliothek auf eine eigentümliche Weise ans
Licht gezognen worden. Es hat nämlich gegen Ende des 16. Jh. ein Buchbinder eine
Anzahl Exemplare — offenbar als Makulatur — erworben und daraus durch Auf-
einanderkleben der Blätter sich einen Ersatz für Pappdeckel zum Einbinden von
Büchern hergestellt. Nun ist es gelungen, die einzelnen Blätter aus einem solchen
Einband loszulösen und auf diese Weise ein Exemplar herzustellen, über dessen In-
halt Binz30) lehrreich berichtet. Zunächst stellt er fest, dass der Dichter ein guter
Katholik und Pfarrer in Ensisheim war, in einer gereimten Vorrede erzählt er von
seinen Predigten über das Thema der Kinderzucht. Die Grundidee des Spieles ist
nicht neu; die Hauptpersonen sind das fromme Hänslein, das von seinen Eltern zur
Schule geschickt wird, dann die Universität bezieht und endlich den Posten eines
königlichen Rates erhält; ihm gegenübersteht der böse Knabe Aleator, der von seiner
Mutter verhätschelt wird und als Dieb am Galgen endigt. Der Jude Ulman, der ihn
zum Diebstahl verführt hat, wird gleichfalls aufgehängt; zum Schluss des Stückes
holt ihn der Teufel vom Galgen herunter. Die Aufführung nahm zwei Tage in An-
spruch, das Personenverzeichnis umfasst 113 Nummern. Die Handhabung der dra-
matischen Form ist die zu jener Zeit in der Schweiz und im Elsass übliche; die
Gerichtsverhandlung wird besonders ausführlich dargestellt. —
Die Quelle von Tobias Stimmers „Comedia" (1580) hat Bolte31) in einer
Fabel des Burkhard Waldis nachgewiesen; für ein bei Stimmer vorhandenes komisches
Motiv, das bei Waldis fehlt, vermutet der Vf. direkte oder indirekte Entlehnung aus
einer italienischen Komödie.32"33) —
Die wichtigsten Daten aus dem Leben Johannes Tecklers hat Bolte34)
festgestellt; er hat dessen Schauspiel „König üauids und Michols Heyrat und Hoch-
zeit41 (1572) kurz charakterisiert. — Holstein35"36) berichtet über Balthasar
Thamms Spiel von der Märtyrerin Dorothea (1594) und über das Leben des
Hieronymus Tilesius (gest. 1566), eines eifrigen Vorkämpfers der Reformation, dem
wir bekanntlich die Erhaltung von Schernbergs Spiel von Frau Jutten verdanken. —
Die Reformationsdramen Martin Rinckharts werden in einer Dissertation
von Michael37) ausführlich besprochen. Er analysiert den Inhalt dieser Dramen
und weist nach, dass Rinckhart im „Indulgentiarius confusus" sich an Andreas Hart-
manns Curriculum vitae Lutheri sklavisch anschloss, dass er jedoch daneben auch
manches aus der gleichfalls auf Hartmann beruhenden Tetzelocramia Kielmanns ent-
lehnte. Alsdann wird die dramatische Technik Rinckharts sehr eingehend und ver-
ständig erörtert; allerdings würde dieser Abschnitt noch mehr gewonnen haben, wenn
der Vf. auch die Praxis anderer zeitgenössischer Dramatiker in ausgedehnterem Masse
zur Vergleichung herangezogen hätte. Besondere Erwähnung verdient die Kritik der
episodischen Situationsbilder, in denen Rinckhart noch am ehesten etwas von eigen-
artiger dramatischer Begabung zeigt, sodann die Besprechung der scenischen An-
weisungen, die, wie der Vf. mit Recht hervorhebt, uns interessante Einblicke in das
Bühnenwesen jener Zeit gewähren. Auch sucht er festzustellen, inwieweit Rinckhart,
der im grossen und ganzen auf dem Boden der Dramatik des 16. Jh. steht, durch die
mitten in seine Laufbahn fallende Opitzsche Reformbeweg-ung beeinflusst wurde. —
Um das Fortleben des geistlichen Volksdramas in Luzern wusste
man seit längerer Zeit. Es gedieh dort fröhlich noch bis in das 17. Jh. hinein.
Brand stet ter38), dem wir schon mehrere hübsche Mitteilungen über diese Spiele
verdanken, berichtet jetzt ausführlich über „die Aufführung eines Luzerner Osterspiels
im 16. — 17. Jh., teilweise nach neu aufgefundenen Quellen", die leider nicht genauer
bezeichnet sind. Er bietet uns damit einen höchst anziehenden und vergnüglichen
Beitrag zur Geschichte des Volksdramas. Die Aufführung umfasste den ganzen Zeit-
raum von der Schöpfung bis zur Ausgiessung des heiligen Geistes und nahm zwei
Tage in Anspruch. Nicht nur die dramatische Technik, sondern auch der Inhalt ist
Gericht Salornoais: VLG. 6, S. 1-36. — 30) G. Binz, Joh. Rassers Spiel v. d. Kinderzucht : ZDPh. 26, S. 480-93. (A. S(chul te):
ZGORh. 9, S. 192.]! (Vgl. II 5:35.) — 31) J. Bolte, D. Quelle v. Tob. Stimmers „Comedie" 1580: Euph. 1, S. 52 7. -
32) X A. Licht enheld, H. Kluibenschedl, Erzherz. Ferdinand II. v. Tirol als Schauspieldichter (JBL. 1S91 114:37):
ZUG. 44, S. 1801. (Rahmt, dass K. gezeigt habe, wie d. „Speculuiu vitae humanae" aus d Individ. d. Vf. entsprungen sei.)
— 33) X W. Saliger, F. Spengler, Mart. Bohemns (JBL. 1S93 II 4:31): Gymn. 12, S. 8301. — 34) J. Bolto, J. Teckler:
ADB. 37, S. 5256. — 35) H. Holstein, B. Thamni: ib. S. 6501. - 36) id., H. Tilesius: ib. 38, S 298 - 37) E.Michael,
(2)5*
II 4a : 38-39 II 4b : 1-7 K. Drescher, Hans Sachs.
noch ganz und gar mittelalterlich. Ueberall zeigen sich Analogien zu den erhaltenen
Spielen, so namentlich in den Passion sscenen und in den Magdalenenscenen, auch
kommen Scenen vor, die sonst nicht in deutschen, sondern nur in ausländischen
geistlichen Dramen nachweisbar sind, z. B. das Gespräch der Philosophen während
der Sonnenfinsternis am Tage der Kreuzigung. Für besondere scenische Effekte, z. B.
für den Mannaregen, sind ausführliche Anweisungen gegeben; der Riese Goliath trägt
über seinem wirklichen Kopf einen papierenen, den ihm David abschlägt. In diesen
Bühnenanweisungen, die auch durch Situationspläne verdeutlicht sind, ist manches
enthalten, was unbedenklich für die Erkenntnis des mittelalterlichen Bühnenwesens
verwendet werden kann. Selbstverständlich wurde die möglichste Naturtreue an-
gestrebt; nicht nur bei der Ermordung Abels, sondern auch bei der Beschneidung
Christi musste es so aussehen, als ob wirklich Blut flösse. Es wird berichtet, dass
„die Spectanten, nit nur die Katholischen, sunder ouch die vnkatholischen" höchlich
erbaut waren, und dass der Rat der Stadt jedem der Auswärtigen, die bei dem Spiele
mitwirkten, ein paar Hosen in den Farben der Stadt, blau und weiss, verehrte. —
Wer den interessanten Aufsatz nicht einsehen kann, dem wird der Auszug von Foss39)
gewiss sehr willkommen sein. —
b) Hans Sachs.
Karl Drescher.
Ausgaben und Neudrucke N. 1. — Handschriften N. 9. — Biographien N. 11. — Feier des 400jährigen Geburts-
tages: Festaufsätze und -aufführungen N. 15; Ausstellungen N. 53; Feier in Nürnberg N. 56; Festschriften N. 60. — Ein-
zelnes: Uebersichten N. 66; Stoffliche Untersuchungen N 68; Textgeschichte N. 76; Meisterlieder und Schwanke N. 80: Drama
N. 85; Sprache N. 87; äussere Lebensumstände und Zeitgenossen N. 90; Verhältnis zur Information N. 92: Nachfolger und
Nachleben N. 94. — Hans Sachs-Dichtungen N. 105. —
Das laufende Berichtsjahr, durch den 400jährigen Geburtstag zugleich ein
Jubiläumsjahr für unseren Dichter, brachte zunächst die Fortsetzung begonnener Hans
Sachs- A usgaben und -Neudrucke. Goetze1) veröffentlichte den 22. Band
der Tübinger Gesamtedition. Der Neudruck der fünf Foliobände war mit dem
21. Bande 1892 nach zweiundzwanzigjähriger Arbeit zu Ende geführt worden; der
vorliegende Band, dem noch ein zweiter nebst einem Registerband sich anschliessen
wird, enthält: 1. alle die Werke von Hans Sachs, die bei seinen Lebzeiten zwar
gedruckt, aber nicht in die Nürnberger Folioausgabe aufgenommen wurden; 2. die
Dichtungen, die entweder überhaupt noch ungedruckt oder nur vereinzelt aus den
Hss. veröffentlicht sind, so dass, dank der unermüdlichen Thätigkeit G.s, auch der
nicht in die Folioausgabe übergegangene und darum bisher schwer zugängliche Teil
der Hans Sachsischen Poesie jetzt als wissenschaftliches Material der allgemeinen
Forschung gewonnen ist. — Desgleichen folgte dem im vorigen Berichtsjahre er-
schienenen ersten Bande (JBL. 1893 II 3 : 20)'2) der zweite, abschliessende Band der
von Goetze3) herausgegebenen Sondersammlung der Hans Sachsischen Fabeln und
Schwanke in Spruchgedichtform. Der Text beruht auf den Originalhss., wo diese
nicht mehr vorhanden, auf Einzeldrucken und, wo auch diese versagten, auf der Folio;
beigefügt sind reiche litterarische Nachweise sowie Nachträge zum ersten Bande.
So steht auch dieses bei Hans Sachs besonders interessante Dichtungsgebiet jetzt
stofflich und textlich in möglichst ursprünglicher Form der Forschung offen.4)
— Die sonst noch erschienenen Neudrucke einzelner Dichtungen sind mehr populären
Charakters und schon durch das Hans Sachsjubiläum veranlasst. Von den beiden
Heftchen der Meyerschen Sammlung5"6), beide mutatis mutandis mit der gleichen
Vorrede, enthält das eine drei Fastnachtspiele („Heiss Eisen", „Narrenschneiden",
„Tote Mann"), das zweite zwanzig ausgewählte Spruchgedichte. Die modernisierte
Form entfernt sich weiter, als in der Vorrede behauptet wird, von dem Originaltexte;
denn durch die Aenderungen ist die festgelegte Silbenzahl des Hans Sachsischen
Verses gestört, und wir lesen einen freien Knittelvers nach Goetheschem Muster. —
Umgekehrt hat Burchard7), der die Fastnachtspiele „Frau Wahrheit will niemand
M. Rinckhart als Dramatiker. Diss. Leipzig. 82 S. — 38) E. Brandstetter, D. Aufführung e. Luzerner Osterspiels:
GFröO. 48, S. 277-336. — 39) ß. Foss, E. Luzerner Osterspiel: ZDU. 8, S. 244-50. —
1) Hans Sachs. Her. v. A. v. Keller u. E. Goetze. (JBL. 1892 II 4:36.) Bd. 22. Her. v. E. Goetze. (= BLVSt.
N. 201.) Tübingen, Selbstverl. d. Ver. 572 S. (Nur für Mitglieder.) — 2) X R- Gen6e, Z. Hans Sachs-Forsohung u.
-Litteratur: NatZg. 1893, N. 579. — 3) (II 3:22.) |[A. v. Weilen: ZOG. 45, S. 786/7; RCr. 38, S. 208.] | - 4) X (= JBL. 1893
1 10:28.) — 5) H. Sachs, Drei Fastnachtsspiele. (= Meyers Volksbücher N. 1073.) L., Bibliogr. Inst. 50 S. M. 0,10. —
6) id., Ausgew. Gedichte. (= ebda. N. 1074/5.) 108 S. M. 0,20. |[H. C. K.: LZg». N. 132.JI — 7) G. Burchard, Hans
K. Drescher, Hans Sachs. II 4b : 8-u
beherbergen" und den „Fahrend Schüler im Paradies", sowie die „Tragödie von der
Lisabethe" bearbeitete, den Charakter des Hans Sachsischen Verses besser gewahrt;
doch hat seine mehr glättende Bearbeitung trotz entschieden hervortretenden
Formtalentes manches Frische, Urwüchsige aus dem Original entfernt. —
Den Lobspruch der Stadt Salzburg giebt Hau eis8) nach einem Facsimile
der Hs. mit litterarischen und historischen Erläuterung*en heraus. Hervorzuheben
ist der wohl gelungene Nachweis, dass die Einkleidung des Gedichts nicht bloss
eine poetische Fiktion ist, sondern Lebensumstände des Salzburger Druckers Hans
Baumann enthält. Diese Beobachtung ist für die Beurteilung der Einkleidung anderer
Gedichte von Wert. Falsch gelesen ist Vers 112 guonst: Kuonst, für guenst: Kuenst;
die erste Form ist sprachlich unhaltbar und findet sich nie bei Hans Sachs. —
Auch Handschriften des Dichters sind wieder neu aufgefunden worden.
Mummenhoff9) stellte fest, dass die auf der Nürnberg-er Stadtbibliothek befind-
liche, unter dem Namen des Schlossergesellen Paul (richtig Barthel) Weber gehende
Meisterliederhs. bis auf das letzte Gedicht Ms. des Hans Sachs sei, für Barthel
Weber g*eschrieben. Sie enthält bis auf zwei auch ausschliesslich Meisterlieder des
Hans Sachs, darunter 40 aus verlorenen Meistergesangbüchern. Die Original-An-
kündigung dieses erfreulichen Fundes durch den Finder hätte aber einen besseren
Platz verdient, als eine belletristische Zeitschrift in diesem Falle zu bieten vermag. —
Ferner fand Goetze10] in Weimar ein die J. 1555 — 61 umfassendes Protokollbuch
der Nürnberger Singschule, das Hans Sachs in seiner Thätigkeit als Merker auf-
gezeichnet hatte. Es enthält für jede Singschule die Angabe ihres Datums, die
Namen der Singer, die von ihnen gesungenen Töne, den Anfangsvers jedes Liedes,
die Namen der Gewinner, ihre Preise, die Höhe des übrig gebliebenen Schulgeldes.
Bloss einiges aus den reichhaltigen Aufschlüssen, die jener Fund zu geben im stände
ist, hat G. selbst hervorgehoben; er weist nur hin auf den beherrschenden Einfluss,
den die Hans Sachsische Dichtung auf die Wahl der damals an der Singschule vor-
getragenen Lieder hatte, und auf die glückliche Art, wie sich diese Singprotokolle
mit den Ratsverlässen über die Theateraufführungen der Meistersinger (vgl. V. Michels :
VLG. 3, S. 34— 42) ergänzen, das Weitere jüngerer Forschung überlassend. —
Auch Hans Sachs biographien sind durch das bevorstehende Jubiläum
angeregt.11) Als erste, sogar noch rechtzeitig zum Weihnachtsfeste 1893, erschien
Gene es12) weitangelegtes Buch, das wissenschaftlichen Anspruch erhebt und daher
auch mit wissenschaftlichem Massstab zu messen ist. Der Vf. wollte zugleich ein
Kultur- und ein Lebensbild aus der Zeit der Reformation geben, weil er aber zu viel
gewollt, ist er mit seiner Absicht gescheitert. Keiner der beiden Teile seiner selbst-
gestellten Aufgabe ist auch nur annähernd erschöpfend behandelt, sie drücken und
stören einander, statt sich entsprechend zu ergänzen. Bei dem „Kulturbilde" tritt
das kunsthistorische Element viel zu einseitig hervor, bei dem „Lebensbilde" gelangt
G. in keiner Weise über schon vorher Gangbares hinaus. Im Einzelnen sind G.s
Angaben vielfach unrichtig (vgl. z. B. die Ausführungen über die Versammlungsorte
der Meistersinger S. 109, die Bemerkungen über die Fastnachtsspiele S. 335, 343 usw.).
Am schlimmsten aber ist es bestellt mit G.s Lesungen, die ungenügende Sprach-
kenntnis zeigen, der „buchstabengetreue" Abdruck des „Wunder barlich träum etc."
(S. 434/9) wimmelt von Fehlern. Das Beste an dem Buche sind die zahlreichen
Illustrationen, von denen G. selbst verschiedene geliefert hat. Sie geben dem Ganzen
ein gefälliges Aussehen; dazu ist die Darstellung gerne mit kleinen anekdotenhaften
— wenn auch unhistorischen — Zügen verbrämt. Beides gefällt aber dem grossen
Publikum, und so kommt es, dass hier die Aufnahme günstig war, während die
Fachkreise sich ablehnend verhielten.— Eine populäre Darstellung verfasste Mummen-
hoff13) gemäss einem Auftrage der Stadt Nürnberg. Der Zweck dieser liebenswürdigen
Arbeit wird durch die fassliche und doch gediegene Darstellung, durch die gut ge-
wählten Illustrationen und den billigen Preis vollkommen erreicht. — Auch die
Schrift von Schumann14) erfüllt ihren Zweck, wenn sie auch hinter der eben ge-
nannten bedeutend zurücksteht. —
Sachs-Dramen nebst e. Festspiel. B., Fontane & Cie. 77 S. M. 1,00. — 8) (II 3:26.) — 9i F. Mummenhoff, E. wieder-
entdeckter Hans Sachs-Codex: SchorersFamilienbl. 15, S. 44/5. (Vgl. auch AKünstlerSchriftstZg. 1S93, S. 140; FränkKur. 1893,
N.446 [nach d. t. Mnmmenhoff d. Stadtmagistrat zu Nürnberg eingereichten Gutachten].) — 10) (II 2:26.) — 11) X V. Kiy,
Hans Sachs. Sein Leben n. Wirken (JBL. 1893 U 4 : 26). L.. Scholtze. 1893. 85 S. Mit 1 Portr. M. 0,60. [A. Paul:
COIRW. 21. S. 572,3; Paed. 15, S. 804; K. Drescher: Euph. 1, S 806.JI — 12) R. Genee, Hans Sachs n. seine Zeit. E.
Lebens- n. Knltnrbild ans d. Zeit d. Reformation. L., J. J. Weber. X, 524 S. M. 10,00. |[K. Fr(enzel): NatZg. 1893,
N. 662, 712; R. B.: LZg". 1893, N. 288; A. Bartels: Didask. 1893, N. 284; E. R.: FränkKur. 1893, N. 640; KZg. 1893, N. 1031 ;
O.: MünchNN. 1893, N. 558; M S.: N*S. 69, S. 406.8 (mit Abbild.); R. Friedrich: BLU. S. 689-92; Zeitgeist N. 6 ;
K. 0.: ThLB. 17, S. 42; M. Herrmann: DLZ. S. 809-11 (scharf abweisend); K. Drescher: Euph. 1, S. 8016 (weist
im einzelnen d. Mängel d. Buches nach) ; LCB1. S. 439-40 J| (Vgl. III: 85.) — 13) E. M u m m e n h o f f , Hans Sachs. Z. 400 j. Geuartsjubil.
d. Dichters. Im Anftr. d. Stadt Nürnberg. Nürnberg (F. Korn). 142 S. Mit Abbild. M. 0,50. |[H. Josephson: ThLB. 17,
S. 242.]; — 14) G. Schumann, Hans Sachs. Nach seinem Leben u. nach seinen Dichtungen für d. dtsch. Volk dargest.
11 4b : 15-54 K. Drescher, Hans Sachs.
In den Landen fand weithin eine Feier des 400jährigen Geburts-
tages unter den mannigfachsten Veranstaltungen statt. Aus der Flut von Fest-
aufsätzen, Erinnerungs- oder Gedenkblätternl5~47a) hebe ich nur die eindringende
Charakteristik Erich Schmidts 48), die literarhistorische Würdigung Max
Kochs49) und den, den Dichter unserem modernen Empfinden nahe bringenden,
Vortrag von Minor50) heraus. — Ein schon früher gehaltener, doch erst im laufen-
den Berichtsjahre gedruckter Vortrag von Thimm51), den ich hier anschliesse, ist
ohne jede Bedeutung. — Eine Reihe von Theatern veranstalteten Festaufführungen:
so öffnete das Burgtheater52) seine klassische Stätte Hans Sachsens volksmässiger
Dichtung und liess auf Goethes in Handlung umgesetztes Gedicht „Plans Sachsens
poetische Sendung" vier Fastnachtspiele folgen („Frau Wahrheit will niemand be-
herbergen", „Der Teufel mit dem alten Weib", „Der fahrende Schüler im Paradies",
„Der Tod im Stock"), die weit über die Feststimmung hinaus den Beifall des Publikums
fanden. An anderen Orten brachte man Hans Sachs selbst als handelnde Person auf
die Bühne, in München und Weimar ward Greifs „Hans Sachs" (vgl. N. 109) auf-
geführt, in Berlin Genees Gelegenheitsdichtung (vgl. N. 110), ebenso — doch in
anderer Fassung — in Nürnberg zur Vorfeier des Hans Sachstages, zusammen mit
dem Fastnachtspiel „Frau Wahrheit will niemand beherbergen". —
Besonders anschaulich verkörperte sich die Erinnerung an unseren Dichter
in verschiedenen Hans Sachs-Ausstellungen. Die Hof- und Staatsbibliothek53) in
München, die schon früher die König Ludwig-Centenarausstellung und jüngst eine
Orlando di Lasso-Ausstellung veranstaltet hatte, bot eine vortrefflich zusammengestellte
Sammlung der verschiedensten auf Hans Sachs bezüglichen Dokumente, die 262
Nummern umfasste. Das ganze Material war in vier Abteilungen geordnet. Die erste
beschäftigte sich mit Hans Sachsens Leben und enthielt Ansichten und Werke über
Nürnberg im 15. und 16. Jh., biographische Dichtungen aus den verschiedenen
Lebenszeiten, Urteile von Zeitgenossen, Porträts des Dichters. Zum ersten Male ward
hierbei eine bisher unbekannte Medaille auf Hans Sachs aus dessen letzten Lebens-
jahren ausgestellt, deren Abbildung auch das Titelblatt des Kataloges ziert. Sie trägt
die Umschrift „Hans Sachs poet zu Nurmb", eine wissenschaftliche Besprechung des
auch künstlerisch wertvollen Stückes wird in den Mitteilungen der Bayerischen
Numismatischen Gesellschaft vorbereitet. Die zweite Abteilung umfasste Dichtungen
— bei dem Abschnitt Meisterlieder hatte die Dresdener Kgi. Oeffentliche Bibliothek
mit zwei Bänden Originalhss. ausgeholfen — und Gesamtausgaben; in der dritten
war der höchst interessante Versuch gemacht, auf Grund seine» eigenhändigen Ver-
zeichnisses Hans Sachsens Bibliothek zu rekonstruieren; die letzte Abteilung zeigte
Hans Sachs im Andenken der Nachwelt. — In der Weimarer Ausstellung, über die
Ruland54) nach ihrer Beendigung berichtete, ging man darauf aus, der jetzt leben-
(Billige Jubil.-Ausg.) Neuwied u. L, Heuser. 239 S. Mit Portr. M. 1,50. |[K. Drescher: Euph. 1, S. 806.] I — 15) X
H. C. Kellner, Hans Sachs: LZgB. N. 132. — 16) X A- v- Weilen, Hans Sachs u. Wien: MontagsR. N. 45. (Dichtungen
d. Hans Sachs, d. mit Wien in Bezieh, stehen.) - 17) X L- Hfevesl i, Hans Sachs: FrBJW. N. 303. — 18) X M. Osborn,
Hans Sachsens poet. Sendung: VossZgB. N. 518. (Würdig, d. hist. Stellung d. Dichters.) — 19) X A. v. Hanstein, Hans
Sachs: Didaslt. N. 259. — 20) X V. Joss, Hans Sachs. B. Charakteristik: DDichterheim. 14. N. 24. - 21) X 8. M. Prem
Z. Hans Sachs-Jubil.: Bote für Tirol u. Vorarlberg N. 253/4. (Sucht in e. Abschweifung e. Aufenthalt d. Hans Sachs in Tirol
u. Innsbruck aus Gedichteingängen nachzuweisen.) — 22) X E- Strater, Hans Sachs: Post N. 303. — 23) X !•■ Bösel,
Hans Sachs: Sammler v. N. 130. — 24) X L- Holthof, Hans Sachs: FZg. N. 306. — 25) X L- k. Hans Sachs: MünchNN.
N. 509. - 26) X Hans Sachs: SchwäbKron. N. 258. - 27) X V. Kiy, Hans Sachs. E. Gedenkbl : KZg. N. b95. — 28) X
H. W[ittma]nn, Hanns (!) Sachs: NFPr. N. 10848. — 29) X B- ▼• Gottschall, Z. Hans Sachs-Jubil.: SchlesZg. N. 774.
— 30) X Fr. Freyert, Hans Sachs. E. Lebensbild aus d. Reformationszeit: WeserZg. N. 17 218/9. — 31) X J«l- Hart,
Hans Sachs: TglRs« N 259-60. — 32) X J- La n d au , Hans Sachs: BerlBörsCour. N. 51S. — 33) X H. Jan nk e , Hans
Sachs: Bär 20, S. 525/8, 538-40, 652/5, 561/3. — 34) X K- Ki nz e • > Hans Sachs, d. Volkssänger d. Reformation: Daheim 30,
S. 776/9. (Mit Abbild.) - 35) X Le quatrieme centenaire de Hans Sachs: BURS. 64, S. 627-30 (Erfreut durch gesunde
Wertschätz., in Einzelheiten jedoch zu berichtigen.) — 36) X R- Friedrich, Hans Sichs. Z. 5. Nor. : BLU. S 689-92.
— 37) X H. B oesch, Hans Sachs. E. Gedenkbl.: Gartenlaube S. 732,7. (Mit Abbild.) — 38) X G- Z[ielerJ, Hans Sachs:
NorddAZg. N. 518. - 39) X R. G e n 6 e , E. dtsch. Mann: Hans Sachs: lllZg. 103, S. 506,7. (Vgl. JBL. 1893 II 4:25.) —
40) X Gedenkbl. z. Feier d. 400. Geburtst. d. Nürnb. Meistersängers Hans Sachs, dargebr. v. Vorst d. Goethever. zu Zwickau.
(= Mitteilungen N. 6.) (D. Festartikel ist d. LZgB. [vgi N. 132J entnommen.) - 41) X Fr- Amerlan, Hans Sachs. E.Lebens-
bild. Nürnberg, Raw. 4°. 16 S. Mit 15 Abbild. M. 0,20. (= Hans Sachs-Kai. für 1895 [Nürnberg, J. Th. Raw. 4».
76 S Mit Abbild. M. 0,50], S. 17-25. Entliält ausserdem noch d. Erzählung von e. Zechprellerei in Erfurt nach e Meistergesang
d. Hans Sachs; in ganz unzulässiger Weise wird das dort Erzählte als hist. Erlebnis d. Dichters behandelt.) - 42) X Hans
Sachs: Pfarrhaus 10, S. 1723. - 43) X O. S., Hans Sachs: DB11EU. 21, S. 376/8. — 44) X O Lyon, Z. Hans Sachsens
400j. Geburtst.: ZDU. 8, S. 767-70. (Bespr. auch anerkennend Goetzes Ausg. d. Fastnachtsspiele u. Schwanke, sowie M.Greifs
„Hans Sachs".) - 45) X E. Van derstetten, Hans Sachs: DBühneng. 23, S. 362;4. — 46) X C. Weit brecht. Rede z.
Hans Sachs- Feier d. Litt. Klubs Stuttgart, geh. am 3. Nov. 1894: SchwäbKron. N. 261. — 46 a) X z- 400j Geburtst. d.
Dichters Hans Sachs: AELKZ. 27, S. 1061/7. (ib S. 1013 Abdr. d. Liedes v. Hans Sachs: Wach' auf, meines Herzens Schöne;
vgl. II 6:198.) — 47) X ^ Bardachzi, Hans Sachs. E. Bild d. Lebens u. Wirkens d wackeren Meistersängers z. 400 j. Ge-
denkfeier seiner Geburt. (— SGV. N. 194) Prag, Haerpfer. 27 S. Mit Bild. M. 0,40. — 47a) X (W 3:27.) - 48) Erich
Schmidt, Hans Sachs. E. Gedenkbl.: DRs 81, S. 297-304 — 49) Max Kooh, Zu Hans Sachsens Geburtst.: BayreuthBll. 17,
S. 376/9. — 50) J. Minor, Hans Sachs. Vortr. geh. z. 400 j. Jubil. d. Geburtst. d. Hans Sachs: WienZg. N. 255. — 51) R.
Thimm, Hans Sachs. (= 1 2:12, S. 112-34.) (Abdr. d. Gedichte „Sanct Peter mit d. geiss" u. „Der zipperlein u. d. spinn".)
— 52) X !"• H[eves]i: FrBIW. N 305 (lobend); Zeit N. 6 (vermisst d. erforderl. stilgemässe Inscen.) — 53) Hans Sachs -
Ausstell. d. kgl. Hof- u. Staatsbibl. 31. Okt. -15 Nov. 1894 Z. 400. Geburtst. d Nürnbergischen Dichtors 2 verm. u. verb.
Aufl. München, Bruckmannsche Buchdr. 16 S. [F. Boll: MünchNN. N. 504/5.]| (Nicht im Handel.) — 54) C. Ruland,
K. Drescher, Hans Sachs. ll 4b i 55-69
den Generation ein Bild der äusseren Erscheinung und der Thätigkeit des Dichters zu
geben, und man hatte daher eine Reihe von Porträts des Hans Sachs sowie Hss.
von ihm selbst und seinen Singgenossen beigebracht, darunter manches bisher noch
Unbeachtete, wie einzelne Bände der Nürnberger Singschulprotokolle. Die dritte Ab-
teilung (Werke von und über Hans Sachs) enthielt u. a. Goethes Reinschrift von
„Hans Sachsens poetischer Sendung*" für die erste Gesamtausgabe aus dem Goethe-
Schillerarchiv. Die Ausstellung hat gezeigt, dass Weimar vor anderen Orten wertvolle
Reliquien und reiches Material für die Erforschung der Geschichte des Nürnberger
Meistergesanges besitzt.55) Auch Nürnberg hatte in der Jubiläumswoche aus Be-
ständen der Stadtbibliothek und des Germanischen Museums in der Katharinen-
kirche, dem letzten Versammlungsort der Meistersinger, eine Hans Sachsausstellung
veranstaltet. —
Am umfassendsten gedacht und am glanzvollsten ausgeführt war naturgemäss
die Feier in des Dichters Vaterstadt56), in Nürnberg. Sie begann am Vorabend
mit einer Aufführung im Stadttheater (vgl. N. 52), zu der noch eine (wirkungslos
gebliebene) Dilettantenaufführung von Greifs „Hans Sachs" durch den Verein „Urania"
kam, und einem Fackelzug und Huldigung vor dem mit einer Rosenlaube umgebenen
Denkmal des Dichters. Die Hauptfeier am folgenden Tage brachte zunächst den
akademischen Festaktus im Rathaus, bei welchem Goetze57) die Festrede hielt.
Mit liebevoller Vertiefung in seinen Gegenstand zog G. die Summe seiner
jahrelangen Beschäftigung mit dem Dichter und führte ihn in den verschiedenen
Seiten seines Wesens, in seiner reformatorischen, politischen und poetischen Sendung
vor. Auf weitere Forschungen weisen die Bemerkungen über die Meistergesänge
hin. Wenn auch nicht sämtliche gedruckt werden können, so bietet doch eine
entsprechende Auswahl eine ebenso notwendige wie wertvolle Ergänzung der Spruch-
gedichte. Auch den Ausführungen über Hans Sachsens führende Stellung in der
Entwicklung des deutschen Dramas ist ausdrücklich beizupflichten. — Der Festrede
folgte der glänzende und in allen Teilen gelungene Festzug58), der Idee nach von
Mummenhoff entworfen und vom Direktor der Nürnberger Kunstschule. Hammer,
ins Werk gesetzt. Er stellte das Nürnberg des 1(5. Jh. in seinen verschiedenen Beziehungen
zu Hans Sachs dar. Nachmittags folgten Dilettantenaufführungen zweier Fast-
nachtspiele („Fahrend Schüler in Paradies", „Krämerskorb"); der Abend brachte im
Stadttheater Wagners „Meistersinger" in ungekürzter Wiedergabe und überfüllte
Festversammlungen in den fünf grössten Sälen der Stadt.59) —
Unter den Festschriften wissenschaftlichen Inhalts steht wiederum das
Nürnberger Sammelwerk voran. Mit seiner Herausgabe war Stiefel60) betraut, der
sich mit grosser Mühewaltung in verhältnismässig kurzer Zeit der Aufgabe entledigte.
Es liegt vor uns ein stattlicher Band, enthaltend dreizehn grössere und kleinere
Abhandlungen verschiedensten Inhalts mit Hans Sachs als gemeinsamem Mittelpunkt.
Leider fehlt ein geeignetes Vorwort, da sich Weinhold61) mit einem ganz kurzen
Referate über die eingegangenen Arbeiten begnügte. — Herausgeber und Verleger
der Zeitschrift für vergleichende Literaturgeschichte62) widmen aus dem laufenden
Jahrgange ihrer Zeitschrift die verschiedenen Hans Sachs- Arbeiten, gesondert gedruckt,
als Festgabe. — Hartmann63) und S u p h a n64) bringen selbständig ihre Arbeiten,
Kön necke65) veranstaltet einen Abdruck des Hans Sachs-Abschnittes aus seinem
vortrefflichen Bilderatlas. —
Im einzelnen hat unsere Kenntnis Hans Sachsens manche Vermehrung
erfahren, wenn auch das Gesamtergebnis nicht so reich ist, wie man wohl hoffen
durfte. Eine allgemeine Uebersicht über die Hans Sachs-Litteratur 66) des letzten
Lustrums wollte Bechstein67) geben, doch nahm ihm mitten in der Arbeit der
Tod die Feder aus der Hand.67a) —
Stoffliche Untersuchungen bietet zunächst Stiefel68), der in
eingehender Abhandlung über die Quellen der Fabeln, Märchen und Schwanke der
Nachträgliches z. Hans Sachs-Feier: WeimarZg. N. 276. (Auch selbständig gedr., 10 S.; nicht im Handel.) — 55) X Hans
Sachs, v. ihm n. über ihn. Z 5. Nov. 1894 Kat. N 438 (214 Nummern mit seit Werken.) Frankfurt a. M., Jos. Baer & Cie.
16 S. — 56) Reihenfolge d. Festlichkeiten z. 400j. Geburtstagsfeier unseres Nürnberger Dichters Hans Sachsam 4. u. 5. Nor. 1894.
Nürnberg (Raw). 8 S. M. 0,15. — 57) E. Goetze, Hans Sachs-Festrede, ebda. 23 S. Mit 2 Abbild. M. 0.50. — 58)
Hist. Festzug z. Erinnerungsfeier an d. 4'H) j. Geburtst. d. Nürnb Meistersingers u. Volksdichters Hans Sachs am 5. Nov. 1894
zu Nürnberg, ebda. 16 X 361 cm- Mit 1 Bl Text. M. 1,00. - 59) X V- Valentin, D. Nürnberger Hans Snchs-Feier: DWB1. 7,
S. 572/4, 586/7. (Auch: M. N[ecker]: NFPr. N. 10852; Th. Hampe: WeserZg. N. 17 224; M. Schü ssler: IllZg. 103, S. 558;
A. Holzbock: Bühne u. Leben 2, S. 6003.) — 60) (II 2 : 27.) - 61) K. Weinhold, Vorwort (= N. 60, S. III-VI.) - 62)
Festschrift z. Hans Sachs-Feier gewidm. v. Her. u. Verl. d. ZVLR. ( = ZVLR. 7, S. 402-74.) Weimar, Felber. 77 S. M. 1,50.
— 63) (II 2:23.) — 64) B. Suphan, Hans Sachs in Weimar. Gedr. Urkk. z. 400. Geburtst. d. Dichters aufs neue her.
Weimar, Böhlau. 8°. 44 S. M. 0,70. |[T.: NatZg. N. 610]| - 65) [G. Kön necke ], Z. Feier d. 5. Nov. 1894, d 400. Geb.
d. Hans Sachs (Aus: G. Könnecke, Bilderatlas z. Gesch. d. dtsch. Nat.-Litt.) Marburg, Elwert. Fol. 8 S. Mit 27 Abbild.
M. 0.60. |[H. C. K(ellner): LZgB. N. 132.J| — 66) X Rob- Schneider, K. Kinzel, Hans Sachs (JBL. 1893 1 7 : 56; 114:28):
COIRW. 22, S. 100. - 67) K. Bechsteii. , Hans Sachs-Litt. im letzten Lustrum: ZVLR 7. S. 417-38. (Auch selbständig in
N. 62, S. 20-41.) — 67») X (I 3 : 152) — 68) A- L Stiefel, Ueber d. Quellen d. Fabeln, Märchen u. Schwanke d. Hans
II 4b: 68-78 K. Drescher, Hans Sachs.
Hans Sachs-Forschung* zahlreiche neue Bausteine liefert. Mit grosser Belesenheit ist
das weite schwierige Gebiet durchstreift; es werden nicht nur die Quellen weitaus der
meisten Stücke nachgewiesen, sondern auch darüber hinausgehend für die ver-
gleichende Literaturgeschichte zahlreiche Verzweigungen aufgedeckt. Manche
Parallele freilich wird man nicht für zwingend ansehen und die Frage: Woher?
darum noch nicht als beantwortet erachten ; auch sind die aufgestellten Vermutungen
nicht durchweg wahrscheinlich. So bleibt manches noch weiterer Erörterung vor-
behalten, was übrigens bei der Schwierigkeit dieser leicht zerfliessenden Untersuchung
nicht wunder nehmen kann. Prinzipiell wichtig wäre der beim „Schmied zu Rom" (Phocas)
nur erst begonnene Nachweis, dass Hans Sachs Geschichten, die er ohne Namen der
handelnden Personen fand, auf eigene Faust auf bekannte Persönlichkeiten übertrug.
Es wäre besonders bei der Untersuchung darauf zu achten, ob nicht vielleicht
ähnliche Motive ihm bei der Uebertragung, wie in obigem Falle, einen bestimmten
Weg gewiesen haben. — Der kleine Nachweis der Quelle zur „Engelhut" von
einem Anonymus69) hätte sich besser in die grosse Arbeit von Stiefel eingegliedert.
— Das Verhältnis des Hans Sachs zu dem Chronisten Albert Krantz bespricht
G o 1 1 h e r 70), doch berücksichtigt er nur das in der Folioausgabe vorhandene Material.
Und auch hier eilt er an den Spruchgedichten rasch vorüber, um sich hauptsächlich
mit den beiden Dramen „Rosimunda" und „Hagbart und Signe" zu beschäftigen, so
dass die Arbeit der Vollständigkeit und auch der erschöpfenden Behandlung entbehren
muss. — Speciell über die Bearbeitung des Nibelungenstoffes handelt Wunderlich71)
mit Ausblicken auf die modernen Bearbeitungen von Raupach, Geibel, Uhland,
Fouque, Fr. L. Hermann, R. Wagner. — Den Gesamteinfluss Boccaccios auf die
Dichtung des Hans Sachs darzustellen hat sich Drescher72) zur Aufgabe
gemacht, und er führt in einer ersten, mehr, einleitenden Abhandlung die Untersuchung
bis in den Anfang der vierziger Jahre. Boccaccio steht sowohl im Meistergesang
wie auch in der Spruchdichtung mit am Eingang der Hans Sachsischen Produktion,
und immer wieder ist Hans Sachs zu dieser gewaltigen Fundgrube für seine poe-
tischen Stoffe und seine Kenntnis des Altertums zurückgekehrt. Es lässt sich ver-
folgen, wie mancher Stoff und mancher Name allmählich zum eisernen Bestände
seiner Dichtung und Bildung wird. Ebenso knüpft sich an Boccaccios Namen ein
bedeutender technischer Fortschritt im Fastnachtspiel: die Einführung des Orts-
wechsels, und so ist auch die Frage zu berücksichtigen, in wie weit die Bearbeitung
der handlungsreicheren Novellen Boccaccios auf Hans Sachsens dramatische Technik
weiterbildend gewirkt hat. — Mac Mechans Arbeit, welche diese Frage schon hätte
berühren müssen, bespricht nachträglich Drescher73). — Ausserdem sind noch
zu erwähnen Stiefels74"75) Besprechung von Dreschers Studien zu Hans Sachs
(JBL. 1891 II 4:25; 1892 II 4:40/1) und dessen Bemerkungen zum fünften Fastnacht-
spiel, in denen er neben der Benutzung der Frankschen auch die Heranziehung
von Wimphelings Uebersetzung des Beroaldus durch Hans Sachs nachweist. —
Verschiedentlich hat die Geschichte des Hans Sachsischen Textes die
Forschung angeregt. Das Verhältnis der ersten Folioausgabe zu den Spruchbüchern
sucht Drescher76) festzustellen. D. beschäftigt sich zunächst mit dem ersten
Foliobande und stellte als Vorarbeit für dessen Vergleichung mit den Hss. zunächst
den Inhalt der drei ersten (verlorenen) Spruchbücher fest, wobei sich ergab, dass ein
erstes Meistergesangbuch und ein erstes Spruchbuch gesondert nicht existierten, dass
vielmehr der erste Gedichtband Meisterlieder und Spruchgedichte zusammen in fort-
laufender Paginierung enthielt, und zwar gehörte die erste Hälfte des Bandes den
Meisterliedern, die zweite den Spruchgedichten. Der Nachlass des Hans Sachs
bestand somit nicht aus 34, sondern nur aus 33 Bänden. Die Untersuchung selbst
ergab, dass zunächst der erste Folioband das Werk bewusster, innerhalb der Grenzen
seines Talentes und Könnens auch nach Besserung strebender Redaktion des Dichters
selbst ist, dass ihm also gegenüber den Spruchbüchern eine selbständigere Stellung
gebührt, als er bisher einnahm. — Goetze77) berichtet nochmals zusammenfassend
über die Schicksale der noch erhaltenen 18 Gedichtbücher, giebt aus seiner reichen
Erfahrung Winke zur Vermeidung von Irrtümern bei Wiedergabe der Hans Sachsischen
Hss. und zeigt an einer Reihe von Beispielen, wie der Originaltext Fehler des
Druckers beseitigen hilft. — Als Vorarbeit einer Untersuchung über Stichreim und
Dreireim bei Hans Sachs unterwirft Herrmann'8) die textgeschichtliche Stellung-
Sachs. (= N. 60, S. 33-192.) — 69) (II 3:25.) - 70) W. Golther, Hans Sachs u. d. Chronist Albert Krantz. (= N. 60,
S. 263-77.) — 71) H. Wunderlich, Hans Sachs U. d. Nibelungendrania. (= N. 60, S. 233-62.) — 72) K. Drescher, Hans
Sachs u. Boccaccio. I.: ZVLR. 7, S.402 15. (Selbständig in N. 62, S. 5-19) — 73) id., Mac Mechan, The relation of Hans Sachs
totheDecameron. (Diss. Halifax. 1889. 81 S.): LBIGRPh. 15, S. 5/6. (D. tadelt d. Aensserlichkeit d. Untersuch.) — 74) A. L. Stiefel:
ZVLR. 6, S. 145/9; M. Rachel: ZDFli. 26, S. 272/5. — 75) A. L. Stiefel, Z 5. Fastnachtsspiel d. Hans Sachs: ZVLR. 6, S. 406/7.
— 76) K. Drescher, D. Spruchb&cher d. Hans Sachs u d. erste Folioausg. (= N. 60, S. 209-52.) — 77) E. Goetze, D.
Hss. d. Hans Sachs. (— N. 60, S. 193-208.) — 78) M. Herrmann, Stichreira u. Dreireira bei Hans Sachs u. anderen Drama-
K. Drescher, Hans Sachs. II 4b : 79 87
des Dramen Verzeichnisses im Generalregister einer erneuten Prüfung"; er kommt zu
dem Resultat, dass dieses den letzten erhaltenen Rest einer verloren gegangenen
älteren Dramensammlung darstelle und gegenüber den Reinschriften der Spruchbücher
älteren Stand aufweise. Aber H.s scheinbar so glückliches Resultat wird trotz des
aufgewendeten Scharfsinnes hinfällig durch den methodischen Fehler, dass der hs.liche
Text in den einzelnen Spruchbüchern, die Nachträge zu einer Reihe von Dramen am
Schlüsse und das jeweilige Sonderregister eines jeden Bandes nicht in der erforder-
lichen Weise berücksichtigt und auseinandergehalten sind. Auch enthalten ein-
zelne Angaben trotz der Gewissenhaftigkeit, auf die H. ausdrücklich hinweist,
Rechenfehler, die wesentliche Folgerungen wieder aufheben. Auf Grund seines
Resultates zieht H. für die Hauptuntersuchung bloss diejenigen Dramen heran, die im
Generalregister mit der nämlichen Verszahl notiert sind wie in den Spruchbüchern
(oder eventuell der Folio). Da nun H., wie bemerkt, die verschiedenen Stellen der
Verszählung innerhalb der Spruchbücher nicht richtig auseinanderhielt, sein Resultat
somit ein unhaltbares werden musste, so ist auch die vorgenommene Aussonderung
nicht berechtigt. — Für die Druckgeschichte von Interesse ist die Mitteilung, dass
sich ein sehr seltener Hans Sachs-Druck, die „Beschreibung aller Stand" von 1568
zu Frankfurt a. M. im Privatbesitz befindet79). —
Die Bedeutung der Meisterlieder und Schwanke Hans Sachsens
hebt Bolte80) in einer Sitzung des Vereins für Volkskunde hervor und macht
dabei die interessante Bemerkung, dass der historische Tintenfleck auf der Wartburg,
der erst 1796 in der Litteratur auftaucht, sich schon 1602 bei den Meistersingern in
einem Liede Deisingers findet. Der Schauplatz ist aber hier noch Wittenberg, und
nicht Luther wirft hier das Tintenfass nach dem Teufel, sondern umgekehrt der
Teufel nach Luther. — An anderer Stelle druckt Bolte81) 18 aus Volksüberlieferung
geschöpfte und darum stofflich besonders interessante Märchen und Schwanke in
Meisterliedform ab, unter denen 11 von Hans Sachs gedichtet sind. Die beigegebenen
Anmerkungen und Verweisungen gehören der Stoffgeschichte an. — Aus Hss. in
Pest, die ursprünglich aus Nürnberg stammen, gewinnt Hartmann82) eine Reihe
Namen von Meistersingern des 16. und 17. Jh. nebst deren Gedichten und zugehörigen
Tönen. Das Ganze ist alphabetisch übersichtlich zusammengestellt. Der Anhang
bringt 20 ausgewählte Lieder, darunter 3 von Hans Sachs. N. 3 ist schon in ur-
sprünglicherer Fassung gedruckt bei Drescher (Studien zu Hans Sachs NF. Anh.
S. XL VI), N. 6 von Keinz (ZDA. 38, S. 159). — Ein sehr dankenswertes Verzeichnis
der bis jetzt bekannten Meistersinger des 16. Jh. nebst Angabe von Heimat, Lebens-
zeit, Gewerbe, Fundort der Dichtungen, Tönen und Weisen hat Keinz83) zusammen-
gebracht. Die Arbeit wird jede weitere Forschung auf dem einschlägigen Gebiete
erleichtern; leider hat aber der Vf. die hierher gehörige Dresdener Hs. (M 197 [100CJ) in
Unterschätzung ihres Inhalts auszubeuten unterlassen. — Mummenhoffs84) Unter-
suchung charakterisiert die Veränderungen der 1616 revidierten und 1635 offiziell aufge-
zeichneten Schulordnung der Meistersinger gegenüber den früheren bekannten und der
ältesten Ordnung von 1540. Er bringt dann neue Feststellungen über die Singstätten
der Meistersinger im 16. Jh.; die Vermutungen über die Zeit der Uebersiedlung aus
der Marthakirche in die Katharinenkirche sind jedoch durch neuere Forschungen
widerlegt. Schliesslich wird die Singschulordnung zum Abdruck gebracht; sie zeigt
Unterschriften der Meistersinger noch bis zum J. 1735. —
Für das Drama85) kommt wiederum Herrraanns86) Arbeit überStichreim und
Dreireim in Betracht. Ihre Vorzüge sind eine weite Umgrenzung des Gebietes, die
auch das historische Moment berücksichtigt, sowie eine wesentliche Verfeinerung der
Gesichtspunkte gegenüber der früheren Forschung. Die Durchmusterung seines
Materials ergiebt für H. vier bedeutungsvolle Abschnitte in der Hans Sachsischen
Reimtechnik, 1517— 40 (Lehrjahre), 1540 — 50 (Durchbildung künstlerischer Prinzipien),
1550—55 (Meisterschaft), 1555—61 (Unsicherheit und Rückgang), innerhalb deren die
Verwendung des Dreireims sov/ie des Stich- und Vollreims untersucht und, wenn
möglich, begründet wird. Es werden aber, auch abgesehen von dem früher ge-
machten Vorbehalt, noch manche Resultate, neben anderen, sicheren, durch
spätere Forschung modifiziert werden müssen. Da die Kunstübung bei Hans Sachs
auf seinem, naturgemäss nicht immer in gleicher Stetigkeit wirkenden Gefühle, nicht
auf einer festen ästhetischen Erkenntnis beruht, und da auch vieles recht
handwerksmässig gedichtet ist, so haben die verschiedenen Dramen für die
tikern d. 15. u. 16. Jh. Nebst e. Untersuch, über d. Entsteh, d Hans Sachsischen Textes. (= N. 60, S. 407-71.) — 79) Biblio-
graphisches z. Hans Sachsfeier: FZg. N. 306. — 80) .T. Bolte, TJpber Hans Sachs. Referat: VossZg. N. 222. — 81) (II 2: 32;
selbständig in N. 62, S. 52/7 ) — 82) (= N. 63.) — 83) F. K e i n z , Hans Sachsens Zeitgenossen u. Nachfolger in» Meister-
gesang. Verzeichnis d. bis jetzt belt. Meistersinger d 16. Jh. (= N. 60, S. 320-51.) — 84) E. Mu m ra e nh o f f , D. Sing-
schulordnung v. J. 1616-35 u. d. Singstätten d. Meistersinger. (= N. 60, S. 27S-319; vgl. II 2 : 29a.) — 85) XG-Klitsctter.
Hans Sachs n. d. dtsch. Drama- Bühne u. Leben 2, S. 580/3. — 86) (= N. 78) — 86 a) X (H *a '• 6-) — 87) (I 7:9.) —
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgeschichte. V. (2)6
II 4b: 88-101 K\ Drescher, Hans Sachs.
Beurteilung des Hans Sachsischen Könnens auch verschiedenen Wert. Dieser That-
sache wird H. nicht genügend gerecht, und daraus entspringen z. B. die oft recht
äusserlichen Begründungen der vorgefundenen Reimverwendung im Abschnitt
„Lehrjahre". Aus dem nämlichen Grund erscheint auch die Statistik zu stark
verwendet; man sollte mehr wägen, weniger zählen. Einzelne chronologisch unhalt-
bare Angaben laufen unter (Narrenschneiden 1537 anstatt 1536, Pura 1558 anstatt 1559,
die für die Folio Ende der fünfziger Jahre um hundert Verse erweiterte Redaktion
der „Unnütz fraw Sorg" ist für 1537, dem Abfassungsjahre der ersten [verlorenen]
Fassung verwertet usw.), die Textgestaltung verrät Eile auch in sachlichen Aus-
führungen.S6a) —
Ueber Hans Sachsens Sprache haben wir zwei fleissige Dissertationen
erhalten, von James 87), und umfassender von Shumway 88), die erfreulicher
Weise das hier noch sehr vernachlässigte Gebiet der Grammatik betreten. Leider
ist aber noch in beiden Arbeiten der Text der ersten Folioausgabe, für deren Sprache
Hans Sachs nicht verantwortlich ist, zu viel herangezogen. — Den grossen
Reichtum an Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redensarten bei Hans Sachs sammelt
Schweitzer 89), und er setzt geschickt aus diesem so wichtigen Kleinmaterial
ein anziehendes Kulturbild des damaligen Nürnberger Bürgertums zusammen. —
Zur Kenntnis der äusseren Lebensumstände des Dichters wird
von R. Schmidt90) eine Urkunde über Ablösung einer Hans Sachs gehörigen
Hypothek beigebracht, und von Michels91) erhalten wir interessante Mitteilungen
über Hans Sachsens Verkehr mit seinem Zeitgenossen und vertrauten Freunde,
dem wohlhabenden Nürnberger Kaufmanne Niklas Praun. Auch Praun hatte litte-
rarische Interessen; er hinterliess drei Dialoge, zu denen Hans Sachs eine Vorrede
schrieb, gerichtet an die beiden Brüder Prauns. Diese Vorrede, sowie der eine der
Dialoge („köpf und piret") werden von M. abgedruckt. —
In seinem Verhältnisse zur Reformation wird Hans Sachs, trotz
Kaweraus bekannter, vortrefflicher Schrift von Nicoladoni92) nochmals zum
Gegenstand einer Abhandlung gemacht. Ihr Hauptteil besteht aber nur aus
einem ganz äusserlichen Referat über Hans Sachsens vierten Dialog, dem Gespräch
eines evangelischen Christen mit einem lutherischen.92») Grobe Nachlässigkeiten und
höchst bedenkliche Bemerkungen laufen unter, z. B. die: Hans Sachs habe „im Alter
von mehr als 70 Jahren für immer die treuen Augen" geschlossen, und er habe noch
die Freude erlebt, „dass er auf Einladung Luthers an der Herausgabe eines evangelischen
Gesangbuchs mitwirken konnte". — Besser unterblieben wäre auch die öffentliche
Anfrage der Schriftleitung93), ob sich von den drei letzten der sieben Hans Sachsischen
Dialoge keinerlei Spur erhalten habe-, ein fünfter (im 9. hs. Spruchbuch) ist schon
1878 in Schnorrs Archiv (7, S. 295 — 300), ein sechster (aus dem 5. Spruchbuche) 1882
ebenda gedruckt worden (11, S. 60/3). —
Von Hans Sachsens unmittelbaren Nachfolgern schildert Hampe94)
in grossen Zügen an der Hand unveröffentlichter Ratsprotokolle die windige Litteraten-
existenz des Ambrosius Oesterreicher, der die Privilegien der Meistersinger zu seinem
privaten Vorteil auszubeuten suchte. — Martin95) macht uns mit den Meistergesängen
auf das Strassburger Münster von Hans Sachsens treuem Schüler Adam Puschmann
bekannt. — Mehr ist über Hans Sachsens Nachleben in den folgenden Jhh.96)
zu verzeichnen. Zwar entschieden verfehlt ist Hartmanns97) Versuch, Hans
Sachs auf Grund von späten Notizen in den Pester Meisterliederhss. zu einem An-
hänger der Fechtkunst oder gar zu einem Fechtmeister stempeln zu wollen, dagegen
zeigt er sehr glücklich an einem neuen Beispiele, wie Dichtungen des Hans Sachs
ohne Nennung des Vf. in andere Sammlungen übergingen, und wie Reste Hans
Sachsischer Dramatik in den Kreisen des Volkes noch bis in unsere Zeit sich erhalten
haben. — In zwei Abhandlungen sucht Richter98"99) durch Zusammenstellung
zahlreicher Zeugnisse zu erweisen, dass es noch durch das ganze 17. Jh. eine, wenn
auch kleinere, Hans Sachsgemeinde gegeben hat, zu der aber nicht die schlechtesten
Köpfe gehörten, und dass erst das 18. Jh. Hans Sachs „vergass". Aber das 18. Jh.
hat auch Hans Sachs wiedererweckt, durch Goethe und die Weimarer Freunde. —
Die auf diese Wiedererweckung bezüglichen litterarischen Manifeste hat S u p h a n l0°)
zusammengestellt und im Verein mit den Mitarbeitern des Goethe-Schillerarchivs mit
88) (I 7 : 10.) — 89) Ch. Schweitzer, Sprichwörter u. sprichwörtl. Redensarten bei Hans Sachs. (= N. 60, S. 353-81.)
— 90) B. Schmidt, Hans Sachs als Kapitalist: MGNM. S. 79-80 — 91) V. Mi c h e 1 s , Hans Sachs u. Niklas Prann.
(= N. 60, S. 1-82.) — 92) AI. Nicoladoni, Hans Sachs u. d. Reformation: MhComeniusGes. 3, S. 279-90. (Dazu Nachr.
v. L. Keller S. 335; vgl. II 6:199.) — 92a) X &• s- 335- (Angabe d. genauen Titels dieses Dialogs n. Nachweis e.
Exemplars in d. Kgl. Panlinischen Bibl. zu Münster ) — 93) ib. S. 2S3. — 94) Th. Hampe, Ueber Hans Sachsens Schüler
Ambros. Oesterreicher. (= N. 60, S. 397-406.) — 95) E. Martin, D. Meistergesänge v. A. Puschmann auf d. Strassburger
Münster. (= N. 60, S. 382 96.) — 96) X MhComeniusGes. 3, 8. 335/6. — 97) (= N. 63, S 39, 4n.) — 98) A. Richter,
E. Nachwort z. Hans Sachsfeier: Grenzb. 4, S. 373/8. - 99) id., Hans Sachsens Fortleben im 17. Jh.: ZDKG. 3. S. 355-74. —
100) (= N. 64.) — 101) X O. Hellinghaus, G Wahl, Hans Sachs u. Goethe. 2. T. (JBL. 1893 II 4:24): Gymn. 12,
A. Hofmeister, Didaktik des 15./16. Jahrhunderts. 1893, 1894. II 4b : 101-112 II S : l-sä
geschickt orientierenden Bemerkungen versehen. Die Wirkung- des Büchleins, dessen
Wert in seiner Zusammenstellung' beruht und dessen Urkunden trefflich für sich selbst
sprechen, ist ausserordentlich frisch. — In welcher Weise Goethe101) in den siebziger
Jahren seine Sprache durch Hans Sachsisches Gut beeinflussen Hess, hat G o e tz e ,ü2)
feinsinnig und mit vielen interessanten Beispielen nachgewiesen. — Und Semler103),
überzeugt von dem auch heute noch dauernden erziehlichen Gehalte104) des Hans
Sachsischen Humors, befürwortet lebhaft, die Schwanke, trotz ihrer Derbheit und
ihres reformatorischen Standpunktes und trotz der jetzt herrschenden konfessionellen
Empfindlichkeit, sogar in die Lektüre der Schule aufzunehmen. —
Noch ein Wort über Hans Sachs-Dichtungen.105"107) Das matte,
doch für die Vorgeschichte von Wagners „Meistersingern" wichtige Drama Deinhard-
steins hat Wittmann108) durchgesehen und wieder herausgegeben. — Greif109)
erschien auf dem Plan mit einem fünfaktigen Schauspiel „Hans Sachs", das im
einzelnen schöne lyrische Stellen enthält, einen nachhaltigeren Eindruck jedoch nicht
machen konnte. Es schildert frei erfundene Kämpfe des Hans Sachs gegen Unver-
stand und Anfeindungen der Neider und schliesst mit des Dichters erfolgreicher
Werbung um seine erste Frau. Nicht zum Vorteile des Stückes wird auch hier, wie
bei Deinhardstein, Kaiser Max aufgeboten, den Knoten zu lösen. — Aus der Zeit
der jungen Ehe, in die Hans Sachsens Konflikt mit dem Rat eine vorübergehende
Trübung bringt, ist Geneesuoj Lebensbild entnommen, während Bu rchards111)
poetisch empfundenes und glücklich durchgeführtes Festspiel den alternden Dichter
seine zweite Lebensgefährtin gewinnen lässt.112) —
11,5
Didaktik. 1893, 1894.
Adolph Hofmeister.
Geistliche Didaktik: Mystik N. 1. — Totentänze N. 9. — Katechismen N. 11. - Predigt N. 17. — Ver-
schiedenes N. 21. — Weltliche Didaktik: Schule und Erziehung N. 32. — H. Steinhöwel N. 41. — E. Tilisch N. 45. —
B. Heupold N.46. — Kalender N. 47. — Aerzte und Naturforscher: Th. Faracelsus N 53; Anonymus N.55; Tabernaemontanus,
N. Tanrellus N. 56; G. Agricola N. 58: S. Franck, G. Torquatus N 59. — Rechtsbücher N. 63. — J. Oldendorp N. 68. —
r. Schuler N. 71. — Salire: S. Brant N. 73: Th. Murner N. 78; J. Fischart N. 86; Teufellitteratur N. 98; Grobianus K. 100;
Trunk, Spiel und Liebe N. 103. — Tierdichtung, Fabel und Parabel N. 111. — Schwankbücher N. 117 a. — Priaraeln und
Sprichwörter N. 125. —
Geistliche Didaktik. Den Mystizismus als philosophische Doktrin stellt
Stöckl1) dar, als beruhend auf einer stolzen Selbstüberhebung des menschlichen
Geistes, indem dieser sich mit der Erkenntnisweise, die ihm von Natur aus beschieden
ist, nicht begnügt, sondern höher hinaufsteigen will zu einer Erkenntnisart, die
über seine natürliche Erkenntniskraft hinausgeht, und an die er in der natürlichen
Ordnung nicht hinanreichen kann. Deshalb ermangeln die mystischen Gesichte dieser
Art jedes Kriteriums der Wahrheit. Beispiele: Die protestantischen Theosophen
Valentin Weigel und Jakob Böhme. Anders steht es um die christliche Mystik, wie
sie durch die Viktoriner, Bonaventura, Gerson usw. vertreten ist. Sie beruht auf
einer ausserordentlichen übernatürlichen Gnadener Weisung und göttlichen Erleuchtung,
wenngleich auch hier grosse Vorsicht geboten ist und allein das von der Kirche nach
sorgfältiger Prüfung ausgesprochene Urteil massgebend sein darf. — P runer2), der
die Mystik als Zweig der katholischen theologischen Wissenschaft behandelt, räumt
dämonischen Einflüssen einen Anteil an der Entstehung mystischen Schauens ein und
S. 541/2. - 102) E. Goetze, Z. Feier v. Goethes Geburtstag. Goethe u. Hans Sachs: BFDH. 10, S. 6-21. — 103) (U 3: 24.)
— 104) X Ha»» Sachs als Moralphilosoph: Didask. N. 264. — 105) X E- A. Gutjahr u. F Ad. Geis» ler, Hans Sachs
in Leipzig. Festspiel in 2 Aufz. (Musik v. F. Th. Cursch-Bühren. Op. 116.) Text- u. Regiebuch. L., Pöschel & Trepte. 39 S.
M. 0,75. (Hans Sachs bei d. Leipziger Meistersängern) — 106) X & A. Gutjahr, Erläuterungen z. F. Th Cursch-Bührens
Festspiel (Op. 116) „Hans Sachs in Leipzig" ebda. 31 S. M.0,50. (Litt. u. hist. Notizen, z.T. nach Wustmann „Aus Leipzigs
Vergangenheit." Setzt Wagenseils Urteil über Hans Sachs „21 Jahre nach d. Tode d. Meisters" !) — 107) X Hans Sachs
d. Meistersänger als evang. Zeuge. Dramat. Scene z. Darstell, in evang. Vereinen verf. v. e. Nürnb. Geistlichen. Nürnberg,
Raw. 19 S. M. 0,35. — 108) J. L. Deinhardstein, Hans Sachs. Schausp. in 4 Aufz. Durchges. u. her. v. C. Fr. Witt mann.
(= ÜB. N. 3215.) L., Reclam. 76 S. M. 0,20. — 109) M. Greif, Hans Sachs. Vaterland. Schausp. in 5 Aufz. L., Araelang.
86 S. M. 1,00. |[J. R.: LZg". N. 126; KonsMschr. S. 1227; DBühneng 23, S. 322.]| — 110) R. Genee, Hans Sachs. E.
Nürnberger Festschausp. z. Feier seines 400. Geburtst. 1. Prolog u. Fastnachtsspiel d. Hans Sachs : Frau Wahrheit will nie-
mand herbergen. 2. D. junge Meister. Lebensbild in 2 Akten. Nürnberg, Raw. 78 S. M. 0,80. |[V. Valentin: DWB1. 7,
S. 573/4 (verurteilend).]! — 111) (= N. 7.) — 112) X E. Hermann, Hans Sachsens Herbstglück. Dramat. Scene. Lahr,
Schuuenburg. 14 S M. 0,30. —
1) A. Stöckl, Mystizismus: WWKL. 8, S. 2075-81. — 2) J. Pruner, Mystik, myst. Theologie: ib. S. 2081-105.
(2^6*
II 5-.3-11 A. Hofmeister, Didaktik des 15./16. Jahrhunderts. 1893, 1894.
stellt die Kennzeichen der wahren Mystik, Misstrauen auf sich und demütige Unter-
werfung- unter den Willen Gottes, denen der falschen, auf rein natürlichen Ursachen
oder gefährlichem Blendwerk beruhenden, besonders dem Eingenommensein von sich
selbst und der Sucht, sich bemerklich zu machen, gegenüber. — Susanna Wink-
wort hs3J, Pfeiffers erste Ausgabe benutzende, Uebersetzung der „Theologia deutsch"
ist mit der Einleitung Kingsleys und dem Briefe Bunsens in neuer, hübsch aus-
gestatteter Auflage erschienen.4) — Heg-lers trefflicher Arbeit über Geist und Schrift
bei Sebastian Franck (JBL. 1892 II 5b: 3; 1893 116:185) sind noch mehrere,
durchweg höchst anerkennende Besprechungen gefolgt. Bossert5) rühmt das feine
Verständnis der nicht leichten Sprache und Ausdrucks weise Francks, vermisst aber
den Nachweis, wie Franck zu seiner mystischen Grundanschauung kommt, und giebt
einige dafür in Betracht kommende Gesichtspunkte an; ebenso findet er den starken
Wechsel in der Stellung Francks zu den religiösen Fragen seiner Zeit noch nicht
völlig aufgehellt. — Gust. Kawerau6) weist den Einfluss Luthers auf Franck an
einzelnen Stellen genauer nach und führt eine Hegler entgangene heftige Aeusserung
Luthers gegen ihn an.7) — Francks religionsphilosophische Ansichten in ihrem Zu-
sammenhange mit der gleichzeitigen Wissenschaft darzustellen ist das Bestreben von
Tausch8); Erasmus, Cornelius Agrippa und Vives folgt er in der Richtung des
Humanismus, Tauler, der Deutschen Theologie, Staupitz, Denck in seiner durchaus
praktisch angelegten Mystik und gelangt auf diesem Wege zu der spiritualistischen
Weltanschauung, die ihn gegen jedes Dogma indifferent macht und zur Forderung
uneingeschränkter Toleranz führt. (Vgl. auch N. 59 — 60 und II 6 : 279.) —
Die mittelalterlichen Totentanzdarstellungen in Wort und Bild macht
Seelmann9) zum Gegenstand einer eingehenden und, falls nicht etwa ganz neues
Material auftauchen sollte, wohl einstweilen massgebenden Untersuchung. Indem er
den Lübecker Totentanz von 1463, wie er in der von Meileschen Abschrift erhalten
ist, mit den übrigen Texten vergleicht, stellt er fest, dass dieser auf eine nieder-
ländische Vorlage zurückgeht, sodann aber, dass er auffällig mit der altspanischen
Danza general de la muerte zusammenstimmt. Die gemeinsame Quelle beider muss eine
französische sein, und zwar eine nordfranzösische, deren Entstehung ins 14. Jh. zu setzen
ist, und von der die noch erhaltene französische Danse macabre eine Umarbeitung
darstellt. Die spanische Danza hat ihrerseits ihre Vorlage durch Zusätze erweitert,
die nur in Spanien selbst entstanden sein konnten, wie die Einführung des Rabbiners
und des maurischen Oberpriesters, sodass demnach der Lübecker Text der ursprüng-
lichen Vorlage am nächsten steht. Die dialogische Form deutet auf scenische Auf-
führungen hin und thatsächlich sind historische Nachrichten darüber vorhanden. Die
bildlichen Darstellungen sind jünger als das Gedicht, haben aber dann dessen Ge-
staltung insofern beeinflusst, als in den neueren Fassungen der Tod sich sofort zum
Folgenden wendet und nicht mehr, wie im spanischen und lübischen Text, erst dem
Vordermann Antwort giebt. An diese grundlegenden Erörterungen schliesst sich eine
umfängliche Litteratur- und Denkmälerübersicht und als Anhang der leider nicht voll-
ständig erhaltene alte Lübecker Totentanztext, teilweise ergänzt aus der daraus
abgeleiteten Revaler Ueberlieferung. — Einen kleinen Nachtrag dazu, die aus dem
Karmeliterkloster zu Harlem stammende und jetzt im dortigen Stadthaus befindliche
Reihe der Grafen von Holland bis auf Maria von Burgund und Maximilian, die von
dem als Herold gekleideten Tod angeführt wird, bringt Mull er10) bei. —
Die erste zur Einführung in die Hauptstücke der christlichen Religion be-
stimmte Schrift, welche ausdrücklich den Titel „Katechismus" führt, ist der „Cate-
chismus, das ist Unterricht zum christlichen Glauben" von Andreas Althammer 1528,
der erste so betitelte katholische Katechismus der Georg Wicels von 1535. Selbst-
verständlich gab es aber schon vorher eine nicht unbedeutende Litteratur dieser Art,
nur war sie weniger für die Kinder und Laien als für die Pfarrer und Lehrer be-
stimmt, und vor der Verbreitung der Buchdruckerkunst konnten solche Anleitungen
überhaupt nicht Gemeingut des Volkes werden. Eine Zusammenstellung der sämtlichen
im 15. und 16. Jh. in deutscher Sprache erschienenen Katechismen, denen sich die in
Deutschland gedruckten lateinischen anreihen, hat Bahlmann11) veröffentlicht und
damit einen Blick in eine zahlreiche, bisher zu wenig beachtete Litteratur eröffnet.
Auch auf die vorhandenen Sammlungen von Katechismuspredigten geht der Heraus-
— 3) Theologia Germanica. Transl. from the german by Susanna Winkwort h. With a pref. by Charles Kingsley.
London, Macmillan & Co. 1893. LXXVII, 227 S. Sh. 2,6. (Zuerst 1854 bei Longnian in London erschienen.) — 4) O X A.
Del v igne, Un roonument eleve a Zwolle au venerable Thomas a Kempis: PrH. 3, S. 393,4. — 5) G. Bossert: ThLZ. 18,
S. 191/3. - 6) G. Kawerau: GGA. S. 76-80. — 7) X L. Stein: AGPhilos. 6, S. 586/7. -■ 8) E. Tausch, Seb. Franck
v. Donauwörth u. seine Lehrer. E. Stud. z. Gesch. d. Keligionsphilos. Diss. Halle a. S., (B., Mayer & Müller.) 1893 55 S.
M. 1,50. (JBL. 1893 II 6:184.) — 9) W. S e e 1 m a n n , D. Totentänze d. MA..: JbVNiederdSpr. 17, S. 1-80. (Sonderabdr. :
Norden, Soltau. 1893. 3, 80 S. M. 1,50.) |[J. Bolte: DLZ. S. 877/8.]| (Dazu KBIVNiederdSpr. 15, S. 41 [kurzer UmrissJ;
vgl. JBL. 1893 I 11:209.) — 10) J. W. Muller, Nederlandsche doodendansen: KBIVNiederdSpr. 16, S. 87,8. — U) (13: 147;
A. Hofmeister, Didaktik des 15./16. Jahrhunderts. 1893, 1894. II 5 i 12-25
geber ein und teilt als Anhang eine niederdeutsche „Tafel des christlichen Lebens"
aus dem Ende des 15. Jh. mit, die sich nur in einem einzigen Exemplar (in Göttingen)
erhalten hat. Einzelne Ergänzungen und Berichtigungen giebt Falk in seiner
Recension. — Ungefähr gleichzeitig mit Bahlmanns Bibliographie erschien ein Aufsatz
von Paulus12), worin der Vf. als Vorlage der unter dem Namen des Lorichius
gehenden Kinderlehre eine um 1515 in Landshut gedruckte deutsch-lateinische Schrift
Joh. Freibergers nachweist. Dass der allerdings sonderbar aussehende Titel ein Dis-
positionsschema enthält: ,,Quis quid ubi per quos quotiens cur quomodo quando",
scheint er nicht bemerkt zu haben. — Von den Vf. katholischer Katechismen haben
noch besondere Behandlung erfahren Michael Heiding durch Paulus13") und der bei
Bahlmann fehlende Conrad Distel durch Roth14). — Zwei umfänglichere Schriften l5~16)
über den bedeutendsten und erfolgreichsten von ihnen, Petrus Canisius, sind schon
entsprechend gewürdigt. —
Einige kurze Notizen zum Beweise dafür, dass im 15. Jh. die Predigt in
der Volkssprache Regel gewesen sei, stellt Falk17) zusammen; ihm schliesst sich
Paulus18) an, der auf die grosse Bedeutung der Predigt auch im vorreformatorischen
Gottesdienste, namentlich in der Advents- und Fastenzeit, hinweist, — Ein Beispiel,
wie in volkstümlicher Predigt Reimereien in deutscher Sprache eingeflochten
werden, zeigt Linsenmeyer19) in der Charakteristik des sonst unbekannten Nikolaus
von Lüttich, während Paulus20) dem Franziskaner Johannes Wild, 1539 1554 Dom-
prediger zu Mainz, als einem der besten deutschen Kanzelredner seiner Zeit, dessen
Predigten sich durch lichtvolle, überzeugende Darstellung ebenso auszeichnen wie
durch edle und einfache Ausdrucksweise, ein Denkmal setzt. Es ist ein eigenes
Schicksal, dass nicht nur der ohne Wilds Vorwissen gedruckte Johanneskommentar
und einige aus seinem Nachlasse herausgegebene Arbeiten, für deren Veröffentlichung
ihn keine Verantwortlichkeit treffen konnte, den Büchercensoren nicht gefielen,
sondern dass 1590 Sixtus V. sogar sämtliche Schriften dieses treuen Katholiken und
eifrigen Vorkämpfers seines Glaubens (sie sind S. 68— 74 in 34 Nummern verzeichnet)
auf den Index setzte, wo sie heute noch stehen. —
Am Schlüsse dieses Abschnittes sei Verschiedenes zusammengestellt. Der
Augsburger Mönch Veit Bild, dessen noch erhaltener, von A. Schröder und Grundl2')
veröffentlichter Briefwechsel mancherlei Interessantes bewahrt, tritt sonst in keiner
Weise besonders hervor. Sein Anteil an der deutschen Ausgabe der Geschichte der
Augsburger Lokalheiligen St. Ulrich, St. Simpert und St. Afra ist nur gering; etwas
mehr hat er an der lateinischen Ausgabe mitgearbeitet. Auf den Gebieten der
Mathematik, Astronomie nnd Geographie, ebenso in anderen Wissenschaften ist er
eifrig thätig, aber ohne durchschlagenden Erfolg'. Zeitweilig zeigt er starke Hin-
neigung zu Luther, zieht es aber doch vor, bis an sein Lebensende (1529) ruhig im
Kloster zu bleiben, — kurz, ein unklarer, schwacher Charakter. — Eine nach jeder
Richtung Achtung einflössende Gestalt ist der bayerische Landhofmeister Christoph
von Schwarzenberg, den Paulus22) schildert. Ein Schüler, Freund und Gönner der
Tübinger Humanisten, beharrte er trotz des feurigen Anschlusses seines Vaters Johann
an Luther und die Reformation beim alten Glauben und griff zu dessen Ver-
teidigung selbst zur Feder, woraus sich dann eine allerdings nicht lange dauernde
litterarische Fehde zwischen Vater und Sohn und deren beiderseitigen Sekundanten
(auf Christophs Seite Kaspar Schatzger) entspann.23) — Eine recht selten genannte,
aber gewiss näherer Bekanntschaft werte Persönlichkeit führt Kn od24) in der Person
des elsässischen Ritters Eckhart zum Trubel vor, dessen reformationsfreundliche
Schriften von echt volkstümlichem Humor und einfältigem Bibelchristentum sich er-
füllt zeigen.25) — Hervorragenden Einfluss auf die Umwandlung des Ordensstaates
II 6:4.3.) |[J. Falk: Kath. 2, S. 361/5: ÖLB1. 3, S. 740.]; — 12) N. Paulus. Z. Gesch. d. Katechismus: Kath. 2, S. 185-91.
(Vgl. II 6 : 45.) — 13) id., Michael Heiding. E. Prediger u. Bischof d. 16. Jh.: ib. S. 410-30, 481-502. (Starb 1561 als Bischof
v. Merseburg: vgl. II 6: 26.) - 14) F. W. E. Ko t h , Conrad Distel zu Worms, e. vergessener Katechet d. 16. Jh.: HPBU. 114,
S. 876/9. (Prediger zn Worms, liess 1580 zn Mainz e. „Snmma oder kurzer Begriff..." in volkstüml. Sprache erscheinen: vgl.
II 6:44.) — 15) X P. Drews. Petrus Canisius, d. erste dtsch. Jesuit (JBL. 1893 II 6:26). Halle a. S., Niemeyer. 1892.
158 S. M. 1.20. — 16) X O. Braunsberger, Entsteh, u. erste Entwickl d. Katechismen d. sei. Petrns Canisius (JBL. 1893
II 6:27). Freiburg i. B.. Herder 187 S. M. 2,50. |[H J. Wurm: MHL. 22, S. 208/9; A. Ebner: HPBI1. 112, S. 939-41:
A Bellesheim: DublinR. 113, S. 683/4; LCB1. 1891, S. 1497]| — 17) F. F[alk], Z. Predigtwesen d. ausgehenden MA.:
Kath 73«, S. 478-80. — 18) N. P au 1 u s , Z. Gesch. d. Predigt beim ausgehenden MA.: ib. 2, 8. 279-87. — 19) A. Linse n-
meyer, Nik. v. Löttich, e. Reimprediger am Ende d. MA.. ib. 8. 351/5. — 20) N. Paulus, Jeh. Wild. E. Mainzer Dom-
prediger d. 16. Jh (= Vereinsschrift d. Görres-Ges.) Köln, Bachern. 1893. IV, 79 S. M. 1,50. |[F. n. R eu s c h : ThLZ 19,
S. 420 1; A. Englert: Euph. 1, 8. 806/7; L. Wintera: ÖLB1 3, S. 389-90.]| (Vgl. II 6:22.) — 21) A. Schröder, D.
Humanist Veit Bild, Mönch bei St. Ulrich. Sein Leben u. sein Briefw.: ZHVSchwaben. 20, S. 173-227. |[MhComeniusGes. 3.
S. 334.] | (S. 218-27 ausgew. Briefe, her. v. B. Grundl; vgl. n 6: 16.) — 22) N. P au 1 u s , Chrph. v. Schwarzenberg. E.
kath. Schriftsteller n. Staatsmann d. 16. Jh.: HPBU. 111. S. 10-32. (Geb. 1488, gest. 9. Jan. 1533: vgl. JBL. 1893 TL 1 : 60.) —
23) X Biogr. Nachtrr. zu Chrph. v. Schwarzenberg: ib. 112, S 144-54. (1. F. Binder, Aus d. Jugendzeit in Schwaben;
2. N Paulus, Schwarzenbergs Familie [Vermählung 13. März 1509].) — 24) G. Knod, Ritter Eckhart z. Trubel: ADB. 38,
S. 668/9. (Gest. zu Anfang d. 40er Jahre auf seiner Burg Hindesheim i. E.) — 25) X ö. Roethe, Hans Chrph. Prhr.
v. Teuffei: ib. 37, S 789-91. (Geb. 1560-70, gest. nach 1620, Vf. gutgemeinter, aber wenig hervorrag. Dichtungen, in deren
II 5:2r,-42 A. Hofmeister, Didaktik des 15./16. Jahrhunderts. 1893, 1894.
Preussen in ein weltliches Fürstentum hatte Friedrich, Herr zu Heideck in Franken,
Ordenspfleger zu Johannisburg, ausgeübt; nachdem dies erreicht war, musste es von
grösster Wichtigkeit sein, wie sich der livländische Zweig des Ordens unter dem
Meister Walther von Plettenberg dazu und namentlich zur Einführung der Reformation
stellte. Auch hier griff Heideck selbst ein und setzte eine Schrift auf, in der er ein
vollständiges lutherisches Glaubensbekenntnis mit Anwendung auf das praktische
Leben entwickelt und auf Grund dieses Walther von Plettenberg auf die Seite der
Reformation zu ziehen versucht. Der Versuch hatte nicht den gewünschten Erfolg,
aber Heideck hat sich durch diese, von Tschackert26) neu herausgegebene, Schrift
einen ehrenvollen Platz in der Reformationslitteratur erworben, wenn er auch später
in Schwenckfeldsche Sektiererei verfiel. — Das Leben und die Schriften des wehr-
haften, über eine scharfe Dialektik verfügenden Stadtpfarrers Jakob Ratz zu Neuen-
stadt an der Linde schildert Bossert27); die Schriften „vom Tanzen", „von der
Hellen" und „vom Fasten" verdienen wohl weiter bekannt zu werden. Trotz der in
seiner eigenen Familie und in seiner ganzen Heimat herrschenden Stimmung gegen
die Geistlichkeit wählte er doch selbst den geistlichen Stand; was er aber aus eigener
Kenntnis über das Leben und Treiben der Mainzer Domherren und das frivole Ge-
bahren Aleanders berichtet, übersteigt ziemlich alle Begriffe.28) — Nachrichten meist
bibliographischer Natur, die teilweise unser Gebiet berühren, liegen vor von Anders-
son2öj, Paulus30) und Roth.31) -
Weltliche Didaktik. Ziemlich gleichzeitig haben unabhängig von einander
Bahlmann32) und Weingart33) in der zweiten Hälfte des 15. Jh. anscheinend recht
verbreitet gewesene, für Mittelschulen bestimmte Schul- und Erzieh ungs regeln
wieder ans Licht gezogen. Sie bestehen aus 72 lateinischen sechshebigen accen-
tuierenden gereimten Zweizeilern, denen eine Umschreibung in gereimten deutschen
Vierzeilern gegenübersteht. Da diese sich dem teilweise recht korrumpierten lateinischen
Texte sehr frei anpasst, hat W. jeder Strophe noch eine wörtliche (Jebersetzung bei-
gegeben. — Von dem Leben des Mömpelgarder Landvogts Marquardt von Stein, der
G. de la Tour Landrys 1372 geschriebenen Li vre pour Tenseignement de ses filles mit
Rücksicht auf seine eigenen Kinder in schlichte deutsche Prosa übersetzte, giebt
Roethe34) Nachricht. Das zuerst 1493 bei Furter in Basel gedruckte Buch fand
vielen Beifall und wurde noch im 17. Jh. neu aufgelegt. — In alten Einbänden der
Baseler Universitätsbibliothek fand Binz35) eine grössere Anzahl Bruchstücke
von des Ensisheimer Pfarrers Joh. Rasser verschollenem Spiel von der Kinderzucht,
das nach Weller, der seinerseits Willer folgt, 1573 in Bern aufgeführt sein sollte.
Obgleich die Bruchstücke, die mindestens fünf verschiedenen Exemplaren entstammen,
nicht die Zusammenstellung eines vollständigen Originales gestatten, so reichen sie
doch durchaus hin, uns einen vollkommenen Einblick in die Oekonomie und Ausführung
des Stückes gewinnen zu lassen. Das Spiel ebenso wie das von der Hochzeit des
Königssohnes ist in Ensisheim selbst, und zwar am 5. und 6. Aug. 1573, von 97 Knaben,
aufgeführt und im Jahre darauf in Strassburg (vielleicht auch in Frei bürg i. B.) ge-
druckt worden. Die Angabe der Quelle Wellers, eine Aufführung habe in Bern statt-
gefunden, muss bei dem klar ausgesprochenen katholischen Charakter des Stückes
auf Irrtum beruhen. — Die treffliche Biographie des berühmten Strassburge." Rektors
Joh. Sturm von Ziegler36) mag an dieser Stelle erwähnt werden. — Seelmanns3'"38)
Beiträge zur Kunde älterer niederdeutscher Schulbücher haben schon ihren Platz ge-
funden. — Die deutsche Grammatik des Nordhausener Rektors und späteren Pfarrers
zu Bendeleben Joh. Clajus, die dadurch, dass er als Massstab für den zu seiner Zeit
gültigen Sprachgebrauch fast ausschliesslich die Lutherbibel von 1545 anwendet,
von hoher Wichtigkeit für die Ausbildung der neuhochdeutschen Schriftsprache
erscheint, hat Weidling39"40) neu herausgegeben. —
Die vielseitige schriftstellerische Thätigkeit Heinrich Steinhöwels und
deren weitreichenden Einfluss hat Strauch41"42) in knapper Darstellung sehr klar
und anschaulich charakterisiert; er hat wertvolle aktenmässige Belege für seine
grösster er seinen Uebertritt z. Katholizismus zu motivieren sucht, u. die übrigens auch schon ins 17. Jh. fallen.) — 26) P.
Tschackert, Friedrich Herr zu Heideck, Christi. Ermahnung an Herrn Walther von Plettenberg (JBL 1892 II 5b: 19;
1893 II 6 : 142.) Königsberg i. Pr. (Beyer). 1892. 44 S. M. 1,00. |[U. V i r c k : ThLZ. 19, S. 44.JJ — 27) G.
Bossert, Jak. Ratz, sein lieben u seine Schriften: BWKG. 8, K. 5-10. — 28) O X H. Heineck u. H. Grössler,
Drei Briefe d. M Cyriacus Spanger.berg an M. Andr. Fabricius (JBL. 1893 II 6 : 155): Manst'elderBll. 7, S. 1505. — 29) A.
Andersson, Miscellanea: CBIBibl. 10, S. 436-90. 30) N. Paulus, Kath. Schriftsteller ans d. Reformationszeit (JBL. 1893
II 6:5): Kath. 73*, S 213-23. (Nachtr. zu Kath 72', S. 544 ff.) - 31) (II 2:44.) — 32) O P. Bahlma nn, Schülerregri'ln
aus d. Ende d. 15. Jh : MGESchG. 3, S l.'9-4ö. — 33) M. Wein gart, Statuta vel praecepta scolarium. Schulerregelu aus
«. Ende d. 15. Jh. Progr. Metten. 31 S. — 34) G. Roethe, Marquardt v. Stein: ADB. 35, S. 666 8. — 35) (II 4a: 30.) -
36) Th. Ziegler, Joh. Sturm: ADB. 37. S. 21-38. (Vgl. II 6:240.) - 37) W. Seelmann, Niederdtsch Fibeln (JBL. 1893
16:11): JbVNiederdSpr. 18, S. 124/9 (H. Lambeck, „Deutsche Orthographie", Hamburg 1633, u. Marcus Schulte, o. O.
1532. Sollte also heissen 16. u. 17. Jh.) - 38) id., Rollenhagen über mundartl. Aussprache (JBL. 1893 I 6: 10): ib. S 120,3.
— 39) V. Weidling, üeber Joh. Clajus dtsoh. Grammatik: Diss. Freibnrg i. B. 32 S. (Vgl. I 7 : 11.) — 40) (I 7 : 11.)
r- 41) ri>. Strauch, H. Steinhöwel: ADB. 35, S. 728-36. (Vgl. JBL. 1893 II 3:41.) — 42) id., Z. Lebensgesch. Steinhöwels:
A. Hofmeister, Didaktik des 15./16. Jahrhunderts. 1893, 1894. II 5 •. 43-53
äusseren Lebensumstände beigebracht. — Die noch blühende Familie führt jetzt den
Namen Steinheil.43-44) —
Der „Lobspruch des deutschen Fürsten- und Adelsstands" (Freiberg i. M. 1588)
des Schlesiers Eleasar Tilisch (Tilesius von Tilenau), den R o e t h e 45) schildert,
steht stofflich ganz unter dem schlimmen Einfluss Rüxners und zeigt nur mässigo
poetische Begabung. —
Hierher gehört auch der fleissige Präceptor an der Studienanstalt St. Anna
in Augsburg Bernhard Heupold, dessen Biograph Radlkofer46) zwar das
Hauptgewicht auf seine Thätigkeit als Lehrer und Chronist der Schule legt, dabei
aber auch einen zur ersten Orientierung völlig ausreichenden Einblick in seine um-
fassende litterarische Thätigkeit gewährt. Ausser den bei Goedeke (22, S. 201—15 und
S. 461/5) angeführten Schriften kommen für uns noch in Betracht eine Anzahl von
poetischen Beschreibungen, die die Stadt Augsburg, deren Wappen, Rathaus und
andere merkwürdige Bauwerke zum Gegenstand haben. —
In leichter, unterhaltender, durch reichhaltige Litteraturangaben und An-
merkungen auch zu wissenschaftlicher Einführung brauchbarer Darstellung giebt
U h l47) einen CJeberblick über die Wandlungen, die der deutsche Kalender, dieser
unentbehrliche Hausfreund, seit Karls des Grossen Tagen durchgemacht hat. Den
breitesten Raum nimmt der Kalender des Mittelalters und des Reformationsjh. ein
mit all den verschiedenen chronologischen, meteorologischen und astrologischen Zu-
thaten, dem Cisiojanus, der Ostertabelle, den Gesundheits- und Wetterregeln und dem
Bauernkalender, die teilweise, wenn auch in abgeschwächter Form, noch in unseren
Kalendern nachwirken und die gegen das Ende des 15. Jh. als „Praktiken" und
„Prognostiken" anfingen, selbständig zu werden, bis sie schliesslich einer meist recht
derben, aber nicht unverdienten Satire zum Opfer fielen. Zu tendenziösen Zwecken
wurden die Kalender schon im 16. Jh. ausgenutzt, in katholischem Sinne von Murner,
in evangelischem von Joh. Copp und O. Brunfels, so dass also die neuesten Er-
scheinungen dieser Art nicht erst im französischen Revolutionskaleuder, sondern schon
in der ersten Hälfte des 16. Jh. ihr Vorbild finden können. Auch das Wetterbüchlein,
wie es Hellmann48) nach der ersten Rejnmannschen Ausgabe von 1510 neu ab-
gedruckt hat, zählt zu diesem Litteraturkreise und stellt zugleich die älteste in deutscher
Sprache erschienene meteorologische Schrift dar, deren Nachwirkungen wir in den
volkstümlichen Wetterregeln noch heute wahrnehmen können. Die auf die Kalender-
reform Papst Gregors XIII. bezügliche satirische Litteratur führt U. in einigen sehr
charakteristischen Proben vor, über die lange Vorgeschichte der Reform und über
diese selbst äussert er sich so gmt wie gar nicht. — Einigermassen treten in diese
Lücke zwei biographische Artikel über Andreas Stiborius, von Günther49), und
Johannes Stöffler, von Hartfelder50), ein. Stöffler, dessen grosses Kalenderwerk
übrigens bei Uhl die gebührende Würdigung gefunden, hatte auf Grund der damals
stark verbreiteten Zahlen mystik die Sintflut auf das J. 1524 angekündigt, war aber so
glücklich, diesen Termin selbst noch um 7 Jahre zu überleben. — Aehnlich erging
es dem von Cantor51) als Regenerator der wissenschaftlichen Mathematik sehr hoch
gestellten lutherischen Theologen Mich. Stifel, der den Weltuntergang auf den 19. Okt. 1533
morgens 8 Uhr verkündigt hatte und ihn am angesetzten Tage mit seiner Gemeinde
(Lochau bei Wittenberg) in Gebet und Tröstung aus Gottes Wort erwartete. Deshalb
des Amtes entsetzt, Hess er von der mystischen Zahlengrübelei ab und wandte sich mit
bestem Erfolg ernstlichen mathematischen Studien zu. Durch seine „Deutsche Arith-
metica" (1545), in der er durchgehend deutsche Ausdrücke an Stelle der meist
italienischen oder griechisch-arabischen Termini zu setzen bestrebt ist, tritt er mit in
die Reihe der um die Reinheit unserer Muttersprache verdienten Männer; später ver-
fiel er wieder in seine alte Leidenschaft.52) —
Wir kommen zudenAerzten und Naturforschern. Ein Werk staunens-
werten Fleisses ist Sudhoffs53) auf breitester Grundlage angelegter „Versuch einer
Kritik der Echtheit der Paracelsischen Schriften", wovon bis jetzt der erste Teil
vorliegt. (Im Klarheit darüber zu schaffen, was von dem vielen unter dem Namen des
VLG. 6, S. 277-90. — 43) X G. v. Wyss, Joh. Stampf: ADB 36, S. 751,4 (Schweiz Historiker, geb. in Bruchsal 1500, gest.
in Zürich um 1576.) — 44) X W. Becker, Ad. Tratziger: ib. 33, S. 501/4. (Rechtsgelehrter u. Historiker, geb. um 1523 zu
Nürnberg, gest. 17. Okt. 1584 auf d. Reise v. Hamburg nach Gottorp. Hist. Hauptwerk d. Himburgische Chronik v. 1558.) —
45) G. Roethe, Eleasar Tilisch: ib. S. 3012. — 46) M. Radlkofer, Bernh. Heupold, Präceptor an d. Studienanst St. Anna
zu Augsburg: ZHVSohwaben. 20, S. 116-35. (Vf. e. Losbuches, Frankfurt a. M. 1595.) — 47 1 W Uhl, Unser Kalender in
seiner Entwickl. v. d. ältesten Anfängen bis heute Paderborn, Schöningh. 1893. 165 S M. 1.40. |[DR 1, S. 144.]| (Vgl.
JBL. 1893 I 4:144.) - 48) G. Hellmann, L. Reynraan, Wetterbuchlein, v. wahrer Erkenntnis d. Wetters 1510 (= Neudrr.
v. Schriften u. Karten über Meteorologie u Erdmagnetismus N. 1.) B., Asher & Co. 1893. 4°. 41, 14 S. M. 6,00. |[S.
Günther: FränkKur. 1893, N. 629.]l (Vgl. JBL. 1892 H 5: 14.) — 49) S. Günther, Andr. Stiborius: ADB. 36, S. 1623. —
50) K. Hartfelder, Joh. Stöffler v. Justingen: ib. S. 317/8. - 51) M. Cantor, Mich. Stifel: ib. S. 203-16. — 52) X s-
Günther, G. Stadius: ib. 35, S. 375 6. (Keplers Vorgänger als steirischer Landschaftsroathematiker; gest. 1593.) — 53) K.
Sudhoff, Versuch e. Kritik d. Echtheit d. Paracelsischen Schriften. I. T D. unter Hohenheims Namen erschienenen Druck-
schriften. B., Reimer. 1894. XIII, 722 S. M. 18,00. |[Max Lange: VossZg". 1893, N. 51.]| (Unterstützt v. Ed. Schubert:
II 5 : 54-62 A. Hofmeister, Didaktik des 15./16. Jahrhunderts. 1893, 1894.
Paracelsus Ueberlieferten wirklich als das Werk seines Geistes angesehen werden darf
oder muss, hat S. seit 15 Jahren in Gemeinschaft mit seinem inzwischen ver-
storbenen Freunde Ed. Schubert alles gesammelt, was unter Hohenheims Namen
noch vorhanden und in den verschiedensten Bibliotheken (147 sind namentlich auf-
geführt) des In- und Auslandes, wozu noch die eigene Sammlung mit 122 und die
Schuberts mit 194 Nummern kommen, zerstreut aufbewahrt ist, und legt nun, nachdem
schon zwei Hefte „Paracelsus-Studien" (Frankfurt a. M. 1887—89) verdienter Weise
die grösste Aufmerksamkeit der beteiligten Kreise auf sich gezogen hatten, die
Ergebnisse seiner Bemühungen der g-elehrten Welt vor. Es sind 518 Nummern, jede
mit sorgfältigster bibliographischer Beschreibung und Analyse des Inhalts versehen,
sogar die letzten 198, die der Herausgeber selbst in ihrer Mehrzahl als „Neudrucke
ohne Wert und grobe Unterschiebungen" bezeichnet. Dem zweiten Teil ist die
Beschreibung und Besprechung, sowie Inhaltsangabe der zahlreichen noch vorhandenen
Paracelsushss. vorbehalten, worauf dann der Schlussband in zusammenhängender
Darstellung die Echtheit der einzelnen Schriften auf Grund des gebotenen Materials
erörtern soll: Hier wird sich in grossen Zügen der Gang Hohenheimschen Denkens
und Schaffens in den verschiedenen Abschnitten seines Lebens von selbst ergeben.
Es wäre sehr zu hoffen, dass die Krönung des so fest fundamentierten Gebäudes
nicht allzulange auf sich warten Hesse. — Auch zur Bibliographie der Nachfolger des
Paracelsus hat Sudhoff54) höchst schätzbare Beiträge geliefert. Dass er dabei mit
einem sehr selbstbewussten Dilettanten auf diesem Gebiet nicht gerade glimpflich
umspringt, wird ihm ausser dem Betroffenen selbst wohl niemand verargen. —
Zweifelhaft ist die Persönlichkeit des anonymen Vf. einer alchymistischen
Schrift unter dem Titel „Der Ritter-Krieg", von der Roethe55) nur eine Ausgabe,
Hamburg 1680, vorlag. Der Vorrede nach sollte der Vf. ein Bamberger Priester
Johannes Sternhals (um 1488) sein, aber Inhalt und Sprache lassen auf ein 100 Jahr
jüngeres Datum schliessen. —
Einen kurzen Lebensabriss des durch sein „Kräuterbuch" berühmt gewordenen
Heidelberger Leibarztes Jak. Theodorus, genannt Tabernaemontanus, giebt
Wun schmann56); die Bedeutung des Altorfer Mediziners Nik. Taurellus,
der es als unermüdlicher Kämpfer gegen die Lehre von der „doppelten Wahrheit"
und gegen die Unfehlbarkeit des übrigens auch von ihm als Fürsten der Philosophen
anerkannten Aristoteles mit den Theologen wie mit den Philosophen in gleicher
Weise verdarb, trotzdem sein eifrigstes Bestreben gerade dahin abzielte, das Wissen
mit dem Glauben zu versöhnen, würdigt Groos57). —
Wie der reiche Bergsegen des sächsisch-böhmischen Grenzgebirges durch die
,, Bergreihen" Einfluss auf die deutsche Dichtung gewann, so hat er auch, nach
Sehr auf58), durch Vermittlung der grundlegenden Schriften Georg Agricolas,
die allerdings alle lateinisch geschrieben sind (nur das Hauptwerk, De re
inetallica, Basel 1556, ist im Jahre darauf von Philipp Bechius ins Deutsche über-
tragen worden und hat in dieser Gestalt 1580 und 1621 neue Auflagen erlebt) zur
wissenschaftlichen Begründung der Mineralogie und Hüttenkunde das Beste bei-
getragen. —
Die Bedeutung Sebastian Francks (s.o.N.5/8) als Kosmograph, seine Stärken
wie seine Schwächen, wTenn auch mit besonderer Hervorhebung der ersteren, trägt
Löwenberg59) in anregender Weise vor, doch ist darüber schon anderweitig zur
Genüge berichtet, ebenso darüber, dass gerade die von L. besonders betonten lebendigen
Schilderungen der Volkssitten und Gebräuche von Vogt60) als direkte Entlehnung,
nicht als geistiges Eigentum Francks nachgewiesen sind.61) — Auszüge aus der
lateinisch geschriebenen, aber vom Autor mit zahlreichen deutseben Randglossen ver-
sehenen, trotz mancher Mängel und Versehen historisch recht wertvollen Topographie
des Erzstifts Magdeburg von Georg Torquatus aus dem einzigen Abdruck des
1567 begonnenen Werkes in F. E. Boysens Monumenta inedita Tom I (un.) 1761 (die
Hs. ist seitdem verschwunden) hat Dittmar62) veröffentlicht. —
Das 15. und 16. Jh. trägt auch auf dem Gebiete des Rechtslebens das
Gepräge des Uebergangs, der zwar im Stillen längst vorbereitet war, sich jetzt aber
in beschleunigtem Tempo vollzieht. Der Umstand, dass weitaus die meisten schrift-
lichen Aufzeichnungen der älteren deutschen Stadt- und Landrechte, von denen
vgl n 1 :95.) — 54) id., E. Beitr. u. Nachtr. z. Bibliographie d. Paracelsisten im 16. Jh.: CBIBibl. 10, 8. 816-26, 385-407;
11, S. 169-72. (Vgl. JBL. 1893 I 3 : 124: II 1 : 176; s. o. II 1 : 96.) - 55) ». Roethe, Joh. Stemhals: ADB. 36, S. 122/3. -
56) E. Wunsohmann, Jak. Theodorus, gen. Tabernaemontanus: Ib 37,8 7,4;ö.— 57) K Groos, Nik. Tanrellns: ib. S. 467-71.
— 58) A Schranf, Ueber d. Einfluss d. Bergsegens anfd. Entsteh, d. mineralog. Wissenseh. im Anfange d. 16. Jh.: AlmAkWien. 44,
S. 287-317. (Sonderabdr.: Wien, Tempsky. 31 S. M. 0,60.) — 59) J. Löwenberg, D. Weltbuch Seb. Francks (.TBL. 1893
II 1 : 109; 3:60). (= SGWV. N 177.) Hamburg, Verlagsanst. 1893. 37 S. M.,0.80. |[BBG 8. 188: DWB1. 7, S 168; BLTJ.
f». 287; MhComeniusG. 3, S. 41|| — 60) F. Vogt, Seb. Franck u. Joh Boemus (JBL. 1893 I 5 : 12; II 3 : 61): ZVVolksk. 8,
8. 117-80. - 61) X Fritz, Seb. Münster: WWKL. 8, 8. 2007/8. (Ganz kurz u. ohne neue Gesichtspunkte zu eröffnen.) —
62) M. Dittmar, D. beiden ältesten Magdeburgischen Topographen: ALVolkskProvSachsen. 3, S. 1-39. (Nur Torquatus
A. Hofmeister, Didaktik des 15./16. Jahrhunderts. 1893, 1894. II 5 : 63-76
aus niederdeutschem Sprachgebiet Jellinghaus63) eine grosse Anzahl zusammen-
gestellt hat, dieser Zeit entstammen, giebt Kunde davon, dass man die Notwendigkeit
einer solchen Fixierung klar erkannt hatte.64) — Ueber die Vorgeschichte eines weit-
verbreiteten Kanzleihandbuches, des „Formulare und deutsch Rhetorica" (erste datierte
Drucke Augsburg und Strassburg- 1483) verbreitet sich Joachimsohn65), und er
stellt fest, dass die Augsburger Ausgabe die erste, die Strassburger ein geschickter
Nachdruck ist. Die Entstehung ist in einer schwäbischen Kanzlei zu suchen, vielleicht zu
Ulm oder Nördlingen; vielerlei deutet darauf hin, dass der rhetorisch unter dem
Einfluss Nikolaus von Wyles stehende Schulhalter Bernhard Hirschfelder von
Nördlingen an der sicher nicht vor 1478 abgeschlossenen Sammlung starken Anteil
gehabt hat. Dass er als der eigentliche Vf. anzusehen sei, bezweifelt J. aus stilistischen
Gründen, stellt aber, zugleich Beziehungen zwischen ihm und Hartmann Schedel
andeutend, nicht in Abrede, dass er der letzte Redaktor gewesen sein könne. —
Ulrich Tenglers, des Höchstädter Landvogts, als Hülfs- und Nachschlagebuch für die
„Halbgelehrten" geschriebener „Layenspiegel", der praktische Unterweisung mit
theoretischer Begründung geschickt verbindet, bildet, nach A. von Eisen-
hart s66) Ausführungen, mit Seb. Brants „Richterlichem Klagspiegel" den
Abschluss der populären Rechtslitteratur des 15. und 16. Jh. Die erste Auflage
erschien 1509, die zweite bedeutend vermehrte ("„Der new Layenspiegel") 1511. Das
Werk stand 6—7 Jahrzehnte hindurch in hohem Ansehen und hat mehr als jedes
andere der Einbürgerung der fremden Rechte in der Praxis der Niedergerichte Vor-
schub geleistet. — Welche Meinung aber das Volk schon lange vorher von den
„lateinischen" Advokaten gefasst hatte, zeigt klärlich das von B ölte67) veröffentlichte
Gedicht „Van den sali boeuen", das einem ehrlichen Zorn gegen die unersättlichen
Forderer und säumigen Förderer Worte leiht. —
Im Vollbesitz gelehrter römisch-rechtlicher Bildung und selbst Professor der
Rechte nach einander in Greifswald, Frankfurt a. 0., Rostock, Köln und Marburg,
hat Johann Oldendorp in der Zeit seines Röstocker Aufenthalts einige sowohl
durch die Wahl wie durch die Behandlung des Stoffes bemerkenswerte Schriften in
heimischer Mundart, in klarern, kernigem Niederdeutsch, ausgehen lassen, die jetzt
durch sehr gelungene Facsimiledrucke mit erläuternden Vorbemerkungen biblio-
graphischer, historischer und sachlicher Natur von Freybe68-70) wieder allgemein
zugänglich gemacht worden sind. Die erste davon hat ihrem Vf. in der Rechts-
geschichte den Platz eines Begründers des Naturrechts 100 Jahre vor Hugo Grotius
gesichert; in der zweiten könnte man, wenn es gestattet wäre, moderne Anschauungen
in das 16. Jh. hineinzutragen, die Grundzüge einer konstitutionellen Verfassung
auf konservativer Basis erblicken; die dritte ist allerdings von mehr lokal-
geschichtlichem Interesse, aber für die Würdigung des unerschrockenen Vorkämpfers
der Reformation von Wert. —
Hier reihen sich am besten an die „weisen Sprüche" des hochverdienten
Landammanns Paul Schuler von Glarus, den Heer71) schildert. Er hat sie im
79. Jahre seines Alters niedergeschrieben. In der poetischen Form nicht gerade
hervorragend, legen sie Zeugnis ab von regem Interesse für das öffentliche Wohl
und von einem offenen Auge für die Schäden der Zeit, besonders für den verderblichen
Aemterkauf.72) —
Die Erinnerung an das 400jährige Alter der unsterblichen Satire „Das
Narrenschiff" und ihren Dichter Sebastian Brant frischt J e n t s c h 73~74) durch
zwei geschickt geschriebene Aufsätze wieder auf, in deren einem er hervorhebt, dass
Brant trotz seines unverzagten Auftretens gegen die Missbräuche in der Kirche und
gegen die Verderbtheit des Klerus doch nie aufgehört habe, ganz katholisch zu
fühlen und zu denken, während er im zweiten die litterarische Bedeutung des Werks
in den Vordergrund stellt.75) — Die Frage, in welchem Verhältnis Alexander Barclay
in seiner 1509 erschienenen englischen Ausgabe des Narrenschiffs die von ihm selbst
darin namhaft gemachten Quellen, das deutsche Original, die lateinische Uebersetzung1
kommt hier in Betracht; d. zweite, Gehhard v. Alvenslehen [gest. 1681], fällt ausserhalb unseres Zeitraums.) — 63) H. Je Hing -
baus, D. Rechtsaufzeichnungen in niederdtsch. Sprache: JbVNiederdSpr. 18, S. 71/8. — 64) O X Fr. Thudichum, D.
Tübinger Stadtrecht v. 1493: BBSW. S. 220 2. — 65) (I 7 :7a.) — 66) A. v. Eisenhart, Ul. Tengler: ADB. 37, S. 568-70.
— 67) J. Bolte, E. Spottgedicht auf d. Kölner Advokaten: JbVNiederdSpr. 19, S. 163,7. — 68) A. Freybe, J. Oldendorp,
Wat byllick vn recht ys, eyne körte erklaring, allen stenden denstlick. Rozstock 1529. (Was billig u. recht ist. D. dtsch.
Erstlingsschrift d. sog. Naturrechts.) Schwerin, Bärensprung. 70, 51 S. M. 2,00. - 69) i d. , id., Van radtslagende, wo men
gude Politie vnd ordenunge, ynn Steden vnd landen erholden möghe. Rozstock 1530. (E. Ratmannen-Spiegel.) ebda. 1893.
24 S., 36 Bll. M. 3,00. — 70) id., id., Warhafftige entschuldinge Wedder de mortgirigen vprorschen schandtdichter vnd
falschen klegere. 1533. (Wahrhaftige Entschuldigung. E. Beitr. z. Mecklenburg. Kirchengesch.) ebda. 22, 16 S. M. 1,00.
(Vgl. II 6:219.) — 71) G. Heer, Landamman P. Schuler u. seine Zeit: JbHVGlarus. 28, S. 15-65. (S 51-65: Hrn. Pauli
Schulers wyss sprüch.) — 72) X A- T- Eisenhart, Jak. Thoming: ADB. 38, S. 112/3. (Th. [in Rostock 1541 als Tobinck
immatrikuliert] hat hervorrag. Anteil an d. Revision d. sächs. Civilrechts ; stirbt 1576 als Prof u. Ordinarius d. Schöffenstnhls
zu Leipzig.) — 73) K. Jentsch, Seb. Brant u. sein Narrenschiff: Zeit 1, S. 102/4. — 74) id., Seb. Brant u. sein Narrenschiff:
FZg. N. 325. (Mit bes. Hervorheb. d. litt. Bedeut.) — 75) X Seb. Brant u. sein Narrenschiff: KZEU. 43, S. 538-56. - 76)
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (2)7
II 5:76-84 A. Hofmeister, Didaktik des 15/16. Jahrhunderts. 1893, 1894.
Lochers und die aus dieser abgeleitete französische Rivieres benutzt habe, beantwortet
Fraustadt16) in einer minutiösen Untersuchung- dahin, dass Barclay von seinen
Vorlagen nicht, wie man glauben möchte, in der von ihm selbst angegebenen
natürlichen Reihenfolge Gebrauch gemacht hat, sondern sich zuerst und fast durchweg
an Locher hält, manchmal auch Riviere benutzt, das deutsche Original selbst aber
nur ausnahmsweise heranzieht. Doch auch die direkte Vorlage behandelt Barclay,
da seine Uebersetzung für die breiten Schichten seines Volkes bestimmt ist, ziemlich
frei. In behaglicher Breite stellt er die einzelnen Gedanken dar, fügt Sprichwörter,
von denen F. (S. 30/2) eine Auswahl mitteilt, Vergleiche und neue Beispiele ein, um
den betreffenden Fall noch genauer zu beleuchten, ersetzt antike Einrichtungen nicht
selten durch entsprechende Institutionen seines Heimatslandes und gestattet sich Um-
stellungen im Text, deren Veranlassung nicht immer klar auf der Hand liegt; so
gewinnt sein Werk einen ziemlich hohen Grad von Selbständigkeit. Als x\nhang ist
der verdienstlichen Schrift eine kritische Besprechung der das gleiche Thema be-
handelnden Arbeit von J. Seifert (Brunn 1884) beigegeben. — Halters77) „Neues
Narrenschiff" hat mit Brant nur den Titel gemein; es ist eine Satire auf modernste
litterarische Verhältnisse in Strassburg. —
Thomas Murners vielbewegtes Leben und reiche litterarische Thätigkeit
zeichnet von Funk78) auf Grund der bekannten Vorarbeiten in pragmatischer
Kürze. — Seine Immatrikulation in Krakau, Wintersemester 1499 — 1500,alsFraterThomas
Murner ordinis Sancti Francisci de Argentina weist Werner79) nach, doch ist bei
der bekannten Praxis der älteren Universitätsmatrikeln darin kein Beweis für Strass-
burg als Geburtsort zu suchen. — Einen Brief Murners an den Rat zu Frankfurt aus
dem J. 1511, aus dem hervorgeht, dass er wegen Beleidigung der nicht ganz
makellos erscheinenden Ehefrau eines Frankfurter Bürgers beim Ordensprovinzial
verklagt war, bringt Spanier80) nicht unwahrscheinlich mit dem 31. Kap. der
Narrenbeschwörung zusammen. — Martin81-82) sieht sich genötigt, gegen eine in
sehr übelwollendem Tone gehaltene Recension der „Handzeichnungen von Thomas
Murner" in der Kunstchr. (JBL. 1893 II 5b: 9) Verwahrung einzulegen und verweist
auf seine spätere Veröffentlichung, in der er seine Annahme von Murners Urheberschaft
weiter ausführt. — Ueber das Abhängigkeitsverhältnis Murners von Brant und das
gegenseitige Verhältnis der Narrenbeschwörung und der Schelmenzunft verbreitet
sich Spanier83"84) in einer ausführlichen und gründlichen Untersuchung, deren
Endresultat nicht besser als mit des Vf. eigenen Worten wiederzugeben ist: „Die
Narrenbeschwörung ist durch das Narrenschiff beeinflusst, aber Murner ist kein Ab-
schreiber Brants. Zarnckes Angaben hierüber sind unrichtig. Murner schliesst die
Narrenbeschwörung selbst ausdrücklich an das Narrenschiff an, und wo er Brant im
einzelnen folgt, geschieht es in Selbständigkeit und freier Art. Die Schelmenzunft
ist weder eine Skizze, noch ein Auszug der Narrenbeschwörung, sondern eine selb-
ständige Dichtung. Sie ist nach der Narrenbeschwörung entstanden, und zwar ist
diese in den J. 1509—12, jene im J. 1512 verfasst". Diese Untersuchung dient
zugleich als litterarhistorische Einleitung zu Sp.s Ausgabe der Narrenbeschwörung
nach dem Druck von 1512, dem einzigen, der auf Murner selbst zurückgeht, während
die früheren Herausgeber auf Grund einer irrigen Annahme Goedekes den fehler-
vollen Abdruck Strassburg 1518 wiedergeben. Die Holzschnitte der Vorlage sind
dem Texte in genauen photolithographischen, wenn auch des veränderten Formats
wegen etwas verkleinerten Nachbildungen eingefügt, ebenso sind kurzgefasste, aber
reichhaltige Anmerkungen und ein Glossar angehängt — Neuerungen für die sonst
auf bibliographische und textkritische Notizen sich beschränkenden Neudrucke, aber
solche, die nur mit Genugthuung zu begrüssen sind. Wald. Ka wer au erkennt in seiner
sehr eingehenden und beistimmenden Recension das Gewicht der von Sp. angeführten
Gründe für die Priorität der Narrenbeschwörung an, doch möchte er sie, namentlich
das Argument des künstlerischen Fortschrittes, nicht für so entscheidend halten, um darauf
eine positive Behauptung zu gründen, ebenso tritt er Sp. darin bei, dass Zarncke
das Abhängigkeitsverhältnis übertrieben dargestellt habe, aber das bleibe doch un-
bestritten, dass wir ohne Narrenschiff keine Narrenbeschwörung haben würden, und
dass ohne Brants Text und ohne die Bilder seiner Dichtung Murner seine besten
Einfälle schwerlich gekommen wären. Auch über den sittlichen Gehalt der Murnerschen
Satirendichtung urteilt K. weniger günstig als der Herausgeber. — Aus dem
reichen Schatze wertvollen Stoffes, den Murners aus dem vollen Menschenleben
F. Franstadt, Ueber d. Verhältnis v. Barclays Ship of fools z. lat., franz. u. dtsch. Quelle. Diss. Breslau, (Nischkowsky).
50 S. — 77» E. H a 1 1 e r , D. neue Narrenschiff. Strassburg i. E., Treuttel & Würtz. 1893. 64 S. M. 1,00. — 78 ) F. H. v. F u n k , Th. Murner :
WWKL. 8, S. 2024/8.— 79) R M.Werner, Murner in Krakau: VLG. 6,8.319-20. — 801 M. Spanier, E. Brief Th. Murners: ZDPh. 26,
S 370/5. — 81)E.Martin, Entgegnung: Kunstohr. 5. S. 197. (D. Recension ib. S. 162/3.) - 821 id., Handzeichnungen v. Th. Mnrner
(JBL. 1893 I 11 : 236). Strassburg i. E., Gerschels Photogr. Inst. 1892. 4 S. mit 8 Taf. M. 8,00. — 83) M. Spanier, Ueber
Murners Narrenbeschwörung u. Schelmenzunft: BGDS. 18, S. 1-71. (Auch als Heidelberger Diss. ersch. 71 S.) — 84) id.,
Th. Murner, Narrenbeschwörung. Mit Einl., Anm. u. Glossar. (= NDL. N. 119-24.) Halle a. S., Niemeyer. XXXVI, 372 S.
A. Hofmeister, Didaktik des 15./16. Jahrhunderts. 1893, 1894. II 5 : 85-98
herausgegriffene Schriften bieten, wählt Spanier85) Tanz und Lied, um einerseits
zu zeigen, wie häufig Murner in direkten Hinweisen und leicht zu erkennenden An-
spielungen darauf Bezug nimmt, andererseits, wie der Vorzug der schriftstellerischen
Eigentümlichkeit des Dichters im Volksliedmässigen seiner satirischen Darstellung
liegt, in der Frische und Unmittelbarkeit der Auffassung und Gestaltung, der frohen
Unbekümmertheit um das Urteil strenger Richter und in der Rücksichtslosigkeit des
Tones, die dem eigenen Stande keine Schonung angedeihen lässt, und dass gerade
darin ein Hauptgrund seiner Popularität unter den Zeitgenossen zu suchen ist. —
Johann Fischarts Ansichten über Erziehung und Unterricht, wie er
sie im Ehezuchtbüchlein, in der Kinderzucht, in verschiedenen Vorreden und sonst
zerstreut ausgesprochen hat, betrachtet Mäder86); er stellt fest, dass Fischart, wenn
auch selbst durchaus humanistisch gebildet, nicht den internationalen Humanismus,
sondern eine praktische deutsch-nationale Bildung vertritt 8~) — Zu Alslebens Ausgabe
der Geschichtsklitterung (JBL. 1891 II 3 : 22) sind noch einige sehr beifällige
Recensionen erschienen88"89), ebenso90) zu Frantzens hübscher und fruchtbarer Unter-
suchung (JBL. 1892 II 3:31) über Fischart als Uebersetzer.91"92) — Reichhaltige
Beiträge zur Fischartbibliographie, zumeist aus der Darmstädter Hofbibliothek, legt
Adolf Schmidt93) vor und g'eht dabei besonders auf des Joh. Chph. Artopeus, ge-
nannt Wolckenstern, Konkurrenzschrift von Fischarts Scherzpraktik ein, die unter dem
Titel „Aller Praktik Grossvater" auftrat. Fischart nimmt die Priorität für sein Werk
in Anspruch; eine dem scheinbar entgegenstehende Notiz wird von Seh. für irr-
tümlich erklärt. — Der dritte Teil von Hauffens94"95) Auswahl aus den Werken
Fischarts enthält das Podagrammisch Trostbüchlein und das Philosophische Ehezucht-
büchlein. Aus der Beschäftigung mit dem Trostbüchlein ist eine wertvolle Studie
über die ironischen Enkomien überhaupt erwachsen. Auf antike Vorbilder zurück-
gehend, waren sie im Humanistenzeitalter ausserordentlich beliebt, da sie bequeme
Gelegenheit darboten, die didaktischen Elemente der alten Schriftsteller, Fabeln,
philosophische Betrachtungen, Lebensregeln, Beispiele historischer Heldenthaten, mit
der volkstümlichen Komik der Zeit zu verbinden und so in ironischer oder derb-
komischer Einkleidung heilsame Wahrheiten vorzutragen. Unter den Vf. dieser
Scherze sind die klangvollsten Namen zu finden. Im 17. Jh. vereinigte man dann
diese Schriften in Sammlungen, deren umfänglichste das Amphitheatrum sapientiae
Socraticae ioco-seriae . . . congestum a Casp. Dornavk) (Hanau 1619, 2 Bde. Fol.) ist.
In allen ist das Bestreben erkennbar, den gewählten, möglichst unbedeutenden, un-
angenehmen oder direkt widerwärtigen Gegenstand mit dem grössten Aufwand von
Witz, Gelehrsamkeit und rhetorischer Kunst herauszustreichen, wobei mythologisches
Beiwerk, klassische Citate und volkstümliche Anekdoten eine Hauptrolle spielen.
Neben den Klassikern bildet das „Encomium Moriae" des Erasmus für alle Späteren
das Vorbild, und da dies selbst seinerseits deutlich von Brants Narrenschiff abhängig
ist, so übt auch dieses Werk einen bestimmenden Einfluss auf die Enkomienlitteratur
aus. Ebenso schliesst sich an Pirkheimers „Laus Podagrae" eine Reihe ähnlicher
Schriften an, so dass ausser der „Laus Stultitiae" kein anderes Enkomium eine so
anhaltende litterarische Nachwirkung aufzuweisen hat. E n g 1 e r t bringt in seiner
Recension der H.schen Ausgabe eine dem Herausgeber unbekannt gebliebene
zweite Ausgabe des Ehezuchtbüchleins von 1591 bei und spricht Zweifel darüber
aus, ob die Vorrede beider Ausgaben von 1591 ausreiche, die Todeszeit Fischarts so
bestimmt auf die Zeit zwischen 10. März und 14. April 1591 anzusetzen, da durchaus
nicht sicher feststehe, wann Fischart die Aenderungen in der Vorrede, oder ob er sie
überhaupt selbst vorgenommen habe.96) — Die Vilmarschen, teilweise ungenauen Be-
schreibungen der verschiedenen Drucke des Bienenkorbs sowie die dadurch ver-
anlassten Irrtümer Kessemeiers berichtigt Englert9") und weist einer von Rückbeil
beschriebenen, bisher unbekannten, undatierten Ausgabe ihre richtige Stellung zwischen
der 2. Ausgabe von 1588 und der undatierten Ausgabe F. (nach Vilmar) an. (Vgl.
auch II 3:25/7.) —
Eine sehr dankbare Aufgabe hat sich Osbor n98) gestellt und sie glücklich
M. 3,60. |[W. Kaweran: Euph. 1, S. 793-800; LCB1. S. 1378 ]| (Vgl. U 6: 13.) — 85) id., Tanz u. Lied bei Th. Murner:
ZDPh. 26, S. 201-24. — 86) B. Mäder, D. päd. Bedent. Fischarts (JBL. 1893 I 6 : 18). Diss. L., (0. Schmidt). 1893. 43 S.
— 87) X (II 3 = 33.) - 88) X (I 3 : 34.) - 89) X Gyron. 12, S. 650. - 90) X L^B1 !893, S. 1534. — 91) X Fr- Rabelais,
Gargantua et Pantagruel (Fragments). (= Nouv. bibl. pop. N. 391.) Paris, H. Gantier. 36 S. Fr. 0,10. (Vorsichtig modernisierte
Ausw.). — 92) O X F- Tenot, Rabelais et sa mission. Et. en vieux franc. Tours, Imprim. Pericat. 16°. 88 S. — 93)
Ad. Schmidt, Z. Bibliogr. d. älteren dtsch. Litt. (JBL. 1893 I 3:125; II 3:55): CB1 Bibl. 1893. S 433-56. — 94) A Hauffen,
J. Fischart, Werke. 3. T. (JBL. 1893 II 3 : 479.) (= DNL. Bd. 18, Abt. 3.) St., Union. 1893. LXX, 332 S. M. 2,50. |[A.
Englert: Euph. 1, S. 807-lö.]| — 95) id., Z. Litt. d. ironischen Enkomien: VLG. 6, S 161-85. — 96) X J- Fischart, D.
Jesuitenhütlein. (= Meyers Volksbücher N. 1055.) L., Bibliogr. Inst. 44 S. M. 0,10. (Sprachlich modernisiert; vgl. JBL 1893
II 3:45.) — 97) A. Englert, Z. Bibliogr. d. Fischartschen Bienenkorbes: Alemannia 22, S. 48-53 — 98) M. Osbor n, D.
Teufellitt. d. 16. Jh. (JBL. 1893 n 1 : 92; IU 5 : 5.) (= Acta Germanica m, Heft 3.) B., Mayer * Möller. 1893 VI, 236 S.
M. 7,00. |[H Gaidoz: PolybibU'. 71, S. 339-40; L. Fr(änkel): LCB1. S. 1740,1; G Kawerau: GGA. S. 165/8; A.Schröter:
BLU. 1893, S. 756; F. H. Keusch: ThLZ. 19, S. 338/9; A. Tille: ZVLB. 7, S. 483/4; KZg. 1893, N 906; G. Loesche:
(2)7*
II 5 = 99-101 A. Hofmeister, Didaktik des 15./16. Jahrhunderts. 1893, 1894.
gelöst. Die Teufellitte ratur des 16. Jh., und zwar die bereits von Goedeke unter
diesem Titel zusammengefasste, auf lutherischem Boden erwachsene, ausschliesslich
von Geistlichen gepflegte satirisch-didaktische Litteratur, die für jedes Laster, jede
Untugend einen besonderen, oft noch mit zahlreichem Gesinde ausgerüsteten Teufel
bei der Hand hat, ist es, die den Gegenstand der Untersuchung bildet. Die Ein-
leitung zeigt im Umrisse das Eindringen des Teufels und seiner Scharen, denen die
vom Christenglauben überwundenen heidnischen Gottheiten und das Heer der
dämonischen Gestalten der niederen Mythologie eingereiht wurden, in die bildende
Kunst und in die Litteratur. Namentlich im Drama des Mittelalters nehmen die
Teufel einen recht bedeutenden Raum ein, erscheinen aber bei allem Uebelwollen, bei
aller Bosheit doch im ganzen machtlos gegenüber dem Gnadenschatze der Kirche
und der Fürbitte der Heiligen, so dass sie zuletzt zur komischen Figur des dummen
Teufels herabsinken. In der tieferen und ernsteren Lebensauffassung des Protestantis-
mus dagegen kommt der Teufel wieder vor als das auserlesene Rachewerkzeug der
zürnenden Gottheit, als der altböse Feind, der umhergeht wie ein brüllender Löwe
und seine Diener aussendet zu den verschiedenen Nationen und Ständen, um sie zu
verderben. Diese zu bekämpfen, nicht mit dem Eisen oder mit der Faust, sondern
mit dem Worte der Wahrheit, hatte Luther selbst geheissen, und so tritt schon 1544
als erster unter den vorzüglich dazu berufenen Dienern des Wertes Johannes Chryseus
mit seinem dramatisch behandelten „Hofteufel" auf den Plan, 1551 folgt ihm, direkt
auf Luther hinweisend, Matth. Friederich mit dem ,, Saufteufel", und 1555 Andreas
Musculus mit seinem berühmten, mit Recht als Typus für die ganze Litteraturgattung
geltenden „Hosenteufel". Zahlreiche Nachahmer folgten, so dass der unternehmende
Verleger Feierabend in Frankfurt a. M. schon 1569 eine umfängliche Sammlung
solcher Schriften unter dem etwas reklamehaften Titel „Theatrum Diabolorum" ver-
anstalten konnte, die — ein schlagender Beweis für den Erfolg — 1575 eine zweite
und 1587 — 88 eine dritte, bis auf 33 Nummern angewachsene Auflage erlebte. Von
diesen und einigen anderen, aus irgend welchen Gründen darin nicht aufgenommenen
„Teufeln" giebt nun O. eine je nach der Wichtigkeit eingehendere oder kürzere
Analyse, die zeigt, wie alle diese Werke, wie verschiedenen Vf. sie auch angehören,
und so verschieden ihr litterarischer Wert auch sein mag, doch in Bezug auf die
äussere Komposition, auf den angeschlagenen möglichst derben Ton, auf den Luther
nachgebildeten Stil, auf die spiritualistische Weltanschauung, so mit einander über-
einstimmen, das die Persönlichkeit der Vf. ganz hinter dem Gegenstande zurücktritt,
und dass die verschiedenen Bestandteile der Sammlung fast als zusammengehörige
• Kapitel Eines Werkes erscheinen. Ein Schlusskapitel behandelt die Wirkungen und
Nachklänge der Teufellitteratur; ihr Publikum ist fast ausschliesslich in den pro-
testantischen Gegenden zu suchen — ein Innsbrucker Druck des Saufteufels steht
völlig allein — , hier aber ist sie allbekannt und viel gelesen, und dementsprechend
macht sich auch ihr Einfluss in der Litteratur, besonders im Drama, geltend, doch
fallen die meisten dieser Nachklänge schon ins 17. Jh. Gegen das Ende dieses Zeitraums
verschwinden die Teufelbücher unter dem Einflüsse des erstarkenden Pietismus vom
Markte. Unter den zahlreichen Besprechungen, die dem schönen Werke zu teil ge-
worden, sind als sachlich am reichhaltigsten hervorzuheben die von G u s t.
Kawerau und Tille. K. mahnt, bei der Benutzung der Teufellitteratur eingedenk
zu bleiben, dass die Sittenprediger die Schatten möglichst dunkel zu zeigen lieben
und die Signatura temporis pessimistisch übertreiben, weist auf den „Mittagsteufel"
des 90. (91.) Psalms hin, mit dem schon St. Bernhard sich beschäftigt hatte, und
bringt auch sonst noch allerhand beachtenswerte Litteraturn achweise und kleine
Berichtigungen bei ; T. ist mit der systematischen Einordnung der verschiedenen Teufel
in bestimmte Rubriken nicht ganz einverstanden, weil man so kein Bild von dem
geschichtlichen Werden dieser Litteratur erhalte, und wünscht eine Vertiefung des
Themas bis zur Aufhellung der Wechselwirkung zwischen volkstümlicher Welt-
anschauung und gelehrter Litteratur und der daraus sich ergebenden Weiterentwicklung
beider, aus der er einen Fortschritt in der Lösung des Faustproblems erhofft. —
Osborn s") Einleitung zu seiner Ausgabe des „Hosenteufels" weist auf die von
Musculus zwar selbst erwähnte, sonst aber weniger beachtete Thatsache hin, dass die
Pludertracht hauptsächlich in den der Reformation gewonnenen Gegenden herrschte, und
stellt eine Reihe litterarischer Zeugnisse und obrigkeitlicher Verordnungen über diese
Modeverkehrtheit zusammen. Die Ausgabe selbst geht auf den ersten Druck von
1555 zurück; eine Vergleichung der niederdeutschen Uebersetzung von 1556 mit
diesem findet sich auf S. XVIII— XX. —
Ausgehend von Erasmus Buch „De civilitate morum", das Heinrich von
Burgund gewidmet ist, kommt Bonnaffe100) auch auf den „Grobianus" zu
ThJB. 13, S. 259.]| — 99) id., A. Musculus, Vom Hosenteufel (1555). (= NDL. N. 125.) Halle a. S, Niemeyer. XXX, 27 S.
M. 0,60. — 100) Edm. Bonnaffe, Ütudes sur la Benaissance. — Les livres de civilite: EDM. 117, S. 610-32. — 101) Gr.
A. Hofmeister, Didaktik des 15./16. Jahrhunderts. 1893, 1894. II 5 : 101-iu
sprechen, von dessen Inhalt er einen Ueberblick giebt ; er empfiehlt ihn den modernen
Realisten als Vorbild, dem noch mancher feine Zug- abzulauschen sei. — Ellinger101)
warnt in einer Recension von Hauffens Caspar Scheit vor der Ueberschätzung des
kulturgeschichtlichen Wertes der grobianischen Litteratur: gerade die durchgeführte
Ironie und der allgemeine Beifall, den sie findet, zeigen schon eine Erhebung über
die geschilderten Zustände, und macht auf einen „Kurtzverfassten Grobianus" auf-
merksam, der der um 1660 erschienenen „Renovierten und merklich vermehrten
Alamodischen Hobel-Bank" als Anhang beigegeben ist und sich als Auszug aus der
ersten Fassung erweist. Er bildet zugleich den letzten selbständigen Ausläufer dieser
Litteratur. — „Ein schön Reygenlied von Sant Grobian", von dem schon Zarncke
zwei Strophen in seiner Ausgabe des Narrenschiffes veröffentlicht hatte, druckt
John Meier 102) nach dem Original, einem Einzeldruck o. 0. u. J. aus der Meuse-
bachschen Sammlung, ab und führt Zarnckes Hinweis, dass das Lied eine Be-
arbeitung des 72. Kapitel des Narrenschiffs sei, weiter dahin aus, dass es keineswegs
eine blosse neue Versifikation ist, sondern die Vorlage durch manche, nicht un-
wesentliche Zuthaten bereichert und geschickt in eine neue Form giesst. Die Heimat
ist im oberen Elsass, der Druckort ebenda zu suchen und die Entstehungszeit etwa
in die Mitte des 16. Jh. zu setzen. —
Gleichfalls aus einem Liederdrucke der Berliner kgl. Bibliothek aus dem
16. Jh. teilt Bolte103) einen Spruch über die 18 Eigenschaften der Trinker mit.
— Einen beachtenswerten Beitrag zur Trinklitteratur mit besonderer Beziehung auf
Magdeburg veröffentlicht Waldemar Kawerau 104), indem er die Kurfürstl. Sächsische
Vermahnung gegen Gotteslästerung und Völlerei von 1531, eine Predigt Eberhard
Weidensees aus dem Anfang der 40er Jahre und einschlägige Stellen aus den Evan-
gelien- und Leichenpredigten des Dompredigers Siegfried Sack (gest. 1596) ein-
gehender bespricht und auf deren Zusammenhang mit der volkstümlichen Litteratur
jener Zeit hinweist. Von Interesse ist auch die von Kurfürst August am 30. Jan. 1579
bestätigte erneuerte Ordnung der Torgauer Ratstrinkstube, die Taubert105) zur
Kenntnis bringt, ebenso ein Bericht über eine grosse Gasterei auf der Trinkstube
am 28.— 31. Mai 1599 mit Tischordnung und Speisenfolge. — Beim geselligen Trunk
pflegt das Spiel nicht zu fehlen und auch darin wird häufig die durch die Vernunft
gebotene Grenze überschritten. Eine inKöln im 15. Jh. entstandene Warnung davor macht
Bolte106) bekannt; er schickt eine sehr dankenswerte, wenn auch nicht auf Vollständig-
keit Anspruch machende Zusammenstellung der über die Verderblichkeit des Würfelspiels
handelnden Dichtungen des 13. — 16. Jh. voraus.107-109) — Wald. Kaweraus110)
warme und mannhafte Schutzschrift für die evangelische Auffassung der Ehe und
Liebe im Reformationszeitalter gegen Janssens und seiner Zettelsammler ebenso
heftige wie ungerechtfertigte Angriffe — „Die Ehe im Spiegelbilde der deutschen
Litteratur des 16. Jh." möchte der Vf. selbst sein Thema umschreiben — hat bereits
im vorigen Jahrgange unter der Reformationslitteratur ihre Besprechung gefunden;
zu erwähnen bleibt hier noch eine Recension Ellingers, der die, auch wirklich
vorhandene Mängel und Schwächen auf protestantischer Seite keineswegs bemäntelnde
Schrift allen Gebildeten zur Lektüre dringend ans Herz legt. —
Der Vortrag über die Tiersage von Nover111) hat nicht den vollen Bei-
fall der Recensenten errungen. — Den oben (N. 95) erwähnten ironischen Enkomien
ist auch Wolfhart Spangenbergs „Ganskönig" zuzurechnen, den Wald. Kawerau112)
anregend behandelt, um von da auf des schreibseligen Osterweddinger Pastors Joh.
Sommer aus Zwickau (daher Cygnaeus oder Olorinus) Lobrede auf die Martinsgans
(Magdeburg 1609) zu kommen. Sommer benutzte dazu ausser dem Ganskönig noch
seines Landsmannes Hans Ackermann „Tugend der Burekarts- und Martinsgans"
aufs ungenierteste, ist jedoch selbst litterarisch gebildet und mit den Volkssitten, dem
Volkslied und dem Sprichwort vertraut genug, um seiner burlesken Bratenrede
selbständigen litterarischen Wert zu verleihen; freilich lässt er sie dann, geschmacklos
genug, in eine wirkliebe Predigt auslaufen. — Eine Ehrenpflicht gegenüber einem
der besten Mitkämpfer Luthers hat Schnorr von Carolsfeld113) erfüllt durch
seine auf den sorgsamsten archivalischen und litterarischen Studien beruhende
Ellinger, Ad. Hauffen, Caspar Scheit, d. Lehrer Fischarts (JBL. 1892 II 5a : 44; 5b : 10): ZDPh. 25, S. 417,9. — 102)
(I 5 : 296; II 2 : 45.) — 103) (I 5 : 295; II 2 : 50.) — 104) W. Kawerau, Z. Trinklitt, d. 16. Jh.: MagdZg». 1893, N. 41/2. —
105) 0. Taubert, D. Torgauer Trinkstube u. d. Trinkstubenordnung v. 1579: PAVTorgau. 7, S. 21,2, 81-94. (Vgl. II 1 :1334.)
— 106) J. Bolte, Warnung vor d. Würfelspiel: JbVNiederdSpr. 19, S. 90/4. - 107) X Edw- Schröder, Ad. Hofmeister,
„Eyn Loszbuch auss der karten" (JBL. 1890 II 5 : 42): ADA. 19, S. 273 4. — 108) O X D. Venusnarr in d. dtsch. Satire d.
16. Jh.: Kyffhäuser8, S. 46/9. — 109) O X X J. Oranstoun, Satirical poems of the time of the Reformation. Edinburg, Scottish
Text Society. (Weitere Angaben unerreichbar.) |[Ath. 1,8. 344.JI — 110) W. Kawerau, D. Reformation u. d. Ehe (JBL. 1892 I 4: 37;
II 5b: 28; 1893 II 6:191). (= Schriften d.Ver. für Reformationsgesch. Bd. 39.) Halle a. S., Niemeyer. 1892. 104 S. M. 1,20. J[G.
E(llinger): NatZg. 1893, N. 293]| — 111) J. Nover, D. Tiersage (JBL. 1893 I 5:221; II 3:13). (= SGWV. N. 164.)
Hamburg, Verlagsanst. 1893. 48 S. M. 1,00. — 112) W. Kawerau, Z. Gesch. d. dtsch. Tierdichtung (JBL. 1893 II 3:54):
GBllMugdeburg. 28, S. 264-82. — 113) (II 2:3.) — 114) X A Stern, E. dtsch. Dichter d. Reformationszeit: Grenzb. 1,
II 5:iH-i25 A. Hofmeister, Didaktik des 15./16. Jahrhunderts. 1893, 1894.
Biographie des Fabeldichters Erasmus Alberus114); gleichzeitig1 hat Kawerau115)
ihm als dem mannhaften Streiter gegen das Interim ein Denkmal gesetzt.116) — Aus
Berliner Meistersängerhss. hebt Hampe111) zwei Parabeln heraus, die von den
drei Ringen, niedergeschrieben 1605, und die vom „Mann im Syrerland", nach dem
Buch der Beispiele, aber mit weiter ausgeführtem allegorisierendem Schlüsse. —
Zur Forschung über die Schwankbücher ist zu bemerken, dass die
Bibliographie des „Pfarrers vom Kaienberg" in den Berichtsjahren wertvolle Be-
reicherungen erfahren hat. Zuerst fand Adolf Schmidt1 17a) in der Hof bibliothek
zu Darmstadt den bis jetzt ältesten datierten Druck (Heidelberg, Knoblochtzer 1490)
auf, der zugleich noch zwei vollständig mitgeteilte Stücke über die Fische, wann sie
am besten sind und womit sie scherzweise verglichen werden, und am Schluss die
gereimte Geschichte vom Ritter Alexander (Trimunitas) enthält. — Einen noch älteren,
aber undatierten Druck (Augsburg, Pflanzmann 1470—80?) beschreibt K. Meyer118)
nach einem Münchener Bruchstück, ebenso eine niederländische Ausgabe Amster-
dam 1613 (Univ.-Bibl. Göttingen), die sich selbst als „neu übersehen" bezeichnet und
noch als Prosaauflösung eines deutschen Gedichtes erkennbar ist. Die erste, noch
nicht aufgefundene, niederländische Ausgabe ist als die direkte Vorlage der von
Edw. Schröder 1887 (JbVNiederdSpr. 13, S. 129—52) veröffentlichten englischen Prosa-
übersetzung anzusehen, nicht das niederdeutsche Gedicht, von dem P r i e b s c h119J
ein neues Bruchstück entdeckt hat.120) — Lappenberg, dessen 1854 erschienene
Ausgabe des „Ulenspiegel" noch heute als eine höchst beachtenswerte Leistung
zu bezeichnen ist, ging auf Grund seiner Vorlage, des Strassburger Druckes von 1519,
von der Ueberzeugung aus, Murner sei nicht etwa bloss als Uebersetzer, sondern für
den grössten Teil geradezu als Vf. des beliebten Volksbuches anzusehen, und er
glaubte es daher als nebensächlich unterlassen zu dürfen, das Verhältnis der ältesten
erhaltenen Ausgaben zu einander und zu einer vorauszusetzenden niederdeutschen
Ausgabe näher zu untersuchen. Seitdem ist 1868 ein älterer, gleichfalls Strassburger,
Druck von 1515 aufgetaucht und 1884 durch H. Knust veröffentlicht worden (NDL.
N. 55/6); und Scherer hat die selbständige Stellung der Kölner Ausgabe von 1538
nachgewiesen. Auf dieser durch eine undatierte Antwerpener Ausgabe verstärkten
Grundlage unterzieht Walther121) die ganze Eulenspiegelfrage einer eingehenden
Nachprüfung, deren Ergebnis kurz dahin zusammen zu fassen ist, dass mindestens
drei niederdeutsche Ausgaben des Eulenspiegel vorhanden gewesen sein müssen. Die
erste von 1483 mit der im Antwerpener Drucke erhaltenen Vorrede ist in Ostfalen,
am wahrscheinlichsten in Braunschweig, entstanden. Eine Erweiterung durch Schwanke
mitteldeutscher (Erfurter?) Herkunft fand bald statt, womit sich zugleich ein Eindringen
mitteldeutscher Wendungen und Namensformen verband. Frühestens nach 1490 erschien
eine neue Ausgabe, zu der die Vorrede im Kölner Drucke gehört; eine dritte Aus-
gabe, die den beiden Strassburger Drucken zu Grunde lag und wahrscheinlich ge-
mischte Sprachformen zeigte, muss nach der daraus entlehnten Vorrede der Grieninger-
schen Ausgaben um 1500 entstanden sein; Murners Anteil an diesen Ausgaben ist
höchstens der eines wenig sorgsamen Uebersetzers. Diese Resultate werden gewonnen
durch umsichtigste Beachtung und Beleuchtung aller in Betracht kommenden Um-
stände, sodass auch für das richtige Verständnis der Historien selbst ein sehr grosser
Schritt vorwärts gethan ist. (Vgl. auch II 3:8 — 11, 13.) — Bolte122) ergänzt
Goedekes Nachrichten über Georg Wickrams Schriften sowohl in Bezug auf andere
Fundorte wie auf Goedeke unbekannt gebliebene Ausgaben, Quellen und spätere
Benutzungen. Interessant ist, dass sich das von Wickram im „Goldfaden" mitgeteilte
Lied „Gross leyd und schmertz Hat mir mein hertz Vor einem jar beladen" auch in
einem fliegenden Blatte o. O. u. J. der Berliner kgi. Bibliothek unter dem Titel „Der
Goldfaden" findet. (Vgl. auch II 3 : 28—30.) — Der von Hartmann und Bossert schon
früher aus der Heidelberger Universitätsmatrikel geführte Nachweis, dass der Vf.
des Volksbuches von Peter Lewen wirklich Achilles Jason Widmann hiess, ergänzt
Kolb123) durch Nachrichten aus den Kirchenbüchern und Salzamtsakten von
Schwäbisch-Hall ; auch das Urbild des Peter Lew, Peter Düsenbach, ist als Priester
und Kaplan zu Schwäbisch-Hall 1486 urkundlich nachzuweisen.124) —
Limbachs 125J Idee einer Sammlung von ausgewählten Priameln in
neuhochdeutscher Uebertragung ist als eine durchaus ansprechende zu bezeichnen,
zumal neben den bekannten Sammlungen von Keller und Euling noch eine Menge
S. 82-91, 187-98. (Ueber N. 113.) - U5) (II 2:4.) — 116) X W. Braune, Erasmus Alberus, Fabeln (JBL. 1392 II 5b : 27).
|[G. E(llinger): NatZg. 1893, N. 390; W. Kawerau: AZg». 1893, N. 1C0; L(JB1. 189:), S. 156.JI - 117) Th. Harape, Zwei
Parabeln v. Meistersingern: VLG. 6, S. 102-10. — 117a) (= N. 93.) — 118) K. Meyer, 2 Ausgaben d. Gesch. d. Pfarrers vom
Kaienberg. (= I 3 : 48, S. 62/6.) - 119) R. Priebsoh, E. viertes Bl. aus d. niedersächs. Pfarrherrn vom Kaienberge:
JbVNiederdSpr. 18, S. 1113. — 120) X Edw. Schröder, Z. Litt. d. Pfarrers vom Kaienberge: KBIVNiederdSpr. 17, S. 75.
— 121) Ch. Walther, Z. Gesch. d. Volksbuches vom Eulenspiegel: JbVNiederdSpr. 19, S. 1-79. — 122) (II 3:30.) — 123)
Chr. Kolb, D. Vf, u. d. Held d. Peter Lew (JBL. 1893 II 3 : 23): VLG. 6, S. 110,4. — 124) X (H 3 : 21.) — 125) H. Lim-
bach, Priameln. E. ausgew. Samml. altdtsch. Sinngedichte mit erläut. Vorw. (JBL. 1S93 I 5:308). Dresden, Albanus. 1892.
Gr. Kawerau, Luther und die Reformation. II 5 : 126-130 II 6 : 1-2
Stoff hier und da verzettelt ist. Die Uebertragung selbst freilich ist, wie Strauch
an verschiedenen Beispielen nachweist, nicht immer gelungen. — Das Leben des
ersten Sammlers deutscher Sprichwörter Anton Tunnicius (der Vf. schreibt
mit Seb. Franck Tunicius) hat Fränkel126) dargestellt. — Eine sehr umfängliche,
mühevolle und lehrreiche Untersuchung über die Quellen der Franckschen Sprich-
wörtersammlung legt P u s c h 127) vor. Als solche Quellen macht Seb. Franck selbst
Tappius und Tunnicius namhaft. Die Sammlung des Tappius, über dessen Leben,
Ausgaben und Arbeitsweise P. sich näher ausspricht, hat Franck sehr stark benutzt,
allerdings auch beträchtlich erweitert; viel freier steht er dem Tunnicius, dessen
zweite Ausgabe von 1515 ihm vorlag, gegenüber, sei es, weil er vieles davon schon
früher gegeben hatte, sei es, weil beschränkte Kenntnis des Niederdeutschen ihn
bewog, manches wegzulassen, was ihm nicht ganz verständlich oder als Sprichwort
unbekannt war. So kommt es, dass er von den 1362 Sprichwörtern des Tunnicius
11/1 unbenutzt lässt (nicht umgekehrt, wie Fränkel in dem eben angeführten Artikel
unter besonderer Berufung auf P. behauptet).128"130) —
11,6
Luther und die Reformation.
Gustav Kawerau.
Allgemeine ReformationsgeschichtoN. 1. — Katholische Kirche: J. U. Surgant N. 8; St. Fridolin N. 9;
Leipziger Universität N. 10; Albrecht von Mainz N. 12; Th. Murner, J. Tetzel N. 13; V. Bild N. 16; K. Wirapina, J. L. Vives,
K. von Millitz N.17; G. Agricola, J. Hass N.20; J. Wild N.22; M. Kretz N. 23 ; J. Winzler N.24; C. Kling N.25; M. Heiding
N. 26; G. Witzel N. 27; G. Lorichius N. 28; W. Seidl N. 29; Wolfg. Mayer N. 30; Theob. Tharaer N. 32; D. Manch N. 34;
J. Reihing N. 35; L. Surius, A. Tanner N. 36; Th. Chrön N. 38; L. Geizkofler N. 39. — Jesuiten N. 40. — Nonnen-
klöster N. 41. — Katholische Katechismen N. 43. — Schulwesen N. 47. — Gegenreformation N. 49. — Evangelische
Kirche: Luther: Gesamtausgaben N. 51. — Fnnde N. 53. — Neudrucke N. 54. — Zur Kritik einzelner Schriften N. 60. —
Briefwechsel N. 62. — Bibel: Die vorlutherische N. 66; die revidierte Lutherbibel N. 69; Schulbibel N. 75. — Lieder N. 81. —
Katechismus N. 85. — Sprachliches N. 108. — Biographie: Th. Kolde N. 110; A. Berger N. 112; Bildnisse Luthers N. 116. —
Einzelne Punkte N. 118. — Lebensende N. 123. — Lutherstätten N. 129. — Theologie und Weltanschauung N. 132. — Ultra-
montane Lutherpolemik und Abwehr N. 148. — Quellenpublikationen N. 153. — Geschichte der Reformatoren
und der Reformationszeit: Allgemeines N. 156. — Besonderes: Die lutherischen Gebiete: Sachsen N. 64; Thüringen
N. 178; Schlesien N. 182; Oesterreich N. 182a; Süddeutschland N. 192; Nürnberg und Franken N. 196a; Hessen N. 205; Ost-
friesland N. 207; Niedersachsen N. 208; Schleswig-Holstein N. 216; Mecklenburg N. 219; Brandenburg N. 224; Preussen
N. 228. — Die reformierten Gebiete: Schweiz N. 232; Elsass-Lothringen N. 236: Worms N. 244; Grafschaft Schweinsberg
N. 245; Pfalz N. 246; Niederrhein N. 256; Niederlande N. 259. — Reformierte Flüchtlinge N. 264. — Kleine Gruppen und
Sektlerer: Wiedertäufer N. 266; Böhmische Brüder N. 276; Schwenkfeldianer N. 278. —
Allgemeine Reformationsgeschichte. Um mit etwas Gutem
zu beginnen, werde der erfreulichen Thatsache zuerst gedacht, dass Rankes Standard-
work1), seine „Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation" in 7. Auflage in
der Gesamtausgabe neu erschienen ist. Sind wir in vielen Einzelerkenntnissen auch
erheblich weiter gekommen, für die Gesamtauffassung lernen wir immer wieder von
dem Meister. — Janssen, „Deutschlands grösster und deutschester Geschichts-
schreiber," wie die HPBU. ihn benermen, ist über der Ausarbeitung vom 7. und
8. Bande seiner Geschichte des deutschen Volkes gestorben. Beide Bände sollten die
im 6 Bande begonnene Darstellung der Kulturzustände des deutschen Volkes seit dem
Ausgang des Mittelalters bis zum Beginn des 30 jährigen Krieges zum Abschluss bringen
— ursprünglich in nur Einem Bande. Aber bei dem Charakter der Arbeit als eines
grossen Citatenarsenals wuchs das Material zu 2 starken Bänden an. Janssens
Schüler, Freund und Biograph Pastor2) hat die Schlussredaktion der hinter-
lassenen Mss. und die Ergänzung der fehlenden Kapitel in gleicher Arbeitsweise und
gleicher Tendenz in verhältnismässig sehr kurzer Zeit vollendet. Der 7. Band enthält
die Ausführungen über Schulen und Universitäten, Bildung und Wissenschaft,
Büchercensur und Buchhandel. Hier sind die Abschnitte Naturwissenschaften, Heil-
kunde, Theologie und Philosophie bei den Katholiken und Uebertragungen der
XV, 106 S. M. 2,00. |[Ph. Strauch: DLZ. 1893, S. 366/7.]( - 126) L. Fränkel, Ant. Tunicius: ADB. 33, S. 791,3. — 127)
K. Pusch, Ueber Seb. Francks Sprichwörtersamml. vom J. 1541. Progr. Hildburghausen (Gadow). 4°. 42 S. — 128) X
R. Sprenger, Zu einzelnen Stellen mittelniederdtsch. Dichtungen: JbVNiederdSpr. 17, S. 90/6. (Zu Botes Boek van veleme
rade S. 95/6.) — 129) X Ed. Damköhler, Zu mittelniederdtsch. Gedichten: ib. 19, S. 109-12. (Zu Botes Boek van veleme
rade.) — 130) O X *■ Vetter, Lehrhafte Litt. d. 14. u. 15. Jh. (JBL. 1890 II 5 : 1): COIRW. 21, S. 281/2. —
1) L. v. Ranke, Sämtl. Werke. 3. Gesamtausg. 1.-6. Bd. Disch. Gesch. im Zeitalter d. Reformation. 7. Aufl.
L., Duncker & Hurablot. XII, 351 S.: VI, 391 S.; XI, 435 S.; VII, 395 S.; VU, 383 S.; VII, 376 S. M. 36,00. — 2) (I 4 : 9) ;
7. Bd. Schulen u. Univ., Wissensch. u. Bild, bis z. Beginn d. 30j. Krieges. Her. v. L. Pastor. 1.-12. Aufl. XLV1I, 660 S.
M. 6,00. |[F. Paulsen: DLZ. S. 142; G. Loesche: JGGPÖ. 15, S. 214/5; LCB1. S. 781,2; M. Schmitz: MHL. 22, S. 302/5;
II 6 : 2-4 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
h. Schrift in die deutsche Sprache bei Katholiken und Protestanten von P. geliefert.
Der 8. Band behandelt die volkswirtschaftlichen, gesellschaftlichen und religiös-sitt-
lichen Zustände, schliesslich auf 200 Seiten das Hexenwesen und den Hexenprozess.
Hier stammen die Abschnitte über die allgemeine sittlich-religiöse Verwilderung, die
Zunahme der Verbrechen und die Kriminaljustiz aus P.s Feder. Sicherlich ist hier
eine Fülle von Materialien zur Kultur- und Sittengeschichte des 16. Jh. aufgehäuft,
woraus jeder, der sich mit diesen Materien beschäftigt, dankbar vieles wird lernen
können; aber die Tendenz ist auch so durchsichtig, die Mache so deutlich erkennbar,
dass das Urteil über diese Art von Geschichtsschreibung nicht schwer ist. Im
1. Bande war z. B., um das Lichtbild katholischer Frömmigkeit am Ende des Mittel-
alters zu zeichnen, mit Vorliebe aus der katholischen Erbauungsliteratur geschöpft,
die da beschrieb, wie das christliche Leben sein soll; jetzt werden mit gleicher Vorliebe
die Strafpredigten der evangelischen Prediger excerpiert, um die Nachtbilder zu
gewinnen, die zur Zeichnung der schrecklichen Wirkungen der „kirchlichen Revolution"
erforderlich sind. Gilt es, Laster zu schildern, so wird den Protestanten gern der
Vortritt in Beispielen aus ihren Kreisen und neidlos der breiteste Raum zugestanden;
handelt es sich um etwas Gutes, so gilt ein anderes Prinzip, und muss wirklich auch
den Gegnern ein Lob gespendet werden, so wird es möglichst verklausuliert, und
alsbald für die abschwächende Gegenwirkung gesorgt. Wie sehr hier auch P. Erbe
des Janssenschen Verfahrens ist, dafür nur ein Beispiel. Es handelt sich (7. S. 544)
um die Frage, ob Luther bei seiner Bibelübersetzung sich einer der mittelalterlichen
Uebersetzungen bedient hat. Streng methodisch ist diese Frage bisher nur von
W. Walther in seiner Schrift „Luthers Bibelübersetzung kein Plagiat" (1891) untersucht
worden, mit dem Ergebnis, dass keine Abhängigkeit besteht. Statt nun anzuerkennen,
dass hier zuerst streng methodisch dieser Nachweis geführt ist, und die Annahmen
früherer Forscher dadurch wertlos geworden sind, hüllt P. sein Urteil in vornehme
oder vorsichtige Zurückhaltung: „Ob Luther sich auch noch als Hülfe einer älteren
deutschen Uebersetzung bediente, ist streitig". Und dazu: „Wie bedenklich die ganze
Sache steht, zeigt am besten die Thatsache, dass ein Forscher wie Walther eine
eigene Abhandlung gegen Krafts Abhandlung zu schreiben sich veranlasst sah!" Also
wenn ein geschulter Forscher gegen vages, unmethodisches Gerede früherer Schrift-
steller zu Felde zieht und endlich Klarheit schafft, dann „steht die ganze Sache
bedenklich"? Es ist die echte Janssensche Kunst — für Tendenzschriftstellerei höchst
bequem — , sich hinter den Zwiespalt protestantischer „Autoritäten" zurückzuziehen,
anstatt die Stimmen zu wägen. Auf Paulsens Besprechung des 7. Bandes sei
besonders hingewiesen. Loesches Urteil geht dahin, dass das Verfahren, mit
zusammengeleimten Zetteln Geschichte zu schreiben, im 7. Bande augenscheinlich
Bankbruch erleide. — Der Jesuit Baumgartner3) liefert einen Auszug aus dem
7. Bande und versichert dabei: „Unbefangenen Protestanten wird es nicht entgehen,
dass Janssen und Pastor zwar ihre religiöse Ueberzeugung nirgends aufgaben oder
verhehlen, dass sie aber mit grosser Ruhe und Unparteilichkeit an ihre Aufgabe
herantreten, dass sie Licht und Schatten sehr gerecht verteilen usw." Diese „un-
befangenen" müssen zugleich etwas einfältig sein. Wir stimmen ihm dagegen zu,
wenn er weiter sagt: „Schon als Nachschlagebuch und bibliographisches Repertorium
hat der Band einen WTert, den kein praktischer Geschichtsforscher und kein
Bibliophile sich entgehen lassen wird." — Eine Anzeige, die ein Anonymus (in HZ. 72,
S. 326) der Janssen-Biographie Pastors gewidmet hat, setzt das Jesuitenblatt4) in
hellen Zorn; sie wird als charakteristisches Zeugnis für den in „gewissen deutschen
Gelehrtenkreisen" herrschenden Mangel an „religiöser Duldsamkeit, wissenschaftlicher
Unbefangenheit und litterarischem Anstand" an den Pranger gestellt. Der Entrüstungs-
artikel schlägt dabei auf J. Loserth als den vermeintlichen Vf. los, der aber nur
durch einen Irrtum zum Vf. der anonym erschienenen R'ecension gestempelt wird.
Der anonyme Kritiker stösst sich besonders daran, dass der Vf. von Janssen
behauptet, er sei persönlich „gutmütig" und doch zugleich „fanatisch und bigott'
gewesen. Wir anderen, die wir unter unseren katholischen Zeitgenossen schon öfters
dieser Kombination begegnet sind, werden das schwerlich für eine so ungeheuerliche
Behauptung ansehen. Es ist aber einfach eine Verdrehung des Thatbestandes, wenn
diesen „gewissen deutschen Gelehrtenkreisen" imputiert wird, sie hassten Janssen,
weil er „gläubiger Katholik" gewesen. Schliesslich behauptet der Vf., Specifikum
der „katholischen" Geschichtsschreibung sei es, im Gegensatz zu der „noch herrschenden
protestantischen, jüdischen und atheistischen", ohne Gereiztheit, Hass und Vorurteil
an die Prüfung der christlichen Vergangenheit heranzutreten, von katholischen
Dingen etwas zu verstehen, katholische Persönlichkeiten, Gebräuche und Anschau-
G. E. Haas: LRs. S. 91; ÖLB1. 3, S.362.]| (Vgl. II 1 : 77.) — 3) A. Baumgartner, Dtsch. Bildung u. Wissensch. im 16. Jh.:
StML. 46, S. 233-54. — 4) E. wissenschaftl. Urteil über Janssen: ib. 47, S. 40,2. (Daau S. 110 2 u. „Berichtigung" 9. 364.) - 5) Q.
G. Kawerau, Luther und die Reformation. IIT> : >i2
ungen nicht blindlings zu lästern und zu verzerren usw. Eine gute Portion Selbst-
bewusstsein scheint auch zu den Vorzügen dieser Geschichtsschreibung zu gehören.
— Bossert5) widmet dem 7. Bande der Janssenschen Geschichte eine ausführliche
Besprechung, weist die Tendenz nach, gemäss der die einzelnen Abschnitte zur
Erreichung des beabsichtigten Totalbildes gearbeitet sind, macht auf Vergessenes oder
Verschwiegenes, auf falsche Schlüsse aus Quellencitaten, Verschiebungen des That-
bestandes usw. aufmerksam, tritt auch dem Bearbeiter und Herausgeber Pastor in
der Frage über Joh. Hoffmeisters Lebenswandel und Lebensende, über welcher B.
mit N. Paulus in Streit geraten ist (1893 II 6:6/8), noch einmal energisch und mit
einer Reihe beachtenswerter Einwendungen gegen die „Rettung", die Paulus unter-
nommen und Pastor eifrigst acceptiert hat, entgegen. — Zimmermann6) unterzieht
H. Baumgartens Geschichte Karls V. und von Bezolds deutsche Reformationsgeschichte
kritischen Betrachtungen und sagt ersterem Gehässigkeit und Verdrehung des wahren
Sachverhalts in der Beurteilung Leos X. und Clemens VII. sowie in der der Talente
und persönlichen Eigenschaften Karls V. nach; Bezolds Darstellung sei inkonsequent,
da sie die Reformation bald hoch rühme, bald verurteile. Aus beider Schriften sei
immerhin viel zu lernen, vor allem, wie wenig die Reformation für die Bildung und
geistige Erneuerung des Volkes geleistet habe. — Die ausführliche Besprechung, die
Kolde") den zwei Bänden deutscher und schweizerischer Reformationsgeschichte des
Deutsch- Amerikaners Ph. Schaff (JBL. 1893 II 1 : 6a; 6 : 3) gewidmet hat, verdient neben
ihren kritischen Berichtigungen einzelner Aufstellungen des New-Yorker Gelehrten
besonders Beachtung wegen der lichtvollen Darstellung des Lebens- und theologischen
Entwicklungsganges des inzwischen verstorbenen Kirchenhistorikers und wegen der
prinzipiellen Erörterungen der Aufgabe, die von dem Kirchengeschichtsschreiber zu
lösen sei. —
Katholische Kirche. Den in neuerer Zeit viel genannten Vf. des
Manuale Curatorum, den Baseler Pfarrer von St. Theodor und Professor Johann
Ulrich Surgant (gest. 1505) behandelt ein kurzer Artikel von Bernouilli8).
Die Charakteristik des ehedem so weit verbreiteten Manuale könnte reichhaltiger
und eingehender sein. —
Dem schon 1498 verstorbenen Franziskaner Stephan Fridolin hat
Paulus9) einen Artikel gewidmet, der zwar über die Lebensgeschichte des Mönches
nicht viel zu meiden weiss, aber aus seinem 1491 gedruckten Predigtwerke „Schatz-
behalter" sowie aus mehreren Hss. über seine Lehre und Predigtweise manche
Mitteilung enthält. München besitzt von ihm in Cgm 4439 eine geistliche Unterweisung
für die Schwestern von St. Clara; anderes hatten Veesenmeyer in Ulm und V. Hasak.
Aus der Hs., die letzterer besass, sind vom katholischen Pressverein der Diöcese
Seckau seine Vorträge über die Psalmen hochdeutsch herausgegeben worden
(Graz 1887); ersterer hat in seiner Sammlung von Aufsätzen zur Erläuterung der
Kirchengeschichte (Ulm 1827) über die in seinem Besitz befindliche Hs. Bericht
erstattet. Aus allem ergiebt sich das Bild eines Ordensmannes, den P. einem Staupitz
als Gesinnungsgenossen an die Seite setzen möchte. Vielleicht hilft sein Aufsatz
dazu, dass die verschollenen Hss. wieder auftauchen, und Gelegenheit gegeben werde,
den ohne Zweifel beachtenswerten Prediger und Erbauungsschriftsteller noch vollständiger
kennen zu lernen. —
Der Aufsatz über die Leipziger Universität imJ. 1502 von G e s s 10)
zeigt, wie im Schrecken über die Gründung- der Wittenberger Universität Herzog
Georg1 eine Reform seiner Hochschule beschliesst. Gutachten über die Gebrechen
der Leipziger Universität werden von sämtlichen Docenten eingefordert. Was für
Missstände kommen hier betreffs der Vorlesungen, des Promotionswesens, des Cliquen-
wesens und des Lebenswandels der Universitätslehrer zu Tage! Wimpina ist der
einzige unter den Theologien, über den nicht Klage geführt wird, einer von denen,
deren Gutachten dann der Herzog seiner, freilich wenig erfolgreichen, Reformation
der Universität zu Grunde legt. Es ist ein kultur- und sittengeschichtlich höchst
interessantes Material, das diese Gutachten ergeben, zugleich eine urkundliche Be-
leuchtung" der Zustände am Ende des Mittelalters, die sich hier ganz anders zeigen
als in Janssenscher Schön maierei. — Einen der Buchdrucker der Leipziger Universität,
Jakob Thanner, behandelt Wustmann11). Wann der erste Teil seines letzten grossen
Verlagswerkes „Alle Kirchengesang und gebeth" von Chr. Flurheim erschienen ist,
hätte der Vf. mühelos aus Wackernagels Bibliographie des deutschen Kirchenliedes
N. 288 ersehen können, statt sich auf Vermutungen einzulassen. —
Der Artikel über die Wahl Albrechts von Brandenburg- zum Erzbischof
Bossert, D.Wirkung d. Reformation auf Schule u. Bildung nach Janssen: AELKZ. 27, S. 677-80, 7014, 725-30. — 6) (II 1 : 9.)
— 7)Th. Kolde: ThStK. 67, S. 173-200. — 8) A. Bernouilli, J. U. Surgant: ADB. 37, S. 165/6. — 9) N. Paulus, D.Franzis-
kaner St. Fridolin. E. Nürnberger Prediger d. ansgeh. MA.: HPB11. 113, S. 465-83. — 10) F. Gess, D. Leipz. Univ. inj J. 1502.
(= I 4:6, S. 177-90.) — U) (I 3:58.) — 12) J. Gase, Z.Mainzer Bischofswahl vom J. 1514: Kath. 2, S. 9-26. — 13) (II 5:84.)
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (2)8
tl 6 : 12-18 Gr. Kawerau, Luther und die Reformation.
von Mainz, verfasst durch Gass12), kommt zu dem bekannten Ergebnis, dass
lediglich finanzielle Rücksichten den Ausschlag- gaben, da er persönlich die Palliums-
kosten tragen wollte und dem Domkapital für die Leistung dieser Zahlung bessere
Garantie zu bieten schien als seine Konkurrenten. G. hebt hervor, dass die Palliums-
kosten, bezw. der von den Fuggern geleistete Vorschuss von 21000 Dukaten Albrecht
veranlasste, sich um die Ablassvertreibung in Rom zu bewerben. So „beg-ann jene
unheilvolle Ablasspredigt, die der Anlass zum Ausbruch der abendländischen Glaubens-
spaltung wurde." —
Da der Neudruck der Thomas M u r n e r sehen Narrenbeschwörung von
Spanier13) in die Zeit vor Beginn des Reformationskampfes weist, Murner nur als
den Satiriker der mittelalterlichen Kirche zeigt, so kann hier von einer Besprechung
abgesehen werden. Es sei aber auf die sorgfältige Recension von John Meier
verwiesen. — Brechers14) biographischer Artikel über Johann Tetzel hält
sich an das von Körner in seiner bekannten Schrift über den Ablassprediger Erforschte.
Wir wünschten noch grössere Unterscheidung zwischen dem, was wir sicher wissen,
und dem, was in den Berichten über diesen von der öffentlichen Meinung Verfolgten doch
immerhin kritisch anfechtbar ist und auch von katholischer Seite für unbewiesen
erklärt wird, so z. B. in betreff der Innsbrucker Ehebruchsaffaire.15) —
Drei Quartbände Briefe, die im Archiv des bischöflichen Ordinariats zu
Augsburg aufbewahrt werden und bisher zum grössten Teil unbenutzt waren, bilden
die Unterlage für das Lebensbild des Augsburger Humanisten und Mönches Veit
Bild, das Schröder16) gezeichnet hat. Geboren 1481 in Hochstädt, in Ingolstadt
beim Studium von dem Poeta Jakob Locher Philomusus und dem Mathematiker
Joh. Stabius besonders angeregt, kommt Bild 1500 als Pfarrschreiber an St. Ulrich
in Augsburg. Seine Gedichte schaffen ihm die Gunst des Kanonikus Bernhard von
Waldkirch, durch den er in bessere Stellen befördert wird; er ist auf dem bequemen
Wege in geistliche Benefizien, dabei lebt er dahin in humanistisch leichtfertiger
Lebensanschauung. Da treibt ihn tötliche Krankheit plötzlich zur Einkehr, und er
tritt 1503 als Novize bei St. Ulrich ein; um seiner Kränklichkeit willen blieb er frei
von der Uebernahme von Klosterämtern; man Hess ihm Müsse zu wissenschaftlicher
Beschäftigung und zum Lehren. Seine Sprachkenntnisse waren anfangs sehr gering,
doch bessert sich bald seine Latinität; seine griechischen Kenntnisse blieben elementar;
noch 1522 fängt er an, im Interesse des Bibelstudiuras hebräisch zu lernen, aber mit
geringem Erfolge. Intensiver sind seine mathematischen Studien ; er wird ein gesuchter
Nativitätensteller; er versteht Sonnenuhren zu konstruieren und astronomische Kalender
anzufertigen. Er gehört ferner zu den ersten Freunden Luthers und der Reformation
in Augsburg: er korrespondiert lebhaft mit Oekolampad und Spalatin. Aber seit dem
Bauernkrieg erlahmt sein Interesse; von Oekolampad scheidet ihn dessen Abendmahls-
lehre, die Korrespondenz mit Spalatin schläft ein; aber langsamer als sein Freund
Peutinger wendet er sich ab. 1529 stirbt er in seinem Kloster. Seh. giebt uns ferner
von 318 Briefen der Bildschen Briefsammlung Regesten, 18 davon werden am Schluss
durch Beda Grund.1 zum Abdruck gebracht: darunter 2 Briefe Bilds an Luther,
21. Sept. 1518 und 16. April 1520, 6 Briefe Spalatins an Bild (1518-24), einer von
Bild an Spalatin, 4 Briefe Oekolampads usw. Aus den vorangehenden Briefregesten
seien besonders 4 Briefe des späteren Wiedertäuferapostels Joh. Denk vom J. 1520
hervorgehoben und ein Brief Bilds an Th. Murner, April 1522. Die Briefe an
Pirkheimer hatte schon früher Heumann gedruckt, Briefe von Adelmann, Locher,
Oekolampad, Spalatin, Amann, Ellenbog, Peutinger F. A. Veith herausgegeben, auch
Braun Notitia de codd. mss. einiges aus dieser Briefsammlung schon veröffentlicht.
Höchst dankenswert ist jetzt diese Gesamtübersicht über diesen Briefschatz. Leider
sind die Abdrucke der Briefe im Anhang ziemlich fehlerhaft und schlecht korrigiert. —
In einem Nachtrage zu seinen früheren Forschungen über K o n r a d
Wimpina (JBL. 1893 II 6:21) publiziert N. Müller17) das im Leiningschen
Archiv zu Amorbach aufgefundene Testament des Frankfurter Theologen von 1530,
und er beleuchtet die mancherlei Legate desselben, an denen ihm mit Recht beachtenswert
erscheint, dass der reiche Prälat zwar für seine Familie fürstlich sorgt, auch sonst
allerlei Bedürftige und Arme reichlich bedenkt, aber kein einziges Legat für rein
kirchliche Zwecke aussetzt, nicht einmal für sich selbst eine Messstiftung macht.
Dagegen zeigen seine Stiftungen frappante Aehnlichkeit mit den Gedanken, die in
den evangelischen Kastenordnungen niedergelegt waren. „Der mittelalterliche Theologe
und Kirchenmann wurde noch am Ende seines Lebens auf einem Gebiet des praktischen
Christentums zum Anhänger und Anwalt seines grössten Gegners Luther." Nebenbei
erinnert M. daran, dass die neuerdings von Ehrle nicht ohne Tendenz gegen die
- 14) A. Brecher, Joh. Tetzel: ADB. 37, S. 605,9. - 15) X W. A. Wegoner, K Ablassbrief Tetzels: Bär 20, B. 200. —
16) (II 5:21.) — 17) N. Mnller, Ueber Konr. Wimpina. Nachtr.: ThStK. 67, S. 339-02. - 18) 9. Kayser, Joh. L. Vives
G. Kawerau, Luther und die Reformation. ll 6 •. is-22
reformatorischen Bemühungen um Armenpflege ausgespielte Schrift des Humanisten
Vives über städtische Armenpflege von 1526 durch den Strassburger Reformator
Kaspar Hedio ins Deutsche übertragen und der Strassburger evangelischen Bürger-
schaft zugeeignet wurde. — Hierbei sei der sorgfältigen Studie von Kayser 18)
über Johann Ludwig Vives gedacht, die aber, während sie sonst die Ueber-
setzungen seiner Schriften ins Deutsche sorgsam notiert, gerade bei dieser Schrift den
Hinweis auf Hedio vergisst. — Falk19) bringt aus Joannis Rerum Mogunt. II 381
und aus einer hs. Sammlung der Epitaphien und Totenschilde des Mainzer Domes
von 1727 Genaueres über Tod und Begräbnis des durch Luthers Geschichte berühmt
gewordenen Karl von Miltitz bei. —
Den Mineralogen Georg Agricola, Bürgermeister von Chemnitz, und
den Görlitzer Bürgermeister Joh. Hass stellt Falk20) wegen ihrer Anhänglichkeit
an die katholische Kirche trotz ihres Lebens in evangelischer Umgebung zusammen.
Beide sind aber auch zugleich bemerkenswerte Zeugen von Missbräuchen beim
Ablasshandel. Denn ersterer führt darüber Klage, dass Arme vom Segen des Ablasses
— der Instruktion zuwider — thatsächlich ausgeschlossen wurden; „für diese Miss-
bräuche der Unterbeamten (?) musste dann Tetzel herhalten und büssen." Letzterer
bezeugt aber bekanntlich schon für den Ablass von 1509 Tetzels Wort: „So balde
der Pfennige ins Becken geworfen und klunge, so balde wäre die Seele gen Himmel",
ein Zeugnis, dem gegenüber nur der schwache Trost bleibt, dass ihm dies Wort
durch andere berichtet war, und dass Geschwätz und Verleumdung damals schon
thätig gewesen sein würden.21) —
Inder Zusammenstellung der zahlreichen Arbeiten, die wir Paulus22) für
die Geschichte der katholischen Theologen des 16. Jh. verdanken, wie sie von uns
früher (JBL. 1893 II 6:5—19) gegeben ist, fehlte doch noch eine Publikation, die
uns erst jetzt vorliegt und hier zunächst nachgetragen werden soll. Sie behandelt
den Mainzer Franziskaner und Domprediger Johann Wild (Ferus), der nicht
allein einer der fruchtbarsten und hervorragendsten katholischen Prediger der
Reformationszeit gewesen ist, sondern auch Züge an sich trägt, die es erklärlich
machen, dass seine Schriften dem römischen Index verfielen, und dass man
evangelischerseits ihn unter die „festes veritatis" (so E.G. Dieterich, Altorf 1723) rechnen
konnte. P. bemüht sich, gestützt auf die Münchener Vorräte an Drucken seiner
Schriften, den schlichten äusseren Lebensgang (geb. um 1495, gest. 8. Sept. 1554)
aufzuhellen, besonders aber seine kirchliche Stellung klarzulegen und nach Kräften
zu entschuldigen, den Mann möglichst vollständig für den Katholizismus zu retten.
Er hebt seine Friedensliebe hervor, die ihn die Polemik gegen Luther — den er
nie nennt — meiden Hess; er erkennt den Freimut an, mit dem er die Missstände
an derKurie,auch Missbräuche im Heiligenkult tadelt. Wild unterscheidet eben zwischen
ecclesia romana und curia romana. In der Rechtfertigungslehre acceptiert er Luthers
Formeln, auch das sola fide, versteht aber unter fides die fides formata, und er lehrt
die Verdienstlichkeit der nach der Rechtfertigung vollbrachten Werke, bleibt also
doch auf dem Boden der katholischen Heilslehre. So erklärt es sich, dass zunächst
einzelne seiner Schriften — mit deren Veröffentlichung er erst 1550 anfing — cen-
suriert wurden, 1551 sein Kommentar zu Johannes durch die Sorbonne, 1559 durch
dieselbe sein Matthäuskommentar. Inzwischen erhob sich der Dominikaner Domi-
nikus Soto 1554 in besonderer Schrift gegen den Johanneskommentar; der Franzis-
kaner Michael Medina suchte dagegen 1558 den heim gegangenen Ordensgenossen von
jedem Vorwurf in scharfer Antikritik zu reinigen. Nun wurde 1580 durch den
portugiesischen Inquisitor auch sein Kommentar zum Römerbrief auf den Index ge-
bracht. 1583 erweiterte die spanische Inquisition diese Censur auch noch auf einen
alttestam entlichen Kommentar (zu Ecclesiastes) — endlich setzt Sixtus V. 1590
sämtliche Schriften donec corrigantur auf den Index; der Index von 1596 bestätigt
dies Verdikt. P. bemüht sich, dies Urteil der Kurie als eine Uebereilung zu kenn-
zeichnen, wie er auch sonst schon mehrfach die Indexarbeit des 16. Jh. als eine
teilweise sehr leichtfertige, summarisch und flüchtig gefertigte anerkannt hat. Auch
für die nach römischem Mass wirklich censurbedürftigen Schriften sucht er mancher-
lei Entschuldigungen hervor: teils sind es bei seinen Lebzeiten, aber hinter seinem
Rücken von anderen, teils erst nach seinem Tode edierte Schriften, Aufzeichnungen,
die nicht für die Oeffentlichkeit bestimmt waren. Das wird richtig sein, aber sind
diese Schriften, denen die vorsichtige Feile für die öffentliche kirchliche Censur fehlt,
nicht ganz besonders wertvolle Zeugnisse seines kirchlichen Standpunktes? Die Aus-
rede des Sixtus Senensis, Wilds Matthäuskommentar sei von Ketzern vor der Druck-
(1492- 1540) I.-.HJb. 15, S.307-53. (Vgl. II 7:42.) — 19) F.Falk, Des K. v. Miltitz Tod u. Begräbnis 1529: Kath. 2, S, 477,9. — 20) id.,
D. Bürgermeister G. Agricola u. J. Hasse: HPBU. 113, S. 140,8. (Vgl. II 1 : 93.) — 21) X *"■ H- Ren seh, P. Sylvius: ADB. 37,
S. 286/7. (Nach d. Forschungen v. Seidemann u. N. Paulus.) — 22) (II 5 : 20.) — 23) (II 1 : 106.) — 24) N. P au 1 u s , Joh. Winzler, e. Fran-
(2)8*
II 6:23-26 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
legung verfälscht worden, erneuert P. nicht. Ich finde aber auch bei ihm keine
Berücksichtigung- der Angabe bei Aubertus Miraeus (Scriptores saec. XVI s. v.):
Censores Romani 1574 suis typographis inhibuerunt opera eius distrabi sine facultate.
Ich irre wohl nicht, wenn ich Paulus23) auch für den Vf. der gehaltreichen
Studie über den Mitarbeiter an der Confutatio, den Augsburger Matthias Kretz,
halte. Der Artikel zeigt ganz seine Art und beruht gleich den seinigen auf den in
München zu findenden hs. und gedruckten Materialien. Nach der Ingolstädter Ma-
trikel nimmt er Haunstetten bei Augsburg als seinen Geburtsort an. In Ingolstadt
wendet Kretz sich 1516 der Theologie zu, nachdem er in Wien und Tübingen huma-
nistische Studien getrieben hatte. Er wird Vorsteher der von Aventin gegründeten
Ingolstädter sodalitas litteraria. Kurze Zeit ist er Domprediger in Eichstädt, seit
1521 predigt er im Augsburger Dom. Hier gerät er mit der evangelischen Partei in
heftige Kämpfe, besonders infolge seiner Predigt von der Beichte 1524. Der Vf.
macht auf die freundschaftlichen Beziehungen, die Kretz zu Erasmus unterhielt, auf-
merksam, besonders auf Grund der in Burschers Spicilegium veröffentlichten Briefe
des Kretz. 1531 verlässt er Augsburg und wird Stiftsdekan in Moosburg, aber schon
1533 Dekan der Liebfrauenkirche in München. Er nimmt am Wormser Colloquium
1540 Teil, stirbt aber schon 1543. Der Aufsatz bietet viele Berichtigungen älterer
Angaben über Kretz. —
Einen wenig bekannten schwäbischen Gegner der Reformation führt uns
Paulus24) in dem Franziskaner Johann Winzler vor, der um des Eifers willen,
mit dem er die neue Lehre bekämpft, 1523 aus Nürnberg und einige Monate später
auch aus Basel weichen musste. Als Guardian von Lenzfried bei Kempten wird er
in Kampf mit den evangelischen Geistlichen von Kempten verwickelt, worüber P.
aus einer Münchener Hs. (Cgm. 4259) Interessantes mitteilt. Er macht dabei die
Litterar historik er darauf aufmerksam, dass die meisten schwäbischen Vorkämpfer des
Katholizismus im 16. Jh. „eine wahre Meisterschaft in Handhabung der deutschen
Sprache'-' bekundeten; die Literaturgeschichte habe hier noch eine alte Ehrenschuld ab-
zutragen. Im Bauernkriege flüchtet Winzler nach Ulm, wo ihm aber auch das
Predigen verboten wird. Als Guardian von Landshut richtet er 1529 ein längeres
Schreiben an eine wankelmütige Klosterfrau, das (Cgm. 9057) in München
erhalten geblieben ist. Dasselbe enthält teilweise direkte Polemik gegen Luthers
De votis monasticis. Ueber die späteren Lebensschicksale des streitbaren, erst 1554
gestorbenen Mannes vermag P. nur wenige Notizen beizubringen. Betreffs des Ver-
haltens Winzlers beim Wormser Religionsgespräch wird man erst Bosserts Gegen-
rede auf den Angriff, den P. hier gegen ihn richtet, abwarten müssen. —
Einen weit bekannteren aus den Söhnen des h. Franziskus schildert uns
Paulus25) in seinem Aufsatz über Conrad Kling, den Erfurter Domprediger, der
seit 1525 in seinen Predigten und auch litterarisch die katholische Sache verficht,
als Kanzelredner vielen Beifall findet, sich Verdienste um die Erhaltung einer katho-
lischen Partei in Erfurt erwirbt und der Weiterverbreitung der Reformation wirksam
entgegentritt. Aber auch er ist kein korrekter Katholik; er tritt wiederholt für die
Rechtfertigungslehre des Regensburger Interims entschieden ein, und seine Schriften
stehen daher donec corrigantur im Index. Seine kirchliche Stellung würde noch
deutlicher hervorgetreten sein, wenn P. die an ihn gerichteten Briefe Witzeis in den
Epistolarum libri IV (Lips. 1537) herangezogen hätte. Da sehen wir, wie ihn zeit-
weise gerade der Gegensatz, in dem er sich zu den Pseudocatholici Erfurts — die
Kanoniker sind gemeint — befindet, so mutlos macht, dass er sein Predigtamt auf-
geben will, dass er überhaupt nicht nur mit den Evangelischen, sondern ebenso mit
Leuten seiner eigenen Kirche zu kämpfen hat. Die Schilderung, die Witzel (Bl. 04)
von dem Wesen dieser Unverbesserlichen giebt, qui confidunt suis in ceremoniolis et
solis constitutionum observantiis, die nur die Sünden der Evangelischen sehen und
diese convitiis exagitant, volunt puri esse ab errore omni, gehört doch wohl mit zum
Verständnis der Position Klings. —
Eine sehr tüchtige Studie liefert Paulus26) über Michael Heiding, Sidonius,
den Mitarbeiter am Augsburger Interim und dank dem kaiserlichen Waffenglück
(letzten) Bischof von Merseburg. Zu den biographischen Aufsätzen, die in den letzten
Jahren von Winter, Kawerau und Hundhausen über ihn veröffentlicht waren, liefert
er mit Hülfe der Schätze der Münchener Bibliothek zahlreiche Ergänzungen, nament-
lich über die litterarische Gegnerschaft, die sich im evangelischen Lager gegen einzelne
seiner Schriften erhoben hatte. Freilich wird man aus seiner Berichterstattung nicht
verstehen, was eigentlich die scharfe Polemik gegen Heidings Predigten von der
Messe hervorgerufen hatte. Am Schluss verteidigt er seinen Lebenswandel gegen
die schweren Anschuldigungen des Flacius: er bringt allerlei Zeugnisse bei, die von
ziskuner d. 16. Jh.: Kath. 1, S. 40-57. — 25) id., Konr. Kling, e. Erfurter Domprediger d. 16. Jh.: ib. S. 146-63. - 26) (I 5: 13.) — 27)
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 i 27-30
seiner „Ehrbarkeit" reden. Man wird hier nur die Frage aufwerten müssen, welchen
Massstab denn wohl die Zeitgenossen an die „Ehrbarkeit" eines Priesters anlegten,
ob ihnen jemand, der aus jüngeren Jahren Kinder besass, darum wohl sein Lebenlang
als „unehrbar" galt, ob also diese Leumundszeugnisse das beweisen, was sie beweisen
sollen. Lesen wir doch, dass z. B. in den Regensburger Visitationsprotokollen
die Zechpröpste oft von Pfarrern, die zwei und mehr Kinder hatten, aussagen: sie
„sein aines priesterlichen wandeis berümpt"! (Vgl. HPBll. 114, S. 722.) —
Paulus27) macht darauf aufmerksam, dass Georg Witzel 1546 unter dem
Namen Gersones Landavus den Dialog „Causa tarn diuturnae calamitatis ecclesiastici
Status in Germania" und unter dem gleichen Namen 1562 noch einmal seine 1539
unter eigenem Namen erschienenen „Drey Gesprechbüchlin" ausgehen liess; ebenso
dass er sich in der Auslegung des 57. Psalmes 1547 und in der Schrift Pro Evan-
gelistarum . . . peste reprimenda admonitio 1565 unter dem Namen Bonifacius Britannus
verbirgt. Letzteres ist von besonderem Interesse, da dieser Bonifacius Britannus Luthers
Vater gelegentlich als „Mörder" bezeichnet; dieselbe Anklage hatte ja bekanntlich Witzel
schon 1535 vorgebracht. Der vermeintliche zweite Zeuge für diesen Flecken auf
Luthers Familiengeschichte erweist sich also nun als identisch mit dem ersten.
P. freilich hält „durch dies Zeugnis Witzeis, gegen welches im 16. Jh. niemals ein
Widerspruch sich hören liess", die Sache für erledigt. Andere werden mit Köstlin
„das völlige Schweigen aller anderen gleichzeitigen Gegner" Luthers doch für einen
Gegenbeweis erachten, sowie den Umstand, dass, wer sich der Justiz um Todschlags
willen entziehen will, doch nicht an einen Ort übersiedelt, wo er unter derselben
sächsischen Oberhoheit blieb. —
Dem Konvertiten Gerhard Lorichius gilt eine andere Studie des fleissigen
und gelehrten Paulus28). Aus Hadamar in Nassau gebürtig (um 1485) erhält
Lorichius in der Vaterstadt nach Beendigung der Universitätsstudien Verwendung
im Kirchen- und Schuldienst; als Pfarrer an der dortigen Aegidienkirche schliesst
er sich begierig der Reformation an, verheiratet sich auch, wendet sich aber jedenfalls
vor 1536 wieder ab, „so ich bei derselbigen Sekte nichts sehe oder höre, das einer
Reformation gleichsehen möge". Mit einem lateinischen Katechismus Institutio
catholicae fidei 1536 tritt er unter die katholischen Schriftsteller, aber unter die
reformerischer Tendenz. Er eifert für die communio sub utraque und bekämpft leiden-
schaftlich den Priestercölibat. In seiner Schrift De missa publica (1536) eifert er gar
gegen die Privatmessen, die er als Quelle alles Uebels betrachtet. Er hat inzwischen
in Wetzlar Stellung gefunden, aber sein erasmianischer Mittelweg schafft ihm, wie
er im Pastorale 1537 klagt, Feindschaft von beiden Seiten. 1542 verdrängt ihn die
Reformation auch aus Wetzlar; nach einem Aufenthalt in St. Johannisberg verschafft
ihm Heiding in Mainz eine Unterkunft. Er beschäftigt sich, da er ohne Amt ist,
litterarisch, z. B. mit der Uebersetzung Witzelscher Predigten ins Lateinische, schreibt
auch Erläuterungen zu Georg Wickrams Verdeutschung der Metamorphosen Ovids
(1545). Eine Streitschrift, die er gegen die „Schmähbüchlein der Rottengeister" aus-
gehen lässt, veranlasst durch ihre Ausfälle auf die protestantischen Stände seine Aus-
weisung aus Mainz, ein Akt politischer Rücksichtnahme des Erzbischofs Sebastian
auf Hessen und Kurpfalz. Von einem nicht näher bekannten Versteck aus schreibt
er jetzt eilfertig Scholien zum Alten und Neuen Testament, die er mit Ausfällen gegen
die Lutheraner würzt. 1547 wird er Pfarrer zu Worms, ist Mitglied der erzbischöflichen
Kommission, die 1549 in Nassau das Interim einführt, und nimmt an der Mainzer
Synode desselben Jahres Teil. Nachdem er noch eine Hs. aus Ludwigs des Frommen
Tagen, eine Reformationsordnung vom Aachener Konzil 817, veröffentlicht hat, scheint
er bald darauf verstorben zu sein. Schon 1559 setzte Rom seine sämtlichen Schriften
auf den Index. Am Schluss des Aufsatzes sucht P. über die Söhne des Lorichius und
über verschiedene Namensvettern Klarheit zu schaffen. —
Mehr als 30 Bände hs. Nachlasses auf der Münchener Staatsbibliothek
liefern Paulus29) die Unterlage für ein Lebensbild des sonst fast unbekannten
Benediktiners Wolf gang Sei dl (Sedelius). 1491 in Maurkirchen geboren, auf der
Landshuter Lateinschule vorgebildet, besuchte er nur wenige Monate hindurch 1516
die Universität Ingolstadt; denn er trat noch in demselben Jahre ins Benediktiner-
kloster Tegernsee ein. Wissenschaftliche Neigungen spielten hierbei mit; er erlernt
hier das Griechische. Mit der Liebe zur Poesie verbindet sich die zur Musik; mit
dem Münchner Kapellmeister Ludw. Senfl tritt er in freundschaftlichen Verkehr und
Austausch. Ebenso ziehen ihn Astronomie und Mechanik an. Er schreibt aber auch
einen Traktat De arte praedicandi und erwirbt sich solchen Ruf als Prediger, dass
er 1532 nach München berufen wird, wo er regelmässig die Kanzel besteigt. München
N. P au lu s ] , Pseudonyme Schriften v. G. Witzel : Kath. 2, S. 473/7. — 28) i d. , Gerh. Lorichius, e. Konvertit d. 16. Jh. : ib. 1, S. 503-28.
— 29) i d., D. Benediktiner W. Seidl. E. bayer. Gelehrter d. 16. Jh. : HPBll. 113, S. 165-85. — 30) i d. , Wolfg. Mayer, E. bayer. Cister-
II 6 : 30-39 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
vertauscht er 1550 auf einige Zeit mit Augsburg, wird 1551 nach Trient gesandt,
1553 — 55 predigt er in Salzburg. Nur Weniges seiner Schriften wurde gedruckt,
manche grössere Arbeit blieb Ms. Nach seiner Rückkehr nach München
Hess er einen „geistlichen Laienspiegel" zur Warnung des Volkes vor dem Luther-
tum 1559 ausgehen. 1560 zog er sich nach Tegernsee ins Kloster zurück, wo er
1562 starb. —
Nicht weniger unbekannt ist der Cisterzienserabt Wolfgang Mayer, geb.
1469, gest. 1544 in Alderspach, über den zwar schon vor 100 Jahren ein Ingolstädter
Professor Steph. Wiest vier Programme geschrieben (1788—92), über den wir aber
jetzt aus seinem hs. in München erhalten gebliebenen Nachlass Näheres durch den
unermüdlichen Paulus30) erfahren. Ausser zahlreichen Gedichten (in Clm. 1851)
verfasst er 1518 die Annalen von Alderspach (Clm. 1012), bearbeitet eine ältere
Geschichte der Passauer Bischöfe (ebda.), verfertigt einen Briefsteller deutsch und
lateinisch (Clm. 3299); eine Erklärung der Benediktinerregel von seiner Hand
scheint verloren zu sein. Erhalten aber sind zwei Schriften gegen Luther: Votorum
monasticorum tutor 1526 (Clm. 2886) gegen Luthers De votis monasticis, mit Aner-
kennung mancher Missstände in den Klöstern seiner Tage, und In aliquot Lutherana
paradoxa dialogus 1528 (Clm. 2874), ein Dialog zwischen Abt und Mönch über
Kirche, Schrift, Sakramente usw., der im Dogma katholisch ist, dabei aber in der
Offenheit, mit der die Schäden und Missbräuche besprochen werden, den Vf. an
Erasmus erinnert. Mayer schilt auf die Un Sittlichkeit der Priester, den Weltsinn
der Bischöfe, die Ueberspannung der Papstgewalt, die zu grosse Menge kirchlicher
Satzungen, den Missbrauch im Ablasswesen. In Klagen und Trauern über die
verworrenen Zeit Verhältnisse ersehnt der bitter enttäuschte Klostergelehrte den
erlösenden Tod.31) —
Der Artikel von Kraus32) über den Konvertiten Theobald Thamer ist
von erstaunlicher Dürftigkeit. Die spärlichen Litteraturangaben reichen bis 1857;
aber 1858 erschien die Dissertation von Hochhuth und 1861 desselben gründliche
Studie über Thamer und Landgraf Philipp (ZHistTheol. S. 165 ff.). Was nützen
also dem Benutzer eines Sammelwerkes wie der ADB. so unzulängliche Beiträge?33) —
Das Wenige, das über das Leben des Wormser Domscholasters Daniel
Mauch bisher aus Pantaleon (Prosopographie und Heldenbuch) bekannt war,
vervollständigt Falk34) durch Hinweis auf die in Nauseas Epp. Miscell. libri X.
enthaltenen Briefe desselben aus den J. 1530 — 40, bringt auch aus anderen Quellen
manches über ihn bei und zeigt ihn uns im Verkehr mit Witzel, Ferus, Oporinus,
Hosius usw. Er starb 19. Mai 1567. —
Die Lebensgeschichte des Jesuiten Jakob Reihin g (geb. 1579), seinen
überraschenden Uebertritt zum evangelischen Bekenntnisse, die Versuche seiner
Ordensmitglieder, erst diesen Uebertritt zu vertuschen, dann den Ausgetretenen zu
verleumden und zu beschimpfen, zugleich ihn mit Versprechungen zurückzulocken
oder den weltlichen Arm gegen ihn aufzubieten, endlich seine gegen die römische
Kirche gerichteten Revokationspredigten schildert in populärer Art Schalls35)
kleine Schrift. —
Von dem gelehrten Kölner Karthäuser Laurentius Surius (gest. 1578) stellt
Reusch36) knapp die Daten seiner einfachen Lebensgeschichte und die Titel seiner
Werke zusammen. — In ähnlicher Weise ist der Artikel Reuschs37) über den
Jesuiten Adam Tanner (gest. 1632) gehalten, wobei besonders die sehr verständigen
Urteile desselben über Hexerei und Hexenprozesse hervorgehoben werden, aber auch
der Angriffe gedacht wird, die ihm dafür widerfuhren. —
Den Führer der Gegenreformation in Krain, Fürstbischof Thomas Chrön
(geb. 1560, gest. 1630), schildert Elze38). Von evangelischem Vater stammend, aber
durch einen Onkel in jesuitische Erziehung gebracht, konvertiert er 1586, beginnt
1597 mit dem Eifereines Renegaten die Gegenreformation, bei der er, abgesehen davon,
dass er viele evangelische Kirchen zerstört oder weggenommen hat, auch in Menge
evangelische Bücher (meist slowenische) hat verbrennen lassen. —
Den Tiroler Lukas Geizkofler (gest. 1620), dessen Familie und besonders
seine Reisen kennzeichnet Foss39) in anschaulichen Bildern einem weiteren Leser-
kreise nach A. Wolfs Buch von 1873. Theologen wie Pfauser, Canisius und Nas
finden dabei mehrfach Erwähnung. Er schildert jene süddeutschen Kreise, in denen
man selbst nicht genau wusste, ob man Protestant oder Katholik war, und vertritt
zienserabt d. 16. Jh.: HJb. 15, S. 575-88. — 31) X F.Hipler, Monuraenta Cromeriana. Mart. Cromers Gedichte, Synodalreden u.
Hirtenbriefe. Braunsberg, Wiehert. 1893. VIII, 147 S. M 2,40. — 32) F. X. Kraus, Theob. Thamer: ADB. 37, S. 650.—
33) X A. v. Schulte, Hermann u. Petrus Thyraeus: ib. 38, S. 237 8. (Sehr summarisch.) — 34) F. Falk, D. Wormser
Dorfscholaster Dr. D. Manch: Kath. 2, S. 27-44. — 35) J. Schall, Dr. Jak. Beihing, erst Jesuit, dann (Konvertit) evang.
Christ. 1579—1628. (- Schriften für d. dtsch. Volk, her. v. Ver. für Roformationsgesch. Heft 24.) Halle ». S., Niemeyer.
28 S. M. 0,15. — 36) F. H. Keusch, Laurent. Surius: ADB. 37, S. 166. — 37) id.. Ad. Tanner: ib. S. 380/2. — 38) Th.
Elze, Thomas (Chrön), Fürstbischof v. Laibach: ib. 38, S. 71/3. — 39) R- Foss, Lebensbilder aus d. Zeitalter d. Reformation.
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 : 40-47
den Standpunkt, dass ein Katholik, der den Katholizismus bessern will, ohne Protestant
zu werden, vergebliche Arbeit treibt. —
Re usch40) bringt aus Döllingers Nachlass Auszüge aus Briefen der ersten
Ordensgenerale des Jesuitenordens, die aus den Jesuitenkollegien in München und
Ingolstadt stammen und interessantes Detail für die Erkenntnis des Geistes, der
Diplomatie und Verwaltungspraxis des Ordens bieten. So erhält Canisius 1560 einen
sanften Verweis, dass er den General an die Erfüllung eines gegebenen Versprechens
erinnert hat; denn jedes Versprechen der Ordensgubernatoren sei unter der conditio
majoris obsequii divini und des majus bonum communitatis zu verstehen. Ein
Memoriale von 1596 lässt erkennen, wie sehr damals schon die Strenge der Ordens-
regel in den bayerischen Kollegien erschlafft war; auch über die tief gesunkene
Keuschheit der Beichtväter des Ordens wird Klage geführt, mit der charakteristischen
Wendung: constat, quod tandem etiam principibus innotuit, non defuisse ex nostris
etiam confessariis, qui ... in turpitudinem fuerint prolapsi fS. 263). —
Die Nachrichten, welche Falk41) aus verschiedenen Chronisten über die mehr
oder weniger gewaltsame Reformation norddeutscher, besonders lüneburgischer,
Nonnenklöster und den Widerstand, den dabei häufig die Klosterfrauen leisteten,
zusammenstellt, dienen einem grossen litterarischen Zukunftsunternehmen: wie die
alte Christenheit aus der Lesung der Märtyrerakten Mut in Verfolgungszeiten schöpfte,
so müssten die Drang*sale frommer OrdensJeute durch die böse Reformation zu einem
grossen Erbauungsbuche zusammen getragen werden, um den in der Gegenwart um
ihrer Religion willen Verfolgten Mut und Vertrauen einzuflössen. „Schaffen wir den
Unserigen ein solches Mittel der Ermutigung!" Danach scheint schon wieder
„diocletianische Katholikenverfolgung-" in deutschen Landen zu wüten. — Von ähn-
lichen Drangsalen und gleicher Sündhaftigkeit von Ordensfrauen berichtet ein
Anonymus42) aus dem Thurgauischen Dominikanerinnenkloster Katharinenthal in
den J. 1529 und 30 nach späteren Aufzeichnungen einer Konventualin, die aber noch
Augenzeuginnen jener Tage gekannt hatte. —
Bahlmann43) führt in seiner auch die Katechismen aus früherer Zeit berück-
sichtigenden Schrift für das 16. Jh. 28 katholische Katechismen auf, 17 Original-
schriften und 11 Uebersetzungen. (Falk liefert in seiner beachtenswerten Recension
Berichtigungen und Ergänzungen dazu; so weist er einen Trierischen Katechismus
von 1589 und den Bilderkatechismus des Jesuiten Joh. Bapt. Romanus [Gratz 1589]
nach.) Ferner werden Katechismuspredigten von Clichtoveus, Heiding und Scöpper
registriert; endlich wird die nur in einem einzigen Exemplar erhaltene „Vermahnung
und Tafel" (vgl. Kath. 711, S. 380) vollständig abgedruckt. Es wird von F. bereits
ein Corpus catechismorum saeculorum XV. et XVI. in Aussicht genommen, das inner-
halb der MGP., eventuell in Verbindung mit der Görres-Gesellschaft, erscheinen solle. —
Roth44) erinnert daran, dass in dem Buch des W^ormser Pfarrers von St. Johann
Konrad Distel „Summa Octer kurtzer begriff, ober [vber?] die Lehr usw." (1580) „eine
Art Katechismus für im Wissen Vorgeschrittene" — also nach gewöhnlichem Sprach-
gebrauch doch kein Katechismus! — enthalten sei und nennt jenen daher „einen
vergessenen Katecheten", bringt auch einige Notizen über das Leben des Mannes
sowie über ein Buch desselben bei, in welchem er Heidings Evangelienpostille „in
Fragstuck abgekürtzt" bearbeitet hat. — Anknüpfend an eine Aeusserung Georg
Eders 1569 über das Vorhandensein von Katechismusunterricht auch schon vor
Luthers Auftreten, vervollständigt Paulus45) die Liste der katholischen Katechismus-
arbeiten des 16. Jh. durch Hinweis auf Jodocus Lorichius christliche Kinderlehre
1582, die nach ausdrücklicher Erklärung des Vf. nur solches enthalte, was „in der
christlichen Kirche beständiglich gehalten", und bestätigt diese Angabe durch Hinweis
auf eine kleine Schrift von Johann Freiberger von 1515, die den gleichen Memorier-
stoff wie Lorichius, nur in anderer Reihenfolge, biete. (Er hätte auch auf Geffckens
Bilderkatechismus des 15. Jh. verweisen können, wo sich im wesentlichen die gleichen
Memorierstücke vorfinden.) Im übrigen werden einige irrige Angaben anderer über
katholische Katechismusschriften berichtigt und zuletzt wird von des Canisius kleinstem
deutschen Katechismus ein Druck nachgewiesen, der bereits dem J. 1556 angehören
wird. Danach würde dieser 2 Jahre früher erschienen sein, als Braunsberger ange-
nommen hatte. — Von der lateinischen Ausgabe dieses kleinsten Katechismus (1556),
von dem nur ein Exemplar (München, Staatsbibliothek) gegenwärtig bekannt ist,
bietet der Canisiusforscher Reiser46) einen Neudruck. Er findet sich einer Ingol-
städter lateinischen Grammatik von 1556 als Anhang beigefügt. —
Holl weck47) giebt aus den Regensburger Visitationsprotokollen von 1559
(= N. 35, Heft 23.) Halle a. S., Niemeyer. 48 S. M. 0,15. — 40) F. H. Reusch, Archival. Beitrr.z. Gesch. d. Jesuitenordens: ZKG. 15,
S. 90-107, 261-82. — 41 1 (II 1 : 53.) — 42) E. Stück Schweiz. Reformationsgesch. : HPßll. 113, S. 579-87. - 43) (I 3 : 147 ; II 5 : 1 1 .) - 44)
(1 5 : 14.) — 45) (15:12.) — 46) J. B. R e i s e r , P. Canisius, Summa doctrinae christianae per quaestiones traditae et ad capt um rudiorum
accommodata, d. i. d. kleinste lat. Katechismus d. sei. P. C. Passau, Abt. 16°. X, 21 S. M. 0,40 jfN.Paulus: Kath. 2, S. 365,6. ]| — 47)
II 6:48-51 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
Auszüge in betreff des Schulwesens, sendet aber auch allgemeine Erörterungen
über die kirchlichen Zustände, besonders auch über den Bildungsstand und das sitt-
liche Leben des damaligen bayerischen Klerus voraus, auf die ich aufmerksam
machen möchte, wenn sie auch nur bereits Bekanntes bestätigen. Gegen den — in
dieser Allgemeinheit allerdings schiefen — Satz, dass Luther der Begründer des
Volksschulwesens gewesen sei, protestiert er unter Berufung auf das bayerische
Schulwesen des 16. Jh., das auch vor und ohne Luther bestanden habe; es verdanke
seine Einrichtung vielmehr dem älteren Humanismus. Dabei versteht er freilich
unter Volksschule anderes als die, die Luther zu ihrem Begründer machen. — Hier
sei auch ein katholischer Zeitungsaufsatz48) angeschlossen, der aus Nerrlichs Buch
über das Dogma vom klassischen Altertum (vgl. I 1 : 26) mit Behagen excerpiert,
was dort Nachteiliges über die italienischen Humanisten gesagt ist. —
Scheichl49) giebt in Beispielen, die zumeist erst dem 17., seltener dem
16. Jh. entnommen sind, Bilder aus den Bekehrungsarten, mit denen die Gegen-
reformation in Oesterreich arbeitete, und zeigt, welche Religionsheuchelei dadurch
erzeugt, in welchem Masse zugleich aber auch der Volksaberglaube nicht nur ge-
duldet, sondern direkt begünstigt wurde. (Vgl. auch III 1: 106/2, 164/5.) 50). —
Evangelische Kirche: Luther. Der 9. Band der Weimarer Ge-
samtausgabe51), der auf dem Titel 1893 trägt, aber erst zum neuen Jahre aus-
gegeben wurde, ist ein Ergänzungsband zu den Schriften, in denen uns die initia
Lutheri bis zum Wartburgaufenhalt vorliegen; er enthält Nachträge, Ergänzungen,
und Berichtigungen zu Bd. 1 — 6 und 8; Bd. 7 ist leider noch nicht erschienen. Nach-
getragen sind teils Stücke, die schon längst bekannt waren, aber zurückgestellt oder
für einen Supplementband aufgespart wurden, weil sie Luther nur indirekt oder un-
sicher zuzuweisen waren: so Agricolas eigenmächtige Ausgabe der Vaterunserpre-
digten 1518; (J. K. F. Knaake und P. Pietsch), die von Luther nicht aner-
kannte Ausgabe seines Sermons vom ehelichen Stand 1519 (J. K. F. Knaake),
Amsdorfs Auszug aus den Vaterunserpredigten 1519 (GL Koffmane und P. Pietsch),
Cranachs Passional Christi und Antichristi 1521 mit den Originalbildern in Faksimile
(G. Kawerau); dazu verschiedene bisher zurückgestellte Dokumente: Bucers Bericht
über die Heidelberger Disputation und eine Aufzeichnung Luthers über dieselbe
(J. K. F. Knaake), Luthers Ausgabe der Thesen Ecks 1519 (G. Koffmane), seine
Eintragungen ins Wittenberger Dekanatsbuch 1515, 1517 — 18, 1520 (E. Thiel e). Dazu
die Nachträge neuer Funde: Luthers Hs. seiner Auslegung von Psalm 110 (E.A.Do-
leschall und P. Pietsch), die in allen Exemplaren der Acta Augustana durch
die kurfürstliche Censur geschwärzte Stelle, die nur in dem Zwickauer Exemplar
unversehrt geblieben ist (G. Buchwald), Luthers Hs. zum Sermon von den
guten Werken und zu Ein Urteil der Theologen zu Paris (N. Müller), zwei
Thesenreihen 1519 (?) und 1520 (G. Koffmane). Diese Stücke waren bereits
inzwischen von den Entdeckern schon anderweitig veröffentlicht worden. Aber es
werden auch zahlreiche Nachträge geboten, die hier zum ersten Male ans Licht
kommen: Buchwald veröffentlicht die von ihm in Zwickau gefundenen Randbe-
merkungen Luthers zu Augustin, Anselm, Tauler und Tritheim (1509 — 16); ferner
Randbemerkungen zu einem hebräischen Psalter (1516—20), G. Kawerau die
Glossen Luthers auf dem in Nordhausen wieder entdeckten Bl. XLI. des Wolfen-
büttler Psalters, Thiele Luthers Predigten aus der von Tschackert entdeckten Königs-
berger Hs., K. Steiff Luthers Entwurf eines Schreibens an den Papst (1518),
J. K. F. Knaake den Entwurf seines „Erbietens" von 1520! Zu diesem reichen
Inhalt kommen zahlreiche Einzelnachträge und Berichtigungen zu früheren Bänden
hinzu, auch 7 vorzüglich facsimilierte Hss.-Proben aus der Zeit von 1509 — 21. Also
ein Supplementband von mannigfaltigem, teilweise höchst wertvollem Inhalt, In den
Randbemerkungen haben wir teilweise die ältesten bisher bekannt gewordenen
Proben seines Geistes und seiner Arbeitsweise; in anderem höchst erwünschte Er-
gänzungen zu bereits Bekanntem. Da hier ferner für einzelne Schriften, deren
Drucke längst bekannt waren, die Hss. Luthers als neue Funde hinzukamen, so lag
es nahe, jetzt für die interessanten Fragen nach dem Verhältnis der Wittenberger
Drucke zu Luthers Niederschrift in Bezug nicht nur auf den Text, sondern
auch auf die Orthographie und Interpunktion durch womöglich „photographisch ge-
treuen" Abdruck dieser Hss. sicheres Material zu beschaffen. P. Pietsch hat auf
die Lösung dieser Aufgabe grössten Fleiss verwandt; wieweit es freilich möglich
ist, durch Typendruck diese „fast photographische Treue" in der Reproduktion einer
Hs. zu schaffen, darüber sei auf die Bemerkungen in Gust. Kawerau s Recension hin-
gewiesen. Joh. Luther macht in seiner Besprechung des Bandes darauf auf-
(II 1 : 120.) — 48) D. Humanismus in neuerer protest. Beleuchtung: KVZg". N. 570. — 49) (III 1: 163.) — 50) X K. Lütolf , Z. Gegen-
reformation in d. Konstanzer Diöoese: KathSchwBll. S. 453-77. — 51) M. Luther, Werlte. Krit. Gesamtausg. 9. Bd. Weimaf, Böhlau.
XVI, 806 S. M. 23,00. |[G. Kawerau: ThLZ. 19, S. 189-94; A. Eeiffersoheid: DLZ. S. 649-52.]| (Mit Nachbild, v. 27
Gr. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 i 52-55
merksam, dass die reizvolle Bordüre, die jeden Band der Weimarer Ausgabe ziert,
und als „nach Lukas Cranach" bezeichnet wird, das Monogramm JP (Plans Franck?)
trägt, somit nach Basel weist und gleich anderem Material von Lotther aus der
Frobenschen Druckerei bezogen sein werde. Die Scholia in librum Genesis (S. 329),
welche den Königsberger Predigtband eröffnen, werden richtiger mit Kolde (GGA.
1895, S. 582) für Luthers fleissige Vorbereitungsarbeit auf seine Genesispredigten, als
für Nachschriften der gehaltenen Predigten zu erklären sein. So erklärt sich auch
am leichtesten, dass die Scholia zwei Kapitel weiter reichen als die Predigten selbst. —
Die neuen Bände der unter Redaktion von Hoppe52) rüstig vorschreitenden ameri-
kanischen Lutherausgabe, die mir leider nicht zu Gesicht gekommen sind,
bringen in Band 9 Luthers grösseren (späteren) Kommentar zum Galaterbrief
und die noch übrigen exegetischen Schriften über neutestamentliche Texte zum
Abdruck (JBL. 1893 II 6 : 52). Für jenen grossen Kommentar hat H. die alte
Uebersetzung des Justus Menius gründlich nach dem lateinischen Original revidiert,
den Sermon über 1. Joh. 5, 4. 5 hat er neu übersetzt. Die Schrift Moibans „Das
herrliche Mandat Jesu Christi", die Walch in diesem Bande vollständig mit abge-
druckt hatte (vgl. Erl. Ausg. 63, S. 344), hat er dagegen nicht wieder reproduziert.
Im 3. Bande sind für die Genesispredigten Buchwalds Zwickauer Funde verwertet,
die Predigten über die zehn Gebote (Decem praecepta Wittenbergensi praedicata
populo 1518) und die Annotatt. in Deuter, sind neu übersetzt, dagegen ist die von
Buchwald entdeckte Vorlesung über das Buch der Richter wegen ihrer „fragmen-
tarischen und auch sonst zweifelhaften Beschaffenheit" nicht aufgenommen. Die
Missourier scheinen in dem Bearbeiter ihrer Lutherausgabe einen respektablen Ge-
lehrten nicht allein von tüchtiger Arbeitskraft, sondern auch von wissenschaftlicher
Arbeitsweise gefunden zu haben. —
Schon im vorigen Jahresbericht war Gelegenheit gewesen, der grossen
Funde zu gedenken, die Buchwald53) in Jena gemacht hat (JBL. 1893 II 6:56/8).
Inzwischen liegt ein g-enauerer Bericht vor, worin er erzählt, wie ein von ihm im
Weimarer Archiv gefundener Brief der ernestinischen Herzöge ihn zunächst veran-
lasste, die Archivakten über die Jenaer Lutherausgabe genau zu durchforschen. Hier
fand er in einem Briefe Poachs aus dem J. 1564 „M. Rörers Bücher" erwähnt, „so
itzt in der Liberey zu Jhena verwaret". Er reiste daher nach Jena, wo man ihm
alsbald 20 Quartbände mit meist Rörerschen Nachschriften von Predigten, Vorlesungen
und Tischreden Luthers aufwies. Aber da ein schon 1883 von B. in Zwickau ent-
decktes Register Predigtjahrgänge aufzählte, die hier noch fehlten, so suchte er weiter
und entdeckte bei einem neuen Besuch in Jena zunächst 11 Oktavbände Lutherana
und einen Oktavband Bugenhagiana, teilweise ungebunden und defekt; da er nun
nach den fehlenden Bogenlagen „die gesamten Hss. der Jenaer Universitätsbibliothek"
durchsuchte, fand er zwar nicht die fehlenden Bogen, aber noch zwei ganze Oktav-
bände Lutherana, teilweise Autographa! Wundersame Gedanken erweckt dieser
Bericht bei dem mit Jenaer Bibliotheksverhältnissen Unbekannten in betreff der
Ordnung, Instandhaltung und Katalogisierung der dort befindlichen Hss. Um so leb-
hafter muss der Dank sein, der dem unermüdlichen Entdecker gebührt. Nun wird
auch sicher nicht abermals der reiche Besitz Jenas an Luthermss in Vergessenheit
geraten; B. selbst ist ja in Voller Arbeit, den Schatz zu heben und zu verarbeiten.
Vorliegender Aufsatz giebt bereits eine sehr förderliche Zusammenstellung und Ord-
nung des Inhalts dieser Bände. —
Der von Zimmer54) besorgte Neudruck der Schrift „An den christlichen
Adel" bietet für 20 Pfennige einen massig modernisierten, lesbaren Text und dazu
eine grosse Anzahl erläuternder Anmerkungen, für die besonders Benraths und Knaakes
Ausgaben benutzt sind. Die kurze Einleitung verzichtet freilich auf jede Einführung
in die Fragen, zu denen der Inhalt der Schrift Anlass gegeben hat. Das Titelbild
(S. 5) ist verkleinerte Nachbildung nicht eines der Wittenberger Drucke, sondern eines
Leipziger Nachdrucks (= Knaake Nummer E); das hätte dem Leser doch wohl gesagt
werden müssen. — Köstlin hatte 1874 (Hallesches Osterprogr. S. 8) darauf hingewiesen,
dass in Förstemanns Ausgabe der Wormser Rede Luthers nach Spalatins Aufzeichnung
(Urkundenbuch 1842, S. 69 ff.) eine Textlücke sein müsse, hatte aber auf seine Anfrage
im Archiv den Bescheid erhalten, dass Förstemanns Abdruck vollständig sei. Burk-
hard t55) hat nunmehr doch ermittelt, dass bei der Abschrift 2 Seiten überschlagen
Holzschn. u. 7 Hss.-Facs.) — 52) i d. , Sämtl. Schriften, her. v. J. G. Walch. Aufs neue her. im Auftr. d. Minist, d. dtsch.
evang.-luth. Synode v. Missouri, Ohio u. anderen Staaten. Neue rev. Ster.-Ausg. 9. Bd. Ausleg. d. Neuen Testaments (Schluss).
— 3. Bd. Ausleg. d. Alten Testaments (Forts. Predigten über d. erste Buch Mosis u. Ausleg. über d. folg. biblischen Bächer
bis zu d. Psalmen [excl.J) St. Louis, Mo. (Zwickau, Schriften-Ver. d. sep. evang.-luth. Gemeinden). 1893 u. 94. 4°. XIII, 1895 S. ;
VU, 1973 S. M. 15,00; M. 17,00. |[B. B. Warfield: PresbytRefR. Okt.-Heft.l| (Bes. v. F. A. Hoppe.) — 53) G. Buchwald,
Jenaer Lutherfunde: ThStK. 67, S. 374-92. — 54) fl. Zimmer, M. Luther, An d. christl. Adel dtsch. Nation. (= Meyers
Voltsbacher N. 1099-1100.) L., Bibliogr. Inst. 16°. 98 S. M. 0,20. — 55) C. A. H. Burkhardt, Luthers Wormser Rede in
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (2)9
II 6 : 56-61 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
worden sind, und giebt daher jetzt einen vollständigen Abdruck der ganzen Rede.
Die grosse Lücke beginnt bei Förstemann S. 71a Z. 16 v. o. hinter „lere". — Von
Luthers berühmtem Aufruf an die deutschen Städte, Schalen zu gründen, hat Israel56)
in seiner verdienstlichen, wegen zu geringer Teilnahme leider nicht weiter fortgeführten
Sammlung von Neudrucken pädagogischer Schriften des 16. und 17. Jh., deren erstes
Heft sie bildete, noch eine neue Auflage veranstaltet, der auch die auf die Schulen
bezüglichen Abschnitte aus Melanchthons „Unterricht der Visitatoren" beigefügt sind.
Beide Schriftstücke sind die klassischen Dokumente des dem Gymnasialwesen sich
zuwendenden Interesses der sächsischen Reformatoren, der Verwendung der huma-
nistischen Studien für die Heranbildung der Diener in Kirche und Staat nach dem
Ideal einer sapiens et eloquens pietas. Dabei sei an den prächtigen Facsimiledruck
erinnert, den I. durch Drugulinsche Kunst 1883 zum Lutherfest von der Schrift „An
die Ratsherrn" veranstaltete, der in der Flut der Erzeugnisse jenes Jahres nur wenig
bekannt geworden zu sein scheint. — Enders57) giebt einen Neudruck (nebst Ein-
leitung) von Luthers „Brief an die Fürsten zu Sachsen von dem aufrührischen Geist"
Juli 1524, darauf Münzers grimmige Replik „Hoch verursachte Schutzrede und Antwort
wider das geistlose, sanftlebende Fleisch zu Wittenberg", Nürnberg Okt. 1524, und
drittens Valentin Ickelsamers Apologie Karlstadts gegen Luther „Klage etlicher
Brüder", Rothenburg a. T. März 1525: letztere beide Schriften sind selten, und daher
ihr Neudruck sehr erwünscht; Luthers Brief ist zwar oft gedruckt, aber noch nicht
in der kritischen Weim. Ausg., und ist hier beigegeben, da Münzer beständig auf
ihn Bezug nimmt. Auf einzelne Desiderien in Betreff der geschichtlichen Einleitung
macht Kaweraus Besprechung aufmerksam. — E. Müller58) legt eine ver-
kürzende und den Stoff auf die einzelnen Evangelien verteilende Verarbeitung des
exegetischen Materials aus Luthers Schriften vor, das der fleissige Württemberger Eberle
1856 zu den Evangelien zusammengetragen hatte. Den Stoff, den seither schon Eberle
in seiner 2. Auflage nachgetragen, und der dann weiter durch Enders in der 2. Auf-
lage der Erl. Ausg. und durch Buchwald bekannt gemacht worden ist, kennt er nicht.
Es ist, wie Bossert ermittelt hat und scharf formuliert, ein „verdünnter Abguss jenes
Erstlingswerkes Eberles", ohne dass der Vf. sagt, in welcher Weise er diesen excerpiert
hat, „trotz formeller Vorzüge ein Rückschritt". Im 4. Teile ist ausser Eberle auch
anderes benutzt, aber wie in den früheren Teilen ohne Angabe des Fundortes. — Die
Ausgabe von Luthers Erklärung des Galaterbriefs, die der rührige Calwer Verlags-
verein59) veröffentlicht hat, bietet unter Benutzung der geschickten Arbeit von
Chr. G. Eberle „Luthers Epistelauslegung" eine aus Luthers älterem und jüngerem
Kommentar (1519 und 35) zusammengesetzte, Zeitgeschichtliches streichende, auch
sonst kürzende Kompilation, die natürlich für wissenschaftliche Zwecke nicht geeignet
ist, aber allen, denen es nur um Einblick in die eigentliche Schriftauslegung und
erbauliche Schriftanwendung zu thun ist, ein bequemes Hülfsmittel bietet. Freilich
hat der Leser hier niemals Luthers Text selbst vor sich, da beide Kommentare
lateinisch geschrieben sind, sondern den modernisierten Text der beiden alten deutschen
Ueber Setzungen (von Vincentius Heidnecker [Obsopöus?] 1525 und Justus Menius 1539).
Mit grosser Geschicklichkeit sind beide Auslegungen zu gegenseitiger Ergänzung in
einander geschoben, mitunter so, dass inmitten eines Satzes der Uebergang aus der
einen in die andere erfolgt. So viel ich verglichen habe, fand ich dabei nirgends
eine Alterierung der Gedanken Luthers, wenn auch jene Uebersetzungen teilweise
sehr frei verfahren. —
Zur Kritik einzelner Schriften weist Kolde60) nach, dass die von
ihm schon früher erwiesene Thatsache, es seien in Schmalkalden 1537 Luthers
„Schmalkaldische Artikel" gar nicht offiziell von den Ständen beraten und ange-
nommen worden, aus einer kleinen Intrigue Melanchthons zu erklären ist, der an
der Fassung, die die Abendmahlslehre hier durch Luther erhalten, Anstoss nahm,
über diese scharfe Fassung dem Landgrafen Philipp meldete, sie sei gegen den
ursprünglichen milderen Entwurf Luthers durch Bugenhagen hineingebracht, und
daher riet, die Stände möchten sich einfach auf die Confessio Augustana und die
Wittenberger Konkordie berufen. Diese Anschuldigung Melanchthons gegen Bugen-
hagen, auf deren Bedeutung übrigens auch schon Kawerau (ThStK. 62, S. 806/7)
Spalatins Wiedergabe: ThStK. 67, S. 151/6. — 56) A. Israel, M. Luther, 1. An d. Radherren aller stedte deutsches lands.
Nach d. 1. Ausg. gedr. zu Wittenb. 1524. 2. V. Schalen. Letzter Abschn. aus d. Unterr. d. Visitatoren eto. Nach d. 1. Ausg.
gedr. zu Wittenb. 1528. Zweite, mit e. Einl. u. sprachl. Erläuterungen verm. Ausg. (= Samml. selten gewordener päd. Schriften
d. 16. u. 17. Jh. N. I.) Zschopau, Raschke. 52 S. M. 1,00. — 57) L. Enders, Ans d. Kampf d. Schwärmer gegen Luther.
3 Flugschriften (1524-25). (= NDL. N. 118.) Halle a. S., Niemeyer. 1893. XVIII, 55 S. M.0,60. |[ö. Kawerau: ThLZ. 19,
S. 276/7; W. Walther: ThLBl. 15, S. 166.]| — 58) E. Maller, Luthers Erklärung d. h. Schrift. I.-III. (D. Evang. Matthaei.
— D. Evang. d. Markus u. Lukas. — D. Evang. Johannis.) IY. D. Apostelgeschichte u. d. Brief an d. Körner. Gütersloh, Bertels-
mann. 1893—94. 619 S. k M. 1,50. |[G. Bossert: ThLZ. 19, S. 494/5, 640; KonsMsohr. 8. 1108/9; E. Breest: ThLBl. 17,
S. 123.]| — 59) M. Luthers Erklärung d. Briefes St. Pauli an d. Qalater. Calw u. St., Calwer Verl.-Ver. 12°. 368 S. M. 1,00.
- 60) Th. Kolde, Z. Gesch. d. Schmalkald. Artikel: ThStK. 67, S. 157-60. — 61) id., Ueber d. Echtheit d. Luther zu-
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 : ei-e«
aufmerksam gemacht hatte, erhält, wie K. weiter ausführt, volle Bestätigung durch
das in Zangemeisters photographischem Faksimile C1883) zugänglich gemachte Auto-
graph der Schmalkaldischen Artikel, das thatsächlich in dem betreffenden Artikel
den ursprünglichen milderen und den hineinkorrigierten schärferen Text zeigt. —
K o 1 d e 61) erörtert auch, dass von der unter Luthers Werken (lateinisch Erl. Ausg.
opp. var. arg. 7, S. 370 ff., deutsch Bd. 31, S. 411 ff.) abgedruckten Schrift Convocatio
concilii liberi (1534) der lateinische Text das Original sein müsse, dass aber Luther
weder der Uebersetzer ins Deutsche, noch auch der Vf. des lateinischen Textes sein
werde. Den wahren Vf. sucht K. in den Kreisen der humanistischen Expektanten.
Er versucht wahrscheinlich zu machen, dass Luthers Name, der auf dem Titel der
lateinischen Ausgabe in dem Abdruck der Gesamtausgaben steht, in dem bisher
nicht wieder entdeckten Originaldruck gar nicht gestanden haben werde. —
Zu Luthers Briefwechsel bringt uns Fijaiek62) einen interessanten
Beitrag. In einem Krakauer Druck von 1521 befinden sich Erlasse des päpstlichen
Legaten in Polen, Zacharias Ferreri, der schon 1520 Sigismund I. zu einem strengen
Edikt gegen die Einführung Lutherischer Bücher bewog (3. Mai), unter diesen
auch das der deutschen Lutherforschung verborgen gebliebene Mahnschreiben an
Luther vom 20. Mai 1520, das zu vollständigem Abdruck gebracht wird. Es ist
reich an salbungsvoller Rhetorik, mit der Luther bewiesen wird, dass er instrumen-
tum malum sei und Busse thun müsse.63) — Zu dem apokryphen Briefe Kaiser Fer-
dinands an Luther, 1. Febr. 1537, den Burkhardt Luthers Briefwechsel (S. 275) noch
ohne eine Bemerkung über seine Unechtheit registriert, bringt Bossert64) die
Nachricht bei, dass der 1600 aus Purgstein in Untersteiermark vertriebene Prediger
Joh. Durchdenbach dem Herzog Friedrich von Württemberg eine Abschrift dieses
Briefes überbrachte, die er selbst von dem Freiherrn zu Heberstein erhalten hatte. —
Buchwald65) teilt aus Rörers hs. Sammlung in Jena Luthers bisher fehlenden
Brief vom 14. Jan. 1546 an König Christian III. mit, der neben dem Dank für ein
Geldgeschenk mancherlei „neue Zeitung" enthält. —
Jostes66) überrascht die gelehrte Welt mit dem Anspruch, den Ueber-
setzer der durch den Druck verbreiteten vorlutherischen Bibelüber-
setzung in der Person des Dominikaners (?) Meister Johannes Rellach entdeckt zu
haben, der um 1450 seine Arbeit gefertigt habe. Damit würde nicht nur der oft
vermutete waldensische Ursprung dieser Uebersetzung definitiv abgethan sein, son-
dern es müssten auch die Hss. dieses Uebersetzungstypus, die bisher für erheblich
älter gehalten wurden, sämtlich in die zweite Hälfte des 15. Jh. heruntergerückt
werden! Von hier aus erhebt sich ein schweres Bedenken gegen die „Entdeckung".
Wir kommen darauf zurück, wenn wir W. Walthers gewichtige Entgegnung zu be-
sprechen haben werden. — K n e 1 1 e r s 6r) Besprechung des Waltherschen Werkes
über die mittelalterliche deutsche Bibel (JBL. 1891 II 6 : 20) lässt dem biblio-
graphischen Teil dieser Arbeit unbedingte Anerkennung widerfahren; nur am
Schlussteil stösst er sich an der zum „Schaden des Buches" hervortretenden „reli-
giösen Polemik" des Vf.; durch tendenziöse Deuteleien schädige er die Wahrheit
und helfe die konfessionellen Vorurteile schüren. Die Beweise, die der Jesuit hierfür
vorbringt, sind sehr dürftig; denn sie laufen darauf hinaus, dass er Walther vor-
wirft, hier und da eine Quellenstelle nicht ganz richtig gedeutet zu haben, oder dass
er selbst versichert, hier anderer Ansicht zu sein. Inwiefern damit religiöse
„Polemik" erwiesen ist, verstehe ich nicht. Es beweist aber, wie empfindlich man
in K.s Lager ist; es gehört wohl zur Taktik, dass der Arbeit eines Protestanten,
auch wenn man ihre positiven Ergebnisse mit Dank acceptieren kann, eine Warnungs-
tafel beigefügt werden muss. — Rinns68) Aufsatz beabsichtigt, einem weiteren
Leserkreise die Ergebnisse der Waltherschen Forschung mitzuteilen. —
Die Schrift von Kamphausen69) enthält auf den ersten 20 Seiten die
Rektoratsrede, in der er als alter langjähriger Mitarbeiter am Werk der Bibel-
r e v i s i o n die unvergängliche Bedeutung der Lutherschen Bibelübersetzung rühmt,
sodann die „Textverwilderung" der späteren Bibeldrucke schildert und erklärt,
endlich in grossen Zügen den Gang des Revisionswerkes darlegt. Die Anmerkungen
dazu (S. 21/6) bringen, in reicher Fülle und zugleich trefflich gewählt, Erläuterungen
und Materialien zur Charakterisierung der Uebersetzungsarbeit Luthers sowie der
geschrieb. Schriftchens „Convocatio Concilii liberi Christiani etc.": ZKG. 15, S. 94 7. — 62) J. FijaleV, Mahnschreiben d.
papstl. Legaten in Polen Zach. Ferreri an M. Luther, 20. Mai 1520: HJb. 15, S. 307-53. (Nachträgl. Verbesserungen auf S. 589.)
— 63) X Th. Kolde, 2 Lutherbriefe (JBL. 1893 II 6:59): ZKG. 14. S. 6037. — 64) G. Bossert, Joh. Durchdenbaoh, e.
österr. Exulant in Württemberg. Kirchendienst: JGGPÖ. 15, S. 38. — 65) G. Bnchwald, E. noch ungedr. Brief Luthers an
König Christian IU. v. Dänemark: ThStK. 67, S. 769-73. — 66) F. Jostes, D. „Waldenserbibeln" u. Meister Joh. Rellach:
HJb. 15, S. 771-95. — 67) A. Kneller: StML. 45, S. 392/7. — 68) H. Rinn, D. dtsch. Bibelübers. im MA.: ChristlW. 8,
S. 97-102, 124/7, 159-62, 200/4. — 69) A. K a m p h a u s e n , D. berichtigte Lutherbibel. Rektoratsrede mit Anm. B , Renther & Reichard.
66 S. M. 1,50. |[F. Fay: ThLZ. 19, S. 619-20; H. Holtzmann: DLZ. S. 1507/8; ThLBl. 17, S. 171.1 (Vorher ohne Anm.
(2)9*
II 6 : 70-70 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
Revisionsarbeit, wie dieselbe sowohl in der Probebibel, wie in abermals ersichtlichem
Fortschritt in der „durchgesehenen Ausgabe" von 1892 vorliegt. — Einen gehar-
nischten Protest gegen die revidierte Lutherbibel hat der Vertreter missourischen
Luthertums in Deutschland, Willkomm'70), schon in einer zweiten vermehrten
Auflage ausgehen lassen. Er giebt zwar zu, dass Luthers Arbeit sachlich und
sprachlich hier und da eine Verbesserung vertrage, doch bestreitet er der heutigen
wissenschaftlichen Theologie das Recht, an Luthers Werk Revision zu üben, da sie
darauf ausgegangen sei, Luthers „christologisierende Anschauungen" in der Auf-
fassung des Alten Testaments zu bekämpfen und durch entsprechende Aenderungen
das Verständnis für einen „stufenmässigen Fortschritt der alttestam entlichen Heils-
erkenntnis" zu ermöglichen. Besonders anstössig ist ihm die Aenderung in Hiob
19, 25, 26, obgleich er selber einräumen muss, dass es sich dort um einen „luther-
schen Irrtum" handelt. Die Grundsätze des Vf. für Bibelexegese sind so von
dogmatischen Voraussetzungen beherrscht, dass eine Verständigung zwischen ihm
und „wissenschaftlichen" Theologen allerdings ausgeschlossen ist; die Fundamental-
sätze aller Methodik der Bibelerklärung müssten verleugnet werden, wenn man seinem
Mahnworte Folge geben wollte. — Die Besprechung der revidierten Bibel von
Kohrs71) geht wenig auf Einzelnes ein. — J e h 1 e 72) kritisiert in seiner sorg-
samen Weise Inkonsequenzen und Unrichtigkeiten im Register der durchgesehenen
Lutherbibel. Zugleich führt er Beschwerde darüber, dass die mühsamen Zusammen-
stellungen von Bedenken, die er nach Erscheinen der Probebibel veröffentlicht hatte, um
Unebenheiten, Ungleichheiten usw. zu beseitigen, so wenig von Seiten der Kommission
Berücksichtigung gefunden haben, und dass Kamphausen in seiner Broehure(s. o.N.69)
so leicht und von oben herab diese Beiträge zur Bibelverbesserung abthut. Das
scheinen sie uns allerdings nicht verdient zu haben, und wir verstehen seine
Erregung darüber, dass „man der Lutherbibel nicht die Vollendung gegeben, die
man ihr hätte geben können". ™-">*) —
Das Referat über die Bremer Schulbibel von Witte75) kommt zu dem
Ergebnis, dass „sie zwar noch hier und da verbesserungsfähig ist, im grossen und
ganzen aber das von Tausenden gefühlte Bedürfnis nach einem Bibelauszuge für
die Schulen in mustergültiger Weise befriedigt". Unzweifelhaft werde sie sich ihren
Wirkungskreis erobern und nach und nach in die deutschen Schulen einziehen.
Eine Beeinträchtigung der Lutherschen Vollbibel stehe durch ihren Dienst so wenig
zu erwarten, dass sie vielmehr dazu beitragen werde, die Lutherbibel dem deutschen
Volke wert und vertraut zu machen. — Auch Schlier76) tritt mit erfreulicher
Entschiedenheit für das pädagogische Bedürfnis ein. Den Schülern statt der Bibel
ein „biblisches Lesebuch" in die Hand zu geben, den Namen „Schulbibel" oder gar
„Familienbibel" perhorresziert er freilich, da er so laute, als solle damit die Bibel
selbst beseitigt sein. Der richtige Zeitpunkt, an dem der Jugend die Bibel in die
Hand zu geben sei, sei nicht schon der Beginn des Konfirmandenunterrichts, sondern
erst der Tag der Konfirmation. Am besten sagt ihm unter den vorhandenen Ver-
suchen, dieses Schulbuch uns zu liefern, die Bremer Schulbibel (trotz dieses von
ihm abgelehnten Titels) zu. Doch ist auch diese seines Erachtens zu umfangreich.
— Dass die Schulmänner77), die sich auf der XIX. rheinischen Religionslehrer Ver-
sammlung über die Frage: Gehört die Schulbibel oder die Vollbibel in die Hände
der Schüler? ausgesprochen haben, mit gleicher Entschiedenheit für die Notwendig-
keit einer Schulbibel eintreten würden, konnte man von ihnen als Männern der
Schulpraxis erwarten. Ihre Vorträge verdienen beachtet zu werden wegen der Viel-
seitigkeit der dabei berücksichtigten Gesichtspunkte, wegen der Energie], mit der gerade
im Interesse grösserer Liebe des Volkes zur Bibel und besserer Bekanntschaft mit
ihr für die Schulbibel plädiert, und wegen der Würde, mit der die gesalbte Bered-
samkeit pastoraler Gegner der Schulbibel beantwortet wird. — Auch der Bericht
W.Neumanns78) über denVortrag von Weck, der das gleiche Thema auf der IV. schle-
sischen Religionslehrerversammlung behandelte, zeigt, dass der Vortragende den
gleichen Standpunkt vertrat, und dass die Teilnehmer einstimmig die beiden Haupt-
thesen (Notwendigkeit der Schulbibel in höheren wie niederen Schulen und Em-
pfehlung der Bremer Schulbibel als der den Anforderungen der Schule am besten
entsprechenden) annahmen.79) — Dagegen fällt das an eine Anzeige der Schrift von
in „Halte was da hast".) — 70) 0. H. Th. Willkomm, Was ist v. d. beabsichtigten Rev. d. Lutherschen Bibel äbers. zu
halten? 2. verm. Ann. Zwickau, Schriftenverl. d. sep. evang.-luth. Gem. 12°. 32 S. M. 0,10. — 71) H. Kohrs, D. Bibel
in d. Uebers. Luthers. Durchgesehene Ausg.: ZDU. 8, S. 210/2. — 72) Fr. Jehle, D. Reg. d. durchges. Lutherbibel: NKZ. 5,
8. 761-73. (Vgl. JBL. 1893 II 6 : 72.) — 73) X D- notwendigen Verbesserungnn d. Lutherschen Bibelübers. 2. Aufl. Gütersloh,
Bertelsmann. 20 S. M. 0,20. — 74) X M- Heyne, D. Cansteinsche Lutherbibel: ADA. 20, S. 350/2. — 75) L. Witte, D.
Bremer Schulbibel: ZERU. 5, S. 307-16. - 76) Schlier, Bibel, Schulbibel, Bibl. Lesebuch: NKZ. 5, S. 988-1001. — 77)
Ist d. Einführung e. Schulbibel notwendig? Verhandl. d. XIX. rhein. Religionslehrervers.: ZERU. 6, S. 18-40. — 78) W. Neu-
mann, 4. Vers, evang. Religionslehrer an höh. Schulen d. Prov. Schlesien. (Ber.): ib. 5, S. 282/5. — 79) X M. Evers, D.
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 : so-87
Bahnisch (JBL. 1892 II 6 : 23) sich anschliessende Votum eines Anonymus80) aus
dem Pfarrerstande gegen die Einführung der Schulbibel aus. Grund: das christliche
Volk werde Anstoss an der Verdrängung (?) der Vollbibel nehmen; der Gefahr aber,
die für die Jugend in den geschlechtlich anstössigen Stellen liege, werde durch
„unauffälliges Uebergehen beim Schulunterricht" wirksamer begegnet als durch
Beseitigung. —
Der anonyme Vf.81) eines Aufsatzes über Luthers Lied „Wir giauben all
an einen Gott" rügt mit Recht die verbreitete Angabe, dass es Luthers Umdichtung
des Apostolikum sei, und weist nach, dass er vielmehr das Nicäno-Constantinopoli-
tanum zu Grunde gelegt habe. Es werden ferner ältere und jüngere Versuche der
gleichen Umdichtung mitgeteilt, und richtig wird hervorgehoben, dass die Melodie
nicht von Luther stammt, sondern schon im Anfang des 15. Jh. vorhanden gewesen
ist. — Sprenger82) verteidigt in Luthers Weihnachtslied die herkömmliche Deutung
des „Susannine"- Wiegenlied unter Hinweis auf die Sitte des Kindelwiegens, die auch
im evangelischen Deutschland noch längere Zeit fortbestand. — Hochhuth82a) stimmt
dieser Deutung bei unter Berufung auf einen älteren Aufsatz von Vilmar (in Pastoral-
theologBU. 10, S. 46 ff.). — Bötticher83) tritt dafür ein, dass in „Ein feste
Burg" die Worte „er hilft uns frei aus aller Not" nicht, wie Bechstein wollte, ein
„frei helfen" in Analogie von „frei lassen" cum accusativo voraussetzen, sondern
dass „uns" der Dativ und „frei" adv. sei = in unbeschränkter Herrschergewalt.84) —
Ein sehr wertvolles Stück seiner Jenaer, teilweise auch schon Zwickauer Luther-
funde hat Buch wald85) herausgegeben und bearbeitet in einer Schrift, die für die
Entstehung des Grossen wie des Kleinen Katechismus von grösster Bedeutung
ist. Auf die Entstehung des Grossen Katechismus werfen Licht die in Jena aufge-
fundenen Predigten, nämlich Rörers Nachschriften von drei Cyklen Lutherscher
Predigten über den Katechismusstoff, vom 18. Mai, 14. Sept. und 30. Nov. 1528
ab, also ein dreimaliger praktischer Predigtversuch, auf Grund dessen und im An-
schluss an welchen oft bis auf den Wortlaut Luther im Anfang des J. 1529 seinen
Grossen Katechismus — das Muster für die Katechismuspredigten der Pfarrer —
ausarbeitete. Auf Grund ferner seiner Zwickauer Funde (JBL. 1893 II 6 : 48/9) giebt
B. ein gegen frühere Annahmen wesentlich verändertes Bild von der Entstehung des
Kleinen Katechismus. Schon im Jan. 1529 sind die drei ersten Hauptstücke auf
Tafeln in Plakatform erschienen, im März erscheinen 4. und 5. Hauptstück in gleicher
Weise. B. lässt dann durch Bugenhagen, der in Hamburg die Reformation einführt,
diese Tafeln in niederdeutscher Sprache zu einem Büchlein vereinen, so dass wir in
dem Hamburger Druck von 1529 (ohne Luthers Vorwort) die älteste Buchausgabe
zu erblicken hätten (April und Mai). Im Mai erfolgt die Herstellung der (verlorenen,
in drei Nachdrucken aber erhaltenen) Wittenberger editio princeps, gleich darauf
eine gleichfalls verlorene zweite Ausgabe. Am 13. Juni schon kommt die dritte ge-
mehrte und gebesserte Ausgabe zur Versendung, die in einem Exemplar des Ger-
manischen Museums — freilich nur in Trümmern — erhalten geblieben ist. Ganz
ähnlich hatte Gust. Kaweraus85a) Anzeige der Schrift Buchwalds zur Wittenberger
Stadt- und Universitätsgeschichte (JBL. 1893 II 6 : 48) bereits aus den hier vorliegenden
Briefstellen die Entstehungsgeschichte zu rekonstruieren versucht, nur dass ich als
erste Ausgabe die Tabulae selbst gezählt, also nicht zwischen der Buchausgabe vom
Mai und der vom Juni noch eine weitere Ausgabe einschalten wollte. Inzwischen
habe ich von einem Katechismusnachdruck Kenntnis erhalten, der einen Text ent-
hält, der zwischen der editio princeps und der „gemehrten und gebesserten" die
Mitte hält; möglichenfalls ist hier die Spur einer zwischen beiden stehenden Witten-
berger Ausg-abe zu finden, und es würde somit Buchwalds Deutung der betr. Brief-
stelle erwünschte Bestätigung erhalten. In der Einleitung giebt der Vf. eine sehr
vollständige Zusammenstellung aller Arbeiten und Predigten Luthers über Kate-
chismusstoffe von 1516—28; die drei Reihen Katechismuspredigten von 1528 werden
harmonistisch in drei Kolumnen abgedruckt, die wörtlich daraus in den Grossen
Katechismus übernommenen Stellen kenntlich gemacht. Einzelne Berichtigungen
bringt die Recension von E n d e r s. Von selbständigem Werte ist die eingehende
Anzeige von C o h r s , der sich durch sie als gründlichen Kenner der Katechismus-
geschichte einführt.86) — Mit Befriedigung begrüssen wir es, dass die tüchtige
Katechismusbearbeitung von Kaftan87) eine zweite Auflage erlebt hat, in der der
Schulbibelfrage auf d. 19. evang. Religionslehrervers. d. Eheinlands zu Düsseldorf, 24. Mai 1894. (Erweit. Sonderdr. aus
ZERTJ.) B., Reuther & Reichard. 74 S. M. 1;20 — 80) Z. Schulbibelfruge : AELKZ. 27, S. 371/2. — 81) Wir glauben all' an
Einen Gott: ib. S. 104 6. — 82) R Sprenger, Zu Luthers Weihnachtsliede „Vom Himmel hoch": ZERÜ. 5, S. 1245. —82a)
Hochhuth, Susannine: ib. S. 125. — 83) G. Bötticher, Z. Lutherliede „Ein feste Barg*: ZDÜ. 8. S. 770/3. — 84) X
R. Sprenger, Zu Luthers Umschreibung d. 130. Psalms (Aus tiefer Not): ZERU. 5, S. 216/8. — 85) G. Buchwald, D.
Entsteh, d. Katechismen Luthers u. d. Grundlage d. gr. Katechismus. L., Wigand. 4°. XVI, 49 S. M. 4,50. |[E. L. Enders:
ThLBl. 15, S. 406/7; F. Cohrs: ThLZ. 19, S. 611/5; LCB1. S. 1132.]| — 85a) G. Kawerau: DLZ. S. 3245. - 86) X M.
Reu, Z. Entstehungsgesch. d. kl. Katechismus Dr. M. Luthers: KirchlZ. (Nordamerika) 18, 5. Heft. — 87) Th. Kaftan,
Ü 6:88-110 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
Vf. gegen manchen Einwand seine Positionen verteidigt oder auch genauer for-
muliert, manches nachträgt und zu mancher neueren katechetischen Arbeit Stellung
nimmt. Mich wundert nur, dass er dabei an der Schrift: Die unterrichtliche Be-
handlung des 6. Gebotes in der Schule (Leipzig 1893) mit der Studie Q. von Rohdens
über dieses Katechismusstück vorübergegangen ist. Wie in der ersten Auflage (S. 2 19),
so nennt er auch jetzt noch (S. 235) seinen Magdeburger Kollegen Schultz statt
Schultze. — Dass Schützes88) vollständig ausgeführte Katechesen immer wieder
neue Auflagen erleben, ist nicht zu verwundern; sie machen ja Lehrenden die Vor-
bereitung möglichst bequem und ersparen eigenes Nachdenken; und es redet hier
ein alter erfahrener Praktikus, von dem auch immer etwas zu lernen ist, wenn auch
Auffassung und Methode ihn zu einem Vertreter der traditionell dogmatisierenden
Katechismuserklärung machen. — Die anspruchslose Arbeit von Lange und Hoff-
mann89) lehnt die Besprechung der einzelnen Katechismusabschnitte stets an
biblische Geschichten an und bietet dem Lehrer der Volksschule Präparationen für
die einzelnen Lehrstunden. — T e i t g e 90) setzt (JBL. 1892 II 6 : 30) seine Bearbeitung des
Katechismusstoffes weiter fort.91"105) — Malo106) plädiert dafür, dass in Luthers Er-
klärung des 1. Artikels in dem bekannten Satze „Wider alle Fährlichkeit be-
schirmet usw." für das der Erfahrung widersprechende „alle" ein „allerlei" einzu-
setzen sei. Luther habe sich hier falsch ausgedrückt; das müsse durch offene ehr-
liche Korrektur des Katechismustextes, den die Jugend lernen soll, zur Anerkennung
gebracht werden. Das sei pädagogisch richtiger als erst Falsches lernen zu lassen
und dann durch eine umdeutende Auslegung den Anstoss zu verhüllen (?).107) —
Der sprachliche Dinge aufrührende Aufsatz Klaibers „Lutherana" (JBL.
1893 II 6 : 64; s. o. I 7:8) hat durch verschiedene Germanisten wertvolle Er-
gänzungen erhalten, die ebenso für die Vervollständigung des deutschen Lexikons
wie speciell zum Verständnis des Lutherschen Wortschatzes wichtige Beiträge liefern.
Ich verweise besonders auf die Beiträge von Ehrismann und John Meier108)
zu der Redensart „mit Lungen auswerfen", von M. zu „dem Pilatus opfern", von
Creizenach zu „r ob unten". — Zudem bei Luther häufig auftretenden „thät" im Be-
dingungssatze in der negativen Bedeutung „wäre nicht vorhanden" liefert Men-
sing109) zwei Beispiele aus dem niederdeutschen Wolfenbütteler Esop. —
Die rühmende Anzeige, die ein Anonymus110) der K o 1 d e sehen Luther-
biographie (JBL. 1893 II 6:91) gewidmet hat, soll hier nicht allein wegen einer
Reihe von beachtenswerten Einzelbemerkungen erwähnt werden, die Desiderien für
eine neue Auflage geltend machen, sondern auch weil wir hier gelegentlich (S. 267)
der auch sonst schon angetroffenen Behauptung begegnen, dass die Ritschlsche Partei
„es für nötig erachtet habe, eine besondere Lutherausgabe zu veranstalten und mit
ihrer Theologie zu verbrämen." Es ist damit auf die Braunschweiger Volksausgabe
gezielt. Der Vf. kennt sicher die Vorgeschichte dieser Ausgabe nicht; wüsste er,
welchen Anteil J. Köstlin an ihrem Zustandekommen und an der Aufforderung an
Ausleg. d. luth. Katechismus (JBL. 1892 II 6 : 29). 2. verb. Aufl. Schleswig, Bergas. VIII, 391 S. M. 4,80. — 88) Fr. W.
Schütze, Entwürfe u. Katechesen über Dr. M. Luthers kl. Katechismus. Für evang. Volksschullehrer. Zugleich e. prakt.
Anleit. z. Katechisieren für Schullehrerserainare. 2. Bd. 2. Abt. (2. Hauptst., 2. Artikel.) 4. verm. Aufl., nach d. Tode d. Vf.
bes. v. dessen Sohne E. Th. Schütze. L., Teubner. IV, 309 S. M. 2,25. — 89) F. Lange u. K. Hoffmann, D. kl.
Katechismus Dr. M. Luthers, auf Grund d. hibl. Gesch. in anschaul. u. einf. Weise für d. Schulgebr. erklärt. 3. T. A. Ausg.
für d. Lehrer. L., Peter. 87 S. M. 0,80. |[ThLBl. 17, S. 181.] | — 90) L. Teitge, Z. Vorbereit, auf d. Katechismusnnterr.
Erläut. d. relig.-eth. Inhalts d. kl. Katechismus Dr. M. Luthers durch bibl. Geschichten. II. T. Gütersloh, Bertelsmann, IV,
123 S. M. 1,60. — 91) X A. Albrecht, Katechesen über d. kl. Katechismus Luthers im engen Anschluss an d. mecklenb.
Landeskatechismus. 1. T. V. d. Vorbereitungsfragen bis z. anderen Artikel. Güstrow, Opitz & Co. X, 260 S. M. 2,50. —
92) X C. Mischke, D. kl. Katechismus Luthers. In Entwürfen z. Gebr. für d. Oberstufe evang. Schulen bearb. 3. Bdchen.
L., Brandstetter. VI, 113 S. M. 1,40. — 93) X J- Kolbe, D. kl. Katechismus Dr. M. Luthers in ausgef. Katechesen für d.
Lehrer in d. Oberklasse d. Volksschule u. im Konfirmanden-Unterr. 2. Aufl. Breslau, Dülfer. XVI, 303 S. M. 3,50. — 94) X
K. Brudnick, Katechismuslehre auf Grund d. kl. Katechismus v. Dr. M. Luther. Mit Erläut., Sprüchen, Fragen. Wien,
Manz. 12°. 112 S. M. 1,20. — 95) X <*• B- Weiss, Dr. M. Luthers kl. Katechismus, nebst kurzer Ausleg. Neu bearb.
v. Lackner. Ausg. B. Königsberg i. P., Härtung. 64 S. M. 0,25. — 96) X A. Ambrassat, AI. Luthers kl. Katechismus.
Dresden, Jacobi. VI, 120 S. M. 1,50. — 97) X M. Luther, Kl. Katechismus in Fragen u. Antworten, mit beweis. Sprüchen
d. hl. Schrift, erläut. Liedervereen u. bibl. Beispielen. Her. v. A. Hamm. Strassburg i. E., VomhofF. 99 S. M. 0,80. — 98) X
K. Kühn, Katechismusbüchlein. D. kl. Katechismus v. M. Luther, pass. Sprüche zu seiner Ausleg., u. Gebete für Schule u.
Haus. Königsberg i. Pr., Gräfe & Unger. II, 32 S. M. 0,25. — 99) X Spruchbuch zu Dr. M. Luthers kl. Katechismus. Zum
Gebr. in d. Volksschulen d. Diöcesen Schleiz u. Ebersdorf. 3. Aufl. Lobenstein, Ch. Teich. 74 S. M. 0,40. — 100) X K- H-
Caspari. D. 1. Hauptstück d. kl. Katechismus Luthers, d. sind: d. 10 Gebote, ausgelegt in Predigten für d. christl. Volk.
7. Aufl. St., Steinkopf. 12°. 159 S. M. 0,80. - 101) X D- kl- Katechismus mit d. Ausleg. Dr. M. Luthers. 3. Aufl. 4.-5. Taus.
Bremen, Morgenbesser. 12°. 14 S. M. 0,10. — 102) X A.. Kluckhuhn, Hilfsbüohlein z. Konfirmanden-Unterr. in freiem
Anschluss an Dr. M. Luthers kl. Katechismus. 2. Aufl. L., F.Richter. VI, 82 S. M. 0,75. |[ThLBl. 15, S. 538/9.]| — 103) X
100 Denksprüche zu Dr. M. Luthers kl. Katechismus. Für Konfirmanden. Nürnberg, Lohe. 12°. 8 S. M. 0,05. — 104) X
Bibl. Beispiele z. 1. Hauptstück v. Dr. M. Luthers kl. Katechismus. (Nach Dr. Buchruckers bibl. Gesch.) Für Konfirmanden,
ebda. 12°. 12 S. M. 0,05. — 105) X H. Roser, Le Notre-Pere explique par Luther, Zwingli et Calvin. These. Kouen,
impr. Cagniaro. 59 S. — 106) H. Malo, „Wider alle Fährlichkeiten beschirmet u. vor allem Uebel behütet u. bewahret":
ZERU. 6, S. 48-58. — 107) X E- Sprenger, „Abspannen" in Luthers Erklärung z. 10. Gebot: ib. 5, S. 220. — 108) G.
Ehrismann u. John Meier, Zu Klaibers „Lutherana": ZDPh. 27, S. 55-63. (Vgl. E. Damköhler u. W. Creizenach,
Zu d Lutherana: ib. S. 505/6.) — 109) 0. Mensing, Niederdtsch. dede = hochd. thät im Bedingungssatze: ib. S. 533/4. —
110) ThLBl. 15, 8. 267-71; G. Bossert: ThLZ. 19, S. 245/7; LZg». N. 116; K. Sallmann: BLU. S. 26/8; LZg». N. 116;
G. Kawerau, Luther und die Reformation. tl 6 : 111-119
bestimmte Theologen zur Mitarbeit gehabt hat, so würde er diese Behauptung nicht
vorgetragen haben. Ich selbst wenigstens bin durch Köstlin zur Mitarbeit gewonnen
worden; für Parteizwecke, wie der Vf. sie voraussetzt, wären weder er noch ich zu
haben gewesen. Das Gleiche gilt für andere Mitarbeiter, die hervorragenden Anteil
an der Herstellung dieser Lutherausgabe gehabt haben. Sind doch drei der Heraus-
geber Mitarbeiter an dem Litteraturblatt, in dem der Anonymus diese falsche Nach-
rede zum Besten giebt. — Noch mehr bietet für Ergänzungen und Berichtigungen die
sachkundige, höchst anerkennende Recension von Bossert.111) —
B e r g e r ,12) greift in seiner noch im Berichtsjahre erschienenen „Einleitung
in eine Lutherbiographie'1 weiter zurück, als sonst üblich war. Nicht nur das Ende
des Mittelalters fasst er ins Auge, sondern er zeichnet ein Bild des ganzen Mittel-
alters, um zu zeigen, wie es in den verschiedensten Entwicklungslinien Vorberei-
tungsdienst für die in Luther beginnende neue Zeit gethan: er schildert die all-
mähliche Entwicklung eines Nationalbewusstseins, das zu dem kirchlichen Uni-
versalismus in Gegensatz treten musste; das Emporkommen einer Laienkultur gegen-
über der kirchlichen Kultur; den Durchbruch des Individualismus im Begehren nach
persönlicher Heilsgewissheit und Selbständigkeit der Glaubensüberzeugung gegenüber
der Unmündigkeit, in der der Einzelne von der Kirche gehalten wird; endlich den
Durchbruch der Laienreligion dem kirchlichen Priestertum gegenüber. Am Schlüsse
erhebt sich die Gestalt Luthers, in dessen Lebensweg die sich emporringenden neuen
Kräfte zusammenwirken. Im Bauernstande wurzelnd, wächst er doch in die Kreise
der städtischen Kultur hinein; Laienfrömmigkeit und die von der Kirche gepflegte
mönchische Askese verbinden sich; dazu hilft ihm seine Abstammung aus Mittel-
deutschland, auch zwischen den Stämmen des deutschen Volkes eine „Mittlerstellung"
einzunehmen. (Bossert macht in seiner Anzeige darauf aufmerksam, dass doch
wohl auch die Verbindung von sächsischer Eisenhärte und fränkischer Gewandtheit
in Luthers Abstammung von sächsischem Vater und fränkischer Mutter in Betracht
zu ziehen sei.) Die gedankenreiche, flott geschriebene Studie, die dem Vf. aus einem
einleitenden Kapitel zum Buche anwuchs, bietet dem, der sich einmal an grossen
Durchblicken erfreuen will, reichen Genuss und mannigfache Anregung; wie solid
der Unterbau gewissenhafter Durchforschung im einzelnen ist, mögen gewiegte
Kenner des Mittelalters beurteilen. Auf Anmerkungen und Quellenangaben ist völlig
verzichtet.113"115) —
Im Anschluss an A. von Dommers Lutherdrucke auf der Hamburger Stadt-
bibliothek beschreibt ein Anonymus116) vier Luther bildnisse, Holzschnitte aus
Druckschriften der J. 1519— 20. in) —
Unter den Schriften über einzelne Punkte in Luthers Geschichte tritt
Briegers118) sorgfältige Studie über den' processus inhibitorius, den Albrecht von
Mainz laut seines Erlasses vom 13. Dec. 1517 gegen Luther anordnete, der Meinung
entgegen, dass Albrecht auf den Vorschlag seiner Räte jenen zur Zeit als inopportun habe
fallen lassen, und sucht zu erweisen, dass Tetzel allerdings den Prozess angestrengt
habe, aber durch Friedrichs des Weisen Verhalten baldgenötigt worden sei, von ihm
wieder abzulassen. In Tetzels Thesen vom April 1518 (These 47 und 48) ist der
inquisitor haereticae pravitatis scharf hervorgekehrt und gegen Friedrich der Vorwurf
erhoben, dass er hartnäckig wäre und den Ketzer nicht habe vor seinem ordentlichen
Richter wollen erscheinen lassen. Auch These 41 führt darauf, dass Luther „legitime",
also von einer kirchlich zuständigen Autorität gezeigt war, dass seine Aufstellungen
der katholischen Wahrheit zuwiderliefen. Somit beweisen diese Thesen, dass ein
rechtliches Verfahren thatsächlich eröffnet gewesen war. Auch Karlstadts Antwort
in Gegenthesen an Stelle des in Heidelberg weilenden Luther beweist (These 362 ff.,
376 f., 378), dass Tetzel Luther vorgeladen, der Kurfürst aber ihm verboten hatte,
ausserhalb seines Gebietes und vor feindlichem Richter sich zu stellen. Diese Citation
durch Tetzel in Albrechts Auftrage wird in den Jan. 1518 zu setzen sein; freilich
schweigen Luthers Briefe hierüber, aber wir besitzen auch nur einen einzigen Brief,
der sicher dem Januar angehört. — Gegenüber der allgemeinen Annahme der Luther-
biographen, dass in den Verhandlungen mit Miltitz Jan. 1519 vier Punkte zwischen
ihm und Luther vereinbart worden seien, zeigt Brieger119), dass es sich schliesslich
nur um die zwei Punkte gehandelt hat, dass beiden Parteien Schweigen auferlegt
VossZgB. N. 322.) — 1U) X». Schwalb, E. neue Biogr. Luthers: NationB. 11, S. 392 5. - 112) A. Berger, D. Kultur-
aufgaben d. Reformation. Einl. in e. Lutherbiogr. B., E. Hoffmann. VIII, 300 S. M. 5,00. |[G. Bossert: ThLZ. S. 239-40.] |
- 113) X *• Lang, Merkverse zu Luthers Werden u. Wirten. St., Steinkopf. 16°. 24 S. M. 0,20. (Versus
memoriales für jedes Jahr in Luthers Leben. Nicht immer schön, aber herzlich gut gemeint.) — 114) X k. Kelber, Held
Luther. 36 Gesänge. Nürnberg, Baw. 127 S. M. 2,00. — 115) X 3- s- Beamish, The brave Saxon: Fragments from
Luthers hist. With present day sketches. Coventry, Curtis. 298 S. Sh 3/6. — 116) D. ältesten Bildnisse Luthers: Kath. 2,
S. 191/2. — 117) X'A. Hausrath, Luthers Romfahrt (JBL. 1893 n 6:92). |[R. König: Daheim 30, S. 808: LCB1. S. 201/2;
DPB1. 27, S. 6,7; ThLBl. 17, S. 77.]| — 118) Th. Brieger, Ueber d. Prozess d. Erzbischofs Albrecht gegen Luther. (=14:6,
S. 191-203.) — U9) id., Lutherstud. 1. D. Ergebnis d. Altenburger Verhandlungen mit Karl v. Miltitz u. Luthers Entwicklung
II 6 : 120-129 Gr. Kawerau, Luther und die Reformation.
werde, und dass Miltitz dem Papst Bericht erstatte. Luthers Brief an den Papst (mit
dem unmöglichen Datum 3. März 1519), den man als Ergebnis der Verhandlung be-
trachte, sei nur ein Entwurf, nie abgegangen, Miltitz von Luther zwar vorgelegt, aber
von ersterem desavouiert, so dass er vorgezogen habe, selber dem Papst über Luther
zu berichten. Der Inhalt dieses Miltitzschen Berichts lässt sich noch aus dem darauf
ergangenen Breve Leos X. an Luther vom 29. März 1519 eruieren. Aber auch die
Schrift „Unterricht auf etliche Artikel" sei nicht Einlösung eines Miltitz gegebenen
Versprechens, sondern eine Schutzschrift gegen Missdeutungen seiner gelehrten Streit-
schriften, über deren Anlass uns nichts weiter bekannt sei. Dies letzte Stück in B.s
Beweisführung scheint uns weniger einleuchtend als das Uebrige.120"121) — Schild122)
giebt als 350jährige Jubiläumserinnerung eine Schilderung der am 5. Okt. 1544 durch
Luther vollzogenen Weihe der Torgauer Schlosskirche, wobei er nicht nur auf die
Bedeutung der uns erhaltenen Weihepredigt hinweist, sondern auch über den musi-
kalischen Teil der Festfeier Bericht erstattet, vor allem aber über jenes erste evangelische
Kirchengebäude selbst und seine weitere Geschichte Mitteilungen macht. —
Zu den über Luthers Lebensende neuerdings geführten Erörterungen liefert
Paulus123) einen wertvollen Beitrag, indem er als den katholischen Mansfelder Bürger,
dessen auf Augenzeugenschaft beruhenden Bericht Cochläus 1548 zuerst veröffentlichte,
einen Vetter Georg Witzeis, den Apotheker Johann Landau in Eisleben, nachweist.
Johann Nas bezeugt ausdrücklich, dass dieser seinen Bericht über Luthers Tod an
Witzel gesendet habe. Von diesem sicheren und unantastbaren katholischen Berichte
aus vernichtet nun auch P. den Majunkeschen Bedientenroman über Luthers Selbst-
mord und weist zum Ueberfluss noch darauf hin, dass jene Selbstmordmär, die Sedulius
1606 veröffentlichte, von „kompetenten" Katholiken damals schon einfach „ignoriert"
wurde. Zugleich lässt er einer französischen Bearbeitung der Majunkeschen Ent-
deckung durch Lorrenz12'1) eine, nach den Proben zu urteilen, voll verdiente derbe
Abfertigung zu teil werden. — Gleichwohl schweigt Majunke125-128) noch immer
nicht. Er findet nicht Ruhe wegen Luthers „Selbstmord"; er beschenkt uns mit einer
Gesamtausgabe der unsterblichen Werke, in denen er erst der Welt diese Kunde
gebracht und dann für seine „Entdeckung" selber Reklame gemacht hat. — Aber
auch seine diesjährigen neuen Leistungen sind nur erneuerte Versuche, die Aufmerksam-
keit eines leichtgläubigen Publikums immer wieder auf diesen Punkt zu lenken. M. bindet
zu diesem Zweck mit Kolde an und fordert ihn in dem ihm eigenen Jargon heraus,
ob er etwa nachweisen könne, dass zwei Aeusserungen in Luthers Tischreden (ed. Auri-
faber), in denen dieser sagt, dass ihm wohl auch einmal in einer Stunde der Anfechtung
ein Selbstmordgedanke gekommen sei (ed. Förstemann-Bindseil 3, S. 85) und davon
redet, dass wir, wenn Christus aus dem Himmel heruntergestossen würde, uns am
nächsten Baume aufhängen könnten (ib. 3* S. 105), durch Aurifaber gefälscht seien?
Dabei begegnet M. die — Gedankenlosigkeit, zu vergessen, dass ihm Kolde schon
in der 3. Auflage seiner gegen ihn gerichteten Streitschrift (1890, S. 39) zur ersten
Frage eine eingehende Antwort gegeben hat. Um so ungezogener ist jetzt diese An-
zapfung. Bei der zweiten aber begegnen wir der groben Entstellung des Thatbestandes,
dass M. das Wort Luthers „Wird man uns Christum aus dem Himmel herunterstossen"
als die Annahme eines nach Luthers Theologie sehr wohl möglichen Falles deutet,
während doch Luther fortfährt — was M. unterschlägt: „Er wird aber wohl bleiben".
AuchM.s Aufsatz über Johann Aurifaber dient der Wiederaufwärmung seiner Selbstmord-
phantasien, speciell der Erinnerung des Lesers an den eben erwähnten Artikel. Aber
er hat auch eine neue Schandthat entdeckt. Jonas nennt zwar (übereinstimmend mit
Aurifabers eigenen Aussagen) in seinem ausführlichen Bericht, doch nicht in dem
gleich nach Luthers Tode geschriebenen Briefe Aurifaber unter den anwesenden
Zeugen; folglich hat Aurifaber Jonas hier zu einer Lüge verleitet und selber mehrfach
die gleiche Lüge ausgebreitet! Das sind Beweisführungen, wie wir sie bei M. gewohnt
und wie sie seiner würdig sind. Auch sein Artikel über Bozius und Sedulius gehört
in diesen Zusammenhang: denn beide sind ja die klassischen Zeugen seiner Selbst-
mordmär. Daher sind sie wert, dass er ihnen ein biographisches Denkmal setzt.
Damit nimmt er es nun freilich sehr leicht, indem er einfach wörtlich die kurzen
Artikel älterer Nomenklaturen abschreibt. Da möchte man beiden doch lieber wünschen,
dass der fleissige und gelehrte Paulus über sie schriebe. —
in d. ersten Monaten d. J. 1519: ZKG. 15, S. 204-21. — 120) X (Hl: 56.) — 121) X O. Nuntius Paolo
Vergerio u. seine Begegnung mit Luther im J. 1535: ÜPB1. 27, S. 254/6. — 122) E. Sohild, Z. 350 j. Jubil. d.
Garnisonkirche zu Torgau, d. ältesten ursprunglich evang. Gotteshauses: DEB11. 19, S. 461-80. — 123) N. Paulus,
E. kath. Augenzeuge über Luthers Lehensende: HJb. 15, S. 811/9. — 124) L. B. Lorrenz, La fln de Luther d'apres les
dernieres recherches hist. 2. ed. revue et augm. Paris, Retaux. VIII, 72 3. Fl. 2,00. — 125) P. Majunke, Ges. Luther-
Schriften. 4 Tle. in 1 Bd. 1. Luthers Lebensende. E. hist. Untersuch. 5. Aufl. 2. D. hist. Kritik über Luthers Lebensende.
2. Aufl. 3. E. letztes Wort an d. Luther-Dichter nebst neuen Nachtrr. 2. Aufl. 4. Luthers Testament an d. dtsch. Nation.
Seine letzten Schriften, seine letzten Worte u. seine letzte — That. 2. Aufl. Mainz, Kupferberg. 100, 106, 02 S.; VIII, 285 S.
Mit 1 Faks. M. 5,00. |[Polybiblk 71, S. 81/2, 188/9.]| — 126) id., Neue Aufgabe z. nLutherforschungJ : HPB11. 113, S.257-64.
— 127) id., Joh. Aurifaber: ib. 114, S. 418-28. — 128) id., Bozius u. Sedulius: ib. 113, S. 419-30. - 129) J. Köstlin:
Gr. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 : 129-130
Ueber Lutherstätten ist einiges erschienen. Die Anzeige, die Köstlin129)
zu Wittes Festbericht (JBL. 1893 II 6 : 109) geschrieben hat, verdient hier Erwähnung
wegen ihrer Mitteilungen über die beim Umbau der Schlosskirche begonnenen Nach-
forschungen an den Gräbern der beiden Wittenberger Reformatoren. Er berichtet
(S. 631), dass Melanchthons Grab damals geöffnet und das Skelett wohl erhalten ge-
funden ist, dass aber ein Befehl von höchster Stelle weitere Nachforschungen
inhibierte. An Luthers Grab wurde daher nur auf 1,40 Meter Tiefe das Erdreich
sondiert, ohne dass man bis zu dieser Tiefe auf ein Grabgewölbe oder einen Sarg
stiess. Da aber auch sonst in Wittenberg die Gräber damals sehr tief ang-elegt wurden,
so enthält dieses Ergebnis kein Verdachtsmoment, als sei das Grab leer, und keine
Bestätigung der erst im 18. Jh. auftauchenden Sage, Bugenhag'en usw. hätten während
des schmalkaldischen Krieges Luthers Leichnam heimlich fortgeschafft, um ihn vor
Beschimpfung zu schützen. Dagegen spricht vor allem, dass Bugenhagen selbst
später in seinem Bericht über die Belagerung Wittenbergs 1547 schreibt, er und andere
seien nicht geflüchtet, um bei Luthers Grabe zu bleiben.130) — Lee131) schildert einen
Besuch in der Lutherstadt Wittenberg und eine Besichtigung* der bekannten, oft
beschriebenen Stätten reformationsgeschichtlicher Erinnerungen, etwas pathetisch mit
den Empfindungen eines andächtigen Beschauers. —
Luthers Theologie und Weltanschauung rückt nunmehr in unseren
Gesichtskreis. Sander132) hat seinen aus Anlass des Lutherjubiläums im Nov. 1883
in Breslau gehaltenen und damals gedruckten Vortrag in einer Sammelausgabe seiner
Vorträge und Aufsätze noch einmal der Oeff entlich keit vorgelegt. Er entwickelt
in ansprechender Art Luthers sola fide nach Entstehung, Bedeutung und Ueber-
einstimmung mit dem Schriftzeugnis ; erzeigt, wie früh der Kirche die evang-elische
Grundlehre getrübt wurde, und in welcher Weise auch ein Augustin noch zurück-
bleibt hinter der Erkenntnis Luthers.133) — Einen der wichtigsten Punkte aus der
Theologie der Reformatoren, das Verhältnis ihrer Lehre vom liberum oder richtiger
vom servum arbitrium zu ihrem Gottesbegriff und die Frage nach den Wurzeln des
letzteren, behandelt Staub134) in einer leider druckfehlerreichen und auch stilistisch
nicht tadelfreien Abhandlung. Der Abschnitt über Luther beschäftigt sich nur mit
der Schrift De servo arbitrio und Kattenbuschs Abhandlung dazu (1875); die Ergeb-
nisse der letzteren, dass ein ursprünglich religiös gefasstes Problem durch Einfluss
der Gotteslehre der Nominalisten sich in ein metaphysisches umsetzt und damit ver-
worren wird, erkennt er wesentlich an, nur dass er auch schon in der metaphysisch
gefassten Erbsündenlehre eine zweite Quelle der Verwirrung des Problems findet.
Gründlichere Studien zeigt der Abschnitt über Zwingli, mit dessen Schriften er sich
in umfassender Art beschäftigt hat. Er sucht hier nachzuweisen, in welchem Masse
sich Zwingli schon früh, von Thomas von Aquino ausgehend, mit Aristoteles, dann
mit Plato, aber auch mit den Stoikern, besonders mit Seneca beschäftigt habe, und
sucht namentlich bei letzteren die Wurzeln des Gottesbegriffes, der sich bei Zwingli
geltend macht, ohne dabei in Abrede zu stellen, dass gewisse nächstliegende An-
knüpfungen bei Picus von Mirandula gegeben waren. Der Abschnitt, der den Spuren
einer Bekanntschaft Zwingiis mit der griechischen Philosophie nachforscht, scheint
mir das Dankenswerteste an dieser Schrift zu sein. Ihre daneben hergehende Polemik
gegen die Ritschlsche Gotteslehre interessiert uns hier nicht weiter. — Boy135) sucht
in Luthers Lehre vom Predigtamt die Antinomie in den Aussagen, dass das Schlüssel-
amt nicht einem Klerus, sondern dem Glauben und den Gläubigen gehört, und dass
Gott das Predigtamt eingesetzt habe, so zu lösen, dass er letzteren Satz dahin verstehen
will: Gott gießt die für das Predigtamt erforderlichen Charismata. Dem Vf. scheinen
Luthers Erörterungen über diese Materie und die grosse Streitlitteratur, die seit
Höflings „Grundsätzen evangelisch-lutherischer Kirchenverfassung" über das rechte
Verständnis der Lehre Luthers vom Amt erschienen ist, doch nur sehr fragmentarisch
bekannt zu sein; sonst würde er nicht in einem Artikelchen mit etlichen zufälligen
Citaten Entscheidung zu treffen versuchen, wenn auch anzuerkennen ist, dass sein
Urteil massvoll und verständig ist. — Das viel besprochene Thema „Luthers Lehre
vom Gottesdienst" behandelt Rietschel 136), ausgehend von den vier Arten Gottes-
dienst , die Luther selbst gelegentlich (Erl. Ausg. opp. lat. 24, S. 476) aufzählt.
Gottesdienst im eigentlichen Sinn ist für Luther das ganze aus dem Glauben geborene,
in Nächstenliebe und Berufserfüllung sich erzeigende Christenleben. Von hier aus
kommt er nach R. zum Gottesdienst im engeren Sinne aus dem Prinzip der Nächsten-
ThStK. 67, S. 625-36. — 130) X I>r- Macaulay, Luther- Anecdotes. London, Tract. Soc. 16°. Sh. 0 6. — 131) H. Lee,
Bei Luther u. Melanchthon. E. Reisehild: Sammler*-. N. 64. — 132) F. Sander, Luthers Grundlehre: d. Rechtfertigung allein
durch d. Glauben. (= I 1 : 70, S. 1-32.) — 133) X A. Neuberg, Luthers Bechtfertigungslehre nach seiner gesch. Stellung
u. nach seiner Bedeut. für uns: PastoralBllHomil. 36, S. 361-75. — 134) M. Staub, D. Verhältnis d. menschl. Willens-
freiheit z. Gotteslehre bei M. Luther u. Huldr. Zwingli. Diss. Zürich, E. Seemann. II, 129 S. Fr. 4,00. — 135) M. Boy,
D. Predigtamt nach d. Lehre Luthers u. d. luth. Bekenntnisschriften: Halte was du hast 17, S. 249-56. — 136) G. Bietsche I,
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (2)10
Ü 6 : 137-140 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
liebe heraus, da diese verpflichtet, auch den Nächsten zu Heilserkenntnis zu führen.
Wie der Hausvater so in Liebe im Hausgottesdienst die Hausgenossen lehrt, so der
öffentliche Gottesdienst als ein erweiterter Hausgottesdienst das noch lehr- und zucht-
bedürftige Pfarrvolk. So kommt Luther zu seinem rein pädagogischen, katechetischen
Kultusbegriff. Zugleich regt sich aber auch bei Luther der Gedanke, dass hiermit
der gläubigen Gemeinde nicht Genüge geschieht: daher sein Phantasiebild eines noch
zu schaffenden Gottesdienstes für die, die mit Ernst Christen sein wollen, als notwendige
Folge der rein pädagogischen Betrachtung des öffentlichen Gottesdienstes — aber
eben die Verwirklichung dieses Konvertikelgottesdienstes lehnt er dann doch selber
ab, und das mit Recht. Daneben aber bietet er selbst an zahlreichen Stellen eine
Auffassung des öffentlichen Gottesdienstes dar, die jene pädagogische Betrachtung
selbst korrigiert, indem sie den Kultus als gemeinsamen Ausdruck des Glaubens,
Bekennens und Dankens zu deuten sucht. Und zwar handelt es sich dabei nicht nur
um den unmittelbaren Ausdruck eines Bedürfnisses der gläubigen Gemeinde, sondern
die Vereinigung gründet sichbesonders auf die Stiftung des Abendmahls zum Gedächtnis
der Erlösung und auf die Gnadengabe seines Wortes. Die schöne, auf gründlichen
Studien ruhende Abhandlung bietet eine wertvolle Ergänzung zu der Schrift von
Gottschick über das gleiche Thema (1887), wenn sie auch meines Erachtens mehr
systematischen Zusammenhang in Luthers verschiedene Gedankenreihen bringen will,
als thatsächlich vorhanden gewesen sein wird. — Kolde137) veröffentlicht den Bericht
zweier Kulmbacher Prediger, Johann Schnabel und Leonhard Eberhard, über ihren
Besuch in Wittenberg im Sommer 1538, wobei sie sich Rats erholt hatten über
Ordination, Eherecht und Ehegerichtsbarkeit, Visitation und Kirchenzucht (Akten des
Nürnberger Kreisarchivs). Dabei teilen sie zugleich das von Melanchthon ihnen über-
gebene Wittenberger Ordinationsritual mit, die älteste bisher bekannt gewordene Form
desselben. Daran schliesst sich die Antwort der Ansbacher Prediger auf diesen
Bericht, der besonders dadurch interessant ist, dass er den Ordinationsritus mit Hand-
aullegung bedenklich findet, und Examen, Präsentation und Einführung für völlig
ausreichende Berufung und Weihung erachtet. K. vergleicht das Ordinationsformular
von 1538 mit dem 1883 von G. Rietschel publizierten, erweist letzteres als eine etwas
spätere und nicht von Luther selbst herrührende Ueberarbeitung, deutet ausserdem
hin auf den interessanten Bericht über die von Luther 1542 an Amsdorf vollzogene
Ordination zum Bischof von Naumburg (in „Neue Mitteilungen aus dem Gebiete
historisch-antiquarischer Forschungen" II.) sowie auf den Nürnberger Ordinationsstreit
von 1543, und erinnert damit die Liturgiker an grosse Gebiete, die noch geschicht-
licher Durchforschung harren. — Die schöne Festrede von Lenz138) sucht Luthers
Lehre von der Obrigkeit von dem Centrum seiner religiösen Erfahrung aus zu ver-
stehen; er zeigt, wie er von seiner Erkenntnis des fessellos allmächtigen und doch
zugleich gnädigen Gottes aus zum Begriff der Gottesordnung auch in der dem
Menschen anbefohlenen Schöpfung gelangt. Von hier aus kann er auch die Gottes-
ordnung einer Obrigkeit gewinnen, die göttlichen Rechtes und von göttlichen Gnaden
ist, und doch von sich aus nichts mit dem Christentum direkt zu schaffen hat: ein
Amt der Friedenserhaltung, des Rechtsschutzes, der Förderung irdischer Wohlfahrt,
ein Amt des Schwertes und des Zornes, mit wesentlich negativen Funktionen. Erst
wenn der Träger der obrigkeitlichen Gewalt zugleich Christ ist, beginnen für ihn
bestimmte Pflichten gegen das Wort Gottes, es erwächst die positive Pflicht, dem
Evangelium den Zugang zu sichern. L. weist speciell nach, dass Luther von einer
freien Kirche im freien Staat nichts wusste und dass er seinem religiösen Ideal nicht
untreu wurde, als er die Landeskirche zu bauen begann.139) — Köhlers140) Schrift
kommt hier in Betracht, insofern sie die viel verhandelte Frage nach dem Abhängigkeits-
verhältnis der Hessischen (Hornberger) Reformatio von Luthers „deutscher Messe"
behandelt. Er lehnt ebenso einen massgebenden Einfluss jener Schrift Luthers wie
eine geistige Autorschaft des Landgrafen Philipp ab, verweist dagegen auf spiritualistisch
franziskanische und waldensische Einflüsse, die bei dem Südfranzosen und ehemaligen
Franziskaner Franz Lambert, dem Hauptvf., sicher mitgewirkt hätten; den Radikalismus
und die abstrakte Konstruktionsweise der Kirchenverfassung erklärt er für einen
„echt französischen" Einschlag. Ausserdem finde sich das litterarische Vorbild wahr-
scheinlich in Eberlins „15 Bundesgenossen", am nächsten im 10. Bundsgenoss. Doch
will er nicht behaupten, dass dieser das „unmittelbare Original" der Hornberger
Reformation gewesen; doch sei freilich zu vermuten, dass Lambert die Schrift gekannt
habe. Der bürgerliche Radikalismus und die naturrechtliche Auffassung seien bei
Lambert aus Einflüssen der schweizerischen Reformation abzuleiten. Danach erschiene
Luthers Lehre vom Gottesdienst: ib. 18, S. 1-21, 65-79. — 137) Th. Kolde, Z. Gesch. d. Ordination u. d. Kirchenzucht:
ThStK. 67, S. 217-44. — 138) M. Lenz, Luthers Lehre v. d. Obrigkeit: PrJbb. 75, S. 426-41. — 139) X B. Bess, Luther u. d.
landesherrliche Kirchenregiment. E. Vortr. Marburg, Ehrhardt. 23 S. M. 0,40. — 140) W. Köhler, Hess. Kirchenverfass.
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 i ui-isöa
die hessische Reformatio als ein Mixtum compositum aus allen möglichen Strömungen
und Gedankenkreisen. Am dunkelsten ist mir dabei der seit Ritschl mehrfach wieder-
holte Hinweis auf specifisch franziskanische Ideen. Was K. darüber (S. 8) ausführt,
hat, soviel ich erkennen kann, recht wenig mit den Gedanken der Hornberger
Reformation zu thun.141) — Auch das bedeutsame Werk von Rieker142) verdient
hier genannt zu werden, insofern hier im Gegensatz zu herrschenden Ansichten der
Nachweis unternommen wird, dass das Ideal der Reformatoren nicht eine dem Staate
gegenüber unabhängige und selbständige Kirche, sondern ein Staat und Kirche un-
trennbar vereinigendes Gemeinwesen gewesen sei, in dem zwar getrennte weltliche
und geistliche Funktionen unterschieden werden, für das aber doch an der Anschauung
festgehalten wird, dass in aller Verschiedenheit der Glieder die Einheit des Leibes
bestehe. Somit sei das Landeskirchentum kein Widerspruch zu dem Ideal der
Reformatoren, noch weniger ein Abfall von ihren kirchlichen Grundanschauungen
gewesen. Er betont stark das Fortwirken der mittelalterlichen Weltanschauung von
der Einheit des christlichen Körpers und ebenso den Zusammenhang des landesherrlichen
Kirchenregimentes mit der schon vor der Reformation sich bildenden Stellung der
Landesherren zur Kirche ihrer Territorien. — Paul143) zeigt seinen Zuhörern, wie in
Luthers Christentum mit seinem Gottvertrauen, seiner Hochschätzung der Arbeit, der
bürgerlichen Tugenden Genügsamkeit, Unterthanentreue usw. wertvolle Unterlagen
für eine Gesundung der socialen Verhältnisse dem deutschen Volk dargeboten seien.144) —
Die populäre Schrift von Rinn145) weist das persönliche Glaubensleben Luthers als
die starke Quelle seiner gesamten häuslichen und öffentlichen Lebensführung und
Berufsarbeit nach.146"147) —
Weitbrecht148) erinnert an das Wiederaufleben katholisch-kirchlicher Wissen-
schaft um 1830 als einer von Anfang an mit der Absicht bewusster und durchdringender
ultramontaner Polemik gegen Luther und den Protestantismus erfüllten; an
die bayerische Streiterschar Görres, Philipps, Jarke, Jörg mit ihrem Hass gegen das
protestantische Preussen, Kettelers Hirtenbrief bei der Bonifaciusfeier 1855, Döllingers
Lutherskizze 1851: auf der Gegenseite, in der Abwehr, an die Kurzsichtigkeit der
Hengstenberg-Stahlschen Kreise, die das Dogma verkündeten, Rom sei gar nicht der
Feind, mit dem die evangelische Kirche zu kämpfen habe. Er erinnert an den Vor-
läufer des Evangelischen Bundes, den „Protestantischen Bund" von 1852, dem die
Kreuzzeitung protestantischen Zelotismus und unkatholischen Eifer vorwarf, als er
zum Widerstand gegen römische An- und Uebergriffe meinte mahnen zu müssen;
ferner an Geizers Protestantische Monatsblätter (1852—70) mit ihrem reichen Rüst-
zeug protestantischer Polemik, an das Erscheinen der Haseschen Polemik 1862 usw.
Das Wormser Lutherdenkmal und Janssens Geschichtswerk bilden weitere Etappen
im Kampf. Unser schnell lebendes Geschlecht bedarf von Zeit zu Zeit solcher Rück-
blicke. — An der Fey sehen149) Zusammenstellung von Urteilen Luthers über das
Papsttum muss man bedauern, dass sie ihre zahlreichen Citate nach der Jenaer Luther-
ausgabe giebt statt nach einer der heutigen Tags gebräuchlichen; da nur die deutschen
Bände jener Ausgabe benutzt sind, so ist viel Material aus Luthers Werken dabei
unberücksichtigt geblieben. Das „Deus vos impleat odio Papae" oder, wie der Vf.
auch sagt, „die Stärkung der evangelischen Christen im Geisteskampf der Gegenwart"
ist bei dieser Blütenlese leitender Gesichtspunkt gewesen. — „Trierer Lutherstudien"
nennt Fey150) eine zweite Streitschrift, weil sie sich gegen den Trierer Professor
Einig 150a) wendet, der in einer Kontroverse mit Beyschlag auch die landläufigen
Anschuldigungen gegen Luther wieder vorgebracht hatte. F. beleuchtet Döllingers
Wandlungen in seinem Urteil über Luther, den Charakter der Tischreden, Luther und
die Ehe, seine Heirat, sein Verhalten zu Landgraf Philipps Doppelehe und dergleichen
Punkte, wie sie fort und fort in ultramontaner Polemik wieder aufgetischt werden.
Seine Gegenrede geschieht meist durch Citate aus Köstlin, Kolde, W. Walther usw.,
ruhig und verständig; trotzdem werden freilich bei nächster Gelegenheit die gleichen
im Zeitalter d. Reformation. Giessen, v. Münchow. V, 97 S. M. 1,60 — 141) X S. Friedrich, Luther u. d. Kirchenverfass.
d. Reformatio Ecclesiarum Hassiae v. 1526. Diss. Giessen. (Darmstadt, Bergsträsser.) V, 40 S. M. 0,60. — 142) K. Rieker,
D. rechtl. Stellung d. evang. Kirche Deutschlands u. ihrer gesch. Entwickl. bis z. Gegenw. L., Hirschfeld. XV, 488 S. M 10,00.
|[E. Sehling: ThLZ. 15, S. 356; id.: DZKR. 4, S. 223'9.]i — 143) W. Paul, Luther als Helfer in d. soc. Not d. Gegenw.
Vortr. Osterwieck, Zickfeldt. 20 S. M. 0,25. — 144) X E. Albertz, Luther kein dtsch. Nationalheiliger, aber e. dtsch.
Prophet: KM. 14, S. 107-20. (Gut geschrieben.) — 145) H. Rinn, Luther, e. Mann nach d. Herzen Gottes. (= Schriften für
d. dtsch. Volk, her. v. Ver. für Reformationsgesch. N. 21 ) Halle a. S., Nieraeyer. 1893. 54 S. M.0,15. — 146) X w- Walther,
D. Bedeut. d. dtsch. Reformation für d. Gesundheit unseres Volkslebens. Vortr. (Aus AELKZ.) L., Dörffling & Franke.
24 S. M. 0,40. i[E(rnst) L(uthardt): ThLBl. 15, S. 21; A. Langguth: ib. 17, S. 90.]| (Vgl. JBL. 1893 II 6:193.) —
147) X N. Recolin, Oü etait le protestantisme avant Luther et Calvin? Paris (Buttner-Thierry). 12°. 26 S, — 148) R.
Weitbrecht, Angriff u. Abwehr. Z. Gesch. d. konfess. Polemik im 19. Jh. IV. D. Schwesterkirche. (= Flugschriften d.
Evang. Bundes N. 90) L., C. Braun. 27 S. M. 0,20. — 149) C. Fey, Urteile Dr. M. Luthers über d. Papsttum. Aus seinen
Schriften zusammengetragen. 2. Aufl. ebda. III, 50 S. M. 0,25. |[R. Bendixen: ThLBl. 16, S. 310/1.] | — 150) id., Trierer
Lutherstud. E. Beleuchtung d. neuesten röm. Angriffe gegen Luther. 2. Taus. L., Buchh. d. Evang. Bundes. 62 S. M. 0,60.
|[R> Bendixen: ThLBl. 16, S. 310/1; C. Rönnecke: ib. 17, S. 209.]| — 150a) P. Einig, Luthers Nachfolger, e. Führer z.
(2)10*
II 6 : 151-154 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
Anschuldigungen ungeschwächt wieder zum Vorschein kommen. — Im J. 1874 hatte
ein Konvertit Arndt151) im Verlage der Berliner „Germania" sich über Luther her-
gemacht und in zusammengerafften richtigen und falschen Citaten aus dessen Werken
ihn als einen auf jedem Punkte sich selbst widersprechenden, „lügnerischen" Menschen
zu erweisen gesucht. Das Pamphlet erregte damals in norddeutschen evangelischen
Kreisen einiges Aufsehen: man war diese Sorte von Konvertitenlitteratur und dieses
leichtfertige Spiel mit Citaten — dazu bei der Citations weise des Vf. mit fast
unkontrollierbaren Citaten — noch nicht gewöhnt. Die „Kreuzzeitung" öffnete ihre
Spalten nicht nur Klagen und Anfragen betreffs dieser Schrift, sondern auch einer
eingehenden kritischen Abfertigung, auf die der Vf. von Rom her höhnisch replizierte,
er habe jetzt keine Zeit und Gelegenheit, seine Citate nachzuschlagen. Dies Machwerk
mit seinen Fehlern, Flüchtigkeiten, Entstellungen und seiner bodenlosen Citations-
weise erlebt jetzt nach 20 Jahren einen unveränderten Neudruck ! Die Citate des Vf.
stammen zum grössten Teil aus der älteren lateinisch geschriebenen jesuitischen
Pamphletlitteratur; denn er citiert auch deutsche Schriften Luthers häufig mit
lateinischem Titel. Teilweise nennt er völlig unverständliche Titel (z. B. in 1. und
2. Auflage S. 41: „Ann. ad Due. 23", soll heissen: Deuteromion Mose cum anno-
tationibus cap. 23; dies Kapitel aber umfasst in der Erl. Ausg. 12 '/2 Seiten, auf denen
man, wenn man Lust hat, das Citat nachsuchen kann!). Die Tischreden citiert er
bald, je nach dem Buch, aus dem er abschreibt, als Eislebener Ausgabe, bald als
Aurifaber, bald als Goldschmidt; er citiert „1. T. p. 305" und so häufig, sagt aber
nirgend, welche der vielen Lutherausgaben er meint, und ob deutsche oder
lateinische Teile; kurz, er beweist mit den meisten Citaten, dass er Luther gar nicht
selber gelesen hat. Er citiert Agricolas bekanntes, von Luther bekämpftes Wort
„An den Galgen mit Mose" (S. 36) keck als Lutherwort usw. Er scheint also in
20 Jahren noch immer keine Zeit gefunden zu haben, Luther selbst aufzuschlagen
und seine falschen Citate richtig zu stellen. Und dabei steht auf dem Titel dieser
unredlichen Schrift das gute Lutherwort: „Wer einmal lügt, der ist gewiss nicht aus
Gott und soll in allen Dingen fortan verdächtigiich gehalten werden"!152) —
Quellenpublikationen. Buchwald153) hat mit seiner schnell fördernden
Editionskunst das von G. Rietschel (vgl. dessen Schrift über Luther und die Ordination
Wittenberg, 1883) wieder ans Licht gezogene und bereits in verschiedenen Richtung-en
verwertete Wittenberger Ordinandenregister zunächst als Festgabe zum Halleschen
Universitätsjubiläum für die J. 1537—60 herausgegeben; die eigenen Zuthaten
beschränken sich auf die Zufügung fortlaufender Nummern, ferner auf die Anfertigung
eines Personen- und eines Ortsregisters. Neben dem Wittenberger Album, dem über
Decanorum facultatis theologicae und den von Köstlin edierten Registern der Baccalaurei
und Magistri der philosophischen Fakultät bietet dieses Ordinandenverzeichnis ein
höchst wertvolles Dokument für Personalien aus der evangelischen Theolog-enschaft.
Da in Wittenberg nicht nur die kursächsischen Geistlichen, sondern auch die
schlesischen, lausitzischen, die siebenbürgischen, daneben auch pfälzische, pommersche
usw. Geistliche in Wittenberg examiniert und ordiniert wurden, so ist hier eine
Fundgrube für die Specialkirchengeschichte zahlreicher Gebiete erschlossen. Höchst
interessant ist auch der Einblick, der sich hier in die Vorbildung der Pfarrer zu
jener Zeit ergiebt. In grosser Zahl werden zunächst besonders die Dorfgemeinden
mit unstudierten, dem Handwerkerstande entnommenen Predigern aus Not versorgt;
aber es ist statistisch zu belegen, wie dieser clerus minor immer mehr abnimmt, die
Zahl der Studierten wächst. Gern hätte man ja gesehen, dass B. zu den einzelnen
Namen gleich Angaben hinzugefügt hätte, wo sie in jenen anderen Wittenberger
Registern etwa zu finden sind, oder wo sie im Briefwechsel der Reformatoren genannt
werden ; das wäre freilich eine mühsame und langwierige Arbeit, die nun der Benutzer
je nach seinen Bedürfnissen allmählich selber zu seinem Handgebrauch sich herstellen
muss. In dem beigefügten Ortsregister sind mir bisher folgende Versehen aufgestossen,
die ich hier notieren will: S. 132 lies bei Freiburg 1659; N. 136 unter Magdeburg 939
statt 933; N. 137 unter Niemegk lies 1115; N. 139 ist unter Schweinitz 1858 zu tilgen und
dafür das fehlende Schwerin 1858 einzufügen. — Das Hallesche Universitätsjubiläum
hat uns als erwünschte Gabe die von den Beamten der Universitätsbibliothek besorgte
Herausgabe154) eines zweiten Teiles des Albums der Wittenberger Hochschule gebracht,
der von Ostern 1560 bis Okt. 1602 reicht. In Ausstattung und Einrichtung gleicht
er durchaus dem ersten, einst von Förstemann herausgegebenen. Besonders erfreulich
kath. Kirche. Trier, Paulinus-Dr. 38 S. M. 0,15. |[C. Rönnecke: ThLBl. 17, S. 135/6.] | — 151) A. Arndt, Blutenstrauss
aus Luthers Werken, enth. seine Ansichten über 36 Punkte d. christl. Glaubens in mehr als 300 Citaten. Für Katholiken u.
Protestanten ges. 2. Aufl. B., Germania. 44 S. M. 0,35. — 152) X Dr. Thalheim (= J. A. Pötsch), D. wahren Ver-
dienste Luthers um d. Volksschule. Z. Lehr u. Wehr dargest. | = Päd. Vortrr. u. Abhandl. her. v. J. Pötsch. N. 4.) Kempten,
Kösel. 29 S. M. 0,30. - 153) G. Buchwald, Wittenberger Ordiniertenbuch. 1587-60. L., Wigand. V, 141 S. M. 10,00.
— 154) Album academiae Vitebergensis ab a. Ch. MDLX urque ad u. MDC1I. Vol. II. Sub auspiciis bibliothecae
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 : 155-157
ist, dass ein Registerband über Personen- und Ortsnamen für beide Teile folgen und
Förstemanns unverständliche Schrulle, im Interesse intensiverer Forschung- kein
Register beizufügen, endlich gut gemacht werden soll. Leider konnte dieser Register-
band nicht rechtzeitig fertig gestellt werden. Ein Vorwort von G. Naetebus orientiert
über die Universitätsdokumente, welche die Bibliothek von der alten Wittenberger
Hochschule in Aufbewahrung -hat, sowie über frühere Publikationen aus der Matrikel.
Beachtenswert sind die bis 1573 reichenden Berichte der Rektoren über die Zeit-
verhältnisse, die Witterung, Himmelserscheinungen, die politischen Ereignisse des
Tages, z. B. über den Naumburger Fürstentag, die Bartholomäusnacht usw. Gr. Major
giebt bei seinem Rektorat 1561 eine Selbstbiographie. Interessant ist auch eine Ver-
ordnung über die Rektorats wähl, die — nebenbei bemerkt — auch deutliche Auskunft
über die Art, wie die Orgel beim Gottesdienste verwendet wurde, gewährt. —
Tschackert155) veröffentlicht aus Hss. der Göttinger Bibliothek Briefe von Eob. Hess
(20. Jan. 1527, 7. Apr. 1528 und vor 15. Juni 1530), Joh. Hambach, Prediger zum
Crafftshofe in Nürnberg (1528 mit Nachrichten über die reformatorischen Anfänge in
WTürzburg); von Luther ein Bedenken von 1529 (erst im Nachtrage S. 57 bemerkt T.,
dass es schon [de Wette 3, S. 465 ff.] gedruckt war); von Justus Jonas (3. Febr. 1531
und 20. Jan. 1535); von dem Nürnberger Lesemeister Mich. Rotting (1533, über
Oslanders Absolutionsstreit), Domin. Sleupner (über dieselbe Sache); von Veit Dietrich
an Scheurl (über die Frage, ob die römische Kirche ein stabulum porcorum sei) und
einen Brief von 1539 (über den evangelischen Kultus in Nürnberg); von Friedr.
Myconius (1539), eine Fürsprache der sächsischen Theologen und Räte auf der Rück-
kehr vom Wormser Religionsgespräch für die evangelischen Christen in Worms,
20. Jan. 1541; einen Brief Bugenhagens an Mörlin, 5. Febr. 1544; eine Verfügung
des Herzogs Moritz von Sachsen an den Leipziger Rat zu Gunsten des Camerarius,
12. März 1545; Oslanders Aufkündigung seines Nürnberger Kirchendienstes wegen
des Interims, Nov. 1548; einen Bericht M. Frechts über seine Gefangenschaft, 15. Nov.
1551, und einen späteren Brief vom 28. Apr. 1552; einen Brief des jüngeren Just. Jonas
1551 (nur als Regest); einen Scheltbrief Joach. Mörlins an Funck, 9. Nov. 1551; David
Milesius an M. Chemnitz, 29. Okt. 1553, mit mancherlei Nachrichten aus Königsberg;
ein von Stigel ausgefertigtes Zeugnis für einen Jenaer Studenten 22. Mai 1556; Joh.
Schelhamers Schreiben an den Nürnberger Rat 1565 wider die dortigen Schwenk-
feldianer (Regest); einen Brief Paul Ebers von 1567 und endlich einen Brief des
Nürnberger Predigers Joh. Kauffmann von 1569 wegen einer seinen Kollegen anstössig
gewesenen Predigt. Dem bunten Konglomerat von Briefen, deren Hauptmasse jedoch
aus Nürnberg stammt, sind vom Herausgeber zahlreiche wertvolle erläuternde An-
merkungen und Register beigegeben. Befremdlich ist der hohe Preis, für den das
Heft von 57 Seiten verkauft wird. —
Geschichte der Reformatoren und der Reformationszeit: All-
gemeines. Die in dem „Ehrendenkmal"156) vereinigten Biographien dienen populär
erbaulichen Zwecken. Mit Ausnahme des Lebensbildes des Fr. Myconius von dem
bekannten sächsischen Theologen Meurer kommen sie aus der Feder von streitbaren
Theologen der lutherischen Kirche in Missouri: E. G. W. Keyl hat (S. 26— 114)
Luther behandelt, J. F. Köstering Melanchthon, Bugenhagen, Spalatin, Jonas, Cruciger
und Spengeler [so!]. Bekanntschaft mit den neueren Forschungen fehlt; es sind
volkstümlich gehaltene, dabei den Geist des missourischen Luthertums mehr oder
weniger deutlich bekundende Bearbeitungen nach dem biographischen Material, wie
es durch Meurer, Pressel usw. hergerichtet war. Dem Referenten bieten diese
Lebensbilder daher wesentlich unter dem Gesichtspunkte ein Interesse, dass hier zu
beobachten ist, was jenen Missouriern an Luthers und seiner Gefährten Leben und
Werk besonders bedeutsam erscheint. Es wird z. B. betont, dass Luther freie Pfarr-
wahl der Gemeinden gelehrt habe, dass er kein Fürstenknecht gewesen, dass er in
Marburg die „List, Heuchelei und Betrug" der Zwingiianer durchschaut habe, dass nur
„Scheinheilige" sich an Luthers Derbheit stossen. Karlstadts und Münzers Auftreten
erscheint als direkte Anstiftung des Satan. Was ein missourischer Lutheraner selber
an Nachahmung Lutherscher Derbheit zu leisten vermag, möge man (S. 199) nachlesen.
Merkwürdig freundlich wird dabei noch Melanchthon behandelt, wenn auch natürlich
sein späteres Leben wesentlich als warnendes Exempel dargestellt wird, um zu zeigen,
wohin falsche Friedensliebe und wohin Unionsversuche führen. Aber seine „vielfachen
Verfehlungen" werden doch noch freundlich zu entschuldigen gesucht. — Hechten-
bergs157) für Volksschulen berechneten Bilder aus der Kirchengeschichte zeigen in
nniv. Halensis ex autographo editum. Halle a. S., Niemeyer. 4°. XIX, 498 S. M. 24,00. — 155) P. Tschackert,
Ungedr. Briefe z. allg. Reforraationsgesch. Aus Hss. d. Königl. Univ.-Bibl. in Göttingen. [Ans: AbhGWGöttingen.]
Göttingen, Dieterich. 4°. 57 S. M. 6,40. (Vgl. II 1 : 140.) — 156) Ehrendenkm. treuer Zeugen Christi. E. Samml. kurz-
gefasster christl. Lebensbilder ans alter a. neuer Zeit. Z. Erbauung für evang.-luth. Christen. 1. Bd. Mit 8 Portrr. u. e.
Titelbild. 2. Aufl. Zwickau, J. Herrmann. 12°. VII I, 320 S. M. 2,25. — 157) A. Hechtenberg, Bilder aus d. Kirchengesch.
II 6 : 158-164 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
ihren reformationsgeschichtlichen Abschnitten einen bedauerlichen Mangel an Bekannt-
schaft mit der Geschichtsforschung". Staupitz ist der Vorsteher des Erfurter Klosters (S. 35),
Ablass bedeutet Vergebung der Sünden (S. 36), Luther übersandte seine 95 Thesen
dem Papste (S. 38); die Leipziger Disputation schloss damit, dass Eck Luther zu
dem Geständnis reizte, auch ein Konzil könne irren fS. 39); die sächsische Kirchen-
visitation begann um das J. 1529 (S. 43); die Confessio Augustana wurde am
25. Juni 1530 in lateinischer und deutscher Sprache vorgelesen; Kaiser Karl hielt
1529 den Reichstag in Speier ab usw. Und wie naiv ist der Satz (S. 44): „So
lange Luther lebte, kam es nicht zum Kriege; denn er riet dringend zum
Frieden!"158"160) — Ein gedankenreicher Aufsatz vonDilthey161) erinnert daran, dass das
Wesen der reformatorischen Glaubenslehre sehr ungenügend durch den Hinweis auf
die wiedererweckte paulinische Rechtfertigungslehre erfasst werde, auch nicht durch
Hinweis auf die Lehre von der Schrift. Die höhere Stufe der reformatorischen
Religiosität wolle vielmehr erkannt sein in Zusammenhang mit der Entwicklung der
germanischen Gesellschaft: gegenüber der hierarchischen Disciplin wird das Recht
geltend gemacht, sich mit der unsichtbaren Ordnung der Dinge selber auseinander-
zusetzen; der germanische Geist löst sich los von der Bildlichkeit des religiösen
Vorstellens; im Berufsleben wird der Spielraum für die im Glauben erhaltene Kraft
erkannt; derselbe soll sich in der weltlichen Gesellschaft und deren Ordnung bethätigen.
Charakteristiken der Loci Melanchthons, der Schrift Zwingiis De vera et falsa religione
und der Institutio religionis christianae von Calvin schliessen sich an als der drei
Repräsentanten der altprotestantischen Dogmatik, wobei namentlich Calvin weit höher
in seiner Selbständigkeit und Eigenart gewertet ist, als es von Ritschi geschah.162) —
Eugen Wolff 163), der für Kürschners Sammelwerk schon den Band bearbeitet hatte,
der Luthers Schriften in Auswahl enthält (JBL. 1891 II 6 : 3a), hat nun auch für
dasselbe Werk das Kirchenlied des 16. und 17. Jh. zusammengestellt. Da er
Luthers Lieder schon in dem früheren Bande berücksichtigt hatte, so fehlen diese
hier ganz. Die Sammlung beginnt mit den katholischen Dichtern Witzel, Querhammer,
Schweher und Ulenberg; auf diese folgen erst in seltsamer und das Verhältnis des
katholischen zum evangelischen Kirchenlied doch wohl verschiebender Anordnung
die lutherischen Sänger der Reformationstage, von denen nur Speratus, Hovesch,
Alberus, B. Waldis, N. Hermann Anfnahme gefunden haben. Es schliessen sich an
aus der 2. Hälfte des 16. Jh. B. Ringwaldt, Ph. Nicolai und weiter aus dem 17.
Joh. Heermann, M. Rinckart, Jos. Stegmann, P. Gerhardt, G. Neumark; die Refor-
mierten sind durch Joach. Neander vertreten. Etwa 200 Seiten sind somit dem
evangelischen Kirchenlied gewidmet — P. Fleming und die Königsberger werden
in anderem Zusammenhang Berücksichtigung finden. Den Schluss des Bandes bilden
die katholischen Sänger des 17. Jh.: Fr. Spee (mit fast 250 Seiten!) und Angelus Silesius.
Der breite Raum, der Spee eingeräumt ist, zeigt, dass WT. den Begriff „Kirchenlied"
sehr weit und unklar gefasst hat. Er giebt die Lieder des 16. Jh. nach Wackernagels
„Deutschem Kirchenlied." Ueberraschender Weise hält er den Vf. dieses Werkes für
Wilhelm Wackernagel! Dass dieForschung seit demErscheinen diesesBuches doch einige
Schritte vorwärts gethan, ist dabei unbeachtet geblieben. So wäre „Allein Gott in der
Höh sei Ehr" jetzt, wenn doch der „erste Druck" massgebend sein sollte, nieder-
deutsch nach dem Rostocker Gesangbuch von 1525 zu geben gewesen; erst 1539 taucht
es in hochdeutscher Form auf. Bei Joh. Heermann ist, so viel ich verglichen habe,
nicht die editio princeps der Devoti Musica Cordis von 1630, sondern die Ausgabe
von 1636 mit ihren teilweise stark abweichenden Lesarten herangezogen. Ueber
M. Rinckarts „Nun danket alle Gott" wird die alte Legende wiederholt, dass wir in
ihm das Jubellied hätten, mit welchem Rinckart 1644 „die ersten Anzeichen" des
Friedensschlusses begrüsst haben solle. Aber seit 1881 ist bekannt, dass das Lied
schon 1630 in dem „Jesu-Hertz-Büchlein" mit der sehr schlichten Bestimmung „nach
dem Essen" steht, also als Gratiaslied gedichtet worden ist. Ueber die Auswahl für
eine solche Sammlung werden die Wünsche immer weit aus einander gehen. Nach
meinem Geschmack fehlt doch manches Lied ersten Ranges aus dem 16. Jh., z. B. Was
mein Gott will, das gescheh allzeit. — *
Besonderes: Die lutherischen Gebiete. Was Sachsen anbetrifft, so
habe ich die neue Melanchthonbiographie von Schäfer164) in keiner der mir zugänglichen
Bibliotheken angetroffen, auch keine Recension gesehen. Schon der Umfang lässt
Gütersloh, Bertelsmann. 80 S. M. 0,30. — 158) X H. Lenk, D. Reichstag zu Augsburg im J. 1580. Barmen, Wiemann.
III, 156 S. M. 2,00. — 159) X F. Bock, D. relig. Volkslitt. d. evang. Kirche Deutschlands in e. Abriss ihrer Gesch.: DPB1. 27,
S. 300/3, 308-11, 315/7. (Nach H. Beck [JBL. 1893 II 6: 187J.) — 160) X A.. Thürling, Reformation u. kirohl. Tonkunst:
AZgn. N. 31/2. — 161) W. Dilthey, D. Glaubenslehre d. Reformatoren: PrJbb. 75, S. 44-86. — 162) X S. Fritschel, D.
Lehre vom Kinderglauben in d. lnth Kirche d. 16. Jh.: KirchlZ. (Nordamerika) 18, N. 4. - 163) Eng. Wolff, D. dtsch.
Kirchenlied d. 16. u. 17. Jh. (JBL. 1893 II 2 : 3; III 2 : 8.) (= DNL. N. 206.) 8t., Union. XXII, 497 S. M. 2,50. — 164) O
R. S c häf e r , Ph. Melanchthons Leben, aus d. Quellen darge st. Gütersloh, Bertelsmann. VIII, 288 S. M. 3,60. (Mit Bildn.) (Vgl. II 7 : 30a.)
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6:105-173
vermuten, dass es sich nicht um eine Arbeit handelt, die wissenschaftlichen Zwecken
dienen will. — Cohrs165) bringt das Fragment eines im Drucke abgebrochenen
Melanchthonschen Katechismus von 1528 zum Abdruck, das Stephan Roth in Zwickau
in einem einzigen Exemplar uns aufbewahrt hat; es war von mir wieder aufgefunden
bei meinen Studien zu Kaspar Güttel, und zum Zwecke der Veröffentlichung von mir
kopiert worden. Die letzte Arbeit daran hat mir C. auf meinen Wunsch abgenommen,
der eine sehr sorgfältige Einleitung voraufschickt; darin weist er nach, dass der
Druck erst Ende 1528 erfolgt sein kann; er geht brieflichen Aeusserungen schon aus dem
Ende des J. 1527 nach, die da zeigen, dass Melanchthon zur Abfassung eines
Katechismus angetrieben wird und eine solche auch verspricht. Er nimmt an, dass
Melanchthon seine Arbeit, nachdem bereits zwei Bogen gedruckt waren, abbrach, da
er erfuhr, dass Luther an seinem grossen Katechismus arbeitete, und zwar gern
abbrach, da er neuem Streit mit Agricola über Busse und Gesetz damit entgehen
konnte. So erklärt sich dieser Torso, der schon in der Auslegung des 3. Gebotes
abbricht mit Steph. Roths hs. Notiz: „So ferne ists gemacht, und der Herr Philip,
will ferner nichts dran machen." — Das aus Hartf eiders Nachlass von Herrmann166)
herausgegebene zweite Heft Melanchthonscher declamationes enthält die Reden
De gradibus discentium(CR.ll,S.98ff.),De ordine discendi(CR.ll,S.209ff.),De restituendis
scholis (11, S. 487 ff.), De studiis linguae Graecae (11, S. 855 ff.). Es ist bei der Aus-
wahl also das Interesse an dem Praeceptor Germaniae bestimmend gewesen.
Geschichtliche Einführungen, bibliographische Nach Weisungen, Lesartenverzeichnisse
und Anmerkungen sind beigefügt. — Wilhelm Meyer167) beschreibt die Göttinger
Hs. Luneb. 99, die eine Nachschrift einer Vorlesung über Ciceros Officia enthält, als
deren Vf. er Melanchthon und als deren Zeit er 1555 ermittelt. Er teilt aus ihr höchst
interessante Proben mit: Aeusserungen über Cicero, über Melanchthon selbst und den
Wittenberger Kreis, über Künstler, Dichter, Theologen und andere Gelehrte seiner
Zeit, über Völker, Länder und Städte, über die Stände, Kaiser, Könige und Fürsten,
Adel und Geistlichkeit usw., kurz: er hat den Anekdotenschatz, mit dem Melanchthon
seine Vorlesungen würzte, herausgehoben. Daneben ist einleitend vortrefflich über
Melanchthon als Docent, über die Art seines Vortrages im Kolleg und die Art der
Nachschriften seiner Vorlesungen gehandelt. Man darf sich freuen, dass der treffliche
Göttinger Philologe jetzt seine scharfsinnigen und sorgsamen Studien den Hss. der
Reformationszeit zugewendet hat.168) — Eine wunderliche Arbeit ist der Artikel
Tschack erts169) über Johann Toltz. Aus „Unschuldigen Nachrichten" 1724 (S. 1073/4)
entnimmt er ein Verzeichnis der 1526 erschienenen Schriften dieses Erbauungsschrift-
stellers, ohne eigene Nachprüfung ; da dort vermutet ist, vielleicht könne der Witten-
berger Kanonikus Johann Doelsch de Feldkirchen Vf. sein, so stellt er biographische
Notizen über diesen, besonders nach Enders (4, S. 187), voran. Von diesem Doelsch
muss er aber richtig melden, dass er 1523, und zwar als Gegner Luthers, gestorben
ist, was jenem Artikelschreiber von 1724 unbekannt war. Nun überlässt er dem
Leser, sich das Wunder zu erklären, dass der 1523 Gestorbene plötzlich drei Jahre
später als gut lutherischer Erbauungsschriftsteller auftaucht. Er hätte aus der grösseren
Schrift von Toltz, „Der heiligen Schrift Art, Weise und Gebrauch", sehen können,
dass der Vf. dort erklärt, er citiere die Psalmen nach Luthers Zählung, nicht nach
der der Vulgata; also benutzte er Luthers Psalmenübersetzung von 1524. Hätte er
ferner des mit Toltz doch wohl identischen Johann Doltz Schrift Elementa pietatis in
quinque dialogos brevissimos conjecta (ohne Jahr) herangezogen, so hätte er gesehen,
dass Doltz dort Stücke aus Luthers kleinem Katechismus wortgetreu übersetzt, also
noch mindestens 1529 geschriftstellert hat. Hier bedarf es also gründlicher Nach-
besserung.170"171) — Petri172) bespricht das in der Zellerfelder Kirchenbibliothek aufbe-
wahrte Album, welches den 1575 in Wittenberg erschienenen Sakramentsschriften Luthers
beigebunden ist. In dieses haben im Jahre darauf die Teilnehmer am Lichtenberger
Konvent, d. h. die sächsischen Theologen, die auf Kurfürst Augusts Befehl die
schwäbisch-sächsische Konkordienformel zu beraten hatten, sich mit frommen Sprüchlein
eingezeichnet, Seinecker mit seinem bekannten Liederverse „Lass mich dein sein
und bleiben", der fr*eilich schon 1572 gedruckt gewesen ist. Seine Hs. des Verses
zeigt dem Druck gegenüber charakteristische Varianten. Nähere Nachrichten über jene
bedeutende Kirchenbibliothek aus Kasp. Calvörs Vermächtnis eröffnen den Artikel. —
R. Hofmann173) liefert eine fleissige und tüchtige Studie über die Reformations-
— 165) F. Cohrs, E. Melanchthonsches Katechismusfragment: ZPTh. 16, S. 235-56. — 166) TM. Herrmann], Ph. Melanchthon,
Declamationes. Ausgew. u. her. von K. Hartf eider. 2. Heft. (= LLO. N. 9.) B., Weidmann. XVI.38S. M. 1,00. (Vgl. II 7:8.) - 167)
W. Meyer, Melanchthons Vorlesung über Ciceros Officia. 1555: NGWGöttingen. S. 146-81. — 168) X E- ß enr> z- Charak-
teristik Melanchthons: DPB1. 27, S. 156/7, 162/4. — 169) P. Tschackert. Joh. Toltz. : ADB. 38, S. 430/1. — 170) X W.
Tümpel, E. hs. Kantionale Joh. Walthers vom J. 1545: Siona 19, S. 60/4. — 171) X S. Issleib, D. Interim in Sachsen.
1548-52: NASächsG. 15, S. 193-263. — 172) E. Petri, D. Album d. Lichtenberger Konvents auf d. Calvörschen Kirchenbibl.
zu Zellerfeld: NKZ. 5, S. 646-67. — 173) R. Hofmann, Eeformationsgesch. d. Stadt Pirna. Nach urkundl. Quellen dargest.
Glauchau, Peschke. 1893. III, 329 S. M. 4,00. |[G. Bossert: ThLBl. 15, S. 213/4; G. Kawerau: ZKG. 15, S. 147.]| -
II 6 : 174-178 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
geschiente der Stadt Pirna auf Grund reichhaltiger lokaler Urkunden und Akten, im
Anschluss an des Vf. 1887 erschienene Abhandlung" über die kirchlichen Zustände
Pirnas vor Einführung der Reformation. Letztere beginnt 1539, am 21. Juli, mit der
ersten Visitation durch Jonas, Spalatin und Genossen, über die ebenso wie über die
zweite gründlichere von 1540 und die dritte von 1555 genauer Bericht gegeben wird.
Nei;e Materialien hierfür gewährte der einst dem Ratsarchiv entwendete, seit 1885
wiedergewonnene Codex Lauterbach. Die in diesem befindliche Kirchenordnung
Lauterbachs, d. h. seine Darlegung, wie sich das gottesdienstliche Leben thatsächlich
in Pirna gestaltet hatte, wird als Beilage abgedruckt. Für die Lebensgeschichte
dieses Lutherschülers und ersten Superintendenten der Stadt ergiebt sich manche
schöne Ausbeute. Die Schulgeschichte der Stadt unter der Einwirkung der Reformation
und der Einfluss der letzteren auf das sittliche Leben sind mit Sorgfalt behandelt.
In einer Beilage tritt der Vf. mit gewichtigen Gründen dafür ein, dass Pirna, und
nicht Leipzig, die Geburtsstätte des Ablasspredigers Tetzel gewesen sei. — Der Nach-
trag, den Burkhardt174) aus neu aufgefundenen Akten zu seiner 1879 erschienenen
„Geschichte der sächsischen Kirchen- und Schulvisitationen" bringt, bietet für die
Literaturgeschichte nur das Eine, dass er (S. 77) den Entwurf zu einem Passus des
späteren Visitationsbuches mitteilt. — Die ersten 5 aus einem Cyklus von 9 Vorträgen,
in denen G. Müller175) vor einem Kreise von Beamten über die Verfassungs- und
Verwaltungsgeschichte der sächsischen Landeskirche Bericht erstattet hat, liegen uns
in einem Bande vereinigt, für den Druck wohl auch erweitert, mit Anmerkungen,
Beilagen und Register ausgestattet, als ein wertvoller Beitrag besonders auch zur
Geschichte der sächsischen Kirche im 16. Jh. vor. Sie behandeln die Quellen und
das Gebiet der Landeskirche, das landesherrliche Kirchenregiment, die kirchlichen
Behörden, die Kirchen Visitationen und Kirchenordnungen, Bekenntnis, Bekenntnis-
verpflichtung und Censur. Der Vf. beherrscht dabei nicht nur die sächsische Litteratur
in seltenem Masse, sondern ist auch seit Jahren mit den das Kirchen- und Schulwesen
betreffenden Schätzen des Dresdener Archivs im weitesten Umfange vertraut. Daher
bietet er nicht nur eine sehr brauchbare übersichtliche Zusammenstellung des bereits
von anderen Erforschten, sondern auch auf Schritt und Tritt Ergebnisse eigener
archivalischer Forschung. Am eingehendsten ist dabei mit gutem Grunde das 16. Jh.
behandelt. In Texte wie in den Anmerkungen sind mancherlei Archivalien zum Ab-
druck gebracht, die auch für die sächsische Theologengeschichte Ausbeute gewähren. —
Geffckens176) Aufsatz korrigiert die verbreitete Annahme, dass 1543 in Leipzig ein
Konsistorium errichtet worden sei ; vielmehr ist die Wahrnehmung der konsistorialen
Verwaltung und Judikatur einstweilen dem unter Fürst Georg von Anhalt eingesetzten
Merseburger Konsistorium übertragen worden; erst 1550 ist, als Heiding Merseburger
Bischof wurde, in der Person des Juristen Dr. Reifschneider das Merseburger
Konsistorium „nach Leipzig transferiert" worden. Der Aufsatz teilt femer ein Memorial
von 1587 „Gebrechen des Konsistorii zu Leipzig" mit, das besonders die Unsicherheit
in Handhabung der Ehegerichtsbarkeit beleuchtet. Dies giebt dem Vf. Anlass, auf
die sächsische Eherechtlitteratur des 16. Jh. näher einzugehen und betreffs der drei
Materien: Gradverbote, Sponsalien und Ehescheidungsgründe, die Schwankungen in
der Lehrweise der evangelischen Kanonisten jener Zeit zu beleuchten.177) —
Thüringen. Für Friedrich Myconius ist eine wertvolle Quelle durch Red-
lich178) leicht zugänglich gemacht worden. Es war bekannt, dass er 1527 im
Gefolge des Herzogs Johann Friedrich in Düsseldorf war und hier am 19. Febr. mit
dem Kölner Franziskaner Johann Korbach (Joh. Heller aus Korbach) siegreich dis-
putierte. Den seltenen Bericht hierüber, der hernach aktenmässig den Verlauf der
Disputation beschrieb (vgl. Herzogs Realencykl. 2. Aufl. 10, S. 401), hat jetzt R. in einem
Neudruck mitgeteilt. Danach wäre Myconius vollständig Sieger in der Disputation
geblieben und der Franziskaner zur Anerkennung der evangelischen Lehre gezwungen
worden. Leider ist Korbachs Gegenschrift, die hernach gegen diesen Bericht aus-
gegangen sein soll, noch nicht wieder ans Licht gekommen. Hat man sonst wohl
Myconius selbst zum Vf. jenes Berichtes gemacht, so beschränkt sich R. vor-
sichtig darauf, diesen als einen vom sächsischen Standpunkt aus, aber völlig sachlich
und geradezu aktenmässig verfassten Bericht zu bezeichnen. — Dem Erfurter Arzt
und Professor, dem Maecen der Humanisten, Georg Sturtz, der auch Luther bei seiner
schweren Erkrankung in Schmalkalden und drei Jahre später Melanchthon in ähn-
licher Lage in Weimar behandelte, gilt ein kurzer, aber sorgsamer Artikel von
174) C. A. H. Burkhardt, D. älteste Kirchen- u. Schulvi^itation im östl. Thüringen. 1527: ThStK. 67, S. 773-82. — 175) G.
Müller, Verfassungs- u. Verwaltungsgesch. d. sächs. Landeskirche. 9 Vorles. (= BSäohsKG. N. 9.) 1. T. L., Barth. 272 S.
Mit Anm. n. Beill. M. 4,00. (2.T. ehda. N. 10. 320 S. M.4,50.) — 176) H. Geffoken, Z. älteren Gesch. u. ehegerichtl. Praxis
p. Leipz. Konsistoriums: DZKR. 4, S. 7-67. — 177) X H. Nobbe, D. Snperintendentenamt, seine Stell, u. Aufg. auf d. evang.
Kirchenordnungen d. 16. Jh.: ZKG. 15, S. 44-93. — 178) O. Redlich, D. Düsseldorfer Religionsgespräch rom J. 1527:
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 •. 179- 189
G. Müller179). — Es führt uns Bärwinkel180) nach Erfurt, und er zeigt uns einen
1569 aus Anlass der Wahl des evangelischen Predigers Joh. Gallus zum Rektor ent-
brannten Theologenstreit, da der Erwählte die mit der Investitur verknüpften Fest-
lichkeiten mitmachte und dadurch in Verdacht kam, sein evangelisches Bekenntnis
verleugnet zu haben. Zu Poach, der bei dieser Affaire auch beteiligt gewesen war,
liefert Buch walds Recension einige Mitteilungen.181) —
Schlesien. Dem schlesischen Theologen Siegmund Suevus (geb. 1526,
gest. 1596), dessen Thätigkeit besonders den Städten Lauban und Breslau angehört,
behandelt Erdmann182), wobei auf die Charakteristik seiner Predigtweise besondere
Sorgfalt verwandt wird. Am bekanntesten ist er wohl durch seine Registerarbeiten
zu den Gesamtausgaben der Lutherschen Werke geworden. —
Für Oesterreich- Böhmen stellt Wolkan182a) aus der reichhaltigen Flug-
schriftenlitteratur, ohne dass ihm neue archivalische Quellen zur Verfügung ständen,
ansprechend die Beziehungen des Joh. Sylvius Egranus und den auf- und nieder-
steigenden Einfluss Karlstadts auf die Gemeinde in Joachimsthal dar. Das Lebens-
bild des Egranus, das er hierbei zeichnet, bedarf mehrfacher Berichtigung und^ Ver-
vollständigung. Es sei hier nur noch darauf verwiesen, dass auch Georg Witzeis
Epistolarum libri IV Lips. 1537 eine Quelle für des Egranus späteres Leben bilden,
denn die Briefe Bl. Oob und Rr (adressiert M. J. E.) sind an ihn gerichtet. — Während
Loesche noch mit der Arbeit an seiner grossen Mathesiusbiographie beschäftigt war
(JBL. 1893 116:149—51), ist ihm flugs Amelung183) mit einem Buche zuvor-
gekommen, das in zwiefacher Weise von fremder Arbeit zehrt. Der Theolog und
Literaturhistoriker Vilmar hatte sich, zunächst in lexikalischem Interesse, mit den
Schriften des Mathesius beschäftigt und dann einen seiner hessischen Schüler, den
1892 verstorbenen Pfarrer Christian Müller, zu Mathesiusstudien angeregt. Ausser
einer vollständigen Mathesiusbibliographie hatte dieser zahlreiche Vorarbeiten für
eine Biographie hinterlassen. Dieser Naohlass wurde A. übergeben; dazu kamen dann
Loesches Vorarbeiten in zahlreichen Publikationen. Auf diese Studien zweier anderer
gestützt konnte A. in verhältnismässig kurzer Zeit ein Lebensbild fertigen, das inhaltlich
allen früheren Arbeiten über Mathesius bedeutend überlegen ist. Was er als sein
Eigenes hinzubrachte, das ist der Standpunkt, von dem aus, und der Ton, in dem
hier das Leben des Lutherschülers erzählt ist. Der Standpunkt ist der pietätvoller
Verehrung des „lieben und werten Zeugen der lutherischen Kirche", kraft deren er
„den Glaubenshelden der Jugendzeit unserer Kirche nicht als kühler Kritiker gegen-
übersteht, sondern als demütiger, lernbegieriger Schüler zu Füssen sitzt" (S. VII).
Der Ton aber ist dadurch gegeben, dass seine Schrift „nicht eine wissenschaftliche
Arbeit im engeren Sinne des Wortes," sondern für einen weiteren Kreis bestimmt
sein soll. Daher ist trotz des guten und reichen Quellenmaterials meist auf Quellen-
nachweise verzichtet ; dagegen fehlt es nicht an erbaulichen Wendungen und allerlei
Zeugnisablegen einem „schwachgläubigen und zerfahrenen" Zeitalter gegenüber.
Am Schlüsse erhalten wir eine Bibliographie der „wichtigsten" Schriften desMathesius,<lie
sich freilich mit der seither von Loesche veröffentlichten nicht entfernt messen kann
(S. 241/6); ferner zwei Predigten (S. 249—67), Proben seiner Gebete (S. 268—70),
seiner Dichtungen (darunter die Pastoralregeln, S. 271—82), endlich zwei seiner
Fabeln (S. 282/4). — Loesche184-185) giebt in Ergänzung seines Aufsatzes vom
J. 1891 über die „Kirchenordnung" von Joachimsthal von 1551 einen vollständigen,
genauen Abdruck derselben, d. h. genauer des Berichts, den Mathesius einem Freunde
über Lehre und Ceremonien in Joachimsthal erstattet hat, nach der grossen Postille
des Mathesius, Nürnberg 1570. Die editio princeps von 1567 scheint er um deswillen
hierbei nicht zu Grunde gelegt zu haben, weil ein Exemplar derselben ihm in der
Wiener Bibliothek nicht zur Verfügung stand. — Von dem Melanchthonianer Johann
Major teilt Loesche186) ein hs. in der Bibliothek zu Joachimsthal erhaltenes lateinisches
Lobgedicht auf den Bürgermeister Valentin Mulcius von Schlaggenwald mit, datiert
24. Jan. 1553; denn derselbe hatte dem Joachimsthaler Gymnasium ein Exemplar
vonGessners Historia animalium gestiftet.187"188) — Ausführlich handelt Nicoladoni189)
DBergGV. 19, S. 193-213. |[0. Redlich: ZKG. 15. S. 477/8.]] — 179) G. Müller, G. Stnrtz: ADB. 37, S. 54/6. - 180)
R. Bärwinkel, E. Blick in d. Kirchengesch. Erfurts im letzten Drittel d. 16. Jh. Progr. Erfurt. 1893. 4n. 20 S. |[G. Buch-
wald: ThLBl. 15, S. 31.]| — 181) X 0. Burkhardt, D. Einfuhr, d. Reformation in d. reuss. Ländern, zugleich e. Beitr. z.
Kirchengesch. dieser Länder. L.. Werther. 47 S. M. 1,00. — 182) D. Erdmann, S. Suevus: ADB. 37, S. 129-35. - 182a)
R Wölk an, D. Anfänge d. Reformation in Joachimsthal. (Aus MVGDB.) Prag, (Haase). 29 S. (Nicht im Handel.) — 183)
K. Amelung, M. Joh. Mathesius, e. luth. Pfarrherr d. 16. Jh. Sein Leben u. Wirken, unter Benutzung d. hs. Nachlasses
d. sei. Pfarrers Chrn. Möller dargest. Gütersloh, Bertelsmann. 284 S. Mit Bildn. M. 3,60. — 184) X G. Loesche, J.
Mathesius. E Lebens- u. Sittenbild aus d. Reformationszeit. 1 Bd. Gotha, Perthes. XXI, 639 S. M. 10,00. — 185) id.,
D. evang. Kirchenordnungen Oesterreichs: JGGPÖ. 15, S 11/4,49-57. — 186) id., E. ungedr. Gedicht v. Joh. Major. Huraanistisch-
evang. Stimmungsbild aus Böhmen: ib. S. 154/6. — 187) X A- Horoicka, D. Lateinschule in Schlaggenwald (1554—1624).
E. Beitr. z. Gesch. d. Reformation. Progr. Prag. 39 S. - 188) X H G™d'. D. Reformation im Egerlandc. Nach d.
Quellen dargestellt. Eger, Götz. V, 266 S. M. 5,00. |[W. Hicke: MVGDB». S. 74/5.]| (S. u. UI 1:160.) — 189) A. Nico-
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (2)11
II 6 : 190-194 GL Kawerau, Luther und die Reformation.
über den am 12. Sept. 1524 in Wien gerichteten Bürger Kaspar Tauber, mit sehr
reichhaltigein Literaturverzeichnis — wer citiert freilich heutigen Tages noch Luthers
Briefe nach Aurifabers Ausgabe? Ein Widerspruch scheint mir darin zu bestehen,
dass N. auf S. 428 Tauber seine Anregungen von den von Wittenberg ausgehenden
Ideen erhalten lässt, auf S. 426 dagegen sein Evangelium das „des deutschen Städters zu
Beginn des 16. Jh.", das „Resultat der mittelalterlichen Mystik und der Unzufriedenheit
mit den kirchlichen Zuständen" nennt; es ist doch nicht so, dass Luther das „zum
Reformator machte, was alle Welt damals dachte und fühlte." — Der Aufsatz von
Elze190) über den Reformator in Krain und Begründer der slovenischen Schriftsprache
und Litteratur, Primus Trüber, ist eine im ganzen kürzende, im einzelnen neue, eigene
Forschungen verwertende Revision seines Artikels in Herzogs Realencykl. 16,
S. 56 ff.191) —
Süddeutschland. Der gelehrte katholische Kulturhistoriker Grupp192)
hat in einem schön ausgestatteten, mit interessanten Bildern, Ansichten und einer
Karte des Pagus Retiensis geschmückten Bande die Reformationsgeschichte des
Rieses, genauer freilich die Geschichte der Oettingenschen Fürsten in der Reformations-
zeit mit Benutzung von viel archivalischem Material geschrieben. In das laute Lob,
das die katholische Presse dem Buche gespendet, wird der, dem es wirklich um die
Geschichte der Reformation zu thun ist, leider nur mit starken Einschränkungen
einstimmen können. Denn das reformationsgeschichtliche Material wird fast erdrückt
von kulturgeschichtlichem Detail, z. B. von Inventarbeschreibungen des fürstlichen Haus-
geräts; und auch in den der Reformationsgeschichte gewidmeten Abschnitten haftet
das Interesse des Vf. überwiegend an den Personen der Mitglieder des fürstlichen
Hauses, nicht an der kirchlichen Bewegung und den kirchlichen Zuständen. Das
Rezept, nach dem seine „katholische Ueberzeugung" mit der Reformation umgeht,
entwickelt er (S. 155/6). Er entschuldigt die Grafen und beschuldigt um so schwerer
die Theologen als die eigentlichen Stürmer und Dränger, deren Eitelkeit, Neuerungs-
sucht, Anmassung und Herrschgelüste die Fürsten zu Schritten fortrissen, deren
Konsequenzen diese nicht völlig übersahen. Bei den Fürsten ist es die an sich
löbliche Sorge, den beklagenswerten damaligen Zustand der Kirche zu bessern, bei
den Theologen die Tendenz, die kleinen Päpste zu spielen. So wird denn der Bauern-
krieg folgendermassen „erklärt". Die Bauern befanden sich ganz wohl; nicht die
Not, sondern der Uebermut trieb sie zur Empörung; die Schuld daran fällt aber
auf die lutherischen Schriften mit ihrer religiösen Aufwühlung. Von dem Brief-
wechsel des Grafen Ludwig von Oettingen mit Luther scheint dem Vf. Karrers Ver-
öffentlichung (ZLuthKTh. 1853) unbekannt geblieben zu sein. Vergeblich sucht man
eine nähere Charakteristik der führenden Theologen, z. B. Kargs. Doch fehlt es
natürlich in den mitgeteilten Archivalien nicht an dankenswertem Material, so sei
Luthers Brief an Graf Ludwig über das Regensburger Religionsgespräch (S. 88)
hervorgehoben; auch die Notiz, dass sich in den Oettingenschen Religionsakten zwei
gleichzeitige Abschriften der Confessio Augustana befinden (S. 75). Die Besprechung
dieses Buches durch Paulus bringt wertvolle bibliographische Mitteilungen über den
1539 aus Oettingen ausgewanderten altgläubigen Mag. Wolf gang Hermann (Kyriander).
— Pressel193) bietet in seiner Ausgabe der Predigten des Joh. Brenz vier voll-
ständige Predigten, aus achtzehn anderen Auszüge, ausserdem auch je eine Predigt
des jüngeren Joh. Brenz und des Balthasar Biclenbach, des Nachfolgers des Re-
formators. Die vorangeschickte Biographie bemüht sich im Ton und in der Vorliebe
für die Anekdote volkstümlich zu sein. Dass weder Melanchthon noch Brenz das
theologische Doktordiplom erhielten, „soll bis heute manchen vergeblich darnach
Strebenden trösten" (S. XXIX), auch den Vf.? In den Litteraturangaben fehlt die
bekannte Hartmann-Jägersche grosse Biographie. — Votteler194) zeichnet sachkundig
das Lebensbild des Reutlinger Schulmanns und Predigers Hans Schradin, der mit
kurzer Unterbrechung, die das Interim herbeiführte, von 1523 bis an seinen Tod 1560
im Dienst der Vaterstadt gestanden, in der Abendmahlsfrage scharf und entschieden
für Luther Partei ergreifend, dabei aber zugleich sowohl in betreff der Beseitigung
der Heiligenbilder wie in radikaler Vereinfachung des Kultus den Einfluss der
Schweizer Reformation bekundend. Die interessanteste Episode bietet sein Auftreten
den Wiedertäufern gegenüber 1527, wo Reutlingen nicht ganz erfolglos den Versuch
machte, durch sachliche, freundliche Belehrung auf Schwärmer einzuwirken. Den
ladoni, Kasp. Tauber: ADB. 37, S. 423/9. — 190) Th. Elze, Primus Trüber: ib. 33, S. 669-74. — 191) X A. Czerny, D.
Anfänge d. Reformation in d. Stadt Steyr 1520—27: BFrancisco-Carolinum. N. 52. — 192) G. Grupp, Oetting. Gesch. d, Re-
formationszeit. Reformationsgesch. d. Rieses. Mit Bildern u. Ansichten. Nördlingen, Th. Reischle. X, 160 S. M. 3,50. |[N.
Paulus: HPB11. 113, S. 455/9; K. Bu : ZHVSchwaben. 1893, S. 238; F. Falk: Kath. 1, S. 573/4; id.: HJb. 15, S. 447; G.
Bossert: ThLBl. 15, S. 236/7, 287.]| — 193) P. Pressel, Johannes Brenz, Württembergs Reformator. Ausgew. Predigten.
Mit e. einl. Monographie. (= D. Predigt d. Kirche Bd. XXIV.) L, F. Richter. 1893. XLI, 109 S. M. 1,60. |[ThLBl. 15,
S. 255.]j — 194) F. Votteler, Joh. Schradin, d. Genosse Matthäus Albers. E. Beitr. z. Reformationsgesch. Reutlingens.
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6: i»5
Brief, den Capito nach Schradins plumpem Angriff auf den Zwinglianer Konrad Sam
an ihn richtete, scheint mir V. feindlicher gedeutet zu haben, als er gemeint
war (S. 29—30); die ungetrübte Fortsetzung ihrer freundschaftlichen Beziehungen
wäre sonst schwer begreiflich. — Eine sehr gründliche und schätzenswerte Arbeit
hat Germann195) über den lutherischen Hebraisten Joh. Forster, der zugleich als
praktischer Kirchenmann und als schroffer Parteigänger Luthers an verschiedenen
Städten in Deutschland, auch in der Grafschaft Henneberg (Schleusingen), thätig
gewesen ist, als Festschrift veröffentlicht. Zu schon bekanntem Material hat der
Sammelfleiss des Vf. manch neues Stück hinzugefügt, vor allem den in Gotha auf-
gefundenen ausführlichen Bericht Forsters über seine Erlebnisse in Augsburg (1535—38),
eine Quelle allerersten Ranges für die Kämpfe der lutherischen und zwinglischen
Partei in dieser Stadt mit dem wertvollsten Detail aus der städtischen Kirchen-
geschichte. S. 61 —320 nimmt der Abdruck dieses Berichtes mit seinen Dokumenten-
beilagen ein. Da G. das umfängliche Aktenstück in die Biographie ein-
schiebt, auch sonst sämtliche Stücke aus Forsters Briefwechsel, längst Gedrucktes
wie Ungedrucktes, vollständig im Text der Lebensgeschichte mitteüt, so bekommt
diese freilich formell etwas Chronikenhaftes, die eigene Darstellung und Verarbeitung
des Stoffes verschwindet hinter dem Abdruck sämtlicher Dokumente für eine Geschichte
Forsters, aber die Mitteilung und Zusammenstellung dieser Materialien ist selbst höchst
dankenswert, und der urkundliche Charakter des Werkes gestattet auch dem, dessen
theologische Beurteüung der Vorgänge von der G.s abweicht, sich überall aus
den Dokumenten selbst zu informieren. Joh. Forster, in seiner Zwickauer Periode
auch Forsthemius sich nennend, ist nach G. 1496 geboren, als Sohn eines
ehrsamen Augsburger Schlossers, keineswegs — wie man aus seinen Kenntnissen
im Hebräischen hat schliessen wollen — Proselyt aus dem Judentum; ein Schüler
Veit Bilds, studiert er seit 1515 in Ingolstadt, wird unter Ecks Dekanat 1520
Magister artium und ediert hier 1521 sein von Reuchlin bevorwortetes hebräisches
Lexikon, siedelt aber schon im Sommer nach Leipzig über, geht von dort 1522 an
die von Leonh. Natter eröffnete humanistische Schule in Zwickau; doch er verliess
schon nach Jahresfrist dies Schulamt, da durch Schuld des Rektors und der Zeit-
verhältnisse die Schule nicht in Blüte kam. G. nimmt jetzt einen ersten Wittenberger
Aufenthalt Forsters an, für den freilich direktes Zeugnis fehlt; er zieht (S. 320) auch
diese Vermutung wieder zurück, da ein inzwischen aufgefundener Brief vielmehr auf
einen kurzen Zwischenaufenthalt in Böhmen führt. Jedenfalls ist er schon Sommer
1524 wieder zu Zwickau im Schulamte thätig. (Der Brief Forsters S. 27/8, datiert
Sylvestri 1526, ist übrigens nach bekannter Rechnung vom 31. Dec. 1525, nicht 1526, zu
verstehen.) Es folgt ein Wittenberger Aufenthalt von 1530-35, wo er neben seiner
Thätigkeit als Lehrer des Hebräischen zugleich als Prediger Verwendung findet.
Im Zusammenhang mit den Konkordie -Verhandlungen erfolgt seine Berufung nach
Augsburg ins Predigtamt: die drei Jahre, die er hier zubringt als Vertreter des
norddeutschen Luthertums unter Amtsgenossen, die mehr oder weniger stark von
Zwingli beeinflusst sind, bilden durch die lebensvollen detaillierten Aufzeichnungen
Forsters den ausführlichsten, aber auch inhaltlich hochinteressanten Abschnitt des
Buches. Den verschiedenen Geist beider Reformationen in seiner Ausprägung nicht
nur in der Abendmahlslehre, sondern vor allem in Fragen des Kultus und der Ver-
fassung, in der verschiedenen Stellung zur kirchlichen Sitte, zu den Schwenkfeldern,
in den laxeren oder strengeren Anschauungen über den Lebenswandel des Geistlichen
— Forster selbst wird der „Weinfeuchte" beschuldigt — lässt sich hier ganz vorzüglich
studieren; eine treffliche Quelle ist hierfür erschlossen, freilich, was man nicht ver-
gessen darf, zugleich eine Parteischrift des Lutheraners gegen die ihm höchst un-
sympathische Gegenpartei. Aus „jämmerlicher Löwengrube erlöst", geht Forster 1539
als Professor des Hebräischen an die Tübinger Universität, erwarb auch hier den
theologischen Doktor. Aber auch von hier wird er verdrängt, wahrscheinüch weil
sein scharf geschnittenes, polemisches Luthertum den massgebenden Persönlichkeiten
in Württemberg ungelegen war. Die Nürnberger Kirche schafft ihm als Propstei-
verw alter an St. Lorenz eine vorübergehende Beschäftigung; er wird 1542 von
Nürnberg der dem evangelischen Bekenntnis sich anschliessenden Stadt Regensburg
als Prediger zugesendet (1542), aber nach 3 Monaten nach Nürnberg zurückgerufen,
um bald darauf dem Grafen Wilhelm von Henneberg zur „Anrichtung des evangelischen
Kirchendienstes" überlassen zu werden. Hier wirkt er, in Luthers Geist 1543—47
das Kirchenwesen organisierend. Leider sind die späteren Lebensjahre Forsters in
Merseburg und Wittenberg, seine „Melanchthonische" Zeit, nur noch ganz kurz an-
Progr. d. Gymn. Reutlingen, (C. ßnpp). 1893. 50 S. — 195) W. Germann, D. Joh. Forster, d. Henneberg. Reformator, e.
Mitarbeiter n. Mitstreiter D. M. Luthers. In urkundl. Nachrichten nebst Urkk. z. Henneberg. Kirchengesch. Mit Forsters
Bild, Hs. u. Siegel. Festschrift z. 350j. Henneberg. Ref.-Jubil. (= NBGHennebeeg. N. 12.) Meiningen, Brückner & Renner.
2(11)
*
II 6 : 196-203 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
gedeutet, nicht genauer behandelt. Trotz mancher Mängel des Buches in schrift-
stellerischer Beziehung, auch mancher Lese- oder Druckfehler in der Wiedergabe
der Dokumente, mancher Spuren der Eile, mit der das Buch letztlich, um noch
rechtzeitig als Festschrift zu erscheinen, fertiggestellt ist, darf es doch wegen des
hier aufgeschlossenen Materials einen hervorragenden Platz beanspruchen. — Der-
selben 350 jährigen Reformationsfestfeier der Grafschaft Henneberg- Schleusingen
verdankt die kleine populäre Schrift von Höhn196) ihre Entstehung". Hier behandelt
der Abschnitt S. 30 ff. Forsters Leben und speciell seine Thätigkeit in der Graf-
schaft, im biographischen Teil mit einigen Ungenauigkeiten, die durch Germanns
Arbeit berichtigt werden müssen. —
Nürnberg und Franken. Dem ersten Bande seiner Linck-Biographie
(JBL. 1893 II 6:130)196a) lässt Reindell197) den ersten Band einer Gesamtausgabe
der Schriften folgen. (Die Briefe werden als Beilage zur Biographie mitgeteilt.)
Anstatt der Anwendung des reinen chronologischen Prinzips hat der Herausgeber
die Schriften gruppiert in: eigene Schriften, Uebersetzungen, von Linck veranstaltete
Ausgaben der Schriften anderer, Schriften, zu denen er das Vorwort schrieb, gemein-
schaftlich mit anderen verfasste Schriften, unter dem Pseudonym Nicodemus Noricus
erschienene, endlich ungedruckte Schriften, — ein Einteilungsprinzip, das aus logischen
wie sachlichen Gründen manches wider sich hat. Der vorliegende Band bringt die
Schriften der 1. Gruppe bis 1525 in wortgetreuen, nur die Interpunktion regelnden
Neudrucken; litterarische und bibliographische Einleitungen, Textvarianten, Notierung
der Bibelcitate nach Kapitel und Vers, auch einige sachliche, häufiger sprachliche
und sprachgeschichtliche Erläuterungen sind die Editionszuthat R.s. Der Abdruck
der Texte ist sorgfältig, bei den Anmerkungen wünschte man wohl konsequentere
Beobachtung bestimmter Prinzipien; einzelne Korrekturen und Ergänzungen findet man
in Bosserts und Gust. Kawerau s Besprechungen. — Der Festartikel198) zum 5. Nov.
1894, dem Hans Sachs-Jubiläum, behandelt die Stellung des Nürnberger Schusters
zur Reformation mit einigen Seitenblicken auf die heutige christlich-sociale Bewegung.
— Das gleiche Thema behandelt Nicoladoni 199), wobei zu bemerken ist, dass er
Hans Sachs schon vor der Berührung mit Luthers Reformation von „mystischen
Neigungen", wie sie in den beiden ersten Jahrzehnten des 16. Jh. der religiöse Zug
des deutschen Volkes gewesen seien (?), berührt sein lässt und ihn in nahe Beziehung
zu der nach L. Kellers Vorgang aufgefassten sodalitas Staupitiana setzt. — An
Webers200) Albrecht Dürer, der die ganze zweite Hälfte seiner Schrift dem „Verhältnis
Dürers zur Glaubensneuerung" widmet, rühmt die Jesuitenzeitschrift die „überzeugende
Beweisführung" dafür, dass der Nürnberger Maler „sich nicht von der alten Lehre
abgewendet hat und im Frieden mit der katholischen Kirche gestorben ist", und sie
findet, dass Zuckers Schrift von 1886, die nüchtern und überzeugend den Gegenbeweis
angetoeten hatte, an „einseitigen Ausführungen" leidet. — Auch an dem Werke von
Lange und Fuhse (s. o. I 9:169) ist demselben Blatte201) anstössig, dass es den
Meister zum Protestanten macht. Was beweise denn auch eine so „gleichgültige
Notiz" wie die, dass sich Dürer 1520 oder 1521 hs. ein Verzeichnis von 16 Schriften
Luthers anlegte? Ob dies Verzeichnis nicht doch in Verbindung mit den bekannten
Notizen in seinem Tagebuch, die davon reden, wie oft und wie begierig er solche
„Traktätlein" kauft, etwas für die Gesinnung und die Interessen des Meisters beweist? —
Auch Schneider201'1) freut sich, dass Weber so brav die „Anmassung neuerer
protestantischer Schriftsteller" zurückgewiesen, dieDürer zum „Maler der Reformation" (?)
stempeln wollten. Durch den Bauernkrieg und durch das „Wüten gegen alles Heilige
und Tugendhafte" werde ja Dürer bald von seiner Hinneigung zur Reformation
bekehrt worden sein. — Vermeulen201b) operiert an dieser Dürerfrage folgender-
massen: ob Dürer katholisch oder protestantisch gewesen, hat mit der Wahrheit des
katholischen Dogma nichts zu thun; folglich behandelt der Katholik WTeber diese
Frage leidenschaftslos, unbefangen und objektiv, während sie auf protestantischer
Seite sofort mit Heftigkeit besprochen wird. Die objektive Untersuchung Webers
macht nun über jeden Zweifel erhaben, dass Dürer sich nicht von der wahren Lehre
abgewendet und im Frieden mit der katholischen Kirche gestorben ist. Wer also
fürder an der Weberschen Rettung Dürers für den Katholizismus zweifelt, der ist
weder unbefangen noch objektiv. Gleichwohl wag-en wir es doch noch, Dürer hier
dem Luther anhänglichen Teile der Nürnberger zuzuzählen.202) — Eine sehr tüchtige
VIII, 468 S.; 112 S. M. 9,00. — 196) W. Höhn, Kurze Gesch. d. Kirchengesch. in d. geforsteten Grafschaft Henneberg.
(= Schriften für d. dtsch. Volk, her. v. Ver. für Reformationsgesch. N. 23.) Halle a. S., Nieraeyer. 54 S. M. 0,15. — 196 a) X
V. Michels: ADA. 20, S. 266-71. — 197) W. Reindell, W. Linck, Werke ges. u. her. mit Einleit. u. Anm. Mit Titelbild.
1. Hälfte: Eigene Schriften bis z. zweiten Nürnberger Wirksamkeit. Marburg, Ehrhardt. XVII, 357 S. M. 6,00. |[G. Kawerau:
GGA. S. S25/8: G. Bossert: ThLZ. 19, S. 589-91; ThLB. 17, S. 76.]| (Auch V. Michels, W. Reindell, D. Wenz. Linck
v. Colditz, 1483-1547 [1892J: ADA. 20, S. 266-71.) — 198) (II 4b :46a.) - 199) (I 5:92.) - 200) (I 9:180.) |[G. Ver-
meulen: HPB11. 113, S. 382/4.JI — 201) Neue Reime v. Dürer: StML. 47, S. 363/4. - 201a) (= N. 200.) — 201 b) (= N. 200.)
— 202) X (I 9:171.) — 203) H. Westermayer, D. Brandenb.-Nürnberg. Kirchenvisitation u. Kirchenordnung. 1528-33.
U. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6 : 2os-2ii
Arbeit mit schätzbaren neuen Ergebnissen begrüssen wir in Westermayers203)
Schrift. Sie interessiert an dieser Stelle wegen ihrer sorgfältigen archivalischen Er-
mittelungen über die Entstehungsgeschichte der Brandenburgisch -Nürnbergischen
Kirchenordnung- von 1533, deren Vorgeschichte genau verfolgt wird, und bei der wir
namentlich die Nürnberger Theologen, vor allem Oslander, in Kommissionsarbeiten
recht intim kennen lernen; Oslanders Ehrgeiz und Selbstherrlichkeit tritt dabei in
unerfreulicher Weise zu Tage. Auch die Geschichte der der Kirchenordnung bei-
gefügten „Kinderpredigten" über Luthers Katechismus, aus denen das später hinzu-
gefügte Hauptstück „vom Amt der Schlüssel" bekanntlich stammt, wird hier endlich
aufgeklärt: Osiander und Sleupner treten als die Vf. des massgebenden Entwurfs
aus den Akten hervor; dass dabei Osiander der Löwenanteil zufallen wird, ist nicht
zu bezweifeln. Leider hat sich der fleissige Vf. mitunter in der Umrechnung der
Daten geirrt, dadurch auch gelegentlich die richtige Aufeinanderfolge der Ereignisse
verschoben. In den Beilagen erhalten wir u. a. zum ersten Male den Wortlaut der
1528 zwischen dem Markgraftum Brandenburg und Nürnberg vereinbarten, der ersten
Kirchenvisitation zu Grunde gelegten Kirchenordnung. Hier ist in dem wichtigen
Abschnitt (S. 148), der die Frage erörtert, wie zu verfahren war, wenn sich einmal
keine Kommunikanten einstellten, offenbar statt „messung" (Zeile 3 v. u.) „niessung"
zu lesen, und zur Sache ist Luthers den hier vertretenen Standpunkt bekämpfende
Ausführung in den Schmalkaldener Artikeln (p. 306 Hase; Erlanger Ausgabe 252, S. 176)
zu vergleichen. Auch für die kirchenpolitischen Anschauungen des Nürnbergers
Laz. Spengler bietet die Arbeit wertvolle Aufschlüsse. — Im Anschluss hieran sei
auch noch nachträglich der anspruchslosen, aber gut unterrichteten Arbeit von
Julius Meyer204) Erwähnung gethan, die dem Markgrafen Georg von Brandenburg,
dem entschiedenen und bewussten Förderer der Reformation, ein Ehrendenkmal setzt,
auch ein gutes altes Porträt von ihm reproduziert. —
Ein charakteristisches Bild aus der verworrenen hessischen Kirchen-
geschichte in der zweiten Hallte des 16. Jh. mit ihren Abendmahlsstreitigkeiten und
der beginnenden Entfremdung der Ober- und Niederhessen zeichnet Bess205), auch
mit Benutzung von archivalischem Material, in dem Lebensbilde von Kaspar Tholde,
dem Nachfolg-er Adam Krafts in der Marburger Superintendentur. Wir sehen in ihm
einen sehr unselbständigen, stets unter der Führung energischerer Persönlichkeiten
stehenden Mann; offiziell ist er das Haupt der Geistlichkeit, wird aber mehr geführt,
als dass er die Führung hätte. So hat er, von Hunnius stark beeinflusst, gegen Ende
seines Lebens, obwohl im Grunde seines Herzens ein Mann der specifisch hessischen,
die dogmatischen Differenzen ausgleichenden Union doch zur Verschärfung des Gegen-
satzes nicht unerheblich beigetragen. — Bess206) behandelt auch den Marburger
Philosophen und Theologen Joh. Heinr. Tonsor (gest. 1649) auf Grund seiner
Schriften, die ihn durchaus als Scholastiker in der Philosophie wie in der Theologie
erweisen. —
Sehling207) bringt für Ostfries land den Erweis, dass die im Staatsarchiv zu
Aurich befindliche undatierte „Karken Ordenynge vor den Pastoren und Kareken
Deneren" thatsächlich die bisher vermisste, von Martin Ondermark von Celle und
Matthäus Ginderich von Bardowieck verfasste, den norddeutsch lutherischen Typus
repräsentierende Kirchenordnung von 1535 ist. Der nachfolgende Abdruck ist nicht
ganz frei von Fehlern ; ob diese der Hs. oder dem Herausgeber zur Last fallen, weiss
ich nicht. Inhaltlich ist die Ordnung besonders interessant durch ihre Vorschriften
über die Art, wie das Abendmahl ausgeteilt wird; hier zeigt sich meines Erachtens
ein Einfluss auch der braunschweigschen Kirchenordnung von 1528. Ebenfalls ist von
Bedeutung, dass auch in dieser Ordnung bereits die Augsburger Konfession von 1530
als Lehrnorm für die Predigt der Kirchendiener aufgestellt wird (S. 147). —
Niedersachsen. Den biographischen Artikel über den Reformator von
Göttingen und Schweinfurt, Joh. Sutellius, liefert Kretzschmar208); doch geht für
Göttingen seine Kenntnis der Litteratur nicht über Havemann (1842) hinaus ; dass wir
eine Reformationsgeschichte Göttingens von G. Erdmann aus dem J. 1888 besitzen,
ist *ihm unbekannt geblieben.209) — Mit gewohnter Sorgfalt ist der Artikel Zimmer-
manns210) über den Helmstädter Professor Tuckermann (gest. 1651), den strengen
Lutheraner an der von Calixt und seinem Anhange beherrschten braunschweigschen
Universität, gearbeitet. — Der Hashagenschen211) Ausgabe von Predigten Joh. Arndts
Auf Grund d. Akten dargest. Erlangen, Junge. IV, 152 S. M. 2,40. |[G. Bossert: ThLBl. 15, S. 621/2; E. Friedberg:
DZKR. 4, S. 340/1.] | — 204) Jul. Meyer, D. Einführung d. Reformation in Franken. Denkschrift z. Gedächtn. an d.
350. Jährest, d. Todes Markgr. Georg d. Frommen. Mit Portr. Ansbach, Brügel & Sohn. 1893. 25 S. M. 1,00. |[ThLBl. 17,
S. 161.] | — 205) B. Bess, Kasp. Tholde: ADB. 33, S. 52/5. — 206) id., Joh. Tonsor: ib. S. 442. - 207) E. Sehling, D.
Ostfries, (sog. Lüneburgische) Kirchenordnung v. 1535. Eingel. u. zum ersten Male her.: DZKR. 4, S. 129-56. — 208) J.
Kretzschmar, Joh. Sutell: ADB. 37, S. 1967. — 209) X ürban Rhegius, Seelen-Artzenei. Nebst e. Lebensbeschreibung
desselben v. G. Haccius. Hermannsbnrg, Missionsbuchh. 12°. 82 S. M. 0,90. (Dient Erbauungszwecken; vgl. Uhlhorn über
Rhegius S. 149-50.) — 210) P. Zimmermann, P. Tackermann: ADB. 38, S. 774/6. — 211) F. Hashagen, Joh. Arndt.
II 6 : 212-224 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
ist statt einer Biographie vielmehr eine Apologie des reinen, korrekten Luthertums
dieses Erbauungsschriftstellers vorangeschickt gegen Ritschis Behauptung, Arndts
„Wahres Christentum" sei eine Urkunde für die schon am Anfang des 17. Jh. ein-
getretene Zersetzung der lutherischen Lebensanschauung. Die übrigen Schriften
Arndts bewiesen ja zur Genüge seinen rein lutherischen Standpunkt, müssten daher
für die Interpretation des angefochtenen „Wahren Christentums" herangezogen werden;
die von H. zum Abdruck gebrachten Predigten Arndts sollen helfen, diesen
Charakter seiner Lehre zu bezeugen, und sind auch zu diesem Zweck ausgewählt. —
Wald. Kawerau212) giebt in frischen Farben ein Bild dss Lebensganges und der schrift-
stellerischen Thätigkeit des Halberstädter Propstes Eberh. Weidensee, der besonders
in seiner kurzen Wirksamkeit an St. Jakobi in Magdeburg (1524—26) durch populäre
Flugschriften im Interesse der Reformation kräftig eingegriffen hat. Später gehört
seine Arbeit den Städten Hadersleben und Goslar an. — Den Kollegen Weidensees,
den ehemaligen Franziskaner Johann Fritzhans, den rührigen Volksprediger und Volks-
schriftsteller, behandelt Wald. Kawerau213) in einem das Lebensbild jenes mannigfach
ergänzenden Aufsatz. — Der Magdeburger Pastor Torquatus (gest. 1575) interessiert
nicht nur um seiner von Boysen 1761 edierten Annales Magdeburgenses et Halber-
stadenses willen, sondern auch als gelehrter Polemiker gegen den römischen
Cölibat (1562). Janicke214) hat ihm einen gut orientierenden Artikel gewidmet. —
Tschackerts215) Artikel über den Bremer Reformator, den Lutheraner Joh. Timann,
ist (teilweise bis auf den Ausdruck) ein Auszug aus Bertheaus vortrefflichem Artikel
in Herzogs Realencyklpopädie (152, S. 664 ff.), den er daher auch an erster Stelle
unter seinen Quellen nennt. Wie in diesem vermisse ich auch bei Tsch. den Hinweis
auf die von Spiegel (ZHistTh. 1872, S. 36 ff.), veröffentlichten Briefe Timanns über
die Kolloquien in Worms und Regensburg. —
Ueber den ersten Reformator in Schleswig-Holstein, den Husumer
Hermann Tast,. der 1522 mit lutherischer Predigt im Lande begann, handelt
Carstens216). Was er dabei unter dem „Lied Luthers" versteht, das Tast 1524 unter
so grossem Beifall in Garding gesungen haben soll, sagt der Vf. nicht. — Seinem
grösseren Buche über den „dänischen Luther" Joh. Tausen hat L. Schmitt211) einen
längeren Auszug vorangeschickt, der fast zwar nur in bösen Dingen die Parallele
zwischen dem dänischen Schüler Luthers und seinem Meister zu führen weiss, aber
doch wenigstens zu giebt, dass auch Tausen gleich Luther auf die Bildung seiner
Muttersprache verdienstlichen Einfluss geübt und schöne Kirchenlieder gedichtet
habe.218) —
Mecklenburg. Zu einem Facsimiledruck der kleinen Schrift „Wahrhaftige
Entschuldigung" des Rostocker Syndikus Dr. Joh. Oldendorp (1533) hat der bekannte
Freund niedersächsischer Litteratur Frey be219) inParchim eine Einleitung geschrieben,
die das Lebensbüd Oldendorps bietet bis zum Zeitpunkt seines Entweichens nach
Lübeck 1534, wo er dann in Wullenwebers Handel bedeutsam mitgewirkt hat.
Gegen die unvorteilhafte Charakteristik, die Waitz von ihm gegeben hat, sucht F.
ihn wenigstens für die Zeit seiner Wirksamkeit in Rostock entschieden in Schutz
zu nehmen. Er ist ihm hier der verdiente Führer der evangelischen Partei, der
zwar um seines entschiedenen Bekenntnisses willen ungegründeten Verdächtigungen
der altkirchlichen Partei ausgesetzt ist, jedoch sachlich völlig gerechtfertigt dasteht.
Aber sein Verfahren, seine Entlassung aus dem Rat zu fordern, um dann von der
erregten Bürgerschaft sich gewaltsam wieder einsetzen zu lassen, ist doch wohl als
ein demagogischer Kniff bedenklicher Art zu bezeichnen. Bezüglich des in dem
facsimilierten Druck von L. Dietz häufig vorkommenden e mit übergesetztem e
sei an die Bemerkungen von Wiechmann-Kadow in seinem Neudruck des Slüterschen
Gesangbuches von 1531 (S. 68) erinnert. — Das Wenige, was sich über Heinrich
Techen ermitteln lässt, der 1534 in Rostock als „oberster Prädikant" angenommen,
aber verdächtigen Verkehrs mit Wiedertäufern beschuldigt wurde und 1540 wegen
Streites mit Universität und Rat sein Amt aufgeben musste, stellt Hofmeister220)
zusammen.221) — Die Theologen Paul Tarnow (geb. 1562, gest. 1633 als Professor
in Rostock) und seinen Neffen Joh. Tarnow (geb. 1586, gest. 1629) behariflelt
Tschackert222"223). Ich verstehe nur nicht, warum er sowohl Tholucks Lebens-
zeugen der lutherischen Kirche (S. 165 ff.) als auch 0. Krabbes „Aus dem kirchlichen
Ausgew. Predigten. Mit e. einl. Monographie. (= Predigt d. Kirche. Bd. XXVI.) L., Fr. Richter. LYI, 128 S. M. 1,60.
|[Kon8Mschr. S. 659-60.JI — 212) W. Kawerau, Eberh. Weidensee u. d. Reformation in Magdeburg. (= Njbll. her. v. d.
hist. Komm. d. Prov. Sachsen. N. 18.) Halle a. S., Hendel. 42 S. M. 1,00. |[H. Löschhorn: ZKG. 15, S. 154.] | - 213) id.,
Joh. Fritzhans: GBllMagdeburg. 29, S. 214-42. — 214) K. Janicke, Torquatus: ADB. 38, S. 455/7. — 215) P. Tschackert,
Joh. Tiraann: ib. S. 352/4.— 216) C. E Carstens, Herrn. Tast: ib. 37. S. 413/4. — 217) L. Schmitt, D. dän. Luther: Hans
Tausen (1494—1561): HPB11. 114, S. 629-46. — 218) X C. Bertheau, D. Vorgesch. d. Lauenburg. Kirchenordnung:
AVGLauenburg. 4, S. 1-26. — 219) (I 5:70.) - 220) Ad. Hofmeister, H. Techen: ADB. 37, S. 524/5. — 221)XK.Kopp-
mann, Dr. Joh. Kittel, Prof. d. Theol. n. Superint. zu Rostook. 1561-63: JbbVMecklG. 59, S. 144-76. — 222) P. Tschackert,
P. Tarnow: ADB. 37, S. 398/9. — 223) id., Joh. Tarnow: ib. S. 397/8. — 224) H. Landwehr, Joachims II. Stellung z. Kon-
G. Kawerau, Luther und die Reformation. 11 6 = 224-237
und wissenschaftlichen Leben Rostocks" (1863, S. 46 ff., 49 ff.) dabei unbenutzt
gelassen hat. —
Landwehr224) verarbeitet das im zweiten Bande der Strassburger politischen
Korrespondenz und in den vier ersten Bänden der Nuntiaturberichte niedergelegte
Material zu genauerer Erforschung der kirchlichen Stellung Joachims II. von Branden-
burg. Das Bild dieses Fürsten hebt sich dabei in Bezug auf Selbständigkeit in
seinen Ideen und Handlungen, deren Kennzeichen war, dass seiner kaiserfreundlichen
Politik sich selbständige theologische Interessen beigesellten. Im Anhang teilt B.
die Bulle Pauls III. mit, in der dieser den Fürsten und Ständen des sächsischen
Kreises (10. Sept. 1536) das Konzil von Mantua ankündigte. — Parisius225) behandelt
auf Grund der im Berliner Staatsarchiv befindlichen Protokolle anschaulich die
grundlegende erste brandenburgische Kirchen Visitation, als deren Arbeitskraft vor
allem Kanzler Johann Weinleben neben dem Hofprediger Jakob Stratner hervortritt.
Beachtenswert ist das Bild, das er von dem zwar reformationsfreundlichen, aber
energie- und daher autoritätslosen Bischof Matthias von Jagow zeichnet, einer
Persönlichkeit, die meist bedeutend überschätzt werde. Er sucht daraus zu erklären,
warum dieser Mann so auffallend in der weiteren Entwicklung des evangelischen
Kirchentums in der Mark zurücktrete. Er sei wohl auch zu wenig geistliche
Persönlichkeit gewesen, wie seine Verfehlungen gegen den Cölibat aus der Zeit
seiner katholischen Prälatur bewiesen. — Eine kurze Familiengeschichte und
Charakteristik der märkischen Kanzler von Heintz von Kracht (1440) bis auf
Joh. Weinleben (1540—58) giebt Holtze226 227). Ebenso bringt er Biographisches
über den märkischen Schulmann und Chronisten Peter Hafftitz (geb. 1530, gest.
nach 1600), und er charakterisirt sein nur h£. erhaltenes Mikrochronolo-
gicon: trotz mancher Entlehnungen, deren Quelle er nicht nennt, in vielem
selbständig, mit gutem Urteil und einer gewissen Aufklärung dem Volksaberglauben
gegenüber, dabei voll Hasses gegen den Papst wie gegen die Calvinisten.
Unzuverlässig sind seine Jahreszahlen. H. teilt die auf Berlin bezüglichen Stellen
mit und kommentiert sie. —
Aus genauer Kenntnis der Quellen ist das Bild geflossen, das Tschackert228)
von der Persönlichkeit des deutschen Hochmeisters Albrecht von Preussen zeichnet
unter den Aufschriften: Wie Albrecht dazu kam, der Reformation beizutreten; Was
er für die Reformation in Preussen that; Wie viel er über die Grenzen seines Landes
hinaus für den Protestantismus überhaupt geleistet hat. Indem Tsch. die trüben Zeiten
der osianderischen Streitigkeiten und des Siechtums des alternden Herzogs nur leise
streift, den körperlich und geistig siech gewordenen nicht mehr voll für jene späteren
Zeiten verantwortlich sein lässt, kann er pietätvoll und ungestört bei den freundlichen
und erfreulichen Zügen im Bilde dieses Hohenzollern verweilen. Da die Quellen,
aus denen er schöpft, vor allem in seinem dreibändigen Urkundenbuch (Leipzig 1890)
gesammelt sind, so konnten die Anmerkungen meist in kurzen Verweisungen auf
dieses Werk bestehen. Betreffs der Datierung von Luthers Schreiben an den Deutsch-
orden tritt er den Ausführungen Gust. Kaweraus (Weim. Ausg. 12, S. 228ff.) bei, und
er setzt es nicht mehr wie im Urkundenbuch in den März, sondern in den Dec. 1523;
somit ist es auch nicht der freien Initiative Luthers entsprungen, sondern Ergebnis
des Besuches Albrechts bei Luther, eine zwischen beiden verabredete Arbeit. Gegen
Benrath hält Tsch. daran fest, dass in der Königsberger Reformationsgeschichte
Briessmann die Priorität vor Amandus zuzugestehen, letzterer ausserdem nicht als
ein „tüchtiger" Charakter, sondern als ein „demagogischer Hetzer" zu beurteilen sei.
Ausführlichere Nachweisungen hierüber stellt er in Aussicht.229-231) —
Die reformierten Gebiete: Schweiz.232"234) Der Artikel von
Tschackert235) über den lutheranisierenden Baseler Antistes Simon Sulzer (gest. 1585)
ist leider ohne Benutzung der neueren Litteratur verfasst: dass wir neuerdings einen
Briefband Sulzerana (Heidelberg 1886) und eine Monographie über Sulzer von
G. Linder (Heidelberg 1890) besitzen, scheint dem Vf. unbekannt geblieben zu sein. —
Elsass-Lothringen.236) Köstl ins237) Studien zur Geschichte derSeelsorge
zilsfr.ige. I. Bis z. Frankf. Anstand: FBPG. 6, S. 529-60. |[G. Kawerau: ZKG. 15, S. 150/1.] | — 225) A. Parisius, Z.
Erinner, an d. erste brandenburg. Generalkirchen Visitation: DEB11. 19,8. 660-78. — 226) F. Holtze, D. ältesten mark. Kanzler
u. ihre Familien: FBPG. 7, S. 181-233. — 227) (I 3: 177; H 3:62.) — 228) P. Tschackert, Herz. Albrecht v. Preussen
als reformat. Persönlichkeit. (= Schriften d. Ver. für Reformationsgesch. N. 45.) Halle a. 8., Niemeyer. 104 8. M. 1,20. —
229) X^-Boetticher, D. Anfänge d. Reformation in d. preuss. Landen ehemals poln. Anteils bis z. Krakauer Frieden,
8. Apr. 1525. Diss. Königsberg i. Pr. 44 8. - 230) X H. J. Böthführ, Sylv. Tegetmeyer: ADB. 37, S. 529-30. (T. aus Ham-
burg, führte d. Reformat. in Riga ein.) — 231j X Th. Schiemann, Materialien zur Gesch. d. Reformat. in Riga u. Roval.
Aus d. Revaler Stadtarch. mitget.: BKELK. 4, S. 65-82. — 232) X H. Escher, Zwingiis Gutachten über e. Bündnis mit
Konstanz, Lindau u. Strassburg. Sommer 1527: AnzSchVG. 25, 8. 25/9. — 233) X J- Strickler, Zwingiis Gutachten über e.
Bündnis mit evang. Reichsstädten (1527?, 1529?): ib. S. 85/8. — 234) X Tn- Burckhardt-Biedermann, Basels erstes Re-
formationsmandat: ib. S. 117-26. — 235) P. Tschackert, 8. Sulzer: ADB. 37, S. 154/5. — 236) X *"■ Grimme, Wolfg.
Musculus: JbGesLothrG. 5, S. 1-20. — 237) H. A. Köstlin, D. Wandlungen im Begriff d. Seelsorge: Halte was du hast 17,
II 6:238-246 G* Kaweräu, Luther und die Reformation.
verdienen Erwähnung-, da sie eingehend Bucers Schrift „Von der wahren Seelsorge",
Strassburg 1539, behandeln (S. 293—306) und auch Luthers Auffassung der seelsorger-
lichen Aufgabe auf Grund von Portas Pastorale Lutheri, Eisleben 1582, dargestellt
wird. — Erichson238) liefert den interessanten Nachweis, dass Calvins Sonntags-
Gottesdienstordnung, deren älteste Recension sich in einem Strassburger Druck von
1542 erhalten hat, mit ganz geringen Abweichungen aber auch in der Genfer Forme
des prieres wiederkehrt, genau der Strassburger Liturgie nachgebildet ist, wie sie in
der Schrift „Der Psalter mit aller Kirchenübung" 1539 und schon in einem älteren,
wahrscheinlich auf 1537 zu datierenden Druck vorliegt. An der Priorität der deutschen
Gestalt dieser Liturgie ist daher nicht zu zweifeln; Calvin ist hier der Entlehnende. —
Während Strassburgs grösster Staatsmann Jakob Sturm, eine der „vornehmsten und
anziehendsten Erscheinungen des 16. Jh.", von Winckelmann239) sachkundig und
mit feiner Charakteristik biographisch behandelt worden ist, hat Strassburgs grosser
Schulrektor Johannes Sturm in Ziegler240) einen Biographen gefunden, der sich
ebenso vor dem überschwenglichen Rühmen zu hüten weiss, wie er auch durch Be-
trachtung der Zeit und ihrer Bedürfnisse ihn gegen das Verurteilen nach ungeschicht-
lichen Massstäben in Schutz nimmt. Z. beachtet mit Recht, dass bei dem vielge-
wandten Humanisten das religiöse Moment der Erziehung bei weitem nicht in der
Kraft, wie z. B. bei Trotzendorf, besteht, dass zwar aus der Betonung der lateinischen
eloquentia an sich ihm kein Vorwurf zu machen ist, wohl aber aus der Ueberspannung
des Unterrichtszieles, dass er sich einbildet, die perfecta eloquentia eines Cicero
wirklich erreichen zu können, und dass er den gesamten Sprachunterricht rhetorischen
Gesichtspunkten unterordnet. Gegen Pachtler hält der Vf. es für sehr- wahrscheinlich,
dass Sturm auch den jesuitischen Humanismus beeinflusst hat.241"243) —
Weiffenbach244), der schon früher den Katechismus des Wormser Predigers
Leonhard Brunner von 1543 ans Licht gezogen, macht uns jetzt mit einer noch
älteren Schrift desselben bekannt: „Billige Antwort aus heil. Schrift auf 29 Artikel,
von Dechant und Capitel des Stifts zu Worms gefragt" 1530. Ermutigt durch die
Zeitlage, hatte das Domkapitel einen Vorstoss gegen die Evangelischen der Stadt
und ihre Prediger gemacht. In der am 9. Mai 1530 erschienenen Schrift liegt
Brunners gründliches, selbständiges und tapferes Bekenntnis in Beantwortung der
vom Kapitel gestellten Fragen vor. Der Vf. bezeugt sich darin als Vertreter etwa
der Strassburger Lehrweise. Kindertaufe ist weder verboten noch geboten, sondern
christlicher Freiheit anheimgestellt; im Abendmahl handelt es sich nicht nur um ein
Zeichen, sondern um einen geheimnisvollen geistlichen Genuss der Gläubigen. Den
Bildern gegenüber vertritt er den schroffen Standpunkt Zwingiis. W.s wörtliche
Auszüge geben ein anschauliches Bild von der sehr seltenen, in der Utrechter
Universitätsbibliothek in einem Exemplar erhaltenen Schrift. —
Riggenbach245) macht uns auf Grund eines leider defekten Druckes im
Besitz der „Vaterländischen Bibliothek" zu Basel mit einer 1563 in Basel gedruckten
Kirchenordnung für die kleine Grafschaft Schweinsberg bekannt. Der Vf. ist
der Baseler Pfarrer und Professor Huldricus Coccius (Koch), über den wir hier
Näheres erfahren. Zu Grunde liegt aber die Marburger Kirchenordnung von 1557
(Richter, Kirchenordnungen 2, S. 503 ff.). Die Lehre dieser Schrift ist, z. B. betreffs
der Taufe, die der helvetischen Konfession, aber mit mancher lutheranisierenden
Wendung. Interessant ist dabei, dass die kurze Lehrdarstellung in Kap. 4 der
Dreiteilung des eben erschienenen Heidelberger Katechismus sich anschliesst, ob-
gleich der als Lehrschrift neben der Confessio Augustana genannte Katechismus doch
wohl der lutherische ist. Die Taufliturgie ist die lutherische, aber mit einigen Ab-
schwächungen; nach hessischem Muster ist eine Konfirmationsliturgie aufgestellt.
In den Kapiteln vom Abendmahl sind die streitigen Lehrfragen möglichst umgangen,
das Interesse konzentriert sich hier auf Fragen der Kirchenzucht, um unwürdige
Kommunikanten fernzuhalten. —
Einen schönen Beitrag zur Geschichte der pfälzischen Kirche unter
Friedrich III. liefert Bonnard246) in seinem Buche über Thomas Erast. Es ist nicht
seine Absicht, eine vollständige Biographie des theologisierenden Arztes zu geben,
sondern er beschränkt sich auf eine genaue Darstellung des zwischen Erast und
Genossen einerseits, den strengen Calvinisten Olevianus und Genossen andererseits
1568 entbrannten Kampfes über die Kirchenzucht, in welchem ersterer der calvinischen
S. 297-322. - 238) A. Erichson, D. k.ilvinische u. d. altstrassburg. Gottesdienstordnung. B. Beitr. z. Gesch. d. Liturgie
in d. evang. Kirche. Strassburg i. E., Heitz. 35 S. M. 0,80. — 239) O. Winckelmann, Jak. Sturm; ADB. 37, S. 5-20. —
240) (II 5:36.) — 241) X L Bleeck, D. Augsburger Interim in Strassburg i. E. Diss. Berlin. 1893. 37 S. — 242) X
E. Kleinwächter, D. Metzer Reformations versuch. 1542 43. Diss. Marburg. (L, Fock ) 67 S. — 243) X G- Matthis,
Bilder aus d. Kirchen- u. Dörfergesch. d. Grafsch. Saarwerden (zugleich 2. Bd. d. „Leiden d. Evangelischen in d. Grafsch.
Saarwerden"). Strassburg i. E, Heitz. VII, 370 S. M. 3,00. — 244) W. Weiffenbach, L. Brunners „Billige Antwort":
Halte was du hast 17, S. 253-69. |[G. Kawerau: ZKG. 15, S. 149-50.]| — 245) B. Riggenbach, E. bisher unbek. Kirchen-
ordnung aus d. 16. Jh.: ib. S. 202-21. — 246) A. Bonnard, Thomas graste (1524—83) et la Discipline ecclesiastique. These.
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II Q . 247- 203
Anschauung* den Satz entgegenstellt, dass die Ausübung der Sittenzucht, die disciplinare
Thätigkeit, Sache des christlichen Staates, nicht der Kirche sei. Der Vf. hat ausser
den gedruckten Quellen auch die Briefschätze der Simmlerschen Sammlung in Zürich
fleissig benutzt. Nebenbei liefert er sichere Ermittelungen über den Familiennamen
(Lüber) und die Heimat (Baden in der Schweiz) des Erast, bring-t auch einen neuen
Beweis dafür bei, dass er der Vf. des 1891 durch Doedes wieder ans Licht gezogenen
„Büchlein vom Brotbrechen" (1561) gewesen ist. Auch die auffällige Stellungnahme
des Arztes gegen seinen Kollegen Wier in der Hexenprozessfrage findet. Erörterimg.
Eine fast vollständige Bibliographie der Schriften des Erast macht den Beschluss.
Einige Ergänzungen dazu könnte die Breslauer Stadtbibliothek liefern, die auch
einige Briefe von ihm aufbewahrt. — Tschackert247) giebt einen kurzen Artikel
über den durch sein tragisches Ende berühmt gewordenen piälzischen Antitrinitarier
Joh. Sylvanus, den Friedrich III. 1572 in Heidelberg enthaupten Hess; Neues ist
darin nicht zu finden. (Auch Bonnard giebt im eben genannten Buche [S. 52] eine
gute Charakteristik von Sylvanus.) — Den Proselyten aus dem Judentum und Professor
des Alten Testaments an der Heidelberger Universität, Immanuel Tremellius, den Vf.
einer oft aufgelegten neuen lateinischen Uebersetzung des Alten Testaments, der,
1577 entlassen, in Metz und dann an der neugegründeten Akademie in Sedan Unter-
kommen fand (gest. 1580), behandelt Ney248). — Die beiden Tossanus, Vater und
Sohn, hat Cuno249-250) in gehaltvollen Artikebi behandelt. Der Vater Daniel
(geb. 1541, gest. 1602) wird nach längerer, mannigfach gefährdeter Wirksamkeit
auf französischem Boden 1573 als Hofprediger nach Heidelberg berufen, hatte den
Auftrag, die Oberpfalz vom Luthertum zum Calvinismus zu bekehren, wobei er auf
' heftigen Widerstand stiess. Nach dem Tode seines Gönners und nach der lutherischen
Reaktion in der Kurpfalz fand er gleich anderen Unterkunft in Neustadt a. d. Hardt,
wo er als Generalsuperintendent im Ländchen des Pfalzgrafen Johann Kasimir, dann
auch als Professor Beschäftigung' hatte; er zog dann 1583 als Hofprediger dieses
Fürsten wieder in Heidelberg ein. Sein Leben ist ein Kampf wider Jesuiten, Lutheraner
und Schwenkfeldianer. Die Schriften gegen letztere schätzt C. besonders hoch, dessen
Darstellung übrigens in einer nicht angenehmen Weise konfessionell reformiert ge-
färbt ist. Der Sohn Paul (geb. 1572, gest. 1634), Professor der Theologie in Heidel-
berg, kommt besonders wegen seines 1617 erschienenen grossen Bibelwerkes in
Betracht, das Luthers Uebersetzung „mit trefflichen Erklärungen des Herausgebers
und wörtlicher Uebersetzung* aller Stellen, die Luther nicht richtig* übersetzt hat",
enthält und zahlreiche Auflagen erlebt hat. — Den Reformator von Bergzabern,
Nikolaus Thomä (gest. 1546), der hier unter dem Schutz Ludwigs von Zweibrücken
ungehindert wirken konnte, seit 1543 unterstützt von dem englischen Flüchtling
Myles Coverdale, behandelt ein Artikel von Ney251). Thomä ist in der Abendmahls-
lehre Zwinglianer. Seine Briefe (Thomasarchiv zu Strassburg* i. E.) sind eine der
wichtigsten Quellen der pfälzischen Reformationsgeschichte. — Lindenborn252) teilt,
veranlasst durch das Interesse, das die Arbeiten für die neue preussische Agende
auch für die ältere Agendenlitteratur erwecken, Einiges aus den beiden lutherischen
Ordnungen, der des Pfalzgrafen Ludwig 1577 und der Sponheimer 1600, und aus der
pfälzischen reformierten Agende von 1563 mit; dass es über diese und andere
pfälzische Kirchenordnungen ein treffliches Werk von H. Bassermann giebt (Stutt-
gart 1891), scheint ihm dabei freilich ganz unbekannt geblieben zu sein.253-255) —
Auf Grund der von der Marnix- Vereinigung 1881 veröffentlichten „Hande-
lingen van den Kerkeraad der geheime Nederlandsche Hervormde gemeente te Keulen
von 1571 tot 91" zeichnet Simons256 257) in seiner Bonner Antrittsvorlesung das
Bild einer altkölnischen reformierten Seelsorgegemeinde, das anziehende, ja be-
wunderungswürdige Bild einer mitten im Druck der Verfolgung ein reiches Leben
in Seelsorge, Armenpflege und Sittenzucht entfaltenden Gemeinde. In seinem
grösseren Buche schildert er auf Grund tüchtiger Studien die Bestimmungen der
niederrheinischen Kirchenordnungen über die Organisation der Armenpflege als
Gemeindesache und den dafür geschaffenen Diakonat, sodann die Ausführung und
Verwirklichung dieser Grundsätze in den einzelnen niederrheinischen Gebieten.
Daran schliessen sich die Abschnitte über den Niedergang, die Nachwirkung und
die Bedeutung* dieser Organisation für die Gegenwart.258) —
Lausanne, G. Bridel & Co. 222 S. — 247) P. Tschackert, Joh. Sylvanus: ADB. 37, S. 285/6. — 248) J. Ney, Imm.
Tremellius: ib. 38, S. 563/5. - 249) F. W. Cuno, Dan. Tossanus: ib. S. 469-74. — 250) id., Paul Tossanus: ib. S. 474/5. —
251) J. Ney, Nik. Thomä: ib. S. 64. — 252) A. Lindenborn, 3 pfälz. Kirchenordnungen aus d. 16. Jh., verglichen mit d.
Entwurf d. neuen preuss. Agende: KM. 13, S. 309-19. — 253) X W. 6. Freund, Method. Entwürfe u. Präparationen zu d.
Heidelberger Katechismus. Siegen, Selbstverl. 203 S. M. 1,80. — 254) X P- W. Cuno, Bernh. Textor: ADB. 37, S. 623.
(Inspekt. d. Kirchen in Nassau; gest. 1602.) — 255) X W. Thümmel, Warum misslang d. Reforraationsversuch d. Erzbisch.
Hermann v. Wied? Vortr. (= Freundschaftl. Streitschriften. N. 56.) Barmen, Wiemann. 2t S. M. 0,30. — 256) E. Simons;,
E. altköln. Seelsorgegemeinde als Vorbild für d. Oegenw.: Halte was du hast 17, S. 155-65. |[Stromberger: ThLZ. 19,
S. 665,6.]| — 257) id., D. älteste evang Gemeidearmenpflege am Niederrhein u. ihre Bedeut. für unsere Zeit. Bonn, Strauss.
IV, 166 S. M. 3,00. |[Stromberger: ThLZ. 19, S. 665.]| — 258) X Ed. Jacobs, Joh. Meinertzhagen u. d. Interim;
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (2)12
II 6:259-271 G. Kawerau, Luther und die Reformation.
Der niederländische Caspar Swerinckhuizen ](auch Grevinckhoven), geb.
1550 zu Dortmund, gest. 1606 als angesehener reformierter Prediger in Rotterdam,
wird uns durch van Slee259) als Polemiker gegen Katholiken und Taufgesinnte bekannt
gemacht. — Van Slee260) giebt auch ein Lebensbild des scharfen remonstrantischen Pole-
mikers gegen den Calvinismus, Jacobus Taurinus in Utrecht, der sich noch auf dem Sterbe-
lager als der Vf. der anonymen Streitschrift „Weegschael" bekannte (gest. 1618). —
In dem Artikel über Anton Thysius (1565—1640) zeichnet van Slee261) ein Mitglied
der Dortrechter Synode, aber eines von milderer Denkungsart. Thysius war Professor
in Harderwick, seit 1619 in Leiden.262"263) —
Die mühsam aus weitschichtiger Litteratur gesammelten Angaben Scheichls264)
über alle Emigrationen, die aus religiösen Motiven von Spanien, den Niederlanden,
Italien und Frankreich her seit 1500 erfolgt sind, über Anlass der Auswanderung, Zahl
der reformierten Flüchtlinge und die Zufluchtsstätten, an denen sie Aufnahme
fanden, dienen dem kulturgeschichtlichen Interesse, nachzuweisen, was für Gewerb-
thätigkeiten durch diese Emigranten an neue Stätten verpflanzt worden sind. Das
interessante Büchlein bietet daher für die Litteraturgeschischte direkt keine Aus-
beute.265) —
Kleine Gruppen und Sektierer: Wiedertäufer. In seinem kleinen
Artikel über Markus Thomae, einen der Zwickauer Propheten, erklärt Tschackert266)
den Thomae wieder für einen Tuchmacher und unterscheidet von ihm den
„Literatus" Mark. Stübner. Nicht erwähnt wird dabei, dass schon Seidemann in
seinem „Th. Münzer" mit gewichtigen Gründen für die Identität beider aufgetreten
ist — schreibt doch Münzer an Thomae lateinisch und tituliert ihn mit „Erudito
viro" — ; dass ferner Köstlin (Luther l2, S. 804 f.) die Beweisführung für die
Identität beider in möglichster Vollständigkeit gegeben, dass auch Kolde (2, S. 38)
diese für eine zweifellos erwiesene Sache hält. Warum wird denn in einem Werke
wie der ADB. nicht eine Berichterstattung über den heutigen Stand der Untersuchung
gegeben? Der Artikel erweckt den Schein, als wenn seit Erbkam 1848 niemand
mehr sich zur Frage geäussert hätte. — Poppe267) veröffentlicht einen Brief
Th. Münzers an die Ratsherrn zu Allstedt „Sontag Ciriaci 1524" (? der Sonntag
war der 7. Aug., Cyriaci der 8.); er betrifft seine Flucht aus Allstedt. Andere
Dokumente beziehen sich auf einen evangelisch gewordenen, von Herzog Georg-
gefänglich eingezogenen und dann zum Romzuge begnadeten Priester Leonhard
Burekart. — Ein interessantes Porträt des Münsterschen „Königs", des Wiedertäufers
Johann von Leyden268), reproduziert nach einer Denkmünze im Berliner Museum
„Daheim". Das Bild verdient Beachtung neben Aldegrevers Kupferstich, den
Bezold in seine Reformationsgeschichte (S. 711) aufgenommen hat. — Dettmer269)
teilt aus einer Hs. im Staatsarchiv zu Münster den Bericht eines Anonymus
mit, der die ausführlichste gleichzeitige Darstellung aus den unruhigen Tagen des
Jahres 1534 (29. Jan. — 25. Febr.) enthält, ehe Knipperdolling und Kibbenbroick,
unter dem Einfluss der Melchioriten auf den Bürgermeister, in Münster auf gesetzlichem
Wege als Häupter der Täuferpartei zu den höchsten Aemtem der Stadt gelangten.
Ein zweiter Teil derselben Hs. enthält Nachrichten über die von den Wiedertäufern
an Kirchen und Klöstern verübten Verwüstungen, über die Durchführung der Güter-
gemeinschaft usw. Soweit sich darin Neues vorfindet, ist es von D. ausgehoben.
Als Vf. dieses Teils der Hs. wird der in den Quellen zum Münsterschen Aufruhr
mehrfach genannte Ueberläufer Hermann Ramert erwiesen, der den Belagerern den
Mordanschlag gegen den Bischof verriet. Endlich werden aus demselben Ms. zwei
Formen der Satzungen der Wiedertäufer, „Der Wedderdoeper eidt", mitgeteilt, und
mit der fast völlig übereinstimmenden Recension derselben bei Cochlaeus verglichen. —
Bahlmann270) giebt eine höchst dankenswerte Bibliographie der Quellen, der
gleichzeitigen Flugschriften und der späteren Darstellungen des Wiedertäuferreiches
in Münster. Dabei ist nur unklar, nach welchem Prinzip Darstellungen in allgemeinen
Geschichtswerken berücksichtigt sind: Ranke und Janssen sind z. B. verzeichnet,
Bezold und Egelhaaf nicht. Auch dichterische Bearbeitungen sind nicht ver-
gessen. — Die fleissige und liebevolle Arbeit Nicoladonis271) über Hans Bünderlin
verdient schon um des reichen hs. Materials willen, das (S. 160—301) Abdruck findet,
ZBergGV. 29, S. 238-65. — 259) J. C. van Slee, Kasp. Swerinckhuizen: ADB. 37, S. 261. — 260) id., Jak. Taurinus: ib.
S. 471/3. — 261) id., Ant. Thysius: ib. 38, S. 239-40. - 262) X id., L. Trelcatius: ib. S. 563. — 263) X G. Bossert, F.
Hubert, Vergerios publiz. Thätigkeit (JBL. 1893 11 6:174): ThLBl. 15, S. 153/4.— 264) F. Soheichl, Glaubensflüchtlinge aus
Spanien mit d. Niederlanden, Italien u. Frankreich seit d. J. 1500. E. kulturgesch. Abhandl. Linz, Mareis. 69 S. M. 0,75.
— 265) X F- Arnold, Glaubenskämpfe an dtsch. Höfen d. 16. Jh.: Germania 1, S. 33-40. — 266) P. Tschackert, Mark.
Thomae: ADB. 38, S. 64. — 267) G Poppe, Aus d. Zeit d. Bauernkrieges: ZHarzV.28, S. 310/4. — 268) Denkmünze auf Joh.
v. Leyden: Daheim 30, S. 240. — 269) H. Dettmer, Ungedr. Quellen z. Gesch. d. Wiedertäufer in Münster: ZVtGWestf. 51,
S. 90-118. — 270) P- Bahlmann, D. Wiederläufer in Münster. E. bibliogr. Zusammenstell. (Aus: ZVtGWestf. Bd. 51.)
Münster, Begensberg. 63 S. M. 1,00. — 271) A. Nicolad oni, Joh. Bünderlin v. Linz (JBL. 1893 II 6:183). B., Gaertner.
1893. VIII, 314 S. M.8,00. |[J. Loserth: MhComeniusG. 3, S. 96/9; G. Loesohe: JGGPÖ. 15, 8. 218/9; i d. : DLZ. S. 1340/7 ;
G. Kawerau, Luther und die Reformation. II 6:272-279
volle Beachtung'. Er rekognosciert den 1529 in Strassburg auftauchenden Joh. Bünderlin
aus Linz als den 1515 in der Wiener Matrikel verzeichneten Joh. Wunderl aus Linz.
Dass dieser wiederum identisch ist mit dem in N.s Urkundenanhang mehrfach auf-
tretenden Hans Vischer aus Linz, hat inzwischen Bossert272) überzeugend nach-
gewiesen. Bedenklich ist mir das Bestreben N.s, die Entwicklungsgeschichte der
oberösterreichischen, speciell der steyrischen Täufer von dem Zusammenhange mit
der schweizerischen und oberdeutschen Täuferbewegung möglichst zu isolieren und
in ihnen eine Fortsetzung der „aus waldensischen und mystischen Bausteinen auf-
gebauten mittelalterlichen Brüdergemeinden" (S. 45) zu sehen. Er meint wahrscheinlich
machen zu können, dass noch zur Zeit Luthers „Brüdergemeinden, hervorgegangen
aus den Waldesiern und beeinflusst durch die deutsche Mystik", in Oberösterreich
und insbesondere in Steyr existierten (S. 63). Auch Loserth hat in seiner beachtens-
werten Besprechung diese auf L. Kellers bekannte Arbeiten sich gründende
Betrachtung beanstandet. Die Lutherforschung muss Notiz nehmen von der
Angabe des Vf., dass sich Luthers Briefe an die Mitglieder der österreichischen Adels-
familie Jörger heute im Besitz der oberösterreichischen Familie Graf Weissen wolf befinden
(S. 13). Beachtenswert sind die Beziehungen zwischen Bünderlin und Seb. Franck,
die N. hervorhebt. — Einen sehr wertvollen Beitrag zur inneren Geschichte der
mährischen Täufergemeinden hat Loserth273"273a) seinen früheren verdienstlichen
Arbeiten auf dem Gebiete des Anabaptismus hinzugefügt: er zeigt uns die Organisation
des gemeinsamen, kommunistischen Lebens in den mährischen Ansiedlung'en, ihren
genossenschaftlichen Arbeitsbetrieb, ihre ökonomischen Erziehung«- und Kranken-
pflegeeinrichtung'en; er zeigt diese Einrichtungen in ihrer Blüte wie in ihrem Verfall,
lässt uns auch die Kritik vernehmen, die schon zeitgenössische Beurteiler daran geübt
haben. — Unger274) teilt ein von Christoph Hueter verfasstes Lied auf den gewalt-
samen Tod des Schusters Hans Gurtzhaim in Wien (gest. 27. Juni 1548) mit, des-
gleichen das Lied „Von unserm lieben Bruder Hans Missel", der am 13. Dec. 1571
zu Warthausen in Württemberg enthauptet wurde. Ein drittes, das „Pribitzer-Lied",
schildert anschaulich die entsetzlichen Schicksale der Brüder in Mähren während
und nach dem böhmischen Aufstand von 1619—22; es ist ein Lied von 35 Zwölf-
zeilern. Der Dichter will mit seinem ergreifenden Liede die armen Brüder lehren,
„in bösser Zait nit ungeduldig sein". — Ueber den 1558 mit dem Schwert in Köln
gerichteten täuferischen Buchdrucker Thomas von Imbroich, den Vf. eines viel am
Niederrhein gelesenen „Bekenntnis von der Taufe", handelt sachkundig Keller.276) —
In dem Priester der Böhmischen Brüder Georg Israel zeigt Kruske276)
den Führer der nach Polen eingewanderten Brüder, der den mächtigen Grafen
Ostrorog für die Unität gewann, erster Senior der Unität wurde, auch den Anschluss
der Evangelischen in Klein-Polen an die Unität erreichte. Johann Laski bringt mit
seiner Selbständigkeit, die sich nicht unterordnen konnte, eine Lockerung in diese
Verbindung und kehrt den Calvinismus stärker hervor. Erst nach dessen Tode er-
hielt die Unität wieder die leitende Stellung im evangelischen Polen, nahm nun aber
selbst Calvinisches so sehr in sich auf, dass ihre Eigentümlichkeiten allmählich von
diesen Einflüssen aufgezehrt wurden. — Der Artikel277) über Michael Tham, den
Liederdichter und Mitherausgeber des grossen Gesangbuches der böhmischen Brüder
von 1566, verrät keine Bekanntschaft mit Wolkan „Das deutsche Kirchenlied der
böhmischen Brüder" (JBL. 1891 II 2 : 3), wo von S. 48 an ausführlich über das Ge-
sangbuch und von S. 68 an speciell über Tham gehandelt wird. —
Zahn278) handelt sachkundig über des schlesischen Seh wenkfeldianers
Val. Triller „Schlesisch singebüchlein" (1555), sowohl nach Seiten der Texte wieder
Melodien.279) —
A. H-r.: LCB1. S. 1436/7; J. Seeraüller: Kuph. 1, S 387-90; R. Wolkan: MVGDB». S. 36/7.J! - 272) G. Bossert, Noch
einmal Hans Bünderlin: JGGPÖ. 15, S. 30/7. — 273) J. Loserth, D. Kommunismus d. mähr. Wiedertäufer im 16. u. 17. Jh.
Beitrr. zu ihrer Gesch , Lehre u. Verfass. (Aus: AÖG. 81, S. 135-322.) Wien, Tempsky. 188 S. M. 3,60. (Vgl. II 1 : 23.) —
273a) X id-. Wiedertäufer in Steiermark: MHVSteiermark. 42, S. 118-45. — 274) (II 2:21.) — 275) L. Keller, Thom.
v. Imbroich: ADB. 38, S. 73/4. — 276) R. Kruske, G. Israel, erster Senior u. Pastor d Unität Grosspolen. E. Beitr. z. Gesch.
d. Reformation in Polen. Diss. Breslau (L., Fock.) 67 S. - 277) (U 2 : 7.) — 278) (II 2:6.) — 279) X F- Hart mann,
Theoph. Paracelsu8 als Mystiker. E. Versuch, d. in d. Schriften v. Th. P;iracelsus verborgene Mystik durch d. Licht d. in d.
Reden d. Inder enthaltenen Weisheitslehren anschaulich zu machen. (Aus: MGSalzburgL.) L., W. Friedrich. III, 55 S. M. 2,00.
(Vgl. II 1:94; 5:1/8.) -
2(12)«
II 7:1-6 G. Ellinger, Humanisten und Neulateiner.
Humanisten und Neulateiner.
Georg Ellinger.
Allgemeines: Gesamtdarstellungen und grössere Einzelgebiete N. 1; Briefsaminlungen N. 6; Sammelwerke N. 7. —
Einzelne Perioden: Aelterer Humanismus: Reuchlin und Thomas Trnchsess von Wetzhausen N. 10, J. Trach N. 15, Murmellius
und H. Stuve N 15a, J. Trithemius N. 18, Aventin N. 19, W. Lazius N. 20; Blütezeit: Erasmus N 22, 0. Brunfels N. 27,
Thiloninus Philyranus N. 29. — Neulateinische Poesie und Gelehrtengeschichte N. 31. — Der Humanismus in Ungarn und
Siebenbürgen N. 40. — Der Humanismus in Spanien N. 42. —
Allgemeines: Gesamtdarstellungen und grössere Einzelgebiete.
Von Georg Voigts grundlegendem Buche (JBL. 1893 II 7 : 1) in seiner neuen durch
Lehnerdt besorgten Ausgabe ist in dem vorigen Berichte die Rede gewesen. Da im
nächsten Jahre ohnehin auf einige Besprechungen ') Rücksicht genommen werden muss,
so kann man vorläufig von einem erneuten Eingehen Abstand nehmen. Nur so viel
sei gleich bemerkt, dass ich im wesentlichen an dem im vorigen Berichte
abgegebenen Urteile festhalte und dass ich mich mit den Massstäben, die von ver-
schiedenen Seiten an die Neubearbeitung angelegt worden sind, nicht einverstanden
erklären kann. — Der Epistolographie, diesem so wichtigen Zweige der hu-
manistischen Produktion , ist eine Studie von Richter2) gewidmet worden.
R. führt den interessanten Nachweis, dass zwei Briefe Enea Silvios (an Schlick und
an Joh. Lauterbach) über die prosaische Umbildung des Eingangsgedichtes der
Oden an Mäcenas und der Epode Beatus ille handeln. Vielfaches wörtliches Anklingen
und Uebereinstimmung des Gedankengehaltes hat der Vf. meines Erachtens über-
zeugend dargethan; dagegen kommt die von ihm betonte Thatsache, dass Enea
absichtlich seine Quelle verschwiegen habe, kaum in Betracht; derartige Ausschmückung
war so an der Tagesordnung, dass Eneas eifriges Bestreben, die horazischen
Gedichte ganz seiner Zeit anzupassen und alles dazu nicht Stimmende wegzulassen
oder umzubilden, gewiss kaum auf einen Wunsch zurückzuführen ist, seine Vorlage
zu verheimlichen. Weiter zeigt R., wie der Jurist Claudius Cantiuncula in einem Schreiben
an Agrippa von Nettesheim fast wörtlich einen Brief vom 19. Jan. 1518 ausschreibt, den er
wenige Tage vorher von Ulrich Zasius erhalten. Auch diese Thatsache lässt sich in der
Frühzeit des Humanismus vielfach belegen; zahlreiche Beispiele kann der Vf. in dem im
vorigen JBL. besprochenen Briefwechsel Hermann Schedels finden. 2a) — Untersuchungen
über das Verhältnis, das die Humanisten den einzelnen klassischen Schriftstellern
gegenüber eingenommen haben, wie sie philologisch und antiquarisch ihrer Herr zu
werden suchten und in selbständiger Produktion ihren Spuren nachgingen, gehören
zu den notwendigsten und zugleich dankbarsten Aufgaben, welche der Forschung
gestellt sind. Die Rolle, die Terenz3) im deutschen Humanismus zufiel, hat Herr-
mann4) in grossen Zügen darzustellen gesucht; er hat das Bekannte übersichtlich
und klar zusammengestellt, und die Gruppierung und Charakteristik des Materials
überall durch seine scharfsinnige und doch vorsichtige Betrachtungsweise gefördert. —
Wunderlich5) hat dem ersten Uebersetzer des Eunuch von 1486, dem Ulmer Hans
Nythard, eine kurze Arbeit gewidmet; er geht auf die Ulmer Familie ein, der der
Uebersetzer angehörte, und berichtet nach dem Tractatus de civitate Ulmensi des
reisenden Dominikaners Felix Faber über die Persönlichkeit des Vf. Faber erzählt,
dass Nythard zwar Laie gewesen und keinen akademischen Grad besessen habe, dass
er aber ein gelehrter Geschichtsschreiber gewesen sei, der sich eifrig mit der klassischen
Litteratur beschäftigt habe. (Vergil, Seneca und Ovid werden dabei ausdrücklich ge-
nannt.) In Urkunden wird er wiederholt als Inhaber städtischer Ehrenstellen erwähnt,
und zwar mehrfach als Richter und zweimal als Altbürgermeister. Diesen Mitteilungen
schliesst sich eine Charakteristik der Uebersetzung an; endlich sucht W. die Zeit
der Anfertigung zu bestimmen und entscheidet sich dabei für die siebziger Jahre des
15. Jh. —
Von der durch Weber6) vorgelegten Sammlung von Briefen gehört
nur ein verschwindend geringer Bruchteil der eigentlichen Humanistenzeit an, der
DXLCB1.S.1177; K.Wotke: ZOG. 45, S. 420,2; id.: AZgK.N. 109. -2) A.Richter, Z.Kritik humanist. Briefschreibung:
Z VLR. 7, S 129-42. — 2 a) X ?• Bahlmann, D. lat. Dramen v. Wimphelings Sty lpho bis z. Mitte d. 16. Jh. (JBL. 1893 II 7 : 56). | [LCB1. S. 58 ;
R. Kulcula: ÖLB1. 3, S. 718; K. Wotke: ZOG. 45, S.417.]| - 3) X K. Dziatzko, Z. Terentius iraMA.: NJbbPh. 149, S. 465-77. —
4) M. Herrmann, Terenz in Deutschland bis z. Ausg. d. 16. Jh. (JBL. 1893 I 6:246;: MGESchG. 3, S. 1-28. — 5) H.
Wunderlich, D. erste dtsch. Terenz. (=11: 65, S. 201-16; vgl. JBL. 1893 II 4: 10; 7 : 57.) — 6) E. Weber, Virorum
cluroruin saeculi XVI. et XVII. epistolae selectae. E codicibas manuscriptis Gottingensibas edidit et adnotationibus instruxit.
(= Biblioth. scriptorum latinorum recentioris aetatis Teubneriana.) L., Teubner. X, 196 S. M. 2,40. (Dankbar sei hier noch
d. Noten d. Herausgebers gedacht, d. für d. in d. Briefen erwähnten Persönlichkeiten u. Verhältnisse reiches Material bei-
G. Ellinger, Humanisten und Neulateiner. II 7 •. 7-9
grösste Teil der Gelehrtengeschichte und der Geschichte der neulateinischen Dichtung
des 16. Jh. Der Sammlung* darf ein ausserordentlich hoher Wert zugesprochen
werden, da uns die Briefe recht anschaulich namentlich in die Interessen der Gelehrten-
kreise des 16. Jh. hineinführen. Die hs. Vorlagen fast aller mitgeteilten Briefe be-
finden sich auf der Göttinger Bibliothek. Der eigentlichen Humanistenzeit gehören
5 Briefe Eoban Hesses an, von denen einer schon bekannt, hier aber in besserer
Fassung nach einer Abschrift des 16. Jh. vorliegt. Weiter sind mit Briefen vertreten
Georg Agricola, Georg Fabricius, Esr. Rüdinger und Adam Siber; der Adressat ist
bei den vier zuletzt genannten Wolfg. Meurer in Leipzig. Weiter schliessen sich
3 Briefe des Paulus Melissus an, den Rest machen 44 Briefe des Janus Gruter
an seine Freunde in Nürnberg' und 22 Briefe des am Anfang des 17. Jh.
lebenden Juristen Hermann Thedering-. Wägt man den Wert der Briefe
gegeneinander ab, so scheinen die an letzter Stelle genannten Briefe Thederings
verhältnismässig am wenigsten Beachtung zu verdienen (mit Ausnahme von N. 73,
der durch seine volkstümlichen Spässe anziehend ist). Im übrigen gelten mir als be-
sonders wertvoll N. 9 (Brief von Georg Fabricius aus Padua), die Briefe von Hesse
und Melissus, und namentlich die von Gruter, aus denen man ein ungemein lebendiges,
Irisches und unmittelbares Bild von dem Gelehrtentreiben des 16. Jh. erhält. —
Von den Sammelwerken sind Herrmanns lateinische Literaturdenkmäler
auch in diesem Berichtsjahre rüstig- fortgeschritten. Die beiden neuen Hefte bieten
uns zwei sehr erfreuliche Gaben dar. Wotke") legt die Ausgabe eines der inter-
essantesten Werke des ausgehenden italienischen Humanismus vor: die Dialoge des Lilio
GregorioGiraldi über die neulateinische Litteratur. Es ist das erste Werk, das g'anz bestimmt
ausgesprochene litterarhistorische Tendenzen verfolgt, während Giraldis Vorgänger,
wie Leonardo Bruni usw., sich mehr auf kleinere kritische Streifzüge, Lebensnachrichten
und Verzeichnisse beschränkten. Jedenfalls kommt dem Büchlein für die Erkenntnis
des Humanismus in der ersten Hälfte des 16. Jh. ein ungemeiner WTert zu; die W>rt-
urteüe eines Mannes, der mitten in dem humanistischen Treiben stand, werden wir
freilich nicht überall unterschreiben können, aber sie führen uns doch durchweg vor-
trefflich in die Zeit ein und lehren uns die Stimmung kennen, mit der man damals
dieser Litteratur und ihren einzelnen Vertretern gegenüberstand. W. entwirft eine
Lebensskizze Giraldis, er verfolgt die Einkleidung des Dialoges und charakterisiert
dann den Standpunkt, den Giraldi bei seiner Beurteüung der im wesentlichen der
ersten Hälfte des 16. Jh. angehörenden Dichter einnimmt. Man kann im allgemeinen
nicht sagen, dass Giraldi bei seinen Urteilen nach möglichster Objektivität strebt, er
lässt vielmehr seine speciellen Neigungen und Antipathien sehr stark hervortreten,
wie denn auch in dem sehr verschiedenen Umfange der einzelnen Dichtercharakteristiken
eine derartige Tendenz sich häufig- geltend macht. . Vor allen Dingen wiegt bei ihm
der religiöse Gesichtspunkt vor; Giraldi, der Freund Picos, war ein eifriger Bekämpfer
aller antikatholischen Tendenzen, und so spielt namentlich in seiner Beurteilung der
deutschen Humanisten die Abneigung gegen die Reformation eine wichtige Rolle.
„In die Schar dieser Poeten", heisst es z. B., „könnten auch Oekolampad, Bucer,
Sturm, Philipp Melanchthon und viele andere eingereiht werden, wenn sie sich nur
auf die schönen Wissenschaften beschränken und nicht mehr wissen wollten als nötig
ist und nicht mit Martin Luther das Volk zur Annahme der neuen Lehre wider Papst
und Kaiser anreizen wollten." Dem vorliegenden Abdruck liegt die erste Ausgabe
von 1551 zu Grunde, doch sind die Veränderungen der zweiten Ausgabe (1580) be-
rücksichtigt worden. W. hat der Ausgabe wertvolle litterarische Nachweise und ein
vortrefflich gearbeitetes Register beigefügt. Bei dem Reichtum des Gebotenen wäre
es natürlich kleinlich, mit einzelnen Nachträgen anzukommen, die auch bei der besten
Arbeit so leicht zu geben sind, und durch deren Beibringung Ignoranten sich so gern
den Schein der wissenschaftlichen Ueberlegenheit zu verleihen suchen; nur darauf
möchte ich hinweisen, dass der auf S. 64 genannte Johannes Camerarius unmöglich,
wie auf S. 100 angenommen wird, mit Joachim Camerarius identisch sein kann; es
ist vielmehr augenscheinlich Johannes von Dalberg gemeint. — Aus dem Nachlasse
Hartfei de rs8) wird noch eine weitere Folge von Deklamationen Melanchthons ge-
boten (doch ist die Autorfrage beiN. 2 strittig), vier an der Zahl, denen gut orientierende
Einleitungen beigegeben sind. Dem Heftchen geht ein von Herrmann verfasster
Verständnis- und pietätvoller Nachruf auf den allzufrüh dahingeschiedenen Gelehrten
voran. — Unter den Besprechungen 9) der erschienenen Hefte, die in dieses Berichts-
bringen u. v. ausserordentlicher Belesenheit Zeugnis ablegen.) — 7) K. Wotke, Lilius Gregorius Gyraldus de poetis
nostrorum teraporum. (= LLD. N. 10.) B., Weidmann. XXV, 104 S. M. 2,40. — 8) (II 6:166.) (1. Heft = LLD. N. 4;
vgl. JBL. 1892 II 8 : 10.) - 9) X M. Herrmann, Lat. Literaturdenkmäler N. 2 8 (JBL. 1893 II 7 : 35). |[L.
Fränkel: LBIGRPh. 15, S. 2948; H. Holstein: ZDPh. 26, S. 421/3; BPhWS^ 14, S. 1558,9; J. Meister:
ÖLB1. 3, S. 109-11; G. Kawerau: ThLZ. 19, S. 344; Schmidt-Treptow a. R : MHL. 22, S. 195; R. Wotks: ZOG. 45,
II 7 : 10-20 Gr. Ellin ger, Humanisten und Neulateiner.
jähr fallen, sei auf die Recension des 7. Heftes von Meister hingewiesen. M. wirft
dem Herausgeber, der in diesem Falle zugleich der Referent ist, eine einseitig-
protestantische Tendenz vor, die ihm durchaus ferngelegen hat. Er macht dann eine
Anzahl von sehr bemerkenswerten Ausstellungen an der Gestaltung des Textes und
vermisst bei dem Herausgeber prosodische, metrische und grammatische Feinfühligkeit
— ein Urteil, dem der Herausgeber selbst durchaus beipflichtet. Doch will er dem
Herausgeber keineswegs „Fleiss und allgemeine Gewandtheit in Auffassung und Stil"
absprechen, und er schliesst mit dem Wunsche: „Ja, wir wünschen, dass es ihm gelingen
möge, nach dem Studium des Prudentius und nach Durchlesung der Geschichte Janssens
seine Geschichte der lateinischen Dichtung Deutschlands im 16. Jh. mit Ver-
meidung protestantischer Einseitigkeit interessant wie seine Einleitung im ganzen
zu schreiben." —
Einzelne Perioden. Der Frühzeit des deutschen Humanismus10-13) sind
in diesem Berichtsjahre keine nennenswerten Beiträge gewidmet worden. Nur für
den sogenannten älteren Humanismus sind einige kleinere Studien zu verzeichnen.
Bekannt durch seine Parteinahme für Reuchlin in dem Pfefferkornschen Handel ist
der Mäcenat Thomas Truchsess von Wetzhausen, dessen Leben Knod14)
kurz, aber ausreichend schildert. —
Gleichfalls in Reuchlins Kreis führt uns die Gestalt des Jakob Trach
(Dracontius), von dessen Lebensumständen wir allerdings ziemlich wenig wissen, und
von dem uns Leistungen so gut wie gar nicht überliefert sind, so dass wir uns bloss
mit der Nachricht von seinem vielseitigen, auch das mathematisch - geographische
Gebiet berührenden Streben zufrieden geben müssen. Hartfelder!5) hat alles zu-
sammengestellt, was sich über ihn ermitteln lässt. —
Seine Ausgabe von Werken des Murmellius, deren in den beiden letzten
Jahrgängen (JBL. 1893 II 7:29—30) wiederholt gedacht ist15"), hat Bömer16) auch
in diesem Jahre fortgesetzt; er legt jetzt eine Ausgabe der Pappa puerorum vor.
Ein Neudruck dieses Werkchens, das bekanntlich eine wichtige Etappe in dem
humanistischen Kampfe gegen das Doctrinale des Alexander de Villa Dei bedeutet,
muss als wirklich verdienstlich bezeichnet werden. Eine Einleitung orientiert klar
und übersichtlich über das Werk; der saubere und vortrefflich gedruckte Text ist
nach der Editio princeps angefertigt; ausgelassen hat der Vf. nur das erste Kapitel,
welches ein nach Stoffen angeordnetes Lexikon der am häufigsten vorkommenden
Wörter enthält. Die beigegebenen Anmerkungen sind mit Fleiss und Sorgfalt zu-
sammengestellt, Für S. 34, N. 35 a hätte B. wohl noch auf Luthers Sendbrief vom
Dolmetschen (Erl. Ausg. ö5, S. 110) verweisen können. — Ein Schüler des Murmellius
war Hermann Stuve, von seinem Lehrer hochgeschätzt; was von den dürftigen
Lebensnotizen bekannt ist, hat Bahlmann17) zusammengestellt. —
Johannes Trithemius ist von Wegele18) biographisch behandelt worden.
Die Stellung des Trithemius in der Geschichtsschreibung, seine löblichen Bestrebungen
und schweren Verirrungen weiss W. angemessen darzustellen, Trithemius sonstiger
Stellung innerhalb des Humanismus wird er indessen nicht gerecht. Da wir mit
Trithemius schon die Beziehungen des Humanismus zur Geschichte berührt haben,
so mag es gerechtfertigt erscheinen, wenn wir hier die weiteren humanistischen
Geschichtsforscher anschliessen. —
Eine schöne Bereicherung hat unsere Kenntnis von Aventins Lebens-
umständen durch Lenz19) erfahren; und zwar handelt es sich dabei um den namentlich
von Jakob Sturm und Bucer betriebenen Plan einer Berufung Aventins nach
Strassburg. Unsere Kenntnis von diesem nicht zur Ausführung gekommenen Plane
stammt aus einem Briefe Bucers an Beatus Rhenanus, den Horawitz und Hartfelder
ohne ersichtlichen Grund in die Zeit von 1523—25 gesetzt haben. Wegele erkannte
in seiner populären Aventinbiographie zwar einen Anhalt zur Datierung des Schreibens,
setzte es aber ebenfalls zu früh an, nämlich in das J. 1526, während M. Herrmann
in seiner wertvollen Besprechung von WTegeles Arbeit sehr richtig hervorhob, dass
der Brief nicht vor 1528 geschrieben sein könnte. Seine Datierung 1529 ist freilich
ebenfalls nicht zutreffend; auf Grund eigener scharfsinniger Erwägungen und neuen
archivalischen Materiales weist L. nach, dass der ganze Vorgang in etwas spätere
S. 416,7-H - 10) X id., Albrecht v. Eyb (JBL. 1893 II 7:11). |[LCB1. S. 762/3; EL Holstein: ZVLR. 7, S. 340/5; H.Lösch-
horn: MHL. 22, S.292; H. Wunderlich: LBIGRPh. 15, S. 291/3; O. Pniower: VossZg». N.24,5; M. Blau: MLN. 9, S. 220,8;
J. Hürbin: KathSchwBH. S. 534/5; G. Schepss: WSKPh. 11, 8. 238-41.]| - 11) X E. Matthias, M. Herrmann, Albrechts
v. Eyb Schriften, Bd. 2 (JBL. 1890 II 8:56): ZDPh. 26, S. 428/9. — 12) X A- Starzer, A. Büchi, Albreoht v. Bonstetten
(JBL. 1892 II 7 : 15): ÖLB1. 3, S. 364. — 13) X w- Cloetta, D. Anfänge d. Renaissancetragodie (JBL. 1892 II 8: 44). |[F.
Muncker: BBG. 30, S. 27/9; R. Wendriner: LBIGRPh. 14, S. 367-72.]| — 14) G. Knod, Thoraas Truchsess v. Wetz-
hausen: ADB. 38, S. 683/5. — 15) K. Hartfelder, Jak. Trach: ib. S. 488. — 15a) X LCB1. S. 319-20. - 16) A. Bömer,
D. Münsterischen Humanisten Joh. Murmellius Pappa puerorum in e. Neudr. her. (= Ausgew. Werke d. Murmellius N. 4.)
Münster, Regensberg. XX, 43 S. M. 1,60. — 17) P. Bahlmann, Herrn. Stuve: ADB. 37, S. 83/4. - 18) F. X. Wegele, J.
Trithemius: ib. 38, S. 626 30. — 19) M. Lenz, Aventins Berufung nach Strassburg: ZGORh. 9, S. 629-37. — 20) OXX
Gr. Ellinger, Humanisten und Neulateiner. II 7 : 20-31
Zeit zu rücken ist. Briefe des bekannten Augsburger Stadtarztes Gereon Sailer
an Bucer, die L. im Thomasarchiv in Strassburg fand, geben über die Angelegenheit
den erwünschten Aufschluss. Nach diesen Aktenstücken ist es nicht mehr zweifelhaft,
dass mit dem Reichstag, von dem Bucer in dem Briefe an Beatus Rhenanus spricht,
weder der Speierer Reichstag von 1529 noch der Augsburger von 1530, sondern der
Regensburger von 1532 gemeint ist, der Brief also zwischen dem 8. Nov. und
8. Dec. 1531 geschrieben ist. Die Ergebnisse der L.schen Untersuchungen lassen
sich demnach kurz etwa folgendermassen zusammenfassen: Bucer hat aller Wahr-
scheinlichkeit nach auf dem Augsburger Reichstage von 1530 Aventin zum ersten
Male kennen gelernt; möglich, dass hier schon in ihm und Jakob Sturm der Gedanke
aufgetaucht ist, den hervorragenden Gelehrten für Strassburg zu gewinnen. Der wohl
schon länger mit Aventin bekannte Sauer machte den Vermittler; ihn ging Bucer
Sept. und Okt. 1531 damit an, Briefe an Aventin zu besorgen, die nach Sailers
Antworten die Berufung nach Strassburg enthalten haben müssen; auch hat Sailer
sich redlich bemüht, Aventin zur Annahme des Antrages zu veranlassen. Leider
geben uns auch die von L. erschlossenen Quellen keinen Aufschluss darüber, wes-
halb die von Bucer eifrig fortgesetzten Unterhandlungen, als deren letztes Zeugnis
ein Brief Sailers vom 19. April 1532 vorliegt, nicht zu einem befriedigenden Resultate
gekommen sind. —
Eine wertvolle Bereicherung unserer Kenntnis der humanistischen Geschichts-
schreibung verdanken wir Mayr20), der zum ersten Male den Inhalt des bisher so
gut wie unbekannten Hauptwerkes des Wolfgang Lazius, die österreichische
Geschichte, nach den hs. erhaltenen Stücken und den Notizen, die in anderen Werken
des Lazius darüber gegeben sind, darlegt. Eine eingehendere Würdigung dieser
Publikation behalten wir uns für den nächsten Bericht vor. — Johann Tethin g er
ist eigentlich mehr Panegyrist und ausschmückender Dichter als Geschichtsschreiber;
dass sein Gedicht und sein Kommentar über die Kriege Herzog Ulrichs von Württem-
berg und dessen Rückkehr in sein Land keine Glaubwürdigkeit beanspruchen könnten,
hat vor langer Zeit bereits Ranke nachgewiesen. Krauss21) hat ihn kurz bio-
graphisch behandelt. —
Wir kommen zur Blütezeit des Humanismus. Erasmus ist vonFroude22)
eingehend behandelt worden, doch ist mir das W7erk bis jetzt nicht zugänglich ge-
wesen, so, dass ich dessen Besprechung ebenfalls erst im nächsten Bericht vornehmen
kann. — Die Erasmusstudien von Richter (JBL. 1892 II 8:56) hat Herrmann23)
recensiert; er tadelt, dass der Vf. die Monatsdaten in den Erasraischen Briefen
überall allzu gläubig hingenommen habe, und bestreitet die Möglichkeit, auf Grund
der eigenen Angaben des Erasmus sein Geburtsjahr festzustellen. Dem ist zu-
zustimmen; eine Replik von Richter und Duplik von H. lördern in der Sache nichts
Neues zu Tage; doch wird zuzugeben sein, dass in H.s Recension das wirklich Ver-
dienstliche der Richterschen Arbeit nicht stark genug hervortritt.24-27) —
Bereits Hartfelder hatte in der im vorigen Berichtsjahre (JBL. 1893 II 7 : 39)
besprochenen Schrift27) einen Teil des geistigen Entwicklungsganges von Huttens
Verteidiger Otto Brunfels zu zeichnen gesucht; jetzt legt Roth28) eine Arbeit vor,
die dem ganzen Leben und Schaffen des eigenartigen Mannes gerecht zu werden
versucht. Manche unbekannte oder doch so gut wie unbeachtete Notiz ist dabei ans
Licht gezogen worden, und dafür wird man dankbar sein müssen; im einzelnen aber
hätte vieles schärfer gefasst und eindringender behandelt werden können. Auch ist
manches recht undeutlich, so ist (S. 286) von Brunfels Bekanntschaft mit Capito die
Rede, auf S. 287 wird dann ein Wolfgang Fabricius wie eine bisher nicht erwähnte
Person eingeführt, während dieser doch thatsächlich kein anderer als Capito ist.
Doch soll damit das Verdienstliche der Arbeit, die zum ersten Male die vielfach
lückenhaften Lebensnotizen und die zerstreuten schriftstellerischen Leistungen des
Brunfels zu sammeln sucht, nicht in Abrede gestellt werden. —
In Mutianus Rufus Kreis29) gehört der mehr durch den Spott des Cordus
als durch seine eigenen Leistungen bekannt gewordene Thilo ninus Philymnus
(Thilemann Conradi, geb. um 1485, gest. nach 1522); Bolte30) hat die Lebensnotizen zu-
sammengestellt und zählt seine recht selten gewordenen Schriften auf.30a) —
Neulateinische Poesie und Gelehrtengeschichte. Für den Dichter
Johannes Fabricius Montanus hat Vulpinus31) sehr schätzbares neues Material
(II 3:52.) — 21) R. Kranss, Joh. Tethinger: ADB. 37, S. 590. — 22) O X X J- A- Fronde, Life and lettres of Erasmus.
Lectnres delivered at Oxford. London, Longman, Green & Co. Sh. 15. |[Ac. 46, S. 3434; ScottishR. 24, S. 438,9; SaturdayB. 78.
S. 384/6; Ath. 2, S. 447/8.]| — 23) M. Herrmann: ADA. 20, S. 43/7. — 24) X M. Albert, Ulrich v. Hntten. Hist. Drama
in 5 A. Hermannstadt, Krafft. 132 S. M 2,80. — 25) X E- Matthias, S. Szamatölski, Ulrichs v. Hütten dtsch. Sohriften
(JBL. 1892 II 8:64): ZDPh. 26, S. 423,8. — 26) X F. Sander, Bnrg Steckelberg u. Ulrich v. Hütten. (= I 1 : 70, S. 97-121.)
(Pop. Darstell.) - 27) X MhCoraeninsG. 3, S. 160. — 28) F. W. E. Roth, 0. Brunfels: ZGORh. 9, S 234-317. - 29) O X X
K. Krause, E. neu aufgefundene Schrift d. Eob. Hessus: CBIBibl. 11, S. 163,9. — 30) J. Bolte, Thiloninus Philymnus:
ADB. 38, S.43. - 30a) X (U 6:164.) UKonsMschr. S. 662.JI - 31) T h. Vulpinus, D. lat. Dichter Joh. Fabricius Montanus
II 7 : 32-34 G. Ellinger, Humanisten und Neulateiner.
beigebracht; er ergänzt nach Leus Allgemeinem helvetischen eidgenössischen Lexikon
das Verzeichnis der Schriften und fügt noch ein mir unbekanntes satirisches Stück
gegen den Index Pauls IV. (1559) „Echo" hinzu. Die beiden wertvollsten Gaben des
Vf. sind aber zwei bisher so gut wie gänzlich unbekannte Selbstbiographien des
Fabricius, die in den Miscellaneis Tigurinis (Bd. III) verg-raben waren, und auf die
V. ebenfalls durch Leus Angaben geleitet wurde. Beide Stücke legt der Vf. in einer
recht klaren und verständlichen deutschen Uebersetzung vor; die erste, in Prosa abgefasste
Selbstbiographie ist nicht allzulange vor dem Tode des Fabricius (1566), und zwar im J. 1565,
niedergeschrieben; der rein sachlich-biographische Wert dieser Aufzeichnungen ist
wohl überall gleich gross; zuweilen leidet unter der allzu grossen Knappheit und der
summarischen Erzählung die Verständlichkeit, so wird z. B. nicht berichtet, dass
Fabricius bereits mit P. Lotichius Sekundus und Joh. Althus in Marburg zusammen-
gewesen ist, wodurch ihre spätere Erwähnung in Wittenberg ziemlich in der Luft
schwebt. Aber trotzdem bietet die Biographie manche sehr anziehende neue Thatsachen;
man vergleiche nur die schöne Schilderung' von dem ersten Besuche des Fabricius
bei Melanchthon (S. 12). Und höher noch als die rein sachlichen Aufschlüsse, die
uns die Biographie gewährt, ist der Wert anzuschlagen, den das Werkchen für die
Erkenntnis der Persönlichkeit des Fabricius gewinnt. Wir lernen den Dichter als
ein tief inniges Gemüt kennen, einen gottvertrauenden, pietätvollen Menschen, dessen
Persönlichkeit uns aus den schlichten Werten seiner Erzählung ungemein sympathisch
entgegentritt. Die zweite Biographie ist ein längeres elegisches Gedicht (1565), das
im wesentlichen die in der prosaischen Lebensbeschreibung- berichteten Thatsachen,
zuweilen aber knapper und klarer, wiederholt. Angenehm fällt- auch hier der
gemütvolle Zug auf, der z. B. in dem innigen Familiengefühl zu Tage tritt. Beigegeben
ist noch eine, mir bisher unbekannte, kurze Selbstcharakteristik, ebenfalls den
Miscellaneis Tigurinis entnommen; die drei weiter mitgeteilten Gedichte sind aus der
Gedichtsammlung des Fabricius bekannt, werden aber gewiss bei der Seltenheit des
Büchleins manchem Leser willkommen sein. Aus dem, derselben Quelle entstammenden,
Lebensbilde Leo Judas, des Oheims des Fabricius, das von Leos Sohn Johannes
verfasst ist, teilt V. die auf Fabricius bezügiiehen Stellen mit und hat auch sonst die
biographischen Notizen aus manchen, teilweise schwer zugänglichen Büchern gut
erläutert. — Leber Hermann Tulichius bringt Koldewey32) in seiner biographischen
Skizze eine Reihe von Bemerkungen bei, durch die die bisherigen Angaben über die
Lebensgeschichte des Gelehrten einigermassen verändert werden. Zweifelhaft wird
danach der von Meibom berichtete Aufenthalt des Tulichius in Löwen, ebenso sein
angeblicher Verkehr mit Hermann von dem Busche. Ganz ins Reich der Fabel zu
verweisen ist die Nachricht, dass Tulichius in Leipzig Professor gewesen sei; er war
vielmehr dort (1512 bis Ende 1519 oder Anfang 1520) Korrektor in der Lottherschen
Druckerei. Auch die Erzählung, dass Tulichius Leipzig habe verlassen müssen, weil M.
Lotther durch den Druck reformatorischer Schriften den Zorn des Herzogs Georg auf sich
geladen habe, lässt sich nicht halten, vielmehr blieb Lotther unangefochten in Leipzig,
und Tulichius folgte einem der Söhne des Druckers, der in Wittenberg ein Zweiggeschäft
errichtete. Die weitere Thätigkeit des Tulichius (gest. 1540) in Wittenberg, Eisleben
und Lüneburg weiss K. ansprechend darzustellen; einzelnes fällt dabei nicht bloss
für die Schulgeschichte, sondern auch für die Geschichte des Humanismus ab, so
die Verlesungen, die er in Wittenberg über Agricolas De inventione dialectica hielt,
die Thatsache, dass Tulichius in Lüneburg Erasmische Werke meist von seinen Schülern
fernzuhalten suchte — eine Nachricht, die sich wahrscheinlich auf die Benutzung
der Colloquia bezieht, während der Gebrauch der Schrift des Erasmus: De duplici
copia verborum, ausdrücklich bezeugt wird. — Eine Reihe von kleinen biographischen
Skizzen hat die ADB. den Gelehrten und Neulateinern des 16. Jh. zu teil werden
lassen. Westermayer33) giebt ein Lebensbüd des Marcus Tatius Alpinus aus
Graubünden (geb. um 1500, gest. um 1567), er charakterisiert kurz seine kleineren
lateinischen Gedichte sowie sein umfangreiches lateinisches Hochzeitsgedicht auf den
Sohn Leonhards von Eck, auch seine deutschen Uebersetzungen griechischer und
lateinischer Schriftsteller werden erwähnt. — Georg Thym (geb. um 1520, gest. 1560),
dessen deutsche Gedichte in einen anderen Zusammenhang gehören, ist von Zimmer-
mann34) behandelt worden; seine von Melanchthon empfohlenen exempla syntaxeos
zeigen ihn als praktischen und gelehrten Pädagogen; den von ihm verfassten lateinischen
Gedichten (meist Gelegenheitspoesie) rühmt Z. Gewandtheit nach. — Die verworrenen
und vielfach sich widersprechenden Lebensnachrichten über den ersten Rektor des
Hamburger Johanneums Theophüus (wahrscheinlich Frydag, auch die Namen Gottfried
(aus Bergheim i. E.) 1527—66. Seine Selbstbiogr. in Prosa u. Versen nebst einigen Gedichten v. ihm verdeutscht. (=: Beitrr.
z. Landes- u. Volksk. v. Els.-Lothr. N. 18.) Strassburg i. E., Heitz. 27 S. M. 0,80. |[B. Stehle: Alemannia 22, S. 184/6.)]|
- 32) F. Koldewey, H. Talichius: ADB. 38, S. 777-81. — 33) G. Westermayer, Markus Tafius: ib. 37, S. 415. — 34)
G. Ellinger, Humanisten und Neulateiner. II 7 : 35-40
Harmelateus, Harmelates sind überliefert) hat Berthe au35) zusammengestellt. —
Chr. Stymmelius hätte wohl einen eingehenderen Lebensabriss verdient, als er ihm
durch G. von Bülow36) zu teil geworden ist. Die Charakteristiken sind kurz und
wenig aufschlüssreich, teilweise auch undeutlich; wenn zuerst die „Studentes" erwähnt
werden und an sie das , Judicium Paridis" als „zweite Arbeit" angereiht wird, so ist das doch
auch zur eisten Orientierung zu wenig und zu unklar; es hätte doch mindestens dar-
auf hingewiesen weiden müssen, dass es sich um ein ganz kleines episches Gedicht
im elegischen Masse handelt. Auch die Litteratur ist unvollständig, so fehlt der Hin-
weis auf den Vortrag Erich Schmidts. Für den ausgezeichneten Philologen Friedrich
Sylburg hat Koldewey37) manches Neue beigebracht (Sylburg war in Jena kern
Schüler des Lorenz Rhodomannus, wie Fabricius behauptet), die Thätigkeit Sylburgs
als Herausgeber meist griechischer, doch auch lateinischer Werke gut charakterisiert
und auf die wertvollen Indices seiner Ausgaben, auf den Scharfsinn und die Feinheit
seiner Beobachtungen auf dem Gebiete des Wortgebrauches hingewiesen. — Dem
Uebersetzer von Buchannans Jephthes, Joh. Titelius, der in der Metrik den Spuren
Rebhuns zu folgen scheint, widmet Bolte38) eine kurze Betrachtung. — Frank eis39)
biographischer Skizze Friedrich Taubmanns ist grosser Fleiss und Hingebung an den
Gegenstand nachzurühmen. Manche breiteren Ausführungen hätten sich wohl etwas
knapper zusammenfassen lassen; und im ganzen wäre grössere Klarheit und Ueber-
siehtlichkeit zu wünschen gewesen. Auch auf einzelne Auswüchse des etwas ge-
schraubten Stiles hätte man gern Verzicht geleistet. —
Der Humanismus in Ungarn und Siebenbürgen. Schon vor zwei
Jahren konnte auf die wertvollen Untersuchungen hingewiesen werden, die Bauch40)
den Vertretern des deutschen Humanismus in Ungarn und Polen gewidmet hat.
Jetzt legt er ein ansprechendes Lebensbild Valentin Ecks vor, des Schülers des
ebenfalls von ihm biographisch behandelten R. Agricola Junior vor. Das bewegte
Leben des in Lindau um 1494 geborenen Humanisten, der nach manchen Wanderungen
als angesehener Stadtschreiber (Syndicus nennt er sich 1526, Judex 1529) starb,
wird klar und übersichtlich geschddert. Unter den philologischen und poetischen
Erzeugnissen seien namentlich hervorgehoben das merkwürdige, wahrschemlich 1517
verfasste Gedicht, ob ein kluger Mann heiraten soll, eine Frage, die im bejahenden
Sinne entschieden wird; ferner die 1518 veröffentlichten, an König Sigismund I.
gerichteten Klagelieder der vernachlässigten Religion; der sehr merkwürdige Dialog
über die Verwaltung des Staates und die poetische Epistel, in der das von den
Türken bedrängte Oberungarn • König Ferdinands Hdfe anruft. In einem der dieser
Epistel beigegebenen kleineren Gedichte, worin die Frau eines Mä,cenaten
gepriesen wird, findet sich die Wendung: „Wenn Paris Magdalena neben den drei
Göttinnen gesehen hätte, würde er gesagt haben: Weichet Juno, Minerva und Venus!"
Jeder Freund der deutschen Dichtung des 16. Jh. wird dabei an das schöne Gesellschafts-
lied: „Rosina, wo was dein Gestalt"- erinnert. — In die gleichen Gegenden führt
uns auch die vortreffliche Arbeit H. Wolffs41), der uns einen wertvollen Beitrag zur
Geschichte des Humanismus bei den Siebenbürger Sachsen bietet. Die geistige
Entwicklung des Humanisten Johannes Lebel liegt freilich ebenso im Dunkel wie
ein grosser Teil seiner Lebensschicksale. W. sucht zum ersten Mal das Geburtsjahr
näher zu bestünmen, und man wird den Gründen nachgeben müssen, mit denen er
es zwischen die J. 1475 und 85 setzt. Eine weitere Erwähnung Lebeis finden wir
dann erst wieder 1527, wo er als Priester genannt wird, dann lassen uns die Quellen
wieder bis 1540 im Stich, 1540 treffen wir ihn als Prediger in Hermannstadt. 1542
in Thalmesch als Pfarrer, 1545 wiederum Pfarrer zu Budak im Bistritzer Kapitel, 1557
dankte er, wahrscheinlich wegen seines hohen Alters, ab; er starb 1566 in Gensdorff.
Von besonderem Interesse ist seine Stellung als Vertreter des Protestantismus in
Ungarn; ganz vortrefflich hat er die neue Lehre in zwei apologetischen Schreiben
gegen den Bischof in Weissenburg, Paul Bomemissa, verteidigt. Die beiden prosaischen
Schriften Lebeis (beide ungedruckt) haben dem Vf. nicht vorgelegen, und er muss
sich daher auf die Mitteilungen anderer beschränken. Danach scheinen die Memorabüja
Transsylvaniae patriotische Phantasien von ausserordentlicher Kühnheit enthalten zu
haben, während sein Volumen scriptorum in emolumentum Capituli Bistricensis eine
Art Schriftstellerlexikon war. Ausführlich dagegen spricht W. über das Hauptwerk
Lebeis, sein episches Gedicht: De oppido Thalmus, Carmen historicum. 1542 entstanden,
1562 neu bearbeitet, wurde es in der letzten Fassung 1779 von Seivert veröffentlicht,
auch dem Vf. hat nur dieser Druck und nicht die Urgestalt des Gedichtes vorgelegen.
Die lehrreiche und sorgfältige Analyse W.s, zeigt uns Lebel durchaus im Banne
O. Zimmermann, G. Thym: ib. 38, S. 234/5. — 35) C. Bertheau, Theophilus: ib. 37, S. 722/4. — 36) G. v. Bülow,
Christof Stymmelius: ib. S. 98,9. — 37) F. Koldewey , Friedr. Sylburg: ib. S. 282,5. — 38) J. Bolte, Job. Titelius: ib. 38,
B. 876/7. - 39) L. Frftnkel, Friedr. Taubm:inn: ib. 37, 8. 433-40. — 40) G. Banch, Val. Eck. K. Lebensbild aus d. Zeit d.
Jahresberichte lür neuere deutsche Literaturgeschichte. V. ^~J lo
II 7:41-42 G. Ellinger, Humanisten und Neulateiner,
gleichartiger anderer neulateinischer Dichtungen: ein Konglomerat von sagenhaften
und geschichtlichen Elementen, hier und da von dem Dichter durch Züge eigener
Erfindung bereichert; die Darstellung scheint nach den angegebenen Proben nicht
ohne Gewandtheit zu sein, und in der Begeisterung des Dichters für sein liebes
Thalmesch kommt ein überaus sympathischer Zug des Humanisten, sein starkes
Volks- und Vaterlandsgefühl, angenehm zum Ausdruck. —
Der Humanismus in Spanien. Eine brauchbare Lebensübersicht des
Vives hat Kayser42) entworfen; der spanische Humanist wird im wesentlichen richtig
charakterisiert, wenn sich auch irgendwelche neue Gesichtspunkte nicht ergeben.
Für Deutschland kommen namentlich seine Beziehungen zu Erasmus sowie sein
Verhältnis zur Reformation in Betracht; über beides findet man hier ganz gut
orientierende Auszüge aus Vives Briefwechsel und seinen Schriften; mit Recht weist
K. darauf hin, dass Vives der Reformation gegenüber eine durchaus abweisende
Stellung eingenommen hat. Eine nähere Betrachtung von Vives Schrift: De subven-
tione pauperum, wird in Aussicht gestellt. —
Besitzergreifung Ungarns durch d. Habsburger: UngR. 14, S. 40-57. — 41) IL Wolt'f, Joh. Lebel. E. siebenbürg.-dtsch,
Humanist. Progr. d. evang. Gymn. Schässburg. 4°. 23 S. - 42) (II 6 : 18.) —
III. Vom Anfang des 17. bis zur Mitte
des 18. Jahrhunderts.
Allgemeines.
Alexander Reifferscheid.
Politische und wirtschaftliche Verhältnisse: Allgemeines N. 1. — Dreissigjähriger Krieg N. 12. —
Zeitalter des dreissigjährigen Krieges N. 101. — Kaiser Leopold I. und seine Zeit N. 109. — Der Grosse Kurfürst und seine
Zeit N. 129. — Zeit der Könige Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I N. 146. — Kirchliche und religiöse Zustände
N. 158. — Geschichte des geistigen Lehens: Allgemeines N. 183. — Litteraturgeschichte N. 205. —
Die allgemeinen politischen und die wirtschaftlichen Ver-
hältnisse des ganzen Zeitraumes sowohl wie einzelner Abschnitte sind im Berichts-
jahr, abgesehen von den für ein grösseres Publikum bestimmten Büchern von
Jäger1), Kaem mel2-3), Stacke4-5), mit Hingebung erforscht und dargestellt
worden. — Ritters6) Geschichtswerk (JBL. 1890 III 1 : 1) ist auch in diesem Berichts-
jahr noch nicht zum Abschluss eines zweiten Bandes gelangt. — Den ersten beabsichtigte
Kluckhohn7) in einem ausführlichen Essay zu würdigen, es erschien aber nur der
einleitende allgemeine Teil aus seinem Nachlasse. — Die Werke Hubers8) (JBL.
1892 III 1:5) und Erdmannsdörffers5') (JBL. 1892 III 1:3; 1893 III 1 : 12) wurden
mit grosser Anerkennung besprochen. — H. von Zwiedineck-S üdenhorst ,0)
führte die Darstellung der deutschen Geschichte im Zeitraum der Gründung des
preussischen Königtums vom Tode des grossen Kurfürsten bis zum Ende der Regie-
rung Karls VI. und kam so zum Abschluss seines verdienstlichen, von echtem
Patriotismus getragenen Werkes. Den Vorwurf politischer Tendenz weist er in der
Vorrede entschieden zurück und verwahrt sich dagegen, dass er geflissentlich unge-
rechte Urteile verbreite. Er müsse auch auf die Fehler und Missgriffe der Staats-
lenker aufmerksam machen, um deren Folgen für die Gegenwart erkennen zu lassen.
Von besonderer Wichtigkeit in diesem zweiten Bande, der alle früher gerühmten
Vorzüge des ersten (JBL. 1890 III 1 : 2) zeigt, ist der dritte Abschnitt des ersten
Buches über das deutsche Volk an der Wende des 18. Jh. Nach eingehender Er-
örterung der Ansichten zeitgenössischer Publizisten über die Stellung der Reichs
gewalt zu den Territorialregierungen, bespricht er das Rechtsleben, das zum Schaden
des Volkes immer mehr durch das römische Recht bestimmt wurde, und die - Ent-
wicklung des Kriegswesens, die Bildung stehender Heere, die dem gemeinschädlichen
1) O. Jäger. Weltgesch. in 4 Bdn. 3. Bd.: Gesch. d. neueren Zeit 1517-1789 2. (Titel-)Aufl. Bielefeld, Vel-
hagen & Klasing. VII, 652 S. M. 8,00. |[Ko«dderitz: MHL. 22, S. 262/4.] (Vgl. JBL 1892 IV 1 : 51.) — 2) 0. Kaemmel,
Gesch. d. neueren Zeit. 2. Bd.: V. 30j. Kriege bis z. Machthöhe Ludwigs XIV. Mit 457 Textabbild, sowie 36 Beil. u. Karten.
{— Spaniers ill. Weltgesch. Mit bes. Berücksicht. d. Kulturgesch Bd. 6.) L„ Spamer. XII, 768 S. M. S,50 |[A. Baldarans:
NJbbPh. 150, S. 292 5; BBG. 30, S. 766/7.]| — 3) id., V. Beginn d. grossen Entdeck, bis ■/.. 30j. Kriege (JBL. 1S93 III 1:1).
IfGrenzb. 2, S. 45 6.j| — 4) L. Stacke, Dtsch. Gesch. 6. Aufl. 2 Bde. Bielefeld, Velhagen & Klasing. XI, 744 S : XIII,
«72 S. M.25,00. — 5) X Sprösser, Deutschlands Heerführer (1640-1894), verewigt in d. Namen d. Regimenter u. Bataillone
d. dtsch. Heeres, in Wort u. Bild dargest. L., Hirt & Sohn. 222 S. M. 3,00. — 6) M. Ritter, Dtsch. Gesch. im Zeitalter
d. Gegenreformat. u. d. 30j. Krieges (1533—1648). (= Bibl. Dtsch. Gesch.) II. Bd. 9.-13. Lfg. St., Cotta. S. 1-400. M. 5,00. —
7) A. Kluckhohn, M. Ritters dtsch. Gesch. ( = N. 6): HZ. 72, S. 102/6. - 8) X J- Loserth: HZ. 72, S. 3279. — 9l X
Ed. Heyck: FBPG. 7, 8. 6058; A. Pribram: HZ. 73, S. 329-33; A. Zimmermann: HPB11. 114, S. 604-10; Grenzb. 3, S. 230 4.
— 10) IL v. Zwiedineck-Südenhorst, Dtsch. Gesch. im Zeitraum d. Gründung d. preuss. Königtums. 2. Bd.: Vom Tode
d. Gr. Kurfürsten bis z. Ausg. d. Regierung Kaiser Karl VI. (= Bibl. Dtsch. Gesch. N. 51, 56, 60, 68, 75, 86, 94, 96/7.) St.,
Jahresberichte lür neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (3)1
III 1:11-16 AI. Reifferscheid, Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts.
Militarismus des 30jährigen Krieges ein Ende machten. Bei der Betrachtung der
wirtschaftlichen Verhältnisse zeigt Z.-S., dass das deutsche Volk mit Energie und
Selbstvertrauen in Landwirtschaft und Gewerbe die Schäden des 30jährigen Krieges
auszubessern versucht und die wirtschaftliche Unabhängigkeit vom Auslande, beson-
ders von Frankreich angestrebt hat. Verschlechtert hatte sich die Lebensstellung
der Landwirtschaft treibenden Bevölkerung. Die adligen Grundbesitzer hatten weder
Geld noch Arbeiter und wurden so zu immer gehässigeren Massregeln gegen die
freien und leibeigenen Bauern veranlasst. In vielen Gegenden verschwanden infolge-
dessen mit den Dörfern die freien Bauern. Dagegen wuchs die Bevölkerung Deutsch-
lands durch die Einwanderung der französischen Hugenotten und der sowohl aus
Ungarn als auch aus Holland und Portugal kommenden Juden.11) —
Gross ist die Zahl der Schriften, umfangreicher Werke und Abhandlungen
wie kleinerer Aufsätze und Artikel zur Geschichte des 30jährigen Krieges.
Ausser den Besprechungen der Arbeiten Winters12) und Klopps13) (JBL. 1893 III
1 : 7/8) sind die grösseren Monographien Opels, Gindelys, Irmers zu nennen. Opels 14)
ausgedehntes Werk über den niedersächsischen Krieg ist endlich fertig geworden.
Er fördert durch peinlich genaues Eingehen auf die archivalischen Nachrichten in
vielen Einzelheiten die Kenntnis der Ereignisse, ohne die Gesamtvorstellung von dem
Kriege im wesentlichen zu ändern. Christian IV. weiss 0. allerdings mit Erfog gegen
manchen Vorwurf zu rechtfertigen. Mit Recht macht er bezüglich des Lübecker Friedens
geltend, dass keines der norddeutschen Stifter durch mannhafte Unterstützung be-
sondere Rücksichten verdient hatte. Man dürfe es dem Könige nicht verargen, dass
er sich in seinem gesunden Realismus die Verhältnisse nutzbar gemacht, wie sie sich
im Verlaufe des Krieges gestaltet hatten. — Gindelys sorgfältige Monographie, die reife
Frucht langjähriger umfassender archivalischer Studien, behandelte ohne jede Vor-
eingenommenheit die Gegenreformation in Böhmen. Sie erschien aus seinem Nach-
lass, von Tu petz15) herausgegeben. Gindely berücksichtigt gleich massig die
kirchlichen, wirtschaftlichen und staatsrechtlichen Folgen der Schlacht am weissen
Berge und weist nach, dass die Gewaltmassregeln gegen das Besitztum der pro-
testantischen Böhmen das Land wirtschaftlich zu Grunde gerichtet haben, ohne
nennenswerte Vorteile des Fiskus, da die Ausführer der strengen kaiserlichen Befehle
sich gewissenlos bereicherten. — Ueber einen vielverkannten und parteiisch beurteil-
ten Heerführer und Staatsmann aus der Zeit des 30jährigen Krieges, Hans Georg von
Arnim, dessen wechselvolles Leben bis auf wenige Jahre nahezu unbekannt war,
schrieb Irmer16) ein vortreffliches Buch, unter geschicktester Verwertung alles er-
reichbaren archivalischen Materials. Nach I. war Arnim ein politischer Einsiedler,
der unverstanden von der grossen Menge durch die Welt gegangen. Er hatte alles,
was er „von Importanz geredet", „mit eigener Hand fleissig notiert". Leider ist der
ganze Nachlass durch Sorglosigkeit und Treulosigkeit vernichtet, so dass es un-
möglich ist, das ganze Leben des Vielgeschmähten mit gleicher Ausführlichkeit zu
schildern. Und doch wären bei kaum einem anderen autobiographische Aufzeich-
nungen von solchem Werte wie bei Arnim, der so viele, fast unerklärliche Wand-
lungen durchgemacht . hat. Nach einander stand er in schwedischen, polnischen,
mansfeldischen, schwedischen, kaiserlichen, kursächsischen, kurbrandenburgischen,
kaiserlichen Diensten. Bis 1630 scheint es ihm gleichgültig gewesen zu sein, welchem
Kriegsherrn er diente, dann machte er seine Kriegsdienste von seiner politischen
Ueberzeugung abhängig. Die Bedrängnis der Evangelischen liess ihn in die Dienste
des Kurfürsten von Sachsen treten, zur Uebernahme eines kurfürstlich-kaiserlichen
Kommandos in den letzten Monaten seines Lebens trieb ihn die Vergewaltigung
Deutschlands durch Schweden und der Hass wegen des Unrechts, das ihm 1637 die
schwedische Regierung zugefügt hatte. Eigennutz hat ihn jedenfalls nie geleitet.
Schwedische Agenten haben ihm freilich nachgesagt, er habe seine hohe militärische
Stellung zum eigenen Vorteil ausgenutzt. Dass das gehässige Verleumdung war,
zeigt" die Dürftigkeit, in der Arnim gelebt und gestorben, während er günstigere Ge-
legenheit hatte sich zu bereichern als andere Heerführer und Reichsfürsten, die es
ohne Scheu gethan und damals den Grund zum heutigen Reichtum ihrer Familien
gelegt haben. Arnim Hess sich die Treue seiner Ueberzeugung weder durch schwe-
dische noch durch kaiserliche Belohnung abkaufen. Die Ruhe seines Gewissens
Cotta. XII, 664 S. M. 8,00. (S. u. N. 175.) — 11) X L- Demme, Naohrr. u. TJrkk. z. Chronik v. Hersfeld. II. (JBL. 1893 III 1:18):
.1. Pistor: MHL. 22, S. 456. - 12) X H. L(andwehr): NatZg. N. 119. — 13) X <*• Droysen: PrJbb. 75, S. 382/4; C
Spannagel: KBGV. 42, S. 39-40; A. M. Weiss: LKs. 20, S. 225/7; A. Weskamp: HJb. 15, S. 391-95; HPB11. 113, S. 43-51.
— 14) J. 0. Opel, D. niedersächs.-dän. Krieg. III. Bd. D. dän. Krieg v. 1627 bis z. Frieden v. Lübeck (1629). Magdeburg,
Faber. VIII, 749 S. M. 12,00. |[R'>. 37, S. 513/6; LCB1. S. 1526/7: HTD. 5, S. 696-764.H (D. 1. Bd. „D. niedersäohs. Krieg
1621/3" erschien Halle 1872 [VI, 594 S.J, d. 2. „D. dän. Krieg 1624,6" Magdeburg 1878 [IV, 616 8J.) — 15) A. Gindely, Gesch.
d. Gegenreformat. in Böhmen. Nach d. Tode d. Vf. her. v. Th. Tupetz. L., Dunoker & Humblot. XI, 532 8. M. 12,00.
|[RCr. 37, S. 516/8; G. Winter: BLU. S. 277/8; LCB1. S. 546,7; L. Viereck: MHL. 22, S. 440,4.] | (S. u. N. 159.) — 16) G.
Irmer, Hans Georg v. Arnim. Lebensbild e. protest. Feldherrn u. Staatsmannes aus d. Zeit d. 30 j. Krieges. Mit e. Bild.
AI. Reifferscheid, Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts. III 1 : n-42
stand ihm höher als Fürstengunst. Furchtlos trat er ehenso Gustav Adolf wie Wallen-
stein entgegen, als beide auf der Höhe ihrer Macht standen.1') — Die kleineren Ab-
handlungen sind von ungleichem Werte. Ein Bild von den allgemeinen Zuständen
während des 30jährigen Krieges entrollen die „Täglichen Aufzeichnungen" des Gar-
caeus, eines Pfarrers in Sorau und Brandenburg; sie gestatten manchen Einblick in
alle Gräuel der Zeit und das dissolute Leben des Pfarrers. Veröffentlicht wurden
sie von Tschirch18) mit einer ausführlichen Einleitung und ungedruckten Urkunden
zur Kulturgeschichte der Zeit. Aus übel angebrachter Prüderie ist manches in den
Aufzeichnungen gestrichen, was für die Kenntnis des Alltagslebens der Zeit von Be-
deutung gewesen wäre.19) — Stieve*20) erbrachte aus dem Kontobuch der deutschen
Liga den Beweis, dass die Wirksamkeit der Liga vor allen anderen von Maximilian
ausging, dass er die Kräfte seines Landes aufs äusserste für die Reichsverfassung
und den Katholizismus anstrengte, weit mehr als die übrigen katholischen Stände,
die nicht glauben wollten, dass es besser sei, Hab und Gut für die Abwehr der
Feinde einzusetzen, als es ihnen zur Beute fallen zu lassen. — Verschiedene unter-
suchten die Geschichte einzelner Landstriche während des Krieges. Nur geringe
Ergebnisse hatte bei spärlichem Aktenmaterial Bodewig21) in seinem Schriftchen
über Lahnstein, wo die Schweden nur vier Jahre lang Herren waren. Ergiebige
Quellen standen Gotthold2'2) zu Gebote, der in mehreren Programmen über die
Schweden in Frankfurt am Main seine Archivalien ausführlich zu Worte kommen
lässt, um zu zeigen, dass echte Männer damals an der Spitze des Gemeinwesens
standen, die reine Liebe zu ihrer Vaterstadt bethätigten. — Fischer23) behandelte
den Schwedeneinfall in Vorarlberg nach Archivalien zu Innsbruck, Bregenz, Feld-
kirch, Hohenems.23a"24) — Wallensteins Katastrophe schilderte unter steter Kritik der
Ergebnisse der neueren archivalischen Forschungen eingehend Wittich25"30). — Von
dem Schwager Wallensteins, dem kaiserlichen General Grafen Adam Erdmann Trczka,
gab Ha 11 wich31) getreu nach den Urkunden eine kurze Lebensbeschreibung. Dar-
nach darf es als ausgemacht gelten, dass Trczka den Bruch mit dem Kaiser und
darum den Anschluss Wallensteins an Kursachsen und Brandenburg, ja an Schweden
und Frankreich systematisch betrieb. Er war der eigentliche Mittelpunkt aller
Intriguen gegen den Kaiser und bereitwilliger Vermittler bei allen antikaiseiiichen
Unterhandlungen. — Eine unbefangene gerechte Würdigung des so lange masslos
verleumdeten, dann ebenso masslos verherrlichten Oberbefehlshabers der katholischen
Liga, Grafen von Tilly, der als Heeresorganisator,' als Feldherr und als Mensch alle
Achtung verdient, schrieb Wittich32) nach grösstenteils bisher noch nicht benutzten
Archivalien. — Dem kühnen kaiserlichen Feldherrn Grafen von Pappenheim widmete
Lilie33) ein Blatt der Erinnerung.34-35) — Die Monographie über den Geh.-Rat und
Minister Kaiser Ferdinands IL, Anton Wolfradt, beendete nach Hopfs Tode (3. Sept.
1893) mit dessen Material Maurer36), der im Schlussteil die bischöfliche Wirksam-
keit Wolfradts mit manchen Ausblicken auf die milde Durchführung der Gegenrefor-
mation in Niederösterreich behandelte. — Die 300jährige Gedenkfeier an die Geburt
Gustav Adolfs veranlasste eine grosse Zahl wohlgemeinter Schriften zu Ehren des
Schwedenkönigs, die, meist für Schüler oder für die weitesten Volkskreise bestimmt, ohne
wissenschaftlichen Ertragsind37"76). Von den Reden zu seinem Gedächtnis verdienen die
H. G v Arnims. L., Hirzel. 397 S. M. 8.00. |[Edm. Lange: BLU S. 341,2; LCB1. S. 1559-62.]! -17) X ß- George, Hans
Georg v. Arnim: Bär 20, S. 356/9, 367-71, 330,3, 391/4, 4047. (Abhängig v. N. 16.) — 18) (I 4 : 131.) — 19) X K- Einert, e.
Thüringer Landpfarrer im 30j. Kriege (JBL. 1893 111 1:19). |[Grenzb. 1, 8. 108: HZ. 72, S. 376.]| — 20) F. Stieve, D.
„Oontobuchu d. Dtsch. Liga: DZG. 10, S. 97-106. — 21) E. Bodewig, Lahnstein im 30j. Kriege. Progr. d. Eealprogymn.
Oberlahnstein (Fr. Schickel). 51 S. — 22) O. Gotthold, D. Schweden in Franltfnrt a. M. IV. Progr. Frankfurt a. M.,
Krebs-Schmitz Nachf. 4°. 40 S. (T. 1-3 erschienen in d. JB. derselben Schule 1885, 1888, 1891.) — 23) G. Fischer, Z.
Gesch. d. Schwedeneinfalls in Vorarlberg i. J. 1647. Progr. Feldkirch (L. Sausgruber). 41 S. (S. u. N. 85.) — 23a) O X X A-
I) ü n i n g , Stift u. Stadt Quedlinburg im 30 j. Kriege. Quedlinburg (Selbstverl.). 65 S. |[D Herold. 25, S. 118.]| — 24) O X X G- H e r t e 1 ,
Nachrichten über Bottmarsdorf während d.30j. Krieges: GBllM;igdeburg. 29, S. 232-61. — 25) K. Wittich, Wallensteins Katastrophe.
I.-IL: HZ. 72, S. 385-440; 73, S. 211-83. - 26) X A. Holzbock, Wallenstein in Altdorf: BerlTBl. N. 425. - 27) X M Ruben-
sohn, Werbung Herzogs Alb. v. Friedlnnd um d. Jungkfrau Mngdeburgk: GBllMagdeburg. 29, S 137-51. (Vgl. III 2:4.) —
28) X W. Baege. Wallenstein in d. Mark Brandenburg: NorddAZg«. N. 14/6. — 29) X H. Bosch, D. Wallenstein-Festspiel
in Altdorf: Gartenlaube S. 618/9. (Vgl. I 4:36.) — 30) X Ch. Glauser, Le Wallenstein de Benjamin Constant. Progr.
Aussig. 56 S. (S. u. IV 9.) — 31) H. Hallwich, Adam Erdmann Graf Trczka: ADB. 38, S. 537-49. — 32) K. Wittich,
Joh. Tserclaes Graf v. Tilly: ib. S. 314-50. — 33) M. Lilie, Gottfr. Heinr. Graf v. Pappenheim. E. Gedenkbl. zu seinem
300j. Geburtst. (29. Mai): IllZg. 102, S. 559. — 34) X S. Röckl, Quellenbeitrr. z. Gesch. d. krieger. Thätigkeit Pappenheims
(JBL. 1893 III 1 -.28). IfBlasel: Gymn. 12, S. 202.]| — 35) X Piccolominis bref om slaget vid Lützen: HTS. 14, S. 87-90.
— 36) J. Maurer, Anton Wolfradt, Fürstbischof v. Wien u. Abt d. Benediktinerstiftes Kremsmünster, Geh. Rat u. Minister
Kaiser Ferdinands II. III. Abt. Wien, Holder. 80 S. M. 1,00. \[A. Bellesheim: LHandw. 33. S. 498/9; J. M.: KVZg.
N. 624.] ] (Nach d. v. Alex. Hopf zumeist aus archiv. Quellen ges. Materialien ausgearb.) — 37) X H. Bauer, Gustav Adolf:
Gartenlaube S. 811/6. — 38) X F. Blanckmeister, Gustav-Adolf-Stunden. L., F.Richter. VIII. 357 S. M. 3,50. |[G.
Könnecke: ThLB. 17, S. 278,9; Pfarrhaus 10. S. 145/6.]| — 38a) X E. Blümel, Gustav Adolf König von Schweden.
E. Gedenkbuch z. 300j. Geburtstagsfeier d. Retters d. dtsch. evang. Kirche. Her. vom christl. Ver. im nördl. Dtschld.
Eisleben, P. Klöppel. 226 S. M. 1,00. — 39) H. C, D. Gustav-Adolf-Feier in Deutschland: HPB11. 114, S. 785-99.
— 40) X Ch. Correvon, Lettre d'Allemagne le 300. anniversaire de la naissance de Gustav Adolf: RChr. 2,
S. 455-60. — 41) X R- Dietrich, Gustav Adolf in Lied u. Dichtung: LZgB. S. 585/8. — 42) X E. Dietz, Vie de Gustave-
Adolphe, racontee ä la jeunesse ä l'occasion du 300. annivers. de sa naiss. Paris, Soc. des ecoles du dimanche. 52 S. M. 0,25.
(3)1*
III 1:43-90 AI. Reifferscheid, Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts.
von Lenz77) und von Prutz78) besondere Beachtung-. Es fehlten auch nicht die
Entgegnungen derer, die in Gustav Adolf nur den fremden Eroberer sehen79-82) oder
die materialistischer Geschichtsauffassung huldigen83); auch bei ihnen ist ein längeres
Verweilen nicht gerechtfertigt. — Von wirklichem Werte wären Arbeiten gewesen,
welche nach bisher unbenutzten Archivalien das Auftreten Gustav Adolfs und der
Schweden in einzelnen Gegenden Deutschlands84) unbefangen untersucht hätten, wie
Prohnhäuser85) es gethan hat, der nach Darmstädter und Mainzer Akten Gustav Adolf
und die Schweden in Mainz und am Rheine behandelte. Er beurteilt Gustav Adolfs
Absichten wohl ganz richtig, wenn er annimmt, derselbe habe sich mitten in Deutsch-
land für sein weiteres Vorgehen gegen Süddeutschland in der Mainlinie eine starke
Operationsbasis schaffen wollen, deren Bedeutung in der That nach der Niederlage
bei Nördlingen sichtbar wurde.86) — Sehr wertvoll ist die Arbeit von Stalins87).
Er stellte alle Schenkungen und Gnadenerweise, im ganzen 60, zusammen, welche
Gustav Adolf und später sein Kanzler Axel von Oxenstierna mit erobertem Land-
besitz im löebiet des heutigen Württemberg an 34 Fürsten und Herren und an
7 Reichsstädte an Zahlungsstatt oder aus Freundschaft machte in der Zeit vom 29. Dec.
1631 bis zum 4. Juni 1634, etwa im Werte von 60 Millionen Mark. Die Nörd-
linger Schlacht hob allerdings die meisten dieser Schenkungen wieder auf — Inner-
lich nahe verwandt ist diesem Aufsatze die Untersuchung Lorentzens88) über die
Geschichte der schwedischen Armee, die in engster Beziehung steht zur Geschichte
der schwedischen Politik seit Gustav Adolf. Die Lage der Finanzen hatte Schweden
gezwungen, den Krieg geradezu zu suchen, damit das Heer, welches erhalten werden
musste, wenigstens in Feindesland und vom Feinde ernährt wurde. So ruht das
Hauptgewicht der L.schen Untersuchung auf der volkswirtschaftlichen Seite. — Eine
Reihe von Aufsätzen beschäftigten sich mit Einzelfragen. So giebt die Veröffent-
lichung eines Briefes89) von Baner vom 15. April 1641 und des Gutachtens seiner
Aerzte vom 29. einen kleinen Beitrag zur Lebensgeschichte Baners. Wir erfahren
daraus Näheres über seine Krankheit und die Stimmung, in der er sich während
dieser Zeit befand. — Mack90) schilderte nach den Berichten Braunschweigscher
— 43) X G- Fischer, Gustav Adolf oder: „Jeder Zoll e. König". E. Lebensbild z. 300j. Gebnrtst. d. Heldenkönigs für unser
evang. Volk. Herborn, Buchh. d. Nass. Kolportagever. 48 S. M. 0,15. (Mit Abbild.) — 44) K. Gerolc, Vor 29 J. Gustav-
Adolf-Segen. Festpredigt, am 7. Sept. 1865 geh. Ans Anl. d. Dresdener Gustav -Adolf-Jubil. im Juli 1894 wieder aufgel.
Dresden, Sturm & Co. 15 S. M. 0,20. — 45) X E. Gut jähr, König Gustav II. Adolfs v. Schweden Beweggründe z. Teil-
nahme am dtsch. Kriege auf Grund bes. d. schwed. Quellen aus d. J. 1629—30. L., Dörffling & Franke. 72 S. M. 1,00. |[R.
B endixen: ThLBl. 15, S. 561. ]| (D. evang. Schule, e. Beitr. z. 3C0j. Gedenkfeier an Gustaf Adolfs Geburt. Ursprüngl. e.
Vortr., geh. in d. paed. Ges. zu Leipz., über d. d. Vf. selbst berichtete: DB11EÜ. 21, S. 369-70, 378,9.) — 46) X R- Jordan
u. A. Totzke, Gustav Adolf. D. Held d. 30 j. Krieges u. Befreier d. protest. Glaubens. Festschr. zu d. 300 j. Geburtst. Für
Schule u. Haus. Neuwied u. L., Heuser. 96 S. M. 1,00. |[Gust. Eosenthai: ThLB. 17, S. 279.]| — 47) X P. Kaiser,
Gustav Adolf. E. christl. Heidenleben. Z. Jubelfeier d. 300j. Geburtst. Gustav Adolfs am 9. Dec. 1894. D. dtsch. evang.
Volke dargeboten. Bielefeld, Velhagen & Klasing. 89 S. MitAbbild. M. 0,50. ITGust. Kosenthai: ThLB. 17, S. 159; BLU.
S. 558.J| — 48) X id.. Zu Gustav Adolfs 300j. Geburtst.: IllZg. 103, S. 666, 670/1. — 49) X id., Z. Gustav Adolf-Jubil.:
Daheim S. 747-50. — 50) X C. Müller, Zu Gustav Adolfs 300. Geburtst.: NatZg. N. 660, 662. — 5H X P- Moser, Gustav
Adolf. Z. Gedächtn. seines 300. Geburtst.: DEB11. 19, S. 789-S09. - 52) X R- Pappritz, Gustav Adolf: VossZg». N.576. —
53) X A. R., Gustav Adolf im dtsch. Volkslied: IllZg. 103, S. 671/2. — 54) X Fr. Rienäcker, Gustav Adolf z. 300 j. Ge-
burtst. Gustav Adolfs. 10. Aufl.. Dessau, P. Baumann. 24 S. M. 0,10. — 55) X ß- Kogge, Gustav Adolf-Flugbl. Leben
u. Thaten d. Glaubenshelden. Dresden, Gustav Adolf- Verl. 15 S. M. 0,10. (Mit 20 Abbild.) — 56) X id-< Gustav Adolf,
Deutschlands Erretter — nicht Eroberer! E. Wort über d. wahren Zwecke u. Ziele d. Glaubensbelden. ebda. 26 S. MitAb-
bild. M. 0,50. — 57) X F. W. Runze, Gustav Adolf. Z. Jubelfeier seines 300j. Geburtst. am 3. Dec. 1S94. Erfurt, H. Neu-
mann. 20 S. M. 0,50. — 58) X E- Schulz, Z. Feier d. 300j Geburtst. Gustav Adolfs, Königs v. Schweden. 9. Dec. 1894.
E. Lebensbild d. gottbegeisterten Streiters für d. reine Lehre d. Evangeliums. L., Th. Thomas. 22 S. M. 0,25. — 59) X k
Spannenberg, Gustav Adolf. Gedenkbl. z. 300j. Geburtstagsfeier d. grossen Heldenkönigs. (= Paed. Abhandl. N. 23.)
Bielefeld, Helmich. 17 S. M. 0,35. — 60) X E. Sparfeld, Gustav Adolf, König v. Schweden, d. heldenmüt. Kämpfer für
Deutschlands Religionsfreiheit. E. Volksbuch für alle Stände. 2. Aufl. L., Friese. 481 S. M. 3,00. — 61) X F. St., D.
Gustav Adolf-Feier u. d. Ultramontanismus: DPB1. 27, S. 340,1. — 62) X A. Steinke, Gustav Adolf. Festschr. zu seinem
300j. Geburtst. Graudenz, Gaebel. 12 S. M. 0,20. - 63) X A- Thoma, Gustav Adolf-Spiel. Für Stadt u. Land. 2. Ausg.
Karlsruhe, Reiff. 96 S. M. 1,00. — 64) X G. A. Tischer, Gustav Adolf. Z. 9. Dec: DPB1. 27, S. 377 9. — 65) X M-
Ueberschaar, D. Gedächtn. d. Gerechten bleibet im Segen. Festschr. z. 300 j. Geburtst. Gustav Adolfs. Magdeburg,
Gebr. Geitel. VI, 31 S. M. 0,40. — 66) X R- Weitbreclit, Z. Gustav Adolf-Feier: BLU. S. 769-72. — 67) X G.Winter,
D. Wahrheit über Gustav Adolf: Geg. 46, S. 277/8, 296/8. — 68) X H- ▼• Zobeltitz, Gustav Adolf als Feldherr: Daheim
S. 795/8. — 69) X Schriften über Gustav Adolf: DPB1. 27, S. 383. (Blosse Aufzählung.) — 70) X Gustav Adolf: NZ^t. 2,
S. 801/6. — 71) X Gustav Adolf: Grenzb. 4, S. 481/6. — 72) X Zehn Stimmen über Gustav Adolf: Pfarrhaus 10, S. 177 9. —
73) X z- Säkularfeier Gustav Adolfs: DEKZ. 8, S. 457. — 74) X Gustav Adolfs Landung in Pommern. Mit III.: Bär 20,
S. 242. — 75) X A. Rfs., Svensk Gustav Adolfs-litteratur: HTS. 14, S. 114/7. — 76) X Gustav Adolffeste 1894: ib. S. 360 2.
— 77) M. Lenz, Gustav Adolf, d. Befreier, z. Gedächtn.: PrJbb. 78, S. 507-16. - 78) H. Prutz, Rede auf Gustav Adolf.
Königsberg i. P., Härtung. 16 S. M. 0,20. — 79) X '• Bur&. Gustav Adolf im Lichte d. neueren Gesch. -Forsch. 4. Aufl.
Essen, Fredebeul & Koenen. 48 S. M. 0,30. — 80-81) X H- Cardauns, Gustav Adolph u. d. dtsch. Feier d. Jubil. seiner
Geburt: KVZg. N. 719. — 82) X w"s ist Gustav Adolf d. Deutschen? Glaubensheld oder Eroberer? Befreier oder Ver-
wüster? Paderborn, Bonifaciusdr. 16°. 38 S. M. 0,15. -•■ 83) X F. Mehring, Gustav Adolf. E. Fürstenspiegel zu Lehr
u. Nutz d. dtsch. Arbeiter. B., Verl. d. „Vorwärts". 52 S. M. 0,30. - 84) (= N. 21/4.) — 85) L. Frohnhäuser, Gustav
Adolf u. d. Schweden in Mainz u. am Rhein. Z. Erinn. an d. 300j. Wiederkehr d. Geburtst. Gustav Adolfs. Darmstadt, Berg-
strässer. VI, 232 S. M. 3,00. (Sonderabdr. ans AHessG. Bd. 2.) - 86) X R- George, Gustav Adolf u. Kurfürst Georg
Wilhelm v. Brandenburg: Bär 20, S. 587 9, 596,9. — 87) P- v. Stalin, Schwed. Schenkungen in Bezug auf Teile d. heut.
Königr. Württemberg u. an zu demselben gehör. Familien währ. d. 30j. Krieges. St., Kohlhammer. 47 S. M. 1,00. (Sonderabdr.
aus WürttVjh. Bd. 3.) — 88) Th. Lorentzen, D. schwed, Armee im 30j. Kriege u. ihre Abdankung. L., Veit & Co. VII,
216 S. M. 6,00. — 89) E. Brief Bauers v. 15. Apr. 1641: HTS. 14. S. 275,9. — 90) H. Mack, D. Hanse u. d. Belagerung
AI. Reifferscheid, Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts. III 1 : 91-112
Gesandten die fruchtlosen diplomatischen Versuche der Hansa, die Belagerung1 Stral-
sunds durch Wallenstein zu hindern, und ihre Unfähigkeit, die Stadt wirksam zu
unterstützen.91-93) — Wittich94) sah sich durch die Verteidiger der alten Ansicht
über den Brand Magdeburgs zu einem Nachtrage genötigt, in dem vor allem seine
Kritik zeitgenössischer Berichte über die Zerstörung Magdeburgs beachtenswert ist.
— Philippi96) schilderte die Belagerung Osnabrücks durch die Schweden im Aug.
16B3 und veröffentlichte einige Osnabrücker Akten darüber. Die kriegsgeschicht-
lichen Arbeiten von Reitzensteins96) (JBL. 1893 III 1 : 34), Opitz97) (JBL.^ 1892 III
1 : 23; 1893 III 1 : 35) und Strucks9S) (JBL. 1893 III 1 : 37) wurden anerkennend be-
sprochen. — Den Kriegszug eines im Egerlande gebildeten Reiterregiments von Eger
her durch das nördliche Deutschland, Schlesien, südwärts nach Ungarn und wieder
nordwärts nach Schleswig und Jütland, sowie nach Preussen über die Weichsel be-
schrieb ein ungenannter,, Abkömmling aus altegerer Patrizierfamilie"99). — Diemar100)
behandelte die Schicksale der Hessen-Kasselschen Truppen im Heere Gustav Adolfs
1632. Darnach haben 6 hessische Regimenter au der Schlacht bei Lützen teil-
genommen.— Wuttke101) beleuchtete die Ursachen und den Verlauf der Kipperzeit
in Kursachsen mit Ausblicken auf die allgemeinen deutschen Zustände. Für die
Missstände macht er vor allem die falsche Scheidemünzpolitik verantwortlich.102-103) —
Die Erinnerung an Josias Rantzau, einen Parteigänger aus dem Zeitalter
des 30jährigen Krieges, der nach einander in dänischen, schwedischen, kaiser-
lichen, französischen Diensten gestanden und es in Frankreich durch seine kriege-
rische Tüchtigkeit 1645 bis zum Marschall gebracht, frischte Harzen-Müller 104)
auf.105) — Hierher gehört auch die Doktorarbeit Stamms106), der nach ungarischen
Quellen die langjährigen Intriguen und den offenen Aufstand des nur von politischen,
nicht von religiösen Beweggründen geleiteten Gabriel Bethlen, Fürsten von Siebenbürgen,
gegen Kaiser Ferdinand II. darstellte. — Eine reife Fruchtseiner weitausgreifenden archiv-
alischen Forschungen zur Geschichte der Bündner und Veltliner Frage in den Jahren
1618 — 26legteReinhardt ,07) vor in seiner Veröffentlichung der Korrespondenz des Erz-
herzogs Leopolds V. von Oesterreich mit Alfonso und Girolamo Casati, spanischen Ge-
sandten in der Eidgenossenschaft, nach den Originalen im Statthaltereiarchiv zu Innsbruck.
Sie istum so wichtiger, weil bisher nur französische und venetianische Quellen erschlossen
waren. Die umfangreiche Einleitung giebt einen Beitrag zur Geschichte der spani-
schen Gesandtschaft in der Schweiz. — Einen Beitrag zur Geschichte der Schweiz
in der zweiten Hälfte des 17. Jh. haben wir in von Liebenaus108) Fortsetzung
seiner alle Einzelheiten berücksichtigenden Untersuchung über den Luzerner Bauern-
krieg vom J. 1653 (vgl. JBL. 1893 III 1 : 50), dessen wahre Ursache ein allgemeines
materielles Missbehagen ohne jede politische oder religiöse Färbung war. Die Bauern-
führer suchten teilweise eigene Unbilden zu rächen, sie setzten das Wohl ihrer einzel-
nen Gemeinden und Landvogteien über das Gesamtwohl des Staates. Von Entle-
buch aus wurden die Bauern im Gebiete von Luzern und Bern gegen ihre Obrig-
keit aufgehetzt, sie fanden bald eifrige Anhänger in den Kreisen der Bauern anderer
Kantone und unter den unzufriedenen Bürgern Luzerns selbst.
Eine rege Thätigkeit entwickelte sich auf dem Gebiete der Geschichte Kaiser
Leopolds I. und der Politik seiner Zeit. Nicht zugänglich war mir das Werk
von Rezek und Svätek109). — Sehr verspätet besprach Lorentzen 110"1U) zwei
gediegene hierher gehörige Aufsätze Pribrams (JBL. 1891 III l : 23, 29). — Als Beitrag
zur Quellengeschichte dieser Zeit veröffentlichte Dvorak112) die politisch bedeuten-
den Briefe Kaiser Leopolds I. an seinen ersten geheimen Rat und Obersthofmeister,
Wenzel Euseb, Herzog in Schlesien zu Sagan, Fürsten zu Lobkowitz, der sich bis
Stralsunds im J. 1628: HansGBll. 21, S. 123-55. — 91) X K. Wittich, Dietrich v. Falkenberg (JBL. 1893 III 1 : 32): HZ. 73,
S. 327/8. — 92) X K. Wittich: R. Volkholz, D. Zerstörung Magdeburgs (JBL. 1893 III 1 :33): ib. 72, S. 557/8. — 93) X
M. Dittmar, D. Zerstörung Magdeburgs im J. 1631: GBllMagdeburg. 29, S. 303-400. — 94) K. Wittich, Pappenheim u.
Falkenberg. E. Beitr z. Kennzeichnung d. lokalpatriot. Geschichtsschreibung Magdeburgs. B., W. Baensch. 141 S. M. 4,00.
|[G. Rüthning: MIIL. 22, S. 446-50; HZ. 73, S.327,S.1| — 95) Fr. Philippi, D. Belagerung Osnabrücks durch d. Schweden
1688. Mit e. Taf.: MVGOsnabrück. IS, S 257-90. — 96) X H. Diemar: HZ. 73, S. 91/2. — 97) X L. K : Bär 20, S. 11;
G. Küthning: MHL. 22, S. 2135: K. Wittich. HZ. 72, S. 375,6. — 98) X H- Diemar: HZ. 73, S. 176,7; A. Schulte:
ZGOKh. 9, S. 182,3. — 99) E^ dtsch.-böhm. Reiterregiment im 30j. Kriege 1625-35: MVGDB. 32, S. 357-83. — 100)
H. Diemar, D. Anteil d. Hessen an d. Schlacht bei Lützen 1632: ZVHessG. 18, S. 327-53. — 101) (I 4:169.) —
102) X Kipper u. Wipper: Daheim S. 320. — 103) E. Gothein. D. dtsch. Kreditverhältnisse u. d. 30 j. Krieg (JBL. 1S93
1111:42). |[LCB1. S. 1562/3; G. Küntzel: DLZ. S. 16548; HZ. 73, S. 560.]| — 104) A. N. Harzen-Müller, Josias
Rantzau, d. Sohn d. 30 j. Krieges: LZg". S. 489-92. — 105) P. Sonden: E. u. A. Seraphim, Aus d. kurländ. Ver-
gangenheit (JBL. 1892 14:765; III 1:26; 1893 14:493; III 1:43): HTS. 14, S. 4-13. — 106) A. Stamm, D. erste
Feldzug d. Gabriel Bethlen, Fürsten v. Siebenbürgen, geg. Kaiser Ferdinand IL, König v. Ungarn, bis z. Waffenstillst,
v. Pressburg im Dec. 1619. Kronstadt, Alexi. II, 82 S. M. 1,50. — 107) H. Reinhardt, D. Korresp. d. Alfonso u. Girolamo
Oasati, spanischen Gesandten in d. Schweiz. Eidgenossensch., mit Erzherz. Leopold V. v. Oesterr. E. Beitr. z. Schweiz, u.
allgem. Gesch. im Zeitalter d. 30 j. Krieges. (= Collectanea Friburgensia. I.) Freiburg i. Schw., Universitätsbuchh 4°.
XI, LXXXV1I, 214S. M.6,00. |[RCr. 33, S. 2668.]| — 108) Th. v. Liebenau, D. Luzern Bauernkrieg v. J. 1653: JbSchwG. 19,
S. 71-320. — 109) A. Rezek u. J. Svätek, D. Regierung Leopolds I. Prag, Kober. 452 S. Fl. 3,00. — 110-11) Th.
Lorentzen: DLZ. S. 1458,9. — 112 1 M. Dvorak, Briefe Kaiser Leopolds I. an Wenzel Euseb, Herzog in Schlesien zu Sagan,
Fürsten zu Lobkowitz 1657 — 74. Nach d. Orig. d. fürstl. v. Lobkowitzschen Familienarch. zu Randnitz an d. Elbe in Böhmen:
III 1 : 11.3-125 AI. Reifferscheid, Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts.
zum J. 1674 des unumschränkten Vertrauens seines Herrn erfreute. — Auf Grund
von Archivalien des fürstlich Oetting-en-Wallersteinschen Archivs zu Wallerstein ver-
suchte Weiss113) eine neue Darstellung- der Wahl Leopolds I., ohne zu wesentlich
neuen Ergebnissen zu gelangen. — Zwei Arbeiten des um die Geschichte dieser Zeit
wohlverdienten österreichischen Geschichtsforschers Pribram 114_115) sind hier zu ver-
zeichnen: ein Aufsatz über das Verhältnis der niederösterreichischen Stände zur Krone
unter Leopold I., der einen erwünschten Beitrag bietet zur inneren Geschichte Oester-
reichs, und eine vortreffliche Monographie über den ausgezeichneten Diplomaten und
Publizisten Franz Paul von Lisola, welche die Ergebnisse eindringender, auf ein um-
fangreiches und zum grössten Teil bisher gänzlich unbenutztes Quellenmaterial begrün-
deter Forschungen mitteilt. Das Werk ist um so freudiger zu begrüssen, weil Lisola der
bedeutendste Führer im Kampf um die Freiheit Europas gegen die Weltherrschafts-
gelüste Ludwigs XIV. war. Es enthält wertvolle Beiträge zur Geschichte der da-
maligen österreichischen Politik, die die herrschende Auffassung in vielen Stücken
berichtigen. — Mit den Reichsfeinden, den Türken und den Franzosen, beschäftigen
sich mehrere kleinere Arbeiten116). Hofmann 11T) gab genaue Zahlennachweise über
die Folgen der Türkengefahr der J. 1663 und 64 für die Bewohner der Stadt
und Herrschaft Glauchau. Es musste für Werbung und Unterhaltung der Kreisvölker
Sorge getragen und ein ständiges Defensionswerk eingerichtet werden. — H. von
Zeissberg118) feierte die Befreier Wiens bei der Türkenbelagerung im J. 1683 aus
Anlass der Errichtung des Erinnerungsdenkmals im Stefansdome.110) — Nicht mensch-
licher als die Türken hatten die Franzosen in Deutschland gehaust.1'20) Huber121)
schrieb die Geschichte der zu Gunsten Frankreichs im J. 1679 erfolgten Befestigung
Hüningens, des wichtigen südlichsten Punktes der Grenzen Frankreichs und
Deutschlands, und der weiteren Entwicklung der Festung bis zum J. 1698, in
dem die Werke geschleift werden mussten. Der Anhang enthält eine Denk-
schrift Vaubans über die Lage der Festung im Falle einer Belagerung. —
Ein anschauliches Bild der Zerstörung Bonns, welches die BVanzosen besetzt hielten,
durch die Brandenburger, entwarf nach den Quellen Hauptmann122). — Von
Duncker123) schilderte den kaiserlichen Generalfeldmarschall J. K. Reichsfreiherrn
von Thüngen, der sich gegen Türken und Franzosen als Truppenführer ausgezeichnet hat.
— Reiche Belehrung über die innere Geschichte dieser Zeit, wie die von den Fran-
zosen verbrannten Städte umsichtig und thatkräftig wieder aufgebaut wurden, ent-
halten Seidenbenders Vorschläge für die Wiederaufrichtung der Stadt Worms, die
Weckerling124) veröffentlicht. Sie bezeugen die ernste Gesinnung, mit der man
darauf bedacht war, „dem under der aschen seufzenden Steinhaufen und der exulirend
und auf das euserst erarmbten bürgerschaft wieder in die höhe und auf zu helfen",
überzeugt, dass die „wieder aufrichtende republique auf 3 hauptsaulen als 1. den
Gottesdienst, 2. gute polizei und 3. vernünftiges haushalten" gegründet werden müsse.
Seidenbender machte dementsprechend seine Vorschläge. Er kommt zu dem Ergebnis,
dass „das wiederaufkommen der stadt in sich selbst gesuchet werden müsse, welches
in nichts änderst bestehe, als dass man sie volkreich zu machen suche. Dieses habe
sein rechtes centrum in aufrichtung der commercien, fabriquen und manufacturen,
allermassen sie die eigentliche brunquelle des reichthumbs seien." Am liebsten hätte
er lauter evangelisch-lutherische Einwohner, da das aber, ohne „sich selbst in seinen
ruinen zu consumiren", nicht angängig, will er unter sicheren Bedingungen Refor-
mierte zulassen. Gegen die Aufnahme vermögender Katholiken erklärt er sich ent-
schieden; noch intoleranter ist er gegen fremde Juden, am liebsten wollte er „die race
so stillschweigend aussterben lassen". Die Judenschaft ist ihm mit „der schwerste
Stein, so bei dem wiederaufrichtendem corpore zu heben". Er rät zur strengsten
Beschränkung und Bedrückung der einheimischen Juden, gegen die ihm keine
Massregel scharf genug ist.125) — Auch gegen den dritten Erbfeind hatten die
Deutschen schon damals zu kämpfen. Gestützt auf die Untersuchungen von Krones
AÖG. SO, S. 461-514. [["HZ. 72, S. 559-60. || (Auch als Sonderabdr.: Wien, Tempsky. 56 S. M. 1,30.) — 113) J. Weiss, Beitrr.
z. Gesch. d, Wahl Leopolds I. aus d fürstl. Oettingen-Wallersteinschen Arch. zu Wallerstein: HJb. 15, S. 529-55. — 114) A.
Pribram, D. n'iederöbterr. Slände u. d. Krone in d. Zeit Kaiser Leopolds I.: M1ÖG. 14, S. 589-652 — 115) id.. Franz Paul
Freiherr v. Lisola 1818-74 u. d. Politik seiner Zeit. L., Veit & Co. V11I, 714 S. M. 18,00. (Mit Bild.) — 116) id., A. Schulte,
Markgr. Ludw. Wilh. v. Baden (JBL. 1S92 III 1 :28): HZ. 73, S. 333/5. — 117) R. Hofmann, Stadt u. Herrschaft Glauchau
um d. ,T. 1663 u. d. Türkengefahr: SchönburgischeGBll. 1, S. 38-59. — 118) H. v. Zeissberg, Denkschr. z. Erinnerung an d.
2. Türkenbelag. Wiens im J. 1683 anlässl. d. am 13. Sept. 1894 erfolgten Enthüllung d. Denkmals im St. Stefansdome zu Wien.
(Mit e. Lichtdr.) Wien, A. Holder. 37 S. M. 1,00. — 119) X H. M. Truxa, Erinnerungs-Denkmäler d. Befreiung Wiens
aus d. Tflrkennot d. J. 1683. Mit 4 Abbild. Wien, Mayer & Co. 1891. 50 S. M. 1,00. — 120) R. Fester, D. Augsburger
Allianz v. 10S6 (JBL. 1893 111 1 : 52). HA. Pribram: HZ. 73, S. 94/5; A. Schulte: ZGORh. 9, S. 185/6; 0. Weber: GGA.
S. 565/8.H — 121) Aug. llu bor, Gesch. Hüningens v. 1679—98. Diss. Basel (Druck, d. Allg. Schweizer Zg.). 139 S. —
122) F. Hauptmann, D. Zerstörung Bonns im ,1. 1689. (= Bilder aus d. Gesch. v. Bonn u. seiner ITmgeb. N 6.) Bonn, Haupt-
mann. 75 S. M.0,50. - 123) C. v. Duncker, Joh. Karl Reichsfrhr. v. Thingen; ADB. 38, S. 218-20. - 124) A. Wackerling,
Job. Friedr. Seidenbenders Vorschläge für d. Wiederaufrichtung d. Stadt Worms nach d. Zerstörung ders. durch d. Franzosen
im J. 1689. Eingel. u. her. Progr. Worms (A. K. Boeninger). XI, 76 S. — 125) X T'1 Kükelhans, D. Urspr. d. Planes v.
ewigen Frieden in d. Memoiren d. Herzogs v. Sully (JBL. 1893 III 1 : 681. HR. Mahrenholtz: MHL. 22, S. 319-20; HZ. 72,
AI. Reifferscheid, Allgemeines des 17./ 18. Jahrhunderts. III 1 : 120-132
schilderte Miklau126) Franz II. Rakoczy und entwarf ein Bild des Mannes, das von
der magyarischen Ueberlieferung stark abweicht. Rakoczy habe sich nie von höheren
Tendenzen, sondern nur von der Rücksicht auf eigenen Vorteil leiten lassen, er habe
nie die Rechte des Volkes, sondern stets die Vorrechte des magyarischen Adels ver-
fochten und sei bei den Magyaren nur wegen seines unauslöschlichen Hasses gegen
alles Deutsche, besonders gegen das deutsche Herrscherhaus, zu Ansehen gekommen.
— Dierauer127) charakterisierte kurz den betriebsamen St. Gallischen Staatsmann
Fidel von Thurn, der durch diplomatische Intrig*uen unbedeutende Dinge zu grossen
Begebenheiten aufzubauschen verstanden, zuerst in französischem, dann in deutschem
Interesse thätig gewesen war und gegen Ende des 17. Jh. gewissenlos und zum
Schaden der katholischen Kantone die konfessionelle Spannung in der Eidgenossen-
schaft verschärft hat.-— Auf Grund sorgfältiger archivalischer Vorarbeiten lieferte
Preuss l2s) über den Füssener Friedensschluss, der als sehr bedeutsamer Erfolg der
österreichischen Politik im Kampf mit Bayern um den Vorrang in Deutschland zu
betrachten ist, eine abschliessende Monographie, die Wiener und die Münchener Ver-
hältnisse gleichmässig berücksichtigend.
Erfreulichen Eifer entwickelt die Forschung über den Begründer des
preussischen Staates, den Grossen Kurfürsten, und seine Zeit. Mehrere
grössere Werke und zahlreiche Abhandlungen legen davon ein rühmliches Zeugnis
ab. Die Veröffentlichung1 umfassender Urkundenwerke der Geschichte des inneren
preussischen Staatslebens schreitet rüstig fort. Die Belege für eine authentische Ge-
schichte der inneren Herstellung der brandenburgischen Staaten nach dem 30jährigen
Kriege giebt in reicher, unbeschränkter Fülle Meinardus129) in seiner fleissigen
und umsichtigen Veröffentlichung der Protokolle und Relationen des branden-
burgischen Geheimen Rates aus der ganzen Regierungszeit des Kurfürsten Friedrich
Wilhelm. War der Kurfürst in der Residenz, so wohnte er den Sitzungen in der
Geheimen Ratsstube selbstthätig bei, deren Protokolle sorgfältig geführt wurden, war
er nicht daheim, so mussten die Mitglieder des Geheimen Rates ihm über alle Be-
ratungen mindestens wöchentlich Bericht erstatten, worauf er resolvierte. Die vor-
liegenden drei Bände enthalten die Protokolle der J. 1643 bis Ende August 1647,
die Relationen von 1640 an. Besondere Anerkennung verdient die Art der Heraus-
gabe, zusammenhängende und abschliessende geschichtliche Einleitungen begleiten
den ersten und den als Ganzes gefassten zweiten und dritten Band, die Stücke selbst
werden in möglichster Vollständigkeit gegeben, vor subjektiven Auslassungen schein-
bar unbedeutender Stellen hütet M. sich mit peinlicher Gewissenhaftigkeit, dialektische
und sprachliche Eigentümlichkeiten wahrt er in richtiger Erkenntnis ihrer Wichtig-
keit. Die hervorragende Bedeutung- des Werkes für die politische Geschichte zeigt
gleich der erste Abschnitt der Einleitung des zweiten Bandes; wir erhalten hier eine
Ehrenrettung Schwartzenbergs, der als Vorarbeiter des brandenburgisch-preussischen
Einheitsstaates gelten darf, der sich nie herbeig-elassen hat, irgendwelche Sonder-
interessen, mochten sie klevische, preussische oder märkische sein, zu vertreten,
dessen einziges Ziel war, durch die Begründung einer militärischen Machtstellung
das Ansehen des Hauses Brandenburg nach innen und aussen zu heben. Unbegreif-
lich bleibt, dass Friedrich Wilhelm, der bald die Wege Schwartzenbergs selbst be-
trat, sich voll Misstrauen von seinem treuesten Diener abwandte.130) — Erdmanns-
dörffer131) widmete dem Bande der Aktenstücke, deren Herausgabe Hirsch besorgt
(JBL. 1892 III 1 : 30 ; 1893 III 1 : 69), eine längere Besprechung. — Ein neuer um-
fangreicher Band dieser Reihe liegt jetzt vor, bearbeitet von Breysig132), er enthält
den ersten Teil der Ständeverhandlungen Preussens. B. beginnt mit einer breitange-
legten allgemeinen Einleitung über die Entwicklung" der ständischen Verhältnisse
in Preussen von den ersten Anfängen bis zum Regierungsantritt . des Grossen Kur-
fürsten, um so ein Verständnis des Verhaltens der preussischen Stände des 17. Jh.
zu ermöglichen. Das Aktenmaterial wird in zwei Abschnitten vorgelegt, die wieder
besondere, gut orientierende Einleitungen haben. Während im ersten Abschnitte drei
Landtage, die von 1640—41, 1656 und 57 erledigt werden, umfasst der zweite bei
reicherem Aktenvorrat nur die erste Hälfte des grossen Landtages von 1661 — 63, die
Zeit bis zum 14. März 1662. Mit Recht hat B. sich die Grenzen seiner Arbeit er-
heblich weiter gesteckt als seine Vorgänger, die nur die verfassungsgeschichtlich
S. 557.]| — 126) J. Miklau, Franz II. Rakoczy (1676—1735). E. Lebens- u. Charakterbild. Progr. d. 1. dtsch. K. K. Gymn.
Brunn (R Knauthe) 48 S. - 127) J. Dierauer, Fidel v. Thurn: ADB. 38, B. 2234. — 128) G. Preuss, D. Friede v. Füssen
1745. (= Hist. Abhandl. her. v. Th. Heigel u. H. Grauert. N. 6.) München. H. Lüneburg. 128 S. M. 4,20. — 129)0.
Meinardus, Protokolle u. Relationen d. Brandenbarg. Geh. Rates aus d. Zeit d. Kurfürsten Friedrich Wilhelm. II-1II.
(i= Pub), aus d. Kgl. Preuss. Staatsarch. N. 545.) L., Hirzel. 1893. CXLII, GS4 8.; 841 S. ä M 28,00. |[W. A[rndtJ:
LCB1. S. 4702; K. Breysig: FBPG. 7, S. 2525; F. Hirsch: MHL. 22, S. 320,9.J| (D. 1. Bd. erschien 1889 als 41. Publikation.
LXXXV1I, 750 S. M. 20,00. |[W. A(rndt): LCB1. 1891, S. 292/3]|.) - 130) X 8. Fitte, Schwartzenberg: VossZgB. N. 37 8.
(Popularisiert d. Ergebnisse d. Untersuchungen v. Meinardus. [= N. 129].) — 131) X B- Erdniannsdörffer: DLZ. 8. 1265/7.
— 132) K. Breysig. ürkk. u. Aktenstücke z. Gesch. d. Kurfürsten Friedr. Wilhelm v. Brandenburg. XV. Stand. Verband-
III 1:133-145 AI. Reifferscheid, Allgeraeines des 17./18. Jahrhunderts.
wichtigen Akten aufgenommen hatten; er hat alles, was überhaupt zur Verhandlung
gekommen, vorgelegt und so eine Menge verwaltungs-, wirtschafts-, rechts- und
kirchengeschichtlichen Materials mit zur Veröffentlichung gebracht. — Bobe133)
lenkte die Aufmerksamkeit deutscher Geschichtsforscher auf den im Haseldorfer
Familienarchiv aufbewahrten , umfassenden Nachlass des dänischen Geheimrates
Detlev von Ahlefeldt, der zu dein Grossen Kurfürsten, seinen Diplomaten und Gene-
rälen in vertrautem Briefverkehr gestanden. — In das Getriebe der äusseren Politik
in den J. i657 und 58 führte ein Aufsatz von Arndt134). Wir gewahren die
wachsende Spannung zwischen Brandenburg und Schweden, die erfolglosen Bemüh-
ungen beider Fürsten, Friedrich Wilhelms und Karl Gustavs, sich Magdeburgs für
den Fall eines Krieges zu versichern. — Die Belagerung und Eroberung Stettins
durch den Grossen Kurfürsten im J. 1677 beschrieb nach amtlichen Berichten und
den Mitteilungen militärischer Augenzeugen von Kessel135). — Arndt136) schilderte
nach Briefen Waldecks und des .Pfalzgrafen von Neuburg, wie der Reichsgraf G.
Fr. von Waldeck im J. 1651 eine persönliche Zusammenkunft des Grossen Kurfürsten
mit dem Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm zur Zufriedenheit Friedrich Wilhelms ver-
mittelte.— Meinardus137) gab einen höchst interessanten Beitrag zur Charakteristik
des Grossen Kurlürsten, indem er ein vertrautes Schreiben desselben an Joh. von
Hoverbeck aus dem J. 1661 veröffentlichte. Friedrich Wilhelm spricht darin seine
innersten Gedanken über das Angebot der Krone von Polen unverhohlen aus: „Wenn
Gott ihn dazu beruffen tette, und er in seiner Religion verbleiben kuntte", so hält
er „dafür, dass keiner sein wurde, der der Chron Pollen mehre Avantage zubringen
konnte, den er". Er ist zu allen möglichen Zugeständnissen bereit, will sogar „sein
Preussen wider zu Lehn von der Chron Pollen empfangen". In freudiger Erregung
malt er sich aus: „Wen diesse beide Staatten zusammen kernen, in was consideration
die Republik sich woll bei Freunden und Feinden stellen wurde; ja wo wurde eine
Königs Macht gegen diesse sein"! Er verwahrt sich dann dagegen, dass er von
bösen Leuten „als ein Tirann, der seine Unterthanen übel tractire, ausgeroffen werde".
Er glaubt es „gegen der Posterität" nicht verantworten zu können, wenn er sieb
nicht auch nach Kräften um die polnische Königskrone bemühte. — Gegen Pribram
(s. o. N. 115), der zu sehr den Massstab des Reichsfürsten an die Handlungen
Friedrich Wilhelms angelegt habe, nahm Breysig138) in einem kurzen Artikel den
Grossen Kurfürsten in Schutz und betonte, je preussischer die Hohenzollern gewesen,
desto deutscher seien sie gewesen, ohne dass sie auch nur im mindesten das Be-
wusstsein nationaler Tendenzen zu haben gebraucht. — Landwehr139) vernichtete
die falsche Vorstellung, die erste Heirat des Grossen Kurfürsten sei von beiden
Seiten aus Herzensneigung hervorgegangen, durch Schilderung des romantischen
Liebesverhältnisses der siebzehnjährigen Prinzessin Luise Henriette von Oranien mit
Plenri Charles de la Tremoille, Prinzen von Tarent; nur gezwungen verzichtete sie
auf den Geliebten und reichte nur widerwillig dem Kurfürsten die Hand.140) — Ueber
die Erziehung der älteren Söhne des Grossen Kurfürsten, die dieser seinem ersten
Minister, dem Oberpräsidenten Freiherrn 0. von Schwerin (vgl. JBL. 1893 III 1:74/5)
übertragen, berichtete Hirsch141) nach dem hs. Tagebuche Schwerins, aus dem er
manche charakteristische Einzelheit mitteilte. — Eine wissenschaftliche Biographie
G. Derfflingers, des berühmten Feldmarschalls des Grossen Kurfürsten, hatte
E. Fischer 142) in Angriff genommen. Aus seinem Nachlass erschien nur ein Bruch-
stück, Derfflingers Herkunft und Jugendzeit behandelnd.143) — Ein Stück branden-
burgisch-preussischer Provinzialgeschichte schrieb genau nach den Akten Span-
nagel144). Er schilderte die Einwirkung der brandenburgischen Verwaltung auf das
Fürstentum Minden und die Grafschaft Ravensberg von ihrer Vereinigung mit
Brandenburg-Preussen an bis zu ihrer Vereinigung zu einem Provinzialverbande im
J. 1719 und zeigte, wie die Kräfte der beiden Gebiete zu ihrem eigenen Besten und
zum Vorteil des Gesamtstaates verwertet wurden. — Nach Akten des Reichsarchivs
in Stockholm erörterte Malmström145) die allmähliche Umgestaltung und Neuordnung
des Verwaltungs- und Steuerwesens in den von Schweden oecupierten Teilen
langen. 111. Preussen. I. B., Reimer. XII, 775 S. M. 20,00. |[K. — L.: LCB1. S. 1405/0. J| — 133) L. Bobe, D. Hiiseldorfer
Familienarch. u. seine Briofsamml. E. Boitr. ■/.. Gesch. d. Feldzüga d Gr. Karfürsten: FBPG. 7, S. 180-92. — 134) W. Arndt,
Schweden, Brandenburg, Magdeburg. 1057, 1058: ib. S. 1-48. — 135) K. v. Kessel, D. Belagerung u. Eroberung Stettins
durch d. Gr. Kurfürsten Friedrich Wilhelm im J. 1077: Bar 20, S. 24/7, 31/4. 430, 55/8. — 136) W. Arndt, Waldecks erste
Verwendung im brandenburg. Dienst. 1051. (=14:6, S. 215-39.) |[A. N(aude): FBPG. 7, S. 250.]| — 137) 0. Meinardus,
Kurfürst Friedrich Wilhelms Bemühungen um d. polnische Königskrone: HZ. 72, S. 61/4. — 138) K. Breysig, D. Gr. Kurfürst
u. d. nat. Idee: FBPG. 7, S. 501/4. — 139) H. Landwehr, E. Rivale d. Gr. Kurfürsten: KonsMschr. S. 177-83. - 140) X
R. Brode, Luise Henriette, Kurfürstin v. Brandenburg: MVGBerlin. S. 20/8. (Ber. r. H. Brendicke über d. Vortr. B.s.) —
141) F. Hirsch, D. Erz. d. ältesten Söhne d. Gr. Kurfürston: FBPG. 7, S. 141-71. -- 142) E. Fischer, Georg Derfflinger.
Bruchstück seines Lebensbildes: MWB1". 11, S. 397-451. — 143) X ö. E. v. Natzmcr, Lebensbilder aus d. Jh. nach d. grossen
dtsch. Kriege (JBL. 1892 III 1:43; 1893 III 1:72.) |[B. Erdmannsdörf fer: ÜLZ. S. 944/0; Koedderitz: MHL. 22,
S. 163/4.JI — 144) K. Spannagel, Minden u. Ravensberg unter brandenb.-preuss. Herrschaft v. 1048 — 1719. Hannover u. L.,
Hahn. VIII, 248 S. M. 4,60, — 145) 0. Malmström, Bidrag til Svenska Pommerns historia 1053-00. Helsingborg,
AI. Reifferscheid, Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts. III 1 -.ue-isa
Pommerns. Bemerkenswert ist die energische Opposition der pommerschen Stände gegen
die Schweden. Während die Städte ihnen nicht abgeneigt waren, bereiteten be-
sonders Adlige und Geistliche den von den Schweden unternommenen Reorganisa-
tionsversuchen immer neue Schwierigkeiten. —
Grundlegend für die Geschichte des inneren preussischen Staatslebens im
18. Jh., zunächst der Zeit der Könige Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I.,
ist das grosse Werk der Denkmäler der preussischen Staatsverwaltung, von dem der
erste Band, bearbeitet von Schmoller und Krauske146), jetzt vorliegt. Er wird
eingeleitet durch eine umfangreiche Abhandlung Sch.s, welche eine neue universal-
geschichtliche Auffassung des gesamten Beamtentums anbahnt. Seh. giebt eine
Darstellung der socialen und materiellen Verhältnisse des Beamtentums, erläutert die
Ressort- und Kompetenzabgrenzung zwischen den einzelnen Behörden und legt die
letzten historischen und psychologischen Wurzeln alles Beamtenwesens bloss. So er-
fasst er auch das Fürstentum als ein Amt. Er unterscheidet vier Gruppen, den
Typus der Vorzeit, das erbliche Beamtentum, das Wahlbeamtentum, das Berufs-
beamtentum. Er gewinnt so den universellen Rahmen, in dem die brandenburg-
preussische Organisation als der klassische Typus des berufsmässigen Beamtentums
sich zeigt.147) Auch der Urkundenband befriedigt die höchsten Anforderungen.
Sorgfältige Anmerkungen, in denen alle auftretenden Persönlichkeiten biographisch
behandelt werden, und Mitteilungen aus diplomatischen Berichten erleichtern das
Verständnis. Neue Aufschlüsse darf man sich besonders über die Bedeutung des
vielgeschmähten Friedrich Wilhelm I. versprechen.148-150) — Den schlechten Ruf
verdankt er vor allem den „Denkwürdigkeiten" der eigenen Tochter, der Markgräfin
Friederike Sophie Wilhelmine von Bayreuth (JBL. 1893 III 1:76), deren Unzuver-
lässig-keit schon Ranke und J. G. Droysen erwiesen. Berneck151) unterzog sie
einer neuen Prüfung, indem er ihre Glaubwürdigkeit für die Heiratsverhandlung
vom J. 1730 untersuchte. Er bestätigte die früheren Ergebnisse. Beachtenswert
ist der Vergleich der ersten Redaktion der „Denkwürdigkeiten" mit den späteren
Bearbeitungen, die sich infolge der zunehmenden Verbitterung der Markgräfin immer
weiter von der Wahrheit entfernen. — Während Berneck sich absichtlich nur auf
die gedruckten Quellen stützte, hat Oncken15-) mit Hülfe ungedruckter aus
den Archiven von London und Wien den Nachweis geführt, dass der englische Hof
in der ganzen Heiratsverhandlung durchaus unredlich verfahren, weder eine ein-
fache noch eine doppelte Heirat gewollt hat, sondern nur darauf bedacht gewesen,
den preussischen Hof vom Kaiser loszureissen und den König Friedrich Wilhelm I. der eng-
lischen Politik dienstbar zu machen. — Krauske153) skizzierte den Lebenslauf und die
Bedeutung W. H. von Thulemeiers, des einflussreichen Ministers Friedrich Wilhelms I.154)
— Carlsons 155J Ausgabe der eigenhändigen Briefe Karls XII. von Schweden ist jeden-
falls von höchstem Werte für die Beurteilung des Charakters dieses Königs. — Leber
ein Ereignis aus seiner Geschichte, die Belagerung und Schlacht von Narva, liegt
jetzt der eingehende Bericht eines Augenzeugen vor: die auch kulturgeschichtlich
wichtigen täglichen Aufzeichnungen des Generals von Hallart, der im Auftrage
Peters des Grossen die Belagerung leitete und das persönlich Erlebte unmittelbar
nachher vor Narva und später in schwedischer Kriegsgefangenschaft aufschrieb. Sein
Tagebuch wurde nach einer von Hallart selbst hergestellten Abschrift von Biene-
mann 156) veröffentlicht. 157) —
Leber die kirchlichen und religiösen Zustände in diesem Zeiträume sind
ausser wenigen grösseren Monographien nur kleinere Arbeiten zu erwähnen. Aus
W i n t e r a s ' 58) Schlussartikel über die Schliessung der protestantischen Kirche inBraunau
ist als überraschendes Ergebnis anzuführen, dass thatsächlich 1618 eine Kirchen-
sperre daselbst, die allgemein angenommen worden, nicht stattgefunden hat. Sie er-
folgte erst vier Jahre später, als die protestantische Sache in Böhmen längst ver-
loren war. — Ueber die Durchführung der Gegenreformation in den österreichischen
Ländern sind ausser der wertvollen Monographie Gin delys ,59J, die bereits be-
Joh. Svensson. 42 S. Kr. 1,00. |[F. Arnheim: FBPG. 7, S. 5946.]| — 146) (I 4:148.) |[K. Breysig: LCB1. S. 1622/4;
A. Naude: FBPG. 7, B. 610/5.]| — 147) X (&•) — 148) X (I 4:416.) tfE. B(erner): FBPG. 7, S. 608.]| — 149) X In-
struktion Friedrich Wilhelms 1. an d. General-Direktorium: Bär 20, S. 627. — 150) X E- Edikt Friedrich Wilhelms I. gegen
d. Tragen v. Holzschuhen : ib. S. 422. — 151) K. Bernbeck, D. Denkwürdigkeiten d. Markgräftn Friederike Sophie Wilhelraine
v. Bayreuth u. d. englisch-dtsch. Heiratsverhandl. v. 1730. Mit e. Vorw. v. W. Oncken. (= Giessener Stud. auf d. Gebiete
d. Gesch. N. 6.) Giessen, J Richter. X, 104 S. M. 2,80. |[K. Treutsch v. Buttlar: FBPG. 7, S. 616/7; LCB1. S. 1285.]| —
152) W. Oncken, Sir Charles Hotham u. Friedrich Wilhelm I. im J. 1730. Urkundl. Aufschlüsse ans d. Arch. zu London
u. Wien: FBPG. 7, S. 377-407. — 153) O. Krauske, W. H. y. Thulemeier: ADB. 38, S. 161,3. — 154) X W. Falcken-
heiner: E. Schulze, Lebensbeschr. d. Prinzen Ludwig Grano v. Hessen-Homburg (JBL. 1892 III 1:44): MHL. 22, S. 3334.
— 155) O X X E- Carlson, D. eigenhänd. Briefe König Karls XII. Gesaram. u. her. Autoris. dtsch. Uebers. v. F. M e w i u s.
B., Reimer. XLVIII, 455 S. M. 9,00. |[01a Hansson: Nation». 11^ S. 259-62; H. v. Petersdorf f: FBPG. 7, S. 609-10;
U. Schirren: DLZ. 8. 1337/8; Geg. 46, S. _23.]| — 156) F. Bienemann, D. Tagebuch d. Generals v. Hallart über d. Belag,
u. Schlacht bei Narva 1700. Her.: BKELK. 4, S. 357-438. - 157) O X X F. Biedermann. Propst Glücks Berichte aus
Marienbnrg an d. Generalgonverneur Grafen Dahlberg vom J. 1701: BaltMschr. 41, S. 607-19, 680-96. — 158) L. Wintera,
Gesch. d. Protestant. Bewegung in Braunau. Nach Archivquellen: MVGDB. 32, 8. 25-47. — 159) (= N. 15.) — 160) O XX
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. G^)~
III 1:160-171 AI. Reifferscheid, Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts.
sprochen, nur kleinere Aufsätze zu nennen, die alle unzugänglich waren160" 164J. —
Die Gegenreformation auf dem Eichsfelde, dessen Bevölkerung 1582 noch vollständig
evangelisch gewesen, behandelte in wenig übersichtlicher Weise von Wintzingeroda-
Knorr165). — Die Antrittsvorlesung von Kvacsala,66)über die irenischen Bestrebungen
des Duraeus und seiner Freunde bietet nicht viel Neues. — Eine gerechtere Wür-
digung der Bestrebungen der mährischen Wiedertäufer verdanken wir Loser th l67).
Nachdem er in einem besonderen Buch ihren Apostel Dr. Balthasar Hubmaier und
die Anfänge der Wiedertäufer in Mähren behandelt (JBL. 1893 II 6 : 181), schrieb er
auf Grund einer reichhaltigen Sammlung von Aktenstücken, Sendbriefen, Lehr-
gebäuden, Handwerksordnungen aus dem Nachlasse des Hofrates Ritter von Beck die
Geschichte der Hüterschen Gemeinschaft in Mähren von ihrem Entstehen bis zu
ihrer Vertreibung und schilderte dann ihr inneres Leben, ihr Lehrsystem und ihre
kommunistischen Lebensformen. — Tollin168) beendete sein reichhaltiges, auf den
umfassendsten Quellenstudien beruhendes Werk, in dem er die Geschichte der fran-
zösischen Kolonie in Magdeburg als ein Spiegelbild des gesamten Refuges darstellte.
Es ist mit grosser Wärme und Hingebung geschrieben und erweckt auch bei Ferner-
stehenden lebhafte Teilnahme für das eigenartige Wesen hugenottischer Gemeinden.
Der Schlussteil schildert die innere Entwicklung der französischen Kirchengemeinde
in Magdeburg. Mit unermüdlichem Eifer hatte T. sich aus verschiedenen Archiven
das überreiche Material zusammengebracht, es ist ihm nicht gelungen, desselben
Herr zu werden. So erklärt sich die planlose Art der Veröffentlichung. In den
beiden ersten Bänden gab er die allgemeine Geschichte der Hugenotten vor und nach
1685, die Geschichte der französischen Kolonien in der Provinz Sachsen und die
der Magdeburger Gemeinde bis zum Tempelbau. 1889 liess er in der zweiten Ab-
teilung des dritten Bandes ein Urkundenbuch der Magdeburger Gemeinde mit einem
kurzen Ueberblick ihrer Geschichte erscheinen. 1892 sohilderte er den Kampf der
hugenottischen Glaubensflüchtlinge insbesondere in Magdeburg (JBL. 1892 14:810),
1893 den Nutzen des Refuges, besonders in Magdeburg160) (JBL. 1893 I 4:527). —
Von dem allmählichen Wiederaufleben des französischen Protestantismus in den
J. 1715, dem Todesjahre Ludwigs XIV., bis 1787, in welchem Jahre das Toleranzedikt
Ludwigs XVI. erlassen wurde, giebt Schott no) eine gedrängte Darstellung und schildert
eingehend den. Entwicklungsgang und die segensreiche Wirksamkeit von Antoine Court
(geb.* 1695, gest. 1760), der den Glaubensgenossen sein ganzes Leben gewidmet. — Auf
Grund selbständigen Quellenstudiums und teilweise eigener archivalischer Forsch-
ungen brachte Landwehr171) (gest. 24. Juni 1894 im Alter von 35 Jahren) die
Kirchenpolitik des Grossen Kurfürsten, im wesentlichen nur die evangelischen Verhält-
nisse berücksichtigend, zur Darstellung. Nach einer Einleitung über die Glaubens-
grundsätze Friedrich Wilhelms behandelte er dessen Reichspolitik und zeigte, wie er
bei jeder Gelegenheit die evangelischen Interessen kraftvoll vertreten und eine Allianz
aller evangelischen Mächte angestrebt hat. Seine Landespolitik war je nach den
eigenartigen Verhältnissen der Landschaften verschieden ; dem entsprechend betrachtet
L. die einzelnen Landesteile gesondert, eingehend Preussen und die Mark. Bei
der Beurteilung der kirchlichen Verhältnisse Preussens, für die L. fast aus-
schliesslich auf die giftigen Streitschriften der starren Lutheraner angewiesen war,
verliert er die Unbefangenheit und wird ungerecht gegen die Reformierten. Der
Kurfürst gewährte allen christlichen Konfessionen gleiches Recht und gleichen Schutz,
forderte aber aufs strengste von allen Frieden und gegenseitige Duldung. Volle
Anerkennung verdient L.s Behandlung der kirchlichen Verhältnisse in der Mark,
wo er, durch Archivalien unterstützt, überall die Verdienste Friedrich Wilhelms nach
Gebühr würdigt. Nach zum Teil neuen Quellen stellt der Vf. dann die Beziehungen
des Kurfürsten zu den französischen Hugenotten dar und seine rege Teilnahme für
die irenischen Bestrebungen sowohl des. Duraeus wie Spinolas. In einem Anhang
wird das Verhalten Friedrich Wilhelms seinen katholischen Unterthanen gegenüber
betrachtet, das überall den Rechtsstandpunkt wahrte, in den verschiedenen Land-
schaften aber je nach den Verhältnissen und politischen Rücksichten ein verschiedenes
IL G radl, D. Reformat d. Egerlandes: JGGPÖ.14,S. 185-237 (vgl. ib. 13, S. 155-95). - 161) O XX *• Pichle r, E.siebzigtäg. Feldzug :
ib S. 1-44. (D. vom 28. Aug. bis z. 15. Nov. 1600 durchgeführte, in Klagenfurt abgeschlossene Gegenreform, in Kärnten.) — 162) O XX
F. Scheichl, Glaubensftüchtlinge aus d. österr. Gebieten in d. letzten vier Jhh.: ib. S. 134-85. — 163) O X X id., Bilder
aus d. Zeit d. Gegenreform. : ib. 15, S.40/8, 199-204. — 164) OXXH.Weigel,D. Durchfuhr, d. Gegenreforra. in Fugau : ib. S. 78-98. —
165) L. Frhr. v. Wintzingeroda-Knorr, D. Kämpfe u. Leiden d. Evang. auf d. Eichsfelde während dreier Jhh. IL D.
Vollendung d. Gegenreform, u. d. Behandl. d. Evang. seit d. Beendigung d. 30 j. Krieges. (= Schriften d. Ver. für Reformations-
Gesch. N. 11.) Halle a. S., Niemeyer. 128 S. M. 1,20. — 166) J. Kvacsala, Irenische Bestrebungen z. Zeit d. 30j. Krieges.
Antrittsvorlesung. (=Acta et commentationes univ. Imp. Jurievensis [olim Dorpatiensis| N. 1.) 22 S. |[ThLBl. 15, S. 321. J| — 167)
J. Loserth, D. Kommunismus d. mährischen Wiedertäufer im 16. u. 17. Jh. Beitrr. zu ihrer Gesch., Lehre u. Vorfass. :
AÖG. 81, S. 135-322. (Auch als Sonderabdr. : Wien, Tempsky. 188 S. M. 3,60.) — 168) (14:420; lVlb:405.) |[LUB1.
S. 1449-50; 0. Tschirch: DLZ. S. 1579-82.]| — 169) X H. Tollin, Hugenottischer Hausbesitz seit 1735—85:
GBUMagdeburg. 29, S. 1-cO. — 170) Th. Schott, D. Kirche d. Wüste. 1715-87. D. Wiederaufleben d. franz. Pro-
testantismus im 18. Jh. (= Schriften d. Ver. für Keformat.-Gesch. N. 43/4.) Hallo a. 8., Nieraeyer. 216 S. M. 2,40.
— 171) IL Landwehr, D. Kirchenpolitik Friedrich Wilhelms, d. Gr. Kurfürsten. Auf Grund arch. Quellen. B., E. Hofmann & Co.
XII, 385 S. M. 7,20. |[K. Br(ey)s(i)g: LCB1. S. 1207/8; KonsMschr. 51, S. 771/2; F. Hirsch: DLZ. 8. 815/9; id.: MOL. 22,
AI. Reifferscheid, Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts. III 1. i72-is;
war. Zum Schluss zeigt L. des Kurfürsten Toleranz auch den Juden gegenüber
(vgl. JBL. 1892 III 1 : 30). Nicht verschwiegen werden darf, dass nach diesem
Werke die kirchlichen Archive sich meistens im Zustande grösster Unordnung be-
finden, so dass selbst Eingeweihten ein Ueberblick nicht möglich ist.172"173) — Ver-
leitet durch eine scherzhafte Aeusserung des Grossen Kurfürsten gab man sich in
Rom der Illusion hin, er sei geneigt, zum Katholizismus überzutreten. Ribbeck174)
veröffentlichte einen Brief des Sekretärs des päpstlichen Breven vom J. 1677, in dem
der Paderborner Bischof ersucht wird, die Gesinnungen des Kurfürsten genauer zu
erforschen und nötigenfalls auf ihn einzuwirken. — Treffende Auseinandersetzungen
über die religiösen Ideen, die Unionsbestrebungen, das Auftreten des Johann de La-
badie finden sich in der oben besprochenen deutschen Geschichte von Zwiedineck-
S ü d e n h o r s t s 175: 175il).— Einen wertvollen Beitrag zur Geschichte der kirchlichen Kämpfe
zwischen Reformierten und Lutheranern gab Frensdorff 176) durch seine Geschichte
der Familie Pauli, deren bedeutende Glieder reformierte Theologen waren. Im An-
schluss an vierzehn Briefe König Friedrich Wilhelms I. an Reinhold Pauli (JBL.
1893 III 1 : 80), behandelt F. in einem zweiten Teile die kirchlichen Zustände in
Preussen, die Kirchen politik und die religiösen Anschauungen Friedrich Wilhelms I.
— A. von Winter feld l77) zeigte, welchen Widerstand Friedrich Wilhelms I. Reglement
für den Gottesdienst fand, das nach dem Beispiel der Reformierten alles, was im
lutherischen Gottesdienst an katholische Ceremonien erinnerte, beseitigen wollte. Nur
ein Prediger hatte den Mut offen zu erklären : „Hier wissen wir nichts von papisti-
schen und abergläubischen, sondern nur von uralten apostolischen Ceremonien".
Er wurde sofort dimittiert und kassiert. Friedrich II. nahm das Reglement zurück
und stellte den Gemeinden frei, ob sie die alten Ceremonien beibehalten oder ab-
stellen wollten.178) — Von F. Wolff17") erschien ein Beitrag zur Geschichte der Be-
ziehungen zwischen der preussischen Regierung und den Protestanten in Polen, die
sich über Getährdung oder Behinderung des exercitium publicum beklagten, deren
Lage aber durch die Einmischung Preussens und die von Preussen gegen seine
katholischen Unterthanen unternommenen Repressalien nur verschlimmert wurde. —
Gruber180) verfasste ein Programm über die Ansiedlung der Salzburger Pro-
testanten in Ostpreussen, die sich bei dem renitenten W'esen eines Teils der Auswan-
derer nicht leicht durchführen liess. — Als Ergänzung zu Ehrenbergs Schrift über
die Jesuiten in Altona (JBL. 1893 III 1 : 98) veröffentlichte Wagner181) eine Rela-
tion vom J. 1603 über die Notwendigkeit der Unterstützung der Jesuiten in Altona
durch die Kurie. Interessant ist, dass danach der Graf von Schauenburg bereit war{
den Jesuiten gegen ein gutes Geschenk von 8000 Scudi die Ausübung der Seelsorge
in Altona zu gestatten. — Einen schönen Beitrag zur Geschichte des Judentums
lieferte Kaufmann182) in seinem Werk über J. C. Bacharach, den gelehrtesten und
vielseitigsten deutschen Rabbiner des 17. Jh., aus den Memorbüchern der älteren
jüdischen Gemeinden und nach den Grabsteinen der jüdischen Friedhöfe. —
Für die Geschichte des geistigen Lebens dieser Zeit im allgemeinen
liegen ausser einem Quellenwerke einige Monographien und mehrere kleinere
Arbeiten vor. Mit Freuden zu begrüssen ist Webers183) Auswahl bisher unver-
öffentlichter Briefe berühmter Männer des 17. Jh. aus Göttinger Hss. mit reichen
Anmerkungen. Am meisten kommen hier in Betracht die launigen Briefe des Paulus
Melissus und des Janus Gruterus, durch die unsere Kenntnis des geistigen Lebens
in Heidelberg (vgl. JBL. 1890 III 1:6) in mancher Beziehung erweitert wird. —
Eine blosse Aufzählung bedeutender Männer einer bestimmten Gegend scheint Geist-
hirts 184) „Schmalkaldia litterata" zu sein. — Grosse Hoffnungen weckt das Werk
von Dessoir185), das mir leider unzugänglich geblieben.186-187) — Ebenso wenig
S. 481/6; ThLBl. 15, S. 371; K Köhler: ThLZ. 19, S. 469-71; O. Tschirch: FBPG. 7, S. 597-600.J| — 172) X H- Landwehr,
Bartholom. Stosch (JBL. 1S93 111 1 : 87). |[ThLBl. 15, S. 225; G. Kawerau: ThLZ. 19, 24S,9.]| — 173) X W. Beyschlag, P.
Gr KnrfQrst als evang. Charakter (JBL. 1S93 III 1 : 88). ||K. Breysig: LCB1. S. 988,9; F. Hirsch: MHL. 22, 8. 455.]l —
174) W. Ribbeck, E. Brief über d. erwarteten Uebertritt d. Gr. Kurfürsten •/.. Katholizismus: FBPG. 7, S. 207/8. — 175)
(— N. 10.) - 175 a) X R- Albert, P. Grünberg, Ph 3. Spener (JBL. 1893 III l : 90): ThLBl. 15, S. 391. — 176) F. Frens-
dorff, Briefe König Friedrich Wilhelms I. v. Preussen an Hermann Beinhold Pauli. Her. u. eingel. Göttingen, Dietrich.
58 S. M. 3,60. |[A. N(audti): FBPG. 7, S. 260,1.]| — 177) A. t. Winterfeld, König Friedrich Wilhelm I. v. Preussen als
oberster Landesbischof: Bär 20, S. 165fS. — 178) X Verfügung Friedrich Wilhelms I. gegen zu lange Predigten: ib. S. 519. —
179) F. Wolff, Preussen u. d. Protestanten in Polen 1724. Progr. d. Andreas-Kealgymn. B. (R. Gaertner). 4°. 30 S. \\Vr.
Holtze: FBPG. 7, S. 617,8.J| — 180) C. Gruber, 1). Salzburger Emigranten. Progr. Marienburg (L. Giesow). 1893. 71 S.
||F. Hirsch: MHL. 22, S. 26.]| (Vgl. JBL. 1893 IV 8d : 7.) — 181) F. Wagner, Z. Gesch. d. Jesuiten-Mission in Altona:
ZVHambG. 9, S. 633/8. — 182) (I 4:437.) |[H. L. Strack: ThLBl. 15, Ö. 559-60.JI — 183) E. Weber, Virorum clarorum
saeculi XVI et XVII epistolae selectae. E codicibus ms. Göttingensibus edidit et adnotationibus instruxit. L., Teubner. X,
195 S. M. 2,40. — 184) O X X J- C. Geisthirt, Schmalkaldia litteruta, d. i. hist. Beschreibung 191 gelehrter Leute,
welche in d. Stadt Schmalkalden u. d. dahin gehörig. Ortschaften geboren, sowohl daselbst als an anderen Orten d. gemeine
Beste im weltl. u. geistl. Regiment, wie anch auf Academien u. geringeren Schulen befördert u. noch befördern, nach aiphabet.
Ordnung aufgestellt. (= ZVHennebergG. N. 12.) Schmalkalden (F. Wilisch). 4°. VIII, 96S. M. 2,00. — 185) O X X M. Dessoir,
Gesch. d. neueren dtsch. Psycho!. 1. Bd. V. Leibniz bis Kant. B., C. Duncker. XIII, 439 S. M. 13,50. |[A. Drews:
PJb. 77, S. 557-64.]| — 186) X W. Dilthey, D. natürl. System d. Geisteswissenschaften im 17. Jh. (JBL. 1893 HI 1 : 110):
MhComeniusG. 3, S. 104. — 187) X B- George, L. Geiger, Berlin 1688-1840 (JBL. 1892 I 4:586; III 1:59; IV lb:47):
(3)2*
III 1:188-206 AI. Reiff erscheid, Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts.
standen mir Dittmars188) Mitteilungen aus dem Tagebuch des Fürsten Christian
von Anhalt-Bernburg zu Gebote. — Kleine Berichtigungen zu Büngers Buch über
M. Bernegger (JBL. 1893 III 1:109) gab Jacob180"1110) auf Grund eigener Nach-
forschungen im Strassburger Archiv. Darnach lag Kaspar Bernegger eine Arbeit
seines Vaters über Strassburgs Verfassung vor, als er einen Abriss der verfassungs-
geschichtlichen Entwicklung seiner Vaterstadt zu geben gedachte. Kaspar Bernegger
war ferner nach J. nicht Geschäftsträger der Stadt Strassburg am französischen Hofe,
wie Bünger angab, sondern führte nur von Strassburg aus die Korrespondenz mit
dem Geschäftsträger der Stadt in Paris. — Recht dankenswert war Bischoffs101)
MonogTaphie über das Leben und die vielseitige litterarische Thätigkeit Georg
Philipp Harsdörfers, die er zu einem richtigen Zeitbilde zu gestalten wusste. Sehr
störend ist es, dass die Noten hinter jedem Kapitel, dessen Umfang nicht durch
Kolumnentitel angedeutet wird, versteckt sind. — Den Abschnitt über Harsdörfer
als Mathematiker und Naturphilosophen hat Rudel102) beigesteuert. — Gegenüber
der breiten Darstellung Bischoffs hebt sich die gedrängte Schmidts1015) in seinem
Aufsatz über Sigmund Birken vorteilhaft ab. Schade, dass er nicht tiefer einge-
drungen ist.104) — Zur kritischen Geschichte der deutschen Publizistik105-106) ist ein
neuer tüchtiger Beitrag von Mayr-Deisinger 10") geliefert worden, der leider unter
Ausschluss der Oeffentlichkeit erschienen ist. — Von den Briefen des berühmten
Publizisten S. Pufendorf veröffentlichte Varrentrapp108) weitere zwei und nach
einer Greifswalder Hs. Auszüge aus anderen. Charakteristisch ist Pufendorfs Aeusse-
rung, als er gefragt worden, ob er Otto Wilhelms von Königsmark Thaten beschreiben
wolle: „Graf Otto Wilhelms seine Sachen sind sehr denkwürdig; es gehören dazu
aber 1. sehr gute Journals und Memoires, nam ex nihilo nihil fit und muss man
keine Historie aus dem Kopfe machen ä la francaise, 2. thut man auch solche Arbeit
nicht für nichts". m)) — Die Ergebnisse seiner Studien über das Verhältnis des
Grossen Kurfürsten zu den Hochschulen legte Varrentrapp200) vor. Friedrich
Wilhelm hegte lebhafte Teilnahme für wissenschaftliche Forschung. Er erliess
strenge Edikte gegen den Pennalismus und sorgte trotz des Widerstrebens der
Lutheraner für die Berufung irenisch gesinnter Lehrer. Er begründete eine neue
Hochschule zu Duisburg und versah sie mit tüchtigen Gelehrten. Nur kurze Zeit
beschäftigte ihn der uferlose Plan einer brandenburgischen Universaluniversität der
Völker, Wissenschaften und Künste.201"204) —
Aus dem Fache der Literaturgeschichte205) ist eine vortreffliche Ab-
handlung zu erwähnen, die ein bisher völlig vernachlässigtes Gebiet, dessen Wich-
tigkeit für die Geistesgeschichte des 17. und 18. Jh. nicht zu verkennen ist, erschlossen
hat: Bor inskis206) Buch über den spanischen Schriftsteller Gracian, den Vater der beiden
wichtigsten Elemente der modernen Bildung, der Theorie des Geschmacks und der
Praxis der Weltklugheit, die man damals Politik nannte. In einem zweiten Teile
behandelte er die Hoflitteratur in Deutschland und besonders die Hofdichtung des
17. Jh. — WTährend Borinski in seinem Buche nachdrücklich die Wichtigkeit der Unter-
suchung des spanischen Einflusses auf die deutsche Litteratur des 17. Jh. hervor-
gehoben, untersuchte Steinhausen207) die Anfänge des französischen Litteratur- und
Kultureinflusses in Deutschland. — Den Anteil einer bestimmten Landschaft an
der deutschen Litteratur bis zum Ende des 17. Jh. behandelte K. Schröder208) in
einem Vortrage. Er zählte eine Reihe von Schriftstellern auf, die entweder in
Mecklenburg geboren oder dort wirkend sich in der Dichtung mehr oder weniger
versucht haben. Man darf ihm zugestehen, dass die Mecklenburger auch im 17. Jh.
nach ihrem geistigen Vermögen sich am litterarischen Schaffen beteiligt haben. —
Rar 20, S. 470. — 188) O X X M. Dittmar, Aus d. Tageb. d. Fürsten Christian d. J. v. Anhalt-Bernbnrg: GBUMagdebnrg. 29,
S. 90-136.— 189-90) K. Jacob, Zn Matth. u. Kasp. Bernegger: ZGORh. 9, S. 519-23.— 191) Th. Bischoff, Georg Philipp
Harsdörfer. E. Zeitbild ans d. 17. Jh. (— Festschr. z. 250j. Jubelfeier d. Pegnes. Blumenordens, gegründ. in Nürnberg am
10. Okt. 1044. [Nürnberg, J. L. Schräg. XVI, 032 S. M. 8,00], XVI P. u. S. 1-300,405-74.) (Mit vielen Abbild.; vgl. III 2: 22.)
— 192) K. Rudel, Harsdörfer als mathemat.-naturphilos. Schriftsteller. (= ebda. S. 301-403.) — 193) Aug. Schmidt,
Sigmund v. Birken, gen. Betulius. 1626-81. (= ebda, S. 475 532.) — 194) X M. . S ch ü s s 1 e r, Jubil. d. Blumenordens:
ÜL&M. 72, S. 774/5. — 195) X J- Gebauer, D. Publizistik über d. böhm. Aufstand v. 1018 (JBL. 1892 1111:62). |[L. Viereck:
MHL. 22, S. 56-60; HZ. 73, S. 176.] | — 196) A. Pribram, J. Haller, I). dtsch. Publizistik in d. J. 166S-84 (JBL. 1892
III 1 :63): HZ. 72, S. 106. — 197) O X X Mayr-Deisinger, D. Flugschriften d. J. 1618-20 u. ihre polit. Bedeutung.
Hab.-Schr. München. 1893. 96 S. — 198) K. Varrentrapp, Briefe Pnfendorfs an Falaiseau, Friese u. Weigel: HZ. 73,
8.59-07. — 199) X S. Eck,' A. Rebelliau, Bossuet historien du protestantisme (JBL 1S92 III 1:68; 1893 1111:121):
ThLZ. 19, S. 45/8. — 200) (I 4:57.) |[A. N(aude): FBPG. 7, S. 255/6; F. Hirsch: MHL. 22, S. 455/6; HZ. 73, S. 177/&H
— 201) X G. Galland, D. Gr. Kurfürst u Moritz v. Nassau (JBL. 1S93 III 1 : 123): VossZg. N. 100. — 202) X id-.D. Gr. Kur-
fürst u. d. Wunderglaube. Nach archival. Qnellen. 1. Friedr. W'ilh. u. d. naturwissensch. Wunder. II. Friedr. Wilh. u. d.
Zaubeiwesen: Zeitgeist N. 46, 48. — 203) X & Mosen, D. Leben d. Prinzessin Charlotto Amelie de la Tremoille (JBL. 1892
III 1:70). |[A. Tuxen: HT». 5, S. 243-53; Hessenland S. 55;6.]| — 204) X R- Fester, Kurfürstin Sophie v. Hannover (JBL. 1893
III 1 : 127). |[DWB1. 7, S. 12; C. Span nag el: DLZ. S. 055; HZ. 72, S. 500.]| — 205) X H. Hettner, Litt.-Gesch. III 1
(JBL. 1893 III 1:134): PrJbb. 75, S. 371. - 206) (I 4:85; 111 2:371. |[K. H.: LCB1. S. 1674/5; ZVLR. 7, S. 1-27.J| —
AI. Reiffersoheid, Allgemeines des 17./18. Jahrhunderts. 111 1:207-210 III 2 1-5
Ueber die bedeutendsten französischen Schriftsteller des 17. Jh. veröffentlichte Faguet20»)
in 13. Auflage geschmackvolle, für ein weiteres Publikum bestimmte Studien, ohne
wissenschaftlichen Wert. — Das Andenken eines in der deutschen Literatur-
geschichte verschollenen Mannes, Joh. Wilh. Steinauers aus Naumburg, eines Partei-
gängers Gottscheds, erneute Günther210). —
111,2
Lyrik.
Ludwig Pariser.
Hoch/.eitslieder N. 1. - Volksluder N. 3. — Geistliche Lyrik: F. von Speo N. 7; G. Trckel N. 10; II. Thomasius
N. 11; M. A. von Löwenstein N. 12; D. Trommer N. 13; P. Gerhardt N. 14; J. und A. Tribbechow N. 16; Landgraf Friedrich
Jakob von Hessen- Homburg N. 18: G Terstegen N. 19 — Weltliche Kunstlyrik: Pegnitzschäfer N. 22; schlesischo Dichtor:
A. Tschcrning N. 25, Chrph. Köler N. 2<5. F. von Logau N. 28, J. P. TM* N. 29, Chrn. Günther N. 33; Hofdichtung N. 37;
J. Trocmcr N. 38; F. von Hagedorn N. 39: J. Chrn. Lose N. 40; D. Triller N. 41. —
An bibliographischen Arbeiten haben wir keinen Zuwachs erhalten ; ebenso-
wenig haben einzelne Perioden aus der Geschichte der geistlichen oder weltlichen
Lyrik unseres Zeitraums Bearbeiter gefunden. Die Mehrzahl der zu besprechenden
Schriften fördert lediglich die Kenntnis biographischer Einzelheiten.1) Aus der „Vitae
Pomeranorum" betitelten Sammlung der Universitäts-Bibliothek zu Greifswald teilt
Adam2) den Inhalt von 31 niederdeutschen Hochzeitsliedern mit, die
er nach dem Namen des Bräutigams alphabetisch geordnet hat. Zumeist in den
patricischen Kreisen der pommerschen Städte entstanden, bieten sie mancherlei kultur-
historisch Interessantes in derb humoristischen Schilderungen. Die Sammlung umfasst
einen Zeitraum von etwa 70 Jahren und hört mit dem J. 1700 auf. Die ältesten
Hochzeitscarmina sind lateinisch, ihnen folgen zunächst halb hochdeutsche und halb
lateinische, denen sich zuweilen ein plattdeutscher Schwank anschliesst, bis endlich
um die Mitte des 17. Jh. das Latein ganz verdrängt wird. Mit der in Vorpommern
gegen den Schluss des 17. Jh. zur Herrschaft gelangten Orthodoxie nehmen alsbald
die ausgelassenen Hochzeitsgedichte ein Ende. —
Für die Geschichte des Volksliedes ist diesmal wenig Material hinzuge-
kommen.3) Ein Gebiet, welches seit Reinh. Köhlers grundlegender Arbeit
„Um Städte werben" [Arch. für Litt.-Gesch. 1870, S. 228 ff.] wenig Beachtung
fand, hat Rubensohn4) durch die Herausgabe der „Werbung Hertzoges Albrecht
von Friedlandt an Jungkfrau Magdeburgk (1629)" bereichert. R. fand das Gedicht
in einem Exemplar der deutschen Poemata von Opitz aus der Meusebachschen
Sammlung. Ein persönlicher Bekannter von Opitz, der Strassburger Nikolaus
Rittershaus — seit 1634 Professor der Jurisprudenz in Altdorf, — hat es neben
andern Gedichten dort eingeschrieben. Der Herausgeber vermutet, dass Rittershaus,
dessen Familie aus Braunschweig gebürtig war, selbst die Werbung gedichtet hat.
Seit der Belagerung Braunschweigs durch Herzog Heinrich Julius (1605) stand es mit
Magdeburg in einem Freundschafts- und Unterstützungsverhältnis, dem von Seiten
Braunschweigs durch dieses Gedicht Ausdruck gegeben werden sollte. Es hat 8 zeilige
Strophen und sowohl die Sprache wie die verwendeten Motive sind volkstümlich ge-
halten; die Verstechnik verrät jedoch, dass der Vf. dem Kreise der Opitzianer nahe
stand. Der Dichter dieser Brautwerbung folgt im grossen und ganzen den geschicht-
lichen Vorgängen aus den J. 1625 — 29. Er lässt Wallenstein zuerst durch seinen
Obersten freundlich um die Stadt anhalten und dem abgewiesenen Freier durch die
Jungfrau Magdeburg den Rat geben, nach Halberstadt zu ziehen und sich dort am
Ofen zu wärmen. Köhler, welcher das Gedicht nach einer WTeimaraner Hs. mit-
geteilt hat, bezeichnet es als das älteste der Gattung. R. fügt die Abweichungen
seiner Vorlage von der Weimaraner Hs. hinzu, aus denen erhellt, dass letztere die
Kopie eines „verständnislosen" Schreibers ist — vermutlich nach dem Berliner
Exemplar. — W'allensteins Verhältnis zu Kaiser Ferdinand und seine Ermordung
behandeln drei czechische Volkslieder aus dem 17. Jh., die Zibrt5), teils aus
207) (I 4:86.) — 208) (I 1 :59.) — 209) E. Faguet, Dix-septieme sieole, et. litt. 13. ed. (= Nouv. ßibl. litt.) Paris,
Lecene, Oudin & Cie. VII, 480 S. — 210) 0. Günther, Aus Gottscheds Briefwechsel: MDGesLeipzig. 9, 8. 47-60. —
1) X A- Leitzmann, G. Ellinger, Kirchenlied n. Volkslied (JBL. 1892 III 2:6): LBIGRPh. 15, S. 80/1. (L. be-
mängelt d. unrichtige Verhältnis zwischen d. Stoffinasse u. d. gegebenen Raum. Ellinger selbst aber hat schon fS. 15J d. ihm auf-
erlegte Beschränkung beklagt.) — 2) K. Adam, Niederdtsch. Hochzeitsgedichte d. 17. u. 18. Jh. aus Pommern: JbVNiederdSpr. 19,
S. 122-30. — 3) O X (I 5 = 329.) - 4) (III 1 : 27.) — 5) C. Zibrt, Ceske pisne o Waldäteinovi a Harantovi ze XVII. a XVIII.
III 2:6-15 L. Pariser, Lyrik d. 17./18. Jahrhunderts.
älteren Drucken, teils nach Hss. der Krakauer Bibliothek veröffentlicht. Ob sie mit
deutschen Liedern zusammenhängen, kann ich wegen Unkenntnis der czechischen
Sprache nicht beurteilen. — Aus den Sammlungen italienischer Madrigale und Can-
zonetten von Orazio Vecchi, Giovanni di Macque und Ippolito Busi hat Bolte6) die
Originale von 7 deutschen Liedchen veröffentlicht, welche sich in dem Liederbuch
Christoph von Schallenbergs in deutscher Uebersetzung befinden (vgl. J. Hurch:
ASNS. 87, S. 46). -
Die katholische Dichtung innerhalb der geistlichen Lyrik hat in dem
Berichtsjahre keinen Bearbeiter gefunden. — Gebhards Monographie über Friedrich
von Spee (JBL. 1893 III 2:11) wird von einem Anonymus") zu jesuitenfreundliche
Gesinnung vorgeworfen.8) Sowohl die oberflächliche Art, wie die Trutznachtigall be-
sprochen wird, wie die Darstellung von Spees Verdiensten um die Beseitigung der
Hexen prozesse wird abfällig kritisiert.'-') —
Die Vorbilder für die geistlichen Deutschen Epigrammata von Gerhard
Trekel (1645) hat Roethe10) in den lateinischen Epigrammen des Johann Steinmetz
gefunden. R. charakterisiert die ersteren als triviale Machwerke voll anspruchsvoller
dogmatischer Ausfälle gegen die Ketzer; obendrein sei der Vf. der schwierigen, aus
dem Lateinischen entlehnten Form nicht Herr geworden. —
Der Augsburger Rechtsgelehrte Hieronymus Thomasius, obschon von
grösserer Bedeutung auf dem Gebiete des Dramas, gehört wegen seiner „Sonn- und
Festtagsandachten" in den Kreis unserer Besprechungen. Wie schon der Titel verrät,
hatsich Thomasius die Sonn- und Feiertagssonette des Andreas Gryphius zum Muster ge-
nommen. Auf Grund der Vorarbeiten Creizenachs berichtet Roethe11) von dem
abenteuerlichen Leben und den Werken des Thomasius. Er weist auf sein technisches
Geschick hin, das sich besonders in wilden Scenen, Sturm- und Gewitterschilderungen
offenbare. Dagegen verfällt er andererseits auch in die Fehler seiner schlesischen
Lehrmeister, deren Bombast, Sentimentalität und übel angebrachte Gelehrsamkeit er
selbst bei Motiven verwertet, die er aus den Evangelien herüber genommen hat. Die
ihm mangelnde Reife des Geschmacks zeigt sich auch, wenn er in seiner geistlichen
Lyrik burschikose Ausdrücke verwendet. —
Der 300. Geburtstag von Matthaeus Apelles von Löwenstern hat
AI brecht12) veranlasst, die Erinnerung an den begabten schlesischen Dichter und
Musiker wieder aufzufrischen. Zwar ist die auf ihn angewendete Bezeichnung „ein
vergessener Dichter", insofern nicht zutreffend, als sowohl die ADB., Gervinus, Kober-
stein als auch die musikgeschichtlichen Sammelwerke Auskunft über Löwenstern geben;
unter dem Namen: Matthaeus Apelles ist er bei Goedeke verzeichnet. Das Kriegs-
elend, das die Wallensteinschen und Mansfeldschen Truppen — im Dienste der Gegen-
reformation — in seine schlesische Heimat brachten, gab seinen ersten Liedern die
Grundstimmung. Die Gewandtheit der schlesischen Dichter in der Beherrschung
und Kombinierung der Formen besitzt auch er, unterstützt durch ungewöhnliche
musikalische Begabung. Während er den Alexandriner nur ausnahmsweise anwendet,
liebt er es, seine Kirchenlieder durch antike Strophenformen neben dem Reim aus-
zuschmücken. Eine Sapphische und eine Alkäische Ode von ihm werden noch heute
in evangelischen Gemeinden gesungen und finden sich unter den Nummern 212 und
584 im brandenburgschen Provinzialgesangbuch. Von ihm rühren auch Psalmen-
paraphrasen her (z.B. ein schönes Auferstehungslied nach Psalm 121) und geistliche
Oden, die ihn als vortrefflichen Uebersetzer lateinischer Hymnen zeigen. —
Charakteristisch für die Weise dichtender Dilettanten aus geistlichem Stande
ist die grösstenteils aus geistlichen Liedern bestehende Sammlung „Nickerische
Poesie" des Pfarrers David Trommer aus Plauen, die M. von Waldberg13) be-
spricht. Abgesehen von dem Mangel jeglicher dichterischer Eigenart verrät sie in
ihrer unbeholfenen Nachahmung Flemings einen solchen Mangel an Technik, dass
sie selbst bei anspruchslosen Zeitgenossen nur spöttische Aufnahme fand. —
Landwehr14) hält es für unrichtig, dass man die ihrer Zeit bahnbrechende
Biographie Paulus Gerhardts von E. G. Roth (JBL. 1893 III 2:21) wieder neu
aufgelegt hat. Man sei jetzt über den Lebenslauf Gerhardts besser unterrichtet und
besitze insbesondere über seine Jugendjahre mehr Material, als in der neuen Be-
arbeitung des Buches durch Lommatzsch wiedergegeben sei. Er verlangt eine neue
wirklich kritische Biographie des Dichters. — Zu einer solchen bietet Landwehr15)
selbst Hülfsmittel, und er bringt namentlich über die erste Lebenshälfte Gerhardts
v«ku (Böhm. Lieder über Waldstein n. Harant ans d. XVII. u. XVIII. Jh.) (= SBGWPragP". 18!« [Prag, Kivnäc". M. 12.00|,
N. 10 [15 8.].) - 6) J. Bolte, Zu d. v Chrph. v. Schallmberg übers ital. Liedern: ASNS. 92, S. 65/8. - 7) Euph. 1, S. 164.
— 8) X 0. Hellinghaus: Gymn. 12, S. 540. — 9) X 1- n., Val. Thümig: ADB. !)8, S. 169. — 10) G. Roethe, Gerh.
Trelcel: ib. S. 562. — 11) id., Hieron. Thomasius: ib. S. 104 7. — 12) G. Albrecht, E vergessener Dichter. (Matth. Apelles
v. Löwenstern): NatZg. N. 254. (D. gleiche Aufs., nur um einige Citate vermehrt, in d. SchlesZg. N. 282.) — 13) M.
t. Waldberg, D. Trommer: ADB. 38, S. 641. - 14) H. Landwehr: FBPG. 7, 3. 257. - 15) id., T. Gerhardt: VossZg».
L. Pariser, Lyrik d. 17./18. Jahrhunderts. III 2 : i6-is
manches Neue auf Grund archivalischer Quellen. Nähere sicher beglaubigte Daten
über sein Leben reichten bisher nur bis zu seinem 44. J. herab — eine befremdende
Thatsache bei einer Persönlichkeit wie Gerhardt, dem schon zu seinen Lebzeiten
allgemeine Anerkennung und Liebe entgegengebracht wurde. So folgt z. B. in der
Rothschen Lebensbeschreibung auf das Geburtsjahr gleich das J. 1651, in welchem
Gerhardt als Predigtamtskandidat in Berlin lebte. L. giebt zunächst an der Hand
urkundlicher Belege den Stammbaum der aus Eilenburg gebürtigen Mutter des Dichters,
der sich, mütterlicherseits, bis zur Reformationszeit verfolgen lässt. Mit seinem
Bruder Christian besuchte Paulus die Landesschule in Grimma, das sog. Muldanum.
Ein erhaltenes Schulzeugnis aus dem J. 1625 nennt seine, natürlich lateinischen,
Verse erträglich. Die langen Jahre zwischen seiner Immatrikulation auf der Hoch-
schule zu Wittenberg, wo er am 2. Jan. 1628 als Theolog inskribiert wurde, und
der Zeit seines ersten Berliner Aufenthaltes weiss L. allerdings auch nur durch
Vermutungen auszufüllen. Aus der Bezeichnung des Berliner Ministeriums : „S. S.
theol. cand., welcher sich all hier • bei uns in des Churf. Kammergerichtsadvocati
Herrn Andreas Bertholds Hause befindet" zu schliessen, dass Gerhardt bei Berthold
— seinem späteren Schwiegervater — Hauslehrer gewesen ist, hält L. der
allgemeinen Annahme gegenüber, mit Recht für unzulässig. Dass er schon in jener
Zeit (vor 1651) dem Bertholdscheu Hause nahe stand, bekunden ein Trauerlied und
ein Hochzeitscarmen, welche er auf Freunde jener Familie gedichtet hat. L. macht
es wahrscheinlich, dass Gerhardt im Verkehr mit den bedeutenderen Berliner Lieder-
dichtern Michael Schirmer und Burchard Wiesen mayer stand, die beide am Gymnasium
zum Grauen Kloster, einem der geistigen Sammelpunkte des damaligen Berlin,
thätig waren. Ein Lobgedicht Gerhardts auf Schirmer spricht für L.s Annahme. Wie
schon frühere Biographen Gerhardts, benutzt auch L. das Datum der ältesten Aus-
gabe von Crügers Praxis pietatis (1648), welche 18 Lieder Gerhardts enthält, um
dessen ersten Berliner Aufenthalt und die Entstehungszeit jener Lieder festzustellen.
Aus der Mittenwalder Amtsperiode wird das glückliche Familienleben des Dichters,
das sich in seiner gleichzeitigen Lyrik wiederspiegelt, geschildert; der schöne Lob-
gesang: „Ein Weib, das Gott den Herren liebt", soll seiner Hausfrau Anna Maria
Berthold zu Ehren in Mittenwalde gedichtet sein. Gegen die Ansicht, Gerhardt habe
im Auftrage der Kurfürstin Luise mehrere sonst dieser selbst zugeschriebene Kirchen-
gesänge verfasst. wendet L. ein, dass hierzu einmal das notwendige Bindeglied eines
Verkehrs zwischen beiden nicht nachgewiesen sei, und dass weder im Königi. Haus-
archiv noch in den zahlreichen anderen Dokumenten jener Zeit irgend ein Anhalt
hierfür geboten sei. Aus dem Gerhardts zweiten Berliner Aufenthalt gewidmeten
Abschnitt ist die klar abgewogene Darstellung des oft geschilderten Streites zwischen
dem grossen Kurfürsten und seiner lutherischen Geistlichkeit hervorzuheben. Das
milde Verfahren des Kurfürsten, der Gerhardts wegen seine Kirchen politik zwar nicht
umstossen konnte, ihm aber das Befolgen der Edikte so viel als möglich zu erleichtern
suchte, wie andererseits die starre Konsequenz Gerhardts werden verständlich, dem
als überzeugungstreuem Lutheraner jener Zeit der Synkretismus ein Greuel sein musste.
L. weist auf den Widerspruch zwischen Gerhardts Handeln und der in seiner Lyrik
ausgesprochenen Gesinnung hin: in seinen Liedern, die voller Langmut und voll
herzlichen Erbarmens gegen seine Mitmenschen sind, findet sich kein Zug, der auf
dogmatische Halsstarrigkeit schliessen lässt; seine Gutachten gelegentlich des Berliner
Religionsgespräches vom J. 1662 zeigen Gerhardt als Kind seiner Zeit, „während
aus seinen Dichtungen sein eigentlicher innerer Mensch zu uns spricht". —
Von Zinzendorf sehr geschätzt waren die geistlichen Lieder des in früher
Jugend in Geisteskrankheit verfallenen Johannes Tribbechow. Sein Vater, der
Lübecker Superintendent A dam T ribb e ch o w — über beide schreibt S chum ann16- n) —
hatte sich schon in Kirchenliedern versucht und eine hymnologische Ausführung des
Symbolum Ignatianum: „amor meus crucifixus est" gedichtet. Die geistige Richtung1
des Sohnes, von dem 4 Lieder in das Freylinghausensche Gesangbuch aufgenommen
wurden, ist durch pietistische Einflüsse (A. H. Francke in Halle) bestimmt worden. —
Aus einem geschriebenen hessen-homburgschen „Gesang- und Lieder-
büchlein" vom J. 1730 teilt Roth18) die Anfänge von 4 geistlichen Liedern mit,
welche 1734 als N. 291, 1561, 1563 und 1842 des hessen-homburgschen Gesang-
buches gedruckt worden sind. R. stellt die Abweichungen des gedruckten Textes von
der Hs. fest, aus denen der Druck als die schlechtere Fassung der Lieder ersichtlich
wird. Vf. der 3 letzten Nummern ist der Landgraf Friedrich Jakob von
Hessen-Homburg. —
Dem reformierten Mystiker Gerhardt Tersteegen, dem Vf. der oft auf-
gelegten Sammlung: „Geistliches Blumengärtlein inniger Seelen" ist von einem
N. 12,4. — 16) A. Schumann, Jon. Tribbechow: ADB. 38, S. 598-000. — 17) iä., A. Tribbechow: ib. S. 597/9. — 1$) F, W.
III 2 : 19-23 L. Pariser, Lyrik d. 17./18. Jahrhunderts.
anonymen Autor19) eine biographische Skizze gewidmet worden. Der klare Sinn
Tersteegens, den er, ungeachtet seiner schwärmerischen Frömmigkeit, ungesunden
sektiererischen Neigungen gegenüber bewies, und die Bedeutung seines umfassenden
brieflichen Verkehrs mit den „Erweckten" — die er dazu vermochte, sich nicht von
der Kirche loszusagen — werden hervorgehoben. Als Uebersetzer beschäftigte er
sich mit den erbaulichen Schriften besonders derjenigen Mystiker, die Pierre Poiret
in seiner Lettre sur les principes et les caracteres des principaux auteurs mystiques
hervorhebt. Seine geistlichen Lieder, von denen ein grosser Teil zur privaten Er-
bauung bestimmt ist, während gerade die kleine Zahl seiner Gemeindelieder seinen
dichterischen Ruhm begründete, werden, was Innigkeit und Formvollendung an-
betrifft, den Dichtungen des Angelus Silesius und Joachim Neanders an die Seite
gestellt.2«'21) _
Uen Uebergang zur weltlichen Kunstlyrik bilden die Pegnitzschäfer.
Sie bezeichnet Bi s ch off22) mit Recht als die Führer jener süsslich geistlichen
Richtung, welche sowohl auf katholischer wie auf protestantischer Seite von der Mitte
des 17. Jh. ab die kirchliche Dichtung zu beherrschen anfängt. Der Stifter des
Ordens Harsdörffer zeigt sich in seinen vielen geistlichen Liedern selbst noch un-
berührt von dieser Geschmacksverirrung; seine nüchterne Natur sowohl wie seine
ernste Frömmigkeit bewahrten ihn davor, in die „Spielweise" zu verfallen, die seine
weltlichen Dichtungen kennzeichnet; jene Ausartung ist vielmehr auf Dilherr und
Birken zurückzuführen. Harsdörffers geistliche Lieder sind in seinen verschiedensten
Werken zerstreut, so in den Gesprächsspielen, in Nathan und Jotham, im Schauplatz usw.;
auch zu den Erbauungsschriften seines Freundes Dilherr hat er solche beigetragen.
Seine lehrhafte Art vernichtet gewöhnlich die poetische Wirkung seiner alle Lebens-
verhältnisse umfassenden Lieder. Auffallend bei dem sonst so trockenen Wesen
Harsdörffers ist seine Hinneigung zu mystischen Schriften, von denen er sowohl
italienische (Novarini) wie spanische (heilige Theresa) übersetzt hat. Dieser Zug zeigt
sich auch in seiner Auffassung des hohen Liedes, die er in der Vorrede zu Dilherrs
1654 erschienener Betrachtung über dasselbe ausspricht. Eine Nachdichtung des
Hymnus: „Salve mundi salutare" vom heiligen Bernhard sowie ein kraftvolles Gebet
Daniels in derselben Sammlung zeigen Harsdörffer als würdigen Nachfolger der
älteren Meister des deutschen Kirchenliedes. Auch manchen Strophen seiner Andachts-
gemähle (vgl. S. 155 ff.) ist dichterischer Schwung nachzurühmen. Wenn auch
Harsdörffers hauptsächliche Bedeutung in seinen didaktischen Schriften zu suchen ist,
und seine Lyrik dementsprechend auf dem Gebiet des geistlichen Liedes am er-
spriesslichsten erscheint, so ist doch auch in seinen weltlichen Dichtungen — und
mit diesen kommen wir zur Besprechung der weltlichen Kunstlyrik überhaupt —
eine ganz bestimmte Eigenart ausgeprägt. — Seine kunsttheoretischen Anschauungen,
auf italienischem Boden gebildet, stehen in bewusstem Gegensatz zu dem Klassizismus
eines Opitz. Sein Ideal fand er in der italienischen Schäferpoesie, und italienische
und spanische Vorbilder führten ihn dazu, jenen „Barockstil" auszubilden, dessen
Pflege der Pegnitzorden sich angelegen sein liess. In seinen Gedichten, worin zwar
metrische Verstösse nicht selten begegnen, suchte er den Daktylen und Anapästen
gegenüber den von Opitz bevorzugten Versmassen Eingang zu verschaffen. B. hat
eine Auswahl Harsdörfferscher Gedichte, sowohl selbstverfasster wie übersetzter, seiner
vortrefflich geschriebenen und wohl erschöpfenden Biographie des Nürnberger
Patriciers beigegeben. Auch der bibliographische Anhang ist viel detaillierter als
das bei Goedeke gegebene Verzeichnis der Werke Harsdörffers. — Das Jubelfest des
Pegnesischen Blumen-Ordens hat neben der für den Orden wichtigeren Persönlichkeit
Harsdörffers auch die Erinnerung an die Dichtungen S. von Birkens wieder hervor-
gerufen. Anknüpfend an Justinus Kerners Charakteristik der Birkenschen Poesie
(im Morgenblatt für gebildete Stände 1834, N. 257) hat A. Schmidt23) ein Lebens-
bild „Floridäns" entworfen und seine einzelnen Werke kurz analysiert. Er bemerkt
mit Recht, dass bisher niemand, der sich mit dem Dichter Birken beschäftigte, ver-
absäumt habe, seine geschmacklosen Reimhäufungen, seinen „sonderbar verzogenen
Strophenbau" und die äussere Form seiner Gedichte lächerlich zu machen, deren
Niederschrift die Bilder von Kronen, Pokalen usw. wiedergiebt. Man müsse ihm vom
Standpunkt der poetischen Technik und des Geschmacks seiner Zeit und Umgebung
gerecht werden und die Mühe nicht scheuen, unter der allerdings bedenklich grossen
Masse seiner Poesien die von wirklichem Empfinden zeugenden und auch in der
Form schlichten Verse herauszusuchen. Von seiner Lyrik ist neute nur noch Einiges
aus seinen geistlichen Liedern lebendig geblieben (in den Gesangbüchern der
evangelisch-lutherischen Gemeinden in Bayern und Württemberg). Floridäns poetische
E. Roth, Mitteilungen aus Hss. u. älteren Druckwerken: SSDPh. 26, S. 58-70. - 19) I. u, Gerh. Tersteegen: A.DB. 37, 6. 576/0.
— 20) X id-. Cl. Thieme: ib. S. 759-60. — 21) X A- Iji e r< J- TL11: ib. .'18, S. 302,3. (Herrenhuter Liederdichter aus Mähren.)
— 22)Th.Bischoff, Philipp Harsdörffer. (=1111:101, S. 1-4S0.) -- 23) A. S c h m i d t, S.Y.Birken. (= 111 1 :193, B. -IS0-532.)
L. Pariser, Lyrik des 17./18. Jahrhunderts. III 2 : 24-28
Birkenwälder, wie sein Amarantengarten sind eine bunte Sammlung* von Liebes-
gedichten und den verschiedensten Gelegenheitsarbeiten. Die besonders zahlreichen
Hochzeitscarmina enthalten die in unserem Zeitraum bei solchen Anlässen beliebte
Mischung von Lüsternheit und Frömmelei. Ein anderer Teil der Birkenschen Poesien
kennzeichnet sich als allegorisch verkleidete Lobgesänge auf seine einzelnen Gönner,
so die „Guelfis" auf den Herzog August von Braunschweig-Lüneburg, die „Amalfis"
auf Octavio Piccolomini und sein Haus; sogar dem Blasenstein des letztgenannten
Mäcens ist in den „poetischen Lorbeerwäldern" ein besonderer Sang gewidmet. Seh.
weist auf die reiche Briefsammlung aus Birkens Nachlass hin, die sich, neben hs.
vorhandenen Werken, noch im Besitz des Blumenordens befindet. Namentlich zwei
Stammbücher Birkens, mit Eintragungen aus dem Freundeskreise des Dichters dürften
für den Litterarhistoriker von Interesse sein. Auch aus seiner Uebersetzung des
ersten Buches von Vergils Aenei's, welche der Orden gleichfalls im Ms. aufbewahrt,
wäre wohl die Mitteilung einer Probe wünschenswert. — Aus den Altdorfer und
Tübinger Universitätsmatrikeln hat Pariser24) den spärlichen biographischen Daten
Herdegens über Joh. Tepelius einiges Neue hinzugefügt. Die 1673 zu Giessen ver-
fasste „geküsste Lysis" ist eine schwülstige Naturbetrachtung, die vollständig unter
dem Einflus Birkens steht, sowohl hinsichtlich der geschraubten Ausdrucksweise,
wie in der Verstechnik. —
Im entsprechenden Verhältnis zu ihrer quantitativen Beteiligung- an der Lyrik
unseres Zeitraumes pflegt sich auch die Forschung mit den Gedichten der seh le-
sischen Poeten zu beschäftigen. Hie erit Opitio par, nisi maior erit, war einst
dem Schützling von Opitz und Löwenstern Andreas Tscherning prophezeit worden.
Und nicht nur seine Altersgenossen, auch die jüngere Generation — u. a. Morhof
— stellte ihn Opitz an die Seite. In Wirklichkeit war er nur sein g*etreuester
Anhänger und Nachahmer und hat es selten über die dem Schlesier angeborene Ge-
wandtheit in der Beherrschung des Formellen gebracht. Nicht zum wenigsten mag
hieran die ihm mangelnde Freiheit in der Wahl seiner Stoffe schuld gewesen sein.
Es war eben grösstenteils bestellte Arbeit, die er zu den verschiedenen Familien-
ereignissen seiner Gönner liefern musste. Tscherning war sich dessen wohl bewusst,
und wehmütig* klagt er seinem Wohlthäter Löwenstern, dass er „viel auf andrer
Befehl vnnd gegebene Masse der Zeit" habe hinschreiben müssen. Sein Biograph
Hippe25) macht auf die reichhaltige Sammlung der Korrespondenzen Tschernings
aufmerksam, die sich auf der Breslauer Stadtbibliothek befindet.
Aus einem Sammelband der Königl. Bibliothek zu Berlin teilt Ruben-
söhn26) Uebersetzungen, grösstenteils aus klassischen Dichtern, von Christoph Köler
mit. Der begabte schlesische Dichter — der Biograph von Opitz und Lehrer Hof-
mannswaldaus — hat sie während seiner Strassburger Studienjahre, in denen er mit
Zinkgref und Moscherosch verkehrte, gedichtet und 1627 herausgegeben. Wir finden
darunter auch das anakreontische Trinkliedchen rj yij fdkuva nivet wieder, mit dessen
verschiedenen Verdeutschungen sich Kochs Untersuchung im Vorjahre beschäftigte
(JBL. III 2 : 32). K. wollte keine wortgetreue Uebersetzung geben, sondern hat nur den
Grundgedanken des Originals beibehalten und diesen zu einem deutschen Trinklied
mit Refrain erweitert, das sich durch Wohllaut und Sangbarkeit auszeichnet. Durchaus
deutsch in seinem Empfinden und seiner metrischen Gestaltung ist auch Catulls
„Vivamus mea Lesbia et ainemus" geraten, während dessen Hymenäus : „vesper adest"
in engem Anschluss an das Original wiedergegeben ist. Auch in einem Rondeau
weiss er sich auf das Glücklichste dem damals in Deutschland noch wenig bekannten
romanischen Vorbild anzuschmiegen. Die Beherrschung der fremden Formen, die
Gewandtheit und der Reichtum der Sprache Kölers ist so auffallend, dass man kaum
einen Dichter aus der ersten Hälfte des 17. Jh. zu lesen glaubt. Man muss mit R.
bedauern, dass Kölers schöne Begabung später in Schlesien „an dem Elend des
Alexandriners" zu Grunde gegangen ist." Die mitgeteilten Proben aus dem Berliner
Exemplar (es scheint ein Unikum zu sein), denen R. weitere nebst einer Würdigung*
des Dichters folgen lassen will, rechtfertigen wohl den Wunsch nach einer ausführ-
lichen Monographie über Köler.27) —
Ein Epicedion Friedrich von Logaus, das weder in der Gesamt-
ausgabe von 1654, noch bei Eitner sich findet, veröffentlicht Kopp28) nach einem
Druck der Königl. Bibliothek zu Berlin. Es ist 1642 gelegentlich des Todes der Frei-
frau von Niemitz gedichtet und insofern für die Biographie des Dichters von Interesse,
als aus Zeile 16 das bisher unbekannte Todesjahr von Logaus erster Gattin sich be-
stimmen lässt. K. giebt einen unverkürzten Abdruck des Gedichts und einige Er-
läuterungen.
— 24) L. Pariser, J. Tepelius: ADB. 37, S. 573. — 25) M. Hippe, A. Tscherning: iL. 38, S. 714/6. — 26) M. Ruben-
sohn, Gedichte v. Christoph Köler: Euph. 1, S. 293-305. — 27) X E- Denkmal für P. Fleming: SchönburgGBll. S. 61.
(F.s Denkmal in seiner Vaterstadt Hartenstein betr.) — 28) A. Kopp, K. nnbek. Gedicht Logaus: CBIBibl. 11, S. 106-11. —
Jahresberichte für neuere deutsche Litturaturgeschichte. IV. (3)3
III 2:29-35 L. Pariser, Lyrik des 17./18. Jahrhunderts.
Nach L. H. Fischers Biographie hat Markgraf29) einen Lebensabriss des
Gelegenheitsdichters Johann Peter Titz veröffentlicht. Die zahlreichen Hochzeits-
und Leichencarmina (vgl. Goedeke 32, S. 139 — 40) des durch den 30jährigen Krieg
aus seiner schlesischen Heimat Vertriebenen heben sich nicht aus der Masse ähnlicher
Erzeugnisse heraus. In „2 Büchern von der Kunst, hochdeutsche Verse und Lieder
zu machen" suchte er die Opitzschen Theorien im einzelnen weiter auszuführen.
Obwohl er in seinen späteren Jahren dem Königsberger Dichterkreis räumlich nahe
lebte und ihm auch äusserlich insofern verbunden war, als er unter dem Namen
„Tityrus" in ihn aufgenommen wurde, Hess doch seine schlesische Sonderart, die er
durch einen, noch erhaltenen, Briefwechsel mit seinen Freunden in der Heimat sich
zu wahren wusste, es zu keinem intimeren Verhältnis mit den preussischen Dichtern
kommen.30"32)
Die Biographie und die Gedichte Christian Günthers haben auch in dem
Berichtsjahr ihre alte Anziehungskraft bewahrt. Keinem anderen Dichter unseres
Zeitraums wurde eine gleiche Teilnahme zugewendet. Die wertvollste Vorarbeit für
eine kritischa Ausgabe der Güntherschen Gedichte, seit Berth. Litzmanns Text-
kritik, hat Kopp33) geliefert. Während ein grosser Teil der neueren Litteratur
über Günther sich damit begnügte, uns Hypothesen über die beiden Leonoren zu be-
scheren oder, wie das anspruchsvolle Wittigsche Buch, Schweidnitzer Lokalstudien
und Kirchenbuchauszüge zu bringen, hat sich K. der Mühe unterzogen, noch einmal
genau die auf der Berliner Bibliothek befindlichen Ausgaben der Gedichte zu ver-
gleichen und an der Hand der Steinbachschen Biographie das Leben Günthers in ein
chronologisches regestenartiges System zu bringen. Viele für die Zeitfolge der Ge-
dichte und den Lebenslauf Günthers wichtige Thatsachen waren dem ohnehin un-
zuverlässigen Steinbach unbekannt, weil die hierfür besonders wichtige „Nachlese"
erst 1742, vier Jahre nach dem Erscheinen seiner Schrift über Günther, herauskam.
Dementsprechend hat K. auch alles neuere Quellenmaterial berücksichtigt. Hoffentlich
lässt nun die kritische Ausgabe der Güntherschen Werke, welche durch K.s Arbeit
bedeutend erleichtert ist, nicht mehr lange auf sich warten. — Aus dem bisher nicht
bemerkten Akrostichon: Magdalena Eleonora Jachmannin, welches die Verse eines
geistlichen Liedes von Günther (S. 90 der Sammlung Breslau und Leipzig, bei Hubert)
ergeben, schliesst Karl Hof mann,34) dass die Nachricht des ersten Biographen
Günthers, Steinbach, die Schweidnitzer Leonore habe den Familiennamen Jachmann
geführt, nicht unbegründet ist. Die Idylle zu Ruschkowitz (JLB. 1893 III 2 : 40) will
H. auf Grund der eigenen Angabe des Dichters in den Juli des J. 1714 verlegen.
Die Namen Magdalis, Lenchen, Lorchen, Leonore und Olorena (durch Umstellung
der Buchstaben aus Leonora) nimmt er ausschliesslich für die Schweidnitzer Leonore
in Anspruch, welcher er folglich auch alle Gedichte zuweist, die einen dieser Namen
enthalten. In den Gedichten, wie auch schon im „Theodosius" hat H. einige An-
spielungen Günthers auf Leonorens Schwester Maria Euphrosina herausgefunden,
welche sie in einem recht unvorteilhaften Licht erscheinen lassen. Sie war dem
Liebesverhältnis ihrer Schwester nicht geneigt und hat sich wohl dadurch den Groll
des Dichters zugezogen. Auch Leonorens Bruder Georg Kaspar, einstigen Mitschüler
Günthers auf der Gnadenschule zu Schweidnitz, lernen wir kennen. H. macht noch
auf die häufige Verwendung von Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redensarten in
den Güntherschen Gedichten aufmerksam und belegt seine Beobachtung mit einer
Reihe von Beispielen. — Fulda nahm an, dass Günthers Gedicht „Selbstzufriedenheit"
(DNL. 38, S. 138) zu der Zeit entstanden sei, als die Bewerbung des Dichters um
die Hofpoetenstelle in Dresden gescheitert war. Spanier35) hat in der letzten Strophe
dieses Gedichts das Akrostichon: „In Jauer" gefunden und schliesst hieraus auf eine
Entstehungszeit während der Wanderung des Dichters von Breslau nach Lauban.
(Dec. 1719 bis Jan. 1720). Diese genauere Datierung würde zu der Angabe eines
anderen Gedichts über den behaglichen Aufenthalt Günthers in Jauer passen (DNL.
38, S. 203). Sp. weist ferner auf biblische Reminiscenzen bei Günther hin und be-
gründet ausführlicher die von Imelmann 1879 in den „Grenzboten" behauptete Ueber-
einstimmung zwischen Bürgers Leonorenballade und Günthers Gedicht „An Leonore"
(DNL. 38, S. 206) hinsichtlich des Titels und der Strophenform. Das beiden Ge-
dichten äusserlich Gemeinsame zeigt sich allerdings nur, wenn man die erste Fassung
der Eingangsstrophe von Bürgers Ballade mit der ersten Strophe des Güntherschen
Gedichts vergleicht. Sp. erwähnt noch ein in Günthers Lyrik verwendetes Motiv, das
29) H. Markgraf, J. P. Titz: ADB. 33, S. 389-90. — 30) X ^. F r ä nk e 1, J. Ettlinger, Chrn. Hofmann v. Hofmannswaldau
(JBL. 1891 III 2 : 27): LBIGRPh. 15, S. 226/8. (Anerkennend, mit einigen Znsätzen z. Gesch. d. v. H. benutzten Stoffe.)
— 31) X °- Hellinghaus, K. Friebe, Chrn. Hofmann v. Hofmannswaldaus Grabschriften (JBL. 1893 m 2:38): Gymn. 12,
S. 540. — 32) X K. Hofmann, Mühlpfort (JBL. 1893 III 2:39). |[LCB1. S. 912: H. Löschhorn: DLZ. S. 1164/5.]| —
33) A. Kopp, Biogr.-krit. Studien fiber J. Chrn. Günther: Euph. 1, S. 718-44. — 34) Karl Hofmann, Neues /.. Leben n.
Dichten J. Chrn. Günthers: ZDPh. 26, S. 81, 225,9. — 35) M. Spanier, Zu J. Chrn. Günthers Gedichten: ZDPh. 26, S. 77-81.
L. Pariser, Lyrik des 17./18. Jahrhunderts. III 2 : 36-39
auch in der Neigung' des jungen Goethe zu Annette (Dichtung und Wahrheit [Ausg.
1. H.] B. 7, S. 102/3) wiederkehrt. — Dembowsky36) prüft die Gedichte Günthers
auf ihren ethischen Gehalt hin und zieht zum Vergleiche die Goethesche Lyrik heran.
Im Kreise einer solchen Betrachtung kann sich Günthers dichterische Persönlichkeit
nicht von ihrer günstigen Seite zeigen. Eine so haltlose, allen Sinnenreizen zugäng-
liche Natur kann nicht schwer wiegen, wenn man an sie nur den Massstab des
Sittengesetzes legt. D. weist zwar die grausame Ablehnung des ,, untauglichen Sub-
jekts" zurück, welche Gervinus befürwortet und hält Goethes bekannten Ausspruch
über Günther, der ihm zugleich den Anlass zu seiner Vergleichung beider Dichter
bot, für zutreffend. Allein bei aller Anerkennung, die er der Gefühlswärme Günthers,
der Anmut und Leichtigkeit seiner Sprache zollt, gelangt er doch zu dem Schluss:
„Keines seiner Gedichte ist ein Kunstwerk, Einheit und Geschlossenheit der Kom-
position fehlt selbst den Liedern." Wir können den Standpunkt D.s nicht teilen,
welcher Günther vorwirft, dass seine Poesie die eigentliche Aufgabe eines jeden Kunst-
werks, die Befreiung des Geistes von jeder trüben Erdenstimmung nicht zu erfüllen
vermag. Gerade der Umstand, dass diese Lieder aus dem persönlichsten Interesse
ihres Dichters entsprungen sind, hat ihnen ihre Frische bewahrt und hebt sie weit
über die Lyrik seiner deutschen Zeitgenossen hinaus. Man wird den Wert dieser
Dichtungen gerechter beurteilen, wenn man die poetischen Produktionen jener Epoche
zum Vergleiche wählt, als wenn man Goethes gewaltige — unter einem so viel
günstigeren Geschick gereifte — Persönlichkeit neben den jugendlichen schlesischen
Dichter stellt. Vieles, was D. als eine Schranke, die dem dichterischen Können
Günthers gezogen war, oder als Manier erscheint, wird sich dann, wie der von D.
gerügte rhetorische Schwulst als eine Verirrung des Zeitgeschmacks erweisen. D.s
Abhandlung, reich an anregenden Gedanken über Günthers lyrische Veranlagung,
z. B. über seine Stärke in der elegischen Epistel, geht nur zu weit in dem Verlangen
nach einer reinen Kunstform in einer Epoche unserer Litteratur, die noch mit einer
unausgebildeten Sprache und der Herrschaft ausländischer Vorbilder ringen musste. —
Borinskis37) Studien über die Hofdichtung in Deutschland kommen
für unseren Abschnitt nur insofern in Betracht, als in ihnen die Poesie der Politiker
gestreift wird. Die mit „Flatterien" verzierte Dichtung, welche an den deutschen
Fürstenhöfen ihr Unwesen trieb, wird von B. auf die französischen Hofpoeten,
namentlich auf Boileau zurückgeführt — eine Quelle, die schon von den Zeitgenossen
erkannt wurde. Die in der deutschen Hofdichtung auffallende Bevorzugung der Form
des „heroischen Gedichtes" erklärt B. durch ihren Bezug auf den „Heroe" in der
Politik. Bei Besser, Neukirch usw. ist fortan „heroisches Gedicht" gleichbedeutend
mit einem Lobgedicht auf den zu feiernden Herrscher.
Durch seine Festearmina und Bettelgedichte verdiente der aus Dresden
stammende Deutsch-Franzos Johann Troemer sich am sächsischen und russischen
Hof seinen Lebensunterhalt. Durch sein gebrochenes Deutsch gelang es ihm, die
Aufmerksamkeit hoher Gönner auf sich zu lenken. Erich Schmidt38) rühmt ihm
Talent für realistische Schilderungen, namentlich von Hoffesten und Volksbelustigungen,
nach. Unter anderen volkstümlichen Stoffen hat er auch die Sage vom Schmied zu
Jüterbogk in Knittelversen behandelt. Seine Schriften, die in erster Linie kultur-
historisches Interesse bieten, geben ein trauriges Bild von dem litterarischen Ge-
schmack, der in der ersten Hälfte des 18. Jh. am sächsischen Hofe herrschte. —
Die Gedanken, welche Friedrich von Hagedorn über Erziehung und
Bildung ausgesprochen hat, werden in einer Abhandlung von Meinhold39) zu-
sammengefasst. Hagedorn war selbst fest durchdrungen von seinem Beruf als Er-
zieher, da er „oft Wahrheiten lehre, die wirklich verdienten gepredigt zu werden,"
und hielt es für die höchste Aufgabe des Dichters, seine Zeitgenossen sittlich und
geistig emporzuheben. In seinem „Horaz" erklärt er, auf welchem Wege der Dichter
dieser Pflicht genügen solle. Der philanthropische Zug seines Jh., der auch ihn be-
seelte, mag durch seinen Aufenthalt in England gefördert worden sein, wo er Sinn
für W7ohlthätigkeit und die Neigung, ärmere Volksklassen in ihrem Bildungsstreben
zu unterstützen, in grossem Stil kennen gelernt hatte. Auf seine ethischen An-
schauungen haben, wie er selbst berichtet, die Essays von David Hume eingewirkt.
Als ein Anklang an die Tugendlehre Shaftesburys kennzeichnet sich Hagedorns
Ideal, Tugend und Schönheit in der Lebensführung gleichmässig zu bethätigen.
Seine Religion gründet sich allein auf die Moral und erscheint beinahe dem Dogma
abgeneigt. Jedoch, wenn er auch einer sich nach aussen kundgebenden Frömmig--
keit abhold war und dem Pietismus, wie ihn das 18. Jh. ausgebildet hatte, unsym-
pathisch gegenüberstand, beweisen andererseits Briefe an Bodmer und jüngere
— 36) J. Dembowslci, Günther n. Goethe. Eth. Studien z. lyr. Dichtung. Progr. Lyck (A. Glanert). 34 B. (Vgl. IV 8c.) —
37) (I 4:85; III 1 : 206; 5:2.) — 38) Erich Schmidt, J. Troemer: ADB. 38, S. 636,9. — 39) F. L. Meinhold, Hagedorns
(3)3*
1112:40-41 1113:1-2 A. Reifferscheid, Epos des 17./ 18. Jahrhunderts.
Anakreontiker, dass ihm das Christentum heilig- war. Die Freude an geselliger
Heiterkeit — der für Hagedorns Lyrik besonders charakteristische Zug — gewinnt
durch den guten Geschmack des welterfahrenen Hamburgers erst ihre ästhetische
Berechtigung. M. weist an Urteilen von Schmidt und Klopstock nach, wie Hage-
dorns heiteres Lebensprinzip von dem jüngeren Geschlecht richtig verstanden wurde.
Sein Ankämpfen gegen alles, was ihm als Unnatur und Ueberkultur erschien, wird
in seinem geselligen Leben und in seiner litterarischen Thätigkeit verfolgt. In dem
was er „Weisheit, der Seele Majestät" nennt, ist die Summe seiner Gedanken über
die Vollkommenheit menschlicher Bildung enthalten. Diese aus der Lebenserfahrung
geschöpfte Weisheit stellt Hagedorn als erstrebenswerteres Gut vor die Gelehrsamkeit,
da sie allein Zufriedenheit und innere Freiheit verschaffe, Schein und Wahn ver-
achten lehre. —
Eine pädagogische Verirrung aus dem Beginn des vorigen Jh. ist die
„Singende Geographie" des Magisters Johann Christian Lose, aus welcher
Schwartz40) erheiternde Proben mitteilt. Ob das zu Hildesheim im J. 1708 er-
schienene Buch zuerst die Lyrik für den geographischen Schulunterricht in Anspruch
genommen hat, wie Seh. behauptet, ist uns unbekannt. Dass der junge Goethe
nach einer ähnlichen Methode in der Erdkunde unterrichtet wurde, wissen wir aus
dem ersten Buche von Dichtung und Wahrheit. Die Gedächtnisverse über „Ober-
Yssel", welche Goethe uns überliefert hat, unterscheiden sich wenig von den Reimen
des Magisters Lose. —
Daniel Triller, der selbst seine moralischen und physikalischen Gedichte
im Vergleich zu seiner Thätigkeit auf epischem Gebiet als geringe Gaben bezeichnet
hat, ist in seinem langen Leben den verschiedensten litterarischen Einflüssen zu-
gänglich gewesen. Seinem trockenen „urprosaischen" Wesen haben aber alle Anlehnungs-
und Entlehnungsversuche nicht abhelfen können. Wir haben ihn als Uebersetzer
des Anakreon (JBL. 1893 III 2:32) kennen gelernt und können sonstige Früchte
seiner klassischen Bildung oft in den Fussnoten seiner, sechs Bände umfassenden,
Gedichte wiederfinden. Erich Schmidt41) zählt die einzelnen Vorbilder für den
poetischen Betrieb des als Arzt und akademischen Lehrers wohlverdienten Mannes
von Opitz bis auf Brockes auf und weist im einzelnen darauf hin, wie vollkommen
es Triller geglückt ist, die teleologische Naturbetrachtung des „grossen Brooks" nach-
zuahmen. In seiner religiösen Dichtung folgt er dem Sannazaro, ohne jedoch dessen
antike Elemente mit aufzunehmen. Ein gewisses Talent nach der formellen Seite hin
kann Triller als Uebersetzer zugestanden werden. Für seinen poetischen Ruhm war
es verhängnisvoll, dass er noch die Umwälzungen, welche die vierziger Jahre des
vorigen Jh. in der deutschen Litteratur hervorriefen, als Schaffender miterleben sollte.
Von den Schweizern verspottet und von den Gottschedianern im Stich gelassen,
konnte der alte Triller, welcher schon in seinen Mannesjahren eine höchst unselb-
ständige Natur war, sich in den litterarischen Händeln nicht mehr zurecht finden,
die Klopstocks Auftreten vorbereiten halfen. Seine letzten poetischen Bemühungen
bestanden in einer geschmacklosen und elend versifizierten Polemik gegen den Dichter
des Messias. —
111,3
Epos.
Alexander Reifferscheid.
Volksbücher N. 1. — Faust N. 5. — Schwanke N. 6. — Grimmeishausen N. 7. — Christian Weise N. 9. — Diederichs
von dem Werder Ariostübersetzung N. 10. — Eobinson und Robinsonaden N. 11. —
Auch in diesem Berichtsjahre liegt nicht Eine grössere Arbeit über die Ent-
wicklungsgeschichte des Epos vor, nur kleinere Beiträge und Notizen sind zu ver-
zeichnen. Für die Volksbücher ist so gut wie gar nichts geschehen.1) Bolte2)
wies zwei Bilderbogen des 17. und 18. Jh. nach, die im Kupferstich die Hasenjagd
der sieben Schwaben darstellen, teilte die in schwäbischer Mundart abgefassten Be-
gleitverse mit und gab verschiedene nützliche Notizen zur Geschichte des von Aur-
Gedanken v. sittl. n. geist. Bildung. Diss. L. (Mehnert). 41 S. — 40) P. Schwartz, Geographie nach Noten: VossZg".
N. 9-10. — 41) Erich Schmidt, D. Triller: ADB. 38, S. 608-15. —
1) X G- Klee, D. Buch d. Abenteuer. Fünfundzwanzig Geschichten d. dtsch. Volksbuchern nacherz. Mit 16 Ab-
bild. Gütersloh, Bertelsmann. VIII, 502 B. M. 3.60. (E. neue Bearbeit. d. dtsch. Volksbücher für d. Jug. In d. „Ilaimons-
kindern" Tiecks Bearbeit. benutzt, in „Doktor Faust" Aurbachers Erneuerung.) — 2) J. Bolte, Zwei Flugbll. t. d. 7 Schwaben:
A. Reifferscheid, Epos des 17/.18. Jahrhunderts. III 3 : 3-10
bacher in seinem Volksbuch von den sieben Schwaben verarbeiteten älteren Er-
zählung-sstoffes.3"4) —
Was hinsichtlich des Fortlebens der Faustsage (JBL. 1892 III 3 : 4) vermutet
worden, sieht sich jetzt Tille5) selbst genötigt, zuzugeben : er hatte den medizinischen
Schriftsteller B. Chrph. Faust, Doktor der Medizin und Hofrat zu Bückeburg, ohne
Grund mit dem Schwarzkünstler identifiziert. —
Das wenige, was sich über die Schwank Sammlung des Joh. Talitz von
Lichtensee sagen lässt, die zuerst 1645 unter dem Titel: „Kurtzweyliger Reyszgespann"
erschien, stellte Pariser6) zusammen. Danach enthielt die besonders in Süd-
deutschland beliebte Sammlung ursprünglich 216 Stücke, Apophthegmen, Schwanke
und historische Anekdoten, nach den Ständen und Berufsklassen geordnet. In
späteren Ausgaben von 1655 bis 1702 wurde sie um 113 Nummern vermehrt. Talitz
selbst hatte aus Pauli, Kirchoff und deutschen Uebersetzungen italienischer Novellen
geschöpft, sein Buch wurde ausgeschrieben von Petrus von Memel. —
Stilgebauers treffliche Arbeit über Grimmeishausens7) Dietwald und Ame-
linde (JBL. 1893 III 3: 12) wurde mehrfach anerkennend besprochen.8) —
Ueber die Romane des 17. Jh. liegt nichts von Bedeutung vor: das Programm von
D a u 9) ist nicht einmal als ein Anlauf zu einer wirklichen Untersuchung zu bezeichnen.
Dem Titel des Programms nach will er das Verwandtschaftsverhältnis des Simplicissimus
und der „drei ärgsten Erznarren" Christian Weises feststellen. In der Arbeit selbst
geht D. darauf aus zu zeigen, dass Weises Roman ein Seitenstück zum Simplicissi-
mus ist. In dem Begriffe des Seitenstücks liegt seiner Ansicht nach ein Zweifaches :
das eine muss die Ergänzung des anderen sein, damit ein abgerundetes symmetri-
sches Gesamtbild der betreffenden Sphäre zu stände kommt ; dann sind die ethischen
Tendenzen beider Stücke in Betracht zu ziehen. Das Abrundende findet D. nun darin,
dass Grimmeishausen in das wilde Kriegs- und Lagerleben, Weise in die bürger-
lichen friedlichen Verhältnisse nach dem Kriege einführt. Beide schildern aber als
wahre Realisten das Selbsterlebte; die Verschiedenheit des Stoffes ist also, da der
eine schon während des Krieges, der andere erst nach dem Kriege lebte, ganz selbst-
verständlich. Nach D. spiegeln beide Romane die im volkstümlichen Leben kursieren-
den Ansichten wieder. Zuerst werden die von beiden Schriftstellern gemeinsam be-
handelten Gegenstände besprochen. Zunächst der Aberglauben, ohne Rücksicht auf
Amersbachs verdienstliche Zusammenstellungen (JBL. 1891 1113:3; 18931113:6). Während
Grimmeishausen noch unter dem Banne des Aberglaubens steht, macht Weise, seiner
rationalistischen Lebensauffassung entsprechend, die Abergläubischen lächerlich.
Schwächen und Verirrungen der Zeit gegenüber nehmen beide denselben moralischen
Standpunkt ein, ohne dass daraus irgend etwas im Sinne der Arbeit zu folgern wäre.
Ohne Bedenken kann man D. zugeben, dass beide Romane fast alle Seiten des
socialen Lebens ihres Kreises berühren und dass jeder eine reiche Fundgrube für
die Kulturgeschichte ist. Man braucht deshalb nicht D. beizupflichten, dass beide
auch innerlich verwandt seien in Tendenz und Methode, mittels deren die Tendenz
durchgeführt werde. Sie haben grosse Aehnlichkeit wegen ihres auch von D. mit
Recht behaupteten lehrhaften Charakters. D. hätte jedenfalls besser gethan, wenn er
seinen ersten Gedanken, den der Haupttitel „Die kulturgeschichtlich wichtigsten Ro-
mane usw." verrät, ausgeführt und beide Romane auf ihren Wert für Kulturgeschichte
geprüft hätte. Bei dieser Untersuchung hätte er auch wohl aus inneren Gründen
feststellen können, dass der Simplicissimus lange vor seinem Erscheinen verfasst
worden, so dass die beiden Romane trotz der zeitlichen Nähe ihres Erscheinens doch
nicht als zeitgenössische Erzeugnisse aufzufassen sind. —
Im Anschluss an Witkowskis Monographie über Diederich von dem Werder
versuchte Fasola10) eine Würdigung der Sprache der Ariostübersetzung.
Er beschränkte sich auf Betonung und Reimverbindung und gab Belege für die
starke Betonung der Endungen -lieh, -ig, -isch, für die häufige Accentuierung leben-
dig, elend, für die Reim Verbindungen beleidigt : geschädigt, je : sie, jeder : wieder.
Seltsamerweise wundert er sich über die Infinitivform sprachen (: Sachen), obgleich
er selbst „bespracht er sich" unabhängig vom Reime nachweist, ein Blick in Lexers
mittelhochdeutsches WTörterbuch hätte ihn ausreichend orientiert. Am wenigsten be-
friedigt, was F. über die volkstümliche und mundartliche Färbung der Uebersetzung
bietet; man erkennt sofort, dass ihm, dem Italiener, hier das rechte Sprachgefühl
ZVVolksk. 4, S. 430,7. — 3) X F- Goebel, Till Eulenspiegels wunderbare u. seltsame Abenteuer. Nach d. Volksbuche d.
Jug. erst. Mit 5 Farbendr. Wesel, Düros. 12°. 72 S. M. 0,50. — 4) X W. Bl ack, New Fortunatus. New and rev. edit.
London, Low. Sh. 2 6. — 5) A. Tille: ZVLR. 7, S. 492. — 6) L. Pariser, J. Talitz v. Lichtensee: ADB. 37, S. 363. —
7) X 0. Hellinghaus, K. Amersbach, Aberglaube, Sagen u. Märchen bei Grimmeishausen (JBL. 1892 IU 3:6): Gymn. 12,
S. 541. -• 8) X Fr. Jostes: LRs. 20, 8. 136; E. Friedrich: BLU. S. 84 ; E. Petzet: BBG. 30, S. 629-30; A. t. Weilen:
ZOG. 45, S. 787. — 9) A. Dan, D. kulturgesch. wichtigsten Romane d. 17. Jh. I. D. Simplicissimus u. Chrn. Weises Drei
ärgste Erznarren. E. Beitr. z. Feststellung d. Verwandtschaftsverhältnisses beider Romane. Progr. Schwerin (Bärensprnng).
4°. 33 S. |[0. Glöde: ASNS. 93, S. 339-42.JI - 10) C. Fasola, Diederichs v. d. Werder Übersetz, d. Ariost: ZVLR. 7,
1113:11-17 1114:1-3 J. Bolte, Drama des 17./18. Jahrhunderts.
fehlt. Leicht wird es ihm dagegen, die Uebersetzungsfehler namhaft zu machen, die
Werder aus mangelhafter Kenntnis des Italienischen begangen. Wichtig ist der
Nachweis, dass Werder seiner Uebersetzung des „Orlando furioso" vonAriost 76 Strophen
aus Bojardos „Orlando innamorato" einverleibt hat. —
Einen wertvollen Beitrag zur Geschichte des Robinson Stoffes lieferte
Hippe11) in seinem Aufsatze über Henry Nevils Isle of Pine, welche, 1668 zu Lon-
don erschienen, solchen Beifall fand, dass sie, mehrfach übersetzt, verkürzt und er-
weitert, fast im ganzen westlichen Europa ein Jh. lang die Geister beherrschte. Das
Stoffgebiet, aus dem Defoe schöpfte, war also kein neues, der Robinson Crusoe ist
vielmehr aus dem Geschmack und dem Geiste seiner Zeit hervorgewachsen.12"15) —
Zur Geschichte der Robinsonaden steuerte Kleemann16) einige Notizen bei: Der
„Geistliche Robinson" ist der Titel einer neuen Ausgabe von Zucchellis merkwürdiger
Missions- und Reisebeschreibung, für die dieser Titel nur ein lockendes Aushänge-
schild war. Nach einer Angabe Stolles in seiner Bibliotheca anonymorum ist der
„Schlesische Robinson" vielleicht von dem Rektor des Breslauer Elisabethanums,
Chrn. Stieff, verfasst. Der „Moralische Robinson" rührt von einem Studierenden der
Theologie, Kettner, her, der sich in ihm „an diesem und jenem, darüber er doch zum
Inspektor nicht gesetzet, reiben" wollte. K. führt endlich den Titel einer RobiDso-
nade auf, deren Vorhandensein bisher nicht bekannt war: den „Eilfertigen Robinson".
— In einer Replik gegen J. ten Brink in Leyden macht Ullrich17) darauf aufmerk-
sam, dass nicht nur der „vermakelijke Avanturier", ein Schelmenroman des Nicolaus
Heinsius später in Deutschland unter der Maske einer Robinsonade erschienen ist,
sondern dass noch eine grosse Reihe anderer Werke, die vor dem Defoeschen
Robinson ausgegeben worden, in Deutschland nach 1719 mit dem Robinsontitel auf
den Markt kamen. So trachteten auch später noch andere Werke durch Annahme
des Robinsontitels sich einen grösseren Leserkreis zu erwerben. —
111,4
Drama.
Johannes Bolte.
Uebergangszeit: A. Tharäus N. 1; St. Egl N. 2. — Englische Komödianten: Fortunatusdramen N. 3; Singspiele
N. 4; W. Eichelin N. 5; Buhneneinrichtung N. 6; Miles gloriosus N. 7. — Wallensteindraraen N. 8. — A. Gryphius *T. 9.
— D. Symonis N. 10. — Moliere-Uebersetzer N. 12. — Schulkomödie N. 13. — Jesuitcndramen N. 14. — Theatergeschichte
einzelner Städte (Danzig, Hamburg) N. 17. — Wandertruppen: A. Elenson und J. Veiten N. 19; M. D. Treu N. 20; Prinz von
Arkadien KT. 21; J. A. Stranitzky N. 22; Suppig N. 23; A. G. Uhlich, holländische Gesellschaften N. 24. — Weltliche Volks-
schauspiele: Faust N. 25; Don Juan N. 29. — Niederländische Dichter N. 30. —
Der Uebergangszeit aus dem 16. in das 17. Jh. gehört der Lausitzer
Pfarrer Andreas Tharäus an, dem Holstein1) einen kurzen Artikel widmet.
Der litterarische Wert seiner gereimten Klage der Frau Gerste und des Herrn Flachs
(1609) und seines dramatischen Weiberspiegels (1628) hätte sich schärfer bestimmen
lassen, wenn H. auf die Quellen beider Stücke eingegangen wäre; die Komödie be-
ruht nämlich auf einem lateinischen Gespräche des Erasmus und auf einem deutschen
Zwischenspiele aus Tecklers Heirat Davids und Michals (1572). Dass Tharäus 1610
einen wendischen Katechismus schrieb, den Leskien im Archiv für slavische Philologie
(Bd. 2) besprochen hat, sei hier nur im Interesse der Vollständigkeit nachgetragen.111) —
Zu den beiden Fastnachtsspielen des wackeren Regensburger Schreiners
Steffan Egl, die Hartmann2) 1893 aus der Hs. veröffentlicht hatte, trägt derselbe
Vf. einige Notizen über einzelne Ausdrücke „Meister von hohen Sinnen", „Hansel
frischer Knecht", über die Hobelscene und über die Familie Egls nach. —
Dem Einfluss der englischen Komödianten auf die Entwicklung des
deutschen Schauspiels hatte Harms 1892 in einer Monographie (JBL. 1892 III 4 : 3)
über zwei deutsche Fortunatusdramen3) nachgespürt; Drescher bemerkt dazu,
dass das Schauspiel des Hans Sachs (1553), auf dem der hs. Kasseler Fortunat beruht,
S. 189-205. — 11) M. Hippe, E. vor-Defoesche engl. Eobinsonade: EnglSt. 19, S. 66-104. — 12) X R- Nied ergesäss,
Alex. Selkirk, d. ältere Robinson. Für d. dtsch. Jug. bearb. (— ÜB. für d. Jug. N. 322.) St, Union. 64 S. M. 0,40. —
13) X Defoe, Kobinson Crusoe, illust. London, Hutchinson. Sh. 3,6. — 14) X id., Robinson Crusoe Mariner. (= Childrens
LibraTy.) London, Union. Sh. 2,6. — 15) X id., Robinson Crusoe, illust. (= Anchor Series.) London, Hutchinson. Sh. 2.
— 16) B. Kleemann, Z. Gesch.d. Robinsonaden: Euph. 1, S. 603/4. — 17) H. Ullrich, Zu ZVLR. 6, S. 239: ZVLR. 7, S. 230,1. —
1) H. Holstein, Andr. Tharaens: ADB. 37, S. 654. — la)OXX A- Hofmeister. Jochim Schluh: BGRostock. 3,
S. 90/1. — 2) A. Hartmann, Zu d. Regensburgcr Fastnachtsspielen (JBL. 1893 111 4:2): Bayerns Mundarten 2, S. 295,'9. —
3) K. Drescher: LBIGRPh. 15, S. 2579; A. v. Weilen: DLZ. S. 10356; A. Chuquet: RCr. 38, S. 318; VossZg. N. 84;
J. Bolte, Drama des 17./18. Jahrhunderts. III 4 : 4-9
aus der Augsburger Textfamilie des deutschen Volksbuches (1530) hervorgegangen
sei, während für den Fortunat der englischen Komödianten (1620) der Frankfurter
Text (zuerst 1551) Quelle war. Ferner macht er auf die offenbare Verwandtschaft
aufmerksam, die zwischen der Zweikam pfscene des in derselben Kasseler Hs. er-
haltenen „Ariodante" und dem Kampfe Edgars und Edmunds in Shakespeares „König
Lear" bestehe. —
Boltes Materialiensammlung zur Geschichte des strophischen Singspiels
(JBL. 1893 III 4:7) ist gleichfalls von mehreren Seiten4) einer wohlwollenden Kritik
unterzogen worden; einige kleinere Nachträge, wie beispielsweise die Varianten eines
späteren Abdruckes von „Singing Simpkin", liefert dabei von Weilen. —
Wertvolle Nachrichten über die zu Anfang des Jh. herumziehenden Komö-
diantenbanden hat Trautmann5) aus dem Stadtarchive von Rothenburg ob d. Tauber
veröffentlicht. Um 1604 reichte dort Wr. Eichelin von Strassburg, der schon aus
einer Nördlinger Supplik bekannt ist, sein aus zwölf Stücken bestehendes Repertoire
ein. Nur drei biblische Stoffe finden sich darin: Daniel in der Löwengrube; Susanna
und der verlorene Sohn; sonst lauter weltliche Historien: 4. Zwei Ritter aus Burgund
(Hans Sachs); 5. Vincentius Ladislaus (gereimt nach Heinrich Julius von Braun-
schweig); 6. Annabella von Montf errat (Marston); 7. Celide und Sedea; 8. Pyramus
und Thisbe; 9. von Melone, einem vertriebenen Könige aus Dalmatia; 10. von Ludovico,
einem Könige aus Hispania; 11. von einem ungehorsamen Kauftnannssohn; 12. von
einem alten Römer (Botzarhio?), so seinem Sohne wegen eines jungen Weibes des
Guts enterben wollen (wohl das Pickelheringsspiel von der schönen Maria und dem
alten Hahnrei). Neun von diesen Titeln kehren in der erwähnten Nördlinger
Eingabe wieder; ausserdem 13. Romeo und Julitha (Shakespeare). 1614 traf der
bekannte Engländer John Spencer auf der Reise von Nürnberg nach Heidelberg in
Rothenburg ein und gab mehrere Vorstellungen, ebenso 1654 Georgius Joliphus.
Spencer hatte dabei die Genugthuung, an einigen Soldaten, die sich bei einer Auf-
führung ungebührlich betrugen, eine schnelle Justiz ausgeübt zu sehen. —
Ein Schulprogramm von A. van der Velde,6) das die Entstehung des
englischen Schauspielerstandes, die Einrichtung der Bühne, den Anteil des
Publikums und der Kritik anschaulich vorzuführen sucht, verdient hier genannt zu
werden, da die englischen Verhältnisse ja vielfach für die deutschen massgebend
wurden. Allerdings schöpft der Vf. nicht immer direkt aus den Quellen und steht
nicht überall auf der Höhe der Forschung; doch ist der Zweck, den Gebildeten in die
Lektüre der Shakespeareschen Dramen einzuführen, durch die übersichtliche Zu-
sammenfassung vieler Einzelheiten vollkommen erreicht. —
Die Arbeit von Graf7) über die komische Figur des Miles gloriosus
beschränkt sich nach dem Referate von Gl öde darauf, die Entwicklung dieser Gestalt
auf der englischen Bühne vom Thersites von 1537 an bis auf Beaumont und Fletcher
vorzuführen, ohne auf deutsche Seitenstücke wie den Vincentius Ladislaus ein-
zugehen. —
Teilweise führt uns auch das Büchlein von Vetter8) über Wallenstein in
der dramatischen Dichtung des Jahrzehnts seines Todes nach England.
V. liefert sorgsame Inhaltsangaben der drei lateinisch-deutschen Schulkomödien des
lutherischen Stettiner Rektors Micraelius (1631—33) voll frostiger Allegorien, analysiert
dann den 1637 erschienenen Fritlandus des Löwener Professors Vernuläus, eine
rhetorische, vom habsburgischen Standpunkte aus geschriebene Schulübung, und die
romantische Tragödie des Engländers Glapthorne (1639), die durch die fahrenden
Komödianten auch nach Deutschland gebracht wurde, wie ein Berliner Theaterzettel
aus dem J. 1690 beweist. Auch das 1858 von Thomas veröffentlichte italienische
Gedicht Fulvio Testis, eines Bewunderers Wallensteins, auf dessen Ermordung wieder-
holt V. Seine Bemerkungen über die (S. 35) erwähnte Bremer Ankündigung
erledigen sich dadurch, dass dies seither durch Könneckes Bilderatlas allgemein zu-
gänglich gewordene Dokument nicht „gleich nach dem 30jährigen Kriege", sondern
erst 1688 entstanden ist. Eine Beeinflussung von Schillers Wallenstein dichtung durch
das Stück des Vernuläus, die der Vf., Göttling folgend, mit einigen Klauseln zur Er-
wägung stellt, wird man bei nüchterner Prüfung der Sachlage schwerlich annehmen. —
Die schon früher von uns charakterisierte Arbeit Wysockis über Andreas
Gryphius (JBL. 1893 III 4:14) beurteilt Max Koch9) im ganzen anerkennend;
doch vermisst er namentlich eine Untersuchung des Jesuitendramas und seines Ein-
P.: Hessenland S. 124. — 4) XA. v. Weilen: DLZ. S. 460/1; DRs. 78, S. 478; C. Krebs: VjsMusikwissensch. 10, S. 228/9;
B. M. Meyer: ML. 63, S. 926; A. Chuquet: ECr. 38, S. 318/9. — 5) K. Trautmann, Engl. Komödianten in Rothen-
burg ob d. Tauber: ZVLR. 7, S. 60/7. — 6) A. van d. Velde, Engl. Bahnenverhältnisse im 16. u. 17. Jh. Progr. Görlitz
(Gretsel). 4°. 39 S. — 7) O H. Graf, D. Miles gloriosus im engl. Drama bis z. Zeit d. Bürgerkriege. Diss. Rostook. 1892.
58 S. |[0. Gl öde: LBIGRPh. 14, S. 243/5. J| — 8) Th. Vetter, Wallenstein in d. dramat. Dichtung d. Jahrzehnts seines
Todes (Micraelius — Glapthorne — Fulvio Testi). Frstnenfeld, Huber. 49 S. M. 2,00. (Vgl. IV 9:100.) — 9) M. Koch:
III 4:io-i9 J. Bolte, Drama des 17./18. Jahrhunderts.
flusses auf den protestantischen Tragiker und stellt sich in der Beurteilung" der
Einwirkung- der holländischen Poesie mehr auf die Seite Kollewijns. —
Einen verschollenen Zeitgenossen von Gryphius bespricht Wehrmann10)
in dem hinterpommerschen Zesianer Daniel Symonis (1637—85), der als einund-
zwanzigjähriger Student zu Königsberg 1658 ein fünfaktiges Drama „Aeneas und
Dido" in affektiertem Stile nebst einer vollständigen Prosaübersetzung der vergilischen
Aeneis veröffentlichte, es aber glücklicherweise bei diesem ersten Versuche hat be-
wenden lassen.11) —
Dem Anonymus, der 1670 als erster Moliere- Ueber setze r auftrat und in
der „Schaubühne englischer und französischer Komödianten" fünf Stücke: L'amour
medecin, Les precieuses ridicules, Sganarelle, L'avare, Georges Dandin für die
lebendige Bühne verdeutschte, widmet Eloesser12) eine eindringende und fruchtbare
Untersuchung. Die Auswahl hat nicht gerade die höchsten Leistungen des fran-
zösischen Dichters getroffen, sondern die für das deutsche Publikum wirksamsten
Stücke, die diesem bekannte Motive behandelten, aber durch Vertiefung dieser Motive
und Verfeinerung der Technik etwas Neues boten. Die Vergleichung der Ueber-
setzung mit dem Originale lässt den Anonymus als „einen Mann des Theaters ohne
modern-litterarische oder tiefere klassische Bildung" erscheinen, „der mit praktisch
erworbener Kenntnis des Französischen und mit grosser Gewandtheit in der deutschen
Umgangssprache ausgerüstet ist". Indem E. jedes Stück für sich untersucht, gelangt
er dazu, aus den stilistischen Eigentümlichkeiten einen zweiten Verdeutscher, von
dem der „Avare" bearbeitet wurde, zu vermuten. Zum Schlüsse stellt er die frühesten
Einwirkungen Molieres auf deutsche Dichter dar. —
Zur Geschichte der protestantischen und katholischen Schulkomödie sind
einige vereinzelte Beiträge geliefert worden. Jacob13) druckt die deutsche Inhalts-
angabe eines dreiaktigen Stückes ab, das 1676 auf dem kursächsischen Schlosse
Hartenfels zur 100jährigen Jubelfeier der Konkordienformel gespielt wurde. Religio
irrt trauernd umher, von Spes getröstet. Der Kurfürst beschliesst infolge einer
Traumerscheinung das Einigungswerk, wogegen die höllischen Furien Calumnia,
Discordia und Dubitatio vergeblich sich auflehnen. Schliesslich steigt der Morgen-
stern in der Morgenröte empor und verkündet den anbrechenden Tag. Chöre und
Arien sind eingelegt, auf die scenische Ausstattung', die Wiedergabe des Erdbebens
und das Feuerwerk war offenbar viel Sorgfalt verwandt. Leider erfahren wir nicht,
wer Dichter und Darsteller waren. —
Die dramatische Thätigkeit der Jesuiten hat in Zeidler14) einen eifrigen
Erforscher gefunden. An seinen früher an dieser Stelle besprochenen „Studien"
(JBL. 1891 III 4:15a; 1893 III 4:21) freilich hebt Drescher hervor, dass er öfter
durch die Sympathie für seinen Gegenstand zu weit geführt werde und an einer
wichtigeren Frage, der nach dem Verhältnis von Andreas Gryphius zu den Jesuiten-
dramen, zu flüchtig vorbeigeeilt sei. — Z eidlers15) Fortsetzung seiner Arbeit über
den Pater Ferd. Rosner und andere dem Orden angehörige Theaterdichter ist mir
leider nicht zu Händen gekommen.16) —
Die Theatergeschichte einzelner Städte ist im Berichtsjahre wenig
gefördert worden. Abgesehen von einigen Besprechungen17) des für unsere Periode
wertlosen Buches von Rub (JBL. 1893 III 4:32) über die Danziger Bühne, haben
wir nur eine neue (Titel-) Ausgabe von Gaedertz18) 1884 erschienenem Werke über
das niederdeutsche Schauspiel Hamburgs zu verzeichnen. Im Vorworte führt der
Vf. über mangelnde Anerkennung seiner Arbeiten Klage und liefert einige Nachträge
zu den niederdeutschen Dramatikern der neueren Periode. —
Unsere Kenntnis der Wandertruppen dagegen wird durch einen glück-
lichen Fund Zimmermanns19) erfreulich vermehrt. Ferdinand Albrecht, ein jüngerer
Bruder des in der Literaturgeschichte bekannten braunschweigschen Herzogs Anton
Ulrich, hegte trotz mancher Wunderlichkeiten eine lebhafte Neigung für die drama-
tische Kunst. Er Hess nicht nur 1677 in dem neuerbauten Komödiensaale des
Beverner Schlosses den jüngst durch Creizenach edierten „Tugend und Liebes-
streit" und 1680 „Sidonia und Theagenes" mit dem Nachspiele vom arglistigen
Schuldner durch seine Hofbedienten aufführen, sondern er beherbergte auch 1680 die
beiden bedeutendsten Prinzipale ihrer Zeit, Andreas Elenson und Johann Veiten,
LBIGRPh. 15, S. 393/5. — 10) M. Wehrmann, D. Symonis: ADB. 37, S. 233/9. — 11) X O- Hellinghaus, B. Hubner,
Prodromus poetious t. A. A. v. Haugwitz (JBL. 1893 III 4:17): Gyran. 12, S.540/1. — 12) A. Eloesser, D. älteste dtsch.
Uebersetz. Molierescher Lustspiele (JBL. 1893 I 8 : 95; III 4 : 19). (= Berliner Beitrr. z. germ. u. rom. Philol. veröffentl. v.
E. Ehering. Germ. Abt. N. 3.) B., C. Vogt. 1393. 78 S. M. 1,80. |[LCB1. S. 1067.]| - 13) F. Jacob, Ueber e. 1676 auf'
d. Schlosse Hartenfels aufgef. Theaterstück: PAVTorgau. 7, S. 32/6. — 14) K. Drescher: LBIGRPh. 15, S 256/7; A. Chu quet:
RCr. 33, S. 317. — 15) O X X J- Zeidler, Jesuiten u. Ordensleute als Theaterdichter (Schluss; JBL. 1893 III 4 : 23) :
BVLNiederöstr. 28, S. 12-43. — 16) O X X F. Endl, Ueber d. Schuldramen u. Komödien d. Piaristen mit spec. Berucksicht.
d. dramat. Auffahningen am Piaristen-Gymn. zu Hörn im 17. u. 18. Jh. Progr. Wien. 56 S. — 17) X R- Friedrich:
BLU. S. 219; N&S. 70, S. 412; LCB1. S. 685; E. Kilian: DLZ. S. 307/8. — 18) (II 4a : 22.) — 19) P. Zimmermann, E.
J. Bolte, Drama des 17. /18. Jahrhunderts. III 4 : 20-24
mit ihren Truppen bei sich und verkehrte mit den Schauspielern recht ungezwungen,
so sehr er sonst öffentlich seine fürstliche Würde zu wahren bedacht war. Seine von
Z. im Wolfenbütteler Archive entdeckten Tagebuchnotizen, deren ausführliche Publi-
kation hoffentlich nicht lange auf sich warten lässt, bezeugen dieses Interesse nach-
drücklich; denn dort hat der Fürst nicht bloss die Titel der dargestellten Stücke,
sondern auch Inhalt und Rollenverteilung verzeichnet und selbst die einzelnen Mit-
glieder der Truppe (Elenson hatte, die Lehrjungen abgerechnet, zehn Personen bei
sich; Veiten dagegen neunzehn, darunter vier Frauen und drei Kinder) in ihren
Leistungen und persönlichen Verhältnissen charakterisiert. Elenson gab z. B. „Romeo
und Juliette oder den Streit zwischen den Montagesern und Cappalitanern", den
„dollen Marschalk aus Spanien", das „Martyrium Polyeuctus"; Veiten spielte u. a.
den „berühmten römischen General Andronicus", „die moralische Tragikomödie Le Cid
oder Liebesgeschichte Rodorigen und Chimena" und den bürgerlichen Edelmann
Molieres. —
Ein Zeitgenosse dieser Prinzipale war der von Li er 20) in einem kurzen Artikel
behandelte Michael Daniel Treu. Geboren um 1634, kam er 1669 mit seiner Bande
nach München und erhielt, nachdem er zum Katholizismus übergetreten war, eine An-
stellung als bayerischer flofbedienter. Seine Lüneburger und Münchener Vor-
stellungen sind uns wenigstens den Titeln nach bekannt. Er blieb, obwohl ihn eine
französische und später eine italienische Gesellschaft zeitweilig in den Schatten drängte,
in München und starb hier 1708. —
Wie eine Aktion Treus beschaffen war, davon vermag vielleicht eine 1701 zu
Bonn vor dem bayerischen Prinzen Clemens Joseph gespielte Komödie, „Der falsche
Printz von Arcadien" eine Vorstellung* zu gewähren, deren Veröffentlichung durch
Brenner2l)nunmehr abgeschlossen ist. Die letztenScenen enthalten eine Festaufführung
des närrischen Dorfschulmeisters, die, im bayerischen Dialekt abgefasst, die Nach-
ahmung des Peter Squenz deutlich verrät. B. hat aus dem gedruckten Argumente,
auf das in den JBL. zuerst hingewiesen wurde, den in der Münchener Hs. fehlenden
zweiten Teil ergänzt, ist aber auf die weiteren literarhistorischen Fragen nicht
eingegangen. —
Die unsicheren Traditionen über den Begründer der Wiener Volksbühne Josef
Anton Stranitzky hat von Weilen22) vortrefflich gesichtet und aus den Akten
berichtigt. Stranitzky, 1676 in Steiermark geboren und zum ärztlichen Berufe vor-
bereitet, trat 1699 als Marionettenspieler in Augsburg auf, kam dann in Verbindung
mit dem Salzburger Hilverding und Naffzer und liess sich 1707 in Wien als Arzt und
Komödiant nieder. Seit 1712 spielte er im Komödienhause an der Kärtnerthorbastei.
Er trat als Hanswurst in der Maske eines salzburgschen Kraut- und Sauschneiders
auf und errang als Schauspieler wie als Schriftsteller grosse Erfolge. Sein Kalender,
seine Reisebeschreibung und die von Weiss analysierten hs. Hauptaktionen zeigen
den Einfluss Grimmeishausens, Callenbachs und Abrahams a Sancta Clara. Die
Ollapotrida Fuchsmundi dagegen spricht W. ihm ab. —
Dem Dresdener Suppig, der 1731-50 im Rollenfache der jüngeren Lieb-
haber und Chevaliers Mitglied der Neuberschen Gesellschaft war, ist ein kurzer
Artikel Liers23) gewidmet. —
In derselben Truppe der Neuberin machte ein jüngerer Landsmann Suppigs,
Adam Gottfried Uhlich, seine Lehrzeit durch, dem Heitmüller24) eine gründ-
liche und frisch geschriebene Monographie widmet. Uhlich, der 1737 von bitterer
Not getrieben mit siebzehn Jahren die Wittenberger Universität verliess, gehörte nach
einander der Gesellschaft der Neuberin, Schönemanns, Ackermanns und Schuchs als
Schauspieler, Sekretär und Hausdichter an, wusste sich an den verschiedensten Orten
mit ausdauerndem Fleisse in jede Lage zu schicken und stand lange in eifrigem
Briefwechsel mit dem gestrengen Gottsched. Als Schriftsteller entwickelte er eine
grosse Fruchtbarkeit; Schäferstücke, allegorische Vorspiele, bürgerliche Komödien
wie „der faule Bauer", Uebersetzungen wie die, Cats „Aspasia" nachgebildete, „Elisie"
usw. gingen aus seiner raschen Boeder hervor. Sein Ende ist in Dunkel gehüllt;
bald nach 1756 muss er gestorben sein. Dieser hübschen Arbeit hat H. einen Auf-
satz über die Vorstellungen angehängt, die 1740 und 41 von zwei holländischen
Gesellschaften in Hamburg veranstaltet wurden. Er benutzt dazu die auf der
Hamburger Stadtbibliothek erhaltenen Theaterzettel, lässt aber in der Zuweisung
der hier genannten Titel an die dramatischen Autoren manche Lücken. Das Reper-
toire enthält teils Uebersetzungen französischer Schauspiele von Corneille, Monere,
Theater in Bevern: BraunschwAnz. N. 76-81. — 20) H. A. Lier, Mich. D. Tren: ADB. 38, S. 579-80. — 21) 0. Brenner,
Altbayer. Sprachproben aus d. 18. Jh. D. Prinz v. Arcadien (Schluss; JBL. 1892 III 4 : 28): Bayerns Mundarten 2, S. 161-81.
— 22) A. t. Weilen, J. A. Stranitzky: ADB. 37, S. 765-74. — 23) H. A. Lier, Suppig: ib. S. 164/5. - 24) F. Heit-
müller, I. A. G. Uhlich. IL Holland. Komödianten in Hamburg (174Ö u. 41). (= TheatergeschF. N. 8.) Hamburg, Voss.
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. Y. (3)4
III 4:25-31 J. Bolte, Drama des 17./18. Jahrhunderts.
Scarron, Montfleury, Hauteroche, Palaprat, teils holländische Originalstücke von
Vondel, Zevecote, Wouthers, Isaak Vos, Langendijk, Pluymer usw. Auch Grams-
bergens Pyramus und Thisbe, „in das Hochdeutsche bekannt unter dem Nahmen von
Peter Sequens" (lies Squenz) ward am 15. Mai 1741 gegeben. —
Unter den weltlichen Volksschauspielen, die auf alte Tradition ge-
gründet sich bis in unsere Tage fortgepflanzt haben, nimmt das aus Mario wes25)
genialer Dichtung erwachsene deutsche Schauspiel vom Doktor Faust noch immer
das hauptsächliche Interesse für sich in Anspruch. Einem der Puppenspieltexte, mit
denen die Untersuchungen über die Entwicklung dieses Dramas bisher operiert haben,
nämlich dem von Carl Engel 1874 und 82 veröffentlichten (E), hat Bruinier 26)
die Existenzberechtigung zu entziehen gesucht, indem er in einem besonderen Buche
die Angabe Engels, er habe das Stück um 1862 zu Berlin aus der Hs. eines Puppen-
spielergehilfen kopiert, als unwahr bekämpft. Er zeigt vielmehr durch einen neuen
Abdruck von E, dem er die übereinstimmenden Stellen der übrigen Texte bei-
fügt, dass Engel seinen Text selber aus jenen zusammengeflickt und mehrfach mit
Rücksicht auf dramatische Effekte willkürlich abgeändert habe. Die Beweisführung
B.s erscheint überzeugend; und wenn man zunächst noch die Möglichkeit gelten
lassen möchte, dass Engel durch einen anderen getäuscht sein konnte, so widerspricht
doch das völlige Schweigen, das Eng-el diesem Angriffe auf seine Glaubwürdigkeit
entgegensetzt, auch dieser Annahme. Creizenach betont in seiner Anzeige, dass
auch er bisher E als ein im 19. Jh. entstandenes Gemisch von Texten betrachtet
habe, die verschiedenen Entwicklungsstufen des Volksschauspiels angehören, und
dass es für die Rekonstruktion des Entwicklungsganges des letzteren nicht viel aus-
mache, ob man die nivellierende Bearbeitung einem Schauspieler zuschreibe oder dem
Herausgeber Engel. Er macht auch darauf aufmerksam, dass die an Sprichwörter-
weisheit reiche Rede des Hanswurst an Faust aus der Rede, die Mephistopheles im
Faustbuche von 1587 (und zwar in Simrocks Modernisierung) hält, hervorgegangen
sei. — Kraus27) protestiert gegen die ihm von Ellinger (JBL. 1893 III 4:42) zu-
geschriebene Ansicht, das „pragerische Comödilied" vom Doktor Faust gebe den
Inhalt eines in Prag während des 17. Jh. aufgeführten Faustdramas wieder, weist
aber jetzt die Fassung C des Puppenspieles dem 18. Jh. zu. — Die von Kraus heraus-
gegebene böhmische Fassung erkennt von Weilen28) als ein wichtiges Bindeglied
zwischen Marlowe und den neueren deutschen Puppenspieltexten an. —
Werners29) 1891 erschiene Ausgabe des Don Juan aus dem Repertoire
der Laufener Schiffer (JBL 1891 III 4:32; 1892 III 4:40) und seine ausführlichen
Mitteilungen über dies eigentümliche Liebhaber theater aus den Salzburger Hss. und
Akten sind in den seither erschienenen Besprechungen mit verdienter Anerkennung
willkommen geheissen worden; nur gegen die Untersuchung über das Verwandt-
schaftsverhältnis der älteren dramatischen Behandlungen des Don Juan-Stoffes haben
Szamatölski und Drescher Einspruch erhoben. Sz. bestreitet, dass der Laufener
Text die verlorene alte Hauptaktion getreuer wiedergebe als die Puppenspiele, unter
denen er die Strassburger Fassung für wertvoller erklärt als den Engeischen Text;
er will auch keine doppelte Fassung für die Hauptaktion annehmen, sondern sieht
diese als eine Uebersetzung von Gilibertis italienischem Schauspiel (1652) an, die
später teilweise nach der Commedia dell' arte von 1657 überarbeitet wurde. Ebenso
hebt D. hervor, dass in der Laufener und der Engeischen Recension nicht die Haupt-
typen zweier Entwicklungsreihen vorliegen, sondern dass sich die erste ebenso an
Giliberti anschliesse, näher sogar als Engels Text, und nur in Einzelheiten der
Commedia dell1 arte folge. —
Anhangsweise sei noch auf zwei Werke von Verwey30-31) hingewiesen,
die sich zur Aufgabe stellen, das grosse Publikum Hollands für die bedeutenderen
niederländischen Dichter des 17. Jh., Hooft, Bredero, Vondel zu erwärmen.
Der Vf. giebt zu diesem Zwecke Auszüge aus ihren Werken, unterbrochen durch
längere Textstellen. Eine Förderung der wissenschaftlichen Forschung hat er
nicht angestrebt. —
X, 143 S. M. 2,80. |[A. Chuquet: RCr. 33, S 319.]! — 25) O Clir. Mirlowe, La tragique hist. dn docteur Faust. Paris,
Gantier. 32 S. — 26» J. W. Bruinier, Faust vor Goethe. Untersuchungen. I. D. Engeische Volksschauspiel Doktor Joh.
Faust als Fälschung erwiesen. Halle a. S., Nieraeyer. VIII, 107 S. M. 2.80. |[W. Creizenach: LCB1. S. 930/l.]| — 27)
E. Kraus, Erwiderung: ZDPh. 26, S. Hl/2. (G. Ellinger: ib. 26, S. 142.) - 28) A. v. Weilen, A. Kollmann. Dtsch.
Puppenspiele. 1891. — E Kraus, D. böhm. Puppenspiel v. Daktor Faust 1891 (JBL. 1891 III 4: 28, 31): DLZ. S. 111. — 29)
S. Szamatölski: ADA. 20, S. 47-52; K. Drescher: LBIGRPh. 15, 8. 254/6; A. Chuquet: RCr. 38, S. 3167. — 30) A.
Verwey, Nederlandsche Dichters met Proza (Hooft, Bredero). Amsterdam, Van Loy en Gerlings. 1893. 120, 141 S. Fl. 2,00.
|[G. Kalff: Gids 4, S. 100/9.]! — 31) id., Eene Inleiding tot Vondel. Amsterdam, W. Versluys. 1892. 668 S. Fl. 7,20.
|[G. Kalff: Gids 4, S. 96-100.]| —
V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts. III 5:1
IU,5
Didaktik.
Victor Michels.
Gesamte Ideenbildung N. I. — Streben nach freierer Weltbildung: Balth. Gracian N. 2; Ph. Rarsdörfer N. 3;
Sprachgesellschaften N. 10. — Religiöse Belegung K. 12. — Gelehrte Arbeit: Justus Lipsius N. 39; Geschichtsschreiber
N. 40a; S. Pufendorf N. 44; Jak. Thomasius N. 50; Briefwechsel N. 51. — Philosophische Aufklärung: Psychologie N. 54;
J. Ch. Sturm, W. von Tschirnbaus N. 57; Leibniz B. 59: Christ. Thomasius N. 62; A. Budiger K. 71. — Gottsched N. 72. —
Didaktiker der Gottschedschen Geschmacksrichtung: B. L. Tralles N. 80; Familie Sucro N. 81. —
Für das historische Verständnis der gesamten Ideenbildung des 17. Jh.
hat Dilthey'J ausserordentlich viel gethan. Wie hat sich das natürliche System der
Geisteswissenschaften entwickelt? Wir müssen auf ältere Aufsätze D.s zurückgreifen,
mit denen der in das Berichtsjahr fallende zusammengehört, um den Gedankengang
seiner Ausführungen ganz klar zu legten. A. Drei Motive — so hatte D. bei-eits 1891
darzuthun begonnen — waren in der Metaphysik und Theologie des Mittelalters zu einem
Ganzen vereinigt: das religiöse Motiv, das in aller Metaphysik auf den älteren Ent-
wicklungsstufen herrscht, vorzüglich aber in der ganzen Kultur der östlichen Völker
dominierte, das ästhetisch-wissenschaftliche, das die Griechen in seiner das europäische
Denken bestimmenden Gestalt ausgebildet haben, und das dritte, welches D. das
regimentale nennt, das in den Lebensbegriffen und der nationalen Metaphysik der
Römer ausgesprochen ist. Bei den Römern bildet die Stellung des Willens in den
Verhältnissen von Herrschaft, Freiheit, Gesetz, Recht und Pflicht den Ausgangspunkt
des Weltverständnisses und der metaphysischen Begriffsbildung. „Vom Rechte aus
werden für den römischen Geist Willensherrschaft, Zweckmässigkeit, Utilität und
Regel zu Organen für das Gewahren und Begreifen schlechthin." „So geht aus dem
Recht in alles Denken der Begriff der naturalis ratio und der Ueberzeugung von der
Unverbrüchlichkeit der ihr entsprechenden Lebensordnung über." „Hieraus ergiebt
sich dann eine höhere Stufe des geschichtlichen Bewusstseins bei den Römern, ver-
glichen mit dem der Griechen." „Die Unverbrüchlichkeit der erworbenen Rechte
giebt ihnen Grundlage und Inhalt für die Konception vom Fortschreiten der Geschichte
und der civilisatorischen Weltherrschaft Roms." Die Vermischung von römischem
und griechischem Geist in der späteren Stoa, die Verbindung von Nomos und Logos,
wie D. es ausdrückt, Imperium und Vernunftzusammenhang schuf eine Philosophie,
die für die römischen Lebensbegriffe eine möglichst feste Grundlage suchte und diese
in dem unmittelbaren Bewusstsein fand. Angeborene Ideen werden empirisch gesichert
durch den consensus gentium: Sittengesetz, Rechtsbewusstsein, Freiheitsbewusstsein,
Gottesbewusstsein; sie sind das Fundament von Lebensbegriffen, die unerschütterliche
Grundlage, durch welche wir das Universum zu uns in ein Verhältnis setzen. Vom
griechischen Beweis Gottes aus der gedankenmässig schönen und zweckvollen Vollendung
der WTelt gelangt man zu einem Götter und Menschen umfassenden Gesetz. So ent-
steht der Begriff des Naturrechts, die Grundlage einer allgemeinen Rechts- und
Pflichtenlehre. B. Im Mittelalter waren die drei Motive verschmolzen. Bei dem Ueber-
gangzurNeuzeit machten sich indessen, wie D. weiter ausführt (JBL. 1892 II 1 :1), die Wider-
sprüche geltend, die aus der Verwendung der verschiedenartigenBestandteile entsprangen.
Während des 15. und 16. Jh. tritt eine grosse Umänderung in der Lebenshaltung der
Menschen ein und „bringt zunächst eine umfangreiche Litteratur hervor, in welcher
menschliches Innere, Charaktere, Passionen, Temperamente geschildert und der
Reflexion unterworfen werden". D. verfolgt das Band, das Seneca, Marc Aurel,
Epiktet, Plotin, Tacitus mit der geistlichen Litteratur der Meditationen und Soliloquien
verbindet und sich weiter zu Petrarca schlingt, der als Schöpfer der neuen Litteratur
feinsinnig gewürdigt wird. Macchiavelli überträgt die neue Anschauung vom
Menschen auf die Politik. Eine neue Form nimmt dann die humanistische Bewegung
in der zweiten Hälfte des 16. Jh. an, nachdem die Führung über die Niederlande
(Erasmus) an Frankreich übergegangen ist. „Hier tritt die Renaissance als Form
der Bildung einer grossen aristokratischen Gesellschaft in der mächtigsten Monarchie
auf. Daher hat sie hier zuerst alle lebendigen Kräfte der Gesellschaft, alle Realitäten
juristischer, politischer und ästhetischer Art erfasst. Unter diesen Umständen ent-
steht eine grossartige Auffassung des römischen Rechts, ein über die Italiener
hinausreichendes Verständnis der Historie und eine die nationale Dichtung leitende
Poetik." D. führt das im einzelnen aus und zeigt, wie solche Verhältnisse Montaigne
1) W. Pilthey, D. Autonomie d. Penkens, d. konstruktive Bationalismus u. d. pantheistische Monismus nach
ihrem Zusammenhang im 17. Jh.: AGPhilos. 7, S. 28-91. (Vgl. AGPhilos. 4, S. G04-51 : 5, S. 337-40: 0. 00-127, 125-36, 347-79,
(3)4*
III 5:1 V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts.
voraussetzt — „nouvelle figure, un philosophe impremedite et fortuit." In Deutsch-
land nimmt die Bewegung' entsprechend den besonderen Verhältnissen, die hier
herrschen, einen vorwiegend religiösen Charakter an. Mit der Auflösung der theo-
logischen Metaphysik des Mittelalters vollzieht sich „die Verlegung des religiösen
Instinktes aus dem kosmischen Drama in das persönliche Verhältnis zu dem Christus
mit den leidensvollen Zügen und zu dem traulicher und näher gefühlten Gottvater."
1. „Das griechische Christentum war in der Bildlichkeit anschaulichen Denkens ver-
blieben. Sein intellegibler, transscendenter Kosmos war das Gegenbild des anschaulich
gegebenen Kosmos. Seine Transscendenz überschritt nirgends das anschauliche
Denken. Es lebte in dem übersinnlichen Schauspiel der Trinität, der ewigen Zeugung
und einer Welt von göttlichen Kräften." „Der germanische Geist löste sich los von
der Bildlichkeit, welche als Erbe Griechenlands die theologische Metaphysik der abend-
ländischen Völker beherrscht hatte." 2. „Das römische Christentum war regimental.
Der römische Geist konnte den religiösen Prozess nur als an ein neues geistliches
Imperium gebunden denken . . . Die Fides implicita war der Gehorsam von Unter-
thanen." D. zeigt, wie der Kern der reform atischen Religiosität nicht in der Erneuerung
der paulinischen Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben enthalten ist,
sondern in der Loslösung des Individuums von der regimentalen religiösen Ordnung,
welche der römische Geist geschaffen hatte. Das hängt zusammen mit dem gesteigerten
Selbstgefühl der Personen. Männern wie Luther und Zwingli erschien, wie D. treffend
sagt, „die ganze katholische hierarchische Disciplin als ein dämonischer Mechanismus,
welcher die Seele von ihrem Gott absperrt. Darum zerschlugen sie diese Schranken.
Sie erfassten wieder ihr ursprüngliches Recht, mit der unsichtbaren Ordnung der
Dinge sich selber auseinanderzusetzen." „Der religiöse Ausdruck hiervon war, dass
der Mensch einsam mit Gott sich auf seinem eigenen Wege nur durch seine eigene
Arbeit sein Verhältnis zu dem Unsichtbaren bildet." „Erst bei den nordischen Völkern
tritt der religiöse Prozess in die Unsichtbarkeit. Er erfasst seine völlige Verschieden-
heit von den anschaulichen Denkvorgängen, wie sie in den Formeln und Beweisen
des griechischen Dogma wirksam sind, und er löst sich von dem äusseren Apparat
von Mitteln, Disciplin und WTerken in einem Gehorsam heischenden geistlichen
Imperium los, wie dieser von dem römischen Herrschergeiste geschaffen worden war.
Indem Luther dies vollbringt, schliesst in ihm vollends die tiefste Bewegung des
Mittelalters, das franziskanische Christentum und die Mystik ab, und zugleich beginnt
in ihm der moderne Idealismus." „Aus dem Leben, den religiös-sittlichen Erfahrungen
stammt ihm alles Wissen über unser Verhältnis zum Unsichtbaren und bleibt daran
gebunden. Und so tritt das intellektuelle Band des Kosmos, das die Vernunftwesen
an die Weltvernunft bindet, zurück hinter den moralischen Zusammenhang." 3. Ein
neues sittliches Lebensideal, bestehend in der Entfaltung der natürlichen Anlagen und
und dem lebensfrohen Wirken in der Welt, war in Italien vorbereitet (uomo universale),
in Frankreich (vgl. Rabelais „Gargantua" Kap. 57), England (Thomas Morus „Utopia")
und auch Deutschland aufgegriffen (Gregor von Heimburg, Pirckheimer, Hütten).
Es wirkte zunächst auch auf Luther und Zwingli (die D. in ihrer Gegensetzlichkeit
vortrefflich charakterisiert). „Luthers germanische Aktivität fand sich abgestossen
von jedem Werk ohne wirkende Kraft, von jeder Arbeit ohne Leistung. In der Welt-
thätigkeit selbst, in dem Berufsleben erfasste er den von Gott gegebenen Spielraum
für die im Glauben enthaltene Kraft." Die katholische Religiosität „löst gewisser-
massen die Substanz der Person auf und behält nur einen Teil der Menschennatur,
das Nacherleben Christi, das schmelzende Gefühl der Liebe: . . . Die Religiosität
Luthers wehrt sich gegen den Schnitt in die ganze lebendige Menschennatur, durch
den die Passionen von dem Gottverwandten losgelöst werden. Sie setzt dem
mönchischen ein menschlich volles Ideal gegenüber, welches die ganze menschliche
Lebendigkeit in das religiöse Verhältnis aufnimmt und in ihm zur christlichen Vollkommen-
heit erhebt." D. weist dann aber auch mit grosser Schärfe auf die schwachen Seiten der re-
formatorischen Bewegung. „DieReformation hebt den ungeheuren Widerspruch des katho-
lischen Kirchensystems auf, welches für die tiefinnerliche, weitabgewandte Lebens-
stellung eine weltbeherrschende Organisation erstrebt hatte; aber sie ist nicht im stände,
aus sich heraus eine neue Ordnung der Gesellschaft zu gestalten." C. Weiter zeigt nun D.,
wie sich zunächst der Gedanke einer natürlichen Religion vorbereiten konnte. Ein „religiös-
universalistischer Theismus" hatte sich schon vor Luther gebildet, d. h. „die Ueber-
zeugung, dass die Gottheit in den verschiedenen Religionen und Philosophien
gleicherweise wirksam gewesen sei und noch heute wirke." Schon im Mittelalter bei
einzelnen entwickelt (Friedrich IL), bei den Italienern des 15. Jh. ausgebildet (Er-
zählung von den drei Ringen), wird er von Erasmus, Reuchlin, Mutian und den
Erfurter Humanisten übernommen, als wahre Theologie im Reuchlinschen Streit ver-
fochten. Er war lebendig bei den Spiritualisten. Luther warf sich ihm entgegen und
erneute die Paulinische Rechtfertigungslehre. Er trennte sich von Zwingli, sagte sich
V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts. III 5:i
los vonErasmus und überliessdieSpiritualisten der Verfolgung-: „Die Danaidenarbeit der
theologisch-metaphysischen Systembild ung begann in dieser Kirche von neuem." Gleich-
wohl führten verschiedene Umstände zur Stärkung der neuen Bewegung: I. Die Zersplitte-
rung der Konfessionen und das stärker werdende Toleranz- und Friedensbedürfnis lässt
den Menschen dieses Zeitalters in noch unbestimmten Umrissen die Anschauung einer
allen frommen Menschen gemeinsamen Wahrheit auftauchen. Coornhert, anknüpfend
an den Rationalismus des Erasmus, bereitet dafür in den Niederlanden den
Boden, wo nach ihm der Zwang der Verhältnisse diese Ideen ausbreitet (Koolhaes,
Duifhuis, Peter van Hoft, Oldenbarneveldt). Arminius in Leyden leitete die
grosse Friedenstendenz Coornherts in engere theologische Bahnen. Die
niederländische Bewegung griff nach England hinüber (John Haies, Falkland, Chilling-
worth, Jerenry Taylor), wo auch die lndependenten Gewissensfreiheit forderten (Milton),
und nach Amerika (Roger Williams). In Deutschland entstand bei Calixt „die Idee
eines gemeinsamen Lehrbegriffs, in welchem die Konfessionen sich vereinigen könnten."
Um von dieser Anschauung einer allen Religionen gemeinsamen Wahrheit zu dem
Begriff einer natürlichen Theologie (Thomas Morus, Jean Bodin, Bacon, Herbert von
Cherbury usw.) zu kommen, bedurfte es des Gedankens von der Rationalität des
gemeinsamen Kernes aller wahren Religion, der seinerseits den Begriff natürlicher An-
lagen, angeborener moralischer und religiöser Kräfte voraussetzt. Für dessen erneute Aus-
bildung aber war die im Humanismus wirksame und in der niederländischen Philologie
kulminierende Erneuerung' der römischen Stoa von Bedeutung. IL Ein zweiter Vor-
gang, der das natürliche System und seine Macht vorbereitete, vollzog sich im Schosse
der Kirchen selber und bestand in der Entstehung des historisch - kritischen
Denkens und in der Auflösung des Dogmas von innen. D. unterscheidet drei Rich-
tungen innerhalb der Theologie des 16. Jh.: die kirchliche Theologie, den moralischen
Rationalismus und das, was er transscendentale Theologie nennt. 1. Dadurch, dass
das Prinzip der Tradition, welches die einheitliche kirchliche Theologie des Katholi-
zismus zusammengehalten hatte und, wie dies später immer deutlicher wurde, weniger
die Kontinuität der Entwicklung bezeichnete als „die fortschreitende Bestimmung
des Willens zu einem System von Gesetzen, deren keines zurückgenommen, jedes
vielmehr nur näher interpretiert werden durfte", vom Protestantismus verworfen
wurde, war man bei der Unsicherheit und dem Zwiespalt der Konfessionen zu fort-
währender wissenschaftlicher Erforschung der Grundlagen des Christentums getrieben.
So entstand infolge des Kampfes a) ein grosser Fortschritt der historischen Kritik
(Prüfung der kirchlichen Tradition: Flacius); b) die Ausbildung der Hermeneutik
(Streit über die Sufficienz der heiligen Schrift; der „goldene Schlüssel" des Flacius;
Richard Simon, Franz, Glassius). 2. Die zweite theologische Richtung, der Ratio-
nalismus, wird von Erasmus begründet und wurzelt in der humanistischen Auf-
klärung der Valla und Vives. Erasmus bekämpft siegreich Luthers Willenslehre und
beginnt schon, obwohl sich geschickt akkommodierend, die Dogmatik zu unter-
minieren. Von ihm führt eine gerade Linie zu Coornhert, den Socinianern und Ar-
minianern, von da zu den Deisten. „Das Epochemachende im sociniomischen
System liegt in der hellen, scharfen und klaren Durchführung des Prinzips, dass das
neue protestantische Christentum sich vor der humanistischen, erasmischen, historisch-
kritischen, formalen und moralischen Vernunft des grossen vorwärtsschreitenden Jh.
rechtfertigen müsse." Hugo Grotius „geht in seiner Apologie des Christentums von
dem Zusammenhang der Menschen mit Gott und dem Streben derselben, zur Glück-
seligkeit zu gelangen, aus." Er prüft die Quellenberichte und schliesst aus den
Wundern und der Auferstehung auf ein göttliches Mandat Christi. Derartige Be-
strebungen mussten zu einer verbesserten Interpretation und Hermeneutik führen.
Eine grammatisch-historische Methode der Hermeneutik bildet sich aus durch Buxtorf,
Joh. Alph. Turretin, Wetstein. Die erste Form der historischen Interpretation ist die
Akkomodationstheorie. Gottes Wort passt sich den bestimmten historischen Ver-
hältnissen an, in denen es wirken soll. Historisch und kritisch prüfen Arminianer
und Socinianer die Dogmen. Die Stärke der socinianischen Dogmenkritik beruht
darin, dass der Zusammenhang, die innere Verkettung der Dogmen Gegenstand der
Krilik wird (die Lehre von der ursprünglichen Vollkommenheit des Menschen, der
Erbsünde, von Christi Opfer und der Satisfaktion, der Trinität und Gottmenschheit).
3. Die transscendentale oder spekulative Theologie hat sich aus der Mystik entfaltet.
Ein religiös universaler Pantheismus bildete sich in dem revolutionären Chaos, das
die Namen Hubmaier, Denck, Hetzer, Grebel, Karlstadt, Münzer, Schwenckfeld etc.
bezeichnen, und tritt klar in Sebastian Franck hervor, den D. im Gegensatz zu
anderen Forschern als Begründer der modernen Geschichts- und Religionsphilosophie
charakterisiert. In Frankreich vollzog Jean Bodin in seinem hs. verbreiteten „Hepta-
plomeres" eine Verbindung mit dem moralischen Rationalismus. Er betont die Ver-
wandtschaft aller Religionen und wirft die Frage auf, wie die Einzelreligionen sich
III 5 : i V. Michels, Didaktik des 17./ 18. Jahrhunderts.
zu der Naturreligion und unter einander verhalten. Das Kriterium der wahren Re-
ligion kann er nicht entdecken Eine Entscheidung ist für die Seligkeit nicht er-
forderlich. „Mit dieser Richtung auf die natürliche Religion, welche nunmehr für die
Seligkeit zureichend gefunden wird, gehen die Probleme aus der Hand der Theologen
in die der Philosophen über." D. weist den Einfluss der römischen Stoa, den er vielleicht
etwas überschätzt, auf Petrarca, Salutato, Aretin, Valla, Agricola, Zwingli nach.
III. Die in den kirchlichen Dogmatiken des 16. Jh. gemachten Versuche, das theologisch-
metaphysische System zu retten, zeigen nur seine Selbstauflösung. „Melanchthon
ist für Deutschland das Mittelglied, welches die alten Philosophen und deren Tra-
dition in den mittelalterlichen Schriftstellern mit dem natürlichen System des 17. Jh.
verbindet. Dies natürliche System ist bei ihm schon in allen Grundzügen fest ver-
zeichnet." In einer feinsinnigen Analyse der Ansichten Melanchthons, die wir nicht
in ihren Einzelheiten wiederholen können, zeigt D., wie nach Melanchthon, der in
seinen philosophischen Anschauungen, was bisher nicht genügend beachtet war, in
allererster Linie durch Cicero beeinflusst ist, sowohl die Wissenschaften als der christ-
liche Glaube ihre letzten Bedingungen im natürlichen Lichte („lumen naturale")
haben. Die Uebernahme der paulinischen Rechtfertigungslehre nebst ihren Voraus-
setzungen hatte die unvermeidliche Folge, dass Melanchthon immer mehr von den
metaphysischen Bestimmungen des älteren kirchlichen Dogmas in seine Glaubenslehre
(„Loci communes") zurückzunehmen genötigt war und so dem wahren protestantischen
Geiste, den die erste Auflage zeigt, sich entfremdete. Zwingiis Dogmatik („De vera
et falsa religione" 1524) war überhaupt spekulativer angelegt. Er gebt gemäss
seinem universalistischen Theismus aus von dem allgemeinen Begriff der Religiosität,
dem die ganze Menschheit durchwaltenden Gottesbewusstsein. Er gewinnt den Zu-
sammenhang mit dem historischen Christus und den Rechtsgrund für die reforma-
torische Dogmatik nur dadurch, dass ihm die Bibel die Manifestation Gottes ist und
ihre Auslegung von göttlichem Geiste geleitet wird. Bei Kalvin dagegen, einer ganz
romanischen regimentalen Natur, ist das absolute Machtwirken Gottes der Ausgangs-
punkt, und „das gefahrvolle, aber willensmächtige Dogma von der Unverlierbarkeit
der Gnade" bezeichnet „den äussersten Punkt menschlicher Selbstgewissheit". Da
aber Kalvin jede auch formale Hülfe der Philosophie verschmäht und der Standpunkt
der Gnadenmacht wichtige Elemente der christlichen Religiosität, so die Anforderungen
des Gesetzes an jeden Menschen, das biblisch ausgedrückte Bewusstsein der Ver-
antwortung, das Recht Gottes zu ewigen Strafen, das im Glaubensprozess enthaltene
Bewusstsein der Mitwirkung des Menschen an der Erzielung des Heils, gar nicht zu
erklären vermag, so „findet sich die Dogmatik doch überall auf die Unerkennbarkeit
ihres letzten Zusammenhanges, auf das Mysterium oder, was dasselbe ist, auf die
skotistische Willkür in Gott und die Verurteilung der menschlichen Neugier zurück-
geworfen." So werden die Geister von dem historischen Christentum ab- und zur
Behauptung der Autonomie des religiösen Bewusstseins hingedrängt. Zuerst stellte
Herbert von Cherbury den Satz auf, die Vernunft besitze in sich selbst das Vermögen
aller, auch der religiös-moralischen Wahrheiten. Bedeutend für die Folgezeit wurde
derjenige Teil seines Werkes, in welchem er die Möglichkeit wahrer Erkenntnis zu
erweisen unternahm und durch das Zusammenwirken von natürlichem Instinkt,
äusserer und innerer Erfahrung und diskursivem Denken begründete. Die allgemeine
Uebereinstimmung ist das Merkmal der höchsten Wahrheiten. Seine Lehre ist nach
D. der Versuch, „das Problem. des Erkenntnisvermögens durch die Lehre der Stoa
von dem instinctus naturalis und den notiones communes aufzulösen." „Die Sonderung
der vier Faktoren der Erkenntnis, die Bestimmung der überwiegenden Bedeutung
des instinctus naturalis, als welcher die höchste und absolut unantastbare Instanz
bildet: diese Lehre bildet den moralischen Rationalismus des 18. Jh. bis zu Kant
und Jacobi". „Das Problem der Erkenntnis konnte er aber im Sinne objektiver
Giltigkeit desselben nur dadurch auflösen, dass er, wiederum im Einverständnis mit
den Alten, die Gewähr für die objektive Bedeutung der Evidenz und der Allgemein-
geltung in der Verwandtschaft der menschlichen Vernunft mit der objektiven Ver-
nunft des Universums fand." So bildet sich, nachdem das theologisch-metaphysische
System im 15. und 16. Jh. erschüttert ist, auf dem neuen Boden einer mündig ge-
wordenen Wissenschaft ein neues wissenschaftliches System, welches allgemein gültige
Prinzipien für die Führung des Lebens und die Leitung der Gesellschaft gewährte.
D. Den Mut, diese am meisten verwickelte und schwierigste aHer Aufgaben zu lösen, ge-
wann schliesslich die menschliche Vernunft durch die ausserordentliche Steigerung* der
Souveränität des Menschen gegenüber der Natur und die Erschliessung des Universums
durch das rechnende Denken (Kopernicus, Kepler, Galilei, Bacon). 1. Die Autonomie
der menschlichen Vernunft in Bezug auf die sittliche Lebensführung der Einzelperson
ist zuerst von Bacon in England und von Charron in Frankreich ausgesprochen
worden. Bacon löst, die moralische Wissenschaft völlig los von der Ideologie. „Die
V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts. III 5 . 1
sittlichen Ordnungen stehen unter einem Naturgesetz." Von ihm ist jedem Menschen
ein Bewusstsein mitgegeben, welches freilich verdunkelt sein kann. Das äussere
Merkmal dieses Gesetzes ist der consensus. „Die Herrschaft dieses Naturgesetzes be-
greifen und fördern, heisst, es psychologisch auffassen." So entsteht die Aufgabe, „nicht
bloss die Regeln des sittlichen Lebens aufzustellen, sondern über die Mittel der Unter-
ordnung unserer Affekte unter das natürliche Gesetz praktische Sätze abzuleiten."
Charron geht davon aus, dass das Fundament der Weisheit ist, sich selbst zu stu-
dieren und kennen zu lernen. Der Mensch soll seine moralische Gebrechlichkeit und
seine miserable Lage kennen lernen: die Geieralregel der Weisheit aber empfängt
er von der Natur selber, da die Moral von Religion und Kirche unabhängig ist.
Lebensideal ist die prud'hommie. „Die wahre prud'hommie ist männlich und edel,
lachend und freudig, immer sich selbst gleich und beständig; sie geht mit festem,
stolzem Tritt, sie hält immer ihren Kurs inne, sie blickt nicht seitwärts, nicht rück-
wärts, sie ändert ihren Schritt und ihre Weise nicht nach Wind, Zeit und Gelegen-
heiten." Die Regeln für diese prud'hommie giebt die Natur. In uns ist die all-
gemeine Vernunft (raison universelle) durch die Natur gelegt. „Daher sagt die
Doktrin aller Weisen aus: wohl leben heisst secundum naturam leben: das höchste
Gut ist mit sich übereinstimmen." 2. Die zweite grossere Aufgabe war die Ordnung
der europäischen Gesellschaft. „Aus den Prinzipien der biblischen Schriften war
nur Ein folgerichtiges Ideal des Gemeinlebens abzuleiten: eine auf Bruderliebe und
Gemeinsamkeit des Besitzes gegründete theokratische Ordnung. Der Widerspruch
derselben mit den thatsächlichen Lebensbedingungen erwies sich. So fand man sich
auf die politische Philosophie angewiesen. Hierbei war das juristische und politische
Denken der Römer und der von ihnen bedingten griechischen Autoren, wie des Po-
lybius, überall leitend." Macchiavelli hat zuerst „den regimentalen Gedanken der
römischen Welt unter den neuen Bedingungen der modernen Völker zur Geltung
gebracht." Ihm folgten Guicciaixlini, Paruta und Botero. Im Norden haben zwei
„von der römischen Stoa genährte und erfüllte Schriftsteller" diesem echtrömischen
Prinzip der Staatsraison eine mehr systematische Gestalt gegeben: Scioppius (Paediae
politices, herausgegeben von Conring 1613) und Justus Lipsius (Politica 1612). Als
wahrere Fortbildungen der Staatsraison des Macchiavelli dürfen die Schriften des Paolo
Sarpi über die venetianischen Regierungsmaximen (1615) und das Testament Richelieus
gelten. Aber vorher wurde in Frankreich infolge' der religiösen Bürgerkriege und
der Protestantenverfolgungen das Recht der Fürsten und önterthanen untersucht. Die
Bartholomäusnacht rief die Schrift des Hotomanus „De iure regum libri tres" (Basel 1585)
hervor. Hubert Languet in seiner Schrift „Vindiciae contra tyrannos" (1569) be-
nutzte zuerst den griechisch-römischen Begriff des Staatsvertrages, um das Recht
des Widerstandes gegen den Monarchen abzuleiten. „Nicht minder stark
waren die Gründe für die Ausbildung eines allgemein gültigen, mit dem Richteramt
der Vernunft ausgestatteten Naturrechts, welche zu dieser Zeit in den socialen und
politischen Gegensätzen und Forderungen enthalten waren." „Diesen Anforderungen
an ein der Zeit entsprechendes staatsrechtliches und politisches System haben nun drei
grosse W^erke für das Zeitalter entsprochen: die Staatslehre des Bodin 1577, die Politik
des Althus 1603 und das Völkerrecht des Hugo de Groot 1625." „Bodin ist der
grosse Theoretiker der absoluten Monarchie, welche die Gewissensfreiheit achtet und
die Wohlfahrt des Ganzen zu verwirklichen strebt." „Die allgemeinen Grundlagen
alles geselligen Lebens der Menschen sind die göttlichen und natürlichen Gesetze; alle
Fürsten der Erde sind den göttlichen Gesetzen unterworfen, und es steht nicht in
ihrer Befugnis, diesen entgegen zu handeln." Bodin leugnet die Pflicht des Gehorsams,
wo das göttliche Gesetz und die Grundgesetze der Natur verletzt werden. „Auf diesen
Grundlagen entsteht die Regierungsgewalt vermittelst des Staatsvertrags. Bodin
schliesst jede Teilung der Staatsgewalt, sonach auch jede staatsrechtlich bestimmte
Mitwirkung anderer Faktoren mit dem Souverän aus" („princeps legibus solutus
est"). „Die Monarchie allein ist im stände, das demokratische Prinzip der Gleichheit
und das aristokratische der Abmessung von Pflichten und Rechten im Staate zu ver-
binden." Im klaren Anschluss an ihn und im klaren Gegensatz zu ihm hat Althus
zuerst die „Majestät" des Volkes proklamiert und der Volksversammlung als ihr
unzerstörbares Recht die Ausübung der parlamentarischen Befugnisse zugeschrieben.
Hugo Grotius geht aus von dem Begriff einer allgemeinen Jurisprudenz. Alles Recht
beruht auf der Uebereinkunft; diese aber holt ihre verpflichtende Kraft aus dem
natürlichen Recht. „Das Naturrecht", lehrt Grotius, „ist so unveränderlich, dass es
selbst von Gott nicht verändert werden kann .... So wenig Gott bewirken kann,
dass zwei mal zwei nicht vier ist, ebensowenig kann er bewirken, dass das, was
seiner inneren Natur nach schlecht ist, nicht schlecht sei." Das Problem ist, die all-
gemein gültigen und notwendigen Begriffe und Sätze des Naturrechts aufzufinden;
dafür verwertet Grotius sowohl die analytische (indirekte, stoisch-römische) Methode,
III 5 : 2-3 V. Michels, Didaktik des 17./ 18. Jahrhunderts.
die den naturrechtlichen Charakter eines Begriffs oder Satzes aus dem consensus
gentium herleitet, als die synthetische oder direkte, die ihn aus der Natur des Menschen
m der Gesellschaft ableitet. So sucht Grotius das Recht der privaten Notwehr, des
Privateigentums, die Personenrechte (erworben u. a. durch Zeugung), das Straf-
recht zu begründen. E. Alle diese Bewegungen führen schliesslich zur Herbeiführung
eines in naturgegebenen, evidenten Begriffen und Sätzen ruhenden natürlichen Systems.
„Der Fortschritt vollzieht sich in der Durchführung eines autonomen rationalen
Systems: der Konstruktion des Universums durch die Vernunft." Zwei Formen bilden
sich: die deistische Lehre vom Universum, begründet durch den Begriff des Descartes
von der Maschine der Welt („Der ganze materielle Mechanismus ist nach ihr nur
Instrument für die konstruktive Vernunft in der Gottheit und der Einzelperson"),
und die pantheistische oder panentheistische Lehre, „angelegt in dem Panpsychismus,
welcher nach Aufgabe der substanzialen Formen vom antik mittelalterlichen Vernunft-
system als Erklärung des Lebens in der Natur aus einwohnenden psychischen Kräften
übrig blieb." Schon von den Okkamisten Pierre dAilly, Joh. Charlier Gerson, Rai-
mund von Sabunde, Nicolaus von Cusa vertreten, mit phantastischer Naturerklärung
von Reuchlin, Agrippa, Paracelsus, mit alexandristischem Naturalismus von Pomponazzi
ausgebildet, erlangte er seinen Höhepunkt in Giordano Bruna, Spinoza, Shaftesbury.
D. bemüht sich zum Schluss den Einfluss der Stoa auf Spinoza nachzuweisen. —
Die Linien, die Dilthey gezogen hat, lassen sich weiter verfolgen. An das,
was über das Ideal des Uomo universale gesagt wird und die Unfähigkeit der Refor-
mation, dieses neue Lebensideal in Wirklichkeit umzusetzen, sähe man gern eine
Schilderung' des Strebens nach freierer WTeltbildung angeknüpft, die auch im
Deutschland des 17. Jh. zum Durchbruch kommt. Das hat nun freilich Borinski2)
nicht geleistet, der die Hoflitteratur an den spanischen Jesuiten Balthasar Gracian
anknüpft; aber er hat wenigstens wertvolle Bausteine dafür geliefert. Wenn man von
Diltheys Ausführungen kommt, so empfindet man den Mangel an Durcharbeitung des
Stoffs und Schärfe der Darstellung in dem gelehrten Buche doppelt schmerzlich. Wer
die einschlägige Litteratur mehr oder weniger gut kennt, wird von B. vielfache
Förderung erfahren; aber mit Recht betont dieser selbst, dass er sich auf ein wenig
betretenes Gebiet begiebt: da hätte er doch seinen Lesern etwas mehr zu Hülfe kommen
sollen. In vier sehr lehrreichen Kapiteln schildert er den Vf. des „Oraculo Manual",
das uns Schopenhauer erneuert hat, als einen Mann von bitter pessimistischen Ansichten
über die Menschenwelt, die er in ihrer Nichtigkeit, Kleinlichkeit, Bosheit und Elendigkeit
im „Criticon" abkonterfeit. B. setzt diese „unabhängige Rücksichtnahme auf das
Unzuverlässige, Trügerische der Werterscheinung" in Beziehung zu der „bald in
Frankreich sich systematisch krystallisierenden allgemeinen Erkenntnis von der Un-
haltbarkeit des naiven Illusionismus der Renaissance". Gracian will enttäuschen; er
hat aber auch ein sehr positives Ideal. Er will den Mann ziehen, der die Welt ver-
steht und sich ihr gegenüber aufrecht zu halten weiss. Dieser W7elt gegenüber sind
die Klugheitsregem geboten, die Gracian lehrt. B. betont den defensiven Charakter,
den sie zunächst haben. Vor allen Dingen handelt es sich darum, zwei Fähigkeiten
virtuos auszubilden: vorauszusehen und abzuwarten. Den Mann, der die Kunst des
Abwartens begreift, die darin besteht: die Dinge reifen zu lassen, hat Gracian in der
verlorenen Schrift „El varon atento" geschildert; den, der die Kunst der beherrschenden
Voraussicht inne hat, die auf der Ausübung der „moral anatomia del hombre" beruht,
behandelt er im „Discreto". Wer beide vereinigt, kann durch seine Fähigkeiten die
Menschen leiten als der wahre Held, der „Heroe", der im Kampfe mit der Welt
seinen Mann steht. Am unfehlbarsten wird man den Mann, der dieser Aufgabe völlig
gewachsen und auf der Höhe ist („el hombre en su punto"), daran erkennen, dass
er die Fähigkeit besitzt, auf dem Markte des Lebens in jedem Augenblick die rechte
Wahl zu treffen. Diese Fähigkeit des Auswählens, die nur durch eine allgemeine
Durchbildung („cultura") erworben wird, ist der Geschmack („gusto"), und B. führt
diesen für die ästhetischen Theorien des 17. Jh. und der Folgezeit so wichtigen Begriff auf
Gracian zurück. Der Geschmack giebt dem Menschen die Sicherheit des Auftretens. Er ist
unentbehrlich für den Helden. Denn der Höhepunkt des Geschmacks besteht darin,
dass man es in der Ausbildung' seiner Persönlichkeit so weit gebracht hat, dass die
Menschen — um B.s Worte zu gebrauchen — „ihren instinktiven Hass und Wider-
willen gegen den bevorzugten Mitmenschen aufgeben und in dem wohlthuenden Ein-
druck seines Wesens, gleichsam im Genüsse seiner schönen Natur, sich entschädigt
finden für den unausbleiblichen, immerwährenden Stachel, den seine Ueberiegenheit
und gar seine herrschende Stellung ihnen auferlegt." Das aber nennt Gracian
„galanteria" und er hat, wie B. weiter ausführt, ein feines Verständnis auch für die
Wirkung liebenswürdiger Schwächen, die mit dem Heldentum verbunden sind. Auch
509-45; s. auch JBL. 1892 II 1 : 1.) — 2) (I 8 : 85; III 1 : 206; 2 : 37.) |[LCB1. S. 1674/5 (tadolt d Stil).]| — 3) (III 1 : 191/3;
V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts. III 5:4-3?
den Ausdruck „schöne Seele" möchte B. auf Gracian zurückführen; ob mit Recht,
bleibe dahingestellt. Der eigentliche Beruf des für die beherrschende Stellung in
der Welt gebildeten Mannes aber ist der des Staatsmannes, des „Politico". So finden
sich die Ideale des 17. Jh. bei Gracian bereits vereinigt, und B. weist die direkten
Einflüsse auf die Hoflitteratur in Deutschland nach, insbesondere auf Thomasius und
auf Christian Weise. —
In einer Anmerkung hebt Borinski auch den Zusammenhang von Philipp
Harsdörfers Bestrebungen mit den Idealen der Hofschule hervor. Ihm, dem Stifter
des pegnesischen Blumenordens, gilt eine etwas langatmige Biographie von Bischo ff 3)
in sechs Kapiteln: 1. Lebensskizze, 2. Fruchtbringende Gesellschaft, 3. Frauenzimmer-
gesprächsspiele, 4. Hirtenorden an der Pegnitz, 5. Philipp Harsdörfer als
didaktisch-religiöser Schriftsteller, 6. Mathematisch-naturwissenschaftliche Schriften.
Das alles ist mit grosser Belesenheit behandelt, ohne dass der Versuch, Harsdörfer
zu „retten", recht geglückt wäre. Für die Lebensskizze ist das hs. Harsdörfersche
„Familienbuch" benutzt. Auszüge sind sehr reichlich eingestreut; auch ist zum
Schluss eine Bibliographie und eine Anthologie „Poetisches aus Harsdörfers Werken"
angefügt. Bildet B.s Aufsatz den Hauptteil der umfangreichen, mit schönen Illustrationen
geschmückten Festschrift zum 250jährigen Bestehen des Blumenordens, so wird man
doch auch die knappe Biographie des zweiten Stifters Siegmund von Bircken durch
August Schmidt recht lesbar finden.4-9) —
ImGrunde genommen ist es gleichfalls dasStreben nach weltmännischer Bildung,
einer Bildung die mit der der übrigen Nationen wetteifern kann, was bei den Be-
mühungen der Sprachgesellschaften hervortritt. Sie haben diesmal, ausser
dass das einschlägige Kapitel bei Bischof Harsdörfers Beziehungen zur „Frucht-
bringenden Gesellschaft"10) im wesentlichen auf Grund des bekannten Quellen werks
von Krause darstellt, keine Behandlung erfahren. Doch sei bemerkt, dass Gräfu)
zu seiner Dissertation über den „Sprach verderber" (JBL. 1893 III 5 : 6) einen Nachtrag
bringt, indem er eine Ausgabe nachweist, die zu „Colin. Vor den Minnenbrüder im
Loret. Anno. MDCLXVII" erschienen ist und die Vorlage für den Abdruck in Cocays
„Teutschem Labyrinth" zu sein scheint. —
Weniger Förderung als im Vorjahr hat die Kenntnis der religiösen
Bewegung erfahren. Ein Buch wie Grünbergs Spener (JBL. 1893 III 1 : 90; 5 : 22)
fehlt diesmal.12) — Von Katholiken erfreut sich Abraham a Sancta Clara13-15)
dauernder Popularität; auch hat von Schulte16) dem Jesuiten Petrus Tyräus einen
Artikel gewidmet ; unter den Protestanten haben ausser ein paar gelehrten Theologen i"-21)
und Predigern22-28) des 17. Jh., der gutartige Schwärmer Johann Tennhart
(gest. 1721) durch Tschack er t29), F. Brekling (gest. 1711) durch Moltesen30),
der Erbauungsschriitsteller und der Dogmatiker Ph. J. Tilemann gen. Schenck, durch
Bess31) Behandlung gefunden. B. giebt eine kurze Charakteristik der Schriften:
„Tägliche Opfer aller Christen in geistreichen Andachten und schönen seelenrührenden
Gebehten auf alle Morgen und Abend der gantzen Wochen gerichtet, Breslau 1673"
und „Sechzehn Stufen des Gnadenthrons Jesus Christus, begreiffend acht Vor-
bereitungen und soviel Danksagungen auf jedweden Tag in der Woche vor und
nach dem Gebrauch des heiligen Abendmahls, Cöthen 1680". Als Vorbild habe das 4. Buch
der „Imitatio Christi" gedient. — August Hermann Franckes Leben ist von Armin
Stein32) zu einer populären Biographie verarbeitet worden, die uns nicht zugänglich
war. — Der Famulus Franckes in Leipzig, Mitbegründer des „Collegium philobiblicum"
und spätere Dekan der Nikolauskirche zu Berlin, Johann Kaspar Schade (1666—98),
ist durch L o m m a t z s c h 33) behandelt worden, der seine deistischen Neigungen, den
2:22.) — 4) X H. Pfeilschmidt, Deutschlands älteste litt. Gesellschaft: FZg. N. 178. — 5) X 0. Beringer, Z. 250j
Jnbil. d. Pegnes. Blumenordens: IllZg. 102, S. 709-10. (Schilderung d. Irrhains mit Illustr.) — 6) X id-. D- Irrhainfest d.
Pegnes. Blumenordens: ib. 103, S. 134. (Mit Illustr.) — 7) X H. B[öschJ, D. 250j. Jubelfeier d. Pegnes. Blumenordens:
Gartenlaube S. 372. — 8) X Altes u. Neues aus d. Pegnes. Bluraenorden (JBL. 1893 III 5:3): WIDM. 75, S. 655. — 9) X
0. M., D. Stifter d. Pegnitzordens. E. Jubil.-Betrachtung: Sammler*. N. 81. — 10) X R- G-. Harsdörfer u. d. dtsch. Sprache :
NatZg. H. 650. — 11) H. Graf, E. bis jetzt unbek. gebliebene Ausg. d. dtsch. Sprachverderbers: ZDU. 8, S. 185,6. — 12) X
(III 1 : 175a.) — 13) X H. J. Dieckmann, Abraham a Sancta Clara: Sammler A. N. 78. — 14) X E- Predigt d. Abraham
a Sancta Clara: ib. N. 82. — 15) X M- Beck, Abraham a Sancta Clara: LZg». N. 79. — 16) A. v. Schulte, P. Thyräus:
ADB. 38, S. 238. - 17) X '• C. van Slee, Ewald Teelinck: ib 37, S.528.— 18) X id., W. Teelinck: ib. S. 527/8. — 19)XC.E.
Carstens, Nie. Teting (N. Knutsen): ib. S. 5902. - 20) X ?• Tschackert, Th. Thumm: ib. 38, S. 169-71. - 21) X L-
Stieda, Zwei Königsberger Gelehrte d. 17. u. 18. Jh. D. beiden Schreiber (Vater u. Sohn): AltprMschr. 31, S. 385-430.
(1. Art. Behandelt D. Mich. Schreiber, ord. Prof. d. Theolog. an d. Univ. zu Königsberg, geb. 1662, gest. 1712; mit ausfuhr!.
Schriftenverzeichnis.) — 22) X Chrn. Meyer, Joh. E. Teichmann: ADB. 37, S. 541,2. — 23) X w- Harless, W. Teschen-
macher: ib. S. 582/4. — 24) O X Lamparter, Jac. Fabricias: Pfarrhaus 10, S. 1812. (Hofprediger Gustav Adolfs.) —
25-26) X (HI 1 : 172.) (JBL. 1893 III 5 : 19.) — 27) X Ueber •&• 25 6: MhComeniusGes. 3, S. 236/7. - 28) O XX (IH 1 = 171.)
[J. Heidemann: MhComeniusG. 3, 8. 228-31.]| — 29) P. Tschackert, Joh. Tennhart: ADB. 37, S. 570 1. — 30) O
L. J. Moltesen, Fredrik Brekling et Bidrag tit Pietismens üdviklings Historie. Köbenhavn, Schönberg. 1893. IV, 188 S.
|[G. D ah 1 mann: ThLBl. 15, S. 574]] — 31) B. Bess, Ph. Joh. Tilemann, gen. Schenck: ADB. 38, S. 297,8. — 32) O X X
Armin Stein [= H. Nietschmann], A. H. Francke, Zeit- u. Lebensbild aus d. Periode d. dtsch. Pietismus. 3. Aufl.
(= Dtsch. Geschichts- u. Lebensbilder. 3. Bd.) Halle a. S., Waisenhaus. XHI, 353 S. Mit Bild. M. 3,60. — 33) S.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (3)5
III 5:34-51 V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts.
Hass gegen alle Heuchelei und die mancherlei Gewissensnöte, mit denen Schade zu
kämpfen hatte, entwickelt und auch eine eingehende Bibliographie anfügt. — Für
Zinzendorf34) sucht von Natzmer35), wie es scheint, ein Nachkomme von
Zinzendorfs Stiefvater, durch Auszüge aus dem hs. Tagebuch des jungen Grafen in
etwas umständlicher Weise und mit ermüdender Weitschweifigkeit den Beweis zu führen,
dass die Wahl des Hofmeisters Crisenius für Zinzendorf eine recht unglückliche war
und die schlechte Behandlung, unter der der junge Graf im Franckeschen Institute zu
leiden hatte, im wesentlichen auf diesen zurückzuführen sei. Allerhand Einzelheiten
sind von Interesse, die Figuren der Mutter und Grossmutter werden greifbare Persönlich-
keiten.36) — Von dem uns nicht zugänglichen Buch Burkhardts31) über die Brüder-
gemeinde, das schon 1893 erschienen ist, ersieht man aus K o 1 d e s Recension, dass
es zwar keine kritische Geschichte, aber ganz geschickt gearbeitet ist, — Dem Mit-
begründer der Brüdergemeinde, dem treuen Mitarbeiter Zinzendorfs, Joh. Töltschig,
gilt ein biographischer Artikel von L i e r 38). —
Noch schwächer fliessen die Einzelbeiträge für die gelehrte Arbeit des
17. Jh. Durch Halms Aufsatz in den Münchener Sitzungsberichten (1882) sind
Neidharts39) Forschungen über die Jenaer Reden des Justus Lipsius
angeregt. Seine Arbeit zerfällt in zwei Teile. Zum Leben bemerkt N., Lipsius habe
jedenfalls gelogen, als er angab, er habe in Rom Fehler und Schäden der Kirche
durchschaut und sich, da er schon vorher zur „wahren" Religion hinneigte, daraufhin
zum Protestantismus bekehrt. Die in der zweiten Jenaer Rede angegebenen um-
stände vertragen sich nicht mit den Thatsachen. N. macht sehr wahrscheinlich, dass
Lipsius, um auf jeden Fall eine Professur in Jena zu erhalten, .sich für einen
Protestanten ausgegeben und als solcher gelebt hat. Auch Magister scheint er sich
genannt zu haben, ohne es gewesen zu sein. Wahrscheinlich hatte ihn Camerarius
veranlasst nach Jena zu gehen. Seine, ein Vierteljahr lang dauernde, Wirksamkeit
in Jena war glänzend. Er ging fort: 1. weil er überhaupt nicht die Absicht hatte,
sich in Jena festzusetzen, sondern die Stelle nur als Durchgangsstation betrachtete;
2. weil es ihm in Jena nicht behagte, teils wegen der schwachen Besoldung, teils
wegen der mangelnden Zuhörer; 3. weil es ihm schwer fiel, sich durch die Mittel zu
halten, durch die er empor gekommen war. Die Jenaer Reden des Lipsius aber
zerlegt N. im zweiten Teil in zwei Klassen: die acht Reden, die 1607 zu Darmstadt
in einem Bande erschienen, und die Rede „De calumnia". N. bringt neueAgumente
dafür, dass Lipsius wirklich der Vf. der acht Reden war.40) —
Unter den Geschichtsschreibern hat W e g e 1 e 40a) den sächsisch-
ernestinischen HofhistoriographenTentzel behandelt (1659 — 1707). — Toeppen41)giebt
eine Zusammenstellung sämtlicher Elbinger Geschichtsschreiber und Geschichts-
forscher. — Krauske42) zeichnet das Bild des Polyhistors Thulemeyer (1642 — 1714),
der eine Zeitlang als Historiker und Rechtsgelehrter in Frankfurt ein glänzende
Rolle spielte, aber infolge der Schwächen seines Charakters ein schmähliches Ende
nahm.43) —
Samuel Pufendorf hat Paul Meyer44_45b) eine Abhandlung
gewidmet, in der er das Geschlecht der Pufendorfe in Form eines Stammbaums über-
schauen lässt und ein Verzeichnis der Werke und Briefe Samuels giebt.4*"49) —
Aus der Biographie des Jakob Thomasius von Sachse50) hebe ich
hervor eine Bemerkung über Aristoteles in der Rede „Pro Aristotele quod iure suo
usus fuerit negans idoneum Ethicae auditorem esse juvenem", mit der Thomasius 1653
sein Amt als Professor der Moral in Leipzig antrat : er beklagt die nach der früheren
Ueberschätzung des Aristoteles eingetretene Vernachlässigung. S. bemerkt, die Stelle
in der verlorenen Leichenrede Carpzovs, wonach Thomasius die heidnischen Autoren
gehasst hätte, dürfe bei den bekannten Anschauungen Carpzovs nicht urgiert werden.
Beiläufig wird erwähnt, dass Thomasius in einer Denkschrift vom Juli 1676 eine Be-
Lommatzsch, Joh. Kasp. Schade: ADB. 37, S. 319-25. — 34) X H. Roy, Zinzendorfs Anweisungen für d. Missionsarbeit
(JBL. 1893 III 5:32): ThLBl. 15, S. 190. - 35) Gn. E. v. Natzmer, D. Jugend Zinzendorfs im Lichte ganz neuer Quellen.
Eisenach, Wilkens. XII, 264 S. M. 4,60. |[LCB1. S. 1096; P. Grünberg: DLZ. S. 12513; KonsMschr. S. 778; LZgB. N. 73.JI
— 36) X B- Erdmann sdörffer, Gn. E. v. Natzmer, Lebensbilder aus d. Jh. nach d. grossen dtsch. Kriege (JBL. 1892
III 1 :43): DLZ. S. 944/6. — 37) O G. Burkhardt, D. Brüdergemeinde. 1. T. Entsteh, u. gesch. Entwickl. d. Brüder-
gemeinde. Im Auftr. d. Unitätsältesten-Konferenz bearb. Gnadau, Unitätsbuchh. 1893. VII, 216 S. M. 1,50. |[MhComeniusG. 3,
S. 101; Th. Kolde: ThLBl. 15, S. 223/4.] | — 38) H. A. Lier, Joh. Töltschig: ADB. 38, S. 429-30. — 39) R. Neidhart,
De Justi Lipsi vita Jenensi orationibnsque ab eo habitis. Progr. Passau. 1893. 41 S. — 40) X J- C. van Slee. Joh.
Gerardi Tan Teerens (Terentius): ADB. 37, S.528. — 40a)F. X. Wegele, W. E. Tentzel: ADB. 37, S. 571 2. — 41) M.Toeppen,
D. Elbinger Geschichtsschreiber n. Geschichtsforscher in krit. Uebers. vorgeführt. (= ZWestprGV. 32, S. 1-200.) Danzig,
Bertling. 1893. 200 S. M. 3,00. — 42) O. Krauske, Heinr. Günther v. Thulemeyer (Thulemar) : ADB. 38, S. 159-60. —
43) X C- Grünhagen, Georg Thebesius: ib. 37, S. 665/6. — 44) Paul Meyer, S. Pufendorf. E. Beitr. z. Gesch. seines
Lebens. Progr. Grimma (Sohiertz). 31 S. — 45) X >d., S. Pfufendorf: LZg». N. 131. — 45a) X ld . s- Pufendorf. E.
Gedenkbl. zu seinem 200 j. Todestage: IllZg. 103, S. 461/2. (Mit Illustr.) — 45b) X id-- s- Pufendorf. Vortr. Referat:
VossZg. N. 502, 504. — 46) O X X (HI 1 ' 197.) — 47) X A. v. Eisenhart, E. Tentzl: ADB. 37, S. 572/3. — 48) X »d-i
Joh. Otto Tabor: ib. S. 337/9. — 49) X F- Batssel, Dav. Tappe: ib. S. 389-90. (Vf. e. „Ost-Indianischen Reisebeschreibung",
Hannover u. Wolfenbüttel 1704.) — 50) R. Sachse, Jak. Thomasius: ib. 3S, S. 107-12. — 51) R. Beck, M. Christian Daums
V. Michels, Didaktik des 17./ 18. Jahrhunderts. III 5 : 51-63
schränkung der klassischen Lektüre befürwortete und der Aufführung- der biblischen
Dramen des Schonäus das Wort redete. —
Den Briefwechsel des Zwickauer Rektors Christian Daum hat Beck51"52)
in verschiedener Weise ausgenutzt. Daums Beziehungen zu Leibniz waren bereits
durch Gottsched („Anecdota quaedam Leibnitiana" Leipzig 1750), durch Diestel (Archiv
für Literaturgeschichte 11, S. 349 ff.) und durch B. selber (in den MAVZwickau. 1888)
erörtert. B. druckt neuerdings die beiden Briefe von Leibniz an Daum und das
Schreiben Daums an Leibniz vom J. 1666 wieder ab. Ausserdem weist er hier auf
die Beziehungen zu Friedrich, Rappolt, Jakob Thomasius, Chr. Fr. Franckenstein,
Kaspar Löscher, dem Vater Valentin Löschers, Kaspar von Barth, Joachim Feller usw.
hin, und giebt zu Daums hs. Briefwechsel eine Art gelehrten Kommentar. Ein Bild von
packender Hässlichkeit erhalten wir von dem greisen Kaspar von Barth durch einen
Brief Fellers an Daum. Fellers Persönlichkeit hat B., seine Zwickauer Programme
stark benutzend, auch ausführlicher behandelt: seine Jugendjahre und Jugendlehre,
sein Verhältnis zu Barth, zu Haus und Familie, zu Zwickau und Daum, die ihm ge-
wordenen Ehren und Anerkennungen. — Keller53) weist ' in einer Notiz auf den
Briefwechsel von Hermann van der Hardt (geb. 1660, gest. als Professor der
orientalischen Sprachen zu Helmstädt). Er befindet sich in der Hof- und Landes-
bibliothek zu Karlsruhe und enthält Schreiben an Francke, Spener, Leibniz usw.
F. Lamey hat 1891 (JBL. 1891 III 5: 1) ein Verzeichnis der Adressaten veröffentlicht. —
Was die philosophische Aufklärung angeht, so wird es genügen,
Dessoirs54) Geschichte der Psychologie hier zu erwähnen, in der die ver-
schiedenartigsten Persönlichkeiten herangezogen und eine Reihe interessanter Probleme,
die auch die Litteraturgeschichte berühren, freilich mehr gestreift als g-elöst
werden.55"56) —
Den occasionalistischen Cartesianer Johann Christophorus Sturm hat
Falckenberg57), den durch seine Beziehungen zu Leibniz bekannten Mathematiker
und Philosophen Ehrenfried Walther von Tschirnhaus hat Liebmann58) bio-
graphisch behandelt. —
Wenig bietet die Forschung über Leibniz. War Leibniz Determinist oder
Indeterminist?, so fragt Nithack59). Er kommt zu dem Resultat, „dass die Unsicherheit
in der Leibnizschen Theorie von der Willensfreiheit vor allem dadurch entstanden
ist, dass er Begriffen, die in der Philosophie längst eine bestimmte Prägung erhalten
hatten, eine neue Bedeutung gab; deshalb ist es möglich, ihn zugleich als Deterministen
und Indeterministen hinzustellen". — Ein nicht zugängliches Werk Cescas60)
über Leibniz Metaphysik und Erkenntnistheorie bekämpft besonders die Ansicht
Kuno Fischers, dass die prästabilierte Harmonie in Leibniz System notwendig und
fest begründet sei, — wie ein Recensent, Tocco, behauptet, mit Glück.61) —
Unter den Vätern der Aufklärung ist Christian Thomasius reichlich
bedacht. Landsberg62) teilt sein Leben in drei Perioden. Die erste gelte bis 1678
oder richtiger bis zur Bekanntschaft mit Pufendorfs „Apologia". „Als ein wohl be-
anlagter und wohl erzogener Professorensohn und Professuranwärter war er in
Frankfurt eingezogen, als der Christian Thomasius unserer Kulturgeschichte verliess
er es, als Rationalist und Aufklärer, kampflustig und siegvertrauend." Nach einer
kürzeren holländischen Reise (1679) und einigen Jahren äusserer Ruhe und innerer
Sammlung, während deren er in Leipzig" praktizierte und Privatvorlesungen im üblichen
Stile hielt, folgte 1684—90 die zweite, die Glanzepoche, in der Thomasius als Rationalist
und Sturmgeist Kritik an dem Bestehenden übt. Er bleibt nur stehen vor zwei
Haltepunkten : der reinen, im Sinne des ersten Jh. gefassten christlichen Religion und
vor der durch den Herrscher repräsentierten Staatsallmacht. „Ein zorn- und witz-
sprühender Eiferer gegen alles Niedere und Beschränkte, gegen alle Schulen und
Regelzwang, mehr niederreissend als aulbauend, mehr Vertreter des sogenannten
gesunden Menschenverstandes und Agitator als Gelehrter, trotz aller gelegentlich
dabei an den Tag gelegter Gelehrsamkeit." Thomasius, so führt L. aus, sei vor allen
Dingen ein impulsiver, stets durch die Stimmung des Moments beherrschter Charakter
gewesen. Die dritte Periode beginne 1690, zeige ihn in Halle als Pietisten und be-
deute keine Vertiefung. Die pietistische Selbstbetrachtung und Selbstzergliederung-
Beziehungen z. Leipziger gelehrten Welt während d. sechziger J. d. 17. Jh. Progr. Zwickau, Zückler. 1893—94. 4°. 16,
39 S. — 52) id., Aus d. Leben Joach. Fellners. Nach hs. Quellen d. Zwickauer: MAVZwickau. 4, S. 24-77. — 53) [L. Kelle r],
Hermann v. d. Hardt in seinen Briefen an Spener, Francke etc.: MhComeniusG. 3, S. 277. — 54) (III 1 : 185.) |[VossZgB.
N. 8; P. y. Lind: AltprMschr. 31, S. 376/8.]| — 55) X VV. Bolin, Spinoza. E. Kultur- u. Lebensbild (=: Geisteshelden.
Her. t. A. Bettelheini. N. 9.) B., E. Hofmann & Co. VIII, 176 S. M. 2,00. |[F. Jodl: DLZ. S. 1126/7.JI — 56) O X
L. Brunschvicg, Spinoza. Paris, Alcan. 231 S. — 57) B. Falckenberg, Joh. Christophorus Sturm: ADB. 37, S. 39-40.
— 58) O. Liebmann, E. W. v. Tschirnhaus: ib. 38, S. 722/4. — 59) A. Nithack, Darstellungen u. Kritik d. Lehre Leibniz
v. d. menschl. Wahlfreiheit. Diss. Halle a. S. 46 S. — 60) G. Cesca, Li Metafisica e la teorica della conoscenza del Leibniz.
Padova, Drucker e Senigallia. 18S8. 44 S. L. 2,00. |[F. Tocco: AGPhilos. 7, S. 133/9.JI — 61) X M- Kronenberg, Leibniz u. d.
preuss.Ak.d. Wissenschaften: YossZgB.N. 4. — 62) 0. Landsberg, Chrn. Thomasius: ADB. 38, S. 93-102. — 63) (I 4:463.) --
(3)5*
III 5:64-66 V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts.
führe zum Separatismus. Die Mitarbeiterschaft an Arnolds Kirchen- und Ketzer-
geschichte bleibt noch im einzelnen nachzuweisen. Die metaphysischen Grübeleien
leiten ihn jedoch schliesslich zu Heiterkeit und Reife. In den juristischen Arbeiten
vollzieht sich die Emancipation von Pufendorf. L. fasst sein Urteil dahin
zusammen: „Thomasius ist kein tiefer Philosoph und Denker, kein gelehrter Forscher
und Sammler gewesen, sein Blick haftete meist bloss am unmittelbar Praktischen,
sein Verstand leugnet kurzweg alle Probleme, denen er nicht gewachsen ist; der
Dauer seiner einzelnen Arbeiten stehen ihre geringe formale Durcharbeitung und ihre
Zersplitterung im Wege. Aber er ist ein Mann von sprudelndem Ideenreichtum, von
intuitiver, selbst bei historischen Fragen der richtigen Lösung' zustrebender Genialität,
und seine Werke, häufig denselben improvisierten Charakter tragend wie seine Lehr-
vorträge, haben, wie diese, auf eine zahlreiche Zuhörerschaft, so auf das Publikum
seiner Zeit im weitesten Masse gewirkt: durch den Reiz einer frischen Unmittel-
barkeit, durch die Gewalt einer wuchtigen Persönlichkeit". — Auf Thomasius Leipziger
Zeit und den Wegzug nach Halle lässt Landsberg63) ausserdem in einer Gelegen-
heitsschrift helles Licht fallen. Seine auf Dresdener Aktenmaterial gestützten
Darlegungen gipfeln in der Schilderung der biographischen Bedeutung, die der
Schrift „Erörterung der Ehe- und Gewissensfrage, ob zwei fürstliche Personen im
römischen Reiche, deren eine der Lutherischen, die andere der Reformierten Religion
zugethan ist, einander mit gutem Gewissen heiraten können" in Wahrheit zukommt.
Die Ehe des Herzogs Moritz Wilhelm von Zeitz mit der Prinzessin Maria Amalia
von Brandenburg hatte ihre politische Bedeutung. Der Herzog', in staatsrechtlich
unklarer Stellung gegenüber Kursachsen, im Streben nach Selbständigkeit, suchte
den Anschluss an Brandenburg. Thomasius kannte, was er in seinen autobio-
graphischen Darstellungen zu verschleiern für gut fand, die einschlägigen Verhältnisse
genau und hat unbedingt beides voraussehen müssen, sowohl den Erwerb der
Zeitzer und Brandenburger Gnade als den Verfall in die äusserste kursächsische
Ungnade, als er die Eheschrift herausgab. Es wird an der Art, wie die von Leipzig
und Wittenberg aus gegen Thomasius erhobenen Anklagen in Dresden behandelt
wurden, gezeigt, dass von dem Augenblick ab, in dem sich Thomasius einfallen Hess,
die contre raison d'Etat seiner Kurf. Durchlauchtigkeit zu Sachsen geschlossene
Ehe des Herzog Moritz von Zeitz zu vereidigen, ihn auch der Minister Haugwitz und
die Hofkreise fallen Hessen. L. kommt zu dem Resultat, dass Thomasius, für den
die Leipziger Verhältnisse unmögliche geworden waren, sowohl „diese sächsische
Krisis wie die brandenburgische Lösung derselben mit aller Ueberlegung und feiner
Geschicklichkeit auf Einen Schlag durch die Eheschrift herbeigeführt habe." Nicht
berührt ist dabei ein Punkt, auf den neuerdings Opel64) hinweist, dass nämlich
Thomasius bereits in einem der Schreiben vom 7. und 10. Okt. 1688, auf welche
Pufendorf am 16. Okt. 1688 antwortete, „der in Halle zu begründenden neuen
Universität und vielleicht auch schon seiner in Aussicht genommenen Uebersiedlung
von Leipzig nach Halle" gedachte. Dabei kommt des Thomasius Verhalten wiederum
in ein anderes Licht. Vor dem Wegzug von Leipzig begab sich Thomasius zum
Herzog Moritz, der ihn sofort nach Berlin empfahl. L. teilt das Antwortschreiben
Kurfürst Friedrichs III. vom 31. März (10. April) 1690 an den Herzog mit, dass er
emphatisch die „eigentliche Begründungsurkunde der Universität Halle" nennt. Ein
kurfürstlicher Haftbefehl ist entgegen der Angabe des Thomasius wahrscheinHch
nie erlassen worden, so dass es sich um einen einfachen Wegzug von Leipzig, nicht
um eine Flucht handelt. Im April 1690 aber erging dann auf Veranlassung des Ober-
konsistoriums der Schöppenspruch, dass Thomasius zur Haft zu bringen, gegen ihn
mit der Specialinquisition zu verfahren und er artikelsweise zu vernehmen sei. Doch
kam der Befehl nicht zur Ausführung, da der Handel dem Kurfürsten vorgelegt
wurde, und man in Dresden gegen Brandenburg nichts direkt Feindliches zu unter-
nehmen wagte. Im Juli 1691 konnte Thomasius seine Mobilien nach Halle schaffen
lassen. 1692 versuchte der neue Kurfürst Johann Georg IV. auf neue Beschwerde
der Leipziger einen Schritt gegen Thomasius in Berlin, der im wesentlichen
erfolglos blieb. Nach dem Uebertritt Friedrich Augusts des Starken zum
Katholizismus aber vollzog sich ein völliger Umschwung. Es ist bekannt, dass
der Oberkonsistorialbefehl vom 3. Dec. 1697, der zum Streit gegen Thomasius
aufrief, durch ein kurfürstliches Toleranzedikt vom 27. März 1698 annulliert wurde.
L. schildert dann weiter die Rückberufungsunterhandlungen in den J. 1705 und 1709.
Im J. 1705 suchte man vergeblich den in Ehesachen als tolerant geltenden Thomasius
von Dresden aus für ein günstiges Gutachten im Coselschen Handel zu gewinnen,
das man dem Gutachten des Oberkonsistoriums entgegenstellen wollte. Die Berufung
selbst scheiterte besonders daran, dass man Thomasius in Leipzig nicht anstellen
64) (= N. 68.) — 65) X S. Frey, Chrn. Thomasius: VolksZg. N. 332. — 66) F. Frensdorff, Halle u. Göttingen. Rede z.
V. Michels, Didaktik des 17./18. Jahrhunderts. III 5 i 66-75
konnte, ohne den Ordinarius der Juristenfakultät, den alten Geheimrat Born, zu brüskieren,
was Thomasius selbst nicht wollte. Man kam unmittelbar nach Borns Tode 1709 auf
die Berufung zurück; doch Hess sich Thomasius von Brandenburg-Preussen halten.
Mit dem Herzog" von Zeitz blieb Thomasius in freundschaftlichen Beziehungen. 1708
wurde er herzoglicher Geheimrat. Sein Briefwechsel von 1708—18, den L. in einer
Ordnungstabelle überschauen lässt, ist interessant für die Geschichte des Herzogs,
der in seiner Politik gegenüber Kursachsen durchaus unglücklich war und durch
seinen Aufsehen erregenden Uebertritt zum Katholizismus am 18. April 1717, den er
am 16. Okt. 1718 rückgängig machte, nicht nur nicht die Gunst König Augusts gewann,
sondern auch das protestantische Stift Naumburg verlor.65) — Auch Frens dorff66)
wirft in einer Göttinger Festrede einen Blick auf Thomasius. In dem Kampf gegen
die Pedanterie erblickt er seine Hauptthätigkeit. „Die Richtung auf das Brauchbare
ist die Losung, die in Halle ausgegeben wird und weithin Aufnahme findet". — Ebenso
enthält natürlich Schraders67) „Geschichte der Friedrichs -Universität zu Halle"
Kapitel, die Thomasius und Francke gewidmet sind, wie auch eine kurze Schilderung
Chrn. Wolffs und anderer Hallenser. In den Anlagen (2, S. 353/4) ist die Bestallung
für Thomasius publiziert. — Die Schriften „Von Nachahmung der Franzosen", „Vom
elenden Zustand der Studenten", „Von der Pflicht eines evangelischen Fürsten, die
Besoldungen und Ehrenstellen der Kirchendiener zu vermehren" hat Opel68) heraus-
gegeben mit einer eingehenden Einleitung, die das Leben des Thomasius bis zum
Beginn der Streitigkeiten mit den Pietisten schildert, die Anlässe der edierten
Schriften ausführlich erörtert, und mit recht nützlichen Anmerkungen.69) — Das
berühmte Programm „Von Nachahmung der Franzosen", mit dem Thomasius seine
Vorlesungen über Balthasar Gracian eröffnete, hat ausserdem Sauer70) durch einen
Neudruck bequem zugänglich gemacht. — Borin ski70a) schildert des Thomasius
Verhältnis zu Gracian, charakterisiert die „Philosophia aulica" und widmet dem
Gegner der „Thomasischen Geisterlehre", dem „Zoilus aller Hofhasen und Hofgecken",
dem Bannerträger des „Realismus", Gabriel Wagner, Realis de Vienna, eine eingehende
Betrachtung.
Ein Gegner der Leibnizisch - Wolff sehen Philosophie und zugleich Schüler
von Thomasius, dessen starke Beeinflussung durch Graciansche Gedanken Borinski
entgangen ist, war Andreas Rüdiger; seine Moralphilosophie entwickelt Carls71). —
Geber Gottsched wird das langerwartete abschliessende Buch wohl nicht von
Eugen Wolff72"73) geschrieben werden. W. beginnt seine Darstellung mit der
Schilderung von Gottscheds Stellung zur deutschen Sprache, indem er sich mit ein
paar Worten gegen Danzels Bemerkung wendet, dass Gottsched in der Philosophie
seiner Zeit wurzele. Es ist wahrlich für den Historiker ein recht unzureichender
Grund, dass Gottsched nach W. auf dem Gebiet der Sprache mehr geleistet hat.
Ueber Gottscheds Rationalismus, der auch bei den grammatischen Bestrebungen un-
verkennbar ist, wird man sich von seiner Stellung zur Wolffschen Philosophie aus
am besten orientieren können. W. schildert Gottsched als Beförderer des „Deutschen"
(im Gegensatz zu anderen Sprachen), des „Gemeindeutschen", des „Korrektdeutschen"
und des „Elegantdeutschen". Seinen Fehler sieht er hauptsächlich darin, dass er die
Verschiedenheit der Poesie- und Prosasprache nicht genügend erkannt habe.
Förderlich scheinen mir die an zweiter Stelle gebrachten Ausführungen über
Gottscheds Philosophie, obgleich ich manches schief finde, so vieles, was über Leibniz
gesagt wird, über Malum hypochondriacum und Sentimentalität usw. Recht klar
wird Gottscheds, in den Dissertationen niedergelegte, Lehre über den Influxus
physicus behandelt. W.s Ausführungen können als Kommentar zu Danzels allzu
knapper Darstellung mit Nutzen verwertet werden. Der Vf. zweifelt nicht, dass
Knutzen (was Benno Erdmann aus „historischen" Gründen geleugnet hatte) von
Gottsched mit beeinflusst ist und räumt die chronologischen Schwierigkeiten aus dem
Wege. Verdienstlich zeigt er, dass Gottsched in seinem rasch zusammengestellten
„System" die „Institutiones philosophiae W^olffianae" von Thümmig74) bisweilen wört-
lich ausgeschrieben hat. Gottsched giebt aber eine selbständige Definition der Phi-
losophie, die er sehr bezeichnend als Anweisung zur Glückseligkeit definiert. Es
hängt das damit zusammen, dass nach ihm die Sittlichkeit auf dem Verstände beruht.
Ein starker mechanistischer Zug bei Gottsched wird von WT. betont: er tritt auch in
dem hervor, was Gottsched über Kunst und Religion lehrt. Aus der Beobachtung
des Gesetzes vom zureichenden Grunde entsteht ihm die natürliche Dichtkunst. „So
Feier d. Geburtstages S. Maj. d. Kaisers n. Königs am 27. Mai 1S94. Göttingen, Dietrich. 28 S. M. 0,40. (Vgl. I 12.) —
67) W. Schrader, Gesch. d. Friedrichs-Univ. zu Halle. I.-II. (JBL. 1S93 I 6: 110). B., DSmmler. VIII, 640 S.; V, 583 S.
31. 31,00. (Vgl. I 12.) - 68) O (I 4:461.) — 69) X E. Hallenser Professor vor 200 J.: BerlTBl. N. 363. (Anknüpfend an
d. Herausg. d. „Kleinen dtsch. Schriften" v. Chrn. Thomasius.) — 70) (I 4 : 462.) |[LZgB. N. 94.]| — 70 a) (= N. 2.) — 71)
W. Carls, Andr. Rüdigers Moralphilosophie. (= Abhandl. z. Philos. u. ihrer Gesch. Her. v. B. Erdmann. N. 3.) Halle a. S.,
Xierneyer. 51 S. M. 1,20. - 72) (I 7:17.) — 73) Eugen Wolff, Gottsched im Kampf um d. Aufklärung: ZDTJ. 8, S. 633-84,
713-57, 7S9-831. — 74) X O- Liebmann, L. Ph. Thümmig: ADB. 38, S. 1778. — 75) J. Reicke, Zu Jos. Chr. Gottscheds Lehr-
III 5:75-88 V. Michels, Didaktik des 17. /18. Jahrhunderts.
pflegen geschickte Poeten," heisst es bei ihm, „die wahrscheinlichsten Fabeln nach
dem Muster der Natur zu erfinden", — Gottscheds „Kritische Dichtkunst" in nuce,
bemerkt W. Gottscheds fortgeschrittene Ansichten in der Staatsphilosophie führt W.
auf Miltons „Defensio pro populo Anglicano" zurück. Gottsched verteidigt das
Recht, zu revoltieren. Im „kirchlichen Teil der Staatslehre" predigt er mit ungleich
grösserer Entschiedenheit als Ch. Wolff und Thümmig Toleranz. In dem Kapitel
„Gottscheds agitatorische Stellung in den philosophisch-theologischen Zeitkämpfen"
sind ein paar Einzelheiten von Interesse. Gottscheds absprechende Bemerkungen
über das Märchen von D. Fausten als Inbegriff alles Aberglaubens werden notiert,
für Gottscheds Stellung zur Orthodoxie neue Zeugnisse beigebracht. W. betont mit
Recht die rühmlichen Seiten in Gottscheds Verhalten, verkennt aber die Schwächen,
die Gottscheds Stellung auch hier hat. Eingehender alsDanzel berichtet er über die Gesell-
schaft der Alethophilen. — Ausführlich erörtert Seuffert Gottscheds75) Verhältnis zu
Pietsch, dessen Theorie derDichtkunst in den vonReicke namhaft gemachtenDisputationen
er „in manchem Betracht bedeutender" findet, als umfangreichere Poetiker vor und nach
Pietsch. Gegen Braitmeier, der ohne jeden Beweis behauptet hatte, Pietsch huldige
noch der Lohensteinschen Geschmacksrichtung, betont S. mit Recht, dass Pietsch als
Klassizist und Gegner des Schwulstes erscheine. Seine Vorläufer sind noch nach-
zuweisen.76"79) —
Von den Didaktikern der Gottschedschen Geschmacksrichtung
war Balthasar Ludwig Tr alles bei Goedeke (42, S. 18) sehr unvollständig be-
handelt. Seine Gegenschrift gegen Friedrichs des Grossen „De la litterature allemande",
in der er sich selbst und Haller als die grössten deutschen Dichter hinstellt und
Weisse und Lessing als Nachahmer Molieres gelten lässt, aber gegen „Götz von
Berlichingen" heftig polemisierend beklagt, dass Lessing im „Nathan" die deutsche
Sprache, „von Goethe angezettelt, geflissentlich zu verderben bemüht gewesen", ist
dort nicht einmal erwähnt. Nun schildert ihn uns Hippe80) sehr wohlwollend als
Marin von „gewaltigem, man könnte sagen polyhistorischem" Wissen, dem es bei
ausserordentlicher Vielseitigkeit der Interessen eine beneidenswerte Arbeitskraft und
Schaffensfreudigkeit möglich machten, neben seiner angestrengten, bis ins höchste Alter
geübten Praxis eine litterarische Thätigkeit von grossem Umfange zu entfalten. —
Auch über die Familie Sucro bietet derselbe Paragraph bei Goedeke
unzulängliche Angaben. Wie weit hier Pröhle81-86) alles klärt, vermag ich nicht
zu sagen. Ich vermisse Rücksichtnahme auf K. Schüddekopf „K. W. Ramler bis zu
seiner Verbindung mit Lessing", ein Buch, das mir momentan nicht zugänglich ist,
wo aber (S. 34) unter Polemik gegen die 1. Auflage von Goedekes „Grundriss"
Johann Georg Sucro als Herausgeber des „Druiden" genannt wird. P. scheidet den
Vater Christophorus Sucro (1685 — 1751), der wegen seiner hervorragenden pietistischen
Leichenpredigten erwähnenswert ist, und dessen drei Söhne. Christophorus Josephus
(nicht Christian Joseph; 1718—56) ist nach ihm Vf. der „Versuche in Lehrgedichten
und Fabeln" (1747), des „Herbstes" und der „Landluft" (1748) und Herausgeber
des „Druiden" (1749). Johann Georg (1722—86) war Prediger wie der Vater.
Als das eigentlich schriftstellerische Talent der Familie aber ist Johann Josias
zu betrachten, Popularphilosoph und Dichter, frühestens 1724 in Magdeburg
geboren und 1760 gestorben. Ueber sein Leben weiss freilich auch P. nicht viel
mehr als ganz unsichere Vermutungen beizubring'en. Seine Werke sind ausser den
beiden Abhandlungen „Die vergnügte Einsamkeit" und „Der moralische Nutzen der
Poesie", die P. nicht zu Gesicht bekommen hat: 1746 ein Gedicht über die „beste
Welt" (Halle), 1747 eine „Sammlung auserlesener Gedichte", nicht vor 1757 der erste
Band des Prosawerks „Erfahrungen", 1759 „Ueber den Epiktet und seine Lampe".
P. nimmt Einfluss des letztgenannten Werkes auf Wieland an, der den alten Magde-
burger Domprediger jedenfalls während des Aufenthalts in Kloster-Bergen kennen
lernte und wohl auch den Söhnen einiges Interesse schenkte. Auch die 1760 er-
schienenen „Parallelen von S * * * *, erster Band, erstes Stück", schreibt P. dem
Johann Josias zu. Ein Sohn von Johann Georg ist Georg Wilhelm, dessen Sohn
Friedrich Wilhelm Karl (1789— 186 1).87"88) —
jähren auf d. Königsberger Univ. (JBL. 1892 III 5 : 29). |[B. Seuffert: GGA. S. 909-25; 0. F. Walzel: ZOG. 45, S.930,l.]|
— 76) X G. Krause. Gottsched u. Flottwell (JBL. 1893 1115:61). |[B. Friedrich: BLU. S. 262; M. K(och): LCB1.
S. 406/7; A. Sauer: DLZ. S. 1517; K. H. Lohmeyer: FBPG. 7, 8. 278/9; Grenzb. 3, S. 142/3.] | — 77) X (IH 1 =210.) —
78) O X (IV 1 c : 78.) — 79) O X J- Addison, Essays, From the rSpectator\ With notes. London, Routledge. Sh. 8,6. —
80) M. Hippe, B. L. Tralles: ADB. 38, S. 489-94. — 81) H. Pröhle, Christophorus Sucro: ib. 37, S. 112/3. — 82) id.,
Christophorus Josephus Sucro: ib. S. 113. — 83) id., Joh. G. Sucro: ib. S. 113/4. — 84) id., Joh. Josias Sucro: ib. S. 114/5.
— 85) id., G. Wilh. Sucro: ib. S. 115. — 86) id., Friedr. Wilh. K. Sucro: ib. S. 115/6. — 87) X E. Blösoh, V. Bernh. v.
Tscharner: ib. 38, S. 704/5. — 88) X (in 2 : 39.) —
IV. Von der Mitte des 18. Jahrhunderts
bis zur Gegenwart.
IY,1
Allgemeines.
a) Litteraturgeschichte.
Adolf Stern.
Allgemeines: Gesamtdarstellungen N. 1. — Die Moderne N. 7. — Anthologien N. 10. — Almanache N. 14. —
Stammbücher N. 17. — Specialstadien und -darstellungen: Sammelwerke N. 20. — Lokale Forschung: Kreuz
nnd Quer N. 28: Norddeutschland: Berlin N. 29, Sachsen N. 31, Thüringen (Weimar) N. 32, Schleswig- Holstein N. 37; Oester-
reich N. 38: Baltische Lande N. 42: Schweiz N. 43; Amerika N. 44. —
Allgemeines. Neue und umfassende Gesamtdarstellungen der Epoche
von der Mitte des vorigen bis zum Ende dieses Jh. hat das J. 1894 nicht gebracht,
und wir haben sie um so weniger erwarten können, als selbst die älteren und nur
neubearbeiten Werke dieser Art teilweise ins Stocken geraten sind. War schon in
den beiden vorhergehenden Jahren die Fortführung des neu bearbeiteten Goedeke-
schen Grundrisses1) (JBL. 1893 IV la:2) eine sehr langsame, so ist diesmal jede
Fortsetzung ausgeblieben, da das kleine Heft, mit dem der sechste Band, das siebente
Buch und die Darstellung der Romantik wenigstens begonnen wurde, schon ins
J. 1895 hinüberfällt. Die Gründe dieser langsamen Förderung mögen mannigfacher
Natur sein, beklagenswert bleibt sie immer, da die späteren Kapitel sich schon auf
eine viel ausgebreitetere Quellenlitteratur stützen, als die früheren und der Abstand
von länger als einem Jahrzehnt, wer weiss, ob nicht von zwei Jahrzehnten, zwischen
dem Beginn und dem Schluss der Arbeit heute viel klaffender und ersichtlicher sein
muss, als er vor noch einem Menschenalter gewesen wäre. Es wird zwar unablässig
versichert, dass der „Grundriss" absolute Vollständigkeit nicht beanspruche noch
erstrebe, es ist aber nur zu ersichtlich, dass der Versuch, das Material nicht nur in
seiner Tiefe, sondern auch in seiner ganzen sehr zufälligen, ja geradezu wertlosen
Breite hereinzuziehen, den rascheren Abschluss empfindlich hemmt und die Aus-
sichten auf ein bis zum Ende des 19. Jh. fortgeführtes Werk wesentlich beeinträch-
tigt. — Dafür ist denn die von Harnack2) besorgte Neuausgabe von Hettners „Ge-
schichte der deutschen Litteratur im 18. Jh." mit dem dritten Buche „Das klassische
Zeitalter der deutschen Litteratur" glücklich zu Ende geführt worden. Der Bearbeiter
bezeichnet selbst den letzten Band des Buches als den schwierigsten, er sagt aus-
drücklich: „Je mehr der Bearbeiter eigene Specialstudien auf den ihm vorliegenden
Gegenstand gewandt hat, wie ich es besonders in Bezug auf Goethe und Schiller
gethan habe, um so schwieriger wird es ihm sein, die Objektivität gegenüber dem
Standpunkte des ursprünglichen Vf. zu gewinnen und zu behalten und ein unbestech-
liches (unbestochenes) Urteil darüber zu fällen, inwieweit jener Standpunkt von der
neuen Forschung überwunden ist und inwieweit er noch Gültigkeit beanspruchen
darf." Die erste wie die letzte Frage gegenüber einem Werke wie dem Hettnerschen
1) X L- Hirzel: DLZ. S. 434/6. — 2) H Hettner, Litteraturgesch. d. 18. Jh. Her. v. 0. Harnack (JBL. 1893
IV la:3). 3. Buch. 1. D. Sturm- u. Drangperiode. 2. D. Ideal d. Humanität. Braunsohweig, Vieweg & Sohn. VI, 373 S. ;
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (4)1
IV la:2 Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Literaturgeschichte.
wird eben immer die sein, welchen Wert man der Urteils- und der Darstellungs-
kraft des Vf. beimisst, welche Wirkung- man davon erhofft. Immer werden natürlich
die Werke am besten daran sein, die man lediglich als Zeugnisse der grossen Persön-
lichkeit und geistigen Macht ihrer Urheber völlig unverändert wieder herausgiebt.
Wer würde daran denken, die einzelnen Kapitel und Ausführungen von Herders
„Ideen zur Philosophie der Geschichte" mit den Ergebnissen der neueren Geschichts-
und vergleichenden Sprachwissenschaft, der neueren Natur- und Völkerkunde in
Einklang zu setzen? Oder, um ein minder vornehmes Beispiel zu wählen, welcher
Herausgeber von Vilmars bekannter „Deutscher Nationallitteratur" hat sich nicht von
vornherein eingestehen müssen, dass bei der subjektiven Anlage und der festen Zu-
sammenfügung des Werks die Umarbeitung aller anfechtbaren Sätze einen Zusammen-
sturz des ganzen Baues herbeiführen müsste? Hettners Werk forderte seiner ganzen
Anlage nach die Eingriffe einer fremden Hand weit mehr heraus. Es suchte sich
auch da, wo es am selbständigsten ist, im Zusammenhang nicht nur mit den wirk-
lichen Resultaten der Forschung, sondern auch mit ihren jeweiligen Moden und
Tagesstimmungen zu erhalten, es stellte sich in sehr vielen Fällen als Revision und
letzte Abwägung entgegenstehender Meinungen dar, es knüpfte die Darlegung der
eigenen Anschauung gern an eine Auseinandersetzung mit Vorgängern und Zeit-
genossen an, es zog in jeder Neuauflage eine ganze Reihe von inzwischen auf-
geworfenen Fragen in den Kreis seiner Erörterungen herein, es gab sich in mehr
als einem Sinne als abschliessendes Werk. Eine Konsequenz dieser Eigenart war es,
dass die Bearbeiter (denn auch die englische und französische Litteraturgeschichte des
18. Jh. hat Neubearbeitungen erfahren; s. u. IV ld : 1 — la) von dem Gesichtspunkt aus-
gingen, der Vf. selbst würde nicht unterlassen haben, bei längerem Leben die Ergän-
zungen und Berichtigungen einzuschalten, mit denen sie ihrerseits das Werk versahen.
Vergleichen wir in der Bearbeitung H.s die beiden grossen Hauptabschnitte des dritten
Buches „Die Sturm- und Drangperiode" und „Das Ideal der Humanität" mit der von
Hettner zuletzt revidierten dritten Auflage, so haben wir auch in diesen Bänden die
genaue und gründliche Nachprüfung und vielfache Richtigstellung der Citate, die
umfassende und dennoch knappe Berücksichtigung der neuen Thatsachen und der
wirklich gelösten Fragen zu rühmen. Mit einer gewissen Selbstüberwindung sucht
sich der Bearbeiter innerhalb dieser Schranken zu halten. Und doch entschlägt man
sich des Eindrucks nicht, dass ihm dies nicht immer möglich gewesen ist. Darüber
kann kein Streit sein, dass der Herausgeber nur eine Pflicht erfüllt, wenn er in-
zwischen klargestellte Dinge des hypothetischen Charakters entkleidet, den sie in
der letzten Fassung Hettners noch zeigten. Wenn die Spinozastudien Herders,
nach Angabe Hayms, bis auf die Bückeburger Zeit zurückgeführt werden, wenn als
das Drama, das Goethe 1771 an den Lieutenant Demars in Neu-Breisach übersandte,
die erste Bearbeitung des Götz von Berlichingen (statt des „Cäsar") bezeichnet wird,
wenn das Lustspiel „Die Weiber von Weinsberg" Leisewitz bestimmt zugesprochen
wird, wenn H. nach den genauen Nachrichten Litzmanns die Liste der von Schröder
gespielten Shakespeareschen Dramen ergänzt, wenn er im Kapitel „Schiller bis zu
seiner ersten Uebersiedlung nach Weimar" eine kurze, unbedingt vom Vf. hier nur
vergessene Charakteristik Chr. F. D. Schubarts einschaltet, wenn er im Kapitel Kant
die ästhetisch fruchtbare Seite und die für die ästhetische Anschauung Schillers und
Goethes entscheidenden Sätze der „Kritik der Urteilskraft" hereinzieht, so darf da-
gegen ebenso wenig erinnert werden, als wenn er Veröffentlichungen berücksichtigt,
die seit Hettners Abscheiden erfolgt sind. Der Satz über Lenz als Lyriker (Die
Sturm- und Drangperiode S. 214) stützt sich auf K. Weinholds Sammlung der Lenz-
schen Gedichte, die Umarbeitung des ersten Kapitels über „Faust" (S. 166, 170 ff.)
schöpft ihre Berechtigung aus der Auffindung des „Urfaust" durch Erich Schmidt
und macht auch einige spätere Eingriffe im zweiten Abschnitt des dritten Buches
unvermeidlich. Ein wenig anders steht es schon mit der auf die neuen Arbeiten
über Goethes Thätigkeit als Bühnendichter gestützten Zusätzen zum Kapitel „Goethes
und Schillers antikisierende Kunsttheorie" (Das Ideal der Humanität S. 262, 264/5),
steht es mit den Abminderungen der Hettnerschen Kritik der antikisierenden Dich-
tungen Goethes. Möglich, dass der ursprüngliche Vf. gegenwärtig sich zu diesen
Dichtungen anders stellen würde, aber da dies eben nur möglich und keineswegs
gewiss ist, so sollte auch die Schärfe seiner Polemik nicht gemindert werden. Noch
viel mehr gilt dies von gewissen Milderungen des Ausdrucks, die sich z. B. im
Kapitel Herder finden. Wenn Hettner schreibt: „Er, der offen mit dem alten Kirchen-
glauben gebrochen hatte, war Geistlicher und Präsident der obersten Kirchenbehörde!
Er, der streng sittliche und wahrheitsliebende Mann mit dieser steten Lüge auf der
Seele, entsetzlich!" und H. dies in den Satz: „obgleich die Forderung der
Rechtgläubigkeit in Weimar nicht an Herder herantrat, musste das Widerspruchs-
volle seiner Stellung von einem so gewissenhaften, ja zart empfindenden Manne doch
Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Literaturgeschichte. IV la:3-5a
je länger, je mehr empfunden werden" umändert, auch den späteren Vergleich Herders mit
Swift durch die (vollkommen zutreffende) Bemerkung einschränkt: „Nur dass Herder
stets mit äusserster Pflichttreue fortfuhr, jede menschlich-wertvolle praktische Wirk-
ung, die ihm sein Amt eröffnete, in persönlicher Hingebung auszuüben und dadurch
sich eine würdige Thätigkeit zu bewahren", wenn der Vf. den „schmerzlichen Wider-
willen" über das Gedicht Goethes an Marie Louise von Frankreich empfindet und
der Herausgeber ganz kühl objektiv in dem Huldigungsgedicht ein Bekenntnis der
damaligen Anschauungen und Träume Goethes sieht, so stellt sich die volle Gefahr
vor Augen, die in solchen Aenderungen liegt. Die besonnen abgewogenen Worte
H.s gefallen uns ja in diesen und anderen Fällen besser als die Herbheiten
und schroffen Ausdrücke Hettners, aber das ist gar nicht die Frage. Zur littera-
rischen Charakteristik Hettners, des Einflusses, den die Hallischen Jahrbücher und Feuer-
bach und Strauss in seiner Jugend auf ihn ausgeübt haben, gehören eben die vereinzelten
herben Urteile und gelegentlichen Vorurteile, die plötzlich innerhalb seiner ruhig-
klaren und gewinnenden Darstellung aufblitzen. Es ist eine Prinzipfrage, ob und
wie weit dergleichen auf Grund inzwischen vorgeschrittener Forschung beseitigt
werden darf. Gerade weil die bescheidene und mustergültige Zurückhaltung des
Herausgebers und die selbstlose Sorgfalt, die er dem bedeutenden Buche Hettners
gewidmet hat, die höchste Anerkennung verdienen, weil dank seiner pietätvollen
Arbeit, der umfassenden warm belebten Darstellung und der energischen Anschau-
ung Hettners wiederum neue Wirkungen gesichert sind, weil das Werk als Ganzes
völlig bewahrt ist und „in einer Zeit des Naturalismus für die idealistische und doch
lebenswahre Kunst, in einer Zeit experimentierender Kunstübung für die unver-
brüchlichen Gesetze des künstlerischen Schaffens streiten" kann, braucht man sich
nicht zu scheuen, auf die Unsicherheit der Grenze hinzuweisen, die die abgeschiedene
Persönlichkeit, das individuelle Gefühl und Urteil gegen Empfindungen und Urteile
der Späteren wahren soll. — Die im vorjährigen Bericht angezeigte Neuausgabe der
von Strodtmann und Rudow3) übersetzten „Hauptströmungen der Litteratur des
19. Jh." von Georg Brandes ist mit dem 5. Bande, der die „Romantische Schule
in Frankreich" behandelt, wie vorausgesagt, beschlossen und durch die Beigabe des
Generalregisters zum 5. Bande ausdrücklich als abgeschlossen bezeichnet worden.
Und so ist denn nun der unerfreuliche Fall eingetreten, dass von diesem bedeuten-
den und geistvollen Buche zwei Ausgaben vorliegen, von denen die eine auf den
6. Band über „Das junge Deutschland" verzichten muss, während die andere nach
wie vor den 3. und 4. Band vermissen lässt. Worauf sich die Titelbezeichnung vierte
„vermehrte" Auflage der Barsdorfschen Ausgabe bezieht, wird uns nicht recht klar,
wahrscheinlich auf den hinzugefügten 5. Band, der in St.s ursprünglicher Ueber-
tragung noch fehlte. Dringender als je ist aber zu wünschen, dass die Veitsche
Ausgabe nicht sowohl zum Abschluss gelange, als vielmehr ihr fehlendes Mittelstück
erhalte. Die zahlreichen Besprechungen des Werkes erweisen die fortdauernde Teil-
nahme daran, und es ist keineswegs unwichtig, welche Ausgabe die stärkste Ver-
breitung und Geltung gewinnt. — Der Literaturgeschichte des 19. Jh. gehört die
Darstellung Ad. Sterns4) „Die deutsche Nationallitteratur vom Tode Goethes bis
zur Gegenwart" an, die auch in ihrer dritten Auflage eine vollständige Erneuerung,
eine reichere Gliederung und wesentliche Zusätze bekommen hat. Im Vorwort zur
3. Auflage betont der Vf., dass er nach wie vor bemüht gewesen sei, Lücken und
Mängel des ersten Entwurfs auszugleichen, der Darstellung eine innere, historisch
begründete Folge wie einen lebendigen Fluss zu verleihen, auch die Einzelgruppen
möglichst deutlich hervorzuheben, dass er aber bei der Verbindung seiner Arbeit
mit Vilmars bekanntem Werke (zu dem St.s Uebersicht nicht sowohl die Fortsetzung
als einen selbständigen Anhang bildet) an die Form zusammenhängender Vorlesungen
gebunden war und nicht daran denken durfte, die sechs grösseren Abschnitte („Ein-
leitung", „Das . junge Deutschland und die politische Lyrik", „Nachwirkungen der
klassischen und romantischen Ueberlieferung", „Die Erhebung gegen die Herrschaft
der Tendenzpoesie", „Der poetische Realismus", „Neue Kämpfe und das Ende des Jh.")
in die doppelte oder dreifache Zahl kleinerer aufzulösen oder etwa gar um des An-
scheins grösserer Mühe willen, auf den lebendigen und überzeugenden Ton des Vor-
trags zu verzichten. — Die beiden Schriften Kirchners (JBL. 1893 IV la:7— 7b) „Die
deutsche Nationallitteratur im 19. Jh."5) und ,,Gründeutschland"5a) erfuhren fort-
gesetzte Zurückweisungen und Angriffe, zwischen denen nur ganz vereinzelt eine
VIII, 728 S. M. 6,50; 12,00. (Mit Generalreg. v. Rud. Grosse.) — 3) G. Brandes, D. Hauptströmungen d. Litt. d. 19. Jh.
Uebers. v. Ad. Strodtmann u. W. Rudow (JBL. 1893 IV 1 a : 4). Bd. 4 u. 5. L., Barsdorf. VII, 380 S.; V, 348 S. u. XV S.
Generalreg. M. 4,50; 5,50. |rF. Mehring: NZ»1. 12', S. 309-11; WIDM. 75, S. 522; 76, S. 379-80; Ges. S. 964.]| — 4) Ad.
Stern, D. ätsch. Nationallitt, vom Tode Goethes bis z. Gegenw. 3. verm. u. verb. Aufl. Marburg, Elwert. XII, ISO S. M. 1,50.
|[P. Schnurer: ÖLB1. 2, S. 631; WIDM. 76, S. 128.J| — 5) X WIDM. 76, S. 379; Paed. B. 789-90; R. Friedrich: BLU.
S. 84; E. Hermann: PaedA. 36, S. 172,3, 300 7 (zeugt v. geringem Verständnis).]! — 5a) X KonsMschr. S. 104; DDichtung. 16,
(4)1*
IV la:6 Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Literaturgeschichte.
und die andere freundlichere Stimme laut wurde, deren Aeusserungen dann zumeist
erkennen Hessen, dass der betreffende Beurteiler die eigentliche Aufgabe einer histo-
risch-kritischen Darstellung der neuesten Litteratur entweder nicht kannte oder doch
ausser Augen liess. — Ein bedeutendes und selten so selbständig, so reich und ge-
drängt zugleich behandeltes Kapitel der neuesten Geschichte deutscher Litteratur
bringt H. von Treitschke6) im 5., leider letzten Teile seiner klassischen „Deutschen
Geschichte im 19. Jh.". Es ist der (fünfte) „Realismus in Kunst und Wissenschaft"
überschriebene Abschnitt des 5. Buches, das die acht ersten Regierungsjahre König
Friedrich Wilhelms IV. schildert, während jener sowohl die politische Poesie der
vierziger Jahre als die bedeutsame Wendung umfasst, die gerade in dem aufgeregten
Jahrzehnt zwischen 1840 und 48 eintrat. Kann man auch nicht ohne weiteres zu-
geben, dass der Drang nach dem Wirklichen, dem modernen Leben, ausschliesslich
ein Vermächtnis des jungen Deutschlands gewesen sei, so wird man umsomehr dem
Grundgedanken der ganzen Darstellung zustimmen müssen. „Die politische Leiden-
schaft, die Ahnung eines nahenden grossen Umschwungs zwang sich jedem ernsten
Geiste so mächtig auf, dass selbst die strenge Wissenschaft sich der Tendenz nur
selten ganz zu erwehren vermochte. Künstlerische Andacht konnte einem so fried-
losen, aufgeregten Geschlechte nicht leicht fallen, gleichwohl begann der Formensinn
unverkennbar wieder zu erstarken nach der wüsten, ästhetischen Verwilderung der
dreissiger Jahre. Die Herrschaft des souveränen Feuilletons war gebrochen, all der
Wust von eilfertigen Kritiken, Zeitbildern, Capriccios und Halbnovellen, die ganze
trübe Vermischung von Poesie und Prosa, die im letzten Jahrzehnt für geistreich
gegolten hatte, erschien jetzt schal und abgestanden." In T.s Charakteristik der
politischen Poeten des Liberalismus und Radikalismus fährt Herwegh, der „Blender",
schlechter, als Hoffmann von Fallersieben und Dingelstedt, „dessen edel angelegtem
Geiste es doch niemals gelang, seine Dichterkraft völlig auszubilden". Lebendig, an-
schaulich und feinsinnig erscheinen dann die Charakteristiken Freiligraths, Lenaus,
Geibels. In der Kritik der letzten Werke Heines verkennt der Geschichtsschreiber bei
allem Grimm vaterländischer Entrüstung weder die phantasie volle Beweglichkeit noch
den Geist und das sprachschöpferische Vermögen, er „blieb der Alte, ein Dichter der
Schönheit ebenso mächtig wie der Niedertracht". Tiecks letztes Werk „Vittoria
Accorombona", das „wie eine Stimme aus dem Grabe in diese modernen Kämpfe
hinein erklang", nennt T. das reifste, das bestdurchdachte Kunstwerk des alten
Meisters, die Kritik, die das in seiner Art hervorragende Gedicht mit einigen
schnöden Bemerkungen über altromantischen Höllenspuk abthat, ungerecht, aber
nicht ganz grundlos: „Die Gegenwart besass doch schon zu viel eigenes Leben, sie
verlangte mit Recht ihre eigenen Empfindungen auch in der Schilderung einer fremden,
abenteuerlichen Welt wieder zu finden." Um so höhere Würdigung findet, nachdem
an Rehfues vergessene historische Romane gemahnt worden, die Dichterkraft und
das Bestreben von Wilibald Alexis, der T. als fleissiger Künstler, bedachtsam sinnend
und feilend, aber nicht mit so heiterer Sicherheit wie Scott, über der Fülle seiner
Gestalten stehend gilt, gegen dessen vaterländische Romane, die echte Perlen er-
zählender Dichtung bleiben, die Deutschen, die Brandenburger und das Herrscher-
haus gleich undankbar gewesen sind. Die mit niederländischem Fleiss sauber ausge-
malten, gewissenhaft der Natur nachgebildeten, frisch und kräftig, frei von gefühlsseliger
Schönfärberei realistisch gehaltenen Schwarzwälder Dorfgeschichten Berthold Auer-
bachs hatten darum weit reicheren Erfolg, „weil sie den realistischen Zug, die demo-
kratische Weltanschauung des neuen Geschlechts kräftig förderten. Gegenüber den
späteren Dorfgeschichten und den Nachahmungen erkannte man dann allmählich,
dass der Dorfgeschichte in der Romandichtung nur die Stelle gebührt, die ihr Immer-
mann von Haus aus angewiesen hatte, die Stelle einer bescheidenen Episode." Unter
den dichtenden Frauen der Periode werden Fanny Lewald und deren Todfeindin, die
Gräfin Hahn-Hahn, ausführlicher beurteilt, den Preis, wie billig, erhält Annette von
Droste-Hülshoff, „unter Deutschlands schriftstellernden Frauen das stärkste Dichter-
talent, dem nur leider die künstlerische Durchbildung fehlte". Bei Besprechung der
dramatischen Bestrebungen der vierziger Jahre zeigt sich der Geschichtsschreiber
gerechter gegen die halbpoetischen unausgereiften Gebilde und Versuche Laubes und
Gutzkows, als man eigentlich erwarten sollte; hier mögen eigene Jugendeindrücke
mitgesprochen haben. Als Gesamturteil erscheint der Satz: „Die jungen Dramatiker
glaubten wieder an die Zukunft unserer Bühne, die Stücke Gutzkows und Laubes
spiegelten das Leben der Zeit immerhin weit treuer wieder, als die weit zierlicher
ausgefeilten Dramen des Oesterreichers Halm, der ganz undeutsch, an spanischen
Vorbildern geschult, die erkünstelte Unnatur seiner Gestalten nur durch technisches
Geschick und eine melodische, klangvolle Sprache erträglich machte." Hebbels
S. 104. — 6) H. v. Treitschke, Eealismtis in Kunst u. Wissenschaft. (= Dtsch. Gesch. im 19. Jh. 5. T. [L,Hirzel. VUI
Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Literaturgeschichte. IVla:7
Sonderstellung wird dahin charakterisiert, dass der ernste, gedankenschwere Nord-
länder, der in rauher Lebensschule eine düstere, fast hoffnungslose Ansicht von der
Menschheit, von den Widersprüchen der modernen Gesellschaft, von der Geschichte
Deutschlands gewonnen hatte, sich stets die höchsten Ziele setzte, die grossen sitt-
lichen Probleme dramatisch zu gestalten suchte und dem realistischen Zuge des Zeit-
alters durch die unerbittlich strenge, folgerechte Durchbildung seiner Charaktere ent-
sprach. Aber sein Schaffen war zu bewusst, obwohl die gedrungene Komposition,
die mächtig aufsteigende Handlung, der erschütternde Schluss einen starken theatra-
lischen Erfolg zu erzwingen schienen, fehlte dem Dichter der Sinn für das Gemein-
verständliche, der alle Bühnenwirkung bedingt. Wenn dann hervorgehoben wird,
dass dieser grossangelegte, tiefsinnige Dichtergeist erst nach vielen Jahren qualvollen
Ringens den Glauben an einfachere Ideale und den Mut zu dauernden Werken wieder
gefunden habe, so scheint doch der mittleren Periode Hebbels, der Zeit der „Julia",
des „Herodes" und des „Trauerspiels in Sizilien", zu grosses Gewicht und zu schwere
Bedeutung gegenüber dem letzten Jahrzehnt beigemessen, dem „Agnes Bernauer",
„Gyges" und die „Nibelungen" entstammen. Im Zusammenhang mit dieser Anschau-
ung steht dann auch das Urteil, dass G. Freytag allein unter allen Dramatikern der
Periode die rechte Herzensfreudigkeit des Schaffens, die von Goethe gerühmte gut-
mütige, ins Reale verliebte Beschränktheit besessen habe. Er liebte seine Menschen
und lebte mit ihnen, er schien sie an sein Herz zu drücken, so dass sie ihm selbst
und den Hörern unvergesslich blieben, während man den dramatischen Gestalten
der anderen oft die Berechnung, die Reflexion anmerkte. Der Darstellung deutscher
Litteratur und Kunst der vierziger Jahre reiht sich die des wissenschaftlichen Lebens
an, zunächst soweit es von der Zeit bestimmt wurde, die Zeit bestimmen half. Hier
beginnt T. mit der Charakteristik der Historiker Dahlmann, J. G. Droysen, der
historisch-politischen Parallelen- und Anspielungslitteratur (Strauss „Der Romantiker
auf dem Throne der Cäsaren", Otto Abels „Theodat, König der Ostgoten", Adolf
Schmidts „Geschichte der Denk- und Glaubensfreiheit unter den ersten Cäsaren").
Aus der Schilderung der Gegenseite treten die Blätter über Ranke, Stahl, die
beiden Grimm grossartig hervor; mit der raschen Uebersicht des ersten glänzen-
den Aufschwungs der Naturwissenschaften schliesst das bedeutsame Kapitel. Von be-
sonderer und entscheidender Wichtigkeit ist die unumwundene Verurteilung, die T.
der Geschichte der deutschen Dichtung von G. G.- Gervinus gegenüber ausspricht.
Ihren Ruhm als Werk von bleibendem Werte, als grundlegende Arbeit, ihren
Wert als bahnbrechendes ideenreiches Werk, das das Werden der Dichtung im
Zusammenhange mit den Schicksalen, den Thaten, den Empfindungen der Nation,
mithin in seiner Notwendigkeit auffasste, bestreitet er natürlich nicht. Aber an dem
unleidlichen, g'riesgrämigen Ton, an der Malerei grau in grau, an der grausamen
Härte, die „schädlich auf ein Volk wirkte, das ohnehin starke Talente nur ungern
anerkannte", nimmt er ebenso heftigen Anstoss, als an der Geschichtskonstruktion,
die den Lebensnerv der historischen Welt, die persönliche Freiheit zerstört. „Aus
geistreichen Parallelen und halbrichtigen Vergleichungen leitete Gervinus kurzweg
historische Gesetze ab. Und gerade das wichtigste dieser Gesetze, das dem ganzen
Buche zu Grunde lag, war unzweifelhaft falsch. Gervinus behauptete, die Blütezeiten
der Religion, der Litteratur, der Politik folgten auf einander im Laufe der Geschichte,
während doch der Augenschein lehrt, dass Kunst und Dichtung ihr eigenes ursprüng-
liches Leben führen, das durch die politischen Schicksale wohl beeinflusst, aber
nicht bedingt wird." Für T. steht es fest, dass „Kunst und Dichtung, wenngleich
nicht jede Zeit das Grösste schaffen konnte, allen Kulturvölkern immer so unent-
behrlich geblieben sind, wie das liebe Brod", und er findet es daher, obschon
er die Gervinussche Litteratur geschichte als eine Macht in den politischen Kämpfen
des Tages wie in der Entwicklung der deutschen Wissenschaft anerkennt, auch zu-
giebt, dass dem damals emporwachsenden Geschlecht politische Leidenschaft und
Thatkraft nötiger waren als ästhetische Beschaulichkeit, unverzeihlich, dass der schul-
meisternde Hochmut des Historikers für die freie und doch nicht gesetzlose Mannig-
faltigkeit des historischen Lebens kein Verständnis besass, und dass „die alte nord-
deutsche Todsünde der Tadelsucht in diesem Süddeutschen ihren nie übertroffenen
Meister" fand. —
Die „Moderne" giebt nach wie vor Anlass zu ebenso erbitterten wie teil-
weise thörichten Kämpfen, gelegentlich zu gründlichen Untersuchungen, meist aber
zu einem Durcheinander der Stimmen, in dem „keiner mehr sein eigen Wort, ge-
schweige denn die Stimmen der anderen verstehen kann". Einen merkwürdigen und
geistvoll scherzenden Ausblick in die Zukunft der Litteratur thut Frenzel7), indem
er die Phantasien und Ideale der Jüngsten mit einem gewissen melancholischen
774 8. M. 10,00], S. 370-423.) |[LCB1. S. 1761/2.]| (Vgl. IV Ib.) — 7) K. Frenzel, Zukunfts-Litt. : NatZg. N. 193,201.
IV la:8-io Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Literaturgeschichte.
Lächeln einmal für erfüllt erachtet, die Voraussetzung- macht, dass schon im J. 1950
die Litteratur für die Massen die einzig- vorhandene sein werde: „denn der Einfluss
der Menge ist viel stärker als die Macht auch des grössten Talents gegenüber dem
immer weiter anwachsenden Publikum", während die historische Kunst auf Grund
einer starken Volksindividualität den gegebenen Zuständen nicht mehr entspreche.
Aber wenn die Satire, das Salz der Erde, die Jeremiade, die Weltuntergangsdrohung,
der Gegensatz zwischen der Wahrheit und der konventionellen Lüge, von denen
jetzt so reichlicher Gebrauch gemacht wird, verschwunden sein werden, wenn sich
die socialistischen Einrichtungen eingebürgert haben, der erbitterte Kampf um den
Besitz aufgehört hat, der Heisshunger gestillt und damit das Gebiet des socialen
Schauspiels und Romans ebenso vermindert ist wie durch die Einführung internationaler
Schiedsgerichte, die uns vor Krieg und Ruhm, vor Helden und Heldenthaten be-
wahren, historische Dramen und Romane „alte Scharteken" geworden sind, wenn
sich mit Zunahme der allgemeinen Wohlfahrt der Kreis des Tragischen wie des
Komischen gleichmässig verengt hat, werden der Litteratur nur noch die ethische
Abhandlung', die Moralpredigt, die Allegorie und die Idylle bleiben. Denn die
Darstellung- leidenschaftlicher Zustände, gespannter Verhältnisse, verbrecherischer
Thaten würde in einem schreienden Gegensatz zu der Wirklichkeit, zu den friedlichen
Sitten, der Eintracht und der Wunschlosigkeit der Lebenden stehen. Die Idylle, die
Scherzkomödie, die Posse und die Pantomime — vorausgesetzt, dass die Obrigkeit
von 1950 es nicht allzustreng mit der Sittlichkeit nimmt, würden die Gattungen sein,
in denen sich die Zukunftsdichtung am reichsten entfaltet. „Da den Königen ihre
Macht, der Börse ihr Gift, dem Adel sein Uebermut, der Bildung ihre Anmassung,
mehr zu wissen und tiefer zu empfinden als die Masse, der Kirche ihr Himmel und
ihre Hölle genommen sind, woher sollten einem Satiriker die grossen Stoffe und die
bissigen Worte zuströmen? Die Probe wird dann gemacht werden, ob es eine Kunst
ohne Inhalt geben kann. Der beste Schaumschläger erringt den Preis." — Dass wir
einstweilen von dieser Zeit noch weit entfernt sind, lehrt jeder Blick in die litterarischen
Zeugnisse von den Kämpfen des Tages. Die socialdemokratische Poesie, über die
katholische Prälaten wie Präses Mehler8) Vorträge auf den Diözesan Versammlungen
des Vereins für das katholische Deutschland als über ein schwieriges, aber interessantes
Thema halten, ist in ihren wesentlichen Aeusserungen nichts weniger als Idyll-, vielmehr
ingrimmigste Kampfdichtung. Beurteiler freilich, die Erzeugnisse wie M. Heines „Er-
leuchtung" (Michel, fallen dir die Schuppen von den Augen?), weil sie das Gedicht
im „Socialdemokratischen Deklamator" finden, der heutigen socialistischen Litteratur
hinzurechnen, sollten die Kritik unterwegs lassen; wer sich nicht besser und eingehender
mit einem Gegenstand befasst hat, besitzt weder das Recht zur Lobpreisung noch zur
Verurteilung. — Auch die moderne Kolportagelitteratur, über die Dehn9) sich des
Breiteren vernehmen lässt, ist, wie aus allem hervorgeht, noch um viele Stationen
von dem Zukunftsidyll des J. 1950 entfernt. Inzwischen aber tobt der Streit um die
Produkte des Tages weiter, wo ein Stück Boden gewonnen scheint, spült die nächste
Springflut einer allerjüngsten und allermodernsten Moderne das kümmerlich den
Wogen Abgerungene hinweg. Eine Litteraturauffassung, für die das Grosse, Tiefe und
Echte in jeder Gestalt wertvoll und Zeugnis geistiger Entwicklung bleibt, muss sich
endlich bequemen, bei einem gewissen Kampf des Tages, „den Larven schlagen", zu
schweigen, wenn sie nicht lediglich pessimistisch und fruchtlos protestierend auf-
treten will. —
Dass die Zahl der Anthologien proportional dem beständigen Anschwellen
der naturwüchsigen und vor allem der nachahmenden Lyrik Jahr für Jahr wächst,
muss eigentlich nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden. Denn die Gruppe der
Sammlungen, die unter irgend einem Gesichtspunkt eine literarhistorische Bedeutung
zu beanspruchen haben, bleibt doch eine sehr beschränkte. Wie im vorigen Jahre
die deutsch-amerikanische Anthologie Zimmermanns, so ist es auch diesmal eine
ausserhalb des heutigen deutschen Reiches erwachsene Sammlung, „Das baltische
Dichterbuch" des Frhrn. J. E. von Grotthuss10), die besondere Teilnahme in
Anspruch nimmt. Die deutsche poetische Diaspora in den baltischen Provinzen
Russlands, deren Anhänger bis ins Mittelalter zurückreichen, die bereits im 16. und
17. Jh. zu einer gewissen Bedeutung gediehen, unter den Einwirkungen des reicheren
litterarischen Lebens im Deutschland des 18. und 19. Jh. stattlich angewachsen ist, hat
um so mehr ein gewisses Recht auf Beachtung, als sie voraussichtlich nicht allzulange
mehr ihre alte Bedeutung und Geltung für die baltischen Lande behaupten wird.
— 8) J. B. Mehler, D. socialderookrat. Poesie. Vortr., geh. auf d. Diöcesanversamrol. d. Volksver. für d. kathol. Deutschland
in Augsburg. Augsburg, Huttier. 15 S. M. 0,10. — 9) P. Dehn, Mod. Kolportage-Litt. (= Zeitfragen d. christl. Volks-
lebens. Her. t. E. Frhrn. v. Üngern-S ternberg u. H. Dietz. N. 137.) St., Belser. 35 S. M. 0,80. |[H. Josephson:
ThLB. 17, S. 229.]| — 10) J. E. v. Grotthuss, D. Balt. Dichterbuch. E. Answ. dtsch. Dichtungen aus d. Balt. Proy. Rnss-
lands mit e. litterarhist. Einl. u. biogr.-krit, Studien. Mit 24 Portrr. u. 1 Titelb. Reval, Kluge. XLVIII, 432 S. M. 6,00.
Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Literaturgeschichte. IV la: 11-12
Das deutsche Leben in den russischen Ostseeprovinzen, von der Gefahr völliger
Unterdrückung und Verkümmerung bedroht, wird wohl noch eine Zeitlang seinen
poetischen Wiederhall finden, der zumeist auch ein Nachhall der in der deutschen
Dichtung' erklingenden Laute ist, aber die Aussichten auf kräftig selbständige Fort-
bildung baltischer Stammespoesie sind bedenklich verkümmert. Auch die rück-
schauende Sammlung muss ja ein paar Mal etwas kühn verfahren, um klangreiche
Namen aufzuweisen. Wenn aus dem 16. Jh. der hessische Fabeldichter Burkard
Waldis, aus dem 17. Jh. der sächsische Lyriker Paul Fleming mit Gedichtproben im
„Baltischen Dichterbuch" erscheinen, so lässt sich das nur halbwegs durch den
längeren Aufenthalt des ersteren in Riga, des anderen in Reval rechtfertigen. Unter
den livländischen Poeten des 18. Jh. hat einzig und allein J. M. R. Lenz eine tiefer-
reichende Bedeutung in der Geschichte der deutschen Litteratur. Doch gehören
K. F. L. Petersen, K. U. von Böhlendorff, Grass, Ulr. von Schlippenbach, A. H.
von Weyrauch, Elise von der Recke, Sophie von Schwarz zu den Namen, die ehemals
auch ausserhalb ihrer Heimatprovinzen Klang hatten. Den grössten Raum der
Anthologie nehmen die Lyriker des 19. Jh. in Anspruch. Unter diesen fehlt es nicht
an sinnigen, feinfühligen Liederdichtern, aber nur einzelne sind zu poetischen Per-
sönlichkeiten ausgeprägt. Bezeichnend ist, dass das Leben in den Ostseeprovinzen selbst
viel seltener poetische Klänge und Schilderungen hervorruft, als die sehnende
Erinnerung oder die Wanderlust in der Fremde. Eine bemerkenswerte Ausnahme
bilden hier die Gedichte von Helene von Engelhardt, deren „Nordischer Winter",
Sturmlieder und Theearabesken, fesselnde Bilder aus der Mitte baltischen Lebens
vor Augen stellen. Unter den neueren Poeten zeichnen sich K. von Fircks, J. E.
von Grotthuss (der Herausgeber), der humoristische R. Seuberlich, vor allen aber doch
R. M. von Stern, wohl das bedeutendste und gestaltungskräftigste Talent unter den
jüngeren Balten, vor vielen aus. Unter den Dialektdichtern (wenig vertreten, da
Dichter und Publikum in den Ostseeprovinzen zumeist aristokratisch sind) finden wir
den Revaler J. J. Malm (1795 — 1862) mit Proben von deutschesthnischer Mundart.
Die deutschen Dichter, die im eigentlichen Russland geboren wurden, allen voran
natürlich Elisabeth Kulmann, sind den baltischen Dichtern angereiht. Die litterar-
historische Einleitung wie die biographischen Notizen am Schluss sind dankenswert,
aber nicht frei von einzelnen Irrtümern. Th. G. von Hippel, der nur 1761 kurze Zeit
in Riga verweilte, kann dem rigaschen Umgangskreis Herders unmöglich angehört
haben. Garlieb Merkel, der erst 1769 geboren ist, musste schärfer als durch das
Wort „später" von dem Berensschen Kreise der Herderschen Zeit getrennt sein. Der
Petersburger Dramatiker Alexander Fischer lebte und erschoss sich nicht in Freiburg,
sondern zu Freiberg in Sachsen. — Die kleinere Sammlung von Johanson11) „Die
baltischen Lande in Liedern ihrer Dichter" trifft in ihrer Auswahl natürlich mannig-
fach mit Grotthuss zusammen. Sie weist indessen auch einige Namen auf, die sich
nicht im „Baltischen Dichterbuch" finden. Von älteren treffen wir nur auf einen,
der auch bei Grotthuss nicht hätte fehlen sollen, auf den Eislebener Philipp Crusius
(1585 — 1676), den deutschen Ahnherrn der esthländischen und schwedischen Familie
von Krusenstjerna, den Führer der holsteinisch - gottorpschen Gesandtschaft nach
Persien, der auch Fleming angehörte. Gleich diesem Freunde durch die Liebe zu
einer Patrizierstochter von Reval dieser Stadt verbunden, stieg Crusius im schwedischen
Dienst zum Statthalter von Esthland auf. Die übrigen Lyriker des Büchleins gehören,
mit Ausnahme von sechs, deren Geburtsjahr noch im vorigen Jh. liegt, dem 19. Jh.
an. Die Auswahl der Gedichte erfolgte unter dem Gesichtspunkt der Heimatserinnerung:
Strand, Wald und Heide, die Türme von Riga und Reval, die Burgen von Wenden
und Treiden, der Dom und die Universität von Dorpat, die Inseln und Klippen der
Ostsee, die Seen und Flüsse der drei Provinzen spiegeln sich in ihnen wieder. —
In der Anlage dem baltischen Dichterbuch nahe verwandt zeigt sich die Anthologie
„Westiälische Dichtung der Gegenwart", dieHülter12) und Uhlmann-Bixterheide
veranstalteten, und in der wir neben einer litterarhistorisch-kritischen Einleitung Proben
aus den hochdeutschen und plattdeutschen Dichtungen lebender Westfalen, schliesslich
ein biographisch-bibliographisches Register finden, laut dessen in der Sammlung
einundvierzig westfälische Dichter vertreten sind, von denen leider ein so echt be-
gabter wie der jugendliche Julius Petri und wohl noch manch anderer seit dem
Hervortreten der Sammlung schon aus dem Leben geschieden sind. Die Auswahl
der Poeten, der Proben und die Charakteristik der einzelnen Dichter leiden unter
einer gewissen Zwiespältigkeit. Dass es eine specifisch „westfälische Stammesart giebt,
die in der Dichtung Ausdruck gesucht und gefunden hat, dass innerhalb dieser
Allgemeinheit charakteristische Verschiedenheiten beim Münsterländer, Sauerländer,
(Vgl. IV 2b.) — 11) H. Johanson, D. halt. Lande in Liedern ihrer Dichter. E. Anthol. mit biogr. n. bibliogr. Notizen.
Zürich, M. v. Stern. 12°. XV, 227 S. M. 6,00. |[BLU. S. 89.] | (Vgl. IV 2h.) — 12) 0. H älter u. Uhlmann-Bixter-
heide, Westf. Dichtung d. Gegenw. Beitrr. z. Würdig, westfäl. Geisteslebens. Mit 7 Dichterportrr. u. zahlr. Original-Beitrr.
IV la: is-16 Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Literaturgeschichte.
westfälischen Märker vorhanden sind, dass eine grössere Anzahl von westfälischen
Poeten mit besonders zäher Treue an den Eindrücken, Ueberlieferungen und Sitten
der Heimat festhält", wird jedermann den Herausgebern zugestehen. Annette Droste-
Hülshoff, Fr. Wilh. Weber, der Dichter von „Dreizehnlinden", und wiederum der
Nachromantiker Joseph Pape oder die Dialektpoeten Ferd. Krüger und Franz Giese
sind in diesem engeren Sinne westfälische Dichter. Dass es möglicherweise einer
feineren und tieferen Untersuchung gelingen würde, gewisse Elemente, die bei den
Genannten vorwalten, auch in den westfälischen Dichtern zu ergründen, die durch
Lebensschicksale und Bildungsrichtungen den Kreisen und den geistigen Grund-
richtungen der Heimat entrückt sind, lässt sich gleichfalls nicht in Zweifel ziehen.
Aber die Herausgeber begnügen sich in ihren kritischen Darlegungen mit einem
allzulauten Anpreisen der grundverschiedensten und gegensätzlichsten Naturen.
Müss man fragen, was litterarische Charakterköpfe, wie die Brüder H. und J. Hart,
wie Peter Hille, der Vf. der „Socialisten", oder Jakob Loewenberg, der Vf. der
„Lieder eines Semiten", mit den frommen katholischen Poeten und Erzählern des
Münster- und Sauerlandes, mit J. Pape, H. Keiter, Ferdinande von Brackel, der
Gräfin von Holnstein-Mengersen u. a. Gemeinsames haben, inwiefern das westfälische
Blut sich in Akademikern, wie dem Maler-Dramatiker H. von Rüstige, dem Camoens-
übersetzer W. Storck u. a. geltend macht, und lautet die Antwort hierauf, dass für
die Aufnahme in dieses westfälische Dichterbuch nur die Geburt auf dem Boden
Westfalens massgebend gewesen ist, so befremdet dann wieder die Aufnahme der
Charakteristik und der Gedichtproben des Lyrikers P. Baehr, der in Thorn geboren,
nur zufällig in Bad Oeynhausen lebt, oder der scharfe Angriff auf die Arnsberger
Dichterin Johanna Baltz, deren Erfolge als unberechtigte, denen „die heutige dem
Militarismus und allem, was damit zusammenhängt, zugewandte Zeitströmung zu gute
gekommen ist", bezeichnet werden. — Einen minder günstigen Eindruck als die
westfälische Dichtung ruft das „Prager Dichterbuch" hervor, das Teweles13) im
Sinne und mit der Unterstützung der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissen-
schaft, Kunst und Litteratur in Böhmen herausgegeben hat. In Poesie und Prosa
treffen wir auf Beiträge von Fr. Adler, R. Austerlitz, H. Herold, A. Klaar, H. Lieb-
stöckl, Laska van Oesteren, H. Salus, R. Schubert, H. Teweles und Jos. Willomitzer,
von denen nur die Gedichte von Fr. Adler und auch diese zumeist mehr durch
rhetorischen Schwung als poetischen Gehalt über das Mittelmass hinausragen.
Hoffentlich ist es nur das zufällige Missgeschick, das Sammelwerke dieser Art so
leicht betrifft, dass die deutschen Poeten Böhmens hier auf einem so wenig imponierenden
Niveau des Talents und Geschmackes erscheinen. —
Der Cottasche Musenalmanach unter der Redaktion Brauns14) ist auch
diesmal nicht ausgeblieben. Seinem ursprünglichen Charakter bleibt dieser Almanach
treu: er bildet nach wie vor einen Sammelpunkt für die Poeten, die des Vergehens
schuldig sind vor 1860 geboren zu sein. Der Herausgeber kann sich offenbar zum
Verzicht auf eine gewisse Vornehmheit und klare Durchbildung der Form nicht
entschliessen, entbehrt damit einer Gruppe jüngerer Lyriker, die bei dieser Durch-
bildung ihre Eigenart gefährdet glauben. Immerhin schrumpft die Zahl der früher
Beitragenden, die nichts zu geben haben als glatte Verse, entschieden zusammen.
Wie in den älteren Jahrgängen sind es vor allen die lyrisch-epischen und die didaktischen
Gedichte, durch die sich Brauns Sammlung auszeichnet in den poetischen Erzählungen
und Bildern. Freilich darf die eingehendste und umsichtigste Beurteilung, die von
Muncker, nicht verschweigen, dass sich auch in dieser Gruppe manche mittelmässige
und dilettantische Stücke finden und leider gerade unter den mittelmässigsten Ge-
dichten recht berühmte Poetennamen prangen. Aber das Gute überwiegt doch durch-
aus. Von den erzählenden Dichtungen werden nächst der Prosanovelle „Rafaela" von
Hermine Kell er- Jordan, die aus Heyses Schule stammt, die Gedichte „Wie die Jugend
liebt" von Isolde Kurz, „Das Begräbnis" von K. Woermann, „Der Prophetenschüler"
von Ad. Stern, „Fra Serafico" von A. Pichler, „Der Weber" von Max Haushofer,
das Balladenpaar „König Hannes" von A. Matthäi, unter den lyrischen Beiträgen des
Almanachs die Gedichte von W. Hertz, Adolf Berk, M. Kiesewetter, K. Busse,
A. Moser, die „Sonette aus Palermo" von J. Haarhaus und J. V. WTidmanns „Selt-
samer Gasthof" hervorgehoben, als Spruchdichter nur Pichler ausgezeichnet. — Sehr
unergiebig stellt sich „Jung-Deutschlands Musenalmanach" dar, den die Redaktion
der Zeitschrift „Jung-Deutschland und Jung-Elsass" herausgiebt15); er kann mit der
vorjährigen Publikation Bierbaums und der Münchener Secession auch nicht von
fern verglichen werden. — Eine Art Musenalmanach in Prosa veranstaltete
Flaischlen16) in „Neuland", einem Sammelbuch, das, nur die „Modernen" im
L., Lenz. XVI, 269 S. M. 3,00. — 13) H. Teweles, Prager Dichterbuch. Prag, Khrlich. VII, 252 S. M. 3,00. - 14) O.
Brann, Cottascher Musenalm. auf d. J. 1895. St., Cotta. 12«. 284 S. M. 6,00. |[A. Sohlossar: BLU. S. 794; P. Muncker:
AZg". N. 288.J| (Vgl. JBL. 1893 IV 1 a : 17; s. auch IV 2b.) — 15) Jung-Deutschlands Musenalm. Her. v. d. Red. d. Halb-
monatsschr. Jung-Deutschland u. Jung-Elsass. 1. Jahrg. Strassburg i. E., Kattentidt. 12". 205 S. M. 2,00. — 16) C. Flaischlen ,
Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Literaturgeschichte. IV la: 17-20
engsten Sinne berücksichtigend, für den Anspruch, die Dichtung der letzten zwei Jhh.
oder auch nur die bedeutenderen Dichter der letzten beiden Menschenalter abzulösen,
wenig genug zu wirken vermochte, in den novellistischen Skizzen und Studien von
O. J. Bierbaum, M. G. Conrad, Anna Ooissant-Rust, M. Dreyer, Franz Evers,
C. Flaischlen, H. von Gumppenberg, M. Halbe, H. Hart, J. Hart, Otto Erich Hart-
leben, W. Hegeler, K. Henckell, F. Hille, Maria Janitschek, D. von Liliencron,
J. H. Mackay, Willy Pastor, Carlot Reuling, P. Scheerbart, J. Schlaf, H. Schliep-
mann, Heinz Tovote natürlich eben so viel Verheissendes und Keimkräftiges wie
Renommistisches und Manieriertes zu Tage bringt. Im ganzen aber können diese
Proben nicht einmal als charakteristisch für die gegenwärtig erreichte Darstellungs-
fähigkeit unserer Jüngsten gelten. Es muss peinlich auffallen, dass eine litterarische
Schule, die die Losung der Selbständigkeit, der freien Individualität und des
Individualismus um jeden Preis so laut erschallen lässt, in ihren Anläufen eine so
auffällige Gleichheit des Vortrages und der stilistischen Künste aufweist. Doch liegt
dies, wie gesagt, zu einem Teil in dem Vorwiegen der Novellette und der kleinen
Skizze, die in der Sammlung fast ausschliesslich vertreten ist, und darf grösseren
selbständigeren Werken der hier in Frage stehenden Autoren gegenüber wenigstens
nicht ohne weiteres verallgemeinert werden. —
Die Mitteilungen über Stammbücher, namentlich des vorigen Jh., und
die Auszüge aus diesen mehren sich fortgesetzt. Ein „Urenkel" n) durchmustert das
Stammbuch seines Urgrossvaters, des kurfürstlich sächsischen Artilleriehauptmanns
Tielke, der als junger sächsischer Offizier beim Ausbruch des siebenjährigen Krieges
mit der ganzen sächsischen Armee in Gefangenschaft geraten, bald nach Wien entfloh,
zahlreiche Schlachten, Gefechte, Belagerungen des Krieges auf österreichischer Seite
mit durchmachte, nach dem Hubertusburger Frieden meist in Freiberg in Garnison
stand, 1764 und 65 zur Vertiefung seiner mathematischen und anderen Studien in
Leipzig lebte (der Urenkel vermutet, dass jener Offizier, dessen Goethe im 7. Buche
von „Dichtung und Wahrheit" gedenkt, Tielke gewesen sei) und in ebenso mannig-
fachen Beziehungen als grossem Ansehen stand. Die Einzeichnungen seines Stamm-
buches rühren grossenteils von Offizieren, Geschäftsmännern, angesehenen Beamten,
Landedelleuten usw., wie auch von Frauen dieser Kreise her. Doch finden sich auch
unter diesen einige litterarisch namhafte Persönlichkeiten, so der Hofmarschall J. F.
von Racknitz, dessen „Geschichte des Geschmacks" die Xenien übel gestreift haben;
in Dresden und Leipzig gesellen sich einzelne Berühmtheiten hinzu : der Göttinger
Ch. G. Heyne (mit dem Tielke seit Knabentagen befreundet war), der Leipziger
Theolog Zollikofer, der Geschmacksdiktator Gottsched am Abend seines Lebens (1765)
und dessen zweite Gattin Wilhelmine Albertine (die „Jungfer Oberstlieutenantin" eines
Goetheschen Briefes aus Leipzig an den Frankfurter J. J. Riese), der Maler Oeser,
Crusius u. a. Die interessanteste Eintragung ist vielleicht die Dresdner der alten
Friederica Carolina Neuber, die, fort und fort an ihre geliebte Schauspielkunst
denkend, sie poetisch preisend, noch im Mai 1760 den mutigen Wahlspruch schreibt:
„Was frag ich nach der Zier, wenn ich nur wohl agier!" Neben Versen von Haller,
Hagedorn, Canitz werden ziemlich viel poetische Versuche von Dilettanten ein-
getragen, in denen der wohlgeschrotene Alexandriner noch eine Hauptrolle spielt. 1S)
— Riese19) teilte aus einem im Besitz der Frau Rosita Mylius in Rostock befind-
lichen Stammbuche eines unbekannten Schweden, der um 1784 und 85 in Rostock
studiert hat, die von D. Chodowiecki, Anna Luise Karschin und Basedow herrühren-
den Blätter mit. —
Den Reigen der Specialstudien und -darstellungen führt für dies-
mal eine Sammlung von Aufsätzen, die in dem von Franzos20) heraus-
gegebenen Buche „Die Geschichte des Erstlingswerkes" autobiographische und auto-
kritische Aufzeichnungen von neunzehn vielgenannten und erfolgreichen deutschen
Schriftstellern der Gegenwart umfasst. Der Herausgeber ist von der für zahlreiche Fälle
zutreffenden und für zahlreiche andere sehr unzutreffenden Voraussetzung ausgegangen,
dass der auf dem Gebiet der Litteratur hervorragende Mensch die Geschichte seines Erst-
lingswerkes als das wichtigste Kapitel seiner Selbstbiographie ansehen müsse. Er
versteht freilich unter dem Erstlingswerke nicht den ersten Anlauf, nicht die erste
Schreib- und Dichtübung des künftigen Schriftstellers, sondern eben sein erstes
grösseres Werk, mit dem er in die Oeffentlichkeit getreten ist. Also er will, um
das erlauchteste Beispiel zu wählen, im Grunde von Goethe nicht die Geschichte der
„Laune des Verliebten" und der „Mitschuldigen", nicht die der Leipziger und der
Sesenheimer Lieder, sondern die des „Götz" und „Werther" haben und lesen. Und
Neuland. E. Sammelbuch mod. Prosadichtung. B., Ver. d. Bücherfreunde. XI, 488 S. M. 5,00. |[Ad. Schroeter: BLU.
S. 457. j| — 17) — r.— , E. Stammbuch: LZg». N. 38. — 18) Bll. aus d. Stammbuch Jens Baggesens (JBL. 1893 IV la:22).
|[L. Geiger: NatZg. N. 434; TglRs« N. 85.11 — 19) A. Biese, Aus e. Stammbuch: BFDH. 9, S. 401,3. — 20) K.E.Franzos,
D. Gesch. d. Erstlingswerkes. Selbstbiogr. Aufsätze. Mit d. Jugendbildn. d. Dichter. L., Titze. XVIII, 296 S. M. 6,00.
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (4j~
IV 1 a : 20 Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Literaturgeschichte.
in diesem Sinne meint er dann : „Die erste Höhe, die man erstiegen, die erste
Schlacht, die man geschlagen hat, — um wie vieles Frühere und Spätere sich die
Schatten des Vergessens breiten mögen, dies leuchtet fort. Welchem Dichter wird
nicht die Zeit, da er seinen Erstling schrieb, als ein Unvergessliches, in seiner Art
Einziges und Höchstes im Gemüte fortleben? Und dann — man setzt ja auch später
seine volle Kraft ein, leistet Besseres und Reiferes, aber was schafft man unter ähn-
lichen Stürmen der Seele, mit dem gleichen heissen Drang, sein Inneres aus-
zuströmen? Vielleicht gelingt es nicht, und man stammelt nur für weniger Leute
Ohren, wo man herrlich zu allem Volk zu reden vermeinte, aber wie bezeichnend für
des Dichters Wesen, geradezu der Schlüssel zu seinem Schaffen bleibt dies erste
Buch, ob es nun ein Reden oder ein Stammeln ist." Indem F. sehr verschieden ge-
artete Dichter und Schriftsteller der Gegenwart zu diesem vermeintlich wichtigsten
Kapitel ihrer Selbstbiographie bestimmte, hat er nicht vermeiden können, auch
Autoren heranzuziehen, die, wie Spielhagen und Dahn, längst ganz ausführlich
über ihr Leben und ihre poetische Entwicklung berichtet haben und in der Ge-
schichte des Erstlingswerkes nur wiederholen können, was wir schon wussten. Und
ebenso unvermeidlich hat es sich gezeigt, dass die einzelnen zur Darstellung ihrer
ersten litterarischen That Berufenen, in der Auffassung, was sie als Erstlingswerk be-
trachten sollen, weit von einander abweichen, entweder wie Th. Fontane von dem
wirklichen poetischen Erstling, dessen sie sich aus ihrer Knabenzeit erinnern, wie
H. Sudermann von einem verunglückten Studentendrama erzählen, oder wie Marie
von Ebner-Eschenbach über ihre poetischen Kinder- und Lehrjahre, wie Wilh. Jensen
über seine litterarischen Anfänge überhaupt berichten. Nur wenige moderne Dichter
werden das Klopstocksche Glück teilen, dass das erste Werk zugleich zum Haupt-
werk ihres Lebens wird, was der Dichter der Völkerwanderung H. Lingg von sich
beteuern kann, oder dass, wie es bei Georg Ebers mit dem Roman „Eine ägyptische
Königstochter", bei K. E. Franzos mit den Novellen „Die Juden von Barnow", bei
Spielhagen mit den „Problematischen Naturen", bei K. F. Meyer mit dem Gedicht
„Huttens letzte Tage" der Fall ist, das Erstlingswerk vorbildlich die volle Eigenart,
das besondere Gepräge der späteren Dichtungen aufweist. Mit allem Recht lehnt
es Heyse ab, die Märchen „Vom Jungbrunnen" und die Studententragödie „Francesca
von Rimini" als Spiegel seines poetischen Wesens ansehen zu lassen, oder E. Wiehert
von einem in den Unterhaltungen des litterarischen „Kränzchens zu Königsberg"
gedruckten „Kaiser Otto III." den Massstab seines dramatischen Könnens zu ent-
nehmen. Der W7ert der einzelnen Mitteilungen, obschon natürlich allen der Reiz
lebendiger und intimer Erinnerung innewohnt, ist ungleich; nicht alle Poeten sind
der Gefahr solcher Selbstschilderungen, der theatralischen Pose und der allzu feier-
lichen Miene so glücklich ausgewichen, wie die grössere der beiden Dichterinnen
der Gruppe, die tapfere und durch und durch gesunde Marie Ebner-Eschenbach oder
wie Baumbach, der Entstehung und Schicksal seines „Zlatorog" knapp und kurz auf
drei Seiten erledigt. Wer irgend in Zukunft über die in der „Geschichte des Erst-
lingswerkes" vertretenen Dichter zu berichten und zu urteilen haben sollte, wird der
hier dargebotenen Schlüssel nicht ganz entraten können, aber bald finden, dass die
einen wirklich den Zutritt zum innersten Wesen und dem poetischen Laboratorium
erschliessen, während die anderen nur die Thür zu einer Art von Vorgemächern
öffnen, die mit den ehemals beliebten Prunkküchen reichsstädtischer Hausfrauen, in
denen nie gekocht, sondern nur Gesellschaft empfangen wTurde, eine verzwickte Aehn-
lichkeit haben. Die vorhandenen Aufsätze von Bodenstedt, Schack, Rodenberg und
Roquette mussten weggelassen werden, weil sie von diesen Schriftstellern in eigene
Bücher aufgenommen worden waren, ehe das Sammelwerk zu stände kam. Den
Skizzen sind auch Jugendbildnisse von Fontane, Spielhagen, Heyse, Marie von Ebner-
Eschenbach, Wiehert, Julius Wolff, Hopfen, Ebers, Sudermann, Baumbach, Eckstein,
Voss, 0. Schubin (Lola Kirschner) und Fulda beigegeben. Die vom Herausgeber
getroffene Auswahl der vertretenen Schriftsteller entzieht sich natürlich der Kritik,
da der Gesichtspunkt, unter dem sie erfolgte, weder aus der Vorrede noch aus der
Folge der autobiographischen Studien klar wird. F. sagt in der Einleitung zur
Geschichte des Erstlingswerks, dass ihm sein Unternehmen auch wichtig für die
Literaturgeschichte erschienen sei, und dass er, bei Erwägung des Fleisses und der
Fülle von Scharfsinn, die heute daran gesetzt werden, um zu erkunden, unter welchen
Einflüssen und Verhältnissen die Dichter des 18. Jh. ihre Erstlingswerke geschrieben,
geglaubt habe, sich den Dank der Litterarhistoriker in der zweiten Hälfte des 20. Jh.
zu verdienen: „Da dürfte sich ja wohl die Wissenschaft mit den Dichtern, die wir
Ungelehrten jetzt lesen, beschäftigen." Und dann giebt er die Bemerkung zum
besten: „So bedeutend wie die kleinen Hainbundleute, über die heute dicke Bücher
erscheinen, sind alle, die hier zu den Lesern sprechen." Man dürfte ihm vorhalten,
dass die Anschuldigung, als ob die Wissenschaft allemal ein Jh. brauche, ehe sie
Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Literaturgeschichte. IV la : 21-27
der poetischen Produktion nahetritt, eine starke Ungerechtigkeit gerade heute ein-
schliesst, wo eher die Tendenz vorhanden ist, die Früchte unreif von den Bäumen
zu reissen, als sie erst trocken einhutzeln zu lassen. Und man müsste hinzufügen,
dass unter seinen Repräsentanten der gegenwärtigen Litteratur etwelche Modeschrift-
steller sich befinden, die für die Zukunft doch vielleicht mindere Bedeutung haben
werden als die kleinen Hainbundleute für die Erweckung und Entwicklung unserer
Lyrik in der That hatten. — In der Reihe der Essay Sammlungen nimmt das Buch
von Brandes21), „Menschen und Werke", eine sehr bedeutende Stelle ein. Nur zu
ihrem kleinsten, aber freilich nicht unwichtigsten Teile befassen sich diese neuen, in
der bekannten geistvollen feinsinnigen, doch übersubjektiven Art des Autors ge-
haltenen Studien mit deutscher Litteratur. Streng genommen gehören von 16 Auf-
sätzen nur die vier „Goethe und Dänemark", „Friedrich Nietzsche", „Hermann
Sudermann" und „Gerhart Hauptmann" hierher. Und doch ist in allen übrigen Ab-
handlungen über Holberg, Oehlenschlägers Aladdin, E. Zola, Guy de Maupassant,
Puschkin und Lermontow, F. Dostojewski, Leo Tolstoi, Das Tier im Menschen,
Kristian Elster, A. Kielland, J. P. Jacobsen, A. Strindberg nicht nur fortwährend
Bezug auf Strömungen und Elemente der deutschen Litteratur genommen, sondern
alle einzelnen Erörterungen des Vf., die feinsten seiner Anschauungen, die tiefsten
seiner Erkenntnisse und Urteile stammen aus seiner deutschen Bildung. Und wenn
B. hundertmal seine Vorliebe für das Künstlervolk der Franzosen betont, wenn ihm
die Abwesenheit jedes sittlichen Urteils bei den neueren Franzosen sogar wohlthätig
ist, wenn er wieder und wieder den Renaissancegeist über alles preist, der nur
Menschen, nur Individuen sucht und dem es der höchste Daseinszweck bleibt, indi-
viduelle Besonderheit künstlerisch zu verkörpern, so weiss er doch wohl, dass die
grossen Träger der deutschenLitteratur mehr als alle anderen von diesem Renaissancegeist
in sich aufgenommen haben. So weit er in seiner ästhetischen Feinfühligkeit, in
seinem Schwelgen im besonderen geht, so elastisch und nachgiebig er jeder neuen
Erscheinung gegenüber zu sein scheint, so hat er doch das Bewusstsein bewahrt,
dass es Allgemeinforderungen giebt, die auch der revolutionäre Geist weder besiegen
noch verleugnen kann. Man möchte sagen, dass in drei Sätzen, die wie Leitmotive
durch diese Studien hindurchklingen, Sätzen wie: „Alle wahre Kunst wendet sich
an die Höchstentwickelten der Zeit", „Es ist notwendig, auf die Gefahr aufmerksam
zu machen, dass der himmelweite Unterschied zwischen einem Dichter und einem
Unterhaltungsschriftsteller in Vergessenheit gerät" und endlich „Die Lesewelt hat
das Recht, von dem Schriftsteller zu erwarten, dass er nicht das Wort nehme, be-
vor er Reife genug besitzt, die Tragweite seiner Anschauungen einigermassen über-
sehen zu können. Ist er völlig ungefestigt, kennt er nicht einmal, was gegen seine
Meinungen eingewandt werden kann, so muss er. sich schweigend zurückhalten", im
Grunde genommen jede Gefahr beseitigt erscheint, die aus der anschmiegenden, die
WTallungen des künstlerischen Blutes gleichsam teilenden, von jeder Art Form-
vollendung und selbst von berechnetem Virtuosentum hingerissenen kritischen An- und
Nachempfindung des dänischen Aesthetikers hervordroht. — Gegenüber den glänzend
geschriebenen und mit souveräner Sicherheit auftretenden Arbeiten von Brandes
kommen die verdienstlichen und sorgfältigen Studien anderer einigermassen ins
Gedränge, wenn sie zufällig die gleichen oder verwandte Gegenstände behandeln.
Dies gilt von den Sammlungen von Sintenis22), der seine litterarischen Ansichten
in Vorträgen über H. Sudermann, H. Seidel, Bret Harte, Mark Twain, F. Bellamy —
drei Amerikaner gegen zwei Deutsche — darlegt. — Von den sorgfältigen und fein-
gezeichneten Dichterporträts Ziels23) ist eine vierte Reihe erschienen; von Rütte-
nauer24) ein litterarisches Skizzenbuch, in dem der Aufsatz über Jensen wohl das
Bemerkens- und Beachtenswerteste ist.25) — Die früher erschienenen Studien Ad.
Sterns26) (JBL. 1893 III 3: 17; IV la:27) erfuhren noch mehrere Besprechungen. —
Die namhaftesten deutschen Humoristen der Gegenwart macht Kohut27) zum Gegen-
stand einer literarhistorischen Studie, die wohl richtiger als Feuilletonplauderei zu ver-
zeichnen ist. Muss es schon auffallen, dass der Vf. alle Vertreter des Witzes, des
Spottes und der Satire ohne weiteres Humoristen nennt, so gehört die Charakteristik:
„Der norddeutsche Humorist ist ein heisshungriger Geselle, er hat grosse gewölbte
Augen, eine hohe, steile Stirn e, eine spitze Nase, magere, wenn nicht gar bleiche
Wangen, er gehört zu den Cassiusgestalten, die Cäsar fürchtete, weil sie zu viel
denken ; der süddeutsche Humorist ist harmlos, schalkhaft, neckisch, ein stets lustiger,
|[R. M. Meyer: DLZ. S. 1542/4.11 — 21) G. Brandes, Menschen u. Werke. Essays. Frankfurt a. M., Litt. Anst. V, 533 S.
M. 10,50. |[R. Friedrich: BLU. S. 97-100; L. Berg: Zuschauer 1, S. 36/8.]| — 22) Fr. Sintenis, Litt. Ansichten in Vortrr.
YuTJew, E. J. Karow. 80 S. M. 2,00. — 23) E. Ziel, Litt. Reliefs Dichterportrr. 4. Reihe. L., Wartig. UI, 226 S. M. 2,50.
— 24) B. Rüttenauer, Zeitiges u. Streitiges. E. litt. Skizzenbuch. Heidelberg, G. Weiss. VII, 265 S. M. 3,20. — 25)OXX
L. Bamberger, Charakteristiken. (= Ges. Werke. Bd. 2.) B., Rosenbaum A Hart. V, 328 S. M. 5,00. |[Th. Barth: Nation". 1
1, S. 510/1.]| (Vgl. IV lb:318.) — 26) X WIDM. 75, 8. 655; Anglia 4, S. 234/5.-27) A. Kohut, D. namhaftesten dtsch. Hnraoristen
(4)2*
IV la : 23-31 Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Literaturgeschichte.
froher Patron, ein sogenannter Gemütsmensch; der österreichische Humorist ist ein
wohlbeleibter Mann mit Stumpfnase und feisten Wangen, wenn er lacht, kneift er
die Augen zu, er ist ein dicker, also ein guter Mensch", vollends ins Gebiet der her-
kömmlichen Allgemeinheiten. Im einzelnen werden J. Stettenheim, J. Stinde, O.
Blumenthal, R. Schmidt-Cabanis, Edw. Bormann, G. Schumann, C. von der Planitz
(Mikado), W. Busch, Jul. Weiss, M. Kalbeck, J. Bauer, G. Schwarzkopf, Dan. Spitzer
ausführlicher besprochen, man kann nicht sagen charakterisiert, manche andere
wenigstens genannt. —
Gelangen wir nun zum Gebiet lokaler Litteraturforschung, so wird
uns zunächst ein eigentümliches Kreuz und Quer durch die von einem liebens-
würdigen Geiste belebten, grösstenteils litterarischen Plaudereien von Hevesi28)
angesonnen, in denen der Vf. in der Art der seit Heine beliebten Feuilletonreise-
bilder, nur pietätvoller, gemütswärmer allerhand Erinnerungen auffrischt. Die
Litteraturkenntnis Hevesis reicht nicht bloss von Heine bis Scheffel, sondern er weiss
auch in früheren Tagen unserer Litteratur Bescheid, die „Reiseerinnerungen an
Lessing" aus Braunschweig und Wolfenbüttel sind sehr frisch und gewinnend.
Unpassende Bemerkungen wie die, dass der Tempelherr im „Nathan", um sich im
Gehen Datteln von den Bäumen pflücken zu können, mindestens dreissig Fuss hoch
sein müsste, fehlen in derartigen Reisebildern ja nie ganz, im allgemeinen jedoch
geht ein Zug erquicklicher Ehrfurcht vor dem Grossen und Echten durch diese
Blätter. Der Vf. hat einen feinen Blick für die Lebenseigentümlichkeit vergangener
Tage und bildet sich nicht ein, dass wir durch die Stelzen, die uns Naturwissenschaft
und Technik untergeschnallt haben, persönlich stattlicher und innerlich grösser ge-
worden wären. Gelegentlich werden seine Eindrücke zu sehr in einer Farbe wieder-
gegeben, um völlig wahr zu sein. So gichtbrüchig und greisenhaft z. B., wie in
seiner Erinnerung an Tiefurt, siehts in und um Weimar eben in Wirklichkeit nicht
aus. —
Wir wenden uns nach Norddeutschland. Lieber die litterarischen und
theatralischen Verhältnisse und Vorgänge zu Berlin im ersten Jahrzehnt unseres
Jh. berichtete Geiger29) durch eine Reihe archivalischer Notizen, bei denen haupt-
sächlich die Berichte Justus Gruners, des Polizeipräsidenten von Berlin, an den
Minister des Innern, Grafen von Dohna, aus den J. 1809 — 10 benutzt wurden. Die
ganze Unfreiheit der damaligen Lage tritt aus der Thatsache hervor, dass Kotzebues
„Not ohne Sorgen und Sorgen ohne Not" Anlass zu politischen Demonstrationen
geben konnte und selbst solch ein Stück auf Beschwerde des französischen Gesandten
St. Marsan verboten werden musste. Zu den Aktenstücken, die G. aufgefunden, ge-
hören auch Verhandlungen, die beweisen, dass es 1803 in der That Friedrich
Wilhelms III. Absicht war, nach Gedikes Tode K. A. Böttiger, den Weimarschen
Ubique als Direktor des Gymnasiums zum grauen Kloster nach Berlin zu berufen.
Zum Glück blieb es bei der Berufung Bellermanns. — An die drei dahingeschiedenen
Berliner Literarhistoriker Julian Schmidt, G. von Loeper und Wilh. Scherer mahnen
Erinnerungen und Ausblicke von Her man Grimm30), die später zum Vorwort
der 5. Auflage seiner Vorlesungen über Goethe gedient haben. Schmidt wird da-
hin charakterisiert, dass er ein Selbstgefühl hegte, das ihm seine Art, die Dinge zu
behandeln, als die natürliche erscheinen liess, und indem er sich der Strömung, auf
der es ihn forttrug, vertraute, sah er sich stets dahin geführt, wo er sich heimisch
fühlte. Er bedurfte niemandes, sah, dass die anderen seiner bedurften, dass keiner
sich zur Aufgabe machte, die hohe Meinung, die er von sich gebildet hatte,
herabzustimmen. Denn all dem war die Bescheidenheit eines Mannes zugemischt,
der ungestört seine Strasse ziehen will und nichts weiter. G. von Loeper „glich ihm
nur darin, dass auch er mit gleicher Entschiedenheit seine Strasse verfolgte; an Un-
nachgiebigkeit gab er Julian Schmidt nichts nach". Wilh. Scherer erfreut sich der
eingehendsten Würdigung, doch ist es dem Vf. nicht um ein Gesamtbild, sondern um
das Bild seines Verhältnisses zu dem grossen Gelehrten zu thun. Der an die
Schilderung dieses Verhältnisses geknüpften Ausblicke über die Zukunft der Goethe-
forschung, Goetheerkenntnis und der Stellung des Dichters in seinem Volke ist an
anderer Stelle der JBL. zu gedenken. —
Ein der sächsischen Geschichte, und zwar der Lokalgeschichte Leipzigs
angehöriges Vorkommnis, ein Studententumult, der „Leipziger Musenkrieg" von
1768, dessen Andenken zuerst durch die Selbstbiographie Goethes erhalten wurde,
der, kurz bevor er die Leipziger Universität verliess, diesen Sturm im Wasserglas
miterlebte, hat in Günther31) einen neuen Darsteller erhalten, der aus seither unbe-
in d. Gegenw. E. litterargesch. Studie. Zürich, Schabelitz. 48 S. M. 0,00. — 28) L. Hevesi, V. Kalau bis Säkkingen. E.
gemütl. Kreuz u. Quer. St., Bonz & Comp. 1893. 12°. VII, 323 S. M. 4,00. |[Grenzb. 1, S. 52/3; 1-m-n: Nation». 11,
S. 324.J| (Vgl. JBL. 1894 14:29.) — 29) L. Geiger, Archival. Notizen zu Berlins Litteraturgesch. Vortr. in GDL. (Juni 1893) :
DLZ. S. 23/4. — 30) H. Grimm, Erinnerungen u. Ausblicke: DRs. 78, S. 439-52. — 31) Otto Günther, Z. Gesch. d. Leipz.
Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Literaturgeschichte. IV la : 32-34
kannten Quellen schöpft und Witkowskis Bericht (GJb. 15, S. 206—15) mannigfach er-
gänzt. Litterarische Bedeutung erhält der Studentenäufruhr dadurch, dass er z. T.
durch die schöngeistigen Neigungen der Studierenden hervorgerufen wurde, denen
die gelehrten Optimaten der Leipziger Universität mit Härte entgegentraten. Ganz
im Sinne des Philologen Ernesti, der vorgab, „als wenn die alten Autores gänzlich
in Vergessenheit kämen, indem jetzt alles die neueren schönen Wissenschaften lernte",
setzte es der Senat der Hochschule durch, dass nur am Mittwoch und Sonnabend
Schauspielvorstellungen stattfinden durften (gegen die Sonnabendvorstellungen eiferten
alsbald wieder die Prediger von den Kanzeln) und beförderte damit nicht wenig die
Gärung und Erbitterung der Studenten. Als poetische Denkmale der erst siegreichen,
dann hart bestraften Jugenderhebung teilt G. das Siegeslied eines Leipziger Studenten
vom 12. Aug. 1768 und die Satire „Fregens Grabschrift" mit. —
Eine Thüringer Erinnerung, die sich an Erfurt knüpft und mit der
klassischen Periode Weimars lose zusammenhängt, giebt Pick32) in einem Schriftchen
über den letzten Historiker der Universität Erfurt J. Dominikus. Als Freund Dal-
bergs, als dessen „rechte Hand", während dieser als Koadjutor des mainzischen Kur-
staats in Erfurt residierte, an den letzten matten und vergeblichen Versuchen, der
alten verfallenden Universität aufzuhelfen, vielfach beteiligt, erwies Dominikus auch
in der nachfolgenden schweren Zeit napoleonischer Herrschaft wackere Gesinnung
und Thatkraft. Seine Beziehungen zu Weimar-Jena, namentlich zu Schiller, waren
die freundlichsten; mit der Annahme, dass Dominikus die Idee Schillers, den Wallenstein
zu dramatisieren, zuerst angeregt habe, schiesst der erfurtische Lokalpatriotismus ent-
schieden übers Ziel hinaus. Von den aufgezählten zahlreichen Schriften des ver-
gessenen Historikers hat sich nur eine Schrift über „Erfurt und das Erfurtische Ge-
biet" in lokalem Ansehen erhalten. — Unmittelbar auf den klassischen Boden Wei-
mars führen drei Briefe von Blumenbach, Sophie Brentano u.a., die Erich Schmidt33)
als Glückwunsch zu K. W7einholds 70. Geburtstag drucken liess. Ein abgerissenes
Blatt aus Niethammers Nachlass berichtet über Schillers erste akademische Vorlesung
am 26. und 27. Mai 1789. Schiller wird ein Erzgenie geheissen; das Gedränge war
am zweiten Tage womöglich noch ärger als am ersten, der Briefschreiber kam um
drei Viertel, fand aber sogar schon das Vestibüle vollgepfropft. „Einige wollten be-
haupten, verschiedene, die bei Griesbach Exegese hörten, seien seit 11 Uhr da-
geblieben und haben sich das Essen ins Auditorium tragen lassen, um ihre Plätze
nicht zu verlieren." Sophia Brentanos Brief aus Osmanstädt vom 8. Aug. 1799 ist
an Henriette von Arnstein gerichtet; die Schreiberin sendet Blätter aus Schillers Garten,
in seiner Lieblingslaube und von Schillers liebenswürdiger Frau gepflückt. Sie
kann Schillers Aeusseres „nicht gut beschreiben, genug, er führt ein Heer Geister in
seinem Gefolge, die ihn mit einer seltsamen Magie umgaben. So ungefähr wirkte
seine lange hagere Gestalt, sein blasses überirdisches Gesicht und sein ernstes stilles
Wesen auf mich". Vor allen hat Wieland das Herz Sophiens gewonnen: „Ich wünsche
dir aus inniger Liebe, du mögest ihn nur einmal wie ich sehen im Inneren seines
häuslichen Lebens." In Weimar hat sie Herder, Kotzebue, Frau von Wolzogen, die
Vf. der Agnes (Agnes von Lilien), besucht — „so klar und zart und engelhaft das
ganze Werk sein soll, so wenig ist dies alles die Dichterin", — hat auch Jean Paul
Richter gesehen, der „ein ungewöhnlicher seltsam guter Mensch" heisst. Nur
„Goethes Umgang allein thut einem nicht wohl, er ist kalt und trocken für Menschen,
die ihm gleichgültig sind, und um ihm mehr als das zu sein, dazu gehöret viel".
Doch betrachtet Sophie Brentano „den Sänger Dorotheens" mit Dank und Verehrung.
— Umgekehrt schreibt Blumenbach an Heyne aus Jena vom 4. Mai 1783, dass er
eben in Weimar Goethe und Wieland recht genau kennen gelernt habe, dass nament-
lich Goethe alle seine Vorstellungen gar sehr übertroffen habe. Goethe erscheint dem
Göttinger als „gesetzter, ganz un affektierter, äusserst zugänglicher Mann, unglaublich
offen, hell und doch tief penetrierend im Urteil, überaus billig, garnicht decisiv".
Wieland verliert neben Goethe, „sie dutzen sich zwar und sind herzlich gute Freunde,
aber man spürt doch Goethes Superiorität". — Mit diesem Briefe im Zusammenhang
steht ein Bericht von Therese Heyne, der späteren Gattin Georg Forsters und L. F.
Hubers, vom 30. April 1783, den Leitzmann34) in Jena veröffentlichte. Therese Heyne
begleitete ihren Onkel Blumenbach und dessen Frau auf einer Reise nach Süd-
deutschland und der Schweiz, deren erste wichtige Stationen Weimar und Jena
waren. Sie schildert lebendig den Stern, des Herzogs Einsiedelei im Park, Goethes
mit gebleichten Schindeln gedecktes Gartenhaus, dessen Dach damals noch „glänzend
weiss" aus dem Grün hervorschaute, sie fährt, während Onkel Blumenbach bei
Musenkrieges im J. 1768. (Ans: MDGesLeipzig.) L., Hiersemann. 46 S. M. 3,00. |[K. Heinemann: BLU. S. 724.JI —
32) A. Pick, Prof. Jak. Dominikus, i. Freund d. Koadjutors v. Dalberg. E. Beitr. z. Erfurt. Gelehrtengesch. (= SGWV.
N.189.) Hamburg, Verlagsanst. 44 S. M. 1,00. — 33) Erich Schmidt, K. Weinhold mit herzl. Glückwünschen z. 26. Okt. 1893
dargebr. Weimar (Hofbuchdr.). 7 S. (Privatdr.) — 34) A. Leitzmann, Therese Heyne über Weimar u. Jena 1783: Euph. 1,
IV 1 a : 35-38 Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Literaturgeschichte.
Goethe und bei Hof ist, nach Belvedere, lernt aber doch am 1. Mai Goethe kennen,
der ihr sehr gefällt: „Er hat eine kluge Phisionomie, starke Augenknochen über dem
Auge und sehr dünne Lippen, sein Auge ist ernst und gross." Am 2. Mai gelangt
Therese zu Wieland, der „nicht gross, sehr mager ist, sehr freundliche lebhafte
Augen (die aber jetzt rot sind), eine Nase wie Grosspapa in Göttingen, hat im Mund
viel feines, doch ein wenig hämisch". Wieland spricht viel von sich, mit gehöriger
Eitelkeit, meist vom Oberon; Wieland hat weit mehr Eitelkeit, Goethe sprach kein
WTort von sich; wenn Blumenbach von seinen Geschäften anfing, „brach Goethe ab
und redete von uns". Freilich ist der Hauptgrund, den die junge Göttingerin für
ihre Bevorzugung Goethes abgiebt, erstaunlich nüchtern res „geschieht gewiss nicht
oft, dass ein Genie, das so ausschweifte und Dinge schrieb, die so manchem ehr-
lichen Mutterkinde den Kopf umdrehten, am Ende alle seine Thorheiten liegen lässt
und ein vernünftiger Geschäftsmann wird!" Hier meint man denn das Göttingen,
in dem der gelehrte Böhmer Bürgern das Kompliment machte, dass er erstaunliche
Fertigkeit in solchen Lappalien wie Verse besitzen solle, vor Augen zu sehen.
Thereses weiterer Bericht schildert auch Jena mit seinen Professorenhäusern und
Gärten, erinnert an den Rechtsprofessor K. F. Walch, den Bibliothekar Professor
J. G. Müller, den Orientalisten J. G. Eichhorn. Auf die Dürftigkeit der Jensener
Naturalien Sammlung und Bibliothek sieht die verwöhnte Göttinger Professorentochter,
die unwillkürlich Vergleiche mit den reichen Sammlungen daheim anstellt, ziemlich
spöttisch herab. — lieber Karl Theodor von Dalberg und Weimar verbreitet sich ein
Aufsatz35), der nichts Neues enthält, nur das Bekannte neu gruppiert und 'für die
Dankesansprüche, die sich Dalberg durch seine Beziehungen zu Goethe und nament-
lich zu Schiller erworben hat, neu eintritt.36) —
Zur äussersten Nordmark des Reiches führt uns Möller37) in einer Studie,
„Aus zwei Jh. schleswig-holsteinischer Litteratur", die, mit Rückblicken auf
Joh. Rist und Joach. Rachel beginnend, doch eigentlich erst in der zweiten Hälfte
des 18. Jh. kräftiger einsetzt, weil bis dahin die Kopenhagener Staats Weisheit die
gesamte cimbrische Halbinsel wiederholt greuelvoller, kriegerischer Verwüstung
anheim gab. An die Charakteristik von Matthias Claudius knüpft sich die Erörterung
der mancherlei Verzweigungen, die der Göttinger Hainbund gerade in Schleswig-
Holstein hatte, von dem früh an der Schwindsucht verschiedenen Volksschullehrer
J. H. Thomsen zu Kjus in Angeln bis zu jenem Esmarch, den in einem Göttinger Dichter-
roman (es ist „Hölty" gemeint) der Hannoveraner Friedrich (nicht Johannes) Voigts ein
Menschenalter später als sentimentalen Schmachtlappen schilderte, worüber der zum
ehrenfesten und wohlgenährten Amtsverwalter gediehene frühere Hainbundsgenosse
sich höchlich ergötzte. Er war der Grossonkel und Schwiegergrossvater von
Theodor Storm. Den Romanschriftsteller Joh. Gottwerth Müller will der Vf. als
Müller von Itzehoe vom zahlreichen Geschlecht der Müller unterschieden wissen; in
dem Diplomaten J. G. Rist, dem Vf. wertvoller Denkwürdigkeiten, sieht er „ein
Konglomerat durchaus entgegengesetzter Gesinnungsmomente, wie es die späteren
Spiralen in der inneren politischen Entwicklung der Eibherzogtümer wohl begreiflich
machen können". Einem Zeitgenossen Rists, dem Altonaer G. F. Schumacher, mit
seinen zu früh vergessenen Lebenserinnerungen spricht M. das Prädikat eines Er-
zählers ersten Ranges zu. Im Leben schiffbrüchig gewordene Talente wie Ludolf
Wienbarg, F. Schiff, den geistreichen Bernhard Luttermerck streift die Darstellung
nur flüchtig, erinnert dann an die Satiriker J. Bendixen, den Vf. der Farce „Till
Eulenspiegel", und an K. H. Keck, den Dichter der aristophanischen Komödie „Die
Kaiserwahl zu Frankfurt". Die vier grossen schleswig-holsteinischen Poeten des
19. Jh., die Dithmarsen Fr. Hebbel und Klaus Groth, die Nordfriesen Theodor Storm
und W. Jensen, stammen sämtlich von der Westküste der Herzogtümer. In der
knappen, nicht völlig zutreffenden Charakteristik Fr. Hebbels findet sich der interessante
Satz, dass wenn M. die Reden des Holofernes in der Judith lese, er manchmal den
Ton aus einer dithmarsischen Grossbauernschenke herauszuhören glaube: „Eben der
Sohn des tagelöhnenden Kleinhäuslers konnte das darzustellen und zu übertreiben
geneigt sein." Bei Storm wird hervorgehoben, dass den Schleswig-Holsteinern wie
den Balten eine gewisse geistige Jugendblässe anhafte, vielleicht könne man dabei
auch an die bekannte geistige Spätreife der so vielfach charakterverwandten Schwaben
denken. Erst den Sechzigern nahe sei Th. Storm vom Idyll und dem Stimmungsbild
zur grossen Historie vorgedrungen, dann allerdings aber auch im höchsten Stil. Im
völligen Gegensatz zu Storm hat Klaus Groth das zweifelhafte Glück gehabt, sofort
mit seinem ersten Werke zum ersten Range der zeitgenössischen Poesie vorzudringen,
worauf für ihn eigentlich nichts mehr zu erreichen blieb. Die spätere Entwicklung
S. 72/8. — 35) A. Dr., K. Th. t. Dalberg u. Weimar: NatZgü. N. 113. — 36) X K- Trost, Kunst u. Broderwerb in Mass. Zeit:
NorddAZg. N. 319. — 37) Cajus Möller, Ans 2 Jhh. schlesw.-holst. Litt.: NatZg. N. 219,234. — 38) H.M. Trnxa, Hedwig
Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Literaturgeschichte. IV la: 39-41
streift M.s Uebersicht nur, obschon er noch Namen wie Fr. Dörr, wie J. H. Fehrs,
wie Ad. Bartels, wie Ed. Wilda, wie endlich die Erzählerin Charlotte Niese gebührend
hervorhebt. —
Deutsch-Oesterreich erscheint zunächst durch ein biographisches Denk-
mal vertreten, das Truxa38) der 1893 verstorbenen Dichteriu und Erzählerin Hedwig-
Wolf, der Tochter des romanischen Philologen und Wiener Bibliothekskustos Ferd. Wolf,
errichtete. Die vom Vater her sprachkundige Schriftstellerin hat sich vornehmlich
durch ihre Uebersetzungen von Werken der spanischen Erzählerin Fernan Caballero,
der spanischen Sittenbilder des Jesuiten B. L. Coloma, des Pablo de los Rios
verdient gemacht. In ihren eigenen sehr zahlreichen Erzählungen, denen T.s
Erinnerungsschrift fünf aus dem litter arischen Nachlasse hinzufügt, und von denen wir
ein genaues Verzeichnis erhalten, scheint sie vielfach von den spanischen Realisten, mit
denen sie sich beschäftigte, beeinflusst, jedenfalls genügt es nicht, wenn zur Charakteristik
der Kunst der Schriftstellerin gesagt wird : „Wiewohl sie dem Treiben der Welt ferne
stand und in stiller Zurückgezogenheit als Blume der Tugend lebte, besass sie gleich-
wohl Menschen- und Weltkenntnis genug, um in ihren Novellen die feinsten
psychologischen Schilderungen zu liefern und Charaktere markant zu zeichnen."
Auch die Berufungen auf Fr. Halm, Hieronymus Lorm und Faust Pachler können
kein klares Bild der litterarischen Stellung der Erzählerin geben, die jedenfalls
gewissen altösterreichischen Ueberlieferungen und den kirchlichen Kreisen geistig
näher stand, als die Mehrzahl der modernen Schriftstellerinnen Deutsch-Oesterreichs. —
Neck er39) bringt in einer Weihnachtsschau über neuere Wiener Dichter den Reich-
tum der Talente, die Wien zur Zeit besitzt, bei Beurteilung von Marie von Ebner-
Eschenbach, G. Schwarzkopf, Helene Migerka, K. E. Edler, H. Hango, Albrecht Graf
Wickenburg und Minna Kautsky zum Bewusstsein. Die eindringlichste Aufmerksamkeit
widmet er, wie billig, wiederum der bedeutenden Erscheinung der Ebner-Eschenbach.
Zeigt sich diese Dichterin unzweifelhaft in ihren neuesten Schöpfungen herber als
ehedem, so giebt N. die Erklärung, sie sei auf ihrem Wege nach der Erkenntnis der
menschlichen Natur auf etwas gestossen, wobei einem der Verstand stille stehe,
nämlich auf das schlechtweg Böse in der menschlichen Natur, das sich jeder wohl-
wollenden und pädagogischen Behandlung entzieht, das nicht zu ändern ist. „Und
davor stehend, nimmt die Milde, Güte und Nachsicht dieser Ethikerin ein Ende.
Ohne Sentimentalität entscheidet sie sich dafür, dass dieses irrational Böse einfach
ausgerottet werden soll. Denn diese Dichterin, welche die thätige Hochherzigkeit
des Weibes und die hochherzige Thatkraft des Mannes über alles feiert, kann
Tolstois Ideal einer religiös-schwärmerischen Thatlosigkeit durchaus nicht billigen.
Die ganze westliche Kultur in ihr und ihr persönlicher Charakter widerstreben diesem
slawisch-orientalischen Lebensideal." — Eine Anzahl von neueren Tiroler Poeten be-
spricht Prem40) in seinen Briefen über tirolische Litteratur. Die Einflüsse der
jüngsten Litteraturbewegung haben sich bis in das abgeschlossene und starr katholische
Bergland hinein erstreckt; der Beurteiler unterscheidet unter den jüngeren Poeten
seines Heimatlandes Hypernaturalisten oder „Ueberhopste" und „gemässigte Neu-
germanen". Bei den letzteren nimmt er überall noch die Nachwirkungen des Alt-
meisters unter den Tiroler Poeten, Ad. Pichler, wahr. Er rechnet hierzu H. Greinz,
H. von Schullern, die Dramatiker Kranewitter und Heimfelsen, die mit Ernst auf das
Volkstümliche gehen, vor allen aber den Lyriker Arthur von Wallpach und den
Erzähler und Bauernspieldichter Franz Lechleitner. — Den Prager Schriftsteller-
kreisen der Vergangenheit tritt man durch die Studie Fürsts41) über Aug. Gottl.
Meissner nahe. Der erste Protestant, der einen Ruf an die Prager Universität erhielt
(1784—1804), hat Meissner doch viel geringere Thätigkeit als akademischer Lehrer
denn als Belletrist, Redakteur, ja laut F.s Nachweisen als Buchhändler (Selbst-
veiieger) entwickelt. Das vollständige und genaue Verzeichnis seiner Schriften aus
früherer und späterer Zeit ändert am litterarischen Gesamtbilde des fruchtbaren
Belletristen wenig, aber mit Ueberraschung sehen wir durch F. einen wunderbaren
Zwiespalt zwischen Meissners Schreiben und Treiben, zwischen seiner Produktion
und seiner persönlichen Stellung in der Litteratur nachgewiesen. „Die Litteratur-
richtung, an die er sich äusserlich aus guten Gründen gern anschmiegen möchte,
hat mit seinem Schaffen und Wirken kaum etwas zu thun, und die Männer, in deren
Geiste er schreibt und denkt, werden von ihm öffentlich mit Vorliebe übel behandelt".
Der Versuch sich den Göttingern durch Verunglimpfung Wielands zu empfehlen, die
falsche Antike, die Agathon, Idris und Amadis, die Wielands wollüstige Grazien-
philosophie gezeitigt, herabzuwürdigen und hundert ähnliche Dinge standen freilich
dem Romanschreiber, der trotz alledem Wielands Anregungen nahezu alles verdankte,
Wolf. B. litt. Frauengestalt Oesterreichs. Mit 1 Portr. n. 5 Novellen aus d. Nachlasse Hedwig Wolfs. Wien, Selbstverl.
81 S. M. 1,00. — 39) M. Neoker, Wiener Dichter: NFPr. N. 10372. — 40) S. M. Prem, Briefe über tirol. Litt.:
TirolerLandeszg. N. 28. — 41) R. First, Ä. G. Meissner. E. Darstellung seines Lebens u. seiner Schriften mit Quellen-
IV la: 42-43 Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Literaturgeschichte.
schlecht zu Gesicht. Rasch angeregt und schreibfertig, belesen und mit einem
gewissen deutschen Nationalbewusstsein ausgerüstet,' erschien er sich als ein hervor-
ragender Schriftsteller. Und wenn ihm nun F. „masslose schriftstellerische Eitelkeit,
daraus resultierende beständige Empfindlichkeit, Kriecherei nach oben, Nachgiebig-
keit gegen den derben Geschmack des Tages, bis zur Ungezogenheit gesteigerte
Gereiztheit gegen Leser und Kritiker, Aufdringlichkeit, sobald er sich dadurch zu
fördern suchte", vorwirft, so erscheint das Stück Unsterblichkeit, das ihm auf diese
Weise gesichert ist, eben nicht beneidenswert. So exakt und scharf der Vf. verfährt,
wo es sich um seinen Autor handelt, so laufen doch in Nebendingen kleine Irrtümer
unter. Dora Stock soll (S. 14) das erschütternde Ende ihres Neffen Theodor nur
um wenige Jahre überlebt haben; sie starb 1832, also 19 Jahre nach Theodors Fall
bei Gadebusch ; S. 186 wird Karl IL von England der „unglückliche" Karl IL genannt,
was auf einer Verwechslung mit seinem Vater Karl I. zu beruhen scheint. -«-
Den baltischen Landen, ihren Beziehungen zur deutschen Litteratur und
ihren poetischen Talenten widmet in Anlehnung an die oben (N. 10) charakterisierte
Anthologie von E. J. von Grotthuss Zabel42) eine Skizze, in der er u. a. das Ver-
hältnis der poetischen Gäste, die jeweils aus dem grossen Mutterlande nach den
Ostseeprovinzen kamen, zu den Balten und eine Reihe der im baltischen Dichterbuch
vertretenen Poeten knapp und treffend schildert. Ueber P. Fleming (nicht Flemming)
heisst es: „Sein Aufenthalt in den Ostseeprovinzen dauerte nur kurze Zeit, aber er
war bestimmend für sein Leben und Schaffen. Ohne denselben hätte er Gedichte
wie die „Livländische Schneegräfin", in dem ein merkwürdig gelungenes Sitten-
gemälde jener Zeit enthalten ist, oder seine Verse an die „Baltischen Sirenen" niemals
schreiben können. Obwohl aus Mitteldeutschland stammend, hat er die Empfindungen
der Balten glücklicher zum Ausdruck gebracht als der später zur Geltung gekommene
Kurländer Besser, der Oberceremonienmeister des ersten Königs von Preussen, ein
versedrechselnder Hofpoet, der die Kälte seines Herzens und die Dürftigkeit seiner
Phantasie hinter dem rhetorischen Schwulst zu verbergen suchte". Bei den baltischen
Dichtern des 18. Jh. fällt ihm der Reichtum an seltsamen Schicksalen und Abenteuern
auf, und indem er an die Lebensläufe von R. M. Lenz, L. Petersen, der dem grimmigen
russischen Winter zum Opfer fiel, an U. Böhlendorff, der ein Landstreicherleben
führte, an W. Smets, den Sohn der Sophie Schröder, der nach einander Hauslehrer,
Soldat im Freiheitskriege, Schauspieler, katholischer Pfarrer und Domherr, schliesslich
auch Abgeordneter zum Frankfurter Parlament von 1848 war, erinnert (er hätte auch
A. H. von Weyrauch, der in Dresden Jahrzehnte lang mitten in der Grossstadt dürftig
wie ein Anachoret lebte, hinzufügen können), darf er wohl sagen, dass im Vergleich
mit diesen Männern die baltischen Dichter unseres Jh. lauter Fridoline, Männer in
meist gesicherter Lebensstellung und durchweg korrekt in ihrer Lebensführung waren
und sind. Bei der Schätzung der Lyriker des 19. Jh. tritt Z. der Grotthussschen
Apotheose des kurländischen Dichters Karl von Fircks entgegen und knüpft an die
Klage, dass die baltischen Provinzen von jeher nur wenig von ihren Dichtern ge-
halten hätten, die energische Mahnung: Propheten des deutschen Geistes sollten doch
vor allem in ihrem engeren Vaterlande etwas gelten, wenn man sich nicht in den
deutschen Ostseeprovinzen dem Verdachte aussetzen will, dass man dort zwar für
Deutschland im allgemeinen schwärmt, aber im einzelnen doch schon zu vergessen
beginnt, was der deutschen Volksseele als Nahrung dient und infolge der fort-
gesetzten Russifizierungsversuche dem slavischen Temperament bereits näher gerückt
ist, als man weiss und vor der Welt zugeben will. —
Die schon kurz erwähnten Studien Saitschiks43) über hervorragende
schweizerische Dichter, die der Vf. als „Meister der schweizerischen Dichtung
des 19. Jh." bezeichnet, umfassen eingehende Würdigungen Jeremias Gotthelfs,
Gottfried Kellers, K. F. Meyers, H. Leutholds und Dranmors. Ueber die ersten drei
kann nicht gestritten werden, so gut wie Dranmor aber hätten wohl auch J. V.
Widmann und A. Corrodi berücksichtigt werden dürfen. Unter den vorhandenen
Aufsätzen haben die über Gotthelf und Keller den grössten Wert; bei Gotthelf hätten
gerade die kleinen Meisterstücke, in denen der grosse Erzähler sich von der vor-
teilhaftesten Seite offenbart und die gröbliche Tendenz mildert oder zurückdrängt,
weit entschiedener hervorgehoben werden sollen als die grossen Gemälde des Berner
Lebens der dreissiger und vierziger Jahre. Kellers Lyrik findet sehr liebevolle
Würdigung, das eigentümliche Verhältnis dieses Dichters zur Natur, die ihm immer
nur als erquickende, wohlthuende, den Menschen tragende Macht gilt, erschöpft S.
mit dem Nachweis, dass bei Keller die Natur mit dem Menschen aus einheitlichem
Gewebe sei, die Realität ihrer Erscheinungen das menschliche Seelenleben durch-
dringt und umklammert; wir schöpfen aus der Aussenwelt keinen scheinbaren, sondern
Untersuchungen. St., Göschen. XV, 356 S. Mit Bild. M. 6,00. (Vgl. IV 3.) — 42) E Zabel, Balt. Dichter: NatZg.
N. 334, 336. — 43) R. M. Saitsohilc, Meister d. Schweiz. Dichtung im 19. Jh. Frauenfeld, Huber. 1893. 111,428 8. M. 5,00.
G.Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV la:44iVlb:i
wesentlichen Gehalt, der mit unserem Empfinden unzertrennlich zusammenschmilzt.
Der Stil des Vf. hat etwas Unruhiges, Nervöses, Rhapsodisches, wodurch Klarheit
und Bestimmtheit des Urteils vielfach beeinträchtigt werden. —
Aus der Anregung der im Vorjahr (JBL. 1893 IV la:16) besprochenen
grossen Zimmermannschen Sammlung „Deutsch in Amerika" ist eine Studie von
Benkard44) „Deutsche Poesie im Lande der Prosa" erwachsen, die neben der auf
amerikanischem Boden blühenden Lyrik auch der deutsch-amerikanischen Zeitungs-
presse gedenkt und die scheinbare Abschweifung mit dem Umstand rechtfertigt,
dass diese Litteraturerzeugnisse in Poesie und Prosa von Anfang an meist in Zeit-
ungen veröffentlicht wurden. Aus der Gruppe der Deutsch-Amerikaner hebt B. die
Namen Fr. Lieber, Friedr. Münch, K. de Haas, den pfälzischen Dialektdichter L. A.
Wollen weber, E. Dorsch, K. Kretz, Niki. Müller, K. Knortz, E. Dietzsch, W.
Müller und die Dichterin Franziska Anneke hervor. Er findet, dass in den deutsch-
amerikanischen Dichtungen der Gegenwart meist von anderen Dingen die Rede sei,
als von der Sehnsucht nach dem alten Vaterlande, dem deutschen Frühling und dem
deutschen Walde. Die jüngere Generation betont sogar ihr Amerikanertum sehr
stark, ja sie wendet sich energisch gegen die „Grünen", die über Amerika losziehen,
weil sie sich nur schwer in die neuen Verhältnisse finden können. —
b) Politische Geschichte. 1893, 1894.
Georg Winter.
Allgemeines: Zur Geschichte der Geschichtsschreibung N. 1. — Darstellende Werke der ganzen Periode N. 9.
— Erste Periode des 18. Jahrhunderts N. 18. — Zeitalter Friedrichs des Grossen: Quellen N. 23. — Ge-
samtdarstellungen N. 27. — Die schlesischen Kriege N. 50. — Spätere Epoche N. 75. — Innere Geschichte Preussens N. 85.
— Maria Theresia N. 87. — Friedrich Wilhelm II. N. 91. — Zeitalter der französischen Revolution: Allgemeines
N. 93. — Einwirkungen auf Deutschland N. 99. — Revolutionskriege N. 107. — Untergang des alten Reichs N. 113. —
Napoleonische Epoche: Kriege N. 115. — Fremdherrschaft in Deutschland N. 133. — Königreich Westfalen N. 140. —
Preussens Erneuerung N. 144. — Freiheitskriege N. 156. — Epoche der nationalen Einheitsbestrebungen: Quellen
N. 191. — Gesamtdarstellungen K. 194. — Geist der Zeit N. 203. — Einzelnes N. 207. — Biographische Beiträge: Th. von Bern-
hardi N. 226; Metternich, Bunsen, Graf Spiegel zum Desenberg, W. von Humboldt N. 231; Karl Anton von Hohenzollern N. 238.
— Zeitalter Kaiser Wilhelms I.: Allgemeines N. 240. — Biographisches: BisroarckN. 254; Lothar Bucher N.290; Moltke
N. 295; andere Heerführer, Parlamentarier N. 309.— Einzelne Ereignisse: Krieg von 1866 N. 321; Krieg von 1870—71 N. 324.
— Neueste Zeit: Kaiser Friedrich III. N. 359; Wilhelm IL N. 364. — Geschichte der Gegenwart N. 373. — Karl von Rumänien
N. 377. — Territorialgeschichtliches: Oesterreich N. 378. — Preussen N. 395. — Bayern N. 409. - Württemberg N. 417.
— Baden N. 425. — Königreich Sachsen N. 433. — Sachsen-Weimar N. 438. — Sachsen-Koburg-Gotha N. 442. — Sachsen-
Meiningen N. 450. — Königreich Hannover N. 451. — Kurhessen N. 452. — Braunschweig N. 454. — Mecklenburg-Schwerin
N. 456. — Oldenburg N. 459. — Elsass-Lothringen N. 461. — Hamburg N. 464. — Politik und sociale Frage: Politische
Schriften N. 465. — Sociale Zustände N. 471. — F. A. Lange N. 476. — Lassalle N. 477. — K. Marx N. 487. —
Zweck und Aufgabe dieses Kapitels im allgemeinen Abschnitt des Teiles IV
erhellt am besten, wenn man sich die Grenzlinien wie die gemeinsamen Gebiete beider
nahe mit einander verwandten Wissenschaften, der Geschichte und der Literatur-
geschichte, klar vergegenwärtigt. Ohne Frage wird der Historiker ein völlig zu-
treffendes und erschöpfendes Bild einer Epoche nicht zu entwerfen vermögen, ohne
sich über ihre treibenden geistigen Kräfte und Leistungen auf das genaueste unter-
richtet zu haben. Politische Geschichte in völliger Isoliertheit hat es niemals gegeben
und kann es nicht geben. Die staatliche Entwicklung ist ebenso nur ein Teil, eine
bestimmte Richtung der Kulturarbeit, wie die litterarische und künstlerische. Auch
der politische Historiker wird also die Litteratur einer von ihm geschilderten Epoche
nicht unberücksichtigt lassen dürfen, und je höher er seine Aufgabe fasst, um so
mehr wird er bestrebt sein, alle Seiten der geschichtlichen Entwicklung als Aeusserungen
eines und desselben Volksgeistes zu erfassen; natürlich aber wird er aus den hieraus
sich ergebenden, von denen des Litterarhistorikers gänzlich verschiedenen Gesichts-
punkten die Litteraturgeschichte auch ganz anders als dieser behandeln. Dasselbe
aber gilt auch im umgekehrten Falle. Der Literarhistoriker wird der Gefahr einer
völlig einseitigen Auffassung und eines das Wesen der Dinge nicht ergründenden
Werturteils notwendig erliegen müssen, wenn er die Litteraturgeschichte als etwas
schlechthin Isoliertes, von den übi'igen Richtungen und Leistungen der menschlichen
Kulturarbeit völlig Getrenntes auffassen wollte. Jedes Litteraturerzeugnis ist eben
ein Erzeugnis seiner Zeit, des ganzen geistigen und materiellen Kultur-
zustandes, von dem es ein, wenn auch noch so sehr von der Individualität seines
Schöpfers bedingter, Teil ist. Nur aus einer ausreichenden Kenntnis des gesamten
historischen Entwicklungszustandes der Zeit seiner Entstehung heraus lässt es sich
tief und ganz verstehen und verständlich machen. Der gesamte geschichtliche Stand-
punkt eines Volkes und einer Epoche bildet den unentbehrlichen Hintergrund für
|[E. Hang: BLTJ. S. 263.]| (Vgl. JBL. 1893 IV la:49.) — 44) C h r n. Benkard, Dtsch. Poesie im Lande d. Prosa:
FZg. N. 173, 175. —
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (4)3
IV lb:i G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
das Verständnis der Litteratur jenes Volkes und jener Epoche. Die beiden Wissen-
schaften sind offenbar in demselben Grade auf einander angewiesen, in demselben
Grade genötigt, von ihren Ergebnissen wechselseitige Kunde zu nehmen, als ihre
Gegenstände selbst wechselseitig durch einander bedingt und von einander abhängig
sind. Dazu aber kommt noch ein Anderes. Die deutsche Geschichtsschreibung ist
seit ihrer Neubegründung durch Niebuhr und Ranke in ihren hervorragendsten Ver-
tretern und ihren besten Leistungen ohne Zweifel selbst eine Gattung unserer natio-
nalen Litteratur geworden, welcher neben der frei schaffenden poetischen Litteratur
eine eigenartige formale wie materielle Bedeutung zukommt. Mehrere unserer
grossen Historiker dürfen als Klassiker unseres deutschen Prosastiles angesehen
werden. Wer wollte eine Geschichte der deutschen Prosa des 19. Jh. zu schreiben
unternehmen, ohne die Werke Leopold von Rankes zu berücksichtigen? Aus diesen
kurzen Andeutungen erhellt zur Genüge, dass und inwieweit der Literarhistoriker
von den Ergebnissen der Geschichtsschreibung im weiteren Sinne Kenntnis zu nehmen
durch die Natur seines eigenen Gegenstandes veranlasst wird. Natürlich ist es, dass
von wesentlichem Interesse für den Literarhistoriker von den historiographischen
Arbeiten in der Hauptsache nur deren vornehmste Ergebnisse, d. h. grössere,
die Einzelforschungen zu einer Gesamtdarstellung verarbeitende Geschichtswerke,
weniger aber die der Kleinarbeit des Geschichtsforschers dienenden monographischen
Einzeluntersuchungen, quellenkritischen Forschungen usw. sind, welche letzteren
für ihn nur insoweit in Betracht kommen, als sie eine wesentliche Verschiebung der
Grundlinien des bisherigen historischen Gemäldes zur Folge haben. Erschöpfende
Vollständigkeit nach dieser Richtung oder gar nach der der blossen Quellenver-
öffentlichungen kann also ebensowenig Aufgabe dieses Berichtes sein, wie der Historiker
etwa von den specifisch-technischen litterarhistorischen Einzelforschungen der Literar-
historiker Kenntnis zu nehmen in der Lage ist. Nach diesen Gesichtspunkten ist
der nachstehende Bericht abgefasst, nach diesen Gesichtspunkten will er beurteilt
werden. Zur Geschichte der Geschichtsschreibung zunächst sind einige
wichtige Werke zu verzeichnen. Nach beiden Richtungen, der mehr litterarischen,
wie der historischen ist auch für den Litterarhistoriker von entscheidender, ja von
epochemachender Bedeutung unter den Historikern der Altmeister deutscher Geschichts-
schreibung, der Goethe unter den deutschen Historikern des 19. Jh. : Leopold von Ranke.
Wie seine Werke, auch rein litterarisch-stilistisch genommen, zu den Zierden unserer
deutschen Litteratur gehören, so sind sie daneben durch die Universalität seines
Wissens wie durch die Vielseitigkeit der Gesichtspunkte, unter denen er, der
eigentliche Begründer der objektiven Richtung in unserer Geschichtsschreibung, die
geschichtliche Entwicklung betrachtet, auch eine unerschöpfliche Fundgrube historischen
Sinnes und historischer Auffassung für den Litterarhistoriker. Hat doch Ranke
stets die grossen geistigen Bewegungen und Kräfte im Völkerleben, die „leitenden
Ideen", als das Bestimmende der ganzen geschichtlichen Entwicklung betrachtet und
von diesem Gesichtspunkte aus der Litteratur der verschiedenen Völker stets eine
hervorragende Stelle in seinen historischen Werken angewiesen. Ueber Wesen und
Bedeutung, Eigenart und Grundanschauung Rankes unterrichtet zu werden, dürfte
daher auch dem Litterarhistoriker von grösstem Interesse sein. Diese Aufgabe hat
sich in unserer Berichtsperiode ein Werk von Guglia1) gestellt, welches in dem
äusseren Rahmen einer Biographie Rankes auch eine Würdigung und Charakterisierung"
seiner sämtlichen Werke und der in ihnen enthaltenen historisch - philosophischen
Grundanschauungen gegeben hat. Die biographischen Partien beruhen im wesent-
lichen auf Rankes autobiographischen Aufzeichnungen und Briefen, sowie auf den
Aufsätzen Doves, Wiedemanns und des Berichterstatters. Der Hauptnachdruck
des Buches aber beruht auf der Analyse der Rankeschen Werke, seiner universalen
und philosophischen Geschichtsauffassung, sowie seiner epochemachenden Bedeutung
für die Methodik der Geschichtswissenschaft. Auch seine Weltanschauung, die in
der Hauptsache konservativ-religiös ist, aber infolge der objektiven Betrachtungs-
weise, die seiner Darstellung eignet, auch die Berechtigung der liberalen Ideen nicht
verkennt und ihnen Konzessionen zu machen bereit ist, wird an der Hand seiner
Werke wie der verschiedenen von ihm dem Könige eingereichten Denkschriften
geschildert. Ganz besonders hebt der Vf. auch die religiöse Auffassung hervor,
die Ranke von seinem Berufe, seiner „Mission", hatte, und die geradezu das war, was
ihn zur Geschichtsschreibung führte. Seine ganze Ideenlehre hängt damit auf das
engste zusammen. Er hat diese seine Auffassung einmal kurz in dem Worte aus-
gedrückt: „Geschichte ist Religion". Im grossen und ganzen wird das Buch
der ganzen geistigen Eigenart Rankes durchaus gerecht und ist auch litterarisch
eine durchaus erfreuliche Erscheinung. — Im wesentlichen auf Rankes Bahnen hat
1) E. Guglia, L. v. Ranlces Leben u. Werke. L., Grvmow. 1893 424 S. M. 4,50. (Vgl JBL. 1893 IV 5:299.) —
G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb:2-4
sich nun die ganze ältere Generation der deutschen Geschichtsschreiber bewegt, so
sehr sie sonst in ihrer Eigenart und geistigen Individualität von ihm verschieden
waren, so sehr namentlich ein grosser Teil von ihnen dadurch sich von dem Altmeister
unterschied, dass sie, von der engen Verwandtschaft zwischen Geschichte und Politik
angezogen, sich zugleich energisch, und zwar zumeist im Sinne eines gemässigten
nationalen Liberalismus, am öffentlichen Leben beteiligten. Zweien von ihnen sind
im Berichtsjahre eingehendere Charakteristiken bezw. Lebensbeschreibungen gewidmet
worden. Die eine, von Brode2), welche sich mit Max Duncker beschäftigt, enthält
eine liebe- und verständnisvolle Würdigung seiner Bedeutung für die deutsche Ge-
schichtsschreibung, beruht aber in allen thatsäch liehen Angaben durchaus auf Hayms
Lebensgeschichte Dunckers, über dessen Ergebnisse sie nirgends wesentlich hinaus-
kommt; die andere ist ein ehrendes biographisches Denkmal, welches einer der
Schüler des Geschichtsschreibers Kaiser Karls V., Hermann Baumgartens, diesem als
Einleitung zu einer Ausgabe seiner gesammelten kleineren Aufsätze gesetzt hat.
Marcks3) hat in dieser Einleitung in vortrefflicher, bei aller Verehrung und Be-
wunderung, welche er seinem Lehrer entgegenbringt, doch durchaus objektiver, ver-
ständnisvoller und feinsinniger Weise die Bedeutung Baumgartens, des Historikers und
Politikers, gezeichnet, eine Aufgabe, die für ihn um so schwieriger war, als er der
ganzen, aus der idealsten Periode des deutschen Liberalismus stammenden politischen
und Welt-Auffassung Baumgartens, die sich mit den neuesten Wendungen unserer
nationalen und staatlichen Entwicklung nicht recht befreunden konnte, ziemlich fremd,
zuweilen direkt ablehnend gegenübersteht. Er hat dabei mit liebevoller Sorgfalt die
Tagebuchfragmente und Briefe Baumgartens, welche bis in seine Schul- und Studenten-
zeit zurückreichen, für seine Darstellung verwertet, geschildert, wie Baumgarten in
Halle dem ihm gesinnungsverwandten Historiker Max Duncker nahe trat, wie er,
als Burschenschafter verfolgt, auch in seinem späteren Leben die wechselvollsten Schick-
sale als Redakteur, als Mitarbeiter Dunckers im Berliner Pressbureau usw. durch-
machte, bis es ihm erst im reiferen Alter gelang, in die akademische Laufbahn, welche
er als seinen eigentlichen Lebensberuf auffasste, hineinzukommen. Auch in dieser
neuen Thätigkeit aber hat er nach wie vor, in nahen freundschaftlichen Beziehungen
zu Matthy, Roggenbach, Sybel, Duncker, Wehren pfennig, Haym, Gustav Freytag,
regen Anteil am öffentlichen Leben genommen, von welchem mehrere, in der vor-
liegenden Sammlung vereinigte, früher an den verschiedensten Stellen gedruckte
Aufsätze rühmliches Zeugnis ablegen. Auf diese Aufsätze konnte sich daher M. vielfach
bei der Schilderung der eigenartigen Bedeutung und Stellung, welche Baumgarten
in der geistigen Entwicklungsgeschichte des deutschen Liberalismus einnahm, beziehen.
Für diese seine Stellung sind namentlich die beiden Schriften „Der deutsche Libe-
ralismus. Eine Selbstkritik" und „W7ie wir wieder, ein Volk geworden sind?" von
ausschlaggebender und charakteristischer Bedeutung. Sie zeigen deutlich die Trennung,
welche sich infolge der Ereignisse von 1866 und 1870 — 71 unter den früher in der
Hauptsache einigen deutschen Liberalen vollzog. Bestanden doch in jener früheren
Epoche des Liberalismus auch nahe freundschaftliche Beziehungen zwischen Baum-
garten und Treitschke, während später beide Männer sowohl in ihrer politischen wie
in ihrer wissenschaftlich-historischen Auffassung so weit von einander abwichen, dass
es zu einer heftigen polemischen Auseinandersetzung vor der Oeffentlichkeit zwischen
beiden kam, deren Darlegung für den Biographen offenbar eine ebenso schwierige
als bei seiner persönlichen Stellung zu den Beteiligten peinliche Aufgabe war. Für
die historisch-politische Litteratur aber stellt sowohl die M.sche Biographie als die
von Varrentrapps sachkundiger Hand ausgewählte Sammlung der glänzend geschriebenen
und von edler Gesinnung wie echt wissenschaftlicher Wahrheitsliebe getragenen
Aufsätze Baumgartens eine sehr willkommene Bereicherung dar. Der Biograph hat
sich dann natürlich auch eingehend mit den streng wissenschaftlichen Arbeiten Baum-
gartens beschäftigt, welche namentlich für die spanische Geschichte grundlegende
neue Ergebnisse gewonnen und in dem grossen Werke über Karl V. ihren hervor-
ragenden Abschluss und ihre Krönung gefunden haben. — Neben diesen Vertretern
einer zwar in der Hauptsache und nach ihrem eigenen eifrigen Bestreben objektiven,
aber doch in ihrer Grundanschauung protestantischen Geschichtsschreibung hat auch
der vornehmste Vertreter der bewusst und gewollt katholisch-ultramontanen Richtung
in unserer deutschen Historiographie, Johannes Janssen, einen sachkundigen und ge-
sinnungsverwandten, aber doch objektiver gearteten Biographen in Pastor4), dem
Vf. der Geschichte des Papsttumes seit dem Ausgange des Mittelalters, gefunden.
Das kleine Buch ist im wesentlichen für weitere Kreise des deutschen, d. h. in
2) E. Brode, M. Dunclters Anteil an d. dtsch. Gesch.-Schreibung: FBPG. 6, S. 501-27. — 3) H. BnnnigaTten, Hist. u. polit.
Autsätze u. Reden. Mit e. biograph. Einl. v. E. Marcks. Strassburg i. E., Trübner. CXLI, 528 S. Mit e. Bildn. M. 10,00.
[F. Meineclte: HZ. 73, S. 479-81; MHL. 23, S. 248-52; AI fr. Stern: Nation». 10, S. 515 6.]| — 4) L. Pastor. Job.
Janssen. Freiburg i. B., Herder. 1892. 152 S. M. 1,60. |[LCB1. 1S93, S. 401; MHL. 23, S. 241.11 (Vgl. JBL. 1892 II 1 : 15;
(4)3*
IVlb:5 G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
diesem Falle des katholischen deutschen Volkes berechnet und als Vorläufer einer
projektierten umfangreichen wissenschaftlichen Biographie gedacht. P. verhält sich
im ganzen rein referierend, ohne in dem lebhaften Streite, welcher um Janssens
grundgelehrtes, aber in seiner wissenschaftlichen Methode stark angreifbares Werk
entbrannt ist, direkt Stellung zu nehmen und ohne Janssen überall völlig beizu-
stimmen. Ein endgültiges Urteil wird sich über diese biographische Leistung erst ge-
winnen lassen, wenn das umfassende und wissenschaftlich begründete Werk vorliegen
"wird. — Dagegen kommt litterarisch wie für die Entwicklungsgeschichte der
deutschen Geschichtsschreibung eine grosse Bedeutung den autobiographischen Auf-
zeichnungen zu, welche der hervorragendste österreichische Geschichtsschreiber der
Gegenwart, A. von Arneth5), über sein Leben und sein wissenschaftliches
Schaffen veröffentlicht hat. Was zunächst den rein biographischen Teil betrifft,
der für die Gesinnung und das bescheidene Wesen des Vf. ein treffliches Zeugnis
ist, so sind speciell für den Literarhistoriker namentlich die Aufzeichnungen A.s
über seine Kindheits- und Jugendgeschichte und über sein elterliches Haus von
besonderem Interesse, weil seine Mutter vor ihrer Verheiratung* mit seinem Vater die
Braut Theodor Körners gewesen ist, so dass er über den Dichter und seine Be-
ziehungen zu seiner Braut aus persönlichen Aeusserungen der letzteren eine ganze
Reihe interessanter und wichtiger Mitteilungen machen konnte. Für den Geschichts-
forscher aber sind die Darlegungen über den geistigen Werdegang des österreichischen
Historikers und Biographen der Kaiserin Maria Theresia in hohem Masse dankens-
wert und willkommen, nur bedauert man zuweilen recht lebhaft, dass eine fast über-
grosse Bescheidenheit den Vf. verhindert hat, sich über seine eigenen wissen-
schaftlichen Leistungen eingehender auszusprechen , als er gethan. Auch die
grossen Verdienste, die sich A. als Direktor der österreichischen Archivverwaltung
um ihre grössere Zugänglichkeit und ihre verständnisvolle Beförderung wissen-
schaftlicher Bestrebungen erworben hat, treten in dieser Selbstdarstellung weit weniger
hervor, als es in einer von einem anderen verfassten Biographie A.s zweifellos der
Fall gewesen sein würde. Allein in diesen rein biographischen Aufzeichnungen er-
schöpft sich der Wert dieses Werkes keineswegs. A. hat auch am öffentlichen Leben
Oesterreichs einen hervorragenden Anteil genommen und namentlich in der Frank-
furter Nationalversammlung als Mitglied des Augsburger Hofes eine zwar äusserlich
wenig hervortretende und daher in der bisherigen Litteratur über jene Versammlung
wenig beachtete, aber darum doch für die Entwicklungsgeschichte des nationalen
Gedankens keineswegs bedeutungslose Rolle gespielt. Ueber die ausserordentlich
schwierige und in sich nach mehr als einer Richtung widerspruchsvolle Stellung,
welche die österreichischen Abgeordneten infolge der schwankenden, zuletzt immer
feindseligeren Haltung ihrer Regierung in der Paulskirche einnahmen, enthalten diese
Aufzeichnungen eines durchaus ehrlichen, hesonnenen und massvollen österreichischen
Politikers manchen wertvollen Fingerzeig, der um so wichtiger ist, als die vom
heutigen nationalen Standpunkte geschriebenen Darstellungen naturgemäss der miss-
lichen Stellung der österreichischen Abgeordneten, welche sich in einer ihrer Natur
nach völlig unhaltbaren Lage befanden, gar nicht voll gerecht werden können. A.
aber konnte hierüber um so mehr authentische Nachrichten mitteilen, als er nicht
allein lebhaften Anteil an den Verhandlungen der Versammlung und der österreichischen
Gruppe der Abgeordneten nahm, sondern auch mit der Centralregierung Fühlung
hatte, die ihn einmal sogar zum Chef der Staatskanzlei des Reichsverwesers Erzherzog
Johann in Aussicht genommen hatte. Ueberall tritt hier in den Erörterungen des
Vf. eine anerkennenswerte Objektivität und Ruhe des Urteils auch gegenüber dem
Verhalten seiner eigenen Regierung zu Tage, wie er denn z. B. die Erschiessung
Robert Blums als einen „groben Fehler" Oesterreichs bezeichnet. Daneben beruht
der Wert seiner Darstellung auch in der lebensvollen Schilderung einzelner leitender
Persönlichkeiten, z. B. des Grafen Friedrich Deym. Auffallend hart dagegen ist sein
Urteil über Gervinus, mit dem er eben in der Zeit der Paulskirche in eine lebhafte
publizistische Fehde geriet. A. seinerseits hätte gewünscht, dass Oesterreich seinen
deutschen Ländern eine solche Sonderstellung eingeräumt hätte, welche deren Eintritt
in den deutschen Bund ermöglicht hätte, ein Bestreben, das nur aufs neue die
Unhaltbarkeit jenes Dualismus zwischen Oesterreich und Preussen in Deutschland
zeigt, welcher erst durch die neueste Entwicklung unseres Vaterlandes überwunden
worden ist. An Enttäuschungen bitterster Art konnte es unter diesen Umständen auf
Seiten der deutschgesinnten österreichischen Abgeordneten nicht fehlen, und sie treten
uns auf jeder Seite dieser lebendigen Darstellung, namentlich auch aus den in sie
verwebten Briefen A.s an seinen Vater entgegen, welche Zeugnisse seiner höchst
IV lb : 141 a; 1893 II 6 : 36.) — 5) A. Frhr. v. Arneth, Ans meinem Leben. 2 Bde. St., J. G. Cotta. 1891-92. VIII, 282 S.;
VIII, 3Ö8 S. M. 12,00. ||B. Gebhardt: BZ. 72, S. 184/5; AZg». N. 173/4, 180.]| (Vgl. JBL. 1893 IV 1 c : 140.)
Gr. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb: 6-10
ehrenwerten politischen Gesinnung- sind. Auch an dem parlamentarischen Leben
seiner österreichischen Heimat hat sich A. dann, immer in gemässigtem deutschem
Sinne, beteiligt. Seine Aufzeichnungen hierüber enthalten vieles für die innere Ver-
waltungsgeschichte Oesterreichs sehr Interessante. Den Hauptinhalt des Buches für
die späteren Lebensjahre aber bilden dann die litterarisch - wissenschaftlichen Be-
strebungen und die häuslich-persönlichen Erlebnisse des Vf., sowie seine Thätigkeit
für die Archivverwaltung. Nach allen diesen Richtungen hin, als selbstbiographisches
Denkmal wie als Quelle für die deutsche und österreichische Geschichte unserer Zeit,
darf dieses Buch eine hervorragende Stellung in unserer zeitgenössischen Litteratur
in Anspruch nehmen.6-7) — Als Gegenstück zu diesen biographischen Darstellungen
über mehrere unserer hervorragendsten neueren Geschichtsschreiber möge das in
den schärfsten Ausdrücken gehaltene schroff abfällige Urteil über unsere gesamte
nationale Geschichtsschreibung Erwähnung finden, welches der bekannte social-
demokratische Abgeordnete Bloss) vom Standpunkte seiner Partei und der materia-
listischen Geschichtsauffassung ausgesprochen und zu begründen versucht hat. Be-
zeichnend ist hier vor allem die Thatsache, dass B. unter den insgesamt als rück-
ständig bezeichneten Leistungen der modernen Geschichtsschreibung den ultramontanen
doch im allgemeinen den Vorzug vor den liberalen giebt; namentlich wird Janssen
wegen des von ihm beigebrachten reichen socialökonomischen Materials gelobt.
Dageg-en wendet sich der Zorn des Vf. besonders lebhaft gegen Flathes Werk „Das
Zeitalter der Restauration und Revolution" in der Onckenschen Sammlung, nament-
lich gegen dessen Darstellung der Volksbewegung von 1848. —
Wenden wir uns nun von der Geschichte der deutschen Geschichtsschreibung
zu deren einzelnen Leistungen auf dem Gebiete der Geschichte des 18. und 19. Jh.,
so sind zunächst eine Reihe grösserer darstellender Werke zu erwähnen, welche
die ganze in Rede stehende Periode umfassen. Zum grossen Teil handelt es
sich dabei allerdings nur um neue Ausgaben älterer , in ihren Vorzügen und
Schwächen bereits bekannter Werke. So sind von der Jag er sehen9) Weltgeschichte
die beiden Bände, welche die neuere und neueste Zeit umfassen, in neuer Titelauf-
lage erschienen. Das tüchtige, mit g-uter Kenntnis und besonnener Auswahl der
neueren Fachlitteratur g-earbeitete Werk ist in erster Linie für die vaterländische
Jugend der obersten Klassen der höheren Lehranstalten g-eschrieben. Es ist im grossen
und ganzen bestrebt, objektiv zu berichten, gleichwohl tritt der energisch protestan-
tische Standpunkt des Vf. in der Beurteilung der geschichtlichen Entwicklung deut-
lich zu Tage. — Den entgegengesetzten katholisch-ultramontanen Standpunkt vertritt
die sehr umfangreiche und g-ross angelegte Weltgeschichte von J. B. von Weiss10),
von welcher der 12., 13., 14. und lö. Band in neuen (der 2. und 3.) Auflagen er-
schienen sind. Es ist die Zeit vom ersten österreichischen Erbfolgekriege und vom
Regierungsantritt Friedrichs des Grossen bis zur grossen französischen Revolution,
welche hier zu erneuter, eingehender und vielfach umgearbeiteter Darstellung ge-
kommen ist. Der Vf. tritt zwar teilweise, eben infolge seines katholischen Stand-
punktes, in dem grossen Entscheidungskampfe zwischen den beiden deutschen Vor-
mächten Preussen und Oesterreich durchaus auf die Seite Maria Theresias gegen
Friedrich den Grossen, doch lässt er der Regententhätigkeit und der unablässigen Arbeit
des letzteren an der inneren Verbesserung seines Staatswesens Gerechtigkeit widerfahren.
Besonderen Nachdruck legt der Vf., dem Beispiele Janssens folgend, auf die Schilde-
rung der religiösen und litterarischen Zustände, nur kommt natürlich auch hier, und
zwar hier vorzugsweise, der ultramontane Standpunkt, namentlich z. B. bei der
schroffen Verurteilung des Illuminatenordens, deutlich zu Tage. Ganz besonders ein-
gehend beschäftigt W. sich mit Lessing, von dessen Werken er z. B. das über die
„Erziehung des Menschengeschlechtes" sehr anerkennt. Weiter werden ausführlich
die Wolfenbütteler Fragmente, der Nathan usw. besprochen. Doch wird der
Literarhistoriker aus diesen sehr einseitig gefärbten, im übrigen aber auf genauer
Kenntnis der besprochenen Werke beruhenden Erörterungen kaum neue Gedanken
entnehmen, wohl aber zuweilen von der Wunderlichkeit der abgegebenen Urteile
überrascht werden; so, wenn der Vf. (Bd. 12, S. 206) von Lessing u.a. sagt: „So hat
denn ein protestantischer Theologe die Lehre der Katholiken von der Tradition ge-
rechtfertigt!" In ähnlichem Sinne werden dann auch die Reformen Josephs II. be-
sprochen, wobei namentlich auf religiösem Gebiet (in der Toleranzfrage, den Be-
schränkungen der Orden, dem Verbot des Besuchs des Collegium Germanicum und
des direkten Verkehrs der Bischöfe mit Rom, der Einziehung der Klöster usw., der ab-
weichende Standpunkt des Vf. energisch betont wird. Doch ist die Darstellung
— 6) X H- Pnnck, J. G. Schlossers Zirkular-Korresp. : ZGORh. 9, S. 325/6. — 7) X D- Gothaische Hofkai. 1794 u. 1894:
VossZg. 1893, N. 580, 582. — 8) W. B 1 o s , Professoren als Geschichtsschreiber: HS»» 11, N. 28. - 9) (111 1 : 1) |[Mark-
hauser: BBG. 1893, S. 5T3.]| — 10) J. B. v. Weiss, Weltgesch. 12.-15. Bd. 2. u. 3. Aufl. Graz, Styria. VI, 681 &;
IV lb : ii-i7 G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
ruhiger und von schroff tendenziöser Einseitigkeit verhältnismässig freier als die
Janssens, und namentlich da, wo der religiöse Standpunkt des Vf. nicht in Frage
kommt, wenigstens eifrig bestrebt, die Dinge objektiv zu sehen. — Ausserordent-
liche Beliebtheit und grosse Verbreitung hat sich von den zusammenfassenden
Werken über die gesamte deutsche Geschichte namentlich Stackes11) Werk, zum
Teil auch durch den reichen illustrativen Schmuck, welcher der Darstellung bei-
gegeben ist, erworben, wie sich schon daraus zeigt, dass nunmehr schon die 6. Auf-
lage dieses im grossen und ganzen völlig zuverlässigen und durchaus auf der
Höhe der Forschung stehenden Werkes vorliegt. — Einen neuen Versuch einer
kurzen, gedrängten Darstellung der deutschen Geschichte von einem einheitlichen
Gesichtspunkte aus hat Biedermann12) unternommen, indem er in den Grundzügen
die allmähliche Entwicklung des Gegensatzes zwischen Partikularismus und natio-
naler Einheitsidee, stets mit guter und zutreffender historischer Begründung, ver-
folgt. Vom heutigen nationalen Standpunkte aus, den der Vf. stets auch persönlich
aufopferungsvoll im öffentlichen Leben vertreten hat, werden dann die einzelnen Per-
sönlichkeiten, welche an der Verwirklichung der staatlichen Einheit hervorragend
mitgewirkt haben, beurteilt. — Ausser diesen allgemeinen, von einheitlicher
Auffassung der geschichtlichen Entwicklung getragenen Darstellungen sind noch eine
Anzahl von Versuchen zu nennen, die geschichtliche Entwicklung in einer Reihe
von mehr oder minder anschaulichen Einzelbildern zu zeigen, die es dann freilich zu
einer einheitlichen Erfassung des Wesens der geschichtlichen Entwicklung nicht
kommen lassen. — In besonders hohem Grade zeigt sich das letztere bei einem sonst
löblichen und von den besten Absichten eingegebenen, auch recht umfassend an-
gelegten Buche Neumann-Strelas 13), welches die ganze deutsche Geschichte in
Form ziemlich regellos an einander gereihter Biographien aller auf den verschie-
densten Gebieten hervorragenden Männer darzustellen unternimmt, dabei aber jeden
leitenden Gedanken vermissen lässt und auch in der Form wenig geschickt ist.
Es wird nicht einmal der Versuch gemacht, einen, wenn auch nur ausser] ichen
Zusammenhang zwischen den einzelnen, systemlos durcheinander geschüttelten Lebens-
beschreibungen herzustellen, so dass das Ganze bloss ermüdend und verwirrend wirkt,
obwohl im einzelnen manche brauchbare Schilderung in dem Werke enthalten ist.
Auch die Quellen, auf denen die Darstelluug beruht, sind sehr dürftig, zumeist die
abgeleiteten zweiten und dritten Ranges. Im ganzen kann das Buch jedenfalls auf
wissenschaftliche Bedeutung keinen Anspruch erheben. — Eher durchführbar ist ein
derartiges Werk jedenfalls, wenn es von vornherein darauf verzichtet, eine zusammen-
hängende Entwicklung aus Einzelbildern zu gewinnen, sondern jedes einzelne Bild
eben nur als solches, als für sich bestehenden Essay, behandelt. In dieser Form
hat der bekannte Vf. der „Politischen Geschichte der Gegenwart", Wilhelm
Müller14), eine Reihe von Bildern aus der neueren Geschichte veröffentlicht, deren
jedes ein in sich abgeschlossenes, durch die Selbständigkeit des Urteils und der
Charakteristik immerhin anregendes Ganzes bietet, obgleich der Anspruch, wissen-
schaftlich Neues und Originales zu bieten, nicht erhoben wird. Besonders geschickt
und mit sorgsamer Benutzung der neuesten Ergebnisse der Forschung entworfen
sind die Essays über Kaiser Joseph IL, Lützow, Gneisenau und York. — Im Gegen-
satz zu dieser von wissenschaftlichem Ernst getragenen und auf sachkundiger Ver-
wertung der wissenschaftlichen Litteratur beruhenden Sammlung muss eine andere,
obwohl sie in neuer Auflage erschienen ist, als wissenschaftlich wie litterarisch völlig
wertlos bezeichnet werden. Ihr Vf. Oberbrey er 15) hat eine Reihe von mehr oder
minder beglaubigten Anekdoten über Fürsten und Fürstinnen zusammengestellt,
durch welche er diese dem Volke näher bringen und menschlich verständlich machen
will. — Denselben Zwreck verfolgen von einem wissenschaftlich immerhin etwas
höheren Standpunkte in Bezug auf die Führer und Feldherren des deutschen Heeres
zwei ziemlich umfangreiche Bücher von Bussler16) und Sprösser17), beide rein
populär und nicht gerade auf erschöpfender Kenntnis der neuesten Forschung be-
ruhend, aber doch, namentlich das B.sche, anschaulich und verständig geschrieben. —
Ueber die erste Periode des 18. Jahrhunderts, bis zum
Regierungsantritt Friedrichs des Grossen, sind fast gleichzeitig in den Sammel-
VIII, 760 S.; XV, 667 S.; VIII, 663 S. M. 6,10; 6,80; 6,10; 6,10. (Vgl. JBL. 1892 II 1 :4; 1893 III 1:2.) - 11) (III 1:4.) —
12) K. Biedermann, Gesch. d. dtsch. Einheitsgedankens. E. Abriss dtsch. Verfassungsgesch. v. d. Urzeit bis z Erricht.
d. neuen dtsch. Kaisertums. Wiesbaden, Bergmann. 1893. VI, 68 S. M. 1,00. |[MHL. 22, S. 247; P Goldschmidt:
FBPG. 7, S. 290; BLU. 8. 222.3; DBs. 81, 8. 158.]| — 13) K. Neumann-Strela, Deutschlands Helden in Krieg u. Frieden.
Dtsch. Gesch. Mit vielen Brustbild, u. Textabbild. 3. Bd. Hannover, C. Meyer. 1893. 618 S. M. 4,50. |[N&S 69, S. 410.]|
(Vgl. JBL. 1893 I 1 : 101; II 1 : 16: III 1 : 3.) — U) Wilh. Müller, Bilder aus d. neueren Gesch. St., Bonz & Co. 1893.
III, 350 S. M. 4,00. — 15) M. Oberbrey er, Fürst!. Charakterzüge. E. Fürsienbuch fürs Volk 2. (Titel- )Aufl. B„ Sigis-
mund. 1893. V, 176 S. M. 1,00. — 16) W. B u 8 s 1 e r , Preuss. Feldherren u. Helden. Kurzgefasste Lebensbilder sämtl.
Heerführer, deren Namen preuss. Begimenter tragen Als Beitr. ■/,. Vaterland. Gesch. 2. Bd. Gotha, Schloessmann. 1893.
VI, 461 S. M. 5,00. — 17) (111 1:5.) — 18) B. Er dm a n n s d ör f f e r . Dtsch. Gesch. v. Westfäl. Frieden bis z. Be-
Gr. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV ib : is-20
werken von Oncken und von Zwiedineck-Südenhorst zwei umfassende Schilderungen
erschienen, welche beide durchaus auf dem Standpunkte der neuesten For-
schung stehen und als zusammenfassende und abschliessende Darstellungen
des gegenwärtigen Standes der Forschung von grundlegender Bedeutung sind.
Aber in dieser Zusammenfassung der Einzelergebnisse der bisherigen Forschung
erschöpft sich Wert und Bedeutung der beiden Werke keineswegs, vielmehr darf
jedes von ihnen, das eine das andere ergänzend, auch ein durchaus eigenes Verdienst
für sich in Anspruch nehmen. Beide Vf. sind auch selbständig als Forscher auf dem
von ihnen behandelten Gebiete thätig gewesen und urteilen daher auf Grund ge-
nauester Sachkenntnis und tiefeindringender Studien in den Quellen, durch welche
sie nicht allein im stände waren, die Einzelergebnisse der Detailforschung zu einem
einheitlichen, von selbständiger Auffassung der geschichtlichen Entwicklung ge-
tragenen Bilde zu verarbeiten, sondern auch diesem Bilde manchen neuen selb-
ständigen Zug in der einen oder anderen Richtung hinzuzufügen, der Forschung neue
Bahnen und Wege zu zeigen, neue Probleme anzuregen und aus ihrer reichen
Kenntnis des Gegenstandes heraus die Lücken nachzuweisen, welche die bisherige
Forschung noch gelassen hat. Sie bilden eine um so erfreulichere Bereicherung
unserer historischen Litteratur, als sie keineswegs etwa das eine das andere über-
flüssig machen, sondern infolge der Eigenart und der Besonderheit der Neigungen
der Vf. sich gegenseitig vortrefflich ergänzen. Erdmannsdörffer 18) ist seiner
ganzen Anlage und Neigung nach in erster Linie politischer Historiker, während von
Zwiedineck-Südenhorst l9) den vornehmsten Nachdruck auf die kulturgeschichtliche
Seite der Entwicklung legt und hier die bisher teilweise sehr wenig ausreichenden
Vorarbeiten aus seinen eigenen Forschungen heraus ergänzt und erweitert, dabei
aber freilich, eben infolge des Mangels an Vorarbeiten, zuweilen der Gefahr zu
schneller Generalisierung erliegt. In der politischen Geschichte steht natürlich bei
beiden der immer mehr innerhalb der deutschen staatlichen Entwicklung hervor-
tretende Gegensatz zwischen Preussen und Oesterreich sehr im Vordergrunde. Dieser
bedingt dann auch das Urteil über die Leistungen und das Schaffen und Wirken
der leitenden Persönlichkeiten, auf welches namentlich E. ganz hervorragenden
Nachdruck gelegt hat. Und merkwürdig! Er ist hier, namentlich in der Beurteilung
der staatlichen Leistungen Oesterreichs und seiner leitenden Persönlichkeiten, trotz
aller Anerkennung und bewundernden Verehrung, . die er den grossen preussischen
Organisatoren entgegenbringt, fast objektiver und gerechter als der österreichische
Forscher, welcher infolge seiner energisch deutsch-nationalen Gesinnung fast preussi-
scher ist als die preussischen Geschichtschreiber und sich daher der Droysenschen
Auffassung sehr nähert, gegen die E.s Darstellung in vielen Punkten eine kräftige
Reaktion darstellt, indem sie der nicht immer billigen Unterschätzung der geschicht-
lichen Leistungen des österreichischen Staates an den Ostgrenzen deutscher Kultur
entgegentritt und auf die Verdienste, welche sich die habsburgische Monarchie auf
diesem Gebiete erworben hat, rühmend hinweist. Dabei werden Preussens Grösse
und Bedeutung nicht im mindesten unterschätzt. Im Gegenteil gehören die der Or-
ganisation der preussischen Verwaltung unter Friedrich Wilhelm I. gewidmeten Ab-
schnitte ohne Frage zu den glänzendsten und unterrichtendsten des ganzen Werkes;
sie lassen mit voller Klarheit und Deutlichkeit erkennen, dass jene g*rosse Or-
ganisationsarbeit des rauhen und schlichten preussischen Soldatenkönigs die not-
wendige Vorbedingung der staunenswerten Erfolge seines grossen Sohnes und
Nachfolgers gewesen ist. — Ausserdem liegen noch mehrere Specialuntersuchungen
über König Friedrich Wilhelm I. von Preussen vor, die von allgemeinerem Interesse
sind. Die erste beschäftigt sich mit dem englischen Heiratsprojekt, welches in der
Jugendgeschichte Friedrichs des Grossen eine so hervorragende Rolle spielt.
Oncken20) erbringt in dieser sorgfältig und mit grösster Akribie geführten
Untersuchung den Nachweis, dass die bisherigen Darstellungen der über diese Frage
zwischen Preussen und England geführten Unterhandlungen, namentlich die von
Raumer und Carlyle, auf einer sehr ungenügenden und ungenauen Benutzung der
im Londoner Archiv hierüber vorhandenen Akten beruhen. Er holt das von seinen
Vorgängern Versäumte nach, teilt mehrere bisher übersehene Aktenstücke im
Wortlaut bezw. in Uebersetzung mit und kommt auf Grund dieser zu einem von der
bisherigen Anschauung sehr abweichenden Ergebnisse. Danach ist es unzweifelhaft,
dass vor den entscheidenden persönlichen Verhandlungen zwischen dem Könige und
dem englischen Gesandten Hotham andere heimliche zwischen den König'innen ge-
pflogen worden waren, von deren Inhalt der König nicht unterrichtet war, so dass
er die Eröffnungen des englischen Hofes, welche Hotham überbrachte, ganz falsch
gierungsantr. Friedrichs d. Gr. 1648-1740. Mit Portrr., IU. n. Karten. 2 Bde. (= Allg. Gesch. in Einzeldarstellungen, her.
v. W. Oncken. 3. Hanptabschn., 7. T.) B., Grote. 1892-93. 747, 527 S: 11.6,00; 12,00. |[A. Pribram: HZ. 73, S. 329-33.],
(Vgl. JBL. 1892 III 1:3; 1893 in 1 : 12; s. auch o. III 1:9.) — 19) (III 1 : 10.) — 20) (III 1 : 152.) — 21) (III 1 : 176.) —
IV lb: 20-27 G.Winter, Allgemeines des 18./ 19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
auffasste und auffassen musste und dadurch in der ganzen Angelegenheit getäuscht
und irre geführt wurde. Denn die Verhandlungen wurden von beiden Seiten unter
ganz verschiedenen Gesichtspunkten geführt. Während Friedrich Wilhelm I. annahm,
dass der englische Hof davon unterrichtet sei, dass sein (des Königs) Absehen nur
auf eine einfache Heirat zwischen dem Prinzen von Wales und der preussischen
Königstochter gerichtet seien, war der englische Gesandte angewiesen, nur auf der
Basis einer Doppelheirat zwischen den Genannten auf der einen, dem Kronprinzen
von Preussen und einer englischen Prinzessin auf der anderen Seite, zu verhandeln.
Dieses Doppelheiratsprojekt war für den englischen Hof gerade darum die conditio sine
qua non der Verhandlung, weil es ihm gar nicht der Endzweck, sondern nur Mittel zu dem
Zweck war, den König von der Allianz mit dem Kaiser abzuziehen und durch die
Vermählung des Kronprinzen mit einer englischen Prinzessin an die englisch-
hannoversche Politik zu fesseln. Demgemäss lauteten auch die Weisungen, welche
Hotham von seinem Hofe erhalten hatte, ganz anders, als man bisher angenommen
hat, und als auch der König ohne Kenntnis der zwischen den Königinnen gepflogenen
Unterhandlungen annehmen musste. Nur seinem festen, unbeugsamen und treu an
der Allianz mit dem Kaiser festhaltenden Sinne hatte es der König zu danken, dass
er in diesen Verhandlungen nicht von England überlistet und überrumpelt wurde.
Nicht an seinem eigenen Eigensinn scheiterte, wie man bisher annahm, das Projekt,
sondern an den ganz ausserhalb des Eheprojekts liegenden politischen Zwecken, die
England dabei verfolgte. — Für die religiöse Auffassung des Königs charakteristisch
sind die vierzehn von Frens dor ff 21) herausgegebenen Briefe an den Hallenser
reformierten Prediger Hermann Reinhold Pauli, denen der Herausgeber eine vor-
treffliche orientierende Einleitung über das aus Danzig stammende Geschlecht Pauli
voranschickt, welche für die Geschichte der Reformation in Danzig von hohem
Interesse ist. — Endlich ist noch eine eingehende Darstellung der Schicksale der
Salzburger Emigranten von G ruber22) erschienen, die auf Grund des Dekrets
Friedrich Wilhelms I. vom 2. Febr. 1827 Aufnahme in Preussen, namentlich in
Lithauen, gefunden haben. Eine in Goeckings Emigrationsgeschichte enthaltene
Episode der Reise dieser Emigranten, welche sich zu Altmühl in Bayern abspielte,
hat bekanntlich Goethe den Stoff zu Hermann und Dorothea gegeben. —
Weit zahlreicher als die geschichtlichen Arbeiten über Friedrich Wilhelm I.
sind die über das Zeitalter Friedrichs des Grossen und Maria
Theresias. Die Forschung über den ersteren hat eine grossartige und feste
authentische Grundlage namentlich durch die mit schrankenloser Freimütigkeit er-
folgte Veröffentlichung der wichtigsten Quelle, der politischen Korrespondenz des
Königs, erfahren, die es ermöglicht, die politische Haltung und die entscheidenden
Gedanken und Motive Friedrichs Schritt für Schritt zu verfolgen. Jeder weitere
Band dieses umfassenden Unternehmens — in der Berichtsperiode sind der 19. und 20.
erschienen23) — hat neue und sehr wesentliche Bereicherungen unserer Kenntnis
jener Epoche gebracht. — Die speciell aus dem 20. Bande sich ergebenden Resultate
hat von Sybel24) in einer glänzenden Abhandlung, welche in der Akademie der
Wissenschaften vorgetragen wurde, zur lebensvollsten Anschauung gebracht. 24a_26) —
Für die Gesamtauffassung Friedrichs des Grossen und seiner grossartigen
politischen und Regenten-Thätigkeit auf allen Gebieten ist es aber vor allem von ent-
scheidender Bedeutung, dass Koser27), der gründlichste Kenner dieser Zeit, der
jahrelang selbst die Herausgabe der Korrespondenz des Königs besorgt hat, nunmehr
daran gegangen ist, die Ergebnisse Jahrzehnte langer Studien zu einer einheitlichen
Gesamtdarstellung zu verarbeiten, und so seit langer Zeit zum ersten Male den
Versuch machte, ein W^erk über Friedrich den Grossen für die ganze Dauer
seiner Regierung auf Grund aller bisher zu Tage geförderten, nicht in letzter Linie
von ihm selbst geführten Untersuchungen zu schreiben, wovon jetzt der erste,
von der ganzen wissenschaftlichen Welt freudig begrüsste Band abgeschlossen vor-
liegt. K. vereinigt in glücklichster Weise die wissenschaftlichen und künstlerischen
Fähigkeiten, welche allein die Lösung dieser Aufgabe ermöglichen können. Er führt
dem Leser die Ergebnisse eindringendster und sorgfältigster Quellenforschungen in
einer so eleganten und abgerundeten Form vor, dass man die schwere und massen-
hafte Arbeit, welche hinter dieser künstlerischen Form verborgen ist, gar nicht ge-
22) (III 1 : 180.) — 23) Polit. Korresp. Friedrichs d. Gr. 19. n. 20. Bd. B., Duncker. 678, 600 S. ä M. 15,00. (Vgl. JBL."1891
IV 1 : 78.) — 24) H. v. Sybel, Friedrich d. Gr. im J. 1761. Festrede, geh. in d. Ak. d. Wissensch. am 25. Jan.: HZ. 73,
S. 1-13. — 24 a) X °- Herrmann, Z. diplomat. Thätigkeit Friedrichs d. Gr.: VossZg«. 1893, N. 22/3. (Nach N. 23 ; Bd. 19.)
— 25) X C h. Simond, Frederic le Grand. Memoires du philosophe de Sans-Souci. (= Nouv. bibl. popul.) Paris, Gautier.
36 S. Fr. 0,10. (Enth. e. kurze Biogr. Friedrichs d. Gr. u. zieml. dürftige Auszüge aus seinen hist. Schriften.) — 26) X
F. Schwill, Ueber d. Verhältnis d. Texte d. Hist. de mon temps Friedrichs d. Gr. Diss. Freiburg i. B. 1892. 104 S.
(Vgl. JBL. 1892 IV lb: 73.)— 27) B. Koser, König Friedrich d. Grosse. 1. Bd. (= Bibl. dtsch. Gesch. her. v. H. v. Zwiedineck-
Südenhorst.) St., Cotta. XII, 640 S. M. S,00. |[FBPG. 7, S. 262,5; W. Wiegand: DLZ. 15, S. 272/7; LCB1. S. 142; KZg.
G.Winter, Allgemeines des 18./ 19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. tVlb:27a-39
wahrt. Dabei kommen alle Seiten der unvergleichlich vielseitigen Thätigkeit des
Königs auf allen Gebieten menschlicher Geistesarbeit, seine politische Wirksamkeit
nach aussen und im Inneren, seine grossartigen Feldherrn- und Regenten-Eigenschaften,
wie seine künstlerisch- wissenschaftlichen Bestrebungen in gleich hohem Masse zur
Geltung. Ueberall tritt es klar und unzweideutig hervor, dass dieser geniale Mann
in der That durchweg der geistige Mittelpunkt seines kühn emporstrebenden Staates
und Volkes gewesen ist. Und trotz seiner unverhohlenen und erklärlichen Be-
wunderung für den königlichen Genius ist K. doch weit entfernt von einer einseitigen
und blinden Verhimmelung seines Helden, er versäumt vielmehr durchaus nicht, auch
die Schattenseiten des glänzenden Bildes hervorzuheben, und zwar nicht bloss im all-
o-emeinen, etwa mit dem bekannten Hinweise darauf, dass die g*rossartige Schöpfung
des Königs doch gar zu sehr nur auf die beiden Augen ihres Schöpfers gestellt
gewesen sei, sondern er wägt bei jeder einzelnen Handlung und Einrichtung des
Königs, welche er schildert, ruhig und besonnen nach beiden Seiten hin ab, so z. B.
auch bei den vielbewunderten Einrichtungen des preussischen Heeres, wo K. neben
den Vorteilen auch die unzweifelhaften Nachteile nachdrücklich betont, die sich aus
dem Alleinbesitz aller Offizierstellen in den Händen des Adels herausstellten. Einer
der Glanzpunkte der Darstellung ist die prächtige Schilderung des angeregten geistigen
Lebens in Sanssouci, welches auf Grund der Oeuvres du philosophe de Sanssouci
und mannigfacher Korrespondenzen des Königs mit Gelehrten und Künstlern dem
Leser anschaulich vergegenwärtigt wird. Ebenso meisterhaft ist die Darstellung der
auswärtigen Politik des Königs in den J. 1750 — 55 und des Ursprungs des
siebenjährigen Krieges, bei welchem es namentlich auf die Auffassung- der West-
minster-Konvention vom 16. Jan. 1756 ankommt.2"11) In der hierüber ausgebrochenen
lebhaften Kontroverse, welche für die gesamte Beurteilung der Politik des Königs
von entscheidender Bedeutung ist, und auf die wir noch näher zurückkommen, verteidigt
K. mit umfassendster Begründung mitRecht die bisherige, auf einem erdrückenden Quellen-
material beruhende Auffassung, dass die Eröffnung des siebenjährigen Krieges durch den
König thatsächlich nur ein praevenire, ne praeveniatur, ein Angriff zur Verteidigung
gegen die umfassendsten Angriffspläne der Gegner war. Gleich eindringend, anschaulich
und unterrichtend sind die Darlegungen K.s über die innere Politik des Königs,
seine Regententhätigkeit im allgemeinen, die Justiz- und Verwaltungsreform und die
Handels- und Gewerbepolitik im besonderen. Mit Recht betont er nachdrücklich,
dass Friedrich der Grosse, so befruchtend sein Genius auch auf die von ihm über-
nommenen Einrichtungen einwirkte und sie zur Lösung grösserer Aufgaben befähigte,
doch bei allen Reformbestrebungen möglichst konservativ und vorsichtig auf den von
dem Vater gelegten Grundlagen weiterbaute, und dass er da, wo er grundsätzliche
Aenderungen traf, zuweilen auch irrte und ernste Gefahren teils für die Gegenwart
herbeiführte, teils für die Zukunft herauibeschwor. Friedrich selbst entfaltete nament-
lich in der Friedenszeit zwischen dem zweiten schlesischen und dem siebenjährigen
Krieg-e, dem unendlich fruchtbaren Jahrzehnt von 1745 — 56, eine unausgesetzte
Reformarbeit in der ganzen inneren Einrichtung seiner Monarchie. Bezeichnend ist
der von K. angeführte Ausspruch des Königs, dass jetzt (d. h. bei diesen Arbeiten
der Friedenszeit) seine Regierung erst recht begonnen habe, „in dem Sinne, dass
wahrhaft regieren das Glück des Volkes fördern heisse, dass wahrhaft sich nur im
Frieden regieren lasse". Dieser Reformarbeit im einzelnen ist dann K. mit der
grössten Sorgfalt und liebevollem Verständnis nachgegangen; er hat auch auf diesem
Gebiete sein Werk zu einem Standard work für die deutsche Wissenschaft gemacht.
— Neben dieser umfassenden und grundlegenden wissenschaftlichen Leistung treten
alle übrigen Darstellungen über diese Periode naturgemäss in den Hintergrund, soweit
sie nicht neue Aufschlüsse über einzelne Probleme und Ereignisse enthalten. Er-
wähnung verdient aber immerhin, dass von dem bekannten Kuglerschen 28 ) Werke
über den König jetzt eine Volksausgabe mit, freilich nicht gerade vollendet wieder-
gegebenen Zeichnungen Menzels erscheint. 29) — Eine Anzahl kleinerer Arbeiten be-
schäftigen sich mit einzelnen Seiten der wissenschaftlich - künstlerischen Thätigkeit
des Königs und mit der Geselligkeit am Hofe zu Sanssouci. aü_4u) Darunter verdienen
1893, N. 985; Geg. 45, S. 367; Grenzb. 1, S. 655,6; H. Fechner: HZ. 72, S. 495 8.] I — 27a) X id., Aus d. Korresp. d. franz.
Gesandtisch, zu Berlin 1746-56: FBPG. 6, S. 451-81; 7, S. 71-96. — 28) F. Kugler, Gesch. Friedrichs d. Gr. Mit 400
Illustr. v. A. Menzel. (10 Lfgn.) L., Mendelssohn. XVIII, 420 S. M. 6,00. — 29) X Friedrich d. Gr.: Bär 20, S. 51/2, 110,
350, 564. — 30) X 1* PfietschJ, Friedrich d. Gr. u. d. franz. Malerei seiner Zeit: VossZgB. 1S93, N. 3. (Ist e. auszügl.
Besprech. d. Werkes r. P. Seidel [JBL. 1893 1 11 : 263J.) (Vgl. I 9.) — 3DX Gutersohn, Friedrichs d. Gr. Thätigkeit für Unterr. u.
Bildung. Progr. Karlsruhe. 1893. 4". 12 S. — 32; X Friedrichs d. Gr. Gedanken über Religion. Dresden, Jaonicke. IV,
158 S. M. 0,70. — 33) X Abendges. im Schloss Sanssousi: Bär 20, S. 447. — 34) X E- Wiehr, Friedrich d. Gr. u. sein
Verhältn. z. dtsch. Sprache, Litt. u. Schule: ib. S. 168/9, 176,9. — 35) X L. Geiger, E. Brief Voltaires an Friedrich II.:
AZgu. N. 184. (Teilt mit e. bist. Einl. e. in gebundener Sprache abgefassten Brief Voltaires, d. sich auf Chasot bezieht, mit;
derselbe befindet sich in d. Privatsamml. v. C. Meinert in Dessau u. war bisher nnbek.) — 36) X E. Brief Friedrichs d. Gr.
an d. Marquis d'Argens aus d. J. 1760: VossZg. N. 382. — 37) X G. Schuster, Friedrich d. Gr. u. seine Beziehungen zu
d. Freimaurern: NorddAZg«. N. 20/2. — 38) X J- Isenbeck, Graf Hoditz. E. Freund Friedrichs d. Gr.: ib. N. 7. — 39) X
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (4)4
IV lb: 40-äo G.Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
Beachtung- ein Hinweis Geigers41) auf eine 1781 erschienene Schrift Rauquil-
Lieutards über Friedrichs des Grossen Schrift „De la litterature Allemande" und eine
durchdachte Abhandlung Disselnkötters42) über das Erziehungsideal Friedrichs,
welche ausser auf einigen pädagogischen Lehrbüchern und dem Jürgen Bona
Meyerschen Buche über denselben Gegenstand auf einem genauen Studium der päda-
gogischen Schriften des Königs beruht und dessen Thätigkeit für die Volksschule
und für die höheren Lehranstalten behandelt. Der Vf. weist darauf hin, dass der
König in Bezug auf die Volksschule im wesentlichen auf den von seinem Vater ge-
schaffenen Grundlagen fortwirkte, aber ohne eigentliche persönliche liebevolle und
dauernde Teilnahme, während in seinen Ansichten über die Erziehung der höheren
Stände seine eigenen freien Anschauungen schon mehr zur Geltung kommen. Be-
sonders interessant sind hier die vom Vf. eingehend besprochenen Vorschriften für
die 1765 in Berlin begründete Academie des nobles, Friedrichs Lieblingsschöpfung.
— Zum Gegenstande einer besonderen Untersuchung ist auch das Verhältnis des
Königs zu seinem Vorleser De Prades von Gundlach43) gemacht worden. Hier
ward auf Grund von Akten des Geheimen Staatsarchivs zu Berlin der Nachweis er-
bracht, dass de Prades nicht, wie vielfach angenommen worden ist, durch eine un-
gnädige Laune des Königs seine Stellung verlor, sondern infolge Verrats an der
Sache seines Beschützers, indem er im siebenjährigen Kriege von allem, was zu
seiner Kenntnis gelangte, dem Feinde Nachricht gab. 44) — Koser45) giebt eine
Untersuchung des Inhaltes und Wertes der Voltaireschen Schrift „Idee de la cour
de Prusse", die mit grosser Akribie und Sorgfalt geführt ist. — Für den Literar-
historiker nicht ohne Interesse ist ein Hinweis Homers46) darauf, dass Friedrich
in seiner Schrift über die deutsche Litteratur Von seinem im allgemeinen bekanntlich
scharf ablehnenden Urteile über diese den sehr wenig hervorragenden österreichischen
Dichter, Oberstlieutenant von Ayrenhoff, ausnimmt, dessen herzlich unbedeutendes
Drama „Der Postzug oder die noblen Passionen" der König lobend unter den deutschen
Stücken hervorhebt, ja es als die einzige wirklich originelle deutsche Komödie be-
zeichnet. — Für die allgemeine Charakteristik des Königs nicht unerheblich sind die
von Arnheim47) mitgeteilten Urteile über ihn, welche der schwedische Graf Karl
Gustav Tessin in seinen Tagebüchern aufgezeichnet hat, und die in ihren für den
König sehr günstig und bewundernd lautenden Teilen um so mehr als zuverlässig
angesehen werden dürfen, als sie in einer Zeit niedergeschrieben sind, in der ihr,
früher Friedrich in bewundernder Verehrung anhängender, Vf. bereits völlig mit dem
Könige zerfallen war.48) — Sehr zahlreich sind die Untersuchungen, welche sich mit
einzelnen kürzeren Perioden oder einzelnen Ereignissen aus der Regierungszeit
Friedrichs d. Gr. beschäftigen. Aus seiner Kronprinzenzeit hat K r a u s k e 4ü) eine
Reihe von Briefen Friedrichs an den Fürsten Leopold und an die Prinzen von
Anhalt-Dessau veröffentlicht, welche inhaltlich nicht gerade sehr bedeutend sind und
jedenfalls beweisen, dass Friedrich nur sehr uneigentlich als Schüler des alten
Dessauer bezeichnet werden kann, dass er nur in seiner taktischen Ausbildung
durch die Lehren des grossen Kriegsmechanikus gefördert worden ist. — Eine
wichtige Massregel Friedrichs, welche gleich in die ersten Wochen seiner Regierung
fallt und allgemein als Zeichen eines neues Geistes betrachtet wurde, die Abschaffung
der Tortur durch die Kabinetsordre vom 3. Juni 1740, hat Kose r49a) in einer eigenen
kleinen Abhandlung geschildert, in der er nachweist, dass diese Bestimmung ganz
der Initiative des jungen Königs entsprungen ist, wie sich aus den von K. im Auszuge
mitgeteilten Korrespondenzen zwischen den Ministern ergiebt. —
Ueber den ersten der schlesischen Kriege besitzen wir jetzt eine
umfassende, auf eingehendsten Quellenstudien beruhende und aus militärisch-technisch
höchst sachkundiger Feder stammende Darstellung in dem Werke des Grossen Ge-
neralstabes50), das in vieler Hinsicht neue Gesichtsspunkte eröffnet und namentlich auf
P. Seidel, Friedrich d. Gr. als Sammler: JPrK. 14, S. 48-57, 81-93. (Enthält viele bemerkenswerte Einzelheiten über d.
künstlerischen etc. Sammlungen Friedrichs d. Gr., aus denen dann Didask. N. 57 einiges wiedergegeben ist.) — 40) X H- Mackowsky,
D. Friedrichsdenkmal nach d. Entwürfen Schinkels u. Rauchs (1822-36). B., Vogt. 64 S. M. 1,80. — 41) L. Geiger, E.
unbek. Schrift gegen Friedrichs d. Gr. De la litt. Allem. Mitt. in GDL. Ref.: VossZg. 1893, N. 299. (Vgl. hierzu d. aus
d. Bär in Didask. 1893, N. 198 wiedergegebenen beiden Schreiben Friedrichs d. Gr. an zwei, übrigens wenig hervorragende
Dichter, welche ihm ihre Gedichte eingesandt haben.) — 42) H. Disselnkötter, D. Erziehungsideal Friedrichs d. Gr.
Progr. Wesel. 1893. 4°. 25 S. — 43) M. Gundlaoh, Friedrich d. Gr. u. sein Vorleser De Prades (= SGWV. N. 160.)
Hamburg, Verlagsanst. 46 S. M. 1,00. |[FBPG. 6, S. 322; MHL. 21, S. 344/5.]| - 44) X Chrn. Meyer, Berliner Hofleben
während d. ersten Regierungsjahre Friedrichs d. Gr.: NorddAZg. N. 509, 511, 520. — 45) R- Koser, Voltaire u. d. Idee de
la cour de Prusse: FBPG. 6, S. 141-80. — 46) E. Horner, Friedrich d. Gr. u. e. österr. Dichter: FrBIW. N. 286. — 47) F.
Arnheim, Urteile e. zeitgenöss. schwed. Politikers über Friedr. d. Gr. Mitteil, aus d. Tagebüchern d. Grafen K. Gust Tessin:
FBPG. 6, S. 242-50. — 48) X <*■ Wallat, Friedrichs d. Gr. wechselnde Politik gegen Frankreich. Progr. Deutsch-Krone.
40 S. (W. sucht, in seinen Ausführungen oft über das Ziel hinausschiessend, d. Politik Friedrichs d. Gr. gegenüber Frankreich
in d. Zeit v. 1740—56 in allen ihren Phasen, mit alleiniger Preisgabe d. Vertrages v. Klein-Schnellendorf, zu rechtfertigen.)
— 49) O. Krauske, D. Uriefe d. Kronprinzen Friedrich v. Preussen a. d. Fürsten Leopold u. an d. Prinzen v. Anhalt-Dessau:
FBPG. 7, 8. 49-69. — 49a) R. Koser, D. Abschaffung d. Tortur durch Friedrich d. Gr.: ib. 6, S. 575-81. (Vgl. JBL. 1893,
I 4:115.) — 50) D. Kriege Friedrichs d. Gr., her. vom Grossen Generalstabe. I.T.: D. 1. Schles. Krieg 1740—42. 2. u. 3. Bd.
Gr. Winter, Allgemeines des 18./ 19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. tVlb: 51-55
dem Gebiete der Strategie und Taktik manche wertvolle Bereicherung* unserer bis-
herigen Kenntnis von dem jugendlichen Feldherrn Friedrich gebracht hat. U eberall
zeigt sich, dass der König, im Gegensatz zu der, den Grundsätzen der Zeit ent-
sprechenden, französischen und bayerischen Kriegführung nicht auf die Gewinnung
„herrschender Positionen", sondern auf die Vernichtung der feindlichen Streitkräfte
ausgeht. Unausgesetzt plant und verlangt er einen energischen Vorstoss gegen Wien,
an dessen Ausführung, wie überhaupt an der Kühnheit seiner Operationen, er aber
oft durch politische Rücksichten gehindert wird. Mit grosser Klarheit tritt in dem
Werke auch zu Tage, in wie bewundernswerter Weise der König stets, selbst während
der kriegerischen Vorgänge, auf die Reorganisation seiner Armee auf Grund der
soeben im Felde gewonnenen Erfahrungen bedacht ist und z. B. seine Reiterei
während des Krieges selbst auf die Höhe der ihr anfangs unzweifelhaft überlegenen
österreichischen bringt. Im einzelnen kommt das Werk oft zu Ergebnissen, welche
von denen Grünhagens und Droysens nicht unerheblich abweichen, doch bedarf es
in diesen Fällen wie auch sonst der Nachprüfung, zumal auch in der Verwertung
und der Herausgabe der ziemlich zahlreich der Darstellung selbst einverleibten Briefe
und Aktenstücke, bei der man nicht selten die hierbei unbedingt notwendige Ge-
nauigkeit vermisst. — Derselben ersten Kriegsperiode Friedrichs des Grossen ist
eine gleichfalls in erster Linie taktische Untersuchung Herrmanns51) gewidmet,
welche sich namentlich eingehend mit dem Flügelangriffe in schiefer Schlachtordnung
beschäftigt, den der König bekanntlich sehr bevorzugte und schon bei Mollwitz
zur Anwendung brachte. — Speciell in Bezug auf die Schlacht von Hohenfriedberg
ist die Frage nach dem Anteile, welchen die einzelnen Truppenführer an dem
preussischen Siege gehabt haben, neu aufgeworfen und viel umstritten worden durch
die Publikation von Ga e d e r t z5253J, die auf Grund von Aufzeichnungen des
Generals Chasot diesem das Haupt verdienst an dem Siege zuschreiben will. Aber
die Quelle, welche allein seiner Beweisführung zu Grunde liegt, ist doch nicht ge-
eignet, den Anteil Chasots als einen so glänzenden erscheinen zu lassen, wie G. be-
hauptet. Es sind nämlich nicht einmal die bisher vergeblich gesuchten Memoiren
Chasots selbst, die ja an sich schon als pro domo sprechend ein unparteiisches
Zeugnis nicht darstellen würden, sondern nur indirekt auf Chasot zurückgehende
Aufzeichnungen, welche G. aufgefunden, herausgegeben und in ganz erheblicher
Ueberschätzung ihres Wertes seiner Darstellung zu Grunde gelegt hat. Es handelt
sich um ein Ms. von Vorträgen, welche der Mitbegründer der „Gesellschaft zur
Beförderung gemeinnütziger Thätigkeit" in Lübeck, Kroger, in dieser Gesellschaft im
Dec. 1797 gehalten hat. Die Hs. war bisher verborgen geblieben, merkwürdiger Weise
auch Schlözer, der eine Arbeit über Chasot geschrieben. Kroger hat in nahen
persönlichen Beziehungen zu Chasot gestanden, der nach seinem Austritt aus dem
preussischen Dienste, und nachdem er mit dem ihm früher sehr freundlich gesinnten
Könige zerfallen war, Kommandant von Lübeck gewesen, und hat dessen Lebens-
erinnerungen eingesehen. Diese Vorträge Krögers zusammen mit einem Briefe Chasots
über die Schlacht von Hohenfriedberg sind es, mit denen G. operiert, obwohl man
gar nicht weiss, wie viel eigentlich Kroger aus Chasots Lebenserinnerungen geschöpft
hat. Dem sind nun eine ganze Anzahl sachkundiger Forscher in oft sehr schroffer
Form entgegengetreten; sie haben den Inhalt der Chasotschen Behauptungen als ge-
schichtliche Fälschung hingestellt, sind aber dann doch auch wieder in der Gering-
schätzung der G.schen Publikation ohne Zweifel zu weit gegangen, so dass G. in der Lage
war, in einer eigenen Abwehrschrift einige dieser Angriffe nicht ganz unwirksam zurück-
zuweisen, wenn auch freilich nicht völlig zu widerlegen. Im Gegenteil musste er jetzt in
der hauptsächlichsten Frage selbst zugeben, dass er zu viel behauptet habe. Dagegen
hält G. im übrigen seine Meinung über die Krögerschen Excerpte aus Chasots ver-
loren gegangenen Memoiren aufrecht, wird aber kaum irgendwo Zustimmung hierfür
finden. 54j — Das Zustandekommen des der bayerischen Politik jener Zeit wenig zur
Ehre gereichenden Füssner Friedens Von 1 745 schildert Preuss55) auf Grund
authentischen Materials. Die bayerischen Diplomaten zeigen sich gegenüber den
österreichischen Drohungen ihrer Aufgabe gar nicht gewachsen. Die Centralregierung
aber schwankt unentschlossen hin und her. Der Unterhändler Fürstenberg ist
völlig unfähig, ebenso Seckendorf. Der Friede, der vielleicht nicht einmal unbedingt
notwendig war, wird eine volle diplomatische Niederlage Bayerns. — Für die in den
Mit 20 Karlen, Plänen u. Skizzen. B., Mittler. 1893. 275 u. 37 S.; 377 n. 44 S. M. 21,00. |[MWB1. 78, S. 15836; LCB1. 1893,
S. 1221; MHL. 22, S. 217.JI — 51) 0. Herrmann, V. Mollwitz bis Chotnsitz. K. Beitr. z. Taktik Friedrichs d. Gr.: FBPG. 7,
S. 313-61. — 52) K. Th. Gaedertz, Friedrieh d. Gr. u. General Chasot. Bremen, C. Ed. Müller. 101 S. M. 2,00.
j [JbDArmeeMarine .1891, S. 117-21; LCB1. S. 669, 874; O. Herrmann: FBrG 7, S. 271,2; WIDM 76, S. 125; KZg. N. S37;
LZg». N. 146; VossZg. N. 57S; MagdZg. N. Ö61.]| — 53) id., Abwehr einiger gegen meine Schrift Friedrich d. Gr. n. General
Chasot erhobenen Einwendungen, ebda. 31 S. M. 0,50. — 54) X Herrn. Vogt, Gesch. d. dtseh. Keiterei in Einzelbildern.
Nach d. Tode dess. fortges. y. H. v. Trfitzschler. 111. v. B. Knötel. 7. Heft. Zwei Ehrentage d. fridericianischen Reiterei
(Hohenfriedberg, Rossbachj. Rathenow, Babenzion. 34 S. M. 1,00. — 55) G. Preuss, D. Friede v. Füssen 1745. Diss.
(4)4*
lVlb: 56-60 Gr. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
ersten beiden schlesischen Kriegen bereits erreichte Tüchtigkeit der preussischen
Armee und für die Achtung, welche sie sich bei den Beobachtern anderer Staaten er-
rungen hatte, bezeichnend ist eine Schilderung, die der französische Gesandte
in Berlin, Marquis von Valori, dem Ministerium der auswärtigen Angelegen-
heiten im J. 1748 über dieselbe erstattet hat, und welche Koser56"57) mitteilt.
Derselbe Forscher hat einen wichtigen Beitrag für die Geschichte der Zeit bis
zum Beginn des siebenjährigen Krieges geliefert, indem er den Versuch unter-
nommen hat, das ziemlich fragmentarische Material, welches aus den ersten 10
Jahren der Regierung Friedrichs hierüber vorhanden ist, zu einer Bevölkerungs-
statistik des preussischen Staates für diese Periode zu verwerten, was um so
schwieriger, aber auch um so dankenswerter war, als regelmässig wieder-
kehrende Volkszählungen erst aus der Zeit nach dem siebenjährigen Kriege
vorhanden sind. — Ueber die Entstehung des siebenjährigen Krieges hatte die bis-
herige Forschung, unterstützt durch die umfassende Veröffentlichung der politischen
Korrespondenz des grossen Königs, nach langen heftigen Streitigkeiten der ver-
schiedenen wissenschaftlichen Auffassungen unter einander doch schliesslich in den
Werken Rankes, Schäfers, Kosers und Naudes zu einem auf so massenhaftem Beweis-
material begründeten gesicherten Ergebnisse geführt, dass in der Hauptsache ein
Streit nicht mehr möglich schien. Auch die österreichischen Forscher gaben schliesslich
nach Arneths Vorgange zu, dass die frühere „preussische Tradition" zwar in Einzel-
heiten über das Ziel hinausgeschossen, in den entscheidenden Punkten aber das
Richtige getroffen hatte. Als allgemein zugestanden konnte man vor allem das
Ergebnis betrachten, dass Friedrich mit dem vielbesprochenen Einbrüche in Sachsen im
J. 1756 nichts weiter that, als dass erden lange Zeit gegen ihn gehegten feindlichen Plänen
seiner Gegner zuvorkam. Auch darüber herrschte im allgemeinen Uebereinstimmung,
dass die ganze Politik Friedrichs in den Monaten vor dem Ausbruch des Krieges
durchweg friedliche Ziele verfolgte und namentlich ein Uebergreifen des englisch-
französsischen Konflikts auf deutschen Boden zu verhindern suchte. Da ist nun jetzt
von einem hervorragenden preussischen Forscher, Max Lehmann58), ein materiell
wie formal gleich scharfer Angriff gegen diese gesamte bisherige Auffassung über
den Ursprung des siebenjährigen Krieges unternommen und die Behauptung auf-
gestellt worden, dass Friedrich den Angriff im J. 1756 nicht unternommen habe, um
einem mit Sicherheit zu erwartenden Angriffe der gegen ihn teils bestehenden, teils
im Werden begriffenen Koalition zuvorzukommen, sondern vielmehr, weil er den
Augenblick für günstig zur Verwirklichung längst gehegter Eroberungs- und
Annexionsgelüste gehalten habe; mit anderen Worten: L. unternimmt es, die ganze
bisherige, auf den eindringendsten Studien in den Archiven der beteiligten Staaten
beruhende historische Auffassung über den Ursprung des siebenjährigen Krieges
vollständig auf den Kopf zu stellen. Das glänzend geschriebene und mit scheinbar
souverän sicherer Beweisführung auftretende Buch hat in der wissenschaftlichen
Welt gewaltiges Aufsehen gemacht und den verschiedenen Forschern auf diesem
Gebiete Veranlassung zu einer eingehenden Prüfung und nochmaligen Revision des
gesamten Quellenmaterials gegeben. Diese aber hat zu dem fast einstimmigen
kritischen Ergebnisse geführt, dass der von L. versuchte Nachweis auf völlig un-
zureichendem Beweismaterial beruhe und daher völlig missglückt sei. Es sind dem
Vf. in der Verwertung der von ihm benutzten Akten so arge methodische Fehler,
so ungenaue und irreführende Citate, eine so unzureichende Benutzung der ihm
vorliegenden Aktenstücke unzweifelhaft nachgewiesen worden, dass man nicht be-
greift, wie ein bisher so bewährter Forscher im stände war, dieses Buch zu ver-
öffentlichen, welches nur zur Folge gehabt hat, dass in den dadurch hervorgerufenen
Streitschriften die bisherige, von L. als „preussische Legende" bezeichnete Auffassung
eine nur um so glänzendere Bestätigung erfahren. — Namentlich hat es sich der
von L. am heftigsten und in einer bisher in der wissenschaftlichen Polemik fast
uuerhörten Weise angegriffene Forscher, Naude59"60), angelegen sein' lassen, die
von Lehmann beigebrachten Argumente auf das eingehendste zu prüfen und ihre
völlige Unhaltbarkeit so überzeugend nachzuweisen, dass damit das Urteil über das
Lehmannsche Buch endgültig gesprochen sein dürfte. Was nun die Geschichte des
siebenjährigen Krieges selbst betrifft, so hat zunächst N. einen neuen, sehr beachtens-
werten Beitrag zu der alten Streitfrage über die strategischen Grundanschauungen
und Grundsätze Friedrichs des Grossen geliefert. Das Ergebnis der sorgfältig und
scharfsinnig geführten Untersuchung für den Feldzug 1757 ist, dass der Gedanke
Friedrichs im Winter 1756 — 57 ursprünglich dahin ging, eine strategische Defensive
München. 64 S. — 56) K. Koser, E. franz. Schilderung d. preuss. Heeres v. 1748: FBPG. 7, S. 299-311. — 57) id., Z. Be-
völkerungsstatistik d. preuss. Staats v. 1740—56: ib. S. 540/8. — 58) M. Lehmann, Friedrich d. Gr. u. d. Ursprung d. 7j.
Krieges. L., Hirzel. M. 2,80. | [ W. W i e g a n d : DLZ. S. 1615-27. J| — 59-60) A. N a u d e , Friedrichs d. Gr. Angriffspläne gegen Oesterreich
G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb •. ei-69
bei taktischer Offensive zu beobachten. Dann erst taucht, namentlich in den
schriftlichen Verhandlungen mit seinem Vertrauten Winterfeldt, der Gedanke der
strategischen Offensive auf, der dann noch viel umfassendere Dimensionen annimmt,
als man bisher angenommen hat.61) — Auch über die erste grössere Schlacht des
siebenjährigen Krieges herrscht noch immer lebhafte Meinungsverschiedenheit, indem
von österreichischer Seite noch jetzt behauptet wird, dass die Schlacht bei Lobositz
kein preusischer Sieg gewesen sei. Gegen diese zuletzt noch von Dop verfochtene
Ansicht hat Immich 62-63) ejne ausführliche und auf eingehender Quellenkritik beruhende
Polemik gerichtet, worin er, im wesentlichen mit einer früheren Untersuchung
Graniers übereinstimmend, wohl endgültig beweist, dass die Schlacht ein preussischer
Sieg war, freilich nur ein taktischer, da der strategische Endzweck der Schlacht nicht
erreicht wurde. — I mm ich64) hat auch eine auf sorgfältigem Studium des gesamten
Quellenmaterials beruhende neue Untersuchung über die Schlacht von Zorndorf ver-
öffentlicht, in welcher er freilich in der Hauptsache zu dem negativen Ergebnis
kommt,, dass eine sichere Erkenntnis der einzelnen taktischen Vorgänge unmöglich
ist. Von allgemeinerem Interesse ist auch das Ergebnis des Vf., dass die allgemeine
Annahme, Seidlitz habe seinen berühmten Angriff gegen den Befehl des Königs
unternommen, unrichtig ist. — Den bekannten Versuch der alten Reichsmacht, gegen
Friedrich den Grossen einen Achtsprozess anzustrengen, hat Thudichum65) zum
Gegenstande erneuter eingehender Behandlung gemacht, aber ohne neue Ergebnisse
zu gewinnen. Ja selbst die bisherige Litteratur auf diesem Gebiete ist vom Vf. nur
in sehr unzureichender Art verwertet worden. — Zwei kriegsgeschichtliche
Untersuchungen über den Feldzug Friedrichs gegen die Russen im J. 1759 ver-
danken wir Naude66"67). In der einen führt er den Nachweis, dass der König
auch hier eine grössere Offensive tief nach Polen hinein bis über die Weichsel
hinaus geplant habe. In der zweiten untersucht er einige zweifelhafte Elemente der
bisherigen Tradition über die Schlacht von Kunersdorf und kommt u. a. zu dem
Ergebnis, dass der Anfall von Gicht, von dem der König kurz vor der Schlacht be-
fallen sein und unter deren Einfluss er noch während des Kampfes gestanden haben
soll, nichts weiter als eine durch falsche Datierung eines Briefes des Königs an
seinen Bruder Heinrich entstandene Fabel sei. Sehr interessant sind auch die Aus-
führungen N.s über das Verhalten des Königs nach der Schlacht, nach denen die
gänzlich verzweifelte Stimmung Friedrichs doch nur von kurzer Dauer war, und die
zeitweilige Abgabe des Kommandos an Finck erst nach glücklicher Vollendung des
Oderüberganges erfolgte. — Ueber die gesamte Kriegführung zwischen Friedrich
und den Russen ist jetzt eine umfassende, auf den Feldakten beruhende Darstellung
von russischer Seite durch die deutsche Uebersetzung von Dry galskis68) zugänglich
gemacht worden, von der im Berichtsjahre der dritte Band erschienen ist. Man muss
es sich bei der Lektüre stets gegenwärtig halten, dass man es nicht mit einer auf
eindringender und erschöpfender Kritik der von den verschiedenen Staaten vor-
liegenden Quellen beruhenden, sondern mit einer durchaus in russischem Sinne ge-
färbten Darstellung zu thun hat. Als solche ist sie vor allem dadurch von hohem
Wert, weil sie eine Fülle von Mitteilungen aus den Feldakten selbst im Auszuge
enthält und hierdurch eine unbefangene Würdigung der russischen Kriegführung
eigentlich erst ermöglicht, während die Forschung bisher sehr stark unter dem Ein-
flüsse der österreichischen Quellen gestanden hat, die alle Misserfolge ihrer eigenen
Kriegführung auf die Missgriffe, die Langsamkeit und Unentschlossenheit der
russischen Heeresleitung zu schieben bestrebt waren. Natürlich verfällt nun die
russische Darstellung wieder oft in den entgegengesetzten Fehler, so dass es auch
bei ihrer Benutzung grosser Vorsicht bedarf. Aber als eine sehr willkommene Be-
reicherung unserer historischen Kenntnis der fridericianischen Kriegsgeschichte
darf diese russische Publikation doch bezeichnet werden. — Dasselbe gilt von einer
Veröffentlichung von Do na lies69), die über die Kriegsführung des Herzogs Ferdi-
nand von Braunschweig manches neue Licht verbreitet. Der Privatsekretär des mit
dem Könige verbündeten Herzogs hat ein Journal über dessen Feldzüge hinterlassen.
Um über seinen Wert und seine Bedeutung ein Urteil zu ermöglichen, hat D. das
im 7j. Krieg. 1. Feldzug t. 1757. Marburg i. H., Elwert. 4°. 39 S. M. 1,60. [[LCB1. S.205; FBPG. 7. S.272.]| — 61) X G. Winter,
D. Strategie Friedrichs d. Gr. in d. Feldzügen v. 1756 u. 57 : HTb. 10, S. 105-85. — 62-63 ) M. I m m i c h , Z. Schlacht bei Lobositz : FBPG. 6,
S. 355-76. — 64) id., D Schlacht bei Zorndorf am 25. Ang. 1758. B., Speyer u. Peters. 156 S. M. 3.50. j[0. Herrmann:
FBPG. 6, S. 3234; H. Delbrück: PrJbb 73, S. 150; MHL. 22, S. 221,3; Graf Lippe: JbDArmeeMarine. 84, S. 349-51.]| —
65) F. Thudichum, D. Achtsprozess gegen Friedrich d. Gr. u. seine Verbündeten 1757—53. (Aus: Festgabe, Herrn Dr.
K. v. Ihering z. Dolctorjubil. am 6. Aug. 1892 dargebr. v. d. Juristenfakultät zu Tübingen. [Tübingen, Verl. d. Juristenfakult.
XI, 185. Nicht im Handel.]) Tübingen, Verl. d. Juristenfakultät. 27 S. M. 0,80. |[FBPG. 6, S. 323; CBIRechtswesen. 12,
S. 382.J| — 66) A. Naude, Z. Feldzuge gegen d. Russen im J. 1759: FBPG. 6, S. 581/4. -- 67) id., Z. Schlacht bei Kuners-
dorf: ib. S. 251-64. — 68) Masslowski, D. 7j. Krieg nach russ. Darstell. 3. T. 1759-62. Mit 6 Plänen übers, y. A. v. Dry-
galski. B, Eisenschmidt. XV, 476 S. M. 15,00. |[G. W inter: BLU. S. 87/8.]| — 69) H. Donalies, D. Anteil d. Sekretärs
IV lb: 70-76 G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
Verhältnis des Herzogs zu seinem Privatsekretär und die geschäftliche und persön-
liche Stellung des letzteren eingehend untersucht und namentlich seinen thatsäch-
lichen Einfluss auf die Kriegführung des Oberfeldherrn gegenüber den mancherlei
Uebertreibungen und Unterschätzungen, die darüber zu Tage getreten sind, festzustellen
gesucht.''0) — Einen zunächst mehr für die Territorialgeschichte wichtigen, aber doch
auch für die Heeresorganisation des vorigen Jh. in den deutschen Kleinstaaten inter-
essanten Beitrag zur Geschichte des siebenjährigen Krieges hat von Thüna71) ge-
liefert. Er schildert die Geschichte des 2. (blauen) Würzburger Regiments Fussvolk.
Die auf fast übergenauem Aktenstudium beruhende Darstellung gewährt interessante
Einblicke in das Ausrüstungs-, Besoldungs- und Verpflegungswesen der damaligen
Truppen. — Endlich seien noch einige auf sorgsamen rein lokalen Forschungen be-
ruhende Schilderungen der Leiden erwähnt, welche der Krieg über die von ihm be-
troffenen Gegenden verhängte72"73). — Während der kriegerischen Operationen hat es
natürlich auf beiden kriegführenden Seiten auch nicht an eifrig gepflogenen diploma-
tischen Verhandlungen gefehlt. Für Friedrich den Grossen kam es, je mächtiger
die Koalition seiner Gegner wurde, um so mehr darauf an, auch seinerseits Bundes-
genossen zu finden und sich namentlich unter den deutschen Fürsten einen Anhang
zu sichern. Dem letzteren Bestreben verdankt der Gedanke eines evangelischen
Fürstenbundes unter Preussens Führung gegenüber den von Oesterreich geleiteten
Katholiken seine Entstehung. Er taucht zuerst kurz vor Beginn des siebenjährigen
Krieges auf und wird fast eifriger als von Preussen selbst von Hessen-Cassel
gefördert, während sich Hannover ablehnend verhält. Nach dem Siege Friedrichs
bei Prag scheint der Gedanke der Verwirklichung sehr nahe zu sein, wird aber
durch die Niederlage von Kollin wieder verhindert. 1758—59 taucht er wieder auf,
als der Wiener Hof die Achtserklärung gegen Friedrich betreibt, verschwindet dann
aber wieder. H. Meyer74) hat diese Entwicklung auf Grund eingehender archiva-
lischer Studien, deren Grundlage die politische Korrespondenz Friedrichs des Grossen
bildet, im einzelnen behandelt. —
Dem in der späteren Epoche Friedrichs liegenden zweiten Entwicklungs-
stadium des evangelischen Fürstenbundes ist jetzt wieder erneute Aufmerksamkeit zu-
gewendet worden, nachdem Lorenz75) die Behauptung aufgestellt hat, dass kein anderer
als Goethe der eigentliche Urheber des Fürstenbundes durch ein 1778 von ihm erstattetes
Gutachten gewesen sei, in welchem er rät, sich, um sich vor den Beschwerden des
Krieges zu sichern, zu gemeinsamen Schutzmassregeln zusammen zu thun. Dieser
Gedanke sei dann von Edelsheim eifrig aufgenommen worden, hätte aber im wesent-
lichen eine Vereinigung der Kleinstaaten ohne Preussen als Zielpunkt gehabt. Durch
Braunschweig und Pfalz-Zweibrücken sei dieser Plan an Friedrich verraten worden,
der ihn dann zu seinem Vorteil verwertete, während er sich ursprünglich gegen ihn
richtete. — Lorenz hat für diese seine Auffassung, deren aktenmässige Grundlage
vorläufig sehr unzureichend erscheint, noch weitere Mitteilungen aus dem Weimarer
Archiv in Aussicht gestellt, einstweilen aber ist Bailleu76) dieser Auffassung sehr
energisch entgegengetreten und hat in scharfer Form die Arbeit von Lorenz als
„ein leichtes, luftiges Bauwerk ohne alles Fundament" bezeichnet. Er weist Lorenz
in der That leichtsinnige Benutzung bezw. Nichtbenutzung von Archivalien und für
die Frage grundlegenden Büchern nach. B. seinerseits verficht dann erfolgreich die
Ansicht, dass nicht Goethe der Urheber des Fürstenbundes sei, sondern dass dieser
ein durchaus selbständiger Akt der preussischen Politik gewesen. Karl August
wollte einen Bund der Kleinstaaten ohne Preussen und wurde erst später durch
Braunschweig für das preussische Projekt gewonnen. Goethe hat nur bei dem for-
malen Abschluss mitgewirkt. Dann aber habe Karl August auch auf das treueste
an dem Bunde festgehalten. — Natürlich war die Diplomatie Friedrichs auch
in den ausserdeutschen Ländern unausgesetzt thätig. Einen mehr persönlich
dynastischen Charakter trug eine Gesandtschaft, welche im J. 1777 nach Stockholm
ging, und mit welcher neben dem eigentlichen Gesandten, dem Grafen Nostitz, auch
der Grossvater Bismarcks mütterlicherseits, Anastasius Ludwig Mencken, betraut
war. Es handelte sich dabei um den ernsten Zwist, der zwischen dem Könige
Gustav III. und seiner Mutter Luise Ulrike, Schwester Friedrichs des Grossen, aus-
Westphalen an, d. Feldzügen d. Herz. Ferdinand v. Braunschweig-Lßnebnrg (1758—62). Diss. Bonn. 32 S. — 70) X E«
Daniels, Ferd. v. Braunschweig: PrJbb. 78. S. 137-68, 478-516 — 71) L. Frhr. v. Thüna, D. Wörzbnrger Hülfstruppen im
Dienste Oesterreichs 1756— 63. F. Beitr. z. Gesch. d. 7j. Krieges. Wflrzbnrg, Stnber. 1893. X, 257 S. M. 6,00. |[MImmich:
FBPG. 6, S. 628,'9.J| — 72) X w- Nöldeke, D. Drangsale d. Stadt Celle während d. 7j. Krieges. Celle, Schulbuchh. 12°.
32 S. M. 0,40. — 73) X P- Schwartz, Z. Gesch. d. Neumark während d. 7j. Krieges. Progr. B., R. Gaertner. 4°. 28 S.
M. 1,00. (Enthält u. a. e. bisher nicht benutzten gleichzeitigen Eer. d. Predigers zu Neudamm über d. Schlacht v. Zorndorf,
ausserdem interessante Nachrichten über d. mehrfachen Durchmärsche russ. u. schwed. Truppen.) — 74) H. Meyer, Plan e.
evang. Ffirstenbundes im 7j. Kriege. Diss. Bonn (Celle, Schweiger u. Pick). 1898. 85 S. |[FBPG. 7, S. 273; MHL. 22, S. 339.]|
— 75) O. Lorenz, Goethes polit. Lehrjahre, Vortr. mit Anm. u. e. Anh.: Goethe als Historiker. B., Besser. 1893.
V, 180 S. M. 3,00. |[LCB1. S. 1001.]| (Vgl. .TBL. 1893 IV 8a: 91; 8b: 17.) - 76) P. Bailleu, Karl August, Goethe u. d.
G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb : 77-89
gebrochen, und in welchem Friedrich vermittelnd und versöhnend zu wirken
bestrebt war. Die Schicksale dieser Gesandtschaft sind von Hü ff er77) ausführlich
auf Grund des zwischen Stockholm und Berlin geführten Depeschenwechsels, sowie
der hinterlassenen Papiere Gustavs, aus denen Auszüge von Gejer mitgeteilt
worden sind, und Luise Ulrikes, sowie endlich einer Reihe von Excerpten, die dem
Vf. von Fritz Arnheim zur Verfügung gestellt wurden, beschrieben worden.78) — Dass
übrigens die preussische Armee in der auf den siebenjährigen Krieg folgenden
lang'en Friedensepoche sich nicht ganz auf der Höhe ihrer früheren Ruhmestage
hielt, hat Friedrich der Grosse selbst in einem Schreiben an Tauenzien vom 6. Sept.
1782 ausgesprochen, worin er über die schlesische Armee nach der üblichen
Inspizierung ein sehr ungünstiges Urteil fällt79). — Doch behauptete immerhin das
preussische Heer sein in ruhmvollen Kämpfen erworbenes Ansehen und stand jeden-
falls turmhoch über den militärischen Einrichtungen der deutschen Kleinstaaten. Den
letzteren ist dann namentlich mit Recht ein schwerer Vorwurf aus dem Handel
gemacht worden, den sie mit ihren Landeskindern trieben, indem sie diese in
den amerikanischen Freiheitskriegen gegen Geldzahlungen an England überliessen.
Nun ist zwar neuerdings darauf aufmerksam gemacht worden, dass die ein-
schlägigen neueren historischen Darstellungen sich insofern einer Uebertreibung schul-
dig machen, als dieser Soldatenhandel immerhin ein Kind seiner Zeit war, und die
damaligen gegen Geld angeworbenen Soldaten nicht mit den wehrpflichtigen Landes-
kindern unserer Tage verglichen werden dürften. Aber unzweifelhaft ist es doch,
dass das Verfahren der betreffenden Landesherren ihnen nicht zur Ehre ge-
reicht.80-84) —
Für die innere Geschichte Preussens, seiner Regierung und Verwal-
tung von ganz hervorragender Bedeutung ist die Sammlung der Acta Borussica,
welche die Berliner Akademie der Wissenschaften herausgiebt. Dem grossen Werke
Hintzes über die preussische Seidenindustrie fJBL. 1892 14:454; IV lb:67) ist sehr
schnell ein weiteres, unter Schmollers Leitung von Krauske85) bearbeitetes,
über die Behörden Organisation und die allgemeine Staatsverwaltung Preussens ge-
folgt, dem Seh. eine von grossen historischen Gesichtspunkten ausgehende Einleitung
vorausgeschickt hat, in welcher die Grundzüge der geschichtlichen Entwicklung des
Beamtentums überhaupt, des brandenburgisch-preussischen insbesondere, seit dem
16. Jh. zu lichtvoller Darstellung gelangen. Anschaulich und lebensvoll wird
das Emporkommen des landesherrlichen Beamtentums gegenüber der altständi-
schen Verwaltung durch den Grossen Kurfürsten und Friedrich Wilhelm I. geschildert,
welch letzterer die Staatshoheit Preussens eigentlich erst geschaffen hat. Die in
diesem Werke veröffentlichten Akten umfassen dann in erster Linie den Geschäfts-
betrieb der Berliner Centralbehörden, ausserdem die Thätigkeit der Provinzial-
behörden und das Notwendigste aus der Lokalverwaltung, den Landrat und den
Steuerrat. Die Reformen beginnen schon unter Friedrich I., auf den durch dieses
wie durch Erdmannsdörffers bereits (s. o. N. 18) besprochenes Werk doch ein günstigeres
Licht fällt, als in den bisherigen Forschungen. Dann lässt namentlich das erste
Regierungsjahr Friedrich Wilhelms I. auf allen Gebieten die Grundgedanken und
Ziele der gesamten Reformthätigkeit erkennen, die dem preussischen Staate erst
die feste Grundlage gaben, ohne welche die weltumspannende Thätigkeit Friedrichs
des Grossen gar nicht möglich gewesen wäre. — Speciell zur Geschichte des Handels
zur Zeit Friedrichs hat Frege86) einen kleinen Beitrag geliefert, indem er auf Grund
von Aktenstücken des Magdeburger Stadtarchivs einige Nachrichten mitteilt, welche
sich auf die Bestrebungen des Königs beziehen, den Handelsverkehr auf der Oder
zu heben. —
Bekanntlich ist dann auch die grosse Gegnerin Friedrichs des Grossen,
Maria Theresia, eifrig und erfolgreich bestrebt gewesen, durch umfassende Re-
formen im Inneren ihrem Staate neue Kräfte zuzuführen. Diesjss Bestreben ist in be-
sonders hohem Masse auch der österreichischen Zoll- und Handelspolitik zu gute ge-
kommen, welcher Beer87"89) mehrere eingehende und auf gründlichen archivalischen
Studien beruhende Abhandlungen gewidmet hat. In dieser Thätigkeit fand danach die
Fürstenbund: HZ. 73, S. 14-32. — 77) H. Hüffer, D. Zerwürfnis Gustafs III. v. Schweden u. seiner Mutter Luise Ulrike, d.
Schwester Friedrichs d. Gr., u. d. Gesandtsch. A. L. Menckens in Stockholm (1777—82). Unter Mitw. v. F. Arnheim
dargest. L., Duncker & Humblot. 74 S. M. 1,40. (Aus FBPG. 6, S. 377-450: im Anschluss daran Mitt. über Bismarcks Gross-
vater Mencken: Didask. N. 80.) — 78)X°Herrraann, D. letzten Jahre d. Königin Ulrike v. Schweden: VossZg". 1893,
N. 9. — 79) X Didask. N. 167. — 80) X Weimer, D. Soldatenhandel dtsch. Fürsten. Vortr.: QBllHVHessen. 1893: 1,
S. 265/8. — 81) X F- W. Junghans, D. amerikan. Feldzug d. Hessen nach d. Tageb. d. Grenad. Joh. Neuber v. Niedervellmar.
1776-83: Hessenland N. 14. — 82) X P- Gall, Friedrich v. d. Trenck: ADB. 37, S. 568,9. — 83) X A. Kohut, Prin-
zessin Amalie v. Preussen und Friedrich Frhr. v. d. Trenck: Zeitgeist N. 35. — 84) X H. Pröhle. Ch. L. v. Stille: ADB. 37,
S. 240/5. — 85) (I 4:148; III 1:146.) |[A. Naude: FBPG. 7, S 3127 (sehr anerkennend).]! — 86) F. C. A. Frege, Beitrr z.
Handelsgesch. aus d. Zeit Friedrichs d. Gr.: MagdZgB. N. 15. — 87) A. Beer, Stud. z. Gesch. d. österr. Volks wirtsch. unter
Maria Theresia. 1. D. österr. Industriepolitik. Wien, Tempsky. 133 S. M. 2,60. (Aus AÖG.) — 88) id., D. handelspolit.
Beziehungen Oesterr. zu d. dtsch. Staaten unter Maria Theresia, ebda. 269 S. M. 5,00. (Aus AÖG,) — 89) id., D. Zoll-
IV lb: 90-96 G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
Kaiserin namentlich bei dem Grafen Cobenzl eifrige und verständnisvolle Unter-
stützung*. Er war es z. B., der eine vollständige wirtschaftliche Vereinigung der
bisher durch Zollschranken von einander getrennten kaiserlichen Erblande in An-
regung brachte. Der Zolltarif von 1775 schuf dann aus Westösterreich mit Aus-
nahme von Tirol ein eigenes Zollgebiet. Dagegen blieb die Zolllinie gegenüber
Ungarn bestehen. In gleich ausführlicher Weise ist dann B. auch den handels-
politischen Beziehungen Oesterreichs zu den anderen europäischen Staaten, namentlich
zu Preussen, nachgegangen und hat auf Grund von Wiener Archivalien sehr wert-
volle Ergänzungen zu Fechners Buch gegeben. Insbesondere hat er sich nach-
zuweisen bemüht, dass der Wiener Hof keineswegs den Plan hegte, sich den von
ihm in den Verträgen von Berlin und Dresden eingegangenen handelspolitischen
Verpflichtungen gegen Preussen zu entziehen.90) —
Für die kurze Zwischenzeit zwischen dem Tode Friedrichs des Grossen und
dem Beginn der französischen Revolution liegen einige Beiträge zur Geschichte der
ersten Regierungsjahre Friedrich Wilhelms II. von Preussen vor. In- erster
Linie ist da die Fortsetzung der grossen Publikation Max Lehmanns91) zu er-
wähnen, welche jetzt die Regierungszeit dieses Königs erreicht hat. Selten hat ein
so gutes Einvernehmen zwischen Preussen und Rom bestanden wie in den Jahren,
auf welche sich die hier mitgeteilten 488 Aktenstücke beziehen. Die von Friedrich
Wilhelm II. unternommenen Vermittelungsversuche zwischen dem Papste und den
deutschen Erzbischöfen in dem Nuntiaturstreit bilden den Hauptinhalt des Bandes.
Leider fehlt wie überhaupt in den späteren Bänden jede darstellende Einleitung.
Von Interesse sind natürlich auch die hier mitgeteilten Aktenstücke, welche die
Kirchenpolitik Wöllners betreffen. — Die übrigen Arbeiten müssen sich mit einer
flüchtigen Erwähnung begnügen. Die eine, von Schwemann91a), behandelt die
Geschichte des preussischen Salinenwesens und stellt einen Teil der Vorarbeiten zu
dem das Berg-, Hütten- und Salinenwesen berührenden Werke der Acta Borussica dar;
die andere, von Senckler92), behandelt den kurzen preussischen Feldzug in den
Niederlanden. —
Die Geschichte der grossen französischen Revolution ist von der
deutschen Geschichtsschreibung in der Berichtsperiode zumeist nur in ihren Ein-
wirkungen auf unser Vaterland näher untersucht worden. Zur allgemeinen Geschichte
der Revolution in Frankreich selbst liegen nur vereinzelte neuere Arbeiten von
deutschen Geschichtsschreibern vor. Um so erfreulicher ist es, dafs uns ein grosses
und sehr eigenartiges, fast mehr noch für die französische Geschichtsschreibung als
für die Geschichte selbst hochbedeutsames Werk, das H. Taines, in einer im grossen
und ganzen wohlgelungenen Uebersetzung von Katscher93) näher gerückt worden
ist. Das Hauptverdienst des Taineschen Werkes besteht wohl darin, dass es der
üblichen und sonst in Frankreich alleinherrschenden landläufigen Tradition über die
„grosse Revolution" mit anerkennenswertem Freimut entgegentritt und sich im
wesentlichen auf den von Sybel gebahnten Wegen gesicherter, unbefangener und
unparteiischer Darstellung der Ereignisse bewegt. Näher auf den Inhalt des in seinen
Vorzügen und Schwächen schon seit längerer Zeit bekannten Werkes einzugehen ist
hier nicht der Ort. Sein Hauptreiz liegt in der anschaulichen und mit unerbittlicher
Schärfe gezeichneten Darstellung der vorrevolutionären Zustände, welche die Vor-
bedingung der französischen Revolution gewesen sind. Erwähnt sei hier noch die der
Untersuchung vorausgeschickte Einleitung K.s, welche die eigenartige Bedeutung des
Werkes in der Hauptsache treffend hervorhebt; nur überschätzt K. diese Bedeutung
insofern, als er nicht genug beachtet, dass viele Ergebnisse Taines durch Sybels
grundlegendes Werk in Deutschland längst Allgemeingut waren.94-95) — Eine anziehend
und lebendig geschriebene, aber nicht eigentlich Neues bietende Charakteristik der
unglücklichen Königin Maria Antoinette hat Prölss96) vorgelegt. Sie beruht zwar
nicht auf eigenen Quellenstudien, verwertet aber die bisherigen Forschungen geschickt
und mit glücklicher Auswahl, freilich ohne alle Quellenangaben. Eine eigentliche
Biographie hat der Vf. nicht geschrieben, sondern nur eine Charakteristik nach den ver-
schiedenen Seiten und Richtungen ihrer Neigungen und Befähigungen, deren jede dann
durch ihr ganzes Leben hindurch verfolgt wird, wobei zuweilen lästige Wiederholungen
politik u. d. Schaffung e. einheitl. Zollgebiets unter Maria Theresia: MIÖG. 14, S. 236-326. — 90) X F- A- Bacciocco,
Maria Theresia in Mariahilf: AltWien. 2, N. 5/6. (Rein lokale Erinnerungen an d. Kaiserin.) — 91) M. Lehmann, Preussen
u. d. kath. Kirche seit 1640. VI. (1786—92). (= Publikat. aus d. Kgl. Preuss. Staatsarch. Bd. 53.) L., Hirzel. 594 S. M. 16,00.
IfLCBl. 1893, S. 973.]| — 91a) A. Schwemann, Frhr. v. Keinitz als Chef d. Salzdepartements 1786—96: FBPG. 7, S. 409-57.
(Ist e. Teil d. Vorarbeiten z. d. d. Berg-, Hütten- u. Salinen wesen betreff. Werke d. Acta Borussica.) — 92) Senckler
(Hauptmann), D. preuss. Feldzug in d. Niederland, im J. 1787. B., Felix. 39 S. Mit e. Karte. M. 1,50. — 93) H. Taine, D. Ent-
steh, d. mod. Frankreich. Antor. dtsch. Bearb. v. L. Katscher. 2. veränd. Aufl. 1. Bd.; 2. Bd., 1.-3. Abt.; 3. Bd., 1.-2. Abt.
L„ Abel u. Müller. VIII, 456 8.; VIII, 432 S.; X, 470 S.; XXVII, 571 S.; XVI, 381 S.; XXVI, 270 S. Kompl. M. 48,00. —
94) X G- Brandes, D. Autoritäts-Prinzip u. d. Revolution v. 1789. L., Barsdorf. 41 S. M. 0,75. (Ist e. Sonderabdr. aus
B.s „Hauptströmungen d. Litt") — 95) X E- Guglia, Neue franz. Berichte über Ancien regime u. Revolution: Nation15. 11,
S. 169-71. — 96) R. Prölss, Königin Marie Antoinette. Bilder aus ihrem Leben. L., Reissner. III, 244 S. M. 4,00. —
G.Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IVlb:97-i06
kaum zu vermeiden waren.97) — Für die Charakteristik des durch die unselige Hals-
bandgeschichte bekannt gewordenen Strassburger Bischofs, des Kardinals Rohan,
nicht ohne Bedeutung sind die jetzt von Fischer98) veröffentlichten Aufzeichnungen
des Forstverwalters, welcher mit dem Kardinal nach Ettenheim emigrierte. Sie zeigen
den Kardinal so, wie er auch in seinem Verhalten in den geschichtlichen Ereignissen
erscheint: schwach, durch und durch eitel und ausserdem in hohem Grade dem
Wunder- und Aberglauben ergeben. —
Etwas zahlreicher sind die mehr oder minder lokal gefärbten Säkular-Er-
innerungen an die Einwirkungen der französischen Revolution aufDeutsch-
land. Bekanntlich sympathisierten in den ersten Stadien der Revolution, so lange
sie eine unzweifelhaft ideale freiheitliche Richtung innehielt , in Deutschland
viele der Edelsten des Volkes mit ihr, welche dann, nachdem die Bewegung in
Frankreich die Wendung zur Schreckensherrschaft genommen hatte, gründlich von
ihrer Vorliebe geheilt wurden. Wirkungen des revolutionären Geistes, die teilweise als
Spiegelbilder der Zeitströmung von nicht geringem Interesse sind, lassen sich aber nicht
bloss in den von der französischen Invasion früher oder später erreichten Gegenden,
sondern fast überall im deutschen Vaterlande verfolgen. In Bezug auf Wien hat es
eine sehr beachtenswerte Untersuchung von Fäulhammer99) unternommen, ein Bild
dieser geistigen Strömungen zu entwerfen. Der Vf. hat sich dabei W. Wencks
„Deutschland vor 100 Jahren" in den „Politischen Meinungen und Stimmungen in
der Revolutionszeit" zum Muster genommen, zu dem er auf Grund seiner Studien
über die österreichische Geschichte jener Zeit eine Ergänzung geben will. Im Mittel-
punkte seiner Darstellung stehen die publizistischen Aeusserungen und Aufzeichnungen
des Wiener Journalisten und Dramaturgen Joseph Schreyvogel; daneben hat er allerlei
Volksblätter und Flugschriften herangezogen, welche ein grelles Licht auf die Schäden
nnd Missstände der inneren Verwaltung und auf die dagegen reagierende öffentliche
Meinung werfen. Besonders charakteristisch für diese Stimmungen ist das Volksblatt
„Der Eipeldauer". Vielfach machten sich auch Hinneigungen zu den Jakobinern
geltend, und jedenfalls ist von einem eigentlich patriotischen Aufschwünge gegen das
mit Oesterreich im Kriegszustand lebende Frankreich keine Rede. Die Regierung
ergriff gegenüber den Wiener „Jakobinern" strenge Massregeln. Nach F.s Ansicht
ist eine weitverzweigte, von Frankreich angestiftete Verschwörung nicht eine Erfindung
der Wiener Polizei, sondern Thatsache. Natürlich, machte sich dann aber auch die
gegen die französische Revolution gerichtete Stimmung geltend, namentlich in der
Wiener Zeitschrift von Leopold Alois Hofmann und in dem Magazin der Kunst und
Litteratur von dem Exjesuiten Hoffstätter, doch wendete sich diese Bewegung, weit
über das Ziel hinausschiessend, gegen alles Liberale und Aufgeklärte, namentlich
gegen Schreyvogel, der dann seinerseits wieder an der „Oesterreichischen Monatsschrift",
welche den geistigen Mittelpunkt der patriotischen und loyalen Opposition bildete,
mitarbeitete und hier u. a. seine Tragödie „Die eiserne Maske" veröffentlichte.
Interessant ist endlich auch ein von F. in seiner Untersuchung veröffentlichter Brief
Schrey vogels an seinen älteren Bruder aus Jena vom 30. Okt. 1794. — Ueber Württem-
berg veröffentlicht Hart mann100) einige Säkular-Erinnerungen nach Aufzeichnungen
von Zeitgenossen über die beiden württembergischen Herzöge, welche in der Periode
des Baseler Friedens regierten: Ludwig* Eugen und Friedrich Eugen, mit mancherlei
kleinen litterarischen Reminiscenzen, z. B. an die von Schiller ausgeschlagene
Berufung an die Universität Tübingen. — Auch aus Hessen101), Nassau-Saarbrücken102)
und dem Elsass103) liegen ähnliche Erinnerungen aus den Tagen der französischen
Revolution vor, von denen eine namentlich Erwähnung verdient, welche die Schicksale
der Stadt Strassburg in den revolutionären Bewegungen der J. 1792 — 93, besonders
während der Regierung' der Volksrepräsentanten St. Just, Lebas, Milhaud und Guyardin
schildert104), über welche die Stadt nach ihrem Wiederabzuge eine Beschwerde an den
Konvent richtete, die mit ihren Beilagen dem anonymen Vf. zur Grundlage seiner
Darstellung gedient hat105^106). —
97) X E. Schugay, D. 21. Jan. 1793. E Säkul.-Erinner. : FeuilletZg. N. 446. (Z. Gedächtn. an d. Hinrichtung Ludwigs XVI.
Ohne wissensch. Wert.) — 98) L. Fischer, Memoire« d'un garde chasse du Prince-Cardinal Louis de Rohan. Strass-
burg i. E.. Noiriel 34 S. M. 0,60. (Aus RCathAlsace. NS.) — 99) A. Fäulhammer, Polit. Meinungen u. Stimmungen
in Wien in d. J. 1793 u. 94. Progr. Salzburg. 1893. 32 S. — 100) J. Hartmann, Vor 100 J.: BBSYV. N 20,1. —
101) X E- ness- Prinz-Jakobiner: Didask. 1893, N. 145. (Behandelt d. Prinzen Karl Konstantin v. Hessen-Rotenburg-Rheinfels,
d. sich in d. That eifrig an d. franz. Revol. beteiligt hat, aber ihre terrorist. Ausschreitungen missbilligte u. deshalb fast
auch auf d. Guillotine gekommen wäre, dann aber noch bis 1821 als alter Sonderling in Frankfurt a. M. lebte.) — 102) X
A. Fauth, Unter d. Schreckensherrschaft d. Jakobiner. Bll. aus d. Leidensgesch d. Fürstentums Nassau-Saarbrücken während
d. franz. Revol. D. dtsch. Volke zu Nutz u. Froromen erz. Herborn, Kolportage-Ver. 12°. 75 S. M. 0,35. — 103) X Re-
volutionserinnerungen aus d. alten Hanauer Land. General Helmstetter: StrassbPost. 1893, N. 237. (Behandelt d. Pfaffenhofener
Ochsenwirt H., d. sich im Feldzuge v. 1793 unter Hoche so auszeichnete, dass er es bis z. General brachte, dann aber zu
seiner bürgerlichen Beschäftigung zurückkehrte, Friedensrichter wurde usw. Beruht auf e. hs. Pfaffenhofer Familien-Chronik.)
— 104) Vor hundert J. im Elsass: AZg". N. 121/2. — 105) X D. ersten Opfer d. niederrhein. Revolutionsgerichts (5. Nov. 1793) :
StrassbPost. N. 307. — 106) X D.Tempel d. Vernunft in Strassburg. Jh.-Erinnerungen aus d. Gesch. d. Strassburger Münsters:
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. ("1)5
IV lb : 107-H3 G. Winter, Allgemeines des 18./19 Jahrhunderts: Politische Geschichte.
Ueber die Revolutionskriege des monarchischen Europa gegen
Frankreich bis zur Begründung des napoleonischen Kaisertums liegen neben den
entsprechenden Abschnitten des umfassenden Tanera sehen107), rein kriegswissenschaft-
lichen Werkes, welches die gesamte deutsche Kriegsgeschichte von Pehrbellin bis
Königgrätz behandelt, einige Specialuntersuchungen vor, die eine unzweifelhafte Er-
weiterung unserer bisherigen Kenntnis der kriegerischen Ereignisse bedeuten. —
So giebt Bockenheimer108) eine eingehende Darstellung der Wiedereroberung von
Mainz durch die Alliierten, welche zugleich eine Apologie des lange verkannten
d'Oyre ist. Dass die Preussen verräterische Kriegslisten gebraucht hätten, stellt der
Vf. energisch in Abrede. Der Einfluss des Königs habe sich im preussischen Lager
häufig störend geltend gemacht und eine Einheitlichkeit der Leitung erschwert, oft gänz-
lich vereitelt. Die Arbeit ist eine Erweiterung der älteren Arbeit Kleins unter Be-
nutzung der neuesten Forschungen, unter denen der Vf. namentlich auf den durch seine
Unparteilichkeit hervorragenden Franzosen Chuquet grossen Wert legt. — Eine auf
sorgfältiger Benutzung der deutschen amtlichen Quellen beruhende Darstellung des
Feldzuges von 1793 hat die kriegsgeschichtliche Abteilung des grossen Generalstabes
veröffentlicht109). Sie bemüht sich namentlich die Gründe nachzuweisen, aus denen
der Feldzug, trotz unzweifelhafter taktischer Erfolge im einzelnen, doch im ganzen
zu einem ungünstigen Ergebnisse führte. Hauptsächlich waren diese Gründe politischer
Art und bestanden vornehmlich in der beständigen Rücksicht auf das befreundete
Oesterreich. Dazu kamen dann noch Differenzen im Hauptquartier, welche jede
energische Kriegführung hemmten und namentlich eine starke Offensive völlig
unmöglich machten. Natürlich wurde aber durch ein solches Verhalten auch die
Stimmung im Heere sehr nachteilig beeinflusst; es fehlte an Entschluss und Initiative.
— Eine der Schlachten dieses Feldzuges, die bei Kaiserslautern, ist dann im Verein
mit den im folgenden Jahre an derselben Stelle gelieferten Gefechten zum Gegen-
stande einer sehr eingehenden taktischen Darstellung gemacht werden110), die zwar
neue Quellen nicht heranzieht, sondern nur auf den bisherigen gedruckten Dar-
stellungen beruht, aber rein taktisch-militärisch recht unterrichtend ist und nament-
lich auch durch die Beigabe eines Schlachtplans aus dem Fr. R. von Rothenburgschen
Schlachtenatlas sehr an Anschaulichkeit gewinnt.110») — In die spätere Periode der
deutsch-französischen Kriege, in welcher Napoleon den Grund zu seinem Feldherrn-
ruhme legte, führt uns eine sehr sorgfältige, strategisch und taktisch vortreffliche und
auch stilistisch gut durchdachte Arbeit von Günther111), welche den Feldzug von 1800
behandelt, und zwar unter vorzüglicher Berücksichtigung der Schlacht von Marengo
(14. Juni 1800) mit ihren militärischen und politischen Folgen. Die Arbeit ist mit
entschiedener Hinneigung zu den französischen Revolutionsheeren vom schweizerischen
Standpunkte aus geschrieben. Von den mit grosser Gelehrsamkeit und Belesenheit
in den Quellen gewonnenen kriegsgeschichtlichen Einzelergebnissen ist von weiterem
Interesse namentlich die auf Grund einer umfassenden Kritik der einzelnen Vorgänge
gefolgerte Auffassung, dass Moreau weit weniger günstig beurteilt werden müsse, als
dies in der bisherigen Tradition geschehen sei. Klar tritt der Gegensatz der
strategischen Grundanschauungen, welche in den beiden feindlichen Heeresleitungen
herrschten, hervor. Während Napoleon immer direkt die Vernichtung des gegnerischen
Heeres als einziges Ziel verfolgt, verliert man auf kaiserlicher Seite in dem Bestreben,
die Magazine zu retten, Schlachten. Für die Entwicklungsgeschichte der napoleonischen
Strategie und Taktik ist die Arbeit ohne Zweifel von hervorragender Bedeutung.112) —
Inzwischen ging unter den gewaltigen, von Frankreich her erfolgenden
Stössen auch das morsche alte heilige römische Reich deutscher Nation unauf-
haltsamem Untergange entgegen. Einem einzelnen Gliede dieses immer lebens-
unfähiger werdenden Organismus, den 51 Reichsstädten in diesen letzten Tagen des
Bestehens des alten Reiches, ist eine Untersuchung von Guglia113) gewidmet,
welche Beiträge zur Geschichte der inneren politischen Bewegungen in denselben
aus der zeitgenössischen Litteratur und den Akten des ehemaligen Reichshofrats in
Wien giebt. G. unterscheidet, darin im wesentlichen Maurer folgend: 1. Städte mit
ib. N. 317/9. — 107) C. Tanera, Deutschlands Kriege v. Pehrbellin bis Königgrätz. E. vaterl. Bibl. für d. dtsch. Volk u.
Heer. 4. u. 5. Bd. Manchen, C. H. Beck. VII, 245 S.; X, 244 S. ä M. 2,00. — 108) K. G. Bockenheimer, D. Wieder-
eroberg. v. Mainz durch d. Dtsch. im Sommer 1793. Mainz, V. v. Zabern. 1893. III, 124 S. M. 2,00. (Vgl. JBL. 1893 IV 8b : 25.)
— 109) Pirmasens u. Kaiserslautern. E. Erinnerg. an d. J. 1793. Mit e. Uebersichtskarte, 3 Plänen u. 2 Skizzen. (= Kriegsgesch.
Einzelschriften, her. v. Gr. Generalstabe. N. 16, 3. Bd., III n. S. 275-397.) B., Mittler. 1893. 123 S. M. 3,00. — HO) J. K.
D. Schlacht bei Kaiserslautern am 28., 29. u. 30. Nov. 1793 nebst Schlachtplan aus d. Schlachtenatlas v. v. Rotenburg, sowie
Bericht über d. Gefechte bei Kaiserslautern am 23. Mai u. 18.-20. Sept. 1794. Kaiserslautern (E. Crusins). 59 S Mit 1 Karte
u. 4 Abbild. M. 1,20. — 110 a) X C. v. B. -K. , Z. Psychologie d. grossen Krieges. I. Arcole. Stud. aus d. Lehrjahren e. grossen
Generals. Wien, Braumüller 1893. 59 S. Mit 1 Skizze. M. 1,50. —111) R Günther, Gesch. d. Feldzuges v. 1800 in Oberdeutschi.,
d. Schweiz u. Oberitalien. V. d. Schweiz. Offiziersges. gekrönte Preisschrift. Frauenfeld, Huber. 1893. 211 S. M. 3,60. —
112) X id-> D- Uebergang d. Corps Lecourbe über d. Rhein bei Stein am 1. Mai 1800. E.Studie aus d. Gesch. d. 2. Koalitions-
krieges. (= Samml. militärwissensch. Vortrr. u. Aufs. In zwang! Heften. N. 4.) Düsseldorf u. Mainz, Militär- Verl. 14 S.
M. 0,60. — U3) E. Guglia, Z. Ge6ch. einiger Reichsstädte in d. letzten Zeiten d. Reiches. Progr. Wien. 1893. 62 S. —
G.Winter, Allgemeines des 18./ 19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb :.m-H6
vorwiegend aristokratischem Regiment (Frankfurt, Ulm, Nürnberg, Augsburg, Ess-
lingen und einige kleinere schwäbische), 2. Städte mit vorherrschend demokratischem
Regiment (Aachen, Köln, Speier, Worms, Goslar, Nordhausen, Schweinfurt, Reutlingen)
und 3. Städte mit bürgerlichem, aber nicht zünftigem Regiment (Bremen, Hamburg,
Dortmund, Regensburg, Mühlhausen). In der ersten Kategorie herrschen in den
Zeiten des untergehenden Reiches fortwährende Streitigkeiten zwischen dem Magi-
strate und den bürgerlichen Ausschüssen, die dann zu wiederholten Reichshofrats-
Konklusen führen. Der Vf. bespricht dabei auch einige Flugschriften, welche in be-
sonnener und verständiger Weise, nicht nach der revolutionären französischen Art,
Verfassungsreformen, z. B. in Nürnberg, verlangen. Dagegen kam es in Ulm bei den
Streitigkeiten zwischen Rat und Bürgerschaft zu ziemlich tumultuarischen Scenen.
Bei einigen der Städte der genannten Kategorie bestand nach G. die Zunftherrschaft
nur noch dem Namen nach. In Worms befanden sich fast lauter Verwandte in den
Stadträten. Im allgemeinen aber erschienen die Fundamente, auf denen sich die
Gesellschaft des alten Reiches erhob, in den Reichsstädten noch ziemlich un erschüttert.
Und doch brach das ganze Gebäude dann unter den gewaltigen Angriffen der neuen
Gesellschaft in Frankreich und ihres Organisators jählings zusammen. Viele der
Besten im Volke sahen aber damals noch immer nicht die dem Bestände des Vater-
landes von Napoleon drohende Gefahr, sondern blickten, scheinbar jedem Nationalitäts-
gefühl entsagend, eine Zeitlang gleich dem alternden Goethe in staunender
Bewunderung zu dem korsischen Eroberer auf und meinten in ihm den Weltheros
und Weltbefreier erblicken zu sollen. — Bekanntlich hat zu denen, die so dachten
und empfanden, auch der grosse Philosoph Hegel gehört. Wie Goethe seinem Volke
in dem Augenblick, da es sich aufraffte die Fesseln des fremden Eroberers abzuwerfen,
das harte Wort zurief: „Rüttelt nur an euren Ketten, der Mann ist euch zu gross",
so Hess sich auch Hegel von der scheinbar übermenschlichen Grösse Napoleons
blenden und zeitweise zu kritikloser Bewunderung hinreissen. Für die Entstehung
der politischen Gesinnung und Betrachtungsweise, aus welcher dem Philosophen diese
Anschauung erwachsen ist, bietet eine bisher unbekannt gebliebene, jetzt durch
Mollat114) herausgegebene Denkschrift, welche im J. 1802 entstanden ist, die Mög-
lichkeit einer psychologischen Erklärung. Man ersieht aus ihr, wie sich Hegel
gleich vielen anderen tiefer denkenden Zeitgenossen den Kopf zermarterte, um einen
Weg zu finden, auf welchem die monströse Gestalt des damaligen deutschen Reiches
zu einem wirklichen Staate umgeschaffen werden könne. Dass es dieser Verfassung
nahezu an allen Grundlagen fehlte, die sie zu einer lebensfähigen hätten machen
können, wie ihr vor allen Dingen alle staatsrechtlichen Voraussetzungen und
Bedingungen einer solchen fehlten, das hat niemand klarer erkannt und schärfer
formuliert als Hegel. Die Kritik dieser Verfassung vom politischen wie historischen
Standpunkte aus ist völlig zutreffend und schneidend klar, aber einen Ausweg aus
diesem Chaos heraus hat er ebenso wenig zu finden vermocht wie andere Politiker
der Zeit, Stein nicht ausgenommen. Die Theorie des Bundesstaates, deren Verwirk-
lichung uns das neue Reich gebracht hat, war eben damals noch nicht bekannt.
Die Hegeische Denkschrift, deren Herausgabe freilich keineswegs einwandfrei ist,
ist daher nicht allein für die Charakteristik des Philosophen, sondern auch für
die der herrschenden politischen Grundanschauungen jener Zeit sehr wertvoll. —
In die Zeiten dieses Höhepunktes der napoleo nis che n Epoche, vor allem der
Kriege gegen ihn führen uns nun eine Reihe von Untersuchungen ein, welche sich
speciell mit dem Zusammenbruche des für unbesiegbar gehaltenen Staates Friedrichs
des Grossen beschäftigen. Ueber den Feldzug von 1806—7, der diesen Zu-
sammenbruch herbeiführte, besitzen wir jetzt ein sehr umfassendes Werk von
Lettow-Vorbeckm), dessen 3. Band in der Berichtsperiode erschienen ist. Er be-
handelt speciell den Feldzug in Polen und unternimmt dabei eine militärische Recht-
fertigung Napoleons gegenüber der ungünstigen Beurteilung, die ihm vielfach wegen
seines polnischen Feldzuges zu teil geworden ist. — Die in den früheren Bänden des
Werkes gewonnenen Ergebnisse über den Feldzug bis zu der furchtbaren preussi-
schen Niederlage von Jena und Auerstädt haben jetzt in manchen Einzelheiten wichtige
kritische Ergänzungen, in der Hauptsache aber volle Bestätigung gefunden durch
die eingehenden Untersuchungen von Treuenfelds ,16). Bemerkenswert ist an dessen
Werke vor allem, dass es die Hauptschuld an der preussischen Niederlage nicht den
inneren Gebrechen der preussischen Heeresorganisation zuschreibt, sondern der. bei-
spiellos schlechten Führung, namentlich Braunschweigs und Hohenlohes, daneben
114) G. W. Fr. Hegel, Kritik d. Verfassung Deutschlands, her. v. G. Mollat. Cassel, Fischer. 1893. 143 S. M. 4,00. (Vgl.
JBL. 1893 IV 5:131.) — 115) 0. v. Lettow- Vorbeck, D. Krieg v. 1800-7. III. D. Feldzug in Polen. B., Mittler. XV,
209 S Mit 1 Karte. M. 5,50. |[LCB1. S. 670; FBPG. 7, S. 283/4.]| (Vgl. JBL. 1892 IV 1 b : 8.) — 116) B. v. Treuenfeld ,
Auerstädt u. Jena. 2 Bde. Hannover, Helwing. IX, 452 S.; IV, 202 S. M. 20,00. |[LCB1. S. 310/1; KonsMschr. S. 777;
(4)5*
IV 1 b : H7-1S2 G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
auch dem Könige.117) — Dem ritterlichen preussischen Prinzen Louis Ferdinand, welcher
in der Schlacht bei Jena den Heldentod starb, ist eine kleine, aber recht gute Lebens-
skizze von Hymmens118) und eine epische Dichtung von Bunge119) gewidmet
worden. — Ueber das traurige Ergebnis dieses Feldzuges, den Tilsiter Frieden, hat
Lenz120) eine sehr sorgfältige Untersuchung veröffentlicht, welche, ohne neues
Quellenmaterial heranzuziehen, durch ausserordentlich geschickte, mit eindringender
Kritik gehandhabte Verwertung der bisher bekannten Darstellungen zu sehr beachtens-
werten Ergebnissen gelangt. Sehr oft in schroffen Gegensatz namentlich zu Albert
Vaudal, gegen den er energisch polemisiert, kommt L. in der Hauptsache zu der
Auffassung, dass Kaiser Alexander von Russland sich zur Aufgabe Preussens ent-
schloss, weil er sonst den Abfall seines Heeres fürchten musste und von seiner Um-
gebung gedrängt wurde. Entgegen der in Bennigsens Memoiren vertretenen Ansicht
habe auf russischer Seite entschieden Friedensliebe geherrscht. Sehr bemerkens-
wert ist ausserdem der von L. versuchte Nachweis, dass Russland im J. 1805 die
Absicht gehabt habe, Preussen zu überrumpeln und seiner östlichen Provinzen zu
berauben.121"122) — Mit der Niederwerfung Preussens schien das Endziel Napoleons
in Bezug auf Deutschland, die Abhängigkeit des grössten Teiles dieses Landes von
Frankreich, in der Hauptsache entgültig erreicht zu sein. Da raffte sich im J. 1809
Oesterreich noch einmal zu einem heldenmütigen, von der Begeisterung weiter
Volksschichten getragenen Widerstände auf, um die drückenden Fesseln des fremden
Eroberers abzuwerfen. Für die Geschichte dieses leider erfolglosen Versuches wie
überhaupt für die Kriegsgeschichte Oesterreichs in jener ganzen Epoche ist uns jetzt
eine hervorragend wichtige Quelle durch die Veröffentlichung des litterarischen Nach-
lasses des bedeutendsten österreichischen Heerführers in allen diesen Feldzügen, des
Erzherzogs Karl, zugänglich gemacht worden123). Viele der in dieser Publikation
enthaltenen strategischen, taktischen, historischen Schriften, Denkschriften usw.
waren auch schon bisher gedruckt, einegrosseMenge ist neu hinzugekommen und hat das
historische Bild des Vf. dieser äusserst zahlreichen litterarischen Arbeiten um eine
Fülle neuer Züge bereichert. Neben den für die Kriegsgeschichte, namentlich die
des Feldzuges von 1796, wichtigen Ergebnissen, die sich daraus gewinnen lassen,
ist die Publikation natürlich auch für die Lebensgeschichte und die Kenntnis der
Persönlichkeit des Erzherzogs von unschätzbarem Werte. U. a. enthält der
6. Band auch eine Autobiographie aus dem J. 1814. — Zum Gegenstande besonderer
Behandlung ist von dem Feldzuge von 1809 eigentlich nur der tragische Helden-
kampf der Tiroler unter Andreas Hofer gemacht worden. Doch sind die meisten
darüber veröffentlichten Darstellungen rein populären Charakters und wissenschaft-
lich ohne erheblichen Wert124-130). Dagegen ist nicht ohne Interesse eine Abhand-
lung Prybilas131), welche auf Grund eingehender, auf den von Schellhammer und
Feiner publizierten Aktenstücken beruhender Studien auf die Volkserhebung aufmerk-
sam macht, welche gleichzeitig mit der bisher fast allein behandelten Tiroler Be-
wegung in dem damals erst seit kurzer Zeit zu Oesterreich gehörenden Salzburger
Gebirgslande losbrach und mit jener in nahem Zusammenhange stand. — Nicht minder
wertvoll ist eine Untersuchung Exners132), welche eine auf neuem archivalischen
Material beruhende Darstellung der Teilnahme Sachsens an dem österreichisch-französi-
schen Kriege von 1809 entwirft. Namentlich wird hier eingehend der Marsch
der sächsischen Truppen nach Niederösterreich und die Schlacht bei W7agram behandelt.
Ausserdem enthält die Abhandlung auch interessante Nachrichten über das Unter-
nehmen des Herzogs von Braunschweig. —
Die österreichische Erhebung vermochte die Entfaltung der Uebermacht
FBPG. 7, S. 282.]| — 117) X Zeitgenöss. Briefe aus Weimar über d. Schlacht hei Jena u. Auerstädt: JenaischeZg. 1892, N. 41/2.
— 118) v. Hymmen, Prinz Louis Ferdinand v. Preussen. Hist.-hiogr. Skizze Mit 1 Bildn. u. 1 Gefechtsplan. B., Eisen-
schmidt. 58 S. M. 1,00. — 119) B. Bunge, Prinz Louis Ferdinand. E. Heldenleben. Hist. Dichtung. B., Siegismund. VIII,
265 S. M. 3,60. — 120) M. Lenz, Tilsit: FBPG. 6, S. 181-237. — 121) X J- Plew, D. Bartensteiner Vertrag zwischen Preussen
u. Kussland v. 26 Apr. 1807. Progr. Bartenstein. 4°. 36 S. |[MHL 23, S. 24.] | (Eingeh. u. zusammenfass. Würdig, d. in
dtsch. Uebersetz. mit abgedr. Vertr. auf Grund d. in neuerer Zeit veröifentl. Materials, namentl. d. Denkwürdigkeiten Harden-
bergs.) — 122) X Ch. Levin, La Prusse apres Jena. Mit Anmerkungen u. Wörterverzeichnis her. v. A. Mühlen. (= Bibl.
franc. ä l'usuge des ecoles. N. 26.) B., Friedberg & Mode. IV, 52 S. M. 1,00. — 123) Karl, weil. Erzherzog v. Oesterr.,
Ausgew. Schriften, her. im Auftr. seiner Söhne, d. Herren Erzherz. Albrecht u. Wilhelm. Mit Karten u. Plänen. 2.-6. Bd. Wien,
Braumüller. VII, 415 S.; VI, 432 S.; VI, 656 S.; VI, 666 S.; VI, 632 S. M. 7,00; 7,50; 12,00; 13,00; 13,00. |[LCB1. S. 206;
WienZg. 1893, N. 1; Presse 1893, N. 123, 266.J] (.Vgl. JBL. 1893 IV 5: 138/9.) — 124) X A. Ohorn, Andr. Hofer. (= SGV.
N. 182.) Prag, Haase. 1893. 15 S. M. 0,20. — 125) X J- Maurer, Tiroler Helden. Münster i. W., Russell, 117 S. Mit
Abbild. M. 2,40. (Rein popul. ; zwar mit Benutz, d. Erlasse u. Korrespond. Hofers, aber im übrigen wenig krit. u. zu leicht-
gläubig gegenüber d. d. Ereignisse ausschmückenden Tradition.) — 126) X J- F. Baur, Andr. Hofer oder d. Befreiungskampf
Tirols am 13. Aug. 1809 am Berg Isel in 30 Gesängen. Innsbruck, Wagner. VII, 142 S. M. 1,20. — 127) X A. Funck, D.
Tiroler Krieg im J. 1809. Rede. Kiel, Eckardt. 22 S. M. 0,50. (E. begeisterte, schwungvolle u. v. echt nationaler Gesinnung
getragene Rede, aber wissensch. ohne Bedeut.) —128) X J°a- Harnberger, D. franz. Invasion in Kärnten im J. 1809. (Nach d.
Invasionsakten.) C. D. Lage Kärntens während d. Anwesenheit d. Feinde. 2. T. Progr. Klagenfurt, F. v. Kleinmayr. 47 S.
M. 1,00. — 129) X'-Kenxiacb, D. Berg Isel bei Innsbruck. D. hist.-denk würdige Schiessstätte d. Kaiser-Jäger. Wien,
Braumüllor. 15 S. M. 0,40. (Aus SÖMZ.) — 130) X K. Th. Heigel, Jos. Speckbacher: ADB. 35, S. 78/9. - 131) P. Pry-
bila, Anteil Salzburgs an d. Volkserhebung im J. 1809. Progr. Salzburg (H. Kerber). 50 S. M. 1,00. — 132) M. Exner,
G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb : 133-uo
Napoleons und der Fremdherrschaft in Deutschland nicht aufzuhalten, welche
sich vielmehr jetzt in vollem Umfange fühlbar machte, die einen Teile ganz
dem französischen Kaiserreiche oder den von ihm abhängigen Schöpfungen
angliedernd, die anderen durch brutale Ausnutzung des Sieges aufs äusserste aus-
saugend. In welchem Masse dieses System von Napoleon gehandhabt wurde, dafür
sind eine sehr bezeichnende und charakteristische Quelle die berüchtigten napoleoni-
schen Bulletins, aus denen neuerdings Auszüge neu veröffentlicht worden sind, deren
Herausgeber Wille133) ihre Verlogenheit, die darin enthaltenen Uebertreibungen
und Lobhudeleien treffend kritisiert und charakterisiert. — Auf Grund lokaler Einzel-
forschungen will eine andere, aus politischen Beweggründen (zur Empfehlung der
Militärvorlage) erwachsene Broschüre von Jansen134) den Nachlebenden zum Be-
wusstsein bringen, welche Bedrückungen ihre Vorfahren in der napoleonischen Zeit
von den Franzosen erlitten haben. Für seine historischen Darlegungen hat der Vf.
in Bezug speciell auf Lübeck auch hs. Quellen benutzt, z. B. die Aufzeichnungen
des Senators Peter Wilken in einem Auszuge von E. Deecke. Ausserdem werden
namentlich Erfurt und Stralsund berücksichtiget. — Mit ganz besonderer Härte ver-
fuhr der Imperator dann bekanntlich gegenüber dem niedergeworfenen und verhassten
preussischen Staate. — Als Beispiel hierfür sind die der Stadt Königsberg aus der
Kriegskontribution von 1807 erwachsenen Leiden von Czygan ,35~136) in zwei unter-
richtenden, auf authentischem Aktenmaterial beruhenden Untersuchungen behandelt
worden. Die eine davon beruht auf den im Besitz eines Königsberger Kaufmannes
befindlichen gedruckten Bekanntmachungen des Königsberger Magistrats aus der
Zeit der französischen Okkupation, welche sich auf die Beitreibung der französischen
Kriegskontribution an Geld und Naturalien beziehen, und auf den entsprechenden Akten
des Königsberger städtischen Archivs. Der Uebermut des Siegers nach dem Einzüge
in Königsberg (16. Juni 1807), die Not und Bedrückung der Stadt erhalten durch
diese rein geschäftlichen Papiere eine lebendige, ins Einzelne gehende Illustration.
In der zweiten Abhandlung tritt C. auf Grund der Akten der Annahme entgegen,
als hätte es die Stadt Königsberg durch irgend welche Kunstgriffe verstanden, einen
Teil der Last auf die Provinz abzuwälzen. — Einen interessanten Beitrag aus der
Zeit der französischen Okkupation in Preussen bringt Geiger137), indem er aus den
in den J. 1809 usw. von dem Polizeipräsidenten Justus Grüner an den Minister des
Inneren Grafen von Dohna gerichteten Polizeiberichten, die neben kurzen Notizen auch
ausführliche Stimmungsberichte und alle möglichen Nachrichten enthalten, diejenigen
Stellen beibringt, welche zur Feststellung biographischer Daten von Wert sind.
Ausserdem teilt er Interessantes aus den Berichten über das Theater, wo es zu-
weilen auch zu politischen Demonstrationen, Hochs auf den König kam, mit, so dass
diese Auszüge historisch wie litterarhistorisch gleich interessant sind.138-139) —
Eine Reihe hervorragender und unsere historische Kenntnis erheblich vermeh-
render Veröffentlichungen und Darstellungen sind dem Königreiche Westfalen,
welches Napoleon aus den Ländern mehrerer von ihm abgesetzter deutscher Fürsten
bildete und seinem Bruder Jeröme übergab, gewidmet worden. Zunächst hat die
Ausgabe der Briefe der Königin Catharine, Gemahlin Jerömes, welche 1887 von
Schlossberger veranstaltet worden ist, sich aber als sehr wenig vollständig erwiesen
hat, durch Du Casse140) eine beträchtliche Ergänzung und Vermehrung aus Pariser
Archivalien erhalten, der als Einleitung eine kurze Biographie der Königin voraus-
geschickt ist. Die Publikation selbst umfasst ein Fragment der Memoiren der Königin
und eine grosse Anzahl von Briefen, namentlich an eine ihrer Tanten, die Prin-
zessin Emmy, Gemahlin Ludwigs von Württemberg, ferner an die Kaiserin Marie
Louise, an ihren Gemahl Jeröme u. a. aus den J. 1807—31. Damit liegen jetzt Kor-
respondenz und Tagebuch der Königin, wenn auch in mehreren verschiedenen
Publikationen verstreut, vollständig vor. — Zugleich ist aufs Neue der Versuch
gemacht worden, eine Gesamtdarstellung der Geschichte des Königreichs West-
falen zu schreiben. Ueber den bisherigen Versuchen dieser Art hatte ein eigener
Unstern gewaltet; sie sind alle unvollendet geblieben. Am lebhaftesten zu bedauern
ist das in Bezug auf das Goeckesche Werk, dessen Abschluss durch den Tod des Vf.
D. Anteilnahme d legi, sächs. Armee am Feldzuge gegen Oesterr. u. d. krieg. Ereignisse in Sachsen im J. 1809. Nach amtl.
Unterlagen bearb. Dresden, W. Baensch. V, 135 S Mit 6 Taf. M. 4,50. |[LCB1. S. 951; AMZg. 75, S. 289: NASächsG. 10,
S. 160.]; — 133) ß. Wille, Napol. Bulletins. E. Stud. für Vaterlandsfreunde. Braunschweig, Gebr. Harring. TOS. M. 1,20.
— 134j K. Jansen, Heilsame Erinnerungen aus d. Franzosenzeit. Kiel, Eclcardt. 82 S. M. 1,50. — 135) P. Czygan, D.
Publikanda d. Magistrats zu Königsberg, d. Kriegs-Kontribution im J. 1807 betr., nebst ihrer Entstehungsgesch. nach d. Akten
d. städt. Arch. Progr. Königsberg i. P. 1893. 4°. 31 S. — 136) id., Z. Gesch. d. franz. Kriegskontrib. d. Stadt Königsberg,,
ihrer später erfolgten Ermässig. u. ihrer Uebertrag. auf d. ganze Prov. Nach d Akten d. Stadtarch. dargest. Progr. ebda.
4°. 19 S. — 137) L. Geiger, Litterarisches aus Berliner Polizeiberichten: VossZg". 1893, N. 27. — 138) X J- ▼■ Pflugk-
Harttung, Unter franz. Joche: ib. N. 312. (Behand. d. Schicksale Hamburgs in d. Franzosenzeit, namentl. d. vorüber-
gehende Besetzung durch Tettenborn u. d. Leidenszeit unter Davout, v. d. auch Pf.-H. sagt, dass er weniger grausam gewesen
sei, als es d. Befehle Napoleons verlangten.) — 139) X id-> E. Fremdherrschaft: WIDM. 76, S. 405-14. — 140) A. le baron
Du Casse, Corresp. ined. de la reine Catherine de Westfalie, nee princesse de Wurtemberg (JBL. 1893, IV lc: 8.)
IV lb: 141-143 G. Winter, Allgem eines des 18./ 19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
verhindert wurde, so dass es nur fragmentarisch aus seinem Nachlasse herausgegeben
werden konnte. Auch in dieser Form aber war es ein sehr tüchtiges Zeugnis für
die umfassenden und eindringenden Studien, welche der verstorbene Vf. in den
Archiven für seine Arbeit unternommen hatte. Eine sichere Grundlage für weitere
Forschungen war damit gewonnen und sie ist auch von der neuesten Geschichte
Westfalens von Kl e ins ch m i d t 141) in umfassender Weise als solche verwertet
worden, in weit höherem Masse, als man nach der geringschätzigen Art, wo-
mit der Vf. von seinen Vorgängern spricht und sein Werk als die erste
wirkliche Geschichte des Königreichs bezeichnet, vermuten sollte. Thatsächlich ist.
K. nur in sehr wenigen Punkten über die Ergebnisse Goeckes hinausgekommen
und ist in der Gesamtauffassung fast durchweg von diesem seinem Vorgänger sehr
stark abhängig. Im übrigen ist aber im einzelnen mancher Fortschritt unverkenn-
bar, und es soll keineswegs in Abrede gestellt werden, dass dem Buche eingehende
Studien in den verschiedenen Staatsarchiven, ferner in Briefen und Aufzeichnungen aus
Privatbesitz zu Grunde liegen, die zu dem von Goecke gewonnenen Bilde viele
neue und interessante Züge hinzugefügt haben. Namentlich sind die diplomatischen
Verhandlungen, die Beziehungen Jerömes zu seinem Bruder hier, unzweifelhaft
ausführlicher, zuweilen freilich wenig geordnet und in ermüdender Breite dargestellt,
während in Bezug auf das Zuständliche Goeckes Buch entschieden den Vorzug ver-
dient. — Speciell den Schicksalen und Leiden des Kurfürstentums Hannover in der
Zeit der französischen bezw. westfälischen Herrschaft sind fast gleichzeitig zwei
ganz grosse und grundlegende Werke gewidmet worden, welche sich in
Bezug auf die von ihnen behandelte Periode eng an einander anschliessen und sich
inhaltlich vortrefflich gegenseitig ergänzen. Das eine bietet gleichsam die Vor-
geschichte zu dem anderen. W. von Hassell142) hat die letzten 10 Jahre vor der
Okkupation Hannovers durch Frankreich (1795 — 1806), Thimme143) die Zeit der
französischen Okkupation selbst und die der französisch-westfälischen Herrschaft
in Hannover zum Gegenstande seiner Studien gemacht. Beide Arbeiten beruhen
auf eindringenden Forschungen in den Staatsakten, zu denen H, der einer angesehenen
hannoverschen Familie entstammt, noch viele Akten aus Privatbesitz, die Th. nicht
zugänglich waren, hinzufügen konnte. Beide Arbeiten behandeln mit gleicher Aus-
führlichkeit die inneren Zustände der Regierung und Verwaltung wie die diplo-
matischen Verhandlungen und enthalten eine grosse Fülle neuer und wertvoller Auf-
schlüsse über bisher unbekannte Vorgänge dieser wechselreichen Periode. In H.s
Buch ist besonders bemerkenswert die eingehende und erschöpfende Darstellung
der Ereignisse, welche zur Konvention von Sulingen und zur Kapitulation von
Artlenburg führten. Im übrigen giebt er trotz seiner unzweifelhaft hannoverschen Ge-
sinnung rückhaltlos zu, dass er keinerlei Beweise für die zum Ueberdruss wieder-
holte Behauptung gefunden habe, dass Preussen seit 150 Jahren stets auf der Lauer
gelegen habe, um den kleinen Nachbarstaat (Hannover) zu verschlingen. Von Th.s
Werk liegt zunächst nur der erste Band vor, welcher ausser einer sehr unter-
richtenden Einleitung über die inneren Zustände der hannoverschen Lande zu Be-
ginn des 19. Jh., die sich mit H.s Darstellung vielfach berührt, die Geschichte der
ersten französischen Okkupation von 1803 — 5, der preussischen Besitznahme im J. 1806
und der zweiten französischen Okkupation von 1806 — 10 enthält, während der zweite Band
die Zeit des Königreichs Westfalen und die Geschichte der mit Frankreich ver-
einigten Lande umfassen soll. Den Hauptgegenstand der Darstellung bilden die
inneren Zustände. In der ausführlichen Darstellung der Verwaltungsorganisation
in den drei verschiedenen Perioden nehmen natürlich die Verhandlungen der Be-
hörden unter einander über die Ausführung der französischen finanziellen Anforde-
rungen einen breiten Raum ein. Daneben wird auch die Volksstimmung eingehend
geschildert und ein anschauliches Bild von der Mitteilung des Volkswohlstandes und
seiner Gefährdung durch die wiederholten Okkupationen auf authentischer Akten-
grundlage gegeben. In der Schilderung der Zustände der althannöverschen Zeit
kommt Th. vielfach zu erheblich unerfreulicheren und ungünstigeren Ergebnissen
als H. und seine hannoverschen Vorgänger, welche den privilegierten Klassen an-
gehörten. Die Arbeit ist jedenfalls trotz aller Bedenken, die man hie und da im
einzelnen gegen die Ergebnisse des Vf. erheben mag, eine der hervorragendsten
Bereicherungen, welche unsere Kunde jener Zeit in den letzten Jahren erfahren hat. —
■]G. Monod: EH. 54, S. 114/5; LCB1. S. 1847.] | — 141) A. Kl ein Schmidt, Gesch. d. Königreichs Westfalen. (= Gesch. d.
Europ. Staaten. Bd. 54, T. 1.) Gotha, Perthes. 678 S. M. 12,00. |[LCB1. 1893, S. 974; Nation». 10, S. 506; MHL. 22, S. 227-34;
Th.Ilgen: HZ. 72, S. 108-15 (sehr absprechend J; KBGV. 42, S. 111 2.]| - 142) W. v. Hassell, D. Kurfürstentum Hannover v.
Baseler Frieden bis z. preuss. Okkupation im J. 1806. Nach archival. u. hs. Quellen. Mit 4 Portrr. Hannover, Carl Meyer.
XXIV, 455 S. M. 7,50. — 143) Fr. Thimme, I). inneren Zustände d. Kurfürstentums Hannover unter d. franz.-westfäl. Herr-
schaft 1806-13. Hannover, Hahn. 448 S. M. 8,00. |[P. Goldschmidt: FBPG. 7, S. 284/5; Th. Ilgen: HZ. 73, S. 342/3.] |
(E. T. d. Buches ist unter d. Titel: „D. Okkupation d. Kurfürstentums Hannover durch d. Preussen im J. 1806" als Göttinger
G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb : 144-149
Inmitten aller dieser traurigen Vorgänge und Leiden, welche unserem Vater-
lande durch die Fremdherrschaft auferlegt wurden, reifte in Preussen jene Er-
neuerung der sittlichen Kräfte des Staates heran, die Napoleon stets souverän verachtete,
und an denen er dann doch zu Grunde gehen sollte. Eine eigentlich wissenschaftlich
erhebliche Bereicherung unserer Kenntnis dieser grossartigen inneren Reformarbeit
auf geistigem wie politischem und militärischem Gebiete hat die Berichtsperiode nicht
aufzuweisen, dagegen sind doch einige beachtenswerte und anregende neue Er-
örterungen über sie erschienen. Vor allem verdient hier ein auf eigene Quellen-
studien zwar verzichtendes, rein populäres, aber von einer zwar einseitigen, aber
durchaus einheitlichen wissenschaftlichen und Weltanschauung getragenes Werk von
Baur144) Erwähnung, welches eine Reihe lebensvoll und durchdacht geschriebener
Lebensbilder der hervorragendsten geistigen Führer dieser Periode, Fichtes, Arndts,
Schleiermachers, des Freiherrn vom Stein, wie auch ihrer Feldherren und auch des
preussischen Königspaares darbietet. Eingeleitet wird das ansprechende WTerk durch
zwei allgemeine Kapitel über die religiöse Zerfahrenheit und nationale Zerrissenheit,
die den nationalen Niedergang hervorgerufen habe. Der entscheidende Gesichtspunkt
des tief religiösen und positiv gläubigen Vf. ist der, dass weniger die nationale als
die religiöse Erweckung des Volkes die Vorbedingung für die Befreiungskriege ge-
wesen sei, wobei er aber trotz seines eigenen theologischen Standpunktes die reli-
giöse Erweckung in einem so weiten und duldsamen Sinne fasst, dass er selbst
Fichte zu den religiösen Erweckern des Volkes und nicht in erster Linie zu den
nationalen zählt. Freilich geht er dabei in der Deutung des Denkens und Wirkens
des Philosophen ohne Zweifel etwas weit. Wissenschaftlich Neues bietet das Werk,
wie schon angedeutet, nicht, aber litterarisch ist es ein schönes Denkmal tief reli-
giöser und echt nationaler Gesinnung, ohne engherzigen Fanatismus und von weit-
gehender Duldung gegen Andersgläubige, sofern sie nur ernst sittliche Menschen
sind, und insofern eine anziehende und auch mannigfach belehrende, freilich nicht
ohne Kritik zu benutzende Lektüre. — Eine geistvolle Skizze Cartellieris 145)
schildert die geistige Wiedergeburt Deutschlands durch Fichte, die neugegründete
Berliner Universität, Arndt usw. — Einen eingehenden und anregenden, auf ge-
nauester Kenntnis der historischen Zustände beruhenden Vergleich der preussischen
Reformgesetzgebung mit den politisch-socialen Errungenschaften der französischen
Revolution hat Koser146) gegeben. Im wesentlichen handelt es sich ihm dabei um
eine Widerlegung der französischen Auffassung, welche in Cavaignacs Buche „La
formation de la Prusse contemporaine" ihren Ausdruck gefunden hat. In vollem
Gegensatz zu Cavaignac weist K. nach, dass der Freiher vom Stein eben eine Nach-
ahmung der Einrichtungen der französischen Revolution auf der Grundlage abstrakter
Vernunftprinzipien gar nicht wollte, sondern dass seine Grösse in seiner mäch-
tigen Reformarbeit auf dem Boden der gegebenen, historisch erwachsenen Zustände
beruht, weshalb er den grössten Nachdruck gerade auf die Erhaltung bezw. Be-
gründung einer decentralisierten Selbstverwaltung legte, in klarem Gegensatze zu
der schroff centralisierenden Tendenz der revolutionären Organisation in Frankreich.
— Diesem grossen Reformator der preussischen Regierung und Verwaltung sind in
der Berichtsperiode zwei neue zusammenfassende biographische Darstellungen auf
Grund des gesamten bisher gedruckt vorbiegenden Materials von Neubauer147)
und von Alfred Stern148) gewidmet worden, von denen namentlich die letztere das
Muster einer in knappem Rahmen gehaltenen und doch alles Wesentliche mit vollster
und genauester Kenntnis und Beherrschung des reichen Materials erschöpfenden
Biographie ist. Doch hat auch N. das bis jetzt bekannte Material in anerkennens-
werter und zufriedenstellender Weise verwertet, nur hat er die Einwendungen, welche
neuerdings namentlich gegen die nationalen Reformideen Steins erhoben worden
sind, wenig oder gar nicht berücksichtigt. Der Hauptnachdruck wird auch von N.
auf die politische Reformthätigkeit Steins in Preussen gelegt. — Auch dem grossen
Reformator des preussischen Heeres ist eine von warmer Verehrung und Begeiste-
rung getragene Darstellung Hoenigs149) gewidmet worden, die freilich nicht von
rein wissenschaftlichen, sondern von vorwiegend politischen Gesichtspunkten aus-
geht, in ihrer Begründung- aber rein historisch verfährt. Der Vf. will nämlich vor
allem an der Hand einer eingehenden Schilderung der Scharnhorstschen Reformidee
und ihrer Ausführung in Bezug auf die allgemeine Wehrpflicht die in socialdemo-
Diss. 1893 ersch. [57 S.].) — 144) W. Baur, Gesch.- u. Lebensbilder aus d. Erneuerung d. relig. Lebens in d. dtsch. Be-
freiungskriegen. 2 Bde. 5. Aufl. Hamburg, Rauhes Haus. XVI, 352 S.; HL. 388 S. M. 8,00. — 145) A. Cartellieri,
Deutschlands geistige Erhebung gegen Napoleon I.: GüterslohJb. 3, S. 193-208. — 146) B. Eoser, D. preuss. Reformgesetzgebg.
in ihrem Verhältnis z. franz. Revolution: HZ. 73, S. 193-210. — 147) Frdr. Neubauer, Frhr. v. Stein. Preisgekr. Arbeit.
(= Geisteshelden, her. v. A. Bettelheim. 12. Bd.) B., E. Hofmann & Co. VII, 204 S. M. 3,00. |[DLZ. S. 1365; AkBll. 9,
S. 298; Geg. 46, S. 1624; B. Gebhardt: FBPG. 8, S.29I/3.]| — 148) Alfr. Stern, H. F. K. Frhr. v. Stein : ADB. 35, S. 614-41.
— 149) F. Hoenig, D. Scharnhorstsche Heeresreform u. d. Socialdemokratie. B., Militär-Verl. (R. Felix). 67 S. M. 1,50. —
IV lb : 150-172 G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
kratischen Kreisen oft aufgestellte Behauptung widerlegen, als habe Scharnhorst eine
Miliz nach socialdemokratischem Muster angestrebt. — Ein immer wieder aufs neue
behandelter Gegenstand der populären historischen Litteratur ist in der Berichts-
periode das Leben der Königin Luise gewesen, der eine ganze Reihe wohlgemeinter
und zum Teil auch recht anregend und lebensvoll verfasster, aber wissenschaft-
lich bedeutungsloser Lebensbeschreibungen gewidmet worden sind150"154). — Am
meisten selbständige Bedeutung kommt unter ihnen noch der Kreyenbergschen155)
Arbeit zu, welche eine lesenswerte Skizze der Bedeutung der Königin für Pädagogik
und Ethik enthält und ihre Gedanken über eine Reformation der Schule an Haupt
und Gliedern durch Verstandesarbeit und sittliche Kräftigung zu lebendiger Dar-
stellung bringt.
Für die Zeit der Freiheitskriege selbst, als deren Vorläufer der ver-
wegene Zug des Herzogs Friedrich Wilhelm von Braunschweig angesehen werden
kann156-157), ist neben einer Anzahl kleinerer biographischer Beiträge158-160) vor
allem von hohem wissenschaftlichen Werte die Thatsache, dass von der in Form und
Inhalt als grundlegend allseitig anerkannten D e lb rüc k sehen 161) Biographie
Gneisenaus, welche zuerst 1882 erschien und die Ergebnisse des von Pertz be-
gonnenen, von D. vollendeten fünfbändigen Werkes erst zu einem wirklichen Bilde
gestaltete, eine neue Auflage erschienen ist, worin alle seit dem Erscheinen der
ersten Auflage veröffentlichten Beiträge zur Geschichte der Freiheitskriege sorgfältig
benutzt und verwertet sind, so dass der Verf. seine frühere Darstellung in manchen
Einzelheiten abändern musste, während er in anderen Punkten im Gegensatz zu
der späteren Forschung seine frühere Auffassung beibehält. Die sorgsame Ueber-
arbeitung hat dabei der Frische und lebendigen Wärme der Darstellung keinen Ein-
trag gethan. Jedenfalls aber ist diese Leberarbeitung um so dankenswerter, als das
ursprüngliche Pertz-D.sche Werk, so ungemein reich an neuen Aufschlüssen es war,
doch eigentlich nur eine schwerfällige und kaum lesbare Materialsammlung ge-
wesen.162-165) — Den anderen preussischen Helden der Befreiungskriege, Scharn-
horst166), Bülow von Dennewitz167) und Blücher168) sind nur kleinere populäre Dar-
stellungen gewidmet worden. — Dagegen haben die einzelnen Feldzüge der Be-
freiungskriege169) und namentlich der von 1813 eingehende und auf umfassenden
Forschungen beruhende Behandlung erfahren. Eingeleitet wurde die Teilnahme
Preussens an der 1812 von Russland erfolgreich begonnenen170) Bekämpfung Napo-
leons durch die von General York geschlossene Konvention von Tauroggen, über
deren politisch-militärische Entstehungsgeschichte Grobbel171) eine eingehende
Untersuchung veröffentlicht hat. Der Vf. ist, im Gegensatz zu Küntzel und in Ueber-
einstimmung mit M. Lehmann, der Ansicht, dass York den Vertrag nicht nur ohne,
sondern gegen den ausdrücklichen Befehl des Königs abgeschlossen hat. Er be-
urteilt im übrigen die militärische Lage für Preussen vor Abschluss der Konven-
tion als zu günstig. Die Schilderung der Sendung Seydlitz nach Berlin und der
Konvention selbst ist aber von Küntzel mit gut gehandhabter Kritik sehr lebhaft
angefochten worden.172) — Von hervorragender Bedeutung für den Herbstfeldzug
150) X C. v. d. Boeck, D. Königin Luise v. Preussen. E. Vorbild weibl. Tugenden. Hist. Erzähl, für d. Jugend. Mit
Farbendr.-Ill. nach Orig.-Zeichn. v. G. Anemüller. 8. Aufl. L., Drewitz Nachf. III, 218 S. M. 4,50. — 151) X P. Bellardi,
Königin Luise, ihr Leben u. ihr Andenken in Berlin. B., Plahn. 112 S. M. 1,70. (Rein popul. auf Grund d. im Vorw. citierten
Forschungen anderer, mit bes. Betonung d. Denkm., Stiftung., Schulen u. Einricht., welche d. Namen d. Königin tragen.) —
152) Ferd. Schmidt, Königin Luise. E. Lebensbild. Mit 3 Bildern in Farbendruck v. J. Scholtz. 3. Aufl. Glogau, Flemming.
146 S. M. 1,80. — 153) X H- Müller-Bohn, D. Weihnachtsfest im Leben d. Königin Luise: VossZgB. N. 52. — 154) X
B. Liebermann, Königin Luise v. Preussen. E. Charakter- u. Lebensbild in dramat. Darstellg. als christl. patriot. Volks-
festspiel. Judenbach, Selbstverl. VII, 71 S. M. 1,20. — 155) G. Kreyenberg, Luise, Königin v. Preussen, ihre ethische
u. päd. Bedeutung. E. Gedenkbl. z. 24. Dec. 1893. B., Oehraigke. 34 S. M. 0,60. — 156) X v- Kortzf leisch , D. Herzogs
Friedrich Wilhelm v. Braunschweig Zug durch Norddeutschland im J. 1809. Mit 1 Bild., 2 Gefechtsplänen, 1 Uebersichtskarte
u. 2 Textskizzen. (Aus Beiheft z. MWB1. N. 9-10.) B., Mittler, III, 76 S. M. 1,75. (E. lebhafte, fast zu sehr ins einzelne
gehende Schilderung d. bis z. Tollkühnheit verwegenen Zuges auf Grund einiger gleichzeitiger Aufzeichn. u. Veröffentlich.) —
157) X K. Janicke, Briefwechsel d. Herzogs Friedrich Wilhelm v. Braunschweig-Oels mit d. Grafen Münster in d. J. 1811 — 13:
MagdZg1'. N. 43 6. (D. Briefw. betrifft d. bestand. Streben d. in England sich aufhaltenden Herzogs, sich wieder an d. Kriege
gegen Napoleon zu beteiligen.) — 158) X Ad. Hofmeister, Johanna Stegen, d. Mädchen v. Lüneburg: ADB. 35, S 560/2.
(Gute Zusammenfass. d. bisherigen Litt, über d. patriot. Mädchen, welches sich in d. Kämpfen um Lüneburg aufopfernd be-
thätigte u. v. Rückert, Varnhagen u. Massmann in gut gemeinten Versen besungen wurde.) — 159) X B. Poten, Aug. v.
Thümen, General, 1757—1826: ib. 38, S. 167/9. — 160) X p- Goldschmidt, K. Frhr. v. Stein z. Altenstein, d. preuse.
Minister: ib. 35, S. 645-60. — 161) H. Delbrück, D. Leben d. Feldmarsch. Grafen Neidhardt v. Gneisenau. In 2 Bd. 2., nach
d. Ergebnissen d. neueren Forschungen umgearb. Aufl. B., H. Walther. X, 412 S. ; 371 S. M. 10,60. |fC. Bö ssler: Post.
N. 305.11 — 162) X Gneisenau: Bär 20, S. 52, 326, 337/8. — 163) X H- Delbrück, General Wolseley über Napoleon,
Wellington, Gneisenau: PrJbb. 78, S. 312-26. — 164) OX A- Pick, Graf N. v. Gneisenaus Briefe an Joh. B. Siegling, Prof.
d. Math, in Erfurt. Erfurt, Villaret. 88 S. Mit 2 Tab. u. 2 Bildn. M. 1,60. — 165) X w- Buchner, Gneisenau. E.Lebensbild.
2. Aufl. Lahr, Schauenburg. 1893. 12°. IU, 119 S. Mit Bild. u. 1 Karte. M. 0,75. - 166) X id-. Scharnhorst. E.Lebens-
bild. 2. Aufl. ebda. 111 S. M. 0,75. — 167) X E. Heinrich, General Bülow v. Dennewitz. E. Held d. dtsch. Befreiungs-
kriege. (Dtsch. Jugend- u. Volksbibl. N. 148.) St., Steinkopf. 12°. 155 S. M. 0,75. — 168) X L. P., D. Blücher-Denkmal
zu Caub: IllZg. 102, S. 637. — 169) X A- v- Boguslawski, D. Landwehr v. 1813-93. B., Mittler. 28 S. M. 0,60.
|[BLU. S. 174.]| — 170) X K- Bleibtreu, D. russ. Feldzug 1812. Studie. L., Friedrich. 143 S. Mit 2 Karten. M. 3,00.
— 171) T. Grobbel, D. Konvention v. Tauroggen. Diss. Marburg. 78 S. |[G. Küntzel: FBPG. 7, S. 285; 0. Roloff:
DLZ. S. 975/6.] | — 172) X Aus °- Tageb. e. Offiziers d. Yorkschen Corps: Didask. 1893, N. 75/7. (Tag für Tag eingetragene
Aufzeichnungen über d. Bewegungen d. Yorkschen Corps v. 27. März 1813 bis z. Abschluss d. Waffenstillstandes, also u. a.
G. Winter, Allgemeines des 18./ 19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb : 173-178
von 1813 sind zwei sehr umfassende kriegsgeschichtliche Arbeiten, welche denselben
Gegenstand, die Kriegsführung Bernadottes, behandeln, freilich aber zu einander dia-
metral entgegengesetzten Ergebnissen kommen. Während die eine dieser Dar-
stellungen, die Wiehrs173), im Anschluss an Swederus zu der Auffassung gelangt,
dass Bernadotte kein Vorwurf treffe, dass er vielmehr nach wohldurchdachtem Plane,
der den Verhältnissen durchaus angemessen war, handelte, dass ihm daher der
Ruhm der Schlacht bei Dennewitz gebühre, die Tradition aber, dass Bülow das
Hauptverdienst an dem Erfolge dieser Schlacht gebühre, auf diesen selbst zurück-
gehe und unbedingt verworfen werden müsse, vertritt von Quistorp174) in seinem
grossen, ebenfalls auf umfassenden Studien beruhenden Werke die entgegengesetzte,
im wesentlichen mit der Bülowschen Tradition übereinstimmende Anschauung. Und
dem letzteren haben sich fast alle Fach- und Sachkundigen angeschlossen. Der
Gegensatz der Anschauungen ist zum grossen Teil dadurch herbeigeführt worden,
dass merkwürdigerweise der historische Fachmann die politische Stellung des schwe-
dischen Kronprinzen grundsätzlich unberücksichtigt gelassen, der militärische Fach-
mann aber sie eingehend behandelt hat. Dadurch ist der erstere verhindert worden,
die letzten Beweg- und Erklärungsgründe der Bernadotteschen Strategie, welche
doch recht eigentlich den Schlüssel zu ihr geben, zu erkennen. Für sehr viele
strategische und taktische Einzelheiten bleibt aber auch W.s auf genauer Kenntnis
der Feldakten beruhende Darstellung von hohem Wert, so z. B. seine eingehende
Würdigung des grossartigen, umfassenden strategischen Planes, den Napoleon bei
dem Vorstosse Oudinots gegen Berlin verfolgte, den Davout von der anderen Seite
unterstützen sollte. Und so viel dürfte doch durch W. bewiesen sein, dass man das
Urteil über Bernadotte gegenüber den bisherigen Darstellungen doch etwas mildern muss.
— Auch der Strategie? Napoleons selbst in dem Feldzuge von 1813 ist eine kritische
Untersuchung Feldmanns175) zu teil geworden, die den grössten Feldherrn jener
Periode in etwas schulmeisterlichem Tone sehr ungünstig beurteilt. Zunächst wird
ihm in politischer Beziehung der Vorwurf gemacht, dass er den Frieden, welchen
er sehr leicht hätte haben können, nicht ergriff; strategisch und politisch zugleich
bezeichnet der Vf. den Abschluss des Waffenstillstandes als einen unverzeihlichen
Fehler. Ebenso tadelt er des Kaisers strategisch-taktisches Verhalten in der Zeit
zwischen den Kämpfen um Dresden und der Schlacht bei Leipzig, in welcher
Napoleon in der That durch den um ihn sich schliessenden Ring der verbündeten Heere
in immer grössere Enge getrieben wurde. In der Schlacht bei Leipzig selbst habe
er nach des Vf. Meinung einen Missgriff über den anderen gemacht. Bei der Be-
weisführung für diese etwas kühnen Behauptungen geht der Vf. selbst aber wissen-
schaftlich recht unmethodisch vor, indem er nur sehr unvollständiges Quellenmaterial
benutzt und zwar vornehmlich die subjektiv gefärbten Memoiren Macdonalds, Marbots usw.
während er die authentischen Akten einschliesslich der massenhaft gedruckt vor-
liegenden so gut wie gar nicht verwertet. Dadurch steht aber natürlich die Zu-
verlässigkeit der Ergebnisse in umgekehrtem Verhältnis zu der Sicherheit, mit der
sie vorgetragen werden. — Ruhiger im Urteil und zuverlässiger in der Forschung,
weil mit sorgfältiger Benutzung der Korrespondenz des Kaisers bearbeitet, ist die
Darstellung des Feldzuges Napoleons in Sachsen durch von Schimpff176), welche
für die strategisch-taktische Geschichte jener entscheidenden Monate von hervor-
ragendem Werte ist. — Speciell der Haltung des Königs Friedrich August von Sachsen,
der in dieser kritischen Zeit, unbeirrt durch die Anträge der Verbündeten, an der
Seite Napoleons aushielt, ist eine Arbeit Oertels177) gewidmet, welche es unter-
nimmt, auf Grund der gleichzeitigen Flugschriften und der zwischen den verschie-
denen Monarchen gewechselten Briefe das Festhalten des Königs an der Allianz mit
Napoleon zwar nicht zu rechtfertigen, aber verständlich zu machen und zu ent-
schuldigen. Doch dürfte es dem Vf. kaum gelungen sein, das „Verstehen und Ver-
zeihen" auf den Leser in vollem Mass zu übertragen, wenngleich er die für den
König sprechenden Momente der militärisch-politischen Lage geschickt hervorgehoben
hat. — Ebenso wenig wie in Dresden fand die Begeisterung, welche Preussen im
J. 1813 durchbrauste, zunächst in Wien ein Echo. Das wird von neuem bestätigt
durch die Mitteilungen, welche W7ertheimer 178) über die damalige Stimmung in
Wien gemacht hat. Von feurigem Patriotismus, wie er im J. 1809 emporgelodert
über d. Schlacht v. Grossgörschen; trocken referierenden rein taktischen Charakters, dazwischen aber v. hoher patriot. Be-
geisterung getragene Ausführungen, welche ein treffliches Spiegelbild d. damals in d. preuss. Armee herrschenden Geistes sind.)
— 173) E. Wiehr, Napoleon u. Bernadotte im Herbstfeldzug 1813. B„ Cronbach. XI, 496 S. M. 7,50. |[PrJbb. 73, S. 1538;
F. Meinecke: FBPG. 6, S. 639-41 ; 7, S. 459-77 ; i d. : HZ. 73, 498-501 ; LCB1. S. 1463/4 ; MHL. 22, S. 234/8.]| — 174) B. v. Quistorp,
Gesch. d. Nordarmee im J. 1813. 3 Bde. B., Mittler. XII, 552 S. ; VIII, 488 S.: VI, 329 S. M. 30,00. |[V. Kurs: BLÜ.
S. 310-11; s. ferner Recensionen zu N. 173.]| — 175) M. Feldmann, Studien z. Gesch. d. Feldzuges Napoleons in Deutsch-
land im J. 1813. Diss. Bern. 1893. 84 S. — 176) G. t. Schimpff, 1813. Napoleon in Sachsen. Nach d. Kaisers Korresp.
bearb. Dresden, Baensch. VII, 278 S. Mit 2 Kartenskizzen. M. 6,00. — 177) F. G. J. Oer tel, König Friedrich August v.
Sachsen im J. 1813. Progr. Leipzig. 4°. 27 S. — 178) Ed. Wertheimer, Wien u. d. Kriegsjahr 1813. E. Beitr. z. Gesch. d. Be-
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (4)6
IV lb : 179-188 G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
war, ist jetzt dort wenig" zu spüren. Die Wünsche der Wiener schwanken, ebenso
wie die der leitenden Kreise, unentschlossen zwischen Anschluss an die Verbündeten
und Neutralität hin und her. Mehr kühle Erwägung als nationale Begeisterung Hess
schliesslich die Entscheidung zu Gunsten des Anschlusses an die Verbündeten fallen.
— Wie sehr auch nach diesem Anschlüsse Oesterreichs in dem Hauptquartier der
Verbündeten die treibenden Kräfte auf preussischer Seite waren, ist vorlängst be-
kannt und jüngst durch eine in mehr als einer Beziehung interessante Korrespon-
denz einer englischen Dame, der Lady Burghersh, Nichte des Herzogs von
Wellington, bestätigt worden. Marie von Kraut179) hat uns die Bekanntschaft
mit diesen Briefen vermittelt. Die Lady war mit ihrem Gemahl, der als englischer
Militärbevollmächtigter dem österreichischen Hauptquartier beigegeben war, zumeist
in unmittelbarer Nähe und persönlicher gesellschaftlicher Berührung mit den leiten-
den Kreisen und hat über ihre Erlebnisse im Winterfeldzuge 1813 - 14 sehr inter-
ressante Briefe (43 an der Zahl) an ihre englischen Verwandten gerichtet, welche
aus dieser grossen Zeit Episoden und Bilder vorführen, die von politischen und
militärischen Schriftstellern selbstverständlich weniger berücksichtigt werden konnten.
Sie sind zunächst kulturgeschichtlich wichtig durch die Schilderungen der per-
sönlichen Reiseerlebnisse, der Art zu reisen, des Zustandes der Reisewege, der
„Gesellschaft" in Berlin und im Hauptquartier, der Hotels usw., welche namentlich
in den ersten Briefen einen breiten Raum einnehmen. Historisch wertvoll werden
sie besonders durch die Erzählungen über die fortdauernden Meinungsverschieden-
heiten im Hauptquartier der Verbündeten und die dadurch herbeigeführten Ver-
zögerungen und Hemmungen der Operationen. Sympathie und Bewunderung widmet
die Briefschreiberin neben ihrem heimischen General und Oheim Wellington vor
allem Blücher und überhaupt den Preussen, deren mutige und energische Haltung
ihr Achtung und Anerkennung einflösst. — Den Verhandlungen, welche in der Zeit
vom 7. Nov. bis 7. Dec. 1813 zwischen den verschiedenen Verbündeten und ihren
Ministern in Frankfurt gepflogen worden sind und für den weiteren Fortgang des
Feldzuges von entscheidender Bedeutung waren, ist ausserdem eine eingehende
historische Untersuchung von Oncken180) gewidmet worden, welche auf Akten des
Public Record Office in London und des Kriegsarchivs in Wien beruht und vielfach
zu ganz anderen Ergebnissen und einer anderen Gesamtauffassung geführt hat, als
die von Bernhardi in seinem Werke über den General Toll vertretene, gegen
welche 0. mehrfach mit guter Begründung polemisiert. — Nach diesen Beratungen
fand dann in der Neujahrsnacht 1814 der von den Truppen mit Jubel begrüsste
Uebergang Blüchers über den Rhein statt, dem Spielmann181) einen Erinnerungs-
artikel gewidmet hat, der indessen nur ein Auszug aus Sauers 1892 erschienener Unter-
suchung über denselben Gegenstand ist. — lieber den Feldzug von 1814 in Frank-
reich182) liegt neben einigen mehr episodenhaften Schilderungen183-184) eine um-
fassendere und auf eingehenden Studien beruhende Darstellung von Hillers185)
vor, in welcher der Anteil der württembergischen Truppen an den Operationen den
Mittelpunkt bildet. — Endlich finde hier noch Erwähnung eine umfassende kriegs-
geschichtliche Arbeit Maags 186), welche sich mit der Teilnahme der Schweizertruppen
an den Kriegen Napoleons beschäftigt. Sie beruht auf den eingehendsten archivalischen
Studien und bringt eine Menge bisher unbekannter strategisch-taktischer Einzelheiten,
welche sie für jeden militärischen Fachmann geradezu unentbehrlich machen, aber
auch dem Historiker mannigfache Anregung und Belehrung darbieten.187) — Für
die Geschichte des Wiener Kongresses liegt nur eine kleinere Abhandlung L. v o n
Hirschfelds 188) vor, welche die Thätigkeit des mecklenburgischen Bevollmächtigten
von Plessen behandelt. Er wirkte eifrig für einen strafferen Zusammenschluss der
deutschen Einzelstaaten, insbesondere für die Schaffung eines Bundesgerichts, und
trat dem Partikularismus der Mittelstaaten wiederholt entgegen. Seine Berichte
bringen manche brauchbare Notiz über die deutschen Angelegenheiten, weniger über
freiungskriege. Wien, Tempsky. 46 S. M. 1,10. — 179) Lady Burghersh, später Comtess of Westmorland. Briefe aus d.
Hauptquartier d. verbünd. Armeen 1813 — 14. Her. v. ihrer Tochter Lady Rose Weigall; aut. Uebers. aus d. Engl. v. Marie
v. Kraut. B., Mitscher & Röstell. XIII, 150 S. M. 3,20. — 180) W. Onoken, Gneisenau, Radetzky u. d. Marsch d. Haupt-
armee durch d. Schweiz nach Langres: DZG. 10, S. 199-268. — 181) C. Spielmann, Blüchers Uebergang über d. Rhein bei
Caub: FZg. N. 165. — 182) X K- Bleibtreu, D. Imperator (Napoleon 1814). 2. (Titel-) Aufl. L., Friedrich. X, 452 S.
Mit 1 Karte. M. 6,00. (TJnkrit. Verhimmelung Napoleons u. Herabsetzung d. Kriegführung d. Verbündeten.) — 183) X
E. de M uralt, Un episode de 1814: AnzSchwG. S. 42/5. — 184) X Erlebnisse e. mecklenb.-strelitz. Husaren- Wachtmeisters
in d. Feldzug v. 1814: KonsMschr. S. 1188-95, 1277-89. — 185) F. v. Hiller, Gesch. d. Feldzugs 1814 geg. Frankreich unter
bes.. Berficksicht. d. Anteilnahme d. kgl. wörttemb. Truppen. St., Kohlhammer. XII, 481 S. M. 6,00. — 186) Alb. Maag,
Gesch. d.Schweizertrnppen im Kriege Napoleons I. in Spanien u. Portugal (1807-14) 2Bde. Biel, E.Kuhn. 1892 -93. XII, 527 S.; IV,
626 S. ä M. 8,00. - 187) X R- T h i m m , Hist. Tagebuch d. Stadt Tilsit v. 17. Dec. 1812 bis z. 3. Aug. 1814, geführt v. d. Stadtsekr. Salchow .
Z. Druck beförd. v. R. Th. (= Beitrr. z. Gesoh. v. Tilsit, N. 2.) Tilsit, W. Lohauss. 45 S. M. 0,50. (D. Abdr. d. für d.
Gesch. Freussens, seine Leiden u. d. seiner Beamten in d. Kriegsperiode sehr interessanten Tagebuchs schickt d. Her. e. kurze
Lebensgesch. d. Vf. d. Tagebuches voraus, deren aktenmäss Quellen er d. in Königsberg deponierten Archive d. Stadt T. ent-
nimmt.) — 188» L. v. Hirschfeld, E. Staatsmann d. alten Schule: DRs. 78, S 86-107. — 189) H. Schütter, D. Stellung
G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. • IV lb : iso-ioa
die grosse Politik. — Ein Nachspiel zu der napoleonischen Kriegsepoche, das
Testament des gestürzten Imperators und die Stellung der europäischen Mächte zu
ihm und zu dem Sohne Napoleons, dem Herzoge von Reichstadt, behandelt Schütter 189)
auf Grund einer grossen Menge von Akten, welche er im Wiener Haus-, Hof- und
Staatsarchive fand, und welche ergaben, dass England, Frankreich und vor allem
Oesterreich gegenüber dem Testamente des gestürzten Gegners ein grosses Gerechtig-
keitsgefühl an den Tag gelegt haben. Namentlich gilt das für den Kaiser Franz
persönlich, wie sich das im ganzen Verlaufe dieser, die Interessen des Herzogs von
Reichstadt sehr nahe berührenden Angelegenheit zeigte190). —
Epoche der nationalen Einheitsbestrebungen. Die Frei-
heitskriege sind in ihrem innersten Wesen eine Reaktion des nationalen Geistes der
durch Napoleon unterdrückten und in ihrer Existenz bedrohten Völker gegen den
frevelhaften Plan einer unter französischer Gewaltherrschaft stehenden Universal-
monarchie. Die äussere Unabhängigkeit war durch den gewaltigen Kampf gesichert,
jetzt handelte es sich darum, für die wiedergewonnene Selbständigkeit auch die Form
des nationalen Staates zu erringen. Dieses von den Regierungen zunächst kurz-
sichtig bekämpfte und unterdrückte Streben der deutschen Stämme nach nationaler
Einheit, welche die ideale Vorbedingung für die spätere Aufrichtung des neuen
Reiches war, erfüllt die Jahrzehnte nach den Freiheitskriegen und bildet in seinen
Wirkungen und Gegenwirkungen den Hauptinhalt der deutschen Geschichte in dieser
Zeit. Wie es den Anstoss zu der romantischen Richtung in unserer nationalen
Litteratur gegeben bezw. erheblich verstärkt, wie es wesentlich zu der Neu-
begründung einer nationalen wissenschaftlichen Geschichtsschreibung beigetragen hat,
so hat es in Flugschriften, in der periodischen Litteratur und in den politischen
Reden eine neue Gattung der politischen Litteratur begründet, welche einen deutlich
erkennbaren Niederschlag der einzelnen Entwicklungsphasen des nationalen Gedankens
in Deutschland bildet. Dem einen Teil dieser .Quellen, den politischen Reden, hat
man in jüngster Zeit erhöhte Aufmerksamkeit zugewendet. Eine verständige Auswahl
derselben unter diesem Gesichtspunkte hat Flathe191) veranstaltet. Sie beginnt
bezeichnender Weise mit einer der Reden Fichtes an die deutsche Nation und nimmt
in ihrem ganzen Inhalt beständig Rücksicht auf das in den Reden sich wieder-
spiegelnde Wachsen und die allmähliche Ausgestaltung der nationalen Idee, als
deren typische, nach den verschiedensten Richtungen auseinandergehende Vertreter
namentlich Friedrich Wilhelm IV., Dahlmann, Grimm, Gagern, Vincke, Uhland,
Welcker, Max Duncker, Heinrich von Sybel erscheinen, die dann auch alle mit ver-
schiedenen ihrer bedeutendsten Reden in dieser Sammlung vertreten sind. Der
Herausgeber hat sich dabei bemüht, seine Auswahl ohne Rücksicht auf die Partei-
stellung der einzelnen Redner zu treffen. Man wird daher in Bezug auf diese Aus-
wahl für die ältere Zeit bis 1848, wo der Strom noch weniger reich fliesst, im allgemeinen
mit F. übereinstimmen, in den späteren Abschnitten aber, in denen neben dem
nationalen Gedanken die sociale Frage eine stets wachsende Bedeutung gewinnt,
wird man manche entscheidende Rede ungern vermissen, z. B. die Bismarcks über
die Militär vorläge vom 3. Febr. 1890, ferner irgend eine der grundlegenden Reden
desselben Staatsmannes über die sociale Reformgesetzgebung. Zu bedauern ist
auch, dass auf socialdemokratischer Seite nur von Vollmar, nicht aber August Bebel,
ohne Zweifel der glänzendste Redner dieser Partei, vertreten ist. Für die uns hier
zunächst angehende Entwicklung des nationalen Gedankens in der Periode der Neu-
begründung des Reiches ist die vorliegende Sammlung jedenfalls als eine recht ge-
schickte zu bezeichnen. — Eine andere, diese ganze Periode umfassende und noch
über dieselbe hinausreichende Quellensammlung von ganz verschiedenem Charakter
ist die, welche Jäger und Moldenhauer ,92) veranstaltet haben. Sie enthält
nämlich zum Zweck der Vertiefung der Lektüre und des Unterrichts in der
neueren und neuesten Geschichte eine Zusammenstellung der wichtigsten Akten-
stücke, Verträge, Manifeste, Kundgebungen der Regierungen und der Parteien
in natürlicher Zeitfolge im Anschluss an J.s Geschichte der neuesten Zeit vom
Wiener Kongress bis zur Gegenwart. Die Zusammenstellung ist aber naturgemäss nur
wenig erschöpfend und, was bedenklicher ist, ziemlich willkürlich, und auch sonst
sind gegen die bei der Herausgabe befolgten Grundsätze recht schwerwiegende Be-
denken erhoben worden. Für eigentlich wissenschaftliche Zwecke ist die Sammlung
daher wenig verwertbar, für Schulzwecke aber sehr dankenswert, wenn auch mit
Vorsicht zu gebrauchen.193) —
d. österr. Regierung z. Testamente Napoleon Bonapartes. Wien, Tempsky. 248 S. M. 4,80. (Aus AÖG.) — 190) X id-. D-
Herz. t. Reichstadt: MIÖG. 15, S. 114-20. — 191) Th. Flathe, Dtsch. Reden. Quellen u. Denkmäler z. Vaterland. Gesch. d.
19. Jh. 2 Bde. L., Biedermann. 1893. XXXV, 638 B.j IV, 675 S. ä M. 5,00. |[L0B1. 1893, 8.880; MHL. 20, S. 246; LZg«. 1893,
N. 68.]| (Vgl. JBL. 1893 IV 5 : 605.) — 192) 0. Jäger u. F. Moldenhauer, Ausw. wichtiger Aktenstücke z. Gesch. d. 19. Jh,
B., 0. Seehagen. XVI, 606 S. M 9.00. |rLCBl S. 1423; KBGV. 42, S. 40,1.]| - 193) X O G. Mollat, Quellenbuch z. Ge-
(4)6*
IV lb: 194-195- G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
Weit zahlreicher als diese die ganze Periode umfassenden Quellen-
sammlungen sind die Gesamtdarstellungen, welche ihr im Berichtsjahre zu
teil geworden sind. Da verdient dann natürlich an erster Stelle hervorgehoben zu
werden, dass von dem grossen Geschichtswerke des jüngst verstorbenen nationalen
Historikers von T r eit s chk e194"195) neben neuen Auflagen früherer Bände ein
neuer, der fünfte, erschienen ist, welcher die geschichtliche Entwicklung bis zum
Beginn der Revolution von 1848 führt. Das gross an gelegte Werk ist also ein Torso
geblieben. Bei der grossen Bedeutung, welche dieses Werk und sein Vf. für die
deutsche Geschichtsschreibung beanspruchen dürfen, ist es unerlässlich, sein Wesen
und seinen Charakter wenigstens in den Grundzügen auch hier klarzulegen. Mit
Recht hat man T. im Gegensatz zu dem grössten Meister der objektiven Geschichts-
schreibung, Leopold von Ranke, als den ausgesprochensten Repräsentanten der sub-
jektivistischen Richtung in der deutschen Geschichtsschreibung bezeichnet. Etwa
zwischen beiden in der Mitte steht der dritte unserer grossen Historiker der neueren
Geschichte, Heinrich von Sybel. Der Gegensatz dieser beiden Richtungen liegt in
dem Grade, in welchem es dem einzelnen Historiker gelingt, sein Selbst gegenüber
dem dargestellten Gegenstande zurücktreten zu lassen, was natürlich um so schwie-
riger ist, je näher die darzustellende Epoche der Lebenszeit des Geschichtsschreibers
steht. Diese Gradunterschiede können natürlich sehr beträchtliche sein und sind es
im vorliegenden Falle. Man braucht, um sich ihrer ganzen Tragweite bewusst zu
werden, nur den Rankeschen Satz, er wünsche sein Selbst auslöschen zu können, um
die Dinge genau so zu sehen, wie sie waren, mit dem echt aus T.schem Geiste
hervorgegangenen Ausspruch in der Vorrede zu dem vorliegenden fünften Bande
seiner deutschen Geschichte zu vergleichen : dass der Mensch nur das versteht, was
er liebt. Gewiss liegt auch in diesem Satze eine tiefe innere Wahrheit, wenn sie nur
nicht in der Anwendung auf die rein wissenschaftliche Forschung, in der sie hier
erscheint, auch den Gegensatz zur logischen Folge hätte, dass dann der Historiker
nur über das, was er liebt, zu schreiben versteht, das aber, was er nicht liebt, auch
nicht zu verstehen vermag und darum notwendig einseitig, ja tendenziös werden muss.
Und bei allen glänzenden Vorzügen, welche der T. sehen Geschichtsschreibung
eigen sind, ist doch nicht zu verkennen, dass er dieser für den Geschichtsschreiber
sehr schwerwiegenden Gefahr nur zu oft erlegen ist. Liebe und Hass sind
Aeusserungen des Gemüts und nicht des Verstandeslebens, die bei der rein wissen-
schaftlichen Thätigkeit des Forschens und Erkennens nicht mitsprechen dürfen und
sollen. Ganz gewiss wird die Macht des Gemüts in der historischen Darstellung,
welche zugleich Wissenschaft und Kunst ist, sich unwiderstehlich geltend machen, und
eine Darstellung, in welcher sie den unbefangenen und ohne Hass und Liebe fest-
gestellten Thatsachenbestand künstlerisch gestaltet, wird hinreissen und begeistern
können, wie das ja der T. sehen Darstellungsweise wie kaum einer anderen gelungen
ist. Verhängnisvoll wird die subjektivistische, von Gemütsbewegungen beeinflusste
Darstellung erst dann, wenn die Empfindungen von Hass und Liebe auch auf die
Erforschung der Thatsachen selbst Einfluss gewinnen. Denn dadurch muss das wahre
Bild der Vergangenheit notwendig verschoben werden, je nachdem Hass oder Liebe
dem Vf. die Feder geführt hat. Hierin eben liegt der stark ausgeprägte Subjektivismus
T.s, der mit allen seinen vorteilhaften und nachteiligen Wirkungen in seinen Werken
so augenfällig zu Tage tritt. Dabei zeigen sich die vorteilhaften Eigenschaften dieser
mit Hass und Liebe geschriebenen Geschichte naturgemäss am meisten dann, wenn
es sich um die Darstellung einer grossen, die Gesamtheit des eigenen Volkes er-
greifenden Bewegung, wie der des nationalen Befreiungskampfes gegen Napoleon,
handelt, die, in ihrem Wesen einheitlich, in der That vom Gemüt erfasst und be-
griffen werden kann. Bei solchen Darstellungen offenbart sich gewiss die ganze
Wucht und Grösse der Begabung dieses redegewaltigsten unter allen unseren neueren
Historikern. Ganz anders aber wird das Bild, sowie die Darstellung des feindlichen
Ringens verschiedener Strömungen im Volksleben in Frage kommt. Da muss es
gerade die vornehmste Aufgabe des Historikers sein, bei der Prüfung des historischen
Werdeganges Hass und Liebe, so weit das menschenmöglich ist, schweigen zu lassen
und nur, von wissenschaftlichem W7ahrheitsdrange geleitet, unbefangen zu unter-
suchen, wie in dem Ringen verschiedener Kräfte und Ideen Recht und Wahrheit auf
beiden Seiten verteilt war, und wie dann gerade aus dem Kampf entgegengesetzter Welt-
kräfte die Fortentwicklung des geschichtlichen Lebens sich gestaltet hat. Diese Gabe,
welche die schwerste Kunst des Historikers, auch dem Gegner gerecht zu werden, in
sich schliesst, ist T. versagt geblieben, und dadurch hat er oft statt historisch wahrer
schichte d. dtsch. Politik im 19. Jh. L., Haessel. 293 S. M. 3,00. — 194) H. v. Treitschke, Deutsche Gesch.
im 19. Jh. 1. T. Bis z. 2. Pariser Frieden. 5. Aufl. 2. T. Bis zu d. Karlshader Beschlössen. 4. Aufl
= Staatengesch. d. neuesten Zeit Bd. 25 u. 28.) L., S. Hirzel. IX, 795 S.; VIII, 640 S. M. 10,00; M. 9,00.-195) (VIla:6.)
G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb : los
Bilder Zerrbilder der Vergangenheit gegeben, und zwar in einem Masse, dass man
mit Recht behauptet hat, die deutsche Geschichtsschreibung könne den gesteigerten
T.schen Subjektivismus nur ertragen, weil ihm in Ranke und seiner Schule ein so
gewaltiges geistiges Gegengewicht gegenüberstehe. Die mit dieser Richtung T.s
verbundenen Gefahren machen sich aber um so mehr fühlbar, als die individuelle
Auffassung, von der seine geschichtliche Darstellung bestimmend beeinflusst wird,
im Verlaufe der beiden Jahrzehnte, in denen seine deutsche Geschichte entstanden
ist, keineswegs immer die gleiche gewesen ist. Mit jeder Veränderung der politischen
Grundanschauung des Vf. hat sich aber auch der Standpunkt, von dem aus er die
geschichtlichen Vorgänge betrachtet, verändert, so dass er im fünftem Bande in mehr
als einer Beziehung ein wesentlich anderer ist als im ersten. Daher finden sich
in dem T. des fünften Bandes, der, namentlich durch seine antisemitischen Neigungen
beeinflusst, dem Liberalismus, dem er selbst früher gehuldigt hatte, fast völlig feind-
selig gegenübersteht, eine Reihe von einzelnen Aeusserungen und Urteilen, welche
bei dem T. des ersten Bandes völlig unmöglich gewesen wären und mit der histo-
rischen Gerechtigkeit nicht immer zu vereinbaren sind, z. B. das im wesentlichen
abfällige, zuweilen ironisch-spöttische Urteil, welches über einen so ehrenwerten und
charaktervollen Mann wie Vincke gefällt wird, der sicher von einem objektiver an-
gelegten Konservativen, wie etwa gar von Ranke selbst, zutreffender und gerechter
beurteilt worden wäre, als von dem so stark subjektivistischen ehemaligen Liberalen T.
Der letztere verliert, wenn sein Urteil über eine Person oder einen historischen Vor-
gang einmal feststeht, nicht selten die Fähigkeit, die gegen dieses Urteil sprechenden
Quellen unbefangen zu verwerten. Vincke ist ihm der liberale Doktrinär, der dann,
ohne dass dies Urteil an seinen einzelnen Handlungen und Aeusserungen geprüft wird,
stets mit einem kurzen und packenden, sehr oft aber wTenig zutreffenden Urteil abgethan
wird. Und je mehr sich der Vf. in seinen Zorn hineinredet, um so häufiger geht
ihm seine Beredsamkeit mit dem ruhig abwägenden Urteile durch. Namentlich ist
das dann der Fall, wenn seine antisemitischen Neigungen Einfluss auf ihn gewinnen.
Da operiert er in der That nicht selten mit Urteilen und Behauptungen, die in ihrer
allgemeinen und unbeweisbaren Form mit den antisemitischen Schlag Worten der
Gegenwart eine bedenkliche Aehnlichkeit besitzen. Aeusserungen der Presse, welche
ihm unsympathisch sind oder, oft mit Recht, als für unser Volkstum verderblich er-
scheinen, werden ohne weiteren Beweis der „jüdischen Presse", den „Pressjuden" usw. zu-
geschrieben; den Juden, unter denen damals nicht minder als heute, wie T. selbst
hie und da zugeben muss, viele wirklich patriotisch gesinnte Männer waren, wird
in ihrer Gesamtheit mit der sehr bezeichnenden Ausnahme Stahls die „lebendige
Staatsgesinnung" abgesprochen. Das Alles natürlich in kurzen, souveränen Sätzen,
ohne die Spur, ohne den Versuch eines Beweises. Und gerade da, wo eine ein-
gehende sachliche Beweisführung unumgänglich notwendig wäre, wo der Vf. den
Ansichten seiner Vorgänger schroff entgegentritt, begegnen uns statt dieser Beweis-
führung* schroffe und wenig motivierte subjektive Urteile, gerade da häufen sich die
Epitheten, die mit wenigen Worten viel beweisen wollen und doch nichts beweisen.
Natürlich aber stehen — wer wollte das leugnen! — diesen unzweifelhaften Schatten-
seiten der subjektivistischen Richtung T.s ebenso unbestreitbare Vorzüge gegenüber,
denen er viele der grössten, edelsten und besten Seiten seiner historischen Auffassung*
und Darstellung verdankt. T. ist eben mehr Epiker als Historiker, mehr Künstler
als Gelehrter. Seine Darstellung ist von einer plastischen und dramatischen Lebendig-
keit, von einer Farbenpracht und Tiefe der Empfindung, von einer Gewalt der
Leidenschaft, wie man sie in einem rein subjektiven, ruhig wissenschaftlich ab-
wägenden, gelehrten Werk niemals finden wird. Die einzelnen handelnden Personen
treten uns greifbar und menschlich verständlich entgegen. Mit wenigen bezeichnenden
Strichen erreicht T. oft grössere Klarheit und innere Wahrheit, als andere mit aus-
führlichen und sorgfältig abwägenden Charakteristiken. Die Sachlage ist bei dieser
Art der Geschichtsschreibung oft ähnlich wie bei den grossen historischen Dramen
unserer Dichter, welche auch nicht in allen Einzelheiten der geschichtlichen Wahrheit
entsprechen und doch in der Hauptsache, in der psychologischen Motivierung und Ge-
staltung, einen hohen Grad innerer Wahrheit erreichen. Dabei ist aber T.s Werk trotz
dieses stark ausgeprägten, dichterisch gearteten Subjektivismus ein glänzendes Zeugnis
erstaunlicher Belesenheit und Gelehrsamkeit, ein vollgültiger Beweis dafür, dass T.
sich die grösste Mühe gegeben hat, seinen ungestüm vorwärts drängenden, schöpfe-
rischen Geist durch genauestes Quellenstudium, zuweilen in den trockensten Akten-
massen der Archive, zu drillen und zu zähmen. Nur in der Art, wie er die Ergeb-
nisse dieser Quellenforschung zu einem einheitlichen Bilde gestaltet, tritt seine
dichterisch lebhafte Natur immer wieder klar zu Tage, die zuweilen der Quellen-
forschung als mächtiges Förderungsmittel zur Seite steht. Eine so glänzende, liebevolle
und für die feinsten psychologischen Regungen eines unvergleichlich reichen Geistes
IV lb : 195-196 Gr. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
verständnisvolle Charakteristik, wie sie T. z. B. von Friedrich Wilhelm IV. entworfen
hat, lässt sich in der That allein aus der Lektüre der Akten nicht gewinnen, sie
beruht zum grössten Teile auf dem liebevollen Sichversenken in die Individualität
des Königs, für die der Vf. aus dem eingehenden Studium seines Lebens die Grund-
lage gewonnen hat, die er dann aber mit feinem Takt und Verständnis zu einem
abgeschlossenen und innerlich wahren Bilde zu ergänzen versteht. Man merkt ihm
dabei die Freude an, womit er sich in die widerspruchsvolle Natur des Königs
vertieft und sich bestrebt hat, die mannigfachen inneren Wandlungen zu erforschen,
aus denen sich die Widersprüche der Weltanschauung wie der Handlungsweise des
Königs begreifen und erklären lassen. Wir verstehen wohl den patriotischen Schmerz,
mit dem T. den unausbleiblichen Enttäuschungen nachgeht, die dem Könige eben
infolge der tiefen Widersprüche seines eigenen Wesens und der bei allem geistigen
Reichtum doch dilettantischen Art seines persönlichen Eingreifens in die Staats-
geschäfte nicht erspart bleiben konnten. Die Art, wie T. diese Entwicklung von den
ersten Tagen froher Erwartung, da man von dem für alles Grosse und Hohe em-
pfänglichen Könige die Erfüllung der alten Wünsche und Ideale des Volkes erwartete,
bis zu dem Vorabend des furchtbaren tragischen Zusammenbruchs schildert, ist von
einer unvergleichlichen Frische, Lebendigkeit und Anschaulichkeit. Von ganz her-
vorragendem Werte ist namentlich die Darstellung der Entwicklung des Zollvereins
und seiner Bedeutung für die Gestaltung der deutschen Einheit, welche T., schon
ehe er an die Abfassung seiner „Deutschen Geschichte" ging, zum Gegenstande ein-
gehendsten Studiums gemacht hat. Im Anschluss hieran werden in einem auf tief-
eindringenden Studien beruhenden Kapitel die der Revolution von 1848 vorher-
gehenden wirtschaftlichen Zustände und Bewegungen einer genauen Betrachtung
unterzogen, wobei dann freilich die persönlichen Anschauungen des Vf. wieder oft zu
recht schroffen, ungerechten Urteilen führen. Mit ganz besonderer Vorliebe verweilt
dabei der zu den Schutzzöllnern strengerer Observanz (im Gegensatz zu seinen frü-
heren Anschauungen) neigende Vf. bei dem grossen Nationalökonomen Friedrich List.
Mit derselben Gründlichkeit und erstaunlichen Belesenheit in der umfassenden
gleichzeitigen Litteratur werden aber auch die anderen Gebiete des kulturellen und
geistigen Volkslebens geschildert. Diese im engeren Sinne kulturhistorischen Kapitel
reihen sich den politisch historischen mit ihrer reichen Fülle von Charakteristiken
von einzelnen handelnden Personen würdig an, wenngleich auch hier, namentlich
in der oft unbillig scharfen Beurteilung Heines und der jungdeutschen Schule, der
stark hervortretende subjektivistische Zug zu vorsichtiger und sorgfältiger Nach-
prüfung der sehr bestimmt und apodiktisch auftretenden Urteile des Vf. herausfordert.
— Jedenfalls wird daher derjenige, der ein selbständiges Urteil über die komplizierten
Vorgänge des geschichtlichen Lebens jener bewegten Periode sich noch nicht er-
rungen hat, gut thun, sich der geschickten und hinreissenden, aber oft auch sehr
gefährlichen Führung des Vf. nicht allzu unbedingt hinzugeben, sondern sich, um
zu einem möglichst objektiven Bilde zu gelangen, auch bei Historikern von minder
ausgeprägtem Subjektivismus Rats zu erholen. Ein solches Werk liegt über dieselbe
Periode, welche Treitschke in den ersten Bänden seiner deutschen Geschichte behandelt
hat, jetzt von Alfred Stern196) vor. Es kann sich allerdings an Glanz und
Pracht der Darstellung und an Redegewandtheit mit Treitschkes Werk nicht an-
nähernd messen, aber es zeigt ohne Zweifel, obwohl der persönliche liberale Stand-
punkt des Vf. keineswegs verhüllt wird, bei ebenso gründlicher Forschung doch
intensiver das Bestreben, auch in der Darstellung der Forschungsergebnisse ruhig und
unbefangen zu urteilen und Recht und Unrecht nach beiden Seiten gleich abzuwägen
und zu verteilen. Der Vf. hat ebenso wie Treitschke schon durch frühere, die
Treitschkes nicht selten schroff angreifende Forschungen bewiesen, dass er sich
in den Quellen umfassend umgethan hat und- auf Grund einer ausreichenden Kennt-
nis derselben ein wohlerwogenes Urteil abzugeben vermag'. Zwar haben wir es hier
nicht mit der Arbeit einer so reichen und durch und durch individuellen Natur zu
thun, wie Treitschke es ist, wohl aber liegt auch hier das Ergebnis einer eifrigen
und ernsten wissenschaftlichen Gedankenarbeit vor, deren Resultate die Treitschkes
in vielen Punkten ergänzen, in anderen mit gründlicherer Motivierung zu berichtigen
geeignet sind. Der Rahmen, den sich der Vf. gesteckt hat, ist ein weiterer als der
Treitschkes; er behandelt nicht allein die deutsche, sondern die gesamte europäische
Geschichte seit dem Wiener Kongress und hat daher namentlich auch grosse Sorg-
falt auf die Geschichte der auswärtigen Politik gelegt, welche in Treitschkes Werk
gemäss dem ganzen Inhalt der von ihm geschilderten Periode der deutschen
Geschichte naturgemäss mehr zurücktritt. Diese durchaus unparteiischen, und
auf strenger und umfassender archivalischer Forschung beruhenden Teile seines
|[LCB1. S. 1761/2; BüßS. 64, S. 622/7; B. Gebhardt: Geg. 46, S. 278-82; G. Winter: BLU. .S. 69-73.JJ — 196) Alfr. Stern,
G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV 1 b : 197-203
Werkes haben daher allseitig" die grösste Anerkennung gefunden. Der vorliegende
erste Band führt die Darstellung vom Wiener Kongress bis zu den Karlsbader Be-
schlüssen. Benutzt sind ausser den gedruckten Quellen die Archive von Berlin,
Paris, Wien, Florenz und Bern. — Ausserdem liegt noch eine im wesentlichen
populäre Zwecke verfolgende knappe Schilderung der gesamten deutschen Geschichte
des 19. Jh. im Umriss mit guter Hervorhebung der Hauptlinien von Salomon 197) vor, die
sich freilich im Wesentlichen auf das politische Gebiet beschränkt und auch hier in
keiner Weise nach erschöpfender Vollständigkeit strebt. Nur ab und zu wird ein
kurzer Blick auf das litterarische und wirtschaftliche Gebiet geworfen, doch können
diese kurzen und episodenhaften Schilderungen keinen Anspruch auf selbständige,
auf einer einheitlichen Durchdringung des Ideengehalts der Epoche beruhende Be-
deutung erheben. Im übrigen ist das Streben nach Unparteilichkeit in der Schil-
derung der einzelnen Personen, Parteien und politischen wie geistigen Richtungen
anzuerkennen.198) — Eine weitere rein populäre, aber zur vorläufigen Orientierung-
gut unterrichtende Gesamtdarstellung von V o 1 z l") ist in neuer Auflage erschienen. —
Ebenso liegt von dem infolge seiner fesselnden und übersichtlichen Darstellung beim
gebildeten Publikum sehr beliebten, geschickt geschriebenen Werkchen Stackes,
welches nicht ein einheitliches, abgerundetes Bild der historischen Entwicklung*,
sondern einzelne abgeschlossene Erzählungen darbietet, eine neue, von Stein200)
fortgeführte Ausgabe vor. Das Buch erhebt nicht den Anspruch, wissenschaftlich Neues
zu bieten, giebt aber eine gute Zusammenfassung der bisherigen gesicherten Ergeb-
nisse der Forschung. — Ausser diesen rein historischen Büchern über die geschicht-
liche Entwicklung unseres Jh. sind noch einige Arbeiten erschienen, welche auf den
Grenzgebieten historischer, politischer und litterarischer Arbeit stehen und
die geschichtliche Entwicklung nur unter einem bestimmten Gesichtswinkel der
gesamten Weltanschauung betrachten. Einige davon wollen sich über die histori-
schen und nationalen Momente klar werden, auf denen die nach schweren Opfern
und Kämpfen errungene nationale Einheit beruht, und streben dabei zugleich
politisch nationale Ziele für die Gegenwart, für die Erhaltung des Errungenen
an201"202). -
Ein sehr eigenartiges, auf selbständigem Denken und einer durchaus
einheitlichen Weltanschauung beruhendes, teils historisches, teils philosophisches
Buch ähnlicher Art hat in der Berichtsperiode mit dem zweiten Bande seinen Ab-
schluss erreicht. Etwa E. M. Arndts „Geist der Zeit" mag- dem Vf. Duboc203)
als Muster vorgeschwebt haben. Das Buch sucht sich über die in unserer
Zeit wirksamen geistigen Kräfte und deren Charakter und historische Genesis klar
zu werden und berücksichtigt dabei alle geistigen und politisch-socialen Strömungen
des Volkslebens. Eben weil der Vf. eine eigenartige, von inneren Widersprüchen
nicht freie Individualität ist, wird er mit seinen Anschauungen bald hier, bald dort
lebhaften Anstoss und Widerspruch erregen, und auch seine historischen Deduktionen
sind zuweilen von einem recht schiefen, dem wahren Wesen der Dinge nicht ganz
entsprechenden Gesichtspunkte aufgefasst, aber überall begegnet man dem energischen
Streben, den Dingen auf den Grund zu gehen und dem Leser einen Einblick in die
wirklich treibenden Kräfte des Kulturlebens unserer Zeit zu verschaffen. Sehr merk-
würdig und oft zu starkem Widerspruch anreizend ist z. B. seine Auffassung der
Aera Bismarck, die er im Gegensatz zu dem patriarchalischen und dem bornierten
Despotismus früherer Perioden als fakultativen Despotismus bezeichnet. Dabei hat
er bei der historischen Charakterisierung Bismarcks doch gerade den wesentlichen
Punkt übersehen, dass die welthistorische Grösse dieses Mannes gerade nicht in
seinen despotischen Neigungen, sondern darin zu sehen ist, dass er die Macht des
im Volke lebenden nationalen Gedankens erkannt und mit den Machtmitteln
realer Politik zur Verwirklichung gebracht hat. Dass er, um das zu erreichen, in
der Durchführung dieses im Volke lebenden Gedankens zuweilen in der That despo-
tisch verfuhr, ist thatsächlich nur ein.accidentelles Moment in seiner geschichtlichen
Gesch. Europas seit d. Vertrr. v. 1815 bis z. Frankf. Frieden v. 1871. 1. Bd. B., Besser. XVI, 655 S. M. 10,00 —197) L. Salomon,
Deutschlands Leben n. Streben im 19. Jh. St., Levy & Müller. 1893. X V, 326 S. M. 4,50. J[NatZg. N. 64 ; G. W i n t e r : BLU. S. 279.] |
— 198 X Georgiana von Bloomfield, Europ. Höfe u. deren Diplomatie seit 1S42. "Antor. Uebersetz. aus d. Engl. v. Ida Goeken.
2 Tle. in 1 Bd. 2. (Titel-) Ann. B, II. Steinitz. XIII, 217 S.; VII, 308 S. M. 5,00. (Vgl. JBL. 1892 IV 1 b : 9.) — 199) B.
Volz, Gesch. Deutschlands im 19. Jh. v. Lüneviller Frieden bis z. Tode Kaiser Wilhelms I. 2. (Titel-) Aufl. Mit 24 Vollbild.
L., Spamer. 1S93. VIII, 622 S. M. 6.00. (1. Aufl. 1890.) — 200) L. Stacke, Erzählungen aus d. mittleren, neuen u. neuesten
Gesch. 3. T. Neueste Gesch. (1815-90). 6. Aufl., durchges. u. ergänzt u. v. 1881-90 fortgef. v. H.Stein. Oldenburg,
Stalling. XII, 699 S. M. 5,50. — 201) X Reüg u. nat. Bewusstsein. E. gesell. Ueberblick mit Hinweis auf d. Gegenw. V.
Herausgeber d. „Dtsch. Volksbibel'. L., Rust. IV, 27 S. M. 0,40. (Strebt e Erneuerung d. Volkslebens auf eittl., relig. u.
nat. Grundlage mit scharfer Polemik geg. konfessionelle Beschränktheit, gegen Jesuitismus u. Orthodoxie, aber auch mit leichter
antisemitischer Anwandlung an.) — 202) X D. Einigung Deutschlands. Betrachtung v. e. Mecklenburger. Dresden, H. Minden.
131 S. M. 2,00. 1|DR. 4, S. 254. („D. Einigung Deutschlands «fll (Verständige u. sachliche, aber nichts irgendwie Neues u.
Eigenartiges bietende Skizze d. Genesis d. dtsch. Einheit v. d. Tagen d. franz. Revolution bis z. Gegenw., wobei d. geistigen
Arbeit d. Volkes d. ihr gebührende Raum neben der polit. That Bismarcks eingeräumt wird.) 203) J. Duboc, 100 J. Zeit-
IV lb : 203-208 G.Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
Wirksamkeit und daher bei der Beurteilung" des Einflusses, welchen die Aera
Bismarck auf den Volksgeist ausgeübt hat, nur von sekundärer Bedeutung. Immer-
hin bleibt die Darstellung dieser Einwirkung namentlich auf die Entwicklung der
politischen Parteien eine sehr selbständige und beachtenswerte Leistung, auch in
ihrer historischen Begründung. Nicht minder wird man auch an anderen Stellen
lebhafte Einwände gegen die Auffassung des Vf. erheben können und müssen, im
ganzen aber ist das Buch trotz allem Verkehrten und Verzeichneten historisch wie
litterarisch wegen der Selbständigkeit seiner Auffassung eine entschieden erfreuliche
Erscheinung.204) — Endlich möge hier noch eine sehr tüchtige und gründliche, mehr
litterarhistorische Untersuchung Richard Schröders 205) Erwähnung finden,
die mehr durch ihren Ausgangspunkt als durch ihren eigentlichen Inhalt hierher
gehört. Sie verfolgt nämlich die Kyffhäusersage, welche nach der Neubegründung
des Reiches besonders lebhaft die allgemeine Aufmerksamkeit wieder auf sich
gelenkt hat, auf ihren historischen Ursprung zurück. Er weist an der Hand der
neuesten Forschungen, namentlich der Grauerts, darauf hin, dass sich diese Sage
im Mittelalter ursprünglich nicht auf Friedrich Barbarossa, sondern auf Friedrich IL
bezogen hat, und dass erst ein 1519 gedrucktes Volksbuch die beiden Kaiser mitein-
ander vermengt. Durch das unsterbliche Rückertsche Gedicht hat die Sage dann
ihre heutige Gestalt erhalten. Ihre Wurzel hat sie in althistorischen Vorstellungen
vom Ende der Welt. Schon bald nach Friedrichs II. Tode enstand das Gerücht,
der Kaiser sei gar nicht gestorben, sondern halte sich nur verborgen. Auf diese
Gerüchte stützten sich dann die falschen Friedriche, die wiederholt, namentlich unter
Kaiser Rudolf von Habsburg, auftraten. Weiter ausgestaltet wurde die Sage im
15. Jh. durch Johann von Winterthur u. a. und erhielt bald eine aus-
gesprochene antipäpstliche und antiklerikale Tendenz. Ein Meistersingerlied des 14. Jh.,
welches die Sage darstellt, und mehrere andere Gedichte aus derselben Zeit werden
vom Vf. teils eingehend besprochen, teils im Wortlaut abgedruckt. Er verfolgt dann
die eigenartige Entwicklung, welche die Sage in den thüringisch-meissnischen Ländern
durchgemacht hat, wo sie auf Landgraf Friedrich den Freidigen (gest. 1324) bezogen
wurde, der mütterlicherseits ein Enkel Friedrichs IL war. Von Luther wurde sie
dann in der Schrift „Vom Missbrauch der Messe" in scherzhafter Weise auf Friedrich
den Weisen angewendet. Aus dieser lokalisierten Wettiner Sage ist die Kyffhäuser-
Sage entstanden; der thüringische Chronist Johann Rothe ist der erste, der von der
Entrückung Kaiser Friedrichs IL in den Kyffhäuser erzählt. Dabei trat dann all-
mählich, im Anschluss daran, dass der Kyffhäuser Berg ursprünglich Wodansberg
hiess, eine Verschmelzung mit mythologischen Elementen ein. Seit dem 17. Jh., den
Zeiten des tiefsten Niederganges des alten Reiches, erwartete dann die Sage von dem
wiederkehrenden Kaiser den blutigen, aber siegreichen Kampf für ein grosses, einiges
deutsches Vaterland. So ist diese Sage gleichsam der symbolische Ausdruck für das
Streben und Sehnen nach der deutschen Einheit geworden und alsbald nach der
Wiederaufrichtung des Reiches auf dessen greisen Begründer angewendet worden.206) —
Wenden wir uns nun von diesen allgemeineren Darstellungen der Epoche der
Vorbereitung des neuen Reiches zu den Untersuchungen, welche sich mit einzelnen
Phasen oder Ereignissen der geschichtlichen Entwicklung beschäftigen, so er-
wähnen wir zunächst einige von Ulmann207) veröffentlichte Berichte Wilhelm von
Humboldts aus dem J. 1816, aus denen sich die Ansicht dieses grossen Gelehrten und
Staatsmannes über die Gestaltung des nationalen Staates ergiebt. Und zwar zeigt
sich dabei, dass Humboldt über die Bundesakte, welche Sybel als die jämmerlichste
„Unverfassung" bezeichnet, die je einem grosseh Volk gegeben worden sei, doch
nicht so ungünstig urteilte, wie man wohl angenommen hat. Nur hat er das un-
bedingte Einvernehmen Oesterreichs und Preussens über alle an den Bund zu
bringenden Sachen, d. h. eine thatsächlich unmögliche Voraussetzung, für die not-
wendige Vorbedingung der Existenz des Bundes gehalten. — Der deutschen Ver-
fassungsfrage zur Seite ging die preussische, welche sich auf die Zusage Friedrich
Wilhelms III. , eine Repräsentation des ganzes* Volkes zu begründen, stützte. Als
man dann, nicht allzu lange nach den Freiheitskriegen, anfing abgeneigt zu werden,
dieses Versprechen zu erfüllen, und nur noch eine weitere Ausgestaltung der
provinzialständischen Einrichtungen ins Auge fasste, liess die preussische Regierung
die Provinzen bereisen, um die sachkundigsten Eingeborenen und Einsassen „über
das jemals Bestandene, soweit es noch passt", zu befragen, wobei man im grossen
und ganzen sich an diejenigen Kreise wandte, von denen man annehmen konnte,
geist in Deutschland. IL L., Wigand. 1893. IX, 265 S. M. 4,00. |[K. Jentsch: Zeitgeist N. 2.]| — 204) X A. Berthold,
J. Dnbocs 100 J. Zeitgeist in Deutschland. Vortr. ebda. 23 S. M. 0,60. (Ueber N. 203.) - 205) Rieh. Schröder, D.
dtsch Kaisersage u. d. Wiedergehurt d. dtsch. Reiches. 2 Vortrr. Heidelberg, Winter. 63 S. M. 1,80. — 206) X <*• Roethe,
D. dtsch. Kaiser u. d. dtsch. Litt. Göttingen, Dieterich. 1893. 22 S. M. 0,40. (Vgl. JBL. 1893 I 1 : 103; s. o. I 1 : 57.) —
207) H. Ulmann, Aus amtl. Berichten W. v. Humbolds im J. 1810: FBPÖ. 7, S. 113-25. — 208) Alfr. Stern, D. Preuss.
G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV Ib : 203-219
dass sie für die Erhaltung- der rein provinziellen ständischen Einrichtungen waren.
Die hierüber eingelaufenen, schon von Treitschke kurz verwerteten Berichte und
daraus entstandenen Akten des Berliner Geheimen Staatsarchivs hat Alfred Stern208)
zur Grundlage einer eingehenden und beachtenswerten Darstellung über diesen Gegen-
stand gemacht. Je mehr dann in Preussen und noch mehr in Oesterreich jene trau-
rigen reaktionären Strömungen überhandnahmen, weichein den Demagogenverfolgungen
und den Karlsbader Beschlüssen ihren verhängnisvollen Ausdruck fanden, um so
schroffer und energischer oppositionell und häufig um so extremer gestaltete sich
naturgemäss die nationale und liberale Strömung, welcher gerade die Besten
des deutschen Volkes huldigten, und die namentlich in der studierenden
Jugend, ganz besonders aber in der deutschen Burschenschaft, nach wie vor ihren
geistigen Mittelpunkt fand. — Gerade weil man auch das berechtigte nationale
Streben verfolgte, überschritt dies häufig die Grenzen des Berechtigten. Das wird
aufs neue dargethan durch zwei kleinere Arbeiten von Di e tz209_2t0), die sich mit
einzelnen Persönlichkeiten und Vorgängen aus der deutschen Burschenschaft be-
schäftigen. Namentlich zeigt sich diese Erscheinung an den teilweise sehr radi-
kalen, bis zum Kommunismus fortschreitenden Strömungen, welche eine Zeitlang
einige junge Himmelsstürmer der Heidelberger Burschenschaft, zu denen auch der
jetzige Finanzminister Miquel gehörte, mit sich fortrissen. — Welche Verfolgungen
und Bedrückungen aber selbst sehr gemässigte und besonnene liberale Vaterlands-
freunde in der vormärzlichen Zeit zu erdulden hatten, dafür ist eines der bekanntesten
Muster der hervorragende Marburger Gelehrte Sylvester Jordan, der Vater der
liberalen hessischen Verfassung vom 5. Jan. 1831, der seine politische Wirksamkeit
durch jahrelange Gefangenschaft auf dem Marburger Schlosse büssen musste. Ihm
ist zu seinem 100jährigen Geburtstage eine ansprechende und lebensvolle Skizze
gewidmet worden211). — Die lange angesammelte Erbitterung und die mit Unrecht
niedergehaltene liberale Bewegung entlud sich dann in den heftigen Stürmen des
J. 1848. Die meisten der in der Berichtsperiode über die Märzrevolution erschienenen
Beiträge sind ohne erheblichen wissenschaftlichen Wert212"216), nur einige wenige
verdienen eine nähere Erwähnung. Ein interessantes Schriftchen über die Berliner
Revolution von Dullo217) stützt sich vornehmlich auf Auszüge aus Plakaten, welche
bekanntlich in jener Bewegung eine grosse Rolle spielten; doch hat der Vf. dieses
wichtige Material weder erschöpfend noch sonst ausreichend verwertet. Die Erzählung
ist leidlich objektiv vom Standpunkte der gemässigteren bürgerlichen Demokratie
geschrieben. 218) — Mit der Journalistik des J. 1848 in Wien beschäftigt sich eine
sehr lesenswerte Arbeit von Z e n ck e r 2l9j, deren Hauptaugenmerk auf die Verdienste
gerichtet ist, welche sich die Wiener Presse damals um die Bildung der öffentlichen
Meinung erworben hat, eine Aufgabe, die um so schwerer war, als die Zeitung,
selbst noch eine lernende, berufen war, andere zu lehren. Der Vf. beginnt mit einer
Schilderung der Wiener Märztage. Vorher gab es in Wien nur zwei bedeutendere
Zeitungen, den „Oesterreichischen Beobachter" und die „Wiener Zeitung", die bis
zum letzten Augenblick das Publikum über die Tragweite der Pariser Februar-
Revolution zu täuschen suchten. Von aussen her wirkten namentlich die „Grenz-
boten", welche damals unter Ignaz Kurandas Leitung standen, dem dann eine grosse
Bedeutung für die Geschichte der Wiener Journalistik zukommt. Seit dem ersten
Tage der Pressfreiheit bekannte sich die „Wiener Zeitung" zu dem neuen liberalen
Programm, schwerer fügte sich der „Oesterreichische Beobachter". Neue Blätter,
meist nur ephemere Erscheinungen, entstanden dann in ziemlich grosser Anzahl, von
denen eigentlich nur „Die Konstitution" eine grössere Bedeutung hat, welche der
Typus der radikalen Journalistik mit stark socialer Tendenz geworden ist. Daneben
übten eine Zeitlang „Der Freimütige", die „Konstitutionelle Donau-Zeitung", ein be-
zahltes Regierungsorgan, die „Allgemeine Oesterreichische Zeitung" (der frühere Beob-
achter), welche jetzt demokratisch - socialistisch mit grossdeutscher Tendenz wurde,
einen mehr oder minder bedeutenden Einfluss auf die öffentliche Meinung aus. Da-
neben spiegelt die Presse die immer klarer sich vollziehende Scheidung zwischen
Verfassungsfrage im J. 1817 u. d. Rundreise v Altenstein, Klewitz, Beyrae: DZG. 9, S. 62-99. — 209) E. Dietz, Herrn. Müller-
Strübing u. d. Heidelberger Burschensch.: AZgB. N. 271. (M.-Str. war Mitglied d. Heidelberger Franconia, d. sich an d. Frankf.
Hanptwachensturm beteiligte.) — 210) id., Heidelberger Kommunisten u. Atheisten der 40er J. : ib. N. 259. — 211) Sylv.
Jordan: ib. 1893, N. 17. — 212) X E- Guglia, Z. Gesch. d. Februar-Revolution: ib. N. 139. (Beruht auf d. Souvenirs de Alexis
de Tocqueville publies par le Comte de Tocqueville; vgl. JBL. 1893 IVld:2.) — 213) X E. Mai, D. Prinz v. Preussen 1843:
VossZgB. N. 10/2. (Sehr inter. Mitteil. v. Flngbll. aus d. Revolutionszeit.) — 214) X Jal. Fröbel: ib. 1893, N. 526. (Behand.
d. früheren Demokraten, Genossen R. Blums, bekannt durch seine polit. Sohriften [184SJ u. durch seine 1890—91 erschienene
selbstbiogr. Aufzeichn.) — 215) X E Frey, E Stück dtsch. Gesch. in Italien im J. 1843. 2. (Titel-) Ausg. B., Knecht. 75 S.
M. 1,50. (D. 1. Aufl. ist 1887 erschienen; bezieht sich im wesentl. auf d. Gesch. Venedigs.) — 216) X B. Poten, Gust.
Tiedemann: ADB. 38, S. 278-80. (Bad. Revolutionär v. 1843.) - 217) G. Dullo, Berliner Plakate d. J. 1848. Zürich, Verl.-
Mag. 90 S. M. 1,20. |[NZSt. H, N. 37.]| - 218) X E. Mai, D. Parlamente d. J. 1848. (Aus Flugbll.j (= Welke Bll. d.
Märzsturmes 1848.): VossZg1'. 1893, N. 113. (Aehnlich wie Dullos Buch [N. 217J, zumeist auf Plakaten, Maueranschlägen u.
Flugbll. beruhend.) — 219) E. V. Zencker, Gesch. d. Wiener Journalistik währd. d. J. 1S43. E. Beitr. z. dtsch. Kultargeich.
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (4)?
IV lb ; 219-230 Gr. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
den „Schwarzgelben" und den „Schwarzrotgoldenen" wieder. Doch blieb im all-
gemeinen die Journalistik zunächst in leidlich gemässigten Bahnen und beurteilte
z. B. die oktroyierte Verfassung vom 25. April ziemlich massvoll. An der Revolution
vom 15. Mai ist nach Z. jedenfalls nicht die Presse schuld, sondern es handelte sich
hier um einen spontanen Ausdruck der Volksentrüstung. Das neue liberale Press-
gesetz vom 18. Mai Hess der Journalistik ziemlich freie Bahn zur Entfaltung. Den
Mittelpunkt der litterarisch arbeitenden Kreise bildete dann der Wiener Schriftsteller-
verein. Allmählich machte sich aber jetzt in der Presse Reklame und Konkurrenz-
schwindel sehr stark geltend. Einen grossen Einfluss auf die öffentliche Meinung
gewannen dann, wenn auch nicht in dem Masse wie in Berlin der Kladderadatsch,
mehrere Witz- und Karikaturblätter. Nach der Oktoberrevolution aber wurde die
Freiheit der Presse durch den Fürsten Windischgrätz sehr eingeschränkt bezw.
fast völlig unterdrückt. Der sehr lebendigen Schilderung dieser verschiedenen
Phasen der Wiener Journalistik hat der Vf. im Anhang einige Aktenstücke und
ein chronologisches Verzeichnis der in Wien während des J. 1848 erschienenen
Zeitungen beigegeben. — Ebenfalls aus den gleichzeitigen Journalen und Flugschriften
hat Ludw. Müller220) eine Menge konkreter, stellenweise ganz charakteristischer
Einzelheiten aus der Zeit der Revolution in Hessen zusammengestellt. Die all-
gemeinen Partien des Buches aber bringen nichts Neues und Charakteristisches.
— Einen recht interessanten Beitrag zur Geschichte bezw. Vorgeschichte der Revolution
in München hat Kurz221) veröffentlicht. Er schildert nämlich den Anteil, welchen
die Münchener Studentenschaft, namentlich die Korps, an den durch die Tänzerin
Lola Montez verursachten Bewegungen genommen haben, und giebt dann im Anschluss
daran eine Geschichte des im J. 1848 gebildeten studentischen Freikorps, welches
sich um die Aufrechthaltung der Ordnung, namentlich bei dem Angriff auf das Zeug-
haus, grosse Verdienste erwarb, dabei aber sich von ähnlich extremen Anwandlungen,
wie sie damals in der Berliner und Wiener Studentenschaft vorkamen, fernhielt. Die
kleine flott und lebhaft geschriebene Arbeit beruht auf Aufzeichnungen von Mün-
chener Korpsstudenten, Tagebüchern, Zeitungsausschnitten usw. — Ueber den
Verlauf der schleswig-holsteinschen Kämpfe in der Revolutionsperiode und die damit
verbundenen kriegerischen Ereignisse haben wir jetzt eine klassische Schilderung in
dem 3. Bande der gesammelten Werke des Feldmarschalls Moltke, auf die wir in
anderem Zusammenhange noch zurückkommen (s. u. N. 296). Eine in vieler Hinsicht
vortreffliche Ergänzung dazu bietet das Werk Schleidens 222), eines der Männer,
welche als Vorkämpfer der schleswig-holsteinschen Sache eine hervorragende Rolle
gespielt haben. Wertvoll sind namentlich seine eingehenden, teilweise auf Autopsie
beruhenden Schilderungen der schleswig-holsteinschen Zustände, die zuweilen mit
deutlicher Opposition gegen die des Herzogs von Koburg-Gotha geschrieben sind.
Sehr ausführlich, zuweilen in etwas zu behaglicher und ermüdender Breite, sind auch
die Verhandlungen dargestellt, welche den Waffenstillstand vom Juli 1849 herbei-
führten. Ausserdem werden namentlich die Vorgänge bei der Statthalterschaft be-
rücksichtigt, während die kriegerischen Ereignisse, welche den Mittelpunkt der Dar-
stellung Moltkes bilden, bei Seh. nur kurz berührt werden. Ergreifend ist die Schil-
derung Friedrich Wilhelms IV. Der Vf. ist der Ansicht, dass der König sehr wohl
ein Herz für die Sache der Schleswig-Holsteiner hatte, aber gegenüber der Kamarilla,
welche die entgegengesetzte Anschauung vertrat, machtlos blieb. ***"***) — Aus der
späteren Zeit Friedrich Wilhelms IV. ist nur noch eine Untersuchung Rothans225)
über die diplomatische Haltung des Königs und seiner Regierung während des Krim-
krieges zu erwähnen, welche ein Franzose verfasst hat, und die eine grosse Menge
diplomatischer Details enthält, welche allerdings noch vielfach die Probe der Kritik
bestehen müssen. —
Von den biographischen Beiträgen zur Geschichte dieser Periode226-229)
kommt nur einigen wenigen eine grössere, diesen aber eine zum Teil sehr hervor-
ragende Bedeutung zu. Ohne Zweifel die erste Stelle gebührt unter ihnen den Denk-
würdigkeiten des bedeutenden Volkswirtes und Kriegshistorikers Theodor von
Bernhardi 23°), welche gleich beim Erscheinen des ersten Teiles, der die Jugend-
wien u. L., Braumüller. 1893. XI, 159 S. M. 4,00. IfAZg«. 1S93, N. 154.]| (Vgl. JBL. 1892 I 4 : 168; s. o. I 3: 236.) —220) Ludw.
Müller, Aus Deutschlands trüben Tagen. Auf Grund aktenmäss. Materials. 2. T. Marburg, Ehrhardt. IV, 201 S. M. 1,50.
— 221) F. Kurz, D. Anteil d. Münchener Studentensch. an d. Unruhen d. J. 1847 u. 48. (Lola -Montez, Studentenfreikorps;
München, Akad. Verl. 112 S. Mit Bild. M. 1,00. — 222) R. Schieiden, Erinnerungen e. Schleswig-Holsteiners. 4. Bd. Schles-
wig-Holstein im 2. Kriegsj. 1849 - 50. Wiesbaden, Bergmann. XII, 401 S. M. 8,00. |[P. Gol dschmidt: FBPG. 7, S. 288/9 ;
DKs. 81, S. 158.]| — 223) X Aus d. Z. Friedrich Wilhelms IV.: Zukunft 9, S. 350/4, 398-93, 492/7, 500/4, 607-13. — 224) X
K. Binding, Dtsch. Staatsgrundgesetze Heft 1-4. L., Engelmann. 1893. 78, 91, 59, 66 S. M. 1,20; 1,50; 1,00; 0,80. (Enth.
<1. Rheinbundsakte, d. dtsch. Bundesakte, d. Wiener Schlussakte u. d. Verfassungsurk. für d. Preuss. Staat nebst ihren Ab-
änderungen.) — 225) G. Rothan, Souvenirs diplomatiques: La Prusse et son roi pendant la guerre de Crimee. Paris, Levy.
1893. 400 S. Fr. 3,50. — 226) X Friedrich Wilhelm III.: Bär 20, S. 28. — 227) X Friedrich Wilhelm IV.: ib. S. 134, 157.
— 228) X (;- Wippermann, G. v. Struve: ADB. 36, S. 681/7. — 229) X F. Schnorr v. Carolsfeld, Ad. v. Trützschler:
ib. 38, S. 691/2. (1818 Führer d. dtsch. Demokratie.) — 230) Aus d. Leben Theodor v. Bernhardis: 1. Jugendorinnerungen,
G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. tV Ib. 230
geschichte B.s in Esthland enthält, in der litterarischen Welt, namentlich unter den
Historikern und Militärschriftstellern, berechtigtes Aufsehen gemacht haben. Nahm
man schon an sich die persönlichen biographischen Aufzeichnungen eines auf den
verschiedensten Gebieten wissenschaftlicher Thätigkeit gleich hervorragenden und
vielseitigen Mannes mit reger Teilnahme entgegen, weil sie einen vortrefflichen Ein-
blick in die Geisteswerkstätte des Forschers ermöglichten und Aufschluss über
seinen eigentümlichen geistigen Werdegang gaben, so wurde das dadurch wach-
gerufene Interesse noch durch die anziehenden Schilderungen gehoben, welche der
geistvolle Mann von den politischen und kulturellen Zuständen, unter denen er in
Russland wie in Deutschland sein reiches Leben auslebte, entwarf. Im ersten Bande
war es neben den rein biographischen Elementen der Darstellung namentlich das
Kapitel „6 Jahre esthländischen Stilllebens", welches durch seine ungewöhnlich scharf-
sinnig beobachtenden Schilderungen der Zustände im Lande, der eigenartigen Typen
des Adels u. dgl. m., wie auch durch seine Mitteilungen über den General Toll, den
Weltumsegler Krusenstern usw. das lebhafteste Interesse erweckten. Der zweite Teil
zeigt uns dann auf der einen Seite den gelehrten Forscher selbst in der entscheidenden
Entwicklungsperiode seines geistigen Schaffens, auf der anderen Seite enthalten die
hier veröffentlichten Briefe und Tagebuchblätter geradezu unschätzbare Beiträge zum
Verständnis und zur tieferen Erkenntnis der politischen Vorgänge der bewegten
Mitte unseres Jh. Namentlich wird es bei der Bedeutung, welche unsere Beziehungen
znm russischen Reiche bis in unsere Tage hinein behauptet haben, für jeden Leser
willkommen sein, hier aus der Feder eines warm für sein Vaterland fühlenden, aber
lange Zeit auf russischem Boden inmitten der führenden Kreise lebenden, un-
parteiischen und unbefangenen, dabei mit feiner Beobachtungsgabe ausgestatteten
Mannes ein wirklich zutreffendes Bild der russischen Zustände zu erhalten, über
welche unter unseren leitenden Kreisen hier und da sehr verkehrte Vorstellungen
vorherrschen. Besonders interessant sind unter den rein politischen Aufzeichnungen
B.s namentlich die über den Eindruck, welchen die Pariser Februarrevolution von
1848 auf die leitenden russischen Kreise, vor allem auf Kaiser Nikolaus selbst, sowie
über die Rückwirkung, welche sie namentlich auf die eben damals im Werke befind-
lichen inneren Reformen im russischen Reiche ausgeübt hat. Von nicht geringerem
Werte sind aber auch die Beobachtungen, die der aus Russland nach langer
Abwesenheit in sein deutsches Vaterland zurückkehrende Gelehrte über die dortigen
Zustände aufgezeichnet hat. Mit packenden Farben schildern die meist kurz hin-
geworfenen Bemerkungen die traurigen Massnahmen der schroffen Reaktionszeit; so
ruhig und unbefangen der Vf. auch im allgemeinen ist, so gemässigt in jeder
Richtung seine Gesinnung und Anschauungsweise in allgemein-nationalen wie in den
damals obsch weben den Fragen der inneren Politik erscheint, hier tritt doch der
patriotische Unwille über das kurzsichtige und verkehrte Verhalten der preussischen
Regierung gegenüber den inneren Wirren, über die unverständige Bevormundung
und Einschüchterung der Bevölkerung durch die Landräte, welche sich namentlich
bei den Landtagswahlen in hellstem oder vielmehr trübstem Lichte zeigte, mit un-
verkennbarer Deutlichkeit zu Tage. Daneben fesseln aber auch die Angaben und
erläuternden Bemerkungen über seine vielseitigen litterarischen Arbeiten in hohem
Grade die Aufmerksamkeit. Besonders willkommen werden namentlich allen Kennern
und Freunden der Werke B.s die Aufschlüsse sein, welche sie hier über die Ent-
stehung seines ersten grossen, noch heute sehr wertvollen nationalökonomischen
Werkes, des „Versuchs einer Kritik der Gründe, welche für grosses und kleines
Grundeigentum angeführt werden", finden, ebenso die Mitteilungen über seine Studien
und Veröffentlichungen zur Geschichte der Freiheitskriege, in denen er eine völlige
Umwandlung der bisherigen Anschauungen über die Leistungen der russischen
Heeresleitung im Kriege von 1812 im Gegensatz zu der hergebrachten und geflissent-
lich verbreiteten russischen Tradition anbahnte. Ueberall hier, wie in der Beurteilung
der politischen und namentlich der kriegerisch - strategischen Ereignisse seiner
Zeit, die er mit regstem Interesse und grösstem Eifer verfolgt und mit kritischen
Erläuterungen in seinem Tagebuche begleitet, offenbart B. ein treffendes Urteil und
eine feine Beobachtungsgabe, vor allem aber ein so klares und eindringendes Ver-
ständnis für die wirklich treibenden Kräfte des geschichtlichen Lebens, dass es ihm,
namentlich auf militärisch-technischem Gebiete, nicht selten gelang, den weiteren Gang
der Entwicklung bis in seine Einzelheiten genau vorauszusehen und vorauszusagen.
Die Urteile, welche er dabei über die strategischen Massnahmen der Heerführer, erst
im Kriege Oesterreichs mit der ungarischen Revolution, dann im Krimkriege, abgiebt,
bieten für jeden Militärschiiftsteller wie für jeden Kriegshistoriker eine Fülle neuer
Gesichtspunkte und Anregungen, deren das Werk auch sonst eine grosse Menge ent-
hält, so dass es als eine der erfreulichsten Erscheinungen unserer historischen Memoiren-
litteratur bezeichnet werden darf. —
(4)7*
IV lb : 231-237 G. Winter, Allgemeines des 18./ 19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
Ueber den leitenden österreichischen Staatsmann in der Zeit bis zur Revolution,
Metternich, der auch in der allgemeinen deutschen Geschichte dieser Zeit eine
nur zu hervorragende Rolle gespielt hat, liegen nur einige kleinere, wissenschaftlich
nicht erhebliche Beiträge vor, von Salpius231) und von Schütter232), deren
letzterer sich zugleich auf F. von Gentz bezieht. — Dagegen sind nicht ohne Interesse
einige persönliche Erinnerungen an den preussischen Staatsmann und Gelehrten
Chr. Carl Josias Freiherrn von Bunsen, welche Bähring233), der in Bunsens
letzten Lebensjahren mit diesem befreundet war, mitgeteilt hat, und die eine Ergänzung
zu desselben Vf. Biographie Bunsens (JBL. 1892 IV lb : 120; 5 : 251) bilden. B. hebt
Bunsens Geistesverwandtschaft mit Comenius hervor, die er namentlich dadurch be-
thätigte, dass er auch im Staate das Christentum zur Wahrheit werden lassen wollte
und eine Friedenspolitik nach den Grundsätzen des wahren Christentums anstrebte. —
Ebenfalls von irenischen, allgemein christlichen Gesichtspunkten ging der Katholik
F. A. Graf Spiegel zumDesenberg, erst ernannter Bischof von Münster,
dann Erzbischof von Köln, aus, der bei treuem Festhalten an seiner Religion doch
versöhnlich gegenüber dem Staate auftrat und in den Verwicklungen der preussischen
Regierung mit der Kurie eine vermittelnde Haltung beobachtete, die ihm von Seiten
der Ultramontanen heftige Angriffe zuzog. Ihm ist von Reusch234) eine unter-
richtende und sachkundige Lebensbeschreibung gewidmet worden.235"236) — Von
hervorragendem historischem Interesse ist ferner ein biographisches Werk über eine
Tochter Wilhelm von Humboldts, Gabriele von Bülow237), welches uns in
ungemein lebendiger und anziehender Art in den geistig hochstehenden und in
hohem Masse angeregten Familienkreis Wilhelm von Humboldts einführt. Es beruht
auf den zumeist in vollem Wortlaute mitgeteilten zahlreichen, von inniger Herzens-
wärme erfüllten und alle litterarischen wie persönlichen Interessen der einzelnen
Glieder der Familie in schrankenloser Offenheit und Vertraulichkeit berührenden
Briefen, welche Wilhelm von Humboldt mit seiner innig verehrten Gemahlin Karoline
und mit seinen Kindern, namentlich mit der an den späteren preussischen Minister
der auswärtigen Angelegenheiten, Heinrich von Bülow, vermählten Tochter Gabriele
gewechselt hat. Alle diese Briefe sind noch in einer Zeit entstanden, in der geistig
hervorragende Menschen in ganz anderem Masse als heute ihr ganzes inneres geistiges
Leben in ihren eingehenden Briefen an die ihnen nahestehenden Menschen wieder-
spiegeln Hessen. Sie eröffnen uns infolgedessen ein so reizendes und anmutendes
Bild von dem reichen und gemütvollen Leben in diesem hervorragenden, durch innige
Neigung seiner einzelnen Glieder unter einander verbundenen Familienkreise, dass
ihre Lektüre schon vom rein menschlichen, psychologischen Standpunkte aus einen
hohen Genuss gewährt. Vergegenwärtigt man sich nun auf der einen Seite die
eminente geistige Bedeutung des Mittelpunktes dieses Kreises, Wilhelm von Humboldts,
und zieht dabei in Betracht, dass die einzelnen Glieder der Familie häufig durch
lange und interessante Reisen, über die sie sich die eingehendsten Berichte erstatten,
von einander getrennt waren, erwägt man endlich, dass eben infolge jenes besonders
innigen und vertrauten Familienlebens diese rückhaltlos offenen und ausführlichen
brieflichen Mitteilungen sich auf alle die vielseitigen wissenschaftlichen, litterarischen
und politischen Interessen aller einzelnen Briefsteller erstrecken, so wird man sich
ungefähr eine Vorstellung von dem Reichtum, der Mannigfaltigkeit und der inhalt-
lichen Bedeutung dieser Veröffentlichung machen können. Anmutige, in ihren Einzel-
heiten köstlich ursprüngliche und frische Reiseschilderungen wechseln mit hoch-
interessanten Berichten über den Umgang mit fast allen Koryphäen der Wissenschaften
und Künste ab, mit denen der Gelehrte und Staatsmann Humboldt in Berührung kam.
Die Briefe aus der Zeit, in welcher Humboldt als preussischer Resident in Rom weilte
und dort in seinem gastfreien Hause einen Mittelpunkt für alle hervorragenden deutschen
Künstler und Gelehrten schuf, werden auf diese Weise zu einer fortlaufenden, unaus-
gesetzt das höchste Interesse in Anspruch nehmenden Chronik des gesamten geistigen
Lebens der ewigen Stadt in jener ereignisreichen und fieberhaft erregten Periode.
Natürlich fallen dabei hier wie später auch eine Fülle interessanter Schlaglichter auf
die politischen Ereignisse der Zeit, an denen Humboldt in hervorragendem Masse
beteiligt war, so dass diese Publikation litterarisch wie historisch gleich bedeutsam
erscheint. —
2. Unter Nikolaus I. u. Friedrich Wilhelm IV. L., Hirzel. 1893. XIV, 230 S.; 368 S. M. 14,00. |[LUB1. 1893, S. 913; DLZ. 14,
S. 559; 0. Harnack: HZ. 73, B.602/6; NatZg. N. 194, 272, 275, 287, 650; DRs. 81, S. 294-302; G. Winter: BLÜ. S. 357/8.]|
(Vgl. JBL. 1893 IV lc:47; s. u. IV 1 c.) — 231) F. v. Salpius, Metternich als „polit. Causeur" u. Seher. Nach neuauf-
gefund. Aufzeichn. e. preuss. Helden d. Befreiungskriege: AZg". 1893, N. 53. (Beruht auf e. Ber. d. preuss. Generals
v. Borstell über Metternich.) — 232) H. Schütter, Briefe t. F. v. Gent/, an d. Fürsten Metternich: WienAbendpost. 1893, N. 11,
54. (Briefe rein persönl. Inhalts aus d. J. 1820 u. 25.) — 233) G. Bäh ring, Chr. K. J. Frhr. v. Bunsen: MhCoraeniusG. 2,
S. 214-25. — 234) F. H. Keusch, F. A. Graf Spiegel z. Desenberg: ADB. 35, S. 149-55. — 235-236) X J- Disselhof f, Lebens-
gescli. d. Oberpräsid. L. v. Vincke. 3. Aufl. Kaiserswerth, Diakonissen-Anst. 62 S. Mit 111. M. 0,20. (Rein pop., aber lebendig
u. anschaulich geschriebene Biogr.) — 237) Gabriele v. liülow, Tochter Wilhelm v. Humboldts. E. Lebensbild. Aus d. Familien-
papiewen W, v. Humboldts u. seiner Kinder. 1791—1887. B., Mittler. 572 8. M. 10,00. |[G. Winter: BLU. S. 356,7.J| (Vgl.
G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb : 233-241
Während bei diesem Werke immerhin der Schwerpunkt auf der litterarisch-
wissenschaftlichen Seite liegt, werden wir wieder auf die politisch-nationale Entwicklung
Deutschlands in dieser Periode hingelenkt durch das in vierter Auflage erschienene
Buch von Schmitz 238), welches dem um diese Einheitsbestrebungen sehr verdienten
Fürsten Karl Anton von Hohenzollern ein biographisches Denkmal er-
richtet hat. Der Vf. hat nicht gerade selbst neue Quellen herangezogen, aber doch
mit Fleiss über die Familie Hohenzollern allen Stoff zusammengetragen, der in den
letzten Jahren sowohl in besonderen Schriften, als auch in den Zeitungen über das
fürstliche Haus und dessen Glieder bis auf die Gegenwart veröffentlicht worden ist;
besonders eingehend und schwungvoll ist die Teilnahme des Fürsten Karl Anton an
der Einigung Deutschlands unter Preussens Führung geschildert, die er namentlich
durch die Aufgabe seiner Souveränität zu Gunsten Preussens bethätigte. Dann wird
seine Thätigkeit als Ministerpräsident des Ministeriums der „neuen Aera" unter dem
Prinzen von Preussen, nachmaligem Kaiser Wilhelm I., betrachtet. Auch bei dem
Briefwechsel des Fürsten mit Herzog Ernst II. von Koburg-Gotha verweilt der Vf.,
und er berichtet dann namentlich ausführlich über dessen energisches Eintreten fü rdie
Heeresreform. Er war es, der Bismarck als seinen Nachfolger vorgeschlagen hat.
Endlich schildert der Vf. noch des Fürsten Thätigkeit für Kunst und Wissenschaft,
die er namentlich nach seinem Rücktritt vom Ministerium in Düsseldorf und Sigmaringen
bethätigt hat.239) —
Mit der Biographie des Fürsten Karl Anton von Hohenzollern sind wir
bereits in die Periode eingetreten, welche dem deutschen Volke endlich die Wieder-
erringung staatlicher Einheit gebracht hat: in das Zeitalter Kaiser Wilhelms I.
Für die Geschichte dieser Periode im allgemeinen ist durch den Reichtum seiner
authentischen Informationen, die prächtige, lebensvolle und von einer einheitlichen
Auffassung und Weltanschauung getragene Darstellung wie durch Höhe und
Objektivität des Urteils grundlegend uud epochemachend das grosse Werk von
Sybels240-241) geworden, dessen erste fünf Bände, welche die Darstellung bis zum
Kriege von 1866 führten, bereits vor einigen Jahren erschienen sind und die all-
gemeinste Anerkennung und Bewunderung erregt haben. Es war das erste Mal, dass
ein grosser Historiker den Versuch machen durfte, die neueste Zeitgeschichte auf
Grund der geheimen Akten und der Archive eines beteiligten Staates zu schreiben,
welche ihm mit rückhaltloser Offenheit zur Einsicht verstattet, und dann von ihm mit
derselben Offenheit verwertet wurden. Ohne Zweifel hat sich diese Liberalität der
preussischen Staatsregierung auf das glänzendste gerechtfertigt. Denn S. brachte zur
Lösung der grossen Aufgabe alle die Eigenschaften mit, welche dazu erforderlich
und unentbehrlich sind: die methodische Schulung des grossen Gelehrten, die
formelle Gestaltungskraft des grossen Schriftstellers und den weiten Blick des Staats-
mannes, der selbstthätig an den Ereignissen mitgewirkt hatte und darum doch eben
infolge seiner historischen Schulung der Gefahr nicht erlag, die Entwicklung der
grossen historischen Ereignisse vom Standpunkte des einseitigen Parteimannes zu
betrachten. Gerade das letztere aber ist ihm in einem Masse gelungen, das die
höchste Anerkennung verdient. W7ohl hat S. auch in dem historischen Werke nicht
im mindesten ein Hehl aus seiner persönlichen Parteistellung als preussischer National-
liberaler gemacht, aber er ist dadurch nicht gehindert worden, auch die Beweggründe
der Gegner zu prüfen und gerecht abzuwägen und, was noch schwerer ist, die
von ihm und seiner Partei begangenen Fehler zu erkennen und unbefangen und
ruhig zur Darstellung zu bringen. Er steht so in seiner ganzen Methode, Auf-
fassungs- und Darstellungsweise gleichsam in der Mitte zwischen den beiden von
uns früher charakterisierten Richtungen Rankes und Treitschkes, von deren ersterer
die Ruhe und Unbefangenheit der Forschung, von deren letzterer die Lebhaftigkeit
und Anschaulichkeit, welche nur eigene persönliche Teilnahme an den Ereignissen
verleihen kann, er zu eigen hat. Als Politiker hat er die verschiedenen Phasen der
Entwicklung selbst mit durchgemacht, welche der nationale Liberalismus gegenüber
dem Verwirklicher der nationalen Idee zu bestehen hatte. Als Historiker hat er
dann unbefangen geprüft, in welchen Punkten der Entwicklung die Vertreter der
nationalen Idee, in welchen anderen der grosse Mann der That im Recht oder im
Unrecht waren, hat er sich überall bemüht, auch seinen politischen Gegnern durch-
aus gerecht zu werden. Das ist es, was seine Darstellung von der Treitschkes,
der sie allerdings an Pracht der Farbengebung und Höhe des patriotischen Pathos
JBL. 1893 IV lo:23; s. n. IV 1 c.) — 238) M. Schmitz, Fürst Karl Anton v. Hohenzollern u. d. Bedent. seiner Familie
für d. Zeitgesch. E. gesch.-polit. GedenHl. 4. vielf. umgearb. Ann. Mit Bildn. B. n. L., Heuser. VII, 118 S. M. 2,00. —
239) X B- Gebhardt, D. Anfänge d. neuen Aera: Geg. 46, S. 2002. 240) H. v. Sybel, D. Begründung d. dtsch. Reiches
durch Wilhelm I. 6. u. 7. Bd. 1.-4. Aufl. München, Oldenbourg. XII. 377 S. ä M. 9,50 |[DLZ. S. 1400 1; BUBS. 64, S. 622 7;
Geg. 46, S. 373;7.]| (Bd. 1-3 sind in 4. revid. Aufl. erschienen.) — 241) id., Oesterr. n. d. dtsch. Frage: PrJbb. 75, S. 164.
(Wo S. auf d. Frage v. H. Ulmann: „Welches sind d. 4 Punkte, auf d. sich Oesterr. u. Preussen schon Ende 1848 geeinigt
IV lb : 240-244 G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
nicht gewachsen ist, doch in Bezug- auf Ruhe und Sachlichkeit und daher auch
Wahrheit der Darstellung- so sehr vorteilhaft unterscheidet. Die Aufgabe, die beiden
Elemente, aus denen die neue deutsche Einheit hervorgegangen ist, in ihren überein-
stimmenden Strebungen und ihrem doch oft auch schroff hervortretenden Gegensatz
unter gerechter Verteilung von Licht und Schatten und unbefangener Abwägung
des Für und Wider zur vollendeten Darstellung zu bringen, ist ihm in weit höherern
Masse gelungen, als irgend einem anderen, der unmittelbar an den Ereignissen
selbstthätigen Anteil genommen hat. Wir sehen unter seiner kundigen Führung die
politische Entwicklung — denn nur mit dieser hat er sich beschäftigt — gleichsam
Schritt für Schritt, von Monat zu Monat, von Tag zu Tage, ja oft von Stunde zu
Stunde in dramatischer Lebendigkeit sich vollziehen, wie das eben nur bei einer so
umfassenden und eindringenden Kenntnis des einschlägigen Aktenmaterials möglich
war, wie sie ihm für die ersten fünf Bände seines Werkes zur Verfügung stand. Es
ist im Interesse der Wissenschaft auf das schmerzlichste zu bedauern, dass ihm für
die in der Berichtsperiode erschienenen weiteren zwei Bände, welche die Periode von
1866 bis zum Ausbruch des deutsch-französischen Krieges umfassen, dieses Glück
der freien und unbeschränkten Aktenbenutzung nicht mehr geboten war. Aus
Gründen, die zu untersuchen hier nicht der Ort ist, wurde ihm für die Fortsetzung
des Werkes die weitere Benutzung der Akten des Geheimen Staatsarchivs nicht
gewährt, und so sah er sich auf diejenigen, immerhin auch recht zahlreichen und teil-
weise sehr wohl informierten Quellen beschränkt, welche von den verschiedensten
beteiligten Seiten durch den Druck der Oeffentlichkeit zugänglich gemacht worden
waren. Auch in dieser nicht mehr so völlig authentischen Gestalt ist sein Werk
aber von geradezu unschätzbarer Bedeutung und für viele Partien die erste er-
schöpfende Darstellung der Vorgänge. Zum Teil wurden ihm bei der Abfassung der
beiden letzten Bände die Akten auch einigermassen ersetzt durch persönliche Mit-
teilungen, welche ihm von den hervorragendsten leitenden Stellen gemacht wurden,
und die er dann mit der ihm eigenen kritischen Meisterschaft verwertet hat. Auf
den reichen Inhalt des Werkes im einzelnen kann hier natürlich nicht eingegangen
werden. Viel besprochen ist namentlich die meisterhafte Darstellung des Ursprungs
des deutsch-französischen Krieges, in welcher mit unvergleichlicher Klarheit und, bei
aller Fülle der Details, doch packender dramatischer Lebendigkeit die einzelnen
Phasen der hohenzollernschen spanischen Kandidatur entwickelt werden. Die völlige
Unhaltbarkeit der socialdemokratischen Anschauung von einer „Fälschung" der
Emser Depesche durch Bismarck ist durch diese meisterhafte Darstellung als voll-
ständig klar erwiesen. Sehr beachtenswert, wenn auch nicht ohne Widerspruch
geblieben, ist die Darstellung der Verhandlungen Napoleons über einen Dreibund
mit Oesterreich und Italien vor dem Kriege 1870 — 71, die bisher zumeist auf Grund
der unzuverlässigen, die Wahrheit sehr entstellenden Veröffentlichungen des Herzogs
von Gramont geschildert worden sind. Im ausgesprochenen Gegensatz zu dessen
Auffassung sucht S. unter Zugrundelegung des bisher erreichbaren authentischen
Materials nachzuweisen, dass von einem Abschluss dieses Dreibundes gar nicht die
Rede sein kann, und zwar sei der Grund des Scheiterns auf italienischer Seite die
Aufrechterhaltung des September- Vertrages in der römischen Frage durch den Herzog
von Gramont gewesen. Nicht ganz auf der Höhe dieser Darstellung der Ereignisse
und Vorgänge der hohen Politik stehen die Abschnitte der Darstellung S.s, welche
sich mit den geistigen Strömungen im deutschen Volksleben, namentlich den inter-
nationalen Bewegungen des Ultramontanismus und der Socialdemokratie beschäftigen.
Namentlich der letzteren gegenüber tritt doch die auch sonst bei Mitgliedern der
älteren Generation oft zu beobachtende Thatsache hervor, dass der Vf. den tiefer
liegenden socialökonomischen Ursachen und Triebfedern dieser Bewegung nicht ganz so
g-erecht zu werden versteht, wie den verschiedenen Strömungen auf politischem Gebiet,
dass ihm mit einem Worte die nach der Erringung der nationalen Einheit mit grösster
Wuchtigkeit auftretende und immer mehr das allgemeine Interesse in Anspruch nehmende
sociale Frage doch nicht in dem Masse vertraut ist wie uns Jüngeren, die wir unter ihrem
unmittelbaren Eindruck geistig herangewachsen sind, eine Beobachtung, die man
auch dem grössten Staatsmann unseres Jh., dem Hauptschöpfer des nationalen
Staates, Bismarck, gegenüber gemacht hat. Im übrigen aber ist das Werk eine jener
grossen Leistungen des deutschen Geistes, auf welche stolz zu sein unser Volk alle
Ursache hat.242) — An wissenschaftlichem Wert kann sich von den übrigen dar-
stellenden Arbeiten keine auch nur annähernd mit dem Sybelschen Werke messen,
doch bringen namentlich die Schriften Blums243-244), welcher als Reichstags-
hatten?" antwortet.) — 242) X ö- Rathlef, Bismarclc u. Oesterr. bis 1866 mit besond. Berücksichtig, d. Sybelschen Werkes.
Nebst e. Znsatzartikel: „D. Beurteil, d. österr. n. prenss. Polit. im Sybelschen Werke." Reval, Klnge. V, 92 S. M. 1,60.
(Ans BaltMschr.) — 243) H. Blum, Anf d. Wege z. dtsch. Einheit. Erinnerungen u. Aufzeichnungen e. Mitkämpfers aus d.
J. 1867— 70. 2. Bde. Jena, Costenoble. 1893. 377,360 8. M. 10.00. |[N*S. 69, S. 409-10; LCB1. S. 1222/3.]| (Vgl. JBL. 1893
IV 5:606.) — 244) id., D. dtsch. Reich z. Z. Bismarcks. (= Polit. Gesch. v. 1871—90.) L., Bibliogr. Inst. 1893. XX, 708 S.
G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb : 243-246
abgeordneter, mit feiner Beobachtungsgabe ausgerüstet, an den politischen Vorgängen
lebhaften Anteil genommen hat, namentlich aus persönlichen Erinnerungen manche
wertvolle und willkommene Ergänzung, und sie haben ausserdem das Verdienst, die
Darstellung über den Endpunkt der Sybelschen bis fast zur unmittelbaren Gegenwart
hin fortzuführen. Das eine der B. sehen Werke, welches sich in Bezug auf die be-
handelte Periode fast völlig mit den beiden letzten Bänden des Sybelschen Werkes
deckt, enthält nicht eigentlich eine einheitliche, neuerdings konzipierte Gesamt-
darstellung, sondern die gleichzeitigen Niederschriften des Vf. über die Verhandlungen
des Reichstages und des Zollparlaments von 1867—70, die er damals namenlos in
einer Zeitschrift erscheinen liess. Dadurch gewinnen die Aufzeichnungen naturgemäss
an Frische und Ursprünglichkeit, aber es fehlt ihnen der höhere Stand- und Gesichts-
punkt unserer heutigen rückschauenden historischen Erkenntnis der Dinge. Der Vf.
hat gar nicht versucht, die Darstellung einigermaassen diesem veränderten chrono-
logischen Standpunkte auch nur äusserlich anzupassen, und das hat manchmal geradezu
zu grossen Unklarheiten geführt. Wenn er von „jetzt" oder „seitdem" spricht, so
muss man sich immer erst vergegenwärtigen, dass nicht etwa das Jahr der Heraus-
gabe des Buches (1893), sondern das der Niederschrift des betreffenden Artikels
gemeint ist. Sonst enthält das Buch manche interessante Aufschlüsse über interne
Vorgänge innerhalb des Parlaments und seiner Parteien und über deren Verhandlungen
mit dem Bundeskanzler, welch letzterer sehr stark in den Mittelpunkt der ganzen
Darstellung gerückt ist. In dem zweiten Werke, welches sich der behandelten Zeit
nach unmittelbar an das erste anschliesst, liegt der erste Versuch einer zusammen-
fassenden quellen massigen Darstellung der neuesten Geschichte von 1871 — 90 vor,
der sich von den bisherigen rein volkstümlichen Schriften über denselben Gegenstand
entschieden vorteilhaft unterscheidet. B. hat sich in dem Buche bemüht, nur wirklich
sichere und zuverlässige Nachrichten zu geben, die Anordnung des Stoffes ist über-
sichtlich und klar, die Darstellung fliessend und elegant. Doch sind gegen manche
Einzelheiten von verschiedenen unterrichteten, teilweise persönlich beteiligten Seiten
auch nicht unerhebliche Einwendungen erhoben worden. Den Mittelpunkt der Dar-
stellung bildet auch in diesem zweiten B.schen Werke Fürst Bismarck, dem der
gemässigt nationalliberale Vf. bekanntlich bewundernde Verehrung zollt. Er preist
daher den alten Kurs gegenüber dem neuen bedingungslos und zwar zuweilen, ohne
Zweifel mehr von politischen als von historischen Gesichtspunkten geleitet, über
das Ziel hinausschiessend. In manchen Punkten, z. B. bei dem Abspringen Bismarcks
vom Kulturkampfe, ist seine Darstellung daher wenig eingehend und ausreichend,
wie er denn die neben den gewaltigen Vorzügen doch auch unleugbar vorhandenen
Schwächen des Bismarckschen Regiments doch mehr verschweigt, als für den objektiven
Historiker zulässig ist. Er bleibt eben auch als. Schriftsteller mehr Politiker als
Historiker. — Ganz ausschliesslich mit der Geschichte des deutschen Reichstages
beschäftigt sich ein lesenswertes Buch von R o b o 1 sk y245), das im wesentlichen
aus eigenen Erinnerungen und Eindrücken geschöpft ist, die der Vf. als Reichstags-
korrespondent der Weser-Zeitung seiner Zeit niedergeschrieben hat. Daneben sind die
offiziellen Thronreden, sowie auch die stenographischen Verhandlungsberichte usw.
benutzt. Aus diesen Quellen entwirft der Vf. ein anschauliches, wenngleich zuweilen
in trockene Aufzählungen sich verlierendes, nicht immer gleichmässiges Bild der
Verhandlungen des norddeutschen und späteren deutschen Reichstages, wobei aber oft
das tiefere Verständnis der wirkenden Ursachen und treibenden Kräfte fehlt, weil
der Zusammenhang des Reichstages und seiner Parteien mit dem eigentlichen Volks-
leben zu wenig betont wird. Dagegen ist das Streben des Vf. nach Objektivität ent-
schieden anzuerkennen. Sein eigener Parteistandpunkt, der wohl ein gemässigt
konservativer ist, tritt nirgendwo störend hervor, seine Gesinnung ist eine ausgesprochen
nationale, daher legt er auch auf die Behandlung der nationalen Fragen im engeren
Sinne den Hauptnachdruck, während die wirtschaftlichen und politischen Gegensätze
im einzelnen nicht immer klar genug zu Tage treten. Störend bemerkbar machen
sich häufige, oft wörtliche Wiederholungen desselben Gedankens, die erkennen lassen,
dass die Darstellung nicht in einem Guss niedergeschrieben, sondern aus teil-
weise recht disparaten Aufzeichnungen verschiedener Jahre zusammengestellt ist.
Sehr dankenswert ist die im Anhang erfolgte Beigabe einiger Aktenstücke, darunter
eines vergleichenden, die Aenderungen im einzelnen nachweisenden Abdrucks der
Verfassungen des norddeutschen Bundes und des deutschen Reiches, ferner der
kaiserlichen Botschaft vom 17. Nov. 1881, des Erlasses des Königs vom 4. Jan. 1882
und der Erlasse Kaiser Wilhelms II. vom 4. Febr. 1890 über den Arbeiterschutz.246) —
Die übrigen Darstellungen dieses Zeitraumes sind wesentlich populärer Natur, im
M. 6,00. |fMHL. 22, S. 247; WIDM. 75, S. 656: Ath. 2. S. 191; Grenzb. 1, S. 49-50.]| — 245) H. Bobolsky, D. dtsch. Reichs-
tag. Gesch. seines 25 j.Bestehens 1867-92. B., Skopnik. 480, XLII S. M. 6,00. |[KBGV. 42, S. 88.] | — 246) X T. Szafranski,
Humor im dtseb. Reichstag. Aus d. amtl. Stenograph. Ber. über d. Verhandl. d. dtsch. Reichstags v. 1871—93 zusammengest.
IV lb : 247-257 G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
einzelnen nicht ohne Verdienst, aber wissenschaftlich ohne selbständigen Wert, wohl
aber in ihren zum Teil wiederholten Auflagen ein Beweis dafür, wie stark das Be-
dürfnis im Volke ist, sich über die historische Entstehung seiner Einheit näher zu
unterrichten. Es ist gleichsam eine eigene Art populärwissenschaftlicher Litteratur
von nicht unbeträchtlichem Umfange, welche diesem Bedürfnis ihre Entstehung
verdankt.247"253) —
Unter den biographischen Beiträgen sind in wissenschaftlicher wie
populärer Richtung am zahlreichsten und wertvollsten die, welche dem Begründer
des neuen Reiches und seinem ersten Kanzler, dem Fürsten Bismarck, gewidmet
sind. Um die erschöpfende Sammlung des urkundlichen Quellenmaterials für eine
künftige, den wissenschaftlichen Anforderungen völlig genügende Biographie des grossen
Staatsmannes hat sich in jüngster Zeit namentlich Kohl254) die grössten Verdienste
erworben. Ihm verdanken wir vor allem die erste grosse, auf historisch-kritischer
Grundlage veranstaltete vollständige Sammlung der Reden des Fürsten, wodurch alle
anderen, in mehr oder minder geschickter Auswahl veranstalteten Teilausgaben255)
wissenschaftlich antiquiert werden, wenngleich sie wegen der Kostspieligkeit der
K. sehen Sammlung für populäre Zwecke auch in Zukunft nicht entbehrlich sein
werden. Diese Reden bilden in der That nicht bloss eine historische Quelle ersten
Ranges, sondern sie sind auch für die Geschichte der deutschen Beredsamkeit und
des deutschen Stils von grösster Bedeutung. Die Gewalt der Sprache, die Fülle und
der Glanz der mit unvergleichlicher Geschicklichkeit angewandten Bilder und
historischen Analogien, wie die Wucht und Grösse ihres Inhalts machen sie zu
litterarischen Denkmälern von unvergleichlicher Bedeutung. Ein Teil "der ungeheuren
Gedankenarbeit, Energie und Schaffenskraft dieses gewaltigen Geistes ist, einem
mächtigen Strome vergleichbar, in diesen Reden zu Tage gekommen, die fast alle
grossen, unsere Zeit bewegenden Fragen des politischen, geistigen und gesellschaftlichen
Lebens berühren, und die auch der mit stets wachsender Bewunderung lesen wird,
der mit ihrem Inhalt nicht immer einverstanden ist. Ihre Sprachgewalt wie die
überzeugende Wucht ihrer Gedanken ist bisher unerreicht geblieben und erklärt einen
Teil der fascinierenden und hinreissenden Gewalt, die Bismarcks Persönlichkeit auf
alle ausübt, die mit ihm in nähere Berührung gekommen sind.256) — Ein ähnlicher
historischer Wert und eine verwandte litterarische Bedeutung kommt auch den Briefen
Bismarcks zu, von denen eine für seine geistige und politische Entwicklung besonders
wichtige Sammlung, sein Briefwechsel mit dem General von Gerlach, in der Berichts-
periode veröffentlicht worden ist257). Dies Buch bildet eine hochinteressante und
bedeutsame Ergänzung zu dem früher von Poschinger herausgegebenem Briefwechsel
des Bundestagsgesandten' Bismarck mit seinem Vorgesetzten, dem Ministerpräsidenten
von Manteuffel ; ja in vieler Hinsicht sind diese Briefe für die Genesis der politischen
Anschauungen Bismarcks noch wichtiger als jene offiziellen Berichte, weil sie weit
offener und rückhaltloser gegeben sind. Am Anfang seines Frankfurter Aufenthalts
stimmte Bismarck nach diesen Briefen, deren vorliegende Ausgabe freilich mit gutem
Grunde sehr stark angefochten worden ist, im wesentlichen mit dem Haupte der
königlichen Kamarilla Friedrich Wilhelms IV., des „gouvernement oeculte", wie er
selbst es nennt, Leopold von Gerlach, in der Hauptsache überein, aber überall erkennt
man doch schon das Werden und Wachsen einer eigenen selbständigen Auffassung,
die sich nicht selten in scharfem Gegensatz zu der der Regierung befindet, deren
Schwäche und Feigheit zuweilen in den drastischsten Ausdrücken gegeisselt wird.
Sehr merkwürdig ist vor allem die allmähliche Wandlung seiner ursprünglichen
Auffassung des Verhältnisses zu Oesterreich, welche sich nach und nach immer mehr
zu der Ueberzeugung zuspitzt, dass Preussen eine eigene, selbständige nationale
Politik nur in ausgesprochenem Gegensatz zu Oesterreich verfolgen könne. Das ist
das A und 0 der Bismarckschen Auseinandersetzungen über die von Preussen im
Krimkriege zu verfolgende Politik, wo er immer wieder darauf dringt, dass sich
2. durchges. Aufl. B., Walther. 192 S. M. 2,00. irKVZg. N. 409.]| (Vgl. I 4:136a.) — 247) X C. v. d. Boeek, Kaiser
Wilhelm I. u. seine Zeit. E. Buch für Alldeutsohlands .Tugend. Mit Farbendr.-Ill., gezeichn. u. lithogr. v. W.Schäfer. 2. Aufl.
L., 0. Drewitz Nachf. III, 228 S. M. 4.50. — 248) X Wilhelm I. Kaiser. E. Lebensbild d. grossen Kaisers in dtsch. Liedern.
B., Rehtwiseh ä Langewort. 12°. 95 S. M. 1,00. — 249) X A- Thamm, D. Zeitalter König Wilhelms I. oder d. Zeit d.
Gährung Deutschlands in Biogrnphien dargest. Striegan, Wattenbach. 566 S. M. 8,50. |[KZg. N. 1009.JI — 250) X p-
Grotowsky, O. grosse Kaiser im dtsch. Lied. E. Gedenkbuch für Schule u. Haus. Neue (Titel-) Ausg. Giessen, Krebs.
XVI, 221 S. M. 1,50. (D. 1. Aufl. ist 1892 erschienen; s. u. IV 2b.) — 251) X Kaiser Wilhelm I. u. Ostpreussen. Z. Feier
d. Enthöll. d. Denkmals Kaiser Wilhelms I. in d. Krönungsstadt d. Königr. Preussen am 4. Sept. Königsberg, Rautenberg.
22 S. M. 0,50. — 252) X W. Kahl, D. neue Kaisertum. Festrede. Bonn, Strauss. 16 S. M. 0,60. — 253) X Didask N. 197.
(Einige für d. Verhältn. zwischen Kaiser Wilhelm u. d. Feldmarsch. Manteuff'el wichtige u. interessante Aktenstücke nach
d. KZg.) — 254) D. polit. Beden d. Fürsten Bismarck. hist.-krit. Gesamtausg. her. v. H. Kohl. Bd. IV-X. St., Cotta. XXII,
458 S.; XXVI, 447 S.; XXVIII, 491 S.; XXIV, 443 S.; XX, 436 S ; XXII, 479 S.; XXXII, 522 S. M. 32,00. ([DK. 4, S. 126;
AZg". 1893, N. 227.]| (Vgl. JBL. 1892 IV lb:123.) — 255) X Fürst Bismaroks ges. Reden. 3 Bde. in 1 Bd. B., Cronbach.
416, 399, 399 S. M. 3.00. — 256) X H. Kohl, E. ungehaltene Rede Bismaroks: Znknnft 9, S. 117-21. — 257) Briefw. d.
Generals v. Gerlach mit d. Bundestags-Gesandten O. v. Bismarck. 3. Aufl. B., Besser. 855 S. M. 5,00. |[WeserZg, N. 16700;
G. Winter, Allgemeines des 18./ 19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb : 25S-280
Preussen nicht von Oesterreich ins Schlepptau nehmen lassen dürfe. Er kommt dabei
zu dem in schroffem Gegensatz zu dem Adressaten seiner Briefe stehenden Aus-
spruche, dass man sogar vorübergehend mit dem „revolutionären" französischen Em-
pire, welches Gerlach bitter hasste, zusammengehen könne, um nicht in Abhängigkeit
von Oesterreich zu geraten; er zeigt hier volle Unabhängigkeit von den steifbeinigen
legitimistischen Velleitäten seines einflussreichen Freundes am preussischen Hofe. Wahr-
haft herzerquickend ist die Sprache, die Offenheit der Ausdrucksweise, der Freimut seiner
Ueberzeugung, mit der er keinen Augenblick hinterm Berge hält, auch wenn er
weiss, dass seine Anschauungen denen der Hofkreise auf das schärfste wider-
sprechen.258-261) — Die allmähliche Wandlung, welche die öffentliche Meinung gegen-
über dem anfangs als „Junker" verketzerten, später von ihr vergötterten Staats-
manne durchgemacht hat, wird ausgezeichnet illustriert durch das Album, welches der
Kladderadatsch von den im Laufe der Jahre in seinen Spalten erschienenen Karikaturen
und Witzen über Bismarck veranstaltet hat 262). — Eine mit Erläuterungen versehene
Sammlung der besten Bismarckgedichte desselben Witzblattes hat Kohl 263) heraus-
gegeben. Ihr kommt nicht allein historisch, sondern unzweifelhaft auch litterarisch
eine grosse Bedeutung durch den poetischen Wert einzelner dieser Gedichte zu,
welche von Dohm, Löwenstein, Trojan, Polstorff u. a. verfasst sind. K. hat sich
um die Sammlung durch seine Erläuterungen, welche, viele Anspielungen auf heute
in Vergessenheit geratene Dinge erst verständlich machen, ein grosses Verdienst er-
worben. Als Quelle der Erläuterungen dienen ihm meist die Reden Bismarcks. —
Endlich hat Kohl264) noch nach dem Muster des Goethe - Jahrbuchs ein Bismarck-
Jahrbuch begründet, dessen erster Band vorliegt, und das ein Mittelpunkt für
die weitere Bismarckforschung zu werden bestimmt ist.265-266) — Unter den dar-
stellenden Arbeiten ist in erster Linie ein drittes Werk Blums 267) zu nennen,
welches den Fürsten, den er schon in den beiden früher besprochenen Werken
in den Mittelpunkt der Darstellung gerückt hatte, nun zum Gegenstande einer im
wesentlichen auf weitere Kreise berechneten Biographie macht. Die Auffassung der
geschichtlichen Entwicklung stimmt mit der in jenen anderen Werken überein, auf
deren Besprechung daher verwiesen wird (s. o. N. 243/4). — Auch sonst ist Bismarck
in einer grossen Zahl von darstellenden Arbeiten268-271), Erinnerungen272"273) und
Charakteristiken274"276), in Lied277-278) und Bild279) gefeiert worden, ohne dass man
der Mehrzahl dieser Arbeiten einen für unsere historische Erkenntnis des Kanzlers
erheblichen Wert beimessen könnte. — Beachtenswert ist es, dass auch von englischer
Seite der Versuch einer biographischen Charakteristik des Kanzlers unternommen
worden ist. Dieses, nun durch eine deutsche Uebersetzung von W i 1 1 e 280) zu-
gänglich gemachte Buch, welches eine für einen Ausländer gute und in der Haupt-
sache richtige Skizze des Lebens des grossen Kanzlers enthält, beruht vornehmlich
auf dessen Reden und den von Poschinger u. a. herausgegebenen Briefen und Akten.
Freilich hat der Vf. von den im eigentlichen Volke wirkenden Kräften, die Bismarck
erst die Möglichkeit seiner erfolgreichen Wirksamkeit gegeben haben, keine ausreichende
Kenntnis und ist daher oft in eine übertreibende und panegyrische Schilderung der
Bedeutung des einen [Mannes verfallen; im übrigen aber zeigt er eine anerkennens-
werte Objektivität. — Immerhin erwähnenswert ist auch der Versuch, eine Biographie
Bismarcks auf dessen eigenen, in Unterhaltungen, vertraulichen Briefen, öffentlichen
F. Meinecke: HZ. 72, S. 44-60 („Gerlach u. Bismarck." ).1| — 258-259) X Briefw. zwischen d. Fürsten Bismarck u. Ihering :
Didask. 1893, N. 197. (Zwei für d. Fürsten wie Ihering gleich charakteristische u. ohrenvolle Briefe, d. zuerst in d. „Zukunft"
abgedruckt waren.) — 260) X Ungedr. Briefe v. Bismarck: NWienTBl. N. 268. — 261) X Didask. N. 144 (Ueber einige
Briefe d. amerikan. Gesch.-Schreibers John L. Motley an Bismarck.) — 262) Bismarckalbura d. Kladderadatsch. Mit
300 Zeichnungen t. W. Scholz und 4 facsira. Briefen d. Reiohskanzlers. 25. Aufl. B., A. Hofmann A Co. 4". IV, 184 S.
M. 6,00. — 263) H. Kohl. Bismarck-Gedichte d. Kladderadatsch, mit Erläuterungen her. Mit vielen 111. v. W. Scholz u. G.
Brandt. 1.-9. Tausend, ebda. XX. 380 S. M. 3,00. — 264) id., Bismarck-Jb. 1. Bd. B., Hering. XVI, 516 S. M. 10,00.
(Vgl. d. Ankündig, in DLZ. S. 571 2.) — 265) X H- Blümner, D. bildl. Ausdruck in d. Reden d. Fürsten Bismarck: Euph. I,
S.590-603, 771-87. (Vgl. JBL. 1891 IV 1 : 117; 1892 I 6 : 49: IV lb : 124; s. o. I 7:32.) - 266) X Bismarck- Worte aus seinen Reden u.
Briefen. 1847-88. Mit e. Portr. Bismarcks, e. Ansicht seines Schlosses Friedrichsruh u. e. Zeichn. seines Wappens. L.,
Meissner u. Buch. 13 S. M. 1,00. — 267» H. Blum, Fürst Bismarck u. seine Zeit. E. Biogr. für d. dtsch. Volk. 3 Bde. München,
C. H. Beck. XII, 524 S.; X, 419 S.; XIV, 462 8. ä M. 5,00. — 268' X A.. Graf v. Westarp, Fürst Bismarck u. d. deutsche
Volk. 3. Aufl. mit e. Festgruss z. 1. April 1893. ebda. 1893. VII. 234 S. M. 2,80. - 269) X F. Sonnenburg, Fürst
Bismarck. E. Lebensbild. B„ Meidinger. III, 185 S. M. 3,00. — 270) X F- v- Koppen, Fürst Bismarck u. seine Zeit. E.
Volksbuch für Jung u. Alt. (= Neue Jugendbibl. begr. v Ferd. Schmidt N. 12,3.) L., Geibel u. Brockhaus. 12°. IV, 270 S.
M. 2.50. — 271) X A. Ohorn, D. Buch v. eisernen Kanzler. E. Erzähl, für Deutschlands Jug. Mit zahlr. 111. in Holzschn. nach
ersten Künstlern u. 4 Farbendr.-Bild. v. F. Bergen. St., Süddtsch. Verl.-Inst. IH, 228 S. M. 3,00. — 272) XO W. v. Bülow,
Neue Bismarck- Erinnerungen. B., Steinitz. V, 311 S. M. 3.50. — 273) X W. Alexejew, Erinnerungen d. ehemal. Sprach-
lehrers d. Fürsten v. Bismarck. St. Petersburg, Schraitzdorff. 23 S. M. 0,50. - 274) X O Denkwürdigkeiten d. Fürsten
Bismarck. L., Renger. 1109 S. M. 14,00. — 275) X A. Rauschenplat, Bismarck u. Spinoza. E Charakterskizze. Ham-
burg, K. Hartmann. 19 S. M. 0,60. — 276) X E- Schröder, 95 Bismarck-Thasen. B., Rentzel. 10 S. M. 0,20. — 277) X
P. Grotowsky, D. eiserne Kanzler im dtsch. Lied. E. Gedenkb. für d. dtsch. Volk. Giessen, Krebs. IX, 146 S. M. 3,00.
(Vgl. IV 2b.) — 278) X E- Scherenberg, Niemals! D. Fürsten Bismarck. Frühj. 1893. 4. Tausend. Elberfeld, Lucas.
7 S. M. 0,15. (Bekanntes schwungsvolles Gedicht; giebt d. Sehnsucht nach e. Versöhnung zwischen Kaiser u. Kanzler Aus-
druck.) - 279) X C. W. Allers. Unser Bismarck. Text v. H Krämer. (In 14 Lfg.) 1.-5. Lfg. St., Union. S. 1-100 mit
Abbild, u. 10 Taf. ä M. 2,00. — 280) C. Lowe, Fürst Bismarck. E. hist. Biographie. Autoris. Uebers. v. E. A. Witte. L.,
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (4)8
IV lb : 281-291 G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
Reden und amtlichen Kundmachungen gegebenen Rückblicken auf seine Vergangen-
heit aufzubauen281). Dabei hat dann der anonyme Vf. ausserdem auch die Arbeiten von
Poschinger, Sybel, Hahn usw. benutzt. Der Vf. lässt Bismarck stets selbst reden und
stellt nur hie und da den Zusammenhang zwischen seinen Mitteilungen her. Dadurch
ist die Darstellung freilich sehr ungleichartig und mosaikmässig geworden, doch ist
das Buch nicht ohne Wert durch die Zusammenstellung massenhaften, an den ver-
schiedensten Stellen verstreuten Materials, teilweise mündlicher, freilich nicht immer
zuverlässiger Ueberlieferungen, die sich der Vf. oft mühsam genug verschaffen
musste. — Ausser diesen das ganze Leben Bismarcks umfassenden Arbeiten sind
noch eine Reihe anderer erschienen, welche sich mit einzelnen Fragen aus demselben,
den Beziehungen des Fürsten zu anderen Zeitgenossen u. dgl. beschäftigen. Unter
diesen hat die öffentliche Aufmerksamkeit und Teilnahme am meisten das Buch er-
regt, in welchem von Poschinger 282) die persönlichen und politischen Be-
ziehungen Bismarcks zu den hervorragendsten Führern des Parlaments geschildert
hat. Das Buch ist ein Neuabdruck einer ursprünglich in der DR. erschienen Artikel-
Serie. Es enthält eine Fülle hochinteressanter, auf genauer persönlicher Information
durch die Beteiligten beruhender Mitteilungen, die aber nicht gerade sehr einheitlich
und von höherem Gesichtspunkt verarbeitet sind, vielmehr die ordnende Hand, wie
die meisten inhaltlich so wertvollen Publikationen P.s, oft sehr vermissen lassen.
Zum Teil sind den mehr oder weniger persönlich gearteten Mitteilungen auch
Aktenstücke beigefügt, welche für die Zeitgeschichte wichtiges Material enthalten,
so z. B. bei dem Abschnitt über Varnbüler dessen Denkschrift über die Zoll- und
Steuerreform. Sehr bemerkenswert sind auch die Angaben des Vf. über die Anfänge
der Centrumspartei und über die früheren Beziehungen Bismarcks zu dem Fürsten
von Hohenlohe-Schillingsfürst, ferner über den Eintritt Falcks in das Ministerium usw.
— Ein auf den verschiedenartigsten Quellen, den Veröffentlichungen von Busch,
Poschinger u. a. und auf persönlichen Mitteilungen mehrerer Damen (u. a. der Malerin
Vilma Parlaghi) beruhende, zuweilen aber doch recht feuilletonistische und anekdoten-
hafte Schilderung des Verhältnisses des Fürsten Bismarck zu den Frauen, zu denen
seiner eigenen Verwandtschaft (Mutter, Schwester, Gemahlin), sowie zu den Ge-
mahlinnen der Fürsten und Diplomaten, mit denen er in seinem langen und wechsel-
reichen Leben in Berührung kam, hat Kohut283) entworfen. — Mit grosser
Prätention tritt eine kleine Broschüre284) auf, welche die neuesten und geheimsten Auf-
schlüsse über Bismarcks Beziehungen zu der seit seinem Rücktritt am energischsten
seinen Standpunkt vertretenden und sehr oft von ihm inspirierten „Hamburger Nach-
richten" zu geben verspricht, thatsächlich aber in der Hauptsache nichts weiter als
Auszüge aus verschiedenen Zeitungsartikeln der „Hamburger Nachrichten" über den
Konflikt zwischen Bismarck und Caprivi enthält. Was der Vf. selbst hinzufügt,
ist bis auf wenige, offenbar aus den Kreisen der Redaktion der genannten Zeitung
stammende Notizen meist unbedeutend, sehr oft blosser Klatsch. Wahrscheinlich ist der Vf.
eine untergeordnende Persönlichkeit aus der Umgebung Bismarcks oder aus der
Redaktion der „Hamburger Nachrichten".285) — Endlich ist auch Fürst Bismarck als
Privatmann in einem anziehenden Artikel behandelt286) und einigen seiner Ver-
wandten eine biographische Darstellung gewidmet worden287"289). —
Ebenfalls zur Charakteristik des geistig sehr eigenartigen, selbstlosen und auf-
opferungsvollen Beraters des Fürsten, der im Laufe seines wechselvollen Lebens eine
höchst eigentümliche innere Wandlung vom bürgerlichen Revolutionär zum nationalen
Socialisten und Freunde Ferdinand Lassalles durchgemacht hat, bis er in seiner Ver-
trauensstellung bei Bismarck anlangte, Lothar Buchers, sind einige wichtige Beiträge
von B. Buch er290) erschienen. Zunächst ist es für die Kenntnis der Entwicklungs-
geschichte dieses rätselhaften Mannes von grosser Bedeutung, dass eine Auswahl seiner
kleineren Schriften politischen Inhalts erschienen ist291), welche uns einen Einblick in
seinen geistigen Werdegang gestattet. Diese Schriften sind aber nicht bloss als Denkmäler
seiner litterarischen Thätigkeit für Buchers Lebensgeschichte von Wichtigkeit, sondern
auch für die Geschichte der politisch-socialen Bewegung in Deutschland überhaupt.
Das vorausgeschickte Märchen, welches auch als litterarische Erscheinung beachtens-
wert ist, gewährt eine allegorische Darstellung seines Lebens ; dann folgt seine (thatsächlich
G. Wigand. III, 315 S. M. 4,50. |[LCB1. S. 1367/8.]| — 281) Bismarcks Leben u. Wirken. Nach ihm selbst erzählt. L., Renger.
VI, 486 S. M.8,00. — 282) H. Bitter v. Poschinger, Forst Bismarck u. d. Parlamentarier. 2 Bde. Breslau, Trewendt.
IV, 339 S.; VI, 362 S. ä M. 7,50. |[DAdelsbl. S. 9-10; SchwabMerkB. N. 289.]| — 283) Ad. Kohut, Fürst Bismarck u. d.
Frauen. B., Stahn. 155 S. M. 2,00. — 284) Fürst Bismarck u. d. „Hamb. Nachr." Authent. Tagebuchbll. v. e. Eingeweihten
B., Rentzel. 81 S. M. 1,50. — 285) X Crispi bei Bismarck: DR. 2, S. 1-33, 133-49, 261-88. — 286) Bismarck als Privatmann.
Nach H. v. Poschingers Ansprachen-Samml.: Geg. 46, S. 309-13. — 287) X Fürstin Bismarck: AkBU. 9, S. 209. — 288) X
Johanna v. Bismarck: Bär 20, S. 608-10. — 289) X w- Keiper, D. Fürsten Bismarck Grossvater in d. Litt.: Daheim N. 30.
(Weist auf einige in d. Boie-Gotterschen Musenalm. veröffentl., an sich weder sachlich noch formell bedeutende Gedichte Karl
Alexander v. Bismarcks [1727-97] hin.) — 290) B. Buch er, Erinnerungen an Lothar Bucher: Grenzb. 1893: 4, S. 420-79,
469-76, 572-80. - 291) L. Bucher, Kleine Schriften polit. Inhalts. St., Krabbe. VII, 352 S. M. 5,00. - 292) id., D. Paria-
G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb •. 291-294
nicht gehaltene) Verteidigungsrede vor den Geschworenen von 1850, welche grelle
Streiflichter auf die durch die Verlegung der preussischen Nationalversammlung nach
Brandenburg geschaffene Situation wirft. Andere Aufsätze beschäftigen sich mit
der orientalischen Frage usw. Für den Literarhistoriker besonders interessant
ist Buchers beim Schillerfeste in Leipzig (10. Nov. 1861) gehaltene Festrede über
„Schiller als Jurist". Bekanntlich war Schiller auf der Karlsschule ursprünglich Jurist.
Bucher sucht nun nachzuweisen, dass Schiller in seinen historischen Rechtsanschauungen
nicht von Rousseau, sondern von Samuel Pufendorf beeinflusst war. Dann folgt ein
Auszug aus einer von Bucher am 8. Mai 1865 dem preussischen Landtage vorgelegten
Denkschrift betr. die ausserordentlichen Ausgaben, welche durch den Krieg gegen Däne-
mark veranlasst worden waren. Sehr interessant ist auch der Aufsatz über die englische
Rede- und Pressfreiheit und die Fenierprozesse, worin deutlich die Wandlung zu
Tage tritt, welche sich bei Bucher infolge seines genauen Studiums der englichen Ver-
hältnisse vollzog und ihn zum entschiedensten Gegner der bis dahin herrschenden
Manchestertheorie machte. In diesem Aufsatze sucht er speciell nachzuweisen, dass
die Gesetze über Presse und Flugschriften (libels), dass überhaupt die Repression
gegen die Presse in England weit schärfer sei als auf dem Kontinent. Hier wie in
mehreren anderen glänzenden Artikeln dieses Buches bemüht er sich eifrig, über
die englische Geschichte, Politik und Verwaltung unter seinen Landsleuten richtigere
Vorstellungen zu erwecken, als sie die damals landläufige Tradition enthielt, unter
deren Einfluss der Vf. früher selbst gestanden hatte. Freilich hat er dabei zu-
weilen sehr über das Ziel hinausgeschossen und im Gegensatz zu dieser Tradition
Behauptungen aufgestellt, welche entschieden unrichtig oder doch zum wenigsten
historisch nicht erweisbar sind. Namentlich gilt dies von dem sonst glänzend ge-
schriebenen und in vieler Beziehung unterrichtenden Aufsatze über den Cobden-Club.
— Von einer anderen grösseren Schrift B u c h e r s 292) über England, welche bei
ihrem ersten Erscheinen im J. 1854 grosses und berechtigtes Aufsehen machte, ist
eine neue dritte Auflage erschienen, die jetzt freilich in mancher Hinsicht fremdartig
anmutet, weil sie eben auf die damaligen Verhältnisse zugeschnitten ist, die aber
doch noch heute in hohem Masse beachtenswert ist. Die Schrift tritt mit grosser Sach-
kenntnis den landläufigen, zum grossen Teil auf Unkenntnis der Verhältnisse beruhenden
Vorstellungen über die Vorzüge der parlamentarischen Verfassung in England schroff
entgegen und weist nach, . dass die parlamentarische Gesetzgebung in England im
Gegenteil eine allmähliche Zerbröckelung und Zerstörung der ursprünglichen, auf
der common law beruhenden, sehr freien englischen Verfassung sei, welche auf einem
Missbrauch der Befugnisse der Mandatare (Abgeordneten) gegenüber ihren Man-
danten beruhe. Die glänzend und geistvoll geschriebene, freilich wiederum sehr
oft weit über das Ziel hinausschiessende Abhandlung ist auch charakteristisch für
die persönliche Entwicklung des Vf. Sie vor allem ist ein sprechendes Zeugnis
dafür, auf welchem Wege der im Exil in England lebende Vf. seinen demokratischen
Standpunkt von 1848 gewaltig und grundsätzlich änderte, lange bevor er in Bismarcks
Dienste trat, und ein eifriger Anhänger socialer Reformarbeit wurde. Inhaltlich sind
die richtigen Gedanken der Schrift uns inzwischen längst durch die wissenschaftlich
grundlegenden Arbeiten Gneists über englische Verfassungs- und Verwaltungs-
geschichte vertraut geworden, durch welche im übrigen die Arbeit Buchers
weit überholt und veraltet ist; aber für den damaligen Stand unserer Kenntnis
englischer Zustände bleibt sie in hohem Masse charakteristisch. — Auf diesen
Schriften und einer reichen aktenmässigen und persönlichen Information beruht die
Charakteristik, welche von Poschin g er293) unter Vorwissen und Teilnahme Buchers von
diesem entworfen hat, und von der in der Berichtsperiode der dritte Band erschienen
ist. Er bietet Ergänzungen zu den beiden ersten Bänden aus persönlichen Erinner-
ungen des Vf. und den Korrespondenzen Buchers mit seinen Verwandten, mit
Lassalle u. a., welche namentlich auf das Verhältnis Buchers zu Bismarck und
Lassalle interessante Streiflichter werfen, aber auch zur Beurteilung des Charakters
und der Lebensweise Buchers mannigfaches, freilich wenig geordnetes und bunt
durch einander gewürfeltes Material bieten. — Gegen die Poschingersche Darstellung von
Buchers Leben und Werken ist nun ein scharfer Angriff von socialdemokratischer
Seite erfolgt294), welcher dem Vf. namentlich vorwirft, dass er in einem Briefe Buchers
an Lassalle die Stelle weggelassen habe, in welcher ersterer erklärt, dass er sich
von Lasalle „im Bewusstsein seiner Schwäche" zurückgezogen habe. Im übrigen
richtet sich dieser Angriff natürlich auch zugleich scharf gegen Bismarck und er-
klärt Buchers, des Socialdemokraten, Verhältnis zu Bismarck als das Opfer bestimmter
socialer Zustände, ohne bei der Beurteilung dieses Verhältnisses zu beachten, dass
rnentarismus, wie er ist. 3. Anfl. ebda. VII, 286 S. M. 5,00. — 293) H. t. Poschinger, E. 48er. Lothar Buchers Leben
u. Werke. 3. Bd. B., Carl Heymann. III, 397 S. M. 3,00. (Vgl. JBL. 1891 IV 6 : 189; 1893 IV 5:575.) — 294) Bucher u.
(4)8*
IV lb : 295-299 G. Winter, Allgemeines des 18./ 19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
der Socialismus des nationalgesinnten Lasalle und seines Freundes Bucher sehr weit
von der heutigen Socialdemokratie verschieden war, und dass auch Lassalle durch
die Wahlverwandtschaft des Genius sich zu Bismarck hingezogen fühlte. —
Neben dem grossen leitenden Staatsmanne Kaiser Wilhelms I. ist auch der
grosse Stratege, dem die Erfolge der deutschen Kriege in erster Linie zu verdanken
sind, der Feldmarschall Graf Moltke, zum Gegenstande einer immer stärker an-
schwellenden historisch-biographischen Litteratur gemacht worden. Eine besonders reiche
Anregung hat die Forschung überMoltke in unserer Berichtsperiode durch die Fortsetzung
der Herausgabe des umfangreichen und historisch wie litterarisch, inhaltlich wie formell
hochbedeutenden litter arischen Nachlasses des Feldmarschalls erhalten295). Die
Schriften und Briefe Moltkes296), welche teils rein persönlichen Charakters, teils
historischen und militärischen, teils sogar litterarischen Inhalts im engeren Sinne
sind, bilden eine unerschöpfliche Fundgrube der Erkenntnis für die Persönlichkeit
des Vf. und für die Kriegsgeschichte seiner Zeit. Mag er nun in vertrauten Briefen
an seine Braut bezw. Frau das Innerste seines Herzens, Selbstgeschautes und Selbst-
erlebtes schildern oder in edler Bescheidenheit die Geschichte seines eigenen Lebens
erzählen, mag er geistvolle und von feinster Beobachtung zeugende Schilderungen
fremder Völker zeichnen oder schlichte und doch in klassisch schöner und einfacher
Sprache geschriebene Darstellungen der unter seiner Leitung geführten kriegerischen
Ereignisse entwerfen, immer erscheint er als der zugleich gemütstiefe und scharf-
sinnige, vielseitig gebildete und fein beobachtende Mann, als der hervorragende
Schriftsteller und Prosaiker, als welcher er auf Grund der ersten sieben Bände
seiner gesammelten Schriften und Denkwürdigkeiten an dieser Stelle schon früher
geschildert worden ist. Der vorliegende achte Band derselben, der sich vielfach mit
einer den gleichen Gegenstand behandelnden Schrift W a g n er s297) berührt, enthält
die prächtige Schilderung seiner Erlebnisse in der Türkei, zu der er zugleich mit
dem Ingenieurhauptmann Mühlbach von der preussischen Regierung entsandt war.
Die Schrift enthält ebenso wie die W7.s, der aus zahlreichen amtlichen und ausser-
amtlichen Korrespondenzen, Notizen und Tagebüchern Mühlbachs schöpfte, eine
reiche Fülle interessanter strategisch-taktischer Details über die türkischen Operationen,
an denen Moltke Teilgenommen hat. Bekannt ist namentlich, dass die türkische Nieder-
lage bei Nisch durch die Nichtbefolgung eines von Moltke der türkischen Heeres-
leitung gegebenen Ratschlages veranlasst wurde. In Bezug auf diese Schlacht wird
seine Darstellung durch die W.s durchaus bestätigt. Daneben ist die Schrift aus-
gezeichnet durch die ausserordentlich lebendige und anschauliche Schilderung der
türkischen Zustände, durch die er seine Meisterschaft in der Darstellung fremd-
ländischer Verhältnisse bewies, die er auch in anderen Schriften an den Tag legte. —
In dieser Beziehung sind z. B. auch von grossem Interesse seine Briefe aus Russ-
land, welche jetzt bereits in vierter Auflage erschienen sind298). Diese Briefe und
Tagebuchblätter sind gleich wichtig in litterarischer, politischer und socialer Hinsicht.
Sie schildern die Erlebnisse auf einer Reise, die Moltke im Aug. und Sept.
1856 als General und erster persönlicher Adjutant des Prinzen Friedrich
Wilhelm, späteren Kaisers Friedrich III., zur Krönung Czar Alexanders II. nach
Petersburg und Moskau unternommen hat. Sie sind für die Würdigung des russischen
Volkscharakters, der staatlichen und socialen Institutionen Russlands, von denen der
Vf. namentlich auf die nahezu socialistische Gemeindeverwaltung grosses Gewicht
legt, ebenso interessant und wichtig, wie für die Kenntnis der speciellen Vorgänge,
deren Schilderung sie in erster Linie gewidmet sind. Moltke offenbart darin in
unübertrefflicher Weise seinen Scharfblick für die Eigenart und Eigentümlichkeiten eines
ihm fremden Volkes und eine besonders für jene Zeit überraschend feine Beobachtungs-
gabe speciell für sociale Dinge. Zugleich sind diese Briefe in der Feinheit des
Stils und der Schärfe und Klarheit ihrer Charakteristik ein litterarisches Denkmal
ersten Ranges. — Endlich ist auch von der vom grossen Generalstabe veranstalteten
Ausgabe der militärischen Werke Moltkes der erste Band der kriegsgeschichtlichen
Arbeiten erschienen, welcher sich mit dem Kriege gegen Dänemark in den Jahren
1848—49 beschäftigt299). Moltke hat diese Arbeit 1862 begonnen und dann bis 1867
vielfach unter Benutzung des dänischen Generalstabswerkes umgearbeitet und ergänzt.
Das erste und vierte Buch sind ganz von seiner Hand geschrieben, für das
Lassalle: NZSt. Hl, S. 578-81. — 295) Graf Helm. v. Moltke, Gesamm. Schriften u. Denkwürdigkeiten. 8. Bd. Briefe über
Zustände u. Begebenheiten in d. Türkei ans d. J. 1835—39. 6. Aufl., eingel. u. mit Anm. vers. v. G. Hirschfeld. B.,
Mittler. LXXYII, VI, 546 S. M. 9,00. |[BLU. S. 140/1; G. Roloff: HZ. 72, S. 124/6; AZg«. N. 138; NatZg. N. 24; LCB1. S. 7/8,
816/7.]| (Ueber Bd. I-VII vgl. JBL. 1892 IV lb : 108.) - 296) (IV lc : 32.) |[DR. 2, S. 131/2; Sphinx 19, S. 101; FBPG. 7, S. 291/2.]|
— 297) R. Wagner, Moltke n. Mühlbach zusammen unier d. Halbmonde. 1837—39. Gesoh. d. Sendung preuss. Offiziere
nach d. Türkei, d. Kurdenfeldzuges 1838 u. d. syr. Krieges 1839. Mit 9 Skizzen im Text u. 3 Kartenbeilagen. B., Bath. XV,
321 S. M. 9,00. — 298) Helm. Graf v. Moltke, Briefe aus Russland. 4. Aufl. B., Gebr. Paetel. 209 S. M. 3,00. — 299) Graf
H. v. Moltke, Milit. Werke. Abt. III. Kriegsgesch. Arbeiten. 1. T. Gesch. d. Krieges gegen Dänemark 1848 — 49. Her. v. Gr. Generalstabe,
Abt. für Kriegsgesch. Mit 1 Uebersichtskarte, 6 Plänen, 4 Textskizzen. B., Mittler. 1893. X, 437 S M. 11,00. |[MHL. 22,
G. Winter, Allgemeines des 18./ 19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV l|b -. 299-312
zweite und dritte sind die hs. Vorarbeiten des Generalstabes von ihm persönlich
durchgearbeitet und korrigiert. Auf das militärische Detail, welches eine Fülle neuer
Aufschlüsse bringt, einzugehen, ist hier nicht der Ort. Beachtenswert auch für den
Nichtmilitär ist Moltkes ungünstiges Urteil über die Freischaren, ausserdem aber
die Darstellung der vielfachen Hemmungen, welche die Operationen durch die aus-
wärtigen Kabinete von London und Petersburg, durch die heimischen Gegensätze
und den Fortgang der revolutionären Bewegungen erlitten. Dadurch wurde auf
deutscher Seite die volle Entfaltung der militärischen Kraft verhindert, während
Dänemark alle Vorteile rein passiven und zuwartenden Verhaltens auf seiner Seite
hatte. Das Werk ist auch reich mit Karten, Plänen und Skizzen ausgestattet. —
Durch diese zahlreichen Quellenveröffentlichungen ist einer erschöpfenden und wissen-
schaftlich brauchbaren Biographie Moltkes erst die erforderliche Grundlage geschaffen.
Die bisher so kurz nach Erschliessung dieser Quellen erschienenen, meist in erster
Linie für populäre Zwecke berechneten Versuche können allerdings den Anspruch
darauf, eine den wissenschaftlichen Anforderungen unserer Tage entsprechende Darstellung
zu sein, noch nicht erheben300"304). — Die ohne Zweifel hervorragendste biographische
Arbeit ist die des bekannten Militärschriftstellers Jahns305), die als eine unmittelbare
Frucht der aus Moltkes Nachlass herausgegebenen „Schriften und Denkwürdig-
keiten" und der vom Generalstabe veröffentlichten kriegswissenschaftlichen Arbeiten
bezeichnet werden kann. Doch führt das Werk die Darstellung einstweilen bloss bis
zu dem Zeitpunkte, da Moltke als Chef an die Spitze des Generalstabs trat. Das
WTeitere will der Vf. erst behandeln, wenn Moltkes kriegswissenschaftliche Arbeiten,
von denen jetzt nur Teile vorliegen, ganz erschienen sein werden. — Ein ganz eigen-
artiges Buch über Moltke als Erzieher hat Dann306) herausgegeben. Es ist, soweit
es sich unmittelbar auf Moltke bezieht, aus einer Kritik des dritten Bandes von Moltkes
Werken, der den Krieg von 1870—71 in geradezu klassischer Schilderung behandelt,
hervorgegangen. Indem D. die hervorragenden Mannestugenden der Bescheidenheit und
Wahrhaftigkeit Moltkes an dessen Werke im einzelnen nachweist, schildert er die
erziehliche Bedeutung, welche das grosse Beispiel dieses Mannes und seine Schriften
für das deutsche Volk besitzen, und knüpft daran politische Betrachtungen darüber,
inwiefern unsere Zeit noch auf der Höhe des nationalen Aufschwunges der Heroenzeit
stehe. Er kommt dabei politisch zu einer ausserordentlich pessimistischen Auffassung,
welche in einer scharfen Verurteilung des „neuen Kurses" gipfelt, dabei aber Ver-
ständnis für die in unseren socialen Bestrebungen hervortretenden idealen Kräfte ver-
missen lässt, Bismarck gar zu unbedingt vergöttert, seine Nachfolger aber ebenso
übertrieben unterschätzt und verspottet. Dagegen trifft der Vf. in seinen Erörterungen
über das Volksschulgesetz, welche fast noch mehr als seine Darlegungen über Moltke
die Hauptsache für ihn zu sein scheinen, Töne, welche das Innerste der deutschen
Volksseele wiederspiegeln. Im ganzen ist das Buch doch mehr eine national-politische
als eine historische Leistung. — Endlich sei noch erwähnt, dass Moltkes in treuer Liebe
mit ihm verbundener Gemahlin eine sehr ansprechende, schlicht und anspruchslos
geschriebene Lebensskizze307) gewidmet worden ist, welche offenbar von einem
(oder einer?) nahen Verwandten stammt, der seine Informationen durch per-
sönliche Mitteilungen der Familienmitglieder erhalten hat. Historisch ist die
kleine Schrift nicht gerade bedeutend, sonst aber dadurch interessant, dass einige
bisher unbekannte Briefe Molkes und seiner Gemahlin, von der letzteren auch zwei
Gedichte, veröffentlicht werden.308) —
Auch mehreren anderen deutschen Heerführern309), nämlich Göben310),
Fransecki311) und Steinmetz312), sind kürzere, einen wesentlichen wissenschaftlichen
Fortschritt nicht bezeichnende, sonst aber ganz verdienstliche Lebensbeschreibungen
S. 239-43.]| — 300) X w- Buchner, Feldmarsch. Gmf Helmuth v. Moltke. Festgabe z. 25. Jährest, d. Schlacht bei Sedan.
Lahr, Schauenburg. V, 407 S. M. 5,00. — 301) X **-i Graf Moltke. E.Lebensbild. 2. Ann. ebda. IU, 186 S. M. 0,75.
(Lebhaft n. flott geschriebene, anziehende Darstell., aber rein popnl. u. ohne eigentl. wissensch. Wert.) — 302) X F. v. Koppen,
Graf Helmuth v. Moltke. E. Lebensb. für Jung u. Alt. 111. v. R. Knötel. (= Neue Jugendbibl., begr. v. Ferd. Schmidt. N. 11.)
L., Geibel & Brockhaus. VIII, 131 S. M. 0,75. — 303) X Moltkes Tactical problems from 1858 to 1882, trans. by K. v. Donat.
London, W. H. Allen. Sh. 28. — 304) X w- 0'c- Morris, Moltke. Biographical and critical study. 2. ed. London, Ward
<fc D. Sh. 10. |[EdinbR. 179, S. 412,7; ScottishR. 24, S. 74-105.)| — 305) M. Jahns, Feldmarsch. Moltke. 1. T. Lehr- u.
Wanderjahre. (= Geisteshelden her. v. A. Bettel he im. N. 10/1.) B., E. Hofmann & Co. XVI, 251 S. M. 3,00. ||NFPr.
N. 10775; VossZg. N. 426.] | — 306) F. Dahn, Moltke als Erzieher. Allerlei Betrachtungen. Nebst Anhang: Betrachtungen
über d. Entwurf e. Volksschulgesetzes in Preussen. &. (Titel-) Aufl. Breslau, Schles. Buchdr. 12°. LXXVI, 209 S. M. 4,00.
| [VossZg. N. 348.]| — 307) F. v. B., Marie v. Moltke. E. Lebens- u. Charakterbild. L., Wigand. 12°. 133 S. M. 3,00.
|[KonsMschr. S. 218.]] - 308) X E- George, Marie v. Moltke: Bär 20, S. 296/8, 307-10. — 309) X B. y. Kleist, D. Generale
d. preuss. Armee v. 1840—90, im Anschlass an d. Generale d. kurbrandenburg. u. kgl. preuss. Armee v. 1640—1840 v. K. W.
v. Schöning zusammengest. 1. Folge u. Nachtr. für d. J. 1891 u. 92. Hannover, Helwing. V, 92 S. M. 3,00. — 310 X ßr-
Garlepp, Aug. v. Göben, preuss. General d. Infanterie. (= ß. Garlepp, D. Paladine Wilhelms I. Lebensgesch. Erzählungen.
11. Bd.) Breslau, Woywod. IV, 206 S. M. 1,00. (Romanähnlich geschrieben, doch z. T. mit Benutz, authent. Quellen, z. B.
d. Göbenschen Werkes „Vier J. in Spanien oder d. Karlisten", in welchem Göben selbst seine Erlebnisse in Spanien im Heere d.
Karlisten schildert.) — 311) X ia> Ed- Friedr. v. Fransecki, preuss. General d. Infanterie, (ebda. Bd. 12.) ebda. VII, 208 S.
M. 1,00. (Ebenfalls mehr romanhafte, aber anmutige u. auf inilit. Quellen fussende Erzählung.) — 312) X B. Poten,
IV lb : 313-321 G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
zu teil geworden. — Unter den deutschen Parlamentariern hat namentlich der
bewährte langjährige Führer der Nationalliberalen, Rudolf von Bennigsen, eine ein-
gehendere Lebensbeschreibung und Würdigung seiner nationalen und politischen
Bedeutung durch Kiepert313) erfahren. Die anregend, lebendig und mit Wärme
geschriebene Skizze gestaltet sich in gewissem Sinne zu einer Geschichte des nationalen
Gedankens in Deutschland überhaupt, zu dessen glänzendsten und überzeugtesten
Vertretern Bennigsen schon zur Zeit des National Vereins gehörte und noch jetzt gehört.
Hierbei sind namentlich die neuesten darstellenden Werke von Sybel, H. Blum usw.
benutzt. Daneben bietet das Buch aber auch eine Reihe persönlicher Erinnerungen
und andere Mitteilungen, die K. aus verschiedenen Schriften über die specielle Ent-
wicklung in Hannover, an welcher Bennigsen als Mitglied der zweiten Kammer von
1857 — 66 hervorragenden Anteil genommen hat, schöpft. Für die eigentliche parla-
mentarische Thätigkeit Bennigsens sind namentlich seine grossen entscheidenden Reden
in den Parlamenten ausgiebig benutzt, zum Teil auszugsweise oder im Wortlaut
wiedergegeben.314) — Von der zuerst im J. 1885 erschienenen Schrift Freunds315)
über Eduard Lasker, welche eine warme Verteidigung Laskers gegenüber den gegen
seine politische Thätigkeit erhobenen Vorwürfen und Angriffen darstellt, ist eine neue
Auflage erschienen, ebenso von dem zuerst 1890 publizierten, sehr beachtenswerten Buche
Bergers316-317) über den alten ehrenfesten und echt freisinnigen Westfalen Harkort,
das ein vortreffliches Bild von diesem Manne in seiner Bedeutung als Volksvertreter
und Schriftsteller giebt. Harkorts in der Skizze gut hervortretende Hauptbedeutung liegt
auf wirtschaftlichem Gebiete. Er trat zuerst für die Einführung der Eisenbahn und
für die Rhein-Seeschifffahrt ein, letzteres zu einer Zeit, als kaum der Flussdampfer
zur Anwendung gekommen war. — Für die Lebens- und politische Entwicklungs-
geschichte Bamberg ers318) sehr wertvoll ist die Sammlung seiner kleineren Schriften,
von welchen jetzt der zweite Band erschienen ist, der eine Reihe glänzend und
geistvoll geschriebener Charakteristiken einzelner hervorragender Persönlichkeiten
aus der Zeitgeschichte enthält, unter denen namentlich seine Erinnerungen an
Napoleon III., seine mit warmer Empfindung verfasste Skizze über Lasker
und endlich seine die wesentlichen Eigenschaften scharf zeichnende Charak-
teristik Treitschkes hervorragen. — Eine eingehende, sehr panegyrisch gehaltene
Würdigung ist auch den hauptsächlichsten Führern der ultramontanen Partei,
Mallinckrodt, Windthorst, Franckenstein und Peter Reich ensp erger gewidmet worden,
welche Schlesinger319) gleich auf dem Titelblatt als „grosse Männer einer grossen
Zeit" bezeichnet. Die Schrift ist keine Originalarbeit, sondern nur eine populäre,
übrigens nicht ungeschickt geschriebene Zusammenstellung der in Werken anderer
katholischer Autoren über den Kulturkampf und seine katholischen Hauptvorkämpfer
gewonnenen Resultate.320) —
Arbeiten über einzelne Ereignisse aus dieser Periode liegen in grosser
Anzahl über die Kriege von 1866 und 1870 — 71 vor; namentlich die auf den letzteren
bezüglichen schwellen in einem von Jahr zu Jahr wachsenden Masse zu einer
besonderen, zumeist auf die Bedürfnisse des grösseren Publikums, namentlich der
Mitkämpfer in jenen Kriegen zugeschnittenen Litteratur an. Hier können natürlich
nur die hervorragenden, welche für die Forschung von irgendwie erheblicher Bedeutung
sind, Erwähnung finden. Für den Krieg von 1866 kommt eine solche dem bekannten
Kanngiesserschen321) Werke zu, von dem jetzt der zweite Band erschien, welcher
aus dem Nachlasse des inzwischen verstorbenen Vf. herausgegeben worden ist. In
seinen Forschungen original ist der Vf. nur in Bezug auf Frankfurt a. M., während
seine übrige Darstellung im wesentlichen auf den Forschungen anderer beruht und
gegenüber diesen, namentlich denen Sybels und des preussischen Generalstabswerkes,
nichts Neues bietet. Wohl aber tritt deutlich eine eigenartige, zum süddeutschen
Partikularismus hinneigende Auffassung hervor, die übrigens weder der Anschaulich-
keit und Lebendigkeit, noch der Objektivität der Darstellung erheblichen Eintrag
gethan hat. Der persönliche Standpunkt des Vf. ergiebt sich am klarsten aus seiner
Beurteilung des norddeutschen Bundes, der als ein erweitertes Preussen bezeichnet
und geschildert wird. Im allgemeinen legt der Vf. mehr Gewicht auf die politische
Seite als auf die militärische, doch sind auch einzelne kriegerische Ereignisse,
namentlich die Schlacht bei Königgrätz, anschaulich und lebendig geschildert. Auch
Steinmetz: ADB. 36, S. 19. — 313) A. Kiepert, Z. 70. Geburtst. E. v. Bennigsens. Rückblick auf d. Leben e. Parlamentariers.
Hannover, C. Meyer. 144 S. M. 1,25. — 314) X s- Sabin, B. v. Bennigsen: Geg. 46, S. 18-20. — 315) L. Freund, Einiges
über Ed. Lasker. Neue (Titel-) Ausg. Mönchen, Mehrlich. 12°. 63 S. M. 1,50. — 316-317) L. Berger, D. alte Harkort.
E. westfäl. Lebens- u. Zeitbild. Mit d. Bild. Harkorts u. Abbild, seiner Grabstätte u. d. Harkort-Denkmals. S. Aufl. L.,
Baedeker. XVI, 650 S. M. 5,50. (Vgl. JBL. 1892 IV le:341.)- 318) (IV la:25.) — 319) O. Schlesinger, Grosse Männer
e. grossen Zeit. Mallinckrodt, Windthorst, Franckenstein, P. Reichensperger. Lebensbilder d. stud. kath. Jug. z. Bewunderung
u. Nacheiferung vor Augen gest. u. mit e. Einl.: „Kurze Gesch. d. Kulturkampfes" vers. Münster, Russell. 280 S. M. 4,00.
— 320) O X J- Galland, Papst Leo XIII. E. Lebensbild. 2. Ausg. Paderborn, Schöningh. IV, 200 S. M. 1,20. — 321) 0.
Kanngiesser, Gesch. d. Krieges von 1866. 2. Bd. Basel, Schweiz. Verl.-Druck. XI, 344 S. M. 5,00. |[FBPG. 6, S. 340.]|
G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb : 322-336
hier ist die Darstellung" nicht ohne eigenes Verdienst, welches zwar nicht in der
Heranziehung und Erschliessung neuer Quellen, wohl aber in der selbständigen
kritischen Verwertung der Ergebnisse der neueren Forschung besteht. — Ueber eine
humoristiche Episode aus dem Feldzuge von 1866 in Südwestdeutschland, die ver-
loren gegangenen schwarz-rot-goldenen Feldbinden der Nassauer, sind aus dem
Nachlasse Karl Brauns einige ergötzliche Mitteilungen veröffentlicht worden322"323). —
Von den Gesamtdarstellungen des Krieges von 1870 — 713-24-328^ ka,nn keine
den Anspruch erheben, die wissenschaftliche Forschung erheblich gefördert und
über die Ergebnisse der klassischen Schilderung Moltkes hinausgehende Resultate
gezeitigt zu haben; doch bieten mehrere von ihnen für den Militär, Taktiker wie
Strategen, manches anregende und interessante, auf den Mitteilungen von Mitkämpfern
beruhende Detail, welches aber für die Erkenntnis des Fortgangs des Krieges im
ganzen ohne Belang ist. Ein gewisses Interesse erweckt durch seine eigenartige,
vielen eine willkommene Erinnerung bietende Anlage ein Gedenkblatt an den Krieg
vonElpons329), welches ausschiiessiich aus den gleichzeitigen Zeitungsberichten, den
authentischen Telegrammen wie den von den Zeitungen daran geknüpften Aeusserungen
besteht und so einen Niederschlag der gleichzeitigen öffentlichen Meinung darstellt,
freilich aber wenig authentischen Wert hat, da die Zeitungen über die von ihnen
ebenfalls geschilderten diplomatischen Verhandlungen nicht ausreichend unterrichtet
waren. — Ganz specifisch militär wissenschaftlich-taktischen Wert hat das Werk Kardinal
von Widder ns330), welches für den Historiker nicht eben von hervorragendem Werte
ist, von um so grösserem aber für den militärischen Fachmann, da es zum guten
Teile sein taktisches Detail aus den Feldakten geschöpft hat. — Erwähnt sei hier ferner
noch, dass das bekannte Werk Boulangers, welches ein typischer Niederschlag der
französischen Tradition über den Krieg ist, jetzt auch in Deutschland durch eine
Uebersetzung zugänglich gemacht worden ist, deren zweiter Band in der Berichts-
periode erschienen ist331). — Wissenschaftlich von erheblich grösserem Werte sind
einige Forschungen und Darstellungen, welche sich mit einzelnen grösseren oder
kleineren Teilen des Krieges beschäftigen und über diese zuweilen recht wertvolle
neue Aufschlüsse bringen. Namentlich gilt dies von den beiden Arbeiten, welche
Honig332"333) veröffentlicht hat, und von denen besonders die über den Volkskrieg
an der Loire im Herbst 1870 bei militärischen wie historischen Fachgenossen ungeteilte
Anerkennung gefunden hat. Sehr eingehend hat H. hier hauptsächlich die Schlacht
bei Beaune la Rolande (28. Nov. 1870) behandelt, über die er sich durch mehr
als 2000 Briefe Klarheit über die mannigfachen Widersprüche und dunklen Stellen
der bisher bekannt gewordenen Schlacht berichte zu verschaffen gesucht hat. Auf
Grund dieses Materials giebt er dann eine eingehende fachmännische Kritik der
beiderseitigen Operationen und hält dabei auch mit dem Tadel gegen mehrere nach
seiner Auffassung auf deutscher Seite vorgekommene taktische Fehler keineswegs
zurück. Vortrefflich sind auch seine Charakteristiken einiger Generäle, z. B. die
von Voigt-Rhetz, der sich übrigens, wie beiläufig erwähnt sei, nach H. während der
Konfliktzeit zu Gunsten der zweijährigen Dienstzeit geäussert hat.334"335) — Mit
derselben Schlacht von Beaune la Rolande beschäftigt sich auch eine Studie von
Natzmers336), die es versucht, die Darstellung Honigs von der Schlacht, soweit sie
N. und sein Regiment betrifft, richtig zu stellen. Dagegen hat dann aber Honig
wieder in einem Aufsatz in der DHeeresZg. repliciert, in welchem er seine Ansicht
aufrecht erhält und die Einwände N.s, wohl endgültig, zurückweist und wider-
(Vgl. JBL. 1892 IV lb : 34.) — 322) X FZg. N. 266. (Nach d. RheinCour.) — 323) X G. E. v. Natzmer, Meine Erinnerungen
an d. Krieg 1866: KonsMschr. S. 1290/7. — 324) X E. Fehleisen, D. dtsch. franz. Krieg 1870—71. In 24 Heften. Reutlingen,
Ensslin. Fol. ä 32 S. ä M. 0,50. (Rein populäre, durch zahlreiche Abbild, ill. Darstellung, v. deren 24 Heften mir nur
2 vorgelegen haben.) — 325) X v- Trapp-Ehrensohild, Gesch. d. bad. Leibgrenad.-Reg. 2.: Im Feldzuge v. 1870—71.
Nach Vortrr. d. Majors Thilo, d. Hauptleute Seyb, Eichrodt, Löhlein, d. Prem.-Lieut. Merz u. d. Kriegsakten zusammengest. u.
bearb. Karlsruhe, Ch. F. Müller. 260 S. M. 3,00. — 326) X D. Krieg v. 1870 -71, dargest. v. Mitkämpfern. Bd. 1, 3 u. 6. 4. Aufl.
München, Beck. VII, 242 S.; VIII, 235 S.; VII, 202 S. ä M. 2,00. — 327) X G. v. d. Schulenburg, Waffenthaten dtsch.
Soldaten im Kriege 1870-71. (2. T. d. Werkes „Heldenthaten" v. H. v. Bülow.) Nach d. Mitteil, alter Mitkämpfer bearb.
Hamburg u. B., Bruer & Co. 400 S. M. 3,50. — 328) X K- Endres, Beispiele ans d. dtsch.-franz. Kriege v. 1870—71 u. d.
russ.-türk. Kriege v. 1877—78. (= Anleit. z. Studium d. Kriegsgesch. v. J. v. Hardegg u. Th. Frhr. v. Troschke, oder
Geschichte d. Kriege d. Neuzeit. Als Anleit. zu deren Stud. bearb. Ergänzungsbd. 4. Hanptabschn. 1. Heft.) Darmstadt, Zernin.
X, 154 S. M. 4,80. — 329) P. v. Elpons, Tageb. d. dtsch.-franz. Krieges 1870—71. In Zeitungsber. aus jenen J. Allen Vater-
landsfreunden z. kommenden 25 j. Jubelfeier d. Erheb, u. Wiedervereinigung Deutschlands gewidmet. In 50 Lfg. Saarbrücken,
Klingebeil. 4°. 796 S. ä M. 0,20. — 330) G. v. Widdern, Dtsch.-fran/.. Krieg 1870—71. D. Krieg an d. rückwärt. Ver-
bindungen d. dtsch. Heere u. d. Etappendienst. 2 Tle. B., Eisenschraidt. XI, 224 S.; IV, 212 S. ä M. 5,00. — 331) E. Bonlanger,
Deutschlands Feldzug gegen Frankreich 1870-71. Autoris. Ausgabe. 2. Bd. Wien, 0. Franks Nachf. VII, 1144 S. M. 17,00.
— 332) F. Hoenig, D.Volkskrieg an d. Loire im Herbst 1870. Bd. II. B., Mittler. XIV, 373 S. M. 8,50. |[WeserZg. N. 16900;
Didask. 1893, N. 78.J| — 333) id., Geschichtsbilder aus d. Kriege 1370—71. 2. Bd. D. Gefechte v. Boiscommun u. Lorcy am
24. u. 26. Nov. 1870. B., Felix. XII, 97 S. M. 2,40. — 334) OX J- ▼• Hartmann, Briefe d. Führers d. 1. Kavallerie-Divis,
aus d. Kriege 1870-71. Kassel, Freyschmidt. HI, VI, 180 S. M. 3,50. (Vgl. JBL. 1893 IV lc:57.) — 335) X v- Rentzell,
Gesch. d. Garde-Jäger-Bataillons. 1744—1894. Nebst e. Anh. D. 1. Kompagnie d. 1. Reserve- Jäger- Bataillons im Feldzuge
1870—71. 2. Aufl. Mit 2 Bild., 6 Uniformbildern, Karten u. Plänen. B., Mittler. X, 396 S. M. 11,00. — 336) G. E.
v. Natzmer, Bei d. Landwehr, vor Metz u. d. Schlacht bei Beaune la Rolande. Mit 3 Karten. Gotha, Perthes. XXXVI.
IV lb : 337-356 Gr. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
legt. — Die anderen Gedenkschriften an einzelne Ereignisse des Krieges, wie die Schlacht
von Wörth337) und die Belagerung von Paris338"340), schildern zwar zuweilen recht
anschaulich die Einzelerlebnisse des Vf., liefern aber zur Beurteilung der Operationen
im grossen nichts erheblich Neues. — Dasselbe gilt von den Feldzugserinnerungen,
welche Angehörige einzelner Truppenteile über deren Schicksale im Kriege ver-
öffentlicht haben341"347). Einige von ihnen können vielleicht dem künftigen Darsteller
als illustrierende, freilich oft mit Vorsicht zu gebrauchende Quelle für Einzelheiten
dienen, als selbständige Arbeiten haben sie zumeist mehr persönlichen Wert für die
Kriegskameraden der Vf., unter denen sie zahlreiche und eifrige Leser finden, wie
die offschnell einander folgenden Auflagen beweisen348). — Von ähnlichen Schilderungen
zweier hervorragender Militärgeistlicher, — der eine ist kein Geringerer als
Frommel349), der andere Huyssen350) — hat die eine die vierte, die andere die
sechste Auflage erlebt. — Wegen des persönlichen Schicksals des nach der Schlacht
bei Villiers (2. Dec. 1870) verschollenen, hoffnungsvollen Vf. haben lebhafte Teil-
nahme erweckt die Feldpostbriefe des ehemaligen Afraners Türk, welche dessen
Bruder herausgegeben hat351). Der Verschollene, 1847 in Erlau bei Mittweida geboren
und bei Ausbruch des Krieges in Leipzig mit der Vorbereitung zum juristischen
Examen beschäftigt, machte den Feldzug als Unteroffizier im sächsischen Schützen-
regiment N. 108 mit. Seine fast täglich geschriebenen Briefe reichen vom 25. Juli
bis 27. Nov. 1870. — In die Thätigkeit des Sanitätskorps während des Krieges werden
wir anschaulich und lebendig eingeführt durch die sehr ansprechenden Kriegs-
erinnerungen eines Sanitätsoffiziers352), der u. a. mit der Führung eines Sanitäts-
zuges betraut war und die dabei gemachten Erlebnisse und Erfahrungen zu Nutz
und Frommen seiner Kollegen in etwaigen späteren Kriegen in anspruchsloser und
doch anziehender Form mitteilt.353) — Ein sehr interessantes Bild von der Stimmung
der elsässischen Bevölkerung während des Krieges erhalten wir durch einen einsichts-
vollen und massvollen Bewohner dieses Landes, G. Müller354). Er schildert ein-
gehend, wie diese Stimmung der Bevölkerung vor Beginn des Krieges sehr geteilt
war; ein Teil, namentlich die Bauern, seien entschieden gegen den Krieg und eher
orleanistisch als bonapartistisch gesinnt gewesen, viele von ihnen hätten daher auch
bei dem napoleonischen Plebiscit mit Nein gestimmt, der andere Teil aber sei
wütend für den Krieg gewesen. Seine gesamten Beobachtungen über die Art, wie
der Krieg eingeleitet und vorbereitet wurde, fasst er dann in den Ausspruch zusammen :
„Unser ganzes Volk war mit Blindheit geschlagen." — Von der bekannten Marx-
schen Schilderung des Kommuneaufstandes in Paris ist eine italienische Uebersetzung
erschienen355). — Endlich sei noch eines Büchleins von Vor meng356) Erwähnung
gethan, welches die Fortsetzung eines früheren Buches desselben Vf.: „Erlebnisse eines
Arztes aus der französischen Kriegs- und Okkupationszeit" ist und anmutige Schilderungen
des Aufenthalts der deutschen Truppen in Frankreich nach Abschluss des Friedens
enthält und namentlich über die anfangs freundliche, dann aber zunehmend feind-
selige Stimmung der Bevölkerung anziehende Mitteilungen macht. In die Darstellung
168 S. M. 4,00. |[H. Granier: FBPG. 7, S. 632/3.]| — 337) X ö- Scholz (ehemaliger Feldwebel). Wörth. E. Vaterland.
Gedenkbl. Kriegserinnerungen. 8.-17. Aufl. Baden-Baden, E. Sommerraeyer. 12°. 49 S. M. 0,30. — 338-339) X Pt- Sarcey,
D. Belagerung von Paris. Eindrücke u. Erinnerungen. Aus d. Franz. übers, v. A. Tuhten. (= ÜB. N. 3118-20.) L., Rectum.
16°. 320 S. M. 1,00. (Dass. v. Th. Bergfeldt übers, in d. Bibl. d. Gesamtlitt. d. In- u. Auslandes N. 762-75.) Mit Bild.
Halle a. S., O. Hendel. VIII, 252 S. 3,50 M.) — 340) X 0- T- Wernersdorf, Füuf Monate vor Paris. Kriegserlebnisse e.
Fünfzigers. Altenburg, Geibel. VII, 215 S. M. 3,00. — 341) X B- Arke, Im Felde. Kriegserinnerungen e. Freiwilligen v.
Grenadier-Regim. König Friedrich IL (3. Ostpreuss.) N. 4. B., Mittler. 78 S. Mit Abbild. M. 1,00. — 342) X M- v- ßer&.
Ulanenbriefe d. 1. Armee. 3 Tle. in 1 Bd. Nebst e. Karte d. Kriegsschauplatzes v. Amiens. Bielefeld, Siedhoff. 253 S. M. 5,00.
— 343) X F. v. Studnitz, Grüne Husaren in Frankreich. D. Husaren-Regiment Graf Götzen (2. Schles.) N. 6 z. Erinnerung
an d. Feldzug 1870—71 gew. B., Mittler. III, 95 S. M. 2,00. — 344) X R- Wilckens, Kriegsfahrten e. frei will. bad.
Dragoners anno 1870—71. 2. Aufl.. Karlsruhe, Reiff. IV, 133 S. M. 1,20. (Auf Grund e. Tagebuches u. von Briefen verfasste
lebensvolle Schilderung e. Pfarrers.) — 345) X O- Leibig, Erlebnisse e. freiwillig. Jägers im Feldzuge 1870—71. 3. Aufl.
München, Beck. IV, 242 S. M. 2,25. ([KonsMschr. S. 439.] | — 346) X J- Zaiss, Aus d. Tageb. e. bad. Pioniers. Schilderang
d. Belagerungen v. Strassburg, Schlettstadt, Neu-Breisach u. Beifort sowie d. 3 tag. Schlacht bei Beifort im Kriege 1870—71.
Karlsruhe, Reiff. IV, 157 S. M. 1,20. (Schlichte Schilderungen e. einfachen Soldaten, d., in Eppingen geb. u. Bildhauer
geworden, 1869 mit 17 Jahren als Pionier ins Heer freiwillig eintrat u. dann als Unteroffizier d. geschild. Belagerungen mit-
gemacht hat.) — 347) X K. Zeitz, Kriegserinnerungen e. Feldzugsfreiwilligen aus d. J. 1870—71. Mit 180 111. v. C. Starcke
und 1 Uebersichtsk-irte d. Kriegsschauplatzes. Altenburg, Geibel. VIII, 920 S. M. 11,00. |[KonsMschr. S. 325; BLÜ. S. 188/9.||
— 348)X W. Lacko witz, Aus d. grossen J. 1870—71. Ernste u. heitere Erlebnisse e. Knaben. Erzähl, für d. reifere Jug.
M. Farbendr.-Ill. nach Aquarellen v. R. Knötel. 4. Aufl. L., 0. Drewitz Nachf. III, 252 S. M. 4,50. — 349) E. Frommel,
0 Strassburg, du wunderschöne Stadt. Alte u. neue, freudvolle u, leidvolle, fremde u. eigene Erinnerungen e. Feldpredigers
vor Strassburg im J. 1870. 4. Aufl. (= Dtsch. Jagend- u.Volksbibl.) St., Steinkopf. 1893. 123 S. M. 0,75. (Vgl. JBL. 1893 IV 1 c: 107.)
— 350) G. Huyssen, Bilder aus d. Kriegsleben e. Militärgeistlichen. E. Beitr z. Kulturgesch. d. dtsch.-franz. Krieges v. 1870—71.
6. Aufl. B., J. H. Mauren-Greiner. VIII, 340 S. M. 6,00. — 351) G. Türk, Feldpostbriefe e. vermissten eheraal. Afraners
aus d. Kriege 1870, her. v. seinem Bruder. L., Grunow. 1893. VII, XV, 181 S. M. 1,50. |[Didask. 1893, N. 162.]| —
352) W. v. St., Kriegserinnerungen e. Sanitäts-Offiziers d. Landw. 1870—71. B., Gebr. Paetel. X, 181 S. M. 4,00. - 353) X
R. Behrends Wirth, Frauenarbeit im Kriege. Selbsterlebtes aus d. J. 1870-71. Neue (Titel-) Ausg. B., Fontane & Co.
III, 170 S. M. 2,00. -• 354) G. Müller, Kriegserinnerungen e. Elsässers 1870-71. Weissenburg, R.Ackermann. VIII, 286 S.
M. 2,00. |[StrassbPost. 1893, N. 352,3.] | — 355) K. Marx, La guerra civile in Franoia del 1870-71 a la comune rivendicata.
Bologna, Soc. tip. Azzoguidi. 32 S. L. 0,50. — 356) K. Vormeng, Ernste u. heitere Bilder aus d. franz. Okkupationszeit
G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb ■. 357-367
eingestreut sind lebendige Beschreibungen der historischen Denkmäler in Frankreich
und ihrer geschichtlichen Erinnerungen. — Verweilen wir schliesslich noch einen
Augenblick bei der in Frankreich vorherrschenden Ansicht über den Krieg von
1870— 71, so erhellt die populäre Meinung hierüber mehr noch als aus den eigentlich
kriegsgeschichtlichen Arbeiten, wie der Boulangers, aus der belletristischen Litteratur,
welche über den Krieg entstanden ist und sich durch ausserordentliche Gehässigkeit
gegen den deutschen Sieger auszeichnet. Natürlich kann auf diese Litteratur hier
nicht weiter eingegangen, wohl aber darf und muss auf eine von deutscher Seite kom-
mende objektive und vornehm ruhige Darstellung dieserLitteraturvonKoschwitz257)
hingewiesen werden. Der Vf. beschränkt sich im wesentlichen darauf, ohne jede
Tendenz den Inhalt der einzelnen Bücher wiederzugeben. Der erste Teil behandelt
die Kriegsnovelle, der andere den Kriegsroman, eine Gliederung, welche freilich
ziemlich mangelhaft und nach willkürlichen äusseren statt nach den entscheidenden
inneren Merkmalen erfolgt ist. Das Buch ist daher mehr Materialiensammlung als kritische
Würdigung, aber auch in dieser Form sehr dankenswert. Ein Teil der vom Vf.
behandelten Romane und Novellen sind reine Helden- und Revanche-Erzählungen,
welche den ganzen Krieg als eine Invasion wilder Barbaren betrachten, die Deutschen
als halbe Menschenfresser, die Franzosen als halbe Engel schildern; ein anderer Teil aber
besteht aus ernsteren litter arischen Erzeugnissen, welche die Ueberlegenheit der Gegner
anerkennen, die eigene Schwäche eingestehen und auf Besserung der Missstände
hinarbeiten (z. B. Zolas „Debäcle").358) —
In Bezug auf die Geschichte der neuesten Zeit seit der Neubegründung
des Reiches ist die Aufmerksamkeit der Historiker vor allem immer wieder durch
die grossen Persönlickeiten des Herrscherhauses gefesselt worden, welches an der
Spitze des neuen Reiches steht.359) Der Heldengestalt des „Kronprinzen", des Kaisers
Friedrich III., der durch ein unvergleichlich tragisches Geschick nur totkrank den
Thron seiner Väter besteigen konnte, ist neben einigen rein populären, in der Form
vortrefflichen Lebensskizzen360"362) auch eine auf breiter wissenschaftlicher Grundlage
beruhende Biographie von Philip pson363) gewidmet worden. Der Vf. ist der
Ansicht, dass der Kronprinz Friedrich Wilhelm in seinen späteren Jahren infolge
der Ausschliessung von den Geschäften, die Bismarck in seinem Immediatbericht in
der Geffcken-Angelegenheit behauptet hat, verdüstert und verbittert gewesen sei.
Gegen diese Auflassung hat Volz Protest erhoben, und aus authentischen Quellen,
d. h. aus Mittheilungen des Kronprinzen selbst, verschiedene sehr interessante Mit-
teilungen gemacht. Im übrigen hat die Kritik auch derjenigen Fachgenossen,
welche den politischen Standpunkt, der aus der Darstellung Ph.s zu Tage tritt, nicht
teilen, bereitwillig anerkannt, dass der Vf. nach möglichster Objektivität gestrebt
und sich fern von aller Einseitigkeit gehalten hat. , Die warme und berechtigte Ver-
ehrung, die er dem edlen Monarchen zollt, hat die Unbefangenheit seines Urteils in
keiner Weise beeinträchtigt, so dass seine Schrift zu den besten über den unglück-
lichen und tiefbetrauerten zweiten Kaiser des neuen Reiches gezählt werden darf. —
Auch die Persönlichkeit des gegenwärtig regierenden Kaisers Wilhelms II.
hat in ihrer stark individuellen Bethätigung auf den verschiedensten Gebieten in
hohem Mase das allgemeine Interesse auf sich gelenkt, und zwar nicht bloss in Deutsch-
land364366), sondern auch im Auslande. Viel Aufsehen und Interesse hat namentlich die
Charakteristik erweckt, welche der Amerikaner Bigelow367) von dem Kaiser und seinen
Beziehungen zu Russland veröffentlicht hat, und die jetzt auch in deutscher Ueber-
setzung erschienen ist. Die in vieler Beziehung auf guter, aus der Umgebung des
Monarchen selbst stammender Information beruhende Schrift ist sehr subjektiv
gehalten und vermischt oft in hohem Grade Wahres mit Falschem, ist aber ein
typischer Beweis dafür, wie sehr die ungewöhnliche Persönlichkeit des jungen
Kaisers den Ausländern zu imponieren vermag. Der Vf. steht unbedingt auf Seiten
des Kaisers, auch in dessen Konflikt mit Bismarck, welch letzterer infolgedessen sehr
scharf und oft ungerecht beurteilt wird. Scharf ausgeprägt tritt auch der streng
1871—73. B., Borstell & Reimarus. IV, 293 S. M. 3,00. — 357) Ed. Koschwitz, D. franz. Novellistik u. Romanlitt, über
d. Krieg y. 1870-71. B., Gronau. III, 220 S. M. 4,50. |[P. Remer: NatZg. N. 293/7; O. Hamack: PrJbb. 78, S. 520;
Th. v. Sonesky: DR. 3, S. 254,5.]| (S. u. IV ld : 21.) — 358) X Franz. Volksstimmungen während d. Krieges v. 1870-71:
KonsMschr. S. 50/3, 159-65, 268-76. — 359) X C. A. Krüger, Drei Kaiser. Lebensbilder v. Wilhelm I., Friedrich HI. u.
Wilhelm II. 3. Aufl. L., Baedeker. IX, 103, 72, 111 S. M. 1,00. -- 360) X B. Rogge, Friedrich III., dtsch. Kaiser u.
König v. Preussen. E. Lebensbild. 3. Aufl L, Hirt u. Sohn. 159 S. M. 2,25. — 361 X Kaiser Friedrich: Bär 20, S. 85, 337.
— 362) X A. Heinrichs. Kaiser Friedrich- Reden. Für Vaterland. Gedenktage, bes. in Schulen, auf Grund aller bis jetzt
veröffentl. Quellen bearb. 4. Aufl. B., Frantz. 108 S. M. 1,50. — 363) M. Philippson, Friedrich III. als Kronprinz u.
Kaiser. B, Grote. 1893. VIII, 310 S. M. 6,00. j[B. Volz: DLZ. 1892, S. 1689—90; Nationi'». 10, S. 238: MHL. 22,
S. 354; FBPG. 7, S. 295.]| (.Vgl. JBL. 1S92 IV lb:83.) - 364) X F- Meister, Kaiser Wilhelm IL B., E. Hoffmann & Co.
VIII, 398 S. M. 5,00. — 365) X E. Schröder, Kaiser Wilhelm IL E. Herrscherbild in seinen Aussprüchen. St., Dtsch.
Verl-Anst. 12°. VII, 44 S. M. 1,00. — 366) X *• Heinke. Kaiser Wilhelm IL als Soldat. D. Mannschaften v. Heer u.
Marine erz. Mit e. Anhang, enth. Proklamationen, Reden etc. Sr. Majestät. 5. Aufl. B., Liebel. 48 S. M. 0,40. — 367) P.
Bigelow, Kaiser Wilhelm IL u. sein östlicher Nachbar. Aus d. Engl. v. 0. Key her. 1. u. 2. Aufl. L., C F. Müller.
Jahresberichte für neuere deutsche Idtteraturgeschiohte. V. (4)9
tV lb : 368-377 G. Winter, Allgemeines des 18./i9. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
freihändlerische Standpunkt des Vf. hervor, der ihn zu einer vollen Billigung" der von
Bismarcks Nachfolger Caprivi verfolgten Handelsvertragspolitik veranlasst. Sein Urteil
über den Kaiser fasst er in dem Satze zusammen: „An Charakterstärke und geistiger
Beanlagung übertrifft der gegenwärtige Kaiser jeden seiner Vorfahren ohne Zweifel
bis zurück zu der Zeit Friedrichs des Grossen". — Welchen ungewöhnlichen Eindruck
der Kaiser auf die Ausländer hervorbringt, zeigt am besten die Thatsache, dass selbst
die Franzosen sich ihm nicht zu entziehen vermögen. So hat sich bekanntlich
Jules Simon368) in der Revue de Paris auf Grund der Eindrücke, welche er bei der
internationalen Arbeiterkonferenz in Berlin empfangen hat, über Wesen, Art und Charakter
des Kaisers eingehend und für einen Franzosen merkwürdig objektiv, selbst sympathisch
geäussert.369) — Weniger auffallend ist es, dass ein Italiener, Gagliardi370), dem mit
dem seinigen verbündeten Monarchen eingehende Aufmerksamkeit und lebhafte Teil-
nahme entgegenbringt und eine von genauem Studium der einschlägigen deutschen
Litteratur zeugende Charakteristik desselben veröffentlicht hat. — Auch dem Hofe der Ge-
mahlin des Kaisers371) und dem Bruder des Kaisers, dem Prinzen Heinrich, sind eingehende
Studien gewidmet worden, von denen namentlich die letztere, von Langguth372) ver-
fasste, ein anschauliches und anziehendes Lebensbild entwirft. Die Darstellung, welche
der Vf. von der Erziehung und Entwicklung des Prinzen giebt, beruht offenbar
auf Aufschlüssen aus Hofkreisen. Besonders eingehend werden die verschiedenen
Seereisen des Prinzen, ohne Zweifel auf Grund von Mitteilungen von Teilnehmern,
in sachlicher und sachkundiger, wenngleich zuweilen etwas deutlich zu Tage tretender
panegyrischer, die Verdienste des Prinzen etwas überschwenglich feiernder Form
geschildert. —
Eine den mittelalterlichen Chroniken vergleichbare, den Zeitereignissen
unmittelbar von Jahr zu Jahr folgende Geschichte der Gegenwart hat Wilhelm
Müller begründet. Nach seinem Tode wird sie jetzt von Wippermann373) fortgesetzt.
In der Berichtsperiode ist der das J. 1892 behandelnde Band erschienen. Besonderer
Nachdruck ist hier auf die Verhandlungen über das Volksschulgesetz, ausserdem aber
auf die Bismarck zu Teil gewordenen Huldigungen gelegt. Der Standpunkt des Vf.,
der wohl am ehesten zum Nationalliberalismus neigt, ist im übrigen streng objektiv.
Die Strömungen im eigentlichen Volksleben werden leider neben der möglichst
erschöpfenden Aufzählung einzelner Vorgänge und Ereignisse nur wenig berück-
sichtigt, litterarische Strömungen überhaupt nicht. — Aber als Quellensammlung für
den Historiker der neuesten Zeit ist dieses Werk ebenso unentbehrlich wie das seit
langer Zeit sich allgemeiner Anerkennung erfreuende, jetzt unter Hans Delbrücks375)
sachkundiger Leitung stehende „Staatsarchiv" und der Schulthesssche375) europäische
Geschichtskalender. — Für die neueste Geschichte des Deutschen Reiches seit der
Entlassung Bismarcks aus seinen Aemtern ist eine neue wichtige Quelle erschlossen
worden durch eine sorgfältige und geschickte Auswahl der hauptsächlichsten Reden
seines Amtsnachfolgers Caprivi, die Arndt376) veranstaltet hat. Ihren hauptsächlichsten
Inhalt bilden natürlich die grossen Fragen der Marine- und Kolonialpolitik, der
Handelsverträge und des Volksschulgesetzes. Die Reden sind, wenn sie auch an
Wucht der Sprache, Reichtum des Inhalts und Gewalt der Beredsamkeit denen
seines grossen Vorgängers nicht annähernd gleichstehen, doch in ihrer Art ebenfalls
hervorragende oratorische Leistungen und für den ehrlichen, schlichten und soldatischen
Sinn des zweiten Kanzlers charakteristisch. Die der Ausgabe der Reden vorauf-
geschickte, ohne Zweifel auf guten Quellen beruhende Biographie Caprivis ist unter-
richtend und lebendig geschrieben, aber hie und da doch ein wenig zu panegyrisch
gehalten. —
Eine grosse Rolle in der europäischen Politik hat seiner Zeit die Berufung
eines Mitgliedes der fürstlich hohenzollerschen Familie auf den rumänischen
Königsthron gespielt. Die Schwierigkeiten, die sich der Annahme dieser Wahl des
Prinzen Karl von Hohenzollern-Sigmaringen gegenüber dem einmütigen Proteste
der Pforte und der auf dem Pariser Kongresse vereinigten Garantiemächte entgegen-
stellten, schienen unüberwindlich und geeignet, ähnliche Verwicklungen hervor-
zurufen, wie im J. 1870 die Wahl des aus demselben Hause stammenden Prinzen
Leopold für den spanischen Königsthron. Man zweifelte daher damals allgemein
139 S. M. 2,50. —368) O J. Simon, Kaiser Wilhelm II. Einzig autor. dtsch. Uebers. 3.Aufl. B., Sohlosser. VIII, 262 S. M. 3,00.
— 369) X FZg. N- 212- (Auszüge aus N. 368.) — 370) E. Gagliardi, Guglielnio II. Fatti-parole-caratteristiche. Torino-
Roma, L. Roux & C. 456 S. — 371) X Am Hofe d. Kaiserin Augusta Viktoria. 4. u. 5. Tausend. B., Steinitz. 278 B, M. 3,50.
— 372) Ad. Langguth, Prinz Heinrich v. Preussen. E. seemänn. Lebensbild. 2. (Titel-) Ausg. Halle a. S., Niemeyer.
XII, 445 S. M. 3,00. — 373) K. Wippermann, Pol». Gesch. d. Gegenw. Begründ. v. Wilh. Müller. 26. Bd. D. J. 1892. B.
Springer. XI, 414 S. M. 4,40. — 374) D. Staatsarch. Samml. d. .offlz. Aktenstücke z. Gesch. d. Gegenw. In fortlaufenden
HefteD her. v. H. Delbrück. 55. Bd. Gesamt-Register zu Bd. 33-44. 1. u. 2. Heft. L., Duncker & Humblot. 112 S.
a M. , 1,40. — 375) Schulthess europ. Gesch.-Kal. N. F. 9. Jahrg. 1893. D. ganzen Reihe 34. Bd. her. v. H. Del-
brück. München, C. H. Beck. X, 400 S. M. 8,00. — 376) Graf v. Caprivis Reden im dtsch. Reichstage, Preuss. Landtage
U. bei besond. Anlässen. 1883—93. Mit d. Biogr. u. d. Bild. her. v. R. Arndt. B., E. Hofmann & Co. III, 424 S. M. 5,00.
li. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb : 377-378
daran, dass der Prinz die Wahl annehmen werde, zumal er von dem Chef seines
Hauses, dem Könige von Preussen, der sich selbst durch die Beschlüsse der Garantie-
mächte gebunden fühlte, ausserdem aber in einen sich immer schärfer zuspitzenden
Konflikt mit Oesterreich zu geraten begann, keinerlei Hülfe bei seinem schwierigen
Unternehmen zu erwarten hatte. Trotz alledem wagte der junge Prinz zu allgemeinem
Erstaunen der politischen Welt den gefährlichen Schritt, ging nach Rumänien und
stellte so die europäischen Mächte vor ein kühnes fait accompli, dem sie sich um
so mehr fügen mussten, als bald nachher der preussisch-österreichische Krieg, der
schon lange gedroht hatte, wirklich ausbrach. Alle diese politischen Schwierigkeiten
und die schweren Verlegenheiten, die dem Hohenzollernprinzen in den ersten Jahren
seiner Regierung in Rumänien aus den erregten inneren Parteikämpfen seines
Adoptiv Vaterlandes erwuchsen, bilden den Gegenstand eines hochinteressanten Memoiren-
werkes, welches eine Fülle neuer Aufschlüsse über diese Vorgänge giebt3"). Es
bezeichnet sich selbst als „Aufzeichnungen eines Augenzeugen", und in der That kann
diese in Form eines fortlaufend geführten Tagebuches auftretende Darstellung der
Ereignisse nur von einem mit den Verhältnissen sehr vertrauten Teilnehmer aus der
unmittelbarsten Umgebung des Fürsten, jetzigen Königs Karl herrühren, ja an manchen
Stellen machen diese Denkwürdigkeiten den Eindruck, als stammten sie in Entwurf
und Anlage von dem Könige selbst her und hätten durch einen vertrauten Staats-
mann aus seiner Umgebung nur die letzte Umarbeitung und Ausfeilung erfahren.
Wie dem auch sei, jedenfalls ist der Vf. mit allen Vorgängen und mit den geheimsten
Quellen derselben auf das genaueste vertraut; er ist in der Lage, grosse Teile der
geheimen Korrespondenz zwischen dem Fürsten und seinen Verwandten aus dem
preussischen Königshause, Kaiser Wilhelm I. und dem Kronprinzen, sowie mit
Bismarck im Wortlaute mitzuteilen. So erfahren wir hier auf Grund der authentischen
Aktenstücke, dass Bismarck selbst, abweichend von dem vorsichtig zurückhaltenden
Verfahren König Wilhelms, dem Hohenzollernprinzen den Rat gab, die Türkei und die
europäischen Mächte vor die vollendete Thatsache der Thronbesteigung zu stellen.
Wir werden über den in dieser Frage geführten Schriftwechsel mit Kaiser Napoleon
und Kaiser Alexander II. von Russland unterrichtet; es werden die eingehenden Briefe
mitgeteilt, durch welche namentlich der preussische Kronprinz seinem Verwandten
auf dem rumänischen Throne seine rege und eifrige Teilnahme an seinem Schicksale
bezeugt und ihm eingehende Ratschläge für sein Verhalten giebt. Nicht minder unter-
richtet und unterrichtend erweisen sich die Darlegungen des Vf. über die inneren
politischen Vorgänge, wie über die Kulturzustände in den später zu einem König-
reiche erhobenen vereinigten Donaufürstentümern. Der Vf. hat den Fürsten — wenn
dieser nicht selbst der Vf. ist — auf allen seinen Reisen durch das Land begleitet
und überall mit feinem Verständnis Beobachtungen -über das eigentümliche Land und
seine eigenartige Kultur, auch hier in Tagebuchform, aufgezeichnet. Die leitenden
politischen Persönlichkeiten, namentlich Bratianu, werden plastisch und anschaulich
geschildert. Wir begleiten den jungen thatkräftigen Fürsten mit stets regem Interesse
auf seiner dornenvollen Laufbahn, auf der es ihm gelang, das in seiner ganzen
Regierung und Verwaltung arg verwahrloste, aber an natürlichen Hülfsquellen reiche
Land geordneteren Zuständen entgegenzuführen. Auch die Aufzeichnungen über die
persönlichen Schicksale des Fürsten, über seine Ehe mit der geistvollen Fürstin Carmen
Sylva sind in hohem Grade anziehend und interessant. Dazu kommt noch das
Interesse, welches die sehr wertvollen Mitteilungen über die spanische Thron-
kanditatur des Bruders des Rumänenfürsten, des Erbprinzen Leopold von Hohen-
zollern, einflössen, über welche hier die intimsten brieflichen Aeusserungen der ver-
schiedenen Mitglieder des hohenzollerschen Hauses mit rückhaltloser Offenheit
mitgeteilt werden. Sie bilden eine glänzende Bestätigung der längst als feststehend
betrachteten, auch von Sybel eingehend dargelegten, aber von französischer und
socialdemokratischer Seite angefochtenen Auffassung über den Verlauf der einzelnen
Phasen jener Thronkandidatur, welche den Franzosen nicht den Grund, wohl aber den
Vor wand zur Eröffnung des Krieges von 1870 geliefert hat. —
Territorialgeschichtliches. Wenden wir uns nun der Geschichte der
deutschen Einzelstaaten zu, so beginnen wir füglich mit demjenigen Staate, der, obwohl
heute nicht mehr zum Deutschen Reiche gehörend, doch dereinst an dessen Spitze
gestanden hat: mit Oesterreich. Ueber dem edlen Kaiser Joseph II. ist eine von
katholisch-ultramontaner Seite ausgegangene biographische Skizze Brunners378)
erschienen, die, oft in schroffem Gegensatz zur bisherigen Tradition, behauptet,
Joseph sei durchaus kein Liberaler gewesen, habe im Gegenteil jede Stände- oder
Volksvertretung, jeden Konstitutionalismus gehasst. So weit das richtig ist, hat es
|[R. Arndt: KonsMschr. S. 546/7.]| - 377) (IV lc : 16.) |[BLU. S. 358/9, 617,8; BerlBörsCoar. N. 204.]| — 378) Seb. Brunner,
Joseph II. als absol. Beherrscher seiner Länder. (= Frankf. zeitgem. Brosch&ren. Her. v. .1. M. Raich. Bd. 14, Heft 2.)
(4)9*
IV lb : 379-392 G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
auch die bisherige Forschung erkannt. Was der Vf. über diese hinausgehend
behauptet, ist zumeist schief aufgefasst oder geradezu falsch. Damit im Widerspruch
behauptet er dann wieder, der Kaiser sei im Fahrwasser der Revolution gesegelt,
seine Ratgeber seien lauter Freimaurer gewesen. Im ganzen ist das Buch weiter
nichts als eine ziemlich plumpe Tendenzschrift.379) — Interessant aber ist eine
Schilderung Josephs IL, welche Dumm ler380) aus dem Tagebuche eines Zürichers ver-
öffentlicht, und in welchem sich die missgünstige Stimmung mancher Wiener Kreise über
den Kaiser wieder spiegelt. — Einen sehr wertvollen Beitrag zur Geschichte der Kirchen-
politik des Kaisers Joseph und seiner Beziehungen zum Vatikan hat Schütter381) als
Fortsetzung einer 1890 von ihm über die Reise des Papstes Pius VI. veröffentlichten
Untersuchung geliefert. Der Vf. weist darauf hin, dass jene im Sinne einer Ein-
wirkung auf den Kaiser unternommene Reise des Papstes vollkommen erfolglos
gewesen sei, da Joseph ganz bei seiner Kirchenpolitik verharrte, wie sich in der
vom Vf. ausführlich geschilderten Gründung der Giunta Economale in Mailand und
der geistlichen Hofkommission in Wien zeigte. Die Glaubens- und Dogmenlehre
überliess er der Kirche; was ausserhalb dieses Bereiches stand, unterwarf er der
Oberaufsicht des Staates. 1782 wäre es fast zu einem völligen Bruche mit dem
Papste gekommen. Joseph reiste, um den Papst zur Nachgiebigkeit und zu einem
Ausgleiche zn bewegen, 1783 selbst nach Rom. Am 23. Jan. 1784 kam dann das
Konkordat über die Besetzung der Bistümer und Benefizien in der Lombardei, die
Pius ganz dem Kaiser cedierte, zu stände. Im Anhange hat der Vf. eine grosse Anzahl
von Aktenstücken mitgeteilt. — Aus der Zeit Franz IL liegen ausser zwei kleineren
biographischen382-383) Beiträgen mehrere Skizzen über die verschiedenen Gemahlinnen
des Kaisers vor384-385), von denen namentlich die Arbeit Guglias386) über die Kaiserin
Maria Ludovica beachtenswert ist. Sie beruht ausser auf den bisher bekannten
Korrespondenzen der anmutigen, jung verstorbenen Kaiserin auf ihren im Esten-
sischen Familienarchive aufbewahrten Briefen an ihre Mutter Marie Beatrix und
an ihren Gemahl. Bekannt ist die Kaiserin namentlich dadurch, dass Goethe, mit
dem sie zuerst 1810 in Karlsbad zusammentraf, ihr eine Reihe formvollendeter
Poesien gewidmet hat. Bei ihrer Vermählung mit Kaiser Franz (1808) ist sie ausser-
dem von August Wilhelm Schlegel gefeiert worden, während auf ihren Tod Max
von Schenkendorf ein Gedicht geschrieben hat. Politisch aktiv ist die Kaiserin im
allgemeinen nicht hervorgetreten, hat aber innerlich lebhaften Anteil an den Er-
eignissen genommen und immer, namentlich 1809, energisch auf Fortsetzung des
Kampfes gegen Napoleon gedrungen. — Aus der späteren Geschichte dieses Jh.
liegen eine Reihe biographischer Beiträge über österreichische Staatsmänner, Feld-
herren und Gelehrte vor387-389). Mit besonderer Freude wird man gewiss die
Erinnerungen an Schmerling begrüssen, die kein Geringerer als Arneth390) ver-
öffentlicht hat, die mir aber leider nicht vorgelegen haben. — Eine zum Volksbuche
bestimmte, auf Zeitungen, Broschüren, persönlichen Erinnerungen und Mitteilungen
beruhende Biographie des hervorragenden österreichischen Volksmannes und Vor-
kämpfers für das Deutschtum, Franz Schmeykal, ist als Gedenkschrift an ihn ver-
öffentlicht worden391). Das Buch ist freilich wenig überarbeitet und entwirft ein
etwas buntes, künstlerisch wenig abgerundetes, nach den jeweilig benutzten
Quellen mosaikartig zusammengestelltes Bild, welches aber viele lebendige Einzel-
heiten aus Schmeykals Leben enthält. — Auch dem hervorragenden ungarischen
Volksführer Ludwig Kossuth ist eine populäre, offenbar auf guten Forschungen
beruhende, aber einseitig für den Helden der Darstellung gefärbte Biographie
Somogyis392) gewidmet wrorden, welche vor allem den Zweck verfolgt, das Leben
dieses Volksmannes, der in der That nicht nur für die ungarische, sondern auch für die
Frankfurt a. M., Foesser Nachf. 62 S. M. 0,50. — 379) X H- Jantsch, Kaiser Joseph u. d. Schusterstochter. Hist. Vollcs-
schanspiel. Nene Ausg. nach d. Scenarium d Wiener Volkstheaters. (=: ÜB. N. 524.) L., Reclam. 71 S. M. 0,20. —
380) F. Dümmler, E. Schilderung Kaiser Josephs IL u. seines Hofes: DZG. 11, S. 165-76. — 381) H. Schütter, Pins YI.
n. Joseph II. v. d. Rückkehr d. Papstes nach Koni bis z. Abschlüsse d. Konkordats. E. Beitr. z. Gesch. d. Beziehungen
Josephs II. z. röm. Kurie v. 1782 — 84. (= Fontes rernra Austriacarum. Oesterr. Gesch.-Quellen, her. v. d. hist. Kora. d. kais.
Ak. d. Wissensch. in Wien. 2. Abt. Diplomataria et acta. 47. Bd., 2. Hälfte.) Wien, Tempsky. XX, 225 S. M. 3,40. —
382) X H- ▼• Zeissberg, J. A. de Thugut, österr. Staatsmann: ADB. 38, S. 138-58. — 383) X ö- Buch holz, Fürst zu
Trautmannsdorff, österr. Staatsmann, 1749— 1S27: ib. 8. 524-31. — 384) X Ed. Wertheimer, D. drei ersten Frauen d.
Kaisers Franz. Mit 3 Portr. L., Dnncker & Humblot. IX, 163 S. M. 3,60. |[BLU. S. 165/8JI — 385) X C. Wolfsgruber,
Carolina Augusta, D. „Kaiserin Mutter". Wien, Kirsch. X, 299 S. M. 6,00. (Ueber d. Wittwe d. Kaisers Franz.) —
386) E. Guglia, Kaiserin Maria Ludovica v. Oesterr. (1787-1816). Nach ungedr. Briefen. Wien, Graeser. XI, 196 S.
M. 2,00. irNatZg. N. 295; BLU. S. 726/7; FrBlw. N. 207.] | — 387) X W. Wächtler, D. alte treue Badetzky. Sein reich-
bewegtes Leben u. Streben. Für Oesterr.-Ungarns Heer, Jugend u. Völker. Wien, Grottendiek. 160 S. M. 1,50. — 388* X
D. k. k. österr. Feldmarsch. Fürst Windischgrätz, d. Bild e. wahren Edelmannes: DAdelsbl. S. 286/9, 308,9, 3279, 389-91, 407/9,
425/8. — 389) X H. ß., L. v. Hasner: AZgI!. 1893, N. 204. (Anmutig n. mit warmer Lebendigkeit geschriebene Lebensskizze
d. Prager Prof. d. Jurisprud. d. hochverdienten österr. Kultusministers im „Bürgerministerium" u. Schöpfers d. liberalen
Volksschulgesetzes, welches er in hartem Kampfe mit d. österr. Episkopat durchführte.) — 390) A. Ritter v. Arneth, Anton
Ritter v. Schmerling. Episoden aus seinem Leben. 1835, 1848 — 49. Wien u. Prag, Tempsky. XVI, 343 S. M. 8,00. —
391) F. Schmeykal. E. Gedenkschr. Prag, Kuli. 146 S. Fl. 0,50. — 392) Ed. Somogyi, L. Kossuth. Sein Leben u. Wirken.
G. Winter, Allgemeines des 18.'19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb : 393-403
allgemeine Geschichte von Bedeutung ist, auch ausserhalb der ungarischen Grenzen
bekannter werden zu lassen. — Mehr Materialien zu einer Biographie, als eine solche
selbst über einen ausserhalb Oesterreichs weniger genannten, aber auf volkswirtschaft-
lichem wie historischem Gebiete gleich hervorragenden Mann enthält ein Werk,
welches die historisch-statistische Sektion der mährisch-schlesischen Gesellschaft zur
Beförderung des Ackerbaues über den Ritter Chr. d'Elvert herausgab393), der in
dieser Gesellschaft eine hervorragende Wirksamkeit entfaltet hat. — Endlich sei noch
eine französische, anziehend geschriebene und auf offenbar gutem Material beruhende
Biographie des Kronprinzen Rudolf von Oesterreich erwähnt, welche besonders dessen
Erziehung, seine Reisen und seine schriftstellerische Thätigkeit behandelt, und von
der jetzt eine Uebersetzung Papudoffs394) ins Italienische erschienen ist. —
Zur preussischen Territorialgeschichte, soweit dieselbe noch nicht bei der
Besprechung der Arbeiten über allgemeine deutsche Geschichte Erledigung gefunden
hat395), liegen zunächst einige zusammenfassende Darstellungen der gesamten preussi-
schen Geschichte vor396), von denen sich namentlich die Piersonsche397), welche bereits
in sechster Auflage erschienen ist, als ein zuverlässiger und umsichtiger Führer
viele Freunde erworben hat. Der Vf. hat es sich, wie in jeder neuen, so auch in
dieser 6. Auflage angelegen sein lassen, die Ergebnisse der modernen Forschung für
seine Neubearbeitung umfassend zu verwerten, so dass die Darstellung an vielen
Stellen tiefgreifende Aenderungen erfahren hat, ohne dass jedoch die Grund-
richtung und wissenschaftliche Gesamtanschauung dabei sich umgewandelt hätten. Der
Standpunkt, von dem der Vf. die historische Entwicklung überschaut, bleibt auch
der neueren und neuesten Geschichte gegenüber vornehm ruhig und besonnen und
lässt zugleich einen weiten Blick auf geschichtlichem Gebiete und eine verständige
und gemässigte Auffassung in politischer Hinsicht erkennen. Diese Grundanschauung
wird man als eine allgemein patriotische und politisch gemässigte, etwa dem Stand-
punkte der heutigen Mittelparteien entsprechende bezeichnen dürfen, doch lässt die
Darstellung immer und überall das wohlthuende Streben erkennen, auch dem Gegner
der eigenen Anschauung gerecht zu werden. — Ausserdem liegen eine Reihe kleinerer,
wissenschaftlich nicht erheblicher biographischer Beiträge über Mitglieder des
hohenzollerschen Königshauses vor398-401). Für die innere Geschichte Preussens
unter Friedrich Wilhelm III. nicht ohne Wert ist eine Untersuchung Roloffs402)
über die Neuorganisation des Ministeriums des Auswärtigen. Der Vf. schildert zu-
nächst die bisherige kollegialiscbe Organisation des auswärtigen(Kabinets-)Ministeriums,
in welchem Finckenstein, Alvensleben und Haugwitz alle Sachen gemeinsam bearbeiteten.
Ausser den auswärtigen Angelegenheiten hatte auch eine Reihe innerer, die so-
genannten deutschen Sachen, zu ihrem Ressort gehört. Dann drang namentlich
Haugwitz auf Arbeitsteilung, bei welcher er im wesentlichen nur die politischen
Sachen behalten wollte. Der Vf. schildert dann die einzelnen Phasen, in denen Haugwitz
dies wirklich durchsetzt und dadurch eine ganz neue Organisation anbahnt. — Für
die Beziehungen Preussens zur römischen Kurie von hohem Werte ist eine Unter-
suchung Gebhardts 403), welche sich mit den Anfängen einer preussischen Gesandt-
schaft in Rom beschäftigt. Friedrich der Grosse hatte sich mit einer indirekten Ver-
bindung durch den pfälzischen Agenten Coltrolini, später durch andere Agenten,
begnügt. Seit fast 200 Jahren hatten keine direkten Verbindungen des preussischen
Hofes mit dem Vatikan bestanden, als unter Friedrich Wilhelm III. am 25. Aug. 1802
Wilh. von Humboldt zum Residenten ernannt wurde. G. teilt nun aus den Akten
des Berliner Archivs und aus dem Werke über Humboldts Tochter Gabriele von Bülow
(s. o. N. 237) eine Anzahl hierauf bezüglicher Aktenstücke mit, aus denen sich
ergiebt, dass es sich in erster Linie um eine Vertretung der Interessen der katho-
lischen Unterthanen Preussens in Rom handelte unter voller Aufrechterhaltung der
staatlichen Rechte circa sacra. Besonders interessant für die Beurteilung" der Auf-
L., Wigand. IV, 214 S. M. 3,00. — 393) Chr. Kitter d'Elvert, Gedenkbll. zu seinem 90. Geburtst. Her. v. d. hist.-statist.
Sektion d. k. V. mähr.-schles. Ges. z. Beförderung d. Ackerbaues, d. Natur- u. Landeskunde. Brunn, Verl. d. hist.-stat. Sektion.
IV, 220 S. M. 3,20. — 394) A. de Bertha, L'arciduca Rodolfo, il Kronprinz, lo scrittore. Trad. dal francese di C. Pap ud off.
Firenze, tip. di S. Laudi. 108 S. — 395) X P.Prinz, Preussens gesch. Beruf. Rede. Gotha, Thienemann. 12 S. M. 0,20. (Aus
PädBll i — 396) X Gesch. Brandenburg-Preussens, bearb. auf Grund d. Direktiven d. kgl. Inspektion d. Infanterie-Schulen
für d. Unterr. auf d. Unteroffizier-Schulen. B., Mittler. 82 S. M. 0,80. — 397) W. Pierson, Preuss. Gesch. 2 Bde. 6. Aufl.
B., Gebr. Paetel. VIU, 511 S.; IV, 598 S. M. 10,00. — 398) X Camilla Krohn, Fürstenjngend. Ausführl. Erziehungsgesch.
d. Hohenzollern v. Gr. Kurfürsten bis zu d. jetz. Kaisersprossen verb. mit unterhalt. Episoden. Für Knaben u. Mädchen jeden
Alters, sowie für Jugendfreunde. Hamburg, Axien. V, 296 S. M. 4,00. — 399) X *"- E- Paulig, Familiengesch. d. Hohen-
zollernschen Kaiserhauses. 3. Bd. 2. Aufl. Frankfurt a. O , F. Paulig. VIII, 368 S. M. 3,00. |[BLU. S. 558)1 (Enth. Beitrr.
z. Privatleben Friedrichs d. Gr., entspricht aber keineswegs d. gegenwärt. Stande d. Forschung u. betont, auf d. d. Monarchen
feindl. Tradition fussend, mit tendenziöser Vorliebe die Schwächen u. abst essenden Züge d. Königs.) — 400) X Friedrich
Wilhelm III. als Verteidiger d. positiven Christentums: DEKZ. 8, S. 123,4. — 401) X A. Frhr. v. Eberstein, Luise, Kur-
fürstin v. Brandenburg; Elisabeth, Königin v. Preussen. Vortrr., geh. zu Wiesbaden z. Besten d. daselbst zu erbauenden
Diakonissen-Hauses am 24. u. 31. Okt. 1893. B., Wiegandt & Grieben. 39 S. M. 0,75. (Rein populäre Vortrr. über d.
Gemahlinnen d. Gr. Kurfürsten u. Friedrich Wilhelms IV., ohne Wissenschaftlichkeit u. auch sonst v. geringem Werte.) —
402) G. Roloff, D. Neuorganisation d. Ministeriums d. Auswärtigen v. 1798—1802: FBPG. 7, S. 97-111. — 403) B. Gebhardt,
IV lb : 404-410 G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
gaben Humboldts in Rom ist dessen Instruktion vom 25. Aug. 1802. — Endlich
verdienen noch einige Arbeiten zur preussischen Provinzialgeschichte eine kurze
Erwähnung. Zur hundertjährigen Gedenkfeier der Vereinigung der Stadt Danzig
mit dem preussischen Staate ist eine für einen weiteren Leserkreis berechnete, lebendig,
geschickt und anregend geschriebene Festschrift von Damus404) erschienen, welche
auch eine Einleitung über die ältere Geschichte Danzigs, die Verfassungs- und
gesellschaftlichen Zustände der Stadt kurz vor der Okkupierung enthält, dann ihre
Verwicklungen mit Preussen von 1772 an auf Grund einer älteren, umfassenderen
Abhandlung des Vf. behandelt und namentlich grossen Wert auf die Schilderung der
Stimmung der Bevölkerung legt, die allmählich zum Anschluss an den Grossstaat
hinneigte. Neu ist die Darstellung der verschiedenen Verfassungsveränderungen
nach der Okkupation. Als Anhang veröffentlicht der Vf. sieben Beilagen aus dem
Danziger Archiv. — Von der umfassenden, sich fast zu sehr im Detail verlierenden
Tollinschen 405) Geschichte der französischen Kolonie von Magdeburg ist ein
neuer Band erschienen, in dessen erstem Teile Militärs und Adlige der Kolonie
behandelt werden, während sich der zweite Teil mit dem Fabrikwesen, dem Handel und
dem Handwerk beschäftigt. Ein dritter Teil bespricht das französische Kolonie-
gericht. Sehr dankenswert sind die hier gebotenen Beiträge zu einer Sammlung
alter Häuser- und Strassennamen. — Auch von der Kuhischen406) Geschichte der
Stadt Jülich und des dortigen früheren Gymnasiums ist ein dritter, die Zeit von
1742 — 1815 umfassender Teil erschienen, der zugleich eine Geschichte der Jesuiten
in Jülich, denen das Gymnasium im J. 1664 übergeben worden war, bietet.
Interessant sind namentlich die Mitteilungen über die in der Schule veranstalteten
dramatischen Aufführungen. — Zur Geschichte der Provinz Schleswig-Holstein sind
zwei biographische Skizzen über den mutigen Vorkämpfer für die Freiheit und
Selbständigkeit der vereinigten Eibherzogtümer gegenüber den dänischen Ueber-
griffen, Uwe Jens Lornsen, erschienen407-408). —
Von den übrigen deutschen Territorialstaaten ist namentlich Bayern zum
Gegenstande einer Reihe historischer Darstellungen gemacht worden, von denen
einige als sehr wertvolle und bedeutende Bereicherungen unserer historischen
Litteratur bezeichnet werden dürfen.409) Eine Fülle interessanter Mitteilungen aus
der Geschichte der vier ersten Könige Bayerns hat Luise von Kobell410) ver-
öffentlicht. Die Verfasserin, welche als fruchtbare und gewandte Schriftstellerin
ihren Mädchennamen beibehalten hat, auch nachdem sie die Gemahlin des Staatsrats
August von Eisenhart geworden war, entstammt einer bekannten bayerischen Künstler-
und Gelehrtenfamilie, welche in mannigfachen engen Beziehungen zum Königshause
gestanden hat, und in dereine pietätvoll festgehaltene Familientradition verschiedensten
Ursprungs bis auf den heutigen Tag fortlebt, die zum Teil in einem ausgedehnten
Briefwechsel, zum Teil in tagebuchartigen Aufzeichnungen niedergelegt ist, welche
in ziemlich grossem Umfange namentlich von dem Urgrossvater der Vf., dem
Maler und Kupferstecher Ferdinand von Kobell, herrühren. Aus diesen sehr
verschiedenartigen und verschiedenwertigen Familienpapieren ist das vorliegende
Buch entstanden, welches infolge des nahen Verkehrs, in dem die Familie Kobell
zu dem grossen Kreise von Künstlern und Gelehrten am bayerischen Königshofe
gestanden hat, namentlich über das gesellschaftliche, wissenschaftliche und künst-
lerische Leben Münchens seit dem Beginn unseres Jh. eine reiche Fülle anschau-
licher und interessanter Schilderungen enthält. Daneben finden sich aber auch zahl-
reiche historische, namentlich kulturhistorische Bemerkungen eingestreut, welche
den Reiz des Buches erheblich erhöhen. Freilich wird man dem Urteil der Vf.
über die einzelnen historischen Ereignisse und Persönlichkeiten nicht immer
zustimmen können, wird es vielmehr oft, namentlich z. B. bei der Beurteilung des Ministers
Montgelas, an der Hand umfassenderer und in die geschichtliche Seite der Sache
tiefer eindringender Geschichtswerke einer durchgreifenden Kontrolle unterwerfen,
an anderen Stellen es jedoch als gar zu allgemein und fast trivial gehalten bezeichnen
müssen, allein im grossen und ganzen zeugt das Buch von aufrichtigem Streben
nach Unbefangenheit und von einer feinen Beobachtungsgabe, welche vornehmlich
W. v. Humboldt u. d. Anfänge d. preuss. Gesandtschaft: ib. S. 363-76. — 404) ß. Damus, Festschr. z. 100 j. Gedenkfeier d.
Vereinigung Danzigs mit d. Königr. Preussen im J. 1793. Auf Veranl. d. städt. Behörden verf. Danzig, Bertling. 57 S.
M. 2,00. |[FBPG. 7, S. 294; MHL. 22, S. 352.][ (E. 2. Aufl. ist unter d. Titel „Danzigs Eintritt in d. preuss. Staat im J. 1793"
ebda, erschienen.) — 405) (I 4 : 420; III 1 : 168/9.) (Als Ergänzung hierzu dienen d. v. II Tollin: GBllMagdeburg. 28, S. 100-84
veröffentl. Abhandlungen: „Hugenottische Topographie v. Magdeburg" u. „Hugenottischer Hausbesitz in d. ersten 50 Jahren d.
Kolonie [1685—1735]".) — 406) (I 4:337.) - 407) O K. Jansen, Uwe Jens Lornsen. E. Beitr. z. Gesch. d. Wiedergeburt
d. dtsch. Volks. 2. billige Ausg. Kiel, Eckardt. 1893. X, 541 S. M. 3,00. |[WeserZg. N. 16871.] | — 408) X A. F. U. L.
Thomsen, Lewer dud üs Slaw. (Lieber todt als Sklav'.) E. Gedenkschr. z. 100J. Geburtstag Uwe Jens Lomsens, Itzehoe,
G. J.Pfingsten. 38 S. M. 0,50. — 409) X B. du Moniin- Eckart, Regierungsfeindl. Strömungen in Bayern u. die auswärt.
Mächte im J. 1800: AZgB. N. 170/3. (Vorarbeit zu d. inzwischen erschienenen 1. Bd. d. umfass. Werkes: „Bayern unter d.
Ministerium Montgelas"; vgl. JBL. 1895 IV lb.) — 410) (I 4:360; IV lc:13.) |[A. Bielsohowsky: PrJbb. 76, S. 545;7:
G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb : «0-411
die kulturellen und socialen Partien des Werkes sehr wertvoll gestaltet hat. Die
Schilderungen , welche die Vf. namentlich von dem geselligen Verkehr in
den geistig führenden Schichten Münchens und aus dem Kreise der „Berufenen1',
d. h. der von dem kunstsinnigen Könige Maximilian II. nach München heran-
gezogenen auswärtigen Künstler und Gelehrten entwirft, sind von einer Feinheit
und Sicherheit des Urteils, die sie als wahre Kabinetstücke gesellschaftsgeschicht-
licher Kleinmalerei erscheinen lassen. Weniger gelungen sind die Mitteilungen und
Urteile über die Ereignisse der sogenannten grossen Politik, bei denen doch hie
und da die mangelnde historische Schulung der Frau nur zu deutlich heran-
tritt. Doch giebt es auch hier Stellen in dem Buche, die der allgemeinen Teilnahme
und Beachtung durchaus wert sind, wie namentlich die anschauliche und packend
lebendige Darstellung von dem Zustandekommen des entscheidenden Beschlusses
König Ludwigs IL, der durch den Mobilmachungsbefehl den Anschluss Bayerns an
die deutsche Sache in der Nacht vom 15. zum 16. Juli herbeiführte. Hier konnte
die Vf. sich auf die eigene Erzählung ihres Mannes, die sie sich sofort unter dem
Eindrucke des Ereignisses aufgezeichnet hatte, stützen, und diese ist von um so
grösserer Bedeutung, als ihr Gemahl Eisenhart selbst es war, der den ent-
scheidenden Befehl des im Bett liegenden Königs erhielt und sofort ausfertigte.
Durch die Schilderung, die wir hier von dem Vorgange erhalten, wird die in dem
Tagebuche Kaiser Friedrichs enthaltene und seitdem herrschend gewordene Angabe,
König Ludwig habe ohne Brays Wissen die ihm von dem Kriegsminister Pranckh
vorgelegte Mobilmachungsordre gezeichnet, nicht unerheblich modifiziert und über
allen Zweifel klargestellt, dass „der entscheidende Befehl zur Mobilmachung, womit
nach Lage der Dinge und weit über die Bedeutung der militärischen Anordnung
hinaus auch die politische Haltung Bayerns festgelegt war, des Königs eigenster,
am Morgen des 16. Juli 1870 erfolgter EntSchliessung verdankt wird." Dieser über-
raschende und ohne Zweifel authentische Aufschluss über einen der entscheidenden
Vorgänge in dem grossen Kriegsjahre hat nicht verfehlt, allenthalben das grösste
Aufsehen zu machen; er würde allein genügen, um dem Buche auch historisch einen
grossen Wert zu verleihen. Und ebenso wird man die Angaben über die Absendung
der entscheidenden Briefe an Wilhelm I. und Bismarck in der deutschen Kaiserfrage
mit hohem Interesse lesen, obwohl sie nicht erschöpfend und ausführlich genug
sind, als dass sie die durch das Tagebuch Kaiser Friedrichs und die gegen das-
selbe gerichteten Erklärungen Bismarcks entstandene Streitfrage endgültig lösen
könnten. Immerhin scheint das deutsche und bayerische Volk doch auch hier der
Initiative des Königs weit mehr zu verdanken, als man bisher anzunehmen geneigt
war. — Ein anderes Buch, welches sich mit der späteren, zu immer fortschreitender
geistiger Umnachtung führenden Periode des Lebens des kunstsinnigen Königs
Ludwigs II. beschäftigt, hat die durch die nahen Beziehungen des Vf., des Dichters
Heigel411), zudem unglücklichen Monarchen erweckten Erwartungen doch nicht in
vollem Masse erfüllt. H. hat eine ganze Reihe der Theaterstücke für den König
verfasst, welche in den vielberufenen Separatvorstellungen, denen nur Ludwig selbst
und sein Gefolge beiwohnten, aufgeführt wurden. Der Dichter ist deshalb mit dem
grossen Dichterkomponisten Richard Wagner zu denen gerechnet worden, die auf
die geistige Entwicklung des Königs einen unheilvollen Einfluss ausgeübt und die
traurige Katastrophe, wenn auch nicht veranlasst, so doch beschleunigt haben.
Diesen Anschuldigungen und Verdächtigungen sowie manchen thörichten Gerüchten
über Charakter und Sinnesart des Königs entgegenzutreten, ist ausgesprochener-
massen der eigentliche Endzweck des H.schen Buches. Fast scheint es, als sei es
aus einer Reihe gelegentlicher polemischer Notizen gegen die Schriften Friedrich
Lamperts usw. entstanden; so wenig ist auch nur der Versuch gemacht, das Ganze
zu einer einigermassen einheitlichen Darstellung abzurunden. Was der Vf. hier und
da zur Lebensgeschichte des Königs beibringt, ist grösstenteils unbedeutend und
meist längst bekannt. Im einzelnen enthält das Buch manche interessante und ver-
ständige Bemerkungen zur Abwehr der thörichten Anschuldigungen und Verurtei-
lungen unüberlegter Jugendstreiche und Aeusserungen des jugendlichen Kronprinzen
und Königs, aber zu einer einigermassen ausreichenden und erschöpfenden Vor-
stellung von der geistigen Entwicklung Ludwigs kommt man dadurch nicht.
Wo das ja einmal der Fall sein könnte, stört der Vf. selbst den Eindruck durch
eine Fülle eingestreuter, rein nebensächlicher, oft in sehr gelehrtem Gewände auf-
tretender historischer Notizen über ' Schlösser, Persönlichkeiten usw., die mit dem
Gegenstande nur in äusserst lockerem Zusammenhange stehen und oft den Eindruck
erwecken, als habe sich der Vf. vorgenommen, alles, was er von der Geschichte
Bayerns irgend weiss, in seine Biographie Ludwigs II. aufzunehmen. Wirklich
G. Winter: BLU. S. 279-80.] | — 411) K. v. Hei gel, König Ludwig II. v. Bayern. E. Beitr. zu seiner Lebensgesch. St.,
IV lb : 4ii-4i6b G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
ausführlich und unterrichtend wird das Buch nur, wenn von dem Verhältnis des
Königs zu Wagner und zu H. selbst gesprochen wird. Diese Abschnitte sind denn
auch in der That sehr beachtenswert. So scheint mir der Nachweis, dass Richard
Wagner, so hoch er und seine Schöpfungen von dem Könige geachtet und verehrt
wurden, einen irgendwie bestimmenden Einfluss auf den König in anderen als rein
künstlerischen Dingen nicht gehabt hat, von H. vollkommen erbracht zu sein.
Minder glücklich ist H.s eigene Verteidigung gegen die Vorwürfe wegen des
von ihm auf den König ausgeübten unheilvollen Einflusses. Immerhin enthält auch
dieser Abschnitt manche sehr willkommene Aufklärung und trägt nicht wenig
dazu bei, die ungemein übertriebenen Vorstellungen, die über jene Separat-
vorstellungen verbreitet worden sind, auf ihr richtiges Mass zurückzuführen. Dass
es ihm aber völlig gelungen sei, sich von dem Verdachte, den König in seinen
phantastischen Neigungen bestärkt zu haben, gänzlich zu reinigen, kann doch nicht
behauptet werden. Richtig ist es, dass der Vorwurf, er habe Ludwig II. systematisch
in der Vorliebe für Ludwig XIV. und dessen absolutistische Regierungsgrundsätze
bestärkt, in dem Umfange, in welchem er erhoben wurde, nicht berechtigt ist.
Allein unzweifelhaft ist H. doch schon dadurch, dass er ausschliesslich für diese
Separatvorstellungen eigene Dramen in regelmässiger Wiederkehr schrieb, auf die
oft sehr bizarren Meinungen des Königs, auch in der Wahl der Gegenstände usw.,
doch in höherem Masse eingegangen, als es wünschenswert gewesen wäre. Doch
wird man ihm aus der Nachsicht, mit der er dieses sein eigenes Verhalten zu ent-
schuldigen sucht, einen so schwerwiegenden Vorwurf nicht machen können, da er eine
noch weiter gehende Nachsicht auch anderen zu teil werden lässt- z. B. dem ver-
storbenen bayerischen Archivdirektor Franz von Löher. Es hat seiner Zeit pein-
liches Aufsehen erregt, als bekannt wurde, dass dieser geistvolle Gelehrte es über
sich gewonnen hatte, im Auftrage des damals schon nicht mehr zurechnungsfähigen
Königs eine Reise nach den Mittelmeerinseln zu unternehmen, um Ludwig II. dort
ein neues Königreich auszusuchen. H. sucht auch das zu entschuldigen und wundert
sich, dass diese Handlungsweise „dem Gelehrten nachträglich stark verübelt" worden
sei. Uns scheint das nicht so ganz wunderbar. Denn ohne Zweifel wäre es doch
wohl die Pflicht eines so geistvollen und scharfsinnigen Mannes wie Löher gewesen,
einen solchen unsinnigen Auftrag des Königs abzulehnen und sich nicht zum
bezahlten Werkzeuge einer tollen Idee des unglücklichen Fürsten herzugeben. Nach
alledem wird man dem historischen Urteile des Vf. nicht allzuviel Vertrauen schenken
dürfen.412) — Eine ansprechend und lebendig geschriebene, aber nichts erheblich Neues
bietende Lebensbeschreibung ist auch der Mutter KönigLudwigs und des jetzt regierenden
Königs von Bayern, Königin Marie, von Marie Schultze413) gewidmet worden. —
Sehr panegyrisch gehaltenist dieSchilderung,welcheForster414)von dem ältesten Sohn
des Prinzregenten Luitpold, Ludwig, entworfen hat. Der Vf. legt besonderen Nachdruck
auf die nationalen und volkswirtschaftlichen Ansichten und Bestrebungen Ludwigs und
benutzt dabei als Quelle namentlich eine Reihe bei den verschiedensten Gelegen-
heiten von dem Prinzen gehaltener Reden, die er teilweise auch im Wortlaute wieder-
giebt.415) — Ausserdem sei hier noch eine von Leitschuh416) verfasste Lebens-
beschreibung des um die innere Verwaltung und Regierung von Bamberg und
Würzburg sehr verdienten Fürstbischofs Ludwig von Erthal erwähnt. Der Vf.
schildert eingehend Erthals Reform der Armenpflege, seine Verbesserung des Schul-
wesens und seine Bestrebungen zur Hebung des Volkswohlstandes. In wissenschaft-
lichen und religiösen Dingen war der Fürstbischof gemässigt aufgeklärt, in kirchen-
rechtlicher Hinsicht ein Josephinist. — Endlich mögen hier noch zwei interessante
Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Bayerns Erwähnung finden. Die eine, von
Zöpfl4,6a), behandelt die Handels- und Zollpolitik der mainfränkischen Territorien,
die ihren natürlichen Mittelpunkt in Würzburg haben und vornehmlich durch ihren
noch heute bestehenden Gegensatz zu den Neckargebieten charakterisiert sind. —
Die andere, von Seidl416b), behandelt eine interessante Probe des beginnenden
Kampfes zwischen dem durch den tüchtigen Kattundrucker Schule repräsentierten
modernen Grossbetriebe und den durch den Zunftzwang herbeigeführten Beschrän-
kungen der Produktion im 18. Jh. —
Bonz & Co. 387 S. M. 5,00. |[G. Winter: BLU. S. 116/8; Didask. 1893, N. 12.JI - 412) X *• B. Kober: Ludwig U., König
v. Bayern. E. Lebenskizze. Nach verlässl Quellen bearb. u. aus Anl. d. 50. Wiederkehr dessen Geburtst. d. bayer. Volke
gewidm. Mit e. Anh. verschiedener eigener Dichtungen d. Vf. Bamberg, Buchner. III, 40 S. Mit Bild. M. 0,60 — 413) Marie
Schultze, Marie, Königin v. Bayern. 2. Aufl. München, Korff. 94 S. M. 1,20. — 414) J. M. Forster, Ludwig, königl.
Prinz v.Bayern. E. Lebensbild z. 50. Geburtst. d. Prinzen. München, Pohl. 96 S. Mit Bild. M. 1,00. — 415) X Jul- Rath-
geber, Erinnerungen an d. Prinzen Max v. Zweibrücken-Birkenfeld u. an d. schöne Strassburger Zeit. Strassburg i. E.,
Noiriel. 46 S. M. 1,00. — 416) Er. Leitschuh, F. Ludwig v. Erthal, Fürstbischof zu Bamberg u. Würzbarg. Bamberg,
Buchner. XI, 256 S. M. 8.00. |[H.Tb. 15, S. 470; HZ. 73, S. 5612.][ — 416a) G. Zöpfl, Frank. Handelspolitik im Zeit-
alter d. Aufklärung, e. Beitr. z. dtsch. Staats- u. Wirtschaftsgesch. (= Bayer. Wirtschafts- u. Verwaltungsstud., her.
v. G. Schanz N. 3.) L., Deichert. 348 S. mit 2 Karten. M. 9,00. |[FZg. N. lll.]| - 416b) A. Seidl, J. H. v. Schule u. sein
Prozess mit d. Augsburger Weberschaft (1764—85). (= Hist. Abhandlgen., her. v. Th. Heigel u. H. Grauert. N. 5.)
G.Winter, Allgemeines des 18./ 19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb : «7-432
Zur württembergischen Geschichte liegt eine verständige Charakteristik
des Begründers der Karlsschule, Herzog Karl Eugens, von Stein417) vor, welche
die tyrannische Härte des Fürsten nachdrücklich hervorhebt, aber doch auch das
in der Karlsschule wirklich Geleistete unbefangen und objektiv würdigt. — Das
Ende der Herrschaft Friedrich Eugens von Württemberg in Montbeliard, welches
am 10. Okt. 1493 vom französischen Nationalkonvent in Besitz genommen wurde,
hat Rathgeber418) dargestellt und dabei geschichtliche Rückblicke und anschauliche
Schilderungen der Eigenart des kleinen Ländchens gegeben. — Das Leben vier edler,
dem Württemberger Hause entstammender Frauen hat in anziehender und schöner
Sprache, aber ohne eigentlich wissenschaftlich Neues zu fördern, Merkle419"421) in
Gestalt von vier Vorträgen geschildert. Einer davon, der Kaiserin Maria Feodorowna von
Russland, deren Jugendjahre er 1892 in einem eigenen Buch zur Darstellung gebracht
hat, widmet er ausserdem noch eine besondere Untersuchung über ihr segensreiches
Wirken als Gutsherrin von Pawlowsk. Im grossen und ganzen beruhen diese
Arbeiten im wesentlichen auf den von Eugen Schumigorsky im „Russischen Archiv"
seit 1889 veröffentlichten Beiträgen zu einer Biographie Maria Feodorownas, von
denen der Vf. das auf ihre Jugendjahre Bezügliche dem deutschen Publikum zu-
gänglich machen will.422"423) — Endlich liegt noch eine Darstellung einer kleinen
Episode aus der Geschichte des Hohentwiels vor, in welcher die Schicksale eines
in württembergische Hände gefallenen Werbeoffiziers Friedrichs des Grossen, der
jahrzehntelang auf dem Hohentwiel gefangen gehalten wurde, auf Grund der Akten
im Stuttgarter Archiv, im preussischen Geheimen Staatsarchiv und den Knobels-
dorffschen Familienpapieren von Lemcke424) geschildert werden. —
Zur badischen Geschichte ist ebenfalls eine Reihe von biographischen Bei-
trägen zur Geschichte des Fürstenhauses vorhanden. Von der sorgfältig ausgewählten
Sammlung von Fürstenbildnissen, welche Hans Müller425) veranstaltet hat, ist der
zweite und letzte Band erschienen, der vom Markgrafen Friedrich bis zur Gegenwart
reicht. Das Werk ist geschichtlich, kunstgeschichtlich und für die Geschichte der
Trachten der letzten vier Jhh. von Wert. Zu jedem Bilde werden kurze geschichtliche
Erläuterungen gegeben. Ausserdem geht eine kunsthistorische Einleitung über Ent-
stehung und Maler der einzelnen Stücke voraus.426) — Von dem hervorragenden
Quellenwerke zur Geschichte Karl Friedrichs von Baden, welches dessen gesamte
politische Korrespondenz enthält, ist der dritte, die J. 1797 — 1801 umfassende,
von Obser427) herausgegebene Band erschienen. Er enthält eine Fülle wertvollen
Materials zur Beurteilung der badischen Politik nach dem Baseler Frieden und zur
Geschichte der revolutionären Propaganda am Rhein, des ersten und zweiten Koalitions-
krieges und des vielberufenen Rastatter Kongresses. Ueber den letzteren enthält die
Korrespondenz nicht viel erhebliches Neue, und was darüber gebracht wird, ist nicht
völlig zuverlässig, so dass das endgültige Urteil, inwiefern die Edition ihre Aufgabe
ausreichend und erschöpfend gelöst hat, noch nicht feststeht. — Dem Mark-
grafen Karl Friedrich von Baden hat Lavater seine „Physiognomischen Fragmente"
gewidmet. Jetzt hat Funck428"429) nachgewiesen, dass das Bild des Markgrafen
nicht bloss auf diesem Widmungsschreiben, sondern auch an einer Stelle der Frag-
mente selbst ohne Nennung des Namens, aber mit Beifügung einer physiognomischen
Skizze, vorkommt.430) — Ausserdem ist noch eine rein populäre Biographie der
gegenwärtigen Grossherzogin Luise, Tochter Kaiser Wilhelms, von Bornhak431)
erschienen. — Eine für die badische Landeskunde sehr wertvolle Bereicherung bietet
Baumanns432) Darstellung der ganz eigenartigen politischen, rechtlichen und wirt-
Münctaen, Lüneburg. 61 S. M. 2,40. — 417) Ph. Stein, D. Vater d. Karlsschüler. Z. Gedächtn. an d. Todestag Karl Eugens
▼.Württemberg: FeuilletZg. 1893, N. 485. — 418) J. Rathgeber, D. letzte dtsch. Fürst v. Mümpelgard: StrassbPost. 1893
N. 282;4, 290. — 419) J. Merkle, Segensreiche Wirksamkeit durch vier Generationen. 4. Lebensbilder in Vortrr. Dorothea,.
Herzogin zu Württemberg, 1736 — 98; Maria Feodorowna, Kaiserin v. Russland, 1759—1823; Katharina Pawlowna, Königin v.
Württemberg, 1788—1819; Olga Nikolajewna, Königin v. Württemberg, 1822-92. St., Malcoraes. 96 S. M. 1,50. - 420) X
id., Jugendjahre d. Kaiserin Maria Feodorowna v. Russland, geb. Prinzessin t. Württemberg. 1759 — 76. Mit d. Bild d. Kaiserin
u. e. Anhang: Nachkommensch. d. Herz. Friedrich Engen v. Württemberg (36 Taf.). St., Kohlhammer. V, 121 S. M. 1,50. —
421) id.: BBSW. 1S93, S. 77-96, 104-10. — 422) X K. Biesendahl, König Wilhelm II. v. Württemberg. E. Fürslenbild.
D. dtsch. Volke u. Heere zugeeignet. (= Soldatenbibl. N. 4.) Rathenow, Babenzien. 12°. 46 S. Mit Bild. M. 0,30. — 423) X
G. F. Raible, Schwabens Volk z. dankb. Erinnerung an d. edle Königin Olga (1822-92) gew. St., Glaser & Sulz. 32 S.
Mit Bild. M. 0,30. — 424) P. Lemcke, Joh. Ernst v. Knobelsdorff. E. Bl. Hohentwieler Gesch.: BBSW. S. 230 8. — 425) Hans
Müller, Bad. Fürstenbildnisse. 2. (Schluss-) Bd.: V. Markgraf Friedrich (1756—1817) bis z. Gegenw. Karlsruhe, Groos.
4°. 46, XXI S. Mit 32 Lichtdr.-Taf. u. 32 Bll. Erläuterungen. M 12,50. — 426) X 0. Ringholz, D. selige Markgraf
Bernhard v. Baden. Yolks-Ausg. Freiburg i. B, Herder. VI, 93 S. Mit 7 Abbild. M. 0,50. — 427) Polit. Korrespondenz
Karl Friedrichs v. Baden. 1783 — 1806, her. v. d. hist. Kommission, bearb. t. B. E rdmannsdörffer u. K. Obser. 3. Bd.
1797—1801 bearb. v. K. Obser. Heidelberg, Winter. LXI, 440 S. M. 16,00. j[LCBl. S. 1671/2; W. Michael: FBPG. 7,
S. 280/2.JI (Vgl. JBL. 1892 IV lb : 97.) - 428-29) H. Funck, Karl Friedrich v. Baden in Lavaters Physiognom. Fragmenten :
ZGORh. 8, S. 132/4. (Vgl JBL. 1893 IV 5:535.) — 430) X E. Gothein, Karl Friedrich v. Baden u. d. Physiokraten :
AZgB. 1893, N. 24, 26. (Beruht auf d. früher erschienenen Werke v. K. Knies, Karl Friedrichs v. Baden briefl. Verkehr mit
Mirabeau u. Du Pont. [JBL. 1892 IV lb:96.j) — 431) F. Bornhak, Luise, Grossherzogin von Baden, geb. Prinzessin v.
Preussen, Züge e. fürstl. Lebensbildes. (= Ueue Volksbücher, her. v. d. Vereinig, v. Freunden christl. Volks-Litt. N. 16.)
B., Evang.-Ver.-Bnchh. 12°. 109 S. Mit 10 Abbild. M. 0,30. — 432) Fr. L. Bau mann, D. Territorien d. Seekreises 1800.
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (4)10
IV lb : 433-440 G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
schaftlichen Zustände des ehemaligen Seekreises, der aus sechs kleinen Herrschaften
und Grafschaften bestand, um die Wende des 18. und 19. Jh. Eine gut gearbeitete
Karte und ein sorgfältiges Ortsverzeichnis sind der sehr dankenswerten Darstellung
beigegeben. —
Zur Geschichte des Königreichs Sachsen liegen nur eine Reihe populärer
Biographien des Königs Albert vor, welche durch dessen 50jähriges Militär-Dienst-
jubiläum veranlasst sind.433"436) Die unzweifelhaft hervorragendste und auf den
weitesten Studien beruhende derselben ist die von Schimpffs437), der vom sächsischen
Kriegministerium mit dieser Aufgabe betraut war und daher über das authentische
Quellenmaterial frei verfügen konnte. Neu klargestellt ist z. B. in diesem beachtens-
werten Buche, dass der damalige Prinz Albert als Hauptmann der reitenden Artillerie
persönlich an der Erstürmung der Düppeler Schanzen hervorragenden Anteil ge-
nommen und später bei Königgrätz die Ehre der sächsischen Armee gerettet hat. —
Ausserdem liegen zwei sehr wichtige Arbeiten zur Wirtschaftsgeschichte Sachsens
vor. Die eine, von Gebauer437a), ist vorwiegend statistischer Art und bespricht
sämtliche Zweige der sächsischen Volkswirtschaft in ihrem historischen Werden und
jetzigen Zustande im Zusammenhange; sie ist der erste derartige Versuch seit 50 Jahren,
Landwirtschaft, Forstwesen, Bergbau, Industrie, Buchgewerbe, Handel und Verkehr
in systematischem Zusammenhange und gleichmässig erschöpfend zu behandeln. —
Die zweite sehr interessante Arbeit, von Wuttke437b), ist eine wirtschaftsgeschichtliche
Untersuchung über die Entwicklung des Gesinderechts und die Lage der dienenden
Klassen unter vorwiegender Benutzung der Gesindeordnungen und anderer Akten
des Dresdener Archivs. Die älteste dieser Ordnungen stammt aus dem J. 1466. Vor
allem wird die Landwirtschaft berücksichtigt. Das Ergebnis des Vf. ist, dass das
Gesinde im 15. bis 17. Jh. sich in wesentlich besserer Lage befunden habe als im
18. und 19. Besonders werden die Verdienste Augusts des Starken auf dem Gebiete
der Hebung der unteren Klassen hervorgehoben. 1700 — 1 wurde die erste amtliche
Lohnstatistik aufgenommen. —
Die historische Litteratur über das Grossherzogtum Sachsen-Weimar
hat eine wertvolle Bereicherung durch von Bojano wski438) erfahren, der auf Grund
der unveröffentlichten militärischen Korrespondenz Karl Augusts ein Bild von seiner
Thätigkeit als preussischer Regimentschef gezeichnet und dabei darauf hingewiesen
hat, wie Karl August an der preussischen Politik des von ihm mitunterzeichneten
Fürstenbundes festhielt auch da, wo er materiell nicht mehr mit ihr einverstanden
war. — Einer Anzahl von Prinzessinnen bezw. Fürstinnen aus dem Sachsen-
Weimarschen Hause, nämlich der Prinzessin Karoline Luise, der Herzogin Helene
von Orleans, geb. Prinzessin von Weimar, und der Grossherzogin Maria Paulowna,
hat Lily von Gizycki439) anregende, lebendig geschriebene und auf guten, zum
Teil archivalischen Studien beruhende Lebensbeschreibungen gewidmet. Bemerkenswert
ist namentlich für den Litterarhistoriker die erste dieser Biographien, die der
Prinzessin Karoline Luise, weil deren Erzieherin Henriette von Knebel, deren Brief-
wechsel mit ihrem Bruder von Düntzer herausgegeben worden ist, ebenso wie die
Prinzessin selbst in Briefwechsel mit Charlotte von Schiller standen, den die Vf.
im Schillerarchiv benutzt und verwertet hat. Auch die Biographie der Grossherzogin
Maria Paulowna, Gemahlin Grossherzog Karl Friedrichs, bietet viel des Interessanten
und Wertvollen. Namentlich werden die litterarischen Abende der Grossherzogin,
ihre Beziehungen zu Gelehrten und Künstlern, die sie in regelmässiger Wiederkehr
zu abwechselnden Vorträgen um sich versammelt, anschaulich und lebendig geschildert.
Man findet hier anziehende Bemerkungen über eine Fülle von Gelehrten — auch die
Jenenser „Rosen- Vorlesungen" verdanken diesem Kreise ihre Entstehung — ; u.a.
wird auch ein Vortrag des Kanzlers Friedr. von Müller über Goethes Gespräche mit
Eckermann analysiert und teilweise mitgeteilt.440) — Endlich sei noch das bei dem
(= Bad. Neujahrsbll., her. v. d. bad. hist. Kommission. 4. Bl. 1894.) Karlsruhe, Braun. 64 S. Mit färb. Karte. M. 1,00. —
433) X M. Dittrich, König Albert u. seine Sachsen im Felde 1849, 1866, 1870—71. Vaterland. Gedenkbll. 2. Aufl. Dresden,
Albanus. 1893. V, 125 S. M. 1,00. — 434) X H. Elro, König Albert Sachsenherz. E. Bild König Alberta v. d. Jugend bis
z. Jetztzeit in einzelnen Zögen. (= Dtsch. Volks-Bibl. N. 29.) Dresden, Friese .fe v. Puttkaraer. 51 S. Mit Bild. M. 0,30.
— 435) X F- v- Koppen, König Albert u. d. Hans Wettin. (— Jugendbibl. v. Ferd Schmidt, N. 14,) L., Geibel u. Brock-
haus. III, 148 S. M. 0,75. — 436) X F- Krantz, Erinnerungsbll. z. 50j. Militärdienst-Jubiläum Sr. Maj. d. Königs Albert
v. Sachsen. Mit Text: Gesch. Gedenkbll. v. 0. Kaemmel. Pracht-Ausg. L., F. A. Berger. Fol. 20 Lichtdr.-Taf. mit 8 S. Text.
M. 36,00. — 437) G. v. Schimpff, König Albert 50 Jahre Soldat. Gedenkbuch z. 50j. Dienstjubil. Sr. Maj. d. Königs. 1.-4. Aufl.
Dresden, Baensch. VII, 531 S. Mit 4 rad. Portrr, 10 Karten u. 35 Beill. M. 9,00. — 437a) H. Gebauer, D. Volkswirtschalt
im Königr. Sachsen. 3 Bde. ebda. 1893. 612, 576 S.; LXIV, 781 S. M. 30,00. |[LCB1. 1893, S. 1709.]| — 437b) K.
Wuttke, Gesindeordnungen u. Gesindezwangsdienst in Sachsen bis z. J. 1835. (= Staats- u. socialwissensch. Forschungen,
her. v G. Schmoller. 12. Bd., 4. Heft.) L„ Duncker & Humblot. 1893 XI, 231 S. M. 5,40. |[H. Lösohhorn: MHL. 22,
S. 243/4.]| — 438) P. v. Bojano wski, Karl August als Chef d. <>. preuss. Kürassier- Regiments. 1787—94. Mit e. Silhouette
d. Herzogs. Weimar, Böhlau. V, 147 8. M. 3,00. (Vgl. I 4 : 466.) — 439) Li 1 y v. Gizycki, Dtsch. Fürstinnen. B„ Gebr.
raetel. III, 285 8. M. 4,00. |[DLZ. S. 111/3; VossZg. N. 606; WIDM. 75, S. 528; VelhagenKlasingsMh. 2, S. 126.]| - 440) X
P. Weizsäcker, Anna Amalia, Herzogin v. Sachsen-Weimav-Eisenach, d. Begründerin d. Weimarschen Musenhofes. Hamburg,
G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IVlb:44i-448
goldenen Ehejubiläum des jetzt regierenden grossherzoglichen Paares erschienene,
aus Federzeichnungen über den historischen Festzug bestehende Festalbum er-
wähnt.441) —
Zur Geschichte von Sachsen-Koburg-Gotha verdient wissenschaftlich wie
litterarisch Beachtung die Biographie der Herzogin Luise Dorothea, welche Jenny von
der Osten442) auf Grund eingehender Studien im herzoglichen Haus- und Staatsarchiv
zu Gotha, im Geheimen Staatsarchiv usw. verfasst hat. Dass die Vf. dieses
reichen von ihr benutzten Materials nun völlig mächtig geworden sei, kann man
nicht sagen. Die Briefe sind meist im Wortlaut in wenig geschickter Art in die
Darstellung selbst verwoben, so dass man es mehr mit einer Materialsammlung, als
mit einer künstlerisch abgeschlossenen Darstellung zu thun hat. Der Mangel an
historischer Kritik zeigt sich auch darin, dass die der Vf. vorliegenden Briefe
unterschiedslos, auch wenn sie nur die kleinsten Kleinigkeiten enthalten, verwertet, oft
sogar wörtlich in die Darstellung aufgenommen werden. Der Leser muss daher selbst
erst die Spreu vom Weizen sondern, wird aber dann in der That so manches
Weizenkorn finden. Denn immerhin spielen neben dem mit ermüdender Breite
behandelten Kleinkram auch die grossen politischen Angelegenheiten in dieses kleine
Stillleben hinein. Auch litterarisch war das Hofleben in Gotha nicht ohne mannigfache
Anregung. So war Voltaire, mit dem die Herzogin in Korrespondenz stand443), auch
einmal persönlich in Gotha (1753) und schrieb auf Veranlassung der Herzogin seine
Reichsannalen. Im ganzen aber wird man doch sagen müssen, dass Jenny v. d. 0., an
die Benutzung archivalischen Materials wohl nicht genügend gewöhnt, der Biographie
einen Umfang gegeben hat, der in umgekehrtem Verhältnis zu der Bedeutung ihres
Inhalts steht. — Mit besonderer Vorliebe beschäftigt sich die historische Forschung
und Darstellung nach wie vor mit Herzog Ernst IL von Koburg-Gotha, dessen
Bedeutung für die Entwicklung des nationalen Gedankens in der That nicht unter-
schätzt werden darf. Doch verfallen die meisten Biographen Ernsts oft in den ent-
gegengesetzten Fehler und überschätzen die Verdienste des Herzogs. Das gilt auch
von den Vf. der jüngsten biographischen Darstellungen über Ernst IL, die übrigens
sonst manchen erwünschten neuen Aufschluss bringen, in der Darstellung der politisch-
nationalen Wirksamkeit des Herzogs aber fast völlig abhängig von der durch dessen
eigene Memoiren begründeten, zuweilen doch recht anfechtbaren Tradition sind. Der
eine derselben, Beyer444), hat seine biographische- Darstellung im Anschluss an ein
früher von ihm veröffentlichtes Buch (JBL. 1890 IV 2 : 106) geschrieben, in welchem
er einige Lieder Rückerts auf Ernst II. ans Licht gezogen hatte. Und zwar ist die
Biographie schon zu Lebzeiten des Herzogs geschrieben, welcher von dem grössten
Teil des Ms. Einsicht genommen und ihm dadurch einen gewissermassen offiziösen
Wert gegeben hat. Neben den Memoiren des Herzogs hat der Vf. auch Privatbriefe
und einige ungedruckte Aktenstücke benutzt. — Das Buch Ohorns445) ist in seinem
ersten, der Politik des Herzogs gewidmeten Teile im wesentlichen ein Auszug aus
des Herzogs Memoiren, während der zweite Teil den Landesvater, Freund der Künste
und Menschen Ernst II. behandelt. Es beruht teilweise auf persönlichen Erinnerungen,
geht aber nach dem eigenen Zugeständnis des Vf., der dem Herzog persönlich nahe
gestanden hat, von dem allgemein menschlich recht- schönen, aber historisch doch
nicht berechtigten Grundsatze de mortuis nil nisi bene aus. — Mokrauer-Maines446)
Arbeit behandelt den Herzog als Künstler und Komponisten. Liederkompositionen
hat Ernst II. schon in seinen Jugendjahren verfertigt, auch hat er bei Reissiger in
Dresden gründlichen musikalischen Unterricht genossen. 1846 entstand seine erste
Oper „Zaire", der dann mehrere andere, darunter das 1854 durch Franz Liszt zur
Aufführung gebrachte Hauptwerk Santa Chiara, folgten. Der Vf. spendet diesen
Kompositionen aber doch zu übertriebenes Lob. — Auch eine einzelne kleinere Komposition
des Herzogs, der Männerchor „An Elsass-Lothringen", welchen der Strassburger
Männergesangverein im Original besitzt, ist in einem kleinen Aufsatze behandelt
worden.447) — Endlich ist noch eine „historische" Würdigung des Herzogs zu erwähnen,
welche auf einem dem panegyrischen der bisher genannten Vf. genau entgegengesetzten,
von der historischen Wahrheit jedenfalls noch erheblich weiter entfernten Standpunkt
steht. Der aus socialdemokratischem Gesichtspunkte geschriebene Aufsatz448) ist
Yerlagsanst. 56 S. M. 1,00. (S. u. IV 8b.) - 441) Festalbura. Festzug z. Feier d. gold. Ehejubil. d. Grossherzogs Karl
Alexander u. d. Frau Grossherzogin Sophie v. Sachsen, gez. v. Hans W. Schmidt, G. Heil, 0. Herrfurth u. H. Flintzer. Weimar,
Huschke. 1892. 4°. 49 autogr. Bll. mit 4 S. Text. M. 3,00. (Vgl. JBL. 1892 IV Sa: 32-39 a.) — 442) Jenny v. d. Osten,
Louise Dorothea, Herzogin v. Sachsen-Gotha, 1732—67. L., Breitkopf & Härtel. 4-.'8 S. M. 7,50 |[L. Geiger: Nation1'. 11,
S. 149-52;K. Treusch v. Buttlar: FBPG. 7, B. 276; L. Lier: BLU. S. 165/8.]| — 443) X ö. Haase, D. Briefe d. Herzogin
Luise Dorothea v. Sachsen-Gotha an Voltaire: NASächsG. 92, S. 1-38, 144-64, 367-410. — 444) C. Beyer, D. Vorkämpfer
dtsch. Grösse Herz. Ernst 11. E. biogr. Volksbuch. B., Siegismund. XII, 158 S. Mit Bildnissen. M. 2,00. — 445) A. Ohorn,
Herz. Ernst II. v. Sachsen-Koburg-Gotha. E. Lebensbild. Mit 1 Portr. u. 4 Abbild. L., Renger. VI, 239 S. M. 5,00. ||LCB1.
S. 1208/9. ]| — 446) 0. Mokrauer- Maine, Herz. Ernst U. v. Sachsen-Eoburg u. Gotha u. d. Tonkunst. E. Stud. Hannover,
Oertel. 29 S. M. 0,75. — 447) X StrassbPost. 1893, N. 234. — 448) Herz. Ernst v. Koburg: NZeit««. 11-, S. 737-40. —
(4)10*
IVlb:449-455 G.Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
im Grunde eine blosse Schmähschrift, die jede geschichtliche Bedeutung des Herzogs
leugnet, der für die Arbeiterklasse kein anderes Interesse habe, „als dass er einer
ihrer Peiniger und Verfolger" war. Das ist jedenfalls auch vom socialdemokratischen
Standpunkt weder objektiv noch gerecht geurteilt. 44fl) —
Aus Anlass des 25jährigen Regierungsjubiläums Herzog Georgs von Sachsen-
Meiningen ist auch eine kleine Schrift über die Geschichte dieses thüringischen
Teilfürstentums erschienen, die aber durch den Tod des Vf. unvollendet geblieben ist und
nur von der Gründung des Herzogtums (1681) bis zur Auflösung des nach dem
Grundgesetze vom 23. Aug. 1829 einberufenen ersten Landtags führt.450) —
Zur Geschichte des früheren Königreichs Hannover liegt eine kultur-
geschichtlich recht interessante Biographie vonL. vonOmpteda451)vor,derenBedeutung
nicht eigentlich in der Persönlichkeit ihres Helden, des Freiherrn Friedrich von
Ompteda, den der Vf. vielmehr selbst nur einen Durchschnittsmenschen nennt,
sondern gerade darin liegt, dass dessen Erlebnisse für das allgemeine Niveau der
Zeit vielleicht aufklärender wirken als die der „isolierten, das Schauspiel führenden
Helden und Heldengestalten." Die Darstellung beruht auf Familienpapieren, Akten
der Staatsarchive zu Berlin und Hannover und der gleichzeitigen Tageslitteratur.
Friedrich Ompteda war „in Thaten und Leiden, Schwächen und Vorzügen ein echter
Typus der damaligen höheren Klassen"; keine heroische Gestalt, kein opferfreudiger
Kämpfer fürs Vaterland, sondern nur ein begabtes Kind der damaligen grossen
Welt, für die sein Lebensgang als typisch aufgefasst werden kann. Der geschicht-
liche Hintergrund ist in der Biographie auf Grund der allgemeinen WTerke von
Häusser, Treitschke, Oncken, Niebuhr, Hüffer, Perthes usw. gezeichnet und wird
ergänzt durch originale Mitteilungen über die Gesandtschaft Omptedas in Wien
(1811 — 13). Von diesem Hintergrunde heben sich die einzelnen Erlebnisse des Helden
lichtvoll ab. Die Darstellung zerfällt in drei Abschnitte, deren erster Omptedas Thätig-
keit im Dienste König Jeromes, der zweite die hannoversche Mission in Italien, der
dritte die Gesandtschaft beim Vatikan schildert. Das Ganze ist zugleich der Versuch
einer Ehrenrettung des heftig angegriffenen Diplomaten in Betreff seiner Mission,
die unwürdige Prinzessin Karoline von Wales auf ihrer Reise nach Italien zu beob-
achten und Material zu einem vom Gemahl und Thronerben von Wales geplanten
Scheidungsprozess herbeizubringen, eine heikle Aufgabe, deren er sich mit Anstand
und Geschick entledigte. Ungeheurer Klatsch kommt dabei zu Tage, der aber doch
das absolut würdelose Betragen der Prinzessin unzweifelhaft erscheinen lässt. Der
Hauptwert des Buches liegt in den kulturgeschichtlich interessanten Notizen über
Omptedas Erziehung auf dem Gymnasium zu Regensburg, über sein Leben und
Treiben auf den Universitäten Erlangen und Göttingen, in den Schilderungen des
gesellschaftlichen Lebens auf seinen verschiedenen Gesandtschaftsposten usw. —
Zur Geschichte des ehemaligen Kurhessens liegt eine von Erich Meyer452)
verfasste recht ansprechende Biographie der Landgräfin Maria von Hessen, Tochter
Georgs IL von England, vor, die, inmitten einer völlig verderbten Umgebung auf-
gewachsen, sich doch rein und tugendhaft erhalten hat und trotz der erschwerendsten
Umstände doch eine vortreffliche Mutter ihrer Kinder geworden ist, die sie mit Eifer
den verderblichen Einflüssen ihrer Umgebung zu entziehen suchte. Ihre Ehe mit
dem Landgrafen Friedrich musste nach dessen Uebertritt zum Katholizismus
getrennt werden. Sehr interessant ist dann die Art geschildert, wie die Landgräfin
unter diesen schwierigen Verhältnissen für die ihr überlassene Erziehung der Kinder,
namentlich des späteren Landgrafen Wilhelm IX., sorgte. Ihr Geschick hat in der
That etwas in hohem Masse Tragisches. Ihr Briefwechsel mit ihrem ältesten, in
Göttingen zur Erziehung weilenden Sohne, aus dem der Vf. eingehende Mitteilungen
macht,enthält wahre Perlen mütterlicher Liebe und Sorgfalt.453) —
Zur b r au nschwTeigi sehen Territorialgeschichte liegen zwei Biographien
braun schweigischer Herzoginnen vor. Die eine, von Sander454), beschäftigt sich mit
der Herzogin Eleonore als Beschützerin der reformierten Gemeinden und entwirft
eine anregende Skizze von dem Leben der merkwürdigen Frau, indem er sich dabei
auf die Forschungen von Köster, Beaucaire usw. und auf die Akten der reformierten
Gemeinde zu Zelle stützt. — Der andere biographische Versuch, von Zimmermann,455)
ist der im J. 1802 nach Braunschweig vermählten Prinzessin Marie von Baden
449) X Herzog Alfred v. Sachsen-Koburg-Gotha u. seine Familie. Mit 7 Portrr. (1 Lichtdr.-Taf.) Gotha, Glaeser. 16 S.
M. 0,40. (Bein popul.) — 450 X F- TrinVs, Beitrr. z. Gesch. d. üerzogt. Sachsen-Meiningen-Hildburghausen. (= Schriften
d. Ver. für Meiningische Gesch. N. 14.) Meiningen, Eye. 1893. 98 S. M. 3,00. (Vgl JBL. 1893 I 4:393.) — 451) L. Prhr.
v. Ompteda, Irrfahrten u. Abenteuer e. mittelstaatl. Diplomaten. E. Lebens- u. Kulturbild aus d. Zeiten um 1800. L., Hirzel.
XIV, 435 S. M. 6,50. — 452) Erich Meyer, Maria, Landgräfin v. Hessen, geb. Prinzessin v. England. E. Beitr. z. Sitten-
gesch. d. 18. Jh. Gotha, Perthes. VIII, 351 S. M. 6,00. |[NatZg. N. 104; L. Pastor: ÖLB1.3, S. 713/5; L. Lier: BLU. S. 165/8.]|
— 453) X 0. Gerland, F. W. E. Briede: Hessenland. S. 194/6, 211/3. — 454) F. Sander, Eleonore Desmir d'Olbreuse,
Herzogin v. Braunschwoig-Lüneburg-Celle. Vortr. (Aus: „D. franz. Kolonie.") B., Mittler. 12 S. M. 0,50. — 455) P.
Zimmermann, Marie, Herzogin zu Braunschweig-Lüneburg-Oels, geb. Prinzessin V. Baden. Vortr. Wolfenbüttel, Zwissler. 24 S.
G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV lb: 456-465
gewidmet und behandelt neben dem landesmütterlichen Wirken der Herzogin auch
die grossen politischen Beziehungen, in deren Mitte die fürstliche Frau stand. —
Mit dem Grossherzoge Friedrich Franz II. von Mecklenburg -Schwerin,
der in der Geschichte der modernen inneren Entwicklung Mecklenburgs und seines
Anschlusses an Preussen bezw. an das neue Reich eine hervorragende Rolle spielt,
hatte sich das 1891 erschienene Werk L. von Hirschfelds in eingehender und sehr
unterrichtender Weise beschäftigt und dabei ein Bild der Geschichte Mecklenburgs in
den letzten 100 Jahren gezeichnet, welches auf den dem Vf. fast unbeschränkt zur
Verfügung stehenden Quellen, ganz intimen Korrespondenzen und Aufzeichnungen,
beruht und eine Fülle neuer wertvoller Aufschlüsse enthält. Jetzt ist über denselben
Gegenstand ein neues Buch von Volz456) erschienen, welches zwar in den haupt-
sächlichsten historischen Ergebnissen mit dem Hirschfeldschen übereinstimmt, aber
auch manche interessante und wichtige Ergänzung bringt, namentlich über das
persönliche und Familienleben des Grossherzogs, dem der Vf. persönlich sehr nahe
stand. Er konnte daher eine grosse Reihe persönlicher Erinnerungen aus der Umgebung
des Grossherzogs bringen und u. a. dessen Tagebuch von 1841 — 49 benutzen. Aus
diesen Quellen bringt der Vf. namentlich über die Thätigkeit des Grossherzogs für
die Kunst manche wertvollen Mitteilungen, so auch über die vielen von ihm zu
diesem Zwecke unternommenen Reisen.457-458) —
Ueber das Herzogtum Oldenburg Hegt neben einem fast ausschliesslich
statistischen, sehr umfassenden Werke von Kollmann459), welches für den Statistiker
eine Quelle ersten Ranges ist, nur eine rein populäre Gelegenheitsschrift zur Ein-
weihung des Denkmals des Grossherzogs vor460). —
Ueber Elsass-Lothringen ist ein extrem deutschfeindliches französisches
Buch von Nicot und Pardellian461) erschienen, welches beweisen will, dass Elsass
nie ein deutsches Land gewesen sei, und dann von diesem Standpunkte aus eine ganz
kurze Darstellung der Geschichte des Landes giebt mit besonderer Hervorhebung
der unbestreitbaren Thatsache, dass nach dem Raube Ludwigs XIV. aus den geraubten
Provinzen viele tüchtige französische Generäle hervorgegangen sind. Metz ist nach
dem Vf. natürlich 1870 durch Verrat genommen; die Deutschen waren „victorieux
sans combat'*. Dann folgen, in zwei Perioden (1. Republique et empire; 2. Periode
de 1815 ä nos jours) alphabetisch aufgeführt, kurze Biographien aller geborenen
Elsässer, welche eine Rolle in der französischen Geschichte gespielt haben, und deren
fast durchweg reindeutsche Namen die beste Widerlegung der Behauptungen des
Vf. sind. Das Buch hat keinerlei selbständigen, sondern nur symptomatischen
Wert.462"463) —
Für die Geschichte Hamburgs von grossem Werte ist eine Arbeit von
Baasch464) über die Geschichte des Handels der Stadt mit Amerika. Die Grund-
lage der Untersuchung bilden die im Hamburger Archiv befindlichen sogenannten
„Schifferbücher", von den Zollbeamten angelegte Listen der ein- und auslaufenden
Schiffe, aus denen die einzelnen Handelsverbindungen erschlossen werden, und die
Kontentlisten, woraus sich die Waren ergeben, auf die sich der Handel er-
streckte. —
Politik und sociale Frage. Wenn nach der vorstehenden Besprechung
der rein historischen Litteratur über die Geschichte der letzten beiden Jim. noch
ein Abschnitt über Politik und Nationalökonomie hinzugefügt wird, so liegt auf der
Hand, dass dabei auch nicht annähernd von einer erschöpfenden Behandlung oder
auch nur Aufzählung der wichtigsten Arbeiten auf diesem Gebiete die Rede sein
kann. Vielmehr kann es sich nur um diejenigen Schriften handeln, welche auf den
Grenzgebieten der Politik und Nationalökonomie und der Geschichte stehen, d. h.
entweder selbst schon einen historischen Charakter tragen oder für die historische
Beurteilung der Gegenwart von irgendwie hervorragendem Werte sind. — Von den
politischen Schriften treffen beide Voraussetzungen auf eine historisch-politische
Gelegenheitsschrift Geffckens465) zu, welche mit einem geschichtlichen Rückblick
lt. 0,50. — 456) B. Volz, Grossherz. Friedrich Franz II. v. Mecklenburg-Schwerin. E. dtsch. Fürstenleben, nach Anfzeichn.
u. Erinnerungen dargest. Mit 1 Photogr. u. 8 Phototyp. Wismar, Hinstorff. VII, 302 S. M. 4,00. — 457) X W. Bartold,
Friedrich Wilhelm, Grossherz. v. Mecklenb.-Schwerin u. Auguste Caroline. Neustrelitz, Barnewitz. 1S93. 4°. HI, Hl S.
M. 10,00. (Wissenschaftl. nicht sehr hervorragende Festschr. z. Ehejubil. d. grossherzogl. Paares.) — 458) X ö. v. Bachwald,
Bilder aus d. volkswirtschaftl. u. polit. Vergangenh. v. Mecklenburg. Neustrelitz, Jacoby. 138 S. M. 2,25. |[C. Schirren:
DLZ. S. 503 4.]| — 459) P. Kollmann, D. Herzogt. Oldenburg in seiner wirtschaftl. Entwickl. während d. letzten 40 J.
Oldenburg, Stalling. 1893. 608 S. M. 10,00. |[StatMschr. 19, S. 246; LCB1. 1893, S. 1396.]| — 460) Peter Friedrich Ludwig,
Herz. v. Oldenburg. E. Rückblick in Anlass d. Enthüllung d. Denkmals d. Herzogs auf d. Schlossplatz in Oldenburg am 6. Juli
1893. Oldenburg, Schulze. 48 S. Mit Bild. M. 0,50. — 461) L. Nicot et P. Pardellian, L'Alsace-Lorraine et l'armee
francaise. Paris, Dentu. III, 267 S. — 462) X K. H. Bittner, Erinnerungen e. höh. Reichsbeamten aus Elsass-Lothringen.
1871-73. Saarbrücken, H Klingebeil. VI, 143 S. M. 2,50. (Vgl. IV 1 c : 24.) — 463) X H- Witte, Nat. u. polit. Strömungen in Elsass-
Lothringen in Vergangenh. u. Gegenw.: AkBll. 9, S. 37/9, 55/7, 66,9, 117,9, 131/2, 143/6, 225.— 464) E. Baasch, Beitrr. z. Gesch.
d. Handels zwischen Hamburg u. Amerika. Hamburg, Friedrichsen. 256 S. M. 6,00. |[R. Ehrenberg: JNS. 2, S. 616/8, 937/9.
(Erwiderung v. B., Duplik t. E.)J] — 465) F. H. Geffcken, Frankreich, Eussland u. d. Dreibund, gesch. Büokblicke tut d.
IV lb : 466-474 G. Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte.
eine ausgesprochene politische Tendenz verbindet. G. will auf Grund eines histori-
schen Ueberblicks über die französisch-russischen Beziehungen seit Peter dem Grossen
nachweisen, dass die Politik Bismarcks eine falsche gewesen sei, und dass die
politische Lage des Augenblicks keinerlei ernste Gefahr in sich schliesse. Er
empfiehlt dem Dreibunde, England zur Allianz heranzuziehen. Das alles auf Grund
einer umfassenden, aber unkritisch benutzten historischen Belesenheit. Irgend welche
wissenschaftliche Bedeutung hat die Schrift nicht. — Von Arbeiten über die innere
Politik und die Geschichte der Parteien erwähnen wir zunächst eine geistvolle Skizze
Jürgen Bona Meyers466) über die Entwicklung des nationalen Gedankens zwischen
Partikularismus einerseits, weltbürgerlichen Ideen andererseits, an die eine Mahnung
zur Pflege des nationalen Gedankens geknüpft wird. — Das Verhältnis zwischen
Staat und Kirche erfährt eine eingehende historisch-politische Würdigung durch
Langwerth von Simmern467). — Einen Versuch, eine allgemeine nationale Politik
auf den Gegensatz zum Judentum zu begründen und zu beweisen, dass eine nationale
Gestaltung des Staates ohne Eliminierung des jüdischen Geistes unmöglich sei, hat
Lange468) unternommen. Aus dem Deutschen Reiche ein deutsches Vaterland zu
machen, dazu bedürfe es einer Bannung des Geistes des Materialismus, den der Vf.
ohne weiteres mit dem jüdischen Geiste identifiziert. Wenn wir diese an sich sehr
unbedeutende Schrift aus der Menge der noch unbedeutenderen antisemitischen
Litteratur hervorheben, so geschieht es, weil auch ernstere Männer glauben, dass
mit dem Uebertritt eines so begabten Mannes wie L. der in ihrem unklaren
Fanatismus untergehenden und in der That in unverkennbarer Abnahme begriffenen
antisemitischen Bewegung neues Leben eingehaucht werden könne.- Man hat daher
in L.s Schrift gewissermassen ein Manifest eines gemässigteren Antisemitismus sehen
wollen und ihr deswegen eine gewisse historisch-politische Bedeutung zugeschrieben,
die ihr aber thatsächlich, wie der Erfolg gelehrt hat, nicht zukommt. — Dagegen
kommt zwei, durch specielle politische Fragen der Gegenwart hervorgerufenen Schriften
Gneists469-470) eine hervorragende nicht bloss politische, sondern auch historische
Bedeutung zu. Die eine derselben beschäftigt sich mit der nenerdings wieder viel
ventilierten Frage des Dreiklassenwahlrechts in Preussen, welches der Vf. gegen
die vielfachen heftigen Angriffe durch einen eingehenden historischen Nachweis,
dass dieses Wahlrecht aus der Rechtsidee von der ständischen Gliederung
des Volkes hervorgegangen sei, zu rechtfertigen sucht. Auch wenn man, wie der
Referent, den aus dieser historischen Deduktion gezogenen Folgerungen des Vf.
nicht beizustimmen vermag, so wird man doch die lichtvollen Erörterungen über die
geschichtliche Umwandlung der Geburts- in Berufsstände mit grossem Nutzen und
hohem Interesse lesen. Ebenso liegt die Sache bei der zweiten Gelegenheitsschrift
G.s, welche sich mit der Mililär vorläge von 1892 beschäftigt und dabei einen
mahnenden Rückblick auf die verwandte Situation der Periode des Verfassungs-
Konflikts von 1862—66 wirft. Beide Schriften stehen jedenfalls turmhoch über
den ephemeren Erzeugnissen der Tageslitteratur, welche diese Fragen behandeln. —
Für die Beurteilung der socialen Zustände unserer Zeit bilden die Ueber-
sichten der Staats- und Volkswirtschaften von Hirsch471), von denen jetzt der fünfte
Jahrgang erschienen ist, eine quellenmässige Grundlage. Zur Geschichte der social-
politischen Ideen liegen einige kleinere Abhandlungen und Untersuchungen vor, von
denen wir nur diejenigen erwähnen, welche eine mehr als ephemere Bedeutung
haben. — Die vortreffliche, zugleich socialpolitische und historische Studie Riehls47'2)
über die Naturgeschichte des Volkes als Grundlage einer deutschen Socialpolitik,
welche als ein Muster derartiger Darstellungen bezeichnet werden kann, und deren
Vorzüge von allen Seiten von jeher anerkannt sind, ist eine neue, die neunte, Auflage
erschienen, die ebenso wie die früheren mit liebevoller Versenkung in die Eigenart
des deutschen Volkes und seine engeren und weiteren socialen Verbände geschrieben ist.
— Im Anschluss an das Otto von Sperbersche Buch „Die socialpolitischen Ideen
Alexander Herzens" giebt von Meysenbug473) persönliche Erinnerungen an den
Socialpolitiker Herzen, mit dem er in nahem persönlichem Verkehr und in lebhaftem
Briefwechsel stand. — Für die Geschichte des Socialismus und Kommunismus in
Deutschland, über die jetzt eine bibliopraphische Uebersicht von Stamm h am mer474)
Gegenw. B., Wilhelmi. 179 S. M. 3,00. |LHZ. 72, S.185JI — 466) J. B. Meyer, Vaterlandsliebe, Parteigeist u. Weltbürgertum
im dtsch. Reich. (=DZSF.N. 108.) Hamburg, Verlagsanst. 54 S. M. 1,00. (Vgl. JBL. 1893 I 4:614.) — 467) H. Frhr. Lang werth
v. Simmern, Aus d. Mappe e. verstorbenen Freundes. II. Staat u. Kirche. B., Behr. IX, 570 S. M. 7,50. |[Geg. 43, S. 31.]|
- 468) Friedr. Lange, V. dtsch. Reiche z. dtsch. Vaterlande. Mit Nachtr.: Z. Reichstagswahl 1893. 11.-14. Taus.
B., Lüstenöder. 15, 4 S. M. 0,20. — 469) R. v. Gneist, D. nat. Rechtsidee v. d. Standen u. d. preuss. Dreiklassenwahl-
system. E. soc.-hist. Studie. B., Springer. 272 S. M. 4,00. |[C. Rö ssler: Post N. 131/4.] | — 470) id., D. Militärvorlage
von 1892 u. d. preuss. Verfassungskonflikt v. 1862-66. ebda, 144 S. M. 2,40. J[LCB1. 1893, S. 644.]| — 471) H. Hirsch,
Uebersichten d. Staats- u. Volkswirtschaften, e. Kult.- u. Wirtschaftsgesch. d. Gegenw. Jahrg. V. B., Haude & Spener. 1898.
252 S. M. 4,00. — 472) W. H. Riehl, D. Naturgesch. d. Volkes als Grundlage e. dtsch. Social-Politik. 1. Bd. Land u. Leute.
9. Aufl. St., Cotta. XIV, 398 S. M. 5,00. - 473) M. v. Meysenbug, Erinnerungen an Alex. Herzen: NFPr. N. 10804,5,
10811/2. — 474) J. v. Stammhammer, Bibliogr. d. Socialismus u. Kommunismus. Jena, Fischer. 303 S. M. 10,00. —
G.Winter, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Politische Geschichte. IV 1 b : 474-484
erschienen ist, sind im letzten Grunde nur einige wenige hervorragende Denker von
entscheidender und daher historischer Bedeutung gewesen: für die gemässigteren
und nationaler gearteten Richtungen Friedrich Albert Lange und Ferdinand Lassalle,
für die innerhalb der Socialdemokratie immer mehr zur ausschliesslichen Herrschaft
gelangte extreme und interationale, immer mehr einem starren Dogmatismus anheim-
fallende Richtung Karl Marx, von dessen Ideen thatsächlich die gesamte moderne
Socialdemokratie so gut wie ausschliesslich zehrt, ohne irgend welche erheblich neue
Gedanken zu dessen grossem Systeme hinzuzufügen. — Für die Geschichte des Socialis-
mus, von der jetzt eine gleichsam parteioffizielle Darstellung mit dem Buche von
Bernstein und Kautsky475) zu erscheinen begonnen hat, sind daher nur die
genannten Männer von wirklicher historischer Bedeutung, während die modernen
Führer nur die Rolle der Agitatoren und praktischen Organisatoren der Arbeiter-
schaft spielen. Für eine historische Würdigung der socialistischen Bewegung,
soweit es sich nicht um deren Parteientwicklung handelt, worüber geschichtliche
Darstellungen in jüngster Zeit nicht erschienen sind, kann es sich also nur um eine
Darstellung jener theoretischen Begründer des modernen Socialismus handeln. —
Dem hervorragenden Philosophen und Socialpolitiker Friedrich Albert
Lange, dem Vf. der grundlegenden „Geschichte des Materialismus", ist eine glänzend
und mit warmer Herzensteilnahme geschriebene Biographie von Ellissen476) ge-
widmet worden. Der Vf. steht im wesentlichen auf demselben Standpunkte wie
Lange und war daher besonders befähigt, sich in die tiefste Wesenheit dieser eigen-
artigen Natur zu versenken. Das zeigt sich namentlich in der der Biographie
folgenden Würdigung und Kritik der Werke Langes, wo der Vf. bei aller Wahrung
der eigenen geistigen Selbständigkeit den Ideen Langes, die doch von denen der
heutigen vulgären Socialdemokratie sehr verschieden waren, völlig gerecht wird und
zugleich die gegen dieselben erhobenen Einwände anderer Schriftsteller eingehend
kritisiert. Doch hätte man speciell in Bezug auf Langes Hauptwerk eine sorgfältigere
Analyse seiner Bedeutung erwarten sollen, durch die allein sich ein wirklich
zutreffendes Bild von der fundamentalen und dauernden Wichtigkeit dieses Werkes
hätte geben lassen, die auch für den unzweifelhaft ist, der die gesamte Welt-
anschauung Langes nicht teilt. —
Um die Herausgabe der Schriften Ferd. Lassalles und der Quellen zu seiner
Lebensgeschichte hat sich die heutige socialdemokratische Parteileitung, obwohl sie
sich in bewusstem und grundsätzlichem Gegensatz zu dem Lassalleschen, auf
nationaler Grundlage ruhenden allgemeinen Arbeitervereine entwickelt hat, doch
unzweifelhafte Verdienste erworben. Von Lassalles Reden sind mehrere weitere
Hefte erschienen477), von den ausgewählten Reden und Schriften liegen bereits
3 Bände vor478-479). Auch der stenographische Bericht über die strafgerichtliche
Verhandlung gegen Lassalle vor der 4. Deputation des Stadtgerichts zu Berlin am
16. Jan. 1863 wegen eines im Handwerkerverein der Oranienburger Vorstadt
gehaltenen Vortrags480) sowie die offiziellen Verhandlungen des gegen Lassalle vor
dem Staatsgerichtshofe geführten Hochverratsprozesses wegen seiner Broschüre „An
die Arbeiter Berlins"481) sind durch die Parteileitung der Socialdemokratie neu
herausgegeben worden. — Von darstellenden Arbeiten und Würdigungen Lassalles
erwähnen wir neben der vortrefflichen knappen Charakteristik von Diehl482) vor
allem die neue, sehr willkommene Auflage des Brandes sehen483) Charakterbildes von
Lassalle, welches wohl die geistvollste Charakteristik der gesamten Persönlichkeit
und des wissenschaftlichen und agitatorischen Schaffens Lassalles enthält, und zwar unter
gerechter, wennauch bisweilen etwas panegyrischer Hervorhebung der epochemachenden
Verdienste seiner wissenschaftlichen Leistungen und unter offener, aber nicht selten zu
milder Betonung der Schwächen seines Wesens und öffentlichen Wirkens sowie der
Lücken in seinem wissenschaftlich-socialen System. — Der letzteren kritischen Aufgabe
ist eine Abhandlung von Gustav Mayer484) gewidmet, in welcher zunächst die
nationalökonomischen Ansichten Lassalles, die zu einem System der Nationalökonomie
auszuarbeiten diesem nicht vergönnt war, aus seinen Agitationsschriften, und zwar
möglichst im Wortlaute der einzelnen Stellen zusammengestellt werden, woran dann
eine Kritik vom heutigen Stande der Forschung aus geknüpft wird. Von der
475) E. Bernstein u. K. Kautsky, D. Vorläufer d. neueren Socialismus. 1.-9. Heft. (= D. Gesch. d. Social ism. in Einzel-
darstell. Bd. 1.) St., Dietz. S. 1-288. M. 1,80. — 476) 0. A. Ellissen, F. A. Lange. E. Lebensbeschreibung. Wohlfeile
(Titel-) Ausg. L., Baedeker. VL 271 S. M. 2,50. — 477) F. Lassalle, Reden. 46.-50. Heft. B., „Vorwärts". IV, u. S. 625-859.
äM. 1,00. — 478) id., Ausgew. Reden u. Schriften. 3 Bde. L., Pfau. 1893. 527, 469, 551 8. M. 11,00. — 479) id., D. Feste, d. Presse
u. d. Frankf. Abgeordnetentag. Drei Symptome d. öffentl. Geistes. Rede. ebda. 52 S. M. 0,25. — 480) id., D. Lassallesche
Kriminalprozess. 2. Heft: D. mündl. Verhandlung nach d. Stenograph. Bericht 3. Heft: D. Urteil 1. Instanz mit krit. Randnoten
z. Zweck d. Appellations-Rechtfertigung, ebda. 128 S. M. 0,50. — 481) D. Hochverratsprozess wider F. Lassalle vor d.
Staats-Gerichts-Hofe zu Berlin am 12. März 1864. Nach d. stenogr. Bericht, ebda. 88 S. M. 0,40. — 482) K. Diehl,
F. Lassalle: Handwörterb. d. Staatswissensch. 4, S. 965-70. — 483) G. Brandes, F. Lassalle. E. litt. Charakterbild. 3. Aufl.
L., Barsdorf. VII, 190 S. Mit Bild. M. 2,50. — 484) Gust. Mayer, Lassalle als Socialökonom. B., Mayer & Müller. IV,
I V 1 c : 485-489 IV 1 c : i-2 F.Muncker, Allgemeines des 18./ 19. Jahrhunderts: Memoiren usw.
Bedeutung Lassalles für die sociale Bewegung- unserer Zeit giebt der Vf. ein
lebendiges, in der Hauptsache zutreffendes Bild und hebt namentlich die Unterschiede,
die ihn von der heutigen Socialdemokratie trennen, treffend hervor. Seine Kritik
der Hauptlehren Lassalles, namentlich der vom ehernen Lohngesetz485) und seiner
Forderung von Produktiv-Associationen mit Staatskredit, ist lebhaft und eingehend,
wenn auch bei weitem nicht erschöpfend und oft zu sehr abhängig von den Gegnern
Lassalles, die vor ihm das Wort ergriffen haben.486) —
Ueber Karl Marx ist ausser der kurzen Charakteristik Engels487) nur eine
Abhandlung von Weryho488) erschienen, die aber nicht den Socialpolitiker, sondern
den Philosophen Marx behandelt. Mit Recht betont der Vf., dass die ökonomischen
Theorien von Marx ohne Klarheit über die philosophischen Grundansichten, von denen
dieser tiefe sociologische Denker ausgegangen ist, gar nicht zu verstehen sind, dass
man sich aber mit dieser Seite seiner Gedankenarbeit bisher wenig beschäftigt habe.
Der Vf. untersucht daher die genetische Entstehung der materialistischen Geschichts-
auffassung, welche den ökonomischen Theorien von Marx zu Grunde liegt, freilich
nicht in völlig erschöpfender und genügend kritischer Art, aber doch unter
richtiger Hervorhebung der bezeichnendsten Stellen aus seinen Werken und der
wichtigsten Momente der Kritik.489) Für die weitere Entwicklung der Social-
demokratie und besonders ihrer theoretischen Begründung wird dann namentlich
die Herausgabe des dritten Bandes von Marx „Kapital" von entscheidender Bedeutung
werden. —
c) Memoiren, Tagebücher und Briefwechsel.
Franz Muncker.
Fürstliche Personen N. 1. — Hof- und Staatsbeamte aus der unmittelbaren Umgebung fürstlicher Personen N. 10.
— Sonstige Staatsmänner und Beamte N. 16a. — Kriegsleute N. 28. — Dichter und Dichterinnen: Wieland N. 40; Gleim und
Ileinse N. 41; Lenz N. 42; Dorothea Veit N. 43; Hoffmann von Fallersleben N. 44; Fontane N. 49; Roquette N. 50; Nissel
N. 51; Dahn N. 52. — Musiker und Musikkritiker N. 55. — Bildende Künstler und Kunstschriftsteller N. 62. — Historiker
N. 67. — Philologen N. 71. — Theologen N. 77. — Naturforscher N. 88. — Journalisten N. 94. — Ihrem Berufe nach un-
bestimmte Verfasser N. 96. —
Was im J. 1894 von Memoiren und Briefen fürstlicher Personen ver-
öffentlicht wurde, ist zum grössten Teile wichtiger für die französische als für die
deutsche Litteraturgeschichte. Bernbeck') setzt die Arbeiten Rankes und Droysens
über die Glaubwürdigkeit der Memoiren der Markgräfin von Bayreuth fort.
Er untersucht das Hs. -Verhältnis des zuerst 1810 unvollständig in deutscher
Sprache, dann vollständiger im Urtext erschienenen Werkes, zeigt so die mit den
Jahren zunehmende Verbitterung der Vf. und beleuchtet die geringe Zuverlässigkeit
ihrer Mitteilungen an einzelnen Abschnitten ihres Werkes, besonders an ihrer Dar-
stellung der verschiedenen Pläne und Verhandlungen wegen ihrer eigenen Verheiratung
und der ihres Bruders, des Kronprinzen Friedrich (IL). — Mit der Markgräfin von
Bayreuth und namentlich mit ihrem Bruder war die Herzogin Luise Dorothee von
Gotha befreundet, deren Briefe an Voltaire, 99 an der Zahl, Haase2) diplomatisch
genau nach den in der Herzogl. Bibliothek zu Gotha befindlichen Urschriften heraus-
gegeben hat, nachdem die Briefe Voltaires an sie (136 Nummern) bereits wiederholt
in dessen Werken (besonders in der Ausgabe Molands) abgedruckt worden sind.
Die Korrespondenz reicht von 1751 — 67 und berührt allerlei Erscheinungen der
gleichzeitigen französischen Litteratur. Vor allem bekundet Luise Dorothee hohe
Bewunderung für Voltaire und innige Teilnahme an seinen Schicksalen; 1753 bemühte
sie sich angelegentlich, ihn mit Friedrich IL wieder auszusöhnen. Aber auch Rousseau
und den Encyklopädisten bringt sie richtiges Verständnis entgegen. Die deutsche
Litteratur wird mit keiner Silbe erwähnt. Dagegen berichtet die Herzogin manches
Bemerkenswerte über politische Ereignisse, namentlich während des 7 jährigen Krieges,
auch über das Testament, das Herzog Ernst August Konstantin von Weimar, der
Vater Karl Augusts, hinterliess und über dessen Vollstreckung (Brief vom 16. Sept. 1758).
Der Herausgeber steuert neben kurzen, erläuternden Anmerkungen eine dankenswerte
138 S. M. 2,40. - 485) X W. Jockusch, Ueber Lasalles ehernes Lohngesetz Diss. Heidelberg. 1893. 46 S. — 486) X
L. Büchner, Meine Begegnung mit F. Lassalle. E. Beitr. z. Gesch. d. Sozialdemokrat. Beweg, in Deutschland. Nebst 5 Briefen
L.a. B., Hertz & Süssenguth. IV, 38 S. M. 0,80. — 487) X F- Engels, H. K. Marx: Handwörterb. d. Staatswissensch. 4,
S. 1130/3. — 488) L. Weryho, Marx als Philosoph. Diss. Bern u. L., Siebert. 52 S. M. 1,50. — 489) X J- B- Mehler,
D. socialdemokrat. Poesie. Vortr. Augsburg, Huttier. 15 S. M. 0,10. —
1) (III 1:151.) (Auch als Giessener Diss. teilweise erschienen unter d. Titel: Z. Kritik d. Denkwürdig-
keiten d. Markgräfin Friederike Sophie Wilhelraine v Bayreuth 33 S. 8°.) — 2) Gust. Haase, D. Briefe d. Her-
zogin Luise Dorothee v. Sachsen-Gotha an Voltaire: ASNS. 91, S. 405-26; 92, S. 1-38, 145-64, 367-410. (Vgl. JBL. 1893
F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw. IV lc:3-is
Charakteristik Luise Dorotheens mit Rücksicht auf mehrere durch ihre Briefe nahe
gelegte Fragen bei.3) — Die Briefe ihres Sohnes August (gest. am 28. Sept. 1806)
an Wieland gab Seuffert in einem mir unzugänglichen Privatdruck zum 70. Geburtstag
F. X. Wegeies heraus, über den Geiger4) berichtet. Während die bisher bekannten
Briefe des Prinzen an Herder und Goethe fast ausschliesslich litterarischen Interessen
dienen und zwar trotz der ganz französischen Bildung, die ihr Vf. erhalten hatte,
auch für die Entwicklung unseres deutschen Geisteswesens die regste Aufmerksamkeit
beweisen, beziehen sich seine Briefe an Wieland, dessen Antworten leider fehlen,
mehr auf politische Verhältnisse: die französische Revolution, die Wieland in mehreren
Aufsätzen des „Deutschen Merkur" besprach, bildet ihren vornehmlichen Inhalt. Mit
heiterer Ironie betrachtet Prinz August, bald ernsthaft, bald nur zum Schein zustimmend,
die Urteile des befreundeten Dichters, seine anfängliche Verteidigung des „guten"
Königs Ludwig XVI. gegen die Nationalversammlung, seine spätere, gerechtere
Würdigung dieser letzteren, seine Voraussage der napoleonischen Militärherrschaft,
an die er aber nicht glauben wollte. Den Jakobinern und den sonstigen entschlossenen
Revolutionsmännern bewahrte er lange die wärmste Teilnahme, auch noch nachdem
ihre Greuelthaten ihnen in Deutschland fast alle Sympathie geraubt hatten ; gegen
eine Einmischung fremder Mächte in die französischen Verhältnisse erklärte er sich
durchaus.5-7") — Nur den Lebensschicksalen und dichterischen Werken ihres Adressaten
wendet Erzherzogin Sophie, die Mutter des Kaisers Franz Joseph, in ihren (nur teil-
weise veröffentlichten) Briefen an 0. von Redwitz8) liebevolle Aufmerksamkeit zu.
Von der übrigen deutschen Litteratur ist darin nicht die Rede. Aber schön offenbart
sich in ihnen die liebenswürdige Persönlichkeit, besonders der herzliche Familiensinn
und die innige, glaubensstarke Frömmigkeit der Vf. Der ungenannte Herausgeber
teilt auch von dem Erzherzog Ferdinand Maximilian, dem späteren Kaiser von
Mexiko, einen Brief an Redwitz vom 1. Dec. 1856 mit: der Prinz dankt darin dem
Dichter für den „Thomas Morus", namentlich für den „starken Glaubensgeist, der
durch das erhabene Werk weht".9) —
Nicht viel ergebnisreicher für die deutsche Literaturgeschichte sind die an
sich z. T. recht interessanten Memoiren von Hof- und Staatsbeamten aus der
unmittelbaren Umgebung fürstlicher Personen. In einer etwas verwirrten
Skizze sucht Friedmann10) die Denkwürdigkeiten der Baronin von Oberkirch, der
u. a. 1776 Goethe seine „Claudine von Villa Bella", Wieland seinen „Merkur" sandte,
zu charakterisieren, namentlich die darin enthaltene Schilderung des französischen
Hofes unmittelbar vor dem Ausbruch der Revolution. — Mitten in die letzten Phasen
der Revolution und in die Geschichte des aus ihr sich entwickelnden napoleonischen
Kaisertums führen uns die Memoiren des kaiserlichen Geheimsekretärs Meneval,
deren objektiv-historischer Wert zwar durch die entschiedene Parteinahme des Vf. für
alle Thaten und Bestrebungen Napoleons manche Einbusse erleidet, die aber gleich-
wohl eine Fülle belehrender Einzelheiten über den persönlichen Charakter, das
Privatleben und das staatsmännische Wirken des französischen Herrschers enthalten.
Sie sind von einem Enkel des Vf., Joseph-Ernest de Meneval11), veröffentlicht. Auf
die deutsche Litteratur nehmen nur wenige Zeilen Bezug. Ausdrücklich bemerkt
Meneval, dass sein Kaiser nach der Schlacht von Jena 1806 in Weimar der Herzogin
„avec courtoisie" begegnet sei, obgleich Karl August ein feindliches Korps befehligte,
und angeordnet habe, „dass dieses neue Athen, der Sitz der ersten Schriftsteller
Deutschlands, geschont werde". Ebenso berichtet er gelegentlich des Erfurter Fürsten-
kongresses 1808, Napoleon habe grosses Verlangen gehabt, Goethe und Wieland
kennen zu lernen; die mit grösster Auszeichnung empfangenen Dichter hätten aber
auch die Vorstellung, die er sich von ihrem Verdienste gemacht, durchaus gerecht-
fertigt und ihm in der langen Unterredung, deren er sie würdigte, „hohe Achtung
für ihr Talent und ihren Charakter" eingeflösst.12) — Vom Ende des vorigen Jh. bis
1876 reicht das liebenswürdig erzählende Buch, das Luise von Kobell13) nach
Briefen ihrer Vorfahren, besonders ihres Urgrossvaters, und nach eigenen Erinnerungen
IV lc:12.) — 3) X (14:46.) — 4) L. Geiger, E. dtsch. Prinz u. d. franz. Bevolut.: NatZg. N. 4. — 5) X W.
v. Metzsch-Schilbach, Briefw. e. dtsch. Fürsten mit e. jungen Künstlerin (JBL. 1893 IV 1 c : 13). |[LCB1. S. 472/3; DWBl.
S.203/4;VossZg. N.248.]| — 6) X 0-V lb:140.) |[P. Bailleu: DLZ. S. 1199-200.]| — 7) Ed. Wert heimer, Erzherz. Kainers Beise
durch Ungarn (1810). Nach dessen ungedr. Tagebuch : UngB. S. 1-39. (Für d.Litteraturgesch. ganz ergebnislos.) — 7a)XK°edde-
ritz, L. Trost, König Ludwig I.V.Bayern (JBL. 1891 17 1:244): MHL 22, S.87/8. — 8) 0. v Bedwitz in Oesterreich. (Briefe
d. Erzherzogin Sophie an Bedwitz.): NFPr. N. 10832. — 9) OX Carmen Sylva, La servitude de Pelesch, conte autobiogr.
Trad de l'allemand par L. BachelinetJ. Brun avec une introd. et un comment. (= Bibl. contemp.) Paris, Lemerre. 173 S. Fr.3,50.
— 10) A. Friedmann, D. Memoiren d. Frau v. Oberkirch: Zeitgeist N. 3. (Auch Didask. N. 32.) — II) J.-E. de Meneval,
Memoires pour servir ä l'hist. de Napoleon 1er depuis 1802 jusqu'ä 1815, par le baron Claude-Francois de Meneval. Ed.
entierement refondue. Ouvrage complete par des doc. ined., publie par les soins de son petit-flls. 3 vols. Paris, Dentu.
XIII, 486 S.; 560, 634 S. Fr. 22,50. — 12) X C9 Jahre am preuss. Hofe. Aus d. Erinnerungen d. Oberhofmeisterin Sophie Marie
Gräfin v. Voss. Mit e. Portr. u. e. Stammtaf. 6. Aufl. L., Duncker & Humblot. 440 S. M. 6,00. (1. Aufl. schon 1876
erschienen.) — 13) (14: 360; IV lb: 410.) |[K.Th.Heigel: DLZ.S.400/3; Th.H.Pantenius: Daheim30, S.582/3; Didask. N. 71/2;
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (4)11
IV lc: 13-ie F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw.
und Tagebuchblättern zusammengestellt hat. Grosse neue Aufschlüsse über die
politische und litterarische Entwicklung Bayerns bietet es zwar nicht; aber höchst
dankenswert ergänzt es unser bisheriges Wissen durch so und so viele schätzbare
Einzelheiten und bringt namentlich manche sehr merkwürdige kulturgeschichtliche
Details bei. Zunächst tritt jener Urgrossvater der Vf. bedeutsam hervor, der treffliche
Pfälzer Maler Ferdinand Kobell (gest. 1799 als Galeriedirektor zu Nymphenburg bei
München), dessen künstlerische Verdienste und menschliche Vorzüge Sophie von la
Roche pries, dessen „goldesgleiche" Werke aber auch Goethe, wie Hei gel sorgsam
zur Vervollständigung seiner Charakteristik nachträgt, aufs höchste bewunderte,
lörmlich als Kanon der Schönheit betrachtete und eifrig sammelte. Auch in seinen
Briefen, die namentlich auf das Treiben der französischen Emigranten in den Rhein-
landen ein neues, nicht eben vorteilhaftes Licht werfen, erscheint Ferd. von Kobell
als geradsinniger, streng sittlich denkender, dabei die Anforderungen des praktischen
Lebens wohl beachtender Biedermann. In der folgenden Darstellung berührt die Vf.
auch die gelehrten und künstlerischen Bestrebungen unter Max Joseph und Ludwig L,
von dem sie mehrere, bereits bekannte Gedichte ihrer Erzählung einflicht. Doch steht
hier zunächst unter den Künsten die Musik voran : Bei dem Hoforganisten Kalcher
studierte der junge K. M. von Weber; als Komponist von Messen und Symphonien
that sich Abt Vogler, als Komponist von Messen, Requiems, Motetten und Opern
Peter von Winter unter den Münchener Musikern hervor. Zur gleichen Zeit etwa
brach sich der klassische Geschmack, den Friedrich Thiersch im Unterricht pflegte,
in der Litteratur und bildenden Kunst trotz dem Spotte Westenrieders und Prangerls,
des letzten bayerischen Hofnarren, allmählich Bahn. An die gastlichen Abende bei
Thiersch, wo der junge Ludwig Steub durch seinen originellen Humor glänzte,
erinnert sich Luise von Kobell noch aus der eigenen Jugendzeit. Ebenso schildert
sie, die in den jüngsten Jahren veröffentlichten Berichte Dahns, von Völderndorffs
und anderer mannigfach ergänzend, die Geselligkeit im Hause Liebigs, Dingelstedts,
Bluntschlis, in dem ihres eigenen Vaters Franz von Kobell, ferner die Tafelrunde bei
Herzog Max, das Treiben in der 1837 gestifteten Gesellschaft der „Zwanglosen", den
häuslichen Verkehr bei den durch Maximilian IL nach München berufenen Gelehrten
und Dichtern überhaupt. Zu den meisten von ihnen besass oder besitzt sie freund-
schaftliche Beziehungen, so zu Redwitz, Geibel, Lingg, Heyse, Hertz, Dahn. Nament-
lich stand sie mit Scheffel in herzlichem Verkehr. Der Dichter wurde bald nach
seiner Uebersiedlung nach München 1856 mit ihr durch ihren späteren Gatten August
von Eisenhart bekannt und blieb ihr dauernd befreundet. Die Briefe, die sie von
ihm mitteilt, gehören zu den innigsten und gemütvollsten, die wir von ihm besitzen.
An äusserlichen Daten sind sie, wie die meisten Briefe Scheffels, nicht reich ; aber
auf ihren rein menschlichen Gehalt hin betrachtet, berühren sie den Leser ausser-
ordentlich wohlthuend. Sie reichen von 1857—64; dazu kommt noch ein Nachzügler
von 1870. Die ersten Briefe zeugen noch von der bitteren Trauer des Dichters um
den Verlust seiner Schwester Marie; die folgenden geben gelegentliche Aufschlüsse
über die Entstehung der „Bergpsalmen" und des unvollendet gebliebenen „Meister
Konrad." Auch über das Verhältnis Ludwigs IL zu Richard Wagner macht die Vf.
ein paar kurze, im einzelnen nicht durchweg genaue Andeutungen, die übrigens
nichts Neues darbieten. — Gleich Luise von Kobell teilt der ungenannte Vf.14) von
Memoiren aus den J. 1855—64 zahlreiche anekdotenhafte Züge von deutschen und
ausländischen Fürsten, Hof- und Staatsmännern mit, zu denen er als Reisebegleiter
eines deutschen Prinzen in Beziehung kam. Am anziehendsten ist wohl seine Schilderung
Bismarcks im persönlichen, amtlichen und geselligen Verkehr; der Vf. arbeitete unter
ihm von 1855 bis zum Febr. 1857 als Gesandtschaftsattache in Frankfurt, traf auch
nach Jahren mit dem inzwischen an die Spitze des preussischen Ministeriums
Berufenen wieder zusammen. Auch mit Künstlern und Gelehrten kam er in mannig-
fache, meist flüchtige Berührung, so mit dem alten A. von Humboldt, mit Verdi,
Meyerbeer, Anton Rubinstein; direkte Beziehungen zu deutschen Dichtern scheint er
dagegen nicht gehabt zu haben. — Von solchen berichten naturgemäss auch die von
Gust. von Wilmowski15) herausgegebenen „Feldbriefe" K. von Wilmowskis von
1870 — 71 nichts; dagegen enthalten sie viele kleine, meist persönlich sehr liebens-
würdige Züge aus dem Charakterbilde Kaiser Wilhelms L, dem Wilmowski (1817 — 93)
vom Nov. 1869 bis zu seinem Tode als Kabinetschef unmittelbar nahe stand. 15a~16) —
BerlBörsUour. N. 22.JI — 14)..- dw..., Kap. aus e. bewegten Leben 1855-64. L., Hirzel. III, 238 S. M. 3,60. — 15) Gust-
v. Wilmowski, K. v. Wilmowski, Feldbriefe 1870-71. Nebst biogr. Mitteil. Breslau, Trewendt. 106 S. M. 2,00. |[Didask.
N. 101 (aus d. NFPr. abgedr'.).]j (Vorher abgedr. in DR. 1, S. 1-19, 145-63, 278-9J.) — 15a) X Pri n z Bernhard v. Sachsen-
Weimar, Erinnerungen v. meiner Reise um d. Welt 1887—88: DR. 2, S. 116-24, 223-31, 359-68; 3, S. 104-17, 225-34, 363,7.
(Frisch u. unterhaltend geschrieben, bes. anregend d. Schilderung nordafrikan. u. ostind. Verhältnisse; litterargesch. ergebnislos.)
— 16) O X Aus d. Leben König Karls v. Rumänion. Aufzeichnungen o. Augenzeugen. 2 Bde. St., Cotta. XLII, 379 S.; IV, 485 S.
M. 16,00. |[G. Winter: BLU. S. 358,9 (rühmt d. Reichhaltigkeit u. Zuverlässigkeit dieser Anfzeichn.).J| (Vgl. JBL. 1892 IV
F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw. IV 1 c : i6a-i7
Unter den sonstigen Staatsmännern und Staatsbeamten kommt für die
JBL. auch diesmal W. von Humboldt vor allen anderen in Betracht.16'1) Aus seinem
Nachlass gab Leitzmann17) das Tagebuch seiner Reise nach Norddeutschland vom
J. 1796 mit reichhaltigen, genau erläuternden Anmerkungen heraus: ein wertvolles
Dokument zur geistigen Entwicklungsgeschichte seines Vf. sowie zur Kenntnis des
künstlerischen und gelehrten Lebens, überhaupt der kulturellen Verhältnisse Deutsch-
lands vor hundert Jahren. Humboldt hat ein offenes, scharf blickendes Auge für alles,
was ihm unterwegs begegnet. Land und Leute schildert er, wenn auch oft nur mit
rasch skizzierenden Strichen, doch gleich sorgsam und gleich treffend. Die Be-
spannungsweise der Pferde, die innere Struktur einer Windschneidemühle, der
Schiffsbau, die Strassenverhältnisse und ähnliche Fragen beschäftigen ihn ebenso
ernsthaft wie die Betrachtung einer Bibliothek oder Kunstsammlung oder wie der
Besuch bei einem namhaften Gelehrten und einem weitberühmten Dichter. Ausführlicher
beschreibt er Stettin, Greifswald, Stralsund, die Insel Rügen, Rostock, Lübeck, Hamburg
und Umgebung, kürzer die dazwischen liegenden Reisestationen. Schön spricht sich
sein Sinn für grosse Landschaftsnatur auf Rügen aus. Der Anblick des Meeres von
dieser Insel aus ist ihm „einer der wenigen, die eigentliche Epoche in dem Geraüte
machen, der erste dieser Art seit den Schneegebirgen und Gletschern der Schweiz".
Nur bedauert er, dass die Grösse und wilde Furchtbarkeit der* Natur sich beständig
mindere, wie die steilaufragenden Felsen bei Stubbenkammer nach und nach ab-
bröckeln, und dass so auch die Seele mit der Zeit weniger empfänglich für neue,
grosse und staunenerregende Gegenstände werde. Von litterariscb bedeutenderen
Personen besucht er u. a. Kosegarten, den Pfarrer in Altenkirchen auf Rügen, dessen
an Sonderbarkeiten reiches Aussehen und Benehmen er mit kühler Besonnenheit,
aber nicht unliebenswürdig beurteilt. Kosegartens Aeusseres erinnnert ihn auf Augen-
blicke, aber auch nur auf Augenblicke an Schiller. Deutlich erkennt Humboldt an
ihm das Gepräge des Genies; auch traut er ihm ein feines und zartes Gefühl für das
Schöne zu. Aber Geschmack und Beurteilungskraft vermisst er gänzlich an ihm, und
seinen Erzählungen von einem übermächtigen Naturdrange, der ihn widerstandslos
zur Poesie treibe, setzt er stillen Zweifel entgegen. Auch Kosegartens blinde Be-
wunderung für Jean Paul, den „Blutsfreund seines Herzens", stimmt ihn mit Recht
bedenklich. Eingehend schildert Humboldt den Charakter und die künstlerischen
Anschauungen von J. H. Voss, wie sie sich ihm in wiederholten Gesprächen zu Eutin
erschlossen. Die einseitige Vorliebe des trefflichen Homerübersetzers für die antike
Kunst erscheint hier als das überall den Ausschlag gebende Moment in seinem
Denken und Empfinden. Vortrefflichkeit erkannte Voss nach Humboldts Bericht nur
in der Uebereinstimmung mit dem homerischen Charakter; alle Eigentümlichkeiten
der modernen Dichter, in denen er doch hinwiederum grosse Kenntnisse verriet, er-
klärte er als fehlerhaft. So zeigte er sich mit Schillers Gedichten „nur sehr be-
dingungsweise und eigentlich gar nicht zufrieden," tadelte speciell das „Lied an die
Freude", die „Götter Griechenlands", die „Würde der Frauen", aber nicht minder den
„Werther" und den „Wilhelm Meister". Ausgezeichnet ist eine Bemerkung F. H.
Jacobis, die Humboldt bei dieser Gelegenheit anführt: Voss versuche immer das
deutsche Gedicht, das er prüfen wolle, ins Griechische oder Lateinische zu übersetzen,
und was diese Probe nicht aushalte, müsse irgend eine Art der Barbarei an sich
tragen. Dieselbe Parteilichkeit offenbarte sich dem jungen skeptischen Beobachter
in dem Urteil Vossens über den von ihm mit dem emsigsten Fleisse studierten
Versbau. „Er giebt schlechterdings keinen anderen Hexameter zu als den homerischen ;
an Schiller und Goethe tadelt er die Vernachlässigung des Versbaues sehr. Sie
machen höchstens fehlerfreie, nie gute und leicht sich bewegende Hexameter." Die
peinliche Sorgfalt, die Voss bei eigenen Gedichten und bei der Beurteilung fremder
der metrischen Form widmet, bringt Humboldt treffend in einen inneren Zusammen-
hang mit dem Streben nach einem „schlechterdings reinen und vollkommenen" Aus-
druck des Gedankens durch die Sprache des Dichters. Er erkennt auch die Gefahr,
die in der Uebertreibung dieser an sich richtigen Tendenz liegt, und täuscht sich
auch darüber nicht, dass Voss, indem er das lebendigste und anschaulichste Darstellen
des Gedankens fordert, unempfänglich für dasjenige wird, was einer solchen lebendigen
Anschaulichkeit nicht fähig ist, also für Gedichte philosophischen oder sentimentalischen
Inhalts. Richtig bemerkt Humboldt, dass Voss durch seine künstlerische Natur selbst
zum Uebersetzen getrieben werde; als seinen ersten Grundsatz dabei bezeichnet er,
so zu übertragen, „als ob zu Homers Zeit Deutsch und nicht Griechisch gesprochen
wTorden sei". Auch die „tiefen Sprachforschungen" des tüchtigen Philologen, der aber
lb:95; s o. IV lb:377.) — 16a) X A. Leitzmann, Briefe v. W. v. Humboldt an F. H. Jacobi (JBL. 1893 1V1c:20). |[G. Witko wski:
LBIGBPh. 15, S. 1102; A. Chuquet: BCr. 37, B. 289-90.]| — 17) id., Tagebnch W. v. Humboldts v. seiner Beise nach Nord-
deutschland im 3. 1796. (= Quellenschriften z. neueren dtsch. Litt.- u. Geistesgesch. her. v. A. Leitzmann, Bd. 3.)
(4)11*
IV lc: 17-20 F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw.
von grammatischen Einzelheiten und ähnlichem Kleinkram im Gespräch nichts wissen
wolle, hebt Humboldt hervor, desgleichen seine persönliche Liebe zum Plattdeutschen,
das er auch in seiner Familie beständig spreche. Dann berichtet er über seine Ge-
wohnheit, beständig zu feilen und umzuarbeiten, und erklärt daraus seine Ansichten
über den Ursprung von „Ilias" und „Odyssee", die zu denen von F. A. Wolf im
schroffen Widerspruche stünden. Aufrichtig rühmt er den festen, offenen, manchmal
nur zu geraden, aber im Grunde herzlichen und liebenswürdigen Charakter des
Menschen Voss, seinen reinen Eifer für die Sache, der auf keinen Widerspruch oder
Tadel achte, seinen unermüdlichen Fleiss, sein reizbares Gefühl für Wahrheit, seinen
ausschliesslich für das unmittelbar Natürliche, für das ursprünglich Menschliche
empfänglichen Sinn. Einfachheit und langsame Ruhe erscheint ihm als der erste
Eindruck der ganzen Vossischen Persönlichkeit; eine sonderbare Mischung von Be-
scheidenheit und Selbstvertrauen nimmt er in ihr wahr, starke Kraft auf einem eng
beschränkten Pfade. Am meisten beklagt er seinen auffallenden Mangel an Philosophie,
und bei einer Vergleichung zwischen ihm und Goethe meint er einen unvorteilhaften
Einfluss des deutschen Charakters auf Vossens Natur zu bemerken. Kürzer charak-
terisiert Humboldt den ihm durchaus unsympathischen Joh. G. Schlosser, Goethes
Schwager, ferner den Grafen Chrn. von Stolberg, Iffland, den er in einem eigenen,
höchst mittelmässigen Stücke vortrefflich spielen sah, den liebenswürdigen Claudius,
der aber bereits von seiner launigen Originalität viel verloren hatte, Franz von
Baader mit seinen höchst anregenden, aber auch oft paradoxen, naturphilosophischen
Ideen, F. H. Jacobi mit seinem ernstlichen, mühevollen Streben nach Wahrheit und
den edlen, grossen Grundzügen seines ganzen Wesens, die nur hie und da ins Eitle
ausarteten, wie denn auch der Ausdruck seiner Empfindungen bisweilen etwas Fremd-
artiges, Unnatürliches an sich habe. In der Familie Reimarus sagt ihm Lessings
einstige Freundin Elise fast am wenigsten zu : sie „hat gewiss einen recht richtigen
Verstand und vielerlei Kenntnisse, aber zu wenig Eigentümlichkeit in ihren Urteilen,
um interessant zu sein ; sie sagt immer ein %oiv6v enos." Etwas länger verweilt Humboldt
wieder bei der Charakteristik Klopstocks, dessen nie ruhende Lebhaftigkeit, un-
verkennbare Gutmütigkeit und unleugbare Eitelkeit er sehr anschaulich schildert. Alle
kleinen Schwächendes alten Dichters, der damals längst jeden lebendigen Zusammenhang
mit der fortschreitenden jüngeren Litteratur eingebüsst hatte, zeigen sich dem scharf-
sichtigen Besucher; aber durch sie hindurch erkennt er immer noch jenes Feuer und
jene Begeisterung, die die ehemalige Grösse Klopstocks ausmachten. Die Phantasie
und zwar eine durchaus musikalische, immer auf die Empfindung bezogene Phantasie,
findet der Freund Schillers schlechterdings alleinherrschend in Klopstock. Hoch
preist er seine Kunst der Deklamation, urteilt mit berechtigter Strenge über ver-
schiedene seiner neuesten Oden und teilt mehrere Aussprüche des alten Herrn über
jüngere Dichter und Forscher mit, die im einzelnen uns allerlei Neues bringen. So
hören wir (entgegen der bisher geltenden Anschauung), dass Klopstock in der
homerischen Frage durchaus der Meinung Wolfs beitrat und sie noch durch neue
Beweise zu stützen suchte. Ueber die Launenhaftigkeit seiner übrigen Urteile klagt
schon Humboldt : „Goethes neueste Sachen verwirft er durchaus. Schiller ist ihm
verhasst. Die ästhetischen Briefe wären nonsense, seine Prätensionen fürchterlich. . . .
Beide verstehen die deutsche Sprache schlechterdings nicht, doch Goethe mehr.
Wieland versteht sie, aber nur nach Gefühl, nicht durch Untersuchung. Voss hat
sie studiert. Nur ist er mit seinen Neuerungen durchaus unzufrieden; wer den
Homer übersetze, müsse, wenn er sich natürlich gehen lasse, immer kürzer als das
Original werden." Ausserdem berichtet Humboldt noch über Begegnungen mit zahl-
reichen Gelehrten, die er unterwegs aufsuchte; in Hamburg lernte er auch Dumouriez
und mehrere sonstige politisch und gesellschaftlich hervorragende Personen kennen,
die er alle kurz skizziert.18"19) — In der gleichen Sammlung, die dieses Reise-
tagebuch enthält, veröffentlichte Haym20) Humboldts Briefe an Nicolovius, seinen
Mitarbeiter und Nachfolger im preussischen Kultusministerium. Es sind 27 Nummern,
vom 25. März 1809 bis zum 5. Febr. 1835 geschrieben, in der Hauptsache amtlichen
Inhalts, doch keineswegs im Geschäftstone gehalten, sondern im besten Sinne
Freundesbriefe. Die wichtigste Rolle spielen in ihnen die Fragen, die mit der
Gründung der Berliner Universität eng zusammenhängen, dann mehrfache Berufungen
an die verschiedenen preussischen Hochschulen, wobei sich Humboldt gelegentlich
auf das günstige Urteil Goethes und seines Sohnes über einen Jenenser Professor
bezieht, die Einführung der Pestalozzischen Methode in eine Königsberger Schule,
Weimar, Felber. X, 163 S. M. 3,00. — 18) X A. Laquiante, G. de Humboldt et Caroline de Humboldt (JBL. 1893 IV 1 c : 21).
|[A. Leitzmann: Euph. 1, S. 409-13 (tadelt d. unwissenschaftl. Herausg. in ungenauer franz. Uebersetz., berichtigt mehrere
Fehler d. Anm. L.s.); VossZg. N. 46; DRs. 81, S. 157/8.] | — 19) X H. Meisner, Briefe an Johanna Motherby (JBL. 1893 IV lc:22).
|[WIDM. 75, S. 783; DRs. 81, S. 157.]| - 20) R. Haym, Briefe v. Wilh. v. Humboldt an G. H. L. Nicolovius. Mit 2 Anh.
(= N. 17, Bd. 1.) B., Felber. XI, 140 S. M. 3,00. |[A. Leitzmann: Euph. 1, S. 647/9; Max Koch: DWB1. 7, S. 468; -n-;
F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw. IV lc : 21-23
die sich aber nicht so glänzend bewährte, wie er und Nicolovius zuerst hofften, und
ähnliche Sorgen des Staatsmanns, der sich die Besserung des preussischen Unterrichts-
wesens auch dann noch sehr ernst angelegen sein Hess, als er nicht mehr zu seiner
Leitung amtlich berufen war. Die alles klar und parteilos erwägende Besonnenheit
des Briefstellers offenbart sich dabei auf jeder Seite, nicht minder aber sein edel-
sinniger Charakter, seine treue Anhänglichkeit an alte Freunde (so besonders in
seiner teilnehmenden Fürsorge für den Rektor K. D. llgen von Schulpforta, der sich
durch kleinliche Eitelkeit eine starke Blosse gegeben hatte). Unmittelbar auf unsere
schöne Litteratur bezieht sich nur wenig in diesen Briefen: ein paar Worte vom
10. Aug. 1816 über die Verdeutschung des Aeschyle'ischen „Agamemnon", die
Humboldt dem Freunde sendet, und eine Abwehr des hämischen Artikels der
„Evangelischen Kirchenzeitung" über den Briefwechsel Schillers und Goethes (am
20. Febr. 1830), obwohl auch Humboldt selbst meint, viele Stellen in diesem Brief-
wechsel hätte er nie so hinschreiben oder überhaupt so denken mögen, noch mehr hätten
wenigstens nicht gedruckt werden sollen. Als Anhang sind zunächst 7 Jugendbriefe
Humboldts an einen jüdischen Freund, den damaligen Studenten und späteren Arzt
Beer, beigefügt. Sie zeigen vor allem, wie ihr Vf. zuerst noch ganz in Wolffisch-
Mendelssohnschen Anschauungen befangen ist, allmählich aber während seiner
Universitätsjahre sich von dieser formalistischen Begriffsphilosophie losmacht und
schon von Kants Kritizismus einen bedeutenden Eindruck erhält. Ein zweiter, von
Leitzmann beigesteuerter Anhang enthält 8 Briefe Humboldts an Achim von
Arnim und F. A. Wolf aus den J. 1809 und 10. Sie drehen sich grossenteils
um Berufungen an die neue Berliner Universität und andere preussische Lehr-
anstalten, bekunden aber auch, wie ernst und gross Humboldt sein Amt auf-
fasste, wie er mit Hintansetzung seiner Person und selbst der eigenen Meinung
nur der Sache dienen wollte und mit der Förderung der Wissenschaften zugleich
eine Hebung des ganzen Unterrichtsministeriums, dem er vorstand, erstrebte.21) —
Rein politische Angelegenheiten behandelt der von Justus von Grüner22)
nunmehr nach dem Wortlaute mitgeteilte Briefwechsel zwischen dem Freiherrn von
Stein und dem russischen Staatsrat Grüner vom J. 1812. Doch wird Arndts „Geist
der Zeit" als treffliches Agitationsmittel gegen Napoleon mehrfach erwähnt.22»"220) —
Nur wenig enthalten für den Litterarhistoriker auch die Erinnerungen des ehemaligen
westpreussischen Oberpräsidenten A. Ernst von Ernsthausen23) (1827 — 94),
ein Buch, das ein vielfach merkwürdiges, auch mit den Reichsgeschicken oft eng
verknüpftes Leben darstellt und von ernster, tüchtiger Auffassung des preussischen
Beamten berufes auf jeder Seite zeugt. Der Vater des Vf. (1782—1847) hatte dichterische
Neigungen und Anlagen und schrieb im Anfang unseres Jh. mehrere Lustspiele, die
in Taschenbüchern gedruckt, auch bisweilen aufgeführt wurden, darunter (gemein-
schaftlich mit einem anderen Vf.) eine Posse „Leonardo der Geächtete" mit An-
spielungen auf Koblenzer Verhältnisse, die ihm eine amtliche Massregelung* zuzogen.
Später erschien von ihm auch eine Satire „Lebenslauf des Rheins oder Tecole des rois,
von ihm selbst erzählt", 1843 endlich Aphorismen unter dem Titel „ — — — "
(= Gedankenstriche). Der Vf. der „Erinnerungen" selbst schildert von litterarischen
Persönlichkeiten besonders Kinkel nach seinem Wirken in den demokratisch-
revolutionären Kreisen Bonns 1848. Er erkennt die edle Natur, die persönliche Gut-
mütigkeit und die hinreissende Beredsamkeit Kinkels an, findet aber seine Begabung
vielfach überschätzt und vermisst bei ihm parlamentarische Gewandtheit, scharfes
Urteil, hinreichende politische und geschichtliche Kenntnisse. Später rühmt E. ge-
legentlich seiner eigenen Amtsthätigkeit im Elsass (1871 — 79) das zwischen den
nationalen Gegensätzen vermittelnde Wirken L. Spachs (1800 — 79), der an der Spitze
der „Litterarischen Gesellschaft" in Strassburg stand und namentlich durch Vorträge
über deutsche Litteratur dem deutschen Geist im neuen Reichslande Bahn brach.
Mehr als von Litteratur ist von Musik die Rede. Der Vf. bekennt sich als begeisterten
Verehrer Beethovens und hauptsächlich Mozarts und sucht sich seine „instinktive
Abneigung" gegen R. Wagners Werke theoretisch zu erklären durch eine freilich
nicht sehr tief greifende, aber glücklich an Lessings „Laokoon" anknüpfende und
zunächst dessen Lehren richtig fortsetzende Untersuchung über das Verhältnis von
Poesie und Musik in der Oper. Von vornherein überzeugt, dass Mozart der un-
übertreffliche Gipfel in der Entwicklung des musikalischen Dramas sei, macht er
LCBl. S. 1407; A. C: RCr. 38, S. 420/l.]| — 21) X Gabriele v. Bülow, Tochter W. v. Humboldts (JBL. 1893 IV lc:23;
s. o. IVlb:237). i[E. Forster: DWB1. 7, S. 4403; VossZg. N. 52; Bich. George: Bär 20, S. 71 2. BOß, 93/5,
116/8, 127-30, 1513; E. Hildebrand: ÖLB1. 3, S. 2045: Frau 1, S. 490: Ad. Stern: Grenzb. 3, S. 447-57 (liebevoll).]| —
22) Just. v. Grnner, D. Korresp. zwischen Stein n. Grüner im J. 1812: KBGV. 42, S. 67-61, 63,8. - 22a) X id-- Denk-
würdigkeiten ans d. Leben L. v. Gerlachs (JBL. 1891 IV 1:168): MHL 22, S. 8387. — 22b) X Briefw. zwischen Gerlach
u. Bismarck: Grenzb. 1, S. 1567. — 22o) X H- v- Poschinger, Erinnerungen aus d. Leben v. H. V. v. Unruh: DK. 2, S. 52-66,
186-96, 304-16; 3, S. 41-52, 184-93, 317-29; 4, S. 104-20, 215-22, 3636. (Sehr aufschlussreich für d. polit. Gesch Preussens v.
1848-71, aber litterargesch. ergebnislos.) — 23) A. E. v. Ernsthausen, Erinnerungen e. preuss. Beamten. Bielefeld u. L.,
IV 1 c : 24-27 F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw.
vor den kühnen Konsequenzen, die Wagner bei seinem Verlangen nach einer Ver-
schmelzung der beiden, mit ihren stärksten Mitteln wirkenden Schwesterkünste zog,
ängstlich Halt und fordert gegenseitige Beschränkung der Poesie wie der Musik in
seinem Ideal der Oper.24"25) — Nur vorübergehend war der Naturforscher Graf
Alex. Keyserling (1815—91) als Staatsbeamter thätig, so namentlich als Kurator der
Universität Dorpat, die er 1862 — 69 im deutschen Sinne leitete, für ihre wissen-
schaftliche Förderung erfolgreich bemüht. Die Absicht seines Jugendfreundes
Bismarck, ihn 1879 an die Spitze des preussischen Kultusministeriums zu berufen,
scheiterte an verschiedenen Hindernissen. Seine von Helene von Taube26) ver-
öffentlichten Tagebuchblätter, reich an religiös und philosophisch bedeutsamen Ge-
danken, beweisen die höchste Verehrung für Kants Lehre, in der Keyserling auf-
erzogen war und von der er bei seinen eigenen Spekulationen regelmässig ausging.
In einer geistreichen Parallele deckt er die „Verwandtschaft zwischen den grossen
Denkern Pascal und Kant" auf. Auch berichtet er gelegentlich von den Beziehungen
seiner Vorfahren zu dem Neubegründer der Philosophie. Kant war bis 1755 in
Rautenburg Hauslehrer bei einem Grafen Keyserling, wahrscheinlich einige Jahre
lang. Er erzog hier den Grossvater des Vf. zunächst bis zu dessen achtem Jahre,
um ihn später an der Königsberger Universität wieder unter seinen Schülern zu
sehen. Aber auch die junge Mutter dieses Zöglings, Karoline Charlotte geb. Gräfin
Truchsess, muss der Philosophie lebhafte Teilnahme zugewandt haben; ihr Brief-
wechsel dürfte für die Entwicklungsgeschichte des jungen Kant von Bedeutung sein.
Von deutscher Poesie ist in den Tagebuchblättern Keyserlings wenig die Rede.
Schillers „Mädchen aus der Fremde" deutet der Vf. als „die Trägerin des fröhlichen
Herzens". Den „Tannhäuser" von Julius Wolff preist er als ein Meisterwerk, das
an Ausgeglichenheit der Sprache und Komposition Scheffels poetische Erzählungen
übertreffe. Auch über den „mit patriotischem Herzblut geschriebenen" Roman „Die
von Keiles" von Th. H. Pantenius, dessen Tragik ihn an die „Nibelungen" erinnert,
urteilt er im ganzen recht günstig. Schöne Worte spricht er über eine hs. Sanunlung
eines Cyklus von Gedichten der Carmen Sylva unter dem Titel „Geschichte einer
Dichtertraumseele", zu denen er selbst der fürstlichen Vf. vor Jahren mannigfache
Anregung gab. — Auch die von Friedrich von Bernhardi27) heraus-
gegebenen Memoiren Theodor von Bernhardis, deren zweiter und dritter Teil
die J. 1834—60 umfassen, schildern ihren Vf. noch nicht in seinem eigentlich
diplomatischen Wirken, wohl aber im regen Verkehr mit vielen der massgebendsten
politischen Persönlichkeiten in Deutschland und speciell in Preussen. Ungemein
aufschlussreich für die politische Geschichtsforschung, spenden sie doch auch zur
Mehrung unserer literarhistorischen Kenntnisse manche Beiträge, die freilich teil-
weise mit Vorsicht aufzunehmen sind. Bernhardi suchte nach seiner Rückkehr aus
Russland 1851 und 52 mehrmals seinen Oheim L. Tieck auf, der ihm nun wohlwollend
entgegenkam, aber auch vor ihm seinem Aerger über die damalige preussische
Politik, über die Schwäche des Königs, über den „pietistischen Unfug" Luft machte
und sich gegen ihn über Dichtung und Dichter rückhaltlos, doch meistens recht
greisenhaft äusserte. Von Goethes Werken liess er nur „Götz" und „Werther" gelten.
Im „Faust" schien ihm zu dem grossartigen Anfang und zu der Scene des Erdgeists
der weitere Verlauf nicht zu passen; die Gemeinschaft Fausts mit Mephisto und die
Liebe zu dem einfachen Gretchen dünkte den Alten unbegreiflich; im zweiten Teil
sah er nichts als verachtenswerte Willkür und Laune. Verständnis für das Theater
sprach er Goethe überhaupt ab. Er beklagte, dass der junge Dichter an den kleinen
Weimarer Hof gekommen und nicht Bürger von Frankfurt geblieben sei: „dann wäre
etwas aus ihm geworden, was eine Parallele mit Shakespeare bilden könnte!" Dann
wieder warf er ihm vor, dass er die Frankfurter Mundart nie losgeworden sei. Auch
dass Goethe nicht in alle Ewigkeit fortführ, naiv zu dichten wie in der Jugend, dass
er dem Einflüsse der Antike sich hingab, verzieh ihm Tieck nicht. Seine eigentliche
Ueberzeugung von der Poesie, in der Bernhardi die ganze wesenlose Hohlheit des
romantischen Treibens erkennt, sprach Tieck 1852 mit den Worten aus: „An dem
Velhagen & Klasing. V, 432 S. M. 8,00. I[A. Bartels: Didask. N. 276.JI - 24) X (IV lb:462.) (Schildert anschaulich d.
Gefängniswesen im Reichsland; für Litteraturgesch. ganz unergiebig, auch mit recht sonderbaren socialpolit. Anschauungen:
am sog. Kulturkampf sind nach d. Ansicht d. Vf. bloss d. Juden schuld; d. gröbste Fehler d preuss. Diplomatie war, dass man
1860 d. „Krämerrepublik" Hamburg nicht in Preussen einverleibte usw.) — 25) X A. Egger Kitter v. Möllwald, Aus d.
Märztagen 1848 in Klagenfurt. Tagebuchskizzen e. Studierenden am Lyceuro in Klagenfurt, luitget. : Carinthia 1, S. 170/8.
(Aus d. Tagebuch d. späteren Advokaten F. Kohlmayr, über d. österr. Revolut., ohne litterargesch. Beziehungen.) —
26) Helene v. Taube, Aus d. Tagebuchbll. d. Grafen Alex. Keyserling. Philosoph. -relig. Gedanken mit einzelnen
Zusätzen aus Briefen Her. v. seiner Tochter. Mit e. Lebensskizze, verf. v. Graf Leo Keyserling, St., Cottn. XL, 290 S.
M. 6,00. - 27) [F. v. BernhardiJ Aus d. Leben Theodor v. Bernhardis. IL T.: Unter Nikolaus I. u. Friedrich Wilhelm IV.
Briefe u. Tagebuchbll. aus d. J. 1834-57. Mit e. Bild. Bernhardis. III. T.: D. Anfänge d. neuen Aera. Tagebuchbll. aus d.
Zeit d. Stellvertretung n. Regentschaft d. Prinzen v. Preussen. L , Hirzel. 1893-94. 368 8.; XVII, 349 S. M. 14,00. |[DRs. 78,
S. 473/4; Th. Schiemann: DLZ. S. 783/5; BerlBörsCour. N. 10; G. Winter: BLU. S. 357/8; TglRs". N. 176; FrBlw. N. 39,
F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw. IV lc.27
Streben, sich von der Bedeutung" der Dinge Rechenschaft zu geben, ist Goethe zu
Grunde gegangen!" Auch über Schiller äusserte er sich nur tadelnd, namentlich über
Schillers „wahnsinnige" Ansicht, dass die Shakespeareschen Schauspiele einen Chor
haben müssten; Tieck erblickte in dem Humor des Engländers, in seiner Ironie,
seinem Verweisen auf die Wirklichkeit weit mehr als einen Chor. Von Wielands
Schriften nahm der schwer zu befriedigende Alte den „Idris" wegen seines phantastischen
Charakters in Schutz. Von Voss, seinem geistigen Antipoden, sprach er stets mit
Verachtung und Ingrimm. Mehr Wahrheit lag in seiner Behauptung, dass Novalis
und Schleiermacher nicht recht zusammengepasst hätten, da diesem etwas von der
Aufklärung der früheren Zeit anklebte, während jener „ein christliches gläubiges
Gemüt" gewesen sei. Vor allem verhielt sich Tieck nunmehr ablehnend gegen eine
tiefere historische Auffassung der Poesie; zu einem wirklichen litterar- oder sagen-
geschichtlichen Verständnis der homerischen Dichtungen, des Nibelungenliedes oder
auch nur der Grimmschen Märchen und deutschen Sagen hatte er es nach dem Urteil
seines Neffen nicht gebracht. Das Gespräch über J. Grimm lehnte er ab, da diese Art
Gelehrsamkeit, diese Pedanterie ihm immer etwas Fremdes gewesen sei. Für ihn g-ebe es
keine alte oder neue, sondern nur gute und schlechte Poesie. Diese und ähnliche Aus-
sprüche bestimmen Bernhardi nur noch entschiedener zur Abkehr von den Romantikern,
die es nach seiner Meinung doch niemals weiter als bis zum Phantasieren ohne strenge
Folgerichtigkeit, ohne energisch eingeschlagene Richtung nach einem bestimmten
Ziele brachten. An Tieck insbesondere vermisst er trotz dessen massenhafter Lektüre
wirkliche, in der Jugend erworbene Kenntnisse und ernsthafte Vorstudien zu seinen
Werken, wie sie etwa Goethe machte. „Er hat das Leben als einen wesenlosen Traum
behandelt. Er ist überall beim blossen Genuss stehengeblieben." Bei wiederholtem
längerem Aufenthalt in Weimar wird Bernhardi mit Eckermann, Kräuter und anderen,
die noch Goethe nahe gestanden hatten, bekannt. Aber was er von ihnen hört, geht
meist über unerquicklichen, wohl auch nur halbwahren Klatsch über Goethes Sohn
und Schwiegertochter nicht hinaus. Dass nirgends in Deutschland das Dasein Goethes
und Schillers so wenig nachgewirkt habe wie in Weimar, klagt ihm auch Joukowsky.
Zu dem neuen Aufschwung aber, den die Ilmstadt um 1850 im deutschen Kunstleben
nahm, kann Bernhardi kein Verhältnis gewinnen. Liszt ist ihm persönlich äusserst
unsympathisch; nur ausnahmsweise und widerwillig spendet er ihm einmal, nachdem
er ihn dirigieren und spielen hören, unbedingten Beifall. Von seinem Geist und
Charakter jedoch weiss er nur vorurteilsvoll und im verkleinernden Tone zu reden;
über Liszts Verhältnis zur Fürstin Wittgenstein kramt er allerlei widerlichen Klatsch
aus, der selbst, wenn ein Teil davon auf Wahrheit beruhen sollte, besser ungedruckt
geblieben wäre. Flüchtig streift er Stahrs Beziehungen zu Fanny Lewald und schildert
die geckenhafte Eitelkeit des Fürsten Pückler-Muskau („eine höchst alberne Karikatur")
sowie die Gefährlichkeit seiner egoistisch-frivolen Lebensanschauung. Wagners
„Lohengrin", für den man in Weimar schwärmt, missfällt ihm schon darum, weil die
Schwanrittersage ursprünglich heidnisch und ihre Verbindung mit dem — von Haus
aus ja auch nicht christlichen — Gral, ihre christlich-mystische Umdichtung, ganz
willkürlich sei!! Dagegen konstatiert er mit einer gewissen Freude die Begeisterung,
mit der damals in Weimar sogar Frauen und Gymnasiasten altdeutsche Litteratur,
ja selbst das „Eddawesen" studierten Behaglicher fühlte er sich im Kreise des
Herzogs Ernst IL August von Koburg-Gotha. Hier wurde er 1858 mit G. Freytag
und B. Auerbach persönlich befreundet, nachdem ihm schon das dichterische Talent
und die politische Tendenz in „Soll und Haben" sowie das neben dem revolutionären
Element und der Parteiunwahrheit in den „Schwarzwälder Dorfgeschichten" hervor-
tretende Talent ein günstiges Vorurteil für beide Vf. eingeflösst hatte. Mit Freytag
fühlte er sich eins in seiner preussischen Gesinnung und seinem Verlangen nach
deutscher Einheit; aber er wusste auch die Klage des Dichters zu würdigen, dass
Preussen oft die kleinen Staaten, die es an sich heranziehen sollte, geradezu zurück-
stosse und ob ihrer Kleinstaaterei verspotte. Auerbachs Liebenswürdigkeit nahm
ihn nicht minder ein, obgleich er zu erkennen glaubte, dass Auerbach, und zwar
nicht selten mit Erfolg, darauf ausgehe, glänzende Dinge zu sagen. Beide begegneten
sich in Klagen über den gesunkenen Zustand der deutschen Litteratur. Wunderte
sich dann Bernhardi, dass man von Gutzkow, Hebbel, Prutz und ihren Genossen
ernsthaft rede, „als wäre das, was sie zu Tage fördern, wirklich eine Litteratur", so
meinte Auerbach, diese Leute wüssten alle recht wohl, dass ihr ganzer Ruhm künstlich
gemacht und in der That nichts dahinter sei. Ebenso übertrieben wie dieses Urteil
ist, was Bernhardi über Goethes unfruchtbares Bemühen, das abstrakte Ideal in der
Kunst zur Geltung zu bringen, und über seine und Schillers gemeinsame theatralische
Bestrebungen sagt, die von jedem wirklichen Verständnis des Dramas und dramatischer
Darstellung immer hoffnungsloser abgeführt und schliesslich zum Allertraurigsten,
zu Uebersetzungen aus Voltaire und Racine, hingeleitet hätten. —
IV lc: 28-40 F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw.
Zu den Kriegsleuten hinüber führt der durch G. Kellers „Züricher
Novellen" unsterblich gewordene schweizerische Oberst und Landvogt Salomon
Landolt, von dem Pestalozzi28) mehrere Briefe veröffentlicht. Den sonderbaren,
derblustigen Humor des originellen Mannes, den Keller so köstlich schildert, weisen
darunter besonders zwei Briefe von 1817 auf, an die Nichte des Schreibenden, Jung-
frau Margarete Landolt, gerichtet.29-30) — Dankenswert ist die Herausgabe der Briefe
Gneisenaus an seinen Jugendfreund J. B. Siegling durch Pick31) mit mannigfachen
Beilagen, darunter zwei Briefen von Karoline von Humboldt. Aufschlussreich für
die Kenntnis des Lebens und Charakters Gneisenaus, liefern sie für die Literatur-
geschichte freilich ausser der Vermutung, dass dieser im Mai 1803 zu Erfurt auch
mit Schiller bekannt geworden sein dürfte, kein Ergebnis. — Eine prächtige Gabe
ist uns in Moltkes nunmehr vollständig und unverkürzt veröffentlichten Briefen an
seine Braut und Frau und an andere Anverwandte beschert, von Kürschner32)
herausgegeben und mit Einleitung und reichhaltigem Register versehen, von Moltkes
Neffen Henry von Burt mit kurz erläuternden Anmerkungen begleitet. Es sind
über 400 Briefe aus den J. 1841—90, namentlich während der ersten drei Jahr-
zehnte so zahlreich und ausführlich, dass sie eine ziemlich vollständige Lebens-
beschreibung ihres Vf. darbieten. Und zwar eine Lebensbeschreibung von unver-
gleichlichem subjektivem Reiz. Die herzliche Liebenswürdigkeit, die sittliche Tüchtig-
keit, die Klarheit und heitere Ruhe in dem ganzen Wesen Moltkes prägt sich dem
Leser vielleicht nirgends so deutlich ein wie in diesen Briefen. Ihre Lektüre ist ein
Genuss für Geist und Herz und gewährt auch ganz besonders dem künstlerischen
Sinne reiche Anregung, obgleich naturgemäss von Kunst und Poesie wenig darin die
Rede ist. Hie und da flicht Moltke ein Citat aus Goethe, einmal auch aus Herders
„Cid" oder aus Uhland und anderen Dichtern ein. Von Theateraufführungen berichtet
er öfters in aller Kürze und leiht bei einer solchen Gelegenheit auch 1841 seiner
Bewunderung für die „Antigone" etwas reichlicher bemessene Worte. Einmal trägt
er (am 1. Dec. 1841) seiner Braut sogar eine kleine Novelle, wahrscheinlich von
eigener Erfindung, vor, die anekdotenhaft-abenteuerlich das Leben Paganinis aus-
schmückt und in ihrer Art etwas an die Geschichten E. T. A. Hoffmanns erinnert,
auch gleich diesen der Begeisterung über das virtuose Spiel eines Künstlers ihren
Ursprung verdankt, aber einfacher und gesunder gehalten ist, sich bei aller Kühnheit
der Erdichtung doch mehr an die Wirklichkeit anlehnt. — In keiner Weise reichen
an diese köstliche Briefsammlung die übrigen Memoirenwerke aus Soldatenkreisen33-38)
heran; für die deutsche Literaturgeschichte liefern sie so gut wie keine Ausbeute. —
Unter den Dichtern und Dichterinnen 39) steht diesmal W i e 1 a n d
voran, von dem Hassencamp40) hundert, grossenteils französisch geschriebene, aus
den J. 1750 (oder 1751) bis 89 stammende Briefe, meistens von sehr beträchtlichem
Umfange, veröffentlicht. Für die Erkenntnis von Wielands äusserer Lebensgeschichte
und von seiner Charakterentwicklung, seinen Herzensirrungen, seinen philosophisch-
moralischen Anschauungen, besonders während der Biberacher und Erfurter Periode,
sind diese Briefe ungemein wichtig. Das Bild, das sie uns von dem Menschen
Wieland zeigen, ist freilich in mehr als einer Hinsicht abstossend: kleinliche Züge
machen sich darin überall bemerkbar; begehrliche Sinnlichkeit, Unbeständigkeit,
verächtliche Schwäche und sittliche Haltlosigkeit und zugleich herzlos berechnendes
Haschen nach dem äusserlichen Vorteil bestimmten während einer Reihe von Jahren die
Handlungen des Dichters, stürzen ihn in schwere Schuld und bringen namentlich über
ein armes Wesen, das seiner Lust zum Opfer fällt, bitteres Leid, das der Frevler in
42;Th. H.Pantenius: Daheim 30, S. 140/2; -in-: LZgl».N.5]| (Vgl. JBL. 1893 IV lc : 47; s.o.IY lb:230). — 28) F.O.Pestalozzi,
Briefe d. Landvogts Sal. Landolt ans d. J. 1814-17: ZürcherTb. 17, S. 47-61. — 29) X A- Maag, Erinnerungen d. Obersten
Job. Landolt v. Zürich ans d. J. 1807-15, nach seinem Tageb. her. IL T.: D. J. 1811-15: ib. S. 144-221. (Fortsetz, zu JBL.
1893 IV lc:50.) — 30) O X F. W. Junghans, D. amerik. Feldzug d. Hessen nach d. Tageb. d. Grenadiers Joh. Reuber
v. Niedervellmar (1776-83): Hessenland S. 155/7, 167/8, 183/6, 31S,9. — 31) A.Pick, Briefe N. y. Gneisenaus an Dr. Joh. Blas.
Siegling, Prof. d. Mathem. in Erfurt: MVGErfurt. 16, S. 23-110.— 32) [J. Kürschner u. H. v. Burt,] H. v. Moltkes Briefe
an seine Braut u. Frau u. an andere Anverwandte. Mit e. Einl. n. e. ausführt. Namen- u. Sachreg. 2 Bde. Mit 2 Bildern u.
e. Faksimile. St., Dtsch. Verlagsanst. XII, 359 S.; III, 408 S. M. 10,00. |[?: ÖLB1. 3, S. 331; Th. H. Panten ins: Daheim 30,
S. 582J| — 33) X F. Betz, Aus d. Erlebnissen u. Erinnerungen e. alten Offiziers. Karlsruhe, Reiff. IV, 266 S. M. 2,0O.
(Darin manche Beitrr. z. bad. Kulturgesch. u. bes. z. Kriegsgesch. v. 1870—71; auch e. Ber. über e. Taktlosigkeit d. Dramatikers
Frhrn. v. Auffenberg in seiner Karlsruher Hofstellung u. über sein sonderbares Testament.) — 34) OX R- Wille, Vor 30 J.
Lose Tagebuchbll. aus d. Feldzug gegen Dänemark. B., Siegismund. 283 S. M. 6,00. — 35) X D- v- Gerhardt
|[= Gern. v. Amyntor], D. Skizzenbuch meines Lebens. LT. 2. Aufl. Mit Bild. Breslau, Schles. Buchdr. 306 S. M. 4,00.
[VelhKlasMh. 1, S. 124/6.J| (Vgl. JBL. 1893 IVlc:64.) — 36) X L- ▼■ Reuss, Begebnisse u. Erlebnisse im dtsch.-franz.
Kriege 1870—71. Vom Beginn d. Kriegs bis z. Friedensschluss u. d. Rüokkehr in d. Heimat. Landsberg a. L., G. Verza.
V, 126 S. M. 2,00. (Tagebuchart. Ber. in frischer Darstell, reich an anschaulichen kleinen Zügen.) — 37) O X B. Arke,
Im Felde. Kriegserinnerungen e. Freiwilligen vom Grenadierreg. König Friedrich IL (3. Ostpreuss.) N. 4. Mit Abbild. B.,
Mittler. 78 S. M. 1,00. — 38) OXHRittervFödransPerK' *° J- in d- österr. Armee. Erinnerungen e. österr. Offiziers
v. seinem Eintritte in d. Armee bis z. Gegen w. 1854-94. Aus d. Gedächtnisse erz. 1. Bd. Vom Okt. 1854 bis April 1866.
Dresden, Beyer. VIII, 271 S. M. 4,00. — 39) X B. Seuffert, K. Schüddekopf, Briefe v. u. an J. N. Götz (JBL. 1893 IV
lc:65): DLZ. S. 1261/2. (Lobend.) — 40) R. Hassencamp, Neue Briefe Chrph. Mart. Wielands, vornehmlich an Sophie v. la
Roche. St., Cotta. XXXII, 296 S. M. 6,00. |[M. K(och): LCB1. S. 284/5 (charakterisiert knrz u. scharf d. wenig vorteilhafte
F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw. IV 1 c : 40
keiner Weise zu sühnen sich bemüht. Aber, so widerlich manches ist, was wir aus
diesen Briefen erfahren, sie fördern doch durchweg" unser Verständnis von dem Wesen
und demgemäss mittelbar auch von den Werken Wielands, berichtigen und ergänzen
Seite für Seite unsere vorher oft ungenauen, oft unvollständigen Vorstellungen. Im
einzelnen decken sie das Liebesverhältnis zu Bibi auf (JBL. 1892 IV 3: 25), berichten
von seinem Prozess wegen der durch die katholische Partei ihm streitig gemachten
Kanzleidirektorstelle in Biberach, dann von seinen verschiedenen Heiratsgedanken,
bis er sich aus rein materiellen Gründen ohne jede richtige Neigung mit einem
Mädchen vermählt, das er selbst, als geistig ungebildet und kindisch-naiv, nichts
weniger als schmeichelhaft schildert und erst nach und nach in der Ehe lieb ge-
winnen lernt. Einen tiefen Einblick gewähren die Briefe in Wielands freundschaft-
liches Verhältnis zu den Familien des Grafen Stadion und seines treuen Schützlings
von La Roche. Und hier zeigen sich erfreulichere Seiten im Charakter des Dichters.
Treue Anhänglichkeit wahrt er der Jugendfreundin Sophie von La Roche, auch in
der Zeit, da er selbst als Sachwalter Biberachs in einem Streit zwischen der Stadt
und dem Grafen den Verkehr in Warthausen meiden muss. Aber so sehr er sich
auch in den geistig anregenden Kreis Stadions zurück sehnt, so vergiebt er doch bei
den Versöhnungsversuchen seinem männlichen Stolze, den der Graf schwer gekränkt
hat, nicht das Mindeste. Sophiens Sohn Fritz nimmt er in Erfurt zu sich in Pension
und überwacht seine Erziehung, kann aber bald nur Schlimmes von dem Leichtsinn
und den langsamen Fortschritten des nicht unbegabten Knaben an die Eltern berichten.
Eine Reise im Frühling 1771 nach Coblenz zum Besuch des nun hierher über-
gesiedelten La Roche gewährt ihm einige Wochen ungetrübter, von ihm über-
schwenglich gepriesener Freude. Mit Rat und That steht er den Freunden, wo er
kann, auch in der Ferne zur Seite; namentlich äussert er sich mehrfach als
litterarischer Freund über Sophiens Erzählungen, ausführlich besonders im Mai 1767
über den Erstling unter ihnen, eine „Anecdote Silesienne", für die er im Taumel
seines Entzückens gern alles hingeben möchte, was er selbst je geschrieben. Reichlich
vergilt ihm aber die Freundin all diese Teilnahme. Wie sie in seinen Herzenswirren
zu Biberach ihm eine treue Beraterin und aufopfernde Helferin ist, so wird sie seiner
Frau eine gütige Führerin, der zu danken er Brief auf Brief neue Gelegenheit findet.
Ihr darf er hernach alles vorklagen, was ihm den Aufenthalt in Erfurt so bald ver-
leidet, besonders die Ränke seiner unduldsamen. Kollegen, unter denen fast nur
Riedel ihm auf die Dauer freundschaftlich nahe bleibt ; und selbst von ihm schreibt
er ärgerlich im Jan. 1771 : „C'est ce Riedel, qui se Charge de tout, qui promet tout
et ne tient rien." Und Sophie begegnet bereitwillig seinem Wunsche nach einer
neuen Aenderung seiner Stellung; Wieland muss ihr einmal seine feste Ueberzeugung
ausdrücken, dass an der Universität Leipzig, an die La Roche ihn zu empfehlen
hoffte, für ihn kein Platz zu finden sei. Ebenso nimmt sie an seinen, durch
F. H. Jacobi genährten, trügerischen Hoffnungen auf eine Berufung an den Darm-
städter Hof lebhaften Anteil, und noch, nachdem er seine pädagogische Aufgabe bei
dem Prinzen Karl August von Weimar gelöst hat, denkt sie an die Begründung einer
Art von akademischer Schule in Neuwied, an der der Jugendfreund in ihrer nächsten
Nähe einen neuen Wirkungskreis finden soll. Ueber Wielands dichterische Werke
enthalten die Briefe wenig direkte Mitteilungen. Den zweiten Teil des „Don Sylvio"
in Gesellschaft vorzulesen, erklärt der Vf. selbst, indem er auf die Geschichte der
Feen im Märchen vom Prinzen Biribinker verweist, für unmöglich, obgleich er den
verfänglichen Inhalt als „assez dröle" rühmt (16. Febr. 1764). Am 2. Mai 1767 freut
er sich des schönen Wachstums seines „Idris" ; die fünf Gesänge (über 500 Strophen),
die davon fertig vorlägen, bezeichnet er als nahezu die Hälfte des über allen Vergleich
bizarren Gedichts. Ziemlich geringschätzig spricht er am 8. Jan. 1770 von seinem
„Diogenes" als von einer Bagatelle, auf die er sehr wenig Zeit verwendet habe, und
an der die hübschen Vignetten das Beste seien. Dagegen kündigt er am 30. Sept. 1770
die „Grazien", deren Titelkupfer er vorläufig in heller Freude übersendet, lobend als
„filles de mon esprit et de mon coeur" an. Auch noch im folgenden Briefe bekennt
er seine besondere Liebe zu diesem Werke, von dem er hofft, dass es ihn mit dem
geistreichen Teile der grossen Welt auf guten Fuss stellen werde. Später (1785)
beklagt er sich einmal bitter über die ganz unbefriedigende Behandlung, die Graf
Tressan in der „Bibliotheque des romans" seinem „Neuen Amadis" angedeihen liess,
und überhaupt über die französischen Uebersetzer seiner Werke; nur Dorat als Nach-
bildner seiner moralischen Erzählung „Selim und Selima" mache eine rühmliche
Ausnahme. Beziehungen zur übrigen deutschen Litteratur ergeben sich aus diesen
neuen Briefen nur sehr spärlich. Am bedeutendsten darunter ist ein (aus ander-
weitigen Briefen schon bekannter) heftiger Zorneserguss Wielands auf J. B. Michaelis
wegen seiner gegen Spalding gerichteten, auch J. G. Jacobi kompromittierenden
Epistel „An den Herrn Kanonikus Gleim" (8. Sept. 1771); im vollen Gegensatze zu
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschiohte. V. (4)12
IV lc: 40-42 F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw.
F. H. Jacobi, der die „ganze Piece von Michaelis" zu Wielands Erstaunen und bitterem
Verdruss vortrefflich fand, tobte dieser, der offenbar von den unvermeidlichen Folgen
des Pasquills Gefahr für die gesamte sinnlich-freiere Poesie Deutschlands fürchtete,
mit den gröbsten Schimpfworten gegen die „hündische Unverschämtheit des nichts-
würdigen Witzlings" und verschonte auch „die mehr als kindische Unbesonnenheit
dieses alten Wickelkindes Gleim" nicht, „der aus läppischer Gutherzigkeit einen jeden
Versmacher, der nichts zu fressen hat, an seinen Busen drückt". Das Französisch,
in dem die meisten Briefe abgefasst sind, ist oft ziemlich flüssig und nicht ungewandt,
wenn auch reich an Germanismen und an grammatikalischen Fehlern, die der Heraus-
geber grösstenteils, doch keineswegs immer, angemerkt hat. Die litterargeschichtlich
wichtigeren Ergebnisse der Briefsammlung stellt er sorgfältig in der ausführlichen
Vorrede zusammen. —
Auch für die Geschichte Wielands mannigfach ergiebig ist der Briefwechsel
zwischen seinem zeitweiligen Schüler und Schützling Heinse und Gleim, dessen
erste Hälfte, 85 Briefe vom 18. Nov. 1770 bis zum 19. Febr. 1775 reichend, Schüdde-
kopf41) nunmehr vollständig und mit gewohnter Sorgfalt nach den Originalen her-
ausgegeben hat, nachdem der grössere Teil dieser Briefe seit Jahrzehnten bereits in
ungenauen Abdrücken und zwar in verschiedene Werke zerstreut vorliegt. Sch.s
vortreffliche Anmerkungen und Nachträge aus anderen Briefen Heinses, Wielands,
Gleims und seiner Freunde erhöhen die wissenschaftliche Brauchbarkeit der neuen
Ausgabe noch um ein Beträchtliches. Heinses Lebensgeschichte, die Entwicklung
seines Charakters, sein Verhältnis zu Wieland; dem „göttlichen Mann", in dessen
neuesten Dichtungen er begeistert geradezu lebt, während er sich doch allmählich
über die inneren Widersprüche im sittlich-geistigen Wesen des Bewunderten allerlei
ketzerische Gedanken macht, seine dankbare Ergebenheit gegen den im Wohlthun
unermüdlichen „Grazienheiligen" Gleim, seine Beziehungen zu dem Hauptmann
Günther von Liebenstein während ihrer gemeinsamen Reise an den Rhein und nach
Franken 1771 — 72, sein Zusammenleben mit Gleim in Halberstadt, seine Hauslehrer-
thätigkeit in der Familie von Massow, seine Uebersiedlung nach Düsseldorf zu
J. G. Jacobi und Mitarbeit an dessen „Iris" — alles dies und manches andere tritt in
jenen Briefen in eine helle, teilweise neue Beleuchtung. Wir erhalten bedeutsame
Aufschlüsse über persönliche Begegnungen Heinses mit Uz und namentlich mit Goethe,
Nachrichten über seine litterarischen Pläne und deren Ausführung, besonders über
seine Uebersetzungen aus Petron und Dorat, seine ersten Versuche in Sinngedichten
und Stanzen, sein „Lai'dion" und seine biographischen Arbeiten zu Tasso und Petrarca.
Wir verfolgen in Gleims Briefen und Heinses, auch den Dichtungen seines Gönners
unbedingt huldigenden, Antworten das allmähliche Entstehen des „Halladat" und die
Bemühungen der Halberstädter Freunde um poetische Uebersetzungen aus den Minne-
singern. Wir hören von Gleim wie von Heinse charakteristische Urteile über Klop-
stocks „Gelehrtenrepublik", über die Werke Wielands, Herders, des jungen Goethe und
der übrigen Stürmer, über Ramler und Spalding nach ihrer Entzweiung mit dem
Halberstädter Freunde, aber auch über Boccaccio und den schwärmerisch verehrten
Metastasio ; besonders äussert sich Gleim in einem schon durch die unfreiwillige Nach-
bildung der Geniesprache höchst bezeichnenden Briefe ausgiebig über den „Werther".
Auch übe? die litterarischen Verhältnisse, die Riedel in Wien antraf, über die aus-
zeichnenden Aufmerksamkeiten, mit denen Herzogin Anna Amalie Wieland begegnete,
vernehmen wir allerlei Beachtenswertes. Der Inhalt der Briefe im einzelnen ist zwar
eben so wenig stets erfreulich wie der oft burschikos freche, oft witzig tändelnde,
oft überschwengliche Ton, den Heinse, und der ungesund empfindsame, oft schwäch-
lich klagende Ton, den Gleim anschlägt; aber gerade dieses Kleinliche und Unerquick-
liche in Form und Inhalt dient dazu, unseren Einblick in das ausartende Treiben
der Spätanakreontik zu vertiefen. —
Den grössten Gegensatz zu dieser von der strengsten philologischen Gewissen-
haftigkeit zeugenden Ausgabe bildet die Sammlung von Briefen von, an und über
Lenz, die Waldmann42) veröffentlicht. An sich wäre ja eine solche Zusammen-
stellung des weitverstreuten, wenn auch meist schon gedruckten Materials nur dankens-
wert; auch, dass der Herausgeber einige des Neudrucks vor allem würdige Briefe
übersehen hat, soll ihm nicht allzu schwer vorgeworfen werden: wohl aber verdient
die wissenschaftlich durchaus ungenügende Art seiner Herausgabe, die Beschränkung
des Abdrucks auf „die signifikanten Stellen des Briefwechsels", den herbsten Tadel.
Mit einer solchen Sammlung von blossen Brieffragmenten ist weder dem wissen-
schaftlichen Forscher gedient, der nun doch die vollständigen Briefe in den früheren
Veröffentlichungen nachschlagen muss, noch dem nichtfachmännischen Freund unserer
Bild Wielands, d. diese Briefe zeigen) ; NFPr. N. 10716.]| — 41) K. Schüddekopf, Briefw. zwischen Gleim u. Heinse, her. 1. Hälfte.
(= N. 17, Bd. 2.) Weimar, Felber. XVI, 267 S. M. 5,00. — 42) F. Waldmann, Lenz in Briefen. Zarich, M. v. Stern.
F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw. IV lc : 42-44
Litteratur, der aus diesen abgerissenen Fetzen unmöglich sich ein lebensvolles Bild
von Lenzens Persönlichkeit zusammensetzen kann. Höchstens gewinnt man daraus
einen halbwegs bequemen Ueberblick über seine äusseren Lebensschicksale. Von
den Briefen, die W. zum ersten Male mitteilt, fesseln die aus dem Lavaterarchiv in
Zürich und aus der Stadtbibliothek in Riga vornehmlich unsere Aufmerksamkeit.
Wir sehen, mit welcher Teilnahme und Sorge die Familie des Dichters sein persönliches
Treiben und seine Schriftstellerei beobachtete, wie misstrauisch seine Brüder zuerst Goethes
Einfluss auf Lenz betrachteten, wie sie klagten, Goethe habe mit seiner neuen, freien
Sprache Lenz verdorben, der nun nach Goethes Beispiel auch seinem Genie den Zügel
schiessen lasse. Später, als es galt, den Erkrankten von Emmendingen abzuholen
und in die Heimat zu bringen (Ende 1778), berieten seine Brüder eine Zeit lang den
Gedanken, ihn zunächst noch in Jena Jurisprudenz studieren zu lassen. Ueber
Lenzens schriftstellerische Werke enthalten besonders Boies Briefe an ihn manchen
beachtenswerten neuen Aufschluss. Sie beziehen sich z. T. auf seine Beiträge zum
„Deutschen Museum", hauptsächlich aber auf den vor der Veröffentlichung wieder
vernichteten Druck seiner Satire „Die Wolken" und auf den mehrmals veränderten
Druck der „Verteidigung des Herrn W. gegen die Wolken". Am 11. April 1776
berichtet dabei Boie, der Verleger Weygand habe ihm vor einigen Tagen Goethes
„Anekdoten zu Werthers Freuden" für das „Deutsche Museum" geschickt; er habe
die Hs. aber zurückgesandt, „weil ich sie seinet- und meinetwegen nicht drucken
lassen möchte"; überdies seien die „Freuden Werthers" längst vergessen und eine
Erwiderung darauf verspätet. Ein treffendes Urteil über Lenzens ganzes Wesen fällt
Lavater in zwei Briefen an W7ieland vom 10. Juli und 9. Aug. 1776. Ohne im
geringsten an dem edlen Grundcharakter des jüngeren Dichters zu zweifeln, beklagt
er doch, dass er ohne einen ihn stets beratenden Freund „ewig zu unersetzbaren
Beeinträchtigungen anderer verdammt sein" werde. „Er hat zu wenig Vernunft, zu
wilde Stosskraft, um jemals ein ganzer Dichter zu werden. Sonst Genie, wie wenige —
aber Wielands Philosophie und Grazie fehlt ihm zu augenscheinlich." Auch über
Zimmermann, Kaufmann, Schlosser, über Lavater selbst und andere dem Sturm und
Drang nahe stehende Männer enthalten die hier zuerst veröffentlichten Briefe manche
schätzbare Einzelheit. —
Auch nur eine Auslese von Briefstellen, aber eine nach wissenschaftlichen
Rücksichten angelegte Auslese giebt Jonas43), indem er aus den Briefen, die
Dorothea Veit von Jena aus 1799 und 1800 ah Schleiermacher schrieb, mehrere
beim Drucke bisher weggelassenen Urteile über Karoline Schlegel mitteilt. Begeistert
preist Dorothea zuerst den Geist und die Liebenswürdigkeit der merkwürdigen Frau
und schildert eingehend ihr äusseres Wesen, ihr Gebahren im Haus und in der
Gesellschaft ; später werden Dorotheas Aeusserungen bitterer und bitterer, aber zugleich,
wie der Herausgeber mit Recht bemerkt, augenscheinlich unbilliger. Aus diesen
späteren Briefen, die schon mehrfach in die Bezirke des Klatsches abschweifen, bringt
J. übrigens nur wenige Stellen bei. —
Von vorn herein verzichtet Gersten berg44) auf philologische Genauigkeit
bei seiner verkürzten Ausgabe der Selbstbiographie Hoffmanns von Fallersleben.
Um das über Gebühr weitschweifige Buch einem grösseren Leserkreise zugänglich
zu machen, streicht er aus seinem Neudrucke die vom Vf. in die Darstellung ein-
geschobenen Briefe, Aktenstücke, Zeitungsartikel, Gedichte, ferner die Angaben über
das Leben und die Werke anderer Personen, die Schilderungen rein geschichtlicher
oder geographischer Art ganz weg oder beschränkt sie auf ein Minimum. Vor allem
aber ergänzt er die von Hoffmann mit seinem Eintritt in die Bibliothek von Corvey
(Frühling 1860) abgebrochene Biographie in ausführlicher, pietätvoller Darstellung,
die aber in der Hauptsache auf die Persönlichkeit Hoffmanns beschränkt bleibt. In
das öffentliche litterarische Leben griff dieser ja auch nach 1860 kaum mehr ein,
obgleich auch er 1870 wieder auflebte und noch manches kampfesfreudige Lied für
das deutsche Heer und für das neue Reich dichtete. G. flicht mehrere Stellen aus
Briefen Hoffmanns ein, teils von rein persönlichem, teils auch von geschäftlich-
bibliothekarischem oder wissenschaftlich-germanistischem Inhalt. Namentlich berichtet
er über den Verkehr des alten Dichters mit dem Musiker Hans Michel Schletterer,
den Germanisten Joseph Maria Wagner und Franz Pfeiffer, mit Freiligrath, Strodt-
mann, Rittershaus, Julius Wolff, mit einzelnen Verlegern und anderen Bekannten.
An dem Dichter Hoffmann hebt er besonders die vaterländische Gesinnung und
den echt volksmässigen Charakter hervor, seine Vertiefung in das Seelenleben
des Volkes bei allem, was er forschend oder schaffend leistete, in diesem Punkte mit
VII, 114 S. M. 7,00. IfLCBl. S. 441,2; A. Sau e r: DLZ. S. 1645:6 (beklagt d. unkrit. n. unvollst. Herausg.]| - 43) F. Jonas, Aus
Briefen v. Dorothea Veit an Schleiermacher: Euph. 1, S. 608-12. — 44) H. Gerstenberg, Hoffmanns v. Fallersleben ges.
Werke. Bd. 7 u. 8: Mein Leben. V. Hoffmann v. Fallerssleben. B., Fontane. X, 424 S.; VIII, 429 S. M. 6,00. |[H. Meisner:
(4)12*
IV lc: 44-so F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw.
Uhland am nächsten verwandt. Mehrere Nachträge bringen Vorarbeiten Hoffmanns
zu seiner Biographie ans Licht, dann verschollene Jugendgedichte, tagebuchartige
Aufzeichnungen hauptsächlich über einzelne Liebesneigungen, durch die manches
Dunkel in seiner reichhaltigen Liebesdichtung aufgeklärt wird, ungedruckte Briefe,
in denen er namentlich J. M. Wagner zu einer Geschichte der germanischen Philologie
aufzumuntern sucht, bis ihn R. von Raumers Lösung dieser Aufgabe völlig befriedigt.
Alles, was in solcher Weise der Herausgeber aus dem Nachlasse Hoffmanns hervor-
gezogen hat, verdient unseren Dank, sollte auch dann und wann eine kleine Ueber-
schätzung des biederen, aber künstlerisch nicht eben musterhaften Dichters mit unter-
laufen.45"48) -
Ein kleines Meisterstück autobiographischer Darstellung, für den Vf. in jeder
Zeile charakteristisch, liefert Fontane49) mit der Schilderung seiner Kinderzeit in
Neu-Ruppin und Swinemünde, bis er, etwas über zwölf Jahre alt, in die Quarta des
Ruppiner Gymnasiums aufgenommen wurde. Der Meister anschaulichster Klein-
malerei, der liebevoll-sorgsame Porträtist, der kein Fältchen oder Härchen übersieht,
der leidenschaftslose, alles Für und Wider stets sorgfältig abwägende, möglichst ruhige
und doch niemals kühle Beobachter, der immer anmutig unterhaltende Künstler im
humoristischen Geplauder offenbart sich in der dichterisch reichhaltigen Erzählung,
vor allem aber der liebenswürdige, bescheidene, einfache, allem falschen Pathos und
aller Unnatur abholde Charakter des Erzählers selbst. Eine Prachtleistung, wie sie
glücklicher kaum gelingen konnte, ist das Bild von F.s Vater, der fast noch mehr
als der Sohn im Mittelpunkte der autobiographischen Geschichte steht. Kindliche
Pietät, nichts verhehlende Wahrhaftigkeit und der köstlichste Humor vereinigen sich
auf entzückende Weise in dieser unübertrefflichen Charakteristik. Etwas kürzer, doch
nicht minder treffend, schildert der Vf. das Wesen und Walten seiner Mutter und
skizziert sonst die wichtigsten Persönlichkeiten, die in seinem Kinderleben eine Rolle
spielten. Von eigenen Beziehungen zur Litteratur kann F. hier noch kaum reden.
Die Balladen Schillers lernte er schon als Kind fleissig und mit inniger Liebe aus-
wendig; dazu kamen nach 1830 besonders einige Gedichte von Lenau, Mosen, Holtei
und anderen, die sich auf den Polenaufstand bezogen oder damit in Zusammenhang
gebracht werden konnten. In der Nähe des Knaben zu Swinemünde lebte Christian
Friedrich Scherenberg, mit dem seine Eltern freundliche Beziehungen hatten; der
kleine F. jedoch scheint damals auf den patriotischen Dichter noch nicht aufmerksam
geworden zu sein ; die Schwelle seines Hauses wenigstens überschritt er kaum je,
weil der alte Scherenberg, der Vater des Dichters, schon schwer krank war. Den
tiefsten Eindruck machte auf ihn, was er von den griechischen Freiheitskämpfen —
zunächst durch farbige Bilderbogen — , dann was er, der seit dem Sommer 1830 die
Zeitung lesen, ja meist vorlesen durfte, von der Eroberung Algiers durch die Fran-
zosen und von der Erhebung der Polen erfuhr. —
Von dem künstlerischen Reize, durch den Fontanes Darstellung fesselt, besitzt
die Selbstbiographie Roquettes50) nur ein bescheiden Teil. Es ist ein sehr gut
gemeintes, vielfach lehrreiches Buch, schlicht und ruhig geschrieben, frei von jeglicher
Selbstüberschätzung und Aufdringlichkeit, das Werk eines herzlich guten, liebens-
würdigen Vf.; aber man vermisst eine bedeutende Individualität, überhaupt geistige
Tiefe und kraftvoll fesselnden Vortrag: vieles ist unbestimmt, farblos und eintönig
ausgefallen. Ein etwas oberflächlicher Optimismus macht sich öfters bemerkbar.
Aus ihm erklärt sich teilweise auch die ablehnende Haltung R.s gegen die Philosophie
überhaupt und besonders gegen die Lehre Schopenhauers. Freilich geht er dabei
weit über das berechtigte Mass hinaus und behauptet sogar, die Philosophie wirke
überhaupt auf das dichterische Schaffen nicht produktiv, sondern nur erdrückend und
auflösend, vollends aber lege sich die Schopenhauersche „Spitalatmosphäre" mit dem
endlosen Jammer um das irdische Dasein erstickend auf jede schöpferische Kraft
und habe nur Krankheitserscheinungen in der Kunst verschuldet. Wie viel des
Besten in unserer Litteratur und Kunst, von Hallers philosophischen Gedichten an,
DLZ. S. 1575/6; A. Bartels: Didask. N. 75.]| — 45) X M Zschommler, Erinnerungen an J. Mosen (JBL. 1893 IV lc:73).
ITA. S(aner): Enph. 1, S. 829; Grenzt. 1, S. 270/l.]| — 46) X The<> Schücking, Briefe v. Annette v. Droste-Hülshoff u. Levin
Schücking (JBL. 1893 IV lc:74; IV 2b:81.) |[A. E. Schönbach: ÖLB1. 3, S, 171/2 (versucht vortrefflich, aus d. Briefen
neue Züge z. Charakteristik Annettens zu gewinnen); M. L.: NatZg. N. 210; LCB1. S. 1300; Th. H. Pantenius: Daheim 30,
S. 295,6; Br.: WeserZg. N. 17147. ]| — 47) X H. Hüffer, Aus d. Briefwechsel Alex. Kaufmanns: AHVN. 58, S. 207/8. (Hebt
aus d, Nachl. d. lhein. Dichters A. Kaufmann einige an ihn gerichtete Briefe Freiligraths, Ernst v. Schillers u. des rhein.
Litteraten Joh. Bapt. Bousseau hervor, sämtl. unbedeutend; vgl. JBL. 1893 IV 2b : 108.) — 48) X G. Schenk, F. v. Bodonstedt.
E. Dichterleben (Vgl. JBL. 1893 IV 1 c : 88} : LCB1. S. 602. (ablehnend.) — 49) Th. Fontane, Meine Kinderjahre. Autobiogr.
Roman. B., Fontane. VII, 321 S. M. 4,00. |[Erich Schmidt: DLZ. S. 310/1 (rühmt d. v. Rhetorik u. Reflexion freien
Flauderton d. sachlich einfachen Darstellung u. d. stets taktvollen Humor); S. S.: NatZg. N. 27; M. Necker: NFPr. N. 10575;
Th. H. Pantenius: Daheim 30, S. 296 (alle Besprechungen höchst lobend).]1 — 50) O. Roquette, Siebzig J. Gesch. meines
Lebens. 2 Bde. Darmstadt, Bergslrässer. 336, 293 S. M. 8.00. |[LCB1. S. 485/6; A. Sauer: DLZ. S. 151/2; F. Seh.: ÖLBl. 3,
S. 526 (lässt R. vornehml. nur als gewandten Weltmann, weniger als Dichter gelten); P. Seliger: NatZg. N. 169; -m.:
Nation«. 11, g. 662; KontMschr. S. 1C012: Grcnzb. 1, S. 629-32 (im ganzen anerkennend); F. Katt: BurschenschBll. 8, S. 307-10.]|
F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw. IV 1 c : 50
wird durch dieses ganz schiefe Urteil getroffen, Schillers reifste Schöpfungen und
Richard Wagners grösste Werke in erster Reihe! Ueber die letzteren, wie über die
ganze neuere musikalisch-dramatische Bewegung spricht sich R. übrigens sonst höchst
vorsichtig und allgemein aus, ohne ein bestimmtes Urteil zu wagen, ebenso über die
allerneueste Gährung in der deutschen Litteratur. Behaglich scheint ihm weder die
eine noch die andere zu sein; der liebenswürdig-bescheidene Mann will aber mit
seiner Meinung niemand verletzen und schweigt darum lieber. Ueber das Verhältnis
des Dichters zur Wirklichkeit äussert er sich zwar gelegentlich; doch kann auch
hier das, was er auf Grund eigener Erfahrung sagt, kaum irgend jemandem Anlass
zur Bestreitung geben. Er betont, dass wirklich vorgefallene Geschichten für ihn
immer nur das Rohmaterial waren, das gänzlich umgeschmolzen werden musste, um
zu etwas poetisch Tauglichem zu werden, dass aber andererseits fast alles, was er
dichterisch erzählt habe, durch den Verkehr mit der Welt veranlasst oder angeregt worden
sei. Ueber die Art seiner künstlerischen Umgestaltung des Wirklichen im einzelnen
giebt er manchen erwünschten Aufschluss. Ueberhaupt berichtet er sorgfältig über
die Entstehung und Aufnahme seiner zahlreichen Dichtungen, von denen mehrere
bis in seine Studentenjahre zurückreichen (so ausser „Waldmeisters Brautfahrt"
namentlich auch „Gevatter Tod"). Dankenswert ist vor allem die reichhaltige Aus-
kunft über viele poetische Werke, die R. bald nach ihrer Vollendung selbst wieder
vernichtete. Auch mehrere Dramen, die das eine und andere Mal, selbst mit Beifall,
aufgeführt worden waren, befanden sich darunter. Seinen Dramen wendet der Auto-
biograph eine besonders liebevolle Aufmerksamkeit zu, vielleicht gerade, weil ihm auf
diesem Gebiete dauernde Erfolge nicht beschert waren; doch wird er auch hier im
Urteil über eigene Leistungen niemals unbescheiden. Mit Recht beklagt er, dass
der dramatische Dichter, besonders an unseren Hofbühnen, durch allerlei politische
und kirchliche Rücksichten eingeengt sei; R. selbst hatte besonders bei seinem
Schauspiel „Die Protestanten in Salzburg" unter diesem Missstande zu leiden. Mit
litterarischen Persönlichkeiten kam er während seines mannigfach bewegten Lebens
oft in regen Verkehr; er nennt deren eine grosse Anzahl, charakterisiert aber ver-
hältnismässig wenige genauer, darunter einige, die noch einer älteren Generation
angehörten, wie den groben Sonderling Bogumil Goltz, der zu allgemeiner Erheiterung
die lustigsten Lügengeschichten vortrug, H. Th. Rötscher, dem R. den ersten nach-
drücklichen Hinweis auf Goethe verdankt, Gervinus, Schlosser und Häusser als Docenten
in Heidelberg, Varnhagen von Ense, Robert Prutz, der in Halle R.s hauptsächlicher
Lehrer wurde, ohne jedoch mit seiner tendenziösen Auffassung der Litteratur immer
seine Zustimmung zu erlangen, Gutzkow, dessen persönliche Unliebenswürdigkeit
und kleinliche Gehässigkeit ihn abstiessen, den bereits schwer kranken Otto Ludwig,
zu dem er trotz aller Bewunderung seines Talentes keine rechte Fühlung gewann,
den plumpen, groben, jeder Lebensart baren, aber gemütlichen Hoff mann von
Fallersieben, der stets über die Gesellschaft brummte und doch als guter Gesell-
schafter gern gesehen war, den vornehmen, von allem litterarischen Kleintreiben
freien Grafen Wolf von Baudissin, den für die Romantik und besonders für Tiecks
Komödien begeisterten Koberstein, Liszt, für den R. auf Wunsch des Grossherzogs
von Weimar den Text zur „Heiligen Elisabeth", auch zu einer nie komponierten
Zigeuneroper schrieb, endlich den schwer zu behandelnden, für die meisten unnah-
baren D. F. Strauss, dem R. trotz allen seinen Eigenheiten ein liebevolles Andenken
bewahrt und aufrichtige Bewunderung auch für seine letzten, vielfach getadelten
Werke und für seine lyrischen Gedichte spendet. Unter den näheren Altersgenossen
des Vf. treten B. Auerbach, Fr. Eggers, W. Lübke und Heyse und ihr Freundes-
kreis in Berlin, Dresden, Zürich und München hervor, darunter Endrulat, Franz
Kugler, Fontane, Wilbrandt, Julius Grosse, dessen leidenschaftliche Begeisterung,
gewaltig ausgreifende Phantasie und unglaubliche Leichtigkeit des Hervorbringens R.
aufrichtig bewundert, Klaus Groth, Tempeltey, auch Gottfried Keller, Semper, Billroth,
Köchly, Hertz, Laistner, Graf Schack und viele andere. Roquettes eigene dichterische
Anfänge reichen bis etwa in sein 15. Lebensjahr hinauf. Sinn für Kunst und Poesie
war schon bei seinen Eltern in hohem Grade vorhanden: der Vater war nicht nur
bei einem Liebhabertheater sehr thätig, sondern schrieb auch — im engen Anschluss
an seinen Lieblingsdichter Jean Paul — einen (nie gedruckten) Roman „Arion";
die Mutter pflegte die Musik leidenschaftlich und versuchte sich auch mit gutem
Geschick in gereimten und reimlosen Versen. So wurde R. schon als Kind in seinem
kleinen Geburtsort Krotoschin und dann in Gnesen und Frankfurt a. 0. mit den
Dichtungen Schillers und einzelner Romantiker (besonders Fouques), später mit denen
Goethes, Shakespeares, Scotts usw. bekannt. Als Student in Berlin, Heidelberg und
Halle erkor er sich Geschichte und besonders Litteratur- und Kunstgeschichte zur
Berufswissenschaft. Die neueren deutschen Dichter waren ihm damals schon zum
allergrössten Teile durch Lektüre vertraut geworden. Von ihnen liess er neben
IV 1 c : 50-51 P. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts; Memoiren usw.
den Dramen Gutzkows und Laubes die Tendenzpoesie der vierziger J. in der Haupt-
sache gelten; Heines Cynismus aber stiess ihn ab. Von den Romantikern blieben
namentlich Novalis und Brentano ihm innerlich fremd; Eichendorff zog ihn an.
Einen tiefen Eindruck machten Auerbachs Volksgeschichten auf ihn und seine
Studienfreunde. Von Heyses frühreifer Meisterschaft im Technischen der Poesie lernte
auch er. Feindselig stellte er sich gegen die katholische Tendenzdichtung von Red-
witz. Im grossen und ganzen scheinen sich auch während seiner späteren Lebens-
jahre in Berlin, Dresden und Darmstadt diese seine Anschauungen wenig geändert
zu haben. Sein Urteil wandelte sich noch hie und da, wo neuere, selbst in der Ent-
wicklung begriffene künstlerische Erscheinungen ihm entgegentraten ; auch den eigenen
dichterischen Leistungen gegenüber blieb es nicht starr für alle Zeit auf demselben
Punkte stehen; doch über ältere Persönlichkeiten und Werke unserer Litteratur
dachte er mit siebzig Jahren meistens nicht viel anders als mit fünfundzwanzig.
Diese frühzeitige Begrenzung seiner inneren Entwicklung zusammen mit der Armut
seines späteren Lebens an bedeutenden äusseren Erfahrungen macht auch namentlich
die zweite Hälfte der autobiographischen Darstellung uninteressant und eintönig. Wir
erfahren manche dankenswerte kleine Einzelheit, die aber das uns von früher schon
bekannte Bild R.s in keiner Weise verändert und um keine wesentlichen Züge
bereichert. —
Eine völlig neue Erkenntnis wird uns dagegen aus den Memoiren des ver-
dienten, aber Zeit seines Lebens nicht nach Gebühr geschätzten Wiener Dramatikers
Franz Nissel (1831—93) zu teil, durch deren Herausgabe die Schwester des Ver-
storbenen, Karoline Nissel51), uns zum höchsten Danke verpflichtet. Ein von
tiefster Tragik erfülltes Dichterleben, von dem bis dahin eben nur einige Aeusserlich-
keiten lückenhaft bekannt waren, wird hier mit rückhaltloser Offenheit vor uns ent-
schleiert. Unverhüllt zeigt sich uns in seinen Bekenntnissen ein keineswegs heroischer,
aber durchaus edler und vornehmer Mensch, durch Unglück aller Art oft gebeugt
und schon in seiner ersten gedeihlichen Entwicklung gehemmt, zu zart und schwach,
um den Kampf mit äusseren Hindernissen und Gegnern siegreich zu bestehen, auch
zu nachsichtig gegen die wirklichen oder vermeintlichen Mängel seiner Begabung,
aber stets treu in seinem Eifer für die höchsten Besitztümer des menschlichen Geistes,
in der Bewährung reiner, echter Humanität, stets unserer wärmsten Teilnahme würdig,
auch wo wir etwa seinen politischen, socialen oder religiösen Ansichten nicht voll-
kommen beistimmen sollten. Seit 1889 mit der Ausarbeitung seiner Lebensgeschichte
beschäftigt, konnte Nissel selbst noch seine Jugendzeit bis 1849 in wahrhaft künst-
lerischer Darstellung abgerundet schildern, die Knabenjahre vornehmlich in Linz
und Lemberg, den Uebergang zum reiferen Jünglingsalter in Wien, wo sein Vater,
als Schauspieler unter dem Namen Joseph Korner ehrenvoll bekannt, 1844 in den
Verband des Burgtheaters trat. Die Erzählung, mehrfach durch weit ausgesponnene,
bis dicht an die Gegenwart heran greifende Reflexionen unterbrochen, zeichnet sich
durch Klarheit, lebensvolle Ausführlichkeit und Wärme aus und entrollt geschicht-
lich wertvolle Bilder vom österreichischen Schulleben in den vierziger J., namentlich
aber auch ein beachtenswertes Gemälde der Wiener Revolution, die Nissel als ein
seine Erinnerungen und Aufzeichnungen von damals gewissenhaft verwertender
Augenzeuge schildert. Den dichterischen Vf. der Selbstbiographie verrät vor allem die
einheitliche, tragische Stimmung, der schmerzlich grollende Ton, der durch die ganze
Darstellung hindurch klingt. Dabei giebt sich Nissel aufrichtige, erfolgreiche Mühe,
den Inhalt so objektiv wie möglich zu gestalten ; er will sich und sein tief unglück-
liches Leben nicht rechtfertigen, indem er die Schuld vollständig auf andere abwälzt;
er will nur erklären, wie und warum alles so traurig gekommen ist. Auch in den
Tagebuchblättern und Briefen (besonders an seine Familie, auch an den ihm befreundeten
Pariser Astronomen Moritz Löwy), aus denen seine Schwester den zweiten Teil seiner
Lebensgeschichte mit rührender Pietät zusammenstellte, entschuldigt oder beschönigt
Nissel sein eigenes Thun und Lassen mit keiner Silbe. Er macht selbst die „Schwäche
und Inkonsequenz" seines Wesens für sein Schicksal mit verantwortlich, wenn er
auch diese Schwäche zum grössten Teil aus seiner physischen Konstitution und aus
den äusseren Verhältnissen erklären zu dürfen meint. Auch weiss er recht wohl, dass
er im journalistischen Beruf am ersten einen Schutz gegen die Not, die sein Leben
so lange und so bitter bedrohte, finden würde. Aber wiederholt versichert er auch,
dass er „ein Journalist im gewöhnlichen Sinne" nicht zu sein vermöge, dass er über-
haupt, wie sein Naturell einmal sei, einem Amte nicht vorstehen, eine bestimmte
Verpflichtung nicht übernehmen könne. Jeder derartige Versuch würde ihn ins
(Vgl. JBL. 1893 IV lc:93.)— 51) Mein Leben. Selbstbiogr., Tagebuchbll. u. Briefe v. F. Nissel. Ans a. Nachl. her. v. seiner
Schwester Karoline Nissel. Mit d. Bildn. d. Dichters. St., Cotta. V, 310 S. M. 5,00. |[VossZgH. N. 38; M. Necker:
NFPr. N. 10692 (betont n. a. Nisseis Frühreife, aber dann stockende weitere Entwicklung u. sucht Laube gegen d. Vorwurf zu
F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw. IV 1 c = 51-53
Irrenhaus führen ; nur als freier Schriftsteller könne er leben und wirken. In dieser
Nachgiebigkeit "Nissels gegen sein Naturell, das zu zwingen er weder den Mut noch
die Kraft besass, liegt zweifellos seine Schuld ; die tiefere Ursache der Erfolglosig-
keit seiner meisten Bestrebungen ist, wie die Memoiren deutlich zeigen, ohne es
gerade mit nackten Worten auszusprechen, in den kläglichen politischen Verhältnissen
Oesterreichs zu suchen, die den Dichter, seine Entwicklung und seine Wirkung,
überall einengten. Innig liebte er seine Heimat, nur in ihr fühlte er sich wohl; in
ihr aber hatte er unter der Censur und dem ganzen pfäftisch-reaktionären Druck bis
weit in seine' besten Mannesjahre ' hinein zu leiden, und zwar doppelt schwer zu
leiden, weil ihn seine heisse Freiheitsliebe, sein sehnsüchtiges Streben nach Wahrheit,
nach fortschreitender geistiger und sittlicher Vervollkommnung der Menschheit schon
seit den Märztagen von 1848 zum Gesinnungsgenossen der entschiedensten Revolu-
tionäre machte. Aber auch gegen die persönliche Ungunst der massgebenden litte-
rarischen Autoritäten in Wien hatte Nissel zu kämpfen — ein Kampf, in dem seine
zahme Natur unmöglich siegen konnte. Seine dramatische Begabung war nicht die
eines bahnbrechenden Genies; nur ein durchaus epigonenhaftes Talent war ihm ver-
liehen, ein frühreifes Talent zugleich, das aber während der vier Jahrzehnte seines
dichterischen Schaffens sich nur sehr wenig weiter entwickelte. Dazu wusste er sich
bisweilen den bestehenden Formen der Litteratur nur schwer zu fügen; obwohl ihm
der Plan und Entwurf seiner Dramen stets die relativ geringsten Schwierigkeiten
bereitete und die Bühnentechnik ihm schon als Knaben geläutig war, so glaubte er
doch nach und nach sich überzeugen zu müssen, dass seine Geistesrichtung sich in
dem entarteten Theater seiner Zeit nicht völlig entfalten könne, sondern nach anderen,
freieren Formen um jeden Preis ringen müsse (1864). Auch diese Einsicht, wie nicht
minder die Notwendigkeit, dennoch den Launen der Intendanten, Schauspieler und
Zuschauer bis zu einem gewissen Grade nachzugeben, lähmte zeitweise seine Schaffens-
kraft. Was er nun aber unter all diesen und anderen erschwerenden Umständen
dichtete, überragte trotz seinen unbestreitbaren Mängeln doch das Meiste, was neben
ihm in der dramatischen Litteratur Oesterreichs geleistet wurde, so weit, dass es
wahrhaftig eine bessere Aufnahme verdient hätte. Dass sich insbesondere Laube,
dessen eigene Dramen an poetischem Werte doch sicherlich nicht über denen Nissels
stehen, als Theaterdirektor schwer gegen den jüngeren Dichter versündigt hat, geht
aus den Memoiren des letzteren mit unumstösslicher Gewissheit hervor. Nicht nur
die meisten, sondern darunter gerade auch die besten Stücke Nissels, wie den „Königs-
richter", lehnte er überhaupt ab; die wenigen, denen er die unter seiner Leitung
stehende Bühne nicht völlig verschloss, darunter „Perseus von Makedonien" und
die im Grunde auch gegen seinen Willen aufgeführte „Agnes von Meran",
suchte er wenigstens in keiner Weise auf der Bühne zu halten. Schritt für Schritt
beobachten wir in Nissels Memoiren dieses vergebliche, von Drama zu Drama
sich erneuernde Ringen um Geltung und Anerkennung. Wie wir einen tiefen Ein-
blick in die Entstehungsgeschichte der von ihm vollendeten Stücke (am genauesten
in die der „Agnes") erhalten, so erfahren wir auch von zahlreichen dramatischen
Plänen und Fragmenten, die schliesslich aus dem oder jenem Grunde wieder beiseite
gelegt wurden. Von litterarischen Einflüssen hebt Nissel selbst die Einwirkung
Eugen Sues auf seine socialen Anschauungen hervor; für die Stoff wähl bei seinen
ersten Dramen (z. B. bei „Perseus") wurde ihm Rottecks Weltgeschichte wichtig, die
er im Knabenalter etwa 1845 las; bald darnach machte ihm die Lektüre des ganzen
Shakespeare (in deutscher, teilweise schlechter Uebersetzung) einen überwältigenden
Eindruck. Seine Freiheitsbegeisterung nährte sich an der politischen Tendenz-
dichtung der vierziger Jahre; vor allem liebte und bewunderte er die „Albigenser"
Lenaus, mit dem er sich überhaupt trotz seiner ganz andersartigen Begabung geistig ver-
wandt fühlte. Die gleiche Bewunderung flösste ihm 1858 Kinkels Trauerspiel „Nimrod"
ein. Wieder etwa ein Jahrzehnt später bekennt er sich als warmen, wenn auch nicht
überall unbedingt lobenden Verehrer Hamerlings, noch bevor er (im Nov. 1867)
persönlich mit ihm bekannt und befreundet wird. Weniger günstig fallen gelegent-
liche Urteile über Bauernfeld und Benedix aus. Hebbel trat auch dem jungen Nissel,
als er ihn mit seinem Freunde und Mitarbeiter an seinen ersten Stücken Sigmund
Schlesinger besuchte,' mit dem ihm eigenen masslosen Selbstbewusstsein entgegen.
Dagegen erwies sich der sonst nicht eben wegen seines Charakters zu rühmende
Saphir stets freundlich gegen den jungen, des Schutzes bedürftigen Dramatiker. Auch
zu Gutzkow ergaben sich 1859 während eines mehrtägigen Aufenthalts Nissels in Dresden
freundliche Beziehungen, ebenso besonders später naturgemäss zu verschiedenen öster-
reichischen Schriftstellern. —
In jeder Hinsicht unbedeutend erscheint neben diesem gehaltreichen, ernsten
Buche Felix Dahns52"53) wortreiches Geplauder zur Fortsetzung seiner nun schon
verteidigen, dass er am Unglück Nissels schuld sei.)]| — 52) F. Dahn, Erinnerungen. 4. Buch. Würzburg-Sedan-Königsberg
IV lc: 53-57 F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw.
beim vierten Bande angelangten „Erinnerungen". In derselben Manier wie sein
früheres Leben (JBL. 1890 IV 1:59; 1891 IV 1:198; 1893 IV lc:90) schildert er
jetzt die Jahre, die er in Würzburg seit 1863 als ausserordentlicher, seit 1865 als
ordentlicher Professor verbrachte, seine Kollegen an der Hochschule, seine Zuhörer
und Freunde. Einige Kapitel widmet er dem Krieg von 1866, weit über die Hälfte
seines Buches aber dem Feldzug von 1870, den er bis gegen die Mitte des Sept. als
Mitglied einer Sanitätskolonne mitmachte. Dabei erzählt er mancherlei drollige,
schliesslich bei Gelegenheit der Schlacht von Sedan auch mehrere ernste und schauer-
erregende Einzelzüge. Die Litteraturgeschichte im engeren Sinne gewinnt aus diesem
Bande weniger als aus den früheren Teilen seiner „Erinnerungen". D. berichtet fast
nur von wissenschaftlichen, sehr wenig von poetischen Arbeiten aus den Würzburger
Jahren. In dieser Zeit stockte zuerst die Dichtung bei ihm ganz und gar. Aber
seit 1867—68, als er durch Vermittlung Alex. Kaufmanns seine jetzige Frau Therese
geb. Freiin von Droste-Hülshoff, eine Nichte Annettens, kennen lernte, kam eine wahre
Hochflut dichterischen Schaffenseifers über ihn. WTas er wirklich als Dichter ist, ist
er nach seinem eigenen Urteil erst seit 1868 geworden. Neben verschiedenen lyrischen
Ergüssen, deren er manche auch unmittelbar dem Texte, seiner Selbstbiographie
einfügt, erwähnt er insbesondere das Drama „König Roderich", dessen vollständiger
Entwurf noch vor das J. 1870 fällt. — Viel liebenswürdiger und gehaltreicher als diese
weitschweifige Selbstbiographie ist ein kleiner Aufsatz Dahns53il), der in aller Kürze
den Inhalt der vier Bände seiner Lebensbeschreibung zusammenfasse Dabei sind
mit grossem Geschick und möglichst anspruchslos alle wichtigeren Anregungen ver-
zeichnet, die D. als Dichter und wissenschaftlicher Schriftsteller von verschiedenen
Seiten empfangen hat ; ebenso treten, obgleich nur mit wenigen Strichen skizziert, die
Persönlichkeiten, die auf ihn als Menschen bedeutenden Einfluss ausübten, scharf
hervor.54) —
Unter den Musikern55) steht den Dichtern Richard Wagner am nächsten,
von dem La Mara56) eine Anzahl umfangreicher Briefe an seinen Dresdener Freund,
den an der revolutionären Bewegung von 1848 — 49 in hervorragender Weise beteiligten
Musikdirektor Aug. Röckel (1814 — 76), mitteilt. Sie gehören zu den bedeutendsten
Schriftstücken, die in den letzten Jahren überhaupt aus der Feder Wagners veröffentlicht
worden sind. Sie fallen zum grössten Teil in die fünfziger J. und lassen uns
tief in die philosophischen und ästhetischen Anschauungen Wagners blicken, aus
denen die Kunstschriften und dramatischen Dichtungen dieser Periode hervorgegangen
sind. Namentlich giebt uns ein umfang- und gehaltreicher Brief vom Jan. 1854
ungemein erwünschte Aufschlüsse über die Grundideen, die der „Ring des Nibelungen"
nach der Absicht des Dichters ausdrücken sollte, über die Bedeutung der einzelnen
Charaktere und der wichtigsten Handlungsmomente in der Tetralogie. Dann nehmen
wir den ungeheuren Eindruck wahr, den das Studium der Schopenhauerschen
Philosophie auf Wagner machte. Im Aug. 1856, als er dem Freunde schon den Plan
des „Tristan" und der „Sieger" ankündigen konnte, versicherte er ihm, nun erst
verstehe er mit Hilfe Schopenhauers, „der mir die mit meinen Anschauungen
vollkommen kongruierenden Begriffe lieferte", seine eigenen Kunstwerke wirklich,
d. h. er erfasse sie nun auch mit dem Begriffe und verdeutliche sie seiner Vernunft.
Nur weil Schopenhauers Lehre seiner eigenen innersten Anschauung vollkommen
entsprach, wandte sich Wagner so schnell und so unbedingt ihr zu. Seit dem
„Fliegenden Holländer", also seitdem er aus seiner inneren Anschauung heraus
künstlerisch schuf, hatte er Entsagung, Verneinung des Willens dargestellt, am
meisten im „Ring". Und doch hatte er gerade in derselben Zeit sich als philosophischer
Denker eine hellenistisch-optimistische Welt aufgebaut, die zu den Anschauungen, die
er in seinen Dramen unwillkürlich mit innerer Notwendigkeit ausdrückte, im Wider-
spruche stand. Die Bekehrung zu Schopenhauers Philosophie beseitigte diesen
Zwiespalt für immer. Von dichterischen Freunden Wagners in der Schweiz wird in
den Briefen an Röckel namentlich Herwegh genannt ; Wagner rühmt u. a. sein gründ-
liches Naturstudium, dessen Ergebnisse auch ihm zu Gute kämen. — Unbedeutender
sind die 21 echten Briefe Wagners an Ferd. Praeger, die Chamberlain57) genau
nach den Hss. veröffentlichte, um so neuerdings — und zwar mit unumstösslicher
Gewissheit — zu erhärten, dass die von Praeger selbst in seinem Werke über Wagner
abgedruckten Briefe des letzteren teils unverantwortlich entstellt, teils ganz willkürlich
(1863-88). 1. Abt. (1863-70). Mit 2 Karten. L., Breitkopf & Härtel. 612 S. M. 10,00. |[M. Necker: NFPr. N. 10601
(über d. 3 ersten Bände d. Werkes, rühmt d. Jean-Paulisierenden Humor [?J d. Darstellung, erklärt D.s dichterische Beliebt-
heit aus seiner naiven Lebens- u. Selbstfreude); -e.: N.&S. 71, S. 427/8 (lobend); R. George: Bär 20, S. 495.] | — 53) X '*»i
Würzburger Erinnerungen: DDichtung. 15, S. 29-32. (Blosser Abdr. d. ersten Seit3n d. in N. 52 yerz. Werkes.) — 53a) id.,
G0 Jahre: Gartenlaube S. 90/2. — 54) X G. Ebers, Gesch. meines Lebens (JBL 1893 IV lc : 91). |[Sch-r.: ÖLB1. 3, S. 125/6;
M. Necker: NFPr. N. 10575 (über Gebühr schroff).] | — 55) OX W. F. Alexander and G. Grove, Mendelssohns selected
letters. London, Sonnenschein. 12°. Sh. 2/6. — 56) La Mara, R. Wagners Briefe an Aug. Roeckel. L„ Breitkopf & Härtel.
VIII, 84 S. M. 2,75. |[LCB1. S. 1637; H. v. Wolzogen: BayreuthBll. 17, S. 296-312.] | — 57) H. St. Chamberlain,
F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw. IV lc : ss-59
erdichtet, samt und sonders also, wie das ganze von Irrtümern und Unsinnigkeiten
strotzende Buch, ohne jegiichen historischen Wert sind. Die echten Briefe Wagners
an Praeger beziehen sich meistens auf persönliche Angelegenheiten, die im Zusammen-
hange mit Wagners Konzertreise nach London (1855) stehen; künstlerisch wichtig*
ist eine Aeusserung vom März 1856 über den leidenschaftlichen Eifer, mit dem Wagner
die Partitur der „Walküre" zum Abschluss brachte, und über das furchtbar An-
greifende dieser Arbeit, bei der es galt, einen „Superlativ von Leid, Schmerz und
Verzweiflung" musikalisch auszudrücken. Die Briefe von 1870 und 71 deuten auf
das neu begründete häusliche Glück Wagners und auf seine erfolgreichen ersten Be-
strebungen zur Begründung des Bayreuther Unternehmens mit kurzen Worten hin.
— Auch in den von La Mara58) gut herausgegebenen drei Bänden von Liszts
Briefen an verschiedene Freunde und Freundinnen, so an Czerny, Schumann und
Frau, Franz Brendel, Louis Köhler, Breitkopf und Härtel, Eduard Liszt (den Stief-
oheim des Künstlers), Reinecke, Peter Cornelius, eine ungenannte belgische Freundin
und viele andere, spielt R. Wagner und seine Sache eine hervorragende Rolle. Liszts
klare Erkenntnis von der geschichtlichen Bedeutung Wagners und sein steter Eifer,
ihn in jeder Weise zu unterstützen, bekundet sich auch in diesen Briefen überall.
Begeistert preist er ihn als eine neue und glänzende Erscheinung in der Kunst,
als „ein so schädelspaltendes (trepantique) Genie, wie es für dieses Land passt",
rühmt einzelne Dramen Wagners als „unglaubliche vollendete Wunderwerke", die
„Nibelungen" insbesondere als die erhabenste Offenbarung der Kunst und fasst
gelegentlich sein Urteil in den Freudenruf zusammen: „Ich lobe meinen Gott, dass
er einen solchen Menschen geschaffen." Die gleiche Hilfsbereitschaft beweist Liszt
aber auch anderen wirklich künstlerischen Persönlichkeiten, so Schumann, mit dem
ihn u. a. auch die gemeinsame Verehrung Goethes und Byrons verband, Cornelius,
Robert Franz. Ueberhaupt tritt Liszts wahrhaft grosse, vornehme Natur überall in
diesen Briefen hervor, auch da, wo sein Urteil nicht das Richtige trifft, wie in den
Aeusserungen über Napoleon III. Zugleich zeigt sich aufs deutlichste seine internationale
Stellung im gesamten europäischen Kultur- und Kunstleben. Damit hängt zusammen,
dass ein grosser Teil der Briefe französisch geschrieben ist; ja Liszt wiederholt
mehrmals die Versicherung, er könne sich nur im Französischen bequem ausdrücken,
während er sich mit seiner hinkenden deutschen Syntax kläglich abmühen müsse.
Erst seit 1853 und besonders seit 54 mehren sich zusehends die deutschen Briefe —
auch dies in unzweifelhafter Verbindung mit seinem Eintreten für die auf eine echt
nationale Kunst abzielende Wagnerbewegung in Deutschland. Die Briefe an die
belgische Freundin, die von 1855 — 86 reichen und einen ganz besonderen Reiz haben,
da sie auch über persönliche Fragen, ja über Herzensangelegenheiten vertraulichen
Aufschluss gewähren, sind der Adressatin zu Liebe ganz französisch abgefasst.
Gläubigste Religiosität in streng katholischem Sinne, aber ohne jede Spur von
Intoleranz, mit einem Anflug von mystischer Schwärmerei, spricht namentlich aus
den Briefen seit 1862. Im Vordergrunde stehen natürlich musikalische Interessen
und Persönlichkeiten. An deutsche Dichter sind nur einige unbedeutende Briefe
gerichtet, so an Grillparzer, an Hoffmann von Fallersleben, Hebbel (mit einem weg-
werfenden Urteil über den Dramatiker A. Rost), an Bodenstedt; wichtiger sind die
Briefe an Cornelius. Mehrfach ist die Rede von persönlichen oder litterarischen Be-
ziehungen Liszts zu Bauernfeld, Saphir, Hoffmann von Fallersleben, Dingelstedt,
Gutzkow, Meissner, dessen Erinnerungen an Heine ihm Worte des aufrichtigen Beifalls
entlocken, zu Stahr, Vischer, Hettner, Liebig, Kaulbach, Hauenschild, Griepenkerl,
Geibel, Heyse, Scheffel, Roquette, dessen „Heilige Elisabeth" er wegen ihrer Brauch-
barkeit für seine eigenen musikalischen Absichten ungemein lobt, zu Redwitz, Hack-
länder und anderen Männern der Litteratur und Kunst. Gelegentliche Citate verweisen
auf Kant, Schopenhauer, auf Frau von Stael und gleichzeitige oder spätere französische
Autoren, auf Schiller, auch auf Grabbe, dessen Gegenüberstellung von Faust und Don
Juan scherzhaft erwähnt wird, A. Grün, Lenau usw. Einmal spricht Liszt von dem
ergreifenden Eindruck, den eine Stelle des „Werther" beim ersten Lesen 1830 auf
ihn machte. Ein andermal (1856) teilt er die geistreiche, wenn auch nicht über-
zeugende, der Goetheschen Erklärung entgegengesetzte Auffassung des Hamlet mit,
durch die ihn der Schauspieler Dawison bestochen hat. Volle Vertrautheit mit den
grossen Werken der Weltliteratur und selbständiges, geistvolles Erfassen derselben
bekundet sich so allerorten in diesen Briefen. — Eine ähnliche Stellung zur neueren
Litteraturgeschichte nehmen die von Pohl59) herausgegebenen 36 Briefe ein, in
denen Hans von Bülow sich gegen diesen treuen Freund und Gesinnungsgenossen
E. Wagners Briefe an F. Praeger. Nebst e. Nachtr.: BayreuthBll. 17, S. 1-29. — 58) La Mara, F. Liszts Briefe ges. u. her.
Bd.: V. Paris bis Rom. 2. Bd.: V. Rom bis ans Ende. 3. Bd.: Briefe an e. Freundin. L., Breitkopf & Härtel. XII, 399 S. ;
XII, 421 S.; VI, 223 S. M. 16,00. |[WIDM. 75, S. 141.]| - 59) B. Pohl, H. t. Bülows Briefe an B. Pohl: FrB. 5, S. 447-75,
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (4)13
IV lc:59-eoF. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw.
rückhaltlos ausspricht. Die meisten dieser Briefe gehören den J. 1853—69 an und
geben uns intime Einblicke in die damalige Wagner- und Lisztbewegung, in der
Bülow als Schüler, Vorkämpfer und persönlicher Freund Wagners wie Liszts eine
entscheidende Rolle mit spielte. Das Neue, das wir dabei von den persönlichen
Verhältnissen und künstlerischen Absichten und Leistungen Wagners erfahren,
beschränkt sich zwar auf beachtenswerte Einzelheiten, die das bisher bekannte
Gesamtbild nicht wesentlich verändern können; die Veröffentlichung verdient aber
dennoch unseren aufrichtigen Dank, da auch sie Bülows grossen, edlen Charakter
aufs neue beleuchtet, seine leidenschaftliche Hingabe an einen bedeutenden Zweck
bis zur Verleugnung der eigenen Individualität, was er zu Stunden dann selbst fast
schmerzlich empfindet. Aeusserlich bezeichnend für den Vf. ist der geistreich-witzige,
oft stark nervöse, skizzenhafte und springende Ton der Darstellung. Mehrfach ist
von P.s dichterischen Versuchen die Rede, besonders von seinem zu Weimar 1856
aufgeführten Tendenzlustspiel „Musikalische Leiden" und von dem Text, den er für
Bülow zu einer Oper „Merlin" schreiben sollte. Von litterarischen Persönlichkeiten
wird Gottfried Keller nebst dem Kreise Herweghs genannt, wo Bülow beim Besuche
Wagners in Zürich 1857 sich behaglich fühlte. Weniger ehrenvoll lauten einzelne
Aeusserungen über Gutzkow. Dass Arnold Schloenbach 1853 Liszt und Gutzkow
als Dioskuren zusammengestellt hatte, brandmarkt der eifernde Schüler des ersteren
als eine „schandbare Eselei". Der leidenschaftlichste Zorn ergiesst sich auf Eduard
Devrient wegen seines prätentiösen und stellenweise perfiden Nekrologs auf Ludwig
Schnorr von Carolsfeld, auch auf Meissner wegen eines Feuilletons vom Frühling
1865. Oft beschränken sich aber Bülows derartige Aeusserungen über Dichter und
Schriftsteller nur auf kurze, prickelnde Andeutungen. — Den schroffsten Gegensatz
zu der von Liszt und Bülow verfochtenen Entwicklung im musikalisch-dramatischen
Kunstleben der letzten Jahrzehnte vertritt der Musikkritiker Hanslick60) im
zweiten Bande seiner Selbstbiographie, der, abgesehen von der flüssigen Darstellungs-
weise, wenig von den Vorzügen des ersten Bandes aufweist. Der selbstbewusste
Kritiker, der sich bald nörgelnd, bald gönnerhaft anerkennend bemüht, seine Ueber-
legenheit gegenüber den allermeisten künstlerischen und geistigen Erscheinungen zu
zeigen, tritt auf allen Seiten hervor; der geschichtlich-objektive Betrachter ist fast
durchweg verschwunden. Aufrichtig — weniger aufrichtig wäre vermutlich auch
hier aufrichtiger — legt H. am Schlüsse das Bekenntnis seiner absoluten Vorliebe
für das „gute Neue" ab. Dabei versichert er u. a., für Dickens, Gottfr. Keller, Heyse,
Daudet und Turgenjew gebe er die gesamte Belletristik des 17. und 18. Jh. (also
wohl auch „Werther" und „Wilhelm Meister") hin, und lieber würde er die Werke
Palestrinas als die Mendelssohns verbrennen sehen. Erweckt eine solche Bemerkung
berechtigten Zweifel an dem geschichtlichen Sinn und Verständnis des Vf., so flössen
uns andere Aeusserungen starkes Bedenken gegen seine geschichtliche Gewissen-
haftigkeit und Wahrheitsliebe ein. Seine Darstellung leidet hie und da unter Un-
genau igkeiten, die mit etwas gutem Willen leicht zu berichtigen gewesen wären. Am
meisten ist dies der Fall, wo H. von R. Wagners Persönlichkeit und Werken spricht.
Dass er an Wagners künstlerischem Schaffen vom „Lohengrin" an keinen rechten
Geschmack mehr findet und nur dann und wann, besonders in den „Meistersingern",
gewisse Einzelheiten gelten lässt, darüber wird ihm niemand, der fremde Meinungen
achtet, einen sittlichen Vorwurf machen; auch gegen seinen Tadel der lächerlichen
und kindisch-kleinlichen Art, in der sich mitunter die Begeisterung einzelner
Wagnerianer äussert, wäre nichts einzuwenden, wenn sich dieser Tadel wirklich nur
über die Ausartungen ergösse. Sicher ist aber der dünkelhaft-frivole Ton zu verwerfen,
mit dem H. von Wagner redet, noch mehr der niedrige Klatsch, den er seinem
persönlichen Wesen und Treiben anzuhängen sucht, zumal da diese Klatschnachrichten
teilweise schlecht mit der Wahrheit bestehen. Bezeichnend dafür ist, dass H. das
von nachgewiesenen Fälschungen strotzende Buch Praegers als das getreueste
Porträt von Wagners Charakter bezeichnet. H. verwahrt sich gegen eine persönliche
Auffassung seiner Kritik Wagners und liefert doch in der Darstellung selbst wiederholt
den unumstösslichen Beweis, wie sehr er durch persönliche Berührungen und
Erfahrungen sich in seinem Urteil über den Künstler und seine Werke bestimmen
lässt. Im einzelnen kramt er besonders viel Thörichtes über die Bayreuther Fest-
spiele von 1876 aus, bei denen er in Bodenstedt, Paul Lindau und noch einigen
ganz wenigen Freunden würdige Gesinnungsgenossen fand, die sich den Triumph
der neuen deutschen dramatischen Kunst mit innerem Aerger beschauten. Den
„Parsifal" vergleicht er in aller Geschwindigkeit ein wenig mit dem zweiten Teil des
„Faust" und benutzt dabei den Anlass, um sowohl über diesen wie über jenen einiges
578-94, 783-801. |[NFPr. N. 10673 (blosser Ausz. aus wenigen Briefen.)]| — 60) Ed. Hanslick, Ans meinem Leben. 2. Bd.
B., Allg. Ver. für dtsch. Litt. 111, 369 S. M. 5,00. l[M. Necker: NFPr. N. 10886 (kindisch verhimmelnd: „Hanslick ist nicht
weniger unsterblich als R. Wagner... zwei ebenbürtige Grössen stehen einander gegenüber" !!jj| (Vgl. JBL. 1893 IV lc:157;
F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw. IV lc : eo-cs
Schiefe zu sagen. Zu seiner Hilfe citiert er einmal eine recht unglückliche Kritik
G. Freytags über Wagner, dann einige gelegentliche absprechende Aeusserungen
Laubes, Hopfens und G. Kellers, denen er überdies noch ein paar glänzende Namen
deutscher Dichter und Gelehrter beifügt, verschweigt aber, dass dieselben Männer
bei anderen Gelegenheiten sich viel günstiger über Wagner oder seine Werke aus-
gesprochen haben. Viel freundlicher behandelt er die übrigen Komponisten, mit
denen ihn sein Leben zusammen führte, vor allem Brahms, der ihm ein persönlicher
Freund geworden ist, aber auch Auber, Rossini, Verdi, Offenbach usw., ja selbst
Berlioz, über den namentlich ein dem Buche mit Recht eingewobener langer Brief
von Stephen Heller an Hanslick (vom 1. Febr. 1879) Aufschluss giebt, und Liszt.
Freilich spricht er auch über sie wie über andere Bekannte bisweilen mit einer
gewissen wohlwollenden Herablassung. Selbst gegenüber einem ihm aufrichtig be-
freundeten Gelehrten vom Range Wilhelm Scherers behält Hanslick diese überlegene
Miene bei. Schon als Studenten lernte er den jungen Germanisten kennen und
bewunderte seine „fast unheimliche Gelehrsamkeit", fand aber, dass Scherer sie bei
jedem passenden und unpassenden Anlasse unermüdlich auskrame. So habe z. B. ein
Wort über eine Aufführung des „Nathan" im Burgtheater den Jüngling verleitet,
alle möglichen Jahreszahlen zu citieren, die „Lessingausgaben von Danzel und
Gurauer" und die „Lessingbiographien von Stahr und Dünzer" zu vergleichen und
zu berichtigen. Ausser den zwei orthographischen Schnitzern in den Eigennamen ist
an diesem Satze nur die Kleinigkeit noch falsch, dass bekanntlich Danzel und Guhrauer
keine Ausgaben, sondern mit einander nur eine einzige Biographie Lessings ge-
schrieben haben, und dass Düntzers „Leben Lessings" erst 1882 erschienen ist, als
Scherer längst nicht mehr Student und auch nicht mehr in Wien war. Von deutschen
Dichtern nennt Hanslick nur wenige und meist mit kurzen Worten. So erzählt er
von Bauernfeld eine unbedeutende Anekdote, von Meissner eine nette Aeusserung-
über eine Pianistin. Hübsch charakterisiert er Auerbach, dessen Vorliebe für Mozart
und besonders die „Zauberflöte" er hervorhebt; freundlich schildert er Laube und
Dingelstedt; flüchtiger erwähnt er Rodenberg, Putlitz, Spielhagen, Stettenheim und
Jos. von Weilen. Mit warmer Freundesliebe spricht er von dem berühmten Chirurgen
Theodor Billroth. Als Anhang seiner Selbstbiographie teilt er eine Auswahl aus
Billroths Briefen an ihn mit, die er vorher grösstenteils schon in der Neuen Freien
Presse, doch in weniger sorgfältiger Ordnung, veröffentlicht hat61). Ob alle diese
Briefe zur Mehrung von Billroths Ruhm beitragen dürften, mag man billig bezweifeln.
Ein in jeder Hinsicht hoch bedeutender, auch für allgemein wissenschaftliche,
philosophische und künstlerische Studien ungemein empfänglicher Geist offenbart
sich fast überall in ihnen; die sittliche Durchbildung des Charakters ist nicht so
durchaus ersichtlich. Dazu schimpft der Vf. zu oft und in einem zu rohen Tone.
Seinen Ausdrücken über Nietzsche wird auch der, der von der „Götzendämmerung",
die Billroths besonderen Zorn erregte, nichts wissen will, seine Billigung versagen
müssen, ebenso wie man kaum dem allgemeinen Verdammungsurteil, das der grosse
Mediziner über Ibsen und Zola fällt, beistimmen wird. Den gröbsten Wutausbruch
ruft bei Billroth die Dichtung des „Parsifal" hervor; bei der „Walküre" hingegen
sucht er wenigstens dem grossen Wollen Wagners gerecht zu werden und die dramatisch-
und musikalisch-technischen Gründe aufzuspüren, warum er kein diesem WTollen
ebenbürtiges Gelingen beim Anhören und Schauen des Werkes wahrnehmen kann.
Dieser vornehmere, würdigere Ton der Kritik hält jedoch nicht lange an; später,
wenn er seinen Zorn über Nietzsche ergiesst, nennt er alles, was ihm an diesem
impotent und widerlich erscheint, regelmässig „ganz Wagnerisch"! Eine sonderbare,
nicht richtig formulierte Aeusserung, die aber doch ein Gran Wahrheit enthält, findet
sich in diesen Briefen einmal über Goethe: im Leben sei er wohl meist Clavigo,
Egoist, gewesen, und darum sei er auch so alt und ein Goethe geworden; nur in
seiner Phantasie sei er ein Werther gewesen. Denselben Gegensatz zwischen
Phantasiemenschen und realen Menschen will Billroth auch sonst oft bei Künstlern
angetroffen haben; das Beispiel der dramatischen Sängerin Johanna Jachmann-
Wagner jedoch, das er anführt, beruht auf einem ganz unrichtigen Urteil. —
Memoiren bildender Künstler und Kunstschriftstell er sind diesmal
nur in kärglicher Anzahl erschienen62-64). Pietsch65) setzt in der alten, liebens-
würdig-einfachen, herzlich- warmen Weise seine Erinnerungen fort und schildert seine
künstlerische, besonders aber seine stets zunehmende kunstkritische Thätigkeit in
s. auch DRs. 80, S. 33-55) — 61) id.. Ans Briefen v. Billroth. I-VI: NFPr. N. 10675, 10685, 106901, 10694, 10701. —
62) X H- Richter, L. Richter, Lebenserinnerungen e. dtseh. Malers. Selbstbiogr., nebst Tagebuchniederschriften n. Briefen.
8. Aufl. 2 Bde. I. : Lehenserinnerungen mit ergänz. Nachtrr. IL: Auszüge aus seinen Jngendtagebüchern. Frankfurt a. M.,
Alt. XIII, 349, 72 S ; 233 S. M. 7,00. — 63) O X Jn'- Grosse. E. J. Hähneis litt. Reliquien. Im Auftr. d. Hinterbliebenen
gesichtet u. her. nebst e. Charakterbild d. Meisters als Einl. B., Grote. 1893. 356 S. M. 5,00. J[H. A. Lier: Kunstchr. 5,
S. 369-70 (durchaus absprechend).]! (Vgl. JBL. 1893 I 11:21.) — 64) X H- A- Lier, E. Max v. Wachstein, 82 Jahre (JBL.
1893 IV lc:150): Knnstchr. 5, 8,3701. — 65) L. Pietsch, Wie ich Schriftsteller geworden bin. 2. Bd.: Erinnerungen aus
(4)13*
IV lc -.05-66 F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw.
Berlin von 1860 — 66, sowie seine in diese Zeit fallenden Reisen nach Paris, Baden-
Baden und der Schweiz, dem Elsass, Mecklenburg- und Vorpommern zu Studien-
zwecken oder zum Besuch von Freunden, unter denen Turgenjew und Pauline Viardot
nebst ihren Schülerinnen in erster Reihe stehen. So entwirft er anmutige Charakter-
bilder von verschiedenen Sängerinnen italienischer Schule, die auf den damaligen
Bühnen eine grosse Rolle spielten, und von zahlreichen französischen und deutschen Malern
und Bildhauern, mit denen er mehr oder minder vertraulich verkehrte. Unter ihnen treten
Gr. Dore, G. Gleyre (sein Lehrer in Paris), Reinh. Begas, A. Böcklin, A. Menzel,
Ed. Magnus, der ihn mehr und mehr zur Schriftstellerei hinüberzudrängen suchte,
L. Knaus und mehrere andere hervor. Von deutschen Dichtern war besonders Storm
mit P. befreundet; mehrmals verbrachte dieser frohe Ferien wochen bei Storm und
dessen Freunde, dem Landrat Alex, von Wussow, in Heiligenstadt im Eichsfelde.
Anschaulich schildert er die Gegend und den Bekanntenkreis, in dem Storm hier
lebte, dann den Dichter selbst in seiner Familie und im Amte, durch das er sich
auch poetisch in mancher Weise gefördert sah, sein Behagen in dem weltabgeschiedenen
Städtchen und zugleich seine Sehnsucht nach der Heimat, deren scheinbare Preis-
gebung an Dänemark er auf das schmerzlichste empfand. Von Lieblingsautoren
Storms, aus denen er gern vorlas, nennt P. den auch von ihm innig geliebten
Mörike, Tieck, Eichendorff und Reuter ; auch teilte er seinen Zuhörern gern un-
heimliche deutsche oder englische Gespenstergeschichten mit. Bei einer späteren
Begegnung mit P. zu Baden-Baden 1865 kam Storm auch mit Turgenjew in freund-
schaftlich nahe Berührung. Neben Storm zählte P. Julian Schmidt, der ihn als
Schriftsteller mannigfach förderte, Hermann Kletke, der ihn zur Mitarbeit an der
„Vossischen Zeitung" bestimmte, und Luise Mühlbach, die ihn zur ersten Sammlung
seiner ausgewählten Aufsätze („Aus Welt und Kunst", 1866) aufmunterte, zu seinen
intimeren litterarischen Bekannten, ferner G. Freytag, A. Stahr und Frau, B. Auerbach,
dessen herzliche Güte, liebenswürdige Wärme, naiv-harmlose Eitelkeit, glänzende
Gabe zu erzählen und blendende Sentenzen zu bilden er hübsch schildert, und endlich
den Dichter der geliebten und von ihm illustrierten „Stromtid", Fritz Reuter, dem
er brieflich und bald darauf auch persönlich bei mehreren Besuchen Eisenachs nahe
trat. Auch die Themata zu seinen sonstigen grösseren Zeichnungen nahm P. mit
Vorliebe aus der deutschen Literaturgeschichte .des 18. und 19. Jh., besonders aus
dem Leben Goethes und Schillers, und sah sich dadurch wiederholt zu genauerem,
unmittelbarem Studium der Orte, in denen unsere grössten Dichter länger weilten,
und ihrer persönlichen Lebensverhältnisse getrieben. — Einen ähnlichen Weg wie
P. wandelte Pecht66); auch er wandte sich erst spät von der Malerei endgültig zur
Kunstkritik. Die Geschichte seines Lebens zeigt uns keinen bedeutenden Menschen
und keinen grossen Künstler; wir begegnen auch in seinen kritischen Aeusserungen
manchen Irrtümern, Sonderbarkeiten und namentlich engsinnig-nationalen Vorurteilen.
Aber wir lernen einen grundehrlichen, durchaus gutmütigen und viel erfahrenen
Mann kennen, der in unserer Litteratur wohlbewandert und mit sehr vielen unserer
neueren Dichter persönlich bekannt geworden ist. Sein Urteil über diese wie über-
haupt über geistig bedeutende Männer ist freilich durchweg mit Vorsicht aufzunehmen.
So schildert er gleich die ersten Geistesführer unseres Volkes, die er, kaum zwanzig
Jahre alt, an der Münchener Universität flüchtig aus je einem Vortrage kennen lernte,
Schelling und Görres, als geradezu abschreckend. Auf der Bühne entzückte ihn um
jene Zeit (1833 — 35) Esslair; auch sah er Raimund in einigen seiner eigenen Stücke
auftreten. Später wurde er mit Tieck, Mosen, Tromlitz, G.Kühne, Rotteck, Semper,
Mendelssohn-Bartholdy, Schumann und seiner Frau, Wilhelmine Schröder-Devrient,
Steub und Fr. Lentner, Moritz Hartmann, Meissner, Julius Fröbel, der Gräfin Hahn-
Hahn, Eduard Devrient, 0. Ludwig, Dingelstedt, Betty Paoli, Scheffel u. a. bekannt,
von denen er aber nur die allerwenigsten in seinen „Lebenserinnerungen" bestimmter
charakterisiert. Laube, mit dem er in Leipzig (1838) und bald danach wieder in Paris
zusammentraf, zog ihn durch seine mannhaft biedere Art an; doch glaubt P. in ihm
weit mehr politischen Instinkt als dichterische Gestaltungskraft zu erkennen; die
Poesie, meint er, sei der „etwas blechernen Empfindung" Laubes zeitlebens fremd
geblieben. Auch noch viel später, als er Laube am Ende seiner Thätigkeit am
Burgtheater wiedersah, empfing er von seiner „soldatischen Derbheit" den Eindruck
eines kommandierenden Generals, nicht eines Dichters. Weit unsympathischer ist
ihm Gutzkow, den er etwa zehn Jahre danach in Dresden kennen lernte: er schildert
ihn als unterhaltend, aber vom glühendsten Ehrgeiz verzehrt, als entschiedenen
Gegensatz zu dem offenen, freien, charaktervollen Geibel. An Auerbach rühmt er die
d. sechziger J. Mit Bild. B, Fontane. 430 S. M. 6,00. |[WIDM. 75, S 140/1.]| (Vgl. JBL. 1893 IV 1 c : 147.) — 66) (I 4:468.)
|[LCB1. S. 1897/8; H. Br.: Hessenlund S. 288; BerlBörbCoui-, N. 468; A. F.: WeserZg. N. 17184 (betont namentl. d. Vorzüge d.
WerVes); M. Necker: HFPr. N. 10818 (hebt d. Schwächen d. Buches übertrieben schroff hervor); Ad. Rosenberg: Grenzb. 4,
F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw. IV lc •. 66
treuherzige, echt deutsche Gesinnung" ; in G. Freytag erkennt er schon 1845 den be-
deutendsten unter all den jungen Schriftstellern, bei dem Takt und Anspruchslosigkeit
sich mit einer milden Ueberlegenheit und Reife des Urteils paarten. Aber den durch den
Selbstmord seiner Frau berühmt gewordenen H. Stieglitz, dem er 1847 auf einer
oberitalienischen Reise begegnet, nennt er einen vollkommenen Komödianten, der
sich selbst tragiere. Gut schildert P. die äussere Erscheinung Heines (1839) und
seine Unterhaltung im Freundeskreis, wie er fast nie zusammenhängend sprach,
aber unendlich drollige Bemerkungen in das Gespräch der anderen warf, zumal wenn
er durch Widerspruch gereizt wurde. „Auch brachte er offenbar immer schon einige
kostbare Witze fertig* mit und leitete die Unterhaltung dann so, dass er sie wirksam
anbringen konnte." P., damals ein begeisterter Bewunderer Heines, wurde von ihm
selbst über die Mühe belehrt, die ihm das Ausfeilen seiner Verse verursachte, lernte
aber auch seine Verachtung der übrigen deutschen Dichter ausser Goethe, ja des
deutschen Volkes überhaupt und seine Vorliebe für die Franzosen kennen. Heute,
da er den einst angestaunten Dichter durch eine leichthin antisemitisch gefärbte
Brille betrachtet, findet er, dass Heine durchaus der Sklave seines Talentes war, das
selbst aber nur ätzend und zerstörend wirkte. Am nächsten kam P. 1839 während
des Pariser Aufenthaltes, der ihn mit Heine zusammenführte, dem jungen Richard
Wagner, dem er ein Freund fürs Leben und ein allzeit treuer Anhänger seiner Kunst
blieb. In den kummervollen Pariser Jahren stand vornehmlich er mit dem Maler
Kietz und dem Kaufmann Brix dem lange erfolglos ringenden Künstler zur Seite.
Aus ihnen berichten P.s Memoiren denn auch manche beachtenswerte, bisher un-
bekannte Scene. Stark betont der Vf. das nie entmutigte Selbstvertrauen Wagners,
seine zähe Ausdauer trotz den kleinlichsten Bedrängnissen, in denen er stak, seine
über jeden Misserfolg sich rasch erhebende geistige Elastizität, die Vornehmheit
seines Denkens und Empfindens, seine persönliche Liebenswürdigkeit, die sich auch
in der Heftigkeit des Zornes nicht völlig verleugnete, die Unabhängigkeit und
Schärfe seines Urteils, überhaupt den Reichtum seines Geistes, der sogar einem
Heine imponierte, endlich sein bewundernswertes Talent zur Improvisation in
humoristisch-satirischen Knüttelversen, hinter denen an treffender Kraft und witziger
Schärfe auch die metrisch besseren Improvisationen Geibels weit zurückblieben. Auch
später, in Dresden und in München, wo P. seit 1854 wohnte, traf er wieder mit
Wagner zusammen. Mehr und mehr sah er nun den excentrischen Feuergeist in
ihm, den keine Schwierigkeit schreckte; im praktischen Leben, besonders in Geld-
angelegenheiten, schildert er ihn stets gleichmässig unerfahren, daher auch stets von
anderen ausgebeutet. Und immer wieder rühmt er seine Tapferkeit und Vornehmheit
der Gesinnung, seine Herzensgüte, sein Wohlwollen gegen seine Diener, den be-
geisternden Eindruck, den er durchweg auf Künstler, Musiker und Sänger machte.
Persönlich fühlt sich P., der in der zweiten Hälfte seines Buches den vieles besser
wissenden Kritiker und überlegenen Beobachter mehr herauskehrt, unbehaglich
berührt von der aufregenden, vulkanartigen Natur Wagners, der er in merkwürdiger
Verkennung ihrer Grundeigenschaft alle Naivetät abspricht. Noch viel weniger will
er von dem „scharfkantigen" Wesen des durch Wagner nach München gezogenen
Bülow wissen. Was er aus der Münchener Zeit von einzelnen Thatsachen aus
Wagners Leben berichtet, ist teilweise irrig, das sonst nicht Bestätigte also nicht un-
bedingt glaubwürdig. An einer unbefangenen Auffassung mancher Ereignisse hindert
den Vf. sein Vorurteil, es sei nicht gut, wenn der Künstler mit dem König Hand in
Hand gehe. Um die Richtigkeit seiner Meinung zu beweisen, grübelt er ver-
schiedene angebliche Rücksichtslosigkeiten Ludwigs II. gegen Wagner heraus und be-
hauptet, dass dieser ganz sicher keinen guten Einfluss auf den nach einer phan-
tastischen Traumwelt sich sehnenden Fürsten ausgeübt habe, muss dann aber doch
zugestehen, dass der vor Patriotismus förmlich glühende Wagner wenigstens 1870
„höchst wohlthätig" auf König Ludwig einwirkte, der gerade damals seinen künst-
lerischen Freund mehrmals in Triebschen besuchte. Aber auch bei den durch
Maximilian II. nach München berufenen Dichtern schätzt P. den Verkehr zwischen
König und Künstler möglichst gering. Diese Dichter selbst taugten nach seiner
Meinung als Norddeutsche meistens nicht in die bayerische Hauptstadt; P. selbst kam
denn auch nur mit wenigen von ihnen in ein näheres Verhältnis, am ersten mit
Scheffel, den er ausdrücklich gegen die „Beschuldigung der Liebe zum Trunk" ver-
teidigt. Geibel und Dingelstedt waren ihm bei seinem Eintritt in München schon
keine Fremden mehr; zu ihnen gesellten sich nun der offene und behaglich-
humoristische, aber selbstgefällige Bodenstedt, Lingg mit seinem stillen und anspruchs-
losen, träumerischen und weitabgewandten Wesen, das P. der „vornehm kühlen
Art" des international gebildeten Heyse weit vorzog, ferner J. Grosse, Schack, Leut-
hold, Kobell und Hermann Schmid. Auf gelegentlichen Reisen wurde P. auch mit
Mörike bekannt, dessen Liebenswürdigkeit und eminentes Erzählertalent er gleich-
IV 1 c : 67-68 F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw.
massig1 rühmt, dann mit Gervinus, an dem er den „Professorendünkel" besser als an
jedem anderen beobachtet haben will, mit G. Keller, den er bieder, von einer stolzen
und oft rauhen Mannhaftigkeit, aber äusserlich trocken und herb findet, mit A. Fitger
usw. D. F. Strauss besuchte den Vf. wiederholt in München und hinterliess ihm
nicht nur einen ungemein bedeutenden, sondern auch tief humanen und wohlthuenden
Eindruck. —
Gleich den norddeutschen Dichtern, deren Verpflanzung nach Bayern Pecht
beklagt, fand der Historiker67) Gregorovius67a) zuletzt in München eine neue
Heimat. Wie schwer er sich freilich an sie gewöhnte, er, der den italienischen
Himmel und das Leben in der ewigen Stadt so viele Jahre lang genossen hatte, das
zeigen u. a. seine Briefe an den preussischen Gesandten in Rom und späteren Staats-
sekretär Hermann von Thile, die von Petersdorff68) sorgfältig herausgegeben
hat. Sie bilden eine schätzenswerte Ergänzung zu den „Römischen Tagebüchern"
desselben Vf., ja sie gewähren vielleicht stellenweise unmittelbarere Einblicke in seine
wechselnden Stimmungen und Gemütsregungen. Rückhaltlos spricht sich Gregorovius
gegen den Freund über seine Pläne und Arbeiten, über seine Schicksale, seine
politischen, religiösen, litterarischen Ansichten, seine Bekannten aus. Er gesteht ihm
seinen Wunsch, dass Italien frei und einig werde; aber mit dem Gedanken einer
königlichen Residenzstadt Rom kann er sich lange nicht vertraut machen. Ebenso
erfüllt ihn, auch in der Ferne, die Zukunft Deutschlands mit Unruhe; im Dec. 1863
sehnt er sich nach einem Manne, der, wie der alte Fritz, die Dinge ohne viel zu
fackeln und am Recht zu deuteln, beim Kragen nehme, auf dass das Vaterland bald
gross und herrlich dastehe. Tief pessimistisch fühlt er sich durch .die Betrachtung
gestimmt, wie der Mensch schafft, wie er selbst aus dem Zusammenstoppeln von
tausend Notizen, Fragmenten und Scherben „einen Schatten und ein Ungefähr von
Wirklichkeit" zu stände bringt; selbst ein göttergleicher Mensch wie Dante habe
geklagt, dass ihn sein Dichten für lange Jahre abgemagert habe. Doch stört ihm
solche Erwägung nicht die Lust und den Mut zur Arbeit. Auch zu dichterischen
Plänen regt ihn sein grosses historisches Werk an, lässt dann aber die frucht-
verheissenden poetischen Keime nur selten zur Reife kommen. So drängt die ge-
schichtliche Arbeit allerlei „lyrische Spielereien" Jahre lang zurück. Von einem
Drama „Otto III." schreibt Gregorovius 1859 zwei Akte nieder, hält jedoch dann
inne, stutzig über die epische Breite, in die er bei der Ausführung des Entwurfs
geraten ist, auch von dem Charakter Ottos nicht recht befriedigt, während der des
Crescentius ihm dramatisch völlig klar und bestimmt erscheint. Selten sind in den
Briefen genauere Urteile über ältere Dichter und Schriftsteller. Anspielungen oder
Citate weisen auf Goethe, Novalis usw.; gegen Rousseau spricht Gregorovius direkten
Widerwillen aus, während er Voltaire als den besseren von beiden gelten lässt.
Mit hoher Begeisterung redet er von Ranke; aber als seinen erklärten Liebling unter
allen Geschichtsschreibern bezeichnet er Herodot. Reiseberichte hat er von Kindheit
an immer mit besonderer Leidenschaft gelesen; so fesseln ihn auch noch in späteren
Jahren vornehmlich Stanleys Schilderungen seiner afrikanischen Entdeckungsfahrten.
Wagners „Tannhäuser" macht zuerst keinen Eindruck auf ihn; der Bayreuther
Festspiele gedenkt er aber 1886 ehrenvoll, und bei dieser Gelegenheit entlockt ihm
Liszts „olympischer Tod" das Urteil: „Ich kannte Liszt von Rom her; er war eine
souveräne Natur und von einem durch geniale Attraktionskraft erzeugten so grossen
Weitbezuge, wie ihn selten eine Privatperson gehabt hat." Unter den gleichzeitigen
Dichtern war Gregorovius am nächsten mit Schack befreundet; seit 1862 berichtet
er ziemlich regelmässig über ihn, sein einsames und melancholisches Leben „in einer
gemalten Klause" und sein poetisches Schaffen. Wiederholt bewundert er die Seelen-
grösse, mit der Schack seine Erblindung und die übrigen Leiden seines Alters trug:
„Keine Klage noch missmütige oder misanthropische Aufwallung wird laut." Darum
gönnt ihm Gregorovius erst recht den „sehr schönen Spätsommer seines litterarischen
Lebens", den steigenden Ruhm, den er auch als Dichter in seinen letzten Jahren
erntete. Seine überreiche poetische Thätigkeit gerade in diesen letzten Jahren ver-
folgt er mit der Teilname des Freundes; er möchte sie freilich „fast eine Hypertrophie"
nennen, „weniger der poetischen Ader als einer virtuosen Versifikation". Aber wie
sehr er auch stets die Meisterschaft der Rhythmen und der Diktion in den Dichtungen
Schacks vor allem betont, so denkt er darum von seinem positiven Verdienst nicht
geringer und hebt gelegentlich die echt poetischen Stellen im „Heliodor" oder das
dramatisch Wirksame der „Walpurga", das Anerkennenswerte der „Pisaner" trotz
aller Mängel des Stücks hervor. Dass Schack bei seinem einsiedlerischen, „schatten-
S. 261,8.]! — 67) X CL, A. v. Arneth, Aus meinem Leben (JBL. 1893 IV lc:140): DR. 1, S. 395. (Zurückhaltend lobend.) —
67 a)XF- Gregorovius, Rom. Tagebücher (JBL. 1893 IVlc:145): NZ^t. 121, S. 825/7 (ganz thöricht). — 68) H. v. Petersdorff,
Briefe v. F. Gregorovius an d. Staatssekret. H. v. Thile. Mit e. Bild. B., Gebr. Paetel. VIII, 264 S. M. 6,00. |[-n-: LCB1. S. 1878/9:
M. Koch: DWB1. 7, S. 698-600; KonsMschr. S. 1224/6; AkBll. 9, S. 229; NatZg. N.538; A. Beilesheim: LHandw. 33, S. 720/1. J|
F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw. IV lc: 68-73
haften Dasein ohne alle Bezüge zu den Lebensquellen der Menschheit" überhaupt eine
solche dichterische Thätigkeit entfalten konnte, das erscheint dem Freunde als ein
psychologisches Rätsel. Doch verhehlt er sich dabei nicht, dass Schacks Produktionen
alle den Stempel des Akademischen an sich tragen, dass seine Menschen an die Retorte
erinnern. Seine Unfähigkeit, von den Personen, denen er im Leben nahe gekommen
ist, ein Porträt zu zeichnen, rügt er auch nebst einigen herben Urteilen (besonders
über Hegel) und gewissen „pathologischen Idiosynkrasien, welche aus dem Ueberstrom
des Empfindungslebens herstammen", an den Memoiren Schacks. Aber schon dass
dieser trotz seiner schweren Krankheit die Kraft hatte, diese Memoiren zu diktieren,
bewundert Gregorovius mit Recht. Das Werk als Ganzes aber zählt er zum Schönsten,
was seit lange in Deutschland erschienen ist; er sieht darin fast eine Literatur-
geschichte der neuesten Zeit, immer aber „einen feingeschliffenen Spiegel, worin sich
die Beobachtungen eines Menschen reflektieren, der nicht nur von der Geburt an
durch das Glück begünstigt war, sondern durch eigene Anlage und rastlose Arbeit
die Höhe humaner Bildung erstiegen hat".69) — Dürftig ist dagegen die Auswahl
aus den Briefen von Gregorovius an seinen Freund Friedrich Althaus und an seinen
Lehrer Karl Rosenkranz, die Friedr. Althaus und Jacob son69a) mitteilen. Das
geistvoll-liebenswürdige Wesen des Vf., dessen Blick für alles wahrhaft Beachtens-
werte im Leben und in der Kunst geöffnet war, und seine weltgeschichtliche Bildung
offenbaren sich auch in diesen Briefen, die von 1842 bis 79 reichen; was sich aus
ihnen für die Litteraturgeschichte ergiebt, ist jedoch geringfügig. Gelegentlich finden
sich kurze Andeutungen über Gregorovius grosses Lebenswerk, über seine litterar-
geschichtlichen Arbeiten und dichterischen Versuche. Mit besonderer Zufriedenheit
äussert er sich über die Verse in seinem „Euphorion", die er leichter und melodischer
als die Platens findet. Wenig fühlt er sich zu Leopardi, desto mehr zu Meli hin-
gezogen. Sehr rühmlich urteilt er 1873 über die „edle, männliche und echte Natur"
von Gervinus und über seine bleibenden Verdienste, durch die „die Schuld seiner
Abirrung von der Realität unserer deutschen Gegenwart" reichlich aufgehoben
würde.70) —
Unter den Philologen71-71») steht diesmal Karl Benedikt Hase voran, dessen
Briefe von seiner Wanderung nach Frankreich und den ersten, teilweise in bitterer
Not zu Paris verbrachten Monaten (1801 — 2) Heine72) mit einer kurzen biographischen
Einleitung herausgegeben hat. Diese Briefe, meist an den Jugendfreund Wilh. Erd-
mann (später General in Russland) gerichtet, sind fesselnd geschrieben und durch
ihre anschauliche Schilderung von Land und Leuten kulturgeschichtlich sehr
interessant. Für den Literarhistoriker ist die darin betonte Unbekanntschaft auch
der gebildetsten Pariser mit der gleichzeitigen deutschen Dichtung beachtenswert.
Hase klagt 1801, dass man in Paris höchstens Gessner, Uz, Hagedorn, Geliert und
Zachariä, auch einige Uebersetzungen aus Goethes Werken, aber nichts von Schiller
und selbst bei den Buchhändlern nichts von Wieland kenne. Das Jahr darauf hielt
Friedrich Schlegel in Paris Vorträge über die neueste deutsche Litteratur, die auch
Hase besuchte. Doch berichtet er weder vom Inhalt dieser Vorlesungen noch von
Schlegel selbst Genaueres. — Verschiedene Veröffentlichungen unterrichten uns über
die Begründer der romanischen und germanischen Sprachwissenschaft. Zum hundertsten
Geburtstag von Friedrich Diez teilt Förster73) den Briefwechsel zwischen Diez und
dem Theologen, späteren Bibliothekssekretär in Darmstadt Karl Ebenau (1795— 1843)
mit, so weit er sich nicht bloss auf rein persönliche Angelegenheiten ohne irgend welche
geschichtliche Bedeutung bezieht. Die meisten dieser Briefe fallen in die J. 1815 — 25
und beleuchten das innere Geistes- und Gemütsleben des jungen Romanisten zu einer
Zeit, aus der wir bisher nicht viel mehr als seine äusserlichsten Schicksale kannten.
Viel romantische Schwärmerei waltet noch in diesen Briefen, obgleich Diez selbst
später die Blätter, die seine überschwänglichsten Herzensergüsse enthielten, beseitigt
hat. Auch die Poesie der Romantiker steht den Freunden vor allem nahe: mit
einem Hymnus auf die „fromme, liebevolle, heilige Genoveva" Tiecks beginnt der
erste, uns erhaltene Brief Ebenaus an Diez. Noch tiefer und mächtiger fühlen sich
beide Jünglinge jedoch von Goethe angezogen. Aus seinen Werken citieren sie mit
Vorliebe; ihn und Jean Paul preist Diez 1817 als das Zwillingsgestirn, dessen baldiges
Scheiden von der Erde er fürchtet, zu dem er daher (Frühling 1818) pilgert, um sich
von ihm „weihen zu lassen". Warme Bewunderung und Liebe drücken die Briefe
- 69) X G. G. Gervinus, Leben (JBL. 1893 IV 1 c : 137; vgl. I 2:18). |[LCB1. S. 1693 4 (abertrieben schroff); Th. H. Pantenius:
Daheim 30, S. 425 (oberflächlich u ungerecht) ; C. W. : Tägl Rs». N. 37 ; A. B a 1 d a m u s : NJbbPh. 150, S. 542 4 ( lobend ).] | - 69 a) F r i e d r.
Althaus u M. Jacobson, Ungedr. Briefe v. F. Gregorovius: DB. 2, S. 241-55, 348-59. — 70) O X °- Kraus, Aus H. Leos
gesch. Monatsberichten u. Briefen: KonsMschr. S. 1-26, 113-36, 225-45, 449-64, 561-73, 673-86, 785-803, 897-910, 1009-20, 1121-39.
— 71) O X A- Ludwich, Ausgew. Briefe v. u. an Chr. A. Lobeck u. K. Lehrs, nebst Tagebuchnot., 1802-78. 2 Tle. L„
Duncker & Humblot. XU, 1049 S. M. 16,00. — 71a) X R- Foss, Briefwechsel d. Bruder J. Gg. Maller u. Jon. v. Maller
(JBL. 1893 IV lc:133): MHL. 22, S. 72/3. - 72) (I 4:469.) — 73) (I 2:20.) |[LCB1. S. 361.]| - 74) (I 2:26.) — 75) (I 2:13.)
IV lc: 74-78 F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw.
für Diezens Lehrer und späteren Kollegen Welcker aus; von sonstigen, litterarisch
bedeutenderen Jugendgefährten der beiden Freunde wird namentlich A. A. Folien
genannt. — Auschliesslicher werden Fragen der romanischen Philologie in dem von
Ad. Tobler74) herausgegebenen Briefwechsel zwischen Moritz Haupt und Diez be-
handelt. Haupts Studien über alte französische Volkslieder bilden den Anlass und
zunächst den wichtigsten Inhalt der Korrespondenz, in der aber auch die Teilnahme,
die Diez der älteren deutschen Litteratur entgegenbrachte, sich deutlich offenbart.
Gelegentlich wird dabei auf die — auch anderwärts schon bekannte — französische
Quelle von Goethes Gedicht „Der Müllerin Verrat" hingewiesen. — Ebenso haben die
von Weinhold75) mitgeteilten Briefe Lachmanns an seinen Jugendfreund Clemenz
Klenze (1795—1838) keine nähere Beziehung zur neueren deutschen Litteratur im
engeren Sinne. Sie bieten aber manche schätzenswerte Ergänzung unseres bisherigen
Wissens über Lachmanns Leben; besonders treten die Ereignisse, welche seiner
(schon 1823 erwarteten) Berufung an die Berliner Universität vorausgingen und
schliesslich (1825) zu ihr führten, in ein neues Licht. Von treuer herzlicher Liebe
zu Klenze, ebenso von einer immer fester werdenden, verehrungsvollen Freundschaft
für Schleiermacher zeugen zahlreiche Briefe. Von Lachmanns wissenschaftlichen
Arbeiten und Ansichten handeln vorwiegend drei Briefe an B. G. Niebuhr, die W.
denen an Klenze beifügt; ein Schreiben an Simrock endlich enthält Worte aufrichtigen
Lobes für dessen Dichtung „Wieland der Schmied". — Frisch und spannend erzählt
der Aegyptologe Heinrich Brugsch76) die Geschichte seines Lebens. Von
litterarisch bedeutenden Persönlichkeiten fühlt er sich namentlich A. von Hum-
boldt verpflichtet, der ihm in gewissem Sinne den Weg erst bahnte- zu allem, was
er später geworden ist. Freundschaftlich verkehrte Humboldt bis an seinen Tod mit
dem jungen Forscher. Unter den wenigen neuen Einzelheiten, die B. von ihm berichtet,
befindet sich eine (nicht recht glaubliche) Anekdote, die Humboldt von einem
dilettantischen Theaterversuch Schillers in Rudolstadt erzählte. Nach Humboldt wurde
besonders Fürst Pückler ein Gönner des Vf. Von jüngeren Dichtern, mit denen
Brugsch auf Lebenszeit befreundet oder nur vorübergehend bekannt wurde, nennt
er Bodenstedt, Heyse, Geibel, Fontane. Charakteristisch sind seine Mitteilungen über
Luise Mühlbach, die zweimal nach einander mehrere Monate in Kairo auf Kosten des
Vicekönigs lebte, um dann ein banales, ganz wertloses Buch über Aegypten zu
schreiben. —
Zu den Theologen leitet ein inhaltreicher Vortrag von Bezold77) über, der
die Anfänge der Selbstbiographie beleuchtet. Nach dürftigen Ansätzen bei antiken
Schriftstellern, die aber zur Darstellung ihrer inneren Entwicklung, der eigentlichen
Hauptaufgabe der Selbstbiographie, nicht wohl gelangten, und ebenso in den ältesten
christlichen Romanen erschien das erste Meisterwerk der Selbstschilderung in den
„Confessiones" des heiligen Augustinus. Einen weiteren Versuch machte nach langer
Pause im zehnten Jh. der Mönch Ratherius, dessen rücksichtslose Zergliederung
seines Charakters und seiner Schicksale doch schon der Form nach keine wirkliche
Selbstbiographie ist. Ihm folgte der bayerische Mönch Otloh, der in seinem
stürmischen Inneren den ganzen Jammer des Mönchtums durchmachte und diese
Geschichte seelischer Selbstpeinigungen und überirdischer Eingriffe wiederholt in
Versen und in Prosa darstellte. Eine bewusste Nachahmung des von Otloh vielleicht
nicht gekannten Augustinus, auch in stilistischer Hinsicht, versuchte der französische
Abt Guibert von Nogent (gest. 1124); bei ihm mischen sich schon weltliche An-
schauungen und Tendenzen mit der rücksichtslosen mönchischen Askese. Mächtig
über die mönchische Einseitigkeit seines Zeitalters wächst aber Peter Abälard
(gest. 1142) in seiner „Historia calamitatum" empor, kein grosser Mensch, aber ein
Aristokrat des Geistes, um den bereits eine Ahnung von humanistischer Luft weht.
Dazu kommen die Ansätze zur Selbstbiographie in den Schriften von visionären
Frauen wie Hildegard von Bingen und Elisabeth von Schönau, ferner bei den
deutschen Mystikern, so bei Suso, dessen Lebenserinnerungen seine geistliche Tochter
Elsbeth Stagel aufschrieb, bei Heinrich von Nördlingen und Rulman Merswin. Endlich
tritt auch die Selbstbiographie aus der ausschliesslich religiösen Zeit in eine neue
Epoche mit Dantes „Vita nuova" und Petrarcas Epistel an die Nachwelt. — Mitten
in den kritisch-ästhetischen Kampf um die Mitte des vorigen Jh. führen die von
Bächtold78) veröffentlichten neun Briefe des Zürichers Joh. Georg Schulthess
(1724 — 1804) oder Schuldheiss, wie er sich selbst meistens unterschreibt, an Bodmer
aus den J. 1749 — 52, sicherlich nur ein geringer Teil der Briefe, die der junge
Theologe während seiner Bildungsreise nach Norddeutschland 1749—50 und während
— 76) H. Brugsch, Mein Leben u. mein Wandern. B., Allg. Ver. für dtsch. Litt. VI, 396 S. M. 6,00. |[K. v. Thfaler]:
NFPr. N. 10680; M. Hertz: SchlZg. N. 807, 840; KonsMschr. S. 885/6; Fran 1, S. 626.] 1 (Vgl. JBL 1893 IV lc: 132.) -
77) F. v. Beznld, Uober d. Anfänge d. Selbstbiogr. u. ihre Entwicklung im MA. Prorektoratsrede. Erlangen (Th. Blaesing).
1893. 4°. 24 S. M. 0,80. — 78) J Bächtold, Briefe v. J. G. Schulthess an Bodmer: ZürcherTb. 17, S. 1-46. —
F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw. IV lc : 78-79
der nächsten Schweizer Jahre, bis er 1752 Pfarrer zu Stettfurt im Thurgau (später
zu Mönchaltorf) wurde, an den Altmeister der Züricher Litteratur schrieb. Schuldheiss
zeigt sich in diesen Briefen als liebenswürdiger Charakter, zugleich als aufmerksamer,
mitunter scharfsichtiger Beobachter. Fleissig berichtet er über die litterarischen
Persönlichkeiten, die er unterwegs aufsuchte. Er klagt, dass er in Dresden trotz
aller Bemühungen weder Rost noch Liscow habe kennen lernen, schildert Gellerts
sittsam stilles, doch „mit Scherz und Satire haushälterisch untermischtes" Wesen,
Rabeners „lebhaften, heiteren und liebreichen Charakter", verschweigt auch nicht die
Bedenken der Beiden über Klopstocks „Messias", der ihrer Meinung nach zu frühe
für den noch ungebildeten Geschmack der Deutschen erschienen .ist. Ernesti rühmt
ihm das Klopstocksche Epos, Christ will von deutschen Dichtungen nichts hören.
Klopstocks Vetter Joh. Chr. Schmidt (von B. mit Konrad Arnold Schmid verwechselt)
bekennt dem Züricher Gaste schon, dass das von ihm geplante Gedicht vom Welt-
gericht seine Kräfte übersteige. Pastor Lange in Laublingen steigert die Erwartungen
auf seine Uebersetzung des Horaz ungemein hoch, da er dem ihn besuchenden
Schuldheiss versichert, jeder Gedanke, jede Wendung, jeder noch so kleine Zug des
Originals solle in seiner ganzen Stärke, Ebenmass, Schwung und Geschmeidigkeit
wiedergegeben werden. Aber nicht erst einige Wochen später, als Schuldheiss mit
Ramler und dessen horazischen Studien näher bekannt wird, zweifelt er an der
Zuverlässigkeit dieser Verheissungen Langes; von allem Anfang an scheint ihn die
Zuversichtlich keit des Laubimger Pastors, der sich mit allerlei Plänen trug (zu einem
Epos „Moses", einem komischen Heldengedicht „Die Kirchenmusik", einer Universal-
satire „Das Gespenst" usw.), bedenklich gestimmt zu haben. In Crellwitz besucht
er Cramer, dessen £>uchtbarkeit er bewundert, und Adolf Schlegel, den er als treff-
lichen Recitator und. liebenswürdigen Gesellschafter, endlich als „Poeten von ganzem
Herzen, von ganzer Seele" rühmt. Bodmers strenge Kritik des „Schutzgeistes" führt
zu einem langen Disput zwischen Schuldheiss und den beiden Freunden. In Berlin
findet der junge Schweizer Gelegenheit, Ramler, „Kleists und Gleims bevollmächtigten
Kritikus", bei seiner Putz- und Vermehrungsarbeit am „Frühling" zu beobachten.
Auch auf Lessings Schriften wird er aufmerksam, doch nicht auf ihn selbst; so er-
kundigt er sich bei Bodmer nach dem Namen des Vf. der anonym von Lessing und
Mylius herausgegebenen „Theatralischen Beiträge". Verkleinernde Anekdoten erzählt
er von Gottsched, besonders von seiner Wiener Reise. Als höchstes Ziel der eigenen
Wanderfahrt betrachtet Schuldheiss die persönliche Bekanntschaft Klopstocks und
und nähere Einsicht in sein Epos. Endlich wird ihm beim Besuche Gleims in
Halberstadt dieser Wunsch erfüllt (Frühling 1750); bald darauf trifft er wieder in
Braunschweig mit Klopstock zusammen, und endlich tritt er mit ihm und Sulzer
gemeinsam im Sommer 1750 die Rückreise nach Zürich an, um auch hier zu den treu
ausharrenden Freunden des Messiasdichters (in seinem Zwiste mit Bodmer) zu ge-
hören. Neben den persönlichen Nachrichten über die norddeutschen Schriftsteller
finden sich in den Briefen von Schuldheiss auch mannigfache Mitteilungen über
reimlose oder gereimte Poesie, über Gedichte der Anhänger Bodmers und Klopstocks,
über die von Sulzer und Ramler herausgegebenen „Kritischen Nachrichten" und
namentlich über den von Schuldheiss und Sulzer besorgten Druck der ersten Gesänge
des „Noah" und ihre Aufnahme bei Freund und Feind. — Weniger unmittelbar
greift in die Geschichte der deutschen Dichtung der nunmehr von Funck79) möglichst
vollständig veröffentlichte Briefwechsel zwischen Hamann und Lavater ein. Desto
überzeugender tritt uns aus dieser Korrespondenz die innere Verwandtschaft der
beiden Briefsteller, namentlich auch das stürmerische Element in Lavaters Wesen
entgegen. Auch sein unvergleichlich geschäftiges Leben stellt sich uns in der
brieflichen Schilderung höchst anschaulich dar. Lavaters und Hamanns Schriften
werden der Reihe nach, meistens kurz, besprochen, besonders Lavaters „Pontius
Pilatus" und „Jesus Messias", dessen dritten Band der Vf. selbst seine süsseste
Arbeit auf Erden nennt, und Hamanns „Golgatha und Scheblimini". Auch auf
Kants Werke, an deren Lektüre Lavater zögernd herangeht, und Hamanns vorläufig
noch un gedruckte Gegenschrift deuten verschiedene Briefe hin. 1784 berichtet der
Magus im Norden vom Studium Spinozas, wobei ihm „die exemplarische Massigkeit,
Enthaltsamkeit, Emsigkeit und Genügsamkeit dieses ausserordentlichen Mannes"
einen lebhaften Eindruck machte. Später weist er den Freund auf F. H. Jacobis
Schrift über Spinoza hin. Dass er sich wiederholt als litterarischen Gegner Mendels-
sohns fühlt, hindert ihn keineswegs, sein freundschaftliches Empfinden für diesen
als Menschen mehrfach aufrichtig zu versichern, und Lavater nimmt dem jüdischen
Philosophen gegenüber eine ähnliche Stellung ein. Sonst erwähnen Hamanns Briefe
gelegentlich Hippel, doch nur als persönlichen Freund des Vf., nicht als Schriftsteller,
79) H. Funck, Briefw. zwischen Hamann u. Lavater: AltprMschr. 31, S. 95-147. IfBLChrSchw. 2t, S. S2.]| (Auch im Sonder-
Jahre «berichte für neuere deutsche Litteraturgeschiohte. V. (4)14
IV lc: so-90 F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw.
und besonders Herder, von dem sich Hamann auch in allen seinen Schwachheiten
gekannt weiss. Mit Bedauern über so manche Lücke liest der Königsberger Todfeind
der platten Aufklärung Lessings theologischen Nachlass, mit immer steigender
Rührung zweimal Jung-Stillings Jugendgeschichte.80"81) — Einige von streng
konservativem, fast reaktionärem Geiste zeugende Briefe des evangelischen Bischofs
Rulemann Friedr. Eylert82) an seinen ehemaligen Lehrer, den in den „Xenienu ver-
spotteten Kantianer L. H. Jakob, aus den J. 1818 — 19 sind für die Literatur-
geschichte nahezu ergebnislos.83) — Für sie liefern auch Thikötters84) „Jugend-
erinnerungen" nur wenig Ausbeute, sonst ein vortreffliches Buch, das die edle,
liebenswürdige Humanität und Toleranz seines Vf. Seite für Seite bekundet und
durch die Milde der Gesinnung ebenso wie durch die anschauliche Frische der Dar-
stellung den Leser gewinnt. Aus seinen Kinderjahren teilt Th., dessen eigener
poetischer Sinn am Studium deutscher und antiker Dichter, besonders auch an der
reichen Litteratur deutscher Volkslieder sich bildete, mehrere Kinderreime und alte
volkstümliche Strophen mit, die bei gewissen Gebräuchen und Gelegenheiten in
seinem heimatlichen Wupperthale gesungen wurden. Bei der Schilderung seiner
Studentenjahre in Bonn charakterisiert er ausführlich seine Universitätslehrer, neben
den Theologen auch den alten Arndt, bei dem er vergleichende Völkergeschichte
Europas hörte. Weniger der wissenschaftliche Gehalt als der persönliche Reiz, der
in dieser Vorlesung oder richtiger Erzählung des greisen Dichters lag, fesselte die
Zuhörer. „Gerade das Selbsterlebte und Geschaute war das Interessante, besonders
die Charakteristik der europäischen Völker- und Stammestypen." Dann und wann
flicht Th. eigene Gedichte seiner Darstellung ein; am Schlüsse fügt- er eine hübsche
Anzahl lateinischer und deutscher Hymnen und Gelegenheitsgedichte, namentlich auf
Bismarck, bei. — Eine ebenso liebenswürdige Gabe bietet Fromme l85"86) mit einer
neuen Sammlung gut erzählter frommer Novellen und anschaulicher Schilderungen
aus seinem Berufsleben; besonderen Reiz und Wert haben darunter die Erinnerungen
an Kaiser Wilhelm I. während seines alljährlichen Aufenthaltes in Gastein. Für die
litterargeschichtliche Forschung kommt in'-dem hübschen Buche höchstens ein Nachruf
auf Karl Gerok in Betracht. — Ein derberes, volkstümlich-humoristisches Gepräge
zeigen die nunmehr in vermehrter Auflage erschienenen Erzählungen des katholischen
Geistlichen Hansjakob87) aus seiner Gymnasiasten-, Studenten- und Examinanden zeit
in Rastatt, Freiburg i. B. und Karlsruhe, eine frische, gesunde und erfreuliche
Lektüre, wenn auch einzelne Bemerkungen des Vf. den Widerspruch des Lesers
herauszufordern geeignet sind. Von Beziehungen zur neueren deutschen Litteratur
berichtet H. aus jenen Jugendjahren nichts; gelegentlich bezeichnet er Eichendorff
als den ihm sympathischesten deutschen Lyriker. Mehrmals beruft er sich auf Schopen-
hauer, den „scharfsinnigsten und geistreichsten unserer neueren Philosophen", den
einzigen, dessen gründlichem Studium er sich mit Eifer und Liebe zuwandte.87 a) —
Unter den deutschen Naturforschern hat G. Forster wieder durch
Leitzmanns88-89) Verdienst sorgfältige Beachtung in litterargeschichtlichen Kreisen ge-
funden. Von seinen Briefen an Christian Gottlob Heyne ist eine weitere stattliche
Anzahl (aus den J. 1785 — 90) silbengetreu veröffentlicht worden. Ungemein wichtig
für die genaue Kenntnis von Forsters Leben und Wirken, namentlich reich an Auf-
schlüssen über seinen Charakter und seine häuslichen Verhältnisse, enthalten diese
Briefe doch für die eigentliche Litteraturgeschichte ausser vereinzelten, unbedeutenden
Erwähnungen Knigges, Zimmermanns, Lichtenbergs, Kants, W. von Humboldts,
Ifflands und anderer Autoren so viel wie nichts. — Von Forsters grösstem Schüler,
A. von Humboldt, teilt von Trost90) zehn Briefe an König Maximilian II. aus den
J. 1846 — 59 nach den Originalen im kgl. bayerischen Hausarchive mit. Maximilian
wurde schon 1830 bei einem Besuche in Potsdam mit Humboldt bekannt. Der
Wissensdurst des bayerischen Kronprinzen fand stets Befriedigung, sein edler Wille
abdr. erschienen: Königsberg, Druck v. R. Leopold, 53 Seiten; nicht im Handel.) — 80) O X^T^a' is> Jong-Stilling in
Basel verboten. Kirchengesch. Mitteil.: BaslerJb. 14, S. 79-105. — 81) O X Otto Gerland, Aus d. Tagebuch e. hess. Feld-
predigers im amerik. Krieg: Hessenland S. 726, 87-91. — 82) Briefe vom Bischof Eylert: DWB1. S. 453/5. — 83) X K-
v. Hase, Ideale u. Irrtümer. Jugenderinnerungen. 5. Abdr. Mit 1 Bild. L., Breitkopf & Härtel. IX, 230 S. M. 4,00. —
84) [Jul. Thikötter], Jugenderinnerungen e. dtsch. Theologen. Bremen, Hainsius Nachf. VI, 278 S. M. 4,00. |[H. Holtz-
mann: DLZ. S. 1274/5; G. Kr.: LCB1. S. 1483/4; 0. Henke: WeserZg. N. 17035 (sehr lobend); J. Meinhol d: ThLBl. 17,
S. 243; O. Veeck: DPB1. 27, S. 232; F. Kattenbusoh: DEB11. 19, S. 7005; Grenzb. 4, S. 590/l.]| - 85) E. Frommel,
Nachtschmetterlinge. Mit d. Bild. d. Vf. (= Ges. Schriften. Erzählungen für d. Volk, Aufsätze u. Vortrr. mannigfachen
Inhalts in e. fortlaufenden Reihe v. Bändchen. Bd. 10.) B., Wiegandt & Grieben. X, 226 S. M 2,50. (Bis 1895 in 3 Aufl.
erschienen.) — 86) X J- Hans, id., Aus Lenz u. Herbst (JBL 1893 IV lc:108): ThLZ. 19, S. 355 (lobend). — 87) H. Hans-
jakob, Aus meiner Studienzeit. Erinnerungen. 2. verb. u. verm. Aufl. Heidelberg, Weiss. VII, 326 S. M. 3,60. |[Stuhlen:
COIRW. 22, S. 257.1| — 87a) XW»tdlullJM d' Ioh im Zeitstrome (Lebenserinnerungen): Grenzb. 3, S. 318-28, 350-61, 405-15;
4, S. 366-73, 494-504. (Litterargesch. unergiebig; behandelt d. Jugendzeit e. spät. kath. Geistl. aus Schlesien.) —88) X-^. Leitz-
mann, Ungedr. Briefe G. Forsters. IV. An Chrn. G. Heyne. 2. T. 1785-90: ASNS. 92, S.241-304. (Forts, zu JBL. 1893 IV1 c : 115.) —
89) X id'. Briefe u. Tagebücher G. Forsters (TBL. 1893 IV lc : 114). |rR. Fürst: Euph. 1, S. 400/3 (sachkundig); A. Chuquet:
RCr. 37, S. 289-90.] | — 90) L. v. Trost, Briefe Alex. v. Humboldt an König Maximilian II.: NPPr. N. 10795/6. — 91) XEGer"
F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw. IV lc : 9i-9ä
und sein hohes Streben vollste Anerkennung" bei dem universellen Gelehrten, und
Humboldts geistvolle Pflege der Naturwissenschaften, ihre Durchdringung- und Ver-
bindung mit einem ästhetisch-poetischen Elemente, war hinwiederum dem jungen
Prinzen höchst sympathisch. So regte er einen Briefwechsel an, in welchem gelegentlich
zwar auch politische Fragen gestreift, hauptsächlich aber die Unterstützung der
Wissenschaften in Bayern und die Förderung würdiger Gelehrter und Künstler er-
örtert wurden. Die liebenswürdige, den glänzen Umkreis der Wissenschaften stets im
Auge behaltende und für ihre gedeihliche Entwicklung emsig besorgte Persönlichkeit
Humboldts offenbart sich auch in diesen Briefen. Unter den von ihm Empfohlenen
ist auch Johannes Minckwitz, von ihm wiederholt als Uebersetzer aus dem klassischen
Altertum, als rhythmischer Künstler überschwenglich gepriesen. Die Sammlung von
Sonetten seines Bruders Wilhelm überreicht Humboldt 1853 dem Könige mit der
Bemerkung, diese Sonette hätten zwar nicht die Reinheit der Sprache und Vollendung
der Form wie Wilhelms Uebersetzungen aus Pindar und Aeschylos, seien aber desto
merkwürdiger durch den Inhalt, durch den Reichtum aus der Welt der Gedanken
und der Gefühle; sie flössen aus derselben Quelle wie die „Briefe an eine
Freundin".fll_92a) — Zwei schöne Briefe A. von Humboldts voll hoher Anerkennung
der physiologischen Verdienste Jakob Moleschotts sind in den von Elsa Moleschott93)
herausgegebenen „Lebenserinnerungen" ihres Vaters mitgeteilt. Es ist ein liebens-
würdiges, inhalt- und lehrreiches Buch, auch für den Literarhistoriker anregend auf
Schritt und Tritt, da Möleschott von frühester Jug-end an regen Sinn für Poesie
besass und zeitlebens viel und innig mit Dichtern und Künstlern verkehrte.
Aus Holland gebürtig, las er als kleiner Knabe zunächst die Kindergedichte
des Hieronymus van Alphen, denen er noch in seiner Selbstbiographie eine
feinsinnige Charakteristik widmet, dann in etwas reiferem Alter andere holländische,
bald aber auch französische, deutsche, englische und antik-klassische Dichter. Und
zwar wurde sein Blick auf die wirklich grossen Autoren der verschiedenen Völker
und durch einen günstigen Zufall so gelenkt, dass sich der Genuss des litterarischen
Studiums bei ihm stets steigerte. Er wurde zuerst mit Corneille und Racine, hernach
erst mit Schiller und Goethe und noch später mit Shakespeare bekannt; sie alle aber
las er in der Originalsprache. Besonders auf dem Gymnasium zu Kleve, wo er antike
Autoren gründlich kennen und für die Dauer seines Lebens begeistert lieben lernte,
vertiefte er sich in diese Lektüre. Namentlich rühmt er die Vorzüge der „Braut von
Korinth", in der er die vollendetste Ballade der Welt erblickt. Ungemein tiefen Ein-
druck machte ihm die erste Bekanntschaft mit Shakespeare; in den Geist des englischen
Dramatikers Hess er sich durch keinen Geringeren als Goethe einführen. Die emsige,
gründliche Beschäftigung mit deutschen und fremden Dichtern pflegte er aber auch
als Student zu Heidelberg und während seines ganzen folgenden Lebens ununter-
brochen. Wissenschaftliche, besonders philosophische Studien traten bald dazu.
Hegel, dann Vischer und D. F. Strauss, die er beide 1842 auch persönlich kennen
lernte, später namentlich Georg Forster, auf den er durch Gervinus aufmerksam wurde,
um ihm, dem „Naturforscher des Volkes", für immer ein treuer, dankbarer Bewunderer
zu bleiben, und Ludwig Feuerbach, dessen religionsphilosophische Anschauungen er
sich vollständig aneignete, verteidigte und nach mancher Seite hin weiter auszuführen
strebte, wurden ihm Lieblingsschriftsteller, bei denen er Anregung, auch Trost und
Erbauung in schweren Stunden suchte. Er selbst nennt als die Geister, denen er
„für mittelbar und unmittelbar erwiesenen Einfluss" besonders dankbar sein müsse,
neben mehreren speciellen Fachgenossen Goethe, Beethoven, Spinoza, Forster, L. Feuer-
bach, den charakterfesten F. Ch. Schlosser und Hettner. Zu dem Historiker Schlosser
wurde Moleschott in Heidelberg durch Carriere geführt, der sich freundlich des
Jünglings annahm. Auch mit dem damaligen Privatdocenten Heinrich Bernhard
Oppenheim machte ihn Carriere bekannt; Oppenheim aber wies ihn u. a. auf
die Schriften Bettinas von Arnim hin, deren unklare Ueberschwenglichkeit und doch
zugleich herzlich wohlthuende Gefühlsseligkeit die Selbstbiographie Moleschotts hübsch
charakterisiert. Hettner lernte der Vf. erst später kennen, als sie sich bereits beide
an der Heidelberger Hochschule habilitiert hatten. Durch Hettner wurde sein Sinn
für bildende Kunst geläutert, durch ihn wurde er auf die Werke Heinses verwiesen,
durch ihn wurde er persönlich mit Auerbach, den er freilich schon von seiner
Studentenzeit her kannte, mit A. Meissner und G. Keller zusammengeführt. In die
Heidelberger Docentenzeit fiel auch Moleschotts Verheiratung mit der dichterisch be-
gabten Sophie Strecker aus Mainz (1849), die sich hernach vornehmlich als Ueber-
setzerin aus dem Französischen, Englischen und Italienischen mit Glück versuchte;
land, Just. Carriere, Berzelius u. Liel)ig (JBL. 1S93 IV lc:117): DLZ. S. 342. — 92) X w- T- Siemens, Lebenserinnerungen.
4. Aufl. (Wohlf. Volksausg.) Mit d. Bild. d. Vf. in Kupferätzung. B., Springer. 298 S. M. 2,00. (Vgl. JBL. 1393 IV lc: 119.)
— 92a) X id-. Personal recollections (vgl. JBL. 1S93 IV lc:120): Ath. 1, S. 151. — 93) Elsa Moleschott, J. Moleschott,
Für nieine Freunde. Lebenserinnerungen. Giessen, Roth. III, 326 S. M. 6,50. |[m. k.: FrBlw. N. 347 (begeistert lobend).]|
(4)14
IV lc: 93-06 F. Muncker, Allgemeines des 18./19. Jahrhunderts: Memoiren usw.
einige Gelegenheitsgedichte von ihr teilt die Selbstbiographie mit. In dem jungen
Hauswesen war 1853 vor allem Wilhelmine Schröder- Devrient ein gern gesehener
Gast. Moleschott schildert kurz und- schön die Vortrefflichkeit ihres Spiels und
Gesangs, ebenso das klassisch ergreifende, durchaus massvolle und edle Spiel der
Rachel, ausführlicher die Leistungen Dawisons auf der Bühne (besonders als Mephisto-
pheles und Hamlet). In Zürich, wohin Moleschott 1856 berufen wurde, schloss er
namentlich mit G. Semper, der ihm nach seinem eigenen Bekenntnis immer Ehrfurcht
einflösste, ihn immer „beseelte und begeisterte", und mit Herwegh Freundschaft.
An dem Dichter rühmt er die geistige Vielseitigkeit, die jedoch keineswegs mit Ober-
flächlichkeit des Wissens verbunden gewesen sei, ferner die Freiheit von „Fach-
schranken", die beständige Vermittlung zwischen Kunst und Wissenschaft, die Gabe
einer geistreich anregenden Unterhaltung, in der er aber jede störende oder gar ver-
letzende Heftigkeit rechtzeitig zu dämpfen wusste. Mit hoher Verehrung spricht der
Vf. von Liszt, den er gleichfalls in Zürich kennen lernte, und von G. Keller, in dem
er den Menschen noch höher schätzt als den Dichter. Er betont, dass bei Keller die
Wahrheit über die Dichtung überwog, mitunter bis zur Trockenheit. Am meisten
befriedigen ihn Kellers lyrische Jugendergüsse. „Später schlägt ihm oft der Zweifel
in den Nacken. Der Kunstrichter passt immer dem Künstler auf urfd verhindert ihn,
ein Kunstwerk ruhig mit künstlerischer Unmittelbarkeit abzuspinnen, und deshalb
ist mit wenigen Ausnahmen der Anfang seiner Erzählungen das Schönste." Unter
diese Ausnahmen rechnet Moleschott vor allem die auch ' von ihm hochgerühmte
Erzählung „Romeo und Julia auf dem Dorfe", auf deren Schluss er sich, wie es
scheint, missverständlicher Weise einen gewissen Einfluss zuschreibt.- Auch mit zahl-
reichen anderen Schriftstellern wurde der Vf. in Zürich bekannt, so mit Varnhagen,
den ihm Keller zuführte, mit Adolf Stahr und Fanny Lewald, mit G. H. Lewes und
George Eliot, mit Fr. de Sanctis, dem er neben Frau Herwegh vor allem seine Kennt-
nisse in der italienischen Litteratur verdankte. Ihnen allen und vielen anderen, mit
denen sich nur flüchtige Berührungen ergaben, spendet er ein kurzes, fast immer
liebevolles Wort. Kurz vor der Berufung Moleschotts nach Italien (1861) bricht das
schöne, reiche Buch ab. —
Aus den Memoiren von Journalisten, die hier in Betracht kommen, zieht
die Kulturgeschichte, auch die politisch-historische Forschung grösseren Nutzen als
die Literaturgeschichte im engeren Sinne. Die Aufzeichnungen aus dem Leben eines
Wiener Journalisten94), vorläufig bis 1868 reichend, sind aufschlussreich für die
innere Geschichte Oesterreichs und enthalten manchen Beitrag zur Charakteristik der
Persönlichkeiten, die leitend in diese innere Entwicklung des Staatswesens eingriffen.
Auch zur Geschichte der Wiener Presse, die noch unter dem Ministerium Schmerling
1862 — 64 gewissen Verfolgungen ausgesetzt war, bringen die anonymen Memoiren
manches Beachtenswerte bei. Von dichterisch thätigen Autoren wird Hackländer, dem
der Vf. 1848 als Berichterstatter für ein Wiener Blatt vom italienischen Kriegsschau-
platz begegnete , erwähnt und wegen seines liebenswürdigen Entgegenkommens
gerühmt. — Ebenso bieten die Memoiren des langjährigen Chefredakteurs der St. Peters-
burger deutschen Zeitung, Friedrich Meyer von Waldeck95), sehr viel Interessantes
und Belehrendes über Russlands politisch-sociale Entwicklung von etwa 1852—80,
u. a. auch in einem Nekrolog auf den 1877 verstorbenen russischen Dichter Nikolai
Alexejewitsch Nekrassow einen schätzenswerten Beitrag zur russischen Litteratur-
geschichte. Die Geschichte der deutschen Dichtung wird darin nirgends gestreift. —
Geraume Zeit auch als Redakteur, ausserdem aber noch in so vielen anderen
Stellungen, dass man ihn den ihrem Berufe nach unbestimmten Verfassern
beizählen darf, wirkte der Italiener Giuseppe Acerbi( 1773 — 1846), dessen Aufzeichnungen
über Klopstock, aus Hamburger Besuchen vor und nach einer Nordlandsreise im Aug.
1798 und im Nov. und Dec. 1800 stammend, erst jetzt und zwar in deutscher Ueber-
tragung veröffentlicht wurden96). WTas Acerbi über Klopstocks Aeusseres, über sein
Benehmen, seine Selbstgefälligkeit bemerkt, auch was er von den Ansichten des greisen
Dichters über deutsche Metrik, über den Vorzug Homers vor Vergil, über die Dar-
stellung der Leidenschaften mitteilt, ist in der Hauptsache schon anderweitig bekannt,
wenngleich meistens auch hier neu und glücklich gefasst. Dankenswert sind mehrere
Angaben über Klopstocks Einfluss auf die italienische Litteratur, besonders auf V.Monti.
Auch der deutsche Dichter war, als Acerbi ihn besuchte, kein Fremdling mehr in
italienischer Sprache und Dichtung. Er bewies das namentlich, indem er zusammen
mit seinem Gaste Abschnitte des „Messias" las und mit Zignos italienischer Ueber-
setzung verglich. Manche sprachlich und ästhetisch bedeutsame Bemerkung über
seine Dichtung wusste er an diese Lektüre zu knüpfen. Rückhaltlos scharf sprach
— 94) Dreissig J. aus d. Leben e. Journalisten. Erinnerungen u. Aufzeichnungen von *„*. I. Bd. Wien, Holder. V, 283 S.
M. 4,00. |[J. A. v. Helfert: ÖLB1. 3, S. 681/2 (sehr lobend).]| - 95) F. Meyer v. Waldeck, Unter d. russ. Scepter. Aus
d. Erinnerungen e. dtsch. Publizisten. Heidelborg, Winter. VI11, 313 S. M. 7,00. |[-n-: LC151. S. 630,1 ]| — 96) Aus Klop-
A d. Stern, Allgemeines d.l8./19. Jh.: Die dtsch.Litteraturu.d. Ausland. IVlc:96-io3 IVld.i
er sich gegen Acerbi über andere deutsche Dichter aus, sehr zutreffend über Gessner,
Voss, Jean Paul und noch einige Autoren zweiten Ranges. Ebenso anerkennenswert
ist sein Urteil über Voltaire. Unter seinen Nebenbuhlern auf dem deutschen Parnasse
stellte er Wieland am höchsten, im ganzen entschieden über Goethe. Zwar fand er
Goethe „mehr gemacht für die grossen Leidenschaften", die er indessen manchmal
verfehle, und Wieland nur für die Leidenschaften zweiter Ordnung begabt; diese aber
behandle er mit angeborener Leichtigkeit, und auch in seinen scherzhaften Epen wisse
er sich bisweilen zur Höhe des ernsten heroischen Stils zu erheben. Klopstock
rühmte Wielands fruchtbare Phantasie, seine blühende Ausdrucksweise; er fand ihn
gleich massiger und in der Sprache gefälliger und geschickter als Goethe. Sogar
seine Weitschweifigkeit schien ihm durch die Anmut seiner Darstellung entschuldigt.
Nur seine Uebersetzungen aus Horaz verurteilte er vollständig im Hinblick auf seine
eigenen, nach ganz anderen Grundsätzen unternommenen Verdeutschungs versuche.
Dagegen sah er im „Aristipp" ein Meisterwerk, lobte den „Agathon", zog aber den
„Diogenes" allen anderen Romanen und den „Oberon" den übrigen heroisch-komischen
Dichtungen Wielands vor. Goethes bestes Werk schien ihm der „Werther" zu sein.
Die „Laune des Verliebten" dünkte ihn „ganz und gar miserabel", die Elegien voller
noch schlimmerer Sünden wider die Sprache. In der „Iphigenie" sah er nur eine
oft gesuchte und sprachlich gezwungene, im ganzen ungriechische Nachahmung der
antiken Tragödie; den „Tasso" fand er sehr ungleich trotz vieler einzelner Schönheiten;
in den „Propyläen" entdeckte er nur ganz gewöhnliche Sachen und abgedroschene
Gedanken. Noch bitterer urteilte er über Schiller. Ihn fand er so ungleich, oft klein
und platt, geschmacklos, trivial, eingebildet und anmassend, dass er nichts mehr von
ihm zu lesen versicherte. Am meisten tadelte er das „Lied an die Freude" und die
Vergilübersetzung in Stanzen. Die „Räuber" nannte er „schlecht, ohne Plan, ohne
Führung"; auch im „Don Carlos" vermisste er den festen Zusammenhang und klaren
Aufbau; besser gemacht schien ihm der „Fiesco" als Ganzes, obgleich er nicht so
viele starke Stellen darin bemerkte wie im „Don Carlos". — Einige andere Memoiren-
werke, deren Wert, wie es scheint, hauptsächlich in kulturgeschichtlichen Schilderungen
beruht, blieben mir unzugänglich97-103). —
d) Die deutsche Litteratur und das Ausland.
Adolf Stern.
Allgemeines N. 1. — Frankreich: Deutsche Litteratur in Frankreich: Allgemeines N. 2; Gesamt'
darstellnng N. 3; Essays N. 4; Kotzebue, Platen, G. Hauptmann N. 5. — Französische Litteratur in Deutschland: Allgemeines
N. 10: einzelne Gestalten: J. ChapelainN. 13; Moliere N. 14; Kant und J. J. Rousseau, ~A. Ohenier, Frau von Stael N. 17; Lecomte
de Lisle, Krieg von 1870—71 N. 20. — England (englische Litteratur in Deutschland): Shakespeare: Hamlet N. 22; Timon
von Athen, Coriolan N. 30; Troilus und Cressida, Julius Caesar, Falstaff, „Shakespeares düstere Periode" N. 33; Frauen-
gestalten N. 37; poetischer Ausdruck (Wortspiel, Tagelied, Beteuerungen) N. 38; Schreibweise des Namens N. 41 ; Shakespeare-
schriften N. 42; Shakespeare-Bacon-Streit N. 49. — Percy, Milton und Klopstock, Elizabeth Bowe N. 58; W. Wicherley
und Chr. F. Weisse, Goldsmith, H. Fielding N. 61. — Spanien: Grillparzer und Lope de Vega N. 64. — Niederlande:
Vlämische Litteratur N. 65; Holland N. 66. — Slavische Litteraturen: Bussland N. 68; Böhmen N. 70; Bulgarien
N. 72. — Ungarn N. 73. — L i t au en N. 74. —
Die Möglichkeit einer wirklich vollständigen und erschöpfenden Uebersicht
aller Beziehungen der deutschen Litteratur zum Auslande verringert sich — das möchte
ich im allgemeinen hier bemerken — trotz des gesteigerten Verkehrs und der ver-
mannigfachten äusseren Hülfsmittel, von Jahr zu Jahr. Lässt sich die ebenso in die
Breite als in die Tiefe gehende deutsche Thätigkeit für Kenntnis und Erkenntnis
fremder Litteratur, die Masse dessen, was auf diesem Felde ausgegraben, zu Tag
gefördert, erläutert und verglichen wird, noch einigermassen überschauen, so steht
es schon anders mit dem, was im Ausland — man darf jetzt sagen in allen euro-
päischen Litteraturen — jahraus jahrein für Erfassung und Ergründung deutscher
Dichtung und deutscher Literaturwissenschaft geschieht. Und doch würde die voll-
ständige Kenntnisnahme auch von diesen Bestrebungen immer noch leichter möglich
Stocks letzten Jahren. Aufzeichnungen e. Italieners: DBs. 79, S. 55-73. — 97) O X F- ?- Stenglin, Briefe aus d. Franzosen-
zeit: VossZgB. N. 40. — 98) OX Joh. Jacobus, Humorist. Memoiren e. alten Frankfurters. 2. Aufl. Frankfurt a. M., Baist.
269 S. M. 2,40. |[E.: DidasV. N. 296 (ruhrat d. Buch als vortreffl., kulturgesch. u. mundartl. wertvolle Schilderung Frankfurts
etwa in d. J. 1S30— 66).]| — 99) O X Vor 50 J. Aus d. Erinnerungen e. alten Dresdners (Mor. Heger). Mit e. Lebensbild
d. Vf. 1. Heft. Dresden, Höckner. IV, 115 S. M. 1,00. (Aus d. Dresdner Nachr. abgedr.) — 100) O X B. Roy, Kind,
Jüngling, Mann. Selbsterlebtes aus Kriegs- u. Friedenszeiten (1840—71). In kleinen Kulturbildern für Jung u. Alt gesch.
B., Liebel. XVI, 363 S. M. 3,50. — 101) O X °- Schulenburg, Aus d. Tageb. e. alten Burschenschafters: BurschenschBll. 8,
S. 285-95. — 102) O X E- i'ltes livländ. Tageb.: BaltMschr. 41, S. 129-33. — 103) OX Briefe d. Baronesse Edith v. Bahden
an G. Berkholz aus Italien u. Deutschland: ib. S. 14-34, 105-21. —
IVld:i-ia Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jh.: Die deutsche Litteratur und das Ausland.
sein, als die Einsieht in die Hauptsache: in die halb unsichtbaren, unablässigen Ein-
wirkungen deutscher Phantasie und deutschen Geistesleben auf fremde Litteraturen.
Der genauen Betrachtung des Verlaufs und der sicheren Abschätzung des bleibenden
Wertes solcher Einwirkungen stellen sich fast unüberwindliche Schwierigkeiten ent-
gegen, und wer sich dies ehrlich eingesteht, kommt wohl in Versuchung das zu unter-
schätzen, was sich zählen, wägen und messen lässt. Zuletzt kann dennoch die treue und
sorgfältige Sammlung und Sichtung auch unzulänglichen Materials immerhin Resultate
ergeben, die für die tiefere Erkenntnis der Wechselwirkungen zwischen deutscher
Litteratur und fremden Litteraturen von Wichtigkeit sind. Dass der Löwenanteil an
solchen Resultaten noch immer dem deutschen Fleiss und Forschertrieb gehören,
die den grössten wie den untergeordnetsten, aber in irgend einer Weise aus der
Masse aufragenden Erscheinungen fremder Litteraturen unverminderten Anteil widmen,
braucht kaum gesagt zu werden. Und dass jener Fleiss noch immer tausendfach
geteilt und zu Zeiten bedenklich vereinzelt am Werk ist, dass aus der Fülle hierher
gehöriger Studien und Specialdarsfellungen nur wenige Arbeilen auftauchen, die als
energische Versuche zu grösserer Zusammenfassung gelten können oder wenigstens
von einer bedeutenden Einzelerscheinung als Mittelpunkt berechtigte Rück- wie Aus-
blicke auf weitere Entwicklungen eröffnen, das wird nachgerade auch zum Gemein-
platz. Zwei Werke die dem Wunsche nach grösseren allgemeinen Gesichtspunkten
vollkommen entsprechen, aber ihrer Entstehung nach nicht ins J. 1894, sondern in
die J. 1855 und 1860 gehören, Hettners „Geschichte der englischen Litteratur von der
Wiederherstellung des Königtums bis in die zweite Hälfte des 18. Jh." und des-
selben Historikers „Geschichte der französischen Litteratur im 18. Jh." sind gleichzeitig
mit der Bearbeitung der deutschen Teile des Gesamtwerkes (s. o. IV la : 2) von
Brandl1) und Morfla) in fünfter Auflage durchgesehen und in gewissen Grenzen
neu bearbeitet worden. B., der die Vorzüge der Hettnerschen Litteraturbetrachtung,
die das Zusammenarbeiten der abendländischen Völker sowie den Zusammenhang
der neueren Poesie mit der Naturwissenschaft und Philosophie kräftig hervorhebt,
namentlich in dem England behandelnden Bande besonders frisch und wirksam
findet, hat sich laut seiner Vorrede auf die Berichtigung kleiner Mängel und die
Ausmerzung manches Veralteten beschränkt. „Den meisten Anlass zu Besserungen
boten die Inhaltsangaben und die Lebensnachrichten, die gerade in jünster Zeit
durch Leslie Stephens und Leos Neuausg-abe des „Dictionary of national biography"
vielfach gesichtet und bereichert wurden". Wo wirklich Anschauungen und Urteile
Hettners durch die Thatsachen der Forschung widerlegt und überwunden sind, hat
B. einzelne tiefere Eingriffe nicht gescheut. "Wenn er aber sagt: „Leid thut es mir
das Buch ziehen lassen zu müssen, ohne eine Erwähnung von Henrick, Jeremy,
Taylor, Bunyan und anderen religiösen Schriftstellern des ausgehenden 17. Jh., die
zum Relief ihrer Zeit gehören und den wärmeren volkstümlicheren Richtungen des
18. Jh. mit stiller Geschäftigkeit den Weg bahnten. Ein eingeschaltetes Kapitel über
sie hätte jedoch den Rahmen des Buches gesprengt", so darf man hinzufügen : ein
solches Kapitel hätte auch der Auffassung und Anschauung Hettners Gewalt an-
gethan. Zum Wesen seiner Bildung gehörte die unbedingte Abneigung gegen alles,
was ihm als religiöse Reaktion galt, und nur widerstrebend würde er sich zur An-
erkennung des befreienden Einflusses des Vf. von „Des Pilgrims Reise" und anderer
geistesverwandter Schriftsteller entschlossen haben. B. hat daher vollkommen
Recht, wenn er meint: „Hettner wollte eine Geschichte der Aufklärungslitteratur
schreiben. Er hat dies in Motto und Einleitung betont und auch praktisch durch-
geführt: kaum gelangt er über die Periode der Aufklärung hinaus in die der Ro-
mantik, so eilt er mit Riesenschritten dem Ende zu. Was er so einheitlich gestaltet
hat, muss bewahrt bleiben, soll das Bessere nicht zum Feinde des Guten werden".
Auch der Bearbeiter der fünften Auflage des französischen Teiles hat vor der gleichen
Schwierigkeit gestanden, auch für ihn hat es sich darum gehandelt, die Ergebnisse
der neueren Forschung in den Rahmen des Buches einzufügen und an den Urteilen
nicht zu rühren, wenn nicht ihre thatsächlichen Grundlagen seither andere geworden
waren. Die Frage, was als Thatsache zu gelten habe, ist natürlich nicht immer, aber
in zahlreichen Fällen, eine Frage des Taktes, allen Ansprüchen an Form und Mass
zu genügen vermag manchmal, auch der Taktvollste nicht. Die Fülle der Schwierig-
keiten, die sich ergiebt, wrenn ein Zweiter mit völlig anderer Individualität und
Bildung, mit grundverschiedenen Voraussetzungen und Zielen in das Werk eines
Verstorbenen eingreifen soll, weist M. sehr zutreffend in seiner. Vorrede am Falle
Montesquieu nach. Er hält die Auffassung Hettners, der in Montesquieu den Mann
der politischen Reform sieht, für irrtümlich, schlägt den politischen Freisinn Montes-
1) H. Hettner, Gesch. d. engl. Litt, von d. Wiederherstellung d. Königtums bis in d. 2. Hälfte d. 18. Jh. 1660—1770.
(= Litt.-Gesch. d. 18. Jh. 1. T.) Brannschweig, Vieweg. XIV, 50S S. M. 9,00. (Besorgt v. A. Brandl.) — la) id., Gesch.
Ad. Stern, Allgemeines dos 18./l9.Jh.: Die deutsche Litteratur und das Ausland. IVld:ia-2
quieus minder hoch an als dessen Grabe objektiver Darstellung fremder politischer
Einrichtungen. Er hält es für wahrscheinlich, dass die neuere Forschung Hettner
in seiner Meinung schwankend gemacht haben würde, „aber welchen Weg würde
sein Urteil dabei genommen haben?" Die Proteusnatur der politischen Schrift-
stellerei Monte squieus giebt den verschiedensten und widersprechendsten Auslegungen
ein augenscheinliches Recht. Bei dieser Unsicherheit scheute es der Bearbeiter, an
Hettners Auffassung selbst da zu rühren, wo die „Thatsachen" ihm ein Recht dazu
gaben. Unseres Bedünkens ist es kein Unglück, dass die Sätze, nach denen der
Republikaner der persischen Briefe ein englischer Whig und der Begründer der
konstitutionellen Staatslehre geworden ist, stehen geblieben sind. In erster Linie
steht die geistige Integrität eines in sich geschlossenen und überhaupt zu wissen-
schaftlicher Reife gediehenen Werkes. Die völlige Umarbeitung der Kapitel über
La Mettrie und Fr. Melchior Grimm mag in den neueren Forschungen wohl be-
gründet sein. Doch wenn es auch eine Fabel wäre, dass La Mettrie an einer
Pastete gestorben sei, und wenn Hettner die ganze Reihe der Schriften dieses
Materialisten gekannt und gewürdigt hätte, so fragt sich noch sehr, ob er sein
Urteil wesentlich geändert haben würde. Zuletzt gesteht doch auch M. zu, dass La
Mettrie mit grosser Leichtigkeit der Arbeit grosse Leichtfertigkeit der Lebens-
führung verband, meint freilich, Diderot und andere spätere Aufklärer hätten grossen
Eifer gezeigt, den „Prügeljungen der Aufklärungsphilosophie", den kompromittierten
Vorgänger, von ihren Rockschössen abzuschütteln. Die ausführlichere und ein-
gehendere Biographie und Charakteristik Fr. M. Grimms stellt die Anschuldigungen
J. J. Rousseaus gegen Grimm als nicht so unbegründet hin, wie dies Hettner gethan,
behandelt dafür dessen diplomatische Stellungen ohne die Geringschätzung, der
Hettner noch in der vierten Auflage Ausdruck gegeben hat, und kommt zu dem
Schlussurteil, dass Grimm ein litterarisches Talent ohne inneren Beruf gewesen sei
„ein reiches Talent, dem um zur vollen Fruchtbarkeit zu gelangen, die Wärme des
Glaubens an eine grosse Aufgabe fehlte. Seiner litterarischen Arbeit hat Grimm
nur mit derjenigen Hingebung gelebt, welche ein geschäftlicher Betrieb verlangte,
und er zögerte nicht sie fallen zu lassen, sobald er ihrer nicht mehr bedurfte". Die
lange Reihe der verbesserten und genauer belegten Einzelheiten, sowohl in der
französischen wie in der englischen Literaturgeschichte können hier natürlich nicht
aufgezählt werden, auf alle Fälle sind auch die. beiden Bände der ausländischen
Litteratur — in dem französischen Teil behandelt Hettner bekanntlich die Wirkungen
der Aufklärung auch in der italienischen und spanischen Litteratur — durch die
Neuausg'abe und Neubearbeitung Verdientermassen wieder in den Vordergrund des
Interesses gerückt worden. —
Das gegenwärtige Verhältnis der Litteraturen Deutschlands und Frankreichs
zu einander ist insofern höchst eigentümlich, als eine jüngere Schule von
Poeten und Kritikern auf französischem Boden die der Politik entstammte Ab-
neigung gegen deutsches Leben und deutschen Geist zu überwinden trachtet, während
bei uns in Deutschland die alten Anklagen wider Franzosennachahmung und
Franzosenanbetung jüngerer Naturalisten und Symbolisten nicht verstummen wollen
und können. Hätte freilich Zola Recht, der über die Stellung der deutschen
Litteratur in Frankreich und die Neigung seiner Landsleute zu den germanischen
Litteraturen im allgemeinen ziemlich skeptisch denkt und über den Zug der
neuesten französischen Litteraturbewegung sich einem Berichterstatter der FZg.2)
gegenüber ausführlich ausgespochen hat, so wäre die Bewegung zu Gunsten der
deutschen Litteratur, die sich in der französischen Litteratur geltend macht, nichts
als ein Vorstoss der jungen Litteratur, welche zur Macht kommen will gegen die
alte, welche an der Regierung (au pouvoir) ist. „Die Jungen wollen Raum haben
und die Alten sollen fort. In ihrem Kampfe rufen sie das Ausland zu Hilfe. Und
in ihrem blutdürstigen Eifer sehen sie dabei nicht, dass jene Ideen, die sie mit so
grossem Lärm aus dem Auslande herangeschleppt bringen, ganz einfach unsere
eigenen Ideen sind — Blüten unseres eigenen Geistes, im schönen Lande Frankreich
entsprossen. Ich spreche hier ohne jeden Chauvinismus und konstatiere nur die
Thatsachen. In all den ausländischen Dichtern, die als Neuerer gepriesen werden,
liegen die französischen Einflüsse zu Tage. Die grossen Geister, welche draussen
die Litteratur reformieren, was thun sie anders als dasjenige, was unsere Litteratur-
reformatoren um das J. 1848 gethan? In allem, was sich jetzt in der ausländischen
Litteratur begiebt, sehe ich den direkten Einfluss jener französischen Litteraturepoche
wieder. Tolstoi, den ich für den genialsten unter allen Modernen halte, ist bei ihren
Dichtern und Denkern in die Schule gegangen. Die Ideen der Frauenemanzipation,
welche Ibsen verkündet, sind auf George Sand zurückzuführen. (?) Von Gerhart
d. franz. Litt, im 18. Jh. (= N. 1, 2. T.) ebda. XI, 601 S. M. 10,50. (Besorgt v. H. Morf.) — 2) Zola über Hauptmann
IVld:2-3 Ad. Stern, Allgemeines des 18./19.Jh.: Die deutsche Litteratur und das Ausland.
Hauptmann endlich mag" man mir noch so sehr sagen, dass er in einem weit-
entlegenen schlesischen Gebirgswinkel lebe, abgeschieden von aller menschlichen Ge-
meinschaft, — ich bin doch überzeugt, dass auch in seine Einsiedelei die französischen
Einflüsse gedrungen sind." Wenn Zola im weiteren Verlauf dieser Unterredung den
diktatorischen Anspruch, dass die gesamte germanische (oder wie er will nordische)
Litteratur ihre Ideen und Bestrebungen von Frankreich her empfangen habe, mit
dem Zugeständnis einschränkt, dass die Dichter des Nordens die von ihnen über-
nommenen französischen Ideen mit ihrem Geiste durchsetzt und zu Werken um-
gestaltet hätten, die den Stempel ihrer Eigenart tragen, wenn er an der Ueber-
zeugung festhält, dass die Litteratur in jeder Entwicklung zum wirklichen Leben
zurückkehren und, selbst wenn sie vielleicht einen weiteren Ausblick ins Gebiet des
Unbekannten („une Ouvertüre plus large vers Tinconnu") erlangen und hier neue
ungeheuere Länderstrecken entdecken sollte, immer den Zusammenhang mit dem
Leben aufrecht erhalten werde („denn alle Kunst muss vom Leben kommen und
zum Leben gehen"), so kann man dies alles gelten lassen, ohne den Grundirrtum
zu teilen, von dem der grosse französische Erzähler, ein guter Teil der hinter jeder
Sensation dreinjagenden Tageskritik und leider auch eine Richtung der Literatur-
geschichte ergriffen sind. Dass es an blöder Nachahmung und Nachbildung fremder
Muster in keiner Litteratur und am wenigsten in unserer deutschen fehlt, wer ver-
sucht es zu leugnen? dass dabei die gelesensten und gepriesensten Pariser Schrift-
steller nur allzu oft und wahllos zu Vorbildern gedient haben, wer wüsste es nicht?
Und dennoch ist alle wirkliche und bleibende Entwicklung niemals von dieser
Nachbildung abhängig und mit ihr identisch, dennoch beruhen die nachweisbaren
Uebereinstimmungen der Probleme, der Erfindungen und der Charaktere zu einem
eben so grossen und jedenfalls zum wichtigsten Teile viel mehr auf gleichartigen Lebens-
strömungen und Lebenserscheinungen als auf litterarischen Einwirkung-en. Wenn
sich daher Zola bemüht, auch die völlig selbständigen, der frischesten Wirklichkeit
entsprungenen „nordischen" Schöpfungen" auf französische Ideen und Bücher zurück-
zuführen, so urteilt er ganz in leidigem Einklang mit der Litteraturanschauung, die
überhaupt von keiner Einwirkung des Lebens, sondern nur von Einwirkungen der
Bücher auf die Dichter weiss, so schlägt er seinem eigenen Bekenntnis, dass alle Kunst
vom Leben kommen und zum Leben gehen muss, ins Gesicht. Dazu tritt auch bei
dieser vielerörterten Unterredung wieder an den Tag, dass für eine gewisse An-
schauung die eigentliche Entwicklung der Litteratur lediglich an die Aufsehen er-
regenden und erfolgreichen Erscheinungen gebunden bleibt, was jeder echt litterar-
historischen Auffassung gerade zuwiderläuft. Ins Konkrete übersetzt fordert jene
Anschauung, dass die Literaturgeschichte und Litteraturkritik sich um Kotzebue,
aber nicht um Hölderlin, um Zacharias Werner, aber nicht um Heinrich von Kleist,
um Müllner, aber nicht um Grillparzer bekümmern soll. Ist der Unsinn solcher Forder-
ung handgreiflich, so wird er nicht verständlicher und berechtigter, wo es sich um
neuere und neueste Erscheinungen handelt. Schlimm genug, dass der grösste Teil
der Tageskritik in seinem Aktualitätsdünkel alles sachliche Urteil verloren hat; die
Litteraturgeschichte wenigstens sollte sich hüten, sich auf diesen Weg drängen zu
lassen und die Bedeutung der Erscheinungen nach der Stärke des jeweiligen Lärms,
den sie erregen, zu messen. Die kaum gewonnene Beziehung der Litteraturgeschichte
zur Litteratur der Gegenwart kann gar nicht ärger gefährdet werden, als dadurch, dass
man solchen Interwievs und solchen Offenbarungen, wie sie Zola für geboten erachtet
hat, grosses Gewicht beilegt. — Meissners im vergangenen Jahre eingehend charakte-
risiertes Buch über den Einfluss des deutschen Geistes auf die französische Litteratur
(JBL. 1893 IV ld: 1) hat noch mehrfache Würdigung gefunden, die am Gesamt-
urteil nichts änderte. 2a) —
Dass neben der tendenziösen Lobpreisung deutscher Litteratur auch deren
wirkliche Pflege erstrebt wird, ihre Geltung in Frankreich im Wachsen ist, hat
die deutsch geschriebene, aber ausschliesslich für Franzosen bestimmte kurze Ge-
samtdarstellung der deutschen Litteratur von Parmentier3) bewiesen. In
fünfzehn Kapiteln versucht Parmentier eine Uebersicht des Entwicklungsganges
der deutschen Litteratur zu geben, bei der er zwar, wie die Vorrede einräumt, die
deutschen Literarhistoriker (namentlich Vilmar) stark geplündert (pille) hat, aber die
nichtsdestoweniger ein energisches Bemühen zeigt, der Eigenart des deutschen Geistes
und der rühmlichen Vielseitigkeit der deutschen Litteratur gerecht zu werden.
Misst man die Kenntnis der deutschen Dichter und Prosaiker und die Einsicht in den
Entwicklungsgang unserer Litteratur an dem, was noch vor ein paar Jahrzehnten
üblich und durchschnittlich war, so muss man den Fortschritt erkennen. Im einzelnen
u. d. Zug z. fremden Litt.: FZg. N. 42. — 2al X WIDM. 75, S. ß56; Polybiblk 70, S. 347,8; N&S. 70, S. 274. - 3) J. Par-
mentier, Kurze Gesch. d. dtsch. Litt. t. e. Franzosen. Paris, Laisney. VII, 361 S. |[LCB1. S. 930; DLZ. S. 758/9.JI —
Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jh.: Die deutsche Litteratur und dasAusland. IV ld:3
ist natürlich manche Unklarheit und Unbestimmtheit zu rügen, und obschon P. die
deutsche Sprache beherrscht, zwingt ihn doch gelegentlich die Vorsicht zu schwankendem
Ausdruck, der französisch präziser und eindringlicher lauten würde. Ein ander Mal
wieder sind die Sätze des Vf. allzu bestimmt, so wenn er an Otfrieds „Krist" die Be-
merkung anreiht, das Gedicht sei als Sprachquelle unschätzbar; die Grundregeln der
deutschen Verslehre könnten nur aus ihm geschöpft werden; es sei „das massgebende
Reimwerk aller folgenden Jhh." Das Nibelungenlied erfährt eine ausführlichere
Würdigung, in der doch kaum angedeutet wird, dass das gewaltige Gedicht aus
einem seit einem Jahrtausend fortströmendem Sagenborn geschöpft ist, auch die
Charakteristik des Gegensatzes zwischen Volksdichtung und Kunstdichtung ist mehr
als dürftig, der Vergleich von Wolframs Parzivalepos mit Goethes Faust („Wolframs
Epos hat vor Goethes Faust den Vorzug, dass es im vollen Bewustsein der christ-
lichen Wahrheit dem Leser einen befriedigenden Abschluss bietet, während Goethes
F'aust das Bild einer Zeit ist, die suchte, aber nicht fand") durchaus fragwürdig. Das
Urteil über die ritterliche Minnepoesie lautet kurz dahin, dass, wenn die Minnegefühle
und Gesänge nicht etwas Gemachtes und Erlogenes waren, sie geradezu unsittlich
und verwerflich gewesen seien. Dabei ist dem Vf. doch Walther von der Vogelweide
einer der ausgezeichnetsten Minnesänger, wenn nicht der ausgezeichnetste von allen,
und Deutschland hat „vor Goethe keinen Lyriker besessen, der sich mit Walther
vergleichen lässt". S. 83 gedenkt P. zweier Gedichte, die sich an die mittelalterliche
Blütezeit deutscher Litteratur anschliessen : der Bescheidenheit des Freidank und —
der Tiersage. Er meint natürlich den „Reinecke Fuchs" in allen seinen Gestaltungen,
hat aber durch irgend ein wunderliches Missverständnis die Gattungsbezeichnung
des Gedichts für den Titel genommen Von Hans Sachs wird (S. 124) behauptet, dass
er ein glückliches Talent für naivkomische Erzählungen und Komödien besessen
habe, nur schade, dass er „zur Sprachverbesserung nicht den geringsten Anlauf
nahm; sein Versbau ist unerträglich hart und ohrenzerreissend". Burkard Waldis
Fabel „Vom Bauern und dem Gott Herkules" erinnert stark an Lafontaines „Charretier
embourbe". Wenn schon verglichen werden soll, müsste es doch eher umgekehrt
heissen, dass Lafontaine an Burkard Waldis erinnere. S. 145 erfahren wir zum ersten
Male, dass die blutigen Stücke des Jakob Ayrer und der englischen Komödianten
unter dem Namen „Mordspektakel" bekannt waren. Von den Mitarbeitern der
Bremer Beiträge glaubt P., dass sie einen besonderen Bund, „den Leipziger Dichter-
verein", gebildet hätten. Ueber die Mitglieder des Göttinger Hainbundes scheint der
Vf. schlecht unterrichtet; er meint, dass sich an den Hainbund drei besonders be-
kannte Liederdichter angeschlossen hätten: Fr. Leop. Graf zu Stolberg, Hölty und
Claudius. Der Ausdruck „angeschlossen" ist sehr unbestimmt, meint P. damit die
Mitgliedschaft, so ist dies bekanntlich für M. Claudius falsch, hält er das Verhältnis
der drei zum Hain für ein blosses Nahestehen wie" bei Bürger, so trifft es wieder für
Stolberg und Hölty nicht zu, die eben Mitglieder und zwar sehr wichtige Mitglieder
des Dichterbundes waren. Unglaublich kläglich fällt das Kapitel über Goethe aus,
in dem Buche eines modernen Franzosen nehmen sich die Warnungen vor Wilhelm
Meister, den nur gereifte, sittlich starke Leser zur Hand nehmen sollen, und vor den
Wahlverwandtschaften, die „stellenweise noch anstössiger als selbst Wilhelm Meisters
Lehrjahre sind", geradezu komisch aus. S. 228 wird behauptet, dass Hölderlin
auch im Wahnsinn herrliche, formvollendete Gedichte geschaffen habe. Eine sehr
merkwürdige Einleitung geht dem Abschnitt „Die Sänger der Befreiungskriege und
der schwäbische Dichterkreis" voraus: „Nach den Feldzügen von 1806 und 1809 war
der Mut der Deutschen gebrochen. Aber der Druck der Fremdherrschaft erweckte
doch die Sehnsucht nach Freiheit. Man war überzeugt, dass bei der Macht Frank-
reichs und der Schwäche der deutschen Nation diese nur durch Hülfe von oben und
durch kräftige Erhebung des Volkes zu gewinnen war. Fichte und Görres rüttelten
das Volk aus seiner Erschlaffung auf. Letzterer entzündete die Begeisterung in
Palast und Hütte. Mehr und mehr erwachte das patriotische Gefühl, und als die
Heere Napoleons in Russland untergegangen waren, erschienen Dichter, die durch
ihre Lieder und teilweise auch durch ihre Thaten das Volk zur Befreiung des Vater-
landes aufriefen." Offenbar hat der Vf. etwas von der flammenden Beredsamkeit des
„Rheinischen Merkur" gehört und vergisst, dass Görres bis zum Jan. 1814 Bürger
des französischen Kaiserreichs war und sich wohl zu hüten hatte, 1813 oder gar vorher
die deutsche Begeisterung in Palast und Hütte zu entzünden. Im übrigen meint P., dass es
vom Standpunkte eines Franzosen aus eine gewisse Ueberwindung koste, den über-
sprudelnden patriotischen Gefühlen der Dichter der Befreiungskriege gerecht zu
werden, beschuldigt diese Dichter mancher Auswüchse und ungerechter Urteile gegen
die Franzosen, giebt aber freundlich zu bedenken, dass das deutsche Volk für seine
Existenz kämpfte, und die Dichter in ihren Kampfgesängen nicht für unerlaubt hielten,
den Feind zu verunglimpfen. „Würden wir Franzosen bei einer ähnlichen Unter-
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (4)15
IV ld -.4-9 Ad. Stern, Allgemeines des 18./ 19. Jh.: Die deutsche Litteratur und das Ausland.
drückung anders verfahren?" Hoffmann von Fallersleben hält P. für den grössten
Lyriker der neueren deutschen Litteratur; von Hebbel glaubt er, dass er „zum
Oesterreicher geworden" sei, von neueren Dichtern rühmt er Freytag, findet aber, dass
sogar auch dessen Werke „mancherlei Ansti5ssiges über Glauben und Sitte enthalten",
Georg Ebers, dem er das zweideutig-e Kompliment spendet, dass „seine Werke auf
den Familientisch gelegt werden dürfen", Scheffel, Bodenstedt und Gottfried Keller;
von Otto Ludwig, Th. Storm weiss er offenbar nichts, zählt aber dafür noch einzelne
ihm zufällig bekannt gewordene Namen auf. Es sieht ja wunderlich aus, wenn ganz
am Schlüsse der Geschichte der deutschen Litteratur von dem alten Aug. Lewald,
von Simrock, ja von Luise Brachmann und Luise Hensel die Rede ist. Auch an ein
paar Prachtgallizismen fehlt es nicht, der Vf. erzählt seinen Landsleuten alles Ernstes,
dass den Deutschen gegenwärtig Schillers „Teil" als ein antideutsches Drama gilt,
er berichtet, dass Holteis Mantellied scherzhafter Weise von Menschen, besonders von
alten Jungfern gebraucht werde und dass, wenn jemand bei uns das dreissigste
Lebensjahr zurückgelegt hat, er mit den Versen „Schier dreissig Jahre bist du alt,
hast manchen Sturm erlebt" angesungen zu werden pflegt. Trotz alledem muss P.s
rühmliches Bemühen, Klarheit über und stärkere Teilnahme für die deutsche Litteratur
zu schaffen, entschieden anerkannt werden. —
Nur gelegentlich streift in seinen gesammelten Essays zur zeitgenössischen
Litteratur Pelissier4) gerade die deutsche Litteratur, obschon er ein Bewusstsein
von den wichtigen Einwirkungen germanischen Geistes auf Frankreich, namentlich
in der Studie über die Würdigung Shakespeares in seinem Vaterlande, an den Tag
legt. Neben den ausschliesslich der französischen Litteratur angehörigen kritischen
Erörterungen über Octave Feuillet, Zolas „L'argent" und Bourget, über Jul. Weiss
und Brunetiere, sind die beiden Studien über den modernen Pessimismus und die
litterarische Bewegung der Gegenwart, mit hoffnungsreichem Ausblick in das 20. Jh.,
von allgemeiner Bedeutung. Die lichtvolle und geschmackvolle Darstellung fesselt
selbst da, wo unsere deutsche Auffassung notwendigerweise eine andere sein muss;
denn von der Vorstellung, dass die französische Litteratur den massgebenden Mittel-
punkt der litterarischen Bewegung und Entwicklung für alle Zeiten abgeben werde,
kommt auch ein so feiner Kopf und kenntnisreicher Literarhistoriker wie P. nur bis
zu einem gewissen, leicht erkennbaren Punkte los. —
Der eingehenden und stellenweise zu enthusiastischen Schrift Rabanys über
Kotzebue (JBL. 1893 IV 1 d : 15), die seit dem vorjährigen Bericht noch manche
Würdigung erfahren hat5), schliesst sich im Berichtsjahre die Schrift Bessons6) über
P 1 a t e n an. Ausgezeichnet durch ihre Kenntniss der deutschen Romantik und ein
sympathisches Verständnis für den Formenadel der Platenschen Dichtung, auf sehr
eingehende Studien über Platens Leben, seine Reisen und seine künstlerischen An-
schauungen gestützt, ist B s Schrift wohl die bisher gründlichste Würdigung des
Dichters, dessen Vorzüge und vornehme Persönlichkeit der Franzose fein zu erkennen
und zu analysieren vermag, während er den Mangel starker Lebenseindrücke und
unmittelbarer Lebensfülle in Platens Poesie nicht empfindet. Bei den Studien Rabanys
und B.s wird zur Gewissheit, dass eine Gruppe französischer Gelehrter vollen
Ernst mit dem Eindringen in deutschen Geist und deutsches Wesen macht. Doch
gilt dieser Ernst vorzugsweise den weiter zurückliegenden Erscheinungen der deutschen
Litteratur, während die unzweifelhafte Annäherung, die auf litterarischem Gebiet
zwischen Deutschland und Frankreich stattfindet, und der mehrfache Berichte deutscher
Beobachter und Beurteiler gewidmet wurden, so wenig wie ein vager Enthusiasmus
der Einzelnen für bestimmte Gestalten und Schöpfungen der neuesten deutschen Litteratur
zu einer wahren Würdigung dieser Männer und Werke verhilft. — Unzweifelhaft hat
von neueren deutschen Dichtern7) Gerhart Hauptmann zur Zeit die stärkste
Teilnahme in Frankreich erweckt; die Aufführungen der „Weber" in Paris und
Brüssel8), die Darstellung einer Uebersetzung des „Hannele" am Theätre libre, das
Verbot der Aufführung des Schauspiels „Einsame Menschen", das die Gesellschaft
L'Oeuvre aufführen wollte, unmittelbar vor der Generalprobe, ein Verbot, das zu
einer Interpellation des Herrn Vigue d'Octon in der französischen Kammer führte,
alles erweist, dass die Teilnahme das Verständnis weit übertraf. Ganz abgesehen von
Zola, der in der oben besprochenen Unterredung den „Webern" einiges Gute zu-
gestand, „Hannele" aber eine Feerie niedriger Art nannte, die man sich höchstens
noch im Melodram gefallen lassen könne, verwahrten sich Kritiker wie Jules Lemaitre,
der „Hannele" einen „Traum in Bildern, kaum in Dialogform gebracht" nennt,
Jean Jullien, der den Eindruck „furchtbar peinlich", „mehr physisch als psychisch" und
4) G. Pelissier, Essais de litt, contemp. (JBL. 1S93 I 1 : 132): LCB1. S. 283. — 5) X A.. v. Weilen: DLZ. S. 51/2; M. KfochJ:
LCB1. S. 522/3. - 6) P. Besson, Phten. Etüde biogr. et litt. Paris, Leroux. 107 S. — 7) X Dtsch. Litt, im Aus-
lände: FrB. 5, S. 194/6. - 8) X Nachklänge d. Aufführung d. „Weber" in Brüssel: Bühne u. Leben 2, S. 534/5. — 9) H.
Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jh.: Die deutsche Li tteratur und das Ausland. IV ld:9-ie
die ganze Dichtung „zu wenig geträumt" nennt, im ganzen dieselben Männer, die für
die „Weber" enthusiastisch eingetreten waren, gegen die Wendung, die Hauptmanns
Entwicklung genommen hat. Albert9) hat über diese Dinge aus Paris berichtet. —
Betrachten wir umgekehrt, was zur Würdigung und tieferen Erkenntnis
französischer Litteratur auf deutschem Boden geschehen ist, so wird
man mindestens eine gleich rege Thätigkeit und ein gleich vielseitiges Bestreben zur
tieferen Vertrautheit mit Vergangenheit und Gegenwart der französischen Litteratur
zugestehen müssen. Ganz im Gegensatz zu Zola, der das Bedürfnis fühlt, die selb-
ständigsten Lebensäusserungen fremder und namentlich germanischer Litteraturen als
Absenker französischer Ideen zu charakterisieren, im Gegensatz zu der schroffen Ein-
seitigkeit, mit der die französische akademische Kritik an der Boileauschen Doktrin
festhält, laut welcher nur der Antike ein legitimer Einfluss auf französische Poesie
und Kunst zusteht, bemüht sich die deutsche Litteraturforschung nach Kräften die
Wechselwirkungen beider Litteraturen zu erkennen und die Einflüsse hervor-
ragender französischer Denker und Dichter auf die unseren nach Kräften vor-
urteilslos darzustellen. In die Reihe hier einschlägiger Arbeiten gehören vor
allem die von allgemeinen Gesichtspunkten ausgehenden Abhandlungen
von Bartels 10), „Die fremden Einflüsse in der deutschen Litteratur", die von
Brausewetter11) über „Die französischen Gesellschaftsdramen und ihren Einfluss
auf die deutsche dramatische Litteratur", dahin vor allem die Studie von St ein hausen 12)
„Die Anfänge des französischen Litteratureinflusses auf Deutschland". Wenn die
erste dieser Studien schon über die französischen Einflüsse in der deutschen mittel-
alterlichen höfischen und Minnepoesie sich dahin vernehmen lässt, man solle aufrichtig
sein und sich frag'en, ob die Kultur der Minnezeit in Deutschland ohne den französischen
Einfluss denkbar, und wenn nicht, ob sie seinetwegen verwerflich sei, und hinzufügt,
es sei schwerlich gute Sitte seinen Lehrmeister, wenn er seine Pflicht gethan hat,
zum Dank durchzuprügeln, wenn B. erklärt: „dass Wolfram von Eschenbach ein viel
grösserer Dichter war, als Chrestien de Troyes, will ich gern glauben, aber dass
auch dieser und seinesgleichen in die deutsche Literaturgeschichte gehören, scheint
mir ausgemacht", so schlägt er damit den Grundton an, der alle diese deutschen
Studien und Untersuchungen durchdringt. Man ist offenbar mehr geneigt die Vorteile,
die zu verschiedenen Zeiten die Entwicklung der deutschen Litteratur von der Wechsel-
wirkung mit der französischen gehabt hat, möglichst hoch in Anschlag zu bringen,
als im Gegenteil die schweren Uebelstände, die in verschiedenen Perioden mit dem
französischen Einfluss eingetreten sind, und die zur Stunde wiederum nicht als zurück-
liegende historische Thatsachen betrachtet werden dürfen, zu stark und entschieden
zu betonen. —
Eine andere Gruppe deutscher Forschungen und Darstellungen behandelt
einzelne Gestalten und Erscheinungen der französischen Litteratur, die in der
Geschichte dieser Litteratur, völlig' abgesehen von ihren Beziehungen oder Nicht-
beziehungen zu Deutschland, unbestrittene oder wenigstens zu verfechtende Bedeutung
haben. Sie erstrecken sich vom 17. bis zum 19. Jh., und der Vortritt gebührt hier
der biographisch-kritischen Studie über Jean Chapelain von M ü h 1 a n 13). Der
vielgefeierte und späterhin vielverhöhnte Dichter des Hotel Rambouillet, der erste
moderne Verherrlicher der Jungfrau von Orleans, wird hier nach der Seite seines
menschlichen Wertes, seiner allgemeinen litterarischen Verdienste geschildert, die
allerdings die Mängel seiner poetischen Versuche und die klaffenden Risse zwischen
Anspruch und Leistung auch in der objektiven historischen Würdigung nicht
decken können. Die Forschungen M.s sind sehr gründlich, aber ein wesentlich
anderes Bild Chapelains, als Lotheissen in kurzen Zügen im neunten Kapitel des ersten
Bandes seiner Geschichte der französischen Litteratur im 17. Jh. entworfen hat, ergeben
sie nicht. —
Ueber M o 1 i e r e ist im Berichtsjahre weniger hervorgetreten als sonst üblich,
selbst die interessanten Studien Franklins14) über das Leben von Paris in ver-
gangenen Jhh., die neben anderem so glänzende Rechtfertigungen der angeblich über-
triebenen Angriffe des Komödiendichters auf die Zunft der Aerzte enthalten, sind
nach dieser Richtung nicht beachtet worden. — Fuldas Moliere-Bearbeitung (JBL.
1892 IV ld:l/2; 4:95; 1893 IV ld:22) erfuhr wachsende Verbreitung und erneute
Besprechung15). — Duschinskys16) Studie über den Misanthrop gehört, weil in
französischer Sprache geschrieben, im strengeren Sinne nicht einmal hierher, mag
aber erwähnt sein. —
Vom Jh. des Klassizismus bis zur Revolution ist ein gewaltiger Sprung. Hier
Albert, Pariser Brief: FrB. 5, S. 80/2. - 10) A d. Bartels, Nat. Dichtung : Grenzb. 2, S. 18-27, 70-S2, 164-72. — 11) E. Brause-
wetter, D. franz. Gesellschaftsdraraen u. ihr Einfluss auf d. dtsch. dramat. Litt.: Bühne u. Leben 2, S. 355/6,370. — 12) (I 4:86;
III 1:207.) — 13) A. Mühlan, J. Chapelain. Biogr.-krit. Studie. Diss. Strassburg i. E. 30 S. — 14) A. Franklin, La vie privee
d'antrefois. Paris, Plön, Nourrit & Cie. VII, 328 S. Fr. 3,50. — 15) X WIDM. 75, S. 780. — 16) W. Duschin sky, Sur le
(4)15*
IV ld: 17-19 A d. Stern, Allgemeines des 18./19. Jh.: Die deutsche Litteratur und dasAusland.
begegnen uns zunächst eine Untersuchung über Kants Stellung zu J. J. Rousseau
von Menn17), ferner „Cheni er- Studien" von Hartmann17a) und zwei Aufsätze
über Frau von S tael. — Der Zeit nach geht Geigers18) kurzer Bericht über Frau
von Staels Aufenthalt in Berlin 1804 voran. Dieser Aufenthalt folgte bekanntlich der
längeren Gastrolle auf dem Fusse, die die Autorin der „Delphine" und „Corinne",
von welchen Romanen damals nur der erste erschienen war, im Winter von 1803
auf 1804 in Weimar gegeben hatte, und er wurde insofern bedeutsam für die grosse
Schriftstellerin, als er ihre nähere Bekanntschaft mit A. W. Schlegel herbei-
führte, eine Bekanntschaft übrigens, die durch einige Zeilen Goethes an Schlegel
eingeleitet und vermittelt wurde, — Zeilen, die Goethe um so lieber schrieb, als er sich
damit Dank von beiden Teilen verdiente, wo sich alles von selbst gegeben hätte.
Noch interessanter als die Berliner Erlebnisse der Stael war ihr erster Aufenthalt
in Wien von Ende 1807 bis tief ins J. 1808 hinein. — Zur Charakteristik der Zeit
teilt Wertheimer 19) in dem inhaltreichen Bericht über Frau von Stael in Wien mit,
dass sie, die Napoleon I. durch seine volle Ungnade, ja seinen ausgesprochenen Hass
auszeichnete, und die schliesslich vor ihm durch halb Europa flüchtete, den kaiser-
lichen Hofstellen als eine Spionin Napoleons verdächtigt war. Man berief sich darauf,
dass sie nicht das erste Weib sei, das der Imperator zu geheimen Sendungen gebrauche
und dass ihre „Abschaffung" aus Frankreich vielleicht nur ein Vorwand sei, um den
wahren Zweck ihres Aufenthalts zu verdecken. Die vornehme und geistig hervor-
ragende Gesellschaft Wiens teilte diesen am Vorabend der österreichischen Erhebung
von 1809 vernichtenden Verdacht so wenig, dass Frau von Stael eine mehr als
zuvorkommende Aufnahme, fand und sog'ar im stände war, einen Einfluss zu gewinnen,
der dem geistigen Leben Wiens und der deutschen Litteratur mittelbar zu gute kam.
A. W. Schlegel hatte seine vielberühmten Vorlesungen über dramatische Kunst und
Litteratur entworfen und wünschte sie in Wien öffentlich zu halten. Kaiser Franz,
sich selbst getreu, witterte hinter diesem Vorhaben des protestantischen Schriftstellers
allerlei Unheil für die Ruhe der K. K. Staaten und entschied, dass Schlegel in keinem
Falle die Erlaubnis zur Abhaltung der besagten Vorlesungen zu erteilen sei. Aber
Madame de Stael war nicht gewohnt, eine Sache, für die sie sich, aus welchem Grunde
immer, interessierte, ohne weiteres fallen zu lassen. Sie bestürmte ihre einflussreichsten
Freunde, und den Bemühungen des Konferenzministers Grafen Rotenhan sowie des Barons
Sommerau gelang es wirklich, den Kaiser umzustimmen, wobei.man sich freilich nicht bloss
auf die auswärtige Celebrität Schlegels und seiner Beschützerin Frau von Stael,
sondern auch auf die Sympathien Schlegels für die katholische Religion berief und
von vornherein versicherte, dass religiöse Gegenstände ausser aller Berührung mit
Schlegels Vorlesungen ständen, wenn sie aber dennoch vorkommen sollten, von
Schlegel gewiss mit besonderer Achtung behandelt werden würden. Der Erfolg der
Vorlesungen, die im wesentlichen vor einem Auditorium von Fürsten und Grafen
und deren Frauen, jedenfalls vor dem elegantesten Publikum Wiens gehalten wurden,
war ein ausserordentlicher. „Es herrschte bei den Vorträgen eine Stille und gespannte
Aufmerksamkeit, die Damen betrugen sich so ruhig, bescheiden und artig, dass kein
Prediger in der Kirche sie sich anders wünschen könnte". Auch für einen anderen
Freund, den Historiker Sismondi, der in Wien nationalökonomische Pläne verfolgte
und ein Mittel entdeckt zu haben glaubte, Oesterreich von der Last der Bankozettel
zu befreien, suchte die Stael das Interesse der vornehmen Kreise Wiens zu erwecken.
Trotzdem berichtete sie an Benjamin Constant, dass es an geistiger Regsamkeit und
geistigem Leben in der glänzenden Kaiserstadt fehle, die ausserordentliche Gutherzig-
keit und die Feinheit der Manieren konnte sie, die nach Schillers Charakteristik die
Entschiedenheit und geistreiche Lebhaftigkeit selbst war, und deren Zungenfertigkeit
den mit ihr Sprechenden zwange sich ganz in ein Gehörorgan zu verwandeln, um ihr
folgen zu können, für den Mangel an „Geist in der Konversation" nicht entschädigen.
Sie gab ihrem Missbehagen hierüber in ihrem Buche über Deutschland so unum-
wunden Ausdruck, dass sie damit nun wieder ihre früheren Gönner reizte, wie
denn u. a. der Staatsminister Graf Karl Zinzendorf, mit dem sie 1808 viel ver-
kehrt hatte, sich über das berühmte Buch dahin vernehmen Hess, es sei, „das Werk
einer Unwissenden, geschrieben für Unwissende", und Frau von Stael habe, ohne
die Sachen tiefer zu ergründen, über Wien durchaus „ä la Francaise" g-eurteilt. Ihr
zweiter Aufenthalt in Wien im J. 1812, wo sie wiederum mit A. W. Schlegel und
mit dem jungen Rocca verweilte, mit dem sie inzwischen die bekannte geheime Ehe
eingegangen war, gestaltete sich teils durch die Nachwirkungen ihres Buches, teils
durch die politische Situation höchst unerfreulich. Frau von Stael war vor dem
„Misanthrope" de Moliere. Progr. Wien. 1899. 22 S. — 17) M. Menn, I. Kants Stellung zu J. J. Rousseau. Diss. Frei-
burg i. B. 49 S. — 17a) K. A. M. Hartmann, Chemer- Studien. Progr. Leipzig. 60 S. |[RCr. 37, S. 480.]| — 18) L.
Geiger, Frau v. Stael in Berlin. 1804: Euph. 1, S. 382,4. — 19) Ed. Wertheimer, Madame de Stael in Wien: NFPr. N. 10 684.
Ad. Stern, Allgemeines des 18./ 19. Jh. : Die deutsche Litteratur und das Ausland. I V 1 d : 20-23
Zorn Napoleons aus Coppet entilohen, sie hoffte nur in Kussland und in Schweden
noch Sicherheit zu finden. Oesterreich war mit Napoleon verbündet und daher kein Zu-
fluchtsort mehr für sie, man strebte sich ihrer bald zu entledigen und machte ihr
Passscherereien der hässlichsten Art, bei denen vor allem eine gewisse Kleinlichkeit
und Doppelzüngigkeit in die Augen fällt. W. weisst nach, dass Frau von Stael irrte,
wenn sie die Schuld dieser Dinge dem Grafen Lazansky, dem Gouverneur von
Mähren, ausschliesslich zuschob und Metternich freisprach, während gerade von
Metternich die Befehle ausgegangen waren, Rocca, dem Begleiter der Stael, die Reise
durch Galizien zu verwehren. —
Zur neuesten Geschichte der französischen Litteratur gehört die Studie über
Leconte de Lisle, das Haupt der Parnassiens, von Vogt'zu). Sein Auftreten fiel
noch in die vierziger Jahre, seine eigentliche Wirksamkeit und Wirkung aber begann
erst unter dem zweiten Kaiserreich. — Eine umfassende und interessante Arbeit war
ferner die Untersuchung, die über die Wirkung und Wiederspiegelung des Krieges
von 1870 — 7 1 in der französischen Novellistik und Romanlitteratur von Koschwitz21)
angestellt wurde. Zu ihrer vollsten Bedeutung würde die gründliche Arbeit erst
gekommen sein, wenn der Vf. andererseits auch die Auffassung und Schilderung des
Krieges in der deutschen Erzählungslitteratur hereingezogen und zu einem Vergleich
der grundverschiedenen Rückerinnerung beider Völker an den Krieg und der beider-
seits herrschenden Stimmungen der Poeten gesteigert hätte. Doch auch so, wie sie
erscheint, ist sie ein hochinteressanter Beitrag zur Psychologie des Völkerlebens und
des allmächtigen Druckes, den ein herrschendes Vorurteil, ein allverbreiteter Hass
auf die Litteratur ausüben. K. verfolgt die Lebensäusserungen dieses Vorurteils und
dieses Hasses durch die Jugendlitteratur, die alltägliche Belletristik und die eigent-
lich poetischen Erzeugnisse hindurch. „Geschichtliche Vorgänge und in sie hinein verlegte
erdachte Thaten gaben den Grundstoff der Erzählungen; die selbstempfangenen Kriegs-
eindrücke, die in Frankreich üblich gewordene Gesamtauffassung der Kriegsereignisse
und ihrer Ursachen, vielfach insbesondere der Gedanke an spätere Wiedervergeltung
bestimmten Ton und Tendenz, die künstlerische Ausführung blieb von den Anlagen
der Vf. oder von der Beschaffenheit des gesuchten Leserkreises abhängig". Doch
geht aus den höchst sorgfältigen und bei aller Knappheit erschöpfenden Berichten
über eine Reihe von Einzelleistungen, und obschon sich naturgemäss „die absichts-
losesten und wahrsten Darstellungen in den Erzählungen der hervorragenderen
Schriftsteller" finden, unwidersprechlich hervor, dass sich beinahe keine französische
Kriegserzählung über die verzerrte Darstellung des Feindes, die von der allgemeinen
Stimmung erwartete und geforderte Karikatur alles deutschen Wesens und Lebens
erhebt, wie denn selbst Zola, der in seiner „Debäcle" in erbarmungsloser Wirklich-
keitsschilderung seine Landsleute wahrlich nicht schont, nur verzeichnete und, soweit
sie wahr sind, weder typische, noch lebendige Gestalten von Deutschen zu zeichnen
vermocht hat. Dass noch immer ein ungeheurer Abstand zwischen dem redlichen
Künstlerwillen, die Dinge und Menschen deutlich zu sehen und wiederzugeben, und
der Leichtfertigkeit besteht, die sich alle Fabeln der gehässigen blague zu Effektzwecken
aneignet, belegt K.s Untersuchung in jedem Abschnitt. Sein Buch zerfällt in zwei Haupt-
teile: im ersten gelangen die Novellen, im anderen die Romane zur Besprechung; die
Novellen teilt er wieder in „Helden- und Racheerzählungen" (mit den Unterabschnitten
„Heldenkinder", „Heldenväter", „Heldenfrauen", „Helden im kräftigen Mannesalter"),
„Satirische Schilderungen französicher Verhältnisse" („Naturalistische Erzählungen",
„Realistische Erzählungen", „Phantastische und rein satirische Erzählungen"), „Spott-
erzählungen auf Deutsche und Wiedervergeltungsphantasien", „Tendenzlose Kriegs-
bilder und Stillleben" („Kampf- und Lagererzählungen", „Stillleben"). Die Romane
charakterisiert K. unter den Ueberschriften : „Romane mit Kriegsepisoden", „Frei-
schärlerromane", „Spottromane mit deutschen Helden", „Spionenromane", „Empfindsame
Romane, und Idyllen", „Schlachtenromane", „Krieg im Frieden". Die hervorragendsten
Romane, die die Rückerinnerung an das Schrecken sjahr in Frankreich gezeitigt hat,
sind auch nach K.s Erörterungen Erckmann - Chatrians „Brigadier Friedrich",
A. Daudets „Robert Helmont", Zolas „Zusammenbruch" und endlich Francois Coppees
„Idylle während der Belagerung", letztere ganz tendenzlos, ohne jede Schilderung des
Landesfeindes, lediglich eine während der Schreckenstage des Krieges emporblühende
Liebe eines jungen Parisers und einer Pariserin schildernd, in der nach K.s Urteil
„die Ereignisse des Krieges im wesentlichen nur dazu dienen, um Kontrastwirkungen
zwischen dem Unglück der Gesamtheit und dem Liebesg-lück eines Einzelnen hervor-
zubringen und die Selbstsucht der Liebe dadurch um so deutlicher zu kennzeichnen." —
In den gegenseitigen Beziehungen der französischen und deutschen Litteratur,
demgemäss auch der Litteraturgeschichte fehlt ein fester Mittelpunkt, wie er, sobald
— 20) F. Vogt, Leconte de Lisle: NatZg. N. 436. - 21) (IV lb : 357.) — 22-23) X p- Wüloker: AngliaB. 4, S. 11/2; M.
IV ld: 22-25o Ad. Stern,Allgemeinesdesl8./19. Jh. :i)iedeutscheLitteraturund das Ausland.
unsere Uebersicht sich unserem Verhältnis zu England und der Erforschung des
Einflusses der englischen Litteratur auf Deutschland zuwendet, in
Shakespeare ein für allemal gegeben ist. Trotz Carlyle und seiner Nachfahren
haben die Engländer an keinem deutschen Dichter, auch an Goethe nicht, ein gleiches
Besitzrecht gewonnen, wie die Deutschen seit Schlegels Uebersetzung und den Kritikern
der Romantik an dem grössten germanischen Dramatiker. Und wenn der unerquick-
liche Streit, ob Shakespeare, der Dichter, je gelebt und geschaffen habe, in diesem
Augenblick auch bei uns heftiger als je entbrennt, v/enn leider auch die ernste
Wissenschaft und die im wahrenGenuss des Dichters vertiefte Ueberzeugung von dem
selbständigen Dichtergenius und der künstlerischen Eigengrösse Shakespeares, die
man in ein Annex wissenschaftlicher Grösse verwandeln möchte, den wunderlichsten
Hypothesen und einer geistreich spielenden Willkür und Umsturzsucht Rede zu
stehen haben, so ändert dies doch nichts an der Thatsache, dass die dramatischen
Dichtungen Shakespeares durch Uebertragung, Darstellung und fortgesetztes Studium,
ja, wie der Shakespearerealist und andere wollen, durch Ueberschätzung und
Hypertrophie der ästhetischen Betrachtung, uns unmittelbar gehören und, gleich den
grössten Schöpfungen unserer eigenen Dichter, alle Adern unserer Bildung durch-
ziehen. Selbst wenn das Unmögliche geschehen, ein modischer Irrtum siegen, die
gesamten Schöpfungen eines grossen Dichters dem Ruhme eines Philosophen zugelegt
werden sollten, dessen Anschauungen von der Poesie denen des Dramatikers diametral
entgegengesetzt waren, so würde dies an der Wirkung der poetischen Werke wenig
ändern, und darum muss es erlaubt sein die ganze Reihe der Schriften, Aufsätze,
Untersuchungen und Erläuterungen über und zu Shakespeare, die auch im J. 1894
in Deutschland veröffentlicht worden sind, der brennenden Tagesfrage voraufgehen zu
lassen. „Hamlet" wird ja Hamlet und „Macbeth" Macbeth bleiben, wie man am
Ende auch den Dichter dieser gewaltigen Werke taufen mag. Im Vordergrund der
vorjährigen Uebersicht über die deutschen Shakespearekommentare standen eine
Reihe von Arbeiten über Hamlet, auf den wir uns bekanntlich neben dem allgemeinen
Besitztitel an Shakespeare noch einen besonderen Anspruch vorbehalten haben.
Loenings Werk (JBL. 1893 IV ld : 62) hat noch eine Reihe weiterer Besprechungen
erfahren22-23), die, zustimmend wie ablehnend, doch überall die Bedeutung der
Loeningschen Auffassung anerkennen. — Erweitern sich doch einzelne der Berichte
von der Recension zur selbständigen Abhandlung, wie He b 1 e r s24) „Hamletfrage";
und damit treffen sie wieder auf andere Auffassungen und Erläuterungen. — Freilich
darf man sich die Gefahr nicht verhehlen, dass die neuesten, weit auseinandergehenden
Versuche in das letzte tiefgründige Geheimnis des Hamletcharakters und der Tragödie
einzudringen, die Zuversicht des Laienpublikums, bei der Litteratur Wissenschaft sichere
Aufklärung zu gewinnen, stark ins Wanken gebracht haben. Je lebhafter man aller-
seits bemüht ist, den Streit diametral entgegengesetzter Anschauungen zur Kenntnis
weiter Kreise der Shakespearefreunde zu bringen, je einfacher und volkstümlicher
der polemische Ausdruck wird, um so misslicherer erscheint es, gewisse Angelegen-
heiten vor einem grossen Publikum zu erörtern, namentlich wenn sich dabei persön-
liche Gereiztheiten zum Schaden der Sache kundgeben. Dass die Auffassung, die
Loening vertritt, sich mit der, die Türck25"250) in einer Reihe von Hamletschriften
dargelegt hat, in keiner W'eise deckt, dass T. ein ganz anderes und fraglos gewichtigeres
Motiv des Nichthandeins und Zauderns bei Hamlet zu erweisen sucht, ist mehr als
hinreichend erörtert worden. Was T. in seinen früheren Schriften auseinandergesetzt,
erscheint in zwei Streitschriften gegen Kuno Fischer in Heidelberg rekapituliert.
Die Hamlettragödie ist nach T. die Tragödie des Idealismus, der Held ein ideal ge-
richteter, genial beanlagter Mensch, der den Entwicklungsgang aller wahrhaften
Genies durchmacht, der „nur das Unglück hat, dass gerade zu einer Zeit, in der seine
Thatkraft bis auf vereinzelte, nur auf äusseren unmittelbaren Anstoss erfolgende Aus-
brüche infolge einer in seiner inneren Entwicklung eingetretenen Krisis völlig
gehemmt und so zu sagen nach innen zurückgedämmt ist, Dinge an ihn herantreten,
denen er sich sonst völlig gewachsen zeigen würde, die aber jetzt für ihn, da sie
ihn gerade in diesem Zustande einer sein ganzes Sinnen und Trachten in Anspruch
nehmenden inneren Krisis treffen, äusserst verhängnisvoll werden". Weil Hamlet
schon vor der Erscheinung des Geistes seine ganze ideale Weltanschauung mit einem
Stoss über den Haufen geworfen sieht, weil die Erfahrungen, die er nach dem Tode
seines Vaters gemacht hat, ihm die Freude und Lust an dieser Welt und am Leben
selbst genommen haben, weil er die Lockungen der Welt hinter sich hat, ist er auch
Koch: EnglSt. 19, S. 125-31; C. H. Herford: Ac. 46, S. 44/5. — 24) K. Heb ler, D. Hamletfrage mit bes. Beziehung auf
R. Loening, D. Hamlettragödie Shakespeares: Euph. 1, S. 237-67, 491-519. — 25) H. Türck, D. Uebereinstimmung v. Kuno
Fischers u. H. Türcks Hamleterklärung. Jena, Mauke. VI, 76 S. M. 1,20. |[DLZg. S. 1527; R. Wulckow: BerlTBl.
N. 364. ]| — 25a) id., I). Hamletproblem vor Gericht: EZg. K. 149. — 25b) id., Kuno Fischers krit. Methode. E. Antw. auf
seinen Artikel „D. Türcksche Hamlet" in AZgU. Jena, Mauke. VIII, 32 S. M. 0,60. — 25 0) id., Meine Erfahrungen mit
Ad.Stern, Allgemeinesdesl8./19. Jh. :DiedeutscheLitteraturunddas Ausland. VI 1 d:26-27a
zu der von ihm geforderten Rache nicht eigentlich befähigt. — Mit dieser Auffassung
traf eine von Kuno Fischer26-27) gegebene kurze Darstellung des Hamlet-
problems, die sich an einen Aufsatz über Loenings Buch anreihte, insoweit
ganz unzweifelhaft zusammen, als auch F. sich gegen Loenings Anschauung wendete,
dass sich Hamlet einfach von seinem Temperament beherrschen und treiben lasse,
als auch er betont, dass die Temperamente das Tempo des Lebens, nicht dessen Thema
sind, dass der Genius zwar auch seine Wurzeln im Naturell, aber nicht im Temperament
habe, als auch F. überzeugt ist, dass dieselben Motive, die die Rachelust entzünden
sollen, die Lebenslust bei Hamlet auslöschen. „Alle Rache ist hinfällig, wenn der
Rächer von der Welt und dem Menschen so wie Hamlet denkt: Was ist mir diese
Quintessenz von Staub". Bei solcher Uebereinstimmung im Hauptpunkt würde sich
F. sicher nichts vergeben haben, wenn er der von ihm früher anerkannten Thätigkeit
des jüngeren Aesthetikers ein Wort gewidmet und die Punkte betont hätte, in denen
sich Türcks Auffassung des Problems fruchtbar und vor allem entwicklungsfähig erweist. —
Da dies nicht geschehen war, fühlte sich Türck27a) verletzt und versuchte nun
seinerseits in einer Flugschrift den Nachweis zu führen, dass Fischers ganze Erklärung
lediglich eine Frucht von Ideen sei, die seinen eigenen, Türcks, Schriften entstammen. Sein
Angriff gipfelte in dem Satze: „Nimmt man alles zusammen, so klingen K. Fischers
Ausführungen fast wie eine geistvolle, etwas feuilletonistisch gehaltene Wiedergabe
meiner in 'Hamlet ein Genie' und 'Das psychologische Problem in der Hamlet-Tragödie*
niedergelegten Hamleterklärung". Mit diesem Satze betritt er den gefährlichen Boden
des Streites um die Priorität einer Anschauung, eine Priorität, von der K. Fischer
seinerseits behauptet, dass sie ein Hirngespinst sei, dass seine eigene Auffassung des
Hamlet lange vor T.s Schriften festgestanden habe, worauf denn auch der erste Brief
Fischers an T., in dem er sagt, er habe T.s Schrift „Hamlet ein Genie" mit grösstem
Interesse und in einigen der wesentlichsten Punkte mit entschiedener Beistimmung
gelesen, hinzudeuten scheint. Dem Anspruch T.s, dass sich Fischer seine Schriften
so zu eigen gemacht habe, dass, abgesehen von einzelnen Stellen, in denen Fischers
Erklärung der Tragödie von der seinigen abweiche, dessen in AZg.B dargebotenen
Ausführungen über Hamlet ganz wie eine abgeschwächte Wiedergabe seiner vor
sechs und vier Jahren veröffentlichten Ideen klängen, setzt der Heidelberger Historiker
der Philosophie die schroffe Erklärung entgegen: „Und die grundlegenden Ideen?
Diese bestehen zunächst darin, dass Hamlet ein Genie sei, dass er nach dem Tode
des Vaters und der Heirat der Mutter die Lust an der Welt, die Freude am Leben
verloren habe und nun bis zu einem Grade verdüstert und pessimistisch gestimmt
sei, der seine Gedanken auf Tod und Selbstmord richte, seine Thatkraft lähme und
in der Erfüllung der ihm auferlegten Rachepflicht hemme; der Grund dieser Hemmung
liege also nicht in dem Mangel an Thatkraft und sinnlicher Heldenstärke, wie Goethe
gewollt habe, sondern in Hamlets Geistes- und Gemütsart. Bis hierher ist nichts
gesagt, nichts enthüllt, das nicht jedem, der den Text der Tragödie mit offenen
Augen liest, von selbst einleuchtet." Gegenüber dieser Behauptung, die denn doch
cum grano salis hingenommen werden muss, ist es T. leicht gemacht, zu erweisen,
dass ganze Reihen von Erklärern das Genie und die pessimistische Grundstimmung
in Hamlet eben nicht erkannt haben. Aber freilich wird damit durchaus nicht erwiesen,
dass Fischer nicht auch völlig selbständig und ohne jede Beihülfe und Anregung T.s
zu seiner Anschauung gelangt sein könne, es ist hundertmal erprobt, dass zu ge-
wissen Zeiten gewisse Ideenassociationen in der Luft liegen und gleichzeitig an
vielen Stellen stattfinden. Wenn nun in diesen Fällen immer wieder erbittert und
ohne jeden Blick auf die herrschende Zeitstr-ömung um die Priorität, um das
individuelle Eigentumsrecht an einer Erkenntnis, zu der allgemeine ethische und
ästhetische Bewegungen der Zeit viele Geister gleichmässig hindrängen, gekämpft
wird, so mischen sich auf beiden Seiten Stimmungen ein, die der sachlichen Behand-
lung gefährlich werden müssen. Weder an dem herben Ton, in dem K. Fischer die
Ansprüche T.s zurückgewiesen, noch an des letzteren weiter den Kampf fortführenden
Streitschriften lässt sich Freude gewinnen. Und wie immer in diesen Fällen reisst die
Kampfstimmung über die Linie der eigentlichen Streitfrage weit hinaus, T.s zweite
Schrift (S. o. N. 25a) spricht von Uebereinstimmungen Fischers und T.s auch da,
wo doch höchstens von Uebereinstimmung beider mit früheren Erklärern und
Kritikern die Rede sein kann. Die Ansprüche auf die Ehre der ersten Erforschung oder
kritischen Erkenntnis sind in dem Masse reizbarer und schroffer geworden, in dem das
Gebiet völlig neuer gewichtiger Thatsachen, wirklich zum ersten Male ausgesprochener
Anschauungen sich mehr und mehr verengert hat. Ist leider nicht daran zu zweifeln,
dass einzelne wissenschaftliche Kreise eine besondere Freude an Kontroversen wie
Kuno Fischer: BayerKur. N. 1S9-90. (Auch als Separatabdr.) — 26) Kuno Fischer, E. neues Werk über Hamlet u. d.
Hamletproblem: AZgB. N. 43,9, 5t. — 27) id., D. Türcksche Hamlet: ib. 15. Mai — 27a) (= N. 25.) — 28) E. Traumann,
t V 1 d : 28-32 A d. S t e r n , Allgemeines des 18./1 9. Jh. : Die deutsche Litteratur und das Ausland.
den in Rede stehenden empfinden, so erscheint der Zweifel um so berechtigter, dass
sie der Wissenschaft im höheren Sinne zum Gewinn gereichen werden. — Im Zusammen-
hang mit diesem Hamletstreite steht ein polemischer Aufsatz Traumanns28), der
in leidenschaftlichem Tone für K. Fischer Partei ergreift und die Herausforderungen
der Türckschen Schrift „K. Fischers kritische Methode" mit verdoppelter Gering-
schätzung der Türckschen Leistungen heimzahlt. Des gleichen Vf. Studie „Hamlet
die Tragödie des Menschengeistes" kann wohl bestätigen, dass sich T. mit dem ob-
sch webenden Problem befasst hat, nicht aber, dass er wohlthut, Türck jede Fähigkeit
und jedes Verdienst abzusprechen. Die Prioritätsansprüche des letzteren bekämpft
er mit der Behauptung, dass dieser die Anschauung vom Umschlage der Welt-
anschauung Hamlets selbst auf A. Döring zurückgeführt habe, und dass die Ansicht,
wonach in Hamlet ein Genie im engeren Sinne verkörpert werde, längst vor Türck
von F. Th. Vischer ausgesprochen Worden sei. Darauf erwidert nun Türck freilich
wieder, dass er doch von Döring sehr Wesentlich abweiche und seine Auffassung
des Genies als einer eigenartigen objektiven Richtung des Geistes himmelweit verschieden
von F. Th. Vischers Genie sei. In Summa tritt bei jeder Einzelheit dieses Streites die ganze
Misslichkeit solcher Prioritätskämpfe entscheidend hervor, an denen das Peinlichste
ist, dass sie überhaupt nicht abgeschlossen, sondern je nach der subjektiven Anlage,
Einsicht und Stimmung der Kämpfer und der Nachlebenden jederzeit erneuert werden
können. — Der Vortrag des Schauspielers Gregori29) „Shakespeares Hamlet im
Lichte einer neuen Darstellung" gründet sich durchaus auf Türcks frühere Schriften. —
Eine Reihe von Aufsätzen sind durch die Bearbeitung des „T imon von
Athen" von B u 1 1 h a u p t30) hervorgerufen worden. Der umfassendste davon, der
Herrn. Conrads31) befasst sich nicht nur eingehend mit der theatralischen Ein-
richtung B.s, sondern vor allem mit der merkwürdigen Timontragödie selbst. Andere,
wie K e r r beschränken sich auf eine Abwägung der Verdienste und Mängel von B.s
x\rbeit. — Eine Studie „Ueber den politischen Konflikt in Shakespeares Coriolan" von
Curtius32),geht von der Anschauung aus, dass es erlaubt sein müsse, den Gedankeninhalt
der geschichtlichen Dramen Shakespeares, die wir als Geschichte, wie sie sich dem Auge
des Dichters darstellt, würdigen sollen, abgesehen von ihrem ästhetischen Werte ins
Auge zu fassen und nach den Ansichten des Dichters über die grossen Fragen des
nationalen und politischen Lebens zu forschen. C. sieht die chronikalischen Dramen
des Dichters trotz aller entgegenstehenden Bedenken als ein einzigartiges Gesamt-
werk nationaler und patriotischer Poesie an, dessen Grundthema in den Schlussworten
des Dramas „König Johann" gegeben sei. Im Gegensatz dazu behandeln die römischen
Dramen ein Thema allgemeinster Natur, das jedes Volk und jede Zeit angeht: Das
Recht des Herrschers. Es ist das Problem der Freiheit in umgekehrter Gestalt.
Einem Dichter, der die Welt und den Menschen so genau kennt, wi,e Shakespeare,
der keine Illusionen hat über die Unschuld, Kindlichkeit und Verträglichkeit des
durch keine Fesseln der Gesetze beleidigten Menschen, einem solchen realistischen
Dichter liegt die Betrachtung dieser Frage aus dem Gesichtspunkte des Herrschers
näher. Darum sind Julius Cäsar und Coriolan vornehm, aristokratisch, durchaus
politisch gedacht. Coriolan ist die Tragödie des Helden, der dem Neide erliegt; der
Dichter zeigt, wie Held und Volk zusammen gehören, und wie deshalb der Sturz des
Helden im Grunde die eigene Tragödie des Volkes ist, das sich nicht selbst regieren
kann und um seines eigenen Besten willen beherrscht werden muss. Für Coriolan
ist die Macht und Grösse Roms mehr wert als das Glück und Leben des Einzelnen,
und er fordert diese Hingabe an das Gemeinwesen, zu der er selbst bereit ist, auch
von seinen Mitbürgern. Keine andere Person des Dramas ist ihm in dieser Erhabenheit
der Staatsgesinnung gleich, und gerade hierin besteht die erschütternde Tragik seines
Falles. Aber allerdings ist Coriolans Persönlichkeit ein menschlich fehlerhaftes Gefäss
der Idee, die er vertritt, seine Fehler, Fehler des Temperaments und der socialen
Verhältnisse, bilden die Handhabe, durch welche seine ethisch tief unter ihm stehenden
Gegner seinen Sturz herbeiführen können. Es ist der offenbare Defekt in der Be-
gabung Coriolans, dass er ausschliesslich Politiker ist und den berechtigten wirt-
schaftlichen Forderungen des römischen Volkes kein Gehör schenkt. Der Schluss
des Coriolan erscheint darum „so hoffnungslos traurig wie der keiner anderen Tragödie
Shakespeares", weil der Held einem Geist der Niedertracht gegenübersteht, der die
Existenz echter Grösse leugnet, zu einer ganzen Weltanschauung der Kleinheit und
Mittelmässigkeit entwickelt ist. Der Held, dessen Aufsteigen den Himmel erhellt wie
Glanz der Morgensonne, muss durch seine eigenen Fehler dem Neide den begierig
gesuchten Anlass zu offenem Kampfe geben. Durch die Reibung des Kampfes werden
H. Türck d. „Hamletkommentator" gegen K. Fischer:! AZgli. N. 147. — 29) F. Gregori, Shakespeares Hamlet im Lichte e.
neueren DarsteU. Vortr. Barmen, Stcinhorn * Co. 24 S. M. 0,60. — 30) H, Bnlthaupt, Timon v. Athen. Oldenburg,
Schulzosche Hofbuchh. M. 1,60. |[H. Kraeger: BLU. S. 828; J. Edgar: DBühneng. 23, S. 185/6; K. Kerr: ML 68, S. 848/9;
BDRS. 61, S. 629.]| - 31) H. Conrad, Shakespeare-Bulthaupts Timon: JbDShakespeareGes. 30, S. 110-47. — 32) F. Curtius,
Ad. St er n, Allgemeines des 18./ 19. Jh.: Die deutsche Li Ueratur und das Ausland. IV ld:33-39
jene Fehler nicht gebessert, sondern verschärft, und durch dieses Zusammenwirken
des Fehlerhaften in der Person des Helden mit der Bosheit, die ihm gegen üb ersteht,
wird sein Sturz herbeigeführt. „Trockene Moralisten mögen mit dem Behagen des
musterhaften Buchhalters feststellen, dass die Rechnung von Schuld und Schicksal
schliesslich glatt aufgeht. Dem wahrhaft menschlichen Empfinden offenbart sich
gerade hierin die Tragik der Geschichte." —
"Während Em. Starke über„Troilus und Cressida" handelt — P. Lange33)
hat davon berichtet — , Kreutzberg34) über Brutus in „Julius Cäsar", M. Lange35)
über „Das Urbild des Falstaff" sich verbreitet, rückt Brandes36) mit der Studie
„Shakespeares düstere Periode" der Gesamterscheinung des Dichters und
den allgemeinen Fragen, die uns bei dieser beschäftigen, schon wieder beträcht-
lich näher. —
Einen umfassenden Versuch, Shakespeares Frauengestalten sämtlich zu
behandeln und aus der charakteristischen Verschiedenheit der Typen in drei
Schaffensperioden des Dichters Rückschlüsse auf das Leben des Dichters zu machen,
unternahm Lew es37). Das Buch scheint mehr für Leserinnen als für Leser bestimmt,
wogegen nichts zu erinnern wäre, wenn der Vf. unter der Herrschaft des Wunsches,
durch eine gewisse leichte Anmut der Darstellung das Interesse der Leserinnen zu
erwecken, die kritische Schärfe und Bestimmtheit nicht gar zu sehr vermissen Hesse.
Namentlich in seiner Einleitung erkennt man, dass er über eine Reihe der wichtigsten
Fragen mit sich selbst noch nicht zum Abschluss gekommen ist. Seine Charakteristik
und Deutung einzelner Frauengestalten des Dichters geht zu sehr ins Weichliche.
Wer wird in Desdemona ein Vögelchen sehen, das „das Nest verlassen hat, ehe es
fliegen konnte", wer die vom Vf. gegebene Schilderung der Cordelia im König Lear als
eine erschöpfende betrachten. Eine fein nachempfindende Vertiefung in die Frauen-
charaktere des Dichters und der Reiz lebendiger Darstellung könnten für manche
Mängel entschädigen, aber bei L. erscheinen auch diese Vorzüge nur fragmentarisch
entwickelt. —
Eine kleine Gruppe neuer Abhandhingen knüpft nicht an bestimmte Gestalten der
Dramen oder einzelne Perioden der dichterischen Entwicklung Shakespeares, sondern
an bestimmte Eigentümlichkeiten seines poetischen Ausdrucks, seiner Sprachbehand-
lung an. Wurths38) Specialuntersuchung über den Gebrauch des Wortspiels bei
Shakespeare sucht festzustellen, inwieweit der Dichter in der Verwendung dieses
Kunstmittels Schüler seiner Vorgänger und Zeitgenossen gewesen, inwieweit er
künstlerisch selbständig vorgegangen sei, und will die Betrachtung derShakespeareschen
Wortspiele aus den 37 Dramen und sämtlichen Gedichten „für die Erkenntnis und
Theorie der Sprachkunstwerke überhaupt" verwerten. Der Vf. legt dem Wortspiel
als Mittel der charakterisierenden Kunst infolge seiner sehr gründlichen Unter-
suchung, bei der er neben zahlreichen Ab- und Unterarten fünf Hauptgruppen der
eigentlichen Wertspiele und neben diesen noch Laut- oder Klangspiele, und zusammen-
gesetzte und Gruppenspiele (Wortgefechte) unterschieden wissen will, zu grosse Be-
deutung bei, er findet, dass dem Wortspiele nicht nur Witz, sondern auch Gemüt zu
eigen sei, wodurch es zum Ausdrucksmittel des echtesten Humors werde und sich
jeder Seelenbewegung anpasse. Darum findet es auch in der ernstesten Scene seinen
Platz. „König Richard II. giesst in seine Spiele die herbste Bitterkeit, in der höchsten
Verzweiflung, im Zustande der grössten Trostlosigkeit beginnt Gaunt über sich selbst
zu witzeln. Desdemona und Jago helfen sich mit dem Wortspiel momentan über
Unangenehmes hinweg; im Lear erhöht es durch seine Ironie und den Kontrast die
Tragik des Ganzen. An anderer Stelle rückt es uns die Feindseligkeit zweier Rivalen
vor Augen (Richard und Bolingbroke, Hamlet und der König). Shakespeare hat das
Wertspiel nicht unbedacht eingestreut, es ist mit Ueberlegung am richtigen Orte
verwendet und der richtigen Person zugeteilt. Auch die Einkleidung und Umgebung
des Spiels ist nicht zufällig. Jede Person spielt mit der ihr charakteristischen Art,
und nicht jede Person ist überhaupt für das Spiel geeignet. In „Liebes Leid und Lust"
sind die Spiele Moths im Vergleich zu denen des Gecken Armado geradezu reizend.
In Coriolan trägt Menenius fast alle Spiele, nur Coriolan selbst gebraucht zuweilen
eines, um darin seinen hochmütigen Spott über das Volk auszugiessen." W. hofft die
Untersuchung der Wortspiele auch als Hülfsmittel für die Datierung der Stücke, als
Mittel der Textkritik verwerten zu können. Den historischen Teil seiner Untersuchung
Ueber d. polit. Konflikt in Shakespeares „Coriolan": DRs. 80. S. 397-411. - 33) E. Stäche, D. Verhältn. v. Shakespeares
Troilus u. Cressida zu Chaucers gleichnamigem Gedicht. Progr. Nordhausen. 1893. 4°. 14 S. |[P. Lange: AngliaB. 4,
S. 264/5.] | - 34) P. Kreutzberg, Brutus in Shakespeares Julius Cäsar: COIRW. 22. S. 399-400. - 35) M. Lange, D. Ur-
bild d. Falstaff: VossZgB. K. 34. — 36) G. Brandes, Shakespeares düstere Periode: Zukunft 9, S. 25-30, 83'8. — 37) L.
Lew es, Shakespeares Frauengestalten. St., Krabbe. 1893 XVI, 409 S. M. 5,00. |[ÖLB1. 3,S 48; R. Fried rieh: AngliaB. 4,
S. 262/4; A. Schröer: DWB1. 7, S. 2278; JbDShakespeareG. 30, S. 29-30,3046; E. v. Sallwürck: BLTJ. S. 179.]| —
38) L. Wurth, D.Wortspiel bei Shakespeare. Progr. d. k. k. Staatsrealscb. im VII. Bez. Wien. 36 S. — 39) L. Fränkel,
Jahresberichte für neuere deutsche Litteratnrgeschichte. V. (" i) J_6
I V 1 d : 40-49 Ad. Stern, Allgemeines des 18./ 19. Jh. : Die deutsehe Litteratur und das Ausland.
über das Verhältnis Shakespeares zu den Zeitgenossen, zur Gesellschaft und Ge-
schmacksrichtung- seiner Zeit, vor allem sein Verhältnis zu Lyly und dem Euphuismus
bleibt der Vf. aus Raumgründen zunächst schuldig, doch hebt er hervor, dass
Shakespeare Lylys Dramenstil weit mehr verdanke als dessen Stile im Euphues.
„Wie im übrigen ist Shakespeare auch hinsichtlich des Wortspiels ein Schüler der
Gesellschaft und der Dichter seiner Zeit, und wie auf anderen Gebieten hat er auch
hier seine Zeitgenossen überflügelt." — Einen Beitrag zur vergleichenden Literatur-
geschichte der germanischen Völker gab Fränkel39) . in seinem Werke über
Shakespeare und das Tagelied. Die Untersuchung des Vf. knüpft an die fünfte
Scene des dritten Aktes von Romeo und Julia an und betont die Verwandtschaft
dieser Scene mit den Tageliedern der mittelhochdeutschen Lyrik. Da die englische
litteratur so wenig wie die italienische, aus der der Stoff herstammt, ein entsprechendes
Vorbild aufzuweisen hat, so folgert F., dass Shakespeare die englische Poesie
durch ein aus dem allgemeinen Schatz germanischer Naturanschauung und Dichtung
entnommenes Gut bereichert hat. Das deutsche Tagelied hat seinen Weg nach Holland
gefunden und dies legt die alte Frage, ob Shakespeare je nach Holland oder Deutsch-
land selbst gelangt sei, sowie die Frage nach seinem Verhältnis zu deutschen Geistes-
produkten überhaupt wiederum nahe. — H. Hoffmanns40) Dissertation über die Be-
teuerungen in Shakespeares Dramen gehört gleichfalls in die grosse Reihe der
Untersuchungen, durch die man den britischen Dichter mehr und mehr zu unserem
Eigentum zu machen trachtet. —
Einen in gewissem Sinne unheimlichen Eindruck erweckt es freilich, dass
trotz aller Studien und kritischen Bemühungen auch die kleinste Shakespearefrage
so wenig zum Abschluss gelangen will, wie nach einem Goetheschen Bilde Wachs
gerinnen kann, so lange es beim Feuer steht. Selbst über die Schreibweise des
Namens: Shakespeare oder Shakspeare (Shakspere) werden ja noch Erörterungen
angestellt und Meinungen ausgetauscht41) und alles natürlich mit der deutschen
Leidenschaftlichkeit, die im Andersmeinenden immer einen Gegner und meist einen
Ignoranten sieht. —
Die Gruppe der im Vorjahr erschienenen deutschen Shakespeareschriften,
sowohl die Vorträge ten Brinks42), als die Biog-raphie und Charakteristik Brandls43),
die Essays Oech elhäusers44) und Hauffens45) zusammenfassende Arbeit über Shake-
speare in Deutschland haben, wie billig, noch eine lange Reihe von Würdigungen (ge-
legentlich natürlich auch von Angriffen und Herabsetzungen) erfahren. — Dieser Gruppe
schliesst sich im Berichtsjahr der Vortrag von Marx46) über den dichterischen Ent-
wicklungsgang Shakespeares an, der nicht eigentlich Neues enthält und sich selbst
als einen Versuch bezeichnet, wie wir uns die dichterische Entwicklung Shakespeares
vorstellen können. — Das gleiche Thema wie Hauffen (s. o. N. 45), nur knapper
und unvollständiger, behandelt unter gleichem Titel Michel47), dessen Arbeit
„Shakespeare in Deutschland" durch den dreissigsten Jahrestag der Begründung der
deutschen Shakespearegesellschaft veranlasst wurde. — Sehr wertvoll sind zwei kleine
Arbeiten Frenz eis48"48") „Die Persönlichkeit Shakespeares" und „Shakespeare auf der
deutschen Bühne", die teilweise an die obengenannten Schriften, namentlich Brandls
und Oechelhäusers, anknüpfen, aber mit der feinen Sicherheit und dem scharfen
Blick des genannten Kritikers gerade die Punkte herausheben, auf die die Laien-
bildung jetzt vor allem hingewiesen ist, dass Shakespeares Dichtung Gipfel eines sich
langsam erhebenden Plateaus ist, dass sein Künstlertum um so leuchtender hervortritt,
je vertrauter wir mit dem Wesen seiner Zeit, mit den Verdiensten seiner Vorgänger
und Zeitgenossen werden. Die erhöhte Thätigkeit der deutschen Bühne und der Auf-
schwung, der seit den Meiningern unzweifelhaft stattgefunden hat, ist nach F.s Ueber-
zeugung vor allem Shakespeare zu Gute.gekommen: „für ihn sind die letzten zwanzig
Jahre eine Art Auferstehung in Deutschland gewesen." —
Die grosse Sensation, ohne die es auf keinem, auch auf wissenschaft-
lichem Gebiet mehr abgeht, war freilich im J. 1894 nicht sowohl eine Auferstehung
als eine vermeintlich endgiltige Bestattung des Dichters Shakespeare. Bei dem
ShaVespeare u. d. Tagelied. E. Beitr. z. vergleich. Litt.-Gesch. d. german. Völker. Hannover, Helwing. 1893. V, 132 S.
M. 3,00. (Vgl. JBL. 1893 I 10:38.) — 40) H. Hoff mann, Ueher d. Beteuerungen in Shakespeares Dramen. Diss. Halle a. S.
52 S. — 41) Shakespeare oder Shakspeare: FZg. N. 120. — 42) B. ten Brinks Shakespeare (JBL. 1393 I 2 : 45; IV 1 d : 60).
|[L. Proescholdt: AngliaB.4, S 233/4; A. Schröer: BnglSt. 19, S. 273; LCB1. S. 433/4; R.Walker: JbDShakespeareG. 29-30,
S. 246/8; ib. S. 306/7.]| — 43) A. Brandl, Shakespere. (= Geisteshelden her. v. A. Bettelhe i m. N. 6.) B., E. Hofmann & Co.
VIII, 232 8. M. 4,50. |[DR. 80, S. 158; W. Bolin: Zeitgeist N. 44; F. A. Leo: JbDShakespeareG. 29-30, S. 299-301.]| -
44) W. Oechelhäuser, Shakespereana. B., Springer. V, 251 S. M. 6,00. [L. Proescholdt: Anglia". 4, S. 68; Grenzb. 2,
S. 620/1; LCB1. S. 1775/6; F. A. Leo: JbDShakespeareG. 29-30, S. 297/8.]| — 45) A. Hauffen, Shakespeare in Deutschland.
(JBL. 1893 III 4:6a; IV ld:59; 4:25) |[NorddAZg. N. 241; JbDShakespeareG. 29-30, S. 309-10.] | — 46) Th. Marx, D.
dichterische Entwicklungsgang Shakespeares. (= SGWV. N. 211.) Hamburg, Verlagsanst. 27 S. M. 0,60. — 47) Fr. Michel,
Shakespeare in Deutschland. Z. 30. Jährest, d. Begrfind. d. dtsch. Shakespeareges.: FZg. N. 110. — 48) K. Frenzel, D.Per-
sönlichkeit Shakespeares: NatZg. N. 418, 420. - 48a) id., Shakespeare auf d. dtsch. Bühne: ib. N. 113. — 49) E. Bormann,
Ad. Stern, Allgemeines des 18./19. Jh.: Die deutsche Litteratur und das Ausland. IV ld : 49
Shakespeare-Bacon-Streit erhielten die Amerikaner und Engländer, die seit einer
Reihe von Jahrzehnten die Autorschaft Shakespeares in Zweifel zogen und den
Schlüssel zu dem grossen Geheimnis suchten, wer Shakespeares Dramen gedichtet
habe, in Bormann49) einen besser als sein Vorgänger Graf Vitzthum ausgerüsteten
deutschen Bundesgenossen, der in einem verlockend ausgestatteten und ersichtlich
mit grossem wissenschaftlichen Apparat versehenen Grossoktavbande das „Shakespeare-
Geheimnis" der Welt zu enthüllen und zu deuten unternahm. Wenn es ungehörig
war, den liebenswürdigen Lyriker und humoristischen Dialektdichter an seine leichtere
Thätigkeit zu erinnern und eine nur allzuernst gemeinte wissenschaftliche Arbeit von
vornherein zu unterschätzen, weil ihr Vf. sich nicht zuvor durch ein Dutzend Vor-
arbeiten für die Beschäftigung mit Shakespeare und Bacon legitimiert hatte, wenn B.
sich mit allem Recht darauf berufen konnte, dass er sich mit Shakespeares Dramen
so gut als mit Bacons Schriften eingehend vertraut gemacht habe, ehe er daran ging
zu erweisen, dass Francis Bacon die grosse Ergänzung seines unvollendeten wissen-
schaftlichen Werkes vorläufig in dichterischen Produktionen „dramatisch-parabolischer
Poesie, die in verhüllter Form die Geheimnisse der Wissenschaft dem Zuschauer als
gegenwärtig vor die Augen führt", hinterlassen habe, so forderte doch die Gewalt-
samkeit der Konjekturen, die gänzliche Verachtung alles Einfachen und Nächst-
liegenden, mit der B. seine Baconhypothese zu stützen suchte, die Unterschätzung
des in Shakespeares Dramen pulsierenden Lebens und die leidenschaftlich einseitige
Zurückführung lebensvoller Gestalten auf naturwissenschaftliche Begriffe und philo-
sophische Abstraktionen den härtesten Widerspruch aller heraus, die sich ein un-
mittelbares Gefühl für Bedingungen, Wesen und Wert lebendiger Poesie erhalten
haben. Die ganze Beweisführung Bs, obschon sie mit allem Aufwand eifrigen Studiums
und scharfsinniger Deutungslust vor die Oeffentlichkeit trat, scheitert schon an ihrer
ersten Voraussetzung, dass „die Mehrzahl der Gebildeten allezeit einen Widerspruch
empfunden habe zwischen der Gedankentiefe, Gedankenfülle und Gedankenmannig-
faltigkeit der Shakespeareschen Dichtungen und der Person dessen, der sie geschaffen
haben soll." Die einfache Thatsache, dass wir leider wenig von Shakespeares per-
sönlichem Leben wissen, dass er, gleich fast allen anderen dramatischen Dichtern
seiner Zeit und seines Landes, keinen liebevollen Biographen gefunden hat und seine
menschliche Gestalt hinter seinen gewaltigen Werken fast verschwindet, muss jederzeit
erst in eine willkürliche und auf den unsichersten Ueberlieferungen beruhende
Charakteristik des „ungebildeten Shakespeare" umgewandelt werden, um den „Wider-
spruch" herzustellen. Die „mangelhafte Schulbildung" Shakespeares, das Haupt-
argument für die Unmöglichkeit, dass der Schauspieler aus Stratford diese Wunder-
werke geschaffen haben könne, ist für uns Deutsche ein armseliger Beweis angesichts
der einfachen Wahrheit, dass nicht weniger als vier unserer grössten dramatischen
Dichter des 19. Jh., Heinrich von Kleist, Fr. Hebbel, Otto Ludwig und L. Anzengruber,
ihre mangelhafte Schulbildung durch eine Selbstbildung wett zu machen hatten, deren
Eigenart und Wege hinreichenden Aufschluss über die verschiedenen Möglichkeiten
gaben, die in solchem Falle eintreten. Eine ganze Reihe anderer „Beweise", die B.
beibringt, um die störrisch zweifelnde Welt zu überzeugen, dass Bacons „Magna
Instauratio" aus zwei Hälften bestehe, von denen die eine, unter Bacons eigenem Namen
in wissenschaftlicher Prosa, die andere poetisch-parabolisch unter dem Pseudonym
William Shakespeare geschrieben sei, tragen zum allergrössten Teile ein solches Ge-
präge von Künstelei, von Ueberschätzung nichts beweisender Satz-, Wort- und Silben-
übereinstimmungen, von Aufbauschung zufällig unerklärter oder im Dunkel liegender
kleiner Umstände, von absichtlicher Nichtberücksichtigung gewichtiger gegen die
Bacontheorie sprechender Zeugnisse, dass reichlich Arbeit für ein halbes Dutzend und
mehr widerlegender Bücher vorhanden ist. Da es dem Vf. nicht einmal genügt,
dass Bacon, unter gänzlicher Verhüllung und Verschweigung seiner Thaten auch
für die Nachwelt, die Dramen Shakespeares geschrieben haben soll, dass er damit
zum Range der grössten Dichter emporrücken würde, sondern ausserdem bewiesen
werden soll, dass Bacon sich über alle Dichter der Welt durch die Gewalt einer
parabolischen Poesie emporschwingt, einer Poesie, in der, während es sich eigentlich
um die Geschichte der Zwischenformen, die Lehre vom Schall, um die Theorie von den
Spirits, um die ratio, die kritische Vernunft, um die Aggregatzustände von fest, flüssig
und gasförmig, um Medizin, Kosmetik, Athletik und Verjüngungslehre, um die Lehre
von den Licht- und Leuchtstoffen, um die „Lehre von den Geschäften" handelt, nebenbei
und durch den blossen Gebrauch dichterischer Sprache wunderbare, phantasievolle
Handlungen und Gestalten entstehen, die wir für Caliban und Ariel, für Horatio
(ratio), für Hamlet (Medizin!), Ophelia (Kosmetik!) und Laertes (Athletik!), für Lear
D. Shakespeare-Geheimnis. L., Selbstverl. XII, 344 S. M. 20,00. |[A. Brandl: ÖLB1. 3, S. 5235; DBühneng. 23, S. 525/6;
H. Stühmke: Geg. 46, S. 117-21: I,CB1 S. 824 6: D. Hielt': Kritik 1. S. 446 8: E. Bransewetter: Bühne n. Leben 2,
(4)16*
IV 1 d. 50 6i A d. St er n, Allgemeines des 18./19. Jh.: Die deutsche Litteratur und das Ausland.
und Cordelia halten, nicht sollen aber können, so muss man sich fragen, welch eigen-
tümlicher Zug der Zeit in Büchern wie „Das Shakespeare-Geheimnis" zu Tage tritt.
Dem Vf. vielleicht unbewusst, hat das Verlangen nach einer neuen, nie erhörten, die
Ueberlieferung zerstörenden, die bildungssatte Gleichgiltigkeit des lebenden Ge-
schlechts stark aufrüttelnden Offenbarung, ein Verlangen, das uns vielleicht morgen
den Beweis beschert, dass Rafael nicht gelebt, oder wenn doch gelebt, seine Fresken im Va-
tikan nie gemalt und irgend einen „na" oder ,,ni" um seinen Nachruhm betrogen,
dass der kunstsinnige und hochbegabte Erzherzog Rudolf unter dem Namen des
stümpernden und tauben Brodmusikers Beethoven seine unsterblichen Kompositionen
der Welt übergeben habe, starken Anteil an dieser Art Enthüllungen. Haben wir
doch wenige Jahre vor B. in „Sphinx locuta est" den Beweis erdulden müssen, dass
es Goethe um nichts weniger als um Gestalten wie Faust nnd Wagner, wie Mephi-
stopheles, wie Gretchen und Marthe, sondern um philosophische Deduktionen zu thun
war ("JBL. 1892 IV 8a : 70). Doch blosse bewusste oder unbewusste Sensations-
sucht leistet schwerlich eine Arbeit, wie die des B. sehen Buches unter allen Umständen
eine ist. Die unserer Zeit eigentümliche Ueberschätzung der wissenschaftlichen Er-
kenntnis, die Unterschätzung der schöpferischen Phantasie, die Gewohnheit überall
Zusammenhänge, Beziehungen, Abhängigkeiten zu sehen und in seltsamen Gegen-
satz zu ihr das Bedürfnis nach einem universalen Genius, in dem alle Schranken
und Besonderheiten menschlicher Begabung aufgehoben sind, sie alle haben zusammen-
gewirkt, die Ueberzeugung B.s zu reifen und sie soweit wissenschaftlich zu stützen,
dass sich die Kritik wohl oder übel mit ihr auseinandersetzen muss. — Eigentliche
Verfechter seiner Theorie hat der Vf. des Shakespearegeheimnisses nur wenige ge-
funden; am entschiedensten trat Niemann50) für ihn ein, dem sich von Gottschall51),
H. Weber52) bis auf einen gewissen Punkt anschlössen; mit Bewunderung zweifelnd
verhielten sich von S'allwürk53) und Bulthau pt54); zu entschiedener Abweisung
aller Voraussetzungen, Untersuchungen und vermeintlichen Beweisführungen B.s ge-
diehen, gleich Böhtlingk 55), Genee56)undBartels57) in ihren längeren Widerlegungen
die meisten Besprechungen. Eine wirklich entscheidende und die Frage ein- für
allemal erledigende Widerlegung kann nur dann erwartet werden, wenn erstens die
völlige Unvereinbarkeit der Grundanschauungen, Lebensrichtungen, Erfahrungen und
Ziele, der wissenschaftlichen und aesthetischen Eigenart Bacons mit den innersten
Wurzeln, dem Wesen der Shakespeareschen Dramatik überzeugend nachgewiesen,
wenn die ganze Theorie, nach der die Poesie nur „ein Traum der Wissenschaft",
der poetische Genius nur eine Maske des philosophischen Genius sein soll, bis in
ihre letzten Schlupfwinkel hinein verfolgt, wenn der sehr wohl mögliche Einfluss,
den der grosse Denker Bacon auf den grossen Dichter Shakespeare gehabt haben
kann, genau untersucht, wenn vor allen Dingen die Erörterung auf eine Basis ge-
stellt wird, bei der die gierige Sensationslust der Tagespresse, der alle ernsten Fragen
gleichgütig und nur die augenblicklichen Ueberraschungen von Wert sind, ihre
Rechnung nicht mehr findet. —
In die vorshakespearesche Zeit der englischen Litteratur weisen uns diesmal
nur die Besprechungen zurück, die über Schröers im vorigen Bericht gewürdigte
Neuausgabe der Percy sehen Reliques of ancient english poetry (JBL. 1893 IV ld : 57)
noch erschienen sind58). — Aus der nachshakespeareschen Zeit begegnen wir zu-
nächst wieder Milton, den Hübler59) in längerer Abhandlung mit Klopstock,
natürlich mit besonderer Berücksichtigung des „Verlorenen Paradieses" und des
„Messias", vergleicht. — Der Zeit nach folgt eine interessante Studie Vetters60)
S. 333/4; KZg. N. 468.]1 — 50) A. Niemann, D. Shakespeare Geheimnis: Grenzb. 2, S. 302-14. — 51) B, v. Gottschall,
Shakespeare u. Bacon: DR. 3, S. 296-309. (Vgl. auch SchlesZg. N. 531.) (Dass Bacon irgend e. Arteil an einzelnen Dramen
Shakespeares hat, ist durch Bormanns Untersuchungen wahrscheinlicher geworden, als es früher war.) — 52) H. Weber,
D. Shakespeare-Geheimnis: Dichterheira 14, S.4669. (D.Verdienst hat sich Bormann erworben, d. Baconhypnthese e. systemat.
wissensch. Begründung gegeben zu haben. Nun haben wir e. Vf., d. wir kennen; wir kennen sein Leben, seine Thätigkeit in
d. Wissensch., in d. Politik. Tausend u. tausend Fäden spielen v. d. Dramen Shakespeares zu d. philos. Werken Bacons
hinüber. Es wird Aufgabe e. neuen Wissensch. sein, alle diese Fäden aufzudecken. Vielleicht werden sich nicht nur zwischen
Bacon u. Shakespeare, sondern auch zwischen Kunst u. Wissensch. neue Berührungsquellen ergeben.) — 53) E. v. Sallwürk,
Shakespeare-Bacon: BLU. 2, 8. 465/9. — 54) H. Bulthaupt, D. Shakespeare-Geheimnis: WeserZg. N. 17055. (Jedenfalls
scheinen d. „äusseren Gründe" bislang noch immer viel nachdrücklicher für Bormann zu sprechen als d. inneren, auf d. er
so viel Gewicht legt u. d. z. T. so völlig versagen, dass er sich nicht wandern darf, wenn man d. ganzen Baconfrage gegen-
über seine Zweifel nicht so leicht fahren lässt.) — 55) A. Böhtlingk, Z. Baco-Manie: AZg". N. 196/7. —56) R. Gonee, Noch
einmal Bacon u. Shakespeare: NatZg. N. 470. (Wir haben mit d. Dramen Shakespeares und d. darin waltenden Geiste auch d.
Autor selbst unter seinem richtigen Namen verehren u. lieben gelernt. Dieser Dichter ist uns als d. Inbegriff d. höchsten
u. wahrsten Empfindungen, als unvergleichlicher Kenner d. menschlichen Herzens, wie als Vertreter d. Weltweisheit u. d.
Sittlichkeitsgesetze überliefert worden. Für mein Gefühl ist es nicht gleichgültig, ob man e. solche grosse Persönlichkeit, wie
es d. Schauspieler Shakespeare war, beseitigen will, um e. anderen, d. unmöglich d. Dichter sein kann, an seine Stelle zu
setzen.) — 57) Ad. Bartels, Shakespeare u. Bacon: Didask. N. 210/2. (Man kann Bormanns Buch als d. zusammenfassende
Hauptwerk d. Theorie bezeichnen. Auf d. kühnen Annahme e. dramat.-parabol. Poesie beruht d. ganze Hypothesenwerk Bor-
manns, d. „gedichtete Wissensch." ist sein drittes Wprt. B. weist auch darauf hin, dass Bormann Spenser, d. etwa d. Baconschem
Begriffe parabol. Poesie annähernd entsprochen hat, gar nicht nennt.) — 58) X ^ Fränkel: EnglSt. 19, S. 423/3; ZVVolksk. 4,
S. 96/7. — 59) F. Hübler, Milton u. Klopstock, mit bes. Berücksicht. d. „Paradise lost" u. d. „Messias". LT. Progr. Reichen-
berg i. B. 54 S. — 60) Th. Vetter, D. göttliche Rowe. Progr. Zürich (Fr. Schulthess). 20 S. — 61) H. Hart mann,
Ad.Stern,Allgemeinesdesl8./19. Jh.: Diedeutsche Litteratur und das Ausland. VI ld: 62-64
über eine am 11. Sept. 1674 als Elizabeth Singer zu Ilchester in Somerset geborene,
als Mrs. Elizabeth Rowe am 20. Febr. verstorbene englische Dichterin, die ihrer
Zeit mit einem halben Dutzend umfangreicher Elegien als „die g'öttliche Rowe" ge-
feiert, als der Ruhm ihres Geschlechts und ihres Zeitalters gepriesen wurde und
heute in England so gründlich vergessen ist, dass selbst die umfangreichsten Nach-
schlagewerke für ihren Namen keinen Raum erübrigen können. V., der sie
zunächst als eine Nachfolgerin Miltons charakterisiert, aber an ihren moralischen
und unterhaltenden Briefen eine gewisse Selbständigkeit nachweist, sie nicht bloss
für die Sittengeschichte, wie sie in den Augen der Frommen jener Zeit sich dar-
stellte, sondern für die Geschichte der englischen Prosadichtung wertvoll findet und
ihre Briefe zu den Grundlagen rechnet, auf denen Richardson seinen Familienroman in
Briefen aufbauen konnte, weist auch einen vorübergehenden Einfluss der Dichterin
auf die deutsche Litteratur des vorigen Jh. nach. —
Das Thema von den englischen Einflüssen in der deutschen Litteratur be-
handelt auch ein Vortrag über William Wicherley und Chrn. Felix Weisse,
den Hart mann61) auf der 42. Philologen Versammlung zu Wien hielt, und der zu
zeigen unternimmt, dass der deutsche Dichter des 18. Jh. das gewonnene fremde Gut,
nicht ungeschickt umgemünzt, in neuer Prägung unter seine Volksgenossen gebracht hat.
— Die Wirkungen von Oliver Goldsmiths „Landprediger von Wakeneid" in Deutsch-
land behandelt Ziegert6'2). Sie entziehen sich in ihrer Mannigfaltigkeit und un-
ablässigen Wiederholung der statistischen Berechnung und reichen teilweise bis in
die neueste Zeit, jedenfalls bis zu Berth. Auerbach herab. — Eine sehr gründliche
Studie wird Henry Fieldings, des Romandichters, vergessenen dramatischen Werken
von Lindner63) gewidmet. Eine vollständige Analyse seiner Dramen, eine Erörterung
seiner Theorie des Komischen, seiner Art Dramen zu dichten, eine Darlegung der
Gründe für die Vernachlässigung von Fieldings Stücken gegenüber seinen Romanen,
eine Untersuchung und Nachweisung der Quellen seiner Dramen belehren in er-
schöpfender Art über die dramatische Poesie Fieldings. Aber freilich entschlägt
man sich der Frage nicht, welches Resultat die hier aufgewandte Mühe haben kann,
da selbst der „Tum Jones" des Dichters kaum noch von einem und dem anderen zur
Hand genommen wird. Es sei hier angefügt, dass ich die nicht allzu zahlreichen
Arbeiten über deutsche Litteratur, die in England hervorgetreten sind, ebenso wie
den Bericht über die Wechselwirkung zwischen deutscher und italienischer Litteratur
bis zum nächsten Berichtsjahr verspare, mit dem vereint sich grössere geschlossene
Gruppen ergeben werden. —
Ueber die Beziehungen Deutschlands zu Spanien, die Nachwirkungen der
grossen Blütezeit spanischer Dichtung auch in der deutschen Litteratur hat der eifrige
und unermüdliche Erforscher aller dieser Zusammenhänge und geistigen Einflüsse
Farinelli64) eine neue und interessante umfassende Studie veröffentlicht, die das
Verhältnis Grillparzers zu Lope de Vega eingehend bespricht. Im Anschluss
an seine früheren Arbeiten über die Wechselwirkungen spanischer und deutscher
Litteratur (JBL. 1892 IV 1 d : 29) nimmt F. in der Einleitung zu diesem Buche
auf die verhältnismässig dürftige Kenntnis Bezug, die man bis zu den zwanziger
Jahren unseres Jh. deutscherseits von Lope de Vega und seinen Dramen hatte.
„Ein Band der Comedias Lope de Vegas war bis zu Lessings Zeit und noch später
eine grosse Seltenheit in Deutschland. Wagte ein deutscher Gelehrter irgend ein
Urteil über Lope zu äussern, so gab er nur einen Abklatsch aus französischen
Büchern oder schrieb vom Hörensagen, niemals nach eigener Anschauung." Auch
nach Lessing, der, ob er nun Lope im Original oder aus französischen Uebertragungen
und Berichten kennen lernte, jedenfalls den genialen Instinkt besass, die Eigenart
und Natur des spanischen Dichters zu erkennen, dauerte es geraume Zeit bis einzelne
dem grossen spanischen Realisten gerecht wurden. F. meint, die Romantiker hätten
„mit ihrer einseitigen, unvernünftigen Verehrung Calderons ein falsches Licht auf
Lope geworfen", und erinnert daran, dass Fr. Schlegels hartes und auf entschiedener
Unkenntnis der Dramen Lopes beruhendes Urteil über den Vielschreiber und Im-
provisator, „der noch auf der niedrigsten Stufe der dramatischen Kunst stand und bei
dem sich Oberflächlichkeit und Künstelei paarten", den Grundton für die kritische
Stimmung abgegeben, dass nur Tieck, der mehr von Lope kannte, verständiger
geurteilt habe. So war es Grillparzer vorbehalten, „den Deutschen das Genie Lopes
zu offenbaren", o bschon sein kritisches Werk über Lope sich auf die aus seinem
Nachlass veröffentlichten fragmentarischen Studien über Lope de Vegas dramatische
Dichtungen beschränkte, die „doch in jeder Zeile den grossen Bühnendichter und
Bühnentechniker verraten." Lope „wurde Grillparzers leitender Stern"; er las ihn
William Wicherley u. Chrn. Fei. Weisse. Z. Einfluss d. engl. Litt, auf d. dtsch. d. 18. Jh. (=11: 86a, S. 406-20.) — 62) M.
Ziegert, Goldsmiths Landprediger in Deutschland: BFDH. 10, 8. 509-25. — 63) F. Lindner, Henry Fieldings dramat.
Werke. Litt. Stndie. L., Dresden, C. A. Koch. 186 S. M. 4,20. - 64) A. F a r i n e 1 1 i , Grillparzer u. Lope de Vega. B.,
I V 1 d : 65-67 A d. S t e r n , Allgemeines des 18./1 9. J h. : Die deutsche Litteratur und das Ausland.
wieder und wieder, um „den Weg1 der Natur bei der Gestaltung1 seiner eigenen
Dramen innezuhalten." Wenn nun weiterhin F. die Dramen Grillparzers in ihrem
Verhältnis zu Lopes Comedias untersucht, die Einwirkungen des Spaniers auf Grill-
parzers Anschauungen und Kunstübung nachweist, die eingehendsten Vergleiche im
allgemeinen und zwischen Grillparzers „Weh' dem der lügt" und Lopes „Despertar
ä quien duerme", zwischen Grillparzers „Libussa" und Lopes „König Bamba" und
dessen „Quinta de Florencia", schliesslich zwischen Grillparzers „Jüdin von Toledo" und
Lopes „Las Paces de los Reyes" anstellt, so mag er wohl im einzelnen Er-
findungen und kleinen Motiven Lopes zu viel Gewicht beilegen, im ganzen weist
er überzeugend nach, dass Grillparzer von Lope unendlich viel gelernt und
sich vor allem an dem energischen Wirklichkeitssinn und der Phantasie-
fülle des Spaniers gestärkt habe. Da F. nun weder den tiefen Unterschied
zwischen germanischer und romanischer Natur und Kunst je vergisst, noch die
(Jrundverschiedenheit der Anlagen und der Zeiten bei seiner Untersuchung ausser
Augen lässt, so mag er mit Recht am Schlüsse sagen, dass das Bündnis, das der
grösste Dichter Oesterreichs mit dem grössten Dichter Spaniens geschlossen habe,
ein fruchtbringendes, segensvolles gewesen sei, mag er überzeugt sein, dass Grillparzer
am schönsten gezeigt habe, wie man aus dem Studium der Spanier Begeisterung,
Anregung zum eigenen Schaffen schöpfen kann, ohne die nationale deutsche Eigenart
darum einzubüssen, wie man „die Spanier bewundern und doch in ganz anderem
Sinne dichten kann als sie". Die volle Selbständigkeit beider Dichter hat er schon
zuvor darin gefunden, dass der Grundzug der Dichtung Grillparzers das Tragische,
der Grundzug der Dramatik Lopes das Komische sei. Schränkt F.. diese Erkennt-
nis mit der Bemerkung wieder ein, dass sich weder eine tiefe, furchtbare, gewaltige
Tragik bei dem ersten, noch eine tolllustige, ausgelassene Komik bei dem zweiten
linde, dass bei Grillpanzer humoristische Züge in der Entfaltung tragischer Charak-
tere mitspielen, dass umgekehrt Lope seine humoristischen, frischen Gestalten mit-
unter mit tragischen Zügen ausgestattet habe, so täuscht er sich weder über die
Kluft, die die Charaktere und Weltanschauungen beider Dichter scheidet, noch über
den Abstand, der die Werke des grüblerischen, langsam und mit gewissenhafter Kunst
schaffenden Deutschen von der im Rausch der Phantasie und im hastigsten Tempo, mit
planloser Leichtigkeit immerfort hervorbringenden Fruchtbarkeit des Vf. von tausend
spanischen Komödien trennt. Was aber F. nicht genügend erwogen und in An-
schlag gebracht hat, ist das: ob die Vorliebe Grillparzers für Lope, das unablässige
Sichversenken in die Welt gerade dieses Dichters, dem deutschen Dramatiker neben
manchem Gewinn nicht auch Hemmnisse und Verluste gebracht, ob sie Grillparzers
Neigung, die Wirklichkeit gerade nur in dem Lichte zu sehen, in der sie dem poe-
tischen Spanier erschienen war, nicht bis zu einem für seine unmittelbare, frischeste
Wirkung verhängnisvollen Punkte gesteigert habe. F. polemisiert gelegentlich geg'en
Laube, Bulthaupt usw., die über den Einfluss der Spanier und des Spaniers auf
Grillparzer anders dachten, als er selbst, ohne diese Andersdenkenden recht eigentlich
widerlegen zu können. —
Die beiden niederländischen Litteraturen,die vlämische wie die holländische,
die das uralte Verhältnis, in dem sie zur deutschen Litteratur stehen, weder verleugnen
wollen noch können, sollten uns gleich nahe stehen. Doch hat das frischere Leben,
das in der mit Franzosen- und Wallonentum ringenden vlämischen Poesie waltet,
zur Folge gehabt, dass die deutsche Teilnahme an den Neuerscheinungen und Strömungen
dieser Poesie sich lebendiger und werkthätiger zeigt als an der holländischen
Litteratur. Der Teilnahme, die sich in Uebersetzungen, Abhandlungen und Kritiken
für P. de Mont (wie früher für H. Conscience, Ledeganck und van Ryswyck) kund-
gegeben, folgt jetzt der Versuch, auch dem Dichter und Kritiker Prudens van Duyse
aus Termonde (1804—59) eine gewisse Geltung zu sichern65). Er wird als einer
der originellsten, fruchtbarsten und einflussreichsten Vertreter der vlämischen Bewegung
bezeichnet, dessen lyrische Gedichte „Nazomer", das elegische Gedicht „Natalia" und
die epische Dichtung „Jacob van Artefelde" ebenso wie seine Erneuerung von
„Reinaard de Vos" ihn den Klassikern der vlämischen Litteratur anreihen. —
In Holland scheint in den letzten Jahren ein stärkeres Interesse als früher
für die deutsche Litteratur der Gegenwart erwacht zu sein. Namentlich die Zeitschrift Ned-
Spect. zieht die neuesten Werke Carmen Sylvas, Ossip Schubins, zieht Sudermanns
„Heimat" und „Jolanthes Hochzeit" vor ihr Forum66), beurteilt auch die von A. van
Dissel67) herstammende niederländische Uebertragung von Hamerlings „Ahasver in
Rom" ausserordentlich günstig. —
Die sla vi sehen Litteraturen treten seit ihrer jüngsten Entwicklung
Felber. XI, 333 S. Mit 2 Bildn. M. 2.60. - 65) Th., E. vläm. Dichter (Prudens v. Duyse): MiinchNN. 1893, N. 397. —
66) NedSpect. S. 167, 100, 179-80, 280. — 67) A. van Dissel, 'P. Hamerling, Ahasveros in Ro»te, in hed nederlandsch
Ad.Stern, Allgemeines des 18./19. Jh. : Die deutsche Litteratur und das Ausland. IV1 d:68-74
immer energischer in den Kreis der Weltlitteratur hinein, deren Erscheinungen
deutscher Wissenstrieb und deutsche Empfänglichkeit mit Anteil begleitet. Zur
russischen Litteratur leitet ein Vortrag über, den Löwenfeld68) über „Deutsche
Einflüsse in der russischen Litteratur" gehalten hat; ihm reiht sich eine Studie von .
Karpeles69) über Alexei Plestjeschew an. —
Zur böhmischen (tschechischen) Litteratur wird der Blick durch die von
Adler70) veranstaltete Uebertragung der Gedichte von Jaroslav Vrchlicky gelenkt,
den der LTebersetzer mit Recht als die hervorragendste poetische Erscheinung der
czechischen Litteratur bezeichnet. 1853 zu Laun geboren und gegenwärtig Professor
für moderne Litteratur an der czechischen Universität zu Prag, hat Vrchlicky seit
1875 nicht weniger als 33 Sammlungen von Gedichten, dazu eine Reihe von drama-
tischen Werken und endlich eine Reihe von Uebertragungen veröffentlicht. Aus der
deutschen Litteratur übersetzte er neben zahlreichen Gedichten von H.Lingg, Freiligrath,
F. A. von Schack, Hamerling, Mörike, K. F. Meyer, vor allem Schillers Teil und beide
Teile des Goetheschen Faust. W7enn es uns nicht gesagt und selbst durch die Ueber-
tragung der kleinen Sammlung lyrischer Gedichte des böhmischen Poeten erwiesen
würde, so könnten wir erraten, dass an diesem Ueberreichtum der lyrischen Pro-
duktion die Reflexion einen so starken Anteil hat wie die unmittelbare Stimmung.
Seine Poesie stand, wie der Herausgeber berichtet, im Beginn unter dem Einfluss
der Franzosen, namentlich Victor Hugos und Leconte de Lisles. Später machte sich
der Einfluss Leopardis geltend. Erst seit seinem Mannesalter scheint der Dichter zu
der Klarheit und Einfachheit des Stils und der Unmittelbarkeit des Ausdrucks gelangt
zu sein, die in seinen besten Gedichten fesseln. Eigentümlich schön ist u. a. das Gedicht
„Faustulus." — An die Uebertragung'en Adlers knüpft der Aufsatz von Teuber71)
an, der der Eigenart des Böhmen, seiner Phantasiefrische und seinem geistigen
Schwünge gerecht zu werden trachtet. —
Ueber die deutsche Litteratur in Bulgarien, ihre Geltung, ihren Einfluss,
berichtete Strauss72), und es erweist sich auch in diesem südslavischen Lande,
dass der Zug, der die slavischen Geister zum Bündnis mit den Franzosen zieht,
wenigstens nicht allmächtig ist. —
Ueber ein Jh. ungarischer (magyarischer) Litteraturentwicklung verbreitet
sich eine an Seh wickers Geschichte der ungarischen Litteratur anknüpfende, in ein-
zelnen Gesichtspunkten selbständige Studie Ziehens73). Der Vf. betont im Eingange
die Verwandtschaft zwischen der neuitalienischen und der ungarischen Litteratur,
in denen beiden der Kampf um die nationale Existenz die Haupttriebkraft war.
„Wem es von Wert ist zu erkennen, wie bei dem Kampfe um nationales Dasein die
Litteratur ihre bedeutungsvolle Rolle spielt, der wird schwerlich ein typischeres
Beispiel finden als die magyarische Litteratur." Eben darum hat aber auch nach
Z. die neueste Lyrik wie die neueste litterarische Produktion überhaupt mit dem
Streben nach dem nun erreichten Ziele der nationalen Selbständigkeit eine ihrer
mächtigsten Triebfedern verloren 73a). —
Selbst einen verlorenen Aussenposten indogermanischen Geisteslebens wie
Litauen versucht unsere Litteraturwissenschaft im Auge zu behalten. Die Abhandlung
über litauische Schriftsteller des 19. Jh., die Woeter74) mit Proben aus der neueren
litauischen Dichtung giebt, erweist wenigstens, dass trotz des stärker gewordenen
Nationalgefühls unser alter Drang, in aller Welt zu Hause zu sein und aller Welt
Gerechtig-keit widerfahren zu lassen, noch immer mächtig genug ist, auch wo er
sich nicht eben sonderlich ergiebig zeigt. —
metrisch bewerkt. Helder, C. de Boer jr. 193 S. M. 3,10. |[NedSpect. S. 173-SO ]| — 68) R. Löwenfeld, Dtsch. Einflüsse in
d. russ. Litt Kef.: ML. 63, S. 790. — 69) G. Karpeles, Alexei Plestjeschew: NatZg. N. 8. — 70) J. V r c h 1 i ck y , Ge-
dichte. Ausgew. u. übers, v. Fr. Adler. Mit e. Einleit. (= ÜB. N. 343^2.) L., Reclam. 216 S. M. 0,40. — 71) D. Teuber,
E. Czeche in d. Weltlitt.: FrBlw. N. 96. — 72) A d. S t r au s s , D. dtsch. Litt, in Bulgarien: ZVLR. 7, S. 475/8. — 73) J.
Ziehen, 100 J. ungar. Litt.-Entwickl. : BFDH. 9, S. 339-50. — 73 a) X N. E. V e n d e , Goethe mint nerelö. Progr.
Budapest. 1893. 12 S. - 74) E. Woeter, Litauische Schriftsteller d. 19. Jh.: MLLG. 3, S. 100-21, 260-312, 451-65. -
IV 2a: i-io A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.
IV, 2
Lyrik,
a) Von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zu den Freiheitskriegen.
August Sauer.
Sammelwerke N. 1. — Historische Lieder N. 3. — Volkstümliche Lieder N. 15. — Studentenlieder N. 21. — Ge-
legenheitsgedichte N. 25. — Hagedorn N. 29. — Geliert N. 31. — Chrn. L. Taddel N. 32. — Chrph. E. Suppius N. 33. —
Gleim N. 34. — J. N. Götz N. 45. — Uz N. 47. — Ad. Aug. H. von Kismarck N. 49. — Karschin N. 50. — Klopstock N. 52.
— Bardische Lyrik N. 59. — J. B. Premlechner N. 61. — Göttinger Dichterbund: Musenalmanach N. 62; Hölty N. 63; Miller
N. 65; Chrn. und Fr. L. Stolberg N. 66; Joh. Gottfr. Seebach N. 69. — Joh. Hinr. Thomsen N. 70. — Claudius N. 71. —
Bürger N. 73. — Lenz N. 125. — Schnbart N. 128. — J. Chr. Fr. Haug N. 131. — Elisa von der Recke N. 132. — J.
von Salis N. 133. — Hebel N. 134 — Freiheitskriege: Arndt N. 138; Körner N. 143; Schenkendorf N. 154; Anonymes
Gedicht N. 156. — Joh. Ant. Sulzer, G. Fr. Treitschke, K. B. Trinius N. 160. —
Auch in diesem J. fehlt es an zusammenfassenden Arbeiten über "die Lyrik
dieses Zeitraums. In seinem Sammelwerke „Deutsche Geschichte in Liedern
deutscher Dichter" führt Tetzner1) einen guten Gedanken ziemlich einseitig durch.
Die Gedichte sind ihm nach seiner Vorbemerkung nicht Quelle, sondern verklärendes
Bild einer geschichtlichen Thatsache; aufgenommen sind nur neuhochdeutsche Gedichte;
ausgeschlossen habe er solche Gedichte, die nichts als seichte Umreimereien ober-
flächlich erfasster geschichtlicher Ereignisse sind, so manches Bekannte von Kopisch,
Simrock, Vogl; aufgenommen seien an erster Stelle solche Schöpfungen, deren Dichter
ihren Stoff kulturgeschichtlich durchdrungen und ihn von der Höhe der betreffenden
Zeit aus mit dichterischer Begeisterung erfasst und dargestellt haben. Daher er-
scheinen am häufigsten die Namen: F. Dahn, H. von Lingg und A. Moser. Wäre
ein Verzeichnis der Dichter beigegeben und wäre die Entstehungszeit der einzelnen
Gedichte öfter beigesetzt, so Hessen sich lehrreiche Betrachtungen an die Auswahl
anschliessen; es fällt auf, wie wenig unsere Klassiker vertreten sind, wie spät das
frühe Mittelalter, die Völkerwanderung usw. in unsere Dichtung eindringt. Aber
eine Auswahl geschichtlicher Gedichte, in der nichts von Gleim und Kl. Groth, nichts
über Laudon und Radetzky vorkommt, in der kein einziges Tirolerlied aus den
J. 1796—97 Aufnahme gefunden hat, giebt für solche Betrachtungen eine ungenügende
Grundlage ab. Der Dichter des Liedes „Wir hatten gebauet" A. Binzer ist 2, S. 247 in
„Biinzer" entstellt.2) —
An diese Mischsammlung von falschen und echten historischen Liedern
seien jene echten angereiht, die im Berichtsjahre neu veröffentlicht wurden. Bloos3)
teilt ein Soldatenlied von Joh. Chrph. Rohr aus dem J. 1758 mit, das eine Episode aus
dem siebenjährigen Krieg, ein kleines Gefecht zwischen Truppen der Observations-
armee in Westfalen und Franzosen bei Lüdenscheid, besingt. — Aus derselben Zeit
stammt der Text zu einer „Maria Theresia-Hymne"4), die von einem österreichischen
Offizier herrühren und dessen Ms. in die Hände einer preussischen Offiziersfamilie
gekommen sein soll. — Treichel5) macht Mitteilung über ein Friedensband mit
Versen auf den Frieden von Hubertusburg (1763). — Prümers6) druckt ein Lied
der württembergischen Auswanderer im J. 1781 aus den Württembergischen Viertel-
jahrsheften für Landesgeschichte 1892 zu lokalgeschichtlichen Zwecken ab: „Ein
Polnisch Lied", eine Aufforderung zur Auswanderung „in das Polnisch Canaan, wo
man Honig gnug trifft an!" — Distel7"8) teilt eine Ode an den Kurfürsten August III.
von Sachsen aus dem J. 1788 mit, Text und Melodie von Magister Chrn. Gotth.
Lommatsch (geb. 7. Dec. 1735 zu Lippen bei Meissen, seit 1780 Superintendent in
Eckartsberga bei Merseburg). — Zu dem 100jährigen Jubiläum der preussischen
Nationalhymne9) wurde das „Heil dir im Siegeskranz" nach dem Schumacherschen
Druck in der Spenerschen Zeitung N. 151 vom 17. Dec. 1793 und nach dessen revi-
dierter Ausgabe von 1801 abgedruckt und dabei hervorgehoben, es sei bisher noch
nicht genügend beachtet, dass es das erste deutsche Lied sei, in welchem die durch
die französische Revolution geltend gewordene Anschauungsweise von der Bedeutung
des Volkes dem Fürsten gegenüber ihren Ausdruck gefunden habe. — Die Annahme
dieses Anonymus, dass Schumacher der Vf. der Preussenhymne sei, berichtigt von
Zobeltitz l0), indem er zugleich den ursprünglichen Text von H. Harries aus dem
1) (I 1:62; IV 2b: 2.) -- 2) O Kate Freiligrath- Kroecker, Century of german lyries. Transl. London,
Ward & D. 12°. Sh. 3,0. — 3) G. Bloos, Soldatenlied v. 1758: BQNiederrh. 7, S. 411/4. - 4) E. Maria Theresia-Hymne:
MusRs. 9, N. 5. — 5) H- Treichel: ZEthn. 26, S. SS. — 6) It- Prümors, Lied d. Württemberg. Auswanderer im J. 1781:
ZHGPosen. 9, S. 420,2. — 7) Th. Distel, Zu „Alt-Sachsen u. Thüringen^ d. bist. Militärkonzerte d. kgl. Musikdir. A. Boettge
in Karlsruhe: DresdAnz. N. 141 (vgl. auch N. 142). — 8) id., Hymnus mit Odo an d. Kurfürsten August III. zu Sachsen:
MliMusikgcsch. 26, S. 101/4. - 9) Z. 100J. Jnbtl. d. prenss. Nationalhymne. (Z. 17. Dec. 1893): Daheim». 30, N. 11. — 10)
A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen. IV 2a : 11-25
Flensburger Wochenblatt vom 27. Jan. 1790 dem Schumacherschen von 1793 gegen-
überstellt und auf den 100. Geburtstag von Bernhard Thiersch, dem Dichter des
Preussenliedes („Ich bin ein Preusse!"), hinweist. — Dem Ursprung einer anderen
Nachdichtung des God save the king, der Sachsenhymne „Den König segne Gott",
die in den landläufigen Schulliederheften fälschlich Aug. Mahlmann zugeschrieben
wird, geht Otto Richter11) nach. Als Dichter wird Georg Karl Alex. Richter
(geb. zu Dresden 17. Jan. 1760, gest. 2. Apr. 1806) angenommen; zwar fehlt die Hymne
in der von Theodor Hell 1807 herausgegebenen Auswahl seiner Gedichte, auch ist
Sachsen erst nach Richters Tode zum Königreich ausgerufen worden, sicher aber ist,
dass das Gedicht schon vor der ersten öffentlichen Aufführung in Dresden anlässlich
der Rückkehr des Königs Friedrich August aus der Gefangenschaft im Juni 1815
und vor dem damals erfolgten ersten Druck bekannt gewesen ist und über andere
ähnliche Gedichte den Sieg davon getragen hat. — Dithmar12) druckt ein patrio-
tisch-hessisches Lied aus der Zeit der westfälischen Fremdherrschaft „Das deutsche
Herz" ab. — Von dem Spottvers „Bonapart ist nimmer stolz" führt Englert13) eine
Fassung aus dem Egerlande nach Firmenich „Germaniens Völkerstimmen" 3 (1854),
S. 609 und eine andere aus Tepl nach Hruschka und Toischer, Deutsche Volkslieder aus
Böhmen (Prag 1891) S. 81, an und weist auf eine dritte ebendort erwähnte Fassung
aus Niederösterreich hin, die im „Liederbuch für die Deutschen in Oesterreich" heraus-
gegeben vom deutschen Klub in Wien (Wien 1884), S. 63 gedruckt ist. u) —
VonFriedlaenders l5) höchst aufschlussreichem Vortrag „Das deutsche volks-
tümliche Lied 1700—1800" liegt bis jetzt nur ein kurzer Auszug vor. — Fried-
laender 16_n) und Wustmann18) besprechen die verschiedenen Fassungen des Liedes
vom Kanapee (erster Druck 1740) l9). — Letz20) teilt aus dem Ingweiler Stadtarchiv
ein Küferlied des herrschaftlichen hanau-lichtenbergischem Hofküfers von Ing-weiler
aus der Mitte des 18. Jh. mit. —
Einen wichtigen Beitrag' zur Geschichte des deutschen Studentenliedes
macht die Jubiläumsschrift21) des „deutschen Abends in Halle" allgemein zugänglich:
die Sammlung „Studentenlieder. Aus den hinterlassenen Papieren eines unglücklichen
Philosophen Florido genannt, gesammlet und verbessert von C. W. K[indleben] 1781."
In vier Gruppen: Trink- und Kommerschlieder, Allgemeine Lieder vermischten Inhalts,
Kreutz- und Trostlieder, Abschiedslieder, vereinigt die Sammlung Gedichte von Bürger,
Clausius, Döhnert, Gleim, Grossmann, Günther, Hagedorn, Jacobi, Kindleben, Rokett
und Uz mit älteren von Kindleben veränderten Gedichten, wie dem Gaudeamus igitur
und dem sogenannten „Landesvater". In der Vorrede entschuldigt Kindleben den
Titel und das ganze Unternehmen; dem dummen und albernen Zeug, welches in den
meisten Studentenliedern enthalten sei, über das er sich schon in seinen Universitäts-
jahren geärgert habe, wolle er bessere und reinere Lieder entgegen setzen, weil aber
hin und wieder in den alten Kommerschliedern ganz gute Gedanken enthalten gewesen
seien, habe er die besten ausgesucht und sie zum Teil abgekürzt, zum Teil verbessert, alles
was den Wohlstand und die guten Sitten oder auch nur ein an eine reinfliessende
Poesie gewohntes Ohr beleidige, habe er daraus zu entfernen gesucht. Nichtsdesto-
weniger entspann sich über diese Sammlung' ein Streit zwischen dem Prorektor der
Universität Halle und der philosophischen Fakultät, welche von Friedrich dem Grossen
zu Ungunsten Kindlebens entschieden wurde; er billigte das Verbot und nennt das
Buch die elendeste Scharteke, die die Sprache des niedrigsten Studentenpöbels ent-
halte (S. 117). Burdachs lehrreiche Einleitung zu dem Neudruck enthält neben der
aktenmässigen Geschichte dieses Censur Streites eine Biographie Kindlebens, giebt
einen Ueberblick über die Entwicklung unseres volkstümlichen Liedes, in die Kind-
leben entscheidend eingriff, eine Würdigung des Gesangbuches selbst und einige An-
deutungen über die Art der von ihm an den älteren Liedern vorgenommenen Ver-
änderungen. „Weitere Untersuchungen der Geschichte des deutschen Studentenliedes
wird hier Kindlebens Verdienst und Verfehlen genauer abzuwägen haben" (S. XXXII). 22)
— Aus studentischen Kreisen stammen Lieder, Satiren und Epigramme, die während
des in Goethes Studienzeit fallenden Leipziger Studentenaufruhrs von 1768 die
Gemüter erregten und erheiterten. Mehreres davon teilt Witkowski23) mit, so ein
„Siegeslied" im Ton des preussischen Grenadiers. — Ausführlicher handelt darüber
H. v. Z o b e 1 1 i t z , D. preuss. Nationalhymne u. d. Prenssenlied : ib. S. 47S. (Vgl. ib. S. 5S8.) — IDOttoRichter, Ursprung d. Sachsen-
hymne: DresdGBll. 3, S. 147,8. —12) G. T h. Dithmar: Hessenlands, S. 98. — 13) A. Englert, Zu d. Spottvers „Bonapart ist
nimmer stolz". (Vgl. ZDü. 5, S. 285 u. 7, S. 271): ZDU. 8, S. 201. — 14) O H. Merkens, 2 polit. Volkslieder: Urqnell 5,
S. 237/8. — 15) Max Friedlaender, D. dtsch. volkstüml. Lied 1700-1800. Vortr. in GDL. Ref.: VossZg.
4. Jan. — 16) (I 10:51, 53.) — 17) Mas Friedlaender. D. Lied vom Kanapee: VjsMusikwissensch. 10, S. 203-15. (Vgl.
I 10:53.) — 18) [G. Wustmann?], D.Lied v. Kanapee: Grenzb. 2, S. 573,4. — 19) O D. Lied v. Crambarabuli : BurschenschBU. 8,
5. 310/2. - 20) K. Letz, Z. Gesch. v. Ingweiler. Mitteilungen. 1. Küferlied d. herrschaftl. hanan-lichtenberg. llofküfers v.
Ingweiler: JbGElsLothr. 10, S. 62,3. — 21) (I 4 : 49; 7 : 80; 12:169.) — 22) X ▼• Strauch, Ueber d. Dr. med. K. G. Neu-
mann (e. geb. Geracr, d. Dichter d. Studentenliedes nVom hoh'n Olymp herab'', d. derselbe im J. 1793 in Jena verfasst haben
soll). Ref.: JBVogtländAV. N. 61/4. — 23) (IV 8b: 26.) — 24) (IV la : 31; 8b : 27.) — 25) E. Lange, Greifswalder
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (4)1 (ja
IV 2a : 26-33 A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.
nach Druckschriften und hs. Aufzeichnungen Günther24), der u. a. ein Triumph-
lied der Mesen [= Stadtmeisen = Stadtsoldaten] in Alexandrinern, eine Art Toten-
gespräch in Wielandscher Manier, anführt. Alles recht derb und ausgelassen, aber
witzig und lustig. G. bespricht auch ältere Angriffe von Leipziger Professoren auf
das Theater in den 40er und 60er Jahren und teilt auch hier Verse mit („Man mag
uns das Theater nehmen"), worin ein Dichter der studentischen Opposition nicht ganz
ohne Geist das Motiv der beschränkten Theaterfreiheit aufgriff und in eigener Sache
die Aufgabe der zum Schweigen verurteilten Muse des Lustspiels übernahm, die
Verkehrtheiten der Gegner zu karikieren und zu verspotten. —
Vereinzelte Gelegenheitsgedichte kamen zu Tage. Aus dem Kreise der
Greifswalder Professoren teilt Dang'e25) mit: Proben eines Trauergedichtes von Joh.
Franz von Palthen aus dem J. 1750, eines ebensolchen von Joh. Friedr. Schinkell auf
seinen Grossvater, den Stralsunder Syndikus Joh. Joach. Tielke (1756), eines Geburts-
tagsgedichtes für den Theologen Joh. Ernst Schubert von unbekanntem Vf. und eines
Gedichtes „Blumen auf Rehfelds Grab gelegt" von K. A. R. (1794). — Unter den von
Dietz26) mitgeteilten Gelegenheitsgedichten aus dem Goethe-Textorschen Familien-
kreise befinden sich auch mehrere aus der 2. Hälfte des 18. Jh.: ein Joh. Georg
Schlosser zugeschriebenes „Der Hochzeit-Dichter. Eine Erzählung bey Gelegenheit
des Textor- und Möllerischen Vermählungs- Festes. Frankfurt am Mayn, gedruckt
mit Scheperschen Schriften, im Monat Febr. 1766" (nach dem Muster der Gersten-
bergschen Tändeleyen Vers und Prosa gemischt); der Anfang eines Gedichtes von
des Bräutigams Schwester und Schwager „Von dem Ursprung und Gebrauch der
Hochzeitsgedichte" zur Hochzeit von Cornelia Goethe 1. Nov. 1773 (von H. P. Schlosser?)
und zu demselben Feste: „A.n das Schlosser und Goetheische Brautpaar von Ihrem
treuesten Freund und Onkel Textor 1773." — Aus einem ganz anderen Kulturgebiete
stammen die von Seraphim27) mit dem Briefwechsel der Siebenbürgischen Familie
von Heydendorff veröffentlichten Gedichte, ausser einem von Michael von Heyden-
dorff d. Ae. verfasstem „Abendlied" (S. 76) lauter Gelegenheitsgedichte: S. 118 Sinn-
gedichte auf Kaiser Joseph während seiner Anwesenheit in Siebenbürgen im J. 1773;
S. 128: „Bei der Beerdigung des selig verstorbenen Tit. Herrn Bürger-Meister Daniel
Konrad von Heydendorff abgesungene Arien und Lieder" von dem Stadtkantor in
Mediasch Sim. Brantsch 1777; S. 140 Gratulationsgedicht eines stud. theol. Mart. Richter
in Tübingen an Michael von Heydendorff d. Ae. in Form eines Altars, „auf welchem
Holzscheite aufgeschichtet sind, aus denen eine Flamme emporlodert" 1778; S. 157
ein Gratulationsgedicht eines jungen Heydendorff aus dem J. 1780. 28) —
Wir gehen aus dem Kreis der Dilettanten zu den Kunstdichtern über.
Meinhold 29) stellt in einer verdienstlichen Arbeit Hagedorns Gedanken von sittlicher
und geistiger Bildung übersichtlich zusammen; von seinem Erzieherberuf überzeugt,
will Hagedorn die Mitwelt zu einer höheren Bildungsstufe emporheben, aus päda-
gogischen Gründen gab er seinen Gedichten viele, teilweise recht ausführliche An-
merkungen bei; er ist einer der ersten, an dem der philanthropische Zug der Zeit
deutlich hervortritt; dagegen schenkt er der Frauenbildung noch keine Aufmerksam-
keit, wie denn die Frauen in seiner Lyrik eine untergeordnete Rolle spielen; sein
Bildungsideal lässt sich dahin zusammenfassen, dass er die Entwicklung des von
äusseren Zielen nicht beeinflussten inneren Menschentums zum obersten Grundsatz
der Bildung erhob; in dem Kampf gegen das Modewesen, gegen Stutzer und Schwätzer,
gegen Unnatur und Ueberkultur zeige sich das Ringen und Drängen nach Natürlich-
keit, das einer der charakteristischen Züge in Hagedorns Dichtung sei, in dem Kampf
gegen Wort- und Büchergelehrte sein Streben nach geistiger Freiheit und Selb-
ständigkeit. Leider wird aber in der ganzen Arbeit zu wenig nach den Quellen dieser
Ansichten geforscht und der mitten in Leben und Tradition stehende Dichter
von seiner Umgebung, seinen Freunden und Lehrern, seinen englischen Vorbildern,
seinen satirischen Vorläufern viel zu sehr isoliert.30-30*) —
Als neuer Beweis für die Beliebtheit von Gellerts Fabeln und Erzählungen
dürfen wir den von Kirchhoff31) skizzierten Prozess zwischen dem Buchhändler
Joh. Wendler in Leipzig und Joh. Chrph. Posch in Ansbach wegen Illustrationen zu
denselben im J. 1764 auffassen.32) —
In der ADB.33) wird der Rostocker Konsistorialdirektor Chrn. Ludw. Taddel
(1706—75) als Dichter des verbreiteten Osterliedes „Höllenzwinger, nimm die Palmen"
Professoren in d. Samml. d. Vitae Pomeranorum: BaltSt. 44, S. 40/2. — 26) (IV 8b : 35a.) — 27) J. W. Seraphim,
Ans d. Briefen d. Familie v. Heydendorflf(1737 -1853): AVSbnbgL. 25, Heft 1 u. 2 (= XVI, 564 S.). — 28) O F. Blanckmeister,
D. Pfarrer v. Lockwitz, Chrn. Gerber, Erbauungsschriftsteller u. Liederdichter. Lebensbild e. Landpfarrers aus Speners Schule.
(= Ans d. kirchl. Leben d. Sachsenlandes. Kulturbilder aus 4 Jhh. N. 11/2.) L, Fr. Richter. 32 S. M. 0,60. — 29) F. L.
Meinhold, Hagedorns Gedanken v. sittlicher u. geistiger Bildung. Diss. Leipzig (E. Gräfe). 42 S. M. 1,00. — 30) O G. Bon di, D.
Verhältnis v. Hallers philos. Gedichten z. Philos. seiner Zeit. L., Fock. 40 S. M. 0,90. (Vgl. JBL. 1891 IV 6 : la.) -30a)XRScnlösser<
Z. Biogr. d. Frhrn. v. Creuz: ZVLB. 6, S. 134/5. (Vgl. dazu JBL. 1890 IV 6 : 20; 8. auch u. IV 5 : 6.) — 31) (I 3 : 429.) — 32) O
(IV 5:2.) — 33) I. n., Chrn. Ludw. Taddel: ADB. 37, S. 341. — 34) A. Schumann, Christi. Euseb. Suppius: ib. S. 782/5. -
A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen. IV 2a : 35-42
und vier anderer geistlicher Lieder aus dem J. 1744 nach Kochs Geschichte des
Kirchenliedes kurz charakterisiert. —
Ebendaselbst widmet Schumann34) dem verschollenen Oden- und Idyllen-
dichter Chrph. Euseb. Suppius eine ausführliche Darstellung-. Geb. 13. März 1709 in
Naundorf bei Reideburg (Rgbz. Merseburg), studierte Suppius in Halle und Leipzig, wurde
Sekretär des gothaischen Generallieutenants Joh. Wilh. von Seebach, 1738 Konrektor
in Ilfeld, 1754 Amtskommissarius auf Tenneberg, 1758 Amtsadjunkt, dann Amtmann
in Gräfentonna bei Langensalza. Ueber 1761 können wir ihn nicht verfolgen, sein
Todesjahr ist unbekannt. Er beginnt als Dichter 1738; sein Hauptwerk: „Der Insels-
berg'1 erschien 1745; seine übrigen Dichtungen verzeichnet Seh. mit bibliographischer
Genauigkeit; er stellt auch fest, dass Suppius nicht dem Gottschedschen Kreise angehöre,
sondern mehr zu den Zürchern neige; im übrigen geht aber die Charakteristik nicht
tief: Nicht ohne theoretische Einsicht in das Wesen der Dichtkunst und als aus-
übender Poet nicht ohne Schwung, habe Suppius doch nach dem Ausdrucke eines
Götting'er Kritikers manchmal „ein wenig zu viel die Sprache der Gewohnheit bei-
behalten", d. h. er sei öfter der ungeschminktesten Prosa verfallen, ja auch dem
Ungeschmack, dem blühenden Unsinn, an dem die Zeit überreich war. Im Hinblick
darauf nenne ihn Fr. Jacobs nicht ganz mit Unrecht „einen vaterländischen Vers-
macher, der so von Poesie durchdrungen war, dass er sogar die Titel seiner Ge-
legenheitsgedichte reimte." —
Ueber Gleim liegt der Anfang einer bis 1771 reichenden biographischen
Darstellung von Pawel35) vor, die der Vf. als „eine auf die Jugend Bezug nehmende
Auswahl aus einer grösseren Arbeit" bezeichnet. Eine zusammenfassende Charakteristik
wird nicht gegeben, dagegen wird im einzelnen aus ungedrucktem Material manches
vorgebracht. Das hs. Fragment einer Selbstbiographie wird benutzt, eine hs. Gedicht-
sammlung „Blumen auf Gräber" 1788, woraus ein Gedicht „Auf dem Kirchhofe bey
Halle" mitgeteilt wird; aus dem ("inzwischen von Schüddekopf publizierten) Brief-
wechsel mit Götz, aus dem Briefwechsel mit Jacobi und Knebel finden sich Stellen
ausgehoben; S. 33/4 Gedichte von Knebel (1766, 1769) mit Gleims Verbesserungen.
Einige Korrekturen aus dem Original des Briefes von Gleim an Lessing, 27. Aug.
1759, ergänzen Redlichs Sammlung. — Der Brief von Rabener an Gleim, Mühldorf
2(i. Sept. 1750, den Pawel36) als ungedruckt mitteilt, hat sich leider, wie Schüddekopf
inzwischen nachgewiesen, hat, als bereits gedruckt herausgestellt (Litt. Conversations-
blatt 1823, N. 30 ed. Körte). — Ein Bruchstück des Briefes von Wieland an Gleim
vom 10. März 1755 über das theologische Wörterbuch teilt Eug. Wolff37) mit. —
Gran i er38) zog einen Brief Gleims an Nicolai vom J. 1789 über Friedrich den
Grossen ans Tageslicht, aus dem hervorgeht, dass dieser eine Geldsumme, die er als
Kronprinz aufgenommen, als König zurückgezahlt habe. — Scherer39) benutzt in
seinem Lebensabrisse Karl Matthäis einige Stellen aus dessen Briefwechsel mit Gleim
(1794). — Wichtiger ist der von Pawel40) nunmehr vollständig veröffentlichte Brief-
wechsel zwischen Gleim und Boie von 1767 — 81, der an anderer Stelle ausführlicher
gewürdigt wird. — Ebenso ist der von Schüddekopf41) vervollständigt und ver-
bessert herausgegebene Briefwechsel zwischen Gleim und Heinse hier nicht in Bezug
auf seine allgemeine litterarhistorische Bedeutung zu würdigen. Hervorzuheben ist
hier: Heinses enthusiastischer Brief 10. Juli 1772 über Gleims Lieder für das Volk;
Heinses Berichte über sein Gespräch mit Uz (2. Aug. und 1. Sept. 1772, S. 85, 95);
Gleims Gedicht: Der Frauentanz nach Lirich von Lichtenstein, das in den Gedichten
nach den Minnesingern 1773 fehlt (21. März 1773, S. 128); N. 45-66, Briefe über
Gleims Halladat, das er Heinse surenweise im Ms. zusandte, aus dem Juni — Sept.
1773, wichtig für die Entstehung dieses Werkes, das dann für den Druck stark um-
gearbeitet wurde (über die Aufnahme dieser Dichtung vgi. S. 176 Gleims Brief vom
4. Juni 1774); Dec. 1773 ist von einer sonst unbekannten Kantate Gleims, wie es
scheint über den Text vom verlorenen Sohn, die Rede; S. 205 über Ramlers Blumen-
lese; S. 207, Gleim 19. Febr. 1775 über „die goldnen Sprüche des Pythagoras": ,,Er,
der Grieche [Heinse], wird mit seinen Falkenaugen gleich ersehen, dass diese goldnen
Sprüche seines Landsmanns unter der Hand seines deutschen Nachbeters silberne
geworden sind, wirds dem Nachbeter nicht zu gute halten, dass er aus zweyen Worten
ihrer Zehne gemacht hat, und aus einem Heiden einen Christen, wirds eben nicht
missbilligen, dass der Nachbeter, um dem Griechen das Anselm eines alten Weisen
zu geben, der alten körnigten Luthersprache sich hat bedienen wollen, wirds aber
sogleich finden, dass er nur gewollt hat, und also, dieses alles wohl erwogen, können
die goldnen Sprüche dem Geliebten Vergnügen machen?"; S. 228 Ungedruckter Brief
35) J. Pawel, J. L. Gleim, d. Freund u. d. Dichter d. Jugend. Aus hs. Quellen dargest. I. T. Progr. Wien. 40 S. —
36) (IV 5:9.) — 37) (I 7:17; III 5:72; S. 295.) — 38) H. Granier, Vortr. geh. am 13. Dec. 1893. Ref.: FBPG. 72,
5. 271. - 39) (IV 8b: 17, 53; 8c: 19; S. 238/9.) — 40) J. Pawel, Boies ungedr. Briefwechsel mit Gleim: ZDPh. 27,
S. 364-84, 507-33. — 41) (IV lc: 41.) — 42) R. Hildebrand, E. Stückchen ultramont. Litt.-Gesch. : ZDO. 8, S. 217/9. -
(4)16 a*
IV 2a : 4r?-so A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.
von Gleim an Michaelis und dessen Antwort 1772; S. 232 Brief von Uz an Gleim
26. Dec. 1780 über Heinses Besuch bei Uz und über die Petronübersetzung; S. 246/7
Gleims Rundschreiben, durch welches er die Halberstädter Dichterfreunde (Georg
Jacobi, Klamer Schmidt, Heinse und seinen Neffen, den Lehnssekretär W. Gleim) zur
Teilnahme an der Büchse aufforderte 8. Jan. 1774, mit deren Antworten, ferner Gleims
Brief an Friedr. von Köpken; ebenclort der Nachweis, wie schlecht der Abdruck der
Gedichte aus der Büchse bei Pröhle (Lessing', Wieland, Heinse) sei; S. 255/6 ein Epi-
gramm Gleims aus der Büchse: „Als der Vf. von seinen Reisen zurück kam.1' Was
für Heinses Entwicklung als Lyriker aus dieser Briefsammlung von Wichtigkeit ist,
kann hier um so weniger zusammengestellt werden, als die dem Briefwechsel bei-
liegenden Gedichte Heinses der Mehrzahl nach erst im Anhange zu der zweiten Hälfte
des Werkes abgedruckt werden sollen. — Hildebrand42) knüpft eine Polemik gegen
Seb. Brunners falsche Bewertung und Auffassung des religiösen Geistes in der Dichtung
des 18. Jh. an dessen Urteil über Gleims Halladat in den „Hau- und Bausteinen" an.
Das von Brunner lächerlich gemachte Bild von der Erde, die als Tropfen am Welten-
eimer schwebt, stamme aus Klopstocks Ode „Die Frühlingsfeier" 1759. Gleims Kapitel
„Gott" sei ein schwungvoller Hymnus aus Klopstocks Schule ohne Gelehrsamkeit,
mit dem Ausblick auf die Weiten der Unendlichkeit, wie es damals den höheren
Seelen Labsal gewesen sei. Zudem sei damals das Verständnis des Himmels mit
seinem wunderbaren Leben eigentlich erst erschlossen worden durch Newtons Ent-
deckungen, in der Gesellschaft aber sei eine Empfänglichkeit, ja ein Bedürfnis nach
solchem Aufschwung vorhanden gewesen, still vorbereitet durch die sittliche Ver-
sumpfung, unter der ganz Europa litt. — Daran anknüpfend weist Di eck43) darauf
hin, dass der Tropfen am Eimer aus Luthers Uebersetzung von Jesaia 40,15 stamme
und sucht in das Verständnis des bildlichen Ausdruckes tiefer einzudringen. — In
Weiterführung dieser Gedanken hebt Hildebrand44) hervor, dass Luther aus Ver-
sehen übersetzt habe „Tropfen in Eimer" und fragt nun: „Woher hatte Klopstock
sein ,am'? War er im hebräischen Urtext so zu Hause, dass er Luther berichtigen
konnte? Oder gab ihm seine Kunst und Gewöhnung, die Dinge in einfacher Grösse
zu schauen, das Rechte ein? Ich möchte das zweite für richtig halten." —
Schüddekopfs Ausgabe der Gedichte und Briefe von Joh. N. Götz (JBL.
1893 IV 2a: 18/9) hat neue Besprechungen erfahren45). — Waniek46) meint, die Be-
rechtigung des Herausgebers, die Fassung der vorliegenden Gedichte als die
„ursprüngliche" zu bezeichnen, müsse so lange bestritten werden, als uns nicht der
vollständige kritische Apparat zur Verfügung stehe. Zunächst sei, abgesehen davon,
dass die letzten acht Stücke so gut wie gar keine Handhabe für eine chronologische
Bestimmung böten, von dem uns bekannten Zeitpunkte der Uebersendung der Mss.
an Gleim umsoweniger ein sicherer Schluss auf die Zeit der Entstehung der einzelnen
Gedichte gestattet, als gerade diese Dichter ihre Poeme oft jahrelang gefeilt hätten;
überdies sei der leicht arbeitende Götz selbst fremden Einflüssen sehr zugänglich
gewesen; teilweise seien diese Texte also Umarbeitungen, so N. 15 die Ode auf den
Burgunderwein; wenn man diesen mit dem älteren, allerdings höchst unzuverlässigen
Anakreon von 1 746 vergleiche, so finde man, wie der Dichter nach grösserer Sprach-
reinigkeit, nach klarerem Zusammenhang und nach konkreterer Anschauung gerungen
habe. W. tadelt den zu weit gehenden Konservatismus in der Textbehandlung, be-
anstandet dann aber doch wieder die durchgängige Ersetzung der Umlaute und
zwei Textänderungen 49J0 und 188, bekämpft Schüddekopfs Vermutung, dass die „Ver-
suche eines Wormsers" auf Einzeldrucke zurückgehen, und versucht endlich Ramlers
Korrektorthätigkeit zu verteidigen; er habe nicht nur sprachliche und metrische
Unebenheiten getilgt, sondern manches schärfer und nachdrücklicher gefasst, ja stellen-
weise sogar eine poetische Gesamtwirkung erzielt, wo Götz nur einen Gedanken an
den anderen gereimt hatte. —
Sauers Ausgabe der Gedichte von Uz ist nachträglich durch Leitzmann47)
besprochen worden. — Prem48) teilt aus Fritz von Steins hs. gebliebener Beschreibung
einer „Reise nach Franken im Herbst 1791" eine liebevolle Charakteristik des alten
Uz mit. —
Schüddekopf49) weist in der Familie des Fürsten Bismarck einen Adam
Aug. Heinr. von Bismarck (1739—1813) als Dichter nach, den Blum und Ramler
in die Litteratur einführten, und teilt einen Brief an Ramler (Rathenow 24. Dec. 1770)
und vier Gedichte von ihm mit. —
Die bekannten Verseleien der Anna Luise Karschin50) wurden durch die Ver-
43) Dieck, Bemerkungen zu Hildebrands Aufsatz: E. Stückchen ultramont. Litt.-Gesch. (s. N. 42): ib. S. 412/3. - 44) B.
Hildebrand, Noch einmal d. Tropfen am Eimer: ib. S. 601/2. — 45) X Max c- p- Schmidt: ASNS. 92, S. 190/1. — 46)
G. Waniek: ADA. 20. S. 271/4. - 47) A. Leitzmann, A. Sauer, J. P. üz (JBL. 1890 IV 2:3): LBIGRPh. 15, S. 7,8. —
48) S. M. Prem, E. Besuch v. Fritz v. Stein bei Uz: ZVLR. 7, S. 477/8. - 49) K. Schüddekopf, E. Bismarck als Dichter:
Bismarck Jb. 1, S. 484-92. — 50) [K. E. Pranzos], Bunte Reihe. Ungedr. Briefen. Gedichte d. Anna Luise Karschin,' E. Glück-
A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen. IV 2a : 51-62
Öffentlichimg' eines Glückwunschschreibens in Reimen vom 18. Apr. 1778 ganz über-
flüssiger Weise vermehrt.5') —
Einen Lehrer Klopstocks, den späteren Superintendenten Chrph. Haymann,der
von 1738—48 in Pforta Lehrer und Seelsorger war, schildert Markus52), indem er
die Anregungen /um Messias auf ihn zurückführt und ihm eine wichtige Stelle in
Klopstocks Entwicklungsgang zuweist.53) — Funck54) weist aus Briefen Riedels an
Hofrat Ring nach, dass Gluck wirklich, wie Ring in seinem Memoire erzählt, zwei-
mal mit Klopstock am badischen Hofe zusammengetroffen sei, im Spätherbst 1774
und im März 1775. — Imelmanns Ausgabe der Oden wurde von Haehnel55) be-
sprochen. — Koch56) widmet der Ode „Der Lehrling der Griechen" einen umfang-
reichen Aufsatz. Die Odenkommentare werden zusammengestellt. Die Frage über die
Entstehungszeit bleibt offen: „Das Erstgeburtsrecht des , Lehrlings' steht . . . keines-
wegs unzweifelhaft fest. Die Frage wäre wohl aufzuwerfen, ob nicht eine grössere
Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der junge Dichter seine Nachahmung der
antiken Sylbenmasse mit einer unveränderten Herübernahme, als dass er sie mit einer
so kühn selbständigen, die Schwierigkeit in nichts verringernden Umstellung des
zweiten asklepiadeischen begonnen habe . . . Ueber die Entstehungszeit des „Lehrlings"
kann eine metrische Untersuchung, für die uns ja nur der Wortlaut von 1771 zu
Gebote steht, nichts entscheiden, wohl aber möchte man aus der bei Klopstock in
solchem Masse ganz beispiellosen Abhängigkeit von Horaz den Alters vorrang des
,Lehrlings' folgern." Diese Abhängigkeit stellt K. zuerst im allg'emeinen, dann im
einzelnen fest, wobei auch ältere und neuere Horazübersetzungen herangezogen werden.
Der ausführliche Kommentar verfolgt auch die Geschichte einzelner Motive, so die
der Taube Anakreons in der deutschen Litteratur, die Verdammung des auf seinen
vergänglichen blutigen Lorbeeren stolzen Eroberers usw. und ergänzt die bisherigen
Beobachtungen über Klopstocks Stil; S. 92 über den Komparativ in Klopstocks Oden.
— In einem Nachtrag zu dieser Abhandlung setzt sich Koch57) mit der von ihm
übersehenen, von Sauer (Euph. 1, S. 427) herangezogenen Schrift von H.O.Hamann
über den Lehrling der Griechen (Gumbinnen 1843) auseinander. — In seinen kritischen
Beiträgen zur Geschichte der Dichtersprache Klopstocks liefert Petri58) eine aus-
gezeichnete, Würfl ergänzende Materialsammlung, wobei er von den richtigen Ge-
sichtspunkten ausgeht, dass zunächst die Entwicklung der Klopstockschen Dichter-
sprache an der Hand der Varianten festzustellen- sei, dass überall die Vorläufer
Klopstocks: Pietsch, Gottsched, Brocke?, Haller, Pyra, zum Vergleiche heranzuziehen
seien, und dass es im Anschluss an Klopstocks Abhandlung „Von der Sprache der
Poesie" zunächst auf die Wahl der Wörter, dann auf deren Verwendung ankomme.
Nach diesen Gesichtspunkten legt er seine Sammlungen über das Verbum, das
Substantivum und teilweise über das Adjektivum vor; die Fortsetzung über Pronomina
und Partikeln, sowie der zweite Teil über die Wirkung und Geltung der Dichter-
sprache Klopstocks soll folgen. Wir bedürfen solcher Untersuchungen dringend als
unbedingt notwendiger Vorarbeiten für eine Geschichte des deutschen Stils. —
Ehrmanns Buch über die bardische Lyrik (JBL. 1893 IV 2a : 28) wurde
im Berichtsjahre noch von Sauer59) und Walzel60) besprochen. —
In die Nähe der Wiener Barden, eines Denis usw., führt uns der von Nieder-
egger61) eingehend behandelte österreichische Jesuit J. B. Premlechner (1731 — 89),
der neben zahlreichen lateinischen Gedichten auch fünf deutsche verfasste, eine
Ode auf den Vorhang im alcäischen Versmasse und vier Fabeln in Lichtwer-Gellertscher
Manier, darunter eine in Prosa. —
Mit dem Neudruck des Göttin ger Musenalmanachs auf 1770 beginnt
Redlich62) die Veröffentlichung einer grösseren Reihe dieser Almanache, die durch
eine Geschichte derselben abgeschlossen werden soll. Der sorgfältig revidierte Neu-
druck enthält auch die angehängte Nachricht gegen den Leipziger, eigentlich Erfurter
Konkurrenzalmanach (S. 100/3), die in den meisten Exemplaren des Musenalmanachs
fehlt. Da der Originaldruck noch kein Inhaltsverzeichnis hat wie die späteren Bände,
wnnschbrief in Reimen, 18. Apr. 1778: DDichtung. 16, S. 296-300. — 51) X A. Gedike, D. roärk. Dichterin Anna Luise
Harsch, geb. Dürbach, „D. Karschin-' in d. Prov. Posen. Nach e. Vortr., geh. in d. Sitzung d. hist. Ges. zu Posen am 12. Dec.
1893. Ref.: ZHGPosen. 9, S. 181-90. — 52) P. Markus, Lebensläufe verdienter Meissner. 3. Superintendent Chrph. Hay-
mann (1709—83): MVGMeissen 3, S. 455-64 — 53) X M. Morold, Klopstock in Zürich. Lyr. Drama. Musik v. J. Reiter.
Klagenfurt, (Wien, K. Lest). V, 51 S. M. 1,20. — 54) H. Funck, Glucks zweimaliges Zusammentreffen mit Klopstock am
Hofe Karl Friedrichs v. Baden 1774 u. 75: Knph. 1, S. 790 2. - 55) K. Haehnel, J. Imelraann, Klopstocks Oden (JBL. 1891
I 7 : 43) : Gy mn. 1 2, S. 55/6. - 56) M. K o c h , D. Lehrling d. Griechen : ZDU. 8 (Ergänzungsheft), S. 70-92. — 57) id., Nachtr. zu Klopstocks
Lehrling d. Griechen: 8, S. 705 6 — 58) F. Petri, Krit. Beitrr. z. Gesch. d. Dichtersprache Klopstocks Greifswald (H. Jaeger).
84 S. M. 2,00. (Thesen: I. E. Vergleichung d. Fannyoden mit d. Cidlioden lässt deutlich d. Unterschied d. Empfindungen er-
kennen, aus denen beide hervorgegangen sind. II. D. dichterische Ausdrucksweise d. jungen Klopstock zeigt vielfach Anklänge
an Vergils Aeneis. III. Mehrere Xenien sind nur als glückliche Einfälle aufzufassen, d. d. in d. Ueberschriften genannten
litterarischen Erscheinungen durchaus nicht gerecht werden.) — 59) X A-. Sauer- ÖLB1. 3. S. 45 6. — 60) X O- Walzel:
ZOG. 45, S. 925/7. — 61) A. Niederegger, Joh. B. Premlechner u. seine Lucubrationes. E. Stud. z. Litt. -Gesch. aus d. Zeiten
Maria Theresias. Progr. d. Staatsgymn. K:ilksburg bei Wien. 56 S. — 62) Göttinger' Mnsenalm. auf 1770. Her. v. C. Redlich.
IV 2a •. 63-92 A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.
so hat R. selbst ein Register beigefügt, in dem die Chiffern, sowie die früheren und
späteren Drucke der Gedichte nachgewiesen sind. —
Die bisher gänzlich ungenügenden Nachrichten über Höltys Laura ergänzt
Nöldeke63) in glücklicherweise. Er setzt die erste Begegnung mit Laura sehr früh
an, Mai 1764, in das 16. Lebensjahr des Dichters; er stellt die an Laura gerichteten
Gedichte zusammen (in dem Gedicht „An die Apfelbäume" erblickt N. das Urbild
von Matthissons „Adelaide") und sucht die ihnen zu Grunde liegenden Thatsachen
zu konstruieren. Laura ist danach die Tochter des damals an der Marktkirche zu
Hannover angestellten Pastors Laurentius Hagemann (1692 — 1762) und ist am 15. März
1729 geboren; sie wäre also um 19 Jahre älter gewesen als der Dichter. Ihre Schwester
Lucie Juliane, Gemahlin des Amtmanns zu Mariensee Joach. Kasp. Meister, starb
im 37. Lebensjahre am 23. Dec. 1768. Auch die im Briefe an Boie sen. 2./4. Mai 1775
erwähnte 13jährige Schwestertochter Lauras ist nachgewiesen, geb. 29. Nov. 1762. —
Hoenig64) hat Höltys bisher ungedruckte burleske Romanze von Hero und Leander
„Schon ehmals sang der Leyermann Musaeus die Geschichte" aus dem Nachlasse von
J. H. Voss mitgeteilt. —
Kraegers65) im vorigen Berichtsjahr besprochene Abhandlung über Millers
Lyrik erscheint jetzt mit geringen Verbesserungen als Mittelstück einer abschliessen-
den Monographie über diesen Dichter, für die der Vf. auch Auszüge aus dem Miller-
Vossischen Briefwechsel, Millers Beiträge zu den Bundesbüchern, für das Mündener
Abenteuer und Millers Verhältnis zu Charlotte von Einem deren autobiographische
Aufzeichnungen verwenden durfte. So kann er mit sorgfältiger Benutzung aller
Quellen Millers Biographie endgiltig feststellen; an die Charakteristik der Romane
schliesst sich eine kulturhistorisch richtige eingehende Analyse der Empfindsamkeit.
Eine Beilage enthält den Vergleich der 1. und 2. Auflage des Siegwart. —
Keipers Buch über F. L. Stolbergs Jugendpoesie (JBL. 1893 IV 2 a : 38)
hat im Berichtsjahr Chuquet66) gewürdigt. — Keiper67) konnte zwei sich er-
gänzende wichtige Briefe der Brüder Stolberg an Gerstenberg (Lausanne 16. Okt. und
Schleswig 21. Jan. 1776) veröffentlichen, welche eine glänzende Schilderung der ganzen
Schweizerreise enthalten, alle von ihnen berührten Orte aufführen, alle Freunde, die
sie g-esprochen, namhaft machen, und auch für die Dichtungen Friedrich Leopolds
(Der Felsenstrom, Freiheitsgesang) aufschlussreich sind. — Zwei Altersbriefe Friedrich
Leopold Stolbergs an Niebuhr sind aus des letzteren Nachlass zu Tage gekommen68).
In dem ersten, Sondermühlen Mai 1817, lehnt er die Teilnahme an der von katholischer
Seite geplanten Revision der Lutherschen Bibelübersetzung, so warm er diesen Plan
auch begrüsst, ab. In dem zweiten Briefe (ebenda, 20. März 1819) sind Aeusserungen
über den Geist der Zeit und der neuen Litteratur das Hervorstechendste. —
Schlösser69) bringt über einen der stummen Genossen des Göttinger Bundes,
über den wir bisher wenig wussten, über Joh. Gottfr. Seebach aus Gotha, aus un-
gedrucktem Material neue Daten bei. Er ist am 13. Okt. 1764 in Göttingen inskribiert
als Studierender der Rechte, nachdem er vorher in Jena studiert hatte. Sein Name
fehlt aber merkwürdigerweise in den Jenen ser Matrikeln ebenso wie in den Gothaer
Kirchenbüchern. Bis ins J. 1769 hinein war er in Göttingen; Nov. 1769 aber nicht
mehr. Er scheint dann Erzieher in der Familie von Oertzen im Mecklenburgischen
gewesen zu sein, Mai 1772 kam er mit seinem Zögling wieder nach Göttingen. Aus
einem Briefe Boies an Gott er erhalten wir Nachrichten über seinen 1773 erfolgten
Tod, an dem eine unglückliche Liebe Mitursache gewesen ist. —
Carstens70) behandelt in knapper Zusammenfassung die bekannten Lebens-
umstände des von den Göttingem geförderten Bauerndichters Joh. Hinr. Thomsen
(1749-77). -
Stockmayers Vortrag über Claudius (JBL. 1893 IV 2a : 43) wird von Mendel-
son71) angezeigt.72) —
Ueber Bürger ist aus Anlass seines hundertjährigen Todestages der gewohnte
Jubiläumssegen niedergegangen. Aus der Masse der Artikel73"93), deren Quellen
(= DLD. N. 49-50.) L., Göschen. 2 Bll., 110 S. M. 2,50. — 63) W. Nöldeke, Laura, e. Höltystud.: ZDU. 8, S. 220-35. —
64) (I 11:3.) — 65) (IV 3:41.) — 66) X A- Chfuquet]: KCr. 37, S. 252/3. — 67) W. Keiper, 2 Geniebriefe aus d.
Schweiz vom J. 1775: N&S. 7(>, S. 222-34. — 68) (IV 5:354.) — 69) K. Schloesser, Seebach: ZDÜ. 8 (Ergänzungsheft), S. 195/9. - 70)
C. E Carstens, Joh. Hinr. Thomsen : ADB. 33, S. 114/5. — 71) X ThLB. 17, S. 243. - 72) O H. Grosse, Goldkörner christl.
Weisheit vom Wandsbecker Boten: DB11EÜ». 21, S. 23. - 73) X Z. lOOj. Todest. Bürgers: BerlBörsCour. N. 262. - 74) X
G. A. Bürger: Gartenlaube S. 407/8. - 75) X L Berg, G. A. Bürger: FZg. N. 156. — 76) X E- Blürael, G. A. Bürger.
E. Gedenkbl. z. 8. Juni: MansfelderHll. 8, S. 140/8. -77) X J- Duboo, G. A. Bürger: InternatLB. 1, S. 122/3, 135/6. — 78) X ?■
Düsel, G. A. Bürger: Grenzb. 2, S. 449-58, 510/5, 541-50. — 79) X p — 1> ö- A- Bürger z. 8. Juni: WeserZg. N. 17070.
Bremen. — 80) X L- H., G. A. Bürger: ÜL&M. 72, S. 742.3. — 81) X A. v. Hanstein, D. Dichter d. „Lenore": Didask.
N. 131. -82)XH Hart, G.A.Bürger: TglRs». N. 131/2. — 83) X F- Hassl wander, G. A. Bürger: AKünstlerSchriftstellerZg. 7,
N. 10. — 84) X B- Heilborn, G. A. Bürger: Nation«. 11, S. 526/8. - 85) X p- L-- Za Bürgers lOOj. Todest.: FränkKur.
N. 285, 287. — 86) X B- Opitz, Zu G. A. Bürgers Gedächtnis: BLU. S. 353/6. - 87) X F- Poppenberg, Bürger: ML. 63,
N. 22. — 88) X B- Prölss, G. A. Bürger: LZg«. N. 68. — 89) X P- R&hle, G. A. Bürger: Quollwasser 18, S. 553/4. (V.
frömmelndem Standpunkt. Es wird Schiller vollständig Hecht gegeben.) - 90) X F Runkel, G. A. Bürger: BerlTBl. N. 284.
— 91) X J- Sahr, Z. Gedächtn. G. A. Bürgers: ZADSprV. 9, N. 7/8. - 92) X Ph- Stein, D. Lenoren-Dichter : Sammler^.
A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen. IV 2a : 93-100
nachzuweisen in den meisten Fällen ebenso leicht wie nutzlos wäre, sind ein paar,
durch den Versuch, neues biographisches Material, wenn auch in geringem Umfange
beizubringen, beachtenswert. Der um Bürger mannigfach verdiente Pro hie94) schliesst
seine lokalgeschichtlichen Forschungen durch Mitteilungen über die Predigerfamilie
Kutzbach in Pansfelde ab; den Stoff der Ballade „Des Pfarrers Tochter zu Tauben-
hain", dessen habhaft geworden zu sein P. so oft gemeint hatte, glaubt er nun auf
Vorfälle in dieser Familie zurückleiten zu können, die sich urkundlich in den Kirchen-
büchern nachweisen lassen; sicherlich ein ebenso vergebliches und überflüssiges Be-
mühen, wie es überflüssig ist, für den Siegesjubel in der Lenore eine Bestätigung
in zeitgenössischen Aufzeichnungen aufzusuchen. Mit welchem Recht P. einen kleinen
Prosaaufsatz „Der Tod des Lehrers" („in dem bei Pierer erschienenen Apelschen
Lesebuche") für Bürger in Anspruch nimmt, lässt sich nicht beurteilen. — Möller95)
betrachtet Bürgers Briefwechsel vom kulturhistorischen Standpunkt, hebt die Be-
ziehungen zu Lübeckern wie Tensdorpff (Tesdorff?) und Ratthey (Ratjen?) hervor
und stellt die Aussprache des Namens Boie = Boje fest. Freilich scheint die Be-
zeichnung einer anima Candida für Bürger nicht gerade die richtige zu sein. — In einer
Reihe anderer Artikel wird Bürger mit den heutigen Realisten verglichen, so von
J. E. von Grotthus96), von Berg97), der Bürger gegen Schillers Vorwurf der
niedrigen, gemeinsinnlichen Natur in Schutz nimmt. „Die Keuschheit in der Sinn-
lichkeit, die Verehrung im Genuss hat kaum ein Dichter schöner und edler geschildert,
wie überhaupt das ganze Hochgefühl einer kräftigen männlichen Erotik in diesen
Liedern herrlich zum Ausdrucke kommt, in denen die Wahrheit stolz und energisch
zu Worte ringt und eine übermütige Lebensfreude und überschwengliche Dankbarkeit
aufjubelt ... Er empfindet hier ganz modern, wie auch in dem Pochen auf seine
Individualität." — Der Vergleich mit den Modernen bildet auch den Grundakkord in
Schienthers98) Essay, einem der selbständigsten und glänzendsten, die wir über
Bürger besitzen. Völlig frei von Vorurteilen tritt Seh. an Bürger heran und giebt
den Menschen so wenig preis wie den Dichter. Mit voller Beherrschung des brief-
lichen und kulturhistorischen Materials schildert er Bürger im Kampf ums Dasein,
im Kampf um die Liebe. Mit wenigen Strichen entwirft er scharfe Charakteristiken
der Frauen, die in sein Leben eingriffen, zeichnet er die robuste Mutter, die ätherische
Hofrätin Listn, die sanft resignierte Dorette, die blonde Molly mit ihren Vergissmein-
nichtaugen, die braune treulose Hexe Elise. Er sucht die modernen Empfindungen
und Motive in Bürgers Lyrik auf und hört aus einem Gedichte wie „Das Mädel, das
ich meine"" die schlichteste Volksweise bewundernd heraus. Aber auch für die ihm
weniger sympathischen lyrischen Schöpfungen findet er warme Worte der Anerkennung:
„Das Hohelied ist nicht das Feurigste, auch nicht das Mächtigste, was Bürger ge-
schaffen hat, aber es ist sein erhabenstes Lied. Der Realist verwirklicht hier sein
Ideal, indem er die Verklärte als eine Lebende feiert, frei von allen Schlacken des
Irdischen und doch ein wandelndes Menschenbild. In die Sonettendichtung tritt
man ein wie in ein Mausoleum. Molly liegt in marmorner Schönheit da. Alles was
einst lebendig war, scheint wieder aufzuleben, und doch ist Todeskälte drüber hin-
gebreitet. Die Wehklage um ihren Verlust fasst sich in verhaltene Trauer, dem ernsten
Auge fehlen schon die Thränen. Nie sind dem feiervollen Schweigen in Todesnähe
schönere Worte gegeben als hier." Der dritte Abschnitt „Bürger im Kampfe um die
Kunst" enthält eine Darlegung von Bürgers poetischer Ueberzeugung, einen Vergleich
mit den modernen Realisten, vor allem aber eine Rettung Bürgers gegen Schillers
Kritik. Er fasst diese mit Recht als eine Selbstbefreiung auf; er erklärt Schillers
geringes Verständnis für die Molly lieder aus Schillers Mangel an lyrischem Talent
und bestreitet der Reihe nach die von Schiller angewandten Grundsätze. Er erklärt
Bürgers Spottgedicht „Der Vogel Urselbst" für eine der glücklichsten litterarischen
Revanchen, die wir besitzen, die den niedergetretenen Dichter noch einmal aufrecht
dastehen zeigt in der ganzen Vollendung seiner poetischen Formen und seines selb-
ständigen Geschmacksbewusstseins. Er fasst die Balladen mit Gervinus als Beweise
von Bürgers grossem dramatischen Talent auf und misst seine Uebersetzerthätigkeit
an der Schillers ab. In der Gegenüberstellung von Bürgere und Schillers Macbeth
gipfelt Sch.s pointenreicher Essay : „Bei Bürger Wucht, bei Schiller Glanz ; bei Bürger
Naturlaute, bei Schiller fliessende Rede; bei Bürger charakteristischer Ausdruck, bei
Schiller schöner Stil; bei Bürger stählerne Prosa, bei Schüler silberne Verse; bei
Bürger Individuen, bei Schiller Typen; bei Bürger Kerle und Weiber, bei Schiller
Herren und selbst im Hexenbrodem Damen; bei Bürger Brachfeld, aus dem der Duft
der Erde steigt, bei Schiller geeggtes Land, auf dem Himmelssonne scheint; bei Bürger
N. 68. — 93) X Th. Uhle, G. A. Bürger: SchlesZg. N. 393. — 94) H. Pröhle, G A. Bürger: Vom Fels z. Meer 2, S. 309-14. —
95) C. Möller, Zu Bürgers 100 j. Todest.: NatZg. N. 346. 348. — 96) J. E. Frhr. v. Grotthuss, G. A. Bürger: Daheim 30,
S. 5558. - 97) (= N. 75.) — 98) P. Schienther, G. A. Bürger: VossZgB. N. 234, 26. - 99) X (IV 9:52.) — 100) X
IV 2a: loi-ni A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.
Shakespeare, bei Schiller Schiller." Indem er Schillers mächtigen Einfluss auf die
weitere Entwicklung der deutschen Litteratur bedauert, erhofft er Grosses von dem
Wechsel im Herrscheramte des Geistes und schliesst mit der Prophezeiung: „Und
wohin unsere junge Zukunftskunst mit allen ihren Kräften streben und steuern mag,
irgendwo wird ihr der Geist Bürgers erscheinen."99"100) — Gegenüber dieser Apotheose
durch den Journalisten hat sich die zünftige Litteraturforschung damit begnügt, 'aus
Anlass der Gedenkfeier einiges neues Material zur genaueren Kenntnis von Bürgers
Leben und Streben zusammen zu tragen. In Sauers Euphorion wird eine Reihe von
ungedruckten Briefen zu einem Erinnerungskranze vereinigt. H o e n ig 10 ') legt einen Brief
Bürgers an Rothmann vor (31. Okt. 1777) in Angelegenheit des jungen Georg Leonhart
und verfolgt in den Erläuterungen dazu Bürgers Verhältnis zur Familie Leonhart
sowie dessen Beziehungen zu Rothmann. — Aus Bürgers Briefen an Dieterich teilt
Sauer102) zur Ergänzung der Strodtmannschen Sammlung umfangreiche Auszüge aus
den J. 1778—87 mit, welche den ungezwungenen Verkehr Bürgers mit seinem Ver-
leger durch manche köstliche Wendung illustrieren und ein höchst anschauliches
Bild von seinem Leben und Treiben geben. Die N. 1—5 beziehen sich auf die
Sammlung der Gedichte vom J. 1778, die N. 6—8 auf den Musenalmanach für 1779;
die Sorge um den Almanach bildet auch in den späteren Jahren den Hauptinhalt der
Briefe. N. 11 (1781) zeigt ihn mit der Uebersetzung von „Tausend und eine Nacht"
und der Bearbeitung der Froschmäuseier beschäftigt, N. 17 (2. Jan. 1784) mit der hexa-
metrischen Bearbeitung der Ilias. Einzelne Gedichte werden gelegentlich erwähnt. —
A. von Weilen103) steuert ebenfalls einen Brief an Dieterich (8. Sept. 1783), den
Musenalmanach für 17S9 betreffend, und einen Zettel an Ratschky (1781) bei. — Der
von Seuffert104) mitgeteilte und erläuterte Brief an Wieland vom 20. Apr. 1789 ist
das Geleitschreiben zu der zweiten Ausgabe der Gedichte und in seinem schmeichlerischen
Flehen um eine lobende Besprechung im Merkur für Bürgers damalige Stimmung ungemein
bezeichnend: „Ein Lob von Ihnen ist noch das Einzige, weswegen es der Mühe wert
ist, ein deutscher Dichter zu seyn". — Zwei von Sauer105) veröffentlichte Briefe
aus dem J. 1792 schliessen die Reihe ab. Der zweite an Heyne gerichtete ist ein
trauriges Zeugnis für Bürgers klägliche Lage in Göttingen und betrifft den Widerruf
eines ihm zugeschriebenen Epigramms. Auch der erste, den Sohn seiner Schwester
Friederike aus erster Ehe, Karl Müller, betreffend, dürfte an Heyne gerichtet sein. —
Schall 106) will die Beziehungen Bürgers zu Schwaben übersichtlich zusammenstellen:
1. Bürger und J.M.Miller (S. 112: Familienregisterauszug aus den Ulmer Kirchen-
büchern. Lebensdaten Millers, seiner drei Frauen und seiner vier Kinder zweiter
Ehe). 2. Bürger und die württembergische Hofratsfamilie (Listn). 3. Bürger und das
Schwabenmädchen (S. 117 Eintrag aus dem Ehebuche der Stadt Stuttgart; S. 119 Elise
Hahns Geburtsdatum nach dem Taufbuch 19. Nov. 1769). 4. Bürger und sein Kritiker
Schiller. 107~1,0a) — Griesebachs in) Ausgabe der Werke Bürgers ist in fünfter ver-
mehrter und verbesserter Auflage erschienen. Aus dem dünnen Bändchen, das 1872
ausgegeben wurde und seitdem ii> drei unveränderten Auflagen erschienen war, ist
jetzt ein starker Band geworden, der momentan die handlichste Ausgabe der Werke
Bürgers sein dürfte. In der umfangreichen, völlig neu bearbeiteten biographischen
Einleitung verzichtet G. zu Gunsten aktenmässiger Genauigkeit auf eine lesbare Dar-
stellung. Die Gedichte enthalten alles Wertvolle und Abgeschlossene in drei Büchern
chronologisch geordnet: 1. Balladen und Romanzen; 2. Lieder an Molly; 3. Sprüche
und vermischte Gedichte. Die Ueberschrift des zweiten Buches ist nicht glücklich
gewählt, obgleich G. S. 36 sein Verfahren damit zu rechtfertigen sucht, dass Bürger
selbst in der Ausgabe letzter Hand auch solche Gedichte, die lange vor seiner
Bekanntschaft mit Molly entstanden waren, durch Einfügung ihres Namens nachträg-
lich auf sie bezogen habe. Ein Anhang zum dritten Buch umfasst „Bearbeitungen
fremder Gedichte": Die Nachtfeier der Venus, Zechlied, Das Dörfchen, Die beiden
Liebenden und die beiden Franckeschen Gedichte: Erinnerung im Abendthale,
Liebeslied an die Schönste. Dem Text der Gedichte liegt die Ausgabe von 1789 zu
Grunde. Gelegentlich wird auf die ersten Drucke zurückgegriffen; Bürgers späteren
Aenderungen gegenüber verhält sich G. eklektisch. Eine zweite Abteilung enthält
die Prosaschriften Bürgers. Hierin liegt der bedeutendste Fortschritt und der wissen-
schaftliche Wert dieser Auflage. Während nämlich die früheren Auflagen nur die
Fragmente über Volkspoesie („Aus Daniel Wunderlichs Buche"), die Uebersetzungen
A. Bock, Goethe u. Barger: Zeitgeist N. 24. — 101) B. Hoenig, E. Brief Borgers an Rothmann: Eaph. 1, S. 309-14. — 102)
A. Sauer, Auszöge aus Bürgers Briefen an Dieterich: ib. S. 214-331. — 103) A. v. Weilen, 2 Briefe v. Bürger: ib. S. 332/3.
— 104) B. Seuffert, E. Brief Bürgers an Wieland: ib S 3334. — 105) A. Sauer, 2 Briefe Bürgers aus d. J. 1792: ib.
S. 334,7. — 106) J. Schall, G. A. Bürger u. seine Beziehungen zu Schwaben: BBSW. S. 111-23. - 107) O Th. Mehring,
G. Bürgers Beziehungen zu Hamburg: DBühneng. 23, S. 193 5. — 108) X Erinnerung an Bürgers Wittwe: BerlBörsConr. N. 270.
(Aus d. OsnabrückZg.) — 109) X z Denkm. für G. A. Bürger: VossZg. N. 262. - 110) X E- Grabstein für G. A. Bürger:
DLZ. S. 377. — 110a) X Litt. Parodien: NZ»t. 12», S. 353/6. (Verstiegene Kritik d. Aufrufes für e. Bargerdenkmal.) - 111)
G. A. Bürgers Werke her. v. Ed. Grisebach. Mit e. biogr. Einl. u. bibliogr Anh., 5. verm u. verb. Aufl. B., Grote-
A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen. IV 2a : 112-116
aus Ossian und die Vorreden zu den Gedichten enthalten hatten, wird uns hier eine
nahezu erschöpfende Sammluuo- von Bürgers kleineren prosaischen Schriften, Vor-
reden, Recensionen und Fragmenten geboten. — In einer lehrreichen Recension von
von A. E. Bergers Ausgabe der Bürgerschen Gedichte tadelt Schüddekopf112) die
rasch aufeinander folgenden Ausgaben der Gedichte Bürgers, von denen keine, da
Bürgers Nachlass seit Strodtinann unzugänglich ist, die abschliessende Gestalt bringe;
er stellt das Neue in Bergers Ausgabe zusammen und rügt, dass die beiden
Fassungen des Gespräches „Advokaten verdien st" als Ganzes hintereinander abgedruckt
worden sind; er fördert die Untersuchung über Bürgers Umarbeitungen fremder
Gedichte, indem er zu dem Gedichte J. von Dörings (Sauer, N. 261) der Bürgerschen
Umarbeitung' das Original nach einem Einzeldruck „An einen Säugling. Wolfenbüttel
im Jenner 1778" gegenüberstellt; er druckt endlich ein bisher unbekanntes Bürgersches
Jugendg*edicht aus den „Göttingischen gelehrten Beyträgen zum Nutzen und Ver-
gnügen" 1768 Stück 21 ab: „Lais und Demosthenes. Eine Erzehlung" unterzeichnet
„J. A. Bürger". Trotz dieser Unterschrift hält Seh. Gottfried August für den Vf..
„Klotzischer Einfluss spricht aus Wahl und Behandlung des Stoffes, die derbsinnliche
Schilderung-, der Hinweis auf Zeus sprechen für Bürger. Die freien Jamben, die
Mehrreime kehren in einem anderen Jugendgedichte „Mein Amor" wieder; für fast
alle Reime . . . lassen sich Beispiele in anderen Gedichten finden . . . Wir werden also
die Erzählung als erstes gedrucktes Gedicht Bürgers aufnehmen dürfen."113) —
A. W. Schlegels Recension über Bürgers Gedichtsammlung* 1789 in den Götting. Gel.
Anzeigen vom 9. Juli 1789 und desselben Aufsatz „Ueber Bürgers Hohes Lied" im
Neuen deutschen Museum Febr. und März 1790 liess Minor114-115) zum Jubiläum neu
abdrucken. — Zu den bisherigen Erklärungen Bürgerscher Gedichte brachte Hoenig116)
zahlreiche und wichtige Nachträge und Zusätze in bunter Reihenfolge vor: 1. Nacht-
feier der Venus. In Gleims Nachlass befindet sich eine Hs. dieses Gedichtes, welche
uns den beiden ersten Drucken gegenüber (im Deutschen Museum 1773 und im
Göttinger Musenalmanach auf 1774) die früheste und wahrste Gestalt aufweist.
2. Aenderungen und chronologische Ordnung der Jug*endgedichte in der ersten Aus-
gabe vom J. 1778. Bürgers von den neueren Herausgebern mehrfach angezweifelte
Datierung ist oftmals richtig für die Zeit der Konzeption und der ersten Strophen,
wenn auch nicht für die Zeit des Abschlusses. Der „Bauer an seinen Fürsten" gehöre
ins J. 1773, denn das Gedicht verdanke der Begeisterung für Goethes Götz seinen
Ursprung; ebenso sei Bürgers Datierung des Gedichtes „Lust am Liebchen" zu recht-
fertigen; die Gedichte: Adeline, Huldigungslied, Das harte Mädchen, An den Traum-
gott, An die Hoffnung, werden als eine Art Cyklus ins J. 1770 verlegt, und es wird
das Erlebte darin nachgewiesen. Beim Huldigungslied sucht H. überdies mit Hilfe
des Briefwechsels zur ersten Fassung* vorzudringen und diese gegenüber der späteren
Umarbeitung zu charakterisieren. 3. Minnelieder: Die erste Bekanntschaft Bürgers
mit den Minnesängern fällt in den Aug. und Sept. 1769; das erste Minnelied ist „Das
Winterlied" aus dem Beginn 1772; von dem Gedicht „Der Minnesinger" aus dem Früh-
jahr 1772 hat sich die erste Fassung in Gleims Nachlass erhalten, die einzelne
Minnestrophe (Sauer S. 316) verlegt H. in den Frühling* 1774, in die Zeit des Braut-
standes mit Dorette. 4. Lieder an Molly. Datierungsversuche. 5. Balladen. Bei
der Lenore habe Bürger das Volkslied nicht gekannt; die englische Ballade vom
Suffolk miracle, die man mit der Lenore verglichen hat, und die H. deswegen ab-
druckt, gehöre einem anderen Sagenkreise an. Lenardo und Blandine ist durch
Eschenburgs „Beiträge zur altdeutschen Litteratur" im Februarheft des Deutschen
Museums 1776 beeinflusst, wo Konrads von Würzburg Engelhart auszugsweise mit-
geteilt ist. „Der Kaiser und der Abt" und „Die Entführung" werden mit der eng-
lischen Quelle verglichen. Das Lied vom braven Mann ist die Rede, die Bürger am
Johannisfeste des J. 1777 (24. Juni) in der Loge zum goldenen Zirkel in Göttingen
zur Verherrlichung einer maurerischen Gutthat gehalten hat. „Es ist zu diesem Zweck ge-
dichtet, nicht etwa blos benutzt"; daraus erklärt sich auch der rhetorische Charakter
des Liedes. „Sankt Stephan" wurde auf Pfennigers Aufforderung für dessen „christ-
liches Magazin" im April 1777 entworfen und begonnen; im „Wilden Jäger" sind die
sagenhaften Motive zusammengeflossen mit den freiheitlichen Tendenzen des Sturms
und Drangs, mit Anregungen aus den Bauern- und Zigeunerscenen des „Götz von
Berlichingen" und aus Goeckingks Satire „Parforcejagd" (Göttinger Musenalemanach
auf 1777). In „Des Pfarrers Tochter von Taubenhain" vereinigen sich Motive des
Volksliedes und der englischen Ballade mit solchen der zeitgenössischen Dramatik
und Lyrik (Buchholz „Bettina" im Deutschen Museum Sept. 1777), sowie der „Rede
LXXYin, 504 S. M. 2,00. — 112) K. Schüddekopf, A. E. Berger, Bürgers Gedichte (JBL. 1892 IV 2:25): ADA. 20, S. 66 9.
— 113) X G- A- Bürger, Ausgew. Gedichte. L., W. Fiedler. 16°. 158 S. M. 1,20. - 114) J. Minor, 2 Recensionen Bürgerscher
Dichtungen t. A. W. Schlegel: ZOG. 45, S. 585-612. — 115) id., 2 Recensionen d. Bürgerschen „Hohen Liedes" v. A. W. Schlegel :
ib. S. 872. — 116) B. Hoenig, Nuchtrr. n. Znsätze zu d. bisherigen Erklärungen Bürgerscher Gedichte: ZDPh. 26, S. 493-540.
Jahresberichte für nenere deutsche Literaturgeschichte. Y. (4)16 b
IV 2a : H7-132 A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu den Freiheitskriegen.
einer Kindermörderin" von Sturz. 6. Nachricht von priapischen Gedichten (deren
Ms. verloren ist). 7. Redaktion des Göttinger Musenalmanachs. Bürgers Feile ist
auch an mehreren Gedichten des Almanachs auf 1780 („Lydia" von Meyer, „Endy-
mion" nach dem Tassoni) zu erkennen. Im Anhang1 dazu giebt H. chronologische
Mitteilungen über Bürgers rednerische Thätigkeit in der Göttinger Loge. — Der
„Nachtfeier der Venus" widmet Hoenig117) eine eigene sehr eingehende, aber viel zu
weitschweifige Abhandlung, in der die Entstehung des Biirgerschen Gedientes, sein Ver-
hältnis zu dem lateinischen Original und zu den drei französischen Uebersetzern, und
das Verhältnis der fünf Umarbeitungen untereinander erschöpfend untersucht wird.
Der zweite Teil dieser Abhandlung betrachtet Schillers „Triumph der Liebe" als eine
Nachahmung Bürgers, zugleich aber als eine bewusste Reaktion, als einen beabsich-
tigten Gegensatz zu dem Biirgerschen Gedicht, enthält einen ausführlichen Kommentar
zu dem Schillerschen Jugendgedicht und bringt einen Vergleich beider Dichtungen.
— Ein anderer knapperer Essay Hoenigs118) würdigt Bürgers Verdienste um die
deutsche Kunstballade im allgemeinen. — Zur Stoffgeschichte mehrerer Balladen
haben Timm119), Schischmänov120), Sozonovic121) und Dörfler122) Einzelnes,
meist aus fremden Litteraturen, beigebracht. — Zu einer Würdigung Bürgers als
Lehrer der deutschen Sprache macht Sahr123) einige verdienstliche Anläufe, lässt
dabei aber die wichtigsten Quellen, Bürgers Lehrbücher der Aesthetik und des
deutschen Stils, aus äusseren, nicht zu billigenden Gründen bei Seite und verzichtet
darauf, Bürgers Ansichten auf die von anderen empfangenen Anregungen zurück-
zuführen. Er wünscht eine kritische Gesamtausgabe von Bürgers Prosaschriften. 124) —
Waldmanns125) Sammlung der Briefe von Lenz wird an anderer Stelle
gewürdigt." — Desgleichen Winklers126) Aufsatz „Goethe und Lenz" und Falcks127)
Untersuchung der Sesenheimer Lieder auf Grund des Jerzembskyschen Lenz-
Nachlasses. —
Von Schubart wurde ein Brief128) an seine Gattin bekannt: Hohenasperg,
30. Aug. 1785 über die Veranstaltung seiner Gedichtausgabe und über deren Er-
trägnis. — Solgers129) Broschüre (JBL. 1893 IV 2a : 58) wurde nachträglich besprochen.
— Beck130) Hess ein anonymes, wahrscheinlich in Augsburg erschienenes Schmäh-
gedicht auf Schubarts Gefangennahme neu drucken: „Ecce! Schubart von Ala, der
Erzvogel im Mausen auf dem Asperg Im Herzogthum Würtemberg auf seinen glücklich-
als triumphirlichen Einfluge daselbsten deutsch-kronickmässig herausgegeben worden
mit Genehmhaltung seiner hohen Gönnern. KRONIKBERG gedruckt mit neuen
Schriften, 1777." -
Von J. Chr. Fr. Haug wurde ein gereimter Scherzbrief an seinen Schwager,
Stuttgart 11. Jan. 1786, gedruckt131). —
Otto Richter132) veröffentlicht ein sehr interessantes Tagebuch der Elisa
von der Recke über ihren, Aufenthalt in Dresden, wo sie den ganzen Mai 1790 in
glücklichem Beisammensein mit dem von ihr geliebten Grafen Karl von Gessler zu-
brachte. Erwähnt werden: Blankenburg, Nicolai, der alte Forster, Naumann. Her-
vorzuheben ist die Beschreibung einer Reise durch die sächsische Schweiz, welcher
Name hier zum ersten Mal belegt ist, mit Körner und Gessler. Ferner die Schilderung
einer bewegten Scene an dem Vorabend von Elisas Geburtstag (19. Mai) auf Körners
Weinberg. Erinnerungen an Gespräche mit Sophie und Fritz Stolberg sechs Jahre
vorher über die Unsterblichkeit und das Wiedererkennen unserer Geliebten nach dem
Tode (auch eine Nachschrift über Stolberg vom 23. Juni 1823), an die Bekanntschaft
mit Gessler ein Jahr vorher. Während eines zweiten Ausfluges in die sächsische
Schweiz las Gessler in einer der schauerlichsten Grotten des Lohmerthales Schillers
„Resignation" mit hoher Begeisterung vor, woran sich ein Streit über die Tendenz
dieses Gedichtes schloss. „Man forderte mein Urteil, und ich sagte — mit schmerz-
haftem Grausen habe dies poetisch schöne Gedicht mich erfüllt; ich könnte Schillern
nur dann die so tief eindringenden Zweifel über Unsterblichkeit verzeihen, wann er
nur sein hinreissendes Dichtertalent dazu anwenden würde, diese Zweifel mit eben
der Kraft der Sprache philosophisch zu widerlegen. Die Gesellschaft sagte einstimmig
— das kann er nicht, das kann kein Philosoph in Prosa — schmerzhaft g-erührt rief
ich aus: dann hätte Schiller seine Resignation verbrennen müssen, ehe er nur irgend
— 117) (IV 9: 77.) — 118) B. Hoenig, G. A. Bürger u. d. dtsch. Kunstballade: DDichtung. 16, S. 123/7. — 119) B. Thiraro,
Bürgers Lenore u. ihr Verhältnis z. dtsch. Volkssage. (=12: 12, S. 155-72.) — 120) J. D. Schischmänov, D. Lenoren-
stoff in d. baigar. Volkspoesie: IndogerraF. 4, S. 412-48. — 121) O Sozonovic, Bürgers Lenore u. d. ihr verwandten
Snjets in d. europ. u. russ. Volkspoesie. (= Lenora Bürgera i rodst vennyje jej süzeti v narodnoj poeziji jevropejskoj i russkoj.)
Warschau. 1893. (Weitere Angaben unerreichbar; vgl. IndogermF. 4, S. 414.) - 122) (1 11 :33.) — 123) J. Sah r, G\ A.Bürger als Lehrer
d. dtsch. Sprache : ZDÜ. 8 (Ergänzungsheft), S. 310-54. - 124) X Bürger gegen d. Juristendeutsch : Grenzb. 2, S. 476/7. — 125) (IV 1 o : 42.)
— 126) M. Winkler, Goethe and Lenz: Studies and notes in philology and litt. (Harvard-Univ.) Bd. 2. (Weitere Angaben un-
erreichbar.) — 127) (IV 8c: 20.) — 128) (=N. 50.) — 129) X C.: Ges. S. 1383. - 130) P. Beck, E. Pamphlet wider Schubart:
Alemannia 22, S. 56-63. — 131) (= N. 50.) — 132) Otto Richter, Elisa v. d. Hecke im Wonnemonat d. J. 1790. Mitteilungen
A. Sauer, Lyrik: Von der Mitte des 18. Jh. bis zu deu Freiheitskriegen. IV 2a: 133-152
einer Seele seine finstre Ansicht mitteilte; denn wer den Glauben an Unsterblichkeit
untergräbt, befördert die Immoralität der Menschen." —
Rössler133) besprach nachträglich das Buch von S. X. von Salis-Soglio „Die
Convertiten der Familie von Salis (JBL. 1893 IV 2a : 74). —
Giehnes134) verdienstliche Studien über Hebel wurden nach Willomitzers135)
Referat zuerst in der Deutschen Vierteljahrsschrift 1858 (3. Heft) gedruckt. — In
Willomitzers Schrift „Die Sprache und die Technik der Darstellung in J. P. Hebels
rheinländischem Hausfreund (JBL. 1891 I 8 : 28; IV 3 : 50) vermisst Menge136) einen
Hinweis auf Alban Stolz. ,37) —
Freiheitskriege. Von Meisners138) Ausgabe der Werke Arndts ist der 3. und
4.Band,die Gedichte enthaltend, erschienen. — Wassmannsdorf139) veröffentlichte zwei
Briefe Arndts aus den J. 1842—60; Brandis140) sieben Briefe Arndts an Christian Aug.
Brandis, Philosophieprofessorin Bonn, aus Frankfurt 1848— 49; herrliche Briefe voll des
sicheren Vertrauens auf Deutschlands hohen Beruf und zukünftige Grösse, aber auch voll
wütender Worte g'egen Deutschlands Verderber und Verblender. — Den Versuch einer
Gesamtdarstellung von Arndts Leben machte Thiele141) in einem für das grössere
Publikum berechneten Werke. Er will nicht so sehr den Dichter charakterisieren
als vielmehr zeigen, dass Arndt ein halbes Jh. hindurch seine ganze geistige und
sittliche Persönlichkeit für sein Vaterland eingesetzt habe, dass er durch seine Thätig-
keit als Geschichtsforscher, als akademischer Lehrer, als politischer Schriftsteller und
auch als Dichter ebenso sehr wie durch seine Gesinnung als Deutscher und als Christ
für sein Vaterland gewirkt, gekämpft und gelitten hat. Mit anerkennenswertem Fleiss
hat Th. die grossen Massen der Arndtschen Schriften gelesen und analysiert auch die
seltenen und verschollenen, so dass er das Verzeichnis der Schriften Arndts in Goedekes
Grundriss vermehren konnte; sogar der Nordische Kontrolleur aus dem J. 1808 bis
1809 war ihm zugänglich; er sucht die einzelnen Schriften auch ganz richtig in den
Lebensgang Arndts einzugliedern; . er hat das briefliche Material geschickt verwertet
und in dankenswerter Weise vermehrt; er erzählt schlicht, einfach, ohne Phrase und
ohne Uebertreibung"; es ist dem Vf. aber nicht gelungen, über die mitgeteilten Einzel;
heiten hinaus zu einer grossen einheitlichen Gesamtauffassung vorzudringen; alles
eigentlich Litterarhistorische tritt zurück; Arndts schriftstellerische Entwicklung und
seine Stellung- in der deutschen Litteratur darzustellen, bleibt noch immer eine wichtige
und dankbare Aufgabe. 142) —
Zimmers143) Ausgabe von Körners144) Werken und Peschels145) Ausgabe
seines Tagesbuches (JBL. 1893 IV 2a : 99—100) erfahren weitere Besprechungen, ne-u")
— Zimmers148) biographische Einleitung wurde neuerdings in Mev&rs Volksbüchern
abgedruckt. — Peschel149) gab für weitere Kreise eine Uebersicht über das Körner-
Archiv, teüte Briefe und Gedichte von Theodors Vater mit, gewährte Proben von Theodors
deutschen und französichen Jugendgedichten und stellte ein Verzeichnis seiner
ungedruckten Dramen und Opern auf. — Einen belanglosen Brief von Chrn. Gottfr.
Körner an J. G. Scheffner aus dem J. 1815 hat Kramer150) veröffentlicht, während
Blanckmeister151) authentische Nachrichten über die Vorfahren Th. Körners bei-
bring*t. Der älteste nachweisbare Vorfahre ist der Leipziger Bierschröter Johann (oder
Hans) Körner 1651—1702; dessen jüngerer Sohn Joh. Chrph. (1688—1736), Privatdocent
an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig, Kollaborator und später Diaconus
an der Stadtkirche in Weimar, war mit der Tochter des Leipziger Theologieprofessors
Gottfried Olearius verheirathet. Von ihren fünf Kindern war der älteste Joh. Gottfr.
Körner (geb. 1726 zu Weimar, Theologieprofessor in Leipzig, gest. 4. Jan. 1785) mit
der Leipzig-er Kaufmannstochter Sophie Margarethe Stirner verheiratet. Deren einziger
Sohn war Chrn. Gottfr., der Vater Theodors. — Als ein Erzeugnis ärgster Buchmacherei
muss eine kleine Schrift Hohenfelds152) „Körners Ideale" bezeichnet werden, die
die Empfehlung* Linggs nicht im mindesten verdient. Erwähnenswert daraus sind
nur die Reproduktionen zweier Bilder: Die Herzogin Anna Dorothea von Kurland
nach einer im Körnermuseum zu Dresden befindlichen Silberstiftzeichnung auf Perga-
aas ihrem Tagebuche: DresdGBH. 3, S. 105-13. — 133) A. Kessler: LRs. 20, S. 96/7. — 134) (IV 3:52.)
— 135) F. Willomitzer, F. Giehne, Studien über J. P. Hebel. (= N. 134): Euph. 1, S. 417. — 136) X K. Menge: ZDU. 8,
S. 708,9. — 137) X J- F. Hebel, Alemann. Gedichte im allemann. Orig.-Text. Mit Bildern nach Zeichnungen v. L. Richter.
3. Aufl. L., Wigand. VUI, 232 S. M. 4,00. — 138) O E. M. Arndt, Werte, 1. einheitl. Ausg. seiner Hauptschriften. Bearb. v.
H. Meiuner. 3. u. 4. Bd. Gedichte. Vollständ. Samml. 1. u. 2. T. L., K. F. Pfau. 342, 310 S. a M. 3,00. |[A. Ohorn:
Dichterheim 14, B. 515/6; G. Morgenstern: Ges. S. 963.] | — 139) O K. Wassmannsdorf, 2 Briefe E. M. Arndts aus d.
J. 1842—60: MschrTurnwesen. 13, N. 2. — 140) (IV 5:564.) — 141) (IV 5:563.) |[ThLB. 17, S. 243; R. Geerds: DLZ.
S. 586/9 (vermisst d. Benutzung d. Briefe Arndts an Bunsen u. an Johanna Motherby); R. Georg: Bär 20, S. 327.] | — 142) X
E. M. Arndt: TglRsB. N. 197. — 143) X LCB1. S. 1378,9. — 144) X Th. Körner, Leier u. Schwert. (= Allg. Volksbibl.
N. 23.) Neusalza, Oeser. 48 S. M. 0,10. — 145) A. Sauer: DLZ. S. 9045. — 146) X O. Harnack, Th. Körners Kriegs-
lieder: PrJbb. 77, S. 370/1. — 147) X Unbek. Verse v. Th. Körner: FZg. N. 212. (Aus Peschel [= N. 145] abgedr.) — 148)
H. Zimmer, Th. Körners Leben u. Werke. (= Meyers Volksbücher N. 1039.) L., Bibliogr. Inst. 16°. 44 S. M. 0,10. —
149) X w- E- Peschel, Handschriftliches ans d. Körnermus. zu Dresden: WestöstlRs. N. 1. — 150) Gottl. Krause, E.
Brief Chrn. Gottfr. Körners: ZVLR. 7, S. 217-20. — 151) F. Blanckmeister, Th. Körners Vorfahren: DresdGBH. 3, S. U2 4.
— 152) H. Hohen feld, Körners Ideale. Dtsch. Frauengestalten aus d. Dichters Leben u. Liedern. Mit 6 111. u. e. Begleit-
(4) 16 b*
IV 2a: 153-162 IV 2b:i 4 J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.
ment von F. üarbes und Antonie Adamberger als Emilia Galotti nach einem Gemälde
im Besitz ihres Sohnes Alfred Ritter von Arneth. 153) —
Zwar nicht zu einer „Lebensbeschreibung" Schenkendorfs, wohl aber zu
einer Geschichte seiner Familie veröffentlicht Knaake154) neue Beiträge, die einer
genaueren Auswahl bedurft hätten. Die Familie stammt aus der Neumark und lässt
sich bis auf den Urgrossvater des Dichters zurück verfolgen. Schon im Anfang des
18. Jh. lebte ein Karl Oswald von Schenkendorff in Tilsit. Des Dichters Vater, der
Kriegsrat Georg Heinrich von Schenkendorf, charakterisiert sich selbst in einem be-
merkenswerten Schreiben (25. Okt. 1798) als einen energischen, thätigen, frommen
Mann, der über der Bewirtschaftung seines Gutes die philosophische Lektüre und die
Bibel nicht vergisst („die Hypochondrie kenne ich nur dem Namen nach; das sicherste
Mittel, sie zu verbannen, ist Thätigkeit"). Die Geschichte dieses Gutes und der Nieder-
gang des Familienvermögens wird bis zum Tode der Mutter des Dichters (10. Nov.
1830) verfolgt. — Sprenger155) hat dem Texte der Schenkendorfschen Gedichte
die ihm bisher versagte Aufmerksamkeit gewidmet. Die zahlreichen neueren Aus-
gaben sind alle unveränderte Abdrucke von A. Hagens Ausgabe (St., Cotta; 1862);
diese ist im ganzen sorgfältig angelegt, bietet auch hin und wieder eine treffliche
Verbesserung. Eine Kollationierung' dieser Ausgabe mit dem Text in „Max von Schenken-
dorfs Poetischem Nachlass" (Berlin 1832) und den übrigen ersten Drucken beweist
aber, dass Hagen doch an manchen Stellen willkürlich verfahren ist. —
Unter den Beilagen zu den Briefen Gneisenaus an Prof. Joh. Blas. Siegling
in Erfurt teilt Pick156) auch ein anonymes Gedicht aus den Freiheitskriegen mit:
„Abendfeyer. Zur Todesfeyer des Oberjägers Ernst Siegling von Seinen trauernden
Freunden, B. G. H. L. R. S. Gestorben den ruhmvollen Tod für's Vaterland, bev
Crepi, am 28. Juny 1815." 157~,5()) —
In der ADB. wurden 1893 und 1894 drei Schriftsteller besprochen, die wir
hier in chronologischer Reihenfolge anfügen. Reusch160) bringt auf Grund von
Mitteilungen aus Freiburg und Konstanz die wichtig-sten Daten aus dem Leben des
katholischen Schriftstellers Joh. Ant. Sulzer (1752 — 1828) bei, dessen „Gedichte"
1792 erschienen sind. — Mendheim161) verzeichnet das Notwendigste über Georg
Friedr. Treitschke (1776— 1842), ohne den Versuch einer Charakteristik zumachen.
In seinen Gedichtsammlungen (1817 und 1841) hätten die romantischen Einflüsse
leicht nachgewiesen werden können. — Stieda162) macht uns mit dem kais. russischen
Leibarzt Karl Bernh. Trinius (geb. zu Eisleben 1778; gest. zu Petersburg 1844)
bekannt, dessen in Zeitschriften gedruckte Gedichte erst nach seinem Tode von zwei
Freunden gesammelt wurden (Berlin 1848). Ein kritisches Urteil über diese Gedichte
lehnt St. ab. —
b) Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.
Julius Elias.
Allgemeines N. 1. — Schwaben N. 5. — Charlotte Stieglitz N. 21. — Mich. Beer und Ed. von Schenlc N. 22. —
Platen N. 23. — Aug. Kopisch N. 26. — F. Rückert N. 27. - F. von Bodenstedt N. 32. — Annette von D.oste -Hülshoff N. 37.
— F. Freiligrath N. 39. - G. Herwegh N. 44. — Hoffmann von Fallersleben N. 46. — E. Geibel N. 51. — Alex. Kaufmann
N. 55. - G. Kinkel N. 57. - L. Giesebrecht N. 57 a. — K. J. Ph. Spitta und K. Gerok N. 58. - Ad. Graf von Schack N. 64. —
Lokalforschung: Mark Brandenburg N. 76. — Anhalt N. 82. — Sachsen N. 83. — Hessen N. 84. — Rheinlande und Westfalen
N. 88. — Baden N. 91. — Elsass N. 92. — Bayern N. 107. — Oesterreich: Allgemeines N. 111; J. G. Fellinger N. 117;
J. B. Deinhardstein N. 119; Grillparzer N. 124; N. Lenau N. 129; F. Hebbel N. 153; A. Grün N. 156; A. Tschabuschnigg
N. 161 ; L. A. Frankl N. 163; K. G. von Leitner N. 166; J. Mauthner N. 168; R. Hamerling N. 169; Frauen N. 174; H. Rollett
N. 182; F. von Saar N. 193; M. Albert N. 187; A. Graf von Wickenburg N. 188; A. von Goldschmidt N. 190; R. Lothar N. 191;
„jüngstes Wien« N. 192; Dialektdichtung N. 193; Tirol: Allgemeines N. 199, I. Zingerle N. 203, Ad. Pichler N. 204, J. von Schnell
N. 208, H. von Vintler N. 209, H. von Gilm N. 213. — Schweiz: Allgemeines N. 214; K. R. Tanner N. 216; H. Leuthold
N. 217; K. F. Meyer N. 220; O. Sutermeister N.221; F. Oeser N. 222; F. Hemmerli N. 223; J. Winteler N. 224. — Luxemburg
N. 225. — Baltische Lande N. 226. — J. V. von Scheffel (Josephine Scheffel) N. 239. — F. Th. Vischer N. 256. — Th. Storm
N. 258. — L. Eichrodt N. 259. — F. Gregorovius N. 264. - K. Werder N. 265. — K. Stauffer-Bern N. 266. — Nachgelassene
Dichtungen: E. Dorer N. 267; F. Nietzsche N. 268; T. Ullrich N. 269; Kaiser Wilhelm I. N. 270; Graf Moltke N. 271; Ver-
schiedene N. 273. — Dialektdichtung: F. Reuter N. 284; Kl. Groth N. 286; F. von Kobell N. 291; K. Stieler N. 293; Nik.
Sturm. Anny Schäfer N. 295; F. Stoltze N. 297; M. Bück N. 300; A. Sailer, C. Weitzmann N. 304; W. Borneraann, J. Jürs,
J. Brinckmann N. 306; H. Köselitz N. 309. — Zeitgenössische Dichtung: Allgemeines N. 310; ältere Gruppen N. 333; jüngere
Gruppen N. 374; Frauen N. 397. — Sozialistische Tendenzdichtung N. 407. — Einzelne Gedichte und Lieder N. 415. — Geist-
liche Dichtung N. 450. — Uebersetzungen N. 454. — Sammlungen N. 457. —
Eine Handvoll Briefe, von Franzos1) dargeboten, leitet die wenigen Beiträge
allgemeiner Art ein, die das Berichtsjahr 1894 ergeben hat. Sie sind im wesentlichen
wort v. H. Lingg. München, Verl. d. „Allg. Kunstchr." 48 S. M. 1,25. — 153) X B- Rogge, Th. Körner, E. Sänger u. e.
Held: Gymn. 12, S. 651. — 154) E. Knaake, Neue Beitrr. zu e. Lebensbeschreibung M. v. Schenkendorfs: MLLG. 4, S. 1-15.
— 155) R. Sprenger, Zu Max v. Schenkendnrfs Gedichten: ZDPh. 27, S. 211,5. — 156) (IV 1 c : 31.) — 157) X Gedichte
e. jungen Wehrmanns d. Befreiungskriege: Ferd. v. Pfisters: BurschenschBll. 8, S. 92,3, 137/9. — 158) X H- Müller-Bohm,
2 Dichter d. Befreiungskriege: Bär 20, S. 103/5. — 159) X & anonymes Lied ans d. Zeit d. Fremdherrschaft: Hessenland 8,
S. 98.— 160) F. H. Reusch, J. A. Sulzer: ADB. 37, S. 150/1. - 161) M. Mendheim, G. Fr. Treitzsohke (so!): ib. 33, S. 558.
— 162) L. Stieda, K. B. Trinius: ib. S. 619-21. —
1) (IV 2a: 50.) - 2) (IV2a:l.) — 3) P. J. Thiel, Gedichte u. Gedachte: Zuschauer 1, S. 15/8. — 4)K.Preser,
J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. IV 2b : 5-8
aus Wiener Sammlungen geflossen und charakterisieren Deinhardstein, Helmina von
Chezy, Karl Beck, ferner Georg Herwegh nicht übel. Ein gereimtes Schreiben Joh.
Christoph Friedrich Haugs, das eine Käsesenduno* ganz witzig begleitet, fällt in eine
frühere Zeit. Josef von Hormayr entpuppt sich als Beschützer aufkommender Talente;
er „schenkt" Deinhardstein den Stoff zu einer Ballade. Helmina von Chezy, die
merkwürdig bewegliche Frau, erscheint bei dem neuen Direktor des Burgtheaters als
Bittstellerin für ihren Sohn Wilhelm, der Dramen verbricht; es kommt ihr g'ar nicht
darauf an, Deinhardstein mit Goethe zu vergieichen. Ein anderer Brief lässt trübe
Schatten fallen auf das melancholische Lebensende der Dichterin. Herwegh stellt 1866,
aus seinem schweizerischen Asyle, Beck journalistische Dienste für Politik und Feuille-
ton in Aussicht. Zwei Briefe Becks endlich erzählen lebhaft von deutschem Poeten-
elend. — Tetzner2) bringt aus Gedichten, die sich über das ganze 19. Jh. ver-
teilen und auch vor den ödesten Reimereien nicht Halt machen, eine Geschichte
Deutschlands zusammen. Er beginnt mit der teutonischen Urzeit und endet, nach
gut gegliederten Kapiteln, bei den kolonialen Bemühungen der neuen Reichsregierung.
T. will nicht stofflichem Interesse gedient haben ; seiner patriotischen Empfindung war,
so sagt er, das einzelne Gedicht niemals Geschichtsquelle, vielmehr Glorifikation der
historischen Thatsache. Unter den historisierenden Lyrikern standen seinem Herzen
Dahn, Lingg und Moser am nächsten. — In Thiels3) Aufsatz „Gedichte und 'Ge-
dachte'" ist von der Geschichte der Lyrik nicht viel die Rede. Er verurteilt die Re-
flexionspoesie und will nur von Naturanschauung etwas wissen. Die Tendenzdichtung
ist ihm verhasst: Die Revolutionslieder von 1848 ebenso sehr wie heute der gereimte
Socialismus Karl Henckells. — Ebenso heftig lässt sich Preser4) in einer Buchkritik
über die dürre gereimte Prosa aus, die sich in der neuzeitigen Litteratur für Lyrik
ausgeben möchte. —
In seinem Buche über des persönlichsten und intimsten Schwaben-
lyrikers Hauspoesie5), einer, wenigstens stofflich, sehr interessanten Veröffent-
lichung' (s. JBL. 1895 IV 2b), erörtert Krauss6) geschickt die Frage, warum Eduard
Mörike die politische Lyrik nicht gepflegt habe, da er doch im sublimen wie
im gewöhnlichen Sinne ein Geleg'enheitsdichter, ein künstlerischer Objektivierer der
eigenen Lebenserfahrungen gewesen sei. Er findet den Grund in Mörikes überaus
zarter Seelenverfassung, die vor der dichterischen Gestaltung der höchsten Gefühle —
Liebe zur Mutter, Liebe zum Vaterlande — ängstlich zurückbebte. Auf der anderen
Seite aber beweist K. aus Briefen Mörikes an seinen Lebensfreund, den Pfarrer
Wühelm Hartlaub, dass der Mensch Mörike keineswegs stumpf gewesen sei gegen
die grossen politischen Ereignisse, deren Zeuge er während eines langen Daseins
sein durfte. Er hat Partei ergriffen, doch auf seine Weise: in seinem Innern, still,
gerecht abwägend. Nach aussen hin tönte sein Wort nicht, aber dem Freunde ver-
traute er sich ganz an. Das J. 1848 findet ihn auf der Seite des Volkes, doch für
Georg- Herweghs tragikomische Niederlage hat er nur Worte schneidenden Hohnes.
Als wackerer Schwab hasst er zunächst Preussen; aber, da ihm Preussens Sendung
aufdämmert, versöhnt er sich gemach mit seiner antiborussischen Empfindung. Die
Gründung des neuen deutschen Reiches erfüllt auch seine Jugendträume; sie findet
ihn als guten deutschen Patrioten.7) — Krauss8) bringt für den Briefwechsel zwischen
Schwind und Mörike (JBL. 1890 IV 2 : 81), der bekanntlich, soweit die Briefe
Mörikes in Betracht kommen, mehr als lückenhaft ist, einige Ergänzungen aus
dem Briefcorpus des Freundes Hartlaub, das in fünf umfangreichen und kaum be-
nützten Bänden die königliche öffentliche Bibliothek in Stuttgart besitzt. Dort
findet sich in Abschrift ein vollständiges Schreiben Mörikes an Schwind (also das
sechste, das uns überhaupt bekannt ist) und ein Rest brieflicher Andeutungen über
sein Verhältnis zu Schwind. Jener Brief, vom 18. Juli 1888, sollte Schwinds Be-
denken zerstreuen, Mörike habe nur so lange geschwiegen (nach Schwinds Brief vom
28. Mai), weil er etwa mit den Blättern zur „schönen Lau" unzufrieden wäre. Er geht
nun die Stücke enthusiastisch durch und giebt die „simplen Beifalläusserungen"
wieder, die in seinem Familienkreise bei der Betrachtung der Zeichnungen laut
geworden. Aus den Notizen, die zumeist von Besuchen Schwinds handeln, ist etwa
noch anzumerken erstens die Thatsache, dass es Mörike gewesen, der die Korre-
spondenz mit Schwind suchte und anbahnte, sodann das folgende Stückchen Charak-
teristik: „Er (Schwind) ist allerdings ein unruhiger Gast, der einen auch ziemlich in
Atem hält. In seinem Wesen liegt eine gewisse Gewaltthätiglieit, vor welcher die
meisten wohl scheu zurückweichen. Das Genialische an einem Menschen aber hab
Fides. E. Essay ans d. Dichterwalde : Hcssenland 7, S. 85/7. (Anknüpfend an e. Epos A. Weidenra iniers.) — 5) R- Krauss, E. Mörike als
Gelegenheitsdichtor. Aus seinem alltägl. Leben. Mit zahlr. erstmals gedr. Gedichten Mörikes u. Zeichnungen v. seiner Hand.
St., Dtsch. Verl.-Anst. 1895. XI, 188 S. M. 3,00. :[H. Meisner: DLZ. S. 1646/7; DRs. 81, S. 476; DR. 4, S. 378; Grenzb. 4,
S. 89-90; SchwäbKron. N. 228; TglRs«. N. 248'9.J| — 6) id., Ed. Mörike u. d. Politik: Euph. 1, S. 129-36. — 7) X Ed. Mörike
xx. d. Politik: BerlTBl. N. 413. (Nach N. 6; dazu auch Didask. N. 192.) — 8) R. Krauss, Z. Brief*, zwischen Schwind u. Mörike:
IV 2b : 9-20 J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.
ich nicht so leicht wie bei ihm gefunden." — Eine geistliche Feder9) beschreibt,
nach bekannten Quellen, humoristisch Mörikes Pfarridyll in Cleversulzbach, sein
zwischen Seelsorgerpflichten, die er warmen und mildthätigen Herzens erfüllte, und
Dichterträumen friedlich geteiltes Leben. — Krauss10), der jüngste, keineswegs
von Ueberschätzung freie Sachwalter des Schwabenparnasses, beschäftigt sich
enthusiastisch mit dem Grafen Alexander von Württemberg. Aber es gelingt auch
ihm nicht, uns das Bild einer ursprünglichen dichterischen Persönlichkeit zu ver-
mitteln, trotzdem er die Worte nicht spart. Graf Alexander ging in den Spuren
Lenaus, und seine Vorliebe für das unerschrockene Lebensgefühl des Mittelalters hat
sich an romantischen Vorbildern gestärkt. Anlass zur Erinnerung bot der 50. Todes-
tag des Grafen, und bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, dass die Firma Reclam eine
Gesamtausgabe seiner Schriften schon früher besorgt hat (Uß. N. 1481/3). J1) — Als vor
Jahr und Tag das Urbild der „schönen Müllerin", die greise Hedwig von Olfers,
starb, und ihre nachgelassenen Poesien an das Licht kamen (JBL. 1893 IV 2b: 22) da
stieg auch die reizende und liebe Erscheinung Wilhelm Müllers wieder besonders
lebhaft im Andenken der Zeitgenossen herauf. Zu seinem hundertjährigen Geburts-
tag nun hat Curt Müller12) eine populäre Gesamtausgabe der Gedichte und Epi-
gramme hergestellt, deren Anordnung und Textgestaltung pietätvoll auf die ersten,
von Müller selbst besorgten Editionen sich gründet; u. a. sind die Gedichte aus den
hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten so wiederholt worden, wie
der Dichter sie gab. Biographie und Charakteristik aber lassen einiges zu wünschen
übrig. — Nicht viel besser gedieh freilich die Mehrzahl der Gelegenheitsartikel13),
die dem volksmässigen Lyriker gewidmet sind; mit aller Oberflächlichkeit wird
Schwab benutzt: Worte, die das Wesen des Mannes berühren, findet eigentlich
nur WTelti14) in einem graziösen Artikel — und Grazie, Frische, Lieblichkeit ent-
sprechen Müllers Natur. Auf den Flügeln freundlicher Musik wird sein Nachruhm
durch die Welt, in die Zukunft getragen. Er war kein grosser, aber ein echter Poet,
der am farbigen Abglanz das Leben erkannte und festhielt; in der Romantik war er
vielleicht die gesundeste Erscheinung, das Bild blühender, goldener Jugendkraft.
Die naive Ausdrucksweise des deutschen Volksliedes ward ihm zur natürlichen
Sprache; es reinigte und vereinfachte seine Empfindung. Die „Müllerlieder" seiner
ersten und die „Griechenlieder" seiner letzten Epoche nehmen die echte Kunst
in ihre Mitte: Spiel und Masken dort und gereimter Gedankenschwung hier.
Tiefe und Inbrunst des Gefühls war Müllers Sache nicht; Gott und Liebesleiden-
schaft blieben aus seinem dichterischen Anschauungskreise gebannt. Doch Welt-
freudigkeit strömte aus seiner lebendigen Phantasie. — Sehr ansprechend schildert
Heilborn15) das Jünglinghafte im Dasein und Dichten Müllers, während Geiger16)
über dem Dichter auch den Gelehrten Müller nicht vergisst. — Ein Anonymus17)
hört aus den Freiheit heischenden Melodien der „Griechenlieder" den Grundton des
geistigen Kampfes gegen die damals in Deutschland herrschende Reaktion; auf diese
Weise gilt ihm Müller als ein Vorläufer der politischen Lyriker, die die nächsten Jahr-
zehnte hervorbringen. — Luise und Wilhelm Hensels Schwester Wilhelmine starb
am 2. Dec. 1893, zweiundneunzig Jahr alt, vergessen und verschollen in Berlin;
an die litterarischen Beziehungen ihrer Jugend, an ihre schlichten Poesien erinnert
Emma Rex18); ihre Kreise waren die Kreise Wilhelm Müllers. — Einen Schwaben,
Karl Schmidlin, der in der grossen Zeit mit. Grund übersehen wurde, zieht Weller19)
aus der Dunkelheit hervor. Allein sein Enthusiasmus für Schmidleins litterarische
Leistungen überzeugt nicht. Als Mensch war der Wangener Pfarrer gewiss sehr
liebenswert; seine Lyrik ist herkömmlich. 1844 schrieb er ein „Weberlied", das
Hilfe heischt für die Not der Armen und über Württembergs Grenzen hinaus bekannt
geworden ist. — Einen jüngeren Bauernpoeten, der aber nichts weniger als ein
Naturdichter ist, schildert Krauss 19a): Christian Wagner aus Warmbronn (geb. am
5. Aug. 1835; seine erste Sammlung- erschien verhältnismässig spät, 1885). Das
bischen naive dichterische Empfindung scheint eine unglückliche Halbbildung' in Wagner
verschüttet zu haben; seine Specialität, die „Blumengedichte" — entstanden aus dem
intensiver! Verkehr mit der freien Gottesnatur — , nimmt sich noch am erfreulichsten aus:
Die Genesis der Blumengattungen, der bescheidenen wie der stolzen, wird nicht
ohne Phantasie und Schwung des Ausdrucks geschildert.20) —
BLU. S. 145/8. — 9) E. Mörikes Pfarrhaus: Pfarrhaus 10, S. 93/4. — 10) E. Krauss, Graf Alexander v. Württemberg: BLU.
S. 417-20. — 11) X Th. Kerner, Alexander Graf V.Württemberg: ÜL&M. 71, S. 119. - 12) Curt Müller, Wilh. Müller, Ge-
dichte. Mit biogr. Einl. u. Vorw. (= ÜB. N. 8261/4.) L.,Eeclam. 352 S. M. 0,80. — 13) X I* Fränkel: LZg" N. 120; A. Kohut:
N&S. 76, S. 235-50; E. Opitz: BLÜ. S. 625/8; ÜL4M. 72, S. 1054/5; NorddAZg. N. 470; SchwäbKron». N. 234; SohlesZg. N. 702;
BerlBörsCour. N. 470; E. Plöhn: DDichterheim. 14,8.499-501; F. Wernicke: Didask. N. 235. —14) II. Welti, Wilh. Müller:
VossZgß. N. 40. — 15) E. Heilborn, Wilh. Müller: ML. 63, S. 1249-51. — 16) L. Geiger, Wilh. Müller: FZg. N. 278. — 17)
s., /.Erinnerung an Wilh. Müller: WeserZg. N. 17 225/6. — 18) Emma Eex, Wilhelmine Hensel: Quellwasser 18, S. 345/6. —
19) K. Weller, D. Dichter K. Schmidlin: BBSW. S. 170/9. - 19a) E. Krauss, Chrn. Wagner: AZg». 1893, N. 171. - 20) X
J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. IV 2b : 21-23
Charlotte Stieglitz und ihr selbstgewähltes Schicksal lässt die Geschichts-
schreiber und Literarhistoriker nicht zur Ruhe gelangen. Gegen Treitschke, der
Charlottes Selbstmord nicht aus dem Altruismus, sondern aus dem Egoismus zu er-
klären versucht hatte, führt Geiger21) neues Material ins Feld: einen göttlich groben
Brief Theodor Mundts, der den eiteln und empfindlichen Charakter des Heinrich
Stieglitz ohne jede Rücksicht blossstellt. Es handelte sich um die Herausgabe der
sittlich -psychologischen Erläuterungs- und Rechtfertigungsschrift „Charlotte Stieglitz.
Ein Denkmal", die allein „ein freies Werk" der „Pietät" Mundts war. Der Vf.,
im Besitze eines ausgiebigen, von Stieglitz hergeliehenen hs. Materiales, hatte Char-
lottes Gatten die erste Hälfte des fertigen Ms. zur An- und Durchsicht übermittelt.
In diesem Ms. nun hatte Stieglitz durch Streichen, Auskratzen, Aendern, Nuancieren
in einer Weise gewütet, dass Mundt alle seine Absichten, die auf die Feststellung der
reinen Wahrheit zielten, über den Haufen geworfen sah. Stieglitz fühlte sehr wohl,
dass er in der Schrift keine beneidenswerte Rolle spiele, als der Schwächling,
der durch eine ungeheure Opferthat zu einem „neuen Menschen" umgeschaffen werden
soll. Auf diesen neuen Menschen in Stieglitz eben hatte Mundt gerechnet, dessen
Seele von der grossen und schönen Aufgabe ganz erfüllt war. Er hatte sich inso-
fern arg' getäuscht, als Stieglitz sein eigenes Bild stark idealisiert wünschte vor der
Oeffentlichkeit, während Mundt sagte: Die Oeffentlichkeit verlangt ehrliche Aufschlüsse.
Vor allem war es Stieglitz unlieb, dass auf sein und Charlottens Geschlechtsleben
helle Lichter fielen. Aber die Erörterung gerade dieses Punktes hielt Mundt für un-
erlässlich, mit Fug. Der Brief bestätigt, dass Stieglitz kein ganzer Mann war, und
verstärkt ein sehr wichtiges Motiv. Mundt setzte seinen Wülen durch. G. hat gewiss
ein bedeutendes Zeugnis zur Entstehungsgeschichte des Mundtschen „Denkmals"
herbeigeschafft; warum aber gerade dieser Brief die absolute „Wahrheit" über
Charlotte Stieglitz enthalten soll, das ist nicht recht zu begreifen. Die seelischen
Motive so ungeheurer Thaten bewegen sich nicht in Einer Richtung nur. Aus ganz
heterogenen Gefühlen mischt sich oft der Entschluss: Die Gründe, in ihrer Viel-
seitigkeit, werden zu ahnen, allenfalls zu deuten, nicht aber zu stabilieren sein wie ein
Felsen von Erz. Warum sollte Charlotte das, was sie für Stieglitz gethan, nicht
zugleich für sich selbst haben thun können? Neben der Opfergesinnung, der Liebe
zu ihrem Gatten, könnten es recht wohl auch der Kleinmut, die bittere Entdeckung, sie
sei in dieser Ehe die Enttäuschte, gewesen sein, die den Entschluss in ihr förderten,
zum Dolche zu greifen. Vielleicht enthalten die Anschauungen Treitschkes und
Mundts doch nicht so unvereinbare Gegensätze, wie man bisher angenommen hat.
Der Brief von Regis über Stieglitz (JBL. 1893 IV2b:30) rückt in eine neue Beleuchtung:
Er enthielt u. a. die unglaublichsten Invektiven gegen Mundt. Kein Zweifel, dass Stieg-
litz selbst diese Abneigung dem Kindergemüte des ^Regis eingeimpft hat. —
Mitteilungen aus einem Briefwechsel Michael Beers und Eduard von
Schenks (JBL. 1893 IV 2b: 32) setzt Manz22) fort. Sie betreffen zumeist Beers
dramatische Arbeiten und Verkehr mit der Bühne (s. JBL. 1895 IV 4). Die Lyrik
streift nur die Erwähnung eines „Gedichts auf das Riesengebirge" (Werke S. 387 ff.)
und Beers Stellung zu Platen. Sie finden sich bei Schelling, und der „unnahbare"
Platen erschliesst sich ihm in einer Kontroverse über Poesie und Politik. Platen fährt
mit Beer nach Haus und liest ihm seine Polenlieder in bester Stimmung vor. „Ich sehe
dich lächeln", so schreibt Beer weiter an den reaktionär gesinnten Freund, „denn
du glaubst an die Milde des moskowitischen Philipps und an die Milde seines Alba
in Warschau. Der ungläubige Platen aber lässt in seinen Elegien einem herzzer-
reissenden Jammer über das Schicksal des armen geknechteten Volkes freien Lauf,
dem nur zwischen der russischen Peitsche zu Hause oder dem hilflosen Elend der
Fremde die Wahl bleibt" (München, 4. Febr. 1833). —
Dem Centennarium Platen s voraus eilt eine sehr umfangreiche Studie
des Grenobler Litteraturprofessors Besson23), der so eifrig- bemüht ist, seinen
Landsleuten die deutsche Dichtung näher zu führen. In seiner Arbeit über
Platen wagt er den Wettstreit mit deutscher Forschung; ja er fühlt sich den
deutschen Forschern gegenüber in der Rolle eines „Retters": Er fordert voll aner-
kennende Gerechtigkeit für Platen, der in seinem Vaterlande noch immer zu den ver-
schmähten Grössen gehöre. Er ist stolz darauf, die grösste und am weitesten aus-
greifende Studie über den Dichter geschrieben zu haben. Dabei verzichtet er auf
alles gelehrte Beiwerk, und er beherrscht doch als Forscher die ansehnlichsten Stoff-
massen: Die tiefer gehenden Exkurse in die romantische Dichtung, in die Geschichte
des Sonetts, in das Verhältnis deutscher Poesie zur morgenländischen bezeugen es
reichlich. Es war sein Ziel, vor allem ein lesbares Buch zu schreiben. Man folgt
A. Sauer, R. Krauss, Fr. Notters Gedichte (JBL. 1894 IV 2b: 17): DLZ. S. 790,1. (Lobt d. geschickte Anordnung; betont im
übrigen mit Recht Notters starke Abhängigkeit v. d. grösseren Schwaben.) — 21) L. Geiger, D. Wahrheit über Charlotte
Stieglitz: Geg. 46, S. 151/2. — 22) G. Manz, Mich. Beer u. Ed. v. Schenlc: N*S. 76, S. 42-54. — 23) P. Besson, Platen. Et,
IV 2b : 24-26 J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.
seinen Versuchen, Platens widerspruchsvolle Persönlichkeit zu erklären und den innersten
Menschen hervorzukehren, seiner psychologischen Methode, nicht bloss aus den Dich-
tungen die Natur des Individuums abzuleiten, auch in die Interpretation der Dichtung-en
die Natur des Individuums gleichsam hineinzuschreiben, seinen geschmackvollen Ana-
lysen der Werke überhaupt mit gespannter Teilnahme. Rein sachlich mag* das meiste
bekannt sein, was er giebt; wie er es giebt, das aber ist neu. Aus seiner frischen Be-
geisterung für Platen springt ein leichtes Feuer auf den Leser über, mag er sonst sie teilen
oder nicht. Der Stoff ist auf sieben Kapitel verteilt: Leben und Charakter; die Jugend-
werke; die Ghaseln; die Sonette; die Oden und die Polenlieder; die Eklogen, Idyllen,
Hymnen, Epigramme und das komische Epos; das Theater. Im einzelnen wäre hervor-
zuheben das, was B. über den Wandel in Platens religiösen Anschauungen, über
seinen Patriotismus und Napoleonhass, über seine Freiheitsideen, über seine Abneigung
gegen die Menge, über seine anziehende und abstossende Liebesempfindung', vor allem
aber über sein latent-melancholisches Naturgefühl sagt. Im Resume stellt sich B.s Auf-
fassung so: Die Einheit in Platens Existenz macht der wachsende Hass gegen
das Vulgäre, die immer exklusiver sich gestaltende Vorliebe für die feinsten rein
litterarischen Qualitäten aus. Er beginnt mit Volksliedartigem und schwelgt im Patriotis-
mus. Dann mischen sich in den ursprünglichen Ton die Accente der romantischen
Ironie. Der Poet wird ihm ein aussergewöhnliches Wesen, geschieden von der Masse
der Sterblichen. So wird er ein Schüler der Romantik: Eingeborner Stolz, ge-
steigertes Selbstgefühl befestigen in ihm diese Theorie der systematischen Verachtung.
Er trennt sich aber an der Stelle von den Romantikern, wo ihre taumelnde Anbetung
der Einbildungskraft, der Inspiration und ihre Verneinung der litterarischen Form
beginnen. Das hohe Künstlertum der Alten geht ihm auf. Aus der leitenden Idee:
„Die Kunst soll nicht die Dienerin der Menge sein" entsteht ihm die schwelgerische
Liebe für das Schöne und Erhabene, der Abscheu gegen das Mittelmässige, Hässliche,
Halbe. So wird Platen, der Freiheit liebende Aristokrat, ein Schüler der Alten. So
flieht er Deutschland, so wird Italien das Land seiner Sehnsucht. Bei den Alten
findet er sein Ideal einer absoluten Schönheit verwirklicht. Der pindarische Hymnus
erscheint ihm als der Gipfel aller dichterischen Kunst. Es ersteht der vielseitige
Meister der Form, als den man ihn anstaunen muss. So stellt sich in ihm die ge-
sunde Reaktion gegen die germanische Formverachtung- und Formv^'nachlässig-ung'
dar. Die deutsche Sprache wird seiner Kunst das geschmeidigste Instrument. Seinem
flüssigen und klaren Ausdruck haftet keine Spur des Zwanges an. B. lässt deutlich
genug erkennen, warum Platen gerade einem französischen Naturell wert und teuer
werden musste. — Platens Nachlass hat in München Düsel24) auf ung'edruckte
Poesien hin durchgesehen. Er hat eine Reihe Distichen aufgefunden, unter denen
ein geistvolles Epigramm auf Napoleon, sowie ein Zeugnis von seinem Goethekultus
bemerkenswert sind; ferner sind vorhanden eine reizende Huldigung für Rückert in
Sonettenform und recht seichte Reflexionsreimereien auf ein vergangenes Jugend-
ideal. Die Kleinigkeiten stammen aus der Zeit von 1818 bis 24.25) —
Uebrigens mehren sich die Dokumente, dass Platen in seiner italienischen
Zeit doch nicht so ganz unnahbar und menschenfeindlich gewesen sei, wie man an-
zunehmen geneigt ist. In dem Briefwechsel des Maler-Poeten August Kopisch,
der Jessen26) vorgelegen hat, finden sich dafür neue Belege. Aus der Korrespon-
denz Platens mit dem Grafen Friedrich Fugger war manches darüber bekannt, aber
jetzt erst erfährt man aus Kopischs Briefen (Platens Schreiben sind noch nicht gedruckt),
wie ehrlich, tief, rückhaltlos und fruchtbar diese Freundschaft gewesen ist, die zwar nur ein
persönliches Zusammenleben von drei Monaten aufweist, in geistigem Sinne aber ein Leben
überdauerte. Die Briefe befinden sich im Besitze der Romanschriftstellerin Clarissa
Lohde, der Witwe Karl Boettichers, der diese Dokumente bei der Herausgabe des
Kopischwerkes wegen ihres allzu persönlichen Inhaltes unbenutzt gelassen hatte.
Die italienischen Wanderbriefe des Künstlers an die Mutter in Breslau sind frisch
und schwungreich, wenngleich nicht ohne eine naive Eitelkeit geschrieben, die beson-
ders seine ersten Erfolge bei dem kunstbegeisterten Kronprinzen Friedrich Wilhelm
anstacheln. Auf seine vielseitigen dichterischen Pläne, auf seine Improvisationsgabe,
auf seine malerischen Leistungen werfen die an Platen gerichteten Briefe allerlei
interessante Lichter; er kennt die Grenzen seiner Kunst oder Künste; er ehrt in
Platen die überragende Natur, aber lässt es sich auch nicht nehmen, über Platens Ab-
sonderlichkeiten dann und wann ein ehrliches Wort zu sagen oder ehrliche Aeusserungen
anderer Freunde zu hinterbringen; er macht ihn zum Mitwisser seiner Herzensnöte,
seiner materiell oft schwierigen Lebenslage, seiner körperlichen Leiden, seiner Hoff-
nungen und Fehlschläge, bis durch die Gunst des preussischen Thronfolgers in seiner
biogr. et litt.: AnnFLBordeaux. S. 188-288. (Auch als Sonderdr.; vgl. IV Id : 6.) — 24) [F. Düsel,] A. Graf v. Platen, Gedichte.
(Ungedr. Naohl.) : DDichtung. 15, S. 8, 89, 163. — 25) X 0. Hellinghaus, E. Hellmath, Beitrr. z. lyr. Technik Platens (JBL. 1893
IV 2b: 38): Gymn. 12, 8.543. - 26) 0. Jessen, Kopisch in Italien: Bär 20, S. 394/7, 40S-10, 415 9, 428-30, 439-42, 451/4, 463/5,
J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart, IV 2b : 27-37
Existenz die grosse glückliche Wendung eintritt. Kopischs Briefe sind von schöner,
malerischer Anschaulichkeit, seine Charakteristiken der Künstlerwelt, die ihn um-
giebt, oft eindrucksvoll, zumal die Schilderung seines fürstlichen Gönners von
treffender Sachlichkeit. Hier und dort anekdotischer Litteratenklatsch: Raupach sagt,
Platens Verse seien Sekundanerarbeit, worauf ein Ironiker ihm entgegnet: „Das wäre
ja prächtig; da dürfte man sich ja nur an eine Schulthür stellen, so könnte man die
Dichter greifen bei den Füssen wie die Hammel". Ferner schöne Gedanken über
Lyrik, eingehende Verbesserungsvorschläge zur Odentechnik, endlich ein vollständiger
Entwurf zu einer Komödie in aristophanischer Form. —
Aeltere Erscheinungen über Friedr. Rückert fanden Besprechungen27). —
Seine schwierige Arbeit, aus Rückerts Nachlass die Uebertragungen aus dem Persischen
zu heben und sie in der Anordnung der Originale zu bieten, setzt Bayer28"30) un-
ermüdlich fort; ihm ist streckenweise auch eine kaum zu bewältigende Entzifferungs-
thätigkeit zugefallen. Im Berichtsjahre legt er zwei Publikationen vor: Die politischen
Gedichte Saadis und die umfangreiche Fortsetzung von Firdosis Königsbuch (Schah-
nahme: Sage XV— XIX; vgl. JBL. 1890 IV 2:117; 3 : 83\ Bei der Beurteilung
dieser wertvollen Nachbildungen — die freier sind bei Saadi als bei Firdosi — wird
das letzte Wort allemal der Orientalist haben. Aber der Literarhistoriker wird gern
feststellen, dass im sprachlichen und dichterischen Ausdruck hier von Rückert Vieles
und Gutes geleistet worden sei; dass unsere Dichtung, zumal ihr germanischer Teil,
durch den Aufschluss eines neuen Gebietes orientalischer Poesie, nicht unwesentliche
Bereicherung erfahren hat; dass insbesondere in der Firdosi- Verdeutschung Schack
in der äusserlichen Geschmeidigkeit der Form Rückert zwar übertrifft, Rückert aber in
der Sprache weit persönlicher, innerlich kräftiger als Schack ist. Einen Teil semer Ueber-
tragung hatte Rückert direkt in ein Exemplar von Schacks Werk eingetragen, das B. auf
diese Weise als Quelle dienen musste. Das Rückertsche Ms. der 14. Sage ist übrigens
verloren gegangen. Von Saadis politischen Gedichten, die nun dem „Diwan" (JBL.
1893 IV 2b: 44) gesondert folgen, kommt der erste, allgemeine Weisheiten enthaltende
Teil unserem Geschmacke noch am nächsten. In der gelehrten Einleitung setzt B.
sehr hübsch die Geistes- und Gefühlsverwandtschaft des alten Saadi und Rückerts
auseinander; beide neigen dem Lehrhaften zu und pflegen mit innerer Be-
friedigung die didaktisch -moralische Poesie. Am anderen Ende ihres dichterischen
Interesses steht die Liebe. Die Geschichte der deutschen Saadi -Uebersetzungen, von
Ochsenbach bis Rückert, fasst B. knapp zusammen. Das Ms. stammt wahrscheinlich
aus den 40er Jahren; B.s ausführliche Anmerkungen, die die historischen Verhält-
nisse und Personen in Saadis Epoche zu erläutern suchen, beruhen teilweise auf
Rückerts Vorarbeiten. — Aus Saadis „Gulistän", einem gleich dem Koran weitver-
breiteten Volksbuche, in dem sich Anekdoten, Geschichtsdarstellungen, Erzählungen
mit klugen Sprüchen und witzigen Exempeln mischen, hat Rückert — ebenfalls während
der 40er Jahre — die Verse herausgezogen und übersetzt; Bayer31) hob sie aus dem
hs. Schatze und drückt auch die zugehörigen sachlichen Erläuterungen Rückerts ab. —
Neben Rückert, populärer als er, doch in seinem Schatten, steht Friedr. von
Bodenstedt32). Es erschienen neue, an „Editlam" gerichtete Briefe33-34) aus seinem
Nachlass, die litterarisch recht belanglos sind und menschlich den Schreiber als eitlen,
auf Huldigungen und Auszeichnungen erpichten Mann zeigten. Sie sind während
der englischen Reise geschrieben, die Bodenstedt Frühjahr und Sommer 1859
zum Zwecke seiner Shakespearestudien unternahm. Er schildert das Zigeunerwesen
und den lebhaften Haushalt Alex. Herzens sehr nett. Ueber Freiligrath: Er „macht
den Eindruck eines grundehrlichen, anspruchslosen und vortrefflichen Menschen,
dessen revolutionäre Üeberschwenglichkeiten gar nicht in Einklang zu bringen sind
mit seinem übrigen Wesen". Ein schwacher Menschenkenner, hält Bodenstedt Freilig-
raths Frau für „die Hauptquelle seiner revolutionären Einflüsse". — Wiesbaden hat
sein Bodenstedtdenkmal35-36) erhalten, eine Bronzebüste, von Berwald nach Photo-
graphien und einer Totenmaske herkömmlich modelliert. —
Annette von Droste-Hülshoffs Briefwechsel37) mit Levin Schücking
(JBL. 1893 IV 2b : 81; s. u. IV 3: 472) ist von der Kritik im wesentlichen freudig begrüsst
475 7,487-90. — 27) X 0. Hellinghaus, F. Reuter, D. Erlanger Freunde F. Rückert u. J.Kopp. — O.Arndt. F. Rückert. —
E. Herford, F. Rückert u. seine Bedeut. als Jugenddichter (JBL. 1393 IV 2b : 39-41): Gymn. 12, S. 543/4. — 28) E. A. B a y e r , Firdosis
Königsbuch (Schahname) übers, v. F. Rückert. Aus d. Nachl. her. IL Sage XV-XIX. B., G. Reimer. X, 590 S. M. 8,00. — 29)
id., Aus Saadis Diwan (JBL. 1893 IV 2b : 44). |[0. Mann: DLZ. S. 16068: Grenzb. I, S. 110/2.]| — 30) id., Saadis
polit. Gedichte übers, v. F. Rückert. Auf Grund d. Nachl. her. u. mit ausführl. Einl. über Saadis Leben u. Werke vers.
B., Mayer & Müller. V, 178 S. M. 3,60. |rP. H — n: LCB1. S. 560; O. Harnack: PrJbb. 76. S. 543 4] | — 31) id., F. Rückert,
Verse aus d. Gulistän: ZVLR. 7, S. 67-85. — 32) X Des memoire»: Bodenstedt: BURS. 62, S. 180/7. — 33) X G- Schenck,
F. v. Bodenstedt. E. Dichterleben (JBL. 1893 IVlc:88; 2a:70). |[K. Jentsch: FZg. N. 9; LCB1. S. 602; KonsMschr. S. 663;
R.George: Bär 20, S. 279.]| — 34) Brief F. Bodenstedts, an seine Gattin gerichtet: WIDM. 75, S. 115-37. — 35) X K. S t e 1 1 e r,
D. Bodenstedtdenkm. in Wiesbaden: ÜL&M. 72, S. 594. — 36) X D- Bodenstedtdenkm. in Wiesbaden: IllZg. 102, S. 472. — 37) X
E. Heilborn: Nation». 11, S. 167/9; W. Kreiten: StML. 47, S. 66-86, 190-210; F. Jostes: LRs. 20, S. 193/5; Betty Paoli:
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (4)16 C
IV 2b : 38-46 J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.
worden nnd hat auch zu feinsinnigen Charakteristiken gedient. Wer Kreitens Art kennt,
an dem sittlichen und religiösen Verhalten der Droste parteiisch herumzumäkeln, der wird
sich nicht darüber wundern, wie er hier die sogenannten Interessen der Familie vertritt,
einer Familie, die ihren grossen Spross nie verstanden hat oder nie verstehen wollte.
K. erhebt rührende Klagen über die Ehrlichkeit Theo Schückings, der Gefühle nicht
geschont und die Briefe ohne Retouche so veröffentlicht habe, wTie sie vorlagen.
Der Entstellungen hat man endlich genug: Das wahre Bild der Dichterin zu verlangen,
dazu hat das deutsche Volk ein Recht. In der langen, ledernen Analyse K.s bekommt
Levin Schücking Fusstritte, wo es nur irgend angeht. — Von Budde38) sind zwei
Aufsätze nachzutragen, die einerseits eine Reihe sehr geistreicher und gewiss auch
grösstenteils zutreffender Konjekturen zum „Geistlichen Jahr" enthalten, andererseits
Anregungen zur Untersuchung der erstaunlich mannigfaltigen Strophenformen bieten. —
Der Kronenwirt zu Assmanshausen, Jos. Hufnagl, hat Ferdinand Freilig-
rath, der in dem berühmten Gasthofe 1844 sein Glaubensbekenntnis vollendete, ein
Denkmal gestiftet, an dessen Enthüllungstage allerlei Reminiscenzen39-41) wachgerufen
wurden. Emil Rittershaus 41it~41b) beschrieb in seiner Festrede, wie der Geist des
Rheines in dem Dichter das entschiedene Freiheitsgefühl entbunden hat; Karl Stelter
würdigte den populären Deutschen in Freiligrath. — Ein Wiesbadener Rentner, Wilh.
Aufermann, hat Fischbach42) erzählt, das Lied: „0 lieb, so lang du lieben kannst"
sei 1841 im „Bentheimer Hof" zu Limburg an der Lenne (Westfalen) als eine Art
Versöhnungsgabe für Ludw. Eibers aus Barmen entstanden, den Freiligrath in der
Weinlaune durch ein rasch hingeworfenes Wort beleidigt hatte. — Auch Freiligrath
kannte die Autographen plage43). —
Ein Anonymus44) sucht Georg Herwegh von dem Vorwurf der persön-
lichen Feigheit zu entlasten, der ihm als militärischem Führer der deutschen Legion
angehängt worden. Er macht es in der That glaubhaft, dass Herwegh, der zunächst
immer nur als politischer Geist der Unternehmung gewirkt, nur durch die traurige
Macht der Umstände in eine soldatische Stellung gedrängt worden und auch hier
sich nicht so benommen habe, wie der Spott ihm nachsagt. Er entzog sich mit
seiner tapferen Frau bei Dossenbach solange der persönlichen Rettung, als es anging,
und ergriff erst die Flucht nach Rheinfelden, als er versprengt worden, — und zwar
unter grausamen Gefahren, nicht „verborgen unter dem Spritzleder einer Kalesche",
wie es höhnisch hiess, jeden Augenblick gewärtig von den Württembergern ergriffen
und füsiliert zu werden. Seine endliche Errettung war so abenteuerlich, wie die
ganze Expedition abenteuerlich war. Auf jeden Fall hat es dem Ehepaar nicht an
persönlichem Mute gefehlt.45) —
Die Gesamtausgabe der Werke Hoffmanns von Fallersleben, die
Gerstenberg46) seit 1890 besorgte (JBL. 1890 IV 2:209; 1892 IV 2:146; 1893
IV 2 b : 97), liegt mit den zwei Bänden „Mein Leben" nunmehr fertig vor und kann
nicht anders als warm empfohlen werden der Wissenschaft zur Benutzung, den Freunden
deutscher Lyrik zum Studium und Genüsse. Das Bild dieses wahrhaft deutschen,
aus einem warmen Gefühlsleben heraus kindlich schaffenden, freien Sängers steht
nun bis auf den letzten Zug vollendet vor uns. Durch die reichliche Beisteuer der
Gelegensheitsgedichte und Improvisationen, die der sechste Band wohlgeordnet und,
da es sich zumeist um Zeitdokumente handelt, auch zuverlässig kommentiert enthält,
empfängt man von seinem liebenswürdigen menschlichen Charakter einen erheblich ver-
stärkten Eindruck. Das Gelegenheitsgedicht bekam durch Hoffmanns Trinksprüche eine
ganz neue persönliche Form; ihm war es wie wenigen verliehen, den Grundton einer fest-
lich erhöhten Stunde künstlerisch weiter klingen zu lassen. Der Trieb nach Gesellig-
keit lag in seinem Wesen, das sonst mit den Menschen, zumal mit den offiziellen Menschen,
nicht gerade sanft umsprang. Aber es musste ein sehr vertrauter und angeregter
Kreis sein, wo Hoffmann sich zum reimbeschwingten Worte meldete. Von den
vier Epochen, die G. in der Gelegenheitsdichtung feststellt (Jugend- und Mannesjahre
1820—42; Wanderjahre 1843—54; Reifere Mannesjahre 1854—60; Alter [Schloss Cor-
vey] 1860 — 74), ist darum die dritte auch die bei weitem fruchtbarste: die Weimarer
Zeit. Es hat ein dreiteiliges Ms. bestanden, in das Hoffmann für die Fürstin Wittgen-
stein die Trinksprüche jener Tage eintrug: Das Hausbuch, die Reimchronik der
Altenburg, dieser Künstler veste Neu -Weimars. Nur ein Band davon war noch auf-
zufinden, aber aus anderen Quellen stand G. so viel Material zur Verfügung, dass
gar nicht einmal alles aufgearbeitet werden konnte. Ueberhaupt darf man die
AZgB. N. 25; KonsMschr. S. 663/4; WIDM. 76, S. 253. — 38) K. B u d d e, Z. „Geistl. Jahr« d. Annette v. Droste-Hülshoff: AZgB. 1892,
N. 33/4. — 39) X Zn Assmannshansen in d. Krön. (Freiligrath- Erinnerungen): Sammler*. K. 61. —40) X Th. Gesky, Freiligrath-
Gedenkfeier: ÜL*M.72, S.742. — 41) X id., Freiligrathdenltm. in Assmannshansen: ib. — 41a)X B.S., & Bittershans: ib. 71, S. 512. —
41b) X E- Ritterhaus: Gartenlaube S. 220. (Vgl. auch Vom Fels z. Meer 2, S. 14/5.) — 42) F. Fischbach, „0 lieb, so lang Dn lieben
kannst": ib. S. 86. — 43) Zwei ungedr. Gedichte Freiligraths u. Geibels: BerlTBl. N. 45. — 44) Herwegh n. d. Pariser dtsoh. Legion :
NZSt.121, 8.540/4,573/6,606/8,637-40. — 45) X G.A.Frhr. v.Maltitz. Z.lOOj.Geburtst.: VossZg.N.313. - 46) (IV lc:44.) |[Grenzb.2,
J. Elias, Lyrik : Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. IV 2b : 47-52
Mässigung G.s rühmen, der es in der Hand hatte, die vorausbestimmte Zahl von acht
Bänden zu überschreiten, aber aus der Gesamtausgabe Hoffmanns Epigramme und
Sprüche, dialektische Dichtungen und Uebersetzungen lieber fallen Hess, ehe er das Werk
überlastete und dadurch schwerer geniessbar machte. Der Gelehrte Hoffmann hielt
sich nicht zu den Gelehrten; er teilte seine Lebensfreuden weit lieber mit den
Meistern der Dichtung, Musik, bildenden Kunst, des Theaters, die in Weimar an-
sässig waren oder als Gäste erschienen. Er unterstützte mit seinem ganzen deutschen
Enthusiasmus die neue Richtung der Musik: Franz Liszt war sein Herzensfreund;
er begrüsst Berlioz mit feierlichen Worten in des Meisters Muttersprache; Richard
Wagner weiss er anzusingen, auch Anton Rubinstein und Ferd. Hiller; er begrüsst
die Interpretenkunst Hans von Bülows; mit Rührung liest man heute die kecken Verse,
mit denen er, der alte Kämpe der Freiheit, für den beleidigten Peter Cornelius stritt.
Dann ziehen die starken Persönlichkeiten Genellis, F. Prellers, Rietschels durch
seine fröhlichen Gesänge; vor dem Reformatorengeist Dingelstedts hat er tiefe Ach-
tung, und Bogumil Dawisons stürmisches Genie entlockt ihm einen feurigen Hymnus.
Er lässt die grossen Gedenktage deutscher Kunst- und Geistesgeschichte nicht unbe-
achtet vorübergehen: für Dürer wie für Schiller, für Luther wie für Goethe, für Lessing
wie für Uhland findet er ein charakteristisches Wort. Das neue deutsche Reich feiert er in
den grossen Begründern Kaiser Wilhelm I. und Moltke. Kurz: Hoffmanns inneres
wie äusseres Erleben zieht sich wie eine glänzende Spur durch diesen sechsten
Band: Er bildet die poetische Ergänzung zu der abschliessenden Prosabiographie
des siebenten und achten Bandes. In seiner Charakteristik dieser Schlussteile hat
Franz Muncker bereits angedeutet, dass bei der Kontaminationsarbeit G.s etwas
Wesentliches nicht fortgefallen ist, dagegen das Nachtragstück mit seinen Funden
und Quellennachweisen wiederum eine Vermehrung, wenn auch nicht innere Bereiche-
rung', unserer Kenntnis bringe. Aus den Nachträgen ist die Eingabe des Hamburger
Pastors Hirsche an den Fürsten Bismarck bemerkenswert (28. Mai 1871), des Inhalts,
der Fürst möge den greisen Dichter, der allzeit ein guter Patriot gewesen sei, voll-
ständig rehabilitieren als Professor mit dem ganzen Gehalte. Seitens des Kultus-
ministers Mühler wird zwar Hoffmanns „vorwurfsfreie Haltung" seit 1848 anerkannt,
der Antrag selbst aber mit Rücksicht auf sein hohes Alter abgelehnt. In denselben
Nachträgen finden sich reichliche Aufschlüsse über Hoffmanns zärtliche Neigungen,
seine Herzenskämpfe und Freundschaften mit Frauen: Aus der Jugendzeit tritt Hen-
riette von Schwachenberg hervor; dann Karoline Gertrud von Meusebach (JBL. 1893
IV 2b: 99), Davida von Thümen und mit ihr Hoffmanns unglückliche Verlobung,
Leocadia von Nimptsch, die dem Buch der Lieder den seelischen Gehalt gab, Elvira
Detroit, die so besonnen Hoffmanns Leidenschaftlichkeit abwehrte, und endlich Johanna
Kapp, die angebetete Heldin der Johannalieder. Kleinere Exkurse über die Ge-
schichte des Jägerliedes, über den Charakter von Turnliederbüchern, Mitteilungen
über bewusste und unbewusste Fälschungen Hoffmannscher Lieder, sowie über den
Wert der Anonymität in den politischen Tendenzdichtungen, verdanken dem rast-
losen Sammelfleisse G.s ihre Veröffentlichung.47"50) —
Die 1877 erschienenen Vorträge Carl Leimbachs über Emanuel Geibel
hat Trippenbach51) zu einer populären Biographie erweitert. Ein „Verehrer" des
Dichters, nicht ein kritischer Kopf hat sie verfasst; ohne ein selbständiges Urteil,
nimmt er den Poeten bedingungslos hin und wagt auch nicht einen schwachen
Versuch, historisch und ästhetisch Geibels Stellung in der deutschen Litteratur zu
bestimmen. In seinem „Bildhauer des Hadrian", in einer gelegentlichenAeusserung(S.325)
hat Geibel selbst es viel ehrlicher und präziser gethan. Das Buch kommt also wissen-
schaftlich gar nicht in Betracht, es sei denn, dass der erschöpfende bibliographische
Anhang, der sich auf eine fortzusetzende Geibelsammlung T.s stützt, einem künftigen
wirklichen Biographen dienen könnte. Seinem Hauptzwecke aber, Geibels Andenken in
weiteren Kreisen wach zu erhalten, wird das Buch ganz gut dienen. Ein unbe-
kannter Brief an Holtei (S. 102), ein ungedrucktes, wahrscheinlich an Alma von Firks
gerichtetes Gedicht (S. 105) werden im Texte mitgeteilt. — Geibels Vater, Johannes, hat
durch seinen Schwiegersohn, den Pfarrer Lindenberg 52), auf nur 44 kleinen
Seiten eine erschöpfende Würdigung erfahren. Mit feinem Takte hat der Vf. immer
den Dichter im Auge behalten, während er über den Dichtervater sammelte und
schrieb. Das Büchlein bietet den Extrakt aus einem starken hs. Nachlass, der auch
poetische Dinge, 15 ungedruckte geistliche Lieder des Pastors Geibel (S. 31/5), Ge-
S. 286; N*S. 70, S. 273 ; A. Schi ossär: BLTJ. S. 429; P. Seliger: NatZg. N. 263 : Bär 20, S. 315.] — 47)XE a. H ö b e r , Ausd.
Leben Hoffmanns v. Fallersleben : LZg,!. N. 101. (Nach N. 46.) — 48) X A d. Gründler, Hoffmann v. Fallersleben : Quellwasser 18,
S. 119-20. (Nach N. 46.) — 49) X &• Seh., Hoffmann v. Fallersleben u. seine Beziehungen zu Schwaben: SchwäbKron. N. 144.
(E. knappe Lokalleistong auf Grund t. N. 46.) - 50) X Denkm. Hoffmanns v. Fallersleben auf Helgoland: IllZg. 102, S. 228. (E.
Sturm hätte fast d. Denkmal vernichtet; d. Einwohner retteten es mit knapper Not in d. Konversationshaus.) — 51) M. T r i p p e n-
bach, C. Leimbach, E. Geibels Leben, Werke u. Bedeut. für d. dtsoh. Volk. 2. Aufl. sehr verm. u. umgearb. Wolfenbüttel,
Zwissler. VI, 344 S. Mit 8 Illustr. M. 5,00. |[LZgB. N. 141 J| — 52) Lindenberg, Geibels Vater (JBL. 1893 IV 2b : 105).
(4)16 C*
IV 2b: 53-62 J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.
burtstagsverse des jugendlichen Sohnes (S. 36 ff.) sowie einen stattliehen Briefwechsel
zwischen Vater und Sohn (S. 37 — 43) enthält. Ein milder Diener Gottes, ein geliebter und
gesuchter Seelsorger, ein ernster und mutiger Mann tritt vor uns hin, dem in den
Hauptzügen seines geistigen und menschlichen Charakters Emanuel Geibel völlig gleicht.
Man findet im Denken und Fühlen des Johannes vorbereitet des Sohnes unmittel-
baren Gottesglauben, seinen starken nationalen Sinn, die Liebe für die schöne, runde
Kunstform. Johannes Geibels ganze religiöse und geistige Entwicklung wird ein-
gehend und treffend auf die Einflüsse F. H. Jacobis zurückgeführt. Das Verhältnis
zwischen Vater und Sohn war auf innere Ueberein Stimmung gegründet und äusser-
lich von keinem Schatten verdunkelt: Johannes Geibel hätte sein begabtestes Kind
gern als Theologen, gern in einem festen bürgerlichen Berufe gesehen, aber er
liess, ohne jeden Vorwurf, den Sohn die Wege gehen, die sein persönlicher Genius
ihn führte. — Bärwinkel53) betrachtet Geibel als den Verteidiger von Thron
und Altar.54) — In witzigen Gelegenheitsreimen 54a) vergleicht Geibel den Rheindampfer
mit Pluto, dem Gott der Hölle, der als Proserpinen die schönsten Ladies entführt. —
In einem freundschaftlich -warmen Nachrufe, der wahrscheinlich Fränkel
(JBL. 1893 IV 2b: 108) als Quelle gedient hat, stellt Hüff er55-56) die Lebensdaten
des bescheidenen, sanften Rheinlandpoeten Alexander Kaufmann f geb. zu
Bonn 14. Mai 1817) fest. Er schildert indessen mehr den Gelehrten und Sagen-
sammler, als den Dichter Kaufmann; er traut ihm eine wirkliche Kulturgeschichte
des Mittelalters zu und berichtet u. a. über die Existenz eines gutgeordneten Brief-
wechsels, der für die Zeit- und Litteraturgeschichte unseres Jh. eine Fundgrube sei,
und über das Ms. eines kulturhistorischen Wörterbuches. —
Von Kaufmann auch, dem Freunde Gottfried Kinkels, ist die Rede
sowie von Geibel, Simrock und Ernst Ackermann in den Erinnerungen Johanna
Kinkels57), die das J. 1849, für die brave Frau ein Schreckensjahr, betreffen.
Ihr Mann entreisst sich ihr, kämpft im badischen Revolutionsheere, wird bei Durlach
angeschossen und gefangen, sitzt in Karlsruhe und später in Rastatt Monate lang, ein
Todesurteil erwartend, um dann zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt zu werden. Die
ganze furchtbare Gesetzesprozedur hat die Frau, immer in der Nähe ihres Gatten,
und doch fern von ihm mitgemacht. Sie schreibt Bittschriften über Bittschriften,
läuft von Generälen zu Generälen, um die Stimmungen zu erforschen, leidet schwer unter
der Fahrigkeit und Rohheit der eben wieder zu staatlicher Autorität gelangten Be-
hörden, bei denen sie als die Verführerin Kinkels fälschlich denunziert wird, und
wird zwischen Hoffnung und Verzweiflung- traurig hin und hergeworfen. Aus ihrer
kräftigen und schwungvollen Schilderung der eigenen Leiden treten Kinkels Persön-
lichkeit und sein Schicksal lebendig hervor; er ist ein grosses Kind, das blind und
stürmisch seinen Idealen folgt. Eine knappe Abschweifung führt uns das Rosenfest
der Bonner Poetengruppe vor. —
Einen Säkularartikel über Ludwig Giesebrecht, den Oheim des
berühmten Historikers, veröffentlicht K ern 57a) auf Grund seiner Giesebrecht-Bio-
graphie vom J. 1875. Der Lyriker Giesebrecht lebt fort als Mitarbeiter und Herzens-
freund des genialen Tonsetzers Karl Löwe. Die stürmischen politischen Zeiten, die
er mit erlebte, fanden in seiner Poesie einen nationalliberalen Niederschlag. —
K. J. P h. S p i 1 1 a s „Psalter und Harfe" erscheint fortdauernd in neuen
billigen Volksausgaben 58). — Dass in Karl Gerok eine im weiteren Sinne päda-
gogische Natur steckte, wird keinem zweifelhaft sein; naiv aber ist es, ihn in der
Weise zum „Schulmann" zu stempeln, wie es von S chm e i s s e r59) in ziemlich
schwülstigem Stile geschieht. Hier wird ein Naturbild, dort Lebensbeobachtung, bald
ein patriotisches Wort, bald ein geschichtlicher Gegenstand, bald eine allgemeine
Wahrheit oder fromme Empfindung aus den Poesien herausgegriffen und dabei ge-
sagt, das muss auf den Sinn und das Herz des Kindes und zwar so und nicht anders
wirken. Auf diese Art wird man aus jedem Dichter einen „Schulmann" hervorziehen
können. — Frommel60) berichtet über seine persönlichen Begegnungen mit Gerok
und druckt auch einige Gelegenheitsverse ab. „Ihn kennen und lieben war Eines;
und wer ihn nicht liebte, der kannte ihn nicht."61-63) —
Lübeck, Lüboke & Hartmann. 1893. 44 S. M. 0,50. |[TglRsH. N. 13.] | — 53) B ä r w i n k e 1 , E. Geibel : DEBU. 19, S. 176-204. —
54) X P. Pg., B. Geibel. B. Gedenkbl. z. 6. April: LZgB. N. 41. — 54 a) (=N.43.) — 55) H. Haff er, Alex. Kaufmann:
AnnHVNiederrh. 56, S. 195-204. — 56) X (IV lo:47.) f Bekräftigt Hüffers in N. 55 ausgesprochene Ansicht v. d. Wiohtigkeit d. Kauf-
mannschen Briefw. durch einige Beispiele.) — 57) Johanna Kinkel, Erinnerungsbild DK. 2, S. 81-99, 200/9, 337-47; 3,
S. 74-86, 203-12, 341-59. — 57a) F. Kern, L. Giesebrecht: VossZg». 1893, N. 27/8. — 58) X K. J. Ph. Spitta, Psalter u. Harfe.
Geistl. Lieder. (= Meyers Volksbücher N. 1017/8.) L., Bibliogr. Inst. 150 S. M. 0,20. - 59) R. S o h m e i s s e r , K. Gerok als
Schulmann, nachgewiesen aus seinen Dichtungen. (L., Haacke.) 1892. 37 S. M.0,50. |[H. G r o s s e : DB11ETJB. 21, S. 47.]
(Vgl. JBL. 1892 1 10 : 77.) — 60) E. F r o m m e 1 , E. rote Rose auf Geroks Grab. (= IV 1 o : 85, S. 187-203.) - 61) X K- Gerok, E. Lebens-
bild (JBL. 1893 IV 2b: 119). |[ÖLB1. 3, S. 142/3; DB11EUB. 21, S. 178; KonsMscbr. 1893, S. 583/4.]| — 62) X Gust. Gerok, In treuer
Hut. Fromme Lieder für d. Lebensreise. 8. Aufl. Halle a.S.,Gesenius. 1893. XVI, 256 S. Mit24Lichtdr.-Bi!d. M.9,00. [Geg. 46,8.365,6.]!
j. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. IV 2b : 63-69
.Im neunundsiebzigsten Lebensjahre starb zu Rom, in der Stadt, die er vor allen
anderen liebte, am 14. April 1894 Adolf Friedrich Graf von Schack. Unter den zahl-
reichen Nekrologen64), die in der Tagespresse und in Zeitschriften sein Tod hervor-
rief, ist an erster Stelle Zabels ruhig abwägende Studie zu nennen. Sie legt den
Nachdruck auf die kritischen Arbeiten, literarhistorischen Werke und Uebersetzungen
und sucht zu begründen, warum Schack als selbständiger Dichter unpopulär bleiben
musste. Ein äusserlicher Grund: Schack war zuerst als Litterator, nicht als Dichter
vor das Publikum getreten, und an dieser Marke erkannte es ihn zwanzig Jahre lang.
Als er dann nach ewigem Feilen und Zögern mit seinen Poesien hervorkam, da war
eigentlich seine Zeit schon vorüber. .Dann ein innerer, künstlerischer Grund: Schack
war, obwohl er in die Lyrik den Schwerpunkt seines Schaffens verlegte, doch nicht
ein reiner Lyriker. Ode, Hymne, Ballade, Romanze entsprechen mehr seiner Natur
als das schlichte Lied. Er war zu gelehrt, zu philosophisch gestimmt, zu sehr von
weiten und breiten Litteraturkenntnissen durchtränkt; für das Natur- und Geschichts-
bild hatte er hohe, imposante Eindrücke, überragende und stolze Persönlichkeiten
nötig. Auch Karpeles vertritt im wesentlichen diesen Standpunkt; ihm sind der
menschliche Charakter Schacks und in. seiner Lyrik mehr die Gesinnung sympathisch.
R. von Gottschall indessen nimmt in einer langen seichten Litteraturbetrachtung
den glänzen Mann und Poeten lobend so hin, wie er ist; nur der Dramatiker kommt
ihm nicht ganz geheuer vor. Die InternatLB. bringen eine genaue Bibliographie
von Schacks Werken. — Eine zweite Gruppe der Nachrufe 64:l) beruht auf persönlichen
Erinnerungen. Fuldas feiner Aufsatz ist vielfach nachgedrukt worden. Der Alte
und der Junge hielten, kurz vor Schacks Ende, eine gründliche Aussprache. F.
schildert die bedürfnislose Lebensführung, das geradezu ärmliche Interieur des Greises,
seine trübselige Arbeit an einer für den Blinden konstruierten Schreibmaschine. Er
schildert die naive Eitelkeit des Grafen: wie er sich freuen konnte über die Zustim-
mung irgend eines unbedeutenden Lesers; wie er der Litteratur unserer Zeit völlig
fremd gegenüberstand und mit solcher feurigen Parteinahme von Platens Streit mit
Heine sprach, als ob es sich um eine Tagesfrage handle; wie er aber in
allen politischen Dingen ein modemer Mensch geblieben war. Seine Dichtung charak-
terisiert F. treffend: Kulturpoesie, nicht Naturpoesie. „Kein grösserer Gegensatz als
zwischen ihm und seinem genialen engeren Landsmann, dem Naturburschen Fritz
Reuter. Die „Stromtid" konnte nur ein Mecklenburger schreiben; die „Nächte des
Orients" hat ein Weltbürger verfasst, Reuter war ein Gestalter, Schack nur ein
Former." Ueberall steht seine eigene liebenswerte Persönlichkeit; redet sie im „eigenen
Auftrage", so wird es interessant; sollen die Figuren für sich selbst zeugen, so wird
Schacks Kunst hinfällig. In seiner Blindheit Hess er sich mit Vorliebe zu den stolzen,
ehrwürdigen Stätten führen, an denen sich einst seine gesunden Augen ergötzt. F.
sah Schack zum letzten Male im Kolosseum. Da sass der Graf in der milden Sonne
und träumte. „Und ich wusste mir", so schliesst F., „für den deutschen Idealismus,
für die wunderbaren Vorzüge und liebenswürdigen Mängel der Edelsten unseres
Volkes keine rührendere Veranschaulichung als den alten blinden Sänger im Kolos-
seum." Winckler, der Sekretär Schacks, berichtet über die letzten Lebenstage und
den Tod. — Die Briefe von Bodenstedt, Gregorovius, Hamerling, Kinkel, die Bernh.
Stern65) mitteilt, fliessen über von Nachsicht und Wohlwollen gegen die Poesie des
Grafen. Johannes Scherr aber wünscht offenherzig dem Dichter mehr Fühlung' mit
der Gegenwart. — Schack66) hat die deutsche Litteratur kurz vor seinem Hinscheiden noch
mit einer Sammlung von Episteln und Elegien, einem Werke von durchaus persönlichem
Charakter, beschenkt, das sich über viele Jahrzehnte seines Lebens erstreckt. Er wählt statt
des Distichons einen modernen Strophenbau und den Reim ; die Epistel hält er im Geiste
humoristisch, aber auch der Elegie verleiht er heitere Töne. In seiner Trauer um
Gregorovius und Bodenstedt freilich erfüllt er die Form der Elegie mit schwermütig
ergreifender Empfindung. Muncker67) weist in seiner Kritik sehr anschaulich auf
die tiefen Lebensspuren hin, die das Buch durchziehen. — Halling68) sucht Schacks
Gedichte auf dem Schulwege, nicht ohne Geschicklichkeit, zu popularisieren.69"70) —
In zwei Bänden legt Schack noch frische Proben71) seiner ausserordentlichen Ueber-
63) X G. Mezger, H. Stadelmann: ADB. 35. S. 358-60. (Antikisierendes u. Geistliches: 1868; verkehrt mit Geibel, Kerner,
Scheffel, Groth.) — 64) E. Zabel: NatZg. N. 240, 246; Bernh. Stern: BerlTBl. N. 190; Leo Berg: Zuschauer 1, S. 412/9;
R. v. Gottschall: N&S. 70, S. 90-107; G. Karpeles: Geg. 45, S. 273-80; B. Münz: Montag R. N. 212; H. H[ar]t: TglRsB.
N. 88; id.: FränkKur. N. 212; Gf. v. K.: BerlTBl. N. 212; A. Grot: PrBl^. N. 105; Presse N. 105; DAdelsbl. 12, S. 309-10;
BaltMschr. 41, S. 4325; DDichtung. 16, S. 78-80; Gartenlaube S. 324; Yom Fels z. Meer 2, S. 22; ÜL&M. 72, S. 635; L.
Salonion: IllZg. 102, S. 447/3; InternatLB. N. 4.- 64a) L. Fulda: YossZg». N. 17; K. Telmann: FZg. N. 123; Bernh.
Stern: Zeitgeist N. 19; id.: FrBIW. N. 125; G. Winckler: ÜL&M. 72, S. 100S/4; G. K.: BerlBörsCour. N. 193; Luise Hitz:
FrauenZg. N. 16; FZg. N. 211. — 65) Bernh. Stern, Briefe an Ad. Fr. Schack: Zeitgeist N. 22. — 66) A. F. Graf v. Schack,
Episteln u. Elegien. St., Cotta. 1893. VIII, 233 S. M. 3,00. |[R. Friedrich: BLU. S. 407/3; N&S. 68, S. 412.]| —
67) F. Muncker, Neue Gedichte d. Grafen Schack: AZgö. 1893, N. 271. — 68) K. Halling, Ad. Graf v. Schack, Gedichte.
Für Schule u. Haus ausgew. u. erläut. 2. Aufl. Dresden, Ehlermann. XV, 204 S. M. 1,30. |[F. Muncker: BBG. 30, S. 26/7.]|
— 69) X Ad- Er- Graf y. Schack, Beste Gedichte. Nach d. Dicht, eig. Angaben. (= Unsere Dichter in Wort u. Bild.)
IV 2b : 70-89 J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.
setzungskunst vor, seiner Fähigkeit, feinfühlig in fremder Dichternatur aufzugehen.
Er pflückt, als rüstiger Wanderer in der Weltliteratur, in den alten und neuen
Dichtergärten fast aller Kulturnationen. 72~75) —
Lokal forschung.76) Einen Sänger ihres Waldes verlor dieMarkBranden-
burg in Friedrich Brunold77), der eigentlich August Ferdinand Meyer hiess, am
27. Febr. 1894. Er war am 19. Nov. 1811 im pommerschen Pyritz geboren und
hatte sich durch missliche äussere Verhältnisse in den niederen Schuldienst zwingen
lassen. Seine glücklichste Zeit verbrachte er anfangs der dreissiger Jahre in Berlin,
wo er u. a. mit dem Freiherrn von Gaudy, F. von Sallet, Willibald Alexis freundschaft-
lich verkehrte. Sonst aber lebte er, von wenigen gekannt, in ländlichen Winkeln,
zuletzt im uckermärkischen Joachimsthal. Er war eine schlichte, ganz in sich ge-
kehrte Natur; die Leidenschaft war ihm fremd geblieben. Im Stimmungsliede, im
Landschaftsbilde lag seine Hauptkraft. Von seinen Romanzen ist das „Grab auf der
Heide" lange volksliedartig durch die Welt gezogen, in drei verschiedenen Kom-
positionen, ohne dass man den Namen des Vf. gekannt hätte. — Um Brunolds Nachruhm hat
sich jetzt George78) sehr verdient gemacht, indem er u. a. die Stiftung eines Denk-
mals anregte.79) — Auch Stock80) beklagt, dass man über der Musik immer den Namen
des Dichters vergessen habe; auch er sieht in der gemütvollen ästhetischen Natur-
betrachtung das Wesen der Brunoldschen Lyrik.81) —
Aus „anhaltischem Golde" hat Arminius82) eine Anzahl Anekdoten in
Gedächtnismünzen umzuprägen versucht; er kommt u.a., als aufmerksamer Literatur-
historiker, auf Ludwig- von Anhalt und Wilhelm Müller zu sprechen. —
Das fünfzigjährige Dienstjubiläum des Königs von Sachsen als Soldat und
Heeresführer gab Pilz83) Anlass, die Kriegsthaten dieses Monarchen im Liede zu
sammeln; KnÖtel hat schlechte Illustrationen dazu geliefert. —
Männer und Frauen, die in Hessen Verse machen, hat Traudt84-85) zur
Stiftung eines „Dichterbuches" geladen. Neben Dilettanten findet sich da und dort
eine künstlerische Persönlichkeit, z. B. Carl Preser, Julius Rodenberg, Elisabeth
Mentzel; die Balladen Ludwig Mohrs leiden zwar in der Komposition an Ungeschick-
lichkeiten und unnötig-en Breiten, im Ausdruck aber zeigen sie eine gewisse Sprach-
gewalt. Joh. Lewalter, der bekannte Sammler, sucht einen volksmässigen Ton, und die
Schwälmer Mundart hat in Kurt Nuhn einen Humoristen gefunden, der sie nicht ohne
Glück litteraturfähig zu machen strebt. — Den im Wetterauer Dialekt dichtenden
Drastiker Paul Geibel, einen Tierarzt, der in seinem Beruf auf vertraulichen
Verkehr mit einem sonderbar kernigen, witzigen und tüchtigen Bauernschlage an-
gewiesen war, sucht mit Wärme Runkel86J den Norddeutschen näherzuführen. —
Förster87) glaubt das bescheidene Epigonentalent Karl Schäfers, der, als eines
Schneiders Sohn, aus dem hessischen Odenwald stammt, dadurch am besten den Zeit-
genossen empfehlen zu können, dass er ihn in Gegensatz zur modernen Litteratur
bringt. Von Schäfers lyrischen Büchern haben die „Heiderosen" die meiste Ver-
breitung gefunden. —
Unter die Lyriker der Rheinlande versetzt ein Bericht Run k eis88) über
eine Veröffentlichung der gesamten Amaryllislieder von Ad. Schults, der in der Reihe
der Wupperthaler Dichter — C. Siebel, H. Oelbermann, W. Langewische, E. Rittershaus,
K. Stelter — wohl der begabteste und persönlichste war (Elberfelder Litt. Unter-
haltungsbl. 1893, N. 12/3). Dieser Cyklus, der 1858 im „Damenalmanach" sehr unvoll-
ständig abgedruckt wurde, ist von „Amaryllis" selbst, einer würdigen Greisin, einem
Mittelsmann, Herrn W. Bloem, übergeben worden; er ist das poetische Zeugnis
eines zarten und schmerzlichen Liebeskonflikts, in den Schults als reifer Mann sich
plötzlich gestellt sah trotz der Verehrung für die eigene, ihm in ganz jungen Jahren
angetraute Gattin. Der „Dichter" in ihm brachte dem „Menschen" Frieden. Er über-
L., Claussner. 16 S. Mit Bildn. M. 0,60. — 70) X HU Beste Uebersetzungen. Nach d. Dicht, eig. Ang. ebda. 32 S.
Mit Bildn. M. 1,00. -- 71) id., Anthologie abendländ. u. morgenländ. Dichtungen in dtsch. Nachbildungen. 2 Bde. St., Cotta.
1893. XX, 346 S.; VI, 335 S. M. 10,00. |[A. Schroeter: BLÜ. 1893, S. 205/6; DRs. 76, S. 159; P h. Ott: BBQ. 30, 3. 115;
Middendorf: DPBl. 27, S. 162/5, 170/1; K. Bienenstein: DDichterheim. 14, S. 342/6, j 1 — 72) X <*• Voss, Graf
Schack als Kunstsammler: TglRsB. N. 92/3. — 73) X I* Schackothek et le comte de Schack: BURS. 62, S. 620/2. — 74) X F-
Brummer, K. Ch. Tenner: ADB. 37, S. 567/8. (1791-1866; aus d. Rheinpfalz. Grossherzogl. hess. Beamter. Seine Gedichte
1870 ges. Bedeutende Komponisten haben sie benutzt.) — 75) X E- Reinick, Geschichten, Märchen und Lieder. Für d. Jugend
ges. Dichtungen. Mit Farbendr.-lllustr. gez. v. O. Woite. 2. Aufl. L., Drewitz Nachf. 1893. IV, 220 S. M. 4,50. — 76) X
O.E.Carstens, Hinrich Hieronym. Sommer: ADB. 34, S. 602/3. („Nordischer Hans Sachs" [1804-61]; Glaubenslieder, yoll
herrenhuterischen Geistes, erst 1885 her.) - 77) X Rieh. George, F. Brunold: Bär 20, S. 146, 555. — 78) id., F.
Brunold, e. mark. Dichter: ib. S. 549-55, 560/1. — 79) X E- Roeder, Fr. Brunold (= Zwei Dichterveteranen): BMJ. 1892,
S. 498-500. — 80) M. Stock, F. Brunold, e. mark. Dichter: NatZg". 1892, N. 13. — 81) D. Grab auf d. Heide. E. Liedes
50j. Jubil.: ÜL&M. 1892, S. 504. — 82) W. Arminius, Aus anhaltischem Golde. Vaterland. Dichtungen u. Balladen. Dessau,
Baumann. 1893. 72 S. M. 1,00. - 83) H Pilz, König Alberts Ruhmesbahn. Vaterland. Dichtungen. 111. v. R. Knötel.
L., Meissner & Buch. 1893. 20 S. M. 1,25. — 84) X Portrr. u. Biographien d. hess. Dichter V. Traudt u. L. Mohr: Hessen-
land 6, S. 278. — 85) V. Traudt, Hess. Diohterbuch. Rauschenberg, Selbstverl. XII, 246 S. M. 3,50. |[Hessenland 8, S. 330.]|
- 86) F. Rnnkel, E. hess. Dichter (P. Geibel): BerlTBl. 1893, N. 138. — 87) Karl Förster, E. Dichter d. Odenwaldes
(K. Schäfer): Didask. 1892, N. 175. — 88) F. R[unkel], „E. Wupperthaler" (Ad. Schults): BerlTBl. 1893, N. 212. — 89) M.
J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. IV 2b : 90-97
wand. — Mendheini89) giebt nur das Urteil Goedekes über die am Rhein zwar
nicht geborene, aber dort wurzelnde Sängerin des Rheins, Adelheid von Stolterfoth,
wieder. — Eine westfälische Anthologie90) ist an anderer Stelle genügend ge-
würdigt worden. —
Nach Baden führt eine knappe, doch völlig ausreichende Biographie des
Lahrer Poeten Friedrich Gessler, die Bartels91) in einem erweiterten Vortrage
bietet. Der bescheidene Mann, der als ein Lahrer Bauemsohn am 14. Nov. 1844 ge-
boren, in semer Vaterstadt Kaufmann wurde, es blieb als Leiter einer Reichsbank-
stelle und eines lokalen Bankvereins und am 1. Jan. 1891, eine Berühmtheit Mittel-
badens, starb, hat in wenigen einfachen Sätzen selbst einen Abriss seines ruhigen
Lebenslaufes gegeben (S. 117/9). In seiner Frühzeit ist er ein Verehrer des Sturms
und Drangs, besonders Goethes, dann Riickerts gewesen, und in seinen reifen Mannes-
jahren Hess er Scheffels Dichtung auf sich wirken. Schon in den 60 er Jahren ward er
dadurch bekannt, dass er unterstützt von Hugo Oelbermann (s. N. 88), aus roman-
tischer Teünahme für das Schicksal Friederikes von Sesenheim, das Grab der Freun-
din Goethes entdeckte, es mit einem Denkstein schmückte imd viele deutsche Dichter
veranlasste, sich auch an einem litterar ischen Denkmal, dem „Friederikenalbum",
zu beteiligen. Gessler schrieb ein Stiirmerdrama „Reinhold Lenz" und eine „Kassandra"
im Stile der Goetheschen Iphigenie; ferner drei Epen, von denen „Diether und
Walheide" und „ Hohengeroldseck" der durch Scheffels „Ekkehard" inaugurierten
Richtung, und der humoristische „Röhrle von Hafner -Neuhausen" dem Geiste Vischers
folgen. Ein viertes episches Werk „Romeias. der Riese von Villingen" ist nicht mehr
abgeschlossen worden. Die „Sonette eines Feldsoldaten", die im Kriege 1870—71
entstanden sind, haben Gesslers Namen zuerst über Baden hinausgetragen. In Form
und Gedankenrichtung knüpfen sie an Rückerts geharnischte Sonette an; der Stoff-
kreis ist ziemlich weit gezogen, er erstreckt sich auch auf geschichtliche Reminiscenzen.
In ernster, rauher Wirklichkeit zum Manne geworden, klärt und mildert
Gessler das verworrene Pathos der Jugendzeit. Zwischen „Markt" und „Musenberg"
gestellt, bildete er allmählich in seinem litterarischen Schaffen ein Element nachdenk-
licher Verständigkeit heraus, das ihn zwar vor dem CJeberschwang behütete, aber auch
seinen lyrischen Leistungen einen sehr starken philosophischen Beigeschmack gab.
Unter seinen litterarischen Beziehungen sind die Freundschaften mit Herwegh,
J. G. Fischer, Eichrodt, Freiligrath, Ludwig Auerbach, Wilhelm Jensen erwähnenswert. —
Im Elsas s halten die Stöbers und die letzten Säulen des Strassburger
Meistersingertums das litterarische Interesse wach. Für das Fortleben von Ehren-
fried, August und Adolf Stöber hat Martin92-93) sehr viel gethan. In vier Biogra-
phien giebt er die treffliche Geschichte einer um den Kulturfortschritt seiner engeren
Heimat verdienten, auch unter der Fremdherrschaft durch und durch deutsch gesmnten
Familie. Ehrenfried, in französischer Bildung- gross geworden und ein Meister
temperamentvoller Formen, wendet sich unter dem Einfluss seines Freundes Hebel
der Dialektdichtung zu, die auch sein Sohn Adolf mit vieler Liebe gepflegt hat.
Während M. in August Stöber vornehmlich den Altertumsforscher würdigt, findet er
schwungvollere Worte für Adolf den Lyriker, der am 8. Nov. 1892 im Alter von
82 Jahren gestorben ist. Als Theologe von einer versöhnlichen Anschauung, als
Politiker dem neuen Regimente zugethan und ein scharfer Gegner der Elsässischen
Liga hat Adolf in den Reichslanden eine Ehrenstellung behauptet. Als Dichter hat er
sich an Uhland gebildet; sein poetischer Ausdruck ist nicht stark und reich, dafür
aber schlicht, klar, volksmässig, wahr. Seine dichterischen Vorstellungen bewegen
sich in der Familie, in der Naturumgebung, in einer Religion des Herzens; Geschichte,
Sage und Legende werfen ihm mannichläche Stoffe ab; er besingt die Herrlichkeit
der deutschen Dichtung und Sprache. Seine Poesien94) wurden 1845 zum ersten Male
gesammelt. M. giebt eine sehr genaue Bibliographie seines Schaffens. Zu Ad. Stöbers
letzten Arbeiten g-ehören eine Bearbeitung des Hildebrantliedes und eine geschicht-
liche Schnurre im elsässischen Volkston95). — Auch Bräutigam96) feiert Ad. Stöber
als den Mann, der während schwieriger Zeiten in Denken und Fühlen, in Handeln und
Dichten deutsch blieb. — Hierin sind nicht minder einig die Tagesblätter97), die bei
seinem Tode Nekrologe brachten. Die AZg. findet, dass der evangelische Theolog
Stöber auch als Dichter „gepredigt" habe. Am 19. Jan. 1893 brachte die StrassbPost.
einen Aufruf zur Errichtung eines gemeinsamen Denkmals für diese „patriotische
Mendheim, Wilhelmine Julie Adelheid v. Stolterfoth: ADB. 36, S. 414/5. — 90) (IV la : 12.) — 91) A. Barte ls, F. Gessler.
Sein Lehen u. seine Werke. Lahr, Schanenhurg. 1892. 12°. 130 S. Mit Bildn. M. 1,50. |[SchwäbKron. 1892, 8. Apr.]|
— 92) E. Martin, Ehrenfried, Aug. u. Ad. Stoeber: ADB. 36, S. 267-72. — 93) id.. Ad. Stoeber: JbGElsLothr. 9, S. 129-47. -
94) X A.d. Stoeber, Gedichte. 2. Aufl. Strassburg i. E., Heitz. 1893. 12°. XV, 231 S. Mit Bildn. M. 3,50. — 95) id., D. Hilde
brandslied. In freier Nachbildung. — Meisenloderstreich gegen d. Franzosenkönig anno 1551 (Mnndartl.): JbGElsLothr. 8, S. 226-31.
— 96) L. Bräutigam, D. treueste Hüter d. dtsch. Sprache im Elsass: ZDü. 7, S. 647-50. — 97) X AZg». 1892, N. 268;
StrassbPost. 1892: N. 313/4, 1893: N. 19; F. Runkel: BerlTBl. 1892, N. 575; Post 1892, 23. Nov. (Vgl. JBL. 1892 IV 3:86.)
IV 2b:98-m J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.
Dichterfamilie".98) — Nachdem er am 2. Febr. — von der Strassburger Presse (vgl.
StrassbPost. N. 33) begrüsst — seinen 89. Geburtstag gefeiert hatte, ist der Drechsler-
meister Daniel Hirtz am 20. April 1893 gestorben, der in der zweiten Hälfte dieses Jh.
durch die Begründung einer Art Meistersingerschule99) gegen die antideutschen Mass-
nahmen der elsässischen Regierung manifestiert hatte mit gleichgesinnten Genossen. —
Neben Hirtz standen in den letzten Jahren noch der Korbwarenfabrikant Christian
Hackenschmidt und der Fabrikbesitzer Alphons Pick. Klatte100) widmet ihnen
freundliche Würdigungen. Ihr Leben verfloss gleichmässig zwischen reger Tages-
arbeit und abendlicher Dichtermusse; Pick konnte seinem Lande in früheren Jahren
auch als Politiker dienen. Sie waren Romantiker, übrigens die Poeten der elsässischen
Lebensfreude und Wanderlust. Hirtz ist in der Trias der begabteste gewesen; aber
ohne seine gut deutsche Gesinnung würde auch er kaum auf Nachruhm Anspruch
haben: Sein „Münsterjubelfest", ein Gedicht, das den Strassburger Dom als Wahr-
zeichen treuen Deutschtums feiert, fand im Jubiläumsjahre 1893 lauten Widerhall. —
Ein Anonymus101) wiederholt im wesentlichen Klattes Angaben; Hirtz fand Aner-
kennung bei Uhland, Körner, Zschokke, und Helmina von Chezy schwärmte ihn
in bekannter Exaltiertheit an.102-103) — In einem Plauderstündchen104) erzählte Hirtz,
wie Uhland Ende der 40er Jahre in seine Werkstatt trat: Er habe nicht so griess-
grämig- düster geblickt, wie die Porträts ihn schildern; er trug langes, wallendes
Haar und sah aus wie „ein Schulmeister, der in Vakanz über Land geht". Beson-
deren W7ert legte Hirtz auf seine Mitarbeiterschaft an Brauns französischer Schiller-
übersetzung. — Ein Geburtstagsartikel 105) schildert Pick als gesunden derben Humo-
risten, dem oft ein moralisches Zöpfchen nicht fehlt. Er hat eine Utopie „1975"
verfasst, Longfellows Gedichte frei bearbeitet und sich um elsässische Lexikographie ver-
dient gemacht.106) —
In Bayern, zu Nürnberg, lebt der „Blumenorden"107) wieder auf. Was er
an literarhistorischen Arbeiten leistete, ist bereits angemerkt worden. Die Sammlung
lyrischer Dichtungen, die dem 2. Bande (S. 225—90) angefügt ist, macht durchaus
den Eindruck des gebildeten Dilettantismus; eine gewisse äussere Formenglätte und
Formenmannigfaltigkeit entschädigt nicht für den Mangel dichterischer Phantasie.
Wilh. Beckhs Sonette auf das Ehrenmitglied Scheffel und das Schweinfurter Rückert-
denkmal sind erwähnenswert. H. Pfeilschmidts Gelegenheitsparodien auf Walther
von der Vogelweide, Hans Sachs, Harsdörffer, Goethe, Jean Paul, Heine usw. sind
nicht ohne Witz. — Kreowski108) beschäftigt sich mit der militärischen Dichtung
Bayerns, indem er zunächst ein 1854 erschienenes Heft Soldatenlieder wieder
ausgräbt und analysiert. Die Dichter sind Hauptmann Karl Waldemar Neumann und
Oberst Heinrich von Reder. 108a~109) Neumann (gest. 7. Febr. 1888), der übrigens
sich auch der Regensburger Lokalforschung lebhaft angenommen, suchte vornehmlich
im Volkston die burschikose Seite des Soldatenberufes zu fassen, während Reder,
dessen erste besondere Gedichtsammlung von 1859 K. hinzuzieht, die eigentlich an-
schauende, über eine gewisse stürmische Verskraft gebietende Dichternatur ist. Auch
den Soldatengeist vergangener Zeiten schildert Reder echt und feurig. —
Seine menschliche Persönlichkeit wird von Morgenstern109) charakterisiert. —
Reder hat 1861 die Gedichte eines jungverstorbenen Kameraden, des Oberlieutenants
Georg Betzel, herausgegeben, dessen Lebensschicksal psychologisch sehr merkwürdig
war. Er endete am Allerseelentage 1858 freiwillig, ohne dass man eine äussere Ur-
sache für diesen Entschluss hätte finden können. Kreowski110) teilt in einer hüb-
schen Studie über den künstlerisch empfindenden Offizier, in dessen Poesien Lenauscher
Geist herrscht, melancholische Stücke aus einem Tagebuche mit, überdies ein bisher unge-
drucktes Gedicht Reders, das die Ansicht vertrauter Freunde über Betzels Gemüts-
zustand wiedergiebt: In der menschlichen Natur lag auch hier das Geschick begründet:
„Freier Geist und enge Mauern, Kraft zur That und Zwang zur Leere." Reder
beschäftigt sich übrigens mit einem Werke über bayerische Soldatendichter. —
Oesterreich. Mehrere Veröffentlichungen allgemeiner Art die nach den
Landesteilen der Monarchie sich ordnen lassen, sind zunächst zu nennen. Zu wohl-
thätigem Zwecke veröffentlicht Schlögl111) ein sehr buntes Sammelwerk Wiener
Lyriker und Prosaisten, in dem freilich die jüngere Generation ganz fehlt. Gelegenheits-
verse der Baronin Ebner -Eschenbach an den Grafen Heussenstamm und zwei Balladen
— 98) X A. S., E. Stöberdenkm. in Strassburg: BerlTBl. N. 170. — 99) X T°ni Kellen, Elsäss. Meistersinger: ML. 63,
S. 1644/9. — 100) A. Klatte, D. drei letzten Meistersänger v. Strassburg (Chrn. Haclcenschraidt, D. Hirtz, Alph. Pick):
Gartenlaube 1893, S. 156-60. — 101) L., D. Hirtz. Nachruf: AZgB. 1893, N. 97. - 102) X D- Hirtz: StrassbPost. 1893, N. 33, 110.
— 103) O X D. Hirtz: MfinchNN. 1893, N. 184. — 104) E. Stündchen bei D. Hirtz: StrassbPost. 1892, N. 302. — 105) Z.
85. Geburtstag e. elsäss. Dichters (A. Pick): ib. N. 155. — 106) O X 0-V la '• 15.) — 107) Altes und Neues aus d. Pegnes. Blumen-
orden (JBL. 1893 III 5:3). Nürnberg, Schräg. 1893. VI, 293 S. M. 3,00. |[DDichtung. 15, S. 103/4.JI — 108) E. Kreowski ,
Zwei bayer. Soldatenliederdichter: Sammler*. 1892, N. 50. - 108a) X F. Hähnel, H. v. Reder: NLB11. 1, S. 63/4. — 109)
G.Morgenstern, H. v. Reder: Ges. S. 630/3. — 110) E. Kreowski, G. Betzel. E. Erinnerungsbl.: Sammler*. 1893, N. 155/6.
— 111) Wiener Liebesgaben. Z. Besten d. Wiener Rettungsges. Mit e. Vorw. v. F. Schlögl u. Beitrr. v. M. Bro einer, V. Chia-
J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. IV 2b : 112-119
Frankls wären für unser Kapitel herauszuheben. — Schlossars112) steiermärkische
Literaturgeschichte des 19. Jh. hat im wesentlichen nur den Wert einer Material-
und Notizensammlung*; die Darstellung ist trocken, das Urteil nicht kritisch genug',
es fehlt die Fähigkeit, das Wesen der Dichter innerlich zu erfassen. Andererseits mag man
darin ein Verdienst Sch.s erblicken, einzelne vergessene Namen wieder ans Licht ge-
bracht und durch genauere Untersuchung ihres Lebens- und Entwicklungsganges
der Wissenschaft gerettet zu haben. Er hat, wie bei Schröckinger, Hammer- Purg'-
stall, Kollmann, das weit verstreute litterarische Material sammeln müssen; er hat den
Nachlass Karl Gottfried von Leitners und Faust Pachlers, ferner für Anastasius Grün
neue Briefquellen benutzen dürfen, sie freilich recht oberflächlich benutzt. Man erfährt
einiges Neue über dichtende Vorfahren Anastasius Grüns, über einen litterarisch be-
gabten Verwandten Leitners, Alois von Leitner, ferner über den Aufenthalt Ludwig
Bonapartes in Graz, der unter dem Namen eines Grafen St. Leu dort litterarisch Hof
hielt und selbst Romane schrieb. Die eigene Lyrik Hammer- Purgstalls wird, in Proben,
gemustert, der Einwirkungen des begabten Julius Schneller auf das jüngere Geschlecht
der Schröckinger, Anton Prokesch und Faust Pachler wird gedacht. Auch Karl
Schröckingers Hinterlassenschaft kann reiche Ausbeute zur Geschichte der nach-
klassischen Dichtung* gewähren. Ueber den Freiheitssänger Joh. Gg. Fellinger und
Ignaz Kollmann, der in seiner Zeitschrift „Der Aufmerksame" für das schriftstellernde
Steiermark den Mittelpunkt schuf, führt Seh. seine Darstellung zu Anton Prokesch,
der als Nachahmer Körners beg*ann und, seinem Sterne Goethe folgend, im Ideale
einer Weltliteratur schwelgte. Geister drittenRanges waren der fruchtbare Rud. Gust.Puff
und der Schulmann J. A. Suppantschitsch. Bei dem aus Wien zugewanderten Joh.
G. Seidl verweilt Seh. verhältnismässig lange, besonders bei dessen „Bifolien", ohne
dem Charakterbilde einen neuen Zug verleihen können. Dagegen erfährt man in
dem Kapitel, das Leitner gewidmet ist, vieles Anziehende über Anastasius Grüns
ausserordentliche Teilnahme an der geistigen Arbeit dieses persönlichsten und be-
deutendsten unter den steiermärkischen Poeten. Leitner, der behutsam und zaghaft
Schaffende, war der Kritik mehr als zugänglich, vielleicht gerade deshalb, weil er an
Lob und Anerkennung* nicht gewöhnt war. Grün schreibt am 21. Okt. 1855 nach
einer ganzen Reihe von Bedenken: ,, . . . Und so brauche ich Ihnen nur kurz anzu-
deuten, dass die Tiefe und Wahrheit, die Reinheit und Wärme Ihrer poetischen Em-
pfindung, die edle Einfachheit und Gediegenheit der Formen, die schwung- und zu-
gleich massvolle Beweglichkeit Ihrer Phantasie, die markige Gestaltungsfähigkeit und
volkstümliche Ausdrucksweise mich neuerdings entzückt und hingerissen haben."
Auf Leitners letzte Schöpfungen, die noch ungehoben ruhen und keineswegs eine
nachlassende Kraft verraten, fallen psychologisch merkwürdige Lichter; Stücke von
visionärem Charakter werden wörtlich abgedruckt Das Kapitel von Grüns An-
regungen wird später noch einmal aufgenommen. Lehrreich sind die Notizen über
Jak. Dirnbock, den Vf. des Steiermarkliedes „Hoch vom Dachstein an" ; seine anderen
Dichtungen sind ebensowenig wie Vinc. Zusners Naturschilderungen populär ge-
worden. Auch für Pachler, den Herausgeber der Werke Friedrich Halms, eine philo-
sophisch angeregte Poetennatur, fordert Seh. ein stärkeres Interesse. Aus seinen Mss.
sind zartempfundene Verse über Pachlers Verhältnis zur Mutter und Gattin mitgeteilt.
Das letzte Drittel des Buches füllen Schilderungen Rob. Hamerlings, Peter Roseggers
und der jüngsten Generation aus. — Das Prager Dichterbuch von Teweles113) und
eine Anthologie114-115) aus Mähren, die Kirsch und Stoklaska116) vorlegen, kenn-
zeichnen sich als poetische Manifestationen des unterdrückten Deutschtums. In der
böhmischen Sammlung sind die wirklichen Begabungen in weitaus grösserer Anzahl
vertreten; ein unbekanntes, sehr erquickliches Talent ist Hugo Salus, ein Prager Arzt,
dem aus dem Weltlauf überall die Poesie, der Schmerzen wie der Freude, entgegen-
strömt. —
Die Freiheitsdichtung, die Natur- und Liebespoesie des vergessenen Joh.
Georg Fellinger (vgl. N. 112), analysiert Pucsko117) mit lokalpatriotischem
Schwünge.118) —
In einem Sonett119), das er am 28. Aug. 1830 beim Abschied von Berlin
vucci, Ada Christen. Wien, Merlin. 1892. VI, 272 S. M. 3,50. — 112) A. Schlossar, 100 J. dtsch. Dichtung in Steiermark
(JBL. 1893 IV la:33). (= Oesterr. Bibl. her. v. A. Hg. 2. Bd.) Wien, Graeser. 1893. XI, 193 S. Mit 10 Abbild. M. 2,00.
|[K. Friedrich: BMJ. S. 84/5.JI — 113' H. Teweles, Prager Dichterbuch. Prag, Ehrlich. 1892. VII, 252 S. M. 3,00.
|[E. Kuh: NWienTBl. 1893, N. 344; ß. Friedrich: BLU. S. 215;6.]| — 114) X A.John, E. nation. Anthologie d. Deutschen in
Böhmen: 20. Jh. 2, S. 564/8. — 115) X Ed. Albert, Poesie aus Böhmen. Fremde u. eigene Uebersetz. aus d. Böhm. Wien,
Holder. 1892. VI, 295 S. M. 3,20. |[DDichtung. 16, S. 273/4 (nicht ohne Tadel).lj (Czech. Poesie; A. ist Prof. d. Chirurgie
in Wien.) — 116) P. Kirsch u. O. Stoklaska, Dtsch. Dichterbuch aus Mähren. Brunn, Rohrer. 1893. 12°. X, 202 S.
Mit 1 Bildn. M. 5,00. — U7) A. Pucsko, E. vergessener yaterländ. Poet. Litt. Studie: Heimgarten 16, S. 287-92. —
118) X A. v. Weilen, F. X. Told: ADB. 38, S. 413/5. (1792-1849; seine Gediehte, zumeist Nachahmungen d. Körnerschen
Kriegslyrik, ganz unbedeutend. Vgl. JBL. 1895 IV 4.) — 119) 0. P., E. ungedr. Gedicht J. B. Deinhardsteins über Berlin:
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (4)16d
IV 2b : 120-139 J. Elias, Lyrik: Von. den][Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.
niederschrieb, singt J. B. Deinhardstein dem ,, Herrschersitz borussischer Cäsaren"
einen überschwenglichen Hymnus.120-123) —
Die drei ersten Bände der abschliessenden Grillparzer-Ausgabe Sauers124)
enthalten die gesamte Lyrik; es waren im wesentlichen für S. die Anlage der Jubi-
läumsausgabe (JBL. 1892 IV 2 : 167; 12 : 131) und die hier befolgten kritischen
Grundsätze massgebend. In einer Vorbemerkung überblickt S. die Entstehungs-
geschichte aller Editionen der Gedichte, wobei er auch seine Methode noch einmal
scharf beleuchtet. — Wanieks125) vergleichende Studie und Freybes126) moralistische
Schrift betreffen in der Hauptsache den Dramatiker Grülparzer. Das Psychelied im
Fragment „Spartakus" erinnert W. an das Schicksalslied der Iphigenie (S. 76), und
überdies weist er einzelne Niederschläge aus Goethes Gedichten nach (S. 97/8). F.
zieht da, wo er Grülparzer als den Dichter der Geschichte, der letzten Dinge schildert,
auch den politischen Lyriker heran. — Necker127) analysiert die wundervolle
Charakteristik, die Grülparzer dem „Weisen in der That", seinem Ernst von Feuchters-
ieben, in Hebbels bekannter Ausgabe schrieb; er citiert für diese seltene Kamerad-
schaft allerlei Gelegenheitsverse aus Grülparzer wie aus Feuchtersieben. — Ein
gemessenes Freundschaftsverhältnis zwischen dem Wiener und dem Grazer Dichter
bezeugt ein Brief128) Grülparzers an K. Gottfr. von Leitner vom 21. März 1832, worin
Grülparzer anerkennend sich für Leitners Gedichtsammlung bedankt und in einer
dramaturgischen Angelegenheit seine Hufe zusagt. —
Die neuere Litteratur über Nik. Lenau fliesst breit, nicht tief. Witt129) sieht,
in seiner populären Darstellung, den tiefen seelischen Leidenszug in Lenaus Leben und
Charakter als naturgegeben und naturnotwendig an. — L. von Sacher-Masoch130)
schmückt ältere romantische Ueberlieferungen aus Lenaus Jugend novellistisch aus. —
„Erinnerungen"131) an Lenau werden aus einem Buche geschöpft, das im 6. Bande
der JBL. zur Besprechung gelangt. — Einen Sieg Lenaus über Metternichs Censur
erzählt Werner132) nach Emma Niendorfs „Lenau in Schwaben".133) — L. A. Frankls
Buch „Lenau und Sophie Loewenthal" (JBL. 1892 IV 2 : 172) ist in zahlreichen Recen-
sionen134) ausgeschöpft worden. Herauszuheben ist Minors geschmackvolle Charak-
teristik, die dem Liebesverhältnis psychologisch nachgeht und in einer einleuchtenden
Gegenüberstellung der Lenaubriefe und der Briefe Goethes an Frau von Stein gipfelt.
Roustan, der sich in der Forschung über Lenau gut unterrichtet zeigt und in philo-
logisch-technischer Hinsicht an Frankls Werk viel zu tadeln findet, schildert trefflich
in Lenaus Neigung die Entwicklung von seelischer zu irdischer Liebe.135"136) —
Griot 137) schreibt über Lenaus schwärmerische Beziehungen zu der Sängerin Karoline
Ünger und seinen plötzlichen Bruch, der dem Einfluss Sophie Löwenthals zugeschrieben
wird. — Einen Brief Lenaus (Herbst 1830) an Nanette Wolf, die musikbegabte
Schulmeisterstochter zu Orth am Gmundener See, druckt die NFPr. 138) ab. Lenau
hatte während einer Sommerfrische, die Schurz und der Dichter Schleifer mit ihm
teilten, in der Familie des Mädchens verkehrt und wahrscheinlich eine zärtliche Zu-
neigung zu der schönen Sängerin nicht verbergen können. Der Vater verbot Nanette
den Umgang. In dem Briefe schwelgt Lenau noch in den frohen Erinnerungen;
auch auf seine geliebte Musik bringt er die Sprache, indem er eine Parallele
zwischen Franz Schubert und Zumsteeg zieht, die einem sehr persönlichen Geschmack
entspringt: „Schubert scheint mir mehr unserem Schiller zu gleichen, dessen be-
stechende Sprache, herrlicher Prunk und überraschender Gedanke schon von ferne
locken, während Zumsteeg ein Goethe ist, dessen Schöpfungen einfach sind und, ich
möchte sagen unbekümmert um den Effekt, den sie machen werden, in sich selbst
versunken, nur den wahren Empfinder in ihre göttlichen Tiefen blicken lassen." — An
den eben erwähnten Leopold Matthias Schleifer, einen Sänger und heldenhaften
Charakter, erinnert Grefe139). Schleifer, der in den napoleonischen Kriegen glühende
Freiheitslieder schrieb und damals als „die österreichische Lerche" galt, ist heute ein ver-
BerlTBl. N. 312. — 120) X A. S., Job. L. Stoll: ADß. 36, S. 404. (1778-1815.) — 121) X -*.. Kohut, J. Ch. Frhr. v. Zedlitz
Gedichte (JBL. 1893 IV 2a: 95). (= ÜB. N. 3141/2.) L., Reclarn. 232 S. M. 0,80. — 122) X L- Fränkel, M. Graf v.
Strachwitz: ABB. 36, S. 4S0/3. — 123) X A. Schlossar, Joh. Ant. Suppantschitsch: ib. 37, S. 164. (1788—1833.) — 124)
F. Grülparzer, Werke. 5. Ausg. (JBL. 1893 IV 4:200.) Bd. 1-3. St., Cotta. 1893. 264, 240, 251 S. ä M. 1,00. — 125)
G. Wnniek, Grülparzer unter Goethes Einfluss. (= Xenia Austriaca. Festschrift d. österr. Mittelschulen z. 42. Vers, dtsch.
Philol. u. Schulmänner in Wien. II. Abt. Dtsch. Sprache u. Litt. [Wien, Gerold. 1893. 99 S. M. 1,00 J, S. 65-99.) — 126)
A. Freybe, D. eth. Gehalt in Grülparzers Werken (JBL. 1893 IV 4 : 205). Gütersloh, Bertelsmann. 1893. 39 S. M. 0,80.
— 127) M. Neck er, E. Frhr. v. Feuchtersieben, d. Freund Grülparzers: JbGrülparzerG. 3, S. 61-93. (Vgl. JBL. 1893 IV
4:211.) — 128) Grülparzerbriefe an K. G. v. Leitner u. A. Grün. (Her. t. F. Ilwof u. L. A. Frankl): ib. 4, S. 337-42. —
129) A.Witt, Lenaus Leben u. Charakter. Marburg, Ehrhardt. 1893. 29 S. M. 0,50. — 130) L. v. Sacher-Masoch, Aus
Lenaus Knabenzeit: Geg. 43, S. 23/5. — 131) Erinnerungen an N. Lenau: NWienTBl. 1893, N. 240/1. (Aus Th. Kerner, D.
Kernerhaus u. seine Gäste.) — 132) C. Werner, Vor 50 J. (E. Censurstückchen): Montags R. 1893, N. 23. — 133) X F- K>
N. Lenau: BurschenschBll. 7, S. 14/6. — 134) J.Minor: ADA. 18, S. 276-91; WIDM. 71, S. 423,4; F. Prosch: ÖLB1. 2, S. 495/6;
L.Salomon: IHZg. S.529; L.Roustan: RCr. 33, S. 157. — 135) X J. E. Frhr. y. Grotthuss, N. Lenau u. Sophie Löwenthal:
VelhKlasMh. 1892: 1, S. 721,3. — 136) X Elise v. Hohenhausen, Emüie Reinbeck u. Lenau. (= Berühmte Freundschaften) :
Zeitgeist 1893, N. 3. — 137) K. Griot: E. Freundin Lenaus: DDichterheim. 14, S. 162/4. — 138) E. Brief Lenaus : NFPr. N. 10484.
(Auch Didask. 1893, N. 257.) — 139.) A. G r e f e , E. vergess. Dichter u. dessen Beziehungen zu Lenau : ib. N. 105Ö2. (L. M. Schleifer.,)
J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur (lagen wart. IV 2b : 140-157
gessener Mann. Durch sein Gedicht auf die Schlacht bei Leipzig- war Anton Schurz auf ihn
aufmerksam geworden. Er führte ihm nach Sirning seinen Schwager zu. In dem
vorliegenden Briefe spricht sich eine starke Freundesempfindung aus; u. a. äussert
sich Lenau als Mensch und Dichter über Politik. Die Beziehungen zwischen Lenau
und dem Gmundener Bergrat währten ungetrübt bis zu Schleifers Tode (26. Sept.
1842).140-143) — Die Franzosen schätzen Lenau. Die Uebersetzung Descreux144) kenne
ich nur aus dem Lobe, das sie bei der französischen Kritik gefunden. Die Verse sind in
eine saubere, schwungreiche Prosa aufgelöst; von den Dramen wird nur der „Faust"
geboten. D. hat über 100 Seiten der Fränkischen Erinnerungen mit übertragen. —
Lothar Koch145), Rosenburg146), Sprenger147) und Puls148j diskutieren über
Nichtigkeiten. — Below 149) deutet einen Roman F. Kürnbergers „Der Amerikamüde"
(in ÜB. N. 2611/5) auf die Amerikafahrt Lenaus; Moorfeld, der Held, sei Lenau selbst.
Das Buch ist voll der grossartigsten Pläne für die Zukunft des Deutschtums, für die
unumschränkte Weiterentwicklung eines freien Menschentums: Amerika ist die Krone
des Menschheitsbaumes, das Deutschtum die Zukunft für Amerika. B. meint, es sei
Aufgabe der Litterarhistorie, zu ergründen, zu wem Lenau so von seinem Schicksale
und seinen Ideen gesprochen, dass Kümberger daraus seinenRoman schaffen konnte. Wie
mir B. in einem Privatbriefe mitteilt, hat Kürnberger selbst, auf Anfragen hin, die
Verantwortlichkeit für die geschichtliche Treue der in seinem Roman erzählten Er-
eignisse abgelehnt und nur zugestanden, dass er die interessante Epoche aus Lenaus
Leben verwandt habe. Wer den Roman kennt, wird gleich mir der Ansicht sein, dass
mit dieser Auskunft des Vf. sich die Forschung begnügen kann.151"152) —
Friedr. Hebbels Gedichte sind in verschiedenen neuen Ausgaben153) er-
schienen, unter denen die Sammlung von Friedr. Brandes 154) insofern einen gewissen
literarhistorischen Wert behauptet, als die Ausgabe letzter Hand von 1857 zwar als
Grundlage beibehalten ist, doch aus den Editionen von 1842 und 48 die Stücke
(S. 244— 87, 288 — 98) hineingezogen sind, die Hebbel 1857 unterdrückt hat. In einer
ersten Nachlese (S. 207 — 42) sind die Jugendgedichte von 1829—33 zusammengestellt,
und am Schlüsse (S. 305—361) sind die nach 1857 entstandenen lyrischen Stücke
gruppiert worden. Ein Gedient „Noch ist Polen nicht verloren" aus dem J. 1853
wird wieder abgedruckt (S. 299— 304). 155) —
Ueber Anastasius Grün veröffentlicht Seuffert156) eine massvolle und
aufrichtige Betrachtung. Im Gegensatz zu Lenau, .der ins Innenleben gebannt, ist
Grün aufs Aussenleben gestellt — als ein romantischer Poet „praktischen Charakters".
Grün war nicht Dichter „durch und durch". In seinen Poesien war ein starkes ge-
dankenhaftes und rednerisches Element. Er war „Gesinnungsdichter" selbst da, wo
er die Vergangenheit schilderte. Kaiser Max war sein Ideal als der Held einer
grossen Zeit : in der Gegenwart aber lebt ein träges, verschlafenes Geschlecht, dessen
Fluch die Gleichgültigkeit ist. Grün möchte durch diesen Fürstenspiegel die Re-
volution „von oben" erwecken; später aber schreitet er zur Revolution „von unten"
vor: Jetzt sieht er die Schuld bei den Herrschenden, redet er vom biederen, treuen
Volke. In den „Spaziergängen eines Wiener Poeten" geht er an Unlands Seite.
Er will Recht, Licht, Freiheit. Ein anderer Marquis Posa bittet er Franz : „Frei das
Wort, frei der Gedanke". Er kämpft gegen Pfaffen, Mauth, Censur, Spähertum. Als
Beispiele der alten, guten Zeit wählt er: den Ungarkönig Stephan, Maria Theresia,
Kaiser Joseph. In seinen Anklagen gegen die Regierung ist er ein Volkstribun, ein
Satiriker, entwickelt er einen sehr scharfen Witz. Als Schüler ühlands und als
echter Romantiker war er der Ballade zugethan. In seinen Liedern ist ein Schuss
Heines. Als alter Mann noch, wie als Jüngling, hegte er den Glauben an die Freiheit,
an das grosse deutsche Vaterland; im „Pfaffen vom Kahlenberg" blickt der politische
Kämpfer hervor. Grün war ein Freund der Natur, war durchdrungen vom Heimats-
gefühle: „Seine Dichtkunst hat sein inneres und äusseres Leben begleitet und ge-
schmückt, hat ihm Trost gespendet und Mut verliehen. An alten Beispielen hat er
seine Lebensideale gestärkt, in ihnen sie verkörpert ; auch im unmittelbaren Ergüsse
seines Denkens und Fühlens hat er sie bekannt, sich und Anderen ausgestaltet." —
L. von Sacher-Masoch157) dagegen kramt nichtige Erinnerungen aus. Er machte
— 140) X N. Lenaus sämtl. Werke in 4 Bdn. (= Cottasche Volksbibl. Bd. 11/4.) St., Uotta. 1893. 12". 216, 200, 227, 196 S. M. 2,00.
— 141) id., Gedichte. Mit e. biogr. Einl. v. A. Grün. 2 Tle. in 1 Bd. ebda. 1893. 240, 207 S. Mit Portr. M. 2,00. — 142) X id-.
Werke. 4 Bde. (Neue Ausg.) Gütersloh, Bertelsmann. 1893. VI, 380, 132, 103, 104 S. M. 3,00. — 143) id., Ausgew. Ge-
dichte. L., Fiedler. 1892. 16°. 164 S. M. 0,90. — 144) O id., Poemes et poesies trad. par V. Descreux. Paris, Savine.
1892. CV, 258 S. |[E. Faguet: RPL. 1892: 1, S. 533; Polybiblk 67, S. 242/3.JI — 145) Lothar Koch, Zu Lenaus „Werbung":
ZDU. 6, S 52 3. — 146) H. Rosenburg, Zu Lenaus „Werbung": ib. S. 841. — 147) R- Sprenger, Zu Lenaus „Werbung": ib. 7,
S. 425/6. — 148) A. Puls, Zu Lenaus „Werbung": ib. S. 629-31. — 149) X K. Griot, Lenaus Humor: Zeitgeist N. 14. — 150)
E. Below, E. Vermächtnis Lenaus an d. Deutschen: Grenzb. 1893: 1, S. 139-43. — 151) X A- Schlossar, Joh. Senn:
ADB. 34, S. 33,4. — 152) X A. S., Jos. Streiter: ib. 36, S. 567/8. — 153) X *"• Hebbel, Ausgew. Gedichte. (= Meyers Volks-
b&cher N. 1030,2.) L., Bibliogr. Inst. 172 S. M. 0,20. — 154) id., Gedichte. Her. v. F. B r a n d e s. (= ÜB. N. 3231/4.) L.,
Reclam. 432 S. Mit Bildn. M. 1,20. — 155) X id- Gedichte. Ausw. (= Bibl. d. Ges.-Litt. d. In- u. Ausl. N. 727,9.) Halle a. S.,
Hendel. VIII, 264 S. M. 1,50. — 156) B. Seuffert, A. Grün: DRs. 71, S. 375-90. — 157) L. v. Sacher-Masoch, Er-
(4)16 d*
IV 2b -. 158-204 J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart;
1859 Grüns Bekanntschaft in einem Buchladen. Gegen die neuere Litteratur, Kunst,
Musik verhält der alternde Dichter sich ablehnend: Die Tannhäuser-Ouverture ist
ihm Katzenmusik, Frey tags „Soll und Haben" der Uebergang zu Prosa und Nüchtern-
heit, Gallaits Geschichtsmalerei der Sieg des Hässlichen.158"160) —
Ueber Adolf von Tschabuschnigg giebt Fränkel161) das nötig-e bio-
graphische Material. Der kärntnerische Dichter neigt zur Reflexion; er findet
ironische Töne in der Art Heines; er schlägt politische Themata an, doch ohne Partei-
sucht; in der Ballade bevorzugt er streitbare Kriegshelden.162) —
Unter dem Drucke gewisser Verhältnisse, über die im Vorwort Rechenschaft
gegeben ist, sehe ich mich gezwungen, die Darstellung an dieser Stelle ab-
zubrechen und nur einen Notbericht zu liefern, um wenigstens den bibliographischen
Apparat noch in diesem Bande unterzubringen. Der Text wird nachträglich im
sechsten Band, unter einfachem Hinweis auf die Fussnoten zum Abdruck gelangen.
— Unter den österreichischen Lyrikern sind Ludwig August ITrankl163"165),
der am 12. März 1894 gestorben ist, der steirische Sänger Karl Gottfr. von
Leitner166-167) mit Würdigungen und Studien, sodann J. Mauthner168) mit einer
Ausgabe seiner Gedichte und Rob. Hamerling169-173) mit einer Reihe von Ver-
öffentlichungen bedacht worden. —
Zahlreich sind in Oesterreich die. dichtenden Frauen: Die geniale Marie
von Ebner-Eschenbach174-175) gab Parabeln, Märchen, Gedichte, teilweise wiederholt
heraus; Betty Paoli176) starb am 5. Juli 1894, fast achtzig Jahre alt; Ada
Christen177), Hedwig Wolf178), Helene Friedländer179) werden in ihrer Eigenart ge-
schildert; an die „Neuen Gedichte" Angelicas von Hörmann180"181)- werden kritische
und ästhetische Betrachtungen geknüpft. —
Zu den Dichtern einer älteren Generation gehören Herrn. Rollet182),
Ferdinand von Saar183 186), Mich. Albert187) und Albr. Graf von Wicken-
burg188); in A. von Goldschmidt190), Rud. Lothar191) und einem „jüngsten
Wien"192) bethätigt sich ein moderneres Geschlecht. —
Ein Abschnitt zur Dialektdichtung193-19*) leitet hinüber nach Tirol199'202),
das wegen seines allgemeinen litterarischen Lebens schon ein besonderes Kapitel
verdient; von einzelnen Persönlichkeiten erscheinen Ignaz von Zingerle203),
innerungen an A. Grün: Geg. 44, S. 102/5, 119-21. — 158) O X X ^ *■ Frankl, Briefw. zwischen Schmerling u. A. Grün:
NFPr. 1393, 18. Juni. — 159) X A. Grün, Spaziergänge e. Wiener Poeten. 2. Aufl. mit Anm. (= Dtsch.-österr. Nat.-Bibl. her.
v. H. G. L. Weichelt. N. 28.) Wien, Weichelt. 1893. 37 S. M. 0,20. — 160) X A. Grün, E. Märchen aus Franzensbad:
LJb. 3, S. 25/7. — 161) L. Fränkel, A. v. Tschabuschnigg: ADB. 38, S. 695/7. — 162) X A. s- Jos- Samuel Tauber: ib. 37,
S. 423. (1822—79; verkehrt in Paris mit Heine und Moritz Hartmann. Gedichte 1847, 1860, 1864 und 1877. Formale Be-
gabung. Fein in d. Spruchpoesie.) — 163) J. Herzfelder: MünchNN. 1892, N. 53: E. Roeder: BLÜ. 1892, S. 498-500; K.
v. Thaler: NFPr. N. 9138; id.: ib. N. 10615; E. Kuh: NWienTBl. N. 70; Presse N. 70; FrBIW. N. 70/1; BerlTßl. N. 131;
BerlBörsCour. N. 120. — 164) R. M. Werner, L. A. Frankl: ÖÜR. 16, S. 165-85. - 165) Ueber L. A. Frankls Gedicht
„D. Universität": BerlTßl. N. 135. — 166) F. Ilwof, K.G.Ritter v.Leitner: MHVSteiermark. 41, S. 175-222. |[A. Schlossar:
BLU. 1893, S. 790.]| — 167) A. Schlossar, J. G. Seidl u. K. G. v. Leitner: ZOG. 44, S. 865-90. — 168) J. Mauthner,
Gedichte. B., Haack. 1891. 128 S. M. 2,20. |[A. B rieger: BLU. 1891, S. 374/5; E. R.: BohemiaB. 1891, N. 110.] | (Ygl.
JBL. 1892 IV 2:191.) — 169) R. Schweichel, R. Hamerlings Leben u. Dichtungen: NZ»*. II1, 8. 673-S0, 707-12. — 170)
L. v. Sacher-Masoch, Erinnerungen an R. Hamerling: Geg. 42, S. 230/3. (Vgl. JBL, 1892 IV 3:137.) — 171) J. Allram,
Aus d. Heimat Hamerlings. D. Manen d. Dichters gewidm. Bilder aus d. Waldviertel. 2. Aufl. Wien, Hartlebcn. 1893.
80 S. Mit 5 Abbild, u. 1 Fucs. M. 1,20. — 172) R- Hamerling, Letzte Grüsse aus Stiftinghaus. Lyr. Nachl. Her. v.
O.Linke. Hamburg, Verlagsanst. 1893. XV, 264 S. M. 4,00. — 173) A. Schlossar, Aus Hamerlings Nachl.: BLU.
S. 301/2. - 174) Marie v. Ebner-Eschenbach, Parabeln, Märchen u. Gedichte. 1.-2. Aufl. B., Paetel. 1892. 12°.
VI, 182 S. M. 4,00. |[P. V. Szczepauski: VelhagenKlasMh. 1893: 2, S. 554/5.J) (Vgl. JBL. 1892 IV 3:217; 5:12; s. auch
JBL. 1891 IV 6:27.) — 175) id., Aphorismen. 4. Aufl. Parabeln, Märchen u. Gedichte. 3. Aufl. (= Ges. Schriften. Bd. 1.)
ebda. 1893. 219 S. Mit Bildn. M. 3,50. (Vgl. JBL. 1892 IV 3: 218.) — 176) i d. : NFPr. N. 10744; H. L o r m : AZgU. N. 167;
id.: NWienTBl. N. 192; ÜL*M. 72, S. 874; FrBlw. N. 183; H. Grasberger: WienZg. N. 166; Hugo Klein: Presse
N. 183; A. von Weilen: MontagR. N. 37. - 177) M. Necker, Ada Christen: AZg1!. 1893, N. 30. — 178) H. M. Truxa,
Hedwig Wolf. E. litt. Frauengestalt Oesterreichs. Mit 1 Portr., 1 Abbild, u. 5 Novellen aus d. Nachl. Wien, Selbstverl.
(Waschhausg. 1). 81 S. M. 1,00. — 179) Helene Friedländer. E. Denkmal. Wien, Frick. 1892. 123 S. Mit 2 Lichtdr.
M. 3,00. |[P. L.: N&S. 64. S. 273; Nation15. 10, S. 64.] | — 180) Angelica v. Hörmann, Neue Gedichte. L., Liebeskind.
1893. 16». VII, 208 S. M. 3,00. | [O.Ernst: ML. 62, S. 798; Grenzb. 1893:2, S. 513/6.] | — 181) R. M. We r n e r , Angelica
v. Hörmann: ÖUR. 14, S. 13S-42. — 182) L. Katscher, Herrn. Rolletts Leben u. Werke. Festschr. d. Stadt Baden zu
seinem 75. Geburtst. Wien, Perles. 47 S. Mit Bildn. M. 0,80. — 183) D. heimatl. Dichter F. v. Saar z. 60. Geburtst.
Her. vom Ver. für dtsch. Litt. „Ostarrichi." Geleitet v. V. F e 1 g e 1 - F e 1 d e g g u. W. A. Hammer. Wien (L., Schaumbur g-
Fleischer). Fol. 7 S. Mit Bildn. M. 0,50. — 184! H. Frhr. v. Jaden, Alt- Wien u. sein Poet: Alt-Wien 2, S. 199-200.
— 185) K. v. Thal er, F. v. Saar u. seine Wiener Elegien: Geg. 43, S. 218,9. — 186) A. Bettelheim: AZgH. 1893,
N. 226; H. Glücksmann: Presse 1893, N. 270. — 187) K. Pröll, Mich. Albert: Kai. aller Deutschen S. 151/3. — 188)
Albr. Graf von Wickenburg: WienZg. N. 243. — 189) Wiener Lieder: NWienTBl. N. 284. — 190) A. v. Goldschraidt: BerlTBl. 1893,
N. 21. — 191) M. Wundtke, R. Lothar: Geg. 43, S. 73/5. — 192) K. Kraus, Vom jüngsten Wien: Zuschauer 1, S. 128-31.
— 193) L. v. Hörraann, Biogr.-krit. Beitrr. z. österr. Dialektlitt. Dresden, Pierson. III, 78 S. M. 1,00. — 194) E. Keiter,
Oberösterr. Dialektdichter: FrBIW. 1893, N. 326. — 195) M. E. Burokhard, D. oberösterr. Dialektdichtung. Vortr. Ref.:
Presse N. 23. — 196) A. Sohl ossär, F. Stelzhamer: ADB. 36, S. 37,9. — 197) A. Hämmerle, D. Vorarlb. Dialekt-
dichter Casp. Hagen. Progr. Brixen. 24 S. — 198) H. Dieter, Aug. R.tdnitzky, D. „Fink v. Mattsee", Nestor d. österr.
Dialektdichter u. Zweitältester d. österr. Besten überhaupt. Vortr. (Aus d. SalzbZg.) 1.-3. Aufl. Salzburg, Dieter. 1893.
15 S. Mit Bildn. M. 0,40. — 199) Ad. Pich ler, Dialektpoesie in Tirol. E. Nachtr.: ZVVolksk. 4, S. 331/2. —
200) id., Z. neueren dtsch. Dichtung in Tirol: ÖUR. 13, S. 154-80, 255-69. (Vgl. JBL. 1892 IV 4:123.) —
201) Geistiges Leben in Tirol: ÖUR. 13, S. 79-80. — 202) Frida Schanz, Tiroler Lyrik: VelhKlasMh. 1893: 2, S. 442,6.
— 203) S. M. Prem. Vom alten Naz: TirolerGrenzb«. 1892, N. 47-50. — 204) X K- Pröll, Ad. Piohler: Kai. aller Deutschen
J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. IV 2b : 205-258
Ad. Pichler204'207), der verdiente Poet und Forscher Josef von Schnell208),
Hans von Vintler209"212) und der weiche Herrn, von Gilm213) in der
Forschung. —
Die Lyriker der Schweiz, für die zwei allgemeine Sammlungen214213)
zu verzeichnen sind, treten diesmal zahlreicher als sonst hervor216); Heinrich
Leuthold217-219) und Konr. Ferd. Meyer220) beanspruchen freilich das Haupt-
interesse; daneben aber kommen auch Otto Sutermeister221), Friedr. Oeser222),
Felix Hemmerli223) und Jost Winteler224), ein neuer Mann, zur Geltung. —
Während über die deutsche Dichtung in Luxemburg225) nicht eben viel
zu sagen ist, erregt das litterarische Leben der baltischen Lande schon des-
halb bei uns eine so starke Teilnahme, weil es den Verzweiflungskampf des Deutsch-
tums darstellt. Auf die Sammlung des Freiherrn Jeannot von Grotthuss 226) und
Johansons227) ist von vielen Seiten kritisch228"231) hingewiesen worden; aber
Dichter wie W. Smets232), J. von Sivers233), K. W. von Stern234), K. von Fircks 235),
J. Mickwitz236), Maurice R. von Stern237) erhielten auch besondere Charakteristiken. —
Stark und stärker schwillt, auch nach der Seite der Lyrik hin, die Litteratur
über Joseph Viktor von Scheffel an. Es erscheinen Jahrbücher239"240), neue
Forschungen, Miscellen, Reminiscenzen über sein Leben241"248), nachträgliche Samm-
lungen seiner Gedichte249250), Notizen über einzelne seiner Lieder251^253); Scheffels
Mutter Josephine254"255) wird als Dichterin entdeckt. —
Zu Friedrich Theodor V ischers genialer Erscheinung bringen die
„Allotria"256"257) manchen neuen, kräftigen Zug; Th. Storni258) findet Eingang in die
ADB; die Werke eines Humoristen, der nur in respektvoller Entfernung von Vischer
S. 32/3. — 205) F. Schnürer, S. M. Prera, Ad. Pichler. Z. 70. Gebnrtst. Kufstein, Lippott. 18S9. 43 S. M. 0,50. ÖLB1. 1, S.93. —
206) E. H. Greinz, Ad. Pichlers Memoiren: Geg. 42, S. 329-31. — 207) A. J. Weltner, Zu Karoline Pichlers 50. Todest.:
FrBIW. 1893, N. 187. — 208) S. M. Prem, J. v. Schnell, e. tirol. Dichter u. Orient reisender. Nach Briefen n. Tagebüchern
dargest. Innsbruck, Wagner. 1892. 116 S. M. 1,50. (Nur in ISO Exerapl. gedr.) — 209) H. v. Vintler, Gedichte. Mit d. Bildn.
d. Vf. in Photograv. u. d. Facs. seiner Hs. L., Liebeskind. 1892. 12°. XIII, 215 S. M. 3.00. (Vgl. JBL. 1892 IV 2:213b.)
— 210) H. Sander, H. v. Vintler, e. Dichter aus Tirol. Innsbruck, Wagner. 1892. 12°. 42 S. M. 0,50. — 211) K. Wein-
sold, H. t. Vintler: DR. 172, S. 124,6. — 212) E. Gnad, H. v. Vintler: Heimgarten 16, S. 589-93. — 213) H. v. Gilm,
Gedichte. L., Liebeskind. 12°. XVI, 248 S. N. 1,50. ffOttokar Lorenz: Presse N. 280; Geg. 46, S. 47.]| — 214) E. Heller,
Sänger aus Helvetiens Gauen. Album dtsch. -Schweiz. Dichtungen d. Gegenw. Aus Orig.-Beitrr. zusammengest. Neue Volks-
Ausg. Aarau, Sauerländer. 1892. XII, 324 S. M. 2,80. (Vgl. JBL. 1892 IV 2 : 214.) — 215) D. Schweizerland im Liede.
E. Anth. Zusammengest. v. H. Bothmer. (= Bibl. d. Gesamtlitt. d. In- n. Auslandes N. 6368.) Halle a. S., Hendel.
1893. VI, 190 S. M. 2,00. — 216) X D. Jacoby, K. K. Tanner: ADB. 37, S. 383,5. - 217) Ad. W. Ernst, H. Leuthold. E.
Dichterportr. Mit ungedr. Gedichten u. Briefen u. d. Bildn. Leutholds nach e. Gemälde v. F. v. Lenbach. 2. Aufl. Hamburg,
Kloss. 1893. VIIL 163 S. M. 2,50. |[N&8. 67, S. 272; Ges. 1892, S. 1522; A. Schroeter: BLU. 1892, S. 21:J4;
F. V(etter): SchwRs. 1893:1, S. 739-42; HarabCorr«. 1892, N. 5.]| (Vgl. JBL. 1892 IV 2:215.) — 218) E. Kreowski, H.
Leuthold in München: MünchNN. 1893, N. 30. — 219) W. Bormann, H. Leuthold u. d. dichterische Fornibegriff: AZgB. 1893,
N. 196. — 220) K. Geiser. D. Hauptmann Daxelhofer. (Dichtung u. Wahrheit.): BundB. 1892, N. 4/6. — 221) Rob. Weber,
Otto Sutermeister. Gedichte. (= Schweiz. Nationalbibl. N. 30.) Aarau, Sanerländer. V, 73 S. M. 1,40. — 222» Un poete
Suisse: BURS. 53, S. 395 7. — 223) A. Schneider, Felix Hemmerli: ZürcherTb. S. 106-43. — 224) J. Mähly, E. philos.
Dichter (Jost Winteler): Geg. 41, S. 313/4. — 225) Toni Kellen, Luxemb. Dichter: ML. 63, S. 9048. — 226) (IV la:10.)
ITAkBll. 8, S. 241/2; O. v. Uechtritz: DAdelsbl. 1893, S. 974/6; id.: ib. 1894, S. 967S; M. Koch: DldBl. 7, S. 153 4:
H. Stumcke, Zuschauer 1, S. 4S01; SchlesZg. N. 84; O. Harnack: PrJbb. 75, S. 534/6; LCB1. S. 157/8; R. Friedrich:
BLU. S. 21S9; Geg. 46, S. 223; KonsMschr. S. 329-30. — 227) (IV 1 a : 11.) |[Ges. S. 260/1; A. Schroeter: BLU. S. 89;
H. Stümcke: Zuschauer 1, S. 481.]| — 228) G. v. Glasenapp, Neuere Lyrik in balt. Landen: BaltMschr. 40, S. 172-81. —
229) Balt. Anthologien: Grenzb. 3, S. 124/S. — 230) E. Peschkau, Deutsches aus Russland: SchorerFamBl. 15, S. 88-90. —
231) H. v. Petersdorff, Balt. Dichtertum: AkBll. 8, S. 2413. — 232) F. Haagen, W. Smets: ADB. 34, S. 482/7. — 233)
Ar. Buchholtz, J. v. Sivers: ib. S. 4368. — 234) F. Brummer, K. W. v. Stern: ib. 36, S. 107/8. — 235) Dr. S., K. Frhr.
v. Fircks: PrJbb. 75, S. 455-73. — 236) L. P[ietsch], E. balt. Dichter. (J. Mickwitz): SchlesZg. 1892, N. 814. — 237)
H. Wilhelmi, M. R. v. Stsrn, e. socialdera. Dichter. Vortr. (Aus MschrlnnMiss.) Gütersloh, Bertelsmann. 26 S. M. 0,30.
— 238) G. t. Glasenapp, M. R. v. Stern u. V. v. Andrejanoff: BaltMschr. 41, S. 700-36. — 239) Nicht rasten u. nicht rosten!
Jb. d. Scheffelhundes. Her. v. J. St oe ekle u. A. Breitner. St., Bonz. 1892-94. XII, 162 S.; XI, 274 S. ; XIV, 329 S. Mit
Abbild, ä M. 3,00. (Vgl. JBL. 1892 IV 2: 227.) — 240) In honorem Josephi Victoris Scheffe-1. Publikationen für Freunde d.
schönen Wissensch. Her. vom Scheffelbunde in Oesterr. Geleitet v. A. Jarosch. St., Süddtsch. Verl. -Inst. 1893. VIII, 89 S.
Mit Abbild. M. 3,00. — 241) Scheffels richtiger Vorname: BurschenschBll. 7, S. 102. — 242) X J- V. Scheffel, seine Frau u.
sein Verleger: Geg. 46, S. 223. (Zuschrift d. Firma Ad. Bonz & Co.: Scheffel habe mit Ad. Bonz stets in freundschaftl. Ver-
hältnis gestanden. Nicht über den „Trompeter", vielmehr über den „Ekkehard" habe er, und zwar mit Otto Janke, verlagsrechtlicbe
Prozesse geführt [vgl. ib. S. 1837J.) — 243) M. Treutier, 2 ungedr. Briefe V. v Scheffels: MünchNN. 1893, N. 4S9. (Aus
d. PfälzKur.) — 244) V. Abee, Im Spätherbst auf d. Hohentwiel. E. Erinner, an V. v. Scheffel. D. Bedeutung d. Ortsnamens
Crengeldanz. Witten (Cassel, E. Huhn). 1893. 6 S. M. 0,30. — 245) F. Uhlbach, Scheffel in Berlin: Bär. 20, S. 5,7. (Vgl.
BerlBörsCour. N. 6.) — 246) G. Zernin, Generalarzt v. Beck u. d. Dichter Scheffel: NorddAZg. KT. 450, 452. (Vgl. IV 3:215/6.)
— 247) D. Scheffeldenkm. u. d. Scheffelfeier in Karlsruhe: StrassbPost. 1892, N. 323. (Vgl. JBL. 1892 IV 3: 159.) — 248) Z.
Erinner, an Scheffel: Presse N. 191. — 249) J. V. v. Scheffel, Episteln. St., Bonz. 1892. 12°. V, 334 S. Mit Lichtdr.-Bildn.
M. 3,60. |[M. Necker: BLU. 1892, S. 419-20; A. Schöne: DLZ. 1892, S. 1473/5; Nation8. 9, S. 596; Grenzb. 513, S. 576;
ÖLB1. 2, 8. 532/3 ]| (Vgl. JBL 1892 IV 3:152.) - 250) ia., Aus Heimat u. Fremde. Lieder u. Gedichte, ebda. 1891. 12°.
XII, 182 S. Mit Bildn. M. 4,00. |[A. Schöne: DLZ. 1892, S. 1473,5; M. Koch: SchlesZg. 1892, N. 103; J. Schwering:
KZg. 1892, N. 664; F. L.: FränkKur. 1892, N. 504.]| (Vgl. JBL. 1892 IV 2:237a-240; IV 3 : 188.) — 251) Z. heiigen Veit vom
Staffelstein: Vom Fels z. Meer 2, S. 16. — 252) D. Gemeinde Gabelbach. E. Gedicht v. J. V. v. Scheffel: BBSW. 1892
S. 122/3. — 253) A. Trinius, D. Gemeinde Gabelbach: VelhKlasMh. 1, S. 217-30. — 254) Brinzinger, D. Mutter J. V.
v. Scheffels. Vortr.: AZgB. 1393, N. 325. — 255) Josephine Scheffel, Gedichte. St., Bonz. 1891. 12°. IX, 158 S. M. 4,00.
TA. Schöne: DLZ. 1892, S. 1473/5; Grenzb. 51 \ S. 88; M.Koch: SchlesZg. 1892, N. 103; J. Schwering: KZg. 189?!
N. 66411 — 256) F. Th. Vischer, Allotria. Her. v. R. Visoher. St., Bonz. 1892. XX, 486 S. M. 6,00. |[DRs. 71, S. 158;'
Nation». 9, S. 232; Yom Fels z. M. 1892: 2, 8. 337; L. Müllner: ÖLB1. 1, S. 422/5.]| (Vgl. JBL. 1892 IV 2:239-40; 5:177.)
— 257) J. G. Oswald, Fr. Th. Vischer als Lyriker: Zuschauer 2, 8. 158-65. — 258) Erich Schmidt, Th. Storm: ADB. 36,
IV 2b: 259-315 J. E 1 i a s , Lyrik : Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.
genannt werden darf, Ludwig Eichrodts259262), sind in zwei Bänden gesammelt
worden.263) —
Sehr ergiebig ist die Litteratur der Nachlasssammlungen: Es sind hier die
Namen Ferd. Gregorovius264), Karl Werder265), Karl Stauffer-Bern266),
Edmund Dorer267), Friedr. Nietzsche268), Titus Ullrich269) anzumerken; aus
der Feder Kaiser Wilhelms I.270) und des Grafen Moltke271"272) stammen ver-
einzelte lyrische Versuche; eine besondere Gruppe umfasst verschiedene spät ent-
deckte Poeten273-282) dritten und vierten Ranges.283) —
In der Geschichte unserer Dialektdichtung gehören die prachtvollen Ge-
stalten Fritz Reuters284-285) und Klaus Groths286-290) dem Norden an; Bayern be-
sitzt seine Franz von Kobell291"292) und Karl Stiel er293-294), zu ihnen gesellen sich
Nik. Sturm295) und Anny Schäfer296); es gediehen in Frankfurt a. M. Friedrich
Stoltze297"299), in Oberschwaben Mich. Bück300'303), sodann Seb. Sailer304) und
C. Weitzmann305); als plattdeutsche Poeten schliessen sich noch W. Bornemann306),
H. Jürs307), J. Brinckmann308) und der Schlesier H. Köselitz309) an. —
Es folgt ein Kapitel über die zeitgenössische Dichtung, das an Material
überreich ist. In einen allgemeinen310-332) Teil gehören Sammlungen und umfassen-
dere Betrachtungen über bestimmte Richtungen und leitende Ideen. —
S. 448-56. - 259) L. Eichrodt, Ges. Dichtungen. 2 Bde. St. Bonz. 1892. VIII. 440 EL; 512 S. M. 5,00. |[Grenzb. 52',
S. 584/7]. | (Vgl. JBL. 1892 IV 2:240.) — 260) O., L. Eichrodt: MünchNN. 1S92, N. 102. - 261) L. Eichrodt: SchwäbKron.
1892, 2. Febr. — 262) Aufruf z. Errichtung e. Grabdenkm. für L. Eichrodt: BurschenschBll. 7, S. 35/6. - 263) X p- Brummer,
H. Steinhener: ADB. 35, S. 725/6. (1819-89; e. Koblenzer; erste Gedichte 1860.) — 264) F. Gregorovius, Gedichte. Her. v.
A. F. Graf v. Schack. L., Brockhaus. 1892. 12°. XXXI, 192 S. M. 4,00. |rA. W. Ernst: Geg. 41. S. 200/2.] | (Vgl. JBL.
1892 IV 2: 312a.) — 265) K. Werder, Gedichte. Her. v. O. Gildemeister. B., Fontane & Cd. XVI, 245 S. M. 4,00.
||Th. Wolff: Zeitgeist N. 45.] I — 266) O. Brahm, K. Stauffer-Bern. Sein Leben. Seine Briefe. Seine Gedichte. (JBL. 1893
I 11:16.) L.. Göschen. 1892. XIII, 340 S. M. 4,50. — 267) E. Dorer, Lyr. Gedichte, Fastnachtsspiele, Uebersetz. Her. v.
A. F. Graf v. Schack. (= Nachgel. Schriften Bd. 1.) Dresden, Ehlermann. 1893. XX, 728 S. M, 4,00. | [LCB1. S. 1110/1.]|
- 268) F. Nietzsche, Gedichte u. Epigramme: Zukunft 6, S. 614/5. — 269) Gedichte v. Titus Ullrich: NAS. 66, S. 221/8.
— 270) E. Gedicht Kaiser Wilhelms: DAdelsbl, 10, S. 885. - 271) G. Karpeles, Moltke als Dichter: Geg. 44, S. 278-81. —
272) X D. Sanders, Moltke als Dichter: ZDS. 8. S. 2/4. (Wertlose sprachl. Bemerk, zu Karpeles, Moltke als Dichter
[N. 271].) — 273) 0. Sievers, Gedichte. Aus d. Nachl. d. Dichters. Her. v. dessen Witwe. (Mit Bildn.) Braunschweig,
Goeritz. 1891. XXIV, 124 S. M. 2,70. (Vgl. JBL. 1892 IV 2:302; 5:170.) — 274) 0. Baisch, Lieder n. Sinnsprüche. Aus
seinem Nachl. her. Mit Portr. d. Dichters, Federzeichnungen u. Radierungen v. H. Baisch. St, Dtsch. Verlagsanst. 1893.
4°. 152 S. M. 10,00. |[G. : WIDM, 75, S. 784 ]| — 275) Betty Titze, Aug. Meixner, Gedichte. Nach seinem Tode ges. u.
her. v. seiner Schwester. Freiwaldau, Betty Titze. 295, XI S. M. 4,50. — 276) F. Seibt, Lyr. Nachl. Her. u. eingel. v. E.
R. Seibt. Nene (Titel-) Aufl. Dresden, Heinrich. XIX, 110 S. M. 2,00. (1. Ann. 1888.) — 277) H. v. Samson, G. EL
Kirchenpauer: BaltMschr. 38, S. 359-413, 421-40 (vgl. JBL. 1891 I 5:421; 1892 IV 2:308). — 278) H. Weismann, Gedichte.
Mit biogr. Einl. nach d. Vf. Tode her. v. H. Bulle. (Mit Bildn.) Frankfurt a. M.. Diesterweg. 1891. VIII, 211 S. M. 3,00.
|[Didask. N. 251.]! (Vgl. JBL. 1892 IV 2:300/1.) — 279) P. Walter, Gedichte. Aus d. Nachl. e. Verstorbenen. Ges. v.
Karoline Walter. Troppau. Zenker. 1893. 12°. V1I1, 87 S. M. 2,00. — 280) W. Tennert, Gedichte e. schlichten Mannes.
Ausgew., mit e. Einl. versehen n. her. v. E. Böhme. Jena, Neuenhalin. 1892. XVI, 59 S. M. 1,00. (T. war früher Rats-
wachtmeister in Jena.) — 281) D. Andenken Schäfflers. E. Biogr. d. Verewigten u. Samml. d. v. ihm hinterlass. Gedichte u.
Gelegenheitsschriften. Würzburg, Kressner. 1893. 16°. 171 S. Mit Bildn. M. 4,00. - 282) Frida Schwab, Fata Morgana.
Dichtungen her. v. W. Arent. München. Pössl. 1893. X, 160 S. M. 2,00. — 283) X H. Hoffmann-Donner: Gartenlaube
S. 707. — 284) E. ungedr. Gedicht F. Reuters: BerlTBl. 1892, N. 41. — 285) A. Brückner, Rede bei d. Enthüllungsfeier
d. Reuterdenkm. zu Neubrandenburg. Neubrandenburg, Brünslow. 1893. 16 S. Mit Bildn. M. 0,30. — 286) (IV 3 : 257.)
irDRs. 75, S. 156; ML. 61, S. 852; BLU. 1893, S. 393; HainbCorr. 1893, N. 31; Karl Werner: AZgB. N. 92; id.:
WienerZg. 5. Febr.; N&S. 65, S. 136; C. S.: DR. 51-, S. 393/4; H. Krumm: KielerZg. N. 15253, 15255; Georg Hoff-
mann: NatZg. N. 57; Didask. N. 55; WZg. N. 16 535.] | — 287) K. Eggers, Kl. Groth: Zukunft 4, S. 557-65. -
288) Eng. Wolff, Kl. Groth: Geg. 43, S. 245/8. — 289) Kl. Groth, Lebenserinnernngen (JBL. 1892 IV 2 : 263/4):
WIDM. 72, S. 142. - 290) Eugen Wolff, Neues v. Kl. Groth: Geg. 45, S. 250. — 291) Irene Ollendorf, Z. Erinner, an
F. v. Kobell. Z. Münchner Kobellabend: AZgB. 1893, N. 104. - 292) L. Heller, E. Sonntagskind: FränkKur. N. 311. (Franz
v. Kobell.) — 293) F. Muncker, K. Stieler: ADB. 36, S. 196-201. — 294) K. Stieler, Münchens Gruss. (Ungedr. Nachl.):
DDichtung. 15, S. 284. - 295) H. Holland, Nik. Sturm: ADB. 37, S. 45/3. — 296) F. Violet, E. oberbayer. Volksdichterin:
VossZgü. 1893, N. 46. — 297) F. Stoltze, Ges. Werke in 4 Bdn. Mit d. Bildn. d. Dichters u. Abbild, seines Geburtshauses
„Z. Rebstock" (nach Zeichnung v. 0. Lindheimer), seines Wohnhauses am Grüneburgweg u. d. Stoltze-Plätzchens bei Königstein.
(Her. v.O. Hört h.) Frankfurt a. M., H.Keller. 1892. VII, 375 S.: 104 S.; V, 379 S.; XVI, 367 S. M. 12,00. ^SchwäbKron. 1892,
26. Febr.]| (Gedichte in Bd. 1-2. Vgl. JBL. 1892 IV 2:245.; 3:92.) — 298) 0. Hörth, F. Stoltze: ADB. 36, S. 415/9. —
299) L. v. Sacher-Masoch, F. Stoltze: Geg. 41, S. 376/9. - 300) A. Holder, M. Bück u. seine kulturgesch. Dialekt-
dichtung: Alemannia 21, S. 1/5. — 301) id , D. schriftstell. Thätigkeit Dr. M. Bucks: ib. S.5-12. — 302) P. Beck, E. Buck-
Reliquie: ib. S. 12/3. — 303) Th. Ebner, M. Bück: AZg«. 1893, N. 105. - 304) Seb. Sailer, Säratl. Schriften in schwäb.
Dialekte. 4. Ausg. mit Wörterb. u. Einl. v. K. D. Hassler. 111. v. G. Heyberger. Ulm, Ebner. 1893. 12°. XVI, 271 S.
M. 1,80. — 305) C. Weitzmann, Sämtl. Gedichte in schwäb. Mundart. Vollständigste Ausg. 9. Aufl. Mit e. Anh. Strass-
burg i. E., Druckerei u. Verlagsanst. 1892. 16°. IV, 200, X S. M. 1,00. — 306) H. Pröhle, W. Bornemann: WIDM. 73,
S. 855/7. — 307) H. Jürs, Plattdtsch. Schriften. 1. Bd. Hamburg, Kramer. 1893. 160 S. M. 2,00. - 308) A. Dan, J.
Brinckmanns Lyrik: BLU. 1893, S. 385/8. - 309) Aeltore Gedichte. 3. Aufl. besorgt \T H. Köselitz. (= Alte u. neue Ge-
dichte n. Geschichten in erzgebirgischer Mundart. 1. Heft.) Annaberg, Graser. 1892. 12°. M. 0,50. — 310) Cottascher
Musenalm. für d. J. 1893-95. Her. v. O.Braun. St., Cotta. 1S92-94. 12°. 312 S.; VIII, 296 S.; 294 S. ä M. 6,00.
j[L(udwig) G(eiger): Nation«. 9, S. 216; DRs. 73, S. 469-70; ML. 61, S. 831/2; R. Weltrioh: AZgB. 1892, N. 272 ;
SchwäbKron. 1892, 24. Nov.; Grenzb. 52», S.82/4; DRs. 81, S. 476; Gartenlanbe S. 839-40; E. Heilborn: ML. 63, S. 1625/6;
A. Schlossar: BLU. S. 794/5-11 (Vgl. JBL. 1892 IV la:8; 1893 IV la: 17; s. o. IV la: 14.) — 311) Mod. Musenalm. auf
d. J. 1893-94. 2 Bde. München, Dr. E. Albert A Co. 1893. XII, 403 S.; XI, 317 S. M.7,00; M. 6,00. |[WIDM. 75, S.267/8, 653;
Th. v. Sosnosky: DR. 3, S. 117/9; R. Friedrich: BLU. S. 216/8; Bär 20, S. 110; K. Kraus: Zusohauer 1, S. 336;
PrJbb. 75, S. 532/4.]| (Vgl. JBL. 1893 IV 1 a : 18.) — 312) A. Fitger, Neue Bremer Beitrr. (Vgl. JBL 1892 IV la:10.)
Bremen (Rühle A Schlenker). 1892. 12°. IV, 114 S. M. 1,50. IfWeserZg. N. 16305.]| — 313) Gedichte aus d. Afranischen
Musenalm. v. 1843 — 93, ausgew. u. z. 350j. Jubelfeier d. kgl. Landes- u. Fürstenschule her. v. d. gegenw. Mitgliedern d. afran.
Dichterkränzchens. Meissen (L. Mosche). 1893. VII, 88 S. M. 1,40. — 314) E. Loewenthal, Internat. Säkularalbum
als Gruss d. Dichter u. Denker d. 19. an d. d. 20. Jh. Dtsch., österr. u. Schweiz. Schriftsteller. B., Siegismund. 1892. Lex.
VIII, 125 S. M. 3,00. KSaturdayR. 74, S. 148; DDichtung. 15, S. 32.]| - 315) H. Kiehne. Hausbuch dtsch. Lyrik. Vjs. für
J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. IV 2b : 3ie-3S4
Zu einer älteren Grup pe treten P. Hevse333-334), H. Kruse335), F. Dahn336"337),
W. Jordan338), F. Spielhagen339-340), K. H. Keck341), der Marschendichter H. All-
mers342-348), A Moser349 35°), H. Lorm35*), E. Scherenberg 352"354), H.Seidel355), Karl
Müller356), Franz Bonn357), sodann Martin Greif358), H. Bulthaupt359), A. Fitger360),
Hans Hoffmann 361"363), Jul. Sturm364 366), W. Beyschlag367) und Friedrich Adler368)
zusammen.369) —
DenUebergang zur jüngeren Gruppe der Modernen und Modernsten weisen
Prinz Emil von Schönaich-Carolath370), E. von Wildenbruch 371_373), Ludw. Fulda374),
K. Spitteler375), der Bildhauer G. Eberlein376), J. J. David377), Leop. Jacoby378).
Auf vorgerücktem Posten dann stehen: Detlev von Liliencron 379"382^ Herrn. Conradi383),
dtsch. Dichtkunst u. Kritik. 10. Bd. 4 Hfte. Nordhausen, Selbstverl. 32°. a 2 Bogen. M. 6.40 — 316) id., D. dtsch.
Lyriker d. Gegenw. E. Samml. mit Qnellenang. u. litt. Begleitwort. 1. Bd. ebda. 32°. 72 S. M 2.00. — 317) Herbstblätter.
Skizzen n. Festgedichte z. 60. Geburtst. M. Heinzeis. Mit Beitrr. v. P. Barsch, H. Banch, C. Biberfeld usw. Im Auftr. d.
Breslaner Dichterschule ges. v. C. Biberfeld. Breslau (J. Max). 1893. 16 S. Mit Bildn. u. 1 Abbild. M. 0,75. - 318)
Dtsch. Lyrik v. 1891. Ges. u. her. v. C. G. Bruno, F. Montanus, F. Servaes. St., Union. 1892. VII 327 S. M. 3,50.
liNationB. 10, S. 64; BLTJ. 1S92, S. 710; A. Koste r: HambCorr. 1892, N. 394.H — 819) Menschl. Tragödie. Gedichtbuch d.
Gegenw. v. M. Apfelstaedt, A. Garde, H. Löns, P. Merwin, V. Traudt n. J. Vanselow. Dresden, Pierson. 1893.
VII, «8 S. M. 2,00. |[A. Brieger: BLTJ. 1893. S. 508/9.]| — 320) Symphonie. E. Gedichtbuch v. C. Busse, F. Evers, G. E.
Geilfus, V. Hardung, J. Vanselow. Her. v. F. Evers. München, Pössl. 1892. 199 S. M. 4,00. — 321) Mod. Lyrik. E.
Samml. zeitgenöss. Dichtungen. Her. v. L. Berg n. W. Lilienthal. B., Waldau. 1892. X, 366 S. M. 6,00. |[A.
Brieger: BLTJ. 1893, S. 28;9.]| (Vgl. JBL. 1892 IV la:9.) — 322) E. Kap. v. dtsch. Lyrik: Grenzb. 52 \ 81/9, 479-85; 53*,
S. 217-34. — 323) A. Biese, Mod. Lyrik: Didask. 1S92, N. 2501. — 324) M. Schwann, „Gedanken u. Herzblut." E. krit.
Gang durch d. Lager d. Modernen: FZg. 1S93. N. 66. — 325) Otto Ernst, Verse: ML. 63, S. 15-21, 107-11. — 326) A.
Biese. TJeber Lyrik u. neuere dtsch. Lyriker: Post N. 317, 3201. — 327) E. Ziel, Neue Poesie: FZg. 1893, N. 204, 239. —
328) H. Schacht, Mod. Lyrik. E. Beitr. z. Beurteilung mod. Litteraturströmungen: Geg. 43. S. 379-81. — 329) H. E.
Wach ler, Mod. Lyrik: 20. Jh. 1893: 2, S. 94/5. — 330) R. Weit brecht, Aus unerschöpflichem Born: BLTJ. S. 516-20,
533/8. — 331) H. Kraeger, Neue Lyrik: BLTJ. S. 604/6. — 332) E. G. Steude, Einige Blüten d. „mod." Lyrik •- BG1. 15,
S. 357/9. — 333) P. Heyse, Gedichte. 5. Aufl. B., Besser. 1893. XIV, 544 S. Mit Bildn. M. 3,60. — 334) Cinq veterans
de la poesie: H. Lingg, W. Jensen. Ad. Grimminger, K. Stelter, Louise Otto: BTJRS. 63, S 410 5. - 335) H. Kruse, Gedichte. L„
Hirzel. 1892. VI, 151 S. M. 2.00. |[H. Düntzer: AZgB. 1892, 1. Apr.; k. b.: Didask. 1892, N. 208.]| - 336) F. Dahn,
Gedichte. 4. u. 5. Samml. L, Breitkopf & Härtel. 1892. XII, 554 S.; VIII. 119 S. M. 10,00. ![A. Brieger: BLU. 1893. S. 521/2.) |
— 337) M. Koch, Bemerkungen zu F. Dahns Samml. Vaterland. Gedichte: DWB1. 6. S. 237/9. — 338) W. Jordan, Letzte
Lieder. Frankfurt a. M., W. Jordan. 1892. 12°. 241 S. M. 3,00. IrSchwäbKron. 1S92, 20. Dec.]| (Vgl. JBL. 1892 IV 2: 422.)
— - 339) F. Spielhagen, Gedichte. L.. Staackmann. 1892. 12°. VII. 253 S. M. 3,75. |[P. Lindau: 64, S. 115-23;
F. Lemmermayer: BLTJ. 1892, S. 167/8; Erich Schmidt: ML. 61, S. 85; A. W. Ernst: Geg. 41, S. 200/2.]| — 340) X
Th. Me bring. R. Gottschall in Hamburg: DBühneng. 1893, S. 349. (G.s Lied v. d. Flasche, zu Hamburg entstanden, wo er
1847—48 Dramaturg war, wurde in A. Probsts Komposition vom Kellermeister in Lortzings „TJndine" gesungen.) — 341) K. H.
Keck, Gedenkbuch e. Snhleswig-Holsteiners aus 5 Jahrzehnten. Gedichte. IT. Politisches. Gotha, Perthes. 1891. VIII, 199 S.
M. 2,40. |[KonsMschr. 1893, S. 666,7; ThLB. 17. S. 244.H (Vgl. JBL. 1892 IV 2: 153b.) — 342) L. Bräutigam, D. Marschen-
dichter H. Allmers Sein Leben u. seine Schriften. E. Festgabe zu seinem 70. Geburtst. am 11. Febr. 1891. Oldenburg, Schulze.
1891. 45 S. Mit Bildn. M. 0,75. IpLZ. 1892, S. 1300.1 (Vgl. JBL. 1892 IV 2 : 268.) — 343) D. Rustringer Heimatsbnnd
(11. Allmers): SchwäbMerk. 1892, 13. Mai. - 344) H. Allmers, Sämtl. Werke. I.-IV. (In 2 Doppelbdn.) Oldenburg, Schulze.
1892. VIII, 459 S.; VII, 470 S. M. 10,00. IfPrJbb. 71, S. 525/6.]| — 345) id.. Sämtl. Werke. V. Dichtungen. 3. Aufl. ebda.
1893. VIII, 239 S. M. 2,50. — 346) id., Dichtungen. 3. Aufl. ebda. 1892. VIII, 239 S. M. 3,00. — 347) id., Mein Lied
v. d. Rudelsburg: BnrschenschBll. 8, S. 82/3. — 348) Brief u. Gedicht v. H. Allmers: JbGesEmden. 10. S. 159-61. - 349) A.
Moser, Ans d. Mansarde. Neue Gedichte. 5. Samml. Bremen, Heinsius. 1893. V, 297 S. M. 3,00. |[Geg. 43, S. 255;
0. Ernst: ML. 62. S. 798; M. Schneidewin: NatZg. 1S93, N. 525; E. Roeder: Didask. 1893, N. 279; H. Conrad:
DWB1. 6. S. 357; G. Morgenstern: Ges. S. 259-60.11 — 350) W. Bormann, A. Moser: AZgB. 1893. N. 260, 262,265. —
351) H. Lorm, Gedichte. 7. verm. Aufl. Dresden, Minden. 400 S. M. 5,00. |[F. Lemmermayer: BLTJ. S. 481/3. — 352)
E. Scherenberg. Gedichte. 3„ stark verm. Aufl. Ges.-Ausg. L., Keils Nachf. 1892. ISP. XII, 387 S. M. 6,00. |[BLTJ.
1892, S. 623; R. Weitbrecht: BLU. 1393, S. 250; TglRs. 1892, 23. Dac; Grenzb. 521. S. 878; A. B(artels): Didask.
1S92. N. 284; H. Conrad: DWB1. 6, S. 358/9.]| — 353) id.. Gedichte. Ges.-Ausg. 5. Aufl. ebda. 12°. XV, 434 S. M. 6,00.
— 354) X Friedr. Hofmann: BurschenschBll. 7, S. 11/4.— 355) H. Seidel, Neues Glockenspiel. Ges. Gedichte. 2. Samml.
(= Ges. Schriften, 11. Bd.) L, Liebeskind. 1892. 16°. XI. 277 S. M. 3,00. (Vgl. JBL. 1892 IV 3:195). — 356) Karl
Müller: Didask. 1893, N. 98. — 357) F. Bonn, Für Herz u. Haus. Regensburg, Habbel. 1892. 12». VI, 318 S. Mit Bildn.
M. 5,00. — 258) S. M. Prem, M. Greif. Versuch e. Gesch. seines Lebens u. Dichtens mit bes. Rücksicht auf seine Dramen
u. seine Stellung in d. dtsch. Litt. L., Renger. 1892. 204 S. Mit Bildn. M. 3.00. irGeg. 43. S. 79; 0. Lyon: ZDU. 7,
S. 75/7: K. Eis Schill: ÖLB1. 2, S. 75/6; J. E. W.: ÖUR. 14, S. 430/1: WZg. N. 16538; A. John: LJb. 3, S. 82 J| (Vgl.
JBL. 1892 IV 4:84.) — 359) J. F. Lahmann, H. Bulthaupt: WZg. N. 16483. — 360) W. Sommer, Etwas für
Herrn Fitger: DPßl. 27, S 391 2. — 361) Hans Hof f mann, Vom Lebenswege. Gedifhte. L, Liebeskind. 1893. XII, 393 S. M. 6,60.
— 362) P. Siech, E. Selbstbiogr. in lyr. Gedichten (Hans Hoffmann): VelhKlasMh. 1893: 1, S. 657-63. — 363) M. Necker,
Neues v. Hans Hoffmann : AZgB. 1892. N 300. 364) J.Sturm, Neue lyr. Gedichte. L, Janssen. 12°. VIII. 200 S.
M. 4,00. I[BLU. S. 168-70.]| — 365) id., Kinderlieder. Nürnberg, „Kindergartenlaube«. 1893. 4°. VIII, 117 S. Mit
färb. Bildern. M. 5,00. |[ZDU. 8, S. 86.]| — 366) X Ä- Sturm, Dtsch. Liederbuch. 2. verm. u. veränd. Aufl. v. Pereat
tristitia. Gedichte. D. neueren Dichtungen. 6 Bd. L.,Jacobsen. XVI, 163 St. M. 4,00. irGeg. 46, S. 366.H — 367) W. Bey schlag,
Blütenstranss vom Lebenswege. Ges. Gedichte. Halle a S., Strien. 1893. 12°. 150 S. M. 3.00. ||"H. A. Lier: BLU. S. 285.]|
— 368) F. Adler. Gedichte. B., Fontane. 1892. VIII, 230 S. M. 3,00. |[B. Rüttenauer: BLU. 1893, S. 428-30.]! —
369) X Ja» Edgar, Emil Claar: DBühneng. 23, S. 171/2. — 370) C.Busse: Prinz Emil v. Schönaich-Carolath : Zeitgeist
1893, N. 5. — 371) E. v. Wildenbruch, Lieder u. Balladen. 6. Aufl. B., Freund & Jeckel. 1893. XVI, 328 S. Mit Portr.
u. Facs. M. 4.00. — 372) X W. A. Jordan, Dichtungen. 2. gesicht. u. verm. Aufl. Weimar, Zuckschwerdt. 1893. 12°.
175 S. M. 3,50. irGeg. 44, S. 414.] (Dass. in 3. Aufl. u. wohlfeilerer Ausg. [175 S.J M. 1,80; Improvisator.) — 373) X
Philipp Graf Eulenburg: DWB1. 7, S. 610/1. (TJeber Graf E.'s „Skaldengesänge", Braunschweig, Westermann. 1892. 4°. VII,
100 S. Mit Illustr. M. 20,00.) — 374) L.Fulda, Sinngedichte. 2. Aufl. St, Cotta. 1893. 16». 175 S. M. 2.00. |[Otto
Ernst: Zuschauer 1, S. 384/5; L. Beer: Nation» 11, S. 202.]l — 375) 8., K. Spitteler: AZgB. i893i N. 42. _ 37g) G. Eber-
lein, Aus e. Bildners Seelenleben (JBL. 1893 I 11:378; 12:105a). B., Schultz-Engelhard. 1892. Fol. 62 S. Mit Abbild.
M. 50,00. — 377) J. J. David, Gedichte. Dresden, Minden. 1892. 12°. VIII, 128 S. M. 2,00. |[NorddAZgB. 1892, 13. Jan.]|
— 378) R. Schweichel, Leopold Jacobys „Deutsche Lieder aus Italien": NZSt. 10», S. 7728. (München, Pössl. 1891. 158 S.
M. 1,80.) — 379) 0. J. Bierbaum, Frhr. D. v. Liliencron. (= D. mod. Litt, in Einzeldarst. Bd. 5.) L., Friedrich. 1892.
III S. M. 1,00. |IW1DM. 73, S. 717.J Dass. später wieder abgedr. in Gesamtbd. 2 dess. Unternehmens; vgl. JBL 1891
IV 3:237.) — 380) F. Oppenheimer, D. v. Liliencron: VossZgB. N. 41/2. — 381) G. Falke, E. ungehaltener Vortr.: ML. 63,
S. 1033-42. - 382) D. v. Liliencron, Neue Gedichte. L., Friedrich. 1893. VIII, 248 S. M. 4,00. |[WIDM. S. 782; Ges.
S. 770-88; N&S. 70, S. 41ö.]| -J383) A. Bartels, H. gConradi. ;E. Erinnerungebl.: Didask. 1893, |N. 66. — 384) Th.
IV 2b •. 385-458 J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.
Rieh. Dehmel384"385), Carl Busse386-381), Otto Ernst388), W. Walloth389), Otto Jul. Bier-
baum390"391), Jul. Petri392) und eine Dichterschar geringeren Grades.393-396) —
Die Frauenlyrik397) der neuesten Zeit ist für sich zu betrachten. Carmen
Sylva398400), Johanna Ambrosius401), Frida Schanz 402), Alberta von Puttkamer403"404)
und Maria Janitschek 405~406) rufen das ästhetische Urteil auf. —
Es folgt ein Kapitel über socialistische Tendenzdichtung, in das
Sammlungen von Arbeiterlyrik407'412) und Schilderungen einzelner Vf., wie Karl
Henckell413) und Johannes Wedde414), gehören. —
Das Volks- und Studentenlied wird nur insoweit betrachtet, als einzelne
Lieder415-449) im 19. Jh. ein besonderes literarhistorisches Schicksal hatten. —
Auch die geistliche450-453) Lyrik findet nur insofern Berücksichtigung,
als es sich um neuere Dichter handelt oder ältere Motive in moderner Umdichtung
erscheinen. —
Ein Abschnitt U e b e r s e tz u n g e n 454-456j beschäftigt sich mit den Bestrebungen
neuester Lateiner. —
Die schwere Masse der Gedichtsammlungen lässt sich stofflich ordnen:
v. Sosnosky, R. Dehmel: DR. 3, S. 371/2. — 385) R. Dehmel, Erlösungen. E. Seelenwandlung in Gedichten u. Sprüchen.
L., Göschen. 1892. V11I, 210 S. M. 3,00. |[M. Carriere: AZg". 1S92, 9. Jan.JI — 386) P.Schlenther, C. Busse: VossZgB. 1893,
N. 52. (üeher d. 2. veränd. Aufl. d. Gedichte [Grossenhain, Baumert u. Ronge. VIII, 164 S. M. 2,00]; vgl. auch WIDM. 76, S. 252.) —
387) A. Kerr, E.Dichter: Nation«. 10, S. 154/5. - 388) F. Mehring, Otto Ernst: NZSt. 12», S. 377/9. — 389) G.Ludwigs,
W. Walloth. L., Friedrich. 1893. 103 S. M. 1,50. (Vgl. JBL. 1891 IV 3:233, 235/8; 1892 IV 3:221.) - 390) A. Holz,
E. neuer Lyriker: ML. 61, S. 375,6. — 391) H. Schmidkunz. „Erlebte Gedichte" (O. J. Bierbaum). (B., Isslcib. 1892. VIII,
217 S. M. 4,50.) — 392) A. Kerr, Julius Petri: ML. 63, S. 1494/5. — 393) L. Scharf, Lieder e. Menschen. München,
Dr. Albert & Co. 1892. 112 S. M. 3,00. |[0. J. Bierbaum: FrB. 1893: 1, S. 197-200; Otto Ernst: ML. 62, S. 799. (Mit
Bildn.) — 394) L. Berg, Esoterische Lyrik: Zuschauer 1, S. 238-90. — 395) A. Stoessel, Auch e. Dichter [K. Pudor.] :
Geg. 42, S. 109-11. —396) A. Schaf heitlin, Letzte Gedichte. Nebst Anh.: Mod. Verehrer. Satire. B., Rosenbaum & Hart.
1892. VII, 352 S. M. 4,00. |fR. Weitbrecbt: BLU. S. 732/3; N&S. 68, S. 275.]| (Dazu als Nachtr.: D. Geisterkampf,
ebda. VII. 119 S. M. 1,50.) — 397) K. B[orinski?J, Dichtende Frauen: Grenz. 523, S. 507-19. (Vgl. JBL. 1893 IV 2b: 25).
— 398) Carmen Sylva. Poesie di una regina. 1. versione dal tedesco d G. R. di S. Con faesimile di lettera autografa e di
un ritratto di S. M. la regina di Rumania Milano, Hoepli. 12°. 179 S. Con ritratto e due tavole. — 399) R. Lovera,
Carmen Sylva en Roumanie. Conference. Brescia, Selbstverl. 1893. 16 S. M. 0,75. — 400) J. W. Wylie, Carmen Sylva and
her latest poem: Beifords Monthly 1892, Febr. — 401) K. Schrattenthal, E. Yolksdichterin: Gartenlaube S. 647/8. (1. Ausg.
d. Gedichte v. Johanna Ambrosius erschien 1895.) — 402) B. W. Zell, Frida Soyaux-Schanz: ÜL&M. 71, S. 502/3. — 403)
Alberta v. Puttkammer. Offenbarungen. Dichtungen. St., Cotta. VIII, 162 S. M, 4,00. |[L. Berg: Zuschauer 2, S. 322 ;
R. Weitbrecht, BLU. S. 731/2; Frau 1, S. 758.]| — 404) J. V. Widmann, E.Dichterin d. Leidenschaft: NationB. 11, S. 556/9.
— 405) A. Dresdner, Maria Janitschek: ML. 62, S. 297-300. — 405a) L. Berg, E. Symbolistin: Zeitgeist N. 19. — 406)
L. Beer, Maria Janitschek: DDichtnng 15, S. 219-22. — 407) Dtsch. Arbeiter-Dichtung. E. Ausw. Lieder u. Gedichte dtsch.
Proletarier. Bd. 1-5. St., Dietz. 1892. 12°. VIII, 200 S.; VI, 192 S.; VIII, 160 S.; X, 174 S.; XII, 160 8. ä M. 1,00. |[Kw. 6, S. 212/3 ;
A. Friedrich: Geg. 46, S. 329-30] - 408) L. Berg, D. soc. Frage in d. Lyrik. Zu e. Vortr. W. Bölsches: ML 61, S. 16.
-- 409) Litt, revolutionnaire: BURS. 64, S. 177/8. — 410) Proletarierdichter u. Proletarierlieder: Grenzb. 522, S. 27-35,
67-76. — 411) Hanno Ernst, Socialist. Dichter: Geg. 46, S. 25/6. — 412) E. Beilot, Poetes et chansonniers socialistes.
Paris, Le Roy. 1893. 96 S. Fr. 2.00. — 413) Buch d. Freiheit. Ges. u. her. v. K. Henckell. 2 Bde. B., Verl. d. „Vorwärts".
XVI, 603 S. M. 3,50. — 414) J. Wedde, Ges. Werke. L: Persönliches (Gedichte). Hamburg, Grüning. LIII, 497 S. M. 4,50.
|[R. Weitbrecht: BLU. S. 733/4; Geg. 46, S. 350.71 — 415) D. Verunstaltung dtsch. Lieder: Grenzb. 524, S. 316-24.
(Vgl. JBL. 1893 IV 2b:2) — 416) X k Geiger. Berl. Gedichte (JBL. 1890 IV 1:78). |[B. Seuffert: DLZ. 1892, S. 331/2;
Grenzb. 523, S. 47/8 ]| - 417) Soldatenlied v. 1758: BGNiederrh. 7, S. 441/4. — 418) R. Sprenger, Zu d. Liede „Im
Himmel sitzt d. alte Fritz":. ZDU. 6, S. 56/7. - 419) X J. Mähly, D. Entsteh, d. Marseillaise: Didask. 1892, N. 231.
(Wiederholt aus d. BaslerNachr. d. Erzähl, d. Frau v. Dietrich in d. Briefe an ihren Bruder Peter Ochs in Basel
u. aus „Les Annales" Rougets de Vlsle eigene romantisch gefärbte Darstell, über d. Entsteh, d. Marseillaise; vgl. JBL. 1892
1 9:42/3.) - 420) 0. Glöde, Ueber e. Napoleon- Vaterunser: ZDU. 6, S. 357/8. — 421) R. Faust, Zu e. Lied aus d. Frei-
heitskriegen: ib. S. 844/5. — 422) id., E. Gedicht über sieben Kriegstage in Wismar aus d. J. 1813: ib. S. 5712. —
423) H. C. Kellner, Z. Frage d. dtsch. Nationalhymnus: LZgB. N. 125. (Vgl. IV 2a:9-10.) — 424) H. Pröhle, Bernh.
Thiersch: ADB. 38, S. 4/6. (Vf. d. Preussenliedes.) - 425) id., D. Preussenlied. Vortr. in GDL : DLZ. 1892, S. 1377. —
426) L. Liehner, E. dtsch. Nationallied u. sein Vf.: KZEU. 61, S. 409-13. — 427) 0. M. M., „Was ist d. Deutschen Vater-
land": Daheim 29, N. 7. — 428) H. Pröhle, K. h\ H. Strass (0. v. Deppen): ADB. 36, S. 501/2. — 429) E. Wasserziehe r,
Schleswig-Holstein meerumschlungen: ZDU. 6, S. 785. — 430) „Schleswig-Holstein meerumschlungen": Bär 20, S. 219. — 431)
E. Ausmarsch aus Sachsenhausen am Palmsonntag: Didask: 1S92, N. 86. — 432) R. G., Studentenlieder: NatZg. 1892, N. 437.
— 433) M. Friedländer, Ueber dtsch. Studentenlieder. Vortr. in GDL.: DLZ. 1892, S. 512/4. (Vgl. JBL. 1892 I 9:44.) —
434) D. A. v. Binzer: BurschenschBll. 7, S. 130, 157/8, 189. — 435) X Ed. Marshall, „Gaudeamus igitur": NQ. 5, S. 503.
(Ueber e. griech. Uebersetz. v. Dr. Gelbe.) — 436) Gaudeamus igitur: ZDS. 6, S. 379-80. — 437) A. Kopp, Gaudeamus igitur:
BurschenschBll. 7, S. 242/4, 267-70. — 438) D. Lied v. d. Lore am Thore: Didask. 1892, N. 82. (Dass. SchwäbMerk. 1892, 7. April.)
— 439) D. Lied „Tacitus u. d. alten Deutschen": BurschenschBll. 6, S. 245/6. — 440) F. H. Löscher, D. Fürst v. Thorn: ib.
8. 121/4, 145-50. — 441) L. Fränkel, „Doktor Eisenbart": ZKultG. 2, S. 492/4. (Dazu Burkhardt: ib. 3, S. 133/5.) —
442) Doktor Eisenbart: Gartenlaube S. 612. — 443) „Studio auf e. Reis'": BurschenschBll. 7, S. 297. — 444) Ed. Sack,
Noch einmal d. Lied „Studio auf e. Reis": ib. 8, S. 331/2. — 445) A. Kopp, Etwas über d. Lied: „0 du lieber Augustin": ib.
S. 298-300. — 446) R. Sprenger, Zu e. Litteraturscherz: ZDU. 6, S. 575. — 447) D. Weberlied v. 1844: Volksbühne 1, N. 7.
(Dass. ib. 2, N. 4). — 448) Adolf Schulze, Unser schönstes Weihnachtslied: SchorersFamilienbl. 1893, S. 812/3. - 449) A.
Jeitteles, Lied, gen. „D. raenschl. Leben e. Traum": ZDPh. 25. S. 544/6. — 450) L. de Marees, Lieder nach Heinr. Müllers
geistl. Erquickstnnden. Cottbus, Gotthold-Expedition. 1893. 71 S. M. 0,30. |[L. S.: ThLBl. 14, S. 550.]| — 451) G. Grupp,
Ed. Eggerts Dichtungen: HPB11. 111, S. 848-54. — 452) E. Siering, Heinr. Overhage, Geistl. Blumengarten. Relig. Lieder
u. Gedichte (aus d. Nachl.). Bd. 1-3. Frankfurt a. M., Foesser. 12". XII, 104 S.; IX, 164 S.; VIII, 155 S. ä M. 2,40.
(Enth. : 1. D. Kirchenjahr. 2. Marienklänge, Engels- u. Patronsgesänge u. geistl. Anmutungen; 3. Legenden u. Geschichten.) —
453) L. v. Heemstede, Neuere kath. Dichtungen: LRs. 19, S. 289-96. — 454) F. Strehlke, Dtsch. Lieder in lat. Uebersetz.
2. Aufl. B, Bibliogr. Inst. VITI, 85 S. M. 1,00. |[BerlTBl. N. 348.] | — 455) (IV 5:442.) |[N&S. 76, S. 430.]| — 456) F.
Ulrich, Carmina academica. E. Ausw. d. beliebtesten dtsch. Kommerslieder, ins Lat. übertr. Dresden, Reissner. 16°, III,
63 S. M. 1,00. |[H. Ziemer: ZGymn. 28, S. 800; F. Härder: WSKPh. 11, S. 1426/7.]| — 457) K. Kinzel, Gedichte d.
1». Jh. ges., litterargesch. geordnet u. mit Einl. versehen. Halle a. S., Waisenhaus. 1893. XIV, 264 S. M. 2,00. |[Rob.
Schneider: COIRW. 22, S. 307.]| — 458) Ausw. dtsoh. Gedichte u. Lieder. Zusammengest. vom Lehrerkolleg d. Gymn. u.
J. Elias, Lyrik: Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart. IV 2b: 459-521
Schule und Haus457-462); Natur463-465); Kaiser, Reich und Vaterlandsliebe466-474);
Feste und Frömmigkeit475-480); Liebe481-482); Prachtwerke für die Familie483496);
Realgymn. zu Minden (JBL. 1893 I 7 : 106). Minden, Köhler. 1893. 63 8. M. 0,50. — 459) X K- Er be, Loreley. E. Samml.
v. Liedern n. Gesängen. Z. Gebrauche d. oberen Klassen höh. Mädchenschulen. Hildburghausen, Gadow u. Sohn. 1893.
212 S M. 0,80. |[L. Rudolph: COIRW. 22, S. 443/4.] | - 460) X Dtsch. Balladenbuch. Mit Holzsoh. u. Zeichn. v. A. Ehrhardt,
Th. v. Oer, H. Plüddemann, L. Richter u. C. Schurig. 7. (Titel-) Aufl. L., Wigand. 189-'. VIII, 352 S. M. 7,50. (Letzte Aufl. 1876.) -
461) J. Pawlecki, Dichterstimraen aus d. dtsch. Lehrerwelt. Hamburg, Verlagsanst. 1892. VII, 384, VIU S. M. 4,50.
|[DB11EÜB. 21, S. 47,8.]| — 462) id., Dichterstimmen aus d. dtsch. Lehrerwelt. 2. Aufl. Langensalza, Schulbuchhandl. 1893.
XVIII, 576 S. M. 6,00. — 463) R- Eckart, D. dtsch. Ströme in ausgew. Schilderungen dtsch. Dichter. Gera, Bauch.
1891. 16°. 194 S. M. 2,00. — 464) id., Lieder u. Bilder vom dtsch. Meer. 2. Aufl. Breslau, Schles. Verl.-Anst. 1893.
436 S. M. 5,00. |[DDichtung. 16, S. 201/2.]| — 465) X J- Ciaassen, Schöpfnngsharfe. Stimmen d. Natur in erles. Dichtungen
ges. n. gesichtet. St., Steinkopf. 1892. 12°. 463 S. M. 3,50. — 466) P. Grotowsky, D. grosse Kaiser im dtsch. Lied.
E. Gedenkbuch für Schule u. Haus. Neue (Titel-)Ausg. Giessen, Krebs. XVI, 221 S. M. 1,50. (1. Ausg. 1892.) — 467) H.
Schillmann, Gesch. d. neuen dtsch. Reiches in Gedichten. E. Gedenkbuch für Schule u. Haus. Nach d. Quellen ausgew.
u. zusammenge8t. B., W. u. S. Löwenthal. XV, 517 S. Mit 5 Bildn. M. 4,50. — 468) X 0. Köhler, Neue u. neueste dtsch.
Kaiserlieder. E. Samml. v. Gedichten z. Feier v. Kaisers Geburtstag u. anderen Gedenktagen, für Schulzwecke veranst.
Halle a. S., Mühlmann. 1892. VI, 162 S. M. 1,60. |[E. Boesser: PaedA. 35, S. 565/6.] | — 469) X Dichterklänge aus
Deutschlands grosser Zeit. Patriot. Dichtungen z. Feier d. nat. Gedenktage in Schulen u. Ver. 3. Aufl. Langensalza,
Beyer & Söhne. 1893. 12°. XII, 212 S. M. 1,20. — 470) XF- Otto, Hohenzollern. Vaterland. Dichtungen für Schule u.
Haus ausgew. B., Besser. 1893. VIII, 176 S. M. 1,20. — 471) X K- Seitz, Dtsch. Kaiserlieder. Z. Gebr. bei Feierlichkeiten.
(Partitur.) Quedlinburg, Ch. F. Vieweg. 1893. 48 S. M. 0,75. — 472) F. Lindner, Vaterland. Gedichtbuch. E. Samml.
auserles. dtsch. Gedichte. B., Mittler & Sohn. 1893. XXIII, 360 S. M. 3,00. |[Geg. 43, S. 303.]| — 473) X E- Brünnert,
Ausw. dtsch. Gedichte. Mit bes. Berücksicht. patriot. u. gesch. Gedichte. 3. Aufl. Rudolstadt, Müller. XII, 152 S. M. 1,00.
— 474) L. Katscher, Friedensstimmen. Antholog. eingel. v. Bert ha t. Sattner u. Kon r. Ferd. Meyer. L., Wartig.
399 S. M. 6,00. |pWBl. 7, S. 624; A. v. Majerszky : DDichterheim. 14, S. 588/9.] | — 475) XI" Freud u. Leid. E. Blumen-
strauss relig. Gedichte. Her. v. d. Diakonissenanst. Bethesda. St., Christi. Verl.-Haus. 12°. VIII, 152 S. M. 2,00. — 476)
K. Ludwig, 70 d. schönsten Weihnachtslieder u. Kirchengebete Für d. Schule ansgew. 15. Tausend. Neuwied, Heuser.
1893. 12°. IV, 48 S. Mit 2 Bild. M. 0,25. — 477) X K. Wagner, Weihnachten. D. beliebtesten Weihnachtslieder u. e. Fest-
spiel. Für Schule u. Haus. Bielefeld, Helmich. 1893. 24 S. M. 0,35. — 478) X Bertha Mathe, Mein liebstes Gebet.
Beitrr. edler Männer u. Frauen d. Gegenw., besteh, in Gebeten, Liedern, Dichtungen, Predigten, Betrachtungen, Bibel-, Kern-
u. Wahlsprüchen, Aphorismen usw. für alle Lagen d. Lebens. St., Schwabacher. 1893. 12°. XII, 322 S. M. 5,00. — 479)
Elise P o 1 k o , Unser Glauben, Lieben, Hoffen. Fromme u. ernste Lieder u. Verse neuerer u. neuester Dichter. Mit Illustr.
2. (Titel-)Aufl. Hannover, Ost. 1892. 12°. VII, 288 S. M. 3,00. (1. Aufl. 1891.) — 480) X Heil. Bande. Ehe u. Familie,
Vaterland u. Kirche. E. Blütenstrauss ans d. Garten d. heil. Schrift u. d. christl. Dichtung gepflückt. St., Greiner & Pfeiffer.
1892. 12°. VIII, 379 S. M. 4,50. — 481) H. Grothe-Harkänyi, Lieder vom Kuss. E Buch dtsch. Liebeslyrik aus klass.
u. mod. Zeit. L., M. Erhardt. 1893. VIII, 187 S. M. 3,00. — 482) D. Buch vom Kusse u. vom Küssen. E. Samml. d.
schönsten Gedichte über d. Kuss u. d. Küssen klass. u. zeitgenöss. Dichter. 2. Aufl. L., Malende. 1893. 12°. 96 S.
M. 2,50. — 483) X p- Lohmann, Pantheon dtsch. Dichter. 14. Aufl. L., Fock. 12°. 314 S. M. 4,00. — 484) X H- Schramm,
Dichteralbum. Mit Illustr. v. W. Winck. B., Aug. Schnitze. XVI, 400 S. M. 5,00. - 485) X Frida Schanz, Lieder d. Lebens.
Ausgew. Gedichte u. Sprüche dtsch. Dichter. Mit Illustr. 7. Aufl. L., Cavael. 12°. 189 S. M. 12,00. — 486) X Paul ine
Schanz, Für Herz u. Haas. E. Samml. unserer schönsten Lyrik. Mit Illustr. 3. Aufl. ebda. 264 S. M. 6,00. — 487)
Jungbrunnen. E. Samml. v. Dichtungen ernsteren u. heiteren Inh. aus alter u. neuer Zeit z. Vortr. in christl. Ver. 1.-3. Heft.
Dresden (0. Hackebeil). 1893. 48 S. M: 0,60. — 488) X L- Bund, Lieder d. Heimat. E. Samml. d. vorzügl. Dichtungen im
Bilderschmucke dtsch. Kunst. 9. Aufl. L., Baedeker. 1892. 4°. VIII, 239 S. M. 7,00. — 489) X Clara Braun, D. Rose
Erwachen. Lieder dtseh. Dichter. Mit Illustr. St., Greiner & Pfeiffer. 1893. 152 S. M. 6,50. — 490) X Blüten dtsch. Kunst
u. Dichtung. L., Meissner & Buch. 1893. 4°. 48 S. Mit färb. Abbild. M. 5,00. — 491) X ß- Claussner, Unsere Dichter in
Wort u. Bild. 2. Bd. L., Claussner. 1893. 280 S. Mit Portrr. M. 3,00. (1. Bd.: 1891. 234 S. M. 2,00.) — 492) X p- Brandt,
Poet. Hausschatz für d. dtsch. Volk. Mit zwei Festspielen als Anh. Gütersloh, Bertelsmann. 1892. 12°. VIII, 398 S. M. 2,50.
— 493) X E. Zimmer, Sang u. Klang. Kleine Lieder v. dtsch. Dichtern. Mit Illustr. 2. Aufl. Quedlinburg, Ch. F. Vieweg.
1893. 4°. 107 S. M. 4,00. — 494) C. A. v. Nida, Liederperlen. E. Samml. d. schönsten Lieder u. Gesänge. Reutlingen
(Ensslin & Laiblin). 1893. 16°. 96 S. M. 0,30. — 495) X A. S. Fischer, Poet. Schatzkästlein. Gedichte u. Lieder für Haus,
Kindergarten u. Schule. Nebst Einl. v. S. Heller. Wien, Holder. 1893. XXII, 229 S. M. 3,00. — 496) X F- Bouffier,
Dichtergrüsse in Freud u. Leid am eigenen Herd. L., Ruhl. 1892. XXIV, 475 S. M. 6,00. — 497) K. Schrattenthal,
D. dtsch. Frauenlyrik unserer Tage. Mitgabe für Frauen u. Töchter gebild. Stände. L. u. Kindelbrück, K. Naumburg. 1893.
166 S. Mit 6 Lichtdr.-Bildn. M. 6,00. — 498) X A- Brede, Liederkranz für dtsch. Mädchen. Ausgew. Lieder. Kassel,
Kuprions Nachf. 1893. VI, 178 S.; Anh.: IV, 63 S. M. 1,60. — 499) X Blüten u. Perlen dtsch. Dichtung. Für Frauen ausgew.
u. v. Frauenhand. 30., völlig neu bearb. Aufl. Mit Illustr. v. F. Leeke u. J. G. Füllhaas. Halle a. S., Gesenius. 1892. Lex.
VII, 160 S. M. 10,00. irN&S. 63, S. 411; DRs. 73, S. 470.]| — 500) X R- ▼• Beizig, Frauen-Liebe u. -Leben. E. Blütenstrauss
dtsch. Dichtung, für Deutschlands Frauen u. Jungfrauen gewunden. 4. Aufl. L., Amelang. 1892. 16°. IV, 128 S. M. 2,50.
— 501) X Heimatlieder, e. Album neuerer dtsch. Lyrik ausgew. v. Frauenhand. Mit zahlr. Illustr. sowie acht färb. Vollbild. L.,
Cavael. 1892. 12°. 112 S. M. 2,00. — 502) X Ad. Böttger, Lieb u. Leben. Dichtergrüsse an Deutschlands Frauen. 3. Aufl.
bes. v. M. Bern. Halle a. S., Gesenius. 1892. 12°. III, 308 S. M. 2,00. — 503) X Dichtersang u. Herzensklang. E. Strauss
schönster Blüten neuerer dtsch. Lyrik, geb. v. Frauenhand. Mit Illustr. L, Fiedler. 1893. 16°. 207 S. M. 3,00. — 504) X
D. Buch d. Braut. Samml. lyr. Gedichte im Garten neuerer dtsch. Dicht. Mit Illustr. 9. Aufl. L., Gräbner. XV, 493 S. M. 9,00. —
505)XK- Heimerstein, Kling hinaus: Westentaschen-Liederb. Mülheim a. d. R., Bagel. 32°. 123 S. M. 0,40. — 506) Taschen-
liederbuch. Enth. 255 Lieder. Halberstadt, Ernst. 16°. VIII, 268 S. M. 0,60. — 507) X U 5:393.) — 508) X Touristen-Liederbuch.
E. Samml. v. 200 d. besten, neuosten u. älteren Wander-, Trink- u. Volkslieder. Zusammengest. v. Mitgliedern d. niederhess.
Touristen- Ver. (Sekt. Kassel). Kassel, Deichmann. 1893. 12°. XU, 163 S. M. 0,50. - 509) X K. Heimerstein, Dtsch.
Sang u. Klang. D. neuesten u. beliebtesten Lieder für alle Gesellschaftskreise. 2. Aufl. Mülheim a. d. R., Bagel. 12°. IV,
155 S. M. 1,00. — 510) X A. Sturm, Liederbnch für d. gesell. Vereinigungen dtsch. Lehrer. Goldberg i. Schi. (Breslau,
Priebatsch). 12°. IV, 143 S. M. 0,75. — 511) X A. Gasch, Dtsch. Bachdrucker-Liederbuch. Ausgew. Lieder über d. Buch-
druckerkunst. Nebst e. allg. Teile. L., R. Härtel. 12°. VIII, 224 S. M. 1,00. - 512) X C A. v. Nida, Neues Liederbuch für
Artilleristen. Reutlingen (Ensslin & Laiblin). 1893. 16°. 128 S. M. 0,35. |[AMZg. 1893, N. 66.]| — 513) X Kaufmann.
Kommersbuch. Liederbuch für Kaufleute u. kaufmänn. Ver. Frankfurt a. M., Mahlau & Waldschmidt. 1893. VUI, 152 S.
M. 0,90. — 514) X Eroh u. Frei! Liederbuch, zusammengest. u. her. vom akad. Turnbund. 2. Aufl. B., Meidinger. 1893. 12*.
XI, 272 S. M. 1,60. — 515) X Seemanns-Liederbuch. E. Samml. d. neuesten u. beliebtesten Seemanns- u. Fischerlieder. Mül-
heim a. d. R., Bagel. 1893. 16°. 128 S. M. 0,30. - 516) X Liederbuch für Berg- u. Hüttenleute. 6. Aufl. Essen, Baedeker.
XIV, 147 S. Mit Titelbild. M. 1,20. — 517) X Feuer-Zeug-Taschenliederb. für d. Zeug- u. Feuerwerkspersonal d. dtsch. Armee
u. Marine. 5. Aufl. Spandau, Neugebauer. 16°. VIII, 265 S. M. 1,00. — 518) X 0. Muenzer, Kommersbuch für Landwirte.
Neusalz a. 0. (H. Voigt). 1893. 12°. III, 299 S. M. 3,00. — 519) X id-. D- Landwirts Liederbuch, ebda. 1893. 12". V,
282 S. M. 2,75. — 520) X Feuerwehr- Liederbuch. E. Samml. d. neuesten n. beliebtesten Feuerwehrlieder. Mülheim a. d. R.,
B;igel. 1893. 16°. 128 S. M. 0.30. - 521) X Hausburg ( Hauptmann), Halali! D. dtsch. Jägers Liederbuch. Nach
d. v. verschied. Forstbeamten u. Jägern gelief. Material ges. u. zusammengest. ebda. 1S93. 16°. II, 206; 13 S. Mit Kaiser-
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (4)16 e
IV 2 b : 522-538 J. E 1 i a s , Lyrik : Von den Freiheitskriegen bis zur Gegenwart.
Jungfrau und Frau497-504); Liederbücher einzelner Stände und Berufszweige505-528);
Gnoniisches, Citatensammlungen, Albumblätter529-536); Deklamationsstücke537"538). --
bildn. M. 1,50. — 522) X Liederbuch für Radfahrer. Her. v. Bicyole-Klub Ellwangen (Württemberg). 10. Aufl. Ellwangen
(L. Eossberg). 1893. 12°. XVI, 263 S. M. 1,70. — 523) X 3vl\. Hirschberg, Kl. Kommersbuch für Radfahrer. Wachwitz-
Dresden, Geissler. 12°. 40 S. M. 0,60. — 524) X Patriot. Taschenliederbuch für Krieger- u. Militärver. zusammengest. vom
Stedinger Kriegerver. zu Berne. Berne (B. Bessin). 1893. 16°. 261 S. M. 0,50. — 525) X Buchfink-Lieder. Ges. z. 25j. Stiftungs-
feste d. Ver. Wien (R. Mohr). 12°. 119 S. M. 1,00. — 526) Liederbuch für Mitglieder d. Gesellenver. 10. Aufl. St. (J. Roth).
16°. VIII, 129 S. M. 0,40. — 527) X M. Schmitz, Vaterland. Gedichte, Deklamationen u. Lieder z. Gebr. für kath. Gesellen-
ver. (.— Gott segne d. ehrbare Handwerk! IV.) Paderborn, Schöningh. 1892. 152 S. M. 1,00. — 528) X Dtsch.-soc. Lieder-
buch. 60 d. beliebtesten Lieder, zusammengest. vom dtsch.-soc. Keformver. zu Leipzig. L., Fritsch. 1893. 16°. 49,
II S. M. 0,20. — 529) Franz-Voneisen, Albumbll., Stammbuchverse u. Sprüche. (= ÜB. N. 2960.) L., Reclam. 1893.
96 S. M. 0,20. — 530) X^lise Polko, Unsere Kinder. Poet. Gedanken u. Herzensworte dtsch. u. ausländ. Dichter. St.,
Greiner & Pfeiffer. 1892. 12°. V, 232 S. Mit 7 Illustr. in Lichtdr. M. 4,00. — 531) X Charlotte Schmid, D. Hauses
Freud u. Leid. E. Samml. v. Liedern u. Citaten. Nürnberg, Stroefer. 4°. 160 S. Mit Illustr. M. 3,00. — 532)Xs<>phie
Verena, Gedankenvoll. Aussprüche v. Dichtern u. Denkern. 2. Aufl. B., H. W. Müller. 1892. 12°. VII, 232 S. Mit
Illustr. M. 3,00.— 533) X H. Bouffier, Lebensweisheit in Dichterworten. Als e. Führer in d. Lebens labyrinthisch irrem
Lauf. L., Ruhl. 1892. 12°. VIII, 185 S. M. 2,00. — 534) X Worte fürs Leben. Lebensweisheit u. Lebenstrost in Dichter-
mund. Mit Illustr. 5. Aufl. L., Haberland. 1893. 12°. 204 S. M. 3,00. — 535) Album- u. Gedenksprüche. E. Aehren-
lese d. besten u. passendsten Stammbuch-Inschriften in Poesie u. Prosa, ausgew. aus d. Weltlitt. Nebst e. Anh. : Aphorismen u.
Sentenzen. Wien, Daberkow. 1893. 12°. III, 344 S. M. 2,70. - 536) X Elise Roth, Was soll ich meiner Freundin ins
Album schreiben? Neue Samml. v. Album-Inschriften. St., Schwabacher. 1893. 12°. VII, 91 S. M. 1,80. - 537) X dg»
Wohlbrück, Vortragsmappe. Halle a. S., Gesenius. 1892. VI, 290 S. M. 2,40. — 538) X E- Heinrichs, Deutschlands
Dichterhort. Gedichtsamml. z. Deklamieren. Hannover, Manz & Lange. VI, 326 S. M. 2,00. —
R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1891. IV 3:i
IV, 3
Epos. 1893, 1894.
Richard Rosenbaum.
Allgemeines: Bibliographische Sammelwerke N. 1; znr Entstehungsgeschichte des modernen Romans N. 6;
Romangrnppen N. 12; Sammlungen N. 19. — Aeltere Zeit: Schönaich N. 22. — Klopstock N. 23. — Komisches Epos:
ZachariäN. 32; Thümrael N. 35. — Jeannette Philippine Le Clerc N. 39. — R.E.Raspe N. 40. — Miller N. 41. — A. M. Sprick-
mann N. 42. — J. H. Voss N. 43. — Claudius und Hebel N. 51. — Fr. K. von Moser N. 56. — K. Ph. Moritz N. 57. —
Rochlitz N. 53. — Wieland N. 59; Heinse N. 74; H. W. Broxterraann N. 77 a; A. G. Meissner N. 78; Jean Paul N. 80. —
Tiedge N. 89. — Fr. J. Ph. von Suckow N. 92; Fr. von Sydow N. 93. — H. von Kleist und Fr. Hebbel N. 95. — Romantische
Schriftsteller: Tieek, W. Alexis, Gaudy, Immermann, J. Fr. Kind, H. Steffens N. 98; J. Mosen N. 111. — Jugend- und
Volksschriftsteller: Musäus, Gust. Schwab, Niebuhr, Nieritz, R. Reinick, Chrph. von Schmid N. 113; A. G. Eberhard N. 177;
K. Stöber N. 179. — Neuere Zeit: Dorfgeschichte: B. Anerbach N. 183; Anzengruber N. 1S8. — Historische Romane: A. R.
Spindler, L. F. Stolle, L. Storch, F. W. L. Tarnowski N. 190; Dahn, Ebers N. 195; Ad. Glaser N. 207; Gust. Freytag N. 208;
J. V. von Scheffel N. 215. - Fr. W. Weber N. 220; Jul. Wolff N. 229. — Dialektdichtungen: Allgemeines N. 231; Fritz
Reuter N. 232; Kl. Groth N. 257; John Brinckmann N. 259; H. Jürs N. 260; A. Dähr N. 261; H. Biuch, H. Köselitz N. 266. —
Der Norden Deutschlands: G. K. 0. von Struensee, R. G. M. Springer, H. Ch. Steinhart, J. D. H. Temme N. 268; Oskar
Justinus, R. Waldmüller N. 272; Rud. Lindau N. 274; Paul Lindau N. 276: Heinr. Seidel N. 277; W. Jensen, J. Stinde N. 233;
0. Roquette N. 288; Fontane N. 297; Spielhagen N. 304; Wildenbruch N. SOS; Th. Storm N. 310: Chrn. F. Strackerjan, F. A.
Strubberg N. 312. — Schwaben: K. Chrn. L. Starklof N. 317; Chrn. Wagner, 0. Müller N. 318; W. Raabe N. 323. — Münchener
Dichterkreis: W. Hertz N. 32S; L. Steub N. 329; Graf Schack N. 330; P. Heyse N. 332; A. Wilbrandt N. 339; M. G. Conrad
N. 340; H. Hopfen N. 340a. — Schweiz: H. Zschokke N. 341 ; Rod. Töpffer N.355; S.il. Tobler N. 357; J. A. Sprecher von Bernegg
N. 358; Jer. Gotthelf N. 359; Gottfr. Keller N. 367; K. F. Meyer N. 388. - Oesterreich: Ch. Sealsfield N. 393; Adalb. Stifter
N. 404; Ed. Pokorny N. 412; M. Reich N. 413; G. Helm, Braun von Braunthal N. 414; E. Straube N/415; R. Haraerling N. 416;
P. K. Rosegger N. 434; M. Stichelberger N. 455; F. Schlögl N. 456; F. von Saar N. 457; F. Kürnberger N. 463; R. Baum-
bach N. 466; M. Jökai N. 468. — Frauen: Gräfin Hahn-Hahn N. 471; Annette von Droste-Hülshoff N. 472; Luise von Francois
N. 474; Marie Nathusius N. 484; Fanny Lewald-Stahr, Franziska von Stengel, Lucie Henriette von Suhr, Wilhelmihe von Sydow,
Fanny von Tarnow, Franziska von Tauffkirchen, Anna Antonie von Thaler N. 491; Carmen Sylva N. 499; Ossip Schubin N. 502;
Bertha von Suttner N. 505; Marie von Ebner-Eschenbach N. 508; von der Marlitt bis zu Ad. Meinhardt N. 514. — Moderne
Richtung: Sammelbncji N. 550; H. Tovote, G. von Ompteda N. 551; H. Sndermann N. 553; L. Fulda N. 559; G. Hauptmann
N. 560; M. Nordau N. 561a; H. Bahr N. 564; Produktion in den letzen Jahren N. 566. —
Unter den allgemeinen Darstellungen über die Epik unseres Zeitraumes
füllt das bibliographische Sammelwerk von Goedeke1) wie gebührend die erste,
diesmal aber auch einzige Stelle. In seiner Gesamtheit hat der fünfte Band schon
mehrfache Würdigung von uns erfahren. In die Bearbeitung des 10. Kapitels teilte
sich Goetze mit K. Müller-Fraureuth, während der § 274, epische Dichtungen
im engeren Sinne umfassend, vom Herausgeber unter Mitwirkung H. Petrichs an
die Grenze der erstrebten Vollständigkeit herangeführt wurde. Wie wenig sich das
WTollen mit dem Können eines Einzelnen deckt, zeigt A. Sauer in seinen Berichtigungen
zum Artikel Kosegarten, denen hier einige Ergänzungen des Referenten aus dem ihm
nahegelegenen Gebiete des komischen Epos sich anschliessen mögen. Es fehlen in
den entsprechenden Abschnitten gänzlich die Namen: C. Bistorius, J. A. Brennecke,
W.G.Fischer, Ign. von Krasicki, der Anhalt-Bernburgische Legationsrat; Meier, der
Vf. der Grenadiriade oder Gustaviade; C. H. Müller, Wr. Schilling, Stengel, der Dichter
des neuen Froschmäuslers, u. a. mit ihren einschlägigen Erzeugnissen. Von selbständig
erschienenen Dichtungen der Art, deren Vf. unbekannt sind, seien genannt:
Alurokriomachie, oder das Gefecht des Widders an der Elbe mit der Katze an der
Leine, Leinathen 1793; Der Kommersen zu Lauchstädt 1790; Poetisch-komische Bauern-
hochzeit, Potsdam 1781; Der Spötter oder Zytherens Sieg 1793; Der angehende
Student, Magdeburg 1767; Das Lindenauische Treffen bei Leipzig, 1777; Die
Gegenrevolution, Strassburg 1792; Junker Anton, Weissenfeis 1788; Kordon der
Heiligen um den Bettelsack, Rom 1790; Die frikassierte Nachtmütze, Leipzig 1776;
Die Froschiade, Nimwegen und Wesel 1787; Mercur der Männerkrämer, Wien 1781.
Anderes Hierhergehörige dürften die nächsten Hefte bringen, da es in der alten
Ausgabe des Grundrisses verzeichnet ist. Vielleicht wäre es doch richtiger ge-
wesen, bei einer Neubearbeitung dieser Teile nicht mehr so zäh an der ge-
gebenen Disposition Goedekes festzuhalten. Dadurch wräre Zusammengehöriges
nicht so häufig getrennt worden und an verschiedenen Stellen zu suchen, Avie es jetzt
bespielsweise mit den burlesken Gedichten der Fall ist, die teils mitten zwischen den
ernsten Epen, teils unter die satirischen Schriften versprengt sind. Wie in den
früheren Bänden, so findet man auch hier Wiederholungen ohne Verweisung, so
S. 453 N. 34 gleichlautend mit S. 552 N. 29. Den Namen Woellner wieder sucht man
vergebens im Register. S. 203 (y) ist die gleiche Schrift voll citiert wie S. 545, 18.
1) K. Goedeke, Grundriss z. Gesch. d. dtsch. Dichtung. Aus d. Quellen. 2„ ganz neu bearb. Aufl. Nach d.
Tode d. Vf. in Verbind, mit D. Jacoby, K. Jasti, M. Koch, K. Müller-Fraureuth, F. Muncker, K. Chrn. Redlich,
A. Sauer, B. Suphan, K. Vorländer u. A. v. Weilen fortgef. v. E. Goetze. 5. Bd. V. 7j. bis z. Weltkriege. 2. Abt.
Dresden, Ehlermann. 1893. VIII, 565 S. M. 7,40 |[A. Sauer: Euph. 1, S. 139-44.]! (Vgl. JBL. 1893 IV la:2; 2a : 1;
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (4)16«
IV 3 : 2-io R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
Dort ist zweimal die Schreibung- des Autornamens „Crantz", hier „Cranz"; wer hat
nun Recht? Das S. 453, 27 aufgeführte Gedicht scheint doch wohl nur ein besonderer
Druck der auf S. 503, 70 citierten Schrift zu sein?2-5) —
Zur Entstehungsgeschichte des modernen Romans bringt Landaus6)
Analyse von Richardsons und Fieldings Romanen, die letzteren im Anschluss an
Austin Dobsens jüngste Biographie, nichts Neues, was wir nicht aus Erich Schmidts
„Richardson, Rousseau und Goethe" schon wüssten. — Viel instruktiver, prägnanter
und von Sachkenntnis und Verständnis zeugend ist Robertsons7) Artikel über den
gleichen Gegenstand. R. fasst die englischen Einflüsse auf Deutschland richtig und
klar zusammen, wird Gellerts Stellung als Richardsons Propheten gerecht, weist
Hermes und Sophie La Roche den geziemenden Platz an, deutet auf Musaeus als den
ersten Opponenten gegen die Richardson-Gellertsche Richtung im Sinne der Fieldingschen
Anfänge und gewinnt dadurch den weitesten Raum für die Würdigung Wielands.
Obgleich Wieland den Engländern viel verdankt, so hat er sich dennoch von der
moralisierenden Richtung zu emancipieren verstanden. Als der richtige Mann am
richtigen Platze, dessen Gegenwart dringend bedurft wurde, wich er ebenso geschickt
der Rousseauschen Einseitigkeit aus. Don Sylvio ersteht als ein Wesen von Fleisch
und Blut zwischen den Puppen moralischer und unmoralischer Verbohrtheit. Das
J. 1764 bedeutet danach den Beginn einer neuen Epoche in der Entwicklung der
nationalen Epik, eine Wahrheit, die schon Lessing deutlich zum Bewusstsein kam
beim Erscheinen des Agathon. In der psychologischen Vertiefung dieses Romans
endlich steckt das längst erkannte Geheimnis von Wielands bahnbrechender Wirkung,
von hier aus führen die Fäden zu Goethes Meisterschaft, bei dessen Anfängen die
Untersuchung abbricht.8"9) — Im Beginn unseres Jh. etwa setzt Gerschmann10) ein.
Eine ausgebreitete Kenntnis der einschlägigen Litteratur Englands, Frankreichs und
Russlands steht ihm zu Gebote, er versteht zu lesen und zu urteilen und nicht zum
letzten treffend darzustellen. In einem einleitenden Abschnitte zieht G. gegen jede
theoretische Poetik zu Felde und setzt aus guten Gründen an die Stelle des Aestheti-
sierens die ungezwungene Beobachtung der Wirkung und das empirisch-analytische
Suchen nach deren Gründen. Mag dieser Standpunkt unwidersprochen bleiben:
denn die Ergebnisse der folgenden Kapitel sind positiv. An die Namen Swift und
Defoe wird der „moderne Realismus" (Im ganz prägnanten Sinne für den verschärften
Realismus der letzten Jahrzehnte gebraucht) angeknüpft, d. h. „die Kunst durch
kluge und kühne Verwendung äusserer Mittel die volle Illusion der Wirklichkeit
hervorzurufen", und diesem der Realismus „höherer Art", das Ausgehen auf „die
Wahrheit vom Menschen", gegenübergestellt. Scott, Dickens, Thackeray und der
Amerikaner Poe werden mit feinen, aber scharfen Strichen charakterisiert. Auf
Thackeray führt G. die „neue Art des Sehens" bei den Epikern zurück, das durch-
dringende „Sehen mit unbestechlich klaren Augen bis an das Ziel der unerbittlichen
Wahrheit einer Weltanschauung". Diesen Vorzug insbesondere neben anderen
rühmenswerten Eigentümlichkeiten lernen wir an Russlands Grössen Gogol, Turgenjew,
Tolstoi und Dostojewski unter G.s gewandter Führung gebührend schätzen. Es genügt
aber keineswegs in ähnlicher Weise sich aus Frankreichs Romanschriftstellern bloss zwei
herauszugreifen, und seien es auch die bemerkenswertesten, um an ihnen die Fülle
der Erscheinungen zu studieren. Zola und Maupassant haben gewiss das Recht, als
Typen für eine Reihe von Namen aufgeführt zu werden, aber sie allein repräsentieren
denn doch den modernen französischen Roman nicht. G. sieht im französischen
Realismus eine Steigerung gegenüber dem der Engländer und Russen, die inhaltlich
wie technisch einem berechtigten Individualismus zustrebt. Es entging ihm auch
nicht, wie nah an die Grenze der Manieriertheit solch ein zugespitztes Individualisieren
selbst die Besten geführt hat; er hätte es nur noch deutlicher aussprechen müssen.
Ganz im Gegensatz zu diesen immerhin recht zulänglichen Studien wirken die Aus-
lassungen des letzten Abschnittes, der dem deutschen Roman gewidmet ist, geradezu
verblüffend. Es ist eine Serie von Schmähartikeln gegen die Romanschriftsteller
Sudermann und Tovote, erweitert zu einem Feldzug gegen den ganzen Sudermann,
der dadurch gewissermassen zum ersten Vertreter deutscher Dichtung gegen seinen
9:1; vgl. auch IV la: 1.) — 2) X P- Morrillot, Le romin en France depuis 1610 jnsqu'ä nos jours. Lectures et
esquisses. Paris, G. Masson. 1892. XI, 612 S. |[E. Koschwitz: DLZ. 1893, S. 876/7.]! (Kann als Muster für e. Chrestomathie
empfohlen werden.) — 3) O W. A. Griswold, A descriptive list of internat. novels. Cambridge, Mass., Griswold. 111,
164, 11 S. D. 0,75. — 4) X l'6 C. D'J***, Bibliogr. des ouvrages relatifs ä Vamour, aux femmes au mariage, et des lirres
facetieux, pantagrueliques, scatologiques, satyriques etc. etc. 4. ed. par J. Leraonnyer. Tome I. Fase. 1/5. Paris, Lemonnyer
(Ch. Gilliet). 1893. VIII, 928 S. - 5) X Nederlandsche Letterlcunde. Pop. Prozaschrijvers der XVII. en XVIII. eeuw. Amsterdam,
F. Muller & Co. 1893. 8, 148 S. — 6) M. Landau, Z. Entstehnngsgesch. d. mod. realist. Romans: Presse N. 211/2. — 7)
J. G. Robertson, The beginnings of the german novel: WestmR. 142, S. 183-95. — 8) X E- Schwan, D. Anfänge d. mod.
Romans. E. Vortr.: PrJbb. 70, S. 309-23. (Ueber d. Urspr. d. Wortes „Roman" u. d. Entwiclcl. d. Gattung bis z. Renaissance-
zeit.) - 9) X B. Lothar, V. dtsch. Roman: NFPr. 21. Dec. 1893. — 10) H. Gerschmann, Studien Ober d. mod. Roman.
Progr. d. Realgymn. Königsberg i. P. 120 S. M. 2,00. |f0. Harnaclc: PrJbb. 78, S. 519-20; J. Petri: ML. 63, S. 1146/7;
R. Rosen bäum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894. IV 3 : n-ie
Willen gestempelt wird. So reizend das Hervortreten persönlichster Anschauungen
und urteile in den vorangehenden Kapiteln den Fluss der Untersuchung- unterbrach,
so widrig wirkt dieser Einzelkampf, als Einzelkampf von der hohen Warte der Wissen-
schaftlichkeit auf einen ruhigen, wenn auch nicht ganz unschuldigen Spaziergänger,
für den wir Sudermann halten. Ein Historiker des deutschen Romans aber, der auf
Treitschkes Spuren wandeln möchte, wird entschieden fehl gehen, wenn er in Sieben-
meilenstiefeln auftritt. Wer die Namen Fontane und Anzengruber und Marie von
Ebner-Eschenbach, sei es auch nur in einer Studie über den Roman, gar nicht nennt,
hat den Anspruch verwirkt, als warnender Eckart gehört zu werden. Alexis, Keller,
Freytag, Spielhagen, Dahn auf nicht ganz zwei Druckseiten abzufertigen, gegen
Sudermann und Tovote dagegen zwanzig Seiten hindurch zu Felde zu ziehen, ist ein
weit grösseres Missverhältnis als das, worin Deutschland nach G.s Meinung den anderen
Nationen so sehr nachstehen soll, so dass deshalb Anlass zu einer Jeremiade wäre
wegen „beschämender Dürftigkeit". — Vollends beschämend dürftig plaudert Eck-
stein11) über moderne Romanhelden. Der Standpunkt, dass Künstler und Offiziere
vor allem „konfliktfähig" sind, ist zum mindesten recht unmodern ausgedrückt, aber
noch glücklicher als die Folgerung, dass demnach der Gelehrte im Gegensatz zu
jenen beiden „von verständigen Mädchen stark als Gatte begehrt" werde. —
Die Einzel forschung hat sich mehrfach in den letzten Jahren mit Roman-
gruppen beschäftigt. Schultheiss12) beobachtet den Schelmenroman früherer Jhh.
und deckt einige der Verbindungsfäden auf, die sich von dort aus zum Sitten- und
Familienroman der Engländer schlingen (S. 41), schliesst aber ausdrücklich gerade
den ganzen Heerbann des Simplicissimus aus (S. 56). Unbewiesen bleibt die Schluss-
bemerkung, dass Zolas Naturalismus in der Novela picaresca seine Ahnfrau zu ver-
ehren habe. — Kleinwächters13) in den JBL. bisher unbesprochenes Buch aus dem
J. 1891 verdient unsere Aufmerksamkeit insofern, als der Vf. von einem ganz anderen
Gebiete her und zu anderen Zwecken eine Sichtung' der einschlägigen Litteratur vor-
nimmt. Er ist Rechtslehrer und sucht die staatsrechtlichen Theoreme des Kommunis-
mus und des Socialismus in ihren litterarischen Wurzeln blosszulegen. Für Hallers
„Usong", „Alfred", „Fabius und Cato" hat der Vf. (S. 14) nur die knappe Charakteristik
„langweilig und unbedeutend"; anderes, nach Meinung eines Literaturhistorikers Er-
wähnenswerte findet man nicht einmal genannt. Steins Besprechung des Buches tröstet
uns über die Zurücksetzung durch eine vernichtende Kritik selbst des sachlichen Teiles. —
Kronenbergs 14)specielle Studie über die poetischen Utopien in ihrem hierher gehörigen
Teile nennt uns den ersten „Rückblick", das Werk eines französischen Aufklärers aus
dem J. 1772 unter dem Titel „L'an 2440", das der Rousseauschen rückläufigen' Be-
wunderung des Naturzustandes schon einen aufbauenden Positivismus entgegenzusetzen
weiss. Der Losung des 18. Jh. „den Staat rückwärts zu revidieren bis zum Aus-
gangspunkt" tritt die kühnere Parole des 19. entgegen. Man proklamierte die völlige
Allmacht des Staates, verwies nachdrücklich auf die fortdauernde Steigerung und
Ausnützung der modernen kulturellen Machtmittel und verliess also das Gebiet der
Utopie durch die Verbindung mit den wissenschaftlichen und technischen Errungen-
schaften. Auf diesem Untergrunde erheben sich die socialistischen Gebäude von
Saint Simon und Cabet bis auf Fourier, Louis Blanc und die der deutschen Nach-
ahmer bis auf Theodor Hertzkas „£>eiland".15) — An Müller-Fraureuths 16)
Untersuchung über die Ritter- und Räuberromane durfte man mit hohen Erwartungen
herantreten. Leider sind sie gründlich getäuscht worden. Dem Bearbeiter des biblio-
graphischen Materials für diese Gruppe von Litteraturerzeugnissen in Goedekes
Grundriss hätte es nicht schwer fallen können, nach dem Muster des allgemein an-
erkannten Buches von Brahm über die Ritterromane seinen Stoff zu ergründen und
zu erschöpfen. Statt dessen schliesst sich M.-F. in allzu engherziger Weise an Appels
Monographie aus dem Schlüsse der sechziger Jahre an (vgl. R. Fürst: Euph. 3,
S. 540/9) und beherzigt Goedekes Lehre, wie es Appel hätte besser machen sollen*,
auf unstatthaft genaue Art. Denn der Hinweis auf die Hülfe der Litteraturzeitungen
gilt doch nur für den Neubearbeiter, nicht für seine Leser. Eine genaue Angabe des
Inhalts von einzelnen Romanen Wächters und Cramers und Spiessens und Vulpius
und Rambachs und dazu die aufgewärmte Anzeigensuppe aus verborgenen Zeit-
schriften, die für die Ankündigung dergleichen Produkte noch ein W7ort und ein
Plätzchen übrig hatten, sind wahrlich kein Ersatz für eine fördernde, geschweige
M. Necker: NFPr. N. 10823.]| — 11) E. Eckstein, Mod. Romanhelden: Salonfenillet. 1, N. 1. (In vielen Zeitungen abgedr.)
— 12) A. Schultheiss, D. Schelmenroman d. Spanier u. seine Nachbildungen. (= SGWV. N. 165.) Hamburg, Verlagsanst.
1893. 62 S. M. 0,50. (Vgl. JBL. 1893 II 3 : 39; III 3 : 14.) — 13) F. Kl ein wacht er, D. Staatsromane. E. Beitr. z. Lehre
v. Kommunismus u. Socialismus. Wien, Breitenstein. 1891. 152 S. M. 3,00. [L Stein: AGPhilos. 6, 8. 436/9 J) — 14) M.
Kronenberg, Polit. Utopien: VossZg". 1893, N. 14/5. — 15) O X Schlaraffia politica. Gesch. d. Dichtungen vom besten
Staate. L., Grunow. 1892. V, 318 S. M. 2,00. (Vgl. JBL. 1892 I 4 : 403; IV 5 : 282; 1S93 II 3 : 12.) — 16) K. Müller-
Fraureuth, D. Ritter- u. Räuberromane. E. Beitr. s. Bildnngsgesch. d. dtsch. Volkes. Halle a. S., Niemeyer. 112 S. M 2,«0.
(4)16«*
IV 3:17-19 R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
denn abschliessende Untersuchung-, die als „Beitrag- zur Bildungsgeschichte des
deutschen Volkes'1 genommen zu werden beansprucht. Der allgemein einleitende
Abschnitt über die Entwicklung der Romangattung orientiert übrigens knapp und
hübsch über die verschiedenen litter arischen Zuflüsse des In- und Auslandes, die sich
zu dem breiten Strome der Ritter- und Räuberromane zusammenfanden: Vom älteren
Ritter- und Schelmen- und Abenteurerroman führt die Brücke zu den Gefilden
Richardsonscher Saat in Deutschland. Mit kühnem Sprunge setzt sich der Vf. nach
Nennung einiger Autoren historischer Romane an die reich gedeckte Tafel, die seiner
harrt. Leonhard Wächter gilt auch M.-F. als der Vater des eigentlichen Ritter-
romans. Der Seitenblick, der bei dieser Gelegenheit auf Goethe und seinen Götz
geworfen wird, ist so scheu, dass eine Citierung des Brahmschen Buches an dieser
Stelle jedenfalls gehaltreicher gewesen wäre. Nicht viel besser ergeht es Schiller
mit seinen „Räubern", aus denen der Vf. das Ideal für die Helden der Cramer und
Spiess ableitet. Für die sich angliedernde Geistergeschichte hätte zu dem an sich
wichtigen Hinblick auf die emporwuchernde Reaktion gegen die Aufklärung, ein
Hinweis auf die im Leben und Schrifttum sich breit machenden geheimen Gesell-
schaften mannigfachster Art ergänzend hinzutreten sollen. Die letzte Epoche, der
Räuberroman auf italienischem Boden spielend, knüpft an Zschokkes Abällino an.
Rinaldo Rinaldini heisst der Hügel, an dessen Ausläufer sich noch heutzutage manch
verborgenes Thälchen angliedert. Es soll nicht verschwiegen werden, dass manche
interessante Einzelheit aus der vorliegenden Schrift Erwähnung verdiente, manche
' Aufstellung den Widerspruch, manche Unterlassung eine Fragestellung herausforderte.
Am bezeichnendsten ist die auf S. 103 gegebene Statistik, aus der erhellt, wie fleissige
Leser die behandelte Litteraturgattung noch an unseren Grosseltern hatte. M.-F. zählt
vor den Freiheitskriegen 260, nach ihnen 620 solcher Werke. Eine einzige Leih-
bibliothek in Leipig soll nach seiner Angabe im J. 1836 unter 6100 Romanen etwa
1700 Ritter- und Räuberromane geborgen haben. Und die Zahl der Autoren am
Ende des vorigen Jh. erreichte gar die beträchtliche Höhe von 267. darunter natürlich
die grössten Vielschreiber, die in dem Streben wetteiferten, es einander in dick-
leibigen, (nicht „beleibten", wie M.-F. S. 27 schreibt) Bänden zuvorzuthun. Das
Geburtsjahr des Wortes „Burgverliess" soll das J. 1787 sein. Wächter hat das in
seiner niederdeutschen Heimat halbverschollene Wort „Verliess" sich angeeignet,
um für den Ort seiner schrecklichsten Schreckensscenen eine wirksame Bezeichnung
zu haben, die mit dem dumpfen „Burg" zusammengesetzt den peinlichen Eindruck
vermehrte und sich recht altertümlich ausnahm (S. 16, 29). Es klingt recht unwahr-
scheinlich, wenn behauptet wird, A. G. Meissner habe den Dialog in den historischen
Roman eingeführt (S. 26); in so strikter Form wird sich der Gedanke kaum an eine
einzelne Person knüpfen lassen: dialogische Partien im Epos sind so alt wie Homer
und Herodot. Beachtung verdient die Bemerkung, dass Zschokke in dem Roman
„Die schwarzen Brüder" unter die Urväter eines Bellamy ging (S. 73). Die Ver-
mutung auf S. 79, dass das bekannte Rinaldini-Lied von Vulpius „In des Waldes
finstern Gründen" auf eine spanische Romanze zurückgehe, wäre einer genaueren
Untersuchung wert. Schliesslich noch die Frage, warum die süddeutschen Schrift-
steller, die an Zahl und Fruchtbarkeit den mittel- und norddeutschen gewiss nicht
nachstanden, so wenig in den Vordergrund treten? Einer erneuten Durcharbeitung
des von M.-F. gestellten Themas ist also durch sein Buch der Weg keineswegs ver-
legt, -r- Heines Buch über. den Roman von 1774—78 (JBL. 1892 IV 3:29) erfuhr
durchaus ablehnende Besprechungen 17). Man findet es misslungen in der Begrenzung
des behandelten Stoffes ebensowohl wie in der Fragestellung und Durchführung. —
Donners18) Dissertation ist an anderer Stelle zur Genüge behandelt worden, so dass
eine Anführung in unserem Zusammenhange genügen mag. —
Die Sammlung der lyrischen und epischen Dichter der klassischen Periode
'von Mendheim11') hat an anderer Stelle schon im Vorjahre eine genaue Würdigung
erfahren. Der Titel darf nicht zu dem Glauben verleiten, als ob das Epos auch nur
irgendwie die ihm gebührende Beachtung fände. Das lag allerdings mehr an dem
ganzen Plane der DNL. und an der dem Herausgeber vorgezeichneten Anlage der
Sammlung, die Dichter um lokale Mittelpunkte zu scharen, wofür die vorwiegend
lyrischen Musenalmanache sich besonders eigneten. Daher hält der Titel nicht, was
er verspricht, und der Herausgeber nicht, was er ankündigt: er wolle die Dichter
in ihren charakteristischen Dichtungen vorführen. Die epischen Talente kommen
viel zu kurz, wenn sie nach ihren lyrischen Erzeugnissen beurteilt werden müssen.
Hierbei sprach aber der zur Verfügung gestellte Raum ein ernstes Wort mit. M. hat
jedoch schon in der Einleitung die Betrachtung der epischen Dichtung ungleich be-
— 17) X A. Sauer: DLZ. 1893, S. 393/5; Grenzb. 1893: 4, S. 143; A. Br.: LCB1. 1893, S. 568/9; Q.: DR. 1893: 2, S. 272;
LBIGRPh. 14, S. 184. — 18) (IV 8d : 35.) - 19) M. Mendheiro, Lyriker u. Epiker d. Mass. Periode. T. 1/3. (JBL. 1893 IV 2 a : 2/4.)
R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894. IV 3 ■. 20-22
dacht, wenn wir auch stillschweigend mit ihm annehmen, dass es sich ihm bloss um
die Versepik handelt. Die Entwicklung des ernsten Epos aus der heiteren Epopöe, also mit
anderen Worten, Klopstocks Messias „auf dem Umwege der poetischen Erzählung und der
Idylle1' entstehen zu lassen, heisst die Geschichte auf den Kopf stellen (S. 19). Klopstocks
Abschiedsrede vom Wesen und Beruf des epischen Dichters lässt diesen Gang der
Dinge wenigstens nicht ahnen. Es glaubt dies dem Herausgeber aber ebenso wenig
jemand wie die Behauptung (S. XXIII), in der klssischen Zeit habe man unter Epen
nur in epischer Form ausgeführte Idyllen verstanden. Gegenbeweis unnötig; ein
Blick in jedes beliebige Kompendium der deutschen Litteraturgeschichte lehrt anderes.
Im einzelnen möchte ich zu der von A. Sauer (JBL. 1893 IV 2a: 2/4) schon unter-
nommenen Rettung des Dichters E. Chrph. Bindemann noch beifügen, dass ausser den
von Herrn. Petrich in seinem Stargarder Programm (1878) behandelten Werken auf
Bindemanns Namen in älteren Geschichtswerken der Litteratur (z. B. Ebeling, Ge-
schichte der komischen Litteratur 3, S. 60), auch ein Gedicht unter dem Titel „Stutz-
bart, ein satirisches Sittengemälde, Breslau 1787" geht, abgesehen von der ihm
zugeschriebenen Bearbeitung1 und Uebersetzung der Voltaireschen Pucelle, für die
Petrich (a. a. O. S. 2) nur eine kurze Anmerkung hat, die gegen die Autorschaft
Bindemaans bloss „die erloschene Spur in der Familienüberlieferung" anführt. — Die
Balladensammlung von Fogowitz20) ist anspruchslos, versammelt das Bekannteste
von Schiller bis Fontane, was in Schule und Leben an wirkungsvollen Balladen
unterkommt. Ausser Bürgers Lenore und Herders „Edward" vermisst man nichts,
was zum Bedeutendsten zu zählen ist. Etwa 80 Gedichte von vier Dutzend Dichtern
fordern ihr harmloses Publikum auf, sie zu geniessen. WTenige Anmerkungen
erläutern fremde Namen und abliegende Thatsachen. Acht grausame Illustrationen
scheinen den Zweck zu haben, den schaudernden Leser zu erheitern.21) —
AeltereZeit. Den „gekrönten Dichter" Schönaich behandelt Ad. Stern22)
in einem abgerundeten Essay. Es ist rührend zu hören, wie kümmerlich dieser einst
vielgeschmähte und vielberufene Mann unter dem Joch eines harten und geizigen
Vaters sein Lebtage zu schmachten hatte, bis er, vergessen, erblindet, mit dem zwei-
deutigen Geschenk eines selten hohen Alters beladen, von einer Welt Abschied
nahm, die den Schmerz um eines Schiller Tod schon mehrere Jahre lang trug. Es
ist keine litterarische Rettung, die St. ihm widmet, aber es ist eine Rechtfertigung
und Erklärung, wenn an der Hand geschriebener und gedruckter Quellen nach-
gewiesen wird, wie der durch und durch bescheidene Freiherr fast gegen seinen
Willen von Gottsched in die Situation gedrängt wurde, in der er uns heute noch
lächerlich erscheint. Aus einer Art Langeweile und einer gewissen Neigung ver-
suchte er dem Vaterland nach seiner Verabschiedung vom Militär durch Reime nach
dem Rezept von Gottscheds „Dichtkunst" zu „dienen" und hatte das Unglück, mit
seinem patriotischen Elaborat vor den Leipziger Kampfhahn in einem Zeitpunkte zu
treten, da dieser nicht bloss Hülfstruppen, sondern geradezu einen „lebendigen Erweis"
für die allein selig machende Wirkung seiner kritischen Grundsätze unter allen Um-
ständen brauchte. Das büsste denn auch Schönaich für Mit- und Nachwelt hart genug
mit dem ihm aufgedrängten lächerlichen Lorbeer, den für den abwesenden Poeten
ein Freiherr von Seckendorff sich auf die Puderperrücke drücken lassen musste, da
es dem Herrn Baron nach eigenem Geständnis an der nötigen Ausstattung fehlte, um
in persona vor den Blicken des neugierigen Leipzig mit Ehren bestehen zu können;
denn er hatte ungefähr acht Wochen zuvor „ein Kleidchen bekommen, das der Pfeffer-
krämer in Leipzig des Sonntags besser hat". Von seinen Dichtungen ist ja nicht
viel Rühmens zu machen; dass aber der Leipziger Aristarch, dem sich der Neophyt
mit Haut und Haaren im voraus ergeben hatte, der an sich bescheidenen Phantasie
des Dichters die wenigen Schwungfedern noch beschnitt und alles ausrupfte, was in
Bildern und Beschreibungen den Verdacht schillernden Farbenreizes erregte, zeugt
ebenso sehr für die Unselbständigkeit des Gemassregelten, wie es unser Mitleid für
den armen Sancho Pansa erweckt. St. versetzt uns mitten in das Gewoge des
heftigsten Kampfes zwischen Leipziger und Schweizer Geschmack und belehrt uns
welche Rolle der geschobene und vorgeschobene Schönaich darin und dabei spielte.
Von Interesse ist die Richtigstellung einer Angabe bei Goedeke 3, S. 363, gelegent-
lich der Behandlung der von Schönaich ausgegangenen Streitschriften, dass nicht
der Meissner Arzt Chrph. Karl Reichel Schönaichs Mitarbeiter und der Vf. des
satirischen Heldengedichts „Bodmerias" ist, vielmehr ein J. G. Reichel, der in den
ersten fünfziger J. als Kandidat in Schönaichs Nähe lebte und 1757 als Bibliothekar
(=DNL. 135. Bd., Abt. 13.) St., Union. 1893. XXXI, 428 S.; 459, 430 S. ä.M.2,50. (JBL. 1893 IV 2 a: 2,4.) - 20) A. H. Fogowitz,
Balladenschatz. D. besten u. beliebtesten Erzählungsgedichte. Für d. Jag. zusammengest., neu durchges. u. mit vielen Anra,
vers. Mit 8 Illustr. v. G. A. Kloss. (= ÜB. fär d. Jugend N. 312 5.) ebda. 1893. 239 S. M. 0,80. — 21) X D- besten
Romane d. Weltlitt. Neue Ausgaben (mit Abbild.). 3. Serie. Bd. 9-12. Teschen, Prochaska. 1893. 16°. 198, 188, 192, 134 S.
ä M. 0,50. — 22) Ad. Stern, E. gekrönter Dichter. (Chrph. O. v. Schönaich.) (= Beitrr. z. Litt.-Gesch. d. 17. u. 18. Jh.
IV 3:23-26 R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
und Professor der deutschen Sprache an die neugegründete Universität nach Moskau
ging. Es ist derselbe Mann, der kurz nachher durch Klatschereien und Anklagen
Schönaichs Ansehen bei Gottsched zu untergraben versuchte (S. 125, Anm. 6). Was
der Artikel sonst an Einzelheiten bringt, vervollständigt nur die Kenntnis des an-
gedeuteten Bildes. Eine kurze Familiengeschichte derer von Schönaich, ein Ueber-
blick über die Thätigkeit unseres Dichters mit Ausschluss seiner dramatischen Ver-
suche, die Unfähigkeit des Mannes, sich auch nur von der Zuchtrute seiner gnädigen
Frau Mama zu emanzipieren, die schon angedeutete Schwäche gegenüber Gottscheds
unablässigem Drängen zur Verflachung und Nüchternheit und schliesslich ein be-
greiflicher Mangel an politischer Gesinnungstüchtigkeit. Neu aufgefundenes Material
stand St. nicht zu Gebote. —
Welch andere Luft weht uns aus den Dokumenten zu Klopstocks Leben23)
entgegen, die Heinemann24) veröffentlicht. Aus den Schätzen von Rud. Brockhaus
in Leipzig druckt H. einen Brief Klopstocks an seine Braut Meta vom 29. Okt. 1752
mit einer Fortsetzung vom 31. Okt. aus Kopenhagen ab, der schon 1821 durch
C. A. H. Clodius teilweise, aber inkorrekt zugänglich gemacht worden war. Der
Dichter erzählt, dass er den Sonntag zu Hause zugebracht habe, um fleissig an seinem
Messias zu arbeiten, und wie sehr er Young verehre, den er sich zum Genius aus-
erwählt habe. Und das alles in einer Sprache, die in jeder Zeile den Messiasdichter
verrät. Die Huldigungen an die entfernte Geliebte sind durchsetzt von dem Be-
freienden, das wir an den Cidli-Liedern bewundern. „Seine Seele denkt die Geliebte
mit all ihren Gedanken", ja sie denkt noch weiter in die Zukunft hinaus, das er-
träumte Glück und die erhoffte Seligkeit der dauernden Verbindung vorweg' nehmend,
wenn sie der Braut von reichem Kindersegen vorphantasiert. Es ist der Stil der Oden
durch und durch, der des Dichters Sein in jener Zeit derart erfüllte, dass er auch im
Traume dieser Sphäre nicht entging. Und so „zerküsst" er denn auch ein Stück
Band, weil es über Metas kleinem Porträt „verbreitet" gewesen ist, und erzählt einen
Traum, ganz in das Schäferkostüm der Zeit gekleidet, wie die Geliebte ihn nicht weg-
lassen will aus ihrem Closet — so nannte sie im Traum ihr Zimmer; — es ist die
Situation, an die sich die gegen Ende des J. 1753 gedichtete Ode „Das Rosenband"
eng anschliesst, jenes bedeutende Gedicht, bei dem man sich an Goethesche Lyrik
erinnert fühlt. „Ich bin, meine Klopstockin, dein Klopstock", so schliesst das hoch-
interessante Schreiben, dessen Antwort wir aus Clodius Sammlung (1, S. 145) schon
kennen. Ein Brief Metas an Charlotte Kramer in Quedlinburg, die Gattin Jon. Andr.
Kramers, eine jüngere Schwester der „göttlichen Radikin", aus Hamburg vom 2. Jan.
1754 datiert, verrät das überaus zarte und empfindsame Verhältnis, das zwischen dem
Brautpaare Klopstock herrschte. Die Hausfrau berichtet über Kleider und klagt über
die Dienstbotenmisere, wünscht sich und ihrer Freundin, ganz im Tone Klopstocks und
im Sinne der Zeit, in dieser Neu Jahrsgratulation viele Kinder, ein Wunsch, der
tragische Stimmung erweckt im Hinblick auf der Schreiberin späteres Schicksal.
Von Kramers Berufung als Oberhofprediger nach Kopenhagen ist die Rede, nach der
„Beiträgerinsel", wie Meta bezeichnend Dänemark nennt, mit Rücksicht darauf, dass
ausser Klopstock, J. E. Schlegel und Giseke nunmehr auch Kramer dort ein neues
Vaterland finden werde. Vom Standpunkte der Kulturgeschichte aus bemerkenswert ist
die Andeutung, dass Meta alle Ringe und Juwelen ablegen wolle, „wenn die Trauer
aus ist in ihrem Hause". Sie beklagt nämlich den Tod einer Tante und eines
Schwagers, die an einem Tage gestorben sind. Die Briefe sind mit genauer Sach-
kenntnis von H. behandelt, alle Anspielungen erläutert, so dass zu wünschen wäre,
er möchte die noch ungedruckten Briefe Metas, von denen er Kenntnis verrät, vor-
legen. — Schröter25), ein Lehrer in Dankerode a. H., hat aus Archivalien eine
Reihe irriger Angaben über Klopstocks Familie und ihm nahestehende Personen und
Verhältnisse zu berichtigen vermocht. Seine sorgsame Kleinforschung sei den Klop-
stockbiographen zu gelegentlicher Berücksichtigung empfohlen.25 a) — Hübler26) hat
mit grossem Fleiss, aber in tadelnswerter Weitschweifigkeit Klopstock neben Milton
gestellt. Ob man dazu so weit ausholen muss, ja darf, wie der Vf. tlmt, bezweifle
ich ; denn es standen ihm keine neuen Quellen zu Gebote, er hat sich nur auf ge-
drucktes und allgemein bekanntes Material gestützt, und hatte deshalb auch nicht nötig,
in einer Einleitung zu der Einleitung auseinanderzusetzen, wie und wozu man Literatur-
geschichte studiert, bevor er auf die allgemeinen politischen und litterarischen Zustände
Englands im 17. und Deutschlands im 18. Jh. hinwies. Der beiden Dichter Lebensgang
(S. 12— 58) einmal David Masson, das andere Mal Muncker in extenso nachzuerzählen, war
[L, B. Bichter. VII, 323 S. M. 7,50J, S. (55-127.) (Vgl. JBU 1S93 III 3: 17; IV la:27; s. auch o. IV 1 :i : 26.) - 23) X
(IV lb:13, S. 3213.) — 24) K. Heinemann, Aus Klopstocks Bräntigamszeit: BLU. 1S93, S. 113/6. — 25) 0. Schröter,
Klopstockstätten in d. Grafsch. Mansfeld: MansfelderBll. 6, 8. 176-87. — 25a) O (IV ld:60.) — 26) F. Hübler, Milton
u. Klopstock. Mit l>es. Berücksichtig, d. „Par.idise lost" n. d. „Messias". T. 12. Progr. d. Staatsmittelschule. Reichenberg.
R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894. IV 3 : 27-28
ebenso überflüssig', wie gar die zum Ueberdruss noch angehängte Auseinandersetzung
(S. 58—78) über „Persönliches und Charakter der beiden Dichter", wobei — wohl-
gemerkt — im ganzen ersten Teile der Untersuchung nichts anderes als dies zu unter-
suchen vorlag und ohne ein neues Ergebnis auch behandelt wurde. Und das eigent-
liche Thema der Vergleichung ist derart geistlos und äusserlich kompiliert, dass H.
sich mit seiner eigenen Meinung nicht hervorwagt, wenn seine Gewährsmänner nicht
übereinstimmen. Thut er es einmal, so geschieht es in einer Anmerkung unter dem
Strich, so dass wir recht gespannt sind, was denn eigentlich für Offenbarungen dem
Schluss dieser langatmigen Programmserie vorbehalten sind. — Von hohen ästhetischen
Gesichtspunkten geht Zumbini27) an den gleichen Stoff heran. Er erweitert seine
Frage durch die Rücksicht auf Tasso und hat gar ein leichtes Spiel, für seine Nation
den Sieg einzuheimsen. Dabei ist er nicht ungerecht gegen die Ausländer, erkennt
den hohen Wert und die unvergleichlichen Schönheiten des Verlorenen Paradieses und
des Messias im einzelnen und in der Bedeutung für die betreffende Nationallitteratur
an, aber er nimmt nur einen zu modernen Standpunkt ein und versäumt es, die
grössten Mängel historisch zu begreifen. „La natura dell1 azione e la mancanza di
lotta hanno dunque impedito, che il ,Messia' conseguisse i maggiori pregi dell'
epopea." Und warum das? Weil Klopstock zu orthodox am Glauben festhält, und
das Wertmass in der Formel verschlossen liegt: die religiöse Wirkung in einer
modernen Epopöe steht im umgekehrten Verhältnis zu der künstlerischen. Es fehlt
der deutschen Dichtung daran, was die des Engländers schon im höheren Grad
auszeichnet, worin aber auch sie nicht an die der Italiener heranreicht, „che il paradiso
dantesco e piü umano e piü storico, che non quelli dei due poeti stranieri". Und die
zwei Vorzüge Dantes, ich möchte sagen: der Erdgeruch und die grössere Wahr-
scheinlichkeit seiner Dichtung, werden von Z. im „Messias" und im „Paradise lost"
aufgesucht, aber nur in verschiedenen, geringeren Mengen vorgefunden. Von diesem
Prinzip aus betrachtet, steht unsere Messiade auch dem Verlorenen Paradiese nach,
denn das rein Aetherische und Himmlische bietet keinen Platz für das „gigantesco,
e, direi, ü miltoniano". Und es dürfte schwer sein, diese Argumente Z.s zu wider-
legen. Seine Wegweiser waren Robert Boxberger in der Hempelschen Ausgabe der
Werke Klopstocks und die Uebersetzungsversuche von A. Maffei, dessen bedeutendes
Bruchstück aus dem 2. Gesänge des „Messias" seit 1821 bereits bekannt ist. — Die
Sprache Klopstocks untersucht Petri28) eingehend und ergebnisreich. Er hatte
darin allerdings schon bedeutende Vorgänger. Sein Streben war es nun, die Ergeb-
nisse der Forschung zu prüfen und zusammenzufassen. So hat er denn häufig Ge-
legenheit gehabt, gegen Chr. Würfels wohlbekannte Progamine zu polemisieren.
P. hat sich eingehend mit den Werken der Vorgänger Klopstocks beschäftig!, und
berücksichtigt stets bei passender Gelegenheit die Dichtungen von Pietsch, Gottsched,
Brockes, Haller, Pyra usw. Auch die theoretischen Spätlinge Klopstockscher Sprach-
beobachtung werden herbeigezogen und in Einklang gebracht mit den Aenderungen,
die der Gereiftere den mit steter Sorgfalt durchkorrigierten Ausgaben späterer Hand
angedeihen Hess. So bietet denn die vorliegende Untersuchung bei den einzelnen
behandelten Wortarten (Verbum, Substantivum und Adjektivum) zuerst je ein allge-
meines Kapitel, das auf die angestrebte Veredlung des Ausdruckes hinweist, dann im
besonderen die Beobachtungen, die in des Dichters Eigentümlichkeit wurzeln, „seine
Sprache nach Möglichkeit auszuzeichnen und von der gewöhnlichen [ergänze : Dichter-
sprache] zu unterscheiden, ein Bestreben, welches ihn überall, wo es möglich ist, das
Ungewöhnlichere wählen lässt". Und so wählt er denn, wie wir wissen, das einfache
Wort statt des zusammengesetzten, bevorzugt umgekehrt, wenn auch seltener, das
Kompositum vor dem Simplex, strebt in seinen Zusammensetzungen nicht bloss
Originalität, sondern auch Sinnfälligkeit der Form und des Inhalts an und füllt sich
und seinen Epigonen auf diese Art die Speicher während der fetten Jahre seines
Schaffens in ungekannter und ungeahnter Mannigfaltigkeit und Güte der Vorräte. Dass
die hungrige Nation nicht alles aufzehrte, sondern g-ar vieles hinfaulen Hess, ist be-
kannt. Und die Ergebnisse dieser Forschungen, weitaus anziehender, neuer und be-
deutender, verspricht P. in dem zweiten Teüe seiner Preisarbeit, über die Wirkung
und Geltung der Dichtersprache Klopstocks, der die fehlende Untersuchung über den
Gebrauch des Pronomens, besonders des Artikels und der Partikeln, als Schluss der
vorliegenden vorangehen werden. Manchmal, scheint es, hat der Vf. zu wenig Rück-
sicht genommen bei der Erklärung grammatischer Erscheinungen auf ihre Gründe.
So kann doch niemand leugnen, dass jede hexametrische Dichtung dem Participium
präsentis eine Stellung einräumen muss, die dem deutschen Sprachgeist und -ge-
brauch nicht gerade ganz gemäss ist. Den Einfluss der klassischen Sprachen möchte
1893—84. 78, 54 S. |[W. Saliger: Gymn. 12, S. S29.]| — 27) B. Zumbini, II „Messia" del Klopstock. (= Studi di lett.
straniere [Firenze, Le Monnier. 1893. 16°. VII, 264 S. L. 2,00], S. 97-127.) (Vgl. JBL. 1893 IVld:77; 5:417; 6:23:
8a : 28; 8o : 30.) — 28) F. Petri, Krit. Beitrr. ss. Gesch. d. Dichtersprache Klopstocks. Diss. Gieifswald (Jäger). 84 S. —
IV 3:29-32 R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhnnderts. 1893, 1894.
ich hier erst in zweiter Linie betonen, während er in der Odendichtung, [namentlich
der Jugendzeit, unabweislich sich aufdrängt und demgemäss auch Berücksichtigung
erheischt. Man darf ja ruhig sagen, dass beim Studium der Varianten einer Dichtung
selten Ein Grund für die Veränderung als der einzig massgebende sich zu erkennen
giebt und deshalb dürfte es angemessen sein, die einzelnen Veränderungen unter den
verschiedenen Rubriken vorsichtig zu buchen oder wenigstens anzumerken. Wenn
man P.s Sorgfalt traut, so wollte er durch die Menge oder geringe Zahl der heraus-
gehobenen Beispiele auch auf die Quantität der Fälle hingewiesen haben; er hat sich
ausdrücklich nicht darüber ausgesprochen, und es wäre gut, wenn er diese statistischen
Angaben in seinem nachzutragendem Resume zum vollen Ausdruck brächte. Die
von ihm eingerichteten Rubriken erschöpfen übrigens den Stoff nicht, sie lassen eine
Reihe Eigentümlichkeiten, z. B. die über die Verkleinerungsworte bei den Substan-
tiven, über die Bevorzugung älterer Wortformen, über die Weise der Zusammen-
setzung (warum z. B. gränzlos, aber: thränenlos, satzungslos, wolkenlos?) usw. un-
beachtet, wogegen eine Fülle syntaktischer Erscheinungen an verschiedenen Stellen
zur Sprache kommt, die, unter einen Hut g-ebracht, das Bild von Klopstocks Sprach-
gebrauch ungemein beleben würde (der innere Akkusativ, der absolute Genitiv, der
absolute Komparativ usw.; es scheint überhaupt, dass P. aus nicht genannten
Gründen unseren üblichen Terminis mit Absicht aus dem Wege ging'). All das
Gesagte soll P.s andere Verdienste nicht schmälern. Er deckt z. B. zum ersten Mal
den merkwürdigen Gegensatz auf, der zwischen Pietsch, Gottsched und Pyra einer-
seits und dem jungen Klopstock andererseits besteht. Jene verwenden mit Vorliebe
Zusammensetzungen des Participii praeteriti mit Substantiven (z. B, angsterfüllt, erz-
bewehrt), dieser aber bedient sich solcher Formen in grösserer Zahl erst in den 1755
erschienenen Messiasgesängen und da noch mit einer gewissen Stetigkeit in den
einzelnen Bestandteilen, das Substantivum „Gott-" und die Partizipien „-belastet" und
„-erfüllt" bevorzugend. Ebenso merkwürdig- ist die Beobachtung, dass Klopstock mit
zunehmendem Alter den Gebrauch der Interjektionen in ganz unerwartetem Masse
einschränkte, was bei einem so pathetischen Dichter durchaus überraschen muss.
Wir lernen, dass der Dichter die im jugendlichen Uebereifer verwendeten Plural-
formen von Substantiven später in vielen Italien durch den Singular ersetzte; nament-
lich der Neudruck des Messias von 1780 soll in dieser Beziehung- ein ganz ver-
ändertes Aussehen zeigen. Es drängt sich uns schliesslich der Gedanke auf, ob P.
nicht das sorgsam gesammelte Material zu einem Wörterbuche Klopstocks verarbeiten
wollte, wodurch er praktisch eine specielle Antwort gäbe auf die zumal in letzter
Zeit erfolgten mannigfaltig-en Anregungen in der Frage eines grossen deutschen Wörter-
buches. Der schelmische Doppelsinn, der in der Bildung „verunsinnlichen" (S. 54)
hegt, scheint P. entgangen zu sein. — Zur Darstellungsform des „Messias" ergreift
Creizenach29) das Wort. Er bestreitet die von Hamel aufgestellte Behauptung, der
sich Muncker und Minor angeschlossen haben : „Klopstock habe schon lange vor seiner
Beschäftigung mit der altgermanischen Poesie durch Bodmers Uebersetzung von
Miltons Verlorenem Paradiese und durch eine Stelle in einem Aufsatze Bodmers über
Miltons Schreibart das Kunstmittel der Alliteration kennen gelernt." Wir glauben mit
C, dass es sich bei den in Rede stehenden Gleichklängen um blossen Zufall handle,
und so bleibt es denn dabei, dass Klopstock erst nach 1765 die Alliteration als ein
beabsichtigtes Kunstmittel in seine Dichtung einführte.30) — Munckers31) Einleitung
zur Cottaschen Ausgabe verdient einen erneuten Hinweis. —
Die Hauptvertreter des komischen Epos fanden auch diesmal Beachtung.
Zimmers32) Buch über Zachariä hat weiter nur Tadel erfahren. Zu den früheren
negierenden Besprechungen treten Rosenbaums Hinweisungen auf jene Werke, die
für eine unparteiische Theorie der Dichtungsart zu berücksichtigen gewesen wären,
deren Quintessenz in der Definition gipfelt: „Das komische Heldengedicht ist eine
Species des heroischen, die völlig nach den Regeln der Gattung eingerichtet, den
Widerspruch zwischen Form und Inhalt vornehmlich in die Parodierung der ernsten
Epopöe verlegt und die ihrer Bezeichnung durch die Würzen stark aufgetragenen
Scherzes und augenfälligen Wortwitzes gerecht zu werden sucht." Diese theoretische
Grundlage war an einer Reihe von Dichtungen zu erweisen, die vor dem „Renom-
misten" liegen: Pyras „Bibliotartarus", Rosts „Tänzerin" und „Vorspiel" und die
in Prosa abgefassten Epen „Der Dichterkrieg", „Das Meisterspiel im Lomber" und
„Der Dieb" aus den „Belustigungen des Verstandes und Witzes". Wie die litterar-
historische Würdigung bei Zimmer zu kurz kommt, so mangelt die noch wichtigere
Beleuchtung der kulturgeschichtlichen Seiten aus ihren historischen Grundlagen
29) W. Creizenach, Xlliteratinn in Klopstocks Messias?: Enph. 1, S. 745/7. — 30) O F. Rosiger, Ueber Klopstocks
Naturbeschreibung. Progr. Heidolberg. 4°. 7 S. — 31) Klopstocks ges. Werke in 4 Bd. Mit e. Einl. v. F. Muncker.
St., Cotta. 272, 312, 228, 203 8. ä M. 4,00. (D. bekannte Ausg. mit M.s orientierender Einl., deren knappe Andeutungen in
seiner Klopstnokbiogr. breitere Ausführung erfahren haben.) — 32) (IV 5:10.) |(R. Rosenbauni: AHA. 19, S. 257-64. ]| —
R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894. IV 3 i 33-41
heraus. — Rosen bäum33) versuchte in einem Vortrag- über den gleichen Gegenstand
diese Züge herauszuarbeiten und deutete auf das verloren gegangene Lustspiel „Das
Gespräche im Reiche der Toten" als den eigentlichen Kern der Handlung, soweit
sie den Gegensatz zwischen dem fein geglätteten Leipziger Studententum und dem
widerhaarigen Renommistentum Jenas zu charakterisieren strebt. — Schlösser34)
beansprucht für Zachariä den Ehrenplatz unter den „Vorkämpfern des fünffüssigen
Jambus". Technische Schwierigkeiten schreckten den Dichter ab, den begonnenen
Versuch einer Uebersetzung von Miltons Verlorenem Paradies in fünffüssigen Jamben
fortzusetzen. Die erhaltenen etwa 150 Verse sind unsere ältesten fünffüssigen Jamben.
Sie fallen vor das J. 1760 und zeigen in manchen Stücken auch ein anderes Gepräge
als die aus der Cortezdichtung (1766) bekannten. Alle Verse sind von regelmässiger
Länge, zu Anfang des Verses treten aber Trochäen häufiger als später auf. Auf-
fallend ist die Behandlung des Versausganges. Während später der männliche Aus-
gang1 herrschend ist, begegnet man hier zum guten Dritteil auch dem weiblichen.
Die letzten Jamben Zachariäs in der Dichtung- „Tayti" (1777) weichen von dem im
„Cortez" geübten Gebrauch nur in Kleinigkeiten ab. Einige Verse zeigen unregil-
mässige Läng*e, die rhythmischen Perioden sind minder umfangreich ; zwei bei Dannehl
nicht verzeichnete Fälle des Enjambements werden nachgewiesen: die Trennung des
Partizips vom Hülfsverb und von seiner näheren Bestimmung. Die von Zarncke so
genannte „Brechung des Rhythmus" dagegen ist von einer Kühnheit und in einem
Umfange benutzt, die ihresgleichen vor Lessing nicht haben. —
Auch Thümmels Verdienste um das komische Heldengedicht gewannen
durch Rosenbaums35) kritische Ausgabe der „Wilhelmine" erneute Anerkennung.
Aus einem bisher ungedruckten Briefe Thümmels an Weise (Coburg, 19. Jan. 1764)
zeigt sich, mit welcher Aufmerksamkeit der junge Dichter Zachariäs Produktion ver-
folgte, und worin er es dem Dichter der „Lagosiade" und der „Hercynia" — denn
auch letztere zählte man merkwürdiger WTeise zu den komischen Epopöen — zuvor
thun wollte. Weisses Verdienst um die erste Gestalt des Werkchens, in der es uns
vorgelegt wird, Uzens Einfluss auf die entschiedenen Aendarungen in der zweiten
und den folgenden Ausgaben finden in den Lesarten ihren Ausdruck und in der Ein-
leitung die nötige Beleuchtung. S. IX, Z. 8 muss es natürlich 1765 statt 1766 heissen;
Dieselbe Aenderung ist vorzunehmen S. 45, Z. 21; S. 28, Z. 12 lies: „sein" statt
„seine"; S. 51, Z. 29 lies: DF statt E; S. 53, Z. 1 lies 29 statt 27. — Rosenbaum36)
gab auch einen Lebensabriss des Dichters, der uns in Thümmel den Pfadsucher einer
neuen' Richtung zeitgenössischer Epik erkennen lässt. Der Pfadfinder wurde Wieland,
dessen „Comische Erzählungen" (1765) erst die neue Weise deutlich inaugurierten.
Fast die gleiche Bedeutung spricht R. dem Dichter auf Grund der Originalität seiner
Reisebeschreibung auf dem Gebiete des Romans zu. Von der Anklage der Frivolität
ist Thümmel aber nicht ganz freizusprechen.37"38)' —
Die Reisebeschreibungen des vorigen Jh. harren überhaupt noch einer einheit-
lichen Untersuchung. Aus einem hs. Reisebericht, der örtlich und zeitlich mit dem
Thümmels fast zusammenfällt, macht Gerland39) sparsame Mitteilungen. Die Vf.,
Jeannette Philippine Le Clerc, der bekannten hessischen Architektenfamilie
Da Ry entstammend, machte in den J. 1773—75 mit ihrem Gatten von Cassel
aus eine Reise bis an den Fuss der Pyrenäen. Die Frau hat viel gesehen, gut
beobachtet und kann das Gesehene auch fliessend, ohne jedes Pathos wiedergeben.
Ihre einfachen, wahrheitsgetreuen Mitteilungen eigneten sich vorzüglich zum Wahr-
heitsmesser zahlreicher anderer Beschreibungen. —
Nach Cassel deutet auch die letzte ehrliche Spur des zumDiebe gewordenen Rud.
Erich Raspe. Eine kurze Lebensbeschreibung dieses Strebers benutzt Scher er40) zur
Verbesserung einiger irrigen Daten. Unter Raspes mannigfachen Beziehungen zu den
verschiedensten Zeitgenossen verfolgt er die zur Karschin auf Grund bisher un-
gedruckter Briefe. Diese Beziehungen drehen sich, wie bei der Karschin allgemein
bekannt und nicht anders zu erwarten, nur um Geld, Einnahmen, Pensionen oder
„Ersatz für die Kosten", unter welch euphemistischem Titel bestellte und gelieferte
Preisgedichte von ihr in Rechnung gesetzt werden. —
Mitten in die Blütezeit der Empfindsamkeit versetzt uns die ausgezeichnete
Monographie über Miller, die Kraeger41) geliefert hat. Gründliche Kenntnis des
33) R. Rosenbaum, Ueber Zachariäs Renommisten. Vortr. geh. in GDL. Mai 1893. (JBL. 1893 IV 5 : 12.) Ref.: VossZg. 1893,
N. 247. (S. auch DLZ. 1893, S. 13701.) — 34) (I 8:29.) - 35) (IV 5:12.) |[M. C. P. Schmidt: ASNS. 93, S. 343/4; VossZg.
N. 298; LZgB. N. 59; A. C(huquet): RCr. 36, S. 319-20.]| — 36) (IV 5 : 11.) — 37) X (IV 5 : 13.) (V. ihm stammen d.
auch noch bei Goedeke2 4, S. 212 d. Dichter M. A. v. Thümmel zugeschriebenen „Aphorismen aus d. Erfahrungen e. Sieben-
u. Siebzigjährigen.") — 38) X (IV 5 : 14.) — 39) 0. Gerland, Jeannette Philippine Le Clerc, Auch e. Reise ins mittägige
Frankreich: Hessenland 8, S. 280/1, 290/3, 320/2; 9, S. 2/4. — 40) C. Scherer, Rud. Erich Raspe u. seine Beziehungen zu
Anna Luise Karschin. Nach zumeist ungedr. Briefen: VLG. 6, S. 371-409. (JBL. 1893 IV 2a: 22.) — 41) H. Kraeger, Joh.
M. Miller. E. Beitr. z. Gesch. d. Empfindsamkeit. Bremen. M. Heinsius Nachfl. 1893. X, 165 S. M. 2,80. |[0. Harnack:
PrJbb. 77, S. 369-70; M. K(och): LCB1. 1893, S. 1715; Grenzb. 1893: 4, S. 96; DRs. 77, S.319: H. Bnlthaupt: BLÜ. S. Sl ,3 ;
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (4)16/?
IV 3:42-44 R. Rosenbaum, Epos des 18./ 19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
zugänglichen Materials, der bisherigen Forschungen, die vollständige Beherrschung
der zeitgenössischen Litteratur im weitesten Umkreis und eine vorzügliche philologische
Schulung führten den Vf. zu einer höchst anerkennenswerten Selbstzucht, die man
Erstlingswerken nicht gerade häufig' wird nachrühmen dürfen. So haftet denn K.s
Blick nicht an Kleinlichem, wenn er auch das Kleinste berücksichtigt. Von Miller
ist er ausgegangen, zu ihm kehrt er immer wieder zurück, aber im Mittelpunkt der
Erörterungen steht dennoch der weite Kreis der Empfindsamkeitsschwärmer des
vorigen Jh. als ein Ganzes. So kann man es denn nur billigen, wenn K. statt einer
eingehenden Charakteristik der Millerschen Gedichte die lyrischen Bestrebungen des
Hains zergliedert und erklärt. Das Bauern- und Gesellschaftslied, die revolutionäre
Lyrik und ganz im speciellen der Minnegesang und die Nonnenlieder in ihren Vor-
bildern, ihrer Wirkung und Nachwirkung werden in typischen Analysen einer zu-
sammenfassenden Besprechung' unterzogen. Und so findet auf diesen Grundlagen
die Vorführung des Siegwartromans mit seiner Sippe sorgsam vorbereitete Leser.
In ein achtsam gepflegtes Milieu gestellt, ergötzt man sich an den längst abgestorbenen
Auswüchsen einer durch Goethes Werther wohlbekannten und durch die Thränen
ganzer Generationen längst abgewaschenen Stimmungsseuche, und bleibt sich dank
der Ironie des Vf. in der Darstellung immer bewusst, dass die nährende Feuchtigkeit,
die den Lebensbaum unserer klassischen Dichtung wässerte, auch aus jenem Brünn-
lein entquoll, in dem sich die Zähren jenes weichen Jahrzehnts sammelten. Sie
schadeten nicht; denn sie waren salzlos. Die Gegenüberstellung' Werthers und Sieg-
warts (S. 105/6) im Anfang dieses Kapitels hat K. ohne Ueberschätzung seines Stoffes
und Helden mit anerkennenswerter Unparteilichkeit vollzogen; diese. Charakteristik
spricht deutlich und klar, wie hoch der Roman Millers einzuschätzen ist, und recht-
fertigt es wiederum, dass der Vf. auch diesen zweiten Hauptteil seiner Untersuchung
zu einer allgemeinen Ausschau über die Motive der Empfindsamkeitsdichtung in
grossen Zügen erweitert. Die Liebe im Leben und Dichten betrachtet er kurz in
ihren wesentlichen Enuntiationen bis zum Mitleid für die Tierwelt herab ; dem Land-
leben und der Mondsghwärmerei ist ein eigenes Kapitel gewidmet, dem anhangsweise
ein Wort über Kinder folgt. Der weite Begriff der Freundschaft rückt auf die ihm
eigentümliche bedeutungsvolle Höhe, die selbst von dem sentimentalen Behag'en am
Leiden, an Krankheit und Tod nicht übertroffen wird. K. durfte für die Zwecke
seiner Untersuchung die Bundesbücher der Göttinger einsehen, aus denen er für die
Lyrik 39 bisher ungedruckte Gedichte und manche aufschlussreiche Variante sich
zu Nutze machte. Auszüge aus dem Miller- Vossischen Briefwechsel fanden reichlich
Verwertung, namentlich halfen sie das Lebensbild Millers abrunden, das K. seiner
Untersuchung vorangeschickt hat. Die Kritik hat das Buch aufs freundlichste
begrüsst, obwohl da und dort berechtigte Ausstellungen in Kleinigkeiten angemerkt
wurden. Die Beilage sei noch rühmlich hervorgehoben, die auf drei Druckseiten
zusammenfasst, wodurch sich die zweite Auflage des Siegwart von der ersten in
wesentlichen Stücken unterscheidet. Eine derartige Verwertung der Varianten muss
auch jeden unzünftigen Leser des Buches erfreuen und belehren. —
Nicht allein durch die Empfindsamkeit, sondern auch durch die gemeinsame
Verehrung für Millers „Entzücken", Lotte von Einem, gebührt hier dem Dichter,
Juristen und Historiker A. M. Sprickmann ein Plätzchen, das ihm Erich Schmidt42)
neuerdings anweist. Was er uns auf anderen Gebieten gilt, ist hier schon be-
sprochen worden. Im Epischen gehört er zu den Nachahmern von Leisewitzens
Monodramen, insofern als er „die Novellette ins halbschürige Dramolett" hinüberzog.
Von seinen „Kloster-Dichtungen" sei nicht viel Rühmens gemacht. In seine letzten
Lebensjahre fällt noch seine „väterliche" Beziehung zur Dichterin Droste-Hülshoff. —
Zu des Haingenossen J oh. Hein r. Voss Lebensschicksalen und Aufenthalt in
Otterndorf entnimmt Höls eher43) förderliche Mitteilungen einem in den JBL. schon be-
handelten Programm von L. Kükelhan. — Aus zwei Briefen des Eutiner Rektors
an den „lieben, feurigen, jugendlichen Greis" in Halberstadt, die Pawel44) heraus-
gab (vom 24. Juni 1784 und 28. Apr. 1785), lernen wir Gleim als seinen Berater
auch in buchhändlerischen Angelegenheiten und in Fragen der technischen Aus-
gestaltung seiner Werke kennen. Voss bereitete gerade eine Sammlung seiner
dichterischen WTerke vor, zu der er sich, wje in jenen Zeiten häufig, nur des Nach-
drucks wegen entschlossen hatte. Gerstenbergs neues „Drama mit Chören" wird
erwähnt; g-emeint ist: „Minona oder die Angelsachsen". Die Fertigkeit der Brüder
Stolberg in der Dramenfabrikation ist Gegenstand einer tadelnden Bemerkung.
Vollends unzufrieden ist aber Voss mit Klopstocks „Hermann und Segest" und mit
C. S.: DR. 4, S. 127; Gymn. 12, S. 95; StML. S. 232; A. Ch(uquet): ECr. 36, S. 2ö3.]| (JBL. 1893 IV 2a:35.) — 42) Erich
Schmidt, A. M. Sprickmann: ADB. 35, S. 305-13. (JBL. 1893 IV 4:12.) — 43) L. Hol seh er, Zu J. H. Voss Leben:
ASNS. 90, S. 343/4. (Vgl. JBL. 1892 1 10:280.) - 44) J. Pawel, 2 Briefe y. J. H. Voss an Gleim: VLG. 6, S. 133/6. —
R.- Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894. IV 3 : 45-58
der zunehmenden Verschleierung- des Sinnes in den Oden jener Epoche. Voss
glaubte der Einzige zu sein, dem es gelingen sollte, nicht durch die Auslegekunst,
sondern durch Gespräche mitKlopstock hinter den wahren Sinn kommen zu können;
aber weit gefehlt! Warum sagt der Herausgeber nicht mit einem Wort, welche Ode
gerade getroffen sein sollte? — Eskuche45J hat wenig Glück mit seiner Gegenüber-
stellung der Idyllen „Luise" und „Hermann und Dorothea". Ebenso kühn wie
ungeschickt ist der Gedanke, von diesen beiden Dichtungen her die Gesetze der
Idylle gegenüber dem Epos abzugrenzen. Der Misserfolg der „litterarischen Plauderei"
zeigt, wohin das führt.46"48)— Ein Anonymus4") giebt in grossen Zügen eine Entwicklung
des Dichters als Uebersetzers mit besonderer Rücksicht auf die Entstehung und
Bedeutung der Homerübertragung.50) —
Eine Parallele zwischen dem den Göttingern nahestehenden Claudius und
dem von Voss in metrischer Beziehung insbesondere beeinflussten Hebel zieht
Kuhn51) in einer etwas zu populär gehaltenen Auseinandersetzung. Er legt haupt-
sächlich pädagogischen Wert auf die Bekanntschaft mit der volkstümlichen Litteratur.
Beide Dichter gelten ihm in unserer Zeit für diejenigen, die „die bewusste Absicht
hatten, mit ihren Schriften aufs Volk im grossen und ganzen ohne Unterschied des
Bildungsgrades anregend und sittlich veredelnd zu wirken". Aus dieser Gleichheit
der Bestrebung' lässt sich wieder manch eine Beziehung in der Wahl des Stoffes,
der Grundgedanken und der Stimmungen sowie der Ausführung ableiten. Gerade
in Hinsicht auf den letzten Punkt aber treten umgekehrt die bemerkbarsten Unter-
schiede zu Tage. In Bezug auf Sprache, Stil und Darstellungsweise prägt sich nicht
bloss die Stammesverschiedenheit beider Dichter, sondern auch der geänderte Zeitgeist,
der sie umgiebt, am deutlichsten aus. — Giehnes52) neugedruckte Studien über
Hebel sind durch eine Menge Forschungen im einzelnen lange überholt. Aber das
Anekdotenhafte darin, die Frische des persönlichen Verkehrs mit Hebel selbst und
die Intimität des Stiles wecken gewisse Erinnerungen an die Art Hebelscher Kunst
im Leser und verbieten es, an den veralteten Ton mit kritischer Schärfe heran-
zutreten.53-55) —
Das Andenken an Friedrich Karl von Mosers politische Maximen erneuert
R. M. Meyer56). Ueber die Gegensätze, die in Mosers Wirksamkeit verquickt sind,
belehrt schon der zutreffende Titel: „Ein frommer Demokrat." Denn in religiösen
Fragen ist Moser ein starrer Verteidiger konservativer Anschauungen; von ihm soll
auch das modern klingende Wort „Pressfrechheit" zum ersten Male gebraucht worden
sein. In seinen staatsrechtlichen Auseinandersetzungen hingegen spricht er keck
und kühn dem Absolutismus jede Berechtigung ab, ja er greift darin fast der Ent-
wicklung der heutigen Zustände vor. Er nahm die Züge seiner Gemälde einfach
von den leicht erkennbaren Modellen herüber und war also m der Kunst der „in-
direkten Charakteristik" ein aufmerksamer Schüler der Franzosen und ein bedeutungs-
voller Vorgänger der Publizisten des jungen Deutschland. —
Die wirkungsvolle Thätigkeit von Karl Philipp Moritz als Journalist und
Aesthetiker fasst Isolani57) an der Hand längst bekannter Darstellungen zusammen.
Er stellt in den Vordergrund jene Nachrichten, die Moritzens Einfluss auf das geistige
Leben Berlins zur Zeit seiner Wirksamkeit in der Vossischen Zeitungsredaktion
gewidmet sind. —
Rochlitze ns hierher gehörige epische Erzeugnisse thut Ad. Stern58) mit
dem kurzen Worte „veraltet" ab. Aber er entschädigt auf den anderen Gebieten des
bedeutungsvollen und ausgebreiteten Wirkens jenes Mannes und ehrt sein Andenken
durch die innige Verflechtung seiner Produktion mit Goethes gleichgerichteten Be-
strebungen auf die Kunst, im besonderen auf die Musikwissenschaft. Der Schwer-
punkt dieser Studie liegt in den aufschlüssle ichen Briefen des letzten Teiles, die dem Leben
und Schaffen des bisher zu wenig Beachteten eine wohlthuende Rundung geben; sie
werden hier zum ersten Male vorgelegt. Rochlitz in seinem Verhältnis zu Bötticher
und Rochlitz als Planet um die Sonne Goethe kreisend, beides ehrenreiche Kapitel
45) (IV 3d:7.) — 46) X Job. Heinr. Voss, Luise n. Idyllen. (= Cottasche Volksbibliothek N. 46.) St., Cotta. 197 S. Mit
Bildn. M. 0,50. — 47) X id., Luise. E. ländl. Gedicht in 3 Idyllen. L., Fiedler. 16». 196 S. M. 1,20. — 48) X (I 6 : 85.)
— 49) — i -, E. Homerjubil.: SchlesZg. N. 54. — 50) X J- H- Voss, Homers Odyssee. Schulansg. bearb. v. K. Holder-
mann. 3. Aufl. (= Meisterwerke d. dtsch. Litt, in neuerer Ausw. für höh. Lehranst., her. v. K. Holdermann, L. Sevin,
M. Evers u. V. TJellner. 3. Bd.) B., Reuther & Reichard. 12». 163 S. Mit Bildn. M. 0,80. — 51) K. Kuhn, Claudius
u.Hebel. Zwei Schriftsteller für d. dtsch. Volk: NB11EU.23, S. 78-108. — 52) F. Giehne, Stadien über J. P. Hebel (rheinländ.
Hausfreund). Unveränd. Abdr. aus d. Herrn Vf. „Skizzen u. Studien". Würzburg, Stuber. 54 S. M. 1,00. (Zuerst im Oktober-
heft 1858 d. Cottaschen DVjs., dann in d. „Skizzen u. Studien". Würzburg 1382.) — 53) X Tn- Längin, F. Willomitzer,
D. Sprache u. d. Technik d. Darstellung in J. P. Hebels rheinländ. Hausfreund. JB. d. Oberrealsch. Wien. 1891. (JBL. 1892
IV 3:50; I 8:28): Alemannia 22, S. 93,4. (Sehr anerkennend.) — 54) X J p- Hebel, Kleine Geschichten aus d. Schatz-
kästlein d. rheinländ. Hausfreundes. L., Gressner & Schramm. 71 S. M. 0,60. — 55) X id., D. rheinländ. Hausfreundes
ausgew. Erzählungen. Mit 5 Bild. v. H. Lüders. Reutlingen, Ensslin & Laiblin. 12°. 144 S. M. 0,60. — 56) R. M. Meyer,
E. frommer Demokrat: VossZg". 1893, N. 24. (JBL. 1893 IV 5:532.) — 57) E. Isolani, E. Journalist u. Aesthetiker d. 18. Jh.
Z. 100J. Todest. v. K. Ph. Moritz: ib. N. 293. (JBL. 1893 IV 5:410.) - 58) Ad. Stern, F. Rochlitz. (= N. 22, S. 175-236.)
(4)16/9*
IV 3:59 60 R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
aus dem Leben des charakterstarken und vielwissenden Mannes, dem ein glückliches
Familienleben, ein Alter voll Anerkennung" vergalt, was er in stiller Zurückgezogenheit
zum gemeinen Besten geleistet hatte. In den neu veröffentlichten Briefen sehen wir
ihn auch an der Arbeit, Goethes litterarischen Nachlass zu sichten. Und das thut
er mit liebevoller Hingebung. —
Kehren wir uns Wieland und seiner Schule zu, so erfreut in erster Reihe
die wertvolle Gabe Hasse ncamps59), deren Vorgeschmack uns der Vf. in einer
früherenVeröffentlichung(JBL. 1892 IV 3:25) bereits geboten hatte. Den dort angezogenen
Dokumenten reihen sich hier viele andere gleichwertig an. Nur einige wenige der
jetzt veröffentlichten Briefe waren schon früher, aber unvollkommen, ediert worden.
An einer anderen Stelle dieses Bandes ist ausführlich gewürdigt worden, wie diese
Briefe einen Einblick in die privaten Verhältnisse des jungen Dichters gewähren,
. welch eine Unsumme litterarisch und kulturhistorisch wichtigen Materials für die
Lebensgeschichte des Dichters einerseits, für die der Hauptadressatin, Sophie
von La Roche, andererseits darin verborgen liegt. Wielands Liebesverhältnisse, von
den ersten Beziehungen zu Sophie von La Roche an, finden darin eine vertraute
und eingehende Besprechung. Einen geradezu bemerkenswerten Gegensatz zu dem
hohen Fluge seiner Phantasie bildet die nüchterne und trockene Art, in der sich der
einst so leicht entzündliche Jüngling seine Ehegefährtin auswählt. Und es berührt
geradezu peinlich, zu lesen, wie Wieland die damals kaum neunjährige Maximiliane
sich zur zukünftigen Gattin erhandeln möchte von ihrer Mutter, derselben Frau, die
er als leidenschaftlicher Bursche von 18 Jahren mit Bräutigamsgelübden umschwärmt
hatte, und in einer Zeit, in welche die unliebsame Affaire mit „Bibi" (Christine Vogel)
noch — sollte man meinen — ihre ernst stimmenden Schatten warf. W7as an Einzel-
heiten für Wielands eigene Produktion, an Daten wie an Thatsachen, in diesen
vertraulichsten der Mitteilungen unseres Dichters sich findet, das kann eine Auf-
zählung an diesem Orte naturgemäss nicht erschöpfen. Ein Brief an den Grafen Görtz
vom 17. Juni 1772 lässt uns mitten in die Verhandlungen blicken, die Wieland mit
dem Weimarer Hof führte: „II est digne", so heisst es von Karl August in diesem
Briefe, „d'avoir des amis comme Vous et moi, il merite tous nos soins; il a 1'äme
vraiment elevee; il est fait pour sentir le vrai Beau, pour aimer la Vertu, pour
preferer ses devoirs ä des plaisirs frivoles, pour s'attacher au solide, pour distinguer
les faux du reel, pour ecouter la raison et pour sentir le prix du vrai merite" (N. 97).
Der Dichter verrät den Einfluss, den Shakespeare auf ihn hat, dessen Uebersetzung
ihn gerade beschäftigt (N. 25, 29, 38); wir erfahren so manches interessante Detail
über seine eigenen Werke (N. 32 über Agathon), von seinem Interesse für deren
Beurteilungen und Uebersetzungen. Denn gerade der vertrauliche Ton der Kor-
respondenz hat die früheren Benutzer dieser Briefschaften veranlasst, von einer Ver-
öffentlichung seinerzeit abzusehen. Die Briefe sind fast alle französisch abgefasst;
denn für französisches Wesen und französische Sprache hat Wieland um jene Zeit
noch eine ganz offen bekannte Vorliebe. Klassisch ist seine Ausdrucksweise in dieser
Sprache allerdings nicht. Ausser an Sophie von La Roche bringt die Sammlung nur
noch einen Brief an Sophiens Freundin, Frau Götschen, drei an Hofrat von La Roche,
je einen an den Dechanten Dumeiz in Frankfurt a. 0. und an den Kurfürsten Clemens
Wenzeslaus von Trier. Auch ein Brief des Freiherrn von Groschlag an Wieland ist
der Sammlung einverleibt. Der Zeit nach bestimmt sind zwei Briefe an Sophie aus
der Zeit vor dem Biberacher Aufenthalt Wielands, 63 aus der Biberacher Zeit (davon
fallen 39 in die Zeit vor der Verheiratung, der Rest für die Folgezeit), 31 in die
Erfurter Periode und je einer in die J. 1775, 1785 und 1789. Nicht ganz aufgeklärt
ist die in einem Schreiben vom 29. Okt. 1764 gemachte Andeutung von einer „Lettre
ä Frobenius", die Wieland damals zu drucken vorgiebt (N. 35). H. vermutet, dass
es sich um den berühmten Baseler Buchdrucker Johann Froben, einen Freund des
grossen Erasmus, handle. Wir erfahren nur, dass ein solcher Brief von Frobenius
an Wieland in Druck gegeben war; ob es sich aber um einen fingierten Brief
Wielands an Frobenius oder den Neudruck eines Briefes eines Zeitgenossen an den
Baseler Drucker handelte, wird wohl immer unentschieden bleiben. S. XXIX— XXXIII
vermerkt H. noch kurze Inhaltsangaben der nicht abgedruckten 24 Briefe, die ihm
vorgelegen hatten. Seine Gabe verdient vollste Anerkennung, die ihm die Kritik
auch nicht vorenthalten hat. — Poppenberg59a) entnahm dieser Ausgabe vornehmlich
die pikanteren Episoden zu einem recht geschmackvoll bearbeiteten Artikel über
Wielands Lieben. — Maler Müllers Brief an Wieland vom 29. Juni 1778, aus den
Schätzen des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg durch Rud. Schmidt60)
veröffentlicht, bringt die thatsächlichen Belege für das, was Seuffert hinsichtlich des
— 59) (IV lc:40.) |[K. Friedrich: BLU. S. 261/2; N&S. 70, S. 134.]| — 59a) F. Poppenberg, Wielands Lieben:
Nation". 11, S. 382/5. (Ueber N. 59.) — 60) Rnd. Schmidt, E. Brief v. Maler Müller an Wieland: MGNM. 1893, S. 13/9. —
R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894. IV 3 ■ 61-61
Verhältnisses beider Dichter aus anderen Dokumenten richtig- mutmasste. Müller
dankt für die ihm durch Wieland erwirkte Pension und berührt eine Reihe von Be-
ziehungen, die Wieland bei seinem Mannheimer Besuche angeknüpft hatte. Müller
weist es in einer Nachschrift zu dem Briefe mit tiefer Entrüstung zurück, dass
Jakob Meyers Schauspiel „Der Sturm von Boxberg" (1777 erschienen) sich mit
Goethes Götz vergleichen lasse. — Ein durch Erich Schmidt61) veröffentlichter
Brief Blumenbachs an Heyne vom 4. Mai 1783 sagt: „Wieland schien mir daher in
seiner (d. i. Goethes) Gegenwart eine etwas- abstechende, nicht sehr vorteil-
hafte Figur zu machen. Sie duzen sich zwar und sind herzlich gute Freunde,
aber man spürt doch Goethes Superiorität." — Als besorgt liebendes Familien-
oberhaupt, Friedensfreund und — im Gegensatz zu seiner Jugendgesinnung
— als ein guter Patriot entdeckt sich Wieland in einem Brieffragment62),
das wahrscheinlich an den Gatten seiner drittjüngsten Tochter, Heinrich Gessner,
den Sohn des Idyllendichters Salomon, von Osmanstädt aus um die Mitte des
März 1800 geschrieben sein dürfte. Trotz des Ernstes der Lage, den die Kriegs-
stürme brachten, verlässt ihn der Humor auch da nicht. — Einen wichtigen Beitrag
zu Wielands Leben lieferte Weizsäcker63). Er fand damit allgemeine Anerkennung.
Schon der Titel weist auf Zarnckes ähnliche Arbeit für Goethe als Muster hin. Oel-
gemälde, Büsten, Stiche, Zeichnungen und Silhouetten Wielands sind zusammen-
getragen, beschrieben und nach ihrer Entstehung geordnet. Die Sammlung zieht
einige Inedita ans Tageslicht, stellt manche irrige Behauptung über bekannte Bildnisse
richtig. Das grösste Interesse beansprucht das älteste Porträt, das nach W. in die
Zeit von Wielands Aufenthalt in der Schweiz, etwa m das J. 1754 oder 55 zu setzen
ist. Die Heinrich Meyer zugeschriebene Zeichnung für Maria Paulo wna (1805) wird
als Rehberg zugehörig nachgewiesen. Den Litteraturforscher mag am meisten die
Reproduktion eines von Friedrich Füger herrührenden Miniaturbildes (1770) an-
sprechen, weil es das Bildnis ist, nach dem Geyser seinen Stich anfertigte, jenen
Wielandkopf, an dem die Haingenossen ihre feierliche Wut am 2. Juli 1773 aus-
liessen. — Ein schönes Thema hat sich Thalmayr64) gewählt. Es wird aber mehr
frommen, wenn wir sagen, was er wollte, als was er gethan hat. Er hatte die Ab-
sicht, die Eigentümlichkeiten des Wielandschen Sprachgebrauchs übersichtlich und
wohlgeordnet zusammenzustellen. Wie gesagt, sehr löblich. Doch dazu gehört viel
mehr als die blosse Kenntnis der Forschung bis zum J. 1877. Dazu gehört auch
mehr als die Berücksichtigung der drei Dichtungen Oberon, Musarion und Agathon
g-anz promiscue durcheinander und einfach nach der 43 bändigen Ausgabe von 1818, die
bei Doli in Wien erschienen ! Mag auch Th. seine Auswahl für besonders geschickt
und glücklich halten, da er sie wohl begründet damit, dass darin „des Dichters
Originalschreibweise (!) beibehalten ist". Wir denken anders darüber und würden
auch niemals eine derartige Studie mit der Untersuchung der Orthographie beginnen.
Das bischen Mittelhochdeutsch, das bei jeder unpassenden Gelegenheit aufgetischt wird,
entschädigt nicht für die augenfälligen Mängel der notwendigsten Kenntnisse anderer
Art. An mustergiltigen Arbeiten auf diesem Gebiete aus neuerer Zeit leiden wir
wahrhaftig nicht gerade Mangel. — Besser steht es um die litterargeschichtliche Er-
forschung einzelner Werke Wielands. Seuffert65) greift die höfischen Dichtungen
unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt zusammen. Jene Poesien, die Wieland für
den Hof, für die Weimarer Fürstlichkeiten und Festlichkeiten geschrieben hat, werden
einer gemeinsamen Betrachtung unterzogen. 1. Das Prosatrauerspiel „Clementina
von Poretto", eigentlich nur ein dialogisiertes Romanfragment, das von der Acker-
mannschen Truppe 1760 und 72 aufgeführt worden war. Wieland bot das Stück dem
herzoglichen Theater noch vor seiner endgültigen Berufung nach Weimar an. S.
weiss nicht, ob es zur Aufführung kam. 2. Das heroisch-komische Ballet „Idris und
Zenide", 1772 entworfen, nach bekanntem Inhalt. Der fünfte Gesang des Epos bildete
die Grundlage des Ballets. Aus dessen kurz und äusserlich abgeschlossener Hand-
lung lassen sich keine Rückschlüsse für die Fortsetzung des auf 10 Gesänge ver-
anschlagten Heldengedichts ziehen. Die Anregung dazu geht auf das Pygmalionmotiv
zurück, das durch Bodmers Erzählung, Ramlers Kantate und Rousseaus Scene lyrique
ihm nahe geführt worden ist. Die Reihe der Pygmaliondichtungen Hesse sich leicht
ergänzen. Ich erinnere nur an die in Goethes Leipziger Zeit vielberühmte Romanze
Schiebelers gleichen Namens, auf die zum Beispiel auch in der Epistel an Friderike
Oeser angespielt wird. 3. „Aurora", ein Singspiel in einem Aufzug, für den Geburts-
tag der Herzogin 1772. Wieland wollte damit ein Singspiel „im Geschmacke der
Alten, wiewohl mit einigen seinen Zeiten angemessenen Modifikationen versuchen".
61) (IV la:33.) (Vgl. auch JBL. 1893 IV 9 : 12.) — 62) E. Brief Wielands: Didask. 1893, N. 134. (Aus NZürichZg.) — 63)
P. Weizsäcker, D.Bildnisse Wielands. (Aus WurttVjh.) (JBL. 1893 I 11 : 77.) St., Kohlhammer. 1892. 52 S. Mit 11 Abbild,
u. 2 LichtdrucMaf. M. 1,50. |[DLZ. 1893, S. 220; LCB1. 1893, S. 1355/6; BLU. 1893, S. 462; G. E.: NatZg. 1893, N. 573.]| —
64) (I 7:26.) — 65) B. Seuffert, Wiclands höfische Dichtungen: Euph. 1, S. 520-40, 697-717. (Teilweise veränd. Abdr. aus
IV 3:66-77 R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
In die gleiche Richtung- gehört auch die 1772 entstandene „Alceste", in der er „die
Kunst Metastasios und Euripides" glaubte vereinigt und beide „verbessert zu haben".
4. Das lyrische Drama „Die Wahl des Herkules". Bei Michaelis, Eschenburg und
Metastasio findet man ähnliches. Der moralische Endzweck „beengte die Auffassung,
so auch die dramatische Führung der Fabel". 5. „Zweierlei Götterglück", ein Gratu-
lationsgedicht, das den typischen Stil der Glück wunschgedichte in der Folgezeit zeigt.
Aus dem freundschaftlichen Verhältnis zur Herzogin hervorgegangen, redet es die
Gönnerin zum ersten Male öffentlich als Olympia an. „Aus nichts wird eine bunte
Welt hervorgezaubert", sagt S. und legt als Probe dessen den neugedruckten Glück-
wunsch des Dichters zum J. 1783 vor und bespricht auch noch andere hierher
gehörige Dichtungen, die ausser der gleichen Absicht nichts Zusammengehöriges
bieten. — Eine ähnliche Einzelstudie widmet Singer66) dem „Geron". Er untersucht
die Komposition des Gedichtes und das Verhältnis zu den Quellen. S.s Aufsatz be-
rührt sich vielfach mit Ransohoffs Forschung (JBL. 1890 IV 8 : 16) und kommt auch
zu ähnlichen Ergebnissen. Er geht darüber hinaus durch die Untersuchung der
archaistischen deutschen Formen, die in einem alphabetischen Verzeichnis vorg'elegt
und an Adelungs Kodifikation gemessen werden, soweit das damals im Erscheinen
begriffene Wörterbuch Adelungs bei Abschluss der ersten Fassung (1777) in Betracht
kommen durfte. Wielands theoretische Ansichten über die Verwendung solcher
Formen gelangen im Zusammenhang' zum Ausdruck. — Seufferts wichtige Be-
sprechung der Hirzelschen67) Ausgabe von Wielands Geschichte der Gelahrtheit trägt
eine gründliche Quellenuntersuchung nach. Er zeigt, dass in erster Reihe Chrph.
Aug. Heumanns Conspectus reipublicae litterariae sive via ad Historiam litterariam
iuventuti studiosae aperta (zuerst Hannover 1718, später mehrfach aufgelegt) sowohl
in der ganzen Anlage wie auch in der Bearbeitung' der einzelnen Teile unleugbare
Verwandtschaft mit W'ielands Geschichte habe. Dadurch wird auch Wielands eigener
Besitz an seiner Schrift und die Abhängigkeit von den übrigen verzeichneten Quellen
leichter erkennbar und abschätzbar. Wielands Verdienst formuliert dann S. dahin,
dass er weniger Gelehrsamkeit auftischte als seine Quelle; statt blosser Namen g'ab
er vollere, wrenn auch selten lebendige und oft einseitige Bilder der Personen, ge-
legentlich sogar gelang ihm eine Gruppierung. Die Geschichte der Gelahrtheit dürfe
also keineswegs als eine leichtfertige Kompilation aufgefasst werden, habe vielmehr
als ein Werk des Fleisses und der Ueberlegung zu gelten. — Auch Herchners68)
Buch wurde noch besprochen.69-70) — Munckers71) Einleitung zur Cottaschen Aus-
wahl aus den Werken sei hier wiederholt rühmend hervorgehoben.72-73) —
Bedeutend bereichert hat unsere Kenntnis über das Verhältnis Wielands zu
Heinse die Publikation Heinemannns74), der den wichtigen sogenannten „Brief
mit den Stanzen" vorlegt. Er stammt aus dem Dec. 1773 und macht uns vertraut
mit der selbstbewussten Art Heinses über seine eigenen Erzeugnisse zu denken.
Heinse charakterisiert den Bau seiner Stanzen und vergleicht ihn mit dem der
Wielandschen. ICr übersendet dem „guten weisen Oberpriester der Grazien und des
Apollo" die 42 Stanzen „ganz heiss aus der Seele", wie er sie an seinem Klavier
sich ersungen hat. Wir lernen daraus die erste Fassung der vielbesprochenen, auch
von Goethe hochgerühmten Ottaverime kennen, die anhangsweise der „Laidion" bei-
gegeben waren. Der Abdruck ist nicht bloss der Vollständigkeit halber, sondern auch
der Varianten wegen bemerkenswert. Das Schreiben klärt auch manche Anspielung'
in bekannten Briefen auf. Heinse entschuldigt sich ferner wegen der Andeutungen
auf Wielands Person in den Anmerkungen der Petronübersetzung und schiebt alle
Schuld dem abenteuernden Herrn von Liebenstein zu, wie auch schon aus dem
einzigen Briefe Heinses an Wieland, den wir bisher kannten (Jan. 1774), hervorging.
— Seuffert75) sah sich veranlasst, diese Veröffentlichung durch drei weitere Briefe
Heinses an Wieland zu ergänzen. Der erste der Briefe vom 8. Dec. 1773 rechtfertigt
Wielands Abneigung gegen den hochfahrenden Jüngling, der von seinen Arbeiten
und Plänen in recht selbstbewusster Weise spricht. Ueber seinen Verkehr mit der
Frau von Massow und deren Familie, seine Absicht über die epische Dichtkunst der
Italiener in Briefen an diese Frau zu schreiben, ferner auch wieder über seine
eigentümliche Auffassung und Behandlung der Stanze und über seinen Plan der
d. als Ms. gedr. Festschr. „Z. 8. Okt. 1892"; Tgl. JBL. 1892 IV 3:20.) — 66) L. Singer, Ueber Wielands Geron. E. litt.-
gesch. Untersuch.: ZDrh. 25, S. 220-52. - 67) L Hirzel, Gesch. d. Gelehrtheit (JBL. 1891 IV 3:29). |[B. Seuffert: ADA. 20.
S. 52-66; A. C(huquet): KCr. 36, S. 419.]| — 68) X L' Hölscher, H. Herchner, D. Cyropädie in Wielands Werken
(JBL. 1892 IV 3:23): ASNS. 90, S. 343. - 69) X H. Henkel, Z. Neuesten aus Plundersweilern. V. 203ff.: GJh. 14, S. 275.
(JBL. 1893 IV 8e:20.) — 70) X B. Sprenger, Engl. Anklänge in Wielands Oberon: EnglSt. 19, S. 469. — 71) Wielands
ge.s. Werke in 6 Bd.: Mit e. Einl. von F. Muncker. St., Ootta. 1598 S. M. 6,00. (D. bekannte Ausg. mit d. trefflichen
Einl. Munckers, d. sich gut liest u. auf engem Baum viel bietet.) — 72) X id., Oberon. Mit e. Einl. v. F. Muncker. ebda.
263 S. Mit Portr. M. 1,00. (Selbstand. Ausg. v. Bd. 1 d. eben genannten Edition.) — 73) X id-, Dass- (= Oottasche Volks-
bibl. N. 47.) ebda. 209 S. Mit Bildn. M. 0,50. — 74) K. Heine mann, Briefe Heinses an Wieland: VLG. 6, S. 212-23. —
75) B. Seuffert, Briefe Heinses an Wieland: ib. S. 223-51. — 76) (IV lc:41.) — 77) K. 3. Neumann, E. Gestalt
R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894. IV 3 : 77a-7s
Gründung- einer Ritterakademie lässt er sich vernehmen. In dem zweiten Briefe
(Düsseldorf, 27. Jan. 1775) reicht er dem «'rollenden Meister die Hand zur Versöhnung
und scheint ihn thatsächlich in dem letzten der Briefe (Düsseldorf, 12. April 1775)
durch die herrlichen Worte über Agathon und Musarion auch versöhnt zu haben.
Diese Urteile Heinses bilden noch heute den Grundzug dessen, was wir über die
genannten Dichtungen zu sagen haben. — lieber Schüddekopfs76) auch hierher
gehörige Arbeit ist an anderer Stelle schon Ausreichendes gesagt worden. — Neu-
mann7") gelangt mit seiner Deutung des „Demetri von Scio" aus dem „Ardinghello"
kaum bis an die Grenze der Wahrscheinlichkeit, wenn er einen gewissen Vernazza,
„griechischen Scrittore der Vaticana", von dem auch bei Winckelmann die Rede ist,
zum Prototyp der Figur machen will. Die wichtigsten Nachforschungen darüber
blieben erfolglos. —
Ein anderer Schüler Wielands, der jungverstorbene H. W. Broxtermann
aus Osnabrück (1771 — 1800), ist von Riehemann77'1) recht überschätzt worden. Die
Jugendarbeiten des von Wieland nur zur Aneiferung übermässig- Gelobten dürfte
auch R.s Wiederbelebungsversuch nicht erwecken können. Dem lokalen Interesse
allerdings ist durch die Monographie und den Abdruck eines grösseren epischen
Fragments sowie die aufgefundenen 14 Briefe aus den letzten Lebensjahren des nicht
talentlosen Schriftstellers sicherlich ein guter Dienst geleistet worden. —
Derjenige Schriftsteller, der Wielands Schwächen am deutlichsten zu Markte
trug, Aug\ Gottl. Meissner, hat seinen Biog-raphen in Fürst78) gefunden, der
dem eitlen Professor ein Denkmal setzte, dergleichen er sich nur in Stunden höchster
Selbsteingenommenheit hätte träumen lassen. Was an gedrucktem und ungedrucktem
Material erreichbar war, hat F. an sich gebracht und ausgenützt. So gelang" es ihm,
ein unzweideutiges Bild von dem Leben und Charakter des zweideutigen Lebens-
künstlers zu entwerfen, das der Literaturgeschichte genügen wird. Die gleiche
Sorgfalt hat F. auf die Vorführung der Werke verwandt. Jede einzelne der zahl-
reichen Schriften Meissners wird anatomisch zergliedert: die Keime ihrer Enstehung",
eine übersichtliche Inhaltsangabe, die Stoffgeschichte, die Darstellung und ihre Auf-
nahme bei dem zeitgenössischen Publikum und der Kritik; ja bis in die Uebersetzungen
hinaus sucht der Vf. durch Vollständigkeit der Angaben dieses Thema zu erschöpfen.
Ein Vergleich der Resultate F.s mit den Notizen in der Neubearbeitung des
Goedekeschen Grundrisses bringt schon den Erweis, dass es unmöglich ist, hier jede
Neuigkeit zu verzeichnen. Der biographische Teil, am meisten durch ungedruckte
Briefe gefördert, erweitert sich mit Recht zu einer Darstellung der Zeit- und Geistes-
strömungen, die während der Wirksamkeit Meissners an der Prager Universität dort
und im ganzen Lande herrschten, und hat berechtigten Anspruch auf das
hervorragende Interesse der Lokalforschung, wenn auch die allgemeine Ge-
schichte deutschen Schrifttums daran nicht wird vorbeigehen dürfen. Ungleich
wichtiger und weiter ausgreifend sind die Forschungen zu der vielseitigen
Thätigkeit des Romanschreibers, der sich auf den verschiedensten Gebieten
der Gattung versucht hat und den Erfolg bei Lebzeiten einheimsen durfte, den seine
keineswegs talentlosen Erzeugnisse ihm einbrachten. Seine „Bianca Capello" und
sein „Alcibiades" dürften noch heute gelegentlich nicht in den letzten Reihen
provinzieller Leihbibliotheken aufgestellt sein. Und der Name „Skizzen-Meissner" ist
offenbar ein Beweis, dass der Grossvater noch nicht ganz vergessen war, als der
Name des Enkels litterarisch von ihm gesondert werden sollte. Auf dramatischem
Gebiete überwiegen die Uebersetzungen Meissners die Originalarbeiten. Unter den
Gedichten nehmen die Fabeln durch ihre Zahl eine Sonderstellung ein ; es ist auch
hier meist fremde Anregung, der Meissner, wie so oft, nur wenig vom Eigenen hinzu-
that. Merkwürdig bleibt während seiner Reifezeit die fortwährende Betonung seines
Gegensatzes zu Wieland, gegen dessen Meisterschaft er sich unablässig sperrte, wohl
aus dem innersten Gefühl heraus, dass er von dem Muster nicht ungestraft zu weit
weglenken durfte. Diese Wahrheit verdross ihn; darum leugnete er sie vor sich
selbst. Durch aufschlussreiche Anmerkungen und zwei gute Inhaltsverzeichnisse hat
F. die Brauchbarkeit seines Buches erhöht. Aber wenig Zustimmung dürfte er zu
der ganz musivischen Darstellungsart finden. Für eine Monographie eignet sich
dieses Zerhacken des Stoffes in Teile, Teilchen und Teile von Teilchen durchaus nicht,
aus dem einfachen Grunde, weil sie kein Nachschlagebuch ist oder wenigstens für
die zeitgenössischen Leser sein will. Wer aber auf Leser reflektiert, darf die Mühe
einer geschmackvollen Darstellung nicht scheuen. Eine andere Frage kann bei dieser
Gelegenheit auch nicht unterdrückt werden: ob es statthaft ist, über Schriftsteller
dritten und tieferen Ranges Bücher solchen Umfanges abzufassen. Nicht bloss die
aus Heinses Ardinghfillo: AZgB. N. 91. — 77a) J. Ri ehe man n, D. Dichtungen d. Osnabrüclter Dichters Broxtermann. Mit
Portr.: MVGOsnabrück. 17, S. 71-164. |[8tML. 47, S. 232.JI (Auch als Sonderabdr.) — 78) (IVla:41.) |[A. v. Weilen:
ZOG. 45, S. 1115/7; LCB1. S. 1147/8; L. G(eiger): NatZg. N. 356; E. Morgenstern: Ges. S. 693; M. Neclcer: NFPr.
IV 3:79-ss R. Rosenbaum, Epos des 18./ 19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
Verleger, sondern auch die der Wissenschaft Beflissenen sollen hierauf antworten
und zuvor berücksichtigen, wie kurz das menschliche Leben doch ist. P.s Verdienst
in Ehren. Aber ein zusammenfassender Auszug aus diesem Buche gäbe die Ergebnisse
seiner fleissigen Forschung wirksamer wieder als die lang'en wörtlichen Kritikauszüge
aus den Zeitschriften jener Epoche. In dem angedeuteten Sinne haben sich auch die
Recensenten ausgesprochen, in erster Reihe von Weilen, der noch auf unbenutztes
Material auf der Wiener Hofbibliothek aufmerksam macht. Auch uns scheint es, dass
sich Einflüsse des Meissnerschen „Johann von Schwaben" auf Schillers „Don Carlos"
und „Wilhelm Teil" nachweisen lassen. Nicht ausgeschöpft dürften ferner die Ein-
flüsse Meissners auf die czechische Litteratur sein; dafür mangelt es wohl an den
Vorarbeiten. Zu S. 175: Ein ähnlicher Stoff wie der in den „Spiessruthen" behandelte
liegt A. von Thümmels Roman „Ferdinand" zu Grunde; zu S. 122: Auch von Joach.
H. Campe soll eine Uebersetzung der Bianca Capello von Sanseverino (Berlin 1776)
erschienen sein (vergl. C. G. W. Schiller, Braunschweigs schöne Litteratur usw.
Wolfenbüttel 1845, S. 186). 79) —
Nerrlichs älteres Werk über Jean Paul hat noch in Muncker80) einen
wohlwollenden Kritiker gefunden. Er lobt die Gründlichkeit Nerrlichs , seine Be-
herrschung des weitschweifigen Materials, die anziehende Darstellung und Korrekt-
heit des Vf. Der heftigen Polemik gegen alles, was Theologie und Philosophie heisst,
geht er mit Recht aus dem Wege. Prinzipielle Verwahrung legt er aber ein gegen
den bekannten Trotz des Biographen, die philologische Methode durchaus zu dis-
kreditieren. Mit überlegener Sachkenntnis deckt M. alle daraus entspringenden
Mängel des Buches auf und schützt sich gegen den Vorwurf der Voreingenommen-
heit durch die Aufstellung eines umfangreichen Fragenregisters, einer positiven Kritik,
die dem subjektiven Aesthetisieren gegenüber die historische Entwicklung' ausspielt. —
Kleine Züge Jean Paulscher Eigenart, namentlich seine Beliebtheit bei den Zeitgenossen,
bewahrt ein Brief Sophie Brentanos an Henriette von Arnstein, von Erich Schmidt81)
mitgeteilt, und die Veröffentlichung einer anonymen Memoirenschreiberin82). —
Geiger83) nennt den Brief Jean Pauls, worin er voll Ueberschwangs und unnatür-
licher Schwärmerei seinen ersten Besuch bei Wieland ankündigt (Weimar, 18. Juni
1796), treffend eine ^Visitenkarte".84) — R. von Koeber85) hat bewiesen, dass sich
aus Jean Pauls „Vorschule", „Levana", „Kampaner Thal" und „Seiina" nur ein dürf-
tiger Beitrag zu des Dichters psychologischen Ansichten zusammenstellen lässt. —
Die Schwächen der Koeber sehen Citatensammlung haben Jos. Müller86) angeregt,
in einer Konkurrenzschrift das gleiche Thema zu vertiefen und zu erweitern. Aber
seine Skizze ist zu sehr von dem Geiste jener Einseitigkeit durch webt, die in M.s
Hauptwerk sogleich zur Besprechung gelangen soll, als dass es möglich wäre, in
wenigen Worten sich mit ihr auseinanderzusetzen. — Jos. Müller87) hat es nämlich unter-
nommen, von einem ganz eigentümlichen Standpunkt aus über die Gegenwart in
ihrer Gesamtheit Gericht zu halten und, weil sie ihm keine „wahre Religion" zu
haben scheint, ihr ein durchaus verdammendes Urteil entgegen zu donnern. Er
brauchte einen litterarischen Helden, der die jeremiadenhaft beklagten Ideale, deren
unsere Zeit aus purer Irreligiosität verlustig gegangen sein soll, in sich vereinte, um
der Gegenwart die Schwere ihres Verbrechens deutlich vor Augen zu führen. Da
verfiel er auf Jean Paul. Er ist wohl nicht vergessen, aber wird nicht mehr gelesen,
dachte er, und eine Auffrischung in anderem als Nerrlichschem Sinne kann ja nicht
schaden. Und schliesslich darf auch noch ein anderer als „Rembrandt als Erzieher"
seine Wirkung auf die Zeitgenossen üben. In einem furchtbaren Wälzer von weit
mehr als einem Alphabet sang er also dem im Leben so bescheidenen Humoristen
einen Paneg'yrikus, der die Mitwelt auffordert, zu werden wie Jean Paul war. Jean
Paul als Mensch, als Philosoph, als Moralphilosoph im besonderen, sein Optimismus,
seine Religion, seine Pädagogik, alles, alles wurzelt nur in dem unnennbaren Einen,
das die Schlussbetrachtung in wuchtigem Predigtstil die „wahre Religion" nennt.
Mit wenigen Worten ist hier ein Ausgleich undenkbar, wo es sich um ein verbohrtes
System von Grundanschauungen handelt. Verwahrung möchten wir nur im voraus
dagegen einlegen, dass wir dem grossen Humoristen von seinem Ruhmestitel auch
nur ein Strichelchen wegdisputieren wollten, und dann die Frage stellen: Wie kommt
es denn doch, dass M. in dem etwas mager geratenen Abschnitt „Jean Paul als
Dichter" trotz aller verherrlichenden Subjektivität, die in dem ganzen Werke tyran-
N. 10 749.] I — 79) X B- Fürst, E. Prager Prof. vor 100 J.: Bohemia«. 1893, N. 346, 348/9. (Ausz. aus e. Kap. v. N. 78.) —
80) F. Munclter, P. Nerrlich, J. Paul (JBL. 1890 IV 3:33): ADA. 20, S. 182-92. — 81) (- N. 61.) — 82) J. Paul in
Stuttgart: Didask. N. 48. — 83) L. Geiger, J. Pauls Anmeldung bei Wieland: BLU. 1893, S. 369-70. - 84) X J P»uls
Tochter: DDichtung. 14, S. 100/1, 123,4. — 85) R. v. Koeber, J. Pauls Seelenlehre. E. Beitr. z. öesoh. d. Psychol.
(= Schriften d. Ges. für psychol. Forsch. Heft 5 [L„ Abel. 1893. V, 37, 176 S. M. 7,00], S. 515-51.) ||L. Weiss: BLU. 1893,
S. 536.]| (Auch selbständ. pagin.) — 86) Job. Muller, D. Seelenlehre J. Pauls. München, H. Lüneburg. 33 S. M. 1,00.
- 87) (IV 5: 15.) |[Grenzb. 3, S. 187-90; Geg. 45, S. 271; P. Nerrlich: BLU. S. 291/3.]| - 88) X Sinnsprüche v. J. Paul
R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894. IV 3 : 89-iosa
nisch herrscht, sich nicht enthalten kann, Mangel für Mangel an den Dichtwerken
des grossen Bayreuthers aufzudecken? M. führt den nie bestrittenen Beweis, dass
allen Produktionen Jean Pauls „der Stempel der Büchergelehrsamkeit beim Mangel
lebendiger Anschauungen in Kunst und Natur" aufgedrückt ist (S. 370), ja er gesteht,
dass bei aller Originalität und allem Geislesreichtum Jean Pauls Erzählungsart „in
längerer Darlegung oft ungeniessbar" ist (S. 37); und doch möchte er die kranke
Gegenwart zwingen, durch „Ungeniessbares" zu gesunden. Wäre es nicht grausam,
so wäre es ein Widerspruch zu nennen.88) —
Zu Tiedges Leben und Werken hat Mendheim89-90) nichts Belangreiches
beizutragen gewusst.91) —
Zweier hierher gehörigen Freiheitskämpfer Gedächtnis ist erneuert worden.
Fr. Joach. Phil, von Suckow (1789—1854) verdankt Häckermann92) einen
kurzen Artikel über sein Leben und seine schriftstellerischen Thaten, unter denen
die Begründung einer Wochenschrift „Sundine. Litterarisches Organ für die geistigen
Bedürfnisse für Stadt Stralsund und Gebiet" (1827) im Verein mit Lappe die grösste
ist. Suckow ging 1833 als Philhellene nach Griechenland. —
Fr. von Sydow (1780 - 1845), von Mendheim93) bedacht, war eine Zeit lang
Redakteur des Sondershausener Unterhaltungsblattes. Grössere Bedeutung denn als
Erzähler erhielt er als Gatte der Wilhelmine von Sydow.94) —
Auch H. von Kleists95"96) und Fr. Hebbels97) sei an dieser Stelle ge-
dacht. —
Hinter den lückenhaften Zaun der Bezeichnung „Romantische Schriftsteller"
setzen wir im Folgenden alle jene Gestalten, die zwischen der Zeit der Klassiker
und des jungen Deutschland ihre Wirksamkeit entfaltet haben. Für Tieck hat
Roetteken98) die schon früher behandelte Gleichstellung' des Charakters der Haupt-
person im „Sternbald" mit dem Dichter nicht einmal recht wahrscheinlich zu machen
vermocht."-101) — Willibald Alexis Leben erzählte Katt102). — Ein Brief Gaudys103)
aus Rom, 52. April 1839, an seinen Verleger Georg Hirzel,enthält die Klage um Chamisso
einerseits, andererseits über den geringen Absatz seiner Dichtungen. Die biographischen
Einzelheiten aus seinem römischen Aufenthalt werfen auf ihn ein schöneres Licht als
die merkwürdige Bitte um eine „Idee zu einer grösseren Arbeit, die er in Deutschland
beginnen könnte".104) — Die Ausgabe der Werke Immermanns durch Koch ist von
Sohns105) mit ungeteiltem Lobe angezeigt worden. — Recht glücklich scheint uns
der Versuch von Schultes's 106), in Zeitgenossen Immermanns die Modelle für die
Hauptfiguren der „Epigonen" aufzuspüren. Hermann hat, entschieden vieles vom Dichter
selbst, Johanna gleicht der Gräfin Elise von Ahlefeldt in der lebhaften und leicht
entzündlichen Phantasie, durch den romantischen Hang mit dem Dasein zu spielen,
ebenso in der Begeisterung für das Vaterland. Der Charakter des Kammerrates
Wilhelmi trägt wiederum Züge des Dichters. Der Fabrikherr hat in dem Magde-
burger Kaufmannsgenie Gottlob Nathusius ein Vorbild. Medons Schicksale deuten
auf die Lebensverhältnisse Varnhagens, seine politische Eigenart geht auf das Ver-
halten des Jenaer Privatdocenten Karl Folien zurück; der Name Medon scheint aus
demon umgewandelt zu sein. Ebenso wahrscheinlich ist es, dass der Kriminalrichter
vieles von E. T. A. Hoffmann angenommen hat usw. Aber auch die Zeitverhältnisse
haben in bedeutenden Stücken Aehnlichkeit mit den im Roman geschilderten: Die
Epoche mit ihren geheimen Bünden, den politischen Irrungen und Wirrungen giebt
in manchen Einzelheiten Anlass zur Hindeutung auf zeitgenössische Vorgänge und
Ereignisse. Namentlich die Berliner Kunstsalons mussten sich manche Ironisierung,
ja Karikatur g-efallen lassen. Die köstliche und flotte Darstellung Sch.s verdient
eigens hervorgehoben zu werden. 107_108a) — Dem Textdichter des „Freischütz", Joh.
mit Erklärungen: Quellwasser 18, S. 29-30, 44/5, 60, 77, 91,2, 109, 124, 140, 173, 188, 204, 220, 236, 253, 269, 285, 300, 317,
332. 349, 365, 381, 397, 429, 445, 461, 477, 493. — 89-90) M. Mendheim, Ch. A. Tiedge: ADB. 38, S. 281/5. - 91) X *•
rnstkuchen: NatZg. 1893, N. 80. — 92) A. Häckermann, - Fr. .T. Ph. v. Suckow: ADB. 37, S. 110,1. — 93) M. Mend-
heim, F. r. Sydow: ib. S. 280/1. — 94) X Tn- Körner, 4 Erzählungen. (D. Harfe; Hans Heilings Felsen; D. Tauben; D.
Rosen.) L., Gressner & Schramm. 12°. 52 S. M. 0,50. — 95) X H ▼• Kleist, Mich. Kohlhaas. E. Erz. (= Allg. Volksbibl.
N. 12/3.) Neusalza, Oeser. 104 S. M. 0,20. — 96) X id-> Mich. Kohlhaas: Texte allem., publie avec une notice litt., nne
analyse et des notes par M. L. Koch. Paris, Hachette & Co. 16°. XVI, 172 S. Fr. 1,00. — 97) X Fr- Hebbel, Mutter u.
Kind. E. Gedicht in 7 Gesängen. (= Meyers Volksbücher N. 1033.) L., Bibliogr. Inst. 16°. 76 S. M. 0,10. — 98) H.
Roetteken, D. Charaktere in Tiecks Roman „Franz Sternbalds Wanderungen" (JBL. 1893 IV 10:42): ZVLR. 6, S. 188-242.
— 99) X Friedr. Baron de la Motte-Fouque, Undine. Erzählung. L., Gressner & Schramm. 12°. 64 S. M. 0,50. — 100) X
Jos. Frhr. v. Eichendorff. Aus d. Leben e. Taugenichts. Nov. L., Fiedler. 16". 158 S. M. 1,20. — 101) X id • D- Marmor-
bild. Nov. In stenogr. Schrift übertr. n. autogr. v. Hans Herget. (=: Reuters Bibl. für Gabelsbergersche Stenogr. Bd. 27.)
Dresden, Reuter. 12°. 47 S. M. 0,75. (Vgl. I 3: U.) — 102) F. Katt, W. Alexis: BurschenschBll. 8, S. 131/3. - 103) E.
Brief Gaudys: DDichtung. 15, S. 77/9. - 104) X F- Frhr. v. Gaudy, Venetian. Novellen. L., Gressner & Schramm. 12°. 60 S.
M. 0,50. — 105) Sohns, M. Koch, Iramermanns Werke [= DNL. Bd. 115J: COIRW. 21, S. 381. — 106) F. Schultess,
Zeitgesch. u. Zeitgenossen in Immermanns Epigonen: PrJbb 73, S. 212-38. - 107) X K. Immermann, D. Oberhof. (= Cottasche
Volksbibl. N. 45.) St., Cotta. 12°. 296 8. M. 0,50. — 108) X D Oberhof. Aus Immermanns Münchhausen. Klassikerausg.
111. v. B. Vautier. 5. Aufl. Hamburg, Verlagsanst. 272 S. M 1,00. — 108 a) X Aventures du baron de Münchhausen. Trad.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (4)16y
IV 3:109-135 R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
Friedr. Kind, widmet Stein109) ein Erinnerungsblatt anlässlich seines 50. Todes-
tages (gest. 1843). Der Literaturgeschichte steht er durch seine Thätigkeit in der
Leitung der „Dresdener Abendzeitung" näher als durch die vergessene Reihe seiner
Novellenbände. — Die Jugendschicksale eines als Romandichters ebenso Vergessenen,
Heinr. Steffens, giebt Marie Krummacher110) aus dessen selten gelesener zehn-
bändigen Selbstbiographie wieder. Steffens war ein Freund Schellings und Schleier-
machers. Der fünfzehnjährige Norweger will durch die Lektüre des Goetheschen Faust-
fragments eine völlige Wandlung seiner religiösen Anschauungen in sich verspürt
haben. Erst in hohem Alter wandte er sich dem Romane zu. —
Späte Töne der Romantik klingen bekanntlich auch leise durch Julius
Mosens erste epische Versuche durch. Zschommler111) führt die von Mosens
Sohne Reinhard nach dem Ms. durchkorrigierten „Erinnerungen" des Dichters, die
wir aus den Drucken von 1863 und 1880 bereits kennen, weiter. Er wiederholt
anfangs die vom Poeten erzählten Jugendeindrücke, bloss um eine Reihe urkundlicher
Belege in die Darstellung mitverflechten zu können. Weitabliegende Familien-
geschichte wird im trockenen Registerstil vorgeleiert, gelegentlich auch durch ein
Dokument erwiesen, dass Mosen in seinen „Erinnerungen" geirrt habe oder aus
poetischen Gründen von der nakten Wahrheit abgewichen sei; aber alles unwesentlich,
vieles überflüssig, das meiste nur von lokalem Interesse eingegeben und darauf be-
rechnet. Z. führt die Lebensgeschichte Mosens in unregelmässigem Tempo, je nach-
dem seine Quellen reichlicher oder spärlicher fliessen, bis zu des 22jährigen Dichters
italienischer Reise (1825) und bricht ab mit der Frage an seine Leser, ob ihnen eine
Fortsetzung erwünscht sei. Wenn wir auch darauf antworten dürfen, dann: Aller-
dings, aber anders als in diesem Versuch. Die belangreichste Einzelheit aus Mosens
Studienjahren ist der Brief vom 19. Dec. 1822 an die Eltern, worin ausführlich der
Jenaer Studentenaufruhr aus jener Zeit von einem Augenzeugen und einem in die
Verhältnisse eingeweihten, wenn auch nicht ganz objektiven Zeitgenossen ausführlich
geschildert wird. Für die Jenaer Studentengeschichte aus jenen Tagen ist manches
aus dieser Fortführung der „Erinnerungen" zu holen. Für Mosens litterarische
Thätigkeit ist daraus aber nichts zu schöpfen, abgesehen von wenigen Bemerkungen
über tastende Jugendversuche des Gymnasiasten. — Was Katt112) über des Dichters
Leben und Wirken zu sagen weiss, war längst bekannt. Entschiedene Zurückweisung
verdient aber der Bombast und Schwulst, in dem der an undeutschen Wendungen
überreiche Artikel sich bläht. —
Aus der grossen Gruppe der Jugend- und Volksschriftsteller hat sich
für Musäus ein Beitrag von Ad. Stern113) eingefunden, der liebevoll den Liebe-
vollen in seinem Leben und Schaffen begleitet. Eine lebhafte Schilderung des
vorgoetheschen Weimar macht den Vf. und uns oft vergessen, dass es sich bloss um
den Hintergrund handelt, vor dem Musäus zu erscheinen hat. Am genauesten und
anziehendsten wird die Schilderung des stillen und manchmal wieder gar regen
Treibens im Garten des Vf. der „Volksmährchen der Deutschen", viel gründlicher als
dies in einem anonymen Zeitungsartikel114) geschehen ist.115-120) — Wie Musäus ein-
schlägige Erzeugnisse ständig wieder gedruckt werden, so erscheint auch eine un-
ablässige Folge mannigfaltigster Ausgaben für die Jugend berechneter Werke von
Gust. Schwab12'-126), Niebuh r127"129), Nieritz130-131), Reinick 132"135) usw.,
nouv. par Th. Gautier fils. 111. par G. Dore. Nouv. ed. Paris, Jouvet & Cie. 4°. VII, 231 S. — 109) Ph. Stein, Vom Freischütz-
dichter. E. Erinnerungsbl. z. 25. Juni: FeuilletZg. 1893, N. 468. (Abgedr. u. a. in: Didask. 1893, N. 147.) — 110) Marie
Krummacher, H. Steffens. Lesefrüchto aus „Was ich erlebte": COIRW. 21, S. 721-41. — 111) J. Mosen, Erinnerungen.
Fortgef., erläut. u. her. v. M. Zschommler. Nebst e. Vorw. v. R. Mosen. Plauen, Neupert. 1893. IV, 163 S.
M. 1,50. (JBL. 1893 IV 1 c : 73.) — 112) F. Katt, J. Mosen: BnrschenschP.il. 7, S. 210/3. — 113) Ad. Stern, Joh. Karl
Aug. Musäus. (= N. 22, S. 129-74.) — 114) C. R., D. Märchendichter Musäus u. sein Garten: LZgB. N. 155. — 115) X
J. K. A. Musäus, Libussa; D. Nymphe d. Brunnens. 2 Märchen. L., Gressner & Schramm. 92 S. M. 0,60. — 116) X E.
Scherling, D. 3 Rolandsknappen; Waidewuths Ring. Nach Musäus bearb. L., Werther. 12°. 63 S. M. 0,25. — 117) X
F. Günther, Rübezahl. Nach Musäus u. a. her. ebda. 12°. 63 S. M.0,25. — 118) X Musäus, 2 Legenden v. Rübezahl, d.
Berggeist. L., Gressner & Schramm. 12°. 46 S. M. 0,50. — 119) X i<*., D. Schatzgräber. E. Märchen, ebda. 12°. 55 S.
M. 0,50. — 120) X T. Carlyle, Tales by Musaeus, Tieck and Richter. Transl. 2 vols. London, Chapmann. Sh. 2/6. —
121) X G. Schwab, D. gehörnte Siegfried. D. schöne Magelone. Für d. Jug. wiedererz. L., Gressner & Schramm. 12°. 82 S.
M. 0,60. - 122) X F. Günther, D. Schildbürger. Nach G. Schwab erz. L., Werther. 12°. 64 S. M.0,25. — 123) X E.
Scherling, D. schöne Melusine. Nach G. Schwab erz. ebda. 12°. 64 S. M.0,25. — 124) X H. v- Wegern, Genovefa;
Hirlanda. G. Schwab nacherz. ebda. 12°. 64 S. M.0,25. — 125) X 0. Winter, D. Schloss in d. Höhle Xa Xa nach G. Schwab
erz. ebda. 12°. 63 S. M. 0,25. — 126) X id-* D- gehörnte Siegfried. Nach G. Schwab erz. ebda. 12°. 64 S. M.0,25.—
127) X B- G- Niebuhr, Hist. Erzählungen ans d. röm. Gesch. Für d. reifere Jug. L., Gressner & Schramm. 12°. 68 S. M. 0,60.
— 128) X W-i Griech. Heroengesch., seinem Sohne erz. ebda. 12". 48 S. M. 0,50. — 129) X &i Stories of greek heroes,
with notes by H. S. Heresf ord - W ebb. London, Rivington. 12°. Sh. 2. — 130) X Gr. Nieritz, Ausgew. Erzählungen für
d. Jugend. 11., 18., 19., 23. Bd. (mit je 1 Titelbild). L., Oehmigke. 12°. 90, 102, 112, 96 S. ä M. 0,75. — 131) X >"*-.
Menzikoff, a Story, trans. by L. H. Kerr. London, Rel. Tract. Soc. Sh. 1/6. — 132) X K> Reinick, Geschichten, Märchen u.
Lieder. Für d. Jug. ges. Dichtungen. Mit Farbendr.-Ill. gez. v. 0. Woite. 2. Aufl. L., 0. Drewitz Nachf. IV, 220 S.
M. 4,50. — 133) X id., Lieder u. Erzählungen. Neu her. v. D. Theden. (= ÜB. für d. Jugend N. 327/8.) St., Union. 144 S.
M. 0,40. — 134) X id-. Ausgew. Märchen. L., Gressner & Schramm. 12°. 78 S. M. 0,60. — 135) X Reinicks short stories.
R. Rosenbauin, Epos des 18.19. Jahrhunderts. 1893, 1894. IV 3 : 136-iss
unter denen wiederum die Beliebtheit Chrph. von Schmids 136~169) namentlich im
Ausland im steten Wachsen begriffen zu sein scheint, wahrscheinlich mehr wegen
des einfachen, klaren Stils als wegen des oft allzu anspruchslosen Inhalts. Es muss
den Anmerkungen überlassen bleiben, darüber eine übersichtliche Rechenschaft ab-
zulegen.170-176) —
Auch A. G. Eberhards Idylle „Hannchen und die Küchlein", deren sich die
Schule bemächtigt hat, finde hier ein Plätzchen, zumal es B liedner177) für die
„schulische" Besprechung so geeignet findet.178) —
Dem beliebten Volkserzähler K. Stöber (1796—1865) hat Brummer179)
einige Worte gewidmet.180"182) —
Neuere Zeit. Die Dorfgeschichte in ihrem Hauptvertreter Berth.
Auerbach wird von Katt183) oberflächlich behandelt. Er schliesst sich dabei vor-
nehmlich an E. Zabels Skizze (1882) an und vermisst bei aller Anerkennung bloss
den Humor in den hierher gehörigen Dichtungen. K. charakterisiert auch die übrigen
Schöpfungen Auerbachs und kann sich in dem Tadel der dramatischen nicht genug
thun. Der Dichter hat aber gerade damals noch selbst gegen die erhobenen An-
schuldigungen in den posthumen „Dramatischen Eindrücken" 184) glänzend sich ver-
teidigen können.185"187) —
Auch Anzengrubers Gesamtbild wird durch die neueste Gabe Bettelheims
und Chiavaccis188) nicht verschoben. Die genannten Herausgeber haben im Auf-
trage des Anzengruber-Kuratoriums die bisher nicht in Buchform erschienenen, aus
den letzten Lebensjahren des Dichters stammenden Dorfgänge, Kalendergeschichten
by J. Colville. London, Sonnenschein. Sh. 1,6. — 136) X Chr. v. Schniid, D. Weihnachtsabend. D. Ostereier. 2 Erz. L.,
Gressner & Schramm. 12°. 96 S. M. 0,75. — 137) X id* D- Feuersbrunst. D hölzerne Kreuz. 2 Erz. für d. 1. Jugend.
St., Bardtenschläger. 12°. 72 S. M. 0,50. - 138) X id-> D- Lämmchen. E. Erz. für d. 1. Jug obda. 12°. 72 S. M. 0,50.
— 139) X Regensburger Zehnpfennigbibl. für d. kath. Volk u. d. christl. Jug. N. 5-18. Regensburg u. München, Nationale
Verlagsanst. 12°. ä M. 0,10. (Enth. 20 Erz. v. Chrph. v. Schmid u. 4 v. W. Bamberger; d. Heft durchschnittlich zu 4 Bogen.)
— 140) X Chrph. Schmid, D. Weihnachtsabend. E. Erz. St., Gundert. 12°. 64 S. M. 0,20. - 141) X id-, D. Ostereier.
E. Erz. ebda. 12". 48 S. M. 0,20. — 142) X id-< Pauline, d. Kinderfreundin. E. Erz. ebda. 12°. 64 S. M.0,20. — 143) X
id., Wie Heinrich v. Eichenfels z. Erkenntnis Gottes kam. E Erz. ebda. 12°. 47 S. M. 0,20. — 144) X id- 150 kurze Er-
zählungen für d. Jug. Neue Ausg. m. e. Vorw. v. Fr. Braun. (2. Aufl.) ebda. 12°. 144 S. M. 0,75. — 145) X id * D-
gute Fridolin u. d. böse Dietrich. E. lehrreiche Gesch. für Eltern u. Kinder. Neue Ausg. (2. Aufl.) ebda. 12*. 168 S.
M. 0,75. — 146) X id < Ausgew. Kinderschrr. Neue Ausg. mit e. Vorw. v. Fr. Braun. 15 Bde. 2. Aufl. ebda. 12°. 176,
163, 144, 143, 168, 144, 160, 163, 124, 136, 140, 123 S. mit je 1 Titelbild, ä M. 1,00. - 147) X ld-> Ludwig, d. kleine Aus-
wanderer. Blüten, d. blühenden Alter gewidm. Neue Ausg. mit e. Vorw. v, F. Braun. 2. Aufl. ebda. 12°. 104 S. M. 0,50.
— 148) X id< Ausgew. Erzählungen. 5 kurze Er-/, für d. Jugend v. W. Werther. (= Universalbibl. für d. Jug. N- 326.)
St., Union. 64 S. M. 0,20. — 149) X id> Genovefa. Erz. In neuer Bearb. her. v. 11. Weber. (= Jugendfreude. Ausgew.
Jugendschriften her. v. M. Weber. 1. Serie, 4. Bd.) Frankfurt a. M., Foesser Nachf. IV, 93 S. Mit 3 Taf. M. 1,25. —
150) X 'd-' Genoveva. E. d. schönsten u. rührendsten Gesch. d. Altertums, neu erzählt für alle guten Menschen, bes. für
Mütter u. Kinder. (= Meyers Volksbücher N. 977/3.) L. u. Wien, Bibliogr. Inst. 16°. 122 S. M. 0,20. — 151 i X id * Le
Rosier, suivi de: la Mouche. Trad. de l'allemand par L. Friedel. Tours, Marne & Fils. 1892. 12°. 107 S. Avec grav. —
152) X MU La croix de Dois- S»d. <ie l'all. par L. Friedel. ebda. 4891. 12°. 107 S. Avec grav. — 153) X **i La
Chartrense. Trad. de l'all. par L. Friedel. ebda. 1892. 12°. 107 S. Avec grav. — 154) X id-> Le serin, suivi de La
chapelle de la foret. Trad. de l'all. par L. Friedel. ebda. 1892. 12°. 107 S. Avec grav. — 155) X id- Eustache, episode
des premiers temps du christianisme. Trad. de l'all. par L. Friedel. ebda. 1892. 12°. 103 S. Avec grav. — 156) X "*•<
Sept nouveaux contes pour les enfants. Trad. de l'all. par L. Friedel. ebda. 1892. 12°. 107 S. Avec grav. — 157) X
id., Theophile, le petit eremite. Trad. de l'all. par L. Friedel. 16. ed. ebda. 1892. 12". 107 S. Avec grav.— 158) X id->
La famille chretienne, suivie de nouvelles historiettes. Trad. de l'all. par L. Friedel. 15. ed. ebda. 1892. 12°. 107 S.
Avec grav. — 159) X id • Le rossignol, suivi de Deux freres. Trad. de l'all. par L. Friedel. ebda. 1892. 12°. 107 S.
Avec grav. — 160) X *<!•> Le Petit ramoneur. Paris, Inipr. Lievens. 4°. 11 S. - 161) X Le Myosotiss, suivi de: Hist. d'un
gros bou, L'anneau magique. Trad. et imite de Schmid. Limoges, Ardant & Co. 32°. 64 S. Avec grav. — 162) X Les
dangers de l'etnurderie. Trad. et imite du chanoine Schmid. ebda. 12°. 107 S. Avec grav. — 163) X Oeuvres du chanoine
Schmid. Contes. Trad. nouv. ebda. 210 S. Avec grav. — 164) X LTgnorance et ses inconveniants. ' Trad. et imite du
chanoine Schmid. ebda. 12°. 108 S. Avec grav. — 165) X id-> Irlanda, contessa di Bretagna. Milano, P. Carrara. 16°.
92 S. — 166) X id- Altri cento racconti pei fanciulli. ebda. 16°. 126 S. — 167) X id-i H rosaio: racconto dedicato all'adoloscenza.
ebda. 16°. 94 S. — 168) X id-< Le uova di pasqua. (= Bibl. pei fanciulli N. 34 ) ebda. 90 S. Con tavola. — 169) X
id., I due fratelli. (= ebda. N. 38.) ebda. 91 S. Con tavola. — 170-71) X Contes allemands du temps passe. Extr. des
recueils des freres Grimm et de Simrock, Bechstein, Franz Hoffmann, Musaeus, Tieck, Schwab, Winter etc. Avec la legende
de Lorely. Trad. par Felix Frank et K. Alsleben et precedes d'nne introd. par M. Ed. Laboulaye. 3. ed. Paris,
Perrin & Co. 1892. XI, 473 S. — 172) X Arnold, Fritz auf d. Lande. (= Elementary texts.) London, Rivington, Sh. 3 6.
— 173) X K- F. Becker, Ulysses u. d. Kyklop, by W. S. Lyon ebda. Sh.0,9. — 174) X Franz Hoffraann, Heute mir, morgen
dir. With notes by J. H. Mau de. Oxford, Wareh. Sh. 2,00. — 175) X H. W. v. Riehl, D. vierzehn Nothelfer, by R. E.
Macnaghten, London, Sonnenschein. Sh. 1,60. — 176) X J- Trojan, Struwelpeter jun., transl. froin the german. London,
Jarrold. Sh. 1/6. — 177) A. Bliedner, A. G. Eberhards Hannchen u. d. Küchlein, her. v. M. Jahn (JBL. 1893 I 7 : S7):
PädStud. 15, S. 117/9. — 178) X A. G. Eberhard, Hannchen u. d. Küchlein. E. Idylle. (= Meyers Volksbücher N. 979-80.)
L., Bibliogr. Inst. 16°. 95 S. M. 0,20. - 179) Fr. Brummer, K. Stöber: ADB. 36, S. 274 5. — 180) X F. Frommel, Ges.
Schrr. Erzählungen für d. Volk Aufsätze u. Vortrr. mannigf. Inh. in e. fortlauf. Reihe v. Bdchn. 10. Bdch. Nachtschmetter-
linge. B., Wiegandt & Grieben. VIII, 227 S. Mit Bild. M. 2,50. — 181) X Maxim. Schmidt, Volkserzählungen. Gesamt-
ausg. In 12 Bdn. München, Seitz & Schauer. 1893-94. 135, 160, 168, 224, 216, 138, 240, 178, 174, 196, 224, 220 S. ä M. 2,50.
— 182) X J- Steck, D. Tharerwirt, e. Tiroler Held v. J. 1S09. Gesch. Erz. (= Tiroler Volksbücher 1. Bd.) Inns-
bruck, Wagner. 1892. V,270S. M. 1,60. - 183) F. Katt, B. Auerbach: BurschenschBH. 7, S. 44/6. - 184) X F- Engel, Auerbachs
dramat. Eindrücke (JBL. 1893 IV 3:314): Zeitgeist 1893, N. 14 5 — 185) X B- Auerbachs Schriften. Volksansg. 1.-60. Lfg.
St., Cotta. ä 3 Bogen, ä M. 0,25. — 186) X id> L* seconde mere. Trad. de l'all. par B. Meyer. Paris, Gedalge. 270 S.
— 187) X ld> La Alle aux pieds nus, nouvelle. Imite de l'all, avec de l'autorisation de l'auteur, par J. Gourdault.
3. ed. Paris, Hachette & Co. 207 S. (Mit 72 Grav. v. B. Vautier ) Fr 2,00— 188) [A. Bettelheim u. V. Chiavacci],
Letzte Dorfgänge, Kalendergeschichten u. Skizzen aus d. Nachl. v. L. Anzengruber. St., Cotta. VIII, 487 S. M. 5,00. |[DRs. 81,
S. 319; L. G(eiger): Nation«. 11, S. 646: E. Heilborn: Geg. 45. S. 343/4: N.SS. 70, S. 135; Th. v. Sosnosky: DR. 4,
(4)16/*
IV 3 : 188a- 208 R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
und Skizzen gesammelt vorgelegt. Diese Handlungsweise entsprach den Absichten
des Dichters, der die Drucke und Mss. zu diesem Zwecke selbst zurechtgelegt hatte.
Die Herausgeber sind dadurch gegen den Vorwurf geschützt, dass manches Minder-
wertige ans Tageslicht kam, wozu in erster Reihe die drei „Mären aus alter Zeit"
zu rechnen sind. In diesem Sattel war der feine Charakteristiker nicht gerecht. 188a_18!l) —
Den Reigen der Vf. historischer Romane eröffne A. R. Karl Spindler,
dem Fränkel190) eine Charakteristik widmet. F. schliesst sich an Goedekes bekannte
Verhimmelung an und motiviert sie gleichfalls durch den Hinweis auf die bedeutenden
Zeitbilder mit dem politischen, fast modern gezeichneten Hintergrund. Spindlers
Roman „Der Bastard" (1826) gilt auch F. für eines seiner bedeutendsten Werke. Auf
der Höhe seines Schaffens zeige ihn „Der Jude" (1827), ein Sittenbild aus dem 15. Jh.,
wo auch die Charakteristik am meisten in die Tiefe gehe. Spindler war einer der
fruchtbarsten, auch vielgelesensten Schriftsteller der 30er und 40er Jahre. Es fehlte
ihm aber an Ruhe und Selbstzucht, um seine bedeutenden Anlagen richtig zu ver-
werten.101) — L. F. Stolles Wirksamkeit wird gleichfalls von Fränkel l!)2), allerdings
recht abschätzig beurteilt. Mehr als seine Romane machten ihn die Zeitschriften
bekannt, die er begründete und redigierte, namentlich die „Gartenlaube", die ur-
sprünglich als Beilage erschienen ist, jedoch bald zu einem verbreiteten Organ heran-
wuchs. (Unter einer „ausgedehnten" Zeitschrift denkt sich F. wohl eine weitver-
breitete ?).— Auch L. Storch widmet Fränkel193) seine Feder. Er findet, dass die
Anfänge Storchs romantische Uranlage verraten; das Stoffliche und Abenteuerliche
waltet bei ihm vor. Dafür, dass Storch auch in seiner späteren Produktion die Tra-
ditionen der Romantik in gewissem Sinne fortsetzt, hat F. einen deutlichen Beleg in
dessen Uebersetzung aus dem Französischen des Keratry „Friedrich Styndall oder
die verhängnisvollen Jahre" 1828, die sämtlichen Biographen bisher entgangen war,
gefunden. — F. W. L. Tarnowski wird von Brummer194) mehr als Mensch denn
als Schriftsteller gerühmt. —
Dahns195) „Erinnerungen" sind an anderer Stelle genügend gewürdigt
worden.196 197) — In gleicher Weise genüge für Ebers198) Selbstbiographie199"200)
der Hinweis auf eine andere Besprechung dieser JBL.201 206) —
Adolf Glaser widmet Fokke207) liebevolle Aufmerksamkeit. „Herz-
erquickende Treuherzigkeit und Einfalt" rühmt er besonders an seinen historischen
Romanen und lobt es, dass dabei die höchsten Probleme der Menschheit dennoch
einen würdigen Ausdruck finden. Er ergeht sich des weiteren im Anschlüsse daran
in allgemeinen Betrachtungen über diese Romanspecies, wobei er sich vielfach mit
Julian Schmidts Aeusserungen über den gleichen Gegenstand berührt. Und als Folge
dieser Betrachtungen spielt er Glasers Tendenzlosigkeit in politischer Beziehung gegen
Gustav Freytags Zweckmässigkeit als bedeutenden Vorzug aus. —
Gustav Frey tag selbst, das hervorragendste Talent in dieser Gruppe, ist durch
Roth208) einsichtig und gerecht vor einem Zuhörerkreise von Schülern charakterisiert
worden. Gerade vor einem solchen Publikum ist der einleitende Kanonendonner gegen die
moderne Richtung der Litteratur zum mindesten ein gefährlich Spiel, besonders wenn der
Vortragende sich genötigt sieht, von den sogenannten „Verirrungen", die er auf-
zuzählen vergessen hat, zu den „unbestreitbaren Verdiensten" sich zu wenden, um
seinem Helden ein Ehrenplätzchen in dem verpönten Bannkreis anzuweisen. Die kurze
Skizze von Freytags Lebensgang nennt mit Recht Walter Scott und Dickens unter
denen, die am nachhaltigsten auf den Dichter gewirkt haben. Unbestreitbar liegt
auch Freytags Stärke in der Meisterschaft des Stils, die R. mit wenigen gedrungenen
Worten scharf hervorhebt. Für den grossen Erfolg des Romans „Soll und Haben"
S. 377; M. Necker: NFPr. N. 10671.]! — 188a) X A- Müller-G nttenbrunn, L. Anzengruber. (— Im Jh. Grillparzers.
Litt.- u. Lebensbilder aus Oesterreich [JBL. 1893 IV 4:270], S. 150-89.) (Betrachtet vornehml. d. dramat. Arbeiten; für d.
erzählenden Werke fällt nichts ab.) — 189) X L- Anzengruber, D. Schandfleck. E. Dorfgesch. 3. Aufl. (= Anzengrubers
Dorfromane. 1. Bd.) L., Breitkopf & Härtel. 422 S. M. 3,50. — 190) L. Fränkel, A. R. K. Spindler: ADB. 35, S. 200/2.
— 191) X K- Spindler, D. Bastard. B. dtsch. Sittengesch. aus d. Zeitalter Kaiser Rudolfs II. 4 Tle. St., Malcomes. 12°.
254, 264, 233, 193 S. M. 3,00. — 192) L. Fränkel, L. F. Stolle: ADB. 36, S. 786/8. — 193) id.. L. Storch: ib. S. 439-42.
— 194) F. Brummer, Fr. W. Ladisl. Tarnowski: ib. 37, S. 402. — 195) (IV lc:523.) — 196) X F. Dabn, Julian d. Ab-
trünnige. Gesch. Roman in 3 Bd. L., Breitkopf & Härtel. 1893. 284, 489, 603 S. M. 21,00. |[Grenzb. 1, S. 495-504; 1. h.:
DDichtung. 15, S. 127; O. J.: N&S. 67, S. 135/6; W. Kreiten: StML. 46, S. 285-302, 413-40.]| - 197) X Wolfgang, F.
Dahn, Julianus de Afvallige: NedSpect. S. 41/3. — 198) (IV lo:912.) |[DDichtung. 13, S. 104, 179-80; WIDM. 76, S. 124/5;
LCB1. 1893, S. 1759; C. Ziegler: DB11EUB. 21, S. 2; H. Klein: Presse 1893, N. 93.]| - 199) X id., Aus meiner Kindheit:
DDichtung. 13, S. 98-103. (E. Bruchstück aus N. 198.) — 200) X Th- Vernaleken, D. Lebensgesch d. G. Ebers mit
Rucks, auf d. Fröbelsche Anst. in Keilhau: Paed. 15, S. 387/8. (Ebenfalls e. Bruchstück aus N. 198, S. 193 ff.) — 201) X
G. Ebers, Ges. Weike. 1.-44. Lfg. St., Verl.-Anst. ä 5 Bogen, ä M. 0,60. |[DRs. 77, S. 475; L. Frey tag: COIRW. 21,
S. 499, 22, S. 235/6; Qucllwasser 18, S. 826.] I — 202) X id-. Ira Schraiedefeuer. Roman aus d. alten Nürnberg. 2 Bde.
St., Dtsch. Verl.-Anst. 304, 307 S. M. 10,00. — 203) X id., Kleopatra. Hist. Roman. 9., neu durchges. Aufl.
ebda. X, 272 S. M. 8,00. |[L. Frey tag: COIRW. 22, S. 235/6; BURS. 61, S. 628/9.] j - 204) X id., Cleopatra, a
Romnnce. Transl. by Mary J. Safford. 2 vol. London, Low. Sh. 6. — 205) X Wolf gang: Über N. 203: NedSpect.
S. 177 8. — 206) X id- Per "spora. From the german by Clara Bell. 2 vol. 18°. London, Low. Sh. 4. - 207) A.
Fokke, Hist. Romane: Geg. 46, S. 41/3. — 208) K. Roth, G. Freytag. Rede, geh. 1894 ira kgl. Realgymn. in Stuttgart:
R, Rosenbaura, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894. IV 8:209-220
wird neben den Zeitumständen auch ein innerer Grund betont, nämlich die persön-
lichen Vorzüge des Dichters, die in seinem Gemüt und der davon gefärbten Auf-
fassung' des Lebens wurzeln. Der Einklang- Freytagscher Theorie und Praxis in
Bezug auf das Kunstgesetz ist zu Unrecht in Gegensatz gestellt zu Spielhagens
etwas schärfer formulierter Kunstübung und müsste erst bewiesen werden, um recht
glaubhaft zu sein. Niemand zweifelt, dass auch Frevtag sich oft an Modelle hielt,
um seine Figuren mit realem Leben zu füllen. Wir stimmen jedoch mit R. darin voll
überein, dass es ein ungerechter Vorwurf gegen Freytags „Ahnen" ist, als habe er zu
viel antiquarische Gelehrsamkeit hinein verflochten. — Statt der Charakteristik begnügt
sich Weber209) mit weitläufigen Citaten aus Freytags Werken und Anführung von
O. von Leixners Worten. Ihm gilt Kunz von der Rosen als Schlüssel zu Freytags
sämtlichen Charakteren; und Kunz von der Rosen wieder als geschichtliche Ver-
tiefung des idealen Typus. Also hie Idealismus, hie Realismus! In der Würdigung
des Dichters aber, namentlich seiner epischen Schöpfungen, weichen W.s Ergebnisse
von denen Roths nicht ab. W. nennt „Soll und Haben" ganz treffend eine „Stadt-
geschichte" im Hinblick auf den weiten Boden, den vor 1855 die Dorfgeschichte ge-
wonnen hatte, ja er hat seine Begeisterung für den Idealismus eines Kunz von der
Rosen schon vergessen und preist nun auch den Sieg des Realismus, den dieser
Roman Freytags entschieden habe. — Sprenger210) hat im 2. Bande, 1. Abteilung der
„Bilder aus der deutschen Vergangenheit" einen Uebersetzungsfehler Freytags ent-
deckt: statt „Thorgeld für das Höllenfeuer" soll es richtig heissen „Abhülfe gegen
das Höllenfeuer".211) — Bartels212) wehrt sich mit Recht dagegen, dass Conrad
Alberti seinen Börsenroman „Schröter u. Cie." als eine Fortsetzung* von Freytags
„Soll und Haben" angesehen wissen möchte. Eine ausführliche Inhaltsangabe be-
kräftigt diese Abwehr.213"214) —
Nahe Verwandtschaft mit Freytags Epen in ungebundener Sprache zeigen
stofflich auch die einiger anderen Dichter, in erster Reihe J. V. von Scheffels.
So verfolgt Zernin215) des Dichters Besuche auf der WTartburg, die für Scheffel und
seinen poetischen Beruf eine Art symbolischen Heiligtums bedeutete, und kennzeichnet
das nahe Verhältnis, in das er zu dem langjährigen Kommandanten der Festung,
Bernhard von Arnswald, getreten war. Ihn charakterisiert Z. mit Hilfe von Auf-
zeichnungen des Nachfolgers eines Bruders des Genannten. Bernhard von Arnswald
stand als jung'er Offizier dem Grossherzog* Karl August von Weimar gegenüber, der
wieder Goethe auf das Zeichentalent des Autodidakten aufmerksam machte. Seit
1840 war er Schlosshauptmann auf der Wartburg. Kleine poetische Erinnerungen
an Scheffels Verkehr und Freundschaft mit ihm werden wachgerufen. Z. gedenkt
bei Gelegenheit des vorletzten Besuches Scheffels im Thüringer Land (Sept. 1873)
eines Festspieles unter dem Titel „Der Brautwillkomm auf der Wartburg im Sep-
tember 1873", das anlässlich der „Hochg-ezitsnachfeier" des Erbgrossherzogs zur Dar-
stellung- kam. Darin treten der Reihe nach auf: Frau Aventiure, der getreue Ekkard,
König Etzel, Chrimhüde, Landgraf Hermann mit den sieben Meistersingern, die
heilige Elisabeth und zum Schluss Luther als Junker Georg", der den Segen über das
junge Fürstenpaar spricht. Dieses Festgedicht ist bloss seinerzeit in der Eisenacher
Zeitung veröffentlicht worden, fehlt also in allen Sammlungen der Scheffeischen Ge-
dichte.216) — Artaria217) zeichnet das Bild der Herzogin Hedwig von Schwaben nach
Scheffels Quelle und bringt den historischen Charakter mit dem dichterischen in
Einklang. Die herben Züge der geschichtlichen Hedwig soll Scheffel demnach nicht
gefälscht, sondern nur verklärt haben. Wenn auch nichts darüber überliefert ist, so
steht die dichterische Figur in keinem unvereinbaren Gegensatz zu dem Original,
dem die poetischen Empfindungen gar wohl zuzutrauen sind. Stärkere Eingriffe
in die geschichtlichen Thatsachen hat sich der Dichter allerdings bei Ekkehard selbst
gestattet. Die St. Galler Chronik weiss nur von einem durch körperliche Schönheit
ausgezeichneten Pförtner zu erzählen, den Scheffel noch mit vielen anderen Gaben
des Himmels und der Erde ausgestattet hat.218-219) —
Aus der Hochflut von Aufsätzen grösseren und kleineren Umfanges über den
Dichter von „Dreizehnlinden", Fr. W. Weber, verdient einzig Keiters220) Studie Be-
achtung. An der Hand der Werke Webers lernen wir das Leben, die Lebens-
BBSW. N. 14/5. — 209) Ludw. Weber, G. Frey tag, e. soc. u. kulturhist. Dichter. Vortr. (= Samml. theol. u. soc. Reden
u. Abhandl. IV. Serie, 3. Lfg.) L„ Wallmann. 1893. 32 S. M. 0,40. |[LZgB. N. 109.]| - 210) R. Sprenger, Za G. Freytags
„Bildern aus d. dtsch. Vergangenheit1*: ZDÜ. 7, S. 5023. — 211) X K- Landraann, Zu G. Freytags „Ahnen": ib. S. 271. —
212) Ad. Bartels, E. Forts, v. G. Freytags „Soll u. Haben«: Didask. 1S93, N. 195. - 213) X G- Freytag, Soll u. Haben.
For Scheel use by Hanby Crump. London, Whittacker. 12°. Sh. 2,6. — 214) X ><•■> Erhebung Preussens. By Siepman.
London, Rivington. Sh. 2. — 215) G Zernin, J V v. Scheffel auf d. Wartburg: Didask. N. 33. - 216) id., J. V. v. Scheffel
in Rom: SaramlerA. 1893, N. 107. (Aus d. NorddAZg.) — 217) R Artaria, Herzogin Hedwig, d Heldin des „Ekkehard":
Gartenlaube S. 364/5. — 218) X Jungdeutschland 3, S. 30. — 219) X The trumpeter. By J. V. v. Scheffel. Transl. by
Jessie Beck and Lonise Lorimer. With introd. by Th. Martin. London, Blackwoods. Sh. 36. [Ac. 44, S. 149.]| —
220) H. Keiter, Fr. S. Weber, D. Dichter v. „Dreizehnlinden". E. Stud. 4., verm. u. verb. Aufl. Mit e. Portr. Paderborn,
IV 8:221-23-2 R. Rosenbaum, Epos des 18./ 19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
auffassung und die weitgesteckten Ziele des greisen Dichters auf den ver-
schiedensten Gebieten seiner Wirksamkeit kennen und schätzen. In die Worte „Bete
und arbeite" könnte man diese aufschlussreichen Kapitel kurz fassen. Mag' man auch
politisch anders denken als der Centrumsabgeordnete Weber und sein Gefolgsmann
und Biograph K., so gesteht man dem erfahrenen Manne gerne das Recht zu, über
die Mitwelt von hoher Warte aus zu urteilen, in Sprüchen, die oft den Xenien unserer
Klassiker nahekommen (S. 17). Es ist recht bemerkenswert, dass der erste Plan zu
dem weitverbreiteten Epos thatsächlich erst in das J. 1874 oder 75 fällt, da der
Dichter schon das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte. Ein Brief Webers an
den Gymnasialdirektor Werneke in Montabaur giebt darüber sicheren Aufschluss
(S. 10). Weiss man die manchmal übertriebenen Lobpreisungen K.s auf das richtige
Mass herabzumindern, so erhält man eine durchsichtige Analyse des Hauptwerkes,
seiner äusseren und inneren Schönheiten. Weber zeigt sich auch als Meister in der
Komposition, im geschlossenen Aufbau und in der streng einheitlichen Durchführung'
der Handlung (S. 51 — 56). Die Andeutungen K.s über die Stilmittel sind allerdings
etwas kärglich (S. 56—60) und hätten füglich auf Kosten der angehängten Moral-
predigt an die junge Dichtergeneration, sich an Weber „zu bilden", ausgedehnt
werden können. Dieses Zöpfchen (S. 61/4), offenbar nur zur Füllung des letzten
Bogens berechnet, nimmt sich recht verwunderlich aus : „Unsere jungen Dichter
sollten immer zu 'Dreizehnlinden' zurückkehren und an dem herrlichen Werke die
Gesetze der Dichtkunst studieren, die immer dieselben sind, und von Weber mit dem
Instinkt des Dichters und dem feinen Takt des Künstlers befolgt sind." — Hoebers221)
Festschrift kenne ich bloss aus der tadelnden Recension der KonsMschr., die mit
Recht hervorhebt, dass eine Paraphrase poetischer Werke in Prosa keine litterar-
historische Würdigung ist; dazu kommt der reklamehafte Ton, in dem geradezu
katholische Propaganda mit der Dichtung getrieben wird und das Hineinziehen
fremder Elemente zu gleichem Zwecke. — Vielfach einseitig, zum grössten Teil im
Lob überschwenglich ist die übrige Serie von Festartikeln, die alle mit bekannten
Daten arbeiten.222"226) — B rieger227) allein betrachtet Webers neuestes Epos „Goliath"
ganz sachlich. Er findet die Darstellungsform ganz und gar an die Art der Ein-
schachtelung der Romantiker gemahnend. Der Dichter giebt eine Rahmenerzählung,
in der er selbst in Beziehung zu den handelnden Personen tritt. Das Epos hat be-
kanntlich mit dem biblischen Helden nichts zu schaffen. Vielmehr geht der Stoff auf
eine norwegische Geschichte zurück, die der Maler Magnus dem Dichter erzählte.
„Goliath" ist ein Hoheslied der Entsagung über das Grab hinaus, dessen Haupt-
figuren weniger unsere Sympathie als unsere bewundernde Ehrfurcht wecken.228) —
Ein anderer Dichter, der nach seinen Stoffen gern in die deutsche Vorzeit
greift, Julius Wolff229), erzählt die Geschichte seines Erstlingswerks „Till Eulen-
spiegel redivivus". Was er aus seiner zartesten und zarten Jugend bei der Gelegen-
heit verrät, bleibe dem Biographen zur Verwertung vorbehalten. Volkstümliche Sagen
und Heldengestalten zogen ihn besonders an, vorzüglich Till Eulenspiegel und der
Rattenfänger von Hameln. Er wählte vorerst den ersteren zum Helden seines Ge-
sanges und — schrieb darauf los, ohne Plan, ohne Fabel und Handlung, was ihm ge-
rade einfiel. Das ist karger Verrat an den Geheimnissen seiner Werkstatt. — Richtig
und dankenswert ist Sprengers230) Lesefrucht, dass ein Vers im 12. Abenteuer
der „Lurlei" auf eine Bemerkung Unlands in seinen „Hoch- und Niederdeutschen
Volksliedern" zurückgehe. —
Wenden wir uns vor einer landschaftlichen Durchstreifung des Gebietes den
Dialektdichtungen zu, so gebührt vorerst ein kurzes Wort den allgemeinen
Betrachtungen Möllers231), der zu erweisen sucht, dass die Zeit der poetischen
Hegemonie des Dialekts in Deutschland vorüber ist. Nur der Ueberdruss an der
hoffnungslos gewordenen Politik habe den Dialekt in den fünfziger Jahren begünstigt,
und dieser Strömung verdankten grosse Talente ihre plötzlichen Wirkungen. Doch
muss auch M. gestehen, das wirkliche Volkspoesie in der „Dialektsprache" (?) auch
in ganz besonderen Fällen entstehen könne. Seine Untersuchung stützt sich aber auf
ganz subjektive Geschmacksurteile und ist deshalb mehr anregend als ergebnisreich. —
Fritz Reuter lässt Möller voll gelten. In ihm feiert auch Doenges232) den
grössten deutschen Humoristen, nicht so sehr wegen der entschiedenen Naturwahrheit
Schöningh. 64 S. M. 0,60. — 221) O K. Hoeber, Fr. W. Weber. Sein Leben n. seine Diebtungen. Mit Portr. u. Fncs.
ebda. 108 S. M. 1,00. |[R. König: Daheim N. 30; O. K.: KonsMschr. S. 77S.]| - 222) X L. Wattendorff , Fr. W. Weber:
KZEU. 43, S. 289-301, 337-51 — 223) X <*• Kreyenberg, Fr. W. Wober, D. Dichter v. „Dreizehnlinden": VelhlvlasMh. 1893 :
2, S. 456-64. — 224) X *'• W. Weber, D. Dichtor d. Epos „Droizehnlindon«: ÜLftM. 72, S. 062. - 225) X *■■ Fr., Fr.
W. Weber: IllZg. 102, S. 399. — 226) X h Ledebnr, Fr. W. Weber: Quelhvasser 18, S. 507,8. — 227) Ad. B rieger,
F. W. Weber, Goliath (JBL. 1892 IV 3: 147): Bliü. 1S93, S. 219-20. - 228) X F- w- Weber, Deklamationen u. Lieder zu d.
Dreizehnlinden-Aufführ. Festspiel in 7 Bildern. In Musik gos. v. A. v. Arndts. Crefeld, (Ilolfmann & van Acken). 1393. 34 S.
M. 0,30. - 229) Jul. Wolff, Mein Erstling „Till Eulenspiegel redivivus": DDichtnng. 18, 8. 229-32. - 230) R.Sprenger,
Zu Jul. Wolfts Lurlei: ZD1I. 8, 8. 124. - 231) C. Möller, Z. dtsch. Dialoktlitt. i NatZg. 1893, N. 727. — 232) W. D o e ng e s,
R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894. IV 3 : 233-255
seiner Gestalten als aus der Erkenntnis heraus, dass echter rechter Humor nur der
ist, bei dem „Schmerz und Scherz sich zu einem Ganzen mischen". An „Onkel
Bräsig" wird das gezeigt. Und so erscheint denn D. der „immerirte Entspekter" als
die eigentliche Hauptgestalt, als der „humoristische Held" des Romans „Ut mine
Stromtid". „Den grössten Vorbildern humoristischer Gestalten g'iebt sie nichts nach
und darf sich kühnlich neben einen Falstaff und Don Quixote stellen". — Neue Er-
innerungen von und an Fritz Reuter bringt wiederum Gaedertz233). Am 2. Aug.
1858 soll in Rostock „eine Originalposse mit Gesang in drei Wetten" unter dem
Titel „Das ist ja der August! oder Küssen und Wetten" über die Bretter gegangen
sein. Das Ms. ist verloren, die Urteile darüber sind wenig lobend. Interessanter ist der
launige Brief über das Lustspiel „Die drei Langhälse", desgleichen ein anderer, der
auch nur Ergänzungen zu G.s Reuterreliquien und -Studien bringt. In einem Brief
an den Buchhändler Erhardt Quandt in Leipzig erklärt Reuter „olle Kamellen" als
„alte Geschichten, die einem nicht mehr recht schmecken wollen, weil ihnen das
Aroma der Neuheit fehlt, etwa ebenso wie bei den Meidiuger-Anekdoten", und der
Witz des Ausdruckes liege darin, dass alte Kamillen auch keine Wirkungen mehr
ausüben (21. April 1863). Recht ernste Töne schlägt Reuter in Briefen an Rieh.
Schröder an, den späteren berühmten Rechtslehrer. Wir hören vom Fortgang seiner
Arbeiten, von Familienereignissen und lernen ausführlich des Dichters Beziehungen
zu dem schon genannten Leipziger Verleger kennen, seinem „lieben Quandting'".
Einzelheiten über den Badeaufenthalt in Laubbach bei Koblenz, sein Unmut über
Glagaus Schrift (1865), sein Verhältnis zum Direktor Ad. Teilkampf in Hannover usw.
werden berührt. Reuter wünscht sich in seiner idyllischen Ruhe gelegentlich bloss,
„dass der liebe Gott nur mit seinem Segen von Korrespondenz und Verehrerinnen
einhalten wolle". Das Verhältnis zu seinen engeren Landsleuten wird durch Be-
merkungen über seine letzte Reise in die Heimat näher beleuchtet. Die offene Aus-
sprache über die politischen Ereignisse in Briefen an den Oberst E. von Conrady
erfährt durch G.s Publikationen eine wesentliche Bereicherung. — Glöde234) erkennt
in dem Glasermeister Kitte Risch (aus einer Skizze Reuters: Meine Vaterstadt Staven-
hagen) einen Jugendgespielen des Dichters wieder. — Glöde235) giebt auch den
Inhalt einer Unterredung Reuters mit einem mecklenburgischen Landprediger wieder,
worin Reuter „Kein Hüsung" für sein bedeutendstes Werk erklärt haben soll, weil
am meisten Handlung darin wäre! 236-237) — j)je Gaedertzschen Erinnerungen veran-
anlassten einen Anonymus238), einen Brief Reuters vom 14. Apr. 1875 zu veröffentlichen,
worin der Dichter selbst gesteht, dass ihm „bei gänzlichem Mangel an Bühnenkenntnis
die Begabung für das dramatische Gebiet" abzugehen scheine. — Zwei neue Briefe239)
an Luise Reuter (1851 und 54) werfen auf das seltene Verhältnis der Liebenden, be-
ziehungsweise jungen Gatten kein neues Licht. — Was Luise ihrem Fritz war, das
kam weiteren Kreisen erst recht zum Bewusstsein durch die zahllosen Nachrufe in
der Presse und in Zeitschriften, worunter Burchards240) knappe Angaben den Vor-
zug vor den übrigen verdienen.241-246) — Das Reuterhaus in Eisenach ist mehrfach
beschrieben worden. Arendt247) erhob öffentlich Protest dagegen, dass die nunmehr
der Schillerstiftung gehörige Villa vermietet werde, weil dies den Absichten der Erb-
lasserin widerspreche.248-249) — Die Reuterdenkmäler in Neubrandenburg und in
Chicago wurden beschrieben und in Abbildungen weiteren Kreisen vorgeführt250-251).
— Die Rede Brückners252) bei der Enthüllungsfeier des Denkmals in der Heimat
liegt im Druck vor und ist wegen ihrer Mässigung trotz der selbstverständlichen
hohen Verehrung für den grössten Dichter Mecklenburgs alles Lobes wert. — Zu
Reuters „Stromtid"' I, 2. Kap. führt Glöde253) eine Analogie aus dem Schildbürger-
buch an. — Glöde254) beharrt gegenüber Hofmeisters Ableitung des Namens Triddel-
fitz (von dem Ortsnamen Trittelwitz bei Demin) auf seiner Deutung des Familien-
namens Triddelvisse. — Sprenger255) hat wohl nicht erwiesen, aber scheint auf
einer richtigen Fährte zu sein mit der Vermutung-, dass Charakterzüge aus den
Z. 20. Wiederkehr d. Todestages F. Renters: LZgB. N. 82. — 233) K. Th. Gaedertz, Neue Erinnerungen v. u. an F.
Reuter: VossZg. N. 288, 290, 294, 296, 300, 304. — 234) 0. Glöde, E. Jugendgespiele F. Reuters. ZDU. 8, S. 79. — 235)
id., F. Reuter u. e. mecklenburg. Landprediger. E. Unterredung aus d. 70er J.: ib. 7, S. 4934. — 236) O F. Mararoth,
Pellico n. Reuter: FZg. 1893, N. 234. — 237) X F- Katt, F. Reuter: BurschenschBll. 8, S. 1879. (Nur e. Ausz. bek. Daten.)
— 238) E. Brief t. F. Reuter u. seiner Luise: VossZg. N. 320. — 239) 2 Briefe Reuters an seine Frau nach d. „MagdZg." :
BerlBörsCour. N. 272. — 240) G. Burchard, Louise Reuter: FZg. N. 164. — 241) X A. Grefe, F. Reuter u. sein
„Luising": NFPr. N. 10736. — 242) X *■ Reuters Witwe: BerlBörsCour. N. 268. — 243) X F«iu Luise Reuter: BerlTBl.
N. 289. — 244) X Erinnerungen an Luise Renter: ib. N. 306. — 245) X A- Trinius, E. Gedenkbl. für Luise Reuter:
ÜL&M. 72, S. 822,4. — 246) X A. Rö m e r , F. Reuters Luise: IllZg. 102, 8. 703. — 247) O. Arendt, D. Schillerstift, n. d.
Reuterhaus: DWB1. 7, S. 336. — 248) X D- Haus Fritz Reuters: Gartenlaube S. 4834. (Mit Abbilds - 249) X 0- S., D.
Villa Reuter bei Eisenach: Quellwasser 18, S. 747 8, 765. (Mit Bild.) — 250) X D. Reuterdenkmal in Neubrandenbnrg:
BurschenschBll. 7, S. 298. — 251) X M. S c h ü s s 1 e r, D. Fritz Reuternenkm. für Chicago; IllZg. 100, S. 305. — 252) A.
Brückner, Rede bei d. Entbüllungsfeier d. F. Reuterdenkm. zu Neubrandenburg am 29. Mai 1893. Neubrandenburg,
Brünslow. 1893. 16 S. M. 0,30. — 253) 0. Glöde, Zu F. Reuters „Ut mine Stromtid": ZDU. 7, S. 268. — 254) id., Noch
einmal zu Fritz Triddelfitz: ib. S. 6312. - 255) R. Sprenger, Zu F. Reuters Dörchläuchting: .IbVNiederdSpr. 17, S. 88-90.
IV 3-.25C-274 R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
„Briefen Friedrichs des Grossen an seinen Vater", und zwar der Auszug-, den Th. Carlyle
in seiner History of Frederik II. of Prussia aus dem Briefe des Kronprinzen an
seinen Vater vom 26. Okt. 1736 gemacht hat, für Reuters „Dörchläuchting" von Ein-
fluss gewesen seien, namentlich für gewisse humoristische Anspielungen. Nicht mit
einem Worte aber ist dargethan, warum die englischen Auszüge und nicht das deutsche
Original, das doch in Berlin 1838 erschienen ist, von Sp. in Anspruch genommen
werden. Gleichfalls möglich, aber unerwiesen bleibt die Hindeutung, dass der Zug von
der Flucht der verwitweten Fürstin nach Greifswald aus Paul Heyses Schauspiel
„Hans Lange" (1866) erborgt sei.256) —
Für Klaus Groth sind nur einige Besprechungen nachzutragen257 258). —
Für die Werke John Brinckmanns259), die in einer neuen Edition vor-
liegen, macht sich ein reges Interesse bemerkbar. Die Verlagshandlung hat sich
entschlossen, diese Ausgabe durch eine dem Hochdeutschen angepasste Schreibweise,
ähnlich wie in Reuters Werken, und durch beigefügte Worterklärungen unter dem
Text auch den mit dem Plattdeutschen minder Vertrauten näher zu bringen, und
der Erfolg der grösseren Verbreitung bleibt auch nicht aus. Es ist merkwürdig
genug, dass die humorvollen Geistesprodukte dieses nicht unebenbürtigen Lands-
mannes Reuters so spät noch und so schwer um ihre Würdigung zu ringen haben. —
Der siebente Band von Heinrich Jürs260) „Plattdeutschen Humoresken"
wird diesen Kampf gar nicht erst aufnehmen wollen. Der Vf. scheint sich auf seinen
heimischen Kreis zu beschränken. —
An Aug. Dührs261) Homerübersetzung, die gleichfalls durch den Vf. der
Schrift „Rembrandt als Erzieher" angeregt worden ist, hat sich eine Polemik um den
Wert oder Unwert des niederdeutschen Sprachzweiges angeschlossen, in die einzugreifen
nicht unseres Amtes ist, zumal sie nicht ganz frei von persönlichen Motiven zu sein
scheint. Ein Hauptrufer im Streit ist Glöde262-265). —
In schlesischer Mundart trat Herin. Bauch266), in erzgebirgischer Heinr.
Köselitz267) vor die Oeffentlichkeit. —
Für den Norden Deutschlands hat vor allem die ADB. manchen Beitrag
gebracht. G. K. 0. von Struensee, bekannter unter dem Namen Gustav vom See
(1803—75), ist von Jeep268) zum ersten Male zusammenfassend betrachtet worden.
Bulwer ist sein Vorbild. J. weist ihm in der Romanlitteratur des 19. Jh. einen Platz
neben Heinr. König, Mügge und Hackländer an. - Den Berliner Belletristen R. G.
M. Springer (1816—85) betrachtet Fränkel269) in seiner Vielseitigkeit. Der Ge-
schichtsschreiber der „Klassischen Stätten" ist dem Litterarhistoriker bekannter als
der Vf. von Berliner Skizzen, Jugendschriften, historischen und Künstler-Romanen. —
Nur lokales Interesse gebührt H. Ch. Steinhart (1763—1810), der als Nachahmer
Jean Pauls und Benzel-Sternaus seine Stoffe aus der Altmark holte, wie Brandes270)
zeigt. — Volkssagen aus der Altmark hat auch J. D. H. Temme (1798—1881) ge-
sammelt, dem Brummer271) ein reiches juristisches Wissen nachrühmt. Temme hat
davon in mehr als 150 Bänden, Kriminalromanen, ein stattliches Andenken hinter-
lassen. —
Aus dem umfänglichen litterarischen Nachlasse des in Berlin naturalisierten
Breslauers Oskar Justinus (1839—93) veröffentlicht Pröll272) kleine Proben. In
der kurzen Einleitung werden des Dichters Leben, Charakter und poetische Anlage
berührt und für die „plauderselige Sprache seines Herzenshumors" das treffende
WTort vom „deutschen Heimlachen" gefunden. Die vorliegende Sammlung zeigt
Justinus als einen der sorgsamsten und hingebung-svollsten Beobachter des Klein-
lebens, als den ihn P. in erster Reihe feiert. — Um der in ähnlicher Weise eng-
begrenzten Begabung Rob. W7aldmüllers gerecht zu werden, prägt Necker273) für
ihn und seinesgleichen eine eigene Bezeichnung „Bildungsdichter", worunter er
— 256) X 0 Glöde, F. Sahlmann u. F. Reuter, e. Reuteranekdote: ZDÜ. 7, S. 767,8. - 257) X Kl. Groth, Ges. Werke.
4 Bde. Kiel, Lipsius & Tischer. 1892. XX, 204 S.; VI, 350 S.; VI, 361 S.; VIII, 352 S. M. 10,00. |[0. Harnuck: PrJbb. 71,
S. 525; G.: LCBI. 1893, S. 1397; £: DRs. 75, S. 156.]| - 258) X G., Kl. Groth, Lebenserinnerungen (JBL. 1892 IV 2:263/4):
LCB1. 1893, S. 1397. — 259) J. Brinckmann, Ausgew. Plattdtsch. Erzählungen. 1. Bd. Kaspar- Ohm u. ick. 5 Aufl. 2. Bd.
Kleinere Erz. (Voss un Swinegel. Höger up. Mottche Spinkns un de Pelz. De General-Reeder. Peter Lurenz bi Abukir.)
3. Aufl. Rostock, Werther. 1893. 12". VI, 374 S ; VIII, 360 S. M. 6,00. |rA. Dau: BLU. S. 113,5; id.: Geg. 44, S. 296/8;
A. Rüde: DBllEU». 21, S. 45/6; L. Frey tag: COIRW. 22, S. 693.]| - 260) H. J 5 r s , Plattdtsch Schrr. 7. Bd. Plattdtscb.
Humoresken z Vorlesen in Vereinen u. gesell. Kreisen. Hamburg, Krämer. 1893. 183 S. M. 2,00. — 261) A. Dühr, E.
niederdtsch. Homerübersetz.: ZDU. 7, S. 180-93. (JBL 1893 I 8:18.) — 262) X °- Glöde, E niederdtsch. Homerübersetz.:
ASNS. 91, S. 293/7. — 263) X »d., Noch einmal A. Dührs niederdtsch. Homerübersetz : ib. 92, S. 192/7. - 264) X > d- - Zu
d. niederdtsch. Homerübersetz. v. A. Dühr: ZDU. 8, S. 2613. — 265) X > <* . Z. niederdtsch. Litt, im 19. Jh.: ib. S. 584-90.
— 266) H. Bauch, Humorist. Erzählungen in schles. Mundart 1. u. 2. Bdch. (2., verm. Aufl. I. Quietschvergnügt.
Sohnoken. II. Huch de Schläsing! Schnoken.) Breslau, Goerlich. IV, 156 S.; IV, 154 S. a M. 1,25. — 267) H. Köselitz,
Verwerrts Volk. Humoresken. Gedichte u Geschichten in er/.gebirg. Mundart. 11. Heft. Annaberg, Graser. 1893. 12°. 56 S.
M. 0,30. — 268) E. Joep, G. K. 0 v. Struensee: ADB. 36, S. 645/7. — 269) L. Fränkel, R. G. M. Springer: ib. 35,
S. 319-21. - 270) Fr. Brandes, H. Ch. Steinhart: ib. S. 710/1. - 271) Fr. Brummer, J. D. H. Temme: ib. 37, S. 558-60.
— 272) 0. Justinus, Häusl. Bilderbogen. (Aus d. litt. Nachl.) Her. v. K. Pröll. Breslau, Schles. Buchdr. XIII, 311 8.
M. 4,00. - 273) M. Necker, E. Bildungsdichtcr: ML. 02, S. 525/6. -•■ 274) R. Lindau, Ges. Romane u. Novellen. 5. Bd.
lt. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893,1894. IV 3 : 874-afe
jene Schriftsteller versteht, die nur Bilduno-, aber keine Natur, keine Leidenschaft,
keine Persönlichkeit zeigen. Ihr deutlichstes Kennzeichen soll es sein, dass sie sich
im Anfang-, meist mit ihrer Erstlingsarbeit, ganz ausgeben, um in der Folge nur von
dem einmal erworbenen Ruhme zu zehren. Diesen Bildung-sdichtern schreibt er die
Schuld an dem historischen Romane zu, gegen dessen Bestand er eifert. Die Dichter
dieses Schlages schreiben ,, poetische Surrogate, wo es gilt in die Tiefe der mensch-
lichen Seele zu tauchen". Und als solch einer gilt ihm Waldmüller. —
Ganz im Gegensatz dazu wird Rud. Lindau anlässlich des Erscheinens
seiner „Gesammelten Romane und Novellen"274) von Necker als ein Mann von um-
fassender Welt- und Menschenkenntnis gepriesen und darin der Grund gesucht für
Lindaus Meisterschaft in der Zeichnung excentrischer Charaktere. Denn, so folgert
N., diese Neigung für Weltmüdigkeit und elegische Betrachtungsweise steht in ur-
sächlichem Zusammenhange mit der Welterfahrenheit des weitgereisten Dichters.
Aber den Humor als Gegenmittel vermisst man an seinen Figuren fast durchaus.
Bemerkenswert ist ferner, dass in den wenigen Novellen, die auf deutschem Boden
spielen, die Heimat immer als etwas Enges und Beengendes empfunden wird. Auch
das mag auf die langjährige Abwesenheit von Deutschland und die Gewohnheit, in
der Fremde zu leben, zurückzuführen sein. So erscheint denn Rudolf Lindau, wesent-
lich ein Sittenmaler und Realist, meist als ein vornehmer Skeptiker, wenn man ihn
nur nach seinen Werken und den darin vertretenen Anschauungen beurteilt. 275) —
Paul Lindaus „Hängendes Moos" hat eine Uebersetzung ins Niederländische
erfahren276), aber dort nur den Eindruck eines „aangename tijdkorter" hervorgerufen. —
Humor bis zur Drolligkeit entfaltet Heinr. Seidel277) in dem neuesten
Bande seiner „Gesammelten Schriften"278), worin der Dichter Anekdote an Anekdote
reiht, aus deren Summe sich das Lebensbild des Schöpfers von „Leberecht Hühnchen"
ergiebt. Ohne Effekthascherei und Bildungswut, ganz wie wir es von dem ruhigen
Erzähler gewöhnt sind, entrollt er eigenartig seinen Werdegang vor uns, bescheidene
Anfänge an rühmlichere Erfolge reihend. Voll traulicher Pietät gedenkt er seiner
Vorfahren, den Stammbaum bis auf Hermes den Biedermann zurückführend, der
„Sophiens Reise von Memel nach Sachsen" beschrieben hat. Die Jugendjahre in
Perlin (1842—52) zeigen insofern ein eigenes Gepräge, als der kleine Heinrich neben
natürlicher Kindlichkeit doch auch einen Hang zum einsiedlerischen Leben zeigt
und die einsamen Stunden durch gierige Lektüre verkürzt. Auf Robert Reinicks
köstliches ABC-Buch führt er seine Neigung zum "Märchen zurück, und er giebt dem
Literarhistoriker direkte Fingerzeige, wo die Quellen seiner „Schwimmenden Insel"
und „Erika" zu finden sind. Auch eine fabulierende Tante Therese aus Wittenburg
wird beschuldigt, das Phantastische in dem Kinde gross gezogen zu haben. Ihrer
Weise ist in der Erzählung „Der schwarze See" ein Denkmal gesetzt, In der folgen-
den Schweriner Gymnasiastenzeit findet manche ergötzliche Schnurre ihr Plätzchen.
Ein reger Sammeleifer des Knaben bildete die Brücke zu einer intimeren Kenntnis
der Natur, als sie in dem Alter für gewöhnlich Platz hat. Die ersten litterarischen
Regungen des Quartaners fallen in das Gebiet des Humoristisch-Satirischen, sozusagen
eines Klassen-Kladderadatsch, der aus alten Jahrgängen komischer und burlesker
Schriften seine Hauptnahrung- sog. Am meisten begeisterten die Knabenseele Uhland,
Heine und Andersen unter den Deutschen, Cooper, Walter Scott und Bulwer unter
den Ausländern, alles natürlich in Uebersetzungen, dazu Gil Blas, Don Quixote,
Immermanns Münchhausen, E. T. A. Hoffmann, Tristram Shandy, Gullivers Reisen,
später erst Goethe, merkwürdiger Weise nur in geringem Masse Schiller. Uhland war
und blieb der Hauptanreger. In Hannover verbrauste Seidel seine Studentenjahre als
Hörer des dortigen Polytechnikums (1860—62). In diese Zeit fallen nur einige Lieder
und Gedichte, wohl aber auch die Anfänge einer Erzählung, in der Seidels Freund
und Verbindungsbruder Karl Hohn eine entscheidende Rolle spielen sollte. Karl
Hohn ist also nach des Dichters eigenem Bekenntnis das Urbild des Leberecht
Hühnchen (S. 220/4). Das praktische Leben führte den jungen Ingenieur nach Güstrow,
wohin Karl Hohn dem Freunde gefolgt war, um zwei Jahre lang zu bleiben (1863—64).
Seidel selbst blieb aber noch bis zum Herbst 1866 in seiner alten Stellung. Um
jene Zeit ging er nach Berlin, um seine Studien auf der Gewerbeakademie fortzusetzen
Hier erweiterte sich sein litterarischer Bekanntenkreis ungemein. Friedrich Eggers
führte ihn in den litterarischen Sonntagsverein „Tunnel über der Spree" ein, der am
3. Dec. 1827 von M. G. Saphir und dem Schauspieler Lemm nach dem Vorbilde der
Ludlamshöhle in Wien als eine Art Ulkverein begründe! worden war (S. 262 — 71);
Seidel bringt recht interessante Mitteilungen darüber. Im Herbst 1868 veriiess der
Reisegefährten. 6. Bd. Zwei Seelen; D.Gast. B., Fontane * Co. 378, 392 S. M. 3,00. |[M. Necker: NFPr. N. 10802;
S. S.: NatZg. N. 266.]| — 275) X id-- Liebesheiraten. Eoman. ebda. 201 S. M. 3,00. — 276; P- Lindau, Hängendes Moos:
NedSpect. S. 391. - 277) X H- Seidel, Ges. Schrr. 11. Bd. Neues Glockenspiel. (2. Samml. d. Gedichte.) 12. Bd. Berliner
Skizzen. L, Liebeskind. 1893. XI, 277 S.; VII, 304 S. M. 6,00. |LPresseB. 1893, N. 283.] | — 278) id., Ges. Schrr. 13. Bd.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V, (4)16 w
IV 3:279 310 R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
Kunstgewerbeschüler die Anstalt und trat in die Wöhlertsche Fabrik in der Chaussee-
strasse in Berlin ein. Bis dahin hatte er noch keines seiner Werke für den Druck
reifen lassen, aber der Erfolg1 förderte nachher rasch eines nach dem anderen. Die
Frische, mit der all dies erzählt wird, sichert dem Dichter einen ersten Platz unter
den zahlreichen und namhaften Autobiographen der letzten Jahre.279"282) —
Auch die Seidel wahlverwandten Poeten Wilh. Jensen283"286) und Jul.
Stinde287) sind mit neuen Schöpfungen auf den Markt getreten, deren Würdigung,
selten gerecht, meist nach dem Parteistandpunkt der einzelnen Zeitschriften im Kampfe
für oder gegen das Neue zum Ausdrucke gelangt.283-287) —
Um so wohlthuender wirkt es zu sehen, wie das Parteigezänke verstummt,
wenn es gilt, einen wirklich Bedeutenden zu feiern. Otto Roquette beging im J. 1894
seinen 70. Geburtstag. Allerorten erschienen Festartikel288"295), die in erster Reihe
dem Sänger von „Waldmeisters Brautfahrt" galten. Die schönste Gabe brachte der
Dichter selbst296) mit der Darstellung seines Lebens und Wirkens, worüber schon
an anderer Stelle zur Genüge gehandelt worden ist. —
In dem Konzert von Selbstbiographien hat Fontanes297) Stimme in dem
Roman über seine Kinderjahre das grösste Entzücken hervorgerufen. Leider müssen
wir es uns mit Rücksicht auf den Raum versagen, auch darauf hier näher einzugehen,
da ein anderer Artikel der JBL. sich die köstlichsten Enthüllungen schon zu Nutze
gemacht hat.298"299) — Die gleiche Laune bricht sich Bahn, wenn der Dichter die
Geschichte seines Erstlingswerkes zum Besten giebt300). Es ist gleichsam seine
erste „Wanderung durch die Mark Brandenburg". Ein deutscher Aufsatz war es, für
den er sich eine Episode aus der Schlacht bei Grossbeeren auswählte, um sie in An-
klängen an „Die nächtliche Heerschau" von Zedlitz, recht phantastisch ausgeschmückt,
seinem gestrengen Lehrer Phil. Wackernagel vorzulegen. Und es gelang. Er errang
die Censur: recht gut, das erste und einzige Mal, wie er selbstbewusst hervorhebt. —
Was Pantenius301) an jedem einzelnen Romane des Dichters zu nörgeln hat,
lässt sich auf Wert und Güte am besten danach bemessen, wenn man das Facit der
Betrachtung ins Auge fasst: Es soll Fontane der „Naturlaut" fehlen, d. h. die Leiden-
schaft, die aus dem Herzen des Dichters unmittelbar in das des Lesers überströmt
und ihn mit sich fortreisst! Ob das nicht auch an dem Leser liegen mag, wenigstens
manchmal?302-303) —
Dahaben FriedrichSpielhagens ältere und neuere W'erke billiger denkende
Leser und Beurteiler gefunden304"307). —
Mit Ernst von Wildenbruch aber als Romancier geht Haese308) scharf ins
Gericht. Inkonsequenz der Charakterschilderung', Vergewaltigung der Psychologie, abge-
schmackte Theatralik und pathetische Drapierung sind solch eine Blütenlese von Vor-
würfen, die ihm vorgehalten werden. 309) —
Erfrischend wirkt dagegen die Erscheinung Theodor Stör ms, die Erich
Schmidt310), mit echter Begeisterung erfüllt, vor uns hinzaubert. Storm, der Er-
zähler, begann mit feinen, ein kleines Stillleben vergegenwärtigenden Situationsstücken.
Mit Chodowiecki soll ihm der andächtige Sinn für das Detail gemeinsam sein. Gar
bald überwand er aber die farbenreiche Märchensymbolik seiner Anfänge, um zu
V. Perlin nach Berlin. Aus meinem Leben, ebda. 16". V, 216 S. M. 3,00. \[sa: DRs. 77, S. 15S.]| — 279) X M- Necker,
Leberecht Hühnchen: NFPr. N. 10712. — 280) X'^, H. Seidel: BLU. S. 433/5. — 281) X O- K-. Norddtsch. Erzähler:
KonsMschr. S. 3334. — 282) X 8- Opitz, Norddtsch. Erzähler: BLU. S. 505/6. — 283) X Neues v. W. Jensen: Grenzb. 2,
S. 411/5. — 284) X !• h. Neues v. Wilh. Jensen: DDichtung. 15, S. 125,6. — 285) X M. Haese, Etwas über Jensen:
ML. 62, S. 106/8. — 286) X C'mq veterans de la poesie: H. Lingg, W. Jensen, Griiurainger, Stelter, Louise Otto: BURS. 63,
8. 410/5. — 287) X 0. K., Norddtsch. Erzähler. (W. Jensen, H. Seidel u. J. Stinde; vgl. auch R. Opitz: BLU. S. 505/6) :
KonsMschr. S. 333 4. — 288) X L Fränkel, Zu 0. Roquettes 70. Geburtst.: ZDU. 8, S. 387-94. — 289) X Ella Mensch,
O. Roquette. Z. 70. Geburtst. d. Dichters: Geg. 45, S. 262/4. - 290) X W. H., 0. Roquette. Zu d. Dichters 70. Geburtst.
(19. Apr.): AkBll. 9, S. 13/4. — 291) X °. Roquette: Vom Fels z. Meer 2, 8. 17/8. - 292) X M. A., O. Roquette. E. Ge-
denkbl. zu seinem 70. Geburtst.: Gartenlaube S. 267/8. — 293) X L- H., O. Roquette: ÜL&M. 72, S. 582. — 294) X L-
Salomon, Zu 0. Roquettes 70. Geburtst: IllZg. 102, S.391. — 295) X Zu 0. Roquettes 70. Geburtst.: BerlßörsCour. N. 180.
— 296) (IVlc:50.) |[M. Necker: Euph. 1, S. 173,8; P. v. S z c z e p a ft s ki: VelhKlasMh. 2. S. 126; M. Necker:
BLU. S. 748/9 ; DDichtung. 16, S. 52/6, 99-104, 174/9, 199-200; C. Haeberlin: DWB1. 7, S. 83/4; MünchNN. 1893, N. 571; Qu.:
DR. 1, S. 271/2; F. Dernburg: BerlTBl. 1893, N. 615.]| — 297) (IV 1 c : 49.) |[Erich Schmidt: PrJbb. 76, S. 162/3
(= DLZ. S. 310/1;; M. Neck er: BLU. S. 193/5; E. Heilborn: Nation«. 11, S. 352,4; 0. K.: KonsMschr. S. 3J8/9; E.
Müller-Holm: Zuschauer 1, S. 224/5; P. v. Szczepafiski: VelhKlasMh. 2, S. 125/6; BÜRS. 62, S. 130/7; P.
S(chlenther): VossZg». 1893, N. 51; T h. Wolff: BerlTBl. 1893, N. 638. (Alle durchaus anerkennend.)J| - 298) X
Th. Fontane, Meine Schülerjahre: DDichtung. 15, S. 136-40, 159-63. (Abdr. e. Kap. aus N. 297.) — 299) X i d. , Mein
alter Vater: ML. 62, S. 761/5. (E. Kap. aus N. 297.) — 300) id., D. Schlachtfeld v. Gross-Beeren. (= D. Gesoh. d. Erstlings-
werkes): DDichtung. 16, S. 60/1. - 301) Th H. Pantenius, Th. Fontane: VelhKlasMh. 1893: 2, S. 648-56. — 302) X
W. Paetow, Th. Fontane, Frau Jenny Treibel: FrB. 1893: 1, S. 109-12. — 303) X Th. Fontane, Schach v. Wnthenow.
Erzähl, aus d. Zeit d. Regiments Gensdarmes. 3. Aufl. B., Fontane & Co. 242 S. M. 3,00. — 304) X c- Ziegler, F. Spiel-
hagcn, Finder u. Erfinder (vgl. JBL. 1890 IV 1 :58): DBUEUB. 21, S. 1/2. - 305) X F. Spielhagens ausgew. Romane. (1. Serie.
2. Aufl. 1.-61. Lfg. L., Staackmann. 623, 772, 488, 400, 564, 550, 620, 377, 460 S. ä M. 0,30): BLU. 1893, S. 111. - 306) X
id., Sonntagskind. (Roman. 3 Bde. 2. Aufl. L, Staackmann. 259, 225, 379 S. M. 10,00.) |[Th. v. S(osnosky): DR. 2,
S. 258/9; W. K.: DWB1. 0, S. 371/2.]| — 307) X F. Poppenberg, F. Spielhagens „Stumme des Himmels": ML. 63, S, 1537-40.
— 308) M. Haese, Wildenbruch als Romancier: ib. 62, S. 201/4. — 309) X E- T- Wildenbruch, „Schwesterseeleu. (Roman.
2. Aufl. St., Cotta. 467 S. M.4,00.) |[F. Poppenberg: ML. 63, S. 1420/2; M. Brociner: WienTBl. N. 299.]| — 310) Erich
R Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893,1894. IV ä : 311-326
vollen Motiven und abgerundeter Komposition sich durchzuringen, bis schliesslich
der dämonische „Schimmelreiter" als letzter Herold des friesischen Strand- und See-
dichters in die Lande zog.311) —
Das bewegte Leben des Oldenburger Lokalpoeten Chrn. F. Strackerjan
(1777—1848), der unter dem Namen Friedr. Stillleben als Novellendichter auftrat, hat
Mutzenbecher312) skizziert. — Ein in noch viel höherem Masse tioIvt^otios &vfa ver-
dient F. A. Strubberg (1808 — 89) genannt zu werden, dessen Kreuz- und Querzüge
in alter und neuer Welt Fränkel313) verfolgt. Die Früchte dieses Wanderlebens
liegen nun in fast 50 Bänden Jagd- und Reiseabenteuern vor, einer Zwittergattung
zwischen dem echten Roman und der völkerkundlichen Studie. 3,3a~313b) —
Schwaben314-316) ist die Heimat des in oldenburgischen Staatsdiensten ver-
wendeten K. Chrn. L. Starklof (1789 — 1850), von dem Mutzenbecher317) den
Anteil an der Begründung und Leitung des grossherzoglichen Theaters in Oldenburg
rühmt. Sein Roman „Arnim Galoor" und seine einzige Novelle „Sirene, eine Schlösser-
und Höhlengeschichte1' dienen vorzüglich heimischen Interessen. —
Ueber des Bauerndichters Chrn. Wagner ersten grösseren Versuch, eine
historische Erzählung, die im Feuilleton der Leonberger Glems- und Würmgauzeitung
zuerst erschien, hat Krauss318) nur spärliche Andeutungen gegeben. — Bloss
Zeitungen haben von dem Heimgang Otto Müllers (gest. 1894) Kenntnis genommen.
Salomon31ü) überblickt das glückliche Leben und die reiche Produktion des
Dichters in einem anziehenden Artikel und erinnert an die Reihe biographischer
Romane, die den Literarhistoriker aus mehr als einem Grunde anziehen: „Bürger",
„Charlotte Ackermann" und „Der Stadtschultheiss von Frankfurt". S. nennt ihn mit
Recht einen der gedankenreichsten und gemütvollsten unter den neueren deutschen Er-
zählern, wiewohl sein Name heute doch nur einem kleinen Kreise bekannt ist.320"322) —
Innige Freundschaft verband Otto Müller mit Wilh. Raabe, der seit 1862
in Stuttgart lebte323). Dessen 40jährige Schriftstellerlaufbahn durchmisst Gerber324)
mit hastigen Schritten, hier und dort ein Blümchen vom üppig-en Raine der Dichter-
wiese pflückend. Alle haben sie nur Duft für ihn, und der gebundene Strauss vollends
entzückt Auge und Herz des Geniessenden. Und fragt er sich gar einmal, aus der
Verzückung erwachend, woher all dieser Zauber, so ruft er, sich selbst zur Antwort
gebend, emphatisch: Eben von dem Zauber. — Da hat es ein Anonymus325) besser
verstanden, einen Blick in des Dichters Wesenheit zu thun. Er löst die Perlenschnur
der dichterischen Effekte und reiht das Gleichartige zum Gleichartigen. Und wir
lernen die Eig-enart dieses Schriftstellers kennen, seine hohe Lebensanschauung, den
Tropfen „Kinderromantik", der ihr beigemengt ist, und finden es erklärlich, dass nicht
alle Welt von seinen Schöpfungen entzückt ist. Raabe liebt es nämlich, seine Ge-
stalten in ihrer Redeweise zu sehr mit eigenem Geiste zu füllen, nämlich „tiefweise
und sentenziös". Meister ist er hinwiederum in der Art, seine Figuren durch den
Briefstil zu individualisieren. Darin soll es ihm keiner gieich thun können. Und
was viele als Schwächen betrachten, die breite Stimmungsmalerei, die zahlreichen
Reflexionen, ganz besonders aber die gedehnten und häufigen Wiederholungen in dem
Einzelnen und in ganzen Gebilden, das ist bei Raabe bewusste und gewollte Eigen-
art, der gegenüber man erst das Recht hat, seinen Beifall oder sein Missfallen zu
äussern. Raabe ist unberührt geblieben von den sich ändernden ästhetischen An-
schauungen über das dichterische Ideal. Die Grundschicht seines Schaffens, „Die
Chronik der Sperlingsgasse", ist sachlich und fachlich mit seinem letzten Werke
„Kloster Lugau" wesensgleich, ob sich der Gegenstand der Dichtung an Ereignisse
vergangener Jhh. anschliesst, oder ob modernes Leben und Fühlen zur Darstellung
gelangen sollen. Technisch ist ein Vorzug zu bemerken, insofern das eigentliche Roman-
hafte, das in den ersten Büchern noch eine grosse Rolle spielte, später ziemlich be-
seitigt wurde. Auch durch die taktvolle Beherrschung und Beimischung des Humors
hat der Dichter stets durchaus einen Fortschritt zum Bessern bekundet. Aber alles
in allem: er bleibt eine eigensinnige und gerade dadurch vielleicht am meisten reiz-
volle Gestalt unter seinen Brüdern in Apoll, die nicht bloss Traum und Historie, Ver-
gangenheit und Gegenwart toll durcheinander würfelt, wie er selbst sagt, sondern
Schmidt, Th. Storm: ADB. 36, S. 448-56. — 311) X Th- Storm: DDichtung. 15, S. 79, 127. — 312) A. Mutzonbecher,
Chrn. Fr. Strackerjan: ADB. 36, S. 486/7. — 313) L. Frank el, F. A. Strubberg: ib. S. 630/5. — 313a) X O. Harnack,
H. Allmers sämtl. Werke. (Bd. 1/2, 3/4, 5. Oldenburg, Schulze. 1891-93. VIII, 459 S.; VII, 470 S ; VII, 339 S. M. 12,50):
PrJbb. 71, S. 5256. — 313b) X ll- Allmers, Aus längst u. jüngst vergangener Zeit. Oldenburg, Schuhe. 279 S. M. 3,00.
(Ist zugl. d. 6. Bd. seiner „Sämtl. Werke".) - 314) X (IV 10 : 129.) - 315) X (IV 10 : 137.) — 316) X Ed. Mörikes „Mozart
auf d. Reise nach Prag": DDichtung. 15, S. 180. — 317) A. Mutzenbecher, K. Chrn. L. Starklof: ADB. 33, S. 4967. —
318) Rud. Krauss, Chrn. Wagner, e. ländlicher Dichter Schwabens: AZg". 1893, N. 171. — 319) Lndw. Salomon, Otto
Müller: WeserZg. N. 17138. — 320) X Otto Müller: SchwäbKron. N. 182. — 321) X Otto Müller: FZg. N. 220. — 322) X
Otto Müller: ÜLAM. 72, S. 963. — 323) X W. Raabe u. Otto Müller: FZg. N. 228. (Auch abgedr. in: Jnngdentschland 4,
S. 55.) - 324) P. Gerber, W. Riabe. 40 J. Schriftsteller: Didask. N. 2639. — 325) S. S., W. Raabe: PZg. N. 91. — 326) X
(4)165*
IV 3 : 32<j-340d R. Rosenbaum, Epos des 18./1 9. Jahrhunderts. 1893, 1894.
auch den Ehrgeiz hat, nord- und süddeutsches Wesen in sich und durch sich zu
vereinen.326'327) —
Ein Schwabe von Geburt, aber mit dem Münchener Dichterkreis ganz
verwachsen ist Willi. Hertz. Ihm wird Bormann328) durch Aufzählung- seiner
dichterischen Werke und wissenschaftlichen Erfolge nur ganz äusserlich gerecht,
Bei den Um- und Nachdichtungen stellt er die mittelalterlichen Epen neben die roman-
tische Kunst des Modernen und zeigt, in welcher Art das Heidnische eine Umwandlung
und Vertiefung durch das Christentum erfahren hat. Die Vorzüge von Hertzens
eigenen Dichtungen hat B. nur kurz angedeutet. Eine rasche Uebersicht über des
Dichters Lebens und Bildungsgang leitet die Studie ein. —
DieBedeutung Ludw.Steubs(1812— 88) hat Heigel329) kurz klargelegt. Steubs
Werke gelten als reiche Fundgrube für die Kenntnis des geistigen Lebens in Bayern
und in Tirol und werden ihre Schätzung neben vielen anderen Vorzügen, insbesondere
dem diskreten, unaufdringlichen Humor, der mit leiser Ironie fein übertüncht ist,
dauernd danken. Bittere Erfahrungen haben bei Steub einen selbstquälerischen
Pessimismus gezeitigt, den er wohl von seinen Werken, nicht aber von seinem Leben
ganz fernzuhalten vermochte. —
Graf Schack330) zeigt sich in den ersten zwei Bänden seiner „Vermischten
Schriften" als der wohlbekannte Kenner der WTeltlitteratur. 331) —
Dem vornehmsten Erotiker Deutschlands, Paul Heyse, spürt Laura Mar-
holm332) in echt weiblicher und feinfühliger Art seine geheimsten Kunstgriffe
nach. Die Noblesse der Seele in erotischen Dingen ist das kleinste Kompliment, das
dem Dichter gemacht wird. Es gilt ihr als das Grundaxiom seiner Lebensauffassung
und damit zugleich als dasjenige Moment, auf das Heyse eine ganze Litteratur auf-
gebaut hat. Nur um „durchseelte, verinnerlichte Geschlechtlichkeit" handelt es sich
ihm. Und er erzielt diese Erfolge durch die psychologische Aufdeckung der geheimen
Reize der Liebe, den Hinweis, dass „es in jeder individualisierten Persönlichkeit mit
keuscher Lebenskraft einen centralen Punkt giebt, bei dessen Berührung der ganze
Mensch turmhoch über seine Umgebung emporschnellt, während sich eben dadurch
alles für ihn in eine neue Perspektive rückt". Von dem also Beeinflussten geht auf
den anderen Teil die gleiche Wirkung über oder sie bleibt aus. Dazu kommt nun
noch Heyses Fatalismus, „jene stolze Demut einer tiefen Einsicht, die weiss: In letzter
Instanz und in den höchsten Dingen haben wir nichts in unserer Hand". Diese drei
Grundlinien bildeten den Gesichtswinkel, unter dem Heyse die Frauen betrachte.
Und weil er richtig betrachtet, eindringt in die weibliche Psyche, darum ist er der
„erste Bahnbrecher auf diesem delikaten und verborgenen Gebiet der Beziehungen
zwischen Mann und Weib gewesen", das zu bebauen zum grössten Teil noch die
Aufgabe der Zukunft sein soll.333"338) —
Diese Tiefe der psychologischen Begründung ist das wesentlichste Moment,
das Ad. Wilbrandt mit dem Münchener Kreise gemein hat. Seinem neuesten Roman
„Der Dornenweg" wird dieser Vorzug gleichfalls nachgerühmt339). —
M. G. Conrad, den Flügelmann der Münchener, preist Stümcke340) in
einem von Bewunderung durchtränkten Essay als Vorkämpfer der „Moderne". Die
gezeichneten Grundlinien seines Wesens und Schaffens sollen nur dazu dienen, die
Lektüre seiner WTerke anzuregen. —
Eine eigenartige Stellung behauptet Hans Hop fen mit seinem neuesten Roman
„Glänzendes Elend" 34üit340b). Er nimmt darin entschieden und offen Stellung
gegen die gegenwärtigen litterarischen Zustände Deutschlands und wettert gegen die
Forderung der Modernen, die Wrahrheit sei das erste Postulat einer echten Kunst. 340c)
— Hopfen340d) selbst erzählt in amüsanter und höchst instruktiver WTeise über seine
litterarischen Anfänge, seine Beziehungen zum Münchener Dichterkreis und dessen
Vereinigung „Das Krokodil", worin seine Freundschaft mit Geibel, Lingg, Halm,
Pf. L., Zu Ehren W. Raabes: ib. N 283. — 327) X w- Raabe: ib. N. 316. — 328) W. Bor mann, W. Hertz. E. Uebersch:iu
seines Lebens u. Dichtens: N&S. 68, S. 36-54. — 329) K. Th. Heigel, L. Steub: ADB. 36, S. 135-40. — 330) (IV 5:460;
dazu Bd. 2. V, 333 S. M. 5,00.) |[M. Hertz: SchlesZg. N. 840.]| — 331) X Ad- Fr- Graf v. Schack, Aus d. Chronik d. Klosters
Gandersheim: DDichtung. 15, S. 9-11, 40/2. (E. ep. Gedicht.) — 332) Laura Mar ho Im. P. Heyse als Liebesschilderer:
VossZgR. N. 21/2. - 333) X P Heyse, Ges. Werke. Neue Serie. 12.-14. Bd. (= Ges. Werke 22.-24. Bd.) Bd. 12 u. 13:
Novellen 11. u. 12. Bd.; Bd. 14: D. Roman d. Stiftsdame. 9. Aufl. B., Besser. 363, 349, 275 S. ä M. 3,60. — 334) X id-.
Zwei Gefangene. Novelle. In Stenograph. Schrift übertr. u. autograph. v. Ad. Schöttner. (— Reuters Bibl. für Gabelsberger
Stenogr. Bd. 29.) Dresden, W. Reuter. 79 S. M. 1,40. (Vgl. I 3 : 11.) — 335) X idi Deux prisonniers. (= Chefs d'oeuvre
du siecle ill. N. 56.) Paris, Libr. illustree. 16ft. 96 S. Fr. 0,50. — 336) X id., Two prisoners, a novel. London, Simpkin.
Sh. 1. — 337) X id., Aus d. Vorbergen. Novellen. (B., Besser. 1893. V, 369 S. M. 5,00): DRs. 75, S. 156. — 338 1 X
K. Fr[enzel], Gespenster: NatZg. N. 301, 303. (Ankündig, v. P. Heyses „In d. Geisterstunde u. andere Spukgeschichten"
[B., Besser. V, 262 S. M. 4.00J.) — 339) X Ad. Wilbrandt, D. Dornenweg. Roman. (St., Cotta. 318 S. M. 3,50.) J[E. Hoil-
born: Nation« 11, S. 397/8; Frau 1, S. 758.]| — 340) H. Stümcke, M. G. Conrad. E. litt. Skizze. Bremen, Kühtmann.
1893. 15 S. M. 0,30. (Sonderabdr. aus d. NLBli. 1893, N. 10/1.) — 340a) X H. Conrad, H. Hopfen, Glänzendes Elend.
(3 Bde. B., Gebr. Paetel. 240, 258, 229 S. M. 14,00): DWB1. 7, S. 322/4. — 340b) X B Rüttenauer, E. neuer Kampf-
roman: BLU. S. 65/8. - 340c) X 0. Vorbeck, Altes u. Neues v. H. Hopfen: DDichtung. 13, S. 276. — 340d) H. Hopfen,
R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893,1894. IV 8:841-838
Scheffel, Bodenstedt, Grosse, Wilh. Hertz, Heigel, Lemcke usw. zum schönsten Aus-
drucke kommt. —
Die Schweiz hat ihren Adoptivsohn Heini*. Zschokke durch ein würdiges
Denkmal in Aarau geehrt. Wernly341) hat die rühmliche That in einer Festschrift
auf echt volkstümliche Weise begründet. In schwungvollen Worten hat er das
Lebensbild des „Vater Zschokke" seinen Landsleuten vorgeführt, sie an die Bitternisse
des Kindes, an die mangelhafte Erziehung des Knaben, an die Lehr- und Wander-
jahre des Jünglings erinnert und mit dem schwunghaften Pathos eines Kanzelredners
die Verdienste des Mannes um seine neue Heimat gepriesen. Schon aus den Be-
drängnissen der Jugend leitet W. den willensstarken und trotzigen Zug des Politikers,
jene Selbständigkeit und Entschlossenheit ab, mit der er sich später seinen eigen-
tümlichen Weg durchs Leben bahnte. Alle Zweige der weitausgreifenden Thätigkeit
des edlen Mannes, sein reiches Wirken als Staatsmann und Volksfreund, als Ordner
und Friedensstifter, als Schöpfer gemeinnütziger Werke, als Forscher in den Wandel-
gängen der Geschichte werden mehr gestreift, denn dargethan. In diesem Rahmen
ist nur ein geringer Raum der schriftstellerischen Fruchtbarkeit gegönnt (S. 38—46).
Im Vordergrunde stehen wieder die geschichtlichen Erinnerungen, die populären
Zeitschriften und die didaktischen Volksschriften. W. nimmt bescheidener Weise für
seinen Helden keine besonderen Verdienste auf rein litterarischem Gebiete in Anspruch.
Schöne Worte über die „Stunden der Andacht" krönen dieses Ehrentempelchen. Im
Anhang (S. 56—65) ist eine Geschichte des Denkmals beigefügt, das vom Bildhauer
Lanz modelliert und unter seiner Aufsicht in Erz gegossen wurde. Eine gelungene
Abbildung des Denkmals ziert die Festschrift.342 343) — Auf lauter Vermutungen
stützt Haller344) seine Vermutung, dass nicht Zschokke, sondern der Konventual des
Stiftes St. Blasien, Georg Viktor Keller, der Vf. der „Stunden der Andacht" sei. Der
anonyme Herausgeber des WTerkchens „G. V. Kellers Nachlass" will von einem Ge-
ständnisse Kellers wissen, dahin- lautend, dass er „der Vf. von mehreren in diesem
Buche (Stunden der Andacht) befindlichen Aufsätzen" sei. Warum nimmt dieser
Anonymus dann gleich an, dass alles von Keller sei, und warum stellt er anonym,
ohne weitere Beweise, diese Vermutungen auf? — Einzelne Werke Zschokkes liegen
in mehrfachen Neudrucken vor.345-354). —
Die Jugendzeit und das erste Auftreten Rod. Töpffers behandelt Wolters-
dorff355) ganz kurz. Seine Untersuchung bricht bei den „Genfer Novellen", dem
uns am meisten interessierenden Kapitel, ab. Denn gerade mit dieser Dichtung wurde
der französische Poet durch Zschokke in die deutsche Litteratur eingeführt, Von
Toepffers Kunstübung als Karikaturenzeichner, ist nur beiläufig die Rede. Für uns
ist also Glöckners356) Schrift, die noch eine lobende Anzeige erfahren hat, trotz dieser
Konkurrenzarbeit von grösserer Wichtigkeit wregen der Ausführlichkeit des Materials,
der besseren Zusammenfassung und schärferen Prägnanz des Inhalts. —
Für Dichtkunst und Malerei war auch schon als Knabe Sal. Tob 1 er (1794—1875)
begeistert. Baechtold357) rühmt an seinem Epos „Die Enkel Winkelrieds" (1837) die
pathetische, bilderreiche Sprache, spricht von Plänen zu einem „Zwingli", „Gustav
Adolf" und „Nikiaus von Flüe". Das ausgeführte Heldengedicht „Columbus" (1846)
in regelmässigen Oktaven steht dem erstgenannten Gedicht in der Beherrschung der
Sprache, der Verskunst nach und hält auch inhaltlich keinen Vergleich damit aus, was
ja nur begreiflich ist, wenn man bedenkt, dass der Sohn der Berge das Meer und die
Tropengegenden aus eigener Anschauung nie kennen gelernt hat. —
Gleich Tobler ist J. A. Sprecher von Bernegg (1819—82) der Spross einer
bekannten Schweizer Familie. Brummer358) hat die publizistische Thätigkeit des
weitgereisten und sprachkundigen Mannes aus der harten Lebensschulung in seiner
Jugend entwickelt und die belletristischen Versuche seines Alters daran gereiht. Den
zwei historischen Romanen, die wir von ihm besitzen, mangelt es an durchgreifender
Gestaltungskraft, während die Einzelschilderungen des Reizes nicht entbehren. —
D. Gesch d. Erstlingswerkes. Wie ich anfing u. wie ich in d. Litt, kam: ib. 16, S. 81/6, 105-10. — 341) R. Wernly, Vater
H. Zschokke. E. Lebens- u. Charakterbild. Festschrift auf d. Tag d. Enthüllung seines Denkm. in Aarau. Her. im Auftr. d.
Denkm.-Komit. Aarau, Sauerländer & Co. 67 S. Mit 3 Taf. M. 1,20. — 342) X M., D. Zschokkedenkm. in Aaran: ÜL&M.72,
S. 914. - 343) X D- Zschokkedenkm. in Aaran: Daheim«. 30, N. 47. — 344) E. A. Hai ler, „D. Stunden d. Andacht" v.
Zschokke?: KathSchwBll. 9, 8. 262 4. — 345) X H. Zschokkes ausgew. Werke. 3. u. 4. Bd. (= Cottasche Volksbibl. N. 41/2.)
St., Cotta. 240, 224 S. ä M. 0,50. — 346) X •<*-, Ausgew. Werke. 4 Bde. B., Wiener. 12°. 383, 400, 400, 399 S. M. 5,00.
— 347) X ia* D- Abenteuer d. Neujahrsnacht. L., Gressner & Schramm. 12°. 64 S. M. 0,50. — 348) X id-' D- Goldmacher-
dorf. Erz. Reutlingen, Ensslin & Laiblin. 12°. 136 S. M. 0,60. — 349) X ia-* Addrich im Moos. Erz. Aarau, Saner-
länder & Co. 12°. 423 S. M. 0,90. — 350) X ><*.. Alamontade. Erz. ebda. 12». 186 S. M. 0,75. - 351) X id- ©• Flüchtling
im Jura. Erz. ebda. 12°. 146 S. M. 0,50. — 352) X id., D. Freihof v. Aarau. Erz. ebda. 12°, 391 S. M. 0,90. - 353) X
id., Florette oder: D. erste Liebe Heinrichs IV. Erz. (= Bibl. für Alle N. 8.) Basel, Koehler. 32 S. M. 0,15. — 354) X
id., D. Abenteuer d. Neujahrsnacht. D. blaue Wunder. (= Allg. Volksbibl. N. 23.) Nensalza, Oeser. 80 S. M. 0,20. —
— 355) H. Woltersdorff, Essai snr la vie et les oeuvres de Rod. Töpffer. I. Progr. d. Realgymn. Magdeburg, (Baensch).
4°. 22 S. (Vgl. JBL. 1893 I 11 : 324.) - 356) X J- Sarrazin, G. Glöckner, R. Töpffer (JBL. 1891 IV 3:96): LBIGRPh. 14,
S. 106/7. — 357) J. Baechtold, Sal. Tobler: ADB. 38, S. 394/5. — 358) F. Brummer, Job. Andr. Sprecher v. Bernegg;
IV 3:359-307 R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
In das ureigenste Gebiet lokalkantonlicher Poesie geleiten Jerem. Gotthelfs
biderbe Bauernromane. Was Saitschik359) auf Grund eindringlicher Kenntnis und
stammverwandter Nachempfindung in den allgemeinen Teilen seiner Abhandlung über
Gotthelf sagt, ist uns durch Kellers Essay in grossen Zügen schon vermittelt worden.
Wie die Biederkeit in Grobheit und der Ernst in Moralpredigt bei ihm oft ausartet,
wie eigensinnig und eigenmächtig der Volksschriftsteller seine Wege wandelt, ohne
auf die ästhetischen Gesetze von Komposition, Beschränkung, Sprache und Stil zu
achten, das bringt S. dem Nichtschweizer näher durch eine sorgsame Analyse des
Stammescharakters und der Standeseigentümlichkeiten solcher Leute, die in Gotthelfs
breit angelegten Epen als handelnde Personen auftreten. Streng auf realistischem
Boden fussend, ein Widerkämpfer des Spieles der Phantasie kann sich die markige
Gestalt des ländlichen Predigers und Dichters einer Art biblischer Erhabenheit nicht
erwehren. Und was er sagt und schildert, das kommt aus seinem Innersten. Er hat
es gesehen oder in sich gefühlt. Aus dieser Enge des Individualismus fliessen die
Vorzüge, aber auch die Hauptfehler des Dichters. Der Bauernboden, auf dem er
steht, und die kleinen Verhältnisse, in denen er lebt und dichtet, sind ihm Massstab
für jegliches Seiende. Ihm gebührt in der Weltliteratur ein Ehrenplatz unter den
Schilderern des Bauernlebens; denn er ist ein Kolonisator unter den Vf. moderner
Dorfgeschichten. Wenn wir ihn auch nicht mit S. den bedeutendsten Schöpfer
dieser Gattung nennen wollen, so stimmen wir doch darin überein, dass er der originellste
und tiefste Schilderer der „Dörperheit" ist. „Uli der Pächter" ist das grossartigste
Werk Gotthelfs und der beschränkte, einfältige und eigensinnige Knecht Uli gewiss
seine vollendetste Gestalt, ebenso wie Frau Vreneli der gelungenste unter den Frauen-
charakteren ist. — Die kleineren Erzählungen hat Saitschik nur ganz kurz, fast etwas
ablehnend berührt; Freytag360) lobt mit Recht die Fassung der Tellsage, die uns in
Gotthelfs Erzählung „Der Knabe des Teil" menschlich nahe gebracht worden ist. Der
Reichtum an schweizerischen Idiotismen wird jedoch der Verbreitung von Gotthelfs
Werken immer ein Hindernis sein. — Von dem grossen lokalen Interesse, das man
ihnen entgegenbringt, zeugen die zahlreichen Ausgaben der Werke und einzelnen
Erzählungen.361"366) —
Recht in den Brennpunkt litterarischer Betrachtung trat in den Berichtsjahren
Gottfried Keller durch die zwei ersten Bände seiner von Baechtold 367)
besorgten Biographie. B. hat den Intentionen des Dichters am besten zu entsprechen
geglaubt, wenn er den Bildungsgang des langjährigen Bekannten von Dokument zu
Dokument mit wenigen verbindenden Worten geleitete, als Literarhistoriker sich
hinter der Rückwand der Bühne haltend. Er nahm sich darin das einfache Buch
zum Muster, das einst Unlands Witwe ihrem Gatten gewidmet hat. Und so entfaltet
sich durch die Publikation sorgsam gehüteter Schätze mit einem Male die ganze Welt
vor uns, aus der das Kind seine reichen Anlagen schöpft, die der Jüngling in eigener
Gedankenarbeit gross zieht und der Mann mit fester Erkenntnis bebaut. In wunder-
samem Aufstieg geht es über der Erde Freuden und Schmerzen aus der geliebten
Heimat in das ungewisse Elend, ungewiss ob der materiellen Nöte wie der bangen
Zweifel, welchem Beruf der Münchner Malerschüler eigentlich vom Schicksal be-
stimmt sei. Die geheimsten Falten des zerwühlten Herzens liegen aufgedeckt vor
dem staunenden Leser, der bisher nur gewohnt war, die glänzenden Gaben des hohen
Talents bewundernd hinzunehmen. Von keinem Dichter unserer Zeit wussten wir
weniger als von dem Spätgereiften, der nur kärglich über sich Aufschluss gab, seit
man sich allgemein für ihn zu interessieren begonnen hatte. Und über keinen wissen
wir nun mehr, seit das Füllhorn der Darbietungen über uns ausgeschüttet worden
ist. Es ist unmöglich anzudeuten, welches Urbar sich den Blicken des Forschers
aufthut. Darum lieber eine bescheidene Inhaltsangabe, die sich schematisch der
Publikation B.s anschliesst. Der erste Band behandelt die Zeit von 1819 -50. Die
in Zürich verbrachte Jugendepoche bis 1839 lehrt uns die Familie, die Erziehung,
die Schuljahre und die ersten Freundschaften Kellers kennen und holt aus den Tiefen
der Verborgenheit die dilettantischen Versuche des Knaben auf zwei Kunstgebieten,
ib. 35, S. 284/5. — 359) (IV la:43.) — 360) Jer. Gotthelf, D. Knabe a. Teil. Bearb. v. G. Klee. 2. Aufl. (= Jugend- u.
Volksbibl. N. 113. St., Steinkopf. 141 S. M. 0,75.) |[L. Freitag: COIRW. 22, S. 706.]| — 361) X ><*., Ausgew. Werke. 111.
Prachtausg. Nach d. Originaltexte neu her. v. 0. Suttermeister. Vorw. v. K. Schenk. M 200 Illustr. v. A. Anker,
H. Bachmann, W. Vigier. 1.-3. Lfg. München, C. Rupprecht in Komm. VI, 240 S. ä M. 1,20. (Kompl. in etwa 22 Lfgn.) -
362) X Wh Ausgew. Werke in 4 Bdn. (= Cottasche Volksbibl. N. 27-30.) St., Cotta. 12°. 286, 315, 255, 204 S. ä M. 0,50.
— 363) X id., Wie Uli d. Knecht glücklich wird. 3. Aufl. Nach d. 1. Originalausg. 2 Tle. (= Schw Volksbibl. N. 1.) Bern,
A. Siebert. 412 S. M. 2,00. - 364) X id., Uli d. Pächter. B. Erz. 3. Aufl. 2. Abt. (= ib. N. 2.) 346 S. M. 2,00. —
365) X id., D. Harzer Hans. E. Dorfgesch. L., Gressner * Schramm. 12°. 52 S. M. 0,50. - 366) X >d-, D- Sonntag d.
Grossvaters. Erz. ebda. 12°. 52 S. M. 0,50. — 367) J- Baechtold, Gottfr. Kellers Leben. Seine Briefe u. Tagebücher.
2 Bde. (1819-50, 1850-61.) B., Besser. 1893-94. VII, 460 8.; VII, 544 S. Mit Bild. M.6,00; M. 8,00. |[e. a. (Erioh Schm idt):
DRs. 81, S. 475/6; A. Sauer: DLZ. S. 1387-90; M. Necker: BLÜ. S. 1/4; BURS. 63, S. 416,7; J. V. Widmann: Nation1*. 11.
S. 334/8, 571/3; SchwRs. 1893: 2, S. 738; H. F.: SchwäbKron. N. 16; M. Necker: NFPr. N. 10635; S. Schott: AZg». 1893,
N. 301; Br.: WeserZg. N. 17008/9, 17209; r.: TglRs". 1893, N. 293,5; 1894, N. 163,4; Geg. 45, S. 351 ; O. Brabra: FZg.N.Öl.||
R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894. IV S.twsia
der Malerei und Schriftstellerei, hervor. Mehr als es naturgemäss hier geschehen
konnte, beschränkt sich B. im Folgenden darauf, als „Vor- und Zwischenredner",
zumeist aber in rein sachlichen Anmerkungen unter dem Text und im Anhang,
Personen und Orte durch thatsächliche Angaben näher zu bestimmen. Der zweite
Abschnitt (Mai 1840 bis Nov. 42) ist den Lehrjahren auf der Münchner Akademie
gewidmet. Durch den erneuten Aufenthalt in der Heimat (bis Okt. 1848), mit die
wichtigste Phase in Kellers Leben, weil in jener Zeit die endgiltige Entscheidung
für die Dichterlaufbahn fiel, geleiten uns köstliche Tagebuchaufzeichnungen, herrliche
Briefe an bedeutende Zeitgenossen, ein originelles Traumbuch. Die Heidelberger
Universitätszeit (Okt. 1848 bis Apr. 50) bringt u. a. Licht in die herzlichen Beziehungen
zu Herrn. Hettner und zu der hochbegabten Tochter des Hofrats Christian Kapp,
Johanna, der einstigen Flamme Hoffmanns von Fallersleben. Mit einem Wort, es ist.
das ganze Erdreich aufgewühlt, in dem die zartesten Fäserchen des „Grünen Heinrich"
wurzeln. Alle Personen der Dichtung, alle Geschehnisse, alle Orte kehren in
Urphänomenen zurück, und es wird lehrreich und ergötzlich zugleich sein, die
realistische Dichtung an den realen Vorgängen messen zu dürfen. Und gerade wegen
des Reichtums, den wir an Kellers Geist und Phantasie bewundern, wegen der Viel-
seitigkeit seiner Bestrebungen ist dieser erste Band der wertvollere; denn er läset
die gewordene Vielheit uns als eine Schritt für Schritt werdende erkennen und zwar
in einem Zickzack von Tragik und Humor, der des echten Künstlers eigenste Himmels-
gabe ist. Dieses Aufjauchzen wechselt mit dem Aufstöhnen auch noch in der Berliner
Zeit Kellere, die den 2. Band eröffnet (Apr. 1850 bis Dec. 55). Für diese Periode
stand dem Herausgeber ein Schatz von Briefen an F. Freiligrath, Wilh. Baumgarten,
vornehmlich aber an H. Hettner zur Verfügung, dessen feinsinnige Bemerkungen
dem Dichter eine bevorzugte Stelle in der Geschichte der Aesthetik und Geisteswissen-
schaft überhaupt sichern Keller entpuppt sich darin direkt als „der" Mitarbeiter an
Hettners Buch über das moderne Drama, dem die besten Ideen ihren Ursprung
danken. Wieviel bei diesen Briefwechseln noch abfällt für die Erklärung und Deu-
tung von Kellers eigenen Werken und für seine Charakteristik als Mensch, Politiker,
Denker und Künstler lässt sich wieder nur durch eine Hindeutung auf den dar-
gebotenen Reichtum vermerken. Für die folgenden sechs J. (1855—61), die Keller
neuerdings in seiner Heimat verbrachte, bis zu seiner Ernennung zum Staatsschreiber,
machen gleichfalls die Briefe an Freunde den Hauptinhalt für die Darstellung aus.
Der Freundeskreis wird natürlich immer weiter; die Urteile werden immer reifer: sie er-
strecken sich auf ein stets sich vergrösserndes Gebiet menschlicher und künstlerischer
Anteilnahme. B. hat seine Aufgabe auf das beate gelöst, mögen auch einzelne Nörgler
jetzt, da die zwei Bände ihnen vorliegen und in so rascher und dabei gründlicher
Verarbeitung vorgelegt sind, mit einer Weioheit herausrücken, die den Stadt vätern
eignet, „wenn sie vom Rathaus gehen". Im allg-emeinen ist dem Herausgeber alle
erdenkliche Anerkennung geworden; durch Ergänzungen oder Berichtigungen im
einzelnen, die fast jede der grösseren Recensionen bringt, soll ihm nur der Dank
für die herrliche Gabe geboten werden.368) — Ausdrücklich genannt zu werden ver-
dient Pniowers369) Aufsatz, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die poetischen
Bekenntnisse Kellers im „Grünen Heinrich" an den realen Zeugnissen zu messen.
P. hat nur in einigen Punkten probeweise angedeutet, in welcher Art der Dichter
das Erlebte künstlerisch gesteigert hat. Treffliche Bemerkungen über den Lyriker
Keller werden uns geboten. — Was im übrigen zu Kellers Lebensgeschichte in die
Oeffentlichkeit getreten ist, muss als verschwindend gering bezeichnet werden gegen-
über der angedeuteten Fülle in Baechtolds Biographie. Es soll hier nur ganz zu-
sammenfassend als Ergänzung- vermerkt werden. Brenn ings 37°) Buch (JBL. 1892
IV 3:108) ist noch mehrfach zustimmend besprochen worden. — Auch Freys371)
„Erinnerungen", die durch den Hauch des Persönlichen sich auszeichneten, haben
ihre Erweiterungen für die zweite Auflage zum grössten Teil aus Baechtolds Ver-
öffentlichung gezogen. Dem Bändchen ist ein nach einer Photographie hergestelltes
Bildnis des Dichters aus seinen besten Mannesjahren beigegeben. Die Baumgartner-
schen Kompositionen der Lieder „An mein Vaterland" und „Auf der Ufenau", deren
Originale im Besitze der Frau Pfäfflin-Baumgartner sind, sind als Facsimiles bei-
geheftet. — Ganz persönlicher Art sind die Erinnerungen eines anonymen372) Malers
aus dem „achtbaren Norden", der aus Begeisterung für den „Grünen Heinrich" sich
schriftlich an Keller wandte und dem Dichter Vorschläge für eine Umarbeitung unter-
breitete. Er giebt den Inhalt der Unterredungen wieder, die er mit Keller bei seinen
(Schon in 3. Aufl. erschienen.) — 368) X id., Gottfr. Keller in Heidelberg u. Berlin (1848-55). Nach d. Briefen mitget.:
DRs. 77, S. 35-62; 78, S. 194-224, 348-78. (Als Gaumenreiz aus N. 367 im voraus dargeboten.) — 369) 0. Pniower, Gottfr.
Kellers Jugend: VossZgB. N. 8-10. — 370) X D- Jacoby: DLZ. 1893, S. 83/5; WIDM. 73, S. 717. — 371) A. Frey, Erinnerungen
an G. Keller. 2. Aufl. Mit G. Kellers Bild u. 2 Facs. Kompositionen Baumgartners. L., H. Hassel. 1893. VII, 184 S. M.3,00.
(Vgl. JBL. 1891 IV 3:1423.) — 372) W. P„ Erinnerungen an G. Keller: Geg. 43, S. 389-91. — 373) M. B. v. Stern, E.
IV 3:373380 R. Ro senbau in , Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
wiederholten Besuchen pflegte. Der Vermittlung- dieses Mannes sollen wir es danken,
dass Keller mit Storm in einen Briefaustausch trat. Neben persönlichen und sach-
lichen Beobachtungen veröffentlicht der Anonymus auch seinen Briefwechsel mit dem
Dichter. Am bemerkenswertesten ist die Stelle, worin Keller seinem Korrespondenten
dankt, „dass die Judith im . ,retouchierten Heinrich" noch jung1 genug- auftritt, nicht
als Matrone". Sein letzter Besuch bei dem kranken Dichter fällt in den Apr. 1890.
Die Mitteilungen sind von Anfang bis zu Ende überaus interessant. — M.R. von Stern s373)
Interview des Dichters in Bezug auf seine Stellung zur Socialdemokratie birgt nur
eine deutliche Wiederholung des aus allen Werken hervorleuchtenden Axioms: „Das
höchste Recht ist die Macht der Persönlichkeit." — Ein derartiges prosaisches Aus-
fragen ist zum mindesten ebenso kleinlich, wie die wörtliche Herübernahme einer
Stelle aus dem „Grünen Heinrich" zur Lösung- einer theologischen Schulfrage374). —
Verhältnismässig gering ist dem Interesse an der Biographie und dem Bildungsgang-
Kellers gegenüber der ästhetische Anteil an seinen Werken. Der von Baechtold375"376)
veröffentlichte Nachlass fand in den Berichtsjahren noch immer einen enthusiastischen
Wiederhall in den Litteraturzeitungen und in der Presse. Mehr denn anderswo musste
sich bei dieser Gelegenheit jedermann nehmend und wiedergebend verhalten. Die
Nachlassschriften konnten bereits in fünfter Auflage erscheinen. — Von gründlicher
Kenntnis und umfassendem Verständnis für Kellers Dichterphysiognomie ist Sait-
schiks377) Untersuchung getragen. Wie in seinem Essay über Gotthelf schickt S.
auch diesmal einen Abschnitt von zusammenfassender Würdigung' voraus, dem sich
synthetisch die Beweise, aus den einzelnen Werken gezogen, nicht ohne ermüdende
Wiederholungen, anreihen. S. hat Kellers Grundeig-entümlichkeiten- richtig und in
der Tiefe des Wesens erfasst und glücklich Kellers Pantheismus mit Gotthelfs
Individualismus konfrontiert. Aus diesem Prinzip heraus gelang ihm auch die Deu-
tung von Kellers Charakteristik. Keller, ein Demokrat in des Wortes bester Deutung-,
ist hingestellt als selbständige und erziehende Erscheinung. Er musste eindringlich
auf seinem ureigensten Schaffensgebiet, der psychologisch-humoristischen Novelle,
verfolgt und begriffen werden. Das hat S. auch von einer entsprechenden Höhe der
Gesichtspunkte aus gethan und sich jeder kleinlichen Kritik dabei enthalten, wenn
er auch nicht blind verhimmelnd den Spuren des Genius nachging. Umsichtige
Kenntnis fremder Litteraturen berechtigte S. zu einer Bewertung des Kellerschen
Humors, der „objektiv, selbstbewusst, frei von jeder Befangenheit, zur abgeklärten
Weltanschauung wird" und deshalb des Kranzes wert ist, den die Welt dem Dichter-
haupt erst flechten wird. Es ist auch eine ganz richtige Beobachtung S.s, dass Keller,
einer der am meisten realistischen Erzähler, sich von der Manier nicht lossagen konnte,
seine Phantasie von ganz seltsamen Ausgangspunkten her die Lebenswahrheit an das
Licht ziehen zu lassen (S. 174/5); aber das ist eben auch ein Stück seiner Originalität.
Als Novellist verschmilzt er in seinem Talente den romantischen Zug mit dem
rationalistischen in einer unnachahmlich organischen Weise (S. 202). Er hat darin
seine Zeit begriffen und die Zeit glücklicherweise auch ihn bei Lebzeiten. Kellers
Lyrik glaubt S. am besten durch das Wort „biedere Aufrichtigkeit des Gefühls" kenn-
zeichnen zu dürfen und den Hauptmangel seiner geschichtlichen Novellen sehr selt-
sam damit begründen zu müssen, dass die geschichtliche Wirklichkeit keine humo-
ristische Behandlung zulasse. — Die Leidensgeschichte des „Grünen Heinrich" hat
sich Runkel378) aus den Darbietungen der letzten Jahre herausgeschält, um in
einer Apotheose Baechtolds seine Bewunderung für den Dichter und den Biographen
auszugiessen, während ein Anonymus379) des Herausgebers Standpunkt vollständig miss-
versteht, indem er Baechtold tadelt, dass er sich entgehen liess, „die erfindende, belebende
und steigernde Kraft" schärfer zu betonen, die der Dichter seinem ersten Roman
gegenüber bethätigt hat. Diesen Fehler teilweise gut zu machen strebt sein Versuch an.
Und sein Ergebnis: Es giebt im „Grünen Heinrich" mindestens ebensoviel Abweichungen
von der Wirklichkeit wie Uebereinstimmungen mit ihr, hat keinen Anspruch auf
Originalität. Das Wettern gegen die übliche Litteraturbetrachtung' steht mit der eigenen
Thätigkeit des Anonymus aber keineswegs im Gegensatz. Sollte er vermeinen, hinter
Kellers Aussprüchen über die „Totengräber" sich verschanzen zu können, so sei er
doch wieder daran erinnert, dass derselbe Keller eine Geschichte der poetischen
Motive als wünschenswerte Aufgabe der Litterarhistorie zuwies. — Von ferne rührt
Besuch bei G. Keller: SchwRs. 1893: 2, S. 500,2. (Abgedr. aus M. R. v. Sterns LBullSchweiz. 1892-93, N. 12; wiederholt
nachgedr., so in: DidasV. 1893, N. 271; DPB1. 26, S. 380/1; NFPr. 1893, 11. Nov.) — 374) Gr., G. Keller üb. d. Katechism.:
DB11EU. 20, S. 98. (Abdr. e. Stelle aus d. „Grünen Heinrich". 3. Aufl. 1, S. 122 ff. Z. schwebenden Frage d. Katechism. -
Unterr.) — 375-376) J. Baechtold, G. Kellers Nachgelass. Schrr. u. Dichtungen (JBL. 1892 IV 3:106). |[A. Sauer: DLZ. 1893,
S. 504/6: —s.: LCB1. 1893, S. 761/3; Erich Schmidt: DRs. 77, S 472/3; M. Neck er: 8^.1893,8.2,4; — n -: DDichtung. 13,
S. 149-51; Grenzb. 1893: 1, S. 42/5; F. V(etter): SchwRs 1893: 1, 8. 92/4; Geg. 45, S. 351; J. V. Widmann: Nation« 10,
S. 178-81; Kw. 6, S. 83/4; K. HenoVell: NZ^t. 113, g. 655-60; O. Pniower: VossZgB. 1893, N. 19; Br.: WeserZg. 1893,
N. 16738; F. Arnim: WienTBl. 1893, N. 217; Rud. Lothar: NFPr. 1893, 21. Mai.]| — 377) (== N. 359, S. 83-203.) — 378) F.
RnnVel, D. grüne Heinrich: Zeitgeist N. 27. — 379) G. Kellers grüner Heinrich: Grenzb. 3, S. 33 40. — 380) F. Wich-
R. Rosenbaum, Epos des 18./ 19. Jahrhunderts. 1893,1894. IV 3 •. 381-389
an ein ähnliches Ziel im engsten Rahmen die zusammenfassende Behandlung" der
Fraueng-estalten Kellers durch Wichmann380). Eine richtige Beobachtung scheint
es zu sein, dass zwischen der äusseren Beschreibung und dem Abbild des inneren
Lebens das Lachen steht, eine Eigentümlichkeit Kellerscher Charakteristik, die aber
so mannigfaltig ausgedeutet wird und mühelos ausgedeutet werden kann, dass das
gewonnene Destillat von Erkenntnis im Augenblick mit dem Satz von zu Boden ge-
fallenem Untersuchungsstoff eine unlösliche und nur zu natürliche Verbindung eingeht.
An der Eigenart des Dichters und seiner Themata liegt es, dass er fast ausnahmslos
deutsche Frauen schildert, und sein Realismus ist das bedeutendste Hindernis roman-
hafter Liebeserklärungen. Tiefer gründet die Bemerkung W.s, dass Kellers Frauen
im Verhältnis zu den Männern vielfach „als den Mann provozierend" sich zeigen.
Doch auch dabei scheint weniger eine allgemeine Auffassung von dem Wesen des
Weibes als meistens ein technischer Kunstgriff die Ursache zu sein, namentlich dort, wo
der Humor zu seinem Rechte kommen soll. — Eine Art zeichnerischen Kommentars
zum „Grünen Heinrich" ist das Neujahrsblatt der Züricher Stadtbibliothek vom J. 1894,
das fünf Zeichnungen Kellers aus seiner reiferen Malerzeit reproduziert, dazu ein
Oelgemälde von Tschudis und die Leemannsche Radierung von Kellers Porträt uns
vor Augen führt. Der beigefügte Text von Brun381) erklärt ausdrücklich, dass die
Reproduktionen nicht des künstlerischen Wertes halber, sondern bloss aus Pietät für
den Dichter weiteren Kreisen geboten werden. B. schildert die Künstlerlaufbahn
Heinrich Lees und misst an ihr diejenige Gottfried Kellers, immer betonend, dass der
künstlerische Wert seiner Hinterlassenschaft an sich geringfügig und unbedeutend sei
und nur für die Auffassung des Dichters von förderndem Nutzen sein werde. Er
schliesst sich dabei eng an die bekannten Publikationen an. Zu dem Zwecke leichterer
Uebersicht fügt B. ein Verzeichnis des künstlerischen Nachlasses des Dichters an nach
dem Katalog, der bei Gelegenheit der Kellerausstellung im Sommer 1893 veröffentlicht
wurde, und ergänzt es. Des weiteren sind dann noch einige kleine Aufsätze Kellers,
die in dem Anhange zu den nachgelassenen Schriften und Dichtungen bereits ver-
zeichnet vorliegen, von B. abgedruckt worden. Sie bieten die Handhabe zu einem
Urteil über Keller als Kunstkritiker, das weitaus günstiger ausfällt als das über
Keller den Malerschüler. — H. E. von Berlepschs 382) Schrift über den gleichen
Gegenstand war mir unzugänglich.383) — Die Gottfried Keller-Ausstellung selbst haben
B o lza384) und Frey385) besprochen, über die Gottfried Keller-Stiftung386) ging eine
gleichlautende Notiz durch die Zeitungen.387) —
Mit Gotthelfs und Kellers Auftreten begann für die schweizerische Litteratur
eine neuePeriode, die durch Konr.Ferd.Mey er s Wirksamkeit eine seltene Ausgestaltung
nach einer neuen Seite hin erfahren hat. Saitschik388) ist in der schon oben an-
gedeuteten Weise auch den Spuren dieses Genius nachgegangen und hat eine Analyse
seines Werkes gegeben, die an Prägnanz und Ergründung die schon besprochenen
übertrifft. Es ist ihm gelungen, die dichterische Physigonomie Meyers auf eine, wenn
auch umständliche, so doch zutreffende Formel zu bringen, die in allem Wesentlichen
den Kern der ausschweifenden Charakteristik birgt. Sie vertrete hierselbst die
Stelle einer weitschichtigen Umschreibung: „Die verworrenen Seelenvorgänge, die
dunkle Grenze, welche das Bewusste von dem Unbewussten scheidet, die Ursprünge
einer in ihren Ergebnissen klaren That, die ihren Weg durch die Winkelgänge eines
starken und leidenschaftlich erregten Willens bahnt, der Zwiespalt der Seele, die Ent-
stehung und Wirkung des Dämonischen und Schrankenlosen, die Natur des Traumes,
der Vision und des religiösen Empfindens, — nicht auf der sonnigen Oberfläche,
sondern aus der gestaltlosen Tiefe schöpft Meyer Motive, Handlung und inneren
Reiz seiner Werke, über die sein bildnerisches Vermögen eine Fülle von Gestalten und
I^ormen ausgiesst" (S. 317). Wunderbar abgegrenzt gegen seiner berühmten Lands-
leute Talente ist darin die Eigenart des jüng-eren Genossen, der Kreis seiner Fähig-
keiten sorglich umzirkelt und für den kühneren Blick auch die Grenze gedeutet, über
die hinaus der Vorzug sich in Schwäche wandelt. S. hat hier mehr als in den anderen
Aufsätzen auch darauf Bedacht genommen, die fremden Einflüsse aufzudecken, denen
sich Meyer nicht immer ganz entziehen konnte. „Die altertümlichen Wendungen, der
robuste Klang, die eigenartigen, von einem naiven Zug getragenen Gleichnisse sind
in ihrem Grundton gleichsam Keller abgelauscht." S. ist auch der Entwicklung von
Meyers Sprachkunst eindringlicher nachgegangen und hat schon bei seiner Lyrik auf
mann, G. Kellers Frauengestalten: DDichterheim. 14, S 218-21,2425,2627. - 381) C. Brun, G. Keller als Maler. (=Njbl..
her. v. d. Stadtbibl. in Zürich auf d. J. 1894.) Zürich, Faesi & Beer (B., Besser in Komm.). 4°. 31 S. Mit Bild. u. 6 Taf.
M. 3,00. — 382) O H. E. t. Berlepsch, G. Keller als Maler. Nach seinen Erzählungen, seinen Briefen u. d. künstler.
Nachl. dargest. L., Seemann. Y, 152 S. Mit Abbild, u. 4 Taf. M. 2,75. - 383) X <*■ Kellers Malerzcit: BerlTBl. 1893,
N. 428. — 384) Bolza, G. Keller- Ausstell, in Zürich: ML. 62, S. 471. — 385) Ad. Frey, G. Keller- Reliquien: DRs. 76,
S. 4Ö6/8. - 386) G. Keller-Stiftung: BerlTBl. 1893, N. 194. — 387) X G- Keller, Sieben Legenden. 5. Aufl. B., Besser.
12° V, 133 S. M. 3.C0. — 388) (= N. 359, S. 205-317.) — 389) C. F. Meyer, Angela Borgia. Tradnz. di Maria Poli-
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. Y. (4)1 6 £
IV 3:390-402 R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
den wesentlichen Zug1, eine gewisse „bildhauerische Starrheit" der Phantasie und die
aus dem Gesagten sich ergebende wehmütige Resignation mit Nachdruck hingedeutet.
Er ist dem Hinweis auf die Schwächen der Komposition nicht ausgewichen und hat
andererseits durch deutliche Fingerzeige über die reichhaltige Handlung, den Stil und
die „gemeisselte Schönheit" der Sprache Bericht erstattet. S. findet, dass der Dichter,
je weiter er schreitet, desto mehr an Vollendung gewinnt, und ergeht sich in einer
bewundernden Auseinandersetzung über die letzten drei Novellen, die sämtlich auf
italienischem Boden spielen. — Dies mag auch der vornehmste Grund dafür sein, dass
die Italiener schon im J. 1888 „Die Hochzeit des Mönchs", 1889 „Die Versuchung
des Pescara" in Uebersetzungen von P. Valabrega willkommen hiessen, denen sich
im Berichtsjahre die würdig ausgestattete Verdeutschung der „Angela Borgia" durch
Maria Poli-Hardmeyer 389) anreiht. — Für die Beurteilung der eigenartigen
Bündnergeschichte „Jürg Jenatsch" ist durch Haffters390) ganz aus den Quellen
gezogenes und anziehend geschriebenes Werk, das von berufenen Historikern äusserst
lobend besprochen wurde, dem Litteraturforscher eine zuverlässige Handhabe zur
Vergleichung geboten. — Bisher hat nur Haug391) den Versuch gemacht, das
neue Material zu verwerten. H, der zu Unrecht darüber staunt, dass Haffter den
Namen K. F. Meyers in seinem Quellenwerk auch nicht einmal erwähnt, bezeugt
nunmehr den Scharfsinn, mit dem der Dichter in den Zeitgeist eingedrungen sei
und preist die Anschaulichkeit, mit der er die politischen Verhältnisse in lebens-
vollen und lebenswahren Zügen zu fesselnder Darstellung verarbeitete. Es ist nur
begreiflich, dass der Held der Bündner Wirren unter der Lupe des Historikers be-
trachtet, viel von dem Idealismus verliert, den ihm des Dichters Neigung eingeflösst
hat. In den Hauptcharaktereigenschaften aber ist Jenatsch hier wie dort „ein Mann
voll unerschöpflicher Geisteskraft, voll glühender Leidenschaft, zielb&wusst und
energisch, tapfer und gewandt, trotzig und gewaltthätig". Der eigentliche Ansporn
alles Thuns ist auch bei dem historischen Helden die Vaterlandsliebe. Die Ab-
weichungen in den Einzelheiten entziehen sich hier der Wiedergabe. Selbstverständ-
lich ist das Ende des Bündner Prädikanten in Wirklichkeit auch ein anderes als der
in der Dichtung wohl motivierte Untergang. Im grossen Ganzen aber verschiebt sich
durch die historische Forschung das Bild des Freiheitshelden nicht bedeutend von
dem, das der Dichter aus künstlerischer Intuition von ihm entworfen hat. — Friedr.
Meyer392) vergleicht Richard Voss Trauerspiel „Jürg Jenatsch" mit der epischen
Darstellung K. F. Meyers. —
Oesterreich. Die Feier des 100. Geburtstages von Charles Sealsfield
(Karl Postel) (1793—1864) hat vornehmlich in der Presse Anlass zu Festartikeln 393"399)
gegeben, die mir fast alle unzugänglich blieben. — Was an selbsländigen Publikationen
bekannt wurde, ist aber ganz unzulänglich. So hat Meister 40°) ein, ich möchte sagen,
antidiluvianisch anmutendes Elaborat von Anekdoten und Dokumenten, verbrämt mit
lobhudelnden Phrasen, in die Welt gesetzt, dem nur in einem Punkte Beachtung
geschenkt werden kann. M. bemerkt, dass ein Lieblingsplätzchen in der Heimat des
Dichters den Namen „Siegelfeld" führe — allerdings nur in der Katastralmappe des
Bezirkes! — und stellt die Vermutung auf, dass Postel in pietätvoller Erinnerung
daran sich den Namen Sealsfield beigelegt habe (S. 5/6). Das ganze Schriftchen
trägt in allen Zügen den Stempel des Dilettantismus zur Schau. — Leider ist der
Vf. einer gutgemeinten Dissertation des Deutschen nicht so weit mächtig, um auch
nur entfernt dem Ziele nahe zu kommen, das er sich steckte. Der Amerikaner
Faust401) setzt uns eine Stiluntersuchung über Sealsfields Werke vor, an der
nur der Wille zu loben ist. Ich vermeide es deshalb, ihm eine langatmige Vorlesung
darüber zu halten, welches die tausend Dinge sind, die dazu gehören, da ihm schon
das erste, die Kenntnis der Sprache, so ganz abgeht. Zuverlässiger ist sein Schluss-
abschnitt, der den Einfluss des mährischen Dichters auf die amerikanische Litteratur
behandelt, falls man von litterarischem Einfluss bei Plagiaten reden darf. F. weist
nämlich nach, dass die amerikanischen Novellisten Kapt. Mayne Reid, W. G. Simms
und Helen Jackson einzelne Partien aus Sealsfields Werken einfach wörtlich in ihre
Schriften herübergenommen haben. — Dankenswert ist Fausts402) Publikation von
Hardraeyer. Milano, Hoepli. 1893. 249 S. L. 3,50. — 390) E. Haffter, G. Jenatsch. E. Boitr. z. Gesch. d. Bündner
Wirren. Davos, Richter. XIX, 552 S. M. 5,00. |[ — ch- : LCB1. S. 1759; Th. v. Liebenau: KathSchwBll. 9, S. 593,4.]! —
391) Ed. Haug, J. Jenatsch in d. Gesch. u. Poesie: BLU. S. 401/3. — 392) Friedr. Mey er, „J. Jenatsch", Trauersp. in
5 A., nach K. F. Meyers gleichnam. Roman v. R. Voss: SchwRs 1893: 1, S. 373-83 — 393) O X L- Smolle, Ch. Sealsfield:
NFPr. 1893, 3. März. - 394) X R- Karpeles, Ch. Sealsfield. Z. 100. Jährest, seiner Geburt: WienTBl. 1893, N. 62. - 395) X
A. Siez nie, Ch. Sealsfield. E. Erinnerungsbild z. 3. März 1893: DZg. N. 7608. — 396) X A- Smital, E berühmter Mahrer.
(Ch. Sealsfield): NWienTBl. 1893, N. 62. — 397) X O. Meister, Ch. Sealsfield: WZg. 1893, 8. März. — 398) X A. Smital,
I». „Unbekannte" in d. dtsch. Litt. Gedenkbl. zu Ch. Sealsfields Geburtst : FZg. 1893, N. 60/1. - 399) X An£- Weiss, E.
Amerikaner über Ch. Sealsfield: WZg. 1893, 2. Juli. — 400) 0. Meister, Erinnerungen an Sealsfield-Postel. Anlässl. d.
100. Jährest, seiner Geburt, v. briefl. u. mündl. Mitteil. v. persönl. Bekannten n. Verwandten d. Dichters bearb. Wien, Gräser.
1892. VIII, 40 S. M. 0,80. — 401) A. B. Faust, Ch. Sealsfield (C. Postel), Materials for a biogr.; a study of his style; his
influence upon amerienn litt. Diss. Baltimore (Friedenwald & Co.). 1892. 53 S. — 402) id., ünpublish. letters of
R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894. IV 3 : 403-413
43 Briefen des Dichters, wovon 25 hier zum ersten Male erscheinen. Die übrigen
sind in unvollständiger Fassung* schon gedruckt gewesen, hier nun diplomatisch
genau wiedergegeben. Die ersten 20 Briefe an seine Freundin Elise Meyer in Schaff-
hausen liegen aber nur in Auszügen vor, die die Adressatin daraus gemacht hat. Die
Originale sind von der Besitzerin vernichtet worden. Die Briefe entstammen den
letzten fünf Lebensjahren des Dichters und zeigen auch in diesen spärlichen Resten
den scharfen Blick des amerikanischen Bürgers in den politischen Ereignissen Europas.
So schreibt er am 2. Apr. 1860: „Seit ich das deutsche Parlament in Frankfurt tagen
gehört habe, erwarte ich wenig mehr von Deutschland als höchstens Recensionen.
Da sind sie Meister — im Kritisieren nämlich." Und zwei Jahre später spricht er
es mit vollster Zuversicht aus, dass „Deutschland trotz Apathie und Phlegma einer
Umgestaltung entgegengeht, und das schliesslich Preussen berufen ist, an die Spitze
desselben zu kommen". Die Bemerkungen über die zeitgenössische Litteratur zeigen
ihn selbst gleichfalls als besseren Kritiker denn als Dichter. Was er über Gutzkow,
die Brüder Humboldt, Hackländer, Jeremias Gotthelf usw. sagt, ist ein Beweis seiner
umfassenden Lektüre und seines eindringenden Verständnisses. Ohne höhere Bedeutung
sind dagegen die übrigen Briefe an die Schwester der Schaff hausener Freundin,
Marie Meyer, und an Heinrich Ehrhard, den Verleger seiner Werke. Die einen
berühren häusliche, die anderen geschäftliche Fragen. Der Abdruck ist in Anbetracht
des fremdländischen Herausgebers ziemlich korrekt.403) — Müller-Rastatt403*) feiert
Sealsfield als den „ersten deutschen Vertreter des exotischen Romans, den er über
das Niveau, auf das seine Vorgänger in Frankreich und England, Bernardin de
St. Pierre und J. F. Cooper, ihn gestellt hatten, weit hinausgehoben und zum Kultur-
roman ausgebildet hat." —
Ein Vergleich mitAdalb. Stifters Schaffen, den Müller-Rastatt404) in dem
gleichen Artikel durchführt, gipfelt in der Gemeinsamkeit eines Vorzuges und eines
Mangels, ganz abgesehen von der sonstigen Verschiedenheit beider Individualitäten,
die jede Vergleichung ausschliesst. Sealstieid und Stifter, beide verschmähen es, sich
den hergebrachten Gesetzen der Komposition zu fügen, sie sind formlos wie kaum
ein anderer Schriftsteller ihrer Zeit. Beide haben ein hervorragendes Verdienst um
die psychologische Kleinmalerei, die bei dem einen beim Individuellen stehen bleibt,
während der andere sie vermöge seiner umfassenden Kenntnis von Ländern und
Völkern, ins Typische, Rassenhafte zu steigern vermochte. Aus diesem Unterschiede
lassen sich schliesslich die Eigenheiten in Sprache und Stü und technischer Klein-
arbeit enträtseln. — Schlossar405) hat sich einen breiten Raum für Stifters Leben
und Werke gegönnt, aber ihn doch nur mit bekannten oder oberflächlichen Be-
merkungen gefüllt. — F. Neumanns406) Beitrag zu Stifters Biographie, eine Ver-
quickung von Anekdotischem, Jugendhistörchen, Dokumenten und Urteilen Fremder
über des Dichters Werke, scheint sein Schwergewicht in den formelhaften Briefen
gekrönter Häupter oder ihrer Beauftragten an die Witwe des Dichters zu haben.
Wenn nur die Einkleidung wenigstens nicht so offiziös -zeitungshaft wäre.407"409) —
Eine richtige Einschätzung des Stifterschen Talentes ist Neuberg410) gelungen.
Vielleicht ist es nicht ganz glücklich, heute noch einen Dichter an dem Massstab der
Grundsätze des „Laokoon" zu messen; wenigstens will es nicht viel bedeuten, wenn
es nachzuweisen gelingt, dass er sie beachtet hat. Die „Studien" sind gewiss das
beste W^erk Stifters trotz der nicht wegzuleugnenden Schwäche, dass sie einer be-
deutsameren psychologischen Vertiefung entbehren. Stifters Stärke liegt eben auf
einem anderen Gebiete, das N. richtig in die Worte fasst: „Die Grossartigkeit der
Natur hat er tief studiert, die Grossartigkeit der Menschenseele aber nicht." Und
die Versuche, sich der Eigenart Jean Pauls zu nähern, schlugen nun vollends fehl;
denn es gebrach ihm so durchaus an Humor.411) —
Daran hatte Ed. Pokorny, ein ganz vergessener Landsmann Stifters, eigent-
lich Ueberfluss. Seine Begabung liegt, wie ein Anonymus412) durch den Neudruck
reichlicher Proben ausführt, schon auf dem Grenzgebiete des Grotesken und Paro-
distischen. Lange vor Bret Hartes „Condensierten Romanen" hat schon Pokorny seine
Vorliebe für übermütig phantastische Komik in der Parodierung französischer Sen-
sationsromane eines Eugene Sue einerseits, in der Verspottung „widerlicher Blau-
strumpf-Optimistlerei" andererseits bethätigt. Und darum sind nicht bloss seine Stoffe,
sondern ist auch seine Manier veraltet, und es besteht keine Aussicht, ihn, auch nur als
Ch. Sealsfield: Publ. of the mod. lang, assoc. of America 9, S. 343-402. (Auch als Separatabdr.) — 403) X A- Weiss, War
Sealsfield e. Mörder?: WienTBl 1893, N. 193. — 403a) K. MMler-Rastatt, Ch. Sealsfield u. A. Stifter: BLU. 1893. S. 81/3.
— 404) (= N. 403a.) - 405) A. Schlossar, A. Stifter: ADB. 36, S. 218-23. — 406) F. Neumann, A. Stifter. Beitrr. zu
seiner Biogr. Progr. d. Realsch. Pilsen. 1893. 33 S. — 407) X J- J Am mann, Friedberg u. A. Stifter: DZgW. N. 7593.
— 408) X A. Schlossar, Z. 25. Jährest, d. Todes A. Stifters: WZg. 1893, 1,2. Febr. — 409) X Za A. Stifters Todest. :
FrBlW. 1893, N. 25. — 410) A. Neuberg, A. Stifter u. seine „Studien": LZg". N. 64. — 411) X Brigitta. Not. v. A.Stifter
in stenogr. Schrift übertr. u. autogr. v. Hans Herget. (= Reuters Bibl. für Gabelsberger Stenogr. N. 23.) Dresden, W. Reuter.
61 S M. 1,00. (Vgl. I 3: 11.) - 412) E. deutschböhra. Humorist: Bohemia 1893, N. 328, 3345, 350. — 413) M. Reich, Ausgew.
(4)16 £*
IV 3:413-416 R Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
Lokalschriftsteller gefasst, zu beleben. Seine Eigentümlichkeiten zeigen eine nahe
Verwandtschaft mit den litterarischen Anfängen Fritz Mauthners. Leider hat der
Anonymus die im ersten Artikel versprochenen biographischen Daten für Pokorny in
der Folge nicht beigebracht. -
Vielleicht nimmt sich seiner auch einmal die „Gesellschaft zur Förderung
deutscher Wissenschaft, Kunst und Litteratur in Böhmen" an, die eine „Bibliothek
deutscher Schriftsteller aus Böhmen" begründet hat, worin nach einem weitgefassten
Programm die litterarischen Denkmäler Deutschböhmens nach und nach zum erneuten
Abdruck gelangen sollen, um „die nationalen Errungenschaften dieses Stammes in
das allgemeine Bewusstsein zu rufen." Der erste Band dieser Bibliothek brachte
Moritz Reichs ausgewählte Werke, deren Herausgabe Fürst413) anvertraut wrar.
F. hat sich seiner Aufgabe mit treffsicherer Hand entledigt. In dem biographischen
Teil der Einleitung (S. 1—32) zeichnet er das Milieu, aus dem Reich hervorging, den
Kreis lokaler Schriftsteller, der sich um die Mitte unseres" Jh. in Prag versammelte,
und das eitle Ringen des sehr begabten Jünglings, sich eine Existenz als Schriftsteller
zu gründen. Reich hat in jungen Jahren, körperlich und geistig schwer leidend,
seinem Leben ein Ende gemacht (1857; bei F. S. 30 der Druckfehler 1859). Der
Frühreife seines Geistes verdankte er einen gewissen Abschluss seiner philosophisch-
religiösen und socialpolitischen Anschauungen, aber zu einer Reife litterarischen
Könnens hat er es begreiflicherweise nicht gebracht. F. stand Reichs Nachlass und
Briefwechsel zur Verfügung, und in Verbindung mit den gedruckten Werken
Reichs, die einzeln meist in österreichischen Zeitungen und Zeitschriften erschienen,
hat er ein Charakterbild des Dichters entworfen, das man als abschliessend be-
zeichnen darf (S. 33 — 45). Reichs Gedichte „kranken an einer wirren und zügel-
losen Phantasie, vielen fehlt die Fähigkeit, den aufgenommenen Gedanken auch
konsequent und pointiert bis zu Ende zu führen." Auf dem epischen Gebiet, dem
Hauptfelde Reichs, liegt der Schwerpunkt seiner Thätigkeit in der liebevollen Be-
schäftigung1 mit der Heimat. Seine Dorfgeschichten stehen weniger unter dem
Einflüsse Jeremias Gotthelfs als unter dem Ranks, des Erzählers der „Geschichten
aus dem Böhmerwalde". Minder gut sind seine Novellen, deren Wirkung vornehm-
lich ein Mangel an Knappheit, Einheit oder Wahrscheinlichkeit Abbruch thut. W7as
wir endlich über das nachgelassene Romanfragment „Friedel" und die Tragödie
„Saul und David" erfahren, genügt, um mit dem Herausgeber zufrieden zu sein, dass
er von einem Abdruck Abstand nahm. F. hat vielmehr neben den bereits gedruckten
epischen Werken Reichs, die er in Novellen, Nachtstücke und Humoresken gliedert,
nur bei den „Gedichten" von dem ungedruckten Nachlass grösseren Gebrauch
gemacht. Die von Alfred Meissner ein Jahr nach Reichs Tode herausgegebene
Sammlung „An der Grenze" ist natürlich unberücksichtigt g-eblieben. Knappe An-
merkungen geben über die Hilfsmittel F.s Rechenschaft. Die Bibliog-raphie erfährt
zum Schluss noch eine dankenswerte Ergänzung durch die Angabe der Fund- und
Druckorte kleinerer Erzählungen und Feuilletons von Reich. —
Zweier vergessener Schriftsteller von ganz lokaler Bedeutung, der Egerländer
Georg Helm und Braun von Braunthal, gedenkt John414), von einem sogenannten
„nationalen" Standpunkt aus sie betrachtend. —
Einen engeren Landsmann Sealsfields, den Novellisten Em. Straube, hat
Brummer415) kurz behandelt. —
Rob. Hamerlings Leben und Dichtungen zu charakterisieren, hat sich
Schweichel416) vorgenommen. Den Lebensgang1 hat er in grossen Zügen recht
äusserlich geschildert, bei der Besprechung der Werke ist er aber mehr in die Tiefe
gegangen. Den Grundgedanken der epischen Dichtungen hat er mit grosser Genauig-
keit enthüllt und daraus den Kern von Hamerlings Lebensphilosopbie entwickelt.
Schade, dass er nicht etwas genauer auf des Dichters philosophischen Nachlass „Die
Atomistik des Willens" wenigstens vergleichungsweise eingegangen ist. Seh. steht
nicht blind bewundernd dem Lebenswerke des Mannes gegenüber, der in farben-
prächtigem Gewände den Gram und das Siechtum seines Lebens den vom Pesthauch
des Pessimismus eingegebenen Motiven anvertraut hat, sondern er deutet richtig
Hamerlings Schaffen als „die vernichtende Kritik an der modernen Gesellschaft und
ihrer Gesittung" und zollt der hochragenden Phantasie des Dichters vermöge ihres
unerschöpflichen Reichtums die gebührende Bewunderung. Ebenso kennt er wie
der Dichter selbst die Schwächen seiner Dramen, die nicht für das Licht der Lampen
geschaffen sind ; er tadelt mit Recht den Mangel an Straffheit in der Komposition des
Romans „Aspasia", dessen einzelne Teile als solche im hohen Grade bewundert zu
Werte. Her. y. R. Fürst (= Bibl. dtsch. Schriftsteller ans Böhmen. Her. im Anftr. d. Ges. z. Ford, dtsch. Wissensch.,
Kunst u. Litt, in Böhmen. N. 1.) Prag, Tempslcy. XV, 285 S. Mit Portr. M. 2,00. — 414) [Alois] Jfohjn, Vergessene
Egerländer Schriftsteller. Z. Erinn. an 0. Keim u. Braun v. Braunthal: LJb. 4, S. 54/9. - 415) Fr. Brummer, Em. Straube :
AD». 37, S. 3334. - 416) K. Schweichel, R Hamerlings Leben n. Dichtungen: NZ8t. U1, S. 673-80, 707-12, 735-44. —
R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894. IV 3:417-434
werden verdienen, und lässt Hamerling den Lyriker nur als einen „der glänzendsten
Vertreter der philosophischen Dichtung" gelten, deren Töne in Oesterreich zuerst
Lenau angeschlagen hat. — Panegyrischer ist schon Müller-Guttenbrunns4nJ
kurze Studie g-ehalten, die den Dichter als einen Seher der Zukunft preist, in dem
man einst einen nationalen Heros feiern werde; denn „urgewaltig' und einzig sind die
Töne, die er anzuschlagen vermochte, wenn er sein Volk besang*." Den hohen Grad
von Ingrimm der Satire, die im „Homunculus" herrscht, wird niemand bestreiten, aber
ob ihn jedermann gutheissen wird, ist eine andere Frage, auch nur vom ästhetischen
Standpunkt aus. Ganz müssig wäre es schliesslich zu fragen, ob es nicht vielleicht
doch noch einen Deutscheren als den sogenannten „deutschesten" Dichter Hamerling
gegeben hat oder giebt. — Nur mit Widerwillen vermerken wir hier der Vollständig-
keit halber Brukners418) Tendenzschrift, die sich mit Brosamen vom Tische des
Vf. von „Rembrandt als Erzieher" genährt hat. Wer sich so mit den bunten Flicken
einer zusammengerafften Belesenheit auf ein selbstgebautes Thrönchen schwingt,
den lässt man am besten die Kehle sich heiser schreien mit seinen wüsten Unflätig-
keiten und seinem mystischen Verehrungsgewinsel. Hat doch das Königlein vergessen,
seinen Bettelsack abzulegen. Und vollends unfördersam bleibt ihm, sich anzuklammern
an den Altar der Freundschaft, an dem einst Hamerling und sein Vater gestanden
hatten. Die paar freundlichen Worte, die der überlebende Dichter an ihn gerichtet
hat, scheinen ihn so ganz verwirrt zu haben, dass er, sie der Mitwelt darbietend, sich
berechtigt glaubt, gleich als Richter über alles und jedes sein Urteil abgeben zu
müssen. — Aus den fünf Briefen Hamerlings an Moritz Schleifer419) verrät sich des
Dichters wahrer Anteil an einem im Stillen vergrabenen Talent. Schleifer (1817—77)
war der Sohn des als Freund Lenaus bekannten Dichters Leopold Schleifer und ver-
brachte sein Leben als Justizbeamter. Als engerer Landsmann wendet er sich in
schon vorgerückten Jahren an Hamerling mit der Bitte um Beurteilung seiner hs.
übersandten Dichtungen. Der Dichter antwortet mit klaren und einsichtigen Be-
sprechungen, geht dem bescheidenen Manne mit Ratschlägen an die Hand, wie er
seine Mss. am besten verwerten könne, und tröstet ihn schliesslich mit der Aussicht,
sie einmal in einem „Alpenländischen Dichterbuche", das er damals (1870) plante,
zu verwenden. Adolf Pichler hat eine Auswahl aus den Sonetten und Balladen
Schleifers im Herbst 1878 veranstaltet. Für Hamerling kommt neben Persönlichem
sein in diesen Briefen oft wiederholtes Interesse für die Volks- und Kunstpoesie der
österreichischen Alpenländer vornehmlich in Betracht. — Ueber sein Verhältnis zur
Musik und zu Musikern redet der Dichter in einem Briefe vom 6. Febr. 1888,
dessen Adressat unbekannt ist420). — Aus einer Zeitungsreplik und -duplik421-423)
erhellt, dass die eigentliche Schreibung des Namens „Hammerling" lautet, die der
Dichter eigenmächtig später fallen Hess.424-425) — Tebbe426) hat die in seiner
Münsterländischen Heimat spielende Dichtung Hanierlings „Der König von Sion" mit
der historischen Quelle verglichen, das ist mit Hermann von Kerssenbroicks Geschichte
der Wiedertäufer. In der Charakteristik der Hauptpersonen (Jan von Leyden, Divara
und Krechting) ist der Dichter vollständig von der Ueber lieferung abgewichen, die
Nebenpersonen hingegen sind den Originalen getreuer dargestellt. — Aus Hamerling-s
Nachlass traten ein Bändchen Gedichte427) und eines mit kleineren Erzählungen428) in
die Oeffentlichkeit, von denen das erstere als eine willkommene Ergänzung zu des
Dichters politischer Ueberzeugung, das letztere zu seiner Kunst, anspruchslos und
natürlich kleine Begebenheiten wiederzuerzählen, zu begrüssen ist. Die sieben Er-
zählungen haben keinen tieferen Gehalt; sie sind nach venetianischen Lokalsagen frei
bearbeitet.429) — Die' illustrierte Ausgabe von „Amor und Psyche"430) konnte schon
in 9. Auflage erscheinen.431) — Ueber das von H. Brandstetter ausgeführte Denkmal
brachten die Zeitungen manche Nachricht.432-433) —
Peter Roseggers „Persönliche Erinnerungen an Robert Hamerling" hat
Speier434)in einem Vortrage gewürdigt. Gleich Hamerlings eig'enen Bekenntnissen in den
„Stationen meiner Lebenspilgerschaft" findet er sie „ausgezeichnet durch eine un-
417) A. Müller-Gnttenbrnnn, K. Hamerling. (= Im Jh. Grillparzers. [JBL. 1S93 IV la:32], S. 137-49.) — 418) B.
Brukn er, Hamerling als Erzieher. Hamburg, Verlagsanst. 1893. VIII, 135 S. M. 2,00. |[LCB1. 1393, S. 1200: Stühlen:
COIRW. 21, S. 300 1.]| — 419) M. N., Briefe t. E. Hamerling: AZg». 1893, N. 71. — 420) E. Brief K. Hamerlings:
DDichtung. 14, S. 103. — 421) X Hamerling oder Bamraerling?: AZgB. 1893, N. 132. — 422) X %■ Schrauf, R. Hamerling :
ib. N. 134. — 423) X Nochmals Hamerling: ib. N. 139. - 424) X *• Allrara, D. junge Hamerling im Waldviertel: DZgW.
N. 7600. — 425) X id., Hamerlings letzte Heimfahrt: ib. N. 7736. — 426) H. Tebbe, Hamerlings Dichtung „D. König v Sion"
u. ihre gesch. Grundlage. Progr. Münster. 1893. 4°. 20 S. |[L. Hölscher: ASNS. 92, S. 234; O. Hellinghaus: Gymn. 12,
S. 544.JI — 427) X J. Allram, Letzte Grüsse aus Stiftinghaus: NWienTBl. N. 76. (Ueber R. Hamerling: vgl. dazu WIDM. 76,
S. 252; NFPr. 1893, 26. Okt.) — 428) R. Hamerling, Was man sich in Venedig erzählt. (Nach ital. Quellen. Hamburg,
Verlagsanst. 96 S. M. 2,00.) |[0. Harnack: PrJbb. 78, S. 3278; WIDM. 76 S. 252; NFFr. 1893, 26. Okt.]| - 429) X '<*•-
D. Raub d. Venezianerinnen. Nachgelass. Ms. (= N. 428, S. 11/6): DZgW. 1893, N. 7826. — 430) X ^., Amor u. Psyche. E.
Dicht, in 6 Ges. 111. v. P. Thumann. 9. Aufl. (Neue bill. Ausg.) L., Titze. 4". 142 S. Mit Textabbild, u. 8 Lichtdr. M. 12,00.
— 431) X (IV ld:67.) - 432) X *• Allrani, D. Hamerlingdenkm. im niederösterr. Waldviertel: IllZg. 101, S. 159. —
433) X id . D. Hamerlingdenkm. im Waldviertel: Lokalanz. (Presse) 1S93, N. 192. — 434) M. Speier, P. K. Roseggers
IV 3:435-456 K. Rosenbaum, Epos des 18./ 19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
geschminkte Wiedergabe des Thatsächlichen, durch das Vermeiden geistreich-gespreizten
Stiles und berechneter Ziererei." — Den gleichen Dienst hat dem Dichter Rosegger
eine bunte Schar von Verehrern zu seinem 50. Geburtstag geleistet. Fast jede
belletristische Zeitschrift und bedeutendere Tageszeitung brachte einen Festartikel, der
auf die Vorzüge des beliebten Erzählers mehr oder minder gründlich einging; in
allen wird die schlichte Natürlichkeit als der Kern seiner Dichternatur bezeichnet,
die Urquelle seiner Kraft neben der Begabung in der Beschränkung auf das Heimat-
liche aufgezeigt; aber eine literarhistorische Würdigung war von diesen Seiten auch
nicht zu erwarten. Hervorhebung verdient bloss der Vortrag Groschs435), eines
Duisburger Lehrers, der selbst als Volks- und Jugendschriftsteller in seiner Thüringer
Heimat und seinem jetzigen niederrheinischen Aufenthaltsort bekannt ist. — Gelungen
und gediegen ist die Festgabe436) der Verlagsbuchhandlung „Leykam" in Graz, die
eine Menge persönlicher Erinnerungen aus der ersten litterarischen Zeit Roseggers
vereinigt. Neben Adalb. Swoboda und Rudolf Falb kommen auch F. Dawidowsky, der
damalige Direktor der Grazer Handelsakademie, und Sacher-Masoch zu Worte. Eine
bunte Reihe trefflicher Illustrationen ziert das Buch.437"445) — Die reichsten und
schönsten Bekenntnisse flössen uns wie immer vom Gefeierten selbst zu. Rosegger446)
enthüllt uns bisher unbekannte Proben der von ihm selbst und für sich selbst ge-
schriebenen „Sonntagsblätter", die von Gottergebenheit und Beobachtung fremder
äusserer und innerer Vorgänge überströmen. Für Humor ist in diesen ernsten Be-
trachtungen kein Platz. Drollig tritt der Humor schon in den zwei Bänden „Meine
Gedanken" zu Tage, Aufzeichnungen, die am 16. Mai 1864 beginnen, deren Publikum
eine einzige befreundete Person ausmachte. Eigentümlich ist es, dass der Vf. sich im
Feuilleton seiner Zeitung schon autobiographisch zu betrachten begann. — An diese
Enthüllungen reiht sich das Memoirenwerk „Gute Kameraden"447), das hier schon
früher besprochen wurde, woraus die interessanten Mitteilungen über Anzengruber,
Anastasius Grün, Berth. Auerbach, Friedr. Schlögl, F. Kürnberger, Rudolf Falb und
die Schauspielerin Josefine Gallmeyer hervorzuheben sind. — Recht persönlich
in der gewohnten Art schildert der Dichter heimatliche und fremde Erlebnisse und
Eindrücke in 44 zu einem Buche zusammengefassten Aufsätzen448). — Seine Werke
erfreuen sich einer ungeteilt freundlichen Aufnahme449 45'2). — Wie wenig Kenntnis
die Kirchliche Monatsschrift453) von Roseggers Leben und seinen Schriften hat,
beweist nicht blos der Umstand, dass sie ihn zu einem Oberösterreicher stempelt,
sondern an einen Wagen mit Zola spannt, um mit dieser Biga über modernen Ma-
terialismus zu triumphieren.454) —
Einen Roseggers Bildungsgang ähnlichen Weg, vom Buchbinder zum
Novellisten, hat der Tiroler M. Stichelberger (1841— 91) zurückgelegt. Schlosser455)
hat die Erinnerung an ihn aufgefrischt. —
In Oesterreichs Herz, in Wiener Blut und Luft, leiten uns die sauber und
geschmackvoll gesammelten Werke Friedr. Schlögls, die Lemmermeyer456) mit
einem instruktiven Vorwort über des Dichters Leben und Streben ausgestattet "hat.
Die drei Bände sind echte Kulturbilder aus dem Volksleben der alten Käiserstadt an
der Donau. Es gehörte zu den letzten Plänen des im J. 1892 verstorbenen Schrift-
stellers, dem ein trauriges Erdenlos beschieden war, seine Werke so vorzulegen, wie
sie nunmehr aus den Händen des Herausgebers hervorgegangen sind. Die Einteilung
in „Wiener Blut", „Wiener Luft" und „Wienerisches" geht auf Schlögls eigenen Willen
zurück. Unverändert und unverkürzt, wie sie der Dichter selbst in den J. 1872,
1875 und 1882 der Lesewelt vorlegte, so erscheinen sie hier wieder. Es sind nur
persönl. Erinnerungen anjt. Hamerling: BFDH. 9, S. 277-83. — 435) H. Grosch, Rosegger als Volkserzieher. (= Samml.
paed. Vortrr. her. v. W. Meyer- Mark au. 6. Bd., 4. Heft.) Bielefeld, Helmich. 1893. 17 S. M. 0,50. |[F. Engel:
BerlTBl. 1893, N.383; Didask. 1893, N. 179 (ahgedr. ans d. BerlBörsCour.)]| — 436) Gedenkschr. an d. 50. Geburtst. P Roseggers.
Her. t. d. Verlagsbuchh. „Leykam". Graz, Leykam. 1893. 111 S. Mit 15 Hl. M. 2,00. JA. Schlossar: BLU. S. 534/5.J|
— 437) X E. Heilborn, P. K. Rosegger. Zu seinem 50. Geburtst.: Nation15. 10, S. 670/3. - 438) X H. Kienzl, P. K.
Rosegger: Geg. 44, S. 149-50. — 439) X Ph Stein, P. K. Rosegger. E. Glückwunsch z. 31. Juli 1893: PeuilletZg. 1893,
N. 473. (Abgedr. u. a. Sammler *. 1S93, N. 90.) — 440) X F- Siking, A. Prasch u. Rosegger: FrauenZg. 1893, K. 4. (Bnr.
über e. Festvortr. d. Mannheimer Hoftheaterintendanten über Roseggers Entwicklungsgang.) — 441) X H. V., Zu Roseggers
50. Geburtst.: NorddAZg. 1893, N. 354. — 442) X F- Engel, D. 50j. Rosegger: BerlTBl. 1893, N. 333. - 443) X L- Salonion,
P. K. Rosegger: IllZg. 101, S. 129-30. -- 444) X Rosegger: Jungdeutschland 3, S. 40/1. - 445) X Medaille /.. Erinn. an d.
Feier d. 50. Geburtst. Roseggers: IllZg. 103, S. 634. — 446) P. K. Rosegger, Meine litt. Flegeljahre: ML. 62, S. 14/5, 27-30. —
447) X H. Klein, Rosegger u. seine Freunde: Lokalanz. (Presse) 1893, N. 83. (Besprech. d. Buches „Gute Kameraden"
[JBL. 1893 IV lc:86J.) — 448) X F- K. Rosegger, Spaziergänge in d. Heimat. Nebst e. Anh.: Ausflüge in d. Fremde. Wien,
Budapest u. L., Hartleben. VII, 432 S M. 4,00. |[A. Schlossar: BLU. S. 531/4; G. G.: COIRW. 22, S. 636.J| — 449) X
G — n, Neues v. Rosegger: NatZg. 1893, N. 225. (Besprech. v. „Allerlei Menschliches".) — 450) X p- K. Roseggers Schriften.
Volksausg. (In 100 Lfgn.) 1/8. Lfg. Wien, Hartleben. 384 S.; S. 1-96. ä M. 0,35. — 451) X id., Peter Mayr, d. Wirt an
d. Mahr. (= N. 450, S. 1-96): Lokalanz. (Presse) 1893, N. 304. — 452 1 X E- Bu(5h für u. v. Rosegger: Presse N. 164. — 453)
Monatsumschau: Zola u. Rosegger, 2 Zeugen wider d. Materialismus: KM. 12, S. 730/3. — 454) X D- Roseggerhetze : Didask.
N. 91. (Aus: NZürchZg.; verteidigt d. Dichter gegen d. Anschuldigung d. Ignoranz, Unaufrichtigkeit, Doppelzüngigkeit, d.
Antisemitismus usw. wegen seines Votums in d. Hoinedenkmal-Frage.) — 455) A. Schlossar, M. Stichelberger: ADB. 36,
S. 165/6. -■ 456) F. Lemmermeyer, Fr. Schlögl, Ges. Schriften. Kleine Kulturbilder aus d. alten Kaiserstadt an d. Donau.
3 Bde. I. Wiener Blut (mit Bildn.); II. Wiener Lust; III. Wienerisches. Wien, Hartleben. 1893. VIII, 356 S.; VIII, 359 S.;
R. Rosenbaum, Epos des 18./ 19. Jahrhunderts. 1893, 1894. IV 3 •. 457-4S4
leise Verschiebungen in der Anordnung- der Aufsätze aus technischen Gründen nötig
gewesen.
Der Wiederkehr von F. von Saars 60. Geburtstag verdanken wir eine Reihe
von Festartikeln, die vielfach an seine neuesten Werke sich angliedern, lieber den
Rahmen der Huldigungen hinaus geht Rü ttenauers457) Würdigung.458"462) —
. F. Kürnbergers nachgelassene Novellen hat Lauser463) herausgegeben,
und Opitz hat im Anschluss an deren lobende Besprechung die Grenzen des Talentes
Kürnbergers, vielleicht ein wenig zu weit, gezogen464"465). —
Der seit langen Jahren in Triest ansässige Thüringer Rud. Baumbach466)
erzählt seine Anfänge. Der Stoff zur Alpensage „Zlatorog" wurde ihm von dem
Triester Professor Wilh. Urbas vermittelt, der damals an einer Landeskunde des
Herzogtums Krain arbeitete. Die Sage handelt von dem weissen goldgekrönten Gems-
bock, der das Alpenparadies der weissen Frau (Rojenice) bewacht und schliesslich
zerstört. Der Schauplatz der Sag'e ist Triglaw (Terglow), der höchste Punkt der
Julischen Alpen. Das Gedicht entstand 1874 — 75 in dem Krainer Bad Veldes. Baum-
bach selbst dankt die weite Verbreitung der Dichtung dem Umstände, dass Josef
Lewin sky sie in sein Vorleseprogramm aufnahm. — Zupitza467) hat in drei Vor-
trägen die Ergebnisse seiner Forschung nach den Quellen einiger Stücke aus Baum-
bachs „Abenteuern und Schwänken" zum besten gegeben, worüber an anderer Stelle
der JBL. ausführlicher berichtet wird. —
Auch der ungarische Dichter Maurus Jökai finde hier ein Plätzchen468"470).
Die Frauen auf unserem Gebiete der Litteratur sind produktiver, als die
Geschichte davon Notiz nimmt. Der Gräfin Hahn-Hahn hatAlinda Jacoby471)
ein novellistisches Lebensbild gewidmet, das richtiger ein Andachtsbuch genannt zu
werden verdiente. In einem Streite der Künstler mit den Historikern dürfte es ihr
ergehen, wie der Fledermaus im Kampfe der Vögel mit den vierfüssigen Tieren. —
Wesentliche Mitteilungen über die Briefe der Annette von Droste-Hüls-
hoff an ihren langjährigen Freund Levin Schücking, von Theo Schücking472)
voll Pietät herausgegeben, sind an anderen Stellen schon früher gemacht worden.
Wir lernen daraus mehr das warme Herz und den liebenswürdigen Humor der
uns heute so ehrwürdig erscheinenden Dame als die geniale Künstlerin kennen.473) —
Gleich anziehend in ihren menschlichen Eigenschaften ist Luise von Fr angois
gewesen. Ihr Tod rief eine Flut von Nekrologen hervor, unter denen die von Hart-
wig474), Marie von Ebner-Eschenbach475"476), Ellinger477), Poppenberg478)
und P. von Szczepaiiski479) jeder in seiner Art Treffliches bieten, teils durch persön-
liche Erinnerungen, teils durch eine feinfühlige Analyse der Werke sich auszeichnend. —
Auf ihnen allen fusst die Monographie von Hedwig Bender480), die mit liebevoller
Versenkung in das Studium der Lebensgeschichte und Schriften ihrer Heldin ein
knappes und dabei vorzügliches Schriftchen geliefert hat. Das herrliche und herzliche
Wesen des alten Fräuleins, ihre freundschaftlichen Beziehungen zu Gustav Freytag,
Marie von Ebner-Eschenbach und Konrad Ferdinand Meyer allein schon sichern der
Vf. der „Letzten Reckenburgerin" ein Plätzchen in der Literaturgeschichte.481-483) —
Eine bescheidene Freundin der Werke der Marie Nathusius hat sich der
Mühe unterzogen, die umfangreiche Lebensbeschreibung, die wir von ihr besitzen, auf
ein handlicheres Mass herabzumindern484). Sie stützt sich dabei vornehmlich auf das
grössere Werk und flicht nur seltener Eigenes ein. Im übrigen lag es in ihrer Absicht,
VIII, 376 S. M. 9,00. |[F. Schnürer: ÖLB1. 2, S. 727; A. Schloss.ir: BLTJ. S. 334 5.J - 457) B. Rüttenauer, F. v. Saar:
BLU. 1S93, S. 769-72. — 458) X R- Lothar, F. v. Saar: NFPr. 1893, 30. Sept — 459) X <*• Schoenaich, F. y. Saar.
Z. 60. Geburtst, : WienTBl 1893,N 270. -460) X F- Zweybrück, F. v. Saar: FrB!*v. i893i jj. 270. - 461) X H Glücks-
mann, F. v. Saar. Zu seinem 60. Geburtst.: Lokalanz. (Presse) 1893, N. 271. _ 4ß2) X K- Pröll, F. v. Saar als Novellist
n. Lyriker: NatZg. 1893, N. 27. — 463) F. Kürnberger, Novellen. Aus d. Nachl. d. Dichters her. v. W. Lauser. St., Dtsch.
Verlagsanst, 1893. V, 315 S. M. 4,00. |[R. Opitz: BLÜ. 1893, S. 451/4.]| — 464) X M. Necker, Wiener Erzähler: NFPr.
N. 10671. (Bespr. Anzengrubers Nachl., d. Gräfin Christiane Thun „Märchen u. Erzählungen11 u. d. „Novellenbucha aus d. Nachl.
F. Nisseis u. Alexander Schindlers [Jul. v. d. Traun].) — 465) X A. Stoessel, Wiener Erzähler: Geg. 45, S. 168-70. (Fr.
Schlögl, V. Chiavacci, Ed. Pötzl u P. Schönthan werden besprochen.) — 466) R. Baurabach, Mein Erstlingswerk: Zlatorog:
DDichtung. 16, S. 2323. — 467) (I 11 : 32.) — 468) X Jökais Leben: UngR. 14, 3. 123/7. (Ausz. aus d. Festschr. d. Petöfiges.,
her. v. L.Nevy.) — 469) X Jökaijubil.: ib. S. 101-23. (Nach d. Ber. d. „Pester Lloyd" v. 7. Jan. 1894.) - 470) X *>• 100000 Gulden
M. Jökais: FZg. N. 343. (Nach d. Pester Lloyd.) — 471) Alinda Jacoby, Ida Gräfin Hahn-Hahn. Novellist. Lebensbild.
Mit Bild. Mainz, F. Kirchheim. 224 S. M. 3,00. |[S. Ch.: Kath. 2, S. 3802; StML. 47, S. 621/2; H. Keiter: LIIw. 33. S. 360/l.]|
— 472) Briefe v. Annette v. Droste-Hülshoff u. L. Schücking, her. v. Theo Schücking. L., Grunow. 1893. XI, 362 S. M.4,00.
|[Betty Paoli: AZg«. N. 25; Th. Wolff: Zeitgeist 1893, N. 48.] | (JBL. 1893 IV lc:74; 2b: 81.) — 473) X Annette
v. Droste-Hülshoff, D. Spiritus familiaris d. Rosstäuschers. D. Hospiz auf d. Grossen St. Bernhardt. D. Arztes Vermächtnis.
Mit Einl. v. F. Lemmermeyer. (= Volksbibl. für Kunst u. Wissensch., her. v. R. Bergner. N. 11. Abt. für Lyrik u.
Epik. Heft 3.1 L., Brückner. .12°. 102 S. M. 0,30. — 474) O. Hartwig, Z. Erinn. an Luise v. Francois: DRs. 77, S. 456-61.
— 475) Marie v. Ebner-Eschenbach, Luise v. Francois. ErinnerungsMl. : VelhKlasMh. 1893-94: 2, S. 18-30. — 476)
id., Luise v. Francois: NFPr. N. 10597. — 477) G. Ellinger, Luise v. Francois: Nation11. 11, S. 59-61. — 478) F. Poppen-
berg, D. letzte Reckenburgerin: ML. 62, S. 644/5. — 479) P. v. Szczepanski, Luise v. Francois: Daheim 1893, N. 30. —
480) Hedwig Bender, Luise v. Francois. (= SGWV. N. 208.) Hamburg, Verlagsanst. 36 S. M. 0,80. — 481) X Clotilde
v. Schwartzkoppen, Luise v. Francois: Vom Fels z. Meer 2, S. 193/8. — 482) X Emma Lauter-Richter, Luise
v. Francois: ÜL&M. 71, S. 98. — 483) X Luise v. Francois: IllZg. 101, S. 453. — 484) Marie Nathusius. E. Lebensbild. In
IV 3:485-513 R. Rosenbaum, Epos des 18./19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
mehr die Frau, Mutter und gottergebene Christin als die Schriftstellerin zu schildern,
und deshalb fiel das bezügliche 13. Kapitel unendlich mager und unergiebig aus. Das
Ganze will, wie ein Recensent richtig bemerkt, mehr ein Beitrag zur Geschichte des
deutschen Pfarrhauses als zur deutschen Literaturgeschichte sein. Die frommen Er-
zählungen haben noch immer ein grosses Publikum, wie man aus den zahlreichen
Drucken ersieht.485 49°) —
Der ADB. verdanken wir eine Reihe ausführlicherer oder kürzerer Charak-
teristiken, deren Ausführlichkeit allerdings nicht immer im richtigen Verhältnis zu
der Bedeutung der behandelten Person steht. Es wurde dargestellt Fanny Lewald-
Stahr durch Henriette Gold Schmidt491"492) in einem wenig anziehenden Artikel,
an dem ein gewisser Atavismus des Stiles sich unangenehm bemerkbar macht,
Franziska von Stengel durch Brummer493), Lucie Henriette von Suhr durch
Carstens494), Wilhelmine von Sydow durch Mendheim495), Fanny von Tarnow
und Franziska von Tauffkirchen ebenfalls durch Mendheim496 497) und die
Oesterreicherin Anna Antonie von Thal er durch Sauer498). —
Aus Pierre Lotis Aufzeichnungen über seine Verehrerin und Uebersetzerin
Carmen Sylva giebt Marie von Glaser499) einen schmalen Auszug. Auch hier
ist es mehr das Ewig -Weibliche als das Geniale, das den Gegenstand der Darstellung
bildet. — Die Werke der Dichterin auf dem Throne erwerben sich durch üebersetzungen
immer mehr Freunde in fremden Ländern500-501). —
An den englisch sprechenden Romanlesern hat auch Ossip Schubin ein
anhänglicheres Publikum als an ihren Landsleuten. Die Kritik allerdings geht mit
ihr strenger ins Gericht, wie eine Besprechung ihrer Gesamtwirksamkeit in der
WestmR. zeigt502"503). — Sie selbst hat in einem wunderlichen, naiven Artikel504)
sich Rechenschaft über ihre himmlische Sendung gegeben. —
Diesen Dienst hat Bertha von Suttner zu ihrem 50. Geburtstage Glücks-
mann505) mit mehr Berechtigung und in glücklicherer Fassung erwiesen. G. schildert
die Jugendzeit der in Prag geborenen Komtesse Kinsky, die mütterlicherseits mit
der Dichterfamilie Körner verwandt ist, ihren Bildungsgang und die wesentlichen
Grundgedanken ihrer litterarischen Bestrebungen, die nicht einzig nach dem tenden-
ziösen Buche „Die Waffen nieder" beurteilt werden dürfen506"'507). —
Diesen Rang aber gesteht man einer anderen Landsmännin, Marie von
Ebner-Eschenbach, anstandslos zu. Ihre gesammelten Werke508) wurden in Nord
und Süd mit einem wahren Enthusiasmus willkommen geheissen, mit einer Begeisterung,
die sich nur mit der vergleichen lässt, die in neuerer Zeit Gottfried Keller entgegen-
rauschte. Der würdigen Dame, die wir nun auch in effigie aus dem der Gesamtaus-
gabe beigegenen Bildnisse kennen lernen, schallte nur ein einstimmiger Ruf der Be-r
wunderung entgegen, als ihr letztes Werk in die Oeffentlichkeit kam, die Erzählung
„Glaubenslos?"509). — Im Anschluss an diese Publikationen zeichnete die unter dem
Namen Julius Kehlheim510) schreibende Landsmännin der Frau von Ebner ein
Miniaturbildchen von der Dichterin, das ihr in allen Zügen gerecht wird. — Auch
Beer510a) hat mit glücklichem Verständnis die „feine gütevolle Ebnersche Ironie"
mit Lupe und Pincette untersucht.511"513) —
neuer Darstell, v. E. G. M. e. Vorw. v. M. v. Nathusius. Gotha, Perthes. VI, 226 S. Mit Portr. M. 4,00. j[Ad. Schroeter:
BLU. S. 293,4; W. Baur: Pfarrhaus 10, S. 79.]j — 485) X id., D. Botenfrau. D. Kassette. D. Sonntag, e. Schule d. Himmels.
Wo wächst der Glücksbaum? 4 Erz. 2. Aufl. Herborn, Nass. Kolportagever. 12'. 179 S. M. 0,60. - 486) X id., Wj wächst
d. Glücksbaum? E. Erz. 2. Aufl. ebda. 12". 71 S. M. 0,25. - 487) X id , D. Botenfrau. E. Erz. 2. Aufl. ebda. 12°.
55 S. M. 0,20. — 488) X id-, Tagebuch e. armen Fräuleins. (= 111. Jngendbibl. her v. Th. Weylen. 6. Bdch.) Hamburg
u. B., Bruer & Co. 92 S. M. 0,25. — 489) X id., Martha, d. Stiefmutter. Marie. 2 Dorfgesch. Bearb. t. Ad. Martin.
L., Werther. 12°. 62 S. M. 0,75. — 490) X D- Babkerott. V. Marie Nathusius, bearb. v. H. v. Wegern. ebda.
12°. 48 S. M. 0.75. — 491) Henriette Goldschmidt, Fanny Lewald-Stahr: ADB. 35, S. 406-11. - 492) X Fanny
Lewald, The mask of beauty. Transl. by Mary M. Pleasants. 111. New- York, R. Bonners Sons. 16°. IV, 340 S. Doli. 1,00.
— 493) F. Brummer, Franziska v. Stengel: ADB.36.S.48. — 494) C. E. Carstens, Lucie Henriette v.Sahr: ib. 37, S. 139.
- 495) M. Mendheim, Wil'.clmine Friederike Karoline v. Sydow: ib. S. 282. — 496) id., Fanny Tarnow: ib. S. 399-402. -
497) id., Franziska Gräfin v. Tauffkirchen Engelburg: ib. S. 453. — 498) A. S[auer], Anna Antonie Thaler: ib. S. 644. —
499) Marie v. Glaser, D. Verbannte. (Pierre Loti über Carmen Sylva): FrauenZg N. 13. — 500) X Carmen Sylva, La
servitude de Pelesch, conte autobiograph. Trad. de l'all. par L. Bachelin et J. Brun avec une introd. et un comment.
(= Bibl. contemp.) Paris, Lemerre. 173 S. Fr. 3,50. - 501) X Carmen Sylva, Da due sfere. Romanzo. Trad. autor. di
L. Cerrachini ed E. Tafel. Firenze, G. Civelli. 4". 185 S. L. 4,00. — 502) The novels of Ossip Schubin. ( JBL. 1893
IV ld:53): WestmR. 140, S. 653-61. — 503IX Ossip Schubin, Leafless spring, a novel, from the German by Mary J. S äff o rd.
Philadelphia. 12°. Sh. 6. — 504) id., Mein Erstling: „Niklas Z.u: DDichtung. 15, B. 12/3. — 505) H. Glücksmann, Bertha
v. Suttner. Zu ihrem Geburtst.: Presse 1893, N. 157. — 506) X P- Robran, Bertha v. Suttner: Frau 1, S. 653/8. — 507) X
Bertha v. Suttner, Lay down your arms. Autobiogr. 2. ed. London, Longman. Sh. 16. — 508) Marie v. Ebner-Eschen-
bach, Ges. Schriften. 1.-6. Bd. (Auoh in Lfg.) B., Gebr. Paetel. 1893. 219, 405, 408, 483, 307, 294 S. Mit Bild. M. 21,00. irKrich
Schmidt: DRs. 77, S. 155/7; K. Pröll: DWB1. S. 132; K. J.: N&S. 67, S. 415; P. v. Szcz.epai.ski: VelhKlasMh. 1893: 1,
S. 474/5; WIDM. 73, S. 570; J. R.: LZg«. 1893, N. 123.]| (Vgl. JBL. 1892 IV 3:218.) - 509) X id.. Glaubenslos? Erz. ebda.
1893. 221 S. M. 3,00. |[M. Necker: BLU. 1893, S. 737-40; Geg. 45, S. 271; 11. L : Frau 1, S.344; M Necker: NFPr. 1893,
3. Nov.; z. k. 1.: Lokalanz. (Presse) 1893, N. 283.JI — 510) J Kehl heim, Marie v. Ebner-Eschenbach. E. litt. Stud.:
Bohemia 1893, N. 71. — 510a) L. Beer, E. iron. Schriftstellerin: Nation«. 11, S. 8153/6. — 511) X M»rie v. Ebner-Eschen-
bach, Lotti, d. Uhrmacherin. Erz. 3. Aufl. B., Gebr. Paetel. 217 S. M. 4,00. — 512) X id > Two Countesses. Transl. by
Mrs. Waugh. London, Unwin. Sh. 1/6. — 513) X id-, Bozena: racconto. Traduz. di E. Tafel e L. Ceracchini. Firenze.
R. Rosenbaum, Epos des 18./ 19. Jahrhunderts. 1893, 1894. IV 3 : 5i4-56ia
Was sonst noch an epischer Litteratur von Frauen produziert oder vom
Publikum begehrt wird, von der Marlitt bis zu der hinter dem Pseudonym
Adalbert Meinhardt sich verbergenden Jüngsten mag aus der Zusammenstellung
der entsprechenden Bibliographie in den Anmerkungen ersehen werden514"549). —
Eine zusammenfassende Darstellung der modernen Richtung ist von keiner
Seite versucht worden. Im folgenden soll auch mehr durch eine Zusammentragung
des Materials als durch weitläufige Beschreibung ein Ueberblick über die Lage ge-
geben werden. Das „Sammelbuch moderner Prosadichtung", das Flaischlen550) unter
dem Titel „Neuland" herausgab, begegnete recht geteilter Aufnahme. Es ist vor
allem ganz unmöglich, auf so beschränktem Räume den einzelnen Elementen zu
gewähren, dass sie sich frei entfalten. Durch eine ad hoc verfasste Skizze wird
niemand sein Licht ganz leuchten lassen können. —
Der Vergötterung Heinz Tovotes durch Schettler551), der uns sogar schon
Citate aus den Briefen des Dichters darbietet, tritt Harlan552) mit Ueberlegenheit und
Ironie entgegen, die ganze Sorglosigkeit und monotone Wiederholung ihrer selbst an
den Modernen hervorhebend. Auch Ompteda wird bei dieser Gelegenheit wacker
durchgehechelt. —
Hermann Sudermann als Erzähler erscheint Poppenberg553) als die Ver-
einigung des Besten, was war und was ist. Denn er schreibt ihm die Vorzüge der alten
Schule insgesamt zu und erhebt sie durch den Hinweis auf die „eminent plastisch-drama-
tische Technik" auf das Piedestal des Ungeahnten. Der Grundsatz dürfte nicht allgemeine
Anerkennung finden, dass in der modernen Epik das Erzählen durch das Darstellen
abgelöst werden solle, schon aus dem Grunde nicht, weil die ohnehin fliessende Grenze
bei extremer Beachtung dieses Axioms schliesslich ganz verwischt würde.554-558) —
Ludwig Fulda als Novellist muss sich von Necker559) recht väterliche
Ratschläge erteilen lassen, die darin gipfeln, er möge seine Finger von der modernen
Art lassen; dazu sei er nicht veranlagt. —
Eine ähnliche Tendenz durchzieht die Auseinandersetzungen, in denen Ger-
hart Hauptmann als Erzähler von Keinpe560) behandelt wird. K. findet so gar nichts
ausgesprochen Modernes in Hauptmanns Novellen, dass er nicht übel Lust hat, ihn
von einer weiteren Gemeinschaft mit seinen Gesinnungsgenossen zu warnen.561) —
Max Nordaus Weizen beginnt auf fremden Fluren zu blühen. Besonders
der französische Uebersetzer seiner „Gefühlskomödie" nimmt ihn als Fleisch von
Le Monnier. 16°. 278 S. L. 2,50. — 514) X Elise Marlitt, Romane. 2. Aufl. In Lfgn. L., Keil, ä 3-4 Bogen, ä M. 0,30. —
515) X Marie Sophie Schwartz, Romane. 111. Ausg. In Lfgn. Wien, Bondy. ä 3-4 Bogen, ä M. 0,40. — 516) X Karoline
Pionier, Ausgew. Erz. Her. v. A. Petersdorf. 4 Bde. B., J. Gnadenfeld & Co. 12°. XXIII, 252 S.; III, 217 S.; 111,261 S.;
III, 278 S. je M. 2,50. — 517) X id., D. schwarze Fritz. Novelle. D. Badeaufenthalt. Erz. in Briefen. (= Allg. Volksbibl.
N. 27/9.) Neusalza, Oeser. 56, 74 S. M. 0,30. - 518) X »• K., Karoline Pichler: WienTBI. 1893, N. 186. — 519) X Elise
Werners ges. Romane n. Novellen. 111. Ausg. In 75 Lfgn. L„ Keil, ä 3-4 Bogen, ä M. 0,40. — 520) X eaa-, Fiamme,
racconto. Trad. dal tedesco della sign. Gio vanna Denti. 4. ed. (= Bibl. amena ad una lira il volume N. 390.) Mailand,
Frat. Treves. 328 S. L. 1,00. — 521) X Marie v. Olfers, Erz. Weimar, Felber. 1893. III, 421 S. M. 6,00. |[R. Friedrich:
BLU. 1893, S. 759; H. Keiter: LHw. 33, S. 360,1; K. Fr.: NatZg. 1893, N. 151.]| - 522) X Ottilie Wildermuths ges. Werke.
Her. v. ihrer Tochter Adelheid Wildermut h. 111. v. F. Bergen. In Lfgn. St., Union. 1893. ä 3 Bogen, ä M. 0,40.
|[E. N.: ThLBl. 14, S. 256; H. E. v. B.: AZgB. 1893, N. 294; Quell wasser 18, S. 826.] [ — 523) X W. Heiraburg, Ges.
Romane u. Novellen. Mit 111. In Lfgn. L, E. Keils Nchf. ä 3-4 Bogen, ä M. 0,40. — 524) X MU •*■ f^tal misunderstanding
and other stories. Transl. New-York, Worthington. Doli. 1,25. — 525) X Gods will. By Ilse Frapan. Transl. by Helen A. Macdonell.
London, Fisher Unwin. 1893. Sh. 1/6. |[J. Stanley Little: Ac. 44, S. 436.]] — 526) X E. D., Erzählerinnen. (Ilse Frapan,
Klara Eysell, Olga Wohlbrück) : DDichtnng. 15, S. 151/2. — 527) X Elise Polko. (Z. Feier ihres 70. Geburtst. ) : VossZg. 1892,
N. 51. — 528) X Wa Boy-Ed, „E. Kind". L„ Reissner. 1893. 122 S. M. 2,00. |[K. Pro 11: DWB1. 6, S. 132.] | — 529) X
Anna Emmorich-Müller, E. dtsch. Dichterheim: NorddAZgB. 1893, N. 30/1. (üeber Luise Mahlbach.) — 530) X E- Luise
Mühlbach- Erinn. : Didask. 1893, N. 212. — 531) X E. Brummer, Margareta Spörlin: ADB. 35, S. 277. — 532) X Eckert
(Pfarrer u. Rektor), E. evang. Volksschriftstellerin (Johanna Spyri): DEKZ. 7, S. 343-50, 363/4. — 533) X M- Neck er, Ada
Christen: AZgB. 1893, N. 30. — 534) X Emmy v. Dincklage: FrauenZg. N. 1. (Abdr. aus Ad. Briegers Kritik in BLU.) —
535) X Jiüe Ludwig: Gartenlaube S. 772. — 536) X E. Mauthner, Sara Kainz-Hutzler: NationB. 10, S. 606/8. — 537) X
Emma Wutke- Biller: IllZg. 100, S. 324. — 538) X Emilie Ringseis, D. Königin Lied. (JBL. 1892 IV 3: 148): HPB11. 112.
S. 619-21. — 539) X Luise Westkirch, 6 Novellen aus d. Alltagsleben: Rauch. (B., Alex. Duncker. 1893. 276 S. M. 3,00):
DWB1.6, S. 132. — 540) X Th. v. Sosnosky, E. Marriot: BLU. S. 116,8. — 541) X ß- Steiner, Mod. Dichtung: FrauenZg.
N. 6. (Abdr. aus d. LMerkur.) — 542) X Ueber Luise Otto: BURS. 63, S. 414/5. — 543) X Alma Croissant-Rust :
FrauenZg. N. 1. — 544) X Etwas Erzählungslitt. : Anna Croissant-Rnst, Feierabend n. andere Münchener Geschichten. München,
Dr. E. Albert. 146 S. M. 2,00. |[Ed. Bernstein: NZ^t. 112, S# 268-70.] | — 545) X Louisa Pichler, Daughter of Rorae, a
romance of the fatherland. L., Digby & L. Sh. 3/6. (Luise Pichler ist d. Pseudonym für Luise Zeller.) — 546) X Otto
Vorbeck, Erzählerinnen: Frieda v. Bnlow, Goswina v. Berlepsch, S. Melnec (= Clementine Böttger), Ulrich Frank (= Ulla
Wolff): DDichtnng. 14, S. 179-80. — 547) X E. Roeder, Litt. Streifzüge. IV.: Ossip Schubin, Bertha v. Suttner, Frieda Nier,
Joachim v. Dürow, Margarethe Marie v. Oertzen, Ida Boy-Ed: Didask. N. 200. — 548) X H- Conrad, Ad. Meinhardt: NatZg.
N. 80. — 549) X Ad. Meinhardt, „Heinz Kirchner". Aus d. Briefen e. Mutter an ihre Mutter. B., Gebr. Paetel. 1893. 178 S.
M. 3,00. |[Frau 1, S. 345.]| — 550) (IV la:16.) ([KonsMschr. S. 665,6.]| - 551) P. Schettler, H. Tovote: Ges. 1893,
S. 290/5. — 552) W. Harlan, 2 Realisten (Ompteda u. Tovote): ib. S. 764,9. — 553) F. Poppenberg, Sndermanns
Roman: ML. 63, S. 1601/6. - 554) X Sudermann als Erzähler: WZg. 1893, 23. Jan. — 555) X H- Sudermann, Es war. St.,
Cotta. 582 S. M. 5,00. |[NWienTBl. N. 328.][ - 556) X The wish by H. Sudermann. Transl. by Miss Lily Henkel. London, Fisher
Unwin. Sh. 6. |[W. Sharp: Ac. 46, S. 608.] | — 557) X VV. Sudermann, La fata del dolore; romanzo trad. da E. Tafel e
L. Cerracchini. Mailand, M. Kantorowicz. 277 S. L. 1,00. — 558) X L- Wolfgang, H. Sudermann: NedSpect. S. 178.
— 559) M. Necker, L. Fulda als Novellist: BLU. S. 49-51. — 560.) W. Kempe, G. Hauptmann als Novellist: DWB1. 7,
S. 10/2. — 561) X E. B., 2 Novellen G. Hauptmanns: NZSt. ni, s. 107-12. — 561a) X M- Nordau, Comedie du sentiment.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (4)16?
IV 3 : 56U-616 R. Rosenbaum, Epos des 18./ 19. Jahrhunderts. 1893, 1894.
seinem Fleische für seine Landsleute in einer grossspurigen Einleitung in An-
spruch561a"563). —
Setzt sich für Herrn. Bahr „und seine Bücherei" Hollaender564) mit bestem
Können ein, ihn einfach für ein Original erklärend, so bietet Karl Kraus565) all sein
Können auf, um uns Bahr „überwinden" zu helfen; der Ton allerdings, in dem er
sich abmüht, dürfte ihm wenig Beifall bei vornehm denkenden Litteraten einbringen. —
Auf die gewaltige Produktion im Bereiche der epischen Dichtung gerade
in den letzten Jahren und deren parteiliche Kritik sei durch die folgenden Noten
hingewiesen.566-616) —
Trad. de l'alleroand avec une lettre-pref. par A. Dietrich. Paris, Westhauser. 1892. LIII, 345 S. Fr. 3,50. — 562) X
id., La coruinedia del sentimento, romanzo trad. da Camillo Antona-Trarersi. Mailand, Max Kantorowicz. 21S S. L. 3,50.
— 563) X id.. Analisi d'anime: novelle. ebda. 16". 208 S. L. 2,00. — 564) F. Hollaender, V. H. Bahr u. seiner Bücherei :
FrB. 41, S. 82/9. — 565) K. Kraus, Z. Ueberwindung d. H. Bahr: Ges. 1893, S. 627-36. — 566) X D- m<>d- Litt, in biogr.
Einzeldarstell. 2 Bde. Mit je 3 Bild. 1. K. Frenzel, A. Glaser, H. Heiberg. 2. K. Bleibtreu, D. v. Liliencron, W. Walloth.
L., W. Friedrieb. IU, 55, 58, 80 S.; III, 121, 111, 103 S. M. 2,00. (Vgl. JBL. 1891 IV 3:233, 235/8; 1892 IV 3:221.) -
567) X V- Romanmarkt u. d. Noyellenbörse : Grenzb. 4, S. 127-35,269-77,461-72. — 568) X E- Roeder, Litt. Streifzüge. III.:
Didask. N. 89. — 569) X Ed. Bernstein, Etwas Erzählungslitt. (G. H. Schneideck, Im Osten Berlins. G. Landauer, D.
Todesprediger. Franz Wolff, Welke Blätter): NZSt. fl« S. 260-70. — 570) X E. Servaes, Dtsch. Erzählungskunst. E. Jahres-
schau: ML. 62, S. 716-20, 731/5. — 571) X E. Poppenberg u. E. Heilborn, 2 Generationen im Roman: ib. 63, S. 1192/9,
1223,8. — 572) X H- Conrad, Neue erzählende Dichtungen: DWB1. 6, S. 330/2. — 573) X R- v- Gottschall, Neue Romane:
AZgB. 1893, N. 26. — 574) X L- Salomon, Neuere dtsch. Erzähler: IUZg. 100, S. 176/7. — 575) X p- v- Szczepanski,
Neues v. Büchortisch: VelhKlasMh. 1892—93: 1, S. 123 7. — 576) X id., Neues v. Büchertisch: ib. 1893-94: 1, S. 121/6. —
577) X K- v- Thaler, Neue Romane u. Novellen: NFPr. 1893, 13. u. 15. Apr. — 578) X id., Neue Romane u. Novellen: ib.
1. Juli. — 579) X Recent german fiction: Blackwoods Mag. 149, S. 45-71. (Behandelt: Ebers, Voss, Ebner-Eschenbach,
Bauer, Franzos, Hillern, Wyl.) — 580) X Dass.: ib. 153, S. 87-108. (Behandelt: Heyse, Hauptmann usw.) — 581) X L- van
Heemstede [Leo TepeJ, Neuere kath. Dichtungen: LRs. 20, 8.14. — 582) X H. Reiter, Neue ep. Dichtungen: LHw. 33,
S. 114/9. (A. Schäle, J. Seeber, K. Macke.) — 583) X Dagobert v. Amyntor (Gerh. v. Amyntor), D. Skizzenbnch meines
Lebens. 1. T. (JBL. 1893 IV 1 c : 64.) |[Z.: AMZg. 68, S.233; Ad. Bartels: Didask. 1893, N.207; J. K(astan): BerlTBl. 1893,
N. 331.]| — 584) X Herr K- Bleibtreu als Abschreiber: Grenzb. 53: 1, S. 153/4. — 585) X K- Domanig, Kleine Erz. Mit
Zeichnungen v. Ph. Schumacher. Innsbruck, Wagner. 1893. 131 S. M. 2,00. |[Kath. 1, S. 575.]| — 586) X A- Dove, Caracosa.
Ilist. Roman aus d. 13. Jh. 2 Bde. St., Cotta. 399, 380 S. M. 10,00. |[Ed. Lange: BLU. S. 195/8; G. Egelhaaf: DWB1. 7,
S. 347/8.]| — 587) X E. Eckstein, Lisa Toscanella. Novelle. In stenogr. Schrift übertr. u. autogr. v. Ad. Schöttner.
(= Reuters Bibl. für Gabelsberger Stenogr. Bd. 24.) Dresden, W. Reuter. 49 S. M. 0,90. (Vgl. I 3 : 11.) — 588) X id.,
Monk of the Aventine. Transl. by Helen Hunt-Johnsso n. Boston, Roberts Broth. II, 196 S. Sh. 4,6. — 589) X Ed.
Engel, I and It and other stories. Autor, transl. by C. B. London, Norgate & Co. 75 S. Sh. 1. — 590) X 0. S[chultz],
G. Engel. (D. Hungerdorf. Novelle. [2. Aufl. B., Bibliogr. Bur. 102 S. M. 1,00]; Zauberin Circe. Berliner Liebesroman.
[5. Aufl. ebda. 276 S. M. 3,00]): Quellwasser 18, S. 750. — 591) X G. Falke: Ges. 1893, S. 570/3. — 592) XE. Gerstaecker,
Euch for himself. London, Routledge. Sh. 2. — 593) X E. W. Hackländer, Caserne alleraande. (= Chefs d'oeuvre du siecle
ill. N. 57.) Paris, libr. 111. 1893. 16°. 96 S. Avec grav. Fr. 0,50. — 594) X •• h» E. Volksdichter (H. Hansjakob) :
DDichtung. 13, S. 226/7. - 595) X H- Heibergs ges. Werke. In 80 Lfgn. L., W. Friedrich, ä 3 Bogen, ä M. 0,40. |[0. W. :
N&S. 71, S. 291.]] — 596) X M. Hobrecht, Luther auf d. Wartburg 1530. Frankfurt a. M., Mahlau & Waldschmidt. 1893.
54 S. M. 1,75. |[0. Harnack: PrJbb. 74, S. 552/3.] | — 597) X Ad. Bartels, Bücher u. Menschen. 21. Heinr. Hoffmann-
Donner: Didask. N. 229-30. — 598) X A. W. Ernst, G. Kastropp: Geg. 42, S. 121/3. — 599) X E. Gr., D. Trauerspiel d.
Romanciers: FrBlW. 1893, N. 45. (Meissner u. Hederich.) — 600) X °- Harnack, H. Kruse, D. kleine Odyssee. E. Seegesch.
L., Hirzel. 1892. VII, 149 S. M. 2,00. ||PrJbb.74, S. 551/2.]] — 601) X 0. Lyon, Erzählungen. (= Modern german series.)
London, Rivington. Sh. 0/9. — 602) X L. Ewers, Mauthner als Romancier: ML. 63, S. 1473-80. — 603) X E. Neubürger,
J. J. Mohr: Didask. N. 25. — 604) X F. SerVaes, W. v. Polenz: ML. 62, S. 377 9. — 605) X Briefe v. 0. v. Redwitz,
mitget. v. K. v. Thaler: AZgB. N. 25/7. — 606) X A. Baron Roberts, Lou. From the German by Jessie Haynes. (^Inter-
national library.) London, Heinemann. Sh. 2,6. — 607) X J- H. Mackay, D. Anarchisten. B., Harnisch & Co. 1893.
XVI, 285 S. M. 2,00. |[0. Harnack: PrJbb. 74, S. 553,4; Grenzb. 4, S. 95/6.]| — 608) X H. Schaumbergers ges. Werke.
9. Bd. Aus d. Mappe d. Verstorbenen. Kleinere Erzählungen, Aufsätze u. Briefe. 3. Aufl. Wolfenbüttel, Zwissler.
HI, 206 S. M. 2,00. — 609) X Prince Schönaich-Carolath, Melting snows. Transl. by Margaret Symonds. London,
Niramo. Sh. 5. |[W. Sharp: Ac. 46, S. 508.]| - 610) X S. Seh., K. Spitteler: AZgB. 1893^ fl. 42. — 611) X L- Beer,
E. dtsch. Novellist — e. ital. Novellistin (R. Stratz u. Mathilde Serao): Nation15. 11, S. 139-41. — 612) X Paris u. Berlin
als litt. Hauptstädte. (D. „Roman Parisien" u. d. „Berliner Roman" in ihrer gesch. Entwickl.): StrassbPost. 1893, N. 242. — 613) X
Th. v. Sosnosky , K. Torresani: BLU. S. 161 3. — 614) X °- Weddigens ges. Werke. 4. Bd. Epische u. dramat. Dichtungen. 2. Aufl.
Wiesbaden, Bechtold & Co. VII, 392 S. M. 4,00. — 615) X E. Wiehert, La servante de Grita. Trad. du lithuauien par Louis de
Hessem. (Petite bibl. nniv.) Paris, Fayard. 1892. 160 S. — 616) X E Poppenberg, E. tragikom. Roman (E. v. Wolzogen) :
Nation!*. 11, S. 4967. -
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 1-2
IV, 4
Drama.
Alexander von Weilen.
[Der Bericht über die Erscheinungen des Jahres 1894 wird im sechsten Bande
nachgeliefert.!
IV» 5
Didaktik.
Richard M. Meyer.
Didaktische Litteratur: Gottsched N. 1. — Geliert N. 2. — Haller N. 6. - Creuz, Chr. J. Sucro, Rabener
N. 7. — Zachariä, Thümmel N. 10. — Jean Paul N. 15. — Popularphilosophen: H. S. Reiraarus, J. Moser N. 18. —
Forster N. 22. — Lichtenberg N. 28. — Joh. Jos. Sucro N. 31. — Mendelssohn, Nicolai N. 32. — J. G. Pfranger N. 36. —
J. Tandler N. 38. — H. Lorni N. 40. — Eug. Dühring, H.W. Riehl N. 42. — L. Büchner, E. Haeckel N.49. — Seitenströmungen,
Kultur der Zukunft N. 60. — Uebergang zur Philosophie: Graf Keyserling N. 65. — R. Hamerling N. 67. — Philosophie:
Einleitung, Geschichte der Philosophie N. 68. — Kant N. 83. — J. F. J. Tafel N. 109. — Fichte N. 110. — Joh. Josua Stutzmann
H, 114. — Schelling N. 115. — Hegel N. 118. — G. F. Thaulow N. 125. — F. H. Jacobi N. 127. — K. Chr. F. Krause N. 129. —
Herbart N. 133. — Schopenhauer N. 138. — E. von Hartmann, Ph. Mainlaender, K. Peters N. 151. — Nietzsche N. 153. — L. Fetterbach,
J. Frohschammer, K. L. Michelet, M. Carriere, Rob. Zimmermann, M. Laz irus, Kuno Fischer N. 182. — F. Trenlelenburg, K. Ch. Planck,
G. Teichmöller, H. Lotze, R. Steiner, Gust. Engel, B. Wille, Philosophie der Gegenwart N. 200. — Philosophische Specialgebiete:
Logik, Psychologie N. 215; Aesthetik N. 226: Moralwissenschaft, Ethik, Religionsphilosophie N. 228; Geschichtsphilosophic
N. 238a. — Theologie: Aufgaben in der Gegenwart N. 239. — Lavater N. 240. — Lavaterscher Kreis : J. G. Malier, J. J. Stolz, Bengel,
Mich. Hahn N 240c. — J. A. Tafinger, H. Thiersch N. 244. - A. F. W. Sack, W. A. Teller, Hengstenberg, Tholack, F. H. R. von Frank, D. R.
F. Grau N. 246. — Schleiermacher N. 262. — K. L. A. Sy dow, F. Sander, Mich. Banmgarten N. 267. - G. D. Teutsch N. 271. — F. S. G. Sack,
Leop. Schnitze, L. K. Möller N. 275. — Prediger N. 285 — Historische Richtung: F. Ch. Baur, F. D. Strauss N. 307; A. Ritschi N. 320.
— Reformierte Theologen: K. J. Sudhoff, Krafft N. 338. — F. L. von Bamberg, Dominikus, F. von Schreiber, J. Thaler N. 340. —
Katholische Theologen: J. A. Möhler, A. Theiner, F. Hettinger N. 350. — Jüdische Theologen N. 353. — Historiker:
Niebuhr N. 354. — K. von Schlözer, F. Wilken, Ranke, Döllinger, Moramsen N. 356. — F. GregoroviusN. 366. — A. von Gutschmid,
R. Pauli N. 369. — Politische Historiker: S. Sugenheim, J.Janssen N. 371; Treitschke, H. Banmgarten, W. Maurenbrecher N. 374.
— A. Kluckhohn N. 380. — Lokalhistoriker N. 381. —Philologie: „Dogma vom klassischen Altertum" N.397. — Chr. A. Lobeck,
K. Lehrs N. 398. — A. Nauck, H. Sauppe, W. S. Teuffei N. 399. — Archäologen : Brunn, Curtius, G. L. F. Tafel N. 401a. — Orientalisten :
Dillmann, L Zunz, H. Brugsch N. 410. — D. Massraann, A. Zeune, A. Essenwein, B. ten Brink N. 422. — Romanisten: F. Diez, Karoline
Michaelis N. 426. — Uebersetzer : Joh. und G. Chr. Tobler, G. Thudichum, E. Eckstein, R. Genee N 439. — Kunstlehreund-kritik
N. 445. — Entferntere Disciplinen: Juristen (A. F. J. Thibaut, Ad Exner) N. 471; Nationalökonomen N. 474; Statistik und
Mathematik in der Anwendung N. 487; AerzteN.489; Physik (Helmholtz, H. Hertz) N. 503; Anthropologie, Ethnographie, Botanik,
Astronomie, Stenographie N. 518. — Journali sten: J. Moser, L. Wekhrlin N. 525. — Moralische Wochenschriften N. 530. —
II. P.Sturz, J.D. Symanski.M. Eisner, österreichische Journalisten N. 531. — D. Spitzer N. 540. — Satiriker, Humoristen,
„Pamphletschreiberei" N. 545. — Politiker: Uebersichten N. 551. — Einzelne (E. M. Arndt) N. 560. — Agitatoren:
J. J.Sturz, K. Marx, F. Lassalle, A. von Thadden-Trieglaff, Lothur Bucher N. 567. — Parlamentarier: R. v. Bennigsen, L. Bam-
berger, Graf Caprivi, F. W. Weber, F. Schmeykal N. 582. - W. von Humboldt N. 599. - Paedagogen N. 606. — Zeitkritik
und Volkserziehung: J. G. Hamann, J. Moser N. 621. — F.L.Jahn N. 627. — P. de Lagirde N. 634. — V. Hehn, H. Grimm
N. 639. — M. Stirner N. 650. — B.Wille N. 651. — Friedensbewegung, religiöse und ethische Bewegung N. 655. —
In der Behandlung' der Didaktik des am meisten didaktischen Zeitraums
der Weltliteratur lässt sich als Grundzug auch diesmal eine entschiedene Begünstigung
der Ethik feststellen, wobei die auf Ausbüdung einer persönlichen Vollkommenheit
gerichteten Tendenzen vor denen der socialen und allgemeinen Ethik den Vorzug
erhalten. Ueberall wird mehr die Theorie beachtet als die Praxis, und Scherers Ideal
einer empirischen Ethik scheint den Augen völlig entschwunden zu sein; wenigstens
fehlt es ganz an Monographien in dieser Richtung, und die Psychologie so interessanter
Gestalten wie Geliert oder Porster wird über ihrer rein litterarischen Würdigung ver-
nachlässigt. An Gottsched ist freilich keine Psychologie zu studieren. Dennoch
hat Eug. Wolff1) in seiner, sonst fast nur Kleinigkeiten nachtragenden Recension
des Buches von Reicke eine genauere Würdigung der geistigen Physiognomie des
Mannes (S. 75) vermisst; er selbst sucht durch Andeutungen über Gottscheds Familie
und Mitteilungen aus seiner Umgebung dies Ziel zu fördern. —
Viel feinere und ernstere Probleme als der vierschrötige Orthodoxe der Auf-
klärung bietet Geliert der historischen Auffassung mit seiner Mischung von säch-
sischem Pietismus und französierendem Weltton. Frenzel2) hat sein religiöses Wirken
einer sehr sorgfältig disponierten Untersuchung unterzogen, deren Hauptwert in den
mit grossem Fleisse ausgezogenen Briefstellen liegt. Doch ist auch die Darstellung
von Gellerts theologischer Stellung und besonders die seiner vielseitigen pädagogischen
1) (III 5:75.) |[Eug. Wolff: LBIGRPh. 15, S. 78-80.]| — 2) K. 0. Frenzel, Ueber Gellerts relig. Wirken.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (4)17
IV 5 : 3-9 R. M. Meyer, Didaktik des 18. /19. Jahrhunderts.
Wirkung- nicht ohne Verdienst. Nachdem F. (S. 16) sehr gut ausgeführt, wie Geliert
die theologischen Richtungen seiner Zeit in sich ohne rechte Vermittlung neben
einander hergehen lässt und jede feste Formulierung vermeidet — „man hat den
Eindruck förmlicher Dogmenflucht" (S. 17) — begegnet es ihm aber doch, den dog-
matischen Inhalt seiner Werke zu überschätzen. Tritt uns wirklich ausdrücklich
christliche Ethik entgegen, wenn Amynt lieber die grösste Dürftigkeit erduldet als
sich durch falsches Zeugnis bereichert (S. 38)? Ich sehe nicht, was Mendelssohn oder
Diderot anderes gelehrt haben würden. Nur wo Geliert geistliche Dichtung giebt, sucht er
streng orthodox zu sein, so in dem „Christ", bei dessen hypochondrischer Herstellung'
und Durchprüfung (S. 37) man an Tasso denken muss, wie sich auch sonst merkwürdige
Berührungen zwischen dem Leipziger Professor und dem Höfling von Ferrara zeigen.
Aber in solchen Fällen ist mehr die Gewissenhaftigkeit des Lehrers, der seinen
Schülern nichts Unerlaubtes vorsetzen will, als seine eigene Strenggläubigkeit wirksam;
wie weit er sich von der sonst entfernen konnte, zeigt auch nach des Vf. Urteü die
„Schwedische Gräfin" (S. 40). Die Hauptwirkung lag denn auch nicht sowohl in
Gellerts Bekenntnistreue, als in seiner ganzen Erscheinung (S. 33), in seiner persön-
lichen Fürsorge für die, die ihm näher getreten waren (ein lehrreiches Beispiel seiner
andauernden Bemühung S. 45), in seiner Specialität der brieflichen Seelsorge (S. 53/4).
Hervorzuheben wäre noch gewesen, wie Gellerts Betonung der Gleichheit aller guten
Menschen bei den zaghaften und gedrückten unteren Kreisen zündete; F. selbst bemerkt
mit Recht, wie die Fabeln alle Stände heranziehen (S. 38) — nicht ohne Absicht.
So waren denn nicht bloss seine äusseren Erfolge (S. 46/7), sondern auch die rein
moralischen (S. 57/8) bedeutend, und manchen Renommisten mag .die Sanftmut des
Dulders (S. 35) bekehrt haben (S. 59); bei etwas härteren Gemütern waren die Be-
denken Goethes und seines Gewährsmannes (ib.) doch wohl begreiflich. Beweisen
doch schon die auf Gellerts Namen erfundenen Fälschungen (S. 65), wie leicht die
Leser zu rühren waren; und nur ganz leise erst wagte die Kritik nach seinem Tode
(S. 68) sich hören zu lassen. Auch F. in seinem abschliessenden Urteil (S. 70) lässt
sich den wirklichen Geliert noch vielfach durch die blosse Idealfigur seiner Anhänger
verdecken, obwohl der redlich und schmerzvoll strebende Kämpfer auch der Literatur-
geschichte mehr wert sein sollte als hundert, die nie gefehlt haben. — Schullerus3)
hat in einem gut geschriebenen Volksbüchlein den praeceptor Germaniae viel un-
befangener angeschaut. Wie er den Mut betont, mit dem der schwächliche Mann
offene Anklagen zu erheben wagt (S. 14), so tadelt er auch, sogar übertreibend, die
Einkleidung als „meist misslungen, oft unverantwortlich platt und roh, verständlich
nur aus seiner Zeit, welche durch die Flut von Gelegenheitsgedichten an die aben-
teuerlichsten und albernsten Einkleidungen gewöhnt war" (S. 18).4) Die kulturhistorische
Bedeutung Gellerts, z. B. in seiner Zeichnung der Frauen (S. 17, 24) und der Armen
(S. 29) wird mit Recht angemerkt; nur was dem Kind seiner Zeit von Frivolität an-
haftete, wird (S. 19) auch hier zu sehr weggeläugnet. Der jüngere Geliert, den man
dem gereiften gegenüber leicht übersieht, wird mit geschickter Benutzung einer
Schilderung aus dem „Jüngling" (S. 9) anschaulich porträtiert, der Stil der Fabeln'
(S. 13) gut charakterisiert. Ueberall verdient das Werkchen das Lob, das auch
K ö s t e r ihm zu teil werden lässt, ebenso wie der von Seh. früher veranstalteten
Auswahl5), in der er nur eine Probe von Gellerts Drama vermisst. —
Ungünstig und, wie uns scheint, zu ungünstig' wurde Widmanns6) Buch über
Ha 11 er von Fürst besprochen. Wenn er die Einleitung' tadelt, in der er „eine
Zusammenfassung der prägnantesten Gruppen der Staatsromane" (S. 614) allerdings
erwarten durfte, oder für den Grad der Unabhängigkeit Hallers von seinen Quellen
genauere Angaben wünscht (S. 616), kann man ihm recht geben; dass er aber Engels
„Fürstenspiegel" anders nennen würde, als Widmann ihn genannt hat (S. 617), das
war nicht der Mühe wert in einer Recension hervorzuheben, die für die Vorzüge von
Widmanns Buch keinen Raum hat. —
Von anderen Lehrdichtern sind Creuz durch Bion7), Ch. J. Sucro durch
Pröhle8) behandelt worden. Der letztgenannte Sprössling einer didaktischen Muster-
familie, der noch die Theologen Christophorus und Johann Georg Sucro sowie der
Popularphilosoph Johann Josias (s. u. N. 31) angehören (welch letzterer übrigens
auch selbst Lehrgedichte geschrieben hat), verfasste 1748 einen „Herbst" und eine
„Landlust", deren Verhältnis zu Thomson und Kleist P. nicht feststellen konnte, da
Bautzen, Eeichel. 73 S. M. 1,20. irLZgR. 24. Doc.) (Dass. als Leipz. Diss.) — 3) A. Schullerus, Gellerts Leben u. Werke.
(= Meyers Volksbücher N. 1020.) L., Bibliogr. Inst. 44 S. M. 0,10. |[L. Gorel: Zuschauer 2, S. 129-30.]| — 4) X A. Leitz-
mann, H. Handwerck, Stud. über Gellerts Fabelnstil (JBL. 1891 IV 6:2; 1892 IV 5: lc): LBIGRPh. 15, S. 60. - 5l X *■
Schullerus, Gellerts Dichtungen (JBL. 1891 IV 6:3/4; 1892 IV 5:2; 1893 IV 5 : 5). |[DDichtung. 15, S. 180; A. Köster:
ADA. 20, S. 88.]| — 6) M. Widraann, A. v. Hallers Staatsroraane (JBL. 1893 IV 5:2). ([R. Fürst: Euph. 1, S. 614/8; LCB1.
S. 729; Eich. Friedrich: BLTJ. S. 260/1.] | — 7) U. Bion, Beitrr. z. Kenntn. d. Lebens u. d. Schriften d. Diohters Fr. K.
Kas. t. Creuz. T. 1 u. II. Diss. München. 48 S. — 8) (III 5:82.) — 9) J. Pawel, E. ungedr. Brief Rabeners an Gleira :
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 10-22
sie auf der Berliner Bibliothek fehlen; daneben war er Gelegenheitsdichter aus Not
und Satiriker aus Neigung. — Er leitet uns zu dem typischen Satiriker der Zeit über,
zu Rabener, von dem Pawel9) einen ungedruckten Brief vom Apr. 1747 an Gleim
zum Abdruck bringt, der über das Weggehen aller seiner Leipziger Freunde beweglich
klagt. „Noch vor zehn Jahren hatte ich alle meine Freunde in Leipzig um mich.
Jezo fehlen mir Gärtner, Ebert, Zachariä, Giesecke, Klopstock, Schmidt, der ältere
Schlegel, Cramer und alle diese, die noch leben, sind in Niedersachsen. Ich habe
es nur Gellerts seinem verdorbenen Magen zu danken, dass er in Leipzig bleibt und
sich nicht nach Braunschweig wagt. Spannen sie uns auch etwa Schlegeln ("gemeint
ist Johann Adolf) noch ab, so werde ich bei meiner Einsamkeit auf den verzweifelten
Einfall kommen, mich zu hängen, oder, welches noch widernatürlicher ist, ein
Gottschedianer zu werden." —
Zimmers10) Zachariä wurde von Petzet und Schloesser besprochen; letzterer
findet an der Arbeit ausser in der Ausgabe des „Renommisten" keine grosse Förderung.
— Rosenbaums n-14) Artikel über Thümmel wird dagegen als abschliessend be-
zeichnet werden können. Auf eine knappe Biographie folgt die Würdigung des
Autors, wobei R. auf den bestimmenden Einfluss Mosers (S. 173) hinweist. Ueber
die Lascivität in den „Reisen" urteilt der Biograph ebenso gerecht wie über die
„wertvollen Dokumente echt dichterischer Begeisterung und Bekenntnisse ernsten,
zielbewussten Schaffens" in Thümmels berühmtestem Werke (S. 175). R. hätte viel-
leicht erwähnen können, dass der „etwas plumpe Scherz, einem Mädchen von einem
Ritter statt der Blattern die Liebe einimpfen zu lassen" (S. 175) nur auf der Aus-
führung des Titels zum fünften Bilde der Neuen Heloise Rousseaus beruht, welches
„L'inoculation de l'amour" unterschrieben ist; und er hat in seiner Charakteristik
gerade dieses Gedichts sich etwas zu sehr von dem blumenreichen Stil der Zeit
anstecken lassen. Dafür vermehrt er sein um Kenntnis und Auffassung des Dichters
der „Wilhelmine" erworbenes Verdienst noch durch einen musterhaften Druck der
ersten Ausgabe sowie durch biographische Nachrichten über den Bruder und den
Stiefsohn Moritz Augusts von Thümmel, die beide seine didaktische Neigung teilen,
der ältere in beachtenswerten Aphorismen, der jüngere durch einen schwachen Er-
ziehungsroman. Ueber einen vierten „Dichter" dieses Namens, Hans Adolf, den 1851
in Kassel gestorbenen Oberhofmarschall, bringt R. leider keine Nachricht, und doch
hätte dieser Hofpoet mit seinem „Schatten kühler Denkungsart" und „des Lebens
Unverstand" (die beide ihm wenigstens Büchner geflügelte Worte [18. Aufl., S. 208]
zuschreibt) die von Moritz August zu August Wilhelm herabführende Stufenleiter
so wirksam abschliessen können. —
Jean Paul hat in Joseph Müllers15) unkritischem Lobewerk eine
Verhimmelung erfahren, hinter der Nerrlichs Enthusiasmus (JBL. 1890 IV 3 : 33)
beschämt zurückbleibt. An dem Schriftsteller gesteht er noch gewisse Schwächen
zu, Unfähigkeit zur Charakterdarstellung, zu fester Form, Unsicherheit des Geschmacks;
der Mensch aber ist ihm ganz „durchsichtiger Cherub", und der „breite Erdenbengel",
den sein Bewunderer Vischer in dem hübschen Gedicht auf Jean Paul damit un-
trennbar verbunden sah, wird von M. völlig verflüchtigt. Das liegt auch zum Teil
an der unhistorischen Auffassung, die nirgends fragt, was dem Helden eigen oder
mit Lehrern und Zeitgenossen gemein ist ; die Hauptschuld aber trägt eine leiden-
schaftliche Parteilichkeit, die denn auch auf jeden Gegner mit den verwerflichsten
Waffen einhackt (Schleiermacher S. 107, F. Th. Lange S. 144, Gervinus „ein kritischer
Aasgeier" S. 379, der Spinozismus „die elendeste Form religiösen Empfindens" S. 426).
So bleibt das Buch schliesslich eine systematisch angeordnete Anthologie aus Jean Paul
mit störenden Randnoten des Sammlers.16) — Immerhin durchdringt das Buch ein
aufrichtiger Ernst, den man in Kohuts17) neuestem Fabrikat so sehr wie jede
andere gute Eigenschaft vermisst. —
An der Spitze der deutschen Popularphilosophen stehtHermann Samuel
R eimar us , merk würdig durch seine posthumen Beziehungen zu Männern wie Lessing und
Strauss, in seinem Charakter wie in seiner Schriftstellerei ein Prototyp der Aufklärungs-
periode; als solches zeichnet ihn Geiger18) in einem Säkularartikel 19_2°). — Auch
Justus Moser, der inmitten der Aufklärung so vielfach die Reaktion andeutet, ist
in einem Zeitungsaufsatz21) gefeiert worden; eine kritische Würdigung seiner ganzen
Persönlichkeit lässt immer noch auf sich warten. —
Euph. 1, S. 788-90. — 10) H. Zimmer. Zachariae (JBL. 1893 in 5 : 3S; IV 3 : 6; 5 : lb). |[E. Petzet: ZVLB. 7, S. 2424;
B. Schlösser: LBIGRPh. 15, S. 150,1.]| — 11) R. Bosenbaum, M. A. v. Thümmel: ADB. 38, S. 1717. — 12) id., M. A.
t. Thümmel, Wilhelraine. Abdr. d. 1. Ausg. (1764). (== DLD. N. 48.) St., Göschen. XII, 54 S. M. 1,20. — 13) id., H. W.
v. Thümmel: ADB. 37, S. 176,7. — 14) id., A. W. v. Thümmel: ib. S. 177. — 15) Jos. Müller, Jean Paul u. seine Bedeut.
für d. Gegenw. München, Lüneburg. 436 S. M. 9,00. |[B. M. Meyer: ML. 63, N. 42.]| — 16) X Je»n Paul: HPB1L 114,
S. 624. (Nach N. 15.) — 17) (IV la:27.) |[E. M. Meyer: ML. 63, S. 861; Chrn. Morgenstern: Zuschauer 2, S. 91.]| —
18) L. Geiger, H. S. Reimarus. (Z. 200. Geburtst.): PZg. N. 354. — 19) X E. 1)., H. S. Beimarus: SchwäbKron. N. 300. —
20) X J-. Z. Erinn. an H. S. Beimarus: VossZg. N. 598. — 21) D., Just. Moser: NatZg. N. 10, 18. — 22) (IV 1c : 88h.) —
(4)17*
IV 5:23-34 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
Dagegen ist Forster, Gelehrter, Popularphilosoph und Politiker wie Moser,
im Berichtsjahr vielfach wissenschaftlich behandelt worden. Leitzmann22) hat seine
Brief Veröffentlichungen fortgesetzt. Sein Vortrag über Forster23) wurde von Chuquet,
seine Ausgabe der Briefe und Tagebücher24) sowie die von ihm veranstaltete Aus-
wahl aus Forsters Schriften25) wurden vielfach besprochen und als Ausgangspunkt
für weitere Ausführungen benutzt. R. M. Meyer begann die Briefe und Tagebücher
mit dem daraus entstandenen Meisterwerk der „Ansichten vom Niederrhein" in den
Hauptpunkten zu vergleichen. — Westenberger 26) hat Forster zum hundertsten
Todestag ein etwas deklamatorisches, sonst aber zur Orientierung ganz geeignetes
Gedenkblatt gewidmet, Guglia27) über seinen Aufenthalt in Oesterreich geschrieben. —
Das vortreffliche Buch Laucherts über die schriftstellerische Thätigkeit
Lichtenbergs28) fand verdiente Anerkennung29); nur tadelt Seuffert die Druck-
einrichtung und die Einteilung nach Gattungen und giebt dabei die befremdende
Ansicht zum besten, Lichtenbergs Name gehöre mehr in die Geschichte der Philo-
sophie als in die der schönen Litteratur, „obwohl seine Urteile über die Göttinger
Dichter einen guten Kern haben, obwohl seine Sprache und sein Stil auf Selbständig-
keit und Abhängigkeit von ausländischen Vorbildern untersucht werden müssen".
Mir scheint im Gegenteil, dass dieser Meister deutscher Prosa in der „schönen
Litteratur" einen viel bedeutenderen Platz einnimmt, als man ihm gemeiniglich anweist;
und wenn S. uns auf Lichtenbergs philosophische Schriften hinweist, so ist an seine
Reisebriefe, seine humoristischen und vor allem seine polemischen Aufsätze zu erinnern,
die alle die Geschichte der Litteratur weit mehr angehen als die der Philosophie.
So gut die Franzosen La Rochefoucauld zu ihren Klassikern rechnen, und wir
selbst Schopenhauers litterarische Bedeutung anerkennen, ist auch Lichtenberg in die
erste Reihe unserer „kleinen Klassiker" zu stellen. — Auch Seufferts Recension von
Wilbrandts Auslese30) wird dem Schriftsteller nicht gerecht, während er über den
Herausgeber etwa die Ansicht des Referenten ausspricht. —
Der Popularphilosoph J o h. Jos. S u c r o ist von Pröhie31) gleichsam neu
entdeckt worden, ohne dass dieser doch über die Persönlichkeit viel Sicheres hätte
feststellen können. Mit seinem „Epiktet" soll er „einige Anregungen für Wielands
spätere leichte Behandlung von Stoffen aus dem Gebiete der römisch-griechischen
Philosophie und Geschichte" gegeben haben. Ausser Lehrgedichten und populär-
philosophischen Schriften hinterliess er eine Dankpredigt, die an Gedanken in
Jahns Volkstum erinnern soll.
Von Moses Mendelssohn wird eine Anekdote erzählt32); eine Erlanger
Dissertation von Sander33) behandelt seine Religionsphilosophie. — Dass Friedrich
Nicolai nicht immer der mürrische Alte war, als der er nun fortlebt, hat man oft übersehen;
A 1 1 e n k r ü ge r s34) tüchtige Abhandlung verdient deshalb doppelten Dank. Der
leider bald nach Fertigstellung seiner Dissertation verstorbene Vf. hat mit Fleiss und
Glück Nicolais brieflichen Nachlass durchsucht und dabei auch u. a. Jugend-
arbeiten ein „episch-didaktisches Gedicht in unmöglichen Hexametern zum Preise
Klopstocks" (wie Witkowski sich ausdrückt) entdeckt, welches durch Pyras
„Tempel der wahren Dichtkunst" angeregt war, und „Freundschaftliche Briefe" die
A. dem Muster Gellerts, W. richtiger dem der „Freundschaftlichen Briefe" Gleims
von 1746 zuschiebt. Dazu kommt die „Untersuchung, ob Milton sein Verlorenes
Paradies aus neuen lateinischen Schriftstellern ausgeschrieben habe", die Nicolai als
Erstlingsschrift 1753 selbst herausgab. Das Gedicht hatte sein Bruder Samuel Gottlob,
die Briefe sein Freund Patzke veröffentlicht. Diese Schriften werden nun in licht-
voller Analyse vorgeführt (der Milton S. 2, 32/3; das Gedicht S. 29—30; die Briefe
S. 38/9) und kurz kommentiert. Mit Kapitel III „Briefe über den itzigen
Zustand der schönen Wissenschaften in Deutschland" steuert A. dann schon in Nicolais
Reifezeit hinüber, wobei er (S. 61) eine direkte Mitarbeit Lessings an den Briefen
verneint. Kapitel IV. bespricht die „Bibliothek der schönen Wissenschaften und
freyen Künste", wobei speciell Nicolais vielbesprochene „Abhandlung am Trauerspiele"
(S. 68/9) durchgenommen wird. In echt historischer Weise nimmt A. seinen Stand-
23) (IV lc:88.) (Vgl. auch JBL. 1893 IV 5:31.) — 24) (IV lo:89.) |[Grenzb. 1, S. 354-63; A. Sauer: DLZ. S. 11012;
R. M. Meyer: ADA. 20, S. 311/7.] 1 — 25) G. Forster, Ausgew. kleine Schriften. Her. v. A. Leitzmann. (= DLD. N. 46/7.)
L., Göschen. XX, 165 S. M. 3,00. |[M. K(och): LCB1. S. 1219-20; Max C. P. Schmidt: ASNS. 93, S.344/6; BLU.S.4467;
LZg». N. 82; VossZg. N. 298; A. C(huquet): ECr. 38, S. 319-20.]| — 26) G. Westenberger, G. Forster, e. Gedenkhl. zu
seinem 100. Todest.: LZg«. N. 4. — 27) E. Guglia, G. Forster in Oesterr.: WienZg. N. 718. — 28) X Liepmannsohns Autogr.-
Kat. (u. a. Briefe v. Schopenhauer, Lichtenberg usw.): BerlBörsCour. N. 314. — 29) F. Lauchert, G. Chr. Lichtenbergs schrift-
stellerische Thätigkeit in chronologischer Uebersicht (JBL. 1893 IV 5:26/9). |[Bich. Friedrich: BLTJ. S. 663; A. Sauer:
DLZ. S. 303/4; B. Seuffert: Euph. 1, S 1635 ]| — 30) A. Wilbrandt, Lichtenbergs ausgew. Schriften (JBL. 1893 IV 5:24).
|[B. Seuffert: DLZ. S. 3634; Euph. 1, S. 165/7.J — 31) (III 5:84.) - 32) X P- Clauswitz, Wie Moses Mendelssohn v.
d. Einquartierung befreit wurde: MVGBerlin. S. 120 1. — 33) D. Sander, D. Keligionsphilos. M. Mendelssohns. Diss. Er-
langen. 65 S. — 34) E. Altenkrüger, F. Nicolais Jugendschriften. B., C. Heymann. VII, 113 S. M. 2,00. |[R. M.Meyer:
ML. 63, S. 1497/8; G. Morgenstern: Ges. S. 963; LZg». N. 146; G. Witkowski: ZDPh. 28, S. 407/8.JI (Daraus T. 1 als
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 35-3?
punkt nicht in der Gegenwart, sondern vergleicht das kritische Organ Nicolais mit
zeitgenössischen Journalen, denen gegenüber es einen unzweifelhaften Fortschritt
bedeutet (S. 71). Er verteidigt auch Lessing gegen den Vorwurf, dass er die „Bibliothek"
absichtlich im Stich gelassen habe (S. 75), und sieht hier nur einen neuen Fall von
Lessings leichter Art zu versprechen. In einer Uebersicht der Mitarbeiter (S. 76/7)
widerlegt A. (S. 78) die Behauptung Breitmaiers, Nicolai habe nur wenige Artikel
geliefert : von ihm sind 35 unter 63 Aufsätzen ! Sie sind in der Regel ziemlich milde
('S. 86), aber sie ermüden durch ihre Länge (S. 87). „Nicolais Technik beim Recen-
sieren geht nicht dahin, den Inhalt des Werkes als bekannt vorauszusetzen oder mit
wenigen Strichen knapp zu skizzieren und dann über Form und Stoff Raisonnements
anzustellen. Er sucht den ganzen Inhalt des Buches Seite für Seite breit nachzu-
erzählen" (S. 59). Urteile über die Bibliothek (S. 51/2: „Sie werden unser Addison
sein", prophezeit Ewald) leiten zu Kapitel V. „Anteil an den Briefen, die neueste
Litteratur betreffend" über, von denen Nicolai etwas mehr als ein Fünftel von
335 Nummern (S. 98) verfasst hat. Er spricht sich hier auch über die Pflichten
eines Recensenten (im 243. Briefe) aus. „Er hält es nicht nur für ein Recht des
Kunstrichters, sondern für seine unabweisbare Pflicht, gegen die Mode der „seichten
Afterhöflichkeit" aufzutreten, bei der Beurteilung einer Schrift durch die sociale
Stellung des Vf. sich nicht den Meisterstab aus den Händen winden zu lassen und
jeder Würde ungescheut zu widersprechen. Wie in anderen Ländern, die sich des
Vorzuges einer politischen und litterarischen Hauptstadt erfreuten, in den Gesell-
schaften ein jeder freimütig und ungeheuchelt rede, ebenso müsse in Deutschland
geschrieben werden. Es sei die Pflicht eines aufrichtigen, es mit der Litteratur
ehrlich meinenden Kritikers, die Wahrheit frei heraus zu sagen. Es entstände in
der Provinz ein schiefes Bild von dem litterarischen Leben, wenn nichts bedeutende
Worte an die Stelle freimütiger Beurteilungen träten und mittelmässige Schriften in
den Himmel gehoben würden. Seine Meinung sei nicht etwa die allein massgebende
und richtige; er habe lediglich die Absicht, den denkenden Leser „auf weitere Aus-
sichten zu führen", ohne ihm durch Komplimente Staub in die Augen zu streuen" (S. 39).
Auch er gab nicht Regeln und Abgeschlossenes, sondern nur „fermenta cognitionis." —
Ellin gers35) Ausgabe der „Briefe über den itzigen Zustand der schönen Wissen-
schaften in Deutschland" hat allgemeinen Dank geerntet, und Witkowski hebt mit
Recht hervor, wie die Einleitung Altenkrügers Schrift ergänzt. Sie beleuchtet das
Verhältnis Nicolais zu den litterarischen Parteien seiner Zeit und weist in der „Samm-
lung vermischter Briefe" des Prof. Joh. Chr. Stockhausen in Helmstädt (S. 131)
einen Vorgänger für Nicolais Scheidung zwischen „Messias" und „Noah" nach,
während in den Ausführungen über die französische Vorherrschaft Nicolai selbst als
Vorläufer Lessings erscheint (S. X). Dieser hat aber sonst auf die Briefe übermächtig
eingewirkt (^S. XI); eine direkte Mitarbeit aber bestreitet auch E.) Eine Anzahl von
Bemerkungen (S. XV) hebt vortrefflich das der Erklärung Bedürftige hervor; dann
folgt (S. XXV) ein Textbericht mit interessanten Ausführungen über die Interpunktion
Nicolais und seiner Zeitgenossen (S. XXVI). —
Neben Lessings intimsten Mitarbeitern ist einer seiner Gegner behandelt
worden: J. G. Pfranger, der Autor des „Mönchs vom Libanon." Albrecht36"37)
hat ihm eine sorgfältige und ergebnisreiche Abhandlung gewidmet. Er schickt eine
Lebensgeschichte des Hofpredigers von Meiningen voraus und bestimmt dabei seine
dogmatische Stellung als eine ähnlich gemischte, wie wir die Gellerts finden: „Als
Theolog gehörte Pfrang'er, der Schüler Walchs, zu denjenigen Männern, welche, frei
von den Verirrungen und Einseitigkeiten der orthodoxen, pietistischen und rationa-
listischen Schulen, die Vorzüge der drei in sich vereinten: lutherische Recht-
gläubigkeit und freisinnige Forschung, Gelehrsamkeit und religiöse Innigkeit,
entschiedenes Bekenntnis und schonende Milde gegen anders Denkende. So
erklärt sich seine Vorliebe für des Wandsbecker Boten heüige Einfalt und
für Herders Schriften mit ihrer Begeisterung für die erhabene Poesie der Bibel,
so sein Wohlgefallen an Döderleins Dogmatik mit ihrem Supranaturalismus,
so seine Beschäftigung mit der Kantschen Philosophie und ihrem auf Moral
basierenden Inhalte" (S. 7). Diesem Standpunkt entspricht denn auch der des „Mönchs
vom Libanon", den A. (S.9— 10) analysiert, bespricht (die Veränderungen der zweiten
Auflage S. 13) und würdigt (S. 14). Aehnlich wie Wackernagel in seinem bekannten
Vortrag findet Pfranger Lessings Zeichnung der drei Religions Vertreter ungerecht
und schildert deshalb in seinem Mönch einen rechten Christen (S. 16) nach seiner
Auffassung und nicht ohne Züge von seinem eigenen Wesen (S. 14). Er bekämpft
Berl. Diss. 49 S.) — 35) Nicolai, Briefe üb. d. jetz. Zustand d. schön. Wissensch. in Dentschld. 1755. Her. v. G. Ellinger.
(= Berliner Neudrr. Her. t. L. Geiger u. G. Ellinger. 3. Serie, 2. Bd.) B., Paetel. XXVUI, 153 S. M. 5,00. ||Rich.
Friedrich: BLU. S. 599-600; G. Witkowski: ZDPh. 28, S. 408; LZgB. N. 62; M. C. P. Schmidt: ASNS. 93, S.3423.]| —
36-37) H. Albrecht, J. G. Pfranger. Sein Leben u. seine Werke. Progr. Wismar (L., Fock). 4°. 28 S. M. 1,00. —
IV 5:38-41 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
ausserdem Leasings Stellung- gegen die Wunder und die Moral der Ringfabel (S. 15),
alles in massvoller, aber auch unpoetischer Weise. Gelegentlich parodiert er
Lessings Art: „Und wenn ich irrte, wäre Der Irrtum minder wichtig; wenn ich dich
Betrüge, der Betrug nicht halb so gross." IstPfranger also einmal gegenLessing polemisch-
parodistisch in die Schranken getreten, so spricht ihm dagegen A. mit guten Gründen
die Stella-Parodie ab, welche zuerst Riemer in voreiligster Deutung Goethescher
Xenien, dann ihm folgend alle späteren Pfranger zugeschoben haben (S. 24/5). An
Parodie grenzt hingegen die Art, wie der Hofprediger alte Kirchenlieder und sogar
Luthers Hauptlied modernisierte (S. 20), so verständige Grundsätze er auch „lieber
Veränderung alter Lieder1' ausgesprochen hat (S. 19); A. verdient besonderen Dank
für die Mitteilung dieser charakteristischen Leitsätze. Als noch heute anwendbar
lassen sich mit A. mehrere bezeichnen, besonders auch der vierte: „Die gleichgültigen
Zwischensätze und überhaupt alle notwendigen Veränderungen drücke in einer
solchen Sprache aus, die noch dem Genio des Lutherischen Zeitalters angemessen ist.
Was nach unserer neuen Sprache synonym ist, das ist es nicht immer im 16. Jh.
Z. E. „Tugend" für „gute Werke" würde schon zu modern klingen. Es gehört
hierzu oft Verleugnung des Zeitmässig-Schönen." Und der neunte zeigt seine Theorie, wie
A. mit Recht bemerkt, im Gegensatz zu der rationalistischen Verflachung des alten
Liedes, (der doch seine Praxis entsprach): „Aendere keinen Gedanken um neuerer
Meinungen willen und trage kein Bedenken, mit Luther und der Bibel das Kind
bei seinem rechten Namen zu nennen, den Teufel Teufel und die Hölle Hölle etc.
Die geschmeidigeren Ausdrücke sind nicht der Stempel von Luthers Geist," Auch
in Gedichten in altdeutschem Stil (S. 20/1) hat sich der im Umformen freudige
Pfranger versucht; von ihnen giebt A. leider keine Probe. Dagegen verweilt er
ausführlich bei Pfrangers Verhältnis zu Reinwald und Schiller (S. 17) und glaubt,
dass diese Beziehungen auf den Don Carlos eingewirkt haben, der ja von Nathan
besonders nach der ersten Konzeption mannigfach beeinflusst wurde (S. 18). So
ist der einfache Theolog zu unseren drei führenden Klassikern in Beziehung
gekommen. —
Den Uebergang von diesen Popularphilosophen der encyklopädistischen
Zeit38) zu denen unserer Tage bildet ein Mann wie J. Tandler; seine Biographie
ist, wie die meisten neueren Artikel der ADB., von Frank el39) geschrieben. Ein
österreichischer Verwaltungsbeamter von typischer Langlebigkeit (1807—91) hat
neben Gedichten, die nach der Versicherung F.s „sinnige Gedankenperlen und
duftige Liederblüten" (S. 369) durchziehen, „unzählige Essays über theorethisch-
philosophische und ästhetische Fragen" geschrieben, unter denen F. „Ueber das Reale
und Ideale," „Ueber wenig beachtete Arten der Dichtkunst," „Ueber das Volks-
tümliche" nennt. Auch hat er sich durch die Herausgabe von Briefen Goethes,
Jean Pauls, Humboldts, Tiecks, Lenaus, Freiligraths mit biographischen und kultur-
historischen Erläuterungen verdient gemacht (S. 370). —
Zwei Aufgaben scheinen der Populärphilosophie vorzugsweise gestellt:
philosophische Grundstimmungen zum Gebrauch breiterer Massen — und zur in-
dividuellen Nutzung zu verarbeiten. Der zweiten, aus dem als allgemein richtig An-
erkannten Schlussfolgerungen für die eigene Lebenseinrichtung zu ziehen, genügen
die Schriften zweier sehr verschiedener Männer, die doch den Ruhm teilen, durch
Blindheit und Bedrängnis hindurch ihre Lebensanschauung heroisch gehalten zu
haben. Hieronymus Lorm40) hat eine Religion des „grundlosen Optimismus" in
zwei „Beiträgen zur Lebensphilosophie" neu vorgetragen. Der liebenswürdige Auf-
satz über die „Muse des Glücks" legt wieder Zeugnis ab von der inneren Freudigkeit
als philosophisch unwiderlegbarer Thatsache: „Und wenn der am tiefsten denkende,
der überzeugendste Pessimist dieses Jh., der Philosoph Schopenhauer, das Glück
nur als die Abwesenheit des Unglücks auffasst, dem Glück also gar keine positive
Bedeutung, sondern einzig und allein eine Existenz als Negation zuschreibt, so pro-
testiert die Muse des Glückes nur, indem sie sich für die positive Wirklichkeit ihres
Daseins auf die geschichtlich gewordene innere Freudigkeit beruft, von welcher
praktische Lebensphilosophen und Märtyrer aller Art mitten im Unglück, Elend
und Untergang erfüllt waren. Die Feinde des Pessimismus können alle Freunde des
Optimismus siegreich widerlegen, vermögen aber doch den letzteren selbst, den
Optimismus ohne Grund, nicht aus der Welt zu schaffen (S.19).40a) Wie dies Zeugnis
eines Veteranen wichtig ist für den Geist, der mit dem schwächlichen Quietismus
des Weltschmerzes brach, so zeigt in seinem Zorn auf philosophische und politische
„Fortschrittspfaffen" (S. 22) sich die Fortdauer einer jetzt leider wieder modernen
38) X J- Wychgram, Voltaire: BLU. S. 721/4. — 39) L. Fränkel, J. Tandler: ADB. 37, S. 365-70. — 40) H. Lorm, D.
Muse d. Glücks u. mod. Einsamkeit. 2 Beitrr. z. Lebensphilos. 2. Aufl. Dresden, H. Minden. 1893. 12°. 78 S. M. 1,00.
(Vgl. JBL. 1893 IV 5:75.) — 40 a) X F. Lemmermayer, D. grundlose Optimismus: BLU. S. 801/3. — 41) X F. R., H. Lorm
Et M. Meyer, Didaktik des L8./19. Jahrhunderts. IV ö ■. 42-ss
Skepsis. (Stammt aber der charakteristische Ausspruch „Tout comprendre c'est tout
pardonner" wirklich von Chamfort S. 31 und nicht von Frau von Stael [vgl. Büch-
mann 18. Aufl., S. 238]?). Der zweite Aufsatz, „Moderne Einsamkeit", nimmt (S. 39
usw.) Zimmermanns Buch zum Ausgangspunkt und sucht die Verschiedenheit da-
maliger und jetziger Weltflucht klarzulegen.41) —
Eugen Dühring42) hat sein popularphilosophisches Werk über den
Wert des Lebens in neuer Auflage erscheinen lassen, diese Bibel eiuer tapfer modernen
Weltanschauung, in der seltsame Konzessionen an guten und schlechten Zeitgeschmack
so wenig wie in anderen Religionsbüchern fehlen. Und vielfach macht sich eine
religiöse Strömung, wenn auch in konfessionsloser Form, bemerkbar. — H. W. Ri eh l43)
hat sein liebenswürdiges neues Buch gleich „Religiöse Studien eines Weltkindes"
betitelt. Es ist der klare und geschickte Ausdruck jener neuesten Restaurations-
stimmung, die in immer weiteren Kreisen der Orthodoxie des Straussschen Neuen
Glaubens gefolgt ist. Auch er knüpft an ein eigenes Erlebnis an, an die Ueberwindung
eines schmerzenvollen Jahres des Augenleidens, und ist geneigt, die neue Strömung
damit zu parallelisieren. Doch ist er weit davon entfernt, dogmatische Strenge an
Stelle der religiösen Skepsis zu setzen; sein Glaube ist auch wieder eklektisch wie
der Gellerts und Pfrangers. Charakteristisch für seinen Standpunkt einer indi-
vidualistischen Auffassung feststehender Sätze sind besonders die Betrachtungen über
das Vaterunser (S. 141). Weltfreudigen Glauben (S. 154/5) predigt R. und nimmt
so trotz aller kirchlichen Sympathien (S. 273/4) thatsächlich in der Nähe der Lorm
und Dühring seine Stellung. Auch in politisch- socialer Hinsicht ist er gemässigter
Fortschrittler, der die Ungleichheit der Menschen und die Not für notwendig hält,
ebenso aber auch den Kampf Aller gegen beide (S. 193). Seine alte Abneigung
gegen den modernen Staat, die er mit Zeitgenossen wie Lothar Bucher teilt, klingt
auch in diesem Buche (S. 252/3) nach, doch milder. Er ist entschiedener Anhänger
der Civilehe (S. 256), aber er findet ihre Verbindung- mit der kirchlichen Trauung
„eines Denkers am würdigsten" (S. 265). Der Schlussabschnitt erzählt in zwei
Kapiteln mit echt Riehlschem Chiasmus „Warum ich Theologie studierte" und „Warum
ich kein Geistlicher wurde" (S. 391/2); er ist es doch geworden, nur freilich Theolog
eines höchst individuellen, historisch- kritischen Christentums. „Die Religion drängt
zu grossen Gemeinschaften und hat solche zu allen Zeiten gegründet oder doch
gefestet, ja sie drängt zuletzt zu einer Gemeinschaft der Menschheit, dass ein Hirt
und eine Herde sei. Und doch hat stets nur diejenige Religion einen Wert für uns,
welche unsere eigenste persönlichste Religion ist" (S. 269). — Positiver und moderner
sind von Leixners44) neu aufgelegte Laienpredigten für das deutsche Haus, denen
wir christliche Laienpredigten 45_46) anschliessen. — Von ein paar verwandten Werken
erschienen Besprechungen47-48) im Berichtsjahr. —
Trotz aller reaktionären Stimmen (die übrigens oft genug ein gut Teil fort-
schrittlichen Geistes enthalten) dauert auch die ältere, auf naturwissenschaftlich-
materialistischer Grundlage aufgebaute Popularphilosophie fort. Von ihren beiden
Häuptern hat im Berichtsjahr L. Büchner den 70., E. Ha ecke 1 den 60. Geburtstag ge-
feiert. Büchner ward von Achelis49) auf den Rest von Spekulation, der auch in
seinem Materialismus bleibt, geaicht 50), während E IIa Mensch51) von einem Stündchen
in seiner Nähe erzählt. — Im ganzen ist diese Richtung trotz fortdauernder Pro-
paganda52) durch die Haeckelsche abgelöst, in der ein starker Zusatz entwicklungs-
geschichtlicher Spekulation den charakteristischen Zug ausmacht. Bö Ische53) schreibt
in begeisterter Anhängerschaft einen ausgezeichneten Rückblick auf Haeckels Ent-
wicklung und Leistung54); rhetorischer noch und mit geringerer Sachkenntnis be-
singt ihn von Hanstein55) in Prosa 55a~55b); während Hamann56) seinen nicht
allzu rühmlichen Kampf gegen die Person fortsetzt 56a), erobern die Werke England57-58).
u. d. Frau: BerlTBl. N. 265. — 42) E. Dühring, D. Wert d. Lebens. E. Denkerbetracht, im Sinne heroischer
Lebensauffais. 5. Aufl. L., Reisland. XU, 409 S. M. 6,00. — 43) W. H. Riehl, Relig. Studien e. Weltkindes. 1. u. 2. Aufl.
St., Cotta. IV, 472 S. M. 6,00. |[Grenzb. 4, S. 65-76.J| — 44) 0. v. L e i x n e r , Laienpredigten für d. dtsch.
Haus. Ungehaltene Reden e. Ungehaltenen. 1.-12. Taus. B., Ver. d. Bücherfreunde (H. Storm). IV, 252 S. M. 4,60. |[M.
v. Stern: DDichterheim. 14, S. 587.] | — 45) X H- Oeser, D. Herrn Archemoros Gedanken über Irrende, Suchende u. Selbst-
gewisse. 2. Aufl. Basel, Reich. 1893. 127 S. M. 1,80. |[DEB11. 19, S. 560/4.]| — 46) X W. Tangermann, Natur u. Geist
Spekula! Erörterungen z. Erläut. u. Erweit, kosmolog. u. anthropol. Begriffe. Gotha, Perthes. XVI, 94 S. M. 1,60. |[L. Weis:
BLU. 8. 491.]) - 47) X p- G. Heims, Lebensfragen. Gedanken über allerlei Alltägliches. 1. Reihe. Kiel, Eokardt. 1893.
12°. V, 81 S. M. 1,80. |[W1DM. 76, S. 768.] | — 48) X A.. Brodbeck, D. Welt d. Irrtums (JBL. 1893 I 4 : 570; IV 5 : 55):
WIDM. 76, S. 380. — 49) Th. Achelis, Zu L. Büchners 70. Geburtst.: NatZg. N. 197, 199. — 50) X z- Beurteil. Büchners:
StML. 46, S. 578-80. - 51) Ella Mensch, E. Stündchen bei L. Büchner: Zeitgeist N. 13. - 52) X ß- Habs, D. La Mettrie
d. 19. Jh.: DWB1. 7, S. 127,9. — 53) W. Bölsche, E. Haeckel, Z. 60. Geburtst: FrB. 5, S. 113-21. — 54) X L. H., E. Haeckel :
ÜL&M. 71, S. 402. — 55) A. v. Hanstein, Darwins Statthalter in Deutschland. Z. 60. Wiederkehr v. E. Haeckels Geburtst:
SammlerA. N. 20. —55a) X A. H. Brasch, E. Haeckels Monismus. Bonn, Strauss. 1892. 46 8. M. 1,60. |[A. Wernicke: DLZ.
S. 333/4.]| — 55 b) X K- Lasswitz, E. Haeckel, D.Monismus als Band zwischen Religion u Wissensch. (JBL. 1893 IV 5:49-50):
DLZ. S. 1110/2. — 56) O. Hamann, Prof. E. Haeckel in Jena u. seine Kampfesweise. E. Erwiderung. Göttingen, Pepmüller.
1893. VI, 55 S. M. 1,20. |[ThLBl. 15, S. 59.] j — 56a) E. Dennert, Hamann contra Haeckel: BG1. 15, S. 159-65. — 57) X
E. Haeckel, Monism and modern science. Transl. by J. Gil Christ London, A. u. C. Black. Sh. 1 6. — 58) X id., Confession
IV 5 : 59-C.7 R. M. Meyer, Didaktik des 18./10. Jahrhunderts.
— Ernst59) veranstaltet mit Beleg-steilen aus allen möglichen Vorläufern oder
Anhängern der modernen Weltanschauung- ein geschmackloses Freidenkerbrevier. —
Seitwärts gehen allerlei spiritualistische Strömungen60). Schon sucht
man aus allerlei Ansätzen die Religion und Kultur der Zukunft zu erkennen, bald
auf christlicher Grundlage61), bald auf der so verschiedenartiger Söhne unserer Zeit
wie Tolstoi und Nietzsche62). Allgemeinere Betrachtungen über die jüngste Epoche
der Kultur63) und über das neue Jh.64) scheinen wenig zu fördern, sie könnten es
nur, wenn ihre Autoren hoch genug ständen, um die Strömungen zu übersehen, von
denen sie beherrscht werden. Der Popularphilosophie misslingt im allgemeinen das
Prophezeien so gründlich wie der eigentlichen Philosophie. —
Den Uebergang zur Philosophie selbst bildet für uns diesmal die in-
teressante Figur des Grafen Keyserling65), der selbst in streng wissenschaftlicher
Weise Kants Kritik des Raum- und Zeitbegriffs weiter geführt hat, hauptsächlich
aber ein langes Leben mit einsamen popularphilosophischen Studien und Auf-
zeichnungen erfüllt hat. Der Geist einer früheren Zeit (und viele werden meinen
einer besseren) spricht aus seinen liebenswürdigen und wertvollen Tagebuchblättern,
die seine Tochter, Freifrau Helene von Taube66) herausgegeben hat. Der be-
rühmte Geolog (geb. 1815, gest. 1891) gehörte noch zu jenen Männern, die den Be-
griff einer Aristokratie im höchsten Sinne fassten und für ihre Gedanken so gut wie
für ihre Person nur die „beste Gesellschaft1' duldeten., In seinem Interesse für die
Philosophie, das freilich noch durch Familienbeziehungen gesteigert wurde — Kant
war bei einem Vorfahren Keyserlings Hauslehrer (S. 68) — , in seiner warmherzigen
Toleranz (S. 171/2), in seiner freien und unbefangenen Stellung zum Christentum
(z. B. S. 185) würde er wohl jedes Jahr mehr sich „ein Verstorbener" scheinen
müssen (S. 170). Gestalten wie Th. von Bernhardi, der ebenfalls den Ostseeprovinzen
angehört, oder Jenny von Gustedt-Pappenheim repräsentieren einen ähnlichen Typus,
natürlich nicht ohne grosse Verschiedenheiten. Die Geschichte, Bernhardis Lieblings-
studium, ist ihm „ein zu flüssiges Element" (S. 273); selbst seine Weltanschauung
ist auf sein naturwissenschaftliches Sondergebiet, die Paläontologie, begründet
(S. 261). Er ist ein Optimist, wie die Männer der Aufklärung, und preist die
Heiterkeit des Herzens (S. 275) mit schönen Worten; aber gleichzeitig ist in ihm ein
gutes Gran Skepsis, das ihn (S. 246) Begeisterung als ein schlimmes Omen ansehen
lässt. Er bekennt sich zu der Religion der Naturforscher (S. 52/3), aber er besitzt
über die „positiven Religionen" eine tiefere Einsicht als die Pädagogen seiner Jugend:
tiefgehend hebt er hervor, dass man in die Definitionen der Religion den socialen
Charakter aufzunehmen versäumt (S. 3), und sieht den Grund, der die monotheistischen
Religionen mehr als Buddhismus, Parsismus usw. unduldsam macht, in der Gottes-
vorstellung selbst (S. 213). Ihn selbst hat zeitlebens das Thema der Religion und
des Aberglaubens (S. 271) beschäftigt; Pascal (S. 13, 198) und die Atheisten (S. 12),
die Frage des Kultus (S. 23) und der Universalreligion (S. 24) traten in den Kreis
seiner Betrachtungen. Die Unsterblichkeitsidee hat er früh abgethan; sie ist ihm
(S. 86) eine Aufgabe der Kunst, nicht ein Problem der Wissenschaft, und an die
Ueberredungsversuche ihrer Anhänger hat er wohl auch gedacht, als er Religion,
Medizin und Pädagogik für die drei fruchtbarsten Felder des Charlatanismus er-
klärte (S. 4, vgl. S. 276). Sein eigenes Glaubensbekenntnis (S. 69, 193 usw.) sucht er
dennoch mit den zehn Geboten durch Modernisierung derselben (S. 205/6), wie sie
uns auch sonst schon begegnet ist, in Ueberein Stimmung zu bringen, gerade wie er
ein andermal die Darwinsche „Auslese" (S. 225) als Ablösung der Gottesidee be-
zeichnet. Wir sehen den Naturforscher aus der Atmosphäre der physikotheologischen
Beweise, die er einst selbst vermehren wollte (S. 201), herauswachsen und (S. 248)
geistreich über die „Entgötterung der Natur" sprechen. Ein Lieblingsproblem der
Aufklärungszeit, die Frage nach dem Recht des Selbstmordes (S. 214/5), beantwortet
er ganz modern vom socialen Standpunkte aus. Dagegen hat der Jugendfreund und
Bewunderer Bismarcks sich nicht zu dessen Socialpolitik bekennen wollen (S. 233/4),
so sehr er sonst dessen Fall beklagt (S. 227). Höchst interessant ist übrigens, was
er (S. 125) über Bismarcks Verhalten zur Religion mitteilt: „Den Vortrab meiner
Zweifel, der sich zu weit hinauswagt, rufe ich zurück", so antwortete mir Bismarck,
als er Gesandter war, auf die Frage, wie er seinen radikalen Unglauben jüngerer
of faith of a man of sciences. Uebers. v. J. Gil Christ, ebda. Sh. 1/6. — 59) F. Ernst, Freidenkerbrevier. Bamberg, Handelsdr.
272 ?. M. 1,50. — 60) X C. du Prel, L'enigma uroano. Introd. allo studio delle scienze psichiche. Trad. dal tedesco, col
consenso dell'autore, con prefaz. di A. Bofferio. Milano, Galli di C. Chiesa e F. Guindani. IV, 213 S. L. 3,00. — 61) X
K. A. Geib-Gross-Rohrheim, D. Relig. d. kommenden Zeit: Jungdeutschland 4, S. 27,9. — 62) X J- Poruck, D. Relig.
d. Zukunft. E. Stud. z. Prüf. d. Ideen d. Graf. L. Tolstoi u. F. Nietzsches. B., Gottheiner. 24 S. M. 1,00. — 63) X F.
Toula, Streiflichter auf d. jüngste Epoche d. Kultur. Inaugurationsrede, geh. am 14. Okt. 1893. Wien (Selbstverl.). 1893.
24 S. (Nicht im Handel.) — 64 1 X D nene Jn- Philos. Stud. r. e. Unbekannten. L., Friedrich. 158 S. M. 3,00. |[L. Weiss:
BLU. S. 490/l.]| — 65) A. Graf Keyserling, Einige Worte über Raum u. Zeit. Aus d. Tagebuchbll. (s. N. 66). St., Cotta.
31 S. M. 0,80. — 66) (IT lo:26.) — 67) X A- GanBer, R. Hamerlings Atomistik d. Willens: ÖUR. 16, S. 285-314. — 68)
R. M. Meyer, Didaktik des 1S./19. Jahrhunderts. IV 5 : es-83
Jahre los geworden sei!" Von diesem „radikalen Unglauben jüngerer Tage" hatten
die Biographen Bismarcks bisher kaum etwas zu erzählen gewagt. Die Art der Ueber-
windung vergleicht Keyserling selbst mit der, die Stein anwandte: „Die Zweifel werden
nicht bekämpft und besiegt, aber still gemacht durch heroischen Willen ... In den
Stürmen dieser Welt, den Anfeindungen der Feinde gegenüber, Liebe zu seinem
Volke, Zuversicht zu einer gegen alle zeitliche Beunruhigung festen Position zu
bewahren — dazu genügen die vagen Vorstellungen besser als die schlechte Wirk-
lichkeit, auf die sich die menschliche Forschung beschränkt sieht. Sie verleihen
Weihe dem Gefühl und fortreissende Poesie dem Ausdruck." So ungefähr ist die
Gesinnung dieser tief sittlichen Männer grosser Politik in religiöser Beziehung.
Zu den Lieblingsgebieten der Aufklärung gehört auch die Pädagogik, mit der Keyserling
(S. 252/3) sich angelegentlich beschäftigte. Er polemisiert gegen die „Burschikosität"
(S. 256), nimmt Stellung zu unserer Schulreform (S. 258/9) wie zu der Frage der
Volkserziehung-, in der er (S. 243/4) wie Goethe den Begriff der Ehrfurcht in den
Vordergrund stellt. Aber dieser Mann eines Kantschen Lebens hat auch für die
„Schöngeistigkeit" (S. 259) etwas übrig, so viel, dass er sogar J. Wolff loben kann
(S. 269); und seine Verehrung für Bismarck macht ihn nicht zum Verteidiger der
Reaktion ('S. 241). An Bernhardis Anfeindung der Romantik erinnert nichts; sie
liegt ihm fern, und höchstens in dem Scherz, den berüchtigten „Strickstrumpf' in
die klassischen Sprachen zu übersetzen (S. 257), mag ein leiser Nachklang aus der
Zeit Tiecks gehört werden. Auch die Neuromantik des „Reinbrandt als Erzieher"
(er schreibt S. 271 das Buch Bewer zu) lehnt er scharf ab, freut sich dagegen (auch
aus persönlichen Gründen) an Carmen Sylva (S. 288). Macaulay fasst er (S. 269)
originell als einen „Volkshistoriker in der Art Homers" auf, was in vieler Hinsicht
zutrifft, citiert Bismarcks Wort, Lasker sei ein ciceronisierender Cato gewesen (S. 274),
und preist den Generalpostmeister Stephan, der vielleicht über alle Mitmenschen
Heilig-sprechung verdient habe (S. 283). So sehen wir denn diesen prächtigen
Typus der vielgescholtenen Aufklärung inmitten einer sie verläumdenden Zeit mit
der modernen Devise zusammentreffen: „Die Gegenwart steht unter dem Zeichen des
Verkehrs", und glauben, in dieser auf ihren Fortschritt über die Aufklärung heraus
so stolzen Zeit könne noch sehr gut einer von Keyserling lernen, den die schlichte
Biographie aus der Feder seines Sohnes mit Recht einen Weisen nennen darf. —
Eine ähnliche Zwischenstellung zwischen eigentlicher Philosophie und Populär-
philosophie nimmt Rob. Hamerling ein, dessen „Atomistik des Willens" immer
noch verspätete Besprechungen findet67). —
In das Gebiet der strengen Philosophie führt uns die in dritter Auflage
erschienene Einleitung von Paulsen68) herüber, während B r a i g 69) die Frage
der Freiheit der philosophischen Forschung, diese wichtigste Vorfrage, vom katholischen
Standpunkt aus beantwortet (S. 38 über die doppelte Erkenntnisordnung; das Vatikanische
Konzil und die Forschung S. 37/8; Kant, Hermes S. 40). — Den grossen Werken
zur Geschichte der Philosophie von Windelband70), Bergmann71), Ueberweg-
Heinze72) und den Büchern von Drews73) und Lotze74), die erst mit Kant einsetzen,
sowie der Geschichte der neueren Philosophie von Falkenberg75) schliessen sich die
kürzeren Grundrisse von Stöckl76) und Fränkel77) an. Das letztgenannte
Repetitorium zeichnet sich durch Reichhaltigkeit und knappe klare Definitionen aus;
in den Angaben bleibt er natürlich von seinen Gewährsmännern abhängig. — Braschs
berüchtigtes Buch 78) hat weitere Verurteilung geerntet.79) — Einem berühmten Geschichts-
schreiber der Philosophie, Tennemann, widmete Liebmann80) eine kurze Biographie,
während der noch unter uns weilende Zeller von B rasch81), Saul82_82a) und
Kirchner82b) zum 80. Geburtstag begrüsst wurde, wobei B. noch besonders auf
Zellers Staats- und religionsphilosophische Schriften hinwies. —
Für die Entwicklung Kants, über deren Kontinuität Höffding83) handelt,
F. Paulsen, Einleit. in d. Philos. 3. Aufl. B., Besser. XVI, 444 S. M. 4,50. |[A. Biese: NJbbPh. 150, S. 47-61 „(Auf-
blühen d. Philos."); M. Offner: LKs. 20, S. 124/7: B. Scheudel: COIRW. 22, S. 245; WIDM. 76, S. 3S9.J| (Vgl. JBL 1892
IV 5 : 2S.) — 69) B. Braig, D. Freiheit d. philos. Forschung in krit. u. Christi. Fassung. Antrittsrede. Freiburg i. B., Herder.
XU, 64 S. M.0,60. — 70) W. Windelband, Gesch. d. alten Philos. 2. Sorgfalt, durchges. Aufl. (= Handb. d. klass. Altertums-
Wissensch. in systemat. Darstellg. 5. Bd., 1. Abt.) München, Beck. VIII, 313 S. M. 5,50. |[WIDM. 75, S. 397,8.]| — 71) X J-
Bergmann, Gesch. d. Philos. (J BL. 1892 IV 5 : 32; 1893 IV 5 : 89.) |[DR. 4, S. 125 6; N*S. 69, S. 134.]| — 72) X F. Ueberweg,
Grundr. d. Gesch. d. Philos. 1. T. D. Altertum. 8. Aufl. bearb. u. her. v. M. Heinze. B., Mittler. IX, 390 S. M. 6,00. —
73) XA. Drews, D.dtsch. Spekulation seit Kant (JBL. 1893 IV 5: 102). |fJ. Volkelt: DLZ. S. 1029-31; WIDM. 75, S. 269-70.JI
— 74) X H- Lotze, Gesch. d. dtsch. Philos. seit Kant. Diktate aus d. Vorlesungen. 2. Aufl. L., Hirzel. 104 S. M. 1,80. —
75) C. Ludwig, B. Falkenberg, Gesch. d. neueren Philos. (JBL. 1892 IV 5:31; 1893 IV 5:90): Kath. 2, S. 77-81. — 76) A.
Stöckl, Grundr. d. Gesch. d. Philos. E. Ausz. aus d. „Lehrbuche d. Philos." dess. Vf. Mainz, Kirchheim. XII, 296 S. M4,00.
|[S. Huber: LHw. 33, S. 716 7.]| — 77) J. Fränkel, Kurzes Repetit. d. Gesch. d. Philos. Wien, Breitenstein. 112 S. M. 1,35.
— 78)X M. Brasch, Leipz. Philosophen (JBL. 1893 IV 5:105). |[LCB1. S. 768,9; E. Neumann: BLÜ. S. 712,3; L. Busse:
DLZ. S. 1095,6.]| — 79) L. Kabus, Z. Gesch. d. Philos.: ThLBl. 15, S. 25 8, 577-80. — 80) 0. Liebmann, W. G. Tennemann :
ADB. 37, S. 566,7. — 81) M. Brasch, Z. 80. Geburtst. Ed. Zellers: NatZg. N. 44. — 82) D. Saul, Ed. Zeller: DBs. 78,
S. 303/8. - 82a) id., Ed. Zeller: ÜL&M. 71, S. 274. -82b) F. Kirchner, Zu Ed. Zellers 80. Geburtst. : IllZg. 102, S. 64. — 83)
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschiohte. V. (4)1$
IV 5 : 84-87 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
waren Tetens „Philosophische Versuche über die menschliche Natur" wichtig-, die
Li ep mann84) in einer Biographie des nordischen Denkers analysiert. — Reicke85)
setzt seine Mitteilungen aus Kants Nachlass fort. — Die Wichtigkeit der vielbesprochenen
Schrift von Fromm86) über Kant und die preussische Censur geht über das specielle
Interesse hinaus, das die Schicksale des grossen Philosophen einflössen. Nach einer
allerdings recht sehr summarischen Geschichte der Censur von Phrynichus bis auf
Friedrich den Grossen charakterisiert F. das hervorragendste Organ des alten Berlin,
die Gedike-Biestersche Monatsschrift (S. 12/3) und hat dabei von der Intoleranz der
Aufklärer gegen die Katholiken (S. 15) ein merkwürdiges Beispiel zu erzählen. Es
folgt dann (S. 18/9) die Geschichte des Wöllnerschen Religionsedikts, das in so
charakteristischer Weise durch einen Angriff des „betriegerischen und intriganten
Pfafen" auf den vortrefflichen Minister Zedlitz inauguriert wurde, den Wöllner als
„Christusläugner" denunziert (S. 19). Nach Einsetzung der Censoren Hermes und
Hühner geht die erste Zusendung Kants an die Monatsschrift durch, „da doch nur
tiefdenkende Gelehrte die Kantschen Schriften lesen" (S. 24), die zweite Abhandlung
„von dem Kampfe des guten Prinzips mit dem bösen um die Herrschaft über den
Menschen" wird zurückgewiesen, „da es ganz in die eigentlich biblische Theologie
eingreife". Vf. vermutet (im Gegensatze zu Dilthey: AGPhilos. 3, S. 418/9), dass ein
Aufsatz der Monatsschrift „Ueber die Pflicht der Ergebung in Zeiten, wann die Wahr-
heit verfolgt wird" die Censoren erbittert haben möge. „Hier beginnt" (ich citiere
Vorländers ausgezeichnete Analyse) „die Benutzung der Akten des Berliner
Geheimen Staatsarchives seitens des Vf. Veröffentlicht werden, teilweise, zum ersten
Male: die Beschwerde Biesters an Hermes (im Auszug), die Antwort des letzteren
(im Wortlaut) und — zum grossen Teile wörtlich — das besonders lesenswerte, frei-
mütige Immediatgesuch Biesters an den König. Zu Anfang seines Gesuches hatte
Biester Bezug genommen auf die erst wenige Jahre vorher erfolgte Königliche An-
erkennung des greisen Philosophen, die mit der Gewährung einer jährlichen Extra-
zulage von 220 Thalern verbunden war. F. teilt hier (S. 28/9, Anm. 3) zum ersten
Mal aus den Akten des Kgl. Ober-Schulkollegiums das Dankschreiben Kants vom
27. März 1789 an den König mit. Interessant ist ferner die von F. hervorgehobene,
bisher unseres Wissens noch wenig bemerkte Thatsache, dass das Staatsministerium
noch zu Anfang des J. 1792 sich gegen eine zu strenge Handhabung der Censur, als
unnötig, ausgesprochen hatte, dann aber durch eine höchst ungnädige Kabinetsordre
des durch die französische Revolution in Schrecken gesetzten Monarchen, der den
Ministern den Vorwurf machte, „es scheine, als ob sie den Aufklärern das Wort reden
wollten", rasch umgestimmt worden war. So wurde denn am 2. Juli 1792 vom Plenum
des Staatsrats das Druckverbot der Kantschen Abhandlung aufrecht erhalten." (Ob
V., der plenum concilii Status wie eben übersetzt, oder F., der es S. 37 mit „Plenum
der Etatsminister" wiedergiebt, im Recht ist, weiss ich nicht.) Die „Aufklärer rächen
sich durch einen Aufsatz über „Unbekannte Gesetze"; Kant aber erweiterte seine Ab-
handlung zu der „Religion innerhalb der Grenzen der blossen Vernunft". Das
Ministerium schritt zu weiteren Massnahmen fort, verbot der Spenerschen Zeitung die
theologischen Artikel und Recensionen (S. 43), untersagte Nicolais Allgemeine Deutsche
Bibliothek (S. 44) und schritt gegen Kants Kollegen Hasse in Königsberg ein (S. 45),
bis es sich endlich am 30. Sept. 1794 zu der berüchtigten Kabinetsordre an Kant selbst
(S. 48) aufschwang. Wie er darauf antwortete, ist weltbekannt. Leider schliesst F.
die dankenswerte Abhandlung mit einigen Schlussbemerkungen, gegen die V. (ad S. 406)
mit Recht Einspruch erhebt, wie denn überhaupt seine ganze Haltung ein weit gehendes
Bestreben zeigt, auch den „Aufklärern" neben ihren nicht zu rettenden Verfolgern
einen Teil der Schuld zuzuschieben. Es folgen (S. 53/4) „kleinere Beiträge zur
Lebensgeschichte Kants". Entgegen der Behauptung, Kant habe nie in seinem Leben
um etwas für sich gebeten oder nachgesucht, wird sein Gesuch vom 24. Okt. 1765
an den König und vom 29. Okt. 1765 an den Minister um ein Unterbibliothekariat
in Königsberg (samt der Befürwortung des letzteren) abgedruckt; Kant, der bis dahin
keinerlei Gehalt bezogen hatte (S. 59), wird mit 62 Thalern Besoldung angestellt, legt
aber nach Erlangung des Ordinariats die Stelle nieder. Der zweite Beitrag weist
nach, mit welchen Vorlesungen und welchen Zuhörerzahlen Kant seine Lehrthätigkeit
abschloss (1796 Sommersemester Logik vor 40 Zuhörern öffentlich, physische Geographie
vor 23 privatim); der letzte berichtet über Kants Gehaltsverhältnisse. — Kleinere
Aufsätze knüpfen an Fromms Buch an87) oder erzählen von Kants persönlichem
H. Höffding, D. Kontinuität im philos. Entwicklungsgänge Kants: AGPhilos. 7, S. 173-92, 876-402, 449-85. — 84) 0.
Liepmann, Joh. Nik. Tetens: ADB. 37, S. 588-90. — 85) R. Reicke, Lose Bll. aus Kants Nachl. (Forts.): AltprMschr. 31,
S. 573-677. (Vgl. JBL. 1895 IV 5:129.) — 86) E. Fromm, J.Kant u. d. preuss. Censur. Nebst kleineren Beitrr. z. Lebensgesch.
Kants. Nach d. Akten im kgl. Geh. Staatsarch. zu Berlin. Hamburg u. L., Voss. V, 64 S. M. 2,00. |[C. Spannagel:
FBPG. 7, S. 620; L. Geiger: Nation". 11, S. 697/8; K. Vorländer: Euph. 1, S. 403/9; Bär 20, S. 315.]! - 87) X B. Bern-
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : ss-m
Umgang88). — Wernic k es 8;|) Schrift mit einer allmählich abgenutzten Titelschablone
disputiert hauptsächlich mit Vaihingers Kantkommentar90). Von allgemeinerem Interesse
sind die Ausführungen über Kants Sprache (S. 13), z. B. betr. das Wort „Objekt1',
wobei ich an ähnliche Untersuchungen Lehmanns zum Wortgebrauch Schopenhauers
(s. u. N. 140) erinnere. Wie der Schluss (S. 33) auf das Dreigestim Kant, Goethe,
Schiller verweist, so finden sich auch in der Abhandlung öfters Beziehungen auf beide
Dichter (ebenso S. 33 Anm. auf Lessing usw.), wobei wir die Deutung des Seismos
in der klassischen Walpurgisnacht auf den aus der Tiefe herausdringenden Kant
(im Gegensatz zu dem Generalissimus Schütz! S. 12) nicht so billigen können wie die
warme Anerkennung von Heinrich von Steins Büchlein (S. 32 Anm.). — Eine Flut
von Einzeluntersuchungen zu Kants Erkenntnistheorie91-92), Ethik93"95), Pädagogik98),
Religionsphilosophie97-98), Aesthetik99) werden durch Arnoidts100) „Kritische Exkurse
im Gebiet der Kantforschung" vervollständigt.101) — Dann folgen wieder Vergleichungen
mit anderen Denkern. Die Trias Herder, Kant, Goethe stellt Kühnem a'nn102-103) zu-
sammen.— Reinitz104) betrachtet Schillers Gedankendichtung in ihrem Verhältnis
zur Lehre Kants. — Speciellere Zusammenstellungen Kants mit anderen Philosophen
bringen Wreschner105), Rosenthal106) und Radulescu-Motru 107). Der letztere
setzt die Entwicklung des Kausalitätsbegriffs bei Kant in sehr lehrreicher Art aus-
einander. „Bei seinem ersten Auftreten steht Kant völlig unter dem Einflüsse der
Newtonschen Physik; ihm genügen für die Erklärung der Welt die mathematisch be-
stätigten mechanischen Gesetze einerseits, die Annahme eines Gottes andererseits" (S. 529).
Dann kommt Humes Einfluss (S. 532 J, schon in dem „Versuch den Begriff der
negativen Grössen in die Weltweisheit einzuführen" (1763) deutlich sichtbar; aber hier
stellt Kant noch keine eigene Theorie auf (S. 535). Nach einem Blick auf die Lage der
biologischen Wissenschaften um jene Zeit (S. 537/8) geraten wir dann über die „Träume
eines Geistersehers" (1766), in denen sich die neue Tendenz deutlich ankündigt
(S. 539— 40), in die kritische Periode (S. 541/2), deren Urteil der Vf. durch Vergleiche
mit Newton (S. 549), Laplace (S. 567) usw. erleuchtet und kritisiert. Der rekapitulierende
Rückblick ist noch durch einige Bemerkungen über die richtige Methode, Kants
Philosophie nach ihrer geschichtlichen Entwicklung und in ihrer Bedeutung
für die Geschichte der Philosophie überhaupt verständlich zu machen (S. 596),
wichtig. —
Spielen die „Träume eines Geistersehers".108) auch in dieser Schrift eine be-
sondere Rolle, so wurden sie für einen anderen Philosophen der allerwichtigste Gegen-
stand des Interesses: für den Swedenborgianer J.F. J.Tafel, dessen Leben Spitta109) be-
schrieben hat, Tafel polemisierte gegen jene Schrift Kants und suchte einen Brief,
in dem der Weise von Königsberg sich über den schwedischen Theosophen günstig
äusserte, als nach den „Träumen" verfasst zu erweisen, was Sp. nicht zugiebt. —
Die drei kanonischen Nachfolger Kants sind in den uns zugegangenen
Schriften diesmal verhältnismässig spärlich vertreten; Schopenhauer und besonders
Nietzsche nehmen jedes Jahr ausschliesslicher das Interesse der Philosophiehistoriker
in Anspruch. An Ficht es Reden über die Bestimmung der Gelehrten entwickelt
Carriere 110) seine Geistesentwicklung, während Fri cke ni) die Reden an die deutsche
Nation nach ihrem Verhältnis zur Gegenwart bespricht.112) — Schneider113) handelt
über Fichte als Socialpolitiker. Er gliedert die Arbeit in drei Teile: Fichtes Social-
feld, Ans d. Zeit d. Religionsedikte : Zeitgeist N. 21. (Anknüpfend an N. 86.) — 88) X E- W. Rolls, Kant n. seine Tisch-
genossen: ÜL&M. 72, S. 554. (Vgl. dazu JBL. 1893 IV 5:107/8.) - 89) A. Wernicke, Kant n. kein Ende? Progr.
Braunschweig. 4°. 36 S. |[E. Adickes: DLZ. S. löll/2.]| — 90) X L- Rabus, H. Vaihinger, Komment, z. Kants Kritik d.
reinen Vernunft (JBL. 1893 IV 5:127): ThLBl. 15, S. 557/9. — 91) X E- ▼■ Hartmann, Kants Erkenntnistheorie (JBL. 1893
IV 5:109): LCB1. S. 172/4. — 92) X T. Pesch, Kant et la science moderne. Trad. de l'all. par M. Lequieu. Paris,
Lethielleux. 284 S. — 93) X M- Limbourg, Kants kateg. Imperativ. Wien, (St. Norbertus). 16 S. M. 0,30. (AusJbLeoG.)
— 94) X A- Verriele, La morale de Kant et la theorie du peche philos.: APC. 30, S. 543-65. — 95) X P- W. Poerster,
D. Entwicklungsgang d. Kantschen Ethik bis z. Kritik d. reinen Vernunft. B., Mayer & Müller. III, 106 S. M. 2,00. — 96) X
I. Kant, La pedagogia. Proeraio e traduzione del prof. A. Valdardini. Torino, stamp. reale della ditta G. B. ParaWa&Co.
16". 104 S. L. 1,50. — 97) X c- v- P 1 o t & o w, Ans Kants krit. Religionslehren. Diss. Königsberg, (W. Koch).
70 S. M. 1,20. — 98) X G- Eberhard, D. Cosmogonie v. Kant. Diss. Wien (Friok). 1893. 4°. XXXIV S. M. 2,40.
|[LCB1. S. 1212/3.JJ — 99) X E- Grundmann, D. Entwicklung d. Aesthetik Kants. Mit bes. Rucks, auf einige bisher un-
beachtete Quellen. Diss. Leizig. 1893. 72 S. — 100) E. Amol dt, Krit. Exkurse im Gebiete d. Kantforsch. (Aus AltprMschr.)
Königsberg, F. Beyer. XIII, 652 S. M. 12,00. — 101) X <*• Wegner, Kantlex. (JBL. 1893 IV 5 : 128) : WIDM. 76, S. 639-40.
— 102-103) E. Kühnemann, Herder, Kant, Goethe: PrJbb. 77, S. 343-68. (Vgl. IV 7 : 19.) — 104) E. Reinitz, Schillers
Gedankendichtung in ihr. Verhältn. z. Lehre Kants. Progr. Ratibor. 4°. 18 S. (Vgl. IV 9:58.) — 105) A. Wreschner, E.
Platner u. Kants Kritik d. reinen Vernunft (JBL. 1891 IV 6:40). |[L. Weis: BLU. S. 221/2; E. Adickes: DLZ. S. 427/8;
LCB1. S. 507/S.JI — 106) L. Rosenthal, S. Maimons Versuch über d. Transcentalphilos. in seinem Verhältn. zu Kants trans-
scendent. Aesthetik u. Analytik. Diss. Halle a. S. 1893. 36 S. (Vgl. JBL. 1893 IV 5 : 124.) — 107) Const. Radulescu-
Motru, Z. Entwickl. v. Kants Theorie d. Naturkausalität H. (Schluss): PhilosSt. 9, S. 528-606. (Vgl. JBL. 1893 IV 5: 114.)
— 108) X Chrn. Wirth, P. v. Lind, Kants myst. Weltanschauung (JBL. 1892 IV 5:43): BBG. 30, S. 464. —109) H. Spitta ,
J. F. J. Tafel : ADB. 37, S. 346,8. — 110) M. Carriere, Fichtes Geistesentwicklung in d. Reden über d. Bestimmung d. Gelehrten.
Jena 1794, Erlangen 1805, Berlin 1811. München, Franz. IV, 70 S. M. 1,20. (Ans SBAkMünchen.) — 111) W. Fricke, Fichtes
Reden an d. dtsch. Nation u. ihr Verhältn. z. Gegenw. : AkBll. 8, S. 16/8. (Vgl. JBL. 1893 IV 5 : 498.) — 112) X J- G. Fiohte :
BurschenschBll. 8, S. 34/6. — 113) F. Sohneider, J. G. Fichte als Socialpolitiker. Hallei a. S., Kaemmerer & Co,
(4)18*
IV 5 : 114-117 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
Philosophie (S. 9ff.); Fichtes Soeialpolitik (S. 32 ff.); Fichte und der deutsche Socialismus
(S. 56). Die Einleitung lässt Fichte, schwerlich zutreffend, das Ende des Rationalismus
in Deutschland bezeichnen: an der Wende des Jh. gehe er vom Rationalismus zum
Pantheismus über — eine Entwicklung1, die mit dem arg" übertreibend geschilderten
Umschwung von Friedrich dem Grossen zu Friedrich Wilhelm IL (S. 3) parallelisiert
wird. Eine Reaktion gegen den Rationalismus, die Religion des aufgeklärten Despo-
tismus, bezeichnet auch der seit dem „Testament des Abbe Meslier" auftretende
Socialismus; und diesen vertritt Fichte als der Erste auf deutschem Boden (S. 9).
Er steht dabei auf den Schultern Rousseaus und Kants (S. 14); Montesquieu regt ihn
vielfach zum Widerspruch an, ,,weil er ein zu schroffer theoretischer Kopf war, um
sich wie der grosse Franzose mit dem praktischen Leben verständigen zu können",
giebt ihm aber doch die Prinzipien der Volkssouveränität und des Gleichgewichts
der öffentlichen Gewalten an die Hand (S. 16). Es folgt eine übersichtliche Darstellung
der Lehre Fichtes von Staat und Volk (S. 18), öffentlichen Gewalten, Ehe, Erziehung,
Zweck des Staates (S. 23), der durch einen Blick auf seine Geschichtsphilosophie
(S. 24/5) ergänzt wird. Fichtes Staatsidee charakterisiert sich als eine der rationalistischen
W. von Humboldts völlig entgegengesetzte (S. 30): „Fichtes Staat hat freilich noch
das Aussehen eines Rechtsstaates; es ist aber eben nur noch die Form, deren Kern
die organische Auffassung unter der Idee der Kultur zur Sittlichkeit ist." Ich
möchte einwenden, dass der Gegensatz zwischen Fichte und Humboldt vielmehr der
zwischen Kollektivismus und Individualismus ist; setzt man in Sch.s Formel nur zu
der „Idee der Kultur zur Sittlichkeit" die Worte „des einzelnen" hinzu, so möchte
Humboldts Ideal bezeichnet sein, das mindestens so stark wie das Fichtes von der
Feindschaft gegen die rationalistische Staatsidee beherrscht und getragen wird. Der
zweite Abschnitt — der (S. 32) in seltsamer Weise den ersten wie eine selbständige
Schrift citiert — geht von dem uralten Gegensatz zwischen Liberalismus, bezw.
Anarchismus und Socialismus (ib.) aus. Im Durchgangspunkt der Strömungen,
Rationalismus und Reaktion, Bourgeoisie und Arbeiterklasse, steht Fichte 1800 mit
seinem „Geschlossenen Handelsstaat" (S. 36); dies merkwürdige Buch wird denn nun
ausführlich analysiert. Der Vf. urteilt, dass Fichte hier aus individualistischer Grund-
lage zum Staatszwang gelangt, weil er die Idee der Sittlichkeit in den Vordergrund
stellt (S. 57), und dass er auf diese Weise, ein Weltenstürmer wie die französische
Revolution, wie sie durch Schrankenlosigkeit in den Despotismus umschlage (S. 58).
Socialistisch ist Fichtes Auffassung des Eigentums (S. 63) und Proudhon hat die
Methode seiner Wissenschaftslehre auf die socialen Probleme nur zu übertragen
brauchen (S. 65). Die deutschen Socialisten stehen durchweg Fichte nahe: Weitling
('S. 66), Mario (S. 68), Dühring (S. 69, — den ich freilich so wenig- wie Proudhon als
Socialisten bezeichnen würde), Rodbertus (S. 70), Lassalle (S. 73), Marx (S. 74). Trotz-
dem habe Fichtes „Geschlossener Handelsstaat" keinen direkten Einfluss gehabt (S. 75),
wobei der Vf. zwar Lassalle erwähnt, der Fichte in seiner socialistisch en Bedeutung
wieder hervorgehoben habe, die merkwürdige wissenschaftliche Nachfolge aber in
Thünens „Isoliertem Staat" verschweigt; freilich ist dies Buch ein rechnerisches und
kein politisch-ethisches. Ein Schlusswort nimmt nochmals Fichte für den Socialismus
in Anspruch, Utopist sei er freilich, aber nicht mehr als St. Simon oder Fourier
(S. 75). Das anregende Buch könnte die Probleme, die es anrührt, wohl tiefer an-
fassen; nicht einmal der Anarchismus wird, trotz gelegentlicher Bezugnahme (S. 57, 74)
scharf von den ihm nächst verwandten Bewegungen geschieden. Auch ist die Sprache
ungelenk und oft fehlerhaft. „Das Naturrecht gehört zunächst hierher. Eines der
besonders charakteristischen Produkte des Rationalismus, war ihm die Aufgabe ge-
worden, den Geist desselben auch in das rechtliche und politische Leben der Staaten
einzuführen" (S. 4). „Auch weder Chr. Wolff scheidet rein Recht und Moral, noch
selbst Kant" (S. 9). Der Vf. hätte wohl auch mehr Litteratur heranziehen und aus
den benutzten Schriften mehr Stellen genau citieren können. Aber dafür ist die
nüchterne Art, wie er berichtet und argumentiert, gerade auf diesem Boden sehr zu
loben, wo einem sonst bei jedem Schritt glühende Phrasenflammen entgegen-
schlagen. —
Einen Schüler Fichtes und Schellings, Joh. Josua Stutzmann,
schildert Falkenberg114); er leidet „an zu starker Konstruktionslust" (S. 81)
und arbeitet mit tausendjährigen Perioden der Weltgeschichte in Görres Art. —
Er leitet zu Schell ing über, dem mehrere populäre Aufsätze115) gewidmet
werden. An dem von Ullrich116) ist die Schilderung der Persönlichkeit (S. 257)
das Beste; die rhetorisch übertreibende Darstellung seiner „grossen That" (S. 261)
entbehrt der Klarheit, die seiner Wirkung der Richtigkeit. — Kuno Fischers117)
111, 80 S. M. 1,20. |[Bär 20, S. 423.]| — 114) E. Falkenberg, J. Job. Stutzmann: ADB. 37, S. 81/2. - 115) X E. Leh-
mann, F. W. J. Schelling: BLU. S. 705/8. — 116) T. Ullrich, Schelling. (= I 9 : 20, S. 257-64.) — 117) KunoFischer,
R. M. Meyer, Didaktik des 18./10. Jahrhunderts. IV 5 : ns-rä
grundlegendes Werk erschien in der neuen Gesamtausgabe seiner „Geschichte der
neueren Philisophie." —
Von Hegel wurden uns diesmal bezeichnender Weise verschiedene englische
ITebersetzungen118-120) angezeigt samt Einleitung von W a 1 1 a c e 121) und Würdigung
von S e t h o n s m), deutsche Aufsätze aber nur über die neu entdeckte „Kritik der
Verfassung Deutschlands.1' Guglia123) hebt hervor, wie die Einfachheit und
Klarheit der Sprache, die sich gelegentlich zu markiger Schönheit erhebt, von der
späteren Dunkelheit Hegels absticht, vergleicht die Schrift mit den „Betrachtungen
über den Einfluss der deutschen Reichsverfassung auf das Nationalglück der Deutschen"
von 1792, die W. Wenck Kant zuschreibt, und tadelt an der Ausgabe die stilistischen
Aenderungen sowie den Mangel einer orientierenden Einleitung und erläuternder
Anmerkungen. — Kronenberg 124) sucht Hegels ganze politische Jugendentwicklung
als eine wesentlich freiheitlich gerichtete zu erweisen, wie sie sich aus dem Druck
der württembergischen Verhältnisse mit Notwendigkeit auch bei seinen Genossen
ergab, und betont, dass auch später Hegel der Reaktionär nicht war, für den man
ihn gewöhnlich nimmt. —
Heg-els Anhänger G. F. T hau low, den Carstens125) würdigt, ist mehr durch
das von ihm in Kiel gestiftete Museum als durch seine philosophische Thätigkeit
berühmt; anders Arnold Rüge, von dem ein ungedruckter Brief an Johannes
Schulze abgedruckt wird126), höchst interessant durch das naive Selbstlob wie durch
die heftige Ablehnung von Erdmanns „wahrhaft russischer Verarbeitung der Hegelschen
Philosophie." Er enthält auch die Ankündig-ung der Hallischen Jahrbücher, durch
die Rüge der gelehrten Journalistik zu ihrer notwendigen Fortbildung verhelfen
wollte. —
Von den Männern, die neben der grossen Reihe Kant-Fichte-Schelling-
Hegel lebten, hat F. H. Jacobi in einem populären Aufsatz von Montanus127)
und in einem ausführlichen Werk von L e vy-B r ü h 1 128) Würdigung gefunden.
Das Buch des französischen Gelehrten bildet einen Bestandteil jener „Bibliotheque de
Philosophie contemporaine," durch die der rührige Verlag von Felix Alcan sich um
die Verbreitung philosophischer Ideen nicht bloss in Frankreich so grosse Verdienste
erworben hat. Eine geistreiche Einleitung handelt eigentlich mehr von Kant und der
Frage der Quellen der Moral als von Jacobi; der Vf. zeigt sich nicht nur mit den
gelehrten Vertretern der herrschenden Anschauungen, sondern auch mit den in breiteren
Kreisen herrschenden Meinungen wohl vertraut und erklärt sich mit einem warmen
Wort zu Gunsten der freien Forschung auf dem Gebiet der Ethik, die gegenwärtig
nicht nur von Machthabern, sondern auch von der neu erwachten Gefühlsreaktion bedroht
wird. Der Lebensabriss — in dem (S. 2) Johann Georg doch etwas zu schlecht
fortkommt — geht auf die beiden Romane ziemlich ausführlich ein und charakterisiert
(S. 23) Allwill als „personnage dejä romantique, öu du moins plus que romanesque:
enigmatique, fatal, et byronien avant Byron. Reconnaissez en lui, par avance, une de ces
natures problematiques, dont Ja nombreuse posterite peuplera le roman allemand au
19e siecle." Den Hauptteil bildet dann eine klar disponierte und klar durchgeführte
Analyse der Philosophie Jacobis, in der überall die Romane und die Briefe — auch
die neueren Veröffentlichungen — herangezogen werden, und in der nirgends ein
orientierender Umblick auf die Stellung der Zeitgenossen fehlt — wohl unbedingt
die vorzüglichste Darstellung der Philosophie Jacobis. Gern nimmt der Vf. auch auf
seinen grössten Freund Bezug und sieht z. B. in dem Gespräch Mephistos mit dem Schüler
(S. 217) ein Echo der Unterhaltungen zwischen Goethe und Jacobi. DerSchluss (S.240 ff.)
betont Jacobis Mystizismus vielleicht ein wenig zu stark, erklärt die nicht systematische
F'orm, in der seine Lehre auftritt (S. 255), in geistreicher Weise und hebt hervor, wie
gerade durch ihren persönlichen Charakter diese Philosophie allgemeine Bedeutung
gewinnt (S. 262). Die französische Philosophie hat mit diesem Buch dem Verehrer
der französischen Popularphilosophen (S. 33), dem Geistesverwandten Pascals (S. 262)
ihren Dank in würdiger Weise abg-estattet. Nur — kann „Aufklärung" nicht besser
übersetzt werden als „Philosophie des lumieres" (S. 29 ff.) und „Sturm und Drang"
nicht anders als „Periode d'Orage et Assaut" (S. 43)? —
Von K. Chr. Fr. «Krause werden aus dem Nachlass von Mucke129)
Gesch. d. neueren Philos. Nene Gesamtausg. 6. Bd., 1. Hälfte. 1. F. W. }. Schelling. 1. Buch: Schellings Leben u. Schriften.
2. Buch: Schellings Lehre. 2. Aufl.. 1. Hälfte. Heidelberg, Winter. 400 S. M. 10,00. |fDEKZB. 8, S. 85. ]| — 118) X w-
Wallace, Hegels philosophy of raind with 5 introductory essays. Oxford, Warch. Sh. 10,6. |[Ath. 2. S. 4489.JI — 119) X
id., The logic of Hegel. Oxford, Clarendon Press. 1892. 439 S. Sh. 10/6. |[l)ublinR. 115, S. 224;7.]| — 120) X Hegels
lectures on the hist. of philos. Vol. 2. London, Spon. Sh. 12/6. — 121) W. Wallace, Prolegomena to Hegels philosophy
and logic, 2. ed. Oxford, Warehouse. Sh. 10/6. — 122) Set ho n, Hegelianism and its critics („Mind"): XV. 45, S. 101. — 123) E.
Guglia, Hegel, Kritd. Verfassung Deutschlands. Her. v. G. Mollat (JBL 1893 IV 5:131): Euph. 1, S. 413 6. — 124) M. Kronen-
berg, Hegels polit Jugendentwicklung: VossZg'*. u. 18,9. — 125) C. E. Carstens, G. F. Thaulow: ADB. 37, S. 659-60. —
126) E. Brief A. Buges an Johannes Schulze: NatZg. N. 59. — 127) C. Montaniis, Z. Erinn. an F. H. Jacobi: FZg. N. 65. —
128) L. Levy-Brühl, La philos. de Jacobi. (= Bibl. de philos. conterap.) Paris, F. Alcan. Fr. 5,00. — 129) K. Chrn. F.
IV 5 : 130-139 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
herausgegeben die Vorlesungen über Naturrecht oder Philosophie des Rechtes und
des Staates, und von Vetter130) die Aphorismen zur geschichtswissenschaftlichen
Erdkunde; ferner von Hohlfeld und Wünsche131) in einer „vom Vf. selbst
berichtigten und aus seinem hs. Nachlasse stark vermehrten Auflage" die Anleitung
zur Naturphilosophie. Mit deutscher Litteratur oder auch nur deutscher Sprache
haben auch diese Schriften wenig zu thun (S. 252 „als Urtochter Gottes, d. i. als
Urinwesen des Wesens"; S. 253 „Urwesen ist allein in sich urvollweseninwach);
höchstens könnte die Naturphilosophie zur Bereicherung unserer Verdeutschungs-
wörterbücher benutzt werden (Planet Rundumsonner S. 262, Planeten und Kometen
Umsonner S. 152; chemisch und dynamisch ersetzt durch mellig und allkraftlich
S. 264, vgl. allgemein die Verdeutschungen zur Chemie S. 250/1). Charakteristisch
für die allegorischen Spielereien der Naturphilosophie, aber auch für die romantische
Sehnsucht der Brentano und Bettina nach Kindeseinfalt ist etwa folgende Stelle:
„Sömmeringii Icones embryonum humanorum zeigen die leichenähnliche Ruhe, Ver-
klärung, liebliche Unschuld im Ansehen und in der Lage des Menschenkeimlings,
tiefsinnigen Ernst. (Sage der Brahmanen im Vupnekhat) Werdet wie die Kinder! Diese
Forderung kehrt in höherem Sinne hier wieder" (S. 136). Da haben wir in diesem
Embryo alles beisammen : Allegorie und Naturwissenschaft, Indien wie bei Schopen-
hauer und Poesie des Lallens wie in Brentanos Märchen (oder in Blacks gleichzeitigen
Songs of innocence), Umdeutung des Christentums (heisst es denn in der Bibel,
man solle in der Mutter Leib zurückkehren?) und Sehnsucht nach der Ruhe eines
Kirchhofs, wie sie dann die Heilig-e Allianz auch brachte. War doch deren
Grundidee von Krauses „Menschheitsbund" gar nicht so weit entfernt.132) —
Arbeiten für Krause noch immer unermüdliche Anhänger, so ist bei
Herbart 133) die Polemik der Gegner eifrig am Werk. Kühn134) greift ihn vom
christlich-religiösen Standpunkt an, erkennt aber neben anderem den idealen Hauch
an, der durch das Ganze wehe (S. 68) ; Ostermann 135) aber gelangt in der zweiten
Auflage seiner Streitschrift zu dem Ergebnis, dass die Herbartsche Pädagogik 1. in
ihren Grundzügen verfehlt sei, 2. sofern sie sich der Wahrheit nähert, ihren psycho-
logischen Voraussetzungen untreu werde und 3. auch abgesehen davon mit allerlei
Widersprüchen und Unklarheiten behaftet sei (S. 224). — Einen treuen, aber wenig
erfolgreichen Schüler Herbarts, G. F. Taute, hat Rein136) geschildert.137) —
Stehen diese Männer noch wesentlich im Kampf der Parteien, so hat dagegen
für Schopenhauer die historische Betrachtung und Gerechtigkeit sich allmählich
durchgerungen, für den Menschen138) wie für den Philosophen. Wohl begegnen
uns auch jetzt noch Fanatiker wie Schemann und Schwärmer wie Hans Herrig, aber
die objektivere Würdigung der Kuno Fischer und Rudolf Lehmann übertönt ihr Rufen wie
das schon länger heiser gewordene seiner wilden Vernichter. Aus dem Nachlasse
K. B ä h r s hat Schemann 139) Gespräche und Briefwechsel mit Schopenhauer
herausgegeben, wobei er es seltsamer Weise für selbstverständlich hielt, „erstlich
eine Anzahl von B. selbst beabsichtigter und durch Randbemerkungen an die Hand
gegebener Aenderungen vorzunehmen sowie einzelne Lücken möglichst in seinem
Sinne auszufüllen; sodann offenbare Versehen und den Gesamteindruck störende
stilistische Mängel zu beseitigen, die B. persönlich vor der Drucklegung zweifellos
berichtigt haben würde" (S. VI). Die Gespräche selbst bringen nicht eben viel
Unbekanntes, aber doch für bekannte Urteile Schopenhauers charakteristische neue
Belege, so für seine verständnislose Verwerfung des gotischen Stils (S. 33), für die
scharfe Verurteilung Büchners (S. 64). Anschaulich führt B. die Freude des
Philosophen über den ersten Orang-Utang, der ihm zu Gesicht kam (S. 33), oder seine
Recitation aus „Künstlers Erde wallen" (S. 42) vor. Charakteristisch sind Sch.s
Worte, als B. die Art und Weise, wie Asher für ihn warb, missbilligt hatte: „Liebes
Kind, lassen Sie doch jeden nach seiner Weise für mich Proselyten machen" (S. 50);
und bezeichnend für die Demut all dieser Jünger ist es, wie B. nicht nur das ganz
in der Ordnung findet, dass Schopenhauer ihm gegenüber „seine Rangstellung im
Rang der Geister" behauptet (S. 30), sondern auch das, dass er die Goethes (S. 51)
nicht respektierte. Dass B. sich auch notierte, wenn Schopenhauer einen Sprach-
fehler in dem Titel „Der Zauberer von Rom" (statt: aus Rom) entdeckt haben will (S. 41),
Krause, Vorlesungen über Naturrecht od. Philos. d. Rechts u. d. Staates. Hs. Vorlesungsheft d. Vf. Her. v. R. Mucke. L.
u. B., Felber. XII, 281 S. M. 5,00. — 130) id., Aphorismen z. geschichtswissensch. Erdkunde, nebst e. Karte. Aus d. hs.
Nachl. d. Vf. her. v. R. Vetter, ebda. VII, 73 S. M. 1,60. — 131) id., Anleit. z. Naturphilos. 2. Aufl. Her. v. P. Hohl-
feld u. A. Wünsohe. ebda. XI, 281 S. M. 5,00. — 132) X E- Reis, C. P. Chr. Krause als Philos. u. Freimaurer. Wien,
Eisenstein & Cie. 14 S. M. 0,60. — 133) X H. Steinthal, D. Philos. J. F. Herbart: DB11EU. 21, S. 69-72. - 134) V.
Kühn, Prakt. Ideen Herbarts. Unsere Darstell, u. Kritik. Diss. L., (Fook). 69 S. — 135) W. Osterraann, D. hauptsächl.
Irrtümer d. Herbartschen Psycholog, u. ihre päd. Konsequenzen. 2. Aufl. Oldenburg u. L , A. Schwartz. IV, 246 S. M. 4,00.
— 136) W. Rein, G. F. Taute: ADB. 37, S. 474/6. — 137) X O. Flügel, D. Religionsphilos. in d. Schule Herbirts:
DB11EU. 21, S. 309-12, 317-20, 325/9. — 138) X M. Brahn, Schopenhauer als Mensch: Geg. 46, S. 121/4. — 139) K. Bahr,
Gespräche u. Briefw. mit A. Schopenhauer. Aus d. Nachl. her. y. L. Schemann. L., Brockhaus. XVI, 99 S. M. 2,50.
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5:uo
dünkt uns etwas Wustmannisch (Goethedenkmal S. 34; Wieland S. 37; Bimsen S. 39;
Goethe und B.s Vater S. 87). Im ganzen zeigt uns das Buch Schopenhauers rätsel-
hafte Pei'sönlichkeit sehr anschaulich, lässt sie aber rätselhaft. — Das Problem
Schopenhauer hat Rudolf Lehmann 140) in seinem „Beitrag zur Psychologie der
Metaphysik" unzweifelhaft gefördert. Durch das Werk Kuno Fischers hat er mit
Recht das psychologische Rätsel der Schopenhauerschen Philosophie noch nicht für
gelöst halten können, wie er in guter Kritik (S. 4/5) darlegt. L. selbst erneuert in
geistreicher Weise die wohl schon ältere Idee, den Frankfurter Philosophen und sein
ganzes Wesen wie auch seine Philosophie als ein Mischprodukt von Aufklärung und
Romantik (S. 46/7) aufzufassen. Diese beiden Richtungen stellen sich schon in den Eltern
dar (S. 56) und blicken nicht minder deutlich hinter dem Doppelprädikat der Welt
als Wille und Vorstellung (S. 59) hervor: „Die Lehre Schopenhauers von der Welt
als Vorstellung ist ebenso entschieden vom Rationalismus beeinflusst, wie seine
Willenslehre von der Romantik." L. analysiert nun diese beiden „Mütter" der
Schopenhauerschen Philosophie und findet für seine Mystik den Schlüssel in der
Romantik, die im Gefühls- und Triebleben des Menschen die Auflösung des Rätsels
der Welt sucht (S. 60), während Schopenhauers Morallehre in der Aufklärung
wurzelt, die (wie L. sehr richtig ausführt) ihre Anschauungen in moralphilosophischer
wie in religiöser Beziehung im wesentlichen durch Abstraktion und Abschwächung
aus der christlichen Ueberlieferung bildet (S. 92). Während daher Schopenhauer in der
christlich religiösen Wendung des Pessimismus mit Tieck übereinstimmt, von dem L.
(S. 74) ein paar schlagend „moderne" Mitleidsworte zu den „Enterbten" aushebt,
gerät er doch im Ganzen zu ihrer ästhetischen Weltanschauung ('S. 95) in heftigen
Widerspruch und setzt im Sinne des Christentums und der Aufklärung ihrem
romantischen Pessimismus den moralischen, den Entrüstungspessimismus entgegen
(S. 103). Er kommt in dieser Strömung sogar dicht an das am meisten anti rationalistische
Dogma des Christentums, an die Erbsünde (S. 106), heran und berührt sich dann
auf diesem Umweg wieder mit der Willenslehre des Erzromantikers Schelling (S. 109).
Ueberhaupt hätte es hervorgehoben werden dürfen, dass bei keinem der Philosophen
nach Kant eins von beiden Elementen ganz fehlt: für Hegel hat namentlich Haym
analoge Mischungsverhältnisse nachgewiesen, wenn auch das Bedeutendste in diesem
Mann, der Begriff der immanenten Entwicklung, der Romantik so gut wie dem
Christentum abgeht. Deshalb steht auch gerade hier Schopenhauer zu ihm in aller-
schroffstem Gegensatz (S. 63). Gesteigert wurde dieser ferner, was L. nicht hervor-
hebt, durch Hegels Optimismus, der aus der Aufklärung stammt; denn diese trägt (S. 73)
im wesentlichen einen optimistischen Charakter, sogar bei Voltaire, der allerdings (ib.)
gelegentlich pessimistische Stimmungen zeigt und gegen die Uebertreibungen des
Leibniz-Wolffschen Optimismus die scharfe Waffe seines Spottes wendet, im Grunde
aber doch von dem stetigen Fortschritt zum Besseren überzeugt ist. Auch zu
Goethe bringt der schroffe Moralismus seinen Verehrer Schopenhauer in Gegensatz,
wie sich besonders bei der Lehre vom Kunstgenuss als willenlosem Anschauen
zeigt (S. 116); freilich bietet doch Goethes Lehre, dass man sich der Natur ganz
ergeben, sie mit Zurückdrängung aller Temperamente rein aufnehmen solle, und
seine verwandten Ausführungen über die Aufnahme von Kunstwerken mehr Berührungen
mit Schopenhauers Doktrin, als aus L.s Worten hervorgeht. Schopenhauers Bedeutung
liegt gerade in der „Uebertragung der religiösen, speciell der christlichen Moral
auf den Monismus" (S. 121). Das letzte Kapitel behandelt lehrreich die
Methode Schopenhauers und zeigt die Wirkungen jenes Dualismus sowie die
unbewussten Kunstgriffe, mit denen er sie auszustatten sucht: Umwandlung des
kontradiktorischen Gegensatzes in den konträren (S. 150), Verwandlung der Negation
in eine Position (S. 156), Umformung des Begriffs der „Objektivation" (S. 188). —
Mit Recht kann L. seinen Untersuchungen (deren Ergebnisse er S. 199—200 knapp
l-ekapituliert) allgemeinere Bedeutung zuschreiben. „Was diese Elemente zusammen-
hält, ihnen Leben einhaucht, sie zu einem „organischen" Ganzen verbindet, ist ein
starkes, aber rein gefühlsmässiges Erfassen der Welt als einer Einheit, der eine
moralische Ordnung der Dinge zu Grunde liegt. Seine eigentümliche Färbung
erhält das so entstehende metaphysische Gebilde durch die persönliche Eigenart
seines Schöpfers, seine besonderen Ausgestaltungen durch den Einfluss der grossen
Zeitströmungen, die sich in ihm wiederspiegeln .... Aber auch in allen anderen
metaphysischen Systemen würde eine kritische Analyse dieselben Elemente als
wesentlich aufweisen können wie bei Schopenhauer, wenn sie gleich nicht immer so offen
zu Tage treten; und eine Geschichte der Metaphysik, in diesem Sinne geschrieben,
würde vermutlich nur wenige andere Faktoren als gleich wichtig und wirksam zu
berücksichtigen haben. Somit eröffnet uns die Analyse der Schopenhauerschen
|[Geg. 46, S. 326,9.]; — HO) Kud. Lehmann, Schopenhauer. E. Beitr. z. Psycholog, d. Metaphys. B„ Weidmann. 200 8,
IV 5-.H1-149 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
Philosophie einen Einblick in das Wesen des metaphysischen Denkens überhaupt,
sie wird zu einem typischen Beitrag" zur Psychologie der Metaphysik (S. 193). Im
einzelnen haben wir nur noch weniges anzumerken. Dass L. sich Windelbands
Paradoxon anschliesst, Fr. Schlegels Theorie enthalte mehr ein Missverständnis als
eine absichtliche Umdeutung Schillerscher und Fichtescher Gedanken (S. 54/5), hat
uns gewundert. Wenn Schopenhauer Systeme verspottet, ,, welche von einer Art
Ekstase oder Hellsehen ausgehen", und dennoch selbst an das Hineinragen der meta-
physischen Welt in die empirische glaubt (S. 68), so kann ich darin keinen Wider-
spruch sehen: sobald das Hellsehen als wirklich anerkannt wird, darf es doch für
die rationale Bearbeitung der Wirklichkeit benutzt werden, ohne dass der geister-
gläubige Empiriker deshalb schon sein System auf eine Ekstase zu gründen
brauchte. Für Schopenhauers Opposition gegen die ästhetische Weltanschauung (S. 95)
möchte ich an Kierkegaards klassisches ,. Entweder— Oder" erinnern. — Die Bedeutung
von Lehmanns Buch besonders hinsichtlich seiner historischen Einordnung und
hinsichtlich der psychologischen Ableitung seines Systems hebt ein anonymer
Zeitungsartikel hervor141). — Ebenso betont Kronenberg'142) im Anschluss an die
Besprechung der „Schopenhauer-Briefe" 143) und des Werkes von Kuno Fischer144),
dass die historische Würdigung und Einordnung des Frankfurter Philosophen endlich
erreicht sei. Er schliesst mit den Worten: vergessen werde Schopenhauer nie
wieder werden; und so dürfen wir uns trösten, wenn man für sein Denkmal in
Frankfurt a. M.145_145b) wie mit Absicht einen abgelegenen Platz ausgesucht hat.146) —
Wichtiger als solche Bilder in Stein und Erz sind freilich gute Ausgaben. Eine
neue Schopenhauerausgabe, die Cotta in zwölf Bänden veranstaltet, leitet Stein er147)
mit einer knappen Biographie und Würdigung ein. Was Schopenhauer von seinen
Vorgängern entnahm, wird scharf und klar hervorgehoben und dabei Fichtes Anteil
weit über die gewöhnliche Meinung veranschlagt. Um so mehr befremdet es, wenn
St. (S. 12) den Philosophen von Frankfurt aus der grossen Kette der sich ablösenden
Systembauer herauslösen will, weil die Ideen dieser anderen Denker Glieder einer
fortlaufenden Entwicklung'sreihe seien, während die Fragen, die Schopenhauer durch
seine Erlebnisse g-estellt werden, ein durchaus individuelles und oft von Zufällig-
keiten abhängiges Gepräge hätten. Gewiss ist ja zuzugeben, dass persönliche Eigen-
heiten und selbst Grillen an dem System des romantischen Pessimismus stärker
mitbauen als an dem des kategorischen Imperativs oder der im Dreischritt einher-
gehenden Vernunft; dennoch bleibt nach St.s eigenen Darlegungen der eigentliche
Grundgedanke Schopenhauers eine Folgerung aus den Vordersätzen seiner Vorgänger.
Und dann : ist nicht dies selbst, dass in ein philosophisches System das selbstherrliche
Individuum mit so viel gebieterischer Eigenart eindrang, eine Folge aus der schritt-
weise sich steigernden Verehrung des Philosophen für das Genie, für den „Einzelnen"?
Von Kants unbedingter militärischer Unterordnung des Einzelnen unter den göttlichen
Heeresbefehl — welch ein Weg bis zu Fichtes Verherrlichung des weltschaffenden
Ich ! Und findet man nicht bei den dichterischen Zeitgenossen Schopenhauers den
„Exotismus" und „Dilettantismus," den Kultus des Genies und der Askese motiviert
und vorbereitet? Wie sollten sie es nicht bei den Philosophen sein! Im übrigen
ist St.s Analyse des Hauptwerks meisterhaft, wogegen er den Paralipomenis nicht
gerecht wird. In der Frage der Textbehandlung nimmt er (S. 31) die Partei des
(besonders auch von Kuno Fischer) so viel gescholtenen Frauenstädt; die Anordnung
richtet sich nach der Reihenfolge, in der Schopenhauer seine Werke gelesen haben
wollte. Die auf Gwinner und Kuno Fischer sich beschränkende Bibliographie
ist doch wohl etwas zu asketisch knapp gehalten. — Als Zeugnis für Schopenhauers
p]influss liegt eine französische Uebersetzung vor148); beredter noch sprechen Herrigs
feurige Aufsätze, die durchweg schon gedruckt waren, nun aber erst durch Grisebachs 149)
Bemühung bequem zugänglich sind. Der erste spricht über R. Wagner in seinem
Verhältnis zur Musiklehre Schopenhauers: „Wagner als aufrichtiger Künstler konnte
überhaupt sich die Schopenhauersche Kunstdoktrin nicht aneignen, sondern musste
sich einzig1 auf den genialen Einblick des Philosophen in das WTesen der Musik be-
schränken, der ja noch dazu seine Theorien so glänzend bestätigte. In den Entzückungen
der Musik liegt eine schlagende Widerlegung des Schopenhauerschen Pessi-
mismus, ein glänzender Beweis gegen dessen Ansichten vom Werte der Liebe . . .
M. 4,00. |[L. Weis: BLU. S..489-90.]| — 141) E., Schopenhauer im Lichte d. neueren Gesc h.-Beschreibung: NatZg. N. 354.
— 142) M. Kronenberg, Schopenhauer in M»t. Beleuchtung: Nation". 11, S. 211/5. — 143) X L. Schemann, Schopenhauer-
Briefe (JBL. 1893 IV lc : 94; 5 : 152/3). |[DRs. 78, S. 158; VossZg». N. 42.]| - 144) X C. Rössler, Kuno Fischer, Schopen-
hauer (JBL. 1893 IV 5: 151): PrJbb. 75, S. 401-25. — 145) X D. Schopenhnuer-Denkro. in Frankfurt a. M.: FZg. N. 123. —
145a) X D. Schopenhauer-Denkm. u. sein Schöpfer: ÜL&M. 72, S. 694/5. — 145b) X üne statue de Schopenhauer: BURS. 62,
S. 179-80. — 146) X H. Schmidt kunz, Z. Geburtst. Schopenhauers: Zuschauer 1. S. 163-71. — 147) A. Schopenhauer,
Sämtl. Werke in 12 Bdn. Mit Einl. v. K. Steiner. 1. Bd. (= Cottasche Bibl. d Weltlitt. Bd 241.) St., Cotta. 191 S.
Mit Bildn. M. 1,00. — 148) X Mi Le fondement de la inorale. Trad. de l'allem. par A. Burdeau. 5. ed. Paris, Alcan.
VIII, 193 S. — 149) H. Herrig, Ges. Aufsätze über Schopenhauer. Her. v. E. Grisebach. (= ÜB. N 8187.) L., Reclam.
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 150-159
Zu existieren ist nicht so schlimm, wie Schopenhauer meint" (S. 37). Auch
der zweite Aufsatz ist keineswegs ganz orthodox schopenhauerisch: in dem Kapitel
über die Geschlechtsliebe, das Schopenhauer eine Perle nannte, sieht Herrig
(S. 63) nichts Neues: er führe nur aus, was Novalis kurz und zart ausdrückt,
wenn er das Kind die sichtbar gewordene Liebe der Eltern nannte. Ueberhaupt
polemisiert Herrig gegen Schopenhauers Härte mehrfach, sieht aber doch seine
Meinungen durch den Darwinismus wesentlich bestätigt. Der dritte Aufsatz rühmt
Bahnsen (S. 77) und ironisiert Ed. von Hartmann (S. 73); der letzte sucht Schopen-
hauer ebenso durch den Nachweis seines latenten Christentums zu stützen wie der
zweite durch den seines unbewussten Darwinismus. Das alles ist in einem merk-
würdig ungepflegten Stil aus dem Handgelenk hingeworfen. Exaltierte Ueber-
treibungen durchziehen das ganze Büchlein: „In Lohengrins einzigem Ausruf: Elsa,
ich liebe dich! steht mehr Liebe als in der ganzen Tragödie von Romeo und Julia"
(S. 36). Die Logik ist eine unerlaubt eilige. Zu Schopenhauers Willenslehre be-
merkt Herrig z. B. (S. 49) : „Schon Spinoza hatte gesagt, der geworfene Stein werde,
falls er plötzlich denken könne, vermeinen, er habe fliegen wollen". In aller Harm-
losigkeit wird also hier zu Gunsten von Schopenhauers „Willen in der Natur" ein
Satz angeführt, der gerade alles Wollen für Illusion erklärt. Auch bei der Ver-
gleichung der Lehren Schopenhauers mit Christentum, Darwinismus, Wagnerscher
Kunst stösst überall dieselbe hastige Art ab, x\ehnlichkeit abzulesen, ohne der Unter-
schiede im geringsten acht zu haben. Und trotz alledem ziehen die Aufsätze an
als der warme Ausdruck einer leidenschaftlichen, religiös zu nennenden Hingebung
an den Denker, den G. einmal den Buddha unserer Zeit genannt hat. — Das gleiche
Thema wie Herrigs letzter Aufsatz behandelt W. Schmidt150) in Buchform. Er
stellt systematisch die Lehren Schopenhauers und des Christentums (S. 14 ff.) zu-
sammen, nachdem er zuvor Schopenhauers Anschauungen von der Religion im all-
gemeinen (S. 4) und vom Problem der Philosophie (S. 11) erörtert hat. Jedesmal
werden dann am Schluss die Uebereinstimmungs- und Differenzpunkte zusammen-
gestellt, Auf diese Weise wird eine gründlichere Vergleichung angebahnt, die
gerade jenen gefährlichen Ueberschätzungen der Uebereinstimmungen entgegen
arbeiten soll; denn Deussens Behauptung, die Schopenhauersche Philosophie sei „ein
regeneriertes, geläutertes und auf unanfechtbarer wissenschaftlicher Grundlage auf-
gebautes Christentum" hat den Anlass zu dieser Schrift gegeben (S. 3). Ihr Ergebnis
ist, dass Eduard von Hartmanns Urteü zutreffend sei: „In der Religionsphilosophie
steht Schopenhauer ganz auf indischem Boden und erkennt das Christentum gerade
nur insoweit an, als es in den mönchisch-asketischen Erscheinungen seiner katholischen
Vergangenheit indische Vorbilder wiederholt. Für eine positive Würdigung des
Judentums und des Protestantismus mangelt Schopenhauer jeder Sinn" (S. 47). Der
Grund dazu liege in Schopenhauers Ablehnung der Geschichte, ohne die eine zu-
treffende Würdigung der Religionen nicht möglich ist. —
Ed. von Hartmann wird von Kurt151) einer wesentlich polemisch gehaltenen
Kritik unterworfen, die besonders seine religiösen Vorstellungen trifft und die
mystische Gnadenlehre (S. 49) seiner Philosophie verwirft. — Im übrigen scheint der
reine Pessimismus überwunden 152-155^ mit welcher Begeisterung auch SusannaRubin-
stein156) den Mann feiert, den sie neben Schopenhauer und Hartmann als den dritten
grossen Propheten des Weltschmerzes ansieht : Ph. Mainländer. Die Dedikation : „Der
Erinnerung an meinen Vater, meinen leuchtenden Stern im grauen WTeltennichts"
giebt in jeder Hinsicht den Grundton an für die müde graue Analyse, in der ein
paar Herzensworte der begeisterten Pessimistin die einzigen leuchtenden Sterne sind.
Nur etwa die Sätze über Mainländers Lehre vom Humor (S. 57) heben sich durch
lebhaftere Sprache ab. Dazu ist das Buch an Druckfehlern überreich (z. B. Tutwa
„Dies bist du" S. 85; die hübsche Parallele der Mad. Guion mit — Marie Bashkirtseff
S. 105 Anm. enthält in jedem zweiten Wort einen Druckfehler); aber „Einzelnschicksal"
(S. 87) ist, fürchte ich, kein Druckfehler. — Einen anderen, neueren Jünger Schopen-
hauers, Karl Peters den Kolonialpolitiker, charakterisiert Brasch157). —
Aber die Hochflut steigt unter dem Namen Nietzsches heran. Leider
sind es grossenteils kleine Artikelchen, die über Nietzsches Eigenart mit oft unzu-
reichenden Mitteln ^s-is^ urteilen oder vom Standpunkt irgend einer kulturgeschicht-
115 S. M. 0,20. |[L. Berg: Zuschauer 1. S. 482.]| — 150) W. Schmidt, Schopenhauer in seinem Verhältn. zu d. Grund-
ideen d. Christentums. Diss. Erlangen, (Blaesius). 52 S. |[ßud. Lehmann: DLZ. S 709: ThLBl. 15, S. 443 || - 151) N.
Kurt, Wahrheit u. Dichtung in d. Hauptlehren E. v. Hartraanns. L., (F. Fleischer). 88 S. M. 1,25. — 152-153) X J«
Friedländer u. M. Berendt, D. Pessimismus im Lichte e. höh. Weltauffass. B., S. Gerstraann. III, 111 S. M. 2,00.
|[DR. 4, S. 379; WIDM. 75, S. 142.]| — 154-155) X ß- M Wenley, Aspects of pessimism (Hartmann). London, Blackwoods.
Sh. 6. |fAlfr. W. Benn: Ac. 46, S. 416.] j — 156) SusannaKubinstein, E. individualist. Pessimist. Beitr. s. Würdig.
Ph. Mainländers. L., Edelmann. V, 116 S. M. 2,40. !(Rnd. Lehmann: DLZ. S. 899.] | — 157) M. Brasch, Schopenhauer
u. K. Peters: VossZg». N. 41. — 158) X O. Immisch, F. Nietzsche: BLÜ. S. 641/4, 657-60. — 159) X J- ▼• Ludassy, F.
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. Y. ( 4) 19
IV 5:160-177 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
liehen160), ethnographischen161), religiösen ,62) Anschauung aus einseitig alles über-
sehen, was nicht in ihre Richtlinie fällt. Steins Streitschrift wurde vielfach
zustimmend besprochen163), Türcks164) unwürdige Schmähschrift erlebte eine neue
Titelauflage, Weigands wertvoller Essay ward von Jodl165) kritisiert166-168). —
Charakteristisch für das journalistische Unwesen, das aus oberflächlichem Anlesen
über einen Mann herredet, von dem auch seine ernsthaften Gegner nicht bezweifeln,
dass er ein tiefes Problem ist, scheint mir eine Artikelreihe in der „Sphinx".
Hübbe-Schleiden169) richtet unter dem geschmackvollen Titel „Nietzsche, Grün-
Deutschlands Verführer" eine Kapuzinerpredigt gegen dies „fratzenhafte Zerrbild
aller Theosophie, d. i. alles Idealismus in der Wissenschaft und im religiösen Em-
pfinden". — Von ihm belehrt lobt Göhring170) die Tendenz in Naumanns Drama
„Ikarus", das den „Titanenknaben" Nietzsche ad absurdum führen wolle. — Dann
sucht von Schack171) den Menschen Nietzsche zu retten, giebt aber den Philosophen
im wesentlichen preis, worauf Hübbe-Schleiden mit einer letzten Kanzelvermahnung
abschliesst. Von irgend welchem Verständnis für die historischen oder psycho-
logischen Bedingungen Nietzsches ist nirgends die Rede-, es steigt keinem der Herren
auch nur der Gedanke auf, dass so etwas nötig sei. Man nimmt ein paar Beleg-
stellen, macht Ausrufungszeichen dazu und erzielt so mit den gleichen Mitteln den
gleichen Erfolg, den die schlimmste Abart theologischer Polemik mit Citaten aus
katholischen oder protestantischen Erbauungsschriften, aus dem Talmud oder der
Encyklopädie erzielt hat. Und man glaubt „wissenschaftlich", jedenfalls aber redlich
vorgegangen zu sein! So operiert man denn auch mit Urteilen berühmter Leute
über Nietzsche 172) oder glaubt, wie Mauthner173) in einem an Stein und Lou Salome
(s. u. N. 175) anknüpfenden Aufsatze, mit einem wohlfeilen Akibawort alles abthun
zu können. — Wie wohlthuend berührt dagegen die liebevolle Erinnerung, die
Lanzky174) seinem Freunde bewahrt, wenn auch sein Bericht kaum Neues bringt
und das Alte mit stark unnietzscheanischer Rührseligkeit vorträgt! — Aber
nur Eine Schrift über Nietzsche aus dem Berichtjahr kann bedeutend heissen: die
von Lou Andreas- Salome175). Wie Lanzky hat die Vf. mit dem Philosophen
längere Zeit in angeregtem „Zusammenphilosophieren" zugebracht, der Dritte im
Bunde war Ree, der Vf. der „Entstehung des Gewissens" und der auf Nietzsche
einflussreicheren Schrift „Der Ursprung der moralischen Empfindungen" — zwei
Bücher, die auf streng empirischem Wege im Sinne Spencers und seiner Genossen die
Grundlegung einer historischen Ethik versuchen und neuerdings in dem wertvollen
Werk von Elsenhaus176) (bes. S. 218/9), eine verständnisvolle, wenn auch ab-
lehnende Besprechung gefunden haben. Es ist wohl möglich, dass die Vf. unter
der Nachwirkung' dieser persönlichen Beziehungen den Einfluss Rees auf Nietzsche
(SJ98/9, 140/1) überschätzt, (eine Vergleichung beider Philosophen S. 114/5); eine
starke Berührung wird durch Nietzsches Abschiedsworte in der „Fröhlichen Wissen-
schaft" (S. 142 Anm.) immerhin bezeugt. Das Werk zeichnet sich aus durch eine
tiefe Kenntnis der Schriften Nietzsches und den ernsthaften Versuch, die Einheit von
Mensch und Denker in ihrer Entwicklung nachzuweisen. Mag dabei immerhin
häufig eine nicht angenehm wirkende Uebergescheitheit mitsprechen und gelegentlich,
was schlimmer ist, etwas Phrase unterlaufen, wie bei der übertriebenen Scheidung
der früheren und späteren Schriften (S. 90) — es wird doch unzweifelhaft das Ver-
ständnis in sehr vielen Punkten den bisherigen Darstellungen gegenüber gefördert,
so viel auch noch der bestunterrichteten Berichterstatterin und Biographin, der Schwester
Nietzsches, zu berichtigen übrig bleiben wird. Dass durch die Darstellung' der Ent-
wicklung Nietzsches ein zu stark pathologischer Eindruck hervorgerufen und das,
was in ihm unverändert blieb, unterschätzt wird, wollen wir auch nicht bestreiten;
schliesslich aber ist jede Entwicklung ein Tiad-os, doppelt bei einer so leidenschaftlichen
Denkernatur; und die stete „Werdelust" ist doch das Dauerndste in Nietzsche. Die
treffenden Worte über das „typische Erlebnis" (S. 31) geben das Leitmotiv ab für
die gelegentlich nur etwa zu schematisch dargestellten Umwandlungen seiner An-
Nietzsche: FrBlW N. 146. - 160) X A.1. Tille, Nietzsche als Ethiker d. Entwicklung: Zukunft 9, S. 268-78. — 161) XTh-
Achelis, F. Nietzsche: WIDM. 76, S. 97-112. — 162) X Nietzsche u. kein Ende: StML. 46, S. 119-22. — 163) X L. Stein,
Nietzsches Weltanschauung n. ihre Gefahren (JBL. 1893 I 12:379-80; IV 5: 183/4). |[G. Glogan: ThLZ. 19, S. 281/2; LCB1.
S. 388; WIDM. 76, S. 638; J. Steinmeyer: Ges. S. 250/3 (rStein gegen Nietzsohe").]| — 164) H. Türck, Fr. Nietzsche u.
seine philos. Irrwege. Neue (Titel-)Ausg. Jena, Mauke. 72 S. M. 1,00. (1. Ausg. 1891.) — 165) F. Jodl, W. Weigand,
Nietzsche (JBL. 1893 I 12:381; IV 5:192): DLZ. S. 614/5. — 166) X Max Meyer, Z. Charakteristik Nietzsches: Zeitgeist
N. 30. — 167) X c- Dohany, F Nietzsches Geistesleben: Geg .45, S. 278-80 — 168) X Sophus, V F.Nietzsche: BerlTBl.
N. 531. — 169) W. Hübbe-Sohleiden, Nietzsche, Grün-Deutschlands Verführer. Vortr.: Sphinx 18, S 421-34. — 170) H.
Göhring, D. „Uebermensch11 als Bühnenspuk: ib. 19, S. 130,5. — 171) D. Th. v. Schack, Nietzsche — ein Doppelgesicht?:
ib. S. 102/8. — 172) X Billroth über Nietzsche: DAdelsbl. S. 449. - 173) F. Mauthner, F. Nietzsche: Nation». 11, S. 5824.
— 17.4) P. Lanzky, F. Nietzsche: Sphinx 18, S. 333-40. — 175) LouAndreas-Salome, F. Nietzsche in seinen Werken.
Wien, Konegen. V, 263 S. Mit 2 Bildn. u. 3 Faks. v. Briefen. M. 6,00. |[LCB1. S. 1756/7; G. Hof milier: Ges. S. 970.]| —
176) Th. Elsenhaus, Wesen u. Entstehung d. Gewissens. L, Engelmann. XVIII, 334 S. M. 7,00. — 177) W. Bölsche,
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : ns-isi
schauungen (drei Perioden in Nietzsches Auffassung- der Historie S. 69; vier leitende
Gedanken und ihre Umformung' S. 74/5; drei Entwicklungsstufen seiner Erkenntnis-
theorie wie seiner Morallehre und Aesthetik S. 157), die allerdings zuweilen über-
spannt werden: in Bezug auf die Beurteilung Napoleons z. B. (S. 188) scheinen mir
die angeführten Belege keineswegs so grosse Schwankungen zu beweisen, wenn
auch im allgemeinen ein Wechsel in Nietzsches Stellung zum Geniekultus (S. 107)
unverkennbar ist. — Mit Nachdruck hebt die Vf. das Kunstbedürfnis Nietzsches her-
vor; der Mann, der aus Ritschis philosophischer Schulung kam (S. 50), die gegen
den Kunstwert der behandelten Gegenstände fast absichtlich sich verhärtete, ist wohl
zu einem „Jenseits von Gut und Böse", zu einem „Jenseits von Wahr und Falsch",
nie aber zu einem „Jenseits von Schön und Hässlich" gelangt und findet den Ueber-
menschen nur als Kunstwerk des Menschen möglich und begreiflich (S. 208). Der
Deutung dieser Centralidee gilt der bedeutsamste Teil des Buches, obwohl auch die
Ausführungen über Nietzsche Erkenntnistheorie (S. 156/7) und Willenstheorie (S. 180)
wichtig sind. Treffend wendet die Vf. sich (S. 201) gegen eins der häufigsten und
schlimmsten Missverständnisse Nietzsches: „Man darf den Weg, den Nietzsche zur Er-
reichung seines Idealzieles wählt, nicht mit diesem Ziele selbst verwechseln; er betrachtet
die Herrschaft der „furchtbaren Instinkte" nur als ein- Mittel, dessen er für den höchsten
Endzweck bedarf. Ganz mit Unrecht und in grobem Missverständnis ist ihm vor-
geworfen worden, sein „Uebermensch" trage statt der Züge eines Jesus die eines Cesare
Borgia oder sonst eines lasterhaften Unmenschen. In Wahrheit ist der „Unmensch"
dem „Uebermenschen" nicht Vorbild, sondern nur Sockel; er stellt sozusagen den
unbehauenen Granitblock dar, der gefordert wird, um auf demselben eine Götterstatue
aufzurichten. Und diese Götterstatue des Uebermenschen-Ideals ist in Art und Wesen
nicht nur von ihm verschieden, sondern ihm geradezu eiitg*egengesetzt". Nietzsches
eigene Persönlichkeit hatte vor jener grundfalschen Auffassung schützen sollen! Und
wie diese sich nun in seiner Philosophie abspiegelt, vor allem in der grandiosen
Schöpfung des Zarathustra (S. 212, 234), das wird mit feinem Verständnis (bes. S. 236)
gezeigt. Von einer „ungeheueren Vergöttlichung des Schöpfer-Philosophen" (S. 231),
die durch Deussens „System des Vedänta" gefördert sem soll (S. 242 Anm.), würde
ich freilich doch nicht sprechen; dazu hat Zarathustra zu gute litterarische Vorstufen
hinter sich in all jenen Experimenten, neue Bibeln zu schaffen, von La Mennais
„Paroles d'un Croyant" bis zu F. Th. Vischers Pfahlbaukatechismus. Persönlich an
ihm ist freilich das Bedürfnis der eigenen Selbsterlösung (S. 213), aber wie viel an
Zarathustra aus dem allgemeinen Ideal des Religionsstifters und Weltbeglückers er-
wachsen ist, sollte nicht übersehen werden. Wie sich dann Nietzsches Schicksal
vollzog, wie die Lehre von der Wiederkunft aller Dinge (S. 220/1) ihn bezwingt, nach-
dem er ihr schon genaht war, das liest sich fast wie ein Roman. Prophetisch hatte
er früh gemeint: „In jedem Fall könnte der Kreis wahrscheinlicher sein als der Still-
stand" (S. 49); prophetisch war auch seine Liebhaberei für Traum und Traumdeutung
(S. 243). Der Kreis schloss sich ab; das träumerische Kind kehrte wieder an die
Stelle des so hoch g-ewachsenen Mannes. Aber noch sein Ende zeugt, wie der er-
greifende Abschied (S. 251/2) ausführt, für seine Bedeutung: „Und die Blindheit des
Blinden und sein Suchen und Tappen soll noch von der Macht der Sonne zeugen,
in die er schaute." Diese Schlussworte beweisen allein schon, dass die Vf. viel von
ihrem Heiden begriff; alles, das behaupten wir nicht. Aber wie schön bespricht sie
insbesondere die „Morgenröte" (S. 130). Wie treffend sind ihre Worte über das
Aphoristische bei Nietzsche (S. 154), über seine Auffassung des Tragischen (S. 217),
über seine Art der Selbstbefreiung von Einflüssen (S. 257). So war sie der Freund-
schaft wohl nicht unwert, als deren Dokumente sie einige schöne Briefe Nietzsches, teil-
weise inFacsimile-Nachbildung,und zehn höchst geistreiche Aphorismen zum Stil (S. 125)
mitteüt: „Das Erste, was not thut, ist Leben: der Stil soll leben." „Vorsicht vor der
Periode!" „Der Takt des guten Prosaikers in der Wahl seiner Mittel besteht darin,
dicht an die Poesie heranzutreten, aber niemals zu ihr überzutreten." — An das Buch
der Frau Lou und an Weigands „Friedrich Nietzsche" knüpft Bö Ische177) seine
geistreiche und sympathische Rhapsodie an, die Darwin gegen Nietzsche ausspielt und in
seiner Empörung gegen die dennoch siegreichen Naturwissenschaften einen typischenFall
sehen will.178) — Andere haben aus dem wichtigen Buch nur den Bruch mit Wagner
(N. 175, S. 81) herausgeklaubt179). — Ein Aufsatz über Emerson und Nietzsche, von
Federn180), blieb uns unzugänglich. — Während des schreitet das Monumentalwerk
der grossen Nietzscheausgabe rüstig vorwärts; doch zwingt die buchhändlerische
Datierung- uns, die Besprechung aufzuschieben. Einzelne Stücke werden in Zeitschriften
veröffentlicht181). —
D. Geheimn. F. Nietzsches: FrB. 5, S. 1026-33. — 178) X G. v. Glasenapp, F. Nietzsche, d. Philos. d. Gegenw. : BaltMschr. 41,
8; 313-31, 457-73. — 179) X *■ Nietzsches Abfall v. R. Wagner: Didask. N. 88. — 180) K. Federn, R. W. Emerson n. F.
Nietzsche: NFPr. N. 10732. — 181) F. Nietzsche, Ueber d. Zukunft unserer Bildungsanst.: ML. 63, S. l-ll, 47-50, 65-70,
4(19)*
IV 5:182-212 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
Während sonst die Epigonen der klassischen Philosophie ziemlich spärlich
mit Untersuchungen bedacht wurden, L. Fe u erb ach nur mit einer Dissertation über
das Wesen des Christentums von Turban182), sind die Toten und die Jubilare der
letzten beiden Jahre reichlich besprochen worden: J. Frohschammer183"186),
K. L. Michelet 18,J), M. Carr iere 188) haben durch ihren Tod ein abgestorbenes Interesse
wieder belebt, während der 70. Geburtstag von Robert Zimmermann189"190),
Moritz Lazarus191-193) und besonders Kuno Fischer noch ein lebendiges Interesse
antraf. Der Geschichtsschreiber der neueren Philosophie hat es am glücklichsten ge-
troffen : neben dem von warmer Dankbarkeit, aber auch von wirklicher Charakteristik
getragenen Artikel Ran s oho f f s 194), der besonders Fischers Stil gut zeichnet, begrüsst
ihn196"196) ein herzliches Dankgedicht von Fulda197), das allerdings ein bischen nach
Festkommers schmeckt. — Dagegen hat sich aber auch gerade im Berichtsjahr der
ärgerliche Streit mit Türck198"199) entsponnen, der als ein Beitrag zur Geschichte
des Philosophen nicht ganz verschwiegen werden darf. Türck beschuldigt Fischer
des Plagiats an seiner Hamleterklärung. Von Plagiat wird man doch wohl nicht
reden dürfen, da Fischer sich augenscheinlich der Eindrücke nicht mehr bewusst war,
die er bei der Lektüre von T.s Buch empfing; dass er aber von diesem Anregungen
und Belehrungen empfing, scheint durch sein eigenes Zeugnis mehr noch als durch
T.s Nachweise dargethan. Ob dabei, wie mir von anderer Seite mitgeteilt wurde, das
eigentliche Apercu von dritter, beiden feindlicher Seite stammt, nämlich von Nietzsche,
oder nicht, das thut nichts zur Sache, da Fischers Lektüre von T.s Buch unmittelbar
vor den eigenen Hamletschriften feststeht. T. hätte wohl zunächst nicht solchen
Lärm zu erheben brauchen; dass dann aber, als er sein Eigentum reklamierte, Fischer
ihn völlig totzuschlagen und das anfangs gelobte Buch als gänzlich wertlos darzustellen
suchte, das war auch nicht eben schön. Und dass Fischers Polemik mit dem „Peru-
balsam" und der „Inschrift auf dem griechischen Tempel" vornehm war, werden auch
nur seine Getreu esten finden. Seine Erbitterung ist erklärlich; dem durch massloses
Selbstlob verwöhnten Forscher klingen Wahrheiten unangenehmer Art unerhört, und
T.s Vortrag macht sie nicht annehmbarer; gerechtfertigt wird Fischer dadurch nicht.
Sein Opfer aber möge durch das ihm widerfahrene Missgeschick nicht übermütig
werden, sondern hierin eine gerechte Strafe für seine Versündigung an Nietzsche
sehen. —
Von den übrigen Männern, die zwischen der klassischen Periode und der
Gegenwärt die Fackel der Philosophie weiter reichten, ist ausser F. Trendelenburg,
der als Historiker der Philosophie mehr als durch seine logischen Untersuchungen
dauernde Bedeutung beansprucht — Richter200) hat sein Lebensbild entworfen —
K. Ch. Planck zu nennen, den ein anonymer Artikel bespricht201). — Eucken202)
hatden „Antievolutionisten" G. Teichmüller ohne Sympathie besprochen, Ca spar i203)
und A c h eli s204) H. Lotze mit warmem Anteil.205) Der Mikrokosmos erlebte eine
englische Uebersetzung206). — Von den Jüngsten ward Rud. Steiner vielfach
kritisiert207), Gustav Engels Entwurf einer ontologischen Begründung des Sein-
sollenden durch einen Anonymus208), der ihn als uneigentlichen Hegelianer
charakterisiert. — B. Wi 1 1 e s208a) Buch gehört mehr zur Volkserziehung als zur eigent-
lichen Philosophie. — Wiederholt hat man versucht, eine Philosophie der
Gegenwart zu schreiben. Eucken209) sucht die Grundbegriffe unserer Zeit fest-
zustellen. — Sein Werk und Paulsens Einleitung in die Philosophie bedeuten für
Biese210) ein Aufblühen der Philosophie, während Wähle211"212) ihr Ende sieht
97-103, 129-34, 161,6, 268-75, 399-406. - 182) T. Turban, D. Wesen d. Christentums v. L. Feuerbach. Diss. Leipzig. 71 S.
— 183) X J- Frohschammer, System d. Philos. im Umriss (JBL. 1893 IV 5:222): DR. 1, S. 1434. — 184) X L. Weis, B.
Münz, J. Frohschammer, d. Philos. d. Weltphantasie : BLU. S. 779-30 — 185) X M- Glossner, D. Philos. d. h. Thomas v.
Aquin: JbPSTh. 7, S. 129-42, 301-25. (Gegen Frohschammer.) — 186) X Michelet u. Frohschammer: PolybibU'. 70, S. 175 6.
(Nekrol ) - 187) X K. L. Michelet: ML. 63, S. 51/2 — 188) X M. Carriere, Relig. Reden u. Betrachtungen (JBL. 1893
IV 5:224). |[B. Härtung: ThLZ. 19. S. 520; ThLB. 17, S 97/8; WIDM. 76, S. 639.]| — 189) X B- Münz, Zu R. Zimmer-
manns 70. Geburtst.: MontugsR. N. 44. - 190) X R- Zimmermann: WienerZg. N. 251. — 191) X ^ Brasch, D. Begründer
d Völkerpsychol. E Stud zu M. Lazarus 70. Gdburtst.: N&S 70, S 339-51. — 192) X G. Karpeles, M.Lazarus. Z. 70. Ge-
burtst : BerlTBl. N. 468. — 193) X B Münz, Zu M. Lazarus 70 Geburtst.: NatZg. N. 516. — 194) G. Ransohoff, Kuno
Fischer z. 70. Geburtst.: FZg. N. 202 — 195) X Kun0 Fischer: ÜLAM. 72, S. 883. — 196) X Kuno Fischer: BnrschensohBll. 8,
S. 239-40 — 197) L. Fulda, An Kuno Fischer (z. 70. Geburtst.): Didask. N. 171. - 198) (IV ld:25.) - 199) (IV ld:25b.)
— 200) A. Richter, F. Trendelenburg: ADB. 38, S. 569-72. — 201) K. C. Planck: Grenzb. 4, S. 630/1. — 202) R. Eucken,
G. Teichmüller: ADB 37, S. 5434. — 203) O. Caspari, H. Lotze in seiner Stellung zu d. durch Kant begründ. neuesten
Gesch. d. Philos. u. d. philos. Aufg. d. Gegenw. E. krit.-hist. Stud. 2. Aufl. Breslau, Trewendt. VII, 160 S. M. 4,00. —
204) Th. Achelis, Z. Andenken H. Lotzes: NatZg. N. 316, 319. — 205) X G. Vorbrodt, Prinzipien d. Ethik u. Religions-
philos. Lotzes. 2. (Titel-)Ausg. Dessau, Kahle. 1892. VII, 186 S. M. 3,00. |[KonsMschr. S. 326/7 ]| — 206) X H- Lotze,
Microcosmus, transl by Elisabeth Hamilton and E. E. Constance Jones. 4. ed. 2 vols. London, Simpkin. Sh. 24. —
207) K. Stei n e r , D. Philos. d. Freiheit. Grundzüge e. mod. Weltanschauung. Weimar, Felber,. 111,242 S. M.4,00. IfLCBl. S. 1363/4 ; P.
Barth: BLU. S.436 7; A. Drews: 45, S. 264/7; WIDM. 76, S. 5)2.]| (Vgl. auch JBL. 1893 IV 5 : 204.) - 208) Gust. Engel, Entwurf
e. ontolog. Begründ. d. Seinsollenden. B., Besser. VII, 212 S. M. 4,60. |[l)idask. N. I00.]| — 208a) (8. u. N. 651.) - 209) B.
Eucken, D. Grundbegriffe d. Gegenw. (JBL. 1892 I 4:842): WIDM. 75, 8. 399. — 210) A. Biese, E. Aufblühen d. Philos.:
NJbbPh. 150, S. 47-61. (S. o. N. 68 u. 209.) - 211) R. Wähle, D. Ganze d. Philos. u. ihr Ende. Ihre Vermächtnisse an d. Theol.,
Physiol., Aesth. u. Staatspäd. Wien, Braunmüller. XXIII, 539 S. Mit 60 Holzsohn. M 10,00. — 212) id., Gesch. Ueberblick
tl. M. Meyer, Didaktik, des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 213-225
und sie ihre Habe an Theologie, Physiologie, Aesthetik und Staatspädagogik vermachen
lässt. — Hochegger213) handelt über die Bedeutung, die der Philosoph der Gegen-
wart für die Pädagogik habe, während Uphues214) die Richtungen der psychologischen
Forschung der Gegenwart überblickt. —
Uamit kommen wir schon zu den philosophischen Specialgebieten.215)
Die grossen Werke zur Logik von Sigwart216), das von Wu n d t , 2n)
über dessen zweite Auflage Schuppe berichtet, sowie das kleinere von Lipps218)
stehen uns am fernsten. — Näher rückt schon die Psychologie an die Literatur-
geschichte heran211'), bei der wir wieder auch den berühmten Namen Lotzes220)
und Wundts221) begegnen.222) Drews223) handelt über die deutsche Psychologie
des vorigen Jh. — Von Leibniz bis Kant reicht der erste Band von Dessoirs 224)
Geschichte der neueren deutschen Psychologie. Das geistreiche und gelehrte Buch
will eine Geschichte der deutschen Psychologie und nicht der deutschen Psychologen
schreiben (S. X), wie Windelband eine Geschichte der Philosophie und nicht der
Philosophen geben wollte. Der Schwierigkeiten dieses Planes ist D. sich wohl bewusst.
„Gewiss, es liegt ein ungeheurer Begriffsrealismus darin, eine wissenschaftliche Gesamt-
anschauung als geschichtliche Erscheinung zu schildern, die niemals in dem Kopfe
eines Menschen bestanden hat. Aber studieren wir denn Geschichte, um ein Bilder-
buch von einzelnen Leuten zu erhalten?" (S. 132.) Da indessen eine Psychologie
ohne Psychologen nicht existiert (S. X), so ist doch auch D. genötigt, die Gesamt-
anschauung durch Zusammenlegen zahlreicher Aussagen zu erhalten. Er hätte sogar
in der Abstraktion von den Einzelpersönlichkeiten der Psychologen noch erheblich
weiter gehen können, wenn er ausser der Fachliteratur (zu der hier auch die
medizinische S. 351/2 gehört) die „schöne Litteratur" herangezogen hätte, um aus den
von Romanschriftstellern und Historikern als selbstverständlich vorausgesetzten psycho-
logischen Anschauungen die wirkliche Durchschnittspsychologie herauszulesen. „Die
Psychologie", sagt Simmel in seinen tief greifenden „Problemen der Geschichtsphilosophie1'
(JBL. 1892 IV 1 b : 1; 1893 I 1:1; S. 33), „ist das Apriori der Geschichtswissenschaft.
Die Aufgabe der Erkenntnistheorie ihr gegenüber ist: die Feststellung der Regeln,
nach denen aus den äusserlichen Dokumenten und Ueberlieferungen auf psychische
Vorgänge geschlossen wird, sowie derjenigen, welche zur Herstellung eines verständ-
lichen Zusammenhangs zwischen den letzteren genügen." In derselben Weise lässt
sich aber auch aus der Praxis der Schriftsteller ihre Ansicht von den verborgenen
psychischen Vorgängen erschliessen. Ich erinnere nur an Goethes „roman experimental",
die „Wahlverwandtschaften", oder an die Lehre von der Unveränderlichkeit des
„Charakters", die bei Ibsen so streng festgehalten wird wie bei Schopenhauer. Doch
ist D.s Werk auch ohne dies lehrreich genug und bietet für den Zwang einer ganze
Epochen beherrschenden Lehrmeinung anschauliche Beispiele in Fülle. Er hat das
massenhafte Material mit Bienenfleiss ausgeschöpft und beschränkt sich dabei nirgends
auf trockene Referate, sondern sucht überall auf der Grundlage der herrschenden
Schulmeinung die Individualitäten zu charakterisieren. So liefert er denn zahlreiche
Charakterbilder von Psychologen oder die Psychologie wenigstens streifenden Forschern,
wie Kästner und Reimarus (S. 81), Garve (S. 85), Feder, dem Gegner Rousseaus
(S. 88), dem Lehrdichter Creuz (S. 95), Abbt (S. 100, 374), Iselin, Spalding (S. 103),
Lambert (S. 107), Tetens (S. 120). Witzig sind seine Worte über Formey (S. 75):
„Er würde bei nötiger Müsse alle vorhandenen Bücher noch einmal geschrieben
haben"; ich kenne wohl auch Namen aus der Gegenwart, die damit charakterisiert
sind. Ob dagegen Sulzer wirklich „nicht nur der Geburt, sondern auch seiner Natur
nach" ein Schweizer war (S. 83), das lässt sich bezweifeln; mir wenigstens kommt er
neben Zimmermann oder Lavater ganz kosmopolitisch vor. Ueberhaupt hat sich D.
gelegentlich zu überflüssigem Würzen des Stils verleiten lassen; die Wendung von
„dem märchenhaften Schema": t„es war einmal ein Mann, der hat dies gesagt . .und
dann ein anderer, der hat das gesagt"' (S. IX) passt nicht zu dem Ernst der sonstigen
über d. Entwickl. d. Philos. bis zu ihrer letzten Phase. E. Leitfad. für allg. Gebildete u. Studierende d. Hoch- u. Mittelsch.
ebda. IV. 66 S. M. 1,40. — 213) R. Hochegger, D. Bedeutung d. Philos. d. Gegenw. u. d. Päd. (= Päd. Zeit- u. Streit-
fragen. Her. v. Johannes Meyer. N. 32/4.) Gotha, E. Behrend. 132 S. M. 1,80. |[L. Rudolph: COIRW. 22, S. 622/4.]| —
214) G. K. Uphues, Ueber d. verschied. Richtungen d. psychol. Forschung d. Gegenw. Vortr. 11 S. (Nicht im Handel.) |[R Hochegger:
MhComeniusG. 3, S. 272,4.J| — 215) X M. Glossner, H. Schmidkunz, Gegen d. Materialismus, Gemeinfassl. Flugschrr. (JBL.
1892 I 11:18. 50): JbPSTh. 7, S. 115/7. - 216) Uhph. Sigwart, Logik. 2. Bd. d. Methodenlehre. 2. durchges. u. erweit.
Aufl. Freiburg i. B., Mohr. 1893. VIII, 778 S. M. 16,00. [DR 3, S. 127.]| — 217) W. Wnndt, Logik. E. Untersuch, d.
Prinzipien d. Erkenntnis u. d. Methoden wissensch. Forschung. 2 Bde. 1. Bd. Erkenntnislehre. 2. umgearb. Aufl. St., Enke.
1893. XIH, 651 S. M. 15,00. |[W. Schuppe: GGA. S. 178— 212.j| — 218) Th. Lipps, Grundzüge d. Logik. Hamburg. Voss.
1893. VIII, 233 S. M. 3,00. |[DR 4, S. 253,4.]! — 219) X H- Baumgartner, Psychol. oder Seelenlehre. Mit bes. Berück-
sicht. d. Schulpraxis für Lehrer u. Erzieher. 3. umgearb. Aufl. Freiburg i. B , Herder. 1893. VIII. 132 S. M. 1,20. |[StML. 47,
S.478/9.]| — 220) H. Lotze, Grundzüge d. Psychol. Diktate aus d. Vorlesungen. 5. Aufl. L., Hirzel. 95 S. M. 1,70. — 221)
W. Wundt, Human and animal psychol., transl. by Creighton and Titchener. London, Sonnenschein. Sh. 15. — 222) X
F. Runkel, Geistige Gesundheit u. geistige Störung: Zeitgeist 22. (Anknüpfend an W. Hirsch: „Genie u. Entartung".)
— 223) A. Drews, D. dtsch. Psychol. d. vorig. Jh.: PrJbb. 77, S. 557-64. - 224) (III 1 : 185; 5:54.) — 225) A. Biese, D,
IV 5:226-237 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
Haltung' und eine gezierte Apostrophe, wie „steigen wir für einen Augenblick in das
fruchtbare Bathos der Durchschnittsphilosophie hinab" (S. 343) noch weniger. Von
geringerer Bedeutung- sind kleine Irrtümer, wie wenn von der Hellen (S. 400) „van
Hell" genannt wird oder Anton Joseph Pernetty der Sohn von Jacques Pernetty
heisst (8. 396); er war sein Vetter und Jacques war Kanonikus (Biographie universelle
32, S. 506). D. gliedert so, dass er zunächst die einzelnen Psychologen der älteren
Epoche bespricht: Leibniz, Wolff und ihre Nachfolger (S.lff.); dann die allgemeine
Entwicklung der deutschen Psychologie von 1750—80 (S. 47 ff.); drittens das so bedingte
System der Psychologie (Grundprobleme, Tierpsychologie, Vermögenslehre, Vorstellungs-,
Gefühls-, Willensvermögen, Associationspsychologie, S. 132 ff.); endlich die Wirkungen
dieser Psychologie (Beziehungen zur Erkenntnistheorie; zur Aesthetik; zur Medizin;
zu Moral und Recht; zur Pädagogik; zur Lebensauffassung, und schliesslich, mit
etwas paradoxer Ueberschrift: Beziehungen zu Kant, S. 31 3 ff). In dem zweiten Ab-
schnitt heben wir noch besonders den Absatz über den „kulturhistorischen Hintergrund"
(S. 59 ff.) hervor, in dem auch über Sprache und Stil (S. 60) geistvoll gehandelt wird
(„esprit"; „sentimental" und seine Verneinungen S. 60/1), sowie (S. 64ff.) über
Journalistik und Universitäten; beiläufig wird dabei zu Goethes Epigramm von dem
bellenden Hund (S. 70) eine schlagende Parallele aus den Briefen Friedrichs des
Grossen an Voltaire angeführt. Nächstdem ist für uns der vierte Abschnitt von
Wichtigkeit und hier wieder namentlich der Teil, der über das Verhältnis zur Aesthetik
handelt (Gottsched S. 328, Mendelssohn, Lessing, Herder S. 324, 345/6, Goethe S. 329,
Moritz S. 332, Schiller S. 320; über den Begriff des „Genies" S. 338/9). Von all-
gemeinerem Interesse sind auch die Ausführungen zur Pädagogik (S.- 381 ff.) und das
vorzüglich geschriebene, in grossen Zügen skizzierende Kapitel über die durch diese
Psychologie bedingte Lebensauffassung (S. 389 ff.), sowie die Erwähnungen von Fries
(S. 348), Blumenbach (S. 361), Lavater (S. 395), Lichtenberg (S. 398). Lessings Worte
über Gespenster (S. 403) möchten wir nicht, wie D., als ein ernstliches Zeugnis für
seine Anschauung anführen. Ueberall anregend, weil überall selbst voll Anteils führt
uns D. so von Leibniz zu Kant an zahllosen Stationen und Aussichtspunkten vorüber,
bis er endlich die Wurzeln der „letzten grossen Weltanschauung, die eine gegen-
wärtige Geschichtsschreibung als abgeschlossen zu überblicken vermag, der pantheisti-
schen Metaphysik" (S. 407), erreicht hat und schliesslich in einem „Zusammen-
fassenden Rückblick" (S. 425 ff.) seine Kritik der ganzen Entwicklung geben kann,
einer Entwicklung, die so moderne Begriffe wie den der physiologischen Psychologie
(ohne das Wort zu besitzen) schon vorausnahm (S. 359) und die doch als Ganzes
mehr einen Abfall von Leibniz als einen Fortschritt bedeutet. — In die Psychologie
fällt auch Bieses225) mehrfach besprochener Nachweis der unvermeidlichen Metapher-
bildung. —
Für die Aesthetik liegt uns diesmal nur eine historische Studie von
L a s s w i t z2'-6 227) vor. Er weist für Fechners „Aesthetik von unten" und insbesondere
für ihr Associationsprincip auf Vorgänger wie Home (den schon Dilthey in diesem
Sinne genannt hat) und Lotze hin und begrenzt zum Schlüsse das Gebiet der über-
schätzten induktiven Aesthetik: „Sie kann auf ihre statistische Weise stets nur für
eine beschränkte Anzahl von Personen, für bestimmte Kreise der Gesellschaft oder
der nationalen Zusammenhörigkeit, für begrenzte Zeitepochen die Gesetze des
Geschmacks feststellen. Aber niemals kann sie durch psychologische Untersuchung
die Erkenntnis gewinnen, worin die allgemein giltige Bedingung dafür liegt, dass
etwas gefällt. Sie kann nur entdecken, was gefällt und woraus es sich im einzelnen
zusammensetzt; dagegen fehlt ihr jedes Mittel, die Einheit zu definieren, die es
bewirkt, dass jene Einzelheiten zu jener besonderen Art des Gefühls verschmelzen,
welche schön heisst" (S. 542). —
Auch für die Moralwissenschaft und Ethik erhielten wir neben
Besprechungen über Simmeis bedeutsame „Einleitung"228), über Paulsens Ethik229)
und Cathreins Moralphilosophie 23°) eine historische Studie über die Moralphilosophie von
Thomasius Schüler Andreas Rüdiger, verfasst von Carls231-232). — Ueber die neuere
individualistische Ethik schrieb Biese233). — Aus dem Gebiet der mit der Moral-
philosophie eng verwandten Religionsphilosophie, die im Berichtsjahre durch
Arbeiten von oder über Krause 234), Lotze 235), Pfleidere r 236) und N a t o r p 23T)
Philos. d. Metaphorischen (JBL. 1893 I 12:107; IV 5:233). |[L. Spreer: Zöymn. 28, 364/5; Grenzb. 1, S. 318-20.JI — 226-227)
K. Lasswitz, Fechners „Aesthetik v. unten": Nation!». 11, S. 589-42. — 228) X ö. Simmel, Einleit. in d. Moralwissensch.
(JBL. 1893 IV 5:244). |[WIDM. 76, S 767/8; VossZgB. ll.]| _ 229) X F- Paulsen, System d. Ethik (JBL. 1893 IV 5:240).
|[W. Schneid er: LKs. 20, S. 216,8; P.Barth : BLD. S. 435,6; W. Windelband: DWB1. 7, S. 107/8.JI - 230) X F- Schindler,
V. Cathrein, Moralphilos. (JBL. 1893 IV 5:243): ÖLB1. 3, S. 6/7. — 231-232) W. Carls, A. Rüdigers Moralphil. (=: Abhh. z.
Philos. u, ihr. Gesch. Her. v. B. Erdmann, 2. Heft.) Halle a. S., Niemeyer. 51 S. M. 1,20. (Davon T. 1 als Hallenser
Dias. ebda. 32 S.) — 233) A. Biese, D. „souveräne" Individuum u. d. Moral: DWßl. 7, S. 489-90. — 234) L. Rabus,
K. Chrn. F. Krause, Z. Religionsphilos. (JBL. 1893 IV 5:144): ThLBl. 15, S. 606/7. — 235) H. Lotze, Grundzüge d. Religions-
philos. Diktate ans d. Vorlesungen. 3. Aufl. L., Hirzel. 98 S. M. 1,70. — 236) 0. Pfleiderer, Philosophy of religion
(Gifford-Lectures), 2 vols. London, Blackwoods. Sh. 15. — 237) P. Natorp, Religion innerhalb d. Gtenzen d. Humanität.
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 238-238a
vertreten ist, bildet ebenfalls — charakteristisch genug — eine Geschichtsdarstellung
den weitaus wichtigsten Beitra»-. — P f le ider er s238) „Geschichte der Religions-
philosophie" lässt bei aller Gelehrsamkeit und bei aller Klarheit der Darstellung- doch
jenen grossen Ueberblick vermissen, den gerade auf einem so schwierigen Gebiet
der Leser von dem Vf. zu fordern ein Recht hat. In guten Analysen, die allerdings
des Vf. Kritik oft störend unterbricht, statt erst nach Vorführung des Ganzen ein-
zusetzen, werden die wichtigsten Vertreter der Religionsphilosophie auf protestantischem
Boden vorgeführt; dagegen fehlt nicht nur die offizielle katholische Religionsphilosophie
ganz, sondern auch von ihren ausser- oder antikirchlichen Trägern werden fast nur
Baader und Frohschammer sowie ein paar fast ausnahmslos zur deutschen
Phüosophie in Beziehung stehende Ausländer betrachtet. Während Christian Wolff
und die Aufklärung wie auch der englische Deismus eigene Abschnitte erhalten,
wird der folgenreichen Spekulation Voltaires und der Encyklopädisten mit keinem
Wort gedacht. Geringer ist die Unterlassung', dass Lichtenberg, der auf Schopen-
hauer und Feuerbach so stark gewirkt hat, ignoriert wird, während sonst P. gerade
die Religionsphilosophie deutscher Schriftsteller mit Liebe und Eifer analysiert.
Wir werden in jener grossen Einseitigkeit, die von dem Atheismus lieber Notiz nimmt
als von der katholischen Orthodoxie, das Vorurteil des Theologen nicht verkennen, der
(S. 266) die harten Worte ausspricht, die katholisierende Neigung habe bei den
Schlegel in Fehlem des Herzens und Charakters ihre tiefere Wurzel gehabt. So
spricht er denn auch über Novalis „Christenheit" (S. 262) mit einer Schärfe, die diesem
Dichtertraum gegenüber wenig angebracht ist; oder er sucht den „Faust" auf die
beiden Grundbegriffe der „Sünde" und „Gnade" zu bringen (S. 258), obwohl Goethe
der kirchliche Begriff der Sünde fast ganz fremd war und der der „Gnade" bei ihm
mindestens eine sehr individuelle Umgestaltung erfahren hat. Ich weiss auch nicht,
auf welche Stelle die Behauptung geht, Goethe habe im Kreuz, „welches ihm während
der naturalistischen Anwandlungen seiner italienischen Reise so fatal war", später das
Symbol der christlichen Idee schätzen gelernt; der bekannte Vers des „Divan" bekennt
jedenfalls keine Aenderung in Goethes Stellung zu diesem Symbol. Man bemerkt
aber auch sonst bei P. eine geringe Gabe, fremden Standpunkten gerecht zu werden;
und wenn er (S. 497 Anm.) über die Polemik der Herbartschen Religionsphilosophen
mit den allerstrengsten Worten aburteilt, so hätte er wohl selbst über Stirner und
Nietzsche (S. 455) ohne Vermengung des wissenschaftlichen mit dem moralischen
Werturteil sprechen dürfen — um so mehr als ei* selbst, was für uns sehr wichtig'
ist, in der protestantischen Theologie verwandte Strömungen aufdeckt, den Ritschlianer
Hermann mit Nietzsche (S. 486) und seinen Parteigenossen Bender (S. 491/2) mit
Feuerbach vergleicht. Wo dagegen seine Sympathie beteiligt ist, da weiss er vor-
trefflich zu deuten; denn nur die Liebe macht sehend. So wird Schleiermacher (S. 297)
in glänzender Weise auf seine Elemente zurückgeführt und (S. 259) lehrreich mit
Novalis verglichen. Was gegen die Definition des religiösen Bewusstseins als
Abhängigkeitsgefühls (S. 315) eingewandt wird, scheint freilich kaum stichhaltig.
Ist der türkische Fatalismus wirklich nur „Furcht vor überlegener Macht"? Zahllose
Legenden und Gedichte scheinen doch zu bezeugen, dass er viel eher eine wahrhaft
fromme Ergebung in eine überlegene Weisheit ist. Aber Schleiermachers Definition
kann natürlich nur als die allerdings höchst charakteristische Umschreibung des in
seiner Zeit und seinen Kreisen mächtigen religiösen Bewusstseins gelten — ein
Standpunkt, den P. leider nirgends einnimmt. Sogar ein so ungemein historisches
Produkt wie Fichtes „Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters" wird (S. 279) lediglich
in die Entwicklung der Fichteschen Religionsphilosophie aufgenommen ohne jede
Rücksicht auf die äusseren Momente, die zur Entstehung mitwirkten. Neue Aufschlüsse
erhalten wir, soweit ich darüber urteilen kann, nicht allzuhäufig, was vielleicht P.s
Beschränkung auf die allerbekannteste Litteratur über seine Gegenstände mit zur
Ursache hat; für Lessing wird z. B. (S. 132) nicht einmal Erich Schmidt citiert,
geschweige denn speciellere Untersuchungen; Karl Schwarz elegante, aber nicht
allzutief eindringende Schrift über Lessing als Theologen soll genügen. Beachtens-
wert sind dagegen die Ausführungen über Jacobi (bes. S. 224), Baader (S. 362),
Ritschi (S. 481) und namentlich Hamann (bes. S. 195). Die Forschung ist durch ein
Durcheinanderschieben von chronologischer und systematischer Anordnung ein wenig
erschwert; Fries kommt (S. 468) ziemlich unerwartet nach F. D. Strauss usw. Man
wird aber doch gut thun, für jeden einzelnen Autor, den man hinsichtlich seiner
Weltanschauung zu beurteilen hat, P.s übersichtliche Referate zu vergleichen. —
Wiederum mit der Religionsphilosophie hängt, gerade im Sinne Pfleiderers,
des Verehrers von Chr. F. Baur, die Geschichtsphilosophie eng zusammen 238a).
E. Kap. z. Grundlegung d. Socialpäd. Freiburg i. B., Mohr. VIII, 119 S. M. 1,50. |[ThLBl. 15, S. 572, 3.] |- 238) 0. Pfleiderer,
Gesch. d. KeligionsphiloB. v. Spinoza bis auf d. Gegenw. 3. Aufl. B., Reimer. 1993. XVI, 712 S. M. 10,50. |[Polybibl''. 70,
S. 141; H. v. Lenk: COIRW. 22, S. 734 7. - 238 a) X F- Tön nies, Neuere Philos. d. Gesch.: Hegel, Marx, Comte: AGPhilos. 7,
IV 5 : 238b-240a R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
Einen Beitrag zur praktischen Geschichtsphilosophie bildet der für die Schule gut
berechnete Ueberblick über die Wirkungen der Seeschiffahrt auf die Umgestaltung-
der Zeiten, den B r ä g e 1 m a n n 238b) geschrieben hat. — Auch S o d e u r s238n) Unter-
suchung der Staatsidee Kants und Hegels kann man hierhin weisen. —
Moralphilosophie, Religionsphilosophie, Geschichtsphilosophie gehören alle
drei schon der Theologie fast so sehr an wie der Philosophie. In einer sehr
interessanten Rede beleuchtet der Berner Rektor Michaud239) die Aufgaben
der Theologie in der Gegenwart. Mit Entschiedenheit verlangt er, dass sie
wissenschaftlich sei (S. 14/5), und sucht auch zu zeigen, wie sie dies zu thun habe
(S. 25/6): sie soll sein objektiv (S. 31), exakt (S. 32), rational, wenn auch nicht
rationalistisch (S. 33), soll von den wirklichen Fortschritten der Wissenschaft Kenntnis
nehmen (S. 34) und schliesslich noch eklektischen, vergleichenden und progressiven
Charakter tragen (S. 40). Bei solcher Stellung könne es der Theologie nicht an
Aussichten fehlen, da der Andrang zu ihrem Studium 239a) überall zunehme; und jetzt
schon sei ihr Einfluss grösser, als man meine. „Si La Bruyere, vers la fin du
17e siecle, n'a pas eu de la peine ä decouvrir de Fatheisme sous les dehors de la piete
officielle, peut-etre ne nous serait il pas difficile de decouvrir dans le pretendu
atbeisme d'aujourd'hui une religion qui s'ignore, et dans l'indifference qu'on affecte pour
la theologie une sollicitude secrete, une inquietude meine, pour les problemes
qu'etudie la theologie" (S. 10).239b~239?) —
Den einflussreichsten Theologen unserer klassischen Periode, Lavater,
schildert Hedwig Waser240) nach Hegners Aufzeichnungen. Das ausgezeichnete
Buch hält aber viel mehr, als es verspricht. Vor allem ist die Vf. selbst in das
Wesen ihrer beiden Helden, Hegner und Lavater, tief eingedrungen. Ausgezeichnet
charakterisiert sie Lavaters Talent der Anempfindung (S. 9) und seine Neigung zu
einer gewissen Schauspielerei (S. 20): „Er hat sich verschiedene Kostüme zurecht-
gelegt, z. B. Lavater als Bürgerheld, Lavater als Glaubenskämpfer, Lavater als
Prophet, Lavater als unschuldig Verfolgter usw.; und in diese schlüpft er dann hin-
ein, je nach Gelegenheit und Neigung". Von Betrug und Heuchelei dabei zu reden,
verbietet schon Lavaters unerschöpfliche Kindlichkeit (S. 18/9), wie dieser denn
selbst einmal in einem ungedruckten Briefe ausruft: „0 du liebliche, um deiner Fehler
willen, deines Herkommens willen misskannte Kinderseele — welch ein Segen bist du
für das Kind Lavater" (S. 41); wobei allerdings die misskannte Kinderseele einem Be-
trüger angehörte, vor dem Lavaters Freunde ihn mit Gefahr ihrer Freundschaft ver-
geblich warnten (S. 40), und der Ausruf des „Kindes" etwas an die bedenklich be-
wusste Naivetät der Bettinas und Walpurgas erinnert 240u). All diese Eigenschaften
trugen zu Lavaters berückender Liebenswürdigkeit bei (S. 58, 99); aber sie machten
ihn auch gefährlich. Hart und aus der Empfindung eines Bruchs heraus charak-
terisiert Hegner selbst dies Doppelgesicht Lavaters. „Ich komme täglich mehr von
Lavater weg, weil ich zwar viel Witz und Geist, aber auch nichts als das an ihm
wahrnehme und [von hieran, bezeichnend genug, Geheimschrift!] mir hingegen sein
intellektueller und moralischer Charakter immer zweideutiger wird. Ich habe den
grossen Mann zu lange im Schlafrock gesehen, um ihn noch für gross zu halten.
Er will herrschen und ich will nicht beherrscht sein. Er ist die Liebenswürdigkeit
selbst, wenn er gewinnen will, aber sobald er gewonnen hat, wehe dir, wenn du ver-
trauliche Freundschaft von ihm erwartest. Die Sprache der zutraulichen Gleichheit
erwidert er dir mit Kälte des Todes, und wenn deine Rede etwas anders als Schmeichelei
und Bewunderung ist, so spricht er mit jemand anders. Ich könnte ganze Seiten
darüber anfüllen, aber ich würde grausam verfolgt werden, wenn es bekannt würde,
und ich will freundschaftlich aus dem Hause scheiden" (S. 58). In der That liegt
der ganze Gegensatz beider Naturen in jenem einen Satz ausgedrückt: „Er will
herrschen, und ich will nicht beherrscht sein". Hegners eigene Beobachtungen
(S. 64) zeigen seinen „trocknen Geradsinn und Blick, der hell sieht, einfach ist, tief
geht" (S. 26), zeigen sein Bedürfnis nach Unabhängigkeit in jedem Sinn. Früh warf
Lavaters „Raffinement" (S. 43) einen Schatten zwischen sie und bedrohte das Ver-
hältnis, das zunächst Lavater als bezaubernden Gesellschafter (S. 50/1), Hegner als
liebenswürdigen Improvisator (leoninische Verse S. 44) zeigt. Als dann irgend eine Takt-
losigkeit Lavaters den wirklichen Bruch zur Folge hat (S. 55/6), verliert Hegner doch
nie völlig das alte Interesse, obwohl Lavaters Tod ihn merkwürdig kalt lässt (S. 62).
S. 486-515. — 238b) B. Brägelmann, D. Seeschifffahrt. D. v. d. MA. z. Neuzeit überleitenden Ereignisse, betracht. in ihren
weiter umgestaltend. Wirkungen. Progr. d. Gymn. Vechta (Fauvel). 69 S. — 2380) G Sodeur, Vergleichende Untersuch,
d. Staatsidee Kants u. Hegels. Diss. Erlangen. 1893. 68 S. (Vgl. JBL. 1893 IV 5 : 123 ) — 239) E. Michaud, La theologie
et le temps present. Discours. Bern (Francke & Co.). 1893. 44 S. M. 0,90. — 239a) X P. Luther, Briefe an e. jung. Theol.
E.Wegweiser für d. theol. Studium. B., Speyer & Peters. 29 S. M. 0,50. - 239 b) X Z. Gesoh. d. protest. Theol. : HPB11. 114,
S. 394/6. - 239c) X J- Kunze, Z. Gesch. d. neueren Theol.: ThLBl. 15, S. 377-80. — 240) Hedwig Waser, J. K. Lavater
nach Ulr. Hegners hs. Aufzeichn. u. Beitrr. z. nähern Kenntn. Lavaters Zürich, A. Müller. V, 120 S. M. 2,50. — 240 a) X
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 240b-24ß
Und weder die Verschiedenheit der Charaktere noch die Entfremdung- hindert ihn,
später über den früheren Freund billig und verständnisvoll zu urteilen; die Ver-
schiedenheit fördert ihn darin eher, wie die Vf. (S. 65) bemerkt. Wir sehen nach
ihrem Bericht (S. 68/9) die wichtigen „Beiträge zur nähern Kenntnis und wahren
Darstellung Lavaters" entstehen und verfolgen ihre Aufnahme (S. 76/7; „der Ber-
linismus war Lavater nie günstig'1, bemerkt Hegner zu den Berliner Kecensionen).
Der treffliche David Hess schlägt mit seinen vorzüglichen Charakteristiken des
Buches (S. 80 Anm., S. 93) alle anderen Besprechungen. Die Vf. selbst stellt, um
Hegners Zuverlässigkeit zu prüfen (S. 82/3), eine genaue Tabelle über Goethes Briefe
an Lavater nach den Ausgaben von Hegner und Hirzel und der Weimarer auf
(S. 85/6), wobei sie auch auf Hegners Verhältnis zu Goethe zu sprechen kommt und
ein merkwürdiges Anekdoton (S. 89) mitteilt: „In seinen alten Tagen mahnt Goethe
mich oft an den Polonius von Shakespeare. Es ist noch Methode in seiner ver-
rochenen [sie] Geistigkeit. In seiner Jugend war er Hamlet, im Alter gravitätisch,
steif, wie jener alte Staatsmann. Warum? Weil er sich jung zu sehr über die
Poloniusse lustig gemacht, zur Strafe!" Ueberhaupt konnte die Vf. aus ungedruckten
Quellen (die sie S. 22 Anm. verzeichnet) zahlreiche interessante Mitteilungen geben,
z. B. riegners Urteile über Zimmermann und Lenz (S. 23 Anm.). Ihre eigene geist-
reiche Darstellung sticht von dem vielen Hübschen, was sie uns übermittelt, weniger
ab, als es in literarhistorischen Werken leider so oft der Fall ist; es gelingen ihr
so glückliche Wendungen wie die, Lavater, der nah an Herder zu rücken und von
Klopstock zu entfernen wäre (S. 2/3), sei „ein Nachahmer Klopstocks, aber ein un-
freiwilliger Nachahmer'1; sie umschreibt Goethes Worte, wer den Vf. selber nicht
kenne und hebe, werde mit Lavaters WTerken nichts zu machen wissen: „Das will
wohl, weniger schonend ausgedrückt, nicht viel anderes heissen als: Lavaters Per-
sönlichkeit gelte ihm für eine stete lebendige Entschuldigung seiner Werke" (S. 1),
und sie prägt so allerliebste Worte wie „Seelenreinlichkeit" (S. 13). Leider giebt sie
die durchgedachte Ordnung, mit der sie noch (S. 92/3) über Hegners Darstellung
Lavaters und deren Fortschritt über ältere Charakteristiken (S. 94/5) urteilt, am
Schluss auf, um nach der Seitenzahl von Hegners Buch Einzelheiten anzumerken,
die an sich allerdings noch immer interessant sind: über Lavaters „Freundinnen"
(S. 98), seinen Glauben (S. 103) und seine „Seelenfischerei" (S. 105), über Lavater als
Redner (S. 107), seine Lebendigkeit (ib.), Vielthätigkeit und Zeitgeiz (S. 108), Recht-
haberei (S. 108), Sorglosigkeit in Geldsachen (S. 109). Mangel an physischem Mut
(ib.), zu seiner Phüosophie (S. 113) und Poesie (ib.). Zu der Physiognomik (S. 110/1)
hat sie in einigen Punkten von der Hellen zu berichtigen (S. 9 Anm.). — Auch
Steig2401») stimmt mit diesem nicht in allen Punkten genau überein (S. 545), indem
er bei den Raphaeltexten annimmt, Lavater habe eigene und Goethesche Antworten
in einander gearbeitet. Sonst gilt seine Untersuchung dem Verhältnis Herders zur
Physiognomik: seiner Anzeige, in der er besondere Beziehungen zu Goethe (S. 544)
glücklich nachweist, seiner Mitarbeit (S. 546/7) und seinem Urteil über die eigene
Silhouette in den „Fragmenten" (S. 547). —
Aus dem Lavaterschen Kreise wird J. G. Müller von Haug240c) ge-
schildert; aber auch der Rationalist J. J. Stolz, über den Iken241) handelt, war ein
„Lavaterschüler". — Näher als er steht freilich der schwärmerischen Art Lavaters
ein Mystiker wie Bengel24la), und Mich. Hahn, den Staudenmeyer242) po-
lemisch schildert, ist sogar selbst zu dem „als reformierter Schöngeist und physio-
gnomischer Schwärmer bekannten Lavater" (wie unser orthodoxer Vf. sich S. 53
ausdrückt) gepilgert, ehe er sich ganz als Prophet aufthat. Das Buch enthält übrigens
zwar massive Scheltworte gegen J. Böhme (S. 14) und das Erzlügenbuch, den
Talmud (S. 153 Anm.), gegen Papst und Swedenborg (S. 152) usw., aber nichts, was
zum Verständnis des schwäbischen Separatismus dienlich wäre.243) —
Einen orthodoxen Zeitgenossen der württembergischen Mystiker schüdert
Tschackert244) in J. A. Tafinger, einen Geistesgenossen in dem berühmten Irvin-
gianer H. Thiersch dagegen W. von Pechmann245), der an den Schriften des
Biographen von F. Thiersch, seinem Vater, und des Gegners von Baur die hohe Schön-
heit der Form lobt (S. 21). —
Jener „Berlinismus", der Lavater und der Schwärmerei nicht zugethan war,
Gust. A. Müller, J. K. Lavater als Selbstporträtist: FZg. N. 22. (Nach neuem Material.) — 240b) R Steig, Herders Ver-
hältnis zu Lavaters Physiogn. Fragmenten: Euph. 1, S. 540-57. — 240 0) E. Hang, Aus d. Lavaterschen Kreise. I.
J. G. Möller als Lavaterschüler in Zürich. Progr. Schaff hausen, (C. Schoch). IV, 69 S. M. 1,60. |[LCB1. S. 1573; R. Fried-
rich: BLU. S. 662]| —241) J. F. Iken;, Joh. Jak. Stolz: ADB. 37, S. 764,5. — 241a) E. Nestle, Bengel als Gelehrter. E.
Bild für unsere Tage. Mit neuen Mitteil, aus seinem hs. Nachl. (Aus „Marginalien u. Materialien.") Tübingen, Hecken-
hauer. 143 S. M. 3,00. |[A. Socin: ThStK. 67, S. 818,9; C. F. Arnold: ThLB. 17, S. 1978.JI — 242) H. Staudenmeyer,
Mich. Hahn. Sein Leben u. seine Lehre im Lichte d. göttl. Wortes. Wilferdingen, Selbstverl. (Karlsruhe, Reiff). 1893. II,
169 S. M. 1,50. (Vgl. JBL. 1893 III 6:36.) — 243) X H. Gundert, e. sohwäb. Gottesmann (1814-93): Pfairhaus 14, S. 4. —
244) P. Tschackert, J. A. Tafinger: ADB. 37, S. 351. — 245) W. v. Pechmann, H. Thiersch: ib. 38. S. 17-22. — 246)
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgesohichte. V. (4)^0
IV 5:247-272 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
stammt schon aus der Zeit des älteren Aug. Fr. W. Sack, den Lommatzsch246)
ausführlich bespricht, und findet in dem von Tsc hacke rt247) gew ürdi gten W. A b r. T e 1 1 e r
einen geradezu klassischen Vertreter. Er ist auf drei Monate suspendiert worden,
weil er unter dem Regiment Wöllners248) sich für den Zopf -Schulz aussprach;
während dieser Zeit ging sein Gehalt an das Irrenhaus. — Nach den schweren Er-
schütterungen der napoleonischen Zeit249 251) ist diese Richtung dann fast ver-
schwunden; an ihrer Stelle finden wir, gerade auch in Berlin, zwei entgegengesetzte
Strömungen, die aber beide auf Vertiefung der Religion ausgehen: die orthodoxe,
die sie aus der Tradition, und die individualistische, die sie aus der persönlichen
Erfahrung heraus vertiefen will, dem alten Pietismus verwandt, aber ungleich. Ein
paar Hauptvertreter der neulutherischen Orthodoxie werden uns vorgeführt in
E. W. Hengstenberg252), F. Tholuck (an dem freilich Frank253) Mangel an
systematischem Talent und daher an dogmatischer Festigkeit, Einfluss Schleiermachers
und sogar Verwandtschaft mit den Rationalisten nachweist), F. H. R. von Franck254-257),
dessen „Geschichte und Kritik der neueren Theologie" eben aus dem^Nachlass
erschienen ist258), D. R. F. Grau259-261), der aus inniger^, Verehrung heraus über
Hamann und Vilmar geschrieben hat (s. u. N. 259, S. 9 — 10). —
Zu der anderen Linie kommen wir, wenn wir von Schleier m ach er262"263)
ausgehen, dessen Einfluss wir freilich auch bei dem orthodox - pietistischen Tholuck
trafen. Eine Auswahl aus seinen Predigten, Reden und Briefen veranstaltete
Stage264) für die „Religiöse Volksbibliothek". — Speciell über Schleiermachers
Pädagogik handelte Diebow265), während Uhlhorn266) über seine Kritik der bis-
herigen Sittenlehre schrieb. —
Aus Schleiermachers Schule stammt K. L. A. Sy d o w , dessen charaktervolles Bild
Schwalb267) für die ADB. beisteuerte. — Wie er, hat F.Sander, den ein Verwandter
schüdert268), auch am politischen Leben als massvoller Liberaler lebhaft Anteil ge-
nommen; er war ein Freund und Verteidiger der Göttinger Sieben. — Noch weiter
links stand als Politiker Mich. Baumgarten, der orthodoxe Lutheraner, den
Verfolgungen in das gegnerische Lager drängten; Werckshag-en269) erzählt von
dem Schüler Harms und Hengstenbergs (S. 5), von dem Opfer Kliefoths, der in
einem offiziellen Gutachten schrieb: „Hier leidet das Wort Luthers eine Anwendung:
schämen müssen sich solche, welche wie Hunde und Säue aus dem Evangelium
nichts entnehmen als eine träge, schädliche und schändliche Freiheit des Fleisches"
— weil Baumgarten den Krieg in Schleswig-Holstein verteidigt hatte ! (S. 11 ; wie derselbe
Kliefoth sich aber selbst zu Luther stellte, zeigt das Citat S. 9 ; Baumgartens Stellung
zur Kirchenfrage S. 20: er will die Kirche auf die volksmässige Gemeinde aufbauen,
etwa wie die Missourier). — Unschuldig und unverdient ward Baumgarten so mit dem
von Bertheau270) geschilderten Freund Joh. Gottwerth Müllers, J. Thiess, der wie
er seine Döcentenlaufbahn in Kiel begonnen hatte, durch das Schicksal der Amts-
entsetzung verbunden. —
Kirchliche und mannhafte politische Thätigkeit verband auch G. D. Teutsch,
der treffliche, vielgefeierte Hort des Deutschtums in Siebenbürgen271). Die Denkschrift
des Vereins für siebenbürgische Landeskunde272) bemerkt, wie der auch als Historiker
verdiente Theolog sich von dem gesuchten Ton der Schweizergeschichte Zschokkes
(S. 18) zu Ranke, Macaulay und Tacitus (S. 47, freilich eine wundersame Trias!) herüber-
S. Lommatzsch, A. Fr. W. Sack: ib. 37, S. 295-307. — 247) P. Tschackert, W. Abr. Teller: ib., S. 556,8. — 248) X
Fr. Schlegelmich, E. kurmärk. Pfarrhaus in Döberitz. D. Geburtsstätte Wöllners: Pfarrhaus 10, S. 1203. - 249) X *• F-
Iken, D. Wirksamkeit v. Pastor Dulon in Bremen (1848-52). (Aus: BremerKirchenbl.) Bremen, Heinsius. IV, 48 S. M. 0,60.
— 250) X W. Baur, Gesch.- u. Lebensbilder aus d. Erneuerung d. relig. Lebens in d. dtsch. Befreiungskriegen. 2 Bde.
5. Aufl. Hamburg, Rauhes Haus. 1893. XVI, 352 S.; III, 388 S. M. 8,00. |[Pfarrhaus 10, S. 16.]| — 251) X O Natorp,
B. Chr. L. Natorp, Oberkonsistorialrat u. Yicegeneralsuperintendent zu Münster. Lebens- u. Zeitbild aus d. Gesch. d. Nieder-
ganges u. d. Wiederaufrichtung Preussens in d. 1. Hälfte dieses Jh. Essen, Baedeker. VII, 259 S. M. 2 40. — 252) X
C. Slage, Charakterbilder aus d. Gesch. d. neuen Theol. (N. IV: E. W. Hengstenberg.): Zeitgeist N. 20. — 253) G. Frank,
F. Tholuck: ADB. 33, S. 55/9. - 254) X 0- Buchruoker, Z. Gedächtn. D. v. Franks: NKZ. 5, S. 177-82. - 255-256) \
R. Seeberg, Z. Erinnerung an F. H. K. v. Franck: Pfarrhaus 10, S. 97-100. j[ThLB. 17, S. 198.]| — 257; X Löber, Aus
d. Lehen d. D. v. Franck: NKZ. 5, S. 353-75. — 258) F. H. R. v. Franck, Gusch. u. Kritik d. neueren Theol., insbes. d.
systemat. seit Schleiermacher. Aus d. Nachl. d. Vf. her. v. P. Schaarschrnidt. L., Deichert. VI, 350 S. M. 5,60.
|[DEKZB. 8, S. 53/8.]| - 259) X 0. Zöckler, D R. F. Grau: BG1. 14, S. 317. (Vgl. JBL. 1893 IV 5:273; auch Separatabdr.
Gütersloh, Bertelsmann. 1893. 16 S. Mit Bild. M. 0,40.) — 260) X O. 8., R. E. Grau: Qnellwasser 18, S. 204. — 261) X
C W. v. K ü gel gen, R. Grau, e. akad. Zeuge d. luther. Kirche. E. kurze Schild, seines Lebens u. Wirkens. München, Beck.
19 S. M. 0,40. |[A. G. S. Josephson: ThLB. 17, 8. 22.]| — 262) X B. Becker, Schleiermacher u. d. Brfidergemeine :
MhComeniusG. 3, S. 45-77. — 263) X Todt, Schleiermacher als Rätseldichter: Pfarrhaus 10, S. 30. — 264) C. Stage,
Schleiermacher. E. Ausw. ans seinen Predigten, Beden u. Briefen. (= Relig. Volksbibl. Her. v. C. Werckshagen. N. 5.)
B., Bibliogr. Bur. 1893. IV, 95 S. M. 0,50. (Vgl. JBL. 1893 IV 5:260.) — 265) P. Diebow, D. Päd. Schleierraachers im
Zusammenh. mit seiner Philos. u. d Bildungsbestrebungen seiner Zeit. Diss. Halle a. S. 1893. 31 S. (Vgl. JBL. 1893 IV
5:4S3.) — 266) O. Uhlhorn, Schleiermachers Entwurf e. Kritik d. bisher. Sittenlehre. Dargest. u. nach reinen Ergebnissen
untersucht. L., Fock. IV, 82 8 M. 1,80. - 267) M. Schwalb, K. L. A. Sydow: ADB. 37, S. 275/9. — 268) F. Sander,
F. Ph. Sander: ib., S. 318;9. — 269) C. Werckshagen, Mich. Baumgarten, e. theol. Charakter für unsere Zeit. Vortr. B.,
Wiegandt. 26 8. M. 0,60. — 270) 0. Bertheau, J. Thiess (1762-1810): ADB. 38, S. 22/6. — 271) X F. Teutsch, Denk-
rede auf G. D. Teutsch, her. v. Ver.-Ausschuss: AVSbnbgL. 26, S. 293-412. - 272) X id> Bischof G. D. Teutsch. Her. v. Aus-
R. M. Meyer, Didaktik des 1S./19. Jahrhunderts. IV 5 : 273-301
steuerte, und wie der Greis noch die Selbstbiographien seiner Freunde Gr.Freytag, Uerok,
Arneth, Ranke, Hase mit warmem Anteil lesen konnte (S. 56); ihm selbst hat wohl
ein Sohn273) in der von ihm viel bereicherten ADB. das Denkmal gesetzt.274) —
Teutsch führt uns über zu den Männern des protestantischen Kirch enregiments.
Den jüngeren F. S. G. S a c k , der neben Borowsky zuerst von Friedrich Wilhelm III.
mit dem Bischofstitel ausgezeichnet wurde, charakterisiert Lommatzsc h275) besonders
nach seinem Verhältnis zu Schleiermacher, an dessen Reden über die Religion er
alles vermisste, was man bisher für Religion gehalten (S. 311), obwohl er selbst ein
freidenkender Mann war und ein thatkräftiger Gegner Wöliners (S. 312). In der
Vorbereitung der Union spielte Sack eine grosse Rolle und geriet auch hier mit
Schleiermacher in Konflikt (S. 314). — Die Generalsuperintendenten Leop.
Schultze276"279) und Ludw. Karl Möller2*0-282) gehörten dagegen der preussischen
Orthodoxie an.283"284) -
Wichtiger ist für die Litteraturgeschichte eine Gruppe berühmter Prediger285).
Christophorus und Jon. Georg Sucro hat Pröhle286"287) neu entdeckt. Der erste
genoss einen grossen Ruf durch seine pietistischen Leichenpredigten, deren eine er
einem Vorbesitzer von W. von Humboldts Gut Burg-Oerner gewidmet hat, während
ein Vorfahr Immermanns ihn selbst besang; Johann Georg hat Dankespredigten
über Ereignisse des siebenjährigen Krieges hinterlassen. — Chrph. Chrn. Sturm
eröffnet nach Tschackert288) die Reihe jener „Natur prediger'1, die sich von dem
religiös-dogmatischen Gehalt entfernten, dagegen der Betrachtung der Natur einen
breiten Spielraum gönnten; er war Hauptpastor in Hamburg, wo ja auch der typische
weltliche Vertreter dieser Richtung, Brockes, lebte. — Der dritte Sack, ein Freund
von Niebuhr, Eichhorn und besonders Arndt, hat die Freiheitskriege als Feldprediger
mitgemacht; nach Lommatzsch289) stand er als Pädagog unter dem Einfluss seines
Vaters, sonst aber mehr unter dem von dessen Antipoden Schleiermacher (S. 316). —
F. Theremins Predigten werden, wie Marie Sydow290) bezeugt, noch heute viel gelesen;
er hat auch theoretisch viel über die „Tugend der Beredsamkeit1' gedacht und ge-
handelt.291"293)—Mehrere Predigtsammlungen und Ausgaben verwandter Schriften294"296)
sind uns so wenig wie A. Bitzius nachgelassene Predigten297) zugegangen. — Sein
Name führt uns zu den auch schriftstellerisch (oder wie Geiz er298"299) literarhistorisch)
thätigen Theologen über: 0. von Sydow, von dem Mendheim300) einen „Tankred"
verzeichnet, K. H. Caspari301~303), dessen populäre Erbauungsgeschichten die „Er-
innerungsblätter an seine Gedenkfeier" analysieren, endlich journalistisch thätige
Geistliche, wie Schlosser304) und Schrempf305 306). —
Die historische Richtung der Theologie feiert Pfleiderer307) in einer
fast nur F. Ch. Baur308) geltenden Rektoratsrede. — Von ihr gingen zwei Ströme aus: der
radikale, den F. D. Strauss vertritt309-313), und der vermittelnde Hases314"315). —
Der einflussreiche Abt von Riddagshausen, H. Thiele-, war nach Zimmermann316) be-
sonders von Hase beeinflusst. — Auch Thiele ist, wie Tschackert317) ausführt, eine
schösse d. VSbnbgL. Hermannstadt, Krafft. 71 S. M. 0,80. — 273) id., G. D. Teutsch: ADB. 37, S. 613-28. - 274) X G.
D. Teutsch, Predigten u. Reden. Her. v. F. Teutsch. L., Breitkopf & Härtel. VIII, 304 S. M. 6,00. j[H. Riemann: DLZ.
S. 1380/1; LCB1. S. 1585/6.JI — 275) S. Lommatzsch, F. S. G. Sack: ADB. 37, S. 307-15. — 276) X W. Baur, Lebensbild
d. weil. 1. Generalsup. d. Prov. Sachsen L. Schultze. Magdeburg, Baensch. 55 S. M. 1,20. — 277) X ß- Kögel, Leopold
Schultze: Quellwasser 18, S. 316. (Nachruf.) — 278) X Rathmann, Z. Erinn. an d. Generalsuperint. Leop. Schultze (1827—93):
Pfarrhaus lu, S. 38-41. — 279) X W. Baur, Leopold Schultze ^1827 -93): KM. 13, S. 353-92. - 280) X Ludwig Karl Möller :
Pfarrhaus 10, S. 56/8. (Generalsuperint. v. Sachsen, 1816-93.) 281) XThs°hott, Generalsuperint. L. K. Möller: DEB11. 19,
S. 46-59. — 282) X z- Gedächtn. an L. K Möller. Rede. Magdeburg, Heinrichshof en. 15 S. M. 0,30 — 283) X B- Fromm el,
Z. Erinn. an W. Fr. Gess: NChristoterpe. S. 1/5. — 284) X & Gedächtn. d. Herrn W. Rogge, Generalsuperint. Altenburg,
(Bonde). 22 S. M. 0,60. — 285) X D- Predigt d. Kirche. Klassikerbibl. d. christl. Predigtlitt. Mit einleit. Monographien.
Her. v. G. Leonhardi, Bd. 24/7. L., F.Richter. XLII, 110 S.; XXIII, 154 S.; LV1, 128 S.; XXXI, 149 S. ä M. 1,60. (Enthält
Predigten v. Joh. Brenz, Massillon, Joh. Arndt, Joh. Hus.) — 286) (III 5;81.) — 287) (UI 5:83.) - 288) P. Tschackert,
Chr. Chrn. Sturm; ADB. 37, S. 4/5. — 289) B. Lommatzsch, F. F. A. Sack: ib., S. 315/9. — 290) Marie Sydow,
F. Theremin: ib. S. 724/7. — 291) X Alls d- Werkstatt e. berühmten Predigers: Pfarrhaus 10, S. 23/4. (F. V. Reinhard.) —
292) X P. Müllensiefen, Prediger J. Müllensiefen: DEB11. 19, S. 158-75. — 293) X G- Menken, Schriften, 7 Bde. N.
(Titel- )Ausg. Bremen, E. C. Müller. 514, 434, 483, 512, 472, 411, 338 S. M. 14,60. - 294) X O. Funcke, Ges. Schriften.
Volksausg. 52. - 69. (Schluss-)Lfg. (=16. Bd., S. 33-299; 17-20 Bd. 225; 312; 283 S.) ebda, ä Lfg. M. 0,40. |[ThLB. 17, S. 185/8.JI
— 295) X Ad. Strecker, Ges. Predigten. BilligeAusg. l.Lfg. B.,Buchh.d.Stadtmission. S.l-48. aM.0,30. |[ThLB. 17, S. 201/2 J| —
296) X H. Kieser, Evangelisches u. Vaterländisches aus d. Wartburgstadt. E. Samml. v. Reden, Predigten u. Vortrr. Jena,
Mauke. VL 231 S. M. 2,80. |[B. Kühn: ThLZ. 19, S. 522/3.]| — 297) X A- Bitzius, Predigten. 3. u. 5. Bd. aus d. Nachl.
her. Bern, Schmid, Franke & Cie. VIII, 395 S.; VII, 392 S. ä M. 3,50. |[D. Haus: ThLZ. 19, S. 352/4.JI — 298) X *•
Curtius, H. Geizer. Gotha, Perthes. 57 S. M. 1,00 ||ThLB. 17, S. 220/1 .J | — 299) X H. Geizer, Z. 6. Nov. 1894:
DWB1. 7. S. 530,2. — 300) M. Mendheim, F. B. O. v. Sydow: ADB. 37, S. 281/2. — 301) X K. Caspari, E. Lebensbild.
Erinnerungsbll. an seine Gedenkfeier zu Sommerhausen i. Fr. am 10. Juni. St., Steinkopf. 70 S. Mit 1 Abbild, u. 1 Facs.
M. 0,60. — 302) X ß- B-. K. H. Caspari: ThLBl. 15, S. 478/9. — 303) X W. Busch, K. H. Caspari: ib. 17, S. 197. —
304) X H. Funck, Schlossers Cirkularkorrespondenz: ZGORh. 9, S. 325/6. — 305) X «Die Wahrheit"?: AELKZ. 26, S. 1112,3.
(Ref über Chrph. Schrempfs Zeitschr.) - 306) X E. L., D. Kirchenzeitung vor 25 J.: ib. S. 959-68. — 307) (I 1:4.) —
308) X F- Sander, F. Lücke u. F. Ch. Baur: ThStK. 67, S. 782-91. — 309-310) X C. Stage, Charakterbilder aus d. Gesch.
d. neueren Theol. (N. III: D. F. Strauss): Zeitgeist N. 19. — 311) X E. Kandidatenpredigt v. D. F. Strauss: DPB1. 27, S. 281/2. —
312) X *i D- Strauss u. Just. Kerner: ib. S. 44. — 313) X 3- T- Beck, D. neue u. d. alte Glaube. Rede. N. Abdr. Gütersloh,
Bertelsmann. 1893. 23 S. M. 0,40. — 314) X K. ▼• Hase< Werke (JBL. 1892 IV le: 266; 5: 118-22; 1893 11 1 : 24): WIDM. 75,
S. 143. - 315) X D- Humor in Hases Kirchengesch.: DPB1. 27, S. 76. — 316) P. Zimmermann, H. Thiele: ADB. 37, S. 750 4.
(4)20*
IV 5:317-342 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderte.
vermittelnde, eklektische Natur. — In die Vorgeschichte jener historischen Richtung',
zu der Kirch engeschichte älteren Stils, führt der Name von K. L. Tetsch, der eine kur-
ländische Kirchengeschichte schrieb318), und noch J. Thilo 3I9) scheint mit diesen älteren
Meistern die Entfernung von „den brennenden Tagesfragen" zu teilen (S. 40). —
Nach Schleiermacher, nach Baur hat als dritter A. Ritschi wirkungsvoll in die
Entwicklung der neueren protestantischen Theologie eingegriffen. Vielfache Unter-
suchungen320), Darstellungen321"322), Würdigungen323), Bekämpfungen zeugen von ihrer
Bedeutung. Aus Glages324) Streitschrift haben wir nur die Auseinandersetzungen
über Ritschis Verhältnis zu Leasings „Erziehung des Menschengeschlechts" (S. 45)
und über die Methode seiner Geschichtsforschung (S. 46/7) herauszuheben. — Eine
Anzahl von Aufsätzen Ritschis hat sein Sohn zu einer wertvollen Sammlung vereinigt325).
Ungedruckt war davon nur der scharf polemische „Herr Dr. Hengsten berg und die
Union", der nach sorgfältiger Darlegung der Politik des berühmten orthodoxen Kirchen-
fürsten mit den Worten schliesst: „Das sind die Mittel, mit welchen Dr. Hengstenberg
damals den Unionszweck und die bestehende Union nicht offen und ehrlich bekämpfte,
wie es andere thaten, sondern unter dem Schein, diese Gegner abzuwehren, an diese
verraten hat." Die anderen Aufsätze fallen teils zeitlich nicht in das Gebiet unseres
Referats (wie die über die Entstehung der lutherischen Kirche, S. 170 und S. 218),
teils behandeln sie streng theologische Fachfragen (über den gegenwärtigen Stand
der Kritik der synoptischen Evangelien S. 1; die Begründung des Kirchenrechtes
im evangelischen Begriff von der Kirche S. 100) oder beides trifft zusammen (über
die Begriffe: sichtbare und unsichtbare Kirche, S. 68, mit ausführlicher Analyse der
Lehrmeinungen, besonders Melanchthons und Zwingiis.) Auch der. bedeutende Auf-
satz über die Methode der älteren Dogmengeschichte (S. 147) schliesst an eine Be-
sprechung des „Grundrisses" von Nitzsch mehr eine theoretische Auseinandersetzung
über Gliederung und Ordnung dieser Disziplin als eine Kritik ihrer Vertreter in
unserem Jh., die allerdings (S. 167) gestreift werden. Sehr interessant ist dagegen
auch für weitere Kreise der letzte Beitrag, über die beiden Prinzipien des Protestantismus
(S. 234): der Nachweis, wie jung die hergebrachte scharfe Formulierung dieser beiden
Prinzipien ist, die wir nun schon für alt angestammt hielten (und gegen die Lagarde
so leidenschaftlich anfocht), hat methodologische Wichtigkeit auch für andere Lehrfächer:
man sieht, wie das Bedürfnis nach scharfer Aufteilung überall die Thatsachen ver-
gewaltigt. — Der Siegeszug der Ritschlschen Schule326) hat selbst den alten Hauptsitz
Hases und seiner Anhänger327"328) erreicht. — Während dessen aber macht sich bereits
innerhalb der protestantischen Kirche Deutschlands eine neue, vierte Hauptströmung
geltend329): die christlich-sociale Bewegung, die weder in die persönliche Glaubens-
thätigkeit, wie Schleiermacher, noch in das objektive Dogma, wie die Orthodoxie, noch
in die historische Durcharbeitung, wie Baur, das Schwergewicht legt, die es vielmehr
in der Wiedererweckung' der Caritas findet330"332). Daneben fehlt es natürlich auch
heute nicht an mancherlei Individualitäten und Schattierungen ausserhalb der
Schulen.333"336) — Beyschlags 337) Wirkung geht bis nach England herüber. —
Aus der reformierten Theologie gab Dechent338) das Lebensbild von K. J.
Sudhoff. — Pfarrer Kr äfft, von dem Hänchen339) erzählt, war mit K. von Raumer
und Kanne (S. 81) befreundet. —
Von einer einigen christlich-deutschen Kirche, wie Weddigen340) sie fordert,
einer „dogmenfreien Kirche, in der sich die scheinbar unüberbrückbaren Gegen-
sätze von Katholizismus und Protestantismus zu innerer, reiner Harmonie auflösen"
(S. 23), sind wir doch wohl noch recht weit entfernt341"342), weiter vielleicht, als in
— 317) P. Tschackert, K. G. W. Theile: ib. S. 672/3. - 318) X V. Diederichs, K. L. Tetsch: ib. S. 592,3. — 319) X
P. Tsohackert, Joh. Thilo: ib. 38, S. 40/2. — 320) X H. Schoen, Les origines hist. de la theol. de Ritschi.
1893. 158 S. |[G. Knauer: ThLBl. 15, S. 102/4; M. Vern.es: RCr. 37, S. 119-20.] — 321) X *• Mielke, D. System
A. Ritschis dargest., nicht kritisiert. Bonn, Marcus. 60 S. M. 1,20. — 322) X Th. Granderath, Religion u. Christentum
nach Ritschi: StML. 46, S. 145-56, 254-68. —323) X K- w- Feyerabend, D. Bedeut. d. Theol. v. A. Ritschi f&r d. Gegenw.
(= Mitteilungen u. Nachrichten d. evang. Kirche in Russland.) Riga, Uoerschelmann. 24 S. M. 0,20. |[ThLB. 17, S. 199.)|
— 324) M. Glage, D. Grundfehler d. Kitschischen Theol. l.T. Kritikversuch aus d. formalen Principien d. Ritschlschen Theol.
Kiel, Eckardt. 1893. 65 S. M. 1,20. — 325) A. Ritschi, Ges. Aufsätze. Freiburg i. B. u. L., J. C. B. Mohr. 1893. VI, 247 S.
M. 8,00. |[K. Sallmann: BLU. S. 155/6; H. H. Wendt: ThLZ. 19, S. 345/6; H. Holtzmann: DLZ. S. 483,4.] | - 326) X
D. Eroberung d. theol. Fakultäten durch d. Ritschlsche Schule: AELKZ. 26, S. 1225/8. — 327) X Ecke, R. M. Lipsius:
KM. 13, S. 798-817. — 328) X G. Richter u. Nippold, R. A. Lipsius (JBL. 1893 IV 5 : 268): ThLBl. 15, S. 584/5. — 329) X
Kirchenideale d. Gegenw.: DPB1. 27, S. 2/6. — 330) X Ch. Correvon, Lettre d'Allemagne. Le pasteur Naumann: RChr. 2,
S. 457 8. — 331) X la-i Lettre d'Allemagne. Mr. Schenk ä Frankfurt. Un auto-plaidoyer de M. Naumann: ib. 1, S. 313/5. —
332) X id-, Le mouvement sooialiste-chretien en Allemagne: ib. S. 210,7. — 333) X (IV lc : 84.) 334) X D. Erdmann,
Z. Gedächtn. Chr. H. Schmidts in Breslau: Pfarrhaus 10, S. 81/7. — 335) X G- Weitprecht, Herrn. Schmidt (Breslau):
NKZ. S. 510-34. — 336) X E- Schreck, Christfr. A. Thilo: DB11EU. 21, S. 216. — 337) X W. Beyschlag, New Testament.
Theology. Teaching of Jesus and primitive christianity. 2 vol. London, Simpkin. Sh. 18. — 338) H. Dechent, K. J. Sud-
hoff: ADB. 37, S. 127/9. — 339) Ph. E. Haenohen, Kurze Gesch. d. deutsch-reformierten Gemeinde Erlangen. Erlangen,
Junge. 1893. 108 S. M. 1,20. — 340) O. Weddigen, E. einiges Christentum u. eine einige christl. dtsch. Kirche. B.,
Rüger. 1893. 32 S. M. 1,00. — 341) X (F. Pesch], Christ od. Antichrist. Beitrr. z. Abwehr geg. Angriffe auf d. relig.
Wahrheit v. Gottlieb. 2. Bd. D. Krach v. Wittenberg. Blicke auf d. relig. Wirren d. Gegenw. 2. Ausg. B., Germania. 686 S.
M. 4,50. — 342) X M- Weitbrecht, Angriff u. Abwehr. Z. Gesch. d. konfess. Polemik im 19. Jh. 4. D. Schwesterkirche.
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. TV 5 : ais-syi
den Tagen, in denen Franz Ludwig" von Bamberg343-344) die deutsche Kirchen-
verfassung gegen Rom und den Kaiser verteidigte, oder als Dominicus, Dalbergs
Freund, mit Goethe, Fichte, den Humboldts (S. 11) befreundet war. Pick345) giebt
auch aus einem Brief Dalbergs an den Plessing der „Harzreise" eine interessante
Selbstcharakteristik mit: „Mehr tugendfreund als tugendhaft; zu schwach, um Stütze
der Rechtschaffenen zu sein, bestrebe ich mich das wenige Gute zu thun und anderen
zu erweisen, das mir Dinge und Umstände erlauben" (S. 10). Er zeigt uns, wie
Schillers Antrittsvorlesung auf den Erfurter Professor wirkte (S. 12/3), und weist uns
in dessen Verkehr späterhin Arndt und Schenkendorf nach (S. 36). — Fr. von
Schreiber, der Erzbischof von Bamberg, auf den Pfister346) eine Lobschrift verfasste,
hat selbst gedichtet, die mitgeteilten Proben sind aber durchaus unbedeutend. —
Ein besserer Dichter war der Tiroler Benediktiner J. Thaler, über den Lier347)
berichtet.348"349) —
Eine Reihe gelehrter katholischer Theologen bildet denSchluss dieserGruppe:
J.A.Möhler, Hases berühmter Gegner, über denFriedrich350)schrieb,Aug.Theiner,
dessen Schicksale von Schulte351) schilderte, und F. Hetting-er352), der mit Hergen-
roether zusammen bei der Vorbereitung des Vatikanischen Konzils thätig* war. Dieser
Prälat und Würzburger Professor hat zwei starke Bände von Reisebildern hinterlassen,
die für die Stellung des Ultramontanismus zu unserer klassischen Litteratur und zu
der protestantischen Bildung nur zu bezeichnend sind. Wenn er (2, S. 385) von „den
bekannten Schmutzgedichten" spricht, „in denen sich einige der Heroen unserer
klassischen Litteratur einst zu überbieten gesucht hatten", so wundert man sich nicht,
ihn an anderer Stelle, wo er über die deutsche Litteratur der Gegenwart spricht, klag'en
zu hören: „Eine rohe pöbelhafte Sprache hält man für Geradheit und Entschiedenheit"
(2, S. 442). WTer erklärt, der Professor der Theologie Steinmeyer habe „in einem
besonders schamlosen Augenblick" sich nicht „entblödet", einen nationalen Klerus
nach dem Muster des russischen zu fordern (1, S. 23), der hat schwerlich Recht, un-
aufhörlich über die Angriffe gegen den katholischen Klerus zu klagen und selbst für
den Reiniger des Salzburger Landes, Firmian (2, S. 28), Indemnität zu fordern. Wer
die Goetheschen Frauenbilder „mit ihrer koketten Geistreichthuerei und verbuhlten
Gottlosigkeit" (2, S. 351) verwirft, würde natürlich einem Auerbach (2, S. 429) oder
gar einem Heine (2, S. 431) erst recht nicht gerecht werden können, auch wenn nicht
seine Abneigung gegen das Judentum (2, S. 121/2^ 596 usw.) mitspräche. Dass er
von Bunsens „Lügensystem" (1, S. 13) spricht, finden wir verzeihlich, kaum aber,
wie er (2, S. 387/8) eine satirische Schilderung von protestantischer Kirche und Predigt
als typisches Bild giebt oder gar (2, S. 402) den Protestanten einfach das Beten ab-
spricht. Und dabei rühmt er es wiederholt, dass in katholischen Ländern jeder
protestantische Geistliche gegrüsst werde. Er ist auch sonst in vielen Dingen ganz
liberal: über Frauenbildung spricht er (2, S. 298) freier als viele Erzliberalen, über
die Reform des Kirchengesangs (2, S. 322/3) toleranter als Riehl; aber für die
protestantische Theologie und ihre inneren Kämpfe hat er (2, S. 67) nur bitteren Hohn,
und von Eduard von Hartmann entwirft er (2, S. 195) eine die Grenzen der Wahr-
haftigkeit überspringende Karikatur. Mit Anteil schildert er dagegen Beda Weber,
den „Kapuziner der Paulskirche" (2, S. 104, 144) und andere Tiroler Celebritäten
(2, S. 256); nur Fallmerayer (2, S. 106) ist ihm nicht sympathisch. Ausführlicherzählt
er (2, S. 404/5) von Alban Stolz, dem vortrefflichen katholischen Volkspredig^er, wie
er vor den „Schreibern" flieht, d. h. der liberalen Presse (der 2, S. 42/3 ihre Sprach-
sünden vorgehalten werden), wie sein Humor beschaffen war — der natürlich bei dieser
Gelegenheit (wie von Lagarde) allen Juden ausser dem Propheten Elia (2, S. 431)
abgesprochen wird. Aber wenn es Humor war, als der hl. Laurentius auf dem Roste
zu seinen Peinigern sprach: „Nun ist der Braten fertig, nehmet und esset" (ib.), so
sehe ich nicht, wie man vielen Worten Heines auf seinem Marterbett dies Prädikat
versagen will. Ich weise noch auf Hettingers puristische Lehre über christliche Kunst
(1, S. 343/4; 2, S. 473/4) hin und hebe einen Ausspruch hervor, den Savigny (1, S. 372)
zu ihm that: „Sie wissen nicht, wie leichtsinnig die Diplomaten ihr Handwerk treiben";
auf den „geriebenen Cavour" (1, S. 353) passt dies Wort des preussischen Ministers
freilich nicht. Die Einleitung giebt ein ganz gutes Bild der um 1830 allgemein
herrschenden Meinungen über Hegel, Baader, Fichte usw. (S. 5 ff .) ; das Ganze gewährt,
(= Flugschrr. d. Evang. Bundes Heft 901 [8. Reihe, N. 6/7].) L., Braun. 27 S. M. 0,20. — 343-344) X Fr. Leitschuh,
Fr. L. v. Erthal, Fürstbisch, v. Bamberg u. Wür/.hnrg, Herz. v. Franken. E. Charakterbild, nach d. Quellen bearb. Bamberg,
Buchner. IV. 256 •*. Mit 10 Vollbild. M. 3,00. |[A. Ehrhard: LRs. 20, S. 199-200; G. Bossert: ThLBl. 15, S. 309-10.]|
— 345) (IV la:32.) |[BLU. S 479.JI — 346) M. Pfister, Fr. v. Schreiber. Bamberg, Franke. 1893. 57 S. M. 0,50. —
347) H. A. Lier, Jos. Thaler: ADB. 37, S. 64">. — 348) X P- Beck, M. Thoman: ib.38,S. 66 7. (Kath. Missionar 1722-1805.)
- 349) X K- Zehrt, Eichsfeldische Kirchengesch. d. 19. Jh.: StLM. 46, S. 565. — 350) J. Friedrich, J. A. Möhler, d.
Symboliker. E. Beitr. zu sein Leben u. sein. Lehre aus seinen eigenen u. anderen ungedr. Papieren München, Beck. V, 139 S.
M. 2,00. — 351) A. v. Schulte, Aug. Theiner: ADB. 37, S. 6747. - 352) F. Hettinger, Aus Welt u. Kirche. 1. Bd.: Rom
IV 5:353-356 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
fürchte ich, ein gutes Bild der in bestimmten Kreisen jetzt über alles, was nicht ultra-
montan ist, herrschenden Meinungen. —
Ein Gedenkblatt für einen jüdischen Theologen, den Rabbiner Mich.
Sachs, der 1848 den jüdischen Märzgefallenen die Totenpredigt hielt, schrieb
Schüs sler353). —
Haben wir bei den Theologen schon oft die Geschichte gestreift, so begegnet
uns auf der anderen Seite, wenn wir zu den Historikern übergehen, in N i e b u h r
ein Mann von tiefstem religiösen Ernst und fast priesterlicher Haltung. Die Briefe,
die aus seinem Nachlass veröffentlicht werden354), zeigen fast durchweg in typischer
Weise die moralische Hypochondrie unserer besten Gelehrten. Boeckh schreibt, seit
den Freiheitskriegen sei ein ganz erbärmliches Brotstudium eingerissen (S. 3), und
erklärt die Berliner Akademie der Wissenschaften für eine Leiche, die auch Hufelands
Magnetismus nicht aufwecken werde (S. 2); Schelling klagt (S. 23) über die Akademien
in ganz Deutschland: „Wir finden in ihnen selten oder gar nicht den Geist der
Nation, sondern eher einen Lokal- oder sonst auf andere Art beschränkten Geist.
Vielleicht wäre auch bei der Verfassung Deutschlands überhaupt diejenige Akademie
die beste, welche nicht an einem Orte beisammen, sondern ihre Mitglieder durch
das ganze gemeinsame Vaterland zerstreut hätte"; und mitten aus dem Krieg heraus,
nach der Katzbach schreibt Eichhorn355): „Mein Aufenthalt ist reich an grossen Er-
fahrungen und durch die Teilnahme und das Gefühl einer gewonnenen Schlacht, das
in einer allgemeinen Begeisterung des Heeres sich aussprach, nicht ohne grossen
Genuss gewesen. Seh ich aber auf die Selbstsucht und das Zurückziehen eines von
dem anderen um kleinlicher Rücksichten des Ranges und Standes- willen, auf den
gänzlichen Mangel an Kameradschaftlichkeit, so wandelt mich ein Fieberfrost an.
Die allgemeine Not macht uns alle, die für die gute Sache streiten, zu Brüdern, die
Freude, die ohnehin für Liebe und Neigung so empfänglich macht, vollends aber
errungene Vorteile für eine Sache, die jeden als die höchste angehen soll, muss,
denkt man, überall Hand in Hand und Brust an Brust legen; und von all diesem
keine Spur" (S. 10). Stolberg klagt 1819 über die zügellose Licenz, vorzüglich in
Zeitungen (S. 34). Melancholisch berichtet auch Boeckh über das Corpus Inscriptionum
Graecarum (S. 4), W. von Humboldt (S. 17) über seine eigene Arbeitsart: „Ich gehöre
weder zu denen, die schnell arbeiten, noch zu denen, bei welchen sich leicht etwas
in kleinem und doch gehaltvollem Umfang gestaltet"; doch tadelt er auch an Niebuhrs
Werke (S. 19) freimütig die Form und fühlt seine eigene Bedeutung', wenn er (S. 14)
schreibt: „Es ist seit mehr als 20 Jahren eine meiner Lieblingsideen gewesen, dem
vergleichenden Sprachstudium, das bisher auf eine höchst oberflächliche, unphilosophische
und verkehrte Art behandelt worden ist, eine bessere Gestalt zu geben." Sehr
interessant ist Schleiermachers Bericht über F. G. Jacobi (S. 26 ff.): „Jacobis Tod wird
Sie auch bewegt haben, wie er mir immer noch im Gemüte liegt. Es ist mir nun
doppelt erfreulich, dass ich noch im vorigen Jahre seine Bekanntschaft machen
konnte. Solche durchaus edle und schöne Naturen sind leider selten genug; ja ich
kann ehrlich sagen: auch Schwächen, die sonst selbst Freunde und Verehrer von
ihm zugestanden, sind mir nicht sichtbar g-eworden, ohnerachtet die Gelegenheit
dazu nicht fehlte. Das mildernde Alter muss sie hinweggenommen haben. Mir ist
ein vollkommen reiner Eindruck von dem herrlichen Manne geblieben, und auch das
befriedigende Gefühl, dass er mich persönlich lieb gewonnen hat. Mich betrübt aber,
dass er nun eines so zufälligen Todes gestorben ist. Ist man erst so alt geworden,
so scheint mir auch billig, dass man an der reinen Notwendigkeit der erschöpften
Lebenskraft sterbe. Mir war der Gedanke gekommen und ziemlich fest geworden,
ihm meine Dogmatik, an der ich jetzt schreibe, zuzueignen, dadurch unserem Ver-
hältnis ein kleines Denkmal zu setzen und zugleich nach meinem Vermögen Jacobis
eigentliches Verhältnis zum Christentum ins Licht zu stellen. Ich will nicht wünschen,
dass dieser gescheiterte Entwurf ein böses .Vorzeichen werde für das Werk selbst,
Wie wird es nun mit der unvollendeten Ausgabe von Jacobis Werken werden?
wahrscheinlich wird Rot sie übernehmen und dadurch ihre Freundschaft verewigen.
Bald ist nun jenes Geschlecht auch ganz ausgestorben — sehen wir ein neues heran-
wachsen zum Ersatz? Für die Gelehrsamkeit ist mir nicht bange, aber die Philosophie
und die Poesie scheinen wenig ausgezeichnete Jünger unter den Jüngeren zu haben.
Darum pflegen Sie nur desto mehr die bildende Kunst der Deutschen in Rom und
sehen, dass sie nicht ganz den freien protestantischen Boden verlasse." Nicht minder
tolerant schreibt Stolberg über einen Freund seiner Anschauungen, wenn er rühmt:
„Keine mir bekannte Uebersetzung ist auch nur von fern mit der Lutherschen an
u. Italien; 2. Bd.: Deutschland u. Frankreich. 3. Aufl. Freiburg i. B., Herder. 1893. VIII, 711 S. M. 7,00. — 353) M.
SchQssler, Mich. Sachs: ÜL&M. 71, 8. 108. — 354) Mitteil, aus d. Litt.-Arch. in Berlin. Briefe aus B. G. Niebuhrs Nachl. 1.
B. Litt.-Arch.-Ges. 1893. 41 8. (Nicht im Handel.) — 355) X D., Niebuhr als Landsturramann: Bär 20, 8. 398. - 356) B.
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5:357-367
Kraft, Adel, Einfalt und Treue zu vergleichen. Die Lesung der Lutherschen Bibel
ist, sowohl in Absicht auf Erbauung" als auf jede Art geistiger Bildung-, das kräftigste
Mittel. Denn . . . Luther hat ihren Sinn ganz erfasst; dahingegen alle nach der
Vulgata gemachten Dolmetschungen gleich ihr die Bibel entgeisten" (S. 29).
Wessenberg dagegen schilt er (S. 3:3) lebhaft. Tieck schreibt anmutig über romantische
Poesie und will (S. 38) die altdeutschen Dichter zur Erklärung Chaucers benutzt
wissen. Niebuhr selbst bleibt hier im Hintergrund, aber aus jedem Briefe klingt die
Verehrung für diesen nur leider allzusehr rückwärts gewandten Propheten wieder. —
Diplomat und Historiker zugleich wie Niebuhr war K. von Schloezer,
des berühmteren Geschichtsforschers Nachkomme, den Gebhardt356) in letzterer
Eigenschaft würdigt. — lieber Niebuhrs Zeitgenossen F. W i 1 k e n , den Historiker der
Kreuzzüge, Schlossers Vorgänger in Heidelberg, schrieb Stoll357). — L. von Ranke358-359)
verbindet dann jene Epoche fast noch mit der Gegenwart; von Ke u ssler360) teilt
von ihm einen ungedruckten Brief mit. — Auch über I. vonDÖllinger dauert noch die
Diskussion der Gegner361) und Freunde362"363) fort. — Ward er durch sein eigentlichstes
Arbeitsgebiet in den politischen Kampf gezogen, so trug' das streitbare Naturell
Th. M o m ms ens364) die politischen Gegensätze unserer Tage in die Geschichte Roms
hinein. Den grossen Juristen feiert Landsberg 365), indem er geistreich die antike
Anschauung von dem „ewigen Recht" der modernen Gesetzfabrikation gegenüberstellt. —
Auch Ferd. Gregorovius ist eine entschieden politisch gerichtete Natur; hat
er doch als Anhänger des Socialismus beg'onnen. Seine Briefe an den Staatssekretär
H. von Thiele, die von P et e rs d orf f366) mit einer knappen Einleitung versehen
hat, zeigen denn auch ein lebhaftes politisches Interesse, das freilich von manchem
anderen gekreuzt wird. Charakteristisch schreibt er (S. 50) über Niebuhr: „Sein
mächtiger und positiver Verstand zieht mich so stark an, wie mich das verstimmte
Wesen ohne jede Spur griechischer Heiterkeit wieder abstösst. Man sieht aber wohl,
dass die Schärfe eines eminent kritischen Blicks bisweilen so tief dringt, wie die
ursprüngliche Anschauung einer Goetheschen Natur dringen kann. Wie sind doch
diejenigen Menschen bevorzugt, welche aus der grossen Bewegung" des 18. Jh. her-
stammen und in ihrer reifenden Jugend die Völkerschicksale der napoleonischen Epoche
durchlebt haben. Es ist ein ungesucht tiefer, menschlicher Gehalt in ihnen, ein
gediegeneres Metall offenbar, als es heutiges Tages angetroffen wird." Man sieht,
Gregorovius klagt über das Aussterben der Zeitgenossen Niebuhrs so beweglich wie
Schleiermacher über das von Jacobis Altersgenossen ; und mit seiner Sehnsucht malt
sich jeder selbst. Nicht minder charakteristisch durch den Gegensatz ist Gregorovius
Urteil über Reumont (S. 130): „Alles was Reumont schreibt, ist gediegen durch
Wissen und Gedächtniskraft, aber die Muse hat ihn niemals angelächelt, und froh
seiner staunenswürdigen Kenntnis aller Kunstthatsachen der WTelt hat er nicht die
geringste Ahnung von der künstlerischen Gruppierung eines Stoffes. Darum verfallen
alle seine Werke naturgemäss der papiemen Unsterblichkeit in Bibliotheken" (vgl.
über Reumont S. 69, 157 usw.). Bei Ranke ist ihm immer zu Mute wie in einem
anatomischen Theater (S. 124, vgl. noch S. 100, 121, 156, 165, 174, 176, 223), wogegen
Schliemann (S. 124) schon wegen des Gegensatzes gegen die „Neidhälse" von
Professoren ihm sympathisch ist. Selbst an den deutschen Politikern verstimmt ihn
die Unliebenswürdigkeit (S. 162), an H. Grimm, der mit ihm gegen die „Zerstörung
Roms" kämpft, bedauert er die „cruele Invective" (S. 171), und Berlin erscheint ihm
1860 so öde, ungeschichtlich, unmonumental, nüchtern, dass er es sich nicht als
Hauptstadt des künftigen deutschen Reichs denken kann (S. 29); dagegen 1887:
„Ich glaube, dass Berlin schon heute das schönste Städtebild der modernen Welt
ist" (S. 192). Doch erkennt er später freudig an: „Alles strebt jetzt auch bei uns
nach Veredelung der Form" (S. 179). König Ludwig IL scheint ihm „ein Gemisch
von Lohengrin und Caligula" (S. 176), und Wagners Tannhäuser ergreift ihn nicht
(S. 32); aber Novalis citiert er aus inniger Vertrautheit (S. 35) und für Kaulbach hat
er im Gegensatz zu Schack (S. 200) etwas übrig. Ueberall steht er zu der „bezopften
Zunft" (S. 217) in Feindschaft; die „unnötige hässliche Judenfrage" ärgert ihn (S. 119),
aber herzlich beklagt er „die beiden guten Menschen, die so bescheiden auf dem
Throne des schönsten Landes der Erde sitzen." Anmut der Form ist ihm überall
Bedürfnis, bei Gelehrten wie bei Fürsten, bei Städten wie bei Kunstwerken; Prätention,
Hochmut, absichtliche Isolierung ist ihm in allen Gestalten zuwider: er ist doch ein
Gebhardt, Kurd v. Schlözer als Geschichtsschreiber : N«S. 70, S. 383-98. — 357) A. S t o 11 , üeber d. Historiker F. Wilken. Progr. d.
Gymn. Cassel. 34 S. i[F. v. Weech: ZGORh. 9, S. 526.]| — 358) X (H 6:1.) — 359) X K. Brsg., E. Guglia, Ranke (JBL 1893
IV 5:299): LCB1. S. 714/5. (S. auch o. IV lb:l.) — 360) F. v. Keussler, E. ungedr. Brief L. v. Rankes: BaltMschr. 41,
S. 62/4. — 361) X E- Michael, Döllinger (JBL. 1892 IV 5 : 142): StML. 46, S. 103. — 362) X Döllingers Adresses:
SaturdayR. 78, S. 460/1. - 363) X C. Wagner, Döllinger: RChr. 1, S. 386/9. - 364) X Th. Momrasen, Hist. of Rom, transl.
by W. P. Jackson. New ed. Vol. I. London, Bentley. Sh. 7,6. - 365) E. Landsberg, Th. Mommsen: Nation«. 11, S. 86/7.
- 366) (IV lc:68.) |[R. M. Meyer: ML. 63, S. 1498.11 - 367) X F- Gregorovius in seinen Briefen: Geg. 46, S. 245,9. —
IV 5:368-377 R. M. Mey er, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
Sprössling jener Epoche, deren Tod er beklagt. Zahlreiche andere Urteile lässt das
vortreffliche Register mit Leichtigkeit auffinden.367) — Ullrich368) leitet eine trockene
Analyse von Gregorovius Schriften durch einen langweiligen Bericht über dessen
Leben vor der Uebersiedelung nach Rom und über ihr dortiges Zusammensein ein. —
So wenig wie Gregorovius haben A. vonGutschmi d369) oder R. P a u 1 i370)
ihr politisches Interesse verleugnet; aber ihr eigentliches Arbeitsgebiet lag von dem
Boden der aktuellen Meinungskämpfe entfernt. —
Mit S. Sugenheim dagegen, über den J ung371) schrieb, kommen wir zu
der Gruppe der eigentlichen „politischen Historiker": alle seine gelehrten
Arbeiten waren der Bekämpfung des Ultramontanismus und der Förderung des
Liberalismus gewidmet. — Seinen späteren mächtigen Gegner J. J a n s s e n372) schilderte
Pastor373). —
Wie Janssen wird H. von Treitschke374) auch nach dem Tode im politischen
Kampfe bleiben, in dem der Lebende sich am wohlsten fühlte.375) — Kurze Zeit ging
ihm ein Mann im Tode voraus, der nach langjährigem Zusammengehen sein wirk-
samster Gegner wurde: H. Baumgarten, den Haym376) mit gewohnter Meisterschaft
geschildert hat. Seine historischen und politischen Reden hat sein Schüler Erich
Marcks377) herausgegeben, eine höchst dankenswerte Gabe. Er steuerte auch eine
Einleitung bei, die durch Klarheit der Darstellung und ehrlichen Anteil erfreut, so
sehr man auch merkt, dass M.s Seele auf Treitschkes Seite steht. Daher auch die
befremdende Erscheinung, dass M. sich seitenlang abmüht, Baumgartens Verstimmung
in seinem Alter wie ein Rätsel zu erklären — eine Haltung, die man bei einem
„politischen Historiker'1 kaum verstände, begriffe man nicht, wie rasch dem Historiker
der Politiker über den Kopf wächst. So fragt denn auch M. mit der ganzen Naivetät
des Parteigängers: wie konnte eigentlich ein politisch denkender Mann unzufrieden
sein, während unsere Parteigenossen am Ruder waren? und trotz aller mildernden
Umstände (S. CVI) ist er doch wohl im Grunde geneigt, den Konflikt mit Treitschke
(S. CXIII) auf die frühe Rauflust Baumgartens (S. IX.) zu schieben. Er giebt wohl
(S. CXIII) Treitschke nicht allein Recht, aber er sieht doch in der neuen Wendung
der Zollpolitik (S. CX.) einfach „die zweite, die materielle Fundierung der Reichs-
einheit", so dass die Gegner des Schutzzolls so ungefähr als „Reichsfeinde" beleuchtet
werden. Aber gerade weil Baumgarten durchaus zu jener glänzenden Gruppe der
politischen Historiker gehört, die M. (S. LXXIX) charakterisiert, gerade weil Rankes
Art, wenn er sich ihr auch näherte, ihn nie ganz eroberte, ihm fast nur durch
Sybels politische Anfärbung hindurch zugänglich ward (S. LXXXI), gerade weil
etwas von Herders Leidenschaft und Predigerbegeisterung ihm diesen Propheten
besonders wert machte (S. LXXXVIII), gerade deshalb hätte der Schüler Dahlmanns
(S. XIV) und Kampfgenosse E. M. Arndts (von welch letzterem uns S. XXVI ein paar
köstliche Briefe geschenkt werden) ein Recht darauf gehabt, auch in dieser Sammlung als
Kämpfer gezeigt zu werden. Nicht bloss, weü die Unterdrückung der Streitschriften
gegen Treitschke — dessen Antworten doch jede neue Auflage der Deutschen
Geschichte neu druckt — ihn als Besiegten erscheinen lässt, sondern vor allem auch
weil sie für Baumgarten so besonders charakteristisch sind, hätte man sie, wie
Alfred Stern bemerkt, in der Auswahl nicht fehlen lassen dürfen. Man begreift
ja leicht die Rücksichten, die Varrentrapp in seiner Auslese leiteten; ganz billigen
kann man sie hier nicht. Für den Litterarhistoriker sind unter diesen Aufsätzen
die beiden über Lessing und Herder (S. 217 ff., 339 ff.) die wichtigsten. Der erste
stellt die Streitfrage, ob Lessing ein eifriger Patriot gewesen sei, recht und entscheidet
sie dahin, dass, er es gar nicht habe sein können; er vergleicht seine Arbeit „für
unsere geistige Befreiung und Stählung" (S. 235) mit Klopstocks unklarer Romantik
(S. 230) und mit J. Mosers Wirksamkeit, (S. 231/2), wobei die freilich übertreibenden
Worte fallen, der Schriftsteller Moser sei nur der untergeordnete Gehülfe des Staats-
mannes Moser gewesen. Scharf spricht Baumgarten dagegen wider den Kosmo-
politismus unserer klassischen Periode (S. 82, 291) und wird hier W. von Humboldt
so wenig gerecht wie den Wolfram von Eschenbach und Friedrich von Hausen mit der selt-
samen Behauptung, schon zur Zeit der Hohenstaufen habe unseren bedeutendsten Köpfen
das männliche Handeln wenig gegolten neben dem Leben in zarten Empfindungen
und hohen Gedanken (S. 76). Der Aufsatz über Herder und J. G. Müller schildert
mit tiefem Verständnis Herders Alter und mit gerechtem Abwägen seine Entfremdung
von Goethe; nicht ganz gerecht hat M. diesen Aufsatz eine Art prophetische
Vordeutung von Baumgartens Verhältnis zu Treitschke genannt. Herders Urteil
368) T. Ullrich, F. Gregorovius u. seine Schriften aus Italien. (=19:20, S. 226-56.) — 369) X E. Schurer, A.
v. Gutschmid, Kleine Schriften. Her. v. F. Ruhl (3ß\,. 1892 IV 5:153): ThLZ. 19, S. 65/7. — 370) X P- Rftthling, R. Pauli:
ÜLftM. 71, S. 87 - 371) R- Jung, S. Sugenheim: ADB. 37, S. 136/8. - 372) X (n "'*•) - 373) (IV 1 b : 4.) — 374) X
II. t. TreitschVe: BurschenschBll. 8, S. 213/5. — 375) X H- v- Treitschke, D. dtsch. Ordensland Preussen. Ed. by W. L. Ly on.
London, Rivingston, Percival * Co. 1893. Sh. 2. fAth. 1, S,443.J| -376) R Haym, H. Baumgarten : PrJbb. 76, S. 193-213. -377)
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 378-385
über Wilhelm Meister macht er sich (S. 380) entschlossen zu eigen und gegen
Gervinus auf einem Lesefehler beruhende Behauptung, Herder habe den Patriotismus
abgelehnt (S. 384 Anm.), nünmt er diesen (S. 381/2) in Schutz. Die anderen Artikel
sind meisterhafte politische Berichtschriften. Er sieht die Schwäche des deutschen
Liberalismus darin, dass er die wissenschaftliche Methode in die politische Praxis
überträgt (S. 152), klagt über die historische Schule, die mit der ganzen „eigen-
sinnigen Innerlichkeit unserer protestantischen Väter" der Nation fast den Verzicht
auf das nationale Dasein zumute (S. 270), sieht aber eine Hauptschuld an all dem
in der kläglichen Politik der kleinen lutherischen Fürsten (S. 77, 264). Einen aus-
gezeichneten deutschen Journalisten, K. Brater, feiert ein Nekrolog (S. 236/7) und
eine andere Trauerrede, auf Kaiser Friedrich, hat im Gegensatz zu jenen älteren
Klagen schon über zu viel Politik in Deutschland zu klagen, zu fürchten, dass man
auch bei uns die Parteifarbe in wissenschaftliche Forschungen und Darstellungen
tragen werde (S. 524). — Kann man die Furcht unberechtigt schelten, wenn man an
Treitschke denkt oder auch an seine Schüler, wie den immerhin noch g*emässigten
W. Maurenbrecher378"379)? —
Aus dem Nachlass A. Kluckhohns haben sein Freund Heigel und sein
Schüler Wrede380) eine Auslese von Vorträgen und Aufsätzen veranstaltet. Die
sechs ersten schildern hervorragende Gestalten der preussischen Geschichte, ohne
an dem Bild der Königin Luise, des Freiherm vom Stein, Scharnhorsts, Blüchers,
Gneisenaus und Clausewitz neue Seiten zu entwickeln. Der fünfte Aufsatz: „Ueberdie
Jesuiten in Bayern mit besonderer Rücksicht auf ihre Lehrfähigkeit", behandelt ein
unserem Zeitraum nicht angehöriges Thema mit entschiedener, aber wohl berechtigter
Polemik gegen die herkömmlich gerühmten „grossen Verdienste" der Jesuitenschulen.
Der achte führt den Reformator des bayerischen Unterrichts, den berühmten Jesuiten-
gegner Adam von Ickstadt, anschaulich vor und bildet mit dem nächsten
das Schwergewicht der Sammlung. In diesem neunten Vortrag' wird der Illuminaten-
orden besprochen; Weishaupt erscheint in sehr ungünstigem Lichte, doch wrerden
seine bedenklichen Praktiken der Jesuitenschule Schuld gegeben. Knigge kommt
vielleicht etwas zu gut fort. Der ganze Artikel ist in hohem Grade lehrreich für
die Art, wie jede Reaktion sich der sie hervorrufenden Aktion anähnlicht: die
Illuminaten den Jesuiten, wie die Gegenreformation der Reformation ein entstelltes
Gegenbild liefert. Endlich folgen vier Erinnerungen an hervorragende Historiker:
der schöne Artikel über Häusser aus der ADB., ein etwas kühl gratulierender und
referierender Aufsatz zu Rankes neunzigstem Geburtstag, neben dem der herzlich
warme Nachruf an Waitz um so freundlicher wirkt, und endlich, in noch gesteigerter
Intimität, ein anmutiges Lebensbild des diesen dreien freilich nicht gewachsenen
Weizsäcker. Die Schlussworte, zugleich die des Bandes, klingen gleichzeitig wie
eine oratio pro domo des trefflichen Historikers, dem grosse Werke und Popularität
nicht gegönnt waren: „Sein Name aber wird dauern, solange es eine Geschichts-
wissenschaft giebt, und noch mit Ehren genannt werden, wenn manche seiner Fach-
g'enossen, die sich heute eines weiten Leserkreises rühmen können, längst der Ver-
gessenheit anheimgefallen sein werden. Oder sollte je der Tag kommen, wo man
gering denken könnte von einem Manne, der mit einer seltenen Begabung" eine noch
seltenere Hingebung an den Beruf des Forschers verband und, jeden leicht errungenen
Erfolg des Tages verschmähend, unbeirrt durch Lob und Tadel, nur in grund-
legenden Leistungen sein Genüge fand? Es wäre das Ende unserer Wissenschaft". —
Wir kommen zu dem stattlichen Heer der Lokalhistoriker. Die Schweiz
ist durch Tillier und von Wyss vertreten. Den ersteren, Landammann von Bern und
Vf. mehrerer Werke über schweizerische Geschichte, neben denen seine „Geschichte der
europäischen Menschheit im Mittelalter" nicht in Betracht kommt, schilderte Blösch381);
dem ausgezeichneten neueren Meister helvetischer Geschichtskunde, der auch für
die ADB. so viel gethan hat, stifteten Schweizer und Escher382) sowie andere383)
Nachrufe. — Von hier wenden wir uns nach einem anderen Centrallande lokaler
Geschichtsschreibung, nach Oesterreich. Jos. Lutzer schrieb nach Schumann384)
eine „Geschichte des transalpinischen Daciens", war Josefin er und suchte in der
Schweiz Bodmer, Lavater, Gessner, Iselin (S. 152) auf. — Tartarotti ist nach
Reuschs385) Bericht ebenfalls ein Mann der Aufklärung, den seine Polemik gegen den
Hexenverfolger del Rio um ein christliches BegTäbnis brachte; er hat sich sonst um
die Kirchengeschichte von Trient verdient gemacht. — Auch Tangl begann mit
(IV lb:3.) |[LCB1 S. 713/4; ZGORh. 9, S. 191/2; FBPG. 7, S. 289-90]j — 378) X E. Gess, G. Wolff, W. Maurenbrecher
(JBU 1893 IV 5:329): DLZ. S. 439-40. — 379) X A- Kleinschraidt, Dtsch. Historiker: IllZg. 102, S. 526. — 380) A.
Kluckhohn, Vortrr. u. Aufsätze. Her. v. K. Th. Hei gel u. Ad. Wrede. München u. L., Oldenbourg. IV, 509 S. M. 6,50.
— 381) E. Blösch, J. A. Tillier, Landamman v. Bern u. Geschichtsschrei bor 1792: ADB. 38, S. 310 3. — 382) P- Sohweizer
u. H. Escher, G. ▼. Wyss. 2 Nekrol. Zürich, Fäsi & Beer. IV. 70 S. M. 1,60. (Mit Bild.) - 383) X ö- '■ Wyss, Nekrol.:
AnzSchwG. S. 13. — 384) A. Schumann, F. J. Sulzer: ADB. 37, 3.151/3. — 385) F. H. Reusen, G. Tartarotti : ib. S. 402 4.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschiohte. Y. (4)21
IV 5:386-397 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
Kirchengeschichte, später wandte er sich, wie von Krones386) sagt, „der genealogisch-
historischen Erforschung der Vergangenheit Innerösterreichs zu"; und auch er ward
von dem bildungsfeindlichen Geiste der österreichischen Regierung bedrückt. — Viel-
seitiger war Tschischka, von dessen Verdiensten um das österreichische Volkslied,
um die Geschichte Wiens und die Kunstgeschichte Oesterreichs Weiss38") berichtet.
— Bayerns Vorzeit schilderte Trautmann am liebsten im Gewand der historischen
Novelle oder des historischen Romans. Schon vor 26 J. hat R. Prutz in seiner
„Deutschen Litteratur der Gegenwart" (1, S. 161) den altbayerischen Poeten, den er
höchlich lobt, vor übermässiger Produktion gewarnt; der hat aber unermüdlich weiter
erzählt und den Ton behaglichen Humors durch ein langes Leben festgehalten.
Seine politisch - religiöse Stellung charakterisiert Brummer388) mit überflüssigen
Fremdworten: „Der Violation steht er ebenso fern wie dem Zelotismus, und dies hat
ihm die Leser in den verschiedensten Lagern geneigt gemacht" (S. 517). — Wie
München ist Frankfurt ein alter Sitz des Lokalpatriotismus, dem auch Thomas, der
Schwiegersohn Willemers und Mariannens, sein Interesse für die Frankfurter Annalen
verdankte; Jung389) rühmt den Freund der Grimm und der Boisseree und Böhmers:
„Thomas war ein edler, trefflicher Mensch; in seinen politischen Anschauungen am
Alten hängend, ein entschiedener Feind der jungdeutschen Bewegung, in den
religiösen Ansichten ein überzeugter Anhänger des lutherischen Bekenntnisses, aber
frei von konfessioneller Engherzigkeit" (S. 92). — Lieber einen noch bekannteren
Geschichtsschreiber Frankfurts, G. Ludw. Kriegk, der sich besonders auch um die Vor-
geschichte und die Anfänge Goethes verdient gemacht hat, schrieb Froning390), der
dazu einen Band der hs. Selbstbiographie Kriegks benutzen durfte. . Hervorgehoben
werden seine historischen Arbeiten, seine Bearbeitung der Schlosserschen Welt-
geschichte nnd seine Thätigkeit am Frankfurter historischen Archiv, woraus mehrere
Geschichtswerke erwuchsen. — Teuthorn schrieb nach Kretzschmar390a) „den ersten
Versuch einer quellenmässigen Bearbeitung der hessischen Geschichte", und Teich-
mann nach Chrn. Meyer391) eine noch heute schätzbare Beschreibung des Klosters
Himmelcron nebst Lebensbeschreibung Georg Friedrich Karls von Bayreuth; die
beiden Sudendorf würdigt Ja nicke392 393) als Specialforscher für die Geschichte
Braunschweigs und Osnabrücks; Tiaden arbeitete über die Gelehrt engeschichte Ost-
frieslands, wie P. Wagner394) meldet395), und R. von Toll, der sich vom Dragoner-
obristen zum Kenner und Bearbeiter der est- und livländischen Landesgeschichte
entwickelte, wird von Biene mann396) der Nachwelt vorgestellt. —
Wie Geschichte und Philologie sich zu einander verhalten, ist eine gerade
neuerdings wieder viel erwogene Frage. Boeckh, Usener usw. haben sie vom phi-
lologischen Standpunkt aus beantwortet; Nerrlich397) versucht vom philosophischen
aus an sie heranzutreten. Seiner Schrift „Das Dogma vom klassischen Altertum in
seiner geschichtlichen Entwicklung" hat er als Motto die Worte von D. Fr. Strauss
vorgesetzt: „Die wahre Kritik des Dogma ist seine Geschichte". Um so mehr hätte
man erwarten dürfen, dass er wirklich eine Geschichte dieses Dogmas gegeben hätte,
statt in chronologischer Folge (die freilich ein häufiges Vor- und Zurückgreifen auf
Lieblinge wie Jean Paul unterbricht) Auszüge aus den Schriften zahlreicher Autoren
zu bringen, obendrein ohne genauere Citate, so dass man sich nicht einmal über die
specielleren psychologischen Motive jeder Aussage orientieren kann. Welch eine
glänzende Aufgabe wäre es gewesen, zu zeigen, wie die Stellung jeder Zeit zur
Antike mit den aktuellen Interessen zusammenhängt (am deutlichsten in der Epoche
Reuchlins und Melanchthons), und wie deshalb Kunst und Litteratur das Dogma
oder seine Bekämpfung ebenso gut fördern, wie sie selbst ihre Nahrung aus der
herrschenden Auffassung ziehen. Aber der Autor, der unbesonnen genug noch
immer (S. 390) von Rankes und Scherers Ideenhass spricht (während gerade jetzt
Lamprecht Ranke wegen seiner Ideenlehre angreift!), ist selbst von einem bis zum
Fanatismus gehenden Hass gegen jede Idee erfüllt, die nicht Hegel oder den „weit-
befreienden Hallischen Jahrbüchern" (S. 303) angehörten. Perrault, der allerdings
zuerst den Bann der einseitigen Verehrung der Antike brach, ist ihm (S. 155) ein
Mann, zu dessen Höhe noch unsere Gegenwart mit Staunen emporblicken muss; bei
den Humanisten müssen dagegen (S. 153) sogar die Charakterfehler mit ihrer Ver-
ehrung der Antike in Zusammenhang gebracht werden! Genau ebenso einseitig
— 386) F. v. Krones, Hartmann Tangl: ib. S. 370/1. - 387) K. Weiss, F. Tschischka: ib. 38, S. 726/8. — 388) F. Brfl mme r,
F. Trautmann: ib. »S. 516/8. — 389l E. Jung, J. G. Chrn. Thoraas: ib. S. 91/3. — 390) K. Froning, G. Ludw. Kriegk, e.
dtsch. Gelehrtenleben. Progr. d. Humboldtschule N. 69. Frankfurt a. M. 4°. 11 S. — 390a) H. Kretzschmar, G. Fr.
Teuthorn: ADB. 37, S. 616. — 391) Chrn. Meyer, J. E. Teichraann: ib. S. 541/2. — 392) K. Janicke, H. F. G. J. Suden-
dorf: ib. S. 117/9. - 393) id., Jul. Sudendorf: ib. S. 119. — 394) P. Wagner, E. Tiaden: ib. 38, S. 240. — 395) X M.
Toeppen, D. Elbinger Geschichtsschreiber u. Geschichtsforscher in krit. Uebers. dargest. : ZWestprGV. 32, S. 1-200. (Auch
Separat : Danzig, Bertling. VIII, 200 S. M. 3,00: vgl. .TBL. 189314:318.)- 396) F. Bienemann, B. v. Toll: ADB. 38, S. 416-21. - 397)
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. TV 5:398-399
verfährt N. in der Kritik der Aussagen bei den von ihm citierten Gewährsmännern:
Krumbacher, der G. Freytag' und G. Keller als Repräsentanten des modernen Natura-
lismus in einem Atem mit Flaubert und Zola, Dostojewsky und Tolstoi nennt, verliert
dadurch für N. das Recht, über unsere Gegenwart zu urteilen (S. 342), während
Köchly (S. 348) ungestraft neben Schiller, Goethe, Ranke — Gutzkow als Meister im
deutschen Ausdruck anführen darf! Denn Krumbacher ist Parteigänger, Köchly
wenigstens teilweise Gegner des „Dogmas". Und Güssfeldts Aufsätze über die Er-
ziehung der deutschen Jugend sind für N. (S. 367) eine Morgenröte! Er hätte gut
gethan, zu bedenken, wie ein so leidenschaftlicher Verfechter des Deutschtums gleich
Lagarde über diese — nim, nennen wir es mild — genialen Improvisationen ge-
urteilt hat. Wir wiederholen es: eine Geschichte des Dogmas hat N. nicht geschrieben:
dazu fehlt es ihm allzusehr auch schon an dem guten Willen der Objektivität, und
wohl auch an dem Vermögen, grössere Strömungen zu erfassen und zu begreifen.
Aber er hat doch die historische Stellung einzelner Pädagogen, wie besonders die
Trapps (S. 230), auch Herbarts (S. 251), vortrefflich beleuchtet und die ausserordent-
liche Wirkung, die Mommsens Römische Geschichte auf den blinden Kultus des
Römertums geübt hat (S. 349), geistreich hervorg-ehoben. Auch was er gegen Useners
Deutung der Philologie als Pionier der Geschichtswissenschaft (S. 461) und Vahlens
verwandte Erklärung (S. 362) einwendet, scheint mir im wesentlichen treffend. Die
Thesen, in die das Buch (S. 399) ausläuft, gehören wesentlich der Gymnasial-
pädagogik an ; wir haben hier nur unser Bedenken über das Verlangen, dass der
Religionsunterricht den Mittelpunkt der ganzen Erziehung bilden soll, und unsere
Zustimmung zu dem Wunsch stärkerer Vertretung der Unterrichtstechniker in den
Centralbehörden auszusprechen. —
So recht in die Kreise, die Nerrlich aus blindem Vorurteil heraus schilt, führt
uns die prächtige Sammlung der Briefe von und an Chr. A. Lob eck und K. Lehrs, die
Ludwich398) mit ebenso grossem Fleiss wie Geschick besorgt hat. Man muss da
Lehrs Worte über Grotes Biographie von seiner Frau citieren: „Nichts ist schwerer,
wie ich bei dieser Gelegenheit gesehen, als die Anzeige eines solchen Buches, nämlich
viel zusammengesetzt aus Tagebüchern, Briefen u. dgl. Es ist alles so interessant
und das Ganze so vielseitig, dass man eigentlich immer das Gefühl hat, eines ist so
wichtig und interessant als das andere, und man müsste alles abschreiben" (S. 921).
Man muss dies Citat gleich durch ein zweites ergänzen, das seine Worte über den
Briefwechsel Goethes mit den Humboldt enthält: „Da kann man wieder unter ideal
gestimmten und geist- und gemütreichen Männern idealer Zeit atmen und mitfühlen
und mitdenken" (S. 977). Und was für Männer sind es! Man lese nur die Briefe
von G. Herrmann (S. 408), J. Grimm (S. 459) und Boeckh (S. 607) an Lobeck, von
M. Haupt (S. 623) und F. Ritschi (S. 672) an Lehrs, um den Anredenden wie den
Angeredeten zu verehren. Wie charakterisieren sich überhaupt diese Männer in ihren
Briefen! Zuerst die alte Garde: J. H. Voss, der an Lobeck schreibt: „Wenige fand
ich auf meinem erfahrung'sreichen Wege durch dies sogenannte Leben, welchen Wahr-
haftigkeit im grossen und kleinen heilig war, so heilig wie meinem Schutzheiligen
Lessing", und der an Wieland diese entschlossene Geradheit vermisst (S. 46, vgl. 8.26,31);
sein Verehrer Paulus, der über seine Stellung in Heidelberg berichtet (S. 216), der
Burggraf von Schoen, der über die Gegenwart sehr strenge (S. 542) und über Leonidas
so geringschätzig wie Schloezer oder Karl Vogt urteilt (S. 569). Dann kommt die
Phalanx der glänzenden Philologen selbst : G. Herrmann (bes. S. 27, 144), Aug. Meineke
und vor allem Lachmann und Ritschi. Lachmann charakterisiert sich selbst in einem
prächtigen Brief (S. 319): „Lieber Gott, wir finden auch nicht eben alles schön: aber
was kann man denn an Energie und frischem Leben erwarten in einem 30jährigen
Frieden, in dem die jungen Kräfte sich zu hochmütiger Unnatur geschraubt haben?
(Dieselbe Klage über den langen Frieden, die etwa gleichzeitig — um 1842 — H. Leo,
Strachwitz usw. anstimmten!) Muss man sich da nicht freuen, wenn einem hier und
da, was doch auch vorkommt, ein frischer Junge begegnet, ein einfacher . . . und
zuweilen auch ein gescheiter? Ich habe daran meine Freude, schimpfe mich aus über
Dummheit und Hochmut und mache meine Sachen wie sie mir gemäss sind: was
schadet es, wenn man jetzt geschmäht oder verschmäht wird? Was man gut gemacht
hat, wird schon noch einmal gelten: und was nicht taugt, hole der Teufel jetzt oder
dann." Da sehen wir in dem so oft als hart Gescholtenen ganz den Menschen vor
uns, den H. Jacobi schildert: „mildherzig, weich und voll Liebe, ohne Rückhalt, frei-
gebig' mit den Gaben seines Wissens wie seines Geistes" (S. 556). Lachmanns Briefe
sind auch sachlich besonders wertvoll: hier sind jene grossen Auseinandersetzungen
über Nibelungen und Homer, Volksepos und Sage (S. 173, 183/4), die seine eigentlichen
Abhandlungen so schön ergänzen, und aus denen eine berühmte Stelle (S. 184) jedem
(I 1:26.) HO. Willmann: ÖLB1. 3, S. 550,5: R. Lehmann: WSKPh. 11, S. 1346/9.J! - 398) (IV lc:71.) — 399) Th.
(4)21*
IV 5 •. 399 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
Germanisten aus Müllenhoffs „Geschichte der Nibelungen Not" bekannt ist. Aber
auch was er über die Zeitverhältnisse sagt (S. 320), über die Verschlechterung" seines
Verhältnisses zu den Studenten (S. 430), über den kümmerlichen Besuch der Vorlesungen,
die unsere grössten Bahnbrecher über deutsche Philologie hielten (S. 441), über die
Darmstädter Philologenversammlung, ist durch Form und Inhalt gleich interessant.
Dann rückt allmählich eine neue Generation auf: Meinekes Schwiegersohn Horkel, der
ganz prächtige Briefe von unwiderstehlicher Liebenswürdigkeit schreibt (S. 450 ff.,
484 ff.), Nauck, Lagarde, der sich (S. 488) im steifsten Dedikationsstil einführt,
und M. Bernays, der (S. 754) die „vornehmsten Ergebnisse vieljähriger Unter-
suchungen" anzeigt. Das Hauptinteresse dieses Kreises büdet selbstverständlich
die Philologie, und es liesse sich, besonders aus den Briefen von Lehrs und Lachmann,
eine kleine Methodologie zusammenstellen (Lachmann über die Gefahr der kleinen
Beobachtungen S. 183; Lehrs über Umarbeitungen S. 103; die berühmten Zehngebote
des Philologen S. 866, 907), noch leichter aber eine leidlich vollständige Galerie von
philologischen Charakterköpfen (Lehrs über Bemhardy S. 219; über Welcker S. 415
und seinen Stü S. 260, 656; über Boeckh.S. 439; Lachmann S. 555 und sehr wichtig S. 688;
über G. Herrmann S. 516; über C. F. Herrmann S. 613; über Mommsens Geschichte
sehr charakteristisch S. 615; über F. A. Wolf S. 664, Kirchhoff S. 670, Döderlein S. 682,
Nauck S. 696/7, Bekker S. 705, Westphal S. 742, Bergk S. 769, M. Haupt S. 805,
Meineke sehr anschaulich und warm [S. 835] G. Curtius S. 841 — bitter, weil Lehrs
den „Boppen und Pötten" abhold war S. 655 und den „Sanskritschwindel" S. 871
geringschätzte; doch aber nicht so, dass er nicht später im Gegensatz zu Haupt eine
linguistische Professur in Berlin gewollt hätte — ; über Leutsch S. 869, Preller S. 874,
Müller-Strübing S. 930, Gutschmid S. 986; ganz ungerecht über MüUenhoff S. 911;
Bekker über O. Müller S. 223, ähnlich G. Herrmann S. 292; Hase über Littre S. 274;
Ritschi über Welcker S. 301, entzückt von Mommsens Römischer Geschichte S. 614,
über C. F. Herrmann S. 619; Lachmann überKöchly S. 431; Meineke über Nägelsbach
S. 449, über die „neueren Kritiker" S. 701; Spengel über Vahlen S. 1005 usw.).
Natürlich schliessen sich auch Urteile über Männer anderer Berufskreise an: J. Voigt
nennt (S. 359) Zschokke eine „äusserlich widerliche Gestalt", Lehrs schwärmt für den
Physiker Franz Neumann: „eigentlich noch der einzige aus der alten Zeit idealerer
Bildung — es ist ausserordentlich, was das vermittelt — und zugleich wissenschaftlicher
Vollgediegenheit" (S. 641); Ritschi wird dem Universitätskurator von Rehfues, dem
Autor des „Scipio Cicala", schwerlich gerecht (S. 474), weniger noch Lehrs dem
Justischen Winckelmann (S. 918). Aber schon das Gebiet der Phüologie — wie weit
nehmen es diese Männer! ob Köchly über griechische Religion spricht (S. 639) oder
Zarncke über deutsche Metrik (S. 722/3, 738; Heinse als Mittelglied zwischen dem
italienischen Vers und Goethe S. 739) oder Julian Schmidt seine Ansichten über die
deutsche Litteratur entwickelt (S. 559 ff., 574 ff.), Gutzkow verurteilt (S. 559) und sein
Verhältnis zu Hegel bestimmt (S. 586), — immer finden sie an Lehrs einen aufmerksamen
Zuhörer. Der ist freilich der Vielseitigste von allen. Plato und Goethe sind sein
Doppelgestirn (S. 438; für Goethe vgl. 727, 848 usw.), aber er liest auch mit Anteil
französische Tragödien (S. 503) und Epen (S. 163), Sannazar (S. 77) und die Lusiaden
(S. 166); Hesperus ist ihm „ein Beireisisches Kabinet: kostbar, witzig, verschiedenartig,
aber toll, maschinenhaft, unheimlich"; Tieck macht ihm (S. 227) persönlich einen be-
deutenden Eindruck; bei Strauss sieht er in seiner Verkenn ung der Einzigkeit vieler
Teile der Bibel (S. 893) einen Mangel des Gemüts (vgl. S. 1024 usw.). Ueberhaupt
ist derselbe Mann, der einmal ausruft: „Ach was war so ein griechischer Gott für ein
glücklicher Mensch!" (S. 572), ein warmer Verehrer des Christentums (S. 330), und
Friedländers liebevolle Biographie in der ADB. dürfte in diesem Punkt ihm doch
unrecht thun. Und wenn er (1853) wie ein Moderner klagt: „Das ist ja unsere moderne
Qual: wir sollen die disparatesten Welten begreifen — " (S. 583, vgl. S. 261 über den
Dilettantismus), so sieht man nicht, dass es ihm wirklich Qual gewesen sei, neben
Thukydides und Horaz Wilbrandt (S. 744), Scheffel (S. 758), Lazarus (S. 782), Vischer
(S. 783), Heyse (S. 983) und sogar die Marlitt (S. 787) zu lesen. Besonders interessiert
ihn auch deutsche Literaturgeschichte (Danzel S. 984); er verfolgt die Aufführungen
des zweiten Faust (S. 982 Anm.) und korrespondiert mit Julian Schmidt. Mit diesem
verbindet ihn auch das zweite Hauptinteresse der ganzen Gemeinschaft: die Politik.
Nicht bloss Schoen und Köchly sind eifrige Politiker; auch Lobeck (S. 346), Lachmann
(S. 320), Giesebrecht (S. 720) und vor allem wieder Lehrs (S. 327; Bismarck und Stein
S. 824; lebhafte Parteinahme an dem grossen Kriege, die ihn mit einem Freund entzweit
S. 825/6, dabei aber Sympathie für die Idee des ewigen Friedens S. 831 usw.). In
der Kunst schwärmt er für Cornelius und Beethoven und verwirft den Lohengrin
(S. 648) so gut wie „die Bestialitäten von Begas" (S. 991). Auch sonst ist er wohl
etwas laudator temporis acti (S. 841) und trotz seinem „Hintergrund von Optimismus"
(S. 830) zweifelt er an dem Fortschritt in der Weltgeschichte (S. 676) und meint er
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5:899-422
skeptisch, Zufriedenheit und Glück des Menschen hänge eigentlich von der Beschaffenheit
seines Sofas ab (S. 691). Ueberall muss man wiederholen, was er (S. 555) an Martin
Hertz über Lachmann schreibt: welch eine hohe Gabe des Schicksals es genannt werden
muss, in die belebende Sphäre eines so ausserordentlichen Mannes geführt worden
zu sein. Fast all diese reichen Briefe sind gleichzeitig auch in der Form kleine
Meisterwerke, vor allem die von Horkel an Lehrs und von Lehrs an Klara Naumann
(über Berlin S. 348/9, den Rigi S. 381, Phüologen Versammlung S. 399, das Musik-
fest S. 571 usw.). Eine besondere Eig-enheit bilden die gelungenen Neubildungen:
„Seifenblasigkeit" (S. 219) „druckerschwärzlich" (S. 469), „herumgeschniepelt" (S. 471),
„Strümpfestopferei" (S. 488), „Naturverschneitheitu (S. 543), „überverschönt" (S. 761),
„Mitdernasedaraufstossung" (S. 846), „antischlafmützig" (S. 881) usw. Mit Einem Wort
— wo Lehrs packt, da ists interessant. Ich kenne ausser den Grimmschen keinen
neueren philologischen Briefwechsel, der diesem zu vergleichen wäre. —
Einen Schüler und Korrespondenten von Lehrs, A. Nauck, schildert in etwas
geziertem Stil mit den altmodischen Scherzen der eingeschobenen griechischen Ehren-
worte usw. Zielinski399). Von allgemeinerem Interesse ist Naucks Urteü über
Wüamowitz (S. 25/6), sowie einig-e methodologische Aussprüche: „Cobets Bestreben,
überall eine stereotype Gleichmässigkeit der Form wie der Ausdrucksweise herzu-
stellen, führt, in Verbmdung mit seiner Kurzsichtigkeit und Willkür, zu einer voll-
ständigen Phantasterei" (S. 19 Anm.); „die Erbfeinde der Kritik sind die alten
Korrektoren" (S. 23 Anm.; über die preussische Schulreform S. 29; Nauck als Lehrer
S.29ff., als Kritikers. 32 ff.). — Lot hholz400) schrieb über H. Sauppe, Koldewey401)
über W. S. Teuffei; beide haben (der Tübinger Professor zwar nur im Anfang seiner
Lehrthätigkeit) auch der deutschen Litteratur Interesse und Arbeit zugewandt. —
Den Archäologen401") H.Brunn muss leider schon einNachruf, von B.Sau er402),
feiern; E. Curtius weilte im Berichtsjahre noch arbeits- und lebensfreudig unter uns,
und jubelnder Zuruf grüsste den edlen Mann403"404), den besonders Milchhöfer406)
in seiner Gesamtthätigkeit406) würdigte, an seinem 80. Geburtstage, während ein
hübscher anonymer Artikel407) die poetische Persönlichkeit in den Vordergrund stellt,
dies Musterbild des deutschen Idealismus. — In diesem Lichte zeigt ihn be-
sonders auch die Festnummer des DWBL, in der Geizer408) mit einer schönen
Charakteristik mehrere Reden von Curtius einleitet. — G. L. F. Tafel, der Lehrer
Teuffels, wird von Karl Neumann409) Pionier der byzantinischen Studien in Deutsch-
land genannt; alte Beziehungen der Universität Tübingen und das Aufsehen, das
Fallmerayer erregt hatte, werden als mitwirkende Momente (S. 343) aufgedeckt;
Falhnerayer hat ihm denn auch einen glänzenden Nachruf gewidmet (S. 345). —
Von den Orientalisten, zu denen er überleitet, hat Dillmann einen
anonymen Nekrologisten410) gefunden, während Geiger411"412) und Petuchowski413)
Beiträge zu L. Zunz Lebensgeschichte lieferten. G. feiert ihn auch als deutschen
Schriftsteller, vielleicht etwas zu sehr; doch mag dieser Ueberschwang die entgegen-
gesetzte Ungerechtigkeit Lagardes ausgleichen.414) — Aber der eigentliche Held des
Tages war H. Brugsch. Eben hatte er seine Autobiographie415) vollendet416), deren
Eingang- ein höchst anschauliches Bild des vormärzlichen Berlin giebt (der Komiker
Beckmann S. 13), während er über seine Studienzeit kürzer weggeht (Lepsius S. 46/7,
AI. von Humboldt S. 50ff., 76 ff.; Bodenstedt S. 70; Stamm, der Zeitreformer, eine höchst
merkwürdige Erscheinung S. 70/1). Mit Behagen schildert er dann seine weiteren
Wanderungen und Begegnungen (Lassalle S. 230 ff.), mit ironischem Lächeln die
Göttinger Zeit (S. 265 ff.) und blickt schliesslich mit gemischten Empfindungen auf ein
Leben zurück, dessen Ertrag vielleicht und dessen Erfolg gewiss den hoffnungsreichen
Anfängen nicht entsprach. Die Nachrufe417"420) können nicht umhin, dem genialen
Mann einen guten Teil der Schuld zuzuschieben, besonders Zabel421), der das aus
Berlinertum und Orient gemischte Wesen des zum Pascha aufgestiegenen Unteroffiziers-
sohnes nicht übel charakterisiert. —
Wenigstens hat Brugsch für seine philologische Thätigkeit nicht nur Spott
Zielinski, Aug. Nauck. B.. Calvary. 65 S. M. 2,00. — 400) G. Lothholz, H. Sauppe: NJbbPh. 150, S. 299-304. —
401) F. Koldewey, W. S. Teuffei: ADB. 37, S. 611,5. — 401a) X K- Obser, H. Dübi, Zwei vergessene Berner Gelehrte aus
d. 18. Jh. (JBL. 1893 IV 5:358): ZGORh. 9, S. 186/7. — 402) B. Sauer, Z. Erinn. an H. Brunn: Post N. 219. — 403) X
G. Klitscher, E. Curtius: VossZg» N. 35. — 404) X z- 80- Geburtst. v. E. Curtius: BerlBörsCour. N. 410. — 405) A.
Milchhöfer, E. Curtius: DBs. 80, S. 388-96. — 406) X E. Curtius, Ges. Abhandl. 2 Bd. B., Besser. XU, 562 S. Mit
15 Abbild, u. 9 Taf. M. 12,00. |[Ac. 45, S. 435; ib. 46, S. 333/4; F. Kühl: WSKPh. 11, S. 8336.JI — 407j K., E. Curtius:
WeserZg. N. 17156, 17159.— 408) H. Geizer, E. Curtius. Erinnerungsbl z Feier seines 50j. Lehrthätigkeit an d. Uni?. 6. Nov. B.,
Walther. 4°. 16 S. M. 0,40. |[DWB1. 7, S. 530.]| - 409) Karl Neumann, G. L. F. Tafel: ADB. 37, S. 342 6. — 410) X
T. K. C, Dillmann. Nekrol.: Ac. 46, S. 33. — 411) L. Geiger, Aus L. Zunz Leben: VossZg. N. 168. — 412) id., L. Zunz:
FZg. N. 220 (Z. 100. Geburtst.) — 413) M. Petuchowski, Aus Zunz Leben: VossZg. N. 172. (Bemerk z. N. 411.) — 414) X
P. Oetter, Festgruss an B. v. Roth: LBs. 20, S. 259-60. - 415) X tfV lc:76.) (Vgl. auch JBL. 1393 IV lc: 132.) — 416) X
H. Brugsch, Erinnerungen an A. Mariette: DBs. 81, S. 223-332. — 417) X Nachruf auf H. Bragsch: BerlBörsCour. N. 424.
— 418) X K- B-. H. Brugsch: Post N. 252. — 419) X O. Schultze, H. Brugsch- Pascha: Quellwasser 18, 8. 824/5. — 420) X
Brugsch-Pascha: Ath. 2, S. 361. — 421) E. Zabel, H. Brugsch: NatZg. N, 508, 510. — 422) A. Mühlhausen, D. Massmann
IV 5:423-447 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
geerntet, wie der von Mühlhaus e n422) gerettete D. Massmann und wie A. Z e un e ,
der es freilich nicht besser verdiente, als der „Zigeunerzeunedeutschberlinerei"
Platens ein komisches Ingrediens mehr zu verleihen.423) — Dem deutschen Archäologen
A. Essenwein setzt Wattenbach424) ein Denkmal, während Edw. Schroeder425) dem
bedeutendsten Meister englischer Philologie in Deutschland, B. ten Brink, durch
seine ruhmvolle Laufbahn folgt, um mit den Worten zu schliessen: „Hinter einem
glänzenden Philologenharnisch schlug hier ein echtes Poetenherz." —
Auch in dem Romanisten Fr. Diez lebte ein Dichter neben dem
Philologen, und Breymann 426) teilt in seiner Festrede Proben seiner ernsten und
humoristischen Poesie mit, die ihn freilich dem sonst vielfach vergleichbaren Schmeller
auf diesem Boden nicht gewachsen zeigt. — Viel drängt die Festrede von B e h r e n s427)
auf engem Raum zusammen: eine Vorgeschichte der romanischen Philologie (S. 14 ff.),
Nachrichten über Diez theologischen Grossvater (S. 26), ein höchst charakteristisches
Stammbuchblatt des wilden Folien für den gleichfalls zu den „Schwarzen" gehörigen
Diez (S. 5), Akten über die Begründung der ersten Professur für romanische Philologie
(S. 20 ff.), Briefe und Tagebuchaufzeichnungen (S. 35 ff.) und eine knappe aber
treffende Würdigung von Diez Bedeutung (S. 17, 22). — Andere Reliquien
von Diez veröffentlichten Forste r428) und Tobler «•-«() , der ihm auch
einen schönen Panegyrikus widmete. — Auch. Stengel432) hielt ihm eine
Denkrede, teilt dabei (S. 331 Anm.) die Gratulationsschrift der Akademie zu Diez
SOjährigem Doktorjubiläum mit und verzeichnete andere ihm gewidmete Feste und
Schriften, berichtet auch über Diez Gehaltsverhältnisse (S. 336 Anm.) und teilt lesens-
werte Briefe mit. — 0. Schultz433), E u g. Ritter434), Biadene435), der
W. Förster übersetzt, und S t o d d a r d436) verherrlichen den Meister in vier Sprachen;
ausführlicher erzählt Sachs437) von ihm. — Eine Schülerin von Diez, die aus-
gezeichnete Romanistin Karoline Michaelis, wird von Helene Lange 438)
als Beispiel deutscher Frauenbildung aufgestellt. —
Diez war auch ein vortrefflicher Uebersetzer und bringt uns zu Litteratur-
vermittlern wie Job. T o b 1 e r , der Thomson, und seinem Sohne J. Chr. Tobler,
der griechische Dichtungen übertragen, ausserdem die erste wichtige Biographie Lavaters
geschrieben hat; Ba e c h to 1 d439-440) handelt über beide. — G. Thudichum,
der Sophoklesübersetzer, war wie Diez ein Schüler und Freund Welckers, „von
Jugend auf Anhänger konstitutioneller Freiheit und nationaler Einigung," wie sein
Biograph Fr. Thudichum441) sagt, freiwilliger Jäger wie Diez und Lachmann,
und Verehrer Herders, Luthers und Schleiermachers, in dem er (S. 136) den „grössten
Mann der Zeit" erblickte. — Eckstein s442) lateinische Nachbüdungen von Gedichten
Goethes, Heines, Lenaus, Anast. Grüns, deutscher Volkslieder im Mass des Originals er-
wähnen wir hier wegen ihres gröblichen Verstosses gegen Wilamowitz Uebersetzungs-
lehre, und seltsam genug klingt es ja: „Si nunquam caldis lacriinis Rigasti coenam
nee profundus Edisti noctu gemitus — Ignoras deos iraeundos!" (S. 14). Da könnte
Goethe wahrlich „wundersam" sein Lied in fremder Sprache vernehmen! Oder gar
„Ueber allen Wipfeln" (S. 11), wogegen das Heideröslein (S. 7) und auch Lenaus
„Auf dem Teich, dem regungslosen" (S. 31) uns nicht missfallen haben.343) — Ueber
Rud. Gene e, den Uebersetzer von Hans Sachs, handelt ein namenloser Aufsatz444). —
Wir streiften mit der Frage der Uebersetzungsstile schon das Gebiet der
Kunstlehre und-kritik, an dessen Schwelle uns das wichtige, an neuen
Antworten und neuen Fragen reiche Buch von Grosse 445) über die Anfänge der
Kunst empfängt, das wir an dieser Stelle nur zu nennen haben (das Ziel der Kunst-
wissenschaft S. 1; der Weg der Kunstwissenschaft S. 8; die Poesie S. 222; sociale
und individuale Bedeutung der Kunst S. 291). — In die Anfänge der deutschen
Kunstwissenschaft treten wir dagegen ein, wenn wir mit Lieb mann446)
J. G. Sulzer betrachten. Dieser meint, Sulzer habe den jungen Originalgenies
einer dem Streit zwischen Gottsched und den Schweizern durchaus entwachsenen
Litteraturperiode nicht imponieren können, führt Herders und Goethes Urteil an und
H.Heines u. d. hist.: KonsMschr. S. S51-61. — 423) X J- Freudenberg, A. Zeune: TglRs.B. N. 174. — 424) W. Wattenbach,
Nachruf an A. Essenwein: AGNM. S. 32/6. — 425) (I 2 : 39.) — 426) (I 2 : 24.) j[L. Fränkel: ASNS. 1893, S. 19316; A. Jeanroy:
RCr. 38, S. 169-70.]| — 427) (I 2:21.) - 428) (I 2:20; IV lc:73.) |[A. Jeanroy: RCr. 38, S. 169-70; LCB1. S. 561.]| —
429) (12 : 26; IV lc: 74) — 430) A. Tobler, Diez-Reliquien: ALNS. 92, S. 129-44. - 431) id., F. Diez. Vortr. in d. Ges. für neuere
Sprachen (Berlin) Referat: ib. 93, S. 154/5. — 432) (12 : 22.) — 433) (12 : 82.) — 434) Eug. Ritter, Le centenaire de Diez. Discours
suivi de lettres adressees ä V. Duret par Roumanille. Geneire, Georg ä Cie. 117 S. j[E. Koschwitz: LBIGRPh. 15, S. 398/9; RCr. 38,
S. 302, 4.] | — 435) Wendelino Förster, Nel primo centenario dalla nascita di F. Diez. Discorso letto nell' aula magna dell' universitä
Bonn il 3. marzo. Trad. dal tedesco per cura di L. Biadene. Roma, Raponi e Co. 15 S. (Vgl. I 2 : 19.) — 436) F. H. Stoddard ,
The founder of romance philol. (Diez): MLN. 9, S. 251/4. (Dazu E. Matzice: ib. S. 383/4.) — 437) (I 2 : 23.J — 438) Helene
Lange, E. dtsch. Frau u. Gelehrte (Karoline Michaelis): Frau 1, S. 718-22. - 439) J. Baechtold, J. Tobler: ADB. 38, S. 393.
— 440) id., G. Ch. Tobler: ib. S. 392. — 441) Fr. Thudiohum, G. Thudichum: ib. S. 136/8. — 442) E. Eckstein, Lyra
germano-latina. Dresden, Reisser. 50 S. M. 1,00. — 443) X K. Busse, Neue Uebersetzungslitt. : Zuschauer 2, S. 570/2. —
444) R. Genee: Bühne u. Leben 2, S. 686/7. — 445) E. Grosse, D. Anfänge d. Kunst. Freiburg i. B. u. L., Mohr. 301 S.
M. 6,00. — 446) O. Lieb mann, J. G. Sulzer: ADB. 37, S. 144/7. — 447) X V. Valentin, Th. Ziegler, F. Th. Visoher (JBL.
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 448-470
lässt Sulzers Ruhm und Einfluss unerklärt, seine so überaus charakteristischen
„Unterredungen über die Schönheiten der Natur" fast unbesprochen. — Die neuere
Aesthetik447) wird durch Köstlin448) würdig- vertreten, dessen Werk in seiner Viel-
seitigkeit ein anonymer Verehrer würdig charakterisiert; uns ist Köstlin auch als
Herausgeber Hölderlins wert. — Die Gruppe der Kritiker wird durch den unbedeutenden
Titus Ullrich449) eröffnet450), dem sich in scharfem Gegensatz zu seiner milden Breite
L. Pfau anschliesst, dessen Tod zahlreiche Nekrologe hervorrief451"457) und einige
dankenswertere Mitteilungen aus persönlicher Bekanntschaft458459). — Andere Schrift-
steller, die nur gelegentlich das Amt des Kritikers ausgefüllt haben, fanden inhalts-
vollere Besprechungen: F. A. von Schack durch Harnack460), seine Ausgabe
von Dorers Schriften durch Koch und Sauer461). — Ein Lebensbild Dorers
von Pasch 462) ist uns nicht zugegangen. — Wieder zu diesen Verehrern der alten
Kunst stehen die Modernen im Gegensatz : W e i g a n d 463), der in seinen geistreichen
Essays Aphorismen „Zur Psychologie des 19. Jh." ausstreut (S. 225 ff.) und dabei
W. von Humboldt (S. 230/1) in seiner Stellung gegenüber Goethe (S. 231), Rousseau
(S. 232), Grillparzer (S. 233) charakterisiert, den Grafen Schack (S. 315/6) mit den
Männern des ancien regime vergleicht, die, „ohne Individuen im modernen Sinne
des Wortes zu sein," sich durch die Kunst der Mitteilung ein Verdienst erwerben.
W. macht aber auch über die veränderte Stellung des Dichters überhaupt (S. 302)
gute Bemerkungen. Der grösste Teil des Buches ist der französischen Litteratur
gewidmet: Balzac, Amiel, den Goncourts, Flaubert, Zola; vielfach kommt der Vf.
auf Rousseau zu sprechen, den er (S. 89) den Typus des unwissenschaftlichen
Menschen nennt. Schade, dass das beachtenswerte Buch auf elendem Papier schlecht
gedruckt und dann noch schlecht geheftet ist. — Noch viel moderner, aber auch
gesuchter, viel ärmer an Kenntnissen und Geist ist das vielgenannte Buch
Ola H a n s s o ns464). — Gelegentliche Kritik übte K. A. Suckow, als er, nach
Brumme r s465) Bericht, „Byrons Manfred, ein Beitrag zur Kritik der gegenwärtigen
deutschen dramatischen Kunst und Poesie" (1839) schrieb, „worin er nachweist,
dass das deutsche Theater durch den Missbrauch der Musik gesunken sei und sich
wieder durch Musik heben müsse"; und Niemann466), wenn er in seiner satirisch-
elegischen Künstlergeschichte „Lorbeer" die Art, wie man heute litterarische Erfolge
erntet, und die weibliche Schriftstellerei, die Familienzeitungen und die Kritik der
„Vorliebnehmenden" witzig karikiert. — L. von Führich, der Sohn des Malers, hat ein
paar Essays über Kunst und einige Gedichte hinterlassen (über L. Richter S. 41/2),
die H. v o n Wörndle467) mit Biographie herausgab; ein frommer Katholik und
Verehrer von Phillips und Arndts, dem Juristen (S. XIV), spricht liebenswürdig
über liebenswürdige Dinge, ohne grösseres Interesse zu erregen; höchstens sei die
Bibliothek seiner Lieblingsautoren (S. XXVII) angemerkt, in der neben ultramontanen
Autoren nur Humoristen wie Reuter und Stieler Platz finden. — Ludwig Pietsch,
der Kunstkritiker und Historiker der Berliner „Gesellschaft", hat durch seine Lebens-
erinnerungen auch einen litterarischen Platz erworben; Schiff468) bespricht dies
Buch mit herzlichem Lob und rühmt den weiten Blick, der Pietsch auch ihm fern-
liegende Individualitaten wie Maupassant „entdecken" und würdigen Hess. — Den
grossen dänischen Kritiker endlich, der durch seine Schriften und durch seine
Wirkung fast der deutschen Litteratur angehört, haben Necke r469) und Land au470)
in Zeitungsartikeln neuerdings gewürdigt. —
Kommen wir von den der Literaturgeschichte am nächsten stehenden
Disciplin en zu den entfernteren der universitas litterarum, so finden wir
an dem grossen Juristen A. F. J. Thibaut den besten Ueberleiter, weil er durch
seine berühmte Schrift über die „Reinheit der Tonkunst", ein Vorläufer W. H. Riehls
und ein Nachfolger Heinses im Kampf für Palestrina und seine Genossen, auch in
I 12:23; IV 5:410a): DWB1. 7, S. 504. — 448) R. Seh., K. R. Köstlin: SohwäbKron. N. 88. (Ausführt. Nachr.) — 449) X
(19:20.) |[VossZg. N. 534; BerlTBl. N. 552.]| — 450) X P- K., B, v. Gottschall: BurschenschBll. 8, S. 16 8. —
451) X L- Pfau: BerlTBl. N. 187. — 452) X J- Herzfelder, L. Plan: MünchNNachr. N. 175. - 453) X L. Pfau:
SchwäbKron. N. 85. — 454) X 0. Hörth, L. Pfau: FZg. N. 104. - 455) X L- pfau: NWienTBl. N. 107. - 456) X
L. Pfau: VomFelsz.Meer. 2, S. 22. — 457) X L Pfau: ÜLsM. 72, S. 635. — 458) X Persönl. Erinnerungen an L. Pfau:
FZg. N. 228. — 459) X B- <*., Persönl. Erinnerungen an L. Pfau: Geg. 45, S. 375/8. — 460) A. Graf v. Schack,
Perspektiven. Vera. Schriften. 1. Bd. St., Dtsch. Verlagsanst. V, 312 S. M. 5,00. |[0. Harnack: PrJbb. 78, S. 518/9.J|
— 461) id., E. Dorers nachgel. Schriften (JBL. 1893 IV ld:88; 4:170; 8a : 89.) |[A. Sauer: DLZ. S. 6(50/1; 1£. Koch-
ZVLR. 7, S. 92,9.]| — 462) K. Pasch, E. Dorer, Lehens- u. Charakterbild. Wien, Austria. 47 S. M. 1,00. (Im Auftr. d.
Leo-Ges. Mit Bild.) — 463) W. Weigand, Essays (Voltaire; Bousseau; Taine u. Sainte-Beuve: z. Psychol. d. Dekadence ;
z. Psychol. d. 19. Jh.) Neue (Titel-)Ausg (JBL 1892 IV la :15; 1893 I 1 : 120.) München, Lukaschik. 323 S. M. 4,50. —
464) Ola Hansson, Seher u. Deuter (E. Poe; W. M. Garschin; M. Stirner; P. Bourget; A. Böoklin ) B., Rosenbaum & Hart.
VII, 168 S. M 3,00. [WIDM. 75, S. 782,3; B Waiden: WienZg. N. 41 ; A Friedmann: DDichterheim. 14, S. 159.] | —
465) F. Brummer, K. Ad. Suckow: ADB. 37, S. 107. — 466) A. Niemann, Lorbeer. Erzählung. L., Grunow. 146 S.
M. 2,00. — 467) L. Bitter t. Fuhrich, Ausgew. Schriften. Im Einvernehmen mit d. Familie her. u. mit einleit. Biogr. verf.
v. H. t. Wörndle. St., J. Roth. XXXVII, 87 S. Mit Bild. M. 2,00. |[UPB11. 113, S. 79-80.], (Vgl. JBL. 1893 111: 298.)
— 468) E. Schiff, L. Pietsch: NFPr. N. 10900. (Vgl. I 9:21.) — 469) M. Necker, G. Brandes: ib. N. 10563. — 470)
IV 5:471-485 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
der Kunstkritik eine bedeutsame Stellung- einnimmt. In dem Augenblick, in dem
Thibaut durch die Annahme eines einheitlichen Bürgerlichen Gesetzbuches (wie sein
trefflicher Biograph Landsberg471) hervorhebt) einen endgiltigen Sieg über
Savigny davonträgt (S. 741), ist er dem grossen Publikum in seinem Vaterlande
höchstens durch Heines Scherze über Tibaldo bekannt; so wenig gedenken wir der
Vorarbeiter unserer grössten Fortschritte! Dabei ist der Schüler Kants, der Freund
Niebuhrs, der Gegner Savignys auch als Schriftsteller interessant, wie ihn L. (S. 743)
charakterisiert, und wie seine beiden populären Schriften ihn zeigen. Und es ist
wirklich derselbe Mann, den L. als Vorläufer Iherings472) und seines Programms
„Durch das römische Recht über das römische Recht hinaus" (S. 742) feiert, und der
in der „Reinheit der Tonkunst" durch die alte Kirchenmusik über sie hinausgelangen
will; der gegen Savignys hochmütige Verachtung der französischen Rechtsschöpfung
und gegen den Chauvinismus in der Tonkunst („Reinheit derTonkunst" S. 170)kämpft; der
das historisch gewordene nicht einfach als unabänderliche Notwendigkeit ansah, wo
es sich um Rechtsfragen handelte, und der Klopstocks Text zu Pergolese (S. 178)
als verwässert und geziert verwirft, obwohl Klopstocks Weichheit sich historisch
erklären lässt. — Ein ganzer Mann in Theorie und Praxis steht auch Ad. E x n e r vor
uns, dem sein berühmter Kollege Unger473) einen Nachruf schrieb voll warmen
Gefühls, aber nicht ohne an Exners berühmtester populärer That, der Rede „lieber
politische Bildung" (S. 7/8), Kritik zu üben. —
Wenn der Jurisprudenz die Politik allezeit an der Hand lag, so hat die
Nationalökonomie sich zur „politischen Oekonomie" erst entwickeln müssen.
John 474), der den „hervorragendsten Vertreter der aufkeimenden Socialwissen-
schaft des vorigen Jh." bespricht, hat den einfachen stillen Lebenslauf eines
Theologen zu erzählen, der nach Chr. Wolfs Worten (S. 192) zuerst „die Wahr-
scheinlichkeitstheorien zum Gebrauch im menschlichen Leben" verwertete und bis
auf Laplace und Quetelet (S. 193) ausgebeutet werden konnte, der auch Malthus
Theorie (S. 188) vorwegnahm: aber eine praktische Agitation auf seine Lehren zu
stellen wie Malthus oder Quetelet, das wäre Süssmilch nie eingefallen. — Friedrich List
bezeichnet vielleicht diesen üebergang zum praktischen Politiker am deutlichsten;
von ihm erzählt The ob. Kerner4'5). — Rümelin476) ist dann schon als Politiker
mehr denn in seinem Berufsfach hervorgetreten. Neben jenen Schwaben, die mit
träumerischer Phantasie sich über Welt und Wirklichkeit hinwegphilosophierteu,
fehlte nie ein kräftig die Dinge angreifendes Geschlecht, weniger genial vielleicht,
aber nicht weniger verdienstvoll. Wie Unland neben Schelling steht und Strauss
neben Mörike, so hat der wackere Kanzler von Tübingen neben den allzu doktrinären
Grossdeutschen gestanden, fest auf die erreichbaren Ziele gerichtet. Ein Anhänger
Preussens in der Politik, ein Prediger verständigen Masses gegenüber einer himmelnden
Shakespearomanie, ward der Philosoph zum Statistiker, ohne je in Zahlen unter-
zugehen. Der nachgelassene Band seiner Reden und Aufsätze zeigt wieder den
praktischen und sachlichen Mann, der den verwickeltsten Fragen, der Lehre vom
Gewissen, von den Arten und Stufen der Intelligenz, von Gesellschaft und Gesellschafts-
lehre, vom Zufall handliche Angriffspunkte abzugewinnen weiss, der mit nüchterner
Ruhe, aber doch nicht ohne Wärme seinen König Friedrich von Württemberg gegen
Treitschkes Angriffe verteidigt und selbst in der ihm so fernen, weichen Natur eines
Justinus Kerner den festen Kern herausfühlt. Am geringsten scheint uns der Aufsatz
über den württembergischen Volkscharakter, weil allzu statistisch. Vertiefung in so
charakteristische Persönlichkeiten wie Uhland und Vischer hätte hier lebendiger
belehrt als lange Namenreihen. Doch bleibt dem würdigen Vertreter dieses Volks-
charakters unser Dank, dass wir selbst dieser Reihe berühmter Württemberger seinen
Namen beifügen als den eines trefflichen Gelehrten, eines ausgezeichneten Meisters
akademischer Rede, eines echtdeutschen Mannes! — Von Politikern wie List, Rümelin,
Marx477) unterscheidet sich wieder Röscher478"483) durch seine kühle Objektivität;
er hat eine „Politik" zu schreiben versucht, wie ein anderer Meteorologie oder Physik
behandelt. Unter den zahllosen Nekrologen auf den berühmtesten Nationalökonomen
seiner Zeit, die aber unsere Zeit nicht mehr ist, heben wir den von Brentano 484)
hervor: wie Röscher einer blossen „Lehre, wie die einzelnen reich werden," erst
S. R. Landau, G. Brandes Selbstbekenntnisse: WienTBl. N. 158. - 471) E.Landsberg, A. F. J. Thibaut: ADB. 37, S. 737-44.
— 472) X R- ▼• Ihering, Extr. de la notice necrologique, publiee pur A. Merkel. (JBL. 1893 IV 5 : 437 a.) Trad. par M. H.
Girardin. Paris, Thorin & Als. 19 S. (Aus RGD.) — 473) J. Unger, Ad. Exner. Nachruf. Wien, Holder. 13 S. M. 0,40.
— 474) V. John, J. P. Sfissmilch: ADB. 37, S. 188-95. — 475) Th. Kerner, F. Liszt: ÜL&M. 71, S. 39. — 476)
(I 7:167.) — 477) X J- Stern, D. „hist. Materialismus" u. d. „Theorie d. Mehrwerts" t. K. Marx. E. popul. Darstell.
(= Samml. gesellschaftswissensch. Aufsätze her. v. Ed. Fuohs. N. 6.) München, Ernst. 31 S. M. 0,30. — 478) X w- Rosoher :
AkBll. 9, S. 77. — 479) X K- Bücher, W. Röscher: PrJbb. 77, S. 104-23. — 480) X Alb. Sohaeffle, W. Röscher: Zu-
kunft 8, S. 25/9. — 481) X W. Röscher: ÜL&M. 72, S. 783. — 482) XO. Lorenz, W. Röscher: ML. 63, S. 769-75. - 483) X
W. Röscher: Gartenlaube S. 428. — 484) L. Brentano, W. Röscher: NatZg. N. 252. — 485) Th. Barth, W. Röscher:
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 •. 486-513
wieder eine wirkliche Nationalökonomie entgegenstellte, wie der 1842 erschienene
Grundriss zu Vorlesungen über die Staatswirtschaft nach geschichtlicher Methode,
die bedeutendste That des so lange Thätigen gewesen, indem sie für alle, die nach
ihm kamen, die dauernde Richtschnur aufstellte, das zeigt seine Bedeutung — und
ihre Grenzen. — Den milden Kritiker und wohlwollenden Richter, der in seiner
sanften Lehrhaftigkeit an Leipzigs typische Berühmtheit, an Geliert, erinnert, • dem
auch seine aufgeklärte Religiosität verwandt war, rühmt auch Barth 4S5), der ihn
übrigens dem Liberalismus näher rückt, als man sonst zu thun pflegt.486) —
Kanner486») glaubt es dagegen seiner Verehrung für Marx schuldig zu sein, dass
er von Roschers Verdiensten überhaupt nichts übrig lässt und ihm sogar die Methode
im wissenschaftlichen Sinne abspricht. —
Anwendungen aus der Statistik und Mathematik auf Gebiete des
wirklichen Lebens bildeten auch den Hauptruhm F. Th. Fechners, dessen Biographie
von Kuntze noch mehrfach besprochen ward487). Schneider jauchzt (S. 370) der
Forderung einer Christianisierung der Philosophie, wie Kuntze sie erhebt, zu, will
sie aber natürlich katholisch verstanden wissen und polemisiert (S. 372/3) gegen jede
protestantische Anschauung des Vf. — Eine gänzlich anders geartete Verbindung
von Mathematik und praktischen Lebensforderungen stellt ein Techniker dar, wie der
um die elektrische Telegraphie verdiente Zetzsche, dem Voretzsch488) eine warme
Denkrede hielt: der junge Mathematiker ward schon 1849 durch ein Programm eines
Lehrers auf die Bahn «denkt, die er dann fast 50 Jahre lan»' mit grossem Erfolge
beschritt (S. 6/7). —
Zwischen den Berufen des praktischen Lebens und der Wissenschaft steht
auch die Kunst des Arztes. Schumann489) berichtet von der Arztfamihe Sulzer,
deren Begründer sich um die Einführung der Blatternimpfung mit Erfolg bemühte,
während der Sohn Friedrich Gabriel ausser Fachschriften auch Beiträge zu Nicolais
Bibliothek lieferte. Er und sein Bruder erlebten eine Periode der Robinson-
schwärmerei, traten auf Gotters Liebhaberbühne auf, und der ältere sollte den Götz
übernehmen, als Goethe sein Drama Gotter mit der berühmten Epistel übersandt
hatte. Der jüngere Bruder war ein wanderlustiger Kaufmann, die Schwester, die
Reichard Hebte, wirkte auf der Bühne mit.490) — Volkmann, der in Halle ein Denk-
mal erhielt491), gehört der deutschen Litteratur auch als Dichter und Märchenerzähler
an. — Hyrtl492-494) besass wenigstens auf seinem Gebiet „eine geradezu klassische
Begabung, das Wort als Redner und Schriftsteller zu meistern". Schiff495) betont,
dass der künstlerische und der historische Zug (S. 642) den „Fürsten der Anatomen'1 zu
dem machten, was er war, und schildert anschaulich die magische Erscheinung der
hageren Gestalt im schwarzen Talar, mit schmalem, bartlosem Gesicht, wie auch seine
vormärzlichen Kollegen Skoda und Oppolzer keinen Bart trugen (S. 641). — Billroth
dagegen, dessen Unersetzlichkeit so viele beklagten'496-499), ist ein durchaus moderner
Mensch gewesen, voll vielseitigen Interesses, besonders auch an der Musik, wobei
er den antiwagnerischen Standpunkt seines Freundes Hanslick500) teilte500*).
Sonnenburg501) würdigt den Gelehrten und den genialen Chirurgen. — Fliess502)
schrieb über Aug. Hirsch, den Geschichtsschreiber der medizinischen Wissenschaften
in Deutschland. —
Von der Medizin zur Physik ging der Weg Helmholtz503"511), des Grössten
unter den Toten des Jahres. Während Engelmann512) in ihm eine Vereiniguno-
von Forschern und Denkern ersten Ranges sieht, wie sie vielleicht noch nie in
einer Person da war, durfte ein schöner Zeitungsartikel513) ihn eine Goethesche
Natur nennen. E.s meisterhafte Rede würdigt auch den Künstler in Helmholtz (S. 16)
und besonders auch den Beherrscher der Sprache: „Besseres Deutsch ist nicht ge-
schrieben worden. Helmholtz Sprache ist von vollendeter, edelster Natürlichkeit, von
ruhigstem Flusse und gleichmässigem Wohllaut. Er liebt die kurze gerade Rede-
Nation«. 11, S. 535. — 486) X L. Brentano, Hours, wages and production, transl. by Mrs. Arnold. London, Sonnenschein
Sh. 2 6. - 486a) H. Kanner, W. Röscher: FZg. N. 161. —487) X *• & Kintze, G. Th. Fechner (JBh. 1892 I 11 ■ 14a-
IV 5:200). |[C. M. Schneider: JbPSTh. 8, S. 3702; WIDM. 75, S. 395] - 488) M. Voretzsch, Z. Erinn. an K. Ed.
Zetzsche (gest. 18. Apr.). Vortr. in d. natnrforsch. Ges. d. Osterlandes. Altenburg, (St. Geibel * Co ) 24 S M 0 60 (Ans
MOsterland. Bd. 6.) - 489) A. Schumann, J. K. Sulzer: ADB. 37, S. 147-50. - 490) X Aus Moleschotts Erinnerungen:
Geg. 46, S. 2647. — 491) X D- Volkmann-Denkm. in Halle a. S.: VFelsz.Meer. 2, S. 40. — 492) X Ed Sokal J Hyrtl-
Geg. 46, S. 86,7. - 493) X J- Hyrtl: Gartenlaube S. 548. - 494) X J- Hyrtl: ÜL&M. 72, S. 919. - 495) E. Schiff J Hyrtl-
Nation«. 11, S. 6402. - 496) X Th. Billroth: ÜL*M. 71, S. 460. - 497) X Th. Billroth: Presse N. 36. - 498) X Th Bill-
roth: IllZg. 102, S. 159-60.-499) X Billroth: Pfarrhaus 10. S. 47/8. - 500) X E. Hanslir.k, 2 Briefe Billroths: BerlTBl
N.261. (AnsNFPr.[VI lc:61]; ygl. dazu I 8 : 17;. 10: 4.) - 500a) X Th. Billroth, üeber Nietzsche u. Ibsen : DBQhneng 23
S. 228. — 501) E. Sonnenburg, Z. Andenken an TL Billroth: Nation«. 11, S. 301/2. — 502) W. Fliess Aug Hirsch
Nekrol.: ib. S. 272)3. - 503) X H. v. Helmholtz: Post N. 247 - 504) X B. Georg, H. v. Helmholtz: Bär 20, S. 468. -
505) X H. v. Helmholtz; KZEü. 43, S. 478,9. - 506) X Helmholtz: AkBU. 9. S. 141. - 507) X Helmholtz: BÜBS. 64, S 171/4
508) X L- H., H. y. Helmholtz: ÜL&M. 71, S. 1053 4. - 509) X Helmholtz: Zukunft 9, S. 16. — 510) X A. W. Rücker
H. v. Helmholtz: FortnR. 56, S. 651-60. - 511) XJ- S. Shedlock, Helmholtz: Ac. 46, S. 199. - 512) Th. Engelmann'
Gedächtnisrede auf H. v. Helmholtz. L., Engelmann. 34 S. lt. 0,60. j[Gids. 11, S. 110, 3]| - 513) H. Helmholtz: WeserZg]
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (4")22
IV 5 : 514-532 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
weise, verschmäht prunkvolle Worte und den häufigen Gebrauch von Bildern und
erhebt sich doch, wo es der Gegenstand mit sich bringt, zu poetischer Wärme des
Ausdrucks. Immer steht ihm, wo er es braucht, in ungesuchtester Weise ein
passendes Dichterwort zu Gebote, wie denn — trotz Cicero und Vergil — ein gutes
Stück klassischer Litteratur alter und neuer Zeit in seinem, wie ich glaube, von ihm
selbst unterschätzten Gedächtnisse fortlebte. Goethe nimmt wie begreiflich in dieser
Beziehung einen Ehrenplatz ein" (S. 19). Er schildert auch Helmholtz Erscheinung und
Haltung, seine Art zu sprechen und zu schweigen (S. 29) und seine Lehrtätig-
keit (S. 32) sehr anschaulich. — Die Persönlichkeit, den Menschen stellt auch
Rodenberg514) in den Vordergrund, während Schiff515) den „grössten deutschen
Denker der Gegenwart", „den representative man derjenigen Wissenschaft, die unserem
Jh. die Signatur gegeben hat" (S. 735), bei der Arbeit zeigt. — Noch sei der durch
Selbständigkeit hervorragende Aufsatz von Steiner516) hier genannt. — Helmholtz
berühmtestem Schüler, H. Hertz, war es vergönnt517), unmittelbar von dem höchsten
Triumph seiner Forschung in die Ruhe einzugehen51711). —
Von der Medizin ist auch die Anthropologie518) ausgegangen, der zahl-
reiche Plülfswissenschaften dienen, die Ethnographie (von deren dilettantischem
Vertreter Buchta Hevesi519) ein packendes Büd entwirft) so gut wie die vergleichende
Religionswissenschaft520). Die Botanik521) ihrerseits dient auch wieder der Medizin
und, so gut wie die Astronomie522), der praktischen Landwirtschaft, deren
Reformator Thaer Leisewitz523) schildert. Er war selbst von der Medizin herge-
kommen. Den bekannten sonderbaren Anspruch Thaers auf Lessings „Erziehung
des Menschengeschlechts" erwähnt der Biograph gar nicht. — An F. Stolze, den
Stenographen, erinnerte Specht524). —
Etwas Stenographie steckt in aller journalistischen Thätigkeit. Wenn man
J. Moser, über den Duboc525"525") und Runkel526) schrieben, mit anderen Volks-
pädagogen seiner Zeit vergleicht, so erscheint der gründliche Forscher wirklich
schon fast als Feuilletonist.527) — Und gar Ludw. Wekhrlin, dessen von Böhm
geschriebene Biographie von Heigel rühmend besprochen wird528); Rem er529)
machte einen guten Auszug. —
Wie steif und altmodisch wirken neben diesen individuellen Journalisten
die unpersönlichen Wochenschriften alten Stils! Oskar Lehmann530) betrachtet die
deutschen moralischen Wochenschriften des 18. Jh. als pädagogische Reform-
schriften. In etwas undurchsichtiger Anordnung (die denn auch einige Wieder-
holungen verschuldet) giebt er charakteristische Stellen aus zahlreichen von diesen
gedruckten Pädagogen, die ja sonst kaum noch anders als aus dumpfer Tradition be-
kannt sind. Die dankenswerten Auszüge zeigen manches in neuer Beleuchtung.
Man erstaunt, wie modern die alten Herren über Frauenbildung dachten (S. 50/1),
wie sie auch sonst als Vorläufer späterer Richtungen erscheinen: sehr früh, lange
vor Fröbel, sorgt man für Uebungsspiele der Kinder (S. 67), und ebenso betont man
den Wert der Leibesübungen (S. 69) lange vor Jahn. Und das zu einer Zeit, in
der der Betrieb der Muttersprache im Unterricht noch eine neue Forderung war
(S. 58). Gelegentlich beurteilt freilich auch L. die Wochenschriften zu modern: man
kann doch kaum sagen, dass durch den Hinweis auf das vorbildliche Leben und
Wirken bedeutender Männer und Frauen und durch Darbietung biographischer Ge-
schichtsbilder schon die Wichtigkeit der Kulturgeschichte betont Wurde (S. 62). Im
allgemeinen charakterisiert der Vf. die Wochenschriften als moralisch - patriotische
Wochenschriften (S. 72 ff.) und schildert sehr gut Geliert (S. 76) als den Gipfel der
durch sie vertretenen Bewegung. Welche Autoren sonst als verwandt galten, lehrt
das interessante Verzeichnis der in den Wochenschriften zur Lektüre empfohlenen
Bücher (S. 70). -
Näher noch als Moser und Wekhrlin tritt H. P. Sturz dem Typus des
modernen Journalisten, weil ihm sowohl die würdige sesshafte Gravität des einen
als auch die unruhige Hast des anderen abgeht. Sein Biograph Koch531) berück-
sichtigt in der Lebenserzählung wie in der litterarischen Würdigung das seit seiner
N. 17166. — 514) J. R[odenberg], H. v. Helmholtz: DRs. 81, S. 129-31. - 515) E. Schiff, H. v. Helmholtz, Nation». 11,
S. 7359. — 516) R. Steiner, H. v. Helmholtz: ML. 63, S. 1160/3. — 517) X L- H., H. Hertz: ÜL&M. 71, S. 382. — 517a) X
Helmholtz über Hertz: FZg. 1. Aug. - 518) XH. Hütter, H.Schaaf hausen: AH VN. 56, S. 189-94. — 519) L. H[eves]i, R. Buchta:
FrBIW. N. 212. — 520) X Th. Achelis, D. vergleichende Religionswissensch. (JBL. 1893 I 4:14): BBG. 30, S. 177. — 521) X
F. W. E. Roth, O. Brunfels: ZOO Rh. 9, S. 286-320. (Theol.; Vater d. neueren Botanik.) — 522) X W. Foerster, Ueber d.
Zusammenwirken v. Bessel, Encke u. A. v. Humboldt: DR. 4, S. 94-104. — 523) C. Leisewitz, A. Thaer: ADB. 37, S. 636-43.
— 524) F. Specht, F. Stolze: VossZg. 20. Okt. — 525) J. Duboc, J. Moser: DWB1. 7, S. 8-10. — 525a) id., J. Moser:
N&S. 68, S. 56-66. — 526) F. Runkel, E. Feuilletonist vor 100 J. Z. 100J. Todestage J. Mosers: BerlTBl. N. 12. — 527) X
F. Poppenberg. D. erste dtsch. Feuilletonist: Geg. 45, S. 185,-7. — 428) X G.Böhm, Ludwig Wekhrlin (JBL. 1893 1 4:134;
IV 6:513). |[C: DR. 1, S. 594; Euph. 1, S. 160; WIDM. 75, S. 656; C. Heigel: DLZ. S. 1361.JI — 529) P. Remer, L.
Wekhrlin: VossZgB. N. 6. — 530) Osk. Lehmann, D. dtsch. moral. Wochenschrr. d. 18. Jh. (JBL. I 6:250; III 5:49; IV
5:503). L., R. Richter. 1893. 86 S. M. 1,35. - 531) M. Koch, H. P. Sturz: ADB. 87, S. 59-61. - 532) K. Lohmeyer,
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5:533-543
früheren Schrift über den merkwürdigen Mann, der mit Lessing und mit Klopstock,
mit Merck und Angelika Kauffmann gleichzeitig' befreundet sein konnte, erschienene
Material und hebt Sturz Verdienste nach einer knappen Charakteristik seiner Eigen-
art (S. 61) gut heraus, wobei er ihm mit seinen darmstädtischen Landsleuten Lichten-
berg und Merck vergleicht. — Lohmeyer532; meldet, dass die Zeitschriften, an
denen der Königsberger J. D. Symanski mitarbeitete, mit solchem Erfolg verboten
wurden, dass kein einziges Exemplar aufzutreiben war. — Auch M. Eisner, der
lange Zeit in Breslau als Redakteur und Stadtverordneter gewirkt hat, kam mit der
Regierung in Konflikt und verlebte auf Silberberg eine „Festungstid"533). — Stärker
als die preussischen sind im Berichtsjahr die österreichischen Journalisten ver-
treten, zumal die Wiener.534) Fränkel535) führt in dem Ungarn Karl A. von Terzky den
Redakteur einer 1848 erscheinenden „Wiener Gassenzeitung" an, die „in ultra-
revolutionärem und meistens überaus gemeinem Stil" gegen jede Ordnung hetzte.
Für den in schwere Bedrängnis Geratenen interessierte sich J. V. Scheffel und gab
über ein unbekanntes Werk des Mannes ein interessantes Urteil ab (S. 581). —
Ganz anders machen Gestalten wie R. Valdek und F. Schlögl der Journalistik Ehre.
Ein Anonymus536) schildert den ersten als edle, unabhängige Persönlichkeit, be-
richtet von seinem Urteil über Goethe, Grillparzer, Gerh. Hauptmann und zählt seine
litterarischen Freunde auf. — Fr. Schlögl537) wird von Bartels538) gewürdigt; er
rühmt die Reichhaltigkeit seiner Schriften und nennt ihn den Klassiker unter den
Lokalredakteuren, vergleicht ihn auch — warumnicht? — mit J. Moser. — Rosegger539)
hat ihn (wie Kürnberger, Anzengruber, Auerbach, Stelzhamer usw.) in seinen „Guten
Kameraden" so anschaulich porträtiert, dass wir uns über Bartels Phrasen
trösten können. —
Am meisten ward Wiens bekanntester Journalist besprochen. Einer letzten
Sammlung der „Wiener Spaziergänge" hat Kalb eck540) eine Biographie und
kritische Würdigung Daniel Spitzers vorausgesandt. Allzu kritisch ist die
Charakteristik freilich nicht ausgefallen, die auch mit ihrem nachlässigen und un-
gepflegten Stil („sanglante Angriffe" S. XVIII) dem sorgfältigen Stilisten nicht ge-
nügend Ehre erweist. Aber sie legt doch die Muster des Wiener Feuilletonisten
ganz sauber zusammen (vollständig finden sie sich in seiner kleinen Bibliothek,
S. XVII) : Sterne, Junius, Lichtenberg, Lessing, Heine und einige andere. Es ist
anzumerken, dass Spitzer im Gegensatz zu Heine von den Satirikern germanischen
Ursprungs stärker als von denen Frankreichs beeinflusst wurde. Mit dieser Beobachtung
ist freilich zur Charakteristik seines Humors erst wenig g-eschehen, und K. thut trotz
der guten Proben (S. XXVI) nicht viel mehr; aus der Analyse, die einst Paul Lindau
gab (jetzt auch in seinen Gesammelten Aufsätzen S. 195/6), ist für die Eigenart seiner Technik
ungleich mehr zu lernen. Von Wert sind dagegen die Mitteilungen über Spitzers
Arbeitsweise (S. XXXIX), die ihn als einen Anhänger der gut modernen Zettel-
technik und Mosaikfabrikation zeigen. Auch wird er in seinem Verhältnis zur
positiven Politik (S. XIX) ganz richtig beurteilt. Das Wichtigste in K.s Einleitung
ist indessen die Würdigung und „Rettung" des Menschen, der als Ehrenmann, als
ernster Vertreter seiner inneren Ueberzeugung, als im Grunde weiche und liebens-
würdige Natur (S. XLIII, XXXVIII, bes. S. XIV) geschildert wird, und in dem —
nur für den oberflächlichsten Betrachter befremdend — sogar ein kleiner Lyriker
auftaucht. Den Versuch dagegen, auch den Epiker Spitzer zu retten (S. XXXV),
halten wir für misslungen; die beiden „Novellen" sind und bleiben bedauernswerte
Mischungen von nicht allzu witziger Lüsternheit mit noch weniger gelungener Satire.
Was man Thümmels Harmlosigkeit noch zu gut halten mochte, wird unerlaubt, wenn
es als Kampfes waffe im politischen Tagesstreit gelten soll; und um eine mittelalter-
liche Verhöhnung des (politischen oder ästhetischen) Gegners als gefoppten Ehemanns
erträglich zu machen, besass Spitzer doch zu wenig von der saftigen Heiterfrechheit
der Rabelais und Fischart. — Sammlung und Biographie fanden begeisterte Zu-
stimmung, am übertriebensten bei Frieberger 541); F r e n z e 1 542) knüpfte eine
weitschweifige Vorgeschichte der deutschen Satire an, charakterisierte aber Kalbecks
Buch richtiger: „Durch die Wärme des Lobes noch mehr als durch die Schärfe der
Charakteristik anziehend", und ergänzt diese durch Betonung des Oesterr eichischen
und „Gesellschaftsfähigen" in Spitzer.542a) — G. von Freiberg543) verteidigt die beiden
J. D. Syroanski: ib. S. 288 — 533) E. Veteran d. Journalistik: FZg. N. 220. - 534) X E. Zenker. Gesch. d. Wiener
Journalistik während d. J. 1848 (JBL. 1893 IV 5:504). |[J. Minor: ÖLB1. 3, S. 207/8; 0. F. Walzel: ADA. 20, S. 192/5.]| —
535) L. Fränkel, K. A. v. Terzky : ADB. 37, S. 579-82. — 536) B. M., K. Valdek: FrBlw. N. 273. — 537) X F- Schlögls ges. Schriften
(JBL. 1893 I 4:465): W1DM. 75, S. 527,8. — 538) A. Bartels, Bücher u. Menschen. 18. F. Schlögls ges. Schriften: Didask.
N. 115. —539) P. K. Eosegge r. Gute Kameraden (JBL. IV lc:86; 4:269). Wien, Pest, L., Hartleben. 1893. VI, 223 S.
M. 3,40. — 540) M. Kalbeck, Dan. Spitzers letzte Wiener Spaziergänge. Mit e. Charakteristik seines Lebens u. seiner
Schriften. Wien, Litt. Ges. XLV, 310 S. M. 4,20. — 541) G. Frieberger, D. Spitzer: MontagR. N. 26. — 542) K.
Fr[enzel], E. dtsch. Satiriker (D. Spitzer): NatZg. N. 374. — 542a) X <ß. u. N. 546.) — 543) A. v. Freiberg
(4)22*
IV 5:544-559 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
Novellen, missbilligt aber Spitzers Spott über Hamerlings Homunculus.544) Im ganzen
hat man nicht den Eindruck, als habe Kalbecks Veröffentlichung das Verständnis für
Spitzer wesentlich gefördert: Blütenlesen mit ein paar Begleitphrasen konnten schon
früher gegeben werden. —
Harmloser war die Satire Bonns, des „von Miris" 545), der „Fliegenden
Blätter". — Eine eingehende Vergleichung des Münchener Humoristen mit dem
Wiener Satiriker wäre lehrreicher als Kohuts546) ganzes wertloses und auch im
„Dichterheim" gerühmtes Buch, das mit oberflächlichen Angaben und schiefen Epithetis
übersät ist und nicht einmal in der Auswahl der Proben Geschick zeigt. — Bier-
bäum547) wählt dagegen zur Illustration moderner Pamphletschreiberei ein
paar nur zu charakteristische Stellen aus Münchener Flugblättern, die den Wert von
Wekerles Worten über den Wert des Journalismus548) erschüttern könnten, ständen
nicht glücklicherweise dem Thersites auch hier tapfere Kämpfer in Fülle gegen-
über.549'550) —
Sie geleiten uns in das Feld der Politik. Ueber verschiedene Versuche, es
in wissenschaftlicher Weise übersichtlich zu umspannen551"554), liegen Recensionen
vor; Einzelbeiträge aus Socialwissenschaft und Politik555-557) fehlen natürlich nicht.
Dahin gehört auch die Monographie von Jacobo wski558) über den christlichen
Staat, Lehrreich ist sie immerhin, weil sie in leidlicher Disposition eine Unmasse
von Citaten vorbringt, und ein gutes Inhaltsverzeichnis es ermöglicht, diese aufzu-
suchen und so Aussprüche von Fr. von Baader,. Baumgarten, Bebel, Blumenbach, Böckh,
Börne, Brunner, Dahn, Daumer, Döllinger, Dühring, von Egidy, Eichhorn, Falk,
Fichte, Garve, von Gerlach, Goethe, Häckel, L. von Haller, Harnack, Hebbel, Hegel,
Hehn, Heine, Herder, Hergenröther, Hutter, Ihering, Kaftan, Kahnis, von Ketteier,
Fr. von Krüdener, Lagarde, Lassalle, Lessing, Lichtenberg, Lorenz, Luther, Mendels-
sohn, Moltke, Naumann, Neander, Nietzsche, Pfleiderer, Radenhausen, Rickert, Scheffel,
Schiller, Schleiermacher, Schopenhauer, Sohm, Stahl, Thiersch, von Treitschke,
Ad. Wagner, Wundt usw. gefunden werden können. Ich bin aber doch nicht der Meinung,
dass das Buch viel leiste. Der Hauptteil, vom christlichen Staat, sucht in fünf
Büchern (Staat und Kirche S. 3; Zur Psychologie des chritlichen Staates S. 35;
Institutionen des christlichen Staates S. 61; Religion und Konfession S. 405; Der
christliche Staat der Geschichte, S. 127) die Inkonsequenzen zu verzeichnen, die
Lehre und Praxis des christlichen Staates notwendig hervorbringen. Der zweite, von
der Zukunft des christlichen Staates, betrachtet den nationalen (S. 174), socialistischen
(S. 187) und ethischen Staat (S. 193) sowie die freie Gemeinschaft (S. 206) mit ent-
schiedener Hinneigung zur Bildung kleiner, freier Gemeinschaften (S. 211), wie sie
auch Wille und noch klarer der Vf. des Büchleins „Vom Baum der Erkenntnis"
(s. u. N. 653) anstreben. Es ist doch aber immerhin billig, den historischen Er-
scheinungen alle Schattenseiten vorzuhalten, die nun einmal jede Verwirklichung einer
Idee mit sich bringt, und dagegen ein Zukunftsbild auszuspielen, dem man freilich
noch keine üblen Erfahrungen nachsagen kann. Auch verhält sich J. gegen alle
religiös gefärbten Staatsformen viel mehr polemisch als historisch, und Kap. V,
welches das Schwergewicht in sich bergen sollte, ist am dürftigsten ausgefallen; man
vermisst sogar die berühmteste Durchführung der christlichen Staatsidee, den von
Gothein so vorzüglich gezeichneten Staat der Jesuiten in Paraguay. Wärme des
Herzens und scharfe Gliederungen wird man dem Buch dagegen nicht absprechen
können. — In letzterem Punkt wird es noch überboten von einer ausgezeichneten
sociologischen Monographie, die dagegen ganz und gar mit kühler Objektivität fort-
schreitet: von S im m eis559) Studie über sociale Differenzierung, die wir noch nachträglich
hier anzeigen, weil sie als Muster streng logischer, methodischer Forschung gegen-
über den täglich mehr beliebten dilettantischen Arbeiten dieser Art immer wertvoller
wird. Nach einer Einleitung „Zur Erkenntnistheorie der Socialwissenschaft" beschreibt
S. in meisterhafter Beherrschung des Stoffes, wie aus der Kollektivverantwortlichkeit
(S. 21 ff.) sich allmählich die Gruppe als Träger der Verantwortlichkeit heraus-
differenziert, dann die Person, zuletzt gleichsam ein Teil der Person, und wie dann
scheinbar der kollektivistische Standpunkt wiederkehrt; er schüdert (S. 45 ff.) die
(Pinelli), Vom Wiener Spaziergänger (D. Spitzer): SchlesZg. N. 534. - 544) X H., D. Spitzers Nachl : FrBlw. N. 168. —
545) X Z. Erinn. an F. Bonn: MünchNN. N. 312. - 546) (IV la:27.) — 547) 0. J. Bierbaum, Mod. Pamphletschreiberei:
FrB. 5, S. 61-71. - 548) X Ministerpräsident Wekerle über d. Journalismus: FZg. N. 318. — 549) X (IV 1 c : 94.) — 550) X
A. Müller-Palm, Z. 50j. Jubil. d. NTB1. in Stuttgart (24. Deo. 1843-93). E. Festsohr. St., Dtsch. Verlagsanst. 75 S.
Mit 4 Holzschn. u. genauer Nachbild, d. 1. ursprüugl. Nummer d. Bl. M. 1,00. — 551) X G. Ratzenhofer, Wesen u. Zweck
d. Politik (JBL. 1893 IV 5 : 445) : LCB1. S. 556/7. - 552) X L- Gumplowicz, Politische Wissensch. : BLU. S. 164/5. -
553) X Karl Fischer, Grundzüge e. Socialpäd. u. Socialpolitik. Eisenach, Wilokens. 1892. VIII, 429 S. M. 5,00.
IfDWBl. 7, S. 108.JI — 554) X (I 4:470) — 555) X Utopisches: Grenzb. 3, S. 277/8. — 556) X K. Jentsch, E. v. Hartmann
über d. soc. Fragen: ib. S. 628-30. — 557) X H. Eckener, Soc.-philos. Briefe: Kritik 1, S. 363-74, 497-506. — 558) L.
Jacobowski, D. christliche Staat u. seine Zukunft. B., Duncker. XII, 228 S. M. 4,00. — 559) ö. S i m m e 1 , Ueber soc.
Differenzierung. (= Staats- u. socialwissensch. Forsch. Her. v. G. Schmoller. Bd. 10, Heft 1.) L., Duncker & Humblot. VII,
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5:560-566
Ausdehnung" der Gruppe und die Ausbildung der Individualität, bestimmt (S. 70 ff.)
das sociale Niveau, erwägt (S. 100 ff.) die Kreuzung socialer Kreise und wägt bei
Besprechung der Differenzierung überhaupt (S. 117 ff.) das mögliche und erspriessliche
Mass der Ausbildung von Individualitäten ab — Themata, die in der Zeit Nietzsches
und in der Epoche des Militarismus und Socialismus vom allgemeinsten Interesse sind. —
Kommen wir zu den einzelnen politischen Persönlichkeiten selbst, so erinnert
eine Gestalt wie F. W. von Taube daran, dass der Anteil nicht privilegierter Personen an
der Politik erst durch Abenteurer von zweifelhaftem Aussehen erobert werden musste. Der
Privatsekretär des kaiserlichen Botschafters in London schreibt, wie ein Pseudonymus560)
erzählt, plötzlich einen Brief nach Brüssel über die politischen Verhältnisse und
kommt dadurch in den Verdacht, ein „meineidiger Verräter" zu sein, nimmt aber
doch ein sehr friedliches Ende als Mitarbeiter in Busch ings Magazin. — Ganz anders ver-
lief der Eingriff in die aktive Politik, den ein Menschenalter später Eulogius Schneider
wagte. Seine Biographie, von Ehrhard561) geschrieben, hat besonders durch die
höchst charakteristischen Proben aus den Gedichten (S. 6, 32, 55, 74, 80), Predigten
(S. 19, 39, 101) und Reden (S. 68, 82, 111, 115) des revolutionären Mönchs
Interesse. Er bekennt sich zur Naturreligion von der Kanzel herab (S. 47) wie als
Redakteur (S. 59), er erklärt den Stifter des Christentums für seinen Parteigenossen:
„Der Sanskülotte Jesus weissagte einst — " (S. 92); wir glauben Weitling zu hören,
dessen „Evangelium eines armen Sünders" Fuchs562) soeben mit einer, die Brände
der Pariser Kommune als Morgenrot feiernden, Einleitung neu herausgegeben hat.
Auch „Meister Jesus Sirach war ein ehrlicher Sanskülotte" (S. 99) — man sieht, das
Talent der retrospektiven Proselytenmacherei hatte der Mönch nicht verlernt. Für
den „Politiker" ist neben anderen Aufsätzen (S. 86, 89) besonders die Ansprache des
Bürgermeisters von Hagenau charakteristisch, ein jakobinischer Hirtenbrief, in dem
Predigt- und Schreckenston sich mischen. Ganz dieselbe Verbindung zeigen die
Namen, die bei der Umtaufung der Strassburger Gassen (S. 169 — 70) gewählt werden:
„Faubourg des Jacobins" und „Rue du Bonheur", „Rue Qa ira" und „Rue de la Philo-
sophie" (die alte Münstergasse!). Von auswärtigen Beziehungen sind nur ein Besuch
Laukhards (S. 158) und ein Brief an Nicolai (S. 180) anzumerken. — Es ist fast
schmerzlich, von diesem Gesellen zu E. M. Arndt gehen zu müssen563), den die von
K. G. Brandis564) herausgegebenen Briefe aus dem Frankfurter Parlament an
Chr. Aug. Brandis wieder ganz als den Alten zeigen. Neben politischen Stimmungs-
bildern enthalten sie politische Porträts: R, Blum, die beiden Simon, Radowitz („ge-
schickt, aber kein Herz, wovon der Deutsche doch immer ein tüchtiges Stück, seis
gut, seis bös, haben will"), Beckerath, Vincke, Dahlmann („kann auf der Tribüne kein
P~uhrer, überhaupt kein Führer sein, weil ihm die unmittelbare Gewandtheit und
Rede fehlt"), von Rothenhan, Heckscher, von Widenbrugk, Gagern (S. 121). Er ist
sehr heftig gegen die „Rothen" und man begreift das: „denn das Weltschicksal und das
Glück und Unglück unserer Kinder und Enkel hängt daran, und nach der Art und
den Grundsätzen, die der Tag und Rüge und Robert Blum und Kinkel den Armen
und Mühseligen predigen, würde die Herrlichkeit Europas mit all ihrer Bildung,
Kunst und "Wissenschaft zuletzt unter den wilden Fäusten der Proletarier vergehen
müssen" (S. 123); aber die Erschiessung Blums scheint ihm eine grosse Dummheit
(S. 127). — Tritt hier mehr das konservative Element in Arndt hervor, so zeigt ein
charakteristischer Brief565) an Mohnike, den verdienstvollen Lessingforscher, die liberale
Seite. Er ist in dem Augenblick der Suspension vom Amt geschrieben und warnt den
Stralsunder vor Uebersiedelung an den Rhein. „Was du von den Rügenschen
Junkern klagst und von der Junkerei, die alles Edlere bei uns so lange gehemmt
hat, wer kennt das besser als ich? Diese Art bleibt die unverbesserliche"; Spiel-
hagens Romane, in denen der pommersche Junker eine stehende Rolle hat, zeugen
davon. — In mannigfacher Hinsicht steht J. K. B. Stüve, der würdige Nachfolger
Mosers, Arndt nahe; und wie tief jener von unseren „Gemeinde-Anarchisten" wie
Jacobowski gelegte Standpunkt seine Wurzeln senkt, beweist eine von G. Stüve566)
citierte Aeusserung seines Vorfahren: eine tüchtige Gemeindeverfassung sei wichtiger
als eine Repräsentation (S. 85). —
Die praktische, antidoktrinäre Anschauung, die auch hierin sich geltend
macht, wie in der ganzen Art der niedersächsischen Staatsmänner von Moser bis
Miquel, kündigt schon den Umschwung von der politischen zur socialen Agitation
an. Ein Mann wie J. J. Sturz, Herweghs Schwiegervater, dem Schramm-
147 S. M. 3,60. — 560) v. Ath, F. W. v. Taube: ADB. 37, S. 420/2. - 561) L. Ehrhard, Eulog. Schneider, sein Leben
u. seine Schriften. Strassburg i. E.. Herder. XVI, 223 S. M. 1,60. — 562) W. W e i 1 1 i n g , D. Evang. e. armen Sünders.
2. Aufl. (= Samml. gesellschaftswissensch. Aufsätze her. v. Ed. Fuchs. N. 4/5.) München, Ernst 102 S. M. 0,80. — 563) X
E. Thiele, E. M. Arndt. Sein Lpben u. Arbeiten für Deutschlands Freiheit, Ehre, Einheit u. Grösse. Gütersloh, Bertels-
mann. VII, 210 S. M. 2,40. |[A. Schroeter: BLÜ. S.297; KonsMschr. S. 177/8.]| — 564) K. G. Brandis, Briefe von E.
M. Arndt aus d. FranM. Parlament: DBs. 81, S. 117-28. — 565) E. Brief E. M. Arndts: Didask. N. 135. - 566) G. Stüve,
IV 5 : 567-590 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
Macdonald567) eine warme Denkrede für die ADB. schrieb, hielt sich von der land-
läufigen Politik ganz fern, arbeitete aber als unermüdlicher Agitator gegen Sklaverei
und Kulihandel, gegen die Ausbeutung der Auswanderer und die Not der Strand-
bewohner, gegen die Tierquälerei und setzte alle Deklamationen Rousseaus und seiner
Anhänger in wirksame Thätigkeit um. — Marx56s~569) und Lassalle570) wenden
dann diese Agitation aufs Inland. — Lassalles persönliche Berührungen mit Bülow571)
und Büchner572) zeigen ihn von keiner neuen Seite — Neu ist es dagegen, dass
die sociale Agitation mit aller Entschiedenheit vom geistlichen Boden aus gepredigt573)
und mit höchst konservativen Anschauungen verbunden wird.574) — Und doch war
natürlich auch das vorbereitet. Adolf von Thad den-Trieglaff, für dessen über-
strömende Originalität die vulgäre Demokratie Rache nahm, indem sie ihn zur lächer-
lichen Persönlichkeit stempelte, und den der Konservativismus von heute geflissentlich
ignoriert, weil Thaddens edler und goldechter Charakter ihn beschämt, war schon vor
1848 christlich-social im vornehmsten Sinne des viel gemissbrauchten Wortes. Berner575)
ist ihm auch nicht gerecht geworden, weil er den Schwiegervater Moritz von Blancken-
burgs, den väterlichen Freund Bismarcks, den von Schleiermacher zu Huschke in
folgerichtiger Entwicklung übergehenden Feind der Union, lediglich vom Standpunkt
der konservativen Partei und protestantischen Kirchenorthodoxie aus beurteilt;
wer jedoch das Buch der Fürstin Reuss über den bizarren, aber geistreichen Redner,
den strengen, aber durchaus wohlthätigen Gutsherrn, den frommen aber heiteren
Menschen gelesen hat, der weiss, dass es auch im 19. Jh. noch Heilige geben kann
und innerhalb der lutherischen Konfession Männer, die neben Filippo Neri stehen
können. Gerade in unserer Zeit der agrarischen und antisemitischen Bewegungen
sollte man z. B. lesen, was Thadden einst über den „Güterschacher" der Adeligen
schrieb, und man würde manches verstehen, was heute nicht verstanden werden will. —
Auchauf Lothar Bucher576"577), einen anderen Bahnbrecher der socialen Bewegung
unserer Tage, passt keine enge Parteischablone.578"579) Der viel besprochenen Aus-
gabe seiner kleinen Schriften580) schliesst sich ein unveränderter Neudruck seines
„Parlamentarismus wie er ist" an581), jenes denkwürdigen Buches, das seiner Zeit an
Stelle des in den liberalen deutschen Kreisen verbreiteten Lichtbildes zwar kein
treffendes Ebenbild der englischen politischen Zustände setzte, wohl aber doch eine
Reihe von Berichtigungen, die dann Gneist und Holtzendorff zu ihrem neuen Bilde
des politischen Lebens in England führten. Das einseitige, doch geistvolle Buch ist
aber auch durch Gneists Forschungen nicht entbehrlich geworden, weil es dessen
Darstellung der Gesetze durch die gerade für die Briten so wichtige Schilderung des
Gebrauchs ergänzt — einseitig, wie gesagt, aber auch heute noch gerade um seiner
Einseitigkeit willen als Gegengewicht gegen landläufige Vergötterungen englischen
politischen Lebens unschätzbar. —
Bucher hat an dem politischen und parlamentarischen Kampf Deutschlands
nach 1848 nicht mehr als Redner582) Teilgenommen; Rud. von Bennigsen dagegen,
der vielgefeierte Führer des Nationalvereins und der nationalliberalen Partei583"588),
hat als Typus des guten Durchschnittsredners eine bleibende Bedeutung, als Politiker
vielleicht keine viel grössere. Barth589) bezeichnet ihn zwar als den liberalsten
Mann seiner Fraktion; aber diese Stellung würde aus ihm noch immer keinen
politischen Charakterkopf machen, wie innerhalb derselben Partei Lasker und Bamberger,
Volk und Treitschke, Petri und Jung, Löwe-Calbe und Miquel es waren. — Und weil
doch eben die Persönlichkeit mehr den Redner ausmacht als die harmonische Ver-
einigung vortrefflicher Eigenschaften, die in Bennigsen auch seine Gegner anerkennen,
deshalb ist Lu dw. Bamberger590) auch als Redner so sehr viel interessanter. Kommen
nun gar zwei so ausgeprägtelndividualitäten aufeinander, wie Bamberger und Treitschke,
so gewinnt die Begegnung für den Literarhistoriker ein fast dramatisches Interesse.
J. K. B. Stüve: ADB. 37, S. 84-94. - 567) H. Sehr amm-Macdonald, Joh. Jak. Sturz: ib. S. 61/9. - 568) X M- G.
Conrad, Z. Kenntnis d. Marxismus: Ges. S. 6S9. — 569) X J- Stern, D. hist. Materialismus u. d. Theorie d. „Mehrwerts"
(= Samml gesellschaftswissensch. Aufsätze. Her v. E. F u c h s N. 6.) München, Ernst. 31 S. M. 0,30. — 570) X Gast.
Mayer, Lasalle als Socialökonom. Diss. Basel. 138 S. |[BerlTBl. N. 328; NZ. 122, S. 180/3.]] - 571) X (I 10:229.) —
572) L. Büchner, Meine Begegnung mit F. Lasalle: NZ. 12*, S. 153 4. — 573) X F- Naumann, Soc Briefe an reiche
Leute. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. 58 S. M. 1,00. |[K. S c h n e i d t : Kritik 1, S. 477/8.] | — 574) X E. echter
Socialaristokrat (C. v. Massow): Grenzb. 4, S. 423/9. — 575) E. Bern er, Ad. v. Thadden-Trieglaff: ADB. 37, S. (»34/5. —
576) X !>•, Lothar Bucher: Bär 20, S. 170. — 577) X (IV 1 b : 293.) |[Helfert: ÖLB1. 3, S. 457/8; Grenzb. 2, S. 2S5 9.]|
(Vgl. auch DR. 1, S. 70-84, 200-17, 329-48.) — 578) X K. B 1 i n d , Auch e. Erinnerung an L. Bucher: DR. 2, S. 1969. —
579) X Wie es L. Bucher eigentlich gemeint hat: Grenzb. 4, S. 55-65. — 580) X (IV 1 b : 291.) |[KBGV. 42, S. 22; M. G.
Conrad: Ges 2, S. 833/4; AkBll. 8, S. 226: DRs. 78, S. 474/5.]| - 581) (IV 1 b : 292.) — 582) X Th. Fluthe, Dtsch.
Reden (JBL. 1893 IV 5:605; s. auch o. IV lb:191). |[KBGV. 42, S.40/1; Sr: AkBll. 8, S. 147/9; H. Löschhorn: MHL. 22,
S. 246,7; O. Kaemmel: NJbbPh. 150, S. 340/3; 0. Lyon: ZDÜ. 8, S, 779-82; Geg. 45, S. 415.]| - 583) X (IV lb:313.)
HKonsMschr. S. 778]| - 584) X K- Sturmhoefel, R. v. Bennigsen: BLÜ. S. 529-31. — 585) X J- S., R. v. Bennigsen:
ÜL&M. 72, S. 815. — 586) X M- Jänecke, R. v. Bennigsen: DWB1. 7, S. 326,7. — 587) X L Salomon, R. v. Bennigsen :
IllZg. 103, S. 12. — 588) X F- Boettcher, R. v. Bennigsen: N&S. 70, S. 36-51. — 589) Th. B art h , R. v. Bennigsen:
Nation". 11, S. 593. — 590) (IV la:25.) ||RCr. 37, S. 479: O. Hartwig: DRs. 80, S. 470,5; F. Dernburg: BerlTBl.
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 591-594
Deshalb ist in B.s „Charakteristiken" — die ihren Titel wohl von Erich Schmidts
berühmtem Buch entlehnt haben — der Aufsatz über Treitschke unzweifelhaft der
interessanteste. Zwei tapfere und ehrliche Patrioten, zwei opferbereite Politiker, zwei
Männer von ungewöhnlicher Begabung', Geist und Wissen, sind aus demselben Lager,
dem der „kleindeutschen" Preussenfreunde, ausgegangen, um sich in äusserster
Gegnerschaft wiederzufinden. Der aus seiner führenden Stellung im Parlament ver-
drängte glänzende Essayist fühlt sich durch jedes Wort, das der brillante Redner an
der Spitze einer immer stärkeren Anhängerschaft spricht, beleidigt und herausgefordert,
der Liberale durch den zum Konservativismus Bekehrten, der Süddeutsche durch den
auf Süddeutschland spöttisch herabsehenden Norddeutschen, der Mann mit der kosmo-
politischen Ader durch den feurigen Chauvinisten, der Jude durch den Antisemiten.
Es ist daher nur natürlich, dass B.s Kritik im ganzen ungerecht, schief und schroff
ist, so oft er im einzelnen Recht hat. Gewiss ist es verletzend, wenn Treitschke „in
seiner Vornehmheit an dem Schicksal der wegen burschenschaftlicher Spielereien
mit grausamen Strafen belegten Opfer nichts zu beklagen weiss als das 'zwecklose
Einerlei des Gefängnislebens, in welchem so viele junge Männer verkamen'" (S. 188)
— derselbe Treitschke, der in seinen Vaterländischen Gedichten (S. 75) für die Ver-
zweiflung ungerechter Haft so heisse Worte gefunden : O wilder Verzweiflung grause
Lust, Wenn stumpf vor Leid die matte Brust Dem kühnen Hoffen erstorben! Gewiss
ist die Art, wie Treitschke die edle Rahel durch ein aufgefangenes Schimpfwort Arnold
Ruges misshandelt (S. 204), wahrhaft empörend; die Urteile über Heine (S. 206) und
über die den Juden und dem Orient mangelnde Trinkpoesie (S. 207 ) sind sicherlich
verkehrt, die Kritik über Strauss ist von Th. Ziegler ( S. 198) gewiss mit Recht ver-
urteilt worden. Aber das alles ändert nichts an der Thatsache, dass von Treitschkes
Gesamtleistung B. in „grimmig verzerrender Manier" (S. 176) ein Bild entwirft, dass
Treitschkes Portraits von liberalen Staatsmännern an Ungerechtigkeit nichts nachgiebt.
Kann man Treitschke gründlicher verkennen, als indem man ihm ('S. 182/3) Freude
am Paradoxen zuschreibt? Nein: niemandem war mehr als diesem leidenschaftlichen
Volksredner jedes Wort, das er sprach, eine selbstverständliche Wahrheit. Der kampf-
lustige Mann, dem zu der germanischen Streitlust noch ein Erbteil von slavischem
Fanatismus im Blut sass, hat wahrhaftig niemandem damit imponieren wollen, wenn
er Friedrich Wilhelm III. zu einem Heros machte ('S. 182); ihm war es damit so Ernst,
wie Boswell mit seinem Johnsonkultus. Aus einer grossen Gesamtanschauung heraus sah
er die Dinge an, von ihr so durchdrungen, dass er oft genug das Urteil über einzelne
Gestalten und Dinge aus dem vorgefassten Gesamtbild entlehnte, statt es durch Special-
kritik zu gewinnen; deshalb konnten Ziegler, Baumgarten, Nerrlich, Prölss, Bamberger
ihm die bedenklichsten Irrtümer und die beleidigendsten litterarischen oder historischen
Justizmorde nachweisen, deshalb bleibt aber auch das ganze WTerk ein unvergängliches
Zeugnis nicht bloss für die grosse Individualität des Autors, sondern auch für die
Geschichtsauffassung einer ganzen Epoche. Der Mann, der 1857 in seinen „Studien"
(S. 49) über das kleinliche Elend der Zeit geklagt hatte und damals in den Ruf aus-
brach: „Süss war dein Loos, Kamerad! du konntest hassen!", hat gewiss später
niemanden mehr um den Besitz dieser Kunst zu beneiden gehabt; aber B. schreibt
über ihn nicht so, dass er ihm dies Talent vorwerfen dürfte. Freilich aber verstanden
auch beide zu lieben. Wie warm ist B.s Denkrede auf Lasker (S. 87), den uner-
müdlichen Vorarbeiter der Reichseinheit, den nicht einmal jetzt sein Verdienst um
das Bürgerliche Gesetzbuch aus dem Bann der allgemeinen Verkennung löst: hat er
doch (S. 99) mit Miquel den Antrag auf Ausarbeitung eines gemeinsamen deutschen
Rechts gestellt. Wie herzlich und schön sind die knappen Nachrufe auf Moriz Hart-
mann (S. 41) und F. Kapp (S. 127) und der ausführliche auf K. Hillebrand (S. 137)!
wie tritt aus den Besprechungen von Hombergers Essays (S. 227) oder Laskers Brief-
wechsel (S. 117), aus der Gratulation an Gildemeister (S. 308) oder dem Bericht über
Soetbeer (S. 251) das Bild der Persönlichkeiten, liebevoll gezeichnet, hervor! Der
kleine Aufsatz „In Ferienstimmung" (S. 213) — neben dem Essay über Napoleon III.
(S. 49) wohl die Perle der Sammlung - enthält eine ganze Galerie solcher Portraits :
Blanckenburg, Wagener, Mallinckrodt591), Ewald, Lasker, K. Braun, Hoverbeck,
Windthorst und andere. Nirgends fehlt ein neues Apercu, das uns bekannte Gestalten
in neuem Licht zeigt, nirgends auch — selbst bei den heftigsten Gegnern nicht —
das Wohlwollen, von dem nur dem Historiker des werdenden Reiches jedes Gran
versagt wurde. — Besonders bringt Bamberger es auch(S. 255) dem Reichskanzler von
Caprivi entgegen, dessen Reden mit einer kurzen aber guten Einleitung von
Arndt592) herausgegeben wurden — nicht bloss ein wichtiges Denkmal jenes kurzen
Interims, sondern auch durch den rhetorischen Wert mancher Rede (S. 49 ff., bes. S. 51,
N. 276 ; C. M o n t a n u s : VZg. N. 210. ]| — 591) X O. Pfülf, M. v. Mallinckrodt (JBL 1892 IV lb : 141 ; 5 : 272 ; 1893 IV 5 : 600) : MHL. 22,
S. 96. - 592) (IV 1 b : 376.) - 593) X K. We i t b r e c h t , F. W. Weber : BMJ. S. 420, 1. - 594) X -e- An F. W.Weber : Tgl RsB.N. 81 -
IV 5 : 595-600 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
57; S.95ff., bes. 8. 108, S. 113 ff., 141 ff., 240 ff., 245 ff.; die Emser Depesche S. 249 bis
303 usw.) von litterarischer Bedeutung1. Ueberall ein einfacher, sachlicher Ton, dem
aber kräftige Accente und helle Akkorde nicht fehlen; nichts Hinreissendes, aber viel
Ueberzeugendes. — F. W. Weber, der ultrainontane Dichter503-5"5), eine sympathische
Persönlichkeit, ein wirkliches Talent, hat als Politiker keine Rolle gespielt, sein Name
schmückte nur den Platz, den er eben gerade ausfüllte.596) — Um so bedeutsamer
hat F. Schmeykal gewirkt, der hochverdiente Führer der Deutschböhmen, dem
Bendel597) ein Denkmal setzte, warm und dankbar, wie es dem seltenen Manne
zukam.598"598») —
Politiker und Volkserzieher zugleich sind die grossen Männer der Universitäts-
pflege599), vor allem ihr berühmtester: W. von Humboldt. Wertvolle Gaben aus
seinem Nachlass brachte auch dies Jahr. Das Tagebuch, das Leitzmann600) mit
guten Anmerkungen herausgab, zeigt ihn uns auf einer Studienreise nach dem
Norden. Alles interessiert ihn; von den Städten nimmt er genaue Bilder auf
(Stettin S. 5, Greifswald S. 16, Anblick von Stralsund S. 21, Rostock S. 54,
Kirche in Dobberan S. 59, Lübeck S. 63, Eutin S. 66, Plöner Schloss
S. 80, Hamburg S. 111), er studiert das Verhältnis der socialen Klassen (wieder
über den Rügenschen Adel, wie Arndt, S. 48, 52), sammelt Schriftbenennungen
(S. 7, 11) und notiert jedesmal den Geldkurs. Aber vor allem sind es doch die
Menschen, die sein „proper study" ausmachen. In der Regel zwar klagt er, die
Bekanntschaften seien nicht interessant, mindestens nicht in der Unterhaltung; findet
er aber solche, die seinen Anteil erwecken — wie weiss er sie auszuforschen ! Ein
wahres Prachtstück ist die Untersuchung von J. H. Voss (S. 68/9) : • wie er um dies
Studienobjekt herumgeht, Beobachtungen sammelt über seine Poetik (S. 67), Metrik
(S. 68), seine Sprachphilosophie (8. 74) und seinen Charakter (ib.), seine Art zu
reden (S. 75) und zu kritisieren (S. 76), wie er dann von Zeit zu Zeit innehält und
vergleicht: „Schon aus dem bisherigen sieht man, was Voss eigentlich fordert. Das
vollkommenste, lebendigste und anschaulichste Darstellen des Gedankens, sowohl in
seinen Umrissen als in seiner Stärke; und das buchstäblichste und genaueste An-
passen der Formen der Sprache an denselben. Sein Fehler in der ersteren, an sich
gewiss trefflichen Tendenz ist, dass er für dasjenige unempfänglich wird, was einer
solchen lebendigen Anschaulichkeit nicht fähig ist. So geht es ihm bei Gedichten
philosophischen oder sentimentalen Inhalts, also fast durchaus bei den Neueren.
Sein Fehler in der zweiten, an sich auch vollkommen richtigen Forderung ist bloss
darin, zu weit und bis zum Extrem zu gehen. Dieser doppelte Fehler scheint aus
der Einseitigkeit zu entspringen, die ihn selbst für viele fremde Eigentümlichkeiten
unempfänglich, und ausserdem macht, dass er auch bei anderen voraussetzt, dass sie
nur auf demselben Wege als er, zu irgend einem Ziele, z. B. zum Verständnis der
Alten, gelangen können. Wieviel ihm jene Anschaulichkeit ist, dafür dient auch das
zum Beweise, dass er die Alten weder in ihrer Sprache, noch in ihren Verfassungen
und Sitten eher zu verstehen, d. h. hier eigentlich zu empfinden behauptet, als bis
er sie in unsere Sprache und unsere Sitten übersetzt hat. Bei der Syrakusanerin
in Theokrits Adoniazusen z. B. sagt er, denkt er sich eine Hamburgerin, aber er
entfernt nun von dieser, was ihr als solcher eigentümlich ist. Ein lebendiges und
gegenwärtiges Bild muss also seine Seele erst in die Empfindung der Wirklichkeit
versetzen. So scheint ihm das Uebersetzen durch seine Natur selbst aufgegeben,
und sehr tief in ihm zu liegen. Sein erster Grundsatz des Uebersetzens ist so zu
übersetzen, als ob zu Homers Zeit Deutsch und nicht Griechisch gesprochen worden
sei". „Von Charakter und in seinem Betragen ist er mir überaus liebenswürdig er-
schienen. Er ist in hohem Grade herzlich und freundschaftlich und durchaus offen
und gerade, vielleicht mag er dies manchmal sogar übertreiben. Aber er ist nichts
weniger als eigentlich derb, vielmehr sehr fein und zart. Hierin macht man sich
gewöhnlich eine sehr falsche Vorstellung von ihm" (S. 78). Ueber seine Art zu
arbeiten und umzuarbeiten (S. 75): „Dasjenige, was in ihm herrscht, ist offenbar ein
reizbares und tiefes Gefühl für Wahrheit und Natur. Nur das, was unmittelbar
natürlich ist, das ursprünglich Menschlichste und Einfachste, macht eine starke
Wirkung auf ihn. Die mehr raffinierte Empfindung und das eigentlich Sentimentale
sind nicht für ihn gemacht. Nicht bloss aber der Stoff, auch nur die Form der
Natur hat grosse Macht über ihn. Ueberall sucht er das Anschauliche, Wirkliche,
Lebendige. Daher ist er der systematischen Philosophie und der Metaphysik, ob-
595) X J- Loewenberg, F. W. Weber: Zuschauer 2, S. 351/8. — 596) X H- Lahrssen, Unter d. roten Fahne. BU. aus
d. Tageb. e Volksschullehrers im J. 151 (1943). 1.-3. Taus. L., Hobbing. 12°. 233 S. M. 1,00. |[ThLB. 17, S. 158.JI — 597) J.
Bendel, F. Schmeykal. Prag, (Härpfer). 16 S. M. 0,20. - 598) X G. T- Reutern, E. Lebensbild, dargest. v. seinen Kindern
u. als Ms. gedr. z. 100J. Gedächtnisfeier seines Geburtst. St. Petersburg (B., Puttkamer * Mühlbrecht). VI, 176 S. M. 10,00. —
598a) X Baron v. Falken egg, Pnlit. Schriften. B., BMI. IV, 332 S. M. 3,00. |[Gea. 2, S. 83411 - 599) X F. P au 1 s e n ,
1). dtsch. Univ. als Unterrichtsimst. u. als Werkstätte d. wissensch. Forschung: DRs. 80, S. 341-67. — 600) (IV lc:17.) —
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 601-1102
gleich er sich hütet davon zu reden, eigentlich feind. Was nicht in der Sprache
der Menschen ausgedrückt werden kann, sagte er mir einmal, kann nicht, wahr
seyn. Daher verlangt er die Vollkommenheit des Ausdrucks in Prosa und Poesie,
und daher entstehen seine scheinbaren Ketzereien hierin. Bei dieser Gemütsstimmung
kann er nun nicht anders, als nur eine kleine Extension haben, — und dies ist
auch wirklich sein Fall. Dafür aber wird er durch Intension entschädigt. Er ist
den Alten sehr ähnlich, und sollte es, dieser Schilderung nach, auch Goethen seyn.
Aber er unterscheidet sich von beiden dadurch, dass mehr Gefühl als Phantasie in
ihm herrschend sind, dass er mehr auf den Stoff zugleich sieht, und nicht von dem
Interesse an der blossen Gestalt, an dem Wechsel und der Mannigfaltigkeit der
äusseren Welt so idealisch geleitet wird". Diesem Juwel von empirischer Psycho-
logie, am lebenden Objekt geübt, kommt das Studium Klopstocks (S. 95 4/6.) am
nächsten. Auch hier erscheinen zuerst die Geständnisse, sehr wichtig besonders die
über seine Art zu dichten (ganz entgegengesetzt der Art von Voss, bei dem „de la
forme nait l'idee" S. 71, geht Klopstock ganz von dem Inhalt aus S. 96) und seine
Urteile über Goethe und Schiller (S. 96) ; dann folgt wieder Humboldts Zusammenfassung :
„Die offenbar am meisten ins Auge fallenden Seiten an Klopstock sind seine ausser-
ordentliche, petillierende und nie ruhende Lebhaftigkeit, seine unverkennbare Gut-
mütigkeit, und seine, man kann es sich nicht verläugnen, überaus grosse Eitelkeit,
die aber in diesem Alter verzeihlicher ist und bei dieser Gutmütigkeit manchmal
naiv wird. Die Phantasie ist schlechterdings herrschend und alleinherrschend in
ihm, und wenn man ihn selbst sieht, so erkennt man erst recht, wie wahr ihn
Schiller geschildert hat. Denn sie ist durchaus musikalisch in ihm, immer auf die
Empfindung bezogen. Von der Natur ausser sich nimmt er schlechterdings nur die
Anlässe zu Empfindungen her, er hat ganz und gar keinen auffassenden Blick, und
alles setzt ihn in Unruhe und Enthusiasmus. Daher ist er im Gespräch nur soweit
interessant, als er sich selbst' zeigt, er hört den andern nicht, er eilt immer dem
voraus, was man sagen will, und es ist nicht möglich mit ihm zu einem Resultate
zu kommen. Sieht man ihn lang, so macht ihn sein Alter auch geschwätzig und
langweilig. Aber eben darum, weil er von allem so schnell ergriffen wird, weil es
nicht ein vorübergehendes Feuer der Einbildungskraft ist, was nur auflodert, sondern
immer die Wärme eines wahren Gefühls zugleich erregt wird, ist er auch so an-
ziehend, und oft rührend. Ich hörte ihn viele seiner neueren Oden lesen". Andere
wichtige Aufnahmen sind die von Jacobi und seiner Familie (S. 108 ff.), von F. von
Baader (S. 101), Dumouriez (S. 105) und Reinhard (S. 92; Reinhard über Gentz
S. 93); nicht so gelungen die von Schlosser (S. 78; Schlossers politische Meinung
ib.) und Kosegarten (S. 30); flüchtiger die Notizen über Hennings (S. 81), Chr. Stol-
berg und Familie (S. 84), die Familie Reimarus (S. 90). Eine Theatervorstellung
mit Iffland und Beck (S. 90) erregt so gut sein' Interesse wie Voss seltsame An-
sichten über die Grundbegriffe aller Sprachen (S. 74); Nationalcharakter (S. 106/9)
und Nationalphysiognomie (S. 107) bleiben aber doch das Hauptaugenmerk. L. trägt
interessante Zeugnisse über Kosegartens Art zu dichten (S. 129) und über Humboldts
briefliche Urteile über Voss (S. 136/7.) hinzu; bei Dobberan, wo Humboldt die grob-
mittelalterliche Art mit dem Heiligen zu spielen abstösst (S. 59), hätte der Heraus-
geber vielleicht ('S. 133) erwähnen mögen, dass Deutschlands ältestes Seebad der An-
regung Lichtenberg's seine Entstehung verdankt. — Litterarisch sind Humboldts
Briefe an Nicolovius, die kein Geringerer als Haym601) veröffentlichte, noch be-
deutender, wenn sie auch nicht so wie das Tagebuch die „innere Form" von Humboldts
Geist aufdecken. Sie dienen vielmehr, wie H. (S. VIII) schön sagt, dazu, „seine
eigenartige Persönlichkeit, wenn nicht durch neue Züge verständlicher, so doch
durch die Wiederkehr der wohlbekannten — wie ein bedeutendes Gesicht bei einer
neuen Aufnahme — anschaulicher zu machen". Es handelt sich um die geistige
Wiedergeburt Preussens nach Jena, um die Organisation der geistigen Wehrkraft,
vermöge deren Humboldt neben Scharnhorst tritt. Er klag-t, dass er „um Hardenberg
in den ersten Posten keinen Menschen von wahrem Kopf sehe" (S. 25), hält ins-
besondere Schuckmann, um den doch Goethe sich so bemüht hatte, seinem Posten
keineswegs gewachsen (S. 36 usw.) und fordert deshalb ein gut organisiertes
Kollegialministerium (S. 37): „Bei allem Regime ist das erste und wichtigste die
Form ; das zweite die Personen ; das dritte das einzelne Handeln". Der ganze
Brief 16 (S. 36/7), der diese charakteristische Stelle enthält, ist überhaupt für
Humboldts Urteil über Preussen von der grössten Wichtigkeit. Daneben kommen
der Bund (S. 42), die katholischen Angelegenheiten (S. 49), de Wette und die
Evangelische Kirchenzeitung (S. 50) zur Diskussion und vor allem natürlich gelehrte
Personalia: die Akademie der Wissenschaften (S. 10), Oken, Schömann und Thibaut
601) (IV lc:20.) |[A. Schröter: BLU. S. 758; O. Harnaclt: PrJbb. 78, S. 521 2.] | - 602) B. Gebhardt, Wilh. v. Hum-
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (4)23
IV 5:602-621 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
(S. 15), Vater und sein „Herumtreiben in barbarischen Sprachen" (S. 29—30), Kohlrausch
(S. 30), Ilgen und der verhängnisvolle Druckfehler (S. 33), Koreff (S. 48). An der
„siechenden Berliner Universität" (S. 26) ist Humboldt geneigt zu verzweifeln: „Ich
sehe wie Sie, dass die Berlinische Universität mehr noch als untergeht" (S. 36), und
resigniert kehrt er zu seinem Agamemnon (S. 38) zurück. Ein erster Anhang bringt
(S. 90/1.) Jugendbriefe Humboldts an seinen Freund Beer, die ihn mitten in philo-
sophischen Grübeleien zeigen (Mendelssohn S. 97; Darjes S. 105; Kant schreibe
nicht dunkel S. 110; Fleiss der Göttinger Studenten S. 69; Alexander schreibt in
hebräischer Kurrentschrift S. 114). Der zweite Anhang (S. 120 ff.) enthält acht Briefe
Humboldts aus den J. 1809—10 an Achim von Arnim (S. 120, 128), an F. A. Wolf
(S. 121, 129—30: Süvern S. 123; Fichte, Tralles S. 124). H.s Anmerkungen berichten
(S. 61) über Zeller und die Pestalozzische Methode in Preussen, worüber inzwischen
Dilthey im Artikel „Süvern" der ADB. so lehrreich gehandelt hat (S. 61), über
Humboldts philosophisches Studium (S. 112/3); Leitzmanns Anzeige fügt dazu noch
einige Nachweise hinzu. Hier haben wir den grossen Volkspädagogen, der (S. 6)
von sich selbst bezeugt: „Ich habe nur zwei Rücksichten. Die erste ist ein Postulat
in weiland Kantischem Sinne. Um auch nur für den Augenblick mit Wirksamkeit
handeln zu können, muss man annehmen, das Wirken sei für die Ewigkeit. Die
zweite ist etwas solider. Erziehung ist Sache der Nation, und bereiten wir, (was
aber nur mit grosser Behutsamkeit geschehen muss) vor, dass wir der Kräfte des
Staats mehr entraten können, und die Nation mehr in unser Interesse ziehen, so
können wir, was uns anvertraut ist, auch unter manchen Stürmen erhalten, und
brauchen es, selbst im Fall des äussersten Unglücks, nur anderen Händen zu über-
geben. Denn dass wir persönlich uns unter keiner Bedingung vom Staate trennen
würden, versteht sich von selbst". — Aber neben dem Volkspädagogen stehen, zwei
seiner Elemente selbständig entfaltend, der Diplomat und der Aesthetiker. Jenen
zeigt ein Vortrag von Gebhardt602-603), diesen eine Veröffentlichung Leitz-
manns604): er bringt den wichtigen Aufsatz zum Abdruck, in dem Humboldt Frau
von Stael einen französischen Auszug des ästhetischen Versuchs über Hermann und
Dorothea giebt. 605) — Ansprachen, die W. von Humboldt im „Verein der Kunst-
freunde im preussischen Staat" hielt, giebt ein Zeitungsartikel 605a) wieder. —
Auch als eigentliche Pädagogen werden uns eine ganze Reihe hervor-
ragender Männer vorgeführt: Jean Paul von Konrad Fischer606), Schopenhauer
von R e g e n e r 607), E. M. Arndt von Keferstein 608), F. A. Lange 609) von
E lliss en 6l0_6n), — Pädagog ganz und gar war Chrn. G. Salzmann, dessen
Krebsbüchlein abermals eine populäre Ausgabe erlebt hat; in seinen Anmerkungen,
die dem Bedürfnis genügen, weist S c h r e c k612) auch diesem von der Phantasie doch
wahrlich nicht irregeleiteten Autor einen der bekannten „Widersprüche in der Kunst-
dichtung" nach: er nennt dasselbe Mädchen erst „Kordelchen", dann „Luischen"
(S. 169 Anm.).613-613a) — Als „Anweisung zu einer unvernünftigen Erziehung der
Kinder" würde mancher wohl auch des älteren Witte Erziehungsbericht angesehen
haben, Fr. Ukert z. B., der nach Geigers614) Mitteilung spöttisch an Böttiger
über den „argen Bettler" von Vater und das „Wunderkind" von Sohn schreibt; der
letztere Ausdruck scheint damals noch neu und ungebräuchlich. — Böttigers
eigene Berufungsgeschichte erzählt ebenfalls Geiger615) und zeigt dabei den Herrn
Ubique in dem ganzen Glanz seines listenreichen Umherspürens und Vorteilchen-
machens. — Der Schleswiger C. Chrn. Tadey, von dem Carsten s616) berichtet, und der
Gothaer A. M. Schulze, nach Schumann617) ein Schüler W. Heys, zeichnen sich
dagegen durch eine eifrige und vielseitige Schulthätigkeit aus, die durch litterarische
Bestrebungen ergänzt wurde.618619) — Ob man den Vf. des Struwelpeter, den
P o p p enb e r g620"620a) warmherzig bespricht, den Pädagogen zuzählen darf, wird
boldt als Gesandter in Wien (1810—13). Vortr. Referat: SBHGBerlin. (an MHL. 22), S. 2/3. (Vgl. auch VossZg. N. 128.) —
603) X w- v- Humboldt als Gesandter in Wien: Didask. N. 63. — 604) A. Leitzmann, E. vergess. franz. Aufsatz W. v. Hum-
boldts: ZVLE. 7, S. 268-91. — 605) X E- Nostitz-Rieneck, B. Episode aus d. Leben d. Grafen Leo Thun. Graz, Styria.
28 S. M. 0,45. — 605a) D. Ver. d. Kunstfreunde im Preuss. Staat: VossZg. 26. Juli. — 606) Kon r. Fischer, J. Paul.
1. T. Leben u. Lehren Jean Pauls. Levana, 1. Abt. 2. Aufl. (= Klassiker d. Paed. Her. v. G. Fröhlich. N. 9.) Langen-
salza, Schulbuchh. 316 S. M. 3,30. — 607) Fr. Regen er, Schopenhauers Ansichten üb. Erziehung. (= PZSF. N.38 [Bd. 7,
Heft 3].) Wiesbaden, Behrend. 40 S. M. 0,60. — 608) H. Keferstein, E. M. Arndt als Päd. Langensalza, Beyer & Söhne.
62 S. M. 0,75. — 609) X F- A- Lange, Ueber d. Zusaramenh. d. Erziehungssysteme mit d. herrschenden Weltanschauungen
verschiedener Zeitalter: MhCoraeniusG. 3, S. 107-27. - 610) O. A. Ellisen, F. A. Lange als Päd. u. Philos.: ib. S. 210-27.
(Vgl. IV lb:476.) — 611) X R- Hochegger, D. Bedeutung d. Philos. d. Gegenw. für d. Päd. (= PZSF. N. 32/4.) Gotha
(Wiesbaden, E. Behrend). 132 S. M. 1,80. |[E. v. Sallwürk: DBllEU» 21, S. 38.J| — 612) Chr. G. Salzmann, Krebsbttchlein
od. Anweiff. zu e. Unvernunft. Erzählung d. Kinder. Her. mit Einl. u. Anrn v. E. Schre'ck. (= ÜB. N. 3251/2). L., Reclam. 12°. 171 S.
M. 0,40. — 613) X K- Markscheffel, Berth. Sigismund. Sein Leben u. Scharfen als Arzt, Päd., Dichter u. Volksschrift-
steller. Progr. Weimar. 54 S. — 613a) X L- Fränkel, B. Sigismund: ZDÜ. 8, S. 551. — 614) L. Geiger, E. zeitgenöss.
Stimme über d. Wunderkind Witte: Euph. 1, S. 386. — 615) id., Böttigers Berufung nach Berlin: ib. S. 350-65. — 616) C. E.
Carstens, C. Chrn. Tadey: ADB. 37, S 341/2. — 617) A. Schumann, Ad. M. Schulze: ib. S. 325/8. — 618) X F- Röm-
held, C Jul. Römheld. E. Lebensbeschreib. St., Greiner & Pfeiffer. VI, 94 S. M. 1,20. (Mit Bildn. u. einigen Beigaben
aus d. litt. Hinterlassensch.) — 619) X (1 2:12.) — 620) F. Poppenberg, Struwelpeters Vater: ML. 63, S. 1240/1. —
620a) X O., D. „Struwelpeter''-Hoffmann: FB1W. n. 261. — 621) L. Jenzig, Adam als Erzieher: DPB1. 27, S. 218-20. —
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5 : 622-631
manchem zweifelhaft sein; ich bleibe bei der,, philiströsen" alten Anschauung- und
halte ihn für einen Verderber, zwar nicht des kindlichen Gemütes, wohl aber des
kindlichen Geschmacks. —
Ein Volkserzieher ist er jedenfalls nicht geworden; „Reinbrandt als Erzieher"
hätte sonst der herrschenden Formlosigkeit noch heftiger seinen Schönheitskultus
entgegensetzen müssen. Für ihn fehlt auch diesmal unter den Vertretern von
Zeitkritik und Volkserziehung nicht ein Nachfolger: J e n z i g 621); ob
aber in seinem „Adam als Erzieher" unter den vielen satirischen Anspielungen sich
ein ernster Gedanke verbirgt, konnten wir nicht ergründen. Vielleicht ist es auch
parodistisch gemeint, wenn er (S. 18) von der „Ueberlieferung Mosi" und (S. 23/4)
von „Carthesius" spricht; ich weiss es nicht, und vielleicht lohnt es sich gar nicht,
es zu untersuchen. — Schon unseren ersten Volkserziehern ging es so, dass sie es oft
schwer machten, Ernst und Spott zu scheiden. Aus Hamanns Schriften622), meinte
Lichtenberg, werde die Nachwelt vielleicht allerlei herauslesen, woran der gute Mann
nie gedacht habe. — Justus Moser, auf den wir hier zurückkommen müssen,
hat sich durch die klare feste Einheit seines ganzen — von einem Anonymus623)
nicht schlecht beleuchteten — Wesens vor Missverständnissen leidlich ge-
schützt.624"626) —
F.L.Jahn ist in solchen Miss Verständnissen fast untergegangen. Schult-
heiss627) hat in seinem sehr verdienstlichen Werk das Bild des Turnvaters wieder er-
hoben und in seiner Entwicklung vorgeführt. Vielleicht vernachlässigt er es etwas zu
sehr, ihn aus dem ganzen breiten Boden der Zeit hervorwachsen zu lassen, stellt ihn nicht
historisch genug mit verwandten Erscheinungen zusammen; es bleibt doch aber auch in
dieser Hinsicht ein bedeutender Fortschritt. Er erzählt von Jahns Jugend und trägt
kein Bedenken, seinem Helden aus der Führung eines falschen Namens einen sittlichen
Vorwurf zu machen (S. 21). Dann analysiert er g-eschichtlich Jahns erstes Schriftchen
in seinem preussischen Staatsgefühl (S. 23) und zeigt die hohe Vorstellung auf, die
Jahn von Würde und Wichtigkeit der hochdeutschen Schriftsprache hatte (S. 33); in
der Verehrung der uralten Mutter- und Heldensprache ruft er zuweilen die Erinnerung
an den Enthusiasmus der Sprachgesellschaften wach. Der Tug'endbund wird (S. 38)
verteidigt, der doch H. von Kleists Spott in der „Hermannsschlacht" nicht so ganz
abschütteln kann, so trefflich er gedacht war. Dann wird (S. 45 ff.) das Buch über
das deutsche Volkstum in ausgezeichneter Analyse mit Recht als „der Schlüssel zu
Jahns Wesen und geschichtlicher Bedeutung" aufgefasst. Unrichtig ist es, wenn hier
zuerst der Gedanke der Völkerpsychologie gefunden wird (S. 60), den nach Vico und
Montesquieu vor allem W. von Humboldt so bestimmt erfasst, den Herder so eifrig
vorg-edeutet hatte; gut wird dagegen Jahns Verhältnis zu Fichtes Reden (S. 69) klar
gelegt. Die Wirkung des Büchleins wird (S. 70/1) in ein paar Strichen skizziert; dann
eilt der Vf. zu Jahns berühmtestem Werk. Wohl ist der „Turnvater" keineswegs der
erste, der die Einführung von körperlichen Uebungen in den öffentlichen Unterricht
forderte (S. 81), aber er hat einen g-anz neuen Geist, eine ganz neue Bedeutsamkeit
in diese Gymnastik gelegt (S. 101/2). Wie über die Wirksamkeit der Freischaren (S. 85),
zu deren Anregern Jahn gehörte (S. 83), so gehen freilich auch über die Wirkung
der Turnübungen die Meinungen auseinander; der hohe moralische Ertrag beider
Einrichtungen ist doch ernstlich nicht zu bezweifeln. Wunderliches lief bei Jahn
leicht mit unter, in der Schriftstellerei freilich vor allem : die „Runenblätter" bleiben
ein „Grillenspiel" (S. 90). Aber wie gesund Jahns Auffassung war, der Turn-
unterricht solle neben dem Schulunterricht als selbständige Schulung stehen (S. 104/5),
wie sehr er einem Bedürfnis der Zeit entgegenkam, das sich heut erneut (S. 109),
das zeigen die vielen Klagen über körperlichen Verfall und Entartung in der Gegen-
wart.628"630) Auch seine Abneigung gegen die Fremdwörter (S. 111) ist wieder
modern, und mancher Chauvinist würde sich auch mit der „Hamme" gegen Frankreich
(S.. 116) befreunden. Damals aber, als Jahn die Turnfreude gegen den sentimentalen
Genuss der Schicksalstragödie (S. 121) ausspielte, mussten Goethe, Arndt, sogar das
Ministerium in Preussen über die Bedenken wegsehen, die Jahn selbst erweckte
durch eine seltsame Mischung von Humor (S. 117) und geschraubtem Pathos; bis
dann mit Steffens Kampf gegen Passow (S. 124/5) der Umschlag eintrat, der Sieg der
Restauration über die Freiheitskämpfer, zu denen doch Steffens selbst gehört hatte.
Nun kam rasch der Sturz vom tarpejischen Felsen: die Objektivität des Referenten,
622) X ?• Demmler, J. G. Hamann. Aussprüche ans seinen Schriften ges.: NB11EU. 23, S. 12-38. — 623) D., J. Moser:
NatZg. N. 18. — 624) X L. Berg, J. Moser: VossZg«. N. 1/3. - 625) X ▼• Bryk, J. Moser: ÜL&M. 71, S. 343. —
626i X Edm. Lange, J. Moser: BLU. S. 209-13. — 627) F. G. Schultheiss, F. L.Jahn: Sein Leben u. seine Bedeutung.
(= Geisteshelden. Her. v. A. Bettelheira. 7. Bd.) B., E. Hofmann & Co. VII, 198 S. M. 2,00. I[L. R. Leder: Presse
N. 139; WeserZg. N. 17072.]| — 628) X M. Nordau, Entartung (JBL. 1893 I 12:389-96; IV 5:633,6). [F. Jodl: DLZ.
S. 13813; QR. 178, S. 1-30 J| — 629) X id > Degönerescence. Trad. par Aug. Dietrich. 2 Vol. Paris, Alcan.
Fr. 7,50; 10,00. — 630) X »• Franceschini, M. Nordau in d. Klemme: NWienTBl N. 248 - 631) X K- Sturmhoefel,
(4)23*
IV 5:632-634 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
E. Th. A. Hoffmanns (S. 142), konnte Jahn nicht vor der Wut der Demagogen hetze
retten, und was man in seiner Natur nur von Fehlern finden konnte — wenig- war
es nicht (S. 147) — , das ward ihm nun zum Verhängnis. „Seine ganze Art, der
Ueberschuss körperlicher und geistiger Energie, das Vorwiegen des Willens über
Verstand und Phantasie führte ihn darauf hin, in einem praktischen Leben sich zur
Geltung zu bringen. Das Turnwesen beweist seine Fähigkeit zu organisieren, zu
leiten, zu herrschen — aber es galt doch ihm selbst nur als Vorbild eines öffentlichen
Lebens im grossen. Erst ein freies politisches Gemeinwesen, wie es Jahn stets
forderte, hätte ihm den rechten Platz gewähren können; Naturgaben, Erziehung,
Erfahrungen stempelten ihn zu einem politischen Agitator, zu einem Volksredner — ,
aber dieser sein eigentlicher Beruf konnte in dem damaligen Preussen nur in einzelnen
Proben sich zeigen" (ib.). Nun gar in Gefangenschaft, unter Aufsicht! „Das Still-
sitzen fiel ihm schwer" (S. 152). Endlich kommt denn auch die Befreiung; für sein
Turnen geht ein günstiger Stern auf (S. 165/6), und nach seinem Tode sollte es sich
zeigen, wie reiche Saat er ausgesät hatte (S. 175/6). So schreitet die Erzählung zu
tröstlichem Ende fort, einfach, nicht zu apologetisch, und nur durch den Zwang der
Motti vor jedem Kapitel zuweilen (wie bei dem wenig passenden Chat S. 162; S. 13
und 23 wird Goethe ungenau citiert) aus der rechten Bahn gelenkt. In den
Anmerkungen erörtert Seh. (S. 192) die Frage der drei Farben; aus der Turnfehde giebt
er (S. 194) ein paar charakteristische Proben. Wohlunterrichtet ist er durchaus,
seines Gegenstandes voll, dabei ohne Fanatismus; und so wird sein Buch hoffentlich
leisten, was die Vorgänger .nicht konnten: den wirklichen Menschen Jahn statt der
Idealfigur oder des Zerrbildes seinen lieben Deutschen nahe bringen. 63,_632) — Eine
einzelne Episode aus Jahns Leben erzählten die Schönburgischen Geschichtsblätter633):
wie er der Einweihung eines Turnplatzes in Waidenburg beiwohnt. Von einer An-
sprache Jahns wird (S. 31) ohne genauere Angaben berichtet. —
Zu einer ganz anderen Natur gelangen wir jetzt. Auch P. de Lagarde hat
Anfeindung eher herausgefordert als gescheut und vermieden; eine geringe aber
begeisterte Zahl von Anhängern bilden seine Leibgarde, sogar gegen jede Kritik.
Ist so schon das Urteil über ihn selbst erschwert, weil das Uebermass der Ver-
götterung provociert, so wird es doppelt schwierig, über seine Biographie zu reden.
Schwer und peinlich ist es, als kühler Referent über ein Buch urteilen zu sollen,
dass so ganz aus warmer Liebe hervorgeflossen ist wie die von Anna deLagarde 634)
geschriebenen Erinnerungen aus dem Leben ihres Gatten. Glücklicherweise habe ich
über das Schriftchen selbst wenig anderes zu sagen, als dass es eben die schlicht und
liebevoll veranstaltete Gedenkschrift der treuen Lebensgefährtin Lagardes ist, an-
spruchslos und durch mannigfache Mitteilungen aus Briefen und Erinnerungen höchst
dankenswert (Lagarde über das Beten S. 21; über die „Lumpentheologie" S. 33; „die
schäbige Reformation des 16. Jh." S. 28; Ewald S. 22; Joh. Schulze S. 59; Fiesko
„zeigt den sonst so viel mit hohlen Phrasen arbeitenden Schiller als Kenner
menschlichen Herzens und unmenschlich-menschlicher Politik" S. 43; Hamlet und
Byrons Sardanapal ib.; Lagarde als Lehrer S. 51; seine körperliche Kraft S. 53:
„Wenn ich einen üblen Ausgang der Kraftproben besorgte, z. B. als er einmal zwei
riesengrosse Schränke ganz allein von einer Wand nach der andern umstellte, dann
fertigte er mich, ganz unangestrengt, damit ab, man müsse nur den Schwerpunkt
treffen"). Aber nur natürlich ist es, dass ich mit der unbedingten Bewunderung
nicht übereinstimmen kann, doppelt begreiflich bei einer Kampfnatur wie Lagarde,
deren Verteidigung oft genug nur auf Kosten anderer durchzuführen ist. So würde
ich den bekannten Brief an Napoleon III. (S. 97/8) unerwähnt lassen, wenn die Vf.
nicht zur Rechtfertigung Lagardes die Briefe Mommsens und Sybels (S. 98) heran-
gezogen hätte. Thatsächlich liegt die Sache aber da ganz anders: die beiden Historiker
hatten dem Kaiser Dank abzustatten, bei Lagarde war das in keiner Weise der Fall;
und sie baten um nichts, er aber — um einen Orden. Erklärt man das (S. 99) für eine
Jugendthorheit ohne Bedeutung, so lassen wir das gern gelten, müssen aber doch fragen,
wie Lagarde bei einem anderen Briefsteller geurteilt hätte. Er betont selbst zwar mit allem
Nachdruck, man dürfe nur auf das Ganze, nicht auf Einzelheiten sehen, wenn man Menschen
beurteilen wolle (S. 123); er selbst hat aber in seiner Polemik niemals Bedenken ge-
tragen, aus Einzelheiten jeder Art weit gehende Schlüsse auf den Charakter zu ziehen.
In welch mindestens sonderbarer Weise hat er sogar (z. B. in „Aus dem deutschen
Gelehrtenleben") Kleinigkeiten aus vertraulicher Unterhaltung oder Korrespondenz
noch nach Jahren zur Begründung von strengen Gesamturteilen verwandt! Freilich
fällt dies mit vielen anderen Erscheinungen unter eine grosse Rubrik: es gehört zu
Lagardes unglaublichem Mangel an Selbstkenntnis. Es ist ihm nie eingefallen, zu
P. L. Jahn: BLU. S. 449-52. — 632) X K. Frost, Vater Jahn: NorddAZg. N. 269. — 633) Turnvater Jahn in Waidenburg.
(Naeh Aufzeichn. v. Zeitgenossen): SchönburgGBll. 1, S. 26. — 634) Anna de Lagarde, Paul de Lagarde. Erinnerungen
H. Mi Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts. IV 5:635-647
untersuchen, ob denn Er den an alle Welt gestellten Forderungen genüge; darin ist
er durchaus Theologe. Er verlangt immer wieder mit schönen, beredten und tiefen
Worten Kaum für Persönlichkeit, für Individualität (S. 2b, 32, 41, bes. S. 29); aber
nie hat er einer fremden Persönlichkeit gerecht zu werden verstanden. Der Gelehrte,
der in seiner Kritik so streng ist, erlaubt sich persönliche Anfeindung bis nahe an
die Grenze der Verleumdung auf den unsichersten Grundlagen. Hierfür giebt gerade
der Fall Koediger (S. 128/9), den die Vf. zu seiner Entlastung anführt, einen bezeichnenden
Beleg. Lagarde hat einfach angenommen, ein Gutachten müsse von dem Orientalisten
Koediger verlässt sein; er hat dafür schlechterdings keinen Anhalt als seine Ver-
mutung. Nun weist der Sohn Koedigers ihm nach, dass er geirrt hat; Lagarde er-
klärt dies denn auch öffentlich, fügt aber, durchaus unberechtigt, die Behauptung
hinzu, er habe dem Professor ohne seine Schuld Unrecht gethan (S. 129), und betont
dabei in irreführender Weise, dass ihn ein offizielles Aktenstück dazu verführt habe
— ein offizielles Aktenstück allerdings, das er doch aber in rein privater und un-
offizieller Weise interpretierte, das ihm zu der von ihm geäusserten Autorschafts-
vermutung durchaus keine offizielle Berechtigung bot! Dennoch ist an Lagardes
gutem Glauben auch hier nicht am geringsten zu zweifeln, er hatte von sich so oft
die treffendsten Ansichten über solche Fragen gehört, dass er sich unbedingt auch
die richtige Praxis zutraute, wie gute Kunsttheoretiker meinen, ihre Bilder müssten
doch jedenfalls gut gemalt sein. Die tiefe, fast kindliche Naivetät, die in solchen
Widersprüchen hervortritt, gewinnt uns schliesslich aber mehr für den Mann, als
diese selbst uns verletzen. Der übertriebene Kultus, den man auch an sein frisches
Grab, wie an das von F. Th. Vischer und anderer bannen wollte, wird solche Schwächen
hochmütig bestreiten; die milde Liebe seiner Biographin durfte sie übersehen. An
Vischer erinnert Lagarde übrigens auch, wenn er unverhohlen (S. 44) einige Barbarei
wünscht und damit in die Kette jener Aussprüche einmündet, deren bekanntester
Heinrich Leos Wunsch nach einem rechtschaffenen Kriege ist. Und diesem selben
Geist ist gleich darauf (S. 45) die zarteste der Künste, die Musik, mehr noch als die
Gelehrsamkeit! Ganz sentimental schildert er (S. 95) das alte Wetzlar. Man glaube
nicht, dass eine ursprünglich weiche Natur nur durch Berufungsgeschichten (S. 33,
62/3; S. 83) verbittert worden sei — denn die Verbitterung ist (trotz S. 139) wohl
doch nicht ganz bei einem Manne zu bestreiten, der Deutschland nahe daran sieht,
ins Nichts zu versinken (S. 135). Jene Missgeschicke waren hart, obwohl schliesslich
noch Grössere als Lagarde ebenso schlimm oder schlimmer gefahren sind: ich nenne
nur Lagardes Lieblinge Moltke und Jakob Grimm. Aber sie wurden doch durch
grosse und frühe wissenschaftliche Erfolge g*emildert, und durch persönliche Tröstungen,
wie sie nicht jedem unbeförderten Gelehrten zu teil wurden. Auch dass der schwere
Druck des pietistischen Vaters alles verschuldet haben soll, scheint uns eine Erklärung,
die das angeborene Naturel Lagardes zu gering einschätzt. Er gehört zu den vielen,
die einen unbefriedigten Ehrgeiz für die sichere Bürgschaft eines von der Welt unter-
drückten Herrschertalents halten, und war hart, wo man an diese Saite rührte; er
gehörte zu den wenigen, die die Menschen mit wahrer Leidenschaft liebten, und
wechselte im Urteil über die Menschheit, über die deutsche Nation vor allem mit
echter Leidenschaft zwischen liebender Verkennung und tiefstem Erfassen. Dass sein
Ringen nicht unbelohnt blieb, mochte auch sein wissenschaftliches Lebensziel nicht
erreicht, sein politisches ganz verfehlt werden, das beweist dies Buch: wir sehen
hier, dass sein schönes Gebet erhört ward: „Lieber Gott, gieb uns Menschenblumen,
Rosen so gut wie Disteln, auch" etwas Sonnenschein und blaue Luft von oben und
aus der Zukunft zu trinken" (S. 29). — Neben diesem Buche verschwindet, was andere
zur Biographie635"636) oder zur Beurteilung Lagardes63") schrieben.638) —
Mit V. Hehn ist es nicht viel anders. Einer schreibt einen Auszug aus
Schiemanns639) Lebensbild640), mehrere aus Anlass dieses Buches Betrachtungen
über ihn641"644), Steig645) und Rieh. M. Meyer646) suchen die grossen Linien in
seiner Entwicklung auf — aber was will das schliesslich alles besagen, sobald ein
neues Buch von dem alten Meister selbst erscheint. Die Reisebilder aus Frankreich
und Italien647) waren ja schon stückweise in der AZgB. erschienen, und in dieser
Form hatten wir sie schon besprochen; nun aber, da sie als geschlossenes Buch vor-
liegen, wirken sie thatsächlich wie eine neue Erscheinung. Hinzugekommen ist aus
Hehns Papieren eine glänzende „Geschichte Italiens in Deutschland, d. h. der Meinungen
ans seinem Leben. Göttingen, Dieterichsche Uniy.-Bnchh. 191 S. M. 2,00. |[AkBll. 9, S. 229.JJ — 635) X — r~. Paul de
Lagarde, Einiges aus seinem Leben: TglRsB. N. 214. — 636) X P- Cauer, P. de Lagarde, Erinnerungen. (S. o. N. 634):
DWB1. 7, S. 551. — 637) X Chrn. Gross, Paul de Lagarde u. d. Eelig. d. Zukunft: DEBU. 19, S. 229-58. — 638) X P- de
Lagarde, Dtsch. Schriften. 2. Reihe, Heft 4 (JBL. 1893 1 1:158): BLU. S. 637,8. — 639) (I 2:36.) |IH. Grimm: DLZ.
S. 940/2; LCB1. S. 1244/5.JI — 640) Aus d. Leben V. Hehns: KYZg. N 468. — 641) X K. Frost, V. Hehn: NorddAZg. N .327.
— 642) X 0- Immisch, V. Hehn: BLU. S. 609-12. — 643) X V. Hehn: VomFels z. Meer 2, S. 46. — 644) X M. Haber-
landt, V. Hehn: WienZg. N. 146,7. — 645) B. Steig, V. Hehn: NatZg. N. 612. - 646) B. M. Meyer, V. Hehn: ML. 63,
& 1480,3. — 647) Y. Hehn, Beisebilder ans Italien u. Frankreich. St., Cotta. XX, 372 8. M. 5,00. [BaltMschr. 41, S. 582/8;
IV 5 : 648-651 R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderts.
der Deutschen über Italien" ('S. V): Italien und Shakespeare als deutsche National-
idole (S. VI), Ursachen dieser „heiligen Lüge" (S. VII), dieser „absoluten Anbetung-
Italiens" (S. VIII), Firmen der Italomanie (S. IX), Wilh. Müller als Typus (S. XIII),
Umschwung- (S. XIX). Seh. selbst vergleicht diese älteren Reisebilder (S. VI, XIX)
einsichtig mit dem späteren Werk über Italien; ich muss gestehen, dass das Buch,
das er uns neu geschenkt hat, mir lieber ist als jener etwas gezwungene Kodex
paradigmatischer Vorbewunderung Italiens.648) — Die Begeisterung für Italien und
die Antike, für Goethe und Bismarck teilt mit Hehn ein ihm sonst nicht allzu sym-
pathischer anderer Vertreter der ästhetischen Nationalerziehung: H. Grimm, den ein
Landsmann Emersons, Stearns, in begeisterten Worten als Propheten des deutschen
Idealismus und der neuen, germanischen Kulturepoche feiert649). —
Trat schon in diesen Männern: Lagarde, Hehn, H. Grimm, der Gegensatz
gegen die „Menge" und die idola fori stark hervor, so sind sie doch alle, jeder in
seiner Art, Heroenverehrer und durch diese Form des Ahnenkultus von den radikalen
Au tonomisten getrennt. Deren schroffster Typus ist M. Stirn er, von Ola Hansson650)
glücklich zum Heros der Heroenfeinde gemacht. H. charakterisiert nur ausschliesslich
sich selbst mit dem Geständnis, es werde einem schwer, Stirner und Nietzsche aus-
einanderzuhalten (S. 94). Wo er Stirners Buch (S. 94 ff.) in ausführlicher Analyse
wiedergiebt, referiert er nicht schlecht; wo er (S. 119) sämtliche Aphorismen Nietzsche
auf einen einzigen Tropfen Quintessenz — das egoistische Prinzip — auspressen will,
da zeigt sich der Hypermoderne als atavistischer Definitionsanbeter. So geht es mit
ihm überall: er ist ein altmodischer Populärphilosoph, der den Mantel nach dem
neuesten Winde hängt und das Rosenöl der „wesentlichen Charakterzüge" aus einer
voll lebenden Persönlichkeit nach gut scholastischer Methode aus Nietzsche auspresst,
wie Hegelianer es aus Goethe oder Napoleon heraus gedrückt haben. Ueberhaupt ist
eine bewegliche Natur für ihn unfassbar; den starren Stirner, der sich auf Ein Apercu
vereidigt, versteht er nicht schlecht, den „Metaphysiker des Anarchismus" (welche
Definition freilich auf buddhistische Philosophen noch viel besser passen würde). Und
weil Stirner sich mit dem breiten Auseinanderlegen Einer Idee begnügt hat, so hatte
er es leicht, friedlich zu sein und der „schmerzlosen Entwicklung" der neuen Welt
(wie H. auf S. 136 meint) im voraus zuzustimmen: die Frage der Verwirklichung lag ja
überhaupt schon ausserhalb seines Horizonts. —
Die Vorstellung, als müsse ein „Anarchist" ein blutdürstiges Ungeheuer
sein, kann nichts besser widerlegen als Bruno Willes651) „Philosophie der Be-
freiung". Es sind gutmütige Träumereien einer kindlichen Natur, die alle Zweifel
an einer besseren Methode der Erziehung dadurch zu widerlegen glaubt, dass sie
(S. 106 ff.) in einem — Zukunftsbild aus dem 22. Jh. die Angaben über „blühende
Gesundheit" oder glänzende Kenntnisse in Sperrschrift druckt. Wer kann den
Argumenten eines Mannes widerstehen, der unter den günstigen Wirkungen der
amerikanischen Freiheit dies anführt : „Schon die Kinder entwickeln diese Tugenden,
so springen sie zuweilen spielend auf den sausenden Eisenbahnzug und wieder ab"
(S. 237). Ist dieser modern-idyllische Zug nicht allein eine zwingende Ueberredung
zum amerikanischen Glück? Dieselbe entwaffnende Harmlosigkeit aber, die in der-
gleichen Kleinigkeiten hervortritt, beherrscht das ganze Buch. Sie zeigt sich in der
rührenden Kritiklosigkeit, der Bahr (S. 248) ein virtuoser Psycholog, Mackay (S. 375)
ein Schriftsteller von „blendender Dialektik" und der „Buddhistische Katechismus"
(S. 126 usw.) eine zuverlässige Quelle ist. Sie zeigt sich in der Unbefangenheit,
mit der Spinoza oder Tolstoi (S. 31), Nietzsche und Laotse (S. 188), J. Moser (S. 188)
und Heinse (S. 199) neben den unerträglichsten Agitationsschmökern citiert werden
wie Gleiche neben Gleichen ; der „Lichtgeist Wekhrlin" (S. 203) vertrüge trotz seinen
Vorzügen solche Gesellschaft schon eher. Sie zeigt sich in dem rührenden Ver-
trauen, mit dem W\ glaubt, bei einem „allgemeinen Drängen der Ackerbauer nach
den fruchtbarsten Ländereien, der Bergleute nach den ergiebigsten Bergwerken"
(S. 379) werde sich der Streit glatt durch eine vernünftige Vereinbarung schlichten
lassen. Diese Harmlosigkeit macht das Buch freilich aber auch so flach, wie es ist.
Kein Gedanke wird ausgedacht, kein Begriff vertieft. „Mein Ziel ist der freie Ver-
nunftmensch" (S. 11, vgl. S. 28, 39) — als ob nicht z. B. Christentum und Aufklärung
und Socialdemokratie ebenfalls „die wahre Freiheit" und „die wahre Vernunft" auf
ihr Programm setzen könnten! „Absolute Gewaltlosigkeit" wird zwar (S. 112/3)
verworfen, wie aber die Freiheit der Zukunft gehütet werden soll, darüber macht
WT. sich noch viel weniger als französische Anarchisten (wie Jean Grave in seiner
„Societe future") eine Vorstellung. In der Stimmung, aus der das Buch hervor-
Grenzl). 2, S. 429-31; H. Grimm: DRs. 80, S. 155/6.] | — 648) X L- Friedländer, V. Hehn, Kulturpflanzen u. Haustiere.
6. Aufl. (JBL. 1893 1 4:13): DRs. 81, S. 314/6. — 649) E. Amerikaner übor H. Grimm: DRs. 78, S. 155,7. — 650) 0.
Hansson, M. Stirner. (= TS. 464, S. 91-136.) — 651) B. Wille, Philosophie d. Befreiung durch d. reine Mittel. Beitrr. z,
R. M. Meyer, Didaktik des 18./19. Jahrhunderte. IV 5:652-654
gewachsen ist, kann man ja viel Berechtigtes finden: dass die „Gesetzesseuche"
(S. 237) eingedämmt werden muss, dass die Socialdemokratie (S. 299—300) nur eine
neue Form der Gewaltherrschaft anstrebt, dass die „Ethischen Gesellschaften" in
ihren Predigern leicht ein intolerantes Pfaffentum entwickeln können (S. 258/9), — das alles
wird man leicht billigen; aber wer den Individualismus predigen will (S. 40 Anm.j,
der muss doch etwas mehr Individualität besitzen als dieser wohlwollende, breit und
oft geschmacklos („Ströme unsichtbaren Blutes vergiesst er tagtäglich" S. 206)
predigende Landpastor anarchistischer Konfession. 652) — Etwa denselben Standpunkt
eines idyllischen Anarchismus vertritt mit mehr Geist das merkwürdige Büchlein
„Vom Baume der Erkenntnis"653). Wer nur die zahlreichen, hübsch und einfach
erzählten Geschichtchen, besonders des VII. Abschnittes (Lebensphilosophie und Um-
gangsregeln S. 327 ff.) liest, der würde einfach glauben, eine zeitgemässe Erneuerung
von des alten J. J. Engel „Philosophen für die Welt" vor sich zu haben; die
Schilderung des Gymnasialdirektors und seiner Frau (S. 426 ff.), oder die von dem
zu gut verheirateten Pastor (S. 414) oder gar die Grossstadtidylle (S. 447) sind ganz
in seinem Geschmack. Und dann tönt plötzlich in leidenschaftlichen Apostrophen
(S. 319) oder direkten Reminiscenzen (S. 315) die Sprache La Mennais herein! La
Mennais und J. J. Engel! Eine wunderbare Mischung, die man aber begreift, wenn
man das entscheidende Losungswort des Anonymus hört : „Zurück in den Bedürfnissen!"
(S. 320). Oder, wie er es altvaterisch erläutert: „Drei Dinge das wichtigste auf
Erden sind: Ein eigenes Heim, ein braves Weib und ein guter Imbiss auf dem
Tische" (S. 55). Wie Rousseau will er eine Zurückentwicklung, und der Anarchist
berührt sich in dieser Forderung mit dem Hochtoiy: während ein Socialdemokrat
wie Lux 654) nicht nftide wird, gerade in der Entwicklung der grossen Städte den Triumph
der modernen Entwicklung zu sehen (Lux, S. 124/5), wiederholt unser anarchistischer
Anonymus das Feldgeschrei des Bismarck von 1848, Lagardes und ihrer hoch-
konservativen Genossen: „Vernichtung der grossen Städte" (S. 459)! Und wie man
hier sieht, dass der sanfte Moralprediger, der so witzig und hübsch über die Ehe
spricht (S. 395 ff. ; über das von Jacobsen in Frau Fönss, von C. Busse in den „Jugend-
stürmen" behandelte Problem der zweiten Ehe S. 408) und so nett altmodisch den
Weihnachtstisch von 1619 gegen den von 1891 ausspielt (S. 190), auch recht
stürmisch sein kann, wenn eben statt des Philosophen für die Welt der „Gläubige"
seine Worte spricht, so hören wir ihn denn auch, ganz radikal Todesstrafen gegen
seine „Volksfeinde" aussprechen (S. 127). Er will die Aufhebung des Staates
(S. 135); wie die englischen Independenten oder die amerikanischen „Missourier" in
kirchlicher, will er in v/eltlicher Hinsicht die Gemeinde zum alleinigen Träger der
Ordnung machen: „Die regierende Gewalt muss in die Gemeinde verlegt werden,
dass jedes Mitglied seine Angelegenheiten selbst besorgen kann. Das natürlichste
Recht geht dir verloren, wenn du nicht fort und fort Gebrauch davon machst"
(S. 137) — womit an die wichtigste aller politischen Systemfragen, die der Vertretung,
gerührt wird. Im Grunde geht aber der Vf. über den Gemeinde - Anarchismus noch
hinaus und kommt zu Stirners Individualchaos: „Was mir gesund ist, das thu ich.
Was mir nicht gesund ist, das unterlasse ich. Das ist mein Gesetz, mein Gebot.
Das Gesetz bin Ich. Der Staat bin Ich. Die höchste Autorität bin Ich" (S. 328).
So auch in moralischer Hinsicht: „Es fragte einer: Muss ich immer die Wahrheit
sagen? Du kannst ungestraft vor den Leuten lügen, aber nicht ungestraft vor dir
selber" (S. 304). Dennoch wird diese unbedingte Autonomie des Individuums durch
altruistische Rücksichten eingeschränkt: „Du darfst nichts besitzen, was ein anderer
nicht auch hat" (S. 288). Es gilt doch also nicht unbedingt, dass der Mensch für
sich und nicht für andere da ist (S. 48) ! oder dass es, wie Vf. einmal gut Sumerisch
sagt, „nichts mehrgiebt" (S. 138). Es giebt sogar eine künftige Religion (S. 274 ff.),
in der Gott einen gewissen Platz behält (S. 322) ; es giebt eine zukünftige Gesellschafts-
ordnung nach dem „Tag der Erkenntnis" (S. 468) und eine Kunst der Zukunft, zu
der in Heinses Ton (S. 387) aufgerufen wird. Aber Nationalitäten giebt es dann
nicht mehr (S. 139, 470); der Individualismus hört eben bei der Einzelperson auf
und gestattet der Kollektivpersönlichkeit nicht mehr, sich geltend zu machen. Bei
solchem Radikalismus kann der Vf. natürlich über Egidy und Frau von Suttner
(S. 355) nur wohlwollend lächeln; der Socialismus ist ihm eine neue Verkleidung
des alten Wahns (S. 141). Und dieser Hypermoderne schwärmt dann wieder für die
einfachen Geburtshäuser Schillers, Goethes, Fichtes, Jean Pauls, für Mozarts, Beethovens,
Luthers Zimmer (S. 57), verwirft den Pessimismus als Schwäche (S. 364) und Zola
und Ibsen als Geistesroues (S. 356). Das Buch, dessen Vf. wohl ein Arzt (S. 256)
Päd. d. Menschengeschlechts. B., S. Fischer. VIF, 399 S. M. 5,00. |[VossZg" N. 30; P. Barth: BLU. S. 436'7.]| — 652) X
Schriften v. Anarchisten (Mackay — B. Wille): Grenzb. 4, S. 95 6. — 653) V. Baume d. Erkenntnis. Verbotene Früchte e.
freien Geistes. Basel, Schweiz. Verl.-Dr. 16°. VIII, 471 S. M. 4,50. — 654) U. Lux, Et. Gäbet u. d. Ikarische Kon»-
IV 5:655-672 IV 6:1-2 Erich Schmidt, Lessing.
aus der Schweiz (S. 461) oder aus Bayern (S. 457) ist, der Helmholtz Adelserhebung
(S. 88) ironisiert und Schopenhauer überwunden hat (S. 237, 250, 261, 356, 466),
bildet ein so charakteristisches Symptom einer bestimmten, seit einiger Zeit sich
stärker hervordrängenden G eistesrichtung, wie mir noch keins vorgekommen. Von
der modernen Kultur übersättigt wie Rousseau, aber ohne sein Pathos, sind diese
Männer kulturhistorische Eklektiker, die mit der Sitteneinfalt des Urchristentums
die Geistesbildung Fichtes und mit einem radikalen Weltbürgertum im Sinne der
französischen Revolution das stille deutsche Heim Ludwig Richters vereinigen möchten.
Das Werkchen, dem Tolstoi das Motto schenkte, und das danach in Deutschland
nicht gedruckt werden konnte, bietet nichts desto weniger für den Geistesstand der
besten Kreise gerade des deutschen Volkes, für ihre Zeitkritik und die Ideale ihrer
Volkserziehung ein für den Kulturhistoriker unschätzbares Dokument. —
Die gleiche idyllische Stimmung, dieselbe Feindschaft gegen den modernen
Staat mit seinem Militarismus findet man auch in jener, von unserem Anarchisten so
gutmütig belächelten Friedensbewegung655-656); die gleiche Stimmung, dieselbe
Feindschaft gegen die moderne Kirche mit ihrer religiösen Polemik in Egidys
Anhängerschaft657-660), die er ja gleichfalls mit der der Frau von Suttner zusammen-
stellt.661-662) Aehnliche Stimmungen trafen wir bei Riehl, bei Lehrs; es fehlen da-
neben freilich auch nicht sogar theologische Rektorreden663), die den Krieg begeistert
als den Vater aller guten Dinge feiern. — Den bestimmtesten Ausdruck findet diese
ganze Strömung aber in der „Ethischen Bewegung", die Krieg und Klassenhass,
staatliche und kirchliche Engherzigkeit auf dem Wege der Erziehung beseitigen
möchte. Ihr Kulturideal beschreibt Jo dl664), der es historisch auf Kant (S. 3) zurück-
leitet und die Entwicklung von Nordamerika her665) vorführt, • um zum Schlüsse
(S. 18) die Uebereinstimmung mit Kant nochmals zu betonen. Ueber ihre Organi-
sation666) und ihre Erziehungsaufgaben handeln andere Aufsätze; wieder andere be-
urteilen die ganze Bewegung667-669), — oder einzelne Erscheinungen derselben670),
meist in ziemlich skeptischer Weise, aber ohne die edeln Absichten zu verkennen671).
Ihrem Hauptvertreter in Deutschland, G. von Gizycki, hat Bolin672) ein Denkmal ge-
setzt und auf sein Grab die Fahne der Hoffnung gepflanzt. Und ist es nicht an
sich schon ein erfreuliches Zeichen, dass die ethische Verbesserung als solche wieder
von grossen Vereinigungen auf die Fahne geschrieben wird? und nicht ein charak-
teristisches, dass wir mit der Belehrung der Menge durch den einzelnen Didaktiker
anfingen und mit dem zur Ausbildung des eigenen Selbst vereinigten Bund
schliessen können? —
IV, 6
Lessing.
Erich Schmidt.
Ausgaben N. 1. — Briefe N. 3. — Leben N. 5. — Voltaire N. 9. — Dramen N. 10. — Antike N. 27. — Laokoon
N. 28. — „Tod" N. 30. — Dramaturgie N. 31. — Psychologie N. 36. — Thtologie N. 38. — Ernst und Falk N. 40. —
Politik N. 41. —
Ausgaben. Lachmann an Lehrs1), 3. April 1838: „Bin ich nicht
ein Narr gewesen, dass ich mir den Lessing habe aufladen lassen? Hab' ich aber
auch wissen können, dass die Texte so niederträchtig' schlecht sind." Wieviel nachzu-
bessern blieb, zeigt wiederum Munckers2) zehnter Band, der zunächst die zweite Hälfte
der Hamburgischen Dramaturgie bringt, mit sehr konservativer, bisweilen zu behutsamer
munismus. St., Dietz. XII, 294 S. M. 1,60. - 655) X G. Stoy, Weltfrieden: Kritik 1, S. 588-94. — 656) X B- Grellin g,
Krieg d. Kriege: ib. S. 133/6. — 657) X M. v. Egidy, Leitworte. B., Vereinig, z. Verbreit. Egidy scher Gedanken. 12°.
13 S. M. 0,10. |[BBG. 30, S. 177/8, 443; Grenzb. I, S. 424-34.|J - 658) X D- „Volksschrift", „Einiges Christentum" v. Egidy:
AELKZ. 26, S. 132/3. — 659) X M. v. Egidy, Vorurteil — Ideal: Zuschauer 2, S. 443/9. — 660) X H. Schmidkunz,
Egidys Fortschritte: ib. S. 167-74. — 661) X °- v- Leixner, Laienpredigten fär d. dtsch. Haus. Ungehaltene Reden e.
Ungehaltenen. B., Ver. d. Bücherfreunde. IV, 252 S. M. 4,00. |[KonsMschr. S. 1217/9; A. Schroeter: BLU. S. 612/4.JJ —
662) X M. Carriere, Relig. Reden u. Betrachtungen für d. dtsch. Volk v. e. dtsch. Philos. 3. verm. Aufl. L, Brockhaus.
1893. XXVII, 365 8. M. 7,00. |[R. Weitbrecht: BLU. S. 382/3.JJ — 663) X (I 1 : *•) — 664) F. Jodl, Was heisst eth.
Kultur? (= SGV. N. 191.) Prag, (Uaerpfer). 18 S. M. 0,30. - 665) X W. Wendlandt, Eth. Kultur auf deutsch-allg.
Grundlage: AkBll. 8, S 118-21. - 666) X F. Jodl, Eth. Kultur u. soc. Organisation: MDGesEthKult. S. 29-42. — 667) X
E. Urteil über d. eth. Ges.: DPB1. 27, S. 107/8. — 668) X D- etn- Bewegung: Grenzb. 1, S. 61/9. — 669) X D- eth- Bewegung:
FrB. 5, S. 1058-64. — 670) X^urn- Morgenstern, D. Eisenacher Zusammenkunft z. Förderung d. eth. Bewegung: Zu-
schauer 2, S. 185/7. — 671) X Jnl. Schiller, D. Sittlichkeitsbewegungen in Deutschland: BG1. 15, S. 285-94. — 672)
W. Bolin, G. v. Gizycki: VossZg. 6. Okt. —
1) (IV lc:71; 1, S. 252.) — 2) F. M u n c k e r , G. E. Lessings sämtl. Schriften. Her. v. K. Lachmann. 3. aufs
Erich Schmidt, Lessing. iV 6 i :j-io
Textbehandlung' (S. 31, 41, 109, 217, aber 81) und sorgfältiger Korrektur der fehlerhaften
spanischen Citate unter Farinellis Beistand. Dann nach Meusels Apollodor die bereits
von Schöne und Blümner gut revidierten Antiquarischen Briefe, wo mir die Not-
wendigkeit einer späten Variantengruppe fraglich ist und über das italienische Ripp-
papier Genaueres zu sagen wäre, da es ein paar hs. Entwürfe ganz oder teilweise
datieren hüft: Schlaftrunk, Matrone, G. Cooper. Vom deutschen Noverre nur der
Titel. S. 223 aus der Hainburgischen Neuen Zeitung die sehr dürftige, mit einem
langen Citat beschwerte Anzeige der Oden Ramlers, die Lessingen gewiss so fremd
ist wie die ihm von Weilen zugewiesene, aber von Muncker gleich mir abgesprochene
Kritik Hausens. Die Notiz (S. 225) über das Amtsjubiläum J. G. Lessings mag ein
gefälliger Bekannter des Sohnes verfasst haben. — Von Ausgaben ohne neue wissen-
schaftliche Recensio und von einheimischen oder ausländischen Einzeldrucken für die
Schule, denen keine beachtenswerten Erläuterungen beigefügt sind, sehe ich grund-
sätzlich ab. —
Briefe. An Heyne, 23. Okt. 1778 über Hamburg, Bibliothekarisches,
Whistons Primitive Christianity ; mit trefflichen Noten von Michels3). — Ein Göttinger
Bücherzettel vom 8. März 1777 wurde bei A. Cohn in Berlin am 21. Mai versteigert3"). —
Von der Korrespondenz mit Eva gab Dorf fei4) einen billigen Nachdruck. —
Leben. Mehrmgs Buch vom Vorjahr fand allerlei feuilletonistische Nach-
klänge, die festzuhalten unnütz ist. Für die Hamburgische Zeit muss natürlich der
an anderer Stelle zu würdigende zweite Band von Litzmanns5) „Schröder" besonders
berücksichtigt werden; auch S. 213, 237 zu späteren Jahren. — Ein Brief Gleims an
Gerstenberg6), 15. Febr. 1767 (nicht 1762, wie im Katalog S. 11 steht), wurde am
21. Mai bei A. Cohn in Berlin versteigert: „Im vorigen Sommer war Lessing ein
Paar Tage bei mir, und da priess er mir zuerst die Merkwürdigkeiten1. Neulich
war er in Hamburg, vor ein Paar Tagen gab er von seiner vorseyenden Nieder-
lassung in Hamburg mir die erste Nachricht. Eine Schande für unsere Berliner
Patrioten, dass sie diesen fürtrefflichen Mann auch des Landes verweisen! Denn
zuverlässig nicht der König, der einmahl kein deutsch kann, sondern diese Patrioten
sind Schuld, dass er nicht bleibt." — Aus einem wohlbekannten kleinen Vortrag
von 1878 über die Guelferbytana, ihr Wachstum, ihre Leiter, ihre Einrichtungen hat
0. von Heinemann 7), der Berufenste, ein neues, auch für Laien gut lesbares
Buch gemacht, Lessings Amtsführung kritisch würdigend, mit lebhafter Polemik
gegen Stahr und dem Schein, als seien alle Biographen so befangen wie dieser.
Wozu schreibt man denn, wenn die Nächstbetedigten es ignorieren! S. 104 eine
Abbildung der alten Rotunde und des Lessinghauses. — In einem hübschen Feuilleton
bespricht Förster8), Thomsons Brief vom 8. Dec. 1773 wiederholend, die erst
1781 am kaufmännischen Schützenhaus des Breslauer Zwingers angebrachte, neuer-
dings mit dem Gebäude zerstörte Inschrift „Mercurio telis certanti", deren Lessing-sche
Herkunft allerdings mehr als zweifelhaft ist. —
Köster9) wies nach, dass Stück 15 der von mir 1892 neugedruckten
V o 1 1 a i r e - Uebersetzung schon 1751 in Gottscheds „Neuestem" erschienen ist; und
zwar rührt der 1. Teil im Aprilheft von Lessing- her, der 2. im Maiheft von einem
anderen Dolmetsch. Ob er wirklich 1751 einen Beitrag an Gottsched zu schicken sich
überwand und dann auf eigenmächtige Aenderungen des Leipzigers hin abbrach,
oder ob Durchsteckereien und Zufälle im Spiel waren, ist unklar. Albrecht würde
natürlich ein Plagiat erblickt haben. —
Dramen. Ueber den Thränenerfolg der Sara vergleiche man noch
Gleims10) Brief vom 2. Dec. 1755. — Philo tas: Litzmann11) bespricht eine erfolg-
lose Reprise mit Betty Reimers. — Horoskop : Spruch und Vatermord wollte Erich
Schmidt12) in einem kurzen Vortrag auf der Wiener Philologenversammlung 1893
von dem „Mathematicus" des Hddebertus Turonensis (s. nun Cloetta 1, S. 114;
Creizenach 1, S. 43) ableiten, doch erwies Creizenach13) sofort die 4. Declamatio
Quintilians als gemeinsame, in Lessings Orakel wörtlich benutzte Quelle. — Minna:
Ueber die Bühne, Ackermann als Werner, schrieb Li tz mann14). — Emüia: Für die
Scene II 6 giebt C. von K lenze 15), für die Lösung ein Aufsatz aus dem Nachlass
neue durchges. u. verm. Aufl. Bd. 10. Stuttgart, Göschen. XI, 438 S. M. 4,50. (Vgl. JBL. 1893 IV 6 : 1.) — 3) V. Michels,
E. Brief Lessings an Heyne: Euph. 1, S. 305y9. — 3a> (I 3:38.) — 4) E. Dorf fei, Briefw. zwischen Lessing u. Eva König.
Mit Einl. u. Anm. 2 Bde. (= Cottasche Bibl. d. Weltlitt. N, 256, 258.) St., Cotta. 210, 194 S. Mit Bildn. M. 2,00. — 5) B.
Litzroann, F. L. Schröder. E. Beitr. z. dtsch. Litt.- u. Theatergesch. 2. T. Mit 4 Portrr. in Heliograv. Hamburg, Voss.
XII, 313 S. M. 8,00. — 6) (I 3:38.) — 7) (I 3:274.) |[P. Z(immermann): BräunschwAnz. N. 210. || — 8) R Förster,
„Mercurio telis certante": ScblesZg. N. 234. — 9) A. Köster, Lessing u. Gottsched: Euph. 1, S. 64-71. — 10) (IV lc:30,
S. 49; vgl. auch S. 78: Götz errät Lessing als Urheber von Litteraturbriefen.) — 11) (=: K. 5, S. 285.) — 12) Erioh
Schmidt, Zu Lessings „Horoscop." (= I 8:86a, S. 370.) (Vgl. F. Detter: ZDPh. 26, S. 400.) — 13) W. Creizenach:
ZDPh. 27, S. 110. - 14) (= N. 5, passim.) — 15) C. v. K lenze, Emilia Galotti II 6: MLN. 9, S. 427-31. — 16) A. Kober-
stein, Ueber d. befriedigenden Schluss e. Tragödie mit bes. Bezieh, auf Stücke v. Lessing, Schiller, Goethe u. Shakespeare
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschiohte. V. (4)24
IV 6 : ißa-30 Erich Schmidt, Lessing.
August Kobersteins 16j keine neuen Gesichtspunkte. — Niemeyer 16a) stellt in anspruchs-
loser Weise die bekannten Aeusserungen der Berliner, Herders usw. zusammen. —
Den scheinbaren Widerspruch, dass Emilia dem Prinzen sie wisse nicht was geant-
wortet haben will, dieser aber ihr völliges Schweigen hervorhebt, erörterte schroff
Schöne17) mit Hinweisen auf Inkongruenzen in der Ilias und bei Dionysius
(Coriolan). - lieber die Bühne handelt Litzmann 18). — Gottfried Kellers,
in der autobiographischen Skizze (Kl. Schriften) drollig erwähnte, knabenhafte Nach-
ahmung erörterte B a e c h t o 1 d 1!,j : „Der Freund" 1837. — Nathan : G. Paris Legende
de Saladin (JBL. 1893 IV 6:24) besprach Tobler20). — R. Köhlers0-1) Bemerkungen
über die der Parabel verwandten Gedichte Schubarts und Vossens gingen mit Nach-
trägen in seine Aufsätze ein. — Genaue Erörterungen über die Caesur der Blank-
verse brachte die Korrespondenz2^ zwischen Zarncke und Lehrs, in Zusammenhang
mit der bekannten Studie des ersteren. — J. G. Pfranger fand in Albrecht23) einen
pietätvollen Darsteller, der den „Mönch" breit analysiert, geistliche Lieder mitteilt
und zeigt, dass „vom Libanon der heilige Mann" mit der Stellaparodie, jenem
groben 6. Akte, gar nichts zu schaffen hat. — Düntzer24) erfreut sich einer neuen
Auflage. — In der bis zum Ueberdruss von links und rechts abgehandelten Judenfrage
zeigt sich Dominicus25) weit unbefangener als der Rhetor B rasch26) mit
seinem Hymnus auf Moses-Nathan. —
Die gewichtigste Gabe ist Kont s27) Buch über Lessings Verhältnis zur
Antike, dem ein 2. Band folgen wird, nicht durch neue geistreiche Beleuchtung
der oft behandelten Probleme, sondern durch sorgsame klare Einzelforschung. Wir
können seinen Leitsatz über Lessing „II connatt l'antiquite en erudit" auf ihn selbst
übertragen. Er ist gut unterrichtet, beherrscht das antiquarische Rüstzeug und
zeigt sich auch mit der deutschen Lessinglitteratur wohl vertraut. Das 1. Kapitel,
über die klassischen Studien im 18. Jh., bringt uns wenig und schweift auch über
den Zweck hinaus. Die folgende Disposition, streng nach Gattungen, hat neben
manchem Vorteil auch Schäden für die historische Entwicklung und die Totalität.
So kommen hier nur die auf Poesie bezüglichen Teile des Laokoon zur Sprache, aber
von den bildenden Künsten ist noch gar nicht die Rede. Nirgends auch wird
Lessings Beschäftigung mit der Fabel in den Gang seiner ästhetisch-historischen
Studien und seines dichterischen Schaffens eingegliedert. Durchweg zeigt sich K. in
der Analyse der Forschungen Lessings glücklicher als in der Kritik des Poeten.
Immer spricht ein Bekenner der klassischen Bildung-, der die Grundfragen lessingisch
beantwortet, ohne auf ein eigenes Urteil zu verzichten. Das 2. Kapitel über das
Drama, bisweilen mit langen Auszügen belastet, geht der Reihe nach die Komiker
und Tragiker durch, stets im Hinblick auf den heutigen Stand der Wissenschaft, und
legt u. a. einsichtig dar, was den Verehrer des Plautus und des Sophokles von
Aischylos und Aristophanes fern hielt, sein Urteil über Seneca, seine fliessenden
Ansichten über Euripides bestimmte. Er verfolgt dann an der Hand der Dramaturgie
Lessings Stellung zur aristotelischen Poetik, z. B. einsichtig die Uebersetzung und
Ausdeutung der Definition des Trauerspiels erörternd. Die plautinischen Versuche
werden etwas kahl abgethan, und wir vermissen eine Charakteristik des Modernen
in tragischen Entwürfen wie Kleonnis, Alkibiades, Spartakus. Das 3. Kapitel über
das Epos gilt vor allem den Homerstudien im Laokoon, der Kühle gegen Vergil
und pflichtet gläubiger, als heute Brauch ist, den Gesetzen Lessings bei. Das 4. ist
der Lyrik gewidmet, scharf gegen die „Kleinigkeiten" und Oden, aber zu register-
mässig in der Würdigung und ohne eingehendes Quellenstudium, die Anakreontik
überhaupt mehr streifend als, wie schon W. Schlegel es vortrefflich gethan, von der
hellenistischen Nippespoesie aus charakterisierend; dagegen erweist sich K. als
geschulter Führer im Bereiche der „Rettungen des Horaz." Wer sich ernstlicher
mit Lessing beschäftigt, wird dieses solide Werk zu seinem Gewinn studieren, das
ein neues Zeugnis dafür ablegt, welche ernste Pflege die deutsche Litteratur in
Frankreich geniesst. —
Zu empfehlen ist Valentins28) knapp eingeleitete, zweckmässig illustrierte
Ausgabe des Laokoon. — In beliebter Schulweise misst Becker29) einen
Abschnitt des Reinecke an Lessings Grundsatz. —
A. von Sanden30) sucht die Abhandlung über den Tod seinen Primanern
ZDU. 8, S. 441-64. — 16a) Ed. Nienieyer, Beleuchtungen d. Trauersp. „Emilia Galotti": COIRW. 22, S. 68-80, 201/4. —
17) A. Schöne, Zu Lessings „Emilia Galotti" : ZDPh. 26, S. 229-35. — 18) (= N. 5, S. 218-20.) - 19) J. ß a e c h t o 1 d , Gottfr.
Kellers Lehen. Seine Briefe u. Tagebücher. 2 Bde. 1819-61. B., Hertz. VII, 460 S.; VII, 544 S. M. 14,00. (Vgl. 1, S. 14.)
— 20) Ad. To bl er: ASNS. 93, S. 164/6. - 2i) (15:1, S. 73/5.) — 22) UV lc : 71 ; 2, S. 723-39.) - 23) (IV 5:36/7.) — 24) H. D ü n t i e r ,
Lessings Nathan d. Weise. 4. Aufl. (= Erläuterungen z. d. dtsch. Klassikern. N. 34/5. L., Wartig. 12°. 343 S. M. 2,00. — 25) J.
Dominicus, Lessings Stellung z. Judentum. Dresden, Glöss. 39 S. M. 1,00. — 26) M. B rasch, Zwei Freunde. Vortr.
geh. am Todest. Lessings im Ver. für jüd. Gesch. u. Litt. L., Weigert. 16 S. M. 0,50. — 27) J. Kont, Lessing et l'antiquite.
Et. sur l'hellenisme et la critique dogmatiqne en Allemugne au XVIII. sieclo. Tome I. Paris, Leroux. VII, 214 S.
|[H. Blümner: DLZ. S. 1609.]| — 28) (I 6:57.) — 29) T h. Becker, Lessings Laokoon u. d. Kleinode in Reineke Fuchs:
ZDU. 8, S. 571/7. — 30) A. v. Sanden, Lessings Abhandl. Wie d. Alten d. Tod gebildet. Analysiert u. erweit. Progr.
E. Naumann, Herder. IV 6:31-42 IV 7 : l-s
zu ersehliessen durch eine gegen den älteren Abdruck in den ZDTT. (1, S. 484/8)
erweiterte Analyse, Hinweise auf Herder, Auszüge aus Roberts „Thanatos", lose
Bemerkungen über antike Vorstellungen vom Nachleben ; im Anhang Sprachliches. —
Schilling31) verbittet sich jede nicht vom rein pädagogischen Standpunkt
aus gegebene Kritik seines langatmigen Vademecum zur Dramaturgie — ich
behalte also meine Skrupel für mich und bezeichne rasch weitergehend Leons32)
,, Populäres Hand- und Nachschlagebuch für Bühnenschriftsteller, Schauspieler, Kritiker
und Laien" als ein Gemengsei von Excerpten, das keinem frommt. — Aeusserst
abgeschmackt ist die Rederei, die Rost33) den Dramaturgen in der Kneipe verüben
lässt. — Auf Litzmanns34) „Schröder" sei nochmals mit allem Nachdruck hin-
gewiesen. — Hartmanns Abhandlung über Merope im italienischen und französischen
Drama hat Koschwitz35) streng recensiert. —
Reiche Anregungen für die Psychologie Lessings, Mendelssohns,
Jerusalems bietet Dessoir36) an manchen Stellen seines Buches: über die aus
Lust und Unlust gemischten Gefühle (S. 345 Mitleid; vgl. Dessoirs37) Recension
des Sommerschen Buches [JBL. 1892 I 11:2]), die Zusammenhänge des Psychischen
und des Physischen (Huarte, Home, Burke); S. 325 über das psychophysische
Problem im 3. Stück der Dramaturgie (Zorn), die Reizlehre des Laokoon; S. 403
über die Stelle von den Gespenstern im 11. Stück der Dramaturgie; S. 146, 175 ff.,
300 zu den Fragen des Determinismus, der Psychometrie, der Metempsychose;
S. 81, 193 — Tierpsychologie — Reimarus, dem übrigens am 22. Dec. als dem
200. Geburtstage manche populäre Artikel gewidmet wurden. (Vgl. IV 5 : 18— 20.) —
Theologie: Zahlreiche teils positive, teils aufklärungsfrohe Anzeigen
von Erich Schmidts (JBL. 1893 IV 6 : 38) Neudruck 38) der Streitschriften Goezes.
— F. W. Robertsons Vorrede zu einer Uebersetzung der „Erziehung" hat Charlotte
Broicher39) in ihrer trefflichen Bearbeitung des Brookeschen Werkes ver-
deutscht. —
Zu „Ernst und Falk" ist jetzt Boos40) zu studieren. —
Den Politiker Lessing findet man in einer aus dem J. 1867 stammenden Rede
Baumgartens41) einfach, klug, mit Sympathien sogar für das Weltbürgertum
gewürdigt: S. 217 ff. „War Lessing ein eifriger Patriot?"42) —
IV,7
Herder.
Ernst Naumann.
Feier zum 150. Geburtstage N. 1. — Geistesleben: Einzelheiten N. 8; biologische Forschung N. 22; Deutschtum
N. 24. - Sprache N. 25. — Werke N. 27. -
Eine glänzende Feier1"7) hat die Stadt Mohrungen dem Andenken Herders
zu dessen 150. Geburtstage bereitet. Eine die ganze Bevölkerung der Stadt,
Behörden, Schulen, Gewerke, Vereine umfassende Festversammlung stellte sich am
25. Aug. vor dem Herderhause (JBL. 1890 IV 10:1; 1893 IV 7:1/2) auf, welches
jetzt durch eine Tafel mit der Inschrift geschmückt ist: „J. G. von Herder ist in
diesem Hause geboren am 25. Aug. 1744, er starb als Präsident des Oberconsistorii zu
Weimar am 18. Dec. 1803. Ihm, dem gediegenen Schriftsteller, Dichter, Philosophen
und Orientalisten, zum Andenken und der Jugend in Mohrungen zur Nacheiferung."
Vor dem in einem gegenüberliegenden Garten stehenden Herderdenkmal (Bronze-
büste von W. Wolff), einer Stiftung von Verehrern des Dichters, die bei Gelegenheit
Posen (Merzbach). 4°. 28 S. M. 1,00. — 31) G. Schilling, Dramaturg. Propädeutik im Anschl. an Lessings „Hamb.
Dramat." für d. Unterr. in Gymn.-Prima bearb. I. Progr. Züllichau. 4°. 41 S. — 32) V. L e o n , Dramaturg. Brevier. E.
popul. Hand- u. Nachschlagebuch für Bühnenschriftsteller, Schauspieler, Kritiker u. Laien. 2. Aufl. München, RubinTerl. 12°
VIII, 136 S. M. 0,60. — 33) B. Rost, Ekhof u. Lessing: LZgB. N. 103. - 34) (= N. 5.) — 35) E. Koschwitz
Gottfr. Hartmann, Merope im ital. u. franz. Drama. (= Münch. Beitrr. z. roman. u. engl. Philologie N. 4. Erlangen u. L.,
Deichert. 1892. VIII, 96 S. M. 2,00): DLZ. S. 14. — 36) (III 5:54.) — 37) M. Dessoir: VWPh. 18, S. 249-59. —
38) X L. Geiger: HambCorr» N. 7; V. Schnitze: ThLB. 17, S. 30; M. J. C. S chm id t : ASNS. 92, S. S. 421/2; A.
Chfuquet]: RCr. 37, S. 213/4; W. Walther: ThLBl. 15, S. 272 : B Seuffert: DLZ. S. 973/5; Fr. K au f f m an n:
ThLZ. 19, S. 641/2 ; F. Poppenberg: Nation». 11, S. 61,2 ; G. E[llingerJ: NatZg. N. 59. — 39)CharlotteBroicher,
St. A. Brooke, F. W. Robertson. Frei bearb. Mit e. Vorw. v. E. F r o m m e 1. 2. gänzl. neu gearb. Anfl. Gotha, Perthes.
XXVI, 520 S. Mit Bildn. M. 7,00. — 40) (I 4:93.) - 41) H. Baumgarten, War Lessing e. eifriger Patriot? (1867.)
(= IV lb:3, S. 217-35.) — 42) X (I 3:156.) —
1) X Mohrunger KreisZg. N. 101. — 2) X KönigsbHartungZg. N. 200. — 3) X AltprZg. N. 200. — 4) X DanzZg.
N. 20912. — 5) X Osteroder Kreis- u. Anzeigebl. N. 100. - 6) X VossZg. N. 397. — 7) X TglRs. N. 204. — 8) X H.
(4)24*
IV 7 : 9-ie E. Naumann, Horder.
der Säkularfeier 1844 angeregt wurde, hielt Rektor Fleischer die Festrede. Er skizzierte
zunächst den Entwicklungsgang Herders, soweit Mohrungen daran Anteil hat und
verteidigte ihn gegen den Vorwurf, dass er seine Vaterstadt bald vergessen habe.
Wie Herder sich noch in späteren Jahren des Pfarrers Willamovius erinnerte, so
habe er auch oft der lieblichen Naturschönheiten seiner Heimat gedacht, z. B. des
Paradieserwäldchens und des Mohrungsees, die nunmehr der Kultur haben weichen
müssen; auf den Mohrungsee bezieht sich sein Gedicht: Flieht ihr meine Jugend-
träume. Nach einer Würdigung von Herders Legenden — „Der gerettete Jüngling1'
wird durch einen Volksschüler deklamiert — , werden Herders Verdienste um die Volks-
poesie, die Bedeutung der „Ideenu, seine Stellung als Priester der Humanität und
seine deutsche Gesinnung hervorgehoben. Die Stadtverwaltung hat der Grossen
Kirchenstrasse, in der Herders Geburtshaus liegt, den Namen Herderstrasse gegeben.
Eine Enkelin Herders, die Gattin des Ophthalmologen Professor Kuhnt aus Königs-
berg wohnte der Feier bei, Rigaer Herderfreunde nahmen durch Glückwunschschreiben
teil. Der zweite Festtag, zugleich Stiftungsfest des evangelischen Jünglings Vereins,
der seinen Sitz im Herderhause aufgeschlagen hat, galt Herder als Geistlichem und
Seelsorger. Nach der Festandacht in der alten Mohrunger Kirche, in der schon der
jugendliche Herder Gottes Wort gehört hat, entrollte wieder vor dem Herderdenkmal
Prediger Bowien Herders Lebensbild als Muster für deutsche christliche evangelische
Jünglinge und Männer und zeichnete ihn als Altmeister der Vereinsbestrebungen,
mit denen thatsächlich der Dichter des „geretteten Jünglings'1 manche Beziehungen
hat. Ein anderer geistlicher Redner knüpfte Betrachtungen an den Ausspruch in den
Ideen, dass das Jünglingsalter die Jugendblüte am Baume des Menschengeschlechts
bedeute. —
Jener Festtag hat zahlreiche Abhandlungen, Herders Geistesleben in
Einzelheiten betreffend, hervorgerufen, in denen teilweise an Altbekanntes nur erinnert
ist8"10), teilweise aber auch Herders Wirken unter fruchtbare Gesichtspunkte gerückt
wird. Ohne tiefere Kenntnis der Probleme wird Herders Lebensgang von A. von
Winterfeld11) und einem Ungenannten1'2) kurz überschaut, mit etwas weiterem Blicke
wreist Stein13) auf die Hauptrichtungen in Herders wissenschaftlicher und dichtender
Thätigkeit hin, er kennt das Doppelwesen in ihm, in dem sich Geistlicher und Dichter
vereinen, und weiss darauf Herders Abkehr von Schiller und Goethe im Sinne
Kühnemanns zu begründen; er schliesst mit der Anerkennung, dass ein gutes Stück
unserer Entwicklung auf Herders Schaffen und Ideen beruht. — Beck14) kommt zu
dem Ergebnis, Herder habe befruchtend und lebhaft anregend gewirkt, aber das
siegreiche Ausführen anderen überlassen und versäumt, seinen eigenen Werken den
Stempel der Vollendung zu geben, so dass er leicht durch dürftigere Geister in den
Hintergrund gedrängt wurde, und sich die Erkenntnis seiner tief gehenden Bedeutung
für unser geistiges Leben erst spät Bahn brach. — Ein frisches Bild, das Herder in
seiner Jugendkraft, in der ersten Fülle und Blüte seiner Gaben, den fröhlich Strebenden,
in Entwürfen und Aussichten Schwelgenden darstellen soll, entwirft Suphan15) den
Mitarbeitern der Herderausgabe mit den lebhaften Farben, mit denen Herder selbst
seine Wanderjahre geschildert. Die mächtig bewegenden Eindrücke der Seereise mit
ihren Gefahren und Anregungen, den kühnen Plänen zur eigenen Bildung, zu refor-
matorischer Arbeit in Riga und Livland, den kurzen Aufenthalt Herders in Paris,
seine Rückkehr über Hamburg bis Strassburg, seine Begegnung' mit Lessing und
mit Goethe würdigt S. als Anlässe weit reichender Wirkungen und im Sinne einer
Reisecharakteristik, nicht einer Reisegeschichte; er zeigt alles Grosse, das der jugend-
liche Herder zu leisten verspricht „im Anbruch und Aufglanz, alle Kräfte in un-
gehemmter Entfaltung". — In mehreren Aufsätzen beschäftigt sich Kühnemann16)
mit einzelnen Epochen aus Herders Leben. Er führt in die engen Verhältnisse von
Herders Vaterhaus und Heimatsort, schildert seine rauhe Schulzeit, die ungesunde
Atmosphäre, die Herder bei dem Diakonus Trescho atmete, und leitet aus der Armut
und Knechtung des bildungsbedürftigen, innerer Arbeit sich wTeihenden, poetisch
empfindenden Knaben den Grund seiner späteren Reizbarkeit ab; „der verschwiegene
Groll gegen Trescho bildete für ähnliche Verhältnisse seine Seele vor." Es gilt auch
als eine Folge seiner unerquicklichen Lage, dass in Herders „Anschauungen nicht
der formende und bildende Trieb arbeitete, sie auszuprägen zum klaren Bewusstsein
seines gesamten Lebens." Weil ihm so die künstlerische Vollendung abging, band
er die Poesie an moralisierende Anschauungen fest. Als er, durch Schwarzerloh
Göldner, Z. 150. Geburtst. Herders: AkBll. 9, S. 129-30. — 9) X K. Kiesewetter, J. G. v. Herder: ÜL&M. 72, S. 954/5.
— 10) X z 150J- Geburtst. Herders: BerlBörsCour. N. 396. — 11) A v. Winterfeld, J. G. t. Herder. Zu seinem 150. Ge-
burtst.: IllZg. 103, S. 190/1. (Vgl. anch SchwäbKron. N. 198.) — 12) P. F., J. G. v. Herder. Z. 25. Aug.: LZgB. N. 101 —
13) Ph. Stein. Z. Gedächtnis Herders: SammlerA. N. 101. (Vgl. auch FrBIW. N. 230.) — 14) M. Beck, Zu Herders 150 j. Ge-
burtst.: NorddAZg. N. 395. — 15) B. Suphan, Aus Herders Frühzeit. Zu seinem 150. Geburtst. (Sonderabdr. aus WeimarZg.)
Weimar, Böhlau. 27 S. M. 0,50. |[VossZg. N. 397]| — 16) E. Kühnemann, Herders Kindheit: W1DM. 75, S. 776-80. —
E. Naumann, Herder. IV 7 i u-22
erlöst, das Studium der Medizin nicht fortsetzen konnte, vollbrachte er durch seinen
selbständigen Uebergang zur Theologie „eine tapfere, eine stolze That — ging er
weiter auf diesem Wege, so mochte aus dem schüchternen, feinem Geiste ein sein
selbst gewisser Charakter werden."- Sein Dränger wird von T seh ackert17) als
ein zwischen Pietismus und Aufklärung sich in subjektiven Stimmungen bewegender
Schriftsteller geschildert, Herder that ihm Frondienste, erlernte aber bei dem viel-
schreibenden Manne, der Beziehungen mit Vertretern der Litteratur pflegte, die Griffe
des litterarischen Handwerkes. Das Verzeichnis von Treschos Schriften wird durch
den Nachweis der „Sterbebibel oder die Kunst, selig und fröhlich zu sterben" (Königs-
berg 1762, 3 Teile; 2. Aufl. 1767) und der „Kunst, glücklich zu leben, als Wochen-
schrift zur Erbauung abgefasst (Königsberg 1765)" vervollständigt.18) — Als eine
Epoche aus Herders Seelengeschichte behandelt Kühnemann ,!)), anknüpfend an
die Ideen, dessen Stellung zu Kant und Goethe. Der Gegensatz zwischen Herders
und Kants Art, die Welt zu betrachten, zwischen ihren wissenschaftlichen Methoden
und den letzten Zielen ihres Denkens wird aus Inhalt und Anlage der Ideen und der
Kantschen Recensionen derselben abgeleitet. Herder ruhte aus in der wohligen Em-
pfindung der geschauten Bilder, in denen ihm Natur und Menschenseele, Völker und
Kulturen sich belebten. Das Erkenntnisinteresse hat sich noch nicht in sich selbst
gereinigt, es ist ein Stück des religiösen Glaubens; in allen Gebilden des Lebens
schaute Herder den sich offenbarenden Gott, unter dem Namen Gottes schliesst er
sich ab gegen die harten, unablässig weiter dringenden Fragen der Erkenntnis.
Kant wurde bewegt durch das Streben der Begriffe selbst; die Summe seiner Arbeit
bestand darin, das Verhältnis des Geistes zur Welt festzustellen. Hinter seinen
Kritiken der Ideen tauchte eine andere Wreltauffassung empor: das Ideal der Freiheit, wie
Kant es nimmt, welches die gesamte Menschheit in ihren Strebungen umfasst, die
Kantsche Idee der Geschichte, als eines Problems, das im methodischen Fortgang
der Erkenntnis sich in seinen Zusammenhängen erleuchtet. Diesen Gegner vermochte
Herders ärgerliche Abwehr nicht zu beseitigen, ein Gefühl zehrenden Grolls senkte
sich in seine Seele. Aber auch Goethe, so nahe er sich in seiner Vorstellungsart
Herdern fühlte, so fern stand er ihm doch in den Grundfragen des Denkens; das
Denken wird ihm selbst gegenständlich, aus dem Anschauen sich entwickelnd, mit
dem Anschauen eins; es besteht ein wahres Wechselverhältnis von Welt und Geist.
Bei Herder sind Gegenstand und Persönlichkeit eins in der Stärke seines Gefühls,
eine andere Meinung wird zum Angriff auf die eigene. Der Gegensatz zeigt sich
klar in Herders Annahme der unsichtbaren geistigen Kräfte, welche sich in den Er-
scheinungen der Natur offenbaren. Goethe lässt das Innere der Natur ebenso wenig
gelten wie Kant; er stellt den Geist auf sich selbst. Den tiefsten Grund des Unter-
schieds trifft die Thatsache, dass Goethe Dichter ist; er verwirklicht nach K. der
Anlage nach das Verhältnis von gegenständlichem Denken und Stil. Die Parallele
wird weitergeführt von der Erfassung der Welt bis hindurch zur persönlichen Stellung
im Getriebe des Daseins und in der beiderseitigen Freundschaft: der alte Schüler,
jetzt Herders bester Freund, steht treu an seiner Seite, aber sein Leben kehrt sich
schon im Grunde von dem Freunde fort. — Herders politisches Denken entwickelt
Kühnemann20) an dem Verhältnis der Humanitätsbriefe zur französischen Revolution,
üertlich fern dem Schauplatze der Heldenthaten des grossen Friedrich, die Lessing
und Goethe erfüllten, bildete Herder seine politischen Ansichten an dem Bürgersinn
Rigas und der Fürstengestalt Peters des Grossen; sein Urteil bewegte sich in Ab-
straktionen; diese abstrakten Ideen schienen ihm Gestalt zu gewinnen in der Revolution.
Deshalb begrüsste er sie mit Teilnahme, so dass er selbst der kleinen Monarchie, in
der er lebte, unbequem zu werden Gefahr lief. In den „humanistischen Briefen"
fasste er schnell und kräftig zusammen, was er über die Revolution im Staat und
zugleich über die Revolution der Philosophie durch die Kantsche Schule zu sagen
hatte, aber die grauenvollen Ereignisse in Frankreich überholten die Veröffentlichung
seiner Schrift, und während sie liegen blieb, strömten ihm alle die litterarischen und
moralischen Interessen zu, die er pflegte; sie fanden in seinem Humanitätsbegriff
willige Aufnahme und so gingen denn statt aus der praktischen Bethätigung des
Weltmanns vom Studiertisch des deutschen Gelehrten die Briefe zu Beförderung der
Humanität von 1793—97 hinaus in die Welt, K. fasst sie bekanntlich (JBL. 1892 IV
7 : 16) als Zeichen sinkender Kraft. Selbst die meisterhaften Stücke litterarischer
Betrachtung erscheinen ihm nur als ein Ruhen in der Vergangenheit und bei alten
Lieblingsgedanken, als Stimmungsbilder, ohne neuen Aufschwung, ohne energische
Feststellung der Grundbegriffe eines humanen Völkerrechts. Auch hier heisst es
wieder: „Er stand für sich." — Den „Christlichen Schriften" lässt Kühnemann21)
17) P. Tsch altert, Seb. Trescho: ADB. 38, 8. 574 5. — 18) O X X G . Letlau, Joh. G. Hamann als Geistesverwandter d.
Comenius: MhComeniusG. 2, S. 201-13. — 19) (IV 5:1023.) — 20) E. Kühnemann, D. franz. Revolution u. Herder. (Briefe
zu Beförderung d. Humanität): Zeitgeist N. 32. — 21) id., Herder u. d. dtsch. Klassiker: VossZgB. N. 31/3. — 22) Eng.
IV 7 : 22 E. Naumann, Herder.
volle Anerkennung zu teil werden. Er zeichnet Schillers Eintritt in das geistige
Leben Weimars, sein Ziel, das Ideal des reinen Menschen in seiner Erkenntnis auf-
zubauen, und als eine von den Früchten dieses Strebens die „anschauende Erkenntnis"
Goethes. Dieser wiederum erfuhr durch Schiller eine Bereicherung' seines Wesens
mit der Einsicht, dass allem wirklichen Erkennen philosophische Begriffe zu Grunde
liegen. Schiller trat mit den Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen
in schroffen Gegensatz zu Herders Humanitätsbriefen, er stand auf dem Boden der
Kantschen Philosophie. K. sieht in den ästhetischen Briefen und den Humanitäts-
briefen Dokumente der neuen und der älteren Generation, er lässt Kant sich mit
Schiller und Goethe zu einem Dreibunde zusammenschliessen. Noch hielten die beiden
letzteren zu Herder, im ersten Jahrgang der Hören (1795) waren sie mit ihm glücklich
vereint. Aber die Trennung von Schiller bahnte sich in Herders Aufsatz „Iduna,
oder der Apfel der Verjüngung" (1796) an, Schillers künstlerisch schaffende Natur
empfand in ihm eine widerstreitende Lebensrichtung. Dazu das aufsteigende Zer-
würfnis mit Goethe und dem Herzog um leidige Geldnot, Selbsttäuschung im Herder-
schen Hause. Der Bruch mit den Dichtern vollzog sich in der 7. und 8. Sammlung
der Humanitätsbriefe, in deren Abschnitten über deutsche Litteratur Schiller kaum
erwähnt und Goethe unbillig beurteilt wurde. „Das ermattende Leben, das die Welt
bleiben will, gegen die schaffende Kraft, in der eine neue Welt erscheint, das ist der
Gegensatz Herders gegen Schiller und Goethe." Der Groll gegen Kant spricht aus
der „Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft" und aus der „Kalligone"; siezeigen
die Schwäche des eigenen philosophischen Standpunkts; ein abgejagter Geist, dem
kein neuer Gedanke mehr kommt. „Er war von je der Mensch, der eine Welt sein
musste aus seinem Gefühl, aber nicht auswuchs in wahrer Freiheit und sich nicht
gründete in der schöpferischen Bewegung der Zeit." —
Gegen Kühnemanns 22) biologische Forschungen über Herders
Persönlichkeit (JBL. 1893 IV 7:11) macht E u g. Wolff geltend, dass wenn auch
Kant der grössere Gelehrte, Forscher, Kritiker ist, doch Herder sich als der grössere
Künstler, als schöpferischer Geist zeigt; Kant steigt durch Einzeluntersuchung' zum
Gesamtbild auf, Herder schaut intuitiv auf das Ganze hinab; Herders Lebenswerk
besteht in der Ueberwindung des Kant-Lessingschen Forschergeistes durch geniale
Tiefe. Ob die rein psychologische Biographie überall anwendbar sei, oder ob nicht
ohne Rücksicht auf die Persönlichkeit die einfache Darstellung von Lösungen
gewisser Probleme für die Wissenschaft erspriesslich sei, wird von einem Recensenten
bezweifelt; derselbe wünscht zugleich schlichtere Form der Darstellung. Kauff-
m a n n citiert Dilthey für Kühnemanns Satz, der Gedanke des Schriftstellers muss in
Erlebnisse der Persönlichkeit innerhalb der Gesamtkultur umgesetzt werden. Er
erkennt in Kühnemanns Schrift nur den Ausdruck der persönlichen Auffassung des
Vf., weist dessen Urteil über Haym mit Nachdruck zurück und zeigt, dass Kühne-
mann uns keineswegs in der Erkenntnis Herders über das Bild hinausgeführt,
welches der Historiker Haym endgültig und meisterhaft festgelegt hat; Herders
künstlerische Grossthat in der Entwicklung' des Stils ist nicht zur Geltung gekommen,
die Phantasiethätigkeit hat nicht gebührenden Raum gefunden; die Herbeiziehung
socialer Verhältnisse zur Erklärung des g-eistigen Verfalls widerspreche dem Begriff
der Biologie. Ablehnend urteilt auch Seuffert. Er ist mit Kühnemann einver-
standen, dass die Philosophie wie die Poesie jeweilig Darstellung des Geistes,
des Lebens der Persönlichkeit, der Zeit ist, dass der Gedanke kein abgesondertes
Dasein in der Welt hat, sondern nur als Blüte der Persönlichkeit existiert, jedes
Werk also nur aus der besonderen Art und Lage des Schöpfers völlig' verstanden
wird, aber die dadurch geforderte individualisierende Geschichte bleibt Ideal. Kühne-
mann macht wiederum aus dem Gedanken selbst die zur That gewordene Per-
sönlichkeit und verleiht ihm insofern doch eine Sonderexistenz. Für die Durch-
führung seiner Wissenschaftslehre ist Herder dem Vf. lediglich ein geeignetes
Beispiel; ob Herders Individualität nicht durch fremde Einflüsse g'ehemmt oder um-
gebildet wurde, darauf nimmt er zu wenig Rücksicht; S. ist nicht der Ansicht, dass
jedes Individuum sich in seiner gegebenen Eigenart unbedingt auslebe, ein Individuum
könne auch einmal etwas wollen, was seiner Individualität entgegen sei. „Den 'Ideen'
Lebenskraft und wissenschaftliche Sittlichkeit abzusprechen ist historisch und
psychologisch ungerecht und unsinnig, sowie es eine krankhafte Beschränkung des
Sehfeldes bedeutet, die Metakritik als eine rauhe, hässliche, misstönende Dichtung zu
verurteilen. Was nützt die Grundüberzeugung von dem einzigen Wert des Individuums,
wenn sie diesem nicht einmal einräumt, dass dasjenige, was es nach seinem besten
Vermögen geleistet hat, eine sittliche That auch dann war, wenn das Vermögen
nicht ausreichte oder auch die Lage nicht geeignet war zu dem, was eine andere
Individualität mit oder ohne Recht — das ist noch fraglich — für das Wahrere hält."
An Kühnemanns Stil tadelt S. Schwulst, übelangebrachte Rhetorik, Dunkelheit und
E. Naumann, Herder. IV 7 : 98-91
Unverständlichkeit; er bildet schliesslich für Kühnemann einen Satz um, den dieser
über Herder schreibt: In schwindelnder Höhe schwebt Kühnemann als der prophetische
Künder und Kündiger reiner Erkenntnis. — Naumann23) sieht in Kühnemanns
Urteil über die „Ideen" (JBL. 1892 IV 7 : 15/6) eine gewisse Einseitigkeit, er verlangt
zur Ergänzung' eine sachliche Untersuchung, welche Früchte die „Ideen", sei es dass
sie zum Widerspruch und genauer Feststellung reizten, sei es dass sie, weiter ver-
folgt und umgebildet, neue Probleme schufen, in dem Jh. gezeitigt haben, da die
Methode geschichtlicher, geographischer und naturwissenschaftlicher Forschung fest-
gestellt wurde. Die „rückschauenden Enkel" würden dann über gelegentliche
Andeutungen hinaus den Gedankenzusammenhang verfolgen können, der zwischen
jenem Werke und zahlreichen Einzeluntersuchung*en späterer Zeit besteht; sie müsster.
auch in Betracht ziehen, welche allgemeinen Grundsätze für die Bearbeitung* der
Weltgeschichte vor Herder bereits aufgestellt waren. So würde eine Frage beant-
wortet werden, wie sie Herder ähnlich im „Denkmal Winckelmanns" gelöst hat, an
welchem Punkte er die von ihm bearbeitete Wissenschaft vorgefunden und an welchem
er sie verlassen hat. Diese der Herderschen Forsch ungs weise entsprechende Frage-
stellung hätte den geschichtlichen Zusammenhang der Ideen mit Vergangenheit und
Gegenwart hergestellt. —
Die Gültigkeit eines Herderschen Ausspruches: „Die meisten seiner Aufsätze,
weil sie deutsche Dinge betreffen, lesen sich, als ob sie heute geschrieben wären",
für Herder selbst stellt Matthias24) in helles Licht; er geht die Werke durch und
weist die Gedanken nach, die deutschtümlichen, „deutschnationalen", W^ert haben.
Schon die Fragmente enthalten einen Preis der deutschen Sprache, einen Sehnsuchts-
schrei nach deutschen Originalen, sie befreien nicht nur vom französischen, sondern
auch vom Vorwiegen antiker Muster und verweisen die Deutschen auf ihr Volkstum.
Der Unterschied von Natur- und Kunstdichtung, die Forderung einer analytisch-
historischen Aesthetik in den kritischen Wäldern gehört eben dahin; nicht minder
der Hinweis auf den Germanen Shakespeare in den Blättern von deutscher Art und
Kunst. Goethe lernte von ihm, dass Dichtung- etwas wirklich Erlebtes und Empfundenes
darstellen müsse, dass die wahre Poesie nicht eine Naturkraft und der Dichter nicht
bloss Dolmetscher sei. Beim Vergleich englischer und deutscher Dichtung klagt er,
dass wir die gemeinsame Volksmeinung und Sage nicht benutzt haben, dass wir
den Zusammenhang unserer Litteratur mit der Vergangenheit zerrissen, dass der
deutsche Geist ein Mietlingsgeist g-eworden sei; ihm ist es kein Zweifel, dass Abdrücke
von edler Sitte, Tugend und Sprache in der Seele des Volkes noch verborgen liegen.
In diesem Zusammenhange gab Herder die Volkslieder heraus, wurde er Bürgers
Dichtungen gerecht. Seine zweite Epoche ästhetischer Schriftstellerei steht unter dem
Zeichen der Abkehr von dem Weimarer Zweigestirn und von Kant. Gegen Schiller
weist M. auf die Herderschen Sätze hin: Die Poesie soll frei bleiben vom politischen
Parteistreit, als eine Stimme der Zeit, und wandelbar dem Geiste der Zeit folgen; das
Wort des Dichters muss vor allem ein Laut des Wunsches und Strebens der Nation,
ein Hauch und Nachklang des Zeitgeistes sein. Herders Verlangen, die deutsche
Mythologie wieder belebt zu sehen, weist auf Richard Wagner hin. In der Besprechung
der Schulreden hat M. selbst einen unsicheren Standpunkt; im ganzen ist er bemüht,
den Unterschied zwischen dem jugendlichen Ideal pädago gen und dem praktischen
Schulmanne als möglichst gross hinzustellen. Er geht noch auf Herders philosophische
Schriften und religiöse Richtung ein. In „Auch eine Philosophie der Geschichte der
Menschheit" tritt dieser für das Mittelalter als eine Zeit warmen Empfindens und
thatkräftigen Handelns aller einzelnen Glieder der Menschheit ein. Auch in der
Auffassung des Christentums während der Weimarer Zeit, in dem Warnen vor
Unduldsamkeit der Konfession zeigt sich der Patriot ; in den Ideen tritt er, besonders
im Abschnitt über Deutschland, mit dem Bedauern hervor, dass Deutschland statt in
seinem Staate eine germanische Kirche zu haben, ein Staat in der allgemeinen
Kirche wurde. In den Humanitätsbriefen findet sich die Idee einer festen Vereinigung
aller Deutschen zu einer grossen Gemeinschaft, wozu Deutschland und Oesterreich
eine schützende festländische Macht bilden müssten. Er predigt Vaterlandsliebe,
Im-m rundet auf der nahen Verwandtschaft der Volksgenossen, auf der gesetzmässigen
Freiheit und Sicherheit, die wir dem Vaterlande danken. Auch die Stellung Herders
zur Judenfrage entwickelt M. aus dem bekannten Abschnitt der „Adrastea". —
Herders Sprache verlangt Grimm25) in einem besonderen Wörterbuch
dargestellt zu sehen, aus dem die Sprachwandlungen, sein Einfluss auf Goethe und
andere sich erkennen lassen; G. denkt sich dieses Wörterbuch neben einer Reihe
Wolff: DLZ. S. 76/7; B. Seuffert: ib. S. 1330/4; Fr. Kauffmann: ThLZ. 19, S 642,4: W1DM. 75, S. 272. - 23) E. Nau-
mann: Euph. 1, S. 815,8. — 24) Th. Matthias, J. G. Herder. E. Beitr. zu seiner Würdigung im Lichte neuer Deutsch-
bewegnng: TglRgB. N. 28-30, 334. — 25) (I 2:8.) - 26) (I 2:9.) — 27) O X X Heinr. Meyer, Herders Werke. 1. T.
IV 7:28-31 E. Naumann, Herder.
ähnlicher als Vorarbeit zu einem grossen akademischen Wörterbuche der deutschen
Sprache. — Otto Hoff mann26) zeigt, dass Herders Wortschatz in dem Grimmschen
Wörterbuch unzureichend dargestellt ist; auch in den neuesten Heften sind noch Be-
lege über Herder aus dem alten Campe entnommen. Ueber 600 Wörter Herders
fehlen bei Grimm, zu anderen liefert Herder treffliche Belegstellen, bei Hunderten
von Wörtern, die er gebraucht, ja vielleicht geschmiedet, hätte er als Autorität ge-
nannt werden müssen; die Geschichte vieler Wörter, die bei Grimm vor Herder ab-
bricht, konnte bis auf ihn fortgeführt werden; die Wandlungen seiner Sprechweise,
Vorliebe für einzelne Ausdrücke, Wortbildungen, WTortgruppen, grammatische Eigen-
tümlichkeiten, bedürfen, wie H. an zahlreichen Beispielen zeigt, der Darstellung. —
Von Herders Werken27) haben mehrere eingehende Bearbeitungen er-
fahren28). Die Sammlung der Volkslieder hat Heinr. Meyer29) in der Weise
umgestaltet, dass er von der Anordnung der Vulgata und Redlichs absehend zu den
von Herder selbst zusammengestellten Liedern alles hinzunahm, was für beide Aus-
gaben ursprünglich bestimmt war und mit Erweiterung des Rahmens, den Herders
„Skizze" andeutete, in einer umfangreichen Sammlung von sieben Büchern einen
Einblick in Herders Gesamtthätigkeit auf diesem Gebiete eröffnete. Die einzelnen
Lieder sind mit reichen litterarischen Nachweisungen ausgestattet, eine wertvolle
Einleitung unterrichtet über die Geschichte der Beschäftigung mit dem Volksliede
vor und bei Herder. Den Titel seiner Ausgabe: „Stimme der Völker" begründet
der Herausgeber mit der Stelle der Adrastea, wo Herder „eine palingenesierte
Sammlung solcher Gesänge als eine lebendige Stimme der Völker" bezeichnet.30) -■
Den Cid giebt Naumann31) heraus. Er sucht in einer übersichtlich gegliederten
Einleitung den reichen geschichtlichen und litterarischen Stoff zu einem abgerundeten
Ganzen zu gestalten und richtet sein Augenmerk besonders auf Herders persönliches
Verhältnis zu seinem Helden. Die Vorstellung kann nach Köhlers und anderer
Forschungen nicht mehr aufrecht gehalten werden, dass Herder die spanische
Dichtung in wesentlichen Stücken nach deutschem Geiste umgeformt habe; noch
viel weniger ist Cid eine freie Verkörperung von Herders Humanitätsideal. Herder
hat nur den letzten Strich an der Arbeit gethan, die mit den ältesten spanischen
Volksgesängen bereits begann und den Cid zu einem idealen Nationalhelden der
Spanier machte. Herder brauchte in den Stoff nicht erst die Grundsätze der Menschen-
liebe hineinzutragen oder ihm persönliche Empfindungen beizumischen, er fand in
der Ueberlieferung bereits einen Helden vor, der seinem Begriffe von Sittlichkeit
entsprach (S. 14), einen Helden, der sich thatsächlich unter den gegebenen Ver-
hältnissen seines Volkes und seiner Zeit als ein Musterbild menschlicher Tugenden
bewährt (S. 3). In des Cid Sorge für die Seinen, dem Gefühl abnehmender Kraft,
den bangen Todesahnungen fand Herder Empfindungen vorgebildet, die ihn selbst
während der Abfassungszeit lebhaft bewegten. In dem geschichtlichen Cid weist N.
mancherlei Züge nach, die an Wallenstein erinnern (S. 7). Die Entstehungsgeschichte
der Herderschen Dichtung ist eingehend dargelegt, auch das Verhältnis des Romanzen-
epos zu Herders Ansichten von epischer Dichtung wird berücksichtigt, hervor-
stechende Eigentümlichkeiten des Versbaues werden besprochen. Die Wörter
Bannung, Ehrerstattung, Eisenstimme, Gramgedanke, Lustgesang, Lusthall, pflicht-
verbundner, Samtgehall hat Herder neu geprägt. Der Text ist unverkürzt auf
Grundlage der kritischen Ausgabe besorgt, weicht aber in den Lesarten: dem, wer
11,17; verletzte 15,91; unsrer beider Reich' 17,15 dem von Herder durchgesehenen
Texte der Adrastea mit Lambel fogend von Redlich ab; abweichend von demselben
schreibt N. ferner: Layn 15, 6; von Hofe 16, 37; seinen 48, 12; den 60, 11 ; ein' 68, 75; er
ändert aber mit ihm die Anordnung der Vulgata 29,61. Die Anmerkungen, auf den
geringsten Umfang beschränkt, gehen auf Geschichtliches, Sprachliches, auf Herders
Vorlagen und epischen Stil nach Bedürfnis ein und verweisen auch einigemal auf
angrenzende Vorstellungskreise Herders. Um der sittlich ästhetischen Behandlung
des Stoffes vorzuarbeiten, ist in den Anmerkungen der Inhalt jedesmal mehrerer zu
einer Gruppe vereinigter Romanzen zusammengefasst. —
1. Abt. Herders Leben. Mit Bildn. (= DNL. N. 207.) St., Union. 1893. LXI1I, 506 S. M. 250. - 28) O X X & Steig,
Zu Herders Schriften: MhCoroeniusG. 3, S. 253/8. — 29) Heinr. Meyer, Herders Werke. 1. T. 2. Abt. Stimme d. Völker.
Volkslieder nebst untermischten anderen Stücken. (= DNL. N 205.) St., Union 1893. LXXXVII, 547 S. M. 2,50. ([E.
Naumann: Euph. 2, S. 660 l.J[ — 30) X Arn. Schröer, Percys Reliques of Anciont English Poetry nach d. ersten Ausg.
v. 1765 mit d. Varianten d. späteren Originalausg. II. Hälfte, mit Einl. u. Reg. Weimar, Felber. 1893. S. 525-1136. M: 11,00.
|fj. Zfupitzal: ASNS. 92, S. 989]| (Ausserdem XXVIII S. statt Titels u. vorläufigen Vorw. d. I.Hälfte.) — 31) E. Nau-
mann, J. G. Herder, D. Cid. Gesch. d. Don Ruy Diaz, Grafen v. Bivar. Nach span. Romanzen. Her. u. erläut. (= Samml.
Göschen N. 36.) L.. Göschen. 12". 181 S. M. 0,80. -
' V. Valentin, Goethe: Allgemeines. , IV 8a. 1-11
IT, 8
Goethe,
a) Allgemeines.
Veit Valentin.
Bilder und Denkmäler N. 1. — Erinnerungsstätten N. 19. — Vereine N. 25. — Feiern N. 32. — Neues Goethe-
nmseum N. 36. — Musilc N. 37. — Bildkunst N. 41. — Religion N. 42. — Kunstanschauungen N. 46. — Naturwissenschaft
N. 49. — Sprache, Metrik N. 58. — Graphologie N 65. — Ausgabe der Werke N. 66. — Goethelitteratnr N. 74. — Stellung
in der Weltliteratur: England N. 77; Frankreich N. 85: Italien N. 89; Amerika N. 92; Böhmen N. 93; Japan N. 94; China
N. 95; Verhältnis zur Antike N. 96. — Totenschau N. 99. —
Bilder und Denkmäler. Eine neue und zugleich bedeutende Schöpfung
von Goethes Ebenbild trat mit der von Karl Rumpf aus Frankfurt a. M. geschaffenen
Büste am Goethetage zu Weimar zum ersten Male vor einen grösseren Kreis Sach-
kundiger. Die Entstehung' und die Tendenz des Werkes sowie seine Quellen schildert
Valentin1). Auf Grund der Weisserschen, über das Leben genommenen Maske und
mit Benutzung alles zur Verfügung stehenden zeitgenössischen Materiales giebt Rumpf
in höherem Grade den wirklichen Goethe, als es die von Goethes Zeitgenossen ge-
schaffenen Porträts thun. Diese haben unter grösserer oder geringerer Anlehnung
an die wirkliche Erscheinung meist eine bestimmte ideale Auffassung gegeben, die
mehr zeigt, wie Goethe nach der Auffassung des besonderen Künstlers hätte sein
müssen, als wie er wirklich war. Rumpf geht von der schlichten Thatsächlichkeit
aus, erfüllt aber zugleich die Anforderung, die Goethe an den Porträtkünstler stellt:
„Geist, Leben und Liebe muss ja ohnedem der Künstler hineinstiften". — Eine
phototypische Nachbildung dieser Büste, die Goethe als etwa am Ende seiner fünfziger
Jahre stehend darstellt, ist erschienen2). — In des Künstlers Atelier wurde die Büste
in Verbindung mit den von ihm gleichfalls neugeschaffenen Büsten von Goethes Vater
und Mutter ausgestellt3). — Ueber die von Schadow geschaffene Büste giebt Geiger4)
einige Mitteilungen aus Briefen Schadows : es geht hieraus hervor, dass seine Marmor-
büste Goethes im Sept. 1823 noch nicht fertig war. ■ Die bisherigen Angaben, die sie
in das J. 1816—17 verlegten, sind somit falsch. — Eine eingehende Schilderung von
Goetheporträts im Anschluss an die Zarnckesche Sammlung giebt E. Lehmann5)
und illustriert sie mit einer grossen Zahl von Holzschnitten nach Silhouetten, Büsten,
Zeichnungen und Bildern. Für L. handelt es sich bei seiner Untersuchung „um die
wichtige Form des Umrisses, um die genaue Modellierung, die nicht beschrieben,
sondern nur gezeichnet und gebildet werden kann", sodann „um den geistigen und
seelisch wahren, den ganzen Menschen erfassenden Ausdruck". Ein Mittel dazu
bietet ihm die in den Besitz der Stadt Leipzig übergegangene Zarnckesche Sammlung,
die an 1400 Bildnisse Goethes enthält: sie ist nach den Orginalen geordnet, an die sich
ihre Nachbildungen und Abkömmlinge, oft 30 bis 40, anschliessen. Ausser diesen
Gemälden, Stichen und Schattenrissen enthält sie noch die Abgüsse der Büsten,
Statuetten und Medaillons, sodass für L.s Zweck reichliches Material vorhanden ist. L.
hebt in trefflichem Ueberblick und gutem Urteil das am meisten Charakteristische heraus.
— Ein K. M. Kraus zugeschriebenes Goetheporträt sowie eine italienische Landschaft
nach Goethes eigener Zeichnung veröffentlicht in Nachbildung zum ersten Male
Prem6). — Eine Gedenktafel mit den Köpfen von Goethe und Merck wurde in
Arheilgen am Gasthaus „Zum weissen Ross" angebracht: dort habe Merck gewohnt
und hätte seine Druckerei gehabt, in der Götz von Berlichingen gedruckt worden
sei7"8). — Dem gegenüber weist Schenk zu Schweinsberg9) nach, dass Merck
das Haus „Zum weissen Ross" überhaupt nie besessen hat, sondern das Nachbarhaus,
den „Freihof", der aber heute nicht mehr steht, und dass Mercks Besitz in Arheilgen
erst seit 1789 datiert, — eine Zeit, in der, wenn überhaupt Merck dort eine Druckerei
besessen oder mitbesessen hat, von einem Drucke des Goetheschen Götz dort nicht
mehr die Rede sein kann. Die Tafel ist somit im Widerspruch mit den Thatsachen
angebracht. — Die im Aug. 1846 dem „Goethestein" in der Nähe von Hasslach
bei Asch in Böhmen eingefügte Gedenktafel wurde in Syenit erneuert und zu Goethes
Geburtstag enthüllt10). — Die Entstehung des Goethedenkmals in Frankfurt a. M.
1) V. Valentin. E. neue Goethebüste: WeimarZg. N. 112. — 2) X id., Dass.: IllZg. 103, S. 763. — 3) X s*r-.
Neue Büsten d. Familie Goethe : FrankfJourn. N. 177. — 4) L. Geiger, Z. Goethebildnis-Kunde: GJb. 15. S. 297/8. — 5) E. Leh-
mann, Goethes Bildnisse u. d. Zarnckesche Samml.: ZBK. 5, S. 249-58, 276-85. — 6) S. M. Prem, Goethe. 2. Aufl. L., Fock.
474 S. Mit 54 Abbild. M. 5,00. |[K. J. Schrföer): LCB1. S. 564/6.]| — 7-8) X Arheilgen: FrankfNuchr. N. 78. (Aus d.
NHessVolksbl.) — 9) G. Frhr. Schenk zu Schweinsborg, D. ehemal. fürstl. Hofgut zu Arheilgen: QBlIHVHessen. 1,
S. 476-82. — 10) X Goethe-Gedenktaf : FZg. N. 252. — 11) E. v. Mollwald, Wie d. erste Goethedenkra. in Deutschland za
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (,-*)25
IV 8a : n-24 V. Valentin, Goethe: Allgemeines. •
schildert von Mollwald11) auf Grund der Akten von dem ersten Gedanken, dem
Dichter ein Denkmal zu setzen, der überhaupt zum ersten Male und noch zu Leb-
zeiten Goethes in seiner Vaterstadt schon 1819 auftauchte, bis zur glücklichen
Vollendung 1844. Der zuerst geplante Entwurf, ein auf hohem Sockel aufragender
Tempel auf der vor dem Untermainquai liegenden Maininsel, wird nach dem im
„Rheinischen Taschenbuch" 1822 veröffentlichten Bilde mitgeteilt. Goethe selbst
zog die Aufstellung im Zusammenhange mit der damals neu geplanten Bibliothek vor,
in der später seine Statue von Marchesi aufgestellt wurde. Das öffentliche Standbild
von Schwanthaler fand seine Aufstellung jedoch nicht auf dem Rossmarkt, wie es
bei M. stets falsch heisst, sondern in der an den Rossmarkt stossenden „Allee", die
seit der Aufstellung des Denkmals den Namen „Goetheplatz" trägt. Auch erhielt
Schwanthaler nicht ein Honorar von 5000 Gulden: er arbeitete zu Ehren Goethes
und seiner Vaterstadt unentgeltlich. Die Summe von 5000 Gulden war vielmehr ein
Ehrengeschenk, von dem der Künstler sofort einen Teil den Armen der Stadt spendete.
Der Rat ernannte ihn hierauf zum Ehrenbürger der Stadt. (JBL. 1892 IV 9a : 91.) —
Viel weniger erfreulich ist der weitere Verlauf der Geschichte des Wiener Goethe-
denkmals, der sich zu einem Streit zwischen Helm er und Tilgner zuspitzte. Tilgners
Entwurf entsprach nicht den für den Wettbewerb gestellten äusseren Bedingungen,
wurde vom Komitee daher zurückgewiesen, und der nun einzige Bewerber Helmer
erhielt den Preis und den Auftrag. Die Bemühungen für den einen oder den anderen
Künstler führten zu Agitationen und Gehässigkeiten, die die Interessenten in den
unten genannten Blättern weiter verfolgen können12"16). Inzwischen macht Helmers
Arbeit Fortschritte: er hat das Modell in etwas mehr als iji Lebensgrösse ge-
arbeitet17). — Ulrike von Levetzow hat ein aus dem J. 1822 oder 1823 herrührendes
feingemaltes Miniaturporträt von sich dem Grossherzog von Sachsen zugeschickt, der
dies ebenso anmutige wie wertvolle Geschenk dem Goethe-Nationalmuseum über-
wiesen hat, worüber Geiger 18) berichtet. —
Von den Erinnerungsstätten ist das Goethehaus zu Frankfurt in dem Jahre,
über welches die Goethehaus-Kommission berichtet19) (Okt. 1892— Okt. 93) weiter
sorgfältig erhalten worden. Es hat eine bedeutende Entlastung dadurch gefunden,
dass mit Unterstützung der städtischen Behörden in unmittelbarer Nähe ausgedehnte
Räumlichkeiten gemietet und auf lange Zeit hinaus gesichert werden konnten, in die
die Geschäfts- und die Sitzungsräume verlegt wurden : Lesezimmer, Sitzungszimmer
für die Verwaltung, Sitzungszimmer für die Fachabteilungen. Eine endgültige Ent-
lastung kann jedoch erst gewonnen werden, wenn auch die Bibliothek des Hochstiftes
aus dem Goethehause entfernt werden kann: zu diesem Zwecke soll auf dem an das
Goethehaus anstossenden, vom Hochstift mit Unterstützung der städtischen Behörde
gekauften Grundstück ein Bibliotheksgebäude errichtet werden. Für den Neubau ist
bereits ein sechstes Projekt ausgearbeitet worden. — Am 18. Okt. 1814 fuhr Goethe
mit Herrn von Willemer und dessen Frau Marianne in das Weinberghäuschen auf dem
Hühnerweg in Sachsenhausen. Von dem Balkon aus sah Goethe die zum ersten Male
auf den Höhen des Taunus aufflammenden Feuerzeichen des Befreiungsfestes. Dies
Häuschen mit seinem vieleckigen Türmchen, dem Zimmer und dem Balkon in Ver-
bindung mit der Nachbildung eines Porträts der Marianne hat Hermann Junker ge-
zeichnet und veröffentlicht20): es ist die Hoffnung da, dass diese Erinnerungsstätte
erhalten bleibt. — Das Goethehaus zu Weimar, das Goethe-Nationalmuseum, hat
nach Rulands21) Bericht wertvolle Geschenke zu verzeichnen: das schon genannte
Miniaturbild Ulrikens von Levetzow (s. o. N. 18) und Landschaften von Goethes Hand,
ein Geschenk des Freiherrn von Egloffstein auf Beucha; ferner eine von Hermann
Junker gemalte treffliche Kopie des Collinsschen Bildes Goethes im Goethehaus zu
Frankfurt (JBL. 1893 IV 8a : 1/3). Von der Goethegesellschaft wurden dem Museum
geschenkt ein Gipsabguss der Rumpfschen Goethebüste (s. o. N. 1) sowie sechs für
Medaillen bestimmte Zeichnungen des Medailleurs F. H. Brandt (1826) von Goethe,
Karl August und der Herzogin Luise.22) — Haar haus23) setzt seine Reiseskizzen,
mit denen er Goethes Spuren in Italien nachgeht, weiter fort. — Farinelli24) schildert
Goethes Beziehungen zum Lago maggiore, besonders stellt er die in beiden Teilen
des Wilhelm Meister auf diese Oertlichkeit bezüglichen Stellen zusammen: Mignons
Heimat verlegt er dorthin. —
stände kam: ChWGV. 8, S. 5-10. (Vgl. auch GJb. 17, S. 1-13 [JBL. 1896 IV 8a].) — 12) XK- ▼• Vfincenti], D. Goethedenkm.:
AZg. N. 160. (Für Helmer; vgl. dazu ib. N. 161, 163.) — 13) X A- H«, D- Konkurrenz um d. Wiener Goethedenkm.: FZg.
N. 148. (Für Tilgner; vgl. auch ib. N. 121, 154/5, 163.) — 14) X H., Tilgners Goethedenkru. : FrBIW. N. 143. — 15) X H.
Wittmann, Vom Wiener Goethedenkm. : NFPr. N. 10709. — 16) X Fr. Stern, D. Wiener Goethedenkm.: NTBIW. N. 141. —
17) X Kunstchr. S. 313. — 18) L. G[eiger], Aus d. Goethemus.: FZg. N. 9. — 19) BFDH. 10, S. 99-100. — 20) X
Gartenlaube S. 308. (Dazu Abbild. 8. 293.) — 21) C. Ruland, D. Goethe-Nationalmus.: JBGoetheGes. (= GJb. 15, Anh.) 9,
S. 12/3. — 22) X FZK- N. 197. — 23) J. R. Haarhaus, Auf Goethes Spuren in Italien: LZg« N. 7, 25, 32, 40, 56, 02, 66,
68, 84, 93, 104, 115. (S. u. IV 8b: 29.) — 24) A. Farinelli, Goethe e il Lago Maggiore. Bellinzona, C. Colombi. 31 S.
V. Valentin, Goethe: Allgemeines. IV 8a •. 25-30
Vereine. Das Freie Deutsche Hochstift giebt in seinem 10. JB.
Rechenschaft über seine allgemeine Thätigkeit vom 1. Okt. 1892 bis zum 30. Sept. 1893:
die Berichte aus der Akademischen Abteilung umfassen dagegen die Zeit vom 1. Mai
1893 bis zum 30. April 189425). Die satzungsgemäss zu feiernden Festtage brachten
an Goethes Geburtstag die Festrede von R. Steiner: „Goethes Naturanschauung gemäss
den neuesten Veröffentlichungen des Goethearchivs" (s. u. N. 51) und zu Schillers
Geburtstag die Festrede von Veit Valentin: „Das künstlerische Hauptproblem in
Schillers Jungfrau von Orleans" (vgl. IV 9: 151). Ferner hielt O. Heuer einen Vortrag
zur Erläuterung der Faustausstellung (JBL. 1893 IV 8a: 44; II 3:37; III 3 : 8;
IV 4:308; 8e:55): Faust in der Geschichte, Sage und Dichtung (s. o. II 3:42). Zur
Erinnerung an den dreissigjährigen Todestag Friedrich Hebbels hielt Fritz Lemmer-
mayer einen Festvortrag: Friedrich Hebbel als nationaler Dichter (JBL. 1895 IV 4),
der eine Ergänzung in den „Litterarischen Mitteilungen" durch Elisabeth Mentzel in
dem Aufsatz fand: „Friedrich und Christine Hebbel. Mit besonderer Berücksichtigung
der Briefe des Diehters an seine Gattin", sowie durch Mitteilung von Phototypien des
Ehepaares nach den im Besitze des Hochstiftes befindlichen Porträts von Rahl.
Die „Litterarischen Mitteilungen" bringen ferner Ausführungen von A. Dietz über
Gelegenheitsgedichte aus dem Goethe-Textorschen Familienkreise: sie beginnen mit
Dichtungen des Stadtsyndikus Johann Wolfgang Textor aus den J. 1691—98:
„Er ist derjenige Vorfahre Goethes, der dichterische Veranlagung- und Interessen
gehabt und in dieser Hinsicht einigen Namen besessen hat." „Die Gedichte sind
durchweg in Latein abgefasst und zeichnen sich durch eine wohlthuende Kürze aus"
(JBL. 1893 IV 8a: 32). Interessant ist die Mitteilung über Textors zweite Ehe, durch
die er mit zahlreichen bekannten Adelsgeschlechtern verschwägert wurde, was für die
sociale Stellung der Familie Textor von Bedeutung ist. Hervorzuheben ist eine Be-
grüssung Johann Kaspar Goethes bei seiner Promotion in Giessen (30. Dec. 1738): es
wird hier eine Charakteristik des jungen strebsamen Gelehrten gegeben, die freund-
liches Licht über die durch die letzten Lebensjahre unbillig verdunkelte Gestalt von
Goethes Vater wirft. Das Hochzeitsfest Textor-Moeller (N. VIII) gab u. a. Ver-
anlassung zu der letzten hier mitgeteilten Dichtung aus dem J. 1766, die D. auf Johann
Georg Schlosser zurückführt: sie zeichnet sich vor den anderen durch Selbständigkeit
der Auffassung und eine gewisse Pikanterie aus. Den Schluss macht ein vom Oheim
Textor bei der Hochzeit Schlosser-Cornelia gewidmetes Gedicht. Ferner giebt O. Heuer
zwei Aufsätze zur Bibliographie des Spiesschen Faustbuches (s. o. I 3 : 154; II 3:41),
M. Ziegert schildert Goldsmiths Landprediger in Deutschland (s. 0. IV 1 d : 62) und
Max Koch setzt seine Berichte über die neuere Goethe- und Schiilerlitteratur fort
(s. u. N. 89). — Für die Goethegesellschaft berichtet Ruland26) über das J. 1893,
den Verlauf der Generalversammlung mit ihren Vorträgen von Lorenz (JBL. 1893
IV 8a: 91; 8b:17)27) und Suphan über „Das Buch der Xenien in seiner ursprüng-
lichen Gestalt von 1796" und die diese Gestalt gebende Goethegesellschaftsschrift
für 1893 (JBL. 1893 IV 6:41; 8a :34a; 8c: 20; 9:56). R. berichtet ferner über
den Stand der Gesellschaft, ihre Mitgliederzahl und finanzielle Lage, die Bibliothek
der Goethegesellschaft und ihre Vermehrung durch Ankäufe und Geschenke. —
S u p h a n 28) berichtet über das Goethe- und Schiller-Archiv. Die Erweiterung seines
Inhaltes über die klassische Zeit hinaus wurde besonders durch die Zuwendung des
Restes von Hebbels Nachlass, der nun vollständig im Archiv sich befindet, sowie durch
hinzugekommene Hss. Immermanns gefördert. Herdersche Familienpapiere und ein Teil
von Georg Forsters Nachlass wurden geschenkt. Aus der Sammlung des Grafen
Paar wurden 55 Nummern von dem Grossherzog erworben und dem Archiv zu-
gewiesen (Hss. von Goethe, Schiller, Klopstock, Geliert, Herder, Lenz, Lavater,
von Schenkendorf, Platen, Chamisso usw., desgleichen das Verzeichnis der Oeuvres
poetiques de Goethe, s. u. N. 75, Gedichte Körners). Das Schillerarchiv erhielt von
seinem Stifter mehrere auf Schloss Greifenstein verbliebene Reste zugewendet. Sonstige
einzelne Gaben von Hss. sowohl wie von Büchern und Drucken werden einzeln auf-
geführt. — Als 9. Band ihrer „Schriften" hat die Goethegesellschaft in erfreulicher
Erweiterung ihrer Thätigkeit „Schillers Demetrius. Nach den Hss. des Goethe- und
Schillerarchivs herausgegeben von Gustav Kettner" veröffentlicht (s. u. IV 9 : 170a)29). —
Der Wiener Goetheverein berichtet über seine Thätigkeit in seiner „Chronik": der
Streit über das zu errichtende Goethedenkmal und die damit verbundene und ge-
scheiterte Agitation im Goetheverein veranlasste den bisherigen Herausgeber der
Chronik, K. J. Schröer30), seine Thätigkeit einzustellen. — Der Zwickauer Goethe-
|[M. Koch: BFDH. 10, S. 492/4.J! (S. u. IV 8b: 30.) — 25) Berichte d. Freien Dtsch. Hochstifts. Bd. 10. Frankfurt a. M.,
Gebr. Knaner. 66* u. 547 S. M. 6,00. (Zu bezieben durch d. Kanzlei d. FDH. Mitglieder erhalten d. „Berichte" kostenfrei
zugesendet.) — 26) (= N. 21, S. 3,7.) — 27) X LCB1. S. 1001. — 28) X B. Suphan, JBGoetheGes. (= GJb. 15, Anh.) 9,
S. 4, 7-12. — 29) X öeg. 46, S. 255. —30) Chronik d. Wiener Goethever. Her. v. K. J. Schröer. 8. Jahrg. 12 Nummern. Wien,
(4)25*
IV (Sa: 31-42 V. Valentin, Goethe: Allgemeines.
verein veröffentlicht „Mitteilungen", die als Beiblatt zum Zwickauer Tageblatt er-
scheinen; Kellner31) redigiert sie. —
Besondere Feiern veranstalteten: Die Goethegesellschaft32) bei Gelegenheit
ihrer Generalversammlung: es sprach Paul Heyse über Goethes Dramen in ihrem
Verhältnis zur heutigen Bühne (s. u. IV 8e:6) — an sie schloss sich die von der
Weimarer Künstlerschaft veranstaltete Aufführung von Goethes „Fischerin" in Tie-
furt an33) — ; ferner das Freie Deutsche Hochstift: es sprach an Goethes Geburtstag
E. Goetze über Goethe und Hans Sachs (s. u. IV 8b : 41), und an Schillers Geburts-
tag F. Muncker über die Begründung des Freundschaftsbundes zwischen Schiller und
Goethe im Hinblick auf die gleichzeitige deutsche Litteratur: diese Vorträge werden
im nächsten Jahrgang der Hochstiftsberichte erscheinen. — Bei einer Goethefeier auf
dem Brenner brachte Weinhold34) den Trinkspruch in Versen aus. — Der Wiener
Goetheverein beging feierlich den Todestag: den Festvortrag hielt von Lützow35)
über „Denkmalstatuen aus alter und neuer Zeit". —
Ein neues Goethemuseum ist durch die Schenkung B. Elischers in
Budapest entstanden. Es enthält zunächst des Stifters eigene wertvolle Goethe-
sammlung36). —
Musik. Goethes Verhältnis zu Beethoven behandelt Koegel37), indem er
Altbekanntes und Neues übersichtlich zusammenstellt. Er legt dar, wie sich Goethe
von Beethovens Persönlichkeit abgestossen fühlen konnte: der tiefere Grund liegt
jedoch darin, dass Goethe in der Geschmacksrichtung, in der er aufgewachsen war,
verblieb und die neue freie Entfaltung der Musik, die sich von dem Wort löste und
ihm gegenüber selbständig auftrat, als etwas Unsympathisches empfand. Je grösser
und eigenartiger sich Beethoven entwickelte, um so breiter ward diese Kluft, so dass
Goethe sich Beethoven ganz entfremdet fühlte, und dieser auch keinen Drang empfand,
für ihn einzutreten, wo es gegen sein Gefühl ging. K. freilich verwirft Goethes un-
grossmütiges Schweigen auf Beethovens Widmung und Bitte und tadelt es offen. In
seiner Beurteilung Goethes, er sei für die Musik von allen Künsten am wenigsten
begabt gewesen, geht K. zu weit, da er übersieht, dass das Zurückbleiben Goethes in
der Musik auf einem anderen Grunde beruht; es entspricht genau dem Zurückbleiben
Goethes in seiner Beurteilung von Werken der Bildkunst, indem er seine Vorliebe
für die schwächliche Kunst des 18. Jh. den neuen Bestrebungen gegenüber nie auf-
gegeben hat. — Was Beethoven plante, Goethes Faust mit Musik auszustatten, hat
bekanntlich Fürst Radziwül ausgeführt: Goethes Beziehungen zu ihm stellt Bock38)
aus den Briefen Goethes und Zelters zusammen und knüpft daran eine selbständige
Kritik der Musik Radziwills: „Es bleibt Radziwills unvergängliches Verdienst, den
ersten kräftigen Impuls zur Darstellung des „Faust" gegeben und das Interesse eines
bedeutenden Kreises für unsere grösste nationale Dichtung geweckt zu haben". —
Ueber neuere Kompositionen Goethescher Lieder von Hugo Wolf urteilt Schalk39), es
sei diesem Künstler „vorbehalten geblieben, den Stil einer würdigen musikalischen
Behandlung für manche der erhabensten Dichtungen Goethes aufzufinden": es werden
als Beispiele hierfür besonders die Kompositionen der Lieder aus dem „Westöstlichen
Divan", sodann von „Anakreons Grab", „Kophtisches Lied" und „Phänomen" an-
geführt. — Eine Reihe von sonstigen Kompositionen führt Geigers40) Bibliographie
des GJb. auf. —
Bildkunst. Eine eigene liebenswürdige Schöpfung Goethes veröffentlicht
in guter Nachbildung das GJb.: die anmutige Gestalt der auf einem Sofa einge-
schlafenen Christiane. Nähere Mitteilungen dazu giebt Ruland41). —
Eine sorgfältige Untersuchung über Goethes Stellung zur Religion giebt
Filtsch42) in der Neubearbeitung seiner 1879 in Zillers „Jahrbuch für wissenschaft-
liche Pädagogik" erschienenen Arbeit, seiner Doktordissertation. Jetzt zeichnet er auf
Grund vertiefter Einsicht ein umfassenderes Bild der Entwicklung Goethes nach
religiöser Richtung. Soweit es sich um den Nachweis von Goethes Christentum
handelt, kommt F. natürlich auch nicht weiter als andere: wohl aber spricht er das
notwendige Ergebnis klar und scharf aus: „Alle diejenigen, die den Glauben an den
Goethever. 4°. 48 S. M. 4,00. |[H. Grimm: DLZ. S. 204/6.] | — 31) H. C. Kellner, Mitteilungen aus a. Goethever. zu
Zwickau. (== Boibl. z. Zwickauer Tagebl. N. 4/5.) — 32) X °- Neumann-Hof er: BerlTBl. "N. 246, 252; L. Geiger: ib.
N. 258; P. Sfchlenther]: VossZg. N. 236; L. St[ettenheim] : VolksZg. N. 204; V. Valentin: DWB1. 7, S. 261/3;
Alex. Meyer: Nation". 11, S. 513/4; E. Zweig: NFPr. N. 10699; M. Osborn: Münch NN. N. 231, 234. - 33)X M. Hasse, D.
Aufführung v. Goethes „Fischerin" im Park zu Tiefurt: Gartenlaube S. 401/2. — 34) B. W[ ein hold], D. Goethefest auf d.
Brenner 1894 d. 28. Aug.: ChWGV. 8, S. 21. - 35) X &• s- 13- — 36) B. Elischers Goethes amml. in Budapest: AZg". N. 129.
— 37) R. Koegel, Goethe u. Beethoven. (= I 2:50, S. 191-223.) |[M. Koch: BFDH. 10, S. 441/2.]| (S. u. IV 8b: 55.) —
38) A. Bock, Goethe u. Fürst Radziwill: AZg". N. 252. — 39) J.Schalk, ChWGV 8, S. 12, 13/5. (Vgl. BayreuthTaschenkal. 1893,
S. 188.) — 40) \h. Geiger]: GJb. 15, S. 361/2. — 41) C. Ruland: ib. S. III-IV. |[M. Koch: BFDH. 10, S. 467.JI — 42)
Eng. Filtsch, Goethes relig. Entwickl. E. Beitr. zu seiner inneren Lebensgesch. Gotha, Perthes. VII, 366 S. M. 5,00.
|[M. Koch: BFDH. 10, S. 422/6; K. Heinemann: BLU. S. 228/9; R. M. Meyer: Euph. I, S. 622/5 (verwerfend); DEKZB 7,
S. 21; J. Minor: DLZ. S. 267/8; G. Glogau: ThLZ. 19, S. 499-500; K. J. Schröer: LCB1. S. 797/8; KonsMschr. S. 554/5;
V. Valentin, Goethe: Allgemeines. IV Sa:43-43a
Wortlaut des zweiten Glaubensartikels zum untrüglichen und notwendigen Merkmal
des echten Christen machen, werden nicht anders können als zu thun, was Lavater
von seinem Standpunkt that, ihm den Christennamen abzusprechen. Andere, die
nicht darin das Entscheidende sahen, dass man diese oder jene dogmatisch-historische
Darstellung des Christusbildes oder diese oder jene dogmatische Formel für den Aus-
druck der absoluten Wahrheit halte, sondern vielmehr darin, dass man je mehr desto
besser den Geist Christi in sich trage und in Gesinnung und Leben diejenigen Züge
sich ausprägen lasse, in denen Christus selbst das Wesen seiner Religion ausgesprochen,
werden wahrscheinlich ganz anders urteilen. Denn dahin spitzt sich die Frage zu,
ob der Glaube an ein geschichtliches Faktum oder eine dogmatische Theorie das
Anrecht auf den Christennamen gebe oder die Teilnahme an dem Himmelreich, das
Christus in Wort und Leben dargestellt hat". Man muss aber ausserdem noch er-
kennen, dass die Voraussetzung zu Goethes dichterischem Geiste gerade der Mangel
einer einschränkenden dogmatischen Annahme ist, und dass deshalb die konfessionelle
Frage, die gewöhnlich, auch bei F., in die Untersuchung hineingezogen wird, von
vornherein ausgeschlossen bleiben muss. Die Bedeutung von F.s Buch liegt daher
nicht in dieser Erkenntnis, sondern nach einer anderen Seite. Goethes Leben ist so
reich und mannigfaltig, dass es wohl gerechtfertigt erscheint, wenn eine einzelne Seite
seiner Entwicklung herausgegriffen und in ihrer historischen Gestaltung aufgewiesen
wird. Ein solches „Leben Goethes" unter dem Gesichtspunkte der religiösen Ent-
wicklung hat F. unter Heranziehung reichen Materials, besonders der Briefe, der
Gespräche, aber auch der W'erke gegeben. Er beurteilt ferner die Werke nach
diesem Gesichtspunkt, er zieht das praktische Leben Goethes mit heran. Er lässt
mit vollem Bewusstsein diese „litterargeschichtlich-biographische und die religiös-
praktische Betrachtung" in den Vordergrund treten, während die historisch-theologische,
die die Stellung Goethes zu den Problemen und Systemen der Theologie und für die
kirchlichen Gemeinschaften zu behandeln hat, zurücktritt. Demgemäss verfolgt F.
die religiöse Entwicklung Goethes nach den biographischen Abschnitten: 1. Der
Knabe; 2. Der Jüngling; 3. Theologische Arbeiten; 4. In Sturm und Drang; 5. Das
erste Jahrzehnt in Weimar; ti. Innere Ausgestaltung des Dichters und Denkers unter
den Eindrücken der italienischen Reise; 7. Begreifen und Gestalten im Bunde mit
Schiller; 8. Not- und Kriegsjahre; 9. Der Weise von Weimar; 10. Rückblick und
Ueberblick. Das Urteil ist von dem Bestreben nach ganz unparteiischer Gerechtigkeit
erfüllt. So wenig der Diener der Kirche sich scheut, die Dinge bei dem Namen zu
nennen, welcher ihnen von streng kirchlichem Standpunkt aus zukommt, so wenig
lässt er sich von diesem dazu hinreissen, den humanen Standpunkt der Beurteilung
beiseite zu setzen : es berührt vielmehr sehr wohlthuend, wie er hier ein edles Mass
hält, so dass seine Beurteilungsweise den Charakter vornehmer Gesinnung trägt. Es
erscheint dies besonders bei Goethes Beziehungen zu den Frauen. Bei der Beurteilung
der Werke hält sich F. nicht frei von dem Bestreben, die von ihm vertretene Seite
auch da zu finden, wo eine unbefangene Betrachtung nichts von ihr sehen wird, so
wenn Orestes in der Kraft des gläubigen Gebetes den Aufschwung zum Himmel finden
soll und wenn er angeblich im Bewusstsein, durch den Glauben gerechtfertigt zu sein,
auf die Aneignung des „Götterbildes" verzichtet! Ebenso wenig kann bei Faust die
Rede davon sein, dass „dem Glauben" die in der That sich bewährende Gesinnung
gleichgestellt würde, und dass die Gnade dem Glauben entgegenkäme: das trotz der
Verwendung der christlich-mythologischen Gestaltung des Purgatoriums durchaus
Unkirchliche, und zwar ebensowohl protestantischer wie katholischer Auffassung
Widersprechende der Goetheschen Darstellung ist dies, dass Fausts Seele trotz dem
gänzlichen Mangel des Glaubens und der guten Werke allein durch das sich immer
bemühende Streben nach einem höchsten Ziele die Erlösung findet. Viel freier und
zutreffender urteilt F. einzelnen Aussprüchen Goethes gegenüber: er sucht die Augen-
blickseingebungen von dem Ausdruck tiefgehender Ueberzeugung zu unterscheiden
und weiss Scherz und Ernst sehr wohl zu trennen. Der überall hervortretenden Wärme
in der Behandlung seines Gegenstandes fühlt man es wohl nach, dass das Buch einer
eigenen Lebenserfahrung entsprungen ist. F. sagt selbst darüber: „Mir hat der grosse
Dichtergenius eine zerschlagene Welt wieder aufbauen helfen". Und doppelt begreiflich,
dieser Thatsache und der praktischen Thätigkeit des Vf. gegenüber, ist sein Wunsch
dabei zu helfen, Vorurteile zu zerstreuen und recht viele andere im Bestreben zu
unterstützen, „aus den Nebeln des Zweifels auf den Weg des Glaubens und zu der
einen Quelle alles Heiles, zu dem Heiland und seinem Evangelium, zurückzugelangen".
Gar manchen wird Goethe dafür als etwas seltsamer Mittelsmann erscheinen, und
gerade in diesem Bestreben wird der Grund für viele Einseitigkeiten liegen:
sie verhindern nicht, dass das Buch für die Goetheerkenntnis fördernd ist. So ist
es auch ziemlich allgemein anerkannt worden 43~43bJ. — In starkem Gegensatz
DAdelsbl. S. 392. j | — 43) X K. Trost, Goethe als Christ: NorddAZg. N. 197. — 43a) X Ch- Schrempf, Goethe über all-
IV 8a:43b-5i V. Valentin, Goethe: Allgemeines.
zu Filtschs Darstellung- steht die Auffassung von Port ig44). Nach ihm ist Goethe, wie
er der Vertreter des unbewussten Geistes auf dem Gebiete der Poesie ist, auch der
Vertreter eines „idealen Katholizismus" auf ästhetisch-religiösem Gebiete. Ihm ■ ent-
spricht die Schelling-Hegelsche Philosophie als die spätere und darum reichere Aus-
gestaltung des philosophischen Urprinzips, des Glaubens an das Vorhandensein einer
einzigen Ursubstanz mit ihren Funktionen. So ist Goethe der glänzendste dichterische
Vertreter eines geisterfüllten Pantheismus: ob man diese geistige Grundrichtung
idealen Katholizismus oder antike Weltanschauung oder Spinozismus44*) nennt, das
ändert am Wesen der Sache nur wenig, denn alle diese Begriffe bezeichnen nur Unter-
schiede des Grades oder der Form. Es ist klar, dass ein solcher idealer Katholizismus
sich nicht innerhalb der straffen Organisation der specifisch römischen Kirche als
das Lebenswerk eines grossen Mannes durchsetzen kann: hieraus wird es begreiflich,
dass Goethe das römische Pfaffentum bald lächerlich, bald abscheulich findet. Der
specifisch römische Katholizismus oder Ultramontanismus ist eine Verdrehung des
Christentums, mit der kein Friedensschluss, sondern nur ein geistiger Kampf auf
Leben und Tod geboten ist. Allein Goethes Stellung zu den einzelnen kirchlichen
Bekenntnissen kommt hier erst in zweiter Linie in Betracht: in erster Linie handelt
es sich um das unbewusste Christentum, von dessen religiösem Grundprinzip Goethe
vollständig durchdrungen ist; diese in seinen Werke hervortretende Grundanschauung
ist daher nachzuweisen. P. erklärt hierbei aus dem Walten des unbewussten Geistes
die Grösse des reinen Schaffens Goethes, aber auch seine Schwäche in der Ver-
himmelung des Weibes, das seinem innersten Wesen nach dem W7alten des un-
bewussten Geistes näher steht als der Mann. So hat der Meister in der Darstellung
des weiblichen Elements fast nur empfindsame und willenlose Männer geschaffen,
während ihm die Darstellung wirklicher Helden und Heldinnen versagt geblieben ist.
Die Einzel durchführung der Charakteristik der wichtigsten dichterischen Gestaltungen
Goethes beruht auf diesen Voraussetzungen und erhält von ihnen ihre Farbe, die
sich besonders bei Iphigenie und der Erscheinung der Himmelskönigin am Schlüsse
der Faustdichtung kaum als echt erweisen wird, so richtig der allgemeine Grundsatz
des Auftretens gegen die ungesunde und unwahre Verhimmelung des Weibes
als solchen ist. — Ueber Heinzelmanns Buch (JBL 1893 IV 8a : 72) berichtet
Koch45). —
Mehrfach erscheint das Bestreben, Goethes Anschauung über Kunst
weiteren Kreisen verständlich zu machen: so haben es von Berger46) und
Jentsch47) gethan, ersterer im Anschluss an Goethes Aufsatz über „Einfache Nach-
ahmung, Manier und Stil", letzterer durch Zusammenstellung von Sätzen aus Bd. 36
und 38 (Ausgabe 1. H), nicht ohne Naturalismus bald in richtiger Bedeutung, bald
irrtümlich im Sinne von Realismus zu gebrauchen.48) —
Naturwissenschaft. Als Botaniker wird Goethe von Kronfeld 49) gewürdigt,
der von dem Satz ausgeht, dass Goethes Name in der Geschichte der Botanik stets
dankbar genannt werden wird. Er schildert im Anschluss an Goethes Aufsatz „Geschichte
meines botanischen Studiums", wie der Entwicklungsgang des genialen Forschers
in einem speciellen Wissensgebiet sich vollzog, wie er zur Erkenntnis der Um-
wandlung des Blattes zu Organen eigenartiger Beschaffenheit und Verrichtung, d. h.
zur Lehre von der Metamorphose kam. Da Goethe von den Arten der Metamorphose,
der regelmässigen oder fortschreitenden, der unregelmässigen oder rückschreitenden,
und endlich der zufälligen oder monströsen, dieser letzteren nicht weiter gedenkt, so
bespricht K. diese in erster Linie. Mit Entschiedenheit wendet er sich gegen die
Erörterungen spekulativer Natur und schliesst sich dem Urteil von Julius Sachs an,
damit sei man in die tiefsten Tiefen der Mystik geführt. K. weist es zurück, dass
Goethe für den Entdecker der Thatsachen gehalten werden dürfe, dass Coniferen-
keimlinge trotz Abschluss des Lichtes ergrünen können, erklärt aber Goethe als Vor-
läufer Darwins in der Erkenntnis, dass es insektenfressende Pflanzen giebt.50) —
Steiner51) dagegen findet die Grösse Goethes auf dem Gebiete der Naturwissenschaft
gerade darin, dass seine naturwissenschaftlichen Ideen von philosophischem Geiste
getragen sind : Goethe konnte seiner Natur nach weder einseitig Philosoph noch
einseitig Beobachter sein. Aber gerade dadurch, dass Goethe diese beiden Seiten in
zustrenge Religionsmoral: Wahrheit 2, S. 107-11. — 43b)XGoethe u. d. Juden: DSocBll. N. 299. — 44) G. Portig, Schiller
in seinem Verhältnis z. Freundschaft u. Liehe sowie in seinem Verhältnis zu Goethe. Hamburg u. L., Voss. XVI, 775 S.
M. 14,00. |[M. Koch: BFDH. 10, S. 413-22; Eug. Wolff: HamhCorr. N. 377, 410.]| (S. u. IV 8b : 33; 9:4.) — 44a) X W.
Dilthey, Aus d. Zeit d. Spinozastudien Goethes: AGPhilos. 7, S. 317-41. — 45) M. Koch: BFDH. 10, S. 2589. — 46) A.
v. Berger, Ueber Goethes Ansicht v. d. Kunst: MontagB. N. 20. — 47) K. Jentsch, Goethe über d. Naturalismus in d.
Kunst: FZg. N. 291. — 48) X G. A. Meyer, Ueber Goethes Kunstschriften. Vortr. geh. in KunstgeschGes. Referat: VossZg.
N. 510. — 49) M. Kronfeld, Bei Mutter Grün. Wien, Martin. VIII, 124 S. M. 2,00. - 50) X H. C. Kellner, Goethes
Dichtung „D. Metamorphose d. Pflanze": MGoetheVZwiclcau. N. 4. — 51) R. Steiner, Goethes Naturunschauung gemäss d.
neuesten Veröffentlichungen d. Goethenroh. Z. Feier y. Goethes Geburtst. 1893: BFDH. 10, S. 1*-18*. (S. o. N. 25.) —
V. Valentin, Goethe: Allgemeines. IV 8a : 52-55
sich vereinigt, steht er im Gegensatz zu den heutigen Physikern : die Fragen, die die
moderne Naturwissenschaft nicht beantworten kann, sind genau jene, deren Lösung
Goethe in einer Weise unternimmt, von der man heute nichts wissen will. St. weist
nach, dass Goethes naturwissenschaftliche Methode jeder Kritik gewachsen ist, und
dass er im Verfolge seiner naturphilosophischen Ideen eine Reihe von Einzel-
entdeckungen gemacht hat, welche die heutige Wissenschaft, wenn auch in weiter
ausgebildeter Gestalt, für wichtige Teile der Naturkenntnis halten muss. Aber die
wahre Bedeutung Goethes liegt nicht in diesen Einzelentdeckungen, sondern darin,
dass er durch seine Art die Dinge anzusehen, zu ganz neuen leitenden Gesichts-
punkten der Naturerkenntnis kam. Goethe hat durch seine Anschauungsweise die
grosse Scheidewand zwischen lebloser und belebter Natur vernichtet, ja er hat die
Lehre von den Organismen erst zum Range einer Wissenschaft erhoben. Das „natur-
wissenschaftliche Zeitalter" hat jedoch das Band zwischen Erfahrung und Philosophie
zerrissen. Allein das Bedürfnis nach einer philosophischen Vertiefung unseres Wissens
erhebt sich vielfach: „Möge man sich zur rechten Zeit daran erinnern, dass es einen
Weg von der Naturwissenschaft zur Philosophie giebt, und dass dieser in Goethes
Schriften vorgezeichnet ist." Goethe hat zwar nicht in zusammenhängender Weise
sein System dargestellt: dass er aber ein solches gehabt hat, liess sich schon früher
schliessen und lässt sich jetzt nachweisen: die Bände 6 — 12 der zweiten Abteilung
der Weimarer Goetheausgabe bilden ein vollständiges, systematisch geordnetes
Ganzes von Goethes morphologischen und allgemein-naturwissenschaftlichen Ideen. —
Von den in dieser Reihe noch fehlenden Bänden 8, 10 und 12 sind 8 und 10 fertig
geworden. Band 8, von Kalischer62) bearbeitet (unter redaktioneller Mitwirkung
von B. Suphan), enthält die zweite Hälfte der Geschichte der Farbenlehre von der
sechsten Abteilung an und entspricht somit dem 54. Band der Ausgrabe 1. H. Kurze
Betrachtungen über die in der Geschichte der Farbenlehre genannten Autoren, die
bei der Bearbeitung des Werkes verwendet worden sind, ohne dass sich der Wortlaut
feststellen Hesse, sowie frühere, mehr oder weniger fragmentarische Bearbeitungen
einzelner Partien sind bereits diesem Bande als Paralipomena beigegeben worden,
um den noch in Aussicht stehenden Band der Paralipomena überhaupt zu entlasten.
— Band 10, von Steiner53) (unter Beteiligung von B. Suphan als Redaktor)
bearbeitet, gehört mit Band 9 aufs engste zusammen. In diesen wurde alles ver-
wiesen, was sich zu einem systematischen Ganzen zusammenschloss und Goethes
geologische Anschauungen im allgemeinen charakterisierte; der 10. Band dagegen
bringt das, was auf induktivem Wege von Einzelobjekten gewonnen worden ist,
also alle Aufsätze, in denen unmittelbar auf Grund der Erfahrung der Prinzipien
und der Terminologie der von Goethe im Gegensatz zu dem Atomismus vertretene
Dynamismus in der Geologie formuliert wird. Der Band gliedert sich in drei Haupt-
teile: 1. Mineralogische und geologische Grundbegriffe; 2. Grundgesetze des Wirkens
in der unorganischen Natur von der Krystallisation angefangen bis zur Bildung-
ganzer Gebirgsformen ; 3. Darstellung-en über geologische Objekte und Phänomene
unter bestimmten örtlichen Verhältnissen. Das hierein sich nicht Fügende ist anhangs-
weise in den Schluss des Bandes gestellt worden. Dahin gehört besonders der Aufsatz
über geologische Methoden : er zeigt, wie Goethe sich die deduktive und die induk-
tive Methode einheitlich in einer höheren Naturansicht aufgehend denkt. Mehr als die
Hälfte ist bisher ungedruckt. 53a) — Einen Ueberblick über Goethe als Naturforscher
giebt Rieh. M. Meyer54). Ergeht dabei von dem Gedanken aus, dass Goethes wissen-
schaftliche Thätigkeit und vor allem sein Anteil an der Naturforschung nur aus der
Erkenntnis seiner dichterischen Eigenart, seiner dichterischen Entwicklung voll ver-
ständlich wird, und kommt zu dem Ergebnis, dass wir in Goethe, wohin er auch das
sonnenhafte Auge wende, immer den einen künstlerisch anschauenden, weise ordnenden,
tiefsinnig deutenden Geist voll Liebe und Wahrheit erkennen. Eine solche Be-
trachtung ist in dem Ganzen durchaus berechtigt, aus welchem dieser Aufsatz nur
ein Teil ist: er gehört in R. M. Meyers Goethebiographie (JBL. 1895 IV 8b) und
findet daher auch in deren Zusammenhang seine Beurteilung wie seine Berechtigung.
— Vom fachmännischen Standpunkt aus giebt Wünsche55) einen guten Ueberblick
über Goethes naturwissenschaftliche Thätigkeit, um „der weitverbreiteten Ansicht ent-
gegenzutreten, dass sich Goethe bloss gelegentlich und nebenbei mit den Natur-
wissenschaften beschäftigt habe und dass er seine naturwissenschaftlichen Entdeckungen
nur glücklichen Zufällen verdanke." Seine klaren, vom Haschen nach Geistreichig-
keiten freien, auch nicht durch die Methode der gegenseitigen Beleuchtung mit dem
Scheine von Wissenschaftlichkeit ausstaffierten, sondern auf wirklicher Kenntnis der
Naturwissenschaft und der Goetheschen Arbeiten auf diesem Gebiete beruhenden Dar-
52) (= N. 66.) — 53) (ib.) — 53a) X S. Günther, D. Kammerbühl. E. vulkanische Stnd. : LJb. 5, S. 42-61. — 54)
B. M. Meyer, Goethe als Naturforscher: Euph. 1, S. 26-46. — 55) 0. Wünsche, Goethe als Naturfreund n. Naturforscher.
IV Sa : 56-62 V. Valentin, Goethe: Allgemeines.
legungen sind trefflich geeignet, den vom Vf. beabsichtigten Zweck zu erreichen. — Das
in neuerer Zeit besonders beliebte Thema von Goethes Beziehungen zur Elektrizität,
die er als „Weltseele" glaubte ansprechen zu können, ist von Baurat Kareis56) in
Wien behandelt worden: Goethe hat die ganze Entwicklung dieses Zweiges der
Physik von Franklin bis Faraday mit thätiger Teilnahme begleitet. — Im Zusammen-
hange mit Goethes Studium der Geologie stehen seine geographischen Beobachtungen :
er hat seine Ansichten über Länder und Völker, ihre Vorzüge und Mängel nicht im
Zusammenhang überliefert; dagegen finden sie sich an zerstreuten Stellen seiner
Werke, in Briefen und mündlichen, von anderen niedergeschriebenen Aeusserungen
ausgesprochen. — Diese Stellen zu sammeln und nach bestimmten Gesichtspunkten
zu ordnen, hat Becker57) unternommen und fleissig durchgeführt. Er geht von
der Beobachtung der Länder und Völker aus, behandelt sodann die Kunst zu reisen,
Goethes Vorliebe für bildliche Darstellungen geographischer Verhältnisse, seine Be-
merkungen zum geographischen Unterricht, über Entwicklung und Herkunft des
Menschengeschlechts. Er geht sodann den Bemerkungen Goethes über Deutschland
nach, die sehr ergiebig sind: das deutsche Volk, besonders in politischer Hinsicht,
in seiner Neigung, alles Ausländische zu würdigen, in seinen Kunstleistungen, in
seinen Charakterunterschieden je nach den landschaftlichen Verhältnissen, in der
Gliederung der Stände, in der äusseren Erscheinung. Die deutsche Sprache wird behandelt,
sodann werden die einzelnen Landschaften und Städte charakterisiert, besonders das
Rheinland mit Frankfurt, Kursachsen mit Leipzig, Elsass mit Strassburg, Thüringen
mit Weimar und Jena, Norddeutschland mit Preussen und Berlin, Schlesien mit
Breslau, Süddeutschland, besonders Schwaben und Franken, endlich Bayern mit
München : den Schluss bildet Goethes grossartiger Ausblick im Anschluss an den
Donau-Mainkanal auf „den Durchstich der Landenge von Panama, den Kanal von
Suez" und zwar „im Besitze der Engländer." Eine solche Zusammenstellung bietet
bequemes Material : für die Verwendung wird freilich der Zusammenhang, in dem
die ausgehobene Stelle steht, zu beachten sein. Jetzt erscheinen die Urteile als ab-
solute, während sie vielfach nur von der Stimmung des Augenblicks eingegeben
sind und mit Goethes Willen nie anders als relativ gültige betrachtet werden dürften.
Es hätte bereits hier bei der Zusammenstellung eine Sichtung vorgenommen werden
müssen, um auch nur den Schein von Gleichwertigkeit zu vermeiden: Die Arbeit
hätte dann den Charakter einer Untersuchung gewonnen, während sie jetzt nur eine
dankenswerte Sammlung ist. —
Die Sprache Goethes wird von Knauth58) behandelt, und zwar im Zu-
sammenhang mit seinem Stil, so wie beide in Goethes Alter hervortreten. K. rechnet
diese Epoche Goethes etwa von der Mitte des J. 1814, sicher von 1815 an. Er schliesst
sich in der Anlage an Olbrich59) an (JBL. 1891 I 8:27; IV 9a: 115; 1892 IV 8a: 91).
Er unterscheidet in der Wortform Altertümliches und Mundartliches; im Wortgebrauch
behandelt er Kürze des Ausdrucks, den freieren Gebrauch des Genetivs und des
Dativs, die Freiheit im Gebrauch der Adjektiva, besonders in der Komparation, den
Gebrauch des Verbalsubstantivs sowie Wortbildung, Auflösung der Komposita, Hen-
diadyoin, Geminatio, Wortstellung. Als Hauptmerkmale des Altersstiles Goethes be-
zeichnet K. die epigrammatische Kürze des Ausdrucks bei gleichzeitigem Wachstum
des Vorstellungsinhalts, die Richtung auf die Sache, die Vorliebe für das Unge-
wöhnliche, die Aufnahme neuer Elemente aus der Antike, aus modernen Sprachen, aus
Mundarten, eine dem Geist der deutschen Sprache mit geringen Ausnahmen entsprechende
eigene sprachschöpferische Thätigkeit und endlich eine im Vergleich mit den beiden
früheren Epochen noch ausgeprägtere Neigung zum Symbolischen und Didaktischen.
In sehr erfreulicher Art wird der Nachweis geliefert, dass nicht wie die landläufige
und immer wieder nachgesprochene Auffassung es will, die Ausdrucksweise des
alten Goethe auf Verknöcherung und Manieriertheit, sondern auf guten sachlichen
Gründen beruht, dass besonders der Hinweis auf das Vorwalten eines „Typus" falsch
ist, der Hauptgrund der gedrängten Redeweise vielmehr gerade in dem lebhaften
Bestreben nach Individualisierung liegt : je grösser die Ideenrichtung, je knapper der
Raum, ihn behaglich zum Ausdruck zu bringen ist, um so kürzer und anschaulicher
gestaltet sich der mit Entschiedenheit und klarem Bewusstsein zusammengepresste
Ausdruck. Besonders der Sprache des zweiten Teiles des Faust kommt die Dar-
stellung mit ihren Erläuterungen und der Zurückführung des Ausdrucks auf den
wahren Grund der Entstehung sehr zu gute. — Von Georg Schmidts Clavigo (JBL.
1893 IV 8a : 107; 8e: 23) bezweifelt Koch60) der Ausführung des Vf. gegenüber mit
Recht, ob gerade dieses Werk sich zur Grundlage einer grösseren sprachlichenlUnter-
Zwickau, Gebr. Thost. 30 S. M. 0,50.T(Sonderabdr. ans JBVNaturkZwickan. 1892.) — 56) J. Kar eis, Goethe u. d. Elektri-
zitätslehre: ChWGV. 8, S. 19. — 57) H. Becker, Goethe als Geograph. Progr. d. Margaretenschule. Berlin (Gaertner). 30 S.
— "58) (I 7": 25.) |[M. Koch: BFDH. 10, S. 505; K. Heinemann: BLU. S. 229-30.]) (Preis M. 1,60.) — 59) X A. Köster:
LBlGRlh. 15, S. 8-10. — 60) X< M- Koch:jBFDH. 10, S. 229-30. — 61) K. Heinemann: BLU. S. 22. — 62) (I 8:27;
V. Valentin, Goethe: Allgemeines. IV 8a:6i-63a
suchung eignet: die Wahl möchte indessen schon berechtigt sein, wenn die Untersuchung
nur von dem richtigen Gesichtspunkt aus durchgeführt worden wäre. — Heinemann61)
erklärt sich mit Entschiedenheit gegen die von Schmidt angewandte Behandlung, die
geeignet sei, „die Goethephilologie in Verruf zu bringen.'1 — Die Frage nach der
metrischen Gestaltung der Sprache Goethes, soweit es sich um die Anwendung* antiker
Metren, besonders des Trimeters, handelt, nimmt Nie jähr62) auf, zunächst ohne Harnacks
Untersuchung* (JBL. 1892 IV 8a: 99; 8e:3) zu kennen und zugleich mit anderer
Begründung. Harnack suchte die Umgestaltung des Trimeters, besonders in der
Helenadichtung, aus dem bewussten Bestreben nach grösserer Abwechselung zu er-
klären, wozu Valentin den weiteren Grund hinzufügte, dass es sich nach der sprach-
lichen Seite hin wesentlich um Entfernung unbetonter Silben aus Stellen des Vers-
tones handelt. N. findet die Begründung in dem mit vollem Bewusstsein verfolgten
Bestreben, dem antiken Vorbild ganz zu folgen. In der Wirkimg fallen diese Be-
strebungen zusammen, so dass die Frage bleibt, ob die beiden ersten Gründe in dem
Anschluss an die Antike das Mittel gefunden haben, oder ob der Anschluss an die
Antike der Ausgangspunkt war, der alsdann befreiend auf die Sprache und die Form
gewirkt hätte. Das jedenfalls thatsächlich vorhandene Wachstum des Anschlusses
an die Antike weist N. sehr eingehend nach: hiernach schloss sich Goethe zunächst
an die Humboldtsche Uebersetzung des Aeschylos an, nahm aber später Euripides
zum Vorbild. Wichtig für die Fragte ist der von N. mit vollem Recht betonte Punkt,
dass bei diesen metrischen Aenderungen die Sprache selbst gewonnen hat. Wo dies
nicht nachweisbar zu sein scheint, zieht N. einseitig den Rhythmus heran: hier hegt
die Schwäche seiner Begründung. Wenn „Seid mir gegrüsst, der ehrnen Pforte
Flügel ihr" geändert wird in „Gegrüsset seid mh', der ehrnen Pforte Flügel ihr",
so ist es falsch, hier nur eine grundsätzlich um des Rhythmus willen eingetretene
Aenderung anzunehmen: in der ersten Fassung* steht „mir" an hochbetonter
Stelle und erhält dadurch eine Inhaltsbedeutung die ihm nicht zukommt, da von
einem Gegensatz zu jemand anderem nicht die Rede ist. Um diesen Verstoss gegen
den Sinn zu vermeiden, erfolgt die Aenderung mit Hilfe der inzwischen kennengelernten
freieren Form des antiken Verses, wodurch in erster Linie die Sprache zu ihrem Rechte
kommt: sie muss die genau entsprechende Trägerin des Sinns sein. Für die Ent-
wicklung des Trimeters bei Goethe nimmt N. im Gegensatz zu Minor, der zwei
Perioden aufstellt: 1800 — 8 und 1825 — 30, richtiger drei Perioden an: 1800—2,
1807 — 8, 1825 — 30. — Gleichfalls an die „Helena" anschliessend und mit be-
sonderer Rücksicht auf sie in den beiden Bearbeitungen giebtVogt63) seine metrische
Untersuchung über die Hebung des schwachen e. Goethe hat sich von der Ver-
wendung des unbetonten e in den Reimen ganz frei gehalten. Im reimlosen Vers-
ausgang und im Versinneren gestattet er sich die Hebung des schwachen e bald
seltener, bald häufiger und vermeidet sogar den Hiatus dabei nicht immer, im Ver-
sende geht er von dem freieren Gebrauch in der Iphigenie zum strengeren im
Tasso und in der Umarbeitung* der Claudine von Villabella fort und wird wieder
freier in der Natürlichen Tochter; in der Bearbeitung von Shakespeares Romeo und
Julia nähert er sich wieder der Behandlung im Tasso. Im Trimeter gestattet er sich
unbedenklich die Hebung des unbetonten e in der ersten Fassung der Helena, be-
seitigt sie aber bei der Umarbeitung, die darauf ausging, die betonten e aus dem
Versinnern zu entfernen, während sie ihn am Versende nicht stören. Die grosse
Zahl der Aenderungen bringt V. geradezu zu der Annahme, die Beseitigung des be-
tonten schwachen e sei für Goethe der eigentliche Anlass zu der Umarbeitung der ersten
Gestalt der Helena gewesen. Daneben weist V. darauf hin, dass diese metrische Umge-
staltung durch allmähliche strengere Regelung seines Trimeters, durch die Beschränkung
der betonten Kürzen auf das Versende, durch ihre Vermeidung im Versinneren durch
Einmischung von Anapästen die Folge einer bewussten Annäherung an das antike Vorbild
gewesen sei und mit einer stärker antikisierenden Färbung des Stiles Hand in Hand geht.
Jedenfalls zeigt sich in der von V. angestellten Untersuchung, wie Goethe sich sicher von
seinem feinen Formgefühl leiten lassen konnte und wie er, ohne die historische
Entwicklung theoretisch zu beherrschen oder auch nur zu kennen, doch den richtigen
Weg einschlug, der sich objektiv als das Ende einer langen, von V. bis auf Otfried
zurückgeführten Entwicklung darstellt. — Henkel 63a) verfolgt die rednerischen
Mittel, die Goethe für seine satirischen Zwecke verwendete: Den Witz, der sich in
Wort und Bild vollzieht, die Parodie und die Travestie, die Karikatur und die Ironie.
In der Einzelcharakterisierung hebt er das Entscheidende an Beispielen aus Goethes
Dichtungen hervor. Zum Schlüsse weist er darauf hin, wie Goethe seinen Spott
nicht nur gegen andere gerichtet hat, sondern auch gegen sich selbst: es wurde ihm
dies möglich „durch die herrliche Gabe des Humors, der uns über die Gegenstände
IV 8e:124; bes. S. 93-103.) — 63) (I 8:23.) |[M. Koch: BFDH. 10, S. 506.11 — 63a) H. Henkel, Goethe als satir.-
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (4)26
IV 8a : 64-72 V. Valentin, Goethe: Allgemeines.
erhebt und die Welt der Verirrungen und der Verwirrungen (auch der eigenen) mit
leidenschaftsloser Heiterkeit betrachten lässt": nur wo das Ungeheure ihm gegenüber
stand, wie bei der französischen Revolution, oder wo es einen schonungslosen Ver-
nichtungszug galt, wie im Xenienkampf, fand der Humor keinen Raum, sich zu ent-
falten. Wo es aber möglich war, auch dem Gemeinen und Hässlichen eine dem Auge
wohlthuende Beleuchtung zu geben, da waltet bei ihm der Geist des echten Humors. —
Eine energische Aeusserung gegen die übertriebene Ablehnung von Fremdwörtern,
den „pedantischen Purismus, der auch den Ersatz sucht, wo wir umschreiben müssen,
während der Nachbar ein entscheidendes Wort hat," findet sich in den von Suphan64)
aus den Schätzen des Archivs veröffentlichten Gedankenspänen Goethes. —
Auch als Begründer der Graphologie wird Goethe bezeichnet: Preyer65)
erkennt zwar an, dass „sein aus der Hs. geschöpftes Urteil über den Charakter eines
Menschen ihn selten getäuscht" habe, aber Goethe hat kein System, keine Methode
aufgestellt. —
Goethes Werke in der Weimarer Ausgabe sind um neun Bände weiter-
geschritten66), von denen vier auf die I. Abteilung, zwei auf die IL Abteilung (Natur-
wissenschaft), einer auf Abteilung III (Tagebücher) und zwei auf Abteilung IV (Briefe)
fallen. — Zu den Tag- und Jahresheften erscheinen Erläuterungen, die von
W. von Biedermann67) in der ihm eigenen sorgfältigen, von specialsten Kennt-
nissen unterstützten W'eise ausgeführt werden. Sie schliessen sich zunächst an die
Weimarer Ausgabe an: vier Specialregister ermöglichen es jedoch, dass sie zu sämt-
lichen Ausgaben von Goethes Werken benutzt werden können. Die das Buch nach
allen Richtungen hin brauchbar machenden sonstigen Register geben die Absätze
der Tag- und Jahreshefte nach ihrer Jahres-Zusammengehörigkeit, Goethes Dichtungen,
Schriften und dergleichen in den Tag- und Jahresheften und biographischen Einzel-
heiten, Sachregister, geographisches Register, Personenregister (mit biographischen
Erläuterungen), Uebersicht der Absätze der Tag- und Jahreshefte nach den Folge-
nummern, den Seiten und Zeilen der Weimarer Ausgabe sowie den Anfangsworten.
— Auch die anderen Ausgaben von Goethes W'erk sind fortgesetzt worden: Düntzer
und Steiner68), Goedeke69), ebenso die illustrierte Ausgabe von Düntzer70), sowie
die ausgewählten Werke in acht Bänden71). — Von einer älteren Ausgabe der Werke:
„Goethes Werke. Original-Ausgabe. Wien 1816. Bey Chr. Kaulfuss und C. Arm-
bruster (von Band 19 an: In Carl Armbrusters Buchhandlung.) Stuttgart. In der
J. G. Cottaschen Buchhandlung. Gedruckt bei Anton Strauss", die bisher so wenig*
Geltung hatte, dass der Redaktor der „Wahlverwandtschaften" in der Weimarer
Ausgabe den Herausgeber M. von Waldberg veranlasste, die Lesarten dieser Ausgabe
nicht zu berücksichtigen, hat Seuffert72) selbst nachträglich den Wert erkannt und
dies öffentlich erklärt und berichtigt. S. legt das Verhältnis dieser Ausgabe zu der
Cottaschen in der Weise dar, dass er zu dem Schlüsse kommt, beide Ausgaben
müssten auf derselben Druckvorlaare beruhen. S. verwendet diese Erkenntnis in
humorist. Dichter: ZVLR. 7, S. 206-15. — 64) B. Suphan, Gedankenspäne. V. Goethe: GJb. 15, S. 8-17. (Bes. S. 10.) —
65) (I 3:40.) — 66) Goethes Werke. Her. im Auftr. d. Grossherzogin Sophie v. Sachsen. Weimar, Böhlau. I. Abt., 13. Bd.,
l.Abt. Paläophron u. Neoterpe, Vorspiel 1807: Was wir bringen, B3rliner Prolog 1821; Nachspiel zu Ifflands Hagestolzen usw.;
Theaterreden; Götz v. Berlichingen, für d. Bühne bearb. Her. v. R. M. Werner, A. Fresenius, J. Wähle, W. Creizenach,
A. Sauer. Redaktor: B. Suphan. III, 360 S. M. 2,80. (S. u. IV 8e: 1; Lesarten folgen erst im 13. Bd., 2. Abt.); 16. Bd.
Prolog z. Puppenspiel, Jahrmarktsfest, D. Neueste v. Plundersweilern, Epimenides her. v. W. Fielitz; Pater Brey, Satyros
her. v. R. Heinzel; Bahrdt, Parabeln, Legenden, H. Sachsens poet. Sendung her. v. G. Roethe; Mieding, Künstlers Erden-
wallen u. Apotheose her. v. D. Jacobi; Epilog z. Glocke, Maskenzug 1818 her. v. Edw. Schröder u. J. Wähle; Karls-
bader Gedichte her. v. R. M. Werner; Requiem her. v. J. Wähle; Anhang: Schillers Todtenfeyer, Cantate z. Reformations-
jubiläum her. v. B. Suphan. Redaktor: Erich Schmidt. 111,579 S. mit 1 Lichtdruckbild. M. 4,50. (S. u. IV8c:4;
8e:2); 17. Bd. D. Triumph d. Empfindsamkeit her. v. M. Roediger; D. Vögel her. v. W. Arndt; D. Gross-Kophta, D.
Bürgergeneral her. v. E. Elster. Redaktor: C. Redlich. III, 400 S. M. 3,00. (S. u. IV 8e:3); 24. Bd. Wilhelm Meisters
Wanderjahre. 1. T. Her. v. E.Joseph. Redaktor: C. Redlich. IV, 380 S. M. 3,00. (S. u. IV 8d : 1); IL Abt. Natur-
wissensch. Schriften. 4. Bd. Z. Farbenlehre. Hist. T. n. Her. v. S. Kali scher. VIII, 512 S. Mit 17 Bildertaf. M. 6,30.
(3. o. N. 52); 10. Bd. Mineralogie u. Geologie. 2. T. Her. v. R. Steiner. VIII, 282 S. M. 3,00. (S. o. N. 53); III. Abt.
Tagebücher. 6. Bd. 1817—18. Her. v. F. Heitmüller u. J. Wähle. VI, 322 S. u. Anhang (Nachtr. zu III. Abt., 2. Bd.,
S. 314. [Tagebuch 1800] 4 S.) M. 3,40. (S. u. IV 8b : 1); IV. Abt. Briefe. 15. Bd. 1800-1801. Her. v. E. v. d. Hellen.
XIII, 369 S. M. 4,00; 16. Bd. 1802-1803. Her. v. E. v. d. Hellen. XIV, 500 S. M. 5,20. (S. u. IV 8b : 2.) |[K. Heine-
mann: BLU- S. 230/1 (über I. Abt., 5. Bd.; II, 11; III, 5; IV, 13/4), S. 725/6 (über I, 16/7; II, 4, 10; IV, 15); L. Geiger:
AZg». N. 22/3 (über Briefe u. Tageb.); M. Koch: BFDH. 10, S. 481 (über Briefe), S. 4S3/5 (über naturwissensch. Schriften);
H. Düntzer: ZDPh. 26, S. 255-64, 431 (über I 4, 11/2, 20, 35; IV, 10/1); PrJbb. 75, S. 529-32; A. Bielschowsky: ML. 63,
S. 1013; NedSpect. S. 385/6.]| — 67) W. v. Biedermann, Erläuterungen zu d. Tag- u. Jahresheften v. Goethe. (= Er-
läuterungen zu Goethes Werken Bd. 35/6.) L., F. W. v. Biedermann. VIII, 365 S. M. 5,00. |[M. Koch: BFDH. 10, S. 475 6 ;
K. Heinemann: BLU. S. 231.]| — 68) Goethes Werke. Her. v. H. Düntzer u. R. Steiner. 17.-20. T.: Wahrheit u.
Dichtung, 1.-4. T.; 36. T.: Gesch. d. Farbenlehre. (= DNL. Lfg. 826/7, 830/2, 837,9.) St., Union. XLV1II, 264 S.; 312, 331,
128 S.; S. 1-240. ä Lfg. M. 0,50. |[M. Koch: BFDH. 10, S. 476/7; Kunstgewerbebl. 5, S. 10 (über T. 28: Benvenuto Cellini).J|
(S. u. IV 8b: 23.) — 69) K. Goedeke, Goethes sämtl. Werke in 36 Bdn. Mit Einl. Bd. 10/8. St., Cotta. XVI, 478 S.;
XII, 343 S.; XV, 350 S.; XII, 379 S.; IV, 135 S.; IV, 363 S.; XVI, 305 S.; XVII, 367 S.; VI, 460 S. a Bd. M. 1,10. |[DRs. 80,
S. 159; 81, S. 476; LCB1. S. 407.] | — 70) H. Düntzer, Goethes Werke. 111. v. ersten dtsch. Künstlern (in 90 Lfg.). 4. Aufl.
Lfg. 7-22. (1. Bd. LH S. u. S. 177-460; 2. Bd. S. 1-104 mit 1 Bild u. 1 Lichtdr.) St.. Dtsch. Verl.-Anst. ä Lfg. M. 0,50.
|[VossZg. N. 184.JI — 71) Goethes ausgew. Werke in 8 Bdn. L., Knaur. VIII, 439 S.; VI, 384 S.; m,381S.; III, 479 S.; 389 S.;
III, 428 S.; III, 367 S.; 446 S.) - 72) B. Seuffert, Goethes Erzählung „D. guten Weiber«: GJb. 15, S. 148-77. (S. bes.
V. Valentin, Goethe: Allgemeines. IV 8a : "Jä-sä
seiner sorgfältigen philologischen Untersuchung über den Text von Goethes Erzählung
„Die guten Weiber". — Die Entstehung dieser Ausgabe, die Herstellung der Druck-
vorlagen, die für diese gestellte Bedingung, dass sie Ms. sein müsse, wenn die
Ausgabe vor Nachdruck in Oesterreich geschützt werden solle, die klugen Mani-
pulationen Armbrusters und Cottas, um zu diesem Ziele zu gelangen, schildert ein
Aufsatz, der sich auf die von Armbruster an Cotta gerichteten Briefe stützt und somit
authentisches Material bietet'3). Die Schwierigkeiten, die im Kampfe für die Her-
stellung dieser Ausgabe dem Buchhändler erwuchsen, berechtigen den Vf. seinen Auf-
satz mit der Bemerkung- zu schliessen: Die Geschichte der Wiener Ausgabe „reiht sich
einer langen Kette von Befreiungskämpfen ein, deren Früchte wir heute gemessen". —
Ueber die Goethe betreffende Litteratur des J. 1893 giebt Geiger74) im
GJb. eine umfassende Uebersicht, diesmal noch mit häufigen Inhaltsangaben oder kurz
orientierenden Urteilen versehen. — Eine eigene Aufstellung seiner dichterischen
Werke, die Goethe für den Grafen von St. Leu gemacht hat, ist aus Privatbesitz
in Rom durch den Grossherzog* von Sachsen angekauft und dem Goethearchive
überwiesen worden: Suphan75) hat sie in g-enauer Wiedergabe veröffentlicht. — Die
Beziehungen Goethes zu dem Bruder Napoleons, die zu dieser Aufstellung geführt
haben, hat Suphan76) in einer besonderen Abhandlung- dargestellt. —
Goethes Stellung in der Weltlitteratur hat besonders in England
einen seltsamen Kampf zu kämpfen. Es wirken immer noch alte Vorurteile nach, und
es scheint fast, als ob immer noch kleinliche Gesichtspunkte den grösseren Teil der
Nation Goethe gegenüber beherrschen. Einen deutlichen Einblick gewährt ein Auf-
satz von Sänger77), den dieser im Anschluss an Seeley78) geschrieben hat. Er
schildert zunächst Goethe in Carlyles Auffassung, dessen Geist von seinen Lands-
leuten als „goethisch" bezeichnet wird, während ihn deutsche Kritiker als den
führenden Geist seiner Volksgenossen ansehen. Nach Carlyle erscheint Goethe am
Ende seiner Entwicklung als ein Riesencharakter, mild, gütig und ruhig zugleich;
er ist der Starke und Positive, gegenüber den Voltaires und Diderots, die stets ver-
neinen. Dabei muss man von einzelnen, namentlich älteren ungeduldigen (nur?) Be-
merkungen des unruhigen Kopfes absehen, da es auf die Gesamtauffassung ankommt.
Von anderen englischen Kritikern ist erst Matthew Arnold wieder wichtig, der sich
jedoch von dem Franzosen Scherer beeinflussen lässt: S. urteilt hier zu milde
(JBL. 1892 IV 8a: 110.). Goethe ist für Arnold der grösste aller modernen Dichter,
weil er, im Besitze einer sehr beträchtlichen Anlage für Poesie, zugleich durch die
Weite, die Tiefe und den Reichtum seiner Kritik des Lebens der weitgrösste moderne
Mensch ist. In dem Lehrhaften seiner Poesie liegt der Wert, den sie als Poesie
allein nicht hat. S. bewundert Goethe zwar als Künstler und als Weisen: dennoch
legt auch er den Nachdruck auf Goethes Beruf als Erzieher seines Volkes, wobei er
es für notwendig erachtet, heute, mehr als sechzig Jahre nach Goethes Tod, ihn von
dem Vorwurf der Immoralität und der sündigen Bevorwortung einer rein ästhetischen
Kultur zu säubern. — Und Benn79) behauptet, dass Goethe die ersten Schritte
keine Anstrengung kosten: sobald er sich aber bemüht, die Erwartungen der ersten
Erfolge einzulösen, bricht er zusammen. Clavigo, Stella, die Natürliche Tochter, der
zweite Ted des Faust, die „glücklicherweise" Fragment gebliebene Achilleis, die
späteren Abschnitte von Wilhelm Meisters Lehrjahren, die ganzen Wanderjahre, die
Wahlverwandtschaften, die missglückte Farbenlehre sind eine Reihe von Nieder-
lagen nach der glänzenden Reihe von Triumphen, die der jugendliche Dichter im
Fluge eiTungen. S. hat sehr recht, wenn er nach diesen Ausführungen sein Urteil
dahin zusammenfasst, dass, wenn ein Bildner des englischen litterarischen Geschmacks
von Goethe so sprechen darf, der Geist, in dem Goethe lebte und dichtete, in England
noch lange nicht begriffen ist. — Ein anderes Bild von Goethes Schätzung in Eng-
land geben wenigstens teilweise die Transactions80-81) der englischen Goethe-Society
(JBL. 1893 IV 8a: 37; 143/8): hier sind es besonders die Mitglieder deutscher Ab-
stammung, die ein tieferes Verständnis haben und vermitteln. Dass ein Bericht-
erstatter, der sich mit Goethelitteratur beschäftigt, erst aus einem englischen Aufsatz
der Transactions über Faust von der „Existenz eines litterarischen Kuriosums",
nämlich von Louviers Sphinx locuta est, erfährt und diese Entdeckung freudig mitteilt,
ist freilich selbst ein Kuriosum. — Eine gute Zusammenstellung neuester englischer
Goethelitteratur hat Breul82) gegeben. — Eine Einwirkung Goethes auf Bulwer
sucht Goldhan83) nachzuweisen, und zwar des WTerther auf Bulwers „Falkland",
S. 166.) — 73) Armbruster u. d. Wiener Goethe-Ausg. : AZgB. N. 17. — 74) L. Geiger, Bibliographie: GJb. 15, S. 313-62.—
75) B. Suphan, Onvrages poet. de Goethe: ib. S. 17/9. — 76) id., Goethe u. d. Graf v. St. Leu: ib. S. 111,6. |[M. Koch:
BFDH. 10, S. 451,2.]; — 77) S. Saenger, Vom englischen Goethe: FZg. N. 266. — 78) J. P. Seeley, Goethe reyiewed after
sixty years. (= Tauchnitz-Ed. N. 2964.) L., Tauchnitz. 253 S. M. 1,60. |[M. Koch: BFDH. 10, S. 460,2; M. Krummacher:
EnglSt. 19, S. 279-81; Ath. 1, S. 44; SaturdayR. 77, S. 27.]| — 79) A.W. Benn: Ac.45, S. 469-70.— 80) XM- Krummac her:
EnglSt. S. 279-87; L. Geiger: Nation«. 11, S. 216. — 81) X Goethe in England: NFPr. N. 10 605. - 82) K. Bronl, Z. Unterr.
d. Engländer in d. dtsch. Spr. u. Litt.: ZDU. 8, S. 155-72. — 83) A. H. Goldhan, Ueber d. Einwirkung d. Goetheschen
(4)26*
IV 8a = 84-93 V. Valentin, Goethe: Allgemeines.
Wilhelm Meisters besonders auf „Ernst Maltravers". — Sinzheimer84) will durch
eine Analyse des persönlichen und des litterarischen Verhältnisses zwischen Goethe und
Byron „in das Wesen, die Aehnlichkeiten und Unähnlichkeiten ihrer Dichtung- und
Lebensauffassung- näher eindringen, um gerade dadurch den richtigen Standpunkt für
eine vergleichende litteraturgeschichtliche Skizze zu gewinnen, die nicht nur am ge-
gebenen Stoff haftet, sondern auch die Entwicklung der ganzen Poesie der letzten
grossen Epoche ins Auge fasst." S. bestreitet die Abhängigkeit des Manfred vom
Faust, sucht eine solche aber für das Fragment „the transformed deformed" fest-
zustellen. Er sucht die erlebten Grundlagen im „Manfred" nachzuweisen und giebt
einen Vergleich zwischen Erscheinungen in Goethes und Byrons Leben, indem er in
recht gewagter Parallelisierung Goethes Verhältnis zu Frau von Stein mit dem Byrons
zu der Gräfin Guiccioli, Goethes Flucht nach Italien mit Byrons Abreise nach
Griechenland zusammenstellt. Daneben betont er aber auch den Gegensatz der beiden
Dichter in „Lebensanschauung und Poesie." —
Auch in Frankreich ist das Verständnis gering, wie es zwei neuere
Literaturgeschichten zeigen, von denen die erste einen Abriss der Weltlitteratur
giebt: Bouchet85), und die andere eine Geschichte der deutschen Litteratur versucht:
Parmentier86). — In einem Vortrag im Wiener Goetheverein führt de Laplane87)
als Gründe dafür, dass Goethe keine breitere und tiefere Wirkung in Frankreich aus-
übe, besonders die Thatsache an, dass die Franzosen als Menschen der That und der
Leidenschaft solche Leute vorzögen, „qui ne revent pas, qui se disputent, qui crient,
qui touchent aux questions du jour et qui se remuent perpetuellement", Leute wie
die Panurge, Sganarelle, Gil Blas, Figaro; ferner störe die Franzosen Goethes
Pantheismus und endlich behandle Goethe für das französische Gefühl in seinen
Dichtungen die Frauen nicht zart genug: seine wunderbarste Schöpfung, das arme
Gretchen, zermalme Goethe gar zu erbarmungslos; da gingen die Franzosen nicht
mehr mit. In der That sei auf einem Provinzialtheater der Faust durch des Helden
Heirat mit Gretchen geschlossen worden ! — Wie Goethe seinerseits französische Ein-
flüsse in sich verarbeitet hat, schildert Bock88), indem er Goethes Gedanken über
Voltaire zusammenstellt. Am entscheidendsten wirkte auf der deutschen Bühne
Goethes Uebertragung des Mahomet und dessen Einstudierung in Weimar: der Ver-
deutschung des Voltaireschen „Mahomet" durch Goethe gebührt der Dank, dass seit
dieser Zeit das Versdrama auf der deutschen Bühne wieder zu Recht und Ehren ge-
kommen ist. —
Ueber Goethes Einwirkungen auf Italien berichtet ausführlich Koch89),
im Anschluss an Bulle90), dessen Darstellung der italienischen Litteraturentwicklung
eine Grundlage für die Würdigung von Goethes Aufsätzen und persönlichen Be-
ziehungen in Italien bietet: es kommen besonders die zu Monti und zu Manzoni zur
Sprache, sodann aber Goethes Einfluss auf Ugo Foscolos „Ultime lettere di Jacopo
Ortis". — An Bulles Darlegung hierüber schliesst Zschech91) eine eingehende Unter-
suchung der ganzen Sachlage an, wobei die Angaben im GJb. 1887 bei der ersten
Veröffentlichung von Ugo Foscolos Brief an Goethe sowie die von italienischen
Forschern berichtigt werden. Z. weist als unmittelbare Vorlage Foscolos Muzzis
Uebersetzung der Wertherie von Pierre Perin und eine französische Wertherdichtung
„Lettres de deux amants, habitants de Lyon", nach, die ihrerseits wieder zu Werther
zurückführen. —
Goethes Beziehungen zu Amerika, wie sie in seinen Werken und den
Gesprächen sich äussern, bespricht Koch92). Von der gegenwärtigen eifrigen Be-
schäftigung mit Goethe erwähnt er die 1894— 95 an der University of Chicago gehaltenen
Vorträge. —
Das Buch von Kraus93): Goethe und Böhmen (JBL 1893 IV 8a: 160) be-
urteilt Rosen bäum im Widerspruch mit früherer Kritik: „Einzig beachtenswert ist
der Teil des letzten Abschnitts, der über das Gedicht 'Das Sträusschen' handelt" — :
geniale Herstellung Goethes neu bewiesen durch Masaryk. Was über Goethes Be-
suche in Böhmen, seine dortigen Freunde und Bekannte gesagt ist, geht nicht über
das hinaus, was Hlawacek-Russ, Pröcke, Bratranek usw\ in deutscher Sprache gesagt
haben. Der zweite Teil des Buches wird Goethes Einfluss auf die czechische
Litteratur behandeln. —
Werthers u. Wilhelm Meisters auf d. Entwicklung Ed. Bulwers. Diss. Leipzig. (Halle a. S., Karras.) 103 S. |[M. Koch:
BFDH. 10, S. 206/7.J| (Sonderabdr. aus Anglia 16, S. 267-369; s. u. IV 8d:29.) — 84) S. Sinzheimer, Goethe u. Byron.
E. Darstell, d. persönl. n. litt. Verhältn. mit bes. Berücksioht. d. „Faust" u. „Manfred". Diss. Heidelberg. 84 S. (S. u.
IV 8b: 61; 8e : 96.) — 85) E. Bouchet, Prec. des litt, etrang. anciennes et mod. (= Bibl. d'educat. et de recreat.) Paris,
Hetzel & Cie. V, 430 S. Fr. 7,50. — 86 ) (IV 1 d : 3.) — 87) V i c o m t e d e L a p 1 a n e , üeber Goethe. Vortr. geh. im Wiener Goethever.
Referat: ChWGV. 8, S. 17/8. |[TglRs. N. 85.]| (Auch in NFPr. abgedr.) — 88) A. Bock, Goethes Gedanken über Voltaire:
SchlesZg. N. 816. — 89) M. Koch, Neuere Goethe- u. Schillerlitt. IX.: BFDH. 10, S. 413-508. (S. bes. S. 495/7.) - 90) O.
Bulle, D. ital. Einheitsidee in ihrer litt. Entwicklung v. Parini bis Manzoni. B., Hüttig. 1893. XII, 345 S. M. 6,00. —
91) F. Zschech, Ugo Foscolos Brief an Goethe (Mailand 15. Jan. 1802 [vgl. GJb. 8, S. 8]). Progr. d. Realschule am Eil-
beckerwege. Hamburg. 4°. 26 S. M. 2,50. (S. u. IV 8b: 18.) — 92) M. Koch. (= N. 89, S. 489.) — 93) X R- Rosen-
K. Heinemann, Goethes Leben. IV8a:94-ios IV8b:i
In Japan wird jetzt Goethes Werther in einer Uebersetzung von Professor
Mari, der in Deutschland studiert hat, gelesen: das Buch hat den Titel: Werther ken
Kanashimi. Der Absatz ist ein ungewöhnlich grosser94). —
Einen lang andauernden und in Absätzen stark hervortretenden Einfluss des
Schrifttums Chinas auf Goethe schildert von Biedermann95). Zunächst muss es
überraschen, dass das ceremoniell verknöcherte Chinesentum auf den Dichter be-
fruchtend eingewirkt haben soll, dessen grösste Wirkung auf seine eigene Litteratur
die Befreiung von chinesenhaftem Regelzwang gewesen ist. Allein in China ruft
eben dieser Zwang eine mächtige Gegenwirkung hervor: gerade das Durchbrechen
solcher Verhältnisse, die von der Natur geschaffen sind, aber äusserlich unterdrückt
werden, bildet einen Hauptinhalt der chinesischen Dichtung, und dieser Zug ist es,
der Goethe gefesselt und immer aufs neue wieder zur chinesischen Litteratur zurück-
geführt hat. Nach B. hat Goethe sogar wiederholt Anregungen zu Dichtungen von
dort erhalten, die er dann in europäische Verhältnisse übertragen hat: so sei es bei
Elpenor gewesen, so sei es auch bei der Novelle „Der Mann von fünfzig Jahren". B.
führt alle die Beziehungen mit genauem Nachweise vor, desgleichen die Dichtungen,
die in unmittelbarem oder in mittelbarem Zusammenhang mit China stehen : So nimmt
unter den weltliterarischen Beziehungen Goethes China eine ganz besonders hervor-
ragende Stellung ein. Interessant ist auch der Hinweis darauf, dass die englische
Gartenkunst, die eine Befreiung vom italienischen und vom französischen Gartenstil
brachte, geschaffen wurde, als die Schilderungen chinesischer Gärten mit ihrer Dar-
stellung natürlicher Landschaften allgemeine Aufmerksamkeit erregt hatten: Goethe
macht sich in seinen Dichtungen über die kindische Spielerei der gekünstelten
chinesischen Landschaftsgartenkunst lustig, in der Wirklichkeit aber hielt er sich an
diese befreiende Seite und „schuf im Park zu Weimar eine Landschaftsgartenanlage
grossartigsten Stiles im Geiste der chinesischen Kunst". —
Böhms Untersuchung96) über Goethes Verhältnis zur Antike (JBL.
1892 IV 8a: 114; 1893 IV 8a: 165), Bronners97) „Goethes römische Elegien und ihre
Quellen" (JBL. 1893 IV 8a : 166) und Schreyers98) „Das Fortleben homerischer Ge-
stalten" fJBL. 1893 IV 8a : 564) werden weiter besprochen. —
Totenschau. Von Verstorbenen, die mit Goethe durch ihre Studien in
Beziehung gestanden haben und denen Nachrufe gewidmet worden sind, müssen ver-
zeichnet werden: Helmholtz99'102), Robert Keil103), Graf von Schack104), Philipp
Spitta105), Reinhold Köhler106), Rudolf Hildebrand107); ferner Otto Devrient, Karl
Köstlin, Franz Kern: über diese werden Nachrufe für das GJb. vorbereitet. — Auch
einer trefflichen Frau Gedächtnis soll hier aufgezeichnet werden, da sie in ihren
Dichtungen gern den Einfluss Goethes auf sich wirken liess: Louise Marie von
Francois108) (gest. 1893). —
b) Leben.
Karl Heinemann.
Quellen: Tagebücher N. 1. — Briefe Goethes N. 2. — Briefe an Goethe N. 13. — Briefe über Goethe
N. 19. — Gespräche N. 22. — Autobiographische Schriften N. 23. — Darstellungen: Biographien N. 31. — Be-
ziehungen zu anderen Personen: Franengestalten H. 34; Vorfihren und Eltern K. 35; Hans Sachs N. 40; Schiller N. 42;
Friederike N. 44; Lili N. 49; Frau von Stein N. 50; Karl Augnst N 52; K. Matthäi N. 53; Magdalena Pfenninger N. 54;
Beethoven N. 55; Voss, H. Steffens, Bürger N. 56: Kaiserin Maria Ludovika N. 59; König Ludwig von Holland (Graf St. Leu)
N. 60; Byron N. 61. — Aufenthalt in Tennstädt N. 62; in Karlsbad N. 63. —
Quellen. Unter den vier Abteilungen der Weimarer Goetheausgabe ist
wohl keine mit so grosser Spannung von den Goetheforschern erwartet worden wie
die der Tagebücher. Und diese Erwartung ist auch nicht getäuscht worden. Erst
jetzt haben wir einen klaren und deutlichen Einblick in die Entstehung und das all-
mähliche Heranreifen vieler Werke Goethes gewonnen, erst jetzt in seine bewunderungs-
würdige, ohne Ermatten fortschreitende grossartige Thätigkeit, von der er selbst in
einem jüngst bekannt gewordenen Brief an den Prinzen August von Gotha vom
3. Jan. 1800 sagt: „Die vielen Fäden der Wissenschaft, Künste nnd Geschäfte, die
bäum: DLZ. S. 7756; LCB1. S. 124/5. - 94) X FZg. N. 161. — 95) W. v. Biedermann, Goethe u. d. Schrifttum Chinas:
ZVLR, 7, S. 383-401. — 96) X M. Koch: BFDH. 10, S. 234; F. Prosch: ZOG. 45, S. 277. - 97) X W. Koch: BFDH. 10,
S.233. — 98) X M. Koch: BFDH. 10, S.234: H.Morsch: WSKPh. 11, S. 1260,1; LCB1. S.91. — 99) X W. König, Helmholtz:
FZg. N. 257. — 100) X Helmholtz: AZg". N. 208. (Vgl. Helmhollz u. Hertz: ib. N. 173.) — 101) X Gedächtnisfeier für H. Helm-
holtz in Berlin mit Festrede W. v. Bezolds: ib. N. 290. - 102) X A- Koch, Helmholtz in Heidelberg: FZg. N. 362. —103) X
AZgB. N. 63. - 104) X FZg. N. 104. - 105) X AZg«. N. 89; FrankfJourn. N. 177. - 106) X AZg«. N. 256. - 107) X ib-
N. 252. — 108) X GJb. 15, S. 302 3. -
IV 8b : 1-3 K. Heinemann, Goethes Leben.
ich in meinen früheren Zeiten angeknüpft habe, laufen nun immer enger zusammen,
so dass es meiner ganzen Ordnungsgewohnheit bedarf, damit kein Gewirre entstehe."
Wer immer das Goethesche Leben in seinen Einzelheiten und die Entstehung seiner
Werke verfolgen will, wird stets zu den Tagebüchern als der authentischen Quelle
zurückgreifen müssen, aber wer nicht als Forscher, sondern als Freund und Verehrer
an den Dichter herantritt, dem wird die Lektüre dieser kurzen, oft einsilbigen Auf-
zeichnungen kaum förderlich, geschweige denn genussreich sein, obgleich die Heraus-
geber in opferfreudiger, von eingehendster Kenntnis unterstützter Arbeit sich alle
mögliche Mühe gegeben haben, diesen Notizen auch für den Laien Leben ein-
zuhauchen. Da nun unser Beitrag sich weniger an die Goetheforscher als an die
grosse Zahl der Goethefreunde wendet, so werden wir uns auch mit einem kurzen
Bericht zu begnügen haben. Der in unserem Berichtsjahre erschienene 6. Band der
Tagebücher umfasst die J. 1817 — 18. Die Herausgeber Heitmüller und Wähle1)
haben sich in der Hauptsache so in die grosse Arbeit geteilt, dass der erstere den
Text bearbeitete, W. die kritischen und erläuternden Angaben übernahm. In dem
Aeusseren tritt mit dem 21. März 1817 insofern eine Aenderung ein, als die Ein-
tragungen nicht mehr in den Gothaischen Schreibkalender, sondern in ein besonderes
Heft gemacht werden, so dass das Tagebuch nun eine aktenmässige Gestalt in Folio
erhält, „auf der rechten Hälfte der gebrochenen Blätter stehen die Akta und Er-
lebnisse des Tages, auf der linken die Expeditionen, Briefe usw." Wir würden
dieser Aenderung nicht gedenken, wenn uns nicht Suphan versicherte, dass sie nicht
ohne Einfluss auf den Inhalt geblieben sei. „Goethe hat sich späterhin dann und
wann freier ergangen in Bericht und Beschreibung und seine Diktate nehmen oft
die Farbe des Persönlichen, frisch Erlebten an." In den Tages- und Jahresheften
von 1817 erzählt Goethe von seinem Besuche der Ruine in Paulinzelle an seinem
Geburtstage, „den er immer gerne im Stillen feierte," als von einem besonderen Er-
lebnis. Er begann damals ein Schema zu einem grösseren Aufsatz über Paulinzelle
zu schreiben. Dieses Schema hat sich in einer Kräuterschen Abschrift erhalten und
ist von den Herausgebern (auf S. 300/2) abgedruckt worden. Als Anhang ist ein
Nachtrag zu Band 2, S. 314 beigegeben worden, der eine Lücke des Tagebuchs aus-
füllt. Er ist überschrieben: „1800 Kurzgefasstes Tagebuch von dem was bei des
Herrn Professor Gentz hiesigem Aufenthalt geschehen." Es handelt sich um die
Thätigkeit des preussischen Oberbauinspektors Gentz beim Bau des neuen Schlosses
in Weimar. —
Die Ausgabe der Briefe Goethes2) ist um zwei Bände, die die J. 1800
bis 1803 umfassen, gewachsen. Die Bedeutung dieses Teiles IV der Weimarer Aus-
gabe erhellt schon aus der Thatsache, dass von den 633 in diesen beiden Bänden
abgedruckten Briefen 256 zum ersten Male oder zuerst in vollständiger Weise ver-
öffentlicht werden. Unter den an Goethe persönlich nahestehende Personen gerichteten
Briefen nehmen wieder die an Christiane den ersten Rang ein. Sie sind aus Leipzig,
Jena, Göttingen, Pyrmont geschrieben und zeigen denselben herzlichen Ton, der schon
aus den Briefen der vorhergehenden Jahre bekannt ist. Wenn Christiane in Lauch-
städt ist, muss sie täglich an Goethe schreiben, ja sogar für ihn ein Tagebuch über
alle Erlebnisse führen. Von der Zärtlichkeit der Beziehungen zeugt unter vielen
anderen die Briefstelle: „Schicke mir mit nächster Gelegenheit Deine letzten, neuen
schon durchgetanzten Schuhe, von denen Du mir schreibst, dass ich nur wieder
etwas von Dir habe und an mein Herz drücken kann." Von anderen Adressaten
sind besonders hervorzuheben: F. A. Wolf, Hackert, Sömmering, der Arzt Nikolaus
Meyer, der Freund Christianens Rochlitz, Wolzogen, Cotta, Eichstädt, W. Schlegel,
Reichardt, Niethammer, Schelling, Hegel. Der Inhalt der Briefe dreht sich ausser
um Goethes Werke besonders um das Theater in Weimar und Lauchstädt, den Schloss-
bau, die Preisaufgabe, geschäftliche Beziehungen zu Cotta, das Landgut Rossla und
um die Universität in Jena und die Jenaische Litteraturzeitung. Der Herausgeber
von der Hellen sagt mit Recht von den Briefen, die die Universität Jena angehen:
„Die hierauf bezüglichen Urkunden im Text wie in den Anmerkungen, spiegeln ein
richtiges Stück deutscher Kulturgeschichte und zeigen einmal in einem besonders
deutlichen Falle, dass hierin, über Goethe hinaus, ein Hauptwert der Gesamtausgabe
seiner Briefe liegt." Bis nach Russland, Frankreich und Italien reichen die Fäden
der Goetheschen Beziehungen und der Kreis seines Wirkens. Dem französischen
Uebersetzer von Hermann und Dorothea, Bitaube in Paris, schreibt er folgende wichtigen
Worte: „Wenn es rühmlich für einen Schriftsteller ist von fremden Nationen gekannt
zu sein, so ist es, dünkt mich, noch ehrenvoller, von Männern geschätzt zu werden,
weiche die Muster kennen, nach denen er sich zu bilden gesucht hat. Sie haben,
würdiger Mann, mein Gedicht der Uebersetzung nicht unwert geachtet, nachdem Sie,
1) (IV 8a: 66.) — 2) (ib.) — 3) Goethes Briefe. Mit Einl. u. erklär. Anra. her. v. A. Voigt. Lfg. 1-6. L.,
K. Heinemann, Goethes Leben. IV 8b-.3a-n
in früherer Zeit ihr Gefühl für unsere Lehrer, die Griechen, und für den Reiz
patriarchalischer Sitten durch Übersetzung* und eigene Arbeit an den Tag gelegt
hatten." Dem englischen Oebersetzer desselben Werkes, Holcroft, teilt er seine
Meinung über die beste Art der Uebersetzung mit. „Man kann, wie es mir scheint,
nach zweierlei Maximen übersetzen, einmal wenn man seiner Nation den reinen
Begriff eines fremden Autors überliefern, fremde Zustände derselben anschaulich
machen will, wobei man sich denn genau an das Original bindet; man kann aber
auch ein solches fremdes Werk als eine Art Stoff behandeln, indem man es, nach
eigenen Empfindungen und Ueberzeugungen, dergestalt verändert, dass es unserer
Nation näher gebracht und von ihr gleichsam als ein Originalwerk aufgenommen
werden könne. Ich ergreife vielleicht", so schliesst der Brief, „irgend eine Gelegen-
heit über die vier, nunmehr vor mir liegenden, Ueb ersetz ungen meines Gedichtes
öffentlich meine Gedanken zu sagen." Dem Kurator der Universität Charkow, Grafen
Potocki, sandte auf dessen Bitte Goethe im Nov. 1803 ein ausführliches Gutachten
über die Besetzung einiger Lehrstühle durch deutsche Gelehrte. — Dass bei den
Ausgaben der Briefe die Antworten der Adressaten fehlen und die erläuternden An-
merkungen nur kurz und knapp gehalten sein können, ist ein schon oft beklagter, aber
nicht zu beseitigender Uebelstand Ihm abzuhelfen hat Voigt3) versucht in einer neuen
Ausgabe, von der nur sechs Lieferungen erschienen sind. Wir sind ihr schon bei ihrem
Erscheinen mit Misstrauen begegnet. Der Herausgeber versprach sämtliche Briefe (mit
Ausnahme der rein geschäftlichen und der Billets), Erläuterungen zu ihnen und die
wichtigsten Briefe an Goethe in 5 Bänden zu bringen. Das Unmögliche des Vorhabens
scheinen Herausgeber und Verleger noch bei Zeiten eingesehen zu haben. — Auch an
anderen Stellen sind hisher unbekannte Briefe Goethes veröffentlicht worden, so 2 Briefe an
Hirt3a), die wir aber lieber mit den Briefen von Hirt an Goethe zusammen besprechen
wollen. - In einem Nachtrag teilt Suphan4) einen Brief Goethes an Barbara Schulthess
mit, der in noch nicht geordneten Konzepten des Goethearchivs entdeckt ist; ein
erfreulicher Fund, da wir bisher nur einen einzigen (GJb. 13, S. 19—20) veröffent-
lichten Brief Goethes an Bäbe besassen; er ist nach S.s unanfechtbarem Nachweis
in Stäfa am 9. Okt. 1797 geschrieben und berichtet in seinem Anfang von der glück-
lich vollbrachten Reise durch Uri, Unterwaiden und Zug. An der soeben genannten
Stelle hatte S. in einem schönen Aufsatze die Beziehungen des Dichters zu Bäbe
Schulthess ausführlich behandelt und beleuchtet . (GJb. 13, S. 149—62) und für die
Zeit, in welcher der nun bekannt gewordene Brief fällt, eine Missstimmung zwischen
Goethe und Bäbe nachgewiesen und diese darauf zurückzuführen versucht, „dass der
häusliche Bund mit Christiane eine Absage aller jener Seelenbünde zur Folge hatte,
die sich auf der zarten Grenze zwischen Liebe und Freundschaft zu halten suchten".
Der Hauch einer ähnlichen Seelenstimmung liegt auch auf diesem Briefe: „Ich hoffe,
dass uns eine gute Stunde zusammenführen soll, denn ich will nur gestehen, dass
ich auch wegen Deiner letzten Aeusserung nicht ganz Deiner Meinung bin. Bei
meinem Alter und meiner Sinnesart kenne ich nur Worte und That, wodurch der
Mensch sich dem Menschen offenbaren kann, das sogenannte beredte Schweigen habe
ich schon lange der lieben und verliebten Jugend anheimgestellt," — Ausserdem ist
noch ein kurzer Brief an das Harvard-Colleg5) zu Cambridge in Massachusetts zu
erwähnen vom 11. Aug. 1819, der eine Sendung Goethescher Werke begleitet. —
Daneben haben Briefe Goethes mitgeteüt: Rollet6 6a) einen unbedeutenden Brief an Prof.
Batsch, einen an Vuk. Karadschitsch, den serbischen Philologen, vom 20. Dec. 1823,
in dem sich Goethe für eine Uebersetzung schöner serbischer Lieder und Grammatik
und Lexikon bedankt (der Brief steht aber schon bei Strehlke), Pick7) einige aller-
dings ganz unbedeutende auf Weinankauf sich beziehende Briefe oder vielmehr
Bestellungen Goethes an Ramann in Erfurt, ferner Franzos8) in seiner „Deutschen
Dichtung" ein kleines undatiertes Billet Goethes an Karl August, ein anderes
vom 2. Dec. 1831 (Adressat unbekannt), einen Brief von dem Dichter Steg-
macher an Goethe sowie einen vom Konsistorialrat Mosengeil in Meiningen vom
19. Sept. 1820, der ein Urteil Goethes über eine Dichtung Mosengeils enthält. —
Schliesslich hat Gust. A. Müller8») einen Brief an Hirt veröffentlicht, der bei
dem Bericht über Goethes und Hirts Briefwechsel weiter unten angeführt werden
wird. — Eine ganze Reihe bisher ungedruckter Briefe Goethes verdanken wir
Geiger9), der 10 Briefe an Schadow veröffentlicht hat. Er schickt einige Be-
merkungen über das Verhältnis Goethes zu Schadow voraus. Eine missbilligende
Notiz Goethes über Berliner Künstler hatte einen Protest Schadows hervorgerufen.
Pfau. S. 1-330 . ä M. 0,50. |[DAdelsbl. S. 947; AkBll. 9, S. 268/9.1; - 3 a) (S. n. N. 15.) —4) B.Suphan, E. Brief Goethes an Barbara
Schulthess: GJb. 15, S. 247/8. — 5) L. Frank el, Goethes Verbind, mit Amerika: ib. S. 283. — 6 ) H. Rollet, E. Brief
Goethes an Prof. Batsch: ChWGV. 8, S. 4. — 6a) id., E. Brief Goethes an Vuk. Karadschitsch: FZg. N. 277, 280. — 7) A.
Pick, Nachlese zu Goethes Briefen an Ramann: AAnzErfurt 14., 17. Nor. — 8) K. E. F ranz o s, Briefe v. u. an Goethe:
DDichtung. 15, S. 29-30. — 8a) (S. u. N. 16.) — 9) (l 9:254.) - 10) Goethe u. Gerhardt v. Reutern: AZg«. N. 259. - Hj
IV 8b : 12-15 K. Heinemann, Goethes Leben.
Trotz eines Besuches Schadows in Weimar wollte sich ein annehmbares Verhältnis nicht
gestalten, bis beide Männer durch das Blücherdenkmal für Rostock, das Schadow
ausführen sollte, zu näherem Verkehr kamen, da Goethe um seinen Rat gebeten
worden war. Der Briefwechsel beginnt mit dem 25. Okt. 1815 und schliesst mit dem
27. Okt. 1819. Das Thema ist in der Hauptsache das Blücherdenkmal, dem sich
einige andere Kunstthemata anfügen. — Zwei Briefe von Goethe, der eine an
Gerhardt von Reutern10) vom 3. Juni 1829 und der andere an dessen Gattin vom
11. Juli 1831, sind veröffentlicht worden in der Schrift G. von Reutern (St. Peters-
burg 1894) und danach in der AZgB. abgedruckt. In dem einen Briefe spricht Goethe
seinen Dank für künstlerische Gaben des Malers aus, in dem anderen erkundigt er
sich nach dem kranken Gatten und sendet eine von Reutern ihm übermittelte Arabeske
mit dem von ihm selbst eingeschriebenen Gedicht: „Gebildeten fürwahr genug usw."
zurück. — In dem Briefwechsel Goethes mit dem Buchhändler Sander, dem Verleger
Kotzebues, bringt Geiger11) einiges Neue herbei, was beweist, dass die Beziehungen
Goethes zu Sander und dessen Frau doch lebhafter gewesen, als man bisher an-
nahm. — Eine neue Ausgabe der Briefe Goethes an Frau von Stein hat der Cottasche
Verlag veranstaltet. Die Einleitung rührt von Heinemann12) her. Die Ausgabe
enthält auch das Tagebuch aus Italien. —
Von den Briefen an Goethe bringt das GJb. eine grosse Anzahl.
Erstlich sind zu nennen sieben Briefe von dem Philosophen Fichte, die Steiner13)
herausgegeben hat; sie stammen aus dem J. 1794, also gleich aus der ersten
Zeit der Wirksamkeit des grossen Gelehrten an der Universität Jena. Fichte wendet
sich in den Briefen an Goethe um Schutz gegen die Kabalen seiner Kollegen. Es
handelt sich in den ersten Briefen um Verleumdungen, die über Fichtes Kolleg:
Moral für Gelehrte, ausgestreut worden waren. Die energische Art des Auftretens
Fichtes und sein Entschluss, das Kolleg drucken zu lassen, gewannen ihm Goethes und
des Herzogs Schutz. In demselben J. kam es zu einer zweiten Misshelligkeit, von
der der 7. Brief vom 19. Nov. handelt. Da die Stunden in den Wochentagen völlig
besetzt waren, hielt Fichte ein Kolleg am Sonntage von 9 — 10 Uhr ab. Die Geist-
lichen beschwerten sich deswegen, und Fichte verteidigt sich in diesem Schreiben an
Goethe, indem er darauf hinwies, „dass es darauf abgesehen wäre, das Kolleg über-
haupt zu verbieten." Der Herzog entschied, dass Fichte wohl am Sonntag lesen dürfe,
aber nur eine Stunde nach dem Nachmittagsgottesdienst. — Die Beziehungen Goethes
zu dem Philologen F. A. Wolf hat bekanntlich Bernays in einer vortrefflichen Schrift
erschöpfend behandelt. Geiger14) hat nun acht Briefe Wolfs aus den J. 1807 — 17
veröffentlicht und damit zwar nichts, was die Bernayssche Schrift in wesentlichen
Punkten korrigierte, aber doch einen hübschen Beitrag zu dem, was schon bekannt
war, gebracht. Wir heben hervor: Die Erwähnung des Besuches Schopenhauers,
der von Goethe an Wolf geschickt worden war, den Begleitbrief zu der Uebersendung
der Goethe gewidmeten Darstellung der Altertumswissenschaft im ersten Hefte des
Wolfschen „Museums", dessen freudige Aufnahme uns durch Goethes Brief vom Dec. 1807
(Bernays S. 112) bekannt ist; der Versuch Wolfs, Goethes Einfluss für seine Berufung
an Heynes Stelle nach Göttingen zu gewinnen (1. Jan. 1813) usw. Die eingehenden
Anmerkungen G.s fassen das Wesentliche in dem Verkehr der beiden Männer zu-
sammen und bringen in einem Nachtrage kleinere, nicht unwichtige Nova; besonders
ist hervorzuheben der Bericht Böttigers über ein Biedermanns Spürkraft entgangenes
Gespräch zwischen Goethe, Wolf, Wieland und Böttiger vom 28. Mai 1795. Das Ge-
spräch dreht sich um die Scenerie und Dekoration des antiken Theaters, metrische
Erörterungen über den Reim und seine Herkunft und über die Plaidoyers der Advo-
katen in Venedig, eine Erzählung, die aus der Italienischen Reise bekannt ist, und eine
Ergänzung zu Goethes Bericht in der Italienischen Reise Molimenti 30. Apr. 1787 bildet
(nicht Girgenti 26. Apr. 1787, wie der Herausgeber meint). Zugleich mit diesen Auf-
zeichnungen hat sich in der Dresdener Bibliothek ein Blatt erhalten, das die Ueber-
schrift trägt: Goethes Blicke über die Sache (die von Wolf angeregte homerische
Frage). G. hat das Blatt nicht abgedruckt, weil es bereits früher von W. Peters
(JBL. 1890 IV 6 : 54) veröffentlicht worden ist. Es erhellt aus dem Inhalt, dass Goethe
damals der Wolfschen Hypothese durchaus feindlich gegenüber stand, „er polemisiert
als Dichter gegen das beillose Beginnen des Kritikers." — Auf die Wolfschen Briefe
folgt im GJb. die ebenfalls von Geiger15) mitgeteilte Korrespondenz Goethes mit
dem Kunstgelehrten und Schriftsteller Aloys Hirt, der aus Goethes Italienischer Reise
wohl bekannt ist. Die Korrespondenz besteht aus 4 Briefen Goethes und 7 Hirts.
Sie bringen zwar nichts Bedeutendes und Neues, aber doch einen guten Beleg dafür,
L. G[eiger], Z. Sander-Goetheschen Briefw.: GJb. 15, S. 285/6. |[ZDS. 8, S. 71/6.]| — 12) K Heinemann, Goethes
Briefe an Frau v. Stein, nebst d. Tageb. aus Italien. Mit Einl. Bd. 1/3. (= Cottasche Bibl. d. Weltlitt.) St., Cotta.
200, 236, 195 S. ä M. 1,00. — 13) E. Steiner, 7 Briefe v. Fichte an Goethe: GJb. 15, S. 30-41, 49-52. — 14) L. Geiger,
8 Briefe F. A. Wolfs an Goethe: ib. S. 54-68, 81-96. — 15) id., 6 Briefe A. Hirts an Goethe, 4 Briefe Goethes an Hirt: ib.
K. Heinemann, Goethes Leben. IV 8b ■. 16-21
dass die Beziehungen beider Männer, trotzdem sie ihre beiderseitigen ästhetischen
Anschaungen wiederholt bekämpft haben, während der 45 Jahre ihrer Bekanntschaft
nicht ernstlich getrübt worden sind. Die beiden gegen Hirt gerichteten Aufsätze
Goethes sind bekanntlich der „Ueber Laokoon" und „Der Sammler und die Seinigen",
in dem der „Charakteristiker" die Anschauungen Hirts vorträgt. Eine bisher un-
bekannt gewesene Antwort Hirts auf Goethes Laokoonaufsatz teilt G. in den An-
merkungen mit. Sie ist in demselben Ton gehalten wie die Aeusserung beider
Männer über die streitigen Punkte in den nun bekannt gewordenen Briefen: „Ich
will", schreibt u. a. Hirt, „mit der Ruhe desjenigen, der bloss streitet um sich zu unter-
richten, Ihr Endurteil abwarten", und Goethe antwortet, dass es ihm weniger darum zu
thun sei, andere von der Giltigkeit seiner Gedanken zu überzeugen, als vielmehr ihre
eigene Denkkraft in Thätigkeit zu setzen. Die grosse Verehrung Hirts für Goethe
spricht sich auch in der Freude aus, mit der er dem Dichter die auf seinen Vor-
schlag geschehene Ernennung Goethes zum Mitgliede der Königl. Preussischen
Akademie der Wissenschaft (3. Aug. 1806) meldet. Das Diplom ist in dem Goethe-
archiv in Weimar noch vorhanden und ist von G. in den Anmerkungen abgedruckt
worden. Die Bemerkung G.s, dass diese Ernennung- Goethes bisher unbekannt ge-
wesen, beruht auf einem Irrtum (vgl. Düntzer, Goethes Leben 1883, S. 548). — Der
Dankbrief Goethes an Hirt ist von Gust. A. Müller16) unter ihm angebotenen Auto-
graphen gefunden worden, er ist datiert vom 3. Nov. 1806. Wir citieren daraus
folgende interessante Stelle: „Gerade in einem solchen Augenblick (Herbst 1806) ist
es ein schöner Trost, wenn man aufs neue überzeugt wird, dass nichts in der Welt
beständiger ist, als frühe auf Wissenschaft und Kunst und gründliche Thätigkeit ge-
gründete Verhältnisse." Es folgt darauf der Dank für Hirts Bemühungen und die
Anfrage, an wen das offizielle Dankschreiben zu richten sei. Dann geht Goethe auf
Hirts Aufsätze ein mit der schönen Schlusswendung: „Lassen Sie uns in diesem
kritischen Momente treu wie immer zusammenhalten und wo möglich noch eifriger
wirken. Was echt ist, muss sich eben in einem solchen Läuterfeuer bewähren." —
Drei Briefe Matthäis, des Erziehers von dem Sohne der Gräfin Branconi, hat Seh er er17)
in seinem Aufsatze über diesen Mann veröffentlicht. In dem ersten Briefe vom J.
1794 berichtet Matthäi über den Tod des jungen Grafen Forstenburg, in dem zweiten
vom 9. Aug. 1796, dem einige Zeilen wenige Tag'e später angefügt sind, verabschiedet
er sich nach einem Besuch in Weimar; in dem dritten, vom Sept. 1796, bittet er für
seine Reise mit dem Prinzen Holstein-Augustenburg nach Italien um einige Winke,
Aufträge und Adressen. — Ug'o Foscolos Brief an Goethe, über den Zetsch18) eine
Programmabhandlung geschrieben hat, ist bereits gedruckt (GJb. 8, S. 8). —
Aus den hs. erhaltenen Aeusserungen bedeutender Männer und Briefe über
Goethe haben wir der Schrift Waldmanns19) zu gedenken. In seiner Sammlung
von Briefen an und über Lenz finden wir einige Aeusserungen über Goethe. So heisst
es in einem Briefe seines Bruders an den Vater Lenz in Riga vom 12. Juni 1875,
dass der Modegeschmack und das Beispiel seines Freundes Goethe „ihn hinreissen,
seinem Genie die Züg*el schiessen zu lassen, ohne die wilden Reben zu beschneiden
oder die gar zu nötige Politur anzuwenden, wodurch den Schwachen Aergernis erspart
würde", während Lavater in einem Brief vom 17. Apr. 1776 von Goethe sagt, dass er
„immer mit seinen guten Gedanken für Freunde mit liebenswürdiger Schnelle vor-
laufe". — Ausserdem ist nur noch eine Mitteilung* zu geben und auch diese gehört
eigentlich zum J. 1893. Es ist die Mitteilung zweier Tagebuchblätter von Grülparzer,
die Geiger20) aus dem Grülparzer Jb. ins GJb. übernommen hat. Der öster-
reichische Dichter schreibt in seinem Tagebuch vom 20. und 23. Juni 1810, dass ihn
zuerst Schüler ganz in Beschlag genommen hätte, und dass ihm Goethes Schriften
minderwertig vorg*ekommen wären. Aber der Werther und der Faust hätten eine so
starke Wirkung ausgeübt, dass sich das Verhältnis beinahe umgekehrt hätte. In der
Zeit, der die Tagebuchblätter entstammen, erweckten Goethes Werke weniger Grill-
parzers Beifall während der Lektüre, als „wenn er in der Folge die Büder aus den-
selben vorübergleiten lasse," während es ihm mit Schiller gerade umgekehrt g*ehe. —
Im Anschluss hieran heben wir ein Gespräch Grillparzers21) mit Robert Zimmermann
vom 6. Jan. 1866 hervor, worin er von einem Besuch bei Goethe (Sept. 1826) be-
richtet, „Mit der Poesie war's damals bei ihm schon aus, aber die Poeten komman-
diren, das wollt' er noch immer. Sie sollten dichten wie er wollte, aber nicht wie
ihnen der Schnabel gewachsen war. Ich hatte grossen Respekt vor ihm, aber bei
aller Verehrung, befehlen liess ich mir nicht von ihm Auf Lord Byron hielt
er grosse Stücke; möglich, weil er ein Engländer, ein Lord, und weü er auch über-
S. «8-81, 96-108. — 16) Gast. A. Mülle r, Goethe u. d. Berliner Akad. d. Wissensch. : FZg. N. 343. — 17) K. Seh er er, K.
Matthäi: GJb. 15, S. 216-44. (S. u. N. 53: d. Briefe S. 2403.) — 18) (IV 8a:91.) — 19) (IV lc : 42.) — 20) L. Geiger,
Grülparzer über Goethe: GJb. 15, S. 2S4 6. (Vg\. auch JbGrillparzerGes. 3, S. 207,8.) — 21) JbGrillparzerGes. 4, S. 346; —
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (4)^7
IV 8b : 22-28 K. Heinemann, Goethes Leben.
dies wirklich ein grosser Dichter war; da sollten nun die Deutschen ihm's nach-
machen! Das war sein drittes Wort!" —
Goethes Gespräche mit Eckermann sind durch von der Linden22) neu
herausgegeben worden ; doch hat mir diese Ausgabe nicht vorgelegen. — Das Gespräch
Goethes mit Napoleon war in den letzten Jahren infolge der Veröffentlichungen der
Memoiren Talleyrands Gegenstand lebhafter Erörterungen geworden. Das Ent-
scheidende darüber hatte Lorenz in seinem Buche über Goethes politische Lehrjahre
(JBL. 1893 IV 8a: 91) gesprochen; indem er Widersprüche Talleyrands aufdeckte, die
seinen Bericht als unglaubwürdig erscheinen Hessen. Denselben Eindruck gewinnen
wir durch die Veröffentlichung der von Fr. von Müller für Talleyrand aufgesetzten
Berichte. Der Herausgeber Suphan22'1) hat auf Grund sorgiältiger Untersuchungen
den Beweis geführt, dass Talleyrands Bericht auf diesem Müllerschen „Memoire" be-
ruht. Da nun Müller selbst nicht bei der Unterredung Goethes mit Napoleon
zugegen gewesen ist, und durch Lorenz unwiderleglich bewiesen ist, dass Talleyrands
Behauptung, er habe durch Goethes eigene Aeusserungen sich über die Genauigkeit
seiner Angaben orientiert, auf Unwahrheit beruht, so wird man den Talleyrandschen
Ausführungen berechtigtes Misstrauen entgegenbringen müssen. In dem Talleyrand-
schen Bericht fehlt jede Mitteilung über das berühmte Werthergespräch: das ist um
so auffallender, als Müllers Memoire ausdrücklich das Thema erwähnt und die Be-
hauptung Napoleons überliefert, „qu'il disait avoir lu sept fois". S. erklärt das damit, dass
Talleyrand mit dem Wertherthema nichts anzufangen gewusst habe. „In dieser Seele
hat das litterarisch Bedeutende keine Wohnung gehabt". —
Die grosse neue Ausgabe von Dichtung und Wahrheit, um auf die auto-
biographischen Schriften Goethes zu kommen, in der DNL. ist von Düntzer23)
mit gewohnter Akribie besorgt worden. Wir werden uns im nächsten JB. mit ihr
ausführlich zu beschäftigen haben. — Auszüge aus Dichtung und Wahrheit zur
Uebersetzung ins Französische hat Schmitt24) mit französischen Noten heraus-
gegeben. — Einige Beiträge zu den Erläuterungen zu Dichtung und Wahrheit
hat das GJb. gebracht. So hat Heidenheimer25) festgestellt, dass der Name des
Frankfurter Dechanten, mit dem der junge Goethe viel verkehrt hat, Dr. Du Meiz
gelautet hat. — Der von Goethe am Schlüsse seines Berichtes von 1768 über die
Leipziger Zeit erwähnte Studentenkrawall ist durch Witkowski26) zum Gegenstande
einer genauen Untersuchung gemacht worden, bei der bisher unbenutzte Quellen:
die Akten im Ratsarchiv, zwei Konvolute mit Anschlägen der Studenten am schwarzen
Brett, Gutachten der Professoren, endlich eine kleine Druckschrift „Der Musen-
krieg" (Leipzig 1768) als Unterlage dienten. — Ueber denselben Gegenstand hat
Günther27) gehandelt. Indem er seiner Darstellung (N. 3) einen zeitgenössischen,
auf der Leipziger Universitätsbibliothek hs. erhaltenen Bericht und die Akten des
Dresdener Hauptstaatsarchivs zu Grunde gelegt hat, kommt er zu einer nicht un-
wesentlich abweichenden Auffassung. G. nimmt die Studenten gegen die Darstellung
der Quellen der erstgenannten Schrift, in der diese recht schlecht wegkommen, in Schutz
und zeigt, dass sowohl ihre Forderungen nicht ohne Berechtigung und ihre Haltung
durchaus nicht „roh und unreif war". Neu und interessant ist der Zusammenhang, den
G. zwischen dem Studentenkrawall und den Leipziger Theaterverhältnissen feststellt.
Eine Hauptbeschwerde der Studenten richtete sich gegen das von Professoren der
Universität angeregte Theaterverbot, nach dem an fünf Tagen der Woche nicht gespielt
werden durfte. Die Folge der Niederlage der Studenten war die Aufrechterhaltung-
dieses Verbots, wodurch die treffliche Kochsche Schauspielertruppe veranlasst wurde,
Leipzig zu verlassen. — Ueber Goethes ersten Besuch bei Professor Höpfner besitzen
wir bekanntlich drei verschiedene Berichte. Bock27a) teilt den bisher weniger be-
kannten, der von der Gattin Höpfners herrührt, mit und berichtet ausführlich über das
Verhältnis beider Männer, das im J. 1775 plötzlich einen Riss erhielt. Wenigstens
zeigt sich in diesem J. eine merkwürdige Verstimmung und Abneigung Höpfners
gegen Goethe, während dieser durchaus nichts von einer Aenderung seiner Gesinnung
sich merken Hess und Höpfner sogar für die Universität Jena zu gewinnen suchte. —
Eine andere autobiographische Schrift Goethes, die Campagne in Frankreich, hat
durch Schmitt28) in der Sammlung „Classiques allemands" eine Ausgabe mit
französischen Erläuterungen uud Anmerkungen für den französischen Unterricht er-
fahren. — Der höchst verdienstlichen Aufgabe, eine genaue und erschöpfende Er-
22) J. P. Eckermanns Gespräche mit Goethe in d. letzten Jahren seines Lebens. Mit Einl., Anm., Namen- u. Sachreg. her. v.
A. v. d. Linden. 3 Tle. in 1 Bd. L., Barsdorf. IV, 188 S.; 172, 206 S. M.3,60. — 22a) B. Suphan, Napoleons Unter-
haltung mit Goethe u. Wieland, n. Fr. v. Möllers Memoire darüber: GJb. 15, S. 20-30. — 23) (IV 8a: 68.) - 24) L. Schmitt,
Goethe. Extraits de l'Autobiogr. de Goethe. Pr6c. de 2 notices et annotes. 3. ed. Paris, Delagrave. 1893. VIII, 76 S. —
25) H. Heidenheimer, Du Meiz, „D. Dechant": GJb. 15, S. 282/3. — 26) G. Witkowski, 0. Leipziger Studenten-
aufruhr v. 1768: ib. S. 206-16. — 27) (IV la: 31.) — 27a) A. Bock, Goethe u. Prof. Höpfner (1743-93): DR. 4, S. 232-40.
— 28) L. Schmitt, Campagne de France. Avec notices et notes. 5. ed. (= Cours super, de langue allemande. Classe de
K. Heinemann, Goethes Leben. IV 8b : 29-32
läuterung zu der Italienischen Reise zu geben, hat sich Haarhaus29) mit grossem
Eifer und gleichem Geschick unterzogen. Er hat unter dem Titel: Auf Goethes Spuren
im Süden, eine Reihe von Aufsätzen in der LZgB. erscheinen lassen, von denen 13 in
unser Berichtsjahr fallen. Wir können diesem gut ausgerüsteten Kommentar der
Goetheschen italienischen Reise uneingeschränktes Lob spenden. Der Vf. spricht überall
aus eigener Anschauung, auf Grund eingehender Studien und grosser Sachkenntnis.
Wir wollen unser Urteil über den Wert der Arbeit dahin zusammenfassen, dass es
jedem Goethefreunde, der Italien besucht, viel Belehrung, Rat, Freude und Genuss
bereiten wird. Nur möchten wir davon abraten, diese erste Veröffentlichung in der
LZgB. zu benutzen. Der Vf. hat unterdessen seine Aufsätze in Buchform (Leipzig,
Naumann) erscheinen lassen und hier die Mängel, die dem ersten Abdruck anhafteten,
beseitigt. — Eine kleine Arbeit, die sich mit Goethes Rückreise aus Italien beschäftigt,
die uns aber nicht vorgelegen hat, von Farinelli30), sei im Anschluss an Haarhaus
Arbeit erwähnt. —
Darstellungen. Die Flut der Goethebiographien, die sich in
den letzten Jahren über uns ergossen, hat zwar in unserem Berichtsjahr schon be-
gonnen, aber die leidige Gewohnheit der Verleger, ihre Bücher voraus zu datieren,
zwingt uns, den Erstling der Biographien, R. M. Meyers Werk, für den nächsten
Bericht zu verschieben. Dagegen haben wir zweier Werke zu gedenken, die
sich mit dem jungen Goethe eingehend und zusammenfassend beschäftigen. Das
ist einmal Siegmar Schuhes31) Buch (JBL. 1893 IV 8b: 27), von dem die
letzten drei Lieferungen erst im Berichtsjahre erschienen sind. Im betreff unseres Urteils
verweisen wir auf unseren vorjährigen Bericht, dem wir nur hinzuzufügen haben, dass
die letzte Lieferung sich von den ersten durch grössere Sorgfalt unterscheidet; aber
auch sie wimmelt noch von Druckfehlern, Flüchtigkeiten und groben Sprachschnitzern,
und zeigt eine so geringe Kenntnis des Goetheschen Lebens und der in dem Buch
behandelten Zeit, eine so geringe Fähigkeit zur Ausführung der Aufgabe, dass
das Werk nicht ernst aufgefasst werden kann. Da wir in der Hauptsache von den
Schriften zu sprechen haben, durch die das Goethestudium eine Förderung erfahren
hat, so haben wir auf Sch.s jungen Goethe schon zu viel Zeit und Raum verwendet. —
Ein wirklich bedeutendes und höchst wertvolles Buch verdanken wir Weis senf eis32).
Er hat die Absicht, „das Wichtigste von dem, was in den letzten Jahrzehnten über
den jungen Goethe und den Sturm und Drang in Zeitschriften, Sammlungen und Auf-
sätzen, Einleitungen zu Ausgaben, Monographien zerstreut liegt, zusammenzufassen."
Für die Goethewissenschaft ist diese zusammenfassende Arbeit sehr wertvoll, da die
grosse Rührigkeit der Forscher gerade auf diesem Gebiet eine Beherrschung der
gesamten Literatur dem Einzelnen fast unmöglich macht. Auch ist das Bild der
Goetheschen Entwicklung, das W. auf Grund genauester Kenntnis und eingehender
Studien entwirft, zutreffend und anschaulich. Als ganz besonders gelungenen Abschnitt
heben wir den über Herders Einfluss auf Goethe in Strassburg hervor, der trotz der
grossen Konkurrenz auf diesem Gebiet höchst wertvoll ist und vortrefflich zwischen
den extremen Anschauungen vermittelt. Die ersten Phasen von Sturm und Drang bei
Goethe werden schon in der Frankfurter Zeit nachgewiesen und in den Leipziger
Liedern und Dramen aufgedeckt. In der Schilderung der Frankfurter Zeit werden
besonders die nach zwei entgegengesetzten Seiten wirkenden Eindrücke hervor-
gehoben, einmal die Schulung und Aufklärung des Verstandes und weiter die Pflege
und Aeusserung des Gemüts, des Gefühls, der Phantasie. „In dem Erwachen der
pessimistischen Unzufriedenheit auch mit sich selbst, in dem Erstarken der Sturm-
und Drangstimmung liegt die Bedeutung des Aufenthalts in Leipzig." Das Leben in
Leipzig wird höchst anschaulich und unter geschickter Benutzung der neueren
Quellen geschildert, die Leidenschaftlichkeit des Verhältnisses zu Käthchen wird mit
Recht hervorgehoben. Die Quintessenz des Ganzen bietet das Kapitel über den Götz,
das die Tendenzen von Sturm und Drang — Individualismus, Freiheitstendenz,
nationale Tendenz, das Geniale, Gefühlvolle, den Gefühls- und Kraftstil — in diesem
Drama nachweist, den Spuren des Selbsterlebten und der litterarischen Einflüsse genau
folgt und die Umarbeitung sehr richtig auf die zwei Haupttendenzen, Mässigung der
leidenschaftlichen Geniestimmung und Streben nach grösserer Naturwahrheit, zurück-
führt. Nur darin stimmen wir mit W. nicht überein, dass die Idee von Sturm und
Drang nicht von Herder angeregt und veranlasst worden, sondern schon vor Strassburg
in Goethe wirklich lebendig gewesen sei. Da aber W. an einer Stelle, in dem
prächtigen Kapitel über Herder, ausdrücklich sagt, dass Goethe durch Herder für
Sturm- und Drangelemente, die er in sich fühlt, die Begründung, Bekräftigung und
troisieme.) Paris, Delagrave. VIII, 64 S. - 29) (IV 8a: 23.) — 30) (IV 8a: 24.) — 31) Siegmar Schulze, D. junge
Goethe. E. Bild seiner inneren Entwickl. (1749-75). Halle a. «., Kämmerer. IV, VII, 79 S.; 80, 102 S.: V, 74 S.;
57, 80 u. 80 S. M. 8,50. — 32) R. Weissenf eis, Goethe in Sturm und Drang. 1. Bd. Halle a. S., Niemeyer. XV, 519 S.
(4)27*
IV 8b: 33-36 K. Heinemann, Goethes Leben.
Rechtfertigung- erhielt, d. h. doch wohl, dass die in ihm schlummernden Gefühle und
Anschauungen erst durch Herder zu wahrem Leben erweckt worden sind, so scheint
mir der Streit recht müssig. Wir müssen uns hier mit diesen kurzen Andeutungen
begnügen. Das eigentliche Ergebnis der Forschungen W.s ist an anderer Stelle zu
besprechen. Das äussere Leben Goethes, von dem hier allein zu reden ist, wird
von W. nur gestreift und nur soweit berührt, als es die innere Entwicklung bestimmt
hat. — Ausser den genannten Schriften haben wir noch einige hervorzuheben, in
denen hin und wieder auf Goethes Leben Bezug genommen wird. Zu diesen
gehört das umfangreiche Werk von Portig33), über dessen Wert und Bedeutung
an anderer Stelle die Rede sein wird. Hier sei nur erwähnt, dass der Vf. Goethe
gegenüber einen einseitigen missgünstigen und zwar den orthodox-protestantischen
Standpunkt einnimmt. Zur Bekräftigung unseres Urteils machen wir auf die Stelle
(S. 604) aufmerksam, wo der Schluss der Wahlverwandtschaften mit einem Seitenhieb
auf die katholische Kirche eine grobsinnliche Vergötterung eines schuldbeladenen
Weibes genannt wird, oder die Stelle (S. 599), wo „von den teils offenen teils verborgenen
Beziehungen, welche sich in Goethes berühmten Werken zum Katholizismus finden,
gesprochen wird". „Hier liegt," meint P., „eine Gefahr für unser Volk, wenn ihm
nicht die Augen geöffnet werden", oder auf sein Urteil über Gretchen, die sittlich
angefault genannt wird. Das Stärkste aber leistet P. auf Seite 137, — eine Stelle,
die schon Hamack im ADA. gebührend an den Pranger gestellt hat. Hier wird ein
Brief Körners an Schiller vom 1. Dec. 1797 citiert, nach dem Goethe ein Mädchen
von Rom nach der Schweiz mitgenommen habe. Wenn man die Stelle in dem Brief-
wechsel zwischen Schiller und Körner nachschlägt (ed. Goedeke 2, S. 276), so findet
man, dass an der genannten Stelle gar nicht von Goethe, sondern von dem preussischen
Gesandten Grafen Gessler in Dresden, die Rede ist. Geradezu köstlich ist die Be-
merkung, die P. seinem Citate aus dem J. 1797 beifügt: Das hier genannte Mädchen
ist nicht einerlei mit der sogenannten „schönen Mailänderin", welche Goethe
fesselte. Welche Kenntnis von Goethes Leben muss wohl P. bei seinen Lesern
voraussetzen ! —
Beziehungen zu anderen Personen. Auf einem gleich hohen
Standpunkte wie das Buch Portigs steht das von Lewes34): Goethes Frauen-
gestalten. Es ist ein zum grossen Teil aus Citaten von „dem berühmten Stahr"
oder ähnlichen Quellen zusammengestoppeltes Werk, das wir hier nur anführen, um
davor zu warnen. Das Buch ist überflüssig, weil das Gute darin nicht neu und
verfehlt, weil das Neue in ihm schlecht ist. Zur Orientierung unserer Leser fügen
wir den Schluss des Kapitels Friederike hinzu, der, wie Lewes angiebt, auf Prutz
zurückgeht: „Dem Manne ist dafür (für die Untreue gegen Friederike) auch niemals
die Hand eines edeln, reinen Weibes zu teil geworden, er hat nie das Glück des häus-
lichen Herdes gekannt, eine Maitresse waltete in seinem Hause, der er nur nachträglich,
halb aus Mitleid, halb aus Scham, das Almosen seines Namens zuwarf, der einzige
Sohn aber, der ihm aus diesem wüsten Verhältnis übriggeblieben war, ein Sohn, den
die Lorbeeren seines Vaters erdrückt und unglücklich gemacht hatten, ging vor ihm
in die Gruft." „So sind," fügt L. zur Bekräftigung hinzu, „die Thränen der Sesen-
heimer Friederike gerächt worden". —
Des Dichters Vorfahren und Eltern, das Geschlecht der Goethes und
Textors behandelt in einem besonderen Buche Düntzer35). Nachdem er in einer
Reihe von Aufsätzen im J. 1888 eine umfassende Studie über das Geschlecht Textor
veröffentlicht hatte, hat er nun dem Geschlecht Goethe dieselbe Sorgfalt und Forschung
angedeihen lassen. Beide Aufsätze zusammen bilden den Inhalt des vorliegenden
Buches: „Goethes Stammbäume." Nachdem er die Etymologie des Stammes berührt
— er hält an der Erklärung Göte = Taufpate fest — und die Schreibweise „Goethe"
als die richtige schon heim Grossvater Friedrich Georg, bei Frau Rat, die sich
Goethein nannte, und bei dem Knaben Wolfgang in seinem Schönschriftenheft von
1757 nachgewiesen hat, bespricht er eingehend die Geschichte von Hans Christian Goethe.
Das Kapitel: Das Geschlecht Goethe, behandelt nur Friedrich Georg Goethe und
Johann Kaspar Goethe, das Kapitel: Das Geschlecht Textor, ausser dem, was die
Ueberschrift angiebt, auch noch die Nachkommenschaft Goethes, so dass man Alma
von Goethe beim Geschlecht Textor zu suchen hat. — Im Anschluss hieran erwähnen
wir, dass Dietz35a) eine Reihe Gelegenheitsgedichte, die zu Ehren Goethescher Vor-
fahren und Verwandten gedichtet worden waren, veröffentlicht hat, darunter ein
Gedicht auf Goethes Vater, das einige Mitteilungen über die Jugend des Herrn
Rat bringt, und vier Gedichte zur Hochzeit Corneliens am 1. Nov. 1773. — In der
ADB. ist eine kurze Biographie über Johann Wolfgang Textor von Dietz36) und
M. 10,00. - 33) (IV 8a: 44; 9:4.) — 34) L. Lewes, Goethes Frauengestalten. St., Krabbe. XU, 471 S. M. 5,00. |[BLU.
S. 724.J| — 35) H. Dftntzer, Goethes Stammbäume. E. genealog. Darstell. Gotha, Perthes. VII, 168 S. M. 3,00. — 35 a)
A. Dietz, Gelegenheitsgedichte aus d. Goethe-Textorschen Familienkreise: BFDH. 10, S. 69-82. — 36) id., Joh. Wolfg.
K. Heinemann, Goethes Leben. IV 8b : 37-45
über Johann Textor von Sauer37) erschienen. — Von Heinemanns Buch „Goethes
Mutter'1 in 4. Auflage (JBL. 1893 IV 8b : 28) sind mehrere Recensionen38), ausserdem
ist über die Briefe der Frau Rat ein besonderer Artikel von A. Schmidt39) heraus-
gegeben werden, der die Bedeutung der Briefe für Goethes Werke ausführlich darlegt;
besonders gilt das für Herrmann und Dorothea : „Aus Goethes Teilnahme für die
Ereignisse im Sommer 1796 erklärt sich die Versetzung der Idylle in die Gegenwart;
diese Teilnahme gründet sich auf die Besorgnis Goethes für seine Mutter." —
Zwei Jubiläen, die in das J. 1894 fielen und eine grosse Zahl von Schriften
und Artikeln hervorgebracht haben, müssen in unserem Bericht erwähnt werden, da
in den Festschriften wiederholt auf Goethes Leben Beziehung genommen worden ist.
Es ist der 400. Geburtstag des Hans Sachs und die 100. Wiederkehr des Tages, an
dem Goethes und Schillers inniger Verkehr begann. In seinem Büchlein: „Hans
Sachs, Humanitätszeit und Gegenwart" hat Suphan40-40*) einen am 11. Nov. 1894 in
Weimar gehaltenen Festvortrag abgedruckt und ihm den Wielandschen Aufsatz aus
dem Aprilheft des Merkur von 1776 vorangeschickt, Unter dem Titel des Vortrages
verbirgt sich als eigentliches Thema eine feinsinnige geistreiche Parallele zwischen
beiden Dichtem. Sehr hübsch wird die Vorliebe Goethes für Hans Sachs erläutert
und begründet, sowie die Bedeutung des Goetheschen Gedichts : Hans Sachsens poetische
Sendung, für die Belebung' der Hans Sachsforschung und sein Interesse für den
prächtigen Menschen und Dichter nachgewiesen. — Die Abhängigkeit der Goetheschen
Sprache in der letzten Frankfurter und der ersten Weimarer Zeit von Hans Sachs ist
das Hauptthema des Vortrages von Goetze41). Aber auch er streift nur das Aehnliche
und Verwandte in dem Leben beider Dichter. Er kommt zu demselben Ergebnis wie
Suphan; dass bei Goethes Hinneigung zu Hans Sachs ein geheimes Verwandtschafts-
gefühl mit im Spiele war. Er erinnert an ein Zeugnis, das Goethe selbst dafür
ausgestellt hat: Als er in Rom seine Schriften für die erste Gesamtausgabe ordnete,
bestimmte er, dass die Gedichte „Hans Sachsens poetische Sendung", und „Auf Miedings
Tod" an den Schluss gestellt werden sollten mit der Begründung, dass, falls er stürbe,
die beiden Gedichte statt Personalien und Parentation gelten könnten. —
Das zweite Jubiläum, das des Goethe- Schi Her sehen Bundes, hat wie natürlich
eine Unzahl Festartikel hervorgerufen, die mehr oder weniger Altes und Bekanntes
wiederholten. Selbständigen Wert hat der Artikel Minors42), besonders deshalb,
weil er vortrefflich die innere Notwendigkeit der Vereinigung beider Männer aus der
allmählichen Ausgleichung1 der Gegensätze und der allmählichen Annäherung Schillers
an Goethes Standpunkt nachweist. Auf diese Dinge einzugehen ist hier nicht der
Ort, aber wohl interessiert uns die Frage, wann die berühmte Begegnung der beiden
Männer in der Naturforscher-Gesellschaft in Jena stattgefunden hat. Leider kann
auch M. diese Frage nicht bestimmt beantworten. Sicher hat sie vor dem 13. Juni 1794,
dem Tag'e der Einladung Goethes zur Mitarbeit an den Hören seitens Schillers,
stattgefunden, ebenso sicher nach Mitte Mai; denn um diese Zeit kehrte Schiller aus
Schwaben nach Weimar zurück. Von einer Anwesenheit Goethes in Jena in dieser
Zeit ist aber nichts bekannt. Das Tagebuch lässt uns ganz im Stich, auch die „Nachrichten
von dem Fortgange der Naturforscher-Gesellschaft zu Jena" 1794 enthalten nichts
über die monatlichen Versammlungen 42a-42e). — Eine schöne Gabe zu dem
Goethe-Schillerjubiläum hat Suphan43) dargebracht. Er hat den Versuch gemacht,
dem Torso des Goetheschen Gedichts „Schillers Totenfeier" (s. o. IV 8a : 66), an-
scheinend zusammenhanglosen und unverstänlichen Notizen, Leben einzuhauchen.
Mit Scharfsinn und durch geistreiche Kombinationen hat er den Plan Goethes zu
dem Gedicht, das eine würdige Erinnerungsfeier auf seinen grossen Freund werden
sollte, aus den Andeutungen herauszuschälen verstanden. —
Ueber die in den letzten Jahren so üppig aufgeschossene Friederiken-
litteratur haben wir im letzten Bande (JBL. 1893 IV 8a : 29—35) ausführlich gesprochen,
so dass wir über die Nachzügler des J. 1894 uns kurz fassen können, zumal unsere
früher dargelegte Meinung in dem Streite durch sie nicht geändert worden ist.
Gust. A. Müller44-45) hat in zwei Schriften den leidigen Streit wieder aufgenommen.
Textor (Goethes Grossvater): ADB. 37, S. 630,2. — 37) M. Sauer, Joh. Textor: ib. S. 632. — 38) X D. J a c o b y : ADA. 20,
S. 275-81 ; DEKZ». 8, S. 21 2. — 39) A. S c h m i d t , D. Briefe v. Goethes Mutter an ihren Sohn als Quellen zu seinen
Werken: ZDPh. 26, S. 375-99. — 40) B. Suphan, Hans Sachs, Humanitätszeit u. Gegenw. Weimar, Böhlau. 68 S. M. 1,00.
— 40 a) (II 4b :64.) — 41) (II 4b: 102.) — 42) J.Minor, Z. Jubil. d. Bundes zwischen Goethe u. Schiller. Gesch.
ihrer Beziehungen bis 1794: PrJbb. 77, S. 1-60. (Vgl. IV 9 : 9.) — 42a) X W. Doenges, D. Geburtst. d. Goethe-
Schillerschen Freundschaft: LZgB. N. 100. (Vgl. IV 9:8.) — 42b) X ?• Zunk, Schiller u. Goethe. B. Säkularfeier an d.
Beginn ihres Freundschaftsbündnisses im Sommer 1794: PragTBl. 20. Sept. — 42 C) X B. y. Gottschall, D. Dichter-
dioskuren in Weimar: SchlesZg. N. 324. (Vgl. IV 9:5.) — 42d) X D. Beginn d. Briefw. zwischen Schiller u. Goethe Juni 1794 :
NorddAZgB. N. 33. (Vgl. IV 9 : 28.) — 42e) X Goethe u. Schiller im Bande mit Cotta: SchwäbKron. N. 291. (Vgl. IV 9 : 16.)
— 43) (IV8e:C6; 9:11.) — 44) Gust. A. Maller, Sesenheim, wie es ist u, d. Streit über Friederike Brion, Goethes Jugendlieb. E.
Beitr. zu friedl. Einigung. Mit Titelbild u. mehreren Abbild, in Lichtdr. nach Skizzen v. M. Feurer. Bühl, Konkordia. 125 S.
M. 6,00. |[Geg. 45, S. 175; F. Hirsch: MHL. 22, S. 464; LCB1. S. 484/5; DLZ. S. 1454; BLU. S. 724; Euph. 1, S. 818-23.] |
— 45) id., Urkundl. Forschungen zu Goethes Sesenheimer Idylle u. Friederikens Jugendgesetz Auf Grund d. Sesenheimer
IV 8b : 46-5i K. Heinemann, Goethes Leben.
Er kommt zu dem Ergebnis, dass zwar von einer Versöhnung- Friederikens durch
Goethe oder den Pfarrer Reinhold nicht die Rede sein kann, dass aber der bewusste,
in das Findelhaus zu Strassburg gebrachte Knabe Friedrich Blumenhold wahrscheinlich
ein Sohn Friederikens gewesen ist. Wir verweisen statt jeder Antwort auf die früheren
Berichte über das Froitzheimsche Buch (JBL. 1892 IV 8b: 44; 1893 IV 8b: 29-35)
und bemerken noch, dass diese Annahme, selbst wenn sie wahr sein sollte, mit der
Goetheforschung garnichts zu thun hat. Im übrigen hat M. sich um die Erforschung
der Sesenheimer Idylle grosses Verdienst erworben. Wir verdanken den beiden
Schriften manchen guten Fund und manches liebliche Bild. Freilich ist M. in
seinem Eifer zu weit gegangen. W^enn er sogar dem Lehrer Friederikens, dem
alten Ochsenwirt, dem Barbier und den Festen, Hochzeiten und Taufen zu Goethes
Zeiten besondere Kapitel widmet und gar alle Taufen von 1761—68, bei denen die
Töchter Brions Paten gewesen sind, aufzählt, so fordert er berechtigten Spott
heraus; und davor sollte man sich hüten in einer Zeit, die, wenn auch meist mit
Unrecht, sich über den Goethekleinkram lustig macht. — Dass Gust. A. Müller46) in
Sesenheim ein kleines Goethemuseum errichtet hat, wird unseren Lesern bekannt
sein. Seine genaue Kenntnis hat er nun auch anderen zur Verfügung gestellt durch
die Herausgabe eines Führers durch Sesenheim und Umgebung, der in den Kapiteln:
Sesenheim, Geschichte des Ortes, Rundgang durch Sesenheim, Umgebung von
Sesenheim alles das enthält, was der Besucher des Platzes, soweit er ihn als Goethe-
freund aufsucht, erfahren will. M. hofft wohl mit Recht, dass von nun an kein
Verehrer Goethes und Friederikens Sesenheim ganz unbefriedigt verlassen wird. —
Dazu sei bemerkt, dass die Pietät dem Grabe Oliviens 47), der Schwester Friederikens,
Maria Salome in Meissenheim, zu gute gekommen ist. Es ist mit einem Gitter um-
schlossen, frisch hergerichtet und mit einer Syenitplatte geschmückt worden, die
ausser dem Namen die Verse aufweist: „Wer einem Dichter hold begegnet, dess
Name bleibt fortan gesegnet." — Das Programm von Metz48): Nochmals die Ge-
schichte in Sesenheim, macht schon darum einen erfreulichen Eindruck, weil es
auf die hässlichen Verleumdungen Friederikens gar nicht eingeht. M. hat es sich
zur Aufgabe gemacht, der Darstellung Goethes, bei der ja künstliche Motive vor-
walten, die nachweisbar geschichtliche Thatsache gegenüber zu halten oder mit
anderen Worten Dichtung und Wahrheit zu sondern. Danach haben wir sechs Be-
suche Goethes in Sesenheim anzunehmen. Der erste mit Weyland am 13. und 14. Okt. 1770
(Sonnabend und Sonntag); der zweite Anfang Nov. 1770; der dritte Weihnachten 1770.
Mit dem vierten (zweite Hälfte des Febr. 1771) beginnt die Blütezeit der Liebe bis
zum fünften Besuch in der ersten Woche des Mai. Darauf folgt der fünfwöchige
Aufenthalt zu Pfingsten (vom 19. Mai an), in dem die Peripetie eintritt. Für
den Besuch der Familie Brion wird der Winter wahrscheinlich gemacht. Wenn auch
M. nicht alle seine Behauptungen hat streng beweisen können, so wird sich doch
gegen die Datierung der ersten drei und des letzten Besuches wenig' sagen lassen.
Auch in der Auffassung des Verhältnisses, die in den Schlussworten sich äussert:
„Schuldig ist Goethe geworden nicht dadurch, dass er Friederiken verliess, sondern
dadurch, dass er sich in diese Liebe zu tief einliess," scheint uns M. auf der richtigen
Fährte zu sein. —
Eine hübsche Zusammenfassung der Schicksale Lilis giebt der zweite Anhang
zu der neuen Auflage des bekannten Buches vom Grafen Dürkheim: Lilis Bild. Die
neue Auflage ist von Bielschowsky 49) besorgt worden. B. meint, dass Lili noch im
J. 1776 an der Hoffnung festgehalten habe, Goethe werde zu ihr zurückkehren,
und Goethes bekannte Dichtung von Stella gab ihr dazu Berechtigung. Die Familie
habe deshalb starke Mittel angewendet, um Lili in eine neue Verlobung zu drängen,
worauf Goethes Brief vom 10. Apr. 1776 an Johanna Fahimer hindeute. Selbst-
verständlich hat B. den erst 1892 bekannt gewordenen Brief Goethes an Lili vom
14. Dec. 1807, in dem Goethe seine Freude darüber ausspricht, einige Zeilen
von „Ihrer lieben Hand zu sehen, die ich tausendmal küsse in Erinnerung jener
Tage, die ich unter die glücklichsten meines Lebens zähle", abgedruckt, auch die
schönen Mitteilungen Bäbes über Lili (S. 162), von denen wir im vorigen Bericht
erzählt haben. —
Frau von Stein, das beliebte Thema, ist diesmal weniger behandelt worden.
Nur in dem Aufsatze Büchners50) „Erlebtes im Tasso" ist von ihr die Rede. — Ein
Gemeindearch. Mit e. korrigierten Kopie u. e. Wiedergabe d. Falckschen Friederikenportr., sowie 5 Beigaben, ebda. XV,
146 S. M. 3,50. |[LCB1. S. 1069-70; BLÜ. S. 724.] | — 46) id., Führer durch Sesenheim u. Umgeb. E.Wegweiser zu Goethes
Liebesidylle. Strassburg (Selbstverl.). 31 8. M. 0,80. — 47) Oliviens Grab: FZg. 17. .Fuli. — 48) A. Metz, Nochmals d.
Gesch. in Sesenheim. E. Stud. Progr. d. Johannenm. Hamburg. 4°. 33 S. M. 2,50. — 49) Graf F. E. v. Dörckheim, Lilis
Bild, gesch. entworfen. 2. verra. Aufl. v. A. Bielschowsky. Mit Photogr. u. e. Auslese aus Lilis Briefw. München,
Beck. 1893. XIII, 165 8. M. 3,00. |[KonsMschr. S. 336; BLÜ. S. 22; Euph. 1, S. 169-72; VelhKlasMh. 2, S. 122/3; N&S. 69,
S. 135.]| — 50) W. Buchner, Selbsterlebtes in Goethes Tasso: GJb. 15, 8. 178-86. (Vgl. IV 8e : 58.) — 51) W.S c h w ar z,
K. Heinemann, Goethes Leben. IV 8b : 51-58
bisher unbekanntes Bild nach dem in der Sammlung* von Daliwitz in Berlin befind-
lichen Gemälde von K. Imhoff hat Schwarz51) veröffentlicht. —
Des fürstlichen Freundes Goethes, Karl Aug'usts, Thätigkeit als Soldat und
Regimentschef hat eine ausführliche Schilderung erfahren in der Schrift von P. von
Bojanowski52), die selbstverständlich vielfach Goethe und seine Campagne in
Frankreich berührt. Uns interessiert hier, dass das Urteü Goethes über seines Herzogs
militärische Tüchtigkeit durchaus bestätiget wird. Das wird besonders klar aus den
militärischen Denkschriften Karl Augusts, mit denen uns B. bekannt macht. Auch
Karl Augusts Verurteilung des Potsdamer Gamaschendienstes, seine Wertschätzung
der Leistungen der Provinzialtruppen und seine freimütige Beurteilung der vom
Könige angeordneten Avancements der Offiziere verraten den offenen freien Blick
und die Selbständigkeit seiner Anschauung. Was der Herzog über die Art der Kriegs-
führung in der Campagne erzählt, ist die heute allgemein geltende Meinung. —
Eine ausführliche Biographie Karl Matthäis hat Scher er53) veröffentlicht.
Matthäi ist als Hofmeister des Sohnes der Gräfin Branconi öfters mit Goethe zu-
sammen gekommen. Dass er deshalb einen grossen biographischen Artikel im GJb.
verdiene, könnte man bezweifeln. Wir erfahren, dass er zwar zur gleichen Zeit mit
Goethe in Leipzig studiert hatte, dass aber Beziehungen zwischen beiden sich nicht
nachweisen lassen. Im Juli 1776 überbrachte Matthäi Goethe einen Brief von Kestner,
ein Jahr später nahm er die Stellung bei der Gräfin Branconi an, von daher rührt
der etwas spärliche Verkehr. Ueber die Briefe Matthäis zu Goethe ist oben berichtet
worden. —
Zu dem reichen Kranze Goethescher Frauengestalten hat Bielschowskys54)
Entdeckung eine neue hinzugefügt, wenn anders sein Berichterstatter Dr. Treichler,
Arzt in Stäfa, Beglaubigtes erzählt hat. Danach hat Goethe während seines Auf-
enthaltes in Stäfa 1797 ein damals I5V2 Jahr altes Mädchen Magdalena Pfenninger
kennen gelernt und ihr sein Interesse zugewendet. Nach der Erzählung des später
an den Kantonrat Schulthess verheirateten Mädchens, das Dr. Treichler noch gekannt
hat, soll sich zwischen Goethe und Magdalena ein Briefwechsel entsponnen haben.
Die Briefe sind jedoch verloren gegangen. —
Ueber Goethes Beziehungen zu Beethoven handelt Kögel55) in der Fest-
schrift zur Hildebrandfeier. Darin giebt er einen kurzen Ueberblick über die
Beziehungen der beiden grossen Männer zu einander. Es hat etwas Rührendes zu
sehen, wie der erste Komponist Deutschlands bemüht ist, die Achtung und Gunst des
ersten Dichters zu erringen, und wie er trotz Ablehnung und kühler Behandlung in
seiner Verehrung beharrt. Die „ungebändigte Persönlichkeit" Beethovens und Goethes
vornehm zurückhaltendes Wesen waren nicht für einander geschaffen. Die durch
Bettinens Feuereifer herbeigeführte Zusammenkunft beider musste eher entfremden
als vereinigen. Bezeichnend sind die Worte, die' Goethe Varnhagen gegenüber von
ihm gebrauchte: „Seine unglückliche Taubheit ist seiner angeborenen Wildheit nur
zu günstig uud macht ihn für solche, deren Liebe er nicht schon vertraut, fast un-
gesellig." Mag die Abneigung* gegen die Person Beethovens die Schuld tragen oder
Goethes mangelnde musikalische Begabung, jedenfalls hat sich Goethe nie für
Beethovens Musik, auch nicht für dessen Kompositionen seiner Gedichte, erwärmt.
Er ging sogar in der Abneigung so weit, dass er nicht bloss die Zusendung der
Komposition zu „Meeresstille und glückliche Fahrt", sondern auch Beethovens in
rührenden Worten ausgesprochene, von der Not erzwungene Bitte ohne Antwort Hess.
Die Bevorzugung der Kompositionen Zelters und anderer kleiner Geister vor denen
Beethovens lässt sich gewiss daraus erklären, dass Zelter, Reichardt, Kayser sich
völlig den Intentionen des Dichters anschlössen, Beethoven und Schubert aber neben
der Dichtung ein zweites, musikalisches Kunstwerk schufen, das an Schönheit und
Kunst der Dichtung gleichwertig und nicht immer im Anschluss an die. Dichtung,
vielleicht sogar im Widerspruch mit der Empfindung und Absicht des Dichters ent-
standen war. Daraus erklärt sich freilich noch immer nicht die schroffe Abweisung
des Menschen Beethoven. Bettinens bekannte Erzählung von Beethovens ungezogener
Opposition gegen Goethes hofmännische Haltung der kaiserlichen Familie gegenüber
wird auf etwas Thatsächliches zurückzuführen sein. Etwas Aehnliches muss sich
ereignet haben, weil Goethes Benehmen sonst unverständlich wäre. —
Die Bezielmngen Goethes zu Heinrich Voss, dem älteren und dem jüngeren,
behandelt Bock56"57) in ansprechender Art, ebenso die zu Henrik Steffens. Der
letztere Artikel verdient ein längeres Leben, als Zeitungsartikeln beschieden zu sein
pflegt, da er einiges weniger Bekannte aus Steffens Memoiren herbeibringt. — Bock58)
berichtet auch über das oft behandelte Thema: Goethe und Bürger. —
E. interessantes Portr.: WIDM. 75, S. 249-51. (Frau t. Stein.) — 52) (IV 1 b : 438.) |[H. Grimm: DLZ. S. 1044/5.]| —
53) (= N. 17) — 54) A. Bielschnwsky, Goethe u. Magdalena Pfenninger: GJb. 15, S. 2834. — 55) (IV 8a: 37.) — 56)
A. Bock, Goethe u. Heinr. Voss: FZg. N. 237. — 57) id., Goethe u. Henrik Steffens: SchlesZg. N. 600. — 58) id., Goethe
TV 8b: 59-63 IV 8c:i-2 0. Pniower, Goethes Lyrik.
In der Zeit von 1810—13 war Goethe bekanntlich jeden Sommer in den
böhmischen Bädern Karlsbad oder Teplitz. Unter den vielen Bekanntschaften, die
er hier anknüpfte, war die vornehmste die der Kaiserin Maria Ludovika von
Oesterreich. Ueber diese Beziehungen wird ausführlich gehandelt in dem Buche von
Guglia59) nach einem Vortrag-, den der Vf. im Vorjahre hatte drucken lassen
(JBL. 1893 IV 8a: 45). —
Noch ein anderes gekröntes Haupt wurde in Teplitz mit Goethe bekannt. Es
war der König Ludwig von Holland, der sich unter dem Namen eines „Grafen
St. Leu" in Teplitz aufhielt und hier Goethes Wandnachbar war. Das GJb. brachte
ein Verzeichnis der Ouvrages poetiques de Goethe, das der Dichter im Aug. 1823
für den Grafen St. Leu niedergeschrieben hat. Im Anschluss hieran hat Suphan60)
die Beziehungen Goethes zu dem damaligen Könige von Holland ausführlich be-
handelt. Kurz vor ihm, als Goethe den König, kennen lernte, „hatte der grundedle
Mann allem äusserlichen Gepränge entsagt und trachtete nun sein sittliches Zart-
gefühl, seine Neigmng zu ästhetischen Arbeiten im Privatstande ungehindert weiter
zu entwickeln". Ueber diese erste Begegnung hat Falk in seinem bekannten Büch-
lein „Goetne aus näherem persönlichen Umgang dargestellt" (1832, S. 163) ausführ-
lich berichtet. Noch einmal führte die Kur den Grafen St. Leu und Goethe zusammen;
es war 1822 in Marienbad. Das Tagebuch verzeichnet eine Anzahl Gespräche
von den beiden, deren Hauptinhalt sich um die Frage dreht: Quelles sont les
difficultes qui s'opposent ä Fintroduction du rhythme des Grecs et des Latins dans
la poesie francaise, worüber der Graf 1814 eine Schrift der Akademie eingereicht
hatte. Am 14. Aug. 1822 sandle Goethe Ottilien einige Gedichte, die auf ihn einen
wahrhaft elegischen Effekt gemacht hatten. S. fügt einige bisher unbekannt gewesene
Zeilen Goethes über einen Roman des Grafen: „Marie" (Amsterdam 1812) hinzu, über
den Goethe Knebel gegenüber sich mit den Worten ausgesprochen hat: „Marie des
Königs von Holland habe ich mit viel Anteil gelesen; seine schöne Seele verbreitet
sich durch das Ganze und über das Ganze." —
Ueber Goethe und Byron hat Sinzheimer61) eine Dissertation geschrieben.
S. behandelt zuerst die persönlichen Beziehungen, citiert die gegenseitigen Be-
urteilungen und bespricht das litterarische Verhältnis der beiden Dichter. Er
weist nach, dass der Einfluss des Faust auf Manfred sehr gering ist, dass dagegen
„The transformed deformed" sehr abhängig vom Faust ist. —
Von Goethes Aufenthalt in Tennstädt, dem kleinen Thüringer Badeort,
schreibt Gutbier62); ausser dem bei Biedermann bereits abg*edruckten Bericht über
das Gespräch Goethes und Krug von Niddas giebt er eine ausführliche Schilderung
des Badelebens und der Thätigkeit Goethes während seines Aufenthaltes. —
Aus der Karlsbader Zeit von 1811 hat Karpeles63) die Episode Goethes
mit dem Wirt zum roten Ochsen in Schlaggenwald aus den Tagebüchern (4, S. 397)
wieder abgedruckt. —
c) Lyrik.
Otto Pniower.
Pseudogoethesche Gedichte N. 1. — Ein neuer Fund N. 3. — Ausgaben N. 4. — Zusammenfassende Be-
trachtungen N. 7. — Einzellitteratur : Leipziger Lieder N. 18. — Strassburger Zeit N. 20. — Frankfurter Zeit (Mahomets Ge-
sang) N. 23 — Weimarer Zeit: Epiphanias N. 25; Erlkönig N. 26-, Sänger N. 27; Ilmenau N. 28; Das Göttliche N. 32; Zueignung
N. 33; Xenien N. 34; Musen und Grazien in der Mark N. 39; „War nicht das Auge sonnenhaft" N. 41; „Alles in der Welt
lässt sich ertragen" N. 42; Epilog zu Schillers Glocke N. 43; Die wandelnde Glocke N. 45; West-östlicher Divan N. 46; Stamm-
bucheintrag: „Als kleinen Knaben hab' ich dich gesehn" N. 47; „Nenne niemand, nur verschone" N. 48; Marienbader Elegie
N. 49; Chinesisch-deutsche Jahres- und Tageszeiten N. 50; letzte Verse N. 51. —
Pseudogoethesche Gedichte. Vor vier Jahren (JBL. 1890 IVllc:3)
war von einem Liede „Wenn ich still und einsam weine" die Rede, dessen Ver-
fasserschaft Goethe, gleich darauf jedoch Siegmund von Seckendorff zugeschrieben
wurde. Gründe für dessen Autorschaft wurden damals nicht angeführt. Jetzt stellt
sich heraus, dass das Gedicht sich auch in Goethes Nachlass in einem geschriebenen
Hefte fand, das Liederkompositionen Seckendorffs enthält. Suphan1), der dieses
u. Bürger: Zeitgeist N. 24. — 59) A. Guglia, Kaiserin Maria Ludovika v. Oesterreich 1787 — 1816. Nach ungedr. Briefen.
Wien, Gräser. XI, 186 S. Mit 6 Abbild. M. 2,00. - 60) (IV 8a : 76.) — 61) (IV 8a : 84; 8e : 96.) — 62) M. Gu t b i e r ,
D. Tennstädter Badesaison im J. 1816: NordhäuserCour1*. N. 32/4. — 63) G. Karpeles, Goethe u. d. Wirt z. roten Ochsen
im .Schlaggenwald: Frankflntelligenzbl. 21. Aug. (Vgl. A. John: Bote aus d. Egerthal N. 75.) —
1) B. Suphan, „Wenn ich still u. einsam weine": GJb. 15, S. 265/7. — 2) Herrn. Schrader: MADSpr. 5,
0. Pniower, Goethes Lyrik. IV 80 = 2-8
Heft beschreibt und bespricht, schliesst aus seinem Titel, dass von Seckendorff auch
die Texte zu den Melodien herrühren. — Ebenso wenig- wie dieses Lied Goethes
Eigentum ist, gehört ihm das von Hermann Schrader2) ihm von neuem vin-
dicierte und als wenig bekannt mitgeteilte Gedicht „Britisch, Gallisch und Italisch usw."
an. Sein Vf. ist J. D. Gries (Hempel 3, S. 398). —
Als wirklicher Zuwachs zur Goetheschen Lyrik in dem weiten Sinne, in dem
wir hier den Begriff nehmen, ist uns dagegen ein neuer Fund durch eine Ver-
öffentlichung Redlichs3) bescheert worden: Skizzen zur „Dritten Epistel", von
denen uns bisher nur ein paar Verse bekannt waren. Doch ist der Gewinn nicht eben
beträchtlich. Was vorliegt, sind abgerissene Stücke, lückenhaft, voll von Gedanken-
sprüngen und schwer deutbar. So viel sieht man: handelt es sich in der zweiten
Epistel um die Erziehung der Mädchen und die Frage, welche Lektüre für sie die
geeignetste sei, so sollte in der dritten von den Knaben gesprochen werden und der
für sie passendsten Geistesnahrung. Es scheint, dass ähnlich wie es für die Mädchen
dort geschieht, der Dichter auch hier für sie als beste Lehrmeister das Leben und
die That hinzustellen und der Litteratur erst den zweiten Platz einzuräumen ge-
dachte. —
Von Ausgaben Goethescher Gedichte muss hier der 16. Band der Weimarer
Edition4) erwähnt werden. Er enthält die „Parabeln", die „Legende" (Jesus und
St. Peter), „Hans Sachsens poetische Sendung", „Auf Miedings Tod", den „Epilog
zu Schillers Glocke" und die „Karlsbader Gedichte". Dem Grundsatz der Ausgabe
entsprechend werden immer die endgültigen Fassungen abgedruckt, während der
Apparat über die älteren Gestalten Auskunft giebt. Wesentlich neues für die Text-
g'eschichte der in Betracht kommenden Gedichte ergab die kritische Durchprüfung
des Materials nicht. Beim „Epilog zu Schillers Glocke" konnte die Originalhs. der
ersten Fassung benutzt werden ; in die Arbeit an der Herstellung der dritten gewährt
ein eigenhändig beschriebener Streifen Einblick. Für die Karlsbader Gedichte lag*
ebenfalls zum Teil hs. Material vor. — Den von mir schon früher (JBL. 1891
IV 9c : 6) erwähnten vierten Band der Weimarer Ausgabe zeigt Düntzer5) an. Auch
er muss sich, da ihm der Lesartenapparat fehlt, darauf beschränken, seinen Inhalt
zu skizzieren. Drei ihm unbekannte Gedichte, die also, das kann man getrost be-
haupten, bis dahin ungedruckt waren, hebt er durch Abdruck hervor. Es sind Stoss-
seufzer an Frau von Stein aus dem Sommer und. Herbst 1776, die dem Dichter die
Sehnsucht nach der entfernten Geliebten entlockt hat. — Erdmann6) bespricht die
von mir ebenfalls früher gewürdigte Auswahl von Goethes Gedichten, die L. Blume
besorgt hat (JBL. 1892 I V 8 c : 12), anerkennend, stellt aber seiner Periodisierung
eine eigene, differenziertere gegenüber, die mir nicht übel gelungen scheint. —
Erfreulich ist es, dass dieses Mal über eine grössere Zahl von solchen
Arbeiten zu berichten ist, deren Autoren des Dichters ganze lyrische Thätigkeit oder
wenigstens eine grössere Reihe seiner Schöpfungen zusammenfassend be-
trachten. Auch brechen sich augenscheinlich neue Anschauungen Bahn, neu
wenigstens insofern, als sie theoretisch zwar ausgesprochen waren (JBL. 189 1 I V 9 0 : 1),
auf Goethe aber bisher keine oder nur geringe Anwendung fanden. Besonders wird
dem Verhältnis von Rhythmus zum Stoff endlich die so nötige Beachtung geschenkt.
Unter diesen zusammenfassenden Arbeiten muss der von Richard M. Meyer7) ver-
fassten Biographie, die als Ganzes erst im nächsten Jahre zur Besprechung gelangt, vorweg
gedacht werden. Freilich hat gerade Goethes Lyrik der vorgeschriebenen Oekonomie
des Buches am meisten Opfer bringen und sich eine recht stiefmütterliche Behandlung
gefallen lassen müssen. Doch fehlt es nicht an einer Menge feiner und geistreicher
Bemerkungen auch über sie. Näher darauf einzugehen verbietet auch uns die
Oekonomie dieses Berichts. Wir müssen uns begnügen, auf das Register zu ver-
weisen, in das jedes in dem Werk besprochene Gedient aufgenommen ist. — Wenn
Sieg mar Seh ultze s8) Buch hier ebenso kurz abgethan wird, dann geschieht es
wahrlich nicht, um ihm die Ehre zu erweisen, der Meyerschen Biographie gleich-
gestellt zu werden, sondern weil seine Art und sein Wert schon im vorigen Bericht
hinreichend charakterisiert wurden (JBL. 1893 IV 8c: 7). Die diesmal in Betracht
kommenden Hefte ergeben eine womöglich noch geringere Ausbeute für Goethes
Lyrik. Nur um unserer Referentenpflicht zu genügen, und weil dem Buch kein
Register beigegeben ist, bemerken wir, dass Heft 5, S. 14/5 von Bürgers Einfluss
auf Goethes Balladen und Liebeslieder die Rede ist, S. 17/8 sein Pindarstudium und
dessen Wirkung, S. 2 1 die lyrische Sprache und das Gedicht „Sprache", S. 29—30 f. die
Entwicklung der Naturempfindung des Dichters, S. 54 die Fabel „Adler und Taube"
8. 108/9. — 3) K. Chrn. Redlich, Skizzen z. 3. Epistel v. Goethe: GJb. 15, S. 3/7. — 4) (IV 8a : 66; 1. Abt., 16. Bd) —
5) H. Düntzer: ZDPh. 26, S. 255/6. — 6) 0. Erdmann: ib. S. 277-80. — 7) B. M. Meyer, Goethe. Preisgekrönte Arbeit.
(= Geisteshelden. Her. v. A. Bettelheim. Bd. 13/5.) B., E. Hofmann & Co. 1895. XXXII, 628 S. M. 7,20. — 8) (IV 8b: 31.)
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (4)28
IV 8c : 9-w O. Pniower, Goethes Lyrik.
und ihre Bedeutung" in Goethes Entwicklungsgang; besprochen werden. Heft 6,
S. 27/8 beschäftigt sich mit „Künstlers Morgenlied", S. 62/3 handelt nichtssagend von
„Mahomets Gesang". — „Gern verlass ich diese Hütte" und schreite zu dem tüchtigen,
festen Haus, das Bauer9) errichtet hat. Sieben Gedichte Goethes: den „Wanderer",
den „Gesang der Geister über den Wassern", „Prometheus", „Ganymed", „Mignon",
„König in Thule" und „An den Mond" erläutert er nach ihrem Gedankengang in
wahrhaft musterhafter Art. Er beklagt mit Recht, dass bei der üblichen Gedicht-
erklärung die Interpreten entweder, ohne jeden Zusammenhang mit den Einzelheiten
der Dichtung selbst, mehr oder minder zutreffende Paraphrasen bringen oder von
Vers zu Vers vorschreitend sich mit der Erklärung einzelner Stellen begnügen, wo-
bei gerade das Wichtigste, der innere Zusammenhang des Gedichtes, unberücksichtigt
bleibt. Im Gegensatz dazu legt er das Hauptton darauf, den fortlaufenden Ge-
dankengang in strengem Anschluss an die Dichtung selbst zu entwickeln. Er
befleissigt sich dabei der äussersten Knappheit, folgt aber dennoch dem Dichter bis
in das feinste Geäder seiner Schöpfung. Zugleich sind es keine kalten Inhaltsangaben,
die er bietet, sondern vom Standpunkt des Gedichtes aus erfasste Analysen, denen
darum auch von der Stimmung des jeweiligen Werkes allemal ein Hauch verliehen
ist. Wie er die dichterischen Voraussetzungen streng im Auge behält, so gelingt es
ihm, die poetischen Intentionen, auch die verborgensten, mit feinem Spürsinn auf-
zudecken und die künstlerischen Wirkungen zu erklären. Auf die Motivenfolge
achtet er nicht minder scharf, wodurch auch auf die Gedankenproduktion des Dichters ein
Licht fällt. Sprünge im Zusammenhang weiss er durch anschmiegende Nachempfindung
zu vermitteln. Auch dem charakteristischen Gepräge der Sprachform, wendet er seine
Aufmerksamkeit zu : rhetorische Syntax, Rhythmus, Tonmalerei, kurz äussere und innere
Redeform werden berücksichtigt. Kein Wunder, dass er so in Bezug auf seinen Endzweck:
die Darlegung des dichterischen Gehaltes der Schöpfungen, ungewöhnlich weit vor-
dringt. Gelegentlich, wie beim „König1 in Thule", geht er im Aufspüren der Wirkung
für mein Gefühl zu weit, wie er auch in der Beurteilung des Verhältnisses von
Vokalklang zum Inhalt eine meines Erachtens zu feine Witterung beweist. Doch
schadet das nicht. Besser man übertreibt, als dass man, wie das immer wieder zu
beobachten ist, an derartigen Problemen achtlos vorübergeht. Am besten gelungen
ist die Analyse des „Gesanges der Geister über den Wassern", wo jeder Nachklang
der Stimmung des Dichters gefühlt und besonders schön die innere Form des Liedes
aus dem Eindruck des Erlebnisses, der durch den Anblick des Wasserfalles erzeugten
Stimmung, abgeleitet ist. Am wenigsten geglückt scheint mir die Behandlung des
Gedichtes „An den Mond". — „Der Gesang der Geister" ist ebenso wie „Ganymed"
auch Gegenstand der Betrachtung in den Abschnitten, die aus Victor Hehns Vor-
lesungen über Goethe von Schiemann10) veröffentlicht sind und die neben diesen
beiden Liedern noch die „Seefahrt", die „Harzreise im Winter" „Meine Göttin", „Die
Grenzen der Menschheit" und das „Göttliche" behandeln. Die Vergleichung fällt
nicht zu Gunsten Hehns aus, obwohl dieser doch wahrlich kein Stümper war. Die
Billigkeit gebietet freilich zu berücksichtigen, dass seine Niederschriften ursprünglich
nicht zum Druck bestimmt waren, und dass er sich eine andere Aufgabe stellte als
Bauer. Weder folgt er dem Gedankengange mit derselben Strenge wie dieser, noch
sucht er die lyrische Wirkung der Gedichte zu erschöpfen. Er begnügt sich mit
einer ungefähren Charakteristik und achtet mehr auf den geistigen als den
künstlerischen Gehalt der Lieder. Dass er dabei feines und intimes Eindringen in
die Art der Gedichte nicht vermissen lässt, dass es auch an glänzenden Beobachtungen
nicht fehlt, ist bei ihm selbstverständlich. Auffallend ist, dass die Ode „Meine Göttin"
nur in geringem Masse Hehns Beifall fand. — Die Fruchtbarkeit der Betrachtungs-
weise Bauers und Hehns wird einem besonders klar, wenn man sie an den Aus-
führungen misst, die Dembowski11) in dem Schlussabschnitt seiner „Goethe und
Günther" überschriebenen Studien mehreren Gedichten wie „Willkommen und Ab-
schied", „Mailied", „Wanderers Sturmlied" und anderen von ihm nur gestreiften zu
teil werden lässt. Hatte Hehn vornehmlich den geistigen Gehalt der Dichtungen im
Auge, so heftet D. seinen Blick auf den ethischen. Er kommt aber innerhalb dieser
Begrenzung über den Gegensatz von Sinnlichkeit und Freiheit nicht hinaus. Ein
irgendwie greifbares Resultat vermag ich diesen, die Sonne der Goetheschen Lyrik
wie mit einem nebelhaften Gewoge verhüllenden Deduktionen, nicht abzugewinnen,
geschweige dass sie mir einen Fortschritt in der Erkenntnis zu bezeichnen scheinen.
Doch sind diese Betrachtungen nur Zugaben zu D.s eigentlicher Darbietung: einer
Würdigung der Beziehungen Goethes zu Günther. D. nimmt in der Einleitung einen
hohen Flug. Er spricht sich über das Verhältnis der Ethik zur lyrischen Poesie
— 9) F. Bauer, 7 Gedichte Goethes, nach ihrem Gedankengange erläut. : ZOG. 45, S. 704-20, 969-78. — 10) (IV 8 e : 76, S. 117-29.) —
11) (1112:36.) — 12)H.Henkel, Goethe als sat.-humorist. Dichter (s. u. IV 8e : 8): ZVLB. 7, & 206-15. - 13) (I 8 : 24.) — 14) X K.
0. Pniower, Goethes Lyrik. IV 8c : 15-is
aus sowie über die Hilfe, die sie sich gegenseitig1 in Bezug auf die Erkenntnis der
menschlichen Seele zu leisten vermögen. Die Berechtigung der Gegenüberstellung
der beiden Dichter leitet er aus der Aehnlichkeit ihrer Individualitäten, ihrer „innig
verwandten ursprünglichen Anlage" her. Dabei verfolgt er den Zweck, darzuthun,
dass der ältere die höchste Stufe der Poesie nicht zu erklimmen vermochte, weil er
in der Sinnenempfindung stecken blieb, dass Goethe sie aber erreichte, weil bei ihm
zu der unentbehrlichen Grundlage eines grossen Dichters: der starken Sinnlichkeit,
der ethische Gehalt hinzutrat. Er geht aber auch konkreteren Zielen nach und fasst
Goethes inneres Verhältnis zu dem Vorgänger ins Auge, indem er einen „Günther"
überschrie benen Abschnitt, der seine Poesie charakterisiert, einem „Goethe und Günther"
betitelten folgen lässt, worin er die Einwirkung- des Aelteren auf den Jüngeren
aufzuzeigen sucht. „Goethes Jugendlyrik", meint er, „ist so innerlich und innig mit
Günthers Dichtungen verwandt, dass wir von den zwei Möglichkeiten zur Erklärung
dieser Verwandtschaft — zufällige Uebereinstimmung der Anlage und Goethe wohl-
bewusster Einfluss — nach Goethes Vertrautheit mit dem Dichter und seiner liebe-
vollen Anerkennung uns an die zweite in gleichem Grade halten müssen wie an die
erste. Günther ist dem jungen Goethe ein Wegweiser geworden, wie im Leben durch
seine Schwächen und sein Geschick, so im Dichten durch seine Schwächen ebenso
wie durch seinen Wert". Leider steht aber der vom Vf. für diese Behauptung* ge-
führte Beweis auf sehr schwachen Füssen. Die paar Aehnlichkeiten, die er ausfindig*
gemacht hat, sind nicht von der Art, dass die Annahme eines direkten Zusammen-
hanges zwischen ihnen erforderlich ist. Es sind Uebereinstimmungen, die sich auf
ein kurzes Bild, ja ein einziges Wort oder eine nicht einmal charakteristische Satzfüg'ung
beschränken. Dazu leidet die Gegenüberstellung durchweg an dem methodischen
Fehler, dass nicht beachtet wird, ob die Anklänge nur zwischen Günther und Goethe
bestehen, oder ob ,es sich nicht um der Poesie des 18. Jh. geläufige Motive und
Eigentümlichkeiten handelt, die bei den zeitlich zwischen beiden stehenden Dichtern
häufig begegnen. Von dem „rosenfarbenen Frühlingswetter" in „Willkommen und
Abschied", das D. auf Günther zurückführt, ist das z. B. leicht nachzuweisen. — In
zwei kleineren Aufsätzen fallen gleichsam Seitenblicke auf Goethes Lyrik. An den
einen, der ihn als satirisch-humoristischen Dichter betrachtet, muss hier erinnert
werden, weil sein Vf., Henkel12), die Beispiele für seine nicht eben tief gehenden
Beobachtungen natürlich auch aus der Lyrik wählt. Liefern doch die „Zahmen
Xenien", die „Invektiven", die unter den Rubriken „Epigrammatisch" und „Parabolisch"
vereinigten Gedichte u. a. die reichsten Belege für die satirisch-humoristische Seite
der Goetheschen Dichternatur. Einige Worte mehr verwendet H. in dem von der
„Ironie" handelnden Abschnitt über den „Deutschen Parnass" und „Musen und
Grazien in der Mark", ohne indessen Neues darüber zu sagen. — Der andere Aufsatz,
von Hildebrand13), der metrische Eigentümlichkeiten zur Sprache bringt, ist nicht
auf Goethe beschränkt, bietet aber vielfach aus seiner Lyrik Beispiele und giebt auf
diese Weise für sie einige Fingerzeige. Namentlich wird am „Erlkönig" der Wechsel
von Jambus und Daktylus, oder wie man nach H. sagen muss, vom schreitenden und
hüpfenden Rhythmus aufgezeigt und seine künstlerische Bedeutung, d. h. das Ver-
hältnis des Versbaues zum Inhalt, besprochen. Goethes freies Verfahren wird in seiner
Entstehung auf den Einfluss seines Vorbildes, des Liedes von Erlkönigs Tochter in
Herders Volksliedern, zurückgeführt, wie überhaupt die Befreiung vom Banne des
eintönig regelmässigen Verses in der Lyrik, die wir bei ihm und anderen Dichtern
finden, der Einwirkung des Volksliedes gut geschrieben wird.14-17) —
In der Einzellitte ratur, der wir uns nun zuwenden und die wir
wiederum am chronologischen Faden aufreihen, begegnen uns zunächst die zahl-
reichen Anzeigen und Recensionen, die Adolf Stracks im letzten Bericht besprochenes,
den Leipziger Liedern gewidmetes Buch (JBL. 1893 IV 8c: 9) hervorgerufen
hat18). Erwähnt zu werden verdienen die von Düntzer, Minor und Werner
verfassten. D.s Kritik ist rein negativ. M. wendet sich gegen die von Strack
gewählte Form des Kommentars, statt dessen er eine zusammenfassende, darstellende
Bearbeitung gewünscht hätte. Auch sonst äussert er in methodischer Hinsicht
Bedenken, bei deren Aussprache er prinzipiell beachtenswerte Bemerkungen über
den Wert von Parallelen macht. Das Verdienst des Buches erblickt er in seinen
lexikographischen Nachweisen. Als einen Grundfehler betrachtet er, dass Strack den
spielenden Charakter der Lieder zu wenig- betont und in ihnen zu viel Erlebtes
sucht. Zu den einzelnen Gedichten giebt er mannigfache Bericht! g*ungen. W. unter-
Lorenz, Klopstocks n. Goethes Lyrik (JBL. 1893 I 7:44; IV 8c: 8): Gymn. 12, S. 29. — 15) X J- Schaller, Hugo Wolfs
Goethelieder: ChWGV.8, S. 12,5. (Abgedr. ans Bayreuther Taschenkai. 1893, S. 188-90.) — 16) X K- Haehnel, J. Heuwes,
Ausgew. Balladen Goethes u. Schillers (JBL. 1893 I 7:66): Gymn. 12, S. 495. — 17) X w- Toischer, Goethes Gedichte
(JBL. 1S93 I 7 : 65; IV 8e : 3): LCB1. S. 191. — 18) X H. Düntzer: Euph. 1, S. 391-400; J. Minor: GGA. S. 651,9; R. M.
Werner: ADA. 20, S. 353-65; A. Sauer: DLZ. S. 461,2; A. Ch[uquetJ: RCr. 38, S. 314/5; K. Heinemann: BLU. S. 21;
4(28)*
IV 8c : 19-24 0. Pniower, Goethes Lyrik.
zieht die Behauptungen Stracks in betreff der Häufigkeit gewisser charakteristischer
Wendungen einer Nachprüfung und schränkt sie nicht unwesentlich ein. Auch der
Datierung der Gedichte wendet er seine Aufmerksamkeit zu, um die Bestimmungen
des Vf. bald zu berichtigen, bald ihnen beizupflichten. Zum Schluss spendet er einen
kleinen Beitrag zur Leipziger Mondpoesie Goethes. — Mit der Leipziger Zeit des
Dichters und den ihr angehörenden kleinen poetischen Versuchen beschäftigt sich auch
S eher er s 19) Aufsatz über Karl Matthaei, den viel beneideten Sekretär der schönen
und geistvollen Frau von Branconi. Durch seine Ausführungen erfährt unsere
Kenntnis jener Epoche „manche zwar kleine, doch erwünschte Ergänzung und
Bereicherung." Den damals entstandenen, aber nicht erhaltenen satirischen Prolog
Goethes zum Medon des Clodius, den wir nur aus dem Bericht des Dichters in
Dichtung und Wahrheit kennen (Weimarer Ausg. 27, S. 141), sucht er chronologisch
genau zu fixieren (S. 225), wobei er zu ziemlich derselben Zeitbestimmung (Ende
Aug. 1767) gelangt, die schon Max Herrmann (GJb. 11, S. 192/3) gefunden hatte.
Auch Goethes Gedicht „An Demoiselle Schmehling" (Weimarer Ausg. 4, S. 298)
datiert Seh. und weist es in den Mai desselben Jahres. Doch hat es damit eine
besondere Bewandtnis. Goethe hatte es auf die Aufforderung des Kapellmeisters
Hummel zum 82. Geburtstage der Madame Mara, geb. Schmehling, der am
23. Febr. 1831 stattfand, zusammen mit Versen eingesandt, die ihren „sangreichen
Ehrenweg" preisend und in einer neckischen Weise ihn, den Sänger, mit ihr paralleli-
sierend, auf die Gefühle hinwiesen, die ihn bei diesem ihr gesandten Grusse bewegten.
Dabei setzte er zum ersten Gedicht „Leipzig" mit dem (übrigens falschen) Datum 1771.
Ich meine nun, dass diese Verse gar nicht jener Frühzeit angehören; sondern sie der
Antithese zu Liebe poetisch fingieren. Denn unverkennbar zeigen sie die Alters-
sprache des Dichters. —
Die Friederikenlieder, die uns in die Strassburger Zeit des Dichters
führen, reizen immer wieder das Interesse der Forscher. Mit den Gedichten ins-
gesamt beschäftigt sich der Lenz-Enthusiast F a 1 c k 20). Er rollt noch einmal
die ganze Frage auf, wie viel von den in Hirzels „Jungem Goethe" unserem Dichter
zugeschriebenen Liedern ihm gehören, und welche Lenzen zuzusprechen sind. Er
zeigt zunächst, dass Heinrich Kruse nicht Goethes Originalblätter in Händen gehabt
hat, sondern von den Geschwistern Brion hergestellte Abschriften. Die Originale
sind 1820 aus Europa verschwunden. Er bemerkt ferner ganz richtig, dass die über
N. 5 (bei Hirzel) stehenden Worte „Als ich in Saarbrücken", nicht von Goethe
herrühren können, sondern von Friederike niedergeschrieben wurden. Die Abschrift,
über die er dann Auskunft giebt, stammt von Mich. Jerzembsky, der, Seelsorger und
Freund Lenzens in Moskau, sie aus dessen Nachlass nahm. Sie enthält ausser den
beiden schon von jeher Lenzen zugeschriebenen N. 4 und 5 noch N. 3, so dass
danach Bielschowsky berechtigt war, sie Goethen abzusprechen (JBL. 1891 IV 9c: 19).
Die Abschrift macht allerdings nicht den Eindruck grosser Zuverlässigkeit, indem
sie ein offenbar einheitliches Gedicht (N. 4) in drei für sich bestehende trennt,
wodurch sich F. bestimmen lässt, immer von drei Gedichten zu sprechen. Dagegen
vermag auch er die beiden Nummern, die nach Bielschowsky noch Lenz zufallen
sollen, ihm nicht zu vindizieren. Die eigene Hypothese, wonach N. 1 „Erwache
Friederike" eine Mischung zweier von verschiedenen Vf. herrührender Bestandteile
ist, kann nicht ernst genommen werden. Ebenso wenig, wenn F. das Gedicht „Herz,
mein Herz, was soll das geben" in die Gruppe der Friederikenlieder reiht und im
Jan. 1771 gedichtet sein lässt. — Dem „Heidenröslein" allein gilt Stümckes21)
Aufsatz. Gestützt auf eine genaue Kenntnis der einschlägigen Litteratur rekapituliert
er die oft behandelte Streitfrage, ob das Lied eine Dichtung Goethes oder ein von
ihm übernommenes Volkslied sei. Mit guten Gründen verficht er den von Erich
Schmidt vertretenen Standpunkt (JBL. 1891 IV 9c: 22), dass das Lied von Goethe
nach Aelst gedichtet ist, und dass „Die Blüte. Ein Kinderlied" eine Kontrafaktur
Herders sei. — Eine einzelne Lesart des Gedichts bespricht Minor 22), der durch
eine Erwägung zu erweisen sucht, dass der Vers, den die von Herder in den Blättern
von deutscher Art und Kunst mitgeteilte Fassung in der letzten Strophe bietet : „Aber
er vergass danach" verdruckt sei für: „es vergass danach." Die Erwägung scheint
mir nicht beweiskräftig, wohl aber erfordert der Sinn unbedingt die schon von
Dunger (Arch. für Litt.-Gesch. 10, S. 197) erwogene Aenderung, wenngleich das
Lied dadurch eine fast cynische Pointe erhält. ■—
Von den Gedichten der Frankfurter Zeit (1771—75) fand nur
„Mahomets Gesang" Beachtung. Imelmann23) weist auf Stellen bei Bossuet
LCBl. S. 190/1. — 19) (IV 8b: 17, 53.) -20) P. Th. Falck, D. Jerzembskysche Abschrift d. Sesenheimer Lieder d. Dichters
Lenz «. d. Echtheit n. Chronol. d. Sesenheimer Lieder (v. Goethe u. Lenz) nach A. Bielschowsky auf Grund d. Jerzembskyschen
Lenz-Nachl. krit. beleucht. : Aus deutscher Brust 1, S. 8-12,26/8. — 21) H. Stümcke, Goethes Heidenröslein: ZDS. 8, S. 226-38.
- 22) J. Minor, Heidenröslein: Euph. 1, S. 607. — 23) J. Imelmann, Zu Mahomets Gesang: GJb. 15, S. 270/1. — 24) J.
0. Pniower, Goethes Lyrik. IV 8c : 25-31
(1687) und Malherbe (1606) hin, in denen in ähnlicher Weise wie in dem Goetheschen
Gedicht das Leben eines Helden mit dem Laufe eines Flusses verglichen wird.
Unverkennbar erscheinen gleiche Motive hier und dort. Doch macht I. direkten
Zusammenhang nicht geltend. Er sieht in dem Zusammentreffen zufällige Gedanken-
begegnungen, die als „Varianten der menschlichen Phantasie" psychologisch lehrreich
sind. — Wie leicht in der That Dichter unabhängig von einander das gleiche Motiv
ergreifen konnten, lehrt eine Miscelle Minors24), der aus dem Augustheft des
Teutschen Merkurs vom J. 1774 ein deutliches Gegenstück zu Goethes, im Göttinger
Musenalmanach von 1774 erschienenem Gedicht reproduziert. —
Eine recht bunte Reihe bilden die von der Forschung berücksichtigten
Gedichte, deren Entstehung in die Weimarer Zeit fällt. Zu dem prächtigen,
humorvollen Scherzstück „Epiphanias", das an ein bekanntes, am Dreikönigsabend
gesungenes Lied anknüpft, citiert Sprenger25) eine Stelle aus einem noch im J. 1803
lebendigen Gesang, die mit dem in der ersten Strophe bei Goethe behandelten Motiv
Verwandtschaft zeigt. —
Eine eingehendere Betrachtung widmet Klahre26) dem „Erlkönig". Nach
einem Ueberblick über die dichterische Verwertung, die die Elfenwelt bei Goethe
überhaupt gefunden hat, und nach einer kurzen Besprechung des Verhältnisses der
Ballade zur Quelle zeigt er ihre Gliederung auf. Den Schwerpunkt seiner Aus-
führungen bildet die Darlegung der vom Dichter angewendeten künstlerischen Mittel.
Besondere Aufmerksamkeit schenkt er der rhythmischen Wirkung, indem er das
Verhältnis des Versmasses zum Inhalt bespricht. Wie Hildebrand in dem schon
angeführten Aufsatz (s. o. N. 13) kommt es ihm dabei hauptsächlich auf die Er-
klärung des Wechsels zwischen Jambus und Anapäst an. Er zeigt, wie er durch den
Gehalt der Worte, durch die Stimmung bedingt ist, und wie der Rhythmus im Dienste
des poetischen Ausdrucks steht. Auch darauf, wie bei der Versinnlichung Allitteration
und äussere Tonmalerei mitwirken, weist er, wenn auch flüchtig, hin. „Um die
ganze Innigkeit der wechselseitigen Umschlingung von Form und Gedanken in
diesem Gedicht recht fühlbar zu machen", streift K. zum Schluss mit einem raschen
Blick die Bemühungen, es in fremde Sprachen zu übersetzen. —
Ein ähnliches Schnitzelchen wie zu „Epiphanias" verdanken wir Sprenger27)
für den „Sänger". Zu V. 29 „Ich singe, wie der Vogel singt" usw. führt er eine
Parallele aus Konrad von Würzburgs Trojanerkrieg an. —
Von jeher hat das Gedicht „Ilmenau"28) das Interesse der Forscher erregt.
Sein starker persönlicher Gehalt, sein mystisches Schwanken zwischen Wirklichkeit
und Traum, die merkwürdige Doppelexistenz des Dichters in ihm, die lebensvolle
und doch in der Dämmerung der Unbestimmtheit schwebende Darstellung der Um-
gebung des Fürsten, die vornehm -offenherzige Charakteristik Karl Augusts selbst,
alles das macht diese Vorliebe erklärlich. Auch dieses Mal verzeichnen wir wieder
drei Beiträge zu ihm. Imelmann29) vergleicht das Gedicht mit den um etliche
Jahre älteren Geburtstagsversen Wielands an Anna Amalia (Hempel Bd. 12, S. 252)
und findet in Vers, Sprache und Situation beider kaum verkennbare Aehnlichkeit.
Doch kann es sich auf jeden Fall nur um Anklang einiger Motive handeln. —
Gassner30) vergleicht es mit Schillers Spaziergang, der sich ihm in dem dreiteiligen
Aufbau (Betrachtung der Natur, Vision und Rückkehr zum Tagesbewusstsein) in
der That ähnlich erweist. G. findet aber auch in der „lyrischen Klangfarbe" und
der „poetischen Wirkung" Uebereinstimmung, wohin ich ihm nicht zu folgen vermag.
Weiter macht er etwas obenhin auf die Unterschiede aufmerksam die beide Dichter
bei der Vermittlung der Uebergänge aus der Eingangssituation zur Vision und aus
dieser zum Erwachen bewähren. — Hildebrand31) entwickelt eine neue Ansicht
über die Entstehung des Gedichtes. Er setzt bei den Worten V. 22 „(Die Träume)
locken alte Reime" ein, nimmt das Wort „alt" im gewöhnlichsten Sinn, so dass er
unter alten Reimen „früher Gedichtetes" versteht und wird so zu der Annahme ge-
führt, dass es, so wie wir es kennen, nicht aus einem Guss entstanden und zum
Geburtstag des Herzogs (am 3. Sept. 1783) verfasst ist, sondern dass damals die Ein-
leitung (bis V. 20) und der Schluss (von V. 156 an) gedichtet und an ein älteres
Stück, das die nächtliche Scene behandelte, angefügt wurden. Den Beweis für diesen
interessanten Einfall ist er uns freilich so ziemlich schuldig geblieben. Seine Aus-
führungen, wonach sich in Goethes Verhältnis zum Herzog zwischen 1782—83 ein Um-
schwung vollzog, insofern seine pessimistische Meinung von der Entwicklung seines
fürstlichen Freundes in dieser Zeit einer hoffnungsvolleren Auffassung wich, und dass
das Gedicht in dem alten eingeschobenen Teile jene düstere Ansicht, in der hinzu-
Minor, E. Gegenstück zu Mahomets Gesang: Euph. 1, S. 606. — 25) R. Sprenger, Zu Goethes Sterndreherlied: ZDU. 8,
S. 78. — 26) R. Klahre, D. Erlkönig: ZDS. 8, S. 241/6, 301/7. — 27) R. Sprenger. Zu Goethes Sänger: ZDU. 8, S. 130.
— 28) X 0. Hellinghaus, W. Fielitz, E. Untersuch, zu Goethes Gedicht Ilmenau (JBL. 1893 IV 8c : 16): Gymn. 12,
S. 542. — 29) J. Imelmann, Zu Goethes Mahomet u. Ilmenau: GJb. 15, S. 271. — 30) (IV 9 : 75.) — 31) R. Hildebrand,
IV 8c:32 0. Pniower, Goethes Lyrik.
gefügten Einleitung- und dem Schluss hingegen diese zuversichtliche Ueberzeugung
spiegelt, diese Ausführungen genügen doch wohl kaum, die Annahme der Uneinheit-
lichkeit zu rechtfertigen. Auch eine Datierung der eingeschobenen Partie ver-
sucht H., indem er sie zu der Stelle eines für sich wieder nicht datierbaren Briefes
in Beziehung setzt, ohne zu irgend einem festen Anhalt zu kommen. So glaube ich
nicht, dass seine geistreiche Hypothese Anklang finden wird. Sollte es übrigens
möglich sein, dass ein Dichter in dem Werke selbst in dieser Weise eine Kon-
tamination eingestehe, wie es der Fall wäre, wenn H. recht hätte? Ich für meinen
Teil ziehe es bis auf weiteres vor, in Bezug auf das „alt" bei der „ungefähren Auf-
fassung" zu bleiben und es als „altgewohnt" zu nehmen. Der Aufsatz enthält
noch hübsche Betrachtungen über Goethes Verhältnis zu Karl August, über den
Begriff des Dichters im vorigen Jh. und seine Stellung zu Fürsten und über Klopstocks
bekannte Einmischung, auf die H. ein dem Dichter günstigeres Licht fallen lässt, als
gemeinhin geschieht. Zum Schluss wird die Gegend, die Goethe im Gedicht im
Auge hat, genau bestimmt. —
Eine gewisse Verwandtschaft zwischen „Ilmenau" und dem Gedicht „Das
Göttliche" ist nicht zu verkennen. Beide zeigen den Dichter am Ende des Kampfes,
den er gegen sich selbst, gegen die überschäumende Jugendkraft zu führen hatte,
als glücklichen Sieger. In beiden spricht sich der Goethe eigene pädagogisch-
menschliche Trieb aus, der ihn dazu drängte, auf die ethische Ausbildung seiner
Umgebung wie der ganzen Welt bedacht zu sein. Auch zum „Göttlichen" kehrt die
Forschung wieder und wieder zurück. Besonders sucht man seine Entstehung zeit-
lich zu bestimmen. Auch für Vogel32) ist dieses Moment Ausgangs- und Endpunkt
der Betrachtung, die aber zugleich den anderen an die Ode sich knüpfenden Fragen nach
ihrem geistigen Gehalt, nach ihrer Stellung in der Gruppe verwandter Gedichte usw.
nicht aus dem Wege geht. V. beginnt mit der Prüfung einer ganz hypothetischen,
von einigen aber zur chronologischen Fixierung benutzten Beziehung der Ode auf
eine Briefstelle aus dem J. 1775, hält sie aber mit Recht für unbegründet (vgl. dazu
GJb. 9, S. 293 und ZDPh. 23, S. 312/4). Er wirft dann einen vergleichenden
Blick auf 12 den J. 1772—80 angehörende Oden, die er kurz charakterisiert und in
zwei deutlich geschiedene Gruppen teilt, mit der „Harzreise", und dem „Gesang der
Geister über den Wassern" als Uebergängen und Mittelgliedern. Er weist auf die
Verwandtschaft des Gedichtes mit dem „Meine Göttin" betitelten hin, das sicher
datiert — Sept. 1780 — einen Anhaltspunkt für die chronologische Bestimmung
dieses zeitlich angeblich schwankenden gewährt. In beiden wird der Vorzug der
Menschen vor allen anderen Kreaturen betont. In beiden auch, wie in dem dritten,
den „Grenzen der Menschheit", waltet das Streben des Dichters, „in das Chaos seiner
Gedanken- und Stimmungswelt durch das Ziehen fester Grenzen eine gewisse
Ordnung zu bringen". So bilden die drei eine Gruppe von Gedichten, deren
Charakter sich von dem der älteren, der Sturm- und Drangperiode angehörenden,
deutlich abhebt. Besonders gut zeigt V. den Unterschied der Weltanschauung in
den „Grenzen der Menschheit" von der in „Wanderers Sturmlied" oder im Prometheus-
monolog wirksamen. Auch den religiösen Gehalt der Ode bespricht er, doch etwas
zahm, indem er sagt, dass der, wie mir scheint, klar genug ausgedrückte Gedanke,
„dass die Unsterblichen, die wir verehren, nur wie Reflexe erscheinen, die von der
Menschenwelt in die jenseitige geworfen werden", nicht eigentlich so gemeint ist.
Warum hat es der Dichter dann gesagt? Meiner Ansicht nach ist der Gedanke
durchaus so gemeint wie er ausgesprochen ist (JBL. 1892 IV 8c:23~). Auf Grund
äusserer Indicien und einer kurzen Betrachtung von Goethes Auffassung seiner
dienstlichen Stellung kommt V. zu dem Ergebnis, dass das Gedicht in das J. 1782 zu
setzen sei, ohne übrigens dieser bestimmten Datierung allzuviel Wert beizumessen.
Und gewiss gehört es der Zeit von etwa 1780 bis Nov. 1783, da sie im Tiefurter
Journal erschien, an. Ja, es ist mir nicht verständlich, warum man sich nicht mit
Düntzer anzunehmen begnügt, dass sie, wogegen nichts spricht, eben in jener Zeit,
da sie zuerst bekannt wurde, gedichtet ist. Sicher muss man sie wegen des
Vorwaltens des Ethischen dieser Weimarer Epoche zuweisen. Darin ändert auch
nichts — welches Moment V. übersieht — , dass wie die „Grenzen der Menschheit"
nach seinem Ausdruck eine Palinodie des Prometheusmonologes sind, so das „Göttliche"
als eine Palinodie der „Grenzen der Menschheit" oder umgekehrt diese Ode als eine
Palinodie von jener aufgefasst werden kann, woraus man auf einen grösseren zeit-
lichen Abstand der beiden Gedichte schliessen könnte. Sie gehören trotzdem beide
derselben Gedankensphäre an und werden chronologisch nicht allzuweit auseinander
stehen. Denn wenn im „Göttlichen" der Titanismus auch vorhanden ist, so erscheint
er in einem anderen Lichte als in den Gedichten der Frankfurter Epoche. Er wird
mehr wie eine gedankliche Form gehandhabt und ist jedenfalls ethisch überwunden. —
Zn d. Gedichte Ilmenau: GJb. 15, S. 140/7. — 32) Th. Vogel, Z. Datierung v. Goethes Ode „D. Göttliche" : ZDU. 8, S. 433-41.
0. Pniower, Goethes Lyrik. IV 8c : 33-43
Wie „Ilmenau" und „das Göttliche" verwandt sind, ebenso verbinden diese
Ode Fäden mit der „Zueignung", deren unmittelbarer Vorläufer nach Loeper das
Gedicht „Ilmenau" ist. Zum Eingang der „Zueignung" weist Goldbeck33) auf
eine Parallele hin, die er im Beginne des, einer Idylle des Ausonius nachgebildeten,
Gedichtes „Des Roses" vom französischen Renaissancepoeten Bonaventure Des Periers
findet. Darüber, dass Goethe dessen Lyrik gekannt hat, wissen wir nichts, und
dieser Anklang beweist es sicher auch nicht. —
Von der „Zueignung" zu den Xenien des J. 1796" ist nicht nur zeitlich
ein grosser Schritt. Und doch verbindet auch diese so verschieden gearteten
Schöpfungen der gemeinsame Zug, dass sie beide Programme des Dichters sind, dass
sie beide die Frage seiner Stellung zur Kunst behandeln. Die im vorigen Bericht
besprochene neue, von Erich Schmidt und Suphan besorgte Ausgabe der Xenien
(JBL. 1893 IV 8c : 20) hat eine grosse Zahl Anzeigen und eingehenderer Besprechungen
gezeitigt34). Erich Schmidt35 36) selbst hat einige berichtigende Nachträge dazu
veröffentlicht. Auch ist jetzt ein Referat seines auf der Philologenversammlung in
Wien gehaltenen Vortrages, in dem er zuerst einem weiteren Kreise von dem schönen
Funde des grossen Xenienms. Mitteilung machte, erschienen. Mir aber sei es
gestattet, hier einen mir im letzten Bericht entschlüpften Fehler zu korrigieren. Ich
hätte nicht sagen sollen, dass diejenigen „Xenien" und „Distichen aus dem Almanach",
die weder im grossen Korpus stehen noch von Boas-Maltzahn publiziert sind, von
Schiller während der Redaktionsthätigkeit oder kurz vorher verfasst sind. Schon
das in der Ausgabe die N. 800 tragende, unzweifelhaft von Goethe verfasste, wider-
legt diese Behauptung, nicht weniger die N. 785, 787, 798 usw.37"38) —
In derselben Zeit, in der Goethe an den Xenien schuf, verfasste er die
köstliche, von derselben Gesinnung, auf der jene ruhen, eingegebene Parodie ,,M u s e n
und Grazien in der Mar k". Zu der Stelle dieses Gedichtes (V. 47/8) „gestern
Abend War doch Vetter Michel da" zieht Sprenger39) ein mit diesen Worten
beginnendes Tanzverschen heran, dessen er sich aus seiner Kindheit entsinnt, und
wirft die Frage auf, ob Goethe hier nicht auf den Anfang eines älteren Liedes
anspiele. Ein Blick in Düntzers Kommentar hätte ihm gezeigt, dass er wieder
einmal voreilig war. Der Einfall ist nicht neu, und die an den Anklang sich knüpfende
Frage kann nur noch die sein, ob (wie Düntzer meint) das Volkslied aus dem
Goetheschen Gedicht geflossen ist, oder ob dieser bei seinen Worten jenes bewusst
oder unbewusst im Sinne hatte.40) —
Den Gedanken des schönen und tiefsinnigen, 1810 in der Einleitung |zur
Farbenlehre zuerst gedruckten, aber schon 1805 verfassten (GJb. 15, S. 139) Spruches
„War1 nicht das Auge sonnenhaft" verfolgt E. 0. von Lippmann41)
von Plotinus, aus dem ihn Goethe unmittelbar geschöpft hat, rückwärts bis zu Plato
und seinen Vorgängern und meint, dass er ihn schon beim Studium dieses Philo-
sophen aufgefallen sein müsse und durch spätere Erinnerung wieder lebendig
geworden sei. Um diese Annahme zu erhärten, weist er auf den tiefgehenden, von
Goethe selbst anerkannten Einfluss des griechischen Denkers hin, dessen Nachwirken
er im „Wilhelm Meister" und „Faust" wahrzunehmen glaubt. Ich möchte hinzufügen,
dass der Gedanke auch der ältesten germanischen Kosmogonie eigentümlich ist. —
E. O. von Lippmann42) gesellt auch, wie ich hier vorweg nehmen will,
zu den schon bekannten vorgoetheschen Belegen des Spruches: „Alles in der
Welt lässt sich ertragen", dessen poetische Formulierung auf einer ganz
geringen Aenderung eines alten Sprichwortes beruht, einen neuen aus Luther. Gerade
aus ihm hatte schon Loeper einen herangezogen. —
Zu den Stanzen „Epilog zu Schillers Glocke" liefert Düntzer43)
einen Kommentar ganz in der Art seiner vielbenutzten, ebenso verdienstvollen wie
zum Widerspruch reizenden Erläuterungen, in denen das Gedicht nicht behandelt ist.
Er fusst auf dem neuen, die Geschichte des Textes bereichernden Material, von dem
wir oben (s. N. 4) sprachen, und berücksichtigt die vielfachen Wandlungen, die das
Gedicht erfuhr, bis es die Gestalt bekam, die wir aus der Ausgabe letzter Hand
kennen. Eine Analyse ist bekanntlich nicht seine Sache, er giebt ein Gemisch von
Paraphrasierung und auf äussere Sinndeutung gerichteter Kommentierung, wobei er
die vielfachen Erklärungen des stellenweise recht dunklen und in den verschiedenen
— 33) E. Goldbeck, Z. Gedicht Zueignung: GJb. 15, S. 269. — 34) X (IV 9:60; dazu noch F. Jostes: LRs. 20, S. 22/3;
K. Heinemann: BLU. S. 22/3; DDichtung. 15, S. 101/2; A.V.Weilen: VossZg». N. 2/3 ; Grenzb. 1, S. 511/2; K. J. Schfröejr:
LCB1. S. 250.) — 35) Erich Schmidt, Zu d. Xenien: Enph. 1, S. 78-80. — 36) (IV 9:59.) — 37) X J- Tröger, Rektor
Manso im Xenienkampfe (JBL. 1893 IV 8a: 130; 8c : 21). |[0. F. Walzel: ZOG. 45, S. 632/4; 0. Hellinghaus: Gymn. 12,
S. 542.]| — 38) X A. Koste r, J. Kassewitz, Darlegung d. dichterisch Technik v. Goethes „Alexis n. Dora" (JBL. 1893
IV 8c: 24): ADA. 20, S. 406. — 39) R. Sprenger, Zu Goethes Musen u. Grazien in d. Mark: ZD U. 8, S. 79. — 40) X H-
C. Kellner, D. Matamorphose d. Pflanze: MGoetheVZwickau. 4, S. 25. (Inhaltsang. unter Anlehnung an Düntzers Komment.)
— 41) E. 0. v. Lippmann, Zu „War nicht d. Auge sonnenhaft usw.": GJb. 15, S. 267/8. — 42) id., Zu „Alles in d. Welt
lässt sich ertragen usw.": ib. S. 268/9. — 43) H. Düntzer, Goethes Epilog zu Schillers Glocke: ZDPh. 26, S. 81-105. —
IV 8c .44-49 0. Pniower, Goethes Lyrik.
Phasen leider nicht verbesserten Gedichtes Revue passieren lässt. Schröers, Loepers,
Kerns Auffassungen bekämpft er, freilich nicht immer mit Erfolg. — Hauptsächlich
aber setzt er sich mit Kettner44) auseinander, der, was wir seiner Zeit übersehen
haben und darum dieses Mal nachholen, die Stelle V. 22/3 und die noch schwierigere
V. 41/6 interpretiert hat. Das letzte Wort scheint mir auch hier noch nicht gesprochen
zu sein. —
Origineller und ergiebiger als diese Erläuterung ist diejenige, die wir Vogel45)
über die Ballade „Die wandelnde Glocke" verdanken. Er giebt das Protokoll
einer unter mehreren Mitgliedern eines Seminars stattgehabten Besprechung des Ge-
dichts, bei der es sich „um die nächste Wort- und Sinnerklärung, die sprach- und
sachanalytische Methode" handelt. Dieser interessante Austausch der Meinungen
vieler hat zur Folge gehabt, dass auch die kleinen Nuancen des Ausdrucks zur
Geltung kommen. Den Entscheidungen, die der Vorsitzende dieses Kreises gegen-
über den mannigfachen, bald feinen und scharfsinnigen, bald gesuchten oder miss-
lungenen Ansichten getroffen hat, pflichtet man gerne bei. Sie lassen einen tüchtigen,
ästhetisch geschulten Interpreten erkennen, der den Blick gleichmässig auf das
Einzelne wie auf das Ganze gerichtet hält. Gut ist V. 12 („Als lief es aus der
Schule") gegenüber den hergebrachten Deutungen erklärt. Dagegen wird über das
sprachlich bemerkenswerte „richtig" V. 21 zu flüchtig hinweggegangen. —
Zum West-östlichen Divan liegt dieses Mal nur ein ganz kleiner Beitrag
vor. R. von Payer46) ergänzt und berichtigt seinen bereits früher (JBL. 1892
IV 8c: 37) besprochenen Aufsatz, indem er über eine ihm damals unbekannt ge-
bliebene Uebersetzung der Sammlung Nesihet-ul-Muluk Mitteilung macht und daraus
die in dem „Neuere, Neueste" betitelten Abschnitt der „Noten und Abhandlungen"
wiederkehrenden Aphorismen citiert. Bemerkenswert ist seine Angabe, dass das
WTerk, das die Uebersetzung enthält: „Voyages du Chevalier Chardin en Perse et
autres lieux d'Orient," für den Divan eine der wichtigsten Quellen Goethes bildete. —
Zwei andere kleine Beiträge beschäftigen sich mit den Voraussetzungen zu
Gelegenheitsverschen. Den wahren Adressaten des Stammbucheintrags: „Als
kleinen Knaben hab ich dich gesehen usw." teilt Redlich47) mit. Es war
nicht, wie man bisher allgemein annahm, Knebels Sohn, sondern Hegels natürlicher
Sprössling. Eine eigenhändige, im Archiv befindliche Niederschrift des Gedichtes
erweist das ebenso wie das noch erhaltene Stammbuch selbst. —
Steig48) kommentiert das erst durch die Weimarer Ausgabe (5. Bd., 1. Abt.,
S. 200) bekannt gewordene „Zahme Xenion": „Nenne Niemand! nur verschone"usw.,
das von neuem den Anteil beweist, den Goethe an der Wiedererweckung' des deutschen
Altertums nahm, deren Zeuge er war. St. bringt die Entstehung der Invektive mit
der Kenntnisnahme des Dichters von W. E. Schubarths Schrift „Zur Beurteilung
Goethes" in Verbindung und mit dem persönlichen Verkehr, der sich zwischen ihm
und seinem Interpreten bildete, und gewinnt dadurch die Bestimmung der Entstehungs-
zeit der Verse: Herbst 1820. —
Goethes letzte und erschütterndste lyrische Liebesbeichte, die Marienbader
Elegie, hat ein Aufsatz zum Gegenstand, dessen Vf. kein geringerer als D. Fr. Strauss49)
ist. Er enthält mehr als der Untertitel verspricht, insofern die Elegie selbst zwar
zum Mittelpunkt der Behandlung gemacht ist, zugleich aber, wenn auch kurz, die
mit ihr zur „Trilogie der Leidenschaft" verbundenen Gedichte „An Werther" und
„Aussöhnung" besprochen werden. Daneben berücksichtigt Strauss auch die während
des Verkehrs mit Ulrike von Levetzow entstandenen und von Gedanken an sie er-
füllten Lyrika (Weim. Ausg. 4, S. 28—31). Dennoch ist, was uns geboten wird, nicht
eben viel. Strauss erzählt die inzwischen allgemein bekannt gewordenen, genetischen
Voraussetzungen der Elegie und entwirft von ihr eine kurze Charakteristik, die im
wesentlichen auf den von Eckermann über sie gesagten, allerdings treffenden Worten
und Goethes eigener, den Kern ihres Wesens kennzeichnender Bemerkung beruht. Sie
geben ihm ein Schlagwort an die Hand, womit die Eigenart des Gedichtes zwar
richtig bestimmt, aber doch nur ungefähr umschrieben wird. Er sagt : „Die Abfassung
noch mitten in der Leidenschaft, welche überdies mit halb leidenschaftlicher, halb
künstlerischer Willkür isoliert und gesteigert wird, auf der einen, und, was wir hinzu-
denken müssen, das hohe Greisenalter des Dichters auf der anderen Seite: in diesen
beiden Momenten, die zusammen im Kontraste stehen und doch zum Teil in ihren
Wirkungen zusammentreffen, haben wir die Eigentümlichkeit unserer Elegie." Dies
führt er im einzelnen aus, worauf eine von Strophe zu Strophe schreitende, rasch zu-
sammenfassende Analyse folgt. —
44) G. Kettner, Krit.-Exegetisches zu Schiller u. Goethe: NJbbPh. 144, S. 615/8. (Vgl. JBL. 1892 IV So: 29a; 8e:35; 9:39.)
— 45) 0. Vogel, D. wandelnde Glocke v. Goethe: ZDU.8, S. 69-76.— 46) R. v. Payer, Z. westöstl. Divan: ChWGV. 8, S. 15/6.
— 47) K. Chrn. Redlich, D. wahre Adressat e. Goetheschen Gedichts: GJb. 15, S. 265. — 48) R. Steig, Goethe u. d.
Brüder Grimm: ib. S. 287/8. — 49) D. F. Strauss, Ungedrucktes ausd.Nachl. Zu Goethes Elegie (v. Marienbad) : DR. 1, S. 228-35.
G. Witkowski, Goethes Epos. IV 8c : 50-53 IV8d:i-7
Auf die oben schon besprochene Abhandlung- W. von B i edermanns50)
kommen wir hier zurück, weil sie auf den merkwürdigen Cyklus von Gedichten,
die „Chinesisch-Deutschen Jahres- und Tageszeiten" ein Licht fallen lässt.
S. 391 hebt er hervor, dass für einzelne Züge von ihnen die Benutzung der von
Remusat herausgegebenen Contes chinoises, die Goethe 1827 las, sichtbar ist, dass
aber, wie er früher schön gezeigt hat, als die Hauptquelle der Lieder, als dasjenige
Werk, das dem Dichter die Anregung zu ihnen gab, das „Geschichte vom Blumen-
papier" betitelte Epos anzusehen sei. —
Das letzte, was Goethe überhaupt gedichtet hat, war ein Vierzeiler, der
erst im J. 1849 unter der Aufschrift „Bürgerpflicht" veröffentlicht worden ist. Steig51)
macht darauf aufmerksam, dass die am 6. März 1832 verfassten Verse ein Stammbuch-
eintrag für Sigismund von Arnim, den Sohn Ludwig Achims, waren. Von ihnen
gab es jedenfalls noch eine zweite Niederschrift, von der auch St. spricht. Sie mag
dieselbe sein — oder gab es noch eine dritte? — , nach der, einer Zeitungsnotiz
zufolge, Hörn52) ein Faksimile veröffentlicht, das in der FZg.53) nachgebildet ist.
In einer späteren Nummer derselben Zeitung wird bemerkt, was in allen Kommentaren
steht, dass der Spruch an bekannte Verse Luthers anknüpft. —
d) Epos.
Georg Witkowski.
Hermann und Dorothea N. 1. — Werther N. 22. — Wilhelm Meister N. 33. — Reineke Fachs N. 38. - Märchen
N. 39. — Die guten Weiher N. 40. — Novelle N. 41. — Wahlverwandtschaften N. 42. —
Wie stets beschäftigt sich auch dieses Jahr1-3) mit „Hermann undDorothea"
der grösste Teil der neu erschienenen Arbeiten auf unserem Gebiete. A. Schmidt4)
widerlegt die Ansicht von Cholevius, dass Goethe sich gleich nach der Rückkehr
von der Belagerung von Mainz mit Entwurf und Ausbildung des Gedichts befasst
habe, durch die Thatsachen, dass seine Produktion erst 1796 für das idyllische Epos
reif geworden ist, und dass Vossens „Luise" erst 1795 vollständig erschien. Ausser-
dem beweisen auch Tagebücher und Briefe, dass damals noch nicht von einer so be-
deutenden Konzeption, wie sie das ausgeführte bürgerliche Epos darstellt, die Rede
sein konnte. Der Aug. und Sept. 1796 war die Geburtszeit der Dichtung; die gleich-
zeitigen politischen Ereignisse, deren Verlauf Seh. schildert, wirkten bestimmend ein,
indem die Angriffe der Franzosen des Dichters eigene Ruhe zu gefährden drohten.
Aber weit mehr als er selbst war seine Mutter in Gefahr, da Frankfurt beschossen
wurde, und die lebendigen Schilderungen in ihren Briefen haben nach Seh. Goethe
als Quelle für sein Gedicht gedient, wie er ja selbst zugiebt, dass er sie in der
Löwenwirtin gezeichnet hat. Daraus sollen sich nun die zahlreichen Parallelen er-
klären, die zwischen den Briefen der Frau Rat und der Dichtung bestehen, und die
Seh. oft etwas gewaltsam festzustellen sucht. Ganz verfehlt ist die Hypothese, Frau
Aja habe, als sie den Brief vom 23. Sept. 1797 an Christiane schrieb, „Hermann und
Dorothea" schon gekannt, geradezu thöricht sind die daraus gezogenen Folgerungen,
zumal die, dass Goethe bei der Schöpfung Dorotheas Christiane im Auge gehabt habe.
Ebenso falsch ist es, wenn Seh. in dem Wirte Züge von Goethes Vater entdecken
will. Er muss selbst die völlige Verschiedenheit beider Gestalten zugeben und kommt
schliesslich auf die abgeschmackte Idee, dass auch für den Wirt die Mutter das Modell ge-
wesen sei, und dass bei dem Wirtshause Goethen das Haus am Rossmarkte in
Frankfurt vorgeschwebt habe, wo sie seit 1795 wohnte.5"6) — Eskuche7) vergleicht
Vossens „Luise" mit „Hermann und Dorothea". Goethe hat von Voss gelernt, dass
man deutsches Kleinleben in homerischer Form behandeln könne; aber er erhebt
sich zum Epischen, während Voss kein wirkliches Epos zu schaffen vermag. Das
zeigt sieh auch in der Art, wie beide dasselbe Thema, die Verbindung eines Mannes
mit einem Mädchen behandeln. Voss versteht nicht zu charakterisieren; selbst Luise
— 50) (IV 8a: 95.) — 51) R. Steig, Z. Weimarer Ausg. I. AM. 5. Bd., 1. T., S. 153: GJb. 15, S. 272. - 52) M. Hörn,
Onuitgegeven gedichten van Goethe: De Portefeuille 7. Apr. — 53) FZg. N. 101/2. —
1) X X (IV 8a: 66.) (Ohne Lesarten: also Besprech. d. krit. Verfahrens erst später möglich.) — 2)XM-Koch,
H. Schreyer, D. Fortleben homerischer Gestalten (JBL. 1893 IV 8d : 1): BFDH. 10, S. 234. — 3) O X Goethe, Oeuvres. Trad.
nouv. par J. Porchat. Les Annees de Voyage de Wilhelm Meister; Entretiens d'emigres allemands; les Bonnes Femnies;
Nouvelle. Paris, Hachette & Co. 390 S. Fr. 6,00. — 4) (IV 8b: 39.) — 5) X V. Hehn, Ueber Goethes Hermann u. Dorothea
(JBL. 1893 IV 8d:4). |[H. F. Müller: ZGymn. 28, S. 754/5; Grenzb. 1, S. 215/6; VossZg. N. 434 ; F. Muncker: AZg». N. 74 ;
K. Heinemaun: BLU. S. 23; A. v. Weilen: ZOG. 45, S. 521/9; LCB1. S. 1851/2; M. Koch: BFDH. 10, S. 234,7.]! — 6) X
Blasel, C. Gruber, D. Salzb. Emigranten (1893 IV 8d:7): Gymn. 12, S. 210/1. — 7) G. Eskuche, Z. Gesch. d. dtsch.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (4)29
IV 8d : 8-34 G. Witkowski, Goethes Epos.
ist ihm nicht gelungen, und ebenso steht sein Pfarrer weit unter dem Goethes. Die
Sprache wird bei dem Vorgänger durch die schwere homerische Rüstung erdrückt,
während Goethes Gedicht sie leicht und anmutig trägt. — Knapp8) ist durch den
Unterricht veranlasst worden, sich wieder einmal mit „Hermann und Dorothea" zu
beschäftigen, und plaudert nun über Leben und Bildung, Quelle und Ausgestaltung
des Stoffes, lobt es, dass das Motiv des Mahlschatzes am Schlüsse fallen gelassen ist,
tadelt mit Recht die wenig passenden Musennamen und charakterisiert gut die
einzelnen Gesänge. — Hirt9) berichtet an Goethe über die Aufnahme von „Hermann
und Dorothea" in der Berliner Gesellschaft: Vorlesung durch David Friedländer,
Erklärung durch Bothe und Süvern. — Die trockene Nacherzählung Stoffels10)
wird von dürftigen Exkursen begleitet, unter denen der einzige umfangreiche, über
die Pädagogik Goethes in „Hermann und Dorothea" schon früher erschienen war. i 1_18) —
Nach Widmann19) ist das Altmühl im Oettingischen, wohin die Quelle den Vorfall
verlegt, Altmühldorf bei Oetting am Inn in Oberbayern, das früher salzburgisch war.
Bei dem ersten Bräutigam Dorotheas hat Goethe an den Mainzer Adam Lux gedacht,
bei ihrer hochherzigen That (VI, 105 ff.) hatte er sicher eine Mainzerin im Sinne (siehe
Belagerung von Mainz unter dem 26. Juli). — Sprenger20) erklärt überflüssiger
Weise die Verse IV, 19ff. — E. Meyer21) behauptet mit Recht gegen Düntzer, dass
das Relativum IX, 224 sich auf „Glück" bezieht. —
Max J. Friedländer22) teilt das begeisterte Urteil des Kupferstechers Wille
über den „Werther" mit.23 26) — Geiger27) berichtet über eine 1792 in Paris auf-
geführte Wertheroper von Dejaure und Kreutzer nach Archenholz (siehe jedoch
GJb. 8, S. 220). 28) — Goldhan29) untersucht sorgtältig die Wirkung der beiden
ersten Goetheschen Romane auf Bulwer. Schon 1827 im Falkland ist er, der begeisterte
Verehrer Goethes, unverkennbar vom „Werther" in Stoff, Stimmung und Komposition
beeinflusst. Am tiefsten unter Goethes Werken hat aber „Wilhelm Meister" auf
Bulwer eingewirkt. G. stellt dessen Aeusserungen über diesen Roman zusammen,
die 1830 beginnen, und zeigt insbesondere, wie Bulwer aus ihm die Idee des psycho-
logischen Romans ableitet. Zumal für den „Pelham" ist „Meister" das Vorbild gewesen,
ebenso für den „Ernest Maltravers", „Alice" und „Godolphin". Goethe giebt Bulwer
die Richtung auf psychologische Vertiefung und trägt am meisten dazu bei, seine
Lebensanschauung zu klären.30) — In japanischer Uebersetzung 3 L) erschien der
„Werther" in der belletristischen Wochenschrift Shigarami Zoshi. — Zschech32)
weist die Unwahrheit der Angaben Ugo Foscolos über die Entstehung seiner „Ultime
lettere" in dem Brief an Bartholdi vom 22. Sept. 1808 und in der Vorbemerkung zur
Ausgabe von 1816 schlagend nach. Foscolos Behauptung, er habe den „Werther"
erst beim Abschluss seiner Arbeit benutzt, wird schon dadurch widerlegt, dass bereits
in der ersten Fassung Ortis am Ende des ersten Teils der Geliebten ein Exemplar
des deutschen Romans schenkt; den letzten Beweis dagegen aber liefert der (GJb. 8,
S. 8 mitgeteilte) Brief des Vf. an Goethe. Ausserdem kannte Foscolo die beiden Werther-
nachahmungen Perrins „Wertherie" (1791) und Leonards „Lettres de deux amants,
habitants de Lyon" (1783) und liess sich zumal von der zweiten stark beeinflussen.
Z. hebt jedoch hervor, dass die Anlehnung an fremde Muster, zu denen auch Sterne
hinzutritt, belanglos sei gegenüber dem neuen, politischen Elemente, durch dessen
Einführung in den Roman sich Foscolo das grösste patriotische Verdienst erwarb. —
Als Quelle für die Ehrenbezeigungen in der pädagogischen Provinz von
„Wilhelm Meisters Wanderjahren"33) vermutet W. von Biedermann33») das
chinesische Ceremoniell und verweist namentlich auf du Halde (2, S. 303). Auch für das
Zartgefühl des Mädchens im Schlussabschnitt des „Mannes von fünfzig Jahren"
Idyllendichtung. E. Stunde Litt. Progr. Siegen. 27 S. — 8) P. Knapp, Plauderei über Goethes „Hermann u. Dorothea":
BBSW. S. 256-62, 275-82. - 9) (IV 8b : 15, S. 69.) — 10) (I 6 : 47.) - 11) X (I 6 = 75.) — 12) O X Goethe, Hermann et
Dorothee. Texte allem, publie avec un avant-propos, des sommaires et des notes explicatives par B. Levy. Nouv. ed. Paris,
Hachette. 16°. IV, 115 S. M. 0,80. — 13) X W. v. Goethe, Hermann u. Dorothea. (= Allg. Volksbibl. N. 32/3.) Neusalza,
Oeser. 66 S. M. 0,20. — 14) X M-, Hermann u. Dorothea. Mit 11 Vollbild. (= 111. Volksausg. klass. Meisterwerke.)
B., Litteraturver. „Minerva". 60 S. M. 0,50. — 15) O X HU Hermann u. Dorothea. Mit 8 Lichtdr. nach d. Bildern v.
A. Frhr. v. Ramberg u. mit Ornamentstücken v. F. Baurogarten. 10. Aufl. B., Grote. XVI, 84 S. M. 2,50. — 16) O X id.,
Hermann u. Dorothea. Mit 9 Lichtdr.- Vollb. v. E. Klein. St., Greiner & Pfeiffer. III, 120 S. M. 5,50. — 17) X UU Hermann
et Dorothee. Poeme en IX chants trad. par Bit au be. (— Bibl. Nat.) Paris, Berthier. 16°. 123 S. M. 0,20. — 18) O X
id., Hermann et Dorothee. Illustr. de Marold. Paris, Dentu. 32". 221 S. M. 1,60. — 19) S. P. Widmann, Z. Sacherklärung
v. „Hermann u. Dorothea": Gymn. 12, S. 855-60. — 20) R. Sprenger, Zu Goethes „Hermann u. Dorothea": ZDU. 8, S. 125.
— 21) E. Meyer, Zu Goethes „Hermann u. Dorothea" IX, 224: ib. S. 135/6. — 22) Max J. Friedlander, J. G. Wille über
Werther: GJb. 15, 8.275/6. — 23) X F- Wichmann, E. Besuch d. Wertherstätten: DDichterheim. 14, S. 320. — 24) X Eu£-
Wolff, Bll. aus d. Werther-Kreis (JBL. 1893 IV 8d: 19). |[A. Köster: ADA. 20, S. 281/5; M. Koch: BFDH. 10. S. 224; S.
M. Prem: Euph. 1, S. 167/8.]| — 25) O X Goethe, D. Leiden d. jungen Werther. Diamant-Ausg. Mit Illustr. v. F. Skarbina.
B., Grote. 16°. 168 S. M. 2,00. — 26) X A. E. M., Bilder zu Goethes „Werther": ChWGV. 9, S. 18/9. - 27) L. Gfeiger],
Zu „Goethe u. Frankreich": GJb. 15, S. 289. (Vgl. IV8e:31.) — 28) O X Goethe, Werther. Paris, Fayard. 160 S. - 29)
(IV 8a: 83.) (Gleichzeitig in Anglia 16, S. 267-369.) — 30) O X Werther at Covent-Garden: SaturdayR. 77, S. 635/6. —
31) Werthers Leiden im Japanischen: BerlTBl. N. 206. (Vgl. auch: TglRsB. N. 95 u. VossZg. N. 190.) — 32) (IV 8a: 91;
8b : 18 ) |[M. Koch: BFDH. 10, S. 496.]| - 33) X (»• <>. N. 1.) - 33a) (IV 8a : 95; 8e : 36.) - 34) (IV 8a : 24; 8b : 30.) -
G. Witkowski, Goethes Drama. IV 8d : 35-42 IV8e:i-4
glaubt er in einer chinesischen Dichtung-, dem Roman Hao kiu tschuen, mit dem sich
Goethe seit den achtziger Jahren wiederholt und eindringlich beschäftigt hat, das
Vorbild zu erkennen.34-36) — R. M. Meyer37) erwähnt, dass Stockfleths „Kunst- und
tugendgezierte Macarie" in keinem Zusammenhang mit der Goetheschen Gestalt
gleichen Namens steht. —
Im „Reineke Fuchs" bewährt sich nach Becker38) die Gesetzgebung des
„Laokoon" in der Schilderung der Kleinode, die Reineke dem König gesandt zu
haben vorgiebt. —
Ein Grenzbotenaufsatz39) über das Märchen am Schlüsse der „Unter-
haltungen deutscher Ausgewanderten" wiederholt Baumgarts Deutung, deren poli-
tischer Teil mit Hilfe der Schrift von Ottokar Lorenz noch verstärkt wird. —
„Die guten Weiber" werden von Seuffert40) in einem Aufsatz von hoher
wissenschaftlicher Bedeutung, den wir nur lieber an einer anderen Stelle gesehen hätten,
aufs gründlichste behandelt. Er erzählt Anlass und Inhalt des Dialogs, untersucht
die Herkunft der eingeschobenen Erzählungen, unter denen er die des Sinclair, wie
alle früheren, auf Frau von Stein deutet, die dritte Seytons von der Pächterin auf
eine gemeinsame Quelle mit Destouches „Verschwender" zurückführt. Den Titel „La
bonne femme" fand Goethe im Juliheft 1775 der „Bibliotheque universelle des
Romans", ebenda im Oktoberheft, wo auch die Geschichte von Brantömes Grossmutter
stand, drei Hundegeschichten. Die Erzählung Armidoros von Ferrand und Cardano
hat sicher ein litterarisches Vorbild; aber es bleibt noch zu entdecken, was auch des-
halb interessant wäre, weil wir, wie S. behauptet, hier die erste Vorstufe zu den
„Wahlverwandtschaften" erkennen. Sodann erörtert S. sehr eingehend die Text-
geschichte der „guten Weiber" und gelangt an ihrer Hand zu dem für die Gesamt-
geschichte des Goetheschen Textes wichtigen Ergebnis, dass in ihr auch der bisher
fast unbeachteten Wiener Ausgabe B1 eine massgebende Stelle gebührt. —
Lichtenheld41) weist die Erfüllung aller Anforderungen der epischen
Technik in der Novelle nach. —
Zu * den Nachweisungen Büchmanns über das Wort „Es giebt für den
Kammerdiener keinen Helden" in den „Wahlverwandtschaften" (Weim. Ausg. 20,
S. 262) fügt Geiger42) hinzu, dass Goethe den Spruch entweder aus den Briefen
des Fräuleins Ai'sse (1787, 1788 und 1805 erschienen) oder aus Kotzebues „Biene"
(1809) entnommen habe; im zweiten Falle müsste es freilich nachträglich eingefügt
sein. —
e) Drama.
Georg Witkowski.
Allgemeines N. 1. — Die Laune des Verliebten N. 11. — Götz von Berlichingen N. 12. — Satyros N. 24. —
Clavigo N. 25. — Stella N. 30. — Der Falke N. 32. — Die Fischerin N. 34. — Elpenor N. 36. — Egraont N. 37. — Iphigenie
N. 44. — Torquato Tusso N. 56. — Der Grosskophta N. 62. — Die natürliche Tochter N. 65. — Schillers Toten-
feier N. 66. — Des Epimenides Erwachen N. 67. — Faust: Allgemeines N. 68; Urfaust N. 108; Erster Teil N. 110; Zweiter
Teil N. 119. -
Allgemeines. Im Berichtsjahre erschienen in der Weimarer Ausgrabe nicht
weniger als drei Bände, die dramatische Werke Goethes enthalten. Von ihnen ist
die erste Abteilung des 13. Bandes1), im allgemeinen der zweiten Hälfte des
11. Bandes von C entsprechend, erst nach dem Erscheinen der zweiten Abteilung zu
betrachten, da erst diese die Lesarten enthalten wird. — Der 16. Band2) (Redaktor:
Erich Schmidt) deckt sich in der Hauptsache mit C 13, nur vermehrt durch den
Maskenzug von 1818, das Requiem für den Fürsten von Ligne sowie die ungedruckten
Entwürfe zu „Schillers Totenfeier" und der Kantate zum Reformationsjubiläum. In
den Lesarten erscheint das pantomimische Ballett von 1782 und die Quadrille ita-
lienischer Tänzer und Tänzerinnen zum 16. Febr. 1810, die schon von Düntzer Goethe
zugeschrieben worden war. Es ist zu bedauern, dass der buntscheckige Bestand von
C 13 mit unnötiger Pietät erhalten wurde. Welcher Leser, dem die Anordnung von
35) X 3- O. E. Donner, D. Einfluss Wilhelm Meisters (JBL. 1893 IV 8d : 32). |[J. Minor: DLZ. S. 7435; M. Koch: BFDH. 10,
S. 260 2; A. Sauer: ÖLB1. 3, S. 397/8.] | — 36) O X Goethe, William Meisters apprenticeship and trayels by T. Carlyle.
3 vols. London, Chapman. M. 2,60. — 37) B. M. Meyer, Stockfleths a. Goethes Macarie: GJb. 15, S. 272 4. - 38) T h.
Becker, l.essings Laokoon u. d. Kleinode in Reineke Fuchs: ZDU. 8, S. 5717. — 39) Goethes Lilienmärchen: Grenzb. 1,
S. 31-41. - 40) B. Seuffert, Goethes Erzählung „D. guten Weiber": GJb. 15, S. 148-77. |[M. Kooh: BFDH. 10, S. 456.]|
— 41) A. Lichtenheld, Z. epischen Technik u. zu Goethes „Novelle": ZDU. 8, S. 471/6. — 42) L. G[eiger], Es giebt für
d. Kammerdiener keinen Helden: Enph. 1, S. 792. —
1) (IV 8a: 66.) — 2) (ib.) - 3) (ib.) — 4) X H. Düntzer, Weim. Goethe-Ausg., Abt. 1, Bd. 4, 11/2, 20, 35:
(4)29*
IV 8e : 5-i2 G. Witkowski, Goethes Drama.
C nicht genau gegenwärtig ist, wird „Parabeln", „Legende", „Hans Sachsens poetische
Sendung", „Auf Miedings Tod", „Geheimnisse", die Karlsbader Gedichte von 1810 hier
suchen? — Der 17. Band3) (Redaktor: Karl Chrn. Redlich) giebt genau C 14 wieder.4) —
Das Leipziger Stadttheater5) veranstaltete vom 24. Mai bis 6. Juni einen sogenannten
Goethecyklus in acht Abenden, der aber weder durch historische Reihenfolge, noch
durch annähernde Vollständigkeit ein Bild von dem Dramatiker Goethe zu geben
suchte. Auch sind die Kräfte dieser Bühne für ein solches Unternehmen fast durch-
gängig unzureichend. — In seinem interessanten, freilich vielfach zum Widerspruch
herausfordernden Vortrag stellt Heyse6) zuerst die Thatsache fest, dass Goethe
seltener als Schiller, Shakespeare und Lessing noch auf deutschen Bühnen, auch
auf ideal geleiteten, erscheint. Nur bei bestimmten Anlässen werden „Iphigenie",
„Tasso", „Egmont", „Götz", „Clavigo", „Geschwister" aufgeführt; „Faust" nimmt
eine besondere Stellung ein, indem allen anderen vorgeworfen wird, sie seien nicht
bühnenwirksam. Allerdings sind sie nicht auf den Durchschnittsgeschmack der Menge
berechnet, und das kann ihnen nur zum Ruhme gereichen. Aber wie steht es
um ihren Bühnenwert, gemessen an einem zuverlässigeren Massstabe? Die „Laune
des Verliebten" und die „Mitschuldigen" zeigen, dass Goethe sich die französische
Technik zu eigen gemacht hat. Dem „Götz" fehlt die Darstellung der psychologischen
Prozesse, der inneren Kämpfe ; fragmentarische Stimmungsbilder sind lose verknüpft,
wichtige Momente der Handlung fehlen oder sind hinter die Scene verlegt. Goethe
ist in das eigentliche Geheimnis der Shakespeareschen Kunst nicht eingedrungen und
in „Clavigo", „Stella", den „Geschwistern" wendet er sich wieder völlig von ihr ab.
Im „Egmont" kehrt er zu der unvollkommenen Bühnenform des „Götz" zurück, wenn
auch die Behandlung breiter geworden und die äussere Anlehnung an Shakespeare
verschwunden ist. Erst im vierten Akte entbrennt der Kampf; aber es ist nur ein
Scheingefecht, da Egmonts Schicksal bereits feststeht, und ebenso fehlt dem fünften
Akte die innere Spannung. Das Stück ist für Leser geschrieben, nicht für Zuschauer.
Am meisten beherrscht Goethe die dramatische Technik in „Iphigenie" und „Tasso".
Aber unsere Schauspieler wissen sich in dem Stil dieser Dramen nicht zurecht-
zufinden, und die Stoffe stehen uns nach dem blinden Vorurteü der Gegenwart zu
fern. Das gilt noch mehr als von „Iphigenie" von „Tasso", und es wäre eher denkbar,
dass das Stück in einem künstlerisch hochgebildeten Dilettantenkreise rein zur An-
schauung kommen könnte als durch Berufsschauspieler. Später hat Goethe der
deutschen Bühne nichts mehr geschenkt, was als wertvolle Bereicherung unserer dra-
matischen Habe zu betrachten wäre. Das ist ein psychologisches Rätsel, am uner-
klärlichsten die Gestaltung der „Natürlichen Tochter", deren Handlung mehr peinlich
als tragisch berührt. Die Sprache ist manieriert ; man hört aus den meisten Reden den
Dichter heraus, der nur personifizierte Begriffe in Aktion setzen will. Die ewige
Wirkung des ersten Teils des „Faust" wird vor allem durch die Naturgewalt gesichert,
mit der die Gestalten vor uns hintreten. Sie sind Individuen ebenso wie Götz, Adel-
heid, Georg, Egmont und Klärchen, Clavigo, Marianne, Iphigenie und Tasso, die des-
halb ewig auf der Bühne fortleben werden. Dagegen sind die Versuche, ihr den
zweiten Teil des „Faust" zu gewinnen, sämtlich verloren. — Witkowski7) stellt die
Notizen über ungedruckte poetische Dramen zusammen, die Reichards Theaterkalender
von 1775 — 86 brachte. — Der grosse Aufsatz Henkels8) über die satirischen
Dichtungen Goethes in dramatischer Form enthält im Verhältnis zu seinem Umfang
sehr wenig Wertvolles. In der Hauptsache giebt er trockene, zwecklose Nacherzählung,
zweifelhafte Deutungen im „Jahrmarktsfest" und „Neuesten von Plunders w eilern" als
Thatsachen, vom „Faust" nur Walpurgisnacht (der Autor V. 4088—91 soll Wieland
sein!) und Walpureisnachtstraum, Fastnachtsspiele ohne Erörterung der Beziehung zu
Hans Sachs.9"10) —
Für die „Laune des Verliebten" glaubt A. von Weilen11) eine Quelle in
Levesques „Reves dAristobule" (1761 in Paris, 1762 in Karlsruhe erschienen) vermuten
zu dürfen. Aber er bedenkt nicht, dass der durch Eifersucht sich selbst quälende
Schäfer ein alter Gegenstand der gesamten Schäferdichtung ist. —
Eine gute Quellenuntersuchung zum „Götz von Berlichingen", von Pall-
mann12), entwickelt die verworrenen Rechtszustände Südwestdeutschlands um das
J. 1512, um so für die gerechte Beurteilung Berlichingens eine Grundlage zu gewinnen.
ZDPh. 26, S. 255-64, 431. — 5) Leipz. Stadttheater. Direktion: Max Staegemann. Statist. Rückblick anf d. Zeit vom
1. Juli 1893 bis 30. Juni 1894. (S. 4.) - 6) P. Heyse, Goethes Dramen in ihrem Verhältnis z. heutigen Bühne.
Rede, geh. in d. Generalvers. d. Goethe-Ges. zu Weimar d. 17. Mai 1894: DRs. 80, S. 14-32. |[M. Koch: BPDH. 10,
S. 507; BerlBörsCour. N. 226; Didask. N. 117; MGoetheVZwickau. N. 5 ; AZgB. N. 120.]| — 7) G. Witkowski, Notizen über
Goethesche Dramen aus Reichards Theaterkai.: GJb. 15, S. 262/3. — 8) H. Henkel, Goethes sat.-humorist. Dichtungen dramat.
Form: ASNS. 92, S. 30J-4-'; 93, S. 69-110. - 9) X A. Röster, C. Olbrich, Goethes Sprache u. d. Antike (JBL. 1891 IV 9e : 4):
LGRPh. 15, S. 8-10. — 10) X Blase 1, H. Landwehr, Dicht. Gestalten in hist. Treue (JBL. 1893 IV 8e : 2): Gymn. 12,
S. 56/8. — U) A. v. Weilen, Zu Goethes J,Laune d. Verliebten": Euph. 1, S. 604/5. — 12) (U 1 : 62.) |[VossZg. N. 170;
G. Witkowski, Goethes Drama." IV 8e : 13-32
P. kennzeichnet das ungerechte und hinterlistige Verfahren des schwäbischen Bundes
gegen Götz und legt die Reform versuche Maximilians und Karls V. dar. Er weist
nach, dass die Urteile über die Raubritter, ausgehend von ihren Gegnern, Fürsten und
Städten, zum grössten Teile parteiisch gefärbt sind, und stellt die Fehden Berlichingens
als teils berechtigt, teils entschuldbar hin. Sein Leben und Treiben wird nach der
Selbstbiographie übersichtlich und klar geschildert mit stetem Verweis auf Goethes
Benutzung und Umbildung des historischen Berichts. Aus der Darstellung ergiebt
sich, dass die politischen Bestrebungen Götzens und der übrigen freien Ritter Frankens
und Schwabens historisch völlig- berechtigt waren, weil sie nur mediatisieren wollten.
In ihnen lag die wahre Zukunft Deutschlands, und Goethe hat sie mit seinem
dichterischen Instinkt ganz richtig erkannt und beurteilt. So ist sein Götz keine
Phantasiegestalt, sondern der wirkliche historische Götz, ein vorbildlicher National-
held. — Lahmann 13J sieht als Quelle der Adelheidtragödie die Ballade von der
Frau von Weissenburg an. Der Name Weissenburg soll auf Weisslingen hingeführt
haben, das Mittelglied bildet der Knappe Georg von Gaislingen in Götzens Lebens-
beschreibung. L. erinnert auch an die Ballade vom Herren und der Magd, die den
Schluss für den „Clavigo" hergab. t4"16) — Englert17) verweist auf ein Sprich-
wort in Scheibles Schaltjahr (4, S. 177), das die glückliche Bedeutung der Begegnung
mit einem Wolfe ausdrückt. — Düntzer18) polemisiert gegen Scholte-Nollens (JBL.
1893 IV8e:10) gewiss zutreffende Hypothese über Goethes erstes Erfassen des Götz-
themas, wenn er auch gleich Nollen erst Bekanntschaft mit Pistorius in Strassburg an-
nimmt. D.s beständiges Streben, dem Dichter Irrtümer nachzuweisen, führt ihn zu
ganz unbegründeten Behauptungen, so z. B., dass die breite Behandlung der Adelheid-
episode nicht, wie Goethe angiebt, von seiner wachsenden Liebe zu der Gestalt her-
rühre, sondern dass sie in der ursprünglichen Anlage des Ganzen lag. Die zweite
Bearbeitung hat nach D. an dramatischem Leben bedeutend gewonnen.1 9~23) —
Ein wichtiges Zeugnis für die Deutung des „Satyro s" auf Herder enthält
der von Schüddekop f24) herausgegebene Brief Heinses an Gleim vom 17. Mai 1774,
in dem es heisst, Goethe habe ein Drama gegen Herder geschrieben. —
In einem populären Aufsatz über den „Clavigo" giebt Erich Schmidt25)
mit historischer Kritik und stetem Hinblick auf Goethes Drama den Inhalt des
Memoire von Beaumarchais wieder, teilt eine interessante Aeusserung des gealterten
Clavijo über das Schauspiel aus Rists Lebenserinnerungen mit, und meint, Goethe
habe den wirren Historienstil des „Götz" öffentlich widerrufen und zeigen wollen, was
er technisch an „Emilia Galotti" gelernt hatte. Seh. deckt litterarische und „seelische"
Wurzeln des Dramas auf, bespricht die moderne Stimmungsanalyse der Exposition,
und weist das Hereintragen der veralteten Forderung einer tragischen Schuld ab.
In Carlos ist der Typus des Bühnenbösewichts überwunden durch eine neue freie
Gestaltung. Am Schluss löst der Jugendstil Goethes die strenge Form der früheren
Teile ab. — Dasselbe Thema behandelt ein Vortrag von Stephens26) (mit Be-
nutzung von Schmidts Arbeit?), ohne etwas Eigenes vorzubringen.27"28) — Prem29)
erwähnt, dass „Clavigo" in Salzburg schon am 24. Nov. 1775 aufgeführt wurde. —
Neben den von Scherer nachgewiesenen Vorbildern der „Stell a" sieht von
Jan30) ein weiteres in Luise von Ziegler. Sie verzehrte sich, als Goethe sie 1772
kennen lernte, in einsamer Trauer um ihren Geliebten, den Livländer von Reutern,
umgab sich wie Stella mit Tieren, schwärmte wie sie. Karoline Flachsland wünschte
eine Heirat zwischen ihr und Goethe. Das ist alles nicht genügend, um uns von
der Richtigkeit der Ansicht J.s zu überzeugen. — Geiger31) druckt aus Archenholz
Minerva eine Notiz über die Pariser Aufführung einer Oper nach Goethes „Stella"
ab ; auch eine Fortsetzung davon erschien mit Beifall auf der Bühne (siehe Süpfle,
Kultureinfluss II 1, S. 61). —
Die Novelle vom Falken steht nach Minor32) in polnischer Version,
M. Koch: BFDH. 10, S. 498.] | — 13) J. F. Lahmann, D. Quelle d. Adelheidtrag, in Goethes Götz: Geg. 45, S. 267. -
14) X E Mummenhoff, J. Kamann, D. Fehde d. Götz v. Berlichingen (JBL. 1893 IV 8e :8): MVGNürnberg. 10, S. 289-95.
— 15) X 0. Hellinghaus, A. Huther, Goethes Götz v. Berlichingen u. Shakespeares hist. Dramen (JBL. 1893 IV 8e:ö):
Gymn. 12, S. 511. — 16) X K- H. Heidt, Goethes älteste Bearbeit. d. Götz v. Berlichingen (JBL. 1893 IV 8e : 6). |[M. Koch:
BFDH. 10, S. 225; 0. Hellinghaus: Gymn. 12, S. 542.] | — 17) A. Englert, D. Wolf als günstiges Vorzeichen: ZDU. 8,
S. 131. (Vgl. JBL. 1891 IV 9e:18.) — 18) H. Düntzer, Goethes Götz v. Berlichingen erläut. 5., neu durchges. u. verm.
Aufl. (= Erläuterungen zu d. dtsch. Klass. Bd. 11.) L„ Wartig. IV, 182 S. M. 1,00. — 19) X (* 6 : 680 — 20) O X K-
Fischer, Goethe, Götz v. Berlichingen. (= Schulausg. dtsch. Klass. N. 11.) Trier, Stephanus. 143 S. M. 0,70. — 21) X
W. v. Goethe, Götz v. Berlichingen. Schausp. Mit 3 Tonbild. u. 11 Abbild, im Text. B., Litt.-Ver. Minerva. 54 S. M. 0,50. —
22) X K- Drescher, F. Winter u. E. Kilian, Z. Bühnengesch. d. Götz v. Berlichingen (JBL. 1891 IV 9e : 16): LGRPh. 15,
S. 253/4. — 23) X M- Koch, J. Scholte-Nollen, Goethes Götz v. Berlichingen auf d. Bühne (JBL. 1893 IV 8e : 10): BFDH. 10,
S. 225/8. — 24) (IV lc:4l, S. 172,5.) — 25) Erich Schmidt, Clavijo, Beaumarchais, Goethe: Vom Fels z. Meer 1, S. 309-15.
|[K. Heinemann: BLÜ. S. 21/2.]| - 26) T. A. Stephens, The date, forme and sources of Goethes Clavigo (Manchester Goethe-
Soc): Ac. 45, S. 152. — 27) X A. Sauer, E. Söffe, D. erlebten u. litt. Grundlagen v. Goethes Clavigo (JBL. 1890 IV 11 e : 13):
ÖLB1. 3, S. 269-70. — 28) X Georg Schmidt, Clavigo (JBL. 1S93 IV 8e : 23). |[M. Koch: BFDH. 10, S. 229-30;
A. Sauer: ÖLB1. 8, S. 269-70; K. Heinemann: BLU. S. 22.]| - 29) S. M. Prem, Goethe. (JBL. 1893 IV 8b: 26;
S. 122.) — 30) F. v. Jan, E. Modell zu Goethes Stella: Euph. 1, S. 557-64. - 31) (IV 8d:27.) — 32) J. Minor, D.
IV 8 e ■. 33-58 *G. Witkowski, Goethes Drama.
die Anschütz33) (JBL. 1892 IV 8e:41) nicht erwähnt, in den Erzählungen Lucian
Simienskis unter dem Titel „Das Reh als Eheprokurator". —
Am 18. Mai wurde „Die F i s c h e r i n" bei Gelegenheit eines Künstlerfestes
im Parke zu Tiefurt in genau derselben Weise wie einst am 28. Juli 1782 zur Auf-
führung gebracht und wirkte ebenso begeisternd wie damals34"35). —
W. vonBiedermann36) erörtert von neuem das Verhältnis des „E 1 p e n o r"
zu der vermuteten chinesischen Quelle. —
In seiner Schulausgabe des „E g m o n t", die sich durch sehr knappe Bei-
gaben auszeichnet, liefert Büchner37) zu Weim. Ausg. 279,8 die gute Konjektur,
dass „Geht!" statt „Gut" zu lesen sei.38 40) — H o f e r e r41) erklärt die Redensart „das
ist eine andere Art von Krebsen" (Weim. Ausg. 245, 17) aus dem sprichwörtlichen
Gebrauch. — B u r g hau s er42) will Weim. Ausg. 259,12 lesen: „den Sinn, aus-
zudenken (so auch H1), zu befehlen" usw.43) —
Primer44) beweist gegen Kern, dass die Heilung des Orest in der
„I p h i g e n i e" menschlich durchaus motiviert und psychologisch klar begründet
ist. Die Heilung beginnt mit der Hoffnung auf den Tod am Altar der taurischen
Göttin. Pylades sucht den Freund unermüdlich aufzurichten und baut auf das
Götterwort, das ihnen Rettung verspricht. Er belebt Orests Selbstvertrauen, er leugnet,
dass der Fluch sich vom Vater auf den Sohn vererbe. Iphigenie beweist Orest ihre
Teilnahme und verurteilt seine That nicht, durch deren Erzählung seine Seele sich
beruhigt. Er ist bereit, seine Schuld durch den Tod zu sühnen. Die Entdeckung
der wunderbaren Errettung der Schwester muss auch ihm die Hoffnung geben, dass
die Götter seinen Tod nicht wollen. Zum letzten Male packt ihn .der Wahn; der
folgende Traum leitet die völlige Genesung ein, die sich dann als dauernd erweist.
Im Gegensatz zu der griechischen Auffassung erfolgt so die Heilung des Orest bei
Goethe durch die eigene sittliche Kraft des Schuldigen.45) — Düntzer46) streitet
gegen Morsch und besonders gegen Erich Schmidt und H. Grimm, weil sie den
„offenbaren Unsinn" in der bekannten Aeusserung Goethes gegen Riemer über die
Entstehung des vierten Aktes zu verteidigen wagen. Von Kuno Fischer vollends, der auf
seine Einfälle mehr giebt als auf den Thatbestand, darf man, nach D., keine Genauigkeit
verlangen. — Die Schulausgabe der „Iphigenie" von Valentin47) zeichnet sich
aus durch das gänzliche Fehlen der Anmerkungen und eine treffliche knappe Ein-
leitung, in der V. die Voraussetzungen, das künstlerische Problem, die dramatische
Gestaltung und den Aufbau der Dichtung feinsinnig, gründlich und dabei doch leicht
fasslich darlegt. — Im Gegensatz zu dieser Ausgabe bietet die von Pölzl48) teils
(in der Einleitung) zu wenig, teils eine Fülle von ganz Ueberflüssigem in den An-
merkungen.49-50) — Clara es51) Ausgabe für höhere französische Schulen giebt sehr
sorgfältige Sach- und Worterklärungen, auch mit Heranziehung der älteren Fassungen,
und bezeichnet genau die betonten Längen und Kürzen. Er vergleicht in der Ein-
leitung Goethe mit Euripides : der Gang der Handlung soll bei beiden fast derselbe
sein, Iphigeniens Gefühle seien für eine Griechin zu erhaben und zart; sie sei deshalb
weniger dramatisch als die Heldin des Euripides.52"53) — Keck54) begründet die
Konjektur „dass seine Seele fest der Wunsch ergriffen hat" (V. 186 f.) mit dem land-
läufigen Sprachgebrauch und insbesondere dem des Dichters. Die Form „den" mag auf
einem Hörfehler des Schreibers beruhen. — Imelmann55) schliesst aus der Be-
zeichnung von Delphi als „Felsen- Insel" (V. 1609), dass Goethe Delphos, wie er
ursprünglich schrieb, mit Delos verwechselte und damit einem bekannten volks-
tümlichen Irrtum, der sich schon auf einer Karte von 1662 findet, anheimfiel. —
Zum 350. Geburtstag Torquato Tassos schildert von Hanstein56) in
spielendem Feuilletonstil oberflächlich das Leben des Dichters.57) — Büchner58)
Falke: Euph. 1, S. 607. — 33) X H- Ullrich: ZVLR. 7, S. 480/1. — 34) X M. Hasse, D. Auffuhr, t. Goethes „Fischerin"
im Park zu Tiefurt. Mit Abbild.: Gartenlaube S. 402. — 35) X H. v. Basedow, Goethes Fischerin: DBühneng. S. 161,2.—
36) (IV 8d:33.) — 37) (I 6:73.) - 38) X W. v. Goethe, Egmont, Trauerspiel. (— Allg. Volksbibl. N. 30/1.) Neusalza,
Oeser. 90 S. M. 0,20. — 39) O X ia" Egmont. Her. v. G. Bött icher. Neue Ausg. (= Velhagen & Klasings dtsch. Schul-
ausg. N. 2.) L. u. Bielefeld, Velhagen & Klasing. 12°. XII, 100 S. M. 0,50. - 40) O X id., Egmont. Her. v. F. Vollmer.
L., Bredt. 113 S. M. 1,00. — 41) M. Hoferer, D. ist e. andere Art v. Krebsen: ZDU. 8, S. 850. — 42) G. Burghauser,
Zu Goethes Egmont: ZOG. 45, S. 106/7. — 43; X Anna Swanwick, Egmont by Goethe transl. With introd. and memoir.
London, Bell & Sons. XII, 90 S. M. 1,00. — 44) P. Primer, D. Heilung d. Orest in Goethes Iphigenie auf Tauris. Progr.
Frankfurt a. M. 4°. 20 S. |[M. Koch: BFDH. 10, S. 499.JI — 45) X 0- Sieroka, D. sittl. Grundlagen d. Herrschertums
nach Goethes „Iphigenie auf Tauris". Rede z. Einweih. d. Wandgemäldes in d. Aula am Geburtst. d. Kaisers. Progr. Alien-
stein. 4°. 8 S. |[M. Koch: BFDH. 10, S. 499.J| — 46) H. Düntzer, Goethes Iphigenie auf Tauris erläutert. 6., neu
durchges. u. verm. Aufl. (= Erläuterungen zu d. dtsch. Klass. Bd. 14.) L., Wartig. IV, 191 S. M. 1,00. |[H. C.
Kellner: LZg». N. 88.]| — 47) (I 6:69.) - 48) (I 6:70.) - 49) O X (I 6:72.) - 50) O X (I 6:71.) - 51) E. Clarac,
Iphigenie auf Tauris. Iphigenie en Tauride, Trag, de Goethe, annot. et comment. Paris, Colin & Cie. 141 S. — 52) O X
Goethe, Iphigenie en Tauride. Nouv. ed., publ. avec une notice et des notes en franc. par L. Schmitt. 4. ed. Paris, Delagrave.
IV, 104 S. — 53) X Anna Swanwick, Goethe, Ipliigenia in Tauris transl. London, Bell & Sons. XII, 79 S. M. 1,00. —
54) K. H. Keck, Konjektur z. Iphigenie: ZADSprV. 9, S. 125. — 55) J. Imelmann. Ueber Goethes Iphigenie. Vortr. in GDL.
Referat: VossZg. 1895, N. 1. — 56) A. v. Hanstein, Torquato Tasso: Didask. N. 58. — 57) O X A- Agreotti, Torquato
Tasso a Sorrento. Idillio in un atto. Napoli, Tip. della Universitä. 1893. (Nähere Angaben uneri eichbar. j |[NAnt.50, S.533/4.J| — 58) W.
G. Witkowski, Goethes Drama. IV 8e : 59-69
widerspricht der Auffassung- Kuno Fischers, dass das Verhältnis Goethes zur Dichtung
des „Tasso" in den Stadien nach 1781 ein rein künstlerisches gewesen sei. Vielmehr
spiegeln diese seine Beziehungen zu Frau von Stein in den folgenden Jahren deutlich
wieder. Auch in Goethes Leben zerstört die sinnliche Leidenschaft des Mannes, die
die Frau nicht zu erwidern vermag, das Freundschaftsband. Das ist vielleicht
richtig; keineswegs aber ist der Schluss B.s berechtigt, dass Goethe im „Tasso" die
Wahrheit predigen wollte, platonische Liebe sei unnatürlich und müsse zu einer
Katastrophe führen. Kuno Fischers Annahme, dass der Schluss die befreienden Folgen
der italienischen Reise poetisch verkläre, ist nach B. falsch. Nicht aus künstlerischen
Absichten, sondern aus Misstrauen und g-ekränkter Empfindlichkeit geht Tasso
nach Rom. Der Ausgang soll kein glücklicher sein. Tasso schwebt in der furcht-
baren Gefahr der geistigen Umnachtung und Goethe hat die späteren trüben Schicksale
des Helden, dem historischen Verlauf sich anschliessend, auch im Drama angedeutet.
Die Versuchung, ein versöhnliches Ende anzunehmen, entspringt aus dem begreif-
lichen Unbehagen, das die deprimierende Vorstellung des künftigen kranken Tasso
hervorruft. — Schneider59) sieht in den Worten der Prinzessin V, 1670 — 81 eine
schöne Parallele zum sokratischen Daimonion. Aber die Prinzessin erklärt die Ent-
stehung der warnenden Stimme, während Sokrates sie für unmittelbare göttliche
Eingebung hielt. — Toews60) benutzt Goethes Drama nur, um daraus Belege für
seine rein grammatikalischen Untersuchungen zu entnehmen.61) —
Den Plan zu einer Operndichtung, der Grundlage des späteren „Gross-
kophta", hat Goethe nach Elster62) schon auf der italienischen Reise, vermutlich
bald nach dem Besuche bei Cagliostros Verwandten, entworfen. Es ist das Singspiel
„Die Mystifizierten", dessen Fragmente sich im Goethearchiv entgegen Riemers
früherer Mitteilung vorgefunden haben. Der erste Plan enthält bereits alle Haupt-
scenen des späteren Grosskophta; er ist in Italien geschrieben, in italienischer Sprache.
Die Marquise erscheint darin unter dem Namen Courville, der Domherr als Abbate,
der Graf als Rostro, die Nichte als Innocenza. Unwahrscheinlich ist es, dass Goethe
bei der Figur des Ritters besonders an Elise von der Recke gedacht haben soll. Ein
zweites Scenar enthält bereits Angaben über die musikalische Einkleidung. Die aus-
geführten Stellen zeig-en, dass der Dichter je nach der Stimmung an verschiedenen
Scenen arbeitete. E. ordnet die Fragmente nach dem zweiten Scenar und giebt sein
Urteil dahin ab, dass die Operndichtung an ästhetischem Werte über dem Lustspiel
stehe. Leider hat E. sich die beiden Aeusserungen Goethes über den Plan (an Kayser
14. Aug. 1787 und Hempel 25, S. 172) entgehen lassen, und so sind die meisten seiner
darauf bezüglichen Konjekturen teils falsch, teils überflüssig. — Ernst Schulz63)
schildert das Treiben Cagliostros, sein Auftreten als Grosskophta, seine Wirkung auf
die Zeitgenossen sowie seine Beziehungen zur Gräfin Lamotte und giebt so einen
Beitrag zum Verständnis des Goetheschen Lustspiels. — Ein Anonymus64) liefert eine
neue klare Darstellung des Halsbandprozesses. —
Der früher bereits bekannte Brief Ficht es65) an Schiller über die Aufnahme
der „Natürlichen Tochter" in Berlin erscheint in stark abweichender Gestalt.
Bemerkenswert ist vor allem, dass Schadow als Organisator des Misserfolges ge-
nannt wird. —
Die neu entdeckten Entwürfe zu „Schillers Totenfeier" in dramatischer
Form ergänzt Suphan66) durch ein nachträglich aufgefundenes, aber teilweise schon
(siehe Hempel 11, S. 237) gedrucktes Blatt und entwickelt Inhalt und Gang der
Handlung, mit sicherem Blick, die oft verwischten Linien des Planes fester ziehend
und mit Farben füllend, aber auch vorsichtig verzichtend, wo, wie bei der Er-
scheinung, der sichere Boden hätte verlassen werden müssen, um zu weiteren Er-
gebnissen zu gelangen. —
Morsch67) trägt zu seinem Aufsatz über „Des Epimenides Erwachen"
(JBL. 1893 IV 8e : 52) einiges nach : weitere Belege für Goethes patriotische Gesinnung
und die Nachricht, dass der Schlusschor in Felix Mottl einen würdigen Komponisten
gefunden hat. —
Die letzten Stadien der Faustforschung sucht Witkowski68) im allge-
meinen in einer zusammenfassenden Besprechung der neueren Faustschriften zu kenn-
zeichnen. Er meint, dass die philologische Periode jetzt in der Hauptsache ab-
B ächner. Selbsterlebtes in Goethes „Tasso": GJb. 15, S. 178-86. |[M. Koch: BFDH. 10, S. 455.] | — 59) G. Schneider,
E. Parallele zu d. sokrat. Daimonion bei Goethe: ZOG. 45, S. 204/5. — 60) P- Toews, Ueber d. Verbum in Goethes Tasso.
Dias. Heidelberg (Hörning). 45 S. M. 1,00. — 61) X A- Köster, P. Kern, Torquato Tasso (JBL. 1893 IV 8e:39): ADA. 20,
S. 365-82. — 62) E. Elster, Ueber e. ungedr. Operndichtnng Goethes. (= I 2 : 50, S. 277-90.) |[M. Koch: BFDH. 10,
S. 500.] | — 63) Ernst Schnlz, Cagliostro n. Konsorten: NAS. 68, S. 67-75. — 64) G. S., E. berühmter Prozess: AZgB.
S. 297,8, 300. -- 65) Fichte an Schiller. 18. Aug. 1803: GJb. 15, S. 43/8. — 66) B. Suphan, Z. zehnten Nov.: DBs. 81,
S.274-93 |[F.D.:FZg.N.316.]| (Vgl.IV 8b:43; 9:11.) — 67)K.Morsch,ZuGoethesFestspiel: „D. Epimenides Erwachen". Nachtr.:
GJb. 15, S. 263/4. -- 68) G. Witkowski, Neue Faustschriften: Eur.h. 1, S. 625-47. — 69) X [O- Heuer], Ausstell, v. Hss., Druck -
IV 8e : 70-83 G. Witkowski, Goethes Drama.
geschlossen sei, und dass eine neue begonnen habe, deren Aufgabe es sein muss, die
philosophischen und ästhetischen Methoden, wie sie vor Scherers mächtiger Ein-
wirkung herrschten, in strengerer Weise als früher und in engster Verbindung mit
der Textgeschichte fortzuführen.69"71) — Die oberflächliche Schrift Novers72) sieht
in Fausts Treiben im zweiten Teile die Thätigkeit des Dichters als weimarischer
Minister abgespiegelt. Der ganze „Faust" ist ihm eine Illustration der menschlichen
Thätigkeit im Sinne der drei Grundideen des Wahren, Schönen und Guten.73"75) —
Die von Schiemann76) mitgeteilte Einleitung Hehns zu seinen Faustvorlesungen
entwickelt die Fülle der Gesichtspunkte, unter denen das grosse Werk zu betrachten
ist, bespricht dann unter dem Titel „Intermezzo" die Frage, worin die Dunkelheit des
Gedichts beruhe, mustert die Schar der früheren philosophischen Erklärer, hebt den
Mangel an Stileinheit, die Widersprüche und Lücken hervor. — Dasselbe Ziel wie
Baumgart (JBL. 1893 IV 8e:64)77), die Einheit der gesamten Faustdichtung nach-
zuweisen, setzt sich Valentin78) in seinem trefflichen, von allen Seiten mit Beifall
begrüssten Buche. Aber während Baumgart nur die Einheit der präexistierenden
Idee anerkennt, will V. die künstlerische Einheit des grossen Werkes aufdecken, den
letzten Plan von 1797 aus ihm herausschälen. Er entwickelt die Voraussetzungen, die
sich aus dem Stoffe ergeben, gliedert die Handlung in drei Teile, einen vorbereitenden
im Himmel und auf Erden bis zum Abschluss des Vertrages, einen ausleitenden,
beginnend mit der Lossagung von der Magie und dem Tode Fausts, und zwischen
beiden die Haupthandlung, die in einer Anzahl von Episoden Fausts Versuche, sich
Befriedigung zu verschaffen, darstellt. Er nimmt sechs solche Episoden an, jede mit
einer „Vorbereitung"; in den ersten drei bis zum Flammenzauber am Kaiserhofe
wächst der Einfluss des Mephistopheles, vom Gange zu den Müttern an sinkt er. Die
Stellung der Peripetie ist hier unseres Erachtens zu Gunsten der Symmetrie ver-
schoben; sie liegt in Wahrheit am Beginn des zweiten Teils. Auch die Mittel, mit
denen die beiden Walpurgisnächte in die eigentliche Handlung von V. eingegliedert
werden, können wir nicht billigen, zumal erscheint die angenommene Identität von
Homunculus und Helena willkürlich konstruiert; aber im ganzen ist V. seiner Auf-
gabe besser als irgend ein Vorgänger gerecht geworden und hat die richtige Würdigung
des künstlerischen Wertes des „Faust" beträchtlich gefördert.79"80) — Erich
Schmidts81) Anzeige der beiden Faustschriften Strehlkes (JBL. 1891 IV 9e: 89-90)
geht über den Rahmen einer kritischen Betrachtung hinaus. Als erster Herausgeber
der Paralipomena musste er die Verballhornung seiner so mühsamen wie erfolgreichen
Arbeit unangenehm empfinden ; er trägt eine Fülle von Besserungen des Strehlkeschen
Textes, neue Begründungen und hier und da auch Berichtigungen der Weimarer
Lesarten zusammen. Noch weit umfangreicher ist die Besprechung des Faustwörter-
buchs geraten. Sie ergänzt es nach allen Seiten hin, ohne damit Vollständigkeit anzu-
streben. Ein Exkurs am Schlüsse bringt gegen die Verwertung der starken Plural-
formen des Adjektivums nach dem bestimmenden Artikel usw., der schwachen Formen
„Jammerecken", „Leichen" und des mitteldeutschen Plurals „Jungens" für frühe Ent-
stehung überzeugende Beweise. Ebensowenig Beweiskraft besitzen zahlreichere
synkopierte und apokopierte Formen oder einzelne Worte wie „Menschheit" und
„quellen". — F. G. H. Hoffmann82) teilt zum Glück an der Spitze seiner Arbeit ihre
Ergebnisse mit. Der erste Teil des „Faust" umfasst die Zeit vom J. 1400 bis 1521,
die drei ersten Akte des zweiten zeichnen dieselbe Periode, nur objektiver. Der
Fortschritt Fausts beginnt im vierten Aufzug. Es folgt: „Kennzeichnung Fausts nach
seinem geistigen Besitze im Augenblicke seines Todes und damit Charakterisierung
unserer Zeit mit ihrer Verirrung und Verwirrung und Not. Schluss: Kennzeichnung
Fausts als eines guten Narren, des Gedichtes als einer Tragödie der Irrungen".83-87) —
werken usw. z. Faustsage (JBL. 1893 IV 8e : 55). |[M. Koch: BFDH. 10, S. 223/4; A. Bielschowsky : ML. 63, S. 1402/3;
L. Fränkel: ASNS. 92, S. 71/2.]l — 70) X c- Kiesewetter, Faust in d. Gesch. (JBL. 1893 IV 8e : 61). |[L. Fränkel:
ASNS. 92, S. 180/1; K.: TglRsB. N. 23.]] — 71) X A- Sauer, C. Küchler, D. Faustsage (JBL. 1893 IV 8e:56)): DLZ. S. 1385/7.
— 72) (I 11 : 21; II 3 : 38.) [R. M. Meyer: ML. 63, S. 1404; Bär 20, S. 483; Ad. Schröter: BLU. S. 757.]| - 73) O X
Goethe and Marlowe, Faust and Faustus. New ed. London, Taylor. Sh. 1. — 74) O X H. Morley, C. Mario we, Faustus
and Goethes Faust. 12. ed. London, Routledge. Sh. 1. — 75) O X Sanchez y Moguel, Calderon et Goethe ou le Faust
et le Magicien prodigieux. Trad. en franc. par J. G. Magnabal. Paris, Leroux. XXVI, 207 S. Fr. 3,50. — 76) Th. Schiemann,
Aus V. Hehns Vorlesungen über Goethe: GJb. 15, S. 129-39. — 77) X »• Witkowski: Euph. 1, S. 641/3; B. T. Straeter:
AltprMschr. 31, S. 184/9; Bär 20, S.459; A.Köster: ADA. 20, S. 167-74; A. Bielscho wsky: ML. 63, S. 1403/4; E. Elster:
BLU. S. 579-82; A. Sauer: DLZ. S. 1385/7; O. HarnacV: PrJbb. 75, S. 87-96. — 78) V.Valentin, Goethes Faustdichtung
in ihrer künstler. Einheit dargest. Weimar, Felber. VIII, 309 S. M. 5,40. |[M. Koch: BFDH. 10, S. 215; Th. Ziegler:
AZgB. N. 13; M. Schneidewin: HannCour. 9. März; R. Steiner: WoiraZg. N. 67; V. Z.: TglRs". N. 24; W. v. Bieder-
mann: LZgB. N. 106; F. Muncker: DVVB1. S. 309-10; A. Sauer: DLZ. S. 1385/7; 0. F. Walzel: VossZg». N. 39-40;
E. Elster: BLU. S. 677/8; G. Witkowski: Euph. 1, S. 643/7; Didask. N. 64; LCB1. S. 249-50; O. Harnaok: PrJbb. 77,
S. S67/8.JI — 79) X K. J. Schröer, Faust (JBL. 1892 IV 8e : 55). |[G. Witkowski: Euph. 1, S. 626-30; VossZg. N. 304.]| —
80)XG. Witkowski, Kuno Fischer, Goethes Faust (JBL 1893 IV 8e:63): Euph. 1, S. 636-640. — 81) Erich Schmidt:
ADAj.20, S. 285-311; 0. F. Walzel: ZOG. 45, S. 538-42. - 82) F. G. H. Hoffmann, D. Gerippe v. Goethes Faust, e.
Zeichnung unseres gesch. Entwicklungsganges nach seinem inneren Werte. I.-IV. Frankfurt a. M., Knauer. 129 S. M. 2,50.
|[Ad. Schröter: BLU. S. 757; M. Koch: BFDH. 10, S. 501. ]| — 83) X P- ^. Louvier, Goethe als Kabbaiist (JBL. 1392
G. Witkowski, Goethes Drama. IV 8e : s4-98
Die Eigenschaften, die die Bezeichnung- von Goethes „Paust" als weltliche Bibel
rechtfertigen, sind nach Lahnor88): der echt volkstümliche Stoff, die Bedeutung- als
gewaltigste Geistesäusserung und grossartigste Dichtung der Sturm- und Drangperiode,
das rein menschliche Thema von Sünde und Schuld, Läuterung und Rettung. Als
das Lebenswerk Goethes ist der Faust der Spiegel seines Daseins und des Menschen-
lebens überhaupt. Besonders durch die Anlehnung an die Sprache der Bibel und
den volkstümlichen Wortschatz wird Goethes Sprache im „Faust" dem Volke näher
gebracht. Das belegt L. mit zahlreichen gut gewählten Beispielen und legt zum
Schlüsse die Lebensweisheit dar, die Goethe uns im Faust predigt. Freilich spricht
der Dichter nur die Grundsätze vieler Weltmenschen aus, sein Held erreicht nicht
die letzte Läuterungsstufe, die des christlichen Glaubens. — Auf ähnlichem Standpunkt
steht ein anonymer evangelischer Geistlicher89), der im „Faust" den Ausdruck der
fordernden Epoche sieht, die verlange, dass die Wahrheit erlebt werden müsse. Das
Wort „Am farbigen Abglanz haben wir das Leben" wird in dem Sinne erklärt, dass
wir nicht zur vollen Erkenntnis der Wahrheit kommen, wohl aber unter dem Einr
fluss der Segenskräfte, die von der für uns unergründlichen Wahrheit ausgehen, da-
hin gelangen können, nach dem Gleichnis des Regenbogens Freude um uns zu ver-
breiten. Faust kehrt der Sonne den Rücken; es ist ihm nicht mehr um Erkenntnis
der Wahrheit zu thun; ihm fehlt für seinen eigenen Fortschritt die heiligende Kraft
des Lichts von oben. Johannes dag-egen hat das Licht gefunden, die Wahrheit er-
lebt; er sieht nicht den farbigen Abglanz, sondern Licht vom ewig-en Lichte. — Der
Schluss des „Faust", der den Helden Befriedigung in der Hallucination eines Ge-
wimmels von Arbeitern finden lässt, bezeichnet, nach Kniepfs90) Ansicht, die Besiegung
des Dichters durch den modernen Pessimismus und Fatalismus. Die grosse Kultur
der Ideale, die durch die „Göttliche Komödie" eingeleitet wurde, wird durch das
Faustgedicht abgeschlossen, sie hat sich erschöpft; ihr letzter moralischer Halt ist die
Arbeit. Fausts Worte „Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie
erobern muss" bedeuten dasselbe wie der spiessbürgerliche Spruch „Wer nicht arbeitet,
soll auch nicht essen". Damit geht K. auf allg-emeine socialpolitische Betrachtungen über.91)
— Durch Vergleichung mit dem sonstigen Sprachgebrauch bringt es Fresenius92) zur
völligen Gewissheit, dass die Worte „von vorne herein klar", die Goethe mit Bezug
auf die Konzeption des Faust am 17. März 1832 an Humboldt richtete, durchaus im
lokalen, nicht im temporalen Sinne aufzufassen sind. Zu den angeführten Stellen
wäre noch Weim. Ausg. 28, S. 199 Z. 9—10 hinzuzufügen. — Bock93) schildert die
Entstehung der Radziwillschen Faustmusik, erörtert die Bedeutung der für sie von
Goethe hinzugedichteten Verse und ihre Einkleidung durch den Tonsetzer. „Zwei
Teufelchen und Amor" bezeichnet er irrig als Paralipomenon zum zweiten Teil. B.
verfolgt historisch das unternehmen der ersten Faustaufführung am preussischen
Hofe vom 24. Mai 1820, bei der nur ein Teil von Radziwüls Musik vorhanden war.
Er arbeitete fast bis zu seinem Tode (7. April 1833) daran fort und brachte sie glück-
lich zu Ende; ihre erste Aufführung durch die Singakademie fand am 26. Okt. 1835
statt, B. sucht zum Schlüsse der Komposition gegenüber den widersprechenden
Urteilen der Zeitgenossen gerecht zu werden und erklärt sie für die Arbeit eines
geistvollen Dilettanten, der Gedanken Haydns, Mozarts und Webers reproduzierte. —
Unbescheid94) sucht die Behandlung des Faust im Schulunterricht, die erst durch
Valentins Buch möglich geworden sei, durch eine Inhaltsangabe desselben zu er-
leichtern. — Auf derselben Grundlage steht Hähnel95). Er fordert noch eine
Schulausgabe des Faust mit „angemessenen" Aenderungen und Strichen, die sich
nach seinem beachtenswerten Vorschlag an die der Bühne anschliessen sollen. Seine
Anleitung zur Besprechung des ersten Teils im Unterricht erscheint» in der That ge-
eignet, den Schüler, so weit es sein Verständnis erlaubt, in die grosse Dichtung einzu-
führen. — Sinzheimer96) wiederholt den alten Irrtum der ursprünglichen Konzeption
des ganzen Faust (vgl. N. 92) und leitet daraus das Recht ab, Byrons „Manfred" von
dem damals noch gar nicht vorhandenen zweiten Teil abhängen zu lassen. Der Ein-
fluss des Faust auf ihn war hauptsächlich formal; daneben berühren sich beide in
IV 8a: 69). |[W. v. Biedermann: LZgB. N. 119; J. Wackernell: ÜLB1. 3, S. 270 J| (Polemik Louviers gegen Snlzbachs
[JBL. 1892 IV 8a: 69] Kritik u. Erwid. d. letzteren: BFDH. 10, S. 87-91.) — 84) X °- L- ümfried, Goethe, d. dtsch. Prophet
(.TBL. 1893 IV 8e:68). |[L. Fränkel: NFPr. N. 10555; R. Schaefer: Didask. N. 207, S. 857,8; O. Harnack: ADA. 20,
S. 88/9; A. Sauer: DLZ. S. 1385/7.] i - 85 )X L- Fränkel, K.Schmidt, Gedanken über Goethes Faust (JBL. 1S92 IV 8 e : 59) :
NFPr. N. 10555. — 86) X M- Koch, O. v. Seh., D. Erotische im 2. T. d. Goetheschen Faust (JBL. 1893 IV 8e:104):
BFDH. 10, S. 223. — 87) X J Minor, B. Richter, Z. Lösung d. Faustproblems (JBL. 1892 IV 8e : 58): DLZ. S. 492/4. —
88) H. Lahnor, Goethes Faust als weltliche Bibel betrachtet. Progr. Wolfenbüttel. 4". 35 S. |[M. Koch: BFDH. 10,
S. 504.] | — 89) V. Goethes Faust z. Evang. d. Johannes: AELKZ. 27, S. 798-S01, 823/6, 847/9. — 90) A. Kniepf, Doktor Faust
u. d. mod. Socialpolitiker: Ges. S. 1204 9. — 91) O X '■ Baumann, E. freimütiges Wort über d. Wertschätzung d. Goetheschen
Faust: Wahrheit S. 47-54. — 92) A. Fresenius, Goethe über d. Konzeption d. Faust: GJb. 15, S. 251,5. — 93) A. Bock,
Goethe u. Fürst Radziwill: AZgB. N. 252. — 94) X (I 6:^4.) |[M. Koch: BFDH. 10, S. 503.]| — 95) (I 6 : 13.) |[M. Koch:
BFDH. 10, S. Ö03.J| — 96) (IV 8a:84; 8b : 61.) — 97) R. Sprenger, Zu Goethes Faust: ZDPh.26, S. 141.— 98) J. Hatton,
Jahresberichte für neuere deutsche Litte raturgeschichte. V. (4)30
IV 8e: 99-ii6 G. Witkowski, Goethes Drama.
dem Hereinspielen der Geisterwelt. Im übrigen sind die Einflüsse der griechischen
Tragödie, der Alpenwelt und der englischen Romantik, zumal Walpoles, in „Manfred"
vorwiegend. Auch „Kain" weist faustische Anklänge auf; aber die Verherrlichung
Lucifers, der allerdings manches von Mephisto geerbt hat, steht zu Goethes Auf-
fassung des Bösen in Widerspruch. Weit mehr Goethesche Einflüsse zeigt das
Fragment „The transformed deformed", das schon in der ersten Gestalt von Shelley als
eine schlechte Nachahmung des „Faust" bezeichnet wurde. Der Teufel stammt hier
von Mephisto ab; auch der Held, Arnold, ist dem Faust verwandt. — Sprenger97)
erklärt „grünen" (V. 310) gegen Schröer mit „grün werden", „Graus" (V. 7802) als
„Grauen erregend". — Die in London zuerst am 18. Dec. 1885 aufgeführte Bearbeitung
Irvings wurde bei der Wiederaufnahme in veränderter Form am 14. April mit gleichem
Beifall begrüsst. Hattons98J illustrierter Bericht zeigt, dass das ernste Element immer
mehr gegenüber dem Zauberwesen zurückgetreten ist.99) — Auch das Empire-Theater in
London brachte ein neues Faustballett, damit die andauernde Beliebtheit des; Stoffes
in England bezeugend.100-107) —
Der Urfaust erschien von neuem mit sehr erweiterter Einleitung des
Herausgebers Erich Schmidt108). Die beiden umfangreichsten Vermehrungen be-
stehen aus der Rede vom Münchener Philologentage (JBL. 1891 IV9e:75), die sehr
geschickt mit dem Früheren verschmolzen ist, und dem überzeugenden Beweis für
späte Entstehung der Scene vor dem Thor. Aber auch der alte Bestand der Ein-
leitung ist aufs gründlichste revidiert, ebenso der Text.109) —
Die wichtigsten Fragen zur Entstehungsgeschichte und Auffassung des
ersten Teils behandelt von Biedermann110) unter einem wenig bezeichnenden
Titel. ö soll den Titanismus verherrlichen, muss aber aus der alten Fabel Be-
schwörung und Mitwirkung des Satans übernehmen. Mit der Beschwörung findet sich
Goethe durch die Erdgeistscene ab, die Verbindung Fausts mit Mephisto bleibt offen.
Dieser ist hier der christliche Teufel, wie „Auerbachs Keller" und „Landstrasse" be-
weisen, daneben aber der alttestamentliche Versucher, und die beiden Gestalten wechseln
auch noch in der endgültigen Fassung von 1808, nicht zu Folge verschiedener Pläne,
sondern aus einer gewissen Lässigkeit Goethes. Dass Mephistopheles nach einem
älteren Plane Sendung des Erdgeists gewesen sei, ist nach B. „wunderliche Faselei".
Vom Erdgeiste erhofft Faust nur Erweiterung seines Wissens; als ihm diese versagt
wird, ist der Erdgeist für ihn vollständig abgethan. Jede Verbindung zwischen Erd-
geist und Mephistopheles ist wegen des Gegensatzes ihres Wesens ausgeschlossen.
Der Monolog „Erhabener Geist" ist nicht an den Erdgeist gerichtet (dessen Bereich
ist zudem viel zu beschränkt für diese Bezeichnung), er steht vielmehr in enger Be-
ziehung zum Prolog im Himmel und knüpft wie dieser an das Buch Hiob an. Nur
Gott kann der Geist sein, der Faust sein Angesicht im Feuer zugewendet hat. B.
weist weitere Anklänge an das Alte Testament nach und betont den Widerspruch
des Kampfes um Fausts Seele am Schlüsse der Dichtung mit dem Prolog im
Himmel.111) — Steig11'2) stellt V. 4117 mit Zinkgrefs Emblema eines hasenjagenden
Hundes und der Inschrift „agitas, agitaris at ipse" zusammen. — Cutting113) will die
Interpunktion in V. 718/9 so regeln, dass er vor Und ein Komma setzt, um die kon-
ditionale Bedeutung (= wenn auch) hervorzuheben, und das Komma vor war' streicht.
Beide Vorschläge sind durchaus begründet und mit Unrecht wendet Hewett114) da-
gegen ein, dass alle rechtmässigen Ausgaben die Weimarer Lesart haben, die deshalb
als massgebend angesehen werden müsse. Die von C. vorgeschlagene Interpunktion
brachte zuerst ein Nachdruck von 1810. — Koch115) macht darauf aufmerksam, dass
vor Goethe schon Schink in seiner dramatischen Faustphantasie (Berlin 1804) Faust
mit Mephisto ein Bündnis auf Bedingungen schliessen lässt. — Tille116) weist, in
einem 1756 zu Frankfurt a. M. erschienenen Buche „Alchimistisch Siebengestirn" ein
Versgespräch nach, das in der Form der zweihebigen Verse mit der Hexenküche
The Lyceum-Faust. With illustr. Repr. frora ArtJourn. London, Virtue & Co. 4°. 32 S. Sh. 1. |[Ath. 1, S. 518.]|
— 99) O X Faust at the Lyceura: SaturdayR. 77, S. 416/7. — 100) O X Goethe, Paust. Transl. by J. Auster. Illustr.
by B. Mason. London, Taylor. Sh. 10/6. — 101) O X id- Paust. Frora the german by J. Auster; With. introd. by
H. Morley. New-York, G. Routledge and Sons. Doli. 0,75. - 102) X G- Witkowski, Calv. Thoraas, Goethes Faust ed.
(JBL. 1892 IV 8e : 56): Euph. S. 630/6. — 103) X Anna Swanwick, The first part of Goethes Faust [JBL. 1893 IV 8e : 82):
Ac. 45, S. 79-80. - 104) X F. Sabatier, Le Faust de Goethe (JBL. 1893 IV 8e:80): DRs. 81, S. 157. — 105) O X Justus,
Fausts Sohn. E. dramat. Epos in drei Tln. 1. T. Dresden, Pierson. 132 S. M. 1,50. — 106) O X H- Hang°' Faust u. Prometheus.
E. Dicht. Wien, Hartleben. 12°. VII, 99 S. M. 2,25. — 107) X Sturm fe der [Ernst Raupach?], E. neuer Faust. Z. Karnevals-
feier d. Hallenser „Lumpia". Frei nach Goethes Faust. (— Dtsch. Festspielhalle N. 24.) Erfurt, Bartholomäus. 31 S. M. 0,75.
— 108) Erich Schmidt, Goethes Faust in ursprüngl. Gestalt nach d. Göohhausenschen Abschrift her. 3. Abdr. mit sehr
erweit. Einl. Weimar, Böhlau. LXXVI, 110 S. M. 2,00. — 109) X J- Collin, Untersuch, aber Goethes Faust (JBL. 1892
IV 8e:89; 1893 IV 8e:88). |[M. Koch: BFDH. 10, S. 220/3; A. Sauer: DLZ. S. 1385/7.JI - HO) W. Frhr. v. Bieder-
mann, D. Aeussere v. Goethes „Faust, Erster T.": Euph. 1, S. 337-50. — 111) O X E- Graniohstätten. Erklärung d.
ersten Faustmonologs: ChWGV. 8, S. 19. — 112) R. Steig, Zu „Faust" Weim. Ausg. 14, S. 207: GJb. 15, S. 258/9. - 113)
S. W. Cutting, Note to Goethes Faust t. 719: MLN. 9, S. 98/9. - 114) W. T. Hewett, The text of Faust v. 718f: ib.
S. 197/9. — 115) M. Koch, Neuere Goethe- u. Schillerlitt.: BFDH. 10, S. 218. — 116) AI. Tille, Zu d. Hexeneinmaleins
G. Witkowski, Goethes Drama. IV 8e : 117-123
übereinstimmt. Auch die Mischung' von Sinn und Unsinn ist ähnlich und so mag
in der That das Büchlein für Goethe eine Vorlage gewesen sein. — In seiner Schrift
über die Walpurgisnacht sucht Witkowski117) zuerst die Entstehungszeit und den
Anlass zur Dichtung der Scene darzuthun; seine Behauptung, dass sie erst
frühestens 1797 konzipiert sei, hat bei der Kritik mehrfach Widerspruch gefunden.
Sodann giebt er eine Uebersicnt der Quellen, soweit sie sich aus den Paralipomenis,
deren Text in dem Anhang gegenüber der Weimarer Ausgabe an mehreren Stellen ver-
bessert ist, dem Tagebuch Goethes und den Ausleihbüchern der Weimarer Bibliothek
feststellen lassen und sucht den Aufbau der früher geplanten Walpurgisnacht zu
rekonstruieren, wobei er zu dem Ergebnis gelangt, dass sie ursprünglich statt einer
lose eingefügten Episode eines der wichtigsten Glieder in der Handlung des Dramas
bedeuten sollte. Das Intermezzo hält er für einen die Einheit störenden Bestandteil. —
Düsel118) skizziert die Geschichte der Kerkerscene mit Hinblick auf Wagners
„Kindermörderin". Er hält sie in U als Kunstwerk, auch vom Standpunkt des Sturms
und Dranges, für unfertig; sie war seiner irrtümlichen Ansicht nach ein Gemisch
von Vers und Prosa, das nicht befriedigen konnte und deshalb umgeschaffen werden
musste. An der Handlung und dem Gedankeninhalt ist dabei wenig oder gar nichts
verändert worden; auch das „Gerettet!" bestätigt nur die Gewissheit, die schon
Gretchens Gebet giebt. Aber die Stimmung ist wesentlich verschieden: das Peinigende
und Marternde verschwindet durch die Kunst der zweiten Fassung. Der Reim, dessen
Zwang freilich an einzelnen Stellen charakteristische Schönheiten verwischt, hat zahl-
reiche neue Reize bewirkt, durch die namentlich Gretchen gewinnt, was D. feinsinnig
nachweist. Durch den Rhythmus wird die Sprache voller, bilderreicher, andererseits
hat der Dichter Ueberflüssiges gestrichen, scenische Anweisungen in Verse umgesetzt,
und zumal der Höhepunkt der Scene hat bedeutend gewonnen, indem die Umwandlung
Gretchens nicht so hastig erfolgt, alle Uebergänge ihrer Vorstellungen und Gefühle
klarer dargelegt werden. —
Die in sententiöser Form ausgesprochenen Gedanken des zweiten Teils
stellt Lorentz119) zusammen. Er ordnet sie unter die Rubriken Staat und
Regierung — Alte und neue Generation (vorzüglich in der Wissenschaft) — Frauen.
Schönheit. Liebe — Allgemein-Menschliches a) Menschenwohl und -wehe; b) Mensch-
liches Streben und Ringen (Faustisches). Der verbindende Text L.s ist zum grössten
Teil entbehrlich, da er nur den Inhalt von Goethes Versen umschreibt. — Die erste
Scene des zweiten Teils bildet nach Sehr ad er120) den notwendigen Uebergang
von der abgethanen Lebensanschauung Fausts zu einer neu eröffneten. Auf die
Sturm- und Drangperiode der eigenen Willkür folgt jetzt besonnene Thätigkeit,
mutiges pflichttreues Handeln, Einordnung in fertige Weltzustände und Mitarbeit
an der fortschreitenden Entwicklung der Menschheit. Die im ersten Teile gestellten
Aufgaben finden erst hier ihre Erfüllung, in der grossen Welt arbeitet sich Faust
zur Erhebung durch und zur Erhöhung und Erlösung empor. — Den Mummenschanz
erklärt Schrader121) in der Absicht, die Verbindung der einzelnen Gruppen und den
Zusammenhang mit der ganzen Dichtung nachzuweisen, als Fausts (und Goethes)
politisches Glaubensbekenntnis. Seine grosse Forderung ist die sittliche Erneuerung des
Staatslebens. Seh. interpretiert die einzelnen Auftritte, ohne sich über das Niveau land-
läufiger „Erläuterungen" zu erheben. Im Knaben Lenker sieht er entgegen der
Aeusserung Goethes zu Eckermann höchstens eine untergeordnete Vorstufe des
Euphorion, da er die Gelegenheits- und Gesellschaftspoesie vertrete, während Euphorion
das Erzeugnis der Verschmelzung der klassischen und romantischen Poesie sei,
die erst im dritten Akte vollzogen werde. Auch widerspreche das, was der Knabe
Lenker sagt, durchaus dem für Euphorion massgebenden Vorbilde des Lord Byron. —
Zur Erklärung von V. 4979—80 verweist von Lippmann 122) auf eine im
Germanischen Museum befindliche Zeichnung, die er reproduziert, und legt an der
Hand der Quellen die Geschichte der Alraunwurzel und des an sie geknüpften Aber-
glaubens dar. — Deckers123) Abhandlung über die griechische Helena entbehrt
zwar der direkten Beziehung auf Goethe, ist aber nicht unwichtig für die Erkenntnis
des mythischen Kerns und seiner antiken Einkleidungen, von denen Goethes Ge-
staltung ausging. — Nach Niejahrs 124) gründlichem Aufsatz gewährt der für
Dichtung und WTahrheit bestimmte Plan des zweiten Teils ein im ganzen zutreffendes
n. d. Versen d. Tiere in d. r Hexenküche": GJb. 15, S. 257 8. — 117) G. Witkowski, D. Walpurgisnacht im erten T. v.
Goethes Faust. L., F. W. v. Biedermann. VI, 88 S. M. 2,00. j[Rich. M. Meyer: VossZg«. N. 36; H. C. Kellner: LZg».
N. 85; W. v. Biedermann: ib. N. 166; VossZg. N. 592; 0. Pniower: Euph. 1, S. 8248; M. Koch: BFDH. 10, S. 500/3;
F. Muncker: AZgB. N. 179; E. Elster: BLU. S. 678-80; R. v. Gottschall: LeipzTBl. 24. Jnni; H. L. Kellner:
MGoetheVZwickau. N. 5.]| — 118) F. Düsel, D. Kerkerscene in Goethes Faust: ZDS. 7, S. 408-15, 457-65. (Vgl. ib. 8, S.75;7.)
— 119) P. Lorentz, Lebensweisheit im 2. T. d. Goetheschen Faust: PrJbb. 75, S. 264-320. — 120) K. Schrader, D.I. Scene
im 2. T. d. Faust: ZDS. 8, S. 22-30. — 121) id., D. Mummenschanz im zweiten Faust: ib. S.81-90. — 122) E. 0. v. Lippmann,
Ueber e. naturwissensch. Aberglauben. Halle a. S., Niemeyer. 14 S. Mit 1 Fig. M. 0,50. — 123) (I 11 : 1.)
(4)30*
IV 8e : 124-125 IV" 9 : 1-4 A. Köster, Schiller.
Bild der ersten Konzeption der „Helena", die im Ton und Geist der ältesten Faust-
dichtung gehalten war. 1800 unterliegt Goethe der Versuchung, sich als griechischer
Tragiker zu erproben, und zumal die Einleitung wird völlig umgewandelt, um alle
naturalistischen Schlacken auszuscheiden, wie die Skizzen Par. 84 und 162 beweisen,
von denen die letztere vor das J. 1800 (gegen Erich Schmidt) zu setzen ist. In
beiden finden wir noch den magischen Ring des Urplans, und es fehlt das Motiv der
Opferung, das in Par. 163/5 hinzutritt. In der Ausführung schloss sich Goethe
anfangs dem Aeschylus (Agamemnon, Eumeniden) an, das Hauptmotiv der drohenden
Hinrichtung entnahm er den „Troerinnen" des Euripides. Wie in dessen „Orest" bleibt
Menelaos nach der Landung zunächst in Nauplia zurück. Die Einführung des
Trimeters entsprach der grösseren Annäherung an die Antike ; das unmittelbare Muster
dafür war Humboldts „Agamemnon," zumal in betreff der Auflösungen. Dagegen
suchte Goethe bei der Wiederaufnahme der Arbeit 1825 sich möglichst eng an die
Form des altgriechischen Trimeters anzuschliessen und zugleich die Eigentümlichkeiten
der deutschen Sprache zu schonen. Dasselbe Prinzip weist N. bei den übrigen in
der „Helena" nachgeahmten antiken Versmassen auf. In der Anwendung der Be-
sonderheiten des griechischen Bühnenwesens geht Goethe zu weit. Er bekleidet die
Schauspieler mit Maske und Kothurn; er will die Helena von zwei Künstlerinnen dar-
stellen lassen ; die Handlung muss wie bei den Griechen stets im Freien spielen, und
infolgedessen wird die Liebesscene zwischen Faust und Helena zu einer sehr ge-
wagten. Immer sind nur drei Schauspieler auf der Bühne. Ebenso bezeichnend für
das Schwinden der ursprünglichen Kunst ist die Verachtung der Wahrscheinlichkeit:
der Chor fällt bei dem Trauergesang auf Byron ganz aus der Rolle,- Mephisto redet
das Publikum direkt an. Im ganzen zeugt die Entstehungsgeschichte der „Helena"
mit ihrem Zurückdrängen des Dramatischen zu Gunsten des Büdlichen, dem Ab-
schleifen des Charakteristischen, dem Fallenlassen oder Ineinanderfliessen der Motive
von dem sinkenden Vermögen der Meisterhand, die sie schuf. — Minor 125) wül in
der Lesart zu V. 5192/5 (Weim. Ausg. 152, S. 17) Psellus statt Phillus lesen. —
IV, 9
Schiller.
Albert Köster.
Biographisches: Allgemeines N. 1. — Berühmte Stätten TT. 13. — Zeitgenossen N. 23. — Briefe TT. 28. —
Werke: Gesamtausgaben TT. 38. — Prosaschriften TT. 41. — Gedichte: Gruppen TT. 54; einzelne Gedichte: Gang nach dem
Eisenhammer TT. 68, Glocke TT. 69, Götter Griechenlands TT. 74, Spaziergang N. 75, Triumph der Liebe TT. 77, Vergil&bersetzungen
TT. 78. — Dramen: Allgemeines TT. 79; Räuber N. 84; Kabale und Liebe TT. 86; Don Carlos N. 88; Wallenstein N. 90; Maria
Stuart TT. 102; Jungfrau von Orleans TT. 111; Braut von Messina TT. 153; Wilhelm Teil N. 159; Bühnenbearbeitungen und
TTachlass TT. 169. — Verschiedenes TT. 177. —
Nach Jahren lebhafter Produktion ist es in der Schillerlitteratur ein wenig
stiller geworden. Mit den drei angefangenen biographischen Darstellungen1-3)
allgemeiner Art sucht die Kritik ins Reine zu kommen, während als Vorbereitung
zu künftigen Leistungen das J. 1894 im ganzen nur Monographien gebracht hat.
Ein seltsames Opus hat uns Portig4) beschert. Wer heute gegen 800 Seiten über
unsere Klassiker schreiben will, der muss uns Gewichtiges zu sagen haben. Das
ist nun freilich bei P. durchaus nicht der Fall, wie sehr er auch den Mund voll nimmt
und sich als neuen' Propheten hinstellt. Mehr als das halbe Buch ist einfach mit
Schere und Kleister verfertigt; alle einschlägigen Briefstellen sind über viele hundert
Seiten hin wörtlich abgedruckt, gelegentlich mit der Begründung, P. müsse sie der
Vergessenheit entreissen. Wer hat sie denn vergessen? Wer soll überhaupt diese
ermüdende, unverarbeitete Materialsammlung, diesen Wälzer voll monotonen Vortrags
lesen ? Das Buch beschäftigt sich, obwohl Schiller im Mittelpunkt steht, doch ebenso
sehr mit Goethe. Auf S. 9 spricht P. einen Satz aus, der gleich das Leitmotiv für
sein ganzes Werk abgiebt: „Wir sollen weder Schiller noch Goethe für sich allein
|[M. Koch: BFDH. 10, S. 504. J i — 124) (I 8:27; IV 8a : 62.) - 125) J. Minor, Zu Faust IL: Enph. 1,
S. 606/7. —
1) X E- Elster, J. Minor, Schiller (JBL. 1890 IV 12: 1): ADA. 20, S.383-98. — 2) X A. Chuquet, O. Brahm,
Schiller (JBL. 1892 IV 9:8): BCr. 35, S. 224 5. — 3) X A. Stein, Schillers Jugendleben (JBL. 1893 IV 9:5). |[BBG. 30,
S. 316; BLU. S. 78/9; Sohns: COIEW. 22, S. 575.]| — 4) G. Portig, Schiller in seinem Verhältnis z. Freundschaft n.
Liebe, sowie in seinem inneren Verhältnis zu Goethe. Hamburg u. L., Voss. XVI, 775 S. M. 16,00. |[F. Schnedermann:
ThLBl. 15, S. 634,6; KonsMschr. S. 887/8; E. Wolter: DLZ. S. 1036/8; K. J. Sohr.: LCB1. S. 861/3; LZg». N. 59; F. Kunkel:
A. Köster, Schiller. IV 9:4
nehmen, sondern jeden immer nur im Hinblick auf den anderen und in Gemeinschaft
mit dem anderen." Ich glaube, jeder der beiden Dichter, die so sehr nach „Persönlichkeit"
rangen, würde sich solch ein Ineinanderarbeiten zweier Individualitäten schönstens
verbitten. Einerlei, P. hat es einmal gethan, und wir müssen uns damit abfinden.
Wie er aus allem den Plan der Vorsehung- herauserkennen will, wie er z. B. aus
dem Zusammentreffen von Luthers und Schillers Geburtstag auf urvorbedachte, weise
Absicht schliesst, so sucht er auch die Doppelexistenz Goethes und Schillers philo-
sophisch zu deuten als den menschgewordenen Gegensatz von Natur und Freiheit.
Er sieht die beiden Dichter nicht etwa nur unter dem Bilde eines Doppelgestirns,
das seine vorher bestimmte Bahn durchzieht, sondern er will geradezu beweisen, dass
jenes für die Sterne geltende Weltgesetz der Ellipse thatsächlich identisch sei mit
dem Gesetz des Goethe -Schillerschen Bundes und zahlreicher anderer urbildlicher
Freundschaften. Ueberall in der Menschheitsgeschichte findet er das Gesetz des
Gegensatzes wieder, d. h. überall sieht er, dass starke Individualitäten sich paarweis
zu höheren Einheiten gegensätzlich ergänzen. Das wird gleich im ersten Kapitel
andeutend vorweggenommen mit einem beständigen Pendeln zwischen begriffsmässigem,
philosophischem Denken und mystisch-unklarem, verzücktem Schauen. Hundert Ein-
wände tauchen gleich beim Leser auf, z. B. wo denn bei P.s Auffassung alle die
grossen Einsamen bleiben, die doch keinen „Gegensatz" hatten, ein Mohammed, ein
Napoleon usw. Aber man drängt die Bedenken zurück und harrt der Beweisführung,
für die noch 700 Seiten vorgesehen sind. Da wächst jedoch die Enttäuschung von
Seite zu Seite; der Schritt in die Praxis misslingt P. völlig. Abgesehen von jenem
eben angedeuteten Hauptgedanken, der aus dem Schutt von Kleinkram von Zeit zu Zeit
wieder aufblickt, hat das Buch nichts, was ihm eine eigene Physiognomie geben könnte;
P. versteht weder Menschen, noch Ereignisse, noch Kunstwerke irgendwie lebhaft zu
charakterisieren, hie und da findet sich einiges Gute, z. B. die prinzipiellen Vorbe-
merkungen über Goethes und Schillers Liebesleben (S. 352 ff.), die Betonung, dass in
Schiller Dichter und Philosoph eins seien (S. 284 ff.), aber dann wieder in den
biographisch-psychologischen Ausführungen grosse Breite ohne alle Tiefe. Wie wenig
sind diese Männer und Frauen angeschaut, denen Schiller seine Freundschaft und
Liebe schenkt! Körner ist auf S. 104 „seinem grossen Freunde geistig völlig eben-
bürtig", dagegen auf S. 167 „doch nur ein Satellit neben der Sonne Schillers." Und
dann ist diese ganze Freundschaft sich doch nicht, durch 21 Jahre hin immer gleich
geblieben, sondern hat ihr Crescendo und ihr langes, lang-es Decrescendo gehabt.
Die Vorgeschichte des Bundes mit Goethe ist kümmerlich aus Briefstellen zusammen-
geklebt, Charlotte von Kalb annähernd richtig, aber ohne jedes Mitempfinden ge-
schildert, Karoline von Beulwitz ebenso wie die madonnenhafte Charlotte von Lengefeld
in vielen Zügen verzeichnet. Ueberhaupt stellt P. meistens die ihm sympathischen
Personen in die günstigste, unsj'mpathische Menschen dagegen (auch Goethe) in die
denkbar ungünstigste Beleuchtung und lässt sie ein- für allemal darin stehen. Was
dabei für die Psychologie herauskommt, kann man sich ausmalen. Eins ist an dem
Buche zu rühmen: Konsequenz in den Folgerungen; aber was ist damit erreicht,
wenn die Prämissen willkürlich sind. Ich wenigstens kann in P.s Voraussetzungen
keine gesicherte geschichtliche Grundlage sehen. Da soll historisch der Gemüt- Wille
die Oberherrschaft erlangt haben über die Vernunft-Phantasie; Christus, Augustin,
Luther, Kant, Schiller verbürgen nach P. diese Thatsache. Ja, aber die blosse
Existenz Goethes beweist doch, dass der Sieg gar nicht so bedingungslos ist. P. jedoch
verkündet ihn mit diktatorischer Sicherheit, denn er braucht ihn (S. 477 ff.) für seine
Wertbestimmung Schillers gegenüber Goethe. Und nun wieder diese Wertbestimmung
in ihren Einzelheiten! Wie willkürlich ist das alles! Da sollen die grösseren Kunst-
formen immer unbesehen wertvoller sein, als die kleinen, die Arie wertvoller als das
Lied, die Gedankenlyrik a priori wertvoller als die Gefühlslyrik, weil in jenen Be-
gabung und Wille, in diesen nur die künstlerische Begabung wirke. Das ist doch
alles völlig unbeweisbar, kann aber, wenn P.s unerquickliche Selbstgerechtigkeit es
voraussetzt, dazu dienen, Schiller hoch über Goethe zu erheben. Und das ist ja P.s
Ziel. Er arbeitet bei diesem Bemühen auch noch mit einer ganzen Reihe sehr
zweifelhafter „Weltgesetze", z. B. dass stets bei zunehmender Quantität die Qualität
abnehme. Vollends verlieren wir allen Boden, sobald die Vergleichung Goethes
mit Schiller und die Abschätzung im einzelnen vor sich geht. Wenn jemand eins
von Schillers Laura-Liedern über die ganze Goethesche Liebeslyrik setzen kann,
wenn er Schillers „Jungfrau von Orleans" hoch über Goethes „Faust" und Shakespeares
„Hamlet" schätzt, wenn er noch heutigen Tages sich nach einer passenden Ehehälfte
für Goethe umschaut, wenn er Goethes Briefe an Frau von Stein in Bausch und
Bogen tief unter Schillers Briefe an Lotte stellt, wenn er schliesslich (S. 455/6) aus-
gesuchte Gemeinheiten über Goethe aussprengt, bloss weil er in dem Körnerbrief vom
1. Dec. 1797 noch immer das Gesslersche Abenteuer dem Weimarer Dichter in die Schuhe
IV 9: 5-16 A. Köster, Schiller.
schiebt, dann hört jede Verständigung auf. Vorübergehend hat P.s Buch von sich reden
gemacht; von Gottschall5) hat es gepriesen; ein Zeitungskrieg mit Eugen Wolff6)
hat sich abgespielt. Aber dann ist es sehr schnell still geworden. — Will man sehen, wie
viel Portig an psychologischer Analyse schuldig bleibt, so halte man neben seinen Ab-
schnitt über die langsame gegenseitige Annäherung Goethes und Schillers7-8 ) einen Auf-
satz von Minor9), der vielleicht schon ein Ausschnitt aus dem dritten Bande des grossen
Schillerwerkes ist. Man kennt die Eigenart M.s; er kann von dem, was er erforscht
und gesammelt hat, nichts zurückhalten. Und in seinen grösseren, nicht polemischen
Arbeiten, die man mit einem von Jahr zu Jahr steigenden Vertrauen begrüssen darf,
erfreut er besonders durch die Masse und Feinheit des Details. Langsame Werdeprozesse,
stilles Keimen im Verborgenen vermag er mit dem steten Gleichmass seines Stiles
am besten zu schildern. Darum ist er in der hier behandelten Episode aus Schillers
Leben gerade der rechte Darsteller. Auf jeder Seite weiss er selbst dem Kundigen
noch einen kleinen Wink zu geben, eine Briefstelle eigenartig zu beleuchten. Wie
der Unterschied des Alters und Temperaments sich bei beiden Dichtern mit den
Jahren ausglich, wie aus langer Gleichgültigkeit, falschen Gerüchten, übereifrigem
Missdeuten, geflissentlichem Meiden, endlich doch ein Bündnis hervorging, entwickelt
M., so weit das Material ausreicht, lückenlos. Mit grösster Unbefangenheit erläutert
er besonders Schillers Briefe aus dem letzten Jahre vor seiner Berufung nach Jena.
Alle Missdeutung durch Herman Grimm oder andere ist damit hoffentlich für immer
aus der Welt geschafft. Wir sehen wieder Schiller, nicht den Elenden, den man
aus ihm hat machen wollen; und solchem Gewinn gegenüber verschlägt es wenig,
dass nun M. seinerseits beinahe alles Verdienst an der Aussöhnung Schiller zuerkennt.
Von einem Jubiläumsartikel im hergebrachten Sinne hat M.s Aufsatz nichts an sich;
der Autor tritt zurück, sobald er die Thatsachen hat reden lassen. — Sonst beschäftigen
sich mit dem Dichter noch zwei kleinere Mitteilungen. Wie oft ist eifersüchtig Klage
erhoben worden, z. B. noch von Portig in seinem vorhin besprochenen Buche, dass
Goethe bei dem Tode10) seines grossen Freundes zu sehr mit seiner Trauer zurück-
gehalten und keinen Trauerpomp im Theater veranstaltet habe. Diese Vorwürfe
sind nun wohl gegenstandslos geworden, seitdem Suphan11) im 16. Bande der
Weimarer Goetheausgabe des Dichters Entwurf zu Schillers Totenfeier herausgegeben
und in einem besonderen Aufsatz, der an anderer Stelle besprochen wird, gewürdigt
hat. — Was Schillers Aeusseres anlangt, so ist dies nach dem Urteil des Wiener
Klinikers Prof. Nothnagel von keinem anatomisch richtiger dargestellt worden als
von Rietschel in Weimar12). Die vornübergeneigte Haltung, die „schiefen Schultern"
und „Flügelschulterblätter" sind charakteristische Merkmale brustkranker Menschen. —
Berühmte Stätten in Schwaben und Sachsen hat man auch diesmal auf-
gesucht, um biographische Einzelheiten daran anzuknüpfen. Auf eine Anfrage
Ernst Müllers13) hat ein Anonymus14) archivalisch beglaubigte Nachrichten über
Schillers Wohnungen in Ludwigsburg veröffentlicht. Dreimal hat sich der Dichter
dort aufgehalten. Wo die Eltern 1762—64 gewohnt haben, ist nicht mehr zu ermitteln.
In den J. 1766 — 75 logierten sie zuerst bei dem Buchdrucker Cotta, d. h. in dem jetzt
mit N. 26 bezeichneten, ehemaligen von Röderschen Hause in der Stuttgarter Strasse,
in dessen Garten der alte Schiller seine erste Baumschule angelegt hat. Die
Wohnung liess sich ermitteln aus der Beschreibung jener glänzenden Illumination,
die am 11. Juli 1767 bei der Rückkehr des Herzogs aus Venedig veranstaltet wurde,
und bei der wohl auch Schiller in den Reihen der Schuljugend stand. Aber noch
während dieses zweiten Aufenthaltes zog die Familie, wie Christophine berichtet, zu
Freunden, d. h. aller Wahrscheinlichkeit nach zu dem Leibchirurgus Reichenbach,
dem Vater der Ludovike Simanowitz, der im sogenannten Hahnschen Hause in der
hinteren Schlossstrasse wohnte. Nebenher berichtigt der Vf. kleine Irrtümer, die
durch viele Schillerbiographien gewandert sind: er meint, Schiller müsse bei dem
Ludwigsburger Garnisonspfarrer M. Olnhausen eingesegnet worden sein, während bei
dem Special Zilling neben wenigen anderen sein Freund Elwert konfirmiert wurde.
Aus naheliegenden Gründen hält daher der Vf. auch das oft erzählte gemeinsame
Erlebnis Schillers und Elwerts bei Hartneck und Neckarweihingen für unbeglaubigt.
Bei dem Ludwigsburger Aufenthalt von 1793—94 wohnte Schiller, nachdem er viel-
leicht vorübergehend bei von Hoven abgestiegen war, im Hause des Bäckers Fischer,
jetzt Wilhelm s-(früher Post-)Strasse N. 17. — Die Angabe wird bestätigt durch
Minor15), der auch über die Stuttgarter Schillerwohnungen, das Zimmer in der Alt-
Zeitgeist N. 43; VossZg. N. 568; H. Unbescheid: ZDU. 8, S. 602/4.]| (Vgl. IV 8a: 44; 8b: 33.) — 5) (IV 8b :42c.) —
6) Eug. Wolff, Schiller- Vergötterung u. Goethe-Verketzernng: HambCorr. N. 347. (Replik u. Duplik im HarabCorr». N. 11.)
— 7) X ß- M. Meyer, Z. Jubil. d. B&ndnisses zwischen Goethe u. Schiller: VossZgB. N. 296. - 8) X (IV 8b :42a; vgl.
auch 8b :42b.) — 9) (IV 8b : 42.) - 10) X Schillers Begräbnis: Didask. N. 154. (Gutzkows Toast aus d. J. 1854 auf d. „Un-
bekannten", d. Schillers Sarge folgte.) — 11) (IV 8b : 43; 8e: 66.) — 12) Ueber Schillers Schultern: VossZg. N. 582. — 13)
Ernst H[ filier], Schillers Wohnung in Ludwigsburg im J. 1793—94: SchwäbKron. N. 38. — 14) 0. S., Schillers Wohnungen
in Ludwigsburg: ib. N. 67. — 15) J. Minor, Schillerhäuser in Stuttgart u. Ludwigsburg: ÜL&M. 72, S. 562/3. — 16) X
A. Köster, Schiller. IV 9 ■ 17-31
Stadt, das der Dichter in seiner Jugend mit Lieutenant Kapf teilte, und das Garten-
haus von 1794, die bekannten Angaben zusammenstellt. — Gleichfalls nach
Schwaben16) führt uns der Aufsatz von Pfister17). Bekanntlich räumte der Nach-
folger Karl Eugens schonungslos mit vielen Institutionen und Personen auf, die uns
aus Schillers Jugend vertraut sind, und die dieser sogar 1793—94 noch in der Heimat
vorfand: bei dem Bibliothekar Petersen, der gleich im Anfang der Regierung Ludwig
Eugens in Ungnade fiel, gaben die Trunksucht und seine demokratische Gesinnung
den Vorwand ab, ihn des Landes zu verweisen. Die Herzogin Franziska, die Karl
Eugen sehr reich im Testament bedacht hatte, wurde mit 60000 Gulden abgefunden;
ein Wagen, den sie besonders liebte, weil er sie an die Zeiten des Glanzes erinnerte,
wurde ihr auf ihre Bitte überlassen. Die Karlsakademie aber, an der schon Karl
Eugen das Interesse verloren hatte, hob der Nachfolger auf; sie - verursachte zu viele
Kosten und bildete, wie er meinte, nur Vielwisser und Schwätzer. — An Schillers
Aufenthalt in Gohlis knüpfen sich mehrere Aufsätze von Distel18) und Semmig19"21),
die halb oder ganz vergessene Dinge wieder wachrufen. Bis ans Ende der dreissiger
Jahre galt nämlich eine ganz gemeine Schnapsbude in Gohlis, in der sich noch oben-
drein eine Mordthat abgespielt hatte, für das Schillerhaus. Und erst anknüpfend an
die politisch-agitatorischen Bemühungen von Beck, Ortlepp, Robert Blum, Wuttke usw.,
in denen Schillerkultus und Herweghbegeisterung sich fast untrennbar ver-
banden, fanden im J. 1841 Nachforschungen und Zeugenvernehmungen statt, durch
die das echte Schillerhaus nachgewiesen wurde. Zugleich gewann damals die schon
früher verbreitete Sage neues Leben, die unmittelbare Anregung zu dem „Lied an
die Freude" sei der Selbstmordversuch eines verzweifelten Studenten in Gohlis ge-
wesen, bei dem Schiller rettend eingesprungen sei. S. erinnert daran, dass er diese
Anekdote dramatisiert habe, und dass sein Stück 1852 und später in Leipzig, Danzig usw.
zur Aufführung gekommen sei. — Noch einmal ergreift Distel22) zu Schillers
sächsischem Aufenthalt das Wort, im Interesse der Wahrheit, oder auch nur der
Wahrscheinlichkeit der umlaufenden Erzählungen. Dass das Volk an die Stätte, die
ein guter Mensch betrat, allerlei Lokalsagen knüpft, ist sein gutes Recht, Aber die
Einwohnerschaft, und mehr noch der Wirt des Schillergartens in Loschwitz, scheint
dabei allzu kühn vorzugehen: die Linde, die übrigens lange vor 1785 gestanden
haben muss, kann wie jede andere Linde nicht gut an Schillers Geburtstag gepflanzt
sein; die Gustel von Blasewitz ist nie der Tugendengel gewesen, zu dem die
Loschwitzer sie gern stempeln möchten; zu der Entstehungsgeschichte endlich und dem
Wortlaut des „Waschweibergedichts" teilt D. die ihm erreichbaren Varianten mit. —
Sehr gern wenden sich die Biographen neuerdings den Zeitgenossen23)
und Angehörigen24"26) Schillers zu. Ruht doch in den Dichterarchiven von Weimar
und Marbach noch manches Stück der Familienkorrespondenz Schillers. Mitteilungen
daraus wird jeder gewiss willkommen heissen. ' Aber mehr als anderswo mussten
hier die Herausgeber ihr Zartgefühl befragen, sonst stehen uns noch weitere Publi-
kationen bevor, wie die von Ernst Müller27) über Schillers Mutter. Selbst wenn
man die gute Absicht des Vf. anerkennt, muss man doch wünschen, er hätte
dem Begehren seines Verlegers nicht nachgegeben Ein liebevoll geschriebenes
Büchlein von 30 bis 40 Seiten, dem ein gewählter Bilderschmuck gewiss zum Vorteil
gereicht hätte, könnte alles vereinigen, was wir über Schillers Mutter wissen. Ehr-
würdig und in all ihrer Liebe zu dem grossen Sohne würde sie uns da entgegen-
treten. In M.s Buch dagegen, bei einer Ausdehnung von mehr als 200 Seiten, steht
die schlichte Frau so verloren da, so erdrückt in anspruchsvoller Umgebung. Und
noch öfter als Heinemann seine Frau Aja, verliert M. die Frau Hauptmännin aus den
Augen. Unter den mitgeteilten Briefen ist einiges Interessante (z. B. S. 88ff. und
160 ff.). Ob die Lesung immer richtig ist, kann ich nicht beurteilen; auf S. 144, Z. 29
muss es wohl „Scham" statt „Schein" heissen. —
Die Ausgabe der Schillerschen Brie f e28-30) von Jonas31) schreitet gleich-
(IV 8b:42e.) — 17) A. Pfister, Ans d. Tagen d. Herzogs Ludwig Eugen v. Württemberg. Aufzeichnungen: WürttVjh. 3,
S. 135-74. — 18) Th. Distel, 1841 gerichtlich abgegeb. Zengenaussagen über Schiller in Gohlis (1785c LeipzTBI. N. 482.
— 19) H. Semmig, Schiller in Gohlis: ib. N. 490. (D. Vf. kündigt auch e. Abhandl. aus seiner Feder über Schillers „Lied
an d. Freude" an.) — 20) id., Z. Gesch. d. Entsteh, d. Schillerkultus in Gohlis: ib. N. 513. — 21) id., Schiller — Gohlis —
Ortlepp. Berichtigung — Mahnung: ib. N. 582. — 22) Th. D[istel], Zu Schillers Aufenthalt in Loschwitz usw. 1785 ff. :
DresdAnz. N. 202. (Dazu e. kleine Ergänz, über d. Grab d. Gustel v. Blasewitz: ib. N. 205.) — 23) X f. Walter, Joh.
Mich. Boek (gest. 18. Juli 1793): FZg. N. 197. — 24) X J. Wychgram, Christophine Schiller. Mit d. Bildnis u. drei
Originalzeichnungen d. Schwester Schillers: Daheim 30, S. 444 6. — 25) X Nanette, Schillers Schwester: Didask. N. 74.
(Notiz v. H. Semmig, d. demnächst e. Wallfahrt zu d. Gräbern d. Familie Schiller beschreiben will.) — 26) X K. Schmidt,
Schillers Sohn Ernst (JBL. 1893 IV 9:21). |[H. Unbescheid: ZDU. 8, S. 618/9; A. Sauer: DLZ. S. 1515/7; DRs. 75,
S. 157; KVZg. N. 468; P. Seliger: NatZg. N. 207; LZgB. N. 36; P. v. Szepaiiski: VelhKlasMh. 2, S. 1223; h.: DR. 3,
S. 126/7; F. Jostes: LRs. 20, S. 604; StML. 46, S. 320.]| — 27) Ernst Müller, Schillers Mutter. E. Lebensbild. L.,
Seemann. VIII, 208 S. M. 4,00. |[LZg". N. 77; Geg. 46, S. 349; D.: NatZg. N. 398, 402; -rf.: TglRsB. N. 169; R. Seh.:
SchwäbKron. N. 204; Frau 1, S. 69; H. Unbescheid: ZDU. 8, S. 619.]| - 28) X (IV 8b : 42d.) — 29) X D- Sanders,
Z. 4. Bd. d. Briefw. zwischen Schiller u. Goethe: ZDS. 8, S. 71/6. (Sprachl. Bemerk, ohne hist. Wert.) — 30) X K. J.
Sehr — r., F. Muncker, Schillers Briefwechsel mit W. v. Humboldt (JBL. 1893 IV 9:24): LCB1. S. 286. — 31) F. Jonas,
IV 9:32-35 A. Köster, Schiller.
massig- vor; möchte das schöne Unternehmen doch auch den äusseren Erfolg erringen,
den es verdient. Im Mai 1894 ist der vierte Band abgeschlossen worden, der in den
Nummern 735—1053 die Zeit vom 1. Sept. 1794 bis 28. Juni 1796 umfasst. Die An-
merkungen unterrichten wieder knapp und zuverlässig über die der Korrespondenz
zu Grunde liegenden Ereignisse, besonders über alles, was die Redaktion der Hören
angeht. Nachahmenswert ist, dass J. nicht nur die gesicherten Thatsachen mitteilt,
sondern auch durch Fragestellung die Aufmerksamkeit auf noch unentschiedene
Dinge lenkt. An Einzelheiten hebe ich hervor: zu N. 764 teilt J. den Vorschlag
Böttigers zu einem Ballet „Die Ilmgrotte" mit, das er für den Geburtstag der Herzogin
Luise bestimmte; zu N. 887 werden mehrere Tabulae votivae zusammengestellt mit
dem Konzept des Briefes an Fichte vom 3. Aug. 1795; zu N. 937 regt J. eine Unter-
suchung an, wie weit Schiller in seiner Jugend den Homer gekannt habe; zu N. 989
versucht er das Xenion N. 140 nicht auf die Karlsbader Quellen, sondern auf sämt-
liche Gesundbrunnen in Deutschland zu deuten. (S. 452, Z. 2 wird wohl unter
„Verschlag" der Bretterverschlag, die Kiste, gemeint sein, in die die Bücher ein-
gepackt werden sollten.) Zum ersten Mal gedruckt sind die Briefe: N. 814 (fast ganz)
an Ferd. Huber, Jena 19. Febr. 1795: Schiller rät dem Jugendfreunde, nur dann an
die Lektüre Kants zu gehen, wenn ihm dafür Jahre zur Verfügung stehen ; er bringt
zugleich eine für das Studium geeignete Reihenfolge der Kantschen Schriften in
Vorschlag. Seine eigene Stellung und Selbständigkeit gegenüber dem Königsberger
Weltweisen wird bekräftigt. N. 824 vermutlich an den Verleger Härtung in Königs-
berg, Jena 2. März 1795: Schiller bittet den Adressaten, Sendungen an Kant vermitteln
zu wollen. N. 942 an Gottlob Voigt, Jena 1. Nov. 1795: er empfiehlt einen jungen
Mann, der sich als Docent an der Universität niederlassen möchte. N. 991 ist identisch
mit dem von Hirzel (s. u. N. 32) publizierten Briefe, zeigt aber auffällig viele Varianten
von dem Text des „Euphorion". An manchen Schillerbriefen möchte J. mit gutem
Grund das Datum ändern: N. 801 an den Herzog von Augustenburg 26. Jan. 1795
statt 20. Jan.; N. 864 an Matthisson 13. Juni 1795 statt 18. Juni; N. 895 an Goethe
21. Aug. 1795 statt 22. Aug.; ergänzt hat J. das Datum (21. AugL 1795) zu dem Brief
an Cotta N. 894. Auch die Sammlung der Briefe an Schiller hat J. vermehrt: Zu
N. 884 druckt er einen Brief von Kosegarten (4. Aug. 1795) ab, worin dieser Schiller
von einem Volkslied aus Jütland Mitteilung macht; zu N. 1021 einen Brief von dem-
selben (14. März 1796): Kosegarten sendet einige seiner Gedichte und spricht besonnen
über den allzu grossen Ernst der Hören ; zu N. 1029 ein Billet von Knebel (17. April
1796) über eine Notiz für die Hören, die Properzelegien betreffend; zu N. 877 werden
Briefe von Archenholz an Schiller erwähnt, aber nicht gedruckt. — Jener eben
(s. o. N. 31) erwähnte Brief, den Hirzel32) veröffentlicht hat, ist an Schillers
Jugendfreund Friedrich Haug von Jena aus am 18. Jan. 1796 gerichtet und kennzeichnet
sich als Begleitschreiben zu einem Exemplar des Musenalmanachs für 1796, zu dem
auch Haug beigesteuert hatte. — Sonst ist nur wenig zu verzeichnen. Ein Brief von
Schiller33) an den Historiker K. W. F. von Funk, Jena 13. Febr. 1791, handelt von dem
„Robert Guiskard" Funks und spricht sich sehr unbefangen über Schillers eigene ge-
schichtliche Arbeiten aus. In einem Schreiben an Göschen aus dem Folgejahr, datiert
„Mainz d. 10. März 1792", äussert sich Huber, der einstige Freund, sehr hässlich über
Schiller, der aus den hinlänglich bekannten Gründen die Korrespondenz mit ihm
abgebrochen hatte. — Der Titel eines Aufsatzes von Geiger34) kann leicht irre
führen. Es handelt sich darin lediglich um die Drucklegung der Schiller-Körnerschen
Briefe und die unerfreulichen Verhandlungen, die über Honorar, Nachdruck, An-
sprüche der Erben usw. geführt wurden. — Die Briefpublikationen aus dem Kreise
derer, die Schiller nahe standen, hat Krauss35) nunmehr beendet. Oft gewähren die
Schätze des Marbacher Schillerhauses nur bessere Lesarten und Ergänzungen zu
älteren Drucken. So erfahren die Briefe Charlottens an Schillers Angehörige (Charlotte
von Schiller und ihre Freunde 1, S. 332 ff.) durch K. umfängliche Berichtigungen;
ein schöner Brief der künstlerisch feinfühligen Frau an die Gattin des Bildhauers
Dannecker (Weimar, 12. Okt. 1820) schliesst sich an und weiht uns in viele Stuttgarter
Beziehungen ein. Karl von Schiller, des Dichters Sohn, ist mit einem Schreiben an
seine Tante Luise Frankh (7. Juli 1826) vertreten, worin er den Tod seiner Mutter
mitteilt; Emilie von Gleichen-Russwurm schreibt in den J. 1856—65 aus ihren
literarhistorischen Arbeiten heraus an ihren Vetter Kühner in Möckmühl, den
Schwiegersohn der Luise Frankh. Wenig Interesse haben die kurzen Billets der
Herzöge Louis Eugen und Friedrich Eugen an den alten Schiller. Dagegen ist zu
Schillers Briefe. Her. u. mit Anm. vers. Krit. Gesamtausg. (JBL. 1893 IV 9 : 22.) 4. Bd. St., Dtsch. Verl.-Anst. 564 S.
M. 3,00. |[J. E. Wackemell: ÖLB1. 3, S. 15; AkBll. 8, S. 185; 9, S. 33, 113; Quellwasser 18, S. 142, 734; — hr.: DR. 2,
S. 130/1; VossZg. N. 350; BLU. S. 30; BLChrSchw. 24, S. 192; KonsMschr. S. 103 4; Gymn. 12, S. 651.] | — 32) L. Hirzel ,
E. Brief Schillers: Euph. 1, S. 136. — 33) Neues v. u. über Schiller: DDichtung. 16, S. 149-50. — 34) L. Geiger, Z. Gesch.
d. Schiller-Körnerschen Briefw.: AZg]i. N. 251. — 35) R. Krauss, Neues v. Schiller u. vom Marbacher Schillerhaus: BBSW.
A. Köster, Schiller. IV 9 ■. 36-50
beachten, dass von den Danneckerschen Briefen, die im Litterarischen Nachlass der
Frau Karoline von Wolzogen (1, S. 473 ff.) sehr ungenau gedruckt sind, die Originale
in Marbach liegen. Den Schluss macht die Anzeige von Schillers Tod, die Wilhelm
von Wolzogen an den Pfarrer Frankh schickte, 13. Mai 1805. — Der interessante
Brief von Schillers Vater (Solitüde, 28. Juli 1795), den Ernst Müller36) aus den
Schätzen des Weimarer Dichterarchivs mitteilte, ist ganz aus der Drangsal der letzten
Lebenstage des Alten heraus geschrieben: der Verleger Michaelis in Neustrelitz
sendet weder Honorar noch Freiexemplare, auf der Solitüde besteht das Spital noch
fort, der Hof hält sich natürlich fern, die Feinde hausen im Land, die Teurung dauert
an; aber der tapfere Obristwachtmeister verliert den Mut nicht und hofft auf bessere
Zeiten. Auf dieses Schreiben des Vaters erfolgte der Brief Schillers an Cotta (bei
Jonas N. 883); Bezug nehmen auch die Briefe N. 893 und 894. — Endlich hat
Ernst Müller37) noch zwei Briefe der früh verstorbenen jüngsten Schwester
Schillers an ihre Mutter aus dem Marbacher Archiv hervorgezogen; sie zeigen uns
das frische muntere Mädchen in einem grossen Kreise befreundeter Familien und
vergegenwärtigen uns dadurch das Ansehen, das die Schillersche Familie genoss. —
Die Cottasche Gesamtausgabe38) von Schillers Werken ist nun vollendet
und zeigt, wie schon im vorigen Jahrgang betont war, grosse Sorgfalt. Die
Bände 10—16 enthalten die Prosaschriften, eine Nachlese zu den Gedichten und den
Nachlass. Unter die Recensionen sind jetzt auch die von Minor wieder ans Licht ge-
zogenen Arbeiten aus der Stuttgarter Zeit aufgenommen, unter die Lyrica ausser den
Gedichten der Anthologie auch der Wechselg'esang zwischen Leontes und Delia und
die neu aufgefundenen Xenien. Viel Pietät ist dem Nachlass zugewandt; so weit es
möglich war, sind die Kettnerschen Studien benutzt worden, für den Demetrius
natürlich noch nicht. — Was- uns über das kgl. sächsische Privileg für Schillers
Werke39) von Distel40) mitgeteilt wird — es sind nur Daten, nicht der Wortlaut
selbst — , ergänzt die Angaben Schmidts in seinem Buche über Schillers Sohn Ernst
(JBL. 1893 IV 9 : 21). —
Bei der Untersuchung von Schillers Prosaschriften41) wendet sich stets
das Hauptinteresse den philosophischen Arbeiten42-47) zu. Brasch48) scheint mir
den jungen Schiller als Philosophen zu unterschätzen. Eklektiker war er ja, und
auch nur Düettant. Aber darin, wie er auf seine Art die Elemente seines Eklektizismus
zu einer wirklichen Anschauung des Weltenplanes abrundete und diese Anschauung
bald im wissenschaftlichen Essay, bald wieder in schwärmerischen Dichtungen mit
fester Ueberzeugung kundzugeben wusste, darin zeigt sich doch von früher Jugend
an eine gleich starke Begabung für die Philosophie wie für die Dichtung. Mittel-
baren Einfluss von Leibniz erkennt B. an; unmittelbare Einwirkung von Plato oder
Spinoza leugnet er dagegen mit guten Gründen. — Mehr mit Schillers Philosophie
unter dem Einfluss Kants beschäftigt sich Berg er49). Es ist bei diesem Buche
einiges in Dunkel gehüllt. Zunächst: Wo und von wem ist es mit was für einem
Preise gekrönt worden? Sodann: Warum ist es erst 1894 erschienen, da es doch schon
1889 fertig abgeschlossen war und zu seinem Schaden die wichtige Litterat ur der
neunziger Jahre unberücksichtigt gelassen hat? Es sind auch einige methodische Aus-
stellungen zu machen, besonders in den Anfangspartien, wo u. a. die von
Oemler gefälschten Briefe Schillers an Karl Moser noch als historische Quelle
benutzt werden. Aber nichtsdestoweniger ist das schlank und klar geschriebene,
dabei aber gar nicht oberflächliche Buch zur Einführung in Schillers ästhetische
Anschauungen recht zu empfehlen; es dringt nicht so tief wie z. B. das Werk von
Gneisse50) (JBL. 1893 IV 9:38), ist dafür aber auch nicht so dunkel und schwer-
fällig. Es hält, was sein Titel verspricht, und führt die allmähliche Ausbildung der
Schillerschen Aesthetik, besonders sein Ringen um die Ergründung des objektiven
Charakters des Schönen, dem Leser vor. An diesem letzten Punkte tritt B. in
Gegensatz zu Harnack, dessen Ansicht bekanntlich die ist, dass Schiller sich in der
S. 14-25. (Korrekturen auf S. 64.) — 36) E. Maller, E. Brief v. Schillers Vater: ZVLR. 7, S. 2167. — 37) id.. Zwei
Briefe v. Nanette Schiller. Ans d. Marbacher Schillerarch. : SchwäbKronu. N. 246. — 38) Schillers säratl. Werke in 16 Bdn.
(JBL. 1893 IV 9: 29.) Mit Einl. v. K. Goedeke. Bd. 10-16. St., Cotta. VIII, 230 S.; 264 S.; XII, 364 S.; VUI, 248 S.:
265 S.; VIII, 427 S.; X, 451 S. a M. 1,50. |[(>: DIU. 80, S. 159; 81, S.475.]| — 39) X F. Muncker, E. neue Schillerausg. :
AZgB. N. 279. — 40) Th. D[iste]l, Z. kgl. "sächs. Privilege ffir Schillers Werke: DresdAnz. N. 117. — 41) X Schiller, Gesch.
d. Abfalls d. vereinigten Niederlande v. d. span. Segierung. (= Meyers Volksbücher N. 1064/8.) L, Bibliogr. Inst. 329 S.
M. 0,50. — 42) X id., Morceaux choisis, publies avec des notices et des notes en fr an 9. par B. Levy. Nouv. ed. ( = Class.
allem.) Paris, Hachette. XXIII, 547 S. Fr. 3,00 — 43) X M Brasch, Schiller als Mediziner. Z. 9. Mai, d. 90. Todest.
d. Dichters: LeipzTBl. N.228. — 44) X E. Kiihnemann, D. Kantischen Stud. Schillers. (Diss. Marburg. 18S9. 38 S.): VossZgB. N. 47. —
45) XE Mont:irgis,L,Esthetiqne de Schiller (JBL. 1892 IV 9: 35). j[Lonchamps: PolybiblL. 70, S.47/8; A. Köster: DLZ. S.617;9.]|
— 46) X G. Heine, D. Verhältnis d. Aesthetik z. Ethik bei Schiller. Cöthen, Klvers (Sohettlersche Buchh.). 56 S. M. 0,80.
(Auch als Leipz. Diss.) — 47) O X O- Jäger, Schillers „Hören* vom Spiel u. d. erste Spielkongress in Berlin: ZTurnen-
Jugendspiel. N. 4 7. — 48) M. Brasch, üeber Schillers Jugendphilosophie I., II. E. Stud. z. 10. Nov.: LeipzTBIB. N. 573,
575. — 49) K. Berger, D. Entwickl. v. Schillers Aesthetik. Gekr. Preisschrift Weimar, Böhlau. IV, 325 S. M. 4,00.
|[R. Friedrich: BLÜ. S. 199-200; Ebf : LCB1. S. 523; H. Unbesoheid: ZDÜ. 8, S. 604;7.J| — 50) X WIDM. 75, S. 272;
Jahresberichte ffir neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (4)31
IV 9:51-69 A. Köster, Schiller.
Arbeit am Kallias vergeblich bemüht habe, zur Ergänzung von Kants Lehre jenen
objektiven Charakter des Schönen festzustellen, und deshalb in den ästhetischen
Briefen wieder neben Kant stehe in der Erkenntnis des subjektiven Charakters des
Schönen. Diesen Rückzug Schillers giebt B. nicht zu. — Zur Würdigung Schillers
in der Gegenwart hat ausser Litzmann51) auch Berg52) einen kleinen Beitrag ge-
liefert, indem er die Bürgerrecension des Dichters von neuem beleuchtet und zu
dem Schluss kommt: Schiller hat Bürger überhaupt nicht verstanden, sonst würde er
so ungerecht und hochmütig nicht haben sprechen können. Bürger, der mit Lenz,
Grabbe, Hoffmann und Heine das Schicksal teilt, vom Philister wegen seiner Moral-
losigkeit gerichtet zu werden, ist in Wahrheit ein viel besserer Erzieher als Schiller,
weil er des Volkes echte Sprache redet und ausserdem als Dichter rhythmisch viel
feiner fühlt als Schiller. Jene ganze Auseinandersetzung zwischen Jena und Göttingen
ist nach B.s Meinung noch heute aktuell als ein erster Kampf zwischen Idealismus und
Realismus.53) —
Bei Betrachtung der Gedichte54"65) stelle ich zwei Aufsätze voran, die ganze
Gruppen von Gedichten ins Auge fassen. Rehorns66) Abhandlung ist nur ein
Referat über einen Vortrag; das muss ihre trockene Form entschuldigen. Im einzelnen
bringt R. lehrreiche Belege dafür, wie eng sich Schiller in der „Würde der Frauen"
und verwandten gleichzeitigen Gedichten an Humboldts Horenaufsätze „Ueber den
Geschlechtsunterschied und dessen Einfluss auf die organische Natur" und „Ueber
die männliche und weibliche Form" anschliesst. Bis zu der etwas dispositionslosen
Anordnung des Stoffes hin lässt sich die Verwandtschaft erkennen; und keiner hat
das klarer gesehen als Humboldt selbst, der bei dieser Gelegenheit wieder an Schiller
die grosse Kunst rühmt, den Gedanken und Empfindungen vieler die unvergängliche
poetische Form zu geben. — Was Röhricht67) mitteüt, sind nicht eigentlich „Be-
merkungen zu Schillerschen Balladen", denn die Tauchersagen, die er aus Gervasius
von Tilbury, Salimbene und Franciscus Pipinus anführt, hat Schiller gewiss nicht
gekannt; die kleinen Notizen über die Rhodische Drachensage und den „Gang nach
dem Eisenhammer" sind ohne Belang. —
Ueber einzelne Gedichte sind mit gutem Erfolge Untersuchungen angestellt
worden. Eickhoff68) verweist zum „Gang nach dem Eisenhammer" auf Hirsch-
bergs Geschichte der Grafschaft Moers (1893, S. 50 ff.), wo von Johann, dem Sohne
des Stifters der Linie Moers-Sarwerden, erzählt wird, er sei ein rachsüchtiger Herr
gewesen, habe sich in französischen Urkunden Graf von Saverne genannt, und seine
zweite Gemahlin habe Kunigunde geheissen. Das stimmt allerdings auffallend zu
Schillers Ballade, in der dann „Savern" die Französierung nicht von Zabern, sondern
von Sarwerden ist. —
Nach etwas exaltierter Polemik gegen frühere Erläuterer des „Liedes von
der Glocke" (GÖtzinger, Viehoff, Düntzer und selbst W. von Humboldt) trägt
Wenzig69) eine neue Deutung des Gedichts vor, von der man rühmen muss, dass
sie aus einem Gusse ist und in den Grundzügen das Richtige trifft. W. erkennt, dass
Schiller unter dem Symbol des Glockengusses und in der Reihe der bürgerlichen
Scenen, die er entrollt, drei verschiedene Formen des menschlichen Zusammenlebens
schüdert: den Familienbund, die staatliche Organisation und eine Gesellschaftsform
der Zukunft, die Vereinigung der Menschen zu einer liebenden Gemeinde. Ob sich
der Dichter das genau so begrifflich klar entwickelt hat, wie es hinterdrein der
Kommentator thut, mag dahingestellt sein; in Einzelheiten kann man noch immer eine
andere Meinung haben als W. Vor allem überträgt er ohne weiteres den Sprach-
gebrauch des ausgehenden neunzehnten Jh. auf das achtzehnte. Dadurch ent-
stehen arge Missdeutungen. Die ganzen wSeiten 10 und 11 sind Unsinn, weil W.
in V. 93 und 101 das Wort „Wahn" als „Täuschung" fasst, während es nach Schülers
VossZgB. n. 6; Ehf.: LCB1. S. 74/5; F. Mnncker: BBG. 30, S. 278-80.]| - 51) B. Litzmann, Was bedeutet Schiller für d.
Litt. d. Gegenw.?: DR. 4, S. 196-205. — 52) Leo Berg, Bürger ti. Schiller: Zuschauer 1, S. 507-12. - 53) X '■ Schall,
G. A. Burger u. seine Beziehungen zu Schwaben IV. Bürger u. sein Kritiker Schiller: BBSW. S. 121/3. (Enth. für Schiller
nichts Neues.) — 54) X Schillers Gedichte. Mit Einl. Illustr. Ausg. (= Illustr. Volksausg. klass. Meisterwerke.) B., Minerva.
VI, 164 S. M. 1,50. (Unzuverlässiger Text, schwache Illnstr.) — 55) X id-, Gedichte. (= Allg. Volks-Bibl. N. 349.) Neu-
salza i. S., Oeser. V, 40 S.; 101 S.; II, 169 S. M. 1,15. (Preiswürdige Ausstatt.) — 56) X s- M- Prem, Schullitt.: ÖÜK. 16,
S. 133/7. (Enth. e. Rettung Düntzers.) — 57) X Schiller, Poesies lyriques. Avec notices et notes par L Schmitt. 6. ed.
Cours snp. Paris, Delagrave. VIII, 53 S. — 58) X (IV 5 : 104.) (E. rechter Sekandaneraufsatz.) - 59) X Erich Schmidt,
Ueber d. Xenienhss. (= I 1:86a, S. 95,6.) (Ist inzwischen durch d. Xenienausg. überholt. ) — 60) X Erich Schmidt u. B. Suphan,
Xenien 1796 (JBL. 1893 IV 9 : 56) |[Schmitt-Cassel: Gymn. 12, S. 599-610; Ernst Mfüller]: BBSW. S. 95 ii; W.
K[awerauJ: MagdZg. 1893, N. 566; A. Chuquet: RCr. 37, S. 254.]| — 61) X E Grosse. D. Künstler v. Schiller (JBL. 1890
IV 12 : 81): Gymn. 12, S. 96 — 62) X B. Rothe, D. Ideal u. d. Leben (Schiller). E. päd. Arbeit. Progr. d. 1. Bürgersch. zu
Eisleben. Eisleben (Schneider) 4°. 7 S. — 63) X W.Stein, Mitteil, übor d. Namen Moros u. Dämon: PraxisKathVolkssch. 3, 8.7.
(Schöpft nur aus Goedekes hist.-krit. Ausg. u. d. Sedez-Ausg. v. Schillers Gedichten, her. v. Meyer 1845.) — 64) X F-
Kugler, Zu Schillers Kampf mit d. Drachen: ZDU. 8, S. 704/5. — 65) X D- Sanders, Zu Schillers Gedicht „D. dtsch.
Muse": ZDS. 7, S. 219-22. — 66) F. Rehorn, W. v. Humboldts Aufsätze über d. Unterschied d. Geschlechter u. ihr Einfluss
auf d. Lyrik Schillers: BFDH 10, S. 362-74. — 67) R- Röhricht, Bemerk, zu Schillerschen Balladen: ZDPh. 26, S. 105/7. —
68) K. Eickhoff [Sprechzimmer 3J: ZDU. 8, S. 851. — 69) K. Wenzig, D. Gedankenzusammenh. in Schillers „Lied ?. d.
A. Köster, Schiller. IV 9 ■ 70-78
Sprachgebrauch hier „das blosse Wähnen" im Gegensatz zum Wissen bedeutet, so
wie Richard Wagner das Wort noch brauchte, als er seiner Bayreuther Villa den
Namen gab. Aus derartigen Missdeutungen sieht man, wie weit wir schon von der
Ausdrucksweise des 18. Jh. entfernt sind, und wie dringend nötig uns ein Hülfsmittel
ist, das uns den Sprachgebrauch unserer Klassiker festlegt; kommt ein grösserer
Thesaurus noch nicht zu stände, so könnte die gemeinsame Arbeit einiger Gelehrter
vielleicht vorläufig ein Hülfsbuch in kleinerem Umfange schaffen. — Das Motto der
Schillerschen „Glocke" wird nach Sprengers70) Vermutung der Dichter aus Lichten-
bergs Aufsatz über „Glockentaufe" (Göttinger Taschenkai. für 1782, S. 26 — 39) ge-
wonnen haben. 7,~73) —
So ziemlich das Unerhörteste an Interpretation eines Schillerschen Gedichts
leistet sich Schneide win74) bei Gelegenheit der „Götter Griechenlands". WTer
in der Kunst des Missverstehens so weit selbst den Grafen Stolberg übertrumpft, wer
in der sehnsüchtigen Elegie nichts als den Preis des Polytheismus findet und wer
dabei so von allen Musen verlassen ist, für den hat allerdings Schiller nicht g'elitten.
Damit erledigt sich zugleich Sch.s Frage, ob man das Gedicht in der Schule
behandeln solle: Wenn der Lehrer es kann, g-ewiss gern; sonst lieber nicht.
Dem schönheitsdürstenden Jüngling sollte man die „Götter Griechenlands" nicht
vorenthalten. —
Zwei kleine Aufsätze von Gassner75-76) über Schillers „Spaziergang"
haben nur bescheidenen Wert. Kann die mitgeteilte Disposition vielleicht Schülern
das Verständnis erleichtern, so ist der Vergleich mit Goethes „Ilmenau" nur geeignet,
Verwürung anzurichten. Das Motiv der Wanderung, an die sich eine Vision an-
schliesst, ist weit verbreitet; in allem aber, was jenseits dieser Einkleidung liegt,
ähneln sich die beiden Gedichte gar nicht. —
Hoenig77) hat einem Jugendgedicht Schillers, dem „Triumph der Liebe",
einen fördernden Aufsatz gewidmet. Bekanntlich hat Schiller selbst zug-estanden,
er habe das Gedicht „auf Veranlassung der Nachtfeyer der Venus von Bürger ge-
schrieben." H. stellte sich daher die Aufgabe, Schillers Leistung mit dem Bürgerseben
Vorbild und dieses wieder mit dem lateinischen Pervigilium Veneris zu vergleichen.
So ist eine zweiteilige Abhandlung entstanden, in deren erstem Abschnitt H. eingehend
darlegt, wie Bürger sich philologisch den lateinischen Text gestaltete, um ihn dann
sinn- und wortgetreu zu übersetzen, wie er aber durch seine etwas brutale Eigenart
gar nicht zum Uebersetzen geschaffen war und daher trotz seinem Bemühen, antik
zu sein, in diesem Gedicht doch immer ein redseliger Anakreontiker des 18. Jh.
blieb. Bei dem Vergleich mit den späteren Ueberarbeitungen der „Nachtfeier" stellt
sich obendrein heraus, dass Bürger mit immer grösserer Einseitigkeit die Form, und
nur die äussere Form, peinlich verbesserte, säuberte, polierte. Er suchte seinen
Versen (in diesem Punkt ein Vorläufer der Romantiker) ganz abgesehen von ihrem
Inhalt eine rein musikalische Wirkung zu verleihen und erlag dabei leider der Gefahr,
von einer Redaktion zur anderen die Eigenart des Gedichtes immer mehr zu ver-
nichten. Lernt man nun so die Bürgersche „Nachtfeier" kennen, dann erscheint
Schillers „Triumph der Liebe" durchaus nicht als eine Nachahmung, sondern fast
als eine Palinodie. H. zeigt mit Sorgfalt, dass schon das Motiv der Venushymne
in der Anthologie ganz Schillerisch ist, dass hier die Leidenschaft frei und wild
mit der Form schaltet, dass mythologische Einkleidung dem Dichter nur Mittel
zum Zweck ist, dass er stets nur das Ganze, die entzückte Verherrlichung der höchst
vergeistigten Liebe im Auge hat und daher in Einzelheiten oft unklar ist, während
Bürger gerade auf das Detail sein Augenmerk richtet und darüber die Logik des
Ganzen ausser Acht lässt. Nur wo einmal in kleinen Nebenmotiven Schiller mit
seinem Vorgänger übereinstimmt, da stellt sich ungewollt auch wörtlicher Zusammen-
klang mit Bürgers brünstiger „Nachtfeier" ein. —
Endlich hat Neuhöffer78) Schillers Vergilübersetzungen untersucht
und ist dabei zu dem bekannten Resultat gekommen, dass den Dichter das gewählte
Metrum, die Stanze, die er sehr frei behandelt,' zu vielen Auslassungen und Er-
weiterungen verleitet habe. Das lässt sich durch eine Zusammenstellung der Ver-
änderungen am lateinischen Text leicht erweisen; und eben diese Musterung einzelner
Glocke". Progr. d. König-Wilhelms-Gymn. Breslau (Gutsmann). 4°. 19 S. — 70) R. Sprenger, Zu Schillers Glocke: ZDU. 8,
S. 131. — 71) X (I U : &*•) (E. ziemlich willkürlich zusammengest. Antholog.; Schillers „Lied v. d. Glocke" macht in d. Rubrik
„Verschiedene Glockenstimmen" d. Anf.t — 72) X B. Rein, Anschauungstaf. für d. Glockenguss, unter bes. Berücksioht.
v. Schillers Lied v. d. Glocke. Gotha, Perthes. 4°. 4 S. Text. M. 3,00. |[BBG. 30, S. 446; KonsMsehr. S. 671/2.JI - 73) X
D. Lied v. neuen Civilprozess. (Frei nach Schiller.) V. e. Juristen. (= Festschrift d. dtsch. Juristenver. in Prag.) Prag,
Ehrlich (Knauer). 4 S. Fl. 0,15. (Parodie auf d. Lied v. d. Glocke.) — 74) M. Schneidewin, E. zusammenfassende Be-
handl. d. Schillerschen Gedichtes „D Götter Griechenlands": ZDU. 8, S. 252 7. — 75) J. Gassner, Schillers „Spaziergang"
u. Goethes Gedicht „Ilmenau": ib. S. 235 7. — 76) id., Z. Disposition d. „Spazierganges" v. Schiller: ib. S. 242/4. — 77) B.
Hoenig, G. A. Bürgers Nachtfeier d. Venus u. Schillers Triumph d. Liebe in ihrem Verhältnis zu d. lat. Pervigilium
Veneris: NJbbPh. 150, S. 177-92, 223-31, 321-32. — 78) R. Neuhöffer, Schiller als Uebersetzer Vergils. Progr. d. Gymn.
(4)31*
IV 9:79-88 A. Köster, Schiller.
Stellen verleiht der Abhandlung" Wert. Man kann hier Belege finden, wie frei und
selbständig-, selbst bei engem Anschluss an ein Original, Schiller sich seine antike
Idealwelt ausmalte. Auch künftige Forscher greifen gewiss noch einmal zu diesen
bequem dargebotenen Materialien. Aber der ganze Geist, in dem die Monographie
von N. verfasst ist, fordert zum Widerspruch auf. Man muss Schillers Uebersetzung
nicht wie ein Schulexercitium censieren; solch ein Fest für den Blaustift, bei dem
der Magister immer nur an einzelnen Stellen haftet, immer nur nörgelt, dagegen
für den Gesamteindruck des Gedichts und für die Gesamtabsicht des Dichters keinen
Blick hat, solch ein Fest durfte selbst ein Lessing sich doch nur bereiten, als er
noch sehr jung war. Unsere Ansprüche an eine kritische Untersuchung sind heute
grösser. Wir erwarten bei der Würdigung einer poetischen Uebersetzung vergangener
Tage die Beantwortung zweier Fragen : Was hat hier der Poet für alle Zeiten, und
was hat der Uebersetzer, der Gelehrte für seine Zeit geleistet? Stüuntersuchungen
im weitesten Sinne werden die Grundlage zur Beantwortung bilden, dann kann im
ersten Fall das ästhetische, im zweiten Fall das historische Urteil sich mit Zuversicht
hervorwagen. Bei N. fehlt beides; über blosse Statistik kommt er nicht hinaus. —
An die Spitze der Betrachtung von Schillers Dramen79"81) stelle ich ein
Programm von Kettner82), das unter der allgemeinen Ueberschrift „Schiller-
studien" eine Reihe von selbständigen Aufsätzen enthält, die an den geeigneten
Stellen einzureihen sind. Die Sammlung wird eröffnet durch einen Datierungs-
versuch der drei Dramenverzeichnisse, die wir von Schillers Hand besitzen. Das
grösste unter ihnen, das im Facsimile dem Schillerschen Kalender beigegeben ist,
setzt K. in den Sommer 1802, wie ich glaube, mit Unrecht. Die Hs verrät zu deutlich,
dass dies Register gar nicht in einem Zuge hingeschrieben ist. Besonders auf der
ersten Seite zeigt jeder einzelne Dramentitel eine besondere Beeinflussung der Hs.
Ich glaube, dass die Niederschrift dieser drei Seiten sich über viele Jahre hinzieht,
von 1797 bis 1804; auch aus der Reihenfolge der Titel, die der Dichter in grossen
Zwischenräumen sich notierte, wird noch manches zu schliessen sein. Richtig scheint
mir die Datierung der beiden anderen Verzeichnisse. Das eine (bester Druck jetzt:
Schillers Nachlass, her. von Kettner 2, S. 95 Anm. 2) setzt K. in das Frühjahr 1804,
das andere (ib. S. 80, Z. -20 ff.) in die Zeit vom Okt. 1797 bis März 1799.
Die erste Zeile darin („Der Genius. Das Kind") deutet K. als den frühesten Doppel-
titel der „Kinder des Hauses". — Eine Ausgrabung ist anzu schliessen. Man hat
Koberstein 83) keinen besonderen Dienst erwiesen, indem man einen Aufsatz vom
J. 1838, den der Vf. nie der Veröffentlichung oder auch nur der Ueberarbeitung für
wert erachtete, ans Licht zog. K. betrachtet sehr einseitig und ohne Zusammenhang
mit dem ganzen Bau der Stücke den Schluss einer Reihe von Tragödien. Seine
Fragestellung ist stets die: Was bleibt von Menschen und menschlichen Verhältnissen
am Schluss des Stückes übrig, das uns über den miterlebten Zusammenbruch aller
Grösse, Schönheit und Herrlichkeit trösten könnte? Bei einer solchen Betrachtung,
die von falschen Prämissen ausgeht, wundern wir uns natürlich nicht, dass ein
ganz unerwartetes Resultat zu Tage tritt, nämlich: jenes Schicksal, das den Menschen
erhebt, indem es ihn zermalmt, haben nur Shakespeare und Goethe darstellen können,
während Lessing und Schiller (wenn wir die „Jungfrau von Orleans" ausnehmen)
die Forderung nie erfüllt haben. —
Wenden wir uns den einzelnen Dramen zu ! Eine kleine Krähwinkeliade
erzählt uns Struck84). Die Väter der Stadt Stralsund hatten so grosse Besorgnis,
es möchten durch eine Aufführung der „Räuber"85) die guten Sitten der Bürger
gefährdet werden, dass sie dem Prinzipal Tilly, als er 1783 das Stück spielen lassen
wollte, in letzter Stunde die Erlaubnis dazu verweigerten. Und dieses Verbot blieb
trotz aller Proteste des Publikums, ja selbst trotz eines Theaterskandals im J. 1794
bis ans Ende des Jh. bestehen. Erst dem Direktor Doebbelin gelang es, am 15. Dec. 1799
eine Räuberaufführung in Stralsund zu stände zu bringen. —
Unter dem Sondertitel „Die Komposition von Kabale und Liebe"86) hat
K e 1 1 n er 87) die Einheitlichkeit des Stückes erörtert. Aeusserlich ist sie so unangreifbar,
wie nur je bei Schiller. K. verlegt die drei ersten Akte auf einen Tag, den vierten
und fünften Akt auf den nächstfolgenden. Für diese Ansetzung spricht das ganze
Gefüge der Handlung; und nur die eine Stelle „Wir haben gestern den Präsidenten
Warendorf, (Schnell). 1893. 4°. 41 S. — 79) X L. Bellermann, Schillers Dramen (JBL. 1891 IV 10:87): Gyran. 12,
S. 423/4. — 80) X F., H. Landwehr, Dichterische Gestalten in gesch. Treue (JBL. 1893 IVla:5; 9:84): LCB1.
S. 564. — 81) X H. Knispel, Schillers Dramen auf d. Grossherzogl. Hoftheater in Darmstadt. Theatergesch. Rückblick z.
Schiller-Cyklus. Darmstadt, (Zernin). 51 S. M. 0,75. — 82) G. Kettner, Schillerstudien. Progr. Pforta. (Naumburg a.S.,
Sieling.) 4°. 54 S. -- 83) (IV 6:16.) — 84) F. Struok, D. Verbot d. Rauberaufführungen in Stralsund: StralsundZg.
N. 89. — 85) O X F. v- Schiller, The Robbers. Transl. into English by E. S t. P ea r s o n. (= German class. plays N. 9.)
Dresden, Pierson. 1S93. 110 S. M. 1,00. — 86) X J. Minor, D. 2. Aufführung v. Kabale u. Liebe in Frankfurt a. M.:
Enph. 1, S. 608. (Korrigiert d. v. E. Mentzel als „Sonntag, d. 2. Mai 1784" angegebene Datum d. 2. Aufführung in „Montag,
d. 3. Mai". Sonntags wurde in Frankfurt nicht gespielt.) — 87) (= N. 82.) — 88) J. Herzog, D. Prinz y. Asturien.
A. Köster, Schiller. IV 9 : 89-101
im Haus gehabt .... morgen hat der Major den Dienst", nur diese Stelle, auf die
gestützt Bellermann die Handlung über drei Tage verteilt, scheint zu widerstreiten.
Aber selbst diese Worte weiss K. zu verteidigen. Ist somit an der äusseren Kontinuität
der Handlung nichts auszusetzen, so ist dagegen die innere Einheit um so stärker
verletzt. K. weist, wie andere Forscher vor ihm, darauf hin, dass mit dem dritten
Akt eine neue Intrigue beginnt; er erörtert vor allem genauer als seine Vorgänger
die Stellung der Lady im Drama. Die Inkongruenzen sind ja deutlich. K. zerlegt
die beiden Auftritte der Lady in vier Halbscenen und glaubt noch erkennen zu können,
dass von diesen ursprünglich die erste und vierte an einander schlössen und die
Katastrophe der Maitresse bis zu ihrer demütigen Entsagung vorführten, „die Tragödie
eines weiblichen Karl Moor", die vielleicht nach Lessingscher Technik eine Episode
des vierten Aufzuges gebildet hat. Die jetzigen Widersprüche, die mangelhafte Ein-
gliederung der Milfordscenen sind erst ein Resultat der späteren Umarbeitung, bei
der Schiller vielleicht allzu sehr den Forderungen der Mannheimer Bühne und ihres
Intendanten nachgab und aus der Partie der Lady eine grosse Paraderolle für Madame
Rennschüb machte. —
Es gewährt ein lebhaftes Interesse, mit Schillers „Don Carlos" den „Prinzen
von Asturien" von de Enciso zu vergleichen, den Herzog88) für die deutsche Bühne
bearbeitet hat. In manchen Punkten berührt sich dies Drama, das sich, wie neuere
Forschung zeigt, eng an die Geschichte hält, mit dem mittleren der drei Pläne
Schillers. Alles dreht sich um den Konflikt zwischen Vater und Sohn. Im
einzelnen aber den Zusammenhang beider Tragödien nachzuweisen, ist an der Hand
von H.s Werk unmöglich, weil man nicht erkennen kann, ob sich der „Bearbeiter"
stark von Schiller hat beeinflussen lassen. Der „Prinz von Asturien", so wie ihn
H. uns bietet, zeigt in der Scene, in der Carlos seinen Beichtvater fragt, ob die Kirche
für Vatermord Vergebung bieten könne, starke Anklänge an das deutsche Drama.
Aber wir wissen nicht, auf wessen Rechnung sie zu setzen sind.89) —
Einige Blätter mit Notizen über den „Wallen st ein"90-97) haben sich im
Nachlass98) von D. F. Strauss gefunden; sie enthalten Aphorismen, die für den Autor
interessant, für die Interpretation nicht besonders fördernd sind, teils paradox (die
Gestirne, an die Wallenstein glaubt, und von denen schon der Prolog redet, sollen
nur „der poetische Ausdruck für den Drang des Lebens" sein), teils längst widerlegt
(Wallensteins Schwanken, Charakter des Oktavio). Obwohl Strauss sich selbst die Un-
befangenheit nimmt durch ein Spähen nach der Idee und Moral des Stückes, so ent-
hält doch seine Skizze manche knappe anregende Einzelbemerkung: Wallenstein wird
als eine Mischung von Macbeth und Hamlet aufgefasst, von Ehrgeiz und Bedenklich-
keit; die Gräfin Terzky ist dagegen das ganz, was er nur halb ist, und zeigt sich
ihm deshalb in der grossen Ueberredungsscene weit überlegen. Auffällig, wenn nicht
gar auf Irrtum beruhend, ist die Mitteilung, Strauss habe in den dreissiger Jahren in
Berlin den Wallenstein so abgeteilt gesehen, dass noch der ganze jetzige erste Akt
von „Wallensteins Tod" zu den „Piccolomini" gehörte. Kann das noch Ifflandsche
Tradition sein ? — An Einzelbemerkungen zu dem Gedicht ist nur eine der Miscellen
zu verzeichnen, wie sie Sprenger99) jährlich dutzendweise in die Welt schickt: in
„Wallensteins Lager" V. 856 seien die Worte „unmittelbarer und freyer" attributive,
nicht substantivierte Adjektive und daher nicht mit grossen Anfangsbuchstaben zu
schreiben. — Zur Vor- und Nachgeschichte des Dramas haben wir je einen Beitrag.
Von den Wallensteindramen, die Vetter100) mustert und die an anderer Stelle zu
besprechen sind, hat nur eines, das Stück von Nicolaus Vernulaeus, ein paar An-
klänge an Schillers Tragödie. Ob aber nun diese üebereinstimmungen zufällig sind,
oder ob wirklich Schiller seinen Vorgänger benutzt hat, bleibt fraglich; V. hat weder
das eine noch das andere beweisen können. — Unter den Nachahmungen des
„WTallenstein" hat kurze Zeit das Stück von Benjamin Constant von sich reden ge-
macht; aber wenn auch in Frankreich die erste und einzige Auflage schnell ver-
griffen war und gute Freunde deshalb von einem Erfolg des Dichtere redeten, in
Deutschland kann man doch heute wie vor neunzig Jahren nur lächeln über das
kümmerliche Opus. Dennoch ist uns eine Abhandlung wie die von Glauser101)
Tranersp. in 3 Aufz. d. Don Ximenes de Enciso. Für d. dtsch. Bühne bearb. Wien, Frick. VUI, 118 S. ML 2,80. |[M. Kal-
beck: NWienTBl. N. 44; G. F r u b e r g e r : WienTBl. N. 168; RPL. 1, S. 32.]| - 89) X 0. P f u 1 f , D. Gesch. e. unglückl.
Fürstensohnes: StML. 47, S. 136-61, 294-324, 383-413, 544-70. (Gesch. d. Don Carlos mit Benutzung v. Büdingers [JBL. 1891
IV 10:73] Publikation.) - 90) O X *■ ▼• Schiller, Wallenstein. Her. t. W. H. Carruth. New-York, Holt* Co. 79, 220 S.
Doli. 1,00. — 91) X id.. Wallenstein. Trilogie avec notices et notes par L. Schmitt. 5. ed. ( = Cours sup.) Paris, Delagrave.
VUI, 71 S. - 92) X K. Breul, Schillers „Wallenstein": ModLanguages. 1, S. 12/4, 29-30. (E. Bibliogr., d. d. dtsch. Forscher
nichts Neues bietet.) — 93) X '■ Riedl, Schillers Wallenstein als trag. Charakter. Progr. Laibach. 64 S. — 94) X
M.Miller, Schillers Wallenstein. Trier, Stephanus. 1893. 292 S. M. 1,20. | [A.Jonas : ZGymn. 28,8. 370, l.j; — 95) X (m * S*J-) —
96) X W- Henke, Litt. Miscellen: AZgB. N. 242. ^Schillers Thekla: e. Kettung.) - 97) X <>• Hellinghaus, J. Imel-
mann, Herder u. Schillers Wallenstein (JBL. 1893 IV 7:8; 9: 92): Gymn. 12, S. 542. — 98) Ungedrucktes aus d. Nachlasse
v. D. F. Strauss: DR. 2, S. 103-10. - 99) R. Sprenger, Zu Schillers „Wallensteins Lager*: ZDU. 8, S. 125. - 100)
(I 11 :24; III 4:8.) — 101) C. Glauser, Le Wallenstein de Benjamin Constant (mit e. Tab.). Progr. städt. höh. Uandelssch.
IV 9:io2-no A. Köster, Schiller.
willkommen, weil sie einmal in geschickter Darstellung- und auch mit Hülfe zweier
Tabellen den Grad der Abhängigkeit des „Wallstein" vom „Wallenstein" feststellt.
Constant wählte gerade dieses Stück, weil er es für die nationalste deutsche Tragödie
hielt und weil er, wie Schiller selbst, gewisse Analogien zwischen dem Friedländer
und Napoleon fand. Die Vorsätze für seine Umdichtung, die er in der Vorrede aus-
sprach, sind gewiss zu billigen; die dramatische Kraft Constants aber war gering.
Er hatte die ausgesprochene Absicht, soweit es nötig war, das deutsche Stück der
französischen Bühne anzupassen, um es in Paris spielen lassen zu können. Blosses
Uebersetzen war dabei unmöglich. Da er kein Genie war, das neue Bahnen finden
konnte, so- rettete er von Weimarer Eindrücken, was ihm effektvoll schien, kürzte die
wohlberechnete Schillersche Scenenfolge, strich das Personal auf fünf Haupt- und
sechs Nebenpersonen zusammen (wobei Oktavio und Max zu Gallas und Alfred
wurden) und folgte im übrigen den klassischen französischen Bühnentraditionen,
indem er Passionen an Stelle wirklicher Charaktere setzte, Einheit von Ort und Zeit
durchführte und daher die Handlung lächerlich überstürzte. Ganz wegfallen musste
Wallensteins Lager, das Bankett bei Terzky und alles, was mit Wallensteins astro-
logischem Glauben zusammenhängt. Von dem Lokalkolorit, um das sich Schiller so
sehr gemüht hat, ist bei Constant nichts zu spüren. Nur hie und da hat er passende
Schillersche Verse als Flicken auf seinen löcherigen Bettlermantel gesetzt. Zwei
Irrtümer in der Abhandlung G.s wollen wir dem Nichtdeutschen verzeihen: seine
Ansicht, dass die echte Tragödie nur in der Gunst des Hofes blühen könne, und dass
Schillers Wallenstein (S. 9) im J. 1615 spiele. —
Die Dramen Schillers, deren Reihe mit „Maria Stuart-"102"108) beginnt,
unterwirft Gaudig109J einer eingehenden Betrachtung. Sein unbefangenes Urteil ist
erfreulich; durch Gustav Frey tags „Technik des Dramas" mit ihrem Schematismus
oder auch durch die Vergleichung mit Shakespeare ist früher das Urteil über
Schillers Dramen oft ungünstig beeinflusst worden. Diese Gefahr hat G. glücklich
vermieden. Jedem Drama ist eine besondere Abhandlung gewidmet, die mit kleinen
Variationen stets die Abschnitte enthält: Geschichte der Abfassung; der Dichter und
sein Stoff; die geschichtlichen Voraussetzungen und Quellen; der Gang der Handlung.
G. kennt alles Wichtige aus der einschlägigen Litteratur und hat es frei verarbeitet;
besonders Bellermann hat ihm gute Dienste geleistet. Dabei bleibt nur zu bedauern,
dass G. zu viel des Guten mitteilt. Das Buch ist unnötig aufgeschwellt. Auch ist
es immer ein missliches Unternehmen, zugleich für die Schule und für das Haus zu
schreiben; ich glaube wenigstens nicht, dass der Hausvater, der G.s Buch in die Hand
nehmen soll, sich gern auf jeder Seite als „Schüler" behandeln lässt. Am wenigsten
gelungen ist die Analyse der Stücke. Scene für Scene wird betrachtet, Aufbau und
Bedeutung für den Fortschritt der Handlung festgestellt; dazwischen aber mischt G.
Einzelerläuterungen ein, und sogar Nachträge zu den historischen Voraussetzungen.
Zwar suchen dann Ueberblicke über die einzelnen Akte und schliesslich ein Rück-
blick über das ganze Stück in die unübersichtlich gewordene Masse wieder Klarheit
zu bringen. Aber es ist zu spät; das Ganze bleibt verworren. Man kann eben eine
Analyse, die wirklich diesen Namen beanspruchen darf und die also des Dichters
Absichten und seine Technik, sowie die Beziehung aller Teile des Kunstwerks zum
Ganzen erklärt, nicht sorgfältig genug von allen fremden Bestandteilen freihalten.
Eine Analyse, die wortreicher ist als die Dichtung selbst, trägt zum Verständnis kaum
noch bei. Nimmt man sich jedoch die Mühe, die Darlegungen G.s für eigenen Gebrauch
wieder zum Bude zu konzentrieren, so bietet das Buch manche Belehrung. Zum
Nachschlagebuch eignet es sich nicht, weil ein Register fehlt. — Ueber den früher
so gern durch kurzsichtige Erklärer verbreiteten Irrtum, der dann von überempfind-
samen Bühnenkünstlerinnen noch verstärkt wurde, als habe Schiller in seiner Maria
Stuart trotz dem Wortlaut der Dichtung eine unschuldig Leidende darstellen wollen,
über diesen Irrtum sind wir wohl endgültig hinaus. Die Quintessenz der Motivierung
des Dramas liegt in den Worten „Gott würdigt mich, durch diesen unverdienten Tod
die frühe schwere Blutschuld abzubüssen". Und wenn der Dichter der Geschichte
auch Zugeständnisse hat machen müssen, so erkennen doch die Historiker, besonders
seit den Bresslauschen Untersuchungen über die Kassettenbriefe, die sichere geschicht-
liche Divination Schillers mehr und mehr an. Sehr verständnisvoll spricht sich
darüber Michael110) in einer populären Studie aus. —
Aussig. 56 S. — 102) O X A. Bhoades. F. v. Schiller, Maria Stuart. Boston, Heath & Co. 24, 232 S. Doli. 0,65. — 103) O X
F. v. Schiller, Mary Stuart. (= Mod. translations.) London, Bell. Sh. 1. — 104) X id , Marie Stuart. (= Bibl. litt, des
ocoles et des familles.) Paris, Gautier. 36 S. Fr. 0,10. (Prosa-Ü9bers. d. wichtigsten Scenen d. Dramas.) — 105) X W.,
Marie Stuart. Extr, relies par des analyses. Avec notes et notices par L. Schmitt. 5. ed. (= Class. allem. Les auteurs
du progr.) Paris, Delagrare. V, 66 S. — 106) X ia * Marie Stuart. Tragödie Texte allem, prec. d'une analyse litt, de
Mme. de Stael et publitt avec des notes explicatives par Th. Fix. Nouv. ed. (= Class. allem.) Paris, Hachette. X, 212 S.
Fr. 1,50. — 107) X G- Storm, Maria Stuart. Uebers. v. P. Witt mann. Mönchen. Mehrlich. 264 S. Mit Abbild, u. Taf.
M. 5,00. |[H. Funck: LRs. 30, S. 90/1; K.: StML. 46, S. 319-20; H. S.: Ges. S. 969; LCB1. S. 1135.J] — 108) X J- Engel,
M. Philippson, Hist. du regne de Maria Stuart (JBL. 1893 1Y 9: 103): MHL. 22, S. 309-11. — 109) (I 6:40.) — HO) W.
A. Köster, Schiller. IV 9 i 111-140
Indem er Schillers „Jungfrau von Orleans"111-149) gegen die Angriffe
der „unverständigen Kritik" in Schutz nimmt, hat Baumgart150) doch wohl nicht
den Kern der Vorwürfe, die gegen das Drama erhoben werden, getroffen, trotz seines
diktatorischen Tons und seiner vielen Unterstreichungen. Nicht die Berechtigung'
des Wunders in der Kunst überhaupt oder in dieser Tragödie im speciellen gilt es
nachzuweisen. Die steht über allem Zweifel. Die Frage ist vielmehr, ob Schiller die
rechten künstlerischen Mittel zu Gebote standen, um in diesem Falle das Wunder
überzeugend zu machen. Und da sage ich mit vielen „Nein". Des Dichters Absicht
ist klar und herrlich; aber das visionäre Mädchen leibhaft in Fleisch und Blut hin-
zustellen, ist ihm nun einmal nicht gelungen. Diese Jungfrau ergreift nur manch-
mal unbewusst das Rechte, oft handelt sie ganz bewusst nach Motiven; ihre Entschlüsse
sind abwechselnd durch Hellsehen und durch begriffliches Denken veranlasst. Sie
weiss ihre eigenen Gefühle so klar zu analysieren, dass es schwer hält, an ihren
blinden Gehorsam zu glauben. Wo nun vollends B. an das Deuten der tragischen
Handlung kommt, da kann man ihm unmöglich folgen. Ist das etwa die Aufgabe
des Interpreten einer Dichtung-, dass er das bunte phantasievolle Bild verflüchtigt zu
einer windigen „Idee"? Von dem ganzen reichen Schicksal der Jungfrau bleibt bei
B. nichts übrig, als: es ist der typische Entwicklungsgang eines Idealisten. — Da ist
Valentin151) dem Dichter doch viel mehr gerecht geworden; er operiert doch
wenigstens stets mit jener ganzen Welt des schönen Scheins, die Schiller die Haupt-
sache ist; ihm sind die Menschen doch eben auch Menschen, nicht blosse Symbole.
Aber auch er ist auf einem Wege, den viele schon zu ihrem Schaden betreten haben.
Gewiss hat V. darin recht, dass die „Jungfrau von Orleans" und der „Kampf mit dem
Drachen" sich in einem Problem berühren, nämlich in dem der Ueberhebung und
Selbstgerechtigkeit des Christen und seiner Läuterung zum freiwilligen Gehorsam,
zur Demut. Aber das ist doch in diesem Drama nur ein Motiv neben anderen — , nicht
das einzige; ja, schon indem man es zum Hauptproblem erhebt, muss man hier
einen Teil der Handlung über Gebühr in den Vordergrund schieben, dort einen
anderen gewaltsam zurückdrängen. Man sieht an V.s sonst so hübschem Vortrag
wieder, wie gefährlich es ist, ein grosses Kunstwerk auf eine einzige Formel bringen
zu wollen. — Eine kleine Notiz möge bei diesem Drama den Schluss machen:
Johannas Abschied von der Heimat am Ende des Vorspiels, den Düntzer in seinen
Erläuterungen mit dem Abschied des Philoktet bei Sophokles zusammengestellt hat,
möchte Eng ler t152) lieber vergleichen mit der ersten Idylle des Theokrit: Scheide-
gruss des Hirten Daphnis. —
Michael, D. Schuld Maria Stuarts: N&S. 71, S. 92-108. — 111) X *• ▼• Schiller, D. Jungfrau v. Orleans. Mit 10 Illustr.
(= m. Volksausg. Mass. Meisterwerke.) B., Litt.-Ver. „Minerva". 60 S. M. 0,50. — 112) X •*■« Jeanne d'Arc. Texte all.,
publie avec un argument analytique, une notice litt., des eclaircisseraents et des notes par Edm. Bailly. 5 ed. (= Class.
allemands ) Paris, Uachette. LH, 276 S. Fr. 2,50. — 113) X id., Jeanne d;Arc. Ed. class. du texte alleraand avec introd. et
comment. par E. Henry. Paris, Belin. XXXIII, 333 S. — 114) X «••» Jeanne d'Arc. Ed. class., prec. d'une notice litt, par
M. E. Hallberg. (= Coli, des aut. all. prescrits pour les classes et les examens du baccalaureat.) Paris, Delalain. XX,
196 S. Fr. 1,25. — 115) X M-< Joanne d'Arc. Extr. relies par des analyses. Avec notes et notices par L. Schmitt. 5. ed.
(:= Cours sup. de langae allemande. Les auteurs du progr.) Paris, Delagrave. V, 57 S. - 116) X >^., Jeanne d'Arc.
Trad. franc. par Ad. Regnier. Nouv. ed. Paris, Hichette. VIII, 179 S. Fr. 3,00. — 117) O X id- The Maid of Orleans.
(= Mod. translations.) London, Bell. Sh. 1. - 118) X A.. Cfhuquet], Ueber N. 113: RCr. 37, S. 389. (D. reichhaltige —
vielleicht zu reichhaltige — Komm, wird mit Ausnahme einiger gewagter Etymologien sehr gerühmt.) — 119) X E. Elster,
F. Ullsperger, d. schwarze Ritter (JBL. 1890 IV 12:129): ADA. 20, S. 204/5. - 120) X Les pofctes de Jeanne d'Arc. (= Nouv.
bibl. pop. N. 404.) Paris, Gautier. 36 S. Fr. 0,10. — 121) X '• Barbier, Jeanne d'Arc. Drame en cinq actes, en vers,
avec choeurs. Ed. spec. pour la jeunesse. Avec une lettre de Jules Barbier. Musique de Ch. Gounod. Dauxierae mille.
Paris, Bricon. 108 S. (Diese Bearbeit. für d. Jugend rührt v. H. Darbelit, Priester d. Diöcese v. Bayonne, her.)— 122) X
id., Jeanne d'Arc. Drame-opera et 5 actes et en vers. Musique de Ch. Gounod. Theme et Biographie. St.-Etienne, Theolier.
16 S. — 123) X E. Magnin, A Jeanne d'Arc liberatrice, ode symphonique. Paroles de Vie et J. Barbier. Orleans, Michau.
16 S. — 124) X Abbe Rivet, Ode symphonique ä Jeanne d'Arc, liberatrice, par E. Magnin, paroles de Vie et Barbier,
executee dans la cathedrale d'Orleans. Les 7 et 8 raai 1894. Orleans, Herlnison. 25 S. — 125) X k. Gaillard,
Jeanne d'Arc, drame hist. en 7 actes, d'apres les pieces de Barbier, Baju, Chauffour et les histoires de Jeanne. Grovy, Roux.
60 S. — 126) X Jehan Gr'eech, Jeanne d'Arc. Drame en cinq actes. Avec choeurs et Couplets. Paris, Bricon. 95 S.
— 127) X Th. d'Orleans, Jeanne d'Arc. Drame. Vanves, Imp. franciscaine missionaire. 62 S. — 128) X V.\. Delaporte,
La revanche de Jeanne d'Arc (17 Juin 1434), drame hist. en qnatre actes, en vers. 3. ed. Paris, Retaux. IX, 121 S. —
129) X P- & S., Le Martyre de la venerable Jeanne d'Arc, brülee par les Anglais en 1431, recit en vers, suivi de notes et
documents se rapportant ä ce grand drame hist. Carcassonne, Bonafous. 36 S. . — 130) X A.. Rochette, La vocation de
Jeanne d'Arc (vers). (=: Extr. de l'Univ. cath.) Lille, Vitte. 8 S. - 131 »X Touchet, Panegyrique de Jeanne d'Arc prononce
dans la metropole de Besancon le 8 mai 1894. Besancon, Jacquin. 20 S. — 132) X E. Legros, Panegyrique de la venerable
Jeanne d'Arc, prononce ä l'occasion du pelerinage annuel et de l'inauguration du groupe monumental ä la Basilique de
Domremy le 30 mai 1894. Saint-Die, Humbert. 21 S. — 133) X T. Delmont, Panegyrique de Jeanne d'Arc, preche le
ö juin 1894, dans l'eglise Saint-Pierre de Montbrison. Montbrison, Brassert. 50 S. — 134) X Geay, Dien dans Jeanne
d'Arc. Panegyrique de Jeanne d'Arc, prononce le 30. mai 1894, dans la cathedrale Saint-Jean. Paris, Selbstverl. 29 S. —
135) X J- Lemann, Jeanne d'Arc conservatrice du coeur de la France, panegyrique prononce dans la cathedrale d'Aix, le
8 mai 1894. Paris, Lecoffre. 30 S. — 136) X Feuillette, Panegyrique de Jeanne d'Arc prononce ä Notre-Dame pour
l'introd. de sa cause de beatification, le 27 avril 1894. Paris, Quelquejeu. 67 S. (Aus dieser Rede sind auch Auszüge er-
schienen in Paris bei Le Boucher.) — 137) X Raynal, Panegyrique de Jeanne d'Arc, prononce le 8 mai 1884, en l'eglise
Notre-Dame-des-Jacobins, ä Agen. Agen, Laniy. 18 S. — 138) X Gaffre, Jeanne d'Arc, discours patriot, prononce ä
l'hippodrome de Lille le 29 avril 1894. Lille, Berges. 47 S. — 139) X F. Descostes, Jeanne d'Arc et la jeunesse franc.,
discours prononce le 10 juin 1894. Chambery. Imp. savoisienne. 29 S. — 140) X Brettes, La France du XX. siecle et
Jeanne* d'Arc, discours prononce dans la basilique du Sacre-Coeur de Montmartre, le 8 mai 1894. Paris, Schneider. 47 S.
IV 9 •. ui-166 A. Köster, Schiller.
An die Anregung zur „Braut von Messina" t5315,7), die Schiller nach
Kettners158) Meinung aus Beaumont und Fletchers Drama „A King and no King"
gewonnen haben soll, vermag- ich nicht zu glauben. Gekannt freilich hat Schiller
das Stück, da sein Freund Huber es 1785 unter dem Titel „Ethelwolf oder der König
kein König" bearbeitet hatte. —
Unter den Dramen Schillers bleibt trotz aller Ausstellungen der Kritik
„Wilhelm Teil"159"164) doch der Liebling des Volkes, besonders auch in der
Schweiz, wo jetzt genau an der Stelle, an der der sagenhafte Apfelschuss statt-
gefunden haben soll, das Telldenkmal 165) von R. Kissling errichtet worden ist, neben
dem Turm, der an Stelle der ehemaligen Linde auf dem Altdorfer Rathausplatz steht.
Als eine Gestalt voll männlichen Ernstes blickt dieser Teil von einem Felsen herab,
an dessen Seitenflächen auf Bronzereliefs der Apfelschuss, der Sprung aus dem
Herrenschiff, der Tod Gesslers und Teils Ende dargestellt sind. — Sehr lehrreich ist
ein Aufsatz von Roethe166) für jeden, der nicht falsche Folgerungen daraus zieht
und der nicht ängstlich jeden Nachweis von Anregungen und Entlehnungen flieht,
weil er ihn für identisch hält mit Zweifeln an des Dichters Originalität. R. geht
davon aus, dass Schillers „Teil" merkwürdig viele epische und didaktische Elemente
enthalte, und dass diese auffallende Thatsache noch nicht hinreichend erklärt sei. Und
um das Resultat vorauszunehmen, so leitet R. die Erscheinung her aus der starken
Benutzung schweizerischer Telldramen, die Schiller mit einer gewissen Ehrfurcht be-
trachtet und deren didaktische Züge er wohl für echte Volkstümlichkeit angesehen
hat. Zugleich erklärt sich durch diesen Nachweis auch manche Ungeschicklichkeit
im Aufbau von Schillers Drama, vor allem die Rivalität zweier gleich wichtiger
Haupthandlungen. Denn auch das ist ältere Tradition : das Telldrama einzurahmen
durch die Geschichte der Eidgenossenschaft. Die Schweizerspiele, die R. mustert,
haben nicht alle gleich stark auf Schiller gewirkt. Das alte Urner Spiel hat er sicher,
und zwar schon beim Beginn seiner Arbeit gekannt, denn die Weimarer Bibliothek
besass es in einer Ausgabe von 1698; ob ihm auch das Ruefsche Spiel, das in
manchen Partien nur eine Erneuerung jenes älteren ist, zugänglich war, bleibt frag-
lich. Jedenfalls steht von diesen Stücken des 16. Jh. das Urner Spiel Schiller näher
als das Ruefsche. Die Anregungen aus dieser Sphäre sind: der Aufbau der Melchthal-
scene, der lange Geschichtsvortrag Stauffachers und die Wiederholung des Eides
durch den Chor auf dem Rütli, dann vor allem die Konzentration der Apfelschuss-
scene, und endlich manche charakteristische Wendungen des Dialogs, darunter die
letzten Drohungen Gesslers. Die der Zeit nach folgenden französischen Tragödien
des 18. Jh., den „Grisler" von Samuel Henzi und dessen Umgestaltung, sowie den
„Guillaume Teil" von Lemierre scheint Schiller nicht gekannt zu haben. Alle Ueber-
einstimmungen werden durch Mittelspersonen oder durch Zufall veranlasst sein. Der
erste Dramatiker, der Teils That nicht mehr unbestritten als rühmlich feiert, sondern
sie bereits gegen Zweifler rechtfertigen muss, ist Bodmer. Seine „Schweizerischen
Schauspiele" und seinen „Hass der Tyranney" hat Schiller gelesen; beweisend ist
der von Bodmer eingeführte Name Hedwig für Teils Frau. Aber auch der Dialog
bietet manche Anklänge; die grundlegenden Charakterzüge zu einem Rudenz erkennt
man bei Bodmer; vor allem teilen verwandte Scenen bei Bodmer und Schiller die
gleiche Stimmung, leider auch bisweilen die gleiche Lehrhaftigkeit. J. J. Zimmer-
manns „Wilhelm Teil" von 1777 ist ohne Belang. Dagegen waren Schiller die beiden
— 141) X H. Eony, Jeanne d'Arc, Discours prononce ä la distribution des prix de l'ecole libre, ä Södan (2 aoüt 1894).
Sedan, Laroche. 16 S. — 142) X Abb6 Pihan, Jeanne d'Arc, imitatrice de Notre-Seigneur Jesus-Christ dans sa vie sainte
et sa passion glorieuse, discours prononce le 30 mai 1894 dans l'eglise Saint-Denis de la Chapelle ä Paris. Paris, Selbstverl.
30 S. — 143) X Vallee, Jeanne d'Arc. Discours prononce dans l'eglise du Crotoy, le 12 aoüt 1894. Paris, Belin. 74 S.
— 144) X M. Sepet, Ouvrages recents sur Jeanne d'Arc: Polybibl1'. 70, S. 403-18. (48 Werke werden mit kurzen Bemerk,
bedacht.) — 145) X H. Walion, Jeanne d'Arc. Ed. abreg. de l'ouvrage couronne en 1860 par l'Acad. franc. 7. ed.
(= Biographies nat. Litt, pop.) Paris, Hachette. XI, 300 S. Fr. 1,00. — 146) X Homburg. D. Jungfrau v. Orleans:
B61. 15, S. 325-47. (D. kleine Biogr. ist v. Schillers Drama stark beeinflusst.) - 147) X F- p Huber, D. Heiligsprechung
d. Jungfrau v. Orleans: VossZgB. N. 7. — 148) X Ch- Thomassin, D. heilige Jeanne d'Arc: FrB. 5, S. 573/7. — 149) X
Quis?, Jeanne d'Arc e. Heilige? Skept. Stud- gelegentl. d. Kanonisationsprozesses. München, Poessl. VIII, 147 S. M. 3,00.
|[B. Mahrenholtz: MHL 22, S. 177-80; P. Hille: Sphinx 18, S. 78.]| — 150) H. Baumgart, Schillers Jungfrau y. Or-
leans: Euph. 1, S. 110-24. — 151) V. Valentin, Z. Feier v. Schillers Geburtst. D. künstler. Hauptproblem in Schillers
„Jungfrau t. Orleans*: BFDH. 10, S. 19*-38*. — 152) A. Englert, Zu Schillers „Jungfrau v. Orleans", Prol., 4. Auftr.:
ZDTJ. 8, S. 703. - 153) X F- v- Schiller, D. Braut v. Messina. E. Trauersp. mit Chören. (Miniaturansg ) L, Reclam. 16°.
89 S. M. 0,60. — 154) X 'd., D'e Braut v. Messina. (= 111. Volksausg. v. klass. Meisterwerken.) B., Litt. Ver „Minerva". 48 S.
M. 0,30. — 155) X (! 6 : Bä.) — 156) X (! 6 : 44- ) (Wünscht, dass durch e. vergleich. Betracht, d. Motive verwandter
Dichtungen d. dtsch. Unterr. in d. Schule vertieft werde.) — 157) X A. Köster, J. B. Gerlinger, D. griech. Elemente in
Schillers Braut v. Messina (JBL. 1893 IV 9:127)- DLZ. S. 436. — 158) (= N. 82.) — 159) X (I 6:81.) — 160) X P-
v. Schiller, Wilhelm Teil. Schausp. Mit 12 Illustr. (= 111. Volksausg. klass. Meisterwerke.) B., Litt.-Ver. „Minerva". 54 S.
M. 0,50. — 161) X id., Guillaume Teil. Avec notices et notes par L. Schmitt. 6. ed. (= Cours sup. de langue allemande.
Les auteurs du programme.) Paris, Delagrave. X, 69 S. •- 162) X >d-, Guillaume Teil. Texte all., public« avec une introd.,
une analyse litt, et des notes grarara., bist, et geograph. par Th. Fix. Paris, Hachette. XXIV, 239 S. Fr. 1,50. —
163) O X 'd, William Teil, ( = Mod. translations.) London, Bell. Sh. 1. - 164) X E. Elster, K. Breul, Wilhelm Teil (JBL. 1890
IV 12:133): ADA. 20, S. 91/2. - 165) Telldenkmal in Altdorf: Gartenlaube S. 611/2. — 166) G. Boethe, D. dramat. Quellen
A. Kost er, Schiller. IV 9 = 107-174
Teildramen Ambühls vertraut, sowohl der matte „Wilhem Teil" von 1792, den bereits
J. Keller als Quelle erwiesen hatte, als auch der ältere zerfahrene „Schweizerbund"
von 1779. Bei diesem Stück ist schon das Personen Verzeichnis beweisend, mehr aber
noch die Verteilung- des Stoffes auf die fünf Akte und einzelne Stellen des Dialogs.
Ein Schlusswort R.s wägt sorgsam Nutzen und Schaden dieser dramatischen Quellen
gegen einander ab: der echten volkstümlichen Tradition dankt Schiller manche grosse
Wirkung, dagegen viel Uebles auch jener didaktischen Tendenz, die er fälschlich für
Volkstümlichkeit hielt. An Einzelheiten aus dem anregenden Aufsatz hebe ich noch
hervor, dass R. Meissners „Johann von Schwaben" für die Parricidascene stärker
heranzieht, als es Brahm (ZDA. 27, S. 299 ff.) gethan. Die merkwürdigen Ueberein-
stimmungen zwischen Veit Weber und Schiller beruhen vielleicht darauf, dass Weber
gerüchtweise von Schillers „Teil" gehört hatte. Endlich stellt R. (S. 237/9) zur Er-
wägung, ob nicht Fr. Schlegels „Alarkos" auf Schiller sowohl wie auf Goethe ein-
gewirkt habe: auf den einen, als sich (ohne Zweifel unter Einfluss der jungen Romantik)
in seiner Seele der Teil so stark individualistisch ausbildete, auf den anderen, als er
Fausts Fluch (V. 1583 — 1606) dichtete. — Zwei unbedeutende Kleinigkeiten sind noch
anzumerken. Die Frage nach der Bedeutung Parricidas, die bei jeder Lektüre des
„Teil" sich wieder einstellt, beantwortet Sc ho epke167) dahin, dass Teil kein frevler
Meuchelmörder sei, sondern in Notwehr handle, und dass die Erscheinung des Herzogs
von Schwaben nicht etwa eine unsittliche That beschönigen, sondern vielmehr jeden,
der etwa geneigt wäre, sich über die sittliche Berechtigung der That Teils zu täuschen,
von dieser Täuschung befreien solle. Sicher lag dergleichen in Schillers Absicht;
aber das Grauenhafte des Zwanges zu Teils Notwehr bleibt doch bestehen. — Gegen
die Hoffmannsche Erklärung des Verses 1990 im „Teil" (JBL. 1892 IV 9 : 136) wendet
sich nun auch E. Meyer168); er setzt die Worte „Du rettest [ja] alle" = „Du bist
ja der Retter aller Bedrängten" und sieht darin eine Reminiscenz an Luc. 23, 35ff. —
Das Interesse für die Bühnenbearbeitungen169"170) und den Nachlass
Schillers ist noch rege. Zur Herausgabe des Nachlasses hat sich, wie in den früheren
Jahrgängen der JBL. gezeigt ist, Kettner170a) mit grosser Sorgfalt vorbereitet. Es
konnte daher den Mitgliedern der Goethegesellschaft kaum ein willkommneres
Jahresgeschenk zu teil werden als seine Demetriusausgabe. Alles, was von dieser
gewaltigen Dichtung an Vorstudien, Entwürfen und Fragmenten erhalten ist, hat K.
vereinigt, gesichtet und mit erläuternden Beigaben, Einleitung und Lesarten, ver-
sehen. So sei ihm denn für seine Mühe und Entsagung hier der freudigste Dank
gesagt. Wir haben in dieser Ausgabe, was wir brauchen; aber wir werden sie nicht
als toten Besitz hinnehmen, sondern immer neue Erkenntnis von des Dichters Eigenart
aus ihr erarbeiten. Wie den Weinberg in der Fabel wollen wir die Demetriusausgabe
ansehen; „Grabt nur", die Mahnung ergeht an uns alle. Bei solcher Arbeit wird
dann freilich an K.s Leistung manches zu bessern sein. Darüber wird sich niemand
wundern, der die Schwierigkeiten einer solchen Edition kennt. Aber hier ist nicht
der Ort dafür; ich persönlich werde im ADA. Gelegenheit haben, Verbesserung's-
vorschläge und Ansichten über des Dichters Arbeitsweise vorzutragen. Hier genüge
es, anzuerkennen, dass K. in der Einleitung die Quellenfrage, wenn nicht ans Ziel
gebracht, so doch wesentlich gefördert hat, und dass er bei dem Bemühen, das
Schillersche Drama im Bilde erstehen zu lassen, die rechte Mitte hält zwischen allzu
kühnem Schwung der Phantasie und allzu ängstlicher Reserve. Bei dem Abdruck
der Fragmente selbst macht K. ohne jede Voreingenommenheit den Weg, den
der Poet gegangen, rückwärts, d. h. er stellt an die Spitze die vollendeten
Bruchstücke des Dramas, lässt dann die Skizzen und Entwürfe, die ihnen und
den unvollendeten Teilen zur Grundlage dienten, folgen und schliesst die Reihe
mit dem, was für Schiller der Ausgang war, mit den Vorstudien und Kollektaneen.
— Zu welchem Zweck über den „Demetrius" 171"173) Stein174) eine gar
so lange Abhandlung geschrieben hat, ist nicht recht klar. Mindestens der
erste Teil, das Programm von 1891, könnte gänzlich fehlen; denn es bringt nur
Auszüge aus Schillers Nachlass nach Goedeke. Anzuerkennen ist dabei, dass
St. kräftiger als es sonst geschieht, betont, die Entdeckung von des Demetrius
unedler Herkunft müsse dem ersten Zusammentreffen mit Marfa vorangehen. Die
im zweiten Teil aneinandergereihten Inhaltsangaben der sämtlichen Fortsetzungen
des Schillerschen Fragmentes können vielleicht denen, die diese Dramen selbst nicht
d. Schillerschen „Teil". (= I 2 : 50, S. 224-76.) — 167) 0. Schoepke, Zn Schillers „Wilhelm Teil": ZDÜ. 8, S. 263 5.
(Vgl. ib. S. 704/5.) - 168) E. Meyer, Zu Schillers Teil III, 3: ib. S. 135. — 169) X E. Elster, A. Köster, Schiller als
Dramaturg (JBL. 1891 IV 10: 117): ADA. 20, S. 174-82. — 170) X F.* Schiller, Oncle et ne?eu. (D.Neffe als Onkel.) Publ.et annot.par
Alex. Pey. 4. ed. Paris, Delagrave. 68 8. — 170a) G.Kettner, Schillers Demetrius. Nach d. Hss. d. Goethe u. Schiller- Arch. her.
( = Schriftend.Goethe-Ges. Bd. 9.) Weimar, Goetheges. (Boehlau). LXX, 312 S. (Nur für Mitgl. d. Ges.) — 171) X J- Herzfelder,
Schillers Demetrius: MünchNN. N. 560. (Enth. manche grobe Fehler.) — 172) XR- Franz, Gesichtspunkte U.Materialien z. Behandl. t.
Schillers Demetrius (Schluss). (JBL. 1893 IX 9 : 144): Gymn. 12, S. 29-30. - 173) O X X (I H • 23.) — 174) A. Stein, Schillers
Demetriusfragment u. seine Fortsetz. Progr. d. Gewerbeschule. Mülhausen (Bader). 1891 u. 1894. 4°. 23, 26 S. i[L. Hölscher;
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V. (4)32
IV 9 : 175-194 A. Köster, Schiller.
kennen, einigen Nutzen gewähren. — Der „Polizey" 175) hat Kettner176) eine hübsche
Studie gewidmet, die vieles an Stettenheims Arbeit vertieft. K. verfolgt zuerst
Schillers Bekanntschaft mit moderner französischer Belletristik, sein Interesse für
Saintfoix, für Mercier, für Paris. Wolzogen, W. von Humboldt, bezw. Campe, und
Friedrich Schulz bringen dem Dichter fernere Nachrichten über französische Zustände;
die Zeiten, als Schiller den Moniteur las und über den Prozess des Königs ein
Memoire schreiben wollte, ziehen vorüber; die spätere Lektüre wird schnell gemustert.
So stand denn das grossstädtische Leben Schiller klar vor der Seele. Welche Lockung
nun, dieses Leben im Bilde festzuhalten ! Auf diesem Wege kommt K. zu der Erklärung,
wie gerade Schiller, der doch in den Xenien darüber gespottet hatte, wie das bürger-
liche Drama mit Pranger und Galgen arbeitete, sich entschloss, selbst ein Polizeistück
zu entwerfen, aber eins, das in Paris spielte, wo Schiller der Polizei eine Rolle
zuerteilen wollte, wie sie in den Ritterromanen der achtziger Jahren die heilige
Vehme, die unheimliche furchtbare Macht im Verborgenen, gehabt hatte. Dazu gab
der Pitavai neue Anregung. Aber künstlerisch reif wurde das alles erst durch die
Beschäftigung mit der antiken Tragödie. Neben dem Stofflichen der Polizei-Intrigue
hat gerade ein formales Interesse Schiller gereizt die Technik des Oedipusdramas, die
Enthüllung eines alten Verbrechens. Durch solche künstlerische Form konnte
der anfangs ziemlich niedrige Stoff in die höhere Sphäre reiner Tragik gehoben
werden. Zugleich aber trat es Schiller früh schon ins Bewusstsein, dass, wenn er
diesem Tragödienstoff das Grausen und alle Grösse nehme, gar leicht hier die Welt
der Komödie sich aufthue. Und so sind neben einander jene zwei Entwürfe ent-
standen, die K. kurz skizziert, indem er damit gleich einen Kommentar zu seiner
inzwischen erschienenen Ausgabe der Fragmente giebt. Gescheitert ist Schiller sicher
deshalb, weil er hier nicht eine geschlossene Fabel als erste Anregung vorfand,
sondern in das ihm vorschwebende Bild der Pariser Welt eine frei erfundene Handlung
erst hineinkomponieren musste. Und das war immer Schillers schwache Seite. Die
weiteren Beiträge in K.s Programm sind nur kleinere Miscellen. Zum Entwürfe der
„Prinzessin von Celle", die Schiller zweimal mit einem charakteristischen Schreib-
fehler als Prinzessin von Kleve bezeichnet, stellt K. die Möglichkeit fest, dass die
„Princesse de Cleves" der Madame de la Fayette eingewirkt habe, die Schiller wohl
auch schon zur Zeit der Carlosdichtung bekannt war. Die „Verschwörung gegen
Venedig", die sich unter den Dramentiteln bei Schiller verzeichnet findet, möchte
K. nicht auf jene „Conjuration des Espagnols contre la republique de Venise" von
St.-Real deuten, mit der sich Otway und Huber abgequält haben, sondern er möchte
dahinter das tragische Ende des Dogen Marino Falieri suchen. Schliesslich wird
man die Bemerkungen über die Abschriften, die Charlotte von den Maltheserfragmenten
machte, zu der Kettnerschen Ausgabe dieser Entwürfe heranzuziehen haben.
Eine Rubrik „Verschiedenes" 177 m) kann ich mir diesmal ersparen, denn
es ist nichts Bleibendes dafür vorhanden. Aber ein Wort zum Abschied möchte ich
sagen. Es sollten doch die JBL. nicht nur über einzelne Jahre, sondern von Zeit
zu Zeit auch über grössere Zeiträume einen Rückblick halten. Gewiss würde das
der Wissenschaft Nutzen bringen. Ein Lustrum liegt jetzt hinter uns, für die Schiller-
litteratur eine ergebnisreiche Zeit. Eine Reihe von Werken, die dauernd eine Grund-
lage des Studiums bleiben müssen, ist in dem halben Jahrzehnt erschienen. Aber die
Freude über diese wenigen auserlesenen Arbeiten muss einem geheimen Grauen
weichen, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Schillerlitteratur in dieser Zeit
ASUS. 91, S. 118.]! — 175) X G- Kettner, L. Stettenheim, Schillers Fragment „D. Polizey* (JBL. 1893 IV 9: 143 1 : Enph. 1,
S. 172/3. (Erkennt d. Quellemmtersuch. St.s an, stellt aber im übrigen manche abweichende Ansichten auf, d. in seinen
„Schillerstud." weiter ausgeführt sind.) — 176) (= N. 82.) — 177) X F. Schnedermann, Biblische Anklänge bei Schiller.
(=: I 1 : 69, S. 190/5.) (Nichts Neues auf d. 5 Seiten.) — 178) X Burggraf, Schiller u. d. Christentum. Vortr. Referat:
DPB1. 27, S. 30/2. (Nicht neu, aber v. erfreulicher Unbefangenheit.) - 179) X X p v- Boltenstern, Schillers Vergil-
studien. I. Progr. Köslin. 4°. 23 S. |[H. TJnbescheid: ZDU. 8, S. 608.]| (Wird erst besprochen, wenn d. Stud. abgeschlossen
ist.) — 180) X Heine u. Schiller zermalmt: FZg. N. 163. (Notiz über thörichte litterarhist. Vortrr. e. gewissen E. Mauer-
hof in Barmen.) — 181) X 0- Jäger, Zu Schillers Gedächtnis (Wotzlar, 10. Nov. 1859). a) Im Gymnasium, b) Auf d. Markt-
platz. (= Pro domo. Beden [B., Seehagen. VI, 410 S. M.6,00], S. 3-10.) - 182) X K Knortz, Schiller in Amerika: InternatLB. N. 27.
(Ganz nnzulängl. Bibliogr. älterer amerik. Schillerausg.) — 183) X F. H i r s c h , Wie Schiller bezahlt wurde. Auch e. Beitr. z. Tantiemen-
frage: VossZg. N. 386. (Zusammenstell, d. Honorare, d. Schiller v. Bühnen u. Verlegern erhielt.) — 184) X '• Wychgram, Neue
Schillerlitt.: BLÜ. S. 403/5. — 185) X M. Koch, Neuere Goethe- u. Schillerlitt.: BFDH. 10, S. 211-74, 413-508. - 186) X H. Un-
be scheid, Schillerlitt. 1893-94: ZDU. 8, S. 602-21. (D. wichtigsten dieser Besprechungen habe ich an d. ihnen zukommenden
Stellen eingereiht.) -- 187) X H, Zu Schillers Aussprache d. Deutschen: ZDU. 8, S. 547/9. (Belege aus Genasts „Tagebuch
e. alten Schauspielers" dafür, dass Schiller bis an sein Ende geschwäbelt habe.) — 188) X & Petersen, Zu Schiller: ib.
S. 545/7. (Ueber Schillers Fähigkeit, mangelnde Anschauung durch Lektüre zu ersetzen.) — 189) X "~ K> Schiller u. d. Kom-
position seiner „Ideale" (v. Naumann): NMusZg. N. 5. — 190) X A. W. G[ottschalg], Einiges über F. v. Schillers
Beziehnngen z. Musik: CBHnBtrumentalmusik. N. 15. — 191) X Schillerpreis: Gartenlaube S. 100. (Kurze Notiz über frühere
Preisverteilungen u. über d. Nichtbestätigung bei Fuldas „Talisman".) — 192 > X Aus unserem Citatenschatz: Schiller über
d. Schillerpreis: Nation». 11, S. 225. (Citat aus Schillers Abhandl. „Ueber d. Pathetische".) — 193) X D- Helden d. Schiller-
preises: NZS». i2l, S. 449-52. — 194) X °- Arendt, Sohillerstiftung u. Eeuterhans: DWB1. 7, S. 3336. (Es sei e. Schmach,
d. Reuterhaus zu vermieten u. sich nicht lieber an d. Opfermut d. dtsoh. Volkes zu wenden, am d. Mittel zu d. Asyl für alte
u. sieche Dichter aufzubringen.) —
0. F. Walzel, Romantik. IV 10 •. 1-4
schlecht gezählt 800 Publikationen umfasst hat. Rechnet man davon nun auch etwa
100 minderwertige Ausgaben ab, so bleibt doch eine entsetzliche Ueberproduktion.
Hoffentlich wird bald eine Ebbe eintreten. Den Vf. von landläufigen „Festartikeln"
wird man ja nicht wehren können; aber denen, die nicht über den Stand der jetzigen
Forschung orientiert sind, ist dringend abzuraten, mit prätentiösen Untersuchungen
aufzutreten. Gerade für GymnasialprogTamme sind so wundervolle Aufgaben mehr
provinziellen Charakters zu lösen, dass man sich erstaunt fragt, warum denn immer
wieder Schiller zu einer Abhandlung herhalten muss, die ja doch nach kurzer Zeit
in den Papierkorb wandert. Ferner sollte vor allem die abscheuliche Miscellen-
wirtschaft aufhören. Jeder kleine Einfall giebt da einen Artikel ab, und einzelne
Zeitschriften fristen ihr halbes Dasein von solchen Abfällen. Es ist zu wünschen,
dass die Schillerlitteratur in Zukunft an Breite verliere, aber an Tiefe zunehme.
Denn wenn man Unberufene auch fernhalten muss, grosse Aufgaben sind nichts-
destoweniger auch hier noch zu lösen. —
IV, 10
Romantik.
Oskar F. Walzel.
Allgemeines: Darstellungen N. 1: Romantik and Wissenschaft N. 4; Romantiker nnd Klassiker N. 5: Hebbels
Verhältnis zur Romantik N. 6. — Schlegelscher Kreis: A. W. Schlegel N. 8; F. Schlegel N. 13; Karoline und Dorothea
N. 14; Tieck N. 15; Dorothea Tieck N. 26; Novalis N. 27; Schelling N. 30. — Hölderlin N. 34. - Heidelberger Kreis:
Arnim und Brentano N. 41; Bettina N. 58; Karoline von Günderode N. 61. — Norddeutsche Romantik: Z. Werner N.68;
Chamisso N. 74; E. T. A. Hoffmann N. 82; Ernst Schulze N. 93. — Schwäbische Romantik: ühland N. 94; Kerner
N. 113; Hauff N. 125. —
Der deutschen Romantik ist eine im engsten Rahmen gehaltene, aber das
Wesentliche glücklich herausarbeitende allgemeine Darstellung durch Martin1)
zuteil geworden. Der § 166 seiner Fortsetzung von Wackernagels Litteraturgeschichte
ist überschrieben : Die romantische Schule und die Philosophie des Idealismus , und
befasst sich mit Fichte, Schelling, A. W. Schlegel, dem sein Schüler Gries beigefügt
ist, F. Schlegel und Bopp , Schleiermacher, Novalis, Albertini, Tieck, Solger,
Wackenroder, Steffens, Rumohr. In § 167 wird die jüngere Romantik und die Be-
gründung der deutschen Altertumswissenschaft zusammengefasst, also Brentano mit
Luise Hensel, Görres, Arnim, Bettina, SavignyyJ. und W. Grimm, Lachmann, von
der Hagen, Schmeller, Unland, Lassberg. Die schwäbischen Romantiker erscheinen
in § 172, während Werner § 168 unter den Vertretern des phantastischen Dramas,
Fouque und Schulze in dem der erzählenden Dichtung gewidmeten § 170, Eichen-
dorff und Chamisso erst in § 174 unter den Norddeutschen auftreten. Die in den
Anmerkungen angeführte Litteratur giebt eine geschickte Auswahl, überlässt jeden
Anspruch auf Vollständigkeit der zweiten Auflage von Goedekes Grundriss, führt
aber nicht immer die wissenschaftlich brauchbarsten unter den neueren Textdrucken
an.2) — Der 5. Band von Treitschkes3) Werke hat nur mehr an wenigen Stellen
mit Späterscheinungen der Romantik sich befassen können. Tiecks letzter Berliner
Aufenthalt (S. 220) und Schellings Berliner Kathederwirksamkeit (S. 227), dann das
Erscheinen von Tiecks Vittoria Accorambona (S. 383), endlich Görres Tod (S. 661)
waren zu berichten und zu würdigen. Das Kölner Domfest wird ausdrücklich als
Nachklang romantischer Kunst- und Glaubensbemühungen in Anspruch genommen
(S. 172 ff). —
Gegenüber den kleinlichen, kurzsichtigen und unhistorischen Ang-riffen, in
denen sich Fachgenossen voll zweckloser Erbitterung gegen die Romantik wenden,
berühren wohlthuend die Worte, die ein Theologe vom Range Nitzschs4), Ver-
treter eines auf dem Felde protestantischer Theologie vollwichtigen Namens, zu
Gunsten der Romantik und ihrer Einwirkung auf die Wissenschaften,
namentlich auch auf die Theologie, spricht. Ohne im wesentlichen Neues vorzubringen,
im Gegenteil ausdrücklich auf Hayms grundlegendes Werk sich berufend, fasst
N. in knappster Form seine These zusammen: Die Romantiker wollten das Ideal
unserer grössten Klassiker der vulgären Aufklärung gegenüber aufrecht erhalten,
indem sie der einseitigen Verstandesbildung die vereinten Kräfte des Menschen gegen-
1) (I 1 : 46.) — 2) X G- Brandes, D. romant. Schule in Deutschland. Uebers. u. eingel. v. A. Strodtmann.
4. verm. Aufl. (= Hauptströmungen d. Litt. d. 19. Jh. Bd. 2.) L., Barsdorf. 317 S. M. 4,50. (Leider sehr schlecht ge-
druckt.) — 3) (IV la:6; 1 b : 195.) — 4) F. Nitzsch, D. romant. Schule u. ihre Einwirkung auf d. Wissenschaften, namentl.
(4)32*
IV 10:5-13 0. F. Walzel, Romantik.
überstellten, der vulgären Regel das souveräne Genie, dem Konventionellen die
Natur. Den mächtig fördernden Einfluss der Romantik auf die historischen Wissen-
schaften, auf Jurisprudenz und Ethik rasch überblickend, verweilt N. endlich des
längeren bei den Verdiensten, die Schleiermacher sich um die Theologie er-
worben hat. Er hat gelehrt, Religion und Theologie zu unterscheiden, die Religion
als etwas unmittelbar Lebendiges und Unreflektiertes anzuerkennen und doch auf
theologischem Gebiete wissenschaftlicher Kritik und Systematik zu huldigen. Wenn
Schleiermacher in dieser Richtung der Aufklärungskritik sich anschliesst, so hat er
doch im Gegensatz zu ihr die Person Christi neben seiner Lehre wieder in den
Vordergrund gestellt. Wie Schleiermacher erwarb sich auch de Wette Verdienste
um die Würdigung religiöser Vorstellungen. Durch diese Romantiker hat man ge-
lernt, Sinn zu haben für das Individuelle in der Auffassung der Kirchengeschichte;
eine Erfassung, wie sie Hase in seinem „Franz von Assisi" giebt, ist erst durch die
Romantik möglich geworden. —
Harnack5) hingegen macht einen wohl vergeblichen Versuch, sich der
Einwürfe zu erwehren, die Minor und, an diesen sich anschliessend, Walzel gegen
seine Auffassung des inneren Verhältnisses der Romantiker zu den Klassikern
Goethe und Schiller vorgebracht hatten (JBL. 1892 IV 10 : 2/4; ADA. 20, S. 70/5).
H. möchte, ohne mit einem Worte der eigentlichen Kernpunkte zu gedenken, aus
Bernhardis im Vorjahre hier ausführlich gewürdigten Mitteilungen (JBL. 1893
IV 10 : 39) herauslesen, dass die Romantik den beiden Klassikern fremd und ver-
ständnislos gegenüber gestanden. Thatsächlich ergeben auch seine Citate nur,
dass der alternde Tieck auf Schiller und Goethe wenig gut zu sprechen war; das
hatte auch vor Bernhard! niemand bezweifelt. Wie nahe indessen die Schlegel den
Klassikern gekommen sind, wie wenig selbst Schiller verschmähte, bei den Roman-
tikern eine Anleihe zu machen, das hat ein von H. übersehener Aufsatz Walzeis
schon im Vorjahre neuerlich klargestellt (JBL. 1893 IV 10 : 12). —
Weniger subjektiv gedenkt der Romantik eine Studie C o 1 1 i n s 6), die
Hebbels Verhältnis zur Weltanschauung der Romantik erwägt. In den ein-
leitenden Bemerkungen wird die romantische Weltanschauung knapp charakterisiert,
ihr Subjektivismus erörtert. Die Romantik sei in ihrem Bestreben, die Gottheit
wieder in ihre Rechte einzusetzen, zuletzt zu einer völligen Vernichtung aller eigent-
lichen Menschennatur gekommen. Hebbel versuche dann von neuem, das roman-
tische Problem zu lösen , Göttliches und Menschliches in Beziehung zu setzen.
C. zeigt dann im einzelnen auf, wo Hebbel sich in dieser Bemühung mit der
Romantik berühre, und wo er von ihr abweiche.7) —
Dem Schlegelschen Kreise ist im Berichtjahre keine grössere
Arbeit gewidmet worden. Unsere Kenntnis der Aesthetik A. W. S chlegels wird wenig
gefördert durch das schwächliche Büchlein von P i c h t o s 8). Der Vf. beklagt
(S. 31), dass die Berliner Vorlesungen von 1801—4 nur durch Hayms Analyse uns
bekannt sind! Auch im übrigen fehlt ihm jegliche nähere Kenntnis der einschlägigen
Litteratur. Wären ihm indes auch nur die wichtigsten Grundlagen für eine Studie
über W. Schlegels Aesthetik bekannt gewesen, er hätte doch durch seine äusserlich
chronologische Aneinanderreihung Schlegelscher Ideen nie etwas Greifbares erzielt,
mag er immer einige Belesenheit in philosophischer Litteratur zu gelegentlichem
Aufputz verwerten können. — Poppenberg9) überblickt Schlegels polemische
Epigramme und möchte durch ihre Kommentierung einen Wunsch ihres Vf.
erfüllen. Er erklärt kenntnisreich, aber nicht erschöpfend. Ausführlich werden
nur die Invektiven gegen Merkel, Goethe und Schiller besprochen, die partielle Be-
rechtigung der gegen den letztgenannten gerichteten aber nicht erwogen. In Bausch
und Bogen thut er die übrigen ab. Die in der „Ehrenpforte" enthaltenen Epi-
gramme wurden nicht berücksichtigt. Den Reim Merkel: Ferkel hat Goethe — wie
P. zeigt — aus dem Schlegel-Tieckschen Sonett in seinen Neuen Alkinoos über-
nommen. — E. Meyer10) möchte im Gegensatze zu May (JBL. 1892 IV 10 : 25) die
letzte Strophe des „Arion" von Schlegel nicht Arion, sondern Periandern zuweisen,
ohne freilich May11) in seiner Ansicht irre zu machen. — Guglia12) verwertet
A. W. Schlegels Schilderung der Hochzeit vom Kaiser Franz und Kaiserin Maria
Ludovika in seiner Biographie der genannten und giebt reiches Material zur
Kommentierung. —
Von der „Oesterreichischen Zeitung", die F. Schlegel vom 24. Juni bis zum
d. Theol.: PrJbb. 75, S. 321-36. — 5) 0. Harnack, E. Beitr. z. dtsch. Romantik: DWB1. 7, S. 406/8. - 6) J. Colli n, D
Weltanschauung d. Bomantik u. Fr. Hebbel: Grenzb. 1, S. 141-52, 244-57. (Vgl. JBL. 1895 IV 4.) — 7) X J- 0- E. Donner,
D. Einfluss W. Meisters auf d. Koman d. Romantiker (JBL. 1893 IV 8d : 32; 10 : 13): öymn. 12. S. 96. — 8) N. M. Pich tos,
D. Aesthetik A. W. v. Schlegels in ihrer gesch. Entwickl. B., C. Vogt. 108 S. M. 1,80. |[R. Friedrich: BLU. S. 598.]| —
9) F. Poppenberg, Romant. Xenien: VossZg«. N. 46/7. — 10) E. Meyer, Zu Schlegels Arion: ZDU. 8, S 131/5. - 11) 0.
May, Noch einmal zu Schlegels Arion: ib. S. 410/1. — 12 j (IV lb:386; 8b : 59.) - 13) 0. F. Walzel, E.V. Zenker, Gesch.
0. F. Walzel, Romantik. IV 10 •. u-34
16. Dec. 1809 herausgegeben hat, berichtet Walzel13); er fügt einige Notizen über
F. Schlegels Redakteurthätigkeit in Oesterreich hinzu. —
Aus bisher unveröffentlichten Stellen der Briefe Dorotheas an Schleier-
macher teilt Jonas14) eine hübsche, sympathisch gehaltene Schilderung der äusseren
Persönlichkeit Karolinens und des ersten Zusammenlebens beider Frauen in
Jena (Herbst 1799) mit. Weitere Briefstellen bezeugen, wie rasch Dorotheas
günstiges Urteil ins Gegenteil umgeschlagen ist. Diskret führt J. nur wenige Be-
lege an, die natürlich auch Karolinens Beziehungen zu Schelling berühren. —
Ein grosszügiges Bild von T i e c k s Persönlichkeit für die ADB. zu ent-
werfen, hat Bernhardi15) leider nicht verstanden. Sein umfangreicher Artikel
setzt sich aus einer verwirrenden, endlosen Reihe von Titeln und bibliographischen
Notizen zusammen, denen eine erkleckliche Anzahl von Briefstellen aus romantischen
Kreisen angefügt ist. Von einer tiefer begründeten Würdigung des Mannes oder
seiner einzelnen Schriften ist keine Rede. Auch das Biographische ist summarisch
genug abgethan. Immerhin wird der Forscher die von B. angehäuften Notizen mit
Gewinn ausbeuten können, werden diese Notizen einem künftigen Darsteller will-
kommenes Material sein. — In huldigenden Stanzen schildert S c h a c k 16) sein persön-
liches Verhältnis und sein Zusammensein mit dem greisen Tieck.17-25) —
Für Dorothea Tieck hat Bernhardi26) auf engem Räume Erfreulicheres
geleistet als für ihren Vater. Nach ihren Briefen an Uechtritz wusste er das Tragische
ihres Daseins anziehend zur Geltung zu bringen. —
Die Bedeutung, die der Begriff „sich einfühlen" für Novalis27-'28) habe,
suchte Ziegler29) im grösseren Zusammenhange zu ergründen. —
Den greisen Schelling schilderte TitusUllrich30) hübsch aus eigener
Anschauung anlässlich der fünfzigsten Wiederkehr seines Todestages. In über-
sichtlicher Zusammenfassung teilt U. das Wesentlichste der Schellingschen Philosophie
mit und feiert panegyrisch seine grosse That, dass er dem Realismus sein positives
Recht eingeräumt habe. — Schärfer urteilte Lehmann31); anknüpfend an die
zweite Auflage von Kuno Fischers32) Schelling, möchte er das Urteil Fischers
in ungünstigem Sinne einschränken.33) —
Als Hold erlin forscher an dieser Stelle schon mehrfach genannt, hat
Mülle r- Rastatt34) eine fleissig gearbeitete, dem Dichter jedoch wenig kongenial
geratene Biographie geliefert. Dreizehn im Anhange mitgeteilte, dem auf der
Stuttgarter Bibliothek verwahrten Nachlasse Hölderlins entstammende Gedichte,
wenn auch nicht durchaus ungedruckt, so doch hier zum ersten Male bequem zu-
gänglich, verleihen dem Büchlein seinen Hauptwert. Das rein Lebensgeschichtliche,
durch umfängliche Citate aus Hölderlins Korrespondenz erhellt, steht im Vorder-
grunde; vorsichtig und behutsam, gelegentlich allerdings gegen Litzmann polemisierend
(S. 57, 97, 99), umgeht M.-R. gern die Fragezeichen von Hölderlins Existenz.
Hölderlin ist ihm kein „blutleerer Heiliger" (S. 34), aber seine Beziehungen zu
Diotima werden ins Allerplatonischeste hinübergespielt (S. 79). Litzmann bezweifle
mit Unrecht Jügels Bericht über die gewaltsame Lösung seiner Beziehungen zum
Hause Gontard. Die Katastrophe von Bordeaux wird mit relativ geringfügigen Ent-
täuschungen motiviert (S. 142); hier, wie in der ausführlichen Beschreibung von
Hölderlins Wahnsinn vermisst man die unumgänglich nötige psychiatrische Termino-
logie. Wozu wird immer wieder (freilich, ohne dass auch hier das Wort erschiene)
auf neur asthenische Momente in Hölderlins Leben hingewiesen, wenn die Hauptfrage
nicht erledigt ist, ob sein Wahnsinn erworben oder angeboren war? Jeder Psychiater
könnte die Frage nach dem vorliegenden Materiale beantworten. Einzelheiten sind
gut herausgearbeitet: der gerade für Hölderlins Charakter ungünstige Einfluss der
Klosterschule (S. 11), der traurige Zustand des Tübinger Stifts (S. 21), die innere
Unmöglichkeit, Priester zu werden (S. 49), die zersplitternde Arbeit der auf Walters-
d. Wiener Journalistik (JBL. 1392 I 4 : 168; IV lb : 147; 5 : 227): ADA. 37, S. 79-85. — 14) (IV lc : 43.) — 15) W. Bern-
hardi, L Tieck: ADB. 38, S. 251-76. - 16) A. F. Graf v. Schade, Episteln u Elegien. St., Cotta. VOI, 233 S. M. 3.00. —
17-18) X A. Sauer, H. Prodnigg. Ueber Tiecks Sternbald (JBL. 1892 IV 10:30): ÖLB1. 3, S. 397 8. — 19) X B. Steiner,
L. Tieck u d. Volksbücher (JBL. 1893 II 3:12a; HI 3 :1;IV 10:41). |[B. Friedrich: BLU. S. 261; G. Klee:Euph. 1, S. 413 ;
M. K(och): LCB1. S. 486.] | — 20)XPSzczepafiski, L. Tieck, Werke her. r. G. Klee (JBL. 1892 IV 10:27): VelhKlasMh. 1,
S. 475. — 21) X G- Klee, Zu E. Kades Besprechung meiner Tieckausg. (JBL. 1893 IV 10 : 37): ZDU. 8, S. 77/8. (Kleine Nachtrr. u.
Berichtigungen.) — 22) X ia-i Tiecks Leben u. Werke. (= Meyers Volksbücher N. 1028/9.) L., Bibliogr. Inst. 16°. 95 S.
M. 0.20. |[LZgB. N. 69.]I (Erweit. u. verb. Abdr. aus N. 20.) — 23) X L Tieck, D. Geheimnisvolle. Novelle. (= ebda.
N. 1097/8.) 103 S. M.0,20. — 24) X *■ Bolte, Mucedorus (JBL. 1893 IV 10:35). |[R. Czerny: ÖLB1. 3, S. 702; B. Hoenig:
ADA. 20, S. 317-20.JI — 25) X T- Carlyle, Tales by Musaeus, Tieck and Richter. Transl. 2 vol. London, Chapmann. Sh. 2/6.
— 26) W. Bernhardi, Dorothea Tieck: ADB 38, S. 2+6 7. — 27) X J- Bing, Novalis (JBL 1893 IV 10:47). |[Grenzb. 1,
8. 6578; PrJbb. 75, S. 378j9: R. Friedrich: BLU. S. 263; M. KfochJ: LCB1. S. 361 2.]| — 28) X E. Höber, Novalis (F.
v. Hardenberg). Zu seinem Todest. : LZgi». N. 36. tSchwächl. Ausz aus d. Buche Bings.) — 29) Th. Ziegler, Z. Genesis
e. ästhet. Begriffs: ZVLR. 7, S. 113-20 - 30) (IV 5 : 116.) — 31) (IV 5 : 115.) — 32) (IV 5 : 117.) - 33) X (IV 8b : 57.) -
34) K. Müller- Kastatt, F. Hölderlin. Sein Leben u. sein Dichten. Mit e. Anh. ungedr. Gedichte Hölderlins. Bremen,
Hampe. 183 S. M. 3,00. ][G. Morgenstern: Ges. S. 962; TglBsB. N. 65; R. Friedrich: BLU. S. 262; M. K(och): LCB1,
IV 10 : 35-41 O. F. Walzel, Romantik.
hausen folgenden Epoche (S. 66), Hölderlins Beziehungen zum landgräflichen Hofe
zu Homburg (S. 102), sein allmähliches Verschlossen werden (S. 118), seine endgültige
Abkehr von der Philosophie und seine religiösen Wandlungen fS. 120). Die Freunde
und Vorbilder: Neuffer, Magen au, Stäudlin, Schelling, Hegel, Heinse, sind gut
charakterisiert, ebenso seine Beziehungen zu Schiller. Die Dichtung, insbesondere
die Lyrik Hölderlins dient leider der Biographie zum Substrat, während das umgekehrte
Verhältnis wünschenswert wäre. Dass seine schwäbische Heimat ihm echtes Natur-
gefühl leiht, ist beiläufig erwähnt, aber nicht weiter verwertet (S. 4). Zwei Epochen
der Schillernachahmung werden, freilich mit einzelnen Unrichtigkeiten, festgestellt
(S. 39 ff.); dass Diotima ihn zur lyrischen Selbstbefreiung leitete, haben andere schon
besser dargethan. lieber Hyperion (S. 57, 111), Empedokles (S. 107 ff.), dann über
den geplanten Gustav Adolf erfahren wir nichts Neues ; die Gedichte der absteigenden
Entwicklungszeit sind auf mehrere Phasen verteilt (S. 121, 127, 133, 145). Die
Schlussbetrachtung ergeht sich in einem durchaus verfehlten Vergleiche Hölderlins
und der Romantiker. Ist er wirklich populärer als Tieck? Von den Recensenten des
Buches stimmt Koch mit M.-R. für den Jügel-Varnhagenschen Bericht und gegen
Litzmann. — Busse35) aber möchte neben Schiller auch Novalis, fWackenroder und
Jean Paul zum Vergleiche herangezogen sehen. Einen Ausdruck Hölderlins ver-
wertend, vergleicht er diesen „siechen Schwächling" in seiner Sehnsucht nach dem
Grossen und Starken mit Jacobsens Niels Lyhne. — Feinsinnig, in den biographischen
Fragen vorsichtig, in der Erörterung der litterarhistorischen Probleme den intimen
Kenner der Zeit bewährend, zeichnet Sauer36) für populäre Zwecke ein Bild Hölderlins,
das sich im wesentlichen mit Wilbrandts Auffassung deckt. S. sieht in Hölderlin einen
Klassiker; er lehnt jede Verwandtschaft mit der Romantik ab. Goethes freie Rhythmen,
durch die erste echte Sammlung seiner Gedichte von 1789 Hölderlin nahegerückt,
befreien ihn von den beengenden Fesseln Schillerscher Reimstrophentechnik. 1796—98
steht er auf der Höhe, von jeder Nachahmerschaft befreit. In den patriotischen
Sängen Hölderlins töne etwas von der machtvollen Rhetorik Arndts und Schenkendorfs,
von dem heroischen Opfermute Körners.37"40)
Heidelberger Kreis. Unsere ganze Erkenntnis Arnims und Brentanos
ist auf eine neue Grundlage versetzt worden durch ein Buch, das in gleicher
Weise durch überraschende Fülle neuen Materials, wie durch sorgsam umsichtige
Verarbeitung sich auszeichnet. Steig41) erschliesst mit Herman Grimms Unter-
stützung zum ersten Male den Zutritt zu den Papieren des Arnimschen Familienarchivs
und giebt, die reichen Schätze der kgl. Bibliothek zu Berlin dazu verwertend, ein
abgerundetes, beinahe erschöpfendes Bild der Beziehungen Arnims und Brentanos.
Er begnügt sich nicht, das gesamte ihm zugängliche Material hinzuwerfen ; in sorg-
fältiger, vertrauenswürdiger Auswahl sucht er das litterarhistorisch und menschlich
Wichtige heraus und ordnet es einer knappen, aber an mannigfachen Forschungs-
ergebnissen reichen Darstellung ein. Während andere Briefwechseleditoren, den
Kommentar unter den Text verweisend, sich meist auf kurze biographische und
bibliographische Notizen beschränken, konnte St. die einzelnen Persönlichkeiten, um
die sich die Briefe drehen, plastisch hinstellen, konnte insbesondere bei den Dichtungen
und Schöpfungen der beiden Korrespondenten länger verweilen. Dort liegen ein-
dringliche archivalische Studien zu Grunde, denen die Berichtigung mehrerer Daten
entkeimte, hier schreitet St. zur Analyse oft schwer zugänglicher Büchlein vor. Wer
sich mit Arnim oder Brentano beschäftigt, wird dieser St.schen Analysen nicht ent-
raten können, die bei aller Kürze, das Bibliographische in Anhangsform abthuend,
wichtige neue Aufklärungen geben, Masken lüften, Quellen oder erlebte Züge nach-
weisen (S. 7, 29: Hollin; S. 9: Ehenschmiede; S. 19: Godwi; S. 26: Ponce; S. 36:
Ariel, zu dessen Vorbildern Schiller und Matthisson erhoben werden; S. 57: lustige
Musikanten; S. 131: Rosenkranzromanzen; S. 158 wird die Autorschaft der von Sophie
Mereau herausgegebenen „Spanischen und italienischen Novellen" [Penig 1804—6],
überzeugend Brentano zugewiesen, vgl. S. 356; S. 228: Goldfaden; S. 286: Dolores, usw.).
Insbesondere ist eine wissenschaftliche Erforschung der Lyrik beider erst jetzt möglich
geworden, da durch den Briefwechsel und durch St.s Zuthaten Chronologie, Anlass
und teilweise auch Vorbild festgestellt ist. Schier unmöglich ist es, Einzelheiten
hier anzuführen, da man, von verschiedenster Seite an das Buch herantretend, immer
Wichtiges und Neues antreffen wird; nicht nur der Historiker der Romantik, auch
der Volksliedforscher, dann der Psycholog, sie alle werden aus dem Buche zu lernen
S. 798; DLZ. S. 1142.] | — 35) K. Busse, Neue Beitrr. z. Litt.-Gesch. : VössZgB. N. 22. — 36) A. Sauer, F. Hölderlin.
(= SGV. N. 189.) Prag, Haase. 20 S. Fl. 0,15. |[D. Jacoby: DLZ. S. 1134/5-11 - 37) X »*•- F- Hölderlin in Frankfurt:
Didask. N. 164 (Abdr. d. S. 8-15 v. d. Vortr. N. 36.) - 38) X Hölderlin in Hamburg: FZg. N. 37. (Notizen über Lokales.)
— 39) X C. C. T, B. Litzmann, Hölderlins Leben (JBL. 1890 IV 13 : 30): Frau 8. 626. — 40) X K. Pröll, Einsamer Wipfel-
sang (F. Hölderlin): Kai. aller Deutschen S. 201/6. — 41) B. Steig, A. v. Arnim u. Ol. Brentano. (= A. v. Arnim u. die ihm
nahestanden. Her. v. II. Grimm u. R. Steig. I. Bd.) St., Cotta. IX, 376 8. Mit 2 Bild. M. 7,00. |[SohwäbKron. N. 127 ;
0. F. Walzel, Romantik. IV 10-.«
haben. Hier nur das Wichtigste: Die ersten sechs Kapitel geben eine zum Teil
urkundlicher Forschung- entnommene Darstellung des Jugendlebens beider, ihrer
Vorfahren und ihrer nächsten Verwandten (vgl. z. B. S. 12 eine hübsche Stilprobe
der jungen Schwester Brentanos, Sophie), sie geleiten die beiden Freunde an den
Rhein, Arnim dann in die Schweiz und nach Frankreich, Brentano nach Düsseldorf.
Schon früh zeigen sich die Interessen, denen ihre Hauptarbeiten huldigen (Arnims
Vorliebe für Volksmärchen und Volkslieder: S. 24; Brentano mit älterer deutscher
Poesie beschäftigt: S. 29); im J. 1802 bereits ist Arnim sich über das Programm
seiner gesamten schriftstellerischen Thätigkeit klar (S. 38), während er sich erst
1803 zur Dichterlaufbahn entschliesst (S. 64). Das 7. Kapitel giebt uns endlich aus-
führliche Aufschlüsse über Brentanos Beziehungen zu Sophie Mereau; hier insbe-
sonders hat sorgfältige Forschung manches Dunkel erhellt, manche irrige Behauptung
verschwinden gemacht. Schritt für Schritt lassen sich jetzt die Umwege und die Irr-
pfade verfolgen, auf denen Brentano der einzigen Frau nahe gekommen ist, die ihn
zu energischem Zusammenfassen hätte anhalten können (über Sophie und ihren und
Brentanos Sohn Achim vgl. auch S. 111, 121, 123, insbes. S. 294). In den Kapiteln 8
und 9, die Arnim nach England, Brentano nach Berlin verfolgen, bereitet sich ihr
folgenreichstes Unternehmen, das Wunderhorn, vor. Diese Abschnitte, dann die dem
Wunderhorn selbst gewidmeten Kapitel 10 und 14 (auch die dazwischenliegenden
11 — 13 sind zu berücksichtigen), lassen nicht nur die Entstehung des Werkes von
Schritt zu Schritt verfolgen, sie werfen auch auf den persönlichen Anteil der Heraus-
geber, auf die Echtheitsfrage ganz neue Lichter. St. musste sich dem erdrückenden
Materiale gegenüber mit Sichtung und Kommentierung begnügen; hier aber haben
vor allem neue Untersuchungen einzusetzen. Jetzt erst kann man aus authentischen
Dokumenten erkennen, welche Zwecke die beiden Herausgeber mit der Volkslieder-
sammlung verbanden, warum sie dem gesammelten echten Materiale so viel des
Eigenen beigaben. Gerade für eine Entstehungeschichte dieser „Ipsefakten" ist St.s
Buch schier unerschöpflich. Arnim, der schon frühe Volklieder weiterdichtet (S. 37),
hält von Anfang an das Prinzip fest, nicht eine philologische Textausgabe von Volks-
liedern, sondern ein wohlfeiles Volkliederbuch für jedermann zu schaffen (S. 132).
Brentano schwankt und möchte Arnim gelegentlich zu treuerem Festhalten am über-
lieferten Texte bewegen; schliesslich freuen sich aber beide, wenn gewiegte Volks-
liedkenner, wie Elwert, ihre Ipsefakta für echt nehmen (S. 146, 157, 172/3, 229,
231, 235). Thöricht wäre es, ihnen diese Freude zum Vorwurf zu machen; auch Goethe
war mit jenen Ipsefakten ganz einverstanden (S. 152, 160, 163, 169); seine Urteile werden
von den beiden Freunden gebucht, ebenso wie die anderer Zeitgenossen (Docen S. 160,
Runge S. 161, Fr. Schlegel S. 163, Varnhagen S. 184 usw.). St. fügt auch die
wichtigsten, auf die Veröffentlichung des WTunderhorns bezüglichen buchhändlerischen
Anzeigen ein (S. 150, 178). Das 11. und 12. 'Kapitel erstreckt sich über Arnims
Aufenthalt in der Heimat (1806) und in Göttingen. Wichtige Nachrichten über Tiecks
Aufenthalt in Heidelberg lassen sich den Briefen Brentanos entnehmen (S. 192, 233);
sehr interessant ist die von St. in vollem Umfange wiedergegebene Sammlung
preussischer Kriegslieder, die Arnim für die Soldaten des napoleonischen Krieges
drucken liess (S. 196). Auch an ihr kann man seine Behandlungs weise von Volks-
liedern studieren. Kapitel 13 ist der Unglückszeit gewidmet; sie hat auch in Arnims
Leben eingegriffen; bei Jena fielen zehn Vertreter seines Namens (S. 208). In
Kapitel 14 gesellt sich die „Trösteinsamkeit" zum Wunderhorn. Fortab gehen die
Wege beider Freunde auseinander; Kapitel 15 zeigt Arnim in Berlin, während
Brentano in Landshut an den Folgen seiner übereilten Verbindung mit Auguste
Busmann komisch und zwiespältig genug leidet. Kapitel 16 umspannt die Zeit bis
zu den Freiheitskriegen, Kapitel 17 die J. von 1813—15. Wie bald dann der äussere
Verkehr, nicht der Freundschaftsbund sein Ende genommen, erhellt aus der That-
sache, dass St. nur mehr für ein kleines, „Ausklänge" überschriebenes Schluss-
kapitelchen Stoff übrig behielt. In dieser allerknappsten Inhaltsangabe ist ein
Moment noch nicht berücksichtigt, das dem Briefwechsel einen ganz eigenen
Charakter leiht: Die Fülle literarhistorisch hochinteressanter kritischer Urteile, die
oft auf die litterarische Stellung beider Freunde ein ganz neues Licht werfen:
Voran divinatorisch tiefe Aeusserungen Brentanos über den Dichter Arnim (S. 266/7);
dann neben scharfen Urteilen über Schiller („Die Braut von Messina" wird „alarkisch"
genannt S. 70, vgl. Fr. Schlegel an Wilhelm S. 520; Teil S. 115) nicht minder
scharfe Worte über romantische Genossen, die man wohl als nächste Verwandte der
beiden Freunde fassen möchte, so insbesondere über Tieck und über seinen Oktavian
(S. 72, 96, 115ff.; über Tiecks Rother S. 251). Mit erstaunlichem Unverständnis wird
über Novalis immer wieder abgeurteilt (S. 41, 51, insbes. S. 128). Gehässig klingt,
was über Fr. Schlegel vorgebracht wird (S. 59, 67, 273, 299); Dorothea (S. 18) und
Rahel werden fast immer mit antijüdischer Witzelei genannt. Varnhagen, dem Bettina
IV 10:42-55 0. F. Walzel, Romantik.
die jetzt von St. veröffentlichten Papiere vertrauensvoll, aber auch mit merkwürdiger
Naivetät in die Hand gegeben hatte, schnitt denn auch rücksichtslos heraus, was ihm
nicht passte (vgl. insbes. S. 295, 298). Görres Deutsche Volksbücher werden nicht
besser behandelt (S. 221) als Büschings und von der Hagens Volkslieder (S. 220).
Seckendorf dient nur der Ironie (S. 279). Dagegen wird niemand ein jugendlich
überspanntes Lob Vermehrens ernst nehmen (S. 27). Das Verhältnis zu Reichardt
bleibt sich nicht immer gleich ('S. 114, 134, 276). Ferner: Z. Werner S. 212, fein-
sinnig über den Dialog H. von Kleists S. 344, über Aug. Winkelmann S. 175.
Reiche Urteile über Gelesenes fehlen nicht. Schelmuffsky, der Liebling beider, klingt
immer wieder an. Bemerkenswert ist das Interesse für Klinger (S. 161, 212), eine
gelegentliche Aeusserung über Greflinger (S. 133) oder über Luther (S. 141). Von
altdeutscher Litteratur, inbesondere von deutschem Folklore ist viel die Rede (S. 106
verhimmelt Brentano die mittelhochdeutschen Tristandichtungen ; S. 24 Musäus; S. 95 über
Scotts Minstrelsy, S. 128 über Otmars „Volkssagen", S. 211 über Benedi cte Naubert).
Theoretische Diskussionen sind verhältnismässig selten (S. 237 spricht Arnim von
Rhythmik des Volksliedes). Eine innige Hoch Schätzung Goethes durchzieht das
ganze Werk. — Die Anzeigen des Steigschen Buches machen im ganzen einen wenig er-
freulichen, unwissenschaftlichen Eindruck. Während selbst Carriere42) sich nur
begnügt, eine ziemlich oberflächliche Inhaltsangabe mit nicht immer glücklich ge-
wählten Citaten zu verbrämen, während einige längst Bekanntes heraussuchen und
das wirklich Neue und Interessante übersehen, gefallen sich andere in einer völlig
unzeitgemässen Bekämpfung' der beiden Romantiker. Beinahe möchte man die fast
durchgehende Behauptung, dass Romantik und Arnim und Brentano längst vergessen
seien, bezweifeln, wenn man diese Erscheinungen mit einer nur bei der Beurteilung
zeitgenössischer Tendenzen üblichen Schärfe bestritten sieht. — Mit vollem Rechte hat
denn auch ein moderner Litteraturbewegung geneigter Recensent, Poppenberg43),
die aktuelle Bedeutung des Buches hervorgehoben und neben einer glücklichen
Gegenüberstellung der „drei Lieben des tollen Clemens" (Sophie Mereau, Auguste
Busmann, Bettina), dann neben richtigen Bemerkungen über Arnims und Brentanos
Verhältnis zum deutschen Vaterlande an gut gewählten Belegen feinsinnig den Nach-
weis geführt, dass gerade in den Briefen beider Freunde Keime moderner Stimmungs-
poesie, Ansätze zu einer neuen Art der Naturbetrachtung anzutreffen seien. Jene
anderen aber möchten am liebsten Arnim und vor allem Brentano mit ihren eigenen
Waffen annihilieren. Vertreter der Wissenschaft sollten zu zeigen versuchen, was aus
dem Buche zu lernen ist; dilettantenhaft aber mutet es an, wenn sie eine unzweifel-
haft reiche wissenschaftliche Gabe vor dem grossen Publikum entwerten wollen, in-
dem sie auf einzelne Missurteile der beiden Romantiker hinweisen. Von solchem
Gesichtspunkte aus halten auch die Briefwechsel unserer Klassiker, hält ins-
besondere der Briefwechsel Schillers und Körners nicht Stich.44-47) — In wohl-
thätigem Gegensatz zu solchen Invektiven steht eine aus dem vollen geschöpfte
Sammlung Grimmscher48) Apercus, die dem Steigschen Buche zur Begleiterin
dienen soll. Aus intimster Kenntnis heraus führt G. seinen Leser in die
Familie Brentano ein, stellt den unbeständigen, völlig dem Momente hingegebenen,
halb italienischen, katholischen Brentano und den, Protestantismus, Deutschheit und
preussischen Adel mit Bewusstsein repräsentierenden Arnim einander gegenüber, ver-
gleicht feinsinnig den Briefstil der beiden mit dem des 18. Jh., kontrastiert Goethe-Schiller
und Arnim-Brentano und erhofft für das 20. Jh. eine neue Erfassung des Gesamt-
begriffs der Romantik, die heute in einzelne Individualitäten zu zerfallen scheint. —
Briefe W. von Humboldts an Arnim, Savignys Berufung nach Berlin betreffend, teilt
Haym49)mit; sie entstammen den J. 1809 und 10 (S. 120, 128, 130).50"51) — Ein un-
gedruckter Beitrag Brentanos zur Trösteinsamkeit, der „Brief einer Apfelhüterin", den
Brentano später in seinem „Philister" verwertet hat, und dessen Steigs52) Buch
(1, S. 251, 253) gedenkt, wurde von ihm selbst zum Abdruck gebracht. Brentano
macht Recensionen der Leipziger Litteraturzeitung lächerlich, indem er neben ihre
Kraftstellen ähnlich klingende Citate aus Erdmann Uhsens „Wohlinformierten Poeten"
abdruckt.53"55) — Leider nur das erste Kapitel einer vielversprechenden Arbeit über
R. Wulkow: Zeitgeist N. 20; N&S. 76, S. 153; R. Friedrich: BLÜ. S. 599.] | - 42) M. Carriere, A. v. Arnim u. Ol. Bren-
tano: AZg1'. N. 155. — 43) F. Poppenberg, Zwei Romantiker: Nation15. 11, S. 584/6. — 44) X IJ- Geiger, Arnim u. Bren-
tano: FZg. N. 149. — 45) X R- M- Meyer, Arnim u. Brentano: ML. 63, S. 1291/5. — 46) X p- Seliger, A. v. Arnim:
NatZg. N. 364, 366 — 47) X p- Violet, A. v. Arnim u. Cl. Brentano. (Nach ihren Briefen): VossZg«. N. 34/5. — 48) H.
Grimm, A. v. Arnims Briefw. mit Cl. Brentano: DRs. 79, S. 194-206. — 49) (IV lc:20; 5:601.) - 50) X (I 5:298.)
|[LZgB. N. 84.11 — 51) X L- A. v. Arnim, Unbek. Aufsätze u. Gedichte (,IBL. 1892 IV 10 : 39; 1893 IV 10 : 61): DDichtung. 15,
S. 152. — 52) B. Steig, E. ungedr. Beitr. Cl. Brentanos zu Arnims Trösteinsamkeit: Eaph. 1, S. 124,8. — 53) O X Aus d-
Liepmannsolmschen Autogr.-Kat.: BerlBörsCour. N 430. (Briefe v. Cl. Brentano.) — 54) X Cl. Brentano, Chronika e. fahrenden
Schülers. Fortges. u. vollend. v. A. v. d. Elbe. 7. Aufl. Heidelberg, Winter. 12°. III, 268 S. M. 5,00. — 55) X D- bittere
Leiden unseres Herrn Jesu Christi. Nach d. Gesichten d. Dienerin Gottes A. Katharina Emmerich, aufgez. v. Cl. Brentano.
Nach d. 4. Aufl. d. v. P. Schmöger her. Lebens u. Leidens Jesu Christi v. P. Wiggermann. Regensburg, Pastet. Vin, 375 S.
0. F. Walzel, Romantik. IV 10 : 66-ei
Brentanos Jugenddichtungen liegt in Kempners56) Dissertation vor. Nach ein
paar raschen Bemerkungen über die in Klingemanns Memnon veröffentlichten
Dichtungen sucht K. den Ideengehalt des „Godwi" auszuschöpfen. Er stellt die
„vollblütige hedonistische Weltanschauung" des Buches fest, deren Grundlagen ethische
und sociale Willkür, ausschliessliche Berücksichtigung individueller Anlagen, An-
betung des Genusses, vor allem der Sinnlichkeit, sind. Diese Weltanschauung leitet
K., sorgfältig das Individuelle jedes der Vorbilder heraushebend, von Heinse, von
Tiecks Lovell und von seinem zahmeren Sternbald, von der Lucinde und endlich von
den ethischen Programmpunkten des Athenäums her. Das Athenäum wirkt auf
Brentano auch in kunstphüosophischen Auseinandersetzungen anregend; Kunst-
gespräche auf dem Gebiete der Malerei und Plastik sind wiederum durch Heinse und
Tieck, dann durch die romantischen Gemäldedichtungen vorbereitet. Für alle diese
Anregungen empfänglich, erweist sich Brentano doch als stärkstes Temperament
unter den damaligen Romantikern; er weiss der Rede sein Siegel aufzudrücken, und
nicht nur äusserlich hat er sich jene Tendenzen angeeignet. Ja, bei aller Ueber-
einstiinmung- mit der romantischen Parteidoktrin hat er noch Gelegenheit gefunden,
in den gedanklichen Elementen des Godwi einen guten Teil seines widerspruchs-
reichen Wesens zur Geltung' kommen zu lassen.57) —
Bettinas Geburtsjahr dürfte nach Geigers58) Ausführungen doch das
J. 1788 sein; Steigs Annahme 1785 (JBL. 1892 IV 10:52) scheint weniger be-
gründet. — Geiger59) veröffentlicht auch aus einem ungedruckten Briefe Tiecks
an Böttiger vom J. 1835 ein scharfes Urteil über die Glaubwürdigkeit des Brief-
wechsels mit einem Kinde und über Bettina selbst. 60) —
Wichtiges, auf Karoline von Günderode bezügliches Material hat
Geiger61) zu Frankfurt a. M. in Privatbesitz gefunden. Er hat es in zusammen-
hängender Darstellung mitgeteilt. Geistige und freundschaftliche Beziehungen, dann
einige wenige Momente ihres Lebens treten in neues Licht. Herder und ins-
besondere Jean Paul sind von Jugend auf ihre Lieblinge (S. 10). Savigny ver-
mittelt ihr das romantisch-abfällige Urteil über Schiller (S. 34, 43; vgl. S. 74). Die
Briefe des jungen Ehemanns Savigny, munter, unbefangen, aber herzlich seicht,
spielen zwischen Freundschaft und Liebe. (Die von ihm S. 32 erwähnten „Veillees
du chateau" haben Frau von Genlis zur Autorin.) Aufrichtig und, obwohl weiblich
feinfühlig, doch scharf Karolinens dichterische Schwächen treffend, kritisiert ihre
Jugendfreundin Lisette Nees von Esenbeck die Poesien der Günderode (S. 54 ff.),
deutet auf ihre geringe Kenntnis der Grundgesetze der Sprache und warnt sie vor
Originalitätssucht. Lisettens eigenes Märchen „Die Geschichte von dem armen
Klausner" (S. 49 ff.) ist freilich ein ganz schulgerechtes romantisches Exercitium
mit Karfunkelstein und blauer Blume. Sie empfiehlt der Freundin Tieck, die beiden
Schlegel, insbesondere Friedrich, Goethe und Novalis zu lesen; ihr Gatte Nees fügt
Schelling hinzu (S. 66). Anknüpfend an Lisettens Kritik spricht G. einige Worte
über die Dichtungen der Günderode (S. 69 ff.), findet ihre Lyrik und einzelne ihrer
Prosastücke bedeutsam, ihre Dramen, die zweimal das Motiv verbrecherischer Ge-
schwisterliebe behandeln, unbedeutend, gedenkt auch der gleichzeitigen Besprechungen
ihrer Arbeiten. Literarhistorisch wertvoller als die Briefe Savignys und Lisettens
sind die mitgeteilten Schreiben Clemens Brentanos. Er preist (freilich, wie G.
S. 117 meint, unaufrichtig) die Poesien der Adressatin, möchte ihr gern einen Teil
des'unendlichen Stoffes abtreten, der ihm täglich zuwächst (S. 94), findet hübsche
Worte für das Glück seiner Ehe mit Sophie Mereau (S. 91, 98), für seine Be-
wunderung Heinses (S. 112) und Goethes (S. 99). Sein vorletzter Brief (S. 108)
gefällt sich in mystisch- schmerzlichen Wollustakkorden. Ein vorsichtig zurück-
haltendes Antwortschreiben Karolinens (S. 114), von Bettina verwertet, kommt
hinzu. Bettinas Briefe (S. 123 ff.) selbst gehören zu den herzerfrischendsten, die sie
uns geschenkt hat; sie bestätigen (S. 160, 164) den Bericht, den sie von ihrer
ersten Bekanntschaft mit Goethes Mutter gegeben hat. G. benützte die Gelegenheit,
mit scharfen Ausfällen gegen R. Steig Bettinas Büchern Glaubwürdigkeit abzusprechen,
mindestens einen Mittelweg zwischen Steig (JBL. 1892 IV 10 : 52) und den schärfsten
Gegnern der historischen Quellenschriftstellerin Bettina zu empfehlen. Karolinens
Beziehungen zu Creuzer, ihre phantastischen Pläne eines gemeinsamen Lebens, endlich
ihr Selbstmord kommen nach mehr oder minder authentischen Quellen zur Dar-
stellung (S. 168 ff.), unter denen Clemens Brentanos Brief an Arnim (bei Steig S. 190)
Mit Abbild. M. 2,20. — 56) A. Kempner (= Kerr), Cl. Brentanos Jugenddichtungen. (Abschn. 1: D. Ideengehalt d. Godwi.)
Diss. Halle a. S. 33 S. — 57) X G. E. Bart hei, Brentano-Anekdoten: Quell wasser 18, S. 2814, 297,8, 314,6, 329-30. —
58) [L. Geiger], Wann ist Bettina geboren?: FZg. N. 165. (Nach d. AZg. Vgl. auch FranenZg. N. 21.) — 59) id., B.
Urteil ober Bettinas Briefw.: GJb. 15, S. 296 7. — 60) X Bettina v. Arnim, Dies Buch gehört d. König. I. T. D. Erinnerung
abgelauschte Gespräche u. Erzählungen. Dresden, Jaenicke. 142 S. M. 1,00. — 61) L. Geiger, Karoline y. Günderode u.
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V. (4)33
TV 10 : 62-82 O. F. Walzel, Romantik.
eine Hauptrolle spielt. Leider ist, wie von berufenster Seite gezeigt wurde, das
Material nicht mit der nötigen Sorgfalt und insbesondere nicht mit der unerlässlichen
Detailkenntnis bearbeitet .worden (vgl. JBL. 1895). 62) — Geiger63-64) selbst hat
sein Buch unter seinen mächtigen journalistischen Schutz genommen und schon vor
der Veröffentlichung die wichtigsten Resultate in zwei Feuilletons mitgeteilt, deren
erstes die Dichterin würdigt, deren zweites ihr Leben und jene oben angeführten
Briefe analysiert, ohne über die Grenzen der Buchpublikation hinauszugehen. In
Nachtragsform berichtet er endlich, dass die bisher unbekannten Briefe Creuzers an
die Günderode in den Besitz der Heidelberger Bibliothek gelangt sind, jedoch erst
•nach 50 Jahren veröffentlicht werden dürfen. (Sie haben jedoch seitdem in Erwin
Rohde ihren Herausgeber gefunden.) — Ellinge rs65) Besprechung von Geigers Buch
stimmt dem Herausgeber in allem bei, auch in der Polemik gegen Steig, und bietet
eine sorgfältige, verständnisvolle Analyse.66-67) —
Von norddeutscher Romantik ist zu berichten, dass ein Stammbuch-
blatt Zach. Werners68) vom 11. Mai 1816, an J. L. Deinhardstein gerichtet, zum ersten
Male abgedruckt wurde. Es setzt sich zusammen aus einem Sonett, „Ordnung des
Heils" überschrieben, und aus ein paar Worten in Prosa, die zu Thaten, nicht zu
Liedern auffordern.69-73) —
Deutungen von Schlemihls Schattenverlust stellen sich, so wenig Neues auf
diesem Sondergebiete der Chamissokritik zu sagen ist, immer wieder ein.
Seh rader74) erneuert die Ausführungen seines nicht näher citierten Zeitungsartikels
und setzt zunächst fest, dass Schlemihl des Dichters eigenes Ebenbild sei. Der
Schatten aber ist nach Seh. „kurz und bündig die Ehre vor den- Menschen oder
was man sonst auch den guten Namen nennt". Ein Blick in die Uebersicht der
Schlemihldeutungen, die Walzel (DNL. 148, S. LVII) giebt, belehrt, dass Seh. aus-
gefahrene Wege wandelt.75) — Eine populär gedachte Schilderung des Botanikers
Chamisso giebt Kronfeld76). Neue Daten sind nicht beigebracht; Du Bois -Rey-
monds Studie wird nach keiner Richtung erweitert. — Ein Porträt des Lieutnants
von Chamisso in der Uniform des Regiments von Goetze wurde nach einer Lithographie
neu zum Abdruck gebracht77), die aus dem Besitze des 1894 verstorbenen letzten
und ältesten Sohnes Chamissos stammt.78-81) —
Ueber E. T. A. Hoffmann hat Ellinger82), der sich schon mehrfach als
feinsinnigen Kenner des Dichters bewährt hat (JBL. 1890 IV 3 : 49), ein sympathisches
Buch geschrieben. Seine Auffassung der Persönlichkeit Hoffmanns ist allerdings
manchem Einwände begegnet. So treffsicher er die gegensätzlichen Züge im Charakter
des Dichters aus den Eigenheiten seiner ostpreussischen Heimat entwickelt (S. 2 ff.),
dem Menschen nimmt er seine bezeichnendsten Merkmale durch eine stark idealisierende
Schilderung. War Hoffmann in Posen wirklich nur ein Prinz Heinz unter falstaffischen
Genossen (S. 24/5)? Ist es nötig, aus dürftigen Zeugnissen seine Vaterlandsliebe
wahrscheinlich zu machen (S. 58) ? Wäre er uns weniger wert, wenn er wirklich
eitel gewesen ist (S. 93)? Auch die Beziehungen zu seiner späteren Gattin Micheline
Rorer (S. 19 ff., 198), dann zur Bamberger Julia (S. 61) dürfte E. weniger vom
Standpunkte einer Rettung fassen. Das Kapitel über Hoffmanns Persönlichkeit
(S. 91 ff.) ist denn auch etwas mager ausgefallen. Um so lehrreicher handelt E. von
den dichterischen Eigenheiten Hoffmanns (S. 171 ff.). Seine älteren Beobachtungen
weiter ausgestaltend, zeigt er neuerlich die eigentümliche Mischung realistischen
Schauens und ausgesprochener Neigung zum Wunderbaren auf. G. H. Schubert
ist auf diesem Felde Hoffmanns wichtigster Gewährsmann. E. legt dar, wie Hoffmann
Stimmung und Spannung zu erwecken weiss; als Stimmungsmittel dient ihm auch
die Rahmenerzählung. Hoffmanns Neig-ung-, Farben, Töne und Düfte zu mischen
ihre Freunde. St., Dtsch. Verl.-Anst. 193 S. Mit Bild. M. 3,50. |[LZgB. N. 143; DR. 4, S. 378.]| — 62) X id-. Neues v.
Bettina Arnim: NFPr. N. 10791. (Abdr. d. Briefes Bettinas an d. Günderode v. Apr. 1S06 [N. 61, S. 159ff.J mit ausführl. Binl.)
— 63) id., E. Frankfurter Dichterin z. Zeit d. Romantik: FZg. N. 249, 254. — 64) id., Nochmals d. Günderode: ib. N. 266.
— 65) G. E[ Hing er], Z. Gesch. d. dtsch. Romantik: NatZg. N. 668, 671. — 66) X k Geiger, Mitteilungen über Briefe
Goethes an d. Günderode. Vortr. geh. in GDL. Ref.: VossZg. N. 259. — 67) X Karoline v. Günderode: BerlTBl. N. 273.
(Kurze Notiz über d. hs. Nachl.) — 68) Bunte Reihe. Ungedr. Briefe u. Gedichte: DDichtung. 16, S. 299. — 69) X P- Poppen-
berg, Z. Werner (JBL. 1893 IV 10:68). |[A. Schroeter: BLU. S. 296/7; LCB1. S. 1066/7.]| — 70) X E. Rowe, Z. Werner
in Berlin 1805/7: Bär 20, S. 372/4. - 71) X **• Baron de la Motte Fouque, Sintram u. seine Gefährten. E. norddtsoh. Erzähl,
nach A. Dürer. (Titelausg. d. 7. Bd. d. ausgew. Werke.) Braunschweig, Schwetschke. 12". 192 S. M. 2,00. — 72) X id-
Undine. E. Erzählung. L., Fiedler. 16°. 143 S. M. 1,20. — 73) X M-. Undine. Trad. de J. Thorel. Illustr. de Marold
et Nittis. Paris, Dentu. 233 S. Fr. 2,00. — 74) H. Schrader, Chamissos Peter Schlemihl u. sein Schatten: ZDS. 7, S. 201-10.
— 75) X O. Hellinghaus, J. Schapler, Chamissos Peter Schlemihl (JBL. 1892 IV 10:63): Gymn. 12, S. 642/3. — 76)
(IV 8 a : 49, S. 81, 6.) — 77) R. K., Lieutnant v. Chamisso : Daheim N. 30. - 78) X Ad. v. Chamisso, Peter Schlemihl. 111. v. H. Looschen. (=111.
Elzevier-Ausg. Bd. 1.) L., Seemann. 16°. V, 149 S. M. 2,00. — 79) X id., Ausgew. Gedichte. L., Fiedler. 16°. 238 S.
M. 1,50. — 80) X Ad. Schöttner, Ausgew. Gedichte v. A. v. Chamisso. In stenogr. Schrift übertr. u. autograph.
(= Reuters Bibl. für Gabelsbergor Stenogr. Bd. 22.) Dresden, Reuter. 55 S. M. 0,90. (Vgl. I 8:11.) — 81) X A. v.
Chamisso, Frauen-Liebe u. Leben. E. Lieder-Cyklus. 111. t. E. Klein u. R. E. Kepler. St., Greiner & Pfeiffer. 9 Bilder,
16 Bll. Text. M. 6,50. — 82) G. Ellinger, E. T. A. Hoffmann. Sein Leben u. seine Werke. Hamburg u. L., Voss. XII,
0. F. Walzel, Romantik. IV 10 : 83-85
und die Verbindung" solcher verschiedenen Sinneseindrücke stilistisch zu verwerten,
hätte an Petrichs reiche Sammlung- verwandter romantischer Bestrebungen an-
geknüpft werden können (S. 174). Den bleibendsten Wert schreibt E. jenen Dichtungen
zu, die der Zeit Hoffmanns angehören. In ihnen kommt seine Beobachtungsgabe am
besten zur Geltung; insbesondere Berlin hat so durch ihn einen poetischen Zauber
gewonnen (S. 111). Hoffmanns eigene Persönlichkeit tritt aus gleichem Grunde fast
in allen Dichtungen auf (Erlebtes: insbes. in Klein Zaches S. 11, im Majorat
S. 17, 117, im Spielerglück S. 142; Hoffmann als Vorbild seines Salvator Rosa
S. 143). In einzelnen wird den Quellen der Dichtungen Hoffmanns nachgegangen,
das jeweilige Vorbild aufgezeigt. Diderot- Goethes Rameau hat Hoffmanns Dialog-,
technik beeinflusst (S. 80, 127). Novalis und Wackenroder, dann Tiecks Sternbald
und sein gestiefelter Kater wirken nach (S. 33/4, 78 ff., 130, 147). Als eins der
ältesten Vorbilder erscheint neben Schillers Geisterseher der „Genius" von Grosse
(S. 15). Das Motiv der Doppelgänger wird in Fouques „Zauberring" aufgedeckt
(S. 119). Jean Paul möchte E. nur für Hoffmanns Anfänge in Anspruch nehmen
(S. VII, 16, 39); er und Arnim (S. 125) scheinen doch mehr auf Hoffmann gewirkt
zu haben, als E. annimmt. Auch Chamissos „Schlemihl" (vgl. S. 104) wäre häufiger
heranzuziehen gewesen, so beim goldenen Topf und insbesondere als gegensätzliches
Vorbild des Klein Zaches. Feinsinnig wird Callot nahegebracht (S. 75). [Jeber die
grösseren Dichtungen Hoffmanns hörte man gerne mehr. Gut aufgezeigt wird, wie
die Gestalt Cardillacs in Hoffmann sich entwickelt hat (S. 139), doch der Kater
Murr, in dem E. Hoffmanns reifste Dichtung erblickt, kommt, zumal nach der
Seite seiner Technik, zu kurz. Unmittelbar nach dem Ausbruche der Krankheit
Hoffmanns stellt E. ein Erlahmen seiner dichterischen Kraft fest (S. 163); nur wenig
Erfreuliches glückt ihm noch, so die „Datura fastuosa", die Haimatochare, über deren
Autorschaft E. wie Walzel denkt (S. 226). Dem Musiker und' Musikkritiker Hoffmann
ist E. gerecht geworden wie kein anderer. Sorgsam und bis ins kleinste werden
seine Kompositionen analysiert, ihre Vorbilder aufgezeigt (Mozart S. 26, 30, 53,
Gluck S. 46, Beethoven S. 65). Der Komposition von Fouques Undine ist ein be-
sonderes Kapitel gewidmet, ihr Einfluss auf Lortzings Vertonung wahrscheinlich
gemacht (S. 105, 111, 189—90). E. verwertet den gesamten musikalischen Nachlass
Hotfmanns (S. V). Der Musikkritiker Hoffmann erscheint in den Anmerkungen mit
dem bisher unbeachteten Aufsatze über alte und neue Kirchenmusik ('S. 201 ff.); seine
Urteile über Mozarts Don Juan (S. 84) und über Webers „Freischütz" (S. 153)
werden streng und unparteiisch geprüft. Ueber die Untersuchung gegen Hoffmann
in Sachen Jahn-Kamptz konnte E. nichts Urkundliches zu Gesicht bekommen und
musste Wellmers Bericht auf guten Glauben übernehmen (S. VI, 156 ff.). Ueber
Hoffmanns Freunde urteilt E. sehr scharf (Hitzig S. 35, 124, W'erner S. 40, Kunz
S. 62, die Dresdener Wasserdichter S. 86, Contessa S. 128). Nur Koreff (S. 128) und
Devrient (S. 125) erscheinen in besserem Lichte. Ausführlich wird zuletzt der
dichterischen und musikalischen Nachwirkung gedacht. Heine, Chamisso, Grabbe,
Alexis, Gaudy, Hauff, Hebbel, Otto Ludwig, Gottfr. Keller, Storm, nicht aber der
Kongenialste unter den Lebenden, Theodor Fontane, sind dort Lortzing und Marschner,
Schumann, Wagner und Offenbach hier in Anspruch genommen. Ueber Hoffmanns
Wirkung auf Frankreich wäre eine eindringlichere Studie, in der Art von Betz
Buche über Heine und Frankreich, noch zuschreiben.83-84) — H. von Wolzogen85)
setzte seine umfangreiche Studie über Hoffmann im Berichtsjahre fort, ohne sie zum
Abschlüsse zu führen. Unmittelbaren Gewinn wird die Wissenschaft aus ihr nicht
ziehen können. Der Vf. wendet sich auch nicht an sie, noch weniger an ein nur
populärer Darstellung zugängliches Publikum. In romantisch unklarer, mehr an-
deutender als ausdeutender Form schreibt er über den Romantiker für einen aller-
engsten Kreis, der sich als berufener Nachfolger romantischer Kunst fühlt. Das
Mystische und Musikalische in Hoffmanns Erscheinung gelangt zu einseitiger, fast
übertreibender Darlegung; zur Interpretation wird alles Magische herangeholt, das
in den romantischen Strömungen mit unterläuft; dass gelegentlich der magische An-
strich nur die Folge eines unklaren und verworrenen Spiels mit nicht ganz durch-
dachten Vorstellungen ist, bemerkt W. freilich nicht, dessen Stil gerade nach dieser
nicht immer erquicklichen Seite romantischer terminologischer Wortwitze rüstig weiter-
schreitet. Im ganzen bleibt sein Aufsatz ein interessantes Dokument für die Art und
Weise, in der Schüler Richard Wagners geistige Erscheinungen erfassen, die als Vor-
läufer des Meisters in Anspruch genommen werden. In dem Probleme „E. T. A. Hoffmann
und Richard Wagner" bleibt ihr Hauptinteresse dem Zweitgenannten gewahrt. Ihn besser
zu erkennen, hat W. seine Arbeit geschrieben, nicht zur tieferen Erfassung Hoffmanns.
230 S. M. 5,00. |[Geg. 46, S. 350.]| — 83) X L. Geiger, E. T. A. Hoffmann: NatZg. N. 544. — 84) X K. Busse, E.
E. T. A. Hoffmann-Bioirr.: VossZgB. N. 50. — 85) H. v. Wolzogen, E. T. A. Hoffraiinn. II. T. (JBL. 1893 IV 10:94):
(4)33*
IV 10:86-102 O. F. Walzel, Romantik.
— Neben Ellinger bietet die allerdings schon vom Sept. 1892 datierte, Einleitung*,
die Lautenbacher86) seiner vierbändigen Auswahl Hoffmannscher Schriften voraus-
sendet, nichts Neues. Die mit unnötiger Breite vorgetragenen Angriffe gegen Litteratur- und
Musikhistorik, die allerdings bis vor kurzem mit Hoffmann sich wenig beschäftigt hatten,
sind durch Ellingers Buch nichtig geworden. L. giebt eine ausführliche Biographie,
er sucht Hoffmanns Gestalt innerlich und äusserlich festzulegen, zerbricht sich un-
nötig den Kopf über Hoffmanns Religiosität, weiss aber von dem Musiker und von
dem Dichter nur sehr wenig Erspriessliches zu sagen.87-89) — Einen Brief Hoff manns
an einen Musikverleger (Berlin, 27. Sept. 1807) bringt die „Deutsche Dichtung" 90) zum
ersten Male.91"92) —
Die an sich schon sehr breit geratenen Mitteilungen über Ernst Schulzes
Verhältnis zu Cäcilie Tychsen (JBL. 1891 IV 11:84; 1892 IV 10:78) finden eine
noch weit breitere Fortsetzung in zwölf umfangreichen Artikeln93), die nach dem
Tagebuche des Dichters und nach mannigfachem ungedruckten Briefmaterial seine
Beziehungen zu Adelheid Tychsen erörtern. Sympathischer wird Schulze auch jetzt
nicht. Das am Totenbette der Schwester angesponnene Liebesgeplänkel mit Adelheid
spiegelt sich ähnlich wie die spätere Phase der Liebe zu Cäcilie in Schulzes Selbst-
betrachtungen. Von der Frivolität, mit der Schulze anfangs über Cäcilie geurteilt
hatte, ist weniger zu spüren. Diesmal scheint er von Anfang an ernster gefesselt
zu sein. In unerquicklicher Redseligkeit kommentiert er jedes Wort und noch mehr
jede noch so unbedeutende Handlung Adelheids und schliesst heute auf Liebe,
morgen auf Abneigung, in ewigem Wechsel. In Wirklichkeit spielt Adelheid zwischen
Schulze und seinem Freunde Wening eine recht ungeschickte Rolle, Sie kokettiert
mit dem jungen Dichter, lässt gelegentlich ein paar Worte von Liebesgram einfliessen,
ist aber thatsächlich mit Wening verlobt. Wening wiederum, selbst anderweitig ge-
bunden, hütet sich wohl, dem Freunde oder der Braut die Augen zu öffnen, und
lässt diese zuletzt sitzen. Schulze endlich nimmt den Schmerz verschmähter Liebe
ins Grab hinüber. Durchaus ungesunde, haltlose, schiefe Verhältnisse, qualvoll
aufrecht erhalten durch die Unaufrichtigkeit der einen, die Schwäche der anderen.
Auch Schulzes Beteiligung am Befreiungskriege, dann zeitweilige Reisen retten ihn
nicht aus seinen seelischen Konflikten. Wenn man Schulze endlich und endgültig
von Adelheid getrennt glaubt, weiss er doch immer wieder anzuknüpfen. Erst am
Rande des Grabes ist er befreit, kann Adelheid mit Ruhe sprechen und erklärt dem
Bruder, er wolle, auch wenn er durch ein Wunder genesen sollte, nie wieder nach
Göttingen zurückkehren. Im ganzen bringt die Veröffentlichung der Tagebuchblätter
und Briefe der Literaturgeschichte wenig Gewinn, und nur ein feiner, ge-
schulter Psychologe wird das Material förderlich und aufklärend benutzen können. —
Innerhalb des Umkreises der schwäbischen Romantik spielt die
U h 1 a n d litteratur des Berichtsjahres nicht jene Rolle, die ihr durch die zahlreichen
neuen Ausgaben der jüngsten Zeit in früheren Berichten zu teil wurde. Hirzel94)
druckt zwei Briefe Uhlands vom 21. Okt. 1824, die beide nach Bern gerichtet sind
und um Zusendung von mittelhochdeutschen Hss. bitten. Ein erschöpfender Kommentar ist
zugefügt, der jedoch die Notwendigkeit der ganzen Veröffentlichung nicht, nach-
weist.95"101) — Ein umso willkommeneres Geschenk ist die billige und handliche Aus-
gabe von Uhlands Volksliedersammlung, die Herrn. Fischer102) bündig und treffsicher
einleitet. Zwei Bände umfassen die Texte der Volkslieder; der dritte bietet die „Ab-
handlung über die deutschen Volkslieder", der vierte die Anmerkungen zu dieser
Abhandlung. Nicht aufgenommen wurden die von Holland im vierten Bande der
„Schriften" abgedruckten Anmerkungen zu den Volksliedern. Die Einleitung
orientiert über den Begriff des Volkliedes, thut einen raschen historischen Ueberblick,
würdigt Herders einschlägige Bemühungen und charakterisiert nicht ganz richtig
das „Wunderhorn". Uhlands auf das deutsche Volkslied gerichtete Bemühungen
BayreuthBll. 17, S. 62-72. — 86) E. T. A. Hoffmann, Ausgew. Werte in 4 Bon. Mit Einl. v. J. Lantenbacher. (= Cottasche
Bibl. d. Weltlitt. N. 236, 238, 240, 242.) St., Cotta. 294, 236, 234, 333 S. ä M. 1,00. |[VossZg. N. 168: O. W. : N&S. 76,
S. 153.JI — 87) X id-, Ausgew. Werte in 6 Bdn. (= ebda. N. 33/9.) 2J0, 206, 204, 324, 247, 263 S. a M. 0,50. — 88) X
id., Mademoiselle de Scndery, chronique du temps de Louis XV. (= Petite bibl. diaraant N. 37.) Paris, Boulanger. 127 S. Fr. 0,60.
— 89)Xia-* Le vieux magister. Adaption par Delauney du Dessen. Tours, Manie & Als. 159 S. — 90) (= N. 68, S. 299-300.)
— 91) X Ed. Höber, Eichendorffs Jugenddichtungen (JBL. 1893 IV 10:104). |[R. Friedrioh: BLU. S. 598; H. Meisner:
DLZ. S. 1484/5.]| — 92) X '■ v- Eichendorff, Aus d. Leben e. Taugenichts. 111. v. H. Looschen. (= 111. Elzevier-Ausg. Bd. 7.)
L., Seemann. 16°. 204 S. M. 2,00. - 93) E. Schulze u. Adelheid Tychsen: DDichtung. 16, S. 28-32, 47-52, 68-78, 92/9,
115-23, 142/9, 165-73, 194/9, 217-26, 240/8, 265-75. — 94) L. Hirzel, 2 Briefe v. ühland: ADA. 20, S. 92/5. — 95) X L-
Uhlands Werte ed. L. Fränlcel (JBL. 1893 IV 10:106). |[LCB1. S. 1541/2; F. S. K(ranss): NFPr. N. 10625 (stark übertrieb.
Lob).]| — 96) X L- Pränkel, L. Uhlands Leben u. Werte. (= Meyers Volksbücher N. 1038.) L. u. Wien, Bibliogr. Inst.
60 S. M. 0,10. (Abdr. d. Einl. v. N. 95.) — 97) X R- Friedrich, L. Uhland, Ges. Werke her. v. F. Brandes (JBL. 1893
IV 10:107): BLU. S. 85/6. — 98) X fc Uhland, Gedichte (JBL. 1892 IV 10:85): DDichtung. 15, S. 180. - 99) X HU Gedichte.
Mit e. Einl. 111. Ausg. (== Litt.-Werke d. Ver. „Minerva" N. 51.) B., (S. Gerstmann). 160 S. M. 2,00. — 100) X 0- 6 t 87/8.)
— 101) X R- Richter, L. Uhland, Ernst Herz. v. Schwaben. (= Velhagen & Elasings Samml. dtsch. Schulausg. N. 64.)
Bielefeld, Velhagen & Klasing. XVI, 80 S. M. 0,50. — 102) L. Uhland, Alte hoch- u. niederdtsch. Volkslieder mit Abhandl.
0. F. Walzel, Romantik. IV 10 : 103-114
bekommen ihren Platz in seiner wissenschaftlichen Thätigkeit angewiesen. Seine
vorsichtige Gelehrtenart, die ihm nicht gestattet, mündlicher Ueberlieferung schranken-
los zu trauen, wird gewürdigt. Kein Gegenstand älterer deutscher Litteratur konnte
ihm besser zusagen, als das Volkslied; ging er doch immer auf das Objektive,
Zuständliche aus. So blieb denn auch sein objektives Bild von dem Wesen des
deutschen Volkssangs unberührt von der Einseitigkeit wissenschaftlicher Theoreme
und vermied glücklich die Irrwege, die auch Jakob Grimms Ansicht vom Volkslied
gelegentlich wandelte.103) — Ein teilweise nach eigenen Erlebnissen entworfenes, wohl-
erwogenes Bild Uhlands zeichnet ein älterer, jetzt neu gedruckter Vortrag Jägers 104).
Ohne der inzwischen vorgeschrittenen Erkenntnis wesentlich Neues zu bieten, gewinnt
er den Leser durch reiche Lokalfarbe. Nur intime Kenntnis württembergischer
Verhältnisse konnte den Gegensatz Uhlands und seines Königs Wilhelm so scharf
herausarbeiten (S. 319— 20). Treffend charakterisiert ist der Redner Unland (S. 321).
Energisch wendet J. sich gegen die Annahme einer schwäbischen „Dichterschule"
(S. 326); Schematisierungswut habe das Wort geschaffen. Beiläufig wird Schillers
„Leidenschaft für die verwitwete Hauptmann Vischer (Laura)" ins Gebiet der Fabel
verwiesen (S. 3181).105-106) — Krickau107) hält es für notwendig, neuerdings den
dramatischen Wert von Uhlands Herzog- Ernst zu prüfen und zum so und so vielten
Male nachzuweisen, dass die Schwäche der Tragödie in dem Mangel an dramatischem
Leben liege: Der Konflikt in der Brust Ernsts ist nicht ausführlich begründet und
allmählich gesteigert. Die Schilderung des Seelenkampfes in der Brust Giselas bietet
keinen Ersatz: er ist rein lyrischer Natur und zieht unser Interesse obendrein von
dem Helden ab. Derselbe Fehler, dass der Held zu wenig im Vordergründe unserer
Teilnahme steht, wiederhole sich noch stärker in Ludwig dem Bayer. Noch mehr als
in dem fertigen Drama zeige sich der Mangel eigentlichen Interesses im Entwurf
des Herzog Ernst. Gegen den Entwurf gehalten, ist die Handlung des Dramas ein-
facher und folgerichtiger geworden, zuweilen ist sie mit den Charaktereigenschaften
der Personen in besseren Einklang gebracht, wie auch einzelne Charaktere reicher
und sorgfältiger ausgearbeitet sind. — Sprenger 108) fragt, ob die im Herzog
Ernst IV, 2, V. 1568 angedeuteten Vorstellungen auf mittelalterlicher Naturgeschichte
beruhen. Er selbst hat das Problem nicht ergründen können. — Fränkel109)
möchte wissen, an welche Stelle Shakespeares oder Schillers Uhland in Ludwig dem
Bayer III, 3, V. 969—71 sich anlehne. — Sprenger110) interpretiert die Worte
von Uhlands Graf Eberhard „Das Fähnlein ist verloren" mit der Wendung „Die
Rottenschar ist völlig geschlagen"; von einer in Verlust geratenen Fahne sei die
Rede nicht.111) — Endlich meint Sprenger112), dass „Krone" in Uhlands Volks-
liedern (III, 3, 229) Kronleuchter bedeute; Uhland selbst scheint den Ausdruck nicht
verstanden zu haben. —
Der Mensch Justinus Kerner wird uns in anziehendster Art nahe-
gebracht durch ein Buch, das sein Sohn Theobald Kerne r113) dem Kernerhause
zu Weinsberg widmet. Anspruchslose Skizzen führen den Wirt und die Wirtin, das
wackere Rickele, sein Heim und die schier unübersehbare Fülle interessanter Per-
sönlichkeiten vor, die im Kernerhause zu Gaste waren. Die Kern er eigentümliche
Mischung von gemütlicher Behaglichkeit und mystisch Spukhaftem kommt
immer wieder zum Durchbruch, für die tiefere Erkenntnis Kerners fällt eine Menge
kleiner, intim charakterisierender Züge ab; und in seiner Umgebung, teils dem
Wesen des Mannes sich schmiegsam anschliessend, teils in schwächerem oder stärkerem
Gegensatz zu seinen mystischen Tendenzen, erscheinen die Vertreter der sogenannten
schwäbischen Schule, dann schwäbische Denker wie Strauss und Vischer, jüngere
Dichterfreunde wie Freiligrath, Geibel, Mosen, Auerbach, neben ihnen ein Mesmer,
endlich fürstliche Personen wie Herzog Max und Prinz Adalbert von Bayern und,
zu ihnen überleitend, der Dichter Graf Alexander von Württemberg-. Von Roman-
tikern sind zu nennen: Uhland, Schwab und Mayer (S. 169— 70) hübsche Reminiscenzen
aus der Werdezeit, ein paar amüsante Uhlandanekdoten), Helmina von Chezy und
ihr Sohn (S. 242), Emma Niendorf (S. 302).1,3a) Lenau nimmt einen breiten Raum
u. Anraerk. 3. Aufl. Mit Einl. v. Herrn. Fischer. (= Cottasche Bibl. d. Weltlitt.) St., Cotta. 346, 320, 30S, 260 S.
M. 4,00. — 103) X E Tingeschrieb. Buch Uhlands: BerlTBl. N. 408. (Aus e. Briefe Uhlands an Fouqne.) — 104) (= IV 9: 181,
S. 313-30.) — 105) X E. Nägele, Beitrr. zu Uhland (JBL. 1893 IV 10:125). |[0. Hellinghaus: Gymn. 12, S. 542; Fr.
Speyer: ASNS. 93, S. 450/1; H. F[ischerJ: LCB1. S. 286.] | — 106) O A. Holder, Z. Rettung u. z. Verstände Uhlands:
DPB1. 27, S. 85 6. — 107) K. Krickau, Ueber d. drarnat. Wert v. Uhlands Ernst, Herzog r. Schwaben. Progr. d.
Progymn. Hofgeismar, (L. Keseberg). 4°. 22 S. — 108) R. Sprenger, Zu e. Stelle in Uhlands Herzog Ernst: ZDU. 8,
S. 129. — 109) L. Fränkel, Anfrage zu Uhlands „Ludwig d. Bayera III, 3: ib. S. 541. — 110) B. Sprenger, Zu
Uhlands Graf Eberhard d. Rauschebart: ib. S. 542/3. — 111) O X *"■ Menzel, Droben stehet d. Kapelle. Randglossen zu
d. Gedichte Uhlands: Pfarrhaus 10, S. 129-34. — 112) R. Sprenger, Zu Uhlands Volksliedern: ZDU. 8, S. 131. — 113) T h.
Kern er, D. Kernerhaus u. seine Gäste. Mit d. Bildi. u. e. Facs. Just. Kerners nebst anderen Portrr. u. 111. St., Dtsch.
Verl.-Anst. VII, 376 S. M. 4,00. |[Geg. 44, S. 414; LZgB. N. 292; N&S. 69, S. 410/1; M. G. Conrad: Ges. S. 964; DRs. 78,
S. 477.11 — 113 a) X F- Brummer, Emma y. Suckow: ADB. 37, S. 109-10. — 114) R. Steig, Aus d. Kernerhause: NatZg.
IV 10:115-125 O. F. Walzel, Romantik.
ein (S. 126, vgl. S. 7). Auch den Geisteskranken, den Besessenen, den Somnambulen,
zumal der Seherin von Prevorst sind einige Kapitelchen gewidmet (S. 92). Ver-
schiedene Briefe an Kerner geben eine Kostprobe der von dem Herausgeber ange-
kündigten Edition des gesamten Kernerschen Briefschatzes. Fast durchweg' sind
Bildnisse beigefügt, einige andere Illustrationen versinnbildlichen die Kernerstätten.
S. 375 ein Verzeichnis der im Buchhandel erschienenen Schriften Kemers. — Die An-
zeigen Steigs114) und Poppenbergs115) haben den intimen Reiz des Buches glücklich
nachempfunden. Sehr richtig weist P. auf die reichen Mittel zu psychologischer
Charakteristik hin, die das Buch enthält, das einen tieferen Einblick in das
wesentliche Detail von Kerners Leben gestattet als irgend eine andere Biographie
des Mannes. — Vom spiritistischen Standpunkte und zu spiritistischen Zwecken
bespricht Delius116) das „Kernerhaus". — Zu einer in ihrer gedrängten Fülle er-
schöpfenden Charakteristik Kerners hat Erich Schmidt117) das „Kemerhaus"
verwertet. Das „Bilderbuch aus der Knabenzeit" glücklich ausnützend, arbeitet er
das Schwäbische an Kerner heraus, leitet aus erblicher Belastung seinen Hang fürs
Gruselige ab, scheidet in scharfer Charakteristik zwischen Unlands und Kerners
Wesen, giebt in solchem Zusammenhang eine treffsichere Beschreibung seiner Dichter-
art, insbesondere seiner Lyrik, und entwickelt schliesslich an einer Menge glücklich
gewählter Züge den reichen Inhalt des Kernerbuches. — Neben der Familienchronik
des Kernerhauses wird man immer noch gerne den knappen, wohlabgewogenen,
Kerner als Menschen, als Gelehrten und als Dichter ergründenden Aufsatz Rümelins118)
von 1862 lesen. Aus dem gesellig behaglichen Treiben des „Kernerhauses" scheint
in Rümelins Darstellung der Mensch Kerner etwas gar zu trübe in die Welt zu
blicken ; seiner Begabung zur Freundschaft ist R. um so mehr gerecht geworden, fein
aber bemerkt er, dass dieser Freundschaftsbegabung der psychologische Tiefblick
Kerners nicht ebenbürtig war, im Leben und in 'seiner Dichtung (S. 316). Ohne Vor-
eingenommenheit offenbart R. den vorsichtigen, nichts weniger als genial rasch zu-
greifenden Arzt. Für die strengwissenschaftliche, romantische Stilkünste meidende
Form seiner theoretischen Schriften wird energisch eingetreten. Schon seine Be-
schreibung des Wildbades lässt von der Technik der gleichzeitigen Reiseschatten
nichts spüren; die ins Mystische schlagenden Schriften Kerners, insbesondere sein
Buch über die Seherin von Prevorst, begnügen sich erst recht mit nichts weniger
als subjektiv gefärbten Referaten. Erst Eschenmeyer brachte in Kerners objektive
Darlegung einen mystisch-deutenden Zug (S. 348, 352). Hübsch zeigt R., wie Kerner
vom Speciellsten gern zu höheren Fragen fortschreitet: wenn er vom Wurstgift
handelt, scheut er vor socialen Forderungen, vor Aeusserungen judenfreundlicher
Toleranz nicht zurück, er, der als echter Romantiker aus protestantischer Mitte den Formen
des Katholizismus zuneigte (S. 333, 360). Für den Dichter Kerner fällt nicht viel
ab. Seine Reiseschatten werden mit raschem Lobe abgethan (S. 326); den „Bären-
häuter" lehnt R. ab (S. 362). Die Jugendlyrik klopstöckelt nach Conz Vorgang
(S. 312), dann aber schliesst sich Kerner nicht der Schillerschen Muse, sondern dem
Wunderhorn an (S. 319). Origineller und vielseitiger an Geist, von sensitiverer
Natur, als Uhland (S. 342) feilt er zu wenig an seinen Schöpfungen, behält aber bis
ins höchste Alter seine dichterische Frische und besingt das treue Rickele als Gatte
häufiger denn als Bräutigam (S. 340, 369). Die Herausgabe der „Seherin von
Prevorst" scheint nach R. auch in Kemers Leben eine wichtige Epoche zu bedeuten
('S. 353). — Zwei naiv herzliche Briefe Kerners an König Ludwig I. von Bayern druckte
von Trost119) nach den Originalen (aus dem kgl. geheimen Hausarchiv zu München)
ab. Den 31. Okt. 1854 beklagte Kerner den Tod der Gemahlin Ludwig L, der Königin
Therese; er bringt die Aehnlichkeit des Schmerzes Ludwigs mit dem Leid des vor
kurzem Verwitweten ergreifend zum Ausdruck. Der Brief von 12. März 1856 soll
Kerners Schrift über Mesmer dem König empfehlen und entwirft aus warmer Ueber-
zeugung ein anziehendes Bild Mesmers, der „weder ein Mann der Phantasie noch ein
Charlatan" gewesen sei.120-124) —
Eine Charakteristik Hauffs trat aus dem Nachlasse Wechslers125) zu
Tage. Frisch hingeworfen, von einer lebendigen Anschauung erfüllt, spendet sie
neben einer Menge von Werturteilen einige beherzigenswerte Beobachtungen. W.
findet in Hauffs Dichterart ein graziöses Gemisch von kecker Altklugheit, selbständiger
Anempfindung und nimmersatter Schöpferlust. Hauff sei das Prototyp des Talents,
N. 185. — 115) F. Poppenberg, Kerner-Interienrs: NationB. 11, S 244/6. — 116) L. Delius, E. Erinnerungsbl. an J. Kerner:
Sphinx 18, S. 141/6. — 117) Erich Schmidt, J. Kerner: ML. 63, S. 41/7. — 118) (I 7:167; IV 5:476; S. 303-74.) —
119) L. v. Trost, E. Erinnerung an J. Kerner: SchwäbKron«. 28. Juli. — 120) X E-. D- F- Strauss u. J. Kerner: DPB1. 27,
8. 44. — 121) X G. Schwab, Sagen d. klass. Altertums. I.-III. L., Gressner & Schramm. 12°. 79, 83, 104 S. ä M. 0,60. —
122) X >d . Kleine Sagen d. Altertums, ebda. 12°. 92 S. M. 0,60. — 123) X id-- D- schönsten Sagen d. klass. Altertums
nach seinen Dichtern u. Erzählern. (= Bibl. d. Ges.-Litt. d. In- u. Ausl. N. 746-55.) Halle a. S., Hendel. VIII, 414 S.; IV,
404 S. Mit 2 Taf. M. 3,50. — 124) X Pfarrhaus Gomaringen: Pfarrhaus 10, S. 46/7. - 125) E. Wechsler, W. Hauff:
0. F. Walzel, Romantik. IV 10 s 120-140
das sorglos und gewandt über Schwierigkeiten weghüpfe, die dem Genie qualvolle
Stunden bereiten. Seine andauernde Beliebtheit erklärt W. aus der Thatsache, dass
Hauff auf dem geistigen Niveau der Mittelschicht des deutschen Lesepublikums stehe.
Er sei der Dichter des philiströsen Bürgertums, aber er habe verstanden, Philistrosität
mit romantischen Arabesken zu umranken. Die Märchen, in denen Hauff sein Bestes
gegeben habe, vergleicht W. mit den höher stehenden Dichtungen Andersens und mit
den Wielandisch zugerichteten von Musäus. Als Novellist sei er Anempfinder. Die
einzelnen Novellen kritisierend, bezeichnet W. als Hauffs Steckenpferd Satire gegen
litterarisches Cliquenwesen. Er macht aus inneren Gründen wahrscheinlich, dass
Hauff seinen Mann im Monde bona fide nach Claurenschem Muster gearbeitet habe,
wie er sich ein andermal an Tieck oder E. T. A. Hoffmann anlehnte. Die „Säng'erin",
die Hauff niemals als satirische Nachahmung ausgegeben habe, bewege sich ja
gleichfalls in Claurenschen Bahnen. Ueber das Verhältnis der Memoiren des Satan
zu Hoffmann wäre mehr zu sagen gewesen. Den Lichtenstein kritisiert W. scharf,
nennt ihn aber doch ein „jugendschönes Werk". Hauff, meinte er, wollte unbewusst
eine Rittergeschichte schreiben, die, hätte er sie als Knabe gelesen, ihm Thränen
der Begeisterung entlockt hätte. Die geringe Glätte seiner lyrischen Gaben wird zuletzt
zum Brauche der schwäbischen Schule in Gegensatz gebracht.126-140) —
IV, 11
Das junge Deutschland.
Ernst Elster.
[Der Bericht über die Erscheinungen des Jahres 1894 wird im sechsten Bande
nachgeliefert.]
WIDM. 76, S. 695-708. — 126) X M. Mendheim, Hauffs Leben u. Werte. (= Meyers VolVsbücher K. 1019.) L. u. Wien,
Bibliogr. Inst. 16°. 57 S. M. 0,10. |[Zuschauer 2, S. 129-30.]| (Einleit. v. JBL. 1892 IV 10: 115.) — 127) X E- Wechsler,
E. neue Hauffausgabe: NatZg. N. 239. (Besprech. v. C. Flaischlens Ausg.: JBL. 1891 IV 3:93.) — 128) X W. Hauff, Märchen.
Fürth, Löwensohn. 320 S. Mit Bild. M. 2,50. — 129) X ia •> D- Karawane. Märchen. (= Allg. Volksbibl. N. 40,1.) Neu-
salza i. S., Oeser. 104 S. M. 0,20. — 130) X id., Caravan. (= Mod. translations.) London, Bell. Sh. 1. — 131) X id.,
The inn in the Spessart, transl. by S. Mendel, ebda. Sh. 1. — 132) X id.. Lichtenstein. E. romant. Sage. (= Allg.
Volksbibl. N. 4-11.) Neusalza i. S., Oeser. 372 S. M. 0,80. — 133-134) X id.. Lichtenstein. Bd. 1-3. (= Die besten Romane
d. Weltlitt. Neue Ausg. Serie III, Bd. 13/4.) Teschen, Prochaska. 16°. 134, 193, 100 S. ä M. 0,50. — 135) X H* Lichten-
stein. Roman hist. Avec notices et notes par L. Schmitt. 5. ed. (=: Cours sup. de langue allem. Les auteurs du programme.)
Paris, Delagrave. VIU, 65 S. — 136) X id-, D. letzten Ritter v. Marienburg; D. Bettlerin v. Pont des Arts; D. Sängerin.
(= Allg. Volksbibl. N. 18-22.) Neusalza i. S., Herrn. Oeser. 68, 114 u. 56 S. M. 0,50. (3 Tle. in 1 Bd.) — 137) X id., Othello.
Novelle. (= ebda. N. 47.) 47 S. M. 0,10. — 138) X id> Jnd Süss; D. Bild d. Kaisers. (=: ebda. N. 14/7.) 174 S. M. 0,40.
(2 T. in 1 Bd.) — 139) X id-, Phantasien im Bremer Ratskeller. E. Herbstgeschenk für Freunde d. Weins. (= ebda. N. 54.)
52 S. M. 0,10. — 140) X id-, Phantasien im Bremer Ratskeller. 111. v. A. Niemeyer. (= III. Elzevier-Ausg. Bd. 3.) L.,
Seemann. 16°. 135 S. M. 2,00. —
Autorenregister.
Abafl, L. 14: 96.
Abee, V. IV 2 b : 244.
Achelis, Th. IV 5 : 49, 161, 204.
Achenbach, H. v. 14: 341.
Ackermann, K. 13: 169.
Adam, K. I 4 : 129: II 1 : 151; III 2 : 2.
Adaniek, E. I 5 : 411.
Adams, G. 14: 7.
Adeline, F. 13: 125.
Adickes, E. IV 5 : 89, 105.
Adler, F. IV 1 d : 70; 2 b : 363.
— G. I 10 : 22.
Advielle, V. 13: 281,
Agreotti, A. IV 8e : 57.
Ahlbeim, A. 16: 16.
Ahlwardt, W. 13: 18.
Ahn, F. I 3 : 92, 416.
Ahrens, U. I 12 : 185.
Albers, B. 14: 401,2.
— J. I 4 : 344.
Albert, Ed. IV 2b: 116.
— H, IV 1 d : 9.
— M. II 7 : 24.
— P. II 1 : 105.
— K. III 1:175a; 5:12.
Albertz, E. II 6 : 144.
Albrecht, A. 17: 223; II 6 : 91.
— G. I 4:4(54a; 5:90; 111:124;
III 2 : 12.
— K. IV 5 : 36/7 ; 6 : 23.
Aldenhoven, C. 19: 22, 58, 160.
Aldrich, S. J. I 3 : 55.
Alexander, W. F. I 10 : 115; IV 1 c : 55.
Alexejew, W. IV 1 b : 273.
Alhard v. Drach, C. 19: 455.
Allers, O.W. IV 1 b : 279.
Allgeyer, S. 19: 276.
Allmers, II. IV 2b: 344/7; 3:313b.
Allram, J. IV 2b : 171; 3 : 424,5, 427,
4323.
Aisleben, K. IV 3 : 170/1.
Altenkrager, E. IV 5 : 34.
Althaus, F. IV lc : 69a.
Altkirch, E. 19: 315.
Araalfl, G. I 11 :5 a.
Ambrassat, A. II 6 : 96.
Amelung, K. II 6 : 183.
Amerlan, F. II 4b: 41.
Amersbach, K. 15:5.
Ammann, J. J. IV 3 : 407.
Amsel, G. I 7 : 216.
Amyntor, Gerhard t., s. Dagobert v.
Gerhardt.
Andersson. A. II 5 : 29.
Andrä, J. 15: 150.
— E. 17: 169.
Andrea, E. 14: 178.
Andreas-Salome, Lou. IV 5 : 175.
Andrian, F. v. 15: 127.
Andrich, S. I 10 : 249.
Anster, J. IV 8e : 100.
Antona-Traversi, C. IV 3 : 562.
Apfelstaedt, M. IV 2b : 319.
Arber, E. 13: 386.
Arend, M. I 10 : 14.
Arendt, K. I 4:445a.
— 0. IV 3:247; 9: 194.
Arent, W. IV 2 b : 282.
Aresin-Fatton, J. M. R. II 1 : 64.
Arke, B. IV lb: 341; lc:37.
Arminias, W. IV 2 b -.82.
Arndt, A. II 6 : 151.
— R. IV lb:376; 5:592.
— W. III 1:129, 134, 136; IV 8a: 52 3,
66; 8b: 1, 2; 8d : 1; Se : 12.
Arneth, A. Ritter v. IV lb : 5, 390.
Arnheim, F. III 1 : 145; IV lb :47, 77.
Arnim, F. IV 3 : 375/6.
Arnold, Mrs. IV 5 : 486.
— C. F. IV 5 : 241 a.
— F. II 6 : 265.
— Th. J. J. 13 : 112.
Arnoldt, E. IV 5 : 100.
— R. I 12 : 183.
Artaria, R. I 4 : 137 a, 433 a ; I V 3 : 217.
Asmus, F. 15: 394.
Ath, F. W. v. IV 5 : 560.
Atz, K. 19: 164, 373.
Aufleger, 0. I 9 : 128 9.
Aufsberg, Th. I 5 : 169.
Avenarius, F. I 9 : 280, 326/7, 345.
Averdunk, H. I 4:338.
Baasch, E. I 4 : 213: IV lb : 464.
Bacciocco, F. A. IV 1 b : 90.
Bach, M. I 4 : 43a; 9 : 167, 1S4, 452;
II 1 : 130.
Bache, Constance. I 10 : 186.
Bachelin, L. IV 3 : 500.
Bachmann, A. II 1 : 3, 107.
Baechtold, J. III 5 : 78: IV 1 c : 78;
3 : 357, 367, 8, 375 6; 5 -.439-40; 6 : 19.
Back, S. 14: 424.
Baecker, P. I 1 : 27.
Baege, W. III 1 : 28.
Bähring, G. IV 1 b : 233.
Baer, J. 13: 119; 4:226.
Bärwinkel, R. II 6 : 180.
Bäumker, W. I 10 : 76.
Bahder, K. v. 17: 102.
Bahlmann, P. 13:147, 149; 4:33;
6 :40: II 3 : 59; 5:11, 32; 6:43,
270; 7 : 17.
Bahlsen, L. I 4 : 524; 11 : 49.
Bahr, H. 14: 426.
Bailleu, P. IV lb : 76; lc : 6.
Bailly, Edm. IV 9:112.
Baldamus, A. I 2 : 18; III 1 : 2; IV
1 c : 69.
Baldi, A. 16: 92,3.
Ballhorn, F. 13: 128.
Bamberger, L. 11:14; 4:28; IV
la:25; lb:318; 5:590.
Barack, K. II 3 : 29.
Barbier, J. IV 9 : 121/2.
Bardachzi, F. II 4b : 47.
BaTewicz, W. 1 11 : 55.
Baring-Gould, S. 15: 219.
Bartels, Ad. 19:1; II 4b: 12; IV
lc : 23, 44; ld : 10, 57; 2b : 91, 352,
383: 3 : 212, 583, 597; 5 : 533.
— P. I 4:200a.
— W. 16: 142.
Barth, P. IV 5 : 207, 229.
— Th. IV 1 a : 25; 5 : 485, 589.
Barthel, G. E. IV 10 : 57.
Bartold, W. IV 1 b : 457.
Bartholomaeus, W. 16: 97-100.
Basedow, H. v. IV 8 e : 35.
Bassermann, 11. I 12 : 60.
Batka, R. I 10 : 2, 64.
Bauch, G. I 9: 209; II 7 : 40.
— H. IV 3 : 266.
Bauer, A. 17: 114.
— F. IV 8 c : 9.
— G. I 6 : 52.
— H. III 1 : 37.
— L. 16: 12, 18, 87/8 ; IV 10 : 100.
— Marianne. I 5:71a.
Baumann, F. 14: 356.
— Fr. L. IV 1 b : 432.
— J. IV 8e:91.
Baumbach, K. 13: 412.
— R. IV 3 : 466.
Baumeister, A. I 12 : 50.
Baumgärtel, M. 13: 464.
Baumgart, A. 15: 96.
— II. IV 9 : 150.
Baumgarten, F. 14: 404.
— H. II 1 : 48; IV 6 : 41.
— M. t. 14: 454.
Baumgartner, A. II 1 : 77 a; II 6 : 3.
— H. IV 5 : 219.
-E. 17: 140.
Baur, J. F. IV lb:126.
— W. IV lb : 144; 3:484; 5:250, 276,
279
Bayer. I 4 : 236.
— E. I 4:41.
— E. A. IV 2b: 28, 30,1.
— J. I 1:75; 10:175.
Beamish, J. S. II 6 : 115.
Bechstein, R. I 7 : 3 4 ; II 4 b : 67.
Beck, J. I 4:361.
— Jessie. IV 3 : 219.
— J. T. IV 5 : 313.
— M. III 5:15; IV 7:14.
— P. IV 2a:130; 2b:302; 5:348.
— R. III 5 : 51/2.
Becker, Benno. 1 9 : 16, 60, 285.
— Bernh. IV 5:262.
— H. IV 8a: 57.
— K. Th. I 12 : 239.
— Th. I6:4;7:160; IV 6 : 29; 8d : 33.
— W. II 5 : 44.
Beer, A. I 4 : 164; IV lb:87/9.
— L. IV 2 b :374, 406; 3:510a, 611.
Begas, R. I 9:44.
Behaghel, 0. 17:36,113,201.
Behr, E. I 5 : 89; II 6 : 168.
Behrends-Wirth, R. IV lb:353
Behrens, D. I 2 : 21 ; IV 5 : 427.
Beissel, St. 13: 26.
Bell, Clara. IV 3 : 206.
Bella, E. I 3:126.
Bellardi, P. IV lb:151.
Beilesheim, A. II 1:17, 76; 5:16;
III 1:36; IV lc:63.
Bellot, E. IV 2b: 412.
Below, E. IV 2 b : 150.
— G. v. I 4 : 50, 151 ; II 1 : 132.
Beizig, R. v. IV 2b: 500.
Benda, A. 15: 339.
Bendel, T. IV 5 : 597.
Bender, Hedwig. IV 3 : 480.
— M. I 12 : 2.
— 0. 17: 112.
Bendixen, R. II 6 : 150; III 1 : 45.
Benedikt, E. I 3 : 431.
Benedix, K. 18:9.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V.
(4)34
Autorenregister.
Benkard, Chrn. IV 1 a : 44.
Benn, A. W. IV 8a : 79.
Benndorf, K. I 10 : 87.
Berbig, F. 14: 74; 12 : 181.
Berdrow, H. 14: 102.
Berendt, M. IV 5 : 152/3.
Berg, L. I 1 : 35; 4 : 113; IV la: 21;
2a : 75, 97, 99; 2b : 64, 321, 394, 403,
405, 408; 5: 149, 624; 9:52.
— M. v. IV 1 b : 342.
Bergemann, P. I 12 : 6.
Berger, A. II 6 : 112.
— A. Frhr. v. 19: 257; IV 8a: 46.
— A. E. II 1 : 56; 2 : 36; 6 ! 120.
— K. IV 9 : 49.
— L. I 4:265; IV 1 b : 316/7.
— Rud. 1 9 : 293.
— 8. 13: 25.
Berges, Ph. 13: 255.
Bergfeldt, Tb. IV 1 b : 338,9.
Berghoeffer, Ch. I 3 : 299.
Bergner, E. IV 3 : 473.
Beringer, 0. III 5 : 5/6.
Berkowicz, M. 15: 391.
Berlepsch, H. E v. 19: 280; IV 3 : 382.
Berlit, G. I 2:52, 55; 12:93.
Bern, M. IV 2 b : 502.
Bernbeck, K. III 1 : 151 ; IV 1 c : 1.
Berner, E. IV 5 : 575.
— K. III 1 : 148.
Bernfeld, S. 1 1 : 36; IV 5 :87.
Bernhard!, F. v. IV 1 c : 27.
— W. I 9:307; IV 10:15, 26.
Bernhardt, J. 17: 39-40.
Bemouilli, A. II 6:8.
Bernow, L. I 5: 155.
Bernstein, E. IV 1 b : 475 ; 3 : 544, 569.
— M. 13: 425.
Bertheau, C. I 12 : 10; II 6 : 218; 7 :
35; IV 5:270.
Berthold, A. IV lb:204.
— G. II 1 : 104.
Bess, B. 116:139, 205,6; 1115:31.
Bessern, P. IV ld : 6; 2b : 23.
Bettelheim, A. I 4 : 467 ; III 5 : 55 ;
IV ld:43; 2b:186; 3:188; 5:627;
8c:7.
Betz, E. IV 1 c : 33.
Beyer, C. IV 1 b : 444.
— J. I 10:158.
— Th. I 12 : 191.
Beyl, J. 13: 220.
Bey schlag, W. IV 2b: 367.
Bezold, F. v. II 1 : 147 ; IV 1 c : 77.
— G. v. 19: 127, 389.
Biadene, L. IV 5 : 435.
Biagie, G. 13: 257.
Biberfeld, C. IV 2b: 317.
Bie, 0. 19:5, 426 ; 10:9, 31, 57, 63,
135, 166, 185.
Biedermann, F. v. 13: 406/7 ; III 1 :
157.
— K. 14:2, 83, 186, 212, 266; IV
1 b : 12.
— W. v. IV 8a : 67, 95; 8c: 50; 8d:
33a; 8e : 36, 78, 83, 110, 117.
Biegeleisen, W. 15: 188.
Bielschowsky, A. IVlb:410; 8a:
52/3, 66; 8b : 12, 49, 54; 8e:69 77.
Bienemann, F. 14:185; 1111:156:
IV 5 : 396.
Bienenstein, K. I 3 : 241; IV 2b : 71.
Bierbaum, 0. J. I 9:331, 338; IV
2b: 379; 5:547.
Bierwirth, C. H. I 7 : 36.
Biese, A. I 4 : 120 a ; I V 2 b : 323, 326 ;
5 : 68, 210, 225, 233.
Biesendahl, K. IV lb:422.
Bigelow, P. IV 1 b : 367.
Billroth, Th. I 8 : 17 ; 10 : 4; IV 5 : 500a.
Biltz, K. I 4 : 292 ; 5 : 260 ; 11 : 12.
Binder, F. II 5:23.
Binding, K. IV lb:224.
Binswanger, R. I 9:310.
Binz, G. II 4a: 30; 5:35.
Bion, U. IV 5 : 7.
Birlinger, A. 17: 73.
Bischoff, Th. I 7 : 15 ; III 1 : 191 ; 2 : 22 ;
5:3.
Bitaube. IV 8d:17.
Bitzius, A. IV 5 : 297.
Black, W. III 3 : 4.
Blanckmeister, F. I 12: 145; 111 1 : 38;
IV 2a: 28. 151.
Blasel. 111 1:34; IV 8d:6; 8e:10.
Blatz, F. 17: 103.
Blau, A. 13: 218.
Bleeck, L. II 6:241.
Bleibtreu, K. IV 1 b : 170, 182.
Bleisteiner, G. I 10:47.
Bliedner, A. IV 3 : 177.
Blind, K. IV 5:575.
Blösch, E. III 5:87; IV 5: 3S1.
Bloete, J. F. D. I 11:11.
Blondel, G. II 1:40.
Bloos, G. IV 3:3.
Bios, W. IV lb:8.
Blümel, E. IV 2a: 76.
Blümlein, C. 1 5 : 315; II 2 : 42.
Blümner, H. I 7 :32; IV lb : 265;
6:27.
Blum, H. IV 1 b : 243/4, 267.
Blumenstengel, K. 19: 173.
Blumenthal, H. I 3:413.
Blumschein, G. 17:6.
Bobe, L. III 1:133.
Bock, A. IV 2a: 100; 8a: 38, 88; 8b:
27a, 56/8; 8e:93; 10:33.
— F. II 6 : 159
Boclcenheimer, K. G. IV 1 b : 108.
Bode, W. I 4:514; 9:429.
Bodewig, K. III 1:21, 84.
Boeck, C. v. d. IV lb : 150, 247.
Bock, R. 19: 14.
Böckler, 0. II 1 : 1.
Böheim, W. I 9:460, 464; II 1:66
Böhm, G. 19: 284.
— J. I 4 : 36.
— M. I 12 : 96.
— 0. I 6 : 38.
Böhme, E. IV 2 b : 280.
— J. 15: 299.
— F. M. I 10 : 38 ; II 2 : 39.
-- R. 1 2:58; 7:21/2.
Böhtlingk, A. IV 1 d : 55.
Bölsche, W. IV 5: 53, -177.
Bömer, A. II 7 • 16.
Boenisch, P. 14: 174a.
Börckel, A. I 4 : 46; IV 1 c : 3.
Boesch, H. 1 4:27a, 51a, 244, 253a,
263; 5:81. 355; 9:450/2; II 1:114;
4b: 37: III 1:29; 5:7.
Boesser, E. IV 2b: 468.
Bötführ, H. J. II 6 : 230.
Boettcher, F. IV 5 : 555.
Böttger, L. I 9 : 147.
Bötticher, Ad. I 9:149.
— G. 18:7; II 6:83; IV 8e:39.
— P. II 6 : 229.
Bofferio, A. IV 5 : 60.
Boguslawski, A v. IV lb:169
Bojanowsky, P. v. I 3:162; 4:466;
IV lb:438; 8b: 52.
Bolhoevener, K. I 3:194
Bolin, W. III 5:55; IV ld:43; 5:672.
Boll, F. II 4b: 53.
Bolte, J. I 5:1, 295, 316/7, 319, 329;
11:29-31, 46; II 2:31/5, 37, 41a,
49-50, 62; 3:16, 19, 30; 4a: 28, 31,
34; 4b: 80/1; 5:9, 67, 103, 106, 122;
7:30, 38; III 2:3, 6; 3:2.
Boltenstern, P. v. IV 9 : 179.
Bolza. IV 3 : 3S4.
Bondi, G. IV 2a: 30.
Bone, K. 16: 125.
Bonghi, R. II: 33.
Bonn, F. IV 2b : 357.
Bonnafie, Edm. II 5 : 100.
Bonnard, A. II 6 : 246.
Bonnell, W. 14: 285.
Bookmaker. I 3 : 14^, 317.
Boos, H. I 4 : 93 ; IV 6 : 40
Borgius, E. 1 12 : 20.
Borinski, K. I 4 : 85 ; 8 : 33 ; III 1 : 206 ;
2 :37; 5:2; IV 2b : 397.
Borkowsky, E. 14: 314.
Bormann, E. IV 1 d : 49.
— W. IV 2b : 219, 350; 3 : 328.
Bornhak, F. IV 1 b : 431.
Borostyäny. F. v. I 10 : 273.
Borowsky, M. 13: 310.
Borrmann, R. 19: 233, 236, 432.
Bosquet, E. 13: 470.
Bosse, F. I 12 : 225.
Bossert, G. 1 4:412; II 1:32, 35;
5 : 5, 27; 6 : 5, 58, 64, 110, 112, 173,
192, 197, 203, 263, 272; IV 5 : 343/4.
Bothmer, II. IV 2b: 215.
Bouchet, E. IV 8a : 85.
Bouffier, F. IV 2b: 496, 533.
Bouraliere, De la, M. A. 13: 71.
Bowes, R, 13: 180.
Boy, J. 1 3 : 372.
— M. II 6 : 135.
— P. II 2 : 2.
Boyle, R. I 8:28 d.
Brägelmann, B. IV 5 : 238b.
Bräutigam, L. IV 2 b : 96, 342.
Brahm, 0. IV 2 b : 266.
Brahn, M. IV 5 : 138.
Braig, C. IV 5 : 69.
Brand, A. I 12 : 190.
— W. F. 13: 251.
Brandenburg, E. II 1 : 35, 39.
Brandes, Fr. IV 3 : 270.
— G. I 4:113; IV la:3, 21; lb:94,
483; ld:36; 10:2.
Brandi, Th. II l : 109.
Brandis, E. 15: 427.
— K. G. IV 2a: 141; 5:569.
Brandi, A. I 11 : 40; IV 1 d : 1, 43, 49.
Brandt, P. IV 2 b : 492.
— S. I 12 : 66.
Brandstetter, F. L. 13: 174.
— R. II 4 : 38.
Branky, T. 17: 212.
Brascli, A. H. IV 5 : 55 a.
— M. 1 10 : 229; IV 5 : 81, 157, 191,
571; 6:26; 9:43, 48.
Brassington, W. 13: 472.
Braun, A. 19: 16.
— Clara. IV 2 b : 489.
— F. IV 3 : 144, 146/7.
— 3. 13: 152; II 4b :67a.
— 0. IV la: 14; 2b: 310.
— Th. I 12 : 123
Braungart, R. 14: 246.
Brauns, U. 14: 312.
Braunsberger, 0. II 1 : 7, 14; 5: 16.
Brausowettar, E. IV 1 d : II, 49.
Brecher, A. II 6 : 14.
Breckwoldt, ,T. 14: 308.
Brede, A. IV 2b: 498.
Bredl, 8. I 12 : 147.
Breest, E. II 6 : 58.
Breitner, A. IV 2b: 239.
Bremer, 0. 17: 43.
Brendicke, II. 14: 294; HI 1 : 140.
Brenner, 0. I 7 : 38, 64, 70, 109, 150;
III 4 : 21.
Brentano, h I 4 : 189; IV 5 : 484.
Brettes. IV 9 : 140.
Breul, K. IV 8 a : 82; 9 : 92.
Breyer, E. I 12 : 33.
Breymann, H. I 2 : 24; IV 5 : 426.
Breysig, K. III 1 : 129, 132, 138, 146,
171, 173.
Brieger, A. IV 2 b : 168, 319, 321, 336;
3 : 227.
— Th. I 4 : 509; II 6 : 118, 119.
Brinckmann, J. 19: 443.
Brinkmann, Ad. 14: 221.
Brinzinger. IV 2 b : 254.
Brociner, M. IV 2 b : 111; 3 : 309.
Brockhaus, H. 14:6.
Brode, R. III 1 : 140; IV 1 b : 2.
Bröcker, K. 14: 91.
— M. v. 19: 80.
Broemel, M. 14: 472.
Broicker, Charlotte. IV 6 : 39.
Browne, G. 15: 219-20.
Brückner, A. IV 2 b : 285.
Bruder, P. I 12 : 205.
Brudnick, K. II 6 : 94.
Brückner, A. IV 3 : 252.
Brummer, F. I 12 : 182; IV 2 b : 74,
234, 263; 3: 179, 194, 271, 35S, 415,
493, 531; 5 : 388, 465; 10 : 113a.
Brünnert, E. IV 2 b : 473.
Bruinier, J. W. III 4 : 26.
Brun, C. I 9:281; IV 3 : 381.
— J. IV 1 c : 9 ; 3 : 500.
Brunco, W. II 4 a : 5.
Brunei, G. 13: 22.
Brunk, A. 15: 346.
Brunner, A. I 6 : 67; 7 : 203.
— Seb IV 1 b : 378.
Bruno, CG. IV 2 b : 318.
Bruns, J. 12: 15.
Brunschvicg, L. III 5 : 56.
Brugi, B. II 1 : 121.
Brugsch, H. IV lc:76; 5:415/6.
Brukner, B. IV 3 : 418.
Bry, J. T. u. J. J. de. 13: 129.
Bryk, v. IV 5 : 625.
Bucher, B. IV 1 b : 290.
Buchholtz, Ar. IV 2 b : 233.
— H. 15: 257.
Buchholz, G. IV lb:383.
Buchner, W. I 6 : 73; 9:82; IV lb:
165 6, 300,1; 8e:37.
Buchrucker, 0. IV 5:254.
Buchwald, G. 1 3 : 356; 12 : 158; II 1:
122; 6:53, 65, 85, 153, 180.
Autorenregister.
Buchwald, G. v. IV lb:458.
Budde, K. I 9:115; IV 2b:3S.
Bücher, K. I 4:166 0a; IV 0:479.
Büchner, L. IV lb:486: 5:572.
— W. IV 8h: 50: 8e:5S
Bückmann, L. I 8:31.
Bülau, F. I 4:465.
liülow, G. v. II 7:30.
— W. v. IV lh:272.
Bünlter, J. B. I 5 : 362; 9 -.369.
Büttner Pfänner zu Thal, F. I 9 : 151.
Buhlers. I 4: 133
Bulle, H. IV 2b: 278.
— 0. IV 8a: 90.
Bnlthaupt. II. I 10:255; IV ld:30,
54; 3:41.
Band, L. IV 2b: 438.
Bunge, R. IV lb: 119
Bnrchard, G. II 4b: 7, 111; IV 3:240.
Burckhard, M. E. IV 2b: 195.
Burckhardt, D. I 9:191.
Biedermann, Th. II 6:234.
Werthmann, D. 19: 259.
Burdach, K. 17:13,80; 8:37; 12:169.
Burdeau, A. IV 5 : 14S.
Burg, .1. III 1 : 79.
Burgerstein, A. 14: 330.
Burggraf, J. IV 9: 178.
Burghauser, G. 16:74: 7:170; IV
8e:42.
Burkhardt. IV 2 b : 441.
— C. A. H. II 1 : 129; 6 : 55, 174.
— G. III 5 : 37.
— .1. 14: 43.
— 0. I 4: 167; II 6:181.
Burt, H. v. IV lb:296; 1 c : 32.
Busch. I 4:254 a.
— R. I 2:33; 4:514.
— W. IV 5:303.
Buschmann, .1. I 6:61/2; 12:204.
Buss, G. I 9:436.
Busse, C. IV2b:370; 5:443; 10:
35, 84.
— K. 11:7.
— L. IV 5 : 7S.
Bussler, L. 110: 81, 207, 230, 250.
— W. IV lb:10.
Calliano, C. 15: 158.
Cantor, M. II 5 : 51.
Caprivi, Leo Graf v. IV 5 : 592.
Cardauns, H. III 1 : SO 1.
Carducci, G. II 1 : 7S. '
Carlander, CM. I 3 : 316, 352.
Carls, W. III 5 : 71; IV 5 : 231/2.
Carlson, E. III 1 : 155.
Carlyle, Th. IV 3 : 120; 8d : 36.
Carmen Sylva. IV lc:9.
Caro, J. 14: 143.
Carriere, M. I 8 : 1 ; IV 2 b : 385 ; 10 : 42.
Carruth, W. H. IV 9 : 90.
Carstanjen, F. 19:1.
Carstens, C. E. I 12:90; II 6:216;
1115:19; IV 2a : 70; 2b : 76; 3 : 494;
5 : 125, 616.
— A. 15: 328.
Cartellieri, A. I 3 : 20; IV 1 b : 145.
Cartier, A. I 3:81.
Cascorbi, P. I 5 : 402; 7 : 209.
Caspari, K. H. II 6 : 100.
— 0. IV 5 : 203.
Cauer, P. 1 6 : 9 ; IV 5 : 636.
Cerracchini, L. IV 3 : 501, 513, 557.
Cesca, G. III 5 : 60.
Challier de Grandchamps, P. 13:426.
Chamberlain, H. St. I 10:134/5, 142,
155, 181; IV lc: 57.
Chatelain, E. 13:1.
Chiavacci, V. IV 2b : 111; 3 : 188.
Chmelarz, E. 19: 203.
Chop (Charles), M. I 10 : 188.
Christ, K. 14: 351.
Christen, Ada. IV 2 b : 111.
Chuquet, A. I 3:30g; IN 4:34, 14,
24, 29; IV lc : 16a, 88: 2a: 66; 3:
35, 41, 67; 5 : 25; 6 : 38; 9 : 2, 60,
118.
Ciaassen, J. IV 2b : 465.
Clages, II. 18: 28.
Clarac, E. IV 8e : 51.
Claretie, L. 13: 182.
Clark, J. W. 13: 266.
Clauss, J. 19: 143.
Clegg, J. 13: 389.
Giemen, P. I 2 : 59 ; 9 : 143, 371.
Cloetta, W. I 11 : 10.
Clouston, W. A. 13: 146.
Claudin, A. 13: 72/4 a.
Claussner, R. IV 2b : 491.
Clauswitz, P. 14: 287, 293; IV 5 : 32.
Cobden-Sanderson, T. J. 13: 477.
Cock, de. 15: 304.
Cohansen, K. A. v. 14: 229.
Cohn, A. 13: 163.
Cohrs, F. II 6 : 85, 163.
Colville. J. IV 3 : 135.
Collin, J. I 3:434; IV 10:6.
Conrad, II. IV ld : 31; 2 b : 349, 352;
3 :340 a, 548, 572.
— J. I 12 : 105.
— M. G. I 1 : 84; 3 : 425; 9 : 27; IV
5:568, 580; 10: 113.
Conway, W. 19: 169.
Correvon, Ch. III 1 : 40; IV 5 : 330/2.
Coyecque, E. 13: 76.
Crampe, R. 16: 73.
irane, L. 15: 223.
Cranstoun, J. II 5 : 109.
Creighton, M. II 1 : 7; IV 5 : 221.
Creizenach, W. II 4a : 21, 24; 6 : 108;
III 4 : 26; IV 3 : 29 : 0 : 13 ; 8 a : 52,3,
66; 8b: 1/2; 8d : 1; 8e : 1/2.
Cremer. I 12:233.
Culpieux-Jamin. I 3 : 43.
Cuno, F. W. II 6 : 249-50, 254.
Cunow, II. 11: 11.
Curtius, C. I 3 : 307.
— E. IV 5:406.
— F. IV 1 d : 32 ; 5 : 298.
Curzon, H. de. 19: 92.
Cuthell, E. E. I 10 : 178.
Cutting, S. VV. IV Se : 113.
Czerny, A. II 6 : 192.
— R. IV 10 : 24.
Czygan, P. IV lb: 135,6.
»adelsen, H. v. 16: 105/7.
Daelen, Ed. I 9:304.
Dahlmann, G. III 5 : 30.
Dahms, G. 14: 494.
Dahn, F. IV lb:306; lc :523a;
2b: 336; 3:195.
Damköhler, E. II 5: 129; 6 : 108.
Dammann, A. I 6:116.
Daraus, R. IV 1 b : 404.
Daniels, E. IV 1 b : 70.
Darbeut, II. IV 9:121.
Dan, A. III 3 : 9 ; IV 2 b : 30S ; 3 : 259.
Daubenspeck, II. 17: 215.
David, J. J. IV 2b: 377.
Dechent, II. IV 5:338.
Decker, F. I 11:1; IV 8e:123.
Decleve, J. I 10:78.
Dehio, G. 19: 54.
— J. W. 14: 253.
Dehrael. R. IV 2b: 385.
Dehn, P. I 3 : 409 ; 5 : 255 ; IV 1 a : 9.
Deininger, W. 19: 158.
Delalain, P. 13: 381.
Delaporte, P. V. IV 9 : 128.
Delbrück, II. I 8:15; IV 1 b : 64, 161,
163, 374,5.
Delisle, L. 13: 49, 95.
Delhis, L. IV 10: 116.
Delmont, T. IV 9:133.
Delvigne, A. II 5 : 4.
Dembowski, J. III 2 : 36; IV Sc : 11.
Demmler, P. IV 5 : 022.
Dennert, E. IV 5: 50 a.
Dernburg, F. IV 3 : 290; 5 : 590
Dersch, 0. 1 12 : 219.
Descostes, F. IV 9 : 139.
Descreux, V. IV 2b: 144.
Dessoir, M. I 6 : 145; III 1 : 1S5 ; 5 : 54;
IV 5:224; 6:36/7.
Destouches, E. v. I 4:362; 10:77.
Detter, F. I 1:86a; 5:283; 8:12;
10:51; IV 6:12.
Dettmer, II. II 6 : 269.
Detzel, II. 13: 120.
Heye, R. 17: 30.
Diebow. P. IV 5:265.
Dieck, H. I 1 : 31; IV 2a : 43.
Dieckmann, II. J. III 5 : 13.
Diederichs, V. IV 5:318.
Diehl, K. IV 1 b : 482.
Dielitz, Th. I 4 : 42.
Diels, H. I 5:330; II 2:60.
Diemar, H. II 1 :3; III 1 : 98, 100.
Dierauer, J. III 1 : 127.
Dieter, H. IV 2 b : 198.
Dietrich, A. IV 3 : 561 a ; 5 : 029.
— R. III 1:41.
Dietz, A. IV 2a:26; Sb:35a6.
— E. III 1:42; IV 1 b : 209, 218.
— H. I 1:49; IV 9a: 9.
Dilthey, W. II 6:161; III 5:1; IV
8 a : 47 a.
Dinger, II. I 10 : 142.
Dirksen, C. 15: 344.
Dissel, A. van. IV ld: 67; 3:431.
Disselhoff, .T. I 9:171, 266; II 6:202;
IV lb:235/6.
Disselnkötter, II. IV lb:42.
Distel, Th. IV 2a: 7 3; 9:18, 22,40.
Dithmar, G. Th. IV 2a: 12.
Dittmar, M. I 4 : 181 ; II 5 : 62 ; III
1 * 93 188
Dittrich, M. IV lb:433.
Dobson, A. 19: 172.
Dodever, v. I 9:383.
Döderlein, F. 14: 365.
Doenges, W. IV 3 : 232 ; 8 b : 42 a ; 9 : 8.
Dörffel, E. IV 6:4.
Dörfler, A. F. 111:33; 112:712;
IV 2a: 122.
Döring, 0. I 9:190; II 1:143
Dörpfeld, F. VV. I 12:801.
Dohany, C. IV 5 : 167.
Dolleris, A. 13: 379.
Domeior, H. I 4:237.
Dominicus, J. IV 6:25.
Donalies, H. IV 1 b : 69.
Donat, K. v. IV 1 b : 303.
Donner, J. 0. E IV 3 : 18.
Donti, Giovanna. IV 3 : 520.
Doren, A. 14: 210
Dorn, C. 14: 275.
Dowrtiel, J. I 6 : 10 1.
Drenckhahn, 0. I 4:72.
Drescher, K. II 4a: 10, 14; 4b: 11/2,
14, 72 3, 76; III 4:3, 14; IV 4:29;
8e:22.
Dresdner, A. IV 2b: 405.
Dressel, K. I 3:320.
Drews, A. IV 5:207, 223.
- P. II 5 : 15.
Drexler, K. 19: 155.
Dreyer, M. 15: 13.
Drönewolf, 0. I 10 : 171.
Droysen, G. II 1 : 30 ; III 1 : 13.
Drygalski, A. v. IV lb:68.
Duboc, J. IV lb:203; 2a: 77; 5:
525/5 a.
Du Bois-Reymond, E. 19: 37.
Du Cane, H. A., Le Baron. IV 1 b : 140.
Duden, K. I 7 : 219.
Dühr, A. IV 3 : 261.
Dühring, E. IV 5 : 42.
Dührsen, W. 14: 108.
Dümmler, F. IV 1 b : 3SO.
Düning, A. I 4:318; III 1:23a, 84.
Düntzer, H. IV 2b: 335; 6:24; Sa:
52,3, 66, 08, 70; 8b: 1 2, 23, 35; Sc:
5, 18, 43; 8e:4, 18, 40.
Düsel.F. I 5:398; IV 2a : 78; 2b : 24;
8e:118.
Dussel, H. I 5:77.
Dullo, G. IV lb:217.
Du Moulin-Eckart, R. IV lb:409.
Duncker, C. v. III 1 : 123.
Dunger, H. I 5:320; 7:174.
Durmayer, J. 16: 144.
Durrieu, P. 13: 25, 27.
Duschinsky, W. IV 1 d : 16.
Dutczynski, A. J. R. v. I 8:16.
Dvorak, M. HI 1:112.
Dziatzko, K. I 3:48, 94, 100/4, 300,
315, 427; II 4a: 2; 7:3.
Kberhard, G. I 10 : 255; IV 5 : 18.
Ehering, E. I 8 : 30; III 4 : 12.
Eberlein, G. IV 2 b : 376.
Ebers, G. IV 3 : 198/9.
Eberstein, A. Frhr. v. IV lb : 401.
Ebner, A. II 5 : 16.
— Th. IV 2b: 303.
Ebner-Eschenbach, Marie v. IV 2 b :
174/6; IV 3 : 475/6.
Eck, S. I 4: 185; III 1 : 199.
Eckart, R. I 1 : 63; 4 : 134, 456; 5 : 379,
395; IV 2b: 463/4.
— Th. I 4:311, 316; 5: 189.
Ecke, A. 14: 498 a.
- C. IV 5 : 327.
Eckener, II. IV 5 : 557.
Eckert. A. I 4 : 264; IV 3 : 532.
Eckstein, E. 15:400; 7:1413, 171;
IV 2b: 455; 3: II; 5:442.
Edel, A. 16: 67.
Edgar, J. 14: 227; IV Id:30;
2 b : 369.
Egelhaaf, G. II 1 : 47, 55; IV 3 : 586.
Eger. I 5 : 364.
Egger, A., Ritter v. Möllwald. IV 1 c : 25
(4)34*
Autorenregis ter .
101,
35;
476;
IV 3 : 529.
16.
Eggers, K. IV 2 b : 287.
Egidy, M. v. IV 5 : 657, 659.
Ehrenberg, F. I 12 ; 115.
— H. 13:269; 4:38; 9:143, 146,
456; II 1:54.
— K. I 9 : 30.
— R. IV 1 b : 464.
Ehrenthal, M. v. I 4 : 203; 9 : 463.
Ehrhard, A. I 10 : 168; IV 5 : 343/4.
— L. IV 5 : 561.
Ehrismann, G. I 7 : 13 ; II 6 : 108.
Ehrlich, B. I 10 : 17/8, 242.
Eichler, F. 13: 259.
Eickhoff, P. II 2 : 18.
— R. IV 9 I 68.
Eid, L. II 1 : 119.
Eigl, J. I 9 : 368.
Einig, P. II 6 : 150 a.
Eisel, R. 15: 239.
Eiselen, F. 19: 238.
Eisenberg, L. I 10 : 263.
Eisenhart, A. v. II 5 : 66, 72 ; III 5 : 47/8.
Eisenmann, E. 13: 435.
Eisschill. K. IV 2b: 358.
Eitner, R. I 10 : 22; II 2:82.
Eitzen, F. W. 17 : 190/1
Elias, J. I 1 : 86 ; 9 : 283, 440.
Ellinger, G. 15:2, 253; II 5:
110, 116; III 4: 27; IV 3: 477; 5
6:38; 10:65, 82.
Ellis, W. A. I 10 : 130.
Ellissen, 0. A. I4:310a;IVlb
5 : 610.
Elm, H. IV 1 b : 434.
Eloesser, A. III 4 : 12.
Elpons, P. v. IV 1 b : 329.
Elsenhaus, Th. IV 5 : 176.
Eiste, Emil. I 8 : 28 b.
Elster, E. I 1 : 18; IV 8 a : 52/3,
66; 8b: 1/2; 8e : 1/2, 62, 77/8,117;
9 : 1, 119, 164, 169.
Elze, Th. 13: 91, 148 a: II 6 : 38, 190;
Emier, J. II 1 : 43.
Emmerich - Müller, Anna
Enders, L. II 6 : 57, 85.
Endl, F. I 4:407; III 4
Endres, K. IV 1 b : 328.
Engel, F. IV 3 : 184, 435, 442.
— G. I 10 : 103, 233.
— J. IV 9 : 108.
— K. I 11 : 14.
Engelmann, Th. IV 5 : 512.
Engels, F. I 4 : 471 ; IV 1 b : 487.
— M. I 9 : 91.
Engl, J. E. I 10 : 99.
Engler, A. 16: 86.
Englert, A. I 5 : 278, 309, 323/4, 326,
331, 333, 336, 353/4, 390, 436; 7 : 151 ;
11 : 34; II 2 : 60, 61 a, 68, 78; 3 : 32,
36; 5:20, 94, 97; IV 2 a : 13; 88 :
17; 9 :152.
Erb, W. 14: 499.
Erbe, K. I 7 : 59; IV 2 b : 459.
Erdmann, B. III 5 : 71; IV 5 : 231/2.
— Chr. Fr. D. I 12 : 9 ; II 6:182;
IV 5 : 334.
tt T7" 199
— o! I 2:14; 7: 114; IV 8c : 6.
Erdmannsdörffer, B. III 1 : 131, 143;
5:36; IV 1 b : 18, 427.
Erichson, A. I 12 : 156; II 6 : 238.
Ermisch, H. 19: 118.
Ernst, A. I 10 : 156.
— Ad. W. IV 2 b : 217, 264, 339; IV
3 : 598.
— F. IV 5 : 59.
— Hanno. IV 2b : 411.
— Otto. IV 2b : 180, 325, 349, 374,
393
— Paul. I 9 : 342.
Ernsthausen, A. v. IV 1 c : 23.
Ertel, P. I 10 : 61.
Escher, H. II 6 : 232; IV 5 : 382.
Eskuche, G. IV 3 : 45; 8d : 7.
Estermann, M. I 4 : 30 a, 228.
Euoken, R. I 1 : 8: IV 5:202.
Evers, F. IV 2 b : 320.
— Max. I 3 : 394/5; II 6 : 79; IV 3 :
50.
Ewald, (Amtsgerichtsrat). I 4 : 414.
— 0. I 1 : 94.
Ewers, L. IV 3 : 602.
Ewert, M. I 11 : 4.
Exner, M. IV 1 b : 132.
Eye, A. v. 14: 24.
d'Eylac. I 3 : 287/8, 383.
Eynatten, Carola Freiin v. I 5 : 151.
Eyssenhardt, T. I 3 : 308, 419
Faber, K. W. II 2 : 77.
Fabian, E. 14: 138.
Fabricius, F. 14: 99.
— W. I 12 : 161.
Fäh, F. II 3 : 45.
Fäulhammer, A. IV 1 b : 99.
Faguet, E. II 1 : 89; III 1:209; IV
2b : 144.
Falck, P. Th. IV 2a : 127; 8c : 20.
Falckenheiner, W. III 1 : 154.
Falk, F. I 12 : 232: II 1 : 53, 58, 93;
5:17; 6:19-20, 34, 41, 192.
— J. II 5 : 11.
Falke, G. IV 2b : 381.
— J. v. I 4:28a: 9 : 385, 447.
Falkenberg, R. III 5 : 57; IV 5 : 114.
Falkenegg, Baron v. IV 5:598 a.
Farinelli,A. IVld:64; 8a: 24; 8b:30:
8d:34.
Fasola, C. III 3 : 10.
Faulmann, K. II: 40a.
Faust, A. ß. IV 3 : 401/2.
— R. IV 2b: 421.
Fauth, A. IV lb : 102.
Fay, F. R. II 6 : 69.
Fechner, H. I 12 : 75: IV lb : 27.
Feddersen, M. 19: 33.
Federn, C. IV 6 : 180.
Fehleisen, E IV 1 b : 324.
Feilberg, G. I 5 : 148, 264.
Feld, 0. I 9 : 320.
Feldegg, F. v. 19: 388
Feldmann, M. IV lb: 175.
Felgel- Feldegg, V. IV 2b : 183.
Fellin, A. I 9 : 290.
Felsberg, 0. I 7 : 91.
Ferber, H. 14: 176.
Ferrai, L. A. II 1 : 78.
Ferrero, G. 14: 493.
Feuillette. IV 9 : 186.
Fey, C. II 6 : 149-50.
Feyerabend, Jh. W. IV 5 : 323.
Fiedler, F. I 10 : 151.
Fiehn, W. I 6 : 108/9.
Fielitz, W. IV 8a : 52/3, 66; 8b : 1/2;
8c: 4; 8d : 1; 8e : 1/2.
Fievens-Gavaert, H. 19: 182.
Fijalek, J. II 6 : 62.
Filtsch, Eng. IV 8 a : 42.
Fink, E. I 4 : 194.
Firmenich-Richartz, Ed. I 9:161,212.
Fischbach, F IV 2b : 42.
Fischer, A. S. IV 2b : 495.
— E. III 1 : 142.
— G. III 1 : 23, 43, 84.
— Ileinr. I 3 : 449; IV 10 : 102, 105.
— K. IV 5 : 553, 606; 8a : 20; 10 : 32.
— Kuno. IV ld:26/7; 5: 117.
— L. IV 1 b : 98.
— L. H. 16: 132.
— W. 14: 195.
Fitger, A. IV 2b : 312.
Fitte, S. III 1 : 130.
Fix, Th. IV 9 : 106, 162.
Flaischlen, C. IV 1 a : 16; 3 : 550.
Fläthe, Th. IV 1 b : 191 ; 5 : 582.
Fleischer, 0. I 10 : 95.
Fletcher, W. Y. 13: 475.
Fliess, W. IV 5 : 502.
Flint, W. 13: 319.
Flohr, 0. 18: 30.
Flothow, C. v. IV 5 : 97.
Flügel, 0. IV 5 : 137.
Fock, G. I 3 : 167, 201.
Födransperg, H. Ritter v. IV 1 c : 38.
Foerster, E. 14: 223a, 347.
— Ed. I 12:89.
— F. W. IV 5 : 95.
— K. IV 2b: 87.
— R. IV 6 : 8.
— W. I 2:19-20; IV lc:73; 5:428,
522.
Fogowitz, A. H. IV 3 : 20.
Fokke, A. IV 3 : 207.
Fontane, Th. IV 1 c : 49 ; 3 : 297, 299-300,
303.
Forrer, R. I 3 : 51 ; 9 : 462.
Forst, H. 14: 216.
Forster, E. IV lc:21.
— J. M. IV lb:414.
— Helene v. I 4:490.
Foss, E. I 4:34.
— R. I 6:117, 120; II 1: 125; 4:39;
6:39; IV Ic:71 a.
Fournel, V. 1 3 : 239.
Foy, K. I 8:15.
Fränkel, J. IV 5 : 77.
— L. I 2: 1/2; 5:9, 32, 50, 175, 243,
259, 276, 408, 437; 7 : 148; 11 : 4, 13,
26,38/9; II 2:70a; 3:34,39; 4a:
22; 5:88,98,126; 7:9,39: 1112:30;
IV ld:39, 58; 2b: 13. 122, 161,441;
3:190, 192/3, 269, 288, 313; 5:39,
426, 535, 613a; 8b :5; 8e : 69-70, 84;
10:96. 103.
Frahm, L. 15: 86.
Franceschini, R IV 5:630.
Franck, H. 1 7 : 132.
Frank, F. IV 3 : 170/1.
— G. IV 5 : 253.
Franke, C. I 2:3; 5:338; 7:90; II
2 : 38 a.
Frankfurter, S. I 12 : 67.
Frankl. L. A. IV 2b: 128, 158.
Frankl-Grün, A. I 4:434.
Franklin, A. IV 1 d : 14.
Frantz, E. I 9:87/8.
Franz, AI. 19: 153.
— R. I 6:41, 139.
Franzen, A. 16: 141.
Franziszi, F. I 5:75, 304.
Franzos, K. E. IV la:20; 2a: 50, 129
131; 2b: 1; 8b: 8.
Franz- Voneisen. IV 2b: 529.
Fraustadt, F. II 5:76.
Fredericq, P. 15: 294.
Frege, F. CA. IV 1 b : 86.
Freiberg, A. v. IV 5 : 543.
Freiligrath-Kroecker, Kate. IV 2a: 2.
Frennsdorf, F. II 2 : 53.
Frensdorff, F. III 1:176; 5:66; IV
lb:21.
Frenzel, K. II 4b : 12; IV la : 7;
ld:48/8a; 3:338; 5:542.
— K. 0. IV 2a: 31; 5:2.
— R. I 10 : 30.
Fresenius, A. IV 8a: 52/3, 66; 8b: 1/2;
8d: 1; 8e : 1/2, 92.
Freudenberg, J. IV 5 : 423.
Freuler, B. 15: 97.
Freund, B. IV lb : 315.
— W. G. II 6 : 253.
Frey, A. IV 3 : 371, 385.
— C. I 12 : 130.
— E. IV 1 b : 215.
— S. III 5 : 65.
Freybe, A. 15: 39, 91, 351 ; II 5 : 68-70;
6:219; IV 2b : 127.
Freyert, Fr. II 4b : 30.
Frey tag, L. 15: 32, 115, 152, 163, 168,
230, 363; 6:42; 7:71; II 2:22;
IV 3 : 201, 203, 259, 360.
Frick, 0. 16: 40.
Fricke, W. IV 5 : 111.
Friebe, M. I 4 : 71; 12: 195.
Frieberger, G. IV 5 : 541.
Friedberg, E. II 6 : 203.
Friedel, E. II 3 : 9/9a.
— L. IV 3 : 151/9.
Friedländer, E. 14: 62.
— J. IV 5 : 152/3.
— h. IV 5:648.
— Max I 10:45, 51/3; II 2:55; IV
2a: 15/7; 2'b : 433.
— Max F. 19: 110, 197/8.
— M. J. IV 8d: 22.
Friedmann, A. IV lc : 10; 5 : 464.
Friedrich, A. IV 2 b : 407.
— J. IV 5 : 350.
— R. 12: 18, 41; II 4a : 24; 4b : 12,
36; III 3:8; 4:17; 5:76; IV la:5,
21; ld:37; 2b: 66, 112/3, 226,
311; 3:59, 521; 5:6, 29, 35, 240a;
9 : 49; 10 : 8, 19, 27, 34, 41, 91, 97.
— S. II 6 : 141.
Fries, G. II 4 : 26.
— W. I 12 : 28.
Frimmel, Th. v. 19: 188/9, 208, 214,
407.
Frischauf, E. 15: 68, 70/1.
Fritsch, G. 19: 34, 36.
— - K. E. T. 0. 19: 357, 374, 378.
— V. v. I 11:52.
Fritschel, S. II 6 : 162.
Fritz. II 5 : 61.
— G. I 3:451.
Fritze, A. 112: 189.
Froehde, 0. 1 1 : 25.
Froehlich, G. I 12 : 230; IV 5 : 606.
Fröhliger, M. 13: 9.
Frohnhäuser, L. III 1 : 85.
Fromm, E. IV 5 : 86.
Frommel. E. IV lb:349; lc:85;
2b :60; 5:283; 6:39.
Froning, R. IV 5 : 390.
Fronmüller-Lindau, W. I 10 : 84.
Autorenregister.
78/9,
64a;
lb:6,
:304;
Frossard, F. 14: 352 a.
Frost, K. IV 5 : 632, 641.
Froude, J. A. II 7 : 22.
Fruberger, G. IV 9 : 88.
Fuchs, Ed. IV 5 : 477, 562, 569.
— G. 19: 340, 343 4.
— J. I 10 : 41.
g I 5 * 129
Fürst, R. IV 1 a : 41 ; 1 c : 89; 3
413; 5:6.
Fugger, E. Graf v. 14: 443.
Fuhse, F. II 1 : 142.
Fuld, L. I 5 : 100.
Fulda, L. I 4:512; IV 2b
5 : 197.
Fuller-Mailland, J. A. I 10 : 36.
Fumagalli, G. 13: 257.
Funck, A. IV 1 b : 127.
— H. I 4:144: 10:9S; IV
428/9; lc : 79; 2a : 54;
9 : 107.
Funcke, 0. IV 5 : 294.
Funk, F. X. v. II 5 : 78.
— G. I 12 : 44.
Funke, A. 16: 76, 80.
Gade, Dagmar. I 10 : 197.
Gaedechens, C. 14: 258.
Gaedertz, K. Th. II 4a : 22: III 4 : 18;
IV lb:52/3; 3:233.
Gaffre. IV 9 : 138.
Gagliardi, E. IV lb:370.
Gaidoz, H. I 5 : 1 ; II 5 : 98.
Gaillard, L. IV 9 : 125.
Gairao, C. P. I 3:25S.
Gall, P. IV 1 b : 82.
Galland, J. IV 1 b : 320.
Galle, Fr. II 5:87.
Galli, R. I 3:98.
Gander, C. 15: 84, 197.
Gänsen, J. I 12 : 40/1.
Ganser, A. IV 5 :j67.
Garbelli, F. I 3:311.
Gardi, A. IV 2b: 319.
Gardiner, A. I 5 : 221.
Gareis, K. I 12 : 135.
Garlepp, Br. IV 1 b : 310/1.
Gasch, A. IV 2b: 511.
Gass, J. II 6 : 12.
Gassner, J., IV 8 c : 30; 9 : 75/6.
Gatty, C. T. I 10 : 173.
Gaudig, H I 6 : 40; IV 9 : 109.
Gauthier, J. 13: 344.
Gautier, Th. IV 3:108 a.
Geay. IV 9 : 134.
Gebauer, H. I 4 : 163 ; IV 1 b : 437 a.
Gebeschus, J. I 10:24.
Gebhardt, B. I 1 : 55; IV 1 b : 5, 147,
195. 239, 403; 5:356, 602.
— H. 14: 328.
— 0. v. I 3 : 25.
Gedike, A. IV 2a: 51.
Geering, Th. I 4:193 a.
Geffcken, H. II 6 : 176; IV lb : 465.
Gehmlich, E. I 5:41; 12:34, 208;
II 4:7.
Geib-Gross-Rohrheira, K. A. IV 5:61.
Geich. I 4:151.
Geiger, L. 13:159, 229; 9:253/4
12: 74, 99, 110; II 1 : 89, 137 ; IV la : 18
29; lb:35, 41, 137, 442; lc:4
ld:18; 2b: 16, 21, 310; 3:78, 83
188; 5 : 18, 35, 86, 411/2, 614/5 : 6 : 38
8 a : 4, 18, 32, 40, 52/3, 66, 74, 80
8b: 1/2, 3a, 9. 11, 14,5, 20; 8d:27
42; 8e:31; 9:34; 10:44, 55, 58
61-64, 66, 83.
Geiser, K. IV 2 b : 220.
Geissberger, J. 19: 458.
Geissler, F. Ad. II 4b: 105.
Geldern-Crispendorf, C. v. I 5:311;
II 2 : 63.
Gemss. I 7 : 156.
Genee, R. II 1 : 85; 4b : 2, 12, 39, 110;
IV 1 d : 56.
Genth. I 5 : 122.
Georg, C. 13: 196.
George, R. 14:295; III 1:17, 86,
187; IV lb:308; lc:21,52; 2a:141;
2b: 33, 77/8; 5:504.
Gerber, P. IV 3 : 324.
Gerbert, C. 14: 168.
Gerhardt, D. v. IV 1 c : 35.
Gerland, E. IV lc:91.
— 0. I 4:128, 458; IV lb:453;
lc:81; 3:39.
Germann, W. II 6 : 195.
Gerok, Gust. IV 2b: 62.
Gerok, K. III 1 :44.
Gerschmann, H. IV 3 : 10.
Gerstenberg, H. IV lc :44; 2b: 46.
Gesky, Th. IV 2b: 40/1.
Gess, F. 14:63; 12:144; 116:10;
IV 5 : 378.
Gesterding, K. I 12 i 103.
Giehne, F. IV 2 a : 134 ; 3 : 52.
Gierds, R. IV 2a: 141.
Giese, A. 14: 522.
Gilchrist, J. IV 5:57 8.
Gildemeister, 0. IV 2b: 265.
Gillhoff, J. I 3 : 134 ; 5 : 43, 380/1, 384 ;
7 : 155, 181, 198.
— L. 14: 122.
Gillischewski, .T. I 10:49.
Gindely, A. II 1 : 42; III 1 : 159.
Giradin, M. H. IV 5 : 472.
Girgensohn, J. II 1:68.
Girg, A. 13:3.
Gizycki, G. v. 15: 226.
— Lily t. I 5:226; IV lb: 439.
Glage, M. IV 5 : 324.
Glasenapp, C. Fr. I 10 : 139.
— G. v. IV 2 b : 228, 238 ; 5 : 178.
Glaser, A. I 4:433.
— E. I 5:47.
— Marie v. IV 3 : 499.
Glauser, Ch. III 1 : 30; IV 9 : 101.
Glöde, H. I 4:300 a.
— 0. I 2:60; 3:133; 4:175a; 5:85,
88, 120, 246, 337, 432; 7:41/2, 154,
225; 11:8; II 2:66; 3:33; 1113:9;
4 : 7 ; IV 2 b : 420, 422 ; 3 : 2345, 253/4,
256, 262 5.
Gloel, H. 17: 75, 123.
Glogan, G. IV 5 : 163.
Glossner, M. IV 5 : 185, 215.
Glücksmann, H. IV 2 b : 186; 3 : 461, 505.
Gmelin, A. I 9 : 166.
— L. 19: 433.
Gnad, E IV 2b: 212.
Gneist, R. v. IV lb:469-70.
Goebel, F. II 3:8; III 3:3.
— J. I 2 : 46.
Goedeke, K. I 1:43a; IV 3:1.
Goedel. G. I 7:195 a.
Goeken, Ida. IV 1 b : 198.
Göring, H. I 3 : 40, 45; IV 5: 170.
Goeler v. Ravensburg, Fr. Frhr. I
9:85.
Goette, R. 14: 118.
Goetze, E. 111:27; 112:26: 3:22;
4a: 10; 4b : 1, 3, 6, 57, 77, 102; IV
3:1; 8b: 41.
Goldbaum, W. I 3:228.
Goldbeck, E. IV 8c: 33.
Goldberg, P. I 4:79; 12:236.
Goldberger, Ph. I 5:69.
Goldhan, A. H. IV 8a: 83; 8d : 29.
Goldschmidt, Henriette. IV 3 : 491.
— M. I 4:90.
— P. IV 1 b : 12, 143, 160, 288.
Golling, J. 19: 170.
Golther, W. 15:33, 415; 6:56; II
4b: 70.
Gorel, L. IV 5:3.
Gothein, E. I 4 : 193a; IV lb :430.
Gotthold, C. III 1 : 22, 84.
Gottschalg, A. W. IV 9 : 190.
Gottschall, R. v. II 4b : 29; IV ld : 51 ;
2b:64; 8b:42c; 8e:117; 9:5.
Gonrdault, J. IV 3 : 187.
Gracklauer, 0. I 3:247.
Gradl, H. I 5:25; 7:65; II 6:188;
III 1 : 160.
Graef, H. I 7:14; III 5:11.
Graesel, A. I 3:262.
Graf, A. I II : 9.
— E. 18:2.
— H. I 11:45; III 4 : 7
— M. I 10 : 60.
Graffunder. P. 15: 137.
Grand-Carteret, J. I 3:81, 121/3, 138,
240, 285.
Granderath, Th. IV 5 : 322.
Granichstätten, E. IV 8e:lll.
Granier, H. 1 4 : 254; IV 2a: 37.
Grasberger, H. IV 2b: 176.
Grassunder, P. II 4 : 18.
Granert, H. I 4:192; III 1:12S; IV
lb :416b.
Graul, R. 19: 78/9, 242, 248, 333, 335,
422/3.
Gr'eech, Jehan. IV 9 : 126.
Grefe, A. IV 2b: 139: 3:241.
Gregori, F. IV 1 d : 29.
Greif, M. II 4 b : 109.
445.
97; 12 :235; II 2: 1;
59.
522.
Greiffenhagen, W. 13: 279.
Greinz, RH. 15: 290, 303 ; II 2 : 58/9;
IV 2b: 206.
Grellet, J. 13: 351.
Grelling, R. I 3 : 425; IV 5 : 656.
Gresse, Rnd. IV la: 2.
Grethlein. K 13: 219.
Gretor, W. 19: 240.
Greve, F. J. 14: 401.
Grimm, F. 13: 32.
— H. 12:8:5: 200a, 228: 9:9; II
1: I; IV la:30; 5: 639; 7 : 25;
8a: 30; 8b : 52; 10:41, 48.
— 0. I 12 : 87.
Grimme, H. F. II 6 : 236.
Griot, K. IV 2b: 137, 149.
Grisebach, E. I 3 : 282; IV 2a : 111;
5 : 149.
Griswold, W. A. IV 3 : 3.
Gritzner, M. 14: 450/50a.
Grobbel, T. IV lb: 171.
Grodtczinsky, N. I 4 : 511.
Gröber, G. 15:4.
Groene, J. I 11 : 44.
Grössler, H. II 5 : 28.
Groos, K. II 5 : 57.
Grosch, H. IV 3 : 435.
Gross, Chrn. IV 5 : 637.
— J. 14: 340.
Grosse, E IV 5
— H. 17:33:9
IV 2a: 72: 2b
— Jul. IV 1 c : 63.
Grosser, R. I 12 : 184
Grot, A. IV 2 b : 64.
Groth, E. I 1 : 17: 4
Grothe-Harkänyi. H. IV 2b: 481.
Grotowsky, P. IV 1 b : 250, 277 ; 2 b : 466.
Grotthuss, J. E. v. IV 1 a : 10; 2 a : 96:
2 b : 135, 226.
Grove, G. I 10 : 115; IV lc : 55.
Growoll, A. 13: 466.
Gruber, Chrn. I 4 : 359; II 3 : 49: III
1:180; IV 1 b : 22.
Gruel, L. I 3 : 470.
Grünberg, K. 14: 174.
— P. III 5 : 35.
Gründler, Ad. IV 2 b : 48.
Grünhagen, C. I 4 : 188, 215; III 5 : 43.
Grundmann, R. IV 5 : 99.
Grüner, Just. v. IVlc:22/2a.
Grunzel, J. 14: 100.
Grupp, G. 14: 10; 9: 273; 116: 192;
IV 2b: 451.
Güldner, H. IV 7 : 8.
Günther, E. IV lb:112.
— F. IV 3: 117, 122.
— G. 19: 169.
— 0. 112:126; 1111:210; 5:77; IV
la:31; 2a:24; 8b:27.
— R. IV lb-.lll.
— S. II 5:48/9, 52; IV 8a :53a.
Guglia, E. IV 1 b : 1, 95, 113, 212, 386;
5:27, 123; 8b :59; 10:12.
Guhrauer, H. I 9:346.
Guibert, L. I 3:74b.
Gumplowicz, L. IV 5 : 552.
Guraprecht, 0. I 10 : 193.
Gundert, E. I 12 : 94, 227.
Gundlach, M. IV 1 b : 43.
Gurlitt, C. 19:2, 10, 57, 61/2, 102,
124,5, 232, 325, 364a, 380, 390.
Gustav, Leop. I 9:262.
Gutbier, H. I 4 : 323.
— M. IV 8b: 62.
Gutersohn. IV lb:31.
Gutjahr, E. A. II 4b : 105,6; III 1 : 45.
Haack, Fr. 19: 132.
Haagen, F. IV 2b: 232.
Haarhaus, J. R. IV 8b: 23, 29.
Haas, A. 15: 107.
— Wilh. I 3 : 173.
Haase, E. I 5:80. 249.
— G. IV lb:443; lc:2.
— K. 15: 278, 327, 334, 361, 393.
Haasler, E. I 9 : 197.
Haberkom. I 7 : 179.
Haberl, F. X. I 10 : 3, 68, 76, 86.
Haberlandt, M. I 5 : 21; IV 5: 644.
Habs, R. 14: 245 ; IV 5 : 52.
Hach, E. 14: 248.
Hackel, H. I 12 : 210.
Haeberlin, C. 13: 142, 282, 321 ; IV
3 : 296
Haebfer, K. 13: 83.
Haeck, D. IV, ld:49.
Häckermann, A. IV 3:92.
Autorenregister.
Häfker, H. 19: 2R.
Hähnel, F. IV 2b: 108 a.
— K. I 6:13, 45; IV 2a: 56; 8c:
16; 8e:95.
Hämmerte, A. IV 2b : 197.
Haenchen. Ph. E. IV 5 : 339.
Haendcke, E. 17:2.
Huendke, B. 19: 159, 204.
Hänselmann, L. I 4 -318 h.
Haese, M. IV 3 : 285, 308.
Haeussner, ,T. I 12 : 64.
Haffter, E. IV 3 : 390.
Hager, Gg. 19: 130, 225/6.
Hahn, A. I 10 : 276.
Halbfass, W. 14: 37.
Hallberg, M. E IV 9:114.
Haller, E. A. IV 3:344.
Halling, K. I 6: 89: IV 2b: 68
Hallwich, H. III 1:31
Halter, Ed. I 1 : 60 ; II 5 : 77.
Halwas, A. 19: 237.
Hamann, 0. IV 5 : 56
Hamberger. .Tos. IV 1 b : 128.
Hamilton, Elisabeth. IV 5:206.
— W. 13: 296.
Hamm, A. II 6 : 97.
Hammer, W. I 5:422.
— W. A. IV 2b: 183.
Hammerich, A. I 10:33.
Hammerle, A. J. I 12 : 149.
Hampe, Th. I 4 : 50 a ; II 2 : 24 ; 4 b : 59,
94; 5:117.
Hanby Crnmp. IV 3 : 213.
Hanebnth, K. I 11:20.
Hango, H. IV 8 e : 106.
Hann, F. G. I 3:33; 9:152, 168.
Hans, J. IV 1 c:86.
Hansen, G v. II 2 : 46.
— .1. I 3:36c/6d; II 1:15/6.
Hansjakob. H. IV 1 c : 87.
Hanslick, E. I 10 : 4, 22, 185, 231, 272:
IV lc:60/l.
Hansson, Ola. IV 5 : 464, 650.
Hanstein, A. v. I 12 : 112; II 4b : 19;
IV 2a :81; 5:55: 8o:56.
Harbutt-Dawson, W. 14: 272.
Hardegg, ,T. v. IV lb : 328.
Harden, M. I 10 : 172, 202.
Härder, F. IV 2b: 456.
Harlan, W. IV 3:552.
HaTless, W. III 5 : 23.
Harnack, 0. II: 23, 65, 67 ; 9 : 13; IV
Ia:2: lb: 230, 357; 2a: 146; 2b:
30, 226; 3:10, 41, 257, 313a, 428,
596, 600, 607 ; 5 : 460, 601 ; 8 e : 77/8,
84/5; 10:5.
Harrisse, H. 13: 150.
Hart, H. IV 2a: 82.
— J. I 1:40; II 4b: 31.
Hartel, W. v. I 12 : 68.
Hartfelder, K. I 12:57; II 5:50; 6:166:
7:8, 15.
Hartmann, A. I 5:82; II 2:17, 23;
4 b : 63, 82, 97 : III 4 : 2.
— F. I 7:114, 206; II 1:94; 6:279.
— G. IV 6:35.
— H. I 5:48; IV 1 d : 61.
-J I 4:183, 353a; IV lb: 100.
— J. v. IV 1 b : 334.
— K A. M. IV ld:17a.
— 0. I 7 : 64.
— R. J. I 10:85.
Härtung, B. IV 5 : 155.
Hartwig, 0. I 3:36, 252; 12: 104; IV
3:474; 5:590.
Harzen-Müller, A. N. III 1 : 104.
Hasbach, W. I 4:166 a.
Hase, K. v. IV 1 c : 83.
— 0. v. I 3:111, 114/5, 361,371,438.
Hashagen, F. II 6:211.
Hasse, M. IV 8a: 33; 8e:34.
Hasselt, W. v. IV 11»: 148.
Hassencamp, R. IV 1 c : 40; 3 : 59.
Hassler, K. D. IV 2b: 304.
nasslwander, F. IV 2a: 83.
Hatton, J. IV 8 e : 98.
Haueis, E. II 3 : 26; 4b: 8.
Hannen, A. 15: 20, 269, 271, 275, 283;
II 2:38; 3:37; 5:94/5.
Haug, Ed. IV la : 43; 3:391; 5:
240 c.
Haupt, II. 112: 58.
Hauptmann, F. 14: 109, 122, 339,
418 ; II 1 : 50.
Haus, D. IV 5 : 297.
Ilausburg, (Hauptmann). IV 2b: 521.
Hauser, Oh. 15: 168.
Havers, J. 16: 50/1.
Hawelka, E. I 4 : 107.
Haym, E. IV 1 c : 20; 5 : 376; 10:49.
Haynes, Jessie. IV 3 : 606.
Hazlitt, W. C. 13: 294, 333.
Hebert, M. I 10 : 154.
Hehler, K. IV 1 d : 24.
Hechtenberg, A. JI 6 : 157.
Heemstede. L. v. IV 2 b : 453 : 3 : 581.
Heer, G, II 5:71.
— J. C. 14: 271.
Hehn, V. IV 5 : 647
Heiberg, H. 14: 307.
Heidemann, J. I 3 : 62; II 1 : 101 : III
5:28.
Heiden, M. 19: 473.
Heidenheimer, EL IV Sb: 25.
Heigel, K. Th. I 1:71: 4:192; III
1:128; IV lb : 130, 416b; lc:13;
3:329; 5 : 380, 528.
— K. v. IV lb:411.
Heigl, F. I 4:139; 5:140.
Heilborn, E. IV 2a: 84; 2b: 15, 37,
310; 3: 188, 297, 339, 437, 571.
Heilbut, E. s. Hermann Helferich
Heilig, 0. 15: 98, 332, 396, 416; 7 :
76; II 2:74.
Heim, J. 13: 444
II ei mann. F. C. 13 :36 c.
Heimbucher, M. I 10 : 29.
Heims, P. G. IV 5 : 47.
Hein, W. 15: 38.
Heine, G. IV 9 : 46.
— 0. 14: 469; IV 1 C : 72.
Heineck, H. II 5 : 28.
Heinecke, H. 16: 97-100.
Heinemann, K. I 3 : 204; IV 1 a : 31 ;
3 : 24, 74; 8 a : 42, 52/3, 58, 61, 67/8;
8b: 12; 8c:34;8d:5; 8e:25, 28.
— 0. v. 13: 274; IV 6 : 6.
Heinisch, H. I 12 : 176 7.
Heinke, F. IV 1 b : 366.
Heinrich. I 10 : 140.
— E. IV 1 b : 167.
Heinrichs, A. IV 1 b : 362.
- E. 16: 129; IV 2b: 538.
Heintz, A. I 10 : 131, 164.
Heintze. A. 17: 209.
Heinze, H. I 6 : 33, 35.
— M. IV 5 : 72.
Heinzel, E. IV 8a : 52/3, 66; 8b : 1/2.
Heise, K. 19: 148.
Heitmann, A. I 4:522 a.
Heitmüller, F. III 4 : 24; IV 3a : 52/3,
66; 8b : 1/2.
Heitz, P. I 3:110, 114/5; 9:414/6.
Heibig, J. I 5 : 418.
Helby. J. I 9 : 92.
Held, K. I 10 : 27.
Helferich, Hermann. 19:1, 23, 40/1,
48, 313.
Helfert, J. A. Frhr. v. I 3:36a; 5:
277; IV lc:94; 5:577.
Hell, Th. 15: 27.
Hellen, E. v. d. IV 8a : 52/3, 66; 8b :
1/2.
Heller, E. IV 2b: 214.
— L. IV 2b: 292.
— S. IV 2b: 495.
Hellinghaus, 0. II 4b : 101; III 2:8,
31; 3: 7; 4: 11; IV 2b: 25, 27; 3:
426; 8c: 28, 37; 8e : 15/6; 9:97;
10 : 75, 105.
Hellmann, G. II 5 : 48.
Hellwig, P. 16: 110.
Helmer, G. 13: 136.
Heimerstein, K. IV 2 b : 505, 509.
Helmken, F. Th. 19: 145.
Helmrich, V. 14: 256.
Henckell, K. IV 2b : 413 ; 3 : 375/6.
Hendley, Th. H. 13: 478.
Hengstenberg, Fr. 14: 276.
Henke, 0. IV 1 c : 84.
— W. IV 9 : 96
Henkel, H. IV 3 : 69; 8a: 63a; 8c :
12; 8e:8.
— Lily. IV 3 :556.
Henne am Rhyn, 0. 14: 94, 413.
Hennig, C. E. I 10 : 148.
Henrich- Wilhelmi, Hedwig. I 4:480.
Henrici, E. I 6 : 120; 9 : 373 a/3 b.
Henry, E. IV 9 : 113.
Hensel, S 1 12 : 78.
Heraeus, M. 14: 66.
Heresford-Webb, H. S. IV 3 : 129.
Herford, C. H. IV 1 d : 22/3.
— E. I 4 : 23.
Hergel, C. 14: 475.
Herget, H. IV 3 : 101.
Hermann, A. 15: 135.
— A. v. I 10 : 267.
— E. 14:111; 6 : 110, 142; II 4 b: 112;
IV 1 a : 4.
— Fr. 19: 63.
— Th. I 12 : 85.
Herrenschneider, E. A. 14: 348.
Herrmann, M. II 4b: 12, 78, 86; 6:166;
7:4, 8, 23.
— 0. IV 1 b : 24 a, 51/2, 64, 78.
Hertel, G. 14: 44, 317; 12 : 132; III
1 : 24, 84.
Hertz, M. I 12 : 136 ; IV 1 c : 76; 3 : 330.
Hertzberg, G. I 4 : 58; 12 : 106/9.
Herzfelder, J. IV 2b: 163; 5:452; 9: 171.
Herzog, J. IV 9 : 88.
Hesse, M. I 10 : 92.
Hessel, K. 16: 126.
Hessem, L. de. IV 3 : 615.
Hettinger, F. IV 5 : 352.
Hettler, A. 13: 248.
Hetzenauer, M. 14: 405.
Heuer, 0. 13: l.:4; 11 : 22; II 3 : 41/2.
Heuser, E. 14: 371.
Heusler, A. I 7:4, 58; 8:4, 13.
Heuwes, J. I 6: 68; IV 8 e: 19.
Hevesi, L. II 4b : 17, 52; IV la:28.
Hewett, W. T. IV 8e : 114.
Heyck, E. I 4 : 48; 12 : 159; III 1:9
Heyd, H. I 12 : 228.
— W. II 3 : 54
Heyden, A. v. 19: 35, 39.
Heydenreicb, E. 14: 197.
Heyne, M. 17: 34, 80, 126; II 6 : 74.
Heyse, P. IV 2b : 333; 8e : 6.
Hicke, W. II 6 : 1S8.
Hidber. I 5 : 244.
Hiersemann, K. W. 13: 118.
Hildebrand, E. IV lc:21.
— Fr. 14: 372.
— Mart. I 1 : 83.
— E. I 1 :30; 5:322; 7:96: 8:14,21,
24/6; IV2a:42, 44; 8c:13, 31.
Hildenbrand, F. J. I 12 : 175.
Hille, Fr. 14: 458 a.
— P. IV 9 : 149.
Hiller, F. v. IV 1 b : 185.
Himmel8toss, M. 17: 78.
Hinke, 0. 14: 324.
Hintze, 0. 14: 193.
Hipler, F. II 6 : 31.
Hippe, M. I 3 : 29; III 2 : 25; 3:11;
5 :80.
Hirn, J. II 1 : 145.
Hirsch, F. I 4 : 67 ; III 1 : 129, 141,
171, 173, ISO, 200; IV 8b: 44: 9:183.
— H. IV lb :471.
— P. 13:7.
Hirschberg, Jul. IV 2b : 523.
Hirschfeld, G. IV 1 b : 295.
— R. I 10: 211; 10:269.
— L. v. IV 1 b : 188.
Hirt, A. IV 8d : 9.
— F. 13: 221.
— H. II 3 : 10.
— P. 16: 110.
Hirth, H. I 9 : 16, 64.
Hirzel, L. IV la : 1 : 9 : 32; 10 : 94.
His, E. 19: 193.
Historicus. I 9 : 192.
Hitz, Luise. I 4 : 4S0a; IV 2b: 64,4a.
HlaväC, F. I 10 : 190.
Hobson, J. 14: 473.
Hoche, E. 112: 86.
Hochegger, E. I 3:334; 9:12; IV
5 : 213/4, 611.
Hochhuth. II 6:82 a.
Hochstetter, J. II 3 : 28.
Hoddick, F. I 1 : 92.
Höber, Ed. IV 2b: 47; 10:28.
— K. IV 3 : 221.
Höfer. I 5 : 433.
— A. I 7 : 48.
nöffding, H. IV 5 : 83.
Höfler, M. 15: 54, 118, 146.
Höhn, W. HO: 196.
Hölscher, D. I 4 : 110.
— L. I 8:30a; IV 3:43, 6S, 426;
9 : 174.
— U. I 4
Hoenig, B.
116/8; 9:7'
— F. IV lb
Hönnicke, B.
259.
I 11 : 3; IV 2a: 64, 101,
77; 10: 24.
149, 332/3.
I 5 : 265.
Hoensbroeck, Paul Graf. I 4 : 412.
Hörmann, Angelica v. IV 2b: 180.
— L. v. I 4:268; 5:73, 307, 356;
IV 2b: 193.
Autorenregister.
Hörth, O. IV 2b : 297 8; 5 : 454.
Hoferer, M. I 5 : 370; 6 : 72; IV
Se :4t, 49.
Hoffheinz, W. I 10 : 39.
Hoffmann, F. 14: 417.
- F. G H. IV 8e:82.
- Georg. 1 4 : 522: VI 2b : 2S6.
— Hans. IV 2b : 361.
— H. I 7:209; IV ld: 40.
— K. 116: 89.
— M. 16: 145.
— 0. I 2 : 9; 5 : 150; IV 7 : 26.
— W. I 10 : 147.
Krager, E. 17: 63; 8 : 19-20.
Hoffmeister, H. W. I 12 : 37.
lloffs, F. van. I 7 : 205.
Hofmann, Alb. 1 9 : 358, 369.
— K. IV 2 : 34.
— M. I 12 : 199.
— R. II 6: 173; III 1: 117.
Hofmeister, Ad. I 12:7; II 6:220;
III 4: la; IV 1 b : 158.
Hofmiller, J. I 10 : 260, 277 : IV 5 : 175.
Hofstede de Groot, C. 19: 208.
Hohenfeld, II. IV 2a: 152.
Hohenhausen, Elise v. IV 2 b : 136.
Hohlfeld, P. IV 5 : 131.
Hohnerlein, M. 13: 224.
Holder, A. I 7:36; IV 2b: 300/1;
IV 10:106
Holdermann. K. IV 3 : 50.
Hollaender, Ale. II 1 : 46.
— F. IV 3:564.
Holland, U. I 9 : 295, 393: IV 2b : 295.
Hollweclt, J. II 1:120; 6:47.
Holstein, H. I 12 : 186; II 4a : 1, 35/6;
7:9-10; III 4: 1.
Holthof, L. II 4 b : 24.
Holtze, F. I 3:177; 4:105,6, 149;
9:260; 113:02: 6:226,7; Uli : 179.
Holtzraann, H. I 4:500; II 6:69;
IV lc:84; 5 :325.
Holz, A. IV 2b: 390.
Holzbock, A. II 4b: 59; III 1 : 26;
IV 9 : 95.
Holzer, Jos. I 12:212.
Holzhausen, K. I 4:291.
Hopfen, H. IV 3:340d.
Hoppe, F. A. II 6 : 52.
Horciota, A. 1 12:211; II 6:187.
Hörn. I 12:84.
— A. 14: 273.
— E. 13: 131, 166 ; 12 : 153, 155.
— M. IV Sa: 52.
— P. 14: 273.
— W. V. I 5:171.
Hornburg. IV 9 : 146.
Hörne, H. P. 13: 473.
Horner, E. IV 1 b : 46.
Horst, A. H. 19: 112.
— K. Frhr. v. d. 14: 335.
Hör witz, M. I 7 : 177.
Hosäns, W. I 12:39.
Hottenroth, Fr. 14: 227/7 a.
Hotz, R. 14: 395.
Houssaye, H. I 3:420.
Hovorka, J. 13: 377.
Hruschka, A. I 5:32.
Huber, Aug. III 1 : 121.
— F. P. IV 9 : 147.
— S. I 9 : 85 ; IV 5 : 76.
Hübbe-Schleiden, W. IV 5 : 169.
Hübler, F. IV ld : 59; 3 : 26.
Hiibschmann, W. 18: 15.
Hüffer, H. IV lb : 77; lc: 47; 2b : 55,6.
Hülter, C. IV las 12; 2b: 90.
Harbin, J. II 1 : 105.
Hütter, H. IV 5:518.
Hullraann, K. I 7:193.
Hultgren, F. K. I 12 : 16.
Hundt, F. 15: 170.
Hunger, F. W. 16 : 102.
Hunt-Johnson, Helen. IV 3 : 588.
Hunziker, J. I 12:38.
— 0. I 12 : 240.
Huth, H. I 6 : 131.
Hutter, J. 15: 76.
Hutzelmann, Chrn. I 4:368.
Huyssen, G. IV lb:350. *
Hymmen, v. IV lb:ll».
Ichenhäuser, Eliza. I 4:496 a.
Iken, J. F. IV 5 : 241, 249.
Ilg, Alb. I 9 : 222/4; IV 2b : 112;
8a: 13.
Ilgen, Th. IV 1 b : 141, 143.
Ilwof, F. I 5 : 65; IV 2b : 128, 166.
Imbert, H. I 10 : 271.
Imelmann, J. I 6 : 30; IV 8c : 23, 29;
8 e : 55.
Imme. I 5 : 414.
Immich. M. 111:34; IV 1 b : 62, 64, 71.
Immisch, 0. IV 5 : 158, 642.
Ingwer, J. 13: 425 iL
Ipsen, P. L. 17: 120.
Irmer, G. III 1 : 16.
Isenbeck, J. IV 1 b : 38.
Isolani, E. 14: 136; IV 3:57.
Israel, A. I 3 : 160; II 6 : 56.
Isleib, S. II 6:171.
Ives, F. E. 13: 461.
Iwanowius, 11. I 4: 153.
Jackson, W. P. IV 5 : 364.
Jacob, F. I 3:60; 5:145; III 4:13.
— G. I 4:329; 5:417.
— K. III 1 : 190.
Jacobowski, L. IV 5 : 558.
Jacobs, Ed. I 4:84, 247, 321; 10:90;
II 6 : 258.
— P. 14: 336.
Jacobsohn, M. IV lc :69a.
Jacobus, Joh. IV 1 c : 98.
Jacoby, Alb. I 12 : 140.
— Alinda-. IV 3:471.
— D. I 4:89; IV 2b:216; 3:1, 370;
8a : 52/3, 66; 8b : 1 2, 38; 8c : 4;
8d:l; 10:36.
Jadart, H. I 3: 78 Sa.
Jaden, H. Frhr. v. IV 2b : 184.
Jäger, 0. III 1:1: IV 1 b : 9, 192;
9 : 47, 181 ; 10 : 104
Jahns, M. IV lb:305.
Jänecke, M. IV 5 : 586.
Jaennicke, F. 19: 446.
Jaensch, Th. I 4 : 526.
Jagie, V. 13: 90.
Jahn, A. 110: 162.
Jahnke, H. II 4 b : 33.
Jakobi, Fr. IV 2b: 216.
Jaksch, A. v. I 4:138a; 5: 143.
James, A. VV. I 7:9; II 4b: 87.
Jan, F. IV 8e:30.
— J. t. 18:2.
Janicke, K. II 6:214; IVlb:157;
5 : 392/3.
Jansen, F. G. I 10 : 120.
— K. IV 1 b : 134, 407.
Jarosch, A. IV 2b: 240.
Jastrow, J. I 1 : 88.
Jeanroy, A. IV 5 : 426, 428.
Jeep, E. IV 3:268.
Jehle, Fr. II 6 : 72.
Jeitteles, A. I 7 : 111 : IV 2 b : 449.
Jokelfalussy, J I 4 :391.
Jellinghaus, H. II 5 : 63.
Jent, J. 17: 66.
Jentsch, H. I 4:88.
— K. n 5:73/4; IV lb:203: 2b:33;
5:556; 8a: 47.
Jenzig, L. IV 5 : 621.
Jessen, 0. IV 2 b -.26.
— P. I 3 : 117 ; 9 : 334, 427, 444.
Jetter, P. I 4:66a.
Jiriczek, 0. I 5:6, 18.
Joachimsohn, P. 1 3 : 268 ; II 3 : 48 ; 5 : 65.
Jockusch, W. IV lb:485.
Jodl, F. III 5 : 55 ; IV 5 : 165, 628, 664,
666.
Johanson, IL IV la:ll.
John, A. I 1:59a; 4:387; IV 2b: 114,
358; 3:414; 8b:63.
— V. IV 5 : 474.
Jonas, F. IV lc: 43: 9:31, 94; 10:14.
Jones, E. E. Constance IV 5 : 206.
Jonetz, A. I 4:281.
— G. v. 19: 123.
Jordan, M. 19: 401.
— R. III 1 : 46.
— W. IV 2b: 338.
— W. A. IV 2b: 372.
Jordell, D. I 3:211.
Joseph, D I 9:232.
— E. IV 8b: 12. 52 3, 66; 8d : 1;
Sekl, 33
Jostphson, IL II 4b: 13; IV 5:261.
Joss, V. I 10:113; II 4b: 20.
Jostes, F. I 7 : 130: II 6 : 66; III 3 : 8 ;
IV 2b:37: 8c: 34; 9:26
Jürges, P. 13: 101.
Jürs, H. IV 2 b -.307; 3:260.
Jung, R. 14: 333a; IV 5 : 371, 389.
Junge, Fr. II: 52.
Junghans, F. W. IV 1 b : 81 : 1 c : 30.
Jureczeck, J. I 9:107.
Justus. IV 8e: 105.
Kade. E. 14: 278.
— 0. 1 10:26.
— R. I 3:64; 12:14.
Kaemmel, 0. II 1:2; III 1:2/3; IV
lb:436; 5:682.
Kämmerer, L 19: 190, 318.
Kaftan, Th. II 6 : 87
Kahl, W. I 4 : 130 ; IV 1 b : 252.
Kaindl, R I 6: 181.
Kaiser, P. III 1 : 47 9.
— R. 15: 240.
Kaisser, B. I 12:238.
Kalbeck, M. 110:104: IV 5 : 540; 9: 88.
Kalff, G. III 4:30/1.
Kalischer, A. C. I 10:13, 105.
— S. IV 8a: 52 3, 66; 8b: 12.
Kaiweit, P. 14: 45.
Kamann, J. II 1 : 144.
Kamphausen, A. II 6 : 69.
Kanner, 11. IV 5 :4S6a.
Kanngiesser, 0. IV lb:321.
Kapferer, J. A. II 2 : 58.
Kappes, K. I 12:215.
Kareis, J. IV 8a: 56
Karell, L. I 10:63.
Karpeles, G. 13: 275; 4 : 2s9; IV 1 d :
69; 2b:64, 271 : 5: 192: 8b:63.
— K. IV 3 : 394.
Kassel, A. 15: 30.
Kastan, J. IV 3:583.
Katona, L. I 5 : 33
Katscher, L. 1 V 1 b : 93 ; 2 b : 182, 474.
Katt, F. IV lc:50; 3:102, 112, 237.
Kattenbach, F. IV 1 c : 84.
Katzenstein, L. 19: 952.
Kaufmann, F. 1 7:4, 65; IV 6:3S;
7:22.
Kaufmann, D. I 4:437; III 1 : 1S2.
— G. I 3:165; 12: 165.
Kautsky, K. I 3 :22G: 4:476; 11 1 :22:
IV lb:475.
Kautzsch, Rud. I 3:30/1.
Kawerau, G. II 1 : 139 ; 3 : 43 ; 5 : 6, 98;
6:51, 57, 85a, 173, 197, 224, 244:
7:9; III 1:172.
- W. 1 12:113, 119; 112:4; 4a: 27,
29; 5:84, 104, 110, 112, 115,6; 6:
212/3; IV 9:60.
Kayser, F. II 6:18; 7:42.
Keane, H. A. 17: 104.
Keck, K. H. IV 2b: 341; 8e : 54.
Keferstein, IL IV 5: 608.
Kehlheim, J. IV 3 : 510.
Kehrbach, K. I 12:49, 65, 72, 76, 157,
Kehrein, V. I 6:113
Keidel, G. C. 15: 241.
Keintzel, G. 17: 68.
Keinz, F. II 2 : 25; 3:3; 4b : 83.
Keiper, VV IV lb:2S9; 2a: 67.
Keiter, B. IV 2b: 194.
— IL I 1 : 90; IV 3 : 220, 471, 521, 582.
Kekule, St. I 4:447.
Kelber, L. II 6:114
Kellen, Toni. IV 2b : 99, 225.
Keller, L. I 3:59; II 1:2U: 4b: 92:
6: 275; III 5:53.
— 0. 110: 25.
Kellner, H. C. II 4b: 15, 65; IV 2b:
423; 8a:31, 50; 8c:40; 8e:46, 117.
Kemke, J. I 3 : 92.
Keiupe, VV. IV 3 : 560.
Kempner, A. IV ld : 30; 2b : 387,
392; 10 : 56.
Kenner, Fr. I 9 : 107.
Kerausch, J. 1 V 1 b : 129.
Kern, F. IV 2 b :57 a.
Kerner, Th. IV 2b:ll; 5:475; 10:
113.
Kerr, A., b. A. Kempner.
— L. H. IV 3 : 131.
Kerschbauraer, A. 14: 187.
Kessel, K. v. III 1 : 135
Kettner, G. IV 8c : 44; 9 : 82, 87, 158,
1756.
Keuffer, M.
Keussen, IL
Keussler, F.
I 3 : 19.
II 1 : 70.
v. IV 5 : 360.
Keyserling, A. Graf. IV 1 c : 26; 5 : 65.
Keysscr, Ad. I 3 : 36 c.
Khull, F. I 7 : 183, 224.
Kiefer, L. 14: 350.
Kiehne, H. IV 2 b : 315,6.
Kienzl, H. IV 3 : 438.
Kiepert, A. IV lb:313; 5:583.
Kieser, H. IV 5 : 296.
Kiesewetter, K. II 1 : 100: IV 7 : 9.
Kiesow, K. I 11 : 48.
Kilian, E. 1U 4 : 17.
Autorenreffister.
Kingsley, Ch. II 5 : 3.
Kinkel, Johanna. IV 2b : 57.
Kinzel, K. I 8 : 7; II 4b : 34; IV 2b :
457.
Kirchbach, W. I 4 : 326 ; 8 : 34.
Kirchberg, Tli. I 7 : 135.
Kirchhoff, A. I 3:357-60, 362/3, 428/9;
4:359; IV 2a: 30.
Kirchner, F. IV 5 : 82 b.
Kirsch, P. IV 2b: 115.
Kisch, G. 0. 17: 69.
Kissel, C. 13: 350; 4 : 451.
Kitton, F. G. 13 : 460.
Kiy, V. I 6:37; II 4b: 11, 27.
Klahre, R. IV 8 c : 26.
Klaiber, K. H. 17:8.
Klapper, M. I 5 : 180.
Klatte, A. IV 2b: 100.
Klee, G. II 3 : 17; III 3 : 1; IV 3: 360;
10 : 16, 19, 21/2.
Kleemann, S. III 3 : 16.
Klein, A. 13: 44.
— H. IV 2b : 176; 3 : 198, 447.
— M. 19:7.
Kleinecke, R. I 10 : 262.
Kleinknecht, A. II 4 : 15.
Kleinschmidt, A. IV lb : 141; 5 : 379.
Kleinwächter, E. II 6 : 242.
— F. IV 3 : 13.
Kleist, B. v. IV 1 b : 309.
Klemm, A. I 9 : 218/9, 398.
Klemperer, W. 14: 427.
Klenze, C. v. IV 6 : 15.
Klimesch, M. II 3 : 51.
Klitscher, G. II 4b : 35; IV 5 : 403.
Kloeppel, P. 13: 414.
Klotz, H. II 3 : 57.
Kluckhuhn, A. II 6 : 102; III 1 : 7.
Kluge, F. I 5 : 133; 7 : 35, 89, 180,
— J. II 3 : 40.
Klnssmann, R. 13: 168.
Knaake, E. IV 2a : 154.
Knabe, K. I 12 : 221.
Knackfnss, H. I 9 : 181.
Knapp, G. F. 1 4 : 173, 2Li7.
— P. IV 8d:8.
— T. 14: 175.
Knappe, P. 19; 239.
Knauer, G. IV 5 : 320.
Knauth, P. I 7 : 25; 8: 28 c.
Kneller, A. II 6 : 67.
Knibbe, M. II 1 : 134.
Kniebe, H. 14: 342.
Kniepf, A. IV 8e : 90
Knipping, V. II 1 : 45.
Knispel, H. IV 9 : 81.
Knod, G. I 12 : 59; II 5 : 24; 7 : 14.
Knöpfler. A. II: 6.
— J. 1 12 : 71.
Knötel, R. 14: 156.
Knoop, 0. I 5 : 94, 185.
Knortz, K. IV 9 : 182
Knossala, A. 16: 103.
Knothe, H. I 4 : 80, 110 a.
Kobell, Louise v. I 4 : 360; 9 : 45;
IV lb:410; 1 c : 13.
Kober, J. B. IV lb:412.
Koch, A. I 12 : 175; IV 8a: 102.
— D. 15:1.
— E. 19: 14a.
— F. I 6 : 5; 9 : 180.
— J. I 3:275; 7 : 187.
— K. 14: 523.
— L. IV 2b: 145.
— M. I 1 :86; 10:170; 11: 40; II 4 b
49; III 4 : 9; 5 : 76; IV l c : 20, 40
68; ld:5, 22/3; 2a:56/7; 2b : 226
250, 255, 337; 3:1, 41, 90; 5:25, 461
531; 8a : 24, 37, 41/2, 44,5, 52/3, 58
60, 63, 66/8, 83, 89, 92, 97/8; 8 b
1/2; 8d : 2, 24, 35; 8e : 0, 12, 16, 23
28, 58, 62, 69, 78, 86, 88, 94/5, 109
115, 117, 123; 9 : 185; 10 : 19, 27, 34
Kochendörffer, K. 113:1.
Koeber, R. v. IV 3:85.
Koedderitz. III 1:1, 143; IV lc:7a
Kögel, R. IV 5:277; 8a: 37; 8b: 55
Köhler, G. I 4:275 a.
— K. I 4:509; III 1:171.
— 0. IV 2b: 468.
— R. I 5:378; 11 : 35; IV 6 : 21.
— Rieh. I 4 : 1 a.
— W. II 6 : 140.
Köhncke, H. I 12:246.
Koehne, C. II 1 : 22.
König, F. W. I 4:47; 12:168.
— R. II 6:117; IV 3:221.
— W. I 6:42,3; IV 8a: 99.
Könnecke, G. I 3 : 63; II 4b : 65; III
1 : 38
Koppen, F. v. IV 1 b : 270, 302, 435.
— W. II 4a: 6; 4b :86a.
Köselitz, H. IV 2b: 309; 3:267.
Köster, A. IV 2b: 318; 5:5; 6:9;
8a:59; 8c:38; 8d:24; 8e:9, 61,
77; 9:45, 157.
Köstlin, H. A. II 6 : 237.
— J. II 6:129.
Kötschau, K. 19: 169.
Kofel, H. I 3:467; 9:471.
Kogler, Ter. I 3 : 136.
Kohl, II. IV 1 b : 254, 256, 263/4.
Kohn, S. 14: 423.
Kohrs, H. I 7:34; II 6:41.
Kohut, A. I 10:19, 121; IV la:27;
1 b : 83, 283 ; 2 b : 13, 121 ; 5 : 17, 542 a,
546.
Kolb, Chr. II 5 : 123.
Kolbe, J. II 6 : 93.
Kolberg J. II 1 : 54.
Kolde, Th. II 1:139; 6:4, 60/1,63,
137 ; III 5 : 37.
Koldewey, F. I 12:8, 47, 52, 178,
216 ; II 7 : 32, 37 ; IV 5 : 401.
Kollmann, P. IV 1 b : 459.
Konemann, R. 14: 496 a.
Kont, J. IV 6 : 27.
Kopal, G. 14: 302.
Kopp, A. III 2:28, 33; IV 2b: 437,
445.
Koppmann, K. 12:61; 4:252a; 12:
148; II 3:60; 6:221.
Korner, E. 1 3:50.
Kornmüller, U. I 10:68.
Korsmann, B. 14: 218.
Korth, L. I 3:36 e; 4:409, 442.
Kortzfleisch, v. IV 1 b : 156.
Koschwitz, Ed. IV lb:357; ld:21;
3:2; 5:434; 6:35
Koser, R. 14: 154, 180; IV 1 b : 27/7 a,
45, 49 a, 56/7, 146.
Kossmann, B. 19: 366.
Kothe, B. I 10:23.
— J. 19: 459.
— W. I 10 : 40.
Kraeger, H. IV ld:30; 2a: 65; 2b:
331; 3:41.
Krämer, H. IV 1 b : 279.
Krafft, K. 14: 39.
Kraft, G. 1 6:44; IV 9:156.
Kralik, R. 15: 277.
Krallinger, H. I 12 : 229.
— J. B. 16: 75, 31; IV 8d :11;
9 : 159.
Krantz, F. IV 1 b : 436.
Krass, M. I 12:226.
Kratochvil, V. I 3:36 h.
Kraus, E. 13: 207 ; III 4 : 27.
— F. X. II 6 : 32.
— K. IV 2b:192; 3:565.
— 0. I 3:410; IV lc:70.
— V. v. II 1 : 4.
Krause, Gottl. IV 2a: 150.
- K. II 7 : 29.
— L. I 9:428.
— R. I 5 : 57.
Krauske, 0. I 4 : 148; 111 1 : 146/7, 153;
5:42; IV 1 b : 49, 85.
Krauss, F. S. I II : 40; IV 10 : 95.
— G. I 4:249a.
- N. IV 2b: 311.
— R. I 2:40; 12:11; II 7:21; IV
2b:6, 8, 10, 19a; 3:318; 9:35.
-8. 15: 348.
Kraut, Marie v. IV lb:179.
Krebs, C. I 10 : 32, 34, 58, 76 ; II 1 : 57 ;
III 4:4.
Kreiten, W. I 11 : 16; IV 2b: 37; 3:
196.
Kreowski, E. IV lb:108, 110; 2b: 218.
Kress, G. v. II 1 : 91.
Kretschmann, H. 16: 29.
Kretschmer, P. I 7:113.
Kretzschmar, II. 13:5; 10:43, 88;
IV 5:390 a.
— J. II 6 : 208.
Kreutzberg, P. IV 1 d : 34.
Kreyczi, F. 19: 230.
Kreyenberg, G. IV 1 b : 155 ; 3 : 223.
Krickau, K. IV 10 : 107.
Kriegsmann, G. II: 16.
Kriele, M. I 4:267.
Krönig, F. II 2:69.
Krohn, Camilla. I 10 : 278; IV 1 b : 398.
Kronenberg, M. III 5:61; IV 3:14;
5 : 124, 142.
Krones, F. v. I 4:460; II 1:150;
IV 5 : 386.
Kronfeld, M. I 5 : 116; IV 8a : 49;
10 : 76.
Kronsbein, Tr. 13:8.
Krüger, G. 16: 136.
— CA. IV 1 b : 359.
— R. I 1 : 79.
Kruhl, A. 19: 66.
Krumm, II. IV 2 b : 286.
Krumbach, C. I 6:3, 94.
Krummacher. M. 1 6 : 132; IV 8a : 78, 80.
— Marie. IV 3:110.
Krupka, A. 14: 286.
Krusch, B. 14: 150.
Kruse, H. IV 2b: 335.
Kruske, R. II 6 : 276.
Kubin, F. I 7 : 158.
Kügelgen, C. W. v. IV 5 : 261.
Kühn, B. IV 5 : 296.
— K. II 6 : 98.
— V. IV 5 : 134.
Kühnel, P. 15: 426.
Kühnemann, E. IV 5:102/3; 7:16,
19-21.
Kükelhaus, Th. II 1 : 80.
Küntzel, G. III 1 : 103 ; IV 1 b : 174.
Küppers, B. 16: 50.
Kürschner, J. I 1:89; IV lb:296;
1 c : 32.
Küster, A. I 4:177.
Kufferath, M. I 10:166.
Kugler, A. II 2:81.
— F. 15: 302; IV 9 : 64.
Kuh, E. IV 2b: 63, 113.
Kuhau, F. X. I 10 : 107.
Kühl, J. 14:337: 12 : 207; IV lb : 406.
Kuhn, A. I 9 : 76.
— F. 13: 218.
— K. IV 3 : 51.
Kukula, R. I 3 : 325; II 7 : 2 a.
Kulckmann. I 5 : 347.
Kummer, lv. F. 16: 134.
Kunert, F. I 9:67, 315.
Kuntze, F. 1 6:75, 92/3; 7 : 149.
Kunze, K. I 4 : 208; II 1 : 126.
Kupka, P. I 7:44; 8:28a.
Kurs, V. IV lb:174.
Kurt, N. IV 5:151.
Kurz, F. IV lb:221.
Kurze, F. II 1:8.
Kvacsala, J. III 1 : 166.
Kymniel, N. I 3 : 175.
L.aboulaye, Ed. IV 3:170/1.
Lackner. II 6 : 95.
Lackowitz, W. IV lb:348.
Ladewig, P. 19: 46.
Längin, Th. I 3 : 20 ; IV 3 : 53.
Lagarde, Anna de. IV 5 : 634.
Lahmann, J. F. IV 2b: 359; 8e:13.
Lahnor, II. IV 8 e : 88.
Lahrssen, H. IV 5 : 596.
Laing, F. A. 13: 146.
La Mara. I 10:35, 132, 185; IV
lc:56, 58.
Lambel, IL I 5:270; 6:63.
Lamey, F. 13: 20.
Lammers, Mathilde. I 4 : 491.
Lamparter. III 5 : 24.
Lampel, J. 13:4.
Lampert, F. II 1:98.
Lamprecht, K. I 1 : 51; 4 : 11/2; II 1 : 1.
Landau, 3. II 4 b : 32.
— M. I 5: 187; 11:9, 40; IV 3:6.
— S. R. IV 5 : 470.
Landi, 8. I 3 : 137.
Landmann, K. IV 3:211.
Landsberg, E. I 4:463; III 5:63; IV
5 : 365, 471.
— 0. III 5 : 62.
Landsberger, J. I 3:65, 364.
Landsteiner. K. 15: 272.
Landwehr, H. II 6 : 224; III 1 : 12, 139,
171; III 2: 14/5; 5:26/8.
Lang, P. I 10: 114; II 6:113
Lange, Edm. II 1:60: III 1:16; IV
2a:2ö; 3:586; 5: 626.
— K II 6:89; IV lb:46S.
— Helene. I 4 : 486 ; 10 : 257 ; IV 5 : 438.
— B. 0. 13: 57.
— Jul. I 9:261.
— K. I 3 : 269; 9 : 456: II 1 : 142.
— Konr. I 9 : 103, 174.
— Kurd. I 9 : 1, 9.
— Max. II 5:53; IV ld:35.
— P. IV 1 d : 33.
— R. I 5:364; 10:75.
Autorenregister.
Langenbruch, W. I 3:46/7.
Langguth, A. II 6:146; IV 1 b : 372.
Langwerth v. Simraero, II., Frhr. r.
IV lb:467.
Lanzky, P. IV 5 : 174
Laplane, Yicointe de. IV 8a: 87.
Larisoh, B. I 12 : 202.
Laschitzer, S. 15: 274.
Lasswitz, K. II 1 : 97 ; IV 5 : 226/7, 556.
Lutirencie, L. de la. I 10 : 170.
Lauser, W. IV 3:463.
Lautenbacher, J. IV 10:86.
Lauter-Richter, Emma. IV 3:482.
Laverrenz, V. 14: 296.
Lechner, K. I 11 : 18.
Ledebur, L. IV 3:226.
Leder, L. R. IV 5 : 627.
Ledos, E. G. 13: 257.
Lee, H. II 6 : 131.
Le Fevre-Deutuier, J. II: 72.
Legros, E. IV 9 : 132.
Lehfeldt, P. 19: 176.
Lehmann, Ernst 19:51/2, 59, 255, 321 ;
IV 5:115; 8a: 5; 10:31.
— M. IV Ib:58, 91.
— Osk. IV 5 : 530.
— Otto. I 3 : 26.
— R. 16: 140; IV 5 : 140, 150, 156, 397.
Lehmensick, P. 15: 266.
Lehnert, R. II 1:25.
Lehrs, K. IV 5 : 398.
— M. 19: 413, 449.
Leibig, O. IV 1 b : 345.
Leicht, A. II 1 : 136.
Leighton, Sir Frederic. I 9 : 47.
Leimbach, K. 16: 138.
Leinung, W. 15: 195.
Leipold, E. I 8:7.
Leisewitz, C. IV 5 : 523.
Lei st, F. II 4a: 23.
Leite, R. I 6: 114.
Leithäuser, G. I 9 : 90.
— J. I 7 : 74, 86.
Leitschuh, F. I 3:276; IYlb:416;
5 : 343/4.
Leitzmann, A. I 7 : 4; II 3 : 1; III 2 : 1 ;
IV la : 34; lc : 16a/8, 20, 88a;
2a: 47; 5:4, 22/5, 600, 604:
Leixner, O. v. 1 1:41, 78; IV 5 : 44.
Lemann, J. IV 9 : 135.
Lemcke, H. I 4:75; 12:193.
— P. IV lb:424.
Lemke, E. 15: 123.
Lemmen, A. I 4:78; 12:231.
Lemmermayer, F. IV 2b:339, 351;
3:456, 473; 5:40 a.
Lemonnyer, J. IV 3:4.
Lempertz, H. I 3:138 b.
Lenbach, F. v. 19: 45.
Lenk, H. II 1 : 37; 6 : 158; IV 5 : 238.
Lentner, F. 15: 279.
Lenz, H. 14: 428.
— M. II 6:138; 7:19; III 1:77; IV
lb:120.
Leo, F. A. IV 1 d : 43/4.
Leon, V. IV 6 : 32.
Leonhard, L. 14: 401.
Leonhardi, G. IV 5 : 285.
Lequien, M. IV 5:92.
Le Sondier, H. 13: 465.
Ussing, J. 19:9, 430, 443.
Lessmann, 0. I 10 : 15, 35, 125, 183,
235, 263.
Letourneau, Ch. I 1 : 48.
Lettau, G. IV 7 : 18.
Lettow-Vorbeck, 0. v. IV 1 b : 115.
Letz, K. IV 2a: 20.
Leuchtenberger, G. 16: 32.
Levin, J. 19: 34.
Levy, B. IV 8d:12; 9:42.
Levy-Bruhl, L. IV 5 : 128.
Lewalter, J. I 5:313/4; 10:44; II
2 : 40/1.
Lewes, L. IV ld:37; 8b: 39.
Leyen, F. v. d. I 2: 54.
Lhote, A. I 3:75.
Lichtenheld, A. II 4:32; IV 8d:41.
Lichtwark, A. I 9:435, 438/9.
Liebe, G. 14: 10, 101, 124, 127, 155,
252; II 1:116, 128.
Liebenau, Th. v. III 1 : 108 ; IV 3 : 390.
Liebermann, B. IV 1 b : 154.
Liebmann, 0. III 5:58, 74; IV 5:80,
446.
Liebeskind, A. G. 13: 187.
— H. I 6:28.
Liebknecht, W. I 7 : 188.
Liehner, L. IV 2b: 426.
Liepmann, 0. IV 5 : 84.
Lier, H. A. I 9:1, 34, 50, 94, 207,
227/8, 250, 258, 298, 302,3, 306, 406,
409, 419; III 2 : 21; 4 : 20, 23; 5:38;
IV 1 c : 63/4 ; 2 b : 367 ; 5 : 347.
— L. IV lb:442, 452.
Lilie, M. I 5:280; III 1:33.
Liliencron, D. v. IV 2b: 382.
— R. v. II 3 : 53.
Lilienthal, W. IV 2b : 321.
Limbach, H. II 5 : 125.
Limbourg, M. IV 5:93.
Lind, P. v. III 5 : 54.
Lindau, P. 1 4 : 146a; 8 : 22; 10 : 111;
IV 2b :339.
Lindecke, K. 16: 139.
Linden, A. v. IV 8b: 22.
Lindenberg. IV 2b: 52.
— P. I 4:282/3.
Lindenborn, A. II 6:252.
Linder, F. 15: 161.
Lindner, F. IV ld:63; 2b: 472.
— Th. I 1:50: II 1:6.
Lingg, EL IV 2a: 152.
Linhoff, M. 17: 192.
Linke, 0. IV 2b: 172.
Linnig, Fr. I 6:121/2; 7:97.
Linsenmeyer, A. II 5 : 19.
Lippe, Graf. IV 1 b : 64.
Lippert, J. 14: 503.
Lippmann, E. 0. v. IV 8c : 41/2;
8e: 122.
— F. I 3:116; 9:104.
Lippold, A. 14: 325.
Lipps, Th. IV 5 : 218.
Lipsius, G. 11. 13: 405.
List, C. 19: 453.
Littig, F. 14: 18.
Litzmann, B. IV 6:5, 11, 14, 18, 34;
9 : 51.
Lobeck, Chr. A. IV 5 : 398.
Lochner v. HSttenbach, 0. Frhr. I 9 :
135, 163, 180, 183, 229.
Löber. IV 5 : 257.
Löhner, R. 16:2; 7:114.
Löhrer. I 6:90.
Löns, H. IV 2b: 319.
Loesche, G. II 5:98; 6:2, 184,6,271.
Löscher, F. H. IV 2b: 440.
Löschhorn, H. I 3: 4; II 6 : 212;7 : 10;
III 2:32; IV lb:437b; 5:582.
Löwen, E. I 10:265.
Löwenberg, J. II 5:59: IV 5:595.
Löwenfeld, R. IV ld:68.
Loewenthal, E. IV 2 b : 314.
Löwisoh, M. 14: 518.
Loewy, S. I 10 : 263.
Lohmann, P. IV 2 b : 483.
Lohmeyer, E. I 3:132; 4:21a.
— K. I 12:79: III 5:76.
— Th. I 5:424 5; IV 5:532.
Lombroso, C. 14: 425.
Lomraatzsch, S. III 5:33; IV 5:246,
275, 289.
Lomraer, F. I 4:367.
Lonchamps. IV 9 : 45.
Lorck, C. B. 13: 437, 439, 464/5.
Lorenz, 0. IV 1 b : 75; 2b : 213; 5 : 482.
— P. IV 8e:119.
Lorentzen, Th. 110:489; IU 1:88,
110/1.
Lorhner, Louise. IV 3 : 219.
Lorm, H. I 1:76; IV 2b : 125, 176,
351 ; 5 : 40.
Lorrenz, L. B. II 6 : 124.
Lortz, M. 14: 349.
Losch, Fr. I 5:377.
Loserth, J. 111:23/4; 2:19-20; 3:
50; 6:271, 273/3a; III 1:8, 167.
Lothar, R. IV 3 : 9, 375/6, 458.
Lothholz, G. IV 5:400.
Lotze, H. IV 5 : 220, 235.
Lovera, R. IV 2b: 399.
Ludassy, J. v. IV 5:159.
Ludorff, A. 19: 146.
Ludwich, A. IV 1 c : 71 ; 5 : 398; 6 : 1 ,
22.
Ludwig, C. IV 5 : 75.
— K. IV 2b: 476.
— Th. II 3 : 47.
Ludwigs, G. IV 2 b : 389.
Lübke, W. I 9 : 75.
Lütholz, F. I J2-.42.
Lüttich, Fr. I 10 : 143.
Lützow, C. v. I 9:29, 75, 294, 339,
377, 399.
Lurion, R. de. I 3 : 344 .
Luthardt, E. I 10 : 124; II 6 : 146.
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V.
Luther, P. IV 6 : 239 a.
Luthmer, F. 19: 437.
Lutolf, K. II 6 : 50.
Lutsch, IL 19: 121.
Lux, II. IV 5 : 654.
Lyon, 0. I 1:69; 2:43, 47; 5:338,
364; 6:1, 142; 7:13, 107; 8:3;
II 4b:44; IV 2b: 358; 5:582.
— W. 8. IV 3:173; 5:375.
Maag, A. IV 1 b : 186; 1 o : 29.
Macaulay, Dr. II 6 : 130.
Mc. Clumpha, Ch. F. II 1 : 90.
Macdonell, Helen A. IV 3 : 525.
Mack, H. I 4:213a; III 1:90.
Mackel, E.. I 4:17; 5:400, 407.
Mackie, John B. I 3:249.
Mackowsky, H. I 9 : 2Ö4; IV 1 b : 40.
Macnaghten, R E. IV 3 : 175.
Mäder, R. II 6 : 86.
Mähly, J. IV 2b: 419, 224.
Mährle, F. I 6:19.
Mämpel, K. I 12:19.
Maertens, H. I 9:359 a.
Maser, J. 13: 443.
Magnabal, S. G. IV 8e:75.
Magnin, E. IV 9 : 123.
Mahrenholtz, R. III 1 : 125; IV 9 : 149.
Mahrt, C. I 4:307 a.
Mai, E. IV 1 b : 213, 218.
Mair, A. 15: 279.
— S. 15: 435.
Majer, E. I 4:354 a.
Majersky, Ad. v. IV 2b : 474.
Majunke, P. II 6 : 125/8.
Maler, A. r. 19: 273.
Malmström, 0. III 1 : 145.
Malo, H. II 6 : 106.
Mararoth, F. IV 3 : 236.
Mandel, R. 15: 56.
Mangold, F. I 12 : 88.
Manke, W. I 4 : 485.
Manlik, M. 16: 60.
Mann, F. I 3 : 331; 6 : 21; 12 : 35.
— G. I 12 : 30.
— Mathilde. I 9 : 261.
Manns, P. II 1 : 29.
Mannteuffel, G. v. 15: 319.
Manz, G. IV 2 b : 22.
Marabini, E. I 3 : 138 a; 4 : 198.
March, 0. I 9 : 363.
Marcks, E. I 3 : 36m; IV lb : 3; 5 :377.
Marees, L. de. IV 2b : 450.
Marguillier, A. 19: 167 a.
Marholm, Laura. I 4 : 495 ; IV 3 : 332.
Markgraf, H. 14: 152, 279; III 2 : 29.
— R. 14: 431.
Markhauser. I 4 : 8; IV lb : 9.
Markscheffel, K. IV 5 : 613.
Markus, P. IV 2 a : 52.
Marmorek, 0. 19: 369.
Marnet, W. 13: 10.
Maronier, J. H. II 3 : 43.
Marquez, 0. 14: 251 a.
Marr, Elisabeth. I 10 : 228.
Marschalk, M. I 10:224.
Marshall, Ed. IV 2b: 435.
— W. 1 5:119.
Martens, K. I 12 : 234.
Martin, Ad. IV 3:489-90.
— E. I 1 : 46; 7 : 5, 55, 79; II 4b : 95;
5:81/2; IV 2b: 92/3; 10:1.
— Th. IV 3:219.
Martus, H. I 12 : 220.
Marx, Th. IV ld:46.
Matha-Wastl, J. de. 112:213.
Mathe, Bertha. IV 2b: 478.
Mathi, J. 16: 17.
Matthes. I 4:73; 12:198.
Matthias, C. I 5:365.
— E. I 5:1; 12:196; II 7:11, 25.
— Th. I 6:5/6, 17, 41, 48; 7:117;
IV 7 : 24.
Matthis, G. II 6 : 243.
Matthys, Emma. I 5 : 340.
Mätyäs, L. I 5 : 134; II 2 : 13.
Matzke, E. IV 5:436.
Maude, J. H. IV 3 : 174.
Mauerhof, E. IV 9 : 180.
Mauke, W. I 10 : 62, 177, 285.
Maul, J. 13: 469.
Maurer. J. III 1:36; IV lb:125.
Mauthner, F. IV 3:536; 5:173.
— J. IV 2b: 168.
Max, Joh. I 9 : 287.
May, M. 17: 133.
— 0. IV 11:11.
Maydorn, B. 15: 403.
(4)35
Autorenregister.
Mayer, Ant. I 3 : 366.
— Fr. 14: 374.
— Gnst. IV 1 b : 484 ; 5 : 570.
— Jos. I 12:70.
Mayr, M. II 7:20.
— Mich. II 3 : 52.
— S. I 4:56; 5:325; 7:147.
Deissinger, K. III 1:197; 5:46.
Mazzoni, G II 1:78.
Medung, 0. 15: 114.
Mehler, J. B. IV la: 8 ; lh: 489.
Mehlis, C 14: 373.
Mehring, F. I 1 : 10, 51 ; 4 : 11 : III 1 :
83; IV la:3; 2b : 388.
— 8. I 8:11.
— Th. 1 3:308; 7: 186; IV 2a: 107;
2b: 340
Meiche, A. 15: 179.
Meidinger, G. 14: 352.
Meier. John. I 4:49a; 5:296; 7:54,
81; 12:170; II 2:45; 5:102; 6:108.
Meinardus, 0. III 1 : 129, 137.
Meinecke, F. IV 1 b : 3, 173, 257.
Meinhold, F. L. III 2:39; 5:88; IV
2 a : 29.
— J. IV 1 c : 84.
Meisner, H. I 3 : 36: IV lo : 44; 2a :
138; 2b: 5; 10:91
Meissner, F. H. I 9:312, 316/7.
— R. 12:6.
Meister, F. IV 1 b : 364.
— J. II 7 : 9.
— 0. IV 3 : 397, 400.
Meixner, A. 16: 133.
Melcher, E. E. I 1:53; I 4:297.
Melchior. I 4:406.
Meli, A. II 1 : 30.
Menuik, F. 14: 205.
Mendel, Ch. I 3 : 22.
— S. IV 10 : 131.
Mendheim, M. IV 2a : 161 ; 2b : 89;
3:19, 89-90, 93,495/7: 5:300; 10:
126.
Meneval, J.-E. de. IV 1 c : 11.
Menge, K. I 7 : 27, 214; IV 2a : 136.
Monges, H. 15: 391, 430/1 ; 7 : 213
Menken, G. IV 5 : 293.
Menn, M. IV ld:17.
Mensch, Ella. IV 3: 289; 5 : 51.
Mensing, 0. II 6 : 109.
Menzel, P. IV 10 : 111.
Merckle, K. 19: 263.
Merkel, J. I 10:3.
Merkens, H. I 5:79, 385; 112:70; IV
2a: 14.
Merkle, J. IV lb: 419-21.
— S. I 4 : 10.
Merlo, J. J. I 9:92.
Mertens, W. 13: 14.
Merwin, P. IV 2b: 319.
Merz, J. 19: 466.
Mestorf, J. I 5 : 55/6.
Metz, A. IV 8b: 48.
— H. II 1 : 59.
Metzger, E. 14: 5.
Meurer, M. 19: 434.
Mewius, F. III 1 : 155.
Meyer, Alex. IV 8a: 32.
— Alfr. Gotth. I 9 : 94, 328.
— B. IV 3:186.
— Chrn. I 4:159; III 5:22; IV lb:
44; 5:391.
9:168; 10:10.
:452.
:392.
— E. IV 8d:21;
— Erich. IV 1 b :
— E. H. 15: 75.
— F. I 4:295a.
— Fl. 16: 95.
— Friedr. IV 3 :
— G. 17: 113.
— G. A. IV 8a: 48.
— H. IV lb: 74.
— Heinr. IV 7 : 27, 29.
— Joh. I 1 : 54.
— Jul. II 6:204.
— J. B. IV 1 b : 466.
— K. I 3:103; II 5:118.
— Konr. Ferd. IV 2b: 474.
— L. I 3 : 42 ; 4 : 123.
— Max. I 1:74; IV 5:166.
— Paul. III 5: 44/5 b.
— Eaph. I 7:105.
— R. M. I 1:86; 5:191; 7:25, 216;
8: 1/2, 30; 9:360; IV la:20; 3:
56; 5 : 15, 17, 24, 34, 43, 366, 646;
IV 8a : 42, 54; Sc : 7; 8d : 37; 8e :
72, 117; 9:7; 10:45.
— W. II 6 : 167.
— Wilh. I 9 : 28.
Meyer-Altona, E. 19: 141.
— v. Waldeck, F. IV 1 c : 95.
Meysenbug, M. v. IV 1 b : 473.
Mezger, G. IV 2b: 63.
Michael, E. II 4 a : 37.
— W. IV lb:427; 9:110.
Michaud, E. IV 5 : 239.
Michel, E. 19: 324.
— Fr. IV 1 d : 47.
Michels, V. II 4b : 91; 6 : 196a/7a;
7:9; IV 6:3.
Middendorf. IV 2b: 71.
Mielke, G. IV 5 : 321.
— R. I 4:516.
Miklau, J. III 1: 126.
Milchhöfer, A. IV 5 : 405.
Milchsack, G. 13: 305.
Miller, M. IV 9:94.
Minor, J. I 1 : 96; 5 : 263; 8:1; II 4b: 50;
IV 2a:114/5; 2b: 134; 5:534; 8a:42;
8b : 42; 8c : 18, 22, 24; 8d :35; 8e:32,
87, 125; 9:9, 15, 86.
Mirbt, K. I 12 : 129.
Mischke, 0. II 6:92.
Modeon, H. 19: 454.
Möller, C. III 1 : 50; IV la : 37;
2a: 95; 3:231.
Mörath, A. I 4:211.
Moser, A. IV 2 b : 349.
Mogavero, G. I 10 : 7.
Mogk, E. 15: 93.
Mohr, L. 15: 368.
Mokrauer-Mainö, 0. IV lb:446.
Moldenhauer, F. IV lb : 191.
Moleschott, Elsa. IV lc:93.
Moll, A. 14: 145.
Mollat, G. IV lb:114, 193.
Mollwald, E. v. IV 8a: 11.
Molsdorf, W. 13: 104.
Moltesen, L. J. III 5 : 30.
Montaille. I 4 : 225.
Monod, G. 1 1:13; IV lb:140.
Montanus, C. IV 5 : 127, 590.
— E. II 4a: 3.
— F. IV 2b: 318.
Moos, P. I 10: 12.
Morel, G. I 11 : 54 ; IV 9 : 71.
— L. 13: 457.
Morf, H. IV 1 d : 2.
Morgenstern, Chrn. IV 5 : 17, 670.
— E. IV 3:78.
— G. IV lb:109; 2a:138; 5:34;
10:34
Morley, H. IV 8e:74, 101.
Morold, M. IV 2 a : 53.
Morrillot, P. IV 3 : 2.
Morris, W. O'C. IV lb:304.
Morsch, H. IV 8 a : 98 ; 8 e : 67.
Mose, H. I 4:379; 5:159.
Mosen, R. IV 3 : 111.
Moser, F. I 9:475.
— P. III 1 : 51.
Moszkowski, A. I 10 : 237, 264.
Mucke, R. IV 5 : 129.
Mühlan, A. IV I d : 13.
Mühlbrecht, 0. 13: 183, 209.
Mühlen, A. IV lb:122.
Mühlhausen, A. IV 5:422. .
Mülinen, W. v. 14: 396.
Müllenbach, E. 14: 513.
Müllensiefen, P. IV 5 : 292.
Müller, A. 112:128.
— Aug. I 9 : 159.
— C. 1 5: 139; 7:12.
— Curt. IV 2b: 12.
— E. I 4:54; II 6:58.
— Ernst. IV 9 : 13, 27, 36/7, 60.
— G. I 12:82; IV lb:354.
— Georg. 14:162; 12:91, 146; II
6:175, 179.
— Gust. A. IV 5:240a; 8b :8a, 16,
44/6.
— Hans. IV lb:425.
— Herrn. Alex. 1 9 : 77.
— H. F. IV 8 d : 5.
— Jos. IV 3:86/7; 5:15.
— L, I 5:52; IV 1 b : 220.
— N. II 1:141; 6:17.
— P. 14: 479.
— Rieh. I 8 : U ; II 1 : 113.
— Rud. I 9 : 156.
— Wilh. IV lb:14.
— Willi. I 3:144.
Bohn, II. IV lb:153; 2a: 158.
Frauenstein, G. I 12:241.
Fraureuth, K. IV 3 : 1, 16.
Guttenbrunn, A. IV 3 : 188 a, 417.
— -Holm, E. IV 3 : 297.
Müller- Palm, Ad. 13: 232 ; IV 5 : 550.
Rastatt, K. IV 3:403a/4; 10:34.
Müllner, L. IV 2b: 256.
Mülverstedt, G. v. I 4:165.
Münscher, F. 14: 331.
Münz, B. IV 2b: 64; 5: 189, 193.
Muenzer, 0. IV 2b: 518/9.
Muff, Chr. I 6:116, 119.
Mugnier, F. I 3:28.
Muhlert, F. 14: 309.
Muller, J. W. I 5 : 318; II 5 : 10.
Mummenhoff, E. II I : 67; 2: 29 a ;
4b :9, 13, 84; IV 8e:14.
Muncker, F. I 1:26, 65; 6:89, 142;
117:13; IVla:14; 2b:67/8, 293;
3:1, 31, 71/2, 80; 6:2; 8d: 5; 8e: 78,
117; 9:39, 50.
Muralt, E. de. IV lb:183.
Murau, Karoline. I 9 : 94.
Müsiol, R. 1 10:109.
Muther, R. 19: 95, 276.
Mutzenbecher, A. IV 3:312, 317.
Naaf, A. 15: 23.
Nagel, Joh. II 3 : 10.
Nageler, G. 15: 166.
Nagl, J. W. I 7:67; II 3:15.
Nathansen, W. I 4:231, 238a.
Nathusius, M. v. IV 3:484.
Natorp, 0. I 12 : 48; IV 5 : 251.
— P. IV 5 : 237.
Natzmer, Gn. E. v. III 5 : 35; IV lb :
323, 336.
Naude, A. III 1 : 136, 146, 176, 200;
IV 1 b : 59-60, 66/7.
— W. II 1 : 45.
Naumann, E. I 6 : 65; IV 7 : 23, 29, 31.
— F. IV 5 : 573.
Nebe, A. I 12 : 18.
Nebel ung, A. I 12 : 197.
Necker, M. II: 18, 20, 37 ; 9:17;
II 4b : 59; IV 1 a : 39; 1 c : 49, 51,2,
54, 60, 66; 2b : 128, 177, 249-50, 363;
3 : 10, 78, 188, 273,4, 279-80, 296/7,
375/6, 464, 509, 533, 559; 5 : 469.
Needon, R. 15: 147.
Neff, J. I 12:56.
Neidhart, R. III 5 : 39.
Nentwig, H. 13: 99.
Nenzioni, E. II 1:78.
Nerrlich, P. I 1 : 26; IV 3 : 87 ; 5 : 397.
Nestle, E. IV 5 : 241 a.
Netoliczka, 0. I 6:64.
Neubauer, Fr. IV 1 b : 147.
Neuberg, A. II 6 : 133; IV 3 : 410.
Neubarger, E. I 2:25; 4:141; 8:36;
IV 3 : 603.
— F. I 10 : 226.
Neubnrger, A. 13: 140.
Neuhöffer, R. IV 9:78.
Neukamp, E. 13: 227.
Neuling, E. 19: 4.
Neumann, C. 19: 1.
— E. I 8:13; IV 5:78.
— Franz. I 6 : 112 ; IV 3 : 406.
— H. I 10 : 241.
— Karl. IV 5:409.
— K. J. IV 3:77.
— W. I 3:26; II 6:78.
— -Hofer, 0. IV 8a: 32.
— -Strela, K. IV lb:13; 3:23.
Neuwirth, J. I 9 : 135 a, 159, 169, 170 a,
234; II 1:142.
Ney, J. II 6 : 248, 251.
Nicklas, J. I 6:12, 18.
Nicoladoni, AI. II 4b : 92/3; 6:189,
199, 271.
Nicot, L. IV lb:461.
Nida, C. A. v. IV 2b : 494, 512.
Niederegger, A. IV 2a: 61.
Niedergesass, R. III 3 : 12.
Niejahr, J. 18:27; IV 8a: 62; 8e :
124.
Niemann, A. IV 1 d : 50; 5 : 466.
Niemeyer, Ed. IV 6:16 a.
Nietschmann, H. III 5 : 32.
Nietzsche, F. IV 2b : 268; 5 : 181.
Niggli, A. I 10 : 282.
Nissel, Caroline. IV lc: 51.
Nithack, A. III 5 : 59.
Nitzsch, F. IV 9:4.
Nobbe, H. II 6 : 177.
Noe, H. I 4:121.
Nöeldeke, W. I 6 : 77 ; IV 1 b : 72;
2a: 63.
Nörrenberg, C. I 3 : 253, 263, 323/4;
7:7.
Nordau, M. IV 3 : 563.
Autorenregister.
Nostitz-Rieneck, R. IV 5 : 605.
Nottbeck, E. v. I 4:444.
Nover, J. I 11:21; 113:38; 5:111;
IV 8e:72.
Nusch, A. 16: 120.
©berbreyer, M. IV lb:15.
Oberdörffer, P. I 3:225.
Obser, K. I 2 : 18: IV 1b : 427: 5: 401 a.
Ochs, S. I 10:255.
Oechelhäuser, A. v. I 9:364 a.
Oechsli, W. II 3 : 46.
Oelsner, Elise. I 4:492.
Oergel, G. I 4 :64;5; 12:102.
Oertel, E. G. J. IV lb:177.
Oesterreich, H. 14: 214.
Oetker, F. I 3:422.
Oetter, P. IV 5 : 414.
Offner, M. IV 5 : 68.
Ohorn, A. IV lb : 124, 271,445; 2a : 138.
Oidtmann, E. y. I 4 : 22a; 9 : 361.
Olinda, Alex. I 9:345.
Ollendorf, Irene. IV 2b: 291.
Omont, H. 13: 264.
Ompteda, L. Frhr. v. IV Ib:451.
Oncken, W. III 1 : 152, 156 ; IV 1 b : 18,
20, 180.
Ondrusch. K. 15: 412.
Ongania, F. I 3 : 66.
Opel, J. O. I 4:461; III 1:14; 5:64,
Opitz, R. I 1:26: IV 2a:86; 2b:13;
3 : 282, 287, 463.
Oppenheimer, F. IV 2b: 330.
d'Orleans, Th. IV 9 : 127.
Ortjohann, F. 14: 21.
Ortner, H. I 6: 15.
Osborn, M. I 1 : 86; 9 : 169: II 4b : 18;
5:989; IV 8a: 32.
Osten, Jenny v. d. IV lb:442.
Ostermann, W. I 12:4; IV 5:135.
Ostini, F. v. I 9 : 311.
Oswald, J. G. IV 2b: 257.
Osztoya, A. II. v. 111: 42.
Ott (Baurat). I 9 : 142.
— E. I 5:35.
Ottens, J. 16:6.
Ottmann, V. 13: 208.
Otto, E. 14: 32, 199.
— F. IV 2 b -.470.
— G. 13: 340.
Paehler, R, I 12 : 187.
Paetow, W. IV 3 : 302,
Pahner, R. 112: 237.
Pallmann, J. IV Se : 12
— K. II 1 : 62.
Panizza, 0. 15: 58, 227 ; 9 : 16, 65.
Pannier, K. 13: 421.
Pantenius, Th. H. IV lc ; 13, 27, 32,
46, 49, 69: 3:301.
Tänzer, F. I 10 : 103.
Paoli, Betty. IV 2 b : 37; 3 : 472.
— C. I 3 : 23: II 1 : 78.
Pappritz, R. III 1 : 52.
Papudoff, C, IV 1 b : 394.
Pardellian, P. IV 1 b : 461.
Parey, P. I 3 : 186.
Paris, G. 12: 27.
Pariser, L. III 2:24; 3:6.
Parisius, A. II 6:225.
Parmentier, J. IV 1 d : 3 ; 8 a : 86.
Partsch, J. 14: 464.
Pasch, K. IV 5 : 462.
Pastor, L. I 4:9; 5:140; II 1:77;
6:2; IV lb:4, 452; 5:373.
— W. I 10:280.
Faudler, A. I 5:01, 179, 418a.
Paul, A. II 4b: 11.
— H. I 2:10; 7:136.
— W. II 6 1 143.
Pauler, J. 14: 390.
Paulig, F. R. IV lb:399.
Pauls, E. 14: 441.
Paulsen, F. I 4 : 82; II 6 : 2: IV 5:68,
599
Paulus, N. II 1:102; 5:12/3, 18, 20,
22/3, 30; 6:9, 22-30, 45,6,123, 192.
Pawel, .1. IV 2 a : 34/5. 40; 3 : 44 ; 5 : 9.
Pawlecki, J IV 2b: 461 2.
Payer, O. I 10:37, 191.
— R. v. IV 8c: 46.
Pazaurek, E. 19: 472.
Pearson, E. St. IV 9 : 85.
Pech, T. I 3:210.
Pechmann, W. v. IV 5 : 245.
Pecht, F. I 4:468; 9:17, 288, 337;
IV lc:66.
Peiser, K. I 10 : 97.
Parier, G. II 1 : 5.
Perktold, F. I 6:115.
Perlbach, M. 13: 267.
Perles, M. I 3:400.
Perlsv A. I 1 : 93.
Pesch, T. IV 5:341.
Peschel, W. E. IV 2a: 149.
Peschkau, E. I 4:137; IV 2b: 230.
Pestalozzi, F. 0. IV 1 c : 28.
Petelenz, K. I 6:124.
Peter, A. I 4: 389; 9:372.
— J. 15: 267.
Peters, Th. 14: 223.
Petersdorf, A. IV 3 : 516.
Petersdorff, H. v. III 1 : 155; IV 1 c : 68;
2 b :231; 5:366.
Potersen, R. IV 9 : 188.
Petri, E. I 3:270: II 0:172.
— F. IV 2a: 58; 3:28.
— J. I 4:497; IV 3:10.
Petzendorfer, L. I 3:130.
Petzet, E. III 3:8; IV 5:10.
Petzhold, G. I 3:257.
Petzsch, G. 14: 202.
Pey, A. IV 9 : 170.
Pfaff, F. 15: 14, 258; II 2 : 29; 4a : 21.
Pfeiffer, Th. 1 10 : 200.
Pfeilschmidt, H. III 5 : 4.
Pfister, A. IV 9 : 17.
— Ch. I 4:346a.
— H. v. 17: 72.
— M. IV 5:346.
Pfleiderer, 0. I 1 : 4 ; IV 6 : 236, 238,
307, 663.
Pflngk-Harttnng, J. v. IV 1 b : 138/9.
Pfohl, F. I 10:57, 161, 167, 221.
PfQlf, 0. IV 9 : 89.
Pfungst, A. I 3:335.
Philippi, A. I 1:19; 4:489.
— Fr. III 1 : 95.
Philippson, M. IV 1 b : 363.
Pichler, A. I 5:308; II 2:56; IV
2b: 199-200.
— F. III 1 : 161.
Pichtos, N. M. IV 10 : 8.
Pick, A. IV 1 a : 32 ; 1 b : 164 ; 1 c : 31 ;
2a: 156: 5:345; 8b: 7.
Piekosiiiski, F. I 3:139.
Pieper, A. II 1 : 17.
— J. I 12:54.
Pierson, W. IV 1 b : 397.
Pietsch, J. E. I 4:322 a.
— L. I 9:441; lVlb:30; lc:65;
2b: 236.
— P. I 4:277; 7:211.
Piger, F. 15: 72.
Pihan, Abbe. IV 9 : 142.
Pilz, H. IV 2b: 83.
Pinelli, s. A. v. Freiberg.
Pirenne, H. 13: 3; II 1 : 52.
Pischel, R. 14: 438.
Pistor, J. III 1 : 11.
Pitre, G. 13: 178.
Pituckowski, M. IV 5:413.
Planck, M, I 10 : 21.
Pleasants, Mary M. IV 3 : 492.
Plew, J. IV 1 b : 121.
Plöhn, R.' IV 2b: 13.
Pniower, 0. II 7 : 10; IV 3 : 369, 375/6;
8e:117.
Poelchau, A. I 3:176.
Pölzl, J. I 6:58, 70; IV 8e:48.
Poeschel, J. 17: 118.
Pötsch, J. A. II 6 : 151/2.
Pohl, R. I 10:187; IV lc:59.
Pohler, J. I 3:226 a.
Poli-Hardmeyer, Maria. IV 3 : 389.
Politicus. I 3 : 423.
Polko, Elise. IV 2b: 479, 530.
Pommer, J. II 2 : 57.
Poole, W. F. 13: 252.
Popek, A. I 11 : 23; IV 9 : 173.
Popp, K. 15: 144
Poppe, G. I 4:319; II 1:26; 6:267.
Poppenberg, F. IV 2a : 87: 3 : 59a,
307, 309, 478, 553, 571, 616; 5:527,
620; 6:38; 10:9, 43, 115.
Popper, M. 14: 435. 483.
Porchat, J. IV 8d:3.
Porges, H. I 10 : 80, 169. 220, 234.
Portig, G. IV 8a :44; 8b: 33; 9: 4.
Poruck, J. IV 5 : 62.
Poschinger, H. Ritter v. IV 1 b : 282,
293; lc:22c; 5:577.
Post, A. II. I 5 :343: II 2:16.
Poten, B. IV 1 b : 159, 216, 312.
Powell, G. H. I 3:280.
Prato. St. I 11:5.
Preger, K. II 1 : 61.
Prem, S. M. I 5:312, 357 8; 6:91;
II 4 b : 21 ; IV 1 a : 40; 2a : 48; 2b: 203,
208, 353; 8a : 6; 8d : 24: 8e:29;
9:56.
Preser, K. IV 2b: 4.
Pressel, P. II 6 : 193.
Preuss, G. III 1 : 128 ; IV 1 b : 55.
Preyer, W. I 3:40; IV 8a: 05.
Pribram, A. III 1:9, 1146, 120, 196;
IV lb:18.
Priebatsch. F. II 1 : 52.
Priebsch, D. I 3:34.
— R. I 5:131; II 5:119.
Prieger, E. I 10 : 101, 103.
Primer, P. IV 8e:44.
Primozic, A. I 6 : 84.
Prinz, P. IV lb:395.
Prochäzka, R. Frhr. v. I 10:198.
Procyk, A. 17: 106.
Pröhle, H. I, 12:51: III 5:S16:
IV lb:84; 2a:94; 2b:306, 424 5,
428; 5:8, 31, 286 7.
Proll, K. I 4:393, 519; 12:21; IV
2b: 137, 204; 3:272, 462, 509, 528;
10:40.
Proelss, .T. 19: 280, 345.
— R. IV lb: 96; 2a: 88.
Proescholdt, L. I 11 : 14, 37, 40, 45;
IV 1 d : 42, 44.
Prosch, F. I7:170;IV2b:134;8a:96.
Proschke, Hermine. I 5:162.
Prümers, R. IV 2a : 6.
Pruner, J. II 5 : 2.
Prutz, H. I 4 : 60: 12:134, 137;
HI 1 : 78.
Prybila, P. IV lb:131.
Pucsko, A. IV 2b: 117.
Pudor, H. I 9:340 a.
Puglisi-Pico, M. II: 34.
Puls, A. IV 2b: 148.
Puntschert, J. I 4:3S0a.
Pusch, K. n 5 : 127.
Putnam, G. H. 13: 353.
Puttkammer, Alberta v. IV 2b: 403.
Pyl, Th. 19: 299.
©.uaritch, B. I 3 : 24.
Quilling, P. 15: 397.
Quistorp, B. v. IV lb:174.
Raadt, J. de. 14: 240.
Rabus, L. IV 5 : 79, 90, 234.
Rache, P. I 12 : 125.
Rachel, M. II 4b: 74.
Rachfahl, F. 14: 161.
Rademacher, C. I 5:7.63,78; 1112:75.
Rades, P. y. 19: 114.
Radlkofer, M. I 4:52; II 5:46.
Radulescu-Motru, Const. IV 5 : 107.
Raeder, A. 14: 40.
Rahden, A. v. II 1 : 149.
Rahn, J. R. I 9:213.
Raible, G. F. IV 1 b : 423.
Raich, J. M. IV lb:378.
Ramann, Lina. I 10:187.
Rambaldi, C. Graf t. 14: 363.
Ramberg, G. I 10:266.
Rank, J. 15: 24.
Ransohoff, G. IV 5 : 194.
Ranzoni, E. 1 9:386.
Rapsilber, M. I 9:376.
Baschdorff, 0. 14: 222.
Raseg, A. v. 14: 525.
Rathgeber, Jul. IV 1 b : 415, 418.
Rathlef, G. IV 1 b : 242.
Rathmann. IV 5:278.
Ratzel, F. III 5 : 49.
Rausch, A. I 12:27.
Ranschenplat, A. IV lb:275.
Raynal. IV 9 : 137.
Reuleaux, F. I 7: 179a.
Reber, J. I 10:71; 12:15.
— F. v. I 9:18.
Rebros, 0. 15: 1768.
Rccolin, N. II 6 : 147.
Redgrave, G. R 13: 67.
Redlich, K. Chr. IV 2 a : 62; 3:1:
8 a : 52f3, 66; 8b: 1/2; 8c : 3, 47 ;
8d: 1, 33.
— 0. I 4:239; II 6: 178
Ree, P. J. 19: 205, 216.
Regener, Fr IV 5 : 607.
Regling, H. II 1 : 138.
Regnier, A. IV 9 : 116.
Rehorn, F. IV 9 : 66.
— K. I 7 : 85.
(4)35*
Autorenregistef.
Rehsener, Maria. I 5 : 28.
Reichel, R. 16: G6.
Reichenbach, A. 11: 82,
Reit-hl, Ed. 15: 421.
Reicke, R. IV 5 : 85.
Reiffenstein, C. 14: 333.
Reifferscheid, A. II 6 : 51.
Reimann, H. I 10 : 20, 25, 57, 77, 124,
187, 197, 251.
Reiraar, S. 19: 355.
Rein, B. IV 9 : 72.
— W. IV 5 : 136.
Reinach, S. 19: 185.
Reinecke, A. 13: 132.
Reinhardstöttner, K. v. II 1 : 87; 3 : 21;
5 : 124.
Reinhardt, H. III 1 : 107.
— K. I 12 : 17.
Reinitz, E. IV 5 : 104; 9:58.
Reinle, K. E. I 5 : 321; 8 : 32.
Reinstein, Th. I 11 : 15.
Reis. E. IV 5 : 132.
— H. I 7 : 50. 116.
Reischel, G. I 4 :320; 5 : 428.
Reiser, A. I 10 : 56.
— J. ß. II 6 : 46.
Reissmann, A. I 10 : 15.
Reiterer, K. 15: 74, 99 a, 164.
Rells, E. W. IV 5 : 88.
Remer, P. IV lb : 357; 5 : 529.
Remus, E. 14: 207.
Renatus, Joh., s. J. Frhr. v. Wagner.
Renier, R. II 4a: 2.
Renonard, Ph. 13: 77.
Rentzeil, v. IV lb:335.
Resch, C. I 10 : 252.
Rethwisch, K. I 12 : 1.
Ren, M. II 6 : 86.
Rensch, F. H. I 4:412; II 5:20, 98;
6:21, 36/7,40; IVlb:234; 2a: 160;
5 : 385.
— G. A. I 1:61; 5:37.
Reuss, L. v. IV 1 c : 36.
— R. I 3:36g.
Reuter, W. I 1 : 47 ; 6 : 143.
Rex, Emma. IV 2b: 18.
Reyer, E. 13: 320, 327.
Reyher, 0. I 3:250; IV 1 b : 367.
Rezek, A. III 1 : 109.
Rhoades, A. IV 9 : 102.
Ribbeck, W. III 1 : 174.
Ricchetti, A. 1 10 : 149.
Richter, A. I 4:55; 5:435; 7:140,
161; 12:36; II4b:98/9; 7:2; IV
5 : 200.
— Fr. I 9:234.
— H. I 9:272; IV lc:62.
— K. I 12 : 36.
— 0. I 12:180; IV 2a: 11, 132.
— P. E. I 3:298.
— R. IV 10 : 101.
— Wilh. I 12:242, 244.
Rieber, X. IV 2 b : 507.
Rieder, 0. 14: 22.
Riedl, F. IV 9 : 93.
Rieffel, F. 19: 276.
Riegl, A. I 4:191; 9:445.
Riehmann, J. IV 3 : 77 a.
Riehl, B. 19: 127.
— W. H. v. IV lb:472; 5:43.
Rieker, K. II 6 : 142.
Riemann, H. I 10:3, 92; IV 5:274.
Rienäcker, Fr. III 1 : 54.
Ries, J. 17:113.
Riese, A. IV la:19.
Rietschel, G. II 6 : 136.
Rieu, W. N. du. 13: 35.
Riggenbach, B. II 6 : 245.
Ringholz, 0. IV 1 b : 426.
Rinn, H. II 6 : 68, 145.
Ritschel, A. 17: 66.
Ritter, Eng. IV 5 : 434.
— F. 19: 457.
— H. 14:3.
— M. III 1 : 6.
Rittner, K. H. IV 1 b : 462 ; 1 c : 24.
Rivet, Abbe. IV 9 : 124.
Rivoli, Duc de. 13: 115a.
Robert, A. I 10 : 223.
— tornow, W. I 1:91.
Roberts, W. 13: 295.
Robertson, J. G. IV 3 : 7.
Robolsky, H. IV lb:245.
Robran, P. IV 3 : 506.
Rochette, A. IV 9 : 130.
Rochlich, E. I 10:6, 97, 132, 200.
Rockinger, L. v. I 3:361, 276; 4:98.
Rod, Ed. 19: 275.
Rodenberg, J. I 10 : 225, 246; IV 5 : 514.
Röckner, H. I 10:11, 238.
Roeder, E. I 10 : 110; IV 2b : 79, 163,
349 ; 3 : 547, 568.
Roediger, M. I 5 : 92; 7 : 95, 175, 204;
8:4; IV 8 a, : 52/3, 66 ; 8b:l/2;8d:l;
8e:l/2.
Röhrich, W. 14: 470 : IV 5 : 554.
Röhricht, R. II 1 : 152; IV 9 : 67.
Roll, L. I 4:51.
Römer, A. IV 3 : 246.
Römheld, F. IV 5 : 618.
Roempler, R. 110: 143.
Rönnecke, C. II 6 : 150/a.
Roeschen, A. 15: 285.
Rösel, L. I 4:369; II 4b: 23.
Röseler, W. 14: 305.
Rösemeier, H. II 1 : 19.
Rosiger, F. IV 3:30.
Rössler, A. IV 2a: 133.
— C. IV lb: 161, 469; 5:144.
Rössner, 0. 17: 157.
Roethe, G. I 2:38; 12:24; II 2:47;
3:35; 5:25, 34, 45. 55; III 2:10/1;
IV lb:206; 8a: 52/3, 66; 8b: 12;
8c: 4; 9:166.
Roetteken, H. IV 3:98.
Rogge, B. III 1 : 55/6; IV 1 b : 360.
Rohde, 0. I 11:8.
Rohrscheidt, K. v. I 4:201.
Rollet, H. IV 8b:6/6a.
Roloff, G. IV Ib:295, 402.
— 0. IV lb:171.
Rooses, M. 13: 84.
Roqnette, A. I 3:300.
— 0. IV 1«:50; 3:296.
Rosegger, P. K. IV 5 : 439.
Rosenbaum, R. IV 3 : 32/3, 35/8; 5:11/4;
8 a :93.
Rosenberg, Ad. 19: 3, 17, 71, 73, 286,
330a, 353, 404; lc:66.
Rosenburg, H. IV 2b: 146.
Rosonhagen, II. 19:1, 55, 70, 283.
Rosenstein, A. I 7:139.
Rosenthal, G. 111 1 : 46/7.
— L. IV 5 : 106.
— M. I 10:16,
Roser, II. II 6 : 105.
Rost, A. 13: 398.
— R. IV 6 : 33.
Roth, E. IV 3 : 208.
— Elise IV 2b: 536.
— F. W. E. 13: 56, 105, 153. 355, 417 ;
4:459 a; II 1:92, 146, 153; 2:44;
4:17; 5:14, 31; 6:44; 7:28; III
2: 18; IV 5:521.
y 15; 99.
Rothan, G. IV 1 b : 225.
Rothe, B. I 6:49; IV 9:62.
Roustan, L. IV 2b: 134.
Rouy, H. IV 9 : 141.
Rowe, E. IV 10 : 70.
Roy, B. IV lc: 100.
Rubensohn, M. II 2:4S; III 1:27;
2 : 4, 26.
Rubinstein, Susanna. IV 5 : 156.
Rüde, A. I 12 : 172.
Rudel, K. III 1 : 192.
Rudolph, L. I 4:522/4; 7:92, 216;
IV 2b: 459; 5:213.
Rudow, W. IV 1 a : 3.
Rübsam, J. I 4 : 260.
Rücker, A. W. IV 5 : 510.
Rücklin. I 9 : 431.
Rüdiger, 0. I 4 : 69.
Rühl, F. IV 5 : 369, 406.
Rühle, P. IV 2a: 89.
Rümelin, G. I 7 : 167/8, 194 ; IV 5 : 476 ;
10 : 118.
Ruepprecht, Chrn. I 3 : 21 ; 4 : 125.
Rüthling, P. IV 5 : 370.
Rüthning, G. III 1 : 94, 97.
Rüttenauer, B. IV la:24; 3:340b,
457.
Ruland, C. II 4 b : 54; IV 8 a : 21, 26, 41.
— W. 15: 174.
Rummelsberger, I. I 12 : 175 a.
Runge, F. II 3 : 58.
Runkel. F. IV 2 a : 90 ; 2 b : 86, 88, 97 ;
3 :378; 5: 222, 526; 9:4.
Runze, F. W. III 1 : 57.
— M. I 10:126/7; 12:77.
Russell, A. I 3 : 184
Ruthardt, A. I 10 : 93.
Ryssel, V. I 11 : 7.
Saalfeld, G. A. 17: 172, 182.
Sabin, S. IV lb:314.
Sacher-Masoch, L. IV 2b: 130, 157,
170, 299.
Sachs, K. I 2: 28; IV 5:437.
Sachse, R. 112: 25/6 ; III 5 : 50.
Sachsen- Weimar, Prinz Bernhard v.
IV 1 c : 1 5 a.
Sack, E. I 5 : 299; IV 2 b : 444.
Sacken, Ed. I 9:81.
Sackur, E. 1 5:252.
Saenger, S. IV 8a: 77.
Saeuberlin, L. 14: 457.
Safford, Mary ,T. IV 3 : 204, 503.
Sahr, J. I 7:19-20, 202a; 9:106; IV
2a: 91, 123.
Saint-Saens, C. I 10 : 195.
Saintonges, J. C. I 5:173.
Saitschik, R. M. IV 1 a : 43 ; 3 : 359,
377 S8S
Sauger, VV. 15: 245; 6 : 10/1, 36, 115;
II 4 : 33 ; IV 3 : 26.
Salis, A. v. IV 1 c : 80.
Sallmann, K. II 6 : 110; IV 5: 325.
Sallwürck, E. v. I 1 : 28; 3 -.328; 4 : 505;
IV ld:37, 53; 5:611
Salonion, L. IV lb:197; 2b: 64, 134;
3:294, 319, 443, 574; 5:587.
Salpius, F. v. IV 1 b : 231.
Saltarino, Signor. I 4 : 160.
Salzmann. I 9:364.
— E. I 6 : 20.
Samhaber, E. II 3 : 27.
Samson, H. v. IV 2b: 277.
Samter, N. 14: 436.
Sanchez y Moguel. IV 8e:75.
Sandberger, A. I 10 : 76.
Sanden, A. v. IV 6:30.
Sander, D. IV 5 : 33.
— F. I 1:70; 11:2; 116:132,7:26;
IV lb:454; 5:263, 308.
— H. II 1:27; IV 2b: 210.
Sanders, D. 17: 24, 121 ; IV 2 b : 272 ;
9 ' 29 65
Sandler, Chr. I 3:365.
Santen-Kolff, .1. van. I 10 : 174.
Sarrazin, J. I 12:245; IV 3:356.
Sarre, F. 19: 150, 241.
Sartori, P. 15: 103, 349.
Sattler, ,T. 13: 339.
Sauer, A. I 1:86, 98; 3:141; 4:462
113:16; 1115:70, 76; IV 1 c : 42.
45, 50; 2a : 59, 102, 105, 145; 2b : 20
3:1, 17, 375/6, 498; 5:24, 29, 461
8a : 52/3, 66; 8b : 1/2; 8d : 3, 35
8e:l/2, 27/8, 71, 77, 84, 109; 9:26
10:18, 36/7.
— B. IV 5 : 402.
— M. IV 8b: 37.
Saul, D. IV 5: 82/2 a.
Sa?igny de Moncorps, V*«5, de. 13: 456.
Say, L. I 4:474 a.
Sayous, E. 19: 175.
Schaarschmidt, E. 13: 96.
— P. IV 5 : 258.
Schacht, A. I 5 : 196.
— H. IV 2b: 328.
Schack, D. Th. v. IV 5 : 171.
Schädel, L. II 1 : 47, 65.
Schäfer, D. II I : 28.
— H. 16: 108/9.
— 3. Vf. I 8:5.
— Karl. I 9 : 139.
— P. I 12 : 69.
— R. II 6:164; 7:30a; IV 8e: 84.
— Th. 14: 92; 8:5.
Schaeffer, P. 15:7.
Schaeffle, A. IV 5 : 480.
Schafheitlin, A. IV 2b: 396.
Schalk, J. IV 8a: 39.
Schall, J. II 6 : 35; IV 2a : 106; 9 : 53.
Schaller, J. IV 8c : 15.
Schanz, Frida. IV 2 b : 202, 485.
— Pauline. IV 2b: 486.
Scharf, L. IV 2b: 393.
Schar wächter, Fr. I 4 : 478.
Schauberg, F. I 5:233.
Schaumkell, E. II 1 : 108.
Scheel, J. J. I 12 : 246.
Scheffler, H. 1 7 : 174.
— K. I 7:108, 141, 176, 209-10.
Scheich], F, II 6 : 49, 264; III 1 : 162/3.
Schell, 0. I 5 : 104/5, 109-10, 142, 335;
II 2 : 65.
Schemann, L. IV 5 : 139.
Schendel, R. IV 5:68.
Schenk zu Schweinsberg, Frhr, G. IV
8a: 9.
Schenk, K. IV 3:361.
Schenkendorff, E. t. I 4:622a.
Autorenregister.
Schenker, H. I 10 : 232, 284.
Scherdlin, E. I 5:235.
Scherenberg, E. IV 1 b : 278 ; 2 b : 352 3.
Scherer, C. IV 3 : 40.
— K. IV 2a: 39; 8b: 17, 53; 8c: 19.
Scherling, E. IV 3 : 116, 123.
Schermaim, L. II 2:67.
Schettler, P. IV 3:551.
Schiemann, Th. I 2 : 36 ; II 0 : 231 ; I V
lo:27; IV 5:639; 8c:10; 8e:76.
Schiff, E. IV 5:468, 495, 515.
Schild, E. I 4:290a, 322, 332a;
9:125a: II 6:122.
— P. 17: 60/2.
Schilde, Fr. 19: 474.
Schilder, A. I 1 : 15.
Schiller, H. I 6:57, 78, 110; 9:133;
IV 6 : 28.
— Jul. IV 5:671.
Schilling, G. IV 6:31.
— L. 14: 179.
— M. I 3:271.
Schillmann, H. IV 2b: 467.
Schimpff, G. v. IV 1 b : 176, 437.
Schindler, F. IV 5:230.
— K. I 12:53.
Schirren, C. III 1:155; IV lb:458.
Schischmänov, J. D. IV 2a: 120.
Schlegel, B. 15: 149.
Schlegelmich, Fr. IV 5:248.
Schleicher, A. I 5:31.
Schieiden, R. IVlb:288.
Schienther, P. IV 2a: 98; 2b: 386;
3:297; 8a: 3>.
Schlesinger, 0. IV 1 b : 319.
Schley, F. 13:6.
Schlieben, A. 14: 135.
Schliepmann, H. 19: 379.
Schlier. II 6 : 76.
Schling, E. II 6 : 207.
Schütter, H. I 4 : 377 ; IV 1 b : 189-90,
232, 381.
Schlobach, 0. I 4:249.
Schlögl, Fr. I 4:375; IV 2b: 111.
Schloener. I 2 : 45. ;
Schlösser, R. I 8 : 29 IV 2a :30 a, 69;
3:34; 5:10.
Schlossar, A. I 3:306: 5:299, 315;
112:42; 4a: 6; 4b :86a; IVla:14;
2b: 46, 112, 123,151,166 7,173,196,
310; 3:405, 408, 436, 448, 456.
Schlosser, J. v. 19: 465.
Schmarsow, A. 19:8.
Schmeisser, R. IV 2b: 59.
Schmelzer. 1 6 : 104.
schmid, Charlotte. IV 2b:531.
— Heinr. Alfr. I 9 : 194, 198, 201.
— Max. I 9:17, 45, 48 a, 94, 98,283,
322; IV 5:25.
— 0. I 10:258.
— Th. I 10 : 70, 79.
— Wilh. I 9 : 199, 202.
Schmidkunz, H. I 4 : 394 ; I V 2 b : 391 :
5:146, 660.
Schmidt, A. II 2 : 44 a ; III 2 : 23 ; IV
8b: 39; 8d:4.
— Ad. II 3:35; 5:93, 117a.
— Aug. I 7:19; III 1:193; 5:3.
— B. I 7 : 47.
— Erich. I 1:21, 86; 2:66; 5:1,
284; 8:37; II 2:37; 4b :48; III
2:38,41; IV la:33; lc:49; 2b:258,
339; -3:42, 61, 81, 297, 310, 375/6,
509; 6:12; 8a:52/3, 66; 8b:l/2;
8c: 4, 35/6; 8d:l; 8e : 25, 81, 108;
9:59; 10:117.
— Ferd. IV 1 b : 152, 270, 302, 435.
— Friedr. I 12 : 97.
— F. A. 14: 522 a.
— K. A. 16: 84.
— Maxim. IV 3 : 181.
— Max C.P. IV 2a:45; 3:35; 5:35;
6:38.
— R. I 4:432a; II 4b: 90.
— Rud. IV 3 : 60.
— Wilh. 19:221, 251, 417/8; lVü: 150.
— Willi. I 9 : 16.
Neuhans, P. 14: 27.
— -Treptow a/R. II 7:9.
Schmit, Karl. I 12 : 224.
Schmitt, F. J. 14: 410.
— Heinr. I 6 : 25.
— L. 116:217; IV 8b : 24, 28; 8e:52;
9 : 57, 91, 105, 115, 161; 10 : 135.
— -Kassel. IV 9 : 60.
Schmitz, J. P. 15 : 392 ; 7 : 144.
— M. II 6:2; IV lb:238; 2b: 527.
— W. I 5:26; 7:46; 9: 131; II 1:76.
Schmoller, G. 14: 148, 161, 210 ; II
1 : 33 ; III 1 : 146/7 ; I V 1 b : 85, 437 b.
Schnedermann, F. IV 9:4, 177.
Schneider, A IV 2b: 223,
— C. M. IV 5 : 487.
— F. IV 5:113.
— G. IV 8e:59.
— G. H. I 12:160.
— Phil. I 9:180; II 6:201a.
— R. I 6:56, 142; II 4a: 1; 4b: 66;
IV 2b: 457.
— W. IV 5:229.
Schneidewin, M. IV 2b : 349; 8e : 78;
9 : 74.
Schneiderwirt, F. I 3:36 f.
Schneidt, K. IV 5 : 573.
Schneller, Chr. I 4:383; 5:423.
Schnorr v. Carolsfeld, F. II 2:3;
5:113; IV lb:229.
Schnürer, F. IVla:4; 2b: 205; 3:
456.
Schnütgen, A. 19: 194.
Schöber, L. I 12:217.
Schölermann, W. I 9:42.
Schoen, H. IV 5:320.
Schönaich, G. I 10:133, 144; IV
3 : 459.
Schönbach, A. E. I 1:22, 73; 2:16;
IV lc:46.
Schöne, A. IV 2 b : 249, 255; 6 : 17.
Schöner, G. I 5:419.
Schönlank, B. I 4:158; II 1 : 22.
Schoepke, 0. IV 9 : 167.
Schöttner, Ad. IV 10:80.
Scholtze, A. I 12:209.
Scholz, E. I 10 : 40.
— Fr. 13: 45.
— G. IV lb:337.
Schonecke, W. I 12:29.
Schorbach, K. 13: 53, 102, 106;
3:2 7
Schott, Th. III 1 : 170; IV 5 : 281.
Schrador, H. I 4:97, 112; 5:372 4,
382,3; 7:159, 162/5; IV 8c: 2; 8e:
1201; 10:74.
— Th. 14: 301.
— W. III 5 : 67.
Schräm, W. I 9 : 412.
Schramm, H. IV 2b: 484.
Macdonald, H. IV 5 : 567,
Schrattenthal, K. IV 2b; 401, 497.
Schrauf, A. II 5 : 58.
— K. IV 3 : 422.
Schreck, E. I 12:31; IV 5:336, 612.
Schreiber, Charlotte. I 3 : 52.
— H. II 1 : 21.
— W. I 3 : 51.
Schrempf, Ch. IV 8a :43a. -
Schrey, F. I 3 : 12/3.
Schröder, A. II 5:21; 6:16.
— Carl. I 1:59; II 1:83.
— E. IV 1 b : 276, 365.
— Edw. I 1:42; 2:39; II 3:4, 20;
5:107, 120; IV 5:425; 8a: 52/3, 66,
8b:l/2; 8c:4; 8d:l.
— E. A. 14:8.
— F. III 3 : 61.
— H. II 1 : 148.
— K. III 1 : 208.
— R. I 2 : 31 ; 5 : 253.
— Rieh. I 11:50; IV lb:205.
— W. I 6:33/4.
Schroer, A. IV ld:37, 42; 7:30.
— K. J. IV 8a: 6, 30; 8c: 34.
Schröter, A. 14: 159; II 2 : 22; 5 : 98
IV la:16; IV 2b:71, 217, 227; 3
484; 5:563, 601, 661; 8e: 72, 82
10 : 69.
— 0. IV 3 : 25.
Schröttner, A. IV 3 : 334, 587.
Schubert, A. I 4:488.
— Ed. II 5:53.
— -Feder, Kläre. I 4 : 481.
Schubin, Ossip. IV 3:504.
Schuch, H. 14: 274.
Schucht, J. I 10:8.
Schücking, Theo. IV 3 : 472.
Schüddekopf, C. II 2 : 51 : IV 1 c : 41 ;
2a:41, 49, 112; 3:76; 6:10;8e:24.
Schürer, E. IV 5:369.
Schüssler. M. II 4b: 59; III 1:194;
IV 3:251; 5:353.
Schütze, E. Th. II 6:88.
Schugay, E. IV lb:97.
Schulenburg, 0. IV lc:101.
— G., v. d. IV lb:327.
— W., v. 15: 64, 156, 198.
Schullerus, A. I 5 : 8 ; IV 5 : 3.
Schulte, A. v. II 4a: 30; 6:33; III
1:98, 120; 5:16, 351.
Schnltess, F. IV 3 : 106.
jj 15: 252
Schnitheiss, A.' IV 3:12.
— F. G. I 4:126, 467; II 1:127;
3:63; IV 5:627.
Schultz, Alwin. I 9:86.
— 0. I 2:32: IV 3:590; 5:433.
Schnitze, Fr. 14: 217.
— Marie. IV 1 b : 413.
— Otto. IV 5:419.
— Sigmar IV Sc: 8; 9b: 31.
— V IV 6:38.
— W. 13: 354.
Schulz, Bernh I 6:111.
— E. 14: 146, 234.
— Ernst. IV 8e:63.
— F. 15: 186.
— Hans. II 1 : 36.
— R. III 1:58.
Schulze, Adolf. IV 2b: 448.
— E. 0. 14: 163.
— Otto. I 6:21/2; 9:476.
Schumann, A. I 12 : 22/3, 92; III 2 : 16/7 ;
IV 2a: 33; 5:384, 489. 617.
— C. I 5:429; II 4a: 13.
— G. II 4b: 14.
— P. I 9 : 31, 169, 350.
Schuppe, W. IV 5:217.
Schuster, A. 16: 108/9.
— G. I 4:95; IV 1 b : 37.
Schwalb, M. II 6 : 111; IV 5 : 267.
Schwalm, .1. 14: 261.
Schwan, E. IV 3:8.
Schwann, M. I 4 : 355; IV 2 b : 324.
Schwartz, F. 19: 150.
— P. I 4:142, 298; 1112:40; IV
1 b : 73.
— Rnd. II 4a: 24.
Schwartzkoppen, v. 14: 300.
— Clotilde v. IV 3:481.
Schwarz, C. I 11:36.
— H. I 3 : 447.
— W. IV 9b : 51.
Schwarze, Th. 13: 61.
Schwebel, 0. 14: 15.
Schweichel, R. 1 V 2 b : 169, 378 ; 3 : 416.
Schweiger-Lerchenfeld, A. Frhr. v. I
4 : 224.
Schweinburg, S. I 5:36.
Schweitzer, Ch. II 4b: 89.
Schweizer,?. I 3 : 361; IV 5: 382.
Schwemann, A. I 4 : 172 ; IV 1 b : 91 a.
Schwenk, R. 17: 108, 131.
Schwenke, P. I 3 : 269 ; 9 : 456.
Schwering, J. IV 2 b : 250, 255.
Schwill, F. IV lb:26.
Sebastian, F. 19:1.
Seeber, J. I 5:160; 11:16.
Seeberg, R. IV 5 : 255/6.
Seeley, J. P. IV 8a: 78.
Seelmann, W. I 8:30a; II 5:9, 37/8.
Seemüller, J. II 1:72; 2:52; 6:271.
Seemann, A 19: 330.
Seibt, R. IV 2b: 276.
Seidel, H. IV 2b: 355; 3:277/8.
— P. 19: 245/7, 400; IV 1 b : 39.
Seidensticker, Osw. I 3 : 87 b.
Seidl, Ant. I 10 : 159.
— Armin. I 4 : 192; IV lb :416b.
— Arth. I 10:160.
Seiffert,' M. I 10 : 6, 22, 25, 74, 78, 82,
89, 97, 119, 247.
Seitz, E. 17: 173.
— K. I 4:77; 12:203; IV 2b:471.
Seliger, P. IV lc:50; 2b: 46; 9:26;
10 : 46
Sello, G. I
Semler, Chr
Semmig, H.
Semper, H.
- M. 19:
12 : 179.
II 3:24; 4b: 103.
IV 9:19-21.
I 4:382/2a; 9:158a.
382.
Senckler, Hauptmann. IV 1 b : 92.
Sepet, M. II 4a: 8; IV 9:144.
Sepp, J. N. I 5:113; 9:176.
Seraphim, E. 14: 398.
J. W IV 2a: 27
Serviles,' F. 19: 48 b, 53, 442; IV
2b:318; 3:570, 604.
Seuffert, B. 1 1 : 65; II 4a : 21; III 5 : 75
IV lc:39; 2a: 104; 2b: 156, 416
3:65, 67, 75; 5:29-30; 6:38; 7:22
8a: 72; 8d:40.
Setzepfandt, R. I 4:420.
Sevin, L. IV 3:50.
Seydlitz, W. v. 19:9, 187, 194, 20S,
214, 243, 425.
Autorenregister.
Seyfert, B. I 10:45.
Seyler, A. I 3:113; 4:449.
Shairps, J. 14: 508.
Sharp, W. IV 3 : 556, 609.
Shedlock, .1. S. I 10 : 36, 186; IV 5 : 511.
Shumway, D. B. I 7 : 10; II 4b: 88.
Siech, P. IV 2 b : 362.
Siepman. IV 3 : 214.
Siercke, E. I 4:309 a
Siering, E. IV 2b: 452.
Sieroka, 0. IV 8e:45.
Sievers, E. 18:3, 12, 15.
Sigwart, Chph. IV 5:216.
Siking, F. IV 3 : 440.
Silbergleit, H. 14: 182.
Sillem, W. I 9:301.
Simmel, 6. IV 5 : 559.
Simmet, L. I 10:96.
Simon, P. I 10 : 189.
Simond, Ch. IV lb:25.
Simons, E. II 6 : 256/7.
Simonsfeld, H. II 1 : 115.
Simpson, A. I 10 : 141.
Singer, H. W. 19: 77, 329.
— L. IV 3 : 66.
— R. I 4:304.
— S. I 5:167; 11:14; II 4a: 25.
— W. 19: 410.
Sintenis, Fr. IV la:22.
Sinzheimer, S. IV 8a: 84; 8b: 61;
8e:96.
Sittard, J. I 10:222.
Sitzen, G. 14: 400.
Skowronnek, Fr. 112:139.
Skranp, K. I 8 : 14 a.
Slee, J. C. van. II 6:259-62; III 5:
17/8, 40.
Siezair, A. IV 3 : 395.
Smend, ,T. I 10 : 10.
Smital, A. IV 3 : 396, 398.
Smolian, A. I 10:143.
Smolle, L. IV 3:393.
Snell, 0. I 4:251.
Socin, A. I 7 : 56/7; IV 5 : 241 a.
Sodenr, G. IV 5:238 c.
Sohns. I 4:111; 6:110; 7:93; IV 3:
105; 9:3.
Sohnrey, H. I 5:42,
Sokal, Cl. I 9:351.
— Ed. IV 5 : 492.
Sommer, 0. I 4 487.
— W. IV 2b: 360.
Sommervogel, C. 13:
Somogyi, Ed. IV lb:
Sonden, P. III 1 : 105.
Sondheim, M. 19: 411.
Sonnenburg, E. IV 5 : 501.
— F. IV 1 b : 269.
Sophns. IV 5: 168.
Sosnoslcy, Th. v. I 7 : 210; IV 1 b : 357 ;
2b: 311, 384; 3:188, 306, 540, 613.
Sozonovic. IV 2a: 121.
Spanier, M. II 5:80, 83/5; 6:13; III
2 : 35.
SpannVgel, C. I 4 : 190; III 1 : 13, 144,
204; IV 5:86.
Spannenberg, L. III 1 : 59.
Sparfeld, E. III 1:60.
Specht, F. IV 5 : 524.
— F. A. 19: 134.
Speier, M. IV 3 : 434.
Sperling, H. 0. 13: 246.
Speyer F. IV 10 : 105.
Spiegel, D. I 4:500.
Spielhagen, F. IV 2b: 339.
Spielmann, C. 14:422; IVlb:181.
Spier, Anna. I 9 : 278/9, 323.
Spies, Minna. I 10:255.
Spiess, B. I 12 : 188.
I 1:273; IV 5:
10 : 34, 39, 73,
66.
:392.
Spitta, II.
- Ph. I
II 2 : 54.
Spitzer, S.
Spreer, L.
109.
117,
197;
I 5:106.
IV 5 : 225.
Sprenger, R. I 5 : 53, 117, 247, 248,
287/8; 7:152/3; II 2:52, 64, 79-80;
3:11/2; 5:128; 6:82, 84, 107; IV
2a: 155; 2b: 147, 418. 446; 3:70,
210, 230, 255 ; 8 c : 25, 27, 39 ; 8 d : 20 ;
8e:97; 9:70, 99; 10:108, 110, 112.
Sprösser. III 1:5; IV lb: 17.
Stacke, L. III 1 : 4; IV lb : 12.
Stäbelin, H. I 9 : 467.
Stalin, P. v. III 1 : 87.
Stage, C. IV 5 : 252, 264, 309-10.
Stahl, F. 19: 72.
Stamm, A. III 1 : 106.
Stammhammer, J. V. I 3 : 226 ; IV 1 b : 474.
Stammler, J. 19: 395.
Stanley-Little, J. IV 3:525.
Starcke, E. IV ld:33.
Starzer, A. II 7 : 12.
Staub, M. II 6 : 134.
Stauber, A. II 1:117.
Staudenmeyer, H. IV 5 : 242.
Steck, J. IV 3 : 182.
Steffen, G. F. 13: 250.
Steffenhagen, E. I 3:171/2, 274/4 a.
Stehle, B. 15: 29, 300.
Steichele, A. v. I 4:356 a.
Steiff, K. 13: 68, 70, 82/3, 89, 385.
Steig, R. I 2:4; 7:127; IV 5:240b,
645; 7:28; 8c: 48, 51; 8e:112; 10:
41, 52, 114.
Steiger, J. 16: 79.
Stejskal, K. 18: 134.
Stein, A. IV 9 : 174.
— Armin. Siehe H. Nietschmann.
— H. I 3 :79; IV 1 b : 200.
— L. II 5:7; 7: 13; IV 3: 13.
— Ph. I 10: 94; IV lb:417; 2a:92;
3:109, 439; 7:13.
— T. II 1 : 103.
— W. II 1: 126; IV 9:63.
Steinberger, A. I 4 : 358 ; 5 : 157.
Steinecke, V. I 7:82a.
Steiner, R. IV 3:541; 5:207. 516;
6:147; 8a:51/3, 66,68; 8b: 1/2, 13;
8e:78.
Steinhäuser, W. I 10:261.
Steinhausen, G. 14:1, 25, 68, 86, 111,
116/7, 261a; 12 : 243; II 1 : 112; III
1 : 207 ; IV 1 d : 12
Steinke. A. III 1 : 62.
Steinmeyer, J. IV 5 : 163.
Steinschneider, J. 111: 14.
— M. I 4 : 81, 437.
Steinthal, H. IV 5 : 133.
Stelter, K. IV 2b: 35.
Stengel, E. 12:7, 22/3, 29-30; IV 5 :
432.
Stenglin, F. v. IV 1 c : 97.
Stephens, T. A. IV 8e : 26.
Stern, Ad. I 1 : 43; II 5 : 114; IV 1 a:
4; lc: 21; 3:22, 58, 113.
— Alfr. IV 1 b : 3, 148, 196, 208.
— Bernh. IV 2b: 64/5.
— Fr. IV 8a: 16.
— J. IV 5 : 477, 569.
— M. 14: 432.
— M. R. v. IV 3 : 373 ; 5 : 44.
Sterne, C. 15: 46, 238.
Sternfeld, R. I 10:208.
Stettenheim, L. I 5:268; 9:21; IV
8 a :32.
Stettiner, P. I 4 : 61; 12: 143.
— R. 19: 244.
Steude, E. G. IV 2b: 332.
Steusloff. I 12:206.
Stiassny, R. I 9:194/5, 200.
Stichler, K. 14: 290.
Stickelberger, H. I 5:301.
Stieda, L. III 5 : 21; IV 2a: 162.
— W. I 3:361; 4:26, 209, 303; II
1 : 118.
Stiefel, A. L. I 11 : 28; II 2 : 27;
4b :47 a, 60, 68, 74/5.
Stier, E. 18: 10.
— G. 14: 315.
Stieve, F. III 1 : 20.
Stinkelberg, E. 19: 292,
Stock, M. IV 2b: 80.
Stoddard, F. H. IV 5:436.
Stöcker, Ad. IV 5 : 295.
Stöckl, A. II 5 : 1 : IV 5 : 76.
Stoeckle, J. IV 2b: 239.
Stöcklein, J. I 4:115; 7:98.
Stoessel, A. I 1:77, 81; 10:59; IV
2b: 395; 3:465.
Stoffel, 3. I 6:47; IV 8d: 9.
Stoklaska, 0. IV 2b: 115.
Stoll, A. IV 5 : 357.
Stolle, 0. I 5:180 a.
Stolz, F. I 7 : 113.
Stoy, G. IV 5 : 655.
Strack, H. L. III 1 : 182.
Straeter, B. T. IV 8e:77.
— E. II 4h: 22.
Straganz, P. 14: 381.
Strassburger, E. 14: 313.
Strassen, M. zur. I 3 : 467; 9 : 473.
Straub, J. 12: 64.
— L. W. I 6:31.
Strauch, Ph. II 5 : 41/2, 125.
— v. IV 2a: 22.
Straumer, F. 15: 83.
Strauss, Ad. IV 1 d : 72.
Strehlke, F. IV 2b : 454.
Streinz, F. II 2 : 28, 30.
Streiter, R. I 9:375.
Streitberg, W. 15: 420.
Strele, R. v. 15: 44/5.
Strickler, J. II 6 : 233.
Strodtmann, Ad. II la : 3; IV 10 : 2.
Strohmayer, H. II 4 a : 9.
Strohschneider, J. II 3 : 18.
Strombeiger. II 6 : 256/7.
Struck, F. IV 9 : 84.
Struve, W. 14: 257.
Studnitz, F. v. IV 1 b : 343.
Stückelberg, E. A. 19: 117.
Stühlen. I 6:122; II 1:8; IV lc:87;
3 : 418.
Stümcke, H. IV 2b: 226/7; 3:340;
8c: 21.
Stüve, G. IV 5 : 566.
Stumvoll, R. 15: 195.
Sturm, A. IV 2b : 366, 510.
— J. IV 2b: 364/5.
Sturmfeder. IV 8e : 107.
Sturmhoefel, K. 111:2; IV 5 : 584,
631.
Sudhoff, K. 1 3:151/la; II 1:95/6;
5 : 53/4.
Sütterlin, A. 13: 373.
— L. I 7 : 49.
Suphan, B. II 4b : 64, 100; IV 2b : 43;
3:1; 7:15; 8a : 28, 52/3, 64, 66,
76; 8b : 1/2, 4, 22 a, 40-40a, 60, 75 ;
8c: 1, 4; 8d : 1; 8e : 66; 9 : 11
Sutermeister, 0.' IV 3 : 361.
Suttner, Bertha v. IV 2b : 474.
— G. v. II: 68.
Svatek, J. III 1 : 109.
Swanwick, Anna. IV 8 o : 43, 53.
Sybel, H. v. IV lb : 24, 240/1.
Sychowski, St. v. II: 32.
Sydow, Marie. IV 5 : 290.
Symonds, Margarethe. IV 3 : 609.
Szafranski, T. I 4 : 130 a; IV 1 b : 246.
Szamatölski, S. I 1 : 86 a; III 4 : 29.
Szczepariski, P. v. IV 2b : 174 ; 3 : 296/7,
479, 509, 575/6; 9 : 26; 10 : 20.
Tafel, E. IV 3 : 501, 513, 557.
Tanera, C. IV 1 b : 107.
Tangermann, W. IV 5:46.
Tannen, K. II 3 : 13/4.
Tarneller, J. 15: 413.
Tarnowski, St., Graf. II 4a: 2.
Taube, Helene v. IV lc : 26; 5 : 66.
Taubert, E. Ei I 10:210, 253.
— 0. II 1:133; 4a: 19; 5:105.
Tausch, E. II 5 : 8.
Taussig, E. 13: 127.
Tebbe, H. IV 3:426.
Teitge, L. II 6 : 90.
Telmann, K. IV 2b :64 a.
Tenhagen, F. I 5:251.
Tenot, F. II 5 : 92.
Tepe, Leo, s. L. v. Hemstede.
Terey, G. v. 19: 194, 196, 415.
Tesch, P. I 6:96.
Tesdorpf, 0. I 4:262 a.
Teske, C. I 3 : 341 ; 9 : 210.
Tetzner, F. 11:62; 4:21a; 5:399;
7:82, 129-30; IV 2a :1; 2b: 2.
Teuber, D. IV ld:71,
Teutsch, F. IV 5 : 271/4.
— G. 14: 392.
Teweles, II. IV 1 a : 13 ; 2 b : 113.
Tewes, H. 16: 54.
Tews, .1. 13: 331.
Thaler, K. v. 14:495; IV lb:163;
1 c : 76; 2 b : 185 ; 3 : 577/8, 605.
Thalheim, Dr. II 6 : 152.
Thalmayr, F. I 7 : 26; IV 3 : 64.
Thamm, A. IV 1 b : 249.
Thaussig, E. I 3:293.
Theden, D. IV 3 : 133.
Theen, II. I 5 : 190.
Theer-Söby, H. 15:111.
Thiel, P. J. IV 2b: 3.
Thiele, E. I 4:421.
— R. IV 2a: 141; 5:563.
Thikötter, Jul. I V 1 c : 84 ; 5 : 333.
Thimm, R. 12:12; 4:31; II 4b: 51;
IV lb:187; 2a: 119; 5:619.
Thimme, Fr. IV 1 b : 143.
Thoemes, N. I 4:416; III 1:148.
Thoma, A. III 1 : 63.
Thomas, C. 13: 396.
— R. 17: 138.
Thomassin, Ch. IV 9:148.
Autorenregister.
Thompson, E. M. 13 : 2.
Thomson, A. F. ü. L. IV lb:408.
Thorel, J. IV 10 : 73.
Thormälen, G. 13: 369.
Thräraer, Ed. I 12:95.
Thudichnm, Fr. II 5 :64; IV lh : 65;
5:441.
Thümmel, W. II 6 : 255.
Thüna, L. Frhr. v. IV 1 b: 71.
Thürling, A. II 6 : 160.
Tienken, Chr G. I 3:411; 4:514.
Tille, A. I 4 -.29-30, 34a, 35a; 5:22,
237: 11:9; II 5:98; III 3:5: IV
5:160; 8e:116.
- J. I 5:181.
Tischer, G. A. III 1 : 64.
Titchener. IV 5:221.
Titze, Betty. IV 2b: 27.5.
Tobler, A. 12:26; 7:113; 11:17;
IV lc:74; 5:429-31; 6:20
- G. 15: 201/2; II 2 : 43.
- L. I 4:32a; 7:4.
Meyer, W. I 4 : 20; 5 :410.
Tocco, F. III 5 : 60.
Todt. IV 5:263.
Tönnies, T. IV 5 : 238 a.
Toeppe, Margarete. I 10 : 66.
Toeppen, M. III 5 : 41 ; IV 5 : 395.
Toews, P. IV 8e:60.
Toldo, P. I 11 : 51.
Tollin, H. I 4:420; III 1:1689: IV
lb:405.
Tomanetz, K. I 7:289, 114.
Tomberger, F. 14: 504.
Torchi, L. I 3:314; 10:129.
Totzke, A. III 1 : 46.
Touchet. IV 9:131.
Toula, F. IV 5 : 63.
Tourneux, M. 13: 212,3, 286, 382.
Tournier, G. II 1:49.
Trapp-Ehrenschild, v. IV lb:325.
Trandt, V. I 10: 152: IV 2b : 85, 319.
Traumann, E. IV ld:28.
Trautmann, K. I 9 : 128; III 4 : 5.
Treichel, A. 1 5 : 101, 112, 128, 193|4, 345.
jj_ jy 2a : 5.
Treitschke, H. v. IV 1 a : 6 ; 1 b : 194/5 ;
10 : 3.
Treuenfeld. B. v. IV 1 b : 116.
Treuheit, II. I 11 : 53.
Treutier, M. IV 2b : 243.
Treutsch v. Buttlar, K. III 1:151;
IV lb:442.
Trinius, A. 14: 269-70, 310, 343 ; IV
2b : 253; 3 : 245.
Trinks, F. IV 1 b : 450.
Tripet, M. 13: 351.
Trippenbach. M. IV 2 b : 51.
Trog, C. 15: 172.
Troschke, Th. Frhr. v. IV 1 b : 328.
Trost, K. I 11 :25;IV la:36;8a:43.
— L. t. IV lc: 90; 10: 119.
Trützschler, II. v. IV 1 b : 54.
Truxa, H. M. III 1 : 119; IV la : 38:
2b: 178.
TrXeschtik, L. 19: 396.
Tschackert, P. II 1 : 140; 5: 26; 6 : 155,
169, 215, 222 3, 228, 235, 247, 266;
III 5 : 20, 29 ; IV 5 : 244, 247, 288,
317, 319; 7 : 17.
Tscherny, A. 15: 1S2.
Tschirch, 0 14: 131, 420; III 1 : 18,
168, 171.
Tschudi, Gilg. I 4 : 397.
— H. v. 19: 402.
Tschuprow, A. 14: 507.
Tümpel, H. I 4 : 19: 5: 401.
— W. II 6 : 170.
Tümpling, W. v. 14 : 440.
Tuer, A. W. 19: 177.
Türck, H. IV 1 d : 25/5c, 27 ; 5 : 164,
198/9.
Türk, G. IV lb:351.
Tumlirz, K. I 6 : 82; IV 9 : 155.
Tnpetz, Th. III 1 : 15, 159.
Turban. T. IV 5 : 182.
Tuxen, A. III 1 : 203.
Ueberschaer, M. III 1 : 65.
Uechtritz. 0. v. IV 2b: 226.
Uellner, V. IV 3 : 50.
Uhl, W. II 5 : 47.
Uhlbach, F. IV 2b : 245.
Uhle, Th. IV 2a. 93.
Uhlhorn, 0. IV 5 : 266.
Uhlig, G. I 12 : 174.
Uhlmann-Bixterheide. IV la : 12;
2b: 90.
Ullrich, II. I 11:50; III 3 : 17; IV
8e : 33.
- T. I 9:20; IV 5:116, 368, 449;
10 : 30.
Ulm A. 13: 384.
Ulmann, H. II 1:34, 44, 73; IV
1 b : 207.
Ulrich, F. IV 2 b : 456.
ünbescheid, H. I 2 : 42; 6:14. 46;
IV 8e : 94, 9 : 4, 26 7, 49, 179, 186.
Unger, .1. IV 5 : 473.
- Th. n 2: 21; 6 : 274.
Ungem-Sternberg, E. Frhr. v. IV
la: 9.
Unseld, W. 15: 388.
Uphues, G. K. IV 5 : 214.
Urban, M. 15: 182a, 306.
Ursini-Scuderi, S. I 10 : 150.
Usener, H. 14:4, 24a.
Vachon, M. 13: 455.
Vahlen, F. 13: 185.
Valdardini, A. IV 5 : 96.
Valentin, V. I 6:57, 69; 9:178, 268;
11 4b:59, 110; IV 5: 447; 6 :28; 8a:
1/2, 32; 8e:47, 78; 9:151.
Valentine. W. W. 17: 104.
Vallee. IV 9:143.
Vanden Berghe, R. 13: 112.
Vander Haeghen, F. 13: 112.
Vanderlinden, Ch. 19: 347.
Vanderstetten, E. II 4b: 45.
Vanselow, J. IV 2b: 319.
Varnhagen, H. I 3:29; 11 : 41.
Varrentrapp, C. I 4:57; 12:98; III
1 : 198, 200.
Veeck, 0. IV 1 c : 84.
Veesenmeyer, G. 19: 394.
Veith, J. I 10 : 29.
Velde, A. v. d. III 4 : 6.
Vende, N. E. IV ld:73a.
Venturi, A. II 1 : 79.
Verena, Sophie. IV 2b: 532
Vermeulen, G. I 9:169; II 6:2001b.
Vernaleken, Th. 17:184, 197, 222;
IV 3 : 200.
Vernes, M. IV 5:320.
Verriele, A. IV 5 : 94.
Versenyi, G. 15: 305.
Verwey, A. III 4 : 30 1.
Vetter, B. 14: 501.
— Ferd. I 4:219: IV 2b: 217; 3:
375,6.
— K. I 10:5; 12:46; IV 5:130.
— Th. 111:24; III 4:8; IV ld: 60;
3:25; 9:100,
Vicaire, G. I 3:2123.
Viereck, L. II 1:42, 52; III 1:15,
195
Vietor, W. I 7 : 93 4.
Vignols, L. 14: 184.
Villa, K. I 3 : 145.
Villinger, Hermine. I 9 : 308.
Vincenti, K. v. I 9:282; IV 8a : 12.
Vingtrinier, A. 13: 69.
Vinycomb, J. I 3:348.
Violet, F. IV 2b: 296: 10:47.
Virck, H. II 1:34: 5:26.
Vischer, B. IV 2b: 256.
Vockeradt, H. I 6 : 71 ; IV 8 e : 50.
Völker. I 12 : 214.
Vogel, A. II 2 : 5.
— B. I 10 : 122, 209, 236.
— E. I 3:2S4; 10:1, 248.
— 0. IV 8c: 45
— Th. IV 8c: 32.
Vogel v. Glarus. I 11:54; IV 9 : 71.
Vogelsang, W. I 12:83.
Vogl, E. I 6 : 55.
Vogt, Fei. IV ld:20.
— Friedr. I 5: 18, 49, 95; 8 : 23, 63;
II 4a: 2; 5:60.
— O. 15: 184.
— W. n 1:71.
Voigt, A. IV 8b: 3.
— L. 18:6.
Volkelt, J. IV 5 : 73.
Volkmer, F. 15: 253.
Volksmann, H. I 5 : 56, 250.
Vollbehr, Th. 19: 477.
Vollmer, F. IV 8e:40.
Voltelini, H. v. 19: 231.
Volz, B. IV 1 b : 199, 363, 456.
Vorbeck, 0. IV 3:346 c, 546.
Vorbrodt, G. IV 5 : 205.
Voretzsch, C. I 5:282.
— M. IV 5:188.
Vorländer, K. IV 3 : 1 ; 5 : 86.
Vormeng, K. IV 1 b : 356.
Vorster, J. I 4 : 474.
Voss, G. I 9 : 165, 291 ; IV 2b : 72.
Votteler, F. II 6 : 194.
Voullieme, E. I 3 : 96, 148.
Vrchlicky, J. IV ld:70.
Vulpinus, Tb. II 7 : 31.
Wachler, H. E. IV 2b: 329.
Wächter, F. 14: 982.
Wackernagel, R. 19: 116.
Wackernoll, J. E I 5:316: 8:11; II
2:41a; 3:1: 4a:l, 4; IV 8e:83;
9 : 31.
Waddell, P. II. I 10 : 179.
Wächtler, W. IV lb:387.
Wagner, Ad. 14: 166a.
— C. IV 5 : 363.
— E. 16: 146.
— F. III 1:181.
— H. I 12 : 141.
— J. I 5:19; 6:39.
— J. A. v. I 5:256.
— J. Frhr. v. II 1 : 60.
— K. I 5:360; IV 2b: 477.
— P. IV 5 : 394.
— R. IV lb:297.
Wähle, J. IV 8a: 523, 66; 8b: 12;
8c:4; 8d:l; 8e:l/2.
— R. IV 5:2112.
Waitz, S. 14: 484.
Waizer, R I 9:352.
Walcker, K. I 1 : 29, I 3 : 424.
Waldberg, M. v. HI 2 : 13.
Waiden, B. IV 5 : 464.
Waldraann, F. IV lc:42; 2a: 125:
8b: 19.
— W. I 10:199.
Waldow A. 13: 442, 445.
Walesch, M. 15: 108.
Wallace, W. IV 5:118 9, 121.
Wallat, G. IV lb:48.
Walle, P. 19: 235, 359.
Walion, H. IV 9 : 145.
Walter, C. I 10:72.
— F. II 1:41; IV 9:23.
— Fred. I 9 : 341.
— G. II 6 : 57.
— K. I 10 : 28.
— Karoline. IV 2b: 279.
Walther, Ch. II 5:121.
— HI 4:111.
— W. II 1 : 75: 6 : 146: IV 6 : 3S.
Walzel, 0. F. 13:237; 11:19; III
5:75; IV 2a : 60: 5: 534: IV 8c: 37;
8e:78, 81; 10:13.
Waniek, G. IV 2 a : 46 ; 2 b : 126.
Warfleid, B. B. II 6 : 52.
Warker, N. 15: 199.
Warnecke, F. I 3:337-40; 9:186,211.
— G. I 9 : 83.
Warschauer, A. 14: 204.
Waser, Hedwig. IV 5:240.
Wasielewski, W. J. v. I 10 : 116.
Wasserzieher, E. I 4:112a; 5:3; 7:
221; II 4a: 11; IV 2b:429.
Wassmannsdorf, K. IV 2a: 139.
Wattenbach. W. I 3:265: IV 5:424.
Wattendorff, L. IT 3:222.
Waugh, Mrs. IV 3 : 512.
Wauwermans, P. I 3:436..
Weber, A. I 9 : 180; II 6:200.
— C. I 9 : 389.
— E. II 7:6; III 1:183.
— F. I 4 : 70.
— H. I 4:200.
— Hans IV 1 d : 52.
— Heinr. I 10:29.
— Lndw. IV 3 : 209.
— M. I 5:218; IV 3:149.
— 0. 14: 241 ; III 1 : 120.
— P. II 4a : 16.
— R. I 10:42.
— Bob. IV 2b: 221.
— S. I 5 : 124.
Wechsler, E. IV 10 : 125, 127.
Weckerling, A. III 1 : 124.
Wedde, J. IV 2b: 414.
Weddigen, 0. v. I 1 : 80: II 1 : 88 ; 2 :
22; IV 5:340.
Weech, F. t. 14:144; 12:101; IV
5:357.
Wegele, F. X. II 7 : 18; EU 5 : 40a.
Wegener, L. 111:4.
— W. A. n 6 : 15.
Wegern, H. v. IV 3 : 124, 490.
Wehrmann, K. 14: 255.
— M. I 12 : 192, 194 ; II 1 : 131 ; III 4 : 10.
Autorenregister.
Weichelt, H. G. B. IV 2b: 159.
Weidling, F. I 7 : 11 ; II 5 : 39.
Weiffenbach, W. II 6 : 244.
Weigall, Lady Rose. IV lb:179.
Weigand, W. IV 5 : 463.
Weigel, II. III 1 : 164.
Weilen. A. v. I 5 : 51; II 3 : 23; 4b : 3,
16; III 3:8; 4:3, 22, 28; IV ld:5;
2a:103; 2b:118; 3:1, 78; 8c:34;
8d:5; 8e :11.
Weimer. IV 1 b : 80.
Weingart, M. 115: 33.
Weinhold, K. 1 2:13; 4:29, 177a;
5: 1, 6, 15, 38, 50, 60, 102, 166, 183,
299, 310. 330, 395 : 7 : 4, 55; II 2 : 61;
4b: 61; IV lo:75; 2b: 211: 8a: 34 '5;
Weis, L. IV 3 : 85; 5 : 46, 64, 105, 140,
184.
Weise, 0. I 5:409.
Weiss, A. IV 3 : 399, 403.
— A. M. III 1 : 13.
— J. 111 1:113.
— J. B. v. IV lb:I0.
— K. I 3:277; 9:397; IV 5:387.
Weissenfeis, R. IV 9 b : 32.
Weissenturn, B. 14: 235.
Weitbrecht, C. II 4 b : 46.
— G. IV 5 : 335.
— R. 116:148; 1111:66; IV 2b: 330,
352, 396, 403, 414; 5:342, 593, 662.
Weizsäcker, H. 19: 332.
— P. I 4:354; IV lb:440; 3:63.
Weller, K. IV 2b: 19.
Welti, H. I 10:201: IV 2b: 14.
Weltner, A. J. IV 2b: 207.
Weltrich, R. IV 2b: 310.
Wenclc, K. II 1 : 72.
Wendland, P. I 2:63; 11:6.
Wendlandt, W. 14: 522 ; IV 5 : 665.
Wendt, H. IV 5:325.
Weniger, L. 14: 411.
Wenley, R. M. I 1 :9; IV 5 : 154/5.
Wenzig, K. IV 9 : 69.
Werckshagen, C. IV 5 : 264, 269.
Werlhof, B. v. I 4:430.
Werner, C. IV 2b: 132.
— E. I 12:201.
— J. I 4 : 10.
— K. IV 2b: 286.
— R. M. I 1:24; 6:124; II 1:84;
5:79; IV 2b: 164,181; 8a: 52/3, 66;
8b: 1/2 ; 8c: 4, 18; 8d:l; 8e:l/2.
Wernersdorf, 0. T IVlb:340.
Wernicke, A. IV 5:55a, 89.
— E. 19: 122.
— F. I 11:56; IV 2 b : 13.
Wernly, R. IV 3 : 341.
Werra, E. v. I 10 : 69.
Wertheimer, Ed I 4 : 391 a; IV lb : 178,
384; lc:7: ld:19.
Werther, W. IV 3 : 148.
Weryho, L. IV 1 b : 488.
Weskamp, A. III 1 : 13.
Wessely, J. E. I 7 : 128; 9 : 206.
Westarp, A, Graf v. IVlb:268.
Westenberger, G. IV 5 : 26.
Westerberg, I 4 : 233.
Westermayer, G. II 7 : 33.
— H. II 6 : 203.
Westphal, 0. 14: 346.
Wetzel, 0. 13: 195.
Weyler, Th. IV 3:488.
Wichmann, F. IV 3 : 380; 8d : 23.
— H. I 10 : 227.
Wichner, J. I 5: 162; 9:220.
Widdern, G. v. IV 1 b : 330.
Widmann, J. V. IV 3 : 375/6 ; IV 2 b : 404.
— S. I 1 : 56.
— S. P. IV 8d : 19.
Wiegand, W. 1 2 : 37 ; IV 1 b : 27.
Wiehr, E. IV lb : 34, 173.
Wiemer, K. 14: 330.
Wiener, E. 13: 440.
— L. 13: 138.
Wierzbowski, Th. I 3 : 181.
Wieser, F. R. v. 15: 130.
Wigand, P. I 4 : 104 ; 5 : 350.
Wiggermann, P. IV 10:55.
Wilckens, R. IV 1 b : 344.
Wildenbrnch, E. v. IV 2b : 371.
Wildermuth, Adelheid. IV 3 : 522.
Wilhelmi, H. IV 2b : 237.
Wilke, E. I 7:108.
Wilkens. C. A.. I 10 : 124.
Wille, B. IV 5 : 208 a. 651.
— Eliza. I 10: 131.
— J. I 12 : 63.
— R. IV 1 b : 133 ; 1 c : 34.
Willkomm, 0. H. Th. II 6 : 70.
Willmann, 0. IV 5 : 397.
Willomitzer, F. IV 2a : 135.
Wilmowski, Gust. v. IV lc : 15.
Wimmers. I 12 : 32.
Winckelmann, 0. I 12 : 12; II 1:69;
6 : 239.
Winckler, G. IV 2b: 64a.
Windelband, W. I 1:5; IV 5: 70, 229.
Windhaus, G. I 4: 76; 12: 218.
Winkel, G. 14: 299.
Winkler, M. IV 2a: 126.
Winkworth, Susanna. II 5:3.
Winter, G. I 4 : 13; III 1 : 15, 67 ; IV
1 b : 61, 68, 195, 197, 230, 237, 410/1 ;
I c : 16, 27.
— 0. IV 3 : 125/6.
Wintera, L. II 5 : 20; III 1 : 158.
Winterfeld, A. v. III 1 : 177 ; IV 7 : 1 1 ;
VVintterlin, A. 19: 93, 256.
Wintzingeroda-Knorr, L. Frhr. v. II
1 : 51 ; III 1 : 165.
Wippermann, C. IV 1 b : 228, 373.
Wirth, A. I 12 : 173.
— Chrn. IV 5 : 108.
— M. I 4:429; 10:106.
Witkowski, G. I 1 : 86; IV 2a : 23; 5 :
34/5; 8b:26; 8e:7, 68,77-80,102,
117.
Witt, A. IV 2b: 129.
Witte, E. A. IV lb:280
— H. 17: 51/2 ; IV 1 b : 463.
— L. II 6 : 75.
Wittenhaus. I 12 : 223.
Wittich, K. III 1 : 25, 32, 92, 94, 97.
— W. I 12 : 222.
Wittmann, C. Fr. II 4 b : 108.
— H. II 4b:28; IV 8 a : 15.
— P. IV 9 : 107.
Wittmer, G. 1 10 : 145.
Wlislocki, H. v. I 5:119, 127.
Wölfflin, H. 19: 8.
Woermann, K. 19:1, 32, 189, 249,
270.
Wörndle, H. v. IV 5 467.
Woeter, E. IV 1 d : 74.
Wohlbrück, Olga. IV 2b : 537.
Wohlwill, A. 14: 301 a.
Wolf, G. II 1 : 18.
— K. 14: 280.
— M. 14: 496.
Wolff, Eug. I 7 : 17/8, 185, 196, 202 ;
II 6:163; III 5:72/3; IV 2a : 36;
2b:288, 290; 5:1; 7:22; 8a:43;
8b: 33; 9: 6.
— F. III 1 : 179.
— H. II 7 : 41.
— H. L. 16: 127.
— Jul. IV 3 : 229.
— Th. I 9:96, 319; IV 2b : 265;
3 : 297, 472.
— W. I 10 : 6
Wolfgang. IV 3 : 197, 205, 558.
Wolfrum, L. 15: 342.
Wolfsgruber, C. IV 1 b : 385.
Wolgast, H. 13: 222.
Wolkan, R. II 1 : 82; 6 : 182a, 271.
Wolter E. IV 9 : 4.
Woltersdorff, H. 1 9:274; IV 3:355.
Wolzogen, H. v. I 10 : 135, 157 ; IV
lc:56; 10:85.
Worp, J. A. I 11 : 47.
Wossidlo, R. 15: 10/1, 387.
— W. I 10 : 125.
Wotke, K. 17:1; 12:55; 111:72;
7 :2a, 7, 9.
Wrede, A. I 1 : 71; IV 5 : 380.
— F. 17: 37.
Wülcker, R. IV 1 d : 22/3, 42.
Wünsche, A. I 5:261/2.
— 0. IV 8 a : 55.
Wünschmann, M. 12: 53.
Wulckow, R. I 1:86; IV ld:25;
10 : 41.
Wunderlich, G. I 5 : 366; 6 : 53.
— II. 1 7:31, 124/5; II 4b :71; 7:5,
10.
Wunderer, W. 19: 109.
Wundt, W. IV 5: 217.
Wundtke, M. IV 2 b : 191.
Wunschmann, E. I 9 :420; II 5 : 56.
Wurm, H. 14: 401 ; II 5 : 16.
Wurth, L. IV 1 d : 38.
Wurzbach, A. v. 19: 162.
Wustmann, G. 13: 58, 367/8, 370;
5:364; 7:200,207; 10:91; 116:11;
IV 2a: 18.
Wutke, K. 14: 170/1.
Wuttke, R. I 4 : 169; III 1 : 101; IV
1 b : 437 b.
Wychgram, J. I 4 : 522; 6 : 137; IV
5: 38; 9: 24, 184.
Wylie, J. W. IV 2b: 400.
Wyss, G. v. II 5 : 43.
Zabel, E. I 10:203/5; IV la:42;
2b: 64; 5:421.
Zahn, J. II 2:6; 6.278.
— W. 14: 453.
Zaiss, J. IV 1 b : 346.
Zapf, L. 17: 77.
Zehrt, K. IV 5 : 349.
Zeidler, .1. III 4 : 15.
Zeissberg, II. v. III 1 : 118; IV 1 b : 382.
Zeitz, K. IV 1 b : 347.
Zell, B. W. IV 2b: 402.
Zenker, E. V. IV 1 b : 219.
Zernial, U. 16: 110.
Zernin, G. IV 2b: 246; 3:215/6.
Zeschan, W. v. II 1:123.
Zetsche,vE. I 4:378.
Zibrt, C. III 2:5.
Ziegert, M. IV 1 d : 62.
Ziegler, C. IV 3 : 198, 304.
— Th. I 12:13; 115:36; 6:240;
IV 8e:78; 10:29.
Ziehen, J. IV 1 d : 73.
Ziehn, B. I 10:192.
Ziel, E. IV la:23; 2b: 327.
Zieler, G. II 4b: 38.
Zielinski, Th. IV 5 : 399.
Ziemer, H. I 7 : 84, 112/3, 134; II 6 : 54 ;
IV 2b: 456.
Zimmer, F. IV 2b: 493.
— H. IV 2a: 148.
Zimmermann, A. II 1 : 9-10; 6:6; III
1:9.
— H. I 9:405.
— J. N. 17: 92.
— 0. II 7 : 34.
— P. I 12:43, 45; 113:5; 6:210;
III 4:19; IV lb:455; 5:316; 6:6.
Zingerle A. 15: 242.
Zinke, A. 15: 125.
Zipper, A. II 1 : 84.
Zobeltitz, H. v. I 3 : 342; 4 : 285a; III
1:68; IV 2a: 10.
Zöckler, 0. I 4 : 412; IV 5 : 259.
Zöge v. Manteuffel, H. I 4:444.
Zöpfl, G. IV lb :416a.
Zsohech, F. IV 8a: 91; 8b: 18; 8d:32.
Zschommler, M. IV 3:111.
Zuckertort, A. 18: 35.
Zürn, L. I 6:59, 85; IV 3:48.
Zumbini, B. IV 3 : 27.
Zunk, P. IV 8 b :42 b.
Zupitza, J. I 5:395; 11:32; II 1:81;
IV 3:25, 467; 7:30.
Zurbonsen, Fr. I 6 : 135.
Zweig, E. IV 8a: 32.
Zweybrück, F. IV 3:460.
Zwiedineck-'Südenhorst, H. v 13 : 278;
III 1:10, 175; IV lb:19, 27.
Sachregister.
Aachen. I 4:340; 7:46.
Abälard, P. IV lc : 77.
Abbt, Th. IV 5 : 224.
Abdinghof. I 4:401.
Alexis, H. IV 3 : 10, 102.
Abel, 0. IV 1 a : 6.
Abendland. 14:6.
Aberglaube. 14:133-44; 5:89-91,
96-101, 136. (S. auch Volksglauben )
Abraham a S. Clara. III 4 : 22; 5 : 13/5.
Abschlussprüfung. I 6 : 29.
Abstemius, L. I 11:5a.
Accentlehre. I 8:1, 2, 18-23, 25, 30.
Accidenz-Ausstattung. I 3 : 447.
Acerbi, G. IV 1 c : 96.
Ackermann, B. IV 2b : 57.
— H. II 5:112.
— K. E. III 4:24; IV 3:65; 6:14.
Adalbert, Prinz v. Bayern. IV 10 : 113.
Adam, F. G, 19: 245.
— J. 19: 338.
Adamberger, Antonie. IV 2 a : 152.
Addison, J. III 5 : 79.
Adel. I 1:63; 4: 446.
Adelang, J. Chr. IV 3 : 66.
Adler, Fr. IV 1 a : 13 ; 2 b : 363.
Admont. I 9 : 220.
Aerzte. II 5 : 63/7.
Aerztin. I 4 : 254/5.
Aeschy los. IV 1 c : 20, 90 ; 6 : 27 ; 8 e :
124.
Aesop. I 5:236.
Aesthetik. I 6 : 76, 145; IV 5 : 224, 226/7.
— Psychologische. 19:7.
Afrika. I 6 : 117/8.
Agrargeschichte. 14: 173/7 a.
Agricola, G. I 12 : 8; II 1 : 92; 5 : 58 j
6:20; 7:6.
— Joh. H 2:3; 4a:19; III 5: 1.
— Rud. II 7 : 32.
— — junior. II 7 : 40.
Agrimensoria, de. I 3 : 26.
Ahlefeldt, D. v. III 1 : 133.
— Elise Gräfin v. IV 3 : 106.
Ahmed, Kari (Buchbinder). 13:478.
Ailly, P. d\ III 5 : 1.
Aisse, Demoiselle de. IV 8d:42.
Akademie s. Schule.
— der Wissenschaften, Berliner. IV
5: 352, 601.
Akademisches Leben. I 4: 47/9 a.
Akustik. I 10:21.
Albert, König t. Sachsen. IV lb: 432/7;
2b:83.
— Mich. IV 2b: 187.
— E. d\ I 10: 275.
Alberti, C. IV 3 : 212.
Albertini, J. B. v. IV 10:1.
Alberlinus, Aeg. II 1 : 87.
Alberus, Erasmus. II 2:3/5; 5:114/6;
6:163.
Albrecht, Erzherzog. lVlb:123.
— V., Herzog v. Bayern. II 1 : 87.
— Herzog v. Mecklenburg. I 12 : 148.
v. Preussen. 13:269; 9:456;
116:228.
— v. Mainz. II 6: 12, 118.
— Kaiserlicher Münzpächter. I 4: 168.
Albumblätter. IV 2b: 529-36.
Aleander, G. II 1 : 17.
Alethophilen. III 5 : 72/3.
Alexander, Graf v. Württemberg. IV
2b: 10/1.
— I.. Kaiser v. Bussland. IV lb : 120.
— IL, Kaiser t. Russland. IV 1 b : 298,
377.
— de Villedieu. II 7 : 16.
Alexandriner. I 8:23, 30; IV 2a: 24.
Alexis, W. IV la: 6; 10:82.
Alfred , Herzog v. Sachsen - Koburg-
Gotha. IV lb:449.
Allers, C. W. 19: 345.
Allitteration. I 8:33, 35; IV 3:29.
Allmers, H. IV 2b: 342/8; 3:313a/3b.
Almanache. 14: 132; IV la: 14/6; 2b:
310/4.
Almlieder. I 6 : 283 ; II 2 : 38.
Alpensage. IV 3 : 466.
Alphabete. I 3:115, 128-30.
Alphen, H. van. IV lc:93.
Alsleben, A. II 5:88/9.
Altenstein, K. Frhr. v. Stein z. IV
1 b : 208.
Altdorf. I 4:36.
Altertumswissenschaft. IV 10 : 1,41,94.
Altewerder. I 4 : 308.
Althaus, F. IV lc:69a.
Althus, J. II 7:31.
Altmark. I 4 : 299.
Altmühl. IV 8d:19.
Alurokriomachie. IV 3:1.
Alvensleben, Albr. Graf. IV lb:402.
Amadeus IX., Herzog v. Mailand. I
3 : 28.
Araalfi, Herzogin v. I 11 : 48.
Amandus, P. II 6:228.
Amateure. I 9:439.
Amberger, Chr. I 9: 197, 199, 203.
Ambrosius, Johanna. IV 2b: 401.
Ambühl. IV 9 : 166.
Amelonghi. I 11:51.
Amerika. IV 9:182.
Amis, Pfaffe. II 3 : 20.
Amman, J. I 3 : 337/8 ; H 3 : 35.
Amphibrachys. I 8 : 12/3.
Amsler & Ruthardt. I 9 : 25, 84.
Amyntor, Gerhardt v. IV 1 c : 35; 4 : 583.
Anakreon. IV 2a : 56.
Anakreontik. IV lc: 41; 6 :27; 9 :77.
Anapäst. I 8 : 23, 27.
Andernach. I 4:216.
Andersen, H. Ch. I 5 : 235; IV 10 : 125.
Andlau, P. v. II 1 : 105.
Andre. Joh. I 10:45.
Anemüller, G. IV lb: 150.
Angeler, J. 19: 355.
Anhalt I 9 : 151.
Anhorn, B. II 3 : 44.
Anna Amalia, Herzogin v. Sachsen-
Weimar-Eisenach. IV lb : 440; lc :
41; 8c: 29.
— Dorothea y. Kurland. IV 2a : 152.
— Marie v. Preussen. I 3 : 269.
Annalen, Zwickauer. II 3 : 57:
Anneke, Franziska. IV 1 a : 44.
Anschütz, R. IV 8e : 32.
Anseimus, St. II 4a: 18.
Anshelm, Th. 13: 115.
Antependien. I 3 : 51.
Anthologien. IV la: 10/3; 2a: 1,62;
2b: 314-22.
Anthropologie. I 1 : 48.
Antiquariat. I 3 : 384.
Antiquarkataloge. I 3 : 108, 217.
Antiquaschrift. I 3 : 132/3.
Anzengruber, L. IV ld : 49; 3 : 10,
188/9, 447, 464; 5:539.
Aphorismen. IV 2 b : 535.
Apiarius s. Biener.
Apotheken. I 4 : 252.
Appel, J. W. IV 3 : 16.
Arbeiterbibliotheken. I 3 : 225.
Arbeiterlyrik. IV 2 b : 407-12.
Archaioplutos. I 11 : 38.
Archenholz, J. W. y. IV 8e : 31; 9 : 31;
8d :27.
Archiv d. Arnimschen Familien. IV
10:41.
Archive (s. Briefwechsel u. Hand-
schriften). III 1:171. In: Ander-
nach 13:36 d. Berlin 13: 36b, 36 n.
Dankerode a. H. IV 3 : 25. Dresden
IV 2a : 149. Duisburg I 3 : 36 d.
Krankreich I 3:36 m, 325. Graz I
3:361. HarffI3:36e. Haseldorf
III 1 : 133. Ingweiler IV 2a : 20.
Kempten I 3: 36 f. Köln I 3:36 c.
Leipzig I 3 : 58. Linz a. Rh. I 3 :
36 d. Mirbach I 4 : 442. München IV
10 : 119. Reval II 2 : 46. Rom I 3:
48. Rothenburg o.T. III 4 : 5. Strass-
burg i. E. II 7 : 19. Weimar I 3 : 36 n.
Wien I 3 : 36 h. Wolfenbüttel IH 4 :
19. Zürich I 3:361.
Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte. V.
Archiv wesen. I 3 : 36a-36n.
Aretin, P. III 5 : 1.
Argens, Marquis d\ IV 1 b : 36.
Ariodante u. Ginevra. III 4 : 3.
Ariost, L. 111:47.
Aristophanes. IV 6 : 27.
Aristoteles. III 6 : 50; IV 6 : 27.
Armeeordnung. I 4 : 259a.
Arminianer. III 5:1.
Arminius, J. III 5 : 1.
Arndt, E. M. 16 : 104; IV lb : 144/5,
203; lc : 21, 84; 2a : 138-42; 6 : 289,
345, 377, 563/5, 600, 608, 627 ; 10 : 36.
— J. II 6:211.
— W. IV 8a: 66.
Arndts, L. v. IV 5 : 467.
Arneth, A. v. IV 1 b : 5, 68, 390 ; 1 c :
67; 2a: 152; 5:272.
Arnim, Bettina v. IV lc : 93; 5 : 131;
10: 1, 41, 4^, 58-62, 65.
H. G. v. HI 1 : 16/7.
— L A. v. 15: 298; 11 : 46; II 2 : 36;
IV lc:20; 5:601; 10: 1,41-52, 61,
82, 102, 118.
— S. v. IV 8 c -.51.
Arnold. IV 3 : 172.
— Gottfr. III 5 : 62.
Arnstein, Henriette v. IV 3 : 80.
Arnswald, B. v. IV 3 : 215.
Artisten. I 4 : 160.
Aschersleben. 14:313.
Astrologie. I 4 : 142.
Atelier, D. (Zeitschrift). I 9 : 25.
Atlantis. I 11 : 2.
Auber, D. F. E. I 10 : 25; IV 1 c : 60.
Auerbach, B. IV 1 a : 6 ; 1 c : 27, 60,
60, 65/6, 93; 3:183/7, 447; 5:352,
539; 10:113.
Auersperg, Graf A. A. v. s. Anast. Grün.
Auffenberg, J. v. IY 1 c : 33.
Aufklärung. I 6 : 94; 12 : 145; III 5 :
54-66; IV 5:86, 140, 236.
Aufsatz, Deutscher. 16:2, 18, 21/2,
29-39 105/7.
Augsburg. I 4 : 192, 356a; 9 : 466; II
1:71; 5 : 46.
Augsburger Allianz. III 1: 120.
August, Herzog v. Gotha. IV 1 c : 4/5.
— Kurfürst v. Sachsen. I 3 : 64 ; II 2 : 6.
— IL d. Starke, Kurfürst v. Sachsen.
IV lb: 437b.
— III., Kurfürst v. Sachsen. IV 2 a : 7/8.
Augusta Victoria, Kaiserin. IV 1 b :
371.
Augustin, Chr. F. B. 17: 80.
Augustinus. II 2 : 2 ; IV 1 c : 77.
Aurbacher, L. I 66 : 128; III 3 : 1/2.
Aurifaber, J. II 6 : 127.
Ausbuttern. I 6 : 55.
Ausonius. IV 8 c : 33.
Aussprache d. Deutschen. I 7 : 90/4.
Ausstellungsberichte. I 9 : 25.
Ausstellungsjury. I 9 : 38.
Ausstellungswesen. I 9 : 33.
Austerlitz, R. IV 1 a : 13.
Auswanderung. I 4 : 184.
Aaszählung d. Sprache. I 7 : 216/7.
Autobiographien. I 1 : 1 ; IV 2 b : 362.
Autographen. I 3:37-41», 291; 10:2.
Autonomie d. Vernunft. III 6 : 1.
Avenarius, F. 19: 345.
Av entin, J. II 1 : 106; 7 : 19.
Ay renhoff, K. v. IV lb:46.
Ayrer, J. 1 11:30; IV ld:3.
Baader, F. v. IV lc : 17; 5 : 238, 352,
658, 600.
Bach, J. S. 13 : 5; 10 : 16, 9I/3; 261.
Bacharach, J. C. III 1 : 182.
Bachgesellschaft. I 3:5.
Bacon, F. I 11:2; HI 5 : 1.
Badeleben. I 4 : 41/2.
Baden. I 4 : 351/2a; 7 : 76; 9: 137, 366;
IV 2 a : 54.
Bächel, E. I 9 : 259.
Baechtold, J. IV 3 : 371, 378.
Bahr, K. IV 5 : 139.
(4)36
Sachregister.
Bahr, P. IV 1 a : 12.
Bären aufbinden. I 7 : 158.
Bahnsen, J. IV 5 : 149.
Bahr, H. IV 3:564/5; 5:651.
Bahrrecht, I 4: 101; 5:53.
Baisch, H. 19: 286.
— 0. IV 2b :274.
Balbronn. I 4 : 350.
Baidung, Hans, gen. Grien. I 9 : 194/6.
Ballade. I 6 : 108/9, 142; 10 : 34, 125/7;
IV 2a: 116; 2b: 156, 161, 460; 3 : 20;
8e:13.
Ballettmusik. I 10 : 108.
Balsambüchlein. 1 4 : 253 a.
Baltische Dichter. IV 1 a : 10, 42; 2b :
226-38.
Baltz, Johanna. IV la : 12.
Bamberger, L. IV 5 : 590.
— W. IV 3 : 139.
Bandello, M. I 11 : 39, 48.
Baner, J. III 1 : 89.
Bannbegang (Bonn). I 4 : 109.
Barclay, Alex. II 5 : 76.
Barden. IV 2a: 59-61.
Barlaam u. Joasaph. I 11:6.
Barmen. I 7 : 74.
Barock. I 9 : 127, 149, 160, 222.
Bartels, Ad. IV 1 a : 37.
Barth, K. t. III 5 : 51/2.
Barthelemy de la Gorge. I 3 : 72.
Bartholdi, J. S. IV 8d : 32.
Bartsch, K. 15: 10/1.
Basedow, J. B. I 12 : 43/4.
Basel. I 4 : 395; 7 : 60/2.
Bass, Bezifferter. I 10 : 261.
Bastlösereime. I 5 : 332/5.
Bathori (Kardinal). I 9 : 149.
Bauch, H. IV 3 : 26«.
Baucher (Buchdrucker). I 3:71.
Baudissin, Graf Wolf v. IV 1 c : 50.
Bauer, Chrn. IV 2b : 19a-20.
— J. IV 1 a : 27.
Bauern. III 1 : 10.
Bauernbau. I 9 : 366.
Bauernbefreiung. I 4 : 173/4.
Bauernfeld, B. v. IV 1 c : 61, 58, 60.
Bauernhaus. I 9 : 365-70.
Bauernhochzeit. IV 3:1.
Bauernkriege. II 1:20/2, 25-30; III
1 : 108.
Bauernlied. IV 3 : 41.
Bauernpoeten. IV 2h : 19a-20.
Baukunst. I 6 : 110; 9 : 8, 377-80.
Baumbach, Rud. I 1 1 : 32 ; IV 1 a : 20 ;
3 : 466/7.
Baumgärtner, fl. II 1 : 140/1.
Baumgart, H. IV 8d : 39; 8e : 77.
— J. II 4 a : 29.
Baumgarten, H. II 1 : 55; IV lb : 3 ;
5 : 269, 376/7, 558.
— W. IV 3 : 367.
Baumkult. I 5: 113, 118.
Bauopfer. I 5 : 56.
Baur, F. Chr. I 12 : 151; IV 5 : 238 a,
245, 308.
Bauzeitung, Deutsche. I 9:373 b.
Bayern. I 4:98. 198, 249 a, 356-73;
7:64, 70; 9:127; II 1:87.
Bayersdorf. I 4 : 368.
Bayreuther Festspiele. I 10 : 128,
176-84.
Beamtentum. I 4 : 148-53; III 1 : 146.
Beaumarchais, P. A. Caron de. IV 8 e : 25.
Beaumont, F. III 4 : 7; IV 9 : 158.
Bebel, A. IV 1 b : 191; 5:558.
Bechstein, L. I 5:230/5.
— E. 12: 60/1.
Beck, H. IV 6 : 600.
— J. v. II 1 : 24.
— K. IV 2b: 1; 9:18.
Becker, H. IV 8a: 57.
— K. F. IV 3: 173.
Beckerath, H, v. IV 5 : 563.
Beckh, W. IV 2b: 107.
Beckmann, Fr. IV 5:416.
Beckmesser, S. I 10:277.
Bedjan, P. I 11:7.
Bedeutungswandel. I 6 : 140; 7 : 137-55.
ßeeke, Joost van der. I 9: 161.
Beer, F. II 2 : 33.
— Mich. IV 2b: 22.
Beethoven, L. van. I 3 : 284 ; 10 : 6,
11, 101/8, 137; IV lc:23, 93; 5:
398; 8 b :55; 10:82.
Befreiungskriege. IV ld:3; 10:93.
Begas, R. IV 1 c : 65 ; 5 : 398.
Beham, Barthel. I 3 : 337/8.
— S. I 3:337/8; 9:199.
Beiträge, Bremer. IV ld:3.
Bekker, F. IV 5 : 398.
Bellamy, E. IV 1 a : 22; 3 : 16.
Bellarmin, R. II 1 : 15.
Belieferest, F. I 11:48.
Bellermann, L. IV 1 a : 29.
Belustigungen d. Verstandes u. Witzes.
IV 3 : 32.
Bender, W. IV 5 : 228.
Bendixen, J. IV 1 a : 37.
Benediktbeuren. I 9 : 127.
Benediktiner. I 4:401/4; 12:149.
Benedix, R. IV 1c: 61.
Bengel, J. A. IV 5:241.
Benn, Alf. IV 8a: 79.
Bennigsen, R. v. IV lb:120, 313/4;
6 : 584/9.
Benzel-Sternau, K. Chr. E. Graf v. IV
3 : 270.
Beowulf, I 6 : 130.
Berchtentag. 1 4:30 a.
Berg. I 4:211.
— Ad. II 1 : 87.
— Leo. IV 2b: 394.
Bergbau. I 4 : 194/5, 197.
Bergk, Th. IV 5 : 398.
Bergmann. I 5 : 424, 427/8.
Berk, Ad. IV 1a: 14.
Berkholz, G. IV 1 c : 103.
Berlepsch, Goswina v. IV 3:546.
Berlichingen, G. v. IV 8e: 12.
Berlin. I 4:193/3a, 282-96; 9:104,
232, 236, 238, 276, 440, 444, 448;
IVla:29; 3:57; 5 : 366, 416; 10: 82.
Berlinismus. IV 6:236, 421.
Berlioz, H. I 10:220; IV lc:60;
2b: 46.
Bern. I 4:167; 7:60/2; 9:159.
Bernadotte, J. B. J. Marschall v. IV
1 b : 173/4.
Bernauer, Agnes. I 11 : 19.
Bernays, M. I 1 : 65 ; IV 5 : 398.
Bernburg. I 9:151.
Bernegger, Kasp. 1111:189-90.
Bernhard II., Erzbischof. I 3 : 264.
Bernhardi, Th. v. IV 1 b : 230 ; 1 c : 27 ;
10:5.
— W. v. IV 5 : 65.
Bernhardy, G. IV 5 : 398.
Beroaldus, Ph. II 4b: 75.
Beromünster. I 4 : 228.
Bertha (Göttin). I 5:64.
Berthold, A. III 2 : 16.
Beruf (im Volksmunde). I 5 : 379.
Berzelius, J. J. v. IV lc:91.
Beschwörungen (s. auch Segen). I 5 :
124, 129, 132, 134.
Bessel, Fr. W. 112:134; IV 6 : 523.
Besser, J v. IV 1 a : 42.
Bethlen, Gabor. III 1 : 106.
Betzel, G. IV 2b: 109-10.
Beulwitz, Karoline v. IV 9 : 4.
Beuthen. I 9:121.
Bevölkerungsstatistik. I 4 : 180/7, 351.
Bewegung (im Metrum). I 8 : 26.
Beyschlag, W. IV 2 b : 367 ; 5 : 337.
Bibeln (s. auch Luther). I 3:49, 103,
107, 114, 144, 146; 6:384; 6:94,
133; 7:34; IV 8e:88; 9:177.
Bibelerklärnng. I 12 : 145.
Bibelkritik. III 5:1.
Bibellitteratur. 13:143/6.
Bibelrevision. II 6 : 69-72.
Bibelsprüche. IV 2b: 478.
Bibelübersetzung. II 3 : 19; 6:2,
66/8.
Bibliographie. I 3:14/5, 141-226a;
12:3; II 1:153/4; IV 3:1/5.
Bibliophilen. I 3 : 282, 285, 294.
Bibliosophie. I 3 : 258.
Bibliotheca Hassiaca. I 3 : 169.
— philologica. I 3 : 218.
Bibliothek d. schönen Wissenschaften.
IV 5 : 34.
Benutzungsstatistik. I 3 : 299, 303.
Einrichtung. I 3 : 259, 266.
Bibliotheken (s. auch Gesindebibliothek,
Magazin bibliothek , Schulbibliothek,
Volksbibliothek) I 3 : 225, 26 1 , 264-335 ;
4 : 84. In: Amerika I 3 : 319-24. Bam-
berg I 3 : 276. Basel II 4a : 30. Berlin
I 3 : 18, 309; IV 10 : 41. Canada I
3 : 319. Chainbery I 3 : 28. Chicago
I 3 : 321. Dresden II 4 b : 53. Frank-
furt a. M. I 3 : 283. Frankreich I 3 :
36m. Graz I 3:278. Greifswald III
2: 1. Italien I 3 : 48, 311/3. Ithaka
(Amerika) I 3 : 321. Karlsruhe I 3:
20. Kiel I 3 : 274 a. Köln I 3 : 36 c.
Krakau I 3 : 139. Lauban I 12 : 9.
Leipzig I 3 : 58, 284, 321. Madrid
I 3 : 27. München I 3 : 21, 302; 4:
125; II 4b : 53. Nürnberg II 4b : 9,
55. Oesterreich I 3 : 277. Paris I
3 : 28. Schweden I 3 : 316. Strass-
burg i. E. I 3 : 265, 385. Stuttgart
IV 10 : 34. Trier I 3:19. Tübingen
I 3 : 272. Venedig I 3 : 66. Weimar
IV 8 e : 117. Wien I 3 : 310; IV 3 : 78.
Windsor 13:317. Wolfenbüttel I
3 : 274, 305. Zellerfeld I 3 : 270.
Zürich IV 3:381. Zwickau I 3:271.
Adressbuch. I 3 : 260, 325.
Kunde. I 3 : 257.
Bibliotheks-Gesetze. I 3 : 322/3.
Ausstellung. I 3 : 262.
Katalog. I 3 : 268, 301.
Statistik. I 3 : 325.
Technisches. I 3 : 258/9.
Wesen. I 3:257-335.
Bidenbach, B. II 6 : 193.
Biedermann, W. v. IV 8a : 67, 95.
Bienenzauber I 5:111.
Biener (Apiarius, Buchdrucker). I 3 : 356.
Bier. I 4 : 237.
Bierbaum, 0. J. I 9 : 29, 48a; IV la:
16; 2b: 390/1.
Bierdorf. I 9 : 149.
Biester, J. E. IV 5 : 86.
Bild, Veit. II 5:21; 6:16, 195.
Bilddruck. I 3 : 30, öl.
Bilderbogen. III 3 : 2.
Bilderbücher. '13: 222.
Bilderhandschriften. I 3 : 24, 26, 28.
Bilderschmuck. 1 3 : 120/1.
Bildersprache. I 3 : 30.
Bildkunst. IV 8 a : 41.
Bildung. I 4:81/2; II 1: 112.
Bildungsdichter. IV 3 : 273.
Bildungsvereine. I 12 : 53.
Billroth, Th. 110:272; IV 1 c : 50
60/1; 6:496-501.
Bindemann, E. Chrph. IV 3 : 19.
Bing, Just. IV 10 : 28.
Binzer, A. IV 2a: 1.
- D. A. v. IV 2b: 434.
Biologie. IV 7 : 22.
Birk, S. II 4 a : 29.
Birken, Sigm. v. I 7 : 16; III 1 : 193;
2: 23; 5:4.
Bischofschronik, Niederdeutsche. II
3:68.
Bischofsspiel. 112: 205.
Bismarck, Adam Aug. v. IV 2a : 4".
- Karl Alex. v. IV 1 b : 289.
— Fürstin Johanna. IV lb: 287/8.
— 0. Fürst. I 7 : 32; 12 : 166 ; IV 1 b : 191,
202/3, 238, 240, 242, 244, 254-89, 292/4,
306, 363, 367, 373, 376/7, 410, 465;
lc:14, 22b, 26, 84; 2a:46; 5 : 65,
398, 575, 647.
Bistorius, 0. IV 3:1.
Bistritz. I 7 : 68/9.
Bitaube. IV 8 b : 2.
Bitzius, A. IV 5 : 297.
Blaas, C. v. 19: 287.
Blätter, Fliegende. I 4 : 137/7a; 9 : 341.
Blanc, L. IV 3 : 14.
Blankenburg, Chrn. Frdr. v. IV 2a: 132.
- Mor. v. IV 5 : 575, 590.
Blaumäntelchen. I 6 : 246.
Bleibtreu, K. IV 3 : 566, 584.
Blieskastel. I 9 : 136.
Blondel, F. 19: 233.
Blücher, Fürst. IV 1 b : 168, 179, 181.
Blum, J. Chrn. IV 2 a : 49.
— R. IV lb: 5,214; 6 : 563; 9:18.
Blume, L. IV 8o:6.
Blumen auf Gräbern. I 5 : 116.
Blumenbach, J. F. IV 1 a : 33; 3 : 61;
5 : 224, 658.
Blumengedichte. IV 2 b : 19 a.
Blumenorden, Fegnesischer. I 7 : 16;
III 2:22; 6:3/9; IV 2b: 107.
Blumenthal, 0. IV 1 a : 27.
Bluntschli, J. K. v. IV 1 c : 13.
Blutsegen. I 5 : 125.
Boccaccio, G. I 11 : 50; II 4b : 72; IV
lo:41.
Boccalini, T. I 11 : 61.
Book, Ed. 112: 89.
Bodenstedt, F. v. IV 1 c : 48, 58, 60,
66, 76; 1 d : 3; 2b : 32/6, 66/6; 5 : 416.
Bodin, J. III 5 : 1.
Bodmer, J. J. 16:142; IVlo:78;
3:29, 65; 5:384; 9:166.
Sachregister.
Boeckh, A. IV 5 : 354, 398, 558.
Böcklin, A. I 9:16, 19, 3U/4; IV
lc:65. n ln
Böhlendorff, K. TJ. v. IV 1 a : 10, 42.
Böhm, Chr. I 12:96.
— K. IV 8»:W.
Böhme, J. IV 5 : 242.
Böhmen. 14:241, 387/8; 7:65/7; II
1:82; IV 2 b : 1 16.
Böhmer, J. Fr. IV 5 : 389.
Böhnhasen. I 4:200 a.
Boek, J. M. IV 9 : 23.
Börne, L. IV 5 : 558.
Boethius. I 12:7.
Boettge, A. IV 2a: 7.
Böttger, Clementine = S. Meiner.
Böttiger, K. A. I 12:74; IV la:29;
3:58; 5:615; 9:31.
Bohn, K. IV 3:278.
Boie, H. Ch. IV lo:42; 2a: 39, 69,
95.
Boisseree, M. IV 5:3r>4.
— Sulpiz. I 9:408; IV 5:389.
Bojardo, M. M. Graf. III 3 : 10.
Bokelmann, L. I 9:291/2.
Bonapart ist nimmer stolz. IV 2a: 13.
Bonifacius Britannus. II 6 : 27.
Bonitz, H. I 12:67/8, 212.
Bonn. I 4:109, 418; Ilt I: 122.
— F. IV 2b: 357; &:n4&
Bonstetten, Albr. v. II 7 : 12.
Bopp, Fr. IV 5:398; 10: L
Bormann, Edw. IV la:27.
Borne, Theodorich v. (Dirk Borne).
I 3 • 83
Bomeinann, W. IV 2b: 306.
Bornemissa, P. II 7: 41.
Borstell, K. H. L. v. IV lb:23l.
Bossuet, J. B. IV 8 c : 23.
Bote, H. II 5: 128/9.
Botero, Giov. III 5 : 1.
Bothe, F. H. IV 8d:9.
Bottmarsdorf. I 4:317; III 1:2t.
Bouchet, E. IV 8 a : 85.
Boulanger. E. IV lb:331.
Bourget, P. IV 1 d : 4.
Bouy er (Buchdrucker). 13:71.
Boxberger, R. IV 3 : 27.
Boy-Ed, Ida. IV 3 : 528, 547.
Bozen. I 9 : 164.
Bozius. II 6 : 128.
Brachmann, J. I 12 : 195.
— Luise. IV 1 d : 3.
Brackel, Ferdinande v. IV 1 a : 12.
Bradford, W. 13: 87.
Brahm, 0. IV 3 : 16.
Brahms, J. Phantasien. I 9:326;
10:271; IV 1 c : 60.
Branconi, Frau v. IV 8c: 19.
Brandenburg. I 4:131; 282-300 a;
7:90.
— F. W. Graf v. 14: 149.
— Wilhelm v. II 2 : 46.
Brandes, G. I 2 : 59 ; IV 5 : 469-70.
Brandis, Chr. Aug. IV 2a: 140.
Brandstetter, H. IV 3 : 432/3.
Brandt, F. H. IV 8a: 22.
Brant, Seb. II 1 : 105; 2 : 45; 5: 73/6,
83/4, 95.
Brantöme, P. de. IV8d:40.
Brantsch, Sim. IV 2a: 27.
Brater, K. IV 5 : 377.
Bratianu. IV lb:377.
Braun, Karl. IV 1 b : 322 ; 5 : 59 .
— v. Braunthal, K. J. IV 3:414.
Braunau. I 4 : 107.
Braunsberg. I 9 : 149.
Braunschweig. I 4 : 150, 309 a ; 9 : 120 ;
IV la:28.
Brautsuppe. I 5 : 83.
Bray, 0. C. H. Graf v. IV lb:410.
Bredero, G. A. III 4*30.
Breitkopf, Gregorius. I 3 : 58.
Breitkopf & Härtel. 1 3:371; IV
1 o : 58.
Brekling, F. III 5 : 30.
Brendel, Frz. IV 1 c : 58.
Brennecke, J. A. IV 3 : 1 .
Brenner-Enkervoerth, A. J. v. 19: 199.
Brenning, E. IV 3:370.
Brentano, Bettina s. Bettina v. Arnim.
Brentano, Cl. 15:298; 112:36; IV
lc:50; 5:131; 10:1, 41/8, 52/7, 61,
102, 118.
— Lujo, IV 5 : 486.
— Sophie. IV la:33; 3:80; 10:41.
Busmann, Auguste. IV 10:41, 43.
— -Mereau, Sophie. IV 10:41, 43,61.
Brenz, Joh. II 6 : 193.
Breslau. I 4: 152, 279; IV 2b: 317.
Bret-Hiirte, F. IV la: 22; 3 : 412.
Breu, Jörg. I 9 : 200.
Briefe. I 4:261a, 469; II 1:122,
133-46; 7:6; III 1:183; IVlb:117.
Briefmarken. I 4 : 264/5.
Briefwechsel. IV 1 c. — II 5 : 21, 28;
IV 2a: 34/5, 40; 3:41.
Brieg. I 4:281; 9:123.
Brieger, Ad. IV 3:531.
Brienz. I 7 : 60/2.
Brinckmann, J. IV 2b: 308; 3:259.
Brink, B. ten. I 2 : 39; IV 5 : 425.
— J. ten. IU 3: 16.
Brinon, Mm« de. I 10 : 50.
Brion, Friederike. IV 8b: 34, 44/8, 91.
Brix. IV 1 c : 66.
Brockes, B. H. I 6 : 130; 8 : 30; IV
2a: 58; 3:28; 5:288.
Bronner, F. X. IV 8a: 97.
Brooke, St. A. IV 6 : 39.
Broxtermann, Th. W. IV 3:77 a.
ßrubach, P. 13: 356.
Brückner, A. I 10 : 274.
Brüdergemeinde. III 5 : 37.
Brüder, Mährische. II 1 : 24.
Brügge. I 4 : 207.
Brugsch, H. IV lc:76; 5:416-21.
Brunetiere, F. IV ld:4.
Brunfels, O. II 7 : 28; IV 5 : 521.
Bruni, Lionardo. II 7:7.
Brunn, H. v. IV 5 : 402.
Brunner, H. IV 5 : 558.
— Leonh. II 6 : 244.
Brunner, Seb. IV 2a: 42.
Brunnmylleus, G. II 3:21.
Bruno, Giord. III 5:1.
Brunold, F. IV 2b: 77-81.
Brnyn, B. I 9:212/4.
Bucer, M. II 6:237; 7:7, 19.
Buchbinderkunst. I 3 : 467-478.
Buchdruck. I 3:48-113, 381, 451;
6:94; II: 77. In : Amerika I 3 : 87 a.
Augsburg I 3 : 54/5. Bearn I 3 : 74.
Berlin I 3:62. Belgien I 3:84/5.
Biedenkopf I 3:63. Cambridge I
3 : 180. Cettinje I 3 : 90. Chalons-
sur-Marne 13 : 75. Dyernfurthl 3 : 65.
England I 3 : 86/7, 45«. Frankfurt a. 0.
13:61. Frankreich 13:69-80. Frei-
berg I 3 : 64. Fulda I 3 : 63. Genf I
3 : 81. Hamburg I 3 : 308. Hanau I
3 : 63. Hersfeld I 3 : 63. Hessen I
3 : 63. Italien I 3 : 66, 97. Kassel
I 3 : 63. Konstantinopel I 3 : 93.
Krakau I 3 : 90. Kroatien I 3 : 90.
Limoges I 3: 73/4 b. Lübeck! 3:57.
Lyon I 3:69-70. Mailand I 3:66.
Mantua I 3 : 68. Marburg i. H. I
3 : 63. Mecklenburg I 3 : 361. Modena
I 3 : 68. New-York I 3 : 87. Nieder-
lande I 3 : 82/3. Oesterreich I 3 : 91/2.
Oxford I 3 : 86. Palermo I 3 : i>6.
Paris I 3 : 70, 76/7, 97. Poitiers I
3 : 71. Portugal I 3 : 88. Rheims I
3: 78/8 a. Rinteln I 3:63. Rom I
3 : 66. Schmalkalden I 3 : 63. Rostock
13:361. Sedan I 3:79. Spanien I
3:88/9. Speier I 3:56. St. L6 I
3:74 a. Strassburg i. E. I 3:54.
Torgau I 3 : 60. Ulm I 3 : 54. Venedig
I 3 : 66/7. Wien I 3 : 366. Zürich I
3:111.
Buchdruckerfachzeitschriften. 1 3 : 442/9.
Buchdruckermarken, s. Druckermarken.
Buchdruckertarif. I 3 : 440.
Buchdruckerverein. I 3 : 440.
Bnchdruckerzeichen. I 3:63, 111.
Bucher, L. IV 5 : 43, 571-80.
Buchgewerbe. I 3 : 437-66.
Bnchgewerbemuseum. I 3 : 437.
Buchhändler, s. Buchhandel.
Buchhändleradressbuch. I 3:393, 400.
Buchhändlerbörsenblatt. I 3 : 394.
Buchhändlerkataloge. 13:211/5.
Buchhändlermesse. I 3 : 362.
Buchhändlersperre. I 3 : 362.
Buchhändlervereinigung. I 3 : 380.
Buchhändlerzeitschriften. I 3 : 378,
390/1, 394/8.
Buchhandel. 13:183/4,353-413. In:
Amerika I 3 : 392. Berlin I 3 : 399.
Böhmen I 3 : 377. Dänemark I 3 : 379.
Dyernfurth I 3 : 65. England I
3 : 389-92. Frankreich I 3 : 381/4.
Genf I 3:81. Grenoble I 3:72.
Hessen I 3:63. Italien I 3:375.
Leipzig I 3 : 362, 398. London I
3:387. Mecklenburg I 3 : 361. Paris
I 3:76.
Bnchhandlungsdeputierte. I 3 : 363.
Buchherstellung. I 3 : 22.
Buchillustration. I 3:117, 122/7.
Buchmalerei. I 3 : 30.
Buchner, Hans (Meister Hans v.
Konstanz). I 10:69.
Buchstaben. I 3 : 134.
Buchta, R. IV 5:519.
Buchwald, G. II 1 : 139.
Buchwesen. I 3. —
Bück, Mich. IV 2b: 300/3.
Bücherausstellung. I 3 : 4^6.
Bücherentleihgeselze. I 3:280.
Bücherkataloge. I 3:216, 267.
Bücherlexikon. I 3 : 194/5.
Büchersammler. I 3 : 285, 294, 392.
Bücherschmuck. 13:114-27,180.
Bücher verböte. I 3:415.
Bücherversteigerungen. I 3 : 215,
289-91, 388.
Bücherverzeichnis. I 3 : 188-93, 300.
Bücherzeichen (s. auch Ex-libris). I
3:111, 336-52.
Büchmann, G. IV 8d:42.
Büchner, L. IV 5 : 49-51, 139.
Bühel, Hans vom. 112: 222.
Bühne s. Schauspiel, Theater
Bühneneinrichtung. III 4 : 6.
Bühnensprache. I 7 : 93.
Bühnenstücke, Kathol. I 3 : 225.
Bülow, Frieda v. IV 3 : 546.
— Fr. W. v. Dennewitz, General.
IV 1 b : 167, 173/4.
— Gabriele v. IV 1 b : 237, 403; 1 c : 21.
— Hans v. I 10 : 200-29 ; IV 1 c : 59-60,
66: 2b: 46; 5:571.
— Hein. v. IV 1 b : 237, 327.
Bünderlin, Joh. II 6:271.
Bürger, Auguste (Molly), geb. Leonhart.
IV 2a: 98, 111, 116.
— Dorette, geb. Leonhart. IV 2a : 98,
116.
— Elise, geb. Hahn. IV 2 a : 98, 106,
108.
— G. A. 16: 104; 7:19, 202a; 11:33;
IV ld: 3; 2a: 21, 73-124; 3:20;
8b: 58; 8o:8; 9:52/3, 77.
Denkmal. IV 2a : 109- 10a.
Bürgerkunde. I 4 : 522.
Bürgerschule siehe Schulen.
Bürgertum. I 4 : 11, 15, 31/2.
Büsching, J. G. IV 5 : 560; 10 : 41.
Bugenhagen, J. I 12 : 172; II 6 : 60, 85,
155/6.
Bulthaupt, H. IV 2b: 359.
Bulwer, J. IV 3 : 268.
— Lord L. IV 8 d : 29.
Bunsen, Chr. K. Josias Frhr. v. rV
1b:233; 2a: 141; 5:352.
Bunyan, J. IV ld: 1.
Bunzlau. I 4 : 179.
Buondelmonti, Ipolito. 111: 38.
Burckhardt (Familie). I 4 : 457.
— Jak. I 1 : 46.
Burdach, K. II 1 : 72.
Burgen. I 4 : 335, 389, 396; 9 : 371/2.
Burger, Ant. I 9 : 277/9.
Burgverliess. IV 3 : 16.
Burgi, Jost. I 9 : 455.
Burgkmair, Hans, d. J. 13: 337/8;
9 : 199.
Bursa animi. I 12 : 11.
Burschenschaft. I 12 : 160/5.
Burschensprache. I 12 : 169.
Busch, Wilh. I 9 : 342; IV 1 a : 27.
Busche, Herrn, v. d. II 7 : 32.
Busi, Ipolito. III 2 : 6.
Busse, C. IV 1 a : 14 ; 2 b : 386/7 ; 5 : 652.
Butzbach. I 4 : 199.
Buxtorf, J. HI 5 : 1.
Byron, Lord. IV lo : 58; 5 : 128, 465,
634; 8b: 21, 61; 8e:96, 124.
Caballero, Fernan. IV la: 38.
Caesar. 13:1.
Cäsur. 18:1, 12, 23, 27, 31.
Cagliostro, B. I 4 : 146; IV 8e : 62/3.
Calame, AI. 19: 274.
Calderon de a Barca, P. IV 1 d : 64 ;
8e:75.
Calixt, G. III 5 : 1.
Callenbach, F. I 8 : 30; HI 4 : 22.
Callot, J. IV 10 : 82.
Calvin, J. II 6 : 161, 238; IU 5 : 1.
Calvinisten. II 1 : 112.
(4)36
Sachregister,
Calvisius, Seth. I 10:87.
Calvör, K. 13; 270.
Camerarins, J. II 7 : 7.
Cainmerlander, J. II 3 : 7.
Campanella, Th. 111:2.
Campe, J. H. I 6 : 04 ; 7 : 21 ; 12 : 43/5 ;
IV 3:78; 7:26; 9: 176.
Campeggio, L. II 1 : 17.
Canisins, P. II 1:16; 6 : 39, 45/6.
Canitz, F. R. v. 18: 30; IV 1 a : 18.
Cantiuncula, CI. II 7 : 2.
Capito, W. II 6:194; 7:28.
Caprivi, L. Graf. IV 5 : 592.
Cardillac, R. IV 10 : 82.
Careno, Teresa. I 10 : 275.
Carlstadt, A. R. II 6 : 156, 18-»a.
Carlyle, Th. IV 1 b : 20; 3 : 255 ; 8 d : 36.
Carmen Sylva, Königin v. Rumänien.
IV lb:377; lc: 9, 26; 3:499-501;
5:65.
Carmina academica. IV 2 b : 456.
Carolina Augusta, Kaiserin v. Oester-
reich. IV lb : 385.
Carpzow, J. B. I 5 : 139; III 5 : 50.
Carriere, M. IV 1 c : 93 ; 5 : 188.
Cartesianer. III 5 : 57.
Casati, Alfonso. III 1 : 107.
— Girolamo. III 1 : 107.
Caspari, K. IV 6 : 301/3.
Castagna, G. B. II 1 : 15.
Cato. 1 12 : 7.
Cats, J. III 4 : 24.
Catull. 13:1.
Cauer, R. I 9 : 353.
Censnr. I 3 : 63, 104, 417, 425; 4 : 89;
IV 2a: 21; 2b: 132, 156; 5 : 86.
Cervantes, M. I 11 : 49.
Chabrier, E. I 10 : 62.
Chamisso, A. v. I 1 : 22; 6 : 104, 136;
IV 3: 103; 10: 1, 74-82.
Chapelain, J. IV 1 d : 13.
Chardin, Chevalier. IV 8 c : 46.
Charron, P. III 5 : 1.
Chasot (General). IV lb : 35, 52/3.
Chenier, A. IV Id :17 a.
Cherbury s. Herbert.
Chezy, Helmina v. IV 2b : 1, 102/3;
10 : 113.
Chiavacei, V. IV 3 : 465.
Chicago. I 9 : 429-30, 433.
Chiffern. I 3 : 117.
Chillingworth, W. III 5 : 1.
Chinesentum. 14:5.
Chilori, D. I 3 : 325.
Chodowieoki, D. IV 3:310.
Cholevius, L. IV 8d : 4.
Chrestien de Troyes. IV ld: 11.
Christ, J. Fr. IV 1 c : 78.
Christen, Ada. IV 2b: 177; 3:533.
Christentum. III 5 : 1.
— Franziskanisches. III 5 : 1.
Christian d. J., Fürst v. Anhalt-Bern-
burg. III 1:188.
— IV., König v. Dänemark. III 1 : 14.
— Friedrich, Herzog v. Augustenburg.
IV 9:31.
Christoph, Herzog v. Mecklenburg
(Koadjutor). II 2 : 46.
v. Württemberg. I 12:11.
Chroniken. I 3 : 30/1, 114 ; II 1 : 29; 3:
48/8 a, 61; IV 3:217.
Chryseus, J. II 5 : 98.
Chur. I 9 : 470.
Cicero. I 3 : 1; 12 : 24; HI 5 : 1.
Cisterzienser. I 12 : 147.
Citatensammlungen. I 1:91/5; IV 2b:
529-36.
Civilisation. 14:7.
Claar, E. IV 2b: 369.
Clairobscur-Druck. I 9:204.
Clajus, J. I 7:11; II 5:39-40.
Clarendon-Press. I 3 : 86.
Claudius, M. I 6 : 104, 128 ; IV 1 a : 37 ;
lc:17; ld:3; 2a:71/2; 3:51/5.
Clauren, H. (= Heun). IV 10 : 125.
Clausevitz, K. v. IV 5 : 380.
Clausius. IV 2a: 21.
Clavijo, J. IV 8e:25.
Clodius. IV 8c: 19.
— C. A. H. IV 3 : 24.
Clüver, Ph. 14: 464.
Cocay, J. 17: 14.
Coccius, H. II 6:245.
Cochlaeus, J. II 1 : 87; 6: 123.
Coloma, B. L. IV 1 a : 38.
Colines, Simon de (Verleger). I 3 : 77.
Collin, J. IV 8 e : 109.
Columbus- Ausstellung. I 3 : 27.
Columbus-Bibliographie. I 3:150.
Comenius, A. I 12:15-23, 175, 181,
200; IV lb:233.
Feier. I 12:20.
Litteratur. I 12:19.
Como, Kardinal v. II 1 : 15.
Company of stationers of London. I 3 :
386.
Conches, W. v. II 3 : 7.
Conrad, M. G. IV la: 16; 3 : 310.
Conradi, H. IV 2b: 383.
Conrady, E. v. IV 3 : 233.
Conring, H. III 5 : 1.
Consciruco, H. IV ld: 65.
Constant, B. IV 9:101.
Contractus, H. I 12 : 87.
Contessa, K. W. IV 10 : 82.
Conz, K. Ph. IV 10:118.
Cooper, J. F. IV 3:403 a.
Coornhert, D. III 5:1.
Cordus, Eur. II 7 : 29-30.
Corneille, P. III 4 : 24; IV 1 c : 93.
Cornelius, P. (Komponist). I 10:57;
IV 1c: 58; 2b: 46.
— P. v. (Maler). I 9:20, 44, 267;
IV 5 : 398.
Corpus scriptorum ecclesiasticorum. I
3:1.
Corrodi, A. IV la : 43.
Cotta, J. G. IV 8b: 2; 9:14.
Cottasche Karten-Almanache. I 3 : 52.
Coulin, A. J. 111: 38.
Court, A. III 1 : 170.
Crambambuli, Lied vom. IV 2a: 19.
Cramer, J. A. IV lc : 78; 5 : 9.
— K. G. IV 3 : 16.
Cranach, L. d. Ae. 13: 337/8, 341 ; 9 :
84, 208/9; 12: 104; II 6:51.
Crane, W. I 9 : 431.
Cranz, A. F. IV 3 : 1.
Creizenach, W. II 4a: 16.
Creuz, F. K. Kas. v. IV 2a : 30a; 5 :
7, 224.
Creuzer, G. Frd. IV 10 : 61, 63/4.
Crispi, F. IV 1 b : 285.
Croissant-Rust, Anna. IV 1 a : 16 ; 3 :
543/4.
Cromwell, 0. I 11 : 26.
Cronegk, J. F. Frhr. v. I 8 : 30.
Cruciger, K. II 6 : 156.
Crusianer. I 12 : 145.
Crusius, Ph. IV la: 11.
Curtius, E. I 6 : 29, 104 ; IV 5 : 404/8.
— G. IV 5 : 398.
Czerny, K. IV 1 C : 58.
Dahlen. I 9 : 165.
Dahlmann, K. F. IV la : 6; lb : 191 ;
5 : 563.
Dahn, F. I 6:117/8; IV lc: 13, 52,
53;3a; 2a :1; 2b : 336/7; 3:10,
195/7; 5:558.
— Therese. IV 1c:52.
Daktylus. I 8 : 1/2, 13, 16, 23, 25/7.
Dalberg, J. v. II 7 : 7.
— K. Th. v. IV las 36; 5:345.
Danneker, Frau. IV 9 : 35.
Danse macabre s. Totentänze.
Dante. IV 1c: 68, 77; 3:27.
Dantebibliothek. I 3:321.
Danzel, Th. W. 1115:72/3; IV lc:
60; 5:398.
Danzig. I 4 : 274/5 a; 9:413.
Darbes, F. IV 2a: 152.
Darjes. IV 5:601.
Darmesteter. I 7 : 138.
Darwin, Ch. IV 5 : 65, 149.
Daudet, A. IV 1 c : 60.
Daum, Chr. III 5:51/2.
Daumen halten. I 7 : 159.
Daumer, F. IV 5:558.
Dann, Feldmarschall. I 9:223.
David, J. J. IV 2b: 377.
Davout, L. N., Marschall v. IV lb:
138, 174.
Dawidowsky, F. IV 3 : 436.
Dawison, B. IV lc:58, 93; 2b: 46.
Daxelhofen (Hauptmann). IV 2b: 220.
Dee, J. 14: 143.
Deecke, E. IV lb:134.
Defoe, D. III 3:11/5; IV 3:10.
Defregger, Fr. I 9 : 19, 337.
Dehmel, R. IV 2b: 384/5.
Dejaure (Komponist). IV8d:27.
Deinhardstein, J. L. II 4 b : 108/9; IV
2b: 1, 119; 10:68.
Deisinger, U. I 11 : 29; II 4b : 80.
Deismus. III 6 : 1, 33.
Deklamationsstücke. IV 2b : 537/8.
Delaroche, P. 19: 20.
Delphi. IV 8e:55.
Demant, Chrph. I 12:14.
Demetrius. I 11 : 23.
Denck, J. III 5 : 1.
Denis, J. N. CM. IV 2a: 61.
Denk, J. II 6 : 16.
Denkmäler. I 9 : 118-20; III 1 : 146.
Denkwürdigkeiten. III 1 : 151.
Denzinger, F. J. v. I 9 : 389.
Derfflinger, G. III 1 : 142.
De Sanctis, Fr. IV 1 c : 93.
Descartes, R. III 5 : 1.
Des Periers, B. IV 8 c : 33.
Detroit, Elvira IV 2 b : 46.
Deutsch im Unterricht. 112: 22/3, 71,
89, 93, 95, 187. 195, 201, 204, 214.
Deutsche Treue I 4 : 112 a.
Deutschland. I 4 : 269-72; IV 2b : 2.
Deutschtum. IV 2b : 113/6, 149-50;
7: 24.
— in d. Ostfeeprovinzen. IV 2b :
226-37.
Deyra, F., Graf. IV lb:5.
Devrient, Ed. IV 1 c : 59, 66.
— Ludw. IV 10:82.
— 0. IV 8a: 107.
Dialekt s. Mundarten.
Dialektdichtung. IV 2b : 84/6, 92/3, 95,
193/9, 284-3U9; 3 : 231-67.
Dialog. II 4a: 17.
Dichter, norddeutsche. I 6 : 134.
— österreichische. I 6 : 133/4.
— süddeutsche. I 6 : 134.
Dichteralbum, Internationales. IV 2b :
314.
Dichterinnen. IV 2b: 174-81, 397-406.
Dichtung, christliche. IV 2 b : 480.
— orientalische. IV 2b : 28-30.
— politische. I 1 : 22; IV 2b : 156, 161.
— socialistische. IV 2b : 237, 408,
410/1.
— symbolische. IV 2b : 405.
— tendenziöse. IV 2b : 3.
— vaterländische. IV 2b : 53, 466-74.
Dichtungsgattungen. I 6 : 126, 142.
Dickens, Ch. IV 1 c : 60; 3 : 10, 208.
Dictionary of national biography. IV
ld: 1.
Diderot, D. IV 1 d : 1 ; 10 : 82.
Didaktik. II 5. — III 5. - IV 5.
Diebsglauben. I 5 : 136.
Diesterweg, J. W. A. I 6 : 94; 12 : 70.
Dieterich. IV 2a : 102/3.
Dietrich (Goldschmied). I 9 : 453.
— V. II 6 : 155.
— v. Bern. I 3 : 1C6.
Dietz,'A. IV 8a: 25.
Dietzsch, E. IV la: 44.
Diez, Fr. 12: 19-35; IV 1 c : 73/4; 5 :
430/7, 440.
— R. 19: 350.
Dilettantismus. I 9 : 438; IV 5 : 147,
398.
Dilherr, J. M. III 2 : 22.
Dillingen. I 9 : 135; II 1: 15.
Dillmann, Aug. IV 5 : 410.
Dilthey, W. II 1 : 74; IV 7 : 22.
Dincklage, Eramy v. IV 3 : 534.
Dingelstedt, Fr. IV 1 a : 6 ; 1 c : 13, 58,
60, 66; 2b: 46.
Diplomatik. 13:3.
Dipodien. I 8 : 12.
Dirnböck, J. IV 2b : 112.
Disputationen. I 3 : 165/6; 12 : 98, 153,
193.
Disputationshändler. 13:361.
Distel, K. II 5: 14; 6:44.
Dithmar (Familie). I 4 : 458.
Docen, B. J. IV 10 : 41.
Doebbelin, Th. IV 9 : 85.
Döderlein, L. Ch. W. IV 5 : 398.
Döhnert. IV 2a : 2t.
Döllinger, I. v. IV 5 : 361/3, 558.
Doelsch, J. II 6 : 169.
Döring, J. v. IV 2a: 112.
Dörpfeld, Fr. W. I 6 : 94; 12 : 80/5.
Dörr, Fr. IV 1 a : 37.
Donein, C. 19: 362.
Dogmenkritik. III 5 : 1.
Dohme, R. I 9 : 400/1.
Dohna, Graf. IV 1 b : 137.
Doktorpromotion. I 12 : 153.
Doktrinale. II 7 : 16.
Domanig, K. IV 3 : 585.
Dominikaner 1 4 : 411; 12 : 145.
Dominikus, J. IV la : 32; 5 : 345.
Sachregister.
Donaueschingen. 19:413.
Donebauer, F. 110: 2/3.
Don Jnan. III 4 : 29.
Donner, J. 0. E. IV 8d : 35.
Don Quixote IV 3 : 232.
Dop. IV lb:62f.
Dorat, C. IV tc : 40/1.
Dore, G. IV l c : 65.
Dorer, E. IV 2b : 267; 5 : 461/8.
Dorfgeschichte. IV 3 : 183/9.
Dorfschnlruatrikel. I 12 : 236.
Dorfschulwesen. I 12 : 231, 236/7, 213.
(S. auch Volksschnlwesen.)
Dorgelo, II. I 12 : 7.
Dornavius, K. II ö : 95.
Dornröschen. I 5 : 238; 11 : 26.
Dorsch, E. IV 1 a : 44.
Dortmund. I 9 : 146.
Dostojewski, F. IV la : 21; 3 : 10.
Dove, A. IV lb:l; 3:586.
Drachen. I 5 : 198.
Drachenfels. I 4 : 373.
Drachmann, H. I 5: 263.
Drama. II 4. III 4. IV 8 e. — I 6 : 40/6,
68, 130, 133/4, 136. (S. auch Schau-
spiel, Theater.)
— bürgerliches. IV 9 : 176.
— französisches. I 6 : 126.
— humanistisches. I 3 : 149.
— lateinisches. I 3 : 149.
— phantastisches. IV 10:1.
Dramatik. I 6 : 40.
Dramatisches in d. Musik. I 10 : 60, 158.
Dramaturgie. IV 6 : 32.
Dramenschlüsse. IV 9 : 83.
Dranmor. IV la: 43.
Drechsel, J. de Nurenberga. I 3 : 70.
Dreikönigsbrauch, Nürnberger. I 3 : 70.
Dreisinger, H. II 2 : 33.
Drescher, K. II 4b : 74.
Dresden. I 4 : 326; 9 : 31/2, 105, 364 b,
462/3.
Dreyer, M. IV la: 16.
Droste-Hülshoff, Annette v. IV la:6,
12; lc:46, 52; 2b : 37; 3:42,472/3.
Droysen, J. G. II 1:10; IV la:6;
1b: 50; 1c: 1.
Druck, ältester. I 3 : 105. (S. auch Buch-
druck.)
Druckereien. I 3 : 79.
Druckermarken. I 3 : 66, 69, 71 75,
109-13.
Druckerrerantwortlichkeit. I 3 : 426.
Druckschrift. I 3 : 128-37.
Drucksprache. I 7 : fi, 7.
Drucktypen. I 3 : 117.
Druiden. III 5 : 81/6.
Du Bois-Reymond, E. IV 10 : 76.
Dübi, II. IV 5 : 401 a.
Dühr, A. IV 3 : 261/5.
Dühring, E. IV 5 : 42, 113, 558.
Düntzer, H. IV 1 b : 439; lc:60.
Dürbach, Anna Luise, s. Anna Luise
Karsch.
Dürer, A. I 3 : 337/8; 9 : 84, 169-90,
333, 397, 417; II 1:1, 140, 142;
6 : 200/2.
Dürow, J. v. IV 3 : 547.
Düsseldorf. I 7 : 46; 9 : 143.
Dnifhuis, H. III 5 : 1.
Duisburg. I 4 : 339.
Dulon (Pastor). IV 5 : 249.
Dumeiz (Domdechant). IV 3 : 59 ; 8 b : 25.
Dnmouriez, Ch. F. IV lc : 17.
Duncker, M. IV 1 b : 2/3, 191.
Durchdenbach, J. II 6 : 64.
Duyse, P. van. IV 1 d : 65.
Dy By, Familie. I 4 : 128; IV 3 : 39.
Kbeling, Fr. W. IV 3 : 19.
Ebenau, K. IV 1 c : 73.
Eber, P. II 1:140; 6:15t).
Eberhard, A. G. IV 3 : 177/8.
— L. H 6 : 137.
Eberle, Chr. G. II 6 : 58.
Eberlein, G. IV 2b: 376.
Ebers, G. IV 1 a: 20; 1 c : 54: Id : 3;
3 : 198-206, 579.
Ebert, J. A. IV 5 : 9.
Ebner-Eschenbach, Marie v. IV 1 a : 20,
39; 2b: 111,174/5; 3: 10,480,508-13,
579.
„Ecce! Schubart v. Ala". IV 2a: 130.
Eck, L. v. U 7 : 33.
Eckart (Familie). I 4 : 456.
Eckensteher. I 4 : 263 a.
Eckermann, J. P. IV lb:439; 1 c : 27.
Eckstein, E. IV 1 a : 20; 3 : 587.
Edda. I 6 : 130.
Edelsheim, G. L. Frhr. v. IV l b : 75.
Eder, G. II 1 : 15.
— (Verleger). II 1:87.
Edler, K. E. IV la:39.
Egelhaaf, G. II 1: 11.
Eggers, Fr. IV lc:50; 3:278.
Eggert, Ed. IV 2b: : 451.
Egidy, M. v. IV 5 : 558, 657-60.
Egl, St. III 4 : 2.
Egloffstein, v. (Familie). I 4 : 445.
Egranus, J. S. II 6: 182 a.
Ehe. I 4 : 16.
— u. Liebe. II 5:110.
— -Litteratur. II 3 : 37.
Ehrhard, H. IV 3 : 402.
Eichelin, W. III 4 : 5.
Eichendorff, J. v. I 6 : 104 ; IV 1 c : 50,
65, 87; 10:1, 91/2.
Eichhorn, J. 13:61.
— J. G. IV la : 34; 5:289, 354, 558.
Eichrodt (Hauptmann). IV lb:325.
— L. IV 2b : 259-62.
Eichsfeld. II 1 : 51.
Eichstädt. I 9: 131; IV 8b: 2.
Eierlesen zu Ostern. I 5 : 67.
Eierspiele z. Osterzeit. I 4:31a.
Eigennamen als Gattungsnamen. I
4: 18.
— (s. auch Vornamen). I 5 : 399, 406.
Einbeck. I 4:237, 310a.
Einem, Charlotte v. IV 2a: 65; 3:42.
Eingemauerte. 15:1.
Einsiedler u. Engel. I 11 : 8.
Einspänniger. 1 4 : 258.
Einzug, Fürstlicher. I 4 : 44/4 a
Eisenach. I 4 : 411.
Eisenbahn. I 1 : 64.
Eisenhart, A. v. IV lb : 410; lc: 13.
Ekhof, K. IV 6 : 33.
Ekkehard. IV 3:217.
Elberfeld. I 4 : 190; 7 : 74; 9 : 143.
Elenson, A. III 4 : 19.
Eleonore, Herzogin v. Braunschweig.
IV lb:454.
Elgardus, N. R. II 1 : 15.
Eliot, George. IV lc:93.
Elisabeth, Königin v. Preussen. IV
lb:401.
— v. Schönau. IV 1 c : 77.
Elischer, R. IV Sa: 36.
Elsass-Lothringen. I 7 : 55/7; 9 : 140,
191.
Elster, K. IV la:21.
Elwert, A. IV 10:41.
— J. G. IV 9:14.
Emerson, R. IV 5 : 180.
Emmerich, Katharina. IV IOl: 55.
Eramy v. Württemberg. IV 1 b : 140.
Empfindsamkeit. IV 2 a : 65 ; 3:41.
Empirie. I 1 : 23.
Enciso, Don Ximenes de. IV 9 : 88.
Encke, J. F. IV 5 : 522.
Encyklopädisten. IV l c : 2.
Endrulat, B. F. J. IV 1 o : 50.
Engel, Ed. IV 3 : 589-90.
— J. J. I 6:128; IV 5:6, 652.
— K. III 4 : 26, 29.
Engelbach, G. 19: 296.
Engelhardt, Helene v. IV 1 a : 10.
Engelsgesänge. IV 2 b : 452.
Engstatt. I 9 : 166.
Enjambement. I 8 : 29, 33.
Enckendorf (Schloss). I 4 : 305.
Enkomien, ironische. II 5 : 95.
Enqueten. I 1 : 77.
Ensisheim. II 4a: 30.
Entwicklung, geistige. I 4:57-U0a.
Epiktet. IU 5 : 1.
Epistolographie, humanistische. II 7 : 2.
Epos. II 3. IU 3. IV 3. - I 6 : 16,
65, 107.
— Mittelalterliches. IV 3 : 328.
— Althochdeutsches u. mittelhoch-
deutsches. I 6 : 110.
— Höfisches. I 6 : 120.
— Komisches. IV 3 : 1, 32/8.
Erasmus, D. II 1 : 106, 140;' 5 : 95, 100;
6:23; 7:22/3, 32, 42; III 4:1; 5:1;
IV 3 : 59.
Erast, Th. II 6 : 246.
Erbauungsliteratur. II 2:2.
Erbunterthänigkeit. I 4 : 175/7.
Erdkunde. I 6 : 108-10.
Erdmann, E. E. IV 5:126.
— W. IV 1 c : 72.
Erfurt. I 4 : 320; 9 : 367.
Erk, L. I 5:299,319; 10:38; 112: 39.
Erkel, F. I 10:273.
Erläuterungsschriften. I 6 : 40/8, 50/5.
Ernesti, J. A. IV 1 o : 78.
Ernestianer. I 12:145.
Ernst, Herzog v. Schwaben. IV tO : 107.
— d. Fromme, Herzog v. Gotha. I 12 : 2 <.
— IL, Herzog v. Koburg-Gotha. IV
lb:222, 238, 444/8; lc:27.
— August Konstantin, Herzog v.Weimar.
IV ic:2.
— 0. IV 2b: 388.
Ernsthausen, A. E. v. IV 1 c : 23.
Erthal, Fr. L. v. IV 5:313/4.
Eryngk, H. I 9:4i3.
Erziehnngsideal d. Hofmanns. I 12 : 243.
Erziehungswesen. I 12. — Christlich-
deutsches. I 12 : 4.
Eschenmayer, Ch. A. v. IV 10: 118.
Eschenburg, J. I. IV2a:tl6; 3:65.
Esel in d. Litteratur. I 4 : 135.
Esmarch, R. IV 1 a : 37.
Essenwein, A. v. IV 5 : 424.
Esslair, F. IV lc:66.
Estherdramen. II 4a: 24.
Estiennes, Annalen d. 13: 77.
Ethik. T 1: 18, 33; IV 5:228-32.
Ethische Bewegung. IV 5 : 664-70.
Ethos d. Versfüsse u. Verse. I 8:26.
Ettal. I 9 : 127.
Eulenburg, Ph. Graf. IV 2b: 373.
Eulenspiegel. II 3 : 8/9 b, 11, 13, 15;
5- 121; III 3:3; IV 3:229.
Euripides. I 6 : 70; 11 : 1: IV 6 : 27;
8e:51, 124.
Eutin. I 4:306.
Evers, Fr. IV 1 a : 16.
Evrard. II 4a: 29.
Ewald, H. A. IV 5:591, 634.
Ex-libris (s. auch Bücherzeichen).
— I 3:316, 336-52; 9:211.
Exner, Ad. IV 5:473.
— Fr. I 12:67/8, 212.
Ester, Jnl. I 9 : 35.
Extra-Illustrationen. I 3 : 127.
Eyb, A. v. II 7 : 10/1.
Eyck, Jan van. I 9 : 188/9.
Eylert, R. F. IV 1 c : 82.
Eysell, Klara. IV 3 : 526.
Eythra. I 9:124.
Fabel. 16:105/7, 126, 140, 142; II
5:114/6; IV 2a: 61.
Faber, Felix. II 7 : 5.
Fabliaux. I 11:10.
Fabricins, Andr. II 5 : 28.
— Georg. II 7 : 6, 37.
— Jac. in 5 : 24.
— Joh Montanus. II 7:31.
Fahimer, Johanna. IV 8b: 49.
Faisst, Em. I 10 : 259.
Falb, Rud. IV 3 : 436, 447.
Falck, A. (Minister). IV lb:282.
Falieri, Marino. IV 9 : 176.
Falk, Adalb. IV 5 : 558.
Falke, D. I 11:50.
— G. IV 3:591.
Falkenegg. Baron t. IV 5:598a.
Falkland. III 5 : 1.
Fallmerayer, Ph. J. IV 5 : 352, 409.
Falstaff. IV 3:232.
Familienchroniken. I 4:2, 273.
Familiengeschichten. 14: 440-59 a.
Familiennamen. 14:17/8,20; 5:400,
407-12.
Familienroman. IV 3:12.
Farben. I 4:111a, 157.
Farbendruck. I 3:461.
Fastelabend. 14:26.
Fastnacht. I 4 : 33.
Fastnachtsbräuche. 15:40/1,62.
Fastnachtsspiele. II 4b: 52, £6, 72.
Faust, B. Chrph. III 3 : 5.
— Faustsage. Faustdichtung. 13:154;
4:83; 6:45; 11:21/2; U 3:38-42;
m 3:5; 4:25/8.
Faustausstellung. I 3: 154; II 3 : 42;
IV 8a: 25.
Faustbearbeitungen. I 3 : 155.
Faustbuch. I 3 : 155; 5 : 117; II 2: 33.
Fechner, H. Th. IV lb : 27; 5 : 226.
Feder, J. G. H. IV 5 : 224.
Federzeichnung. I 3 : 30.
Fehrs, J. H. IV l a : 38.
Feilner, Chrph. I 9 : 448.
Felbiger, J. y. I 12:70, 226, 231.
Feller, J. HI 5 : 51/2.
Fellinger, Joh. Gg. IV 2b: 112, 117.
Feiner, M. IV lb:131.
Sachregister.
Ferdinand I., Kaiser, II 7 : 40.
— Herzog v. Braunschweig. IV 1 b :
69 f.
— Albrecht v. Braunschweig. III 4 : 19.
Fergusson, J. 19:7.
Ferreri, Zachar. II 6 : 62.
Festzeiten. I 4: 29-30 a. 33/5 a.
Fenchtersleben, E. v. IV 2b: 127.
Feuerbach, A. I 9 : 19, 16, 276.
— L. IV lc:93; 5:182, 233.
Feuerbestattung. 14: 23a.
Feuerordnung. I 4 : 259.
Feuersegen. I 5 : 125/6.
Feuillet, 0. IV 1 d : 4.
Feyerabend (Buchhändler). I 3 : 361.
Fibel. I 6:94; II 5:37.
Fichte, J. G. I 12 : 99, 163; IV
lb:144f., 191; ld:3; 5:110/3, 140,
228, 352, 558, 601, 652; IV ob: 13;
8e:65; 9:31; 10:1.
Fielding, H. IV td:63; 3:6/7.
Fignralgesang. I 10 : 73.
Fieltsch, Eng. IV 8a: 42.
Finck, F. A. v. IV 1 b : 67.
Finckenstein, Finck v. IV 1 b S 402.
Fircks, K. v. IV la: 10, 42; 2b : 235.
Firdosi. IV 2b: 28-30.
Firks, Alma v. IV 2b: 51.
Firmenschilder. I 7:207.
Fischart, Joh. 111:15,112; 3:31/7;
5 : 86-97.
Fischer, Alex. IV la:10.
— Chrph. Andr. II 1 : 24.
— Kuno. I 2:56; IV 5; 194/9; 8e:46,
58, 80.
— W. G. IV 3:1.
— v. Erlach, J. B. 19: 222.
Fischerlieder. IV 2b: 515.
Fitger, A. IV 1 c : 66 ; 2 b : 312, 360.
Flachsland, Karoline (s. auch Herder).
IV 8e:30.
Flacius, M. III 5: 1.
Flaischlen, C. IV 1 a : 16 ; 3 : 650.
Flaubert, G. IV 5 : 463.
Fleming, P. III 2:13, 27; IV la: 10,
42.
Fletcher, J. I 11:49; III 4:7; IV
9 : 158.
Flintzer, H. IV 1 b : 441.
Florido. IV 2a: 21.
Flötner, P. I 9:199.
Flotow, F. t. I 10:196.
Flottwell, C. Chrn. III 5 : 76.
Flugschriften. I 3 : 271.
Flurnamen. I 4 : 177 a; 5 : 425/6.
Flussmann. I 5 : 424.
Folklore (s. auch Volkskunde). I 5 : 22;
IV 10:41.
Folien, A. A. IV Je: 73.
— K. IV 3:109; 5:427.
Folter. I 4 : 106.
Fonk. I 4 : 106.
Fontane, Th. IV 1 a : 20; 1 c : 49-50, 76 ;
3:10, 20, 297-303; 10:82.
Forer, Laur. II 1 : 87.
Form. 19:9.
Formenlehre I 7 : 109-12.
Formey, J. H. 8. IV 5:224.
Formschneider I 3 : 114; 9 : 414/6.
Formulare u. deutsch. Ehetorica. II
6 : 65.
Forster, Gg. IV 1 c : 88/9, 93; 2a : 132;
5:22/7; 8a: 29.
— Joh. II 6 : 195/6.
Forstwesen. I 4 : 180.
Fortunatus. III 3:4; 4:3.
Foscolo, Ugo. IV 8a: 90; 8b: 18;
8d:32.
Fouque, F. de la Motte. II 4b: 71;
IV 1 c : 50; 3 : 99; 10 : 1, 71/3, 82, 103.
Fourier, F. M. Ch. IV 3 : 14.
Fränkel, S. 111:5.
Frakturschrift. I 3 : 132/3.
Franchetti, A. I 10 : 62.
Franciscus Pipinus. IV 9 : 67.
Franck, Seb. II 3 : 43; 4 b : 75; 5:5/8,
59-50, 127; III 5 : 1.
Francke, Aug. Herrn. I 12 : 28, 129,
227; III 5 : 32/3, 63.
— H. G. B. IV 2a: 111.
Franckenstein, E. A. Frhr. t. IV 1 b :
319.
Francois, Louise Marie v. IV 3 : 474-83;
8a: 108.
Francquet, E. v. 19: 30.
Frank, D. v. IV 5 : 254/8.
— Ulrich. IV 3 : 546.
Frankenstein, Chr. III 5 : 51/2.
Frankenthal. I 4 : 372.
Frankfurt a. M. 1 4:90, 333/3 a; 6:
78; IV 8d: 4.
Frankh. Luise. IV 9 : 35.
Frankl, L. A. v. IV 2b: 111, 163/5.
Frankreich. I 1 : 48/9; 4 : 86, 127/8; IV
1 d : 2-20.
Fransecki, F. v. IV 1 b : 311.
Frantzen, J. J. A. A. II 5 : 90.
Franz I., Kaiser. IV 10 : 12.
— IL, Kaiser. IV 1 b : 189, 384.
— L, König v. Frankreich. I 3 : 20.
— IL, Räköczy. III 1 : 126.
— Joseph, Kaiser v. Oesterreich. IV
lc:8.
— Rob. I 10: 198/9; IV 1 c : 68.
Franzos, K. E. IV la : 20; 3 : 579.
Frapan, Ilse. IV 3 : 525/6.
Frau, D. weisse. I 5 : 15, 183.
Frauenarbeit. I 9 : 442.
Frauenberg. I 9 : 149.
Frauenbildung. I 12 : 241; IV 2a • 29.
Frauenchiemsee. I 4 : 406.
Frauendichtung. IV 2b 174-181.
Frauenfrage. I 4 : 479-98 a.
Frecht, M. II 6 : 156.
Freiberger, Joh. II 5: 12; 6 : 45.
Freiburg i. B. 19: 139, 196.
Freidanks Bescheidenheit. IV 1 d : 3.
Freienwalde. I 4 : 300.
Freiheitsdiohtung. IV 2b: 117/8, 139.
Freiheitskämpfer. IV 3 : 92.
Freiligrath, F. I 1:22; IV la:6;
lc:44, 47; 2b: 39-42; 3: 367; 6:
39; 10:113.
Freimaurerei. I 4 : 91/6; IV 2a : 116.
Freischütz, D. IV 3 : 109.
Freiwaldau. I 4 : 194.
Fremdwörter. I 6 : 30, 140; 7 : 17,
167-200; II 1 : 112; IV 5 : 627.
Frensdorff, F. IV 1 b : 21.
Frenzel, K. IV 3 : 566.
Fresenius, A. IV 8 : 66.
Freudenstadt. I 4 : 354 a.
Freundschaftsschwärmerei. I 4 : 119.
Freycinet, Ch. L. de. 19: 401.
Freytag, G. I 1:22; 5:315; 6:40,
104, 117/8; 7:201; 12:201; IV la:
6; lb:3; lc:27, 60, 65/6; ld:3;
2b : 157; 3 : 10, 207-14, 480; 5 : 272,
397; 9:109.
— L. 16: 107, 117/8.
Frick, 0. I 6 : 40.
Frieden, ewiger. IV 5 : 398, 655/6, 663.
Friedensband. IV 2 a : 5.
Friederich, Matth. II 5 : 98.
Friederike Sophie Wilhelmine Mark-
gräfin v. Bayreuth. III 1:151.
Friederikenalbum (s. Friederike Brion).
IV 2b: 91.
Friedländer, Dav. IV 8d:9.
— Helene. IV 2b: 179.
Fridolin, Stephan. II 6:9.
Friedrich III., Kaiser. IV 1 b : 298,
359-63, 377, 410.
— IL, D. Gr., König v. Freussen. I 1 :
50; 4:95, 154; 9:240, 245/8, 263/5,
267; 10:251; 1115:80; IV 1 b : 10,
23-85, 403; lc:l, 2, 68; 2a:21, 37;
3:255; 6:68, 224.
— König v. Württemberg. I 12 : 150;
5 : 476.
— III., Kurfürst v. Brandenburg. III
5 : 63/4.
— d. Weise, Kurfürst v. Sachsen. II
I: 152.
— Landgraf v. Hessen. IV 1 b : 452.
— August, König v. Sachsen. III 5 : 63 ;
IV 1b: 177; 2a: 11.
— Eugen, Herzog v. Württemberg. IV
lb:418; 9:35.
— Franz IL, Grossherzog v. Mecklen-
burg-Schwerin. IV 1 b : 456.
— Jacob, Landgraf v. Hessen-Homburg.
III 2 : 18.
— Wilhelm L, König t. Prenssen. I
4:105, 153; IV lb:18.
IL IV lb:91/2.
III., König v. Preussen. IV 1 a : 29 ;
lb:208, 226, 400, 402/3.
IV., König v. Preussen. IV lb: 191,
194, 222/3, 226, 227, 230, 257, 401;
2b: 26.
— — L, d. Gr., Kurfürst y. Branden-
burg. I 4:57, 67; 12:98; III 1 :
129-45, 200.
— Herzog y. Braunschweig. IV 1 b :
156/7.
Friedrich, Herzog y. Sachsen- Altenburg
(1596). I 3 : 60.
— Woldemar. I 9 : 346.
Friedrike Sophie Wilhelmine, Mark-
gräfin v. Bayreuth. III 1 : 151.
Fries, Augustin. I 3 : 111.
— J. F. IV 5 : 224, 238.
Friesen, K. Fr. I 12 : 160, 165.
Fritsch, K, E. 0. 19: 357, 373 b.
Fritzhans, Joh. II 6:213.
Frohen, Joh. IV 3 : 59.
Frobenius, Anr. II 1 : 15.
Froböse (Rektor). I 12:206.
Fröbel, Fr. IV 3 : 200; 5 : 530.
— Jul. I 10: 138; IV lb:214; 1 c : 66.
Frohschammer, J. IV 5 : 183/6, 238.
Frommel, E. IV 1 c : 85/6; 3 : 180.
Froschauer (Buchdrucker). I 3 : 111.
Froschiade, D. IV 3 : 1.
Froschmäusler, D. IV 3 : 1.
Frühlingsbräuche. I 5:44/9,63,82,84.
Frundsberg, G. y. II 1 : 64.
Frydag s. Theophilus.
Füger, Friedr. IV 3 : 63.
Führich, Jos. y. 19: 273.
— L. v. IV 5 : 467.
Fürbitte. I 4 : 101.
Fürstenberg, Franz. I 12:225.
— (Diplomat). IV 1 b : 55.
Fürstenerziehung. I 12 : 97.
Fürstenfeld. I 9 : 128.
Fürstenschule s. Schulen.
Fürstenwerth, L. II 1 : 35.
Füssener Frieden. III 1 : 128.
Fugen. I 10:92.
Fugger, D. 14: 194, 454.
— Graf Friedr. IV 2 b : 26.
Fuhse, F. I 9 : 169.
Fulda, L. IV 1a:20; 2b: 374; 3:559.
Funcke, 0. IV 5 : 294.
Funk, K. W. F. y. IV 9 : 33.
Furtmeyr, Perchtold. I 3 : 30/1.
Fuss im Volksglauben. I 5 : 103.
Fux, J. J. I 10 : 22.
Gabelsberger, F. X. 16:9, 15.
Gade, Niels W. I 10 : 197.
Gagern, H. y. IV 1 b : 191 ; 5 : 563.
Galanteria. III 5 : 2.
Galilei, Gal. III 5 : 1.
Gallait, L. 19: 20.
Gallmeyer, Josefine. IV 3 : 447.
Gallus, Joh. II 6 : 180.
Garcaeus (Pfarrer). I 4 : 13t ; III 1 : 18.
Garmisch. I 9 : 127.
Garnier, Claude. I 3 : 73.
Gartenbau. I 9:426/8.
Gartenlaube, D. IV 3 : 192.
Garwe, Chr. IV 5 : 224, 558.
Gasser, Hans. I 9 : 352.
Gaudeamus igitur. IV 2 a : 2 1 ; 2 b : 435/7.
Gaudy, F. L. H. W. v. IV 3 : 103/4;
10:82.
Gaunersprache. I 7 : 81, 87/8.
Gazette de la France. I 3 : 228.
Gebetbücher. I 3:148 a.
Geburtstagsgedichte. IV 2 a : 25.
Gedichte, Berliner. IV 2b: 416.
— Historische. 1 1 : 62.
— Neulateinische. IV 2a: 61.
— Niederdeutsche. III 2 : 2.
— Religiöse. IV 2b: 475-80.
Gedichtsammlungen. IV 2 b : 467-538.
Gedike, F. IV 1 a : 29.
Geffcken, J. IV 1 b : 363.
Gefühlsleben. I 4 : 116-23.
Gegenreformation. II 1 : 15, 42, 51, 87;
III 1:6, 15, 165, 159-64.
Geibel, E. I 6 : 104, 108/9; II 4 b : 71 ;
IVla:6; 1 c: 13,58, 66, 76; 2b:51/3,
64a, 57; 10:113.
— Johannes. IV 2b: 52.
— Paul. IV 2b: 86.
Geigenbau. I 10:32.
Geiger-Schauenberg, M. I 3:373.
Geisteswissenschaften. III 5 : 1.
Geizkofler, Luk. II 1 : 122; 6 : 39.
Gelaze. II 1 : 132/5.
Geld. I 4:122; 5:381.
Gelegenheitsgedichte. IV 2a : 25/8;
2b: 646.
Geliert, Chr. F. I 6:104, 128; 11:8;
12:216; IV lc:72, 78; 2a: 31, 61;
3:7; 5:2/5, 9, 34, 43, 630.
Geizer, H. IV 5 : 298/9.
Genast, E. IV 9 : 187.
Genöe, R. II 4b : 52, 56; IV 5: 444.
Genelli, B. IV 2b: 46.
Sachregister.
Genie. I 1 : 15.
Geniebriefe. IV 2 a : 67.
Genlis, Mme. de. IV 10:61.
Gennep, Jaspar v. 17:5.
Genealogie. I 4 : 447, 455.
Gentz, F. t. IV 1 b : 232 ; 5 : 600.
— H. IV 8b :1.
Georg, Herzog v. Sachsen. I 12: 144;
IV 1b:450.
— Markgraf v. Brandenburg. II 6 : 204.
Gerber, Chrn. IV 2a: 28.
Gerhardt, D. v., s. Gerhard v. Amyntor.
— P. I 6 : 104; II 6 : 163; III 2 : 144/5.
Gerlach, L. v. IV 1 c : 22 a/2b ; 5 : 558.'
Gerok, K. IV 1 c: 85; 2b: 58-60; 5:272.
Gerson, J. Ch. HI 5:1.
Gersoner Landavus. II 6:27.
Gerstaecker, F. IV 3 : 592.
Gerstenberg, Heinr. Wilh. IV 2 a : 26,
67; 3:44; 6:6.
Gervasius v. Tilbury. IV 9 : 67.
Gervinus, G. G. 12:18; IV la:6;
lb:5; lo:50, 6t^, 69/9a, 93; 2e:98;
5:15.
Gesang. I 8:1, 12/3; 10:73.
Gesangbuch. I 6 : 94 ; 10 : 40; II 2 : 7.
Gesangskunst. 110:19.
Gesangsmethoden. I 10 : 19.
Gesangschule. I 10 : 19.
Gesangsunterricht. I 10 : 46.
Geschichte. 11:50/7; 3:149: 6:97-100,
108-11, 117/8; 12:79; IV 2a: 1;
7 : 19.
Geschichtsforschung. III 5 : 41 ; IV
5 : 65, 324.
Geschichtslitteratur. I 3 : 176.
Geschichtsphilosophie. I 1:8-11; IV
5:224, 238 a, 398.
Geschichtsschreibung. II 1 : 77 ; 3: 43-63 ;
7:18, 20/1; in 5:40a/3.
Geschichtsunterricht. 112:53.
Geschmack. I 4 : 85 ; III 6 : 2.
Geselligkeit. I 4 : 511/3.
Gesellenwesen. 14:158.
Gesellschaft d, Alethophilen. III
5 : 72/3.
— Berlinische für deutsche Litt. I
3 : 275.
— Deutsche. I 12:23.
— Fruchtbringende. 17:15; 1115:3-10.
Gesellschaftsdramen. IVld:U.
Gesellschaftslieder. I 10 : 45 ; U 2 : 82 ;
7:40; IV 3:41.
Gesenius, W. I 12 : 129.
Gesetzessprache. I 7:187, 214/5.
Gesinnungsdichter. IV 2b: 156.
Gesner, Andr. I 3:111.
Gespenster. I 5 : 198.
Gespräch zwischen Gott u. d. mensch-
lichen Seele. II 4 a : 17.
Gespräche im Reiche d. Toten, D.
IV 3 : 33.
Gessler, F. IV 2b: 91.
— Graf Karl v. IV 2a: 132; 9:4.
Gessner, H. IV 3 : 62.
— Salomon. I 12:23; IV lc:72, 96;
3:62; 5:384.
Gesta Bomanorum. II 3:3.
Gesundheitswesen. I 4 : 250/7.
Gevatter Tod. I 11:30.
Gewerbe. I 4 : 199-205; 12 : 175.
Geyser, Chr. G. IV 3 : 63.
Gherardi, E. I 11:49.
Giesebrecht, L. I 10:126/7; 12:77;
IV 2b :57a.
— W. v. I 1:46; 6:104; IV 5:398.
Giesecke s. Schelter.
Giftmädchen, D. I 5 : 237.
Gigerl. I 7:146/7.
Gildemeister, 0. IV 5 : 590.
Giliberti. UI 4 : 29.
Gilm, H. v. IV 2b: 213.
Ginderich, Matth. II 6 : 207.
Giraldi, Lilio Gregorio. II 7:7.
Giseke, L. IV 5 : 9.
Gizycki, G. v. IV 5 : 672.
Gladbach. I 7 : 46.
Glagau, 0. IV 3:233.
Glapthorne, H. I 11 : 24; III 4 :8.
Glaser, Ad. IV 3 : 207, 566.
Glasmalerei. I 9 : 466-70.
Glassius, S. III 5 : 1.
Glauner, W. I 12 : 94.
Gleichen-Busswurm, Emilie v. IV 9 : 35.
Gleim, J. W. L. I 6:106; IV lc:40/1,
78; 2a : 1, 21, 23, 34-44, 116; 3:44;
5:9; 6:6; 8e:24.
Gl ei witz. I 9:121.
Gleyre, G. IV 1 o : 65.
Glinka, Mich. I 10:25.
Glocke. I 4:249a; 5:198; 10:52.
Glockenkunde. I 9 : 458/9.
Glockentaufe. IV 9:10.
Glockner, Thomas. I 3 : 89.
Glöckner, G. IV 3 : 356.
Glottau. I 9 : 149.
Gluck, C. W. v. I 10:60, 98; IV 2a: 54;
10:82.
Glück (Propst), m 1 : 157.
— J. L. F. I 10:114.
— u. Unglück. 15:1.
Glückwunschbrief. IV 2a: 50.
Gneisenau, N. v. IV lb:14, 161,
162/(5, 180; 1c: 31; 2a: 157.
Gneist, Eud. IV 1 b : 292.
Gnomisches. IV 2b: 529-36.
God save the King. IV2a:9-il.
Göben, A. v. IV 1 b : 310.
Goeckingk, L F. G. v. IV 2a: 116.
Goedeke, K. IV 2 a : 141 ; 3 : 1, 16, 78,
190; 8a: 69.
Görres, J, IV 1 c : 66; 1 d : 3; 5 : 114;
10:13, 41.
Görtz, Graf. IV 3 : 59.
Göschen, G. J. IV 9 : 33.
Goethe, Alma v. IV 8 h : 35.
— Aug. v. IV 1 c : 20, 27.
— Catharina Elisabeth IV 8a : 3,
8b : 3, 35, 38/9; 10:61.
— Christiane v. IV 8b : 2.
— Cornelie. IV2a:26; 8a : 25 ;8b:35a.
— Friedr. Georg. IV 8 b : 35.
— Hans Chrn. IV 8b : 35.
— Elisabeth. IV 8d : 4.
— Joh. Casp. IV 8h : 35; 8d : 4.
— J. W. v. IV 8. — I 1 : 22/3, 46, 49;
2:36; 6:32, 48, 70/7, 101, 108/9,
117/8, 128, 130, 133/5, 137, 142; 8 : 2,
12/3, 23/4,27,30,33; 10:5; 12:145;
II 4 b : 99-101 ; IV 1 a : 17, 21, 31, 33/4 ;
lb:75, 113, 386, 439; lc:4, 11, 13,
17, 20, 27, 32, 41/2, 50 58,60/1,65/6,
68, 72/3, 93, 96; 1 d : 3; 2a : 22, 26,
100, 126; 2b: 112, 126, 134, 138;
3:6/7,61, 215; 5:102/3, 139, 224,
238, 352, 354, 398, 442, 463, 489, 513,
536, 558, 600/1, 627, 647, 652; 6 : 16;
7:13, 15, 19, 21, 24; 9:4,9,31,83;
10 : 5, 9, 36, 41, 48, 61.
— Lyrik IV 8o. — I 6 : 31; IV 1 c : 93;
2a: 127; 8b: 32; 9:4. Adler u.
Taube IV 8 c : 8. Alexis u. Dora
IV 8c : 38. An d. Mond IV 8c : 9.
An Werther IV 8 c : 49. Aussöhnung
IV 8c : 49. Bürgerpflicht IV 8o : 51.
Cantate z. Beformationsjubiläum IV
8e : 2. Chinesisch-deutsche Jahres-
und Tageszeiten IV 8 c : 50. D. Gött-
liche IV 8c : 10, 32. Demoiselle
Schmehling IV 8c: 19. Deutscher
Pamass IV 8c : 12. Elegien IV
1 c : 96. Epigramme IV 5 : 224. Epi-
phanias IV 8 c : 25. Epilog zu Schillers
Glocke IV 8c: 43/4. Episteln IV
8c: 3. Erlkönig I 8 : 24 ; 8c: 13, 26.
Friederikenlieder IV 8 c : 20. Fischer
18:12. Ganymed IV 8c : 9-10.
Geheimnisse IV 8e:2. Gesang d.
Geister IV 8o: 9-10, 32. Grenzen
d. Menschheit IV 8 c : 10, 32. Hans
Sachsens poetische Sendung II 4b : 54 ;
IV 8b:4l; 8c: 4;8e:2. Harzreise
im Winter IV 5:345; 8c: 10, 32.
Heidenröslein IV 8c : 21. Ilmenau
IV 8c: 28-31; 9:75. Invektiven IV
8 c : 12. Kaiserin Marie Louise IV
la: 2. Karlsbader Gedichte v. 1810
IV 8c: 4; 8e:2. König v. Thule
I 1 : 49-50; 8c : 9. Künsters Erden-
wallen IV 5: 139. Künstlers Morgen-
lied IV 8c : 8. Legende IV 8c : 2, 4.
Leipziger Lieder IV 8c : 18. Letztes
Gedicht IV 8c : 51/3. Mahomets Ge-
sang IV 8c : 8, 23. Mailied IV 8c : 11.
Marienbader Elegie IV 8c : 49. Mas-
kenzug v. 1818 IV 8e:2. Meine
Göttin IV 8 c : 10, 32. Metamorphose
d. Pflanze IV 8 c : 30. Miedings Tod
IV 8b: 41; 8c: 4; 8e : 2. Mignon
IV 8c : 9. Müllerin Verrath IV
1 c : 74. Musen u. Grazien in d. Mark
IV 8 c • 12, 39. Neuer Alkinoos IV
10:9. Parabel IV 8c. 4; 8e : 2.
Pindar IV 8 c : 8. Prometheus IV
8 c : 9, 32. Pseudogoethesche Gedichte
IV 8c: 1/2. Sänger 18: 31; 8c: 27.
Seefahrt IV 8 c : 10. Sprache IV
8o : 8. Sprüohe IV 8o : 42. Trilo-
gie d. Leidenschaft. IV 8 c : 49. War'
nicht d. Auge sonnenhaft IV 8c: 41.
Wandelnde Glocke IV 9 c : 45. Wan-
derers Sturmlied IV 8c : 9, 11, 32.
West-östl. Divan IV 9c: 46. Will-
kommen u. Abschied IV 8c: 11. Xenien
IV 8c : 12, 35/8, 48. Zueignung IV
8c: 33.
Goethe, J.W.v. Epos IV 8d.— Falke IV 8e :
32/3. Guten Weiher IV8d: 3, 40. Her-
mann u. Dorothea I 6 : 16, 47, 75/6, 128 ;
IV 3 : 45; 5 : 605; 8b : 2, 39; 8d : 4-21.
Märchen IV 8 d : 39. Novelle IV
8 d : 3, 4 1 . Beineke Fuchs IV 8 d : 38.
Unterhaltungen deutscher Ausgewan-
derter IV 8d : 3. Wahlverwandt-
schaften IV 8b : 33; 8d : 42. Werther
IV le : 17, 27, 41/2, 58, 60,96: 3:41;
8b : 20; 8d : 22-32. Wilhelm Meister
I 6: 134; IV lc : 17, 60; 5:377;
8c: 41; 8d:3, 29, 33/7; 10:7.
— Drama IV 8 e. - IV8h:32. Claudina
v. Villa Bella I 8 : 23; IV lc : 10.
Clavigo IV 8e:6, 13, 25/9. Egmont
I 6 : 73/4; IV 8e : 6, 37-43. Epime-
nides Erwachen IV 8 e : 67. Elpenor
IV 8 e : 36. Fastnachtspiele IV 8 e : 8.
Fautt I 2 : 36; 3 : 155; 6 : W/4, 45/6;
8 : 12; 12 : 222; II 3 : 38; IV lc : 27,
60, 93; 3:110; 5:128, 238, 398;
8b : 20, 61 ; 8c : 41 ; 8e : 6, 8, 68-125;
9:4, 166. Fischerin IV 8e:34/5.
Geschwister IV 8 e : f>. Götz I 6 : 128;
III: 62;ni5:80;IVla:2; lc:27;
2a: 116; 3:16, 60; 8b: 32; 8e : 6,
12-23, 25. Grosskophta IV 8e : b2/4.
Iphigenie auf Tanris I 6 : »19-72;
IV lc:96; 8c: 6, 44-55. Jahr-
marktsfest zu Plundersweilern IV
8e : 8. Laune d. Verliebten IV
lc:96; 8e :'6, 11. Mitschuldigen
IV 8e: 6. Natürliche Tochter IV
8 e : 6, 65. Neuste aus Plundersweilern
IV 3 : 69; 8e : 8. Pandora I 8 : 27.
Pantomimisches Ballett v. 1782. IV
8e : 2. Eequiem für d. Fürsten v.
Ligne IV 8e : 2. Satyros IV 8e : 24.
Schillers Totenfeier IV 8b : 43; 8 e : 2,
66; 9:11. Stella IV 5: 37; 8b : 49;
8e : 6, 30/1. Tasso I 8 : 23; 12 : 222;
II 1 : 78; IV lc: 96; 8b:50;8e:6,
56-61.
— Antikes Theater IV 8b: 14. Dich-
tung u. Wahrheit I 6 : 78; IV 8b: 23/7.
Campagne in Frankreich IV 8b: 28,
52. Farbenlehre I 2 : 36; IV 8a : 52; (.
Homerische Frage IV 8 b : 14. Italie-
nische Reise I 6:77; IV :8b: 14/6,
29-30. NachlassIV3:58. Paulinzelle
IV 8b : 1. Propyläen IV lc : 96.
Rameau IV 10 : 82. Schweizer Reise
IV 8b: 4. Tagebücher IV 8b: 1, 12.
Tag- u. Jahreshefte IV 8a-67 ; 8 b : 1.
— Ottilie v. IV lc:27.
Bibliothek. I 3:157/8.
— Bildnisse. I 9 : 255; IV 3 : 63 ; 8 a : 5,
21/2.
Biographien. IV 8b: 31/3.
Denkmäler. IV 8a: 11/7.
Erinnerungsstätten. IV 8a: 19-24.
Feier. IV 8a: 34.
Gedenktafel. IV 8a:7-t0.
Gesellschaften u. -Vereine. IV
8 a : 25-32, 35. England IV 8 a : 80/1.
Haus zu Frankfurt. IV 8a: 19,21.
— -Litteratur. I 3 : 159; IV 8a: 25, 74.
Museum. IV 8a : 16; 8b : 46.
National- Museum. IV 8a: 21.
Schiller- Archiv. I 3 : 36 n; U
4b: 54, 100; IV 8a: 29.
Götschen, Frau. IV 3 : 59.
Göttingen. I 4 : 309.
Göttinger Hainhund. IV 1 d : 3 ; 2a:
62/9; 3:41-63.
Göttling, K. III 4 : 8.
Götz v. Berlichingen. II 1 : 62/3.
— J. N. IV lc:39; 2a: 34, 45/6.
Goeze, J. M. IV 6 : 38.
Gogol, N. IV 3 : 10.
Gohlis. IV 9 : 18.
Goldencron (Stift). U 3 : 51.
Goldmarck, K. I 10 : 57.
Goldschmidt, A. v. IV 2 b : 190.
Goldschmiede. I 4 : 204/5; 9 : 190,
449-57.
Goldsmith, 0. IV 1 d : 62.
Sachregister.
Goltz, Bognmil. IV 1c: 50.
Goncourt, Ed. u. J. äe. IV 5 : 463.
Gontard, Snsette. IV 10 : 34.
Goslar. I 4 : 110, 259, 310.
Gossembrot, Sigism. I 3 : 268.
Gotha. I 9 : 413.
Gotter, F. W. IV 2a : 69; 5 : 459.
Gottfried v. Strassburg. I 6 : 107.
Gotthelf, Jer. IV 1 a : 43 ; 3 : 359-66,
402, 413.
Gottschall, E.V. IV 2b : 340; 3:573;
5 : 450.
Gottsched, J. Chrph. I 7:17, 185, 196,
202, 221; 8 : 30, 33; 12 : 22, 146;
1114:24; 5:51/2, 72-80; IVla:17;
lc:78; 2a: 33, 53; 3:22; 5:1,
224, 446.
— Wilhelmine Albertine. IV 1 a : 17.
Goulart, S. I 11 : 48.
Gounod, Ch I 10 : 193/6.
Grab auf d. Heide. IV 2b: 77, 81.
Grabbe, Chrn. D. IV 1c: 58; 9:52;
10 : 82.
Grabschriften. I 5 : 357/9.
Grabsteine. I 4 : 22 a.
Gracian, B. I 4 : 85; III 1 : 206; 5 : 2,
70, 70 a.
Graesse, J. G. Th. I 9 : 446.
Grammatik. 16:2, 19, 21/2, 120, 146;
7:102/8; 12: 27.
Grammatiker. I 7:11/2, 14/7, 19, 21.
Gramont, Herzog v. IV 1b': 240/1.
Gramsbergen, P. III 4 : 24.
Graphologie. I 3 : 40/7.
Grafs, K. Th. IV 1 a : 10.
Gratulationsgedichte. IV 2a: 27.
Grau, K. IV 5 : 259-31.
Graudenz. I 9 : 148.
Grauert, H. IV 1 b : 205, 416 b.
Grebel, K. III 5 : 1.
Greflinger, G. IV 10:41.
Gregor XIII , Papst. II 1:15.
— v. Tours. I 11 : 7.
Gregorovius, F. I 7:201; IVlc:67a/8;
2 b :66, 264; 5:366/8.
Greif, M. II 4 b : 52; IV 2 b : 358.
Greinz, R, H. IV 1 a : 40.
Grenzbegehung im Volksbrauch. 15:71.
Griechisch. I 12 : 25/6; 12 : 214.
Griechenlieder. IV 2 b : 14, 17.
Grien s. Baidung, Hans.
Griepenkerl, F. K. K. I 12 : 178.
— W. E. IV 1 c : 58.
Gries, J. D. IV 10 : 1.
Griesbach, J. G. IV 1 a : 33.
Grillparzer, F. I 6 i 134 ; 7:28/9;
8 :33; 10: 64; IV lc:68; Id. -64;
2b: 124/8; 5 : 463, 536; 8b: 20/1.
Grimm, Fr. Jlelch. IV Id : 1.
- Herrn. I 11 : 23; IV 5:366, 649;
8a: 30; 8e:46; 9:9.
- J. I 2:3/7, 11/2; 5 : 200-29, 233/5,
247; 6: 104, 126; 7: 126; 12:93/5;
11 2:36; IV lb:191: lc:27; 3:
170/1; 5:398, 647; 7:26; 10:1, 102.
— W. 12:3, 11/2; 5 : 200-29, 233<5,
247; 6:104, 126; 7: 126; II 2:36;
IV 3 : 170/1 ; 10: 1.
Grimmeishausen, H. J. Chr. v. 15:5;
7: 183; III 3:7/9; 4:22; IV 3: 12.
Grimminger, Ad. IV 2 b : 334 ; 3 : 286.
Grisebach, E. 13: 282.
Grobian, St. I 5:296.
Grobianus. II 5 : 100/2.
Gröllhesel, P. 15: 267.
Groningen. I 4 : 208.
Groot, H. de. III 5:1.
Groschlag, Frhr. v. IV 3 : 59.
Grosse, J. IV 1 c : 50, 66.
— K. IV 10 : 82.
Grossenhain. I 9 : 462.
Grossmann, G. F. W. IV 2a: 21.
Grosssortiment. I 3 : 403.
Groth, Kl. IV la:37; lc:60; 2a:l;
2b: 256-90; 3:257/8.
Grotius, H. III 6:1.
Grotthuss, J. F. v. IV 1 a : 10.
Grün, Anast. IV lc:58; 2b : 112,
156-60; 3:447; 5:442.
Grünhagen, C. IV 1 b : 60.
Grünewald, Matth. I 9 : 198.
Grünwald, Mart. I 12 : 236.
Gruber, C. IV lb: 22; 8d:6.
Grüner, Just. v. IV 1 a: 29; 1 b : 137;
1 c : 21.
Gruppello, Gabriel de. 19: 143.
Gruppe, 0 F. I 11:23.
Gruter, Janus. II 7 : 6; III 1 : 183.
Gryphius, A. I 8:30; 12:192; III
4 : 9, 14.
Guardian, Pater. 15:330/1.
Guben. I 4:88; 7:44.
Gudrun. T 6:107, 120, 142; 8 : 31.
Gümpel, Mart. II 2:30.
Günderode, Karoline v. IV 10:61/7.
Günther, J. Chrn. I 6:130; 8:30/1;
10:51/3; III 2:33/6; IV 2a -.21;
8c: 11.
— v. Eeutlingen (Buchdrucker) I
3:53.
Güssfeldt, P. IV 5 : 397.
Guhrauer, G. E. IV 1 c : 60.
Guicciardini, Fr. III 5 : 6.
Guilbert v. Nogent. IV 1 c : 77.
Guitarre. I 10:41.
Gumppenberg, Ambr. v. II 1 : 36.
— H. v. IV la:16.
Gurlitt, Corn. 19:7, 160, 276, 362,
430.
— L. 19: 236.
Gustav III., König v. Schweden. IV
lb:77.
— Adolf, König v. Schweden. III 1 :
37-88.
Gustaviade, D. IV 3 :1.
Gustel v. Blasewitz. IV 9 : 22.
Gutenberg-Bibeln. I 3:49.
Denkmal. I 3 : 50, 439.
Drucke. I 3 : 94.
Gesellschaft. I 3 : 94/5.
-Halle. I 3 ■ 439.
Guts Muths, J. Chr. F. I 6 : 94.
Gutschmid, A. v. IV 5 : 369, 398.
Gutzkow, K. IV 1a:6; lc:27, 50/!,
58/9,66; 3 :402; 5 : 139, 397; 9: 10.
Gymnasium s. Schulen.
Haarhaus, J. IV 1a: 14.
Haas, K. de. IV la: 44.
Haberfeldtreiben, I 5 : 58/9.
Hackel, H. I 12 : 71.
Hackenschmidt, Chrn. IV 2b : 100.
Hackert, Ph. IV 8b: 2.
Hackländer, F. W. IV 1 c : 58, 94;
3 : 26-S 402, 593.
Haeckel, E. IV 6 : 52/;*, 558.
Hähnel, E. J. I 9 : 23; IV 1 o : 63.
Händel, G. F. I 10 : 94/5.
Händelhaus in Halle. I 10 : 94.
Händelklavier. I 10 : 95.
Härtel s. Breitkopf u. Härtel.
Häusser, L. IV t b : 451 ; 1 c : 50; 5 : 380.
Hafftitz, P. I 3 : 177; II 3:62; 6:227.
Hagbart u. Signe. II 4 b : 70.
Hagedorn, F. v. I 6:104, 130; III
2:39; IV la:18; 1 c: 72; 2a: 21, 29.
Hagel, Christine (Bibi). IV 1 c : 40.
Hagemann, Laura. IV 2a : 63.
— Lucie Juliane (verm, Meister). IV
2a: 63.
Hagen, A. IV 2a : 155/6.
— K. IV 2b: 197.
— F. H. v. d. 12: 17; IV 10: 1, 41.
Hager, G. I 11 : 29; II 2 : 23, 31/2.
— H. I 3: 111.
— J. 13: 469.
Hahn im Volksbrauch. I 5 : 57.
— Elise (verm. Bürger). IV 2a: 106.
Hahn, Ida Gräfin. IV 1 a : 6 ; 1 c : 66 ;
3:471.
Hailmann, L. II 2 : 39.
Haimonskinder. III 3:1.
Hainhofer, Ph. II 1 : 143.
Hainich. I 4 : 323.
Halbe, M. IV la: 16.
Halberstadt. I 4 : 252.
Haies, J. III 5 : 1 .
Hallart, General v. III 1 : 156.
Halloren. I 4 : 439.
Haller, A. v. III 6:80; IV la: 18;
1c: 60; 2a: 30, 58; 3: 13, 28; IV
5:6.
— L. IV 5 : 558.
Hallervord, J. I 3 : 361.
Halle a. S. I 4:312; 7 : 80/1.
Halm, F. s. E. Frhr. v. Münoh-Belling-
hausen.
Hals, F. I 9 : 23.
Halsbandprozess. IV 8e:64.
Hamann, J. G. IV 1 c : 79; 5 : 238, 261,
622; 7: 18.
— H. 0. IV 2a: 67.
Hambach, J. II 6 : 155.
Hamburg. I 4 : 66, 147, 213, 231, 258,
301/4 a; 9:438/9, 443; IV 5:288:
7 : 15.
Hamel, E. IV 3 : 29.
Hamerling, E. 16:134; IV lc:51;
ld:66; 2b: 66, 169-73; 3:416-34;
5 : 67, 544.
Hammer-Pnrgstall, F. v. IV 2b : 112.
Hammerstein, Burggrafen v. I 4:441.
Handel. I 4 : 213/6.
Handelsakademie, Wiener. I 3 : 310.
Handarbeiten, weibliche. I 12 : 92.
Handelssprache. I 7 : 190/1.
Handschriften (s. auch Archive, Biblio-
theken, Briefwechsel). I 3 : 16-36,
44, 284; IV 2a: 25. In: Amsterdam
II 2 : 49-50. Aurich II 6 : 207. Augs-
burg 116:16. Berlin 13: 18; 11:29;
II 2 : 32/3, 48. Dresden II 2 : 3. Dnr-
lach I 3 : 20. Erlangen I 11 : 29; II
2 : 32. Erlau II 4 a : 6. Ettenheim-
münsterI3:20. Freiburg i.B. II 2 :29a.
Göttingen I 3 : 16/7; II 6 : 155, 167.
Gotha II 6 : 195; IV 1 c : 2. Heidel-
berg I 3 : 32. Helmstädt II 4a: 8.
Hildesheim I 3 : 99. Jena II 6 : 53,
65. Kassel III 4 : 3. Lichtenthai I
3:20. München I 3:21; 4: 125; II
3:3; 6:9, 23/4, 29-30; III 4:2t;
IV 1 c : 90. Münster II 6 : 269. Pest
II 2 : 23; 4b : 82. Pirna II 6 : 173.
Eastatt I 3 : 20. Eeichenau I 3 : 20.
Eiga IV 1 c : 42. Salzburg III 4 : 29.
St.Blasien 13:20. St. Gallen II 4 a: 6.
Strassburg i.E. II 6 : 251. Trier I 3: 19.
Villingen I 3 : 20; Weimar II 2 : 32,
34, 48. Wien.I 11 : 29. Zellerfeld II
6:172. Zürich IV 1 c : 42, 78.
Handschriftenbeurteilung. I 4 : 123.
Handschriftenherstellung. I 3 : 30.
Handschriftenillustration. I 3 : 30.
Handschriftenvervielfältignng. 13 : 3'i/6.
Handschriftenverzierungen. I 3 : 25.
Hango, H. IV 1 a : 39.
Hannover. I 4: 308-11.
Hansa. I 4 : 206/3 ; III 1 : 90.
Hansjakob, H. IV 1 c : 87; 3 : 694.
Hanslick, E. I 10 : 12, 272; IV 5: 499.
Hanswurstspiel. I 5 : 279.
Hardenberg, K. A. Fürst v. IV 5 : 601.
— F. v. (Novalis). IV lc : 27, 50, 68;
5 : 149, 238; 10: 1, 27/9, 35, 41, 61, 82.
Hardt, H. v. d. III 5 : 53.
Harfe, D. sprechende. 15:1.
Harkort, F. IV 1 b : 316/7.
Harms, 0. IV 5 : 269.
Harnack, Ad. IV 5 : 558.
— 0. IV 8a: 62.
Harrer (Sächsischer Kammermeister).
I 4: 162.
Harries, H. IV 2a: 10.
Harsdörffer, G. Ph. I 7 : 15 ; III 1 : 191/2;
2:22; 5:3-10.
Hart, H. IV la:12, 16.
— J. IV la:12, 16.
Hartenfels. 14: 332a.
Hartfelder, K. I 12 : 55-66; II 7 : 8, 19.
Hartlaub, W. IV 2b: 6, 8.
Hartleben, 0. E. IV 1 a : 16.
Hartmann, A. II 4 a : 37.
— E. v. I 10:12; IV 5:149, 151,352,
556.
— Isr. 112: 227.
— M. IV lc:66; 2b:162; 5:590.
Härtung, G. L. IV 9:31.
Harzgendorf. I 4:319.
Hase, K. A. IV 10:4.
— K. B. I 4:469; IV lc:72; 5:398.
— K. v. IV lc: 83; 5:272, 314/5, 350.
Hasemann, W. 19: 308.
Hasenauer, K. v. 19: 381/8.
Hasner, L. v. IV lb:3-<9.
Hass, J. (Hasse.) II 1 : 92 ; 6 : 20.
— M. IV 8a: 33.
Hassenstein, Bohuslous Lobkowitz v.
II 1 : 82.
Hauenschild, R. G. Sp. v. IV lc:58.
Hauff, W. I 10:51/3; 11:5; II 2:40;
IV 3:314/5; 10:82, 125-40.
Hang, J. Chr. Fr. IV 2a: 131; 2b: 1;
9:32.
Haugwitz, A. A. v. III 4:11.
— Chr. A. v. IV 1 b : 402.
Haupt, M. IV 1 c : 74 ; 6 : 398.
Hauptmann, G. IV la:21; ld:7;
3:560/1, 580; 5:536.
Haus, deutsches. I 4 : 220.
— Lützelburger. I 9:204.
Hausbau. I 4:217-223.
Haushofer, M. IV la:14,
Hausindustrie. 14:188,191.
Sachrejj- ister.
Hansmalerei. I 9 : 373.
Hausmarken. I 4:110a.
Haus- u. Hofmarken. I 6 : 65.
Hausmusik. I 10: 10.
Haussprüche. I 4:133.
Hauteroche (Französ. Dichter). III
4 :24.
Hao kin tschuen (Chines. Roman). IV
J<d:33.
Haydn, J. IV 8e:93.
— M. I 10:55.
Haym, R. IV 7:22; 10:4, 8.
Haymann, Chph. IV 2a: 52.
Hebbel, Christine. IV 8a: 25.
— Fr. I 1:22; 7:22; IV la:6, 37;
to:27, 51, 58; 1 d : 3, 49; 2b: 153/5;
3:95/7; 5:558; Sa: 25, 29; 10:6, «2.
Hebel, J. P. 16: 104, 126, 128; 7 : 27;
IV 2a: 134/7; 3:51/5.
Hecht, W. 19: 422.
Hechtel (Buchdrucker). I 3:361.
Hecker, J. J. 16: 94.
Heckscher. IV 5 : 564.
Hederich, Fr. IV 3 : 599.
Hedio, K. 11 6 : 17.
Hedwig, Herzogin v. Schwaben. IV
3:217.
Heermann, J. II 2 : 2; 6 : 163.
Hegel, G. F. W. I 1 : 4; IV lb : 114;
lc:68, 93; ö : 118-26, 140, 208,
238a, 352, 397/8, 558; 8b: 2; 8c: 47,
10 : 34.
Hegeler, W. IV 1 a : 16.
Hegner, Ulr. IV 5 : 210.
Hehn, V. I 2 : 36; 5 : 640/8, 558; 8c :
10; 8d: 5; 8e:76.
Heiberg, H. IV 3 : 566, 595.
Heideck, F. Herr zu. II 5 : 26.
Heidelberg. I 4 : 351; II 1 : 1.
Heidnecker. V. II 6 : 59.
Heidt, K. H. IV >e : 16.
Heigel, K. Th. IV lb : 130, 416b.
Heil, G. IV I b: 441.
Heil dir im Siegerkranz. IV 2a : 9-10.
Heilbronn. I 4 : 175.
Heilmagnetismus. I 4 : 144.
Heimburg, G. III 5 : 1.
— W. IV 3 : 523/4.
Hein, Freund. I 5 : 147.
Heine, H. 15:290; 7:201; 8:23;
11 2: 63; IV la:6, 8; lb: 194;
lc:50, 58, 66; 2b: 64, 161/2; 3:
17; 5 : 352, 442, 471, 540, 558, 590;
9:52, 180; 10 : 82.
Heinefelsen. IV 1 a : 40.
Heinesage. I 5 : 245.
Heinitz, Minister t. 14: 172.
Heinrich d. Löwe. II 3 : 7.
— Prinz v. Preussen (Bruder Friedrichs
d. Grossen). IV 1 b : 67.
— — (Bruder Kaiser Wilhelms II.).
IV 1 b : 372.
— Julius t. Braunschweig. III 4 : 5, 7.
— — v. Nördlingen. IV lc:77.
Heinrichs Buch. II 3:1.
Heinse, J. J. W. IV lc:41, 93; 2a:
40; 3:74/7; 5:398, 471; 8e:24;
10: 34, 56, 61.
Heinsius, M. III 3 : 16.
Heinz, J. 19: 188, 204.
Heinzelmännchen. I 5 : 196.
Heinzelmann, W. IV 8a : 45.
Heiding, AI. (Sidonius). II 5 : 13;
t> : 26.
Helena. I 11 : t; IV 8e: 123.
Helene, Herzogin v. Orleans. IV 1 b :
439.
Hell, Th. 1 10: 137; IV 2a: 11.
Heller, St. IV 1 c : 60.
Helm, G. IV 3:414.
Helraer (Bildhauer). IV 8a : 12/7.
Helmholtz, H. v. IV 5 : 503-17, 652;
8a: 99-102.
Helmstetter (General). IV 1 b : 103.
Hemd d. Glücklichen. 15:1.
Hemmerli, F. IV 2b : 223.
Henckell, K. IV U: 16; 2b: 3, 413.
Hendrich, H. I 9 : 347.
Hengstenberg, E. W. IV 5 : 252, 269,
325.
Hennings, K. IV 5 : 600.
Hensel, Luise. IV ld : 3; 10 : 1.
— W. 19: 300.
— Wilhelmine. IV 2b : 18.
Henrici (Architekt). I 9 : 373 a.
Henricus, N. II 1 : 87.
Henricus I, Stephanus. I 3 : 77.
Henzi, S. IV 9 : 166.
Heraldik. I 3 : 338/9; 4 : 447, 450a/i.
Herbart, J. F. I 6:94; 12:30, 49,
83, 134, 157; IV 6:133/6, 238, 397.
Herbartianer. I 12 : 178.
Herbert v. Cherbury. II [ 5 : 1.
Herbst, Magnus. I 3 : 89.
Herchner, H. IV 3 : 68.
Herder, J.G.v. IV 7. - 1 1 : 50; 6 : 135;
8:24; IV la:2, 10, 33; lo:4, 41,
79; 5 : 37, 102/3, 224, 377, 440, 558;
6:30; 8a: 29; 8b: 32; 8c: 2t; 8e:
24; 9:97; <0:61, 102. Adrastea
I 6 :65; IV 7:24, 31. Auch e.
Philosophie z. Gesch. d. Menschheit
IV 7 : 24. Briefe z. Beförderung d.
Humanität IV 7 : 2u, 24. Christliche
Schriften. IV 6 : 21. Cid 1 6 : 65/7;
IV Ic: 32; 7:31. Denkmal Winckel-
manns IV 7 : 23. Eduard IV 3 : 20.
Erzählungen I 6 : 235. Ideen I 6 :
134; IV 7: 1/7, 19, 22/1. Iduna IV
7:21. Journal meiner Reise I 12:
214. Kalligone IV 7:21. Kritische
Wälder IV 7 : 24. Legenden IV 7 :
1/7 Metakritik IV 7 : 21. Seereise
IV 7 : 15. Stimme d. Völker IV 7 :
24, 29. (S. auch Flachsland.)
— -Bildnis. I 6 : 136.
Denkmal. IV 7:1/7.
Geburtshaus. IV 7 : 1/7.
— -Wortschatz. IV 7 : 26, 31.
Heredia, R. Graf, v. Benaharis. I 3 : 291.
Herford, C. H. II 1 : 90.
Hergenroether (Kardinal). IV 5 : 558.
Hermann, Fr. L. II 4b : 71.
— Nik. II 1:82; 6: 163.
— W. IV 6 : 228.
— Wolfg. (Kyriander). II 6 : 192.
Hermannstadt. I 9 : 188.
Hermenentik. III 5 : 1.
Hermes, Dan. IV 5 : 86.
— G. IV 5 : 69.
— J. Th. IV 3 : 7, 278.
Hero u. Leander. I 11:3.
Uerodol. IV 1 c : 68.
Herold, H. IV 1 a : 13.
— (Verein). I 4 : 448.
Herrfurth, 0. IV lb : 441.
Herrig, H. IV 5 : 149.
Herrmann, C. F. IV 5 : 398.
— G. IV 5 : 398.
— M. II 7: 19; 4b: 12.
Hertz, H. (Physiker). IV 5 : 517.
— M. IV 5 : 398.
— W. IV la: 14; lc: 13; 3: 328;
8a: 100.
Hertzka, Th. IV 3 : 14.
Herwegh, Emma. IV 1c: 93..
— G. I 10: 131; IV la:6; 1 c : 56,
59, 93; 2b: 1, 6/7, 44/5; 5:567.
Herzen, A. IV 2 b : 33/4.
Herzfabel. I 5 : 241.
Hess, K. A. H. 19: 136.
Hessus, Eob. (Hess, Hesse). II 1:140;
6: 155; 7:6.
Hessen. I 4: 261, 331/2*. 451 ; 7:72;
9:137; III 1:100.
Hettner, H. 12:41; 1111:205; IV
lc:58, 93; 3:367.
Heizer, L. III 5:1.
Heumann, A. IV 3:67.
Heupold, B. II 5 : 46.
Hexameter. 1 8:1/2, 25/6, 30.
Hexen. II 3 : 62.
Hexenverfolgnngen. 14:9, 138-41.
Hexenprozess. II 6:2, 37, 246.
Hexenwahn. 15:138-44,ly8.
Hey, W. IV 5:617.
Heydendorff, D. K. v. IV 2a: 27.
— M. v., d. Ae. IV 2a: 27.
— (Familie). IV 2a: 27.
Heyer, M. IV 1 c : 99.
Heyne, Ch. G. 112:186; IV1a:l7;
lc:88; 2a: I05; 3:61; 6:3.
— Therese. IV 1 a : 34.
Heyse, J. Chr. A. I 12:222.
-Paul. 1 1:46; 6:127; 7:201; 8:
33; IV 1a: 20; lc:13, 50, 68,60,
66, 76; 2b: 333/4; 3 : 255, 332/8,680;
5:398; 8a: 32.
Hiatus. I 7: 13; 8:2, 29, 35.
Hiecke, R. H. 16: 94.
Hieronymus. I 1 : 32.
Hildeberley Turonensis. IV 6:12.
Hildebrand, Ad. 19: 8.
— (Architekt). I 9 : 223.
— R. I 1:70; 2:42-55; 6: I, 3/4 ; 12
93; IV 8a: 107.
Jahresberichte für neuere deutsche Litterat Urgeschichte. V.
Hildebrandslied. I 1 : 49; IV 2b : 95.
Hildebrandston. I 8:31.
Hildegard v. Bingen. IV 1 o : 77.
Hildesheim. I 4 : 133, 261.
Hilfsmittel, litterarische. I 1 : 86-97.
Hille (Familie). I 4:4i>8a.
— Peter. IV la:12, 16.
Hillebrand, K. IV 5 : 590.
Hiller, F. IV 2b:4ß.
— J. A. I 10 : 45, 97.
Hillern, Wilhelmine v. IV 3 : 579.
Hilverding, J. IU 4 : 22.
Himmel, F. H. I 10 : 45.
Hippel, Th. G. v. IV 1 a : 10 ; l c : 79.
Hirsch, A. IV 5 : 502.
Hirssfelder, B. I 7 : 7a ; II 5 : 65.
Hirt, A. IV 8b : 3a, 8a, 15/6; 8d : 9.
Hirtenlieder. I 5 : 304.
Hirtenorden. UI 5 : 3/9.
Hirtz, D. IV 2 b : 99-103.
Hirzel, G IV 3 : 103.
— L. IV 3 : 67.
Histori v. d. schönen Elisa. II 3 : 6.
Historiker. III 5 : 40a/3; IV 5: 354-96.
Hitzig, J. Ed. IV 10 : 82.
Hobrecht, M. IV 3 : 596.
Hochstift, Freies deutsches. IV 8a:
19, 25, 33.
Hochzeiten. II l : 129-31.
Hochzeitsbräuche. I 5 : 66, 68/9, 79,
83, 88.
Hochzeitslieder. III 2 : 2.
Hock, A. 13: 154.
Hoeck, Th. II 1 : 82.
Hölderlin, F. IVld:3; 5:418; 10:
34-40.
Höllenbau. I 5 : 240.
Hölty, L. I 6 : 104; 11 : 3; IV ld : 3;
2a: 63/4.
Hökel, Ed. 13: 374.
Höpfner (Leipziger Professor). 1Y 8 b :
27 a.
Höpli, U. I 3 : 376.
Hörmann, Angelica v. IV 2b : 180/1.
Hofdichtung. III 2 : 37.
Hofer, A. IV l b : 124-30.
Hoffmann, A. 13: 359.
— E. T. A. IV 1 c : 32; 3 : 106; 5 : 627;
9:52; 10:82-90, 125.
— F. IV 3 : 170/1, 174.
— G. I 12 : 2t0.
— H. (Struwelpeter). IV 5 : 620/1.
— Hans. IV 2b: 361/3.
— Herrn. U 1 : 28.
Donner, H. IV 2b : 283; 3 : 597.
— v. Fallersleben, F. IV la:6; lc :
44,50,58; rd: 3; 2b: 46-60; 3:367.
— -Rorer, Micheline. IV 10 : 82.
Hoffmeister, J. II 6 : 5.
Hoffory, J. I 11:11,
Hoffstätter. IV lb:99.
Hofkalender, Gothaischer. IV 1 b : 7.
Hof leben. I 4 : 26; II I : 112.
Hoflied, bürgerliches. I 4: 118.
Hoflitteratur. III 1 : 206; 5 : 2.
Hofmann, A. I 9:373 b.
— L. v. 19: 36.
— L. A. IV lb:99.
Hofmannswaldau, Chrn. v. III 2:31.
Hofmeister, Ad. II ö: 107; IV 3 : 254.
Hofmeisterwesen im 18. Jh. I 12:34.
Hofnamen. 1 5:413.
Hoftänze. I 10 : 65.
Holienheim, Franziska v. IV 9 : 17.
Hohenlohe-Schillingsfürst, Fürst v. IV
1 b : 282.
Hohenstaufen. I 4 : 354.
Hohenzollernsagen. I 5 : 192.
Holbeiu, H. I 9 : 81, 191.
— d. J. I 9:204.
Holberg, L. I 11:49; IV la:21.
Holcroft. IV 8b: 2.
Holland, W. L. IV 10:102.
Holstein-Mengersen, M. Gräfin v. IV
la:12.
Holtei, K. IV lc:49; ld:3; 2b:51.
Holzbau. I 4 : 221/3.
Holzbock, J. II 2 : 23.
Holzmann, D. 112: 23, 26.
Holzschneidekunst. I 3:115a.
Homann, J. B. I 3:365.
Hornberger, H. IV 5 : 590.
Homer. I 6:16<7, 60, 83/4, 142; 11:1;
IV lc: 17, 27, 96; 2a: 102; 5:600;
8d:2, 7; 9:31.
Homerübersetzung. IV 3 : 49.
Homej er, J. M. I 10 : 1'61.
Homilius (Kantor). I 10 : 27.
(4)37
Sachregister.
Hormayr, J. v.
Hörn, K. I 12
Horschelt, Th.
Horst, P. van.
Honorius Augustodunensis. II 3 : 7.
Hooft, J. P. III 4 : 30.
Hopfen, H. IV la:20; lc:60; 3:
340a-40d.
Horawitz, A. II 7 : 19.
Horaz. I 3 : 1; 6 : 32; 12 : 7; II 7 : 2;
IV 1c: 78, 96; 2a: 56.
Horazflbersetzungen. IV 2a: 56.
Horbnrg. I 4 : 348.
IV 2b: t.
: 161.
I 9 : 289.
III 5 : 1.
Hotham, Ch. IV tb:20.
Hotomanus, Fr. (Hotniann, Hottomann).
III 5 : 1.
Houwald, B. v. 16: 128.
Hoven, F. W. v. IV 9 : 14.
Hoverbeck, J. t. III 1:137; IV 5:
590.
Hovesch, N. II 6:163.
Hoym, Minister v. I 4:216.
Hroswitha. I 11 : 39.
Hnber, F. IV 9 : 31, 33, 158, 176.
^_ I 9 : 199.
Hubroaier, B II 2:19-20; in 1:167;
5:1.
Hüningen. III 1:121.
Hürnen Seyfrid. I 7 : 105.
Hneter, Chrph. II 2:21; 6 : 274.
Hüterichsche Gemeinschaft. II 1 : 24 ;
III 1 : 167.
Hufeisen. I 4 : 246.
Hufeland, Chr. W. IV 5 : 354.
Hufnagl, J. IV 2b : 39-41.
Hugenotten. 14:419-22; 1111:10.
Hugenpoet. I 9 : 143.
Humanismus II 7. — II 1 : 1, 82, 84;
III 5 : 1.
— älterer. II 7 : 10.
— in Spanien. II 7 : 42.
— in Ungarn u. Siebenbürgen. II 7 : 40.
Humboldt, A. v. IV 1 c : 14, 76, 90,
93; 3 : 402; 5 : 39, 398, 416, 522, 601.
— Karoline v. IV lb : 237; 1 c : 18, 31.
— W. v. I 8 : 27; IV 1 b : 207, 237,
403; 1c: 16a/8, 20/1, 88, 90; 3:
402; 5 : 113, 287, 364, 377, 398, 463,
602/4, 606; 8e:92, 124; 9:30, 66,
176; 10:49.
Hume, D. III 2 : 39.
Hummel, 3. N. I 10 : 62.
Humor. 1 4: 135/7 a, 296.
Hunold, Chr. F. I 8 : 23 30.
Huschke, Ph. E. IV 5 : 576,
Huther, A. IV 8e:16.
Hütten, U. t. II 7 : 24/6, 28; III 5 : 1.
Hyrtl, J. IV 5 : 491/5.
Ibsen, H. IV 1c: 60/1; 5:224.
Ichinger, G. II 2 : 30.
Ickelsamer, V. n 6 : 57.
Ickstadt, A. t. IV 6 : 380.
Idealismus. I 6: 104; III 5 : 1.
Ideal d. Humanität. IV 1 a : 2.
Ideen, angeborne III 5:1.
Ideenbildung, III 5 : 1.
Idyllendichtung. IV 3 : 45.
Iffland, A. W. IV lo:17, 88; 5:600;
9:98.
Ihering, R. v. IV lb: 258/9; 5:471/2,
558.
Ikonographie, christliche. I 3:120.
Hg, A. I 9 : 190.
Ilgen, K. D. IV lc:20; 5:601.
- Th. IV lb:141, 143.
Illesy, J. I 11 :42.
Illuministen. IV 5 : 380.
Illustrationen. IV 2a: 31.
Imbroich, Th. (= v. Truden). I 3:59.
Immermann, K. I 1:22; 6:128; IV
3 : 106/8 a; 5:287.
Impressionisten. I 9 : 22.
Index librorum prnhibitorum. n 6 : 22.
Individualismus. II 1:1.
Individualität. IV 7:22.
Industrie. I 4 : 188-98.
Ingang der hymel. I 3 : 105.
Ingolstadt. I 9:163.
Ingweiler. IV 2a: 20.
Initialen. I 3:116, 129-30.
Inkunabeln (s. auch Wiegendrucke). I
3:69, 71,88,96; 113:2.
Inquisition. I 3 : 69.
Inscriptiones. I 12 : 104.
Instruktionen für LehTer. I 12:177.
Instrumentalgeschichte. I 10:30/3.
Interpunktion. I 7 : 225; IV 6 : 36.
Intoleranz. III 1 : 124.
Irenische Bestrebungen. III 1 : 166,
171.
Irrenwesen. I 4 : 252 a.
Irrlichter. I 5:198.
Irving, H. IV 8e:98.
Iselin, J. J. IV 5 : 224, 384.
Israel, G. II 6 : 276.
Italianismus im Opernwesen. I 10:65.
Jachmann. Magdalena Eleonora. III
2 : 34.
— -Wagner, Johanna. I 10:253/4; IV
10:60,1.
Jackson, Helen. IV 3:401.
Jacobi, Fr. H. III 5 : 1 ; IV lo : 16a/7,
40, 79; 5:128, 238, 354, 600.
— J. G. IV 1 c : 40/t ; 2a : 21, 24, 40.
Jacobs, Fr. I 6: 128; IV 2a: 33.
Jacobson, J. P. IV la:21; 10:35.
Jacoby, L. IV 2b: 378.
Jägerlatein. I 5 : 398.
J'igerlieder. IV 2 b : 46.
Jagdrecht. I 4 : 367.
Jagdwesen. I 4 : 178.
Jahn, F. L. 14: 467; 12 : 160/1, 164;
IV 5:31, 630, 627, 631/3; 10:82.
— M. IV 3 : 178.
Jahrbücher, Hallische. IV 5 : 126, 397.
Jahresberichte. I 1 : 86/8.
Jakob, L. H. IV 1 c : 82.
Jambus, fünffüssiger. 18:2, 23, 28/9 ;
IV 3 : 34.
Jan v. Leyden. IV 3 : 426.
Janitschek, H. I 9:402.
— Maria. IV 1 a : 16; 2b: 405/6.
Janssen, J. II 1: 77; 4a :29; IV lb : 4,
8, 10.
Jean Paul s. J. P. F. Richter.
Jeanne d'Arc. I 3:62; 11:20; IV 9:
111-49.
Jer a. IV 9 : 9.
Jenatsch, G. IV 3 : 390/2.
Jensen, Wilh. IV 1 a : 25, 37; 2b : 334 ;
3 : 283/7.
Jentsch, K. IV 1 b : 203; 8a : 47.
J6rome, König v. Westfalen. IV 1 b :
140f, 451.
Jerusalem (Abt). I 12 : 186.
— J. F. W. IV 6 ; 36.
Jerzembsky, M. IV 2a : 127; 8c : 20.
Jesuiten. I 3 : 416; 4 : 415/8; 12 : 195;
II 1 : 15; 6: 40; III 1 : 181 ; IV 5 : 380.
Jesuitendramen. I 12 : 242; II 4a : 24;
III 4 : 9, 14/5.
.Tesuitenstil. I 9 : 135.
Joachim II., Kurfürst v. Brandenburg.
II 6 : 224.
Joachimsthal. II 1 : 82.
Jodler. I 5 : 283, 310.
Johann, Erzherzog (Reichsverweser).
IV 1 b : 5.
— Herzog v. Mecklenburg. I 12 : 148.
— Markgraf v. Küstrin. I 4 : 142.
— v. Moers-Sarwerden. IV 9 : 68.
— Georg IV. v. Sachsen. III 5 : 63.
— Wilhelm, Kurfürst v. Sachsen. I 9 :
143.
Johannesname. I 4 : 19.
Johannisberg. I 6 : 47.
Johnson, S. 13: 292.
Jökai, M. IV 3 : 468-70.
.Toliphus, G. HI 4 : 6.
Jonas, J. II 6: 155/6.
Jonast, D. 13: 382.
Jordan, S. IV lb: 211.
— W. IV 2b: 338, .372.
Josefl-Gspiel. 1 6 : 304.
Joseph IL, Kaiser. IV 1 b : 1 0, 14,
378-81; 2a: 27.
— im Drama. II 4a: 19.
Josua-Rotel. I 3 : 26.
Joukowsky, W. A. IV 1c: 27.
Journale. I 12:43/5; IV 5:34.
Journalistenhandbuch. I 3 : 249.
Journalistik (s. auch Zeitungen). I
3:237; IV 6:625-48.
Journalkatalog. I 3 : 247.
Judä, J. II 7 : 31.
— L. n 7 : 31.
Jude, D. ewige. I 11 :14.
Juden. 14:296,424-37; 5:36, 187,
;'.41; II 4a: 8; III 1:10; IV 5:352,
366.
Jögel. IV 10:34.
Jülioh. I 4:161, 337.
Jünglingsverein. IV 7 : 1/7.
Jürs, H. IV 2b: 307; 3:260.
Jugenddichtungen. IV 2b: 76.
Jugendlitteratur. I 3 : 370.
Jugendschriften. 1 3:170, 220, 222;
6 : 26/8.
Jugendschriftsteller. I 12 : 87 ; IV 3 :
113-82, 436.
Jngendspiele s. Volksspiele.
Julian, D. heil. I 11:9.
Junge Deutschland, D. I 6: 134; IV
la: 3; 3:56.
Jungfrau Maria. II 4a : 18.
Jungfrau v. Orleans s Jeanne d'Arc.
Junggesellen. I 4:21a, 418.
Jung-Stilling, J. H. IV 1 o : 79-80.
Junker, H. IV 8a: 20.
Juristendeutsch. IV 2a : 124.
Jus«, C. IV 5 : 398.
Justinus, 0. IV 3 : 272.
Jutten, Frau. II 4 a : 36.
Kachelofen. I 3 : 64.
Kärnten. I 5 : 166; 9 : 152.
Kästner, Abr. G. IV 6 : 9, 224.
Kaftan, J. IV 5 : 558.
Kahnis, K. Fr. A. IV 5 : 558.
Kainz-Hutzler, Sara. IV 3 : 536.
Kaiser u. Abt. I 11 : 33.
Kaisersage. I 5 : 253, 255.
Kaiserlieder. IV 2b:466. 468, 471.
Kaisertum. I 1 : 56.
Kalb, Charlotte v IV 9 : 4.
Kalbeck, M. IV 1 a : 27.
Kaloher (Organist). IV lc: 13.
Kaienberg, Pfarrer vom. I 3:103; II
5: 117a-20; IV 2b: 156
Kalender. I 1:89-90; 3:14/5, 114;
4:132; 6:94; II 1 : 15; 5:47-52.
Kamann, J. IV 8e ; 14.
Kamerun I 6 : 117/3.
Kamptz, K. A. Chr. H. v. IV 10:82.
Kamyn (Goldschmiedfamilie). I 4 : 204.
Kanne, A. IV 5 : 339.
Kanoldt, E. I 9 : 290.
Kant, I. I 9:6: 12:134; II 1:1;
III 5 : 1; IV 1 c : 20, 26, 53, 79, 88;
ld:17; 5:37, 65, 69, 83-109, 113,
123, 224. 238c, 601, 669; 7 : 19, 21/2,
24; 9:31, 44, 49.
Kanzelhumor. I 4 : 136.
Kanzlei, Böhmische. 17:1.
Kanzleibeamte. 17:1.
Kanzleihandbuch. I 7:7a.
Kanzleisprache. I 7 : 1/7.
Kapp, Chrn. IV 3 : 367.
— Fr. IV 5 : 590.
— Johanna. IV 2b : 46; 3 : 367.
Kapf (Lieutenant). IV 9 : 15.
Kapuziner. I 4 : 405.
Karadschitsch, Vuc. IV 8b : 6a.
Karl V., Kaiser. II 1 : 34/9, 55/7, 78,
112; IV lb: 3; 8e : 12.
— König v. Rumänien. IV 1 b : 377;
lc:16.
— XII., König v. Schweden III 1 : 155.
— Alexander, Grossherzog v. Sachsen-
Weimar. IV 1 b : 441.
— Erzherzog v. Oesterreich. IV 1 b : 123.
— IL, Herzog v. Münsterberg-Oels. I
12:201.
— Anton, Fürst v. Hohenzollern. IV
1 b : 238.
— August, Herzog v. Sachsen-Weimar.
I 4:466; IV lb: 76, 438; lc: 2, 11,
40; 3:59, 215; 8a:22; 8b:8, 52;
8 c :28, 31.
— Eugen, Herzog v. Württemberg. IV
lb: 417; 9: 14.
— Friedrich, Markgraf v. Baden. IV
lb -.427-30, 439; 2a: 54.
Herzog v Holstein. I 3:274 a.
— Konstantin, Prinz v. Hessen- Roten-
burg. IV 1 b : 101.
Karlsakademie. IV 9 : 17.
Karlsbad. IV 9 : 31.
Karlsruhe. I 9 : 413.
Karlstadt, A. R. III 5 : 1.
Karoline, Prinzessin v. Wales. IV
lb:451.
— Luise, Prinzessin v. Sachsen- Weimar.
IV lb:439.
Karolinger. I 3 : 30.
Karneval in Köln. I 5 : 62.
Karnickel. I 5 : 372.
Karsch, Anna Luise. IV 2a : 50/1 ; 3 : 40.
Karten. I 3 : 52.
Kartenspiel im Volksglauben. I 5 : 101.
Kartoffel. I 4 : 238
Kastropp, G. IV 3:598.
Sachregister.
Kataloge. I 3 : 185-213.
Katechismen, I 3:147,8a; II 5:11/6;
6 : 28, 4;i 6.
Katechismusunterricht. I 12 : 234.
Katharine, Königin v. Westfalen. IV
lb : 140; 1 o : 6.
Kauffmann, Herrn. I 9:279.
— Jon. II 6 : 166.
Kaufmann, Alex. IV 1 c : 47, 52;
2 b -.55/7.
— Chr. IV lc:42.
Kaufmannsgilden. I 4 : 209-10.
Kaufmannsstand. II 1 : 114/9.
Kaufringer. 111:8.
Kaulbach, W. v. IV 1 c : 58.
Kavaliererziehnng. I 12 : 243.
Kayser. P. C. IV 3e:62.
Keck, K. H. IV la:37; 2b . 341.
Keil, Rob. IV 8a: 103.
Keiter, H. IV 1 a : 12.
Keller, Alb. I 9 : 340.
— Ferd. I 9 : 46.
— Gottfr. I 1:46: 6:127: 9:280;
10: 131; 11 : 6: IV la:43; lc: 28,
50, 59-60, 66, 93: ld : 3; 3 : 10, 359,
367-87, 508; 5 : 397; 6 : 19; 10 : 82.
— G. V. IV 3 : 344.
— -Jordan, Hermino. IV 1 a : 14.
Kempen. I 4 : 277.
Kennerschaft. I 9 : 16.
Kepler, J. III 5 : 1.
Keramik. I 9 : 446/8.
Kerkener (Dechant). I 4 : 84.
Kern, F. I 2:62,3: IV 8e: 44, 61.
Kerner, Friederike. IV 10:113, 118,9.
— Just. IV 5 : 312, 476; 10 : 113-20.
Kerssenbroick, H. v. IV 3 : 426.
Ketteier, E. v. IV 5 : 558.
Kettenreim. I 5 : 324.
Kettner, Vf. d. „Moralischen Robinson."
III 3 : 16.
Keyserling, A. Graf v. IV lc : 26;
5: 65.
— Karoline Charlotte, Gräfin. IV
1 c : 26.
Kiel. I 4 : 307. 432.
Kielland, A. IV la:21.
Kierkegaard, S. IV 5 : 140.
Kiesewetter, K. I 11:21; IV 8e:70.
— M. IV 1 a : 14.
Kietz, E. B. IV lc:66.
Kind, J. Fr. IV 3 : 109.
Kinder. IV 2b : 530.
— im Volksglauben. I 5 : 107,9.
Kinderbibliothek. 112:87.
Kinderlieder (s. auch Kinderspiele). I
5 : 179, 320-43; 10 : 45, 97 ; II 2: 56-60,
62; IV 2b: 365.
Kinderreime. I 8 : 31/2.
Kinderspiele. I 5 : 73, 80, 86, 320, 329,
343.
Kindleben, Chr. W. I 7 : 80; 12 : 114,
169: IV 2a: 21.
Kinkel, H. 1 1 : 22: 12 : 204; IV 1 c : 23,
51; 2b: 57, 66; 5:563.
— Johanna. IV 2b: 57.
Kipper u. Wipper. I 4:1689; III
1 : 101/2.
Kirche u. Synagoge. II 4a : 16.
Kirchenbau. I 9 : 143, 147. 232, 362/4 a.
Kirchengebete. IV 2b : 476, 478.
Kirchengesang. I 10 : 28, 39.
Kirchengesangbücher. I 10 : 28.
Kirchengeschichte. 11:6.
Kirchenlied. II 1:87; 2:1-21; III
2 : 7-21 ; IV 5 : 37, 352.
Kirchenpauer, G. H. IV 2b : 277.
Kirchensperre, Braunauer. III 1 : 158.
Kirchhoff, W. IV 5 : 398.
Kirchspielschule s. Schule.
Kirschner, Lola, s. Ossip Schubin.
Kissling, R. IV 9 : 165.
Kitte Risch. IV 3 : 234.
Kiy, V. II 4 b : 11.
Kl aar, A. IV la:13.
Klagenfurt. I 9 : 168.
Klaiber, J. I 2 : 64.
Klassik, Deutsche. IV 10:4,5.
Klassiker. 13:1; 6: 108/9, 126; 12:25/6;
IV 2a:l.
Klassikerverlag. I 3 : 367.
Klassisches Altertum. * I 1 : 26/9, 48.
Klavier. I 10 : 31.
Kleinkindererziehung. 1 12 : 34.
Kleist, Chr. E. v. I 6 : 142; IV 1 c : 78;
5:8.
— H. v. I 6:15; IV ld: 49; 3: 95/7;
5:627; 10:41.
Klemens Wenzelaus, Kurfürst v. Trier.
IV 3 : 59.
Klenze, Gl. IV 1 c : 75.
Kletke, H. IV 1 c : 65.
Kleve. I 7 : 46.
Kliefoth. Th. F. D. IV 5 : 269.
Kling, K. II 6 : 25.
Klinger, F. M. v. 14 : 44; IV 10 : 41.
— Max. I 9:31, 35, 324-30 a.
Klöster. I 4:401-14; II 1:53.
Klopffleisch (Disputationshändler). I
3 : 361.
Klopstock, F. G. I 6 : 134/5, 140, 142 ;
7: 18, 26; 8:13, 24, 33; 10:93;
12 : 22: IV 1 c : 17, 41, 78. 96; ld : 59 ;
2a : 42,4, 52/8; 3 : 19, 22-31, 44; 5:9,
34, 377, 472, 531. 600; 10 : 118.
— Meta. IV 3 : 24.
Kloster-Bergen. III 5 : 81/6.
Klosterdichtungen. IV 3 : 42.
Kluckhohn, A. IV 5 : 380.
Klnghardt, A. I 10 : 279.
Knaus, L. I 9 : 20; IV lc : 65
Knebel, Henriette v. IV 1 b : 439.
— K. L. v. IV 2a: 34; 9 : 31.
Kneiplieder. I 10 : 48/9.
Knigge. Frhr. Ad. v. IV 1 c : 88; 5 : 380.
Knittelvers. 18:1, 13, 30.
Knoblechtzer, H. 13: 106.
Knortz, K. IV 1 a : 44.
Knutsen, N. III 5 : 19.
Knutzen, M. 111 5 : 72 3.
Kobell, Frz. v. IV 1 c : 13, 66; 2b : 291/2.
— Ferd. v. IV 1 b : 410; lc : 13.
Koberger, H. 13: 115.
Koberstein, A. IV 1 c : 50.
Kobnrg. I 7 : 91.
Koch, M. IV 3 : 105.
Kochlewski (Schüler d. Comenius).
I 12 : 15.
Köchly, H. IV lc: 50; 5:397.
Köhler, K. F. 13: 403.
— L. IV 1 c : 58.
— R. II 2:37; IV 7:31; 8a: 106.
Köler, Chrph. III 2 : 26.
Köln. I 7 : 5/7 ; 9 : 92, 145; IV 10 : 3.
— Paul v. 13: 89.
König, Eva. IV 6 : 4.
— Heinr. IV 3 : 268.
Königsberg i. N. 14: 298.
— i. Pr. 19: 239.
Könitz (Schloss). I 9 : 126.
Köpken, F. v. IV2a:40.
Koepping, K. 19: 422.
Körner, Chrn. G. IV 2a : 132, 150/1;
8b : 33; 9 : 4, 34.
— Joh. (Hans). IV 2a : 151.
— Joh. Gottfr. IV 2a: 151.
— Sophie Margarethe. IV 2a : 151.
— Th. I 10 : 109-10; IV lb : 5;
2a : 143-53; 2b : 112, 118; 10 : 36.
Museum. IV 2a: 152.
Körte, K. G. IV 2a: 35.
Köselitz, H. IV 2 b : 309; 3 : 267.
Köstlin, K. R. IV 5 : 448; 8a : 107.
Kohlhase, M. II 3 : 62.
Kohlmayr, F. IV lc : 25.
Kohlrausch, H. F. Th. IV 5 : 601.
Kollewijn, R. A. III 4 : 9.
Kollmann, I. IV 2b: 112.
Kolmar. I 4 :350 a.
Kolon. I 8 : 31.
Kolonien, deutsche. I 6 : 103/9, 117/8.
— französische. III 1 : 168.
Kolportagebuchhandel. I 3 : 406-12.
Kommersbuch. I 10:49; IV 2b: 518,
518.
Kommerslieder. I 10 : 49; IV 2a : 21 ;
2b: 456.
Kommunismus. 13:226; 111:24;
IV 3 : 13.
Komödie, aristophanische. IV 2b: 26.
— lateinische. I 3 : 149.
Komödianten, englische. III 4 : 3/6.
Komponisten. I 10 : 7/8, 11.
Koneberg, H. I 12 : 87.
Konfekt, Leipziger. I 3 : 271.
Kongresse. I 1 : S3.
Konkordienbuch. II 1 : 15.
Konrad v. Würzburg. IV 2a : 116.
Kontrapunkt. I 10 : 16.
Konzil zu Konstanz. I 3 : 30 I.
Konzilbeschlüsse. 15:4.
Koornhert s. Coornhert.
Kopernicus, N. III 5 : 1.
Kopisoh, A. IV 2a: 1; 2b: 26.
Korbach, J. II 6 : 178.
Koreff, J. Ferd. IV 10 : 82.
Korner, J. IV 1 c : 51.
Kosegarten, L. Th. IV lc : 17; 3 : 1;
5 : 600 ; 9 : 31.
Kospoth-Stiftung. I 12 : 201.
Kossuth, L. IV 1 b : 392.
Kotzebue, AT. IV 1 a : 33; 8d : 42.
Krämer, H. IV 1 b : 279.
Kräuter (Goethes Diener). IV 1 c : 27.
Krafft (Pfarrer). IV 5 : 339.
Kramer, Charlotte. IV 3 : 24.
— J. A. IV 3 : 24.
Krautz, A. II 4b : 70.
— Camille. I 3 : 465.
Kranewitter, F. IV la: 40.
Krasicki. I. v. IV 3 : 1.
Kraus, V. IV 8a : 93.
Krause, K. Chr. F. I 10 : 5; 12 : 46;
IV 5 : 129-31, 234.
Krau ss, F. X. 19: 140.
Kraut, Marie v. IV lb : 179.
Krebs-Michalesi, Aloyse. I 10 : 258.
Kreditverhältnisse, deutsche. III 1:103.
Kretz, K. IV 1 a : 44.
— Matth. II 1 : 106; 6: 23.
Kreutzer, Jules. IV 8d:27.
Kreutzlieder. IV 2a: 21.
Kreuzauffindung. I 11 : 7.
Kreyssig, F. I 12 : 222.
Krieg, 30j. I 3 : 271; 4: 131, 317/8a;
6 : 140; 12 : 189, 201; III 1 : 12-103.
— Niedersächsischer. III 1 : 14.
— v. 1870/1. IV lb: 324/8; ld:21.
Kriegk, G. L. IV 5 : 390.
Kriegsgeschichte. I 3 : 226 a.
Kriegslieder. I 5 : 315: IV 2b : 420/2.
Kriegswissenschaft. I 3:226a.
Kriminalpolizei. I 4 : 147.
Kriminalroman. IV 3:271.
Kritik. I 1 : 33/7 ; 10 : 14/6 ; IV 5 : 444 f.
Kroger (Lübeck). IV lb:52/3.
Krossen. I 9 : 149.
Krüdener, Juliane v. IV 5 : 558.
Krüginger, J. II 1 : 82.
Kruse, H. IV 2 b : 335; 3 : 600: 8 c : 20.
Krusenstern, A. J. IV 1 b : 230.
Kuckuck. I 5 : 287.
Küchler, C. IV 8e:71.
Küferlied. IV 2a: 20.
Kükelhan, L. IV 3:43.
Kühne, G. IV Ic:66.
Kühnemann, E. IV 7:13.
K ünstlerlexicon. I 9 : 77.
Küntzel, G. IV lb:171.
Kürnberger, F. IV 2b : 149-50; 3 : 447,
463/5; 5:539.
Kugler, Frz. IV 1 c : 50.
Kultur, deutsche. I 4 : 9-15.
— moderne. I 4 : 499-502, 508.
Kultureinfluss, französischer. II 1 : 112.
Kulturentwicklung. I 4:3.
Kulturgeschichte. I 4. — IV 8 b : 2.
— Zeitschrift für. I 4:8.
Kulturideal. 14:3.
Kulturpflanzen. 14:6a.
Kulturpoesie. IV 2b: 64.
Kunersdorf. I 6 : 142.
Kunst, Bildende. I 9. — II 1 : 1, 143;
IV 8a: 1/5.
— Berliner. I 9:20, 42,3.
— Münchener 19: 15/7, 43 a, 48 b, 65, 73,
— für Alle. I 9 : 29.
Kunstakademien. 1 9 : 41.
Kunstballade. IV 2a: 118
Kunstgeschichte. I 6 : 126.
Kunstgewerbe. II 1 : 143.
Kunsthandel. I 9:190.
Kunstlehre. IV 5: 444 f.
Kunstlieder. I 10:38.
Kunstmusik. I 10 : 11.
Kunstrichtungen. 19:1.
Kunstsalon. I 9 : 26.
KnnstschmiedeTei. I 9 : 472.
Kunstwart, D. 19: 24/5.
Kunstwebereien. I 4 : 240.
Kunstwissenschaft. I 1 : 25.
Kunz, K. F. IV 10 : 82.
Kupferdruck. I 3 : 78 a.
Kupferstich. I 3 : 116; 9 : 104, 410/1.
Kuranda,J. IV lb:219.
Kurfürst v. Hessen. I 5 : 314.
Kurs, V. IV 1 b : 174.
Kurz, H. I 2:40.
— Isolde. IV la:14.
Kurzschrift. I 3 : 6-15.
Kuss, D. IV 2b: 481/2.
Kutzbach (Familie). IY2a:94.
Kyd, E. I 11:47.
Kyffhäusersage. 15:254.
(4)37'
Sachregister.
li, schwaches, nebentoniges. I 8 : 23.
Laas, E. I 6:30.
Labadie, .Toh. de. III 1 : 175.
Lachmann, K. I 2:13/6; IV lc:75;
5:398. 440; 10:1
Länderkunde. I 6 : 105/7.
LaFayette, La Princesse de. IV 9:176.
Lafontaine. J. I 6:65; 11:4.
Lagarde. P. de. IV 5 : 352, 397/8,
413, 558, 634/8. 652.
Lago Maggiore. IV 8 d : 34.
Laistner, L. IV 1 c : 50.
Lalli, G. B. I 11 :51.
Lamai (Türkischer Schriftsteller d.
16. Jh.). I 11 :5a.
Lambert, F. 116: 140.
— J. H. IV 5:224.
La Mennais, F. R. de. IV 5 : 175, 652.
La Mettrie, J. 0. de. IV 1 d : 1.
Lampert, F. IV lb:411.
Landau. I 4 : 371.
— I. II 6 : 123.
Landauer, G. IV 3 : 569.
Landeskunde. I 3 : 173/5; II 3 : 49.
Landesvater. IV 2a : 21.
Landkarten. I 3 : 195, 365.
Landolt, J. IV 1 c : 29.
— Margarete. IV 1 c : 28.
— Sal. IV 1 c : 28.
Landrechte. II 5 : 63,
Landschaftsmaler. I 9 : 274/5.
Landschulwesen. I 4:78-80. (S. auch
Volksschulwesen.)
Landshut. I 9:132.
Landsknechte. 19:199.
Landsmannschaften. I 12 : 161.
Landwehr, H. IV 8 e : 10.
Landwirtschaft. I 12:219: III 1:10.
Landwirtschaftsschule. I 12 : 175.
Lange, Friedr. IV 1 b : 468.
— F. A. IVlb:476; 5:609-10.
— K. 19: 169.
— S. G. IV lc:78.
Langenberg. I 9: 143.
Langendijk, P. III 4:24.
Langewische, W. IV 2 b : 88.
Langnet, H. III 5 : 1.
Lanz (Bildhauer). IV 3 : 341.
Lappe (Journalist). IV 3 : 92.
La Roche, G. M. Frank v. IV lo : 40.
— Maximiliane. IV 3 : 59.
— Sophie v. IV 1 c : 40; 3:7, 59.
— (Hofrat). IV 3 : 59.
Lasker, Ed. IV 1 b : 315, 318 ; 5 : 05,
590.
Laski, J. I 4:143; II 6:276.
Lassalle, F. I 10 : 229; IV lb : 293/4,
477-86; 5:113, 416, 558, 570/2.
Lassberg, J. Frhr. v. IV 10:1.
Lasso s. Orlando,
Latein im Unterricht. I 12 : 7, 17, 52,
192, 195, 214, 234.
Lateinschulen. I 12 : 174-213.
Laternenlieder. I 5 : 337.
Laube, H. I 11:23; IV la:6; lc:
50/1, 60, 66.
Lanber, Dieb. I 3 : 30/1.
Lauchstädt. IV 3:1.
Laudon, G. E. Frhr. v. IV 2a : 1.
Lauenburg. I 4 : 108.
Laukhard, Fr. Chr. I 7 : 81 ; IV 5 : 562.
Lauremberg, P. I 9:428.
Laurentius Albertus. I 7 : 12.
Lausitz. I 4: 110 a, 324.
Lautensack, H. S. 13: 337/8.
Lauterbach, J. II 7 : 2.
Lavater, J. K. I 4 : 144 ; IV 1 b : 428/9 ;
lc:42, 79; 5 :37, 224, 236-42, 884,
438; 8b: 19.
Lazarus, M. IV 5 : 191/3, 398.
Lazlus, W. II 3:52; 7:20.
Lebel, J. II 7 : 41.
Leben, Häusliches. I 4: 16- 23a.
Lebensideale. III 5:1.
Lechleitner, F. IV 1 a : 40.
Le Clerc, Jeannette Philippine. IV 3 : 39.
Leconte de Lisle, Ch. M. IV 1 d : 20.
Ledeganck, K. IV ld:65.
Legende. I 5 : 191 ; II 3 : 18.
Legerlotz, G. 16: 117/8.
Legion, Deutsche. IV 2 b : 44.
Lehnwörter. I 6 : 140.
Lehrbücher. I 12 : 43, 91, 192.
— d. Kunstgeschichte. I 9 : 78-85.
Lehrer. I 12:34, 197, 245.
Lehrerbesoldung. I 12 : 205.
Lehrerbildung. 1 12:230/1.
Lehrerbildungsanstalten. I 6 : 133.
Lehrerbildungswesen. I 12 : 225/7.
Lehrerdichtungen. IV 2b: 461/2.
Lehrerkonferenzen. I 12 : 227.
Lehrerprüfung. I 12 : 236.
LehrerseminaT. I 12 : 75.
Lehrerverein. I 12 : 246.
Lehrerversammlungen. I 12:92.
Lehrpläne. I 6:5/6, 108/9, 120; 12:
17, 195, 221.
Lehrs, K. IV lc:7l; 5:398.
Leibniz, G. W. v. III 5:51/3, 58-61,
71/3; IV 5:140, 224; 9:48.
Leichenbegängnis, fürstliches. I 4 : 45.
Leinengewerbe. I 4 : 188-90, 192.
Leipzig. 1 4:325, 431; 9:124; IV
8 b : 27.
Leipziger Dichterverein. IV 1 d : 3.
— Musenkrieg. IV 1 a : 31.
Leisewitz, J. A. I 6:44; IV 3:42.
Leisinger, Elisabeth. I 10:278.
Leitner, A. v. IV 2b : 112.
— K. G. v. IV 2b: 112, 128, 166/7.
— Quirin v. 19: 405.
Leixner, 0. v. IV 3 : 209; 5 : 44, 661.
Lektionspläne. I 12 : 181.
Lektionssystem. I 12 : 197.
Lektüre. 16:2, 20, 26, 78, 140,
Lemierre (Dichter d. „Guillaume Teil").
IV 9:166.
Lemm, Fr. W. IV 3 : 278.
Lemmermayer, Fr. IV 8a : 25.
Lenau, N. IV la:6: lc:49, 51, 58;
2b: 10. 129-50; 3:416; 5:39,442;
10 : 113.
Lengefeld, Charlotte v. IV 9:4.
Lenker, E. I 9:451.
Lenorenmotiv. I 5 : 168, 243.
Lentner, Fr. IV 1 c : 66.
Lenz, J. R. M. IV la : 2, 10, 42; lc:
42; 2a: 125/6; 5:236; 8b: 19; 8c:
20; 9:52.
Leo. H. IV 1 c : 70 ; 5 : 398, 647.
— XIII., PapBt. IV 1 b : 320.
Leonard, N. G. IV 8 d : 32.
Leoncavallo, R. I 10:284.
Leonhart (Familie). IV 2a: 101,
— G. IV 2a: 101.
Leontios v. Neapolis. 1 11:6.
Leopardi, G. Graf. IV lc:69a.
Leopold V., Erzherzog v. Oesterreich.
III 1 : 107.
— Fürst v. Anhalt-Dessau. 1 12 : 133.
— I, Kaiser. I 9:206; III 1:109-28.
— Prinz v. Hollenzollern. IV 1 b : 377.
Le Passes. I 8:30.
Lepsius, R. IV 5 : 416.
Lermontoff, M. IV la:21.
Lesebücher. I 6:10, 50/1, 94-126, 130.
Lesehalle 8. Volkslesehalle.
Lesen. I 1 : 73/4
Lesser, F. C. 15: 175.
Lessing, C. F. 19: 20.
— G. E. IV 6. - I 1 : 46, 50; 6 : 49,
104, 133, 135; 8:23, 33; 10:60;
12:30; III 5:80; IVlb:10; lc:17,
60; ld:64: 2a: 34; 3:7,34; 5:34/5,
37, 224, 238, 377, 531, 540, 558; 7 :
15,22; 8e:6; 9:83,87. Abhand-
lungen über d. Fabel I 6:65, 142.
Alcibiades IV 6 : 27. Antiquar. Briefe
IV 6:2; Emilia Galotti IV 2a: 152;
6:15, 17; 8e : 25. Ernst u. Falk
IV 6 : 40. Erziehung d. Menschen-
geschlechts IV lb: 10; 5:324, 523.
Fabeln I 6 : 64. Faust I 6 : 45. Guel-
ferbytana IV 6 : 7. Hamburgisohe
Dramaturgie 16:62: IV 6:2, 31,
36/7. Homer IV 6 : 27. Horoskop IV
6 : 12/3. Kleonnis IV 6 : 27. Laokoon
16:57/8, 60/1; IV lc:23: 6:27/9,
36/7; 8d : 38. Litteraturbriefe IV
5 : 37. Lyrik IV 6 : 27. Minna v. Barn-
helm I 6 : 128; 12 : 201 ; IV 6 : 14.
Nathan I 6 : 64; III 5 : 80; IV 1 a : 28;
lb:10; lc:60; 5:37; 6:20/6. Oden
IV 6:27. Philotas IV 6:11. Ret-
tungen d. Horaz IV 6 : 27. Sara
Sampson IV 6 : 10. Spartacus IV
6 : 27. Theatralische Beiträge IV
lc:78. Theologische Schriften IV
1 c : 79 ; 6 : 38. Voltaire-Uebersetzung
IV 6:9. Wie d. Alten d. Tod ge-
bildet IV 6 : 27. Wolfenbütteler
Fragmente IV 1 b : 10.
— -Bibliothek. I 3 : 156.
— -Haus. IV 6 : 7.
Lessingiana (Pseudolessing. Schriften).
IV 6:2, 8/9.
Lessingstudien. IV 6 : 27.
Lettern, Glagolitische. I 3 : 90/1.
Letternlexikon. I 3 : 94.
Leu, St., Graf (Ludwig, König v. Hol-
land). IV 8b: 60.
Leuthold, H. IV la:43: lc:66; 2b:
217/9.
Leutsch, K. v. IV 5 : 3P8.
Leutze, E. 19: 20.
Levesque, J. S. IV Se: 11.
Levetzow, Ulrike v. IV 8a: 18, 21;
8c :49.
Levi, H. I 10:276.
Lewald, A. IV ld : 3.
— Fanny. IV 1 a : 6; lc : 27, 65, 93;
3:491/2.
Lewalter, J. IV 2 b : 84/5.
Lewes, G. H. IV lc: 93.
Lewinsky, J. IV 3 : 466.
Lexikographie. IV 2 b : 105/6.
Leyden, ,T. v. II 6 : 268. (S. auch
Johann v. Leyden.)
Liberalismus. I 12:78.
Lichtdruck. I 3:448.
Lichtenberg, G. Oh. IV 1 c : 88 ; 5 :
28/9, 224, 238, 531, 540. 558; 9:70.
Lichtenberger Konvent. I 3 : 270.
Lichtenburg. I 4 : 322 a.
Lichtenstein, Josephine Fürstin v.
I 10 : 105.
Lichtwer, M. G. I 6:104; IV 2a: 61.
Liebenstein, G. v. IV 1 c : 41.
— Herr v. IV 3 : 74.
Lieber, Fr. IV 1 a : 44.
Liebermann, M. 19: 318-21.
Liebesdichtung. I 4:118; 6:126; IV
2b : 117, 481/2.
Liebig, J. v. IV 1 c : 13, 58, 91,
Liebstöckl, H. IV 1 a : 13
Lieder. I 3 : 373 ; 10 : 38-56 ; II 5 : 85 ;
IV 2a: 6.
— Czechische. III 2 : 5.
— Deutsche, in latein. Uebersetzung.
IV 2b: 454.
— Geistliche (s. auch Kirchenlied). I
6 : 126, 140; 10 : 38, 41 ; II 2 : 1-19;
6:274; IV 2b: 450/3.
— Historische. IV 2a: 3-14.
— Serbische. IV 8b: 6 a.
— Volkstümliche (s. auch Volkslied).
I 5:280; 10:51/4; IV 2a : 17,8.
Liederbücher. I 10:38; IV 2b:508-28.
Liedersammlungen. I 10 : 42/3.
Liegnitz. I 9:122.
Lier, L. IV lb:442.
Liga, deutsche, III 1 : 20.
Lignerolles, Graf v. 13: 288/9.
Lilien, drei. 1 6:285/6.
Liliencron, D. v. IV 1 a : 16 ; 2 b : 379-82 ;
3 : 566.
Linck, W. II 6 : 197.
Lind, Jenny. I 10 : 124.
Lindau, P. IV lc:60; IV 3:276; 5:
540.
— R. 13: 274/5.
Linde, Philander v. d. IS: 30.
Lindenschmiedstrophe. 18:31.
Lindenschmit, W. v. 19: 288.
Lindpaintner, P. J. v. I 10 : 37.
Lingg, H, IV lc:13, 66; 2a: 1, 152;
2b: 334; 3:286.
Liotard, J. E. 19: 247.
Lippmann, F. 19: 191.
Lipps, Th. I 6 : 142.
Lipsius, Const. I 9:390.
— Just. III 5:1, 39.
— R. M. IV 5:327/8.
Liscow, Oh. L. IV 1 c : 78.
Lisola, F. P. v. III 1 : 115.
List, F. IV lb: 194; 5:475.
Listn, Hof rätin. IV 2b: 95, 106.
Liszt, Ed. IV lc:58.
— F. I 10 : 17/8, 185/9, 220, 231 ; IV
lb:446; 2b: 46; lc:27, 50, 58-60,
68, 93.
Lithographen. I 3 : 444, 459.
Lithographie. I 9:423.
Litterarkonvention. I 3 : 430.
Litteratur, Bulgarische. IV 1 d : 72.
— Chinesische. IV 8d : 33; 8e : 36.
— Czechische. IV ld: 70/1; 3:78.
— Deutsohböhmische. IV 3:413/4.
— Deutsche. I 3:305; im Auslande
IV ld. — In Frankreich IV ld:2/9;
in Bulgarien IV 1 d : 72; in Holland
ld : 66/7; in Russland IV ld : 68.
unter fremdem Einfluss. IV 1 : 10.
— Englische. IV 1 d : 22-63 ; 3 : 10,
Sachregister*.
Litteratur, französische. I 3:305: III
I : 207; IV ld : la. 10-21; 3: 10.
— Frauen-. IV 3 : 471-549.
— Geistliche. III 5 : 1.
— in der Schale. I 6.
— Littauische. IV ld: 74.
— Niederländische. IV 1 d : 65/6.
— Oesterreichische. IV 3 : 399-470.
— Populärwissenschaftliche. I 3:224.
— Russische. IV ld : 68/9; 3 : 10.
— Schwäbische. IV 2 b : 5-20 ; 3 : 314-27 ;
10 : 94-140.
— Schweizerische. IV 3 : 341-92
— Spanische. IV 1 d : 64.
— Ungarische. IV ld: 73, 3 a.
— Unsittliche. I 3 : 411.
Litteraturarchive. I 1 : 96/7.
Literaturgeschichte. I 1. II 1. III 1.
IV la. IV ld. — I 6 : 126, 130-42.
— Leitfaden d. 16: 133-46.
— Lokale. I 1:58-60; IV la: 28-44.
Litteraturströmungen, moderne. IV 2b:
328.
Litteraturzeitungen. IV 8b : 2.
Liturgischer Gesang. I 10 : 28.
Litzmann, B. IV la : 2.
— C. 0. T. IV 10 : 34.
Livland. IV 7 : 15.
Livres d'Heures. I 3 : 28.
Lobkowitz, Bohuslous, v. Hassenstein.
II 1 : 83.
Lobeck, Ch. A. IV 1 c : 71 ; 5 : 398.
Loeper, G. v. IV 1 a : 30.
Löher, F. v. IV lb :4U.
Löhlein (Hauptmann). IV 1 b : 325.
Löscher. K. III 5 : 51/2.
— V. III 5 : 51/2.
Löschhorn, H. IV 1 b : 437 b.
Lösung d. Zungenbändchens. I 5:54.
Löwe, K. I 10:125/7; 12:77; IV
2b :57a.
Loewenberg, J. IV la: 12.
Löwenstein, Rud. IV 1 b : 263.
Löwenstern, M. A. v. III 2:12.
Löwenthal, Sophie. IV 2b: 134,5, 137.
Löwy, Mor. IV 1 c : 51.
Logau, F. v. III 2 : 28.
Logik. IV 5 : 216/8.
Lommatsch, Chrn. Gotth. IV 2 a : 7/8.
London. I 9 : 193 a.
Longfellow. H. W. IV 2 b : 105.
Loosbräuche. I 5 : 52.
Loosbuch. II 5 : 46. 107.
Lope de Vega. I 11 : 48; IV 1 d : 64.
Loreleilegende. IV 3 : 170 1.
Lorenz, K. II 1 : 83.
— Ottok. IV 5 : 558; 8d : 39.
Lorichius (Familie). I 3 : 153; 4 : 459a;
II 1 : 92.
— Gerh. II 6 : 28.
— Jodocus. II 6 : 45.
— Joh. II 5 : 12.
Lorm, H. IV la : 38; 2b : 351: 5 :40.
Lornsen, Uwe Jens. IV 1 b : 407/8.
Lortzing, G. A. IV 2b : 340; 10 : 82.
Loschwitz. IV 9 : 22.
Lose, J. Chrn. III 2 : 40.
Lothar. R. IV 2b: 191.
Lothariustype. I 3 : 102.
Lothringen. I 7 : 51/4.
Loti, Pierre. IV 3 : 499.
Lotichius, P., Sekundus. II 7 : 31.
Lotther, M. II 7 : 32.
Lotze, H. I 7 :201; IV 5 : 203/6, 220,
226, 235.
Louis Eugen, Herzog v. Württemberg.
IV 9 : 35.
— Ferdinand, Prinz v. Preussen. IV
lb:1189.
Louise v. Savoyen. I 3 : 20.
Louvier, F. A. IV 8e:83.
Lucidarius. II 3 : 7.
Luden, H. 16: 29.
Ludlamshöhle. IV 3 : 278.
Ludwig d. Bayer. IV 10 : 107.
— I., König v. Bayern. I 9 : 136; II
4b: 53; IV lc: 7a, 13; 10 : 119.
— IL, König t. Bayern. I 10 : 138;
IV lb : 4102; lc : 13, 66; 5 : 366.
— XVL, König v. Frankreich. IV 1 c : 4.
— König t. Holland. IV 2b: 112;
8b: 60.
— Prinz v. Bayern. IV lb: 414.
— Herzog v. Mailand. I 3 : 28.
— Eugen, Herzog v. Württemberg. IV
9: 17.
— Gruno, Prinz t. Hessen-Homburg.
111 1 : 154.
Ludwig, Julie. IV 3 : 535.
— Otto. I 1 : 22; IV lc : 50, 66; ld :
3, 49; 10: 82.
Ludwigsburg. IV 9 : 14.
Lübeck. 1 4: 248; II 5:9.
Lübke, W. 13:119; 9:95, 160; IV
lc : 50.
Lücke, F. IV 5 : 308.
— H. 19: 105.
Lüsching, E. 19: 103.
Lützow, L. A. W. Frhr. t. IV I b : 14.
Luise, Grossherzogin v. Baden. IV
lb:431.
— Herzogin v. Sachsen- Weimar. IV
lc: 11; 8a: 22: 9:31.
— Königin v. Preussen. I 6 : 128; IV
I b : 150/5.
— Kurfürstin v. Brandenburg. III 2 :
15; IV lb:401.
— DoTothee, Herzogin v. Koburg-Gotha.
IV lb:442; lc: 2, 4.
— Henriette r. Oranien. III 1 : 139.
— Ulrike v. Schweden. IV 1 b : 77/8.
Lukas, J. I 12 : 70.
Lukaris, Cyr. I 3 : 93.
Lukrez 13:1.
Lully, G. B. 110: 50.
Luren (Musikinstrumente). I 10 : 33.
Lustspiel. IV 2a: 24.
Luther, M. 16:104, 107; 8:31; 9:
180; II 1:1, 87, 122; 5:98; 7:7,
16; IU 5:1; IV 5:37, 269,354,441,
55S, 652; 8c: 42, 53; 10:41. An d.
christlichen Adel II 6 : 54. Bibel-
übersetzung 116:69-80; IV 2a: 434,
68: 5:354. Brief an d. Fürsten zu
Sachsen v. d. aufrührerischen Geist
H 6:57. Briefe I 6:128; II 6:62/4.
Commentar z. Galaterbrief II 6 : 51.
Convocatio concilii liberi II 6 : 61.
Deutsche Messe II 6 : 140. Entwurf
e. Schreibens an d. Papst II 6 : 51.
Katechismus 17:33; II 6:85-107.
Lieder I 6 : 140; II 6 : 81/4. Predigten
II 6 : 51. Sakraraentsschriften I 3 :
270. Schraalkaldischer Artikel II 6 :
60. Sermon vom ehelichen Stand II
6 : 51.
Lutherana. 17:8.
Luther-Bildnisse. I 12:104; II 6:116.
Denkmal. I 9 : 266.
Luttermerck, B. IV 1 a : 37.
Luttringhansen. I 9 : 143.
Lux, A. IV 8 d : 19.
Luxemburg. IV 2b : 225.
Luzern. 17:3.
Lyon, 0. IV 3 : 601.
Lyrik. II 2. III 2. IV 2a: 2 b.
— Arbeiter-. IV 2b : 407-12.
— Baltische. IV 2 b : 226-31.
— Bardische. IV 2 a : 59-60.
— Frauen-. IV 2 b : 897-406.
— Geistliche. II 2:1-21; III 2 : 7-19;
IV 2a:33; 2b: 4503.
— Höfische. I 6 : 120.
— Modernste. IV 2b : 370-96.
— Politische IV 2b: 17. 126.
— Revolutionäre. IV 3 : 41.
— Schwäbische. IV2b:5-20; 10:94-140.
— Socialistische. IV 2b : 408, 411 2.
— Volksmässige (s. auch Volkslied).
IV 2b : 13.
Macarius v. Montenegro. I 3 : 90.
— J. I 11:42.
Macaulay, Th. B. IV 5 : 65, 271.
Macchiavelli, N. II 1 : 19; III 5 : 1.
Macciucca, Marquis v. 13: 280.
Macdonald, E. J. J. A. IV 1 b : 175.
Mackay, J. H. IV la : 16; 3 : 607; 5:
651,2.
Mao Mechan, Arch. II 4 b : 73.
Macque, G. di. III 2 : 6.
Madjera, K. 19: 273.
Madrigal. I 10 : 34, 73.
Mädchenlitteratur. I 3 : 223.-
Mädchenschule s. Schulen.
Mädchenunterricht. I 12 : 241.
Mähren. I 9 : 153, 412; II 1 : 24.
Männergesang. I 10 : 55/6.
Märchen. 15:1, 2646; 6 : 104,7, 126.
Märchenstoffe. I 5 : 258-63.
Märtyrerlieder, täuferische. II 2 : 19-20.
Mässigkeitsbestrebungen. I 12 : 53.
Magdeburg. I 4 : 70, 181, 223, 420,1,
459; 9:475; 112:48; 1111:914,
134.
Magelone. II 3 : 16/7.
Magenau, R. F. H. v. IV 10 : 34.
Maglione, B. 13: 290.
Magnetismus. I 4 : 144.
Magnus, Ed. IV 1 c : 65.
Mahlmann, Aug. IV 2a: 11.
Maier, J. J. I 10 : 28.
Maifeste. I 5 : 64.
Maimon, S. IV 5 : 106.
Mainländer, Ph. IV 5 : 156.
Major, G. II 6 : 154.
— Joh. II 6 : 186.
Majuskelfrage. I 3 : 134.
Makart, H. I 9 : 19, 282, 435.
Malersobule, Baseler. I 9 : 191.
— Brixener. I 9 : 158 a.
— Kölner. I 9 : 160/2, 212/4.
— Ulmer. I 9 : 167.
Malherbe, F. de. IV 8c: 23.
Mallinckrodt, K. v. IV 1 b : 319; 5: 591.
Malm, J. J. IV 1 a : 10.
Maltitz, G. A. Frhr. v. IV 2 b : 45.
Maine. A. 13: 383.
Manchester. I 9 : 192.
Mandruzzo, L. II 1 : 15.
Mannfeld, B. 19: 293.
Mannheim. I 4 : 352.
Mansfeld. I 4 : 195.
Manteuffel, E. v. IV 1 b : 253.
— 0. Th. v. IV 1 b : 257.
— Zöge v. 14: 444.
Mara, Mme, geb. Schmehling. IV 8 c : 19.
Marc Aurel. III 5:1.
March, 0. 19: 362,3.
Mari, Prof. (Japaner). IV 8 a : 94.
Marie, Königin v. Bayern. IV lb : 413.
— Herzogin v. Braunschweig-Lüneburg.
IV lb:455.
— Herzogin v. Mailand. I 3 : 28.
— Landgräfin v. Hessen. IV lb:452.
— Amalie v. Brandenburg. III 5 : 63.
— Beatrix, Mutter d. Kaiserin Maria
Ludovica. IV 1 b : 386.
— Feodorowna, Kaiserin v. Russland.
IV lb: 419-20.
— Louise, Kaiserin v. Frankreich. IV
1 b : 140.
— Ludovika, Kaiserin v. Oesterreich,
IV lb:386; 8b: 59; 10: 12.
— Paulowna, Grossherzogin v. Sachsen-
Weimar. IV lb : 439; 3 : 63.
— Theresia, Kaiserin v. Oesterreich.
IV lb:5, 87 9.
— Hymne. IV 2a : 4.
Marienklänge. IV 2 b : 452.
Marienlieder. II 2 : 17,8.
Marius, Viktor. 13:1.
Markgrafen v. Brandenburg. II 1 : 52.
Marlitt, Elise. IV 3 : 514; 5 : 398.
Mario. IV 5 : 113.
Marlowe, C. I 11 : 21, 55; II 3 : 38;
III 4:25, 28; IV 8e : 73 4.
Marnef, Gebr. v. 13: 71.
Marriot, E. IV 3 : 540.
Marsan, Graf St. IV la : 29.
Marschner, H. I 10 : 87; IV 10 : 82.
Marschrhythmen. I 10 : 41.
Marseillaise. IV 2 b : 419.
.Marston, J. III 4 : 5.
Marterln. I 5 : 357/8.
Martin (Architekt). I 9 : 136.
— Th. H. 111:2.
Marx, K. IVlb:355, 487; 5:113,
238 a, 477, 569.
Mascagni, P. I 10 : 57, 62, 152, 2S5.
Masius, H. I 6 : 104.
Massmann, H. F. IV lb: 158; 5:422.
Masson, D. IV 3 : 26.
Massow, C. IV 5 : 574.
— (Familie v). IV lc : 41; 3 : 7...
Materialismus. I 1 : 10/1.
Materialsammlung. I 1 : 18.
Mathematik. II 5 : 49-52.
Mathesius, J. II 1 : 82; 6 : 183 5.
Matrikeln. I 12 : 191. — In: Dillingen
112:101. Greifswald 14:62: 12:103.
Matthäi, A. IV la: 14.
— K. IV 2a: 38; 8b: 17, 53; 8c:19.
Matthisson, F. v. IV 2a: 63; 9:31;
10 : 41.
Matthy, K. IV lb : 3.
Manch. D. II 6:34.
Maupassant, Guy de. IV 1 a : 21 ; 3 : 10;
5:463.
Manrenbreoher, W. IV 5:378.
Mauthner, Fr. IV 3:412, 602.
— J. IV 2b: 168.
Max, Herzog in Bayern. IV lc:13;
10:113.
Sachregister.
Max. Gabr. I 9:336.
Maximilian I., Kaiser. I 9 : 464 ; II 1 :
I, 19: 3:53/5; IV 8e:12.
— II.. Kaiser. II 1 : 15. 40/1.
— Kaiser v. Mexiko. IV 1 c : 8.
— II., König v. Bayern. IV lb: 410;
1 c : 13, 66, 90.
— Kurfürst v. Bayern. I 3 : 272.
— I. Joseph, König v. Bayern. IV
1 c : 13.
May, 0. IV 10 : 10.
Mayer, Joachim. I 10 : 90.
— K. IV 10:113.
— Wolfg. II 6:30.
Mayerpeck, W. I 3:64.
Mecklenburg. I 9 : 210; II 1 : 83.
Meditationen. 1115:1.
Meersburg i. B. 17: 92.
Meibom. II 7 : 32.
Meier (Vf. d Grenadiriade). IV 3 : 1.
Meineke, Aug. IV 5:393.
Meiner, C. IV 1 b : 35.
Meinhardt, Ad. IV 3 : 548/9.
Meiningen. I 9 : 133.
Meissen. I 4 : 242/3; 9 : 243.
Meissner, A. I 6:128, 138; IV 1 c :
58-60, 66, 93; 3 : 78, 413, 599.
— A. G. IV la:41; 3:78/9.
— R. IV 9 : 166.
Meister d. Amsterdamer Kabinets. I
9 : 191.
— d. Todes Mariae. I 9 : 161.
— ES. 19: 449.
— MZ. 19 : 456.
— F. IV 1 b : 364.
— J. K. IV 2a: 63.
— Lucie Juliane. IV 2a: 63.
Meistergesang. II 2:22-30; 4b : 10,
54/6, 82/4.
Meute rlieder. II 3 : 19.
Meistersinger. I 8:23; 11:29; IV
2 b : 92/3, 99.
Meixner, Aug. IV 2b: 275.
Melac, Graf v. I 4:371.
Melanchthon, Ph. I 3 : 37 ; 12 : 104, 172 ;
II 6:56, 60, 156, 161, 164/7; 7:7/8,
31, 34; III 5:1; IV 5:325.
Meli, Giov. IV lc:69a.
Melissus, P. II 7:6; III 1:183.
Melnec, S. IV 3 : 546.
Melodie. I 8:1, 12, 19, 20/1 ; 10 : 39.
Melusine. I 5:259-60; 11:12; II
3:16a.
Memmingen. I 4: 365; 9 : 163.
Memoiren. II 1 : 1, 148-52; IV 3 : 80.
Mencken, A, L. IV 1 b : 77.
Mendelssohn, M. IV lo:20; 5:32/3,
224, 558, 601; 6:36.
Bartholdy, F. I 10 : 115/9, 197 ;
IV 1 c : 55, 60, 66, 79.
Meneval, C. F. de. IV lc:ll.
Mengs, A. Raph. I 9 : 249.
— Ismael. I 9 : 249.
Menius, J. II 6 : 59.
Menken, G. IV 5:293.
Mennoniten. I 4 : 422.
Mensurbild. I 12 : 171.
Mentzel, Elisabeth. IV 2b : 84/5; 8 a:
25.
Menzel, A. IV lc:65.
Mercier, L. S. IV 9 : 176.
Merck, J. H. IV 5 : 531.
Merkantilsystem. 1 9 : 151.
Merkel, Garlieb. IV 10:9.
Merope. IV 6:35.
Meseritz. I 4 : 278.
Mesmer, Fr. A. IV 10 : 113, 119.
Messkataloge. II 1 : 112.
Messneramt. I 12:238.
Metapher. I 6 : 140 ; IV 5 : 225.
Metastasio, P. A. D. B. IV lc:41;
3:65.
Methode. I 1:18-32: 4:11.
Methodik. I 6:40; 12:5/7, 89; IV
9:78.
Methodologie. I 6 : 1-50.
Metoxa, N. I 3:93.
Metrik. I 8. - I 6 : 136, 142, 146; IV
2a: 27, 56, 61; 5:398, 600.
— Begriff d. 18:1, 12/3.
— d. Volksliedes. IV 10:41.
Metrum, anapaestisches. I 6 : 142.
— iambisches. I 6 : 142.
— trachäisches. I 6 : 142.
Metternich, C. W., Fürst. IV 1 b : 231/2 ;
2b: 132.
Metz. I 4:346; 7:54.
Metzger, A. I 11 : 29.
Metzger, Ambros. II 2 : 23, 33.
Meurer, Wolfg. II 7:6.
Meusebach, Gertrud v. IV 2 b : 4C.
Mensebachsche Sammlung. III 2 : 4.
Meyer, Aug. Ferd, IV 2b: 77.
— Elise. IV 3 : 402.
— Fl. IV 6 : 95.
— Frdr. Ludw. Wilh. IV 2a: 116.
— Heinr. IV 3:63.
— Jak. IV 3 : 60.
— Jenny. I 10 : 257.
— Jürgen Bona IV lb:42, 466.
— Julius. I 9 : 403.
— Konr. Ferd. I 7 : 201 ; IV 1 a : 20,
43; 2b: 220; 3:388-92, 480.
— Nik. IV 8b: 2.
— R. M. IV 8 c : 8.
Meyerbeer, G. IV lc:14.
Michaelis (Buchhändler). IV 9:36.
— J. B. IV lc:40; 2a: 40.
— .T. D. IV 3 : 65.
— de Vasconcelles, Carol. IV 5 : 438.
Michalesi s. Krebs.
Michel, D. deutsche. I 4 : 112.
— S. Fr. I 9 : 245.
Michelet, J. I 1 : 13/4.
— K. L. IV 5 : 187.
Michels, V. II 4b : 10.
Mickwitz, J. IV 2 b -.236.
Micraelius, J. I 11 : 24; III 4 : 8.
Migerka, Helene. IV 1 a : 39.
Mikado. IV 1 a : 27.
Miles gloriosus. III 4 : 7.
Milesius, D. II I : 140; 6 : 155.
Militärwesen. I 4 : 154/7.
Miller, Joh. M. IV 2a: 65, 106; 3:41.
Milow, St. I 6:130.
Milton, J. 111 5 : 1, 72/3; IV ld : 59;
3:26, 29, 34; 5:34.
Miltitz, K. v. II 6 : 19, 119.
Mimbach. I 9 : 136.
Minckwitz, J. IV 1 c : 90.
Minden. III 1 : 144.
Miniaturen. 1 3 : 25/6.
Miniaturbibel. I 3 : 146.
Mjnlede. I 7 : 154.
Minnesang. I 6 : 142.
Minnesinger. IV 1 c : 41 ; 2a : 40, 116.
Minor, J. I 6:142; IV 3:29; 10:5.
Minucci, M. II 1 : 15.
Miqnel, Joh. v. IV 1 b : 210.
Mirus, M. II 2 : 5.
Missalalphabete. I 3 : 115
Missale. I 3: 115 a; 4:249.
Mistere du viel testnment. II 4 : 25.
Mitsommer. I 5 : 48.
Mittelalter. 1 1 : 48; 4 : 7, 10, 14.
— n. Neuzeit. III 5 : 1.
Mittenwald. I 4 : 126; 9 : 127.
Mittscherlich, Fürst. I 5 : 256.
Mode. I 4 : 227 a.
Modegesang. I 10 : 45.
Möller, Greg. I 12 : 181.
— J. A. IV 5 : 350.
— L. K. IV 5 : 283/4.
Mörchingen. I 4 : 345.
Mörike,E. IV lc: 65/6; 2b : 5/9; 3 : 316.
Mörlin, Joach. II 6 : 155.
Moser, Alb. I 6:138; IV la:14;
2a: 1; 2b: 349-50.
— Justus. IV 5 : 21, 377, 525/7. 538,
624/6, 651.
Mohnike, G. Chr. Fr. IV 5 : 565.
Mohr, J. J. IV 3 : 603.
— L. IV 2b: 84/5.
Mohrungen. IV 7 : 1/7.
Mohrungsee. IV 7 : 1/7, 16.
Moldenhauer, F. IV lb : 192.
Moleschott, J. I 10 : 131 ; IV 1 c : 93 ;
5 : 490.
— Sophie. IV 1 c : 93.
Moliere, J. L. P. III 5 : 80; IV 1 d : 14/6.
Moller, M. II 2 : 2.
Molmann, F. I 12 : 54.
Molsdorf. I 4 : 330.
Molschieben. I 4 : 328.
Moltke, H. Graf. I 6:117/8; 7:201;
IV lb: 222, 295-308, 324/3; lc:32;
2b: 271/2; 5:558, 634.
— Marie Gräfin. IV 1 b : 307, 308.
Mommsen, Th. 16: 29, 117/8; 10 : 131 ;
IV 5 : 364/5, 397/8, 647.
Mond im Volksglauben. I 5 : 104, 250.
Moniteur. IV 9 : 176.
Monod, G. IV lb: 140.
Monogramme. I 3 : 117.
Monopodien. I 8 : 12, 271.
Mont, P. de. IV 1 d : 69.
Mont S. Michel. I 4 : 127.
Montaigne, M. E. de. I 4 : 126; III 5: 1.
Montesquieu, Chr. de. IV 1 d : 1; 5 : 113.
Montez, Lola. IV lb:221.
MontfleuTy, A. J. III 4 : 24.
Montgelas, M. J. Graf v. IV lb : 4101.
Monti, V. IV 1 c : 96.
Monumenta Germaniae historicu. 13:1.
Monteverdi, Cl. I 10 : 60, 88.
Moralphilosophie. III 5 : 1/2, 71/3.
Mordspektakel. IV 1 d : 3.
Moreau, J. V. IV lb: 111.
Morgenland u. Abendland in d. Kunst.
14:6.
Morillot, P. I 11 : 51.
Moritz v. Sachsen. II 2 : 4.
— Wilhelm v. Zeitz. III 5 : 63.
Moriz, K. Ph. 18: 14, 23; IV 3 : 57;
5:224.
Morone, G. II 1 : 15, 17.
Morsch, H. IV 8 e : 46.
Morus, Th. I 11 : 2; III 5 : 1.
Moscheies, J. I 10 : 122/3.
Mosen, J. IV lc:45, 49,66; 3:111/2;
10: 113.
— R IV 3 : 111.
Mosengeil (Konsistorialrat). IV 8b: 8.
Moser, Fr. K. v. IV 3 : 56; 5 : 11.
— Karl. IV 9 : 49.
Moses Germanus. I 4 : 437.
Mossmann, X. I 3 :36g.
Motherby. Johanna. IV lc:19; 2a: 141.
Motivgeschichte. IV 2a: 56.
Mottl, F. IV 8e:67.
Moucoutour, Schlacht v. II 2 : 47.
Moyses, D. 13: 364.
Mozart, K. I 10 : 99.
— W. A. I 10 : 99-100, 251, 272; IV
lc:23,60; 8e : 93; 10 : 82.
Mozner, J. G. II 2 : 23.
Mucedorus. IV 10 : 24.
Mügge, Th. IV 3 : 268.
Mühlbach (Ingenieurhauptmann). IV 1 b :
297.
— Luise. IV 1 c : 65, 76; 3 : 529-30.
Mühlen, A. IV 1 b : 122.
Mühlhausen. II 1 : 49.
Müldener (Hofrat). I 8 : 30.
Mühlpfort, H. III 2 : 32.
Muelich, H. 19:9, 202.
Müllenhoff, K. II 2 : 49-50.
Müllensiefen, J. IV 5 : 292.
Müller, C. H. IV 3 : 1.
— F. IV 3 : 60.
— Friederike. IV 2a: 105.
— Friedr. v. IV 1 b : 439.
— Heinr. IV 2 b : 450.
— Joh. y. IV 1 c : 71 a.
— Joh. G. I 9:395/6; IV la:34;
lc:71a; 5:239, 377.
Gottwerth. IV 1 a : 37 ; 5 : 270.
— Karl. IV 2 a : 105; 2 b : 356.
— L. Karl. I 9 : 294.
— Nik. I 9:362; IV la:44.
— 0. IV 3 : 319-22.
— Thr. IV 5 : 398.
— W. 16:104; IV la:44;2b:14,17,82.
Strübing, Aug. IV 5 : 398.
H. IV 1 b : 209.
Müllner, Ad. 17: 186.
Münch, Fr. IV 1 a : 44.
Müuch-Bellinghausen, E. Frhr. v. (= F.
Halm). IV la:6, 38; 2b: 112.
München. 1 4 : 125, 362/4; 9:134/5;
10:28; II 1 : 87.
Münchener Dichterkreis. IV 3 : 328-40 d.
Münster. I 4 : 33.
— E. Fr. H. Graf. IV lb: 157.
— Seb. II 5 : 61.
Münzer, Th. II 6 : 57, 156, 267 ; III 5 : 1.
Muffat, G. I 10 : 22.
Muncker, Fr. 16: 142; IV 3 : 26, 29.
Mundarten (s. auch Dialekte). I 1 :46;
7 : 19, 35, 36-79, 195 a; II 1 : 27; IV
2 b : 84/6.
— im Volksliede. I 5 : 2S3.
Mundartenforscilnng. I 7 : 36-79.
Mundt, Th. IV 2b: 21.
Munckaczy, Mich. I 9 : 313.
Munzinger, K. I 10 : 282.
Murmellius, J. I 12 : 8; II 7 : 15a 7.
Murner, Th. II 5 : 78-85, 121 ; 6: 13, 16.
Musaeus, J. K. A. 15: 235; 6 : 104;
IV 2a: 64; 3:7, 113-20, 170/1; 10:
25, 41, 125.
Musculus, A. II 5 : 98/9.
Musenalmanache. IV 2 a : 62, 102 3,
116; 2b: 810/3; IV 3:19.
Sachregister.
Musenkrieg. IV Sb : 88/T.
Museum, Germanisches. IV 8e : 122.
Musik. I 8:12, 12/3, 16/7, Ǥ, 31, 34;
10 : 73: II 1 : 57; IV 3 : 420; 5:465,
472, 499. 634; 8h: 37-40.
Musikästhetik. I 10:6,7, 123, 19.
Musikalien. I 3 : 284.
Musikalienhandel. I 3 : 400.
Musikalienkatalog. 1 10 : 1.
Musikbibliographie. I 10:1.
Musikbibliothek. I 3 : 2S4, 314; 10 :28.
Musikdrama I 10 : 58.
Musikgeschichte. I 10 : 22-37
Musikhandschriften. I 10 : 22.
Musikinstrumente. I 10 : 29, 33.
Musikkritik. I 10 : 4-20, 57.
Musiklexikon. I 10 : 3.
Musikphilosophie I 10 : 4-20.
Musikverlag. I 3 : 371.
Muskate. I 7 : 151.
Musterstucke. I 6 : 126/8.
Muther, B. 19: 49.
Mutian. III 5 : 1.
Mutler, W. IV 5:647.
Myconius, F. II 1 : 140; 6 : 155/6, 178.
Mylius, Christi IV 1 c : 78
— Rosita. IV 1 a : 19.
Mystik. I 3 : 20; II 2 : 21 ; 5 : 1/8; III
5: 1.
Mystizismus. IV 5 : 128, 140.
Mythologie. I 3 : 149; 5 : 64 , 92/4;
6 : 104, 107-10.
Nachdrucke. 1 3 : 362, 366, 429.
Nachlasslitteratur. I 1 : 76.
Nachtwächterlieder. I 5 : 300.
Nägelsbach, K. F. IV 5 : 398.
Nahrung. I 4 : 2S5/8
Namen. I 5 : 412, 422.
Namengebung. I 4: 17-21 a; 5:429-36.
Namenkunde. I 7 : 143.
Namensagen. I 5 : 179, 198.
Naogeorgus, Th. II 4 a : 24.
Napoleon I. I 6 : 15; IV lb : 115-43,
190, 194, 240/1; 1 c : 4, 11, 21; 5:
175; 8b :22a; 9: 101.
— EL, Herzog v. Reichstadt. IV 1 b :
— III. IV lb : 318, 377; lc : 58.
Narrenspiegel. I 3 : 114.
Narva, Schlacht bei. III 1 : 156.
Nas, J. II 1 : 15, 87; 6 : 39.
Nassau. I 4 : 229, 422.
Nathusius, G. IV 3 : 106.
— Marie. IV 3 : 484-90.
„Nation, D." 19: 25.
Nationaldenkmäler. I 9 : 359 9 a.
Nationalgalerie. I 9 : 276.
Nationalgefühl. I 4 : 111/3.
Nationalhymne, preussische. I 10:50;
IV 2a: 9-10.
Nationalhymnus. IV 2b : 423, 426,7.
Nationalitäten d. Universität Leipzig.
I 12 i 145.
Nationallied, schlesw.- holsteinsches. IV
2b: 429-30.
Nationalmuseum, Germanisches. IV
3: 60.
Natorp, B. Chr. L. I 12 : 48; IV 5 : 251.
Naturbetrachtung, dichterische. IV
2b: 80.
Naturforscher. II 5 : 53-62.
Naturgefühl. 1 4 : 1 20-20 a.
Naturgeschichte u. Symbolik. I 4 : 97.
Naturkunde. 16:1 09 9.
Naturpoesie. IV 2b : 117.
Naturrecht. III 5 : 1.
Naturschilderungen. IV 2 b : 463 5.
Naturstndiura. I 9 : 434.
Naturwissenschaft. 1 1:5; IV 8a:
49-57.
Naubert, B. IV 10 : 41.
Nauck, Aug. IV 5 : 398/9
Naumann, Fr. IV 5 : 330 2. 558, 573.
— J. G. IV 2a: 132; 9 : 189.
Naumburg. 1 4 : 314.
Naundorff. I 4 : 465.
Naunheim. I 7 : 48.
Neander (Kantor). 1 10 : 27.
— Aug. IV 5 : 558.
— Joach. II 6 : 168
Neefe, Chrn. G. I 10 : 45.
Nees t. Esenbeok, Chr. G. IV 10 : 61.
— Lisette. IV 10 : 61.
Negker, Jost de. 19: 203.
Nekrassow, Nik. Alexejewitsch. IV
1 o : 95.
Nemo. I 11 : 46.
Neologisches Wörterbuch. IV 2a: 36.
Neologismen. IV 5 : 398, 614.
Nering, J. A. 19: 232 3.
Nerrlich, P. IV 3 : 80, 87.
Nervosität I 4 : 49'.).
Nesihet-ul-Muluk. IV Sc : 46.
Nettelbeck, J. 16: 128.
Nettesheim, AgTippa v. II 7 : 2.
Nenber, Joh. IV I b : 81.
— Karoline. III 4:23/4: IV la:17.
Neuffer, Chr. L. IV 10 : 34
Neuhaldensleben. 1 4 : 37.
Neujahrswünsche. I 4 : 27/7a.
Neuland. IV 1 a : 16; 3:550.
Neulateiner. 117. — II 1 : 77.
Neumann, Balth. I 9 : 136.
— Franz. IV 5 : 398.
— K. G IV 2a: 22.
— K. Waldemar. IV 2b : 108 9.
Nenmark. I 4 : 297 S.
— G. II 6 : 163.
Neumarkt, Joh. v. 17:1.
Neun im Volksglauben. I 5 : 102.
Neunkirchen. I 4 : 379.
Neuzeit. II 1 : 1.
Nevils, Henry, Isle of Pine. III 3:11.
Newton, I. IV 2a : 42; 5 : 107.
Nibelungenlied. 11:48; 6:16. 107,
110, 117/8, 142; IV lc:26;7; ld:3.
Nibelungenvers u. -strophe. I 8 : 31.
Nicolai, Fr. I 9 : 73. 232: IV lc : 42;
2a: 37, 132: 5:34,5, 562.
— Phil. II 6 : 163.
Nicolovius. G. H. L. IV 1 c : 20; 5 : 601.
Niebuhr, B. G. IV lb : 1, 451; lo :
75; 2a : 68; 3 : 127,9; 5 : 289, 3545.
Niederdeutsch. I 12 : 7, 24; II 5 : 9-11,
37 8, 63, 68-70, 99, 118-20, 121, 126/9.
Niederdeutsches Schauspiel. II 4 a : 22.
Niederdeutschland. I 5 : 283, 317, 363,
390 395
Niederlande. 1 5:224, 317/8, 395; II
1 : 15/6.
Niederrhein I 7:74,5.
Niemand u. Jemand. I 11 : 46.
Niendorf-Suckow, Emma. IV 2b: 132;
10: 113/3 a.
Nier, Frieda. IV 3 : 547.
Nieritz, G. IV 3 : 130 1.
Niethammer, F. J. IV 8b: 2. •
Nietzsche , Fr. IV 1 a : 21 ; 1 c : 60 1 :
2b: 268; 5:62, 158-80, 238, 558 9,
860/L
Niklas im Volksbrauch. I 5 : 64.
Nikolaus I., Kaiser v. Russland. IV
lb:230.
— v. Cusa. III 5:1.
— v. Lüttich. II 5 : 19.
Nimptsch, Leocadia v. IV 2b: 46.
Ninive, Herr v. 15: 324.
Nissel, Frz. IV 1 c : 51 ; 3 : 464.
Nitzsch, J. W. IV 5 : 325.
Nomsy, J. I 11:46.
Nonnenlieder. IV 3 : 41.
Noidau, M. IV 3:561/3; 5: 62S/9.
Nordhausen. 1 4:316.
Normalschulen. I 12:226.
Normen d. Poesie. I 1 : 18.
Nostiz, K. v. I 12 : 201 ; IV 1 b : 77.
Noten. 18:1, 12 3.
Notmünzen. I 4:371.
Novalis s. Fr. v. Hardenberg.
Novela picaresca. IV 3 : 12.
Nürnberg I 4 : 15S, 369-70a. 432; 7:
10; II 1 : 44, 85, 91 : 4b : 9, 13, 56-60.
Nuhe, K. IV 2b: 84 5.
Numerus curreus. I 3 : 278.
Nuntiaturberichte II 1:13 5, 17.
Nyenborgh, J. v. I 11:38.
Nympbenburg. I 9 : 128.
Nythard, H. II 7 : 5.
Oberkirch, Baronin v. IV 1 c : 10.
Oberammergau. I 9 : 127.
Oberländer, Ad. 19: 343.
Oberseebach. I 4 : 349.
OchB, P. IV 2b: 417.
Ochsenbach, N. IV 2b: 23-30.
Octoechos. I 3:90.
Oecolampadin«, J. II 6 : 16; 7:7.
Oehlenschläger, A. IV 1 a : 21.
Oelbermann, H. IV 2b: 88, 91.
Oelinger, A. 17: 12.
Oertzen (Familie v.). IV 2a: 69.
— Margarethe Marie v. IV 3:547.
Oeser, A. F. IV 1 a : 17.
— F. H. IV 2b: 222.
— Friederike. IV 3 : 65.
Oesterley, H. I 11:8.
Oesteren, Laska v. IV 1 a : 13.
Oesterreich. I 4:96. 164, 187, 374-94;
7:65/7; 9: 152, 222.
Oesterreicher, A. II 4b: 94.
Offenbach, J. IV lc : 60: IV 10:S2.
Ohr in Gleichnissen. I 5 : 383.
Oken, L. IV 5: 601.
Olbrich, C. IV 8a : 59; 8e : 9.
Oldenbarneveldt, J. van. III 5:1.
Oldendorp, Joh. II 6:219.
Olearius, G. IV 2a : 151.
Olfers, Hedwig v. IV 2b: 12.
— Marie v. IV 3: 521.
Olivier (Philanturopinist). I 12 : 39.
Ollapotrida Fuchsraundi. III 4 : 22,
Olnhausen, M. IV 9 : 14
Olympia. I 9 : 23.
Ompteda, G. v. IV 3:552.
Ondermark, M. II 6:207.
Oper. I 10:57-67, 88.
Operntextdichter. I 10 : 59.
Opitz. M. 16: 126, 140; 7 : 13; 8 : 2,
23, 30.
Oppeln. I 9:121.
Oppen M. v. 14: 165.
Oppenheim, H. B. IV lc:93.
Oratorium. I 10:67.
Orden. I 4:450.
Ordenserziehung. I 12 : 244.
Orgeln. I 4:247/8; 10:30.
Orgelkompositionen. I 10:251.
Orgelmeister. I 10:89-90.
Orgelsonate. I 10:20.
Orgelvirtuosen. I 10 : 261.
Orientreise. I 4 : 125
Originalgenies. IV 5 : 446.
Orlando di Lasso. I 10:70/3, 76-85;
II 4b: 53.
Ornamentstich. I 3 : 117 ; 9 : 444.
Orosius. I 3:1.
Orsbeck, J. H. v. I 12 : 231.
Orth (Architekt). I 9 : 362.
Orthodoxie. I 12 : 145.
Orthographie. 13:135/6; 6:212: 7:
15, 185, 218-24.
Ortlepp, E. 0. IV 9 : 18.
Ortsnamen. I 5:414-23, 425/6.
Ortsneckereien. I 5 : 396.
Orvieto s. Ugolino.
Osiander, A. II 1 : 15, 87 ; 6 : 155, 203.
Osnabrück. I 4 : 217 ; III 1 : 95.
Ossian. IV 2a: 111.
Osterbräuche. I 5 : 42 3, 67.
Osterspiel. I 4 : 35.
(ist friesisch. I 7:195a.
Ostpreussen. I 9 : 149.
Ostschweiz. I 4 : 20.
Ostseeprovinzen. I 4:399-400; 12:95/6.
Otfried v. Weissenburg. IV 1 d : 3.
Otloh. IV lc:77.
Otmar (-Nachtig il), J. K. Chr. IV 10:41.
Otthofer, S. II 2 : 30.
Otto, Luise. IV 2b: 334; 3:286, 542.
Otway, Th. IV 9 : 176.
Otzen, J. 19: 362.
Oudinot, N. Ch IV lb: 174.
Overberg. B. I 12:226.
Ovid. 1 3 : 1 ; II 7 : 5.
Overhage, H. IV 2b: 452.
Oyre, d\ IV 1 b : 108.
Fächer, M. I 9 : 158 a, 167 a.
Pachler, F. IV la : 38; 2 b : 112.
Pädagogik. I 12. — I 6 : 94, 107, 110.
126; IV 5: 136, 224, 265, 380, 397,
601, 606-21, 627.
Pädagogium. I 12 : 187.
Paf raet, R. 13: 82.
Paganini. IV 1 c : 32.
Painter, R. I 11 : 48.
Paläographie. I 3 : 1,5, 23/4.
Palaprat. 111 4 : 24.
Palestrina, G. da. I 10 : 70/5, 80,2: IV
1 c : 60.
Palthen, J. F. v. IV 2a: 25.
Pan. II 9 : 425.
Pantenius, Th. H. IV 1 c : 26.
Pantheismus. III 5 : 1.
Paoli, Betty (= Elisabeth Glüok). IY
lc:66; 2b: 176.
Pape, J. IV la:12.
Papier. I 3 : 138 8a, 381, 455; 4 : 198.
Pappenheim, G. H. Graf. J1I 1 : 33 4.
— Jenny v. IV 5 : 65.
Paperdoff, C. IV 1 b : 394.
Parabel. I 6 : 126, 142; II4a:28: 5:117.
Paracelsisten. I 3 : 151 ; II 6 : 54.
Sachregister.
Paracelsus, Th. 13:62, 151a; III:
94-100; 5:53; III 5:1.
Paradeisspiel. I 5 : 274.
Paris. I 9:63, 461; IV 7:15.
— G. I 11 : 8, 14.
Pariser, L. II 1 : 86.
Parlaghi, Vilraa. I 9:40; IVlb:283.
Parlament, Frankfurter. I 9:469.
Parodien. II 2:39; IV 9:78.
Partita, P. III 5:1.
Pascal, B. IV 1 c : 26; 5 : 65, 128.
Passionslieder. II 2:2.
Psssionsspiele in: Höritz 1 5:267-73;
Krain I 5:275; Tirol II 4a: 4
Passon, Fr. IV 5 : 627.
Pastor, W. IV 1 a : 16.
Pater Guardian. I 11 : 34.
Pathos. I 10:62.
Patzke. J. S. IV 5:34.
Paul IV., Papst. II 7 : 31.
— H. 16: 142.
Pauli, H. Reinh. III 1:176; IVlb:2l.
— J. I 11:5a, 29, 32; II 3:21.
— K. IV 5 : 370.
Paulus, N. IV 5:39;%
Pavierton. I 8 : 31.
Pecht, F. I 4 : 468; 9 : 1, 29, 282; IV
I c : 66.
Pegnitzschäfer. III 2 : 22; IV 2 b : 107.
Pegnizer, J., v. Nürnberg. I 3:89.
Pellico, S. IV 3 : 236.
Fennalismus. I 4:57; 12:98.
Pentameter. 18:1.
Percy, Th. IV ld:58; 7:30.
Periode (rhythmisch). I 8:31.
Pernetty, A. J. IV 5 : 224.
Perrin, P. IV 8d:32.
Perücke. I 4:231/2.
Perthes, Frdr. IV lb:45I.
Pervigilium Veneris. IV 9:77.
Pessimismus. IV Id:4.
Pestalozzi, J. H. 13: 160; 6:94; 12:
35/7; IV lc:20; 5:601.
Pestalozzianer. I 12 : 38/9.
Peter Friedrich Ludwig, Herzog v. Olden-
burg. IV lb:460.
Peters, Ed. I 3:284; 10:1.
— K. IV 5 : 157.
Petersen, J. W. IV 9:17.
Peterson, K. F. L. IV la:10.
- L IV la:42.
Petöflgesellschaft. IV 3 : 468.
Petrarca, Fr. IU 5 : 1 ; IV 1 c : 41, 77.
Petrejus (Buchhändler). 13:356.
Petri, J. IV 1 a : 12 ; 2 b : 392.
Petrioh, H. IV 3:19; 10:82.
Petronius. IV lo:41; 2a: 40.
Petrus, d. Himmelspförtner. 15:1.
— t. Memel. III 3:6
Peutinger, K. I 3 : 268: II 1 : 71.
Pfäfflin-Baumgartner, Frau. IV 3 : 371.
Pfalz I 9 : 136.
Pfau, L. IV 5 : 451/9.
Pfauser (Theolog). II 6:39.
Pfeffel, G. K. 16: 104.
Pfefferkorn, J. II 7 : 14.
Pfeiffer, F. IV 1 c : 44
Pfeilschmidt, H. IV 2b: 107.
Pfeilschrifter, Julie v. I 10:283.
Pfenninger, J. K. IV 2a: 116.
— Magdalena. IV 8b: 54.
Pfingstlied. I 5:63.
Pflster, F. v. IV 2a: 158.
Pflanzenknltus. 15:47.
Pflanzenwelt. 1 4 : 120.
Pflanzmann, J. 13: 103.
Pfleiderer, 0. IV 5:558.
Pflichten des Literarhistorikers. I 1 : 21.
Pflichtexemplare. I 3:274a.
Pfordten, 0. y. d. I 10 : 138.
Pfranger, J. G. IV 5:36/7; 6:23.
Philanthropie. IV 2a: 29.
Philanthropinismus. I 12 : 34, 42/5, 175.
Philipp, Landgraf T.Hessen. I 12:12;
II 1 : 39, 57.
Philologie. 13:218; 6:1; 12:50/1;
III 5 : 1.
Philosophie. IV 7 : 22.
Photographie. 19:441.
Phototypographie. I 3:35/6.
Physiologie. 18:1, 13.
— d. Schreibens s. Graphologie.
Piaristendramen. III 4 : 16.
Picander-Henrici, Chr. Fr. I 8:30.
Pichler, Ad. IV la:14, 40; 2b:204/6;
3:419.
— Karoline. IV 2b: 207; 8:516/8.
— Luisa. IV 3 : 545.
Picoolomini. III l : 35.
Pick, A. IV 2b: 100, 105/6.
Pico v. Mirandola. II 7:7.
Pedoll, H. 19: 332.
Pierlala, Volkslied vom. II 2 : 49-50.
Pierson, W. 16: 104.
Pietismus. I 12 : 129, 145 ; III 5 : 62, 68.
Pietsch, J. V. III 5:75; IV 2a: 58;
3 * 28
— L. I 9:19, 21: IV lc: 65; 5:468.
Pigage, N. de. 19: 136.
Piglhein, B. 19: 284 5.
Pilze, In die, gehen. I 7 : 157.
Pincier. II 2 : 5.
Pindar. IV 1 c : 90.
Pinzgau. I 9 : 368.
Pirkheimer, W. II 5:95; 6:16; III
5:1.
Pistorius. IV 8e : 18.
Pitaval. IV 9 : 176.
Pins, Probst. IV 1 b : 381.
Platner, E. IV 5 : 105.
Planck, K. Ch. IV 5 : 201.
Planitz, C. v. d. IV 1 a : 27.
Platen,A. Grafv. 11:22; IVlc:C9a;
ld: 6; 2b : 22/6, 64; 5 : 423.
Plato. I 4 : 129; 11 : 2; IV 9 : 48.
Plattnergewerk. I 4 : 203.
Plautus. 13:1, 149; 11 :44; II 4a: 19;
IV 6 : 27.
Plautin-Moretus. I 3 : 84/5
Plestjeschew, AI. IV 1 d : 69.
Plettenberg, W. v. II 5 : 26.
Plinins. I 3 : 115.
Plotin. III 5 : 1.
Pluymer (holländ. Dichter). III 4 : 24.
Poach, A. II 6 : 180.
Poe, E. A. IV 3 : 10.
Poesie, Gesetze d. II: 18.
— nationale. IV 7 : 24.
Poetik. I 1:47; 6:132, 1424. 146; III
5:1.
Pötzl, Ed. IV 3 : 465.
Poggio, F. I 11 : 5 a.
Pohl, R. IV 1 c : 59.
Poiret, P. III 2 : 19.
Pokorny, Ed. IV 3 : 412.
Polemik, ultramontane. II 6 : 148,
150 a/1.
Polen. I 5 : 185.
Polenz, W. v. IV 3 : 604.
Politico. III 5 : 2.
Polko, Elise. IV 3 : 527.
Polling. I 9 : 127.
Pols, Schwertfegerfamilie. I 4 : 202.
Polyphonie. I 10 : 73.
Pommern. I 4 : 99; 9 : 147, 190.
Pomponatus, s. Pomponazzi.
Pomponazzi, P. III 5 : 1.
Poole, W. F. 13 : 253.
Poppeisdorf. I 9 : 144.
Porträts, historische. II 1 : 12.
Porträtwerk. I 9 : 106.
Porzellanindustrie. I 4 : 241/3.
Posch, Joh. Ch. IV 2a: 31.
Posen. I 4 : 204, 276/8; 9 : 459.
Postel, K. = Charles Sealsfield.
Postwesen. I 4 : 260/5.
Poth, S. F. IV 5 : 398.
Potocki, Graf t. IV 8b : 2.
Poyvre, H. 13: 74.
Prachtwerke. IV 2 b : 483-96.
Prades, de, Vorleser Friedrichs d. Gr.
IV 1 b : 43.
Präger, F. I 10 : 134/5; IV lc: 57,60.
Prämonstratenser. I 4 : 410.
Prätendenten. I 4 : 465.
Prag. I 4:205, 435; 7 : 66.
Prangerl. IV 1 c : 13.
Prasch, A. IV 3 : 440.
Praun, N. II 4b: 91.
Predigten. 1 3 : 19; II 1 : 77; 5 : 17-20;
IV 2 b : 478.
Prell, H. I 9 : 343.
Preller, Fr. 19:20; IV 2b : 46; 5 : 398.
Preser, C. IV 2 b : 84/5.
Presse. I 3 : 243, 251/7, 420, 425a; s.
a. Zeitungswesen.
Pressfreiheit. I 3 : 406 7, 420, 424.
Pressge;etz. I 3: 421, 425.
Pressmandate I 3 : 419.
Pressrecht. I 3 : 414.
Preussen. I 4 : 180 ; 1 2 : 48 ; III 1 : 179.
— Nation d., an d. Univ. Leipzig. I
12:146.
— Provinz. I 4: 273/5 a.
Preussenhymne. I 8 : 23.
Preussenlied. IV 2 a : 10; 2 b : 424/5.
Priameln. II 6:125.
Pribitzer-Lied. 116:274.
Pribram, A. IV Ib. 18.
Prinz v. Arkadien. III 4 : 21.
Prinzenerziehung. I 12:11.
Pritschmeister. I 8 : 30.
Privatbibliotheken. 1 3 : 297 ; s. a.
Bibliotheken.
Privatlektüre. I 6 : 26/8.
Privatschule. I 12:229.
Probst, A. IV 2b: 340.
Pröhle, H. IV 2a: 40.
Programme. I 3 : 168.
Programm-Musik. I 10:17/8.
Prokesch, A. IV 2b: 112.
Proletarierdichtung. IV 2 b : 407. 410.
Promotionen. I 12 : 105.
Properz. I 3:1; IV 9:31.
Prosa. IV 5 : 175.
— gereimte. IV 2b: 4.
Prosaauflösungen. II 2 : 29.
Protestanten, Salzburger. III 1 : 180.
Protestantismus. I 12 : 104, 145; III
1 : 170.
Protokolle u. Relationen. III 1 : 129.
Pruss, J. II 3:20.
Prntz, R. IV lc:27, 50.
Psalter. I 3:90.
Psychologie. I 8:13/6, 31, 34; III
1 :183; 5:54; IV 5:219-25.
— des Schreibens s. Graphologie.
Psycho-Physiologie d. Handschriften.
I 3:46/7.
Publizistik. III 1 : 10, 295/7.
Pudor, H. I 9:340a; IV 2b: 395.
Pückler-Muskau. Fürst. IV lc:27, 7ö.
Pntzgen I 4 : 339.
Pufendnrf, S. III 1 : 198; 5 : 44/5 b, 62;
IV lb:291.
Puff, Rud. Gnst. IV 2b: 112.
Puisegur, Marquis v. 14: 144.
Pumpernickel. I 7 : 145.
Puschkin, A. IV la:21.
Puschmann, A. I 8:23; II 4 b : 95.
Pustkuchen, F. IV 3:91.
Putlitz, G. v. IV 1 c : 60.
Puttkamer, Alberta v. IV 2b: 403,4.
Pygmalionmotiv. IV 3 : 65.
Pyra, J. J. IV 2a: 58; 3:28,32; 5:34.
«fcuandt (Buchhändler). IV 3 : 233.
Quantität. 1 8 : 1/2, 12/3, 18, 23.
Quedlinburg. 1 4:221, 318/Sa; III
1 : 23 a.
Querbammer, C. II 6 : 163.
Quintilian IV 6 : 13.
Quirini, V. II 1 : 19.
Raabe, W. IV 3 : 323/7.
Rabe u. Fuchs. I 11 : 4.
Rabelais, J. III 5 : 1
Rabener, G. W. IV lc : 78; 2a : 35;
59.
Rachel, Elisa. IV I c : 93.
Racine, J. de. IV 1 c : 27, 33.
Racknitz, J. F. v. IV 1 a : 17.
Radbertus, J. v. IV 5: 113.
Riidetzky, J. A. Graf. IV 1 b : 180, 387 ;
2a: 1.
Radnitzky, Aug. IV 2b: 198.
Radowitz, J. IV 5 : 563.
Radulfus v. Anjou. I 11:46.
Radziwill, Anton Fürst. IV 8a: 38;
8 e : 93.
Rätsel. I 4:134; 5:389-95.
Raff, J. I 10 : 192.
Rahden, Edith v. IV I c : 103.
Rahl, K. IV 8 a : 25.
Raimund v. Sabunde. III 5:1.
Raimund, Ferd. IV lc: 66.
Rainer, Erzherzog. IV 1 c : 7
Rambach. Fr. E. IV 3 : 16.
Ramler, 1. W. I 8 : 27; IV lc : 41, 78 ;
2a: 40, 46, 49; 3:65; 6:2.
Rank, J. IV 3 : 413.
Ranke, L. v. I 6:117/8; IV lb:l, 58,
194, 240; lc:l. 68; 5:271, 358,366,
377. 380, 397.
Rantzau, J. III 1 : 105.
Rappolt, F. III 5 : 51 2.
Raspe, R. E. IV 3:40.
Rassenkampf. 14:5.
Rasser, J. II 4 a : 30 ; 5 : 35.
Ratdolt, E. 13: 67,
Ratherius. IV lc:77.
Ratibor. I 9: 121.
Ratingen, J. v. II 2 : 51.
Rationalismus. I 6:94; 12:129; III
Sachregister.
5:72/3; IV 5:86, 113, 140; s. anch
Aufklärung.
Ratschky, J. F. v. IV 2»: 103.
Rattenfänger v. Hameln. IV 3:229.
Ratthey (Ratjen?). IV 2a : 9">.
Ratz, J II 5 : 27.
Rauch, Chrn I 9 : 254, 264, 267.
Raufjodl. I 5:310.
Raumann, K. II 2:82.
Raumer, F. v. 16: 117/8; IV 1 b :
20.
— K. v. IV 5:339.
— Rud. v. IV lc:44.
Raumwirkung. I 9 : 8.
Raupach, E. I 5 : 263; II 4b : 71.
Rauscher, Kardinal. I 12 : 69.
Rauaohoff, G. IV 3 : 66.
Ravensberg. I 4 : 335.
Realien. I 6:97-100; 12:27, 106,9.
Realienbücher, l 6 : 94.
Realismus. I 9:44; 12:209; II 1:1;
III 5 : 70 a.
Realisten. IV 2a:96'8.
Realschultypus. I 12:86.
Rebhun, P. II 4 : 26.
Rechenaufgaben. 1 12 : 9.
Rechenunterricht. I 12:9.
Rechnungen. I 4 : 212.
Recht. I 4:98-110a; III 1:10.
Rechtfertigungslehre, Panlinische. III
5:1.
Rechtsbräuche I 5 : 60/1. 100.
Kechtsbücher. II 5 : 63-72.
Rechtsgeschichte, vergleichende. 14:4.
Rechtsleben. III 1 : 10.
Rechtspflege. I 3 : 404 5 ; s. a Censur,
Pressrecht.
Recke, Elise v. d. IV la:10; 2a:
132: 8e : 62.
Reddemer, Th. I 12 : 192.
Rede-Aktos. I 12:1069.
Redensarten (s a. Sprichwörter). I 5 :
364,5, 367-88; 7:156-66.
Redepausen. 18:1,29,33.
Reder, H. v. IV 2b: 103-10.
Redmger, J. 1 12 : 175.
Redwitz, 0. v. II 1:66; IV lc:8, 13,
50, 58 ; 3 : 605.
Ree, P. IV 5 : 175.
Reflexionspoesie. IV 2b: 3.
Reformation. II 6. - I 6 : 94, 140; II
12, 9; III 5:1; IV 5:634.
Reformationsgeschichte. 13:271.
Regensburg. II 1 : 15.
Regulative. I 9 :362; 12 : 75.
Rehberg, Fr. IV 3 : 63.
Rehfues, P. J. v. IV 5 : 398.
Reich, M. IV 3 : 413.
Reichard, H. A. 0. IV 8e : 7.
Reichardt, J F. I 10:45, 55; IV 5 :
489; 8b: 2; 10:41
Reichel, Chrph. K. IV 3 : 22.
— J. G. IV 3 : 22.
Reichenberg. I 9 : 472.
Reichensperger, P. IV 1 b : 319.
Reichenstein. I 4 : 194.
Reichersbeuren. I 9 : 127.
Reichsdruckerei. I 9 : 104.
Reichsfarben. I 4:111a.
Reichshaus. I 9 : 374-80.
Reichslande. I 4:343-50a.
Reichstag, Humor im. I 4:136 a,
Reichstage. II 1 : 15; 7:19.
Reid, Mayne IV 3:401.
Reihing, J. II 6 : 35.
Reim. I 8 : 1. 30, 33/4.
Reimams, Elise. IV 1 c : 17.
— Familie. IV 5 : 600.
— H. S. IV 5: 18-20, 224: 6:36 7.
Reimer. Betty. IV 6:11.
Reimpredigt. II 5 : 19.
Reinbeck, Emilie. IV 2b : 136.
Reinecke. K. IV 1 c : 58.
— Fuchs. II 1:83; 3 : 10/a, 12, 14/5;
IV ld :3.
Reinhard, F. V. IV 5 : 291.
— Fr. IV 5 : 600.
Reinick, R. IV 2b :75; 3: 1325, 278.
Reinke de Vos s. Reinecke Fuchs.
Reinwald, Chrph IV 5 : 37.
Reisebeschreibung. IV 3:36, 39.
Reiselitte ratur. I 4:1248.
Reisen. I 4 : 81 ; II 1 : 112, 126 8.
Reissiger, K. G. IV lb:446.
Reissner, Ad. II 1 :36.
Reiter, J. IV 2 a : 53.
Reiterdenkmale. I 9:264.
Reiterleben. I 10 : 52.
Religion. I 4:508-10; III 5:1. 12-38;
IV lb:20I.
Religionsphilosophie. IV 5 : 234/8.
Religionsunterricht. I 12:5 6.
Rellach, J. II 6 : 66.
Rembrandt als Erzieher. IV 3 : 87, 261,
418; 5:65.
Remscheid-Solingen. I 7 : 74.
Remusat, J. P. A. IV 8c : 50.
Renaissance. II 1:12, 78-81; 1115:1/2.
Renan, E. II: 18/4.
Renaudot, Th. I 3:228 9, 239.
Renner, K. Fr. 18: 30.
Rennschub, Sophie. IV 9:87.
Restaurierungen. I 9 : 136.
Retz. I 4:3S0a.
Reuber, J. IV 1 c : 30.
Reuchlin, J. II 7 : 145; III 5 : l.
Reuling, C. IV 1 a : 16.
Reumont, A. v, IV 5:366
Reuter, Fritz. I 4:49; IV lc:65;
2b: 64, 285; 3:232-56; 5:467; 9:
194.
— Luise. IV 3 : 233-46.
Reutern, G. v. I 9:305; IV 5:599;
8b: 10.
Reval. I 4:253.
Revolution, französische. IV 7 : 20.
Revolutionskämpfe. IV 2b : 57.
Lieder. IV 2b: 3.
Litteratur. IV 2b : 409.
Reygenlied vom heil. Grobian. II 2 : 45.
Reynmann, L. II 5:48.
Reynolds, J. 19: 102.
Rhegius, ürbanus. I 12 : 8.
Rheinlande. I 4 : 222, 336-42 ; 6 : 97;
7:5; 9:143.
Rhenanus, Beatus. II 7 : 19.
Rhetorik. I 6 : 142.
Rhodomannus, L. II 7 : 37,
Rhythmen, freie. 18:1, 13.
Rhythmik I 8 : 1,2, 12,3.
Rhythmus. I 5 : 320 ; 8 : 24. 26 ; 10 : 41.
Rhytlimuswechsel. I 8 : 12.
Richardson, S. IV 3:6/7, 16.
Richenthal, U. I 3:30.
Richey, M 18: 30.
Richter (Jugenderzähler). IV 3 : 120.
— G. K. A. IV 2a: 11.
— J. P. F. (Jean Panl) I 12:145;
IVla:33; 1 c : 17. 50,52, 73, 96;
3:80'8, 270, 410; 5 : 15'7, 39, 397,8,
606; 10:25, 35. 61, 82.
— Ludw. I 9:272; IV lc:62; 5:466.
— R. IV 8e:87.
Richtschwerter. I 4 : 202.
Richtung, Moderne. I 1 : 43, 48.
Rickert, H. IV 5:558.
Riedel, F. J. I 8:30; IV lc:40/l;
2a:54.
Riederer, Fr. I 8 : 30.
Riehl, H. W. v. IV 3:175; 5:43, 352,
471.
Riemer, F. W. IV 8e : 46, 62.
Ries, Adam. I 4:464 a; II 1 : 124.
Riesensagen. I 5 : 261/2.
Rietschel, E. I 9:266; IV 2b: 46;
9: 12.
Riga. IV 7 : 15.
Rimicius. I 11 : 5a
Rinaldini, R, IV 3 : 16.
Rinckhart, M. II 4 a : 37 ; 6 : 163.
Ring, Hofrat. IV 2 a : 54.
Ringseis, Emilie. IV 3 : 538.
Ringwaldt, Barth. II 6 : 163
Rippoldsau. I 4 : 352 a.
Rist, J. G. IV la:37: 8 e : 25
Ritschi, Allr. IV 5 : 228, 320 6.
— Fr. IV 5 : 398.
Ritter, A. I 10 : 260: II 5 : 117 a.
Ritterkrieg, Der. II 5 : 55.
Ritterroman. IV 3 : 16; 9 : 176.
Rittershaus, E. IV lc:44; 2b: 41a b,
— N. II 2:43; III 2:4.
Robert, U. 13: 325
Robert Guiskard. IV 9:31.
— L. I 9:461.
Roberts, A. Baron IV 3 : 606.
Robertson, F. W. IV 6 : 39.
Robinson u. Robinsonaden. III 3 : 11/7.
Rochlitz, F. IV 3:58; 8b: 2.
Rochow, Fr. E. v. I 6:94; 12:40 2.
Rockenberger, Andr. I 9:463.
Rococo. I 4 : 25
Rode, Chr. B. I 9:260.
Rodenberg. J. IV lc : 60; 2b : 845.
Röber, F. 19: 349.
Röohel, M. I 5 : 40.
Röckel, A. I 10:131,3; IV 1 c : 56.
Römhild, C. Jol. IV 5:618.
Rössler, Konst. IV lb:469.
Rötscher, H. Th. IV lc:50.
Roggenbach, F. Frhr. v. IV 1 b : 3.
Roggensau. I 5 : 73.
Rohr, Joh. Chrph. IV 2a: 3.
Rokelt (?) oder Rokett. IV2a:21.
Roland de Lassus s. Orlando di Lasso.
Rnlevinck, Fasciculus tempornra I
3:104
Rollenhagen, G. IV 2a: 102.
Rollet, H. IV 2b: 182.
Roloff, G IV 1 b : 171, 295, 402.
Rom. III 5:1.
Roman. I 12 : 222; IV 3 : 2/3, 17.
— historischer. IV 3 : 190-219,
— moderner. IV 3:6-11.
— pädagogischer. I 12:34.
— romantischer. IV 10:7.
Romangruppen. IV 3 : 12/8.
Romanhelden. IV 3 : 11.
Romanlitteratur, moderne. IV 3 :
550-616.
Romansammlnngen. IV 3 : 19-21.
Romantik. IV 10. — I 6 : 135 ; 10 : 35/6 ;
IV la:3: lc:27, 50, 73; 2a: 162;
3:98-112.
Romanus, J. B. II 6 : 43.
Romanze. I 6 : 142.
Romanzenepos. IV 7:31.
Roquette, 0. IV 1 c : 50. 58; 3:288-95.
Röscher, W. IV 5:478-85. 487.
Rosegger, P. K. IV 3 : 434-54.
Rosenfest. IV 2b: 57.
Rosenkranz, K. IV lc:69a.
Rosimunda. II 4 b : 70.
Rosner, F. III 4: 15.
Rossini, G. IV lc:60.
Rost, A. IV lc:58.
— Ch. 18: 30.
— J. Ch IV lc:78: 3:32.
Rostock. I 4 : 209, 252 a; II 1:1.
Rot in Gleichnissen. I 5 : 382.
Rotenburg. I 4:366.
Roth, K. v. IV 5:414.
— St. II 1 : 122.
Rothe, G. I 12:181.
Rothinann, J. IV 2a: 101.
Rotkäppchen. I 5:238.
Rotieck, K. v. IV lc:51, 66.
Rotten hamra er, J. I 9:190.
Rotting, Mich. II 6 : 155.
Rotwälsch. I 7:87/3.
Rouget de llsle. IV 2b: 417.
IV lb:291;
14, 65;
lo:2,
11, 113,
Rousseau, J. J.
47, 68: 3:6/
224, 463, 652.
Rowe, Elisabeth. IV ld:60.
Rubinstein, A. I 10:66, 230-45; IV
lc:14: 2b: 46.
Rudbek, 0 I 11:2.
Rudolf v. Habsburg I 11 : 18.
— IL Kaiser. I 9 : 170a, 454; II 1 :
15.
Rudolstadt. I 9 : 126.
Rückblicke. IV 3 : 14.
Rückert, Fr. 16:104, 136; IV lb:
158, 205, 444.
— H. IV 2b: 27-31.
Rüdiger, Andr. III 5 : 71 ; IV 5 : 231/2.
Rüdinger, Ed. v. II 7 : 6.
Ruef. J. IV 9 : 166.
Rügger, H. 13: 111.
Rüling (Kantor). I 10:27.
Rümelin, G. v. IV 5 : 476.
Rufus, Blutianus. II 7 : 29.
Rüge, A. IV 5 : 126. 563, 590.
Rulman Merswin. IV 1 c : 77.
Rumänisches. IV 2a: 122.
Rum ohr, W. v. IV 10 : 1.
Rumpelstitzchen. I 5 : 247.
Rumpf, K. IV Sa:!^.
Runge, Ph. 0. IV 10:41.
Russland. I 4 : 185.
Rust. F. W. I 10 : 101, 108.
Rüstige, H. IV la:12.
Rustringer Heimatsbund. IV 2 b : 343.
Rutze, Nik. II 3 : 60.
Saadi. IV 2 b : 28-31.
Saale. 1 7 : 77.
Saar, F. v. I 6:130; IV 2b: 183/6;
3 : 457-62.
Saarbrücken. I 4 : 342.
Sabatier, F. IV 8e : 104.
Sabatke (Buchhändler). I 3 : 364.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V.
(4)38
Sachregister.
Sabbatai (Buchhändler). I 3 : 364.
Sabbatharier. I 4 : 423.
Sabinus, G. I 12 : 143.
Sacer, G. W. 18: 30.
Sacher- Masoch. L. t. IV 3 : 436.
Sachs, Hans. II 4b. — I 8 : 1, 23, 301 ;
11 :8, 27-30, 32; II 2:23; 3:19,27;
6:198/9; IV ld : 3; 5 : 444; 8b : 40/1 ;
8e : 8. Beschreibung aller Stand II
4 b : 79 Ch risti Geburtsspiel II 4 a : 6.
Drama II 4b : 85/6. Fabeln und Mär-
chen II 4 b : 68/9. Fahrend Schüler
im Paradeis II 4b : 7, 52, 58. Fast-
nachtsspiele II 4b : 5, 7, 12, 72.
Frau Wahrheit II 4b: 7, 52, 110.
Gespräch e. evang. Christen 114 b : 92 a.
Hagbart u. Signe II 4b : 70. Heiss
Eisen II 4b : 5. Hester (Drama) II
4 a : 24. Krämerskorb II 4 b : 58. Lieder
II 2:44a; 4b: 77. Lobspruch d.
Stadt Salzburg II 3:26; 4b : 8,
Meisterlieder II 2:23, 29, 32, 34;
4b: 9, 41, 53, 80/4, 95. Narren-
schneiden II 4b: 5, 86. Nibelnngen-
drama II 4b : 71. Pura II 4b : 86.
Rosimunda II 4 b : 70. Sanct Peter
mit der geiss II 4b : 51. Schmied
zu Rom II 4b: 68 Schwanke II
3 : 22/5; 4b : 68/9, 80/4, 104. Spruch-
bücher II 4b: 78. Spruchgedichte II
4b : 6. Sprüchwörter II 4b : 89.
Teufel mit d. alten Weib II 4b: 52.
Tod im Stock II 4b : 52. Toter Mann
II 4b: 5. Uebersetzungen II 4b: 75.
Unnütz fraw Sorg II 4 b : 86. Vor-
rede zu N. Prauns Dialogen II
4b : 91. Wach auf meines Herzens
Schöne II 4b : 46a. Wunderbariich
träum II 4b : 12. Zipperlein u. d.
spinn II 4b : 51.
Ausstellungen. II 4b : 53.
Dichtungen. II 4 b : 105-12.
Feier. II 4b: 15, 56.
Litteratur. I 3 : 152; II 4b : 667.
— Jul. IV 8a: 49
— Mich. IV 5 : 353.
Sachsen (Königreich). I 4 : 163, 192 a,
197, 324.7; 9: 124.
— (Kurfürstentum). I 4 : 162, 169.
— (Provinz). I 4 : 312-23.
Sachsenhymne. IV 2a: 11.
Sack, Aug. Fr. W. IV 5 : 246.
— F. F. A. IV 5 : 289.
— F. S. G. IV 5 : 275.
Sächsische Schweiz. IV 2a : 132.
Sächsisch-Regen. I 7 : 68.
Säkkingen. I 4 : 397.
Saenger, S. IV 8a : 77.
Sagen (s. auch Beschwörungen). I
5:125/6, 131, 133, 149-99, 239, 242,
353; 6:104, 108/9, 120, 126, 142; IV
2a: 116; 7:24.
Sagenkreise. I 6 : 120.
Sagensammlungen. 15:149-51.
— aus Mitteldeutschland. I 5 :' 169-88.
— aus NiedeTdeutschland. I 5 : 189-99.
— aus Oberdentschland. I 5 : 152-67.
Sahlmann, F. IV 3 : 256.
Sailer, Gereon. II 7 : 19.
— S. IV 2b: 304.
Saintfoix. IV 9 : 176.
St. Cyr. I 10:50.
St. Leu, Graf (= Ludw. Bonaparte).
IV 2b: 112.
St. Pierre, B. de. IV 3:403 a.
St.- Real. IV 9:176.
Saint Simon IV 3 : 14.
Saladin (Sultan). I 11 : 17.
Salchow (Stadtsekretär). IV 1 b : 187.
Saldörfer, Konr. I 3:337/8.
Säle, Antboine de la. 13: 282.
Salis, t. (Familie). IV 2a: 133.
Salimbene. IV 9:67.
Sallust. 13:1, 114.
Salus, H. IV la:13; 2b: 113/6.
Salutato, L. III 5 : 1.
Salzburg. II 3 : 26
Salzmann, Chr. G. I 6 : 94; 12 : 31 4:
IV 5:612
Salzwesen. I 4 : 170/2.
Sam, Konr II 6 : 194.
Sander, Cl. II 3:48 a.
— F. IV 5:268.
— J. S. IV 8b: 11.
Sanders, D. 12: 57/8.
Sandersleben. I 9 : 151.
San Marte, A. I 6:117/8.
Sannazaro, J. III 2 : 41.
Sanseverino, F. IV 3 : 78.
Saphir, M. G. IV lc : 51, 58; 3 : 278.
Sarcey, Fr. IV 1 b : 338/9.
Saros Patak. 112: 15.
Sarpi, P III 5 : 1.
Sartor, J. II 1 : 87.
Satinagedruck. I 3 : 140.
Satire. II 5 : 73-109.
Satiriker. I 6:140.
Sattel. I 9:465.
Sattler, Jos. I 9 : 333.
Satzpausen. 18:1, 29, 33.
Sauer, A. IV 3 : 19.
— W. IV lb:181.
Sauerkraut. I 4 : 236.
Sauppe, C. IV 5:400.
Savigny, F. K. v. IV 5:352, 471;
10:1, 49, 61.
Scarron, P. I 11:51; III 4:24.
Schaafhausen, H. IV 5 : 518.
Schuck. A. F. Graf v. 1 6 : 89 ; 8 : 36 ; 11 : 2 :
IV lc:50, 66. 68; 2b -.28-30, 64-75;
3:330/1; 5:460, 464; 8a: 104.
Schackothek. IV 2b: 73.
Schade, Job. Kasp. III 5:33.
Schadow, J. G. I 9:254; IV 8a: 4;
8 b : 9 ; 8 e : 65.
Schäfer, Anny. IV 2b: 296.
— Arnold. IV lb:57.
— Karl IV 2h: 87.
Schäferspiele. I 12:24.
Schäffler. IV 2b: 281.
Schärtlin, Seb , v. Burtenbach. II 1 : 36.
Schäufelin, H. I 3:337/8.
Schaf heitlin, A. IV 2b: 396.
Schallenberg, Chrph. v. III 2 : 6.
Schan, Jörg. I 11 : 46.
Schanz, Frieda. IV 2b: 402.
— G. IV lb:416a.
Scharf, L IV 2 b : 393.
Scharffenberg, Albr. v. 13:20.
Siharfsinnsproben. I 11:5.
Soharnhorst, G. J. D. v. IV lb: 149,
166.
Scharzfels, Burg. I 4 : 311.
Schatzger, Kasp. II 1 : 87.
Schatzsagen. I 5 : 179, 198, 240.
Schaumberger, H. IV 3:608.
Schaumburg, M. 13: 373.
Schauspiel s. Drama u. Theater.
Schauspieler, holländische. III 4 : 24.
Schedel, Hartm. II 3 : 63 ; 5 : 65.
— Herrn. II 7:2.
Scheffel, J. V. v. I 6 : 127; 7 : 201 ; IV
lc: 13,26.58.66; 1 d : 3; 2b : 239-53;
3:215/9; 5:398, 535, 558.
— Joseflne. IV 2b: 254/5.
— Marie. IV 1 c : 13.
Scheffler, J. s. Angelus Silesius.
Scheffner, J. G. IV 2a: 150.
Scheiben treiben. I 5 : 49.
Scheit, Kasp. II 1:112.
Srhelhamer, Jak. II 6 : 155.
Schelling, P W. J. v. IV 1 c : 66 : 3 : 110;
5:115/7. 140, 354; 8b: 2; 10 : 1, 3 ,
14, 30,2, 34, 61.
— Karoline. IV 10:14.
Schellhammer. IV 1 b : 131.
Schelmenroman. IV 3 : 12. 16.
Schelmuffsky. IV 10:41.
Scholz. 1 11:8.
Schenk, Ed. v. IV 2b: 22.
Schenkendorf, G. H. IV 2a: 154.
— Maxv. IVlb:386;2a:154/6;5:345;
10:36
Schenkendorff, Karl Oswald v. IV 2 a : 154.
Scheerbart, P. IV 1 a : 16.
Scherenberg, Ch. F. IV 1 c : 49.
— E. IV 2 b : 352-4.
Kchernberg, Th. II 4a: 36.
Scherer, A. IV 8a: 78
— W. I 1:66; 6:40; 112:36; IV
la:30; lc:60; 5:397; 8e:68.
Scherr, J. IV 2b: 66.
Schicksalstragödie. IV 5 : 627.
Schiebeier, D. IV 3 : 65.
Schiessprügel. I 7 : 144.
Schiff, Herrn. IV la:37.
Schiffahrt. I 4: 267/7 a.
Schikaneder, Em. II 1 : 66.
Schiida. I 7 : 81.
Schildbürgerbuch. IV 3:253
Schildbürgergeschichten. I 5:396/7.
Schiller, Carl v. IV 9 : 35.
— C. G W. IV 3 : 78.
— Charlotte v. IV 1 b : 439 ; 9 : 35, 176.
-- Christophine. IV 9 : 14, 24.
— Elisabeth Dorothea. IV 9:27.
Schiller, Ernst v. IV lc : 47; 9 : 26.
— F. v. IV 9 — I 1 : 46; 6 : 32, 40/4,
79-82, 104, 117/8, 135, 142: 8 : 23, 33;
IV 1 b : 100, 291 ; 1 c : 17, 20, 27, 31,
50, 53, 65, 72, 76, 93, 96; 2a: 89,
97/8, 106; 2b: 138; 5:37, 89, 104,
140. 224, 345, 558, 600, 652; 6 : 16;
7 :13, 21; 8a: 25; 8b : 33; 10 : 5, 9,
34/6, 41, 48, 61, 102, 109, 118. Hören
IV 7 :21, 24; 8b : 42.
— Lyrik. IV 9 : 54-77. — 16:31,
108 9; IV 1 c : 49; 3 I 20. Bürgschaft
IV 9 : 63. Deutsche Muse IV 9 :65.
Gang nach d. Eisenhammer IV 9 : 67/8.
Glocke I 6 : 79; 8:3; IV 9 : 69-73.
Götter Griechenlands IV lc : 17;
9 : 74. Ideal und Leben IV 9 : 62.
Ideale IV 9 : 189. Kampf mit dem
Drachen IV 9 : 64, 151. Künstler
IV 9 : 61. Laura-Lieder IV 9:4.
Lied au d. Freude IV lc:17, 96;
9 : 18/9. Mädchen aus d. Fremde
IV lc : 26 Resignation IV 2a : 132.
Schlacht I 8 : 24. Spaziergang IV
8c: 30; 9:75/6. Tabalae votivae
IV 9 : 31. Triumph d. Liebe IV
2a: 1 17 ; 9 : 77. Waschweibergedicht
IV 9 : 22. Würde d. Frauen IV
lc:17: 9:66. Xenien IV lc:82;
9:31, 176.
— Epos. Geisterseher IV 10 : 82.
Vergilübersetzung IV 1 c : 96.
— Drama IV 9 : 79-168. - 1 6 : 2, 40.
Braut v. Messina I 6:40, 44, 82;
IV 9 : 153/7; 10 : 41. Demetrins I
6:401: 11 : 23; IV 9: 1714. Don
Carlos IV 1 c : 96; 3 : 78; 5 : 37; 9 : 88,
176. Fiesco IV lc : 96; 5 : 634;
9 : 176 Jungfrau v. Orleans I 6 : 40,
42: 8: 23; IV 9: 4, 83, 111-49. Kabale
u Liebe IV 9 : 86/7. Kinder d. Hauses
IV 9 : 82. Macbeth IV 2a : 98. Mal-
theser IV 9 : 176 Maria Stuart I
6 : 40; IV 9 : 102/8. Neffe als Onkel
IV 9 : 170. Polizey IV 9 : 175, 6.
Prinzessin v. Celle IV 9 : 176. Räuber
IV lc:96; 3:16; 9:845. Teil 1
6 : 40, 42, 81, 128; IV ld : 3; 3 : 78;
9: 159-64; 10 : 48. Wallenstein I
6 : 80, 128; III 4 : 8: IV 9 : 90/7.
— Antrittsvorlesung. IVla:33. Briefe
über ästhetische Erziehung IV 1 c : 17 ;
7.21. D. Erhabene I 6 : 40. Historische
Schriften IV 9 : 31. Memoire über
Ludwig XVI IV 9: 176. D. Pathetische
I 6 : 40. Trngische Kunst 1 6 : 40.
— Nanette. IV 9 : 25, 37.
— Kasp. IV 9 : 14, 35/6.
Archiv. I 3 : 36 n; IV 9 : 35.
— -Feier. I 12 : 178.
Litteratur. IV 8a : 25.
Preis. IV 9 : 192,3.
Stittung. IV 3 : 248.
Uebersetzung. IV 2b : 104.
Schilling, W. IV 3:1.
Schindler, AI. IV 3 : 464.
Schink. J. F. IV 8e:115.
Schinkel, K Fr. I 9:264.
Schinkell, Joh. Friedr. IV 2a: 25.
Schirmer, Mich. III 2 : 15.
Schlaf, J. IV 1 a : 16.
— im Volksmunde. I 5 : 380.
Schlagwort-Katalog. I 3 : 196,8.
Schlaun. I 9 : 136.
Schlegel, A. W. v. I 8:12, 14, 23; IV
lb : 386; ld : 18|19; 2a:114/5; 5:
238; 10:1/5, 8-12, 61; 6:27; 8b: 2.
— Dorothea (vorher Dor. Veit). IV
lc:43: 10:14, 41.
— Friedr. IV 1 c : 72; 1 d : 64 ; 5 : 140,
238; 9:166; 10:1/5. 13, 41, 56, 61.
— Joh. Adolf. IV lc:78; 5:9.
— J. E I 8 : 27 ; IV 5 : 9.
— Karoline. IV 1 c : 43.
Schlehdorf. I 9 : 127.
Schleiermacher, F D. E. IV lb:144;
lc:27, 43, 75; 3:110; 5:15, 228,
262/7, 275, 289, 354, 440, 558, 575;
10:1, 4, 14
Schleifer, L. M. IV 2b: 138/9; 3:419.
— Moritz IV 3 : 419.
Schlesien. I 4 : 161 ; 4 : 170 1, 215, 279-81 ;
6 : 99 ; 7 : 73, 372 : 9 : 121 ; III 2 : 25-33.
— Oesterr. I 4 : 389.
Schlesinger, Sigm. IV lo:51.
Schleswig-Holstein. I 4:3057a.
Schletterer, H. M. IV lc:44.
Schlez, J. F. I 6 : 94.
Sachregister*.
Schliemann, II. IV 5 : 366.
Schliepmann, H. IV la:16.
Schlick (Kanzler). II 7:2.
— A. II 2 : 82.
Schlippenbach. ülr. v. IV 1 a : 10.
Schlittschuhlaufen. I 12:206.
Schlögl. Fr. IV 3:447, 456, 465; 5:
537, 8.
Schloenbach, A. IV lc:59.
Schloe/.er, K. v. IV 5:356, 393.
Schlosser, Kr. Ch. IV lc:50, 93.
— .T. Chr. IV 5 : 390.
— J. G. IV lc:17,42; 2a:26; 5:600:
8a: 25.
— H. P. IV 2a: 26.
— Ad. IV 5 : 304.
Schlu, J. III 4:1a
Schlüter, A. 19:143.215 6,239.
Schraalkaldia litterata. I 4 : S7; III 1 : 184.
Schneller, J. A. IV 10 : 1.
Schmerling, A., Ritter v. IV lb:390;
lc:94; 2b: 158
Schraeykal, F. IV 1 b : 391 : 5:597.
Schraid, Chrph v. IV 3 : 136-69.
— Hermann. IV 1 c : 66.
— Konr. Arnold. IV lc : 7S ; 5 : 9.
— zu Rom. II 4 b : 68.
Schmidlin, K. IV 2b: 19.
Schmidt, Ad. IV la:6.
— Ch. U. IV 5 : 334/5.
— Erich. IV 3:6: 8e:46, 124.
— Friedr. I 9 : 399.
— Georg. IV 8a: 60: Se: 28.
— Hans W. IV lb:441.
— Joh. Christoph. IV lc:78.
— Julian. IV 1 a : 30; 1 c : 65; 3 : 207 ;
5 : 398.
— K. IV 8e:85.
Cabanis. R. IV la:27.
Wartenberg. II 4a: 4.
Schmied er, B. F. 112:106,9.
Schmierer, Jos. II 2 : 30.
Schminken I 4 : 234.
Schmolin. I 9 : 147.
Schmoller, G. IV 1 b : 85, 437 b.
Schmuck. 1 4 : 244.
Schnaase, K I 9 : 95.
Schnabel, Joh. II 6 • 137.
Schnadahüpfl. I 5:283, 303, 307 8; II
2 : 38, 56.
Schneideck, G. H. IV 3:569.
Schneider, Eulog. IV 5:561.
Schnell, J. v. IV 2b: 208.
— wie der Gedanke. I 11:35.
Schneller, Jul. IV 2b: 112.
Schnellpresse. I 3 : 446.
Schnorr v. Carolsfeld, Julius. I 9 :
268-71.
— Lud ir. IV 1 c : 59.
Schobser, H. Hl: 87.
Schoen, H. Th. v. IV 5 : 398.
— Barthel. I 3 : 337/8.
Schönaich, Chr. 0. Frhr. v. IV 2 a : 36;
3 : 22
Carolath, Emil Prinz v. IV 2b:
370; 3:609.
Schönemann. J. F. III 4 : 24.
Schönheit. 19:6.
Schöning, K. W. v. IV 1 b : 309.
Schönkopf, Kätchen. IV 8b: 32.
Scbönthan, P. IV 3 : 465.
Scholte-Nollen, J. IV Se:18, 23.
Scholtz, J. IV lb:152.
Scholz, G. IV lb:337.
— J. Sigism. I 10:34; II 2:54.
— W. IV 1 b : 262.
Schonaus, J. III 5 : 50.
8chopenhauer, A. I 2 : 36 : 7 : 201, 211 ;
III 5:2; IV 1 c : 50, 56, 58, 87; 5 : 40,
138-50, 224, 238, 558, 607, 652; 8b:
14.
Schoppe, C. s. Scioppius.
Schottel, J. G. 17:15; 8:23.
Schradin, H. II 6 : 194.
Schrandolph, J. I 9:136.
Schreib- u. Rechenmeister. I 12 : 29,
179.
Schreiber. F. v. IV 5:346.
— M. m 5:21.
Schreibsachverständige. I 3 : 46.
Schreibvorlagen. I 3 : 117.
Schrempf, Chr. IV 5:305.
Schrey-Johnen-Socin-System. I 3:12.
Schreyer, H. IV 8a: 98; 8d : 2.
Schreyvogel, Josef. IV 1 b : 99.
Schrift, Gesch. d. 13: 24.
Schriftgiesserei. I 3 : 450.
Schriftproben. I 3:66, 71.
Schriftsprache. I 7. — 13:91: 5:283.
Schriftsteller, .Mecklenburgische. III
1 : 208.
— Französische. III l : 209.
Schriftstellerlektüre. I 6 : 16/18.
Schriftstellertura. I 1 : 73-85.
Schriftwesen. I 3.
Schröder, F. L. I 11:49; IV 6:5, 34.
— Rieh. IV 3 : 233.
Dement, Wilhelmine. IV lc:66,
93.
Sohröer, K. J. IV 8e:79, 97.
Sclirökinger, K. IV 2b: 112
Schubart, Dr. I 9:203.
— Chr. F. D. 18:30; 10:96; IV
la:2; 2a: 128-30.
W E IV 8 c : 48
Schubert, F. I 10:272; IV 2b: 138.
— G. H. v. I 6:128; IV 10:82.
— Joh. E. IV 2a: 2).
— R. IV la:13.
Schubin, 0. IV la:20; 3:502/4, 547.
Sohuch. F. III 4:2t.
Schuckraann, F. Frhr. v. IV 5:601.
Schücking, L. IV 1 c :46; 2b : 37; 3 :
472.
Schüddekopf, K. IV 2a: 34/5.
Schule, Joh. 14:192.
Schüleraufführungen. 112:201.
Schülerball. I 12 : 197.
Schülerbibliothek I 3 : 326.
Schülerregeln. II 5 : 32,3.
Schülertracht. I 12:197.
Schütz, H. I 10:34.
Schugay, E. IV lb:97.
Schuh im Volksglauben I 5 : 103.
Schulabschluss. I 6 : 107.
Schulaktus. I 12 : 24.
Schulausgaben. I 6 : 56-93, 137
Schulbibel. I 12 : 5/6; II 6 : 75-80.
Schulbibliothek. I 3 : 322,3; 12 : 92.
Schulbücher. I 3 : 360; 12 : 216.
Schuldisputationen. I 12 : 153.
Schuldrama. II 1 : 77.
Schulen (Akademie, Bürgerschule,
Fürstenschule, Gymnasium, Hoch-
schule, Jesuitenschule, Lateinschule,
Lyceum, Mädchenschule, Normal-
schule, Pädagogium, Philanthropin,
Piaristenschule, Privatschule,' Real-
gymnasium, Ritterakademie, Seminar,
Universität, Volksschule) I 12. —
1 4 : 1/1 a, 57- 66 a, 69-80; 6 : 1, 18-20,
50/5, 95, 102-13, 116-26, 132, 136; II
1 : 77; IV 5 : 397, 599-601. Baden I
12 : 174, 215, 228. Bayern I 6 : 18,
130; 12 : 175/7, 229. Berlin 1 6:94;
12 : 99, 180, 220 ; I V 1 c : 20. Bingen a.R.
I 12 : 205. Bonn I 12 : 100, 204.
Brandenburg I 12 : 180,4. Braun-
schweig I 12 : 178, 216, 225. Burg
I 12 : 196. Crossen I 4 : 74; 12: 181.
Danzig I 12 : 191. Dillingen 1 12 :
101. Dorpat I 12 : 96. Dramburg I
12 : 190. Duisburg I 12 : 98. Erfurt
I 4 : 64/5; 12 : 102, 234. Frankenthal
I 12 : 175. Frankfurt a. 0. I 12 : 93.
Fraustadt I 4:71; 12:195. Frei-
buTg i. B. II 1 : 15. Freistadt I 12 :
210. Friedberg i. H. 14: 76; 12:
218. Georgenburg (Ostpr.) I 12 :
230. Gera I 12 : 47. Göttingen I
12 : 24, 185. Greifswald I 4 : 62; 12 :
103; IV 2a: 25. Grimma I 12:47;
III 2:15. Grossstrehlitz I 12:202.
Grossumstadt i. H. I 12 : 219. Guben
I 12 : 53. Günzburg I 12 : 175a.
Halle a. S. I 4:47. 49,9a, 58/9;
12:28,104-33; III 5 : 63,7; IV 2a:21.
Hamburg I 4:69; 12:10, 43. Han-
nover I 12:185/6, 217. Heidelberg
I 4 : 48; 12 : 174. Herford 112: 206.
Hessen I 12:187,9, 218/9, 221/2.
Hetterscheid i. Westf. I 12:233.
Ilfeld I 12:186. Itzehohe I 4:77;
12 : 203. Jena I 12 : 27. Jülich I
12 : 207. Karlsruhe I 12 : 215. Kassel
I 12 : 222. Koblenz I 12 : 231/2.
Königsberg i/Pr. I 12 : 78, 98, 134-43.
Königslutter I 12 : 216. Krakau I
12 : 53. Landsberg i. Bay. 1 12 : 229.
Laubau I 12:200. Leipzig I 4:63;
6:78; 9:8; 12:256, 144,6, 237: II
6:10; III 5:63; IV 2a:22/4. Lüne-
burg I 12:8. Magdeburg I 4:70;
12 : 51, 132, 197. Mühlhausen I 4 : 72
München I 6:18. Münster i. W. I
12 : 226. Nauen 112: 182. Neu-
hauseri bei Worms I 12 : 175. Neu-
stettin I 12 : 191. Oels I 12 : 201.
Oesterreich I 6:13; 12:210/3,224.
Paderborn 112: 242. 244. Pforta I
12 : 199. Pommern I 12 : 190,4. Posen
I 12 : 195. Prag I 12 : 147 ; IV 3 : 78.
Prenzlau I 12 : 183. Preussen I
12 : 180-207, 220 3. Regensburg I
12:176 7. Rheinlande I 12:204/7.
Rheydt I 12 : 223. Rossleben 1 4 : 73 |
12 : 198. Rostock I 12 : 7. 148. Kgr.
Sachsen I 12 : 208/9. Prov. Sachsen
I 12 : 196,9. Salzburg I 12 : 149.
Saros Patak I 12:15. Siebenbürgen
I 12 : 239. Schlaggenwald i. Böhmen
I 12 : 211. Schlesien I 12 : 200 2.
Schleswig-Holstein I 12 : 203. Star-
gard i. P. I 12 : 192. Steinheim a. M.
I 12:232. Stettin I 4:75; 12:77,
191, 193. Strassburg i. E. I 12 : 12/3,
156. Trier I 12 : 231. Tübingen I
6 : 142: 12 : 150/2. Uelzen I 12 : 217.
Waidhofen a. d. Thaya I 12:224.
Wenden i. Livland I 12 : 96. Wien I
12 : 213 Wiesbaden I 12 : 187/9.
Wildeshausen i. Oldenburg I 12:179.
Wintzingerodo I 12 : 235. Witten-
berg I 9:346; 12:98, 144; II 1:122;
6 : 154. Wittstock I 12 : 184. Wolken-
stein I 12 : 208. Wolfenbüttel I
12 : 43. Württemberg I 12 : 227.
Zittau I 4:79-80; 12:236. Zürich
I 12 : 240.
Schulfeiern. I 12 : 106,9; IV 2b : 468/9,
471.
Schulgeld. I 12:205.
Schnlgeschichte. I 12 : 2.
Schulgesetze. I 12 : 8, 239.
Schulkomödie (s. auch Schuldrama,
Jesnitenkomödie). I 12 : 242.
Schulkonferenzen. I 12 : 227.
Schullektüre. I 12 : 25/6.
Schuller, P. 15: 291/2.
Schullern, H. t. IV 1 a : 40.
Schulmeisterei. I 12 : 232.
Schulordnungen. I 6:94; 12:8, 17,
172 3, 181, 206, 216, 218, 236, 239;
II 1 : 24.
Schulprogramme. I 6 : 4,6, 10/1, 13, 15,
29, 41, 44, 115; 12 : 187/9.
Schulräume. I 12 : 182.
Schulreform. IV 5 : 65.
Schultheis v. Unfried. I 9:239.
Schulthess, Barbara, IV 8b: 4, 49.
— (Schuldheiss), Joh. Gg. IV 1 o : 78.
Schults, Ad. IV 2b:8S.
Schultz, Alw. II 1 : 110.
Schulversäumnis. I 12 : 240.
Schulwesen. II 1:24, 77, 82, 120;
6:47; IV 5:380.
Schulz, Friedr. IV 9:176.
— v. Gielsdorf. IV 5:247.
Schulze, A. M. I 12 : 92; IV 5: 617.
— Ernst. IV 10 : 1, 93.
— Joh. IV 5 : 634.
— Leop. IV 5:276/9.
Schulzucht. I 12:244.
Schumacher (Vf. d. Preussenhymne).
IV 2a: 9-10.
— G. F. IV 1 a : 37.
— Ph. IV 3:585.
Schumann, G. IV la:27.
— Clara. I 10:121; IV lc:58, 66.
— Rob. I 10:34, 115/7, 120,197,272;
IV lc:58, 66; 10:82.
— Val. II 2:29; 3:19.
Schundlitteratur. I 1 : 85.
Schurle-Murle. I 7 : 148/9.
Schurz, A. IV 2b: 138/9.
Schwab, Frida. IV 2b: 282.
— Gust. IV 3:1216, 170/1; 10:113,
1214.
Schwabe, s. Suevus.
— v. d. Heyde, E. 17: 18.
Schwaben. I 7 : 58 9; IV 2b : 5-20.
Schwabenberg, Henriette v. IV 2 b : 46.
Schwanke. 113:19-30.
Schwaiger, H. I 9:335.
Schwanenservice. I 4 : 242.
Schwankbücher. II 5 : 117a-24.
Schwanritter. I 11 : 11.
Schwanthaler, L. M. IV Sa: 11.
Schwartz, Marie Sophie. IV 3 : 515.
Schwartzenberg, Adam Graf v. III 1 :
129-30.
Schwarz, Sophie v. IV 1 a : 10.
Schwarzburg. I 9:126.
Schwarzenberg, Steph. v. II 5 : 22/3.
(4)38*
Sachregister.
Schwarzenberg, 3. v. II 1 : 60, 87 ; 5 : 22.
Schwarzerloh. IV 7 : 16.
Schwarzkopf, G. IV 1 a : 27, 39.
Schwarzwald. I 4 : 218, 230.
Schweden. III 1 : 21/3, 85, 87/8.
Schweher, Chr. S. 116:163.
Schweinichen. H. v. II 1 : 148
Schweiz. I 4:20, 219, 395 7; 7:60 3,
71; 9:204; IV 2b: 214/5.
Schwenckfeld, Kasp III 5:1.
Schwerin. I 9: 474.
— Otto v. I 4:67; III 1 : 141.
Schwerttanz. I 5 : 70.
Schwind, M. v. I 9 : 16; IV 2b : 8.
Schwindel, G. J. II 4a: 26.
Schwur unter d. Käsen. I 5 : 60/1.
Scippius, Kas-p. III 5 : 1.
Scott, W. IV lc:50; 3:10, 208;
10:41.
Sealsneid, Ch. IV 3 : 393-404.
Seokau. I 4 : 403.
Secession d. Künstler. I 9:73.
Seckendorf, F. H. Reichsgraf v. IV
1 b : 55.
— K. S. t. IV 3 : 22
— L. v. IV 10:41.
Sedulius s. Wolfg. Seidl.
Seebach, Joh. Wilh. v. IV 2a: 33.
— Joh. Gottfr. IV 2a: 69
Seele, Schöne. III 5:2.
Seelenkult. I 5 : 38.
Seibt, F. IV 2 b : 276.
Seidel, H. IV la:22; 2b:355; 3:
277-82 287
Seidenbender,' J. F. IUI: 124.
Seidenindustrie. I 4 : 193a.
Seidl, J. G. IV 2b: 112, 167.
— Wolfg. II 6:29, 123, 128.
Seifert, J. II 5 : 76.
Seinsheim (Familie). I 4 : 443.
Seitz, A. II 4 : 28.
Seivert, J. II 7:41.
Selbstbiographie. II 1 : 147.
Seid, A. v. I 12 : 53.
Selkirk, Alex. III 3 : 12.
Seinecker, N. II 1 : 15 ; 6 : 172.
Seemannslieder. IV 2b : 515.
Semler, J. L. I 12:129.
Semper, G. I 9 : 381/8 ; IV 1 c : 50, 66, 93.
Seneca. 13:149; 117:5; 1115:1;
IV 6 : 27.
Senfl, Ludw. II 6 : 29.
Senn, Joh. IV 2b: 151.
Sentenzen. IV 2b: 535.
Septemcastrensis, Th. I 3 : 68.
Serao, Mathilde. IV 3 : 611.
Sercambi, G. 111:5.
Sesenheim. IV 8b: 46.
— Friederike v., s. Friederike Brion.
Sette, Camillo Ansei. I 9:373 a.
Seuberlich, K. IV 1 a : 10.
Seuffert, B. IV 3 : 60.
Seume, G. 16: 128.
Seutter, Matth. I 3 : 365.
Sevres. I 9:243.
Seyb (Hauptmann). IV 1 b : 325.
Seydlitz, Fr. W. v. IV 1 b : 64.
Shaftesbuiy, A. A. C. y. III 2:39;
5:1.
Shakespeare, W. 13: 161/4; 6 : 40,
86, 126, 135; 11 : 38-44, 49; III 4 : 3,
5, 19 ; IV 1 c : 27, 50/1, 58, 93 ; 1 d : 21-35,
37-41, 48-57; 3 : 59; 5 : 476, 634, 647;
6:16; 7:24; 8e:6; 9:4, 83, 98,
109; 10 : 109.
Shelley, B. S. IV 8e:96.
Siber, Ad. II 7 : 6.
Sibmacher, Joh. I 3 : 337/8.
Sicherheitswesen. I 4 : 258/9a.
Sidney, Ph. 111: 44.
Sidonia u. Theagenes. III 4 : 19.
Siebel, C. IV 2b: 88.
Siebenbürgen. I 4 : 393/4 ; 7 : 68/9.
Siebengestirn, Alchimistisch. IV 8e : 1 16.
Siebenschläfer. 1 11:7.
Sieben Schwaben. I 11 : 31.
Siegel. I 3 : 113.
Siegen. I 4 : 341.
Siegerland. I 7 : 47.
Siegeslied. IV 2a : 23.
Siegfriedsage. I 6 : 110.
Siegling, E. IV 2a: 157.
— J. B. IV lo: 31; 2a: 157.
Siemens, W. v. IV 1 c : 92/2a.
Siemienski, L. IV 8e : 32.
Sievers, E. 16: 142.
— 0. I 11::8; IV 2b : 273.
Sifridus (Rector). I 12 : 218.
Sigenot, D. jüngere. II 3 : 2.
Sigismund I. t. Polen. II 7 : 40.
— Berth. IV 5 : 613.
Sigmaringen. I 9 : 413.
Signete. I 3 : 109.
Silben. I 8 : 12.
Silberkammer. I 4 : 239.
Silbertechnik. I 3 : 269.
Silesius, Angelus. II 6 : 163.
Silvester II. I 11 : 9.
Silvestersage. I 5 : 252.
Silvio, Enea. II 7 : 2.
Shnanowitz, Ludovike. IV 9 : 14.
Simm, F. 19: 339.
Simms, W. G. IV 3 : 401.
Simon, H. IV 5 : 563.
— L. IV 5 : 563.
— K. III 5 : 1.
Simplicissimus s. H. J. Chr. v. Grini-
molshausen.
Simrock, K. I 6 : 107, 117/8; IV 1 c : 75;
ld:3; 2a: 1; 2b: 57; 3: 170/1.
Sinding, Chrn. 1 10 : 280.
Singspiel. I 10 : 45, 97: III 4 : 4.
Sinngedichte. IV 2a: 27.
Sinnsprüche. IV 2b: 274.
Sismondi, J. C. L. de. IV 1 d : 19.
Sittengeschichte. 14:4, 43-56 a.
Sittenroman. IV 3 : 12.
Sitzen, D. I 4 : 24.
Sivers, J. v. IV 2b : 233.
Sixtussage. I 5 : 251.
Skaldengesänge. IV 2 b : 373.
Skalenverse. I 8 : 12.
Sleidan, J. I 12 : 12; II 1 : 15.
Sleupner, D. II 6 : 155, 203.
Smetana, F. I 10 : 57, 190/1.
Smets, W. IV la : 42; 2b : 232.
Sneewittchen. I 5 : 238.
Soccus. I 3 : 19.
Socialdemokratie. IV 3:373; s. auch
Socialismus.
Sociale Entwicklung. I 4 : 148-60.
— Frage. IV 2b: 408.
Socialismus. 1 3:226; 4:474/8, 484, 510;
IV 3: 13; 5:113, 652.
Socialwissenschaft. I 4 : 470/3.
Socinianer. III 5 : 1.
Sociologie. I 1 : 8, 11.
Sodalität. I 4 : 418.
Söhne Giaffers. I 11 : 5.
Sömmering, S. Th. v. IV 8 b : 2 ; 5 : 131.
Soest. I 4 : 334.
Soetheer, A. IV 5 : 590.
Söffe, E. IV 8 e : 27.
Sokrates. IV 8e: 59.
Soldat, D. sterbende. I 5 : 309.
Soldatenlieder. I 5 : 302, 318; IV 2a : 3;
2 b : 108, 417/8, 420/2, 512, 517.
Solger, K. W. F. IV 10 : 1.
Soliloquien. III 5 : 1.
Solingen. I 4 : 202.
Solls, V. 13: 337/8.
Solitüde (Stuttgart). IV 9 : 36.
Soltan, D. W. 18: 30.
Sommer, Hans. I 10:281.
— H. H. IV 2b: 76.
— Joh. II 5 : 112.
— 0. I 9:391/2.
Somnambulismus. I 4 : 144.
Sonate. I 10:20.
Sonnenleiter, Joh. I 9 : 422.
Sonnennlärchen. I 5 : 238.
Sonntagsschule. I 12 : 53.
Sophie, Kurfürstin v. Hannover. III
1 : 204.
— Erzherzogin v. Oesterreioh. IV 1 c : 8.
— Grossherzogin v. Sachsen. IV lb : 441 ;
8a : 66.
— Friederike Wilhelmine, Markgräfin
v. Bayreuth. IV lc:l/2.
Sophokles. IVlc:32; 6:27; 9:152,
176.
Sorg, Ant. I 3 : 104.
Soriano, F I 10:86.
Sortimentsbuchhandel. I 3:357/9.
Sotheby (Buchhändler). I 3:388.
Soto, D. II 6:22.
Soyaux-Schanz, Frida. IV 2b: 402.
Spach, L. IV 1 c : 23.
Spalatin, G. I 9 : 180; II 6 : 16, 156.
Spalding, J. J. IV 1 c : 40/1 ; 5 : 224.
Spamer, 0. I 3:370.
Spangenberg, Cyr. II 5 : 28.
— J. II 1 : 140.
— Wolfhart. II 2: 30; 5: 112.
Speckbacher, Jos. IV 1 b : 130.
Spectator. III 5 : 79.
Spee, F. II 6:163; ill 2:7.
Spencer, H. II: 7.
- J. III 4 : 5.
Bibliothek. I 3:293.
Spener, Ph. J. I 6:123; III 1:175a;
5:12, 53; IV 2a: 28.
Spengel, F. IV 5:398.
Spengelbuch. I 5 : 78.
Spengler. L. 11 6:156.
Speratus, P. II 6 : 163.
Sperontes s. Scholz.
Speyer. I 9:136.
Sphinx locuta est. IV 1 d : 49.
Sphragistik. I 3 : 113; 4 : 447. 449.
Spiegel z. Desenberg, Graf F. A. IV
1 b : 234.
Spiel. II 5 : 106/7.
— vom reichen Mann u. Lazarus. II
4:19.
Spielhiigen, F. I 1 : 46 ; IV 1 a : 20 ; 1 c :
60; 2b:339; 3 : 10, 208,304/7; 5 : 565.
Spielkarten. I 3 : 52.
Spiess, Chrn. H. IV 3 : 16.
— Hermine. I 10:255 6.
Spindler, A. K. K. IV 3 : 190.
Spinnrad. I 4:245.
Spinoza, B. III 5:1, 55/6; IVlb:275;
lc:79, 93; 5:15, 149, 651; 9:48.
Spiritismus. I 5 : 141 ; IV 10 : 116.
Spiritualisten. III 5 : 1.
Spitta, K. J. Ph. IV 2b: 58.
- Ph. 110:246-51; 12:76; IV 8a:
105.
Spitteler, K. IV 2 b : 375 ; 3 : 610.
Spitzen. I 9:473.
Spitzer, Dan. IV la:27; 5:540/4.
Spitzweg, K. 19: 279.
Spörlin, Margareta. IV 3 : 531.
Spohr, L. I 10 : 102.
Spondens. 18:1, 13, 26.
Spottlieder. I 3 : 271 ; 5 : 326/7 ; IV 2 a :
13.
Sprache. I 7. — I 6:94/5, 140, 142;
12:27, 206; IV 2b : 92/3; 5: 224, 352;
7 : 25. Bisinarck I 7 : 32. Goethe I
7:23/5; IV 8a: 58-60. Grillparzer I
7 : 28/9. Hebel 17:27; IV 2 a : 136.
Herder I 6 : 65. Kant IV 5 : 89. Krause
IV 5 : 131. Lehrs IV 5 : 398. Luther
17:8, 33; II 6:108/9; IV2a:40.
Nietzsche IV 5 : 175. Hans Sachs
17:9-10; II 4b: 87/9. Schiller IV
9:69. K. Wagner I 7:30. Welcker
IV 5:398. Wieland I 7:29.
Sprachatlas. I 7:37.
Sprachdumroheiten. I 7: 200a-15.
Sprachentwicklung. I 1 :46.
Sprachgebiet. I 6 : 95.
Sprachgebrauch. I 7 : 201/3.
Sprachgeschichte. I 7. — I 6 : 142.
Sprachgesellschaften (s. auch Gesell-
schaften, Deutsche). I 7:15,6; HI
5:10.
Sprachinseln. I 5 : 283 ; 7 : 53 ; II 2 : 38.
Sprachmengerei. I 6 : 94.
Sprachreinigung. I 7:16, 167-215.
Sprachscherze. 15:344/9.
Sprachverderber, deutscher. I 7 : 14 ;
III 5:11.
Sprachwissenschaft. I 1 : 25, 69.
Sprecher v. Bernegg, J. A. IV 3 : 358.
Sprechtakte. 18:1.
Sprechvers. 18:1, 12/3.
Sprickmann, A. M. IV 3 : 42.
Springborn. I 9 : 149.
Springer, R. G. M. IV 3 : 269.
Springinklee, G. I 9:417.
Spruchsprecher. I 8 : 30.
Sprüche. I 5 : 350/9; IV 2 b : 529.
Sprüchwörter (s. auch Redensarten).
I 5:179, 3604, 366, 387 8; 6:2; II
5 : 126/7.
Sprungikten. I 8 : 12.
Spukgeister. I 5 : 148.
Spyri, Johanna. IV 3:532.
Staat, J. H. v. II 3 : 44.
Staatsbewusstsein. I 1 : 16.
Stadelmann, H. IV 2b: 63.
Stadion, Graf F. v. IVlc:40.
Stadius, G. II 5:52.
Stadtrechte, Deutsche. I 4 : 100.
Städtegedichte, neulateinische. 117:41.
Stael, Anna Louise Germaine v. IV
lc:58; ld: 18/9; 5:605.
Ständeverhandlungen. III 1 : 132.
Ständewesen. 1 4 : 153.
Stäudlin, G. F. IV 10 : 34.
Stagel, Elsbeth. IV 1 c : 77.
Sachregister*.
Stahl, F. J. IV lb:l94: 5:558.
Stahr, A. IV 1 c : 27, 58, 60, 65, 93.
Stamm, R. IV 5 : 416.
Stammbuch. I 4:129-30; II 1:149;
IV 8c: 47.
Stammbuchverse. IV 2 b : 529, 535.
Stammel, E. I 9:220.
Standeserziehung. I 12:243.
Standessprachen. I 7:74, 81, S2aS,
93 4, 187, 190 1. 193/5, 214 5.
Stanley, H M. IV lc:68.
Stanzen. IV 3:74; 9:78.
Starklof, K. Chrn. L IV 3:317.
Statistik. I 3 : 14/5.
Stauner-Bern, K. I 9:309-10; IV 2b:
266.
Steche, R. 19: 124.
Steffens, H. IV 3:110: 5:627; 8b:
57; 10:1.
Steffensen, K. I 1:8.
Stegmacher. IV 8 b : 8.
Stegmann, Josua. II 6 : 163.
Stegmannsdorf. I 9 : 149.
Steig, R. IV 10 : 61, 65.
Stein, Charlotte v. IV 2b : 134; 8b:
12, 50/1; Sc : 5; 8d : 40; 8e : 58;
9:4.
— Fritz v. IV 2a: 48.
— H. IV lb:200.
— K F. H. Frhr. v. IV lb:U4, 144,
146/8; 1 c : 21 ; IV 5 : 385, 398.
— Marq. v. II 5 : 84.
— u. Bein klagen. I 7 : 160.
Steinauer, Joh. Wilh. III 1 : 210.
Steindrucker. I 3 : 444.
Steiner, R. IV 5 : 207.
Steingaden. I 9 : 130.
Steinhart, H. Ch. IV 3 : 270.
Steinhausen, W. 19: 332
Steinheuer, H. IV 2b: 263.
Steinhöwel, H. 115: 41/2.
Steinlein, Hans. II 2:23.
Steinmetz, Joh. III 2: 10.
— K. F. v. IV lb:312.
Steinsagen. I 5:105, 156, 186, 193
Stelter, K. IV 2b : 88, 334; 3 : 286.
Stelzhamer, F. IV 2b: 196; 5:539
Stengel. IV 3 : 1.
— Franziska v. IV 3:493
Stenographie s. Kurzschrift.
Stephani, Cl. II 1:82.
Stern, Ad. IV 1 a : 14.
— Fr. IV 8a: 16.
— K. W. v. IV 2b: 234.
— R. M. v. IV la:10; 2b:237.
Sterne, Lanr. IV 5 : 596.
Sternhals. Joh. II 5:55.
Stettenheim, J. IV 1 a : 27 ; 1 c : 60.
Stettin. III 1 : 135.
Steub, L. I 5 : 410; IV 1 c : 13, 66 ;
3 : 329.
Steuerwesen. I 4 : 166.
Stiborius, A. II 5 : 49.
Stichelberger, M. IV 3:455.
Stieff, Christ. III 3 : 16.
Stieglitz, Charlotte. IV 2b: 21.
— H. IV lc:66; 2b : 21.
Stieler, K. IV 2b : 293/4 ; 5 : 467.
Stifel, Mich. II 5 : 51.
Stifte. I 12 : 156/7.
Stifter, Ad. IV3:403a-ll.
Stigel, Joh. II 6 : 155.
Stil. I 6:126; 9:95; IV 2a: 56, 58,
136; 5:413.
Stilistik. I 6:142, 146; 7:121/2,
200a-15.
Stillleben, Fr. = Chrn. F. Strackerjan.
Stimmer, Tob. II 3 : 37 ; 4 a : 31.
Stinde, J. IV la:27; 3:287.
Stipendien. I 12:163.
Stirner, Max. IV 5 : 238, 650, 652.
— Sophie MaTgarethe, verm. Körner.
IV 2a: 151.
Stoa. III 5 : 1.
Stock, Dotb. IV la:41.
Stock im Eisen. I 4:380.
Stockfleth, H. A. IV 8d:37.
Stockhausen, Joh. Chr. IV 5 : 35.
Stöber, Ad. IV 2b: 92/8.
— Aug. IV 2b: 92/3.
— Ehrenfried. IV 2b: 92/3.
— K. IV 3 : 179-82.
Stöffler, Joh. II 5 : 50.
Stoffgeschichte. I 11. — II 2:301;
IV 2 a :40, 64, 116, 120/2.
Stolberg am Vichtbach. I 4 : 196.
— Graf Ch. v. IV lc:17; 2a : 67;
3:44; 5:354, 600.
Stolberg. F. L. Graf zu. IV 1 d : 3 ; 2a : 66/3,
132; 3:44; 9:74.
— Sophie Gräfin. IV 2a : 132.
Stoll. Joh. L. IV 2b : 120.
Stolle, L. F. IV 3 : 192.
Stolp. I 9 : 147.
Stolpen. I 9 : 125.
Stolterfoth, Adelheid v. IV 2b: 89.
Stoltze, F. IV 2b : 297/9.
Stolz, Alban. IV 2 a : 136 ; 5 : 352.
— J. J. IV 5 : 240.
Stolze, Fr. IV 5 : 524.
Stoppe, Daniel. I 7 : 73.
Storch, L. IV 3 : 193.
Storck, W. IV la: 12.
Storm, Th. IV la:37; lc:65; ld:3;
2b:25S; 3 : 310] 1 ; 10:82.
Strachwitz, M. Graf t. IV 2b: 122;
5 * 398
Strack, Ad. IV 8c: 18.
Strackerjan. Chrn. F. IV 3:312.
Strafrecht. I 4 : 105.
Stralsund. III 1:90.
Stranitzky, J. A. III 4 : 22.
Strassburg i. E. I 4:347,7a, 433;
7:2; 9:142, 148, 194; 12:12; II 1:
46/8; IV 7:15.
Strassenbau. I 4 : 266.
Strassenbezeichnungen. I 7 : 207.
Stratner, Jak. II 6:225.
Strato, R. IV 3:611
Straube, E. IV 3:415.
Strauss, D. F. IV la : 6; lc : 50, 66,
93: 5:238, 310/3, 398, 590; 8c: 49;
9:98; 10: 113.
— Joh. I 10 : 262-71.
Strecker, W. IV 5 : 295.
Strehlke, H. IV 8e:81.
Streiter, J. IV 2b : 152.
Streitgedichte. II 4a : 16.
Stricker, D. I 3 : 20.
Strindberg, A. IV la:21.
Strobel, W. I 2 : 37.
Strodtmann, A. IV lo:44; 2a : 102,
112.
Stromer, Heinr., v. Auerbach. I 3 : 58.
Strophenbuu. 18:1, 12, 31 f.
Strubberg, F. A. IV 3 : 313.
Struensee, G. K. 0. v. IV 3 : 268.
Strunck, D. I 10 : 89.
Struve, G. v. IV 1 b : 228.
Stuck, F. I 9 : 322/3.
Studenten I 12 : 99, 105/9, 134, 150,
238; IV 2a : 22/4; 3 : 111; 8b : 26/7.
Studentenauszug. I 12 : 167.
Studentenleben. I 12 : 158/9; II 1 : 122.
Studentenlexikon. I 12 : 169.
Studentenlieder. 1 10: 45,- 48/9; 12:
169; IV 2 a : 21/3; 2 b : 415-49.
Studentensprache. I 7 : 80/1 ; 12 : 169-70.
Studententum. 1 12 : 158-71 ; IV 3 : 33.
Studentenverzeichnisse. I 12:101.
Studium generale. I 12 : 102.
Stümperei. I 9 : 1, 7.
Stürmer, K. B. 19: 302.
Stukkatoren. I 9 : 225.
Stumpf, Jfth. II 5 : 43.
Stundenpläne. I 12 : 208, 218.
Sturm, C;isp. II 3 : 55.
— Chrph. Arn. IV 5 : 288.
— Jak. 19:420; 12 : 12; II 1 : 69;
6 * 239 * 7 * 19
— Joh. I 12:13; II 5:36; 6:240;
7:7.
— Jul. IV 2b : 364/6.
— J. Chr. III 5 : 57.
— Nik. IV 2b: 295.
— u. Drang. I 6 : 45: IV la : 2; lc :
42; 2a: 116.
Sturtz, Georg II 6 : 179.
Sturz, F. W. I 12 : 47.
— H. P. IV 2a: 116; 5:531.
— J. J. IV 5 : 567.
Stuss, H. 112: 22.
— Just. Chrn. I 12 : 23.
Stutzmann, J. J. IV 5 : 114.
Stuve, Hermann. II 7 : 17.
— J. I 12 : 45.
— J. K. B. IV 5 : 566.
Stymmelius, Chr. II 7 : 36.
Suarinus, Abr. II 2 : 15.
Subjektivismus. II 1 : 1.
Suckow, Fr. J. Ph. v. IV 3 : 92.
— K. Ad. IV 5 : 465.
— Emma v., s. Emma Niendorf.
Sucro (Familie). I 4 : 459; III 5:81/6.
— Ch. J. IV 5 : 8.
— Christoph. IV 5 : 8, 286.
Sucro, F. W. K. I 12 : 51.
— J. G. IV 5:8, 287.
— Joh. Jos. IV 5:31.
Sudendorf, H. F. M. IV 5 : 392.
— Jul. IV 5 : 393.
Sndermann, Heinr. II 1 : 70.
— Herrn. IV 1 a : 20/2; 1 d : 66; 3 : 10,
553/8.
Sudhoff, K. J. IV 5 : 338.
Sue, Eugen. IV 1 c : 51 ; 3 : 412.
Sünderreuter, G. II 2 : 10.
Süpfle, K. F. I 12 : 52.
— Th. IV 8e : 31.
Süssmilch, J. P. IV 5 : 474.
Suvern, J. W. IV 5 : 601; 8d : 9.
Suevus, Sigm. 1 12:9: II 6:182.
Sufficienz (d. hl. Schrift). III 5: 1.
Suffrian, Ch. W. L. Ed. I 12 : 86.
Sugenheim, S IV 5 : 371.
Suhr, Christ. I 9 : 301.
— Lucie Henriette v. IV 3 : 494.
Suhrland, R. Fr. K. 19: 299.
Salzer (Familie). IV 5 : 489.
— F. J. IV 5 : 384.
— Joh. Ant. IV 2a : 161.
— J. G. I 6:94; 12:201; IV lc: 78;
5 : 224, 446.
— Simon. II 6:235.
Suntheim, Lad. v. II 3 : 54.
Suppantschitsch, J. A. IV 2b: 112,
123.
Suppig. III 4 : 23.
Suppius, Chph. Enreb. IV 2a: 33.
Surgant, Joh. II 6 : 8.
Surius, Laur. II 6 : 36
Suso, H. IV 1 c : 77.
Sustris, F. 19: 206.
Sutellius, Joh. II 6 : 203.
Sutermeister, 0. IV 2b : 221.
Suttner, Bertha v. IV 3 : 505/7 ; 547.
Swain, John. I 3 : 460.
Swanwick, Anna. IV 8e : 103.
Swedenborg, E I 3:273; IV 5:108/9,
242.
Swerinckhuizen, Kasp. II 6 : 259.
Swift, J. IV 3 : 10.
Swieten, G. Frhr. v. 13: 277.
— H. van. I 4 : 89.
Swoboda, Ad. IV 3 : 436.
Sybel, H. v. I 6 : 104 ; IV 1 b : 3,
191, 194, 207, 242/4, 281, 313, 321,
377; 5:377, 634.
Sycoram, E. 111: 47.
Sydow, F. v. IV 3 : 93/4 ; 5 : 300.
— K. L. A. IV 5 : 267.
— Wilhelmine v. IV 3 : 495
Sylburg, F. II 7 : 37.
Sylva, Carmen. IV 2 b : 393-400.
Sylvanus, Joh. II 6 : 247.
Symanski, J. D. IV 5:532.
Symbol. I 3 : 30.
Symonis, D. III 4 : 10.
Sympathiemittel. I 5 : 119-21.
Synagoge. II 4a : 16.
Syntax. I 7 : 113-20.
Syrlin, Jörg, d. Aelt. I 9 : 218.
— Jörg, d. Jung. I 9 : 219.
System, D. natürliche. III 5 : 1.
— theologisch-metaphysisches. 1115:1.
Szamatolski, S. 12: 66.
Tabak. I 4 : 238 a.
Tabernaeroontanus, J. II 5 : 56.
Tacitus. III 5 : 1.
Taddel, Chrn. Ludw. IV 2a : 32.
Tadey, K Chrn. I 12 : 90; IV 5 : 616.
Tafel, J. F. L. 13: 273; IV 5 : 109, 409.
— d. christl. Lebens. II 5: 11.
Tafellieder. 17:81.
Tannger, J. A. IV 5 : 244.
Tagebücher. 14:2, 131, 165, 460; II
1 : 148-52.
Tagesblätter. I 3 : 246.
Taine, H. I 1 : 13/4: IV 1 b : 93.
Takt (im Vers). I 8 : 1/2, 12/3, 16, 31.
Talitz, Joh., v. Lichtensee. III 3 : 6.
Talleyrand, Ch. M. de. IV 8b : 22a.
Talvj (Therese Albertine Louise v.
Jacobs). 12:4.
Tandler, J. IV 5 : 39.
Tangl, II. IV 5 : 386.
Tanner, A. II 6 : 37.
- K. R. IV 2b: 216.
Tanz. I 8:1, 14; II 5:85.
- im Volksmunde. I 5 : 10.
Tanzrhythmen. I 10 : 41.
Tappe, D. III 5 : 49.
- E. I 2:1/2; II 5: 127.
Saclireo-istei'
Tarlarotli, G. IV 5 : 385.
Tarnow, Fanny v. IV 3 : 496.
— Joh. II 6 : 223.
— P. II 6 : 222.
Tarnowski, F. W. L. IV 3 : 194.
Tasca. P. I 10 : 57.
Taschentücher. I 3 : 51.
Tassaevt, J. P. A. 19: 245, 254.
Tasso, T. II 1 : 78; IV lc : 41; 3 : 27;
8e : 56.
Tassoni, A. IV 2a: 116.
Tast, H. II 6 : 216.
Tasteninstrumente. I 10 : 31.
Tatins, Marens Alpinns. II 7 : 33.
Taube, F. W. v. IV 5 : 560.
Tauber. 3. S. IV 2b: 162.
— K. II 6 : 189.
Tanbergrnnd. I 7 : 76.
Taube rt, G. 19: 298.
— W. I 10 : 118.
Taubmann, F. II 7 : 39.
Taucha. I 9 : 124.
Tauchnitz, K. Chrph. T. I 3 : 367.
Tauenzien, F. B. G. Graf v. IV lb : 79.
Taufe. I 3 : 59.
Tauffkirchen, Franzisita v. IV 3 : 497.
Taulow, Th., v. Eosentbai. I 3 :36 h.
Taunus. I 4 : 178.
Taurellus, Nik. II 5 : 57.
TaurinuB, Jak. II 6 : 260.
Tausen, Joh. II 6 : 217.
Tausend u. e. Nacht. IV 2a: 102.
Taute, G. F. IV 5 : 137.
Taxis (Familie). I 4 : 260.
Taylor, B. IV Id : 1.
— J. III 5 : 1.
Techen, H. II 6 : 220.
Teclcier, J. II 4a : 34; III 4 : 1.
Teelinck, E. III 5 : 17.
— W. III 5 : 18.
Teerens, G van. III 5 : 40.
Tegernseer Antichrist. II 4a : 16.
Teichmann, J. E. III 5: 22; IV 5 : 391.
Teichmüller, G. IV 5 : 202.
Teirich. Val. I 9 : 406.
Teling, N. III 5 : 19.
Teildenkmal. IV 9 : 165
Teildramen. IV 9 : 166.
Teller, Abrah. II 2 : 16; IV 5 : 247.
Tellkampf, Ad. IV 3 : 233.
Tellsage. I 5 : 244; IV 3:360.
Temme, J. D. H. IV 3 : 271.
Tempeltey, E. IV 1 c : 50.
Tempo d. Rede. 18:1, 33.
Tendenzdichtung. IV 2b : 3, 407-12.
Tengler, Ulr. II 5 : 66.
Tennemann, W. G. IV 5 : 80.
Tenner, K. Gh. IV 2 b : 74.
Tennert, W. IV 2b: 280.
Tennhart, Joh. III 5 : 29.
Tensdorpff (Lübecker Familie). IV
2 a : 95.
Tentzel, W. E. III 5:40 a.
Tentzl, E. III 5 : 47.
Tepelius, J. III 2 : 24.
Terentius, G., s. Teerens.
Terenz. I 3 : 1, 26, 149 ; 12 : 7 ; II 4a : 19 ;
7 : 4/5.
Terstegen, G. III 2 : 19.
Tertiarier. I 4 : 409.
Teschenmacher, W. III 5 : 23.
Tessin, K. Gust. Graf. IVlb: 47.
Testament d. Hundes. I 11 : 5a.
— Neues. I 12 : 25/6.
Testi, F. III 4 : 8.
Tetens, Joh. Nik. IV 5 : 224.
Tethinger, J. II 7 : 21.
Tettenborn, Fr. K. Frhr. v. IV lb : 138.
Tetzel, J. II 6:14, 20, 118.
Teubner, B. G. 13: 368.
Teuerdank. I 8 : 23.
Teufel. 15:145/6, 165/6, 179, 198,
261/2; 11 -.55; II 5:98/9.
Teuffei, Hans Chph. v. II 5 : 25.
— W. S. IV 5:401.
Teuthorn, G. F. IV 5:390 a.
Teutsch, G. D. 112: 72/3; IV 5 : 271/4.
Teutsches Labyrinth. III 6 : 11.
Teweleg, H. IV 1 a : 13.
Textor (Familie). IV 2 a : 26; 8 b : 35/7.
— Joh. IV 8b: 37.
— J. W. IV 8a: 25; 8b : 36.
Thackeray, W. M. IV 3 : 10.
Thadden, W. y. IV 5 : 575.
Thaer, A. IV 5 : 523.
Thaler, Anna Antonie v. IV 3 : 498.
— Jos. IV 5:347.
Thalheimer, Chr. II 2:9.
Tham, Mich. II 2:7; 6 : 277.
Thamer, Theob. II 6 : 32.
Tharam, B. II 4a: 35.
Thanner, Jak. 1 3 : 58; II 6 : 11.
Tharäus, A. 111 4 : 1.
Thaulow, G. V. IV 5 : 125.
Thaurer, Bened. II 2 : 12
Thausing, M. I 9:407.
Theater i s aucn Drama, Niederdeutsch,
Oper, Schauspiel, Schulkomödie). I 4:
3S-40;7:31; IV 5 : 465. In: Augsburg
III 4 : 22. Aunai II 4a : 8. Bayreuth
HO: 175; II 4a: 5 Berlin I 4 :40; III
4:8; IV 9:98. Bevern III 4:19
Bonn III 4 : 21. Bozen II 4a : 4. Bremen
III 4 : 8. Chur II 4a : 20. Danzig III
4 : 17. Darrostadt IV 9 : 81. Elber-
feld I 4 : 39. Frankfurt a./M. IV 9:S6.
Hamburg III 4 : 18, 24. flartenfels
III 4:13. Hörn III 4:16. Laufen
1114:29. Leipzig IV 2a: 24; 8b:
27; 8e: 5. London IV 8d:30; 8e:
98-100. Lüneburg III 4 : 20. Luzern
II 4a: 38. Mannheim IV 9: 87 München
II 4u: 24: 4b: 52; III 4:20. Nörd-
lingen III 4:5. Nürnberg II 4b: 52.
Oldenburg IV 3 : 317. Posen I 4 : 38.
Prag III 4:27. Salzburg IV 8e:29.
Sterzing II 4a : 4, 6. Stralsund IV 9 :
84. Torgau II 4a : 19. Weimar II
4b:52. WienII4b:52; III 4:22
Zürich II 4a : 24.
Theatorkatalog. I 3:219.
Theaterzettel. I 3 : 308.
Thebesius, G. III 5 : 43.
Thedering, Herrn. II 7:6.
Theile, Ch. W. IV 5:317.
Theiler, Barthol. (= Reygell, Bartli.)
II 2:47.
Theiner, A. IV 5 : 351.
Theismus. III 5 : 1.
Theokrit. IV 9 : 152.
Theologia deutsch. II 5:3.
Theologie. I 1:4; 3 : 20 ; 12 : 129, 145,
151; III 5:1; IV 10:4.
— Metaphysische. III 5 : 1.
— Spekulative. III 5:1.
— Transcendentale. III 5:1.
Theophilus (Frvdag?). I 12 : 10.
— Joh. II 7 : 35.
Sage. II 4a : 8.
Thesaurus d. deutschen Sprache d.
18. Jh. IV 9 : 69.
Thibaut, A. F. J. IV 5 : 471, 601.
Thiele, H. IV 5:316.
— H. v. IV 5 : 366.
Thieme, Cl. III 2 : 20.
Thiersch, B. IV 2a : 10: 2b: 424.
— Fr. Th. I 12:50; IV 1 c : 13.
— H. IV 5 : 245, 558.
Thiess, J. IV 5 : 270.
Thikötter, Jul. IV 1 c : 84.
Thile, Chr. A. IV 5:336.
— Hermann v. IV 1 c : 68.
Thilo, G. W. M. I 12 : 75.
— Joh. IV 5:319.
— Val. II 2 : 14.
Thiloninus Philymnus. 117:30.
Tholde, K. II 6:205.
Tholuck, F. A. G. I 12 : 129; IV 5 : 253.
Thoma, H. 19: 19, 331.
Thoraae, Marc. II 6 : 266.
— Nik. II 6:251.
Thoman, P. IV 5 : 348.
Thomann v. Hagelstein (Familie). I
9 : 251.
Thomas, Calv. IV 8e: 102.
— Jan. I 9:207.
— J. G. Chrn. IV 5 : 389.
— K. G. Ad. 19: 303.
— L. I 12:91.
— v. Imbroich. II 6:275.
— a Kempis. II 5:4; III 5:31.
Thomasarchiv (Strassburg i. E.). II 7: 19.
Thomasius, Chrn. I 4:461/3; 12:27,
110; III 5:2, 62-70a; IV 5:231/2.
— H. III 2 : 11.
— Jak. I 12:25/6; 111 5:50/2.
— v. Zirclaria. I 3:20.
Thomsen. J. H. IV la:37; IV 2a: 70.
Thorn. I 4 : 214, 275.
Thorwaldsen, A. B. 19: 261/2.
Thouret, F. I 9:256.
Thrän, F. I 9:394.
Thrändorf. I 4 : 96.
Thrämer, Th. v. I 12:95.
Thudichum, G. IV 5 : 441.
ThOmen, Davida v. IV 2b: 46.
Thümig, V. Ht 2:9
Thümmel, A, W. v. IV 5:14.
— H. Ad. IV 5:11.
H. W. v. IV 5 : 13.
— M. A. v. IV 3:35/8. 78; 5:11/2.
Thümmig. L. Ph. III 5 : 72/4.
Thünen, J H. v IV 5 : 113
Thüngen, Joh. Karl Reichsfrhr. v. III
1 : 123.
Thüring v. Ringoltingen. I 11 : 12.
Thüringen. I 4 :328-3<>; 9 : 126, 367.
Thürmer, Ivo. I 9 : 393.
Thugut, J. G. v. IV 1 b : 382.
Thulemeier, W. H. v. III 1 : 153.
Thulemeyer. H. G. v. III 5 : 42.
Thumann. P. IV 3:430.
Thumm. Th. HI 5:1.
Thun, Gräfin Christiane. IV 3:464.
Hohenstein, Leo Graf v. I 12:67/8,
212; IV 5:605.
Thurn, Fidel v. III I : 127.
Thurneisser, Leonh.,z. Thurn. I 3:62:
II 1:101: 3:63.
— Joh. I 9 : 418.
Thym, G. I 11 : 32; II 7 : 34.
Thymm, G. II 3 : 5.
Thysius, A. II 6 : 261.
Tiaden, E. IV 5:394.
Tibull. 13:1.
Tidemand, A. 19: 304.
Tieck, Dorothea. IV 10 : 26.
— Friedr. I 9 : 307.
— L. I 6:104; 11:46; IV la:6; lc:
27,50. 65/6, 73; ld:64; 3:98-101,
120, 170/1 ; 5 : 39, 65, 354, 398: 10 : 1,
3, 5, 9, 15-26, 34, 41-56, 61. 82, 125.
Tieckmann, Gust. IV 1 b : '.'16.
Tiedge, Chrph. A. IV 3:89-91.
Tieffenbrucker, K. I 10:32.
Tiefurt. IV la:28.
Tielke (Artilleriehauptmann). IV 1 a :
17
— Joh. Joach. IV 2a: 25.
Tierdichtnng. II 5 : 111/2.
Tiere im Volksglauben. 15: 110/1, 124.
Tierepos. II 1 : 83.
Tiernaraen. I 5:430/3.
Tiersage. IV 1 d : 3.
Tiesenhausen, H. v. II 1 : 68.
— P. v. 19: 306.
Tiffernus, Mich. I 12 : 11.
Tileman gen. Schenck, J. Ph. III 5 : 31.
Tilesius, H. II 4a : 36.
Tilgner, V. I 9 : 351 ; IV 8 a : 12/6.
Tilisch, El. II 5:45.
Till Eulenspiegel. IV 3:229; s. auch
Eulenspiegel.
Tilli-h, E. G. A. I 12:39.
Tillier, Jh. IV 5 : 381.
Tilly (Theaterprinzipall. IV 9:84.
— J. T. Graf v. I 3 : 271; III 1 : 32.
Timann. Joh. II 6:215.
Tirol. 14:3816: 7:373; 9:158a, 371.
Tirolerlieder. IV 2a: 1.
Tischbein (Künstlerfamilie). I 9 : 2534.
Tischgebet. I 4:28 a.
Tischler, A. I 9:419.
Tischsitten. I 4:28 a.
Titelius, Joh. II 7:38.
Tittmann. F. J. 12: 38.
Titz, J. P. I 11:39; III 2:29.
Toaste. I 4 : 28.
Tobin, J. 111: 49.
Tobler, G. Ch. IV 5:440.
— J. IV 5 : 439.
-JG. I 12:38.
— Sal. IV 3 : 357.
Tocqueville, A. IV lb:2l2.
Tod. I 5 : 380, 387/8 ; 10 : 155.
Todaustragen. I 5 : 82.
Todi, S. Maria della Consolazione. I
9 : 232.
Töltschig, J. III 5 : 38.
Tölz. I 9 : 127.
Toepffer, R. I 9 : 274; IV 3: 355 /«.
Toppen, M. 112 : 79.
Told, F. X. IV 2b: 118.
Toleranz. III 1 : 171 ; 5 : 1.
Toll, Karl Ferd Graf v. IV 1 b : 180,
230.
— R. v. IV 5:396.
Tolle, H. I 12:24.
Tolstoi, Graf L. 110:11; IV 1 a : 21 ;
3:10; 5:62. 651/2.
Toltz, Joh. II 6:169.
Tonkunst. I 10:22.
Tonmalerei I 10:6.
Tonnenabschlagen. I 5 : 85.
Sachregister.
Tousor, .T. H. II 6 : 206.
Torgau. I 4 : 322; 9 : 125a: II 5 : 105.
Torqnatus, Georg. II 5:62; 6:214.
Torres.ini, K Baron v. IV 8:613.
Tossanus, Daniel. II 6:249.
— P. 11 6:250.
Totenbestattung. I 4 : SS B.
Totenbretter. I 4 : 22 ; 5 : 38.
Totenroahl. 1 5:39.
Totenschau. IV 8a: 99 108.
Totentänze. II 5:9-10.
Tonr-Landry. G. de 1*. II 5:34.
Tovote, H. IV la: 16; 3:10, 551/2.
Trach, J. II 7 : 15
Trache, Joh II 2:11
Trachten. I 4 : 224-30, 23:5.
Tragik. I 6:40: IV 5:175
Tragödie. 13:149; 6:40,43; IV 9 :
176.
Tralles, B. L. 111 5:30.
— J. G. IV 5:601.
Trapp, E. Ch. I 12:43, 45; IV 5:397.
Trappisten. I 4 : 408
Trattner, Joh Th. Edler v. I 3:366.
Tratziger, A. II 5 : 44
Trauergedicht. IV 2a: 25.
Traumdeutung. I 5 : 137.
Traun, Jul. v. d. s. AI. Schindler.
Traunfellner, J. I 9:250.
Traut, W. 19: 205.
Trautmaii n, F. IV 5:388.
— Joh I 9 : 228.
Trautmannsdorff, Ferd. Fürst v. IV 1 b :
383.
Travemünde. 14:255.
Trechsel, Balth. I 3:70.
— Joh. I 3 : 70.
— Melch. I 3:70.
Treitschke, G. F. IV 2a: 162
— H. t. 1 7:201: IV 1 b : 3, 208. 240,
318, 451; 5:373/6, 476, 558, 590.
Treitz-Sauerwein. Max II 3:53.
Trekel. G. III 2 : 10.
Tremellius. Joh. II 6:248.
Tremoille, H?nri Charles do la. III
1 : 139.
— Charlotte Amelie de la. III 1 : 203.
Trench. 1 7 : 138.
Trenck, Friedrich t. d. IV lb-82f.
Trendelenburg, F. IV 5:200.
Trescho, S. Fr. IV 7 : 16 7.
Tressau, Graf. IV lc:40.
Tretsch, A. I 9:398.
Tren, M DI 4:20.
Tribauer, Es. II 2 : 13.
Tribbechow, A III 2 : 17.
— J. III 2 : 16.
Tribrachys I 8 : 27.
Trier. 1 4:78.
Triller, D. III 2:41.
— Val II 2:6; 6:278.
Trimeter. I 8 : 23, 27
Trinius, K. B. IV 2a: 163.
Trinkerorden. I 5 : 295.
Trinkhorn v. Oldenburg. I 5:248.
Trinklieder. IV 2 a :21.
Trinklitteratur. 115:103 5.
Trinksprüche. IV 2b: 46.
Trinkstubenordnung. II 5 : 105.
Trippel, A. 1 9:258.
Tristandichtungen. IV 10:41.
Trithemius, Joh, II 7 : IS.
Triumphlied d. Mesen. IV 2a: 24.
Trochäus. I 8:12, 13.
Troemer, J. III 2 : 38.
Troger, P. I 9:227.
— S. I 9:221.
Trojan, J. IV 3 : 176.
Tromlitz, A. v. (eigentl. Witzleben). IV
1 c : 66.
Trommer, D. III 2: 13.
Tross, E. I 3:384.
Trost, Joh. I 9 : 409.
— K. 19: 295.
Trostlieder IV 2a: 21.
Trotzendorf 1 12: 172
Trozka, A. E. Graf. III 1:31.
Trüber, P. I 3 : 91 : II 6 : 190
Truchsess, Thoma6 v. Wetzhausen. II
7:14.
Trubel, Eckhart z II 5:24.
Trübner, J V. I 3:385.
Trunkenheit I 5:385.
Tschabuschnigg, Ad. v. IV 2b: 161.
Tschaikowsky, P. 110: 862.
Tscharner, V. B. v. III 5:87.
Tscherbe, H. 19: 397.
Tscherning, A. III 2:25.
Tschirnhaus, W. E. v. III 5:58.
Tschischka, F. IV 5:387.
Tschudi, Aeg. II 3:46.
Tucher, Ant. II 1:67.
Tuckermann. P II 6:210.
Tübingen. II 5 : 64.
Täropling. t. (Familie). I 4:440.
Türkengefahr. III 1:117 9.
Tugend u. Iäebesstreit III 1 : 19.
Tulichiui, H. I 12:8; II 7:32
„Tunnel über d. Spree". IV 3 : 278.
Tunnicius, A. II 5:126 7.
Turck, Joh. II 3:61
Turgenjew, J. IV 1 c : 60. 65; 3 : 10.
Tarnen. I 4: 256.7; 12:92. 197.
Turnliederbücher. IV 2b: 46, 514.
Turretin. J. A. III 5:1.
Twain, Mark. IV la:22.
Twardowski. I 11:55.
Tychsen. Adelheid. IV 10:93.
— C&cilie. IV 10:93
Typen, Cyrillische. I 3:901
Tyräus, P. III ö : 16.
ITebersetzungen. I 1:49; IV 2b: 69-71,
454/6.
üechtTitz. F. v. IV 10 : 26.
Ugolino da Civitavecchia I 10:68.
— v. Orvieto. I 10:68
Dhde, Fritz t. I 9:315/7.
Uhland, J. L. IV lc:32, 44.
— L. I 5 : 287; 6 : 501. 87 8, 104,
108-10, 135, 142; 7:201: II 46:71;
IV 1 b: 191: 2b: 1024, 156; 3:230,
367; 10:1, 94-113, 117/8.
Uhlich, A. G. III 4 : 24.
Uhsen, Erdmann IV 10:52.
Ukerl, Fr. IV 5:614.
Ulenberg. Kasp. II 6:163.
Ulftla. I 6:133: 12:22.
Ullrich. Titus. IV 2b: 269; 5:449.
Ulm. I 7:7a; 9:218 9
Ulrich, Herzog v. Mecklenburg. I 3:341.
— Herzog v. Württemberg. II 7 : 21.
— v. Lichtenstein, IV 2a: 40.
— Joh II 2:30.
Ulrikh d. Busant. I 3:20
Ultramont.inismus. 11:30/2,56.
Umfried, 0. L. IV Se:84.
Umgangssprache I 7:75. 123 4.
Umlauft, J. I 10:62
Ungarn. I 4 : 390/3.
Unger, Karoline. IV 2b: 137.
— W. I 9:422.
Uniform. I 4 : 155/6.
Union. IV 5:325, 575.
Universal -Universität. I 12:98; III
1 : 200.
Universitäten s. Schulen.
Universitätsgerichtsbarkeit. I 12 : 150.
Universitätslehrer- Gehälter. 1 12: 105.
Universitätsvorlesnngen. IV 8b: 13.
UnTuh. H. V. v. IV lc: 22 c.
Unterricht. I 1 : 16,7.
— Deutscher. I 6:14, 50,1,56-146.
Unterrichtswesen. I 6.
Urbas, Wilh. IV 3:466.
Urhebergesetz. 13:421,430/1.
Urheberrecht. 1 3 : 427, 432,4, 436.
Urkunden. I 3 : 33.
Urkundenlehre. 13:3.
Urville. I 4 : 344.
Usener, H. IV 5:397.
Utopien. I 4:472: IV 3:14.
Uz, J. P. IV lc:41, 72; 2a: 21, 40,
47/8: 3:35.
Vademecum. 112: 54.
Vahlen. J. IV 5:397.
Valabrega, P. IV 3 : 389.
Valdek, R. IV 5 : 535/6.
Valentin, V. 16:46, 142; IV 8a : 25,62.
Valla, L. II 1 : 81 ; III 5 : 1.
Yalory, Marquis v. 14: 154; IV
1 b : 56.
V.-m den sali boenen. II 5 : 67.
Varnbfiler, F. Frhr. v. IV 1 b : 282.
Varnhagen. K. A., v. Ense IV 1 b : 158;
lc:50. 93; 3:106; 10:34, 41.
Varrentrapp, C. IV 1 b : 3.
Varro. 13:1.
Vater, J. IV 5:601.
Vaterland. I 6:97-100, 110. 129 7.
Vaterlandsdichter. I 6 : 135.
Vaterlandsliebe. 1 . :61.
Vaterunser. IV 5 : 43.
Vaudal, A. IV 1b: 120.
Vecchi, Orazio. III 2 : 6.
Veckinchmen, n. II 1 : 118.
Veiten, .1. III 4 : 19.
Veme. I 4 : 102/4.
Verbrechen. I 4 : 145 7.
Verden. I 4 : 336
Verdeutschung. IV 5:131.
Verdi, G. I 10:57 ; IV 1 c : 14, 60.
Vereinswesen. I 3 : 145
Verfassungsgeschiohte. I 4 : 12.
Vergil. 13:1. 26: 6:60; 12:7; II
7:5; IV lc:96: 2a:58; 9:78, 179.
Vergnügungen, Oeffentliche. I 4:31/2.
Verkehr, Geselliger. I 4:24 8a.
Verkehrswesen. I 4:260 8
Verlagskataloge I 3 : 184 7.
Verlagsrecht. I 3:427 9.
Verlagsvertrag. I 3 : 435.
Vermählungen, Fürstliche. I 4:43,3a,
46.
Vermehren, B. IV 10:41.
Vernazza, G. IV 3 : 77.
Vernuläus. N. I 11 :20, 24; III 4:8;
IV 9 : 100.
Vernunftheiraten. 14:117.
Verordnungssprache. 17:187, 2145.
Vers 1 5 : 320 : 6 : 142 : 8 : 1. 12, 24 ff, 31 .
Versbau. I 1 : 46.
Versfüsse. 18:1, 12.
Verskunst. IV 9 : 77.
Versschluss 18:1.
Vesque v. Püttlingen. I 10 : 120.
Vetter, Konr. II 1 : 87.
Vettori. F II 1 : 19
Vexierkarten. I 3 : 52.
Vianden. I 4 : 445 a
Vianen, Paulus v 19: 454.
Viardot. Pauline. IV 1 c : 65.
Vieweg, F., & Sohn. I 3:372.
Vigano, S I 10:108.
Vigne d'Octon. IV 1 d : 8.
Villanellen. II 2:82.
Villaume. P. I 12:44
Villingen. I 3:20
Vilmar, A, F. C. 16: 110; IV 5 : 261.
Vincennes I 9:244.
Vincke, E. Fr. Gg. Frh. v. IV 1 b : 191,
194, 235/6; 5:564
Vingles, J. de. 13: 74.
Vintler. H. v. I 11:8; IV 2b: 209-12.
Vischer, F. Th. IV 1 c : 58.93: 2 b : 256/7;
5: 15, 175, 398, 447, 634; 10: 113.
Visitationsausschreiben. I 12 : 23+
Vives. .1. L II 6 : 178; 7 : 42: III 5:1.
Vögelin, E. I 3:358
Völcker, G. I 12:88
Völderndorff, 0. v. IV lc: 13.
Völkerkunde. I 6:105 7.
Vogel, Christine. IV 3:59.
Vogelhuber, G. II 2 : 82.
Vogesen. 1 4:342.
Vogl, J. N. IV 2a :1.
Vogler, G. J IV lc:13.
Vogt, K IV 5:398.
Voigt, Gottl. IV 9:31.
Voigt-Rhetz, Konst B. v. IV 1 b : 3323.
Voigts, Fr. IV 1 a : 37.
Voith, V. II 4a:2">.
Vokale. I 8:17.
Vokalmusik. I 10:21.
Volkert (Volchardus) s. Coornhert.
Volkmann, R. IV 5:491.
Volksballaden. 15:1,284,315.
Volksbibliotheken. I 3 : 320, 327-35.
Volksbildung. I 4 : 503/7, 514 6.
Volksbräuche. I 5:37, 52,7. 66-&S.
Volksbücher. I 3 : 114; II 3 : 6-17, 40 1 :
III 3:14; IV 2b: 31; 10:19, 41.
Volkscharakter I 4 : 1145.
Volksepos. 1 6:107.
Volsfeste. I 4:32 a.
Volksgedicht. I 12:239.
Volksgesang. I 10 : 45.
Volksglauben (s. auch Aberglauben).
I 5:95, 102-17, 147,8; II 6:49.
Volkskunst. I 9:445.
Volkskunde I 5. — In: Baden I 5: 14/5.
Bayern 15: 16. Bern I 5 : 34. Böhmen
I 5:20, 23 4, 36. Butzbach I 5:35.
Klsass I 5 : 29-30. Geldern I 5 : 25.
Italien 1 3 : 178. Mähren 1 5 : 32.
Mecklenburg I 5 : 103. Meiningen
I 5 : 31. Oesterreich I 5 : 21 Paris
13:179. Pommern 15 :22a. Schlesien
I 5 : 178. Siebenbürgen 15:8, 19,
33, 283. Tirol I 5 : 27.
Volksleben. I 4:32.
Volkslesehalle. I 3:334.
Volkslied. I 5 : 280-96; 10 : 38; II
Sachregister.
1:24; 2:36-81; III 2:3; IVlc:84;
2a: 15-21, 116; 2b:415-49; 5:442;
8c:13; 9:31; 10:41,102,112 Alt-
bielitz I 5 : 312. Bayern I 5 : 303.
Bulgarien IV 2a: 120. Burglc I 5: 311.
Elsass I 5 : 300. Flandern I 5 : 297.
Gottschee I 5 : 283 Hessen I 5 : 313 ;
10:44; II 2:40. Kroatien I 10:107.
Livland I 5:319 Meissen 1 5:338.
Mitteldeutschland I 5 : 283, 311/2.
Niederdeutschland I 5 : 283, 316.
Niederlande 15:317. Oberdeutsch-
land I 5 : 2S3, 3009. Oesterreich I
5:283, 304/6; II 2:38 Ostpreussen
I 5 : 316; 11 2 : 41a. Schweiz I
5:301/2,321. Siebenbürgen 15:283,
297. Steiermark I 5:309-10. Tirol
I 5 : 309. Ungarn I 5 : 283.
Volksliedersammlungen. I 5 : 297-309,
311/5, 317/9.
Volkslitteratur. I 1 : 84.
Volksmärchen. IV 10:41.
Volksmedizin. I 5:118-24.
Volksmelodie. I 10:40/1, 47.
Volksschauspiele. I 4 : 36/7; 5 : 267-79.
Volkt-schriftsteller. II 1 : 87; IV
3:113 82, 435.
Volksschulbücher. I 12 : 91.
Volksschulwesen I 12:225-40.
Volksspiele. 1 4 : 521/1 a. 522a 4.
Volkstrachten. 1 4 : 229-30.
Volkstum, Deutsches. 1 4 : 516-20, 5256.
Volksweisen. II 2 : 49-50.
Volkswirtschaft. 14:9,163/7.
Volkswitz. I 5 : 396/8.
Vollmar, F. v. IV lb:191.
Voltaire, P.M. A de. I 4:427; 11:5;
IV lb:35, 45, 442/3; 1 c : 2, 27, 68,
96; 3:19; 5:38, 140, 238; 6:9.
Vondel, J. van den. III 4 : 24, 30.
Vornamen (s. auch Eigennamen). I
4 : 19, 21 ; 5 : 401 5.
Vorstellungskreise. I 0:97-100.
Vortrag, Deutscher. 16:2, 21/2; 8 : 1/2,
12/4a, 16.
Vos, Isaak. I 11:46; III 4:24.
Voss, J. H. 16 : 83 5; 8 : 23: 11 : 3;
IV lc:17, 27, 96; 2a : 64/5; 3 : 43-51 ;
5:398, 600: 8b: 56; 8d:7.
— Rieh. IV la:20; 3:392, 579.
— Sophie Marie Gräfin v. IV 1 c : 12.
Vrchlkki, Jar. IV 1 d : 70.
Vulpius, Chrn. A. IV 3:16.
— Christiane. IV 8d: 4.
Wachstein, E. M. v. IV lc:64.
Wackenroder, W. IV 10 : 1, 35, 82.
Wackernagel, Ph. IV 3:300.
— W. I 6 : 94.
Wächter, L. IV 3 : 16.
Waffenkunde. I 9 : 460, 465.
Wagner, Ad. IV 5:558.
— Chrn. IV 2b :19a, 20; 3:318
— Gabr. III 5:70 a.
— H. L. IV 8e:118.
— Jos. Maria. IV 1 c : 44.
— Rieh. I 7:30; 10:11, 19, 25, 27,
57, 59-60, 62/3, 106,128-83, 185,220,
234, 277, 284/5; II 4b: 71, 105; IV
lb:411; lc:13, 23, 27, 50, 56-61,
66, 68; 2b: 46; 5:149,179,366, 398,
499; 7: 24; 9: 69; 10:82, 85.
Motive. I 10:126,7.
Museum. I 10 : 153.
Nachahmung. I 10:159.
Theater. -I 10:184.
— Siegfr. I 10:181/2.
— S. anch Jachmann.
Wahrzeichen. I 4:321, 380.
Waidhofen. II 4:26
Waitz, G. IV 5 : 380.
Walasser, Ad. II 1 : 87.
Walcli, K. F. IV 1 a : 34.
— J. G. IV 5 : 37.
Waldig, B. I 8:30: II 4a:3l; 6:165;
IV la:10; ld:3.
Waldeck, Reichsgraf G. Fr. v. III 1 : 136.
Waldmärchen. I 4:367.
Waldmüller, R. IV 3 : 273,
Waldnnmen. I 5 : 428.
Wi.llenstein, A. v. I 6:65; 11:24; II
2:48; III 1:25-30; 4:8; IV 7:31.
— -Festspiel. I 4 : 36.
Wallfahrtskirchen. I 9 : 149.
Wallmoden, Thedel v. II 3 : 5.
Wallonisch-Reformierte. 14:421.
Wallot, P. 19: 374-80.
— W. IV 2 b : 389 ; 3 : 566.
IV lb:3.
:212.
I 7:83.
Wallpach, Arth. v. IV 1 a : 40.
Wal pole, H. IV 8e:96.
Walter, F. IV 2b: 279.
Walther, W. II 6 : 2.
— v. d. Vogelweide. I 6: 16, 107; IV
ld : 3; 2b: 107.
Walzel, 0. F. IV 10 : 5, 74, 82.
Wandgemälde. 19:163/4,166,469.
Wartburg, D. IV 3 : 215.
Wasen, Hans v. 13: 111.
Wasserdichter, Dresdener. IV 10 : 82.
Wasserjungfrauen. I 5 : 198.
Wasserkunst. I 4: 316.
Wasserzeichen. I 3 : 66, 138-40.
Watt, B v. I 11:29; II 2:32
Weber, Barthel. II 4b: 9.
— Beda. IV 5:352.
— Fr. W. IV 3:220/8; 5:593/5.
— K. M. t. I 10:37, 64, 111/3, 272;
IV lc: 13; 8e:93; 10:82.
— Paul s. Barthel Weber.
— Veit. IV 9 : 166.
Webster, J. I 11 : 48
Wecker, J. J. II 3 : 40.
W.-dde, J. IV 2b: 414
Weddigen, 0. IV 3:614.
Wegele, F. X. II 8 : 19.
Wehrenpfennig, W
Weib, D. 14: 145.
Weidensee, E. II 6 :
Weidmannssprache.
Weigel, Erh. I 12:27.
— Rud. I 3 : 118.
Weihnachten. I 4: 29 -30 a, 35/5 a; 5:
50/1, 71a, 75.
Weihnachtskataloge. I 3 : 202,8.
Weihnachtslied. IV 2b : 448. 476/7
Weihnachtssingen (d. Dorfschullehrer).
D. I 12:245.
Weihnachtsspiel. I 5:277; II 4a: 6.
Weilen, Jos. v. IV 1 c : 60.
Weiler, Nik. I 9 : 452.
Weilheim. I 9 : 127.
Weimar. IV 1 a : 33; 7 : 21; 8 b : 1/2.
Wein. I 10:52.
Weinleben. II 6:225,6.
Weingartner, F. I 10 : 159.
Weinhold, K. IV 1 a : 2, 33.
Weinlig, Ch. Th. I 10:27.
Weise ( = Melodie). 1 8:30, 33.
— Chrn. III 3:9; 5:2.
Weishaupt, Ad. IV 5 : 330.
Weiss, Jul. IV la:27; 1 d : 4.
Weisse, Chrn F. I 12 : 106,9: III 5 : 80;
IV 1 d : 61 ; 3 : 35.
Weissenborn (Verleger). II 1 : 87.
Weissmann, H. IV 2b: 278,
Weitling, W. IV 5:113. 562
Weitzmann, C. IV 2b : 305.
Weizsäcker, J. IV 5:380.
Wekhrlin, L. IV 5 : 528,9, 601.
Welcker, Fr. G. IVlb: 191; lc:73;
5 : 398, 440.
Wellington, A. W. Herzog v. IV 1 b :
162, 179.
Wellmer, A. IV 10:82.
Welser, Philippine II 1 : 66.
Weltanschauung. IV 10 : 6.
Weltbildung III 5:2.
Weltgeschichte. 1 9:89.
Weltherrschaft (Roms). 1115:1.
Weltlitteratur. I 1:38- 40 a; IV 3:330.
Wenden. I 5 : 197.
Wendler, Joh. IV 2 a -.31.
Wenzel, Cl I 12:231.
— v. Olm ütz. I 9 : 412.
Werder, D. v. d. III 3 ; 10.
— K. IV 2b: 265.
Werner, A. M. 16: 142.
— Elise. IV 3 : 519-20.
— Zach IV 10 : 1, 41, 68-70, 82.
Wernicke, Chrn. I 8 : 30.
Wernigerode. I 4:84, 247, 321.
Wertheroper. IV 8d:27.
Wessel, Wilh. I 3:63.
Wessobrunn. I 9:127. 225.
Westenrieder. L. IV 1 c : 13.
Westfalen. 14:334/5; 6:98; 9:146;
IV la:12.
Westkirch, Luise. IV 3:539.
Westphal, R. I 8:1; IV 5: 398.
Westpreussen I 9:148.
Wetstein, J. R. III 5:1.
Wette, W. M. L. de. IV 5 : 601 ; 10 : 4.
Wettlauf. 1 5:70.
Wettringen. I 5 : 76
Weygand (Verleger). IV 1 c : 42.
Weyrauch, A. H. v. IV la: 10, 42.
Weyssenbach, R. I 3: 111.
Wicherley, W. IV ld:61.
Wiehert, E. IV la:20; 3:615.
Wichlinghusen. I 9 : 143.
Wichtelmännchen I 5 : 247.
Wickenburg, Albr. Graf v. IV la:39;
2b: 138.
Wickram, G. I 11:32; II 3:28-30
5:122; 6:28. ,
Widebram, Friedr. II 2 : 5.
Widmann, Ach. J. II 5:123
— J. V. IV 1 a : 14. 43.
Wiedemunn, Th. IV lb:l.
Wiedertäufer. I 3:59, 83; II 1:23 4;
6: 266-75; III 1 : 167; IV 3 : 426.
Wiegand, W. IV 1 b : 27.
Wiegendrucke (s. auch Inkunabeln). I
3 : 94-108.
Wiegenlieder. I 5: 336.
Wieland. Chrph. M. I 6 : 135 ; 7 : 26; 8 :
23, 27 ; III 5 : 81/6; IV 1 a : 33/4; 1 c :
4, 11, 17, 40/2, 72, 96; 2a : 24, 36,
104; 3:59-73, 77a;8, 80; 8b: 14;
8c: 29; 10:125. Agathon 17:26;
IV lc:96; 3:7. Aristipp IV 1 c : 96.
Comische Erzählungen. IV 3 : 36.
Diogenes IV 1 c : 40, 96. Don Sylyio
IV 1 :40; 3 : 7. Erzählungen IV 1 c :
40. Grazien IV lc:40. Idris IV
1 c : 27, 40. Musarion I 7 : 2^>. Neuer
Amadis IV lc: 40. Oberon I 7:26;
8:24; IV la:34; lc: 96. Teutscher
Merkur IV 1 c : 4, 10. Ueber-
setznngen IV 1 c : 96.
Wien. I 4 : 375,8 ; 9 : 222, 382/3, 460.
— jüngstes. IV 2b: 192.
Wienbarg, L. IV 1 a : 37.
Wier, Joh. II 6: 246.
Wiesenmayer, B. III 2: 15.
Wigalois. II 3:4.
Wigand, G. 13: 369.
Wilamnwitz-Möllendorf. U. v. IV 5: 442.
Wilbrandt, A. IV lc:50; 3:339; 5:
398; 10:36.
Wilcken, P. IV lb:134.
Wild, Joh. II 5:20: 0:22.
Wilda, Ed. IV la:37.
Wilde, S. I 12:158; II 1 : 122.
Wildenbruch, E. v. 16: 130; IV 2b:
371; 3:308,9.
Wlldermuth, Ottilie. IV 3 : 522.
Wildschiitzenlieder. I 5:283.
Wilhelm I., Kaiser v. Deutschland. I
6:128; IV 1 b : 213, 238,240-53.295,
3i9, 377, 410; lc:15, 85; 2b: 270.
— IL, Kaiser v. Deutschland. I 9 : 46,
374; IV lb:245, 359, 364-72.
— L, König v. Württemberg. IV 10 :
102.
— II IV lb:422.
— Prinz v. Bayern. I 12:97.
— Erzherzog. IV 1 b : 123
— IX., Landgraf v. Hessen. IV lb:452.
— -Nationaldenkmal. I 9:357-61.
Wilken, F. IV 5 : 357.
Willamovius, Ch. R. IV 7 : 1/7.
Wille, Br. IV 5:661/3.
— Eliza. I 10:131.
— J. G. IV 8d:22.
Willemer, J. v. IV 5 : 388.
— Marianne v. IV 8a: 20.
Häuschen. IV 8a: 20.
Williams, Roger. III 5:1
Willomitzer, Jos. IV la: 13.
Wilmowski, K. v. IV lc:15.
Wilmsen, Fr. Ph. I 6:94.
Wimpheling, J. I 12 : 12; II 4 b : 75;
7 : 2a.
Wimpina. C. II 6:10, 17.
Winckelmann, J. J. IV 3 : 77.
Wind u. Menschen. I 4:121.
Windeck, E. II 3: 50-50 a.
Winder, H. II 2 : 23.
Windischgrätz, A. C. F., Fürst v. IV
1 b : 219, 388.
Windthorst, L v IV lb : 319: 5 : 590.
Winkelmann, Aug IV 10:41.
Winkelsohulen. I 12 : 29, 237.
Winklcr, K. G. Th. I 10 : 137.
Winteler, Jost. IV 2 l> : 224.
Winter, Matth. II 3 : 57.
— Peter v. IV 1 c : 13.
Winterfeldt, H. K. General v. IV 1 b :
59-60.
Winterhalter, K. I 9:356.
Winzler, J II 6 : 24.
Wirtshäuser. I 4 : 268.
Wirtshaussprüche. 1 5 : 356.
Sachregister.
Wissenschaft, Historische. I 1 : 1-17.
Wissenschaftslehre. IV 7:22.
Witkowski, ö III 3 : 10.
Witt, K. I 12:78.
Witte, K. IV 5:614
Witteisbacher. D. I 12:97; II 1:145.
Wittenberg I 4 : 203. 315 ; 9 : 209, 463;
II 4a: 19, 2ß; 6:153
Wittgenstein, Fürstin. IV 1 c : 27.
Wittwer, W. II 3 : 43.
Witzel, G. II 6 : 27, 163.
Witzenhausen, Josel. II 3 : 4
Wochenschrift, Stralsunder. IV 3 : 92.
Wochenschriften, Moralische. 13:308;
IV 5 : 530.
Wölffle, J. 19: 297.
Wöllner, J. Chr. v. I 12:106 9; IV
3:1; 5:86, 248, 275
Woermann, K. I 9 : 6; IV la : 14.
Wörterbücher. I 2:8-10; II 1:112;
IV 3 : 28 ; 7 : 25.
Woeter, E. IV ld:74.
Wohlbrück, Olga. IV 3:526.
Wohlgemuth, M. I 9:168.
Woite, 0. IV 3:132.
Wolf, Chrn. I 12 : 129; III 5 : 72/4.
— Ferd. IV la:3S.
— Frd. Aug I 12 : 110: IV 1 c : 17, 20:
5:398, 601; 8 b : 2, 14.
— Hedwig. IV la:38; 2b: 17S.
— Heinr. II 2 : 23, 34.
— Hugo. IV 8a: 39; 8c: 15.
— Joh. I 3:111.
— Nanette. IV 2 b : 138.
Wolfenbüttel. IV 1 a : 28.
— Heinz v. II 1 : 122
Wolff, Chr. v. IV 1 c : 20; 5 : 113, 140,
224, 238, 474.
— Eug. IV 8d:24.
— Franz. IV 3 : 569.
— Heinr. I 11 : 30.
— Jul. IV la : 20; lc : 26, 44; 3:
229-30; 5:65, 398,
— Olla s. Ulrich Frank.
— W. IV 7 : 1/7.
Wolfram v. Eschenbach. I 6:107; IV
ld;3, 11.
Wolke, Chr. H. 16: 91.
Wollenweber, L. A. IV la:44.
Wolzogen, E. v. IV 3 : 616.
— Karoline v. IV la : 33; 9 : 35.
— W. r. IV 8b: 2; 9:35, 176.
Worterklärung. I 7 : 137-60.
Wortfüsse. 18:1.
Wortschatz. I 7 : 70/9, 126-36.
Wouthers, D. III 4 : 24.
Würfel, Chr. IV 3:28.
Würfelspiel. II 5:106.
Würfl, Chrph. IV 2a: 58.
Württemberg. I 4:183, 353/4 a; 9:
137/8.
— Alex. Graf v. IV 2b: 10: 10:113.
Würzburg, Konr. v. IV 8c: 27.
Wunderhorn. IV 10:41, 102, 118.
Wundt, W. IV 5 : 558.
Wupperfeld. I 9 : 143.
Wussow, Alex. v. IV 1 c : 65.
Wutke-Biller, Emma. IV 3:537.
Wuttke, H. IV 9 : 18.
Wyl, W. IV 3:579.
Wyle, N. v. I 7:7a; II 5:65.
Wyss, G. v. IV 5:382/3.
Xenien. I 12:34; IV 2a: 58
York. H D. L. Graf v. IV 1 b : 14,
171/2.
Zabel, E. IV 3 : 183.
Zachariä, J. F. W. 18: 28, 30 ; IV
lc:72; 3:32/4; 5:9-10.
Zainer, Joh. I 3 : 53.
Zannen, sich zauen. I 7 : 152.
Zarncke, Fr. 13:321; 112:45; IV
3:34, 63; 5:398
— -Sammlung. IV 8a: 5.
Zauberei. I 5 : 127/8, 130, 135, 198.
Zaubergeld. I 5 : 135.
Zaubersagen. I 5 : 179.
Zedlitz, Heinr. v. II 1 : 152.
— J. Ch Frhr. v. IV 2 b : 121: 3 : 300;
5 : 86.
Zeitblom, B. 19: 167.
Zeitler. I 8 : 30.
Zeitschriften-Adressbuch. I 3 : 246.
— -Inhaltsangabe. I 3 : 248.
Katalog. I 3 : 252.
Zeitungen (s. auch Journalistik). II 1:2,
36, 77. Dresden IV 3 : 109 Hamburg
I 3 : 308. Leonberg IV 3 : 318. New-
Y'ork 1 3 : 87. Sondershausen IV 3 : 93.
Torgau I 3 : 60. Wien IV 1 b : 219.
Zeitungs-Amt (Berlin). I 3:244.
Jubiläen. I 3:2305
Preislisten. I 3:244/5.
Zeitungswesen. I 3:227-56; II 1:77.
Zell b. Oberstaufen 1 9 : 163.
Zeller, Luise = Luise Pichler.
— Ed. IV 5:812, 601.
Zenger, M. I 10:2;7.
Zesen, Ph. v. I 7:183; 8:23
Zeugdruck. I 9 :6L
Zeughans. I 4:868.
Zeune, Aug. IV 5:423.
Zevecote, J. III 4 : 24.
Ziegert, M. IV Sa: 25.
Ziegler, Jak. II 1:36
— Luise v. IV 8e:30.
Ziehenaus, Chrph. I 3 : 357.
Zielstrebigkeit. 11:7
Zierbuchstaben. I 3:115.
Zierfiguren. I 3 : 6ö.
Zierotin, K. v. I 4:460; II 1:150.
Zierrat in Handschriften I 3:25.
Zigeuner 14:438: IV 2a: 116; 2b- 33/4.
Zigno, Giac. IV 1 c : 96.
Ziller, T. 16:9;.
Zilling (Spezial). IV 9: 14.
Zimmer, H. IV 3:32.
Zimmermann, H. v. I 11:23.
— J. G. IV 1 c : 42, 88; 5 : 224, 236.
— J. J. IV 9 : 166.
— Roh. IV 8 b :21.
Zincgref, J. W. IV 8e: 112.
Zingerle, I. v IV 2b: 203
Zink, B. 113: 48.
Zinzendorf, N. L. Graf v. III 5 : 34/5
Zither. I 10:41.
Zoll, E. IV la:21; lb:358; lc: 60/1:
3:10, 12, 453; 5:463, 652.
Zollikofer. G. J. IV 1 a : 17.
Zollner, M. II 2 : 43.
Zolltarif. I 4:211
Zolner, Jobst. II 2 : 21.
Zschille (Warfensammler'. I 9:462.
Zschokke, H. I 6 : 128 ; IV 3:16, 341-55 ;
5 : 271, 398.
Zucker, M. 19: 180.
Zündt, H. U 13: 337,8.
- M. I 3:337/8; 9:457.
Zürich. I 4:20; IV 2a: 23.
Zumsteeg, J. R. IV 2 b : 138.
Zunftleben. I 4:200/1.
Zungenbändchen s. Lösung.
Zungenübungen. 15:343/5.
Zunz, L. IV 5:411/3.
Zustände, Gesellschaftliche, Deutsch-
lands. 14:9.
Zwickau. I 4 : 138; II 3:57.
Zwingli, U. II 6 : 134, 161 ; III 5 : 1 ;
IV 5 : 325
Zymmermann, Ant. II 1:87.
Jahresberichte für neuere deutsche Litteraturgeschichte. V.
(4)39
Siglenregister.
a) Siglen für einzelne Zeitschriften.
AAALA. Atti della r. Accademia di Archeolo-
gia, Lettere e belle Arti
AAW. Aus allen Weltteilen
Ac. The Academy
AChrK. Archiv für christliche Kunst
ADA. Anzeiger d. Zeitschrift für Deutsches
Altertum
ADß. Allgemeine Deutsche Biographie
ADLZg. Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung
AELKZ. Allgemeine Evangelisch-Lut. Kirchen-
Zeitung
AGNM. Anzeiger d. Germanischen National-
museums
AHVN. Annalen des Historischen Vereins für
den Niederrhein
AJPh. American Journal of Philology
AkBll. Akademische Blätter
AltprMschr. Altpreussische Monatsschrift
ALVKS. Archiv für Landes- und Volkskunde
d. Provinz Sachsen
AMZ. Allgemeine Missionszeitschrift
AMZg. Allgemeine Militär-Zeitung
AnnELScPol. Annales de l'ecole libre des
sciences politiques
AnzSchwG. Anzeiger für Schweiz. Geschichte
AÖG. Archiv für Oesterreichische Geschichte
APC. Annales de, Philosophie Chretienne
APT. Archiv für Post und Telegraphie
ASNS. Archiv für d. Studium der neueren
Sprachen
ASPb. Archiv für Slavische Philologie
ASTP. Archivio per lo Studio delle Traditioni
Popolari
Ath. The Athenaeum
AZgB. Beilage d. Allgemeinen Zeitung
BAUBay. Beiträge zur Anthropologie und Ur-
geschichte Bayerns
BBG. Blätter für d. Bayerische Gymnasial-
schulwesen
BBRW. Blätter für d. Bayerische Realschulwesen
BBSW. Besondere Beilage d. Staatsanzeigers
für Württemberg
BCChrSchw. Bibliographie und litterarische
Chronik d. Schweiz
BECh. Bibliotheque de l'Ecole des Chartes
BFDH. Berichte d. Freien Deutschen Hochstifts
BGDS. Beiträge z. Geschichte d. Deutschen
Sprache
BG1. Der Beweis des Glaubens
BGLIA. Bibliothek der Gesamt-Litteratur des
In- u. Auslandes.
BHLPFr. Bulletins Historiques et Litteraires
de la Societe du Protestantisme Francais
BiogrJbA. Biographisches Jahrbuch für Alter-
tumskunde (Iwan Müller)
BKELK. Beiträge z. Kunde Esth-, Liv- und
Kurlands
BLChrSchw. Bibliographie und litterarische
Chronik d. Schweiz
BllHSch. Blätter für das Höhere Schulwesen
BllThPBBibl. Blätter z. Theorie und Praxis d.
Bibliothekswesens
BLU. Blätter für Litterarische Unterhaltung
BLVSt. Bibliothek des Litterarischen Vereins
in Stuttgart.
BPhWS. Berliner Philologische Wochenschrift
BScFB. Bulletin scientifique de la France et
de la Belgique
BSCMHAlsace. Bulletin de la Societö pour la
Conservation des Monuments Historiques
d'Alsace
BURS. Bibliotheque Universelle et Revue Suisse
B WKG. Blätter für Württembergische Kirchen-
geschichte
CAC. La Chronique des Arts et de la Curiositö.
CBIBibl. Centralblatt für Bibliothekswesen
CBlUVPreussen. Centralblatt für die gesamte
Unterrichts- Verwaltung in Preussen
ChrJGImpr. Chronique du Journal general de
l'Imprimerie et de la Librairie
ChWGV. Chronik d. Wiener Goethe- Vereins
CMC. Casopis Musea Krälovstvi Ceskeho
COIRW. Centralorgan für d. Interessen d.
Realschulwesens
CR. Corpus Reformatorum
CRPhThL. Critical Review of theological and
philosophical Litterature
DBUEU. Deutsche Blätter für Erziehung und
Unterricht
DEBIL Deutsch-Evangelische Blätter
DEKZ. Deutsche Evang.-Kirchenzeitung
Didask. Didaskalia (Beiblatt z. Frankfurter
Journal)
DLD. Deutsche Litteraturdenkmale
DLZ. Deutsche Litteraturzeitung
DNB. Deutsche Nationalbühne
DNJb. Deutschnationales Jahrbuch
DNL. Deutsche Nationallitteratur
DPB1. Deutsches Protestantenblatt
DR. Deutsche Revue
DRs. Deutsche Rundschau
DSB11. Deutsch-sociale Blätter
DWB1. Deutsches Wochenblatt
DZG. Deutsche Zeitschrift für d. Geschichts-
wissenschaft
DZKR. Deutsche Zeitschrift für Kirchenrecht
DZg. Deutsche Zeitung (Wien)
DZSF. Deutsche Zeit- und Streitfragen
EHR. English Historical Review.
EKZ. Evangelische Kirchenzeitung
Siglenregister.
EPL. Entretiens Politiques et Litteraires
ERPHLB. Etudes religieuses, philosophiques,
historiques et litteraires. Partie bibliographique.
Euph. Euphorion.
FBPG. Forschungen z. Brandenburgischen u.
Preussischen Geschichte
FDLV. Forschungen zur deutschen Landes- u.
Volkskunde.
FFFGAV. Für d. Feste nnd Freunde d. Gustav-
Adolf- Vereins
FKLB. Forschungen z. Kultur- u. Litteratur-
geschichte Bayerns
FrB. Freie Bühne für modernes Leben
FrBlw. Wiener Fremdenblatt.
FrSchZ. Freie Schulzeitung
FZg. Frankfurter Zeitung
GBA. Gazette des Beaux Arts.
GDL. Gesellschaft für Deutsche Litteratur
Geg. Die Gegenwart
Ges. Die Gesellschaft
GFröO. Geschichtsfreund (Mitteilungen d. Histo-
rischen Vereins d. 5 Orte)
GGA. Göttingische Gelehrte Anzeigen
GJb. Goethe-Jahrbuch
HBGF. Hallische Beiträge zur Geschichts-
forschung
HJb. Historisches Jahrbuch (Grauert)
HPBU. Historisch-Politische Blätter
HT. Historisk Tidsskrift (Dänemark)
HTB. Historisches Taschenbuch
HZ. Historische Zeitschrift (v. Sybel)
IllZg. Illustrierte Zeitung
JbbPTh. Jahrbücher f. protestantische Theologie
JBG. Jahresberichte der Geschichtswissenschaft
JBGPh. Jahresbericht über Germanische
Philologie
JBHSW. Jahresberichte für d. höhere Schul-
wesen
JBL. Jahresberichte für neuere deutsche
Litteraturgeschichte
JbPSTh. Jahrbuch für Philosophie und speku-
lative Theologie.
JbSAK. Jahrbuch d. kunsthistorischen Samm-
lungen d. Allerhöchsten Kaiserhauses
JbSchwG. Jahrbuch für Schweizer Geschichte
JDTh. Jahrbuch für deutsche Theologie
JEc. Journal des Economistes
JEd. Journal of Education
JGGPO. Jahrbuch d. Gesellschaft für Geschichte
d. Protestantismus in Oesterreich
JG VV. Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung
und Volkswirtschaft
JHGA. Jahrbuch d. Heraldischen Gesellschaft
Adler
JKSAK. Jahrbuch d. Kunsthistorischen Samm-
lungen d. Allerhöchsten Kaiserhauses
JllZg. Illustrirte Zeitung
JNS. Jahrbücher für Nationalökonomie und
Statistik
JPrK. Jahrbuch der Preussischen Kunst-
sammlungen
JSav. Journal des Savants
KAW. Kirchlicher Anzeiger für Württemberg
KBGV. Korrespondenzblatt des Gesamtvereins
der Deutschen Geschichts- und Altertums-
vereine
KB1GRW. Korrespondenzblatt für d. Gelehrten-
u. Realschulen Württembergs
KB1WZ. Korrespondenzblatt d. Westdeutschen
Zeitschrift für Geschichte und Kunst
KM. Kirchliche Monatsschrift
KRÖ. Kritische Revue aus Oesterreich
KunstUZ. D. Kunst unserer Zeit
KVZg. Kölnische Volkszeitung.
Kw. Kunstwart
KwH. Kwartalnik Historyczny
KZEU. Katholische Zeitschrift für Erziehung
und Unterricht
KZg. Kölnische Zeitung
LBIGRPh. Litteraturblatt für Germanische u.
Romanische Philologie
LBIHSch. Litteraturblatt für d. Höhere Schul-
wesen (Beil. zu BllHSch.)
LCB1. Litterarisches Centralblatt
LChR. The Lutteran Church Review
LHw. Litterarischer Handweiser
LJb. Litterarisches Jahrbuch für die Interessen
der Deutschen Nordwestböhmens (A. John)
LLB. Leipziger Litteraturberichte
LLD. Lateinische Literaturdenkmäler d.
16./ 17. Jh.
LRs. Litterarische Rundschau für d. katholische
Deutschland
L&K. Literatur og Kritik
LZ?B. Wissenschaftliche Beilage d. Leipziger
Zeitung
MA. Le Moyen-Age
MADSpr. Mitteilungen d. Allgemeinen Deutschen
Sprachvereins
MD. Moderne Dichtung
MGESchG. Mitteilungen d. Gesellschaft für
deutsche Erziehungs- u. Schulgeschichte
MGNM. Mitteilungen aus d. Germanischen
Nationalmuseum
MGP. Monumenta Germaniae Paedagogica
MHL. Mitteilungen aus d. Historischen Litteratur
MIÖG. Mitteilungen d. Instituts für Oester-
reichische Geschichtsforschung
ML. Magazin für Litteratur d. In- und Aus-
landes
MLLG. Mitteilungen d. Littauischeu littera-
rischen Gesellschaft
MLN. Modern Language Notes
MLWJ. Monatsschrift für Litteratur und Wissen-
schaft d. Judentums
MNEKR. Mitteilungen u. Nachrichten für d.
Evangelische Kirche in Russland
MNLGATJ. Mitteilungen d. Niederlausitzer
Gesellschaft für Anthropologie u. Urgeschichte
MusG Museum (Groningen)
MVGDB. Mitteilungen d. Vereins für Geschichte
d. Deutschen in Böhmen
MVVB1. Militär- Wochenblatt
NAnt. Nuova Antologia
NAR. North American Review
Nation8. Nation (Berlin)
NationNY. Nation (New- York)
NB11EU. Neue Blätter aus Süddeutschland für
Erziehung und Unterricht
NDL. Neudrucke deutscher Litteraturwerke d.
16. und 17. Jh.
NedSpect. De Nederlandsche Spectator
NFPr. Neue Freie Presse
NHJbb. Neue Heidelberger Jahrbücher
NJbbPh. Neue Jahrbücher für Philologie und
Pädagogik
NKZ. Neue Kirchliche Zeitschrift
NLB11. Neue Litterarische Blätter
NQ. Notes and Queries
(4)39*
Siglenregister.
N&S. Nord u. Süd
NYCritic. New-York-Critic
NZ. Neue Zeit (Stuttgart)
OEKZ. Oesterreichische evangelische Kirchen-
zeitung_
ÖLB1. Österreichisches Litteraturblatt
ÖUR. Österreichisch-Ungarische Revue
Päd. Pädagogium.
PBUKHS. Pastoralblätter für Katechetik, Ho-
miletik und Seelsorge
PEGS. Publications of the English Goethe-
Society
PKZ. Protestantische Kirchenzeitung
PMLA. Publications of the Modern Language
Association of America
PPSA. Publikation aus d. Kgl. Preufsischen
Staatsarchiven
PrJbb. Preussische Jahrbücher
PZSF. Pädagogische Zeit- und Streitfragen
QF. Quellen u. Forschungen z. Sprach- u. Kultur-
geschichte d. germanischen Völker
QR. Quarterley Review
RAFr. Revue de l'Art Francais
RB. Revue Bleue
RBibl. Revue des Bibliotheques
ROr. Revue Critique d'histoire et de litterature
RDM. Revue des deux Mondes
RepKunstw. Repertorium der Kunstwissenschaft
RESS. Revue de l'Enseignement Seoondaire et
Superieure
RH. Revue Historique
RhBllEU. Rheinische Blätter für Erziehung u.
Unterricht
RhGBll. Rheinische Geschichtsblätter.
RiCrLI. Rivista Critica della Letteratura Italiana
RIE. Revue Internationale de l'Enseignement
RPL. Revue Politique et Litteraire
RQChrA. Römische Quartalschrift für Christ-
liches Altertum und Kunst
RSIt. Rivista Storica Italiana.
RThPh. Revue de Theologie et de Philosophie
RTP. Revue des Traditions Populaires
SammlerA. D. Sammler (Tägliche Beilage d.
Augsburger Abendzeitung)
SammlerB. D. Sammler (Berlin)
SBB. Sammlung Bernischer Biographien
SB11HU. Süddeulsche Blätter für die höheren
Unterrichtsanstalten.
SchlZg. Schlesische Zeitung
SchwäbKron. Schwäbische Kronik (Beiblatt z.
Schwab. Merkur)
SGV. Sammlung gemeinnütziger Vorträge (Prag).
SGWV. Sammlung gemeinverständlicher wissen-
schaftlicher Vorträge
SÖMZ. Streffleurs Oesterreichische Militärische
Zeitschrift
StMBCO. Studien u. Mitteilungen aus d. Bene-
diktiner- u. d. Cistercienser-Orden
StML. Stimmen aus Maria Laach
StNPhl. Studies and Notes in Philology and
Litterature
TglRsB. Unterhaltungsbeilage d. Täglichen
Rundschau (Berlin)
ThJB. Theologischer Jahresbericht
ThLBl. Theologisches Litteraturblatt
ThLZ. Theologische Litteraturzeitung
ThQ. Theologische Quartalschrift
ThStK. Theologische Studien u. Kritiken
ThT. Theologische Tijdschrift.
ThZSchw. Theologische Zeitschrift aus der
Schweiz
TNTLK. Tijdschrift voor Nederlandsche Taal- en
Letterkunde
TRHS. Transactions of the Royal Historical
Society
ÜB. Universal-Bibliothek
ÜB&T. Über Berg u. Thal
ÜL&M Über Land u. Meer
UZ. Unsere Zeit
VGAnthr. Verhandlungen d. Gesellschaft für
Anthropologie
VHSG. Vierteljahrsschrift für Heraldik, Sphra-
gistik und Genealogie
VLG. Vierteljahrsschrift f. Litteraturgeschichte
VVPK. Vierteljahrsschrift für Volkswirtschaft,
Politik u. Kulturgeschichte
V WPh. Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche
Philosophie
WFrBl. Wiener Fremdenblatt
WIDM. Westermanns Illustrirte Deutsche
Monatshefte
WKK. Wiener Kommunalkalender
WRDK. Wochenrundschau für dramatische
Kunst, Litteratur und Musik
WSKPh. Wochenschrift für Klassische Philologie
WTB1. Wiener Tagblatt
WWKL. Wetzel u. Walters Kirchenlexikon.
WZ. Westdeutsche Zeitschrift für Geschichte
u. Kunst
ZADSprV. Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen
Sprachvereins
ZBK. Zeitschrift für Bildende Kunst
ZDA. Zeitschrift für Deutsches Altertum
ZDKG. Zeitschrift für Deutsche Kulturgeschichte
ZDM(t. Zeitschrift d. Deutschen Morgenländischen
Gesellschaft
ZDPh. Zeitschrift für Deutsche Philologie
ZDS. Zeitschrift für Deutsche Sprache
ZDU. Zeitschrift für d. Deutschen Unterricht
Zeitgeist. D. Zeitgeist (Montagsbeilage z Berliner
Tageblatt)
ZERIT. Zeitschrift für d. evangelischen Reli-
gionsunterricht
ZFChrVL. Zeitschrift d. christlichen Volkslebens
ZFSL. Zeitschrift für neufranzösische Sprache
u. Litteratur
ZGORh. Zeitschrift für d. Geschichte d. Ober-
rheins
ZKG. Zeitschrift für Kirchengeschichte
ZK.WL. Zeitschrift für kirchliche Wissenschaft
u. kirchliches Leben
ZLIHSch. Zeitschrift für lateinlose höhere
Schulen
ZOG. Zeitschrift für d. Oesterreichischen Gym-
nasien
ZPrGL. Zeitschrift für Preussische Geschichte
und Landeskunde
ZPTh. Zeitschrift für Praktische Theologie
ZSchlH. Zeitschrift d. Gesellschaft für Schles-
wig-Holstein-Lauenburgische Geschichte
ZSRG6. Zeitschrift der Savigny-Stiftung für
Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung
ZVK. Zeitschrift für Volkskunde
ZVLR. Zeitschrift für Vergleichende Litteratur-
geschichte u. Renaissance-Litteratur
ZV Volksk. Zeitschrift des Vereins für Volkskunde
ZWTh. Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie
Siglenregister.
b) Abkürzung zur Bezeichnung der übrigen
Zeitschriften.
A. Archiv, Archives, Arkiv. — AbhAk. Ab-
handlungen d. Akademie (d. Wissenschaften).
— AbhL. Abhandlungen für Landeskunde. —
AG. Archiv für Geschichte. — Alm. Almanach.
— Ann. Annalen, Annales. — Ant. Antiqua-
risch. — Anz. Anzeiger. — A V. Altertums-
verein
B. Beiträge. — BAc. Bulletin de l'Academie.
— BB1. Börsenblatt. — Bblgr Bibliographie.
— BG. Beiträge z. Geschichte. — BHV.
Bericht d. Historischen Vereins. — Bibl.
Bibliothek. — BK Beiträge z. Kunde. —
Bl., Bll. Blatt, Blätter. — BLVA. Berichte.
d. Landesvereins für Altertumskunde. —
BMH. Bulletin du Musee Historique. —
BVGW. Berichte über d. Verhandlungen d.
Gesellschaft d. Wissenschaften. — BVL. Blätter
d. Vereins für Landeskunde
CB1. Centralblatt. — Chr. Chronik. — Cr.
Critique. — COI. Centralorgan für d. In-
teressen
D. Deutsch
E. Erdkunde. — Erz. Erziehung
F. Forschungen
Gr. Geschichte. — GBl., GB11. Geschichtsblatt.,
Geschichtsblätter. — Ges. Gesellschaft. — GFr.
Geschichtsfreund. — GV. Geschichtsverein. —
GQ. Geschichtsquellen — GW. Gesellschaft
d. Wissenschaften
H. Historisch, Histoire, Historique usw. —
HG. Historische Gesellschaft. — HT. Historisk
Tidsskrift. — HV. Historischer Verein
I. Institut. — It. Italia, Italiano
J. Journal. — JB. Jahresbericht, Jahresberichte.
— Jb. Jahrbuch. — «Jbb. Jahrbücher. —
JbHV. Jahrbuch d. Historischen Vereins. —
JbVG. Jahrbuch d. Vereins für Geschichte.
— JHh. Jahreshefte
K.B1. Korrespondenzblatt. — KB1VL Korre-
spondenzblatt d. Vereins f. Landeskunde. —
KG. Kirchengeschichte. — KL. Konversations-
lexikon
Li. Litteratur, Litterarisch usw. — LB. Littera-
turbericht. — LB1. Littet aturblatt. — LK.
Landeskunde. — LVA. Landesverein für Alter-
tumskunde
Bf. Mitteilungen, Memoires. — JMA. (MAlich.)
Mittelaller ( — lieh). — MAc. Memoires de
l'Academie. — Mag. Magazin. — MBL, MBU.
Monatsblatt, Monatsblätter. — MDG. Mit-
teilungen der deutschen Gesellschaft. — MDSH.
Memoires et Documents de la Societe Histo-
rique. — MGG. Mitteilungen d. Gesellschaft
für Geschichte. — Mh. Monatshefte. — Mschr.
Monatsschrift. — MSH. Memoires de la Societe
Historique. — Mus. Museum, Musik. — MusV.
Musealverein. — MVG. Mitteilungen d. Ver-
eins für Geschichte
Bf. Neu, Nouveau, Nuovo usw. — NF. Neue
Folge. — Njbl., Njbll. Neujahrsblatt, Neujahrs-
blätter. — NN. Neueste Nachrichten
Ö. Oesterreich, Oesterreichisch
P. Preussisch. — Paed. Pädagogik, pädagogisch.
— PAV. Publicationen des Altertums-Vereins.
— Ph. Philologie. — Philos. Philosophie. —
Pr. Presse
Q. Quartalschiift. — QB. Quartalsblatt. —
QuBllHV. Quartalsblätter des historischen
Vereins
ft. Revue, Review.
Rhein, Rheinisch,
schau
Rep. Repertorium. — Rh.
Ri. Rivista. — Rs. Rund-
SB. Sitzungsbericht, Sitzungsberichte. — SBAk.
Sitzungsberichte d. Akademie (d. Wissen-
schaften). • — Sbnbg. Siebenbürgen. — Seh.
Schule. — SchlH. Schleswig-Holstein-Lauen-
burg. — Schw. Schweiz, Schweizerisch. — Soc.
Societe, Society, Sociedad — Spr. Sprache,
Sprachforschung. — St. Studien. — SVG.
Schriften d. Vereins f. Geschichte
T. Transactions. — Tb. Taschenbuch. — TBL
Tageblatt (Tagblatt)
V. Verhandlungen. — Vjh. Vierteljahrshefte. —
Vjs. Vierteljahrsschrift. — Vt. Vaterländisch.
— Ver. Verein
WB1. Wochenblatt
Z. Zeitschrift. - Zg. Zeitung. — ZGG. Zeit-
schrift d. Gesellschaft für Geschichte. — ZÜV.
Zeitschrift d. Historischen Vereins
Beispiele für Verbindungen:
JbMünchG. Jahrbuch für Münchener Geschichte
BVGW Leipzig. Berichte über d. Verhandlungen
d. Gesellschaft d. Wissenschaften in
Leipzig
TJngR. Ungarische Revue
MVAnhaltG. Mitteilungen d. Vereins für An-
haltische Geschichte u. Altertumskunde
MhMusikG. Monatshefte für Musikgeschichte
SVGBerlin. Schriften d. Vereins für d. Geschichte
Berlins
NASächsG. Neues Archiv für Sächsische Ge-
schichte
ZVHambG. Zeitschrift d. Vereins für Ham-
burgische Geschichte — usw.
Bemerkungen für den Gebrauch.
An dieser Stelle sei nochmals das „Handbuch zu Litteraturberichten" von J. Jastrow
(Berlin, Gaertner 1891) rühmend genannt, dem die technische Einrichtung sich im wesentlichen
anschliesst.
1. Die Disposition ist jedem einzelnen Abschnitte vorangedruckt und im Text, auf
den allein sie sich bezieht, durch Absätze und Sperrung der Stichwörter kenntlich.
2. Die Stellung der Anmerkungsziffer vor oder hinter dem Punkt am Ende eines
Satzes charakterisiert die nähere oder fernere Zugehörigkeit des unten angeführten Buches zum Text.
3. Neben den "Werken des Berichtsjahres sind nur in Ausnahmefällen Schriften des
unmittelbar vorhergegangenen Jahres besprochen. Die Litteratur der auf das Berichtsjahr folgenden
Zeit blieb durchweg ausgeschlossen, ausser wo es sich um einzelne Recensionen der 189 4 erschienenen
Arbeiten handelt. Als Jahreszahl ist zu jeder in den Anmerkungen citierten Schrift die des
Berichtsjahres (für Bd. 5 also 1894) hinzuzudenken, insofern eine andere nicht ausdrücklich genannt
ist. Wo bei Lieferungswerken, Zeitschriften usw. Lieferungstitel und Bandtitel verschiedene Jahres-
zahlen tragen, ist der letztere als massgebend betrachtet worden.
4. Die Bedeutung der Zeichen in den Anmerkungen sind folgende:
X Hier sei dem Titel nach angeführt
X X Hier sei angeführt unter Vorbehalt genauerer Besprechung im nächsten
Jahrgang
o Unzugänglich blieb
(IV 8 a : 10) Hier ist ein Titel einer Arbeit bezw. ein Bericht ausgefallen zu Gunsten
von IV, 8 a N. 10.
|[]| schliesst das Verzeichnis der Recensionen ein.
5. Ein Verzeichnis der zur Abkürzung von Zeitschriften- und Zeitungstiteln
verwendeten Siglen findet sich hinter dem Sachregister. Ausserdem sind folgende Abkürzungen
angewendet: Hs., Hss. = Handschrift, Handschriften; hs. = handschriftlich; Ms., Mss. = Manuskript,
Manuskripte; Vf. = Verfasser, Verfasserin; Jh., Jhh. = Jahrhundert, Jahrhunderte.
6. Das Autorenregister verzeichnet nur die Verfasser der besprochenen Arbeiten,
zu denen auch die Recensionen gerechnet werden. Die Art der angeführten Werke wird durch die
Kapitelzahl einigermassen gekennzeichnet.
7. Im Sachregister beachte man überall Zusammenstellungen wie Bibliotheken, Drama,
Schulen, Sprache.
8. Die Zahlen in den Registern usw. sind aus folgenden Beispielen zu verstehen:
II 3 : 4 = II, 3 N. 4. — II 3 : 4-5 = II, 3 N. 4-5. — II 3 : 4; 6 : 7 = II, 3 N. 4; II, 6 N. 7.
9. Die Verfasser von selbständigen Werken wie auch namentlich von Dissertationen,
Programmen, Festreden usw. sowie von Zeitschriftenaufsätzen werden dringend ersucht, ein Exemplar
an die JBL. einzusenden oder die Einsendung seitens ihres Verlegers zu veranlassen. Bei Ab-
handlungen, die an entlegenen Stellen veröffentlicht sind, wäre die Redaktion schon für den blossen
Hinweis (vielleicht mit kurzer Angabe des Inhalts) dem Autor zu Dank verpflichtet.
10. Die Adresse der Redaktion findet sich am Schlüsse der Vorrede, die der Verlags-
handlung auf dem Titelblatt, die der einzelnen Mitarbeiter im Inhaltsverzeichnis.
Druckfehlerberichtigung.
I 1 :86 Note lies R. Wulckow. — I 3 : 61 Note lies R. Schwarze. — I 4: 122
Note lies J. Gillhoff. — 14: 138a Note lies Carinthia S. 7-15, 43-51. — I 4 : 218
lies Kossmann. — I 4 : 311 Note lies Schwarzfels. — 14: 420 Note lies Tschir c h.
— I 4 : 522 Note lies Wendland t. — 16:45 Note liess (= N. 13.). — I 6 : 46
Note lies (= N. 14.). — I 7 : 129 Zeile 1 lies Tetzner. — I 9:9 Note lies Seidlitz.
— I 9:30 Zeile 1 lies Francquet. — I 9 : 157 Note lies MB1 Alt V Wien. — I 9:203
Zeile 1 lies de Negker. — I 9 : 204 Zeile 2 lies Heinz. — I 9 : 243 Zeile 1 bezw.
Note lies Seidlitz. — I 10 : 260 Zeile 1 bezw. Note lies Hofraillcr. — I 12 : 12 Zeile 3
lies Winckelraann. — I 12:104 Zeile 2 lies Naetebus. — II 5 : 65 Zeile 7 lies
B. Hirssfelder. — II 6 Inhaltsverzeichnis Zeile 12 lies Sachsen N. 164. —
II 7 : 9 Note lies K. Wotke. — IV la : 37 Zeile 22 lies H. Schiff. — IV 1 b : 357
Note lies Sosnosky. — IV 1 b : 442 Note lies Treutschv. Buttlar. — IV 1 d Inhalts-
verzeichnis Zeile 2 lies Chenier und Loconte. — IV 2b Inhaltsverzeichnis Zeile 7 u.
N. 119 Zeile 2 lies J. B. Deinhardstein. — IV 2b Inhaltsverzeichnis Zeile 7 lies
A. von Tschabuschnigg. — Ebda. Zeile 9 lies F. v. Saar N. 183. — Ebda. Zeile 17
lies S. Sailer. — Ebda, lies H. Jürs. — IV 3 : 456 Zeile 2 bezw. Note lies Lern me r-
mayer. — IV 5 : 64 Note lies Weis. — IV 5 : 170 Zeile 1 bezw. Note lies Göring. —
IV 5 : 261 Note lies H. Jo3ephson. — IV 5 : 335 Note lies Weitbrecht. — IV 5 : 375
Note lies W. S. Lyon. — JBL. 1893 IV 8a : 31 Zeile 5 lies A. Riese. — IV 8a : 34
Note lies K. Wein ho Id. — Im Autorenregister fohlt: Heuer, O. IV 8a : 25; 8e : 69.
Druck von C. H. Schulze & Co. in Gräfenhainichen.
Für die bereitwillige und liebenswürdige Unterstützung bei den vorbereitenden
Arbeiten ist die Redaktion den folgenden Herren zu lebhaftem Danke verpflichtet :
Hermann Alsberg-Bexlin,
Dr. Hans Bodmer-Znrieh,
cand. phil. Coym-Berlin,
Dr. Friedr. Düsel-Berlin,
cand. phil. Ü^cß-München,
Prof. Dr. Ernst Elster-Leipzig,
cand. phil. Karl .Fmss-München,
Dr. Fritz-Berlin,
Dr. Rudolf Fürst-Vra,g,
cand. phil. Goldschmidt-Mnnchen,
cand. phil.' Montague Jacoos-Berliu,
cand. phil. Kurt Jahn-Berlin,
cand. phil. H. Lachmanski,
Geh. Justizrat C. R. Lessing,
Prof. Dr. F. Muncker-München,
cand. phil. Otto-München,
Dr. Ludwig Pariser-München,
cand. phil. Petsch-Berlin,
Prof. Dr. S. M. Prem-Bielitz,
Bibliothekar Dr. Richard Preuss- Berlin,
Freiherr Alfred von Rentz-Bres\a.n,
Dr. Richard Rosenbaum-Br&g,
Dr. Eduard «Sac£-Frankfurt a. M.,
cand. phil. Hjalmar Schacht,
Oberbibliothekar Dr. Willi. Seelmann-Berlin,
Dr. Oskar F. Walzel-Wien,
Dr. Alexander von Weilen-Wien,
Prof. Dr. R. M. Werner-Lemberg.
Ferner den Verwaltungen
der Königlichen Bibliothek zu Berlin, i derKöniglichenUniversitätsbibliothekznBerlin,
sowie den Redaktionen
der Augsburger Abendzeitung, der Kölnischen Volkszeitung,
der Bohemia in Prag,
des Fränkischen Kurier in Nürnberg,
des Frankfurter Journal,
der Frankfurter Zeitung,
der Kölnischen Zeitung,
der Magdeburgischen Zeitung,
der Münchener Neuesten Nachrichten,
der Neuen freien Presse in Wien,
der Weser-Zeitung in Bremen,
und den Buchhandlungen
G. Fock-Leinzig,
Nicolai (Borstell § Reimarus)-Berlin,
endlich der Buchdruckerei
von
C. IL Schulze fy Co.-Gräfenhainichen.
BINDIN6 SECT. FEB 2 1968
Z Jahresbericht für neuere
2231 deutsche Literaturgeschichte
J25
Bd. 5
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