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Full text of "Jahresberichte für neuere deutsche Literaturgeschichte"

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HANDBOUND 
AT  THE 


UNIVERS1TY  OF 
TORONTO  PRESS 


ö  rs  -> 


JAHRESBERICHTE 


KUR 


NEUERE 


DEUTSCHE  LITERATURGESCHICHTE 

UNTER   MITWIRKUNG  VON 

J.  BOLTE,  L.  BÜRGER,  W.  CREIZENACH,  K.  DRESCHER,  G.  ELLINGER,  E  ELSTER 
W.  GOLTHER,  C.  GURLITT,  0.  HARNACK,  0.  VON  HASE,  A.  HAUFFEN,  K.  HEINEMANN 
A.  HOFMEISTER,  G.  KAWERAU,  K.  KEHRBACH,  A.  KOESTER,  G.  LIEBE,  R.  M.  MEYEr' 
V.  MICHELS,  J.  MINOR,  ERNST  MÜLLER,  F.  MÜNCKER,  E.  NAUM  ANN,  L.  PARISER,  0.  PNIOWEr! 
A.  REIFFERSCHEID,  H.  REIMANN,  RICH.  ROSENBAUM,  A.  SAUER,  W.  SCHEEL,  ALWIN 
SCHULTZ,  AD.  STERN,  V.  VALENTIN,  0.  F.  WALZEL,  A.  VON  WEILEN,  R.  M.  WERNER, 
G.  WINTER,   G.  WITKOWSKI,  R.  WOLKAN,   TH.  ZIEGLER 

MIT  BESONDERER   UNTERSTÜTZUNG 

VON 

ERICH  SCHMIDT 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

JULIUS  ELIAS  und  MAX  OSBORN. 


FÜNFTER  BAND  (JAHR  1894). 


LEIPZIG. 

G.   J.    GOSCHE  N'SCHE    VERLAGSHANDLUNG. 

1897. 


"Bd.  5 


Während  die  Hauptmasse  unserer  Berichte  in  diesem  Jahre  frühzeitiger  heraus- 
gehen konnte  als  sonst,  hat  sich  die  Ausgabe  des  verhältnismässig  schmalen  Registerheftes 
über  Gebühr  verzögert.  Ohne  jede  Schuld  der  Redaktion.  Denn  durch  verspätete 
Manuskriptablieferungen  waren  wir  gezwungen,  zwischendurch  die  Vorbereitung  zu  den  neuen 
Bänden  zu  betreiben,  und  als  das  Register,  zu  dem  ohnehin  schon  seitens  unserer  Mit- 
arbeiter nicht  so  beigesteuert  wurde  wie  ehedem,  zum  Druck  gelangen  sollte,  war  die 
Zeit  schon  so  wesentlich  vorgeschritten,  dass  wir  auf  den  Druck  des  sechsten  Bandes  eilig 
bedacht  sein  mussten.  So  tritt  denn  das  letzte  Heft  dieses  Bandes  fast  gleichzeitig  mit 
dem  ersten  des  neuen  Berichtes  hervor.  Die  Redaktion  sieht  sich  in  die  Zwangslage 
versetzt,  hier  von  ihrer  eigenen  Arbeit  sprechen  zu  müssen.  Thatsächlich  aber  wird  diese 
Arbeit  für  zwei  Herausgeber,  die  ihre  gesamte  Lebensthätigkeit  auf  die  Dauer  unmöglich 
allein  in  der  Leitung  der  Jahresberichte  suchen  können,  kaum  mehr  zu  bewältigen  sein, 
wenn    es  ihnen    nicht   gelingen  sollte,    dem  Redaktionskörper  neue  Hilfskräfte  zuzuführen. 

Da  nun  überdies  der  Herausgeber,  der  in  kritischer  Zeit  die  Bearbeitung  des 
Kapitels  IV,  2  b  übernehmen  musste,  durch  persönliche  Verhältnisse  in  seiner  Thätigkeit 
zeitweilig  aufgehalten  war,  so  wird  man  ihm  zu  gute  halten,  dass  er  seinem  Notenapparat 
nicht  den  vollständigen  Text,  wie  er  ihn  beabsichtigt  hatte,  beigeben  konnte.  Die  Be- 
sprechung der  bedeutenden  Erscheinungen  in  diesem  Schlussteile  seines  Berichtes  wird  im 
nächsten  Bande  nachgetragen  werden. 

Ein  Haupthemmnis  liegt  für  die  Thätigkeit  der  Redaktion  nach  wie  vor  im  fort- 
dauernden Wechsel  der  Mitarbeiter.  Doch  wir  haben  die  Hoffnung  aufgegeben,  ihm  mit  Erfolg 
entgegenzutreten.  Denn  ebenso,  wie  wir  im  vergangenen  Jahre  für  den  gegenwärtigen 
Bericht  eine  Reihe  von  neuen  Besetzungen  ankündigten,  so  müssen  wir  auch  heute  schon 
wieder  zahlreiche  Veränderungen  im  Mitarbeiterkreise  des  künftigen  Bandes  feststellen. 
Zunächst  ist  der  Beitritt  Adolf  Hofmeisters  anzuzeigen,  der  noch  für  1894  im  letzten 
Augenblicke,  da  Ernst  Jeep  uns  im  Stiche  Hess,  eine  doppelte  Arbeitslast  auf  sich  nahm. 
Er  entriss  uns  einer  grossen  Verlegenheit  und  darf  unserer  aufrichtigen  Dankbarkeit 
gewiss  sein.  Dank  auch  schulden  wir  vor  allem  Richard  Rosenbaum,  weil  er  von  dem 
in  allerletzter  Stunde  zurücktretenden  Max  von  Waldberg,  dessen  Entschluss  freilich  durch 
Krankheit  bedingt  war,  die  Erbschaft  zweier  umfangreicher  Jahrgänge  (IV,  3)  opfer- 
willig übernahm. 

Es  folgt  die  Liste  der  weiteren  Verschiebungen :  Literaturgeschichte  (I,  1)  über- 
nimmt Franz  Muncker  von  Otto  Harnack,  der  an  Veit  Valentins  Stelle  den  allgemeinen 
Goethe -Abschnitt  (IV,  8a)  bearbeiten  wird;  Geschichte  des  Buch-  und  Schriftwesens  (I,  3) 
geht  von  Oskar  von  Hase  auf  Ludwig  Burger  über,  Kulturgeschichte  (I,  4)  von  Georg 
Liebe  auf  Alwin  Schultz,  Geschichte  der  Schriftsprache  (I,  7)  von  Willy  Scheel  auf  Wolf- 
gang Golther,  dem  wir  hierdurch  aufs  neue  verpflichtet  worden.  Im  Kapitel  Geschichte 
der  Metrik,  das  Jakob  Minor  zu  unserem  lebhaften  Bedauern  aufgiebt,  werden  wir  Franz 
Saran  als  neuen  Mitarbeiter  begrüssen.  Ebenso  haben  wir  uns  die  Mitwirkung  Max  Fried- 
laenders    für    die  Geschichte    der  Musik    (an  Stelle  Heinrich  Reimanns),    Rudolf  Wolkans 


für  die  Geschichte  der  Lyrik  im  Reformationszeitalter  (an  Stelle  Georg  Ellingers),  schliesslich 
die  Teilnahme  Theobald  Zieglers  für  ein  Kapitel  gesichert,  das  neu  zu  schaffen  ist :  auf  den 
Wunsch  Richard  M.  Meyers  nämlich  haben  wir  von  der  Didaktik  des  18.  und  19.  Jahrhunderts 
die  Geschichte  der  Philosophie  und  Theologie  abgetrennt,  um  für  dieses  Gebiet  einen  be- 
sonderen Fachmann  zu  gewinnen.  Karl  Drescher  rückt  nun  an  den  Platz  Ludwig  Parisers 
(III,  2),  der  seinerseits  das  Kapitel  Didaktik  des  17.  Jahrhunderts  (III,  5)  übernimmt.  Dafür 
löst  Victor  Michels  in  IV,  Ic  Franz  Muncker  ab.  Der  Goethe-Teil  bringt  durch  den  Um- 
stand, dass  der  erkrankte  Karl  Heinemann  durch  Georg  Witkowski  ersetzt  wird,  eine 
weitere  Veränderung. 

Einen  Verlust,  der  uns  auch  persönlich  sehr  nahe  geht,  erleiden  die  Jahres- 
berichte durch  den  vorläufigen  Rücktritt  Albert  Kösters.  Seit  der  Begründung  unseres 
Unternehmens  hat  er  treu  zu  unserer  Sache  gehalten,  und  nur  dringende  andere  Ver- 
pflichtungen vermochten  ihn  zum  Scheiden  zu  bewegen.  Seinen  Platz  wird  Ernst  Müller 
einnehmen. 

In  den  Recensionen,  die  den  Jahresberichten  zuteil  wurden,  kehrt  die  Klage  über 
das  Anwachsen  unserer  Bände  und  die  damit  verknüpfte  Preiserhöhung  immer  wieder. 
Die  Frage,  wie  dem  abzuhelfen  sei,  hat  sich  die  Redaktion  selbst  schon  seit  Jahr  und  Tag 
vorgelegt.  Wir  haben  darum  eine  neue  allgemeine  Fixierung  des  Gesamtumfangs  vor- 
genommen unter  dem  Gesichtspunkte,  die  Bände  kleiner  zu  gestalten,  ohne  dass  der  Charakter 
der  Darstellung  berührt  wird.  Sie  hat  die  Billigung  unserer  Mitarbeiter  gefunden,  und  so 
dürfen  wir  erwarten,  in  Zukunft  der  Oeffentlichkeit  weniger  angeschwollene  und  wohlfeilere 
Jahresbäude  vorlegen  zu  können. 

Wenn  von  unseren  Kritikern  hier  und  da  die  Erwähnung  eines  Aufsatzes  vermisst 
wird,  so  sind  uns  in  den  meisten  Fällen  diese  Dingo  thatsächlich  nicht  entgangen,  und  wir 
bemerken  hier  ganz  allgemein,  dass  es  bei  der  Feststellung  der  Bibliographie  häufig  durchaus 
unmöglich  ist,  diese  oder  jene  Zeitschrift,  bezw.  diesen  oder  jenen  Band  einer  Zeitschrift 
rechtzeitig  zu  erlangen.  Es  wird  stets  aufgezeichnet,  was  fehlt,  um  im  nächsten  Bande 
nachgetragen  zu  werden.  Bei  den  Werken  der  englischen  Litteratur  wird  man  grössten- 
teils einen  Kreis  finden  als  Zeichen  dafür,  dass  dem  Referenten  das  Werk  unzugänglich 
war.  Während  in  früheren  Zeiten  von  den  eingeforderten  englischen  Büchern  etwa  die 
Hälfte  einging,  haben  wir  für  das  Jahr  1894  nur    ein    einziges  Buch   erhalten. 

Die  Firma  A.  As  her  &  Co.  in  Berlin  hat  wie  immer  tapfer  ausgeholfen. 
Ebenso  fühlen  wir  uns  den  Firmen  Heinrich  Welter  in  Paris  und  R.  Fried- 
länder &  Sohn  in  Berlin  für  ihr  liebenswürdiges  Entgegenkommen  in  bibliographischen 
Fragen  lebhaft  verpflichtet.  Gleichfalls  können  wir  nicht  unterlassen,  dem  Buchhändler 
Herrn  Oskar  Arnstoin,  der  jetzt  als  Sekretär  in  die  Redaktion  eingetreten  ist,  für 
die  grossen  Dienste,  die  er  uns  Jahr  aus,  Jahr  ein  leistet,  unsere  aufrichtige  Erkennt- 
lichkeit zu  bezeugen.  Wir  wollen  endlich  nicht  vergessen  zu  erwähnen,  dass  einzelne 
unserer  Mitarbeiter  ihren  Notenapparat  nach  der  Bibliographie  des  „Euphorion"  und 
nach  dem  „Jahresbericht  über  Germanische  Philologie"  ergänzt  haben;  die  Redaktion 
erkennt  gern  den  Vorteil  an,  der  daraus  erwachsen  ist.  Wer  uns  sonst  noch  unterstützt 
und  gefördert  hat,  dem  haben  wir  am  Schlüsse  des  Bandes  auf  einer  besonderen  Tafel 
unseren  Dank  ausgesprochen. 

Berlin  W. 

Matthäikirchstr.  *n.  JULIUS  ELIAS.      MAX  OSBORN. 


Inhaltsverzeichnis. 


I.  Allgemeiner  Teil. 


1.  Litteratur  geschichte.    Von  Dr.  Otto  Harnack,  Professor  an  der  Technischen 

Hochschule  zu  Darmstadt. 

2.  Geschichte  der   deutschen  Philologie.     Von  Dr.  Wolfgang  Golther, 

Professor  an  der  Universität  Rostock. 

3.  Schrift-  und  Buchwesen.     Von  Dr.  Oskar  von  Hase  in  Leipzig. 

4.  Kulturgeschichte.     Von  Dr.  Georg  Liebe,  Assistenten  am  Staatsarchiv  zu 

Magdeburg. 

5.  Volkskunde.     Von  Dr.  Adolf  Hauffen,   Professor  an   der  Universität  Prag. 

6.  Die  Litteratur  in  der  Schule.     Von  Dr.  Ernst  Naumann,   Professor  am 

Friedrich  Wilhelms-Gymnasium  zu  Berlin. 

7.  Geschichte    der    neuhochdeutschen    Schriftsprache.      Von    Dr.   Willy- 

Scheel  in  Berlin. 

8.  Geschichte  der  Metrik.    1893,  1894.     Von  Dr.  Jakob  Minor,   Professor  an 

der  Universität  Wien. 

9.  Kunstgeschichte.   Von  Dr.  Cornelius  Gurlitt,  Professor  an  der  Technischen 

Hochschule  zu  Dresden. 

10.  Musikgeschichte.     Von   Professor   Dr.  Heinrich  Reimann,    Bibliothekar 

an  der  Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin. 

11.  Stoffgeschichte.    Von  Dr.  Johannes  Bolte,  Oberlehrer  am  Königstädtischen 

Gymnasium  zu  Berlin. 

12.  Geschichte   des  Unterrichts-   und    Erziehungs wesens.     Von    Professor 

Dr.  Karl  Kehrbach  in  Berlin. 

13.  Poetik  und  ihre  Geschichte.    Von  Dr.  Richard  Maria  WTerner,  Professor 

an  der  Universität  Lemberg.   vgl.  Bd.  6  der  jbl. 


IL  Von  der  Mitte  des  15.  bis  znm  Anfang  des 
17.  Jahrhunderts. 


1.  Allgemeines.     Von  Dr.  Max  Osborn  in  Berlin. 

2.  Lyrik.    Von  Dr.  Georg  Ellinger,    Oberlehrer  an  der  6.  Städtischen  Real- 

schule zu  Berlin. 

3.  Epos.     Von  Dr.  Adolf  Hauffen,  Professor  an  der  Universität  Prag. 

4a.  Drama.   Von  Dr.  Wilhelm  Creizenach,  Professor  an  der  Universität  Krakau. 
b.  Hans  Sachs.   Von  Dr.  Karl  Drescher,  Privatdocenten  an  der  Universität  Bonn. 
o.    Didaktik.  1893,  1894.    Von  Dr.  Adolph  Hofmeister,  Kustos  der  Universitäts- 
bibliothek zu  Rostock. 

6.  Luther  und  die  Reformation.     Von  Dr.  Gustav  Kawerau,  Professor  an 

der  Universität  Breslau. 

7.  Humanisten   und   Neulateiner.     Von     Dr.   Georg    Ellinger,    Oberlehrer 

an  der  6.  Städtischen  Realschule  zu  Berlin. 


Inhaltsverzeichnis. 

III.  Vom  Anfang  des  17.  bis  zur  Mitte  des  18.  Jahrhunderts. 

1.  Allgemeines.      Von    Dr.    Alexander    Reifferscheid,     Professor    an    der 

Universität  Greifswald. 

2.  Lyrik.     Von  Dr.  Ludwig-  Pariser  in  München. 

3.  Epos.    Von    Dr.    Alexander    Reifferscheid,    Professor  an    der  Universität 

Greifswald. 

4.  Drama.    Von  Dr.  Johannes  Bolte,  Oberlehrer  am  König-städtischen  Gymnasium 

zu  Berlin. 

5.  Didaktik.    Von  Dr.  Victor  Michels,  Professor  an  der  Universität  Jena. 


IV.  Von  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  bis  zur  Gegenwart. 


1.  Allgemeines. 

a)  Litteraturgeschichte.      Von    Dr.    Adolf    Stern,    Professor    an    der 

Technischen  Hochschule  zu  Dresden. 

b)  Politische  Geschichte.  1893,1894.   Von  Dr.  Georg  Winter,  Archivar 

am  Staatsarchiv  zu  Stettin. 

c)  Memoiren,  Tagebücher  und  Briefwechsel.  Von  Dr.  Franz  Muncker, 

Professor  an  der  Universität  München. 

d)  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland.     Von  Dr.  Adolf  Stern, 

Professor  an  der  Technischen  Hochschule  zu  Dresden. 

2.  Lyrik. 

a)  Von  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  bis  zu  den  Freiheitskriegen. 

Von  Dr.  August  Sauer,  Professor  an  der  Universität  Prag. 

b)  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart.     Von  Dr.  Julius 

Elias  in  Berlin. 

3.  Epos.    1893,  1894.     Von  Dr.  Richard  Rosenbaum  in  Berlin. 

4.  Drama    und   Theatergeschichte.     Von    Dr.    Alexander    von    Weilen, 

Privatdocenten  an  der  Universität  Wien.   vgl.  Bd.  6  der  jbl. 

5.  Didaktik.    Von  Dr.  Richard  M.  Meyer,   Privatdocenten  an  der  Universität 

Berlin. 

6.  Lessing.     Von  Dr.  Erich  Schmidt,  Professor  an  der  Universität  Berlin. 

7.  Herder.     Von     Dr.    Ernst    Naumann,     Professor    am    Friedrich -Wilhelms- 

Gymnasium  zu  Berlin. 

8.  Goethe. 

a)  Allgemeines.     Von  Professor  Dr.  Veit  Valentin  in  Frankfurt  a.  M. 

b)  Leben.     Von   Dr.  Karl  Heinemann,  Oberlehrer  am   Kgl.   Gymnasium 

zu  Leipzig. 

c)  Lyrik.     Von  Dr.  Otto  Pniower  in  Berlin. 

d)  Epos.      Von    Dr.    Georg   Witkowski,    Professor    an    der   Universität 

Leipzig. 

e)  Drama.     Von   Dr.  Georg  Witkowski,    Professor   an  der   Universität 

Leipzig. 

9.  Schiller.     Von  Dr.  Albert  Köster,  Professor  an  der  Universität  Marburg. 

10.  Romantik.     Von  Dr.  Oskar  F.  Walzel,   Privatdocenten  an  der  Universität 

Wien. 

11.  Das    junge     Deutschland.      Von    Dr.    Ernst    Elster,    Professor    an    der 

Universität  Leipzig,   vgl.  Bd.  6  der  jbl. 

Autorenregister. 

Sachregister. 

Siglenregister. 

Bemerkungen  für   den    Gebrauch. 

Druckfehlerverzeichnis. 

Danktafel. 

:    I 


I.  Allgemeiner  Teil. 


1,1 

Literaturgeschichte. 

Otto  Harnack. 

Methodisches:  Allgemeine  historische  Wissenschaft  N.  1.  -  Literaturgeschichte :  Aufgaben  und  Methode 
N  18;  Betrachtungsweise  N.  24.  -  Litterarische  Kritik  N.  33.  -  Litteratu  rgeschichte:  Gesamtdarstellungen:  allgemeine 
N  38:  deutsche  N.  41;  literarhistorische  Betrachtungen  in  umfassenden  Geschichtswerken  N.  50.  -  Lokale  Literaturgeschichte 
N.  58.  -  Verschiedenes  N.  61.  -  Gesammelte  Aufsätze  N.  65.  -  Praktisches:  Ueber  den  literarischen  Betrieb  im  all- 
gemeinen N.  73.  —  Hilfsmittel  N.  86.  — 

In  Anknüpfung-  an  den  vorjährigen  Bericht  weisen  wir  zunächst  auf  einige 
Besprechungen  hin,  welche  die  dort  aufgeführten  methodischen  Schriften  über  die 
allgemeine  historische  Wissenschaft  von  Villari1),  Stoeckert2)  und  Bernheim;>) 
(vgl.  JBL.  1893  I  1 :  2/4)  noch  erfahren  haben.  Aus  unserem  Berichtsjahre  nennen  wir 
sodann  vorerst  zwei  Schriften,  welche  das  Verhältnis  der  Geschichte  zu  anderen 
Wissenschaften  behandeln:  von  Pfleiderer4)  und  von  Windelband5).  Dererstere, 
der  die  Bedeutung  der  Geschichte  für  die  Theologie  behandelt,  hebt  besonders  das 
Verdienst  Hegels  hervor,  der  den  Gedanken  der  „immanenten  Vernunft  in  der  Ge- 
schichte" zum  Siege  geführt  habe;  der  letztere  bestimmt  den  eigentumlichen  Charakter 
historischen  Erkennens  gegenüber  dem  Naturerkennen,  indem  er  die  Erlassung  und 
Rekonstruktion  des  Einzelnen,  nicht  die  Ergründung  allgemeiner  Gesetze  als  sein 
Ziel  hinstellt.6)  —  Herbert  Spencers  Philosophie  der  Geschichte  würdigte  Busse') 
in  einer  klaren  und  ruhigen  Darstellung,  die  aber  am  Schluss  in  entschieden 
formulierten  Widerspruch  auslief.  B.  ist  der  Meinung,  dass  eine  Erklärung  des 
historischen  Prozesses  bloss  aus  der  Kausalverknüpfung  unzureichend,  dass  ein 
Finalzusammenhang  erkennbar  sei  und  erkannt  werden  müsse,  nicht  im  Sinne  der 
überwundenen  Teleologie,  sondern  im  Sinne  der  „Zielstrebigkeit",  die  sich  nach 
innerem  Gesetz  notwendig  verwirklicht.  -  Von  streng  religiösen,  aber  nicht  dogmatisch- 
bestimmten, sondern  mehr  mystisch -empfundenen  Grundlagen  aus  sucht  Steftensen, 
mit  Schellina-  verwandt,  eine  Geschichtsphilosophie  zu  ermöglichen  und  vorzubereiten; 
aus  seinem  hs.  Nachlass  gab  Eucken*)  Auszüge,  zu  denen  er  ein  Vorwort  hinzu- 
füs-te.9"11)  —  Rocholls  im  vorigen  Jahrgang  behandeltes  Werk  (JBL.  1.J93  11  :  15) 
fand  noch  Besprechung").  -  Monods»)  Buch  über  die  Meister  der  Geschichts- 
schreibung, welches  in  Renan,  Taine  und  Michelet  Haupttypen  historischer  Arbeits- 
weise darstellt,  gab  Bamberger14)  zu  feinen  Bemerkungen  Anlass.  M.  sieht  in 
Renan  den  Kritiker,  in  Taine  den  Feststeller  der  Thatsachen  und  ihres  Zusammen- 
hangs, in  Michelet  den  Darsteller.  Seine  Sympathie  ruht  merklich  auf  dem  letzt- 
genannten. —  Ueber  die  Bedeutung  des  Genies  in  der  Geschichte  handelte  Schilder") 

u  V  war  90  q  112-  BllHSch  11  S  123  160.-2)Xib-;RnHScn-ll>S-t06--3>XRLU.S.222;  KonsMschr.  S.  217. 
'-  4)  0.  Pf'  Uef:  iheo  gl;  Ü  Gesthichtswis.nsch.  Reklatsrede.  B.,  J.  Becke,  4».  22  ,.  M  0,75.  -  5)  W.  Windel- 
band, Gesch.  u.  Naturwissensch.  Rektoratsrede.  Strassburg  iE.,  Heitz.  27  *  M.  060  -  6)  X  A.  J";«^'^- 
Bedeuiung  d.  Studiums  d.  Kirchengesch.  Rektoratsrede.  München  Korff.  4°  34  S  M  1 00.  -  7  k.  Busse  H.  s 
Philos.  d  Gesch.  E.  Beitr.  z.  Lösung  sociolog.  Probleme.  Diss.  Halle  a.  S.  (^^^ck,  114S  -  g.  ^ Jensen  APhUos. 
d.  Gesch.  Auszüge  aus  seinem  hs.  Nachl.  Mit  Vorw.  v.  R.  Eucken.  Basel  Reich.  XXXVI  «IS.  M.  600  -  9)  X '  R ^M 
Wenley,  The  logic  of  hist.:  ScottishR.  24,  S.  297-319.  -  10)  X  F.  Mehring  Z.  hist.-matenahst.  ***«*»•  N&"  • 
S  142/8  170/5  -  11)  X  H.  Cunow,  Sociologie,  Ethnologie  u.  raateriahst.  Geschichtsauffassung  ibS  549-59  591-603  - 
12)  X  LRs  20,  S.  1868X-  13)  G.  Monod,  Les  maitres  de  »'hist:  Renan,  Taine,  Michele Paris,  ^ W«"™^  »"  * 
Fr.  3750.  j[RCr.  38,  S.  422/4.]|  -  14)  L.  Bamberger,  G.  Monod  über  Renan,  Taine,  Michelet:  DRs.  81,  b.  lol/6.  -  15)  O  X 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (U1 


I  1:16-22  0.  Harnack,  Literaturgeschichte. 

in  einer  mir  unzugänglich  gebliebenen  Schrift,  welche  nicht  günstige  Beurteilung 
fand.  —  Dem  geschichtlichen  Unterricht  wollte  Kriegs  mann16)  als  ausschliessliches 
Ziel  die  Erweckung  des  Staatsbewusstseins  zuweisen,  mit  besonderer  Beziehung  auf 
den  von  der  deutschen  Historikerversammlung  zurückgewiesenen  Vortrag  des  Direktors 
Martens.  welcher  dieselbe  These  verfochten  hatte.17)  — 

Ueber  die  Aufgaben  und  Methode  der  Literaturgeschichte  äusserte 
sich  Elster18)  in  einem  gedrängten  Vortrag,  welcher  das  Verdienst  hat,  mit  grosser 
Schärfe  augenblickliche  Mängel  des  Betriebes  hervorzuheben.  Wenn  eine  solche 
Selbstkritik  sicherlich  anzuerkennen  ist,  so  muss  man  doch  dagegen  einwenden,  dass 
E.  zu  sehr  als  Schuld  angesehen  hat,  was  eine  charakteristische  Eigentümlichkeit  der 
gegenwärtigen  wissenschaftlichen  Arbeit  überhaupt  und,  wie  ihre  Beschränkung,  so  auch 
ihr  Vorzug  ist:  die  sorgfältige  und  exakte  Materialsammlung.  Mit  einem  noch  so  gut 
gemeinten  Machtspruch:  so  könne  es  nicht  länger  fortgehen,  ist  dabei  nicht  allzu  viel 
gethan.  Und  ein  wenig  zusammenhangslos  ist  die  Mannung,  sich  zur  Vertiefung  der 
literarhistorischen  Erkenntnis  an  die  Ethiken  zu  halten,  in  welchen  wir  „jetzt  brauch- 
bare Ergebnisse  finden".  (Der  Vf.  scheint  besonders  Wilhelm  Wundt  im  Auge  zu 
haben,  den  er  öfters  citiert.)  Es  hat  zu  jeder  Zeit  Ethiken  gegeben,  welche  dem  je- 
weiligen Standpunkt  der  Zeit  entsprachen,  und  ob  gerade  die  jetzigen  eine  besonders 
lange  gesicherte  Dauer  versprechen,  ist  nicht  zu  entscheiden.  Sicher  aber  wird  es  für  den 
Litterarhistoriker  immer  von  Wert  sein,  wenn  er  auch  aus  diesen  Quellen  Erkenntnis 
schöpft;  ob  er  es  thut,  wird  von  seiner  ganzen  Geistesrichtung  und  Ausbildung  ab- 
hängen und  sich  nicht  durch  Forderung  erzwingen  lassen.  Interessant  ist  aber 
jedenfalls,  wie  E.  selbst  sich  diese  Quellen  zu  Nutze  machen  will.  Er  fragt  einer- 
seits nach  den  speciellen  Gemütseigenschaften  und  der  eigentümlichen  Form  der 
Phantasiebethätigung,  welche  für  die  einzelnen  Dichter  bestimmend  sind,  andererseits 
nach  den  Normen,  die  zur  Wertschätzung  poetischer  Gebilde  dienen.  Bei  der  letzten 
Frage,  welcher  der  grösste  Teil  der  Schrift  gewidmet  ist,  fällt  besonders  auf,  wie 
sehr  E.  den  empirischen  Boden  verlassen  und  sich  der  theoretischen  Betrachtung 
ergeben  will,  indem  er  es  abweist,  aus  der  Wirkung  des  Kunstwerkes  die  Normen 
zu  gewinnen,  angeblich  weil  es  sich  hierbei  um  „rein  subjektive  Wünsche"  handle. 
Es  handelt  sich  aber  hierbei  gerade  um  Thatsachen,  welche  zu  beobachten  sind  und 
meines  Erachtens  den  sicheren  empirischen  Boden  für  die  Ermittlung  der  Normen 
bieten.  E.  dagegen  will  diese  aus  drei  Quellen  erschliessen :  1.  aus  dem  durch  das 
Kunstwerk  dargestellten  Leben,  2.  aus  den  allgemeinen  Gesetzen  der  ästhetischen 
Anschauung,  3.  aus  den  besonderen  Gesetzen  der  poetischen  Darstellungsmittel.  Aber 
die  Frage  ist  eben,  wie  diese  „Gesetze"  zu  finden  sind.  Uns  von  „Normen"  zu  „Ge- 
setzen" zurückzuführen,  damit  ist  noch  wenig  gethan.  Was  nun  E.  aus  den  drei 
Quellen  erschliessen  will,  das  zeugt  von  einem  regen  Gedanken-  und  Empfindungs- 
leben; aber  es  hat  nicht  die  zwingende  logische  Schärfe  des  Zusammenhangs,  welche 
von  derartigen  systematischen  Erwägungen  zu  verlangen  ist;  wir  erhalten  mehr  An- 
einanderreihung von  Gedanken  als  logische  Entwicklung  (man  sehe  z.  B.,  wie  S.  12 
und  13  das,  was  mit  den  Gemütsbedürfnissen  des  Dichters  in  Uebereinstimmung  steht, 
durch  das  Mittelglied  des  „Bedeutsamen"  plötzlich  den  Charakter  der  „Allgemein- 
gültigkeit" erhält).  Auch  das  Schlussresultat,  welches  als  die  drei  Gruppen  von  Normen 
der  Beurteilung  die  logischen,  die  ethischen,  und  die  „formalen,  im  engeren  Sinne 
poetischen"  nennt,  kann  wohl  nicht  befriedigen,  da  in  Beurteilung  von  dichterischen 
Kunstwerken  die  ersten  beiden  der  letztgenannten  nicht  gleichgestellt  werden  dürfen 
und  weil  in  dieser  letzten  das  „Poetische"  durchaus  nicht  durch  die  Bestimmung 
des  „Formalen"  erschöpft  wird.19-20)  —  Zu  einer  Reihe  von  Betrachtungen  über 
Aufgabe  und  Methode  gab  die  Begründung  der  neuen  litteraturgeschichtlichen  Zeit- 
schrift „Euphorion"  Anlass.  Aus  einem  Kollegienheft  Wilhelm  Scherers  veröffent- 
lichte Erich  Schmidt21)  einen  Abschnitt  über  „Wissenschaftliche  Pflichten",  der  in 
kurzen  eindringlichen  Sätzen  sich  über  die  „Berufsmoral"  des  Gelehrten  aus- 
spricht. Wie  sich  aus  dem  obersten  Gebot  „nach  der  Wahrheit  zu  streben" 
höhere  und  niedere  Pflichten  entwickeln,  wird  dargelegt  und  mit  besonderem  Nach- 
druck betont,  dass  nicht  alle  Forschungsgegenstände  gleichwertig  sind,  dass  es  Pflicht 
des  Forschers  ist,  dem  keine  „befehlende  Stelle"  seinen  Platz  anweist,  diesen  sich 
selber  da  zu  wählen,  wo  es  nach  dem  gegenwärtigen  Stande  der  Wissenschaft  am 
nötigsten  ist,  wo  die  wichtigsten  Probleme  der  Erforschung  harren.  —  In  einem  offenen 
Briefe  an   den   Herausgeber  des  „Euphorion",  A.  Sauer,  äussert  Schönbach22)   den 


A.  Schilder,  D.  Bedeutung  d.  Genies  in  d.  Gesch.  L.,  Dunclter  A  Humblot.  III,  37  S.  M.  1,00.  |[LCB1.  S.  1484.  (Un- 
gunstig.)]! —  16)  G.  Kriegsmann,  D.  Staatsbewnsstsein  als  Ziel  d.  gesch.  Unterr.:  DWB1.  S.  414/5.  —  17)  X  E  Groth,  Be- 
merkungen z.  Geschichtsunterr.  Progr.  L..  (Fock).  28  S.  M.  0,80.  —  18)  E.  Elster,  D.  Aufgaben  d.  Litt.-Gesch.  Atad. 
Antrittsrede.  Halle  a.  8.,  Niemeyer.  II,  22  S.  M.  0,80.  |[LCB1.  S.  11089:  M.  NecVer:  NFPr.  N.  10775.1!  —  19)  X  A. 
Philippi,  Vom  Wert  d.  dtsch.  Litt.-Gesch.:  Grenzb.  4,  S.  219-26.  —  20)  X  M-  Necker,  Ueber  Litt.-Gesoh.:  BLU.  S.  577/9, 
593/5.  —  21)  W.  Scherer,  Wissensch.  Pflichten.    Aus  e.  Vorles.    (Mitget.  v.  Erich  Sohmidt):  Euph.  1,  S.  1/4.    —   22)  A.  E. 


O.  Harnack,  Literaturgeschichte.  I  1  •.  23-40a 

Wunsch  nach  möglichst  eifriger  wissenschaftlicher  Behandlung  der  neuesten,  nach- 
klassischen Literaturgeschichte;  man  kann  dem  nur  aufrichtigst  beipflichten.  Was 
Seh.  dazwischen  hinsichtlich  der  heutigen  Verbreitung  unserer  klassischen  Litteratur- 
werke  bemerkt,  scheint  mir  doch  zu  pessimistisch  geurteilt.  Dass  Goethes  Tod  an 
sich  keinen  Einschnitt  in  der  Literaturgeschichte  bildet,  ist  gewiss  richtig;  aber 
wenige  Jahre  nach  seinem  Tode  vollzieht  sich  doch  ein  deutlicher  Wechsel  der 
Zeiten,  etwa  mit  dem  Tode  Platens,  Immermanns,  Chamissos  und  dem  Aufkommen 
Hebbels,  Ludwigs  und  Frey  tags;  auch  die  politische  Dichtung  des  „Jungen  Deutsch- 
land" in  den  dreissiger  Jahren  ist  eine  andere  als  die  der  Achtundvierziger  Freiligrath 
und  Kinkel.  Sehr  hübsch  ist,  was  Seh.  über  die  Bedeutung  äussert,  welche  die  wissen- 
schaftliche Erforschung  der  neuesten  Litteratur  für  die  zeitgenössische  litterarische 
Produktion  gewinnen  kann.  —  In  einem  zweiten  Briefe  an  den  Herausgeber  spricht 
Harnack23)  den  Wunsch  aus,  dass  zwischen  den  im  Programm  des  „Euphorion" 
unterschiedenen  Specialuntersuchungen  und  Aufsätzen  allgemeineren  Inhalts  keine 
allzugrosse  Verschiedenheit  herrschen  möge,  und  entwickelt  an  dem  Beispiel  der 
wissenschaftlichen  Arbeitsweise  Goethes  die  Forderung,  dass  die  Empirie  der  Einzel- 
betrachtung überall  den  Ausgangspunkt  bilde,  aber  stets  mit  der  Absicht,  zur  Er- 
kenntnis eines  Ganzen  und  seines  inneren  Zusammenhangs  vorzuschreiten.  — 

lieber  die  Betrachtungsweise  der  „Literaturwissenschaft"  hat 
Froehde24-25),  der  schon  im  vorigen  Berichtsjahr  ihr  Wesen  zu  bestimmen  suchte,  noch- 
mals gehandelt  und  in  klassifizierender  Methode  ihr  Verhältnis  zur  Kunst-  und  Sprach- 
wissenschaftgekennzeichnet. ErschematisiertdieLitteraturwissenschaftineineallgemeine 
(Encyklopädie,  Geschichte,  Methodologie)  und  eine  besondere,  welche  wieder  in  reine 
(Litteraturlehre  und  Literaturgeschichte)  und  eine  angewandte  (Herstellung  der 
Litteraturwerke;  müsste  heissen  „Herstellungslehre")  zerfällt.  Er  stellt  fest,  dass  sie 
mit  der  Sprachwissenschaft  das  Objekt  gemein  habe,  aber  im  Forschungsprinzip  ab- 
weiche, dagegen  mit  der  Kunstwissenschaft  in  dem  letzteren  übereinstimme,  aber  im 
Objekt  getrennt  sei.  —  Ueber  die  Gesichtspunkte,  welche  für  die  Beurteilung  der 
litterarischen  Entwicklung  in  Betracht  kommen,  sich  zu  äussern  nahmen  öfters 
Anlass  die  Kritiker  von  Nerrlichs26)  Buch  über  das  Dogma  vom  klassischen  Alter- 
tum, welches  gegen  die  gesamte  ideale  Betrachtung,  von  der  unsere  eigene  klassische 
Epoche  erfüllt  war,  aufs  heftigste  vorgeht.  —  Dageg-en  brach  eine  Lanze  für  den 
Klassizismus  Baecker27-29).  —  Ein  Beispiel  ultramontaner  Behandlung  der  Literatur- 
geschichte gab  Hildebrand30"32).  — 

Hier  sei  auch  kurz  der  Betrachtungen  gedacht,  welche  jetzt  gern  über 
litterarische  Kritik  angestellt  werden.  Es  macht  sich  dabei  immer  mehr  die 
Neigung  geltend,  sich  mit  rein  ästhetischen  oder  rein  historischen  Massstäben  nicht 
zu  begnügen,  sondern  die  Schriftwerke  nach  ihrer  Bedeutung  für  den  allgemein 
menschlichen  oder  den  speciell  sittlichen  Fortschritt  zu  bemessen.  In  mehreren  Auf- 
sätzen seiner  Zeitschrift  „La  Cultura"  hat  der  im  vorigen  Jahre  verstorbene  Bonghi33) 
sich  in  diesem  Sinne  geäussert  und  sich  dabei  auf  Tolstoi,  besonders  dessen  Vorrede 
zu  Maupassants  Romanen  berufen.  Auch  die  Notwendigkeit  fester  Voraussetzungen 
der  Kritik,  bestimmter  „Vorstellungen  vom  Schönen,  Wahren,  Guten"  wurde  von  B. 
betont.  Es  bedarf  keines  Beweises,  dass  auf  dieser  Bahn  sich  die  Kritik  immer 
weiter  von  der  litteraturgeschichtlichen  Arbeit  entfernen  würde.  —  Dagegen  trat  für 
eine  streng  nach  historischen  Massstäben  arbeitende  Kritik  Puglisi-Pico34)  ein  in 
dem  interessanten  Aufsatz:  „II  feticismo  neli'  arte  e  la  critica  moderna".35)  —  Taines 
kritische  Methode  (JBL.  1893  I  1:62—75)  fand  noch  durch  Bernfeld36)  Besprechung. 

—  Ola  Hansson  und  A.  E.  Schönbach  wurden  als  Kritiker  von   Necker37)    charak- 
terisiert.  — 

Litteraturgeschichte.  Von  Gesamtdarstellungen  fanden  der  all- 
gemein orientierende  „Katechismus"  von  Stern3*)  (JBL.  1893  I  1  :  76)  und  Karpeles3") 
ausführlicheres  Buch  (JBL.  1893  I  1:90)  noch  Besprechung.  —  Harts  Geschichte  der 
Weltliteratur  (JBL.  1893  I  1:77)  schritt  vorwärts40"40*).  — 

Schönbach,  Offener  Brief  an  d.  Herausgeber:  ib.  S.  4-12.  —  23)  0.  Harnack,  Offener  Brief  an  d.  Heransgeber:  ib.  S.  12  6. 

—  24)  X  R-  M.  Werner, Neuere  dtsch.  Litt.-Gesch.  Offener  Brief:  AZg".  1893,  N.  322.  -  25)  0.  Froeh  de.  Litt.-,  Kunst-  n.  Sprach- 
wissensch.:  NJbbPh.  149,  S.  1-13.  —26)  P.  Nerrlich,  D.  Dogma  vom  klass.  Altertum.  L.,  C  L.  Hirschfeld.  XIV,  400  S.  M.  7,50. 
|[Zeitgeist  N.  22;  F.  Muncker:  DWB1.  S.  479-80:  R.Opitz:  BMJ.  S.  273.6.]  |  (S.  u.  IV  5.)  —  27)  P.  Baecker,  E.Wort  für  d- 
Klassizismus:  AkBU.  9,  S.  25  8.  -  28)  X  E.  v.  Sallwürck,  C.  F.  Hermann,  D.  Bildnngsideale  d  Deutschen  [Basel,  Reich.  1892- 
93  S.  M.  1,20]:  DB11EU».  21,8.  5.  -  29)  K.  Walcker,  D  schöne  Litt.  u.  d.  polit.-soc.  Entwicklung:  Geg.  46,  S.  55  6  —30  >  R  Hilde- 
br  an  d,  E.  Stückchen  ultramont.  Litt.-Gesch.:  ZDU.  8,  S.  217  9.  —  31)  X  H-  Dieck,  Bemerkung  zu  „E.  Stückchen  nltramont.  Litt.- 
Gesch.":  ib.S.  412/3.  —  32)X  St.  v.  Sy  cho  wski ,  Hieronynvus  als  Litterarhist.  E.  quellenkrit.  Untersuch,  d  Schrift  d.  Heil.  Hierony- 
mus  „De  riris  illnstribus."  (=  Kirchengesch.  Stnd.  2.  Bd..  2.  Heft.)  Münster,  Schöningh.  VIII,  198  S.  M.  4,60.  —  33)  K.  Bonghi, 
La  Critica:  Cultura  S.  113/6,  145/8,  385/7.  —  34)  M.  Puglisi-Pico,  II  feticismo  nell'  arte  e  la  critica  moderna.  (=  Note 
di  Letteratura  Contemporanea.)  Acireale,  Donzuso.  HOS.  L.  3,00.  —  35)  X  L-  Berg,  D.  Ultima  ratio  d.  Kritik:  Zuschauer  1, 
S.  84  9.  —  36)  S.  Bernfeld,  Taines  krit  n.  bist.  Essais:  Zeitgeist  N.  39.  —  37)  M.  Kecker,  Zwei  Kritiker:  Ola  Hansson, 
A.  E.  Schönbach:  BLU.  S.  2414.  —  38)  X  Anglia  34,  S.  745.  -  39)  X  il}-  —  40)  J.  Hart,  Gesch.  d. Weltlitt. u. d.  Theaters 
aller  Zeiten  u.  Völker.  1.  Bd.  (=  Hausschatz  d.  Wissens  Bd.  15.)  B  ,  Pauli.  VI.  847  S.  M.  7,50.  |[Zuschauer  1,  S.  5745; 
TglRsn.  N.  134;  Ges.  S.  9634.]    (Vgl.  JBL.  1S95  I  1,  wo  d.  vollständ.  Werk  besprochen  wird  )  —  40a)   O  X  K-  Faulma*n, 

(1)1* 


I  1:41-48  O.  Harnack,  Literaturgeschichte. 

Von    deutschen    Literaturgeschichten    gelangte     die    von    Leixners41) 
rasch  zur  dritten  Auflage.  —  Wilhelm   Scherers  Werk,  seit  langer  Zeit  unter  Edw. 
Schröders42)  pietätvoller  Fürsorge,  erschien  in  siebenter  Auflage.  —  Von  Vilmars 
immer    noch    lebenskräftigem   Buche    gab    Stern43)    die   vierundzwanzigste    Auflage 
heraus;   bekanntlich  ist  Vilmars  Text   seit   langer    Zeit   stereotypiert,    dagegen   führt 
St.    seinen    Anteil,    die    Litteraturgeschichte    seit   Goethes    Tode,    in  jeder   Auflage 
gewissenhaft  weiter.     Diesmal  hatte  er  insbesondere  die  schwierige  Aufgabe,  der  seit 
den    achtziger    Jahren    aufgekommenen    „modernen"  Richtung  historisch   gerecht    zu 
werden.     Er  hat  das  in  einem  Schlusskapitel  gethan,  welches  die  Mängel  der  seit  1870 
massgebenden  schlaffen  Behaglichkeitslitteratur  kräftig  zeichnet  und  daraus  die  Not- 
wendigkeit   einer    Reaktion   ableitet;  die  Art   und   Weise  dieser   Reaktion    beurteilt 
er   jedoch    als    durchaus    verfehlt    und    findet   in  ihr  keine    verheissungsvolle   Trieb- 
kraft.   —    Die    Fortschritte    der    neuen    unter    Goetzes43")    Leitung    stehenden    Be- 
arbeitung   von    Goedekes    fundamentalem  Werke  werden  in  den  betreffenden   Einzel- 
abschnitten   der    JBL.  verzeichnet    und  besprochen.    —    Die    im  vorigen    Jahrgang 
behandelten  Litteraturgeschichten  von  Borinski44)  (JBL.  18931  1  :89)  und  von  Koch45) 
(JBL.  1893  I  1  :  88)  fanden  in  verschiedenen  Zeitschriften  noch  Besprechung.  —  Das 
wichtigste  Ereignis  auf  diesem  Gebiete  aber  war  die  Vollendung  der  von  Martin46) 
fortgeführten  und  neubearbeiteten  „Geschichte  der  deutschen  Litteratur"  von  Wilhelm 
Wackernagel.     Schon  1879  war  der  erste,  das  Mittelalter  behandelnde  Band  zu  Ende 
geführt;  erst  1894  war  der  zweite  abgeschlossen,  der  freilich  zum  grössten  Teil    eine 
neue  Arbeit  ist.     Nur  für  das  16.  Jh.  und  für  den   allgemeinen    Abschnitt    über    das 
17.  lag  Wackernagels  Ausarbeitung  vor;  alles  Weitere  ist  selbständige  Leistung  M.s. 
Das  Buch  im  ganzen  stellt  sich  dar   als   ein  treffliches  Hilfsmittel   zum  wissenschaft- 
lichen Studium  der  Litteraturgeschichte.    Charakteristisch  sind  die  jedem  Zeitabschnitt 
vorausgeschickten  Darstellungen    der   Sprachentwicklung  und    der   Fortschritte    des 
Versbaus;  sie  leihen  dem  Ganzen  die  philologische  Grundlage,  welche  auch  Wacker- 
nagel seinem  Anteil  gegeben  hatte.    Dass  die  Anmerkungen  unter  den  Text   gesetzt 
sind  und  verhältnismässig  viel  Raum  einnehmen,  zeigt  gleichfalls,  dass  man  ein  Buch 
mehr  zum  Studium  als  zur  Lektüre  vor  sich  hat.     Trotzdem  ist  der  Text  auch  durch- 
aus lesbar  gehalten;   die  Sprache  ist  knapp  und   prägnant,   aber   nicht    dunkel;    die 
Ausdrücke     massvoll,     aber     sehr    absichtlich     und     bezeichnend     gewählt;     jeder 
rednerische     Schmuck     ist    verschmäht.       Bei     aller     Kürze     ist    die     möglichste 
Reichhaltigkeit  erstrebt;  es  werden  viele  Namen  genannt,  die  in  anderen  Litteratur- 
geschichten fehlen;  dagegen  werden  die  bedeutendsten  Dichter  verhältnismässig  kurz 
behandelt.     Letzteres  ist  insofern  gerechtfertigt,    als    wohl  jeder,    der   sich  mit  den 
Klassikern  und    anderen  hervorragenden  Persönlichkeiten  näher  beschäftigen   will, 
sich  zu  den  Monographien  wenden   und  nicht  in  der  „Litteraturgeschichte"  Rats  er- 
holen  wird;    aber  gerade  für   das   blosse  fortlaufende  Studium   der  Litteratur  wird 
mancher  doch  wohl  nähere  Auskunft  über  Lessing,  Goethe,  Schiller,  besonders  auch 
über    die   ihnen    gewidmeten    Schriften    wünschen.     Dankenswerter  Weise   ist  auch 
die  neueste  Litteratur  bis  auf  Spielhagen,   Heyse  und  Gottfried  Keller  (K.  F.  Meyer 
nicht  mehr)   einbezogen.      In   den  kurzen,   manchmal  herben  Urteilen  ist   eine  Hin- 
neigung   zu    konservativen,    protestantisch-religiösen    Bestrebungen    wahrzunehmen. 
Ueber   Heine   urteilt   M.    so    streng,    dass    selbst    die    erschütternden    Gedichte    der 
,, Matratzengruft"  ihm  kein  mildes  Wort  abringen.     Im  „Ueberblick  über  die  wissen- 
schaftliche Prosa  seit  der  Mitte  des  Jh."  ist  die  Auswahl  der  behandelten  Gelehrten 
keine  glückliche;  der  Blick  ist  auf  der  Oberfläche  haften  geblieben;  nur  so  lässt  es 
sich  erklären,  wenn  z.  B.  unter  den  Historikern  W7ilhelm  Giesebrecht  genannt,  Jakob 
Burckhardt  nicht  erwähnt  wird.     Sehr  treffend  und  eindringlich  ist  in  allen  Perioden 
die  landschaftliche  Verwandtschaft  der  einzelnen  Dichter  hervorgehoben,  so  dass  wir 
ein  Bild  der  Litteraturbewegung  in  den  einzelnen  Stammgebieten  Deutschlands  er- 
halten,   welches  sich  mit  der  Darstellung  der  territorialen,  mundartlichen  Sprachent- 
wicklung trefflich  verbindet.47)    —    Aus  Frankreich  haben  wir  zwei  litterarhistorische 
Werke  zu  erwähnen:  erstens  das  als  Unterabteilung  einer  Anthropologie  auftretende 
Buch  von  Letourneau48),    das  sich   freilich  hauptsächlich  mit  der  Litteratur  der 

Im  Reiche  d.  Geistes.  111.  Gesch.  d.  Wissenschaften,  anschaulich  dargest.  Wien,  Hartleben.  XVI,  941  S.  Mit  13  Taf.,  30  Beil. 
u.  220  Text-Abbild.  M.  15,00.  jfCOIRW.  22,  S.  251;  N&S.  76,  S.  151.]|  —  41)  O.  v.  Leixner,  Gesch.  d.  dtsch.  Litt.  3.  Aufl. 
L.,  Spamer.  VIII,  1124  S.  Mit  411  Text-Abbild,  u.  50  Taf.  M.  14,00.  —  42)  W.  Scherer,  Gesch.  d.  dtsch.  Litt.  ".Aufl.  Be- 
sorgt v.  Edw.  Schröder.  B.,  Weidmann.  XII,  822  S.  M.  10,00.  -  43)  A.  F.  C.  Vilmar,  Gesch.  d.  dtsch.  Nationallitt. 
24.  verm.  Aufl.  Mit  e.  Anh.:  D.  dtsch.  Nationallitt.  v.  Tode  Goethes  bis  z.  Gegenw.  Her.  v.  Ad.  Stern.  Marburg  u.  L.,  Elwert. 
XII,  746  S.  M.  7,00.  |[COIRW.  22,  S.  101/2.]|  —  43a)  K.  Goedeke,  Grundriss  (JBL.  1893  IV  la:2).  |[A.  Sauer:  Euph.  1, 
S.  139-44;  BLU.  S.  269-70.]|  (Bd.  6  wird  besprochen  JBL.  1895  IV  la.)  —  44)  X  LCB1.  S.  89-91.  (Günstig,  jedoch  mit  Aus- 
stellungen.) -  45)  X  ZDÜ.  8,  S.  146/8;  LCB1.  S.  827;  MLN.  9,  S.  246/8;  W1DM.  76,  S.  512;  Zuschauer  1,  S.  94/5;  AkBll.  8, 
S.  248;  BLU.  S.  83/4;  COIBW.  22,  S.  174;  Gymn.  12,  S.  573/5;  PaedA.  36,  S.  308,9;  DWB1.  S.  251,2.  —  46)  W.  Wackernagel, 
Gesch.  d.  dtsch.  Litt.  E.  Hausbuch.»  2.  Aufl.  Neu  bearb.  u.  zu  Ende  geführt  v.  E.  Martin.  2.  Bd.  Basel,  Schwabe.  XVI, 
710  S.  M.  13,20.  |[KonBMechr.  S.  438;  ZGyron.  28,  S.  373,7.] |  —  47)  X  W.  Reuter,  Litteraturkunde,  enth.  Abriss  d.  Poetik  u. 
Gesch.  d.  dtsch.  Poesie.    15.  Aufl.   Freiburg  i.  B.,  Herder.    V1U,  253  S.  M.  1,20.  (16:143.)  -48)  Ch.  Letourneau,  Devolution 


0.  Harnack,  Literaturgeschichte.  I  1  :  49-02 

Urvölker  beschäftigt,  kürzer  das  klassische  Altertum  und  das  Mittelalter  behandelt 
und  die  Neuzeit  kaum  berührt,  von  deutscher  Litteratur  das  Nibelungenlied  mit 
völliger  Verständnislosigkeit  bespricht  und  keine  neueren  deutschen  Dichter  nennt;  für 
die  Zukunft  prophezeit  der  Vf.,  dem  das  eigentlich  ästhetische  Empfinden  abgeht, 
wohlgefällig  eine  Dichtung,  welche  die  modernen  socialen  und  wissenschaftlichen  Ideen 
mit  den  Mitteln  des  melodiösen  Verses,  des  reichen  Kolorits  und  des  reinen  Stils  zum 
Ausdruck  bringen  soll.  —  Das  zweite  Buch,  von  Dietz49),  gehört  einer  Sammlung 
von  Literaturgeschichten  an  und  bringt  zuerst  die  englische,  dann  die  deutsche. 
Das  Hauptgewicht  ist  auf  die  Anführung  von  Proben  aus  dichterischen  wie  aus 
Prosawerken  gelegt,  die  nur  durch  einen  knappen  erklärenden  und  biographischen 
Text  verbunden  werden;  das  Hildebrandslied  macht  den  Anfang  und  Fritz  R'euter 
schliesst  ab.  Die  Auswahl  ist  im  ganzen  wohlgelungen,  und  der  Text  zeugt  von 
Kenntnis  und  Urteil;  leider  sind  die  Uebersetzungen  der  poetischen  Stücke  un- 
befriedigend; grossenteils  in  Prosa  oder  gar  in  Alexandrinern,  und  trotz  des  Ver- 
zichts auf  Nachbildung  der  Versform  doch  auch  inhaltlich  nicht  getreu.  Ganz  un- 
erhört ist  die  S.  480  gegebene  Erweiterung  des  „Königs  von  Thule"  zu  einem  elf- 
strophigen  Gedicht  (Tonnelle  ist  als  Vf.  genannt);  nur  wenige  lyrische  Gedichte  sind 
befriedigend  in  Uebersetzungen  von  Schure  wiedergegeben.  — 

Wir  fügen  hier  die  literarhistorischen  Betrachtungen  an,  die  sich  im 
Rahmen  umfassender  Gechichts  werke  als  ein  ergänzendes  Element  der  politischen, 
kulturhistorischen  und  wirtschaftsgeschichtlichen  Darstellung  zugesellen.  An  erster 
Stelle  sei  Lindners50)  kurzgefasste  „Geschichte  des  deutschen  Volks"  genannt.  L. 
will  klar  und  bündig  schreiben;  aber  er  wird  dabei  banal.  Seine  Charakteristiken, 
mögen  sie  Persönlichkeiten  oder  ganze  Perioden  betreffen,  erheben  sich  nicht  über 
das  Selbstverständliche,  das  mit  Aplomb  verkündigt  wird.  Lessing  wird  „so  wenig 
wie  Friedrich  der  Grosse  jemals  von  seinem  Ehrenplatz  in  der  Geschichte  des 
deutschen  Volkes  gestossen  werden."  Herder  „huldigte  dem  Genius  der  Menschheit, 
selbst  ein  grosses  Genie".  „Mühelosigkeit  des  Lebens  und  des  Erfolges  ist  Sterblichen 
nie  ganz  verliehen,  aber  so  viel  von  ihr  zu  teil  werden  kann,  hat  Goethe  genossen." 
—  Lamprechts51)  gedankenreiche  „Deutsche  Geschichte"  wird  nach  ihrer  Vollendung 
eine  ausführliche,  zusammenhängende  Besprechung  erfordern.52'55)  —  Speciell  vom 
katholischen  Standpunkte  behandelte  Widmann56)  die  Geschichte  des  deutschen 
Volkes.  —  Roethes  trefflicher  Vortrag  „Die  deutschen  Kaiser  und  die  deutsche 
Litteratur"  (JBL.  1893  I  1 :  103)  wurde  noch  recensiert57).  — 

Auf  dem  Gebiete  der  lokalen  Literaturgeschichte  tragen  wir  zunächst 
eine  dankbare,  von  landsmannschaftlichem  Gefühl  getragene  Besprechung  nach,  welche 
Baechtolds  hervorragendes  Werk  (JBL.  1893  I  1:110)  erfuhr58).  —  Sodann  sei  ein 
Vortrag  Schroeders59)  genannt,  der  die  Mecklenburgische  Litteratur  behandelt  und 
sein  Material  wesentlich  der  im  vorigen  Jahrgang  behandelten  Untersuchung  von 
Lorenz  (JBL.  1893  I  1  :  111)  entnimmt.  Der  Vf.  gesteht  letzteres  selber  ein  und 
liefert  so  in  seiner  bis  auf  Lauremberg  reichenden  Darstellung  zu  Lorenz  fleissig 
gesammelten  Daten  die  verknüpfende  Ausführung.59*)  —  Eine  Broschüre  über  deutsche 
Dichtung  im  Elsass60)  ist  mir  leider  unzugänglich  geblieben.  — 

Hier  seien  noch  verschiedene  Arbeiten  angereiht,  welche  die  Literatur- 
geschichte in  einzelnen  Beziehungen  unter  bestimmten  Gesichtsspunkten  betrachten. 
Ein  anspruchsloser,  sympathischer  Aufsatz  von  Reusch61)  handelt  über  den  Aus- 
druck der  Vaterlandsliebe  in  der  Litteratur.  —  Eine  ganze  Geschichte  Deutschlands 
in  gesammelten  Gedichten  suchte  Tetzner62)  zu  geben;  im  ganzen  mit  Glück  und 
Gelingen,  wenn  auch  der  Wunsch  nach  möglichst  lückenlosem  historischem  Fortschritt 
den  Herausgeber  dazu  führte,  manche  poesielose  Reflexionsdichtung  um  ihres  historischen 
Inhalts   willen  aufzunehmen.     Einiges  hat  er  auch  selbst  beigesteuert,   um  Lücken 


litt,  dans  les  diverses  races  humaines.  (—  Bibl.  anthropol.  N.  15.)  Paris,  Bataille  ft  Cie.  VII,  575  S.  —  49)  H.  Dietz, 
Les  litt,  etrangeres.  (Angleterre-Allemagne.)  Paris,  Cnlin  &  Co  622  S.  —  50)  Th.  Lindner,  Gesch. d. dtsch.  Vollces.  2Bde. 
St.,  Cotta.  XII,  342  S.;  X.  388  S.  M.  10,00.  IfVossZgB.  N.  32.]|  —  51)  K.  Lam  precht,  Dtsch.  Gesch.  Bd.4  u.  5,  T.  1.  B.,  Gaertner. 
XV,  488  S.;  XIII,  358  S.  a  M.  6,00.  |[F.  Mehring:  NZ.  12',  S.  443/8,  475-80;  BllHSch.  41,  S.  56  7.];  -  52)  X  Da™*  Müller, 
Gesch.  d.  dtsch.  Volkes  in  kurzgefasster  ühersichtl.  Darstellung.  15.  Aufl.  Bes  von  Fr.  Junge.  Ausg.  für  d.  Schulgebr. 
B.,  Vahlen.  XXXVI,  512  S.  Mit  6  Kart.  M.  6,00.  —  53)  X  E-  E-  Melcher,  Gesch.  d.  dtsch.  Kaiser  u.  Könige  v.  Preussen 
nebst  Kurfürsten  v.  Brandenburg  mit  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Wenden  u.  alten  Deutschen.  B.,  Fontane  &  Co.  VI,  373  S.  M.  6,00. 
(D.  Titel  ist  irreführend;  d.  Buch  giebt  nur  brandenburg.  Gesch.)  —  54)  X  Joh-  Meyer,  Bilder  aus  d.  Gesch.  d.  dtsch. 
Volkes.  1.  Bd.  Dlsch.  Stammesgesch.  Dtsch.  Kaisergesch.  Gera,  Th.  Hofmann.  606  S.  M.  5,00.  IfCOIRW.  22,  S.  239-40.]| 
—  55)  X  B-  Gebhardt,  Dtsch.  Kaisersaal.  Gesch.  d.  dtsch.  Kaiser  in  Biogr.  St.,  Union.  X,  787  S.  M.  15,00.  |[Bär  20, 
S.  338.]|  —  56)  S.  Widmann,  Gesch.  d.  dtsch.  Volkes.  Paderborn,  Schöningh.  XII,  908  S.  M.  8,00.  ||ZChrK.  7,  S.  1589; 
KZEÜ.  43,  S.  5701:  BLU.  S.  187/8;  StML.  46,  S.  319;  Kath.  2,  S.  276  9.]|  -  57)  X  G-  Ellinger:  DLZ.  S.  334.  —  58) 
NZürcherZg.  1892,  N.  275.  —  59)  Carl  Schroeder,  Mecklenburgs  Anteil  an  d.  dtsch.  Nationallitt,  bis  z.  Ende  d.  17.  Jh. 
Schwerin  i.  M.,  Bärensprung.  40  S.  M.  1,00.  |[LCB1.  S.  1810,2.]|  (Vgl,  III 1 :  208.)  —  59  a)  Uebersicht  über  d.  Leistungen  d.  Deutschen 
in  Böhmen  auf  d.  Gebiet  d.  Wissensch.,  Kunst  u.  Litt.  Her.  v.  d.  Ges.  z.  Förderung  dtsch.  Wissensch.,  Kunst  u.  Litt,  in  Böhmen 
1891  u.  1892.  Prag  (J.  G.  Calve).  161,  169  S.  ä  M.  2,00.  |[A.  John:  ÖLB1.  3,  S.  102 ,3.]|  —  60)  O  Ed.  Halter,  D.  dtsch.  Muse 
im  Elsass.  E.  Gespräch.  Strassburg  i.  E.,  C  F.  Schmidt.  39  S.  M.  0,50.  —  61)  G.  A.  Keusch,  Heimat-  U.Vaterlandsliebe 
in  Dichtermund  u.  Völkerleben:  NB11EU.  22,  S.  73-97.  —   62)  F.  Tetzner,  Dtsch.  Gesch.  in  Liedern  dtsch.  Dichter.    2  Tle. 


I  1  :  63-87  0.  Harnack,  Litteraturgeschichte. 

auszufüllen,  und  dabei  ein  hübsches  dichterisches  Talent  gezeigt.  -—  Ueber  die  Be- 
deutung des  deutschen  Adels  in  der  Literaturgeschichte  schrieb  Eckardt63),  die 
Eisenbahn  in  der  Litteraturgeschichte  verfolgte  ein  Anonymus64).    — 

Von  gesammelten  Aufsätzen  und  Essays  zur  Litteraturgeschichte  sind 
die  Michael  Bernays  gewidmeten  Studien  (JBL.  1895  I  1:118)  sehr  viel  besprochen  und 
ihrem  Werte  nach  sehr  ungleich  befunden  worden65).  —  Auch  die  neue  Sammlung 
von  Wilhelm  Scherers  „Kleinen  Schriften"  (JBL.  1893  I  1:  117)  wurde  noch  besprochen66); 
ebenso  die  Essays  von  Weigand67)  und  de  Vogüe68)  (JBL.  1893  I  1:120,  126).  — 
Eine  charakteristische  Sammlung,  von  Lyon69)  herausgegeben,  erschien  zu  Rudolf 
Hildebrands  siebzigstem  Geburtstage.  Die  Verbindung  von  literarhistorischem  und 
sprachwissenschaftlichem  Forschen,  besonders  in  der  Ausnutzung  feiner  Beobachtung 
der  lebenden  Sprache  für  die  Erkenntnis  poetischer,  seelischer  Wirkungen,  das  In- 
teresse für  den  volkserziehenden  Einfluss  literarhistorischer  und  sprachforschender 
Arbeit,  diese  Eigenschaften,  welche  Hildebrands  persönliches  Schaffen  kennzeichnen, 
suchen  seine  Schüler  in  ihren  Beiträgen  bald  von  dieser  bald  von  jener  Seite  wieder- 
zuspiegeln70"71).  —  Eine  Sammlung  französischer  Essays  über  deutsche  Litteratur 
von  Le  Pevre-Deumier'2)  blieb  leider  unzugänglich.  — 

Im  Folgenden  mögen  einige  Schriften  zusammengestellt  werden,  welche  die 
praktische  Seite  des  litter  arischen  Betriebs  im  allgemeinen, 
den  Schriftstellerberuf  und  das  Verhalten  des  Publikums  behandeln.  Wohlverdienter 
Massen  hat  Schönbachs73)  hübsches  Buch  „lieber  Lesen  und  Bildung"  es  zur 
vierten  Auflage  gebracht,  der  gewiss  noch  andere  folgen  werden.  Es  ist  ein  Ver- 
dienst, in  einer  überhasteten  Zeit,  die  Kunst,  ruhig  zu  lesen  und  .an  einem  Buche 
Freude  zu  haben,  die  Menschen  wieder  zu  lehren.  Bei  der  Auswahl  und  Würdigung 
der  Litteratur  finde  ich  allerdings,  dass  Seh.  manchen  modernen  Schriftstellern  einen 
zu  grossen  Wert  beilegt,  und  nicht  verständlich  ist  mir,  warum  den  fünf  allgemein 
betrachtenden  Abschnitten  nun  ein  sechster  über  „Henrik  Ibsen"  beigefügt  ist,  als 
wäre  in  Ibsen,  den  ich  wahrlich  auch  zu  schätzen  weiss,  der  Messias  der  Litteratur 
erschienen.  An  sich  ist  dieses  Kapitel  übrigens  durchaus  massvoll  gehalten  und 
wird  für  jeden,  möge  er  persönlich  zu  Ibsen  stehen  wie  er  wolle,  von  grossem 
Interesse  sein. 74_75)  —  Ueber  die  Veröffentlichung  von  „Nachlass-  und  Vortragslitte- 
ratur"  äusserte  sich  L  o  rm76)  sehr  ungehalten;  „Enqueten-Unfug"  (vgl.  Huret  und  seine 
Nachfolger)  wies  Stoessel77)  zurück.  —  Urteile  über  die  Lage  der  Schriftsteller  in 
Deutschland  lauteten  meist  sehr  ungünstig,  wobei  die  Schuld  bald  mehr  in  den  all- 
gemeinen Verhältnissen,  bald  mehr  auf  Seite  der  Schriftsteller  selbst  gefunden 
wurde78-82).  —  Die  Schriftstellerkongresse  wurden  von  Hildebrand83)  streng  be- 
urteilt. —  Zwei  Aufsätze  beschäftigen  sich  mit  der  Verbreitung  der  Litteratur  in 
weiteren  Volkskreisen8485).  — 

Unter  den  praktischen  Hilfsmitteln  zur  Litteraturforschung  dürfen  billig 
an  erster  Stelle  diese  Jahresberichte86)  genannt  werden,  welche  thatsächlich  schon 
überall  als  unentbehrlich  anerkannt  sind  und  in  zahlreichen  Besprechungen  weit 
überwiegend  Lob  und  nur  in  einzelnen  Punkten  nicht  Tadel,  sondern  freundschaftliche 
Ratschläge  empfangen  durften.  Einer  der  Herausgeber,  S  z  am  a  t  ö  lski86a),  be- 
richtete über  sie  auf  der  47.  Versammlung  deutscher  Philologen.  —  Die  „Jahresberichte 
über  die  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  deutschen  Philologie"87)  stehen  ihnen  er- 


0=  ÜB.  N.  3278-83.)  L.,  Reclam.  360,  360  S.  M.  1,20.  —  63)  R.  Eckardt,  D.  dtsch.  Adel  in  d.  dtsch.  Litt.  Biogr.-luit, 
Essays.  Eingel.  v.  0.  v.  Uechtritz.  B.,  Stargardt.  164  S.  M.  4,00.  (Ans  DAdelsbl.l  —  64)  H.  G.,  D.  Eisenbahn  in  d. 
Litt.- Gesch.:  NWienerTBl.  N.  48.  —  65)  X  MLN.  9,  S.  384;  B.  Seuffert:  DLZ.  S.  235,7  (ungünstig):  W1DM.  75,  S.  655; 
0.  Harnack:  PrJbb.  75,  S.  377,8;  ÖLB1.  3,  S.  77/8;  DRs.  78,  S.  477;  F.  Muncker:  ZVLR.  7,  S.  10l<;8;  RCr.  37,  S.  356/7.  — 
66)  X  GLB1.  3,  S.  208,9.-  67)  X  0.  Harnack:  PrJbb.  75,  S.  379.  -  68)  X  G-  ▼•  Suttner:  ML.  63,  S.  112/6  („Gesch.  Zeit- 
bilder"). —  69)  0.  Lyon,  Festschr.  z.  70.  Geburtst.  Rud.  Hildebrands  in  Aufsätzen  z.  dtsch.  Sprache  u.  Litt,  sowie  z.  dtsch. 
Unterr.  (=  3.  Ergänzungsheft  zu  ZDU.  Bd.  8.)  L.,  Teuhner.  IV,  364  S.  M.  4,00.  (Vgl.  I  2:51.)  —  70)  X  F-  Sander, 
Deo  Patriae  Litteris.  Ges.  Vortrr.  n.  Aufsätze.  Breslau,  Sperber.  VII,  247  S.  M.  3,00.  |[Grenzb.  4,  S.  591/2.] |  -  71)  X 
A.  Kluckhohn,  Vortrr.  u.  Aufsätze,  her.  v.  K.  Th.  Heigel  u.  A.  Wrede.     München,  Oldenbourg.    V,  509  S.   Mil  Bild.   M.  6,50. 

—  72)  O  J.  Le  Fevre-Deumier,  Celebrites  allemandes.  Essais  bibliogr.  et  litt.  Paris,  Firmin-Didot.  4°.  293  S.  — 
73)  A.  E.  Schönbach,  Ueber  Lesen  u.  Bildung.  Umschau  u.  Ratschläge.  4.  Aufl.  Graz,  Leuschner  &  Lubensky.  XIII,  257  S. 
M.  2,80.  |[Frau  1,  S.  277;  Ges.  S.  836.J|  —  74)  X  Max  Meyer,  Ueber  Lesen  u.  Bildung:  Zeitgeist  N.  6.  —  75)  X  J- 
Bayer,  D.  dtsch.  Dichtung  u.  d.  dtsch.  Haus.  I— VIII:  DDichtung.  15,  S.  76/7,  97-101,  122/5,  148-51,  176/9,  201/3.  -  76) 
H.  Lorm,  Nachlass-  u.  Vortrags-Litt.:  Geg  45,  S.  86/8.  —  77)  A.  Stoessel,  Enqueten-Unfug:  ib.  S.  394/6.  —  78)  X  0. 
v.  Leixner,  Randglossen  z.  dtsch.  Schrifttum:  Kai.  aller  Deutschen  S.  198-2C0.  —  79)  X  K-  Krüger,  D.  litt.  Carriere: 
Kritik  1,  S.  124/8.  —  80)  X  °-  ▼•  Weddigen,  Dtsch.  Dichter  Loos  oder  Staat  u.  Dichter.  E.  Betrachtung  zu  Nutz  u. 
Frommen  Aller:  IntematLB.  N.  4/6.  —  81)  X  A-  Stoessel,  Schulen  u.  Cliquen:  Geg.  45,  S.  69-71.  —  82)  X  A.  Reichen- 
bach, Aus  d.  litt.  Geschäftspraxis  d  Neuzeit:  Zuschauer  1,  S.  22,8.  —  83)  Mart.  Hildebrand,  Schriftsteller-Kongrosse: 
ML.  03,  S.  937/9.  -  84)  X  M.  G.  Conrad,  D.  Volkslitt.  u.  die  Weimarsche  Schriften- Verbreitungs-Anst.:    Ges.   S.  987-1001. 

—  85)  X  Wer  ist  Bchuld  an  d  starken  Verbreitung  d.  Schundlitt.  ?:  BerlTBl.  N.  35.  -  86)  Jahresberichte  für  neuere  dtsch.  Litt.- 
Gesch.  Mit  besond.  Unterstützung  v.  Erich  Schmidt  her  v.  J  Elias  u.  M.  Osborn.  3.  Bd.  (Jahr  1892.)  2  Halbbde. 
St.,  Göschen.  208  u.  395  S.  M.  23,S0.  |[ASNS.  92,  S.  89-91;  M.  Koch:  LCB1.  S.  440*1;  A.  Wulckow:  Zeitgeist  N.  7; 
R.M.Meyer:  VossZg".  N.  9;ZDU.8,  S.  413/6;  N&S.  69,  S.  132/3;  A.  Sauer:  DLZ.  S.  12B4/6;  id.:  Euph.  1,  S.  144,8;  G.  Wit- 
kowski:  LBIGRPh.  15,  S.  223/6;  ZDPh.  26,  S.  400/5:  Zuschauer  2,  S.  281/2.]|  —  86a)  S.  Szamatölski,  Ueber  d.  JBL. 
(=  Verhundl.  d.  42.  Vers,  dtsch.  Philol.  u.  Schulmänner  in  Wien  [L.,  Teubner.  4°.  XVII,  626  S.  M.  24,00J,  S.  387-95.) 
HP.  Detter:   ZDPh.  26,  S.  400/5.]  |    —    87)  JB.  über  d.  Erscheinungen    auf  d.  Gebiete  d.  german.  Philol.,  her.  v.  d.  Ges.  für 


W.  Golther,  Geschichte  der  deutschen  Philologie.    I  1  :  ss-98   I  2 : 1-4 

gänzend  zur  Seite,  und  auch  Jastrows88)  „Jahresberichte  der  Geschichtswissen- 
schaft", welche  für  derartige  Unternehmungen  vorbildlich  geworden  sind,  könnendem 
Literarhistoriker  manches  bieten.  —  Als  Hilfsmittel  zur  Kenntnis  der  neuesten  Litte- 
ratur  ist  Kürschners89)  sechzehnter  Jahrgang  in  unveränderter  Zuverlässigkeit 
erschienen,  und  ihm  zur  Seite  steht  der  speciell  katholische  Litteraturkalender  von 
Keiter90)  (im  neunten  Jahrgang).  —  Seinen  festen  Platz  behauptete  auch  Büch- 
manns Citatenschatz,  in  achtzehnter  Auflage  von  Robert-tornow91)  heraus- 
gegeben. —  Einige  Citatensammluugen  seien  hier  noch  angeführt:  Hoddicks92) 
„Weltliche  Texte",  eine  vorzügliche,  ebenso  reichhaltige  wie  verständnisvoll  ausge- 
wählte Sammlung;  Perls93)  „Hausschatz",  gut  gemeint,  aber  von  sehr  ungleich- 
wertigem Inhalt;  und,  einem  speciellen  Thema  gewidmet,  „Glück"  von  Ewald94), 
der  nur  Aussprüche  zusammenstellt,  in  welchen  die  Worte  „Glück"  oder  „glücklich", 
wenn  auch  in  sehr  verschiedener  Bedeutung,  vorkommen. 95)  —  Die  immer  grössere 
Schwierigkeit,  des  sich  vervielfältigenden  und  zersplitternden  literarhistorischen 
Materials  Herr  zu  werden,  schlug  Minor96)  vor  dadurch  zu  heben,  dass  man  die 
Litteraturarchive  zu  Centralanstalten  für  die  notwendigen  Hilfsarbeiten  erhebe  und  so 
dafür  Sorge  trage,  den  sich  aufhäufenden  Rohstoff  sogleich  für  die  wissenschaftliche 
Behandlung  nutzbar  zn  machen  und  in  übersichtlicher  Registrierung  seines  wesent- 
lichen Inhalts  dem  Forscher  vorzulegen.  —  Ueber  die  in  Berlin  gegründete  Litteratur- 
archiv-Gesellschaft  wurde  berichtet97).  —  Schliesslich  haben  wir  des  neuen  Central- 
Organs  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte  zu  gedenken,  des  von  Sauer98) 
begründeten  „Euphorion",  der  in  gewissem  Sinn  an  die  Stelle  von  Seufferts  Viertel- 
jahrsschrift (JBL.  1893  I  1 :  174)  getreten  ist.  Die  neue  Zeitschrift  wurde  überall  so- 
wohl in  den  wissenschaftlichen  Blättern  als  in  der  übrigen  Presse  zustimmend  be- 
grüsst  und  hat  in  ihrem  ersten  Jahrgang  sowohl  an  allgemeineren  Aufsätzen  als 
auch  an  Specialarbeiten,  ebenso  an  Kritiken  wie  an  sonstigen  bibliographischen  Mit- 
teilungen, einen  reichen  Inhalt  dargeboten.  — 


1,2 

Geschichte  der  deutschen  Philologie. 

Wolfgang  Golther. 

Vorläufer  (Eberh.  Tappe)  N.  1.  —  Brüder  Grimm:  Allgemeines  N.  3;  Briefe  N.  4;  Wörterbuch  K.  8;  Denkmal 
N.  11.  —  Luchmann  N.  13.  —  Von  der  Hagen  N.  17.  —  Gervinus  N.  18.  —  Diez  N.  19.  —  V.  Hehn  N.  36.  —  W.  Strobel  N.  37. 
—  Tittmann  K.  38.  —  B.  ten  Brink  N.  39.  —  H.  Kurz  N.40.  —  H.  Hettner  N.  41.  —  Rud.  Hildebrand  N.  42.  —  Kuno  Fischer 
N.  56.  —  D.  Sanders  N.  57.  —  G.  Brandes  N.  59.  —  Reinh.  Bechstein  N.  60.  —  F.  Kern  N.  62.  —  J.  Klaiber  N.  64.  — 
S.  Szamatolski  N.  65.  — 

Zu  den  Vorläufern  der  grossen  deutschen  Philologen  gehört  Eber- 
hard Tappe,  um  dessen  Gedächtnis  Fränkel 1_2)  sich  verdient  gemacht  hat. 
Tappe  ist  der  Vf.,  einer  deutsch-lateinisch-griechischen  Sprichwörtersammlung,  welche 
1539  erschien.  Bekannt  ist  weiter  noch,  dass  er  aus  Lüne  bei  Lüneburg  gebürtig 
und  1525  in  Wittenberg  immatrikuliert  war.  Alles  Uebrige  ist  aus  der  Art  seines 
Buches  zu  erschliessen.  Tappe,  der  über  ein  ausgedehntes  philologisches  Wissen 
verfügt,  schliesst  sich  dem  Johann  Agricola  an.  Er  hatte  schon  1529  eine  kleinere, 
unvollkommene  Sammlung  ausgehen  lassen  und  trug  sich  1539  mit  dem  Gedanken 
einer  theoretischen  Abhandlung  im  Anschluss  an  die  grosse  Sammlung.  Dass  Tappe 
Schulmeister  war,  ist  eine  Vermutung  F.s.  — 

Eine  allgemeine  Würdigung  der  Brüder  Grimm  brachte  Franke3) 
zu   Jakobs  Geburtstag  (4.  Jan.).     Er   hebt   ihren    Einfluss    auf  die  Kindererziehung 


dtsch  Philol.  in  Berlin.  15.  Jahrg.  (1393).  Dresden,  Reissner.  417  S.  M.  9,00.  —  8g)  JB.  d.  Geschichtswissensch.,  im  Auftr. 
d  hist  Ges  zu  Berlin,  her.  v.  J.  Jastrow.  15.  Jahrg.  (1892).  B.,  Gaertner.  XVII,  1066  S.  M.30,00.-89)  J.  Kürschner, 
Dtsch.  Litt -Kai.  auf  d.  J.  1894.  16.  Jahrg.  St.,  Göschen.  12».  1498  S.  Mit  2  Bildn.  M.  6,50.  -  90)  H.  Keiter,  Kathol. 
Litt -Kai.  4.  Jahrg.  Regensburg,  Selbstverl.  IV,  286  S.  Mit  8  Bildn.  M.  2,70.  —  91)  G.  Büchmann,  Geflügelte  Worte. 
D.  Citatenschatz  d.  dtsch.  Volkes.  Ges.  u.  erlänt.  Nach  des  Vf.  Tode  fortges.  v.  W.  Rober t-torno w.  18.  Aufl.  B., 
Haude  &  Spener.  XIX,  699  S.  Mit  Bild.  M.  6,00.  -  92)  F.  Hoddick,  Weltl.  Texte.  Aphorismen-Schatz  d.  Welt-Litt. 
2  Aufl  ebda  XII  546  S.  M.  5,00.  —  93)  A.  Perls,  Hausschatz  guter  Gedanken.  B.,  Ullstein  &  Cie.  VIII,  272  S.  M.200  — 
94)0  Ewald  D  Glück  Aphorismen  d.  Weltlitt  B.,  Voss.  Buchh.  VII,  256  S.  M.  2,25.  -  95)  X  W. Eichner,  Aus  Werk- 
stätten d  Geistes  (JBL.  1893  I  1  :  lc9).  |[Zuschauer  1,  S.  126/7;  KonsMschr.  S.  446  ]|  —  96)  J.  Minor,  Centralanstalten  für  d. 
litteraturgesch.  Hilfsarbeiten:  Euph.  1,  S.  17-26.  -  97)  D.  Litt.- Arch -Ges.  in  Berlin:  KBGV.  42,  S.  81/2.  -  98)  Euphorion, 
Zeitschr.  für  Litt.-Gesch.  Her.  v.  A.  Sauer.  1.  Bd.  Bamberg,  Buchner.  X,  863  S.  M.  16,00.  |[CBlBibl.  11,  S.  511/2;  TglRs. 
N.  120;  NorddAZg.  N.  257;  ZDÜ.  8,  S.  8568;  VossZg».  N.  5.]|  — 

1)  L.  Fränkel,  E.  Tappe:    ADB.  37,  S.  390/4.    —    2)  id.,  E.  Tappe,  e.  dtsch.  Schulmeister  u.  Germanist  älterer 
(=11  :  69,  S.  298-309.)    —    3)    C.  Franke,   Z.  Würdigung  der  Brüder  Grimm:    LZgB.  N.  1.    —   4)  R.  Steig,  Brief- 


Zeit. 


12:5-8  W.  Golther,  Geschichte  der  deutschen  Philologie. 

(durch  die  Märchen)  und  auf  die  Ausbildung-  des  Gemütes,  auf  Wissenschaft  und 
Kunst  hervor.  Zumal  der  letztere  Gedanke,  die  unmittelbare  Anregung-,  welche  die 
Kunst  aus  den  Werken  der  Grimms  empfing,  wäre  gründlicher  und  sachkundiger 
Erörterung  wohl  wert.    F.s  Bemerkungen  sind  teils  zu  äusserlich,  teils  falsch.  — 

Die  Briefe  J.  Grimms  an  die  Uebersetzerin  und  Sammlerin  von  Volks- 
liedern, Therese  von  Jacob,  vermählte  Frau  Robinson,  die  Steig4)  bekanntmachte, 
umfassen  die  J.  1825—44.  Sie  dienen  zur  Charakteristik  der  geistvollen  Frau,  welche 
durch  die  Gewandtheit  ihrer  zu  Angriff  und  Verteidigung  stets  gleichbereiten  Dis- 
kussion in  Erstaunen  setzt,  sie  enthalten  manches  schöne  gemütstiefe  Wort  J.  Grimms. 
Die  ersten  Briefe  betreffen  die  von  Talvj  übersetzten  Volkslieder  der  Serben  (1826). 
J.  Grimm  macht  an  Thereses  Uebertragung  Ausstellungen.  Er  fordert  mehr  Nach- 
ahmung der  Slavismen:  „Darf  ich  mir  den  Tadel  erlauben,  dass  mir  in  dieser  Rück- 
sicht Ihre  Uebersetzung  etwas  zu  viel  deutsch  geworden  ist".  Er  tadelt  einige  Wen- 
dungen und  missbilligt  alle  abstrakten  Wörter,  da  das  Volk  nur  sinnliche  im  Munde 
führe.  Ueberhaupt  ist  er  gegen  die  überhand  nehmenden  Uebersetzungen,  da  „die 
Zimmer  unserer  Litteratur  ein  wenig  vollgestellt  stehen,  ich  will  nicht  sagen,  mit 
lauter  dem  vortrefflichsten  Gerät".  Therese  erwidert:  „Ich  kann  nicht  leugnen,  dass 
meine  Meinung  von  einer  guten  Uebersetzung  nicht  mit  der  von  Ew.  Wohlgeboren 
übereinstimmt.  Sie  finden  die  meinige  zu  deutsch,  vermissen  die  Slavismen.  Nach 
meiner  Ansicht  aber  ist  das  Ziel  einer  Uebersetzung,  soviel  als  möglich  auf  den  Hörer 
oder  Leser  den  nämlichen  Eindruck  hervorzubringen,  den  das  Original  macht.  Ein- 
fach, wahr  musste  daher  der  Ton  dieser  Lieder  sein,  alles  falsche  Pathos  vermieden, 
so  wie  alles  was  den  Zuhörer  nicht  einen  Augenblick  vergessen  lassen  kann,  dass 
er  sich  in  fremdem,  unheimischem  Gebiete  bewegt".  „Sie  begreifen  nicht,  warum 
viel  und  alles  verdeutscht  werden  soll,  nun  wenn  die  Volkslieder  unter  das  nicht  zu 
Verdeutschende  gehören,  warum  denn  sollen  gerade  die  ihnen  so  nahe  verwandten 
Märchen  etc.  übersetzt  werden?"  Grimm  hatte  die  irischen  Elfenmärchen  geschickt 
und  gewünscht,  Therese  möge  der  serbischen  Märchensammlung  Wuks  den  gleichen 
Dienst  wie  seinen  Volksliedern  erweisen.  Ueber  die  Slavismen  sagt  Therese  an 
einer  anderen  Stelle:  „Sie  werden  mich  vielleicht  tadeln,  dass  ich  die  Deminutive 
nicht  häufig  genug  nachgeahmt;  allein  man  braucht  nur  einmal  mit  Slaven  verkehrt 
zu  haben,  um  zu  fühlen,  dass  der  slavische  Deminutiv  etwas  ganz  anderes  ist  als 
unser  deutscher,  der  doch  immer  etwas  Tändelndes  hat,  während  jener  bloss 
schmeichelt  und  eine  zarte  Gesinnung  des  Sprechenden'  ausdrückt".  Aus  alledem 
erhellt  die  selbständige  und  meist  auch  richtige  Ueberzeugung  Thereses,  die  sie 
Grimms  Forderungen  gegenüber  nicht  aufgiebt.  Sehr  anerkennend  äussert  sich 
J.  Grimm  zu  Talvjs  1840  erschienenem  Werk  über  die  Volkslieder.  Er  bekennt, 
aus  der  umfassenden  Arbeit  Belehrung  geschöpft  zu  haben,  und  rühmt:  „Sie  haben 
über  deutsche  Poesie  und  Volksart  viel  Treffendes  wahrgenommen  und  ausgesprochen". 
Grimms  Heimatgefühl  bricht  schön  hervor,  wenn  er  der  nach  Amerika  Scheidenden 
schreibt:  „Gottes  Sonne  leuchtet  Ihnen  dort  wie  hier,  das  Neue  hat  an  sich  seinen 
Reiz,  und  Manches  wird  dort  schöner  oder  besser  sein  als  hier  in  Deutschland.  Aber 
das  Heimweh  gleicht  darin  der  Erinnerung  an  die  Vergangenheit  der  Jugend,  dass 
wir  das  in  der  Nähe  und  Gegenwart  Farblose  und  Gleichgültige  nun  im  Duft  der 
Ferne  erblicken,  und  mit  der  Seele  daran  hängen.  Ich  habe  mir  nie  gewünscht, 
mein  Vaterland  auf  immer  zu  verlassen,  oft  aber,  den  anderen  Weltteil  auf  kurze  Zeit 
zu  bereisen,  wäre  es  nur,  um  die  uns  verdeckte  Seite  des  Sternenhimmels  zu  sehen. 
In  Land  und  Meer  mögen  sich  die  Völker  teilen;  die  Gaben  des  Himmels,  sollte  man 
meinen,  müssten  allen  Menschen  gemein  und  anschaulich  sein".  —  Ein  Brief 
J.Grimms  an  Reimer5)  vom  31.  Mai  1838  ist  gleichgültigen  Inhalts,  ein  anderer  vom 
15.  April  1830,  den  Meissner6)  veröffentlicht,  dankt  dem^  Amtsassessor  W.  Heine 
in  Hannover  für  Bemerkungen  zu  den  Rechtsaltertümern.  —  Die  Schrift  von 
St  e  ngel"),  „Private  und  amtliche  Beziehungen  der  Brüder  Grimm  zu  Hessen",  eine 
Sammlung  von  Briefen  und  Aktenstücken  in  zwei  Bänden,  erschien  in  zweiter  un- 
veränderter Auflage.  — 

Ueber  ein  umfassendes,  wünschenswertes  Wörterbuch  der  deutschen 
Sprache  äusserte  sich  H.  Grimm8)  schon  in  der  DLZ.  1893  (N.  45;  JBL.  1893 
I  8:100).  Genauer  bestimmte  er  den  Plan  eines  „Thesaurus  linguae  germanicae", 
indem  er  dessen  Verhältnis  zum  Grimmschen  Wörterbuch  erörterte.  Verlangt  wird 
eine  ganz  neue  Arbeit,  ein  Lexikon  der  deutschen  Sprache,  wie  sie  im  18.  und  19.  Jh. 
gesprochen,  geschrieben  und  gedruckt  wurde.  Das  Stoffgebiet  des  18.  Jh.  ist  in- 
zwischen  durch    neue    wissenschaftliche  Ausgaben    gewaltig  vennehrt  worden.     Ins- 

wechsel  zwischen  J.  Grimm  u.  Therese  v.  Jacoh:  PrJbb.  70,  S.  346-66.  —  5)  St.,  E.  Brief  J.  Grimms:  ADA.  20,  S.  206.  — 
6)  K.  Meissner,  E.  Brief  J.  Grimms:  ib.  S.  4067.  —  7)  E.  Stengel,  Private  u.  amtliche  Beziehungen  d.  Brüder  Grimm 
zu  Hessen.  E.  Samml.  v.  Briefen  u.  Aktenstücken.  (Als  Festschr.  z.  100.  Geburtst.  W.  Grimms,  d.  24.  Febr.  1886  zusammengest. 
u.  erläut.)    2.  (Titel-)Ausg.    2  Bde.    Marburg,  N.  G.  Elwert.    VIII,  420  S.  mit  2  Faosim.;    443  S.   M.  4,00.  —  8)  H.Grimm, 


W.  Golther,  Geschichte  der  deutschen  Philologie.  I  2  :  9-15 

besondere  achtet  man  auf  die  Stilentwicklung  unserer  Klassiker.  Fürs  19.  Jh. 
werden  Moltkes  Schriften,  Bismarcks  Briefe,  Reden  und  Staatsschriften,  die  eigenen 
Schriften  der  Brüder  Grimm  genannt.  Als  Vorarbeit  fordert  G.  Wörterbücher  für 
einzelne  sehr  wichtige  Autoren  oder  Gruppen  von  Autoren,  z.B.  Klopstock,  Lessing, 
Geliert,  Winckelmann  als  Vertreter  der  Mitte  des  18.  Jh.,  weiter  Goethe,  Schiller, 
Herder,  Wieland  als  Hauptgruppe;  dann  die  Romantiker  von  Bürger  bis  Heine,  die 
Historiker  von  Schlosser  bis  Treitschke  usw.  Die  so  entstehenden  Wörterbücher 
bildeten  den  Anfang  einer  einstweilen  nicht  zu  beziffernden  Reihe,  welche,  im  Be- 
ginne des  20.  Jh.  in  einander  gearbeitet,  dann  erst  das  grosse  deutsche  Wörterbuch 
ausmachten.  —  Otto  Hoffmann9)  zeigt  aus  Herders  Wortschatz,  wie  sehr  das 
Grimmsche  Wörterbuch  der  Ergänzung  bedarf.  —  Pauls10;  geistvolle,  anregende 
Ausführungen  legen  die  Grundsätze  dar,  nach  denen  ein  neues  Wörterbuch  grossen 
Stils  ausgearbeitet  werden  müsste.  Er  hebt  bisher  völlig  vernachlässigte  Seiten  der 
Wortforschung  hervor.  Aus  alledem  geht  hervor,  dass  der  Wunsch  nach  einem  er- 
schöpfenden umfassenden  deutschen  Wörterbuch  besteht.  Schon  werden  die  Wege 
zum  Ziel  gewiesen.  Bedauerlich  ist  nur,  dass  die  gründlichste  Vorarbeit,  das  Wörter- 
buch der  Brüder  Grimm,  noch  nicht  einmal  fertig  ist,  und  bereits  viel  mehr  verlangt 
wird.  — 

Ueber  das  in  Hanau  zu  errichtende  Denkmal  der  Brüder  Grimm  wurde 
in  einer  Sitzung  des  grossen  Ausschusses  am  29.  Okt.  berichtet.  Gegenstand  der 
Beratungen  bildeten  Einzelheiten  der  Ausführung  und  Termine  der  Fertigstellung11). 
—  Ein  gehaltvoller  Vortrag,  den  der  verstorbene  Gymnasiallehrer  T  h  i  m  m  12)  in 
Tilsit  im  Nov.  1884  hielt,  um  bei  seinen  Mitbürgern  Interesse  für  das  Grimmdenkmal 
zu  erwecken,  gelangte  mit  anderen  Vorträgen  und  Aufsätzen  nun  auch  zum  Druck. 
Th.  schildert  Leben  und  Wirken  der  Brüder  schön  und  gemeinverständlich.  — 

Lachmann  sehe  Briefe  veröffentlichte  Weinhold 13),  teilweise  im  Aus- 
zug, mit  erklärendem  Vorbericht  und  mit  Anmerkungen  versehen.  „Die  Briefe  an 
Klenze  reichen  von  1820  bis  33;  die  inhaltreichsten  sind  die  aus  der  Trennung  der 
Freunde,  von  Königsberg  nach  Berlin  geschriebenen.  Sie  werfen  auf  die  Jahre,  die 
Lachmann  am  Pregel  verlebte,  manches  Licht  und  bieten  ausser  anderen  Mitteilungen 
Genaueres  über  die  Versetzungsgeschichte  Lachmanns  nach  Berlin."  „Die  Briefe 
Lachmanns  atmen  die  wärmste  Freundschaft.  Lachmann  hatte  ein  tiefes  Gefühl  der 
Liebe  in  der  innersten  Kammer  seines  Herzens,  er  konnte  nach  Freundschaft  dürsten 
und  war  in  den  jungen  Jahren  nicht  frei  von  einer  sentimentalen  Stimmung,  die  man 
nur  nicht  romantisch  nennen  darf.  Er  bedurfte  damals  der  Hingabe  an  eine  andere 
Natur  und  fand  im  Anschluss  an  den  kraftvollen  Klenze  dieses  Bedürfnis  befriedigt." 
In  Berlin  wohnte  Lachmann  bei  Klenze,  zu  dessen  Familie  er  ebenso  innige  Be- 
ziehungen gewann.  Wir  hören  von  Lachmanns  Hochachtung  für  Schleiermacher,  von 
seinen  Beziehungen  zu  den  nächsten  Verwandten.  Seinen  eigenenBruder  Friedrich  charak- 
terisiert Lachmann  mit  den  bezeichnenden  Worten:  „Mein  Bruder  Fritz  giebt  sich 
wenig-  mit  anderen  Leuten  ab,  ausser  wenn  er  sie  scharf  recensiert,  dazu  ist  er 
kränklich  und  überall  wenig  erfreulich".  Für  die  Königsberger  Zeit  bestätigen  die 
Briefe,  was  Martin  Hertz  in  seinem  Leben  Lachmanns  (S.  48/9)  berichtet,  „dass 
dieser  während  der  sechs  Jahre  seiner  akademischen  Thätigkeit  am  Pregel  zu  keinem 
erfreulichem  Verhältnis  zu  den  Studenten  und  zu  keiner  grösseren  Wirksamkeit  als 
Lehrer  gelangte.  Der  Ruf  eines  tadelsüchtigen  Kritikers,  eines  kalten  Menschen  war 
wie  ein  Reif  auf  ihn  gefallen.  An  seinen  Vorlesungen  hatte  er  keine  rechte  Freude, 
teils  weil  er  die  Zuhörer  stumpf  und  unwissend  fand  (er  nennt  seine  Vorlesungen 
einmal  „die  Qual  mit  den  faulen  Hunden"),  teils  weil  er  ihnen  gleichgültige  Dinge 
wie  Theorie  und  Kritik  der  schönen  Wissenschaften  lehren  sollte.  Nörgeleien  der 
vorgesetzten  Behörde  -über  verspätete  Habilitation,  über  Zahl  und  Richtung  seiner 
Vorlesungen,  über  die  Zuhörerziffer  verdrossen  ihn".  Als  durch  von  der  Hagens 
Ernennung  zum  ordentlichen  Professor  der  deutschen  Sprache  und  Litteratur  an  der 
Berliner  Universität  1824  Lachmanns  sichere  Hoffnung  auf  Versetzung  zunächst  ver- 
eitelt wurde,  versank  er  in  tiefen  Unmut.  Verachtete  er  von  der  Hagen  schon  aus 
wissenschaftlicher  Ueberzeugung,  so  kam  nun  noch  persönlicher  Neid  dazu.  W.  fühlte 
sich  veranlasst,  einige  scharfe  Bemerkungen  über  Personen  besser  zu  unterdrücken. 
Zum  Beschluss  folgen  drei  Briefe  an  Niebuhr,  die  zwei  letzten  beziehen  sich  auf  den 
Nibelungenaufsatz  im  Rheinischen  Museum,  und  einer  an  Simrock,  worin  Wieland  der 
Schmied    sehr    gelobt    wird.    —    Erdmann14)    hebt    aus    Lachmanns    Briefen   an 


Thesaurus  linguae  germanicae:  PrJbb.  76,  S.  239-48.  —  9)  0.  Hoffmann,  Thesaurus  linguae  germanicae.  Aus  Herders 
Wortschatz:  ib.  S.  248-58.  —  10)  H.  Paul,  TJeber  d.  Aufgaben  d.  wissensch.  Lexikographie:  SBAkMünchenPh.  S.  53-81.  — 
11)  Gebrüder  Grimm-Denkmal  in  Hanau:  Hessenland  S.  299.  —  12)  R.  Thimm,  D.  Brüder  Grimm.  (=  Dtsch.  Geistesleben. 
2.  Aufl.  |B.,  Simion.  209  S.  M.  4,00],  S.  173-209.)  (S.  1-27  enthalten  e.  schön  geschriebenes  Lebensbild  Thimms,  dessen 
Persönlichkeit  trefflich  charakterisiert  wird.)  —  13)  K.  Weinhold,  Mitteilungen  über  K.  Lachmann:  SBAkBerlin.  2,  S.  651-87. 
|[VossZg.  N.334.]|  (IVlc:75.)  —  14)0.  Erdmann:  ZDPh.  26,  S.267/8.  —  15)  J.  Bruns,  J.  Vahlen  u.  F.  Leo,  Reden  auf  Lachmann; 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (1)2 


I  2  ■.  16-37  W.  Golther,  Geschichte  der  deutschen  Philologie. 

Moritz  Haupt  (JBL.  1892  12:9;  189312:22)  hervor,  was  daraus  zur  Charakteristik  der 
Lachmannschen  Persönlichkeit  dient.  —  Die  Briefe  und  die  Festreden  auf  Lach- 
mann (JBL.  1893  I  2:  16)  werden  von  Bruns15)  und  Schönbach16)  angezeigt.  — 

In  der  Anzeige  der  Briefe  von  der  Hagens  (JBL.  1893  I  2  :  14)  im  ADA.17) 
werden  namentlich  >die  ungünstigen  Seiten  in  den  Vordergrund  gerückt.  Im  ganzen 
bestätigen  auch  diese  Briefe  das  Urteil,  das  über  von  der  Hagen  längst  feststeht.  Zum 
Inhalt  werden  ein  paar  Kleinigkeiten  angemerkt.  — 

Die  Selbstbiographie  von  Gervinus  (JBL.  1893  I  2  :  25)  fand  mehrfache  An- 
erkennung18). — 

Die  Feier  des  100.  Geburtstages  von  Friedrich  Diez  brachte  einige  gehalt- 
volle Reden  hervorragender  Romanisten  und  in  Verbindung  hiermit  wertvolle  neue 
Mitteilungen  über  sein  Leben.  Diez  verdankt  seine  erste  Schulung  der  klassischen 
Philologie,  der  Lehre  Welckers.  Die  Romantik  begeisterte  ihn  zur  Erforschung  der 
romanischen  Litteraturen,  Goethe  verwies  ihn  aufs  Provenzalische.  Diezens  erste 
Arbeiten  behandeln  die  provenzalische  Literaturgeschichte.  Dann  wird  der  Literar- 
historiker zum  Grammatiker,  indem  er  nach  dem  Vorbilde  J.  Grimms  die  romanische 
Sprachgeschichte  begründet.  Der  Grammatik  folgt  das  Wörterbuch.  Endlich  kehrt 
er  im  hohen  Alter  wieder  zur  Litter aturgeschichte  zurück.  Foerster19-20)  eröffnet 
mit  den  Freundesbriefen  einen  Einblick  in  das  tiefe,  reiche  Gemütsleben  Diezens, 
der  ein  gut  Teil  wahrhaft  dichterischen  Empfindens  und  dichterischer  Gestaltungskraft 
besass.  Aus  amtlichen  Akten  wird  uns  der  Verlauf  der  äusseren  Lebensstellung 
mitgeteilt.  —  Behrens21)  schildert  namentlich  die  Beziehungen,  welche  Diez  zur 
Universität  Giessen  gewann.  Auch  von  den  Vorfahren  des  Gelehrten  hören  wir.  — 
Stengel22"23)  veröffentlicht  ungedruckte  Sammlungen  zur  romanischen  Grammatik 
und  Briefe  an  Bartsch.  —  Breymann24)  steuert  einiges  zur  Kenntniss  von  Diezens 
Persönlichkeit,  z.  B.  über  seine  Verlobung  und  über  die  Art  seiner  Vorlesungen  bei. 
—  Aus  den  Briefen  Welckers  an  Schwenk  sammelt  Neubürger25)  die  auf  Diez  be- 
züglichen Stellen.  —  Den  Briefwechsel  zwischen  Moritz  Haupt  und  Diez  druckt 
A.  Tobler26)  ab.  —  Viele  Tagesblätter  und  Zeitschriften  2>35)  brachten  Aufsätze  und 
Festberichte.  Ueberall  finden  Diezens  trefflicher  Charakter  und  wissenschaftliche 
Grösse  volle  und  gerechte  Würdigung.     (Vgl.  IV  1  c :  73/4.)  — 

Victor  Hehns  Schaffen  will  aus  seiner  Persönlichkeit  heraus  verstanden 
werden.  So  umfassend  auch  seine  wissenschaftlichen  Leistungen  waren,  sie  geben 
doch  nur  einen  geringen  Teil  dessen,  was  er  der  Welt  zu  sagen  hatte.  Entwürfe  zu 
den  später  ausgeführten  und  veröffentlichten  Arbeiten,  daneben  zahlreiche,  oft  recht 
umfassende  Sammlungen,  die  nicht  zur  Vollendung  reiften,  eröffnen  interessante  Ein- 
blicke in  Hehns  Entwicklung  und  vielseitige  Thätigkeit.  Schiemann36)  schöpft 
aus  Hehns  Nachlass;  er  bietet  darum  grösstenteils  Neues  und  weiss  sein  wertvolles 
Material  zu  einem  lebensvollen  Charakterbilde  zu  verarbeiten.  Der  äussere  Lebens- 
lauf wird  nur  kurz  angedeutet;  das  Hauptgewicht  fällt  auf  die  Darstellung  der 
geistigen  Entfaltung,  auf  die  Entstehungsgeschichte  der  Hehnschen  Entwürfe  und 
Arbeiten.  Die  einzelnen  acht  Abschnitte  handeln  über  Hehns  Vorfahren  und  Jugend, 
seinen  Aufenthalt  in  Deutschland,  seine  Reise  nach  Italien  und  Frankreich,  die 
Pernauer  Lehrjahre,  das  Lehramt  in  Dorpat,  die  Verbannung  nach  Tula,  das  biblio- 
thekarische Amt  zu  Petersburg,  die  letzten  Lebensjahre  zu  Berlin.  Im  Anhang  wird 
ein  merkwürdiger,  der  amtlichen  Stellung  Hehns  entsprungener  Aufsatz.  „Ein  Blick 
auf  die  auswärtige  Politik  des  Kaisers  Nikolaus  I."  mitgeteilt,  endlich  ein  paar  Briefe 
an  Verwandte  und  Freunde.  Schon  frühzeitig  heben  Hehns  tiefe  und  weit  aus- 
schauende Forschungen  über  Kultur  und  Sprache,  über  Völkerpsychologie  und 
Literaturgeschichte  an,  von  denen  seine  berühmten  Schriften  gleichsam  nur  ver- 
einzelte Bruchstücke  sind,  die  ihre  volle  Würdigung  erst  aus  der  Kenntnis  der 
gesamten  Thätigkeit  des  Vf.  empfangen.  Seine  feinsinnige  Beobachtungsgabe  und 
anschauliche,  ja  wahrhaft  künstlerische  Gestaltungskraft,  sein  ausgebreitetes  und  gründ- 
liches Wissen,  seine    durchaus    eigenartigen    und   selbständigen   Gedanken   leuchten 


Lachmanns  Briefe  an  Haupt:  PrJbb.  77,  S.  171/6.  —  16)  A.  Schönbach,  F.  Leo,  Rede  z.  Säkularfeier  K.  Lachmanns:  ÖLB1.  3, 
S.  653/5.  —  17)  St.:  ADA.  20,  S.  198,9.  —  18)  X  A.  Baldamus:  NJbbPh.  150,  S.  542/4;  R.  Friedrich:  BLU.  8.  225,7; 
N&S.  70,  S.  134:  Nation".  U,  S.  676;  K.  Obser:  ZGORh.  9,  S.  346/7.  —  19)  W.  Foerster,  F.  Diez:  AZg".  N.  62.  Festrede 
an  d.  Univ.  Bonn,  3.  März.  13  S.  (Sonderabdr.  in  d.  NBonnerZg.)  —  20)  id.,  Freundesbriefe  v.  F.  Diez.  Progr.  u.  Einladung 
z.  Diezfeier  am  3.  März.  Bonn,  Georgi.  4°.  35  S.  (Privatdr.)  —  21)  D.  Behrens,  F.  Diez.  Festrede,  geh.  an  d.  TIniv. 
am  5.  Mai.  Progr.  Giessen,  v.  Münchow.  4°.  41  S.  M.  1,00.  (Mit  e.  Portr.  u.  bisher  nicht  veröffentl.  biograph.  Material.)  — 
22)  E.  Stengel,  F.  Diez:  BFDII.  10,  S.  330-45.  -  23)  id.,  Diez-Reliquien.  (=  Ausg.  u.  Abhandl.  aus  d.  Gebiete  d.  roman. 
Philol.  91.  Heft.)  Marburg,  Elwert.  III,  43  S.  M.  1,20.  —  24)  H.  Breymann,  F.  Diez,  Sein  Leben  u.  Wirken.  Festrede. 
L.,  A.  Deichert  Nuchf.  IX,  54  S.  M.  0,90.  —  25)  K  Neubarger,  F.  Diez:  Didask.  4.  März.  —  26)  A.  Tobler,  Brief- 
wechsel zwischen  M.  Haupt  u.  F.  Diez:  SBAlcBerlin.  S.  139-56.  —  27)  X  <*•  Paris,  F.  Diez:  Journal  des  Debats  2.  März.  — 
28)  X  K.  Sachs,  F.  Diez:  VossZg».  11.  März.  —  29)  X  E.  Stengel,  F.  Diez:  FZg.  15.  März.  —  30)  X  id.,  E.  Diez: 
WestöstlRs.  1.  März.  —  31)  X  B>  Sohröder,  F.  Diez:  HannovCour.  15.  März.  —  32)  X  °-  Sohultz,  F.Diez:  NatZg.  15.  März. 
-  33)  X  R-  Busch,  F.  Diez:  DarmstädtZg.  15.  März.  —  34)  X  E.  Diez:  GiessenAnz.  18.  März.  —  35)  X  p.  Diez:  MLN. 
S.  2513.  —  36)  Th.  Schiomann,  V.  Hehn.    E.Lebensbild.     St.,  Cotta.    VI,  343  S.    Mit  Bild.  M. 5,00.  -  37)  W.  Wiegand, 


W.  Golther,  Geschichte  der  deutschen  Philologie.  12:3« 

auch  aus  den  unfertigen  Entwürfen  hervor.  Zur  Ergänzung  der  Werke  über  Italien, 
Kulturpflanzen  und  Haustiere,  das  Salz  sind  die  Studien  über  die  Skythen  (S.  40  ff.), 
die  Sammlungen  zur  allgemeinen  Kulturgeschichte  Europas  (S.  186  ff.),  der  Aufsatz 
über  das  Feuer  (S.  192  ff.j  zu  erwähnen.  Schon  die  Briefe  und  Tagebuchblätter  aus 
der.  Jugendzeit  bekunden  Hehns  poetische  Anlage,  die  seiner  Wissenschaft  sicherlich 
'  zu  gute  kam ;  denn  diese  Anlage  besteht  keineswegs  in  ausschweifender  Einbildungs- 
kraft, vielmehr  in  der  ausserordentlichen  Fähigkeit  zu  schauen  nicht  bloss  mit  leib- 
lichen, sondern  auch  mit  geistigen  Augen.  Die  Betrachtung  von  Land  und  Leuten 
der  Gegenwart  weckt  alsbald  Hehns  Forschertrieb,  er  verlangt  geschichtlich  zu  ver- 
stehen, was  er  vor  sich  sieht.  Gerade  diejenige  Phantasie,  welche  die  Forschung 
fördert,  indem  sie  das  Einzelne  wie  das  Ganze,  das  Ueberlieferte  ebenso  wie  das  zu 
Erschliessende  lebendig  sich  vorstellt,  ohne  aus  oberflächlicher  Betrachtung  und 
geringem  Wissen  Trugbilder  vorzugaukeln,  zeichnet  Hehns  Arbeiten  aus,  er  besitzt 
die  glückliche  Mischung  künstlerischer  und  gelehrter  Begabung,  die  zu  gegenseitigem 
Nutzen  zusammen  wirken.  Wie  plastisch  ist  die  Stadt  Pernau  geschildert  (S.  108  ff.), 
mit  derselben  Anschaulichkeit,  die  wir  an  den  Reisebildern  bewundern.  Die  Eigenart 
eines  Volkes  zu  erfassen  und  in  kurzen  treffenden  Sätzen  zu  charakterisieren, 
dazu  war  Hehn  ganz  besonders  befähigt.  Den  „mores  Ruthenorum",  die  er  nament- 
lich in  Tula  hatte  kennen  lernen,  folgen  hier  Auszüge  aus  den  Tagebuchblättern  de 
moribus  Francorum  (S.  84  ff.)  und  de  moribus  Judaeorum  (S.  208  ff.).  Hehn  fasst 
die  Judenfrage  als  Rassenfrage.  Der  Judengeist  zerstört  nach  seiner  Anschauung 
die  europäische  Kultur,  weil  seine  Vergangenheit  eine  andere  ist.  Der  Jude  kann, 
so  glaubt  er  feststellen  zu  können,  nie  in  dem  Volke,  unter  dem  er  lebt,  aufgehen,  er 
wird  ihm  stets  feindselig  gegenüber  stehen.  Vernichtend  wird  u.  a.  Lassalle 
charakterisiert:  „Ueberall  Lüg-e,  Demagogentum  bei  Trüffeln  und  Sekt.  Unzüchtiges 
Abenteurerleben  dessen,  der  den  Heiland  der  Armen  spielte."  Hehns  Ansichten  über 
den  verderblichen  Einflu ss  der  Juden  auf  das  gesamte  öffentliche  Leben  der  Gegenwart 
kennzeichnet  der  Satz:  „Statt  oü  est  la  femme?  frage  ich  in  allen  abnormen  Fällen: 
oü  est  le  juif?u  Hehns  vornehme  Art  begeisterte  und  vertiefte  sich  endlich  allein  an 
grossen  urgewaltigen  Charakteren,  an  Bismarck  und  Goethe.  Damit  verband  sich 
notwendig  eine  entschiedene  Abneigung  gegen  den  Liberalismus,  den  er  als  flach 
und  schädlich  verdammte,  zumal  da  er  jüdischen  Elementen  freies  Spiel  gewähre. 
„Der  jetzige  Liberalismus  ist  der  legitime  Sohn  oder  Enkel  der  Philanthropie  des 
18.  Jh.,  ebenso  leer  und  wohlklingend  wie  diese."  „Parlamentarismus  ist  die 
Herrschaft  der  Dummen  und  macht  jede  Staatskunst  unmöglich."  Je  hoffnungsloser 
die  Zustände  der  Gegenwart  erschienen,  desto  mehr  versenkte  sich  Hehn  in  die 
Gestalt  Goethes.  Die  Biographie  zeigt  uns  den  Hintergrund,  aus  welchem  die 
„Gedanken  über  Goethe"  an  die  Oeffentlichkeit  traten.  In  Dorpat  hielt  Hehn  von 
1847  bis  51  Vorlesungen,  darunter  über  gotische  und  deutsche  Grammatik,  über 
deutsche  Litteraturgeschichte,  über  Schiller  und  Goethe.  Höchst  dankenswert  sind 
die  Mitteilungen  über  diese  Thätigkeit  (S.  118  ff.).  Treffend  werden  Vilmar,  Menzel 
und  Gervinus  beurteilt;  Hehns  litterargeschichtliche  Vorlesungen  waren  eigenartig 
und  selbständig,  sie  gründeten  sich  auf  reiche  Kenntnis,  sorgfältige  Erwägung  und 
feines  ästhetisches  Gefühl.  Bald  traten  Schiller  und  Goethe  in  den  Mittelpunkt 
seiner  Studien.  In  Schillers  Dramen  werden  (S.  124  ff.)  die  verschiedenen  Ent- 
wicklungsstufen aufgezeigt.  Die  Faustvorlesung  (S.  131  ff.),  die  aber  nur  im  Ms. 
vorbereitet,  nicht  mehr  gehalten  wurde,  leitet  Hehns  Goetheforschung  würdig  ein. 
In  der  Tulaer  Verbannung  gewann  sie  volle  Vertiefung.  Da  entstand  der  Plan  einer 
Goethebiographie,  worin  die  Geschichte  des  Goetheschen  Stiles  eine  besonders  ein- 
gehende Berücksichtigung  finden  sollte.  S.  154  ff.  wird  der  Entwurf  zur  Goethe- 
biographie mitgeteilt,  der  sich  (S.  157  ff.)  besonders  auf  die  Sprache  einlässt. 
S.  204  ff.  steht  eine  schöne  Betrachtung  über  die  Farbenlehre.  Die  Gedanken  über 
Goethe  finden  in  diesen  Mitteilungen  wenigstens  einigermassen  Ergänzung.  Hehns 
Leben  gestaltete  sich  im  letzten  Grunde  zu  einem  Aufgehen  in  Goethe,  für  alles 
stand  ihm  ein  Goethesches  Wort  zur  Seite.  Dieses  tiefe  Verhältnis  macht  Hehns 
Empfindungsweise  zu  einer  im  innersten  Grunde  echt  deutschen,  so  wenig  er  äusser- 
licher  Deutschtümelei  huldigte.  Hieraus  erwuchs  sein  Stilgefühl,  das  er  in  seinen 
Schriften,  aber  auch  in  der  Kritik  anderer  bethätigte.  Umfangreiche  Sammlungen 
über  das  Deutsch  der  Gegenwart  (S.  221  ff.)  legen  dafür  Zeugnis  ab.  Mit  Liebe  und 
Zorn  trat  Hehn  dieser  Aufgabe  nahe,  schonungslos  richtete  er  seinen  Zorn  und  den 
Ausdruck  seiner  Missachtung  gegen  diejenigen,  die  ihm  sein  geliebtes  Deutsch  ver- 
derben. Aus  zwei  Quellen  leitete  er  die  Verrottung  der  neueren  deutschen  Sprache 
ab,  aus  dem  Stil  der  „höheren  Commisbildung"  und  aus  dem  „judaistischen,  heini- 
sierenden  Stil".  Was  er  damit  meint,  zeigt  er  an  trefflich  ausgewählten  Beispielen. 
Hehn  tritt  somit  würdig  unter  die  Vorkämpfer  für  den  edlen,  deutschen  Stil  und  be- 
währt hier  am  besten  sein  deutsches  Wesen.     Seltsam   berührt  nach   allem,  was  wir 

(1)2* 


I  2  :  38-54  W.  Golther,  Geschichte  der  deutschen  Philologie. 

über  Hehns  geistige  Entwicklung  erfahren,  die  oberflächliche  Verurteilung  Schopen- 
hauers (S.  184  und  220).  Schopenhauers  künstlerische  Veranlagung,  seine  Stellung 
zur  Judenfrage  und  zur  Verrottung  der  deutschen  Sprache,  sein  echt  deutsches 
Denken,  fernab  jedem  „Teutonismusu,  seine  Verehrung  für  Goethe,  namentlich  auch 
für  Goethes  Naturwissenschaft  sind  doch  mit  Hehns  Anschauungen  aufs  engste  ver- 
wandt, und  trotzdem  fehlt  jegliches  Verständnis  von  Seiten  Hehns.  Vermutlich  verbaute 
die  Nachwirkung  Hegels  hier  die  Möglichkeit  richtiger,  unbefangener  Erkenntnis.  — 

Nur  kurz  gedenkt  die  ABB.  Walther  Strobels37)  (1792  —  1850),  der  sich 
mit  geschichtlichen  und  litterargeschichtlichen  Forschungen  um  seine  elsässische  Heimat 
verdient  machte.  — 

Tittmann  (1814—83)  überrascht  nach  langer  fruchtloser  Bocententhätigkeit 
in  Göttingen,  wo  er  seit  1846  habilitiert  war,  von  1867  ab,  von  Goedeke  angeregt, 
durch  überreiche  Produktivität.  Roethe38)  bemängelt  die  fehlende  philologische 
Schulung  Tittmanns,  die  namentlich  dem  Erklärer  und  Herausgeber  sehr  schadet, 
andererseits  rühmt  er  seine  Belesenheit,  die  besonders  Quellen-  und  Motivunter- 
suchungen in  den  inhaltreichen  Einleitungen  sehr  förderte.  — 

Mit  einer  kurzen  Uebersicht  über  Bernhard  ten  Brinks  äusseren  Lebens- 
lauf verbindet  Edw.  Schröder39)  eine  feine  Charakteristik  seiner  wissenschaftlichen  und 
Lehrthätigkeit.  Ten  Brinks  umfassende,  tiefe  philologische  Bildung  wird  gerühmt. 
So  gründlich  er  bei  litterargeschichtlichen  Arbeiten  alle  Faktoren  erwog,  so  verlor 
er  sich  doch  nie  in  Einzelheiten,  sondern  behielt  stets  die  höchsten  Ziele  im  Auge. 
Handwerksmässige  Kärrnerarbeit  verachtete  er.  „Hinter  einem  glänzenden  Philologen- 
harnisch schlug  ein  echtes  Poetenherz."  — 

Ein  warm  empfundener  Vortrag  schildert  Herrmann  Kurz  Leben  und 
Schaffen.  Krau  ss4ü)  führt  uns  den  Dichter  vor,  aber  von  ihm  ist  der  Gelehrte  nicht 
zu  trennen.  Bei  Kurz  vereinigt  sich  wissenschaftliche  Bildung  und  poetische  Anlage 
in  glücklichster  Weise.  Darum  vermochte  er  Tristan  und  Isolde  zu  erneuen,  fein- 
fühlige litterargeschichtliche  Untersuchungen  zu  führen,  das  Mittelalter  und  die 
schwäbische  Heimatkunde  in  seinen  Dichtungen  aufleben  zu  lassen.  — 

Im  Anschluss  an  eine  Besprechung  der  neuesten,  durch  O.  Harnack  besorgten 
Ausgabe  von  Hettners  Literaturgeschichte  giebt  Friedrich41)  einen  kurzen 
Lebensabriss  Hettners  und  hebt  die  Bedeutung  seines  Werkes  hervor.  Zu  rühmen 
sind  in  Bezug  auf  die  Form  der  künstlerisch  durchgearbeitete  Stil,  die  feine  Gliede- 
rung des  Stoffes,  in  Bezug  auf  den  Inhalt  die  Verbindung  von  Litteratur  und  Kunst, 
in  der  Betrachtung  die  Bewertung  Friedrichs  IL  und  die  Gegenüberstellung  von  Re- 
naissance und  Volkstümlichem.  Hettner  misst  die  deutsche  Litteratur  an  der  gleichzeitigen 
auswärtigen,  nicht  wie  Gervinus  vom  Gesichtspunkt  der  klassischen  Glanzperiode.  — 

Am  13.  März  feierte  Rudolf  Hildebrand42"49)  seinen  70.  Geburtstag,  am 
28.  Oktober  erlag  er  seinem  langjährigen  schweren  Leiden.  Die  treue  Liebe  seiner 
Schüler  und  Freunde  verschönte  des  verehrten  Lehrers  letztes  Fest,  tiefe  und  wahre 
Trauer  klagte  um  den  Entschlafenen.  Am  13.  März  ernannte  der  deutsche  Sprach- 
verein Hildebrand  zum  Ehrenmitglied,  dieZDU.  gab  zu  seinen  Ehren  einen  besonderen 
Band50)  heraus,  ausserdem  erschien  noch  eine  weitere  Festschrift51),  von  Vertretern 
der  germanischen  Altertumskunde  veranstaltet.  Die  Bände  legen  im  Schaffen  der  Schüler 
beredtes  Zeugnis  ab  für  die  weite  und  nachhaltige  Wirkung  der  Lehre  Hildebrands.  — 
Von  den  Nachrufen  sei  hier  nur  der  ausführlichste,  der  Berlits52),  hervorgehoben; 
aber  auch  die  kürzeren,  so  besonders  die  von  Wünschmann53)  und  von  der  Leyen54) 
bieten  schätzbare  Beiträge  zu  Hildebrands  Charakteristik.  Alle  sind  darin  einig, 
Hildebrands  gemütvolle,  poetische,  tiefgründige,  echt  deutsche  Sinnesart  zu  rühmen. 
Mit  dieser  Persönlichkeit  muss  man  rechnen,  will  man  Hildebrand  nach  Gebühr 
würdigen.  Seine  schriftstellerische  Thätigkeit  findet  Ergänzung  in  seiner  Lehrthätig- 
keit, welche  freilich  nicht  in  gewohnten  Geleisen  verlief,  aber  offenbar  ungemein 
anregend  wirkte.  Als  Gymnasiallehrer  vereinigte  er  nach  Haupts  Vorbild  klassische 
und  deutsche  Philologie,  die  er  überhaupt  nicht  gänzlich  von  einander  losgelöst,  viel- 
mehr harmonisch  mit  einander  ausgeglichen  wünschte.  Im  deutschen  Unterricht 
wusste  er  die  Denkmäler  sehr  lebendig  zu  erklären  und  dabei  das  Sprachgefühl  zu 
wecken.  Seine  Schüler  bewahrten  diesen  Stunden  dankbare  Erinnerung.  Ebenso 
eigenartig  gestalteten  sich  seine  akademischen  Vorträge,  in  denen  er  unendlich  viel 

A.  W.  Strobel:  ADB.  37,  S.  334.  —  38)  G.  Roethe,  F.  J.  Tittmann:  ib.  38,  S.  386  7.  —  39)  Edw.  Schröder,  B.  ten  Brink: 
ib.  37,  S.  785/8.  —  40)  B.  Krause,  H.  Kurz.  Vortr.:  BBSW.  S.  194-206.  —  41)  B.  Friedrich,  H.  Hettner:  BLU.  S.  3a5/7. 
—  42)  X  H-  Unbescheid,  Z.  70.  Geburtst.  R.  Hildebrands:  ZDU.  8,  S.  478/9.  (Gedicht.)  —  43)  X  O.  Lyon,  Zu  R.  Hilde- 
brands 70.  Geburtst  :  ib.  S.  153/4.  (Gedicht.)  —  44)  X  Z.  70.  Geburtst.  R.  Hildebrands:  TglRs».  N.  37.  —  45)  X  Schloener, 
R.  Hildebrand  als  Vorkämpfer  dtsch.  Bildung  u  Frz.:  ib.  N.  81.  (Mit  bes.  Hervorhebung  v.  Hildebrands  Lehrthätigkeit.)  —  46)  X 
.1.  Goebel,  R.  Hildebrand:  MLN.  9,  S.  171,5.  —  47)  X  O.  Lyon,  R.  Hildebrand  (Nekrol.):  ZDU.  8,  S.  785/8.  (Mit  d.  letzten 
Artikel  Hildebrands  iür  ZDU.  „Wache  stehn  u.dgl.")  —  48)  X  E-  Hildebrand:  VossZg.  N.  507.  —  49)  X  R-  Hildebrand: 
BerlTBl.  N.  552.  —  50)  X  Forschungen  z.  dtsch.  Philol.  Festgabe  für  R.  Hildebrand  z.  13.  März  1894.  L„  Veit  &  Co.  HI, 
324  S.  M.  7,50.  —  51)  X  (I  1  =  69.)  —  52)  G.  Berlit,  R.  Hildebrand.  E.  Erinnerungsbild:  N.lbbPh.  150,  S.  544-80.  —  53)  X 
M.  Wünschmann,  Nachruf  auf  R.  Hildebrand:  LeipzTBlu.  4.  Nov.   —   54)  X  F.  v.  d.  Leyen,  Z.  Erinnerung  an  R.  Hilde- 


W.  Golther,  Geschichte  der  deutschen  Philologie.  I  2:55-66 

gab,  wenn  auch  in  steter  Abschweifung-  vom  eigentlichen  Gegenstände.  Er  mag  hierin 
Konrad  Hofmann  ähnlich  gewesen  sein.  Hildebrands  schriftstellerische  Thätigkeit 
gehörte  vorwiegend  der  Wortforschung  und  dem  deutschen  Unterricht.  Staunenswerte 
Belesenheit,  unvergleichlich  tiefer  und  feiner  Sprachsinn,  Fähigkeit,  die  Sprache  im 
Zusammenhange  mit  dem  Leben  des  Volkes  in  Glauben,  Sitte  und  Recht  anzuschauen, 
stellen  Hildebrand  in  nächste  Verwandtschaft  zu  J.  Grimm.  —  Berlit55)  hebt  die 
Bedeutung  des  Büchleins  vom  deutschen  Sprachunterricht  hervor  und  zeigt,  wie 
grosse  Förderung  die  Lehrer  für  ihren  Beruf  daraus  schöpften.  In  der  Gedächtnis- 
rede nannte  Sievers  den  toten  Amtsgenossen  einen  Praeceptor  Germaniae.  — 

Kuno  Fischer  wird  von  einem  Anonymus56)  so  charakterisiert:  „Er  ist 
kein  bahnbrechender  Originaldenker,  auch  kein  nüchterner  Kritiker,  aber  eine  ganz 
bedeutende  Persönlichkeit.  Er  besitzt  seltene  Formschönheit  in  der  Wiedergabe  und 
Auslegung  philosophischer  Systeme;  er  vermag  bis  in  die  feinsten  Gedanken- 
windungen einem  Denker  oder  Dichter  zu  folgen.  Fischer  zergliedert,  um  wieder 
aufzubauen  und  zeigt  seinen  Hörern  in  den  einzelnen  Teilen  das  ganze  Gesetz.  Als 
Literarhistoriker  ist  er  sehr  anregend  und  unterhaltend;  er  versteht  sich  trefflich 
auf  wirkungsvollen  Vortrag  der  Dichtungen.  Darum  ist  sein  Hörsaal  immer  voll.  Im 
persönlichen  Verkehr  ist  er  gegen  seine  Schüler  sehr  freundlich,  in  der  Prüfung 
sehr  streng,  aber  nicht  pedantisch;  er  weiss  Nichtwissen  und  augenblickliche  Ver- 
wirrung wohl  zu  unterscheiden.  Auch  hier  rechnet  er  als  wohlwollender  Lehrer  mit 
der  Individualität  seiner  Schüler."  — 

Der  Bericht  des  britischen  Museums  über  neu  anzuschaffende  Werke  mit 
hs.  Einträgen  nennt  2  Exemplare  des  Wörterbuches  von  Daniel  Sanders57)  mit 
beinahe  40000  Vermehrungen  und  Verbesserungen  von  der  Hand  des  Vf.  Dabei 
wird  Sanders  Fleiss  und  Gewissenhaftigkeit  sehr  gelobt  und  diese  Arbeit  für  die 
Lexikographie  als  sehr  wertvoll  bezeichnet.  —  Sanders  Verdienste  hebt  auch  ein 
Aufsatz  von  Böhme58)  hervor.  — 

In  überschwenglichen  Lobpreisungen  der  Verdienste  Georg  Brandes,  die 
im  einzelnen  aufgezählt  werden,  ergeht  sich  Clemen59).  Brandes  führte  deutsche 
Kunst  und  Philosophie  im  Norden  ein  und  eröffnete  der  neu  erwachenden  skandi- 
navischen Litteratur  den  Weg  nach  Deutschland.  Brandes  sei  der  Typus  der  wirk- 
lichen schöpferischen  Kritik,  die  nicht  nur  Vorurteile  aus  dem  WTege  räumt,  sondern 
auch  als  Gedankenerzeugerin  wirkt.  — 

Der  Nachruf  auf  Reinhold  Bechstein  von  Glöde60)  betont  seine  trefflichen 
Eigenschaften  im  persönlichen  Umgange  mit  den  Schülern,  worin  er  eine  Hauptaufgabe 
erblickte.  So  wurden  die  Studenten  durch  unmittelbare  zwanglose  Belehrung  in  die 
Wissenschaft  eingeführt,  ein  herzliches  Verhältnis  entstand  zwischen  Lehrer  und 
Schülern.  Bechsteins  Hauptgebiet  war  Mittelhochdeutsch.  Im  Unterricht  legte  er 
grosses  Gewicht  auf  die  Altertümer,  durch  deren  genaue  Schilderung  er  die  Lesung 
der  Gedichte  zu  beleben  wusste.  Auch  Bibliographie  wurde  fleissig  betrieben.  G.  ver- 
zeichnet die  wichtigsten  der  aus  dem  Seminar  hervorgegangenen  Dissertationen.  — 
In  ähnlichem  Sinne  charakterisiert  Kopp  mann61)  den  Gelehrten.  — 

Der  verstorbene  Direktor  des  Köllnischen  Gymnasiums  zu  Berlin  Franz 
Kern62-63)  findet  nach  seiner  literarhistorischen  und  pädagogischen  Thätigkeit 
Würdigung.  Seine  Goetheforschung  erstreckt  sich  auf  den  Faust  und  auf  die  Lyrik.  Er 
betonte  den  wirklichen  Faust,  wie  ihn  Goethe  geschaffen,  im  Gegensatz  zu  dem 
idealisierenden  Faustkult.  Seine  Schrift  über  Goethes  Lyrik  ebnet  weiteren  Kreisen 
den  Weg  zum  Verständnis.  Gegen  die  Goetheforschung,  die  sich  in  Kleinigkeiten 
verliert  und  allzu  sehr  Goethes  Persönlichkeit  in  den  Werken  aufzuspüren  trachtet, 
verhielt  sich  Kern  ablehnend.  Die  deutsche  Grammatik  behandelte  er  vom  pädagogischen 
Standpunkt.  Er  suchte  durch  deren  logische,  klare  Gliederung  den  deutschen 
Unterricht  in  den  höheren  Klassen  zu  heben  und  zu  beleben.  — 

J.  Klaiber,  der  württembergische  Schulmann  und  Litterarhistoriker,  wird  von 
Straub64)  gerühmt  als  vaterländischer  Redner,  als  sinniger  Dolmetscher  und 
begeisterter  Herold  des  Schönen  der  Poesie.  — 

Ueber  S.  Szamatölski  bringt  das  Athenäum  eine  kurze  Notiz.65)  —  Worte 
warmer  Anerkennung  widmete  dem  allzu  früh  verstorbenen  Mitbegründer  der  JBL. 
Erich  Schmidt66)  in  einem  Nachrufe,  der  dem  ersten  Halbbande  des  dritten  Bandes 
(vgl.  I  1 :  86)  beigelegt  wurde.  — 

brand:  NatZg.  N.  656.  —  55)  (S.  o.  V.  52.)  —  56)  Zu  Kuno  Fischers  70.  Geburtst.:  BerlTBl.  N  370.  —  57)  Z.  Wertschätzung 
D.  Sanders  in  England:  BerlTBl.  N.  568.  —  58)  O  B-  Böhme,  D.  Sanders:  MADSprV.  5,  S.  118-26.  —  59)  P.  Clemen, 
G.  Brandes:  ML.  63.  S.  236-41.  —  60)  O.  Glöde,  Reinh.  Bechstein  (Nekrol.):  ZDU.  8,  S.  763  7.  —  61>  K.  Koppmann, 
K.  Bechstein:  KBIVNiederdSpr.  17.  S.  73,4.  -  62)  X  F-  Rern  (Nekrol.):  VossZg.  N.  585.  —  63)  X  P-  Wendland,  F.  Kern: 
ib.  N.  594.  —  64)  J.  Straub,  Bede  bei  d.  Enthüllung  d.  Bütte  J.  Klaibers  auf  d.  Fragfriedhof  am  22.  März:  BBSW.  S.  66  7. 
—  65)  S.  Szamatölski:  Ath.  2,  S.  291.  —  66)  [Erich  Schmidt],  Nachruf  auf  S.  Szamatölski:  Beibl.  zu  JBL.  1892.  — 


I  3  :  i-ii  0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen. 

1,3 

Schrift-  und  Buchwesen. 

Oskar  von  Hase. 
Die  Inhaltsangabe  s.  am  Schlüsse  des  Abschnitts. 

Die  wissenschaftliche  Behandlung-  des  Schriftwesens  der  neueren  deutschen 
Litteratur  ist  gleich  der  gesamten  Wissenschaft  von  der  neueren  Litteratur  bei  Grund- 
legung und  weiterem  Aufbau  auf  Erfahrung  und  Arbeitsweise  der  verwandten  älteren 
Wissenschaften  angewiesen.  Die  Paläographie  muss  deshalb,  um  deren  Methode 
auch  für  die  neuere  deutsche  Literaturgeschichte  fruchtbar  zu  machen,  dauernd  auf 
weiter  zurückliegende  Gebiete  verfolgt  werden.  Die  von  der  Wiener  Akademie  durch 
Veranstaltung  des  Corpus  scriptorum  ecclesiasticorum  und  die  durch  die  Auetores 
antiquissimi  der  Monumenta  Germaniae  gestellten  grossen  Aufgaben  haben  der 
mittleren  Zeit  den  Segen  paläographischer  Untersuchung  derartig  zugewandt,  dass 
Chatelain1)  seine  Paläographie  der  lateinischen  Klassiker  im  Hinblick  darauf  unter- 
nommen hat,  dass  Cicero  und  Vergil  gegenüber  Orosius  und  Marius  Victor  zu  kurz 
gekommen  seien.  Dem  ersten  Teil  dieser  im  J.  1884  begonnenen  Veröffentlichung  mit 
105  vortrefflichen  Heliogravüren  Dujardins  ist  jetzt  die  achte  Lieferung  gefolgt;  das 
Werk  umfasst  bis  jetzt  Plautus,  Terenz,  Varro,  Catull,  Cicero,  Cäsar,-  Sallust,  Lucrez, 
Vergil,  Horaz,  Ovid,  Properz  und  Tibull.  Die  Absicht  ist,  300  photographische  Auf- 
nahmen in  dieser  Weise  zu  veröffentlichen.  —  Thompson2)  und  Warner  haben 
das  grosse  Unternehmen  der  Paläographischen  Gesellschaft  in  London,  das  nicht  nur 
zeitlich  sich  weitere  Grenzen  gesetzt  hat,  nunmehr  abgeschlossen.3"4)  —  Ein  beachtens- 
wertes Beispiel,  wie  die  Paläographie  doch  auch  zur  Erforschung  einer  bedeutenden 
Persönlichkeit  der  jüngeren  Vergangenheit  nutzbar  werden  kann,  bietet  die  Bach- 
gesellschaft zu  Leipzig,  in  deren  Auftrag  Kretzschmar5)  Joh.  Seb.  Bachs  Hs  aus 
allen  Zeiten  und  aus  allen  Gebieten  seiner  Komposition,  möglichst  den  bekanntesten 
und  bedeutendsten  der  jetzt  in  43  Jahrgängen  vorliegenden  Werke  entnommen,  in 
142  Lichtdrucktafeln  wiedergiebt.  Gerade  bei  einem  Autor,  dessen  Werke  bei  Leb- 
zeiten fast  ausnahmslos  nicht  im  Druck  und  zumeist  auch  nicht  in  Abschrift  erschienen 
sind,  bietet  die  zeitlich  geordnete  Wiedergabe  der  Hss.-Proben  Anhalt  für  den  Wert 
der  Hs.,  ob  hingeworfenes  Konzept  oder  sauber  ausgeführte  Reinschrift,  ferner  Ein- 
blick in  Arbeitsmethode,  in  äussere  Voraussetzungen  der  Entstehung  und  in  die  Ent- 
wicklung der  Hs.  und  giebt  in  Stichproben  Gelegenheit,  die  Grundsätze  der  kritischen 
Herausgeber  nachzuprüfen.  — 

Zur  Litteratur  über  die  Kurzschrift  ist  anzumerken,  dass  von  Schrey6)  (im 
Verein  mit  Johnen)  der  erste  Jahrgang  eines  sehr  verdienstvollen  Zeitungsunter- 
nehmens zu  Ende  geführt  worden  ist.  Das  Blatt,  das  den  Titel  früherer  ähnlicher  Zeit- 
schriften aufgenommen  hat,  ist  musterhaft  redigiert  und  wird  bei  zu  erhoffendem  Be- 
stände eine  reiche  Fundgrube  für  den  künftigen  Geschichtsschreiber  der  neueren 
Stenographie  abgeben.  —  Gleichfalls  für  Anhänger  aller  Schulen  bestimmt  ist  eine 
von  Arendsscher  Seite  ausgehende,  von  Hirsch7)  herausgegebene  Broschürensamm- 
lung, die  in  zwangloser  Folge  sowohl  Fragen  allgemein  stenographischen  Interesses 
als  einzelner  Systeme  behandelt;  ferner  Kronsbeins8)  Zusammenstellung  von  Aus- 
sprüchen bedeutender  Parlamentarier  über  die  Stenographie,  die  durch  die  beigedruckten 
Namenszüge  zugleich  für  Autographenliebhaber  Wert  bekommt.  —  In  2  Vorträgen 
behandelt  Fröhliger9)  das  geistvollste  aber  auch  anfechtbarste  Kapitel  der  Gabels- 
bergerschen  Schrift,  die  Lehre  von  den  Wort-  und  Satzkürzungen.  —  Die  beiden 
hauptsächlichsten  Sammlungen  von  Lesestoff  in  Gabelsbergerscher  Schrift,  die  von 
Marnet10)  und    Reuter11),  sind  in  letzter  Zeit  zu  stattlichem  Umfang  angewachsen. 


1)  E.  Chatelain,  Paleographie  des  classiques  latins.  Collect,  de  facsimiles.  Livr.  8.  Paris,  Hachette.  Fol. 
15  Taf.  u..  4  S.  Text.  Fr.8,00.  (Livr.  1-7:  1884-92.)  -  2)  O  E.  M.  Thompson  u.  G.  F.  Warner,  The  paleographical  society. 
Facsimiles  of  ancient  mss.  etc..  2.  ser.  part.  10.  London,  Clowes.  Fol.  25  Taf.  Sh.  12.  —  3)  O  A.  Giry,  Manuel  de  diplo- 
matique. Paris,  Hachette.  XVI,  544  S.  Fr.20,00.  |[H.  Pirenne:  RCr.  38,  S  .  282/5.  ]|  —  4)  X  *"•  Leist,  Katechismus  d.  Urkunden- 
lehre (JBL.  1893  I  3:4).  |[J.  Lampel:  ÖLB1.  3,  S.  392/4;  H.Löschhorn:  MHL.  22.  S.  136/7.]|  —  5)  J.  S.  Bach,  Hs.  in  zeitlich 
geordneten  Nachhildungen.  Her.  v.  H.  Kretzschmar.  (=  J.  S.  Bachs  Werke.  44.  Jahrg.)  L.,  Bachgesellschaft.  Fol.  XXII, 
142  Bll.  (Privatdr.)  —  6)  D.  Schriftwart.  Z.  für  Stenographie  u.  Schriftkunde.  Ked.  v.  F.  Schrey.  1.  Jahrg.  N.  1-12. 
B.,  Schrey.  120  S.  M.  2,00.  —  7)  Paul  Hirsch,  Stenograph.  Zeit-  u.  Streitfragen.  Unter  Mitw.  hervorrag.  Knnstgenossen 
für  Anhänger  aller  Systeme  her.  Heft  1-5.  B.,  Haufes  Buchdr.  u.  Verl.  16,  18,  19,  14,  15  S.  je  M.  0,30.  —  8)  W.  Kronsbein, 
Parlament  u.  Stenogr.  Aeusserungen  d.  bekanntesten  Parlamentarier  über  d.  Stenogr.  Wiesbaden.  Bechtold  &  Co.  12".  110  S. 
M.  1,50.  —  9)  M.  Fröhliger,  Satzkürzung  oder  Wortkürzung?  D.  Entsteh,  u.  Entwickl.  d.  Gabelsbergerschen  Satz- 
kürznngslehre.  (=  Vortrr.  u.  Abhandl.  z.  Gabelsb.  Sfenogr.  N.  4.)  Dresden,  Eenter.  64  S.  M.  1,00.  —  10)  W.  Marnet, 
Biichersamml.  für  Gabelsbergersche  Stenographen.  29  Bde.  Neustadt  a.  H.,  Marnet.  VII,  44  S.;  47,  47,  47,  80,  64,  36,  29.29, 
48,  61,  58,  66,  195,  183,  96,  44,  42,  87,  76,  28,  54,  48,  48,  64,  104,  16,  55,  44  S.     M.  23,65.    —    11)    Beuters    Bibl.    für    Gabeis- 


O.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  13 


12-20 


—  Von  den  Veröffentlichungen  der  neuerdings  gut  fortschreitenden  Schule  der  ver- 
einfachten Stenographie  (System  Schrey-Johnen-Socin)  sind  das  eine  gute  Uehersicht 
bietende  Jahrbuch12)  und  die  Schreysche13)  Arbeit  über  den  Nutzen  der  Kurz- 
schrift für  den  Kaufmann  zu  erwähnen.  —  Für  die  Gesamtheit  der  litterarischen  Er- 
scheinungen wie  für  Statistik  und  Vereinswesen  sei  abermals  auf  die  betreffenden 
Abteilungen  der  beiden  wichtigsten  Stenographen-Kalender14"15)  verwiesen;  leider 
verzeichnet  das  Gabelbergersche  Jahrbuch  in  neuerer  Zeit  nicht  mehr  auch  die  aus- 
ländischen Erscheinungen.  Hoffentlich  beschert  ein  kommendes  Jahr  den  deutschen 
Stenographen  zwei  Dinge,  die  sie  längst  erwarten:  eine  umfassende  Geschichte  der 
Kurzschrift  und  eine  wissenschaftliche  internationale  Bibliographie.  Für  beides  sind 
gute  Vorarbeiten  vorhanden;  aber  bei  ihrer  Benutzung  wächst  die  Lust  nach  etwas 
Erschöpfendem  und  Mustergiltigem,  wie  es  bei  der  zunehmenden  Bedeutung  der  be- 
flügelten Schrift  in  unserer  Zeit  und  der  führenden  Stellung,  die  Deutschland  auf 
diesem  Gebiete  behauptet,  wohl  berechtigt  wäre.  — 

Die  Verzeichnung  der  Handschriften  im  preussischen  Staate  schreitet  rüstig 
vorwärts.  Das  bahnbrechende  Göttinger  Verzeichnis16)  ist  mit  dem  dritten  Bande 
abgeschlossen,  in  dem  Wilhelm  Meyer  der  Unterstützung  von  K.  Dziatzko  und 
R.  Pi  et  seh  mann  gedenkt.  Ueber  die  europäischen  und  orientalischen  Hss.,  diese 
von  J.  Flemming  u.  a.  herausgegeben,  sind  gesonderte  Register  beigegeben.  Der 
Schlussband  enthält  wichtige  Nachlässe  von  Gelehrten,  beschrieben  von  Karl  Meyer, 
0.  Günther  u.  a.  Die  eingehende  Beschreibung  neuerer  Hss.,  deren  Göttingen  eine 
Menge  besitzt,  widersprach  dem  hergebrachten  Brauche.  Gerade  die  neuere  deutsche 
Literaturgeschichte  darf  sich  des  Bruchs  mit  den  alten  Anschauungen  freuen,  zumal 
der  Herausgeber  bekundet,  dass  jetzt  schon  dieses  neue  Vorgehen  Anregungen  und 
Arbeiten  geweckt  hat.17)  —  Von  den  zuvor  im  Gange  befindlichen  Hss.-Verzeichnissen 
der  Kgl.  Bibliothek  in  Berlin  ist  der  18.  Band  litterargeschichtlich  wichtig,  denn 
Ahlwardt18)  verzeichnet  im  6.  Bande  der  arabischen  Hss.  nächst  den  grammatischen, 
lexikalischen,  metrischen  und  rhythmischen  Hss.  (Buch  15/8)  den  Anfang  des  Faches 
der  Poesie,  das  Werkein  metrischer  Form  und  schöngeistige  Litteratur,  Unterhaltungs- 
werke, in  Prosa  oder  gemischt,  umfasst.  Den  Anfang  machen  litterargeschichtliche 
Werke,  Dichter  der  Vorzeit  und  Sammlungen  und  Dichter  seit  der  Zeit  des  Islam 
nach  den  einzelnen  Jhh.  (Buch  19,  N.  1/3).  —  Aus  dem  Kreise  der  rheinischen  Biblio- 
theken bietet  Ke  uff  er  slfl)  wertvolles  Hss.- Verzeichnis  der  Stadtbibliothek  zu  Trier, 
von  dem  bisher  die  Hefte  über  die  h.  Schrift  und  die  Kirchenväter  als  Quellen  des 
religiösen  Lebens  im  Mittelalter  erschienen  waren,  im  dritten  Hefte  deren  Ausbeutung 
in  Predigten  des  10.— 16.  Jh.,  darunter  am  stärksten  vertreten  das  15.  Jh.  ("89  Bände 
ganz  und  5  teilweise).  Die  Einleitung  berichtet  über  Herkunft,  Vf.  und  Schreiber, 
weist  auch  besonders  auf  Laienpredigten,  deutsche  Uebersetzungen  und  Ver- 
deutschungen hin,  am  meisten  ist  unter  den  Predigtmagazinen  die  Sammlung  des 
Soccus  vertreten.  —  Von  der  badischen  Hof-  und  Landesbibliothek  in  Karlsruhe 
haben  zwei  frühere  Angehörige,  Lamey  und  Längin  20),  zur  Begrüssung  des  6.  all- 
gemeinen deutschen  Neuphilologentages  dankenswerte  Beschreibungen  der  romanischen 
und  deutschen  Hss.  dieser  Anstalt  veröffentlicht.  Unter  der  bescheidenen  Zahl  der 
von  Lamey  beschriebenen  romanischen  Hss.  tritt  das  reich  geschmückte  Trostschreiben 
an  Louise  von  Savoyen  nach  der  Gefangennahme  ihres  Sohnes  Franz  I.  bei  Pavia 
hervor;  von  den  14  Bildern  und  3  Wappen  sind  4  Nachbildungen  beigegeben.  Längins 
reiches  Verzeichnis  der  deutschen  Hss.  reicht  von  der  Karolingerzeit  bis  ins  neue 
Reich,  der  Hauptbestand  kommt  aus  g-eistlichem  Besitze  oberrheinischer  Klöster  im 
14.  und  15.  Jh.  und  ist  nicht  unwichtig  für  die  Geschichte  der  deutschen  Mystik. 
Nächst  der  Beschreibung  der  Hss.  aus  dem  Benediktinerkloster  St.  Georgen  in 
Villingen  wird  eine  systematische  Uebersicht  über  die  Hss.  gegeben,  für  das  Mittel- 
alter bis  zum  J.  1500  vollständig,  für  die  spätere  Zeit,  abgesehen  vom  16  Jh.,  mit  Aus- 
schluss der  Fachschriften.  Sprachgeschichtlich  wertvoll  ist  die  durchgeführte  Be- 
stimmung der  Mundarten,  unter  den  alemannischen  sind  viele  oberelsässische,  unter 
den  bayerischen  dürften  manche  aus  dem  deutschen  Böhmen  zu  luxemburgischer 
Zeit  stammen,  bei  den  als  alemannisch-schwäbisch  bezeichneten  liegt  das  Hauptgewicht 
auf  letzterer  Mundart.     Unter  den  183  mittelalterlichen  Hss.  entstammen   der   älteren 

bergersche  Stenographen.  Bd.  1-51.  Dresden.  W.  Reuter.  12°.  ä  3  bis  10  Bogen.  a  M.  0,40  bis  M.  1,60.  —  12)  Jb.  d.  Schule 
d.  Vereinfachten  Stenogr.  4.  Jahrg.  Bearb.  v.  F.  Schrey.  B..  Schrey.  118  S.  M.  3,00.  —  13)  F.  Schrey,  Stenographie 
u.  Kaufmann,  ebda.  8  S.  M.  0,25.  —  14)  Dtsch.  Stenographenlcal.  her.  v.  W.  Mertens.  4.  Jahrg.  L.,  Kllnkhardt.  16°.  175  S. 
M.  1,25.  —  15)  Jb.  d.  Schule  Gabelsbergers.  Her.  v.  Kgl.  stenogr.  Inst,  zu  Dresden.  37.  Jahrg.  L.,  Zehl.  16°.  XXIV, 
116  S.  M.  3,00.  —  16)  Verzeichnis  d.  Hss.  im  Preuss.  Staate.  I.  Hannover  3.  Göttingen  3.  Univ.-Bibl.,  Nachlässe  v.  Gelehrten. 
Oriental.  Hss.  Hss.  im  Besitz  v.  Instituten  u.  Behörden.  Reg.  zu  Bd.  1-3.  B.,  Bath.  VIII,  551  S.;  244  S.  M.  26,00.  (Vgl. 
JBL.  1893  I  3  :  29.)  —  17)  Tabnlae  codicum  manu  scriptorum  (JBL.  1893  I  3  :  35):  ÖLB1.  3,  S.  15,6.  —  18)  D.  Hss.- Verzeichnisse 
d.  Kgl.  Bibl.  zu  Berlin.  18.  Bd.  Verzeichnis  d.  Arab.  Hss.  v.  W.  Ahlwardt.  6.  Bd.  B.,  Asher  <fc  Co.  4°.  VUI,  623  S. 
M.  28,00.  (Vgl.  JBL.  1893  I  3  :  34.)  —  19)  M.  Keuffer,  Beschreib.  Verzeichnis  d.  Hss.  d.  Stadtbibl.  zu  Trier.  Heft  3: 
Predigten.  Trier,  Lintz.  XIV,  166  S.  M.  3,00.  IfStML.  46,  S.  566.]  |  (Vgl.  JBL.  1891  14:1.)  —  20)  D.  Hss.  d.  Grossherz. 
Bad.  Hof-    u.  Landesbibl.    in    Karlsruhe.     Beil.  II.     Romanische  Hss.  v.  P.  Lamey.     Dtsch.  Hss.  v.  Th.  Längin.     Karlsruhe, 


I  3:21-29  0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen. 

Zeit  30  Glossen,  der  mittleren  u.  a.  11  poetische  Werke,  die  weltlichen  darunter 
sind:  Albrechts  von  Scharffenberg  jüngerer  Titurel  (Bayer.  1431),  Boners  Edelstein 
und  Frigedangk  (Alem.  15.  Jh.),  der  Stricker,  Karl  (Schwab.  Schreiber  15.  Jh.), 
Thomasins  von  Zirclaria  welscher  Gast,  Ulrikh  der  Busant  usw.,  poetische  Erzählungen 
und  Schwanke  (15.  Jh.).  An  prosaischen  Schriften  ist  am  reichsten  (mit  114  N.) 
Theologie  und  Erbauung  vertreten.  Unter  den  100  Hss.  der  neueren  Zeit  tritt  die 
weltliche  Poesie  hervor.  Karlsruhe,  Lichtenthai,  H.  Peter,  Reichenau,  Ettenheim- 
münster,  Durlach,  Rastatt,  St.  Blasien  sind  die  Hauptherkunftsstätten  des  verzeichneten 
Hss.-Besitzes.  —  Von  den  Hss.  der  Universitätsbibliothek  in  München  berichtet  den 
Lesern  der  Allgemeinen  Zeitung  Rueppr  echt21),  mag  dies  das  Vorspiel  für  eingehende 
Verzeichnung  der  2024  Nummern  umfassenden  Sammlung  sein,  die  zahlreiche  Stücke 
allgemeinen  und  landesgeschichtlichen  Interesses  besitzt.  —  Ueber  das  Herstellungs- 
wesen des  mittelalterlichen  Buches22)  hat  Paoli23),  dessen  handlichen  Grundriss  der 
lateinischen  Paläographie  seiner  Zeit  E.  Lohmeyer  der  deutschen  Benutzung  gewonnen 
hat,  eine  anschauliche  Schrift  verfasst.  —  Dass  neben  dem  das  Fach  beherrschenden 
Gelehrten  auch  ein  angesehener  geschäftlicher  Praktiker  wie  Quaritch24)  seine  Er- 
fahrungen über  Geschichte  der  Schrift  und  mittelalterliche.  Bilderhss.  einem  vertrauten 
Kreise  mitteilt,  kann  nur  freudig  begrüsst  werden.  —  Den  schriftlichen  Anweisungen 
für  die  Illuministen  in  Hss.  des  Mittelalters  sind  in  Frankreich  Berg  er  und  Durrieu25) 
bei  französischen  und  deutschen  Bibeln,  litterarischen,  wissenschaftlichen,  litur- 
gischen u.  a.  Werken  nachgegangen.  Zur  Bezahlungsweise  werden  Belege,  gelegentlich 
mit  Empfangsbestätigung  angeführt,  hiernach  werden  Miniaturen  und  grösserer  Zierrat 
nach  Stück  und  Tarif,  minder  wichtige  Buchstaben  und  Verzierungen  nach  Dutzend 
oder  Hundert  berechnet.  —  Als  Quellen  zur  Geschichte  der  Miniaturmalerei,  mit  dem 
ausgesprochenen  Zwecke,  dass  nach  solchem  Plane  nach  und  nach  die  wichtigeren 
Miniaturen  aller  grösseren  Bibliotheken  behandelt  werden  möchten,  hat  B eissei26) 
vatikanische  Miniaturen  herausgegeben.  Aus  dem  reichen  Schatze  der  vatikanischen 
Bibliothek  sind  auf  30  Tafeln  43  Bilder  in  gutem  Lichtdrucke  der  Fototipia  Danesi 
in  Rom  wiedergegeben,  im  Texte  sind  die  Farbenwerte  für  die  einzelnen  Bilder  an- 
gemerkt. Bei  den  teueren  Preisen  farbiger  Wiedergabe  mag  dieses  Verfahren  als 
ein  angemessener  Behelf  bei  Lichtdruck  weiterer  Beachtung  empfohlen  sein.  In  fünf 
Gruppen  werden  Miniaturen  altklassischen  Stils,  abendländische  vom  7.— 11.  Jh., 
griechische  des  Mittelalters,  abendländische  des  11.— 14.  Jh.  und  des  15.  und  16.  Jh. 
geboten.  Jeder  Gruppe  ist  eine  Uebersicht  der  vatikanischen  Bilderhss.  dieser  Periode 
beigegeben,  insgesamt  werden  über  350  Bände  herangezogen.  Der  Bilderschmuck 
altklassischen  Stils,  vertreten  auch  die  Virgilhss.  (lat.  3867  und  3225),  Terenz  (lat.  3868), 
die  Schrift  De  agrimensoria  (lat.  1564)  und  die  griechische  Josua-Rotel  (graec.  431), 
war  durchweg  schon  früher  veröffentlicht  und  entstammt  späteren  Nachbildungen. 
Von  Bilderhss.  des  11. — 14.  Jh.  werden  solche  aus  Süddeutschland,  Italien  und  Frank- 
reich wiedergegeben,  von  denen  des  15.  und  16.  Jh.  zumeist  italienische  edler  Art,  zum 
Schlüsse  eine  flämische  und  eine  Augsburger;  Bücher  deutschen  Textes  sind  nicht  ver- 
treten. —  Ohne  Beigabe  von  Tafeln,  aber  wichtig  durch  die  Nachweisung  von  Hss.  in 
Spanien,  die  sich  durch  ihre  Bilder  oder  die  Schönheit  ihrer  Ausführung  auszeichnen, 
ist  eine  Arbeit  von  Durrieu27)  nach  Aufzeichnungen  auf  der  Kolumbusausstellung 
in  Madrid  unter  Heranziehung  der  Bibliotheca  nacional  und  der  Bibliothek  des  Escurial; 
er  berichtet  ausführlich  über  französische,  flämische,  spanische,  italienische,  deutsche, 
englisch-normannische  Hss.  —  Wertvolle  Bilderhss.  des  Hauses  Savoyen  aus  dem 
15.  Jh.  beschreibt  und  vervielfältigt  Mugnier28),  das  Brevier  der  Herzogin  Marie 
von  Mailand,  wohl  einheitlich  von  einem  italienischen  Franziskaner  hergestellt,  wird 
auf  der  Stadtbibliothek  von  Chambery  bewahrt,  die  Livres  d'Heures  der  Herzöge 
Ludwig  und  Amadeus  IX.  auf  der  Pariser  Nationalbibliothek  und  teilweise  in  Cham- 
bery. —  Varnhagen29)  handelt  unter  Beigabe  guter  Lichtdrucke  über  vier  fran- 
zösische Hss.  des  15.  und  16.  Jh.  —  Für  Gewinnung  eines  Ueberblickes  wichtiger  als 
die  an  sich  wertvolle  Aufzeichnung  und  Beschreibung  einzelner  künstlerisch  hervor- 


Groos.  4°.  IV,  VI,  49  S.;  XIII,  117,  XX  S.  M.  4,00.  |[A.  Cartallieri:  ZGORh.  9,  S.  726/7.]|  —  21)  Chrn.  Ruepprecht, 
Mitteil,  über  d.  Hss.-Samml.  d.  kgl.  Univ.-Bibl.  in  Münohen:  AZgB,  n.  253/4.  —  22)  O  X  ch-  Mendel  et  G.  Brunei,  Le 
livre  ä  trayers  les  äges,  mnnero  unique,  resumant  l'hist.  du  livre  depuis  les  origines  de  l'ecriture.  Opinions  sur  le  livre  par 
l'elite  de  gens  de  lettres.  Paris,  Mendel.  4°.  51  S.  —  23)  O  C.  Paoli,  Programroa  scolastico  di  Paleografla  Latina  e  di 
Diplomatica.  II.  Materie  scrittorie  e  Hbrarie.  Firenze,  Samoni.  152  S.  L.  3,20.  —  24)  B.  Quaritch,  Paloography.  Notes 
upon  the  hist.  of  writing  and  the  medieval  art  of  illurainating.  London,  Quaritch.  Fol.  95  S.  mit  22  Taf.  (Privatdr.)  — 
25)  S.  Berger  und  P.  Durrieu,  Les  notes  pour  Tenlumineur  dans  les  mss.  du  MA.  (=  MSNAFr.  53,  S.  1-30.)  Paris, 
Klinoksieok.  1893.  30  S.  |[0.  v.  Gebhardt:  ThLZ.  N.  13.]|  —  26)  St.  Beissel,  Vatikan.  Miniaturen.  Mit  30  Taf.  in 
Lichtdr.  Froiburg  i.  B„  Herder.  1893.  Fol.  VIII,  00  S.  M.  20,00.  ||W.  Neumann:  ÖLB1.  3,  S.  240/2.]|  —  27)  P.  Dur  rieu, 
Mss.  d'Espagne  remarquables  principalement  par  leurs  peintures  et  par  la  beaute  de  leur  execution:  BECh.  54,  S.  251-326. — 
28)  F.  Mugnier,  Les  mss.  ä  miniatures  de  la  maison  de  Savoie.  Le  breviaire  de  Marie  de  Savoie  Duchesse  de  Milan,  les 
heures  des  ducs  Louis  et  Aniedee  IX.  Moutiers-Tarentaise,  F.  Ducloz.  123  S.  mit  17  Taf.  —  29)  H.  Varnhagen,  Ueber  d. 
Miniaturen  in  vier  franz.  Hss.  d.  15.  u.  10.  Jh.  auf  d.  Bibl.  in  Erlangen,  Mnihingen  u.  Berlin.  (Zwei  Horarien-Fleur  de  Vertus- 
Petrarca.)    Erlangen,    Junge.    4°.    40  S.    Mit  1  Abbild,  u.  24  Lichtdr.    M.  10,00.     |[M.  Hippe:   LBIGRPh.  15,   S.  18-20.] I  — 


0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  I  3:30-36f 

ragender  Hss.  ist  das  Unternehmen,  in  die  Werkstatt  der  Hss.-Illustratoren  selbst 
einzudringen  und  die  Hss.-Herstellung  in  die  Zusammenhänge  mit  den  voran- 
gegangenen und  gleichzeitigen  Kunstströmungen  zu  setzen.  Kautzsch30)  hat,  durch 
Janitscheks  grundlegende  Forschungen  zur  deutschen  Malerei  angeregt  und  mit  ihm 
und  Lamprechts  Darstellungen  der  Geistesentwicklung  in  dessen  deutscher  Geschichte 
sich  vielfach  berührend  und  auseinandersetzend,  die  deutsche  Hss.-Illustration  im 
späteren  Mittelalter  eingehend  behandelt.  Diese  Zeit  ist  von  besonderer  Wichtigkeit, 
weil  damals  wesentliche  Umgestaltungen  vor  sich  gingen  nach  Inhalt,  Ausdrucks- 
weise und  wirtschaftlichem  Betriebe.  Für  die  mittelalterliche  Buchmalerei  nimmt  K. 
die  ausserkünstlerische  Aufgabe  in  Anspruch,  klar  zu  sagen,  was  dargestellt  wird, 
wobei  die  Nachahmung  der  Natur  weder  Zweck  der  Schöpfung  noch  unerlässliche 
Vorbedingung  für  deren  Wirkung  war.  Indem  er  an  die  kunstlosen  Federzeichnungen 
von  der  Peripherie  des  karolingischen  Kulturkreises  anknüpft,  begründet  er  die 
Umgestaltung  der  zeichnenden  Kunst  in  der  Mitte  des  12.  Jh.  durch  die  neuen 
Stoffe  und  das  neue  Seelenleben  der  deutschen  Dichtung,  das  die  Künstler,  wenn 
auch  ihre  Formensprache  wieder  eine  schematische  war,  zur  Wiedergabe  von  sprechen- 
den Ausdrucksbewegungen  anregt.  Die  Hss.-Illustration  der  ersten  und  der  zweiten  Hälfte 
des  14.  Jh.  wird  eingehend  geschildert,  sodann  der  etwa  um  1410  wahrnehmbare, 
1450  vollendete  Umschwung  dargelegt:  zuvor  Bildersprache  und  Symbol,  nunmehr 
bei  dem  guten  Durchschnitte  der  Werke  —  von  rohen  Dilettantenarbeiten  und  Erzeug- 
nissen zurückgebliebener  Werkstätten  abgesehen  —  Abbild  und  täuschender  Schein. 
Der  Vf.  lässt  die  Frage,  ob  der  Ursprung  dieser  Naturschilderungen  etwa  in  der 
französisch-burgundischen  Buchmalerei  zu  suchen  sei,  unbeantwortet,  giebt  statt  dessen 
einen  nach  Landschaften  gegliederten  Ueberblick  über  den  weiteren  Verlauf  im  15.  Jh., 
wobei  neben  anderen  im  bayerisch-österreichischen  Sprachgebiete  besonders  die  Hss. 
Perchtold  Furtmeyrs  in  Regensburg  und  in  Schwaben  Ulrich  Richentals  Chronikhss. 
des  Konstanzer  Konzils  näher  erörtert  werden.  Unter  den  elsässischen  Hss.  der  Zeit 
werden  die  bekannten  Erzeugnisse  der  Werkstatt  Diebolt  Laubers  in  Hagenau  als 
sämtlich  auf  einer  zurückgebliebenen  Stufe  des  14.  Jh.  stehend  bezeichnet.  Die  Her- 
stellung der  Bilderhss.  des  15.  Jh.  in  Werkstätten  wird  hauptsächlich  im  Hinblick 
auf  Lauber  geschildert,  zum  Schlüsse  die  gegenseitige  Beeinflussung  von  Feder- 
zeichnung und  Bilddruck  erörtert.  —  Kautsch31)  hat  durch  seine  Darlegungen,  die 
eine  Einleitung  zu  den  inzwischen  veröffentlichten  gründlichen  Untersuchungen  über 
die  Werkstatt  Laubers  und  die  Bilderhss.  von  Richentals  Konzilschronik  bilden,  den 
Beruf  zur  Abfassung  einer  dringend  erwünschten  Geschichte  der  deutschen  Hss.- 
Illustration  des  Mittelalters  erwiesen.32"34)  —  W.  N.  du  Rieu35)  nimmt  den  von 
Hartwig36)  angeregten  Plan  einer  internationalen  Gesellschaft  zur  Vervielfältigung 
der  wichtigsten  Hss.  der  Welt  von  neuem  auf.  Gegen  phototypographische  Heraus- 
gabe ist  Bedenken  auszusprechen;  nicht  der  Hochdruck  der  Buchdruckpresse,  der 
Farbentöne  in  Punkte  oder  Striche  aufzulösen  verlangt,  sondern  nur  der  Flachdruck 
unmittelbar  von  der  Gelatinehaut,  also  der  eigentliche  Lichtdruck  kann  die  Originalhs. 
ersetzen.  Auch  muss,  wenn  einmal  die  photographische  Aufnahme  erfolgt,  die  Ver- 
vielfältigung für  das  übersehbare  Bedürfnis  voll  ausgenutzt  werden,  kurzsichtige  Be- 
schränkung auf  einige  wenige  unveränderliche  Photographien  kann  nicht  genügen. 
Die  deutsche  Litteraturforschung  wird  wider  die  Beschränkung  auf  griechische  und 
lateinische  Codices  Einspruch  erheben  und  Berücksichtigung  ihrer  Bestrebungen 
fordern  müssen.  — 

Das  Archivwesen3611)  hat  einen  stattlichen  Teil  der  älteren  Hss.  in  Ver- 
wahrung und  Bearbeitung  genommen.  Ueber  Benutzung  und  bedeutsame  wissenschaft- 
liche Verwertung  der  preussischen  Staatsarchive  berichtet  amtlich  der  Reichsanzeiger.36b) 
—  Von  der  Thätigkeit  der  Städte  für  das  Archivwesen  legt  nach  Hansens,  Keyssers 
und  Heimanns36c)  Bericht  die  Stadt  Köln  ein  glänzendes  Zeugnis  ab;  Hansen 36d) 
führt  die  Stadtarchive  von  Andernach,  Duisburg  und  Linz  a.  Rh.  vor,  Korth36e)  das 
Gräfl.  von  Mirbachsche  Archiv  zu  Harff,  Schneidewirt36f)  lässt  sich  zur  Geschichte 


30)  Rud.  Kautzsch,  Einleit.  Erörterungen  zu  e.  Gesch.  d.  dtsch.  Hss.-Illustr.  im  späteren  MA.  (=  Stud.  z.  dtsch.  Kunstgesch. 
1.  Bd.,  3.  Heft.)  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  87  S.  M.  2,50.  —  31)  id.,  D.  Hss.  v.  Ulrich  Richentals  Chronik  d.  Konstanzer  Konzils: 
ZGORh.  9,  S.  443-96.  —  32)  X  F-  Grimm,  D.  Anordnung  d.  ersten  grossen  Heidelberger  Liederhs.:  NHJbb.  4,  S.  53-90.  — 
33)  X  F.  G.  Hann,  Ueber  bemalte  Urkk.  im  Arch.  d.  kärntnerischen  GV.  zu  Klagenfurt:  Carinthia  1.  S.  65-71.  —  34)  O  D. 
Priebsch,  German  and  dutch  Mss. :  NQ.  6,  S.  307.  —  35)  W.  N.  duRieu,  Phototypograph.    Herausg.  v.  Hss.:  CBIBibl.  11,  S.  225  8. 

—  36)  0.  Hartwig,  In  Sachen  d.  Ges.  z.  phototypograph.  Vervielfältig,  v.  Hss.  An  Herrn  Oberbibliothekar  W.  N. 
du    Rieu    in    Leyden:    ib.    S.   319-20.     —     36a)   X    J-    A-    Frhr.    v.    Helfert,    Staatl.    Archivwesen:    ÖLB1.    3,    S.    233/4. 

—  36b)  O  X  Amtl.  Ber.  über  d.  Thätigkeit  d.  preuss.  Staatsarch.  im  J.  1894:  Reichsanz.  N.  25.  —  360)  [Jos.  Hansen,  Ad. 
Keysser,  F.  C.  Heimann],  D.  Arch.  u.  d.  Bibl.  d.  Stadt  Köln.  Festschr.  z.  23.  Jahres- Versamml.  d.  bans.  Geschichtsver. 
zu  Köln.    Pfingsten  1894.     Köln,  Du  Mont-Schauberg.    4".     30  S.     Mit  4  Taf.     M.  1.60.     |[DLZ.  S.  985(5;    KB1WZ.  13,  S.  102.]| 

—  36 d)  Jos.  Hansen,  D.  Stadtarch.  v.  Andernach,  Duisburg  u.  Linz.  (Aus:  AnnHVNiederrh.  Heft  59.)  Köln,  Boisseree. 
VU,  268  S.  M.  5,00.  —  366)  O  L.  Korth,  D.  Gräfl.  v.  Mirbachsche  Arch.  zu  Harff.  II.  1431  —  1599.  (=  ebda.  Heft  57,  2.  Abt.)- 
VII  u.  S.  337-482.  M.  2,00.  —  36f)  F.  Schneide  wirt,  Z.  Gesch.  d.  Arch.  d.  ehemal.  Reichsstifts  Kempten:  ArchivZ.  5,  S.   109-26 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.     V.  (1)^ 


I  3  :  36g-5i  0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen. 

des  Archivs  im  Reichstift  Kempten  vernehmen,  Reu ss36«)  über  den  Kolmarer  Archivar 
Mossmann.  —  Das  Leben  des  Begründers  des  jetzigen  k.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staats- 
archivs in  Wien,  Th.  Taulow,  und  die  Ursachen,  die  1749  zum  Plane  des  Staatsarchivs 
führten,  werden  von  Kratochvil36h)  geschildert.361)  —  Von  Schweizer  Archiven36*) 
ist  die  Geschichte  des  Züricher  Staatsarchivs  von  Schweizer361)  als  beachtenswert 
zu  erwähnen.  —  Baumgartens  1875  geschriebene  Ausführungen  in  den  PrJbb.  über 
Archive  und  Bibliotheken  in  Frankreich  und  Deutschland  hat  Marcks36m)  mit  Zu- 
sätzen neu  herausgegeben.  —  Dienen  die  Archive  im  allgemeinen  der  Geschichte,  so 
hat  das  neue  Bannen  eröffnende  Vorgehen  des  Weimarer  Goethe-Schiller-Archivs 
in  dem  Litteratur-Archiv  zu  Berlin36™)  eine  Anwendung  erfahren,  die  eine  Ver- 
allgemeinerung des  Gedankens  anstrebt.  — 

Wissenschaftliche  Bearbeitung  oder  geschichtliche  Behandlung  im  grossen 
Massstabe  hat  für  die  Autographen  lange  Zeit  keine  Druckschrift  von  Bedeutung 
hervorgebracht;  wenn  nicht  ein  grosser  Sammler37)  sein  stilles  Lebenswerk  mit  dem 
Tod  und  einem  grossen  Auktionskataloge  beschliesst,  beschränkt  sich  die  Be- 
wegung auf  das  geschichtliche  Zusammenfassen  der  anwachsenden  Bestände  unter 
gewissen,  gelegentlich  auch  litterarischen,  Gesichtspunkten38"39).  — 

Die  Graphologie  wird  von  Preyer40)  nach  wie  vor  als  Physiologie  und 
Psychologie  des  Schreibens  wissenschaftlich  zu  begründen  versucht,  ohne  dass  hieraus 
die  Hss.-Wahrsager  in  selbständigen  Schriften  und  zumal  in  den  Zeitungen  Ver- 
tiefung gewonnen  hätten41"43).  —  Nicht  übel  angebracht  ist  der  Versuch  Kleins44), 
Völkertypen  in  Hss.  vor  Augen  zu  führen.  Von  Bedeutung  ist  die  Feststellung  des 
Einflusses  psychischer  Leiden  auf  die  Schrift,  wie  es  in  der  Studie  .von  Scholz45) 
geschieht.  —  Auf  Grund  der  neueren  Bestrebungen  fordert  Langenbruch46)  zur 
Steuer  der  „Schreibsachverständigen-Kalamität"  Ersatz  der  in  der  konventionellen 
Schreibform  erfahrenen  Kalligraphen,  Schreiblehrer  und  Bureaubeamten  durch  Kenner 
individueller  Schriftformen,  die  Kenntnisse  in  wissenschaftlicher  Psycho -Physiologie 
der  Hss.  nachzuweisen  vermögen.4")  — 

Das  Buchwesen  der  neueren  Zeit,  das  durch  die  Erfindung  des  Buch- 
drucks neue  Gestalt  gewonnen  hat,  weist  keine  neue  Schrift  zur  Geschichte  der 
Erfindung  auf.  Dziatzko48)  berichtet,  dass  sein  1892  unternommener  Versuch,  in 
den  italienischen  Bibliotheken  neue  Urkunden  zur  Druckergeschichte  der  Deutschen  des 
15.  Jh.  in  Italien  zu  sammeln,  und  namentlich  seine  Hoffnung,  im  Geheimarchiv  des 
Vatikans  Material  zur  Geschichte  der  Erfindung  und  ersten  Verbreitung  dieser  Kunst 
zu  entdecken,  sich  nicht  erfüllt  hat.  Die  Sammlung  päpstlicher  Breven  (Armar.  N.  39 
des  Archivio  Segreto  d.  S.  Sede)  weise  zwischen  Bd.  6  und  7  eine  Lücke  von 
1447 — 56  auf,  sei  dann  aber  einseitig  von  Türkennot  erfüllt.  Dieser  Misserfolg  des 
erfahrensten  Forschers,  der  scheinbar  stumme  Bücher  über  die  Geschichte  der  Erfindung 
reden  gemacht  hat,  darf  nicht  abschrecken.  —  Die  früher  veröffentlichten  Unter- 
suchungen Dziatzkos  zur  Erfindung  der  Buchdruckerkunst  hat  Delisle49)  in  einem 
Aufsatze  über  die  Gutenberg-Bibeln  gewürdigt.50)  — 

Die  ältere  Buchdruckergeschichte  weist  auf  eine  vom  Buche  teilweise  un- 
abhängige Geschichte  des  Druckes  zurück,  die  dann  noch  lange  neben  ihr  herläuft. 
Für  ein  wichtiges  Gebiet  der.  Geschichte  des  Druckes  vor  Erfindung  der  Buchdrucker- 
kunst hat  Forrer51)  ausserordentliches  geleistet.  Seine  Geschichte  der  Zeugdrucke 
vom  6. — 18.  Jh.  nach  den  Originalen  seiner  eigenen  aus  Gräbern,  Reliquienhüllen, 
Futterstoffen  von  Messgewändern  und  dergl.  zusammengebrachten,  einzig  dastehenden 
Sammlung  bietet,  abgesehen  von  ihrer  Bedeutung  für  Technik  und  Ornamentik  der 
Webgewerbe,  wertvolle  Belege  für  die  älteste  Geschichte  der  Druckkunst  und  des 
Bilderdruckes.  Der  Vf.  giebtdie,  auch  für  spätere  Zeiten  massgebenden,  unterscheidenden 


—  36g)  O  R.  Reuss,  Xav.  Mossmann  arohiviste  de  In  Tille  de  Colmar:  BMHMulhouse.  17.S.5-71.  |[A.  Chuquet:  RCr.37,S.394  5.]| 

—  36h)  V.  Kratochvil,  Th.  Taulow  v.  Rosenthal:  ADB.  37,  S.  465/7. —  361)  O  X  V-  Steiermark.  Landesarch.  zu  Graz.  Z. 
25.  J.  seines  Bestehens.  Mit  e.  Grundriss.  Graz,  Moser.  V,  35  S.  M.  1,80.  —  36k)  O  X  Inventare  Schweiz.  Archive: 
Beil.  zu  AnzSchwG.  —  361)  TP.  Schweizer],  Gesch.  d.  Züricher  Staatsarch.  (=  Njbl.  z.  Besten  d.  Waisenhaus,  in  Zürich 
v.  e.  Ges.  her.  57.  Stück.)  Zürich,  Fäsi  &  Beer.  4".  40  S.  Mit  1  Taf.  M.  2,40.  |[L.  v.  Rockinger:  ArchivZ.  5,  S.  295/8; 
v.  W.:  ZGORh.  9,  S.  347/8.] |  —  36m)  (=  IV  lb  :  3,  S.  418-53.)  —  36n)  X  H.  Meisner,  D.  Litt.-Arch.-Ges.  zu 
Berlin  für  1893:  DLZ.  S.  1368/9.  —  37)  D.  Autographensamml.  v.  F.  E.  Brill  in  Leyden.  (Darunter  Brief  Melanchthons):  VossZg. 
N.  218.  —  38)  X  Kat.  wertvoller  Autographen,  Musik-Mss.  u.  Kunstgegenstände  aus  verschiedenen  berühmten  Samml.  B., 
Alb.  Cohn.  38  S.  —  39)  X  K.  B.,  Autograph.- Auktion:  DDichtung.  16,  S.  151/2.  —  40)  W.  Preyer,  Hs.  n.  Charakter.  Z. 
Physiolog.  u.  Psycholog,  d.  Schreibens:  DRs.  79,  S  262-94.  |[H.  Göring:  Sphinx  104,  S.S11.JI  —  41)  X  0.  Zix,  Oeffentl. 
Charaktere  (.TBL.  1893 1 3 :  63).  |[K  VZg.  N.  180;  WIDM.  76,  S.  252/3.]|  -  42)  X  L- M  e  y  e  r :  ÜL&M.  71,  S.  22, 66, 90, 150, 346, 385, 426, 487, 305. 

—  43)  X  Culpieux-Jamin,  D.  Graphologe  Frau  1,  S.  821.  -  44)  A.  Klein,  Völkertypen  in  Hss.:  Quellwasser  18,  S.  331/2. 

—  45)  Fr.  Scholz,  D.  Hs.  u.  ihre  charakterist.  Merkmale.  Brnunschweig,  Rauert  &  Rocco  Nachf.  30  S.  Mit  19  Taf.  M.  1,00.  |[H. 
Göring:  Sphinx  104,  S.  311.]|  —  46)  W.  Langenbruch,  Schreibsaohverständige:  Zukunft  8,  S.  85/6.  —  47)  X  id..  Falsche  Pro- 
pheten (Graphologisches):  SchorerFamilienbl.  15,  S.  54/6. —48)  K.  Dziatzko,  E.  Reise  durch  d.  grösseren  Bibliotheken  Italiens. 
(=  Samml.  bibliothekswissensch.  Arbeiten  her.  v.  K.  Diatzko.  Bd.  6  [L..  Spirgatis.  128  S.  M.  5,00],  S.  96-128.)  —  49)  L. 
Delisle,  Les  bibles  de  Gutenberg,  d'apres  les  recherches  de  K.  Diatzko.  (Aus:  JSav.)  Paris  (Irapr.  nat.).  4».  14  S.  — 
50)  X  E.  Korner,  Daniellis  Gutenberg-Statue :  IllZg.  102,  S.  653.  —  51)  R.  Forrer,  D.  Zeugdrucke  d.  byzant,  roman ,  got. 
u.  späteren  Kunstepochen.     Strasburg  i.  E.,  Selbstverl.    4°.    89  S.     Mit  57  Taf.     M.  75,00.     |[W.  L.  Schreiber:  CBIBibl.  11, 


,0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  1  3  :  5i-do 

Kennzeichen  der  bemalten,  der  durch  Schablone  gemusterten  und  der  bedruckten 
Gewebe  an:  für  die  bemalten  Zeuge  wässerig*  verlaufende  Ränder,  willkürlich  ge- 
zogene Linien,  ungleichmässig  verteilte  Farbenmengen,  für  die  schablonierten  plumpere 
Umrisse  und  Fehlen  von  frei  in  der  Farbe  liegenden  weissen  Einzeichnungen,  für 
die  bedruckten  scharf  abbrechende  Ränder,  gleichmässig  starke  und  gut  anschliessende 
Linien,  sowie  gleichartig  aufgetragene  Farbe.  Die  Entwicklung  greift  weit  zurück, 
bis  in  das  6.  Jh.  Nach  Darstellung  der  Zeugdrucktechnik  und  Musterung  der 
romanischen  Periode,  der  gemusterten  Drucke  des  14.  und  des  15.  Jh.,  behandelt  der 
Vf.  die  figürlich  bedruckten  gotischen  Antependien  und  Tapeten  und  diesen  entgegen- 
stehend die  gotischen  Bild-Zeugdrucke,  die  auch  der  Schrift  nicht  entbehren.  Aus 
diesem  nur  einmal  auf  dem  Zeuge  wiederholten  ßilddrucke,  der  nach  F.s  Annahme 
zunächst  als  Vordruck  zu  Stickereien  diente,  leitet  er  die  Herkunft  des  Bild-  und 
Kunstdrucks  des  15.  Jh.  auf  Papier,  als  eines  Vorläufers  der  Buchdruckkunst,  ab.  Der 
meisterhafte,  auf  Tafel  30  abgedruckte  Zeugholzschnitt  der  fünf  singenden  Engel  in 
Vogelgestalt  vor  Anna  mit  der  ein  Spruchband  haltenden  Maria  stellt  sich  jedem 
Holzschnitt  für  Papierdruck  ebenbürtig  zur  Seite.  Weiter  werden  die  Zeugdrucke 
von  den  Bilddrucken  des  16.  Jh.  bis  zu  den  bedruckten  historisch-satirischen  Taschen- 
tüchern der  Revolutionszeit  und  des  Empire  verfolgt.  F.  ist  selbst  Urenkel  eines 
Zeichners,  Modellstechers  und  Seidendruckers,  der  für  Kaiser  Alexander  solche  Tücher 
druckte;  wir  Jüngeren  haben  im  letzten  französischen  Kriege  dergleichen  volkstümliche 
Litteratur  auf  baumwollenen  Taschentüchern  aufleben  sehen.  —  Der  Kartendruck,  der 
auch  als  Vorläufer  der  Buchdruckkunst  gelten  mag,  wird  von  Charlotte  Schreiber52), 
von  deren  grossem  Werke  über  Spielkarten  verschiedener  Zeiten  und  Länder  der 
früher  erschienene  erste  Band  England  und  Schottland,  Holland  und  Belgien  ge- 
widmet war,  auf  Grund  der  eigenen  grossen  Sammlung  für  Frankreich  und  Deutsch- 
land behandelt.  Die  abgebildeten  deutschen  Karten  vom  15. — 18.  Jh.  verdienen  Be- 
achtung. In  nicht  eben  übersichtlicher  Folge  werden  die  in  Deutschland  besonders 
mannigfachen  Spielkarten,  zumeist  aus  Süddeutschland,  gegeben,  unter  thunlichster 
Angabe  der  Ursprungsorte  und  der  Kartenmaler,  doch  ohne  Register.  Einig-e  Spiele, 
so  die  Männer-  und  Weiber- Vexierkarten  bey  Andreas  Romisch  zu  Augsburg  (Tafel  85, 
auch  103/5,  129)  weisen  Verse  auf,  andere  Theaterscenen,  Citate  aus  Bühnen- 
stücken, Charakterdarstellungen  (Tafel  127/8,  131/4).  Aus  der  Folge  der  Cottaschen 
Karten-Almanache  (1805 — 8,  1810 — 11)  werden  Karten  aus  den  J.  1805—6  wieder- 
gegeben, Gestalten  aus  der  Jungfrau  von  Orleans  u.  a. ,  von  dem  für  Cotta 
thätigen  Oslander  in  Tübingen  auch  selbständige  Spiele  aus  der  Zeit  der  Befreiungs- 
kriege, vom  Industrie-Comptoir  „eine  Erinnerung  an  die  grosse  Völkerschlacht 
bei  Leipzig."  Obgleich  frühzeitig  bedeutende  Meister  auf  diesem  Gebiete  Besonderes 
geleistet  haben  (Taf.  94  — 102),  so  hat  sich  doch  trotz  einer  Fülle  neuer  geistreicher  Einfälle 
auf  keinem  anderen  Gebiete  der  Kunst  eine  derartige  primitive  Technik  bis  zur 
Gegenwart  erhalten.  —  Auf  die  ersten  Wege,  die  die  junge  Buchdruckerkunst  zu  ihrer 
Verbreitung  eingeschlagen  hat,  wird  Licht  geworfen  durch  Schorbachs53)  Nach- 
weis, dass  Günther  und  Johannes  Zainer  aus  Reutlingen  1463  und  65  ihrer  Haus- 
frauen wegen  Bürger  von  Strassburg  geworden  sind  und  mit  den  Malern  gedient 
haben;  danach  ist  die  Einführung  des  Buchdrucks,  spätestens.  1468  und  69,  in  Augs- 
burg und  Ulm  von  Strassburg54)  ausgegangen.  —  Ueber  die  Augsburger  Drucker 
des  15.  Jh.  hat  Aldrich55)  vom  British  Museum  eine  gute  Uebersicht  gegeben; 
über  die  Speierer  im  15.— -16.  Jh.  hat  auf  Grund  bibliographischer  Unterlagen  Roth56) 
berichtet.  —  Zur  Geschichte  der  Buchdrucker  in  Lübeck  liefert  Lange57)  aus 
Dänemark  einen  Beitrag.  —  Nach  den  Akten  des  Leipziger  Ratsarchivs  und  zahl- 
reicher Drucke  der  Stadtbibliothek  schildert  Wust  mann58)  das  nicht  eben  erfolg- 
reiche Wirken  des  tüchtigen  Buchdruckers  und  Verlegers  der  Reformationszeit  Jakob 
Thanner,  dem  u.  a.  Heinrich  Stromer  von  Auerbach  und  namentlich  Gregorius  Breit- 
kopf aus  Conitz  als  wissenschaftliche  Herausgeber  zur  Seite  standen.  —  Keller59) 
weist  auf  Grund  der  hinterlassenen  Briefe  und  Schriften  des  Druckers  Thomas  von 
Imbroich  (oder  von  Truden)  in  Köln  auf  dessen  Bedeutung  als  Wiedertäufer  hin; 
das  „Bekenntniss  von  der  Taufe",  das  der  sterbensfreudige  Ketzer  den  Kölner  Inquisitoren 
übergab,  hat,  nachdem  der  25jährige  Blutzeuge  1558  mit  dem  Schwerte  gerichtet 
worden  war,  unter  den  Taufgesinnten  mächtig  gewirkt.  —  Jacob60)  berichtet  über 


S.  512/3.]|  —  52)  Playing  Cards  of  various  ages  and  countries.  Sei.  froni  the  collection  of  Lady  Charlotte  Schreiber. 
Vol.  II.  French  and  German.  London,  J.  Murray.  1893.  Boy.  20  S.  154  Taf.  Sh.  736.  —  53)  K.  Schorbach,  D.  Buch- 
drucker Günther  u.  Joh.  Zainer  in  Strassburg.  (=  N.  48,  S.  28/9.)  —  54)  O  X  eh.  Schmidt,  Z.  Strassb.  Buchdruckergesch. 
(JBL.  1893  I  3:72,  177):  ZGOEh.  9,  S.  179-80.  —  55)  [S.  J.  Aldrich],  The  Augsburg  printers  of  the  fiftheenth  Century: 
BookWorm.  S.  201/3.  —  56)  O  F.  W.  E.  Both,  Gesch.  u.  Bibliogr.  d.  Buchdruckereien  zu  Speier  im  15.-16.  Jh.:  MHVPfalz.  IS, 
S.  1-80.  —  57)  O  H.  0.  Lange,  Z.  Gesch.  d.  Buchdruckerkunst  in  Lübeck:  NachrBuchh.  1,  S.  425.  (Nach  TBogvenner.  1893.) 
—  58)  G.  Wust  mann,  Jak.  Thanner:  ADB.  37,  S.  6534).  —  59)  L.  Keller,  Thomas  v.  Imbroich:  ib.  38,  S.  73/4.  — 
60)  F.  Jacob,  D.  Torgauer  Druckereien  u  Zeitungen:  PAVTorgau.  7,  S,  43  6. —  61)  O  Th.  Schwarze,  Joh.  Eichhorn,  erster 

(1)3* 


I  3  :  61-69  0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen. 

die  bescheidene  Druckthätigkeit  Torgaus  von  den  ersten  amtlichen  Ausschreiben  seit 
1531    und    der    1596    errichteten    silbernen    Offizin    Herzog1  Friedrich  Wilhelms    von 
Sachsen-Altenburg    bis   zur   Gegenwart.    Schwarze61)  über    die  ersten  Drucker  in 
Frankfurt  a./O.  —  Heidemanns62)  Aufsatz   über  Leonhard  Thurneisser   bezeichnet 
die  Begründung  der  Berliner  Buchdruckerei  als    die  beste    seiner  Schöpfungen,   gilt 
aber   dem  geistvollen  Hauptvertreter  des  Paracelsus  im  16.  Jh.  —  Einen  erfolgreichen 
und   allerseits  nachahmenswerten  Versuch,    von  einer  deutschen  Landschaft  die   ur- 
kundliche Geschichte   aller  ihrer  Drucker   von  der  ältesten  Zeit  bis   zur  Gegenwart 
zu  gewinnen,  macht  Könn  eck  es63)  „Hessisches  Buchdruckerbuch",  das  in  der  ersten 
Abteilung    die    bisher    bekannt    gewordenen    hessischen  Druckereien    nachweist,   in 
der  zweiten  Abteilung  aber  die  1890 — 92    in  Hessen   wirkenden  Drucker   selbst  ein- 
führt.    So  hübsch  der  Gedanke    ist,    die  Drucker    mit    eigenen  Worten    und  Lettern 
reden  zu  lassen,  ist  doch  dieser  Teil  dürftig  ausgefallen;  dafür  bietet  der  geschicht- 
liche Hauptteil  durchweg  gründliche  Auskunft  über  etwa  450  Druckereien  an  44  Druck- 
orten.   Als  wichtigster  Druckort  erscheint  Marburg,  für    die  früheste  Druckzeit,  auf 
Dommers  musterhafter  bibliographischer  Grundlage.     Erst  im  gegenwärtigen  Jh.  hat 
die  Landeshauptstadt    die  Universitätsstadt    an  Druckerzahi    übertroffen  (Kassel    ins- 
gesamt 125,  Marburg-  66);  sonst  kommen  Fulda,  Hanau,  Hersfeld  und  Schmalkalden 
m  Betracht,  auch  der  Rintelner  Universitätsdrucker  mag  gedacht  sein.    Die  Geschichte 
des  Buchdrucks,    des  Buchhandels    und  der  Censur    erfährt    mannigfache  Förderung 
auf  Grund  urkundlicher  Unterlagen.     96  Buchdruckerzeichen  beleben  das  Bild,  gleich 
das  erste  von  Wilhelm  Wessel  in  Kassel  überrascht  durch  die  Riesenfaust,  die  durch 
den  Boden  einer  belebten  Stadt  —  wohl  Wesels  am  Rhein   —   bricht,    um  anmutig 
drei  Blumen    über  die  Wolken    der  Sonne   entgegen  zu  reichen.  —  Kade64)  liefert 
eine   vierhundertjährige  Buchdruckergeschichte    von  Freiberg  (JBL.  1893  I  3  :  77/8), 
freilich  ist  es  zunächst  bei  dem  einzelnen  Gastdrucke  von  1495  des  vor  der  Pest  aus 
Leipzig  geflohenen  Kunz  Kachelofen  geblieben,    und  Wolfgang  Mayerpeck,    der  seit 
1551  in  Zwickau  druckte,  konnte,  als  Kurfürst  August  zu  Sachsen  Druckereien  bloss 
noch  in  Leipzig,  Wittenberg   (1569)    und  Dresden    (1571)    dulden    wollte,    nur    nach 
lautem  Wehgeschrei  als  ältester  Buchdrucker  in  Sachsen,  Meissen  und  Thüringen  Duldung 
am  Platze  erreichen.  Ueber  300  Jahre  hat  seitdem  Freiberg  nur  eine,  meist  durch  Erben 
und  Heirat  weitergegebene  privilegierte  Druckerei  besessen,  in  deren  Geschichte  sich 
die  Entwicklung  der  alten  Bergstadt  treu  wiederspiegelt.  —  Landsberger65)  macht 
von  den  Privilegien  einer  jüdischen  Druckerei  des  18.  Jh.  in  Dyernfurth  Mitteilung'.  — 
Der  Buchdruckerkunst  in  der  italienischen  Renaissance  widmet  der  Verleger  Ongania66) 
ein    grosses  Sammelwerk    zum    50jährigen  Jubiläum   seiner  Buchhandlung,    ehemals 
H.  F.  u.  M.  Münster  in  Venedig.    Der  Text   zu   diesen  Veröffentlichungen,    die   im 
wesentlichen  den  Bücherschmuck  jener  Zeit  vor  Augen  stellen  wollen,  wird  für  das 
ganze  Unternehmen  von  Castellani,  Konservator  der  St.  Marcus-Bibliothek  in  Venedig, 
geleistet  werden.     Bis  jetzt  liegt  „Venedig"    in  zwei  Bänden  vor;   als  demnächst  er- 
scheinend werden  „Rom,"  „Mailand"  und  „Palermo"  angezeigt;   jeder  Stadt  soll  ein 
Band    von    96  Seiten   mit   Facsimiles,  Schrift,    Zierfiguren,  Druckermarken,  Wasser- 
zeichen und  Einbänden  gewidmet  sein.     Der  Venedig   gewidmete  Band   giebt   nach 
dem  Vorbericht  O.s  und  dem  sehr  kurzen  Text  Castellanis  ein  voll  gedrängtes  Bild  des 
verschwenderischen  Reichtums  an  kunstvollem  Druckzierrat,  der  in  dieser  Zusammen- 
stellung fast  verwirrend  wirkt.    Von  den  Reproduktionen  sind  die  der  Einbände  am 
besten  gelungen.  —  Redgrave67)  veröffentlicht  als  erste  der  von  der  Bibliographical 
Society  angebahnten  illustrierten  Monographien   eine   willkommene  Einzeldarstellung 
der  Thätigkeit  des  deutschen  Druckers  Erhard  Ratdolt  in  Venedig  (1476 — 86).     Mag 
dem    schmucken  Büchlein  mit    der  Bibliographie   von   67  Venediger   Drucken,    dem 
10  Tafeln,  darunter  die  herrliche  Augsburger  Schriftprobe  von  1486,  beigegeben  sind, 
bald  eine  Darstellung   seines  Wirkens  in  der  deutschen  Heimat  folgen.  —  Steiff68) 
stellt    kurz    fest,    was    von    dem   deutschen  Drucker  Thomas    Septemcastrensis   aus 
Hermannstadt  über  sein  Wirken  1472  in  Mantua  und  1481  in  Modena  bekannt  ist.  — 
Eine    Geschichte    des    Buchdrucks    in   Lyon,    die    man,    da   Montfaucons    einst   so 
wichtige    Schriften   weit  zurückliegen,    für    diesen    frühesten  Hauptplatz    des  Druck- 
gewerbes in  Frankreich  dringend  herbeiwünschen  musste,    ist  zur  Feier  der  Lyoner 
Ausstellung    erschienen.     Der  greise   Stadtbibliothekar  Vingtrinier69)    hat    darin 

Buchdrucker  in  Frankfurt  a.  0.:  MVGBerlin.  S.  57/8.  —  62)  J.  Heide  mann,  Leonh.  Thurneisser  z.  Thurn:  ADB.  38,  S.  226,9. 
—  63.)  G.  Könnecke,  Hess.  Bnchdruckerbuch,  enth.  Nachweis  aller  bisher  bekannt  gewordenen  Buchdruckereien  d.  jetzigen 
Regierungsbez.  Cassel  u.  d.  Kreises  Biedenkopf.  Im  Auftr.  d.  Marburger  GV.  bearb.  u.  her.  v.  dessen  zeitigem  Vorsitzenden. 
Mit  Abbild,  v.  96  Buchdruckerzeichen.  Marburg,  Elwert.  IV,  366,  174  S.  n.  Reg.  XXIII  S.  M.  12,00.  |[0.  H.:  CBIBibl.  11, 
S.  565/6  (sehr  anerkennend);  Hessenland  S.  99-100.] |  —  64)  R.  Kade,  Gesch.  d.  Freiberger  Buchdrucks  1494—1894.  Mit  19 
typogr.  Kunstbeil,  aus  alter  Zeit.  (=  MFreibergAV.  30,  S.  1-86.)  Freiberg  i.  S.,  Gerlach.  85  S.  Mit  19  Beil.  M.  2,00.  — 
65)  J.  Landsberger,  Z.  Gesch.  d.  jüd.  Buchdruckerei  in  Dyernfurth  u.  d.  jüd.  Buchhandels:  MLWJ.  38,  S.  187/9.  —  66)  F. 
Ongania,  L'arte  della  stampa  nel  rinascimento  italiano.  Venezia  2.  T.  Venedig,  Ongania.  110,  119  S.  L.  20,00.  —  67)  G. 
R.  Redgrave,  Erh.  Ratdolt  and  his  work  at  Vonice.  A  paper  read  before  the  Bibliograph.  Soc.  20.  Nov.  1893.  London, 
Biograph.  Soc.    VI.  4".    50  8.    10  Taf.    (Privutdr.)    —    68)    K.    Steiff.   Th.   Septemcastrensis:   ADB.  38,  S.  86/7.    —    69)  A. 


O.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  I  3  :  8»-8ü 

seine  reichen  Sammlungen  über  Lyoner  Drucker  dargeboten,  er  zeigt  sich  in  den  ein- 
leitenden Ausführungen  zu  den  verschiedenen  Jhh.  von  frischer,  ehrlicher  Begeisterung 
erfüllt;  das  Buch  ist  stattlich  hergestellt  und.  mit  Druckermarken,  die  Marie  Pellechet 
gelegentlich  ihrer  bedeutsamen  Inkunabeln-Kataloge  französischer  Städte  gesammelt 
hat,  erfreulich  geschmückt,  lässt  aber  seine  hastige  Zusammenstellung  erkennen.  Es 
bleibt  bei  Mitteilungen  über  einzelne  Drucker  ohne  genügende  Quellenangabe;  eine 
einheitliche  tiefergTÜndende  Geschichte  des  Buchdrucks  an  diesem  weiland  buch- 
händlerischen Mittelpunkte  Frankreichs  bleibt  noch  zu  schreiben.  —  Eine  gedrängte 
Darstellung  der  Wirksamkeit  Joh.  Trechsels  in  Lyon,  des  Ahnherrn  der  grossen 
Pariser  Druckerfamilien,  giebt  Steiff70),  der  für  dessen  Herkunft  gegenüber  Rettig 
auf  Johannes  Drechsel  de  Nurenberga  in  der  Erfurter  Matrikel  1454  hinweist;  übrigens 
stimmt  auch  die  Namengebung  für  seine  Söhne  Melchior  und  Balthasar,  deren  Wirken 
gleichfalls  geschildert  wird,  mit  Nürnberger  Dreikönigsbrauche. — M.  A.  de  la  Bou- 
raliere71)  schliesst  weitere  Nachweise  an  seine  vorjährigen  Untersuchungen  (JBL. 
1893  I  3  :  86)  über  die  Druckanfänge  von  Poitiers,  neue  Erstlingswiegendrucke,  weitere 
Mitteilungen  über  die  ersten  Drucker,  sowie  über  die  Drucker  von  Bouyer  und  Baucher, 
über  die  Gebrüder  von  Marnef  und  drei  bisher  unbekannte  Buchhändler.  Das  Schlusskapitel 
setzt  sich  mit  Claudin  auseinander,  ein  Anhang  bietet  Schriftproben  und  Drucker- 
marken. —  Der  stets  erfolgreich  spürende  Claudin72-74a)  hat  auf  eine  Andeutung 
Delisles  hin  den  Buchhändler,  Buchbinder  und  Krämer  Barthelemy  de  la  Gorge  in 
Grenoble  (1516 — 22)  ausgegraben,  den  hervorragenden  Drucker  Claude  Garnier  in 
Limoges  behandelt,  zumal  seine  Drucke  auswärts  und  für  Auswärtige  (1520  —  57), 
und  ist  den  Beziehungen  der  ersten  Drucker  von*  Pau  näher  nachgegangen.  — 
Guibert74b)  berichtet  über  die  ersten  Drucker  von  Limoges.  —  Auf  gründlichem 
Studium  beruht  Lhotes75)  Geschichte  der  Buchdruckerkunst  in  Chalons-sur- 
Marne  (1488 — 1894),  die  Bibliographie  ist  nur  soweit  angeführt,  als  sie  zu  sachlichen 
und  persönlichen  Feststellungen  dient,  die  öffentlichen  und  privaten  Urkunden  sind 
planmässig  ausgenutzt  und  im  Anhang,  soweit  sie  allgemeines  Interesse  haben,  mit- 
geteilt, die  den  alten  Werken  entnommenen  Schriftstücke  gut  gewählt;  so  erhält 
man  trotz  der  verhältnismässig  geringen  Bedeutung  des  Druckplatzes  in  diesem 
durchweg  wohlgepflegten  Buche  ein  Werk,  das  für  ähnliche  Veröffentlichungen  zum 
Vorbild  dienen  kann.  —  Zur  Druckgeschichte  der  französischen  Hauptstadt  hat 
Coyecque76)  eine  Arbeit  über  Pariser  Buchhändler  unter  Franz  I.  (1521 — 29)  ver- 
öffentlicht. Vom  Enkel  A.  Renouards,  dem  man  die  Annalen  der  Estiennes  verdankt, 
Ph.  Renouard77),  wird  eine  Bibliographie  der  Ausgaben  des  Simon  de  Colines 
(1520 — 46)  geboten,  der  des  Henricus  I.  Stephanus  Nachfolger  als  Mann  und  Verleger 
war.  —  Jadarts78-78*)  Anfänge  der  Druckkunst  in  Rheims,  die  das  1.  Jh.,  1550 — 1650, 
umfassen,  sind  als  eine  erfreuliche  Erscheinung  zu  begrüssen;  sie  bieten  in  den  bis- 
her unveröffentlichten  Urkunden  vielfach  über  das  Oertliche  hinausgehendes  Interesse. 
J.hat  diese  Forschungen  durch  eine  Darstellung  der  Kupferdrucks  in  derselben  Stadt  von 
1618  bis  zur  Gegenwart  ergänzt.  —  Steins79)  Versuch,  den  protestantischen  Druckereien 
des  17.  Jh.  in  Frankreich  nachzugehen,  ist  dankbar  aufzunehmen,  seine  ersten  Unter- 
suchungen führen  nach  Sedan.80)  —  Einen  wertvollen  Beitrag  zur  Druckgeschichte  Genfs 
leistet  Gar  ti er81)  in  seinen  Genfer  Ratsbeschlüssen  in  Sachen  des  Buchdrucks  und  Buch- 
handels. Sind  diese  Veröffentlichungen  nur  auf  das  5.  Jahrzehnt  des  16.  Jh.  beschränkt, 
so  geben  sie  doch  mit  der  Fülle  von  Nachweisungen  des  Vf.  ein  treues  lebendiges  Bild 
dieses  seit  der  Reformation  zu  so  eigenartiger  Bedeutung  gelangten  Bücherplatzes  in- 
mitten der  geistigen  Bewegungen  dreier  Nationen.  —  Ueber  zwei  Buchdrucker  in  den 
Niederlanden   handelt    Steift'.82-83)      Die    reiche    Thätigkeit    Richard    Pafraets    aus 


Vingtrinier,  Hist.  de  l'iroprimerie  ä  Lyon  de  l'origine  jusqu'ä  nos  jours.  Lyon,  A.  Storek.  IV,  440  S.  —  70)  R.  Steiff, 
Joh.,  Melch.  n.  Kasp.  Trechsel:  ADB.  38,  S.  5524.  —  71)  M.  A.  De  la  Bonraliere,  Nouveaux  docaments  sur  les  debuts  de 
Timprimerie  ä Poitiers.  Paris,  Paul,  Huard  et  Gnillemin.  64  S.  Mit  6  Taf.  —  72)  A.  Clandin,  B.  de  la  George,  libraire,  relieur  et 
marchand  mercier  ä  Grenoble  (1516—22).  (—  Extr.  du  BBiblioph.)  Cbateandun,  J.  Pigelet.  7  S.  —  73)  id.,  L'iraprimeur 
Cl  Garnier  et  ses  peregrinations  (1520—57).  Notes  pour  servir  a  l'hist.  de  rimp.  ä  Limoges.  (=  ib.)  Paris,  Claudin.  29  S. 
—  74)  id.,  Les  antecedents  d'H.  Poyvre  et  de  J.  de  Vingles,  premiers  impr.  de  la  ville  de  Pau.  Note  pour  servir  a  l'hist. 
de  l'impr.  en  Bearn.  (=  Extr.  de  la  RGasc:)  Auch,  G.Foix.  1893.  3  S.  —  74a)  id. ,  Les  origines  de  l'impr.  ä  Saint- Lö, 
en  Normandie.  (=  Estr.  du  BBibl.)  Paris,  Claudin.  39  S.  —  74b)  L.  Guibert,  Les  premiers  impr.  de  Limoges.  Limoge, 
Ducourtieux.  44  S.  —  75)  A.  Lhote,  Hist.  de  l'impr.  a  Chalons-sur-Marne.  Not.  biogr.  et  bibliogr.  sur  les  impr.,  libraires, 
relieurs  et  lithographes  (1488—1894).  Avec  marques  typogr.  et  illustr.  Chalons-sur-Marne,  Martin  Freres.  232  S.  —  76)  O  E. 
Coyecque,  Cinq  librairies  parisiennes  sous  Francis  I.  (1521  —  29).  (=  Extr.  des  MSHParis.)  Nogent-le-Rotrou  (Imp.  Daupeley, 
Paris).  88  S.  —  77)  O  Ph.  Renouard,  Bibliogr.  des  editions  de  S.  de  Coline  (1520-46).  Avec  une  not.  biogr.  et  37 
reprod.  en  fac-simile.  Paris,  Paul,  Huard  et  Gnillemin.  VU,  520  S.  Fr.  40.  |[Le  livre  et  l'image  1,  S.  307  8]|  —  78)  H. 
Jadart,  Les  debuts  de  l'impr.  ä  Rheims  et  les  marques  des  premiers  imprimeurs  lc50— 1650.  Rheims,  L'Independant  Remois. 
118  S.  —  78a)  id.,  La  chalcographie  de  la  ville  de  Reims,  1618—1892.  Paris,  Plön,  Nourrit  &  Cie.  39  S.  —  79)  H.  Stein, 
Recherches  sur  les  imprimeries  protest.  Les  ateliers  typogr.  de  Fr.  Chayer  ä  la  Ferte-sous-Jouavre  et  ä  Sedan:  Le  livre  et 
l'image  2,  S.  154-62.  —  80)  O  X  c-  Sommervogel,  Introd.  de  l'impr.  dans  differentes  villes  au  XVII.  et  au  XVIII.  siecle. 
(=  Extr.  de  la  RBibl.)  Paris,  Bouillon.  16  S.  —  81)  A.  Cartier,  Arrets  du  Conseil  de  Geneve  sur  le  fait  de  l'impr.  et 
de  la  librairie  de  1541  ä  50.  Recueillis  et  ann.  (=  Extr.  des  MDSHGeneve.)  Geneve,  Georg  &  Co.  206  S.  Mit  3  Taf. 
|[J.  G(rand)-C(arteret):  Le  livre  et  l'image  3,  S.  51/2.)]|  —  82)  K.  Steiff,  Rieh.  Pafraet:  ADB.37,  S.  711,3.  —  83)  id., 


I  3  :  84-94  0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen. 

Köln  oder  Paffrath  nahebei,  der  um  1477  in  Deventer  den  Buchdruck  einführte,  und 
die  Druckerfamilie  seines  Namens  wird  durch  ein  Jh.  verfolgt;  ebenso  das  lange 
Wirken  des  Theodoricus  von  Borne  zu  Deventer,  das  beim  derzeitigen  Zustande  der 
Bibliographie  des  16.  Jh.  nicht  genügend  verfolgt  werden  kann.  Dirk  Borne  wie 
Richard  Pafraet  haben  sich  durch  Anfechtungen  wegen  wiedertäuferischer  Schriften 
erfolgreich  durchgewunden.  —  Ueber  das  Museum  Plantin-Moretus  hat  dessen  ver- 
dienter Direktor  Rooses84)  ein  stattliches,  mit  Radierungen  Kriegers  geschmücktes 
Werk  veröffentlicht,  das  insbesondere  die  Baugeschichte  dieser  unvergleichlichen 
Werkstätte  (.1576—1876)  unter  Wiedergabe  reicher  Details  behandelt.  —  Einem  Auf- 
satze über  dieses,  einer  grossen  Vergangenheit  geweihte  Museum  nach  de  Vinne 
schickt  eine  englische  Druckerzeitung85' 86)  in  nicht  unberechtigtem  Stolze  eine 
Schilderung  der  ehrwürdigen  Clarendon-Presse,  insbesondere  des  technischen  Be- 
triebes der  noch  blühenden  Universitätsdruckerei  zu  Oxford  voraus.  —  Der  englische 
Quäker  W.  Bradford87)  hat,  von  Philadelphia  aus  berufen,  in  New-York  den  Buch- 
druck eingeführt;  die  200jährige  Feier  der  Einführung  der  Buchdrucks-,  d.  h.  dort  der 
Zeitungspresse  hat  zu  einer  Darstellung  seines  Wirkens  und  des  ersten  Jh.  der  dortigen 
Druckthätigkeit  veranlasst.  —  Seidenstick er87a)  hat  das  erste  Jh.  des  deutschen 
Druckes  in  Amerika  (1728—1830)  behandelt.  —  Haebler88)  hat  die  deutschen 
Buchdrucker,  die  bis  1500  in  Spanien  und  Portugal  thätig  waren,  eingehend 
und  umsichtig  unter  Benutzung  der  seit  Volgers  Forschungen  veröffentlichten 
spanischen  Arbeiten  über  die  heimischen  Wiegendrucke  behandelt.  Danach 
haben  26  Deutsche  280  Bücher  in  19  Städten  der  pyrenäischen  Halbinsel,  davon 
in  11  als  die  ersten  gedruckt:  nur  in  9  minder  bedeutenden  Städten,  sind  lediglich 
von  Spaniern  ein  oder  ein  paar  Drucke  geliefert  worden.  Bezeichnend  für  die 
Schwierigkeit  des  Durchdringens  ist  der  Umstand,  dass  nur  43  Werke  von  ihnen  in 
neuer  Auflage  gedruckt  werden  konnten.  —  Steiff89)  bespricht  die  deutsche  Drucker- 
gesellschaft in  Sevilla  zu  Ende  des  15.  Jh.,  Thomas  Glockner,  Paul  von  Köln, 
Johann  Pegnizer  von  Nürnberg  und  Magnus  Herbst.  —  Ueber  die  Anfänge  süd- 
slawischen Druckes  vor  400  Jahren  hat  Jagic90)  in  seiner  Schrift  über  den  ersten 
Cetinjer  Kirchendruck  nachgewiesen,  dass  zwar  für  Südslawen  (Kroatien)  schon 
1483  mit  glagolitischen  Lettern  ein  Messbuch  gedruckt  worden  ist,  desgleichen  1491 
in  Krakau  mit  cyrillischen  Typen,  aber  nur  für  Kleinrussen  und  Rumänen,  dass  aber 
erst  1494 — 95  der  Mönch  Macarius  von  Montenegro  in  Cetinje  für  die  Serben  griechisch- 
orientalischer Kirche  Octoechos  und  Psalter  gedruckt  hat.  '—  Elze91)  hat  sachkundig 
die  Lebensschicksale  des  Reformators  in  Krain  Primus  Trüber  geschildert,  der  zuerst 
von  Rothenburg  a.  T.  aus  die  slowenische  Schriftsprache  begründete  und  zunächst 
mit  deutschen  Lettern  drucken  Hess,  im  ganzen  25  slowenische  Druckwerke,  später 
mit  P.  P.  Vergerius  und  Freiherr  Hans  Ungnad  zu  Urach  mit  glagolitischen,  cyrillischen 
und  lateinischen  Lettern.  —  Ueber  die  selteneren  Drucke  selbst  giebt  Ahn92)  aus- 
giebige bibliographische  Auskunft.  —  Dramatisch  hat  sich  nach  Kemkes93)  Dar- 
stellung der  Versuch  der  Einführung  des  Buchdrucks  in  Konstantinopel  gestaltet. 
Auf  Veranlassung  des  Patriarchen  von  Konstantinopel  Cyrillus  Lukaris  hat  im 
Juni  1627  der  griechische  Mönch  Nikodemus  Metoxa  eine  Presse  eingeführt  samt 
zwei  Holländern,  die  sie  aufstellen  und  ihren  Gebrauch  lehren  sollten.  Die  Aufstellung 
geschah  unter  dem  Schutze  des  englischen  Gesandten  Roe,  der,  obgleich  er  dadurch 
in  seinen  Hss.-Bestrebungen  aufgehalten  zu  werden  fürchtete,  die  Aufstellung  beim 
türkischen  Vesier  durchsetzte  und  Metoxa  für  seine  Person  eine  Freistätte  bot.  Der 
Groll  der  Franzosen  und  der  Hass  der  Jesuiten  vereinigten  sich  nun  zu  einer 
Denunziation  des  Patriarchen,  auf  die  hin  more  Turcheso  der  Vesier  während  eines 
englischen  Maskenspieles  am  Dreikönigstag  mit  150  bewaffneten  Janitscharen 
MetoxasHaus  überfiel  und  Presse,  Bücher  und  Papier  fortschleppte.  Die  Jesuiten  büssten 
darnach  die  falsche  ^Anschuldigung  mit  Kerker  und  Verbannung,  die  Presse  aber 
stand  still;  die  Bekenntnisschrift  des  Patriarchen  erschien  in  Genf,  London,  Sedan 
und  deutsch  in  Berlin  (1631).  — 

Für  die  Durchforschung  der  Wiegendrucke  verlangt  Dziatzko94)  „Fest- 


Theodoricus  v.  Borne  (Dirk  Borne):  ib.  S.  710/3.  —  84)  M.  Kooses,  Le  musöe  Plantin-Moretus  ä  Anvers.  Kaux-fortes  et  dessins 
par  M.  B.  Krieger.  Bruxelles,  Lyon,  Claesen.  Fol.  16  S.  Mit  8  Taf.  —  85)  The  Plantin-Moretus  niuseum  of  Antwerp :  British 
Printer  7,  S.  143-52.  —  86)  The  university  press  of  Oxford:  ib.  S.  77-92.  —  87)  A  Bl-Centennial  celebration.  Two  hundredth 
anniversary  ofthe  introd.  of  printing  into  New-York  by  William  Bradford:  American  Bookmaker  16,  S.  186-96.  —  87a)  O.  Seiden- 
st ick  er,  The  ftrst  Century  of  German  printing  in  America  1728—1830.  Preced.  by  a  notice  of  the  library  work  of  F.  D.  Pastorius. 
Philadelphia,  Schaefer  &  Konradi.  254  S.  Doli.  1,00.  —  88)  K.  .Haebler,  Dtsch.  Buchdrucker  in  Spanien  u.  Portugal:  CBIBibl.  11, 
S.  529-64.  —  89)  K.  Steiff,  Thomas  [Glockner,  dtsch.  Buchdrucker  in  Sevilla]:  ADB.  38,  S.  85/6.  —  90)  V.  Jagic,  D.  erste  Cetinjer 
Kirchendruck  vom  .1. 1494.  E.  bibliogr.-lexik.  Stud.  1.  Hälfte.  (=  Denkschriften  d.Kaiserl.Ak.  d.  Wissensch.  43.  Bd.)  Wien.Tempsky. 
4°.  80  8.  M.4,40.  —  91)  Th.  F.lze,  Primus  Trüber:  ADB.  38,  S.  669-74.  —  92)  Frdr.  Ahn,  Bibliogr.  Seltenheiten  d.  Truber- 
litt.  L.,  Uarrussowitz.  48.8.  M.  1,50.  —  93)  J.  Keule,  Z.  Gesch.  d.  Buchdrucks  in  Konstantinopel:  CBIBibl.  11,  8.178-84. — 
94)  K.  Dziatzko,   D.  Feststellung  d.  typograph.  Praxis  aller  dtsch.  Druckorte  d.  15.  Jh.  (=  N.  48,  S.  1-20.)  |[LCB1.  S.  1544/5.]| 


0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  I  3  ■.  94-104 

Stellung-  der  typographischen  Praxis  aller  deutschen  Druckorte  des  15.  Jh."  Nachdem 
er  schon  früher  bei  der  Untersuchung  von  Drucken  Gutenbergs  ein  Musterbeispiel 
gegeben  hatte,  derartige  Arbeiten  fruchtbar  zu  gestalten,  stellt  er  jetzt  die  Grund- 
sätze für  ein  allgemeines  Vorgehen  auf.  Jedermann  wird  diesen  Grundsätzen  zu- 
stimmen, vorweg  Burger  (JBL.  1893  I  3 :  94),  dem  man  dankbar  sein  muss,  dass  er 
mit  seinen  Schriften-Satzbildern  der  deutschen  und  italienischen  Inkunabeln  und 
seinem  inzwischen  vergriffenen  Druckerregister  zu  Hains  Repertorium  bibliographicum 
das  Wiegendruckwesen  von  zwei  Seiten  kräftig  angepackt  hat,  wenn  er  auch  zunächst 
mit  der  mehr  ästhetischen  Auffassung  der  Reichsdruckerei  rechnen  und  sie  nicht 
beim  ersten  Ansturm  zur  Durchführung  des  offen  gehaltenen  Gesamtplanes  verpflichten 
konnte.  Die  besondere  Veröffentlichung  der  Alphabete  in  dem  von  Steiff  und  D.  an- 
geregten Letternlexikon  der  Wiegendruckzeit  wird  ebenso  willkommen  sein,  wie 
Copingers  Supplement  zu  Hain.  Werden  Tafelwerk  und  Alphabetenverzeichnis  gleich- 
sam als  Atlas  und  Index  zu  dem  darauf  aufzubauenden  Werke  über  die  Geschichte 
der  Wiegendruckschrift  dienen,  so  die  Register-  und  Ergänzungsarbeiten  zu  Hain  als 
Unterlagen  für  die  Gesamtbibliographie  der  Drucke  dieses  Zeitalters  mit  Nach- 
weisung ihrer  insbesondere  deutschen  Hauptfundorte.  Jedenfalls  bedarf  es,  wie  D. 
mit  Recht  ausführt,  für  das  weitere  Vorgehen  „eines  Zusammenwirkens  aller  oder 
doch  thunlichst  vieler  geeigneter  Kräfte".  Eine  Guten berg-Gesellschaft  nach  des  Vf. 
Vorschlag  wäre  ein  geeignetes  Organ,  wenn  sie  die  vorhandenen  Mitstreiter  zu  ge- 
meinsamer Friedensarbeit  aufruft,  nicht  aber  befehdet95).  —  Das  Ziel  wissenschaftlicher 
Inkunabelforschung',  „die  Gründung  eines  möglichst  vollständigen  Corpus  aller  Wiegen- 
drucke", hat  auch  Voulliemes96)  Verzeichnis  der  Inkunabeln  der  Universitäts- 
Bibliothek  zu  Bonn  für  sein  Teil  im  Auge  gehabt.  Man  darf  sich  mit  dem 
Grundsatze,  in  einem  derartigen  Einzelverzeichnis  nur  diejenigen  Werke  genauer 
zu  beschreiben,  die  noch  nicht  von  Hain  oder  Campbell  aus  eigener  Anschauung 
bibliographisch  aufgenommen  sind,  trotz  der  hierdurch  bedingten  Buntscheckigkeit 
so  lange  einverstanden  erklären,  als  nicht  eine  gemeinsame  Stelle  für  einheitliche  Auf- 
nahme aller  Wiegendrucke  geschaffen  worden  ist,  der  vorerwähnte  Hain  redivivus. 
Wenn  Bibliotheksverwaltungen  sich  dann  nicht  auf  kurze  Verzeichnisse  mit  ausführ- 
lichen Registern  zur  Erhöhung  der  Brauchbarkeit  beschränken  wollen,  so  bleibt  für 
die  Individualbeschreibung  des  Exemplars,  für  die  Anstellung  eingehenderer  Unter- 
suchungen zur  Theorie  und  Praxis  des  ältesten  Buchwesens,  namentlich  aber  zu  den 
gebotenen  litterargeschichtlichen  Erörterungen  willkommener  Raum.  Die  übersichtlichen 
Register  des  gegen  1200  Wiegendrucke  umfassenden  Bonner  Kataloges  über  Drucker, 
Druckorte  und  Druckjahre  weisen  über  270  Drucker  nach,  Venedig  9")  allein  ist  mit 
85  Druckwerkstätten  vertreten,  also  mit  mehr  als  die  deutschen  Hauptdruckorte 
Augsburg,  Basel,  Köln,  Leipzig,  Mainz,  Nürnberg  und  Strassburg  zusammen,  daneben 
weisen  die  Drucke  aus  anderen  italienischen  Druckorten  wie  Bologna,  Brescia,  Mailand, 
Rom,  Treviso  und  Vicenza  nur  je  5 — 7  Werkstätten  auf,  auch  die  Pariser  nur  9.  — 
Gallis98)  Verzeichnis  der  Wiegendrucke  der  Gemeindebibliothek  von  Imola  ist  an 
das  der  Hss.  angeschlossen;  das  beigegebene  Autorenverzeichnis  bezieht  sich  nur  auf 
die  Mss.  —  Nentwig99)  hat  in  Ergänzung  seines  1887  erschienenen  Katalogs  der 
Stadtbibliothek  zu  Hildesheim,  der  sich  auf  die  breiteren  Volksschichten  nutzbaren 
Werke  beschränkt  hatte,  die  damals  ausgeschlossenen,  nicht  eben  bedeutenden  Hss. 
und  94  Wiegendrucke  dieser  Sammlung  verzeichnet;  das  Register  enthält  neben  den 
Druckorten  mit  Druckern  und  Druckjahren  auch  die  Vorbesitzer.  —  Die  kleineren 
Aufsätze  zur  typographischen  Praxis  aus  Dziatzkos  10°)  Kreise  haben  manches  will- 
kommene Ergebnis  gezeitigt.101)  —  Auf  Schorbachs 102)  umsichtige  Arbeit  über 
die  Drucke  der  Lothariustype  (mit  der  noch  nicht  erklärten  Jahrzahl  1448)  ist  be- 
sonders hinzuweisen.  —  K.  Meyers103)  Untersuchungen  über  die  Druckausgaben 
der  Geschichte  des  Pfarrers  von  Kaienberg  erweisen  das  Münchener  Fragment  (V. 
1733—2013)  in  der  Druckschrift  der  ersten  illustrierten  deutschen  Bibel  für  Jod. 
Pflanzmann  in  Augsburg  als  den  ersten  bekannten  Druck  dieses  Buches.  Seine  Auf- 
fassung, dass  eine  grosse  Zahl  von  Ausgaben  verloren  sei,  dürfte  mehr  den  Ver- 
hältnissen entsprechen  als  der  Schluss  Molsdorfs104),  der  das  Fehlen  einer  von  ihm 
Sorg  zug-eschriebenen    und   in    die  J.  1481—84   gesetzten    deutschen  Ausgaben  von 


—  95)  X  Ij-  Delisle,  Les  bibles  de  Gutenberg  d'apres  les  recherches  de  K.  Dziatzko:  JSav.  S.  401/3.  |f0.  H.:  CBIBibl.  11, 
S.  515.])  —  96)  E.  Voul Herne,  D.  Inkunabeln  d.  Kgl.  TJniv.-Bibl.  zu  Bonn.  (=  Beiheft  z.  CBIBibl.  XIII.)  L..  Harrassowitz. 
VI,  262  S.  M.  11,00.  (Mit  e.  Vorw.  v.  C.  Schaarschmidt.)  —  97)  O  Incunables  et  editions  aldines  pröcieuses  en  vente 
ä  la  librairie  ancienne  Leo  S.  Olschki,  Venise.  Venise,  Leo  S.  Olschlci.  54  S.  —  98>  R-  Galli,  I  manoscritti  e  gli  incunaboü 
della  biblioteca  comraunale  d'Imola.  Imola,  Galeato  e  flglio.  CXXIL  94  S.  L.  3,50.  (Wiegendrucke  S.  1-94.)  —  99)  H. 
Nentwig,  D.  MAüchen  Hss.  u.  d.  Wiegendrucke  in  d.  Stadtbibl.  zu  Hildesheim:  CBIBibl.  11,  S.  345-67.  —  100)  X  (— N-  48- ) 
|[LCB1.  S.  1544/5.] |  —  101)  X  P-  Jorges,  D.  über  horarum  canonic.  sec.  nov.  imp.  eccl.  Bamberg,  rubricara  v.  J.  Sensen- 
schmidt u.  H.  Petzensteiner  (Bamberg  14S4).  (—  N.  48,  S  67-73.)  —  102)  K.  Schorbach,  Lotharius,  über  de  miseria 
humanae  conditionis  [m.  d.  J.  1448]  u.  d.  mit  gleicher  Type  hergestellten  Drucke.  (=  N.  48,  S.  30/9.)  —  103)  K.  Meyer, 
Ausgaben  d.  Gesch.  d.  Pfarrers  v.  Kaienberg.     (=  N.  48,  S.  62/6.)  —  104)  W.  Molsdorf,  E.  unbek.  dtson.  Druck  d.  Fasciculus 


I  3  :  105-115U  0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen. 

Rolevincks  Fasciculus  temporum  (Bürdlin  der  Zijt),  von  der  nur  ein  einseitiges  in- 
korrektes Blatt  vorhanden  ist,  mit  den  Censuredikten  von  1479  und  86  in  Zusammen- 
hang bringt.  —  Als  ersten  deutschen  Druck  nimmt  Roth105)  die  von  ihm  in  das  J. 
1466  gesetzte  Druckschrift  Ingang  der  hymel  mit  den  Mainzer  Lettern  der  1468  er- 
schienenen Grammatik  in  Anspruch.  —  Von  Nachbildungen  seltener  Wiegendrucke 
durch  Lichtdruck  ist  Dietrich  von  Bern  (Sigenot)  zu  nennen.  Schorbach106),  der 
zugleich  eine  vollständige  Bibliographie  der  16  alten  Ausgaben  des  Sigenot  bietet, 
giebt  Heinrich  Knoblechtzers  Heidelberger  Druck  von  1490  nach  dem  Darmstädter 
Exemplar,  ergänzt  durch  das  herangezogene  Berliner,  wieder.  —  Eine  reiche  Samm- 
lung von  lateinischen  Bibeln107),  unzweifelhaft  die  Copingers  (JBL.  1893  I  3:106), 
wird  von  der  Londoner  Antiquariatshandlung  Sotheran  &  Co.  ausgeboten.  Das  britische 
Museum  enthält  478,  die  Bodleiana  192,  die  Universitätsbibliothek  von  Cambridge  167 
Ausgaben,  die  angebotene  Sammlung  543  lateinische  Bibeln.  —  Mit  Freude  ist  die  Aus- 
gabe wertvoller,  mit  Abbildungen  geschmückter  Antiquarkataloge  von  Inkunabeln  und 
wertvollen  Büchern  in  der  Weise  des  von  Albert  Cohn10S)  seitens  deutscher  Anti- 
quare zu  begrüssen.  — 

Von  der  Litteratur  der  Druckermarken  wird  im  „Börsenblatt"109)  eine 
gute  Uebersicht  gegeben,  die  Signete  einzelner  Personen  und  Familien  sind  hierbei 
nicht  berücksichtigt  worden.  —  Heitz110)  lässt  auf  die  italienische111)  Sammlung 
wieder  eine  deutsche  folgen,  die  zeitlich  da  einsetzt,  wo  jene  schliesst.  Hauptbestand- 
teil der  Zürcher  Büchermarken  bilden  22  Froschowersche  Zeichen,  die  das  Wappen- 
tier des  Hauses  unermüdlich  und  humorvoll  verwenden.  Ein  Vorbericht  handelt 
kurz  von  den  Züricher  Druckern  Hans  Rügger,  Hans  von  Wasen,  den  Froschauern, 
ihrem  Nachfolger  Joh.  Wolf,  sodann  von  Hans  Hager,  Augustin  Fries,  Rudolf  Weyssen- 
bach  und  Andreas  Gesner.—  Van  der  Haeghen,  Van  den  Berghe  und  Arnold112) 
von  der  Genter  Universitätsbibliothek  veröffentlichen  die  belgisch-holländischen 
Druckermarken.  Der  erste  Band  enthält  abgesehen  von  einer  einzigen  aus  Alkmaar 
nur  solche  aus  Amsterdam  und  Antwerpen,  das  allein  die  Hälfte  der  gesamten  891 
Stück  umfassenden  Sammlung  ausmacht;  im  zweiten  Bande  treten  in  der  alphabeti- 
schen Folge  der  Städte  Brügge,  Brüssel,  Delft,  Dordrecht,  Douai,  Gent,  Haarlem, 
Haag,  Leyden,  Lille,  Löwen,  Rotterdam  und  Utrecht  hervor.  Hoffentlich  wird  ein 
Textband  mit  Untersuchungen  in  der  Weise  der  Heitzschen  Sammlungen  das  Unter- 
nehmen ergänzen,  das  sich  jetzt  auf  Abdruck  mit  Angabe  des  Druckers  und  des  Jh. 
beschränkt.  —  Als  eine  der  Quellen  der  Büchermarkeri  muss  das  mittelalterliche 
Siegel  gelten.  Seyler113)  handelt  darüber  unter  Beigabe  von  Abbildungen  zumal 
auch  der  weltlichen  Stände,  doch  hat  die  Darstellung  der  Entwicklung  der  Sphragistik 
als  Wissenschaft  leider  in  dem  Prokrustesbette  der  illustrierten  Bibliothek  der  Kunst- 
und  Kulturgeschichte  keinen  Platz  gefunden.  — 

Wichtiger  als  die  Beigabe  der  Druckerzeichen  ist  der  sonstige  bildliche  und 
ornamentale  Bücher  schmuck.  Der  Originalabdruck  von  Strassburger  Form- 
schneiderarbeitendes 16.  und  17.  Jh.  wird  deshalb  von  Heitz114)  fortgesetzt.  Diese 
neue  Folge  des  1892  in  2.  Auflage  erschienenen  Unternehmens  zieht  weitere  alte 
Druckereien  herbei,  die  aus  Bibel  und  erbaulichen  Büchlein,  Chronik  und  Kalender, 
Sallusts  Bundtschuch  und  dem  Narrenspiegel,  aus  Abenteuern  und  Legenden,  nament- 
lich aber  aus  einem  Dutzend  Volksbücher  thunlichst  unter  Nachweis  der  Herkunft  alte 
Holzstücke  spenden.  —  Daneben  beginnt  Heitz115)  Initialschmuck  elsässischer  Drucke 
des  15.  und  16.  Jh.  zu  veröffentlichen.  Den  Anfang  machen  Thomas  Anshelms 
Hagenauer  Zierbuchstaben  mit  Ausschluss  der  griechischen  Schmuckinitialen,  auf 
20  Tafeln  vier  Missal-Alphabete  Regensburger  Schule  und  zwei  Kinderalphabete,  das 
grössere  von  H.  Koberger  für  den  Plinius  geliefert.  Kunstgeschichtliche  und  technische 
Nachweise  machen  das  WTerk  wertvoll.  (Vgl.  I  9.)  —  Der  Herzog  von  Rivoli,15a)  liefert 


temporäre  (Bürdlin  der  Zijt)  v.  Anton  Sorg.  (=  N.  48,  S.  21/7.)  —  105)  F.  W.  E.  Roth,  Z.  Litt,  dtsch.  Drucke  d.  15.-16.  Jh. 
E.  Nachtr.  zu  d.  Rep.  v.  Hain  u.  Weller:  ZDPh.  26,  S.  467-80.  —  106)  K.  Schorbach,  Seltene  Drucke  in  Nachbildungen. 
Mit  einl.  Text.  II.  Dietrich  v.  Bern.  (Sigenot)  Heidelberg  1490.  Mit  vollst.  Bibliogr.  L.,  Spirgatis.  4°.  16,43  S.  Mit  1  Taf. 
M.  15,00.  |[L.  Fr.:  LOB!.  S.  1462,3.] |  —  107)  E.  T.,  Priyatsaranil.  lat.  Bibeln:  CBIBibl.  11,  S.  89.  (London,  Sotheran  &  Co.) 
—  108)  205  Kat.  v.  Alb.  Cohn.  Seltene  u.  kostbare  Bücher,  grösstenteils  aus  d.  XV.  u.  XVI.  Jh.  B.,  Alb.  Cohn.  72  S. 
M.  1,00.  —  109)  Rr.,  D.  Litt.  d.  Signete:  BörsenblDBuchh.  S.  674.  —  HO)  P.  Heitz,  D.  Zürcher  Büchermarken  bis  z.  Anf. 
des  17.  Jh.  E.  bibliogr.  u.  bildl.  Nachtr.  zu  C.  Rudolphis  u.  S.  Vögelins  Arbeiten  über  Zürcher  Dr  uckwerke.  Her.  durch  d. 
Stiftung  v.  Schnyder  v.  Wartensee.  Zürich,  Fäsi  &  Beer.  Fol.  48  S.  Mit  39  Abbild.  M.  7,00.  —  111)  X  °-  v-  Hase,  P. 
Kristeller,  D.  ital.  Buchdrucker-  u.  Verlegerzeichen  (JBL.  1893  I  3:  114):  LCB1.  N.  447/9.  —  112)  [F.  Van  der  Haeghen, 
R.  Vanden  Berghe  u.  Th.  J.  I.  Arnold],  Marques  typogr.  das  impritneurs  et  libraires  qui  ont  exerce  dans  les  Pays-Bas, 
et  marques  typogr.  des  imprimenrs  et  libraires  beides  ötablis  ä  l'etranger  Tinio  I.  u.  II.  (==  Extr.  de  la  Bibliotheca  belgica.)  Gand, 
Vyt.  16".  891  Marques  typogr.  Fr.  20,00.  —  113)  A.  Seyler,  Gesch.  d.Siegel.  (  =  Bibl.d.  Kunst-  u.  Kulturgesch.  N.  3.)  L.,  Fliesenhahn. 
III,  383  S.  M.  5,00.  —  114)  P.  Heitz,  Originalabdr.  v.  Formschneider-Arbeiten  d.  XVI.  u.  XVII.  Jh.  N.  F.  Taf.  LX XXIV— CXX1X. 
Strassburg  i.  E.,  Heitz.  Fol.  XI  S.  Mit  46  Taf.  M.  10,00.  |[0.  v.  Hase:  LCB1.  S.  1262/3.]|  —  115)  id.,  D.  Zierinitialen  in  d. 
Drucken  d.  Thomas  Anshelm  (Hagenau  1516  —  23).  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Holzschnitts.  (==  D.  Initialschmuck  in  d.  elsäss.  Drucken 
d.  XV.u.XVl.  Jh.  1. Reihe.)  ebda.  4".  20S.  Mit  20  Taf.  M.6,00.  |[0.  v.  Hase:  LCB1.  g.  1303]|  -  115a)  Duc  de  Riv  oli,  Les  misseis 
venit.  Descript.,illust.,  bibliogr.  Etüde  suiTart  delagrav.surboisä  Venisede  1481  :\1600.  Paris,  Rothschild.  5Lfgn.  ä50S.  ä  Fr. 50,00.  — 


0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  I  3  i  116-130 

eine  reichausgestattete  Studie  zur  Holzschneidekunst  in  seinem  Werke  über  die 
Venediger  Miggale.  —  Bei  der  grossen  Bedeutung",  die  der  in  Deutschland  geborene 
Kupferstich  als  Bücherschmuck  in  seiner  engen  Verknüpfung  mit  vielen  Werken  der 
neueren  deutschen  Litteratur  erlangt  hat,  ist  es  willkommen,  dass  unter  die  kleinen 
Handbücher,  die  von  der  Generalverwaltung  der  kgl.  Museen  in  Berlin  herausgegeben 
werden,  eine  übersichtliche  Darstellung  des  Kupferstiches  von  dem  besonders  hierzu 
geeigneten  Direktor  des  Berliner  Kupferstichkabinets  Li pp mann116)  aufgenommen 
worden  ist.  —  Das  1.,  3.  und  8.  Kapitel  von  der  Stechkunst  in  Deutschland  bis  auf 
Dürer  und  vom  Kupferstich  bis  zum  Ende  des  16.,  sowie  im  17.  und  18.  Jh.  in 
Deutschland,  auch  die  angeführte  Litteratur  des  Kupferstichs  und  die  Darstellung 
seiner    Technik   werden   dem   Litteraturforscher    sich   als   nützliche   Hülfe   erweisen. 

—  Eine  reiche  Ergänzung  hierzu  bietet  Jessens117)  Ornamentstich-Katalog  des 
Berliner  Kunstgewerbemuseums.  Ist  die  Anordnung,  die  sich  die  Vorzüge  der  be- 
reits veröffentlichten  Kataloge  der  gleichartigen  Sammlungen  von  Wien  und  Leipzig 
zu  Nutze  machen  konnte,  im  wesentlichen  nach  kunstgewerblichen  Gesichtspunkten 
erfolgt,  so  bieten  die  trefflichen  Namen-  und  Sachregister  doch  die  Möglichkeit  der 
Benutzung  für  Forschungszwecke,  zudem  sind  Schreibvorlagen,  Chiffern  und  Mono- 
gramme, Drucktypen,  illustrierte  Bücher  und  Buchornamente  in  einer  besonderen 
Gruppe  „Schrift  und  Druck"  zusammengefasst  (S.  340—81),  nur  die  Sammlung  der 
Schreibvorlagen  erweist  sich  als  reichhaltig.  —  Verzeichnisse  wertvoller  Sammlungen, 
z.  T.  aus  Rudolf  Weigels  und  Wilhelm  Lübkes  Besitz,  haben  Hiersemann118)  und 
Jos.  Baer119)  veröffentlicht.  Was  soll  aber  der  englische  Umschlag  bei  H.s  treff- 
lichem, durch  und  durch  deutschen  Kataloge  N.  112?  —  Eine  Fülle  von  bildlichem 
Bücherschmuck  legt  Detzel120)  in  seiner  christlichen  Ikonographie,  nicht  nach 
Schulen  und  Meistern,  sondern  nach  den  Vorwürfen  geordnet,  vor ;  dabei  verfolgt  er 
das  Ziel,  dem  Bücherschmucke  christlicher  Kunst  beschränkende  Regeln  aufzuerlegen : 
Warum  solle,  was  weltlichen  Auftraggebern,  z.  B.  Max  I.,  zugestanden  sei,  die  Kirche 
allein  nicht  berechtigt  sein,  vom  Künstler  zu  verlangen,  dass  er  bei  Darstellung 
religiöser  Werke  auch  ihre  Traditionen  befrage  und  berücksichtige?  —  Für  die  Ver- 
bindung von  Buch  und  Bild  hat  neuerdings  ein  wahrer  Feinschmecker  auf  diesem 
Gebiete,  Grand-Carteret  121J,  ein  besonderes  Organ  geschaffen.  „Le  livre  et  l'image" 
mit  seinem  reichen  liebenswürdigen  Inhalt  verdient  liebevolle  Beachtung  der  Bücher- 
liebhaber. —  Grand-Carteret122-123)  selbst  behandelt  das  illustrierte  Buch  in  England, 
Deutschland  und  der  Schweiz,  wobei  er  die  gegenwärtige  Bewegung  in  Deutschland 
trefflich  schildert;  den  russischen  Abbildungen  hat  er  eine  besondere  Arbeit  ge- 
widmet.124-126) —  Einen  fremdartigen  Auswuchs  des  Bücherschmuckes,  die  Extra- 
Illustration,  schildert  Thaussig  127)  an  hervorragenden  Beispielen  dieses  individuell 
von  •  Liebhabern,  planmässiger,  aber  reizloser  von  Buchhändlern  in  England  ge- 
pflegten und  von  Amerika  überbotenen  Brauches,  dabei  stellt  er  Gott  sei  Dank  fest, 
dass  Deutschland  in  dieser  Büchernarrheit,  ehrliche  in  sich  abgeschlossene  Bücher 
mit  fremden  Federn  zu  schmücken,  nichts  geleistet  habe;  auch  von  Frankreich  ist 
ihm  derartiges  nicht  bekannt.  — 

Die  Druckschrift  von  78  Sprachen-Alphabeten  giebt  übersichtlich  das 
Büchlein  des  alten  Ballhorn128)  wieder,  aber  warum  fehlt  das  lateinische  Abc,  und 
warum  wird  das  deutsche  in  dem  sonst  deutsch  abgefassten  Buch  auf  dessen  letzter 
Seite  mit  englischem  Begleittexte  gebracht?  Zu  der  gesperrt  wiedergegebenen  Be- 
merkung, dass  das  Buch  durchgängig  in  Letternsatz  hergestellt  ist,  hätte  der  Zusatz 
gehört,  dass  diese  13.  Auflage  anastatisch  hergestellt  ist.  Gerade  für  ein  derartiges 
Werk,  das  scharfe  klare  Schriftzüge  verlangt,  eignet  sich  Abklatsch  vom  Stein  durch- 
aus nicht.  —  Mit  Recht  hat  man  de  Brysche129)  Initialen  von  neuem  als  ein 
Musterbüchlein  veröffentlicht.  —  Eine  ausgiebige  Sammlung  von  Schriften  und  ins- 
besondere Initialen  alter  und  neuer  Zeit  giebt  namentlich  für  die  Vertreter  der 
graphischen    Künste    Petzendorfers  13°)    in   2.    vermehrter  Auflage    erschienener 

116)  F.  Lippmann,  D.  Kupferstich.  Mit  110  Abbild.  (=  Handbücher  d.  Kgl.  Museen  zu  Berlin.)  B.,  Speraann.  1893.  223  S. 
M  250.  (Vgl  I  9.)  —  117)  P-  Jessen,  Kat.  d.  Ornamentstich-Sauiml.  d.  Kunstgewerbe-Mus.  Mit  200  Abbild.  L.,  Seemann.  VIII, 
480  S.  M.  7  50.  —118)  K.W.  Hiersemann,  Cat.  N.  112.  Engravings  and  etchings  of  old  and  modern  Masters.  L.,  Hiersemann. 
1893  81  S  —  119)  Jos.  Baer,  Bibl.  W.  Lübke.  2.  Abt.  Malerei  u.  Kupferstichkunde  vom  frühen  MA.  bis  z.  neuesten  Zeit. 
Frankfurt  a  M.  Baer  &  Co.  104  S.  —  120)  H.  Detzel,  Christi.  Ikonographie.  E.  Handb.  z.  Verständnis  d.  christl.  Kunst.  Bd.  1. 
D  bildl  Darstellungen  Gottes,  d.  allerseligsten  Jungfrau  u.  Gottesmutter  Maria,  d.  guten  u.  bösen  Geister  u.  d.  göttl.  Ge- 
heimnisse Freiburg  i  B.,  Herder.  XVI,  587  S.  Mit  220  Abbild.  M.  7,00.  -  121)  J.  Grand-Carteret,  Le  livre  et  l'image. 
Rev.  documentaire  ill.  mensuelle.  Bd.  IUI  Paris,  Fontaine  <E.  Rmdeau).  1893-94.  336,  356,  320  S.  -  122)  id.,  Le  livre 
ill.  a  l'etranger.   Angleterre  -  Alleraagne  -  Suisse:  Le  livre  et  l'imuge.  3,  S.  129-49.  —  123)  id.,  L'image  Russe:  ib.  2,  S.  189-208. 

—  124)  X  Le  livre  ill.  en  1893.  Livres  ill.  d'images  documentaires.  —  Livres  ill.  de  corapositions  de  fantaisie:  ib.  1, S.  106-13. 
(Gez.  „Un  vieux  bouquiniste«.)  —  125)  X  J-  Adeline,  Hist.  du  livre  par  les  prospectus:  ib  2,  S.  272-85;  3,  S.  150-62.  — 
126)  X  E.  Bella,  A  Coli,  of  Posters.  The  ill.  cat.  of  the  first  exhibition.  London,  Royal  Aquarium.  48  S.  —  127  t  E. 
Taussig  Extra- illustr.  Bücher:  BörsenblDBuchh.  61,  S.  816,8.  —  128)  P.  Ballhorn,  Alphabete  oriental.  und  occident. 
Sprachen.'  13.  unveränd.  Aufl.  Würzburg,  Ballhorn  &  Cramer.  1893.  IV,  80  S.  M.  4,50.  -  129)  O  J.  T.  u.  J.  I.  de  Bry , 
Initialen.  E.  Alphabet  vom  J.  1596.  Nach  d.  Originalkupfern.  Muster-Büchlein  für  Künstler  u.  Kunstgewerbetreibende.  B., 
Stargardt.    4°.     24  Taf.    mit   2  S.  Text.     M.  4,00.    —    130)   L.    Petzendorfer,    Schriften- Atlas.     E.    Samml.    d.    wichtigsten 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (l)3a 


I  3  :  131-146  0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen. 

Schriften-Atlas.  —  Die  Pflicht  möglichst  genauer  orthographischer  Wiedergabe  der 
Titel  führt  zur  Untersuchung  über  den  Wandel  in  Gebrauch  gewisser  Buchstaben. 
Hörn  131)  hat  dankenswert  die  Erörterung  des  Schriftgebrauchs  von  U  und  V,  I  und  J 
in  Fraktur-  und  römischer  Schrift  eingeleitet.  In  den  Schlusssätzen  seiner  Dar- 
legungen erklärt  er  es  für  wünschenswert,  dass  man  in  Deutschland  zu  einem  über- 
einstimmenden, eindeutigen  Gebrauch  der  Antiqua-Buchstaben  U,  V,  I,  J,  u,  v,  i,  j 
gelangt.  „Hat  ein  preussischer  Minister  die  deutsche  Orthographie  geregelt,  so  kann 
ein  anderer  Minister  auch  etwas  über  die  lateinische  verfügen";  an  diesen  kurzer 
Hand  vom  Vf.  gemachten  Vorschlag  zur  Güte  wäre  wohl  der  Wunsch  zu  knüpfen, 
dass  vor  derartiger  Reglementierung  weitere  gründliche  Arbeiten  auf  diesem  Gebiete 
dem  Minister  die  peinlichen  Erfahrungen  seiner  Vorgänger  ersparten.  —  Die  Frage 
der  Anwendung  deutscher  oder  lateinischer  Buchstaben  bleibt  im  Flusse132).  Gute 
Beobachtungen,  allerdings  weniger  auf  Grund  von  Hss.  als  von  Mitteilungen  der 
Gelehrten,  von  kritischen  Ausgaben  und  Facsimiledrucken,  bietet  für  die  Entwicklung 
der  deutschen  Satzzeichen  und  Redestriche  Glöde133),  der  über  die  Anwendung 
in  der  mittelhochdeutschen  und  Uebergangsperiode  handelt  und  bei  der  Darstellung 
der  historischen  Entwicklung  die  beiden  Hauptgruppen  durch  die  Erfindung  der 
Buchdruckerkunst  scheidet.  —  Gillhoff 134),  der  die  Majuskelfrage  abseits  vom 
orthographischen  Hader135)  behandelt,  verlangt  als  Regeln  im  Interesse  der  Einheit 
und  der  Schule  grosse  Anfangsbuchstaben  nach  Absätzen,  nach  einem  Punkt  und 
bei  Eigennamen.136)  —  Einen  frisch  geschriebenen  Führer  für  den,  der  druckt  und 
drucken  lässt,  für  Setzer  und  Korrektoren,  Herausgeber,  Vf.  und  Verleger  hat 
Landi137)  veröffentlicht.  — 

Ueber  die  Lothringer  Wasserzeichen  veröffentlicht  Wiener138)  eine  wert- 
volle Studie  mit  zahlreichen  Nachbildungen  und  einem  vollständigen  Verzeichnis  von 
alten  Papiermühlen  (die  ältesten  von  Viile  sur  Sailla  [1381]  und  von  Saint-Die  [1464]); 
willkommen  ist  der  Abdruck  des  französischen  Papiertarifs  von  1741,  der  die  Namen 
aller  gebräuchlichen  Papiersorten  anführt.  —  Marabini 138a)  unternimmt  eine  bayerische 
Papiergeschichte,  die  er  wie  billig  mit  Nürnberg  beginnt.  —  Der  greise  Lempertz138b) 
liefert  von  neuem  Beiträge  zu  den  alten  Wasserzeichen.  —  Piekosinski139)  bietet  einen 
reichhaltigen  Atlas  von  Wasserzeichen  aus  Hss.  in  polnischen  Archiven  und  Bibliotheken, 
insbesondere  aus  der  Jagellonischen  Universitätsbibliothek  zu  Krakau.  —  Die  neueste 
Errungenschaft  ist  die  Herstellung  künstlicher  Wasserzeichen  durch  Satinagedruck, 
worüber  Neuburger140)  berichtet.  — 

Eine  der  literarhistorischen  Wissenschaft  dienende,  wohlgeordnete  Biblio- 
graphie stellt  fortan  Sauer141)  zusammen,  die  von  den  Fachmännern  mannigfach  zu 
Rate  gezogen  wird.  —  Der  Bibliographie  im  weiteren  Sinne,  der  „Booklore",  soll  das 
1894— 96  jährlich  in  vier  Heften  erscheinende  vornehme  Sammelwerk  neuer  Einzelbeiträge 
von  angesehenen  Bücherkennern  „Bibliographica"142)  dienen.  —  Einen  durch  Aeusser- 
liches  bestimmten  Ueberblick  über  die  Bibellitteratur  knüpft  der  Bookworm  an  die 
bibliographisch  verzeichneten  Bestände  des  Bibelhauses  von  Geo.  Cläre143)  in  London. 
—  Willi  Müller144)  stellt  gelegentlich  der  allerdings  nötigen  Nachprüfung  von 
Copingers  Bibelwerk  ein  Verzeichnis  der  lateinischen  Bibelausgaben  des  15.  Jh.  in 
der  Göttinger  Universitätsbibliothek  auf.145)  —  Ein  bisher  ungeschriebenes  Kapitel 
der  Bibliographie  liefert  Clouston 146)  in  seinem  sorgfältigen  Werke  über  den 
Ursprung  und  die  Geschichte  der  hieroglyphischen  Bibel.  Diese  seltsamen  Bibel- 
Auszüge,  die  einzelne  Worte  durch  figürliche  Sinnbilder  ersetzen,  werden  von  der 
Augsburger  Stammausgabe  Mattspergers  und  Bodenehrs  von  1687  bis  zur  Gegenwart 
durch   alle  Länder  verfolgt  und   unter  Wiedergabe  von  Bildern  beschrieben.     Eine 


Schreib-  u.  Druckschriften  aus  alter  u.  neuer  Zeit  nebst  Initialen,  Monogrammen,  Wappen,  Landesfarben  u.  herald.  Motiven  für  d. 
praktischen  Zwecke  d.  Kunstgewerbes.  St.,  J.  Hoffmann.  Fol.  X.  126  Taf.  M.  21,00.  —  131)  E.  H  o  r  n ,  Z.  Orthographie  v.  U 
und  V,  I  .und  J.  E.  hist.-typogr.  Erörterung:  CBIBibl.  11,  S.  385-400.  —  132)  X  E-  Lohmeyer,  Sollen  wir  mit  dtsch. 
oder  lat.  Buchstaben  schreiben?:  BurschenschBH.  8,  S.  79-80.  (Dazu:  A.  Rein  ecke:  ib.  S.  80/1.)  —  133)  0.  Glöde,  D.  hist. 
Entwickl.  d.  dtsch.  Satzzeichen  u.  Redestriche:  ZDÜ.  8,  S.  6-22.  -  134)  J.  Gillhoff,  Z.  Majuskelfrage:  Paed.  16,  S.  304-13.  - 
135)  X  D-  Orthographieelend:  Grenzb.  4,  S.  235/6.  —  136)  X  F-  Kogler,  D.  Dehnungsfrage  in  unserer  Rechtschreibung. 
Progr.  d.  Colleg.  Borromaeum.  Salzburg.  1892.  42  S.  |[G.  Helmer:  ÖLB1.  3,  S.  143.]|  —  137)  8.  Landi,  Tipographia  I. 
Guida  per  qui  stampa  e  fa  stampare;  compositori  e  correctori,  revisori,  autori  ed  editori.  Mailand,  Hoepli.  1892.  XIX,  280  S. 
L.  2,50.  —  138)  L.  Wiener,  Etudes  sur  les  filigranes  des  papiers  lorrains.  Nancy,  R.  Wiener.  1893.  78  S.  Fr.  15,00. 
|[J.  Grand-Carteret:  Le  livre  et  l'image  3,  S.  93;7.]|  —  138a)  E.  Marabini,  Bayerische  Papiergesch.  Nach  archival.  Quellen 
verf.  1.  T.  D.  Papiermühlen  im  Gebiet  d.  weiland  freien  Reichstadt  Nürnberg.  Nürnberg,  J.  Ph.  Raw.  147  S.  mit  100  Abbild., 
6  Taf.  u.  1  Karte.  M.  4,50.  —  138b)  H.  Lompertz,  Gesch.,  Papierstudien,  Wasserzeichen.  Einige  Erinnerungsbll.  an  d.  23.  Jahres- 
Versamml.  d.  HansGV.  zu  Köln.  Köln,  Lempertz.  1 1  Bll.  u.  Schlusswort.  — 139)  F.  Piekosinski,  Sredniowieczne  Znaki  Wodne  zebrane 
z  rekopisöw  przechowanych  w  Archiwach  i  Bibliotekach  polskioh,  glöwnie  krakowskich,  Wiek  XIV.  Krakowic,  Nakladem  Akademii 
Umiejetnosci.  1893.  4°.  34  S.  77  Taf.  (Privatdr.)  —  140)  A.  Neuburger,  D.  Herstellung  künstl.  Wasserzeichen:  TypogrJb.  15, 
S.  9-12,  17/8.—  141)  (11:98,  S.  179-236,  424-90,  658-92,  832-52.)  -  142)  O  Bibliographica.  A  mag.  of  bibliography  in  twelve 
quaterly  parte.  Parti.  London,  Paul,  Trench,  Trübner  &  Co.  128  S  Sh.  10,00.  |[C.  Haeberlin:  CBIBibl.  11,  S.  406;  0.  H:  ib 
S.572.]|  — 143)  [Bookmaker],  A  Bible  Library :  Book Worm.  S.  217-24.  -  144)  Willi  Müller,  D.  Biblia  Latina  d.  15.  Jh.  in  d 
Göttinger  Univ.-Bibl.  (=  N.  48,  S.  89-95.)  -  145)  X&-  Villa,  Deutschland  u.  d.  Bibel:  DEKZ.  8,  S  77/8.  -  146)  W.A.  Clouston, 
Hieroglyphie  bibles,  their  origin  and  hist.  a  hitherto  unwritten  chapter  of  bibliography.  With  facs.  and  illustr.  and  a  new  hieroglyphic 


0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  I  3  :  147-109 

neue  Miniaturbibel  von  Laing  mit  farbigen  Bildern  dieser  besonders  in  England 
eingebürgerten  Spielart  wird  dem  Leser  im  Anhange  nicht  erspart.  —  Bahlmann147) 
verdankt  man  eine  Bibliographie  der  deutschen  und  ins  Deutsche  übersetzten 
katholischen  Katechismen  bis  zum  Ende  des  16.  Jh.148)  —  Elze148a)  ergänzt  seine 
früheren  Aufsätze  über  die  slovenischen  protestantischen  Katechismen,  Postillen  und 
Gesangbücher  durch  die  Beschreibung  von  vier  Gebetbüchern  des  16.  Jh.  —  Die 
Bibliographie  der  meist  auf  Frankreich  weisenden  epischen  lateinischen  Dramen  des 
Mittelalters  (JBL.  1893  I  3:  120)  ergänzend,  giebt  Bahlmann140)  eine  Uebersicht  der 
ausschliesslich  in  Italien  zur  ersten  Entwicklung  gelangten  wirklichen  lateinischen 
Dramen,  insgesamt  26,  z.  T.  verschollene  Werke.  Die  Tragödie  der  antiken  Mythologie 
und  Geschichte  entnommen  nach  Senecas  Vorbild,  die  Komödie,  meist  derbe  Liebes- 
und Kupplergeschichten,  nach  Terenz,  gelegentlich  auch  nach  Plautus,  Dramatisierung 
der  neuesten  geschichtlichen  Ereignisse  ohne  wesentlichen  Einfluss  des  klassischen 
Dramas,  sind  auch  in  Deutschland  hs.  verbreitet,  gedruckt  und  bald  beliebt  geworden, 
bis  Wimpfeling  und  Reuchlin  hier  das  humanistische  Drama  begründeten.  —  Zur 
BibliogTaphie  des  Columbus  giebt  Harrisse150)  in  einem  scharfen  kritischen  Angriffe 
wider  die  kgl.  Akademie  für  Geschichte  in  Madrid  sorgfältige  Berichtigungen.  —  Eine 
kleine  Nachlese  zur  Bibliographie  der  Paracelsisten  im  16.  Jh.  hält  wiederum  Sud- 
hoff151_151a),  der  nunmehr  mit  einer  kritischen  Arbeit  über  die  Gesamtheit  der  Paracel- 
sischen  Schriften  vorgeht.  —  Hans  Sachs-Litteratur  stellt  Braun152)  zum  400jährigen 
Geburtsjubiläum  zusammen.  —  Roth153)  widmet  dem  Gelehrtengeschlechte  Lorich  eine 
Bibliographie.  —  Das  „Freie  deutsche  Hochstift"  hat  eine  Faustausstellung  mit  Katalog  ver- 
anstaltet. Heuer154)  giebt  zur  Bibliographie  des  Spiesschen Faustbuchs  Beiträge,  danach 
ist  das  Exemplar  der  Breslauer  Universitätsbibliothek  das  17.  Exemplar,  ein  bisher 
unbekannter  neuer  Abdruck  der  Ausgabe  von  1590  als  Zarncke  d2  einzureihen;  das 
Exemplar  der  gereimten  Bearbeitung  in  der  kgl.  Bibliothek  zu  Berlin  ist  wohl 
ein  Abdruck  des  Originalverlegers  Alexander  Hock  in  Tübingen  nach  der  Ausgabe 
von  1588.  —  Eine  Antiquarkatalog  Wegs  bietet  420  Schriften  zum  Faustbuch155), 
den  Vor-Goetheschen  Bearbeitungen,  zu  Goethes  Faust  und  den  Faustdichtungen  nach 
Goethe,  ein  anderer  eine  Lessingbibliothek156),  ein  dritter157)  die  deutsche  Litteratur 
von  1750—1850,  zumal  Goethe.158)  —  Die  Jahreslitteratur  über  Goethe  wird  wie  üblichim 
GJb.  durch  Geiger159)  eingehend  verzeichnet.  —  Israel160),  ein  verdienter  sächsischer 
Schulmann,  stellt  die  Schriften  von  Pestalozzi  und  über  ihn  zusammen.  —  Die  deutsche 
Shakespeare-Gesellschaft161)  bietet  in  dem  Gesamtverzeichnis  zu  den  ersten  30  Bänden 
ihrer  Jbb.  eine  gute  Uebersicht  der  Shakespeare-Bewegung  in  Deutschland  und  ver- 
öffentlicht durch  P.  von  Bojanowsky162)  ihr  Bibliotheksverzeichnis.  —  Cohn163) 
giebt  die  Shakespeare-Bibliographie  der  J.  1892—93  nach  den  Ländern  geordnet,  wobei 
neben  England- Amerika  nur  Deutschland  eine  Rolle  spielt.  —  Die  Inhaltsübersicht 
der  Shakespeare-Gedächtnisbibliothek164)  zu  Birmingham  weist  unter  9312  Werken 
in  54  Gruppen  an  deutscher  Shakespeare-Litteratur  2261  Werke  auf.  —  Als  ein  be- 
rufener Kenner  der  Universitätsgeschichte  greift  K  a  u  f  m  a  n  n 165)  die  aus  bibliographischen 
Aufzeichnungen  hervorgegangene  Arbeit  Horns156)  (JBL.  1893  I  3:136),  die  aus 
12000  Dissertationen  und  Disputationen  Mitteilungen  bot,  wegen  der  Art  der  Benutzung 
dieses  an  sich  wertvollen  Materials  scharf  an.167-168)  —  Von  Bibliographien  zur 
Förderung  wissenschaftlicher  Landeskunde  von  Deutschland  wird  die  Bibliotheca 
Hassiaca  Ackermanns169)  dauernd  auf  dem  Laufenden  erhalten;  sie  weist  schon  den 
fünften  Nachtrag  des  1883  erschienenen  verdienstlichen  Werkes  auf.  —  Die  bayerische 


bible  told  in  stories  by  F.  A.  Laing.  Glasgow,  Bryce  <  Son.  316  S.  Mit  25  Taf.  Sh.21.  —  147)  P.  Bahlmann,  Deutschlands 
Katechismen  bis  z.  Ende  d.  16.  Jh.  Mit  e.  Beil.:  Taf.  des  christl.  Lebens  (ca.  1480).  Münster,  Regensberg.  80  S.  M.  1,60.  kath. 
IfLCBl.  S.  1658/9.H  -  148)  O  X  E-  Voullieme,  Z.  Bibliogr.  d.  Trierer  Heiligtumsbücher:  KBWiederdSpr.  17,  S.  67(8.  — 
148a)  Th.  Elze,  D.  sloven.-protest.  Gebetbücher  d.  16.  Jh.:  JGGPÖ.  15,  S.  15-22.  —  149)  P.  Bahlmann,  D.  lat.  Dramen  d. 
Italiener  im  14.  u.  15.  Jh  :  CBIBibl.  11,  S.  172/8.  —  150)  H.  Harri  sse,  Ch.  Colomb  et  les  Academiciens  espagnols.  Notes 
pour  servir   ä  l'hist .  de  la  science  bibliogr.  en  Espagne  au  XIX.  siecle:  ib.  S.  1-70.  —  151)  K.  Sudhoff,  E.Nachtr  z.  Bibliogr. 

d.  Paracelsisten  im  16.  Jh.:  ib.  S.  169-72.  (Vgl.  JBL.  1893  I  3  :  124.)  -  151a)  id..  Versuch  e.  Krii.  d.  Echtheit  d.  Paracelsischen 
Schriften,  Bd.  1:  Bi bliographia  Paracelsica.  B.,  Reimer.  XIII,  722  S.  M.  18,00.  -  152)  J.  Braun,  Hans  Sachs-Litt  Z.  400j.  Geburts- 
jubil.  d.  Hans  Sachs  zusammengest.:  NachrBuchh.  1,  S.  249-50,  258/9,  276/7.  (Vgl.  II  4b.)  —  153)  F.  W.  E.  Roth,  D.  Gelehrten- 
familie Lorichius  aus  Hadamar.  Biogr.-bibliogr.  Mitteil.:  CBIBibl.  11,  S.  368-85.  -  154)  O.  Heuer,  Z.  Bibliogr.  d.  Spiesschen 
Faustbuches:  BFDH.  10,  S.  83/6,  274/7.  (Vgl.  II  3:41.)  —  155)  Faust.  Hat.  N.  32.  L.,  M.  Weg.  15  S.  -  156)  Lessing- Bibl. 
E.  überaus  reichhaltige  Samml.  v.  Schriften  von  u.  über  G.  E.  Lessing.  Kat.  N.  31.  ebda.  23  S.  —  157)  Dtsch.  Litt.  v.  1750—1850. 
E.  reichhaltige  Samml.  v.  Büchern  u.  Bildnissen  mit  bes.  Berücksicht.  v.  Goethe.  Kat.  N.  35.  ebda.  66  S.  —  158)  O 
Goethe -Bibl.:  ChWGV.  8,  S.  20.  —  159)  [L.  Geiger],  Goethe-Bibliogr. :  GJb.  15,  S.  312-62.    —    160)   O  A.  Israel,  Versuch 

e.  Zusammenstell,  d.  Schriften  v.  u.  über  Pestalozzi.  Zschopau,  Gensei.  105  S.  M.  3,00.  -  161)  Gesamt- Verzeichnis  zu  d. 
Bänden  I-XXX  d.  Jb.:  JbDShakespeareGes.  29,  S.  410-90.  —  162)  P.  v.  Bojanowsky,  Kat.  d.  Bibl.  d.  dtsch.  Shakespeare- 
Ges.:  ib.  S.  365-409.  —  163)  A.  Cohn,  Shakespeare- Bibliogr.  1892  u.  93:  ib.  S.  324-64  —  164)  The  Shakespeare  memorial 
library:  BookWorm.  S.  205/6.  —  165)  G.  Kaufmann,  Z.  Gesch.  d.  akad.  Grade  u.  Disputationen:  CBIBibl.  11,  S.  201-25.  — 
166)  E.  Hörn,  Vorläufige  Antwort  an  Herrn  Prof.  Kaufmann :  ib.  S.  278,9.  —  167)  X  G.  Fock,  Bibliogr.  Monatsber.  über  neu 
erschienene  Schul-  u.  Univ.- Schriften.  Jahrg.  V.  L.,  Fock.  152  S.  M.  2,00.  (Vgl.  JBL.  1893  I  3  :  137.)  —  168)  X  E-  Kluss- 
mann,  System.  Verzeichnis  d.  Abhandl.,  welche  in  d.  Schulschriften  sämtl.  an  d.  Programmtausche  teilnehmenden  Lehranst. 
erschienen  sind.  2.  Bd.  L.,  Teubner.  1893.  VII,  285  S.  M.  5,00.  |[BBG.  30,  S.  318.]|  —  169)  K.  Ackermann,  Repert.  d. 
landeskundl.  Litt,  für  d   Preuss.  Regierungsbez.  Kassel  d.  ehemal.  Kurfürstentums  Hessen.  5.  u.  6.  Nachtr.  u.  Autoren- Reg.  für 

(l)3a* 


I  3  :  170-188  0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen. 

Bücherei170)  ist  nicht  im  Sinne  des  von  Maximilian  II.  veranlassten  vierbändigen 
Prachtwerkes  Bavaria,  sondern  als  landeskundliche  Ergänzung  eines  Verzeichnisses 
ausgewählter  Jugendschriften  gedacht.  —  Zu  erwähnen  ist,  dass  Steffenhagen171172) 
bei  bibliographischer  Durchprüfung  von  Schmidts  Repertoire  bibliogr  aphique  stras- 
bourgeois  die  Notwendigkeit  vorsichtiger  Benutzung  erweist.  —  Auch  im  deutschen 
Auslande  werden  die  Schriften  zur  Landeskunde173"176)  gewissenhaft  verzeichnet.177) 

—  Zur  Bibliographie  der  Volkskunde  in  Italien  liegt  ein  wichtiges  Werk  Pitres178) 
vor,  das  in  6  Abteilungen:  I.  Eovelline,  Racconti,  Leggende,  Facezie;  IL  Canti  e  Melodie; 

III.  Giuochi  e  Canzonette  infantili;  IV.  Indovinelli,  Formole,  Voci,  Gerghi;  V.  Pro- 
verbi;  VI.  Usi,  Costumi,  Credenze,  Pregiudizi  sich  gliedert.  —  An  bibliographischem 
Material  enthält  das  Jahrbuch179)  der  Pariser  Gesellschaft  für  Folklore  nur  das  Ver- 
zeichnis der  Zeitschriften,  die  sich  mit  der  Volkskunde  beschäftigen.  —  Eine  wert- 
volle bibliographische  Gabe  verdankt  man  dem  Teilhaber  des  alten  Verlagshauses 
Macmillan  and  Bowes180):  ein  Verzeichnis  der  zu  Cambridge  gedruckten  oder  darauf 
bezüglichen  Schriften  mit  einem  Anhang  von  Jenkinson,  enthaltend  ein  Jahres- 
verzeichnis der  Cambridgedrucke  von  1521  —  1650.  Bücherschmuck  aus  Cambridger 
Drucken  ist  dem  Katalog  vorausgeschickt,  der  ausführliche  Index  ist  als  besonderes 
Büchlein  erschienen.  —  Wierzbo wski181)  bietet  den  3.  Band  seiner  polnischen 
Bibliographie  des  15.  und  16.  Jh.,  die  insgesamt  3200  Werke  umfasst  und  reichliche 
Register  aufweist.182)  —  Mühlbrecht183)  hätte  seine  Schrift  „Die  Bibliographie  im 
Dienste  des  Buchhandels"  wohl  auch  „Der  Buchhandel  im  Dienste  der  Bibliographie" 
bezeichnen  können;  denn  die  Verzeichnung  neuerer  Bücher  wird  in  Deutschland  zum 
grössten  Teile  von  Buchhändlern  geleistet.  Die  bibliographische  Uebersicht  der 
litterarischen  Arbeiten  des  Vf.  (N.  1 — 196)  kennzeichnet  ihn  selbst  als  unermüdlichen 
Bibliographen.  —  Russeis184)  Gesamt- Verlagskatalog  des  deutschen  Buchhandels 
ist  nunmehr  mit  Abschluss  des  Bandes  Ausland  (XV)  und  des  Ergänzungsbandes 
(XVI)  vorläufig  durchgeführt.  Der  Verlag  des  deutschen  Reiches  von  Aachen  bis 
Zwickau  umfasst  11  Bände,  darunter  Berlin  und  Leipzig  Doppelbände,  Oesterreich- 
Ungarn  füllt  3  Bände,  darunter  einen  für  Wien,  die  Schweiz  und  das  übrige  Aus- 
land je  1  Band,  die  Ergänzungen  des  16.  Bandes  sind  auf  9  Bände  angewachsen, 
ein  Vorband  „0"  giebt  Vorwort,  General-Firmenverzeichnis  und  Nachzügler,  leider 
noch  kein  Vf.-  und  Künstlerverzeichnis.  Die  Anordnung  nach  Ländern  und 
Städten,  für  den  Hauptteil  willkommen  und  für  Beurteilung  der  Verlagsplätze  von 
Bedeutung,  erschwert  doch  den  gleichzeitigen  Abschluss  der  Ergänzungen  auch  für 
die  Zukunft.  Der  Musikalienverlag  fehlt  fast  gänzlich  in  dem  Verzeichnis.  Der 
Buchverlag  ist  annähernd  vollständig  in  diesem  Werke  grossen  Stils  vertreten,  das 
auf  1200  Bogen  an  800000  Titel  wiedergiebt,  davon  viele,  die  bisher  weder  in  Ver- 
lagskatalogen noch  Bibliographien  verzeichnet  waren.  Die  Zusammenfassung  der 
^erlagskataloge  hat  nicht  schädigend,  sondern  anregend  auf  die  Veranstaltung  von 
Einzelverzeichnissen,  namentlich  der  kleinen  Verleger,  gewirkt.  —  Von  den  Verlags- 
katalogen systematisch  arbeitender  grösserer  Verlagshandlungen  haben  sich  die 
festlichen  von  Vahlen185)  und  Parey186)  in  Berlin  zu  Sonderbibliographien  ihrer 
Gebiete  ausgewachsen.  —  Als  eine  liebevoll  und  förderlich  in  die  neue  deutsche 
Litteratur  sich  eingrabende  Buchhändlerarbeit  ist  der  schmucke  Verlagskatalog  von 
Liebeskind187)  hervorzuheben,  der  eine  Reihe  von  Biographien,  Auszügen  aus 
Dichtungen,  sowie  Aufsätzen  und  Besprechungen  darbietet.  —  Die  ständige  biblio- 
graphische Hauptarbeit  für  den  Buchhandel  leistet  die  J.  C.  Hinrichssche  Buch- 
handlung188) in  Leipzig,  deren  Thätigkeit  doch  auch  den  Ausgangspunkt  für  wissen- 

d.  Hauptteil  u.  d.  Nachtr.  1—6.  Bibliotheca  Hassiaca.  Kassel,  Selbstverl.  18,  21,  18  S.  M.  0,75.  —  170)  Bayer.  Bucherei. 
Versuch  e.  Samml.  gemeinverständl.  Werke  über  bayer  Vaterland  ti.  Volkstum.  Zusammenlest,  u.  her.  vcm  Bezirkslehrerver. 
Würzburg.  Wörzburg  (Ballhorn  u.  Cramer).  VII,  89  S.  M.  0,40.  —  171-172)  E.  Sf tef f enhagejn,  C.  Schmidt,  Repert.  bibliogr. 
strasbourgeois  (JBL.  1893  I  3:72):  LCB1.  S.  285,  1540/1.  — 173)  X  W  ilh.  Haas,  Bibliogr.  z.  Landesk.  v.  Niederösterr.  im  J.  1894: 
BVLNiederöstr.  28,  S.  492-528.  —  174)  X  J-  L  Brandstetter-,  Repert.  über  d.  in  Zeit-  und  Sammelschriften  1812—90  enth.  Auf- 
sätze u.  Mitteilungen  schweizergesch.  Inhalts  (JBL.  1893  1  4:486):  BURS.  61,  S.  665.  —  175)  X  N-  Kymmel.  Bibliotheca  Baltica. 
Werke  z.  halt.  Gesch.  u.  Landesk.  Riga,  N.  Kymmel.  57  S.  (Antiqu.  Kat.  N.  55.)  —  176)  OX  A-  Poelch.au,  D.  livländ.  Gesch. -Litt, 
im  J.  1892  u.  93.   ebda.    12°.   92,  111  S.   M.  1,00.  —  177)  X  *■  Holtze,  D.  Berolinensien  d.  Peter  Hafftitz  (=14:  292,  N.  1). 

—  178)  O  G.  Pitre,  Bibliogralia  delle  tradizioni  popolari  dltalia  con  tre  indici  speciali.  Turin-Palermo,  Clausen.  XX,  603  S. 
L.  25,00.  —  179)  O  Soc.  des  traditions  pop.  au  palais  du  Trocadero.    Annuaire  des  traditions  pop.    19.  annee.    Paris,  Lechevalicr. 

IV,  165  S.  —  180)  K.  Bowes,  A  cat.  of  books  printed  at  or  relating  to  the  Univ.,  Town  and  County  of  Cambridge  from 
1521  to  1893,  with  bibliograph.  and  biograph.  notes.  Cambridge,  Macmillan  &  Bowes.  XXXII,  516  S.  Sh.  10.  |[NachrBuchh.  1, 
S.  42ö.]|  (Index  67  S.)  —  181)  O  Th.  Wierzbowski,  Bibliographica  Polonica  XV  ad  XVI  ss.  Vol.  III,  continens  numeros 
2001-320.  Warschau,  Kowalewski.     XI,  391  S.    |[P.:   CBIBibl.  11,  S.  324/5.]|    (Vol.  I  1889  XI,  304  S.;  Vol.  II  1891  XV,  351  S.) 

—  182)  X^.  Claretie,  Bibliogr.  Muselmane.  Notes  d'un  profane  ä  l'exposition  d'art  Muselman:  Le  livre  et  l'image  2,  S.  209-17.  — 
183)  0.  Mühlbrecht,  D.  Bibliographie  im  Dienste  d.  Buchh.  B.,  Puttkammer  &  Mühlbrecht.  32  S.  M.  1,00.  —  184) 
[A.  Russell],  Ges.  Verl.-Kat.  d.  dtsch.  Buchh.  u.  d.  mit  ihm  im  direkt.  Verkehr  stehenden  Auslandes.  15.  Bd.:  5.-8.  Lfg. ; 
16.  Bd.:  1.  Abt.  30.-36.  Lfg.;  2.  Abt.  21.  u.  22.  Lfg.;  4.  Abt.  12.-27.  Lfg.  —  Bd.  0.:  Vorw.,  General-Firmenverzeichnis,  Nach- 
zügler. Münster,  Kussell.  IV,  S.  705-1266;  XX,  S.  4705-5762;  XII,  S  3169-3484:  XXXII,  X,  S.  1729-4158;  VI,  288,  92,  IV,  X,  1  S. 
ä  Lfg.  M.  0,60.  (Bd.  0  wurde  nicht  berechnet.)  ||E.:  NachrBuchh.  1,  S.  521/4.] |  -  185)  F.  Vahlen,  Verl.-Kat.  1870-94. 
B.,  Vahlen.  91  S.  —  186)  P.  Parey,  Verl.-Kat.  B.,  Parey.  212  S.  —  187)  A.  G.  Liebeskind,  Verl.-Verzeichuis.  L.,  Liebes- 
kind.    VIII,  184  S.  —  188)  X  D.  Erscheinungen  d.  dtsch.  Buchh.:  NachrBuchh.  1,  S.  69-70.  —   189)  [Erschienene  Neuigkeiten 


0.  v.  Oase,  Schrift-  und  Buchwesen.  I  3  i  lsö-sis 

schaftliche  Zusammenstellungen  bildet.  Sie  veröffentlicht  täglich189)  die  erschienenen 
Neuigkeiten  des  deutschen  Buchhandels,  nach  den  Verlagshandlungen  geordnet,  ihr 
wöchentliches190)  Verzeichnis  ist  nach  Wissenschaften  in  17  Abteilungen  gesondert, 
dabei  erhält  jede  Nummer  ein  Register  mit  den  Vf.-Namen  und  Stichworten  der  Titel. 
Auch  erscheinen  noch  12  alphabetische  Monatsregister.  —  Monatliche191)  Uebersichten 
geben  die  bedeutenderen  Erscheinungen  in  16  Gruppen.  —  Der  Vierteljahrs-Katalog192) 
der  Neuigkeiten,  nach  den  Wissenschaften  geordnet  mit  alphabetischem  Register, 
wird  auch  in  Sonderausgaben  für  einzelne  Gruppen  abgegeben.  —  Der  Halbjahrs- 
katalog193), an  den  sich  die  Monatsregister  und  Vierteljahrskataloge  genau  anschliessen, 
ist  das  massgebendste  Verzeichnis.  Der  seit  1851  erscheinende  Fünfjahrs  Katalog, 
früher  durch  ein  Repertorium  ergänzt,  ist  zuerst  1886—90  mit  Sachregister  verbunden 
worden.  —  Von  dem  seit  1812  erscheinenden  allgemeinen  Bücher-Lexikon  der 
deutschen  Litteratur  seit  1700  von  Heinsius  veröffentlicht  Boihoevener194)  den 
19.  Band,  die  J.  1887 — 92  umfassend.  —  Daneben  ist  von  Kaysers  seit  1833  aus- 
gegebenem Bücherlexikon  (von  1750  beginnend)  der  27.  Band  durch  Wetzel195) 
zur  Ausgabe  gelangt.  Das  Nebeneinander  dieser  drei  vortrefflichen  Werke  erscheint 
als  eine  Vergeudung  von  Kraft  des  Buchhandels,  die  anderweit  besser  zu  verwenden 
wäre.  —  Da  gute  neue  Systeme  praktische  Verwertung  heischen  dürfen,  ist  daneben 
als  Bücherverzeichnis  nach  sachlicher  Anordnung  Georgs196)  Schlagwort-Katalog 
sehr  willkommen,  nur  bedeuten  12  Bogen  für  ein  Jahr  ein  zu  langsames  Vor- 
wärtsschreiten. —  Bücherverzeichnisse  von  grossem  Werte  für  die  Verbreitung 
gewisser  Zweige  der  Litteratur  sind  die  systematischen  Lager-Kataloge  der 
Leipziger  Grossbuchhandlungen,  namentlich  Koehlers197)  und  Volckmars198),  die,  den 
deutschen  Sortimentsbuchhandlungen  als  Vertriebsmaterial  geliefert,  die  für  weite 
Kreise  wichtigsten  Gebiete,  aber  auch  schon  wissenschaftliche  Handbücher  in  ge- 
schickter Auswahl  behandeln;  ähnlich,  teilweise  auf  besonderen  Gebieten,  die  Lager- 
verzeichnisse von  Staackmann199)  und  von  Fock200"201),  der  ausserdem  eine  monatliche 
Rundschau  des  deutschen  Büchermarktes  veröffentlicht.  —  Fast  ebenso  bestimmend 
wirken  für  weite  Kreise  die  anmutig  geschmückten  Weihnachtskataloge202-208).  — 
Bibliographien  der  aus  dem  Deutschen  in  die  hauptsächlichsten  Kultursprachen  über- 
setzten Bücher  liefert  alljährlich  Mühlbrecht209),  für  die  osteuropäischen  Sprachen 
Pech210).  —  Der  französische  Jahreskatalog,  herausgegeben  von  Jordell211),  steht  in- 
mitten von  Lorenzens  Monats-  und  Generalkatalog  des  französischen  Buchhandels.  — 
Vicaire212-213)  bietet  ein  Handbuch  für  Bücherliebhaber  über  die  Litteratur  des 
19.  Jh.  —  Das  praktisch  doch  gut  zu  handhabende  Buchungetüm  der  Reference 
Catalogue214),  bestehend  aus  den  alphabetisch  geordneten  englischen  Verlagskatalogen 
der  noch  vom  Verleger  vertriebenen  Bücher,  umfasst  laut  des  vorangeschickten  Ge- 
samtverzeichnisses gegen  87000  Werke.  —  Für  die  den  öffentlichen  Bücherver- 
steigerungen verfallenen  Bücher  giebt  der  Book-Prices-Current215)  die  nötige  Kunde.  — 
Als  vierter  Nachtrag  zu  dem  Amerikanischen  Bücher-Katalog  von  1884 — 90  ist  das 
raisonnierende   Verzeichnis    der    1893   in    Amerika   erschienenen    Bücher,    darunter 

d.  dtsch.  Buchhandels.  Mitget.  v.  der  J.  C.  Hinrichsschen  Buohh.:  BörsenblDBuchh.  61,  N.  1-302.  —  190)  Wöchentl.  Ver- 
zeichnis d.  ersch.  u.  d.  vorbereiteten  Neuigkeiten  d.  dtsch.  Buchh.  52  Nir.  nebst  12  Monatsreg.  53.  Jahrg.  L.,  Hinrichssche 
Buchh.  1336  S.  M.  7,50.  —  191)  Monatl.  Uebersicht  d.  bedeutenderen  Erscheinungen  d.  dtsch.  Buchh.  13  Nrr.  ebda.  208  S. 
M.  1,50.  —  192)  Vierteljahrskat.  d.  Neuigkeiten  d.  dtsch.  Buchh.  Nach  d.  Wissenschaften  geordnet.  Mit  alphab.  Reg.  49.  Jahrg. 
ebda.  864  S.  M.  7,00.  (Sonderausgaben:  Theologie  und  Philosophie;  Medizin,  Naturwissenschaften  u.  Mathematik;  Erz.  u. 
Unterr.,  Jugendschriften;  Kriegswissensch.,  Pferdekunde  u.  Karten;  Bau-  und  Ingenieurwissensch. ;  Haus-,  Land-  u.  Forst- 
wissenschaft.) —  193)  Verzeichnis  d.  im  dtsch.  Buchhandel  neu  erschienenen  u.  neu  aufgelegten  Bücher,  Landkarten,  Zeit- 
schriften etc.  2  Bde.  (=  Halbjahrskat.  N.  192,3.)  L.,  J.  C.  flinrichs.  290  u.  832  S.;  293  u.  827  S.  M.  10,80.  —  194)  K. 
Boihoevener,  W.  Heinsius,  Allg.  Bücher-Lex.  19.  Bd.  1889  bis  Ende  92.  2.  Abt.  L.,  Brockhaus.  4°.  VI,  772  S.;  851  S. 
M.  61,50.  —  195)  Chr.  Gottl.  Kayser,  Vollst.  Bücher-Lexikon,  enthalt,  d.  vom  .1.  1750  bis  Ende  d.  J.  1890  im  dtsch.  Buchh. 
ersch.  Bücher  u.  Landkarten.  27.  Bd.  Bearb.  v.  0.  Wetzel.  L.,  Weigel  Nachf.  4°.  993  S.  M.  36,00.  —  196)  C.  Georg, 
Schlagwort-Kat.  IL  Bd.  1888-92.  6.-11.  Lfg.  Hannover,  Cruse.  S.  161-352.  ä  M.  1,30.  —  197)  Litt.  Sortiraents-Kat.  1S94— 95. 
Mit  alphab.  Sach-  u.  Schlagwortreg.  L.,  Koehler.  IV,  352  S.  —  198)  Systemat.  Lagerverzeichnis.  Mit  ausföhrl.  Schlagwörter- 
verzeichnis. L.,  Volckmar.  12°.  VII,  292,  146  S.  —  199)  Baar-Sortiments-Kat.  XXVII.  Jahrg.  L.,  Staackmann.  256  S.  — 
200)  Barsortiment  Lagerverzeichnis  1894-95.  L.,  Fock.  147  S.  —  201)  [G.  FockJ,  Leipz.  Litt.-Berichte.  Ks.  auf  allen  Ge- 
bieten d.  dtsch.  Büchermarktes.  II.  Jahrg.  (12  Nrr.)  ebda.  4°.  263  S.  M.  2,00.  —  202)  X  Weihnachtskat.  1894.  L.,  Hinrichs. 
92  S.  —  203)  X  JJtt.  Weihnachtskat.  1894.  L.,  Koehler.  128,  44  S.  —  204)  X  K-  Heinemann,  Litt.  JB.  für  1894  u.  Weih- 
nachtskat. 24.  Jahrg.  L.,  Seemann.  132  S.  —  205)  X  Hl.  Weihnachtskat.  1894.  L.,  Volckmar.  4.  88  S.  -  206)  X  Weih- 
nachts-Alm. Mit  Kalendarium  u.  eingedr.  Bildern.  Freiburg  i.  B.,  Herder.  62  S.  —  207)  X  E-  Kraus,  Christi.  Bücherschatz. 
111.  Weihnachtskat,  fürs  evang.  Haus.  Zugleich  Kat.  d.  Ver.  v.  Verlegern  christl.  Litt.  16.  Jahrg.  L.,  Ver.  v.  Verlegern  christl. 
Litt.  160  S.  M.  0,50.  —  208)  X  v-  Ottmann,  Was  soll  ich  lesen?  Weihnachtsalm.  1894.  Aeusserungen  dtsch.  Männer  u. 
Frauen,  eingel.  v.  H.  Heiberg.  Nebst  e.  Rs.  über  d.  neueren  Erscheinungen  d.  Büchermarktes.  B.,  Pfeilstücker.  112  S. 
M.  0,50.  —  209)  0.  Mühl brecht,  Uebors.  aus  d.  dtsch.  in  d.  dän.,  engl.,  franz.,  holländ.,  ital.,  norweg.,  schwed.  u. 
span.Sprache:  BörsenblPBuch.  61,  S.  3078-83.  (Ferner:  NachrBuchh.  1,  S.  498-500,  526,8.)  -  210)  T.  Pech,  Uebers. 
aus  d.  dtsch.  in  d.  slav.,  d.  magyar.,  ruiuän.  u.  andere  osteurop.  Sprachen:  ib.  60,  S.  606,9;  61,  S.  3856-60.  —  211)  O  1>. 
Jordell,  Cat.  ann.  de  la  librairie  franc.  pour  1893.  Paris,  Nilsson.  246  S.  Fr.  10,00.  —  212-13)  O  G.  Vicaire, 
Man.  de  l'amateur  de  livres  du  XIX.  siecle  (1S01— 93).  Editions  originales,  ouvrages  et  periodiques  ill.,  romantiques  etc 
Pref.  de  M.  Tourneux.  Paris,  Rouquette.  XIX.  177  S.  Fr.  10,00.  —  214)  The  Reference-Cat.  of  Ourrent  Lit. 
Contain.  the  füll  titles  of  books  now  in  print  and  on  sale  with  the  prices  at  which  they  may  be  obtened  of  all  booksellers 
and  an  index  contain.  of  87  000  References.  London,  Whitacker  &  Sons.  6464  S.  (Nicht  im  Handel.)  (Index  515  S.)  — 
215)  Book-Prices-Current.    A  record  of  the   prices  at  which  books  have  been  sold    at   auction,  froni  Dec.  1S92  to  Nov.  1893 


t  3-.216-247  0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen. 

mancherlei  deutscher,  ausgegeben  worden216).  —  Ueber  die  wichtigen  Antiquar- 
kataloge gewährt  das  CBIBibl.  regelmässige  Uebersichten  217).  —  Unter  den  mancherlei 
Fachbibliographien  berücksichtigt  die  Bibliotheca  philologica218)  Blaus  die  Neuphilo- 
logie in  weitem  Umfange.  — Grethleins219) allgemeiner  deutscher  Theater-Katalog,  von 
dem  die  erste  Abteilung  vorliegt  —  die  zweite  soll  das  Autorenregister  bringen  — ,  dient 
im  wesentlichen  dem  Handel.  —  Einen  gründlichen  Versuch  zu  einer  Auswahl  von 
Jugendschriften  legt  Beyl220)  unter  besonderer  Berücksichtigung  der  paritätischen 
Verhältnisse  Bayerns  vor.  —  Hirt221)  bietet  in  sachlicher  Anordnung  ein  wertvolles 
Verzeichnis  der  Unterrichtsschriften  seines  umfassenden  Verlages.  —  Im  Auftrage  der 
Hamburger  Jugendschriften-Kommission  stellt  Wo  1  gast222)  über  Bilderbuch  und 
Illustration  beachtenswerte,  durchweg  gesunde  Grundsätze  auf.  —  Unter  den  volkstüm- 
lichen Bibliographien  populärer  katholischer  Litteratur223-224)  hat  die  Ober  dörffers225), 
als  vom  Centralkomitee  der  Vereinigungen  der  arbeitenden  Stände  veranlasst,  prak- 
tische Bedeutung.  —  Als  ersten  Band  einer  Bibliographie  der  socialökonomischen 
Litteratur  hat  St  am  in  h  am  mer226)  die  Bibliographie  des  Socialismus  und  Kommunis- 
mus, etwa  8000  Schriften,  alphabetisch,  aber  mit  ausgiebigem  Sachregister  dargeboten.  — 
In  der  internationalen  Bibliographie  der  gedruckten  Werke  über  Krieg  und  Kriegs- 
wissenschaft bis  1880  lässt  Pohler226a)  der  Geschichte  der  einzelnen  Kriege  im 
3.  Bande  die  Kriegsgeschichte  einzelner  Staaten,  einzelner  Städte  und  einzelner  Heere 
in  drei  Heften  folgen.  — 

Das  Zeitungswesen,  dessen  Begriff  und  Geschichte  Neukamp227)  in 
kurzer  Fassung  behandelt,  ruft  naturgemäss  mehr  klein  gemünzte  Aufsätze  hervor 
als  Bücher  von  Gewicht.  —  Gegenüber  dem  250jährigen  Jubiläum  der  „Gazette  de 
la  France",  deren  Begründer  man  als  ersten  Journalisten  feiert228"229),  wird  gelegent- 
lich einiger  Zeitungsjubiläen230"234)  darauf  hingewiesen,  dass  in  Deutschland  eine 
Reihe  von  Zeitungen  ins  17.  Jh.  zurückreichen235).  —  Zur  Geschichte  der  Zeitungen236) 
giebt  Walzel237)  einen  Beitrag  für  die  Wiener  Journalistik;  auch  das  ältere  Ham- 
burger Zeitungswesen 23S)  ist  näher  geschildert  worden.  —  Für  Frankreich  behandelt 
Fournel239),  an  Renaudot  anknüpfend,  die  Tagespresse  des  17.  Jh.  sehr  anregend 
unter  Benutzung  gleichzeitiger  Stiche;  Grand-Carter  et240)  führt  die  Tagesblätter  im 
Spiegel  des  Bildes  vor.  —  Bienenstein241)  erörtert  kundig  Stand  und  hohe  Auf- 
gabe der  Tagespresse.  —  Aus  der  Presse  verschiedener  Farben242)  hebt  Keiter243) 
das  Aufgebot  der  katholischen  Presse  samt  ihren  Hülfskräften  heraus.  —  Die  gesamte 
Ordre  de  bataille  des  diesjährigen  Zeitungswesens  ist  wie  alljährlich  aus  den  amt- 
lichen Preisverzeichnissen  der  kaiserlichen  Postämter  zu  Berlin244)  und  Wien245)  zu 
ersehen,  sowie    aus  Sperlings246)   Adressbuch    und    Gracklauers247)    deutschem 

Vol.  VII.  London,  Elliot  Stock.  530  S.  Sh.  27;6.  —  216)  The  ann.  american  cat.  1S93.  Fnurth  suppl.  to  the  anierican  cat. 
1884—90.  New- York,  Office  of  the  Fublishers  Weekly.  362  S.  Sh.  15,00  —  217)  Antiau.  Kataloge:  CBIBibl.  11,  S.  95/6,  150/2, 
199-200,  247/8,  295/6,  343,  431/2,  525/6,  581/3.  —  218)  A.  Blau,  Bibliotheca  Philologica  oder  vierteljährl.  systemat.  Bibliogr.  d. 
auf  d.  Gebiete  d.  klass.  Philologie  u.  Altertumswissenschaft,  sowie  d.  Neuphilologie  in  Deutschland  u.  d.  Auslande  neu  er- 
schienenen Schriften  u.  Zeitschriften-Aufsätze.  Unter  Mitwirk.  v.  F.  Kuhn  her.  VIII.  Jahrg.  1894.  1.--4.  Heft.  Göttingen, 
Yandenhoeck  &  Ruprecht.  66,  82,  78,  78  S.  M.  4,80.  —  219)  O  K.  Grethlein,  Allg.  dtsch.  Theater- Kat.,  e.  Verzeichnis 
d.  in  Druck  u.  Handel  befind!.  Bühnenstücke  u.  dramat.  Erzeugnisse.  13  Lfgn.  Münster  i.  W.,  Russell.  IV,  803  S.  ä  M.  1,20. 
—  220)  [J.  Beyl],  Verzeichnis  ausgew.  Jugendschriften.  Zusammengest.  auf  Grund  v.  Beurteilungen  d.  verschied.  Wegweiser 
u.  Führer  durch  d.  dtsch.  Jugendlitt,  für  d.  XII.  Hauptversamml.  d.  bayer.  Volksschullehrer-Ver.  Würzburg,  Stuber.  VIII, 
42  S.  —  221)  F.  Hirt,  Unterrichtsmittel  Verzeichnis  in  sachl.  Anordn.  L.,  Hirt  &  Sohn.  64  S.  M.  1,00.  -  222)  H.Wolgast, 
Ueber  Bilderbuch  u.  Illustration.  Hamburg  (C.  Kloss).  22  S.  M.  0,40.  —  223)  X  Litt.-Verzeichnis  für  erwachsene  kath.  Mädchen 
gebildeter  Stände.  Augsburg,  Seitz.  24  S.  (Gratis.)  —  224)  OX  M.  Hohnerlein,  Wegweiser  durch  d.  pop.-wissenschaftl. 
kath.  Litteratur.  1.  Lfg.  Horb,  H.  Christian.  80  S.  M.  0.50.  —  225)  P.  Oberdörffer,  Verzeichnis  geeigneter  Bücher  u. 
Bühnenstücke  für  kath.  Vereinsbibl.  Her.  im  Namen  d.  Central- Komitees  d.  Vereinigungen  d.  arbeitenden  Stände.  Köln, 
Bachern.  1893.  VIII,  60,  28  S.  M.  1,00.  —  226)  J.  Stammhammer,  Bibliogr.  d.  Socialismus  u.  Kommunismus.  Jena,  Fischer. 
1893.  IV,  303  S.  M.  10,00.  |[X.  X  :  CBIBibl.  11,  S.  132/3;  K.  K(antsky):  NZSt.  121,  S.  25/6.]|  —  226a)  O  J-  Pohler, 
Bibliotheca  historico-militaris.  Systemat.  Uebersicht  d.  Erscheinungen  aller  Sprachen  auf  d.  Gebiete  d.  Kriege  u.  Kriegswissensch. 
seit  Erfindung  d.  Buobdruckerkunst  bis  z.  Schluss  d.  J.  1880.  Bd.  3,  Heft  1-3.  Kassel,  Kessler.  440  8.  M.  14,00.  — 
227)  E.  Neukamp,  Begriff  u.  Gesch.  d.  Zeitnngswesens:  Handwörterb.  d.  Staatswissensch.  6,  S.  805,8.  —  228)  X  W.  Gold- 
bauni,  D  Ahnherr  d.  Journalistei.  (Th.  Renaudot):  NFPr.  N.  10573/4.  —  229)  O  L.  Geiger,  D.  erste  Journalist:  Geg.  45, 
S.  119-21  —  230)  X  z-  !öOj.  Bestehen  d.  Braunschweig.  Anzeigers:  VossZg.  N.  592.  (Stift.  Herzog  Karls  I.)  —  231)  X  75j. 
Jubil.  d.  in  Ratzeburg  erscheinenden  LauenburgZg.:  AVGLauenburg.  S.  120/5.  —  232)  X  Ad-  Müller-Palm,  Z.  50j.  Jubil. 
d.  NStuttgTBl.:  BLU.  S.  222.  —  233)  X  D.  Jubil.  d.  Flieg.  Bll.  [100.  Bd.]:  Daheim  S.  288.  (Dass.  ÜL&M.  71,  S.  363/5;  s.  u. 
I  4  :  137.)  —  234)  X  *".  St.,  E.  Zeitungsjubil.:  DPB1.  27,  S.  133.  -  235)  X  Zeitungs  Jubil.:  KVZg.  N.  9.  —  236)  O  Otto 
Lehmann,  Z.  Gesch.  d.  Zeitungen:  NorddAZg.  N.  392.  —  237)  0.  F.  Walzel,  E.  V.  Zenker,  Gesch.  d.  Wiener  Journalistik 
(JBL.  1892  I  4  :  168):  ADA.  20,  S.  192/5.  -  238)  O  X  Z-  Entwicklungsgesch.  d.  Hamburg.  Zeitungswesens.  (=  Mitteilung,  d.  Innung 
d.  Buchdrucker-Prinzipal- Ver.  N.  75.)  Hamburg,  Schlotke.  (Nähere  Angaben  unerreichbar.)  |[NachrDBuchh.  1,  S.  332,3.]|  (Ange- 
schlossen an  d.  Journ.  für  Buchdrnckerkunst.)  —  239)  V.  Fournel,  Les  origines  du  journalisme.  Le  nouvelliste  au  XVII.  siecle: 
Le  livre  et  l'image  1,  S.  273-87.  -  240)  J.  Grand-Carteret,  Le  Journal  dans  l'image:  ib.  S.  197-210.  —  241)  K.  Bienen- 
stein, D.  Tagespresse.  Aus:  Drei  Essays,  N.  2.  (—  Kult.-  u.  Litt.-Bilder.  Her.  v.  R.  H.  Greinz.  N.  3.)  Neuwied,  Schupp. 
38  S.  M.  0,60.  —  242)  D.  farblose  Presse:  StML.  47,  S.  615/6.  —  243)  H.  Keiter,  Handbüchlein  d.  kath.  Presse  Deutsch- 
lands, Oesterreichs,  d.  Schweiz  u.  d.  Ver.  Staaten.  Regensburg,  Selbstverl.  IV,  80  S.  M.  1,20.  —  244)  Preisliste  d.  durch  d. 
kaiserl.  Post-Zeitungsamt  in  Berlin  u.  d.  kaiserl.  Postanst.  d.  Reichs-Postgebiets  im  J.  1894  zu  beziehenden  Zeitungen,  Zeit- 
schriften. B.  (W.  H.  Kühl).  Fol.  VII,  366  S.  M.  4,70.  (Vgl.  JBL.  1893  I  3  :  168.)  —  245)  Preis- Verzeichnis  d.  in  d.  österreich.- 
ung.  Monarchie  u.  im  Auslande  erscheinend.  Zeitungen  u.  period.  Druckschriften  für  d.  J.  1894.  Bearb.  v.  d.  K.  K.  Postzeitungs- 
Amte  I  in  Wien.  Wien  (R.  v.  Waldheim).  4°.  VII,  222  S.  M.  2,00.  (Vgl.  JBL.  1893  I  3:  169.)  —  246)  H.  0.  Sperling, 
Adressbuch  d.  dtsch.  Zeitschriften  u.  d.  hervorragenden  polit.  Tagesbll.  Hand-  u.  Jb.  d.  dtsch.  Presse.  35.  Jahrg.  L., 
Exped.  d.  Zeitschriften-Adressb.    VI,  170,  72,  122  S.    M.  4,00.    (Vgl.  JBL.  1893  I  3:  170.)   —   247)   0.  Gracklauer,    Dtsch. 


0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  t  3 


243-269 


Journalkataloge.  —  Hettlers248)  Versuch  einer  Inhaltsangabe  deutscher  Zeitschriften, 
auch  der  wissenschaftlichen  Fachblätter,  erweist  sich  als  mit  ungenügenden  Kräften 
unternommen.  —  Mackie249)  reicht  den  jungen  Journalisten  ein  flott  geschriebenes 
Handbuch,  das  guten  Einblick  in  die  Technik  des  Zeitungswesens  und  die  Standes- 
vei tretung  der  Tagespresse  in  England  bietet.  —  Steffen250)  erörtert  deren  Ver- 
hältnis zum  geistigen  Leben.251)  —  Der  berühmte  amerikanisch- englische  Zeit- 
schriftenkatalog des  kürzlich  verstorbenen  Poole252),  in  neuer  Ausgabe  unter 
Beteiligung  von  Fletcher,  enthält  in  seinem  Hauptteile  die  J.  1802  — 8 i,  in  den  Nach- 
tragsbänden die  J.  1882— 91. 253"256)  — 

Das  Bibliothekwesen  beschäftigt  immer  weitere  Kreise.  Die  allgemeine 
Bibliothekenkunde  hat  durch  die  italienische  Uebersetzung  von  Petzholds257)  be- 
währtem Handbuche  Förderung  erfahren.  —  Aus  Italien  selbst  stammt  Garinos258) 
Bibliosophie,  allgemeine  Gedanken  über  den  Begriff  des  Buches  und  die  Anordnung  der 
Bibliotheken.  —  Ueber  Bau,  Einrichtung,  Aufstellung  und  Katalogisierung  von  Biblio- 
theken äussert  sich  E  i  c  h  1  e  r 25!)).  —  Es  geben  Schwenkes  260)  Erneuerung  von  Petzholds 
Adressbuch  der  deutschen  Bibliotheken  und  Dziatzkos261)  Entwicklung  der  wissen- 
schaftlichen Bibliotheken  Deutschlands  (JBL.  1893  I  3  :  193/4)  nach  wie  vor  zu  weiteren 
Erörterungen  Anlass.  —  Graesel262)  hat  für  die  in  kurzer  Zeit  geschaffene,  an- 
gemessene Bibliotheksausstellung  der  deutschen  Universitäten  in  Chicago  einen  Katalog 
ausgearbeitet.  —  Ueber  den  Weltkongress  von  Bibliothekaren  in  Chicago,  dem  aber 
vom  Auslande  nur  drei  Fachmänner,  darunter  von  Deutschland  N  ö  r  r  e  nbe  r  g263), 
beiwohnten,  hat  dieser  eingehend  berichtet,  dabei  den  Plan  einer  Organisation  der 
Fachgenossen  mit  regelmässigen  Konferenzen  für  Deutschland  von  Neuem  anregend.  — 

Aus  älteren  Bibliotheken  ist  der  von  Omont 264)  mitgeteilte  Katalog 
der  Büchersammlung  des  Erzbischofs  Bernhard  IL  von  St.  Jacob  von  Compostella 
(1226)  hervorzuheben.  —  Wattenbach265)  äussert  sich  zu  den  ältesten  Bibliotheken 
in  Strassburg.  —  Ein  anschauliches  Bild  von  Bibliotheken  des  Mittelalters,  der 
Renaissance  und  darüber  hinaus  gab  Clark266)  in  einer  Vorlesung,  die  durch 
Augenblicksbilder  an  der  Wand  belebt  war,  und  auch  im  Abdruck  mit  einzelnen 
Bildern  nach  Hss.  und  Druck,  und  wo  alte  Bibliothekseinrichtungen  noch  erhalten 
sind  wie  in  Zütphen,  Hereford  und  Casena  auch  in  unmittelbaren  Abbildungen  ge- 
schmückt ist.  —  Eine  erwünschte  Ergänzung  zu  den  Bücherverzeichnissen  des  Mittel- 
alters, bei  denen  sich  G.  Becker  und  Th.  Gottlieb  mit  Recht  im  wesentlichen  auf 
Bibliotheken  beschränkt  haben,  giebt  für  das  Ordensland  Preussen  P  e  r  1  b  a  ch267) 
durch  die  Nachweise  aus  Einzelbüchern  unter  Feststellung  der  Besitzer  nach  Universitäts- 
matrikeln. —  Davon  der  Bibliothek  des  Augsburger  Humanisten  Sigismund  Gossembrot 
nicht,  wie  von  der  Peutingers,  ein  vollständiger  Katalog  vorhanden  ist,  hat  Joachim- 
sohn268) aus  Hss.  und  Randnoten  ein  alphabetisches  Verzeichnis  herzustellen  ver- 
sucht; die  Arbeit  ist  durch  dankenswerte  Ausführungen  über  die  Herstellung  dieser 
Büchersammlung  ergänzt.  —  Eine  erschöpfende,  wertvolle  Arbeit  haben  Schwenke 
und  Lange269)  der  Silberbibliothek  Herzog  Albrechts  von  Preussen  gewidmet.  Nach 
einer  das  Bibliothekswesen  und  Buchgewerbe  unter  Herzog  Albrecht  beleuchtenden 
Einleitung*  werden  Entstehung  und  Schicksale  der  von  seiner  prunkliebenden  Ge- 
mahlin Anna  Marie  zusammengebrachten  Silberbibliothek  von  20  Bänden  urkundlich 
nachgewiesen.     Die  eingehende  Beschreibung,   Gruppierung  und  kunstgeschichtliche 

Journ.-Kat.  für  1894.  Zosammenstell.  v.  über  2700  Titeln  dtsch.  Zeitschriften.  30.  Jahrg.  L.,  Gracklauer.  VI  S.  M.  1,35. 
(Vgl.  JBL.  1S93  I  3:  171.)  —  248)  O  A.  Hettler,  Inhaltsang.  d.  wichtigsten  in  Deutschland  u.  d.  dtsch.  Sprachgebieten  d. 
Auslandes  erscheinenden  Zeitschriften.  Oynhausen,  Hettler.  (Nähere  Angaben  unerreichbar)  |[Rr. :  BörsenblDBuchh.  61,  8,  3556 
(vernichtend).]|  —  249)  John  B.  Mackie,  Modern  journalism.  A  Handb.  of  instruction  and  counsel  for  the  young  Journalist. 
London,  Lockwood  &  Son.  VIU,  144,  48,  16  S.  Sh.  2.  —  250)  O  X  X  <*.  F.  S  t  e  f  f  e  n ,  Aus  d.  rood.  England.  E.  Ausw.  Bilder  u. 
Eindrücke.  Vom  Vf.  verro.  u.  umgearb.  dtsch.  Ausg.  Aus  d.  Schwed.  v.  0.  Key  her.  L.,  Hobbing.  VIII,  439  S.  M.  7,00. 
(Darin  Kap.  übor  d.  „Presse  u.  d.  geist.  Leben";  besonders  gedr.  in  NachrBuchh.)  —  251)  X  W.  F.  Brand,  D.  engl.  Presse: 
SchlesZg.  N,  555.  —  252)  O  W.  F.  Poole,  Index  to  periodical  litt.  Rev.  ed.  Boston  n.  New- York,  Houghton,  Mifflin  &  Co.  1893. 
1442,  483,  476  S.  D.  16,00.  |[0.  H(artwig):  CBIBibl.  11,  S.  280;2  (sehr  anerkennend i.]|  -  253)  X  C.  Nörrenberg,  W.  F. 
Poole:  CBIBibl.  11,  S.  526/8.  —  254)  X  .Streiflichter  auf  araerik.  Zeitangswesen :  NachrBuchh.  1,  S.  539-90,  607  9.  —  255)  X 
Ph.  Berges,  Was  wir  v.  d.  Reklame  auf  d.  Welt-Anstell.  zu  Chicago  lernen  können.  Dargelegt  in  sechs  Briefen.  B., 
Exner  &  Co.  33  S.  M.  1,00.  (Sonderabdr.  aus  „D.  Reklame.")  —  256)  X  Zeitschriften  u.  Bücher  in  Russland  im  J.  1S92: 
NachrBuchh.  1,  S.  165 6, 177 ß,  182/3,  212/4,  224/5,  257/9,  284  6.  —  257)  G.  Petzhold.  Mannuale  del  bibliotecario.  Trad.  v.  G.  Biagie 
G.  Furoagalli.  Mailand,  Hoepli.  16".  XX,  364,  CCXUI.  S.  L.  7,50.  |[E.  G.  Ledos:  Polybibl1'.  71,  S.455  6.J|  —  258)  O  C.  P.  Garino, 
Bibliosona.  II  über  (suo  deftnizione)  e  la  biblioteca  (suo  ordinaraento),  idee  generali.  Sassari,  G.  Dessi.  1S93.  |[NAnt.  50, 
S.  171.j|  (Näheres  nicht  festzustellen).  —  259)  F.  Eich ler,  Bibliothekstechnisches:  CBIBibl.  11,  S.  308-19.  —  260)  LCB1.  S.  449.  — 
261)  ib.  S.  327/8.  —  262)  A.  Graesel,  Dtsch.  Unterr.-Ausstell.  in  Chicago  1893.  Spec.-Kat.  d.  Bibl.-Ausslellung  (Gruppe  IX  d. 
Univ.-Ausstell.).  B.,  Trowitzsch  &  Sohn.  1893.  X,  44  S.  \[3  —  n:  LCB1.  S.  327,8.]|  (Nicht  im  Handel.)  —  263)  C.  Nörren- 
berg, Kongress  u.  Konferenz  d.  Bibl.  in  Chicago:  CBIBibl.  11,  S.  70/7,  97-103.  —  264)  H.  Omont,  Cat.  de  la  bibl.  de 
Bernard  IL,  archeveque  de  Saint-Jacques  -  de  -  Compostelle  (1226):  BECh.  54,  S.  327-33.  —  265)  W.  Wf  attenbachj, 
Aelteste  Bibl.  in  Strassburg:  ZGORh.  9,  S.  178.  —  266)  J.  W.  Clark,  Libraires  in  the  Medieval-  and  Renaissance-Periodes. 
Mit  7  Abbild.  Cambridge,  Macmillan  &  Bowes.  61  S.  Sh.  2,6.  —  267)  M.  Perlbach,  Z.  Gesch.  d.  Bücherwesens  im  Ordens- 
lande Preussen:  CBIBibl.  11,  S.  153-63.  —  268)  P.  Joachimsohn,  Ans  d.  Bibl.  Sigisni.  Gossembrots:  ib.  S.  249-68,  297-307. 
—  269)  P.  Schwenke  u.  K.  Lange,  D.  Silberbibl.  Herz.  Albrechts  v.  Preussen  u.  seiner  Gemahlin  Anna  Maria.  Festgabe 
d.  Kgl.  n.  Univ.  Bibl.  Königsberg  i.  Pr.  z.  350 j.  Jubelfeier  d.  Albertus-Üniv.  Mit  12  Taf.  u.  8  Textillustr.  L.,  Hiersemann.  4°. 
40  S.  Mitl2Taf.  Geb.M.25,00.  ||M.  P.:  CBIBibl.  11,  S.  566/8;  H.  Ehrenberg:  AltprMschr.  31,  S.  497  9;  VossZg.  N.  347 ;  Daheim  30, 


I  3  :  270-2S2  0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen. 

Würdigung-,  bei  der  der  Einband  die  Hauptsache  ist,  weist  die  Herkunft  eines  Bandes 
aus  München,  der  Heimat  des  Herzogs,  zweier  aus  Nürnberg-  nach,  während  die 
übrigen  17  zwar  in  Königsberg  fabrikmässig  hergestellt  sind,  aber  auf  deutsche, 
niederländische  und  italienische  Einflüsse,  insbesondere  auf  Nürnberg,  Augsburg  und 
Frankfurt,  Wittenberg  und  Leipzig,  Münster  und  Antwerpen  hindeuten.  12  Tafeln 
mit  Lichtdrucken  von  Sinsel  &  Co.  geben  die  Silbertechnik  überraschend  treu  wieder. 
—  P  e  t  r  i 270)  gewährt  bei  einer  Arbeit  über  das  Album  des  Lichtenberger  Konvents 
in  den  1575  von  der  WTittenberger  Fakultät  herausgegebenen  Sakramentsschriften 
Luthers  eine  Schilderung  der  4000  Bände  umfassenden  wertvollen  Kirchenbibliothek 
St.  Salvator  zu  Zellerfeld.  Begründer  war  M.  Kaspar  Calvör,  geb.  1650  zu  Hildes- 
heim. —  Schilling271)  weist  in  den  gedruckten  Flugschriften  der  Zwickauer 
Ratsschulbibliothek  eine  wichtige  Quelle  für  die  Geschichte  der  Reformation  und  des 
30  jährigen  Krieges  nach,  wobei  er  Mitteilungen  aus  den  Spottgedichten  über  Tilly,  ins- 
besondere aus  dem  Leipziger  Konfekt  macht.  —  Ueber  die  Entführung  der  fürstlichen 
Liberei  zu  Tübingen  1635  durch  Kurfürst  Maximilian  nach  München  wird  in  der 
SchwäbKron.  berichtet272);  Spitta27?)  legt  in  seinem  Lebensabrisse  des  Tübinger 
Universitätsbibliothekars  Tafel  (1796  —  1863)  dessen  Wirken  für  Swedenborg  dar,  das 
trotz  der  ihm  bei  Antritt  auferlegten  Verpflichtung-,  der  Herausgabe  Swedenborgscher 
Schriften  zu  entsagen,  sein  Lebenswerk  verbleiben  durfte.  —  Eine  Muster-Leistung 
zur  Geschichte  deutscher  Büchersammlungen  ist  von  Heinemann  s274)  völlig  um- 
gearbeitete Darstellung  der  Wolfenbüttler  Bibliothek  von  Anbeginn  bis  zu  der 
Gegenwart,  die  durch  des  Vf.  eigene,  mächtig  umgestaltende  Thätigkeit  ihr  Gepräge 
gewonnen  hat.  —  S  t  e  f  f  e  n  h  a  g  e  n274a)  veröffentlicht  zur  Geschichte  der  Kieler 
Universitätsbibliothek  eine  Verordnung  Herzog  Karl  Friedrichs  vom  J.  1724,  die  er, 
soweit  sie  sich  auf  gewisse  Leistungen  wie  u.  a.  den  Pflichtexemplarzwang  (JBL. 
1891  I  4  :  139)  der  schleswig-holsteinschen  Drucker  und  gelehrten  Vf.  bezieht,  als 
rechtsgültig  und  nur  auf  dem  Wege  des  Gesetzes  aufhebbar  verficht,  während  er 
einzelne  von  ihm  als  nicht  mehr  praktisch  befundene  Bestimmungen  für  von  selbst 
gefallen  erachtet.  —  Koch275)  berichtet  in  seiner  Abhandlung  von  der  Berlinischen 
Gesellschaft  für  deutsche  Litteratur  über  die  jetzt  830  Werke  umfassende  Bibliothek 
dieser  1815  begründeten,  um  1880  entschlafenen  Vereinigung  und  bespricht  als  Ab- 
schlag auf  einen  vollständigen  Katalog  mit  einer  genaueren  Beschreibung  der  Hss., 
soweit  sie  für  die  deutsche  Sprachforschung  wichtig  sind,  die  hierfür  weniger  bedeut- 
samen N.  462/8,  470/1.  —  Leitschuhs276)  Geschichte  der  wertvollen  kgl.  Bibliothek 
zu  Bamberg  nach  der  Säkularisation,  ein  Ausschnitt  aus  einer  geplanten  Gesamt- 
darstellung, bringt  den  aktenmässigen  Nachweis  der  Selbständigkeit  dieser  Anstalt 
als  eine  Schutzschrift  wider  Angriffe.  —  In  die  Geschichte  der  österreichischen 
Bibliotheken  im  18.  Jh.  führt  der  von  Weiss277)  entworfene  Lebensabriss 
Gottfrieds  Freiherrn  van  Swieten  zurück,  der  gleich  seinem  Vater  Präfekt  der  k.  k, 
Hofbibliothek  in  Wien  war  (1777 — 1803)  und  seine  künstlerischen  Neigungen  auch 
dieser  Anstalt  zu  teil  werden  liess.  —  H.  von  Z wie dineck- S  üden  hörst278)  be- 
richtet über  Geschichte  und  Neueinrichtung  der  steiermärkischen  Landesbibliothek 
zu  Graz  und  bricht  dabei  eine  Lanze  für  numerus  currens.279)  —  Powell280)  giebt 
ein  Buchblatt  des  Marquis  von  Macciucca  mit  originellen  Lesegesetzen  für  die  Ent- 
leiher wieder.281)  — 

Unter  den  Begründern  von  Privatbibliotheken  wagt  sich  in  Grisebach282) 
einmal  ein  deutscher  Dichter  mit  seiner  Büchersammlung  an  die  Oeffentlichkeit.  An- 
schaulicher und  ehrlicher  kann  der  Gegensatz  zwischen  einer  Eigenbücherei  und  einer 
allgemeingültigen  öffentlichen  Bibliothek  samt  den  sich  daran  anschliessenden  vielen 
Privatbibliotheken,  die  nur  Hausbedarf,  Handwerkszeug  und  Fachergänzung  zu  einer 


S.  335.JI  (Vgl.I9.)  —  270)  E.  Petri,  D.  Album  d.  Lichtenberger  Konvents  auf  d.  Calvörschen  Kirchenbibl.  zu  Zellerfeld:  NKZ.  5, 
S.  646-67.  -  271)  M.  Schilling,  D.  Bedeutung  d.  Zwickauer  Ratsschulbibl.  für  d.  polit.  Gesch.:  MAVZwickau.  4,  S.  78-96.-272) 
E.  N.,  D.  Tübinger  Bibl.  im  30j.  Krieg:  SchwäbKron.  N.  289.  —  273)  H.  Spitta,  J.  F.  I.Tafel:  ADB.  37,  S.  346/8.  —  274) 
O  v.  Heinemann,  D.  Herzogl.  Bibl.  zu  Wolfenbüttel.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  dtsch.  Büchersamml.  2.  völlig  umgearb.  Aufl. 
Mit  4  bildl.  Darstell.  Wolfenbüttel,  Zwissler.  VIII,  345  S.  M.  6,00.  |[E.  S( tef f enhage)n:  LOBI.  S.  18423;  VossZg.  N.  352; 
BerlBörsCour.  N.  556.1 1  —  274a)  E.  Steffenhagen,  Z.  Gesch.  d.  Kieler  Univ.-Bibl.  Mitteil.  u.  Aktenstücke.  1.  E.  Verordn. 
d.  Herz.  Karl  Friedrich.  Kiel,  Univ.-Buchh.  15  S.  M.  1,1)0.  (Sonderabdr.  aus  ZSchlH.)  -  275)  J.  Koch,  D.  ehemal. 
Berlinische  Ges.  für  dtsch.  Spr.  u.  ihre  Büchersamml.  Progr.  d.  Dorotheenstädt.  Realgymn.  B.  (Gaertner).  4°.  32  S.  M.  1,00. 
irCOIRW.  22,  S.  330;  G.  Karpeles:  VossZg.  N.  314;  NatZg"  30.  Sept.]|  (Vgl.  I  7  :  187.)  -  276)  O  F.  Leitschuh.  Gesch. 
d.  kgl.  Bibl.  zu  Bamberg  nach  d.  Säkularisation.  Mit  d.  Bildn.  J.  H.  Jäcks.  Bamberg,  Buchner.  IV,  34  S.  M.  1,00.  I[0.  H. : 
CBIBibl.  11,  S.  568;  L.  v.  Eockinger:  ArchivZ.  5,  S.  305/6.JJ  —  277)  K.  Weiss,  G.  Frhr.  van  Swieten:  ADB.  37,  S.  271  2. 
—  278)  O  H.  v.  Zwiedineck-Südenhorst,  D.  Steiermark.  Landesbibl.  am  Johanneura  in  Graz.  In  ihrer  gcsch.  Entwickl. 
u.  neuen  Einrichtung  aus  Anlass  d.  Eröffn.  d.  neuen  Bibliotheksgebäudes  am  16.  Nov.  1893  geschildert.  Graz,  Landesbibl. 
1893.  24  S.  Mit  7  Taf.  [S  — n:  LCB1.  S.  1382/3.]|  (Privatdr.)  -  279)  O  X  W.  Greiffenhagen,  Gesch.  d.  esthländ.  öffentl. 
Bibl.:  BKELK.  4,  S.  343-50.  —  280)  G.  H.  Powell,  A  remarkable  bookplate:  BookWorm.  S.  49-50.  —  281)  X  v-  Advielle, 
La  bibl.  de  Napoleon  ä  Sainte-Helene.  Paris,  Lechevalier.  4°.  33  S.  Fr.  1,00.  —  282)  E.  Grisebach,  Katalog  d.  Bücher  e. 
dtsch.  Bibliophilen  mit  litt.  u.  bibliogr.  Anm.  Nebst  e.  Portr. -Rad.  nach  d.  Pastellgemälde  von  M.  Liebermann.  L., 
Drugulin.  VI,  288  S.  M.  6,00.  |[<1.  Haeberlin:  CBIBibl.  11,  S.  286,7;  L.  Fr.:  LCB1.  S.  14634;  RCr.  37,  S.  479-80; 
PrJbb.    76,    S.    547/9    (fruchtbare    Kritik    mit    selbständigen    Gesichtspunkten);     Geg.     45,    S.    366;     VossZgn.    N.    40]|     — 


0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  1  3 


888-806 


Öffentlichen  Bibliothek  bedeuten,  gar  nicht  dargestellt  werden,  als  in  diesem  Verzeich- 
nis einer  durchaus  persönlichen  Büchersammlung.  Der  schmuck  ausgestattete  Katalog 
wirkt  wie  die  bibliographische  Beilage  zur  Selbstbiographie  dieses  erotischen  Dichters, 
weltschmerzlichen  Philosophen  und  feinschmeckerischen  Litteraturforschers.  Unter  den 
von  ihm  gepflegten  Litteraturgebieten  steht  das  deutsche  voran,  im  französischen  tritt 
Anthoine  de  la  Säle,  dem  Exkurse  gewidmet  sind,  in  den  Vordergrund.  —  Für  die 
Allgemeinheit  wichtiger  sind  die  von  Privaten  der  Oeffentlichkeit  zur  Verfügung 
gestellten  Sammlungen.  Dem  Zweck  entsprechend  trägt  die  von  Rothschildsche283) 
Bibliothek  in  Frankfurt  a.  M.,  nach  dem  diesjährigen  Jahresbericht  zu  urteilen,  kein 
persönliches  Gepräge.  —  Die  am  1.  Jan.  neu  begründete  und  gleichfalls  zur  öffent- 
lichen Benutzung  gestellte  Musikbibliothek  Peters  in  Leipzig  hat  gleich  bei  der  Er- 
öffnung einen  von  Vogel284)  musterhaft  zusammengestellten  Katalog  mit  Registern 
ausgegeben.  Diese  vorbildliche  Musiksammlung  umfasste  Ende  des  J.  gegen  10000 
Werke,  darunter  6000  praktische,  vornehmlich  moderne  von  den  kritischen  Gesamt- 
ausgaben der  Klassiker  angefangen,  zumal  Partituren  von  Opern,  Oratorien,  Orchester- 
werke und  Erstlingsdrucke  von  Beethoven  und  den  Romantikern,  auch  wertvolle 
Hss.  —  Ueber  die  Sammler  und  die  Entwicklung  von  Büchersammlungen  in  Frankreich 
äussert  sich  Grand-Carteret2S5).  —  Ueber  Kataloge  derartiger  Sammlungen  im  18.  Jh. 
berichtet  Tourneux286),  über  Verkäufe  solcher  in  der  Gegenwart  d'Eylac287-288).  — 
Von  der  Bibliothek  des  Grafen  Lignerolles289)  ist  gelegentlich  der  Versteigerung  ein 
wertvolles  Katalogalbum  erschienen.  —  In  Paris  sind  auch  die  grossen  Sammlungen 
der  Ausländer  Maglione290)  und  Heredia291)  auf  Grund  ihrer  trefflichen  Kataloge  zur 
Versteigerung  gelangt.  —  Ueber  Buchsammlung  in  England  spricht  sich  ein  neuer- 
dings veröffentlichter  Brief  Samuel  Johnsons292)  aus.  —  T haussig293)  teilt  Erinne- 
rungen an  die  Spencer- Bibliothek  mit,  Haz  lit  t 294)  giebt  ein  alphabetisches  Verzeichnis 
der  englischen  und  schottischen  Büchersammler,  Roberts296)  berichtet  von  einigen 
Sammlern,  Hamilton296)  schreibt  anregend  über  Sammelwut.297)  — 

Bei  der  Bedeutung  der  grossen  öffentlichen  Bibliotheken  für  die 
Wissenschaft  ist  das  von  Richter298)  zusammengestellte  Verzeichnis  der  Bibliotheken 
von  etwa  50000  Bänden  an  willkommen.  —  Zur  Feststellung  der  Stärke  der  Benutzung 
von  Bibliotheken,  soweit  diese  sich  in  der  durchschnittlichen  Anwesenheit  der  Be- 
nutzer in  Leseräumen  ausspricht,  macht  Berghoeff er299)  zweckmässige  Vorschläge.  — 
Roquette300)  hat  die  Mittel  und  Bedürfnisse  der  deutschen  Universitätsbibliotheken 
ins  Verhältnis  gesetzt  zum  Verkaufspreise  der  jährlichen  Buchernte  Deutschlands 
nach  den  Hinrichsschen  Halbjahresverzeichnissen  und  begründet  darauf,  allzuschüchtern 
mit  Forderungen  zurückhaltend,  die  Anerkennung  erhöhten  Bedürfnisses  in  der  Hoffnung 
auf  Abhilfe  bei  Besserung  der  Staatsfinanzen.  Nach  seinen  Aufstellungen  ist  die 
kgl.  Bibliothek  in  Berlin  die  einzige,  deren  Vermehrungsfonds  den  Preis  der  Jahres- 
erscheinungen allein  des  deutschen  Buchhandels  übersteigt.  —  Das  Verzeichnis  der 
von  dieser  Anstalt  1893  erworbenen  Druckschriften301)  liegt  gedruckt  vor,  auch  ein- 
seitig zu  anderweiter  Verwertung  der  Titel.  —  Für  die  an  Zahl  der  Drucke  und 
Hss.  grösste  deutsche  Büchersammlung,  die  Hof-  u.  Staatsbibliothek  in  München302), 
werden  Reformen  verlangt,  die  in  Forderung  eines  ausserordentlichen  Betrags  für 
Umbauten  und  Einrichtungen  und  erhöhter  jährlicher  Mittel  beim  Landtage  zur  Geltung 
kommen  sollen.  —  Eine  Benutzungsstatistik  der  Strassburger303)  Bibliothek  im  letzten 
Jahrzehnt  ergiebt  zugleich  als  Gesamtergebnis  für  1872 — 93  382772  Benutzer  von 
846042  Werken  in  1405694  Bänden.304)  —  Die  herzogliche  Bibliothek  zu  Wolfenbüttel 
Iässt   als   zweiten   Band   ihrer   Bücherverzeichnisse  Milchsacks305)  alphabetisches 


283)  Zugangs -Verzeichnis    d.    freiherrl.    C.    v.    Rothschildschen    öffentl.    Bi'ul.    für    d.    J.    1894.     Frankfurt    a.   M.      56    S.    — 

284)  E.  Vogel,  Kat.  d.  Musikbibl.  Peters.  Abt.  I.  Theoret.  Werke.  Abt.  U.  Prakt.  Werke.  L.,  Peters.  VIII.  163  S.;  IV, 
162  S.  M.  18,00.  |[VossZg.  N.  28.JI  —  285)  J.  Grand-  Cartere  t,  Les  collectionneurs  et  les  etapes  de  la  collection: 
Le  livre  et  l'image  1,  S.  3-13.  —  286)  M.  Tourneux,  Cjllections  et  catalogues  au  XVIII.  siecle.  I.  Vente  Gros  de  Boze. 
II.  Vente  Collin.  III.  Vente  Lottin:  ib.  S.  28-32,  236-40.  —  287)  d'Eylac,  Les  ventes  de  livres  de  1893:  ib.  S.  96-102.  — 
288)  id.,  La  bibl.  du  comte  de  Lignerolles:  ib.  3,  S.  21-37,  82-92,  226-35.  —  289)  Albnm  de  cat.  de  la  bibl.  de  feu  M.  le  comte 
de  Lignerolles,  renfermunt  167  planches,  titres,  facs.  de  relieures,  reprod.  de  planches  de  mss.  Paris,  Porquet.  4". 
Fr.  50,00.  —  290)  Cat.  de  la  bibl.  de  feu  M.  Benedetto  Maglione  de  Naples.  I.-II.  Paris,  Paul,  Huard  &  Guillemin. 
315,  308  S.  —  291)  Cat.  de  la  Bibliotheque  de  M.  Ricardo  Heredia  Comte  de  Benaharis.  3.  P.  Hist.-Antographes.  4.  P. 
Theologie,  Jurisprudence,  Sciences  et  Arts,  Beaux-Arts,  Belles-Lettres,  Histoire.  ebda.  13!)3— 94.  340,  524  S.  —  292)  Dr. 
Johnson  on  book-collecting:  BookWorm.  S.  363  6.  —  293)  E.  Thaussig,  Erinnerungen  an  d.  Spencer-Bibl. :  BörsenblDBucbh.  61, 
S.  3151/3.  —  294)  W.  C.  Hazlitt,  English  and  scottish  book-collectors  and  collections  (Alphabetically  arranged):  BookWorm. 
S.  65-74,  97-106,  151/2.  —  295)  W.  Roberts,  Book-collectors  of  to-day:  ib.  S.  193-200,257-60,353,7.  —  296)  W.  Hamilton. 
The  collecting-mania  (From  the  note-book  of  a  mad  doctor):  ib.  S.  41/6.  -  297)  X  Verzeichnis  amerik.  P.ivatbibl. :  ExportJourn.  7, 
N.  1-12.  —  298)  P.  E.  Richter,  Verzeichnis  d.  Bibl.  mit  gegen  50000  u.  mehr  Bänden.  2  Tle.  L.,  Hedeler.  57  S.  M.  8,00. 
—  299)  Ch.  Berghoeffer,  Z.  Benutzungsstatistik:  CBIBibl.  11,  S.  103/6  —  300)  A.  Roqnette,  D.  dtsch.  Univ.-Bibl.,  ihre 
Mittel  u.  ihre  Bedürfnisse.  (=  N.  48,  S  40-61.)  —  301)  Verzeichnis  d.  ans  d.  neu  ersch.  Litt.  v.  d.  Kgl.  Bibl.  zu  Berlin  er- 
worbenen Druckschriften.  B.,  Asher  &  Co.  1893.  809  S.  M.  35,00.  -  302)  D.  Bedürfnis  nach  Reformen  an  d.  Hof-  u. 
Staatsbibl.  in  München.  Beobachtungen  e.  Besuchers  zugleich  als  Motivierung  für  e.  Nachtragsetat.  München,  Th.  Ackermann. 
29  S.  M.  0,40.  —  303)  Benutzungs- Statistik  d.  Kaiserl.  Univ.-  u.  Landes-Bibl.  Strassburg  i.  E.  für  d.  J.  1884-93:  CBIBibl.  11, 
S.  188/9.  —  304)  X  Zugangs- Verzeichnis  1S93.  Enth.  ausser  d.  regelm.  Zuwachs  e.  Schenkung  d.  Herrn  Hofbuchh.  Max  Müller. 
(=  Kat.  d.  grossherzogl.  Hof-  u.  Landesbibl.  in  Karlsruhe  XXI.)     Karlsruhe,  Groos.    47  S.     M.  0,50.  —  305)  G.  Milchsack, 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (1)3  b 


t  3  :  306-325  0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen. 

Verzeichnis  der  schönen  und  ihr  verwandten  Litteratur  Frankreichs  bis  zum  Ende 
des  18.  Jh.  gelegentlich  der  Drucklegung  ihrer  Zettelkataloge  erscheinen.  In  diese 
wertvolle  Sammlung  sind  auch  die  für  die  Geschichte  der  Litteratur  in  Deutschland 
wichtigen  Uebersetzungen  aufgenommen.306)  —  Von  den  Mitteilungen  aus  den  Biblio- 
theken der  freien  Städte307)  treten  die  Eyssenhardts308)  über  die  Stadtbibliothek  zu 
Hamburg  vor,  doch  schliessen  sie  mit  dem  11.  Hefte  ab,  um  künftig  in  das  Jahrbuch 
der  wissenschaftlichen  Anstalten  aufgenommen  zu  werden.  Ein  Abriss  der  Geschichte 
dieser  Bibliothek  nach  Petersen  dient  als  Einleitung  des  Katalogs  zur  Ausstellung 
der  Bibliothek  für  den  Journalisten-  und  Schriftstellertag.  Nächst  den  Belegstücken 
zur  Buchdruckergeschichte  nach  Lappenberg  sind  die  Hamburger  Moralischen  Wochen- 
schriften, die  älteren  politischen  Zeitungen  in  Hamburg  und  eine  Auswahl  von  Ham- 
burger Theaterzetteln  von  1684  an  zu  erwähnen.308*)  —  Von  den  Reichsanstalten 
sammelt  des  Reichspostamt309)  Sprachenkunde,  Reise-  und  Geschichtswerke  über 
den  engen  Kreis  seiner  Aufgabe  hinaus;  ähnlich  die  Wiener  Handelsakademie  nach 
Borowskys310)  Katalog.  --  Ueber  die  Bibliotheken  Italiens,  deren  altrömische  Zeit 
Gar  belli3")  unter  Beigabe  einer  Bibliographie  über  diesen  Geg-enstand  behandelt, 
ist  gelegentlich  des  Kongresses  von  Chicago  ein  ausgiebiger  Bericht31'2)  erstattet 
worden313).  —  Von  Torchi314)  ist  der  3.  Katalogband  des  Liceo  musicale  in  Bologna, 
der  wertvollsten  Musikbibliothek  der  Welt,  erschienen.  —  Dziatzko315)  urteilt  in 
einem  wissenschaftlichen  Reisebericht,  mit  Beobachtungen  über  die  grössten  Biblio- 
theken Italiens,  sehr  günstig  über  die  einheitliche  organisatorische  Regelung  des  italie- 
nischen Bibliothekwesens  von  1885—89,  das  ihm  nur  zu  weit  auf  Einzelheiten  und 
Aeusserlichkeiten  der  Verwaltung  eingeht  und  nicht  genügend  für- Nachwuchs  zu- 
gleich wissenschaftlich  und  technisch  vorgebildeter  Bibliotheksbeamten  sorgt.  — 
Carlander316)  hat  mit  dem  3.  Teil  sein  in  die  Vergangenheit  zurückgreifendes  Werk 
über  die  schwedischen  Bibliotheken  mit  besonderer  Beachtung  der  Ex-libris  beendet ; 
ein  ausführliches  Gesamtregister  schliesst  die  gross  angelegte  Arbeit  ab.  —  Ein 
Bookmaker317)  veröffentlicht  Erinnerungen  an  die  Kgl.  Bibliothek  in  Schloss 
Windsor318).  —  Von  Fl  int319),  dem  Statistiker  im  Unterrichtsamte,  liegt  eine  amt- 
liche Statistik  der  öffentlichen  Bibliotheken  in  den  Vereinigten  Staaten  und  Canada 
vor.  —  Auf  Grund  dieser  bedeutungsvollen  Unterlagen  zeigt  Reyer320),  dass  der 
Schwerpunkt  des  Bibliothekswesens  in  Amerika  derzeit  in  den  freien  Volksbiblio- 
theken liege.  —  Ueber  die  Bibliothek  der  Harvard-Universität  zu  Cambridge,  die 
öffentlichen  Bibliotheken  von  Chicago  und  Jersey  City,  die  Cornellbibliothek  von  Ithaka, 
die  neuerdings  Fr.  Zarnckes  germanistische  Bibliothek  von  13000  Bänden  und 
eine  Dantebibliothek  von  nahezu  2000  Bänden  erworben  hat,  und  andere  amerikanische 
Bibliotheken  berichtet  Hae  b  e  r  1  i  n321).  —  Aus  dem  Jahresberichte  der  Staatsbibliothek 
in  Albany322)  bringt  N  ör  r  e  n  b  e  r  g323)  über  drei  neue  Bibliothekgesetze  des 
Staates  New-York  Mitteilungen :  ein  allgemeines  Bibliotheksgesetz,  den  Schutz  von 
Bibliotheksfonds  und  das  Schulbibliothek sgesetz ;  ebenso  macht  er  mit  dem  Bericht 
der  Kommission  für  die  Free  public  library  von  Massachusetts324)  bekannt.  — 
Kukula325)  giebt  bei  den  Vorarbeiten  zu  seinem  Jahrbuch  für  die  gelehrte  Welt 
„Minerva"  in  Ergänzung  von  Schwenkes  Adressbuch  der  deutschen  Bibliotheken 
Bestand  und  Benutzung  der  wichtigsten  ausserdeutschen  Bibliotheken  zumeist  mit 
Schluss    des  J.    1892  an.     Die  Angaben  für  Frankreich  stammen  vom  Inspektor  der 


Alphabet.  Verzeichnis  d.  franz.  Litt,  in  d.  herzogl.  Bibl.  zu  Wolfenbüttel.  D.  Bücher-Verzeichnisses  2.  Bd.  Wolfenbüttel, 
Zwissler.  XV,  593  S.  M.  20,00.  —  306)  OX  A-  Schlosaar,  Bibliotheken.  Reisen  in  Süd-  u.  Nordwest-Deutschland:  WienZg. 
N.  187,  189-90.  ,[Ht.:  CBIBibl.  11,  S.  515.]!  -  307)  X  C.  Curtius,  Ber.  über  d.  Verwalt.  d.  Stadtbibl.  im  J.  1893.  Lübeck:. 
4°.  3  S.  —  308)  T.  Eyssenhardt,  Mitteil,  aus  d.  Stadtbibl.  zu  Hamburg  XI.  Hamburg,  Lütcke  &  Wulff.  1893-94.  82, 130  S. 
M.  2,40.  |[Th.  Mehring:  DBühneng.  23,  S.  203.]|  —  308a). O  X  Stadtbibl.  zu  Frankfurt  a.  M.  Verzeichnis  d.  Handbibl.  d. 
Lesesaals  u.  d.  daselbst  aufliegenden  Zeitschriften.  —  Kat.  d.  perm.  Ausstell.  Frankfurt  a.  M.  SOS.  M.  0,20.  —  309)  Nachtr.  zu  Bd.  I 
(Bücher)    d.  Verzeichnisses    d.  Bücher-    u.  Karten-Samml.   d.  Reichs-Postamts.     B.  (Springer).     1893.     XII,  295  S.     M.  6,00.  — 

310)  M.  Borowsky,    Kat.    d.  Bibl.   d.  Wiener  Handelsak.     (=  Jb.  d.  Ver.  d.  Wiener  Handelsak.  [2.  Abt.J.)    Wien.     134  S.  — 

311)  F.  Garbelli,  Le  biblioteche  in  Italia.  All'epoca  romana  con  un'appendice  sulle  antiche  biblioteche  di  Ninive  ed 
Allessandria.  Milano.  Hoepli.  232  S.  L.  6,50.  —  312)  O  Notizie  storiche,  bibliografiche  e  statistiche  sulle  biblioteche 
governative  del  regno  d'Italia  (Ministero  della  publica  istruzione).  (=  Publicate  in  occasione  del  congresso  internazionale 
dei  bibliotecari,  Chicago,  Luglio  1893.)  Roma,  tip.  Elzeviriana.  1893.  334  S.  —  313)  O  X  Le  biblioteche  d'Italia. 
Elenco  generale  e  indici  speciali.  Milano.  4°.  61  S.  —  314)  G.  Gaspari,  Catalogo  della  biblioteca  del  liceo  musicale 
di  Bologna,  compiuto  e  pubblicato  da  L.  Torchi.  Vol.  III.  Bologna,  Romagnoli  dall'Acqua.  1893.  389  S.  L.  20,00.  — 
315)  K.  Dziatzko,  E.  Reise  durch  d.  grösseren  Bibl.  Italiens.  (=  N.  43,  S.  96-128.)  —  316)  C.  M.  Carlander,  Svenska 
Bibliotek  och  Ex-libris.  Anteckninger  III.  Med  110  Illustr.  Stockholm,  Iduns  Tryckeri  Aktiebolag.  VIII,  692,  4  S. 
Kr.  25,00.  —  317)  Bookmaker,  In  the  royal  library,  Windsor  Castle:  BookWorm.  S.  329-35.  —  318)  O  X  Library-association 
Series  N.  5:  Cataloguing  rules  1.  of  the  British  Museum,  2.  of  the  Bodleian  library,  3.  of  the  library-association.  London, 
Simpkin.  27  S.  Sh.  6.  —  319)  W.  Flint,  Statistics  of  public  libraries  in  the  United  States  and  Canada.  Washington, 
Governement  Printing  Offlee.  1893.  213  S.  —  320)  E.  Reyer,  Oeffentl.  Bibl.  d.  Vereinigten  Staaten.  1891:  CBIBibl. 
11,  S.  269-72.  —  321)  C  Haeberlin,  Amerik.  Bibl.:  ib.  S.  287/9.  —  322)  O  State- library  bulletin.  Legislation, 
('omparative  summary  and  index  to  state  legislation.  N.  13.  Albany  N.-Y.,  State  library.  1891—93.  290  S.  — 
323)  C.  Nörrenberg,  M.  Dewey,  D.  neuen  Bibliotheksgesetze  dl  Staates  New-York:  CBIBibl.  11,  S.  272/8.  —  324)  O  Report 
of  the  Free  public  library  commission  of  Massachusetts.  3  Bde.  Boston,  Wrigt  &  Potter  Printing  Co.  1891—93.  XII,  290, 
39,   34    S.      |[C.   N(örren)b(er)g:    CBIBibl.    11,   S.   323/4.]|    —    325)    R.    Kukula,   Statistik   d.   wichtigsten    ausserdtsch 


0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  I  3  i  326-3.50 

französischen  Bibliotheken  und  Archiven  Ulysse  Robert,  für  Italien  vom  Präfekten 
der  Bibliotheca  nazionale  centrale  in  Florenz  Desiderio  Chilori,  für  Oesterreich  von 
den  einzelnen  Bibliotheks-Vorständen.  —  Von  den  Anläufen  zur  Abzweigung  von 
Schülerbibliotheken  aus  den  Schulbibliotheken  gewährt  Dressel326)  in  der  Vor- 
geschichte der  Schülerbibliothek  der  Kgl.  Ritter-Akademie  zu  Liegnitz  ein  anschau- 
liches Beispiel;  der  von  ihm  veröffentlichte  Katalog,  nach  Klassenstufen  und  Unter- 
richtsfächern geordnet,  kann  in  seiner  reichen  Gliederung  als  Anhalt  für  ähnliche 
Arbeiten  dienen.  —  Reyer327),  dessen  Buch  über  die  Volksbibliotheken  (JBL.  1893 
I  3:130)  immer  breitere  Spuren  zieht328"330),  begründet  auf  Dziatzkos  Urteil 
über  das  Zurückbleiben  der  Stadtbibliotheken  gegenüber  den  staatlichen  Anstalten 
und  auf  Schwenkes  Uebersichten  ihrer  bescheidenen  Aufwendungen  für  wissenschaft- 
liche Zwecke  seine  Aufforderung,  dass  die  städtischen  Bibliotheken  Volksbibliotheken 
werden  müssen,  die  dann  auf  Unterstützung  seitens  der  Bürgerschaft  rechnen  dürfen.  — 
Tews331)  verbreitet  den  Gedanken  der  Volksbibliothek  in  Schulkreisen.  —  Der 
Dresdener  Musterkatalog332)  erscheint  schon  in  3.  Auflage333).  —  Bereits  wird  er- 
örtert, welche  Geistesmächte  diese  zukunftsreichen  Anstalten  in  ihren  Bereich  ziehen 
könnten334).  —  Die  Volkslesehalle  schliesst  sich  an  die  Volksbibliothek335).  — 

Mit  gedruckten  Bücherzeichen  ist  Deutschland  allen  anderen  Ländern 
um  die  Mitte  des  15.  Jh.  weit  vorangegangen;  seitdem  vom  Auslande  in  der  All- 
gemeinheit des  Gebrauches  überflügelt,  hat  es  erst  neuerdings  wieder  eine  Gemeinde 
für  diese  Bestrebungen  gebildet.  Den  Mittelpunkt  für  die  deutschen  Sammler  von 
Bücherzeichen  bildet  die  Zeitschrift  für  Bücherzeichen336);  für  Bibliothekenkunde 
und  Gelehrtengeschichte,  die  im  Titel  des  Blattes  miterwähnt  sind,  fallen  nur  mittel- 
bar Späne  ab.  Von  zusammenfassenden  Arbeiten  sei  unter  den  Beiträgen  von 
Eisenharts  auf  „Die  Ex-libris  der  deutschen  Klöster",  und  auf  des  Grafen  zu 
Leiningen -Westerburg  „Ex-libris  mit  Ortsansichten"  hingewiesen.  Die  Seele 
dieses  Organs  ist,  auch  nach  diesem  Jahrgange  zu  urteilen,  Warnecke,  der  seine 
Studien  gleichmässig  vom  15.  Jh.  bis  zur  Gegenwart  erstreckt.  —  Als  ein  besonderes 
Werk  hat  Warnecke337"338)  die  Bücherzeichen  des  15.  und  16.  Jh.  in  Proben  der 
besten  Meister  herausgegeben.  Aus  seiner  gleichzeitigen  Veröffentlichung  von 
hundert  heraldischen  Kunstblättern  derselben  Zeit  geht  deutlich  hervor,  dass  die 
Bücher-  und  Wappenblätter  demselben  edlen  Stamme  entsprossen  sind.  Jost  Amman, 
Barthel  und  Sebald  Beham,  Hans  Burgmair  der  Jüngere,  Lukas  Cranach  der  Aeltere, 
Albrecht  Dürer  und  seine  Schule,  Hans  Sebald  Lautensack,  Conrad  Saldörfer,  Hans 
Leonhard  Schäufelin,  Barthel  Schön,  Johann  Sibmacher,  Virgil  Solis,  Heinrich  Ulrich 
und  Matthias  Zündt  sind  auf  beiden  Gebieten  vertreten,  die  Blätter  könnten  herüber 
und  hinüber  verwandt  werden.  (Vgl.  I  9.)  —  Der  sinnreichste  der  gegenwärtigen  Schöpfer 
von  Bibliothekszeichen  ist  Sattler339).  Nichts  von  gleicher  Bedeutung  ist  seit 
Beginn  der  Bewegung  für  Bücherzeichen,  die  etwa  gleichzeitig  mit  der  Begründung 
dieser  JBL.  eingesetzt  hat,  geschaffen  worden.  —  Als  eine  beachtenswerte  junge 
Kraft  hat  Warnecke  neuerlich  den  heraldisch  gut  geschulten  Otto  340)  eingeführt. 
—  Teske341)  hat  die  Bücherzeichen  des  Herzogs  Ulrich  von  Mecklenburg  ge- 
sammelt und  auf  das  ihnen  zu  Grunde  liegende  mecklenburgische  Wappen  von  Lukas 
Cranach  d.  Ä.  zurückgeführt.  —  Auch  die  deutsche  Unterhaltungspresse  regt  sich, 
den  Sinn  für  Bücherzeichen  weiter  zu  verbreiten 342)  und,  während  in  Frankreich343-344) 
und    England345-348)   teilweise   unter   Heranziehung   deutscher    Originalwerke349"350) 


Bibl.  d.  Erde:  CBIBibl.  11,  S.  111-24.  —  326)  K.  Dressel,  Verzeichnis  d.  Schüler-Bibl.  d.  Kgl.  Ritter-Ak.  zu  Liegnitz,  nach 
Klassenstufen  n.  nach  Unterrichtsfächern  geord.  u.  mit  e.  Vorw.  vers.  Progr.  Liegnitz  (Oskar  Heinze).  XX,  63  S.  —  327) 
E.  Reyer,  Reform  d.  dtsch.  Stadtbibl.:  CBIBibl.  11,  S.  401/2.  —  328)  X  E.  v.  Sallwürck:  DLZ.  S.  311.  —  329)  X  P-  ?- 
Volksbibliotheken:  SchorersFamilienhl".  N.  7.  —  330)  X  Volksbibliotheken:  Didask.N.  301.  -  331)  J.  Tews,  Volksbibliotheken. 
(=  Päd.  Mag.  Her.  v.  F.  Mann.  N.  40.)  Langensalza,  Beyer  &  Söhne.  15  S.  M.  0,20  |[Nation».  11,  S.  2057;  DB11EÜ.  21, 
S.  101/5.]|  —  332)  Mnsterkat.  für  Volksbibl.  Verzeichnis  v.  Büchern,  welche  z.  Anschaffung  für  Volksbibl.  zu  empfehlen  sind. 
Her.  vom  Gemeinnützigen  Ver.  zu  Dresden.  3.  Aufl.  L,  Spamer.  VI,  83  S.  M.  1,00.  —  333)  X  Bücherverzeichnis  d.  Volksbibl. 
Freiburg  i.  B.  Fieiburg  i.  B.  127  S.  M.  0,25.  —  334)  O  X  R-  Hochegger,  Relig.  Volksbibl.:  MhComeniusGes.  3,  S.  1623. 
—  335)  A.  Pfungst,  Volkslesehallen:  Jungdeutschland  3,  S.  7.  —  336)  Es-libris.  Zeitschr.  für  Bücherzeichen,  Bibliotheken- 
kunde  u.  Gelehrtengesch.  Org.  d.  Ex-libris- Ver.  zu  Berlin.  Bd.  IV.  Görlitz,  Starke.  4°.  VI,  127  S.  M.  15,00.  (Vgl.  JBL.  1890 
I  3:235.)  —  337)  F.  Warnecke,  Bücherzeichen  (Ex-libris)  d.  15.  u.  16.  Jh.  v.  Dürer,  Burgmair,  Beham,  Virgil  Solis,  Jost 
Amman  u.  a.  B.,  Stargardt.  16  S.  Mit  100  Taf.  M.  28,00.  |[DHerold.  25,  S.  92.J|  —  338)  id.,  Herald.  Meister.  100  herald. 
Kunstbll.  nach  Entw.  v.  Mart.  Schongauer,  Israel  v.  Mecken,  Albr.  Dürer,  Virgil  Solis,  Jost  Amman  u.  a.  dtsch.  n.  ausländ, 
hervorrag.  Meistern,  ebda.  4°.  11  S.  Mit  26  Taf.  M.  20,00.  -  339)  J.  Sattler,  Dtsch.  Kleinkunst  in  42  Bücherzeichen. 
Mit  e.  Vorw.  v.  F.  War  necke,  ebda.  4U.  10  S.  Mit  42  Taf.  M.  40,00.  —  340)  G.  Otto,  20  Bücherzeichen.  Mit  e.  Vorw. 
v.  F.  Warn  ecke.  ebda.  4  S.  Mit  20  Taf.  M.  4,00.  —  341)  C.  Teske,  D.  mecklenb.  Wappen  v.  Luk.  Cranach  d.  Ae.,  d. 
Bücherzeichen  (Ex-libris)  d.  Herz.  Ulrich  zu  Mecklenb.  u.  a.  ebda.  4°.  12  S.  Mit  22  Abbild.  M.  6,00.  —  342)  X  H. 
v.  Zobeltitz,  Ex-libris:  Daheim  30,  S.  4914.  —  343)  X  Archives  de  la  soc.  franc.  des  collectionneurs  d'ex-libris.  Rev. 
mens.  ill.  Annee  1894.  Paris,  Paul,  Huard  &  Guillemin.  12  Nrr.  Fr.  18,00.  —  344)  X  <*•  Gauthier  et  R.  deLurion, 
Marques  et  bibl.  et  ex-libris  frano-comtois.  Besancon,  Jacquin.  79  S.  —  345)  X  Tne  Journal  of  the  Ex-libris-soc:  NQ.  5, 
S.  19;  6,  S.  199.  —  346)  X  Th«  annual  book-plate  and  armorial  year  book.  111.  London,  Black.  4°.  Sh.  26.  —  347)  X 
Dated  book-plates:  BookWoTm.  S.  337-40.  —  348)  X  J-  Vinycomb,  Processes  for  the  production  of  Ex-libris  (book-plates). 
London,  Black.  Sh.  3  6.  —  349)  A.  Dnerer  and  others.  Rare  book  plates  (Ex-libris)  of  the  15.  and  16.  cent.  London,  Grevel  &  Co. 
4°.    Sh.  5.  —  350)  X  C.  Kissel,  Symbolical  book  plates.  25.  Ex-libris.  ebda.   Sh.  4.  —  35DX  °-  J-  örellet  u.  M.Tripet, 

(l)3b* 


t  3  :  851-369  Ö.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen. 

die  Bewegung  weiter  schreitet,  wird  es  auch  in  solchen  Gebieten  des  Auslandes351-362), 
die  bisher  der  Bewegung  ferner  gestanden  haben,  lebendiger.  — 

Der  Buchhandel  hat  die  Forschungen  zu  seiner  älteren  Geschichte, 
abgesehen  von  dem  weiter  zurückgreifenden,  zusammenfassenden  Werke  des 
amerikanischen  Buchhändlers  P  u  t  n  a  m 353)  über  Vf.  und  ihr  Publikum  in  alten 
Zeiten,  wieder  im  Archiv  für  Geschichte  des  deutschen  Buchhandels354)  niedergelegt. 

—  Roth 355)  stellt  die  Thätigkeit  des  Buchdrucker-  und  Buchhändler-Geschlechtes 
Biener  (Apiarius)  zu  Strassburg,  Bern  und  Basel  dar,  Buchwald356)  steuert  Briefe 
der  Erben  des  Petrejus  zu  Nürnberg  und  Peter  Brubachs  zu  Frankfurt  a.  M.  bei.  — 
Von  K  i  r  ch  h  o  f  f  s367'360)  Forschungen,  die  wie  immer  die  geschichtlichen  Bräuche 
und  das  Wirtschaftsleben  des  mittleren  Buchhandels  beleuchten,  sind  zu  erwähnen 
die  Arbeiten  über  das  Sortimentslager  des  Christoph  Ziehenaus  in  Leipzig  1563, 
über  Ernst  Vögelins  Druckerei  um  1576,  über  des  Andreas  Hoffmann  von  Wittenberg 
Sortiments-Messlager  in  Leipzig  1600  und  über  Schulprivilegien  in  Leipzig  nach 
dem  30jährigen  Kriege.  —  Stieda361)  hat  in  seinen  Studien  zur  Geschichte  des 
Buchdruckes  und  Buchhandels  in  Mecklenburg  ganz  aus  dem  Frischen  —  nur  für  die 
Einleitung'  diente  Lisch  als  Vorarbeit  —  die  Geschichte  eines  litterarisch  wenig 
entwickelten  Landes  gegeben,  die  eben  deshalb  eine  willkommene  Ergänzung  der 
Geschichte  dieses  Gewerbes  an  seinen  Hauptplätzen  bietet.  Das  Hauptgewicht  legt 
er  auf  die  Schilderung  der  Universitäts-Buchdruckerei  und  des  Universitäts-Buch- 
handels in  Rostock  von  1560  bis  Ende  des  16.  Jh.  und  der  Rostocker  Universitäts-, 
Rats-  und  Privatbuchdrucker  im  17.  Jh.,  namentlich  Joh.  Hallervords ;  der  Buch- 
handel wurde  in  Mecklenburg  im  17.  Jh.  zu  Wismar,  Schwerin,  Parchim,  Güstrow, 
Neubrandenburg,  Malchin  und  Friedland  nur  von  Buchbindern  betrieben.  Aus  drei 
Jhh.  werden  Versuche  auswärtiger  Buchhändler,  in  Mecklenburg  Geschäfte  zu  be- 
treiben, geschildert  am  Beispiele  Feyerabends,  des  Disputationshändlers  Klopffleisch 
und  des  Magdeburgers  Hechtel.  —  K  i  r  c  h  h  o  ff  362-363^  wejst  aus  Gutachten  von  1788 
das  Entgegenkommen  der  Leipziger  Buchhändler  gegen  den  ausländischen  Buch- 
handel nach  und  erklärt  die  in  den  Litteratur-  und  Nachdrucksverhältnissen  be- 
gründete Zurückhaltung  der  Holländer,  Franzosen  und  Italiener,  auch  teilt  er  die 
Gutachten  von  Barth,  Kummer  und  Richter  über  die  französische  Sperre  von  1811 
als  erste  Lebensäusserung  der  „Leipziger"  Buchhandlungs-Deputierten  mit.  — 
Landsberger364)  macht  von  jüdischen  Buchhandlungen  des  18.  Jh.  in  Breslau 
Mitteilung,  von  Sabbatai  und  Sabatke,  erst  verbundenen,  dann  entzweiten  Juden  aus 
Dyhernfurth  und  Prag,  sowie  von  dem  über  das  Reglement  tolerierten  David 
Moyses.  — 

Von  einzelnen  deutschen  Buchhändlern  ist  zunächst  ein  Landkarten- 
händler zu  erwähnen.  Sandler365),  dem  man  schon  wertvolle  Arbeiten  über  den 
Landkartenstecher  und  -Verleger  Joh.  Bapt.  Homann  in  Nürnberg  und  die  Homan- 
nischen  Erben  verdankt,  behandelt  mit  gleicher  Gründlichkeit  Matthäus  Seutter  in 
Augsburg,  deren  einzigen  nennenswerten  Wettbewerber.  —  Der  kundige  Vf.  der  Buch- 
druckergeschichte Wiens,  Anton  Mayer 366),  stellt  den  ersten  Wiener  Gross- 
industriellen des  Druckgewerbes  im  18.  Jh.  und  eifrigsten  Verfechter  des  Nach- 
drucks deutscher  Klassiker,  Joh.  Thomas  Edlen  von  Trattner  in  Wien,  nach  Licht 
und  Schatten  wahrheitsgetreu  dar.  —  W  u  s  t  m  a  n-n367"368)  hat  den  angesehenen 
Leipziger  Buchhändlern  und  Buchdruckern  Karl  Tauchnitz  und  Benedikt  Gotthelf 
Teubner  anerkennende  Darstellungen  ihrer  grossartigen  Wirksamkeit  zumal  im 
Klassikerverlage  gewidmet,  dabei  tritt  bei  Karl  Tauchnitz  dem  Vater  die  schöpfe- 
rische Thätigkeit  zumal  auch  in  der  Neugestaltung  der  Technik,  beim  Sohne,  der 
beim  Tode  des  Vaters  der  ersehnten  Missionsarbeit  entsagen  musste,  das  edle  Gemüt 
und  die  grossartige  Wohlthätigkeit,  bei  B.  G.  Teubner  der  ausdauernde  Fleiss  und 
die  Sicherheit  des  geschäftlichen  Blickes  hervor.  —  Thomälen 369)  hat  einem  der 

Les  Ex-libris  Neuchätelois.  Neuchätel,  Inst,  herald.  60  S.  Fr.  10,00.  —  352)  X  (=  N.  316.)  —  353)  O  G.  H.  Putnam,  Autliors 
and  their  public  in  ancient  times.  A  sketch  of  litt,  oonditions,  and  of  the  relations  with  the  public  of  litterary  producers, 
Irom  the  earliest  times  to  the  invention  of  printing  in  1450.     2.  ed.  rev.     New  York  u.  London,  G.  P.  Putnam.  12°.   Doli.  1,50. 

—  354)  AGDBuchhandel.  Her.  v.  d.  bist.  Komm.  d.  Börsenver.  d.  dtsch.  Buchändler.  XVII.  (=  Publ.  d.  Börsenver.  d.  dtsch. 
Buchhändler.  N.  F.)  L,  Börsenver.  d.  d.  Buchh.  VI,  365  S.  M.  6,00.  ][W.  Schultze:  BLU.  S.  326/7.JI  —  355)  F.  W.  E. 
Roth,  D.  Buchdruckerfamilie  Apiarius  zu  Strassburg,  Bern  u.  Basel.  1533-92.  (=  N.  354,  S.  26-35.)  —  356)  G.  Buch  wald. 
Vier  Buchhändler-Briefe  aus  d.  16.  Jh.  (=  N.  354,  S.  354/5.)  —  357)  A.  Kirchhoff,  D.  Sortimentslager  v.  Chrph.  Ziehenaus 
in  Leipzig.  1563.  (=  N.  354,  S.  3-25.)  —  358)  id.,  Wirtschaftsleben  im  älteren  Buchh.  E.  Vögelin  in  Leipzig.  2.  Nachtr. 
(=  N.  354,  S.  36-52;  vgl.  JBL  1803  I  3:248.)  —  359)  id.,  Sortiments-Messlager  in  Leipzig.  Andr.  Hoffraann  v.  Wittenberg. 
(=  N.  354,  S.  53-78.)  —  360)  id.,  D.  Privilegien  über  d.  Elementar-Schulbücher  in  Leipzig  1652  u.  sonstige  Schädigungen 
nach  d.  Kriege.  (=  N.  354,  S.  79-106.)  —  361)  W.  Stieda,  Studien  z.  Gesch.  d.  Buohdr.  u.  d.  Buchh.  in  Mecklenburg. 
(=  N.  354,  S.  119  325.)  |[0.  v.  H(asej:  LCB1.  S.  1S88/9.J|  —  362)  A.  Kirchhoff,  D.Zeitpunkt  d.  Wegbleibens  d.Holländer 
v.  d.  Leipz.  Messe.  (=  N.  354,  S.  363/5.)  —  363)  id.,  Ursprung  u.  erste  Lebensäusserungen  d.  Leipz.  Buchh.-Deputierten. 
(D.  franz.  Sperre  v.  1811.)  (=  N.  354,  S.  326-53.)  -  364)  J.  Landsberger,  Z.  Gesch.  d.  jfld.  Buchdruckerei  in  Dyhern- 
furth u.  d.  jüd.  Buchh.  4.:  MLWJ.  38,  S.  189-92.  —  365)  Chrn.  Sandler,  Matthäus  Seutter  u.  seine  Landkarten:  Aus 
MVELeipzig.  S.  1-38.  —  366)  Ant.  Mayer,  Joh.  Thomas  Edler  v.  Trattner:  ADB.  38,  S.  499-501.  —  367)  G.  Wust- 
mann, Karl  Chrph.  Traugott  Tauchnitz:  ib.  37,  S.  441/3.  —  368)  id.,  B.  G.  Teubner:  ib.  S.  609-11.  —  369,  G.  Th[omälen], 


O.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  I  3  i  370-388 

genialsten  und  liebenswürdigsten  deutschen  Verleger,  Georg  Wigand  in  Leipzig,  eine 
warme  Schilderung  seines  kurzen  Lebenslaufes  gewidmet;  ihm  verdankt  die  deutsche  Litte- 
ratur  und  Kunst  mancherlei  Förderung,  die  über  die  eigenen,  oft  geringen  Verstösse 
hinaus  vielfach  noch  jetzt  weiterwirkt.  —  W  u  s  t  m  a  n  n370)  giebt  einen  Lebensabriss 
von  0.  Spamer,  der,  wenn  auch  gelegentlich  mit  etwas  zusammengewürfelten  Holz- 
stücken, die  illustrierte  deutsche  Jugendschriftenlitteratur  seiner  Zeit  nicht  unverdienst- 
lich beherrscht  hat.  —  O.  von  Hase371)  setzt  die  Geschichte  von  Breitkopf 
und  Härtel  bis  auf  die  lebendige  Gegenwart  als  Erinnerungsschrift  für  seine  Mit- 
arbeiter fort.  —  Von  der  kräftig  weiterblühenden  Buchhandlung  Vieweg  &  Sohn 
in  Braunschweig  entwirft  Boy372)  ein  hübsches  Augenblicksbild.  —  Das  um  das 
deutsche  Lied  verdiente  Haus  Geiger-Schauenberg  in  Lahr  fand  gelegentlich  seines 
50  jährigen  Jubiläums  durch  S  ü  t  terlin373)  eine  kundige  Darstellung,  und  Hölzel 
in  Olmütz  und  Wien374)  wurde  in  gleicher  Weise  als  deutscher  Buchhändler  geehrt.  — 
Im  ausländischen,  insbesondere  italienischen375)  Buchhandel  nimmt 
der  Deutsch-Schweizer  Ulrich  Höpli376)  in  Mailand  seit  1871  eine  hervorragende 
Stellung  ein,  die  die  Geschäftsgeschichte  im  Verlagskatalog  für  Philadelphia  kenn- 
zeichnet. —  Ein  Verein  böhmischer  Sortiments-  und  Verlagsbuchhändler377)  lässt  ein 
eigenes  Organ  erscheinen.  —  Die  Zeitung  des  niederländischen  Buchhandels378)  steht 
bereits  im  61.  Jahrgange.  —  Dolleris379)  giebt  ein  Buch  von  den  dänischen  Buch- 
händlern heraus.  —  In  der  Festschrift  zur  50jährigen  Feier  der  schwedischen  Buch- 
händlervereinigung380) behandelt  Schuck  den  ältesten  Buchhandel  in  Schweden, 
Seligmann  das  Wirken  des  angesehenen  Vereins.  —  Der  französische  Buchhandel 
hat  nicht  nur  den  Erstling  eines  Jahrkatalogs  aller  französischen  Bücher  des  In-  und 
Auslandes  zu  verzeichnen  (JBL.  I  3  :  211),  sondern  auch  den  ersten  Katalog  einer 
Fachbibliothek  des  französischen  Buchhandels,  den  der  Vorsitzende  des  Bibliotheks- 
ausschusses des  Cercle  de  la  librairie,  Delalain381),  mitUnterstützung  von  Picard 
und  P  o  1  a  i  n  abgefasst  hat.  Bezeichnend  für  die  Entwicklung  des  fortgesetzt 
reglementierten  französischen  Buchgewerbes  ist  die  Litteratur  über  die  alte  Gesetz- 
gebung für  Buchdruck,  Buchhandel  und  Papierwesen  dank  einer  Sammlung  Merlins 
aus  dem  Anfang  dieses  Jh.  glänzend  vertreten,  die  deutsche  Litteratur  nur  zufällig, 
Kirchhoffs  Name  fehlt  gänzlich.  —  Tourneux382)  giebt  eine  liebenswürdige  Schilderung 
von  Jouast,  der  früh  Bibliophile,  nachmittags  Buchhändler  war;  d'Eylac383)  stellt  das 
einhundertjährige  Wirken  des  Hauses  Mame  —  ausserhalb  Paris  —  dar.  —  Adolf 
Ulm384),  —  dessen  äusserlich  bescheidenen  Lebensschattenriss  man  in  der  ADB. 
ungern  vermisst,  da  er  für  das  wissenschaftliche  deutsche  Antiquariat  Schule  gemacht 
hat  wie  kein  anderer,  -  hat  kurz  vor  dem  eigenen  Heimgange  dem  in  Paris  thätigen 
deutschen  Antiquar  und  Bibliographen  Edwin  Tross  aus  Hamm  einen  Nachruf  ge- 
widmet. —  Steiff385)  lässt  dem  Buchhändler  Nik.  Trübner  in  London  gerechte 
Würdigung  zu  teil  werden.  Dieser  deutsche  Buchhändler  hat  als  erster  die  Bedeutung 
von  Englands  WTeltstellung  für  den  Buchhandel  erkannt  und  grossartig  in  einem 
wissenschaftlichen  Weltbuchhandel  seines  Gepräges  verwertet; -dabei  hat  er  sich,  zu- 
mal 1870  —  71,  als  treuer  Sohn  seines  Vaterlandes  bewährt,  die  Sammlungen  für  die 
neue  Strassburger  Bibliothek  in  England  und  den  Kolonien  betrieben  und  mit  der 
eigenen  Bibliothek  seine  Heimat  Heidelberg  bedacht.  —  Von  den  Registern  der 
Company  of  stationers  in  London  (1554—1640)  hat  A  r  b  er386)  den  fünften  Band  (Index) 
veröffentlicht.  —  Einen  Bericht  über  die  Londoner387)  Buchhändler  von  1803  entnimmt 
der  BookWorm  der  wenig  bekannten  Zeitschrift  Picnic.  Bei  der  Bedeutung,  die  in 
England  den  Buch  er  Versteigerungen  zukommt,  geben  H  a  z  1  i  1 1  s  388)  fast  vierzigjährige 
Erinnerungen    an    Sothebys   Auktionen    einen   lesenswerten  Beitrag   zur  Geschichte 


G.  Wigand.  Mit  e.  Stahlstich  v.  A.  Krausse:  Adressb.  d.  dtsch.  Buchh.  S.  IS.  —  370)  G.  Wustmann,  Otto  Spamer: 
ADB.  36,  S.  31/2.  —  371)  O.  v.  Hase,  Breitkopf  &  Härtel,  Buch-  u.  Notendrucker,  Buch-  u.  Musikalienhändler 
in  Leipzig.  Aus  d.  Papieren  d.  Breitltopf  *  Bärtelschen  Geschfiftsarchives.  1664-1894.  Ergänzter  Sonderabdr.  aus 
d.  ADB.  Herbst  1875- Sommer  1894.  L.,  Breitkopf  &  Härtel.  4°.  48  8.  (Privatdr.)  -  372)  Job.  Boy,  E.  Besuch  bei  Fr. 
Vieweg  &  Sohn  in  Braunschweig:  Quellwasser  18,  S.  199-202.  —  373)  A.  Sütterlin,  Z.  Geschäftsjubil.  d.  Firma  .T.H.Geiger- 
Moritz  Schaumburg  in  Lahr:  NacbrBuchh.  1,  S.  325/7.  —  374)  M.  W.,  Z.  fünfzigj.  Geschäftsjubil.  d.  Firma  Ed.  Hölzel  in 
Olmütz  u.  Wien  (15.  Okt.  1844-94):  ib.  S.  127/9.  —  375)  X  Giornale  della  libreria,  della  tipogTafia  e  delle  arti  e  industrie 
affini.  Supplemento  alla  Bibliografia  italiana  pubblicato  dall'Associazione  tipogrsifico-libraria  italiana.  VII.  Mailand,  TJfficio 
dell'Associazione.  52  Nrr.  Fr.  11,50.  —  376)  Catalogue  of  U.  Hoepli's  Publications  1872-93:  Uno  Sguardo  al  presente  e  al 
passato  (S.II-XVII).  Mailand,  Hoepli.  1893.  XX,  128  S.  —  377)  X  *•  Hovorka,  Knihkupecky  oznamovatel.  Prag,  Otto.  (Nähere 
Angaben  unerreichbar.)  —  378)  Nieuwsblad  voor  den  boekhandel  uitgegeven  door  de  Vereeniging  tor  bevordering  van  de  belangen 
des  boekhandels.  Hg.  de  Eochemont.  Jaarg.  61.  Amsterdam,  Bestelhuis  van  denNederlandschen  Boekhandel.  4°.  572,  25  S.  Fl.  10,00.  — 
379)  O  A.  Dolleris,  Danmarks  boghandlere.  Kopenhagen,  Eibe.  232  S.  Kr.  6,00.  —  380)  Fest*krift  med  anledning  af 
Svenska  Bokförläggareföreningens  Cemtiarsjubilenni  den  4.  Dcc.  1893.  Stockholm,  Svenska  Bokförläggareföreningen.  1893. 
291  S.  Kr.  6,00.  —  381)  P.  Delalain,  Cercle  de  la  librairie.  Cat.  de  la  bibliotheque  technique.  Paris,  Cercle  de  la  librairie. 
XII,  233  S.  —  382)  M.  Tourneux,  TJn  editeur  bibliophile  Damase  Jouast:  Le  livre  et  l'image  1,  S.  153  9.  —  383)  d'Eylac, 
Alfr.  Mame  et  ses  publications  d'art:  ib.  S  300/3.  -  384)  A.  Ulm,  K.  Th.  Edwin  Tross:  ADB.  38,  S.  652.  —  385)  K.  Steiff, 
Joh.  Nik.  Trübner:  ib.  S.  674/7.  —  386)  O  E.  Arber,  A  transcript  of  the  registers  of  the  Company  of  stationers  of  London, 
1554-1640.  Vol.  5:  Index.  Birmingham  (Selbstverl.).  4°.  CXI,  277  S.  (Privatdr.)  —  387)  Bookseilers  in  1803:  BookWorm. 
S.  325/7.    —    388)  W.  C  Hazlitt,   My  Eecollections  of  an  auetion-room :  ib.  S.  1/7,  33/7.    —    389)   J.  Clegg,    The  internat. 


I  3  :  389-417  0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen. 

solcher  Anstalten.  —  Dem  gegen wärtigen  Betriebe  des  eigenartigen  englischen  Buch- 
handels dienen  in'  vierter  Auflage  Cleggs389)  Buchhändlerhandbuch  sowie  alt- 
bewährte Fachzeitschriften390"391).  —  Neuerdings  ist  eine  gute  kurze  Uebersicht  des 
anglo-amerikanischen  Buchhandels392)  veröffentlicht  worden.  — 

Der  gegenwärtige  Betrieb  des  deutschen  Buchhandels  hat  in  dem 
wohlgepflegten  Adressbuch393)  und  dem  täglich  erscheinenden  BörsenblDBuchh.394) 
zuverlässige  Unterlagen.  —  Die  neubegründeten  Nachrichten  aus  dem  Buchhandel395) 
versuchen  über  den  Händlerkreis  hinauszutreten.  —  Aehnlichen  Zwecken  dient  die 
Allgemeine  Buchhändlerzeitung396)  und  die  Rundschau  für  Bücherfreunde397).  —  Ueber 
die  Bewegung  des  Leipziger  Buchhandels  im  J.  1893  veröffentlicht  Rost398)  im  Auf- 
trage des  Vereins  der  Buchhändler  zu  Leipzig  eine  wohlgegliederte  Gesamtübersicht, 
wobei  er  sich  an  bisherige  Handelskammerberichte  anschliesst.  —  Für  den  Berliner 
Buchhandel  veranstaltet  die  Korporation  der  Berliner  Buchhändler  ein  Hilfsbuch399).  — 
Für  den  Vertrieb  in  der  österreichischen  Monarchie  besteht  ein  besonderes  Adress- 
buch von  Perl  es.400)  —  Die  mancherlei  Strömungen  im  modernen  Buchhandel 
spiegeln  sich  in  den  Stimmungsbildern401)  eines  unbekannten  Humoristen.402)  —  Welche 
Bedeutung  die  Entwicklung  des  Grosssortiments  gewonnen  hat,  lässt  ein  Blick  auf 
die  architektonische  Schrift  über  das  neue  Anwesen  K.  F.  Koehlers403)  erkennen.  — 
Der  Börsenverein  der  deutschen  Buchhändler  veröffentlicht  zum  Abschlüsse  lang-- 
jährigen  auch  litterarischen  Streites  das  endgültige,  mit  Entscheidungsgründen  belegte 
Rechtsurteil404),  durch  das  innerhalb  der  vom  Reichsgericht  zulässig  erachteten  Grenzen 
die  Massnahmen  des  deutschen  Buchhandels  wider  Preisschleuderei  als  erlaubt  an- 
erkannt werden.405)  —  Hell  ist  der  Streit  über  die  Berechtigung  des  Kolportagehandels 
infolge  von  Gesetzesvorlagen  entbrannt.  F.  v  o  n  Biedermann406"407)  hat  unter 
dem  Schlagwort  „Pressfreiheit  und  Gewerbeordnung"  ein  geschichtlich  und  statistisch 
begründetes  Gutachten  für  den  Volks-  und  Reisebuchhandel  abgegeben;  gegen  diese 
Bewegung  der  „Schwanngeister  im  Buchhandel"408),  als  das  christliche  Volksleben 
gefährdend,  richtet  sich  Dehn409)  in  einer  Betrachtung  der  Kolportagelitteratur 
und  Kraus410)  in  einer  Schilderung  des  deutschen  Büchermarktes,  die  sich  einseitig 
auf  das  gemeine  Leben  und  dessen  Ausschreitungen  beschränkt.  —  Tienken411) 
macht  verständige  Vorschläge,  wie  der  ehrenhafte  Buchhandel  und  das  Publikum  die 
unsittliche  Litteratur  bändigen  können.  —  Baumbach412)  tritt  vom  politischen, 
Blumenthal413)  vom  Standpunkte  des  buchhändlerjschen  Fachmanns  für  den 
Kolportagebuchhandel  ein.  — 

Eine  übersichtliche  Darstellung  der  Geschichte  des  Press  rechtes,  auch  des 
englischen  und  französischen  im  Abriss,  hat  Kloeppel414)  seinem  für  die  Anwendung 
wissenschaftlich  erörterten  Reichspressrecht,  das  erstmalig  die  15jährige  Spruchthätig- 
keit  des  Reichsgerichts  verwertet,  vorausgeschickt.  —  Von  Bücherverboten  des  16.  Jh.  in 
Bayern415)  wird  nach  M.  Mayer  Mitteilung  gemacht,  —  Ahn416)  berichtet  über  die 
Massenzerstörung  protestantischer  Bücher  in  Oesterreich,  besonders  in  Krain,  durch  die 
Jesuiten  teilweise  nach  ihren  eigenen  Eintragungen  in  der  hs.  Historia  Collegii 
Societatis  Jesu  Labacencis.  —  Roth417)  bringt  vier  Mainzer  Censuredikte  von  1522—1673 

directory  of  secor.d-hand  booksellers  and  bibliophiles  manuul,  including  lists  of  the  public  librairies  of  the  world;  publishers, 
book  collecters,  learned  societies  and  institutions,  theologicnl  Colleges  bums  Clubs.  London,  Simpkin.  288,  51  S.  Sh.  6.  — 
390)  X  The  publishers  circnlar  and  boolcsellers  record  of  british  and  foreign  litt.  Vol.  60.  London,  Sarapson  Low, 
Marston  &  Co.  4°.  Sh.  8.  —  391)  X  The  'Publishers  weekly.'  American  book-trade  Journal,  with  wich  ist  incorporated  the 
uroerican  litt,  gazette  and  publishers  circnlar.  Vol.  45.  New  York,  Office  of  the  'Publishers  Weekly.'  Doli.  3,00.  — 
392)  —er-,  D.  anglo-araerik.  Buchhandel:  BörsenblDBuchh.  61,  S.  457/9.  —  393)  Adressb.  d.  dtsch.  Bnchh.  u.  d. 
verwandten  Geschäftszweige.  (Begründet  v.  0.  A.  Schulz.)  56.  Jahrg.  Im  Auftr.  d.  Vorstandes  beaTb.  v.  d.  Geschäftsstelle  d. 
Börsenver.  d.  dtsch.  Buchhändler.    L.,  Börsenver.  d.  dtsch.  Buchhändler.  XXVI,  1210  S.  M.  16,00.  HBörsenblDBuchh.  61,  S.  2162.|| 

—  394)  Börsenbl.  für  d.  dtsch.  Buchh.  u.  d.  verwandten  Geschäftszweige.  61.  Jahrg.  Redig.  v.  Max  Evers.  ebda.  4°. 
8114  S.  M.  20,00.  —  395)  Nachr.  aus  d.  Buchh.  u.  d.  verwandten  Geschäftszweige  für  Buchhändler  u.  Bücherfreunde.  Red.  v. 
M.  Evers.  1.  Bd.  ebda.  4°.  632  S.  M.  1,50.  —  396)  Ällg.  Buchhändlerzg.  Mit  d.  Beil.:  InternatLB.  Red.  v.  C. 
Thomas.  52  Nrr.  L„  C.  F.  Müller.  M.  8,00.  —  397)  Rs.  für  Bücherfreunde.  Uebersicht  d.  neuen  Erscheinungen  d.  Buchh. 
Jahrg.  VIII.  12  Nrr.  L.,  Förster.  4°.  M.  1,50.  —  398)  [A.  Rost],  D.  Leipz.  Buchh.  1893.  (=  JB.  d.  Handelskammer  zu 
Leipzig.)  L.,  Hinrichs.  32  S.  —  399)  Hilfsbuch  für  d.  Berl.  Buchh.  Her.  vom  Vorstande  d.  Korp.  d.  Berliner  Buch- 
händler. B.,  Bernstein.  4,  130  S.  M.  1,00.  —  400)  M.  Perles,  Adressbuch  für  d.  Buch-.  Kunst-,  Musikalienh.  u.  verwandte  Ge- 
schäftszweige d.  österr.-ung.  Monarchie  mit  e.  Anh.:  Oesterr.-ung.  Zeitungs-Adressbuch.  XXIX.  Jahrg.  Wien,  Perles.  336  S.  M.5,60. — 
401)  Stimmungsbilder  aus  d.  Buchh.  L.,  Hobbing.  110  S.  M.  1,50.  —  402)  X  Erinnerungen  e.  Buchhändlers  von  ***.  L., 
Pfau.  79  S.  M.  2.70.  -  403)  D.  neue  Geschäftshaus  d.  Firma  K.  F.  Köhler  in  Leipzig.  L.  (Köhler).  32  S.  (Privatdr.)  — 
404)  Klagesache  Artist.  Union  E.  K.  Müller  &  Co.  in  Berlin  gegen  d.  Börsenver.  d.  dtsch.  Buchhändler,  Erkenntnis  vom 
19.  April  1893:  BörsenblDBuchh.  61,  N.  45",  S.  2-14.  -  405)  X  G-  H-  Lipsius,  E.  Urteil  d.  Börsenvorstandes.  Aktenroässig  mitget. 
(=  Rechtspflege  im  Buchhandel  I.)  Kiel  u.  L.,  Lipsius  &  Tischer.  29  S.  (Privatdr.)  —  406-407)  F.  v.  Biedermann,  Press- 
freiheit u.  Gewerbeordnung.    E.  Stud.  z.  mod.  Gesetzgebung.    (Aus  BörsenblDBuchh.)    L..  F.  W.  v.  Biedermann     48  S.    M.  0,50. 

—  408)  Schwarmgeister  im  Bnchh.:  Grenzb.  1,  S.  198-205.  -  409)  P.  Dehn,  Mod.  Kolportagelitt.  (=  ZFChrVL.  Bd.  19, 
Heft  1.)  St.,  Belser.  35  S.  M.  0,60.  —  410)  0.  Kraus,  D.  dtsch.  Büchermarkt  1893.  (=ebda.  Heft  3.)  51  S.  M.  1,00. 
|[D.:  KonsMschr.  S.  1113.]|  —  411)  Ohr.  G.  Tienken,  D.  unsittl.  Litt.  u.  d.  Buchh.  Mit  e.  Einl.  v.  W.  Bode.  (=  Tages-  u. 
Lebensfragen.  Her.  v.  W.  Bode.  N.  17.)  Bremerhaven,  Tionken.  47  S  M.  0,50.  —  412)  K.  Baumbach,  D.  Kolportagebuchh. 
n.  seine  Widersacher.  (=  Volkewirtseh.  Zeitfragen  N.  118.)  B.,  Simion.  32  S.  M.  1,00.  —  413)  H.  Blumenthal,  D.Buch- 
Sortiment  u.  d.  Kolportage-Buchh.  Iglau,  Selbstverl.  26  S.  M.  2,00.  —  414)  P.  Kloeppel,  D.  Reichspressrecht.  Nach  Gesetz 
u.  Rechtsprechung  für  d.  Bedürfnisse  d.  Rechtsanwendung  wissensch.  dargest.  L.,  C.  L.  Hirschfeld.  XIV,  495  S.  M.  11,50. 
|[LCB1.  S.  1768/9.J|   -  415)  E.  „Lex  Heinze«  nach   altem  Stil:  Didask.  1893,  N.  138.    -    416)  (=  N.  91,  S.  5/6.)  —   417)  F.  W. 


0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen.  I  3  s  418-449 

zum  Abdruck.418)  —  Die  Hamburger  Stadtbibliothek  hat,  nach  Eyssenhardt419), 
12  Pressmandate  des  Staatsarchives  ausgestellt.  —  Houssaye420)  schreibt  in  Vor- 
bereitung1 seines  Werkes  „1815"  über  die  Tagesblätter  und  die  Pressfreiheit  während 
der  hundert  Tage.  —  Pannier421)  hat  das  deutsche  Gesetz  über  die  Presse  samt 
den  Urhebergesetzen  mit  Anmerkungen  versehen  422~424).  —  G  rell in  g425)  behandelt  von 
ihm  hell  beleuchtete  Tagesfragen  des  Pressrechts  und  der  Theatercensur ;  der  er- 
regte Ton  und  die  einseitige  Betrachtungsweise  erschweren  eine  unbefangene  Würdigung 
dieser  selbständigen  und  anregenden  Tagesschriften.  —  Ingwer4251)  wirft  einen 
grimmigen  Rückblick  auf  die  österreichischen  Presszustände  und  das  bisherige 
Schicksal  der  Reformanträge  von  1891  und  92.  —  Challier  de  Grandchamps426)  be- 
handelt das  wichtige  Gebiet  der  Druckerverantwortlichkeit.  — 

Dz  iatzko427)  bestreitet  ein  Urheber-  und  Verlagsrecht  des  Altertums  im 
Sinne  alleiniger  Verfügung  nach  der  Veröffentlichung,  deren  Zwecke  einengende  Vor- 
schriften zu  Gunsten  des  Vf.  oder  eines  einzelnen  Buchhändlers  widersprochen  haben 
würden.  —  K  ir  ch  h  of  f428"429)  giebt  Einblicke  in  verlagsrechtliche  Anschauungen 
von  Verlegern  zu  Beginn  des  18.  Jh.  —  Meyers  Volksbücher430)  tragen  gleich 
Panniers  Reklamausgabe  die  Urhebergesetze  und  Litterarkonvention  in  der  Ausgabe 
eines  praktischen  Juristen  in  weite  Kreise.  —  Benedikt431)  bespricht  den  Gesetz- 
entwurf des  österreichischen  Urhebergesetzes,  dessen  Anlehnung  an  das  deutsche  er 
billigt.  —  Im  Droit  d'auteur432)  ist  eine  amtliche  Stelle  für  das  internationale  Urheber- 
recht geschaffen  worden;  die  freie  Vereinsthätigkeit  der  Association  litteraire  et 
artistique  internationale  hat  in  Antwerpen433)  für  die  Förderung  dieses  Rechts  ge- 
wirkt. —  Co  11  in434)  stellt  das  Urheberrecht  im  römischen,  französischen  und  inter- 
nationalen Rechte  dar.  —  E  i  s  e  n  m  a  n  n435)  behandelt  den  Verlags  vertrag,  entgegen 
der  deutschen  Auffassung,  aber  gründlich,  als  Mietsvertrag  an  geistigen  Werken.  — 
Wauwerman  s436)  geschichtlicher  und  wissenschaftlicher  Kommentar  zum  Urheber- 
recht in  Belgien  ist  eine  gründliche  Arbeit,  die  allgemeineBeachtung  beanspruchen  darf.  — 

Für  das  Buchgewerbe,  das  für  technisch-künstlerische  Zwecke  im 
Central  verein 437)  verbunden  ist,  hat  0.  von  Hase438)  einen  Zukunftsplan  auf- 
gestellt, der  die  von  Lorck439)  geforderte  Gutenberghalle  in  sich  schliesst.  —  Von 
den  druckgewerblichen  Vereinen  hat  Wi  en  er440)  für  den  wirtschaftlich  bedeutendsten, 
den  deutschenBuchdruckerverein441)  in  Leipzig  zum  Jubeltage  seines  25jährigenBestehens 
eine  Vereinsgeschichte  veröffentlicht,  deren  Kern  die  Durchführung  und  Ausbildung 
eines  allgemeinen  deutschen  Buchdruckertarifs  bildet,  der  zwar  für  die  Ordnung  dieses 
gesamten  Gewerbes  eine  Notwendigkeit  geworden  war,  die  Verlags möglichkeit 
wissenschaftlicher  Litteratur  insbesondere  monographischer  Art  aber  erschwert.442"449)  — 
Selten  wird  die  Bedeutung  des  modernen  Grossbetriebs  für  die  Umgestaltung  des 
Buchgewerbes  so  klar  ersichtlich    gemacht,  wie  durch    die   von  der  Schriftgiesserei 


E.  Koth,  Aktenstücke  z.  Gesch.  d.  Censnr  im  Knrfürstent.  Mainz  im  16.  u.  17.  Jh.  (=  N.  354,  S.  356,'S.)  —  418)  X  Censorship 
and  jewish  litterature:  BookWorm  S.  1356.  —  419)  T.  Eyssenhardt,  Mitteil,  aus  d.  Stadtbibl.  zu  Hamburg.  (JBL.  I  3  :  30S). 
—  420)  H.  Houssaye,  Les  journaux  et  la  liberte  de  la  presse  pendant  les  cent  jours:  Le  livre  et  l'image  1,  S.  338.  — 
421)  K.  Pannier,  D.  Pressgesetz  nebst  d.  Gesetzen  über  d.  Urheberrecht  u.  d.  Musterschutz  sowie  d.  Berner  Litteratur- 
konvention.  5.  Aufl.  (=  ÜB.  N.  1590.)  L.,  Reclam.  16°.  106  S.  M.  0,20.  —  422)  O  X  F-  Oetker,  D.  strafrechtl.  Haftung 
d.  verantwortl.  Redakteurs.  St,  Enke.  1893.  120  S.  M.  3,60.  |rLCBl.  S.  721/2JI  -  423)  X  Politicus,  D.  Regierung  u.  d. 
Presse:  Geg.  45,  S.  308-10.  —  424)  X  K.  Walcker.  D.Frage  d.  Pressfreiheit:  ib.  S.  371  2.  —  425)  R.  Grelling,  Streifzüge. 
Ges.  Aufsätze.  B.,  Bibliogr.  Inst.  VUI,  272  S.  M.  4,00.  |[M.  G.  Conrad:  Ges.  S.  1633,5;  M.  Bernstein:  ML.  63,  S.  1543/6.]| 
425a)  J.  Ingwer,  D.  Presszuständo  in  Oesterreich:  NZSt.  2,  S.  2618.  —  426)  P.  Challier  de  Grandchamps, 
Le  timbre  des  affiches  et  la  rcponsabilite  des  iruprimeurs.  Rapport  präsente  au  Congres  des  Maitres-Imprimenrs  de  France. 
Lyon.  30  S.  (Nicht  im  Handel.)  —  427)  K.  Dz  iatzko,  Autor-  u.  Verlagsrecht  im  Altertum:  RhMusPh.  49,  S.  559-7-j.  — 
428)  A.  Kirchhoff,  D.  Ueberhebung  d.  Grossverleger:  Ambros.  Haude.  C  isp.  Fritsch.  (=  N.  354,  S.  107-18)  —  429)  id., 
Selbständ.  Illustrat.  als  Nachdr.  d.  HL  Werkes.  (  —  N.  354,  S.  359-62.)  —  430)  D.  Urhebergesetze  u.  Litterarkonventionen  d. 
Deutschen  Reiches.  (=  Meyers  Volksbücher  N.  1104/5.)  L..  Bibliogr.  Inst.  104  S.  M.  0,20.  —  431)  E.  Benedikt,  Bemerkung, 
über  d.  Urheberrecht  u.  d.  Gesetzentwurf  d.  österr.  Regierung.  (Aus  JuristBlI.)  Wien,  Manz.  1893.  54  S.  M.  1,20. 
11$.:  DRs.  78,  S.  319.  (Anerkennend.)]|  —  432)  Le  Droit  d'auteur.  Org.  officiel  du  bureau  de  l'union  internat.  pour  la  pro- 
tection des  ceuvres  litt,  et  artist.  7.  annee.  Bern,  Collin.  12  S.  Fr.  5,60.  —  433)  Kongress  d.  Association  litt,  et  artist. 
internat.  (in  Paris)  zu  Antwerpen.  (Beschlüsse.):  NachrBuchh.  1,  S.  42/4.  —  434)  J.  Collin,  Le  droit  des  auteurs  et  des 
artistes,  en  droit  roraain,  en  droit  franc.  et  en  droit  internat.  (These.)  Rennes,  Simon.  283  S.  —  435)  E.  Eisenmann,  Le 
contrat  d'edition  et  les  autres  louages  d'ueuvres  intellectnelles.  (Extr.  de  CR.)  Paris,  F.  Pichon.  93  S.  —  436)  P.  Wau  wermans  , 
Le  droit  des  auteurs  en  Belgique.  Bruxelles,  Soc.  beige  de  Lihrairie.  467  S.  —  437)  X  C.  B.  Lorck,  D.  Centralver.  für  d. 
ges.  Buchgewerbe  u.  d.  dtsch.  Buchgewerbemus.  in  Leipzig:  BörsenblDBuchh.  61,  S  527/9.  —  438)  0.  v  Hase,  Zukunftsplan: 
NachrBuchh.  1,  S.  2221/4.  —  439)  C.  B.  Lorck,  E.  monument.  Gutenberghalle  als  d.  beste  Gutenbergdenkmal  in  Leipzig: 
Buchgewerbebl.  3,  S  57.  —  440)  E.  Wiener,  Rückblick  auf  d  Entwickl.  d.  dtsch.  Buchdrucker- Ver.  (=  Zs.  für  Deutsch- 
lands Buchdrucker.  Fest-N )  L.  (Breitkopf  &  Härtel).  4°.  50  S.  M.  2,00.  —  441)  X  Zs-  {ür  Deutschlands  Buchdrucker. 
Her.  vom  dtsch.  Buchdruckerver.  6.  Jahrg.  ebda.  4°.  VIII,  474  S.  M.  8,00.  —  442)  X  Arch.  für  Buchdruckerkunst  u.  ver- 
wandte Geschäftszweige.  Her.  v.  Alex.  Waldow.  37.  Bd.  L.,  Waldow.  4°.  483  S.  M.  12,00.  —  443)  X  Typograph.  Jbb. 
Her.  v.Jul.  Maser.  15.  Jahrg.  L.,  Maser.  96  S.  M.  3,60.  (Mit  ungez.  Beul.)  —  444)  X  freie  Künste.  F.ichbl.  für  Lithogr. 
Steindr.  u.  Buchdr.  Her.  von  Jos.  Heim.  Bd.  15.  Wien,  Heim.  1S93.  4°.  344  S.  M.  10,00.  -  445)  O  A.  Waldow, 
Katechismus  d.  Buchdruckerkunst.  6.  Aufl.  L.,  J.  J.  Weber.  12°.  XII,  234  S.  Mit  43  Abbild,  u.  Taf.  M.  2,50.  —  446)  X 
-r.-  E.  Rückblick  auf  d.  Entwicklungsgesch.  d.  Schnellpresse  seit  deren  Erfind,  bis  auf  d.  Jetztzeit:  NachrBuchh.  1,  S.  356  8, 
372/5,400/1,423/5.  —  447)  X  H.Schwarz,  Ueber  dtsch.,  engl.,  araeiik.  u.  franz.  Accidenz- Ausstatt.  E.  techn.  Stud.: 
ABuchdruckerkunst.  37,  S.  1/8,  41/4,  85,9,  129-33,  169-73,  209-16.  253  7,  293-302,  357-65.  403,6.  —  448)  X  Dtsch.  Licht- 
druckereien: Export Journ.  7,  N.  9,  7-12.  (Dreisprachig.)  —  449)  X  Heinr.  Fischer,  Wegweiser  für  d.  gewerbl.  Jug.  durch  Beruf/ 


I  3  :  450-478  0.  v.  Hase,  Schrift-  und  Buchwesen. 

und  mechanischen  Betriebsstätte  Schelter  u.  Giesecke450)  in  Leipzig  veranstaltete 
musterhafte  Festschrift  zum  75jährigen  Bestände  dieses  Hauses.  Auch  hier  vollzog 
sich  wie  fast  überall  im  deutschen  Buchgewerbe  nach  den  Prüfungen  der  grossen 
Kriege  der  Aufschwung;  eigentümlich  bei  diesem  Zweige  ist  die  starke  Beinflussung 
der  Betriebsweise  durch  die  in  den  Vereinigten  Staaten  von  Amerika  gewonnenen 
Kenntnisse  von  dem  dortigen  hochentwickelten  Maschinenwesen.451"454)  —  Vachon455) 
stellt  das  Buchgewerbe  Frankreichs  1871 — 94  in  einem  reich  illustrierten,  mit 
dem  alten  Reichsadler  der  Buchdrucker  geschmückten  Werke  dar,  das  selbst  ein 
schönes  Denkmal  des  leistungsfähigen  französischen  Buchgewerbes  ist456-463).  — 
Die  Weltausstellung  in  Chicago  1893  hat  zu  einem  Völkerwettbewerb  geführt,  bei 
dem  die  buchgewerbliche  Kollektivausstellung  des  deutschen  Reiches  in  ihrer  Ge- 
samtwirkung den  Vogel  abgeschossen  hat.  Das  erhellt  nicht  nur  aus  Lorks  und 
B  aumgärt  el  s464)  amtlichem  Bericht  über  das  deutsche  und  ausserdeutsche  Buch- 
gewerbe, sondern  namentlich  aus  Le  Soudiers465)  vorurteilsfreiem  französischen 
Berichte,  in  dem  Deutschland  (S.  25  —  68)  am  ausführlichsten  gewürdigt  wird466).  — 
Die  Buchbinderkunst  ist  gelegentlich  der  Jubelfeier  der  Leipziger 
Buchbinderinnung  mit  Kofels467)  Chronik,  M.  zur  Strassens  Ausstellungs- 
katalog und  einer  Festschrift468)  bedacht  worden.460-473)  —  Der  Katalog  von  Buch- 
einbänden der  National  Art  Library  in  South  Kensington474)  beschreibt  unter 
325  Stücken  der  Buchbinderkunst  57  deutsche.  —  Fl  et  eher475)  bietet  eine 
wertvolle  Darstellung  der  englischen  Buchbinderei  vom  Mittelalter,  beim  Zeitalter 
Elisabeths  und  Karls  I.  verweilend,  bis  zur  Gegenwart  mit  ausgezeichneten  Nach- 
bildungen.476 477) —  Hendley478)  vermittelt  eine  Auswahl  von  77  indischen  Buch- 
bänden, deren  beste  von  Ulwar  kommen  und  persischen  Ursprungs  sind.  An  Güte 
der  Zeichnung  und  Sorgfalt  der  Ausführung  reichen  wenige  Buchkünstler  an  Kari 
Ahmed  und  seine  Söhne  heran,  die  beigegebenen  Einbandtafeln  sind  glänzende 
Vorbilder.  — 

Schrift wesen:  Paläographie  N.  1.  —  Kurzschrift  N.  6.  —  Handschriften  N.  16.  —  Archiv wesen  N.  36a.  — 
Autographen  N.  37.  —  Graphologie  N.  40.  —  Buchwesen:  Erfindung  des  Buchdrucks  N.  48.  —  Aeltere  Buchdruckergeschichte 
N.  51.  —  Wiegendrucke  N.  94.  —  Druckermarken  N.  109.  —  Bücherschmuck  N.  114.  —  Druckschrift  N.  128.  —  Wasserzeichen 
N.  139.  —  Bibliographie  N.  142.  —  Zeitungswesen  N.  226b.  —  Bibliothekswesen:  Allgemeine  Bibliothekenkunde  N.  257;  ältere 
Bibliotheken  N.  264;  Privatbibliotheken  N.  282;  öffentliche  Bibliotheken  der  Gegenwart  N.  298.  —  Bücherzeichen  N.  336.  —  Buch- 
handel: Aeltere  Geschichte  N.  353;  deutsche  Buchhändler  N.  365;  ausländischer  Buchhandel  N.  375;  gegenwärtiger  Betrieb 
N.  393.  —  Pressrecht  N.  414.  —  Urheber-  und  Verlagsrecht  N.  427.    —    Buchgewerbe  N.  437.  —    Buchbinderkunst  N.  467.  — 


u.  Leben.  Worms,  H.  Fischer.  VII.  144  S.  M.  1,80.  —  450)  75  J.  d.  Hauses  .1.  G.  Schelter  &  Giesecke  in  Leipzig.  D. 
Freunden  d.  Hauses  gewidmet.  L.  (Schelter  &  Giesecke).  Fol.  IV,  62  S.  (Privatdr.) -- 451)  X  &•  Fritz,  D.  K.  K.  Hof-  u. 
Staatsdruckerei  u.  deren  techn.  Einrichtungen.  Mit  6  Textillustr.,  13  Ansichten  u.  10  Plänen.  Wien,  Hof-  n.  Staatsdr.  62  S. 
M.  1,20.  —  452)  X  Export-Jonrn.  Internat.  Anz.  für  Buchh.  u.  Buchgewerbe,  Papierindustrie,  Schreibwaaren-  u.  Lehrmittelhandel. 
Bd.  7.  L.,  Hedeler.  256  S.  M.  4,00.  (Franz.,  dtsch.  u.  engl.)  —  453)  X  Zoll-Vaderaeoum  für  Buch-  u.  Papiergewerbe,  sowie 
d.  damit  zusammenhängenden  Industriezweige.  Nachtr.  1893—94.  ebda.  75  S.  M.  2,00.  —  4541  X  Bogen,  en  populaer 
Vejledning  ved  Bogen  fremstilling.  Praktisk  Haandbog  for  Boghandlere,  forfattere,  Kunstnere  o.  fl.,  udg.  og  forlogt  of  Bog- 
handler-Medhjaelper  foreningen  i  Kjöbenhavn.  147  S.  (Nicht  im  Handel.)  —  455)  M.  Vachon,  Les  arts  et  les  industries 
du  papier  en  France  1871  —  94.  Paris,  Librairips-imprimeries  Reunies.  4°.  246  S.  —  456)  X  Vte.  de  Savigny  de  Mon- 
corps,  Un  cat.  de  fers  ä  dorer:  Le  livre  et  l'image  2,  S.  14-23.  —  457)  X  I".  Morel,  La  nouv.  loi  sur  les  conseils  de 
Prud'hommes  et  lenr  competence.  Rapport  presente  au  congres  des  maitres-imprimeurs  de  France.  Lyon,  Morel.  19  S.  — 
458)  X  The  british  Printer.  Vol.  VII.  London,  Raithby,  Lawrence  &  Co.  398  S.  a  Nr.  Sh.  10.  —  459)  X  The  british  Lithographer. 
Vol.  III.  (1893/4).  ebda.  1893-94.  196  S.  ä  N.  Sh.  8.  —  460)  X  F.  G.  Kitton,  The  art  of  photo-etching  and  engraving.  A 
visit  of  establishement  of  Messrs.  John  Swain  <fc  Son.  (=  N.  458,  S.  217-31.)  —  461)  X  F.  E.  Ives,  Composite  heliochromy 
by  three-colour  printing  (=  N.  458,  S.  93/8.)  —  462)  X  The  american  bookmaker,  a  journ.  of  technical  art  and  Information. 
Vol.  XV-XVI.  (1892-93).  New -York,  Lockwood  &  Co.  4°.  198,  232  S.  -  463)  X  American  dictionary  of  printing 
and  bookmaking.  ebda.  591  S.  —  464)  C.  B.  Lorck  u.  M.  Baumgärtel,  D.  buchgewerbl.  Kollektivausst.  d.  dtsch. 
Reichs.  —  D.  ausserdtsch.  Buchgewerbe  (==  Sonderabdr.  aus  d.  amtl.  Ber.)  B.,  Reichsdr.  4°.  61  S.  (Nicht  im  Handel  1  — 
465)  H.  Le  Sondier,  Rapports,  pub).  sous  la  direction  de  M.  Camille  Krantz,  Commiss.  gen.  du  Gouvernement  Franc 
Comite  XXXIV.  Imprimerie,  librairie.  (Paris.)  VI,  196  S.  |[C  B.  Lorck:  NachrBuchh.  1,  S.  559-60,  568/9.]|  (Nicht  im 
Handel.)  —  466)  X  O  A  Growoll,  „The  Pnblishers"  and  other  book  exhibits  at  the  worlds  Columbian  exposition.  New- 
York,  The  Publishers  Weekly.  1893.  74  S.  D.  2,00.  |[-n.:  CBIBibl.  11,  S.  421.]|  —  467)  H.  Kofel,  Chronik  d  Buchbinder- 
Innung  zu  Leipzig  1544  —  1894.  z.  350j.  Jubil.  zusammengest.  Nebst  Kat.  d.  Fachausstell.  z.  Jubil.-Feier.  L,  Buchbinder- 
Innung.  VIII,  63  S.;  XLVIII,  112  S.  M.  1,20.  (Kat.  v.  M.  zur  Strassen.)  —  468)  Festschrift  z.  Jubiläumsfeier  d.  350j. 
Bestehens  d.  Leipziger  Buchbinder-Innung.  (=  Sondornr.  d.  Buchgewerbebl.)  L,  Verl.  d.  Buchgewerbebl.  4°.  52  S  Mit  Abbild, 
u.  11  Taf.  M.  1,35.  —  469)  X  '■  Maul,  Z.  Erinnerung  an  d.  50j.  Geschäftsjubil.  d.  Firma  J.  Hager,  Leipz.  am  6.  Dec.  L., 
J.  Hager.  37  S.  (Nicht  im  Handel.)  —  470)  X  E.  Bosquet,  La  relinre.  Etndes  d'un  praticien  sur  l'hist.  et  la  technologie  de 
l'art  du  relienr-doreur.  Avec  une  lettre-preface  de  L.  Gruel.  Paris,  Imprimerie  Gen.  Lahnre.  183  S.  Mit  24  Taf.  — 
471)  O  X  Bookbinding  and  Lettering  in  France:  SaturdayR.  78,  S.  414.  —  472)  X  w-  s-  Brassington,  A  hist.  of  art  of  book- 
binding.  With  some  aecount  of  the  books  of  the  ancients.  London,  Elliot  Stock.  4°.  277  S.  Sh.  42  —  473) X  H.  P.  Hörne, 
The  binding  of  books.  An  essay  in  the  hist.  of  gold-tooled  bindings.  London,  Kegan  Paul,  Trench,  Trübner  &  Co.  224  S. 
Sh.  6.  (JBL.  1893  I  3  :  103.)  —  4741  Bookbindings  and  rubbings  of  bindings  in  the  National  Art  Library  South  Kensington. 
London.  III,  329  S.  I|W.  Seh.:  CBIBibl.  11,  S.  569.JI  (Nicht  im  Handel.)  —  475)  W.  Y.  Fletcher,  English  bookbindings. 
London,  Kegan  Paul  Trübner  &  Co.  Fol.  Sh.  63.  IfSome  minor  arts  as  practised  in  England  (London,  Seely  &  Co.):  S.  8-26.]| 
—  476)  X  Bookbindings  of  the  past:  BookWorm.  S.  245/8.  —  477>  X  T.  I.  Cobden-Sanderson,  Bookbinding:  processes 
and  ideal:  FortnR.  56,  S.  214-24.  —  478)  Th.  H.  Hendley,  Persian  and  indian  bookbindings:  Journal  of  indian  art  and 
industry  5,  N.  43.     (Als  Sonderabdr.     3  S.     Mit  14  Taf.)  — 


G.  Liebe,  Kulturgeschichte.  I  4  :  1-9 

M 

Kulturgeschichte. 

Georg  Liebe. 

Bedeutung  der  Kulturgeschichte  N.  1.  —  Allgemeine  Darstellungen  N.  3.  —  Sammelwerke  N.  8.  —  Gesamt- 
darstellungen deutscher  Kultur  N.  9.  —  Häusliches  und  Familienleben  N.  16.  —  Geselliger  Verkehr  und  gesellschaftliche 
Sitte,  Vergnügungen,  Spiele  und  Feste  N.  24.  -  Sittengeschichtliches  N.  43.  —  Geistige  und  gemütliche  Entwicklung: 
Bildungsanstalten  N.  57;  Geistesbildung  N.  81;  Recht  N.  98;  Nationalgefühl  N.  111;  Gefühlsleben  N.  116;  Reisebeschreibnngen 
N.  124;  Stammbücher  und  Tagebücher  N.  129;  Humor  N.  135.  —  Aberglaube  und  Verbrechen  N.  138.  -  Sociale  Entwicklung, 
Gesellschaft  und  Stände  N.  148.  —  Wirtschaftliche  Entwicklung:  Wirtschaftsgeschichte  N.  161;  Agrargeschichte  N.  173;  Be- 
völkerungsstatistik N.  180;  Industrie  N.  188;  Handwerk  N.  199:  Handel  N.  206.  —  Aeussere  Kultur:  Das  Haus  N.  217; 
Trachten  N.  224;  Nahrungs-  und  Genussmittel  N.  235;  Gerät  N.  239;  Gesundheitswesen  N.  250;  Sicherheitswesen  N.  258; 
Verkehrswesen  N.  260.  —  Territorial-  und  Lokal forschung:  Allgemeines  N.  269;  Preussen  N.  273;  Posen  N.  276;  Schlesien 
N.  279;  Mark  (Berlin)  N.  282;  Hamburg  N.  301;  Schleswig-Holstein  N.  305;  Hannover  N.  308;  Provinz  Sachsen  N.  312; 
Königreich  Sachsen  N.324;  Thüringen  N.  328;  Hessen  N.  331;  Westfalen  N.  334;  Rheinprovinz  N.  336;  Reichslande  N.  343; 
Baden  N.  351;  Württemberg  N.  353;  Bayern  N.  355;  Oesterreich  N.  374;  Schweiz  N.  395;  Ostseeprovinzen  N.  398.  —  Klöster, 
Stifter,  Orden  N.  401.  —  Besondere  Volkselemente  N.  419.  —  Familiengeschichte  N.  440.  —  Einzelne  Personen  N.  460.  —  Zur 
Kultur  der  Gegenwart  N.  471.  — 

Bedeutung  der  Kulturgeschichte.  Nach  den  Auseinandersetzungen  mit 
der  politischen  Geschichte,  die  im  vorigen  Berichte  besprochen  wurden,  rückt  jetzt 
die  praktische  Verwertung  der  Kulturgeschichte  in  den  Vordergrund.  Gegenüber  der 
steigenden  Wertschätzung  in  akademischen  Kreisen  bemerkt  Steinhausen1)  einen 
Mangel  auf  Seiten  der  Schule,  wie  er  sich  schon  in  der  Zusammensetzung  der  Lehrer- 
und Schülerbibliotheken  ausspricht.  In  der  That  ist  es  bei  der  wachsenden  Bedeutung 
des  socialen  Elementes  bedauerlich,  die  Schule  immer  noch  an  der  durch  die  Ge- 
schichtstabelle fixierten  Anschauung  festhalten  zu  sehen,  die  den  staatsfeindlichen 
Bestrebungen  stets  ein  beliebtes  Angriffsfeld  darbietet.  Eine  richtige  Anschauung 
von  dem  Wert  des  Volkstums  zu  allen  Zeiten  würde  mancher  heutigen  Deklamation 
den  Boden  entziehen. Ia)  —  Für  derartige  Forschungen  auch  Laien  heranzuziehen, 
giebt  Biedermann2)  eine  nützliche  Anweisung,  indem  er  auf  die  in  Familien  vor- 
handenen Chroniken,  Tagebücher  usw.  aufmerksam  macht.  — 

Allgemeine  Darstellungen.  Ein  abstraktes  Kulturideal  entwickelt  in 
vornehmer  und  massvoller  Form  Ritter3),  indem  er  den  Gedanken  von  den  unheil- 
vollen Folgen  einseitiger  Ausbildung  der  einzelnen  geistigen  Mächte:  Sinne,  Vernunft, 
Vorstellungskraft  und  der  durch  sie  erzeugten  Kulturfaktoren:  Religion,  Kunst, 
Wissenschaft  durchführt  und  ein  Streben  nach  ihrer  Harmonie  durch  Erziehung 
fordert.  —  Die  Anwendung  des  für  die  Sprachwissenschaft  bewährten  Prinzips  der 
Vergleichung  auf  Sitten-  und  Rechtsgeschichte  hat  Usener4)  zum  Gegenstand  fein- 
sinniger Ausführungen  gemacht,  indem  er  nicht  nur  Bewunderung  erweckt  über 
die  Vergeistigung  der  Materialfülle,  sondern  auch  aufrichtige  Freude  über  das  warme 
Gefühl  für  deutsches  Volkstum  gegenüber  dem  ablehnenden  Hochmut  vieler  Fach- 
genossen. —  Die  feindliche  Annäherung  der  beiden  einflussreichsten  Kulturkreise  ver- 
anlasste Metzger5)  zu  einer  scharfsinnigen  Klarstellung  der  Gefahren,  die  aus  einer 
von  kurzsichtiger  Wirtschaftspolitik  noch  befürworteten  Durchtränkung  mit  dem 
Chinesentum  auch  für  unser  geistiges  Leben  neben  dem  wirtschaftlichen  erwachsen 
würden.  —  Den  friedlichen  wechselseitigen  Einfluss  von  Morgen-  und  Abendland 
behandelt  Brockhaus6)  in  stofflicher  Beschränkung  auf  die  Kunst,  in  lokaler  auf 
die  Grenzstaaten6a"7).  — 

Sammelwerke.  Hier  ist  nur  auf  die  allseitige  freundliche  Begrüssung  hin- 
zuweisen, die  Steinhausens  Zeitschrift  für  Kulturgeschichte  erfahren  hat.8)  — 

Gesamtdarstellungen  deutscher  Kultur.  Als  Fortsetzung  eines  seit 
lange  genannten  Werkes  kommt  hier  zuerst  der  durch  Pastor9)  herausgegebene 
8.  Band  von  Janssens  Geschichte  des  deutschen  Volkes  in  Betracht,  der  sich  ausschliess- 
lich mit  den  Kulturzuständen  im  wirtschaftlichen,  gesellschaftlichen  und  religiös-sittlichen 
Leben  beschäftigt.     Auch  dieser  Band  ist  nicht  nur  vom  konfessionellen  Standpunkt 

1)  G.  Steinhausen,  Die  Lehrer  u.  d.  Kulturgesch.:  ZKultG.  2,  S.  85/6.  —  la)  X  Rieh.  Köhler,  Ueber  d. 
Verbind,  d.  Kulturgeschichtlichen  mit  d.  Geschichtsunterr. :  Paed.  S.  281-303.  —  2)  K.  Biedermann,  Z.  Förderung  d. 
Kulturgesch.  durch  Laien:  ZKultG.  2,  S.  312/6.  —  3)  H.  Ritter,  Wellenschläge  d.  menschl.  K ulturentwiokl.  u.  unser  Kultur- 
ideal. Kulturgesch.  u.  eth.  Betracht.  Bamberg,  Handelsdr.  X,  37  S.  M.  1,00.  —  4)  H.  Usener,  TJeber  vergleichende  Sitten- 
u.  Rechtsgesch. :  Yerhandl.  d.  42.  Vers,  dtsch.  Philologen  u.  Schulmänner  in  Wien  S.  22-45.  —  5)  E.  Metzger,  D.  Zukunfts- 
kampf d.  weissen  u.  d.  gelben  Rasse.  (=  SGWV.  N.  194.)  Hamburg,  Verlagsanst.  38  S.  M.  0,80.  —  6)  H.  Brockhaus, 
Abendland  u.  Morgenland  in  ihren  Beziehungen  zu  einander  auf  d.  Gebiet  d.  neueren  Kunst  (=Festschr.  z.  dtsch.  Historiker- 
tage in  Leipzig  [Duncker  &  Humblot.  253  S.  M.  6,00],  S.  205-14).  —  6  a)  X  V.  Hehn,  Kulturpflanzen.  ( JBL.  1893  1 4 :  13) :  LCB1.  S.  1757/8. 
—  7)  O  G.Adams,  Civilisation  duringthe  MA.  and  modern  civilisation.  London.Nutt.  Sh.  10/6.  — 8)  X  G.  Steinhausen,  Zeitschr.  für 
Kulturgesch.  (JBL.  1893  I  4 :  19.)  |[BLTJ.  S.  767;  Markhauser:  BBG.  30,  S.  687/8;  AkBll.  9,  S.  49-50;  Bär  20,  S.  531; 
E.  A.  Schröder:  DR.  4,  S.  126/7.J|  —  9)  J.  Janssen,  Gesch.  d.  dtsch.  Volkes.  Bd.  VDL  (4,  Buch:  Volkswirtsch.,  gesellsch. 
u.  relig.-sittliche  Zustände,  Hexenwesen  u.  Hexenverfolgung.)  1-12.  Aufl.  Her.  v.  L.  Pastor.  Freiburg  i.  B.,  Herder.  LV,  719  S. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (1)4 


I  4-.10-25  G.  Liebe,  Kulturgeschichte. 

zu  bedauern  wegen  der  unverändert  festgehaltenen  Tendenz,  die  Quellen  in  polemischer 
Absicht  auszuwählen,  sondern  auch  in  historiographischer  Beziehung  wegen  der 
geringen  Verarbeitung  des  Stoffes.  Ein  Werk,  welches  so  wenig  vom  geistigen 
Leben  giebt  und  den  Scheusslichkeiten  des  Hexenwahns  solchen  Raum  gönnt,  ist 
keine  historische  Arbeit,  auch  nicht  für  den  Katholiken.  —  Das  von  gleichen  An- 
schauungen geleitete,  wenn  auch  als  Kunstwerk  bei  weitem  höher  zu  stellende  Werk 
von  Grupp10)  reicht  in  seinem  ersten  Bande  nur  bis  zum  10.  Jh.  —  Seit  lange  nicht 
ist  das  Fortschreiten  eines  Geschichtswerkes  mit  solcher  mehr  und  mehr  gesteigerten 
Erwartung  begleitet  worden  wie  das  der  deutschen  Geschichte  von  Lamprecht11); 
denn  zum  ersten  Male  ist  es  hier  unternommen,  die  Resultate  getrennter  Disciplinen 
zusammenzufassen  und  ein  Gesamtbild  aller  Lebensäusserungen  unseres  Volkstums  zu 
geben.  Dass  es  gelungen  ist,  muss  trotz  pflichtmässigen  Zweifels  der  alten  Schule 
als  erwiesen  gelten  gegenüber  der  tadellosen  Sicherheit,  mit  der  die  bewegenden  Ge- 
danken der  Zeit,  denen  auch  die  Grössten  nur  dienen  können,  auf  den  verschiedensten 
Gebieten  als  herrschend  nachgewiesen  werden,  in  einer  schönen  und  einfachen 
Sprache.  Die  beiden  vorliegenden  Bände,  welche  die  Zeit  von  Rudolph  von  Habsburg 
bis  zu  den  Anfängen  der  Reformation  umspannen,  zeigen  das  Bürgertum  als  Träger 
der  Entwicklung,  unter  der  Herrschaft  zweier  verschiedenen  Ideen.  Im  14.  Jh. 
findet  noch  die  mittelalterlich-konventionelle  Anschauung  ihren  Ausdruck,  wie  im 
genossenschaftlichen  Charakter  der  Stadtverwaltung  und  der  Geselligkeit,  so  in  der 
familienhaften  Gebundenheit  des  Vermögens  und  in  der  typisch  charakterisierenden 
Kunst  und  Dichtung.  Im  15.  Jh.  dagegen  tritt  der  Individualismus  zu  Tage,  im 
Erwerbsleben  durch  den  Kapitalismus,  im  geselligen  durch  die  Berührung  bisher 
abgeschlossener  Kreise  infolge  der  verallgemeinerten  Bildung,  in  der  Kunst  als 
Naturalismus,  auf  religiös-philosophischem  Gebiet  durch  Luther.  —  Eine  Einzelstudie 
Lamprechts12)  betrachtet  die  Periode  der  absolutistischen  Verfassungen  in  der 
deutschen  Entwicklung  und  findet  ihren  Verlauf  bestimmt  durch  das  Verhältnis  der 
Centralgewalt  zu  den  mit  halbstaatlicher  Gewalt  ausgestatteten  Ständen.  —  Der 
Methode  Lamprechts,  die,  auf  Sammlung  statistischen  Materials  aus  Urkundenmassen 
beruhend,  ein  Bild  des  Zuständlichen  gewinnt,  ist  durch  Winter13)  eingehende 
Würdigung  zu  teil  geworden.14-15)  — 

Häusliches  und  Familienleben.  Hier  sei  zuerst  einiger  Besprechungen 
von  Achelis  wertvollem  Werke  (JBL.  1893  I  4 :  31)  über  die  Ehe  gedacht.16)  -- -  Stein- 
hausens Gedanken  über  Namengebung  haben,  wie  vorauszusehen  war,  sehr  anregend  ge- 
wirkt. Mackel17)  macht  auf  die  in  Nord-  und  Süddeutschland  verschiedene  Aende- 
rung  der  zu  Familiennamen  gewordenen  Personennamen  aufmerksam  und  vermutet 
eine  Abschwächung  der  poetischen  Empfindung  schon  vor  dem  13.  Jh.  durch  kirch- 
lichen Einfluss.  —  Littig18)  erörtert  das  Vorkommen  der  Eigennamen  als  Gattungs- 
namen, —  Tümpel19)  die  Häufigkeit  des  Johannesnamens. 20_21a)  —  Den  konser- 
vativen Charakter  der  Volkssitte  weist  Rieder22)  an  den  Totenbrettern  des  bayeri- 
schen Waldes  auf,  die  zuerst  als  Unterlage  dienten,  späterhin  eine  von  diesem  Zweck 
absehende  verzierte  Gestalt  erhielten,  die  einer  gewissen  Mode  unterliegt. 22a-23a)  (Vgl. 
I  5  :  399—401,  410).  — 

Geselliger  Verkehr  und  gesellschaftliche  Sitte,  Vergnügungen, 
Spiele  und  Feste.  Die  Gewohnheiten  des  Sitzens  als  Spiegel  der  gesellschaftlichen 
Anschauungen  behandelt  von  Ey  e24)  im  Anschluss  an  die  Kunst- wie  kunstgewerblichen 
Denkmäler  von  der  Pharaonenzeit  bis  ins  18.  Jh.  —  Die  Vereinigungen  der  Junggesellen, 
wie  sie  auf  allen  Kulturstufen  auftreten,  macht  Usener24a)  zum  Gegenstand  ver- 
gleichender Beobachtungen.  —  Anziehend  erläutert  Steinhausen25)  aus  litterarischen 
Zeugnissen  das  Hofleben  als  Ideal  des  Rococo,  wie  es  mit  der  steigenden  Fürsten- 
macht notwendigerweise  werden  musste.  —  Eine  behagliche  Schilderung  des  1780 
gefeierten    Fastelabends    der    Rostocker     Schiffergesellschaft    enthält    ein     Aufsatz 

M.  7,00.  (S.  u.  II  1.)  —  10)  G.  Grupp,  Kulturgesch.  d.  MA.  1.  Bd.  St.,  Eoth.  VIII,  357  S.  28  Abbild.  M.  6,20.  |[P.H.: 
LCB1.  S.  348-51;  J.  Werner:  ThLB.  17,  S.  285;  G.  Liebe:  ZKultG.  2,  S.  89-90;  S.  Merkle:  HPBH.  113,  S.  730-48; 
COIRW.  22,  S.  762.]|  —  11)  d  1  :  51.)  —  12)  K.  Lampreoht,  D.  Stufen  d.  dtsch.  Verfassungsentwicklung  vom  14. bis  18.  Jh. 
(=  N.  6,  S.  165-76.)  —  13)  G.  Winter,  D.  Begründung  e.  socialstatist.  Methode  in  d.  dtsch.  Geschichtsschreibung  durch 
K.  Lamprecht:  ZKultG.  1,  S.  196-219.  —  14)  X  '•  ▼•  Löher,  Kulturgesch.  d.  Deutschen  im  MA.  3.  Bd.  Aus  d.  Nachl.  her. 
München,  Schweitzer.  VII,  383  S.  Mit  Bild.  M.  7,50.  (Umfasst  d.  Kaiserzeit.)  —  15)  X  O.  Schwebel,  Dtsch.  Bürgertum. 
V.  seinen  Anfängen  bis  z.  J.  1808  dargest.  2.  (Titel-)Aufl.  B.,  Felber.  VIII,  532  S.  M.  5,00.  —  16)  X  K.  Brsg.:  LCB1. 
S.  948/9;  WIDM.  76,  S.  382;  Frau  1,  S.  557;  N&S.  70,  S.  275.] |  — 17)  E.  Mackel,  Z.  Namenforsch.:  ZDÜ.  8,  S.  186-90.  (Vgl. 
auch  S.  483/7.)  —  18)  F.  Litt  ig,  Eigennamen:  ib.  S.  853/4.  —  19)  H.  Tümpel,  D.  Johannesmann:  ib.  S.  776.  —  20)  O 
W.  Tobler-Meyer,  Dtsch.  Familiennamen  nach  ihrer  Entstehung  u.  Bedeutung  mit  bes.  Rücksichtnahme  auf  Zürich  u.  d. 
Ostschweiz.  Zürich,  A.  Müller.  VIII,  234  S.  M.  4,00.  —  21)  X  E.  Ortjohann,  Unsere  Vornamen.  Ihr  Urspr.  u.  ihre 
Bedeut.  E.  Namenbüchlein  für  d.  dtsch  Haus.  Paderborn,  Jnnfermann.  VUI,  86  S.  M.  1,00.  |[StML.  46,  S.  lll.]|  (Vgl. 
JBL.  1893  I  5:364.)  —  21a)  X  F.  Tetzner,  Namenbuch.  (=  ÜB.  N.  3107/8.)  L.,  Beclam.  167  S.  M.  0,40.  IfE.  Loh- 
meyer: DWB1.  7,  S.  470.]|  —  22)  0.  Bieder,  Totenbretter  im  bayer.  Walde  mit  Berücksicht.  d.  Totenbretter  überhaupt: 
ZKultG.  2,  S.  59-79.  —  22  a)  X  E.  v.  Oidtmann,  Schutz  d.  Grabsteinen:  AnnHVNiederrh.  68,  S.  176-82.  —  23)  X  E.Her- 
ford, TJeber  Totenbestattung:  DEB11.  19,  S.  313-34.  -  23a)  X  H-.  D-  Feuerbestattung:  FrBlw.  N.  94.  —  24)  A.  v.  Eye,  D. 
Gesch.  d.  Sitzens:  ZKultG.  1,  S.  396-413.  —  24a)  (S.  o.  N.  4.)  —  25)  G.  Steinhausen,  D.  vollkommene  Hofmann:  ZKultG.  1, 


G.  Liebe,  Kulturgeschichte.  I  4:26-58 

Stiedas26-28»).  —  Unter  den  Festen  fordert  das  Weihnachtsfest  bei  dem  späten 
Auftreten  der  jetzigen  Form  immer  von  neuem  zu  Erklärungen  auf.  Die  jüngste 
Deutung,  von  Tille29),  wird  dem  deutschen  Empfinden  wenig  sympathisch  sein. 
Nach  seiner  —  übrigens  schwach  gestützten  —  Ansicht  ist  der  Ursprung  nicht  im 
Wintersonnfest,  sondern  in  kirchlicher  Anordnung  von  813  zu  suchen,  weshalb  es 
vor  1400  nicht  populär  wurde;  die  volkstümlichen  Gebräuche  sollen  nur  vom 
Martins-  und  Nikolaustag  übertragen  sein.29a-30a)  —  Von  den  bürgerlichen  Ver- 
gnügungen des  Mittelalters  giebt  Thimm3')  in  der  richtigen  Anschauung,  die  Ge- 
selligkeit mit  der  Verfassungsentwicklung  verbunden  zu  betrachten,  ein  ansprechendes, 
wenn  auch  nicht  erschöpfendes  Bild.  —  Hoch  über  den  meisten  Lokalforschungen 
steht  Ottos32)  auf  Grund  der  Stadtrechnungen  gegebene  Darstellung  der  Festlich- 
keiten und  des  Fremdenverkehrs  der  Stadt  Butzbach.32*)  —  Einer  Beschreibung  der 
Fastnacht  zu  Münster  im  16.  Jh.  hat  Ba hl  mann33)  Röcheis  Chronik  zu  Grunde  ge- 
legt. —  Mehrfach  sind  dramatische  Aufführungen  Gegenstand  von  Studien  geworden. 
Foss34)  erzählt  nach  einem  Aufsatz  des  Schweizer  Geschichtsfreundes  die  Aufführung 
des  im  16.  und  17.  Jh.  gebräuchlichen  Luzerner  Osterspiels  mit  scenischen  Veranstaltungen 
voll  naiver  Komik. 34a_35a)  —  Erwähnt  sei  hier  die  erfreuliche  Thatsache,  dass  das 
Rotenburger  Volksschauspiel,  wie  Böhm36)  und  Halbfass37)  berichten,  Nachahmung 
gefunden  hat,  in  Altdorf  und  in  Neuhaldensleben,  wofür  der  Stoff  —  die  Zerstörung 
1181  —  allerdings  einer  gar  zu  entlegenen  Zeit  entnommen  ist.38-40)  —  Eine  be- 
sondere Form  der  Geselligkeit,  die  des  Badelebens,  hat  Bayer41)  zum  Gegenstand 
einer  Darstellung  gemacht,  die  sehr  geschickt  eine  Fülle  von  Einzelheiten  verbindet 
und  Altertum,  Mittelalter  und  neuere  Zeit  bis  ins  vorige  Jh.  berücksichtigt.42)    — 

Sittengeschichtliches.  Ueber  die  Lebensgewohnheiten  bestimmter  Kreise 
geben  eine  Anzahl  einzelner  Mitteilungen  Aufschluss.  Sie  beschäftigen  sich  mit 
Akten  fürstlicher  Repräsentation43-46),  mit  dem  akademischen  Leben47"49"),  dem  des 
Bürgers50"52)  und  Bauers53-54)  vergangener  Zeit.  —  Die  Erklärung  einer  modernen 
sprachlichen  Bildung  für  einen  von  Alters  her  bekannten  Begriff  hat  das  „Gigerl" 
angeregt.55-56*)     (Vgl.  I  5  :  434/5.)  — 

Geistige  und  gemütliche  Entwicklung.  Der  Hauptanteil  der  Studien 
entfällt  hier  auf  die  Bildungsanstalten.  Es  zeigt  Varrentrapp57),  wie  der 
Grosse  Kurfürst  bemüht  ist  um  seine  Universitäten,  im  besondern  gegen  den 
Pennalismus.  —  Unter  den  einzelnen  Hochschulen  steht  natürlich  in  diesem  Jahr 
Halle  im  Vordergrunde.  Hertzberg58)  schildert  Stadt  und  Universität  im  Jahr 
des    ersten   Jubiläums,    als    der  Streit    der   theologischen  Fakultät  mit  Wöllner   die 


S.  414-25.  —  26)  (S.  u.  N.  209.)  —  27)  X  p-  Schmidt-Neuhaus,  Berliner  Nenjahrswünsche  aus  d.  Anfang  dieses  Jh.: 
Bär  20,  S.  288/9.  —  27a)  X  H.  Boesch,  D.  Vorläufer  unserer  Neujahrskarten:  Gartenlaube  S.  882/4.  —  28)  X  L-  Bam- 
b erger,  Ueber  Toaste:  Nation1*.  11,  S.  180/3,  194/6.  —  28a)  X  J.  v.  Falke,  Tischgebet  u.  Tischsitten  in  alten  Zeiten: 
WienZg.  N.  668.  —  29)  A.  Tille.  D.  Gesch.  d.  dtsch.  Weihnacht.  L.,  Keil.  XI,  355  S.  M.  4,00.  [[PrJbb.  75,  S.  373/6; 
DR.  1,  S.  394,5;  K.Weinhold:  ZVVolksk.4,  S.100/l.]|  (Vgl.  JBL.  18931  5:61.)  —  29a)  Xid-  Wintersonnenwende:  Zukunft  9, 
S.  544-53.  —  30)  X  id-'  Weihnachtsgeheimnisse:  Gartenlaube  S.  837/9.  —  30a)  X  M-  Estermann,  Berchtoldstag  oder 
Berchtentag ? :  AnzSchwG.  S.  135.  —  31)  R.  Thimm,  D.  öffentl.  Vergnügungen  u.  Lustbarkeiten  im  dtsch.  Bargerleben  d.  MA. 
(=12:  12,  S.  79-111.)  —  32)  E.  Otto,  Aus  d.  Volksleben  d.  Stadt  Butzbach  im  MA.:  AHessG.  S.  327-400.  —  32a)  O  L. 
To b ler,  Altschweiz. Volksfeste :  JbSchwG.  99,  S.  1-40.  —  33)  P.  Bahlmann,  Münsterische  Fastnachtsbelustigungen:  ZKultG.  1, 
S.  220-52.  (S.  u.  I  5  :  40.)  —  34)  E.  Foss,  E.  Luzerner  Osterspiel:  ZDTJ.  8,  S.  244-50.  -  34a)  X  A-  Tille,  D.  Eierspiele 
d.  Osterzeit:  Gartenlaube  S.  188,9.  —  35)  X  w-  Koppen,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  dtsch.  Weihnachtsspiele  (JBL.  1892  II  4  :  11;  1893 
II  4:3):  ThLB.  17,  S.  285,6.  —  35a)  X  A-  Tille,  Weihnachtsmärchenspiele:  Gartenlaube  S.  864/6.  -  36)  J.  Böhm,  D,  Festspiel 
„Wallenstein"  in  Altdorf:  IllZg  103,  S.  290.  (Vgl.  III  1  :  29.)  —  37)  W.  Halbfass,  D.  neue  Volksschauspiel  in  Neuhaldensleben: 
MagdZgB.  S.  35/6.  —  38)  X  H-  Ehrenberg,  D.  Posener  Theater  in  südpreuss.  Zeit:  ZHGPosen.  9,  S.  27-90.  —  39)  X  K- 
Krafft,  Aktenstücke  betr.  den  Kampf  im  Wupperthal  gegen  d.  Erbauung  e.  Theaters  in  Elberfeld  (1806):  ZBergGV.  30, 
S.  253-66.  —  40)  O  A.  Raeder,  Kroll.    E.  Beitr.  z.  Berliner  Kult.-  u.  Theatergesch.  1844-94.    B.,  Steinitz.    384  S.    M.  5,00. 

—  41)  E.  Bayer,  Aus  d.  Gesch.  d.  Badelebens.  (=  SGV.  N.  187  8)  Prag,  Härpfer.  32  S.  M.  0,60.  —  42)  XTh-  Dielitz, 
Bäder  u.  Badereisen  im  dtsch.  MA.:  VossZgB.  N.  39.  —  43)  X  J-  Burckhardt,  D.  Vermählung  d.  Herz.  Johann  v.  Sachsen 
1.-5.  März  1500:  NASächsG.  15,  S.  283-98.  —  43a)  X  M-  Bach,  Hochzeit  d.  Herz.  Johann  Friedrich  v.  Württemb.  mit  Barbara 
Sophia,  Markgräfln  zu  Brandenb.  5.-13.  Not.  1609:  BBSW.  S.  179-84.  —  44)  X  G-  Hertel,  D.  Einzug  d.  Administrators 
Joachim  Friedrich  in  Magdeburg  1579:  MagdZgB.  g.  4^.  —  44  a)  X  Vor  10°  J-  Kurze  Beschreibung  d.  Feierlichkeiten  bei 
d.  öffentl.  Einzug  u.  eingenommener  Erbhuldigung  Herzogs  Ludwig  Eugen  1794:  BBSW.  S.  237-40.  —  45)  X  p-  Kaiweit, 
E.  fürstl.  Leichenbegängnis  im  17.  Jh.  zu  Königsberg  i.  Pr.:  AltprMschr.  31,  S.  193-239.  (Kurfürst  Georg  Wilhelm.)  —  46)  X 
A.  Börckel,  E.  fürstl.  Brautfahrt  nach  Russland  im  vorig.  Jh.:  FZg.  N.  320.  (Briefe  d.  Landgräfin  Karoline  v.  Hessen.)  — 
47)  O  F.  W..  König,  Aus  zwei  Jhh.  Gesch.  d.  Studentenschaft  u.  d.  student.  Korporationswesens  auf  d.  Univ.  Halle.  Nach 
urkundl.  Quellen  bearb.  Halle  a.  S.,  Waisenhaus.  IX,  259  S.  Mit  Titelbild.  M.  4,00.  —  48)  E.  Heyck,  Heidelberger 
Studentenleben  zu  Anf.  unseres  Jh.  Heidelberg,  Winter.  V,  94  S.  M.  1,00.  —  49)  X  Studentensprache  u.  -lied  in  Halle  vor 
100  J.  Neudr.  d.  Idiotikon  d.  Burschensprache  v.  1795  u.  d.  „Studentenliedes"  t.  1781.  E.  Jubil.-Gabe  für  d.  Univ.  Halle- Wittenberg 
dargebr.  vom  Deutschen  Abend  in  Halle.  Halle  a.  S.,  Nieraeyer.  XLIII,  118  S.;  VIU,  127  S.  M.  3,00.  (Vgl.  1 5 : 293.)  —  49a)  John 
Meier,  Halllsche  Studentensprache.  E.  Festgabe  z.  200 j.  Jubil.  d.  Univ.  Halle  a.  S.  ebda.  IV,  97  S.  M.  2,80.  —  50)  X 
G.  v.  Below,  D.  Bürgermeisterschmaus  in  Köln:  AHVNiederrh.  58,  S.  207.  —  50a)  X  Tn-  Hampe,  Spruchsprecher,  Meister- 
singer u.  Hochzeitlader  in  Nürnberg:  MGNM.  S.  25-44,  60,9.  —  51)  X  L.  Roll.  D.  Handwerkerfest  in  Erfurt  am  „grünen 
Montag":  IllZg.  103,  S.  192.  —  51a)  X  H.  Bosch,  D.  Hänseln  d.  Fuhrleute  in  Nürnberg:  MGNM.  S.  105-113.    (Vgl.  I  5:81.) 

—  52)  X  M.  Radlkofer,  D.  Schützengesellschaften  u.  -feste  Augsburgs  im  15.  u.  16.  Jh.:  ZHVSchwaben.  21,  S.  87-138.  — 
53)  X  Haberfeldtreiben:  Sammler*.  N.  129.    (Vgl.  I  5  :  59 )  —  54)  X  E.  Müller,  E.  wendisches  Erntefest:  Bär20,  S.  456/8. 

—  55)  X  A..  Richter,  Gigerl:  ZDU.  8,  S.  539-40.  —  56)  X  S.  May r,  Gigerl:  ib.  S.  541,2.  —  56a)  X  Gigerl:  Grenzb.  1, 
S.  641-50.  —  57)  Konr.  Varrentrapp,  D.  Grosse  Kurfürst  u.  d.  Universitäten.  Rede  z.  Feier  d.  Geburtst.  S.  M.  d.  Kaisers 
am  27.  Jan.  in    d.    Aula    der    Kaiser- Wilhelms-Univ.  Strassburg.     Strassburg   i.  E.,    Heitz.     42  S.     M.  0,80.     (Vgl.  IU  1  :  200.) 

—  58)  G.  Hertzberg,   D.  Stadt  u.  Univ.  Halle  a.  S.  im  J.  1794.    Festschr.    Halle  a.  S.   (E.  Anton).    65  S.    M.  1.00.    (Vgl. 

(1)4* 


I  4:59-98  G.  Liebe,  Kulturgeschichte. 

Säkularfeier  hinderte.59)  —  Die  Entwicklung-  Königsbergs  im  19.  Jh.  in  Verbindung 
mit  den  politischen  Vorgängen  legt  Prutz60)  in  lebendiger  Form  dar.61)  —  Die  Fort- 
setzung der  von  Friedländer62)  mustergiltig  edierten  Matrikel  von  Greifswald 
bringt  eine  Anzahl  unterrichtender  Aktenstücke,  so  über  den  Besitz  der  Artisten- 
fakultät im  15.  Jh.,  über  die  Themata  der  Disputationen  im  16.  Jh.  sowie  ein  höchst  aus- 
führliches Register.  —  Gess63)  erörtert  die  Zustände  in  Leipzigs,  Lehrerkollegium 
auf  Grund  der  1502  von  Herzog  Georg  eingeforderten  Gutachten,  die  ihn  zum  Erlass 
einer  Reformation  bewogen.  —  Zeit,  Urheber  und  Gründe  zur  Anlage  der  Universität 
in  Erfurt  untersucht  Oergel64"65),  der  auch  die  Bedeutung  des  noch  erhaltenen 
Kollegiengebäudes  im  akademischen  Leben  würdigt.  —  Eine  Zusammenstellung  der 
Hamburger  Studenten  aus  18  Matrikeln  liegt  von  Heraeus66)  vor.66a)  —  Auf  dem 
Gebiet  der  Jugendausbildung  ist  Hirschs67)  eingehende  Schilderung  der  Erziehung 
hervorzuheben,  die  den  beiden  ältesten  Söhnen  des  Grossen  Kurfürsten  durch  den 
Minister  von  Schwerin  zu  teil  geworden  ist.68)  —  Rüdiger69)  veröffentlicht  eine 
1706  von  Hamburger  Privatschulmeistern  getroffene  Vereinbarung  zum  Zweck  der 
Regelung  des  Wettbewerbs.  —  Mit  einzelnen  Anstalten  beschäftigt  sich  eine  Anzahl 
Monographien.70-80)  — 

Begriff  und  Strömungen  der  geistigen  Bildung  werden  durch  mehrere 
Arbeiten  beleuchtet.  Steinschneider81)  bestimmt  sie  als  Assimilation  des  Ge- 
botenen, begrenzt  durch  die  Harmonie  der  Kräfte.82)  —  Die  Faustsage  als  in  ihren 
verschiedenen  Elementen  charakteristisch  für  die  jeweilige  Zeit  ihrer  litterarischen 
Behandlung  erläutert  Biedermann83).  —  Jacobs84)  macht  aus  dem  Rechnungs- 
buch des  Wernigeroder  Dechanten  Kerkener  im  16.  Jh.  Mitteilungen  über  dessen 
Bemühungen  um  Begründung  einer  öffentlichen  Bibliothek  am  Ort.  —  Borinski85) 
bespricht  den  Einfluss  des  spanischen  Jesuiten  Gracian,  der  zu  seiner  Zeit  als  erster 
litterarischer  Vertreter  des  Geschmacks  und  der  modernen  Weltklugheit  eine  starke 
Wirkung  z.  B.  auf  Thomasius  geübt  hat,  und  sieht  in  der  höfischen  Bildung  ein 
Gegengewicht  gegen  die  Schulfuchserei. 86)  —  Recht  in  diese  hinein  versetzen  zwei 
biographische  Sammelwerke  vom  alten  Geisthirt87)  und  von  Jentsch88)  über  Gelehrte 
des  17.  Jh.  —  Von  Wert  für  den  Fortschritt  des  geistigen  Lebens  in  Oesterreich  ist 
die  durch  G.  van  Swieten,  den  Leibarzt  Maria  Theresias,  als  Censor  und  im  Kampfe 
gegen  die  Jesuiten  geübte  Thätigkeit.  Sein  Leben  schildert  J  a  c  o  b  y. 89_90)  —  Der 
Freimaurerei  wird  fortgesetzt  rege  Aufmerksamkeit  gewidmet.  Bröcker91)  bietet 
eine  Statistik  der  deutschen  Logen  1737 — 1893  nebst  den  hauptsächlichsten 
historischen  Daten.  —  Schäfers92)  Versuch,  mit  dankenswerter  Schlichtheit  des 
Ausdrucks,  die  Freimaurerei  als  das  Gebiet  zu  erweisen,  wo  Religion  und  Wissen- 
schaft sich  die  Hand  reichen,  ist  in  3.  Auflage  erschienen.93"97)  — 


NMThürSächsGV.  94,  S.  1-65.)  —  59)  X  D.  Friedrichs-Univ.  zu  Hallo:  PrJbb.  77,  S.  124-41.  (Nach  Schrader,  vgl.  JBL.  1893 
I  6  :  110.)  —  60)  H.  Prutz,  D.  Königl.  Albertus-Univ.  zu  Königsberg  i.  P.  im  19.  Jh.  Königsberg  i.  P.,  Härtung.  VII,  325  S. 
M.  4,00.  |[FBPG.  7,  S.  329-30.]|  —  61)  X  ?•  Stettiner,  Aus  d.  Gesch.  d.  Albertina  (1544-1894).  ebda.  82  8.  M.  1,00.  — 
62)  E.  Friedländer,  Aeltere  Universitätsmatrikeln.  II.  Greifswald.  Bd.  2  (vgl.  JBL.  1893  I  4  :  95).  L.,  Hirzel.  VIII,  532  S. 
Mit  1  Tab.  M.  18,00.  |[FBPG.  S.  298/9.]|  —  63)  F.  Gess,  D.  Leipz.  Univ.  im  J.  1502.  (=  N.  6,  S.  177-90.)  —  64)  G.  Oergel, 
Z.  Erinnerung  an  d.  Univ.  Erfurt:  MVGErfurt.  15,  S.  1-22.  —  65)  id.,  D.  Collegium  majus  zu  Erfurt.  Erfurt,  Villaret.  43  S. 
M.  0,60.  —  66)  M.  Heraeus,  Hamb.  Studenten  auf  dtsch.  u.  ausländ.  Hochschulen  1290-1650:  ZVHambG.  9,  S.  557-633.  — 
66a)  X  F-  Jetter,  Ueber  württemb.  Klosterzucht  im  17.  u.  18.  Jh.  Vortr.:  BBSW.  S.  283-91.  (Nach  sog.  Carentenbüchern 
des  Blaubeurer  Seminars.)  —  67)  F.  Hirsch,  D.  Erzieh,  d.  älteren  Söhne  d.  Gr.  Kurfürsten :  FBPG.  7,  S.  141-71.  —  68)  O  G. 
Steinhausen,  D.  Idealerz.  im  Zeitalter  d.  Perrücke:  MGESchG.  14,  S.  209-46.  —  69)  0.  Rüdiger,  Versuch  e.  Zunftbildung 
unter  d.  Schulhaltern  im  St.  Jacobikirchspiel :  ZVHambG.  9,  S.  495-504.  —  70)  X  FritzWeber,  Z.  Gesch.  d.  Magdeb.  Schul- 
wesens. (=  Festschrift  für  d.  22.  Hauptvers.  d.  Lehrerverbandes  d.  Prov.  Sachsen.  [Magdeburg.  76  S.J,  S  19-74.)  (Privatdr.)  —  71)  X 
M.  Fr i ehe,  Gesch.  d.  ehemal.  Lateinschulen  Fraustadts.  Progr.  Fraustadt.  4°.  54  S.  —  72)  X  0-  Drenckhahn,  Bilder 
aus  d.  Gesch.  d.  Mühlhäuser  Gymn.  Progr.  Mühlhausen.  4°.  15  S.  —  73)  X  Matthes,  Aktenstücke  z.  Gesch.  d.  Schule 
u.  Kirche  Kloster  Rossleben.  Progr.  Rossleben.  4°.  17  S.  —  74)  X  F.  Berbig,  Nachrichten  u.  Urkk.  d.  lat.  Schule  z. 
Crossen.  II.  Progr.  Crossen.  4°.  36  S.  —  75)  X  H.  Lemcke,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Stettiner  Ratsschule  in  5  Jhh.  I.  Urkk.  II.  Progr. 
Stettin.  4°.  17  S.  —  76)  X  G.  Windhaus,  Gesch.  d.  Lateinschule  zu  Friedberg.  Festschr.  z.  350 j.  Jubil.  d.  grossherzogl. 
Realschule  u.  d.  Progymn.  Friedberg  (C.  Bindernagel).  1893.  V,  196  S.  Mit  Tab.  M.  3,50.  —  77)  X  K-  Seitz,  Akten- 
stücke z.  Gesch.  d.  früheren  lat.  Schule.  VI.  Itzehoe.  48  S.  —  78)  X  A-  Lemmen,  D.  niedere  Schulwesen  im  Erzstift  Trier 
bes.  d.  17.  u.  18.  Jh.  Progr.  Prüm.  40  S.  —  79)  P.  Goldberg,  D.  Landschulwesen  auf  d.  Zittauer  Dörfern  bis  1811. 
L.  (Fock).  122  S.  M.  1,50.  —  80)  H.  Knothe,  D.  Schulwesen  auf  d.  Dörfern  d.  Landkreises  Zittau  bis  1835:  NLausitzMag.  70, 
S.  188-221.  —  81)  M.  Steinschneider,  Ueber  Bildung  u.  d.  Einfluss  d.  Reisens  auf  d.  Bildung.  Zwei  Vortrr.  (=  SGWV. 
N.  198.)  Hamburg,  Verlagsanst.  34  S.  M.  0,60.  —  82)  X  F.  Paulsen,  Bildung:  PaedA.  36,  S.  65-85.  —  83)  K.  Bieder- 
mann, D.  Faustsage  nach  ihrer  kulturgesch.  Bedeut.:  ZKultG.  2,  S.  31-50.  —  84)  Ed.  Jacobs,  Aus  d.  Rechnungsbuche  d. 
Wernigeroder  Dechanten  Joh.  Kerkener  (1507—41):  ZHarzY.  27,  S.  593-612.  —  85)  K.  Borinski,  Balt.  Gracian  u.  d.  Hoflitt, 
in  Deutschland.  Halle  a.  S.,  Niemeyer.  147  S.  M.  3,60.  |[LCB1.  S.  1674/5.] |  (Vgl.  III 1 :  206 ;  2 :  37.)  —  86)  O  G.  S  t  ei  n  h  a u  s  e  n ,  D  Anfänge 
d.  franz.  Litteratur-  u.  Kultureinflusses  in  neuerer  Zeit:  ZVLR.  7,  S.  849-82.  —  87)  J-  C  Geisthirt,  Schmalkaldia  litterata. 
(==  ZVHennebergG.  Heft  XII.)  Schmalkalden  u.  L.  (F.  Wilisch).  4».  94  S.  M.2,00.  —  88)  H.  Jentsoh,  Aus  J.  G.  Stephanis 
Sammelwerk  über  500  gelehrte  Gubener :  NiederlausitzM.  3,  S.  247-60, 384-96.  —  89)  D.  J  a  c  o  b  y ,  Gern,  van  Swieten :  ADB.  37,  S.  265-71. 
—  90)  X  M-  Goldschmidt,  Geist.  Leben  in  Frankfurt  a.  M.:  ML.  63,  S.  257-62.  —  91)  K.  Bröcker,  D.  Freimaurerlogen 
Deutschlands  v.  1737-1837.  B.,  Mittler.  VIII,  196  S.  M.  3,00.  —  92)  Th.  Sohäfer,  Was  ist  Freimaurerei?  3.  Aufl.  ebda. 
VIII,  76  S.  M.  2,25.  —  93)  O  X  EL  Boos,  Gesch.  d.  Freimaurerei.  E.  Beitr  z.  Kulturgesch.  Aarau,  Sauerländer.  VIII,  308  S. 
M.  5,40.  ![LCB1.  S.  1758/9.]|  —  94)  X  0.  Henne  am  Rhyn,  D.  Freimaurer,  deren  Urspr..  Gesoh.,  Verfass.,  Relig.  u.  Politik. 
4.  Aufl.  L.,  Spohr.  99  S.  M.  1,50.  —  95)  X  ö-  Sohuster,  Friedrioh  d.  Gr.  u.  seine  Beziehungen  zu  d.  Freimaurern: 
NorddAZg"  20/2.  —  96)  X  L-  Abafi,  Gesch.  d.  Freimaurerei  in  Oesterr.-Ung.  IV.  Budapest,  Aigner.  VI,  382  S.  M.  7,00.  — 
97)  X  H.  Schrader,  Naturgesch.  u.  Symbolik  im  MA.:  HPB11.  114,  S.  237-60.    —   98)  L.  v.  Rookinger,  Z.  Bedeutung  v. 


Gr.  Liebe,  Kulturgeschichte.  I  4:99-125 

Das  Recht  als  Spiegel  der  Zeitanschauung  beansprucht  vorzugsweise  Be- 
rücksichtigung. Dem  Eindringen  des  römischen  Rechts  sind  Arbeiten  L.  von 
Rockingers98)  und  Fabricius")  gewidmet,  die  dessen  spätes  Uebergewicht 
in  Bayern  und  Pommern  erweisen.  10°)  —  Zwei  alte,  für  das  deutsche  Recht  charak- 
teristische Bräuche,  Bahrrecht  und  Fürbitte,  verfolgt  Liebe101)  bis  in  ziemlich  späte 
Zeiten  selbst  städtischer  Kultur.  —  Sehr  überflüssig  sind  die  Versuche  Berdrows102), 
Thudichums  genügend  widerlegte  Verbindung  von  Veme  und  Inquisition  zu  popu- 
larisieren. 103-1Ö4)  —  Der  Kampf  zwischen  der  staatlichen  Centralisierung  und  den 
territorialen  Organismen  auf  dem  Gebiet  des  Strafrechts  hat  durch  H  o  1 1  z  e 105)  Dar- 
stellung gefunden.  —  H  o  1 1  z  e  106)  auch  führt  in  Anknüpfung  an  Koser  den  Nach- 
weis, dass  zu  der  juristischen  Mythenbildung  aus  Anlass  der  Aufhebung  der  Folter 
der  Prozess  gegen  Fonk  wesentlich  beigetragen  hat,  der  1822  beinahe  zum  Justiz- 
mord führte.107"108)  —  Umfang  und  Formalitäten  des  Bonner  Bannbegangs  schildert 
Hauptmann109)  nach  den  1590—1775  erhaltenen  Protokollen.  —  Die  Formen  der 
Besitzergreifung  in  Goslar  erläutert  ein  von  Hölscher110)  abgedrucktes  Instrument 
von  1747. 110*)  — 

Unter  den  Regungen  des  geistigen  Lebens,  die  sich  als  Gemüt  zusammen- 
fassen lassen,  ist  das  Nationalgefühl  als  eins  der  einflussreichsten  zu  betrachten. 
Die  in  den  letzten  Jahren  sich  zu  seiner  Stärkung  in  Deutschland  regenden  Be- 
strebungen haben  auch  wissenschaftlich  ihren  Niederschlag  gefunden.  Das  gross  an- 
gelegte Werk  von  Schultheiss in)  hat  gerechtfertigtes  Aufsehen  erregt.  llla'n2a)  — 
Eine  Warnung  für  uns  ist  die  gedankenreiche  Schrift  von  Brandes113),  die  eine 
Stärkung  des  dänischen,  an  geringem  Selbstvertrauen  leidenden  Nationalgefühls  durch 
Kulturleistungen  fordert,  so  —  die  Bewahrung  dänischen  Sprachgebiets  in  Nord- 
schleswig. —  Im  württembergischen  Volkscharakter  verfolgt  Rümelin114)  mit 
geistvoller  Feinheit  das  in  Natur  und  Geschichte  Schwabens  sich  äussernde  Element 
des  Individualismus.115)  — 

Für  das  so  wenig  durchforschte  Gebiet  des  Gefühlslebens  wird  fortan 
Steinhausens116)  Arbeit,  die  den  wechselnden  Ausdruck  von  Liebe  und  Schmerz 
zum  Gegenstande  hat,  als  Wegweiser  dienen.  Niemand  beherrscht  ja  in  diesem  Masse 
wie  er  das  nicht  litterarische  also  unbewusste  Zeugnis,  den  Brief.  —  In  der  Frage 
der  Vernunftheiraten  gelangt  Steinhausen117),  gestützt  auf  umfassendes,  meist  dem 
bürgerlichen  Leben  entnommenes  Material  zu  dem  Schlüsse,  dass  sie  in  vergangenen 
Jhh.  zum  mindesten  die  gleiche  Rolle  gespielt  haben  wie  heute.  —  Goette118)  be- 
zweckt nachzuweisen,  wie  die  Grundform  des  Volksliedes,  der  Vierzeiler,  Träger 
der  umgeformten  Anschauungen  des  Minnesangs  war,  um  dem  konventionellen 
Unterhaltungsbedürfnis  des  Bürgertums  im  Hofliede  zu  dienen.  —  Die  Freundschafts- 
Schwärmerei  119)  des  vorigen  Jh.  hat  in  ihrer  Selbstbespiegelung  wie  in  ihrer  Be- 
deutung für  die  Dichtung  Darstellung  gefunden.  120-121). —  G  i  1 1  h  0  f  f 122)  giebt  eine  Zu- 
sammenstellung sprichwörtlicher  Redensarten  über  den  Reichtum.123)  — 

Dass  Reisebeschreibungen  sehr  verschiedene  Gedankenwelten 
wiederspiegeln,  ist  neuerdings  mehr  und  mehr  erkannt  worden.  Die  nach  den  Zeit- 
anschauungen wechselnden  Beweggründe  zum  Reisen  hat  Liebe 124)  kurz  dar- 
gestellt. —  Auf  die  hs.  in  München  befindliche  Beschreibung  einer  1588  nach  dem 
Orient  unternommenen  Reise  wird  von  Ru  epprecht125)  hingewiesen. 126)  —  Eine 

Anklängen  an  römisches  Recht  in  bayer.  Urkk.  d.  15.  Jh.:  ArchivZ. 5, S.  127-97.  —  99)  F.  Fabricius,  Ueber  d.  Schwerinische 
Recht  in  Pommern:  HansGBll.  22,  S.  1-45.  —  100)  X  J-  Grunze  1,  Ueber  d.  dtsch.  Stadtrechte  Böhmens:  MVGDB.  S.  348-57. 
—  101)  G.  Liebe,  Bahrrecht  u.  Fürbitte  in  dtsch.  Städten  d.  MA::  ZKultG.  1,  S.  316-22.  —  102)  H.  Berdrow,  Femgericht 
u.  Inquisition:  Daheim  30,  S.  2046.  —  103)  X  Tn-  Lindner,  Veme  u.  Inquisition  (JBL.  1393  I  4  :  HO):  DLZ.  S.  880.  —  104)  X 
P.  Wigand,  D.  Femgericht  Westfalens.  Nach  d.  Quellen  dargest.  u.  durch  Urkk.  erläut.  E.  Beitr.  z.  dtsch.  Staats-  u. 
Rechtsgesch.  2.  verb.  Aufl.  Halle  a.  S.,  H.  W.  Schmidt.  VIII,  445  S.  M.  6,00.  |[WZ.  S.  231/2.JJ  —  105)  F.  Holtze,  Straf- 
rechtspflege unter  König  Friedrich  Wilhelm  I.  (=  Beitrr.  z.  Brand.-Preuss.  Rechtsgesch.  N.  3.)  B.,  Vahlen.  94  S.  M.  2,00. 
|[FBPG.  7,  S.  317.]|  —  106)  id.,  D.  Prozess  gegen  Fonk  u.  Jurist.  Mythenbildung  in  Preussen:  FBPG.  7,  S.  127-39.  —  107)  X 
E.  Hawelka,  D.  Halsgerichtsbarkeit  d.  Stadt  Braunau:  MVGDB.  S.  48-55.  —  108)  X  W.  Dührsen,  Lowenburg.  peinlicher 
Prozess  u.  Urgicht  d.  daselbst  gefänglich  sitzenden  Amtsschreibers  v.  Bergersdorf  1603:  AVGLauenburg.  S.  27-90.  —  109)  F. 
Hauptmann,  D.  Bonner  Bannbegang.  (:=  Bilder  aus  d.  Gesch.  v.  Bonn.)  Bonn,  Hauptmann.  56  S.  M.  0,50.  —  HO)  D. 
Hölscher,  D.  Formen  d.  Besitzergreifung  in  Goslar  (Notariats-Instrument  1747):  ZHarzV.  27,S.287,9.  —  110a)  X  H.  Kn  othe, 
D.  Hausmarken  in  d.  Oberlausitz:  NLausitzMag.  70,  S.  1-12.  —  111)  F.  Schultheiss,  Gesch.  d.  dtsch.  Nationalgefühls  (JBL.  1893 
I  4:  153).  |[G.  Steinhausen:  DLZ.  S.  270,2;  LCB1.  S.  177/8;  H.  Walther:  Nation».  11,  S.  4434;  TglRs".  N.  412;  E.  Her- 
mann: PaedA  36,  S.  312  3;  Ges.  392;  Sohns:  COIRW.  22,  S.  109.] |  —  lila)  X  Schwarz-rot-gold  als  dtsch.  Reichsfarben: 
BurschenschBll.  8,  S.  85/7,  113/8,  157-60,  182/3,  210/1.  (Vgl.  VossZg».  N.  17.)  —  112)  X  H.  Schrader,  „D.  dtsch.  Michel": 
ZDS.  8,  S.  46/7.  (Aus  d.  Michaelsliedern  erklärt.)  —  112a)  X  E-  Wasserzieher,  Dtsch.  Treue  u.  dtsch.  Ehre:  ZDU.  8, 
S.  250/1.  —  113)  G.  Brandes,  Nationalgefühl.  Vortr.  Köln  u.  Paris,  Langen.  38  S.  M.  0,50.  JfDRs.  80,  S.  318;  L.  Berg: 
Zuschauer  2,  S.  132/3;  BerlTBl.  N.  206.J |  —  114)  G.  Rümelin,  D.  Württemberg.  Volkscharakter.  (=  Reden  u.  Aufsätze.  3.  Folge. 
[Freiburg  i.  B.,  Mohr.  VII,  XX,  405  S.  M.  6,00],  S.  375-405.)  —  115)  X  '■  Stöcklein,  Beobacht.  über  d.  Znsammenh. 
zwischen  Sprache  u.  Volkscharakter:  BBG.  S.  335-57.  —  116)  G.  Steinhausen,  D.  Wandel  dtsch.  Gefühlslebens  seit  d.  MA.: 
VossZgB.  N.  19-21.  —  117)  id.,  Vernunft-  u.  Liebesheiraten:  VoraFelsz.Meer.  2,  S.  704.  —  118)  R.  Goette,  Liebesleben  u. 
Liebesdienst  in  d.  Liedesdichtung  d.  dtsch.  MA.:  ZKultG.  1,  S.  426-66.  —  119)  Aus  d.  Zeitalter  d.  Freundschaft:  TglRs». 
N.  3012.  -  120)  X  K-  G-.  D-  dtsch.  Gemüt  u.  d.  Pflanzenwelt:  ib.  N.  156.  —  120a)  O  A.  Biese,  Z.  Litt.  d.  Gesch.  d.  Natur- 
gefühls: ZVLR.  7,  S.  311-40. —121)  X  H-  N°ö.  wind  u  Menschen:  WIDM.  75,  S.  201/8.  —  122)  L.  Gillhoff,  D.  Geld  im 
Volksmunde:  TglRsB.  N.  282/4.  —  123)  X  !*■  Meyer,  Hs.-Beurteilung:  ÜL&M.  72,  S.  566,  587,  627,  64C,  746,  787,  846,  865, 
887,  947,  986,  1007.  —  124)  G.  Liebe,  Reiseinteressen  vergangener  Zeiten:  MagdZg".  N.  2  3.    -    125)  Chrn.  Rn epprecht, 


I  4:127-149  Gr.  Liebe,  Kulturgeschichte. 

Rechnung-  über  die  1518  nach  Mont  S.  Michel  unternommene  Reise  eines  vornehmen 
Deutschen  veröffentlicht  Liebe127).  —  Eine  Probe  aus  dem  Bericht  über  eine  Reise 
nach  Frankreich  (1773—75)  führt  G  er  1  an  d  128)  an;  die  Berichterstatterin  gehörte 
der  Familie  Dy  Ry  zu  Kassel  an.  — 

Die  Quellen  zur  Kenntnis  früheren  Empfindungslebens  sind  ausser  den  Briefen 
nicht  zahlreich.  A  dam129)  behandelt  das  akademische  Stammbuch  des  Danzigers 
Plato  aus  dem  Anfang  des  17.  Jh.130)  —  Das  derselben  Zeit  angehörige  Tage- 
buch des  Pfarrers  von  Brandenburg,  Garcaeus,  das  Tschirch  131)  veröffentlicht, 
giebt  ein  wenig  erfreuliches  Bild  der  gelehrten,  aber  moralisch  anfechtbaren  Persönlich- 
keit wie  der  trüben  Zeit.132)  —  Ehrenfest  und  oft  schalkhaft  ist  der  Geist  der  alten 
Hildesheimer  Haussprüche,  die  Buhlers 133)  aus  einer  Hs.  in  Hannover  bekannt 
macht.134)  — 

Dem  Humor  nicht  allein,  aber  doch  vorwiegend  dient  das  ergötzliche  Büchlein 
von  S  chlie  b  en 135),  das  die  Resultate  einer  grossen  Belesenheit  sehr  geschickt 
verwendet,  die  Beziehungen  des  Esels  zum  Menschen  darzustellen,  nicht  nur  als 
des  Nutztieres,  sondern  auch  als  eines  Symboles  in  den  verschiedenen  Kulten  wie 
im  Volksleben.136"137»)  — 

Aberglaube  und  Verbrechen.  Aus  den  Veröffentlichungen  über 
Hexenprozesse  bietet  die  von  Fabian138)  ein  merkwürdiges  Zeugnis,  wie  um  die 
Mitte  des  16.  Jh.  in  Zwickau  sich  Aufklärung  und  Menschlichkeit  geltend 
machten.  138a"140a)  —  Dem  Arzt  Johann  Weiher  spricht  Neubürger141)  das  Ver- 
dienst zu,  den  Wahn  noch  vor  Spee  bekämpft  zu  haben.  —  Als  von  der  Astrologie 
beeinflusst  zeigt  Schwartz142)  den  Markgrafen  Johann  von  Küstrin,  auf  Grund 
hinterlassener  Schriften.  —  Caro143)  übt  eine  scharfe  Kritik  an  Kiesewetters  Buch 
über  Dee,  an  dem  er  nicht  allein  die  spiritistische,  sondern  auch  die  politische  Wirk- 
samkeit gering  anschlägt,  die  ihm  wegen  seiner  Verbindung  mit  dem  polnischen 
Abenteurer  Laski  beigemessen  wird,  wogegen  seine  Bedeutung  als  Gelehrter  unter- 
schätzt wird.  —  F  u  n  c  k  144)  bespricht  das  in  den  achtziger  Jahren  des  vorigen  Jh. 
in  Baden  gepflegte  Interesse  für  den  durch  Marquis  von  Puisegur  begründeten,  von 
Lavater  vertretenen  Heilmagnetismus.  —  Mit  dem  Verbrechertum  beschäftigen  sich 
einige  populäre  Skizzen.145"147)  — 

Sociale  Entwicklung,  Gesellschaft  und  Stände.  An  Be- 
deutsamkeit des  Stoffes  wie  der  Behandlung  sind  hier  zunächst  mehrere  der  Ge- 
schichte des  Beamtentums  gewidmete  Arbeiten  zu  nennen,  an  erster  Stelle 
Seh  m  o  1 1  e  r  s  148)  in  weiterer  Ausführung  erschienener  Vortrag  vom  Leipziger 
Historikertag,  der  in  zweifelsfreier  Klarheit  den  verwickelten  geschichtlichen  Werde- 
gang erkennen  lässt.  Nach  allgemeiner  Erörterung  des  Amtswesens  sind  die  beiden 
frühesten  Gestaltungen,  die  römische  und  französische  der  deutschen  vorangestellt, 
in  der  das  14.  Jh.  den  Uebergang  von  der  Lehn-  zur  Amtsverfassung  bildet.  Die 
um  1500  einsetzende  Entwicklung  charakterisiert  sich  im  Ersatz  der  Räte  von  Haus 
aus  durch  ein  collegium  formatum  mit  Geschäftsteilung.  Die  brandenburgisch-preussische 
Centralisation  ist  vollendet  durch  Friedrich  Wilhelm  I.  Der  Schluss  erörtert  das 
Hervorgehen  des  besonderen  Beamtencharakters  aus  der  Gefolgschaft  durch  die 
Aenderungen  in  Besoldung  und  Bestallung.    —    Holtze149)   giebt  eine  von  gleich- 


E.  hs.  Orient-Reisebeschreibung  vom  J.  1588:  ZKultG.  1,  S.  241/3.  —  126)  X  F-  G-  Schultheiss,  Montaignes  Reise  v.  Lindau 
über  Augsburg  u.  München  bis  Mittenwald  (1580):  Sammler*.  N.  77/8.  —  127)  G.  Liebe,  E.  Reiserechnung  aus  d.  J.  1518: 
NMThürSächsGV.  18,  S.  71-81.  —  128)  0.  Gerland,  Auch  e.  Reise  ins  mittägige  Frankreich:  Didask.  N.  261.  —  129)  K.  Adam, 
D.  Reisestammbuch  d.  D.  Abr.  Plato  v.  1607—16:  ZKultG.  1,  S.  281-94.  —  130)  X  Ro°-  *>.  Rich-  Keil.  D-  dtsch.  Stammbücher  (JBL. 
1893  14:141).  | [LCBI.  S.  712/3 ;  W.  K a h  1 :  KZEU.  43,  S.  428.J|  —  131)  0.  Tschirch,  Tägliche  Aufzeichnungen  d.  Pfarrherrn  J.  Gar- 
caeus in  Sorau  u.  Brandenb.  aus  d.  J.  1617—32.  Brandenburg  (P.  Haeckert).  98  S.  Mit  1  Taf.  M.  1,00.  (Aus :  JBHVBrandenburg.  25, 
S.  15-116;  vgl.  III  1 :  18.)  -  132)  X  E.,  Kalender  u.  Almanache.  Kulturhist.  Skizze:  FrBIW.  N.  9.  —  133)  Buhlers,  Zerstörte 
Hildesheimer  Haussprüche:  ZHarzV.  27,  S.  210-34.  —  134)  X  R-  Eckart,  Allg.  Samml.  niederdtsch.  Rätsel.  L,  Weigel.  12°. 
VIII,  136  S.  M.  1,60.  |[BLÜ.  S.  440/l.]|  —  135)  A.  Schlieben,  D.  Esel  u.  d.  Mensch.  E.  Beitr.  z.  Kulturgesch.  Wiesbaden, 
Bechtold  &  Co.  143  S.  M.  1,00.  —  136)  X  E.  Isolani,  D.  Humor  auf  d.  Kanzel:  MagdZgn.  N.  106/8.  —  136a)  X  T- 
Szafranski,  D.  Humor  im  Reichstag:  AkBll.  9,  S.  137.  —  137)  X  E.  Peschkau,  50  J.  dtsch.  Humors:  SchorersFamilienbl.  15, 
S.  72/5.  (Jubil.  d.  „Fl.  Blätter".)  —  137a)  X  R.  Artaria.  E.  Schatzkammer  dtsch.  Humors:  Gartenlaube  94,  S.  26-30.  — 
138)  E.  Fabian,  Hexenprozesse  in  Zwickau  u.  Umgegend:  MAVZwickau.  4.  S.  122-31.  —  138a)  A.  v.  Jaksch,  Hexen  u. 
Zauberer.     Nach  Akten  im  gräfl.  Lodronschen  Herrschaftsarch.  in  Gmünd:  Uarinthia  S.  7-15,  43-51.   (Vgl.  I  5:143.)  —  139)  X 

F.  Heigl,  D.  Hexenglaube.  E.  Rückblick  als  Perspektive  für  d.  Spiritisten  unserer  Zeit.  Bamberg,  Handelsdr.  16°.  85  S. 
M.  0,20.  (Vgl.  I  5:141.)  —  140)  X  Kleiner  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Quedlinbnrger  Hexenprozesse:  ZHarzV.  27,  S.  620/7.  —  140 a)  X 
J.  Kiele,  Hexenwahn  u.  Hexenprozesse  in  Hagenau  (JBL.  1893  I  5  :  114):  LRs  20,  S.  162,3.  —  141)  E.  Neubürger,  D.  Hexen- 
wahn u.  Joh.  Weiher:  Didask.  N  261.  —  142)  P.  Schwartz,  D.  Politik  d.  Markgrafen  Joh.  v.  Küstrin  unter  d.  Einfluss  d. 
Astrologie:  SVGNeumark.  2,  S.  1-12.  —  143)  J.  Caro,  Aus  d.  Tagen  d.  Königin  Elisabeth  v.  England  (John  Dee,  Albrecht 
Laski,  Giordano  Bruno,  Shakespeare):  ZKultG.  1,  S  353-95.  —  144)  H.  Funck,  D.  Magnetismus  u.  Somnambulismus  in  d. 
bad.  Markgrafschaft.  Freiburg  i.  B.,  Mohr.  VII,  76  S.  M.  1,20.  JfF.  v.  Weech:  ZGORh.  9,  S.  525/6;  LCBI.  S.  1841.]|  — 
145)  X  A.  Moll,  D.  Weib  als  Verbrecherin:  BerlTBl.  N.  19.  —  146 1  X  E.  Schulz,  Cagliostro  u.  Konsorten:  N*S.  68, 
S.  67-75.  —  146a)  X  p-  Lindau,  D.  Lebensgang  e.  Verbrechers:  ib.  S.  363-79.  —  147)  X  D-  Kriminalpolizei  in  Hamburg: 
lUZg.  103,  S.  €43/4.  —  148)  G.  Schmoller,  D.  dtsch.  Beamtenstaat  vom  16.-18.  Jh.  Vortr.  auf  d.  Leipz.  Historikertag:  JGVV.  18, 
S.  695-714.  |[FBPG.  7,  S.  312/7.]|    (Vgl.  G.  Schmoller,  Ueber  Behördenorganisat.,  Aratswesen  U.Beamtentum.     Als  Einl.    zu: 

G.  Schmnller  u.  0.  Krauste,  D.  Behördenorganisat.  u.  d.  allg.  Staatsverwalt.  Preussens  im  18.  Jh.  1.  Bd.  B.,  Parey. 
143,  S43  S.    M.  21,00.    [-.  Acta  borussica  IV.])  (Vgl.  III  1  :  147.)  -  149)  F.  Holtze,  I).  ältesten  mark.  Kanzler  u.  ihre  Familien: 


G.  Liebe,  Kulturgeschichte;  I  4  :  iöo-I&j 

zeitigen  Porträts  begleitete  Sammlung  von  Lebensbeschreibungen  der  branden- 
burgischen Kanzler  von  Kracht  (1440 — 44)  bis  zu  Weinleben,  dem  Vorgänger  Distel- 
meyers. —  Kruschs150)  Fortsetzung  der  braunschweigischen  Behördenentwicklung 
gipfelt  in  der  Kanzleiordnung  Herzogs  Julius  von  1575,  die  durch  zahlreiche  Einzel- 
züge  Leben  gewinnt.  —  Hof-  und  Kanzleiordnungen  aus  Jülich-Berg  veröffentlicht 
von  Below151).  —  Die  Entstehung  der  Bürgerrepräsentanten  in  Breslau  hat  durch 
Markgraf'52)  Darstellung  erfahren.153)  —  Für  die  militärische  Entwicklung  ist 
das  von  K  o  s  e  r ,54)  bekannt  gegebene  Urteil  Valorys  über  Friedrichs  des  Grossen 
Verdienste  um  die  Reiterei  (1748)  hervorzuheben.  —  Liebe 155)  vertritt  den  Ge- 
danken, dass  die  Uniform,  früher  in  den  Städten  als  in  den  Territorien  auftretend, 
das  Symbol  der  allgemeinen  Wehrpflicht  darstelle. 156)  —  Die  Farbenfolge  der 
preussischen  Lanzenfähnchen  (weiss  -  schwarz)  wird  auf  die  Kabinetsordre  vom 
4.  April  1815  zurückgeführt,  die  an  Stelle  der  Regimentsfarben  die  hohenzollernschen 
setzte. 157)  —  Für  die  Schüderung  der  Gesellenbewegung  im  Nürnberg  des  16.  Jh. 
hat  Schönlank  158)  archivalisches  Material  geschickt,  aber  tendenziös  ausgenutzt, 
indem  er  sie  in  eine  Parallele  zu  der  der  heutigen  Fabrikarbeiter  stellt,  während  die 
materielle  Notlage  damals  nicht  entfernt  dieselbe  Rolle  spielte.  —  Chrn.  Meyers159) 
Schrift  über  die  unehrlichen  Leute  ist  wesentlich  ein  Produkt  der  Sammelthätigkeit; 
eingehender  behandelt  ist  nur  der  Scharfrichter  und  die  Entstehung  seines  früher 
nicht  vorhandenen  Makels.  16°)  — 

Wirtschaftliche  Entwicklung.  Mehrfach  haben  Studien  zur  Wirt- 
schaftsgeschichte ein  bestimmtes  Territorium  zur  Grundlage  genommen.  So  be- 
leuchtet Rachfahl161)  die  schlesische  Verwaltung  in  drei  Abschnitten  zuerst  bis  zur 
staatlichen  Einigung  unter  Mathias  Corvinus,  dann  die  Central isation  vornehmlich 
durch  Ferdinand  L,  zuletzt  die  Finanzbehörden  im  besonderen.  —  Ein  Bild  von  un- 
gewöhnlicher Lebendigkeit  —  Georg  Müller162)  hat  es  gezeichnet  —  gewährt 
die  Thätigkeit  Hans  Harrers,  Kammermeisters  des  Kurfürsten  August  von  Sachsen. 
Er  war  hauptsächlich  in  Geldgeschäften  thätig,  bis  ihm  die  Beteiligung  an  Roths  Pfeffer- 
ring Sturz  und  Selbstmord  brachte;  so  eröffnet  seine  Geschäftigkeit  durch  die  Besorgung 
der  mannigfachsten  Hof-Bedürfnisse  und  den  Anteil  an  den  verschiedensten  Industrien 
zahlreiche  kulturgeschichtliche  Ausblicke.163"164)  —  Ein  Quellenwerk,  dessen  Ver- 
arbeitung allerdings  etwas  schwierig  sein  dürfte,  ist  das  durch  G.  vonMülverstedt165) 
veröffentlichte  Tagebuch  des  Matthias  von  Oppen,  Domdechanten  des  Hochstifts 
Halberstadt  (1596  —  1608).  Schrittweise  die  Thätigkeit  des  höchsten  Beamten  begleitend, 
gewährt  es  einen  Einblick  in  die  wirtschaftlichen  Zustände  eines  geistlichen  Terri- 
toriums kurz  vor  dem  30jährigen  Kriege  bis  zu  den  Details,  wie  der  Anpflanzung 
märkischer  Rüben.  —  Auf  dem  Gebiete  städtischer  Wirtschaftspolitik  erläutert 
Bücher166)  das  Wesen  mittelalterlicher  Auffassung  dahin,  dass  Einkommen  und  Ver- 
mögen, Haushalt  und  Erwerbswirtschaft  nicht  geschieden  werden,  weil  wegen  des 
starken  landwirtschaftlichen  Betriebes  ein  Teil  des  Erwerbs  unmittelbar  in  Konsum 
überging.  Erst  als,  vom  Handel  ausgehend,  das  Prinzip  von  Kapital  und  Zins  zur 
Herrschaft  gelangte,  wurde  es  Grundsatz,  den  Vermögensstamm  zu  schonen  und  nur 
den  Zuwachs  zu  treffen. 166a)  —  Wie  die  Stadt  Bern  im  18.  Jh.  ihren  Staatsschatz 
durch  Gewährung  von  Darlehen  an  protestantische,  vorzugsweise  deutsche  Fürsten 
nutzbar  machte,  führt  Burkhardt 167)  in  einer  langen  Reihe  von  Beispielen  aus.  —  Die 
nur  zu  sehr  den  Dilettanten  überlassene  Numismatik  ist  von  fiebert 168)  zur  Er- 
kenntnis wirtschaftlicher  Zustände  ausgenutzt  in  einer  Biographie  des  Bartholomäus 
Albrecht,  dem,   als  Pächter  kaiserlicher  Münzstätten,   die  Thätigkeit  des  Aufkaufens 


FBPG.  7,  S.  479-531.  —  150)  B.  Km  seh,  D.  Entwickl.  d.  Herzogl.  Brannschweig.  Centralbehörden,  Kanzlei,  Konsistorium  n. 
Hofgericht  bis  z.  J.  1584.  Forts.:  ZHVNiedersachsen.  S.  39-179.  (Vgl.  JBL.  1893  1  4:188.)  —  151)  G.  r.  Below  u.  Geich, 
Quellen  z.  Gesch.  d.  Behördenorganisat.  in  Jülich-Berg  im  16.  Jh.:  ZBergGV.  30,  S.  8-168.  —  152)  H.  Markgraf,  Finanz- 
n.  Verfassnngsgesch.  Breslaus  unter  Friedrich  Wilhelm  II.:  ZVGSchlesien.  S.  1-80,  411-20.  —  153)  X  H.  Iwanowius.D. 
Vernichtung  d.  stand.  Einflusses  u.  d.  Beorganisat.  d.  Verwalt.  in  Ostpreussen  durch  Friedrich  Wilhelm  I.  Progr.  Königs- 
berg  i.  P.  42  S.  —  154)  R.  Koser,  E.  franz.  Schilderung  d.  preuss.  Heeres  v.  1748:  FBPG.  7,  S.  299-311.—  155)  G.  Liebe, 
Z.  Gesch.  d.  Uniform:  ZKultG.  1,  S.  51/8.  —  156)  X  ß-  Knötel,  Uniformenkunde.  Lose  Bll.  z.  Gesch.  d.  Entwickl.  d.  milit. 
Tracht.  Bd.  V.  (=  12  Hefte.)  Rathenow,  Babenzien.  je  5  färb.  Taf.  u.  4  S.  Text,  ä  M.  1,50.  —  157)  Sohwarz-Weiss  u. 
Weiss-Schwarz:  Didask.  N.  97.  —  158)  B.  Schönlank,  Soc.  Kämpfe  vor  300  J.  Altnürnberg.  Studien.  L.,  Duncker  4  Humblot. 
212  S.  M.  4,00.  —  159)  Chrn.  Meyer,  D.  unehrlichen  Leute  in  älterer  Zeit.  (=  SGWV.  N.  193.)  Hamburg,  Verlagsanst. 
87  8.  M.  0,80.  |[A.  Schröter:  BLÜ.  S.  756.]|  —  160)  O  Signor  Saltarino,  Fahrend  Volk.  Abnormitäten,  Kuriositäten 
u.  interess.  Vertreter  d.  wandernden  Künstlerwelt.  L.,  J.  Weber.  4°.  XI,  150  S.  M.  12,00.  —  161)  F.  Rachfahl,  D.  Or- 
ganisat.  d.  Gesamtverwalt.  Schlesiens  vor  d.  30  j.  Kriege.  (=  Staats-  u.  socialwissensch.  Forschungen,  her.  v.  G.  Seh  m  oll  er. 
13.  Bd.,  1.  Heft.)  L.,  Duncker  &  Humblot.  XII,  482  S.  M.  10,00.  —  162)  Georg  Müller,  Hans  Harrer,  Kammermeister  d. 
Kurf.  August.  E.  Beitr.  z.  sächs.  Verwalt.-  u.  Wirtschaftsgesch.:  NASächsG.  15,  S.  63-118.  —  163)  X  H.  Gebauer,  D.  Volks- 
wirtsch.  im  Königr.  Sachsen.  Hist.,  geograph.  u.  statist.  dargest.  III.  Bd.  Dresden,  Baensch.  1893.  LXIV,  781  S.  M.  10,00. 
|[E.  0.  Schulze:  NASächsG.  15,  S.  179-85.JI  —  164)  X  A-  Beer,  Studien  z.  Gesch.  d.  österr.  Volkswirtsch.  unter  Maria 
Theresia.  L:  AÖG.  S.  1-133.  —  165)  G.  v.  Mülverstedt,  D.  Tagebuch  d.  Domdechanten  d.  Hochstifts  Halberstadt  Matth. 
T.  Oppen  1596—1608.  Magdeburg,  Bänsch.  XXXII,  483  S.  (Nicht  im  Buchhandel.)  —  166)  K.  Bücher,  Zwei  MAliche  Steuer- 
ordnungen. (=  N.  6;  S.  123-64)  —  166a)  id.,  D.  Entstehung  d.  Volkswirtsch.  (JBL.  1893  14:199).  |rAd.  Wagner: 
PrJbb.  75,  S.  546-58;  W.  Hasbach:  GGA.  S.  531/5.] |  —  167)  0.  Burkhardt,  Bern  als  Bankier  dtsch.  Fürsten  u.  Städte: 
FZg.  N.  163.   —   168)  C.  Gebert,   Bartholomäus  Albreoht,  d.  Nürnb.  Münzer  u.  Erzkäufer.   Nürnberg,  Schräg.  38  S.  Mit  Bild. 


I  4  :  i69-i93a  G.  Liebe,  Kulturgeschichte. 

und  Umprägens  neben  der  Anfeindung  des  Nürnberger  Rats  den  Verdacht  zuzog, 
die  Kipperzeit  verschuldet  zu  haben.  —  Diese  grösste  Geldkrisis  Deutschlands  (1618—23) 
bezeichnet  W  u  1 1  k  e 169)  als  Spekulationsperiode  mit  folgendem  Krach,  indem  er  in 
mühevoller  Untersuchung  aus  ständischen  Akten  die  wirtschaftlichen  Folgen  und 
Gegenmassregeln  der  nach  seiner  Meinung  auf  verkehrter  Scheidemünzpolitik  des 
Reiches  beruhenden  Bewegung  für  Kursachsen  nachweist.  —  Ein  besonderes  Gebiet 
staatlicher  Fürsorge  hat  im  preussischen  Salzwesen  mehrfache  Behandlung  gefunden. 
Nachdem  Wutke1'0'171)  die  Salzerschliessungsversuche  in  Schlesien  unter  den 
Piasten  und  in  österreichischer  Zeit  beleuchtet  hat,  liefert  er  in  seiner  Schrift  über  die 
Salz  Versorgung  der  Provinz  von  aussen  her  (1772—90)  einen  Beitrag  zu  der  handels- 
politisch bestehenden  Absperrung  der  Provinzen  gegen  einander  unter  Friedrich  IL 
—  Schwemann 172)  schildert  die  Thätigkeit  des  hauptsächlich  um  das  Bergwesen 
verdienten  Heinitz  im  Salzdepartement.  — 

Zur  Agrargeschichte  sind  einige  Studien  über  die  bäuerliche  Rechts- 
stellung zu  erwähnen.  Nach  G.  F.  Knapp 173)  wäre  Oesterreich  in  der  Bauern- 
befreiung Preussen  25  Jahre  voraus  gewesen.  174~174a)  —  Die  Leibeigenschaft  der  in 
den  vier  Dörfern  der  Reichsstadt  Heilbronn  Angesessenen  untersucht  T.  Knapp175) 
vom  16.  Jh.  bis  1802,  um  sie  nur  in  einer  gewissen  Art  der  Besteuerung  begründet 
zu  finden.175**-176)  —  Einige  von  Küster177)  aus  dem  Archiv  des  Ritterguts  Falken- 
berg bei  Luckau  publizierte  Gutsunterthanen-Eide  gehen  bis  zum  Schäfer  und 
Drescher  herab.  —  Weinhold 177a)  ordnet  und  erklärt  aus  älteren  Quellen  ge- 
sammelte, auf  den  Wald  bezügliche  Flurnamen,  um  daraus  auf  die  Waldbeschaffen- 
heit zu  schliessen.  —  Ein  Werk  wie  das  von  Andrea178)  über  die  Jagd  im  Taunus, 
das  zwar  für  die  Gegenwart  reiches  Material  bietet,  auf  archivalische  Studien  aber  Ver- 
zicht leistet,  zeigt  nur,  wieviel  auf  diesem  Gebiet  noch  zu  thun  ist.179)  — 

Für  die  Bevölkerungsstatistik  liegen  Forschungen  vor  von  Koser180)  für 
Preussen  unter  Friedrich  IL  und  vonDitt  mar  181)für  Magdeburger  Dörfer  1634182).— Ueber 
Württembergs  verschiedene  Bevölkerungselemente,  wie  sie  schon  in  der  Vielartigkeit 
körperlicher  Typen  zu  Tage  treten,  liefert  Hart  mann183)  eine  verdienstliche 
Statistik.  —  Einen  unglücklichen  Versuch  deutscher  Auswanderung  im  vorigen  Jh. 
behandelt  Vignols184).  Er  schildert  das  Geschick  einiger  zur  Kolonisation  von 
Guyana  angeworbenen  Elsässer  Familien,  die  mangels  Transportmittel  mehrere  Jahre 
in  der  Bretagne  ihr  Dasein  fristeten,  froh,  endlich  zurückkehren  zu  können.185)  — 
Biedermann186)  macht  einige  Bemerkungen  über  die  in- den  deutschen  Städten  des 
vorigen  Jh.  hohe  Sterblichkeitsziffer  und  die  geringe  Zahl  der  Ehen  und  Kinder.187)  — 

Auf  dem  Gebiet  der  Industrie  hat  besonders  der  Textilzweig  Aufmersamkeit 
hervorgerufen.188-191)  —  Eine  eingehende  Darstellung  widmet  Sei  dl192)  der  Um- 
wälzung in  der  Hauptindustrie  Augsburgs,  welche  Ende  des  vorigen  Jh.  durch  das  Auf- 
treten des  Johannes  Schule  erfolgte,  eines  Mannes,  der,  durch  eigene  Kraft  aus  niederem 
Stande  zum  Reichsfreiherrn  emporgestiegen,  die  Vermorschtheit  der  Zunftverfassung 
wie  des  Stadtregiments  selbstsüchtig  auszubeuten  verstand. 192a)  —  Eine  von  Hintze193) 
publizierte  Denkschrift  über  die  Berliner  Manufakturen  von  1801  hat  schon  den 
richtigen  Gedanken  der  Decentralisation.193a)  —  In  der  Montanindustrie  hat  der  von 


M.  2,00.  —  169)  R.  Wuttke,  Z.  Kipper-  u.  Wipperzeit  in  Kursachsen:  NASächsG.  15,  S.  119-56.  —  170)  K.  Wutke,  D. 
Salzerschliessungsversuche  in  Schlesien  in  vorpreuss.  Zeit:  ZVGSchlesien.  S.  99-146.  —  171)  id.,  Die  Versorgung  Schlesiens 
mit  Salz  1772-90.  Nach  archival.  Quellen  aargest.  B.,  Stargardt.  VII,  135  S.  M.  4,00.  —  172)  A.  Schwemann,  Frhr. 
v.  Heinitz  als  Chef  d.  Salzdepartements:  FBPG.  7,  S.  409-56.  —  173)  G.  F.  Knapp,  D.  Bauernbefreiung  in  Oesterreich  u. 
Preussen:  JGVV.  18,  S.  402-32.  —  174)  X  K-  Grünberg,  D.  Bauernbefreiung  u.  d.  Auf  lös.  d.  gutsherrlich-bäuerl.  Verhält- 
nisses in  Böhmen,  Mähren,  Schlesien.  2  Bde.  L.,  Duncker  &  Humblot.  X,  432  S.;  XI,  497  S.  M.  16,00.  —  174  a)  X  p- 
Boenisch,  Gesch.  Entwickl.  d.  ländl.  Verhältnisse  in  Mittelschlesien.  Diss.  Jena.  VI,  123  S.  —  175)  T.  Knapp,  Ueber 
d.  vier  Dörfer  d.  Keichsstadt  Heilbronn.  Progr.  Heilbronn.  4°.  45  S.  —  175  a)  X  °-  Glöde,  E.  mecklenb.  Freibrief  (1793): 
ZDU.  7,  S.  429.  —  176)  X  H.  Ferber,  D.  Grevenhühner  im  Amte  Angermund:  BGNiederrh.  8,  S.  104/8.  —  177)  A.  Küster, 
Gerichtshalter-  u.  Unterthaneneide  im  18.  Jh.:  NiederlausitzM.  3,  S.  268-74.  —  177a)  K.  Weinhold,  Flurnamen  aus  d.  Erz- 
gebirge: Erzgebirge  2,  S.  29-59.  —  178)  E.  Andrea,  Gesoh.  d.  Jagd  im  Taunus.  Frankfurt  a.  M.,  Selbstverl.  423  S.  — 
179)  X  L-  Schilling,  Gesch.  d.  Bunzlauer  Stadtforstes  1594—1894.  Bunzlau  tKreuschmer).  41  S.  M.  1,00.  —  180)  R.  Koser, 
Z.  Bevölkerungsstatist,  d.  preuss.  Staats  1740—  56:  FBPG.  7,  S.  540/8.  —  181)  M.  Dittmar,  Z.  Bevölkerungsstatist,  d.  magdeburg. 
Landes  1634:  GBllMagdeburg.  29,  S.  262-302.   -  182)  H.  Silbergleit,  Stand  u.  Bewegung d.  Bevölker.  Magdeburgs:  ib.  S. 408. 

—  183)  J.  Hartmann,  D.  Besiedlung  Württembergs  v.  d.  Urzeit  bis  z.  Gegenw.  (=  WürttembNjbll.  K.  11.)  St.,  Gundert. 
48  S.  Mit  3  Bild.  M.  1,00.  |[ZGOKh.  9,  S.  727.]|  —  184)  L.  Vignols,  Un  petit  episode  accessoire  de  l'expedition  du  Kourou. 
Emigrants  allemands  cantonnes  en  Bretagne  1763— 66.  Rennes,  Simon.  16  S.  —  185)  X  '•  Bienemann,  Werden  u.  Wachsen 
d.  dtsch.  Kolonie  in  Südrussland.  Gesch.  d.  evang.-luther.  Gemeinde  zu  Odessa.  Odessa,  Hörschelmann.  1893.  X,  460  S. 
M.  5,00.     |[S.  Eck:  ThLZ.  19,  S.  304/5.] |  —  186)  K.  Biedermann,  Z.  Bevölkerungsbeweg.  im  17.  u.  18.  Jh.:  ZKultG.  2,  S.  83/4. 

—  187)  X  A-  Kerschbaumer,  Volksbeweg.  in  Krems.  Kulturgesch.  Studien  über  d.  17.  u.  18.  Jh.:  BVLNiederöstr.  28, 
S.  3-11.  —  188)-  X  c  Grünhagen,  Ueber  d.  angeblich  grundherrl.  Charakter  d.  hausindustriellen  Leinengewerbes: 
ZSocWirtschG.  2,  S.  241-61.  -  189)  X  L-  Brentano,  Ueber  d.  Einfluss  d.  Grundherrlichkeit  unter  Friedrich  d.  Gr.  auf  d. 
schles.  Leinengewerbe:  ib.  S.  295-376.  —  190)  X  K-  Spannagel,  D.  Gründung  d.  Leineweberznnft  in  Elberfeld  u.  Barmen 
1338:  ZBergGV.  30,  S.  181,9.  —  191)  X  A-  Riegl.  Hauskunst,  Hansfleiss  u.  Hausindustrie:  MVGDB».  S.  52/3. —192)  A.  Seidl, 
J.  H.  v.  Schule  u.  sein  Prozess  mit  d.  Augsburg.  Weberschaft  1764-85.  (=  Hist.  Abhandl.  Her.  v.  Th.  Heigel  u.  H.  Grauert 
N.  5.)  München,  Lüneburg.  60  S.  M.  2,40.  —  192a)  X  R-  R.  Z.  Gesch.  d.  Meeraner  Industrie:  SchönburgGBlI.  1,  S.  11/8.  — 
193)  0.  Hintze,  Denkschrift  über  Berliner  Munufakturverhältnisse  aus  d.  J.  1801.  (==  SGVBerlin.  31.  Heft  [B.,  Mittler. 
ISO  S.      M.   3.00],     N.  2.)     —     193  a)    X    G-    Schruoller    u.    0.    Hintze,    D.    preuss.    Seidenindustrie    im    18.  Jh.      (JßL.   1892 


G.  Liebe,  Kulturgeschichte.  I  4  i  194-229 

den  Fuggern  zu  Reichenstein  und  Freiwaldau  betriebene  Bergbau  auf  Blei  und  Gold 
durch  Fink194)  eine  Darstellung  erfahren,  der  des  modernen  Mansfelder  Häuer- und 
Hüttenbetriebs  durch  Fischer195).  —  Ueber  Stolberg  am  Vichtbach  liegt  eine 
Schilderung  der  dortigen  Zink-  und  Glasindustrie  vor.196"198)  — 

Indem  wir  zu  den  handwerksmässigen  Betrieben  übergehen,  finden 
wir  Otto199),  in  Fortsetzung  seiner  Arbeit  über  die  Bevölkerung  Butzbachs,  als  Vf. 
einer  gleich  sorgfältigen  Studie  über  das  dortige  Gewerbe  wieder,  die  neben  der 
über  das  Mittelalter  hinaus  bedeutsamen  Landwirtschaft  das  einzige  wichtige  Gewerbe, 
die  Wollenweberei,  würdigt.200"201)  —  Petzsch202)  sucht  mit  Hilfe  von  Signaturen 
auf  Richtschwertern  wahrscheinlich  zu  machen,  dass  Angehörige  der  aus  Solingen 
bekannten  Schwertfegerfamilie  Pols  auch  in  Dresden  vorkommen.  —  In  Rockenberger, 
zu  Wittenberg,  erblickt  von  Ehrenthal203)  einen  der  letzten  Vertreter  der  Plattnerkunst 
um  die  Mitte  des  16.  Jh.,  da  die  Kurfürsten  Johann  und  Johann  Friedrich  noch 
eifrig  das  in  Süddeutschland  bereits  abgekommene  Stechen  übten.  —  Im  Anschluss 
an  teilweise  reproduzierte  Musterblätter  giebt  Warschauer204)  ein  Bild  der  bürger- 
lichen Stellung  der  ursprünglich  deutschen  Goldschmiedfamilie  Kamyn  in  Posen 
während  des  16.  Jh.  als  anziehendes  Beispiel  von  der  erblichen  Pflege  und  dem 
glänzenden  Erfolg  des  Kunsthandwerks  im  Osten.205)  — 

Berücksichtigen  wir  im  Handel  zunächst  die  organisatorischen  Momente, 
so  kann  die  erste  Stelle  nur  der  Hanse  gebühren.206-207)  —  Die  nach  der  Richtung 
ihrer  Handelsfahrten  organisierten  Gilden  Groningens  im  15.  Jh.  behandelt  Kunze208), 
die  in  Rostock  1566  aus  den  Kompagnien  der  Schonen-  und  Bergenfahrer  gebildete 
Gesellschaft  S  t  i  e  d  a209  210).  —  Ein  bergischer  Zolltarif  von  1639,  den  Mörath211) 
veröffentlicht,  lässt  die  Ausfuhrartikel  erkennen.  —  Biedermann21'2)  macht  der 
Warenpreise  halber  auf  Rechnungen  des  16.  Jh.  im  Archiv  zu  Weimar  aufmerksam. 

—  Von  einzelnen  Handelsplätzen  haben  Hamburg  und  Thorn  Betrachtungen  ge- 
funden.213-214) —  Was  die  Handelsgegenstände  betrifft,  so  lassen  die  von  Grün- 
hagen215) publizierten  Monatsberichte  des  Ministers  von  Hoym  Licht  auf  den 
schlesischen  Leinen-  und  Wollenexport  fallen.  —  Forst216)  veröffentlicht  Akten- 
stücke zum  Export  von  Andernacher  Tufstein  nach  Holland;  1622  verbot  ihn  Spinola 
wegen  Gefahr  der  Kontrebande.  — 

Aeussere  Kultur.  Das  deutsche  Haus217-220)  der  verschiedenen  Land- 
schaften erfreut  sich  fortgesetzt  der  Aufmerksamkeit  der  Forscher,  insbesondere  der 
leider  dem  Untergang  geweihte  Fachwerkbau.  Hier  ist  Brinkmanns221)  vortreff- 
liche, lehrreiche,  von  schönen  Abbildungen  unterstützte  Abhandlung  hervorzuheben, 
welche  die  organische  Entwicklung  der  durch  volkstümliches  Gepräge  ausgezeichneten 
Quedlinburger  Holzbauten  zum  Gegenstande  hat.222-223a)  — 

In  der  Trachtenkunde  ist  neben  einigen  Pracht  werken  224~228)  der  Be- 
mühungen um  Erhaltung   der  Volkstrachten229)   zu  gedenken,    wie  des  von  Erfolg 

I  4:454;  IV  lb:67.)  |[Th.  Geering:  DLZ.  S.  692/6;  E.  Gothein:  AHVNiederrh.  58,  S.  198-203.] |  -  194)  E.  Fink,  D. 
Bergwerksunternehmnngen  d.  Fugger  in  Schlesien:  ZVGSchlesien.  S.  294-340.  —  195)  W.  Fischer,  D.  Segen  d.  Mansfelder 
Bergbaus:  Didask.  N.  45/6.  —  196)  X  Stolberg  am  Vichtbach.  (Westdtsch.  Städtebilder.  N.  13):  KVZg.  N.  524.  —  197)  X 
E.  Heydenreich,  Gesch.  u.  Poesie  d.  Freiberger  Berg- u.  Hüttenwesens.  Freiberg  i.  S.,  Craz  &  Gerlach.  1892.  XII,  180  S.  M.  2,00. 

—  198)  X  E.  Marabini,  Bayer.  Papiergesch.  I.  Nürnberg,  Raw.  147  S.  M.  4,50.  —  199)  E.  Otto,  Z.  Gesch.  d.  Gewerbes 
in  Butzbach  während  d.  MA.  u.  d.  Bef ormationszeit :  AHessG.  S.  401-50.  —  200)  X  H.  Weber,  Bunte  Bilder  aus  d.  alten 
Zunftleben.  (=  Frankf.  Broschüren  Bd.  15,  N,  5.)  Frankfurt  a.  M.,  Foesser  Nachf.  27  S.  M.  0,50.  —  200a)  X  P-  Bartels, 
Noch  einmal  vom  Böhnhasen:  ZDÜ.  7,  S.  454/6.  —  201)  X  K-  T-  Rohrscheidt,  Vor-  u.  Rückblicke  auf  Zunftzwang  u.  Ge- 
werbefreiheit: JNS.  8,  S.  1-55,  481-535.   —  202)  G.  Petzsch,  D.  Familie  Pols  in  Solingen  u.  Dresden:  NASächsG.  15,  S.  169-74. 

—  203)  M.  v.  Ehrenthal,  E.  sächs.  Plattnerwerkstatt  zu  Wittenberg:  ib.  S.  299-312.  —  204)  A.  Warschauer,  D.  Posener 
Goldschmiedfamilie  Kamyn.  Posen,  Jolowicz.  26  S.  M.  1,50.  —  205)  X  F-  Mencik,  D.  Prager  Goldschmiedezunft: 
MVGDB.  S.  384-400.  —  206)  X  Hanserecesse.  3.  Abt.  1477—1530,  bearb.  v.  D.  Schäfer.  L.,  Duncker  &  Humblot.  4°.  XIII,  785  S. 
M.  26,00.  —  207)  X  E-  Remus,  D.  Hanse  u.  d.  Contor  zu  Brügge  a.  Ende  d.  15.  Jh.:  ZWestprGV.  30,  S.  1-52.  —  208)  K. 
Kunze,  Hansen  u.  Hansegrafen  i.  Groningen:  HansGBll.  S.  129-36.  —  209)  W.  Stieda,  D.  Schiffergesellsch.  in  Rostock: 
JbbVMecklG.  59,  S.  86-143.  —  210)  X  A-  Doren,  Untersuchungen  z.  Gesch.  d.  Kaufmannsgilden  im  MA.  (=  Staats- u.  social- 
wissensch.  Forschung.  Her.  v.  G.  S  chmoller.  12.  Bd.,  N.  2.)  L.,  Duncker  &  Humblot.  1893.  XII,  220  S.  M.  4,80.  |[ÖLB1.  3, 
S.  150/1.] |  —  211)  A.  Mörath,  E.  Berg.  Zolltarif  vom  J.  1639:  ZBergGV.  30,  S.  169-71.—  212)  K.  Biedermann,  Miscellen: 
ZKultG.  2,  S.  82/3.  —  213)  X  E.  Baasch,  Hamburgs  Seeschifffahrt  u.  Warenhandel  vom  Ende  d.  16.  bis  Mitte  d.  17.  Jh.: 
ZVHanibG.  9,  S.  295-420.  —  213a)  H.  Mack,  Z.  Hamb.  Handel  im  16.  Jh.:  HansGBll.  S.  136/9.  —  214)  X  H.  Oesterreich, 
Thorns  Handel  während  d.  1.  Jh.  d  poln.  Herrsch.  1454—1577:  ZWestprGV.  33,  S.  47-93.  —  215)  C.  Grünhagen,  Monats- 
berichte d.  Ministers  v.  Hoym  über  d.  schles.  Handel:  ZVGSchlesien.  S.  341-410.  —  216)  H.  Forst,  Z.  Gesch.  d.  Handels  mit 
Andernacher  Steinen  nach  Holland  im  17.  Jh.:  BGNiederrh.  S.  226-35.  —  217)  X  Fr.  Schultze,  Bürgerhäuser  in  Osnabrück. 
Mit  47  Abbild,  u.  3  Taf.  B.,  Ernst.  Fol.  9  S.  M.  10,00.  (Aus  ZBauwesen.)  —  218)  X  B-  Korsmann,  Bauernhäuser  im 
bad.  Schwarzwald:  Alemannia  22,  S.  285,8.  —  219)  X  Ferd.  Vetter,  D.  Schweiz.  Haus  im  Reformationszeitalter.  Vortr. 
Zürich,  A.  Müller.  34  S.  M.  1,00.  —  220)  X  Aus  d.  dtsch.  Haus  in  Chicago:  Kunstgewerbebl.  5,  S.  33/9.  —  221)  Ad.  Brink- 
mann, Gesch.  d.  Holzbaukunst  in  Quedlinburg.  Mit  10  Taf.:  ZHarzV.  27,  S.  241-81.  —  222)  X  '■  C  Raschdorff,  Rhein.  Holz- 
u.  Fachwerksbauten  d.  16.  u.  17.  Jh.  Her.  v.  0.  Raschdorff.  B.,  Wasmuth.  4».  3  S.  Mit  55  Taf.  M.  18,00.  —  223) 
Th.  Peters,  MAliche.  Fachwerksbauten:  MagdZg».  S.  379-80,  386,7,  394/6.  —  223a)  X  (s-  <>•  N.  347.)  —  224)  X  A..  Frhr. 
v.  Schweiger- Lerchenfeld,  I  costumi  delle  donne.  Traduz.  con  agginute,  di  Migliorini.  Disp.  1/4.  Milano,  F. Vallardi. 
160  S.  L.  2,00.  —  225)  X^ontaille,  Le  costume  feminin  depuis  l'epoque  gauloise  jusqu'ä  nos  jours.  Paris,  Malherbe. 
16°.  VI,  66  S.  —  226)  X  J-  Baer,  Costumes  civils  et  militaires  (Lager-Katal.  N.  334).  Frankfurt  a.  M.  109  S.  —  227) 
Fr.  Ho  ttenroth,  Handb.  d.  dtsch.  Tracht.  10.  u.  11.  Lfg.  St.,  Weise.  S.  677-704.  Mit  Textbildern  u.  4  färb.  Taf.  ä  M.  2,00. 
|[J.  Edgar:  DBühneng.  23,  S.  91.]|  (Vgl.  JBL.  1893  I  4:  262.)  —  227a)  X  id..  Ueber  d.  Zeitcharakter  in  d.  Mode:  DR.  1, 
S.  380/6.    —    228)    X    M.    Estermann,    Kleiderstoffe    im    16.  Jh.    in    Beromünster:    ASchwAlt.    8.  347.    —    229)    X   K.  A. 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.     V.  (1)5 


i  4  :  230-261  Gr.  Liebe,  Kulturgeschichte. 

gekrönten  Festes  im  Schwarzwald230).  —  Vom  Hamburger  Kleiderluxus  und  von  Haar- 
trachten weiss  N  a  t  h  an  s  en231)  unterhaltend  zu  erzählen.232)  —  Westerbergs233) 
Artikel  über  das  Hemd  bringt  nur  eine  Reihe  oberflächlicher  Notizen.234)  — 

Unter  den  Nahrungs-  und  Genussmittel  n235)  ist  der  dankbare  Stoff 
einer  litterarischen  Würdigung  des  Sauerkrauts  von  Bayer 236)  nicht  erschöpfend 
behandelt.  —  Dem  seit  dem  13.  Jh.  berühmten  Eimbecker  Bier  widmet  Dom  ei  er237) 
kurze  Ausführungen.238)  —  Ueber  das  in  Hamburg  schon  Ende  des  16.  Jh.  eingeführte 
Rauchen  bringt  N  athansen238a)  vieles  aus  der  älteren  Litteratur  bei.  — 

Bei  der  Vielseitigkeit  des  Gerätes  wiegt  das  kunstgewerbliche  Interesse 
vor.  Für  das  Düsseldorfer  Schloss  bringt  Redlich239)  ein  Inventar  der  reich- 
haltigen Silberkammer  aus  dem  17.  Jh.;  de  Raadt240)  Nachrichten  über  Brüsseler 
Tapeten.  —  0.  Webers241)  Geschichte  der  böhmischen  Porzellanindustrie  eröffnet 
lehrreiche  Einblicke  nicht  nur  in  das  technische  Verfahren,  sondern  auch  in  die 
wenig  fördersamen  volkswirtschaftlichen  Grundsätze,  durch  die  sich  die  österreichische 
Regierung  im  vorigen  Jh.  leiten  liess.  —  Ein  kurzer  Bericht242)  enthält  die  merk- 
würdige Thatsache,  dass  von  dem  bisher  nur  im  Gräflich  Brühischen  Besitz  bekannten 
Schwanenservice  eine  Doublette  bestanden  hat,  von  der  einige  Stücke  durch  das 
Kölner  Kunstgewerbemuseum  in  London  erworben  sind.  —  Auf  den  wechselnden 
Dekorationsstii  des  Meissener  Porzellans243)  beschränkt  sich  ein  kurzer  Artikel.244)  — 
Habs-Randau245)  bespricht  das  1530  in  Braunschweig  zuerst  auftauchende  Spinn- 
rad hinsichtlich  seiner  Verbesserungen  und  seines  Kultureinflusses.246)  —  Für  die 
kirchlichen  Geräte  giebt  Jacobs247)  eine  Zusammenstellung  der  Orgeln  in  der  Graf- 
schaft Wernigerode,  die  erst  im  17.  Jh.  häufiger  werden;  Hach248.)  behandelt  auf 
Grund  von  Rechnungen  die  verschiedenen  Renovierungen  der  aus  dem  Anfang  des 
16.  Jh.  stammenden  grossen  Orgel  in  der  St.  Jacobikirche  zu  Lübek.  —  Schi  ob  ach249) 
macht  auf  ein  Missalbuch  des  Bischofs  Johann  VI.  von  Meissen  von  1583  (in  Oppel- 
hain  bei  Luckau)  aufmerksam. 249a)  — 

Auf  dem  Gebiet  des  Gesundheitswesens  ist  ein  Repetitorium  der  all- 
gemeinen Geschichte  der  Medizin  erschienen250).  —  Snell251)  beschreibt  die  1657  zu 
Hildesheim  gegen  die  Pest  durch  Absperrung  und  sonst  ergriffenen  Massregeln. 25la) 
—  Den  in  Halberstadt  im  16.  Jh.  den  Apothekern  auferlegten  Eid  hat  Liebe  252j 
veröffentlicht. 252a_254a)  —  Wehrmann255)  bringt  die  Entstehung  des  Seebades 
Travemünde  zur  Darstellung;  1802  wurde  es,  ungünstigen  Verhältnissen  zum  Trotz, 
durch  den  Unternehmungsgeist  einiger  Lübecker  Bürger  begründet  mittels  einer 
Aktiengesellschaft  zum  Zweck  der  öffentlichen  Wohlfahrt.256"257)  — 

Für  das  Sicherh  eits wesen  liegt  von  Gaedechens258)  eine  eingehende 
Schilderung  der  (anderswo  Einspänniger  genannten)  Hamburger  Polizeitruppe  der 
„Reiten-Diener"  auf  Grund  von  Rechnungen  vor,  die  in  das  Mittelalter  zurück- 
reichen.259-259") — 

Im  Verkehrswesen  beschäftigen  sich  mehrere  Arbeiten  mit  den  einem 
regelmässigen  Verkehr  dienenden  Instituten.  Die  auf  das  Post  wesen  so  einflussreiche 
Familie  Taxis   hat   in    einer  Reihe   von   R  ü  b  s  a  m  26°)   verfasster  Artikel  der  ADB. 


v.  Cohausen,  D.  Volkstrachten  in  Nassau.  Vortr.:  AnnVNassauG.  26,  S.  159-62.  —  230)  E.  Trachtenfest  im  Schwarzwald: 
Didask.  N.  199.  —  231)  W.  Nathansen,  Aus  Hamburgs  alten  Tagen.  Hamburg,  Jürgensen  &  Becker.  136  S.  M.  2,00. 
(S.  105-16.)  —  232)  X  Z.  Gesch.  d.  Perrücke:  Didask.  N.  208.  —  233)  Westerberg,  Was  mir  am  nächsten  liegt: 
MagdZgB.  S.  292/4.  —  234)  X  E-  Schulz,  Vom  Schminken:  N&S.  69,  S.  387-946.  —  235)  X  K-  Weissenturn,  D.  Kunst 
d.  Essens.  E.  Handb.  für  alle  Gesellschaftsklassen.  B.,  Steinitz.  1893.  XX,  330  S.  M.  3,50.  —  236)  Bayer,  D.Sauer- 
kraut in  Poesie  u.  Prosa:  MagdZg».  S.  252,3,  258,9.  —  237)  H.  Domeier,  Z.  Gesch.  d.  Einbecker  Biers:  ZHarzV.  27,  S.  567-74. 

—  238)   X    !>•  Brot  d.  Armen:    SchwäbKron.  N.  216.     (D.  Kartoffel.)    —    238a)  (=  N.  231,  S.  7-38.)    -    239)    0.  Redlich, 

D.  Schätze  d.  herzogl.  Silberkammer  zu  Düsseldorf  im  17.  Jh.:  BGNiederrh.  8,  S.  109-38.  —  240)  X  J-  de  Raadt,  Bestell, 
v.  Brüsseler  Kunstwirkereien  f.  d.  Düsseldorfer  Schloss  1701:  ib.  S.  139-48.  —  241)  0.  Weber,  D.  Entstehung  d.  Porzellan- 
u.  Steingut-Industrie  in  Böhmen.     (=  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  dtsch.  Industrie  in  Böhmen  N.  3.)  Prag,  Dominicus.  VIII,  128  S.  M.  2,40. 

—  242)  D.  Meissener  Schwanenservice:   Daheim  30,  S.  527/8.    -  243)  Meissener  Porzellan:  FZg.  N.  102.  —  244)  X  H.  Bosch, 

E.  mark.  Familienschmuck:  Bär  20,  S.  516/9.  —  245)  R.  Habs-Randau,  D.  Spinnrad:  Didask.  N.  56.  —  246)  X  B-  Braungart, 
D.  Hufeisenfunde  in Dtschl. u. d. Gesch.  d.  Hufeisens,  namentlich  in  Südbayern:  LandwirtschJbb.22,  S.  325— 433.  | [AnnVNassauG.  26, 
S.  163/4.J|  —  247)  Ed.  Jacobs,  D.  Einführ.  d.  Kirchenorgeln  in  d.  Grafschaft  Wernigerode:  ZHarzV.  27,  S.  289-92.  —  248)  E. 
Hach,  Z.  Gesch.  d.  grossen  Orgel  in  d.  St.  Jacobikirche  zu  Lübeck:  ZVLübG.  7,  S.  129-50.  —  249)  0.  Schlobach,  Aus  d. 
Endperiode  d.  vorreformat.  Zeit:  NiederlausitzM.  3,  S.  261,2.  —  249a)  X  G.  Krauss.,  Ueb.  eiserne  Kirchenglocken  Oberbayerns: 
OberbayrA.  48,  S.  522/8.  —  250)  Kurzes  Rep.  d.  Gesch.  d.  Medizin.  I.  Allg.  Gesch.  d.  Medizin  bis  zum  Anf.  d.  19.  Jh.  Wien, 
Breitenstein.  93  S.  M.  1,35.  —  251)  0.  Snell,  D.Pest  zu  Hildesheim  1657:  ZHarzV.  27,  S.  235-40.  -  251a)  O  0.  Mar quez, 
Un  serment  professionel  ä  Colmar  au  XVI.  siecle.  Coup  d'oeil  dans  le  passe.  (Extr.  de  la  Gaz.  hebdomad.  de  medecine  et 
Chirurgie.)  Paris,  Barnagaud.  7  S.  —  252)  G.  Liebe,  D.  Halberst.  Apothekereid  aus  d.  16.  Jh.:  ZHarzV.  27,  S.  304,5.  — 
252a)  X  K-  Koppmann,  Thorenkiste:  BGRostock.  S.  87/8.  (Irrenanstalt.)  —  253)  X  *•  W.  Dehio,  Mitteil,  über  d. 
Medizinalverhältnisse  Alt-Revals:  BKELK.  4,  S.  219-94, 439-49.  -  253a)  X  H.  Bosch,  Inh.  e.  Balsambüchleins:  MGNM.  S.  71. 

—  254)  H.  Granier,  E.  Aerztin  unter  Friedrich  d.  Gr.:  VossZgB.  N.  28.  —  254a)  Bnsoh,  Aerzte,  Aerztinnen'  u.  d. 
sechste  Gebot:  ThLB.  17,  S.  156.  —  255)  K.  Wehrmann,  D.  Seebadeanstalt  zu  TraTemünde:  ZVLübG.  7,  S.  108-28.  — 
256)  X  V-  Helrarich,  D.  Leibesübungen  in  alter  u.  neuer  Zeit  u.  ihre  Bedeutung  f.  Gesundheit  u.  Leben.  Vortr.  L.,  Strauch. 
45  S.  M  0,80.  —  257)  X  W.  Struve,  Gesch.  d.  Kieler  Männerturnvereins  v.  1844.  Kiel  (Marquardsen).  134  S.  Mit  1  Tab. 
M.  1,25.  —  258)  C.  Gaedechens,  D.  Herrenstall  u.  d.  Reiten-Diener:  ZVHambG.  9,  S.  517-56.  —  259)  X  U.  Hölscher, 
Goslarische  Feuerordnung  v.  1540:  ZHarzV.  27,  S.  590/3.  —  259  a)  E.  alte  Armen-  n.  Almosen-Ordnung  1658:  DPB1.  27, 
S.  226/9,  235/6,  242/3.  —  260)  J.  Rübsam,  D.  Thurn  u.  Taxis:  ADB.  37,  S.  477-523.  —  261)  X  J-  Schwalm,  D.  hess.  Post- 


G.  Liebe,  Kulturgeschichte.  I  4  :  201-286 

gründliche  Würdigung-  erfahren;  als  allgemein  bedeutsam  hervorgehoben  seien  die 
Studien  über  Franz,  den  Gründer  (gest.  1517),  Gabriel  (gest.  1529),  Lamoral (1621—7(5), 
Eugen  (1652-1714),  Karl  (1733— 1805). 26  »-263a)  _  Die  Post  wertzeich  enkunde  nimmt 
doch  allmählich  eine  zu  weitgehende  Bedeutung  für  sich  in  Anspruch.  Die  Monats- 
schrift „  Austria-Philatelist"  264)  bezeugt  leider,  wieviel  Fleiss  und  Eifer  unter  der  Härte 
des  heutigen  Lebens  noch  für  Nichtigkeiten  aufgewendet  werden.  Die  Beigabe  von 
Porträts  nebst  Biographien  von  Sammlern  eröffnet  jedenfalls  einen  bequemen  Weg  zur 
Unsterblichkeit. 265)  —  Biedermann 26<5)  bringt  aus  Weimarer  Akten  eine  Nachricht 
über  Bemühungen  um  Verbesserung  einer  Thüringer  Landstrasse  im  16.  Jh.,  die 
trotz  der  Klagen  der  betroffenen  Nürnberger  Kaufleute  vergeblich  blieben.267-268)  — 

Territorial-  und  Lokalforschung.  Hiersei  zunächst  eines  allgemeinen 
WTerkes  gedacht,  das  seine  Aufgabe,  Schilderungen  aus  allen  deutschen  Gauen  zu  bieten, 
zwar  nicht  auf  dem  Wege  der  Forschung,  aber  in  äusserst  gefälliger  und  unter- 
haltender Weise  löst.  Trinius269)  führt  uns  im  dritten  Bande  seines  „Alldeutschland" 
in  den  Harz,  an  die  Seeküsten,  in  das  Riesengebirge,  die  sächsische  Schweiz  und  die 
Mark.  Wäre  nur  neben  der  Natur  der  Mensch  mehr  berücksichtigt  worden,  und 
fänden  sich  nur  häufiger  Betrachtungen  wie  die  über  die  aufkommende  Würdigung 
der  sächsischen  Schweiz  im  18.  Jh.210"272)  — 

Für  die  Provinz  Preussen  liegen  einige  Arbeiten  rein  lokalgeschichtlichen 
Charakters  vor273-275a).  — 

In  Posen  hat  das  Jubiläumsjahr  der  Vereinigung  mit  Preussen  mehrfach 
den  Anstoss  zur  Beleuchtung  des  deutschen  Einflusses  gegeben276).  Pietsch277) 
gewährt  in  der  Fortsetzung  seiner  Geschichte  von  Kempen  ein  Bild  der  Verfolgungen, 
denen  die  evangelische  Gemeinde  und  damit  das  Deutschtum  ausgesetzt  war.  — 
Kades278)  Gründungsgeschichte  von  Meseritz,  die  allerdings  vor  die  hier  zu  be- 
handelnde Periode  fällt,  interessiert  durch  die  berechtigten  Bemühungen  um  Ver- 
deutschung des  polnischen  Namens  einer  durchaus  deutschen  Stadt.  — 

In  Schlesien  ist  Markgrafs279)  Arbeit  über  den  Breslauer  Ring  eine 
wertvolle  Ergänzung  zu  Genglers  einschlägigen  allgemeinen  Ausführungen.  Die 
äusserst  gediegene  quellenmässige  Darstellung  geht  davon  aus,  dass  der  Ring  zu 
Handelszwecken  von  Anfang  an  in  gewaltigem  Umfang  als  Herz  der  Stadt  angelegt 
wurde,  und  behandelt,  durch  einen  Plan  unterstützt,  besonders  ausführlich  die  Buden 
und  das  Rathaus.280"281)  — 

Für  die  Mark  hat  Linden berg282)  seine  in  vielen  Skizzen  bewährte 
Kenntnis  der  Reichshauptstadt  zu  einem  grösseren  WTerke  verwendet.  Es  handelt  sich 
hier  um  das  allermodernste  Berlin,  dessen  Schilderung  die  Rückblicke  auf  die  Ver- 
gangenheit nur  stilvoll  machen  sollen  wie  die  Butzenscheiben  das  moderne  Zimmer. 
Der  Zweck  aber,  unterhaltend  über  alle  auch  weniger  hervortretenden  Seiten  der 
Weltstadt  zu  unterrichten,  ist  trefflich  erfüllt.  Die  sehr  zahlreichen  Illustrationen  fallen 
aus  dem  Rahmen  der  sonstigen  opulenten  Ausstattung  bedenklich  heraus.  2S3-285a)  — 
Als  ein  immer  wieder  zu  Erklärungsversuchen  reizendes  Rätsel  erweist  sich  der 
Name  Berlin,  neuerdings  von  Krupka286)  in  Königgrätz  als  slavisches  brlin  =  Gegend 

wesen  unter  Landgraf  Wilhelm  IX.,  nachherig.  Kurfürst  Wilhelm  L:  Hessenland  S.  44/7.  —  261a)  X  ö-  Steinhausen,  Z. 
Gesch.  d.  briefl.  Gelegenheitsverkehrs :  APT.  22,  S.  19-27.  —262)  X  F.  Wächter,  Errichtung  e.  regelmässigen  direkt.  Dampf- 
schiffahrt zwischen  Köln,  Düsseldorf  u.  London,  resp.  Hamburg  u.  Havre:  BGNiederrh.  8,  S.  149-210.  —  262a)  X  °-  Tes- 
dorpf,  Z.  Gesch.  d.  Berlin-Hamb.  Reihefahrt:  ZVHambG.  9,  S.  183-201.  —  263)  X  H-  Bosch,  Z.  Verkehrsleben  im  15.  Jh.: 
MGNM.  S.  22/4.  —  263  a)  X  D*  D-  letzte  Eckensteher:  Bär  20,  S.  387,  434.  —  264)  Austria-Philatelist.  111.  Mschr.  für  d.  Ge- 
samtinteressen d.  Postwertzeichenkunde.  Her.  v.  A.  Eckert.  1.  Jahrg.  Heft  1-6.  Prag,  Calve.  220  S.  Mit  Abbild,  u.  Taf. 
M.  4,00.  —  265)  X  k-  Berger,  D.  Postwertzeichen  d.  Herzogt.  Braunschweig  nebst  e.  kurzen  Abr.  d.  braunschweig.  Postgesch. 
L.,  Senf.  VU,  138  S.  M.  4,00.  —  266)  K.  Biedermann,  Miscellen:  ZKulttf.  2,  S.  80/1.  -  267)  X  M-  Kriele,  D.  Re- 
gulierung d.  Eibschiffahrt  1819-21.  (=  Abhandl.  d.  staatswissensch.  Seminars  zu  Strassburg.  Her.  v.  G.  F.  Knapp.  N.  13.) 
Strassburg  i.  E.,  Trübner.  XV,  187  S.  M.  5,00.  —  267a)  X  D-  Sprache  d.  Schiffe:  KVZg.  N.  532.  —  268)  L.v.  Hörmann, 
Wirtshausschilder  u.  -sprüche:  MüncbNN.  N.  198.  —  269)  A.  Trinius,  Alldeutschland  in  Wort  u.  Bild.  3.  (Schluss-)Bd. 
B.,  Dümmler.  8°.  VIII,  384  S.  M.  5,40.  |[BLU.  S.  361.]|  (Vgl.  JBL.  I  4  :  28.)  —  270)  X  id.,  Kreuz  u.  Quer.  Wander- 
fahrten.   Minden,  Bruns.    8°.    VU,  233  S.    M.  3,00.  —  271)  X  J-  c-  Heer,  Im  dtsch.  Reich.    Reisebilder.    Zürich,  A.  Müller. 

III,  296  S.  M.  4,00.  —  272)  X  W.  Harbutt-Dawson,  Germany  and  the  Gernians.  2  vols.  London,  Chapman.  Sh.  26. 
|[SaturdayR.  77,  S.  207/8.]  —  273)  X  Fr.  Tribukeit,  Chronik.  Schilderung  a.  d.  Leben  d.  preuss.-littauischen  Landbewohner 
d.  18.  u.  19.  Jh.,  her.  v.  A.  u.  P.  Hörn.     Insterburg  (Königsberg  i.  P.,  Gräfe  &  Unzer;.   111,  DJ,  47  S.  M.2,00.  |[FBPG.  7,  S.  321.]| 

—  274)  X  H-  Schuch,    Nachrichten  über  Lapin  u.  a.  Hospitalgüter  v.  Danzig.     Danzig,  Bertling.     4°.     VI,  104  S.     M.  6,00. 

—  275)  X  C.  Dorn,  Gesch.  Rückblicke  auf  Stadt  u.  Festung  Thorn:  Bär  20,  S.  465,8,  480,2,490,1.  —  275a)  X  G-  Köhler, 
Gesch.  d.  Festungen  Danzig  u.  Weichselmünde  bis  z.  J.  1814.  2  Bde.  Breslau,  Koebner.  1893.  X,  507  S.;  V,  533  S.  M.  40,00. 
HGGA.  S.  984-1001.]|  —  276)  X  Fr.  Hengstenberg,  Gesch.  d.  Deutschtums  i.  d.  Prov.  Posen  vor  d.  ersten  Anfall  an 
Preussen.  Progr.  Ra witsch.  V,  91  S.  Mit  1  PI.  —  277)  P.  Pietsch,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Stadt  Kempen  i.  Posen.  HI. 
Gesch.  d.  evangel.  Gemeinde.  Progr.  Kempen.  4°.  18  S.  —  278)  K.  Kade,  Gründung  u.  Namen  v.  Stadt  u.  Schloss 
Meseritz.  Mit  Plan  v.  1780.  Meseritz,  Hang.  1893.  85  S.  M.  1,00.  —  279)  H.  Markgraf,  D.  Breslauer  Ring  u.  seine 
Bedeut.    für    d.   Stadt.     Mit  Plan  vom  Anf.  d.  19.  Jh.     (=  Mitteil,  aus  d.  Stadtarch.  zu  Breslau.  N.  1.)     Breslau,  Morgenstern. 

IV,  92  S.  M.  1,50.  |[LCB1.  S.  1590/1.]|  —  280)  X  K-  Wolf,  Schlesien  vor  u.  unter  d.  preuss.  Herrschaft.  Für  Jung  u.  Alt. 
L.,  Spamer.  IV,  152  S.  M.  1,40.  —  281)  X  A-  Jonetz,  Brieg:  ZBK.  5,  S.  25-33,  105-10,  181/6.  —  282)  P.  Lindenberg, 
Berlin  i.  Wort  u.  Bild.  Mit  244  Illustr.  B.,  Dümmler.  VIII,  612  S.  M.  7,50.  pLU.  S.  639;  Bär  20,  S.  243.JI  —  283)  X 
id.,  Am  Kaiserhofe  zu  Berlin.  B.,  Siegismund.  IU,  151  S.  M.  2,00.  —  284)  X  Typen  u.  Bilder.  Mit  Abbild.  B.,  Fischer. 
VII,  HOS.  M.2,00.  —  285)X  W.Bonnell,  Ueber  d.  Entwickl.  Berlins  von  seiner  Gründung  bis  in  d.  Neuzeit:  MVGBerlin.  S.  31/8. 

—  285a)  X  H-  v-  Zobeltitz,  Wie  Berlin  wächst:  VelhKlasMh.  1,  S.  43-55.  —  286)  A.   Krupka,   D.  Name  Berlin:  Didask. 


(1)5 


* 


i  4:287-323  Gr.  Liebe,  Kulturgeschichte. 

am  Teichgatter  angesprochen.287"288)  —  Mit  dem  Bilde  der  Stadt  in  früheren  Perioden 
beschäftigt  sich  eine  Reihe  kürzerer  Skizzen  in  angemessener  Beschränkung  auf  die 
neuere  Zeit,  in  der  von  einem  Charakter  der  Stadt  erst  zu  reden  ist.  289-2!>3)  —  Einzel- 
heiten hauptsächlich  architektonischer  Art  haben  Beachtung  gefunden.294"296)  —  Das 
von  Melcher297)  als  Geschichte  der  nordwestlichen  Neumark  bezeichnete  Werk  be- 
handelt nur  das  Amt  Zehden  und  dessen  Dörfer,  die  Darstellung  der  älteren  Zeit  be- 
steht in  einem  Aneinanderreihen  von  Urkunden  und  Regesten.  Eine  Beschränkung 
auf  die  Neuzeit,  da  der  Streit  zwischen  Stadt  und  Amt  Zehden  über  die  Dienste  und 
die  städtische  Statistik  manches  Lehrreiche  bietet,  wäre  von  Nutzen  gewesen.  —  Ein 
erschöpfendes  Bild  städtischen  Wesens  für  eine  bestimmte  Periode  giebt  Schwartz'298) 
für  Königsberg  i.  N.299)  —  Eine  belletristische  Skizze  von  Schwartzkoppens300) 
über  Ereienwalde  enthält  Notizen  über  die  Entwicklung  des  Bades  seit  der  Zeit  des 
Grossen  Kurfürsten. 300a)  — 

Unter  den  Hansestädten  konnte  Hamburg  das  50jährige  Stiftungsfest  seines 
verdienstvollen  Geschichtsvereins  begehen;  es  wurde  von  Schrader301)  und 
Wohlwill301a)  verherrlicht.  —  Die  in  ihrer  Anspruchslosigkeit  ganz  ausgezeichneten 
humoristischen  Schilderungen  Kopals302)  vom  alten  soliden  Geschäftsleben  haben 
die  2.  Auflage  zu  verzeichnen.  303~3ü4a)  — 

Für  Schleswig-Holstein  macht  ein  Artikel  Rose ler s305)  auf  die  Kunst- 
schätze von  Schloss  Emkendorf  aufmerksam.306"307  )  — 

Aus  Hannover  sind  einige  Einzelstudien  anzuführen308"311).  — 

Die  Provinz  Sachsen  erfreut  sich  bei  ihrer  bunten  territorialen  Zusammen- 
setzung eines  vielseitig  regen  geschichtlichen  Interesses.  Unter  den  zusammen- 
fassenden Lokalgeschichten312"313)  giebt  die  Fortsetzung  von  Borkowskys314) 
Werke  über  Naumburg  in  belebter  Sprache  ein  Bild  des  bürgerlichen  Lebens  einer 
regsamen  Gemeinde  in  ihrer  Glanzzeit,  dem  16.  Jh.  —  Ein  zum  ersten  Mal  1873 
gehaltener  Vortrag  Stier  s315)  knüpft  an  einen  Gang  durch  Wittenbergs  Erinnerungs- 
stätten eine  populäre  Darstellung  der  geschichtlichen  Ereignisse.  —  Eckarts316) 
Blätter  aus  der  Geschichte  Nordhausens,  bestimmt,  die  Freude  an  der  Heimat  zu 
pflegen,  bieten  zerstreut  auch  Einzelheiten  von  weiterem  Interesse,  wie  die  Anlage 
der  Wasserkünste  1546  und  1598.  —  Unter  den  Darstellungen  einzelner  Perioden 
sind  mehrere  aus  der  Zeit  des  grossen  Krieges  zu  nennen,  so  die  von  Hertel317) 
veröffentlichten  Aufzeichnungen  des  Pfarrers  von  Bottmarsdorf,  mit  ergreifender 
Schilderung  des  Wiederaufbaus.318"319)  —  In  einer  Vergleichung  der  verschiedenen 
Erklärungen  des  Namens  Erfurt  entscheidet  Reischel320)  sich  für  die  einfachste: 
Furt  des  Erpo.  —  Zur  Erklärung  des  Wahrzeichens  von  Wernigerode  führt  Jacobs321) 
eine  Kriegsanekdote  von  1674  an.322-323)  — 


N.  157.  (Aus  APT.  22,  S.  678.)  —  287)  X  P-  Clanswitz,  Aeltere  u.  neuere  Erklärungen  d.  Namens  Berlin:  MVGBerlin. 
S.  41/2.  —  288)  X  H.  N.,  Ueber  d.  Entstehung  d.  Namens  Berlin:  DAdelsbl.  S.  772.  —  289)  X  G.  Karpeles,  Vor  vierzig  J.: 
Bär  20,  S.  299-300.  —  290)  X  K-  Stichler,  Vor  fünfzig  J.  Gesch.  Erinner,  e.  Alt-Berliners:  BerlTBl.  N.  3,  6,  11.  — 
290a)  X  E-  Schild,  Berlin  im  J.  1813:  Bär  20,  S.  22/4.  —  291)  X  K-  Holzhausen,  Berlin  vor  hundert  J.  (Nach  franz. 
Memoiren):  Zeitgeist  N.  11.  —  292)  X  K.  Biltz,  Berlin  im  Urteil  unserer  Poeten.  Vortr.  Ref.:  ASNS.  93,  S.  152.  —  293)  X 
P.  Clauswitz,  Krit.  Uebersicht  über  d.  Litt.  z.  Gesch.  Berlins.  (=  SVGBerlin.  Heft  31  [B.,  Mittler.  180  S.  M.  3,00],  N.3.) 
—  294)  X  H.  Brendicke,  E.  berühmte  Berl.  Ecke:  Bär  20,  S.  564/6.  —  295)  X  E-  Georg,  Blick  auf  d.  grossen  Jüdenhof: 
ib.  8.  303.  —  295a)  X  E-  Meyer,  Kulturgeschichtliches  v.  d.  Langen  Brücke  in  Berlin:  VossZg.  N.  470.  —  296)  X  v- 
Laverrenz,  D.  Denkmäler  Berlins  u.  d.  Volkswitz.  Mit  Illustr.  2.  Aufl.  B.,  Laverrenz.  117  S.  M.  1.00.  —  297)  E.  Melcher, 
Gesch.  d.  nordwestl.  Neumark.  Aus  amtl.  Quellen  bearb.  Prankfurt  a.  0.  (Königsberg  i.  N.,  J.  G.  Striese).  VI,  258  S.  M.  4,00.  —  298)  P. 
Schwartz,  E.  Menschenalter  im  Frieden:  SVGNeumark.  2,  S.  62-126.  —  299)  X  G.  Winkel,  D.  Wappen  u.  Siegel  d.  Städte, 
Flecken  u.  Dörfer  d.  Altmark  u.  Priegnitz.  Magdeburg,  Baensch.  X,  80  S.  M.  2,50.  —  300)  v.  Seh  wart  zkoppen,  Aus  mark.  Ver- 
gangenh.  u.  Gegenw. :  NatZgi*.  N.  374.  —  300  a)  X  H.  G 1  ö  d  e ,  Heimatl.  Bilder  aus  alter  Zeit.  Beitrr.  z.  Heimatkunde  u.  Kulturgesch. 
d.  Odergegend  an  der  märk.-pommerschen  Grenze.  B.,  Mittler.  1893.  XII,  150  S.  M.  3,00.  |[Bär  20,  S.  12.J|  —  301)  Th.  Schrader,  D. 
50 j.  Stiftungsfest  d.  Ver.  für  Hamb.  Gesch.:  ZVHambG.  9,  S.  1-34.  —  301a)  A.  Wohlwill,  Festrede  z.  Feier  A.  30 j.  Jubil.: 
ib.  S.  51-76.  —  302)  G.  Kopal,  Aus  d.  Hamb.  d.  60er  J.  Federzeichn.  aus  d.  Hamb.  Kaufmannsleben.  111.  v.  C.  Schildt. 
Hamburg,  Verl.  d.  „N.  Börsen-Halle".  1893  140  S.  M.  1,50.  —  303)  X  w-  Stieda,  Hamb.  Gewerbetreibende  im  Ausland: 
ZVHambG.  9,  S.  421-43  —  304)  X  B-  Singer,  Hamburg:  WIDM.  76,  S.  167-94.  —  304a)  X  *>•  St.  Jacobikirche  in  Ham- 
burg: Zinnendekoration.  S.  81.  —  305)  W.  Röseler,  Schloss  Emkendorf:  NatZgB.  N.  27.  —  306)  X  D-*  E-  nolst-  Dichter- 
städtchen: Bär  20,  S.  398/9.  (Eutin.)  —  307)  X  H.  Heiberg,  Kiel:  VomFelsz.Meer.  2,  S.  444-50.  —  307a)  X  0.  Mahrt, 
Ost-Holstein:  Quellwasser  18,  S.  682/4.  —  308)  X  J-  Breckwoldt,  Hist.  Nachrichten  über  d.  Elbinsel  Altenwerder.  Mit 
8  Kart.  Harburg,  Dankwerts.  60  S.  M.  1,50.  —  309)  X  F-  Muhlert,  Chronolog.  Abriss  d.  Gesch.  Göttingens.  Göttingen, 
Peppmüller.  32  S.  M.  0,60.  —  309a)  X  E-  Siercke,  Braunschweig:  Gartenlaube  S.  124,7.—  310)  X  A.  Tr in i'us,  Goslar: 
WIDM.  76,  S.  349-60,  415-27.  -  310a)  X  A.  Ellissen,  Einbeck  im  16.  Jh.:  ZHarzV.  27,  S.  540-66.  —  311)  X  Th.  Eckart, 
Burg  Scharzfels  i.  Gesch.  u.  Sage.  2.  Aufl.  (=  Gesch.  südhann.  Burgen  u.  Klöster  N.  2.)  L,  Franke.  26  S.  M.  0,50.  — 
312)  X  D-  Brauns,  Halle  a.  S.:  VomFelsz.Meer.  2,  S.  406-12.  —  313)  X  E-  Strassburger,  Heimatskunde  v.  Aschersleben. 
Progr.  Aschersleben.  4°.  16  S.  —  314)  E.  Borkowsky,  Aus  d.  Vergangenh.  d.  Stadt  Naumburg.  Forts.  (D.  Stadt  im 
16.  Jh.)  Progr.  Naumburg.  39  S.  (D.  1.  T.  ist  1893  erschienen.)  —  315)  G.  Stier,  Denkwürdigkeiten  Wittenbergs  i.  gesch. 
Anordnung.  Vortr.  Dessau,  Kahle.  32  S.  M.  0,40.  —  316)  Th.  Eckart,  Gedenkbll.  aus  d.  Gesch.  d.  ehemal.  freien  Reichs- 
stadt Nordhausen.  L.,  Franke.  1V,54S.  M.  1,00.  —  317)  G.  Hertel,  Nachrichten  über  Bottmarsdorf  während  d.  30 j.  Krieges: 
GBllMagdeburg.  29,  S.  248-61.  —  318)  X  A.  Düning,  Stift  u.  Stadt  Quedlinburg  im  30j.  Kriege.  Quedlinburg,  Selbstverl. 
65  S.  —  318a)  X  L.  Hänselmann,  2  Briefe  aus  Kriegsnöten:  ZHarzV.  27,  S.  282,4.  (Quedlinburg  1642.)  —  319)  X  G. 
Poppe,  Kriegserlebnisse  e.  Heygendorfer  Einwohners  1806—13:  MansfelderBll.  8,  S.  149-54.  —  320)  G.  Reischel,  D.  Name 
Erfurt:  MagdZg».  N.  27.  —  321)  E.  Jacobs,  D.  Wahrzeichen  v.  Wernigerode:  ZHarzV.  27,  S.  301/3.  —  322)  X  E-  Schild, 
Z.  350 j.  Jubil.  d.  Garnisonkirche  in  Torgau:  DEB11.  19,  S.  461-80.  —  322a)  X  J-  E-  Pietsch,  Z.  Gesch.  d.  Schlosses  Liohten- 
burg    1542-1850:    PAVTorgan.  7,    S.  61,4.      (Urkk.    aus    d.    Turmknopf.)     -   323)    X    H.   Gutbier,    D.  Hainich.     E.  Beitr.  z. 


G.  Liebe,  Kulturgeschichte.  I  4  :  324-348 

Aus  dem  Königreich  Sachsen  liegen  mehrere  Darstellungen  volkstüm- 
lichen Lebens  vor324"327).  — 

Was  Thüringen  betrifft,  so  ist  G  e  b  h  a  r  d  t  s  328)  Arbeit  über  Molschleben 
in  ihrer  Beschränkung  auf  das  Zuständliche  eine  sehr  erfreuliche  Leistung.  Haupt- 
sächlich auf  Kirchenbüchern  beruhend,  bietet  sie  eine  Reihe  wirtschafts-  und  sitten- 
geschichtlicher Mitteilungen,  worunter  die  Notizen  über  die  Folgen  des  30jährigen 
Krieges  hervorzuheben  sind.329-330)    — 

Hessen  hat  in  dem  Werk  des  verewigten  Mün  scher331)  eine  ausge- 
zeichnet gründliche  Wiedergabe  seiner  Geschichte  erhalten;  die  Gruppierung  des  Stoffes 
ist  vortrefflich,  die  Darstellung  freilich  recht  nüchtern.  Zu  bedauern  ist  nur,  dass 
sie  nach  der  alten  Schule  fast  einzig  die  politische  Geschichte  berücksichtigt,  die 
Kultur  indessen,  z.  B.  die  hier  so  lehrreiche  Verwaltungs-Organisation  vernach- 
lässigt. 332-332a)_  Einige  Veröffentlichungen  über  Frankfurt  a.  M.  seien  hier  an- 
geschlossen333"333*). —  ^^ 

Für  Westfalen  hat  ein  Führer334)  durch  Soest  neben  der  politischen  nur 
die  Baugeschichte  im  Auge.335)  — 

In  der  Rhein  provinz  entfaltet  sich  vorzugsweise  in  den  niederrheinischen 
Gegenden  rege  historiographische  Thätigkeit.  Der  Schlussband  von  Jacobs336) 
Werk  über  das  ehemalige  Stift  Werden  behandelt  die  Geschichte  der  Pfarreien  nach 
der  Säkularisation.  —  Kuhls337)  Geschichte  der  Stadt  Jülich  ist  mit  dem  dritten,  von 
1742—1815  reichenden  Teile  zu  Ende  geführt. —  Duisburg  hat  durch  Averdunk338) 
zum  ersten  Male  eine  allseitige  historische  Würdigung  gefunden,  welche  die  wirtschafts- 
und  kulturgeschichtlichen  Momente  stark  berücksichtigt.—  H  a  u  p  tmann339)  bietet 
eine  Geschichte  der  1887  abgebrannten  Wallfahrtskirche  und  des  damit  verbundenen 
Marktes  zu  Pützgen  bei  Bonn.340'342)   — 

Ein  erfreuliches  Zeichen  der  im  allgemeinen  —  z.  B.  touristisch  —  viel  zu 
wenig  gepflegten  Beachtung  der  Reichslande  ist  das  Steigen  der  sie  behandelnden 
litterarischen  Produktion.  T  r  i  n  i  u  s343)  nimmt  in  seiner  fesselnden  Vogesen  Wanderung 
mehr  als  es  sonst  seine  Art  ist,  Rücksicht  auf  die  Lebensweise  der  Bewohner;  von 
Wert  sind  die  Nachrichten  der  Einleitung  über  das  deutschnationale  Element.  — 
Alb  er  s344)  giebt  in  einer  historischen  Untersuchung  über  die  kaiserliche  Besitzung 
Urville  nach  einer,  durch  eine  Karte  unterstützten,  lehrreichen  Einleitung  über  die 
wechselnde  Verschiebung  der  Sprachgrenze  eine  Darstellung  der  früheren  Besitzver- 
hältnisse, die  bisher  wenig  bekannt  waren,  obgleich  das  Gebiet,  der  alte  Niedgau, 
das  Feld  erbitterter  Grenzkämpfe  bildete.  —  Auch  das  als  Garnison  jetzt  vielgenannte 
Mörchingen345)  erfährt  eine  Darlegung  seiner  deutschen  Vergangenheit  unter  den 
Wild-  und  Rheingrafen. 346_346a)  —  Foersters347)  mit  hohem  Geschmack  ausgestat- 
tetes Werk  will  ein  Bild  vom  baulichen  Charakter  des  alten  wie  des  neuen  Strassburg 
geben;  besondere  Beachtung  finden  die  wertvollen  alten  Hausbauten. 347a)  —  Die  Schrift 
Herrenschneiders348)  über  Horburg  knüpft  an  die  Fundamente  eines  Römerkastells 
eine  lange  und  breite  Betrachtung  der  römischen  Geschichte ;  das  auf  diesem  Kastell 
errichtete  Schloss  der  Mömpelgarder  Nebenlinie  giebt  Anlass  zu  einer  ausführlichen 

Heimatsk.  Langensalza,  Wendt.  12°.  48  S.  M.  0,50.  —  324)  X  0.  Hinke,  D.  dtsch.  Oberlausitzer  nach  seiner  Sprache 
u.  Kleidung,  Sitten  u.  Festen:  Gebirgsfrennd  6,  S.  25/7,  55/6,  62/4,  77/9.  —  325)  X  A.  Lippold,  Vor  100  J.  Leipz.  Mess- 
bilder mit  Orig.-Zeichn.:  ZLeipzMessverband.  S.  93/6.   -    326)  X  w-  Kirchbach,  Dresdener  Leben:  ML.  63,  S.  33-41,  353-60. 

—  327)  X  Bunte  Bilder  aus  d.  Sachsenlande.  Für  Jugend  u.  Volk.  Her.  v.  sächs.  Pestalozzi- Ver.  II.  L.,  Klinkhardt.  VIII, 
504  S.  M.  3,00.  —  328)  H  Gebhardt,  Aus  d.  Gesch.  d.  Borfes  Molschleben.  Gotha,  Schlössmann.  IV,  106  S.  M.  1,60.  — 
329)  X  G-  Jacob,  D.  Ortsnamen  d.  Herzogtums  Meiningen.  Hildburghausen,  Kesselring.  III,  150  S.  M.  4,00.  |[ÖLB1.  3, 
S.  626/8.] |  (S.  u.  I  5:417.)  —  330)  X  K.  Wiemer,  Schloss  Molsdorf  in  Thüringen  in  Vergangenh.  u.  Gegenw.  Gotha, 
Glaeser.  II,  18  S.  M.  0,50.  —  331)  F.  MOnscher.  Gesch.  v.  Hessen.  Marburg,  El  wert.  XI,  550  S.  Mit  1  Bild.  M.  6,00. 
|[COIRW.  22,  S.  639-44.]]  —  332)  X  Hess.  Städte  u.  hess.  Land  Tor  100  J.:  Hessenland  S.  4/8,  21/2,  30/2,42/4,60/2,70/2,104/6. 

—  332  a)  X  E-  Schild,  D.  Schlosskirche  zu  Hartenfels :  Pfarrkirche  10,  S.  155/7.  (Erste  evang.  Kirche.)  —333)  O  C.Reif  fen- 
stein,  Frankfurt  a.  M.,  d.  freie  Stadt,  in  Bauwerken  u.  Strassenbildem.  1.  Heft.  (Mit  2  färb.  u.  10  Lichtdr.-Taf.)  Frank- 
furt a.  M.,  Jügel.  12  S.  M.  16,00.  —  333a)  X  R-  Jung,  11  Jhh.  Frankfurter  Geschichte:  FZg.  N.  24.  -  334)  Soest  in 
Vergangenh.  u.  Gegenw.  4.  Aufl.  Mit  1  Abbild,  u.  Stadtpl.  Soest,  Nasse.  16°.  36  S.  M.  0,75.  -  335)  X  K.  Frhr.  v.  d.  Horst, 
D.  Rittersitze  d.  Grafschaft  Kavensberg  u.  d.  Fürstentum  Minden.     B.,  Stargardt.     XIV,  212  S     M.  6,00.   |[DAdelsbl.  S.489-90.]| 

—  336)  P.  Jacobs,  Gesch.  d.  Pfarreien  im  Gebiet  d.  ehemal.  Stifts  Werden.  II.  Düsseldorf,  Schwann.  S.  233-544.  M.  4,00. 
|[LHandw.  33,  S.  179-81.]|  (Vgl.  JBL.  1893  I  4:414.)  —  337)  J.  Kühl,  Gesch.  d.  Stadt  Jülich  insbes.  d.  früh.  Gymnasiums.  III. 
1742-1815.  Jülich,  Fischer.  VIII,  341  S.  M.  5,00.  |[WZ.  13,  S.  213,4.]]  (Vgl.  JBL.  1893  14:412;  6:182.)  —  338)  H. 
Averdunk,  Gesch.  d.  Stadt  Duisburg  bis  z.  endgült.  Vereinigung  mit  d.  Hause  Hohenzollern.  1666.  Mit  e.  alten  Stadtpl. 
I.  Abt.  Duisburg,  Ewich.  343  S.  M.  5,00.  |fWZ.  13,  S.  130.]|  —  339)  F.  Hauptmann,  St.  Adelheidis-Pützohen.  2.  Aufl. 
(=  Bilder  aus  d.  Gesch.  y.  Bonn.  N.  2.)  Bonn,  Hauptmann.  45  S.  M.  0,50.  —  340)  X  J-  Gross,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Aachener 
Reichs.  Aachen,  Cremer.  IV,  237  S.  M.  3,00.  —  341)  X  H.  t.  Ach enbach,  Gesch.  d.  Stadt  Siegen.  2  Bde.  Siegen,  Vorländer. 
2  Bll.,  463  S.  ;  2  Bll.,  585  S.  (Nicht  im  Handel.)  J[MhComeniusG.  35,  S.  336/7.]|  —  342)  X  H.  Kniebe,  Bilder  aus  Saarbrückens 
Vergangenh. I.  Saarbrücken,  Schmidtke.  V,  283  S.  M.  2,60.  (Novellist.  Schilderungen  vom  15.-17.  Jh.)  —  343)  A.  Trinius,  D. 
Vogesen  in  Wort  und  Bild.  Mit  23  Lichtdr.-Vollbild.  Karlsruhe,  Nemnich.  IX,  449  S.  M.  10,00.  —  344)  J.  A 1  b  e  r  s ,  D.  Kaiserl. 
Besitzung  Urville  i.  L.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  alten  Niedgans.  Mit  kolor.  Karte.  Progr.  Metz.  4°.  64  S.  —  345)  Mörchingen: 
MagdZg15.  N.  26/7.  —  346)  O  v.  Westphal,  Metz  vom  Beginn  d.  ersten  franz.  Kaiserreichs  bis  zu  seiner  Wiedervereinig,  mit 
d.  dtsch.  Reich.  1804-1871.  L.,  Lang.  XX,  364  S.  M.  3,00.  (Titel-Ausg.;  z.  1.  Male  erschienen  1878.)  —  346a)  X  Ch.  Pfister, 
L'Alsace  sous  la  domination  francaise.  Nancy,  Berger-Levranlt.  27  S.  |[ZG0Rh.  9,  S.  345/6.]|  —  347)  E.  Fo  er  st  er,  Strassburg 
d.  Hauptstadt  d.  Reichslandes  Elsass-Lothringen.  Mit  2  Chromotaf.,  6  Tonfarbenbild.  u.  30  Abbild.  Strassburg  i.  E.,  Bull.  95  S, 
M.  4,00.  —  347a)  X  A.  S.,  Strassburg  u.  seine  Bauten:  ZGORh.  9,  S.  735/6.  —  348)  E.  A.  Herrenschneider,  RömerkasteU 


I  4:349-372  G.  Liebe,  Kulturgeschichte. 

Belehrung-  über  die  ältere  Württembergische  Geschichte.  Soviel  zur  Charakteristik 
einer  Art  von  Lokalgeschichte,  über  der  nicht  Klio,  sondern  die  Danaiden  gewaltet 
haben.  349-350a)  _ 

Aus  Baden  wird  für  Heidelberg351)  eine  wertvolle  Veröffentlichung1  geliefert 
in  dem  Einwohnerverzeichnis  des  vierten  Stadtquartiers  aus  dem  J.  1600,  das  in  einer 
Art  Civilstandsregister  Nachrichten  über  Schulbesuch  und  Dienstbotenlöhne,  in  den 
Anmerkungen  lehrreiche  Erörterungen  der  Erwerbsverhältnisse  bietet. 352-352a)  — 

Die  amtliche  Beschreibung  des  Königsreichs  Württemb  erg 353)  ist  zum 
Abschluss  gelangt. 353a_354a)  — 

Ueber  Bayern  ist  ein  zusammenfassendes  Werk  in  Angriff  genommen.355-359) 
—  Ein  überaus  anziehender  Stoff  hat  eine  fesselnde  Darstellung  durch  Luise  von 
Kobell360)  gefunden,  die,  durch  persönliche  Beziehungen  begünstigt,  eine  Fülle  von 
Zügen  zu  geben  vermag,  die  den  von  den  ersten  Königen  auf  das  geistige  Leben 
geübten  Einfluss  wiederspiegeln.361)  —  Unter  den  zahlreichen  Arbeiten  über  einzelne 
Ortschaften  gebührt  der  Landeshauptstadt  der  erste  Platz.  Eine  aktenmässige  Ge- 
schichte des  städtischen  Museums  von  Destouches362)  behandelt  zunächst  das  im 
15.  Jh.  als  städtisches  Zeughaus  errichtete  Gebäude,  sodann  die  Sammlungen,  deren 
Grundlage,  wie  in  Hamburg,  die  von  früher  her  aufbewahrten  alten  Waffen  bildeten, 
während  sie  jetzt,  vereint  mit  der  einzig  dastehenden  Maillinger-Sammlung,  die 
graphische  Darstellungen  umfasst,  ein  Bild  der  verschiedensten  Seiten  alten  Bürger- 
lebens gewähren.  —  Graf  Rambaldi363)  giebt  zu  den  zahlreichen  neuen  Strassen- 
namen  der  letzten  Jahrzehnte  Erklärungen  historischen  und  biographischen  Cha- 
rakters.364) —  Die  Memminger  Chronik  von  Clausz,  1826—92,  hat,  von  einem  Privat- 
mann angelegt  und  ursprünglich  nur  für  die  Familie  bestimmt,  mit  den  mittelalter- 
lichen Chroniken  die  Buntheit  des  Inhalts  und  den  Reiz  des  subjektiven  Interesses 
gemein.  Vom  Herausgeber  Döderlein365)  nach  Kategorien  geordnet  und  durch 
Anmerkungen  erläutert,  bietet  sie  vieles  Originelle,  beispielsweise  über  die  Gesellig- 
keit.366) —  Lommers367)  Geschichte  von  Waldmünchen  enthält  Einzelnes  über  das 
patriarchalische  Stadtregiment  und  das  bürgerliche  Leben  im  17.  und  18.  Jh.,  be- 
sonders über  das  von  den  Bürgern  geübte  Jagdrecht.  —  Bayersdorf,  das  den  Mittel- 
punkt der  Hohenzollernherrschaft  in  Franken  bildete,  bis  die  Ansiedlung  französischer 
Kolonisten  Erlangen  emporhob,  hat  durch  Hutz  elmann368)  eine  vorwiegend  regesten- 
mässige  Darstellung  gefunden. 369370a)  —  Aus  der  Pfalz  liegt  über  Landau  ein  mit 
trefflichen  Abbildungen  nach  Originalen  der  Zeit  ausgestattetes  Werk  von  Heuser371) 
vor,  worin  neben  den  von  sachkundiger  Feder  gegebenen  Beschreibungen  typischer 
Belagerungen  vom  Anfang  des  18.  Jh.  die  vom  Kommandanten  Melac  aus  seinem 
Tafelsilber  geschnittenen  Notmünzen  vieles  Interesse  erwecken  werden.  —  Ueber 
Frankenthal  (JBL.  1893  I  4:460),  das  bereits  im  Vorjahre  eine  kurze  historische 
Behandlung  erfahren,  sind  Aktenstücke  des  16.  und  17.  Jh.  durch  Hildebrand372) 
zur    Veröffentlichung    gelangt,     unter    denen    eine    Kapitulation    mit    vertriebenen 


u.  Grafenschloss  Horburg  mit  Streiflichtern  auf  d.  röm.  n.  elsäss.  Gesch.  Colmar,  Barth.  IV,  240  S.  M.  3,00.  —  349)  X  M- 
Lortz,  Gesch.  d.  evang.-reform.  Gemeinde  Oberseebach-Schleithal.  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  XVI,  88  S.  M.  1,50.  |[ZGOBh.  9, 
S.  349.]|  —  350)  X  L.Kiefer,  Gesch.  d.  Gemeinde  Balbronn.  Strassburg  i.  E.,  Noiriel.  IX,  360  S.  M.  5,00.  |[ECr.  38, 
S.  454.] |  —  350a)  X  A.  8.,  Allerlei  aus  dem  alten  Colmar:  ZGOBh.  9,  S.  344.  —  351)  Neues  Arch.  für  d.  Gesch.  d.  Stadt 
Heidelberg  u.  d.  rhein.  Pfalz,  her.  v.  K.  Christ.  2.  Bd.,  3.  Heft.  Heidelberg,  Koester.  S.  129-92.  M.  0,60.  —  352)  X 
G.  Meidinger,  Un  mot  sur  l'Allemagne.  Manheim  et  ses  habitants.  Le  Havre,  Colin.  35  S.  —  352a)  O  F.  Frossard, 
Rippoldsau  il  y  a  quarante  ans:  BTJKS.  62,  S.  113-22.  —  353)  X  Württemberg,  d.  Königr.  E.  Beschreib,  v.  Land,  Volk  u. 
Staat.  Her.  v.  Kgl.  statist.  Bureau.  3.  Bd.  St.,  Kohlhammer.  XVI,  935  S.  Mit  Abbild.  M.  4,00.  —  353a)  X  J-  Hart- 
mann,  Vor  100  J.:  BBSW.  S.  305-11.  —  354)  X  ?■  Weizsäcker,  Hohenstaufen :  ib.  S.  134-50.  (Gesch.  u.  litt.  Würdig.)  — 
354a)  X  F.  Majer,  D.  Grund,  u.  d.  ersten  Bewohner  Freudenstadts:  ib.  S.  243,6.  (Für  d.  J.  1600.)  -  355)  M.  Schwann, 
111.  Gesch.  v.  Bayern.  2.  Aufl.  1.  Lfg.  St.,  Südd.  Verl.-Inst.  S.  1-32.  M.  0,40.  (Vgl.  JBL.  1892  I  4  :  700.)  —  356)  X  F. 
Baumann,  Gesch.  d.  Allgäu.  32.  Heft.  Kempten,  Kösel.  S.  577-640.  M.  1,20.  (Vgl.  JBL.  1893  I  4:440.)  —  356a)  X  A. 
v.  Steichele,  D.  Bistum  Augsburg.  40.  Heft.  Augsburg,  B.  Schmid.  S.  673-768.  ä  M.  1,30.  —  357)  O  Schriften  d.  Ver. 
für  d.  Gesch.  d.  Bodensees  u.  seiner  Umgeh.  22.  Heft.  Lindau,  Stettner.  IV,  162,  77  S.  M.  7,00.  (Vgl.  JBL.  1893  14:439.)  — 
358)  X  A-  Steinberger,  Aus  Bayerns  Vergangenh.  I  Bd.  Aus  d.  älteren  u  d.  Beginn  d.  mittleren  Gesch.  II.  Bd.  Aus  d. 
Ende  d.  mittleren  u.  d.  neueren  Gesch.  Regensburg,  Nat.  Verl.-Anst.  268,  171  S.  M.  2,40.  —  359)  X  Chr.  Gruber,  D. 
landeskundl.  Erforsch.  Altbayerns  im  16.,  17.,  18.  Jh.  (=  Forschung,  z.  dtsch.  Landes-  u.  Yolksk..  her.  v.  A.  Kirchhoff. 
N.  4.)  St.,  Engelhorn.  77  S.  Mit  Karte.  M.  3,00.  —  360)  Luise  v.  Kobell,  Unter  d.  vier  ersten  Königen  Bayerns.  Nach 
Briefen  u.  eig.  Erinnerungen.  2  Bde.  München,  Beck.  VII,  199  S.;  V.  258  S.  M.  0,10.  |[NatZg.  N.  148,  151. ]|    (Vgl.IVlb:  410.) 

—  361)  X  J.  Beck,  Charakterköpfe  ans  Bayern:  SchorersFamilienbl.  N.  3.  —  362)  E.  v.  Destouches,  Gesch.  d.  hist. 
Museums  u.  d.  Maillinger-Samml.  d.  Stadt  München.  Mit  13  Abbild.  München,  Lindaoer.  123  S.  M.  2,00.  —  363)  C.  Graf 
v.  Rambaldi,  D.  Münchener  Strassennamen  u.  ihre  Erklärung.     München,  Piloty.    346  S.     M.  3,00.     (Vgl.  SammlerA.  N.  148.) 

—  364)  X  °-  Frhr.  v.  Völderndorff,  Harmlose  Plaudereien  e.  alten  Müncheners   (JBL.  1893  IV  lc:40):    KonsMschr.  S.  895/6. 

—  365)  F.  Clauss,  Memminger  Chronik  1826—92,  her.  v.  F.  Döderlein.  Mit  Abbild.  Memmingen,  Hartnig.  VII.  354  S. 
M.  6,00.  —  366)  X  Franconian  city  Rothenburg  o.  d.  Tauber.  London,  Nutt.  Sh.  6.  -  367)  F.  X.  Lommer,  Gesch.  d. 
oberpf&lz.  Grenzstadt  Waldmünchen.  II.  T.:  Innere  Gesch.  Amberg,  Pustet.  83  S.  M.  1,20.  —  368)  Chrn.  Hutzelmann, 
Gesch.  d.  Stadt  Bayersdorf  u.  d.  Schlosses  Scharfeneck.  Erlangen,  Merkel.  71  S.  M.  1,00.  —  369)  O  L.  Rösel,  Alt-Nürn- 
berg. Gesch.  e.  dtsch.  Stadt  im  Zusammenh.  d.  dtsch.  Reichs-  u.  Volksgesch.  Mit  Titelbild  u.  hist.  Plan.  1.  Hälfte.  Nürn- 
berg, Korn.  320  S.  M.  3,50.  —  370)  O  Alt-Nürnberg.  Kulturgesch.  Bilder  aus  Nürnbergs  Vergangenh.  1.  Lfg.  Rathaus, 
Regiment  u.  Rat  (14  Taf.).  Nürnberg,  Heerdegen.  8  S.  M.  4,00.  —  370  a)  D.  Germ.  Mns.  in  Nürnberg  (Geschäftliches,  Or- 
ganisation, Verwalt.):  BerlTBl.  N.  152.  —  371)  E.  Heuser,  D.  Belagerungen  v.  Landau  1702  u.  1703.  Mit  6  Lichtdmcktaf., 
1  Lithogr.  u.  vielen  Abbild.    Landau  (Kaussler).    XL,-  208  S.    M.  4,00.  —  372)  Fr.  Hildebrand,  Quellen  z.  Gesch.  d.  Stadt 


G.  Liebe,  Kulturgeschichte.  I  4  i  373-415 

niederländern  behufs  Ansiedlung  (1562)  als  für  die  Gewerbegeschichte  wichtig-  ge- 
Nannt  sei.373)  — 

Aus  Oest  er  reich  sind  neben  einer  volkstümlichen  Gesamtdarstellung-374) 
einige  Arbeiten  über  die  Hauptstadt  zu  nennen.  Schi  ö  gl375)  bietet  unter  der  er- 
müdenden Wiederkehr  von  Schilderungen  aus  dem  Genussleben  des  modernen  Wien 
wenigstens  Erinnerungen  aus  der  Vergangenheit  des  Grabens. 3™-378)  —  Mose 379) 
skizziert  die  Verwaltung  des  Marktes  Neunkirchen  nach  Protokollen  des  Markt- 
rats.380_380a)  —  Mit  Tirol381-385)  beschäftigt  sich  eine  Anzahl  Einzelstudien.  — 
J.  von  Zahns  schöne  Sammlung  zur  steierischen  Kulturgeschichte  (JBL.  1893  I  4:481) 
hat  verdiente  Würdigung  gefunden386).  —  In  Böhmen  hat  der  Egerländer  Volks- 
charakter im  Spiegel  der  Dialektdichtung  einen  warmen  Anwalt  an  John387)  er- 
halten388). —  Peters389)  Schilderungen  von  Burgen  des  Herzogtums  Schlesien  er- 
weisen sich  durch  starke  Berücksichtigung  der  Sage  als  wesentlich  populären  Zwecken 
dienend.300"391")  —  Für  Siebenbürgens  Geschichte  von  hohem  Wert  ist,  dass  der  von 
dem  verewigten  Teutsch392)  unternommene  Abriss  noch  die  Zeit  der  Wahlfürsten 
(1526—1699)  behandelt.393394)  — 

Für  die  Schweiz  hat  Hotz395)  geschickt  das  anziehende  Thema  behandelt, 
die  wirtschaftliche  und  politische  Bedeutung  Basels  aus  der  durch  hydrographische 
Verhältnisse  bedingten  günstigen  Verkehrslage  der  Stadt  abzuleiten.396"397)  — 

Von  Seraphim s398)  populärer  Geschichte  der  Ostseeprovinzen  liegt  der 
erste  Band  vor.399"400)  — 

Klöster,  Stifter,  Orden.  Hier  sind  eine  Anzahl  Einzeldarstellungen 
zu  nennen,  die  sich  —  meist  den  Federn  von  Ordensangehörigen  entstammend  —  mit 
Benediktiner-  und  Kapuzinerklöstern  beschäftigen401-410).  —  In  gefälliger  Form 
bringt  eine  Schrift  W  en  i  ge  r  s411)  über  das  Eisenacher  Dominikanerkloster  die 
Resultate  der  Forschung  zum  Ausdruck,  um  dessen  Zusammenhang  mit  den  Begeben- 
heiten der  Welt,  im  besonderen  der  thüringischen  Geschichte,  zu  schildern.  —  Der 
Löwenanteil  des  Interesses  fällt  stets  dem  Jesuitenorden  zu;  unter  den  einschlägigen 
Werken  hat  das  von  Reu  seh412)  besondere  Aufmerksamkeit  erregt.413"414)  —  Eine 
tendenziöse  Sammlung415)  führt  eine  Reihe  von  Urteilen  hervorragender  Protestanten 
zu  Gunsten    des  Ordens   vor,    die  teils    ohne   den  Zusammenhang  nicht  verständlich 

Frankenthal.  I.  Mit  4  Abbild.  Frankenthal.  Göhring  30  S.  M.  1,00.  —  373)  X  0.  Mehlis,  D.  Drachenfels  bei  Dürk- 
heim  a.  d.  H.  1.  Abt.  mit  e.  topogr.  PI.  (=r  Stud.  z.  älteren  Gesch.  d.  Rheinlande.  N.  11.)  L.,  Duncker  &  Humblot.  32  8. 
M.  1,60. —  374)  O  Fr.  Mayer.  Gesch.  d.  österr.-ung.  Monarchie.  D.Jugend  u.  d.  Volke  erz.  Mit  58  Abbild.  Wien,  Tempsky.  X,  320  S. 
M.  4,80.  |[COIRW.  22,  S.  699-700.] |  —  375)  Fr.  Schlögl,  Aus  meinem  Felleisen.  1.  Bd.  A.  Europäisches.  I.  Niederösterreich 
a.  Wien.  (=  Deutsch-österr.  Nationalbibl.  N.  127  8.)  Wien,  Weichelt.  62  S.  M.  0,80.  —  376)  X  D-  Narae  „Wien":  BerlTBl. 
N.  230.  (Aus  JBAVWien.)  -  377)  X  H  Schütter,  E.  Engländerin  über  Wien  (Letters  and  Journal  of  Lady  Coke):  WienZg. 
N.  108.  —  378)  X  E-  Zetsche,  Aus  d.  Umgebungen  Wiens.  St.,  Dtsch.  Verl.-Anst.  V,  132  S.  Mit  90  Vollbild.  M.  5,00. 
IfBLU.  S.  456.7.]|  —  379)  H.  Mose,  D.  börgerl.  Leben  im  kaiserl.  Markt  Neunkirchen  1690-1708:  Neunkirchener  Bezirks-Bote 
S.  101/7.  —  380)  X  A-  Burgerstein,  Aufklärungen  über  d.  „Stock  im  Eisen"  in  Waidhofen  an  der  Yps  u.  in  Pressburg: 
BVLNiederösterr.  28,  S.  219-22.  (Vgl.  JBL.  1893  I  4:468a.)  —  380a)  O  J.  Puntschert,  Denkwürdigkeiten  d.  Stadt  Retz. 
2.  Aufl.  Mit  Holzschn.  Wien,  Konegen.  IX,  416  u.  CXI  S.  M.  12,00.  —  381)  X  p-  Straganz,  Beitrr.  z.  Gesch.  Tirols.  I. 
Progr.  Hall.  41  S.  —  382)  X  H.  Sem  per,  Wanderungen  u.  Kunsstudien  in  Tirol.  1.  Bd.  Innsbruck,  Wagner.  282  S. 
M.  2,00.  —  382a)  O  id.,  D.  hist.  Abt.  d.  Tiroler  Landesausstell.  1893:  ÖUR.  16,  S.  75-92.  —  383)  X  Cnr-  Schneller, 
Beitrr.  z.  Ortsnamenkunde  Tirols.  2.  Heft.  Her.  v.  Zweigver.  d.  Leo-Ges.  für  Tirol  u.  Vorarlberg.  Innsbruck,  Vereinsbuchh. 
III,  112  S.  M.  2,00.  (S.  u.  I  5  :  423.)  —  384)  X  <*•  K.,  D.  Lage  d.  dtsch.  Volkstums  in  Südtirol :  TglRsB.  N.  270.  —  385)  X 
D.  Vordringen  d.  Italiener  in  Tirol:  ib.  N.  208.  —  386)  ÖLB1.  3,  S.  201/3;  BLU.  S.  37/8.  —  387)  A.  John,  D.  EgeTland  u.  seine 
Dialektdichtung:  LJb.  4,  S.  12-33.  —  388)  X  E.Wanderung  durch  böhm.  Adelsschlösser:  DAdelsbl.  S  1006/9.  —  389)  A.  Peter, 
Burgen  u.  Schlösser  im  Herzogtum  Schlesien.  N.  F.  Teschen,  Prochaska.  III,  253  S.  M.  3,60.  —  390)  O  J-  Paul  er,  Gesch.  t.  Ungarn 
uoter  d.  Arpaden.  Pest  (Ak.).  XXIII,  1457  S.  (Nicht  im  Handel.)  |[UngR.  S.  330/4.] |  —  391)  X  '•  Jekelfalussy,  D.  Intelligenz  in 
Ungarn  u.  d.  Ungarntuni :  UngR.  S.  303-30.  —  391a)  XEa-Wertheimer,  Erzherz.  Rainers  Reise  durch  Ungarn:  ib.  S.  1-39.  — 
392)  G.  Teutsch,  Abr.  d.  Gesch.  Siebenbürgens:  AVSbnbgL.  26,  S.  5-59.  —  393)  X  K.  Pröll,  Magyaren  u.  Siebenbürger 
Sachsen:  Kai.  aller  Deutschen  S.  148-50.  —  394)  X  H.  Schmidkunz,  V.  d.  Deutschen  in  Siebenbürgen:  Geg.  46,  S.  52/5.  —  395) 
R.  Hotz,  Basels  Lage  u.  ihr  Einfluss  auf  d.  Entwickl.  u.  Gesch.  d.  Stadt.  Progr.  Basel.  4°.  28  S.  —  396)  X  w-  v-  Mülinen, 
Verzeichn.  d.  Burgen,  Schlösser  u.  Ruinen  im  Kanton  Bern  dtsch.  Teils.  Bern,  Expod.  d.  Tagbl.  34  S.  M.  0.50.  —  397)  X 
Gilg  Tschudi,  Glarus  u.  Säckingen:  .IbSchwG.  18,  S.  1-156.  |]ZG0Rh.  9,  S.  177.]]  -  398)  E.  Seraphim,  Gesch.  Liv-, 
Est-  u.  Kurlands  v.  d.  „Aufsegelung"  d.  Landes  bis  z.  Einverleib,  in  d.  russ.  Reich.  1.  Bd.  Bis  z.  Untergang  livländ. 
Selbständigkeit.  Reval,  Kluge.  VIU,  425  S.  M.  6,50.  —  399)  X  D-  Charakter  d.  Balten  in  Gegenw.  u.  Vergangenh.: 
BaltMschr.  41,  S.  147-72.  —  400)  X  <*•  Sitzen,  D.  alten  dtsch.  Herzogtümer  Estland,  Livland,  Kurland :  Kai.  aller  Deutschen 
S.  155-64.  —  401)  O  J.  B.  Grere,  Gesch.  d.  Benediktiner-Abtei  Abdinghof  bei  Paderborn.  Nach  d.  Tode  d.  Vf.  Her.  v.  F.  J. 
Greye.  Paderborn,  Junfermann.  231  S.  Mit  Titelbild.  M.  2,75.  |[StML.  46,  S.  565/6;  H.  Wurm:  LRs.  20,  S.  200;  L.  Leon- 
hard:  LHandw.  33,  S.  46  7;  B.  Albers:  StMBCO.  S.  325/7.]|  —  402)  X  B.  Albers,  Z.  Gesch.  d.  Benediktinerordens  in 
Polen:  StMBCO.  S.  194-232.  —  403)  X  C.  v.  P.,  E.  Besuch  in  d.  Abtei  Seckau:  HPB11.  114,  S.  368-76.  —  404)  F.  Baum- 
garten.  Aus  d.  Gengenbacher  Klosterleben  (Schluss):  ZGORh.  9,  S.  240-60.  (Vgl.  JBL.  1893  14:507.)  —  405)  X  M. 
Hetzenauer,  D.  Kapuzinerkloster  zu  Innsbruck.    111.  v.  J.  Findl.    Innsbruck,  Rauch.    VIII,  192  S.    M.  1,60.  IfLCBl.  S.  1449.]| 

—  406)  X  Melchior,  Frauen-Chiemsee :  StMBCO  S.  605-16.  -  407)  F.  Endl,  Gesch.  d.  eheraal.  Nonnenklosters  St.  Bern- 
hard bei  Hörn:  BVLNiederöstr.  28,  S.  455-76.  (17.-19.  Jh.)  —  408)  D.  Trappistenkloster  Oelenberg  i.  E.:  DPB11.  27,  S.  2903, 
298-301,  306/9.  —  409)  X  L-  Korth,  Verhandl.  über  Hausweberei  im  Kloster  d.  Tertiarier  zu  Köln:  AnnHVNiederrh.  56, 
S.  180/8.  —  410)  X  F.  J.  Schmitt,  D    Bauthätigkeit  d    ehemal.  Präraonstratenser- Abtei  Allerheiligen:    ZGORh.  9,  S.  274-83. 

—  411)  L.  Weniger,  D.  Dominikaner  in  Eisenach.  (=  SGWV.  N.  199.)  Hamburg,  VeTlagsanst.  44  S.  M.  0,80.  -  412) 
Fr.  Keusch,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Jesuiten-Ordens.  München,  Beck.  IV,  266  S.  M.  5,00.  |[Paul  Graf  v.  Hoensbroech: 
DLZ.  S.  579-81 ;  G.Bossert:  ThLZ.  19,  S.  591/4;  LCB1.S.887;  O.Zöckler:  ThLBl.  15,  S.  221/3.J)  —  413)  X  0.  Henne  am  Rhy  n, 
D.  Jesuiten,  deren  Gesch.,  Verfass.,  Moral,  Politik,  Religion  u.  Wissensch.  3.  Aufl.  L.,  Spohr.  107  S.  M.  1,50.  —  414)  X 
Ewald  (Amtsgerichtsrat),  D.  Sittenlehre  d.  Jesuiten  beleuchtet  aus  Escobar:  DEB11.  19.  S.  21-45,  96-114.  —  415)  Pro- 
testantische Urteile  über  d.  Jesuiten  im  Lichte  gesch.  Wahrheit  an  d.  Hand  v.  Aussprüchen  preuss.  Könige,  Staatsmänner  u,  a. 


I  4:416-426  G.  Liebe,  Kulturgeschichte. 

sind,  teils  nur  einzelnen  Persönlichkeiten  gelten  —  eine  aus  Janssen  zur  Genüge 
bekannte  Methode.  —  Thoemes416)  antwortet  neuerlich  auf  Berners  Kritik  seiner 
Schrift  (JBL.  1892  III  1:38;  1893  III  1 :  77/7a).416a)  —  Einen  lehrreichen  Beitrag 
zur  Vielseitigkeit  des  Ordens  liefert  H  o  f  f  m  a  n  n417)  in  der  ausführlichen  Darstellung 
der  Spekulationsgeschäfte  des  P.  Lavalette,  Superior  des  Ordens  auf  den  Antillen, 
sowie  der  Verurteilung  der  Societät  zum  Ersatz  der  dadurch  veranlassten  Verluste  und 
der  daher  1761  erfolgten  Auflösung  in  Frankreich.  —  Eine  Geschichte  der  mit 
der  Gesellschaft  Jesu  eng  verknüpften  Bonner  Sodalität  giebt  Hauptmann418) 
unter  Voranschickung  eines  kurzen  Berichts  über  die  marianischen  Kongregationen 
überhaupt.  — 

Besondere  Volkselemente.  Hier  zeichnet  sich  die  Gruppe  der  Refugies 
durch  eifriges  Festhalten  an  ihren  Besonderheiten,  aber  auch  durch  liebevolles  Ver- 
tiefen in  ihre  Vergangenheit  aus,  wovon  in  den  mit  Rührigkeit  fortgesetzten,  teilweise 
in  zweiter  Auflage  erschienenen  und  um  sechzehn  neue  Hefte  vermehrten  Geschichts- 
blättern419) ein  schönes  Denkmal  vorliegt.  Von  weiterem  Interesse  ist  beispielsweise 
der  in  Frankenthal  von  ihnen  geübte  industrielle  Einfluss.  —  Das  mit  jedem  Bande 
bedrohlicher  anwachsende  Volumen  von  T ollin s420)  Geschichte  der  Magdeburger 
Kolonie  ist  bei  dem  glücklicherweise  letzten  auf  1327  Seiten  gestiegen  und  erneut 
das  Bedauern,  dass  so  reiches  Material  so  wenig  Verarbeitung  gefunden  hat.  Hier 
war  der  Stoff  zu  einem  lebensvollen  Bilde  geboten;  statt  dessen  ist  gleichsam  nur  ein 
hugenottisches  Lexikon  herausgekommen.  Auch  der  Humor,  den  unbestreitbar  der 
Vf.  in  seine  Selbstbiographie  legte,  kann  dafür  nicht  entschädigen.  Ueber  den  Gottes- 
dienst und  die  Beamten  der  Gemeinde  wird  der  Interessent  die  ausführlichste  Auskunft 
vorfinden,  doch  sind  Behauptungen  wie  die,  dass  die  Universität  Halle  aus  der  dortigen 
Ritterakademie  La  Fleurs  hervorgegangen  sei,  abzuweisen,  und  die  Möglichkeit 
einer  auf  dieselbe  Art  entstandenen  Universität  Magdeburg  wird  jedem  Kenner  der 
lokalen  Verhältnisse  als  müssige  Phantasie  erscheinen.  —  Thiel  es421)  Jubiläums- 
schrift für  die  wallonische  Kirche  ebenda  giebt  einige  Nachrichten  über  die  Verdienste 
des  Magdeburger  Augustiner-Konvents  um  die  Reformation.422)  —  Die  Entstehung 
der  wenig  ausgebreiteten  Sekte  der  Sabbatharier  sucht  Kohn423)  in  einer  überaus 
sorgsamen  Untersuchung  durch  die  in  Siebenbürgen  mehr  wie  überall  infolge  der 
Reformation  gestiegene  Wertschätzung  der  Bibel  und  ihrer  Bewahrer,  der  Juden,  zu 
erklären.  Lehre  und  Geschichte  der  mit  Strenge  verfolgten,  jetzt  dem  Untergang 
nahen  Sekte  sind  nach  grossenteils  unedierten  Hss.  dargelegt.  —  Von  den  dem 
Judentum  gewidmeten  Werken  seien  zuerst  die  allgemeineren  Charakters  erwähnt. 
Back424)  will  die  Geschichte  des  jüdischen  Volkes  einem  weiteren  Kreise  durch  sein 
bis  1848  reichendes  Lesebuch  zugänglich  machen,  als  dies  durch  die  grösseren  Werke 
von  Grätz  u.  a.  möglich  war.  Zunächst  für  Juden  bestimmt,  ist  das  jetzt  in  zweiter 
vermehrter  Auflage  erschienene  Buch  bei  seiner  Uebersichtlichkeit  auch  für  andere 
dankenswert.  Nur  selten  tritt  eine  einseitig  jüdische  Anschauung  zu  Tage,  wohl  aber 
eine  auch  anderswo  bemerkbare  Beschränktheit  der  Quellen.  So  tritt  im  Mittelalter 
allgemein  den  Leiden  gegenüber  die  Schilderuug  des  Erwerbslebens  zurück  und 
damit  der  von  den  Juden  geübte  oft  anregende,  oft  schädliche  wirtschaftliche  Ein- 
fluss. —  Lombroso425)  bemüht  sich  in  seiner  ethnologischen  Untersuchung  den 
Rassenunterschied  des  Judentums  anderen  gegenüber  möglichst  klein  darzustellen; 
bedauerlich  nur,  dass  ihn  seine  Geringschätzung  der  gegenteiligen  Ansicht  dazu 
führt,  schmutzigen  Verleumdungen  (S.  17)  eines  halbwissenschaftlichen  Fanatismus 
Gehör  zu  geben.  —  Bahrs426)  nach  bekanntem  Rezept  gefertigte  Sammlung  von 
Interviews  über  den  Antisemitismus  interessiert  mehr  durch  die  Beschreibung  der 
Interieurs    als    durch    die    unauthentischen  Aeusserungen  gegenüber  einem  für  die 


Ravensburg,  Kitz.  16  S.  M.  0,20.  —  416)  N.  Thoemes,  D.  Dankesschuld  d.  preuss.  Staats  u.  Volks  gegen  d.  Jesuiten.  Krit. 
Briefe  an  d.  preuss.  Hausarchiv.  Dr.  E.  Berner,  sowie  d.  Herausg  d.  PrJbb.  u.  d.  FBPG.  Frankfurt  a.  M.,  Foesser.  76  S.  M.  0,60. 
—  416a)  X  K-  W.,  Aus  Bekehrungsgeschichten  d.  Jesuiten:  ZVVolksk.  4,  S.  91.  —  417)  Fxid.  Hoffmann,  E.  betrüg. 
Bankerott  im  J.  1761.  E.  Kap.  aus  d.  Gesch.  d.  Jesuitenordens.  (=  Flugschr.  d.  evang.  Bundes.  N.  91.)  L.,  C.  Braun.  35  S. 
M.  0,25.  |[ThLB.  17,  S.  221.]|  —  418)  F.  Hauptmann,  D.  Junggesellen-Sodalität  unter  d. Tit.  „Maria- Reinigung".  (=  Bilder 
aus  d.  Gesch.  v.  Bonn.)  Bonn,  Hauptmann.  114  S.  M.  1,00.  —  419)  GBllHugenottenV.  Zehnt  II,  Heft  9-10;  Zehnt  III,  Heft  1-10; 
Zehnt  IV,  Heft  1-4.  (D.  Kolonien  in  Göttingen,  Altona,  Billigheim,  Frankenthal,  Halle  a.  S.,  Bückeburg,  Domholzhausen, 
Rohrbach,  Mannheim  usw.)  Magdeburg,  Heinricbshofen.  33  EL;  III,  48  S.;  19,  24,  26,  20,  64,  40,  30,  59,  45,  56  S.  M.  0,50; 
0,60;  0,40;  0,50;  0,50;  0,40;  1,20;  0,80;  0,60;  1,00;  0,90;  1,20.  |[KonsMschr.  S.  103;  ThLB.  17,  S.  221.JI  —  420)  H.  Tollin, 
Gesch.  d.  franz.  Kolonie  v.  Magdeburg  (JBL.  1893  I  4:527).  III.  Bd.,  Abt.  1,  C.  (Schluss).  Magdeburg,  Faber.  VIII,  1327  S. 
M.  18,90.  |[LCB1.  46,  S.  1449-50;  O.  Tschirsch:  DLZ.  S.  1579-82;  ThLB.  17,  S.  125;  R.  Setzepf andt:  MHL.  22,  S.  215/7; 
DEKZB.  8,8.89.] |  (Vgl.  III 1  :  168.)  —  421)  E.Thiele,  Einlad.  z.  Festgottesdienst  z.  Feier  d.  200 j.  Jubil.  d.  wallonisch- reform.  Kirche 
in  Magdeburg  nebst  Abr.  ihrer  Gesch.  Magdeburg  (Faber).  11  S.  (Privatdr.)  —  422)  X  0.  Spielmann,  D.  Mennoniten  u. 
ihre  Bedeut.  für  d.  Kult,  in  Nassau:  AnnVNassanG.  26,  S.  137-44.  —  423)  S.  Kohn,  D.  Sabbatharier  in  Siebenbürgen.  Ihre 
Gesch.,  Litt.  u.  Dogmatik.  Budapest,  Singer  &  Wblfner.  VIII,  296  S.  M.  7,00.  —  424)  S.  Back,  D.  Gesch.  d.  jüd.  Volkes 
u.  seiner  Litt.  2.  Aufl.  Frankfurt  a.  M„  Kauftmann.  VIII,  546  S.;  V,  104  u.  XII  S.  M.  4,00.  —  425)  C.  Lombroso,  D. 
Antisemitismus  u.  d.  Juden  im  Lichte  d.  mod.  Wissensch.  Autoris.  dtsch.  Ausg.  v.  H.  K  u  r  e  1 1  a.  L.,  Wigand.  Vni,  114  S.  Mit  1  Tab. 
M.  2,00.     |[NAnt.  51,    S.  373/4.]|    -    426)    H.   Bahr,   D.    Antisemitismus.    E.   internat.  Interview.    B.,    Fischer.    VIH,  215  S. 


G.  Liebe,  Kulturgeschichte.  I  4  :  426a-458 

Juden  voreingenommenen  Frager. 426a)  —  Den  Judenhass  Voltaires  führt  Klem- 
perer427)  wunderlich  auf  den  Berliner  Bankier  Hirschel  zurück;  fruchtbarer  ist  der 
Gedanke  seines  litterarischen  Gegners,  des  portugiesischen  Juden  de  Pinto,  vom 
Rassenunterschied  innerhalb  der  Juden  selbst.  —  Lenz428)  giebt  die  Ansicht  des 
katholischen  Prälaten  S.  Brunner  wieder,  deren  Kern  bildet,  dass  nicht  die  Religion, 
sondern  die  Nationalität  das  Entscheidende  sei.  —  So  schwerwiegend  die  Frage  der 
Stellung  des  Judentums  zu  den  deutschen  Universitäten  ist,  muss  es  doch  zweifelhaft 
erscheinen,  ob  die  Veröffentlichung  von  Zöllners429)  umfangreicher  Schrift  wohl- 
gethan  war.  Die  Titel  eines  ehrlichen  Mannes  und  eines  bedeutenden  Astro- 
physikers wird  dem  Verblichenen  kein  Einsichtiger  bestreiten;  die  Häufung  dieser 
beständig  den  Gegenstand  wechselnden  Polemik  aber  kann  trotz  der  Berechtigung 
vieler  Einzelheiten  nur  unerquicklich  wirken.  430~431)  —  Von  Untersuchungen 
einzelner  Gemeinden  giebt  Stern432)  als  Fortsetzung  seiner  Publikationen  eine  solche 
über  Zahl  und  Steuern  der  Nürnberger  Judenschaft  im  14.  u.  15.  Jh.,  der  Kieler  im 
18.  Jh.432a"433)  —  Frankl-Grün434)  erörtert  den  traurigen  Einfluss  der  schlesischen 
Kriege  auf  die  Geschicke  der  Juden  von  Kremsier  infolge  der  Beschuldigung  des 
Einverständnisses  mit  dem  Feinde.  —  Popper435)  bringt  mehrere  hierher  gehörige 
Erlasse  der  Prager  Gemeinde  zum  Abdruck,  die  anfangs  des  7  jährigen  Krieges  ihren 
Patriotismus  bekunden  sollten.  —  Eine  Monographie  ist  von  Samt  er436)  dem  Joh. 
Peter  Spaeth  (Moses  Germanus)  gewidmet,  der  Ende  des  17.  Jh.,  innerhalb  weniger 
Jahre  vom  Katholizismus  zum  Protestantismus,  Katholizismus,  Judentum  hinüber- 
schwankte.437) —  Unter  den  kleineren  eingesprengten  Völkerbruchstücken  sind  die 
Zigeuner  von  Pischel438)  zum  Gegenstand  einer  Arbeit  gemacht  worden,  die  sich 
mit  dem  misslungenen  Versuch  ihrer  Ansiedlung  in  Thüringen  anfangs  des  Jh.  be- 
schäftigt; ein  Wörterverzeichnis  ist  beigefügt.439)  — 

Familiengeschichten.  Aus  der  grossen  Zahl  der  adligen  Geschlechtern 
gewidmeten  Werke  seien  hier  nur  wenige,  durch  Wert  des  Stoffes  oder  der  Dar- 
stellung ausgezeichnete,  herausgehoben.  Der  dritte  Band  der  Geschichte  des  Ge- 
schlechts von  Tümpling  führt  die  gründliche  und  reich  ausgestattete  Familien- 
geschichte, die  W.  von  Tümpling440)  zusammenstellt,  zum  Ende.  —  In  dem  Rück- 
blick auf  die  Geschichte  des  rheinischen  Geschlechts  der  Hammerstein,  von  Pauls441), 
ist  der  Abschnitt  über  den  Abt  Johann  von  Kornelimünster  besonders  anziehend.  — 
Die  ausführliche  Regestensammlung  des  Gräflich  Mirbachschen  Archivs  zu  Harff  von 
Korth442)  ist  durch  ein  Register  nutzbar  gemacht.443-446)  —  Eine  Anzahl  heraldischer 
Publikationen  schliesst  sich  hier  naturgemäss  an.447-454)  —  Mehrfach  sind  auch 
bürgerliche  Familien  Gegenstand  der  Darstellung  geworden.455"458)  —  Die  bekannte 


M.  2,00.  —  426a)  X  D-  Antisemitismus,  wie  er  ist:  Grenzb.  2,  S.  108,  150  7,  248-53.  —  427)  W.  Klemperer,  Voltaire  u. 
d.  Juden.  Vortr.  B.,  Bibliogr.  Bureau  35  S.  M.  0,50.  —  428)  H.  Lenz,  Judenlitt.  u.  Litteraturjuden.  Münster,  Russell. 
II.  67  S.  M.  0,90.  —  429)  F.  Zöllner,  Beitrr.  z.  dtsch.  Judenfrage  mit  akad.  Arabesken  als  Unterlagen  zu  e.  Reform  d.  dtsch. 
Univ.  Mit  3  Taf  u.  8  Facs.-Briefen  (1880).  Her.  v.  M.  Wirth.  L.,  Mutze.  XXXIII.  755  S.  M.4,00.  -  430)  X  B- v-  w<>  rl" 
hof,  D.  Jude  als  Ackerbauer  u.  Handwerker:  Nation15.  11,  S.  379-80.  —  431)  X  B-  Markgraf,  Z.  Gesch.  d.  Juden  auf  d. 
Messen  in  Leipzig  v.  1664-1839.  Diss.  Rostock.  93  S.  —  432)  M.  Stern,  D.  Israelit.  Bevölkerung  d.  dtsch.  Städte.  E. 
Beitr.  z.  dtsch.  Städtegesch.  Mit  Benutz,  archival.  Quellen.  III.  Nürnberg  im  MA.  1.  Hälfte  Kiel,  Selbstverl.  S.  9-94.  M.  3,00. 
(Vgl.  JBL.  1892  I  4:806.)  —  432a)  X  E-  Schmidt,  De  coniuratione  Judaeorura  (1540):  MGNM.  S.  102/4.  —  433)  X  A. 
Glaser,  Gesch.  d.  Juden  in  Strassburg.  V.  Karl  d.  Gr.  bis  auf  d.  Gegenw.  Strassburg  i.  E..  Noiriel.  88  S.  M.  2,00.  — 
434)  A.  Frankl-Grün,  D.  Folgen  d.  österr.  Erbfolgekrieges  für  d.  Juden  Kremsiers:  MLWJ.  38,  S.  272-80,  323-30.  —  435) 
M.  Popper,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Juden  in  Prag:  ib.  S.  371/9,  414-21,  467-72.  —  436)  N.  Samt  er,  Joh.  P.  Spaeth  (Moses 
Germanus),  d.  Proselyt:  ib.  S.  178-85.  —  437)  X  D.  Kaufmann,  Z.  Gesch.  jüd.  Familien.  IL  R.  Jair  Chajjim  Bacharach 
(1638-1702)  u.  seine  Ahnen  Trier,  S.  Mayer.  VIII,  139  S.  M.  4,00.  |[M.  Steinschneider:  DLZ.  S.  1547/9.]|  (Vgl.  III  1: 182.)  — 
438)  R.  Pischel,  Beitrr.  z.  Kenntnis  d.  dtsch  Zigeuner.  Halle  a.  S.,  Niemeyer.  4°.  50  S.  M.  2,00.  (Aus  Festschr.  z.  200j.  Jubel- 
feier d.  Univ.  Halle-Wittenberg.  —  439)  X  Halle  u.  d.  Halloren.  Mit  Abbild,  d.  Stadt  Halle,  d.  Burg  Giebichenstein,  sowie 
Hallorenbildern  aus  d.  J.  1601.  L.,  Verl.  z.  Greiffen.  24  S.  M.  0,75.  —  440)  W.  v.  Tümpling,  Gesch.  d.  Geschlechts 
v.  Tümpling.  3.  (Schluss-)Bd.  (Gesch.  d.  erloschenen  Häuser  Posewitz  u.  Casekirchen.)  Weimar,  Böhlau.  VI,  385,  42,  167  S. 
M.  14,00.  (Vgl.  JBL.  1892  I  4:791.)  —  441)  E.  Paule,  Z.  Gesch.  d.  Burggrafen  u.  Freiherrn  v.  Hammerstein:  AnnHVNiederrh.  58, 
S.  183,9.  —  442)  L  Korth,  D.  Graft.  Mirbachsche  Arch.  zu  Harff:  ib.  57,  S.  1-348.  —  443)  X  E.  Graf  v.  Fugger,  D.  Seins- 
heims u.  ihre  Zeit.  E.  Familien-  u.  Kulturgesch.  1155-1890.  München,  Piloty  u.  Löhle.  270,  268  S.  M.  50,00.  '[KBGV.42,  S.87  ; 
DAdelsbl.  S.  428/9,  447,9  ]|  -  444)  X  H.  Zöge  v.  Manteuffel  u.  E.  v.  Nottbeck,  Gesch  d.  Familie  Zöge  v.  Manteuffel  esthländ. 
Linie.  Reval  (F.Wassermann).  IV,  186  S.  Mit  1  Stammtaf.  M.  5,00.  |[DHerold.  25,  S.  63;  DAdelsbl.  S.  249-50.J|  —  445)  X  Chron.  d. 
vormal.Reichsherren,  jetzigen  Grafen  u.  Freiherren  zu  Egloffstein.  Würzburg (Wailandsche Dr.).  356 S.  M.  10,00.  |[DAdelsbl.  S.845,6.][ 
—  445a)  X  K-  Arendt,  Blumenlese  aus  d.  Gesch.  d.  Burg  Vianden  u.  d.  Nassau- Viandener  Grafengeschlechts.  Luxemburg, 
Bück.  4°.  31  S.  Mit  Ornamenten  u.  2  T;f.  M.  6,00.  —  446)  X  G-  v-  B>  D-  Adel  im  Spiegel  d.  Litt.:  DAdelsbl.  S.  679-80. 
(Vgl.  I  1:63.)  -  447)  X  St.  Kekule,  Ueber  d.  Bedeut.  d.  Heraldik,  Sphragistik  u.  Genealogie  u.  ihre  Beziehungen  zu 
anderen  Wissenschaften  u.  Künsten.  Vortr.  B.,  Stargardt  23  S.  M.  0,80.  (Vgl.  DHerold.  25,  S.  136-43.)  —  448)  O  Festschr. 
z.  Feier  d.  25j.  Bestehens  d.  Ver.  „Herold",  Red.  v.  A.  M.  Hildebrandt,  ebda.  III,  236  S.  Mit  Abbild.,  18  Taf.,  1  Stammtaf. 
M.  20,00.  —  449)  X  A.  Seyler,  Gesch.  d.  Siegel.  (=  111.  Bibl.  d.  Kunst-  u.  Kulturgesch.  Bd.  6.)  L.,  Friesenhahn.  VIII, 
383  S.  M.  5,00.  —  450)  X  M.  Gritzner,  Handb.  d.  Ritter-  n.  Verdienstorden  aller  Kulturstaaten  d.  Welt  innerhalb  des 
19.  Jh.  L.,  J.  J.  Weber.  12°.  XIV,  618  S.  Mit  760  Abbild.  M.  12,00.  |[F.  W.:  DHerold.  25,  S.  39.]|  —  450a)  X  id., 
Landes-  u.  Wappenkunde  d.  brandenb.-preuss.  Monarchie.  Gesch.  ihrer  einzelnen  Landesteile,  deren  Herrscher  u.  Wappen. 
B.,  C.  Heymann.  XXII,  310  S.  M.  12,00.  |[LCB1.  S.  1451.]|  —  451)  X  Cl.  Kissel,  Hess.  Wappenbuch.  Städte-  u.  Orts- 
wappen. Giessen,  v.  Münchow.  1893.  IV,  78  S.  Mit  Abbild.  M.  8,00.  |[DHeTold.  25,  S.  37.] |  —  452)  X  M.  Bach,  Die 
Wappensammlung  d.  Kgl.  öffentl  Bibliothek  in  Stuttgart:  DHerold.  25,  S.  69-70.  —  453)  X  W.  Zahn,  Altmärk.  Wappen  u. 
Blutzeichen:  ib.  25,  S.  89.  —  454)  X  M-  v-  Baumgarten,  Z.  Fugger- Wappen :  ib.  25,  S.  125.  —  455)  X  Genealog.  Handb. 
bürgerl.  Familien.    I.    Her.  v.  Ver.  „Herold".     3.  Bd.     B.,    Bruer.     12°.     Vm,  404  S.     Mit  Abbild,   u.    13  Wappentaf.     M.  6,00. 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (1)6 


I  4  :  459-486  G.  Liebe,  Kulturgeschichte. 

Magdeburger  Predigerfamilie  Sucro  betreffend,  ist  ein  kurzer  Nachtrag459)  zu  Pröhles 
Artikel  in  der  ADB.  erschienen. 45i,a)  — 

Einzelne  Personen.  Die  enge  Auswahl,  welche  hier  getroffen  werden 
muss,  wird  einer  Arbeit  von  Krones460)  über  Zierotin,  den  mährischen  Staatsmann 
und  Schwager  Wallensteins  gedenken,  einen  durch  politische  Thätigkeit,  humanistische 
Bildung  und  wegen  seiner  weiten  Reisen  merkwürdigen  Mann;  sein  Tagebuch  einer 
1591  zur  See  nach  Frankreich  unternommenen  Fahrt  enthält  interessante  Bemerkungen 
über  Niederdeutschland.  —  Von  Thomasius  Bedeutung  für  unsere  geistige  und 
sprachliche  Entwicklung  entwirft  Opel461)  ein  fesselndes  Bild  in  der  Einleitung  zu 
den  Schriften  „Von  der  Nachahmung  der  Franzosen"  und  „Vom  elenden  Zustand  der 
Studenten",  die  einen  wichtigen  Schritt  jener  Entwicklung  bezeichnen.462"46411)  —Das 
4.  Bändchen  von  Bülau465)  behandelt  neben  Naundorff  einen  Prätendenten  des 
16.  Jh.,  ein  verstossenes  Mitglied  der  ausgestorbenen  Linie  der  Reuss  von  Plauen.  — 
Von  einer  neuen  Seite  gewürdigt  wird  Herzog  Karl  August  durch  Bojanowski466).  — 
Jahn  hat  als  Kämpfer  für  deutsches  Volkstum  unter  geringer  Berücksichtigung  des 
turnerischen  Elements  durch  Schultheiss467)  form  volle  Darstellung  gefunden.  — 
Pechts468)  Autobiographie  liefert  eine  Anzahl  mit  dem  Auge  des  Malers  geschauter 
Charakterköpfe,  beispielsweise  aus  dem  Frankfurter  Parlament.469)  — 

Zur  Kultur  der  Gegenwart.  Unter  der  Ueberfülle  der  Arbeiten,  welche 
Fragen  der  modernen  Kultur  behandeln,  werden  hier  nur  solche  zu  berücksichtigen 
sein,  die  diese  Fragen  im  Zusammenhang  geschichtlicher  Entwicklung  beleuchten. 
Der  zweite  Band  von  Röhrichs470)  umfangreichem  Werk  hat  zum  Gegenstande  seiner 
drei  Abschnitte:  1.  Geld,  Kapital  und  Kredit;  2.  den  Socialismus  und  die  Umsturz- 
parteien ;  3.  den  Staat,  und  es  giebt  im  zweiten  Teil  eine  Entwicklung  des  deutschen 
Socialismus.471-472)  —  Hobsons473)  Entwicklung  des  modernen  Kapitalismus  unter 
dem  Einfluss  der  Maschine  berücksichtigt  besonders  Lohnverhältnisse,  Frauenarbeit 
und  den  Einfluss  auf  das  Stadtleben  und  ist  durch  zahlreiche  graphische  Tabellen 
unterstützt.  —  Vor  st  er474)  bekämpft  die  akademische  Opposition  gegen  den  Kapi- 
talismus einseitig,  aber  mit  dem  richtigen  Gedanken  vom  unheilvollen  Einfluss  des 
Gymnasiums.47411)  -  Zur  Bekämpfung  der  Arbeiternot  auf  dem  Lande  befürwortet 
Hergel475)  Wiederherstellung  der  Interessengemeinschaft  mit  dem  Besitzer  durch 
Naturallöhnung  und  Gewährung  von  Pachtland.476"478)  —  Auf  dem  Kampfplatze  der 
Frauenfrage  überwiegt  leider  das  Interesse  für  das  nur  wenigen  erreichbare  Frauen- 
studium und  damit  ein  unfruchtbares  Streiten  über  die  Grenzen  der  Befähigung. 
P.  Müller479)  steht  der  Zulassung  zu  medizinischen  Specialfächern  nicht  unfreundlich 
gegenüber,  fordert  aber  von  den  Frauen  dieselbe  Vorbereitung  und  Dauer  wie  vom 
Manne.480"482)  —  Popper483)  sieht  in  der  Frauenbildung,  für  deren  mangelhaften 
ökonomischen  Wert  er  nicht  blind  ist,  ein  Mittel  zur  Ethisierung  der  Gesellschafts- 
Ordnung. 483a"486)  —  Fruchtbarer  sind  Arbeiten,  welche  mit  bestehenden  Verhältnissen 


|[DHerold.  25,  S.  91/2.]|  —  456)  X  R.  Eckart,  Gesch.  d.  Familie  Eckart.  2  Tle.  (I.  1690-1866,  II.  1867-1878.)  (L.,  Wall- 
mann.) VIII,  326  S.  Mit  1  Wappentaf.  M.  6,00.  -  457)  X  L-  Saeuberlin,  Stammbaum  d.  Familie  Burckhardt  in  Basel, 
Nachkommen  v.  Chrph.  Burckhardt  u.  Gertrud  Brand.  Basel  (Reich).  Fol.  17  Taf.  M.  27,00.  458)  X  O-  Gerland,  Gesch. 
d.  Familie  Dithmar:  Hessenland  S.  106/8,  114/7,  126/9,  139-42.  —  458a)  X  Er.  Hille,  Gesch.  d.  Familie  Hille:  ib.  S.  223/6, 
236/9,  255/8.  —  459)  M.  D.,  D.  Familie  Sncro  in  Magdeburg:  MagdZg«.  S.  374/5.  —  459a)  X  E.  W.  E.  Roth,  D.  Gelehrten- 
familie Lorichius  aus  Hadamar:  CBIBibl.  11,  S.  368-85.  —  460)  F.  v.  Krones,  Karl  v.  Zierotin  u.  sein  Tageb.  vom  J.  1591  : 
ZKultG.  2,  S.  1-30.  —  461)  J.  0.  Opel,  Chrn.  Thomas  (Thomasius),  Kleine  dtsch.  Schriften.  Mit  Einl.  (  —  Festschr.  d.  hist. 
Kommiss.  d.  Prov.  Sachsen  z.  Jubelfeier  d.  Univ.  Halle.)  Halle  a.  S.,  Hendel.  VI,  208  S.  M.  3,00.  |[FBPG.  7,  S.  306;7.]|  — 
462)  X  A.  Sauer,  Chr.  Thomasius,  V.  Nachahmung  d.  Franzosen.  Nach  d.  Ausg.  v.  1687  u.  1701.  (  =  DLD.  N.  51.)  L., 
Göschen.  IX,  50  S.  M.  0,60.  -  463)  X  E.  Landsberg,  Z.  Biogr.  a.  Thomasius.  Festschr.  z.  2.  Säkularfeier  d.  Friedrichs- 
Univ.  Halle.  Bonn,  F.  Cohen.  4°  36  S.  M.  2,00.  |[FBPG.  7,  S.  307,J|  —  464)  X  J-  Bartsch,  Ph.  Clüver,  d.  Begründer 
d.  hist.  Landesk.:  MVGDBB.  S.  75/7.  —  464a)  X  G  Albrecht,  Adam  Ries  u.  d.  Entwickl.  unserer  Rechenkunst:  Didask. 
N.  50.  —  465)  F.  Bülau,  Geh.  Geschichten  u.  rätselhafte  Menschen.  Samml.  verborgener  u.  vergessener  Merkwürdigkeiten. 
4  Bdchen.  (=  ÜB.  N.  3214.)  L.,  Reclam.  16°.  80  S.  M.  0,20.  (Vgl.  JBL.  1893  I  4:569.)  —  466)  P.  v.  Bojanowski, 
Karl  August  als  Chef  des  6.  Preuss.  Kürassier-Reg.  1787-94.  Weimar,  Böhlau.  VII,  147  S.  M.  3,00.  (Vgl.  IV  Ib.)  —467)  Fr.  G. 
Schultheiss,  F.  L.  Jahn.  |-  Geisteshelden.  Her.  v.  A.  Bettelheim.  Bd.  7.)  B.,  E.  Hofmann.  VII,  198  S.  M.  2,00.  — 
468)  F.  Pecht,  Aus  meiner  Zeit.  Lebenserinnerungen.  2  Bde.  München,  Verl.-Anst.  f.  Kunst  u.  Wiss.  IV,  363  S  ;  343  S. 
Mit  Bild.  M.  10,00.  |[Didask.  N.  214/5.]|  —  469)  X  c-  B-  1Iase-  Briefe  v.  d.  Wanderung  u.  aus  Paris.  Her.  v.  0.  Heine. 
L.,  Breitkopf  &  Härtel.  XII,  115  S.  M.  2,00.  —  470 1  W  Röhr  ich,  D.  Buch  v.  Staat  u.  Ges.  E.  allg.  üarstell.  d  ges.  soc. 
Lebens  d.  Gegenw.  L.,  Biedermann.  432  S.  M  5,40.  (Vgl.  JBL.  1892  I  4:857.)  —  471)  X  E.  Engels,  D.  Ursprung  d. 
Familie,  d.  Privateigentums  u.  d.  Staates.  6.  Aufl.  St.,  Dietz.  XXIV,  188  S.  M.  1,00.  |[Grenzb.  1,  S.  101,2.]|  —  472)  X 
M.  Broemel,  D.  Romane  vom  Idealstaat  v.  Morus  bis  Bellamy.  Vortr.  Ref.:  VossZg.  N.  132.  —  473)  J.  Hobson,  Tlio 
evolution  of  modern  capitalism.  A  study  of  machine  production.  London,  Scott.  383  S.  Sh.  3/6.  —  474)  J.  Vorster,  D. 
Socialismus  d.  gebildeten  Stände.  Vortr.  Köln,  J.  G.  Schmitz.  49  S  M.  0,50.  —  474a)  X  I*.  Say,  L'univ.  et  le  socialisme: 
KChr.  1,  S.  457-64.  —  475)  C.  Ilergel,  D.  Arbeiternot  auf  d.  Lande  u.  d.  Verbess.  d.  ländl.  Arbeiterverhältnisse.  (=  SGV. 
N.  195.)  Prag,  Härpfer.  16  S.  M.  0,30.  -  476)  X  K.  Kautsky,  E.  socialdemokr.  Katechismus:  NZSt.  u\  S.  3614,  402-10, 
501,4.  —  477)  X  D.  erste  socialdemokr.  Bilderbuch:  ib.  S.  340/3.  —  478)  X  Er.  Scharwächter,  Soc.  Jugendlitt.:  Kritik  1, 
S.  583/7.  —  479)  P.  Müller,  Ueber  d.  Zulassung  d.  Frauen  z.  Studium  d.  Medizin.  (=  SGWV.  N.  195.)  Hamburg,  Verl.-Anst. 
43  S.  M.  1,00.  —  480)  X  Hedwig  Henrich-Wilhelm i,  D.  Recht  d.  Frauen  z.  Studium  u.  ihre  Befähigung  für  alle 
Berufsarten.  B.,  Rubenow.  40  S.  M.  0,50.  —  480a)  X  Luise  Hitz,  D.  neuere  Frauenbewegung  nach  ihrer  idealen  Seite. 
Vortr.  Ref.:  FrauenZg.  N.  16.  -  481)  X  Kläre  Schobert- Feder,  D.  Leben  d.  Studentinnen  in  Zürich:  AkBll.  8,  S.  137. 
—  482)XWeibl.  Studenten:  ib.  S.  26/8.  -  483)  M.  Popper,  Bahn  frei!  E.  Wort  für  unsere  Frauen.  Prag,  Calve.  31  S. 
M.  0,80.    —    483a)   X   R.  Artaria,   D.  Führerinnen  d.  Frauenbeweg.  in  Deutschland:    Gartenlaube  S.  256/9.   —    484)  X  s- 


G.  Liebe,  Kulturgeschichte.  I  4  •.  487-526 

rechnen.  Sommers487)  gründliche  und  massvolle  Darlegung  will  in  Anerkennung 
der  bestehenden  Unterschiede  die  Frauenbildung  nicht  auf  das  auch  körperlich 
schädliche  Gymnasium,  sondern  auf  Kurse  im  Anschluss  an  die  Töchterschule  be- 
gründen. 4S8-4!,(»)  _  jjen  fQr  Frauen  geeigneten  Erwerbszweigen  und  der  nötigen  Vor- 
bildung ist  eine  Betrachtung  von  Mathilde  Lammers491)  gewidmet.492494)  —  Lehr- 
reich für  die  Ausartung  der  Anschauungen  auf  diesem  Gebiete  ist  das  Buch  von 
Laura  Marholm495),  in  dem  sie  mutig  wie  immer  den  Gedanken  vertritt,  der  das 
extreme  Frauenrechtlertum  widerlegt:  Des  Weibes  Inhalt  ist  der  Mann.  Die  gegebenen 
Biographien  illustrieren  das  teils  ergreifend,  'teils  abstossend,  aber  erschütternd 
wahr.  —  Die  dritte  Auflage  von  Wolfs496)  Schrift  darf  wohl  als  ein  Zeichen  des 
Verständnisses  für  den  schweren  sittlichen  Ernst  des  Buches  gelten.496'1  498a)  —  Nicht 
gering  ist  die  Zahl  der  Schriften,  welche  die  Schäden  der  Zeit  und  ihre  Heilung  zum 
Gegenstande  haben.  Das  physische  Element  berücksichtigt  ein  Vortrag  von  Erb499), 
der  mit  durchdringender  Klarheit  die  pathologischen  Beobachtungen  mit  den  modernen 
Kultur  Verhältnissen  in  Verbindung  zu  setzen  weiss.500-501)  —  Hier  sei  erwähnt,  dass 
auch  der  französische  Unterrichtsminister  auf  den  mit  der  geistigen  Anstrengung 
steigenden  Pessimismus  der  Jugend  hingewiesen  hat502).  —  Die  Heilmittel  erstreben 
teils  eine  intellektuelle  Hebung,  wovon  der  Prager  Verein  ein  schönes  Beispiel 
segensreicher,  durch  25  Jahre  geübter  Thätigkeit  bietet 503_506a).  —  Rege  ist  das 
Streben,  der  christlichen  Kirche  neue  Aufgaben  zu  schaffen.  507~511)  —  Am  aussichts- 
vollsten wohl  sind  die  Bestrebungen  socialen  Charakters,  die  eine  Ausgleichung  der 
Gegensätze  in  der  Gesellschaft  und  eine  moralische  und  physische  Kräftigung  er- 
streben.512"526) - 


Waitz,  Socialismus  u.  Frauenfrage:  HPB11.  124,  S.  668-87.  —  485)  X  W.  Manke,  D.  Stellung  d.  Frau  in  „Freiland":  Ges. 
S.  710-21.  —  486)  X  H,  Lange,  Th.  Ziegler  u.  d.  Frauenfrage:  Frau  1,  S.  236-41.  —  487)  0.  Sommer,  Z.  Frauenbeweg. 
in  Deutschland.  Wolfenbüttel,  Zwissler.  72  S.  M.  0,75.  —  488)  X  A..  Schubert,  D.  dtsch.  Mütter  Teil  an  dtsch.  Lande  Heil. 
2.  Aufl.  B.,  Oehmigke.  48  S.  M.  0,60.  (1.  Aufl.  1892.)  —  489)  X  A.  Philippi,  D.  Frauenfrage.  E.  zeitgesch.  Stud.  Bielefeld, 
Velhagen  &  Klasing.  12°.  VII,  70  S.  M.  0,80.  —  489a)  X  Z.  Frauenfrage:  Grenzb.  1,  S.  517-33;  2,  S.  40/4;  3,  S.  396-405. 
437-47.  —  490)  X  Helene  v.  Forster,  D.  Frau,  d.  Gehilfin  d.  Mannes.  Vortr.  Nürnberg,  Raw.  10  S.  M.0,30.  —491)  Mathilde 
Lammers,  D.  Frauenbeweg.  in  Deutschland:  Zeit  1,  S.  151,2.  —  492)  X  Elise  Oelsner,  D.  Leistungen  d.  dtsch.  Frau 
in  d.  letzten  400  J.,  auf  wissensch.  Gebiet.  Guhrau,  Lemke.  234  S.  M.  3,00.  |[Frau  S.  821;  N&S.  70,  S.  412  Jj  —  493)  X 
G.  Ferrero,  D.  Weib  als  Künstlerin:  Zukunft  9,  S.  216/9.  —  494)  X  6-  Dahms,  D.  Recht  d.  Frauen  auf  Arbeit:  Frau  1, 
S.  513,6.  —  495)  Laura  Marholm,  D.  Buch  d.  Frauen.  Zeitpsycholog.  Portrr.  Mit  6  Autotyp.  München  u.  L.,  Langen.  VIII, 
195  S.  M.  3,00.  |[K.  v.  Thaler:  NFPr.  N.  10881.]|  -  496)  M.  Wolf,  D.  phys.  u.  sittl.  Entartung  d.  mod.  Weibes.  3.  verm. 
u.  verb.  Aufl.  Neuwied,  Schupp.  VIII,  114  S.  M.  2,50.  —  496a)  X  El-iza  Jchenhäuser,  Frauenfrage  u.  Darwinismus: 
Kritik  1,  S.  273-92.  (Vgl.  R.  Konemann:  ib.  S.  409-13.)  —  497)  X  J-  Petri,  Frauenlitt.:  ML.  63,  S.  1426-30,  1449-53.  — 
498)  X  C.  v.  B.,  Z.  Frauenfrage:  DAdelsbl.  S.  7/9.  —  498a)  X  A.  Ecke,  D.  gesellsch.  Stellung  d.  Landpfarrfrauen  u. 
-Töchter:  DEB11.  19,  S.  259-69.  —  499)  W.  Erb,  Ueber  d.  wachsende  Nervosität  unserer  Zeit.  (Aus  NHJbb.)  Heidelberg, 
Koester.  32  S.  M.  0,80.  |[PaedA.  36,  S.  129-37.]|  —  500)  X  H-  Holtzmann,  D.  Gefährdung  unserer  Geistesknlt.:  DR.  2, 
S.  66-81.  —  501)  X  B-  Vetter,  D.  mod  Weltanschauung  u.  d.  Mensch.  Jena,  G.  Fischer.  XII,  157  S.  M.  2,50.  |[LCBI.  S  1659-60; 
D.  Spiegel:  DPB1.  27,  S.  124/5.]|  -  502)  D.  Pessimismus  d.  Jugend:  Didask.  N.  178.  —  503)  X  J-  Lippert,  25  J.  d. 
Strebens  für  Volksbildung.  Z.  Gesch.  d.  dtsch.  Volksbildungsbestrebungen  inner-  u.  ausserhalb  Böhmens.  (=  SGV.  N.  185,6.) 
Prag,  llärpfer.  35  S.  M.  0,80.  —  504)  XFTomberSer>  E-  Vierteljh.  Kulturarbeit.  Festschr.  z.  Feier  d.  25 j.  Jubil.  d. 
österr.  Reichsyolksschulgesetzes.  Wien,  Sallmayer.  16  S.  M.  0,40.  —  505)  X  E.  v.  Sallwürk,  Wie  kann  d.  dtsch.  Volks- 
bildungswesen lebenskräftig  werden?  Vortr.  Ref.:  DB11EU".  21,  S.  5.  —  506)  X  Hauptversamml.  d  Ges.  für  Verbreit.  v. 
Volksbildung:  DB11EU.  21,  S.  193/5,  201/2.  —  506a)  X  Volksunterhaltungsabende:  ib.  S.  82  3.    —    507)  X  A-  Tschuprow, 

D.  Wissen  u.  d.  Volkswohlstand:  Paed.  S.  549-63.  —  508)  X  «!•  Shairps,  Culture  and  religion.  New.  ed.  (AusJ.  F.  Cruiup 
„Greetings  in  the  market  and  other  soc.  Sketches.")  London,  Simpkin.  Sh.  36.  —  509)  X  Th.  Brieger,  D.  fortschreitende 
Entfremdung  v.  d.  Kirche  im  Licht  d.  Gesch.     Ak.  Rede.     L.,  Hinrichs.     28  S.     M.  0,50.     ||K.  Köhler:  ThLZ.  19,  S.  539-40 J| 

—  510)  Christentum  u.  Socialdemokratie:  DEKZ.  8,  S.  209-11.  (Vgl.  Socialdemokratie  u.  Religion:  ib.  S.  316/7.)  -  511)  N. 
Gro  dtczinsky ,  Mod.  Kastengeist  in  unseren  Kultureinrichtungen.  Kulturgesch-philosoph.  Skizzen.  B.,  Steinitz.  72  8. 
M.  1,00.  —  512)  X  L-  Fulda,  D.  Reform  unserer  Geselligkeit:  VomFelsz.Meer  2,  S  13,8.  —  513)  X  &  Müllenbach, 
Demoiselle  —  Fräulein  —  Gnädiges  Fräulein:  Grenzb.  2,  S.  33/7.  —  514)  X  Ch.  G.  Tienken,  D.  unsittl.  Litt.  u.  d.  Buchh. 
(=  Tages-  u.  Lebensfragen.  Her.  v.  W.  Bode.  N.  17.)  Bremerhaven,  Tienken.  47  S.  M.  0,50.  |[R.  Busch:  ThLB.  17, 
S.  229.JI   —    515)  X  „Volksdienst".     V.  e.  Socialaristokraten.     B.,  Wiener.     1893.     III,  397  S.     M.  3,00.     |[WIDM.  76,  S.  639.JI 

—  516)  X  R-  Mielke.  Volkstum  u.  Volkskunst:  TglRs1*.  N.  276.  —  517)  X  Fr-  Lange,  Reines  Deutschtum  (JBL.  1893 
I  4:615.)  |[AkBll.  8,  S.  95;  LCB1.  S.  160/2;  0.  Lyon:  ZDU.  8,  S.  421,4;  Ges.  S.  966/8.JI  -  518)  X  M.  Löwisch,  Dtsch. 
Dichtung  u.  „Reines  Deutschtum":  TglRsü.  N.  53/4,  97/8,  102.  —  519)  X  K  Pröll,  Volksschulen  u.  Nationalgesinnung:  Kai. 
aller  Deutschen  S.  25-30  —  520)  X  *>•  „Internationale"  u.  d.  Schule:  NZSt.  2,  S.  824,7.  —  521)  X  1-  Msch.  Kongress  für 
Jugend-  u.  Volksspiele:  PaedA.  36,  S.  112/4.  —  521a)  X  Dass.:  DB11EU.  21,  S.  65/6,  74,5.   -  522)  X  Georg  Hoffmann  u. 

E.  Groth,  Dtsch.  Bürgerkunde.  Kleines  Handb.  d.  politisch  Wissenswerten.  L,  Grunow.  VIII,  312  S.  M.  2,00.  |[BBG.  30, 
S.  767;  L  Rudolph:  COIRW.  22,  8.  569-78;  W.  Wendland:  AkBll.  9,  S.  49;  J.  Wychgram:  BLU.  S.  514/5;  A.  Giese: 
Bär  20,  S.  279.]|  —  522a)  X  E  v-  Sehen  kendorff  u.  F.  A.  Sohmidt,  Ueber  Jugend- u.  Volksspiele  Jb.  d.  Centralaussch. 
I.  Förder.  d.  Jugend-  u.  Volksspiele  in  Deutschland.  1.  u  2.  Jahrg.  L.,  Voigtländer.  1893-94.  193,  309  S.  M.  1,20;  M.  2,00. 
|[L.  Rudolph:  COIRW.  22,  S.  767;  A.  Heitmann:  PaedA.  36,  S  116-23,  747-54.J|  (D.  Zeitschr.  trägt  seit  1894  nur  d. 
Titel:  Jb.  für  Jugend-  u.  Volksspiele.)  —  523.)  X  K.  Koch,  D.  Entwickl.  d  Jugendspiels  in  Deutschland.  Vortr.  Hannover- 
Linden,  Manz  &  Lange,  30  S.  M.  0,60.  |[L.  Rudolph:  COIRW.  22,  S.  188. J|  -  524)  L.  Bahlsen,  Schulfestspiele  aus  d. 
Gesch.  d.  Vaterlandes.  (=  ÜB.  N.  3127)  L.,  Reolam.  72  S.  M.  0,20.  |[L.  Rudolph:  COIRW.  22,  8.  191/2.]|  -  525)  X 
A.  v.  Raseg,  D  vläm.  Beweg,  in  Belgien:  Kai.  aller  Deutschen  S.  166-73.  —  526)  X  Th.  Jaensch,  Niederdtsch.  u.  Alldtsch. : 
BayreuthBll.  17,  S    341-51.  - 


(1)6* 


15:1-4  A.  Hauffen,  Volkskunde. 

1,5 

Volkskunde. 

Adolf  Hauffen. 

Einleitung  und  Allgemeines:  Sammlungen  N.  1;  Quellen  N.  4.  —  Sammlungen  volkstümlicher 
Ueberlief  erungen  einzelner  Gegenden:  Anleitung  N.  6.  —  Mecklenburg  N.  10;  Baden  N.14;  Bayern,  Schlesien  N.  16; 
Siebenbürger  Sachsen  N.  19;  Deutsch-Böhmen,  Oesterreich  N.  20.  —  Zusammenfassende  Darstellungen  der  Volkskunde  einzelner 
Gegenden  (Böhmen,  Niederrhein,  Tirol,  Elsass,  Meiningen)  N  23.  —  Einzelne  Volksbräuche:  Totenbretter  N.  37;  Jahres- 
festbräuche  (Fastnacht,  Ostern,  Frühling,  Weihnachten)  N.40;  Bräuche  in  einzelnen  Landschaften  N.  58.  —  Aberglauben:  All- 
gemeines N.  89.  —  Besondere  Gebiete:  Beziehungen  zur  Rechtspflege,  Kartenspiel,  Zahl  Neun,  Fuss  und  Schuh  N.  100;  Kinder, 
Tiere,  Fflanzen  N.  107.  —  Volksmedizin  N.  118.  —  Segen,  Beschwörungen,  Zauberformeln  N.  124.  —  Traumdeutung  N.  137.  — 
Hexen  N.  138.  —  Teufel  N.  145.  —  Sagensammlungen:  Allgemeines  N.  149.  —  Oberdeutschland  N.  152.  —  Mitteldeutsch- 
land N.  169.  —  Niederdeutschland  N.  189.  —  Märchensammlungen  N.  200.  -  Geschichte  volkstümlicher  Stoffe 
N.  237.  —  Volksschauspiel  N.  267.—  Volkslied:  Allgemeines  N.  280.  -  Sammlungen:  Allgemeine  N.  297;  mich  den  ein- 
zelnen Landschaften:  Oberdeutschland  N.  300,  Mitteldeutschland  N.  311,  Niederdeutschland  N.  316.  —  Verschiedenes: 
Kinderlieder  und  Kinderspiele  N.  320.  —  Sprachscherze  N.  344.  —  Sprüche  N.  350.  —  Sprichwörter  und  Redensarten  N.  360. 
—  Rätsel  N.  389.  —  Volkswitz  N.  396.  —  Namengebung:  Eigennamen,  Familiennamen  N.  399;  Ortsnamen  N.  414;  Ver- 
einzeltes N.  429.  — 

Die  Volkskunde,  deren  wissenschaftlicher  Ausbau  nun  aller  Orten  so  eifrig 
verfolgt  wird,  hat  nach  dem  von  Weinhold  entworfenen,  wohl  allgemein  anerkannten 
Programm  (ZVVolksk.  1,  S.  1  —  10)  ein  sehr  weites  Arbeitsgebiet.  Darnach  ist  es 
ihre  Aufgabe,  die  äusseren  Erscheinungen,  die  Lebensweise,  Sitte,  Recht  und  Glauben, 
Sprache  und  Poesie  des  Volkes  zu  erforschen,  deren  historische  Entwicklung  und 
deren  Beziehungen  zu  verwandten  oder  fremden  Stämmen  aufzudecken.  In  diesem 
grossen  Umfange  kann,  wie  ich  einleitend  bemerken  muss,  die  Volkskunde  hier  nicht 
berücksichtigt  werden,  weil  einzelne  Gebiete  sich  in  die  Rahmen  anderer  Abschnitte 
dieser  JBL.  besser  hineinfügen,  und  weil  anderes,  so  die  physische  Erscheinung 
und  die  äusseren  Lebensverhältnisse ,  als  in  keiner  Beziehung  zur  neueren 
deutschen  Literaturgeschichte  stehend,  völlig  ausgeschieden  werden  musste.  Bei 
der  jährlich  anschwellenden  ausserordentlich  grossen  volkskundiichen  Litteratur  war 
es  zur  Entlastung  dieses  Berichtes  nötig,  dass  zahlreiche  kleinere  Aufsätze,  deren 
wesentlicher  Inhalt  durch  den  Titel  schon  genügend  gekennzeichnet  wird,  ferner 
Mitteilungen  von  Dilettanten  (deren  Stellung  zu  unserer  Wissenschaft  F.  Vogt  JBL. 
1893  15:1  treffend  beurteilt  hat),  endlich  Ausgaben,  die,  für  die  Jugend  und  die 
Schule  berechnet,  die  Wissenschaft  weiter  nicht  fördern,  nur  in  den  Anmerkungen 
kurz  angeführt  wurden.  WTider  Willen  war  ich  zu  dieser  knappen  Angabe  zuweilen 
auch  bei  anscheinend  wichtigeren,  doch  unzugänglich  gebliebenen  Aufsätzen  genötigt. 
Das  weit  versprengte  Material  war  eben  leider  höchst  unvollständig  eingeliefert 
worden.  Indem  ich  mich  im  ganzen  an  die  vom  vorjährigen  Berichterstatter  klar 
und  übersichtlich  getroffene  Anordnung  halte,  freut  es  mich,  an  die  Spitze  des  all- 
gemeinen Abschnitts  eine  so  prächtige  Sammlung  stellen  zu  können,  wie  R.  Köhlers 
nachgelassene  Aufsätze  zur  vergleichenden  Litteraturgeschichte  und  Volkskunde,  die 
Bolte  und  Erich  Schmidt1)  gemeinsam  herausgaben.  Nur  der  erste  weitaus- 
greifende Vortrag  über  Alter,  Abstammung  und  Verbreitung  der  europäischen  Märchen 
war  bereits  gedruckt,  die  übrigen  fünf  sind  von  den  verdienstvollen  Herausgebern  nach 
dem  hs.  Nachlass  mit  Anmerkungen  und  Nachträgen  versehen  und  sorgfältig  redigiert 
worden.  Dem  Aufsatz  über  die  Sagen  von  den  „eingemauerten  Menschen"  folgt 
„S.  Petrus,  der  Himmelspförtner",  eine  Besprechung  zahlreicher  Schwanke  voll 
Humor  und  Satire,  ferner  Abhandlungen  über  die  nordgermanischen  Balladen  „Von 
der  sprechenden  Harfe",  und  über  die  Märchen  und  Allegorien  von  „Glück  und  Un- 
glück" und  vom  „Hemd  des  Glücklichen".  Alle  in  der  schlichten,  herzerfreuenden 
Weise  des  grundgelehrten  und  vielbelesenen  Forschers  abgefasst.  Seh.  hat  seinen  schönen 
Nachruf  (JBL.  1893  I  2  :  30)  und  ein  Verzeichnis  der  Schriften  Köhlers  (neben  mehreren 
Ausgaben  gegen  500  Aufsätze  und  Recensionen)  beigegeben.  Den  Anmerkungen 
kam  B.s  glänzende  Beherrschung  der  Stoffgeschichte  zu  statten.2)  —  Die  im  Vor- 
jahre angezeigte  Sammlung  von  Gustav  Meyer  (JBL.  1893  I  2  :49;  5  :  2)  hat  noch 
eine  Besprechung  erfahren3).  — 

Nach  wie  vor  bemühen  sich  nur  wenige  Forscher  um  die  Aufdeckung  der 
in  der  älteren  Litteratur,  in  geistlichen  Erlassen  des  Mittelalters  usw.  reichlich  vor- 
handenen Quellen   zur  Volkskunde.     Gröber4)  hat  Konzilbeschlüsse  und  Kapi- 


1)  Reinh.  Köhler,  Aufsätze  über  Märchen  u.  Volkslieder.  Aus  seinem  hs.  Nachl.  her.  v.  J.  Bolte  u.  Erich 
Schmidt.  B.Weidmann.  VIII,  152  S.  M.  3,00.  |[K.  Weinhold:  ZVVolksk.  4,  S.  98;  E.Matthias:  WeimarZg.  N.  93; 
H.  Gaidoz:  Melusine  7,  S.46,7;  D.  K(ock):  Folklore  7,  S.  172.J|  -  2)  X  &•  Ellinger,  R.  Köhlers  letzte  Gabe:  NationB.  11, 
S.  602,4.  (üeber  N.  1.)  —  3)  X  E.  Wasser  zieh  er:  PrJbb.  75,  S.  173/5.  —  4)  G.  Gröber,  Z.  Volkskunde  aus  Konzil- 
beschlüssen u    Kapitularien.     Herrn  Geh.-R.  K.  Weinhold  z.  26.  Okt.  1893  dargebr.     Strassburg  i.  E.,  Trübner.    26  S.    M.  1,00. 


A.  Hauffen,  Volkskunde.  I  5.5-23 

tularien,  Amersbach5)  die  Schriften  Grimmeishausens  für  die  Volkskunde  ver- 
wertet. — 

Weit  eifriger  ist  man  jetzt  in  der  Sammlung  der  gegenwärtigen  volks- 
tümlichen Ueberlieferungen  in  einzelnen  Gegenden  Deutschlands.  Eine 
Anleitung  für  Mitarbeiter  an  solchen  Sammlungen  hat  Jiriczek6)  im  Auftrage 
des  deutschen  Hauses  in  Brunn  (an  ältere  Schriften  der  Art  sich  anschliessend)  in 
übersichtlicher  und  sehr  zweckdienlicher  Weise  ausgearbeitet.  —  In  einem  an  die 
rheinische  Lehrerschaft  gerichteten  Vortrag  giebt  Rademac  her")  einen  guten 
Ueberblick  über  das  ganze  Gebiet  der  Volkskunde  und  deren  bisherigen  Betrieb  in 
Deutschland,  und  zeigt  dann  im  einzelnen,  in  welcher  Weise  sich  die  Volksschullehrer 
an  der  Sammlung  und  Darstellung  des  volkskundlichen  Materials  fruchtbar  beteiligen 
könnten.8-9)  — 

Von  den  älteren  Unternehmen  dieser  Art  ist  die  Sammlung  mecklen- 
burgischer Volksüberlieferungen,  die  W  o  s  si  dlo  l0_11)  leitet,  am  weitesten  ge- 
diehen. Neben  Proben :  Redensarten  über  das  Tanzen,  hat  W.  seinen  zweiten  Bericht 
veröffentlicht,  aus  dem  wir  ersehen,  dass  er  an  Rätseln,  Liedern,  Sagen,  Kinder- 
reimen, Sprüchen,  Redensarten  usw.  schon  über  20000  Varianten  beisammen  hat  und 
schon  weit  über  die  bekannte  Sammlung  von  Bartsch  hinausgekommen  ist.12"13)  — 

Auch  die  badische  Sammlung  (JBL.  1893  15:  13)  schreitet,  wie  Pfaff14) 
berichtet,  rüstig  vorwärts.  Nach  der  Verteilung  von  3000  Fragebogen  ist  alsbald 
ein  grosses  Material  eingelaufen,  und  der  grossherzogliche  Oberschulrat  hat,  „von 
der  hohen  Nützlichkeit  dieses  Unternehmens  überzeugt",  die  badischen  Volksschul- 
lehrer zur  Mitarbeit  auffordern  lassen.  —  Zur  Erläuterung  der  badischen  Fragebogen 
hat  E.  G.  Meyer15)  eine  kleine  Schrift  veröffentlicht,  worin  er  einen  geschichtlichen 
Ueberblick  über  den  bisherigen  wissenschaftlichen  Betrieb  der  Volkskunde  (vornehmlich 
in  Baden)  giebt,  auf  die  Wichtigkeit  der  Namen,  Mundarten,  Haustypen  für  die  Er- 
forschung der  Stammesgeschichte,  sowie  der  Bräuche,  Volksanschauungen  und  Sagen 
für  die  Erhaltung  der  Mythologie  verweist  und  seine  Erörterungen  an  zahlreichen 
Beispielen  (so  S.  21  an  der  Sage  von  der  weissen  Frau)  erklärt.  - 

Zur  Sammlung  heimatlicher  Volksüberlieferungen  hat  sich  in  Würzburg 
ein  Verein  für  bayerische  Volkskunde  und  Mundartenforschung  unter  O.  Brenners 
Leitung  gebildet  16j,  zu  dem  gleichen  Zweck  in  Breslau  auf  Vogts  und  Nehrings  An- 
regung hin  eine  schlesische  Gesellschaft  für  Volkskunde17).  Die  letztere  giebt 
unter  Vogt  und  Jiriczeks18)  Leitung  Mitteilungen  heraus,  deren  erste  Hefte  noch 
in  das  Berichtsjahr  fallen.  — 

Den  für  die  Siebenbürger  Sachsen  berechneten  Fragebogen  (JBL. 
1893  I  5:26)    hat  Wagner19)   für   Draas  reichhaltig  und  musterhaft  beantwortet.  — 

Für  volkskundliche  Sammlungen  in  ganz  Deut  seh- Böhmen  hat  Hauffen20), 
als  Leiter  des  Unternehmens,  im  Auftrage  der  Gesellschaft  zur  Förderung  deutscher 
Wissenschaft,  Kunst  und  Litteratur  in  Böhmen,  einen  sehr  ausführlichen  Fragebogen 
veröffentlicht.  —  Die  Gründung  des  inzwischen  zu  schönen  Erfolgen  vorgeschrittenen 
Vereins  für  österreichische  Volkskunde  kündigte  Haberlandt21)  in  einem  warm 
und  fesselnd  geschriebenen  Aufsatz  an,  in  dem  er  zugleich  die  Aufgaben  und  Ziele 
des  neuen  Vereins  andeutete.  22~22a)  — 

Neben  diesen  (Grösseres  erst  vorbereitenden)  Unternehmen  sind  auch  einige 
zusammenfassende  Darstellungen  der  Volkskunde  einzelner  Gegenden 
zu  verzeichnen.  So  wurde  in  dem  grossen  Sammelwerke  über  Oesterreich-Ungarn 
das  Volksleben  der  Deutschen  in  West-,  Nord-  und  Ostböhmen  (Menschenschlag', 
Lebensverhältnisse,  Trachten,  Dorfanlage,  Hausbau,  Feste  und  Bräuche,  Lieder  und 
Sagen)   von   Naaff23),    das    Leben    und  die  Poesie  der  Deutschen  im  Böhmerwalde 


—  5)  K.  Amersbach,  Aberglaube,  Sage  u.  Märchen  bei  Grimmeishausen.  II.  Progr.  Baden-Baden.  1893.  4°.  46  S.  (Ygl. 
JBL.  1891  III  3:3;  s.  auch  u.  UI  3 : 7.)  —  6)  0.  Jiriczek,  Anleit.  z.  Mitarbeit  an  volkskundl.  Samml.  Brunn,  Dtsch.  Haus. 
31  S.  M.  0,20.  |[K.  Weinhold:  ZVVolksk.  4,  S.  218.]|  —  7)  C.  Rademacher,  Lehrerschaft  u.  Volkskunde.  Bielefeld. 
Helmich.  16  S.  M.  0,40.  |[P.  Schaeffer:  Urquell  5,  S.  115.]|  —  8)  X  A.-  Schullerus,  Volkstum  u.  Yolkst&ml.  Er- 
ziehung. (=  D.  6.  siebenbürg.-sächs.  Lehrertag.  [Hermannstadt,  Krafft.  83  S.  M.  1,20],  S.  30-55.)  —  9)  X  L.  Fränkel, 
F.  S.  Krauss,  Böhmische  Korallen  (JBL.  1893  I  5:3):  ASNS.  92,  8.  70/1.  —  10)  B.  Wossidlo,  Volkstümliches  aus  Mecklen- 
burg aus  d.  Volksmunde.  V.  Tanzen:  BostockZg.  N.  252.  —  II)  id.,  2.  Bericht  über  d.  Samml.  mecklenbnrg.  Volksüberlieferungen  : 
ib.  11.  März.  (Ausz.  daraus  im  QBer.  zu  JbbVMecklG.  59,  S.  54;9.)  —  12)  X  Ueber  d.  Samml.  mecklenbnrg.  Volks- 
überlieferungen: KBGV.  42,  S.  80/1.  —  13)  X  M-  Drfeyer],  Mecklenburg.  Volksüberlieferungen.  E.  Sammelwerk  dtsch. 
Geistes  u.  dtsch.  Fleisses:  TglRs".  N.  244.  -  14)  F.  Pfaff,  Biid.  Volksk.:  Alemannia  22,  S.  96,  191/2.  —  15)  E.  H.  Meyer, 
Bad.  Volksk.  Bonn,  Hanstein.  23  S.  M.  0,50.  |[K.  Weinhold:  ZVVolksk.  4,  S.  459.]|  (Sonderabdr.  aus  Alemannia  22, 
S.  97-119.)  —  16)  Aufruf  z.  Samml.  bayer.  Volksüberlieferungen.  Würzburg,  Sturtz.  4  S.  (Nebst  e.  Fragebogen.)  —  17)  Frage- 
bogen d.  Schles.  Ges.  für  Volksk.  Breslau,  Wollmann.  8  S.  (Privatdr.)  —  18)  F.  Vogt  u.  0.  Jiriczek,  Mitteilungen  d. 
schles.  Ges.  für  Volksk.  Bd.  1,  Heft  1  u.  2.  Breslau,  im  Verl.  d.  Ges.  -  19)  J.  Wagner,  Z.  Volksk.  aus  Draas:  KBIVSbnbgL.  17, 
S.  81-119.  —  20)  [A.  Hauffen],  Fragebogen  z.  Samml.  d.  volktüml.  Ueberlieferungen  in  Deutsoh  -  Böhmen.  Prag, 
Verl.  d.  Ges.  z.  Förderung  dtsch.  Wissensch.,  Kunst  u.  Litt,  in  Böhmen.  14  S.  —  21)  M.  Haberlandt,  Oesterr. 
Volksk.:  NFPr.  N.  10  894.  —  22)  X  A.  Tille,  D.  2.  internat.  Folklore-Kongr. :  Zukunft  6,  S.  297-305.  —  22a)  OX  Bll.  für 
Pommersche  Volksk.  Her.  v.  0.  Knoop  u.  A.  Haas.  3.  Bd.  Stettin,  Burmeister.  12  Nrr.  ä  1  Bog.  M.  4,00.  — 
23)   A.   Naaff,   Volksleben    d.   Deutschen   in  West-,    Nord-   u.    Ostböhmen.    (=D.   österr.-ung.   Monarohie    in  Wort  n.  Bild. 


I  5:24-58  A.  Hauffen,  Volkskunde. 

von  Rank24)  anschaulich  geschildert.  —  Als  Ergänzung-  hierzu  dient  Gradls25) 
Uebersicht  über  die  vier  deutschen  Mundarten  in  Böhmen  und  deren  Grenzen.  —  Für 
einzelne  Kreise  des  Niederrheins,  die  Gegend  von  Geldern,  Aachen  und  Düssel- 
dorf, hat  Schmitz26)  sehr  reiche  volkskundliche  Beiträge  geliefert:  mundartliche 
Lieder,  Reime,  Sprüche,  Redensarten,  ferner  eine  eingehende  Schilderung  des  Lebens, 
der  Spiele,  Feste  und  Bräuche  mit  vollständiger  Angabe  der  darauf  bezüglichen  mund- 
artlichen Bezeichnungen.  —  Ihre  köstlichen  Schilderungen  der  Lebens-  und  Arbeits- 
weise, der  Bräuche  und  Anschauungen  von  Tiroler27)  Landleuten  hat  Marie 
Rehsener28)  (JBL.  1893  I  5:20)  fortgesetzt.  —  Mitteilungen  über  Kalenderfeste, 
Hochzeit,  Kinderspiele,  Dämonen  und  Hexenglauben  im  Elsass  hat  Stehle29)  bei- 
gesteuert.30) —  Schleichers31)  Sammlung  von  Volksüberlieferungen  aus  Sonneberg 
im  Meininger  Oberlande,  die  zuerst  1858  erschienen  ist,  wurde  in  neuer  unver- 
änderter Auflage  ausgegeben.  —  Verwandte  im  Vorjahre  erschienene  Schriften32"33) 
sind  neuerdings  recensiert  worden.34-36)  — 

Unter  den  Abhandlungen  über  einzelne  Volksbräuche37)  muss  die  be- 
lehrende Studie  über  die  Totenbretter  von  Hein 38)  hervorgehoben  werden, 
worin  die  Verbreitung  dieses  höchst  beachtenswerten  Seelenkultes  genau  angegeben 
wird.  Seine  Grenzen  umfassen  ein  weites  Gebiet,  grösstenteils  des  bayerischen 
Stammes.  Von  der  Oberpfalz  bis  ins  Tirolische,  vom  Lech  bis  in  den  Böhmerwald 
und  nach  Oberösterreich,  ferner  Westböhmen  und  den  nordöstlichen  Winkel  Böhmens 
(Braunau).  Nebenbei  erfahren  wir  hier  manches  über  die  Sitten  beim  Todesfall,  über 
den  malerischen  Schmuck  und  die  Inschriften  der  Totenbretter.  Instruktive  Bilder 
(namentlich  aus  Salzburg)  und  eine  Bibliographie  sind  beigegeben. 39).  — 

Zahlreiche  Sonderarbeiten  sind  über  Jahresfestb  rauche  erschienen. 
Ueber  münsterische  F  a s  t  n a c h  t  s  belustigungen  des  16.  Jh.  veröffentlicht  Bahl- 
mann40)  die  ausführlichen  Berichte  des  Oberkantors  Melchior  Röcheil.  Die  ver- 
schiedensten derben  Maskenscherze,  die  Faschingsbräuche  der  einzelnen  Zünfte  und 
Brüderschaften  lernen  wir  hier  kennen.  Zum  Schluss  teilt  B.  zwei  Ballordnungen  der 
münsterischen  Landesregierung  aus  dem  18.  Jh.  mit.  —  Einen  knappen  Ueberblick 
über  deutsche  Fastnachts-Bräuche  und -Lieder  giebt  Gehmlich41),  über  Oster- 
bräuche42)  G  i  1 1  h  o  ff43).  —  Zu  den  Frühlings  brauchen  44~48)  gehört  auch  das 
Scheibentreiben.  Zu  seiner  über  diesen  Gegenstand  veröffentlichten  Abhandlung  hat. 
Vogt49)  im  Anschluss  an  eine  Schrift  von  Gaidoz  Nachträge  veröffentlicht.  —  Tilles 
„Geschichte  der  deutschen  Weihnacht"  (JBL.  1893  I'5:61)  ist  wiederholt  be- 
sprochen worden50).  Wein  hold  lehnt  das  Gesamtergebnis  dieser  fleissigen,  aber 
unzuverlässigen  Untersuchung  mit  ähnlicher  Begründung  ab,  wie  es  Vogt  im  Vor- 
jahre an  dieser  Stelle  gethan  hat.  W.  tadelt  ausserdem  die  unsichere  Beweisführung, 
die  mangelhafte  Gliederung  der  Zeugnisse  nach  Zeit  und  Landschaft,  und  berichtigt 
eine  Reihe  von  einzelnen  Versehen.51)  —  Nachrichten  über  eine  Gruppe  verschiedener 
Volksbräuche52)  werden  durch  die  von  der  Zeitschrift  „Am  Urquell"  veranlassten  Um- 
fragen53-57) von  verschiedenen  Seiten  zusammengetragen.  — 


Böhmen.  1.  Abt.,  14.  Bd.  [Wien,  Hof-  u.  Staatsdrnckerei.  618  S.  M.  11,40],  S.  496-564.)  -  24)  J.  Rank,  Volksleben  d.  Deut- 
schen im  Böhmerwalde.  (=  N.  23,  S.  564-603.)  —  25)  H.  Gradl,  D.  Dialekte  d.  Deutschen.  (=  N.  23,  S.  604-18.)  — 
26)  W.  Schmitz,  D.  Misch-Mundart  in  d.  Kreisen  Geldern  (südlicher  Teil),  Kempen,  Erkelenz,  Heinsberg,  Geilenkirchen, 
Aachen,  Gladbach,  Crefeld,  Neuss  u.  Düsseldorf,  sowie  noch  mancherlei  Volkstümliches  aus  d.  Gegend.  Dülken,  Kugelmeier. 
211  S.  M.  1,80.  —  27)XTh.  Hell,  Auf  e.  Bauernhofe  im  Gsiessthal  in  Tirol:  ZVVolksk.  4,  S.  77-80.  —  28)  MarieRehsener, 
Aus  Gossensass.  Arbeit  u.  Brauch  in  Haus,  Feld,  Wald  u.  Alm.  IL:  ib.  S.  107-33.  —  29)  B.  Stehle,  Volkstüml.  Feste,  Sitten 
u.  Gebräuche  im  Elsass:  JbVogesClub.  10,  S.  217-42.  —  30)  X  Kassel,  Z.  Volkssitte  im  Elsass:  ib.  S.  180  8.  (1.  D. 
Rummelbrettchen  in  Minversheim.  E.  Nachbarschaftszeichen,  wodurch  z.  Glockenläuten  bei  nahendem  Gewitter  gemahnt 
wurde.  2.  E.  Hochzeit  in  Mietesheim.)  —  31)  O  X  A.  Schleicher,  Volkstümliches  aus  Sonneberg  im  Meininger  Oberlande. 
2.  Aufl.  Sonneberg,  Albrecht.  XXV,  158  S.  M.  3,00.  —  32)  X  W.  Müller,  Beitrr.  z.  Volksk.  d.  Deutschen  in  Mähren  (JBL.  1893 
I  5:38).  |[L.  Fränkel:  Urquell  5,  S.  200/1;  L.  Frey  tag:  COIRW.  22,  S.  184;  A.  Hruschka:  MVGDßB.  S.  62,3.]|  —  33)  X 
H.  v.  Wlislocki,  Volksglaube  u.  Volksbrauch  d.  Siebenb.  Sachsen  (JBL.  1893  I  5:22).  |[G.E.:  Nation».  11,  S.  748 ;  W.Golther: 
ZVLR.  7,  S.  233,4;  L.  K(aton)a:  LCB1.  S.  1301/2;  R.  M.:  Bär  20,  S.  40;  DR.  1,  S.  272;  VossZg.  N.  364.]|  -  34)  O  X  E-  F- 
v.  Mülinen,  Beitrr.  z.  Heimatkunde  d.  Kantons  Bern  dtsch.  Teils,  fortges.  v.  W.  F.  v.  Mülinen.  6.  Heft.  (3.  [Schluss-]T1. : 
D.  Seeland.)  Bern,  Wyss.  S.  385-606.  M.  2,40.  —  35)  X  E-  Otto,  Aus  d.  Volksleben  d.  Stadt  Butzbach:  AHessG.  1,  S.  329-99. 
(Reiche  Mitteil,  über  Spiele,  Tänze,  Bräuche  u.  a.  aus  archival.  Quellen.)  —  36)  X  S.  Schweinburg,  Z.  Volkskunde  d. 
Juden  Böhmens:  Urquell  5,  S.  1701,  225/8.  —  37)  O  X  G.  A.  Keusch,  Dtsch.  Festzeiten  u.  Festbräuche  einst  u.  jetzt: 
NK11EU.  23.  S.  152-80.  —  38)  W.  Hein,  D.  geograph.  Verbreitung  d.  Totenbretter.  Wien,  Holder.  4°.  17  S.  Mit  2  Lichtdr.- 
Taf.  M.  3,00.  |[K.  Weinhold:  ZVVolksk.  4,  S.  463,4.]!  (Sonderabdr  aus  MAnthrGesWien.  24,  S.  56-71.)  -  39)  X  A.  Frey  be, 
D.  dtsch.  Leichen-  oder  Totenmahl:  NKZ.  5,  S.  677-86.  —  40)  (I  4:33.)  —  41)  E.  Gehmlich,  Fastnacht:  LZg".  N.  16.  — 
42)  X  H-  Sohnrey,  Grüne  Ostern  u.  fröhliche  Leute.  E.  Osterbild  u.  e.  Ostermahnung  v.  Lande:  TglRs».  N.  29.  —  43)  X 
.1.  Gillhoff,  Allerlei  Ostern:  NatZg".  N.  193.  -  44)  X  R-  ▼•  Strele,  April:  WienZg.  N.  96.  —  45)  X  id.,  Mai:  ib.  N.  112/3. 
—  46)  X  C.  Sterne,  Walburgisnacht:  TglRs".  N.  99-100.  —  47)  X  E-  Glaser,  Pflanzen-  u.  Kräuterkultus  am  Johannistage : 
Bär  20,  S.  312/4.  -  48)  X  H.  Hartmann,  Mittsommer:  VossZg'5.  N. 25.  —  49)  F.  Vogt,  Beitrr.  z.  dtsch.  Volksk.  aus  älteren 
Quellen.  V.  Z.  Scheiben  treiben:  ZVVolksk.  4,  S.  195,7.  (Vgl.  JBL.  1893  I  5:52.)  —  50)  X  K-  Weinhold:  ZVVolksk.  4, 
S.  100,1;  L.  Fränkel:  Urquell  5,  8.  140;  TglRs.  N.  47  (Nachtr.  N.  50).  —  51>  X  A-  v.  Weilen,  D.  heilige  Nacht :  MontagsB. 
N.  52.  —  52)  X  L-  Müller,  Loosbräuche  unter  d.  Kinderwelt:  LZg».  N.  136.  —  53)  X  ß-  Sprenger,  Vom  Bahrrecht.  E. 
Umfrage:  Urquell  5,  S.  284.  —  54)  X  M.  Höfler,  D.  Lösung  d.  Zungenbändchens.  E.  Umfrage:  ib.  S.  191,  281.  —  55)  X 
J.  Mestorf,  D.  Ausbuttern.  E.  Umfrage:  ib.  S.  281/2.  —  56)  X  J.  Mestorf,  E.  Mandel,  H.  Volksmann,  Bauopfer:  ib. 
S.  157/8.    —    57)  X  R  Krause,   Hahn  aus  d.  Tonne  werfen:  ib.  S.  30/1,  289.   —   58)   0.  Panizza,   D.  Haberfeldtreiben  im 


A.  Hauffen,  Volkskunde.  I  5  :  59-108 

Noch  zahlreicher  sind  kleinere  Beiträge  über  den  oder  jenen  Brauch  in 
einzelnen  Landschaften  oder  einzelnen  Orten.  Dem  Haberfeldtreiben,  diesem  be- 
kannten volkstümlichen  Strafgericht  im  bayerischen  Gebirge  hat  Panizza58)  eine 
sehr  anziehende,  wie  es  scheint  ein  bischen  idealisierende  Studie  gewidmet.  Er 
schildert  die  Geschichte  und  die  Art  der  Ausführung  beim  Treiben,  betont  die  Be- 
rechtigung und  den  sittlichen  Wert  dieses  aus  dem  unverfälschten  Rechtsgefühl  des 
Volkes  erwachsenen  Brauches  und  teilt  —  dies  geschieht  überhaupt  zum  ersten 
Male  —  einen  vollständigen  Haberertext  mit59).  —  Neue  Belege  zu  dem  alten  Rechts- 
brauch vom  „Schwur  unter  dem  Rasen"  (JBL.  1893  I  5:77)  haben  Wein  hold60) 
aus  Oels  in  Schlesien  (1610)  und  Paudler61)  aus  Nordböhmen  beigesteuert.  —  Be- 
sprechungen des  Kölner  Karnevals 62)  und  fröhlicher  Maifeste  (von  Rade- 
macher63), eine  Fortsetzung  zu  JBL.  1893  I  5:60)  führen  uns  an  den  Rhein. 64)  — 
Eine  kleine  Sammlung  von  Haus-  und  Hofmarken  zumeist  aus  der  Steiermark  ver- 
öffentlichte 1 1  w  o  f 65).  —  Vereinzelte  Mitteilungen  sind  ferner  zu  verzeichnen  aus 
Schwaben66"67),  Nieder-68"71*)  und  Oberösterreich72),  aus  den  österreichischen 
Alpenländern73"76),  aus  Böhmen76a),  aus  Nassau77),  den  Rheinlanden78"70),  Thüringen80), 
Franken81"82),  Sachsen83),  der  Lausitz84)  und  aus  dem  nördlicheren  Deutschland85"88).  — 

In  dem  Abschnitte  über  Aberglauben8991)  oder  Volksglauben  fs.  auch 
I  4  :  138—  144),  dem  die  Mythologie92-94),  natürlich  nur  so  weit  als  sie  mit  den  lebenden 
Volksanschauungen  zusammenhängt,  beigefügt  werden  mag,  muss  der  schöne  all- 
gemein zusammenfassende  Vortrag  von  Vogt 95)  vorangestellt  werden.  Seine  Quellen 
waren  allerjüngste  hs.  Berichte  evangelischer  Geistlicher  aus  55  Diöcesen  an  das 
königliche  Konsistorium  der  Provinz  Schlesien.  Wenn  auch  dieses  Material  be- 
greiflicher Weise  fast  nur  solche  abergläubische  Vorstellungen  und  Sitten  darbot,  die 
vom  kirchlichen  Standpunkt  aus  für  gefährlich  galten,  so  war  es  doch  so  reich- 
haltig, dass  V.,  eine  Auswahl  treffend,  höchst  belehrende  Mitteilungen  von  den  noch 
heute  geltenden  Anschauungen  über  Gestalt  und  Wanderung  der  Seele,  über  Dämonen 
und  Elbe,  zauberische  Heilkräfte  und  Bräuche  geben  konnte.  —  Ebenfalls  auf  den 
gegenwärtigen  Volksglauben  in  Mittelschlesien  beziehen  sich  Baumgarts96)  bunte 
Aufzeichnungen. 97_99a)  — 

In  einzelnen  Mitteilungen  und  Darstellungen  wurden  verschiedene  besondere 
Gebiete  des  Volksglaubens  behandelt,  so  dessen  Beziehungen  zur  Rechts- 
pflege von  Fuld100),  zum  Kartenspiel  von  Treichel101),  zur  Zahl  Neun  von 
Weinhold102).  —  Eine  überaus  reichhaltige  Zusammenstellung  aller  auf  Fuss  und 
Schuh    bezüglichen    Volksanschauungen    und   Bräuche    hat   Sartori103)   geliefert. 


bayer.  Gebirge:  FrB.  5,  S.  37-50.  —  59)  X  (I  4:53.)  —  60)  K.  Weinhold,  Abermals  d.  Schwur  unter  d.  Rasen: 
ZVVolksk.  4,  S.  214/5.  (Vgl.  JBL.  1893  15:77.)  -  61)  X  A.  Paudler,  D.  Schwörgrube:  MNordböhmExcursClub.  17, 
S.  331/2.  —  62)  X  D-  Köln.  Karneval:  Sammler A.  N.  28.  —  63)  X  C  Eadem  acher,  Maisitten  am  Rhein:  Urquell  5, 
S.  17/9,  57/9.  (Darunter  e.  Pfingstlied  mit  Erltat)  —  64)  X  W.  v.  Schnlenburg,  Volkskundl.  Mitteil.:  VGAnthr.  S.  306-11. 
(V.  Rhein  u.  aus  Bayern;  Niklas;  Göttin  Bertha.)  —  65)  P.  Ilwof,  Haus-  u.  Hofmarken:  ZVVolksk.  4,  S.  279-82.  —  66)  X 
H.  Sohnrey,  E.  Bauernhochzeit  im  Schwarzwalde:  TglRsB.  N.  179-80.  —  67)  X  D  Eierlesen  an  Ostern:  SchwäbKron.  N.  73. 
—  68)  X  E-  Frischauf,  E.  alter  niederösterr.  Hochzeitsbranch :  ZVVolksk.  4,  S.  215/6.  —  69)  X  Ph.  Goldberger,  D. 
wilde  Braut:  Urquell  5,  S.  279-80.  (Wilde  =  falsche  Braut;  niederösterr.)  —  70)  X  E-  Frischauf,  Schwerttanz  u.  Wett- 
lauf: ZVVolksk.  4,  S.  88.  (Aus  Leesdorf  in  Niederösterr.)  —  71)  X  id-.  Gebräuche  bei  Grenzbegehungen  in  Niederösterr.: 
NiederösterrLandesf  reund.  2,  S.  7/8.  —  71  a)  X  Marianne  Bauer,  Weihnachtsgebräuche  im  Wald  viertel :  ib.  3,  S.  8-10.  —  72)  X  E- 
Piger,  Geburt  u.  Taufe,  Tod  u.  Begräbnis  in  Oberösterr.:  ÖUR.  16,  S.  185-201.  —  73)  X  L-  ▼.  Hörmann,  D.  Sautreiben.  E.  Er- 
klärungsvers, dieses  Kinderspiels:  BAnthrTirol.  S.  243-59.  (Kindl.  Nachahmung  d.  Erntebrauchs  v.  Fangen  u.  Töten  d. 
Roggensau.)  —  74)  X  K-  Reiterer,  Allerlei  Volksbräuche  aus  Steiermarks  Bergen:  Heiragarten  18,  S.  773/8.  —  75)  X 
F.  Franziszi,  Unterm  Hütel  spielen:  Carinthia  1,  S.  63.  (Weihnachtsbräuche  aus  d.  Mettnitzthal.  Erforschung  d.  Zukunft.)  — 
76)  X  J-  Hutter,  Pinzgauer  Ranggelfeste:  MGSalzburgL.  34,  S.  262/4.  (E.  alljährl.  stattfindendes  Wettringen.)  —  76a)  X 
M.  ürban,  Geburt,  Leben  u.  Sterben  im  Egergau:  FreieBildungsbll.  3,  S.  24/7,  37,9,  58-60,  93/5,  121,4,  139-42.  —  77)  O  X 
H.  Düsseil,  Ueber  d.  Gebrauch  u.  d.  Bedeutung  d.  Logbäume:  AnnVNassauG.  26,  S.  168.  —  78)  X  C.  Rademacher,  D. 
Spengeltuch.  E.  Totenbrauch  aus  d.  Eifel:  ZVVolksk.  4,  S.  86/8.  —  79)  X  H.  Merkens,  D.  Hochzeit-Freibier  im  Brohlthal: 
Urquell  5,  S.  126/7,  154/5.  —  80)  X  E-  Haase,  Kinderspiele  aus  Greussen  in  Thüringen:  ib.  S.  171/3.  (1.  Es  kommt  e.  Pan- 
toffel an  [Ninive].  2.  Goldfisch.  3.  Zwei  Vöglein  sind  verbunden.  4.  Meine  Mutter  bäckt  Plätze.  5.  Böses  Tier.  6.  Königs- 
tochter.) —  81)  X  (I  4:51a.)  —  82)  X  A.  Hartmann,  Todaustragen  in  Franken:  Bayerns  Mundarten  2,  S.  289-90.  (Nach 
e.  Kupferstich  aus  d.  18.  Jh.  „D.  Toden-Mägdlein".)  —  83)  X  E-  Straumer,  D.  Brautsuppe  in  Chemnitz.  E.  Beitr.  z.  Gesch. 
d.  Adjuvantengesellschaften  in  Sachsen.  Chemnitz,  Troitzsch.  VII,  101  S.  M.  3,00.  —  84)  X  C.  Gander,  Frühlings- 
gebräuche in  d.  Lausitz:  JHhAnthrOberlausitz.  1893,  S.  149-60.  —  85)  X  O.  Gl  öde,  D.  Tonnenabschlagen.  E.  raecklenb. 
Brauch:  Urquell  5,  S.  30/1.  —  86)  X  L-  Frahm,  Holst.  Kinderspiele:  ib.  S.  188,9,  231/2.  (Himmelhakenhoch;  Mudder  Ross; 
Klinsch;  Sag  [Sauspiel].)  —  87)  X  H.  M.,  „Kgl.  Siebenjungens-Angelegenheit":  Bär  20,  S.  98.  —  88)  X  O.  Glöde,  D.Braut- 
werber in  Masuren:  Urquell  5,  S.  229.  —  89)  X  F.  Behr,  V.  Aberglauben:  DPB1.  27,  S.  353  5.  —  90)  X  G.  Albrecht, 
Hansaberglauben:  Bär  20,  S.  370  2.  —  91)  X  A-  Freybe,  D.  dtsch.  Volksabergl.  u.  seine  pastorale  Behandl.:  BG1.  15, 
S.  377-90,  431,2,  456-61.  —  92)  X  M-  Roediger,  F.  Kauffmaun,  Dtsch.  Mythologie  (JBL.  1893  15:8):  DLZ.  S.  87/8.  — 
93)  X  E  Mogk,  Carns  Sterne  als  Mythenforscher:  BLU.  S.  337,9.  —  94)  X  O.  Knoop,  D.  neu  entdeckten  dtsch.  Götter- 
gestalten u.  Götternamen:  Urquell  5.  S.  9-13,  45/9,  69-71,  101/3,  134/7.  —  95)  F.  Vogt,  Ueber  schles.  Volksglauben: 
MSchlesGesVolksk.  1,  S.  4-15.  —  96)  X  A-  Baumgart,  Verschiedenes  V.Aberglauben,  v.  Sitten  u.  Gebräuchen  in  Mittelschles.: 
ZVVolksk.  4,  S.  80  6.  —  97)  X  B-  Freuler,  E.  Gang  durch  dunkle  Kammern.  Korrefer.  z.  „Altglarnerischen  Heidentum" 
im  bist.  Ver.  Glarus.  Glarus,  Vogel.  162  S.  M.  2,50.  —  98)  X  °-  Heilig,  Aberglaube  u.  Bräuche  d.  Bauern  im  Tauber- 
grund: Alemannia  22,  S.  74,7.  —  99)  X  V.  Roth,  Kleinere  Mitteil.  z.  Aberglauben:  KBIVSbnbgL.  17,  S.  59-60.  —  99a)  X 
K.  Reiterer,  Volksaberglaube:  Heimgarten  18,  S.  287-91.  (Steiermark.)  —  100)  L  Fuld,  Aberglaube  u.  Rechtspflege:  Ges. 
S.  1571/3.  —  101)  A.  Treichel,  Kartenspiel  u.  Losglaube  aus  Westpreussen:  Urquell  5,  S.  257-61.  —  102)  K.  Weinhold, 
Z.  Bedeut.  d.  Zahl  Neun:  ib.  S.  1,2.  —  103)  P.  Sartori,   D.  Schuh  im  Volksglauben:  ZVVolksk.  4,  S.  41-54,  148-80,  282-305, 


I  5  :  104-139  A.  Hauffen,  Volkskunde. 

Aus  zahllosen  Berichten  vom  Altertum  bis  in  die  neueste  Zeit  schöpft  er  seine  Mit- 
teilungen über  die  Bedeutung-  der  Fussspur,  über  die  Glücks-  und  Unglücks- 
verkündigung, über  Zauber-  und  Heilkraft  des  Fusses  und  seiner  Bekleidung,  über 
den  Schuh  als  Sinnbild  der  Zeugungskraft,  der  Fruchtbarkeit,  des  Liebeszaubers, 
als  Zeichen  der  Würde  und  Herrschaft,  als  Vertreter  der  eilenden  Wolke,  endlich  über 
die  Verwendung  des  Schuhes  bei  Hochzeiten  und  Begräbnissen.104-106)  — 

Ueber  Kinder107"109),  über  Tiere110'111)  und  Pflanzen  112-115)  im 
Volksglauben  sind  kleinere  Berichte  aus  verschiedenen  deutschen  Gebieten  erschienen.  — 
Mehrere  volkskundliche  Aufsätze  über  Blumen  und  Bäume  hat  Kronfeld116)  ver- 
öffentlicht: von  allen  Seiten  zusammengetragene  Anekdoten,  Sagen,  Mythen,  Lieder, 
Zaubermittel  und  abergläubische  Anschauungen.  Besonders  genannt  seien  die  (zu- 
meist deutsche  Volkskunde  behandelnden)  Aufsätze  „Wie  die  Tanne  Weihnachtsbaum 
wurde"  und  „Blumen  auf  Gräbern".  —  Mit  dem  letztgenannten  Motiv  hängt  die 
Anschauung  vom  Fortleben  der  menschlichen  Seele  in  Blumen  zusammen.  Diese  berührt 
Sprenger117),  indem  er  zu  dem  im  Faustbuch  erzählten  todbringenden  Zerschlitzen 
des  Lilienstengels  Parallelen  aus  der  neueren  Volksüberlieferung  beibringt.  — 

Wahre  oder  vermeintliche  Heilkräfte  der  Pflanzen118),  sowie  Sympathie- 
mittel119-121) aller  Art  finden  ihre  Verwendung  in  der  Volksmedizin122),  an  der 
die  Landleute  entlegener  Gegenden  noch  heute  zähe  festhalten.  123)  — 

Verwandt  damit  sind  die  noch  vielfach  üblichen  Segen,  Beschwörungen 
und  Zauberformeln,  die  gegen  Krankheiten124)  und  Feinde,  gegen  Feuer125-126) 
und  Unwetter127-129)  angewendet  werden.  Sie  sind  nach  dem  Volksmunde,  doch  auch 
aus  alten  Hss. 130"131)  vom  15.  Jh.  abwärts,  aufgezeichnet  worden.132"136)  — 

Ganz  im  allgemeinen  über  Traumdeutung  handelt  Graff  und  er  137)  in 
einem  belehrenden  Vortrage,  worin  er  u.  a.  auch  Nachrichten  über  prophetische 
Träume  aus  der  Natur-  und  Kunstpoesie  verschiedener  Völker  zusammenträgt.  Für 
die  deutsche  Volkskunde  kommt  dabei  wenig  heraus.  — 

Eine  übersichtliche  Schilderung  des  Hex  enwahns  138)  in  Deutschland  hat 
C.  Müller139)  versucht.  Er  bespricht  das  Wesen  der  Hexerei  und  das  Treiben  der 
einzelnen  Hexen  nach  der  älteren  Volksmeinung,  sowie  das  bestialische  Verfahren  bei 
den  Hexenprozessen;  als  Anhang  fügt  er  Urteilssprüche  Leipziger  Schöffen  nach  Carpzow 
bei.  Carpzow  ist  überhaupt  Müllers  Hauptquelle;  die  übrige  wichtigere  Litteratur 
ist  fast  gar  nicht  herangezogen  worden,  so  erscheint  die  ganze  Darstellung  einseitig 
und  unvollständig.  Alten  und  weitverbreiteten  Vorurteilen  leistet  M.  Vorschub,  wenn 
er  in  der  Einleitung  die  furchtbare  Verirrung  der  Hexenprozesse  dem  Mittelalter  und 
der  katholischen  Geistlichkeit  zuschiebt.  Ist  es  doch  schon  lange  erwiesen,  dass  erst 
das  16.  und  das  17.  Jh.  die  hohe  Zeit  der  Hexenprozesse  waren,  und  dass  schon  zu 
Beginn  der  Neuzeit  die  Hexengerichtsbarkeit  aus  den  Händen  der  geistlichen  in  die 
Hände  weltlicher  Richter  übergegangen  ist.  —  Eine  grossartige,  auf  ausgedehntester 
Quellenforschung    beruhende  Darstellung    dieses  Gegenstandes    hat  im  Berichtsjahre 


412-27.  —    104)  X  0-  Schell,  Einige  Bemerkungen  über  d.  Mond  im  heutigen  Glauben  d.  berg.  Volkes:   Urquell  5,  S.  173/4. 

—  105)  X  id-.  s'Ch  drehende  u.  blutende  Steine:  ZVVolksk.  4,  S.  214.  —  106)  X  S.  Spitzer,  Blut  u.  Eisen:  Urquell  5, 
S.  133,4.  -  107)  X  A.  Haas,  D.  Kind  im  Glauben  u.  Brauch  d.  Pommern:  ib.  S.  179-80,  252,5,  278/9.  (1.  Während  d. 
Schwangerschaft.  2.  D.  Geburt.  3.  Nach  d.  Geburt.)  —  108)  X  M-  Walesch,  Volksglaube  aus  Bodendorf:  KBIVSbnbgL.  17, 
S.  17/9.  (Geburt  u.  Herkunft  d.  Kindes.)  —  109)  X  0-  Schell,  Woher  kommen  d.  Kinder?  E.  Umfrage:  Urquell  5,  S.  80,1, 
162,  287.  (Mitteil,  aus  Pommern,  Elberfeld,  Thüringen,  Siebenbürgen.)  —  HO)  X  id..  Einige  Bemerk,  über  d.  Eidechse  im 
Volksglauben:  ib.  S.  113/4.  —  111)  X  H.  Theer-Söby,  Bienenzauber  u.  Bienenzucht:  ib.  S.  21,3.  —  112)  X  A.  Treichel, 
Volkstümliches  aus  der  Pflanzenwelt,  bes.  für  Westpreussen.  IX-X:  AltprMschr.  31,  S.  240-319,  431-69.  —  113)  X  J-  Sepp, 
Baumkult  in  Oberbayern  u.  d.  mehrfacheu  Schicksalsbäume:  MschrHVOberbayern.  3,  S.  136-41.  -  114)  X  °-  Medung,  D. 
Symbolik  d.  Pflanzen:  SchorersFamilienbl.  15,  S.  116,9.  —  115)  X  L-  Frey  tag,  C.  Rosenkranz,  D.  Pflanzen  im  Volksaberglauben 
(JBL.  1893   I  5:106):    COIRW.  22,    S.  249-50.    -    116)  M.  Kronfeld,    Bei  Mutter  Grün.    Wien,  Merlin.   VIU,  124  S.    M.  1,20. 

-  117)  R.  Sprenger,  D.  Wurzel  d.  Lebens:  Urquell  5,  S.  143/4.  —  118)  X  M-  Höfler,  Wald-  u.  Baumkult  in  Beziehung 
z.  Volksmedizin  Oberbayerns.  Neue  (Titel-)Ausg.  München,  Galler.  VIII,  170  S.  M.  2,00.  —  119)  X  w-  Marshall,  Neu 
eröffnetes  wundersames  Arzneikästlein,  darin  allerlei  gründl.  Nachrichten,  wie  es  unsere  Voreltern  mit  d.  Heilkräften  d.  Tiere 
gehalten  haben,  zu  finden  sind.  L.,  Twietmeyer.  127  S.  M.  2,00.  |[H.  v.  W(lislocki):  Ethnographia  5,  S.  209-10.]|  —  120)  X 
0.  Gl  öde,  Sympathieformeln  aus  Mecklenburg:  Urquell  5,  S.  286.  (Heilsprüche  gegen  Kinderschwamm  u.  Blutungen.)  — 
121)  X  Aberglaube  u.  Sympathie  in  d.  Altmark.  Bismark.  Bergau.  12°.  41  S.  M,  0,15.  —  122)  X  Genth,  Aberglaube  u. 
Volksmedizin  in  d.  Gegenw.:  AnnVNassauG.  26,  S.  164/ä.  (Ref.  aus  e.  Vortr.)  —  123)  X  E-  Lemke,  Z.  Volksarzneikunde. 
Sympathetisches  Mittel  wider  d.  Gicht :  Brandenburgia  N.  5.  (Nach  e.  Danziger  Aufzeichnung  aus  d.  Ende  d.  18.  Jh.)  —  124)  X 
S.  Weber,  Zipser  Beschwörungsformeln.  D.  Wunder-  u.  Heilkraft  d  Frosches:  EthnMUng.  3,  S,  296.  —  125)  X  A.  Zinke, 
Feuer-  u.  Blutsegen:  MNordböhmExcursClub.  17,  S.  329-31.  —  126)  X  H.,  Feuersegen:  Bär  20,  S.  3267.  —  127)  X  F.  v.  An- 
drian,  Ueber  Wetterzauberei.  Wien,  Holder.  121  S.  M.4,00.  |[H.  v.  W(lislocki):  Ethnographia  5,  S.  132/3. j|  (Sonderabdr. 
aus  MAnthrGesWien.  Bd.  24.)  —  128)  X  A.  Treichel,  Beitr.  über  Wetterzauber  u.  Steinaberglauben:  KBlAnthr.  25,  S.  12,3.  — 

129)  X  K.  Fuchs,   E.   alte  Beschwörungsformel:   EthnMUng.  3,    S.  240/3.     (Aus  d.  Zips.     Wenn  Wolken  d.  Sonne  bedecken.) 

130)  X  F-  R-  v.  Wieser,  E.  Zauberspruch:  ZFerdinandeum.  38,  S.  521/3.  (Gegen  Hundswut,  aus  e.  Hs.  d.  15.  Jh.)  —  131)  X 
K.  Priebsch,  Segen  aus  Londoner  Hss.:  ZDA.  38,  S.  13-21.  (15.  Jh.  Zumeist  dtsch.  Segen.)  —  132)  X  R-  Kaindl,  E. 
dtsch.  Beschwörungsbuch,  aus  d.  Hs.  her.  Czernowitz,  Pardini.  28  S.  M.  1,00.  —  133)  X  F-  Kluge,  Tagwahlen  u.  Segen 
aus  e.  Freiburger  Hs.  d.  16.  Jh.:  Alemannia  22,  S.  120/2.  —  134)  X  L-  Mätyäs.  Aus  d.  Volksglauben  d.  Schwaben  v.  Solymäs, 
Szent-lvänu.  Hidegkut:  EthnMUng.  3,  S.  244/7.  (Beschwörungen.)-  135)  X  A.  Hermann,  Zaubergeld :  Urquell  5,  S.  23, 104.  (Aus 
Kurmark  u.  Pommern.)  —  136)  X  Diebglauben:  ib.  S.  289-90.  (Aus  Pommern.)  —  137)  P.  Graffunder,  Traum-  U.Traum- 
deutung. (==  SGWV.  N.  197.)  Hamburg,  Verlagsanst.  38  S.  M.  0,80.  —  138)  X  B-  E-  König,  Ausgeburten  d.  Menschen- 
wahnes (JBL.  1893  I  5  :  113):  BerlTBl.  N.  99.  —  139)  C.  Müller,  Hexenprozesse  u.  Hexenaberglaube  in  Deutschland.  (=  ÜB. 


A.  Hauffen,  Volkskunde.  I  5  ■  140-179 

Janssen140)  in  seiner  deutsehen  Geschichte  geliefert.  —  Mit  einer  guten  bündigen 
Schilderung  des  Hexenwesens  verbindet  Hei  gl141)  seine  Kampfschrift  gegen  den 
Spiritismus,  auf  die  inneren  Beziehungen  zwischen  diesen  beiden  menschlichen  Ver- 
irrungen  hinweisend.  —  Nachrichten  über  den  noch  heute  im  Bergischen  als  Ver- 
sammlungsort der  Hexen  geltenden  Jaberg  bringt  Schell 142).  —  Ueber  Hexen  und 
Zauberer  in  Kärnten  berichtet  von  Jaksch  143)  nach  älteren  Akten,  über  den  heutigen 
Hexen  wahn  im  niederösterreichischen  Wald  viertel  Popp  144).  — 

Ueber  Teufelsnamen145)  handelt  Höfler146),  über  volkstümliche  An- 
schauungen vom  persönlichen  Tode  N  e  e  d  on147"148).  — 

Ueberaus  zahlreich  sind  die  Sagensammlungen  des  Berichtsjahres : 
neben  einigen  unbedeutenden  Veröffentlichungen  allgemeiner  Art14""151)  zumeist 
grössere  Sammlungen  oder  kleinere  Mitteilungen  aus  den  einzelnen  Landschaften, 
von  denen  hier  nur  die  wissenschaftlichen,  neues  Material  bietenden  Ausgaben  näher 
berücksichtigt  werden  können.  — 

Oberdeutschland 152)  ist  durch  drei  Sammlungen  aus  Baden- 
Baden 153"155),  einige  Versteinerungssagen  aus  Oberbayern156"157)  und  einzelne  Mit- 
teilungenaus Niederösterreich158"159),  Tirol160-161), Vorarlberg162163),  Steiermark  104-i65), 
Kärnten 166)  und  der  Schweiz  16T)  vertreten.  —  Besonders  hervorzuheben  sind  nur  die 
von  Hauser 168)  herausgegebenen  Sagen  aus  dem  Paznaun,  einem  an  Vor- 
arlberg grenzenden  Tiroler  Thale.  H.,  selbst  ein  geborener  Paznauner,  giebt  die 
Sagen  genau  nach  den  Mitteilungen  des  Volkes  (die  eingestreuten  Redensarten, 
Sprüche  usw.  in  der  Mundart),  darum  sind  sie  durch  einen  ganz  besonderen  Reiz 
frischer  Unmittelbarkeit  ausgezeichnet.  Die  meist  uralten  Sagenmotive  werden 
von  den  Erzählern  auf  heimische  Oertlichkeiten  und  Zeitgenossen  übertragen 
und  haben  darum  für  das  Volk  dauernd  eine  ganz  gegenwärtige  Bedeutung.  Die 
eigenartigen  Lebensverhältnisse  des  Hochgebirges,  vor  allem  die  Almwirtschaft,  bilden 
den  Hintergrund  dieser  Sagen.  Wichtig  ist  N.  74  „Der  Geliebte  am  Kammerfenster", 
wodurch  zum  ersten  Male  das  Lenorenmotiv  auch  für  Tirol  belegt  erscheint.  — 

Die  mitteldeutschen  Gegenden169"170)  sind  noch  stärker  vertreten. 
An  die  Rheinufer  schliessen  sich  viele  romantische,  zumeist  unvolkstümliche  Sagen 
und  Erzählungen  an,  die  immer  wieder  für  weitere  Kreise171"172),  auch  in  französischer 
Sprache173174)  neu  aufgelegt  werden.  —  Sieben  nordthüringer  Sagen  teilt  Fränkel175) 
aus  einer  seltenen  Schrift  F.  C.  Lessers  aus  dem  J.  1754  mit.  —  Unter  den  sächsischen 
Sammlungen  ,76~178)    ist    Meiches179)    Sagenbuch    hervorzuheben,     das    aus     dem 


N.  3166/7.)  L.,  Reclara.  173  S.  M.  0,40.  —  140)  (I  4:9.)  —  141)  (I  4:139.)  —  142)  0.  Schell,  D.  berg.  Blocksberg: 
ZVVolksk.  4,  S.  213/4.  —  143)  (I  4:138a.)  —  144)  K.  Popp,  Volksglaube  im  nlederösterr.  Waldviertel:  Urquell  5, 
S.  175/6,  261/2.  —  145)  X  P-  Jacob,  Ueber  d.  Teufel  in  Torgau:  PAVTorgau.  7,  B.  27.  (Ref.  über  e.  Vortr.)  - 
146)  M.  Höfler,  Teufel-Namen:  Urquell  5,  S.  205/7,  242/5.  —  147)  X  K-  Needon,  Freund  Hein:  LZg».  N.  141.  —  148)  X 
G.  Feilberg,  Warum  gehen  Spukgeister  kopflos  um?  E.  Umfrage:  Urquell  5,  S.  78/9,  197.  (Vgl.  auch  JBL.  1891  I  5  :  120/2.) 
—  149)  X  B.  Schlegel,  J.  u.  W.  Grimm,  Dtsch.  Sagen.  Ausgew.  u.  bearb.  L„  Gressner.  12°.  100  S.  M.  0,60.  —  150)  X 
J.  Andrä  u.  O.  Hoffmann,  Kleine  Sagenkunde.  Erzählungen  aus  d.  griech.,  röm.  u.  dtsch.  Sage.  Für  d.  1.  Unterr.  in  d. 
Gesch.  2.  Aufl.  L.,  Voigtländer.  III,  114  S.  M.  0,80.  —  151)  X  Carola  Freiin  v.  Eynatten,  Dtsch.  Sagen  u.  Ge- 
schichten. 2.  (Titel-)Aufl.  Bonn,  Hanstein.  III,  233  S.  M.  1,80.  -  152)  X  Mari"  Savi-Lopez,  Alpensagen  (IBL.  1893  15:154). 
||L.  Freytag:  COIRW.  22,  S.  431/2;  VossZg.  N.  170. [j  —  153)  X  D-  Sagen  v.  Baden-Baden  u.  seiner  Umgebung,  nach  d. 
14  Fresken  d.  Trinkhalle  erzählt.  Baden-Baden,  Wild.  12°.  VI,  100  S.  M.  0,75.  —  154)  X  Aurelias  Sagenkreis.  D.  schönsten 
Geschichten,  Sagen  u.  Märchen  v.  Baden-Baden  u.  d.  Schwarzwalde.  2.  verm.  Aufl.  ebda.  VII,  224  S.  M.  2,00.  —  155)  X 
L.  B e r n o  w ,  D.  Sagen  d.  Trinkhalle  zu  Baden-Baden.  2.  Aufl.  Baden-Baden,  Spiess.  31  S.  M.  0,50.  —  156)  Xw-V-  Schulen- 
burg, Steinaltertümer  in  Oberbayern:  VGAnthr.  S.  249-53.  (Einige  Versteinerungssagen.)  —  157)  X  A-  Steinberger,  Aus 
Bayerns  Vergangenheit.  Erzählungen  aus  d.  Gesch.  u.  Sage  unseres  Vaterlandes.  Für  Schule  u.  Haus  verf.  1.  u.  3.  Bd. 
Regensburg,  Nat.  Verlagsanst.  XII,  268  S.;  V,  171  S.  ä  M.  1,20.  (1.  Bd.:  Aus  d.  älteren  u.  d.  Beginn  d.  mittleren 
Gesell.  2.  verm.  u.  verb.  Aufl.;  3.  Bd.:  Aus  d.  Ende  d.  mittleren  u.  aus  d.  neueren  Gesch.)  —  158)  X  G.  Calliano,  Nieder- 
österr.  Volkssagen  :  NiederösterrLandesfreund.  3,  S.  10/5,  50/1,  115/6.  —  159)  X  H.  Mose,  Aus  d.  Waldmark.  Sagen  u.  Geschichten 
aus  d.  Rax-,  Semmering-,  Schneeberg-  u.  Wechselgebiete.  2.  verb.  u.  verm.  Aufl.,  Pottschach,  Lipsch.  VI,  87  S.  M.  0,70.  — 
160)  X  J-  Seeber,  J.  v.  Zingerle,  Sagen  aus  Tirol  (JBL.  1893  I  5  :  164):  ZDPh.26,  S.  280/1.  —  161)  X  P-  Linder,  Aus  d. 
Sagenkreise  Osttirols.  Erzählungen.  Innsbruck,  Vereinsbuchh.  III,  143  S.  M.  1,20.  —  162)  X  J-  Wichner,  Vor  d.  Arlberg. 
Natur,  Gesch.,  Sagen  u.  Legenden.  (=  Jugendlaube.  Her.  v.  Hermine  Proschke.  Bd.  9-10.)  Graz,  Leykara.  12°.  V,  144  S. 
M.  1,40.  —  163)  X  L.  Frey  tag,  F.  J.  Vonbun,  D.  Sagen  Vorarlbergs:  COIRW.  22,  S.  429.  —  164)  X  K.  Reiterer,  Sagen 
u.  Volksmeinungen  aus  d.  Ennsthaler  Gebiete:  Heimgarten  18,  S. 543/8. — 165)  X  Aus  d-  Gegend  v.  Sausal  in  Untersteiermark: 
ZVVolksk.  4,  S.  451.  (Sagen  v.  Wassergeistern,  v.  Verstorbenen,  v.  d.  Mutter  Gottes  u.  vom  Teufel.)  —  166)  X  G-  Nageler, 
Teufelssagen  aus  Oberkärnten:  ib.  S.  445,7.  (Nach  d.  Aufzeichn.  e.  Kärtner  Bauern  v.  K.  Weinhold  mitget.)  —  167)  X 
S.  Singer,  Sagen  u.  Gebräuche  d.  17.  Jh.  aus  d.  Schweiz:  ib.  S.  447-51.  (Nach  e.  Züricher  Druck  d.  J.  1646.)  —  168)  Ch. 
Hauser,  Sagen  aus  d.  Paznaun.  Innsbruck,  Wagner.  IV,  121  S.  M.  1,20.  |[L.  Frey  tag:  COIRW.  22,  S.  428/9.JJ  -  169)  X 
Th.  Aufsberg,  Sagen  u.  Geschichten  aus  Mittelfranken.  Bausteine  für  d.  Unterr.  in  Geogr.,  Gesch.  u.  Heimatk.  ges.  u. 
bearb.  Nürnberg,  Korn.  VI,  58  S.  M  0,60.  —  170)  X  F-  Hundt,  Barg  Hohenfels  in  Gesch.  u.  Sage,  nebst  e.  kurzen 
Beschreib.  Wiesbaden,  Birlenbach.  12°.  29  S.  M.  0,25.  -  171)  X  w-  0.  Hörn,  D.  Rhein.  Gesch.  u.  Sagen  seiner  Burgen, 
Abteien,  Klöster  u.  Städte.  4.  Aufl.  St.,  Greiner  &  Pfeiffer.  VIII,  464  S.  M.  10,00.  —  172)  X  c-  Trog,  Rheinlands  Wunder- 
horn.  Sagen,  Geschichten  u.  Legenden,  auch  Ränke  u.  Schwanke  aus  d.  alten  Ritterburgen,  Klöstern  u.  Städten  d.  Rheinufers. 
Neue  (Titel-)Ausg.  15  Bde.  Wiesbaden,  Quiel.  16°.  M  15,00.  —  173)  X  J-  C.  Saintonges,  Sagas  Rhenanes  ou  recuil  de 
plus  interess.  traditions  du  Rhin.  Trad.  de  l'allem.  5.  ed.  ebda.  VIII,  304  S.  Mit  6  Stahlst.  M.  2,50.  -  174)  X  W.  Ruland, 
Legendes  du  Rhin.  St.,  Roth.  63  S.  M.  1,20.  —  175)  L.  Fränkel,  Nordthür.  Volkssagen:  ZVVolksk.  4,  S.  327  9.  -  176)  X 
0.  Rebros,  Sagenklänge  v.  Oybin.  Ges.  Sagen.  Löbau,  Oliva  12°.  32  S.  Mit  Bild.  M.  0,40.  —  177)  X  id.,  Sagenklänge 
aus  d.  Sachsenlande  in  Prosa  u.  Poesie,  ges.  u.  her.  1.  Abt.  d.  sächs.  Oberlausitz.  1.  Bd.  Zittau  u.  Umgegend,  ebda.  12°. 
VII,  146  S.  M.  1,20.  —  178)  X  id.,  Sagenklänge  aus  d.  sächs.  Schweiz.  (Aus  N.  177.)  ebda.  12°.  VII,  158  S.  M.  1,20.  — 
179)  A.  Meiche,  Sagenbuch  d.  sächs.  Schweiz.  L.,  Franke.  VIII,  139  S.  M.  2,00.  |[A.  Paudler:  MNordböhmExcursClub.  17, 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    Y.  (. '  J  *" 


I  5  :  180-212  A.  Hauff en,  Volkskunde. 

„Meissner  Hochland",  zum  Teil  nach  älteren  Drucken,  zum  Teil  nach  dem  Volks- 
munde in  acht  Abteilungen  Geschlechts-,  Dämonen-,  Gespenster-,  Teufels-,  Zauber-, 
Schatz-,  geschichtliche  und  Namensagen  bringt.  Eine  Einleitung,  knappe  ver- 
gleichende Anmerkungen  und  ein  Anhang  (Sprichwörter,  Kinderlieder,  Neckereien, 
Aberglauben)  sind  beigegeben.  —  Aus  dem  benachbarten  Nordböhmen  sind  kleinere 
Mitteilungen  zu  verzeichnen180"182").  —  Mehrere  zumeist  nach  dem  Volksmunde  auf- 
gezeichnete schlesische  Sagen  erzählt  Weinhold183)  mit  reichen  bibliographischen 
und  mythenvergleichenden  Anmerkungen  (u.  a.  die  weisse  Frau,  die  grüne  Wiese  im 
Jenseits,  die  grosse  Weltschlacht) 184).  —  Eine  Fülle  von  neuem  Material  bringt 
Knoops185)  Sammlung  von  Posener  Sagen186).  Neben  altem  deutschem  Gut  sehr 
viel  polnische  Motive,  die  von  den  Posener  Deutschen  aufgenommen  worden  sind, 
endlich  historische  Sagen,  die  in  der  neuen  Heimat  in  späterer  Zeit  entstanden. 
Märchen,  kurze  Andeutungen  über  Aberglauben,  Sitten  und  Bräuche,  sowie  An- 
merkungen, die  die  slavische  Volkskunde  besonders  berücksichtigen,  sind  bei- 
gegeben.187-188)  — 

Aus  Niederdeutschland189"192)  seien  westpreussische  Stein-  und  Orts- 
sagen193"194), ferner  Magdeburger  Ortssagen195)  zur  Deutung  von  Namen,  Wappen  u.  ä. 
und  Schachts196)  Sammlung  hansischer  Sagen  erwähnt.  Die  letztgenannten  beziehen 
sich  zumeist  auf  Häuser,  Kirchen,  Wahrzeichen,  Glocken  u.  a.  in  Hamburg,  Bremen 
und  Lübeck.  Sie  sind  teils  nach  mündlicher  Ueberlieferung,  teils  nach  älteren 
Sammlungen  für  das  weitere  Publikum  „bearbeitet"  und  ohne  Anmerkungen  mit- 
geteilt. —  Eine  der  tüchtigsten  wissenschaftlichen  Leistungen  auf  diesem  Gebiete  ist 
G anders197)  Sammlung  der  Volkssagen  aus  dem  nördlichen  Teile  der  Nieder- 
Lausitz. 198)  Von  den  339  Nummern  sind  279  unmittelbar  dem  Volksmunde  ent- 
nommen und  ohne  Aenderungen  schlicht  und  gewissenhaft  wiedergegeben.  Die  An- 
ordnung ist  sehr  übersichtlich:  die  gleichartigen  Stücke  sind  zu  abgerundeten  Gruppen 
an  einander  gereiht.  Sagen  über  mythische  Erscheinungen  (besonders  zahlreiche  über 
den  Nachtjäger  ohne  Kopf),  über  Teufel  und  Zauberer,  Hexen  und  Drachen,  Heinzel- 
männchen und  Wasserjungfrauen,  Glocken  und  Schätze,  Gespenster  und  Irrlichter 
folgen  einander ;  eine  geringere  Zahl  von  historischen,  Orts-  und  Namensagen  bilden 
den  Beschluss.  Die  von  der  Sage  umwobenen  Ereignisse  reichen  von  den  Wander- 
fahrten Kaiser  Heinrichs  L,  von  den  Raubzügen  der  Hussiten  bis  in  die  jüngste  Ver- 
gangenheit. Eigenartig  wendische  Motive  sind  nur  in  geringem  Masse  zu  erkennen. 
Das  ergiebt  sich  aus  G.s  Anmerkungen,  die  parallele  deutsche  Sagen  heranziehen, 
Mythisches  und  Historisches  erläutern,  und  die  sich  trotz  ihrer  Reichhaltigkeit  durch 
eine  vernünftige  Beschränkung  und  ihre  knappe  Form  auszeichnen.  Sauber  und 
sorglältig  wie  die  ganze  Ausgabe  sind  auch  die  beigegebenen  (Orts-  und  Sach-)  Ver- 
zeichnisse.199)  — 

Von  Märchensammlungen  sind  zunächst  die  zahlreichen  Neudrucke  der 
freigewordenen  Grimmschen  Märchen200-202)  zu  verzeichnen.  Viele  davon  liegen 
illustriert203"210)    und    in    beschränkter  Auswahl211-218),    fünf    in  englischer    lieber  - 


S.  289.]l  —  180)  X  M-  Klapper,  Sagen:  MNordböhmExcursClub.  17,  S.  324/9.  -  180a)  X  V.  Stolle,  Elbthal- 
sagen  aus  Schwaden:  ib.  S.  22/6.  —  181)  X  '■  Tille,  Sagen  aus  Niemes:  ib.  S.  272/4.  —  182)  X  A.  Tscherny, 
Z.  St.  Kümmernis-Legende:  ib.  S.  317/9.  —  182a)  X  M>  Urban,  Königswarter  Sagenschatz:  ErzgebirgsZg.  15,  S.  105,9, 
130/2,  150.4,  174/9,  213/5,  229-34,  246/9.  —  183)  K.  Weinhold,  Schles.  Sagen:  ZVVolksk.  4,  S.  452/8.  -  184)  X 
Osk.  Vogt,  3  Hornschloss-Sagen.  Nach  e.  alten  Ueberlief.  erz.  Wüstegiersdorf,  Jacob.  23  S.  M.  0,30.  —  185)  O. 
Knoop,  Sagen  u.  Erzählungen  aus  d.  Prov.  Posen.  (=  Sonderveröffentl.  d.  Hist.  Ges.  für  d.  Prov.  Posen.  2.  Bd.) 
Posen,  Jolowicz.     XIX,  363  S.     M.  7,00.     |[K.  L.:  LCB1.  S.  1587/9.]|  —  186)  X  *"•  Schulz,  Zwei  Sagen:  ZHGPosen.  9,   S.  97/8. 

—  187)  X  M-  Landau,  Z.  Ethnogr.  d.  ostgaliz.  Juden:  Urquell  5,  S.  183/6.  (Bespr.  jüd.-dtsch.  Sagen  u.  Märchen.)  —  188)  X 
W.  Biegeleisen,  Jüd.-dtsch.  Erzählungen  aus  Lemberg:  ZVVolksk.  4,  S.  209-10.  —189)  X  (I  4:311.)  —  190)  XH-  Theen, 
Helgoländer  Sagen:  Urquell  5,  S.  233/4.  —  191)  X  ß-  M.  Meyer,  Berlinische  Legende.  (Ber.  über  e.  Vortr.,  geh.  im  Ver.  für 
Volksk.  in  Berlin):  VossZg.  N.  508.  —  192)  X  R-  M->  Zwei  Hohenzollernsagen:  Brandenbnrgia  N.  8.  —  193)  A.  Treichel, 
Steinsagen:  ZHVMarienwerder.  31,  S.  1-16.  —  194)  X  id-*  Sagen:  ib.  S.  29-74.  —  195)  W.  Leinung  u.  R.  Sturavoll,  Aus 
Magdeb.  Sage  u.  Gesch.  Magdeburg,  Neumann.  6,  237  S.  M.  2,80.  —  196)  A.  Schacht,  Hans.  Sagen,  Erzählungen  aus  Alt- 
Hamburg,  sowie  aus  d.  Vergangenh.  d.  Hansastädte  Lübeck  u.  Bremen.  Hamburg,  Kloss.  IV,  166  S.  M.  2,00.  —  197)  K. 
Gander,  Niederlausitzer  Volkssagen,  vornehml.  aus  d.  Stadt-  u.  Landkreise  Guben,  ges.  u.  zusammengest.  B.,  Dtsch.  Schrift- 
steller-Genossensch.    XVII,  197  S.  M.  3,00.  —  198)  X  W.  v.  Schulenburg,  Hantscho-Hanos  Sagen:  NLausitzMag.  3,  S.  292/9. 

—  199)  X  N.  Warker,  Sagen  d.  luxemburg.  Völker.  Aus  belgisch  Luxemburg  u.  d.  Eischthal.  Neu  bearb.  n.  her.  Arlon, 
Willems.  1893.  143  S.  M.  1,40.  —  200)  X  Brüder  Grimm,  Kinder-  u.  Hausmärchen.  Vollst.  Ausg.  in  2  Bdch.  (=  ÜB. 
N.  3191/6.)  L.,  Reclam.  384  u.  400  S.  M.  1,20.  —  200  a)  X  50  Kinder-  u.  Hausmärchen,  ges.  durch  d.  Brüder  Grimm.  Her. 
v.  Herman  Grimm.  Kleine  Ausg.  Mit  12  Bild.  v.  Ludw  Richter.  (=  ÜB.  N.  3179-80.)  ib.  258  S.  M.  0,40.  — 
201)  X  Daes.  (=  Meyers  Volksbücher  N.  1009-11.)  L.,  Bibliogr.  Inst.  208  9.  M.  0,30.  —  202)  X  Dass.  (=  BGLIA.  N.  740/5.) 
Halle  a.  S.,  Hendel.  XII,  628  S.  M.  3,00.  (ib.  N.  738,9:  Ausw.  VIII,  196  S.  M.  0,50.)  —  203)  X  Dass.,  Volksausgabe,  ill. 
▼.  P.  Grot  Johann  u.  R.  Leinweber.  St.,  Dtsch.  Verlaganst.  XV,  556  S.  M.  8,00.  —  204)  X  Dass.,  Pracht-Ausg.  (JBL.  1893 
I  5:  200.)  |[DR.  2,  8.  132;  Quellwasser  S.  76;  Hessenland  S.  313.J|  —  205)  X  Dass.  Ausg.  I.  B.,  Liebau.  192  S.  M.  3,00. 
(Mit  5  Bild.)  —  206)  X  Dass.  Ausg.  II.  ebda.  144  S.  M.  2,20.  (Mit  4  Farbendr.)  —  207)  X  Dass.  Ausg.  III.  ebda. 
144  S.     M.  1,60.     (Mit  4  Farbendr.)    —    208)  X   Dass.     111.  v.  H.  Vogel.     München,  Braun  «t  Schneider.     IV,  287  S.     M.  9,00. 

—  209)  X  Dass.  Mit  ß  Farbendr.  nach  Aquarellen  v.  E.  Klinisch  u.  F.  Flinzer,  sowie  68  Textabbild,  nach  E.  Klimsch,  V.  Mohn, 
A.  Zick  u.  a.  St.,  F.  Loewe.  4».  IV,  126  S.  M.  3,00.  -  210)  X  Dass.  Mit  4  Tondr.,  63  Textabbild,  nach  E.  Klimsch, 
V.  Mohn,  A.  Zick  u.  a.  Wohlfeile  Ausg.  (Ohne  Buntbilder.)  ebda.  IV,  160  S.  M.  1,20.  —  211)  X  Dass.,  Kindernlärchen. 
In  neuer,  Sorgfalt.  Ausw.  Mit  4  Farbdr.,  8  Tonbild.  u.  78  Textabbild,  nach  E.  Klimsch,  V.  Mohn,  F.  Flinzer  u.  a.  ebda.  IV, 
208  S.    M.  2,50.  —    212)    X   Dass.    Mit  Weglassung  d.  für  d.  Kindergemüt  weniger  geeigneten  Märchen.    Grosse  Ausg.    Mit 


A.  Hauffen,  Volkskunde.  I  5  :  213-266 

setzung-219"223),  je  einer  in  holländischer224)  und  in  schwedischer225)  Uebersetzung 
vor.  —  Der  Versuch  von  Georg  und  Lily  von  Gizycki226),  die  Grimmschen 
Märchen  vom  ethischen  Standpunkt  aus  zu  bearbeiten,  hat  in  der  Presse  wiederholt 
lauten  Tadel  erfahren227""229).  —  Auch  vom  Bechsteinschen 23° )  Märchenbuch  sind 
Neu-Ausgaben231"232)  zu  verzeichnen.233-236)  — 

Zur  Geschichte  volkstümlicher  Stoffe  sind  überaus  zahlreiche  einzelne 
Beiträge  erschienen,  die  (soweit  sie  sich  auf  heute  noch  lebende  Sagen,  Märchen  und 
Schwanke  beziehen)  hier  wenigstens  in  den  Anmerkungen  genannt  seien237-257).  — 
Eine  mustergültige  Erläuterung  einer  Schwarzwälder  Sage  und  ihrer  einzelnen  Be- 
standteile hat  Pfaff258)  geliefert.  —  Eine  grosse  Reihe  von  Litteraturnach weisen  und 
Parallelen  zur  Melusinensage  steuert  Fränkel259)  bei.260)  —  In  zwei  Aufsätzen  be- 
spricht Wünsche261-262)  die  zahlreichen  Sagen  von  Riesen,  ungeheuren  Bauwerken, 
Teufelsbrücken,  -mühlen  und  -kirchen,  die  auf  das  Motiv  vom  geprellten  Teufel  zu- 
rückgehen. —  Der  Märchenstoff  vom  König  Drosselbart  in  der  dramatischen  Be- 
handlung bei  Raupach  (Schule  des  Lebens)  und  bei  Drachmann  (Es  war  einmal)  wurde 
von  Minor263)  eingehend  gewürdigt.  —  Feilberg264)  setzt  auseinander,  wie  sich 
Märchen  durch  Handelsbeziehungen,  wandernde  Handwerksgesellen,  Seeleute,  Bettler 
und  Landstreicher  verbreiten  und  weist  an  Beispielen  nach,  dass  gegenwärtig  auch  ge- 
druckte Märchensammlungen  die  Erzählungsstoffe  des  Volkes  beeinflussen.  —  Nach- 
zutragen ist  noch  aus  dem  Vorjahre  die  in  zweiter  Auflage  erschienene  hübsche  Märchen- 
Studie  von  Hönnicke265),  worin  die  deutschen  Volks-  und  Kunstmärchensammlungen 
charakterisiert  werden  und  deren  Eignung  als  Jugendlektüre  erörtert  ist.266)  — 

Dem  Volksschauspiele  muss  in  diesem  Jahre  ein  besonderer  Abschnitt  ge- 
widmet werden.  Das  nach  altheimischen  Motiven  von  Gröllhesel  1816  nieder- 
geschriebene und  seitdem  wiederholt  in  ländlich-schlichter  Weise  dargestellte 
Passionsspiel  zu  Höritz  (s.  auch  IV  4)  am  Südabhang  des  Böhmer waldes  wurde  im 
Sommer  1893  in  der  Neubearbeitung  von  Ammann  in  grossartiger  Weise  zur  Auf- 
führung gebracht  (vgl.  JBL.  1892  IV  4: 176;  1893  IV  4:282/5).     Mit  diesem  Ereignis 


5  Farbendr.  nach  W.  Claudius.  Wesel.  Düms.  192  S.  M.  2,00.  —  213)  X  Dass-  Mit  111.  v.  H.  Friedrich.  L.,  Simon.  203  S. 
M.  1,00.  (Ausw.  v.  50  Märchen.)  —  214)  X  Brüder  Grimm,  50  Kinder-  u.  Hausmärchen.  Mit  16  Farbendr.  nach  Thekla 
Brauer.  2.  Aufl.  L.,  Spamer.  IV,  300  S.  M.  2,50.  —  215)  X  id.,  Kinder-,  Volles- Märchen.  Kleine  Ausw.  B.,  Liebau.  12°. 
64  S.  M.  0,60.  —  216)  X  ü>  Märchenbuch.  E.  Blütenlese  aus  d.  Kinder-  u.  Hausmärchen.  Mit  6  Farbendr.  nach  W.  Schäfer. 
Wesel,  Düms.  120  S.  M.  1,00.  —  217)  X  id.,  Kleines  Märchenbuch.  E.  auserlesene  Samml.  d.  Kinder-  u.  Hausmärchen.  Mit 
15  Farbendr.  v.  W.  Schäfer,  ebda.  12°.  72  S.  M.  0,50.  —  218)  X  id.,  Ausgew.  Märchen.  In  neuer  Bearb.  her.  v.  M.  Weber. 
(=  Jugendfreude.  Ausgew.  .Tugendscbrr.,  her.  v.  M.  Weber.  N.  5.)  Frankfurt  a.  M.,  A.  Foesser.  IV,  120  S.  M.  1,25.  — 
219)  X  >d.,  Fairy  Tales,  introd.  by  S.  Baring-Gould  and  drawings  by  G.  Browne.  London,  Gardner.  Sh.  6.  —  220)  X 
id.,  Fairy  Tales.  (=  Hearth  and  honie  library.)  London,  Routledge.  Sh.  1.  —  221)  X  id.,  Household  Tales,  ed.  by  A.  Gardiner. 
London,  Heywood.  Sh.  1/6.  —  222)  X  id.,  Household  Stories.  (=  Hearth  and  Home  Library.)  London,  Routledge.  Sh.  1.  — 
223)  X  id.,  Household  stories,  from  the  German  by  L.  Crane,  and  done  into  pictures  by  W.  Crane.  London,  Macmillan. 
X,  269  S.   Sh.  6.  —  224)  X  id.,  Sprokjes  en  vertellingen.  Geillustreerd  door  P.  Grot  Johann.  Gravenhage,  Van  Cleef.  480  S.  Fl.  15,00. 

—  225)  X  id.,  Aeventyr.  Praptudg.,  ill.  af  P.  Grot  Johann  og  R.  Leinweber.  Kopenhagen,  Stjernholm.  460  S.  Kr.  14,50.  — 
226)  id.,  Kinder-  u.  Hausmärchen.  Nach  eth.  Gesichtspunkten  ausgew.  u.  bearb.  v.  G.  u.  Lily  v.  Gizycki.  Mit  8  Bild. 
v.  F.  Holbein.  (Volksansg.)  B.,  Dümmler.  VIII,  280  S.  M.  1,00.  —  227)  XO.  Panizza,  D.  „unsittlichen"  Gebrüder  Grimm:  Ges.  10, 
S.  919-24.  —  228)  X  H.  Grimm,  Versittlichung  d.  dtsch.  Litt.:  NatZg.  28.  März.  —  229)  X  D.  „ethisierten"  Grimmschen 
Märchen:  DAdelsbl.  S.  289-90.  —  230)  X  L.  Frey  tag,  L.  Bechstein,  Neues  dtsch.  Märchenbuch  (JBL.  1892  I  5:210,1): 
COIRW.  22,  S.  36/7.  —  231)  X  L.  Bechstein,  Dtsch.  Märchenbuch.  (=  Meyers  Volksbücher.  N.  1069-71.)  L,  Bibliogr.  Inst. 
202  S.  M.  0,30.  —  232)  X  Dass.  Mit  färb.  Bild.  Fürth,  Löwensohn.  192  S.  M.  2,00.  —  233)  X  F-  Schauberg,  Kinder- 
u.  Hausmärchen  nach  Bechstein,  Grimm  u.  a.  d.  Jugend  erz.  Mit  Bildern.  Würzen,  Kiesler.  VI,  160  S.  M.  1,25.  —  234)  X 
Aus  d.  Märchenwelt.  E.  Ausw.  d.  schönsten  dtsch.  Märchen,  ges.  v.  Gebr.  Grimm,  Bechstein  u,  a.  Nürnberg,  Stroefer.  12". 
143  S.  M.  1,80.  (Mit  Bild.)  —  235)  X  E.  Scherdlin,  Contes  populaires  tires  de  Grimm,  Musaeus,  Andersen,  Herder  et 
Liebeskind  (Feuilles  de  palmier)  et  publies  avec  des  notices  sur  les  auteurs  et  df-s  notes  en  franc.  Nouv.  ed.  (Classiques 
allem.)  Paris,  Hachette.  IV,  470  S.  Fr.  2,50.  —  236)  100  Aesop.  Fabeln  für  d.  Jugend.  Neu  bearb.  u.  mit  moral.  Antnerk. 
versehen.  Mit  Bildern  nach  W.  Zweigle.  St.,  Nitzschke.  66  S.  M.  1,20.  -  237)  X  A.  Tille,  W.  Hertz,  D.  Sage  v.  Gift- 
mädchen (JBL.  1893  I  5:229):  LOB1.  S.  321/2.  —  238)  X  c-  Sterne,  Rotkäppchen,  Dornrösohen  u.  Sneewittchen.  E.  Beitr. 
z.  Gesch.  d.  dtsch.  Sonnenmärchen:  TglRs».  N.  50,1,  56,  62/3.  —  239)  X  B-  Eisel,  Ueber  d.  Entsteh,  d.  Sage  v.  unter- 
irdischen Gange:  JBVogtländAV.  S.  1-15.  —  240)  X  K.  Kaiser,  D.  Höllenbau.  Volksmärchen  aus  Niederösterr.:  Heim- 
garten 18,  S.  632/3.  —  241)  X  «•  C.  Keidel,  D.  Eselherz-  (Hirschherz-,  Eberherz-)Fabel :  ZVLR.  7,  S.  264/7.  —  242)  X 
A.  Zingerle,  Ueber  Berührungen  tirol.  Sagen  mit  antiken:  BAnthrTirol.  S.  213-26.  |[ZVVolksk.  4,  S.  461.]|  —  243)  X 
L.  Fränkel,  D.  Lenorensage.  E.  Umfrage:  Urquell  5,  S.  128.  -  244)  X  Hidber,  Z.  Tellsage:  Didask.  S.  938.  -  245)  X 
W.  Saliger,  P.  Passler,  Z.  Heimesage  (JBL.  1893  I  5:146):  Gymn.  12,  S.  829.  —  246)  X  0.  Glöde,  Z.  Sage  v.  Blau- 
mäntelchen:  KBIVNiederdSpr.  17,  S.  29.  —  247)  X  B.  Sprenger,  Z.  d.  Kinder-  u.  Hausmärchen  d.  Brüder  Grimm :  Urquell  5, 
S.  248-50.  (Varianten  zu  d.  Märchen  v.  d.  Wichtelmännern  u.  v.  Rumpelstilzchen.)  —  248)  X  id.,  Z.  Sage  v.  Trinkhorn  d. 
Grafen  v.  Oldenburg:  ib.  S.  34.  —  249)  X  E-  Haase,  Vergrabene  Schätze.  E.  Umfrage:  ib.  S.  79-80.  —  250)  X  H.  Volks- 
mann, D.  Mann  im  Monde.  E.Umfrage:  ib.  S.  285/6. —  251)  X  F.  Tenhagen,  Ueber  d.  vredensche  Sixtussage:  ZVtGWestf.  52, 
S.  1-11.  —  252)  X  K.  Schultess,  D.  Sagen  über  Silvester  IL  (Gerbert.)  (=  SGWV.  N.  167.)  36  S.  M.  0,80.  |[E.  Sackur: 
DLZ.  S.  1135.11  —  253)  X  R- Schröder,  D.  dtsch.  Kaisersage  u.  d.  Wiedergeburt  d.  dtsch.  Reiches.  2  Vortrr.  Heidelberg, 
Winter.  1893.  63  S.  M.  1.80.  |[G.  Ellinger:  DLZ.  S.  114/5;  F.  Volkmer:  MHL.  22,  S.  384.];  -  254)  X  *>.  KyffTiäusersagc: 
AkBll.  8,  S.  221/2.  -  255)  X  P-  Dehn,  Im  Banne  d.  Untersberges:  ib.  S.  257.  —  256)X«J- A.  v.  Wagner,  Fürst Mittscherlich 
im  Oberlausitzer  Sagenkreis:  Geg.  46,  S.  366.  —  257)  X  H.  Buchhol tz,  Ueber  Volksanekdoten:  Vortr.,  geh.  in  d.  Ges.  für 
neuere  Sprachen  in  Berlin.     Ref.:  ASNS.  92,  S.  165/7.  —  258)  F.  Pfaff,  D.  Sage  v.  d.  Ahornhäusern:  Alemannia 22,  S.  65-74. 

-  259)  L.  Fränkel,  Altes  u.  Neues  z.  Melusinensage:  ZVVolksk.  4,  S.  387-92.  -  260)  X  K-  Biltz,  Z.  dtsch.  Bearbeitung 
d.  Melusinensage.  (=11:  69,  S.  1-15.)  —  261)  A.  Wünsche,  Aus  d.  Sagenkrelse  vom  geprellten  Teufel:  LZgB.  N.  150.  — 
262)  id.,  D.  Sagenkreis  vom  geprellten  Teufel  als  Baumeister:  AZg«.  N.  202/3.  -  263)  J.  Minor,  Es  war  einmal:  WienZg. 
N.  266.  —  264)  G.  Feilberg,  Wie  sich  Volksmärchen  verbreiten:  Urquell  5,  S.  165  9,  2158,  239-41,  272/5.  —  265)  B. 
Hönnicke,  Märchen-Studie.    2.  Aufl.    L.,  Robolsky.    12°.    43  S.    M.  0,60.  -  266)  X  p-  Lehmensick,  Warum  Märchen?: 

(1)7* 


I  5  :  267-296  A.  Hauffen,  Volkskunde. 

beschäftigten  sich  noch  zahlreiche  Aufsätze267"269).  —  L  am  bei270)  hat  das  alte 
Spiel  mit  der  Neubearbeitung-  Ammanns  eingehend  verglichen,  Hauffen271)  hat  in 
einem  Vortrage  darüber  gleichzeitig  eine  kurze  Geschichte  des  deutschen  Volksschau- 
spiels entworfen  nnd  andere  deutsch-böhmische  geistliche  Schauspiele  besprochen.  — 
Für  die  Aufführung  des  Sommers  1894  hat  Propst  Landsteiner272)  eine  neue  Be- 
arbeitung unternommen  und  veröffentlicht.273)  —  Ein  Paradeisspiel  aus  Kärnten  hat 
Laschitzer274)  nach  zwei  jüngeren  Hss.  mitgeteilt.  —  Ueber  Aufführungen 
lateinischer,  deutscher  und  slovenischer  Passionsspiele  in  Krain  vom  16.— 18.  Jh.  be- 
richtet Hauffen275)  nach  einer  slo venisch  geschriebenen  Abhandlung  Koblars.  — 
Von  einem  jährlich  aufgeführten  Volksschauspiel  zu  Englmar  im  bayerischen  Walde 
erzählt  Fränkel276).  In  Verbindung  mit  der  Fronleichnamsprozession  wird  von 
zahlreichen  Spielern  die  Auffindung  und  Bergung  der  Leiche  des  heiligen  Englmar 
pantomimisch  dargestellt.  —  Mit  Benützung  volkstümlicher  Ueberlieferungen  hat 
Kralik277)  ein  Weihnachtsspiel  gedichtet  und  in  Wien  zur  Aufführung  ge- 
bracht. 27*-279)    (Vgl.  IV  4.)  - 

Ueber  das  deutsche  Volkslied  im  allgemeinen280"281)  hat  Vo- 
r  e  t  z  s  c  h 282)  gehandelt.  Er  bespricht  mehrere  jüngst  erschienene  Sammlungen,  ver- 
folgt die  Wanderungen  einzelner  Lieder  durch  verschiedene  Landschaften  und  die 
Veränderungen,  denen  Kunstlieder  im  Volksmunde  ausgesetzt  sind,  und  teilt  hierbei 
zahlreiche  bisher  unbekannte  Lieder,  namentlich  aus  dem  grossen  Kriege,  mit.  — 
Auch  Hauffens283)  zusammenfassende  Charakteristik  des  Volksliedes  in  Oester- 
reich-Ungarn  behandelt  allgemeine  Erscheinungen  der  deutschen  Volkslyrik,  so  vor 
allem  die  Verwendung  der  Mundart  und  der  Schriftsprache  bei  den  Volksliedern. 
Nach  H.  finden  wir  in  der  Regel  bei  ober- und  niederdeutschen  Liedern  und  im  allgemeinen 
bei  Liedern  lokaler  Färbung  die  heimische  Mundart,  hingegen  bei  Liedern  Mitteldeutsch- 
lands, der  Rheinlande  und  grösserer  Städte,  sowie  überall  bei  Balladen  und  älteren 
Liebesliedern  höheren  Stiles  die  Schriftsprache.  H.  bespricht  hierauf  eingehend  In- 
halt und  Form  der  besonderen  deutsch-österreichischen  Liedergruppen,  der  an  das  Hoch- 
gebirge gebundenen  Alm-  und  Wildschützenlieder,  Schnaderhüpfeln  und  Jodler,  der 
Liederschätze  in  den  Sprachinseln  (Siebenbürger  Sachsen  und  Gottschee),  der  histo- 
rischen Lieder,  der  geistlichen  Lieder  und  der  Spruchpoesie,  ihre  Beziehungen  zum 
allgemeinen  deutschen  Liedergute  und  ihre  Wesensverschiedenheit  von  slavischen, 
magyarischen  und  romanischen  Liedern  derselben  Monarchie.  —  Einige  dialogische 
Volksballaden  hat  Erich  Schmidt284)  in  einem  Vortrage  behandelt.  —  Zu  einzelnen 
Liedern  sind  Erläuterungen  oder  sprachliche  Bemerkungen  veröffentlicht  worden285"289). — 
Die  Beziehungen  zwischen  Heine  und  dem  Volksliede  untersucht  Greinz290),  indem 
er  die  Stoffe,  Motive,  Figuren,  Gegenstände,  Wendungen  usw.,  die  Heine  der  Volks- 
lyrik entnommen  hat,  an  zahlreichen  Beispielen  und  weitschichtigen  Sammlungen  der 
Parallelen  darthut.  G.  beschränkt  sich  aber  auf  das  rein  Aeusserliche,  Stoffliche.  Die 
wesentlichen  Unterschiede  zwischen  Heine  und  dem  Volksliede  in  Stil,  Darstellung, 
Auffassung  werden  kaum  berührt.  —  Unter  der  anderweitig  gewürdigten  Litte- 
ratur  über  ältere  Volkslieder291"294)  seien  hervorgehoben  Boltes295)  Neudruck  des 
„Trinkerordens",  78  niederdeutscher  Verse  nach  einem  Blatte  des  16.  Jh.  und  die 
von  J.  Meier296)  gefundene  und  veröffentlichte  vollständige  Fassung  des  Reigenliedes 
vom  Sant  Grobian  (das  bisher  nur  fragmentarisch  bekannt  war)  nach  einem  ober- 
rheinischen Einzeldruck  aus  der  Mitte  d.  16.  Jh.  — 


PaedSt.  15,  S.  1-15.  —  267)  X  J-  Peter,  Im  Oberamraergau  d.  Böhmerwaldes :  LJb.  4,  S.  43-53.  —  268)  X  L-  Stetten- 
heim,  D.  Passionsspiel  v.  Höritz:  NFPr.  1893,  N.  10433.  (S.  auch  IllZg.  103,  S.  2662.)  —  269)  X  A.  Hauffen,  D.  Auf- 
führungen d.  Passionsspiels  zu  Höritz  im  Böhmerwald:  ZVVolksk.  4,  S.  211,3.  —  270)  H.  Lambel,  D.  Aufführungen  d. 
Höritzer  Passionsspiels:  MVGDB.  32,  S.  194-211,  299-304.  —  271)  A.  Hauffen,  Ueber  d.  Höritzer  Passionsspiel.  (=  SGV. 
N.  192.)  Prag,  Härpfer.  20  S.  M.  0,30.  —  272)  P.  Gröllhesel,  Text  d.  Böhmerwald.  Passionsspieles.  Teilweise  umgearb., 
mit  neuen  Liedertexten  u.  Bildererklärungen  v.  K.  Landsteiner.  Her.  v.  dtsch.  Böhmerwaldbunde.  Budweis,  Hansen. 
X,  139  S.  M.  1,20.  —  273)  X  D.  Höritzer  Passionsspiel  im  J.  1894:  Bohemia  N.  127.  —  274)  8.  Laschitzer,  D.  Paradeis- 
spiel: Carinthia  1,  S.  80-90,  119-27.  —  275)  A.  Hauffen,  Passionsspiele  in  Krain:  ZVVolksk.  4,  S.  443.  —  276)  L.  Fränkel, 
D.  Volksschauspiel  in  Englmar:  ib.  S.  443,5.  —  277)  R-  Kralik,  D.  Mysterium  v.  d.  Geburt  d.  Heilands.  E.  Weihnachtsspiel 
nach  volkstüml.  Ueberlieferungen.  Her.  auf  Veranlass,  d.  Leo-Ges.  2  Tle.  Wien,  Konegen.  Vin,  189  S.;  IV,  44  S.  M.  3,60. 
|[J.  v.  Helfert:  ÖLB1.  3,  S.  90/1;  ZVVolksk.  4,  S.  93/4.] |  —  278)  X  A.  En giert,  Nachtr.  zu  d.  Scherzgespräch  (JBL.  1893 
1  5  :  332):  ZDU.  8,  S.  408-10.  (Dazu  auch  K.  Haase:  ib.  S.  595.)  -  279)  X  F-  Lentner,  Dtsch.  Volkskomödie  u.  Salzburg. 
Hanswurstspiel.  Innsbruck,  Wagner.  1893.  39  S.  M.  1,00.  |[A.  Mair:  ÖLB1.  3,S.  462/3  ]|  —  280)  X  M.  Lilie,  D.Lied  im  Munde  d. 
Volkes:  LZg«.  N.  149.  (Kurzer  Ueberblick  über  d.  Gesch.  d.  dtsch.  Liedes  überhaupt,  auch  d.  Kunstliedes.)  —281)  X  O.  Bie, 
D.  Aufersteh,  d.  dtsch.  Volksliedes:  Kw.  8,  S.  65/8.  —  282)  C.  Voretzsch,  V.  dtsch.  Volkslied:  PrJbb.  77,  S.  193-222.  — 
283)  A.  Hauffen,  D.  dtsch.  Volkslied  in  Oesterr.-Ung. :  ZVVolksk.  4,  S.  1-33.  |[F.  Detter:  ZDPh.  26,  S.  400/5.]|  (Ausz. 
daraus  in  d.  Verhandl.  d.  42.  Versamml.  dtsch.  Philologen  u.  Schulmänner  in  Wien  [L,  Tenbner.  1893.  XVII,  626  S.  M.  24.00J, 
S.  386/7.)  —  284)  Erich  Schmidt,  Einige  dialogische  Volksballaden.  Vortr.,  geh.  in  GDL.  Ref.:  VossZg.  N.  216.  —  285)  X 
A.  Roeschen,  Z.  Erklär,  d.  Volksliedes  rDrei  Lilien,  drei  Lilien":  Hessenland  S.  8-10.  —  286)  X  c-  F-  A.,  Drei  Lilien, 
drei  Lilien:  BBSW.  S.  240.  —  287)  X  R-  Sprenger,  Zu  Ublands  Volksliedern:  ZDU.  8,  S.  131.  —  288)  X  id.,  Zu  Matthias 
Samml.  „D.  dtsch.  Volkslied":  ib.  S.  123.  —  289)  X  E.  G.,  D.  Kuckuck  (im  Volksliede):  LZg11.  N.  76.  -  290)  R.  H.  Greinz, 
H.  Heine  u.  d.  dtsch.  Volkslied.  E.  krit.  Untersuchung  nach  d.  Stoffgebiete  d.  Heineschen  Lyrik.  (=  Kult.-  u.  Litt.-Bilder, 
Heft  2.)  Neuwied  u.  L,  Schupp.  96  S.  M.  1,50.  (S.  auch  u.  IV  11.)  —  291-92)  X  G-  Tobler,  Pauli  Schullers  Lied.  1568: 
JbIlVGlarus.S.29.  —  293)Xd4  :  49.)  —  294)  X*"-  Frederioq,  Onze  historische  yolksliederen.  Hang,  Nijhoff.  XII,119S.  Fl.1,50. 
-  295)  J.  Bolte,  Trinkerorden:  JbVNiederdSpr.  19,  S.  167/8.  —  296)  J.  Meier,  E.Lied  v.  St.  Grobian :  BGDS.  18,  S.  572-31. 


A.  Hauffen,  Volkskunde.  I  5  :  297-315 

Eine  allgemeine  deutsche  Volkslieder  Sammlung'  297-298)  von  grösstem  Um- 
fange, Erks  deutscher  Liederhort  in  der  Neubearbeitung  von  Böhme299),  hat  nun  mit 
dem  dritten  Band  ihren  Abschluss  gefunden.  Diese  weite  historisch -kritische 
Ausgabe  bringt  rund  3000  der  wertvollsten,  schönsten,  litterar-  und  kulturhistorisch 
denkwürdigsten  Volkslieder  in  Wort  und  Weise  vom  9.  bis  zum  19.  Jh.  aus  allen 
deutschen  Landschaften  von  Flandern  bis  nach  Siebenbürgen.  Alle  Arten  des  Volks- 
liedes sind  hier  vertreten,  nach  ihrem  Inhalt  übersichtlich  angeordnet  und  innerhalb 
dieser  sachlichen  Gruppen  nach  dem  Alter  angereiht.  Dieses  reiche  und  erhebende 
Gesamtbild  deutschen  Volksgesanges  wird  in  weiten  Kreisen  die  Kenntnis  der  Lieder 
und  deren  Wiederbelebung  fördern  und  der  wissenschaftlichen  Durchforschung  der 
Volkslyrik  einen  neuen  Aufschwung  verleihen.  Zu  bedauern  ist  nur,  dass  B.  die 
älteren  aus  Sammlungen  und  Einzeldrucken  des  15.  und  16.  Jh.  stammenden  Texte 
allzu  einschneidend  redigiert,  namentlich  die  archaistischen  oder  mundartlichen 
Sprachformen  ohne  zwingende  Gründe  umgeändert  hat.  Auch  die  neueren  mund- 
artlichen Lieder  giebt  B.  öfters  nicht  im  Original,  sondern  in  einer  freien  Ueber- 
setzung.  Ueberaus  reichhaltig  sind  die  von  B.  herrührenden  Anmerkungen  zu  den 
einzelnen  Liedern.  Sie  sind  zuweilen  bei  gedrängter  Knappheit  förmliche  Abhand- 
lungen über  die  betreffende  Nummer.  Sie  bringen  den  Nachweis  der  Quellen  für 
Wort  und  Weise,  Untersuchungen  über  das  Alter  des  betreffenden  Liedes,  über  seine 
Verbreitung  und  die  verschiedensten  Varianten  mit  ausführlichen  Litteraturangaben, 
Nachrichten  und  Urteile  über  das  Lied  von  massgebender  Seite,  sprachliche  und 
sachliche  Erläuterungen  des  Textes,  eine  Geschichte  des  Motives  und,  wo  es  nötig 
ist,  eine  Zeichnung  des  historischen  Hintergrundes.  Beigegeben  sind  bibliographische 
Angaben,  ein  Sachregister  und  ein  Verzeichnis  der  Liederanfänge.     (Vgl.  II  2.)  — 

Die  übrigen  Sammlungen  und  Sondermitteilungen  von  Volksliedern  lassen 
sich  am  besten  nach  den  einzelnen  Landschaften  zusammenfassen. 
Unter  den  oberdeutschen  Gebieten  ist  neben  dem  Elsass300),  der  Schweiz301"302) 
und  Bayern303),  Oesterreich304"306)  besonders  reich  vertreten.  Die  „lebfrische" 
Schnaderhüpfeln-Sammlung  von  Hörmann307),  die  mit  ihrem  zierlichen  Gewände 
diesen  kecken  und  derben  Kindern  der  Alpenmuse  auch  in  norddeutschen  Salons 
eine  gastliche  Aufnahme  vermittelt  hat,  ist  nun  bereits  in  dritter  Auflage  erschienen. 
Der  Liederschatz  und  die  wohldurchdachte  Einteilung  ist  unverändert  geblieben. 
Neu  ist  die  Beigabe  flotter  Zeichnungen  Schumachers  und  die  mit  Hülfe  Schön- 
bachs durchgeführte  Verbesserung  der  mundartlichen  Schreibung  und  der  erläuternden 
Anmerkungen.  —  Eine  Reihe  von  Schnaderhüpfeln  und  verwandten  Stücken  teilt 
P  i  c  h  1  e  r 308)  aus  Tarrenz  bei  Imst  mit.  —  Zwei  neue  Fassungen  des  bekannten 
Liedes  vom  sterbenden  Soldaten  aus  Tirol  und  Steiermark  bringt  Englert309) 
bei.  —  Der  steiermärkische  „Raufjodl",  den  Wein  hold310)  aus  einer  Sammlung 
des  J.  1687  abdruckt,  stammt  sicher  nicht  aus  dem  Volksmunde.  — 

Auf  mitteldeutschem311"312)  Gebiete  hat  nun  Lewalters313) 
Sammlung  niederhessischer  Lieder  ihren  Abschluss  gefunden.  Das  letzte  (5.)  Heft 
bringt  65  Volks-  und  volkstümliche  Lieder  (einige  überhaupt  zum  ersten  Male  auf- 
gezeichnet, die  bekannteren  mit  reichen  Literaturnachweisen  versehen),  ferner  die 
Einleitung  und  das  Gesamtverzeichnis  für  die  ganze  Sammlung.314)  —  Wie  bei  Le- 
walter, so  ist  auch  in  der  nassauischen  Sammlung  Wolframs315)  den  meisten 
Liedern  die  Melodie  beigegeben.  Hier  wie  dort  ist  nur  das  noch  lebende  Volkslied 
berücksichtigt  worden.  W.  bringt  über  500  Nummern  der  verschiedensten  Gattungen, 
neben  Balladen  und  Berufsliedern  aus  älterer  Zeit,  moderne  Scherz-  und  Liebeslieder, 
und  —  was  besonders  bemerkenswert  ist  —  viele  Kriegslieder  aus  den  J.  1870—71. 


—  297)  X  13°  Volkslieder.  Mit  e.  Anh.  Verm.  u.  durchges.  Aufl.  d.  v.  Seminarlehrer-Kolleginm  in  Ludwigshorst  ausgew. 
100  Volkslieder.  Rostock,  Werther.  96  S.  M.  0,30.  —  298)  X  A.  v.  Arnim  n.  Cl.  Brentano,  D.  Knaben  Wunderhorn.  3  Bde. 
(—  Meyers  Volksbücher  N.  1041-54.)  L„  Bibl.  Inst.  354,  398,  294  S.  M.  1,40.  -  299)  F.  Böhme,  L.  Erk,  dtsch.  Liederhort 
(.JBL.  1893  I  5:261a:  13:43;  II  2:1.)  Bd.  III.  L.,  Breitkopf  &  Härtel.  IV,  919  S.  M.  12,00.  |[LBlGRPh.  S.  487/8, 1899-1900; 
K.  Wei|nhold:  ZVVolksk.  4,  S.  338/9;  NPrZg.  N.  46;  A.  Schlossar:  BLU.  S.  488;  E.  Sack:  FZg.  N.  320  (mit  sehr  be- 
merkenswerten Berichtig.]!  —  300)  X  B.  Stehle,  Nachtwächterlieder  aus  d.  Elsass:  Alemannia  22,  S.  259-63.  —  301)  X 
H.  Stickelberger,  Wie  Altes  im  Berner  Volksmunde  fortlebt.  (=12:50,  S.  85-101.)  (Abdr.  einiger  Volksreirae.)  —  302)  X 
F.  Kugler,  Schweiz.  Soldatenlied:  ZDU  8,  S.  598.  —  303)  X  ß-  Greinz,  Schlierseer  Schnadahüpfeln.  Ges.  u.  her. 
1  Bdch.  (=  Schlierseer  Bauerntheater. >  München,  Brackl.  32°.  32  S.  M.  0,20.  —  304)  X  p-  Franziszi,  Lieder  aus  d. 
Josefl-Gspiel  (Glanthal):  Carinthia  83',  S.  19-22.  (Vgl.  dazu  id.,  Hirtenkinder  aus  d.  Möllthal:  84»,  S.  95/6.)  —  305)  X  G. 
Versenyi,  Dtsch.  Volkslieder  aus  d.  Körmöcz-bänyer  Gegend  (Kremnitz):  EthnMUng.  3,  S.  255/6.  —  306)  X  M.  Urban, 
As  da  Haimat.  E.  Samml.  dtsch.  Volkslieder  aus  d.  ostfränk.  Sprachgebiete  d.  österr.  Prov.  Böhmen  als  Beitr.  z.  Kulturgesch. 
Deutsch-Böhmens.  Falkenau,  Schwaab  &  Müller.  4°.  291  S.  Fl.  1,50.  —  307)  L.  v.  Hörmann,  Schnaderhüpfeln  aus  d.  Alpen. 
3.  Aufl.  111.  v.  Ph.  Schumacher.  Mit  Singweisen.  Innsbruck,  Wagner.  16°.  XXVII,  376  S.  M.  2,00.  —  308)  A.  Pich ler, 
Tirol.  Volksdichtung:  ZVVolksk.  4,  S.  197-201.  —  309)  A.  Englert,  Zu  d.  Liede:  D.  Sonne  steht  am  Himmel:  ib.  S.  90.  — 
310)  K.  Weinhold,  Steyermark.  Raufjodl:  ib.  S.  335/6,  459-60.  —  311)  X  C.  v.  Geldern-Crispendorf ,  Volkslieder  aus 
d.  Herrschaft  Burgk:  Unser  Vogtland  1,  S  235-41.  (Bringt  7  auch  anderwärts  bekannte  Lieder:  Es  war  einst  e.  Jüdin.  D. 
Himmel  ist  sehr  trübe.  Es  ging  e.  treu  verliebtes  Paar  u.  a.)  —  312)  X  s-  M-  [Pre]m,  E.  Volkslied  aus  Altbielitz. 
(Oesterr.-Schlesien):  Bielitz-Bialaer  Stadtbl.  N.  33.  —  313)  J.  Lewalter,  Dtsch.  Volkslieder  in  Niederhessen.  Heft  5.  Ham- 
burg, Fritsche.  X,  117  S.;  7,  VII  S.  M.  1,00.  |[A.:  Hessenland  S.  329-30.] |  (Vgl.  JBL.  1893  I  5:282.)  -  314)  X  1*m  Ueber 
d.  Volkslied:  D.  Kurfürst  v.  Hessen  ist  e.  kreuzbraver  Mann:  Hessenland  S.  173/4.  —  315)  E.  N.  Wolfram,  Nassauische  Volks- 


I  5  :  316-357  A.  Hauffen,  Volkskunde. 

Unter  den  verschiedenen  Beigaben  seien  die  Einleitung,  die  hübsch  die  Art  und  Weise 
auseinandersetzt,  wie  in  Nassau  der  Volksgesang  geübt  wird,  und  das  vorgedruckte 
Gutachten  Gustav  Freytags  besonders  hervorgehoben.  — 

Auf  niederdeutsches316)  und  niederländisches  Gebiet  führen  uns 
Bolte317)  und  Muller318),  indem  sie  aus  älteren  Hss.  oder  Drucken  Volkslieder 
mitteilen.31*»)  — 

In  einer  Schlussgruppe  sei  Verschiedenes  zusammengefasst.  Den 
Kinderliedern  und  Kinderspielen  ist  eine  reichhaltige  Ausgabe  Dungers320) 
gewidmet,  die  im  Berichtsjahr  in  einer  zweiten,  um  50  Nummern  vermehrten  Auflage 
erschienen  ist.  Die  mitgeteilten  Texte  stammen  aus  dem  Vogtlande,  der  einleitende 
Vortrag  aber  unterrichtet  in  trefflicher  Weise  über  Wert,  Wesen  und  Entstehungsart 
des  deutschen  Kindeiiiedes  überhaupt  und  giebt  sehr  beherzigenswerte  Ratschläge 
zur  Pflege  dieser  volkstümlichen  Reime.  —  Aus  seiner  Untersuchung  des  Rhythmus 
in  Schweizer  Kinder-  und  Volksreimen  sucht  Reinle321)  Ergebnisse  für  das  Wesen 
des  germanischen  Verses  zu  gewinnen.  Den  Anhang  seiner  Schrift  bilden  Texte  aus 
den  Sammlungen  des  Vf.  —  Den  Humor  der  Kinderlieder  behandelt  ein  sinniger 
Aufsatz  Hildebrands322).  —  Kleinere  Untersuchungen  wurden  einzelnen  Kinder- 
liedern323 328)  gewidmet.  So  hat  Bolte329)  nach  einer  vergleichenden  Untersuchung 
sämtlicher  Parallelen  und  alter  Berichte  das  weit  verbreitete  Spiellied  vom  Herrn 
von  Ninive  (entstellt  aus:  Nonnen)  daher  richtig  zu  deuten  vermocht.  —  Zum  Lied 
vom  Pater  Guardian  haben  Diels330)  und  Engler t331)  mehrere  Passungen  aus  den 
verschiedensten  Gegenden  beigebracht.  —  Kleinere  Sammlungen  von  Kinderliedern  sind 
entweder  in  inhaltlich  begrenzten  Gruppen  —  Bastlösereime332"335),  Wiegen-336)  und 
Laternenlieder337)  —  oder  nach  einzelnen  Landschaften338-341)  veröffentlicht  worden. 
Unter  den  letzteren  seien  die  phonetisch  transskribierten  Kinderverse  Wo lfr ums342) 
aus  Oberfranken  und  die  reichhaltigen  und  verschiedenfältigen  Mitteilungen  Posts343) 
aus  Bremen  besonders  genannt.  — 

Ueber  die  auch  bei  Post  berücksichtigten  Sprachscherze,  Zungen- 
übungen usw.  ist  eine  Reihe  kleinerer  Mitteilungen  erschienen344"349).  — 

Zu  den  vom  Volke  gesungenen  Liedern  stehen  in  deutlichem  Gegensatze  die 
nur  gesprochenen  oder  geschriebenen  Sprüche350-353)  und  gereimten  Inschriften. 
Alte  Sprüche  aus  Büchereintragungen  des  16.  und  17.  Jh.  veröffentlichen  Englert354) 
und  Bosch355).  —  Aus  Tirol  teilen  von  Hörmann356)  Wirtshaussprüche,  Prem357) 
Grabschriften  und  Marterln  mit.358-359)  — 

lieäer  (JBL.  1893  I  5:281).  [fC.  Blümlein:  FZg.  N.  318;  A.  Schlossar:  BLU.  S.  488,9;  Urquell  5,  S.  201.]|  —  316)  X 
If .  Frischbier,  Hundert  ostpreuss.  Volkslieder  (JBL.  1898  I  5 :  299).  |[J.  B.  W  a  c  k  e  r  n  e  1 1 :  ÖLB1.  8,  S.  427 ;  J.  B  o  1 1  e :  AltprMschr.  37, 
S.  685-91.])  —  317)  J.  Bolte,  Niederdtsch.  u.  niederländ.  Volksweisen:  JbVNiederdSpr.  18,  S.  15/8.  (1.  D.  blaue  Flagge. 
2.  Siebensprung.  3.  Pierlala.  4.  „Van  waer  compt  ons  den  coelen  usw."  aus  Amsterdamer  u.  Wolfenbütteler  Hss.  d.  18.  Jh.)  —  318) 
J.  W.  Mull  er,  Ben  nieu  liedeken  vande  negen  Soldaten,  die  op  vrybuydt  gingen  unde  worden  alle  gaer  ghevangen:  TNTLK.  13, 
S.  151/6,  233.  (Het  waren  negen  Soldaten.  22  Strophen  aus  e.  Druckbl.  ca.  1600.  Vgl.  Erk  N.  65.)  —  319)  X  <*•  ▼•  Mann- 
teuffel,  Dtsch.  altlivländ.  Volkslieder  für  e.  Singstimme  ges.  Heft  1/2.  Riga,  Nelcker.  5  S.  M.  2,00.  |[NedörptscheZg.  30, 
N.  41;  J.  Bolte:  JBGPh.  16,  S.  183.] |  (Enth.  4  N.,  frühestens  aus  d.  18.  Jh.:  1.  D.  arme  Dorfschulmeisterlein  [=  Wegener, 
Norddtsch.  Volkslieder  N.  834].  2.  D.  Bur  [=  Erk-Böhme  N.  1540].  3.  D.Junker  u.  d.  Bürgermädchen.  4.  D.  Frau  soll  nach 
Hause  komme.  T=  Erk  N.  910.]  (Als  alte  Rigaer  Ueberlieferungen  werden  noch  angeführt:  Schlaf,  Kindchen  schlaf;  Bruder 
Liederlich;  D.  allerbeste,  d.  ich  hab';  Spinn,  meine  liebe  Tochter;  Ich  u.  mein  altes  Weib;  Jung,  schenk  ein.)  —  320)  H.  Dunger, 
Kinderlieder  u.  Kinderspiele  aus  d.  Vogtlande.  Mit  e.  einleit.  Vortr.  über  d.  Wesen  d.  volkstüml.  Kinderlieder.  2.  verm.  Aufl. 
Plauen,  Neupert.  4°.  XII,  194  S.  M.  1,50.  -  321)  K.  E.  Reinle,  Z.  Metrik  d.  Schweiz.  Volks-  u.  Kinderreime.  Diss.  Basel, 
Werner,  Riehm.  83  S.  —  322)  R.  Hildebrand,  Humor  im  Kinderliede:  ZDU.  8,  S.  281/6.  —  323)  X  A.  Englert,  Zu  d. 
Kinderliedchen  „Christkind,  komm'  in  unser  Haus":  ib.  S.  124.  —  324)  X  ia-»  Zu  d-  Kettenreim  „Ihr  Diener,  meine  Herrn": 
ib.  S.  482/3.  —  325)  X  s-  Mayr,  Kinderpredigt:  ib.  S.  600.  —  326)  X  A.  Englert,  Zu  d.  Spottvers  „Bonapart  ist  nimmer 
siolz«:  ib.  S.201.  —  327)  X  K.  Haase,  Spottlied  auf  d.  König  v.  Rom:  ib.  S.  540.  —  328)  H.  A.  Carstensen,  A-B-C-Spiel. 
E.  Umfrage:  Urquell  5,  S.  114,  192,  290.  —  329)  J.  Bolte,  D.  Kinderlied  v.  Herrn  v.  Ninive:  ZVVolksk.  4,  S.  180/4.  (Vgl.  III  2:3.) 

—  330)  H.  Diels,  D.  Lied  v.  Pater  Guardian:  ib.  S.  332/3.  (Vgl.  dazu  K.  Weinhold:  ib.  S.  334.)  —  331)  A.  Englert,  D.  Lied  v. 
Pater  Guardian:  ib.  S.  437-41.  —  332)  X  0.  Heilig,  Nene  Bastlösereime  ans  Franken  u.  Aleraannien :  Alemannia  22,  S.  77-80. 

—  333)  X  A.  Englert,  Bastlösereime  aus  d.  Spessart:  ib.  S.  81/7.  -  334)  X  K-  E-  Haase,  Bastlösereime:  ZVVolksk.  4, 
S.  74,6.  -  335)  X  0.  Schell,  Bastlösereime:  Urquell  5,  S.  193.  —  336)  X  A.  Englert,  Wiegenlieder  aus  d.  Spessart: 
ZVVolksk.  4,  S.  54-60,  88,9.  —  337)  X  °-  Gl  öde,  Laternenlieder:  ZDU.  8,  S.  198/9.  (Lieder  d.  an  Sommerabenden  mit  Papier- 
laternen herumgehenden  Kinder.)  —  338)  X  C.  Franke,  Ueber  d.  Volksdichtung  im  Meissnischen.  (=  12:69,  S.  27-35.) 
(Mundartl.  Kinderlieder,  Auszähl-  u.  Spottreime.)  —  339)  X  A.  Ben  da,  Aus  d.  Volksmunde  (Kinderlieder  u.  Sprüche): 
MVLübG.  5,  S.  171/2;  6,  S.  47/8.  —  340)  X  F-  Haller,  Berndeutsche  Verschen  u.  Lieder  für  Kinder.  Erweit.  v.  Emma 
Matthys.  7.  Aufl.  Bern,  Nydegger  &  Baumgart.  12°.  XI,  332  S.  Mit  13  Abbild.  M.  2,50.  —  341)  X  M.  Berkowicz, 
Reime  galiz.  Judenkinder:  Urquell  5,  S.  196.  —  342)  X  !"•  Wolfrum,  Volksreime  aus  Oberfranken:  Bayerns  Mundarten  2, 
S.  182-92.  —  343)  A.  H.  Post,  Mitteil,  aus  d.  bremischen  Volksleben:  Urquell  5,  S.  37-41,  64/9,  104,9,  128-33,  149-53,  176/9, 
218-21,  245/8,  275(8.  (Wiegenlieder  u.  Sprechübungen,  Rätsel,  Abzählreime,  Lügenlieder,  Sprachscherze,  Volksreime  verschiedener 
Art,  Kinderspiele.)  -  344)  X  C.  Dirks  en,  Ostfries.  Lautspiele  u.  Sprechübungen:  ZVVolksk.  4,  S.  91/2.  —  345)  X  A. 
Treichel,  Zungenübungen  aus Preussen.  II:  Urquell  5,  S.  122/6,  144/8,  180/2,  222/4.  —  346)  X  A.  Brunk,  Tierstimmen  im 
Volksmunde:  ib.  S.  31,3,  53/7.  (Zumeist  aus  Pommern.)  —  347)  X  Kulckmann,  Volkstümliches  aus  Eisleben: 
MansfelderBll.  S.  174,6.  (1.  Kirschkernketten.  2.  Was  d.  Glocken  Eislebens  läuten.)  —  348)  X  s-  Krauss,  Geheime 
Sprachweisen:  Urquell  5,  S.  74,8,  155/7,  193/4.  —  349)  X  £•  Sartori,  Sondersprachen:  ib.  S.  23/6,  72,4.  (V.  Göttern,  Geistern, 
Tieren  im  Volksmunde.)  —  350)  X  P-  Wigand,  50  Haussprüche  aus  d.  Umgeg.  Marburgs:  Hessenlands,  S.  303/6.  —  351)  X 
A.  Freybe,  Dtsch.  Sprüche:  KonsMsohr.  S.  1102/4.  —  352)  X  B-  Bk-.  P.  Rowald,  Brauch,  Spruch  u.  Lied  d.  Bauleute  (JBL.  1893 
I5:72):Kunstchr.ö,  S.241.  -  353)  XA  Englert,  Zu  d. Spruche:  Heile.heile  Segen:  ZDU. 8,  S  118-22.  (Vgl.K.E  Haase:  ib.S.599.) 

—  354)  X  id.,  Alte  Sprüche:  Urquell  5,  S, 232/3.  —  355)  X  H-  Bosch,  Alter  Spruch:  MGNM.  S.  118.  (Wisse  vil,  wenig  sag  |  verant- 
wort  nicht  alle  frag  |  sey  still  und  verschwigen  |  was  nicht  dein  ist,  das  lass  liegen  |  borg  nicht  vil,  bezals  bar  |  gelob  wenig 
und  rede  wahr.  —  Auf  d.  Deckel  v.  Magister  Glaser  Hennebergs  Chronicka,  16.  Jh.)  —  356)  X  (1  4  :  268.)  —  357)  X  S.  M.  P  r  e  m , 


A.  Hauffen,  Volkskunde.  I  5  •.  358-4oo 

Neben  Sammlungen  von  Sprichwörtern  und  Redensarten  einzelner 
Gebiete360"363)  ist  im  Berichtsjahr  auch  eine  allgemeine  deutsche  Sammlung-,  die  von 
Borchardt,  in  fünfter,  durch  Wust  mann364)  neu  besorgter  Ausgabe  erschienen. 
Ein  bequemes  Nachschlagebuch,  wo  zahlreiche  Redensarten  aufgezeichnet,  deren  Be- 
deutung und  die  Zeit  ihres  ersten  Auftretens  nachgewiesen  werden.  Eine  will- 
kommene Ergänzung  zu  den  deutschen  Wörterbüchern.  Doch  wenn  der  Heraus- 
geber in  der  Einleitung  auf  den  zünftigen  Betrieb  der  germanischen  Philologie  schilt, 
die  „Begriffe,  wie  Volkslied,  Volkskunde  in  Verruf  gethan  zu  haben  scheint  oder  doch 
wenigstens  die  Beschäftigung  damit  in  stiller  Uebereinkunft  als  unzünftig,  als  eine 
Art  Afterwissenschaft  ansieht",  so  braucht  diese  Behauptung  in  unserem  Berichte  nicht 
erst  besonders  widerlegt  zu  werden.  36s-367)  _  Viele  Sonderuntersuchungen 
behandeln  einzelne  Redensarten368"378»),  sowie  die  Stellung  verschiedenartiger 
Begriffe  im  Volksmunde379"386).  —  Ausserordentlich  reichhaltig  ist  die  von 
Wossidlo387)  in  Mecklenburg  unternommene  Sammlung  von  Sprichwörtern, 
Redensarten,  Vergleichen  und  Bezeichnungen  für  Tod  und  Sterben.388)  — 

Zur  Litteratur  über  Rätsel  ist  neben  kleineren  Beiträgen389-394) 
Eckarts 395)  Sammlung  zu  nennen.  Sie  enthält  über  1000  meist  gereimter  nieder- 
deutscher Rätsel,  ohne  die  Spur  einer  inhaltlichen  Anordnung  bunt  aneinandergereiht. 
Das  Litteraturverzeichnis  am  Schluss  ist  ungenau  und  lückenhaft.  Erläuternde  An- 
merkungen fehlen.  Der  Vf.  ist  stolz  darauf:  „Unbeschadet  des  wissenschaftlichen 
Wertes"  seiner  Sammlung,  vermeidet  er  alles  Beiwerk,  „womit  die  Forscher  in  ihren 
Untersuchungen  gern  prunken".  Noch  unbescheidener  ist  die  Behauptung,  dass  seine 
„Nachforschungen  an  Umfang  und  Genauigkeit  nichts  zu  wünschen  übrig  Hessen". 
Nach  dem,  was  wir  von  der  Zusammenstellung  seiner  Sprichwörtersammlung  wissen 
(JBL.  1893  1  5:322),  sind  wir  berechtigt,  daran  zu  zweifeln.  — 

Der  Volks  witz  ist  durch  einige  schwäbische  Schildbürgergeschichten396) 
und  anderes397-398)  vertreten.  — 

Ueberaus  reichhaltig  ist  auch  in  diesem  Berichtsjahre  die  Litteratur  über 
die  Namengebung.  Das  die  Eigennamen  behandelnde  Büchlein  von 
Tetzner399)  ist  in  2.  Auflage  erschienen,  um  12  Seiten  und  mehrere  altdeutsche 
Namen  vermehrt,  mit  Berichtigung  einiger  Deutungen  und  aller  Druckfehler.  Kleine 
Versehen  sind  noch  stehen  geblieben.  •—  Das  Aufkommen  der  Familiennamen 
möchte   Mackel400),   im  Gegensatz  zu  Steinhausen  (JBL.  1893  I  5:362),   nicht  als 


Grabschriften  u.  Marterln:  Bote  für  Tirol  u.  Vorarlberg  N.  235.  —  358)  X  id-,  Volkshumor  in  Grabinschriften:  Bielitz- 
BialaerStadtbl.  N.  79.  (Besprech.  d.  bekannten  Hörraannschen  Samml.)  —  359)  X  M.  v.  W.,  Grabinschrift  auf  d.  Freithof  v. 
Gossensass:  ZVVolksk.  4,  S.  92.  —  360)  O  X  K-  Wagner,  Sprichwörter  u,  sprichwörtl.  Redensarten  in  Rudolstadt  u.  dessen 
nächster  Umgeb.  Ges.  u.  nach  Sprichwörtern  alph.  geordn.  Progr.  Rudolstadt.  4°.  43  S.  --  361)  X  K-  E.  Haase,  Sprich- 
wörter aus  d.  Grafsch.  Hohustein:  Urquell  5,  S.  255/7.  —  362)  X  J.  R.  Bunker,  Heanzische  Sprichwörter:  EthnMUng.  3, 
S.  287-91.  (Vgl.  dazu:  ib.  S.  291/4;  bezieht  sich  auf  Deutsche  in  Westungarn.)  —  363)  X  R-  Eckart,  Niederdtsch.  Sprich- 
wörter (JBL.  1893  I  5:322).     |[L.  Freytag:  COIRW.  22,  S.  171;   N&S.  68,  S.  270/1;    Grenzb.  1,  S.  320;  KonsMschr.  S.  938.]| 

—  364)  W.  Borchardt,  D.  sprichwörtl.  Redensarten  im  dtsch.  Volksmunde  nach  Sinn  u.  Ursprung  erläut.  In  gänzl.  Neubearb. 
her.  v.  G.  Wustmann.  5.  Aufl.  L.,  Brockhaus.  X,  534  8.  M.  6,00.  |[0.  Lyon:  ZDU.  8,  S.  862/4;  R.  Lange:  BLU.  S.  461/2; 
Eger:  ThLB.  17,  S.  185;  VossZg.  N.  294;  BBG.  30,  S.  701;  de  Cook:  Folklore  7,  S.  90.]|  —  365)  X  A.  Richter,  Dtsch.  Redens- 
arten (JBL.  189315:337;  s.  u.  17:161).  |[C.  Matthias:  ZDU.  8,  S.  202/3;  DRs.  80,  S.  478-97.] |  -  366)  X  <*•  Wunder  lieh,  Dtsch. 
Sprichwörter,  volkstüml.  erklärt  u.  gruppiert.  Z.  Pflege  nat.  Bildung  in  unseren  Volksschulen.  3.  Bdch.  4.  Aufl.  Langensalza, 
Schulbuchh.  VIII,  99  S.  M.  0,75.  —  367)  X  D-  dtsch.  Redensarten:  Grenzb.  2,  S.  112/8.  —  368)  X  L-  Mohr,  Er  geht  durch 
wie  e.  Holländer:  Hessenland  S.  239-40.  —  369)  X  s->  Erklärung  d.  Redensart  „Falsch  wie  Galgenholz" :  ib.  S.  229.  —  370)  X 
M.  Hoferer,  Das  ist  e.  andere  Art  v.  Krebsen:  ZDU.  S,  S.  850.  —  371)  X  D-  Haut  (d-  Eell,  d-  Bast)  versaufen:  Urquell  5, 
S.  161/2.  (So  heisst  in  niederdtsch.  Gegenden  d.  Trinkgelage  nach  e.  Beerdigung.)  —  372)  X  H-  Seh  rader,  Karnickel  hat 
angefangen :  ZDS.  8,  S.  193/4.  (Wird  aus  e.  Berliner  Vorfall  anekdotisch  erklärt ;  vgl.1 7 :  159, 162/5.)  —  373)  X  'l  d- ,  Etwas  über  d.  grünen 
Klee  loben:  ib. S. 263/4.  (Erklärt  sich  v.  selbst  aus  d.  hohen  Wert  d.  Klees  für  d.  Landmann.)  —  374)  X  id.,  Einem  d.  Daumen 
halten,  drücken:  ib.  S.  223/6.  (Abdr.  aus  Herrn.  Schraders:  D.  Bilderschmuck  d.  dtsch.  Sprache  in  Tausenden  volkstüml. 
Redensarten.  Nach  Ursprung  u.  Bedeut.  erkl.  4.  Aufl.  Weimar,  Felber.  XX,  543  S.  M.  6,00  [JBL.  1893  I  8  :  119].)  —  375)  X 
Wo  Barthel  d.  Most  holt:  Quell wasser  18,  S.  349.  —  376)  X  L-  <*••  Es  giebt  für  d.  Kammerdiener  keine  Helden:  Euph.  1, 
S.  792.  —  377)  X  Fr.  Losch,  Vom  Aufschneiden:  BBSW.  S.  192.  —  378)  X  R-  Köhler,  Schnell  wie  d.  Gedanke:  Euph.  1, 
S.  47-51.  —  378a)  X  D-  dumme  Junge  v.  Meissen:  Daheim  N.  30.  -  379)  X  R-  Eckart,  Stand  u.  Beruf  im  Dichterwort 
u.  Volksmund.  1.  Bd.:  Fürsten  u.  Adel;  2.:  Medizin  u.  Justiz.  Hannover,  Meyer.  56  u.  48  S.  M.  0,80.  |[LZg«.  N.  95.]|  — 
380)  X  J-  Gillhoff,  Schlaf  u.  Tod  im  Volksmunde:  TglRsB.  N.  229.  —  381)  X  id.,  D.  Geld  im  Volksmunde:  ib.  N.  282,  284. 

—  382)  X  H.  Schrader.  D.  Rot  in  sprachl.  Bildern  u.  Gleichnissen:  ZDS.  8,  S.  281-99.  —  383)  X  id.,  D.  Ohr  in  sprachl. 
Bildern  u.  Gleichnissen:  ib.  7,  S.  401/8,  441-50.  (Vgl,  ib.  8,  S,  60/1:  Auszüge  aus  d.  Buche:  „Bilderschmuck  d.  dtsch.  Sprache" 
[s.  o.  N.  374].)  —  384)  X  ?■  P-,  D-  Bibel  im  Volksmunde.  E.  sprachl.  Studie  v.  e.  Theol.:  LZg».  N.  116.  —  385)  X  iL 
Merkens,  Bezeichnungen  d.  Trunkenheit  in  d.  Sprache  d.  Volkes:  Urquell  5,  S.  27-30,  513.  —  386)  X  D-  „Kunst"  im  Sprich- 
wort: HambNachr».  N.  33.  -  387)  R.  Wossidlo,  D.  Tod  im  Munde  d.  mecklenb.  Volkes :  ZVVolksk.  4,  S.  184-95.  -  388)  X 
W.  Unseld,  D.  Tod  in  Schwab.  Sprichwörtern  u.  Redensarten:  Alemannia  22,  S.  87/9.  —  389)  X  J-  Gillhoff,  Ueber  Alter 
u.  Art  d.  Volksrätsels:  TglRs".  N.  86/7.  —  390)  X  A..  Englert,  Z.  d.  niederdtsch.  Rätseln:  ZDÜ.  8,  S.  600/1.  —  391)  X 
H.  Monges,  Zu  d.  Volksrätseln:  ib.  S.  849.  —  392)  X  J-  p-  Schmitz,  D.  Scherzrätsel  aus  Tirol:  ib.  S.  197.  — 
393)  X  K-  E.  Haase,  Z.  Fiohrätsel:  ib.  S..547.  -    394)  X  F.  Asmus,  Bibl.  Rätsel  aus  Pommern:  Urquell  5,  S.  20,  229-30. 

—  395)  R.  Eckart,  Allg.  Samml.  niederdtsch.  Rätsel.  Nebst  einigen  anderen  mundartl.  Rätselaufgaben  u.  Auflösungen. 
L.,  Weigel.  VUI,  136  S.  M.  1,50.  |[K.  Weinhold:  ZVVolksk.  4,  S.  224;  J.  Z(upitza):  ASNS.  93,  S.  172  4;  Hessenland 
S.  100.JI  —  396)  X  0-  Heilig,  Ortsneckereien  u.  Schildbürgergeschichten:  Alemannia  22,  S.  276,9.  -  397)  X  P.  Quilling, 
Humorist.  Allerlei  aus  Sachsenhausen.  Mit  e.  Anh.:  Sagen  aus  Sachsenhausen.  4.  Aufl.  Frankfurt  a.  M.,  Selbstverl.  12°. 
112  S.    M.  1,00.    —   398)  X  E.  Düsel,  Jägerlatein:  Grenzb.  4,  S.  35-43,  76-83.  —  399)  (I  4  :  21  a.)  —  400)  E.  Maokel,  Zu 


I  5:401-437  A.  Hauffen,  Volkskunde. 

eine  Folge  der  Verkümmerung"  der  Vornamen401"406),  sondern  als  ihren  Grund  an- 
sehen. —  Zu  den  Familiennamen  im  allgemeinen  meint  M  a  c  k  e  l407),  dass  die  fremden 
Namen  in  Niederdeutschland  mit  der  fremden,  in  Oberdeutschland  mit  der  ein- 
heimischen Betonungsweise  Aufnahme  fänden.408)  —  Unter  den  Arbeiten  über  die 
Familiennamen  einzelner  Gebiete409)  greift  die  auf  gründlichen  Urkunden-Unter- 
suchungen beruhende  Darstellung  von  T  obl  e  r  -M  ey  er410)  weit  über  die  selbst 
gesteckte  Begrenzung  (Zürich  und  die  Ostschweiz)  hinaus.  In  den  allgemeinen  Er- 
örterungen über  die  Entstehung  der  deutschen  Familiennamen  (teilweise  auf  die  be- 
kannten Schriften  von  Heintze  und  Steub  sich  stützend)  schildert  T.,  wie  in  der  Ost- 
schweiz, vom  11.  Jh.  angefangen,  infolge  der  Vermehrung  des  Verkehrs  und  der  Be- 
völkerung, zu  den  Personennamen  unterscheidende  Beinamen  treten,  die  durch  Ver- 
erbung zu  Familiennamen  werden.  Hierauf  behandelt  er  die  grosse  Zahl  alter  Ost- 
schweizer Namen  in  mehreren  Gruppen  nach  der  Art  und  Herkunft  ihrer  Bildung, 
überall  in  der  Deutung  auf  die  älteste  zu  belegende  Form  zurückgreifend.  Eine 
Reihe  von  Ausläufen  über  die  Adelsnamen  überhaupt,  über  Schwankungen  und 
Wechsel  in  Familiennamen  bis  in  die  neueste  Zeit  herein,  über  fremdsprachige  Namen 
der  Schweiz  usw.  erhöhen  den  Wert  dieser  sorgfältigen  Arbeit.  —  Adameks411) 
fleissige  Zusammenstellung  zeigt  schon  in  dem  höchst  ungeschickten  Titel,  dass  sich 
der  Vf.  seinen  Gegenstand  ganz  willkürlich  und  unhistorisch  begrenzt  hat  und  nicht 
die  eigentlichen  einheimischen  und  alten  niederösterreichischen  Familiennamen  be- 
handelt. Da  er  nicht  auf  die  früheren,  urkundlich  belegten  Namensformen  zurück- 
greift, lässt  er  sich  um  so  leichter  zuweilen  zu  erzwungenen  Erklärungen  verleiten.  — 
Von  seiner  auf  drei  Teile  berechneten  Arbeit  über  die  deutschen  und  slavischen 
Familiennamen  in  Neustadt  in  Oberschlesien  veröffentlichte  Ondrusch412)  den 
ersten  Teil,  über  die  aus  altdeutschen  Personennamen  entstandenen  Familiennamen.  — 
T  arn  eller413)  setzte  seine  mit  urkundlichen  Belegen  versehene  Zusammenstellung 
mitteltirolischer  Hofnamen  fort.  — 

Unter  den  Zusammenstellungen  und  Deutungsversuchen  von  Orts- 
namen414-415) einzelner  Gebiete416"421)  seien  hervorgehoben  Hammers422)  Er- 
klärungen der  (grossenteils  slavischen)  Namen  in  den  märkischen  Kreisen  Teltow,  Ober- 
und  Nieder-Barnim  und  das  zweite  Heft  von  Schnellers423)  Deutungen  von  zu- 
meist romanischen  Ortsnamen  Tirols.  Beide  gehen  von  der  ältesten  Schreibung  und 
von  der  besonderen  Lage  des  betreffenden  Ortes  aus.  —  Auch  die  Berg-,  Fluss-, 
Flurnamen  usw.  einzelner  Landschaften424"428)  sind  gesammelt  und  untersucht 
worden.  — 

Vereinzelte  kleinere  Beiträge  zur  volkstümlichen  Namengebung  seien 
nur  anhangsweise  erwähnt429"437).  — 


d.  Vornamen-Studien  v.  G.  Steinhausen  (JBL.  1893  I  5:362):  ZDTJ.  8,  S.  483/7.  —  401)  X  (I  4  :  19)  -  *02)  X  p- 
Oascorbi,  D.  Vornamen  unserer  Mädchen:  MindenscheNachr.  26.  u.  31.  Jan.  —  403)  X  B»  Maydorn,  Sinn  u. 
Gestaltung  d.  dtsch.  Personennamen  :  NWestprM.  30.  Mai.  —  404)  X  &■  A-  »  Ueber  dtsch.  Vornamen  :  BerlNN.  28. 
u.  29.  Juni.  —  405)  X  E-  N-.  Namen  u.  Modethorheiten:  LZg.  22.  März.  —  406)  X  E-  Eckstein,  Eigennamen:  WIDM.  76, 
S. 760/4.  (Vgl. I  7 :  142.)  —  407)  E.  M  a  c  k  e  1 ,  Z. Namenforschung:  ZDU. 8,  S.  186-91.  —  408) X  L. F  r  ä  n  k  e  1 ,  Z.  Namenkunde :  ib.  S. 479-80. 
(Wendet  sich  gegen  N.  407.)  —  409)  X  0.  Weise,  Eisenberger  Familiennamen  aus  d.  12.  bis  18.  Jh.:  MGVEisenberg.  9, 
S.  39-40.  —  410)  (I  4  :  20.)  —  411)  E,  A  d  a  m  e  k  ,  D.  Rätsel  unserer  dtsch.  Schülernaraen.  An  d.  Namen  d.  nieder- 
österr.  Lehrerschaft  erklärt.  Wien,  Konegen.  XXIV,  143  S.  M.  4,00.  —  412)  K.  Ondrusch,  D.  Familiennamen  in  Neu- 
stadt O.-S.  I.  Progr.  Neustadt,  Reichelt.  4°.  31  S.  —  413)  J.  Tarn  eil  er,  D.  Hofnamen  d.  Burggrafenamtes  in  Tirol.  Progr. 
Meran,  Jandl.  54  S.  —  414)  X  Imme,  Unsere  Ortsnamen:  RheinWestfZg.  20.  Mai.  -  415)  X  W.  Golther,  üeber  Orts- 
namen auf  -ingen  u.  -ungen:  SB11HU.  1,  S.  44/5.  —  416)  O  X  0.  Heilig,  Beitrr.  z.  Wörterbuch  d.  ostfränk.  Mundart  d. 
Taubergrundes.  Progr.  Heidelberg.  4°.  20  S.  (Mit  Berücksicht.  d.  Ortsnamen.)  -  417)  X  (I  4:329.)  -  418)  X J-  Hel  bi£. 
D.  Ortsnamen  im  Bez.  Friedland  i.  B.  E.  etymolog.  Versuch.  Friedland,  Weeber.  12°.  48  S.  M.  0,35.  (Sonderabdr.  aus  d. 
Friedländer  Wochenbl.)  —  418  a)  X  A-  P  au  dl  er,  Z.  Ortsnamenk.:  MNordböhmExcursClub.  17,  S.  50-61,  355/9.  (Vgl.  dazu 
J.  Just:  ib.  S.  40/2.)  —  419)  X  G-  Schöner,  Z.  Erklärung  d.  Namens  Büdingen.  Progr.  Büdingen.  12  S.  —  420)  X 
W.  Streitberg,  O.  Name  Wiesbaden:  AnnVNassauG.  26,  S.  131/4.  —  421)  X  Ed.  Reichl,  Neue  Erklärungen  d.  Ortsnamen 
Berlin  u.  Köln:  Bär  20,  S.  218/9.  —  422)  W.  Hammer,  Ortsnamen  d.  Prov.  Brandenb.  I.  Progr.  B.,  Gaertner.  4°.  32  S.  - 
423)  X  (I  4:383.)  —  424)  X  Th.  Lohmeyer,  D.  Hauptgesetze  d.  ältesten  dtsch.  Berg-  u.  Flussnamengebung,  hauptsächl. 
an  süderländ.  Beisp.  erläut. :  PNaturwissVAltena.  11,  S.  31-49.  —  425)  X  id.,  Beitrr.  z.  Namenkunde  d.  Süderlandes.  Progr. 
Altena.  VI,  76  S.  —  426)  X  F-  Kühnel,  D.  slav..Orts-  u.  Flurnamen  d.  Oberlausitz,  ges.  u.  erklärt.  3.  Heft.  L.,  Harrasso- 
witz.  75  S.  M.  1,S0.  —  427)  X  E.  Brandis,  Berg-  u.  Thalnamen  im  Thüringer  Walde.  Gesamm.  u.  sprachl.  untersucht. 
Erfurt,  Neumann.     12'.    74  S.    M.  1,00.  —  428)  X  ö.  Reischel,  Unsere  heimatlichen  Berg-  u.  Waldnamen:  MagdZg".  N.  10  2. 

—  429)  X  c-  Schumann,  Beitrr.  z.  lübeckschen  Volksk.:  MVLübG.  5,  S.  188-90;  6,  S.  11/5,  27-32,  42  5,  59-64.  (Volkstum!. 
Ausdrücke  für  Krankheiten,  Körperteile,  Speisen  u.  Getränke,  Kleidung  usw.)  —  430)  X  H.  Monges.  D.Name  d.  Haushahns 
in  d.  Schriftsprache  u.  im  Elsass:  ZDU.  8,  S.  578-84.  —  431)  X  id.,  D.  Sperlingsname:  ib.  S.  267,8.  —  432)  X  °-  Glöde, 
Lüning,  Lünken,  e.  Name  für  d.  Sperling:  ib.  S.  122.  —  433)  X  Höf  er,  D.  Volksname  d.  Tiere  in  Niederösterr. :  BVLNiederöstr.  16, 
S.  110.   -    434)  X  (I  4  :  55.)  —  435)  X  (I  *  "•  56.)  -  436)  X  A..  Englert,    Muskate  in  d.  Bedeut.  v.  Kot:  ZDU.  8,  S.  126,9. 

-  437)  X  L-  Fränkel,  Zu  Schurle-Murle:  ib.  S.  480/2.  — 


E.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule.  I  6:1-2 

1,6 

Die  Litteratur  in  der  Schule. 

Ernst  Naumann. 

Allgemeines  und  Methodologisches:  Aufgaben  und  Ziele  des  deutschen  Unterrichts  N.  1.  —  Methodik 
N.  3.  —  Einzelfragen:  Goethes  Faust  und  Kleists  Hermannsschlacht  als  Schullektüre  N.  13;  Schriftstellerlektüre  einzelner 
Klassen  N.  10;  Volksschule  N.  19;  Privatlektüre  N.  26.  —  Deutscher  Aufsatz  N.  29.  —  Methodische  Erläuterungsschriften: 
zu  Dramen  (Schiller,  Goethe)  N.  40;  zu  Epen  N.  47;  zu  Lessings  Werken  N.  49;  zu  Lesebüchern  N.  50.  -  Hilfsmittel  für 
den  Unterricht:  Schulausgaben  (Lessing,  Herder,  Goethe,  Schiller,  J.  H.Voss)  N.  56.  —  Lesebücher  N.  94.  —  Sammelwerke 
von  Musterstücken  N.  126.  —  Leitfäden  der  Litteraturgeschichte  und  Poetik  N.  133.  — 

Allgemeines  und  Methodologisches.  Unter  den  Abhandlungen,  mit 
denen  Schüler  und  Anhänger  den  genialen  Vertreter  des  deutschen  Unterrichts,  Ru- 
dolf Hildebrand,  zu  seinem  siebenzigsten  Geburtstage  begrüssten,  gehen  einige  im 
Sinne  des  Gefeierten,  auf  die  allgemeinen  Aufgaben  und  die  höchsten  Ziele  dieses 
Unterrichts  ein.  Lyon1)  erblickt  in  ihm  eins  der  mächtigsten  und  festesten  Ein- 
heitsbänder für  die  bunte  Mannigfaltigkeit  des  Lebens  und  Schaffens  der  Nation  und 
weist  ihm  die  Aufgabe  an,  mitarbeiten  zu  helfen  an  der  Erneuerung  des  deutschen 
Geistes  und  Wesens  und  an  der  langersehnten  Wiedergeburt  unseres  Volkes.  Dar- 
um soll  er  der  um  sich  greifenden  Zersplitterung  politischer  und  wissenschaftlicher 
Bestrebungen,  der  Vereinzelung  der  Stände  und  Schichten  unseres  Volkes,  der 
Trennung  von  Universität  und  Schule,  der  Absonderung  der  Wissenschaft  von  der 
Praxis  gegenüber  ein  einheitliches  Band  herstellen,  welche  das  ganze  Volk  umfasst. 
Dazu  muss  der  deutsche  Unterricht  selbst  eine  Einheit  bilden,  die  auf  Schule  und 
auf  Universität  sich  gleichmässig  erstreckt.  L.  stellt  vier  Leitsätze  auf,  deren  Beob- 
achtung diese  Einheit  herbeiführt.  Der  deutsche  Unterricht  soll  sich  auf  geschicht- 
liche Betrachtung  der  Sprache  gründen.  Das  geschieht  auf  der  Universität  schon 
jetzt,  in  der  Schule  aber  sollte  neben  Festsetzung  der  Regeln  der  Schriftsprache  die 
geschichtliche  Betrachtungsweise  geübt  und  schon  in  den  unteren  Klassen  der  Be- 
griff der  „sprachrichtigen  Schwankung"  eingeführt  und  dadurch  der  geistvernichtende 
Einfluss  der  Regel  eingeengt  werden.  Der  deutsche  Unterricht  soll  zweitens  national 
sein.  Wir  müssen  an  der  Hand  der  Kultur-  und  Sittengeschichte  unseres  Volkes, 
wie  sie  in  Litteratur  und  Sprache  am  deutlichsten  hervortritt,  die  Erkenntnis  des 
unter  einer  aus  allen  Völkern  und  Ländern  zusammengesuchten  „Bildung"  noch 
lebendigen  deutschen  Volksgeistes  und  Volkstums  zu  gewinnen  suchen.  Auf  diesem 
Gebiete  muss  die  hauptsächlich  verstandesmässige  Behandlung  der  deutschen  Litte- 
ratur auf  der  Universität  sich  ihrer  Ausschliesslichkeit  begeben  und  muss  lernen, 
die  Ergebnisse  der  Forschung  mit  Wärme  und  Begeisterung  zu  beleben.  Die  ger- 
manische Philologie  darf  sich  einer  wahrhaft  deutschen  Gesinnung  am  allerwenigsten 
verschliessen.  Drittens  soll  der  deutsche  Unterricht  unserem  Volke  eine  gesunde 
ästhetische  Bildung  geben.  Eine  gesunde  Aesthetik  ist,  soweit  sie  die  Dichtung  be- 
trifft, nur  möglich  auf  Grund  einer  genauen  geschichtlichen  Betrachtung  unserer 
Sprache  und  Litteratur,  und  zu  einer  allgemeinen  Aesthetik  kann  man  erst  dann 
aufsteigen,  wenn  man  eine  nationale  Aesthetik  geschaffen  hat.  Dringend  zu  wünschen 
ist  daher,  dass  man  die  ästhetische  Behandlung  unserer  Dichter  nicht  lediglich  der 
Schule  überlässt,  sondern  dass  auch  die  Deutschphilologen  unter  den  Universitäts- 
lehrern sich  dieser  Behandlung  wieder  zuwenden.  Auf  dem  festen  Grunde,  den 
die  philologische  Aesthetik  geschaffen  hat,  mag  erst  die  philosophische  Aesthetik 
weiter  arbeiten,  beide  müssen  sich  zuletzt  durchdringen  und  gegenseitig  berichtigen. 
Schliesslich  soll  der  deutsche  Unterricht  eine  tiefgehende  sittliche  Wirkung  ausüben. 
Diese  Aufgabe  hat  keineswegs  allein  die  Schule,  sondern  auch  die  Universität  zu 
erfüllen.  Gerade  die  sachgemässe  und  in  die  Tiefe  dringende  Interpretation  der 
Dichter  wird  eine  Hauptaufgabe  der  germanischen  Philologie  bleiben,  und  durch 
die  Darlegung  der  grossartigen  Gedankenwelt  unserer  Dichter  wird  sie  eine  ein- 
dringende sittliche  Wirkung  üben.  Dadurch  wird  auch  dem  niedrigen  Standpunkt, 
von  dem  aus  der  Brotstudent  und  der  Fachphilister  urteilen,  nachdrücklich  und  mit 
Erfolg  entgegengetreten  werden;  die  germanische  Philologie  wird  auf  diesem  Wege  sich 
immer  mehr  der  Erfüllung  ihrer  Aufgabe  nähern,  die  auf  sicherem  Boden  einher- 
schreitende  Führerin  und  Beherrscherin  des  deutschen  Geistes-  und  Gemütslebens, 
die  tiefdringende  Deuterin  unserer  Volksseele,  die  berufenste  Auslegerin  unserer 
Dichter  und  die  heilbringende  Erzieherin  unseres  Volkes  zu  sein.  —  Die  Mittel, 
welche  der  Unterricht  im  Deutschen  auf  der  Schule  bietet,  um  eine  sittliche  Bildung 
zu  erzielen,  betrachtet  Löhn  er2).    In  den  vom  Lehrer  erzählten  Geschichtchen  wirkt 

1)  O.  Lyon,  D.  Einheit  d.  dtsch.  Unterr.  an  d.  Univ.  n.  in  d.  Sohule.    (=  I  1  :  69,  S.  356-64.)  -  2)  R.  Löhner, 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  i 1  ;N 


I  6:3-12  E.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule. 

der  Stoff  vorbildlicher  Thaten  und  Gesinnungen  auf  Gemüt  und  Charakter;  die 
stimmungsreiche  Lyrik,  der  Sprichwörterschatz  des  deutschen  Volkes,  sein  Drama, 
besonders  das  Schillersche,  wecken  einen  Strom  edler  Gefühle  und  Entschlüsse  und 
helfen  die  sittliche  und  ästhetische  Ausbildung-  des  jungen  Menschen  fördern.  Dazu 
treten  Deklamation,  Vortrag,  Aufsatz  als  selbständige  Leistungen,  die  schon  eigene 
Kraft  und  Persönlichkeit  erkennen  lassen.  Die  Grammatik  bildet  den  Ordnungs- 
sinn, nährt  die  Freude  am  Heimischen  und  Volkstümlichen;  die  Lektüre  unserer 
Klassiker  führt  zu  Lebensweisheit,  bewahrt  vor  Unduldsamkeit  und  Chauvinismus; 
überall  findet  aber  das  beste  Können  Ausblicke  auf  noch  höhere  Bildungsstufen  und 
bleibt  so  vor  Ueberhebung  und  Eitelkeit  bewahrt.  — 

Auf  dem  Gebiete  der  Methodik  begegnen  wir  mehrfach  Arbeiten,  deren 
Vf.  mit  Erfolg  die  von  Hildebrand  eröffneten  Bahnen  wandeln.  So  entwickelt  Krum- 
bach3) eine  Reihe  von  Sprachbildern,  um  zu  zeigen,  wie  in  der  Schule,  auch  in 
der  Volksschule,  der  Inhalt  der  Sprache,  ihr  Lebensgehalt  frisch  und  warm  erfasst 
werden  kann.  Uebungen  solcher  Art  sind  vortrefflich  geeignet,  den  Sprachschatz  der 
Schüler  zu  mehren,  ihre  Denkkraft  zu  üben  und  sie  zu  eigenen  Beobachtungen  auf 
dem  Gebiete  der  Sprache  anzuleiten.  In  unseren  hochbegabten  Dichtern  und  Schrift- 
stellern ist  noch  jene  alte  Kraft  lebendig  geblieben,  dem  Geistigen  sinnliche  Gestalt 
zu  leihen;  um  den  Schülern  eine  Ahnung  von  solchem  geheimnisvollen  Schaffen  des 
Sprachgeistes  zu  geben,  dazu  bieten  die  zwanglosen  Gespräche  über  die  „Hildebrand- 
schen"  Sprachbilder  stets  willkommene  Gelegenheit.  Nach  solchen  Vorbemerkungen 
zeigt  der  Vf.  an  einer  ganzen  Reihe  von  Sprachbildern,  wie  z.  B.  „mit  Krieg  über- 
ziehen", „auf  sein  Wort  ist  kein  Gewicht  zu  legen",  „der  heut  aüfschleusst  sein 
Himmelreich",  die  grosse  Fülle  sinnlicher  Vorstellungen,  die  damit  verbunden  sind 
und  weiter  in  volkstümliche  und  geschichtliche  Anschauungen  hineinführen.  In  den 
Sprachbildern  mit  Uebertreibungen  kommt  auch  der  Humor  zur  Geltung.  —  In  der 
von  Hildebrand  angebahnten  Auffassung  vom  deutschen  Unterrichte  bewegt  sich 
auch  Beck  er  4J,  indem  er  zunächst  für  das  engere  Gebiet  des  rein  sprachlichen  Ver- 
ständnisses zeigt,  wie  man  der  Forderung,  das  Deutsche  im  altsprachlichen  Unter- 
richt zu  fördern,  gerecht  werden  kann.  Das  Uebersetzen  der  alten  Schriftsteller  ver- 
langt eine  durchgehende  Vergleich ung  des  deutschen  Ausdrucks  mit  dem  fremd- 
sprachlichen ;  von  der  Muttersprache  dabei  auszugehen,  empfiehlt  sich  sowohl  aus 
pädagogischen  Rücksichten,  welche  verlangen,  dass  die  eigene  Sprache  als  das  Ver- 
traute und  Naheliegende  zum  Anknüpfungpunkt  für  die  Auffassung  des  Unbekannten 
und  Fremden  gemacht  werde,  als  auch  vom  vaterländischen  Gesichtspunkte  aus, 
welcher  gerade  heutzutage  es  als  Ehrensache  des  deutschen  Volkes  empfinden  lässt, 
nicht  in  Ungewissheit  über  unser  eigenstes  Wesen  dahin  zu  wandern  oder  gegen- 
über den  Hütern  des  eigenen  Volkstums  in  Gleichgültigkeit  zu  verharren.  Es  handelt 
sich  also  viel  mehr  um  ein  Unterrichtsprinzip,  als  um  einen  Unterrichtsgegenstand. 
Zunächst  muss,  wenn  an  das  Deutsche  angeknüpft  werden  soll,  Begriff,  Ausdrucks- 
weise usw.  in  der  deutschen  Sprache  klar  sein  oder  richtig  gestellt  werden,  schon 
daraus  ergiebt  sich  ein  Gewinn:  erhöhtes  Verständnis  für  die  eigene  Sprache.  Die 
sprachlich-logische  Schulung,  welche  durch  die  alten  Sprachen  u.  a.  auch  erreicht  werden 
soll,  überträgt  sich  nicht  ohne  weiteres  auf  das  Deutsche,  es  bedarf  dazu  einer  ausdrück- 
lichen Hebung  im  Unterricht.  Aber  die  menschliche  Sprache  ist  nicht  ein  Erzeugnis 
verstandesmässigen  Denkens,  sondern  der  dichterischen  Phantasie,  der  sinnlichen  Vor- 
stellung, des  volksmässigen  Denkens,  kindlicher  Anschauungsweise,  des  Volks- 
glaubens, ja  des  Volksaberglaubens.  Indem  aus  diesen  Gebieten  die  Thatsachen  zur 
Erklärung  des  Sprachgutes  gesammelt  werden,  wird  das  eigene  Volkstum  lebendig 
ins  Bewusstsein  gerufen,  Verständnis  und  Sinn  für  bildliche  Redeweise  geweckt  und 
eine  ursächliche  Erklärung  für  den  Sprachgebrauch  geg'eben.  In  vielen  Fällen  lässt 
sich  durch  die  deutsche  Uebersetzung  mehr  oder  weniger  ein  Abbild  der  fremden 
Sprachweise  bieten,  in  anderen  sind  im  Deutschen  Analogien  für  Idiotismen  vor- 
handen, die  bei  der  Uebersetzung  verwertet  werden  können.  Oft  genug  stösst  man 
auf  Satzbildungen  oder  Ausdrücke,  die  dem  Lernenden  in  der  Muttersprache  ebenso 
fremdartig  und  ungewohnt  sind  als  in  der  fremden  Sprache;  sie  sind  selbstverständ- 
lich an  der  deutschen  Sprache  zuerst  zu  erörtern.  An  zahlreichen  wohlgewählten 
Beispielen,  welche  die  Abhandlung  begleiten,  wird  dargelegt,  wie  überall  der  Schüler 
davor  bewahrt  werden  kann,  die  Wörter  ohne  Bewusstsein  von  ihrem  begrifflichen 
Wert  wie  eine  abgegriffene  Münze  weiter  zu  geben.5-12)  — 

Wie  kann  d.  dtsch.  Unterr.  z.  Erzieh,  d.  Jug.  beitragen?  (=  ib.,  S.  126/9.)  —  3)  C.  Krumbach,  Aus  d.  Praxis  d.  dtsch. 
Unterr.  (=  ib.,  S.  151-65.)  —  4)  Th.  Becker,  ü.  Deutsche  im  altsprach].  Unterr.  Progr.  Neu-Strelitz  (Helhvigsche  Hofbuchd.). 
4°.  28  S.  -  5)  O  X  V.  Koch,  Lehrplan  für  d.  dtsch.  Unterr.  T.  1  u.  2.  Progr.  d.  Progymn.  St.  Wendel.  1893-94.  20,  21  S. 
|[Th.  Matthias:  Gymn.  12,  S.  26. ]|  -  6)  O  X  J-  Ottens,  Lehrplan  für  d.  dtsch.  Unterr.  Progr.  d.  Oberrealsch.  Kiel.  1893.  4°. 
13  8.  |[Th.  Matthias:  Gymn.  12,  S.  25. ]|  —  7-8)  XX"'  Crampe,  Ueber  d.  kleineren  dtsch.  Ausarbeitungen  in  ihrem 
Verhältnis  z.  dtsch.  Unterr.  BllHSch.  11,  S.  125-30.  —  9)  X  X  p-  Cauer,  E.  dtsch.  Lesebuch  für  Prima:  ZGymn.  28, 
S.  442-55.  —  10-11)  O  X  X  J-  Dowrtiel,  Z.  Behandl.  d.  Redefiguren  in  d.  unt.  Klassen  d.  Gymn.  Progr.  d.  Untergymn. 
im  VIII.  Bez.     Wien.    1893.    17  8.     |[W.  Sauger:  Gymn.  12,  S.  872/3.||  —  12)  O  X  J-  Nioklas,  Abriss  d.  dtsch.  Gramm. 


E.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule.  I  6  s  13-19 

Eine  Reihe  von  Einzelfragen  betreffs  der  Ausgestaltung  des  deutschen 
Unterrichts  wird  erörtert.  Goethes  Faust,  auf  der  obersten  Stufe  in  den  Be- 
reich der  Schullektüre  gezogen  zu  sehen,  ist  Haehnels13)  Wunsch;  er  findet  sich 
mit  der  Bestimmung  der  österreichischen  Instruktion,  welche  den  Faust  der  Privat- 
lektüre zuweist,  dadurch  ab,  dass  er  einen  strengen  Unterschied  zwischen  Privat- 
um! Schullektüre  in  Abrede  stellt  und  annimmt,  dass  auch  bei  ersterer  einzelne 
Stellen  in  der  Klasse  gelesen  werden.  Der  Lektüre  des  Faust  soll  eine  gekürzte 
Ausgabe  zu  Grunde  gelegt  werden,  von  den  vorhandenen  entspricht  den  Anforde- 
rungen Haehnels  allerdings  keine.  —  Auch  Unbescheid14)  spricht  sich  für  die 
Lektüre  der  Faustdichtung  in  der  Schule  aus.  — 

Gegen  die  Aufnahme  von  Kleists  Hermannsschlacht  in  die  Schul- 
lektüre führt  Ortner15)  gewichtige  Bedenken  aus  der  Komposition  und  Ausführung 
im  einzelnen  an.  Der  Stoff  ist  für  dramatische  Darstellung  nicht  geeignet,  in  Er- 
findung und  Charakterzeichnung  hat  der  Dichter  Halbheiten  und  Widersprüche  nicht 
vermieden,  bei  aller  Grösse  der  Empfindung  fehlt  es  ihm  an  der  Fähigkeit,  die  ein- 
mal gewollte  Anlage  folgerecht  durchzuführen.  Dazu  kommen  noch  vielerlei  Irr- 
tümer in  mythologischer,  geographischer,  geschichtlicher  Hinsicht,  ja  sogar  sprach- 
liche Härten.  Erklärlich  sind  diese  Mängel,  besonders  auch  die  Uebertreibungen  in 
einzelnen  Charakteren,  aus  der  Entstehungsgeschichte  des  Stückes,  das  als  ein  aus- 
gesprochenes Tendenzstück  zum  Hass  gegen  Napoleon  anfeuern  sollte.  Daher 
stammt  das  Schwanken  zwischen  den  alten  Zuständen  und  den  modernen  Verhält- 
nissen, welches  die  Vorstellung  von  einem  wahren  Kunstwerke  nicht  aufkommen 
lässt.  0.  geht  im  Uebereifer  sogar  so  weit,  beginnende  Krankhaftigkeit  des  Dichters 
für  die  Halbheiten  des  Stückes  mit  verantwortlich  zu  machen.  — 

Die  Stelle,  welche  die  deutsche  Litteratur  in  der  Schrift  stelle  rlektüre 
einer  einzelnen  Klasse,  der  Obersekunda,  einnimmt,  würdigt  Ahl heim16).  Parallel 
mit  der  Lektüre  der  Odyssee  läuft  die  des  Nibelungenliedes,  die  sich  mit  jener  in 
die  Aufgabe,  den  Begriff  des  Epos  zu  erarbeiten,  zu  teilen  hat.  Sie  liefert  Bilder 
hervorragender  Tugenden  und  ein  Kulturbild  des  ritterlichen  Heldentums,  das  mit 
dem  Heroentum  vielfach  zusammentrifft.  Die  Beschäftigung  mit  Walther  von  der 
Vogelweide  führt  zum  Begriff  der  Lyrik.  Neben  das  Kulturbild  der  mittelalter- 
lichen Ritterburg  tritt  in  Hermann  und  Dorothea  das  des  deutschen  Bürgerhauses 
am  Ausgang  des  18.  Jh.;  es  ist  ein  bürgerliches  Epos,  zeigt  innerhalb  eines  .  engen 
Kreises  hochstehende,  auch  sittlich  hochstehende  Personen.  Die  vielfachen  Bezie- 
hungen innerhalb  jener  Stoffgebiete  legt  A.  mit  Geschick  dar;  nur  sollte  man  Hermann 
und  Dorothea  nicht  bis  Obersekunda  aufsparen,  sondern  als  das  Einfachere,  auch 
stofflich  uns  Näherliegende  noch  vor  der  Odyssee,  wenigstens  gleichzeitig  mit  ihrem 
Anfang  lesen  und  den  Begriff  des  Epos  lieber  an  der  letzteren  als  an  jenem  Ge- 
dichte sich  zu  einem  vorläufigen  Abschluss  entwickeln  lassen.  —  Die  Lektüre  des 
Homer  in  den  Realanstalten  behandelt  Mathi17)  nach  Art  der  deutschen  Gedichte 
und  nach  Anleitung  der  Normalstufen.  Er  erstrebt  klare  Anschauung  des  Dichter- 
werkes und  gute  Kulturbilder.  —  Der  Schulordnung  für  bayerische  Schulen  sich 
anschliessend  giebt  Nicklas18)  eine  Abgrenzung  der  Pensen  für  die  drei  untersten 
Gymnasialklassen  mit  eingehenden  Anweisungen  über  Methode.  Ohne  gerade  neue 
Gesichtspunkte  aufzustellen  giebt  er  auf  Grund  einer  zuverlässigen  Kenntnis  der 
einschlägigen  pädagogischen  Litteratur  und  aus  eigener  Beobachtung  für  jüngere 
Lehrer  brauchbare  Winke,  das  bestimmt  abgegrenzte  Lehrziel  zu  erreichen.  Mit 
grosser  Sorgfalt  werden  die  ersten  Aufsatzübungen  vorbereitet,  die  nach  N.  schon 
in  der  untersten  Klasse  beginnen;  am  Maximiliansgymnasium  hat  man  sich  über  be- 
stimmte Korrekturzeichen  geeinigt,  aus  denen  die  Art  der  Fehler  zu  erkennen  ist,  ge- 
wiss eine  nützliche  Einrichtung.  Mit  Recht  liegt  in  den  untersten  Klassen  der 
Hauptnachdruck  auf  den  mündlichen  Uebungen,  die  sich  mit  Lektüre,  Wiedererzäh- 
lungen und  Beschreibungen  beschäftigen.  Das  Gesamtmass  der  Forderungen  ist 
nicht  niedrig  gegriffen,  aber  entspricht  nach  der  Vorrede  dem  Lehrplan  des  Maxi- 
miliansgymnasiums zu  München.  — 

An  die  Volksschule  wendet  sich  M  ä  h  r  1  e 19)  mit  seinen  Vorschlägen, 
wie  Sprachverständnis  und  Sprachfertigkeit  zu  fördern  seien.  Er  verlangt  u.  a.,  dass 
der  gesamte  Unterricht  mehr  in   den  Dienst   sprachlicher  Schulung  gestellt  werde; 


in  Beispielen.  3.  T.  München,  Lindauer.  24  S.  M.  0,30.  |[L.  Bauer:  BBG.  30,  S.  479-80.]|  —  13)  K.  Haehnel,  Goethes 
Faust  im  Gymnasialunterr.  Progr.  Leitmeritz.  31  S.  (S.  u.  N.  45;  vgl.  auch  IV  8e.)  —  14)  H.  Unbescheid,  Goethes  Paust 
(1.  T.)  als  Schullektüre.  (=11:  69,  S.  199-208.)  (S.  u.  N.  46:  vgl.  auch  IV  8e.)  —  15)  H.  Ortner,  ttemerknngen  zu  Heinrich 
v.  Kleists  Hermannsschlacht.  Progr.  Regensburg,  Druck.  M.  Wasner.  32  S.  —  16)  A.  Ählheim,  D.  Schriftstellerlektüre  d. 
Ober-Sekunda  nach  d.  Grundsätzen  d.  Konzentralion.  2.  T.  Progr.  Bensheim.  4°.  23  S.  (1.  T.:  JBL.  1S93  I  7  :  33.)  — 
17)  J.  Mathi,  D.  Ilias  im  dtsch.  Unterr.  d.  Realanstalten.  Progr.  d.  Realprogymn.  Höchst  a.  M.  1893.  4°.  22  S.  |[Th. 
Matthias:  Gymn.  12,  S  28.]|  -  18)  J.  Nicklas,  Method.  Winke  für  d.  dtsch.  Unterr.  in  d.  3  unt.  Klassen  höh.  Lehranst. 
München,  Lindauer.  68  S.  M.  1,20.  ||L.  Bauer:  BBG.  30,  S.  479-80.]|  —  19)  F.  M&hrle,  Was  k;.nn  d.  Schule  thun,  um 
unserem  Volke  zu  e.  richtigeren,  reineren  u  gewandteren  Gebrauch  seiner  Muttersprache  zu  verhelfen?:    NBUEU.     23,  S.  193-202 

(1)8* 


I  6  :  20-30  E.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule. 

in  dem  Streit  um  die  Grammatik  in  der  Volksschule  tritt  er  ein  für  grammatische 
Uebungen,  damit  die  Gewöhnung1  gestützt  und  für  zweifelhafte  Fälle  theore- 
tische Erwägung  herbeigezogen  werde;  er  denkt  sich  die  Durchnahme  der  Regeln 
von  dem  jedesmal  vorliegenden  Bedürfnis  abhängig.  —  Einer  nachdrücklicheren  Be- 
schäftigung der  Volksschule  mit  der  Poesie  redet  Salz  mann20)  das  Wort.  Was 
die  geistliche  Dichtung  betrifft,  so  beschränken  sich  die  Forderungen  auf  die  richtige 
Behandlung  des  vorgeschriebenen  Stoffes ;  aber  die  herrliche  vaterländische  Litteratur 
soll  in  viel  weiterem  Umfange  und  in  passenderer  Form  dargeboten  werden.  Mehr 
poetischer  Stoff  in  den  Lesebüchern !  Eine  Auswahl  giebt  S.  an,  bei  der  Durchnahme 
stellt  er  die  Wirkung  des  Kunstwerks  der  sprachlichen  Form  voran.  —  Für  die  Be- 
handlung deutscher  Gedichte  in  der  Volksschule  gewinnt  Otto  Schulze21"22)  aus 
der  vorhandenen  pädagogischen  Litteratur  einige  Gesichtspunkte;  er  tritt  der  Spaltung 
des  Sprachunterrichts  in  statarisches  und  kursorisches  Lesen,  in  Grammatik,  Ortho- 
graphie, Aufsatz  und  Diktat  entgegen  und  will  streng  genommen  nur  mündliche  und 
schriftliche  Uebungen  gelten  lassen.  Den  mündlichen  fällt  die  Durchnahme  der  Ge- 
dichte zu.  Eine  allgemein  verbindliche  Behandlungsweise  schreibt  er  mit  Recht  nicht 
vor:  „denn  das  Schema  ist  nicht  das  allein  Seligmachende  im  Unterrichte".  Aber 
die  Eigenart  des  dichterischen  Erzeugnisses  muss  hervortreten,  die  Behandlung  muss 
vor  allem  ästhetisches  Interesse  erregen.  Treffend  ist  die  Empfehlung  gruppen- 
artiger Zusammenstellung  der  Gedichte,  wofür  der  Vf.  mehrere  gute  Beispiele  giebt. 
Es  können  auf  diese  Weise  viel  Schätze  der  Litteratur  vorgeführt  werden,  und  es 
werden  weitläufigere  Erörterungen  erspart,  da  eins  das  andere  erklärt.  Dass  grosser 
Wert  auf  sorgfältiges  Einlesen  und  sinngemässen  Vortrag  zu  legen  ist,  ist  selbst- 
verständlich. Ein  Verteilungsplan  der  poetischen  Lesestoffe  für  die  drei  oberen 
Klassen  unterscheidet  Lernstoffe  und  Zusatzstoffe,  die  ersteren  treten  neu  auf  und 
sind  als  Gruppen  zu  behandeln,  die  letzteren  dienen  der  fortlaufenden  Wiederholung 
und  vervollständigen  die  Gruppen.  In  der  dritten  und  zweiten  Klasse  sind  die  Dich- 
tungen lediglich  nach  dem  Inhalt  geordnet,  in  der  ersten  tritt  eine  Anordnung  nach 
Dichtergruppen  ein,  die  weniger  durch  die  geschichtliche  Entwicklung  als  durch 
den  Inhalt  bestimmt  werden.23-25)   — 

Eine  jedenfalls  der  Lösung  dringend  bedürftige  Frage  behandelt  ein  Anony- 
mus26), indem  er  die  Privatlektüre  unserer  Töchter  auf  gesunde  Grundlagen  zu 
stellen  sucht.  Er  tritt  mit  Recht  gegen  die  litterarische  Fabrikware  der  sogenannten 
Backfischlitteratur  auf  und  weist  auf  die  Pflicht  der  Eltern  und  Erzieher  hin,  die  in 
Deutschland  vorhandenen  vorzüglichen  Jugendschriften  wieder  ans  Licht  zu  ziehen, 
verlangt  eine  Sichtung  des  vorhandenen  Lesestoffes  und  stellt  als  Anforderungen, 
die  an  ein  gutes  Buch  für  Mädchen  zu  machen  seien,  folgende  auf:  christliche  Grund- 
lage, sittlicher  Grundgedanke,  das  Ziel,  tüchtige,  fleissige,  denkende  Frauen  zu 
bilden,  Anregung  des  gesamten  Seelenlebens,  spannende  Darstellung,  nationales  Ge- 
präge, mustergültige  Sprache.  Es  werden  eine  ganze  Reihe  Schriftsteller  aufgezählt, 
die  diesen  Anforderungen  entsprechen.27-28)  — 

Das  gewonnene  Verständnis  für  die  Sprache  führt  zur  Herrschaft  über  den 
Ausdruck  in  mündlicher  und  schriftlicher  Darstellung.  Der  deutsche  Aufsatz  ist 
daher  als  eine  der  wichtigsten  Uebungen  auf  allen  Schulen  immer  wieder  Gegen- 
stand eingehender  Erwägungen.  Kretschmann29)  weist  darauf  hin,  dass  der  Aufsatz 
für  die  Gymnasialschüler,  welche  nach  der  Abschlussprüfung  in  das  Leben  über- 
treten, eine  erhöhte  Bedeutung  gewinnt.  Er  teilt  zwölf  Musteraufsätze  mit,  deren 
Themen  fast  alle  aus  der  alten  und  neuen  Litteratur  genommen  sind.  Was  in  den 
einleitenden  Bemerkungen  ausgeführt  wird,  ist  alles  beherzigenswert:  der  Lehrer 
arbeite  sich  den  Aufsatz  selbst  aus,  teile  ihn  auch  den  Schülern  mit,  dringe  auf  sach- 
lich richtige  und  wahre  Angaben,  betreibe  die  Arbeit  des  Suchens  und  Sammeins 
mit  den  Schülern  gemeinschaftlich.  An  den  Aufsätzen  selbst  tritt  mehrfach  bewusste 
Anlehnung  an  bedeutende  Muster  aus  Mommsen,  Luden,  Curtius  hervor;  sicherlich 
eine  ganz  vorzügliche  Art  der  Anleitung,  welche  zugleich  ehrliche  Benutzung  fremden 
Gutes  lehrt.  —  Das  W7erk  von  Laas  über  den  deutschen  Aufsatz,  welches  von  epoche- 
machender Bedeutung  für  den  deutschen  Unterricht  gewesen  und  dessen  Einfluss 
auch  in  den  neuesten  amtlichen  Vorschriften  erkennbar  ist,  hat  in  Imelmann30) 
einen  pietätvollen  und  kundigen  Herausgeber  gefunden.  Nennenswerte  Eingriffe  in 
den  Text  sind  vermieden  worden,  im  einzelnen    waren   etwa   thatsächliche  Angaben 

—  20)  E.  Salzmann,  D.  Poesie  in  d.  Volksschule:  ib.  S.  235-45.  —  21)  Otto  Schulze,  Z.  Behandl.  dtsch.  Gedichte. 
(=  PaedMag.  Her.  v.  F.  Mann.  52.  Heft.)  Langensalza,  Beyer  &  Söhne.  28  S.  M.  0,35.  —  22)  id.,  Gesichtspunkte 
für  Behandl.,  Ausw.  u.  Anordn.  der  dtsch.  Gedichte:  DB11EÜ.  21,  S.  349-53,  357-61.  —  23-24)  O  X  Gedichtskanon  für  d. 
einzelnen  Klassen.  Trogr.  Coesfeld.  1893.  4°.  15  S.  —  25)  O  X  X  Heinr.  Schmitt,  D.  Behandl.  d.  Lesestücke.  Vortr. 
Bühl,  Konkor dia  in  Komm.  21  S.  M.  0,25.  (Aus:  NSchZgBaden.)  —  26)  K.,  D.  Lektüre  unserer  Töchter:  NB11EU.  23, 
S.  227-35.  —  27)  X  Einiges  über  Jugendlektüre:  KZEU.  43,  S.  513/8.  -  28)  X  H-  Liebeskind,  Was  kann  d.  Lehrer  z. 
Verbreit,  guter  Lektüre  in  d.  Schulgemeinde  thun:  DB11EU.  21,  S.  333/6,  341/4.  —  29)  H.  Kretschmann,  Dtsch.  Aufsätze 
in  Unter-Sek.    Progr.    Danzig,  A.  Müller.    4".    25  S.  —  30)  E.  Laas,  D.  dtsch.  Aufsatz  in  d.  ober.  Gymnasialklassen.    Theorie 


E.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule.  I  6  :  31-40 

oder  Voraussetzungen  richtig-  zu  stellen  oder  kleine  Aenderungen  des  Ausdrucks 
vorzunehmen,  auch  ist  die  frühere  Fülle  an  Fremdwörtern  und  Kunstausdrücken 
auf  ein  richtiges  Mass  zurückgeführt.  Aus  dem  Handexemplar  des  Vf.  war  nur 
Weniges  nachzutragen.  Die  Zuthaten  des  Bearbeiters  finden  sich  in  den  Anmerkungen, 
wenig-  umfangreich,  aber  gehaltvoll,  die  Litteratur  fortführend,  abweichende  Behand- 
lung oder  Kritik  der  von  Laas  gestellten  Aufgaben  nachweisend,  überall  in  be- 
sonnener Beschränkung  das  Wichtigste  hervorhebend.  Die  Reichhaltigkeit  dieser 
Zusätze,  welche  dem  Vf.  auf  alle  Gebiete  folgen,  denen  er  seine  Materialien  zu  den 
praktischen  Hebungen  entnommen  hat,  sind  ein  glänzender  Beweis,  dass  der  Be- 
arbeiter den  Stoff  vollständig  beherrscht  und  durchdringt.  „Die  mächtig  anregende 
Kraft  dieses  Buches  wird  sich  sobald  nicht  erschöpfen".  Sie  wird  sich  auch  in  der 
Gegenwart,  wo  mit  neuem  Eifer  an  der  Festigung  des  deutschen  Unterrichts  auf 
allen  Stufen  gearbeitet  wird,  erfolgreich  bewähren.  —  Sorgfältig  durchgearbeitete 
Aufsatzentwürfe,  die  sich  an  die  würdigsten  Stoffe  anknüpfen,  liefert  Straub31). 
Sie  zeichnen  sich  ebensowohl  durch  lebendigen  Ausdruck  wie  durch  Gedankentiefe 
aus  und  berühren  die  wichtigsten  Fragen  geistiger  Kultur.  Vieles  ist  auch  bei  Be- 
sprechung Goethescher  und  Schillerscher  Gedichte  zu  verwerten.  —  Leuchten- 
berg e  r  s  32)  vortrefflich  ausgewählte  und  durchgearbeitete  Dispositionen  sind  in  der 
neuen  Auflage  übersichtlicher  verteilt;  man  findet  sämtliche  Aufgaben  aus  Schiller 
und  aus  Horaz  im  ersten,  diejenigen  aus  Goethe  im  zweiten  Bändchen,  welches  auch 
die  an  die  griechische  Lektüre  sich  anlehnenden  Aufgaben  enthält.  Von  den 
Aufgaben  aus  der  älteren  deutschen  Litteratur  wird  manche  nach  den  neuesten  Lehr- 
plänen wieder  Verwendung  finden.  Für  die  gelegentliche  Bearbeitung  sogenannter 
allgemeiner  Themen  führt  L.  mit  Recht  an,  dass  sie  den  Schüler  über  sich  selbst 
und  sein  Inneres  aufzuklären,  ihm  in  aller  Stille  sittliche  Antriebe  zu  verschaffen 
vermag.  —  Die  in  Büchern  und  Abhandlungen  zerstreuten  Aufgaben  zu  deutschen 
Aufsätzen  im  Anschluss  an  die  der  Schullektüre  zugewiesenen  deutschen  Dramen 
geordnet  zusammenzustellen,  haben  Heinz e  und  Schröder33"35)  begonnen.  Das 
Ziel  bringt  es  mit  sich,  zuweilen  sehr  ähnliche  Themata  oder  zu  demselben  Thema 
mehrere  Ausführungen  aufzunehmen;  an  sich  ist  das  ganz  zu  billigen,  nur  sollten 
nicht,  etwa  nur  um  äusserer  Vollständigkeit  willen,  nebeneinander  Abschnitte  auf- 
genommen werden,  zwischen  denen  ein  nennenswerter  Unterschied  nicht  mehr  zu 
erkennen  ist.  Ebenso  wenig  hätten  sich  die  Sammler  die  Gelegenheit  entgehen 
lassen  dürfen,  unrichtig  angeführte  Textstellen  zu  verbessern,  z.  B.  II,  S.  57 ;  III, 
S.  65,  75.  Ob  freilich  die  Vf.  von  Dispositionen  und  Aufsatzbüchern  mit  einer 
solchen  Verwertung  ihrer  Arbeit  zufrieden  sein  werden,  bleibt  abzuwarten.36-39)  — 
Die  Reihe  der  methodischen  Erläuterungsschriften  hat  mit  seiner 
Erklärung  weiterer  Dramen  Schillers  in  würdigster  Weise  Gaudig40)  im 
Rahmen  des  von  0.  Frick  begründeten  Werkes  „Aus  deutschen  Lesebüchern"  er- 
öffnet. Fricks  Erläuterungsweise,  die  in  dem  Drama  eine  kleine  Welt  erkannte,  die 
diese  Welt  mit  allen  ihren  Kräften  und  ihrem  Leben  im  Geiste  des  Schülers  von 
neuem  entstehen  Hess,  hatte  etwas  Schöpferisches.  Mit  einem  auf  das  Ganze  ge- 
richteten Blick  wies  er  dem  einzelnen  die  rechte  Stelle  an;  er  verfolgte  die  Ent- 
stehung und  das  Werden  des  dramatischen  Gedankens  und  Planes  von  dem  ge- 
schichtlich gegebenen  oder  erforschbaren  Anlass  und  Stoff  aus  hindurch  durch  das 
Werk  bis  zu  seiner  Vollendung.  Das  besonnene  Abwägen  der  im  Drama  gegen 
einander  ringenden  Geisteskräfte,  der  Leidenschaften,  der  unglücklichen  Verschlin- 
gungen bedeutsamer  Umstände,  das  Verfolgen  der  einmal  aufgedeckten  Grundzüge 
der  Handlung-  in  Haupt-  und  Nebenthemen,  die  vornehme  Beurteilung  der  Charaktere 
und  die  umsichtige  Verwertung  der  erhaltenen  Ergebnisse  zur  Einsicht  in  die  Form 
des  Kunstwerks,  diese  Vorzüge  von  Fricks  Behandlung  des  deutschen  Dramas  haben 
vorbildlich  gewirkt.  Mit  der  Handhabung  jener  Methode  hat  sich  G.  auf  das  innigste 
vertraut  gemacht;    er  wendet   sie  im    vorliegenden  Bande    auf   Schillers   fünf  letzte 

u.  Materialien.  2.  Abt.:  Materialien.  3.  Aufl.  bes.  v.  J.  Imelmann.  B.,  Weidmann.  XU,  405  S.  M.  6,00.  —  31)  L.  W. 
Straub,  Aufsatz-Entwürfe.  2.  Aufl.  (=  Samml.  Göschen  N.  17.)  L.,  Göschen.  12°.  IV,  148  S.  M.  0,80.  —  32)  G. 
Leuchtenberger,  Dispositionen  zu  dtsch.  Aufsätzen  u.  Vortrr.  für  d.  oberen  Klassen  höh.  Lehranst.  1.  Bdch.,  5.  verb. 
Aufl.  2.  Bdch.,  4.  verb.  Aufl.  B.,  Gaertner.  VII,  160  S.;  149  S.  ä  M.  2,00.  —  33)  H.  Heinze  u.  W.  Schröder,  Aufgaben 
aus  dtsch.  Dramen.  1.  Bdch.  Aufgaben  ans  „Wilhelm  Teil".  Zusammengest.  von  H.  Heinze.  L.,  W.  Engelmann.  VII,  89  S. 
M.  0,80.  —  34)  Dass.  2.  Bdch.  Aufgaben  ans  „d.  Jungfrau  v.  Orleans".  Zusammengest.  v.  W.  Schröder,  ebda.  VI,  80  S. 
M.  0,80.  —  35)  Dass.  3.  Bdch.  Aufgaben  aus  rWallensteinu.  Zusammengest.  v.  H.  Heinze.  ebda.  IX,  118  S.  M  1,00.  — 
36)  X  W.  Saliger,  J.  Hörtnagl,  Pralct.  Lehrgang  im  Disponieren  dtsch.  Aufsätze.  (JBL.  1893  I  7:22):  Gymn.  12,  S.  873. 
—  37)  O  X  X  V.  Kiy,  Themata  u.  Dispositionen  zu  dtsch.  Aufsätzen  u.  Vortrr.  im  Anschl.  an  d.  dtsch.  Schullektüre  für  d. 
ober.  Klassen  höh.  Lehranst.  1.  T.  B.,  Weidmann.  XII,  182  S.  M.  3,00.  —  38)  O  X  X  °-  Boehm,  Dispositionen  zu  dtsch. 
Aufsätzen.  Nach  Gedichten  aus  dtsch.  Lesebüchern  für  d.  mittl.  Klassen  höh.  Schulen  u.  d.  ob.  Klassen  d.  Mittel-  u.  Bürger- 
schulen. B.,  Grote.  XIV,  154  S.  M.  2,00.  ||Lg.:  COIRW.  22,  S.  741/2.]|  -  39)  O  X  J-  Wagner,  Musterbeispiele  zu  dtsch. 
Aufsätzen  für  Elementar-,  Volks-,  Fortbildungs-  u.  Präparandenschulen.  1.  Bdch.  4.  Aufl.  Langensalza,  Schulbuchh.  VIII, 
148  S.  M.  1,20.  —  40)  Wegweiser  durch  d.  klass.  Schuldramen.  Bearb.  v.  O.  Frick  n.  H.  Gaudig.  3.  Abt.  Schillers  Dramen. 
IL  (Bearb.  v.  H.  Gaudig)  Maria  Stuart;  Jungfr.  v.  Orleans:  Braut  v.  Messina;  Wilh.  Teil;  Demetrius.  (=  Aus  dtsch.  Lese- 
büchern,  Ep.,   lyr.   u.   dramat.  Dichtungen,   erläut.  für  Oberklass.  d.  höh.  Schulen.     5.  Bd.,  2.  Abt.).     Gera  u.  L,  Th.  Hofmann. 


I  6  :  4i-43  E.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule. 

Dramen:  Maria  Stuart,  Jungfrau  von  Orleans,  Braut  von  Messina,  Wilhelm  Teil  und 
Demetrius  an.  Für  seine  Gesamtauffassung  von  Schillers  dramatischer  Kunst  ist 
die  Uebereinstimmung  mit  Scherer  ausschlaggebend,  dass  die  Beurteilung  Schillers 
auf  völlig  falsche  Wege  geriet,  weil  man  Shakespeares  Drama  für  das  moderne 
Drama  schlechtbin  erklärte  und  daher  jede  Abweichung  Schillers  von  Shakespeare 
dem  ersteren  als  Fehler  anrechnete.  Schiller  hat  seine  ästhetischen  Prinzipien  selbst 
formuliert  und  setzt  uns  so  in  den  Stand,  seine  Dramen  auf  Grund  seiner  eigenen 
Voraussetzungen  zu  beurteilen.  Dieser  Standpunkt  macht  sich  besonders  für  Maria 
Stuart  geltend,  die  ganz  nach  den  Abhandlungen  vom  Erhabenen,  über  die  tragische 
Kunst,  über  das  Pathetische  gemessen  wird.  Maria  Stuart  ist  nach  G.  eine  pathe- 
tische Tragödie  im  wahren  Sinne  des  Wortes  und  als  solche  eine  typisch  reine 
Ausprägung  des  Begriffs  der  Tragödie,  wie  ihn  Schiller  fasst.  Somit  muss  denn 
auch  im  einzelnen  gelegentlich  der  Aesthetiker  Schiller  den  Dramatiker  Schiller 
gegen  von  anderen  Gesichtspunkten  ausgehende  Erklärungen  rechtfertigen,  z.  B.  be- 
treffs der  Streitscene  in  Maria  Stuart  (III,  4;  vgl.  S.  72/3).  In  der  Erklärung  der 
übrigen  in  diesem  Bande  behandelten  Tragödien,  mit  selbstverständlicher  Ausnahme 
der  Braut  von  Messina,  nimmt  die  Darlegung  des  geschichtlichen  Materials,  das  mit 
grosser  Sorgfalt  behandelt  wird,  einen  breiten  Raum  ein;  die  Gründe,  die  G.  dafür 
in  der  Einleitung  anführt,  treffen  nicht  bloss  auf  „Maria  Stuart"  zu,  sie  gelten  noch 
besonders  für  den  Demetrius.  In  den  beiden  genannten  Dramen  ist  die  Aufgabe, 
die  Stellung  des  Dichters  zu  seinem  Stoffe  zu  verfolgen,  deshalb  interessanter,  weil 
gerade  hierdurch  ein  tiefer  Einblick  in  die  schöpferische  Arbeit  des  Dichters  ge- 
wonnen wird.  Für  die  übrigen  Dramen  aber  giebt  die  Vergleichung  des  Geschicht- 
lichen mit  der  Dichtung  gleichfalls  Anregung  zur  Beantwortung  wichtiger  Fragen, 
die  die  Komposition  des  Ganzen  betreffen.  So  ist  G.  der  Meinung,  der  Grund,  wes- 
halb Schiller  den  Ausgang  der  Jungfrau,  die  herbe  Tragik  ihres  geschichtlichen 
Unterganges  abweisend ,  frei  erdichtete,  liege  vor  allem  in  der  nahen  Verwandtschaft, 
die  zwischen  der  Tragik  im  Endschicksal  der  geschichtlichen  Johanna  und  der  Tragik 
im  Ende  der  Maria  Stuart  bestand.  Die  verschiedenen  Spielarten  des  Tragischen 
offenbaren  sich  in  und  neben  einander  in  den  behandelten  Tragödien,  und  die  Ver- 
anschaulichung des  Begriffs  des  Tragischen  selbst  scheint  eines  der  Hauptziele  der 
Gesamterklärung  zu  sein.  Im  einzelnen  gliedert  sich  die  Behandlung  der  Dramen 
nach  dem  aus  den  früheren  Bänden  bekannten  Gedankengange,  in  der  Besprechung 
ist  der  Bearbeiter  mit  selbständigem  Urteile  seinem  Vorbilde  gefolgt,  er  verzichtet 
zum  Beispiel  auf  die  vorläufige  Aufstellung  der  „Themata"  und  deren  Ergänzung 
in  der  Schlussbesprechung  und  lässt  dafür  die  Personen  als  Träger  der  Handlung 
von  vornherein  mehr  hervortreten.  Wenn  er  auch  die  Begriffe  Spiel  und  Gegen- 
spiel gebraucht,  so  ist  er  doch  kein  Anhänger  von  Freytags  Technik  des  Dramas, 
er  ist  viel  mehr  überzeugt,  dass  es  unmöglich  ist,  die  von  Frey  tag  aufgestellten  Ge- 
setze des  Dramas  in  den  Dramen  unserer  Klassiker  wiederzuerkennen,  weil  der 
dichterische  Geist  weder  bewusst,  noch  unbewusst  nach  solchen  Gesetzen  geschaffen 
hat  (vgl.  S.  2,  79).  Von  seinem  Standpunkte  aus  hat  G.  öfters  Gelegenheit,  sich  auch  mit 
Düntzer,  Bellermann,  Fielitz  u.  a.  auseinanderzusetzen,  was  überall  sachlich  und 
ohne  die  eigentliche  Aufgabe  zu  beeinträchtigen  geschieht  (vgl.  S.  72,  217,  218,  2191, 
362,  4641).  Die  Aufnahme  des  Demetrius  unter  die  behandelten  Dramen  rechtfertigt 
G.  erstens  mit  der  überwältigenden  Grösse  des  Inhalts,  sodann  durch  den  Hinweis, 
dass  dieses  Fragment  uns  mehr  als  ein  anderes  Werk  die  Vorstudien  des  Dichters, 
die  Wandlungen  des  Stoffes,  die  Selbstkritik  Schillers  erkennen  lässt,  zumal  dieser 
die  Gesichtspunkte,  nach  denen  er  den  Stoff  organisiert,  selbst  aufgezeichnet  hat. 
Auf  alle  Fälle  verdiente  der  „Torso"  eine  eingehende  Behandlung  und,  selbst  wenn 
im  Unterrichte  nur  ausnahmsweise  sich  Zeit  darbieten  sollte,  den  Entwurf  durch- 
zunehmen, so  ist  die  Studie  darüber  in  dem  Wegweiser  hochwillkommen.  Es  ist 
kein  Fehler,  wenn  das  Buch  viel  mehr  Stoff  enthält,  als  bei  schulmässiger  Behand- 
lung der  Dramen  bewältigt  werden  kann;  durch  die  vielseitige,  man  könnte  fast  sagen 
erschöpfende  Erörterung  der  genannten  Dramen,  durch  seine  Fülle  brauchbarer  Winke 
und  feinsinniger  Bemerkungen  und  nicht  am  wenigsten  vermöge  des  ernsthaft  unter- 
nommenen Versuches,  den  Dichter  nach  seinem  eigenen  Mass  zu  messen,  ist  das 
Werk  das  geworden,  was  es  sein  will,  ein  brauchbarer  Wegweiser  durch  die  letzten 
Werke  unseres  grössten  Dramatikers.41)  —  Die  von  König42"43)  herausgegebenen 
eigenen  Erläuterungen  zu  Schillers  Teil  und  Erläuterungen  Stechers  zur  Jungfrau 
von  Orleans  bestehen  etwa  zur  Hälfte  aus  sprachlichen  und  sachlichen  Erklärungen, 
von  denen  die  letzteren  nicht  gerade  tief  dringen;    dazu  kommen  Uebersichten  über 


VII,  517  S.  M.  5,00.  |[Paeä.  S.  788/9  j |  (Vgl.  .1BL.  1893  I  7  :  43a.)  —  41)  O  X  X  ß-  Franz,  Gesichtspunkte  u.  Materialien 
z.  Behandl.  v.  Schillers  Demetrius.  Progr.  d.  Bealgymn.  Halberstadt.  1892-93.  4°.  20,24  8.  |[Th.  Matthias:  Qyron.  12, 
S.  29-30.11  (JBL.  1892  I  5:41;  1893  IV  9:144.)  -  42)  W.  König,  Erläuterungen  zu  Schillers  Wilh.  Teil  für  d.  Schulgebr. 
L.,   L'hl.     12°.     64   S.     M.   0,40.     |[L.   Frey  tag:   COIRW.  22,  S.  097/8.]|    —    43)    M.    R.    Stecher,    Erläuterungen    zu   Sohillers 


E.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule.  I  6  •.  44-47 

den  Gang  der  Handlung-,  welche  aber  einer  begrifflichen  Gliederung  nicht  unterzogen 
wird,  je  ein  Abschnitt  über  die  Vorgestalt  des  Stoffes,  sowie  über  die  Entstehung 
des  Stückes,  zum  Teil  auch  kurze  Bemerkungen  über  die  Charaktere,  zur  Jungfrau 
eine  Erklärung  der  Benennung  „romantische  Tragödie".  Gelehrter  Ballast  ist  in 
beiden  Heften  allerdings  vermieden,  aber  manches  Selbstverständliche  ist  gesagt. 
Das  sprachliche  Gewand  ist  nicht  immer  mustergültig,  z.  B.:  „Statt  eines  Jambus 
beginnt  dieser  Vers  mit  einem  Creticus"  (zu  Teil  S.  32)  und  „War  doch  die  histo- 
rische Johanna  selbst  ein  reines  Produkt  ihres  Zeitalters,  das,  seines  noch  unge- 
schwächten kindlichen  Wunderglaubens  wegen,  Mutter  und  Säugamme  der  roman- 
tischen Poesie  werden  konnte"  (zu  Jungfrau  S.  61).  —  Als  einen  Beitrag  zur  Be- 
lebung des  deutschen  Unterrichts  bietet  Kraft44)  eine  Studie  über  Klingers  Zwillinge, 
Leisewitz  Julius  von  Tarent  und  Schillers  Braut  von  Messina  dar.  Ohne  die  Lektüre 
der  beiden  ersteren  Dramen  für  die  Schule  fordern  zu  wollen,  zieht  er  sie  doch  zur 
Vergleichung  heran,  um  für  das  letztere  dem  Schüler  ein  klareres  Verständnis  zu 
erschliessen.  Aesthetische  Theorien  beiseite  lassend,  geht  er  auf  die  Gestaltung  des 
Grundmotives,  den  dramatischen  Aufbau  und  die  Charakterzeichnung  ein.  Haupt- 
ergebnisse sind:  in  dem  feindlichen  Verhältniss  beider  Brüder  fehlen  bei  Schiller 
zwei  Momente,  die  sich  bei  Klinger  und  Leisewitz  finden,  die  ausdrückliche  Be- 
zeichnung des  Streitobjektes  und  die  offensive  Haltung  des  einen,  sowie  die  defen- 
sive des  anderen  Bruders.  Bei  der  Gewaltthat  Don  Cäsars  habe  der  Dichter  einen 
Gegensatz  des  Charakters  oder  Temperaments  nicht  mitspielen  lassen,  sie  sei  viel 
mehr  alleiniges  Ergebnis  der  Unkenntnis  des  wahren  Sachverhalts:  er  fühlt,  dass  er 
unbewusst  das  Werkzeug  der  Schicksalsfügung  geworden  ist.  Daher  steht  bei 
Schiller  die  Charakteristik  zur  dramatischen  Handlung  in  einem  anderen  Verhältnis 
als  bei  Klinger  und  Leisewitz.  Bei  diesen  ist  sie  Grundlage  der  Handlung,  bei 
Schiller  Nebensache.  Bei  Schiller  geht  die  allgemein  sittliche  Tendenz  des  Dramas 
höher  hinaus,  sie  zielt  auf  das  Uebergewicht  der  ewigen,  unerschütterlichen  Not- 
wendigkeit über  die  kurzsichtigen  Pläne  der  Staubgeborenen;  im  Zusammenhange 
damit  bringt  der  Dichter  ein  Beispiel  freiwilliger  Unterordnung  unter  die  Macht  der 
sittlichen  Notwendigkeit  zu  erschütternder  Darstellung.  —  Bei  der  Durchnahme  des 
Goe theschen  Faust  in  der  Schule  soll  nach  Haehnel45)  eine  Einleitung  dem 
Schüler  einen  Blick  in  das  Glaubensleben  des  Mittelalters  eröffnen,  die  Geschichte 
der  Faustsage  und  ihrer  Bearbeitungen  vorführen,  wobei  Lessings  Plan,  die  Ver- 
suche der  Stürmer  und  Dränger  und  eingehender  die  Entstehungsgeschichte  des 
Goetheschen  Dramas  behandelt  werden.  Kritische  Bemerkungen  über  Stil  und  Plan 
bleiben  ausgeschlossen,  dagegen  sind  Uebersichten  über  Zeit  und  Schauplatz  voran- 
zuschicken. Das  Verständnis  der  durchzunehmenden  einzelnen  Scenen  oder  Scenen- 
gruppen  wird  unterstützt  durch  orientierende  Vorbemerkungen  und  gesichert  durch 
Vorlegung  bestimmt  formulierter  und  genau  vorbereiteter  Einzelfragen;  Schluss- 
bemerkungen werden  sich  zuweilen  noch  als  notwendig  ergeben.  Diese  Vorbemer- 
kungen, Fragen  und  Schlussbemerkungen  führt  H.  zum  ersten  Teil  auf;  die  Bespre- 
chung schliesst  mit  Aufstellung  eines  erläuternden  Schemas  der  Gesamtdichtung  und 
Mitteilung  des  Hauptinhalts  des  zweiten  Teils.  Selbst,  wenn  man  dem  Vf.  trotz  der 
schwerwiegenden  Bedenken,  die  gegen  die  Beschäftigung  der  Schule  mit  dem  Faust 
geltend  gemacht  worden  sind,  deren  Erspriesslichkeit  zugeben  wollte,  so  bleibt  noch 
nachzuweisen,  woher  der  von  allen  Seiten  neu  in  Anspruch  genommene  deutsche 
Unterricht  die  Zeit  zu  der  geforderten,  doch  recht  eingehenden  Durchnahme  ge- 
winnen soll.  —  Für  eine  Behandlung  des  ersten  Teils  der  Faustdichtung  in  der 
Schule  entnimmt  Unbescheid46)  dem  eben  erschienenen  zweiten  Bande  von  V. 
Valentins  Aesthetischen  Schriften  (s.  u.  IV  8e),  der  Goethes  Faustdichtung  in  ihrer 
künstlerischen  Einheit  darstellt,  die  leitenden  Gesichtspunkte  wie  die  Grundzüge  im 
einzelnen;  er  führt  Valentins  Inhaltsangabe,  die  er  am  Ende  mitteilt,  im  engsten 
Anschluss  an  das  genannte  Werk  des  weiteren  aus.  Aber  er  geht  in  seiner  Zer- 
gliederung so  weit,  dass  der  Schüler  Gefahr  läuft,  über  dem  Schema  die  lebendige 
Gestaltuug  der  Dichtung  aus  den  Augen  zu  verlieren.  — 

Eine  besonnene  Erklärung  zum  Goetheschen  Epos  Hermann  und  Dorothea 
liefert  Stoffel47),  indem  er  Gesang  für  Gesang  den  Inhalt  so  gliedert,  dass  der  Fort- 
schritt der  Handlung  heraustritt;  ein  Rückblick  sucht  jedesmal  das  Neugewonnene 
für  Geist  und  Gemüt  zu  verwerten.  Die  Benennung  der  Gesänge  nach  den  Musen 
aus  dem  Inhalt  zu  rechtfertigen,  gelingt  nicht  ohne  Gewaltsamkeit.  Die  Schluss- 
abschnitte über  Gliederung  des  Ganzen,  Züge  aus  Goethes  Leben  in  der  Dichtung, 
das  Nationale  im  Epos  u.  a.    enthalten  brauchbares  Material.     Auch  die  Pädagogik 


Jungfrau  v.  Orleans  für  d.  Schulgebr.  Her.  v.  W.  König,  ebda.  61  S.  M.  0,40.  —  44)  G.  Kraft,  Klingers  „Zwillinge", 
Leisewitz  „Julius  v.  Tarent"  u.  Schillers  „Braut  v.  Hessina".  E.  vergleichende  Betracht,  mit  bes.  Rucks,  auf  ihre  Verwertung 
beim  Unterr.  Progr.  Altenburg,  Bunde.  4".  20  S.  —  45)  (=  N.  17.)  —  46)  (=  N.  13.)  —  47)  J.  Stoffel,  Goethes 
Hermann   u.  Dorothea   erlrl.   u.  ge.würd.,  bei  Gelegenh.   d.  100 j.  Jubelfeier  d.  Seminars  zu  Weissenfeis  her.  (=  Dtsch.  Dramen 


I  6:48-58  E.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule. 

Goethes  in  Hermann  und  Dorethea  findet  ihre  Würdigung  durch  Wiederabdruck  einer 
Abhandlung  aus  Dörpfelds  Evangel.  Schulbl.  1890.48)  — 

Den  Erläuterungen  zu  Lessings  Werken,  welche  die  Lehrerin  Bertha 
Rot  he49)  herausgab,  fehlt  die  Tiefe,  die  allein  Lessing  gerecht  werden  kann;  be- 
sonders unzureichend  ist  die  Behandlung  der  kritischen  Werke.  Die  Vf.  wendet  sich 
an  Seminaristinnen  und  angehende  Lehrerinnen.  — 

Eine  bis  in  alle  Einzelheiten  ausgeführte  Anleitung  zum  Unterricht  im 
Deutschen  mit  Grundlage  des  Lesebuchs  erhalten  die  Lehrer  katholischer  Volks- 
schulen durch  Havers50-51).  Ziel  und  Methode  des  deutschsprachlichen  Unterrichts 
werden  so  formuliert,  dass  das  Lesebuch  den  Mittelpunkt  für  alle  seine  Zweige  bildet. 
Die  Durchführung  dieser  auch  schon  früher  als  berechtigt  anerkannten  Forderung 
hat  nach  dem  Vf.  Schwierigkeiten  gefunden  infolge  der  hohen  Ansprüche,  die 
sie  an  die  Lehrer  stellte.  Einer  umsichtigen  Vorbereitung  soll  nun  durch  die  vor- 
liegenden Bände  das  Zeit  und  Mühe  raubende  Sammeln  des  Materials  erspart  werden, 
indem  die  Anwendung  der  entwickelten  Grundsätze  gezeigt  wird.  Es  werden  also 
genau  die  Pensen  von  Woche  zu  Woche  verzeichnet  und  ihre  Bearbeitung  angegeben. 
So  knüpfen  sich  z.  B.  auf  der  Oberstufe  an  die  durch  Erzählung  des  Inhalts  vor- 
bereitete Lektüre  von  Uhlands  Gedicht  „Der  blinde  König"  eine  Reihe  von  Fragen, 
wodurch  Inhalt  und  Gliederung  festgestellt  werden,  ferner  Aufgaben  für  Aufsätze  sowie 
gelegentliche  und  planmässige  sprachliche  Uebungen.  Auf  Grund  dieser  eingehenden 
und  vielseitigen  Durcharbeitung  ist  wohl  zu  erwarten,  dass  die  in  den  Lesebüchern 
enthaltenen  Proben  unserer  Litteratur  dem  Volksschüler  zum  vollen  Verständnis  ge- 
bracht werden  können.52  55)  — 

Hülfs mittel  für  den  Unterricht.  Auch  dieses  Berichtsjahr  ist  reich  an 
Schulausgaben,  unter  denen  sich  manche  tüchtige  Leistung  findet,  wenn  auch 
andere  den  Stempel  eiligster  Arbeit  tragen,  so  dass  durch  sie  das  Verständnis  der 
Klassiker  keine  nennenswerte  Unterstützung  findet.56)  —  Den  Text  von  Lessings 
Laokoon  giebt  V  a  1  e  n  t  i  n57)  mit  einigen  Kürzungen,  hauptsächlich  in  den  Ab- 
schnitten über  Spence.  Das  Verständnis  wird  durch  eine  Einleitung,  welche  auf 
Entstehung  und  Charakter  der  Untersuchung,  auf  das  Hauptproblem  und  den  Aufbau 
der  Abhandlung  eingeht,  sowie  durch  geschickte  zusammenfassende  Bemerkungen 
über  den  Gedankengang,  die  den  einzelnen  Abschnitten  vorausgeschickt  sind,  und 
durch  eingeschobene  Ueberschriften  erleichtert.  Der  Fortschritt  des  Gedankenganges 
wird  ausserdem  durch  an  den  Rand  gesetzte  Ziffern  bezeichnet ;  die  griechischen  und 
lateinischen  Stellen  sind  in  Urtext  und  Uebersetzung,  die  französischen  nur  im  Ur- 
text, die  englischen  uud  italienischen  nur  deutsch  gegeben.  Der  Text  gründet  sich 
auf  Blümners  Ausgabe,  der  auf  diese  Schulausgabe  nicht  passende  Zusatz  auf  dem 
Titel  „Mit  beiläufigen  Erläuterungen  verschiedener  Punkte  der  alten  Kunstgeschichte" 
ist  fortgelassen.  Das  Ganze  ist  eine  für  den  Schüler  nützliche  Arbeit.  —  In  Pölzls58) 
Ausgabe  des  Laokoon  kommen  höchstens  kurze  Inhaltsangaben  aus  den  einzelnen 
Abschnitten  dem  das  Verständnis  Suchenden  zu  Hülfe,  die  spärlichen  Anmerkungen 
enthalten  Geschichtliches,  auch  die  Einleitung  betrifft  nur  Chronologisches.  —  Für 
die  Bearbeitung  von  Freytags  Schulausgaben  klassischer  Werke  der  nhd.  Litteratur 
sind  folgende  Gesichtspunkte  aufgestellt:  Sie  bieten  einen  auf  besten  Quellen  beruhenden 
Text  in  der  amtlichen  Orthographie;  Stellen,  die  vom  Standpunkte  des  erziehenden 
Unterrichts  aus  betrachtet,  bedenklich  erscheinen,  werden  weggelassen  oder  geändert; 
wenn  nur  eine  Auswahl  gegeben  wird,  so  tritt  ein  durch  anderen  Druck  gekennzeichneter 
verbindender  Text  ein;  Anhang  und  Anmerkungen  enthalten  Erläuterungen  in 
knappster  Form,  die,  zur  Erleichterung  des  Verständnisses  dienend,  die  häusliche 
Vorbereitung  oder  die  Privatlektüre  unterstützen ;  der  Einleitung  sind  die  notwendigen 
litterarhistorischen  Angaben  und  eine  allgemeine  Einführung  zugewiesen,  welche  der 
richtigen  Auffassung    des   Stoffes   und    dem  Verständnis   der  Kunstform  vorarbeitet. 

u.  epische  Dichtungen  für  d.  Schulgebr.  erlcl.  u.  erläut.  T.  III.)  Langensalza,  Beyer  &  Söhne.  92  S.  M.  0,80.  —  48)  X  T  h- 
Matthias,  K.  Lorenz,  Klopstocks  u.  Goethes  Lyrik.  2.  Goethe  (JBL.  1893  I  7  :44):  Gyran.  12,  S.  29.  —  49)  Bertha  Kot  he, 
Erläuterungen  zu  Lessings  Werken.  (=  Erläuterungen  zu  Werken  dtsch.  Klassiker,  für  Schulgebr.  und  Selbststud.  als 
litteraturkundl.  Rep.  her.  N.  1.)  Breslau,  Sperber.  12°.  VIII,  88  S.  M.  0,75.  —  50)  J.  Havers,  D.  ünterr.  im  Dtsch. 
auf  Grundl.  d.  Lesebuches.  E.  prakt.  Lehrgang  für  d.  gesamten  dtsch.-sprachl.  Unterr.  in  raehrklass.  Volksschulen.  Unter 
Zugrundlegung  d.  Crüwellschen  Losebücher  für  Mittel-  u.  Oberklassen  kath.  Volksschulen.  Ausg.  A  für  sämtl.  Bezirks-  u. 
Provinzial-Ansg.  d.  Crüwellschen  Lesebücher,  ausschliessl.  derjen.  für  Westfalen  u.  Trier.  1.  Bd  Theorie.  —  Praxis :  Unter-  u.  Mittel- 
stufe. 2.  Aufl.  Aachen,  A.  Jacobi&  Co.  IV,  427  S.  M.  2,80.  |[B.  C  Uppers:  KZEU.43,  S.  323.]  |  —51)  id.,  Dass.  Ausg.  B  für  d.  westfäl. 
u.  Trieier  Ausg.  d.  Crüwellschen  Lesebücher.  2.  Bd.  Praxis:  Oberstufe.  2.  Aufl.  ebda.  IV,  431  S.  M.  2,80.  —  52)  X  G- 
Bauer,  D.  Lied  vom  Monde,  für  d.  2.  Schuljahr  behand.:  DB11EU.  21,  S.  368/9.  —  53)OXG-Wttnderlicn'  Dtwjh.  Muster- 
stücke, erläut.  u.  erkl.  Z.  Gebr.  in  Volksschulen.  3.  Bd.  4.  Aufl.  Langensalza,  Schulbuchh.  VIII.  373  S.  M.  2,60.  — 
54)  O  X  H-  Tewes,  D.  Behandlung  dtsch.  Lesestücke.  Ausgeführte  Lektionen  z.  Gebr.  in  Volks-  u.  Bürgerschulen.  L., 
Siegismund  &  Volkening.  154  S.  M.  1,00.  —  55)  O  X  E.  Vogl,  L.  Schub,  Lehrproben  über  Lesestücke  für  d.  Mittelstufe 
d.  Volksschule:  KZEU.  43,  S.  428/9.  —  56)  O  X  X  ö-  Böttioher  u.  K.  Kinzel,  Denkmäler  d.  älteren  dtsch.  Litt.  (JBL.  1892 
I  5:56;  1893  I  7:57.)  |[W.  Golther:  PaedA.  37,  S.  232;  B.  Schneider:  COIRW.  22,  S.  375/6.]|  —  57)  V.  Valentin, 
Laokoon  oder  über  d.  Grenzen  d.  Malerei  u.  Poesie.  1.  T.  V.  G.  E.  Lessing.  1766.  (r=  Dtsch.  Sohulausg.  v.  II.  Schiller 
u.   V.   Valentin  N.   6/7.)    Dresden,  Ehlermann.     XXIV,  136  S.  Mit  Abbild.    M.  1,00.  —  58)  J.  Pölzl,   Laokoon  v.  Lessing. 


E.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule.  I  6  :  59-74 

Diese  Grundsätze  sind  bis  auf  die  Vorschrift  der  Streichungen,  die  einer  grossen  Will- 
kür Spielraum  verstattet,  als  zweckentsprechend  anzuerkennen;  die  Bearbeitungen  selbst 
sind  von  ungleichem  Werte.59)  —  Lessings  Laokoon,  herausgegeben  von  Manlik60), 
ist  eine  sorgsame  Arbeit,  die  Einleitung  verbreitet  sich  über  die  geschichtlichen 
Voraussetzungen  des  Werkes  und  die  Entstehung  des  Problems  mit  Klarheit,  ohne 
in  die  Breite  zu  gehen,  die  Kürzungen  treten  an  den  geeigneten  Stellen  ein,  die  An- 
merkungen sind  verständig,  das  Personen  Verzeichnis  ist  willkommen.  Es  ist  ein 
ganz  guter  Gedanke,  die  Stelle  Homers  über  den  Schild  Achills  und  Vergils  Be- 
schreibung vom  Schilde  des  Aeneas  deutsch  vollständig  mitzuteilen.  Für  die  Unter- 
suchungen Lessings  im  sechsten  Abschnitt  ist  es  gleichgültig,  in  welche  Zeit  die 
Neueren  die  Entstehung  der  Laokoongruppe  setzen,  oder  wie  diese  Frage  überhaupt  ent- 
schieden wird.  Die  Abbildung  der  Gruppe  vor  dem  Titelblatt  ist  gänzlich  misslungen; 
eine  einfache  Linearzeichnung  würde  hier  mehr  lehren.61"62)  —  Lessings  Abhandlungen 
über  die  Fabel  giebt  L  am  bei63)  ungekürzt.  Die  Einleitung  zerfällt  in  zwei  Haupt- 
teile; im  ersten  wird  die  Fabeldichtung  von  Lafontaine  bis  auf  Lessing  geschichtlich 
behandelt,  im  zweiten  wird  die  Entstehung  der  Abhandlungen  nebst  den  Grundlagen 
der  Lessingschen  Fabeltheorie  dargelegt  und  die  Wirkung  der  Abhandlungen  ge- 
würdigt. In  den  Anmerkungen  finden  sich  notwendige  sprachliche  und  sachliche 
Erklärungen,  auch  erhält  der  Schüler  dort  ausreichende  Nachweise  über  die  von 
Lessing  erwähnten  Werke  der  Litteratur.  Im  Anhang  sind  sechsundzwanzig  Fabeln 
Lessings,  auf  die  er  sich  selbst  bezieht,  oder  die  in  innerer  Verbindung  mit  den 
Abhandlungen  stehen,  mitgeteilt.  Die  ganze  Ausgabe  entspricht  ihrem  Zwecke  voll- 
kommen. 64J  —  Von  Herders  Cid  giebt  Naumann65)  den  unverkürzten  Text  auf 
wissenschaftlich  gesicherter  Grundlage.  Die  Einleitung  stellt  dem  nach  Herder 
charakterisierten  Cid  den  geschichtlichen  Helden  gegenüber,  seine  Aehnlichkeit  mit 
Wallenstein  hervorhebend,  folgt  dann  seinen  Spuren  in  der  spanischen  und  französischen 
Dichtung,  stellt  Herders  Verhältnis  zu  den  Quellen  sowie  seine  persönlichen  Beziehungen 
zu  dem  Stoffe  ins  Licht  und  behandelt  zuletzt  mit  Hindeutung  auf  Herders  Adrastea 
die  Kunstform,  den  Vers  und  die  Sprache.  Den  Text  begleiten  knapp  geformte  An- 
merkungen, welche  die  Auffassung  auch  im  einzelnen  sichern  und  zu  dem  Zwecke, 
wo  es  nötig,  auf  Herders  Vorlagen  zurückgehen;  die  Eigentümlichkeiten  epischer 
Dichtung  sind  ebenfalls  berücksichtigt,  auf  sprachliche  Erscheinungen  ist  gelegentlich 
verwiesen.66"67)  —  InderEinleitungzuGoeth.es68)  Iphigenie  entwickelt  Valentin69) 
mit  Geschick  das  dichterische  Problem  und  den  künstlerischen  Aufbau  des  Dramas. 
Allerdings  ist  der  eine  Faktor  für  die  Heilung  Orests,  die  durch  ihr  blosses  Dasein, 
durch  ihr  natürliches  Wesen  läuternde  Reinheit  der  Schwester,  vor  der  alles  Unlautere 
zurückweichen  und  fliehen  muss,  schwer  fassbar;  neben  der  „inneren  Busse"  Orests 
wirken  vielmehr  seine  Absicht,  sich  selbst  zu  opfern,  das  Gebet  der  Priesterin  und 
die  Gnade  der  Götter  zusammen;  aus  rein  menschlicher  Einwirkung  ist  die  Heilung 
nicht  zu  erklären,  in  der  das  Orakel  Apolls  bereits  erfüllt  ward.  —  Unter  Hölders 
Klassikerausgaben  ist  die  Bearbeitung  der  Iphigenie  auf  Tauris  von  Pölzl70)  für 
höhere  Schulen  nicht  geeignet.  Die  anderthalb  Seiten  lange  Einleitung  enthält  einige 
dürftige  Notizen  über  Goethes  Beschäftigung  mit  dem  Stoff;  was  über  sein  Ver- 
hältnis zu  Euripides  gesagt  wird,  ist  völlig  unzureichend,  eine  Vertiefung  der  Auf- 
fassung wird  nicht  angebahnt.  Die  Anmerkungen  beschränken  sich  auf  Nachweis 
der  landläufigsten  mythologischen  Beziehungen,  enthalten  viel  Selbstverständliches, 
gehen  aber  auf  den  Zusammenhang  nicht  ein.71-72)  —  Buchner73)  leitet  Goethes 
Egmont74)  durch  eine  übersichtliche  Darstellung  der  Zeitumstände  ein,  die  Würdigung 


Mit  e.  Abbild.  3.  Aufl.  Wien,  Holder.  99  S.  Fl.  0,25.  —  59)  ,X  L-  Zürn,  Freytags  Schulausg.  klasa.  Werke  d.  nhd. 
Litt.  (JBL.  1893  I  7:62,  69,  71,2,  82,3,  91):  ZGymn.  28,  S.  263.'—  60)  M.  Manlik,  G.  E.  Lessings  Laokoon  oder  üb.  d. 
Grenzen  d.  Malerei  u.  Poesie.  Für  d.  Schnlgebr.  her.  Mit  e.  Abbild.  (=  Freytags  Schulausg.  klass.  Werke  für  d.  dtsch. 
Unterr.)  L.,  Freytag.  12°.  128  S.  M.  0,60.  HNB11EU.  23,  S.  126/7;  GG.:  COIRW.  22,  S.  577.JI  —  61)  O  X  X  J-  Busoh- 
mann, Lessings  Laokoon,  für  d.  Schnlgebr.  bearb.  u.  erläut.  ö.  Aufl.  (=  Schöninghs  Ausg.  dtsch.  Klassiker  mit  ausführl. 
Erläut.  N.  1.)  Paderborn,  Schöningh.  162  S.  Mit  2  Holzschn.  M.  1,20.  (Vgl.  JBL.  1891  I  7:52.)  —  62)  O  X  X  ü* 
Lessings  Hamburg.  Dramaturgie.  Für  d.  Schulgebr.  eingericht.  u.  mit  Erläut.  vers.  2.  Aufl.  (=  ebda.  N.  20.)  272  S.  M.  1,60.  — 
63)  H.  Lam  bei,  G.  E.  Lessing,  Abhandlungen  über  d.  Fabel.  Für  d.  Schulgebr.  her.  (=  N.  60.)  146  S.  M.  0,70.  HNBI1EU. 
S.  126  7;  Lg.:  COIRW.  22,  S.  746.]j  —  64)  O  X  X  0.  Netoliczka,  Lessing,  Nathan  d.  Weise.  Für  d.  Schulgebr.  her. 
ebda.  163  S.  M.  0,80.  |[BBG.  30,  S.  316.JI  -  65)  E.  Naumann,  D.  Cid.  Gesch.  d.  Don  Ruy  Diaz,  Grafen  v.  Bivar. 
Nach  span.  Romanzen  y.  J.  G.  Herder  her.  u.  erläut.  (=  Samml.  Göschen  N.  36.)  L.,  Göschen.  181  S.  M.  0,80.  — 
66)  O  X  X  &  Reich el,  J.  G.  v.  Herder,  D.  Cid.  Gesch.  d  Don  Ruy  Diaz,  Grafen  v.  Bivar.  Nach  span.  Romanzen  besungen. 
(=  N.  60.)  182  S.  M.  0,80.  —  67)  O  XX  Ä-  Edel,  Herders  Cid.  (=  Samml.  dtsch.  Dichtungen  u.  Prosawerke  für  d. 
Schulgebr.  her.  v.  A.  Bruiiner.  N.  3.)  Bamberg,  Buchner.  12°.  165  S.  M.  0,70.  —  68)  O  XXJHeuwes.  Goethes 
Götz  v.  Berlichingen  mit  d.  eis.  Hand.  E.  Schausp.  mit  ausführ].  Erläut.  für  d.  Schulgebr.  u.  d.  Privatstud.  Mit 
e.  Übersichtskarte.  (=  N.  61,  Heft  14.)  184  S.  M.  1,35.  -  69)  V.  Valentin,  Iphigenie  auf  Tauris.  E.  Schausp.  v.  Goethe. 
(=  N.  57,  Heft  5.)  81  S.  M.  0,50.  |[BLU.  S.  749-50.]|  —  70)  J.  Pölzl,  Iphigenie  auf  Tauris.  E.  Schausp.  v.  Goethe. 
3.  Aufl.  (=  Hölders  Klass.-Ausg.  für  d.  Schulgebr.  N.  5)  Wien,  Holder.  IV,  65  S.  Fl.  0,25.  —  71)  O  X  X  H-  Vockeradt, 
Goethes  Iphigenie  auf  Tauris.  E.  Schausp.  Für  d.  Zwecke  d  Schule  erläut.  u.  method.  bearb.  4.,  verb.  Aufl.  (=  N.  61, 
Heft  3.)  V,  166  S.  M.  1,35.  (Vgl.  JBL.  1891  IV  9e:52.)  —  72)  O  X  X  M.  Hoferer,  Goethes  Iphigenie  auf  Tauris. 
(=  N.  67,  Heft  5.)  90  S.  M.  0,50.  —  73)  W.  Buchner,  Egmont.  E.  Trauersp.  in  5  Aufz.  v.  Goethe.  Schulausg.  Essen, 
Bädeker.  92  S.  M.  0,80.  |[LZg«.  N.  122.JJ  —  74)  O  X  X  <*•  Burghauser,  Goethes  Egmont.  (=  H.  60.)  123  S.  M.  0,60. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgesohichte.    V.  (1)9 


I  6:75-84  E.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule. 

des  Stückes  schliesst  sich  an  Schillers  Besprechung-  an,  über  die  Entstehungs- 
geschichte wird  ausreichend  berichtet.  In  der  ersten  Scene  des  fünften  Aufzuges 
vermutet  B.  als  Antwort  Klärchens  auf  Brackenburgs  Aufforderung :  Wenn  wir  nach 
Hause  gingen!  „Geht"  statt  des  überlieferten  „Gut."75"76)  —  Die  Aufzeichnungen 
Goethes  über  seine  italienische  Reise  werden  von  Nöldeke77)  der  Schule  zugänglich 
gemacht.  Aus  den  reichen  Selbstzeugnissen  über  des  Dichters  inneres  Leben  und 
Entwicklung  bietet  der  Bearbeiter  eine  knapp  bemessene  Auswahl,  die  geeignet  ist, 
zn  eingehenderer  Beschäftigung  mit  dem  ganzen  Werk  und  mit  Goethe  überhaupt  an- 
zuregen. Vorbemerkung  und  Anmerkungen  beschränken  sich  mit  Recht  auf  geringen 
Umfang,  hauptsächlich  sollen  des  Dichters  eigene  Worte  wirken.  —  In  ihrer  Sammlung 
deutscher  Schulausgaben  stellen  sich  Schiller  und  Valentin  in  allgemeinen  das 
Ziel,  ganz  besonders  das  ästhetische  Verständnis  des  Kunstwerkes  zu  fördern  und 
zu  diesem  Zwecke  die  Gliederung  des  Aufbaues,  den  Wert  und  die  Bedeutung  der 
einzelnen  Glieder  für  das  Ganze  und  den  Zusammenhang  des  Ganzen  in  möglichst 
knapper,  für  eigene  Vorbereitung  des  Schülers  geeigneter  Form  darzulegen.  In 
Aussicht  genommen  sind  zunächst  deutsche  Dichtwerke  und  Uebersetzungen  solcher 
fremdsprachlichen  Dichtungen,  die  Eigentum  des  deutschen  Volkes  geworden  sind; 
eine  zweite  Reihe  von  Lieferungen  soll  die  wichtigsten  ästhetischen  Schriften  unserer 
Denker  und  Dichter,  eine  dritte  prosaische  Werke  geschichtlichen  Inhalts  und  auch 
Erläuterungsschriften  umfassen.  Diesen  Grundsätzen  gemäss  stellt  Schiller78)  in 
recht  glücklicher  Auswahl  aus  Goethes  Dichtung  und  Wahrheit  das  Wichtigste, 
jedenfalls  alles  das,  was  einem  Schüler  bekannt  werden  muss,  zusammen.  In  der 
Einleitung  deutet  er  mit  Klarheit  die  Gesichtspunkte  für  die  Lektüre  an,  an  geeigneten 
Stellen  setzt  er  durch  Schlussbemerkungen  die  Ergebnisse  der  Lektüre  fest.  Während 
der  erste  Teil,  des  Dichters  Jugend  bis  zum  Uebergang  auf  die  Universität  Leipzig 
umfassend,  sich  der  Bucheinteilung  anschliesst,  wird  diese  in  dem  zweiten,  der  des 
Dichters  Urteile  über  die  deutsche  Litteratur  bis  1775  enthält,  da  verlassen,  wo  es 
sich  um  Selbstzeugnisse  Goethes  über  eigene  Dichtungen  handelt.  Es  ist  ein  frucht- 
barer Gedanke,  diese  Selbstzeugnisse  nach  ihrem  Gegenstande  zu  gruppieren.  An- 
ziehend wirken  die  zahlreich  beigegebenen  Abbildungen  aus  dem  alten  Frankfurt.  — 
Die  Einzelausgabe  von  Schillers  Lied  von  der  Glocke,  die  Steiger79)  veranstaltete, 
enthält  eingehende  Erläuterungen.  Auf  den  Text  folgt  zunächst  eine  durch  Abbildung 
veranschaulichte  Beschreibung  des  Glockengusses,  dann  giebt  es  sachliche  und  sprach- 
liche Erklärungen ;  der  völligen  Durcharbeitung  des  Inhalts  dient  eine  zusammenhängende 
Abhandlung  über  die  Meistersprüche  und  die  Betrachtungen,  deren  Ineinandergreifen 
in  einer  tabellarischen  Inhaltsübersicht  zusammengestellt  wird.  Auf  eine  Katechese 
über  den  siebenten  Meisterspruch  samt  Betrachtung  folgen  Abschnitte  über  die 
künstlerische  Form  und  die  Idee  des  Gedichts,  zur  Geschichte  desselben,  über 
Schillers  Anziehungskraft  für  die  Jugend  und  schliesslich  zahlreiche  Aufgaben  für 
mündliche  und  schriftliche  Uebungen.  Gegen  die  teilweise  zurückhaltenden,  teilweise 
mäkelnden  Urteile  über  das  Gedicht  macht  St.  seine  grosse  Verbreitung  in  den 
Kreisen  gebildeten  Bürgertums  sowie  die  mannigfachen  Anregungen,  die  es  für 
andere  Künste  gegeben  hat,  geltend.  Die  den  Erörterungen  folgenden,  meist  kurz 
ausgeführten  Aufgaben  ziehen  den  Kreis  ihres  Inhalts  nicht  eben  eng,  aber  sie  ver- 
werten im  allgemeinen  brauchbares  Material  und  tragen  noch  manches  zum  vollen  Ver- 
ständnis des  Ganzen  nach.  Das  Buch  wird  seinen  Platz  in  der  Unterrichtslitteratur 
mit  Ehren  ausfüllen.80-82)  —  Ein  Heftchen  aus  Velhagen  und  Klasings  Sammlung 
deutscher  Schulausgaben  enthält  einen  Auszug  aus  der  Ilias  in  der  Uebersetzung  von 
Joh.  Heinr.  Voss.83)  Die  Einteilung  in  Gesänge  ist  aufgegeben,  dafür  erhält  man 
fünfzehn  Kapitelüberschriften,  welche  den  Gang  der  Handlung  hervorheben.  Die 
grössten  Kürzungen  finden  sich  in  der  Beschreibung  der  Schlachten,  an  denen  Achill 
nicht  beteiligt  i§t,  so  dass  die  Hauptmomente  dicht  zusammengerückt  werden  und  eine 
klare  Uebersicht  derselben  erzielt  wird,  die  der  ersten  Bekanntschaft  mit  der  Dichtung 
nur  förderlich  sein  kann.  —  Auf  solche,  die  der  alten  Sprache  unkundig  sind,  ist  die 
zu  einer  Achilleis  verkürzte  Ausgabe  der  Vossischen  Iliasübersetzung  von  Primozic 
und  K.  A.  Schm  idt84)  berechnet.  In  der  Einleitung  teilen  die  Bearbeiter  das  Wichtigste 

|[BBG.  30,  S.  316.]|  —  75)  O  X  X  J-  B.  Krallinger,  Goethes  Hermann  u.  Dorothea.  (—  N.  67,  Heft  2.)  100  S.  M.  0,50. 
|[NB11I-.U.  23,  S.  127;  F.  Kuntze:  ZGyran.  28,  S.  755/8.]|  —  76)  O  X  X  A.  Funke,  Goethes  Hermann  u.  Dorothea.  Mit 
ausfuhr].  Erläut.  für  d.  Schulgebr.  u.  d.  Privatstud.  (~  N.  61,  Heft  2)  7.  Aufl.  146  S.  M.  1,00.  —  77)  W. 
Nöldeke,  Italien.  Beise  v.  Goethe.  (—  Velhagen  &  Klasings  Samml.  dtsch.  Schulausg.  N.  67.)  Bielefeld  u.  L.,  Vel- 
hagen &  Klasing.  1893.  12».  IV,  119  S.  M.  0,60.  —  78)  H.  Schiller,  Goethe,  Dichtung  u.  Wahrheit.  1.  T.  Mit  vielen 
Abbild.  2.  T.  Mit  d.  Bildn.  d.  Dichters  nach  Juel.  (=  N.  57,  Heft  3/4.)  196,  86  S.  ä  lt.  0,50.  —  79)  J.  Steiger, 
Schillers  Lied  v.  d.  Glocke.  Für  mittl.  n.  höh.  Schulen  bearb.  Mit  e.  Wandtafelzeichnung  z.  Glockenguss.  Bern,  Schmid, 
Franke  &  Co.  VIII,  148  S.  M.  1,50.  —  80)  O  X  X  A.  Funke,  Wallenstein.  E.  dram.  Gedicht  v.  Sohiller.  Mit  ausführl. 
Erläut.  für  d.  Schulgebr.  u.  d.  Privatstud.  3.  Aufl.  (=s  N.  61,  Heft  7.)  337  S.  M.  1,80.  (Vgl.  JBL.  1891  I  7  :  53.) 
—  81)  O  X  X  J-  B.  Krallinger,  Schillers  Wilhelm  Teil.  (=  N.  67,  Heft  6.)  153  S.  Mit  1  Karte.  M  0,6').  _  82)  O  X  X 
K.  Tumlirz,  Schiller,  D.  Braut  v.  Messina.  (=  N.  60.)  1893.  150  S.  M.  0,70.  |[GG.:  COIRW.  22,  S.  574/5.]  |  —  83)  Homers 
Ilias  im  Ausz.     In  d.  Uebers.  v.  J.   H.Voss.     (=  N.  77,  Heft  68.)     152  S.    M.  0,90.   —  84)  A.  Priraozio  u.  K.  A.Schmidt, 


E.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule.  I  6  :  86-94 

über  Entstehung  der  Sage  und  der  Dichtung  sowie  aus  der  Homerischen  Frage  und 
der  Geschichte  der  Homerübersetzung  mit,  die  Anmerkungen  entsprechen  dem  eben 
angedeuteten  Leserkreise.  —  Zürn85)  bietet  Voss  Luise  nach  der  ersten  Gesamtaus- 
gabe von  1795,  den  siebzigsten  Geburtstag  zur  Vergleichung  in  den  Fassungen  von 
1780  und  von  1825.  Einleitung  und  Anmerkungen  enthalten  das  für  das  Verständnis 
Notwendigste.86"93)  — 

Die  Geschichte  des  deutschen  Lesebuchs  behandelt  Krumbach94)  in  einer 
Einzelschrift.  Mit  dem  mächtig  aufstrebenden  Bildungsdrange,  den  die  Reformation 
hervorgerufen,  und  seit  der  Erfindung  der  Buchdruckerkunst  ist  das  Bedürfnis  nach 
deutschen  Lehr-  und  Lesebüchern  erwacht;  in  Schulordnungen  und  den  Schriften 
einzelner  hervorragender  Männer  wird  die  Fertigkeit  im  Lesen  deutscher  Schrift  ge- 
fordert. Bibel  und  Gesangbuch  mussten  im  Anfange  genügen,  erst  allmählich  ent- 
standen Fibel  und  Lesebuch,  auch  ihrerseits  noch  fast  ausschliesslich  an  religiösen 
Stoff  gebunden.  Der  Unterricht  in  den  Schulen  musste  sich  ausserdem  erst  von  der 
Herrschaft  der  lateinischen  Sprache  losringen;  er  hatte  während  des  17.  Jh.  unter 
der  Sprachmengerei  von  neuem  zu  leiden.  Das  erste  Lesebuch,  welches  eine  all- 
gemeinere Bedeutung  erlangte  und  einen  weitgehenden  Einfluss  ausübte,  war  der 
„Kinderfreund"  von  Rochow,  eine  hervorragende  litterarische  That  auf  dem  Gebiete  der 
Pädagogik.  Dieses  Lesebuch  sollte  die  Verbindung  zwischen  Fibel  und  Bibel  her- 
stellen. Rochow,  der  Anschauungen  und  Bedürfnisse  des  Volkes  aus  eigener  Er- 
fahrung genau  kannte,  verfasste  alle  Stücke  seines  Kinderfreundes  selbst;  sein  Ziel 
war,  die  Kinder  zu  tugendhaften  Menschen  zu  machen,  die  grenzenlose  Unwissenheit 
und  den  herrschenden  Aberglauben  im  Volke  zu  beseitigen,  sowie  Arbeitsscheu, 
Spielsucht  und  Trunksucht,  die  Quellen  menschlichen  Elends,  zu  bekämpfen.  Für 
die  Einwirkung  auf  die  Bauern  —  das  Buch  hiess  zuerst;  Bauernfreund  —  war  das 
Einfachste  das  Beste,  ihnen  verständlich  konnte  nur  ein  Rochow  schreiben.  Das 
Lesebuch  hat  also  einen  tiefmoralischen  Grundzug  und  ist  ein  Spiegelbild  seiner 
realistischen  Zeit.  Heckers  „Berlinisches  neu  eingerichtetes  Schulbuch"  ist  frei  von 
jeder  moralischen  Tendenz;  es  gehört  mehr  in  das  Gebiet  der  Realienbücher,  wie  es 
denn  z.  B.  eine  Beschreibung  des  Kalenders  nach  Einrichtung,  Gebrauch  und  Nutzen 
enthält.  Weit  überlegen  ist  ihm  das  Werk  des  feinsinnigen  Aesthetikers  Sulzer, 
welches  dieser  zum  Gebrauch  am  Joachimsthalschen  Gymnasium  bestimmt  hatte. 
Der  Inhalt  verbreitet  sich  über  Merkwürdigkeiten  der  Natur;  Lebensart,  Sitten  und 
Gebräuche  verschiedener  Völker;  Verstand  und  Unverstand;  Tugenden  und  Laster; 
Fabeln  und  Erzählungen;  Betrachtungen  und  Bemerkungen;  Beschreibungen  (Dis- 
position des  zweiten  Bandes).  Eine  grosse  Anzahl  von  Stücken  ist  mit  wenigen 
Aenderungen  auch  heute  noch  brauchbar.  Der  religiöse  Standpunkt  ist  durch  den 
Rationalismus  der  Aufklärungsperiode  gegeben.  Salzmann  und  Guts  Muths  bedeuten 
keinen  Fortschritt  gegen  Sulzer;  Campe  kann  sich  von  einem  sentimentalen  Zugseiner 
Zeit  nicht  befreien,  sein  Robinson,  ursprünglich  nicht  für  die  Schule  bestimmt,  ge- 
langte bald  in  die  Hände  aller  Kinder  der  gebildeten  Stände,  aber  „die  langweilige 
Moralpredigt  drückte  die  Seele  nieder".  Wolkes  Lesebuch  verirrte  sich  zu  einem 
Sammelsurium  ungereimten  und  einfältigen  Zeuges.  Gegenüber  der  von  Rochow 
eingeschlagenen  Bahn  entwickelte  sich  im  letzten  Viertel  des  vorigen  Jh.  die  Richtung 
der  Lesebücher  auf  das  Gemeinnützige.  Man  fängt  an  zu  individualisieren,  gelangt 
aber  in  den  zahllos  erscheinenden  Lesebüchern  doch  zu  einer  ziemlichen  Ueber- 
einstimmung  des  Inhalts:  neben  mehr  oder  weniger  moralischen  Geschichtchen  und 
kindischen  Belehrungen  finden  sich  Schilderungen  bürgerlicher  und  bäuerlicher  Ver- 
hältnisse, Unterweisungen  über  Obstbaum-  und  Bienenzucht,  Wohlanstandsregeln, 
Gesundheitsregeln,  geographische,  physikalische  und  naturgeschichtliche  Abrisse  im 
trockensten  Stil,  grammatische,  Denk-  und  Schönleseübungen.  Die  weiteste  Ver- 
breitung haben  unter  den  „gemeinnützigen"  die  Lesebücher  des  Berliner  Predigers 
Wilmsen  gefunden,  der  den  verschiedensten  Anforderungen  gleichzeitig  gerecht  zu 
werden  suchte.  Er  hat  übrigens  den  richtigen  Gedanken,  dass  das  Lesebuch  eine 
Auswahl  aus  den  klassischen  Werken  der  Deutschen  enthalten  solle,  durch  Aufnahme 
zahlreicher  Originalstücke  verwirklicht,    wobei    er   allerdings    häufig   zu   hoch   griff. 


Homers  Ilias.  Nach  d.  Uebersetz.  v.  J.  H.  Voss  für  d.  Schnlgebr.  bearb.  1.  Taus.  (=  Graesers  Schulausg.  klass.  Werke. 
N.  49.)  Wien.  Graeser.  X,  105  S.  M.  0,60.  —  85)  L.  Zürn,  J.  H.  Voss,  Luise  u.  D.  70.  Geburtstag.  Für  d.  Schulgebr.  her. 
(=  N.  63.)  124  S.  M.  0,60.  [NB11EU.  23,  S.  126/7;  GG.:  COIRW.  22,  S.  574, 5.] |  -  86)  O  X  X  A.  Engler,  Shakespeares 
Julius  Caesar,  übers,  v.  A.  W.  v.  Schlegel.  (=  N.  67,  Heft  4.)  IV,  105  S.  M.  0,50.  —  87-88)  O  X  X  L  Bauer,  ühlands 
Herzog  Ernst  v.  Schwaben.  (=  N.  67,  Heft  7.)  93  S.  M.  0,50  —  89)  O  X  K-  Halling,  Gedichte  d.  Grafen  Ad.  Fr. 
v.  Schack.  Für  Schule  u.  Haus  ausgew.  u.  erläut.  Dresden,  Ehlermann.  1890.  XVI,  204  S.  M.  1,30.  |[Fr.  Muncker: 
BBG.  S.  26,7.]!  (Vgl  JBL.  1890  IV  2:126.)  -  90)  X  Löhrer,  Ausgaben  dtsch.  Klassiker  mit  ausführl.  Erläut.  für  d. 
Schulgebr.  u  d.  Privatstudium.  (Paderborn,  Schöningh):  KZEU.  43,  S.  323/4.  -  91)  X  s-  M.  Pr  em.  Geistiges  Leben  in 
Oesterr.-Ung.  Schullitt.:  ÖUR.  16,  S.  133/7.  (Sehr  kurze  Notizen  über  einige  Lesebücher,  Schulausg.  u.  Erläuterungen.)  — 
92-93)  O  X  X  A.  Baldi,  Ausgew.  Abhandlungen  u.  Reden.  (=  N.  67,  Heft  1.)  120  S.  M.  0,60.  |[NB11EU.  23,  S.  127; 
F.  Kuntze,  ZGymn.  28,  S.  766,8.J|  -  94)  C.   .1.  Krumbaoh,  Gesch.  u.  Kritik  d.  dtsch.  Schullesebücher.    1.  T.    L.,  Teubner. 

(1)9* 


I  6  :  95-101  E.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule. 

Da  er  aber  absichtlich  vermied,  aufzunehmen,  was  schon  andere  Sammlungen  dar- 
boten, so  konnte  der  Plan,  aus  dem  Besten  einen  eisernen  Bestand,  ein  festes  Inven- 
tarium  zu  schaffen,  in  ihm  gar  nicht  entstehen.  „Schönlesen"  war  die  Parole  für 
Joh.  Ferd.  Schlez;  er  will  beim  Lesen  nicht  bloss  den  fragenden,  strafenden  und 
ausrufenden  Ton,  sondern  auch  den  gebrochenen  und  gemischten  verwendet  sehen. 
Die  Darstellung  des  realistischen  Teiles  ist  trocken  und  Schlez  selber  hat  eingesehen, 
dass  ein  Lesebuch  nicht  zugleich  ein  Lehrbuch  sein  kann.  Unmittelbar  hat  der 
grosse  Reformator  der  Pädagogik,  Pestalozzi,  in  die  Lesebuchfrage  nicht  eingegriffen, 
aber  seine  Ideale  haben  auf  die  Gestaltung  des  Lesebuchs  entscheidend  gewirkt, 
und  K.  nennt  ihn  geradezu  den  geistigen  Urheber  unserer  idealen  Lesebücher 
von  Hiecke  und  Wackernagel.  Hat  Pestalozzi  den  Geist  und  den  Inhalt  gegeben, 
so  lassen  sich  aus  Herbarts  Schriften  Grundsätze  für  Form  und  Anordnung  ent- 
nehmen. Diese  Grundsätze  sind  durch  Ziller  und  Dörpfeld  nach  verschiedenen 
Seiten  weitergebildet  worden,  die  Zillersche  Richtung  ist  durch  den  Anfang  eines 
Lesebuchs  von  Thrändorf  vertreten,  die  Theorie  Dörpfelds  liegt  dem  Lesebuche  von 
Kahnmeyer  und  Schulze  zu  Grunde.  Diesterweg  hat  sich  dem  Fortschritte  auf  dem 
Gebiete  der  Lesebuchlitteratur  erst  allmählich  angeschlossen.  Anfangs  Vertreter  der 
Schönlesemethode,  dann  Anhänger  der  grammatisch-formellen  Behandlung  der  deut- 
schen Sprache,  konnte  er  sich  der  durch  Kellner  herbeigeführten  Wendung  nicht 
entziehen,  welche  die  analytische  Methode  zur  vollen  Geltung  brachte,  und  schrieb 
sein  drittes,  nach  Verwandtschaft  des  Inhalts  geordnetes  Lesebuch.  Unter  den  Lese- 
büchern der  Gegenwart  erfreuen  sich  diejenigen  von  Hiecke  und  Wackernagel  schon 
seit  fünfzig  Jahren  ausgesprochener  Gunst,  sie  sind  auch  in  ihren  neuen  Bearbeitungen 
tonangebend  geblieben  und  haben  viel  Nachfolge  gefunden,  selbst  nach  einigen 
Schwankungen  ist  man  wieder  zu  ihrer  idealistisch-belletristischen,  dabei  volkstüm- 
lichen Richtung  zurückgekehrt.  —  Ein  Lesebuch  für  die  reichsländischen  Schulen  des 
französischen  Sprachgebietes  hat  Florian  M  eyer95)  geliefert.  Der  Gebrauch  desselben 
setzt  die  in  jenen  Gebieten  die  ersten  zwei  Schuljahre  füllenden  Uebungen  im  fran- 
zösischen Lesen  und  Schreiben  und  in  deutschen  Sprechübungen  voraus,  des  Ueber- 
ganges  wegen  sind  die  lateinischen  Lettern  beibehalten.  Für  die  Durchnahme  der 
einzelnen  Stücke  verlangt  der  Vf.  eine  sprachlich-stoffliche,  eine  grammatische  und 
eine  orthographische  Vorbereitung.  Die  Kinder  aus  dem  französischen  Sprachgebiet 
sollen  vor  allem  Fertigkeit  in  der  deutschen  Umgangssprache  erlangen,  daher  die 
vielseitige  Behandlung  des  Stoffes,  wie  sie  sich  in  den  einzelnen  Nummern  in  allen 
nur  möglichen  Konstruktionen  bekundet;  sie  sollen  aber  auch  Liebe  zur  deutschen 
Sprache  und  echtes  deutsches  Sprachgefühl  gewinnen;  um  dieses  anzubahnen,  sind 
neben  einer  Reihe  kleinerer  Gedichte  deutsche  Kern-  und  Denksprüche  reichlich 
aufgenommen,  deren  Rhythmus  und  melodischer  Klang  einen  seltenen  Reiz  auf  das 
kindliche  Gemüt  ausüben.  Bei  der  Durchnahme  ist  von  der  französischen  Sprache  so 
wenig  als  möglich  Gebrauch  zu  machen,  zur  Uebersetzung  darf  nur  in  den  aller- 
dringendsten  Fällen  geschritten  werden.  Die  Herausgeber  (der  Vf.  ist  vor  Druck- 
legung des  Buches  gestorben)  sind  der  Ueberzeugung,  dass  dieses  Hülfsmittel  bei 
den  eigentümlichen  Verhältnissen  des  Gebietes,  für  das  es  bestimmt  ist,  gute  Dienste 
leisten  werde.96)  —  Der  evangelischen  Volksschule  bieten  Bartholomäus  und 
Heinecke97  10°)  ein  in  jeder  Beziehung  vortreffliches  Lesebuch  dar.  Die  Anordnung 
des  Stoffes  nach  Vorstellungskreisen  führt,  vom  Nächstliegenden  ausgehend,  das 
Kind  allmählich  zu  einem  weiteren  Gesichtskreise  und  erweckt  sein  Verständnis  für 
die  grossen  Lebensgemeinschaften,  in  denen  der  einzelne  steht.  Familie  und  Haus, 
Staat  und  Vaterland,  Feld,  Wald,  Berg  und  der  Weltenraum,  Menschenleben,  Geschichte 
und  Gott,  das  sind  einige  von  den  Gedankencentren,  um  welche  in  geschicktester 
Auswahl  die  Lesestücke  sich  ordnen.  Poetische  und  prosaische  Stücke,  inhaltlich 
zusammengestellt,  ergänzen  einander,  die  durch  Ueberschriften  hervorgehobene 
Gliederung  erleichtert  Uebersicht  und  Gebrauch.  Das  Buch  ist  mit  offenem  Ver- 
ständnis für  das  Leben  der  Gegenwart,  mit  ungekünstelter  Liebe  zum  deutschen 
Vaterlande  und  mit  mildem,  frommem  Sinne  bearbeitet.  Die  Darstellung  ist  auch 
in  den  Stücken,  die  der  Kenntnis  der  Realien  gewidmet  sind,  nie  trockene  Beschreibung. 
Aufgenommen  sind  nur  wirklich  wertvolle  Stücke,  ausser  den  altbewährten  Mustern 
haben  die  Vf.  mit  feinem  Gefühl  aus  neueren  und  neuesten  Schriftstellern  noch  eine 


IV,  81  S.  M.  1,20  (Auch  als  Leipz.  Dias.)  —95)  Florian  Meyer,  Erstes  dtsch.  Lese- n.  Uebungsbuch  für  d.  reichsländ.  Schulen 
d.  franz.  Sprachgebietes.  Nach  seinem  Tode  her.  Strassburg  i.  F.,  P.  E.  Lindner.  1893.  VI,  185  S.  M.  1,00.  —  96)  O  X 
P.  Tesch,  Dtsch.  Lesebuch  für  d.  Unterstufe.  2.  Aufl.  Bielefeld,  Velhagen  &  Klasing.  96  S.  M.  0,50.-97)  W. 
Bartholomaeus  u.  H.  Heinecke,  Lesebuch  für  mehrkhissige  evangel.  Volksschulen.  1.  T.  Mittelstufe.  Mit  e.  Anh.,  enth. 
heimatkundl.  Lesestücke.  Ausg.  für  d.  Kheinprov.  Essen,  G.  D.  Bädeker.  XXXII,  250,  67  S.  M.  1,00.  —  98)  Dass. 
Ausg.  für  d.  Prov.  Westfalen,  ebda.  XXXII,  258,  64  S.  M.  1,00.  (Daraus:  d.  Prov.  Westfalen.  Heimatkundl.  Lesestücke. 
Sonder-Ausg.  d.  Anh.  zu  d.  Lesebuch  für  mehrklass.  evang.  Volksschulen  v.  W.  Bartholomaeus  u.  H.  Hei  necke.  1.  T. 
[Mittelstufe.]  ebda.  II,  64  S.  M.  0,40.)  -  99)  O  X  Dass.  Ausg.  für  d.  Prov.  Schlesien,  ebda.  XXXII,  256,  64  S.  M.  1,50. 
—  100)  Dass.   2.  T.,  Oberstufe,    ebda.   XVI,  438  8.     M.  1,20.  —  101)  Auszüge  aus  Gutachten  über  d.  Lesebuch  v.  Bartholomaeus 


E.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule.  I  6  •.  102-107 

überraschende  Ausbeute  gewonnen.  Sehr  zweckmässig"  ist  im  ersten  für  die  einzelnen 
Provinzen  je  ein  besonderer  Anhang  vorgesehen,  der  z.  B.  für  die  Rhein  pro  vinz  50, 
für  Westfalen  43  Nummern  aufweist.  Das  Werk  enthält  eine  so  grosse  Fülle  des 
Anziehenden  und  Belehrenden,  dass  es  alle  Aussicht  hat,  zu  einem  Hausbuch  in  den 
Familien  seiner  jugendlichen  Leser  zu  werden.  Auch  die  äussere  Ausstattung  ist 
musterhaft.  Die  zahlreichen  anerkennenden  Gutachten,  die  dem  Verleger  zugegangen 
sind101),  verdient  das  Werk  vollkommen,  auch  Krumbach  (s.  0.  N.  94)  rechnet  es  zu 
den  besten,  die  es  für  evangelische  Volksschulen  überhaupt  giebt.102-103)  —  Für  die 
unteren  Klassen  höherer  Schulen  hat  Schmelzer104)  ein  Lesebuch  nach  folgenden 
Gesichtspunkten  zusammengestellt.  Will  man  die  Jugend  zum  Idealismus  erziehen, 
so  muss  man  sie  die  klassische  Litteratur  als  den  Hauptträger  des  idealen  Empfindens 
der  Nation  kennen  lehren;  das  thut  man  am  besten,  wenn  man  den  Knaben  in  den 
seinem  Alter  entsprechenden  Kreis  der  Dichtung  einführt  und  ihn  mit  wenigen  der 
ersten  Dichter  möglichst  genau  bekannt  macht.  Der  Inhalt  des  Lesebuchs  soll  ganz 
Eigentum  des  Schülers  werden,  besonders  die  Gedichte,  welche  es  bietet,  soll  er  ganz 
seinem  Gedächtnis  anvertrauen.  Diesen  Grundsätzen  gemäss  sind  im  Kursus  für 
Sexta  nur  die  Namen  Hebel,  Brüder  Grimm,  Pfeffel,  Geliert,  Lichtwer,  Goethe,  Uhland, 
Matthias  Claudius,  Giesebrecht  und  Pierson  vertreten,  im  Quintanerbuch  kommen 
Lessing,  Luther,  Masius,  E.  M.  Arndt,  W.  Müller,  Rückert,  Hölty,  Schiller,  Gerhardt 
und  Gustav  Freytag  hinzu,  zu  diesen  treten  im  Kursus  für  Quarta  Tieck,  Musaeus, 
Gleim,  Hagedorn,  Bürger,  Chamisso,  Eichendorff,  Geibel,  Duller,  Sybel,  Curtius. 
Selbstverständlich  ist  die  Auswahl  der  Schriftsteller  nach  ihrer  Verwendbarkeit  für 
die  entsprechende  Stufe  getroffen.  Auffallen  muss  aber,  dass  in  allen  drei  Klassen 
Abschnitte  sowohl  aus  der  griechischen  wie  aus  der  deutschen  Mythologie  aus- 
geschlossen bleiben;  Seh.  ist  der  Ansicht,  dass  der  Inhalt  der  ersteren  überhaupt 
nicht  in  den  Rahmen  eines  deutschen  Lesebuchs  passe  und  dass  die  Grundzüge 
der  deutschen  Mythologie  frühestens  in  Obertertia  zu  geben  seien.  So  kommt  es, 
dass  die  Märchen  und  Sagen  in  Quinta  und  Quarta  nur  durch  wenige  Stücke  ver- 
treten sind.  Die  Schlussabteilungen  enthalten  jedesmal  Erzählung-en  aus  der  älteren 
und  neueren  deutschen  Geschichte.  —  Das  besonders  wegen  seiner  geschickten  Be- 
handlung der  antiken  Sage  recht  brauchbare  Lesebuch  für  Sexta,  das  von 
D  adelsen105-107)  herausgab,  liegt  in  zweiter  Auflage  vor  (vgl.  JBL.  1892  I  5:78). 
Würdig  reiht  sich  ihm  der  Band  für  Quarta  an.  Was  seinen  Inhalt  betrifft,  so  ist  an 
Stelle  der  Märchen  eine  Auswahl  äsopischer  Fabeln  getreten,  ausserdem  ist  der 
Versuch  gemacht  worden,  ganz  leichte  Abschnitte  aus  der  Volkswirtschaftslehre  in 
einer  dem  Knabenalter  verständlichen  Fassung  darzubieten.  Als  Vorbereitung  auf 
die  in  Quarta  beginnenden  Aufsatzübungen  sind  einzelnen  Lesestücken  kurze  Dis- 
positionen hinzugefügt  worden.  Die  Prosastücke  sind  auch  in  diesem  Bande  sprachlich 
und  stilistisch  in  eine  dem  Knabenalter  verständliche  Form  gebracht  worden,  einzelne 
inhaltlich  schwierigere  Stücke  fordern  zu  eingehenderer  Behandlung  durch  den  Lehrer 
auf.  Einbezogen  sind  wiederum  Stoffe  aus  den  übrigen  Unterrichtsfächern,  aus  der 
Länder-  und  Völkerkunde,  der  Naturgeschichte  und  ganz  besonders  aus  der  Ge- 
schichte, wobei  auch  die  verschiedenen  Richtungen  menschlicher  Thätigkeit  zur  An- 
schauung gebracht  werden,  so  dass  der  Benutzung  des  Buches  in  Realanstalten 
Rechnung  getragen  wurde.  Beim  Entwurf  des  Planes  zum  vierten  Bande  haben  sich 
die  Bearbeiter  dafür  entschieden,  den  Lesestoff  für  Tertia  und  Untersekunda  zu  einem 
einzigen  Bande  zu  vereinigen.  Der  Band  reicht  also  für  drei  Schuljahre  und  für 
manche  Schüler  bis  zum  Ende  ihrer  Schullaufbahn  aus;  es  hat  auch  hier  das  Be- 
streben geherrscht,  anregenden  Inhalt  mit  einer  für  diese  Stufen  geeigneten  Form, 
die,  was  die  Prosastücke  betrifft,  zugleich  für  die  eigenen  Aufsatzübungen  der  Schüler 
vorbildlich  sein  soll,  zu  verbinden.  Die  Gedichte  sind  vorangestellt,  zuerst  epische, 
dann  lyrische,  Nachbildungen  und  Uebersetzungen  folgen  ausgesondert  als  dritter 
Abschnitt,  sie  umfassen  Stellen  aus  den  Nibelungen  und  Gudrun  in  einer  auf  Grund 
des  Urtextes  mit  Anlehnung  an  Simrock  und  L.  Freytag  hergestellten,  lesbaren  Be- 
arbeitung, kurze  Abschnitte  aus  Wolfram,  die  Charakteristik  zeitgenössischer  Dichter 
aus  Gottfrieds  Tristan  und  zwei  Gedichte  aus  Walther ;  ausser   den    Proben    aus    den 


u.  Heinecke.  ebda.  53  S.  (Prospekt  d.  Verl.)  —  102)  O  X  F.  W.  Hunger,  Lesebach  für  ätsch.  Volksschulen.  Ausg.  B. 
in  3  Tln.  3.  T.,  Oberstufe.  3.  Aufl.  Ausg.  C.  in  2  Tle.  2.  T.,  Oberstufe.  3.  Aufl.  Frankfurt  a.  M.,  Kesselring.  XIV,  506  S. 
M.  1,35.  —  103)  O  X  0-  F-  Schmidt  u.  H.  Schulmann.  Dtsch.  Lesebuch  für  mehrklass.  Schulen.  Ausg.  für  kath.  Schulen. 
Bearb.  v.  A.  Knossala.  5  Tle.  1.  (Unterstufe);  2.  (Mittelstufe  I);  3.  (Mittelstufe  II):  4.  (Oberstufe  I);  5.  (Oberstufe  II). 
L.,  Klinkhardt.  XII,  100  S.;  IV,  156  S.;  VI,  218  S.:  VI,  258  S.;  VI,  342  S.  M.  0,40;  0,50;  0,70;  0,80;  0,90.  - 
104)  Schmelzer,  Dtsch.  Lesebuch  für  d.  Unterklassen  höh.  Schulen.  1.  T.  Sexta;  2.  T.  Quinta;  3.  T.  Quarta.  B.,  Hof- 
mann &  Cie.  1893-94.  191  S.;  VI,  133  S.:  Vn,  157  S.  M.  1,50;  1,60.  -  1051  H.  t.  Dadelsen,  Dtsch.  Lesebuch  für 
höh.  Schulen.  Unter  Mitwirk.  v.  Kollegen  her.  1.  T.  für  Sexta.  2.  durchges.  Aufl.  Strassburg  i.  E.,  F.  Bull.  XU,  244  S. 
M.  2,00.  (Vgl.  JBL.  1893  1  7:115.)  —  105a)  id.,  Dass.  2.  T.  Fflr  Quinla.  Strassburg  i.  E.,  C.  F.  Schmidt.  XI,  246  S. 
M.  2,00.  (Vgl.  JBL.  1893  I  7  :  102.)  —  106)  id  ,  Dass.  3.  T.  FOr  Quarta.  Strassburg  i.  E.,  F.  Bull.  XI,  244  S.  M.  2,00. 
(Vgl.  JBL.   1893   I  7  :  115.)  —  107)  id.,  Dass.   4.  T.   Fflr  d.  mittl.  Klassen  (Tertia—  Untersekunda,  3.  —  1.  Bealklasse).    ebda. 


I  6  :  108-110  E.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule. 

Volksepen  sind  diese  Abschnitte  entbehrlich.  Im  allgemeinen  ist  die  Auswahl  reich- 
haltig", insbesondere  birgt  sie  eine  ausreichende  Anzahl  von  Gedichten,  die  für 
Untersekunda  geeignet  sind,  kaum  eines  findet  sich  darunter,  das  über  den  Standpunkt 
dieser  Klasse  hinausgeht.  Der  Inhalt  des  Prosateiles  lässt  infolge  der  encyklopädischen 
Verbreitung  über  untereinander  wenig  zusammenhängende  Gebiete  eine  sichere  Ein- 
heitlichkeit vermissen.  Die  Abschnitte  litteraturgeschichtlichen  Inhalts,  an  sich 
dankenswert,  in  Darstellung  klar  und  verständlich,  gehen,  da  sie  die  ältere  Litteratur 
bis  auf  Luther  betreffen,  über  die  Anforderungen  für  Untersekunda  auf  preussischen 
Schulen  hinaus,  sie  sind  wohl  hauptsächlich  denen  zu  Liebe  aufgenommen,  welche 
aus  der  ersten  Realklasse  abgehen;  in  den  übrigen  Anstalten  dient  die  Obersekunda 
dazu,  die  Schüler  mit  der  älteren  Litteratur  in  ausgiebiger  Weise  bekannt  zu  machen. 
Es  erscheint  mir  pädagogisch  gewagt,  den  die  Schule  Verlassenden  noch  zuletzt 
schnell  einen  Blick  in  ein  neues  Gebiet  zu  öffnen,  auf  dem  sie  doch  nicht  mehr 
heimisch  werden  können.  Manche  geschichtlichen  Abschnitte,  einzelnes  aus  den 
geographischen  und  naturgeschichtlichen  Bildern  geht  aus  dem  Rahmen  des  deutschen 
Lesebuchs  hinaus  und  greift  ins  Fachwissenschaftliche  über.  So  gross  Sorgfalt  und 
Geschick  in  der  Darbietung  jedes  einzelnen  sind,  scheint  die  Frage  doch  noch  nicht 
endgültig  beseitigt,  ob  sich  nicht  auf  dieser  Stufe,  wenigstens  im  letzten  Schuljahre 
eine  Trennung  der  Lesebücher  für  die  Realschulen  und  für  Lehranstalten  mit  neun- 
jährigem Kursus  als  notwendig  erweist.  —  Auch  die  beiden  folgenden  Lesebücher 
geben  auf  diese  Frage  keine  sichere  Antwort.  Der  für  Tertia  bestimmte  Teil  des 
Lesebuchs  von  Kohts,  Meyer  und  Schuster  hat  auf  Grund  der  neuen  Lehrpläne  durch 
Schuster,  Fiehn  und  Schaefe  r 108"109)  eine  durchgreifende  Umgestaltung  er- 
fahren. Zunächst  musste  eine  Fülle  neuen  Lehrstoffes  aufgenommen  werden,  nordische 
und  germanische  Göttersagen,  kulturgeschichtliche  Darstellungen,  Einzeldarstellungen 
aus  der  brandenburgisch-preussischen  Geschichte  und  über  die  deutschen  Kolonien 
u.  a.  Durch  diesen  Zuwachs  an  Stoff,  sowie  durch  die  erhöhte  Bedeutung  des 
Deutschen  für  den  Gesamtunterricht  wurden  die  Bearbeiter  veranlasst,  den  Band 
für  Tertia  in  zwei  Teile  zu  zerlegen  und  bei  der  Umarbeitung  wesentliche  Aenderungen 
eintreten  zu  lassen.  In  dem  Teile  für  Untertertia  sind  neu  aufgenommen  nordische 
Sagen  und  Darstellungen  aus  der  Natur,  die  übrigen  Abschnitte  sind  mehr  oder 
weniger  umgestaltet,  die  Darstellungen  im  Anschluss  an  die  Lektüre  der  alten 
Klassiker  sind  fortgelassen.  In  dem  Teile  für  Obertertia  treten  Darstellungen  aus 
der  germanischen  Götter-  und  Heldensage  ergänzend  ein,  die  geschichtliche  Ab- 
teilung ist  den  Lehrplänen  entsprechend  umgestaltet  und  führt  bis  auf  das  J.  1871; 
ebenso  sind  die  Darstellungen  aus  Geschichte  und  Erdkunde  den  Bedürfnissen  des 
Unterrichts  gemäss  vervollständigt.  Von  den  Dichtungen  sind  die  Uhlandschen  und 
grösstentheils  die  Schillerschen  Balladen  der  Untertertia  überlassen,  für  Obertertia 
dagegen  Goethe  und  Geibel  in  grösserem  Umfange  herangezogen.  —  Den  vierten 
Teil  ihres  Lesebuches  haben  Hellwig,  Hirt  und  Zernial110)  nicht  über  die  Tertia 
hinaus  ausdehnen  wollen,  da  die  für  die  poetische  Lektüre  der  Untersekunda  be- 
stimmten grösseren  Dichtungen  in  Sonderausgaben  benutzt  zu  werden  pflegen  und 
für  die  Prosalektüre  die  Auswahl  des  Stoffes  je  nach  den  Zielen,  die  man  im  Auge 
hat,  sehr  verschiedenartig  sein  kann.  Einige  für  diese  Klasse  geeignete  Gedichte 
sind  deshalb  aufgenommen,  weil  für  die  Anstalten  mit  sechsjährigem  Kursus  in 
diesem  Lesebuch  die  letzte  systematisch  geordnete  Gedichtsammlung  dem  Schüler  in 
die  Hände  gegeben  wird.  Andererseits  ist  jedoch  sogar  bis  in  das  Pensum  der 
Obersekunda  hinein  vorgegriffen  worden,  indem  auch  einzelne  Stücke  aus  den  ahd. 
und  mhd.  Epen  in  nhd.  Uebersetzung  Aufnahme  gefunden  haben.  Die  Herausgeber 
begründen  diese  Anordnung  damit,  dass  die  Aufgabe  der  Obersekunda  tieferes 
Eindringen  fordert  als  die  Lektüre  einzelner  zusammenhangloser  Proben  aus  diesen 
Epen;  ausschlaggebend  war  für  sie  die  Erwägung,  dass  es  nicht  als  zulässig  zu  er- 
achten sei,  wenn  eine  überaus  grosse  Zahl  von  Schülern  nach  sechsjährigem  Kursus 
die  höheren  Schulen  verlässt,  ohne  von  unseren  altdeutschen  Epen  in  ihrem 
dichterischen  Gewände  eine  Vorstellung  erhalten  zu  haben.  Ergänzt  werden  jene 
Abschnitte  aus  den  Epen  durch  umfangreiche  Darstellungen  in  dem  Prosateile,  welcher 
u.  a.  einen  Umriss  der  nordisch -germanischen  Göttersage  nach  Uhland,  die  Sieg- 
friedsage gemäss  nordischer  Ueberlieferung  nach  Klee,  den  Inhalt  des  Nibelungen- 
liedes nach  Vilmar  enthält.  Die  Anordnung  der  Gedichte  beruht  auf  der  Zeitfolge 
der  Dichter  und  innerhalb  derselben  auf  der  Reihenfolge  der  Entstehung,  womit  dem 
für  die  Erziehung  wichtigen  persönlichen  Momente  Rechnung  getragen   werden  soll; 


VIII,  504  S.  M.  4,00.  —  108)  R.  Kohts,  K.  W.  Meyer  u.  Alb.  Schuster,  Dtsch.  Lesebnoh  für  höh.  Lehranst.  4.  T.  (Unter- 
Tertia).  6.  Aufl.,  nach  d.  neuen  Lehrplänen  beafb.  v.  A.  Schuster,  W.  Fiehn  u.  H.  Schaefer.  Hannover,  Helwing. 
X,  265  8.  M.  1,90.  —  109)  Dass.  5.  T.  (Ober-Tertia).  6.  Aufl.  ebda.  X,  239  S.  M.  1,60.  —  110)  P.  Hellwig,  P.  Hirt, 
ü.  Zernial,  Dtsch.  Lesebuch  für  höh.  Schulen.  4.  T.  Tertia.  Her.  v.  P.  Hellwig  u.  U.  Zernial.  Dresden,  Ehlermann. 
1893.     XII,   400   S.     M.   2,50.     |[E.    Hermann:   PaedA.   36,  S,  310,2;  Sohns:  COIRW.  22,  S.  98/9;  H.  Schiller:  ZGyran.  28, 


E.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule.  I  6  i  111-120 

gleichwohl  werden  die  Vf.  nicht  beabsichtigen,  dass  die  Durchnahme  der  Dichtungen 
in  dieser  Gruppenbildung  erfolgen  soll."  In  dem  prosaischen  Teil  tritt,  wie  schon  aus 
den  umfangreichen  Mitteilungen  aus  deutscher  Sage  sich  ergiebt,  die  Richtung  auf 
das  Vaterländische  besonders  hervor,  die  geschichtlichen  Darstellungen  betreffen  mit 
verschwindenden  Ausnahmen  die  deutsche,  die  preussische  Geschichte  und  behandeln 
vorwiegend  Zustände  und  Fortschritte  der  Kultur ;  soweit  sie  auf  die  Kunst,  besonders 
die  Baukunst,  eingehen,  wird  ihr  Verständnis  durch  eine  Reihe  von  Abbildungen  am 
Ende  des  Buches  unterstützt.  Zwei  Erzählungen,  Bilder  aus  der  Erdkunde,  Proben 
aus  Abhandlungen  und  einige  Briefe  bilden  den  Abschluss.111"116)  —  Der  von 
Foss117""118)  bearbeitete  Band  des  Lesebuchs  von  Hopf  und  Paulsiek,  der  für  Tertia 
und  Untersekunda  bestimmt  ist,  erschien  in  neuer,  unveränderter  Auflage  (vgl.  JBL. 
1892  I  5  :  82).  Die  Bearbeitung  ist  von  der  Kritik  nicht  mit  ungeteiltem  Beifall  auf- 
genommen worden.  Manche  halten  es  für  keinen  glücklichen  Griff,  dass  Proben  aus 
den  Nibelungen  nach  Frey  tags  Uebertragung  und  Teile  des  Gudrunliedes  aus  San 
Marte  aufgenommen  sind.  In  der  That  sollte  man,  wenn  einmal  von  Simrock  ab- 
gesehen wird,  lieber  nach  der  vorzüglichen  Uebertragung  von  Legerlotz  greifen. 
Dagegen  ist  jedoch  erneut  darauf  hinzuweisen,  dass  die  deutsche  Geschichte  dem 
Pensum  der  Tertia  entsprechend  in  einer  Reihe  von  Musteraufsätzen  aus  Mommsen, 
Dahn,  Raumer,  Freytag,  Ranke  u.  a.  vertreten  ist,  und  dass  hier  auch  Ab- 
schnitte aus  Schiller  und  Goethe  herangezogen  sind.  Daran  schliessen  sich  als  Bei- 
spiele beschreibender  Prosa  eine  Reihe  vortrefflicher  Naturbilder,  hauptsächlich  von 
Moltke,  die  sicher  geeignet  sind,  Gefühl  und  Verständnis  für  die  Natur  zu  erwecken. 
Durch  Aufnahme  einer  Schilderung  der  deutschen  Kolonie  Kamerun  ist  dem  erneuten 
Interesse  für  Afrika  Rechnung  getragen.  Im  ganzen  füllen  die  prosaischen  Lesestücke 
148  Seiten.119)  —  Da  die  neuen  Lehrpläne  für  Obersekunda  die  Einführung  in  das 
Nibelungenlied  unter  Mitteilung  von  Proben  aus  dem  Urtext,  Ausblicke  auf  nordische 
Sagen  und  die  grossen  germanischen  Sagenkreise,  auf  die  höfische  Epik  und  die 
höfische  Lyrik  vorschreiben,  so  ist  der  Teil  des  genannten  Lesebuches  für  Ober- 
sekunda von  Henrici120)  gänzlich  umgestaltet.  Der  Band  hat  das  mhd.  Gewand 
wieder  angelegt,  giebt  besonders  aus  den  Nibelungen  umfangreiche  Abschnitte  mit 
verbindendem  Text  und  gewährt  durch  sehr  reichlich  bemessene  Proben  Ausblicke 
auf  die  übrige  Litteratur.  Die  Einteilung  der  erzählenden  Dichtung  in  geistliche, 
Tier-,  Gelehrten-,  Ritter-,  Geschichts-  und  Lehrdichtung  ist  aber  schief  und  führt  zu 
unhaltbaren  Unterordnungen.  Die  Texte  sind  von  kurzen  Anmerkungen  nicht  ganz 
gleichmässig  begleitet,  für  den  Schüler  werden  diese  Hülfen  nicht  ausreichen ;  ein 
Wörterverzeichnis  ist  für  ihn  unentbehrlich;  es  sollte  zugleich  mit  dem  Abriss  der 
mhd.  Grammatik  unmittelbar  mit  dem  Lesebuche  verbunden  sein.  Zweckmässiger 
wäre  auch  eine  zusammenhängende  Darstellung  der  nordischen  Vorgestalt  von  Nibe- 
lungen- und  Kudrunsage  als  gelegentliche  Mitteilungen  daraus  unter  dem  Texte.  Im 
ganzen  führt  das  Buch  seiner  Anlage  nach  über  die  Bedürfnisse  der  Schule  hinaus, 
vielleicht  hat  der  Bearbeiter  daran  gedacht,  es  auch  für  Studierende  brauchbar  zu 
machen.     Der  Text  beruht  auf  sicheren  Grundlagen.121"125)  — 

Ein    umfangreiches    Sammelwerk    von    Musterstücken,    Poesie    und 


S.  310,  621/2.J|     (3.  T.  Quarta;  vgl.  JBL.  1893  I  7  :  116.)  -  Hl)  OXX  Bemh.  Schulz,  Dtsch.  Lesebuch  für  höh.  Lehranst. 

1.  T.  Für  d.  unt.  u.  roittl.  Klassen.  2.  Abt.  für  d.  mittl.  Klassen.  10.  Aufl.  Paderborn,  Schöningb.  XII,  972  S.  M.  4,00. 
|[Gymn.  12,  S.  C52.]|  (Vgl.  JBL.  1891  I  7:82.)  —  112)  O  X  X  Franz  Neumann,  Dtsch.  Lesebuch  für  d.  unt.  u.  mittl. 
Klassen  d.  Bealschulen.  Mit  bes.  Rucks,  auf  mündl.  u.  schriftl.  Uebungen.  4  Tle.  1.  Für  d.  1.  Klasse;  2.  für  d.  2.  Klasse; 
3.  für  d.  3.  Klasse;  4.  für  d.  4.  Klasse.  Wien,  Manz.  215  S.;  VII,  251  S.;  VIII,  235  S.;  VIII,  272  S.  M.  6,80.  —  113)  O  X  X 
J.    Kehrein,    Dtsch.    Lesebuch   für    Gymnasien,    Seminarien,   Bealschulen.     Nach  d.  Tode  d.  Vf.  neu  hearb.  v.  Val.   Kehr  ein. 

2.  Mittl.  Lehrstufe.  L.,  Wiegand.  XX,  587  S.  M.  4,50.  (Vgl.  JBL.  1891  I  7  :  78.)  —  114)  O  X  X  ß-  Leite,  D.  Bilder  d. 
Lesebuchs  v.  Gabriel  u.  Supprian,  für  d.  Oberstufe  bearh.  Bielefeld,  Velhagen  &  Klasing.  VII,  56  S.  M.  0,60.  —  115)  X  F- 
Perktold,  Bemerkungen  z.  4.  Bd.  d.  Lesebuchs  v.  Kuramer-Stejskal,  insbes.  d.  Dispositionen  d.  Prosastücke.  1.  u.  2.  T. 
Progr.  d.  Staats-Gymn.  Oberhollabrunn.  40,  44  S.  |[W.  Saliger:  Gymn.  12,  S.  873.]|  (Gruppierung  d.  Lesestoffes  nach 
Gesichtspunkten  d.  Inhalts  u.  d.  Form;  überwiegend  Dispositionen.  Vgl.  JBL.  1893  I  7:50.)  —  116)  O  X  X  Chrn.  Muff  u. 
A.  Dammann,  Dtsch.  Lesebuch  f.  höh.  Mädchenschulen.  1.  Bd.  Für  d.  2.  Schuljahr.  B.,  G.  Grote.  X,  162  S.  M.  1,20.  — 
117)  J  Hopf  u.  K.  Paulsiek,  Dtsch.  Lesebuch  für  höh.  Lehranst.  Abt.  für  Tertia  u.  Untersekunda.  D.  neuen  Lehrplänen 
gemäss  bearb.  v.  R.  Foss.  22.,  mit  d.  20.  u.  21.  übereinstimmende  Aufl.  B„  Mittler.  XX,  395  S.  M.  2,20.  (Vgl.  JBL.  1893 
I  7:  113.)  —  118)  OXX  Da88-  2.  T.  2.  Abt.  1.  Abschn.  7.  Aufl.  Anh.;  Altdtsch.  Sprachproben  nebst  Beispielen  für  d. 
Grimmsche  Lautverschiebungsgesetz,  ebda.  14  S.  M.  0,20.  —  119)  O  X  X  Dass.  VI.  Abt.  Für  Untersekunda.  Bearb.  v. 
Chrn.  Muff.  B.,Grote.  XIV,  384  S.  M.  2,50.  (Vgl.  JBL.  1893  I  7  :  112.)  —  120)  Dass.  Abt.  für  Obersek.  u.  Prima.  Her. 
v.  R.  Foss.  1.  Abschn.  Proben  d.  Dichtungen  d.  MA.  eingerahmt  in  e.  kurzen  Abriss  d.  Litt.-Gesch.  D.  neuen  Lehrplänen 
gemäss  bearb.  von  E.  Henrici.  9.  mit  d.  8.  übereinstimm.  Aufl.  B.,  Mittler.  VIII,  150  S.  M.  1,50.  |[Gymn.  12,  S.  161/5; 
A.  Nusch:  BBG.  30,  S.  3834.JI  (Vgl.  JBL.  1893  I  7:113.)  —  121)  O  X  X  Fr.  Linnig,  Dtsch.  Lesebuch.  1.  T.  Mit  bes. 
Rucks,  auf  mündl.  u.  schriftl.  Uebungen.  Für  unt.  Klassen  höh.  Lehranst.  10.  Aufl.  Paderborn,  Schöningh.  XU,  606  S. 
M.  2,65.  |[BBG.  30,  S.  446;  Gymn.  12,  &  652.]|  —  122)  O  X  X  Dass.  2.  T.  Für  d.  mittl.  Klassen  höh.  Lehranst.  einschliessl. 
Sekunda.  8.  verb.  Aufl.  ebda.  1893.  XVI,  581  S.  M.  5,30.  l[Gymn.  12,  S.  652;  Stühlen:  COIRW.  22,  S.  102,3.j|  — 
123)    X    Erwiderung    v.    E.    Boesser    auf   d.   Besprech.    d.  v.  ihm  u.  Lindner  her.  Lesebuchs  durch  Oberl.  Viereck:  PaedA.  36, 

3.  1546.  (Antw.  d.  Berichterstatters:  ib.  S.  156.)  —  124)  O  X  K.  Petelenz  u.  R.  M.  Werner,  Dtsch.  Lesebuch  für  d. 
galiz.  Mittelschulen.  7.  u.  8.  Klasse.  Lemberg,  Seyfarth  .v  Czajkowsky.  VI,  453  S.;  VII,  530  S.  M.  3,00;  4,40.  — 
125)  O  X  X  H.  Bone,  Dtsch.  Lesebuch.  2.  T.  Handbuch  für  d.  dtsch.  Unterr.  in  d.  ob.  Klassen  d.  höh.  Lehranst.  mit  Ein- 
schluss  d.  Rhetorik,  Poetik,  Litt.-Gesch.  u.  d.  schriftl.  Aufsätze.    Neu  bearb.  v.  K.   Bone.    14.  Aufl.    Köln,  Du  Mont-Schauberg. 


I  6:126-128  E.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule. 

Prosa,  bringt  Hessel126)  zum  Abschluss  (vgl.  JBL.  1892  I  5:  86/7;  1893  17:103/4). 
Der  poetische  Teil  zunächst  soll  diejenigen  für  die  Jugend  geeigneten  deutschen 
Gedichte  aus  nhd.  Zeit  enthalten,  deren  poetischer  Wert  ebenso  innerlich  und  dauernd 
begründet  als  allgemein  anerkannt  ist,  diese  aber  auch  in  möglichster  Vollständigkeit. 
Ausgeschlossen  blieb  mit  geringen  Ausnahmen  die  Zeit  vor  Opitz,  das  kirchliche 
Lied  im  engeren  Sinne*  auch  das  eigentliche  Liebeslied,  alles  Geschraubte  und 
Schwülstige.  Bietet  sich  das  Buch  auch  zuerst  angehenden  Lehrern  und  Lehrerinnen 
an,  so  dient  es  doch  ebenfalls  den  Schulen  verschiedenster  Art,  deshalb  ist  in  der  An- 
ordnung den  unmittelbaren  Schulbedürfnissen  Rechnung  getragen.  Der  Begriff  der  Unter- 
stufe umfasst  das  6.— 10.  Lebensjahr,  die  Mittelstufe  das  Lebensalter  von  11 — 14  Jahren. 
Für  das  fünfte  bis  achte  Schuljahr  ist  das  Vaterländische,  das  Epische,  Frische  in 
den  Vordergrund  gerückt,  während  Reflexionen  über  Gefühle  ganz  beiseite  geschoben 
sind.  Für  Mädchenschulen  ist  dieser  Gesichtspunkt  besonders  beherzigenswert.  Die 
Oberstufe  enthält  Dichtungen,  die  sich  für  das  reifere  Jugendalter  eignen.  Die  Texte 
sind  mit  Sorgfalt  möglichst  den  Originalausgaben  gemäss  festgestellt;  die  Anordnung 
ist  aus  inneren  und  aus  äusseren  Gründen  auf  jeder  Stufe  lexikalisch  nach  den 
Namen  der  Dichter.  Dadurch  ist  die  Reihenfolge  der  Durchnahme  in  jeder  Schule  und 
jedes  Lehrers  Ermessen  gestellt;  wer  aber  eine  Anordnung  nach  dem  Inhalt  oder  nach 
Dichtungsgattungen  wünscht,  dem  ist  sie  in  einem  besonderen  Register  gegeben;  in 
einem  anderen  stehen  die  Anfänge  der  Dichtungen  alphabetisch  geordnet;  ausserdem  sind 
in  jedem  Bande  kurze  Lebensnachrichten  über  die  Vf.  gegeben.  Die  Auswahl  für 
die  Oberstufe  hat  in  der  dritten  Auflage  einige  Veränderungen  erfahren,  Inter- 
punktion und  Rechtschreibung  ist  in  der  ganzen  Sammlung  einheitlich  geordnet. 
Der  Prosateil  enthält  nach  Inhalt  und  Form  ebenfalls  manche  Abweichungen  von 
dem  „deutschen  Lesebuch",  er  soll  das  Ziel  erreichen  helfen,  dass  die  Schüler 
die  Prosa  kennen  lernen  sollen,  welche  ein  Teil  unserer  nationalen  Dichtung  ist, 
soweit  sie  sich  für  die  Jugend  eignet,  dass  sie  ferner  befähigt  werden,  ihren  Vor- 
stellungskreien  mündlich  und  schriftlich  einen  der  edleren  Schriftsprache  gemässen 
Ausdruck  zu  geben.  Darum  ist  abgesehen  von  Stücken  encyklopädischen  Inhalts, 
die  den  deutschen  Unterricht  zu  einem  Lückenbüsser  für  andere  Lehrfächer  herab- 
drücken. Die  Unterstufe  enthält  vorwiegend  Fabeln  und  beschäftigt  sich  mit  Gegen- 
ständen aus  der  Umgebung  des  Kindes;  für  die  Mittelstufe  sind  Grimm  und  Hebel 
reichlich  ausgeschöpft;  kürzere  erzählende  Stücke,  leichtere  Parabeln,  Sagen,  Märchen, 
einfache  Naturschilderungen  reihen  sich  an.  Darauf  folgen  Abschnitte  patriotischen 
und  ethischen  Inhalts,  auch  das  Naturgefühl  wird  angeregt.  Die  Stücke  der  Ober- 
stufe sind  erstlich  nach  dem  litterarischen  Gesichtspunkt,  jedoch  so  ausgewählt,  dass 
nur  Schönes  aufgenommen  wurde,  die  Poesie  des  Altertums,  Shakespeare  und  das 
französische  Drama  sind  herangezogen,  manche  Kapitel  der  deutschen  Literatur- 
geschichte sind  vorgeführt;  berücksichtigt  ist  auf  diesem  Gebiet  im  allgemeinen,  was 
bis  zum  Alter  von  sechzehn  Jahren  auch  mit  Mädchen  durchgenommen  werden  kann. 
Weitere  Grundsätze  für  die  Auswahl  lieferten  die  Absichten,  Anregungen  auch  für 
die  Kunstgeschichte,  die  zusammenhängend  noch  nicht  getrieben  werden  kann,  Stücke 
patriotischen  und  ethisch  anfeuernden  Inhalts  aufzunehmen  und  schliesslich  gute 
Muster  für  den  Stil  zu  geben.  Die  äussere  Anordnung  der  Prosastücke  unterscheidet 
sich  von  der  der  Mustergedichte  nicht.  An  ihrem  Text  ist  aus  pädagogischen 
Gründen  zuweilen  eine  Aenderung  vorgenommen,  häufiger  sind  Kürzungen  ein- 
getreten, die  mit  Recht  im  Text  unbezeichnet  bleiben.  Grundlage  und  Aufbau  des 
Gesamtwerkes  beruhen,  wie  man  sieht,  auf  gesunden  Ansichten;  das  Werk  ist  ein 
vorwiegend  litterarisches  Lesebuch,  welches  den  besonderen  Aufgaben  des  deutschen 
Unterrichts  mit  einer  gewissen  Ausschliesslichkeit  dient.  —  Die  Mustersammlung 
deutscher  Gedichte  von  H.  L.  Wolff 127)  hat,  um  den  veränderten  Ansprüchen  unserer 
Tage  zu  genügen,  eine  gründliche  Umgestaltung  erfahren.  Veraltete  Gedichte  sind  aus- 
geschieden, dafür  gegen  hundert  neu  aufgenomminen,  besonders  solche  patriotischen 
Inhalts.  Ausserdem  sind  jetzt  auch  die  Hauptnamen  aus  der  zeitgenössischen  Litteratur, 
wie  Scheffel,  Heyse,  Keller  u.  a.  vertreten.  Die  Anordnung  ist  die  alte  geblieben, 
eine  Abteilung  für  die  unteren,  eine  für  die  oberen  Klassen,  die  Gedichte  nach  den 
Dichtern  alphabetisch  geordnet.  —  Das  Sammelwerk  eines  Ungenannten128)  vereinigt 
in  einem  Bande  Goethes  Hermann  und  Dorothea  und  Götz,  Schillers  Wallenstein  und 
Teil  und  Lessings  Minna  von  Barnhelm.  Ein  zweiter  Band  enthält  Erzählungen  be- 
sonders aus  Schubert,  Houwald,  Jakobs,  Hebel,  Aurbacher,  Immermann,  Zschokke  u.  a., 
darauf  folgen  Abschnitte  geschichtlichen  Inhalts   und    Bilder    aus    Seumes,    Gellerts, 


XV,  783  S.  M.  5,50.  -  126)  K.  lies  sei,  Mostergedichte  u.  Musterprosa  z.  Schulgebr.  Masterprosa.  2.  T.  Obere  Mittel- 
stufe. 3.  Aufl.  Bonn,  E.  Weber.  III,  284  S.  M.  3,10.  (Mit  Mustergedichten,  Ausg.  A,  3.  Aufl.  in  1  Bd.  ebda.  VIII,  284  8. 
M.  3,10;  vgl.  JBL.  1892  I  5:87.)  —  127)  H.  L.  Wolff,  Mustersamml.  dtsch.  Gedichte  für  höh.  Lehranst.,  Bürgerschulen, 
Privat-Inst.  u.  für  d.  dtsch.  Haus.  21.  verm.  u.  verb.  Aufl.  Halle  a.  S.,  II.  W.  Schmidt.  XII,  436  S.  M.  2,00.  —  128)  Aus 
d.  dtsch.  Litt.    Für  d.  dtsch.  Jugend.     1.  Bd.    Meisterwerke  dtsch.  Dichtung.  2.  Bd.  Erzählungen  u.  Lebensbilder.   L.,  K.  Richter. 


E.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule.  I  6  i  129-134 

Goethes,  Nettelbecks  Leben  u.  a.,  zuletzt  Briefe  von  Luther,  Spener,  Claudius,  aus 
Schillers  Freundeskreise,  von  der  Königin  Luise  und  Kaiser  Wilhelm  I.  Die  etwas 
buntscheckige  Auswahl  giebt  einen  reinen,  gesunden  Lesestoff,  der  Herz  und  Gemüt 
anregt  und  zu  Gottesfurcht  und  Vaterlandsliebe  hinzuführen  geeignet  ist.129)  —  Für 
den  Unterricht  in  der  Literaturgeschichte  ist  von  Fachlehrern130)  bayerischer  Bildungs- 
anstalten ein  literarhistorisches  Lesebuch  zusammengestellt.  Um  eine  innige  Ver- 
bindung der  Litteraturkunde  mit  der  Lektüre  herbeizuführen,  stellen  die  Herausgeber 
die  geistige  Entwicklung  unseres  Volkes  in  dessen  wichtigsten  litterarischen  Er- 
zeugnissen von  der  frühesten  Zeit  bis  auf  die  Gegenwart  dar.  Die  dramatische 
Poesie  bleibt  allerdings  ausgeschlossen,  weil  Auszüge  aus  Dramen  zu  sehr  den  Stempel 
des  Unvollkommenen  tragen  und  auch  dem  Buche  einen  zu  starken  Umfang  verliehen 
hätten.  Die  Proben  der  ältesten  deutschen  Dichtung  sind  durch  Bruchstücke  aus  der 
Edda  und  dem  Beowulfsliede  ergänzt;  fortgeführt  ist  die  Reihe  über  Goethes  Tod 
hinaus  bis  auf  Wildenbruch.  In  den  Zusammenhang  der  Litteraturgeschichte  führt  die 
nach  den  Hauptabschnitten  getroffene  Anordnung  sowie  die  für  den  einzelnen  Dichter 
gegebene  kurze  geschichtliche  Vorbemerkung  ein.  Jener  Anordnung  des  Neuhoch- 
deutschen fehlt  übersichtliche  Gliederung,  da  unter  den  Buchstaben  a  bis  r  die  Einteilung 
nach  geschichtlicher  und  begrifflicher  Entwicklung  unmerklich  in  eine  andere  nach 
geogTaphischen  Gesichtspunkten  übergeht.  Hier  wäre  die  Uebersichtlichkeit  gefördert 
worden,  wenn  der  mit  Goethes  letzter  Epoche  oder  seinem  Tode  eingetretene  Ab- 
schnitt auch  durch  die  Einteilung  hervorgehoben  wäre.  Die  Auswahl  zeigt  manchen 
guten  Griff,  auch  in  Verwertung  der  besten  Uebertragungen  aus  der  älteren  Poesie. 
Es  ist  freilich  nicht  möglich,  auf  316  Seiten  von  jedem  der  177  Dichter  auch 
nur  eine  annähernd  deutliche  Vorstellung  zu  erwecken,  da  viele  nur  mit  einem 
einzigen,  oft  kurzen  Gedichte  vertreten  sind.  Eine  doch  nur  für  den  Anfänger  be- 
stimmte Sammlung  würde  sich  mit  grösserem  Erfolge  auf  die  wirklich  bedeutendsten 
Dichter  beschränken,  von  denen  dann  ausreichende  Proben  gegeben  werden  könnten. 
Namen  wie  Günther,  Brockes,  Hagedorn,  von  Saar,  Milow  könnten  ohne  Schaden 
fortbleiben;  wer  ihre  grossen  Zeitgenossen  eingehender  kennen  gelernt  hat,  und  das 
ist  wesentlich,  wird  bei  späterer  Bekanntschaft  auch  die  Dichter  zweiten  Ranges  an 
richtiger  Stelle  einorden.131"132)  — 

Die  Leitfäden  der  Litteraturgeschichte  und  Poetik  sondern  sich  in 
zwei  Gruppen,  je  nachdem  die  Vf.  mehr  die  Bekanntschaft  mit  dem  geschichtlichen 
Verlauf  der  Litteratur  vermitteln  wollen  oder  die  Einführung  in  das  Studium  der 
Litteratur  und  Poetik  ins  Auge  fassen.  Für  Lehrer-Bildungsanstalten  g-iebt  Meixners133) 
Bearbeitung  des  Leitfadens  von  Zeynek  ein  brauchbares  Hülfsmittel.  Das  Buch  enthält 
eine  Fülle  von  geschichtlichem  Stoff,  ohne  Ueberladung  und  übersichtlich  geordnet, 
auch  mit  verständigem  Urteil  ausgewählt,  nur  oft  nicht  aus  den  besten  Quellen  ge- 
schöpft. Aus  einer  Betrachtung  der  älteren  deutschen  Sprachgeschichte  geht  es 
allmählich  zur  Litteratur  über,  Sprachproben  und  Stellen  aus  den  Dichtungen  sind 
reichlich  mitgeteilt.  Wissenschaftlich  bedarf  einzelnes  genauer  Feststellung;  dass 
„eine  von  Ulfilas  Hand  verfasste  Bibelübersetzung"  vorhanden  sei,  ist  ungenau  und 
schief  ausgedrückt,  in  den  Ausführungen  über  Lessing  (S.  175)  ist  Zusammenhang  und 
Darstellung  besserungsbedürftig.  Die  Litteraturgeschichte  ist  über  Goethes  Tod  bis 
auf  die  Gegenwart  fortgeführt;  man  wird  es  dem  österreichischen  Vf.  nicht  verargen, 
dass  er  unter  den  neuesten  Dichtern  seine  Landsleute  besonders  berücksichtigt;  die 
ausserösterreichischen  und  die  Prosaschriftsteller  sind  zum  Nachschlagen  registriert. 
Die  Vereinigung  der  Proben  mit  der  Geschichte  mag  für  den  nächsten  Zweck  aus- 
reichen, eine  wirkliche  Bekanntschaft  mit  der  Litteratur  können  sie  nicht  befördern. 
Die  Inhaltsangaben,  besonders  der  Dramen,  sind  zu  billigen.  —  Gleichfalls  auf  die 
Geschichte  legen  den  Nachdruck  Kummer  und  Stejskal 134),  daher  die  strenge 
Beobachtung  der  Perioden,  die  umfangreichen  biographischen  Angaben  und  tabel- 
larischen Uebersichten  über  Leben  und  Geistesentwicklung  mit  zahlreichen  Jahres- 
zahlen. Daneben  sind  die  Inhaltsangaben  etwas  ungleichmässig  behandelt,  über 
Wilhelm  Meister  berichten  etwa  drei  Viertelseiten,  über  Herders  Ideen  sechs  Zeilen, 
Klopstocks  Messias  wird  kritisiert,  ohne  dass  der  Aufbau  wenigstens  der  ersten  drei 
Gesänge  dargestellt  ist;    Grillparzers  König  Ottokar  ist  ausführlicher    behandelt   als 


510,  438  S.  M.  3,00.  —  129)  O  XX^Heinrichi,  Deutschlands  Dichterhort  Gediohtsaiuml.  z.  Deklamieren  für  d.  Schulgebr. 
Hannover,  Manz  &  Lange.  VI,  326  S.  M.  2,00.  —  130)  Litterarhist.  Lesebuch.  München,  Pohl.  XI,  316  S.  M.  2,50.  — 
131)  O  X  X  Aug.  Lühen,  Ausw.  charakterist.  Dichtungen  u.  Prosastüclce  z.  Einführ,  in  d.  dtsch.  Litt.  E.  Lehr-  u.  Lesebuch 
für  höh.  Schnlanst.  u.  z.  Selbstunterr.  2.  T.  7.  Zeitraum.  V.  1770  bis  zn  Goethes  Tode.  7.  Aufl.  Aus  d.  Quellen  verb.  v. 
H.  Huth.  L,  Brandstetter.  VI,  352  S.  M.  1,60.  —  132)  O  X  X  H.  Kletke  u.  H.  Sobald,  Lesebuch  für  höh.  Mädchen- 
schulen mit  Berücksicht.  d.  Unterr.  in  d.  Litt.-Gesch.  v.  Haller  bis  auf  d.  Gegenw.  9.  Aufl.,  bes.  v.  L.  H.  Fischer.  Alten- 
burg, Pierer.  594  S.  M.  4,00.  |[NB11EÜ.  23,  S.  64;  M.  Krummacher:  COIBW.  22,  S.  746.]|  (Vgl.  JBL.  1893  I  7  :  121  )  — 
133)  G.  v.  Zeynek,  Dtsch.  Litt.-Gesch.  E  Leitfaden  für  Schulen,  mit  bes.  Berücksicht.  d.  Lehrer-Bildungsanst.,  bearb.  v. 
A.  Meixner.  6.  Aufl.  Graz,  Leuschner  *  Lubensky.  IV,  358  S.  M.  2,80.  —  134)  K.  F.  Kummer  u.  K.  Stejskal,  Leit- 
faden z.  Gesch.  d.  dtsch.  Litt.     Z.  Unterr.-Gebrauch  an  Lehrer-  u.  Lehrerinnenbildungsanst.     Wien,  Manzsche  Buchh.  (J.  Klink- 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (1)10 


I  6:i35-no  E.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule. 

irgend  ein  anderes  Drama.  Die  neuere  Litteratur  ist  durch  das  J.  1832  geschieden, 
so  dass  mit  diesem  Zeitpunkte  das  junge  Deutschland  beginnt  und  dann  eine  weitere 
Teilung  in  nord-  und  süddeutsche  und  in  österreichische  Dichter  eintritt.  Den 
Abschluss  bildet  Hamerling.  Für  gedächt nismässige  Einprägung  der  Literatur- 
geschichte ist  der  Leitfaden  geeignet.  —  Einem  weniger  litteraturgeschichtlichen  als 
litteraturkundlichen  Unterrichte  dient  der  Leitfaden  von  Zurbonsen.135)  Die  Ein- 
teilung in  Perioden  ist  nur  in  zweiter  Linie  herangezogen  worden,  durchaus  im 
Mittelpunkte  stehen  die  beiden  Blütezeiten,  den  grösseren  Umfang  nimmt  die  zweite 
ein,  die  im  wesentlichen  nach  Klopstock,  Lessing,  Goethe,  Schiller  gegliedert  ist; 
dem  ersten  ist  Wieland,  dem  zweiten  Herder  angereiht.  Ein  letztes  Kapitel,  Aus- 
klänge der  zweiten  Blütezeit,  umfasst  die  Romantiker,  die  Vaterlandsdichter,  Uhland 
und  seinen  Kreis  und  eine  Uebersicht  der  neueren  und  neuesten  Dichtung.  Was  an 
bemerkenswerten  Erscheinungen  zwischen  den  beiden  Blütezeiten  liegt,  ist  in  drei 
Paragraphen  kurz  angedeutet.  Der  nach  Anlage  und  Ausführung  recht  brauchbare 
Leitfaden  hat  in  zweiter  Auflage  in  einem  Anhange  über  Shakespeare  eine  dankens- 
werte Zugabe  erhalten.  —  Krügers 136)  Deutsche  Litteraturkunde  ist  für  Volks-, 
Bürger-  und  Mittelschulen  bestimmt,  ihre  Brauchbarkeit  für  den  dadurch  bedingten 
Kreis  des  Unterrichts  ist  in  zahlreichen  dem  Werkchen  vorgedruckten  Aeusserungen 
aus  Schul-  und  Lehrerzeitungen  anerkannt.  Gleichwohl  könnten  die  Inhaltsangaben 
der  Dramen  gleich  massiger  durchgearbeitet  werden,  von  den  beigegebenen  Bildnissen 
sind  einige  (z.  B.  Herder,  Chamisso,  Rückert)  wenig  ansprechend.  Die  Darstellung 
selbst  entbehrt  zuweilen  des  rechten  Zusammenhanges,  z.  B.  „Zurückgekehrt  von 
einer  Reise  nach  Italien,  wurde  er  auf  die  Litteratur  des  Morgenlandes  aufmerksam" ; 
„Rückert  vertiefte  sich  eifrig  in  das  Studium  und  wurde  Professor  der  orientalischen 
Sprachen  zu  Erlangen  in  Bayern.  Zuvor  lebte  er  einige  Jahre  in  Koburg  und  hatte 
sich  hier  vermählt."  Abschnitte  über  Metrik  und  Poetik  bilden  den  Schluss.  — 
Wychgrams137)  Hilfsbuch  für  den  Unterricht  in  der  deutschen  Litteraüngeschichte 
ist  mit  anerkennungswerter  Frische  und  Lebhaftigkeit  geschrieben;  der  Vf.  will  zum 
Lesen  der  Werke  selber  anregen  und  hält  darum  mit  dem  Ausdruck  seiner  persön- 
lichen Teilnahme  und  seines  Urteils  nicht  zurück.  Die  ältere  Litteratur  hätte  viel- 
leicht etwas  ausführlicher  behandelt  werden  können ;  ausreichend  und  in  guter  Ueber- 
sicht dargestellt  ist  die  Geschichte  der  neueren  Dichtung  von  1700  bis  1832,  die  Zeit 
nach  Goethes  Tode  ist  zum  Schluss  auf  17  Seiten  kurz  behandelt.  Ueberall  beweist 
der  Vf.  das  Geschick,  vom  Wichtigen  das  Nebensächliche  zu  trennen.  Eine  Zeit- 
tafel ist  der  zweiten  Auflage  beigegeben.  Das  Hülfsbuch  führt  sich  als  Ergänzung 
der  Sammlung  deutscher  Schulausgaben  von  Velhagen  und  Klasing  ein,  wird  aber 
auch  ausser  Zusammenhang  mit  dieser  sich  brauchbar  erweisen.  —  VonLeimbachs138) 
weit  angelegtem  Sammelwerke  ist  eine  neue  Lieferung  erschienen,  umfassend  die 
Biographie  von  Meissner  bis  Moser.  Voran  gehen  jedesmal  genaue  Nachweise  der 
sorgfältig  studierten  Quellen,  zu  denen  zuweilen  sogar  persönliche  Mitteilungen  der 
Dichter  gehören,  dann  folgen  kurze  Abrisse  der  Lebensgeschichte,  den  Hauptwert 
hat  aber  die  Würdigung  der  Werke  und  der  dichterischen  Eigentümlichkeit.  Der 
Herausgeber  hat  überall  ein  sicheres  und  selbständiges  Urteil,  das  sich  unbeirrt  aus- 
spricht. Geschickt  ausgewählte  Proben  unterstützen  und  vervollständigen  die  Dar- 
stellung.139) —  Lehmanns140)  Uebersicht  ist  für  die  oberen  Klassen  höherer  Lehr- 
anstalten bestimmt;  er  setzt  überall  den  Lehrer  voraus.  Dieser  soll  die  einzelnen 
Abschnitte  mit  den  Schülern  durchsprechen  und  kann  diese  dann  zur  Wiederholung 
und  Einprägung  auf  das  Buch  verweisen;  auch  für  gelegentliche  Ausführungen  im 
Anschluss  an  die  Lektüre  bietet  es  einen  Repetitionsstoff.  Diesem  Zwecke  gemäss 
ist  der  Stoff  auf  das  engste  Mass  beschränkt,  die  Erörterungen  aus  der  Geschichte 
der  Sprache  behandeln  nur  die  wichtigsten  Perioden  und  Erscheinungen  und  bieten 
bloss  typische  Beispiele.  Die  Anordnung  ist  übersichtlich,  den  Nachweisen  über 
lautliche  Entwicklung  sind  Abschnitte  über  Bedeutungswandel,  innerhalb  dessen 
der  Wert  der  Metapher  gebührend  hervortritt,  über  Fremd-  und  Lehnwörter  und 
über  die  Schriftsprache  hinzugefügt.  Die  Ausgestaltung  dieser  Uebersicht  über  die 
Sprachentwicklung  ist  durch  des  Vf.  Buch  über  den  deutschen  Unterricht  (JBL.  1890 
17:4)  bestimmt.     Ebendort  finden  sich  auch   die  Gesichtspunkte  für  den  litteratur- 


hardt  &  Co.)  V,  196  S.  Fl.  0,90.  —  135)  Fr.  Zurbonsen,  Dtsch.  Litt.-Kunde.  Leitfaden  für  höh.  Schulen.  Mit  Anra.  aus 
d.  Poetik.  2.  Aufl.  B.,  Nicolaische  Verlagsh.  VI,  160  S.  M.  1,50.  —  136)  C.  Krüger,  Dtsch.  Litt.-Kunde  in  Charakter- 
bildern u.  Abrissen.  4.,  verb.  Aufl.  Mit  29  Abbild.  Danzig,  Axt.  116  S.  M.  0,75.  (Vgl.  JBL.  1893  I  1  :  81.)  —  137)  J. 
Wychgrara:  Hülfsbuch  für  d.  ünterr.  in  d.  dtsch.  Litt.-Gesoh.  2.  Aufl.  (=  N.  77,  Heft  56.)  III,  154  S.  M.  1,25.  (Vgl. 
JBL.  1892  I  5:100.)  —  138)  K.  Leirabach,  D.  dtsch.  Dichter  d.  Neuzeit  u.  Gegenw.  Biographien,  Charakteristiken  u. 
Ausw.  ihrer  Dichtungen.  6.  Bd.  2.  Lfg.  (=  Ausgew.  dtsch.  Dichtungen,  für  Lehrer  u.  Freunde  d.  Litt,  erläut.  10.  Bd., 
1.  Lfg.)  L.  u.  Frankfurt  a.  M.,  Kesselring  (E.  v.  Mayer).  S.  161-320.  M.  1,50.  |[Haus  u.  Schule  N.  35;  MagdebZg.  N.  G31.j| 
(Vgl.  JBL.  1893  IV  la:  15.)  —  139)  O  XX^  Franz  u.  K.  Lindecke,  Dichtungen  d.  neueren  Zeit  nebst  Lebensabrissen 
d.  Dichter.  Hilfsbuch  für  d.  dtsch.  ünterr.  in  Prima.  B.,  G.  Grote.  X,  402  S.  M.  2,60.  —  140)  R.  Lehmann,  Uebers. 
über   d.  Entwicklung   d.   dtsch.  Sprache   u.  d.  alt.  dtsch.  Litt.     Für  d.  ob.  Klassen  höh.  Lehranst.     B.,  Weidmann.     VIII,  59  S. 


IC.  Naumann,  Die  Litteratur  in  der  Schule.  I  6  •.  uo-U$ 

geschichtlichen  Teil.  L.  ist  der  Ueberzeugung,  es  bedürfe  für  diejenigen  Perioden 
und  Werke,  die  der  eigenen  Lektüre  zugänglich  sind,  überhaupt  keiner  eigentlichen 
Literaturgeschichte;  der  sich  hieraus  erg-ebenden  Folgerung,  dass  eine  Uebersicht 
über  die  Gesamtentwicklung  der  mittelalterlichen  Litteratur  und  ein  Ueberblick  auf 
die  Entwicklung  von  Opitz  bis  auf  Kloptstock  dem  Bedürfnis  genüge,  entspricht 
die  Behandlung  der  Litteratur  in  dem  Leifaden.  In  drei  Abschnitten  ist  zunächst 
die  älteste  Zeit,  die  geistliche  und  die  ritterliche  Dichtung,  letztere  mit  weiterer 
Gliederung  behandelt,  ein  vierter  ist  dem  Jh.  der  Reformation,  ein  fünfter  der  ge- 
lehrten Dichtung  des  17.  Jh.  gewidmet,  der  letzte  behandelt  die  Vorboten  der 
klassischen  Litteratur  in  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jh.  An  die  ungemeine  Zusammen- 
ziehung des  Stoffes  in  den  letzten  beiden  Abschnitten  mag  man  sich  gewöhnen;  der 
Litteratur  der  Reformationszeit  fehlen  aber  wesentliche  Züge,  wenn  man  die  Satiriker 
und  Fabeldichter  übergeht  und  auf  Luthers  geistliche  Lieder  „nicht  eingehen  kann". 
Religiöser  Inhalt  entrückt  die  Dichtungen  ebenso  wenig  dem  Bereiche  der  Litteratur 
wie  vaterländischer,  das  Kirchenlied  erfreut  sich  aber  überhaupt  in  diesem  Leit- 
faden keiner  Beachtung,  auch  am  Schluss  findet  sich  die  Bemerkung',  dass  wir  „hier 
nicht  näher  darauf  eingehen  können".  Ebenso  wenig  kommt  Luther  selbst  zur  Gel- 
tung. Der  „Professor  der  Theologie"  wird  erwähnt  als  Begründer  einer  neuen  Ent- 
wicklungsepoche unserer  Sprache  und  als  Neugestalter  des  Schul-  und  Unterrichts- 
wesens. Es  „bleibt  ihm  das  Verdienst,  zur  Einigung  unserer  Sprache  mehr  bei- 
getragen zu  haben  als  irgendjemand  anders";  das  ist  weniger,  als  selbst  die  Vf.  von 
Literaturgeschichten  für  katholische  Schulen  ihm  zugestehen.  Die  litterarischen  Be- 
strebungen des  17.  Jh.  würden  beachtenswerter  erscheinen,  wenn  sie  mit  den  Wir- 
kungen des  dreissigjährigen  Krieges  in  Gegensatz  gestellt  wären.141)  —  Stilistik,  Poetik 
und  Litterat  Urgeschichte  vereinigt  Lyon142)  in  einem  Handbuch.  Die  beiden  ersten 
Abschnitte  enthalten  eine  Fülle  von  Beobachtungen  und  Beispielen  des  vielbelesenen 
Vf.  und  bieten,  wenn  sie  auch  über  das  Bedürfnis  der  Schule  weit  hinausgehen,  doch 
auch  dem  Lehrer  mancherlei  Stoff,  der  im  Unterrichte  unmittelbar  zu  verwerten  ist. 
Die  Stilistik  ist,  als  die  Wissenschaft  der  sprachlichen  Darstellung,  ebensowohl 
von  der  Rhetorik,  welche  der  Vf.  nicht  behandelt,  wie  von  der  Poetik  geschieden. 
Für  die  Bearbeitung  der  letzteren  sind  die  Ergebnisse  der  neuesten  Forschungen  von 
R.  M.  Werner,  V.  Valentin,  Th.  Lipps,  E.  Sievers,  H.  Paul,  J.  Minor  u.  a.  berück- 
sichtigt worden.  Die  Verslehre  baut  L.  durchaus  auf  dem  deutschen  Betonungsgesetz 
auf  und  wendet  dieses  auch  auf  die  nach  antikem  Muster  gebauten  deutschen  Verse 
an.  Es  ist  dabei  nur  folgerichtig,  wenn  er  jetzt  die  vierteiligen  Füsse,  welche  auch 
nur  der  Terminologie  der  griechischen  Metriker  ihr  Dasein  verdanken,  von  der 
deutschen  Metrik  ausschliesst  und  selbst  im  jambischen  und  anapästischen  Metrum 
trochäisches  Mass  mit  ein-  oder  zweisilbigem  Auftakt  erkennt.  Ueber  die  Dichtungs- 
gattungen finden  sich  manche  anziehende  Bemerkungen;  irre  führen  könnte  aller- 
dings die  Angabe  von  beherrschenden  Ideen  oder  Grundgedanken  für  Ilias,  Odyssee, 
Nibelungen  und  Gudrun,  mit  deren  Ursprung-  und  Entwicklung  der  in  der  schliess- 
lich gewonnenen  Form  hervortretende  Gedanke  ausser  Verbindung  steht.  Nur  zu 
billigen  ist  es,  wenn  der  sonst  wohl  behauptete  Unterschied  zwischen  Romanze  und 
Ballade  aufgegeben  ist.  Dagegen  Hesse  sich  Fabel  und  Parabel,  selbst  wenn  man 
der  ersteren  ein  weiteres  Gebiet  zugesteht  als  Lessing,  wohl  auch  durch  ein  Kenn- 
zeichen der  Form  deutlich  scheiden.  Der  litteraturgeschichtliche  Teil  ist  jetzt  durch 
Einfügung  sprachgeschichtlicher  Abschnitte  in  dankenswerter  Weise  erweitert,  in 
denen  die  Haupteigentümlichkeiten  der  germanischen  Ursprache,  des  Ahd.,  des  Mhd. 
und  der  nhd.  Schriftsprache  übersichtlich  zusammengestellt  sind.  Im  übrigen  enthält 
die  Literaturgeschichte  einige  glänzende  Partien,  besonders  in  der  Darstellung  der 
Volksepen  und  sehr  viele  Bereicherungen;  stellenweise  ist  allerdings  das  Gleich- 
mass  der  Darstellung  gestört,  z.  B.  durch  die  zu  ausführliche  Erörterung  des  Minne- 
sangs. In  den  Abschnitten  über  neuere  Litteratur  treten  solche  Ungieichmässigkeiten 
häufiger  ein;  von  Schillers  Leben  ist  die  Jugendgeschichte  im  Verhältnis  zu  dem 
übrigen  und  zu  anderen  Lebensbeschreibungen  viel  zu  umständlich  erzählt;  Bodmers 
Verstimmung  gegen  Klopstock  ist  breit  und  nicht  ohne  Anflug  von  „burschikosem" 
Ton  dargelegt.  Dagegen  vermisse  ich,  wie  ich  schon  der  ersten  Auflage  (L.,  Teub- 
ner;  1885)  gegenüber  ausführlich  begründet  habe  (ZGymn.  19,  S.  603/6),  Inhalts- 
angaben der  Werke,  die  dem  Verständnis  der  Lesenden  vorbereitend  zu  Hilfe 
kommen.  Die  Litteratur  nach  Goethe  ist  allzu  kurz  behandelt,  es  treten  nicht  alle  wich- 
tigen Namen  gebührend  hervor;  ebenso  wenig   finden  aber  auch  schon  die  verschie- 


M.  1,00.  —  141)  O  X  X  B-  Huppe,  Gesch.  d.  dtsch.  Nationallitt.  Z.  Gebr.  an  Gymn.  u.  and.  höh.  Lehranst.  sowie  z.  Privatgebr. 
4.,  verb.  Ann.,  bes.  v.  A.  Franzem.  Paderborn,  Schöningh.  VIII,  233  S.  M.  2,00.  —  142)  0.  Lyon,  Handbuch  d.  dtsch. 
Spr.  2.  T.  Für  ob.  Klassen.  Stilistik,  Poetik  n.  Litt.-Gesch.  4.  ?erra.  u.  verb.  Aufl.  L.,  Teubner.  VIIL  313  S.  M.  2,80. 
|[F.  Mnncker:  BBG.  30,  S.  483,7;  E.  Hermann:  P.iedA.  36,  S  307,8;  W.  Bartels:  ib.  37,  S.  515  6;  Rob.  Schneider: 
COIRW.   22,   S.   375.JI     (Auch  in  3   einzelnen   Abt.  käufl.:    1.  Stilistik  M.  1,00;   2.  Poetik  M.  1,00;   3.  Litteraturgescb.  M.  1,60. 

(1)10* 


I  6:143-146    I  7:1-2     W.  Scheel,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache. 

denen  Richtungen  neben  dem  alternden  Goethe  klaren  Ausdruck.  Besserungsvor- 
schläge im  einzelnen  hat  Muncker  angegeben.  Die  Litter aturan gaben  am  Schluss 
bieten  demjenigen,  der  mit  der  Forschung  nicht  im  Zusammenhange  steht,  dankens- 
werte, aber  nicht  gleichmässige  Sammlungen.  Einige  Versehen  der  ersten  Auflage 
schleppen  sich  noch  immer  mit  fort:  Albhard  S.  210,  Abderiden  S.  263;  Chr.  Ew. 
von  Kleist  starb  nicht  in  der  Schlacht  bei  Kunersdorf  (S.  259);  Uhland  legte  nicht 
die  deutsche  Litteratur  in  Tübingen  nieder  (S.  282 143).  —  Die  Grundzüge  der  Poetik 
stellt  Durmayer144)  in  knapper  und  übersichtlicher  Form  zusammen.  Der  Leit- 
faden ist  unter  Benutzung  der  besten  neueren  Arbeiten  verfasst,  zeichnet  sich  aus 
durch  wohlgewählte  Beispiele  und  fasst  die  Ergebnisse  erster  Unterweisung  auf 
diesem  Gebiete  nicht  ungeschickt  zusammen.145"146)  — 


V 

Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache. 

Willy  Scheel.      . 

Historische  Entwicklung  der  neuhochdeutschen  Gemeinsprache:  Kanzlei  N.  .1.  —  Luther  N.  8.  — 
Hans  Sachs  N.  9.  —  Grammatiker  des  16.  Jahrhunderts  (Clajus,  A.  Oelinger  und  Laurentius  Albertus)  N.  11.  —  17.  Jahr- 
hundert: E.  Schwabe  von  der  Heyde  N.  13;  deutscher  Sprachverderber  N.  14;  llarsdörffer,  S.  von  Birken  N.  15.  —  18.  und 
19.  Jahrhundert:  Gottsched  N.  17;  Bürger  N.  19;  J.  H.  Campe,  F.  Hebbel  N.  21;  Goethe  N.  23;  Wieland  N.  26;  Hebel,  Grill- 
parzer  N.  28;  neueste  Schriftsteller  und  Dichter  N.  30.  —  Mundartenforschung:  Grammatik  N.  36;  Wortschatz  N.  70; 
Sprachen  einzelner  Stände  (Studenten,  Bergleute,  Weidmänner,  Militär,  Kaufleute,  Gauner)  N.  80;  Einigung  der  Aus- 
sprache N.  90.  —  Das  jetzige  Neuhochdeutsch:  Allgemeines  N.  95.  —  Historische  Grammatik  N.  102.  —  Formen- 
lehre N.  109.  —  Syntax  N.  113.  —  Stilistik  N.  121.  —  Umgangssprache  N.  123.  —  Wortschatz  N.  126.  —  Worterklärnng 
und  Bedeutungswandel  N.  137.  —  Redensarten  N.  156.  —  Fremdwörter  N.  167.  — '  Kampf  gegen  Schäden  im  heutigen  Deutsch 
(Sprachdummheiten)    N.  200a.    —    Auszählung    der   deutschen  Sprache  N.  216.  —   Orthographie    und   Interpunktion  N.  218.  — 

Ein  Bericht  über  die  Geschichte  unserer  Schriftsprache  zerfällt  von  selbst  in 
zwei  grosse  Abschnitte :  in  die  Geschichte  der  historischen  Entwicklung 
der  neuhochdeutschen  Gemeinsprache  von  ihren  Anfängen  an  und  in 
die  Uebersicht  über  den  heutigen  Stand  der  Schriftsprache  und  die  Bestrebungen, 
die  vorhandenen  Schäden  und  Fehler  zu  verbessern.  Die  Forschungen  dieses 
Berichtsjahres  verteilen  sich  freilich  auf  beide  Abschnitte  sehr  ungleich ;  sehr  wenige 
Arbeiten  beschäftigen  sich  mit  den  Jhh.,  in  die  die  Herausbildung  unserer 
Schriftsprache  aus  den  Dialekten  fällt,  nur  einige  beleuchten  die  Entwicklung,  die 
sie  in  den  späteren  Zeiten  genommen,  als  sie  durch  mancherlei  Kräfte  gestärkt,  durch 
grosse  Dichter  und  Schriftsteller  gehoben,  zu  dem  gewaltigen  Berge  geworden  ist, 
von  dem  wir  Nachgeborenen  nun  rings  in  die  deutschen  Lande  blicken,  die  Eine 
Sprache  beherrscht.  Dieser  Einigungsprozess,  der  Jhh.  lang  gedauert  hat, 
ist  besonders  noch  in  seinen  Anfängen  dunkel.  Die  Sprache  in  den  Urkunden  der 
Kanzleien,  die  neben  und  öfters  auch  vor  dem  Einfluss  der  Drucksprache  zu 
einer  ersten  Einigung  gelangte,  hängt  im  letzten  Grunde  von  dem  Aussteller,  ja  oft 
vielleicht  sogar  von  dem  Schreiber  selbst  ab,  und  so  ist  es  von  allergrösster  Wichtig- 
keit, das  Personal  der  Kanzleien  näher  kennen  zu  lernen,  wie  im  vorigen  Jahre 
Burdach  uns  die  böhmische  Kanzlei  und  ihre  Beamten,  vorzüglich  Joh.  von  Neumarkt 
und  sein  Wirken,  näher  gebracht  hat,  was  freilich  die  Besprechung  von  W  o  t  k  e  ') 
keineswegs  zum  Ausdruck  bringt.  —  Die  Kanzleisprache  einer  bestimmten  Stadt  oder 
Gegend  hat  in  diesem  Jahre  nur  Haendcke2)  behandelt,  indem  er  die  mundart- 
lichen Elemente  in  den  Urkunden  des  Strassburger  Urkundenbuches  zusammenstellte. 
—  Sonst  berühren  nur  einige  Recensionen  dies  wichtige  Thema:  Die  Schriften  Brand- 
stetters,  die  sich  mit  dem  Eindringen  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache  in  Luzern 
ausschliesslich  auf  Grund  von  hs.  Material  beschäftigen  und  in  eindringendster 
Forschungsweise  die  verschiedenen  Zeiten  der  Entwicklung,  besonders  die  Gestaltung 
der    Kanzleisprache    und    ihre    Schicksale,    zur  Anschauung    bringen,    werden    von 


Vgl.  JBL.  1893  I  7  :  149.)  —  143)  O  X  (I  1  i  47;  vgl.  JBL.  1890  I  7  :  29.)  -  144)  J.  Durmayer,  Grundzüge  d.  Poetik.  Für. 
Mittelschulen.  2.  Aufl.  Nürnberg,  Korn.  IV,  91  S.  M.  1,00.  —  145)  O  X  X  M-  noffmann,  Leitfaden  d.  Aesthetik  für  d. 
Schul-  u.  Selbstunterr.  2.  Aufl.  Wien,  Bermann  &  Altmann.  VII,  90  S.  Mit  15  Textfiguren.  M.  1,80.  |[M.  Dessoir:  DLZ. 
S.  340.JI  (Vgl.  JBL.  1893  I  7  :  36.)  —  146)  O  X  X  F.  Wagner,  D.  posit.  Wissen  d.  Lehrers  in  d.  dtsch.  Sprache.  D.  Gramm., 
Stillehre,  Metrik,  Poetik  u.  dtsch.  Litt.-Gesch.  in  übersichtl.  Darstell.  E.  prakt.  Hülfsbuch  für  Lehrer  u.  Schulamts- 
kandidaten  z.  Vorbereit,  auf  d.  verschied.  Examina,  sowie  e.  Leitfaden  für  höh.  Lehranst.  3.  Aufl.  Langensalza,  Schulbuchh. 
12°.    VIII,  119  S.    M.  1,00.  — 

1)    K.  Wotke,  K.   Burdach,    Vom   MA.   z.    Reformation.     1.  Heft.    (JBL.  1893  II  1:73):   ZOG.  45,  S.  418-20.  — 
2)  E.  Haendcke,  D.  mundartl.  Elemente  in  d.  elsäss.  Urkk.  d.  Strassb.  Urkundenbuches.    (=  AlsatSt.  N.  5.)    Strassburg  i.  E„ 


\V.  Scheel,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.        I  7  :  3-12 

Bechstein3)  in  einem  eigenen  Aufsatze  besprochen,  der  Material  und  Methode 
zwar  sehr  lobt,  selbst  jedoch  die  weittragende  Bedeutung-  derartiger  Arbeiten  für  die 
Kenntnis  der  Grundlagen  unserer  Schriftsprache  sicher  nicht  genug*  würdigt.  —  Von 
den  übrigen  zahlreichen  Besprechungen4)  Brandstetters  seien  hier  nur  Heusler 
und  besonders  Kauffmann  genannt,  die  eigene  neue  Gesichtspunkte  hinzufügen. 
—  Ebenso  ist  auch  die  Arbeit  von  Scheel,  die  die  schriftsprachliche  Entwicklung  der 
Rheinlande  und  zwar  der  Metropole  Köln  behandelt,  in  Recensionen 5)  berührt 
worden :  so  von  Martin,  ferner  in  einem  auf  der  Jahresversammlung  des  Vereins 
für  niederdeutsche  Sprachforschung  zu  Köln  gehaltenen  Vortrage  über  die  Kölner 
Mundart  von  Blumschein6).  —  Die  ältere  dialekt  -  kölnische  Schriftsprache 
vor  dem  Eindringen  des  Neuhochdeutschen  in  Kanzlei  und  Buchdruck,  bespricht 
Nörrenberg")an  der  Hand  seltener  Kölnischer  Druckwerke.  —  Sehr  wichtig  und  inter- 
essant ist  für  die  Entwicklung  der  Stilformen  die  Arbeit  von  Joachimsohn7a),  der  die 
Entstehungsgeschichte  des  Kanzleihandbuches,  das  wir  unter  dem  Namen  „Formulare  und 
deutsch  Rhetorica"  kennen,  auf  breitester  Grundlage  giebt  und  nach  einer  Besprechung 
der  Ausgraben  die  verschiedenen  Abschnitte  des  Buches  durchgeht,  aus  dessen  3.  Teile 
er  in  scharfsinnigster  Weise  mit  Benutzung  vieler  hs.  Quellen  den  Entstehungsort 
und  den  Redaktor  der  Sammlung,  Bernhart  Hirssfelder,  eruiert.  Die  Thätigkeit  des 
letzteren  bei  der  Kompilation  der  übrigen  Teile  hat  J.  in  eindringendster  Untersuchung 
dargelegt  und  deren  Quellen  und  Vorlagen  (besonders  Niklas  von  Wyle)  im  ein- 
zelnen erörtert.  — 

Weitere  Forschungen,  die  aus  neuem  Material  die  Kanzleisprache  der  neu- 
hochdeutschen Frühzeit  beleuchteten,  sind  in  unserem  Berichtsjahre  nicht  erschienen; 
auch  der  sprachgewaltige  Luther  ist  nur  in  einem  Aufsatz  von  K  1  a  i  b  e  r  8)  be- 
handelt worden,  der  eine  Erklärung  und  Erläuterung  dunkler  Worte  und  Stellen  in 
Luthers  Werken  giebt ;  über  seine  Stellung  in  der  Sprachgeschichte,  die  im  Bericht 
des  vorigen  Jahres  zu  Kontroversen  Anlass  gab  (JBL.  1893  I  8:29—31),  wird  erst 
ein  bindendes  Urteil  gefällt  werden  können,  wenn  die  Aktenmassen  der  einzelnen 
Städte,  wie  die  Tausende  und  aber  Tausende  von  Druckwerken  sprachlich  näher 
untersucht  sind;  ich  glaube,  dass  der  Ehrenplatz,  den  Scherer  unserem  Reformator 
gab,  durch  diese  Forschungen  bestätigt  werden  wird.  Dass  Luther  durchaus  nicht 
überall  in  der  sprachlichen  Entwicklung  voranging,  zeigt  deutlich  die  Sprach- 
geschichte der  rheinischen  Lande,  wo  gerade  durch  die  Katholiken  eine  Gemein- 
sprache im  besten  Sinne  in  Köln  geschaffen  worden  ist.  — 

Aus  dem  16.  Jh.  ist  ausserdem  nur  die  Sprache  des  Hans  Sachs  in  zwei 
Arbeiten  von  James9)  und  Shumway10)  bearbeitet  worden,  die  beide  die 
starke  Konjugation  in  übersichtlichen  Tabellen  vorlegen.  In  der  Einleitung  betont 
Sh.  die  Wichtigkeit  der  Sprache  des  Hans  Sachs  neben  der  Luthers,  weil  er  nicht 
durchaus  den  Dialekt  Nürnbergs  schreibt,  sondern  sich,  wie  Luther,  an  die  kaiser- 
liche Kanzlei  anlehnt  und  ihm  auch  das  gemeine  Deutsch  nicht  fremd  ist.  Leider 
sind  die  Vf.  beider  Arbeiten  nicht  auf  die  hs.  Quellen  zurückgegangen;  vielleicht 
hätten  sich  daraus  interessante  Vergleichungspunkte  ergeben,  vielleicht  hätte  sich 
auch  ein  Blick  auf  die  Sprache  Nürnbergs,  wenn  auch  ganz  im  allgemeinen,  geben 
lassen,  da  ja  gerade  diese  Stadt  ihres  Verhältnisses  zur  kaiserlichen  Kanzlei  wegen 
sprachlich  die  grösste  Wichtigkeit  hat.     (Vgl.  II  4  b.)  — 

Von  hier  aus  möchte  ich  sogleich  auf  die  drei  Grammatiker  des  16.  Jh. 
übergehen,  mit  denen  sich  Weidling11)  und  C.  Müller12)  im  Berichtsjahre 
beschäftigt  haben.  W.  giebt  mit  seiner  Ausgabe  des  Clajus  einen  wichtigen  Bei- 
trag zur  Kenntnis  der  Fixierung  unserer  Schriftsprache  im  16.  Jh.  Die  umfangreiche 
Einleitung  berichtet  zuerst  kurz  über  das  Leben  des  Clajus  nach  Perschmann,  ver- 
zeichnet sodann  die  Ausgaben  seiner  Grammatik,  deren  letzte  in  das  J.  1720  fällt. 
Der  Hauptteil  der  Einleitung  gliedert  sich  in  einen  sprachlichen  und  einen  historischen 
Abschnitt.  Die  Darstellung  des  Laut-  und  Formenstandes  (S.  VII— XXXII)  deckt 
vorzüglich  das  Verhältnis  des  Clajus  zur  Luthersprache  auf,    das  ja   auf  dem    Titel 


Trübner.  VII,  48  S.  M.  1,50.  —  3)  R.  Bechstein,  D.  Lnzerner  Mnndart  u.  d.  nhd.  Schriftspr.:  ZDU.  8,  S.  561-71.  (Rec.  d. 
drei  Aufsätze  R.  Brandstetters:  Prolegomena  zu  e.  urkundl.  Gesch.  d.  Luzerner  Mundart.  Einsiedeln,  Benziger.  1890.  88  S.; 
D.  Reception  d.  nhd.  Schriftspr.  in  Stadt  und  Landschaft  Luzern  1600—1830.  ib.  1891.  90  S.;  D.  Luzerner  Kanzleisprache 
1250-1600.  [Sonderabdr.  aus  GFrSO.  47,  S.  257-317.]  Vgl.  JBL.  1891  18:5;  1892  I  6  :  9-11.)  —  4)  X  R-  Brandstetter,  D. 
Recept.  d.  nhd.  Schriftspr.  —  id.,  D.  Luzerner  Kanzleispr.  (JBL.  1891  18:5;  1892  I  6:9-11).  ||L.  Tobler:  ZDPh.  26,  S.  137; 
F.  Kauffmann:  AlndogermSprAK.  4,  S.  72,3:  A.  Leitzmann:  ib.  S.  50/1;  K.  Weinhold:  ASNS.  90,  S.  40S;  A.  Heusler:  ADA. 20, 
S.26/9.]|-5)XW.  Scheel,  Jaspar  v.Gennep( JBL  189318:9).  |[KBlVNiederdSpr.l7,S.4S,71,2;KBlWZ.12,S.3G:  E.Martin:  ADA.20, 
S.  400,1. ]|  —  6)G.  Blumschein,  Ceber  d.  Kölner  Mundart :  RhGBll.  1,3. 137-49.  -  7)  [C.  N  ö  r  r  e  n  b  e  r  g] ,  Altköln  Sprachdenkmäler : 
KZg.N.404.  —  7a)P.  Joachimsohn,  Aus  d.  Vorgesch.  d.  „Formulare  u.  dtsch.  Rhetoria":  ZDA.  26,  S.  24-121.  —  8)  K.  H.  K laiber, 
Lutherana:  ZDPh.  26,  S.  30-58,  430,1.  (Vgl.  ib.  S.  281.)  —  9)  A.  W.  James,  D.  starken  Praeterit.i  in  d.  Werk«n  v.  Hans 
Sachs.  Diss.  München.  83  S.  —  10)  D.  B.  Shumway,  D.  ablautende  Verbum  bei  Hans  Sachs.  E.  Beitr.  z.  Formenlehre  d. 
Dentschen  im  16.  Jh.  Diss.  Göttingen.  152  S.  —  11)  F.  Weidling,  D.  dtsch.  Grammatik  d.  Job.  Clajus  nach  d.  ältesten 
Druck  v.  1578  mit  d.  Varianten  d.  übrigen  Ausg.  (=  Aeltere  dtsch.  Grammaliken  in  Neudrucken.  Her.  v.  John  Meier.  Bd. 2.) 
Strassburg  i.  E.,  Trfibner.     LXXVI,  179  S.     M.  6,00.     (Auch  als  Diss.     Freiburg  i.  B.     32  S.)    —    12)    C.  Müller,    Laurentius 


1  7  :  n-i7       W.  Scheel,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache. 

der  Grammatik  besonders  hervorgehoben  ist,  und  zeigt,  dass  hauptsächlich  die  Bibel 
von  1545  benutzt  wurde.  Sehr  interessant  ist  die  Zusammenstellung  aller  in  der 
Schriftsprache  ausgestorbenen  oder  durch  ihre  Bildung  hervortretenden  Wörter 
(S.  XXXIII — XLII),  zu  denen  Belege  aus  Dietz,  Grimm,  Sanders,  Weigand,  Campe  usw. 
(S.  XXXIII)  gegeben  werden.  Ein  Anhang  (S.  XLII— XLIII)  behandelt  die  Aende- 
rungen  in  den  späteren  Ausgaben.  Der  historische  Teil  (S.  XL  VI)  bespricht  das 
Verhältnis  des  Clajus  zur  lateinischen  Grammatik  des  16.  Jh.  (S.  XL  VI—  LVII)  und 
darauf  zu  den  Vorgängern  in  der  deutschen  Grammatik  also  vorzüglich  zu  Oelinger 
und  Albertus  (S.  LVII — LXXI),  die  W.  weit  tiefer  stellt  als  den  Clajus,  der  Luthers 
Sprache  zum  sprachlichen  Vorbild  erhob  und  nach  dem  Vorgange  der  lateinischen 
Grammatik  feste  Regeln  aufstellte.  Den  Beschluss  machen  Bemerkungen  zur  äusseren 
Geschichte  der  Grammatik  (S.  LXXI— LXXVI),  die  sich  aber  auf  Zeugnisse  für  die 
Verbreitung  und  Benutzung  des  Clajus  in  den  bekannten  Grammatiken  des  17.  Jh. 
beschränken.  Erwünscht  wäre  vielleicht  zur  allseitigen  Beleuchtung  gerade  seines 
Werkes  ein  weiterer  Ausblick,  nach  Burdachs  Vorgange,  auf  die  Entwicklung  der  von 
ihm  geschilderten  Luthersprache  gewesen;  mit  dem  Veralten  dieser  Luthersprache 
fällt  auch  ihre  Grammatik  im  Beginn  des  18.  Jh.  (zu  S.  LXXV)  und  muss  zeit- 
gemässeren  Bearbeitungen  Platz  machen.  Die  merkwürdige  Uebereinstimmung  der 
genannten  beiden  Vorgänger  des  Clajus,  nämlich  des  Albert  Oelinger  und  des 
Laurentius  Albertus  (eine  Ausgabe  des  letzteren  von  'M.  wird  im  nächsten 
Berichtsjahr  zu  verzeichnen  sein),  die  schon  Raumer,  Heinr.  Rückert  und  AI.  Reiffer- 
scheid  zu  Hypothesen  veranlasste,  sucht  M.  durch  nochmalige  genaue  Prüfung  der 
bis  jetzt  vorgebrachten  Gründe,  besonders  der  Angaben  der  den  Grammatiken  bei- 
gegebenen Empfehlungsschreiben  und  Begleitgedichte  in  einfachster  Weise  dahin  zu 
erklären,  dass  wir  in  diesen  scheinbar  einander  benutzenden  Autoren  Einen  Vf.  vor 
uns  hätten,  der  in  Würzburg  als  Laurentius  Albertus  eine  Grammatik  des  Deutschen 
fertig  gestellt  und  nach  seiner  Uebersiedlung  nach  Strassburg  diese  seine  Dar- 
stellung für  das  Bedürfnis  von  Ausländern  umgearbeitet  hätte,  eine  Annahme,  durch 
die  nicht  nur  die  Aehnlichkeiten,  sondern  auch  die  Verschiedenheiten  beider  Werke 
aus  der  veränderten  Tendenz  vollkommen  ihre  Erklärung  fänden.  Zum  Schluss 
giebt  M.  der  Vermutung  Raum,  dass  auch  die  Namen  (Laur-entius-Oel-inger)  in 
eins  zusammenfallen  könnten.  Ich  kann  natürlich  auf  die  genaue  Beweisführung 
hier  nicht  eingehen;  eine  nochmalige  Untersuchung  der  Sachlage  wird  sich  jedenfalls  aufs 
genaueste  mit  dieser  bis  jetzt  sehr  einleuchtenden  Hypothese  zu  beschäftigen  haben.  — 

In  das  17.  Jh.  führt  uns  B  ur  dach  13)  durch  die  Besprechung  des  Gesetzes 
vom  sogenannten  Hiatus,  das  Ernst  Schwabe  von  der  Heyde  und,  nach 
seinem  Vorgange,  Martin  Opitz  aufgestellt  hatte.  — 

Ferner  giebt  G  r  a  e  f  u)  von  einer  in  Wolfenbüttel  gefundenen  Ausgabe  des 
deutschen  Sprachverderbe  rs  (1647)  Nachricht,  die  abgesehen  von  ganz 
geringen  Abweichungen  mit  der  1650  in  Cocays  „Teutschem  labyrinth"  abgedruckten 
übereinstimmt.  — 

Die  sprachlichen  Bestrebungen  des  Jh.  behandelt  Bischoff15)  in  seiner 
Biographie  Harsdörffers  in  dem  Kapitel  über  die  fruchtbringende  Gesellschaft 
(S.  45  ff.),  das  nach  einem  nur  das  übliche  bietenden  Ueberblick  über  die  Entwicklung 
der  Schriftsprache  dann  aber  für  das  17.  Jh.  ein  Bild  von  dem  Anteil  und  Zu- 
sammenhang Harsdörffers  mit  sprachlichen  Problemen,  vorzüglich  der  fruchtbringenden 
Gesellschaft  giebt  und  besonders  auf  den  Inhalt  seiner  Schrift  „Specimen  philologiae 
Germanicae"  eingeht,  in  der  sich  Harsdörffer  über  die  Fremdwörter  und  ihre  Be- 
rechtigung, über  orthographische  Fragen,  ja  sogar  über  die  Anfertigung  eines 
deutschen  Wörterbuches  usw.  auslässt;  freilich  mag  er  weit  hinter  Schottel  und  seinen 
Werken  zurückstehen;  trotzdem  rühmt  B.  an  ihm  Belesenheit,  gesundes  Urteil  und 
ehrliche  Begeisterung.  Auch  über  Harsdörffers  bekannten  „Poetischen  Trichter"  er- 
halten wir  nähere  Auskunft,  wie  überhaupt  im  weiteren  Verlauf  der  Darstellung 
über  die  sprachlichen  Interessen  der  Gesellschaft  und  ihrer  Mitglieder.  —  Zusammen 
mit  Bisch  off  in  der  Festschrift  des  Pegnesischen  Blumenordens  berichtet  Schmidt16) 
über  die  Tendenzen  dieses  Ordens  in  seiner  Lebensbeschreibung  Sigmund  von 
Birkens;  doch  sind  nur  Sprachreinigungsbestrebungen  zu  verzeichnen.  — 

Für  das  18.  und  19.  Jh.  gewährt  das  Berichtsjahr  reichere  Ausbeute.  Eugen 
Wolff  n)  hat  über  Gottsched  und  seine  Stellung  in  der  deutschen  Sprachgeschichte  für 
dieses  Gebiet  fast  die  förderndste  Abhandlung  des  ganzen  Jahres  geliefert,  vielfach 
aus  unbenutzten  Quellen  schöpfend.  Er  zeigt  uns  Gottscheds  vielverzweigte 
Thätigkeit  nicht  für  die  Poesie,  sondern  für  die  deutsche  Sprache  und  benutzt  dazu 

Albertus  u.  Alb.  Oelinger.  (=11:69,  S.  140-51.)  —  13)  K.  Burdach,  Z.  Gesch.  d.  nhd.  Schriftspr.  (=  1 2 : 50,  S.  291-323.) 
||0.  Lyon:  ZDU.  8,  S.  427-30;  G.  Ehrismann:  LBIGRPh.  16,  S.  74.]|  —  14)  H.  Graef,  E.  bis  jetzt  unbek.  gebliebene  Ausg. 
d.  dtsch.  Sprachverderbers :  ZDU.  8,  S.  185/6.  —  15)  (III  1  :  191;  2  :  22.)  —  16)  (III  1  :  193;  2  :  23.)  -  17)  Eug.  Wolff,  Ueber 
Gottscheds  Stellung    in    d.  Gesch.  d.  dtsch.  Sprache.     (=11:  69,  S.  208-97.)     (Vgl.  auch  ZDU.  8,  S.  633-83,  713-57,  789-831.) 


W.  Scheel,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.      I  7  :  17-23 

besonders  ausser  den  Lehrbüchern  und  Schriften  Gottscheds  den  umfangreichen  Brief- 
wechsel aus  seinem  Kreise  und  dem  seiner  Gegner.  Wenn  ich  im  folgenden  einen  Gang 
durch  die  übersichtlich  disponierte  Abhandlung  W.s  mache,  vermag  ich  natürlich 
keineswegs  auf  alle  Einzelbeobachtungen  einzugehen,  sondern  muss  mich  darauf 
beschränken,  die  Wege  zu  weisen,  die  W.  gewandelt  ist.  Gottsched  fordert  zuerst 
Deutsch  gegenüber  dem  Latein  der  Gelehrten  und  dem  Französischen  der  vornehmen 
Kreise  der  damaligen  Zeit  (S.  209  ff.),  er  wendet  sich  gegen  die  Einmischung  von 
Fremdwörtern  aus  diesen  beiden  Sprachen  und  stellt  das  Deutsche,  was  Prägnanz 
und  Kürze  des  Ausdrucks  angeht,  weit  über  sie  (S.  217  f.).  Er  fordert  •  ferner 
die  Stärkung  der  Gemeinsprache,  des  „wahren  Hochdeutschen"  (S.  220),  und  war 
selbst  zu  einer  derartigen  sprachgeschichtlichen  Mission  durch  den  Umstand  be- 
sonders gerüstet,  dass  er,  der  Ostpreusse,  nach  Sachsen  kam,  dort  seine  der  Gemein- 
sprache nicht  sehr  fern  stehende  Mundart  zum  grössten  Teile  abwerfen  konnte  und 
nun  zu  einer  gewissen  Reinheit  der  Schriftsprache  vorzudringen  vermochte  (S.  220  ff., 
besonders  S.  225).  Provinzialismen  und  Spuren  des  Dialekts  verfolgte  Gottsched 
überall  mit  seinem  Zorn,  sowohl  in  den  mitteldeutschen,  wie  in  den  rheinischen 
Mundarten  (S.  226  ff.),  ja  sein  Einfluss  erstreckte  sich  über  das  ganze  deutsche 
Sprachgebiet  hin  bis  nach  Bayern  und  Oesterreich  (S.  239  ff.);  natürlich  hat  auch 
die  Schweiz  seine  Aufmerksamkeit  erregt  (S.  257  ff.);  hier  hinein  spielt  ja  sein  Streit 
mit  den  Schweizern,  die  er  erst  als  Freund,  dann  als  Feind  durch  seine  Kritiken  zu 
einer  Gemeinsprache  hinführte  (S.  257  ff.).  Als  seine  dritte  Forderung  bezeichnet 
W.  das  „korrekte  Deutsch",  und  zwar  will  Gottsched  bemerkenswerter  Weise  keines- 
wegs der  Sprache  Gesetze  geben,  sondern  den  an  guten  Schriftstellern  beobachteten 
Sprachgebrauch  durch  Empfehlung  einführen.  18)  W.  bespricht  sodann  ausführlich 
(S.  268  ff.)  die  grammatischen  Schriften  Gottscheds,  beleuchtet  richtig  seine  durchaus 
folgerichtige  und  gesunde  Abwendung  von  der  Nachahmung  Luthers  (S.  270)  und 
berichtet  über  Gottscheds  Kampf  gegen  die  Kanzleisprache  (S.  271  ff.).  Als  letztes 
fordert  Gottsched  „Elegantdeutsch"  (S.  281)  und  wird  dadurch  nicht  zum  wenigsten 
der  Erbauer  der  Fundamente,  auf  denen  die  „klassischen"  Dichter  dann  den  herrlichen 
Bau  ihrer  Sprache  aufführen  konnten  (S.  289).  Den  Schluss  macht  ein  Blick  auf 
Gottscheds  Dichtersprache  und  seine  Forderungen  darüber  und  berührt  dabei  auch 
den  Kampf  gegen  die  Sprache  Klopstocks  und  der  Züricher  (S.  290/6).  — 

Einer  dieser  klassischen  Dichter,  Bürger,  hat,  wie  uns  S  a  h  r  19)  nach 
Aeusserungen  von  Lenz,  Woltmann,  Schlegel,  Althof  usw.,  die  eine  kleine,  aber 
treue  Gemeinde  Bürgers  bildeten,  schildert,  als  Professor  der  deutschen  Sprache  in 
Göttingen  (seit  1784)  seine  Ansichten  und  Bestrebungen  in  den  Einladungsblättern 
zu  seinen  Vorlesungen  über  deutsche  Schreibart  auf  Universitäten  (1787)  aus- 
gesprochen. Der  Gedankengang  dieses  Schriftchens  wird  von  S.  näher  angegeben; 
die  Bemerkungen  Bürgers  sind  freilich  ziemlich  allgemein  gehalten,  sie  drehen  sich 
hauptsächlich  darum,  das  Sprachstudium  auf  die  Höhe  der  übrigen  akademischen 
Studien  zu  heben  (S.  346);  sprachliche  Fragen  im  engeren  Sinne  werden  nicht  be- 
rührt ;  derartiges  behandelt  der  Dichter  in  einem  erst  aus  seinem  Nachlass  gedruckten 
Aufsatze  „Rechenschaft  über  die  Veränderungen  in  der  Nachtfeier  der  Venus",  aus 
dem  S.  (S.  346—52)  einzelne  vortreffliche  Bemerkungen  heraushebt:  so  Bürgers 
Ansicht  über  die  Bedingungen,  unter  denen  ein  Gedicht  klassisch  ist,  ferner  Bemer- 
kungen über  Sprachgebrauch  und  Sprachrichtigkeit20),  die  durchaus  neuesten  An- 
schauungen entsprechen  und  gegen  Wustmann  geschrieben  sein  könnten  (besonders 
S.  347);  ja  Bürger  betont  sog*ar  Adelung  gegenüber  den  Wert  der  Mundarten  (S.  350), 
doch  tritt  er  natürlich  auch  für  die  deutsche  Spracheinheit  und  eine  sich  über  die 
Mundarten  erhebende  Schriftsprache  ein.  Wir  finden  also  bei  ihm  durchaus  gesunde 
Ansichten;  hätte  er  zehn  bis  fünfzehn  Jahre  länger  gelebt,  „wäre  er  vielleicht  ein 
Genosse  der  Brüder  Grimm  und  ihres  Lebenswerkes  geworden."  Jedenfalls  darf  er 
in  einer  Sprachgeschichte  des  18.  Jh.  nicht  übergangen  werden.  — 

An  Sahrs  Schrift  schliessen  sich  zwei  ähnliche  Aufsätze  an:  Böhme21"22) 
schildert  uns  J.  H.  Campes  Verdienste  um  die  deutsche  Sprache,  besonders  aus  der 
Schrift  über  die  Reinigung  und  Bereicherung  der  deutschen  Sprache  (1791 — 95)  und 
giebt  in  einer  zweiten  Arbeit  Mitteilungen  aus  Friedrich  Hebbels  Gedanken 
über  die  Sprache.  — 

Die  Beobachtungen  an  den  Werken  der  grossen  Dichter  und  Schriftsteller 
führen  uns  in  das  Ende  des  18.  und  das  19.  Jh.  hinein.  Goethes  Sprache  ist 
mehrfach  Gegenstand  der  Darstellung  geworden.     Zuerst  erläutert    ein  Anonymus  23) 


—  18)  X  (Vgl-  N.  202.)  —  19)  J.  Sahr,  G.  A.  Bürger  als  Lehrer  d.  dtsch.  Sprache.  (=11:  69,  S.  310-54.)  —  20)  (X  =N.  202a.) 

—  21)  R.  Böhme,   J.  H.  Campes  Verdienste   um   d.  dtsch.  Sprache:   MDSprVi Berlin).  5,   S.  51-64.    —    22)   id.,   Mitteil,  ans 
F.    Hebbels    Gedanken    über   d.   Sprache:   ib.   S.  5-16.   —   23)   D.   dtsch.  Kanzleistil  vor  100  J.:   Didask.    N.    33.   —   24)    [D. 


I  7  :  24-35       W.  Scheel,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache. 

in  einem  kurzen  Aufsätzchen  durch  Besprechung  des  Gesuches  vom  28.  Aug.  1771, 
in  dem  Goethe  den  Rat  seiner  Vaterstadt  um  Aufnahme  in  die  Zahl  der  Advokaten 
bittet,  die  Verschiedenheit  dieses  Geschäftsstiles  von  der  Sprache  im  „Götz"  und  im 
„Werther",  die  zeitlich  nicht  weit  abliegen.  —  Ferner  giebt  Sanders24)  aus 
„Dichtungund  Wahrheit"  Auszüge,  ähnlich  wie  inseinem  Stil-Musterbuche  (Berlin  1886). — 
Toews24a)  handelt  über  das  Verbum  im  „Tasso".  —  Endlich  wendet  sich  Knauth25) 
gegen  die  sonst  allgemein  vertretene  Ansicht,  dass  Goethes  Sprache  im  Alter  einen 
degenerierenden  Charakter  trage,  und  zeigt  in  eingehender  Darstellung,  dass  ein  in 
sich  vollständig  abgeschlossener  Altersstil,  der  sich  schroff  von  der  Schreibart  der 
Jugend  und  der  der  Blütezeit  und  Mannesjahre  sondert,  zwar  eine  seltene  Erscheinung 
ist,  aber  doch  keineswegs  unerhört  genannt  werden  darf.  Die  neuen  Erkenntnisse  und 
die  Erweiterung  seines  Gesichtskreises  im  Alter,  griechische,  serbische,  orientalische, 
ja  chinesische  Litteratur,  all  diese  „Erze  ferner  Weltteile,  in  deutschen  Hütten  ge- 
schmolzen", reinigen  seinen  Stil  und  bringen  die  Sprache  seines  Alters  hervor.  Sie 
wird  nach  Wortform,  Wortbildung,  Wortgebrauch  und  Wortstellung  besprochen. 
K.  sieht  in  diesem  Stil  das  abschliessende  Glied  einer  reichen  Entwicklung:  Neues 
Leben,  neue  Lieder  —  neue  Sprache  (S.  9).  — 

Sehr  fördernd  kann  auch  Thalmayrs26)  Behandlung  von  Wielands 
Sprache  genannt  werden.  Er  betrachet  an  den  drei  Hauptwerken  Wielands:  Oberon, 
Musarion  und  Agathon  Formenlehre,  Wortbildung,  Wortbedeutung  und  Syntax  des 
einfachen  und  zusammengesetzten  Satzes  und  betont  die  Wichtigkeit  der  Sprache 
Wielands  als  Schöpferin  einer  feineren  Umgangssprache,  seine  Anmut  und  Grazie 
gegenüber  Klopstockschem  Pathos.  — 

Ausser  M  e  n  g  e  s  27)  Recension  von  Willomitzers  Aufsatz  über  die  Sprache 
in  Hebels  rheinischem  Hausfreund  (JBL.  1891  I  8:28)  kommen  sodann  des  leider 
inzwischen  verstorbenen  Tomanetz  28~29)  Arbeiten  über  Grillparze  r  in  Betracht. 
Er  behandelt  hierin  als  Fortsetzung  seiner  Studie  über  den  Wortschatz  des  Dichters 
(JBL.  1893  I  8:115)  die  Syntax  und  die  Präpositionen  in  Grillparzers  Prosa  und 
weist  auch  hier  dessen  enge  Fühlung  mit  dem  heimatlichen  Dialekte  nach.  — 

Auch  an  den  neuesten  Schriftstellern  und  Dichtern  werden 
sprachliche  Beobachtungen  gemacht.  So  behandelt  Deye30)  die  Sprache  in  Richard 
Wagners  Nibelungen  und  will  besonders  dessen  altertümliche  Formen  rechtfertigen; 
Wunderlich31)  setzt  seine  Beobachtungen  an  der  Sprache  des  neuesten  deutschen 
Schauspiels  fort;  Blümner32)  berichtet  über  den  bildlichen  Ausdruck  in  den 
Briefen  des  Fürsten  Bismarck.  —  So  hat  uns  diese  Reihe  von  Abhandlungen  bis  in 
die  jüngste  Zeit  geführt,  der  wir  eine  einheitliche  Schriftsprache  verdanken.  Jhh. 
haben  an  ihrer  Entwicklung  arbeiten  müssen,  und  die  Schriftsprache  des  15.  oder 
16.  Jh.  unterscheidet  sich  gewaltig  von  dem  Deutsch,  das  wir  heute  schreiben.  Der 
Unterschied  wird  recht  deutlich  in  den  Arbeiten,  die  sich  mit  der  Modernisierung  der 
Luthersprache  befassen,  in  den  Erneuerungen  der  Bibel  und  des  kleinen  Katechismus; 
diese  Fragen  werden  in  verschiedenen  Recensionen  33_34)  berührt.  — 

In  grossen  Zügen  skizziert  die  verschiedenen  Vorgänge  und  Einheitsbestrebungen 
Kluge35),  der  im  Entwicklungsgange  der  Gemeinsprache  drei  Stufen  unterscheidet:  lexi- 
kalischen Ausgleich,  grammatische  Einigung,  phonetische  Einheitsbestrebungen.  Letzteres 
ist  noch  in  weitem  Felde;  die  grammatische  Regelung  der  Rechtschreibung  und  Formen- 
bildung von  Luther  bis  Lessing  wird  kurz  gezeichnet;  der  lexikalische  Ausgleich  an  einer 
Reihe  von  Beispielen,  besonders  mit  Heranziehung  des  schweizerischen  Dialekts,  er- 
läutert. —  Aber  nicht  nur  der  schweizerische  Dialekt,  sondern  alle  Mundarten  des 
deutschen  Vaterlandes  haben  mehr  oder  weniger  Teil  an  der  Schriftsprache,  haben 
beigesteuert  zu  dem  grossen  Sprachendom,  in  dem  wir  jetzt  weilen  dürfen.  Daher 
halte  ich  es  für  nötig,  wenigstens  einen  Blick  auch  auf  die  Mundartenforschung 
dieses  Jahres  zu  werfen.  Zwar  würde  es  über  den  Rahmen  des  Berichtes  hinausgehen,  auf 
diesem  Gebiete  Vollständigkeit  zu  erzielen ;  es  sollen  nur  die  Erscheinungen,  zunächst  die 
grammatischen,  hier  ihren  Platz  finden,  die  die  Beziehungen  der  Schriftsprache  zur 
Mundart  besonders  betonen  oder  sonst  für  unser  Gebiet  Interessantes  darbieten.  Das  ganze 


Sanders],  Aus  Goethes  Wahrheit  u.  Dichtung.  (9.  B.):  ZDS,  8.  S.  321-34.  —  24a)  P.  Toews,  Ueber  d.  Verbum  m  Goethes 
„Tasso".  Dis.  Heidelberg.  45  S.  —  25)  P.  K  n  a  u  t  h ,  V.  Goethes  Sprache  u.  Stil  im  Alter.  Diss.  Leipzig.  (Fock.) 
4°.  46  S.  |[R.  M.  Meyer:  DLZ.  S.  1228,9.]|  —  26)  F.  Thalmayr,  Ueber  Wielands  Klassizität,  Sprache  u.  Stil. 
Progr.  d.  Staatsrealsch.  Pilsen  (C.  Maasch).  42  S.  —  27)  K.  Menge:  ZDU.  8,  S.  708/9.  -  28)  K.  Tomanetz, 
Studien  z.  Syntax  in  Grillparzers  Prosa.  Progr.  Wien.  29  S.  (Vgl.  JBL.  1893  I  8:115.)  —  29)  id.,  D.  Präpositionen  in 
Grillparzers  Prosa:  ZOG.  45,  S.  873-82.  —  30)  ß.  Deye,  D.  Sprache  in  B.  Wagners  Musikdrama  „D.  Ring  d.  Nibelungen": 
MünchNN.  N.  33.  -  31)  H.  Wunderlich,  Z.  Sprache  d.  neuesten  dtsch.  Sohauspiels.  IL:  NHJbb.  4,  S.  115-42.  (Vgl.  JBL.  1893 
18:96.)  -32)  (IV  lb  :  265.)  —  33)  X  H- Grosse.  G.  Leuchtenberger,  D.Sprache  im  kl.  Lutherschen  Katechismus.  Zeitgemässe 
Betracht,  u.  Vorschläge.  IB.,  Gaertner.  1891.  39  S.  M.  0,80):  DB11EU".  21,  S.  22.  —  34)  X  D.  Bibel.  2.  Abdr.  Hallo  a.  S. 
1892.  (JBL.  1892  II  6  :  17.)  |[H.  Rohrs:  ZDÜ.  8,  S.  211/2;  M.  Heyne:  ADA.  20,  S.  350/2.H  (Rec.  v.  der  Bibel  nach  d.  deut- 
schen Uebersetzung  D.  Martin  Luthers.  Im  Auftr.  d.  Deutschen  evang.  Kirchonkonferenz  durchgesehene  Ausg.  2.  Abdr. 
Halle  a.  S.,  v.  Canstein.  1892.)  -  35)  F.  Kluge,  Ueber  d.  Entsteh,  unserer  Sohriftspr.    (=  Wiss.  Beihefte  z.  ZADSprV.  2.  Reihe 


W.  Scheel,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.      I  7  :  36-64 

Gebiet  der  Mundartenforschung  umfasst  in  einer  bibliographischen  Ueb ersieht  das 
Buch  von  Mentz  (JBL.  1893  1 8  :  17),  zu  dem  mehrere  Recensionen36),  besonders  die  von 
Behag*h  el,  zu  erwähnen  sind.  —  lieber  die  Arbeiten  am  Sprachatlas  des  deutschen  Reiches, 
dem  gewaltigen  Lebenswerke  G.  Wenkers  und  seiner  Gehülfen,  berichtet  auch  in  diesem 
JahreWr  ede37),  indem  er  die  1894fertig  gewordenen  Kartenblätter  bespricht  und  dieaus 
ihnen  zu  gewinnenden  Resultate  in  übersichtlichster  Weise  zusammenstellt.  —  Kleine 
Beiträge  und  Ergänzungen  für  Süddeutschland  giebt  dazu  Brenner38),  auf  die  auch 
Wrede  in  seinen  Ausführungen  zurückkommt.  —  Beginnen  wir  nun  von  Norden 
ausgehend  einen  Gang  durch  das  gesamte  deutsche  Sprachgebiet.  Bernhardt39"40) 
behandelt  den  angeblichen  Einfluss  des  Dänischen  auf  die  niederdeutsch-schleswigschen 
Mundarten  und  weist  nach,  dass  die  fraglichen  Ausdrücke  auch  in  anderen  räumlich 
ganz  getrennten  deutschen  Gebieten  vorkommen.  —  Glöde41"42)  giebt  in  ganz  grossen 
Zügen  einen  Ueberblick  über  die  niederdeutsche  Litteratur  und  ihr  Verhältnis  zur 
hochdeutschen,  ohne  Neues  zu  bieten,  und  druckt  in  einer  Notiz  einen  Brief  aus  dem 
J.  1749  ab,  in  dem  ein  alter  Bauer  sich  über  das  Abnehmen  der  niederdeutschen 
Sprache  beklagt.43)  —  Kupka44)  behandelt  den  heutigen  Dialekt  des  Kreises  Guben 
unter  steter  Bezugnahme  auf  ältere  Stufen  der  Mundart,  wie  sie  in  Gubener  Drucken 
oder  Aufzeichnungen  des  16.  und  17.  Jh.  noch  Vorscheinen,  und  auf  die  heutige 
Schriftsprache.45)  —  Regere  Thätigkeit  hat  sich  für  die  fränkischen  Mundarten  ent- 
wickelt: Schmitz46)  untersucht  die  „Mischmundart"  in  dem  Gebiet  zwischen  Kleve, 
Aachen,  Gladbach  und  Düsseldorf,  besonders  im  Gegensatz  zum  Hochdeutschen.  — 
B.  Schmidt47)  zeichnet  den  Vokalismus  der  Siegerländer  Mundart,  ebenfalls  durch- 
gängig unter  Bezugnahme  auf  die  neuhochdeutsche  Schriftsprache.  Hierher  gehört 
auch  eine  Recension  Höfers48),  der  Leidolfs  Behandlung  der  Naunheimer  Mundart 
scharf  kritisiert,  trotzdem  aber  die  Sammlung  des  Materials  für  die  so  zersplitterten 
fränkischen  Dialekte  anerkennt.49"50)  —  Wir  kommen  nach  Lothringen,  für  das  die 
Arbeiten  von  Witte51"52)  vorzüglich  in.  Betracht  kommen,  der  sowohl  für  die  ältere 
als  auch  die  jüngere  Zeit  (nach  1870)  das  deutsche  Sprachgebiet  Lothringens  und 
seine  Wandlungen  behandelt.53)  —  Für  das  15.  Jh.  giebt  J.  Meier54)  ebenfalls  für 
Lothringen  aus  einem  Itinerar  über  die  Reisen  Kaiser  Friedrichs  III.  ein  Zeugnis 
über  die  deutsche  Sprachgrenze  und  die  romanische  Nationalität  der  Bevölkerung 
von  Metz.  —  Nach  Elsass  hinein  führen  uns  die  sehr  anerkennenden  Recensionen 
Martins55)  über  Kahl  und  Menges  (JBL.  1893  I  8:23/4),  sowie  die  von  Socin56"57) 
über  Lienharts  Laut-  und  Flexionslehre  des  mittleren  Zornthaies  im  Elsass;  nach 
Schwaben  desselben  S.  sowie  Heuslers58)  Besprechungen  von  Bohnenberger 
(JBL.  1892  I  6  :  30).—  Auch  Erbe59)  gehört  hierher,  der  unter  ganz  unnötigen  Ausfällen 
gegen  norddeutsche  Sprache  und  Aussprache  die  Leser  der  schwäbischen  Kronik 
dazu  bringen  will,  die  allergröbsten  Verstösse  in  der  schwäbischen  Aussprache  des 
Schriftdeutschen  fallen  zu  lassen.  —  Für  die  Schweiz  sind  die  Arbeiten  von 
Schild60"62)  zu  nennen.  Er  veröffentlicht  in  diesem  J.  als  zweiten  Teil  seiner 
Behandlung  der  Brienzer  Mundart  den  Konsonantismus  und  bespricht  die  Arbeiten 
von  E.  Hoffmann  über  den  Vokalismus  von  Basel-Stadt  und  Wisslers  Suffix-i  in  der 
Berner,  bezw.  Schweizer  Mundart.  —  Der  erste  Teil  seiner  eigenen  Arbeit  wird  von 
Hoffmann-Kray  er63)  recensiert.  —  üeber  Bayern  finden  wir  eine  reichere  Litteratur 
in  der  von  Brenner  und  Hart  mann64)  herausgegebenen  Zeitschrift  „Bayerns 
Mundarten",  deren  einzelne  Aufsätze  nicht  alle   aufgezählt   werden    können.    —    Von 


Heft  6,  S.  1-15.)  —  36)  BBG.  30,  S.  178;  Anglia  4,  S.  167/9;  A.  Holder:  Alemannia  22,  S.  282/5;  C  H.  Bierwirth: 
MLN.  9,  S.  119-20;  0  Behaghel:  LBIGRPh  15,  S.  220.  —  37)  F.  Wrede,  Berichte  über  Wenkers  Sprachatlas:  ADA.  20, 
S.  95-110,  207-24,  320-34.  (D.Berichte  d.  J.  1893  sind  in  d.  KBIVNiederdSpr.  17,  S.  15-6,  32  aufgeführt  [vgl.  JBL.  1893  I  8 :  15].) 
—  38)  O.  Brenner,  Z.  Sprachatlas  d.  dtsch.  Reiches:  Bayerns  Mundarten  2,  S.  269-73.  (Vgl.  dazu  F.  Wrede:  ADA.  20, 
S. 322/3  Anm.)  -  39-40}  J.  Be  r  nhar dt ,  Einfluss  d.  Dänischen?:  KBIVNiederdSpr.  17,  S.  80/2.  —  41)  0.  Glöde,  D.  Stellung  d. 
niederdtsch.  Dialekts  u.  seiner  Werke  z.  hochdtsch.  Schriftsprache  u.  Litt.  (=11  :  69,  S.  35-61.)  —  42)  id.,  D.  niederdtsch. 
Sprache  vor  150  J.:  KBIVNiederdSpr.  17,  S.  37/8.  —  43)  X  0.  Bremer,  Z.  Emsländer  Hochdeutseti:  ib.  S.  12.  —  44)  P. 
Kupka,  D.  Mundart  d.  Kreises  Guben:  NiederlausitzM.  3,  S.  275-82,  337-77.  -  45)  X  — a  — ,  Mundartliches:  Hessenland 
8.326/7.  —  46)  (15:26.)  —  47)  B.  Schmidt,  D.  Vokalismus  d.  Siegerländer  Mundart.  E.  Beitr.  z.  fränk.  Dialektforsch.  Halle, 
Niemeyer.  139  S.  M.  3,60.  (Als  Berl.  Diss.  103  S.)  —  48)  A.  Höfer,  J.  Leidolf,  D.  Naunheimer  Mundart.  E.  lautl. 
Untersuch.  (Diss.  Jena.  1891.  93  S.):  LBIGRPh.  15,  S.  1123.  —  49)  X  ^  Sütterlin,  D.Genetiv  im  Heidelberger  Volksmnnd. 
Festschr.  d.  lleidelb.  Gymn.  Progr.  N.  607B.  Heidelberg.  4°.  15  S.  -  50)  H.  Reis,  Syntakt.  Stud.  im  Anschltiss  an  d. 
Mundart  v.  Mainz:  BGD3.  18,  8.  475-510.  (S.  u.  N.  116.)  —  51)  H.  Witte,  D.  dtsch  Sprachgebiet  Lothringens  u.  seine 
Wandlungen  v.  d.  Festste'.!,  d.  Sprachgrenze  bis  z.  Ausg.  d.  16.  Jh.  (=  Forsch,  z.  dtsch.  Land  es-  u.  Volksk.  Her.  v.  A. 
Kirchhoff.  Bd.  8,  Heft  6.)  St.,  Engelhorn.  111,  129  S.  Mit  1  Karte.  M.  6,50.  —  52)  id.,  Nat.  n.  polit.  Strömungen  in 
Elsass-Lothringen  in  Vergangenh.  u.  Gegenw.  III.  Sprache  u.  Bevölkerung  nach  1370:  AkBU.  9,  S.  66/9.  (Vgl.  IV  1  b  :  463.)  — 
53)  X  Ber.  über  dtsch.  Sprachinseln  in  Frankreich:  TglRs".  N.  26.  -  54)  J.  Meier,  D.  dtsch.  Sprachgrenze  in  Lothringen 
im  15.Jh  :  BGDS.  18,  S. 401/2.  -55)X  E-  Martin:  ADA.  20,  S.  84/6;  K.  Weinhold:  ASN'S.  90,  S.  408  9.  -  56)  A.  Socin: 
ZDPh.  26,  S  137/8.  -  57)  id.:  LRlGRPh.  15.  S  890/1.  —  58)  A.  Heusler:  ADA.  20,  S.  29.  -  59)  K.  Erbe,  Schwäbisch  u. 
Schriftdtsch.:  SchwäbKron.  N.  58.  64.   -  60)  P-  Schild,  D.  Brienzer  Mundtrt   II.  T.  Konsonantismus:    BGDS.  18,  S.301-93. — 

61)  X  id.,  E    Hoffmann,  D.  raundartl.  Vokalismus  v.  Basel-Stadt  (Basel,  Geering.  VI,  94  S.  M.  2,00):   ZDPh.    26,  S.  138-40.  — 

62)  id.,    H.  Wissler,  D.  Suffix-i   in    d.  Berner  resp.  Schweizer  Mundart  (Diss.    Bsrn.   1892.   40  S.):    LBIGRPh.  15,  S.  148/9.  — 

63)  E.  Hoffmann-Kray  er,  P.  Schild,  Brienzer  Mundart.  1.  T.:  Allg.  Lautgesetze  u.  Vokal  ismus  (Diss.  Göttingen.  1891. 
106  8.):  ib.  S.  76/8.   (Entgegn.  d.  Vf.:  ib.  16,  S.  38-40.)    —    64)    Bayerns     Mundarten    her.  v.  0.  Brenner    u.    A.  Hartmann. 

Jahresberichte  für  neuere  deutaoho  Literaturgeschichte.    V.  (1)1 1 


I  7  :  65-81        W.  Scheel,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache. 

dort  gelangen  wir  nach  Böhmen  und  Oesterreich:  Gradl65)  setzt  seine  Forschungen 
über  die  Mundarten  Westböhmens  fort,  Ritschel66)  behandelt  das  Prager  Deutsch, 
Nagl67)  stellt  den  Vokalismus  der  bayerisch-österreichischen  Mundart  historisch  dar. 
—  Ganz  nach  dem  Osten  führt  uns  Keintzels68)  Lautlehre  der  Mundarten  von 
Bistritz  und  Sächsisch-Regen,  also  der  beiden  kulturell  und  volkswirtschaftlich 
wichtigsten  Gemeinden  im  nordöstlichen  Siebenbürgen,  die  ihrem  Ursprung  nach 
jedoch  gerade  an  die  westlichen  deutschen  Dialekte  anknüpfen69),  so  dass  damit  unser 
Rundgang  durch  die  Mundarten  deutscher  Lande  beendet  ist.  — 

In  den  Bereich  der  Mundartenforschung  treten  auch  die  Bearbeitungen 
mundartlichen  Wortschatzes,  die  Brenner70)  mit  seinem  Aufruf  zu  Dialekt- 
wörtersammlungen besonders  für  Bayern  einleiten  möge.  —  Fortsetzungen  erschienen 
zum  grossen  „Schweizerischen  Idiotikon"71),  und  zu  H.  von  Pfisters72)  Idiotikon  von 
Hessen  ein  Ergänzungsheft.  —  In  einem  nachgelassenen  Aufsatze  B  i  r  1  i  n  g  e  r  s 73)  bind 
bemerkenswerte  Wörter  und  Wortverbindungen  aus  Schriften  schlesischer  Vf.  von 
1680—1760,  unter  denen  sich  auch  Daniel  Stoppe  befindet,  zusammengestellt:  besonders 
interessieren  alte  medizinische  Kunstausdrücke  in  den  Arbeiten  einiger  schlesischer 
Aerzte  dieser  Zeit.  —  Für  die  niederrheinischen  Mundarten  fasst  L  e  it  h  ä  u  s  er74), 
der  schon  1891  begonnen  hatte,  die  zahlreichen  Gallizismen  des  Niederrheins  zu 
sammeln,  umfangreicheres  Material  in  einer  zweiten  Sammlung  zusammen,  die  den 
Anteil  der  einzelnen  Mundarten  genauer  absteckt  und  auch  einen  Blick  auf  die  an- 
grenzenden Dialekte  (z.  B.  Hessens  und  Thüringens)  gestattet.  Wir  sehen  in  den 
Bezeichnungen  für  gewerbliche  Ausdrücke  starke  fremde  Einflüsse,  so  z.  B.  in  den 
terminis  technicis  der  Besatzindustrie  von  Elberfeld  und  Barmen,  der  Eisenindustrie 
von  Rem  scheid- Solingen,  die  teils  aus  Frankreich  direkt,  teils  aber  auch  durch  Handels- 
beziehungen über  Holland  zu  uns  gelangt  sind.  Eine  zweite  Gruppe  bilden  Soldaten- 
und  Kriegsausdrücke,  ferner  Tier-  und  Pflanzennamen,  am  stärksten  endlich  sind  die 
Ausdrücke  für  den  Verkehr  und  das  tägliche  Leben  vertreten.  —  Mit  der  Umgangs- 
sprache des  Niederrheins  beschäftigt  sich  Gloel75),  jedoch  mehr  in  grammatisch- 
syntaktischer Beziehung.  —  Für  die  Mundart  des  TaubergTundes,  also  des  nordöstlichen 
Badens,  hat  Heilig76)  lexikalisch-grammatische  Beiträge  gesammelt,  für  den  Wort- 
schatz des  oberen  Saalegebietes  Z  a  p  f 77).  —  Himmelstos  s78)  setzt  seine  Beiträge 
aus  dem  bayerischen  Walde  auch  in  diesem  J.  fort  f  JBL.  1892  I  6  :  34;  1893  18:1 14).79)  — 

Neben  den  Mundarten,  die  aus  ihrem  unerschöpflichen  Quell  der  Schriftsprache 
neues  Leben  zufliessen  lassen,  stehen  als  wichtiger  Zufluss  die  Sprachen  der  ver- 
schiedenen Stände.  Die  Studentensprache  hat  aus  Anlass  des  Jubiläums  der 
Universität  Halle -Wittenberg  eine  zweifache  Behandlung  erfahren.  Erstlich  hat  der 
„Deutsche  Abend"  in  Halle,  die  Professoren  und  Docenten  B  u  r  d  ac  h 8Ü),  Strauch,  John  Meier 
sowie  eine  Anzahl  Studierender, in  gemeinsamer  Arbeit  zwei  Werke  herausgegeben,  die  für 
die  Studentensprache  des  18.  Jh.  in  Halle  von  grösstem  Interesse  sind:  das  Idiotikon 
der  Burschensprache  aus  dem  J.  1795  von  Chr.  Fr.  B.  Augustin  und  die  Studentenlieder 
Kindlebens  vom  J.  1781.  Die  ausserordentlich  frisch  und  anziehend  geschriebene 
Vorrede  B.s  orientiert  über  die  literarhistorische  Stellung  beider  Werke  und  die 
Persönlichkeiten  Augustins  und  Kindlebens.  Die  Publikation  des  Idiotikons  lässt  uns 
einen  Blick  thun  in  die  Hallische  Studentensprache  am  Ende  des  vorigen  Jh.  und 
zeigt  in  ihren  fortlaufenden  Anmerkungen  das  Schicksal  jedes  damals  für  Plalle  als 
studentisch  geltenden  Ausdrucks  an  (S.  XII— XIII):  viele  sind  in  die  Literatursprache, 
viele  in  die  Umgangssprache  übergegangen,  viele  leben  in  der  Sprache  der  heutigen 
Studenten  fort,  einige  sind  in  die  vulgäre  Rede  hinabgesunken,  einige  ganz  ver- 
schwunden. —  Ferner  hat  John  Meier81)  allein  in  breiterer  Ausführung  die  Hallische 
Studentensprache  besonders  nach  Hallischen  Quellen  gezeichnet.  Er  behandelt  die 
verschiedenen  Quellen  der  Studentensprache  und  zwar  zuerst  (S.  5 — 19)  den  Anteil 
der  Gaunersprache  mit  ihren  allgemein  bekannten  Ausdrücken  wie  Kies,  Moos  usw.; 

Bd.  2.  München,  Kaiser  304  S.  M.  8,00.  (S.  bes.  S.  161-304.)  —  65)  H.  Gradl,  D.  Mundarten  Westböhmens  (Forts,  ans 
Bd.  1,  S.  81-111):  ib.  S.  207-42.  |[Fr.  Jacobi:  BBG  30,  S.  110,4;  Fr.  Kauffmann:  LBIGRPh.  15,  S  220-222.  (K.  bespr. 
d.  1.  T.)]|  —  66)  A.  Ritschel,  Präger  Deutsch:  PhonetSt.  6,  S.  129-33  |[J.  Jent:  BBG.  30,  B  655.]|  —  67)  W.  Nagl,  D. 
Vokalismus  unserer  Mundart,  bist,  beleuchtet  (bayer.-ö^terr.):  HVLNiederöstr.  28,  8.  421-54.  (Jetzt  auch  bosonders :  Wien, 
C.Fromme.  IV,  124  H.  M  2,00.)  —  68)  G.  Keintzel,  Lautlehre  d.  MundarW  v.  Bistritz  u.  Sächs.-Regen.  Mit  Be- 
rücksicht.  abweichender  Lautverhältnisse  in  d.  sächs.  Ortsdialekten  d.  Umgeb. :  AVSbnbgL.  26,  S.  133-222.  —  69)  X  G.  O. 
Kisch,  Ueber  d.  Bistritzer  Mundart,  verglichen  mit  d.  moselfränk.:  BGDS.  17,  S.  347-411.  (Als  Tübinger  Diss.  64  S.)  — 
70)  O.  BfrennerJ,  Ueber  mundartl.  Wörtersamml.:  Bayerns  Mundarten  2,  S.  281,3.  —  71)  Schweiz.  Idiotikon:  Heft  26/7. 
Frauenfeld,  J.  Huber.  S.  768-1088.  ä  M.  2,00.  |[L.  Freytag:  COIRW.  22,  S.  692/3  (vgl.  ib.  S.  177)11  (JBL.  1893  I  5  :  15; 
8:109.)  -  72)  H.  v.  Pfister,  Idiotikon  v.  Hessen.  2.  Ergänzungsheft.  Marburg,  Elwert.  49  S.  M.  1,20.  —  73)  A.  Birlinger, 
Lexikalisches:  ZDPh.  26,  S.235-55.  (Vgl.  i!>.  20,  S.  238-47,349-60,487-95.)  -  74)  J.  Leithäuser,  Gallizismen  in  niederrhein. 
Mundarten.  IL  Progr.  d.  Realgymn.  Barmen,  Steinborn  &  Co.  4".  25  S.  M.  1,00.  (Vgl.  N.  86,  195  a.)  —  75)  H. 
Gloel,  Niederrhein.  Deutsch.  (=11:69,8.63-70.)  -  76)  O.  Heilig,  Beitrr.  zu  e  Wörterb  d.  ostfränk.  Mundart  d. 
Taubergrundes.  Beil,  zu  d.  Progr.  d.  Grossherzogl.  Bad.  Roalschnle  zu  Heidelberg.  Heidelberg.  4°.  20  S.  —  77)  L. 
Zapf,  Aus  d.  Wortschatze  d.  bayreuth.-fränk.  Mundart  im  oberen  Saalegebiet:  Bayerns  Mundarten  2,  S.  261/8.  —  78)  M. 
Hiramelstoss,  Aus  d.  bayer  Wald:  ib.  S.  243-61.  —  79)  X  F.  Martin,  Haarigel  und  Huareule.  (=  I  1  :  2,  S.  129-33.) 
—  80)  (I  4:49;  5:293.)     |[M.  Heyne:    ADA.  22,    S.  253/8.]|    —   81)  (I  4:49a.)    —   82)   X    F.  Tetzner,   Dtsch.  Wörterb. 


W.  Scheel,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.      I  7  :  81-96 

sodann  (S.  19 — 37)  den  Einfluss  der  Antike,  der  sich  ausser  in  Anklängen  der 
Mythologie,  besonders  in  Worten  und  Wortelementen  aus  dem  Altertum  zu  erkennen 
giebt:  es  sind  Bildungen  wie  Grobität,  Filzität  usw.;  daran  schliessen  sich  alle 
die  anderen  Ausdrücke,  die  auf  klassische  Bildungsart  zurückzuführen  sind,  z.  B.  das 
rätselhafte  Fidibus  (S.  24),  ferner  die  griechische  Endung  -w  (S.  26/7),  eine  lange 
Reihe  bildend  von  der  Zeit  an,  da  das  Latein  noch  lebende  Sprache  war,  bis  auf  die 
allerneueste  Zeit  (S.  37).  Es  folgen  die  französischen  Elemente,  deren  Aufnahmezeit 
sich  auf  das  17.  und  18.  Jh.  beschränkt  (S.  37—41).  Dazu  kommen  (S.  41 — 59)  Aus- 
drücke der  Umgangssprache,  die  ihre  eigentliche  Bedeutung  eingebüsst  und  studen- 
tisches Gewand  angezogen  haben.  Den  Schluss  machen  Proben  aus  den  Tafelliedern 
der  Hallisch-akademischen  Zeitgenossen  aus  den  J.  1785-90  (Berlin  1820),  sowie  der 
Anfang  des  5.  Aktes  von  Romeo  und  Julie  aus  Fr.  Chr.  Laukhards  Annalen  der 
Universität  zu  Schiida  (1,  S.  301  ff.;  1798).  —  Für  die  übrigen  Standessprachen82) 
sind  nur  kleinere  Aufsätze  zu  verzeichnen:  so  behandelt  Steinecke821)  die  Berg- 
mannssprache, ferner  ein  Anonymus83)  die  Weidmannssprache,  beide  jedoch  mehr 
vom  Standpunkte  des  Sprachreinigers  aus.  —  Ziemer84)  bespricht  die  Plauderei 
Habeiiands  über  militärische  Terminologie  (JBL.  1893  I  8:99).  —  Rehorn85)  will 
das  Wort  „Sergeant"  aus  dem  Deutschen  erklären.  —  Auf  Leithäusers86)  Bericht 
über  die  kaufmännische  Verkehrssprache  in  den  Rheinlanden  ist  schon  oben  hin- 
gewiesen worden.  —  Ueber  Gaunersprache  und  -  namen  handeln  zwei 
Anonymi87"88).  — 

Bei  dem  grossen  Einigungsprozess  der  neuhochdeutschen  Gemeinsprache, 
den  uns,  wie  oben  erwähnt,  Kluge89)  in  grossen  Zügen  geschildert  hat,  ist  die 
Einigung  der  Aussprache  noch  am  weitesten  zurück.  Gerade  wie  bei  dem  lexi- 
kalischen und  grammatischen  Ausgleich  zwischen  den  einzelnen  Dialekten  jede  Mund- 
art etwas  beisteuert,  aber  in  arideren  Stücken  wieder  Fremdes  annehmen  muss,  so 
darf  auch  die  Einigung  der  Aussprache  des  Schriftdeutschen  nicht  dadurch  erzielt 
werden,  dass  ein  einzelner  Dialekt  als  massgebend  hingestellt,  sondern  dass 
eine  über  dem  Mundartlichen  stehende  Aussprache  angestrebt  wird.  —  In  ersterem 
Sinne  schildert  Schmolke,  über  dessen  Arbeit  Franke90)  in  diesem  J.  berichtet, 
sorgfältig  die  in  den  gebildeten  Kreisen  Brandenburg-s  übliche  Aussprache.  F.  wird 
jedoch  nicht  zu  der  Ansicht  bekehrt,  dass  eine  vollständige  Einheitlichkeit  der  Aus- 
sprache des  Schriftdeutschen  überhaupt  erstrebenswert  oder  erreichbar  wäre;  in  jedem 
Falle  wird  hier  dem  Niederdeutschen,  dort  dem  Oberdeutschen  eine  allzu  grosse 
Verleugnung  seines  Dialektes  zugemutet.  —  Felsberg91)  bestreitet  die  Allgemein- 
gültigkeit  eines  einzelnen  Dialektes  und  stellt,  parallel  der  mitteldeutschen  Herkunft 
unserer  Schriftsprache  im  allgemeinen,  auch  für  die  Aussprache  eine  Beobachtung 
der  allgemein  mitteldeutschen  Eigentümlichkeiten  als  fruchtbar  hin,  freilich  mit  Be- 
rücksichtigung davon,  dass  das  Oberdeutsche  auf  die  Entstehung,  das  Niederdeutsche 
auf  die  Weiterbildung  der  Schriftsprache  einen  grossen  Einfluss  gehabt  hat.  —  Ebenso 
strebt  Zimmermann92)  eine  gewisse  Einheitlichkeit  an,  indem  er  das  Schwanken 
und  die  daraus  entstehende  Unsicherheit  im  Lehren  einer  vorbildlichen  Aussprache 
an  Beobachtungen  im  Seminar  zu  Meersburg  in  Baden  erläutert  und  über  wichtige 
Fälle  eine  Einigung  zu  erzielen  sucht,  mit  denen  der  Recensent  Rudolph  nicht 
immer  einverstanden  ist.  —  Eine  gewisse  Einigung  in  der  Aussprache  ist  bis  jetzt 
nur  in  der  Bühnensprache  unserer  grossen  Theater  erzielt,  wie  sie  auch  in  den 
beiden  Schriften  Vietors93  94),  die  in  Recensionen  berührt  werden,  als  Norm  an- 
gegeben ist.  — 

Haben  wir  so  an  der  Hand  der  diesjährigen  Erscheinungen  die  Entwicklung 
der  Schriftsprache  von  ihren  Anfängen  an  verfolgt,  so  wenden  wir  uns  nun  zu  den 
Arbeiten,  die  den  jetzigen  Stand  des  Neuhochdeutschen  charakterisieren 
und  erläutern,  Schwächen  und  Mängel  ergänzen,  sowie  Schäden  und  Fehler,  die 
sich  eingeschlichen,  ausmerzen  wollen.  Im  allgemeinen  würdigt  die  deutsche 
Sprache  und  Art  Hess  in  seinem  bekannten  Buche,  das  in  diesem  Jahre  eine 
Besprechung  von  Roediger 95)  erfahren  hat,  die  das  auch  für  weitere  Kreise  Anregende 
und  Belehrende  hervorhebt.    —    Hildebrand96)    setzt    wiederum  seine   wie   immer 

(=  Uß.  N.  3168-70.)  L.,  Reclani.  331  S.  M.  0,60  |[C.  K.:  TglRsB.  N.  37.]]  —  82a)  V.  Steinecke,  D.  dtsch.  Bergmanns- 
sprache:  ZADSprV.  5,  S.  106-14.  —  83)  Z.  Weidmannssprache:  ZDS.  8,  S  258/9.  (Vgl.  ib.  S.  3412.)  -  84)  H.  Ziemer: 
Gymn.  12,  S.  429-30.  —  85)  K.  Rehorn,  Sergeant:  MDSprV(Berlin).  5,  S.  839.  -  86)  (=  N.  74:  vgl.  auch  N.  195a.)  -  87) 
Verbrecher-Spitznamen:  Didask.  N.  188.  —  88)  Rotwälsch:  ZDS.  8,  S.  234/6.  —  89)  (=  N.  35.)  —  90)  C  Franke, 
H.  Schmolke,  Regeln  über  d.  dtsch.  Aussprache  (Progr.  d.  Friedrichs-Realgymn.  Berlin  fGaertnerJ.  1890.  4°.  44  S.): 
ZDU.  8,  S.  268/9.  —  91)  0.  Felsberg,  Z.  Aussprache  d.  Schriftdentschen.  Ber.  d.  Alexandrinenschule  zu  Koburg. 
Koburg  (Dietzi.  19  S.  —  92)  J.  N.  Zimmermann,  D.  Aussprache  d.  Hochdtsch.  in  unserem  Seminar.  Progr.  üeber- 
lingen  (A.  Feyel).  71  S.  |[L.  Rudolph:  COIKW.  22,  S.  236/7.)|  —  93)  W.  Vietor,  Wie  ist  d.  Aussprache  d.  Deutschen  zu 
lehren?  E.  Vortr.  Marburg,  Elwert.  1893.  26  S.  M.  0,50.  |[Söhns:  C01RW.  22,  S.  371,2.]!  -  94)  id.,  D.  Aussprache  d. 
Schriftdeutschen.  (2  umgearb.  Aufl.  d.  Schrift.  D.  Aussprache  d  Wörterverzeichnisses  für  d.  dtsch.  Rechtschreib.)  L.,  Reisland. 
1890.  IV,  101  S.  M.  1,60.  irGymn.  12,  S.  651  2.] |  —  95)  M.  Roediger,  G.  Hess,  Geist  u.  Wesen  d.  dtsch.  Spr.  (JBL.  1892 
1  6:55):    ASNS.  92,    S.  78.    -    96)  R.  Hildebrand,  Z.  Logik  d.  Sprachgeistes:  ZDU.  8,  S.  684-92.   (Forts,  zu  ZDU.  6,  S.  802; 

(1)11* 


I  7:96-113      W.  Scheel,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache. 

anregenden  Beobachtungen  über  die  Logik  des  Sprachgeistes  fort  und  giebt  kleine 
aneinandergereihte  Abhandlungen  über  einzelne  Worte,  z.  B.  „der  Bediente",  „jetzt", 
oder  über  den  rätselhaften  Konjunktiv  „da  wären  wir  endlich"  usw.,  in  denen 
der  Sprachgeist  nicht  streng  logisch  verfahren  ist.  Erwähnt  sei  dazu  der  unvoll- 
endete Aufsatz  H.s  über  „Wache  stehen  und  dergl."  —  Ebenfalls  im  allgemeinen 
redet  über  die  deutsche  Sprache  L innig97),  dessen  Buch  in  zweiter  Auflage  vorliegt, 
sowie  Stock  lein98),  der  in  seinen  Ergänzungen  zu  Weises  Charakteristik  der  latei- 
nischen Sprache  auch  auf  unsere  Muttersprache  zu  sprechen  kommt.  —  Biltz  99)  Auf- 
sätze und  Schumanns100-101)  sprachliche  Betrachtungen  sind  in  Anzeigen  besprochen 
worden.  — 

Unter  den  Arbeiten,  die  unsere  Sprache  vom  historischen  Standpunkte 
betrachten,  steht  Wilmanns  deutsche  Grammatik  (JBL.  1893  I  8:66)  obenan, 
die  von  K.  von  Bah  der102)  Verdientermassen  gelobt  wird.  B.  wünscht  nur  mehr 
Rücksichtnahme  auf  die  neueren  Dialektarbeiten  und  trägt  zu  einigen  strittigen 
Punkten  selbständige  Ansichten  vor.  —  In  dritter  Auflage  kam  lieferungsweise  die 
neuhochdeutsche  Grammatik  von  B  latz 103)  heraus,  die  jedoch  erst  1895  vollständig  ge- 
worden, also  der  Besprechung  des  nächsten  Jahres  vorbehalten  bleibt.  —  Bemerkens- 
wert ist  die  in  zwei  starken  Bänden  erschienene  ausführliche  Grammatik  und  Syntax 
der  deutschen  Sprache  von  Valentine104),  die  nicht  nur  die  älteren  Sprachperioden 
des  Deutschen,  sondern  auch  die  verwandten  indogermanischen  Sprachen  genauer 
berücksichtigt.  Besonders  anzuerkennen  ist,  dass  auch  Beispiele  aus  dem  16.  und  17.  Jh. 
herangezogen  sind ;  das  18.  und  19.  Jh.  ist  selbstverständlich  ebenfalls  stark  vertreten.  — 
Das  ältere  Neuhochdeutsch  nimmt  Raph.  Meyer105)  zum  Ausgangspunkt  der  Be- 
trachtung und  erläutert  an  55  Strophen  des  Liedes  vom  „Hürnen  Seyfrid"  die 
Unterschiede  des  älteren  Neuhochdeutsch  von  der  jetzigen  Sprache  zur  Einführung 
für  Anfänger  und  zwar  besonders  für  Ausländer,  die  sich  mit  dieser  Sprachperiode 
beschäftigen  wollen.  —  Speciell  die  Abweichungen  im  Konsonantismus  beleuchtet 
Procyk106).  —  Die  beiden  Werke  von  Lyon107)  und  Wilke108)  sind  mehrfach 
besprochen  worden.  — 

Zur  Formenlehre  sind  nur  wenige  Abhandlungen  zu  verzeichnen. 
Brenner109)  und  ein  Anonymus110)  erörtern  die  drei  Geschlechter  des  Zahlwortes 
„Zwei".  —  Jeitteles  ln)  setzt  seine  Betrachtungen  über  das  neuhochdeutsche  Pronomen 
fort  (JBL.  1893  I  8:  77)  und  behandelt  in  diesem  J.  die  Demonstrativpronomina:  der, 
dieser,  jener,  derjenige,  derselbe,  derselbige,  selber,  selbiger;  sodann  das  Relativ, 
Interrogativ  und  die  unbestimmten  Pronomina:  jemand,  niemand,  jeder,  jedweder, 
jedermann.  —  Die  Flexion  und  zwar  nicht  nur  im  Substantiv,  Adjektiv,  Zahlwort 
und  Pronomen,  sondern  auch  im  Verbum  ist  von  Bender112)  in  zwei  Programm- 
abhandlungen in  ihren  vielgestaltigen  Wandlungen  bis  auf  die  heutige  Zeit  verfolgt 
worden,  vorzüglich  mit  Rücksicht  auf  die  Analogiebildungen.  Ziemer  lobt  die  Ab- 
handlungen als  besonders  dem  Bedürfnisse  des  Fachlehrers  entsprechend.  — 

In  das  Gebiet  der  Syntax  leitet  das  theoretische  Buch  von  Ries113)  ein. 
Der  Vf.  wendet  sich  gegen  die  jetzt  übliche  Behandlungsweise  der  Syntax  und 
scheidet  unter  den  gegenwärtigen  Behandlungsarten  syntaktischer  Probleme  drei 
Gruppen :  a)  die  Mischsyntax,  die  nicht  nur  Erörterungen  über  Wesen  und  Gebrauch 
der  Wortarten,  sondern  auch  die  Lehre  von  der  Bedeutung  der  Flexionsformen  in 
ihre  Darstellung-  aufnimmt  und  durch  die  Mischung  ganz  verschiedenartiger  Bestand- 
teile die  geringste  systematische  Bedeutung  hat;  b)  das  System  Miklosichs,  der  die 
Syntax  als  Darlegung  der  Bedeutung  der  Wortklassen  und  Wortformen  definiert 
und,  ebenso  wie  sein  Nachfolger  Erdmann,  den  Satz  und  dann  das  Satzgefüge  ganz 
bei  Seite  lässt;  c)  im  Gegensatz  dazu  die  Behandlung  der  Syntax  als  Satzlehre,  der 
R.  im  allgemeinen  wenigstens  zustimmt.  Nach  diesem  ö eberblick  giebt  er  dann  das 
Resultat  seiner  eigenen  Beobachtungen  und  beleuchtet  die  Syntax  und  ihre  Stellung' 

vgl.  JBL.  1892  I  6 :  6 ;  1893  I  8 :  62 ;  dazu  auch  d.  unvollend.  Aufsatz  „Wache  stehn  u.  dergl."  :  ZDU. 8,  S.  787/8.)  —  97)  F.  L i  n  n  i g,  Bilder 
z.  Gesch.  d.  dtsch.  Spr.  2.  (Titel-)Ausg.  Paderborn,  Schöningh.  X,  490  S.  M.  3,00.  (1.  Aufl.  1881.)  -  98)  J.  Stock  lein, 
Beobachtungen  über  d.  Znsamroenh.  zwischen  Spr.  u.  Volkscharakter:  BBG.  30,  S.  335-57.  —  99)  K.  Biltz,  Z.  dtsch.  Spr.  u. 
Litteratnr.  Vortrr.  u.  Aufsätze  (Potsdam,  A.  Stein.  1888.  3C0  S.  M.  3,00):  ib.  S.  316/7.  —  100-101)  P.  Schumann, 
Kpvachl.  Betrachtungen  (JBL.  1893  I  8:  139):  VossZg.  N.  88.  -  102)  K.  v.  Bahder:  LBIGBPh.  15,  S.  217-20.  —  103)  X  X 
F.  Blatz,  Neuhochdtsch.  Grammatik  mit  Berücksicht.  d.  hist.  Entwickl.  d.  dtsch.  Spr.  3.  Aufl.  1.  Lfg.  Karlsruhe,  Lang. 
S.  1-128.  ä  M.  1,00.  —  104)  W.  W.  Valentine,  New  High  German,  a  comparative  study.  2  vols.  (Ed.  by  A.  H.  Keane.) 
London,  Isbister  &  Co.  XIV,  456  S.;  X,  444  S.  Sh.  30.  —  105)  Raph.  Meyer,  Einführung  in  d.  ältere  Neuhochdeutsche  z. 
Stud.  d.  Germanistik.  L.,  Reisland.  VII,  99  S.  M.  1,60.  —  106)  A.  Procyk,  D.  wichtigsten  Abweichungen  d.  neuhochdtsch. 
Konsonantismus  vom  mittelhochdtsch.  Progr.  Leroberg.  31  S.  —  107)  (I  6:142.)  —  108)  E.  Wilke,  Dtsch.  Wortkunde. 
E.  Hilfsb.  für  Lehrer  u.  Freunde  d.  Mutterspr.  L.,  R.  Richter.  1893.  VII,  278  S.  M.  2,75.  j[R.  Schwenk:  BBG.  30,  S.  492/3  ; 
K.  Scheffler:  ZADSprV.  S.  156,7;  E.  K.:  TglRsB.  N.  20;  W.:  Paed.  16,  S.  406;  H.  P.:  LCB1.  S.  1540  ]|  —  109)  0.  Brenner, 
Denkt  d.  Volk  über  seine  Sprache  nach?:  ZDU.  8,  S.  258.  —  110)  E.  merkwürd.  Sprachgebranch:  FZg.  N.  203.  — 111)  A.  Jeitteles, 
D.  neuhochdtsch.  Pronomen.  IL:  ZDPh.  26,  S.  180-201.  —  112)  0.  Bender,  D.  Analogie.  Ihr  Wesen  u.  Wirken  in  d.  dtsch. 
Flexion.  Progr.  d.  Bad.  Lehrerseminars  Meersburg  1.  u.  2.  Ueberlingen  (Fleyel).  1893—94.  74,  99  S.  |[H.  Ziemer: 
Gymn.  12,  S.  429.]  |  —  113)  J.  Ries,  Was  ist  Syntax?  E.  krit.  Versuch.  Marburg,  Elwort.  IX,  163  S.  M.  3,00.  |[H.  Ziemer: 
Gymn.  12,  S.  679-80;  P.  Kretschmer:   WSKPh.  11,  S.  743,6;  G.  Meyer:  LCB1.    S.  958/9;    Fr.  Stolz:    BPhWS.  14,    S.  12079 


W.  Scheel,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.     I  7  :  in-120 

im  Rahmen  der  Gesamtgrammatik,  ihr  Verhältnis  zur  Formen-  und  Bedeutungslehre, 
sodann  zur  Wort-  und  Lautlehre,  wie  zur  Stilistik.  Seine  Definition  (S.  142/3)  ist 
folgende :  Syntax  behandelt  die  Verbindung  der  Worte  zu  neuen  Einheiten  oder  die 
Wortfügung.  Ihr  Gegenstand  sind  die  Wortgefüge:  alle  Wortgefüge  und  nicht  nur 
die  Sätze,  nichts  als  die  Wortgefüge  und  nicht  auch  die  WTortarten  und  Wortformen.  — 
Wunderlichs  „Deutscher  Satzbau"  (JBL.  1892  I  6  :  74)  ist  auch  in  diesem  Jahre  viel- 
besprochen114); hervorzuheben  sind  die  Recensionen  von  T omanetz  und  Erdmann. 

—  Ebenso  ist  eine  Besprechung115)  zu  Freys  Arbeit  (JBL.  1893  I  8 :  91)  anzuführen. 
Der  Recensent  glaubt,  dass  die  Beleuchtung  eines  längeren  Entwicklungsabschnittes 
ein  klareres  Bild  geben  würde,  als  die  Zusammenstellung  des  Sprachgebrauches  eines 
oder  zweier  Werke.  —  Die  Arbeiten  des  Berichtsjahres  selbst  sind  nicht  zahlreich. 
Reis  116)  behandelt  als  Fortsetzung  seiner  Dissertation  (Giessen  1891;  JBL.  1891 1  8: 14) 
nach  Behaghels  Einteilung  der  Syntax  die  Bedeutung  der  Wortklassen,  Kongruenz, 
Wort-  und  Satzstellung,  Ersparung,  Pleonasmus  und  Tautologie  im  Anschluss  an  die 
Mainzer  Mundart.  1,7_12üj  — 

In  die  Stilistik  gehören  nur  neben  der  elften  Auflage  von  Sanders121) 
deutschen  Sprachbriefen  die  ziemlich  bizarren  Aeusserungen  „Aus  der  Mappe  eines 
lachenden  Philosophen"122),  der  sich  auch  über  Sprache  und  Stil  auslässt.  (Vgl. 
N.  200a— 15.)  — 

Neben  der  geschriebenen  Sprache  ist  in  diesem  J.  auch  die  Umgangssp  rac  he 
oder  Umgangsprache,  wie  Wunderlich  will,  zum  Gegenstand  der  Betrachtung  gemacht 
worden.  Gloel123)  behandelt  die  zwischen  Mundart  und  Schriftsprache  stehende 
Umgangssprache  des  Niederrheins,  das  „niederrheinische  Deutsch",  das  sich  ja  schon 
äusserlich  durch  seinen  unverkennbaren  Tonfall  verrät,  aber  auch  in  Deklination  und 
Wortbildung,  sowie  besondersin  syntaktischen  Dingen  eine  Reihe  von  Eigentümlichkeiten 
der  rheinischen  Sprache  hervorbringt.  Er  schöpft  aus  der  lebendigen  Rede  des  ge- 
selligen Verkehrs.  —  Wunderlich124)  dagegen  legt  die  Werke  der  Litteratur  seiner 
Darstellung  zu  Grunde,  in  denen  die  Sprache  des  täglichen  Lebens  geboten  zu  werden 
scheint.  Von  Goethes  Götz  und  Egmont  an  bis  zum  neuesten  Schauspiel  von  Suder- 
mann und  Halbe 125)  werden  die  Autoren  herangezogen.  Von  dem  Unterschied 
zwischen  Rede  und  Schrift  ausgehend,  bespricht  er  die  Eröffnungsformen  des  Gesprächs, 
sodann  die  Neigung  der  Umgangssprache,  sparsam  im  Ausdruck  zu  sein,  im  Gegen- 
satz dazu  andererseits  gerade  wieder  verschwenderisch  mit  ihren  Mitteln  umzugehen, 
beleuchtet  die  altertümlichen  Reste  neben  modernsten  Neubildungen  unserer  Sprache, 
besonders  am  Verbum  und  Pronomen,  und  behandelt  zum  Schluss  die  Satzverknüpfung 
und  Wortstellung.  — 

Grösseren  Umfang  hat  die  Erforschung  des  Wortschatzes  gewonnen,  wie 
sie  uns  besonders  in  den  Wörterbüchern  entgegentritt.     Von  dem  grossen  deutschen 
Wörterbuche  der  Brüder  Grimm  sind  aus  dem  4.,  8.  und  9.  Bande  neue  Lieferungen' 
erschienen;  der  8.  Band  unter  Leitung  Heynes126)  ist  dadurch  vollständig  geworden. 

—  Allgemeine  Betrachtungen  zum  deutschen  Wörterbuche  giebt  Steig127),  der  auf 
den  grossen  Umfang  des  Unternehmens  hinweist,  das  jetzt  auf  mehr  als  fünfzig  Jahre 
seiner  Geschichte  zurückblicken  kann.  Er  deutet  ferner  darauf  hin,  dass  die  Brüder 
Grimm  schon  selbst  die  Notwendigkeit  erkannt  haben,  die  in  den  ersten  Bänden 
nicht  bekannten  und  benutzten  Quellenwerke  in  den  späteren  nachzutragen.  Be- 
merkenswert ist  endlich,  dass  die  Brüder  ihre  eigenen  Schriften  ausschlössen,  so  dass 
öfters  dadurch  Leute,  die  ihnen  nahe  standen,  wie  z.  B.  Uhland  als  erste  Benutzer 
von  Wörtern  auftreten,  die  die  Grimms  zuerst  geprägt  haben.  —  Kleine  Nachträge 
zum  Wörterbuche  trägt  Reichel127u)  zusammen.  —  Neben  Wessely128),  dessen 
Buch  in  zweiter  Auflage  erschien  und  sich  durch  geschickte  Auswahl  und 
Anordnung  auszeichnet,  freilich  aber  andererseits  nicht  ohne  Vorsicht  zu  benutzen  ist, 
ist  Fetzners129)  deutsches  Wörterbuch  in  der  Reclamschen  Sammlung  zu  erwähnen, 
das  sich  an  weitere  Kreise  wendet  und  Kenntnis  wie  Liebe  zur  deutschen  Sprache 
und  Art  fördern  will.    Auch  sind  hier   die  einzelnen  Standessprachen  behandelt.    Das 


0.  Behaghel:  LBIGRPh.  15,  S.  3535;  Ad.  Tobler:  ASNS.  93,  S.  159-60.]|  —  114)  K.  Tomanetz:  ADA.  20,  S.  1-13; 
A.  Bauer:  RO.  38,  S.  2946;  F.  Hartmann:  DWB1.  7,  8.  190;  R  Löhner:  ZOG.  45,  S.  2379;  0.  Erdmann:  ZDPh.  20, 
S.  275,7.  -    115)  LCB1.  S.  1066,8.  —  116)  (=  N.  50.)  —   117)  X  'ln-  Matthias,  D.  Nennform  mit  um  zu  :  ZADSprV.  5,  S.  137-42. 

—  118)  X  J-  Poeschel,  Noch  e.  letztes  Wort  z.  Stellung  d.  Zeitwortes  nach  und:  ib.  S.  96/8.  —  119)  X  Zu  d-  Stellung  d. 
Zeitwortes  nach  und:  ib.  S.  34/6.  —  120)  X  p-  L-  Ipsen,  Wechsel  v.  Zeit  u.  Modus:  ZDS.  8,  S.  416.  —  121)  D.  Sanders, 
Dtsch.  Sprachbriefe.  11.  Aufl.  nebst  Anh.:  Gesch.  d.  dtsch.  Sprache  u.  Litt,  bis  zu  Goethes  Tod.  2  Bde.  B.,  Langenscheidt. 
424,  LXX  S.;  142,  IX  S.     M.  20,00.  —  122)  Aus  d.  Mappe  e.  lachenden  Philosophen.  4.  D.  Sprache:  ML.  63,  S.  1582,8,1607-12. 

—  123)  (=  N.  75.)  —  124)  H.  Wunderlich,  Unsere  Umgangsprache  in  d.  Eigenart  ihrer  Satzfngung  dargest.  Weimar, 
Felber.  XV,  271  S.    M.  4,50.  —   125)  X  (=  N.  31.)  —    126)  J.  u.  W.  Grimm,  Dtsch.  Wörterbuch.    (JBL.  1S93  I  8  :  104.)    4.  Bd., 

1.  Abt.,  2.  Hälfte,  10.  Lfg.;  8.  Bd.,  14.  Lfg.  Bearb.  unter  Leit.  v.  M.  Heyne;  9.  Bd.,  1.  Lfg.  L.,  Hirzel.  S.  3881-4072;  X, 
S.  2497-684:    S.  1-192.     ä  M.  2,00.     ||F.  D.:    TglKs«.    N.  167.]|    —    127)    E.    Steig,    Z.    dtscb.    Wörterbuche:    NatZg.   N.  243. 

—  127  a)  B.  Reich  ei,  KlDine  Nachtrr.  z  dtsch.  Wörterbuche:  ZDPh.  27,  S.  251-63.  —  128)  J.  E.  Wessely, 
Grammat.-stilist.  Wörterbuch  d.  dtsch.  Spr.  2.  Aufl.  L.,  Reisland.  X,  19S  S.  IL  3,00.  |[Gymn.  12,  S.  823;  ZRealschulw.  19, 
S.  309.]|    —    129)    (=  N.  82.)   —   130)    X   G-   G-:    COIRW.   22,    S.    173;    F.   Jostes:   LRs.   20,    S.   195/6;   J.   Seemüller: 


I  7:130-167    W.  Scheel,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache. 

Werkchen  beruht  auf  guten  Quellen  und  berücksichtigt  die  Etymologie  in  hohem 
Masse.  —  So  leitet  es  uns  zu  seinem  Vorbilde  Kluge130)  (JBL.  1893  I  8:  101)  über, 
dessen  fünfte  Auflage  in  mehreren  Besprechungen  als  ein  grosser  Fortschritt  gerühmt 
wird.  —  Ebenso  sind  zu  Duden131)  (JBL.  1893  I  8:103)  und  Faulmann132)  (JBL. 
1891  I  8:44;  1893  I  8:  102)  Recensionen  zu  erwähnen.  —  Aehnlich  wie  Faulmann 
werden  die  Beiträge  Mays133)  von  der  Kritik  vollständig  abgelehnt.134)  —  Im  all- 
gemeinen über  die  Etymologie  und  ihre  pädagogische  Bedeutung  handelt  Kirch - 
berg135).  —  Als  Vorbereitung  aufsein  deutsches  Wörterbuch,  das  noch  im  Erscheinen 
begriffen  ist,  spricht  Paul136)  über  die  Aufgaben  der  wissenschaftlichen  Lexiko- 
gTaphie.  — 

Hieran  reihen  sich  die  kleineren  Beiträge  zur  Worterklärung  und  zum 
Bedeutungswandel  in  einzelnen  Wörtern,  für  die  in  der  ZDU.  ein  Mittelpunkt 
gegeben  ist137).  Ich  kann  mich  daher  damit  begnügen,  unten  nur  die  wichtigsten 
aufzuzählen.  —  Ueber  die  Möglichkeiten  des  Bedeutungswandels  besonders  in  der 
griechischen  und  lateinischen  Sprache,  jedoch  auch  das  Deutsche  streifend,  spricht 
Thomas138),  der  bedauert,  dass  für  unsere  Muttersprache  keine  Zusammenstellung 
der  Art  vorhanden  ist,  wie  sie  Darmesteter  für  das  Französische  oder  Trench  für 
das  Englische  gegeben  haben.  —  Die  psychologischen  Bedingungen  dieser  Vorgänge 
sucht  Rosenstein139)  zu  erklären;  einzelne  bekannte  Beispiele  sammelt  Baum- 
gartner140).  —  Zur  Erklärung  einzelner  Wörter  hat  Eckstein141"143)  mehrere 
Untersuchungen  in  Aufsätzen  populärer  Art  gegeben,  die  auch  das  Gebiet  der  Namen- 
kunde streifen  und  recht  lesenswert  sind.  —  Ueber  das  Wort  „Schiessprügel" 
spricht  Schmitz144),  über  „Pumpernickel"  ein  Anonymus145),  über  „Gigerl",  zu 
dessen  Erklärung  "Wunderlich  im  vorigen  Jahresbericht  (JBL.  1893  I  8:118  a) 
das  Wort  „gikelmann"  aus  Schmeller  beigetragen  hatte,  Richter146)  und  May r14"), 
über  „Schurle-Murle"  Fränkel148)  und  Kuntze 149),  über  „dereinst"  Brenner150), 
über  „Muskate"  in  der  Bedeutung  von  Kot  Englert151),  über  das  Verbum  „zannen, 
sich  zauen"  Sprenger152"153);  derselbe  Sp.  datiert  und  erklärt  den  Ausdruck 
„binnen  kurzem".  Endlich  behandelt  Gl  öde154)  das  rätselhafte  „Minlede"  =  „Mein 
Lebtage".  —  Allgemeines  bietet  Gillhof155).  — 

Hierher  gehört  auch  die  Erklärung  dunkler  Redensarten,  über  die 
Gemss156)  im  allgemeinen  spricht.  —  Die  Redensart  „in  die  Pilze  gehen"  wird  von 
Rössner15"),  „einem  einen  Bären  aufbinden"  (=  „einem  zum  Spass  eine  Tierfigur 
an  den  Arm  oder  Rücken  binden")  von  Kubin158),  „einem  denDaumen  halten,  drücken" 
von  Schrader159),  und  „Stein  und  Bein  klagen"  von  Becker160)  zu  erklären  ver- 
sucht.161) —  Um  Schra  der  s162"165)  „Bilderschmuck"  (JBL.  1893  I  8:119)  gruppieren 
sich  eine  Reihe  von  Abhandlungen  desselben  Vf.,  die  ebenfalls  volkstümliche  Ver- 
gleichungen  und  Gleichnisse  zum  Gegenstand  haben.  Er  bespricht  die  Verwendung 
der  Farben  rot  und  grün  sowie  des  menschlichen  Ohres  in  der  Rede  des  Volkes.166)  — 

Einen  verhältnismässig  hohen  Prozentsatz  unserer  Wörterbücher  bilden  die 
Fremdwörter,  mit  denen  sich  auch  in  diesem  J.  zahlreiche  Schriften  beschäftigen. 
In  einer  schon  1887  separat  erschienenen,  jetzt  in  die  „Reden  und  Aufsätze"  auf- 
genommenen Abhandlung  giebt  Rümelin167)  eine  breite  Uebersicht  über  die  Fremd- 
wörterfrage :  er  scheidet  internationale,  d.  h.  in  Wissenschaft,  Kunst  und  Fachkreisen 
gebrauchte,  also  unübersetzbare  Fremdwörter  und  solche,  bei  denen  Ersatz  durch  ein- 
heimische Ausdrücke  allein  in  Frage  kommen  kann,  die  bei  fortschreitender  Kultur 
aus  höher  entwickelten  Sprachen  geborgt  sind,  weil  eben  in  der  eigenen  Sprache  nicht 
vollständig  Entsprechendes  vorhanden  war.     Er  hält  also  die  Fremdwörter  nicht    für 


ZOG.  45,  S.  518-21.|]  -  131)  X  Gymn.  12,  S.  823;  W.:  Päd.  16,  S.  405/6;  R.  Schwenk:  BBG.  30,  S.  280/1.  — 
132)  X  H-  Franck:  ADA.  20,  S.  81/3.  --  133)  M.  May,  Beitrr.  z.  Stammkunde  d.  dtsch.  Spr.  L.,  v.  Biedermann.  1893.  4". 
CXXX,  301  S.  M.8,00.  ||Bgm.:  LCB1.  S.962/3.]|  —  134)  X  H.' Ziemer,  A.  Gombert,  Weitere  Beitrr.  (JBL.  1893  I  8:106): 
Gymn.  12,  S.  430.  —  135)  Th.  Kirchberg,  D.  Etymolog,  u.  ihre  Bedeut.  für  Schule  u.  Leben.  (=  Päd.  Mag.  Her.  v.  F.  Mann. 
N.  27.)  Langensalza,  Beyer  &  Söhne.  1893.  32  S.  M.  0,40.  —  136)  H.  Paul,  Ueber  d.  Aufgaben  d.  wissenschaftl.  Lexiko- 
graphie mit  bes.  Rucks,  auf  d.  dtsch.  Wörterb.  Ak.  Abhiindl.  Mönchen  (Ak.).  39  S.  (=  SBAkMünchenPi".  S.  53-91.)  — 
137)  X  z°ü.  8,  S.  118-36,  197-202,  258-68,  408-13,  478-87,  538-48,  595-602,  702-10,  770/6,  849-56.  —  138)  R.  Thomas,  Ueber 
d.  Möglichkeiten  d.  Bedeutungswandels:  BBG.  30,  S.  705-32.  —  139)  A.  Rosenstein,  D.Leben  d.  Sprache.  Vortr.  (=SGWV. 
N.  187.)  Hamburg,  Verlagsanst.  1S93  35  S.  M.  0,60.  —  140)  R.  Baumgartner,  D.  Leben  d.  Sprache:  FrBIW.  N.  222.  — 
141)  E.Eckstein,  Verstehen  wir  deutsch  ?  Volkstüml.  Sprachuntersuch.  L.,  Reissner.  163  S.  M.  2,00.  [Grenzb.  2,  S.  47; 
K.  Scheffler:  ZADSprV.  5,  S.  154,6.]  |  -     142)  id.,  Aus  d.  Gebiete  d.  Wortdeutekunst:  WIDM.  76,  S.  1126.  —  143)  (I  5:406.) 

—  144)  J.  P.  Schmitz,  Wie  d.  Sprache  altes  Leben  fortführt:  ZDU.  8,  S.  201/2.  —  145)  V.  d.  Entstehung  d.  Wortes 
Pumpernickel:  Didask.  N.  177.  —  146)  (I  5:434.)  —  147)  (I  5:435.)  —  148)  L.  Fränkel,  Schurle-Murle:  ZDU.  8,  S.  4802. 

—  149)  F.  Kuntze,  Schurle-Murle:  ib.  S.  199-200.  —  150)  0.  Brenner,  Dereinst:  ib.  S.  258.  —  151)  A.  Englert,  Muskate 
in  d.  Bedeut.  v.  Kot:  ib.  S.  126/9.  —  152)  R.  Sprenger,  Zannen,  sich  zauen:  ib.  S.  199.  —  153)  id.,  Binnen  kurzem:  ib.  S.  130. 

—  154)  0.  Glöde,  Minlede  =  Mein  Lebtage:  ib.  S.  123.  —  155)  J.  Gillhof  f,  Verstehen  wir  unsere  Muttersprache?:  Päd.  16, 
H.  182/8.  —  156  l  Gemss,  Dunkle  Redensarten  in  d.  dtsch.  Spr.:  NorddAZg.  N.  413.  —  157)  O.  Rössner,  In  d.  Pilze  gehn: 
ZDU.  8,  S.  198.  —  158)  F.  Kubin,  Einem  e.  Bären  aufbinden:  ib.  S,  598/9.  —  159)  (I  5:374.)  —  160)  Th.  Becker,  Stein 
u.  Bein  klagen:  ZDU.  8,  S.  259.  —  161)  X  (I  5:365.)  |[LCB1.  S.  1069.JJ  —  162)  H.  Schrader,  D.  Rot  in  sprachl.  Bildern 
u.  Gleichnissen  :MDSprV(Berlin).  5,  S.  65-73.  —  163)  (1  5  :  382.)  —  164)  (I  6:878.)  —  165)  (1  5:383.)  —  166)  X  Aus  d-  Bilder- 
sprache d.  Volkes:    DPB1.  27,  S.  132/3.    —    167)    G.  Rßmelin,    Ueber  d.  Berechtig,  d.  Fremdwörter.    (=  Reden  u.  Aufsätze. 


W.  Scheel,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.     I  7:168-192 

eine  Entstellung-,  sondern  eine  Ergänzung  unseres  Wortschatzes.168)  —  Auf  demselben 
Standpunkte  steht  Andrä169):  Fremdwörter  sind  ihm  nicht  bloss  das  Zeichen  ver- 
schiedener Stände,  sondern  sie  können  auch  eine  Nuance  der  Auffassung  anzeigen.  — 
Auch  Pölzl170)  (JBL.  1892  I  6  :  129)  hatte  eine  Uebersicht  über  diese  Frage  gegeben; 
sein  Buch  wird  mehrfach  besprochen.  — Gegen  die  Ausländerei  redet  Eckstein171); 
dagegen  richten  sich  auch  natürlich  die  Abhandlungen  der  deutschen  Sprach- 
vereine172"173), die  meist  polemischer  Natur  sind.174)  —  Zu  erwähnen  wäre  endlich 
noch  Roedigers  ,75)Recension  über  Cremers  „Kein  Fremdwort",  sowie  Schefflers  176) 
„Schule  und  Sprachreinheit";  die  anderen  kleineren  Artikel  kann  ich  übergehen177"1791»). 

—  Einen  historischen  Ueberblick  über  die  Geschichte  der  Fremdwörter  und  ihre 
Berechtigung  giebt  aus  reicherem  Material  Kluge180).  Er  beleuchtet  die  Bedingungen 
ihres  längeren  Lebens  in  der  Sprache  und  ihres  Absterbens  und  scheidet  die  Schichten 
der  einzelnen  Jhh.,  sowie  das  Vor-  und  Zurückfluten  der  Fremdwörter  in  den  ver- 
schiedenen Zeiten.181)  —  Dies  führt  uns  auf  die  deutschtümelnden  Bestrebungen 
früherer  Epochen:  Saalfeld182)  bezeichnet  Philander  von  Sittewald  als  Vorläufer 
solcher  Sprachbewegungen;  Khull183)  giebt  Grimmeishausens  Schrift  „Pralerey  und 
Gepräng  mit  dem  Teutschen  Michel"  heraus,  die  in  ihren  Tendenzen  und  Bestrebungen 
unserer  heutigen  Zeit  recht  nahe  steht.  Kh.s  Einleitung  orientiert  ganz  kurz  über 
das  Werkchen,  dem  die  neueren  Darstellungen  der  Sprachbewegung  des  17.  Jh.  nicht 
gerecht  werden,  und  begleitet  in  Gemeinschaft  mit  Paul  Pietsch  des  Büchleins 
Abdruck  mit  kurzen  sprachlich  und  sachlich  erläuternden  Bemerkungen.  Trotz  allen 
Spottes  gegen  die  Fremdwörter  will  Grimmeishausen  doch  alte  eingebürgerte  Lehn- 
wörter, z.  B.  „Fenster",  nicht  entbehren,  wie  Philipp  von  Zesen  es  that:  er  nähert  sich 
auch  dadurch  heutigen  Anschauungen,  wie  sie  z.  B.  von  Vernaleken 184)  aus- 
gesprochen sind.  —  In  das  18.  Jh.  führt  uns  Eugen  Wolff185)  durch  seine  Be- 
merkungen über  Gottscheds  Ansichten  vom  Fremdwörterwesen :  Gottsched  will  deutsche 
Wörter  angewendet  wissen  da,  wo  für  die  fremden  ein  genau  passender  Ausdruck 
vorhanden  ist;  den  zugelassenen  Fremdlingen  will  er  durch  Orthographie  und  deutsche 
Endungen  ein  heimisches  Gewand  umlegen.  —  Als  Mahnruf  aus  dem  J.  1816  ver- 
öffentlicht Mehring186)  die  Bemerkungen  eines  Recensenten  Rt.  im  Dramaturgischen 
Wochenblatt  1816  N.  14  über  Fremdwörter  in  Adolf  Müllners  „Schuld".  —  Sprach- 
reinigende Tendenzen  verfolgte  in  derselben  Zeit  die  „Berlinische  Gesellschaft  für 
deutsche  Sprache",  über  die  J.  Koch187)  sehr  interessante  Mitteilungen  von  den 
Sclniften  der  einzelnen  Mitglieder  aus  ihren  Sitzungsberichten  und  Protokollen  ge- 
macht hat.  Wir  erfahren  daraus,  dass  neben  literarhistorischen  Thematen,  die  hier 
übergangen  werden  müssen,  auch  Vorträge  über  Sprachlehre  und  Sprachreinigung 
in  der  Gesellschaft  gehalten  worden  sind,  der  keine  geringeren  Leute  wie  Zeune, 
Zumpt,  Ribbeck,  Giesebrecht,  Massmann,  F.  Bopp,  Bellermann  und  viele  andere  an- 
gehörten oder  in  ihren  Bestrebungen  nahe  standen.  Ihre  Büchersammlung  soll  vom 
Vf.  im  nächsten  J.  katalogisiert  werden ;  die  Hss.  sind  genauer  (S.  26  ff.)  besprochen.  —  Für 
praktische  Verdeutsch ungs versuche  und  Ausmerzung  der  Fremdwörter  in  heutiger 
Zeit  ist  die  ZADSprV.  ein  Mittelpunkt  geworden,  die  in  kleineren  Bemerkungen  An- 
regungen zur  Reform  der  Gesetzes-  und  Verordnungssprache  geben  will.  Für  das 
grössere  Publikum  ist  Liebknechts188)  Buch  bestimmt,  dessen  7.  Auflage  zu  ver- 
zeichnen ist,  ebenso  Sarrazin189),  dessen  zweite  Auflage  (1889)  in  diesem  J.  be- 
sprochen wird.  —  Die  Fremdwörter  der  Handelssprache  bekämpft  Eitzen 190"191); 
er  sammelt  sie  zugleich  in  einem  Fremdwörterbuch  der  Handelssprache.  —  Die  ent- 
behrlichen Fremdwörter  im  Wörterverzeichnis  zum  Rechtschreibungsbüchlein  für 
preussische  Schulen  verdeutscht  Linhoff ,M),  die  Sprache  der  Wissenschaft,  besonders 

3.  Folge.  [Freilrarg  i.  B.,  Mohr.  VII,  XX,  405  S.  M.  6,00],  S.  179-221.)  —  168)  X  id-.  Ueber  d.  neuere  deutsche  Prosa. 
(=  N.  167,  S.  222-47.)  -  169)  R.  Andrä,  Beobachtungen  am  Fremdwort:  ZDS.  8,  S.  2514.  —  170)  X  F-  Prosoh:  ZOG.  45, 
S.  468;  G.  Burghau ser:  ib.  S.  104*.  —  171)  (=  N.  141,  S.  125-49.)  —  172)  X  G-  A.  Saalfeld,  V.  d.  „puristischen  Mode- 

krankheif  oder ?:  ZADSprV.5,  8.  142,4.  -  173)  X  E.  Seitz,  Meine  Bekehrung:  FZg.  N.  232,  S.  1/3.  (=  MI)SprV(ßerlin).5, 

S.  89-98.)  —  174)  X  H.  Scheffler,  D.  Fremdwörterfrago.  Braunschweig,  F.  Wagner.  16  S.  M.  0,50.  |[H.  Dunger: 
ZADSprV.  5,  S.  146/8.]!  —  175)  M.  Roediger,  W.  Cremer,  Kein  Fremdwort  (Hannover-Linden,  Manz*  Lange.  1891.  VII,  64  S. 
M.  1,50):  ASNS.  92,  S.  78/9.  -  176)  K.  Scheffler,  Schule  U.  Sprachreinheit:  Kai.  aller  Deutschen  S.  222,8.  —  177)  X  M- 
Horwitz,  V.  d.  Sprachreinigern:  KönigsbAZg.  22.  Apr.  —  178)  X  A.  Rke  ,  Sprachreinheit  u.  Sprachrichtigkeit:  Frei  Deutsch- 
land 20.  Mai  u.  1.  Juli.  -  179)  X  Haberkorn,  Sprachreinigung:  DR.  3,  S.  249-54.  —  179a)  X  F-  Reuleaux,  Ver- 
kannte Fremdwörter:  MDSprV(Berlin).  5,  S.  17-23.  —  179b)  X  Dtsch.  Wörter  als  Fremdwörter  im  Deutschen:  DAdelsbl.  S.  350. 

—  180)  Fr.  Kluge,  Sprachreinheit  u  Sprachreinigung  gesch.  betrachtet:  ZADSprV.  5,  S.  201-11.  IfVossZg.  N.  388;  BerlTBl. 
N.  424. j |  (Auch  abgedr.  in  d.  DB11EU.  21,  S.  4113,  415,8.)  -  181)  X  J.  Gillhoff,  Zweierlei  Mass:  Päd.  16,  S.  645-54.  — 
182)  G.  A.  Saalfeld,  E.  Bahnbrecher  vor  mehr  als  zwei  Jhh.:  ZADSprV.  5,  S.  312.  —  183 1  F.  Khull,  Grimraelshausens 
Schrift  „Pralerey  und  Geprang  mit  d.  Teutschen  Michel'  (1673).  (=  N.  35,  Heft  VII,  S.  41-87.)  —  184)  T  h. 
Vernaleken,  Entlehnungen  u.  Verdeutschungen  in  unserer  Spr.  (Abschn.  II:  Ueber  unsere  Lehnwörter,  ihre 
Bedeut.  und  nat.  Einkleidung  .  .  .) :  Päd.  16,  S.  250,5,  365-70.  (Vgl.  auch  N.  197.)  —  185)  (=  N.  17,  S.  217.)  -  186)  Th. 
Mehring,  E.  Mahnruf  vom  J.  1816:  ZADSprV.  5,  S.  98.  —  187)  (I  3:275.)  -  188)  VV.  Liebknecht,  Volks-Freradwörter- 
buch.  7.  Aufl.  Stettin,  J.  H.  VV.  Dietz.  VIII,  616  S.  M.  3,20  —  189)  O.  Sarrazin,  Verdeutschungs- Wörterbuch.  2.  bedeut. 
verm.  Aufl.  (B.,  Ernst  &  Korn.  1889.  XXI,  293  S.  M.  5,00):  Gyran.  12,  S.  97  8.  -  190)  F.  W.  Eitzen,  Vom  Missbrauch  d. 
Fremdwörter  im  Handel.  L.,  Haessel.  52  S.  M.  0,50.  HTglRsB.  N.  294,  296,7,  302.J|  —  191)  id.,  Fremdwörter  d.  Handels- 
sprache, verdeutscht  u.  erläut.,  z.  Ergänz,  seiner  mehrsprachl.  Wörterbücher  für  Kaufleute,     ebda.     176  S.     M.  3,00  —  192)  M. 


I  7  :  193-209    W.  Scheel,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache. 

der  Mathematik,  Natur-  und  Erdkunde  möchte  Hullmann  m)  im  Gegensatz  zu 
Rümelin  194)  vollständig- deutsch  gestalten. —  Ueber  die  Fremdwörtersucht  einesneuesten 
Schriftstellers  handelt  ein  Anonymus195),  über  die  Fremdwörter  im  Ostfriesischen 
Goedel195a).  —  Mit  der  Ausmerzung  der  Fremdwörter  aus  der  deutschen  Sprache 
geht  naturgemäss  die  Verpflichtung  Hand  in  Hand,  nun  deutsche  Wörter  an  die  Stelle 
zu  setzen;  da  dies  aber  nicht  immer  möglich  sein  wird,  ist  die  Notwendigkeit  da, 
neue  Bildungen  zu  versuchen;  gegen  derartige  Neubildungen,  die  sehr  oft  oder 
vielleicht  fast  immer  Sprachwidrigkeiten  sein  werden,  wendet  sich  ja  schon  Gott- 
sched196); ebenso  dagegen  sprechen  sich  Vernaleken197)  und  Gillhoff198)  aus, 
die  der  Ansicht  sind,  dass  die  Sprache  durch  derartige  Verrenkungen  in  noch  höherem 
Grade  verunziert  werde,  als  selbst  durch  die  Fremdwörter.  —  Im  Gegensatz  dazu 
setzt  Erdmann199)  die  bekannte  Thatsache  auseinander,  dass  der  ursprüngliche  Sinn 
vieler  Worte  vergessen  und  durch  einen  übertragenen  ersetzt  wird200);  er  sieht 
gerade  darin  den  Ansatz  und  die  Möglichkeit  neuer  Wortbildungen  und  Zusammen- 
setzungen. — 

Dies  leitet  uns  hinüber  zum  Kampf  gegen  die  Schäden  im  heutigen 
Deutsch,  den  man  seit  Wustmanns  Buch  den  Kampf  um  die  „Sprachdumm- 
heiten" zu  nennen  pflegt  (JBL.  189118:59;  1892  I  6:  104—18;  1893  I  8:  13  I/o)200*). 
—  Gegen  Wustmanns  Seh ulmeisterei  über  die  Sprachrichtigkeit  bringt  Behaghel201) 
den  Sprachgebrauch  und  seine  Richterbefugnis  wieder  zu  Ehren.  Er  geht  von  dem 
ewig  wechselnden  und  schwankenden  Sprachgebrauch  aus  und  zeigt  an  zahlreichen 
Beispielen  mit  Seitenblicken  auf  das  ähnliche  Verhältnis  von  Sitte  und  Unsitte 
im  socialen  Leben,  dass  nicht  ein  Einzelner  als  Sprachmeister  auftreten  darf,  sondern 
dass  das  ewig  flutende  Leben  der  Sprache  selbst  über  die  Lebensfähigkeit  ihrer  Er- 
scheinungen, besonders  der  neu  auftretenden  Bildungen  zu  Gericht  sitzt  und  Ausgleich 
übt  zwischen  den  Forderungen  der  Vergangenheit  und  der  Gegenwart.  Er  schildert 
sodann  den  Einfluss  hervorragenden  Schrifttums  auf  die  Schriftsprache,  verwirft  jedoch 
das  einseitige  Zurückgehen  auf  die  klassischen  Autoren,  deren  Sprache  teilweise  für 
uns  veraltet  ist  und  stellt  Heine,  Uhland,  Heyse,  C.  F.  Meyer,  Schopenhauer,  Lotze, 
Gregorovius,  Treitschke,  Moltke,  auch  Scheffel  und  Freytag  mit  Abzug  ihrer  alter- 
tümlichen Wendungen  als  Muster  hin.  Er  rühmt  die  Leitartikel  unserer  grossen 
Zeitungen;  trotzdem  ist  nicht  alles,  was  sie  bringen,  Sprachgebrauch:  der  Einzelne 
soll  die  Fülle  der  Erscheinungen  auf  sich  wirken  lassen  und  daraus  eine  Auswahl 
treffen.  Geht  ein  Ausdruck  über  das  Gewohnte  hinaus,  dann  sollen  wir  nicht  ver- 
gessen, dass  damit  vielleicht  Brauchbares  geschaffen  ist  für  die  Nachwelt.  —  Interessant 
ist  es,  dass  schon  Gottsched202)  und  Bürger202a)  ebenfalls  für  den  Sprachgebrauch 
eingetreten  sind.  —  Wustmann  selbst  wird  in  einem  Aufsatze  von  Brunner203)  an- 
gegriffen, der  jedoch  schliesslich  ebenfalls  mit  Gründen  des  Geschmackes  und  Sprach- 
gefühls streitet,  trotzdem  er  sachliche  Widerlegung  anstrebt.  —  Zu  erwähnen  sind 
ferner  Roedigers204)  Recension  (vgl.  auch  JBL.  1892  I  6:107,  116),  sowie  van 
Hoffs206)  kurze  Bemerkung  über  die  Vergleichungssätze  der  Nichtwirklichkeit  mit 
„als  ob"  und  die  Umschreibung  mit  „würde".  —  Teilweise  unbekannter  gebliebene 
Schriften  vom  Kampfplatz  um  die  Sprachdummheiten  recensiert  Hart  mann206)  in 
einem  selbständigen  Aufsatze.  —  Wust  mann207)  wendet  sich  gegen  neue  Sprach- 
dummheiten und  zwar  in  einem  ersten  Aufsatz  gegen  den  so  sehr  häufig  falsch  ge- 
setzten Bindestrich  in  Zeitungen  und  auf  Firmenschildern  und  bespricht  besonders 
die  fehlerhaften  Strassenbezeichnungen,  die  auch  Gegenstand  der  Polemik  des 
deutschen  Sprachvereins  zu  Berlin  sind.208)  Die  zweite  Abhandlung  verspottet  die 
immer  mehr  um  sich  greifende  Mode,  für  das  einfache  „haben"  das  vornehmer  klingende 
„besitzen"  einzuführen;  den  Schluss  macht  eine  Bemerkung  gegen  den  die  Herkunft 
und  eigentliche  Bedeutung  der  Wortzusammensetzung  nicht  mehr  beachtenden  Gebrauch 
des  Wortes  „Gesichtspunkt".  —  So  sehr  gerade  in  diesem  J.  sich  die  Meinung 
einigermassen  gegen  Wustmann  gewendet  zu  haben  scheint,  ein  Verdienst  wird  ihm 
jedoch  zuerkannt:  das  sprachliche  Gewissen  wachgerüttelt  und  das  Interesse  für 
sprachliche  Fragen  vermehrt  zu  haben.  Als  ein  Zeichen  dafür  kann  es  gelten,  wenn 
das  Buch  von  Heintze209)  eine  ganze  Reihe  von  Auflagen  innerhalb  eines  J.   erlebte. 

Linhoff,  Verdeutschungsbüchlein.  Verdeutsch,  d.  in  d.  Wörterverzeichnisse  d.  preuss.  Schulschreibungsbüchleins  vor- 
kommenden entbehrlichen  Fremdwörter.  Münster  i.  W.,  Aschendorffsche  Dr.  32  S.  M.  0,30.  —  193)  K.  Hullmann,  D. 
Wissenschaft  u.  ihre  Spr.  E.  zeitgeraässe  Abhandl.  L.,  Hirt  &  S.  40  S.  M.  0,60.  —  194)  (=  N.  167.)  —  195)  E.  führender 
Schriftsteller:  Grenzb.  3,  S.  284  5.  —  195a)  X  G-  Goedel,  Fremdwörter  im  Ostfriesischen:  TglRs».  N.  192,  195.  —  196)  X 
(=  N.  17,  S.  273.)  —  197)  (=  N.  184.)  —  198)  (=:  N.  181.)  -  199)  K.  Erdmann,  „Gedankenloser"  Wortgebrauch  u.  sein 
Nutzen:  ZADSprV.  5,  S.  25-30,  49-56.  —  200)  X  G.  Wustmann,  Neue  Sprachdummheiten.  D.  Bindestrich.  Haben  u. 
Besitzen.  D.  Gesichtspunkt:  Grenzb.  3,  S.  114-23,608-16.  (.Vgl.  ebda.  S.  614,5;  Tgl.  N.  207.)  —  200a)  X  B.  W.,  Z.  Sprach- 
meisterei:  BerlTBl.  N.  69.  —  201)  O.  Behaghel,  Sprachgebrauch  u.  Sprachrichtigkeit.  (=  N.  35,  S.  16-30.)  —  202)  X 
(=  N.  17,  S.  262/3.)  —  202a)  X  (=  N.  19,  S.  347.)  —  203)  A.  Brunner,  Wustmanns  Formenlehre:  ZDS.  7,  S.  428-33. 
(Vgl. JBL.  1891  I  8:59;  1892  I  6:104-18;  1893  18:130,5.)  -  204)  M.  Roediger:  ASNS.  92,  S.  79-86.  —  205)F.  vanHof  fs. 
Einiges  über  gewisse  Sprachsünden:  ZADSprV.  5,  S.  211/2.  —  206)  F.  Hartmann,  Z.  Sprachbeweg.:  DWB1.  7,  S.  177/8, 
189-90.  -  207)  (=  N.  200.)  —  208)  X  MDSprV(Berlin).  5,  S.  97-104.  -  209)  A.  Heintze,  Gut  Deutsch.    E.  Anleit.  z.  Ver- 


W.  Scheel,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache.      I  7:209-225 

H.  steht  als  Sprachmeister  auf  einem  gemässigten  Standpunkt;  er  deckt,  wie  besonders 
H.  Hoffmann  betont,  in  ruhiger  Art  die  gebräuchlichsten  Sprachfehler  auf  und  zeigt, 
wie  diese  Fehler  zu  vermeiden  sind;  auch  trägt  er  dem  Sprachgebrauch  durchaus 
Rechnung.  Ebenso  wie  die  Haltung  des  Buches  im  allgemeinen  wird  auch  die  Ein- 
teilung gelobt:  die  Arbeit  ragt  aus  der  Masse  der  neueren  Litteratur  über  die  „Sprach- 
dummheiten" durchaus  hervor;  es  verdient  auch  die  Fülle  der  oft  kaum  glaublichen 
Beispiele  aus  neueren  Schriftstellern  in  jeder  Hinsicht  Anerkennung.  —  Ebenfalls  be- 
sonders den  Schwulst  des  „jüngsten  Deutschlands"  stellt  Sosnosky210)  durch  eine 
reichhaltige  Blütenlese  aus  den  neuesten  Roman-  und  Novellendichtern  zusammen; 
sprachliche  Versehen  werden  ihm  durch  den  Recensenten  des  LCBL  nachgewiesen. 
—  Viele  einzelne  Beiträge  und  Besserungen  sind  in  der  ZDS.  verstreut,  die  nicht  alle 
einzeln  aufgezählt  werden  können.  —  Gesondert  zu  erwähnen  wäre  noch  Pietsch211), 
der  im  Anschluss  an  Minors  Bemerkungen  (BGDS.  16,  S.  477  ff.)  über  den  relativen 
Gebrauch  von  „welcher"  und  „der"  aus  Schopenhauers  Schrift  „Ueber  die  seit  einigen 
Jahren  methodisch  betriebene  Verhuntzung  der  deutschen  Sprache"  den  Beweis  führt, 
dass  am  Ende  der  50er  J.  „welcher"  vor  „der"  „nicht  gerade  bevorzugt"  wurde, 
wonach  also  Minors  Behauptung,  die  Neueren  brauchten  lieber  „welcher",  zu  mo- 
difizieren ist;  ferner  Branky212)  und  Menge s213). —  Mit  der  Recension  von  Menge214) 
über  die  humorvollen  und  treffenden  Verbesserungsvorschläge  Daubenspecks  (JBL. 
1893  I  8:  147)  knüpft  dies  Berichtsjahr  an  das  vorige  an;  einen  einzelnen  Ausdruck 
der  Gesetzessprache  zieht  wieder  Daubenspeck215)  hervor.  — 

Als  ein  Nachtrag  zur  Lexikographie  wäre  die  Auszählung  der  deutschen 
Sprache  zu  erwähnen.  Amsel216)  giebt  uns  einen  Einblick  in  dies  Unternehmen, 
von  dem  man  wichtige  Resultate  für  die  Kenntnis  des  Wortschatzes  und  den  Gebrauch 
einzelner  Formen  und  Wortbildungen  erwartet.  —  Enthusiastisch  berichtet  auch  ein 
Ungenannter217)  über  das  mühevolle  Werk.  — 

Zum  Schluss  kommen  wir  zur  Orthographie  und  Interpunktion. 
Duden218"219),  dessen  Wörterbuch  (JBL.  1893  I  8:  108)  in  einer  Besprechung  berührt 
wird,  wünscht  die  neue  Orthographie  nicht  nur  in  der  Schule  durchgeführt:  Man  sollte 
ihr  besonders  im  öffentlichen  Leben  mehr  Entgegenkommen  zeigen.  —  Ein  Anonymus220) 
giebt  humoristisch  im  Gewände  einer  Reichstagsverhandlung  einen  Ueberblick  über 
die  heutigen  orthographischen  Zustände,  betont  ebenfalls,  dass  die  in  der  Schule 
gelernte  Orthographie  im  Bureau,  Kontor,  in  der  Presse  und  im  öffentlichen  Leben 
zu  wenig  Anwendung  finde  und  bietet  selbst  schon  durch  das  Gewand  seines  Büchleins 
eine  allerdings  sehr  radikale  Orthographie.  —  Wasserzieher 221)  empfiehlt  besonders 
für  Ortsnamen  und  Fremdwörter  eine  lautg-etreue  Schreibung  und  glaubt,  dass  erst 
durch  sie  die  fremden  Wörter  recht  ins  Volk  eindringen  würden,  wünscht  zum  Schluss 
freilich  auch  für  die  echtdeutschen  Wörter  eine  dem  Lautstande  mehr  entsprechende 
Schreibung.  —  Interessant  ist,  dass  eine  ähnliche  Forderung  für  die  Fremdwörter 
schon  Gottsched  (s.  N.  185)  geäussert  hat;  Gleiches  verlangt  in  seinem  oben  be- 
sprochenen Aufsatze  Vernaleken222).  — Gegen  orthographische  Neuerungen  spricht 
sich  A  lbrecht223)aus.  —  Auch  Grimmeishausens  Ansichten  sind  uns  durch  Khulls224) 
Ausgabe  wieder  näher  gebracht.  —  Glödes225)  Interpunktionslehre  wird  in  den 
BBG.  besprochen.  — 


meidung  d.  häufigsten  Verstösse  gegen  d.  guten  Sprachgebrauch  u.  e.  Ratgeber  in  Fällen  schwankender  Ausdrucksweise. 
2.-4.  Aufl.  B„  Regenhardt.  VIII,  180  S.  M.  1,50.  |[H.  Hoffmann:  Neuere  Spr.  2,  S.  370/1;  LCBl.  S.  900/1;  P.  Cascorbi: 
Gymn.  12,  S.  459;  BerlBörsCour.  N.  96;  VossZg.  N.134;  K.  Scheffler:  ZADSprV.  5,  S.  64,5,  99-100.  ]|  -  210)  Th.  v.  Sosn  osky  , 
D.  Sprachwart.  Sprachregeln  u.  Sprachsünden  als  Beitrr.  z.  dtsch.  Grammatik  u.  Stilistik.  Breslau,  Trewendt.  XII,  231  S. 
M.  3,00.  |[LCB1.  S.  1539;  KonsMschr.  S.  106;  WIDM.  76,  S.  511;  VossZg.  N.  236;  K.  Scheffler:  ZADSprV.  5,  S.  65/6.JI  - 
211)  P.  Pietsch,  Welcher  u.  der  in  Relativsätzen:  BGDS.  18,  S.  270,3.  —  212)  F.  Branky,  Welche  u.  Welches:  ZDU.  8, 
S.  115/8.  —  213)  H.  Menges,  Tautologien:  ib.  S.  692/6.  (Ergänz,  zn  Wasserziehers  Samml.  v.  tautolog.  Zusammensetzungen: 
ib.  7,  S.  606  =  JBL.  1893  I  8  :  141.)  —  214)  LCBl.  S.  146;  BBG.  30,  S.  62/3;  K.  Menge:  Gymn.  12,  S.  863.  (Vgl.  im  An- 
schluss daran  d.  Aufs.  v.  Junins:  Z.  guten  Stunde  S.  85-94,  sowie  Grenzb.  2,  S.  476/7.)  —  215)  H.  Daubenspeck,  D.  un- 
wahren Thatsachen  d.  Juristen:  ZDS.  7,  S.  365-71.  —  216)  G.  Amsel,  Untersuch,  über  d.  Häufigkeit  d.  VVortformen  d.  dtsch. 
Spr.  (=  N.  35,  S.  30-40.)  |[L.  Rudolph:  (JOIRW.  22,  S.  576;  R.  M.  Meyer:  ML.  63,  S.  1273/4;  DB11EU.  21,  S.  35.]|  — 
217)  D.  Auszähl.  d.  dtsch.  Spr.:  Didask.  N.  134.  —  218)  X  Gymn.  12,  S.  823/4.  —  219)  K  Duden,  Wozu  lehren  wir  d.  neue 
Orthogr.?:  ZGymn.  28,  S.  559-63.  —  220)  F.  S..  E.  Sprachpauke.  Kein  Dogma  d.  ortografi-entviklungsfreiheit.  Bonn,  Hanstein. 
41  S.  M.  0,60.  -  221)  E.  Wasserzieher,  Z.  papiernen  Spr.:  ZDÜ.  8,  S.  476/8.  —  222)  (=N.  184.)  —  223)  A.  Albrecht, 
Sprache  u.  Muttersprache.  Halle  a.  S., Kaemmerer  &  Co.  1893.  41  S.  M.  0,60.  —  224)  (=  N.  183,  S.  57/9.)  —  225)  O.  Gl  öde, 
D.  dtsch.  Interpunktionslehre.     L.,  Teubner.     1893.     VI,  33  S.     M.  0,30.     |[BBG.  30,  S.  445/6.]|   — 


Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (1)1 2 


18:1  J.  Minor,  Metrik.     1893,  1894. 

1,8 
Metrik.     1893,  1894. 

Jakob  Minor. 

Allgeraeines  und  Prinzipielles  N.  1.  —  Psychologisches  und  Physiologisches  N.  13.  —  Accentlehre  N.  18.  — 
Verslehre:  Gemischter  Rhythmus  N.  24;  Hexameter  N.  25;  Trimoter  N.  27;  Fünffüssiger  Jambus  N.  23;  Knittelvers  N.  30.  — 
Strophenhau  N.  31.  —  Einzelne  metrische  Probleme:  Enjambement  N.  33;  Reim  N.  34;  Hiatus  N.  36.  — 

Auf  keinem  anderen  Gebiet  ist  es  gleich  schwierig-,  die  einzelnen  Arbeiten, 
die  sich  zufällig-  in  einem  Jahre  zusammenfinden,  zu  einem  Gesamtbilde  zu  ver- 
einigen, wie  in  diesem  Kapitel.  Denn  es  herrscht  wenig  Eintracht,  nicht  bloss  in  den 
Arbeiten  selbst,  sondern  auch  in  den  Prinzipien,  und  nirgends  ist  es  den  Vf.  so 
schwer,  bei  ihrem  Thema  zu  bleiben,  als  wo  man  auf  Schritt  und  Tritt  erst  den  Boden 
prüfen  muss,  auf  dem  man  bauen  will.  Darum  scheint  es  mir  geraten,  die  Arbeiten 
vorauszuschicken,  welche  den  Gegenstand  von  der  allgemeinen  und  prin- 
zipiellen Seite  behandeln.  Man  ist  vielfach  der  Meinung,  als  ob  hier  noch  gar  keine 
Uebereinstimmung  herrsche.  Wer  aber  die  gleichzeitigen  Arbeiten  von  Minor  und 
Sievers,  und  die  gleich  darauf  folgende  von  Meamann  vergleichend  betrachtet,  der 
wird  erkennen,  dass  sie  sich  in  vielen  Punkten  berühren,  namentlich  in  der  Auf- 
stellung der  Probleme,  lieber  die  neuhochdeutsche  Metrik  von  Minor')  steht  mir 
ein  Urteil  nicht  zu;  ich  kann  nur  sagen,  was  ich  gewollt  habe,  und  greife  aus  dem 
ganzen  einige  Punkte  heraus,  auf  die  ich  besonderen  Wert  lege  und  die  ich  als  mein 
Eigentum  betrachte,  während  es  sich  sonst  darum  handelte,  die  Ergebnisse  früherer 
Forschungen  in  den  Zusammenhang  meiner  Gedanken  einzuordnen.  Gegenüber  der 
statistischen  Methode,  die  in  der  Metrik  bis  vor  kurzem  allein  herrschend  war  und 
die  stark  nach  der  Schablone  zu  arbeiten  begann,  habe  ich  wieder  auf  die  Prinzipien 
der  Verskunst  zurückzuweisen  versucht  und  überall  die  Frage  vorangestellt:  wofür 
soll  man  Beispiele  sammeln'?  Als  die  nächste  Aufgabe  der  Metrik  erscheint  es  mir, 
die  Uebereinstimmung  oder  Nichtübereinstimmung  des  natürlichen  Rhythmus  mit 
den  Anforderungen  des  Verses  festzustellen;  die  rhythmischen  Wirkungen  des  Verses 
sind  damit  freilich  nicht  erschöpft,  aber  erst  in  späterer.  Zeit  wird  die  Rhythmik 
so  weit  entwickelt  sein,  um  auch  dort  Gesetze  aufzustellen,  wo  sich  die  Versbetonung 
von  der  natürlichen  Betonung  (diese  besteht  aber  nicht  etwa  bloss  in  der  prosaischen 
Betonung!)  entfernt.  Das  erste  Kapitel  geht  also  von  den  Anforderungen  des 
Rhythmus  aus:  der  Takt  beruht  auf  der  Taktdauer  und  auf  dem  Accent;  diese  beiden 
Stützen  des  Rhythmus  können  (das  bestätigen  neuere  Experimente;  s.  u.)  einander 
gegenseitig  bis  zu  einem  gewissen  Grade  vertreten.  Darauf  beruht  meine  Unterscheidung 
der  Verse  in  solche,  in  denen  Hebungen  und  Senkungen  regelmässig  wechseln,  die  also 
aus  den  gleichen  Versfüssen  bestehen,  und  in  die  sogenannten  gemischten  Verse,  die 
aus  ungleichen  Versfüssen  bestehen.  In  den  ersten  wird  die  Taktdauer  nicht  genauer 
eingehalten,  der  Rhythmus  beruht  hauptsächlich  auf  dem  Accent ;  in  den  zweiten  da- 
gegen gewinnt  sie  an  Bedeutung,  sie  allein  hält  bei  der  ungleichen  Folge  von  betonten 
und  unbetonten  Silben  den  Rhythmus  aufrecht,  darum  sind  die  Knittelverse  und  die 
freien  Rhythmen,  trotz  dem  freien  und  laxen  Schema,  die  am  meisten  musikalischen 
Versarten.  Auf  die  allgemeinen  Bedingungen  des  Rhythmus  gründet  sich  auch  meine 
Bekämpfung  der  sogenannten  „gleichgewogenen  Spondeen"  der  antikisierenden 
Metriker:  sie  betrachten  den  antiken  Spondeus  als  - -,  und  vergessen  den  rhyth- 
mischen Accent  (■<■  -) ;  weil  aber  der  ersten  Länge  im  Spondeus  eine  betonte 
Silbe  entspricht  (eben  wegen  des  Versaccentes),  so  schliessen  sie  irrig  weiter,  dass 
auch  der  zweiten  (im  Verse  unbetonten)  Länge  eine  betonte  Silbe  im  Deutschen  ent- 
sprechen müsste  (w11!?  im  Vers  ist  wWi  also  genau  gleich  Stürmflut).  In  der 
Unterabteilung  der  Takte  aber  trennt  sich  der  gesprochene  Vers  von  der  Musik 
ab.  In  der  Musik  zerfällt  in  dem  zweizeitigen,  dreizeitigen  usw.  Takt  der  ganze  Takt 
wiederum  in  einzelne,  durch  besondere  Noten  bezeichnete  Zeitmomente,  die  sich 
wie  vielfache  oder  wie  Brüche  von  2  (bezw.  3)  verhalten.  Es  herrscht  also  auch 
zwischen  diesen  kleineren  Zeitmomenten  ein  gerades  (oder  ungerades)  Ver- 
hältnis, das  nur  durch  die  sogenannten  Trioien  und  die  punktierten  Noten  unter- 
brochen wird.  In  den  gesprochenen  Versen  dagegen  besteht  nach  meiner  Meinung 
(ebenso  Sievers)  ein  geregeltes  Verhältnis  zwischen  Hebung  und  Senkung  in  Bezug 
auf  die  Dauer  überhaupt  nicht,  es  ist  die  grösste  Mannigfaltigkeit  und  die   bunteste 


1)    J.    Minor,    Neuhochdtsch.    Metrik.     E.    Handb.     Strasburg    i.  E.,    Triibner.     1893.     XVI,    490    S.      M.  10,00. 
|[M.  Carriere:    AZgB.  N.  87;    W.  Braune:    LCB1.  S.  643,6;    R.  M.  Meyer:    DLZ.   S.  630/2.JI     (Einzelne    Abschnitte    daraus 


J.  Minor,  Metrik.    1893,  1894.  I  8  :  1 

Gliederung-  möglich.  Zweizeitige  und  dreizeitige  Takte  können,  unbeschadet  der 
gleichen  Taktdauer  (s.  vielmehr  die  Experimente  unten)  neben  einander  stehen. 
Versfüsse  können  daher  auch  nicht  ein  für  allemal  durch  Noten  dargestellt  werden 
(wohl  aber  konkrete  Versfüsse  und  Verse),  und  es  ist  nicht  notwendig,  die  im  Hexa- 
meter vereinigten  Versfüsse,  den  Spondeus  und  den  Daktylus,  auf  gleichzeitige  Takte 
zurückzuführen.  Die  beiden  folgenden  Kapitel  untersuchen,  mit  welchen  Mitteln 
der  natürlichen  Rede  der  gesprochene  Vers  den  Anforderungen  des  Rhythmus  zu 
entsprechen  sucht:  der  Taktdauer  entspricht  die  natürliche  Quantität  (II)  der  Silben, 
die  freilich  keine  absolute,  sondern  eine  von  der  Betonung  und  dem  Tempo  ab- 
hängige relative  Grösse  ist,  aber  nicht  mit  der  Taktdauer  selbst  verwechselt  werden 
darf.  Mit  dem  rhythmischen  Accent  muss  nach  den  Grundsätzen  des  deutschen 
Verses  die  natürliche  Betonung  (III)  zusammenfallen :  die  Accentlehre  habe  ich  auf 
eine  neue  Basis  zu  stellen  gesucht,  indem  ich  den  Nebenaccent  als  frei  im  Satze  zu 
verteilen  anleite,  die  Lehre  vom  Satzaccent  auf  Pauls  Prinzipien  besser  als  Behaghel 
zu  begründen  suche  (ein  sehr  gutes  allerneuestes  Lehrbuch  der  Metrik  führt  noch 
als  Beispiel  für  den  Satzaccent  die  Betonung  an:  „der  berg  ist  hoch!"),  zum  ersten 
Male  den  grammatischen  Accent  berücksichtige  (woraus  sich  allein  die  unbetonten  Zeit- 
wörter erklären  lassen  in:  „schweben  auf,  schweben  ab";  und  in:  „den  Jüngling 
bringt  keine  wieder")  und  die  letzte  Entscheidung  in  Betreff  des  Satzaccentes  phy- 
siologischen Gründen  zumesse  (beim  Zusammentreffen  dreier  Accente  wird  der  mittlere 
durch  Tonhöhe  ersetzt ;  man  darf  also  nicht  von  der  fakultativen  Betonung  deutsch- 
end, mittelhochdeutsch  lantgrsve  reden,  sondern  darauf  kommt  es  an,  dass  eine  betonte 
Silbe  vorhergeht:  stolz  deutschländs).  Durch  grössere  Rücksicht  auf  die  Tonhöhe  (s.  u.) 
wird  das  Kapitel  über  den  Satzaccent  weiter  ausgebildet  werden  müssen.  Das 
vierte  Kapitel  handelt  von  den  Versfüssen ;  hier  habe  ich  zuerst  die  Lehre  von  den 
Sprechtakten  herbeigezogen,  um  das  Verhältnis  zwischen  Versfüssen  und  Wortfüssen 
zu  erörtern;  die  Versfüsse  und  daher  auch  der  steigende  oder  der  fallende  Rhythmus 
werden  nach  meiner  Meinung  durch  den  grösseren  oder  kleineren  Abstand  zwischen 
den  Silben  bestimmt.  Von  dieser  Meinung  hat  mich  auch  Sievers  (s.  u.  N.  3)  nicht 
bekehrt,  der  die  Wortfüsse  durch  gemeinsamen  Willensimpuls  entstehen  lässt;  denn 
wie  teilt  sich  dieser  Willensimpuls  aus  dem  Inneren  des  Vortragenden  dem  Zuhörer 
mit?  Hier  scheint  mir  ein  Mittelglied  zu  fehlen,  die  Uebersetzung  des  Psychologischen 
ins  Hörbare,  auf  dem  gerade  das  metrische  Moment  beruht.  In  dem  Kapitel  über 
den  Vers  (V)  habe  ich  die  Lehre  von  der  Cäsur  und  vom  Versschluss  zum  ersten 
Male  auf  Beobachtungen  über  Satzpausen  und  Redepausen  gegründet,  bei  denen  nach 
meiner  Ansicht  das  künstlich  geregelte  Atemholen  des  Vortragenden  die  letzte  Ent- 
scheidung hat.  Das  heisst:  der  Sinn  (Grammatik  und  Logik)  lehrt  uns  bloss,  wo 
eine  Pause  in  der  Rede  möglich  ist;  die  Oekonomie  des  Atems  dagegen  lässt  sie 
wirklich  eintreten.  Die  Redepausen  sind  daher  nicht  bloss  von  der  logischen  und 
grammatikalischen  Gliederung-,  sondern  noch  viel  mehr  von  dem  Umfang-  der  Glieder 
eines  Satzes  und  von  dem  Tempo  der  Rede  abhängig.  Die  Lehre  von  dem  Versschluss  oder 
von  der  Integrität  des  Verses  habe  ich  nicht  wie  meine  Vorgänger  allein  auf 
die  Redepausen,  sondern  auch  auf  den  Abschluss  des  Rhythmus  gegründet:  die  regel- 
mässige Wiederholung  des  schwächeren  Accents  im  dipodischen  Rhythmus,  oder  des 
zweisilben  Fusses  nach  je  6  Takten  im  Hexameter  und  andere  ähnliche  rhythmische 
Erscheinungen  können  (wie  in  derMusik)auch  ohnePause  einen  Abschnitt  kennzeichnen. 
Diese  allgemeinen  Gesichtspunkte  werden  nun  auf  die  einzelnen  Arten  von  Vers- 
füssen und  Versen  angewendet,  wobei  namentlich  die  Frage  nach  der  Berechtigung' 
des  Trochäus  im  Hexameter  eine  neue  Beleuchtung  erfährt.  Für  den  deutschen 
Hexameter  und  Pentameter  habe  ich  zum  ersten  Male  die  Forschungen  von  Drobisch 
verwertet,  so  weit  sie  sich  nicht  bloss  auf  mathematischesKalkul,sondern  auf  Beobachtung 
gründen.  Dagegen  ist  es  mir  durch  einen  Zufall  nicht  gelungen,  über  den  Vers  des  Hans 
Sachs  zu  einem  entscheidenden,  jeden  Zweifel  beseitigenden  Resultat  zu  gelangen.  In 
dem  Kapitel  über  den  Reim  (VI)  hatte  ich  nur  zu  ordnen  und  besonders  die  Termino- 
logie, die  auch  bei  W.  Grimm  noch  schwankend  ist,  klar  zu  stellen.  In  dem 
Strophenbau  (VII)  habe  ich  mich  mehr  als  billig  an  Westphals  bestrickende  Archi- 
tektonik angeschlossen.  Den  Hauptaccent  lege  ich  hier  auf  die  Untersuchung  der 
romanischen  Strophenformen  in  der  romantischen  Zeit,  für  die  ich  das  in  den  Rass- 
mannischen Sammlungen  vereinigte  reiche  Material  zum  ersten  Mal  ausgenutzt  habe. 
Solchen,  denen  das  Buch  selbst  gar  nichts  bringen  sollte,  wird  hoffentlich  doch  das 
reiche  Literaturverzeichnis  am  Schluss  gute  Dienste  leisten.  —  Noch  ganz  auf  dem 
Standpunkt  seiner  zwanzig'  Jahre  älteren  Schriften  über  griechische  und  über  deutsche 
Metrik  steht  Westphal  (JBL.  1892  17:1)  in  seinem  posthumen  Werk  über  die 
Metrik  der  indogermanischen  und  semitischen  Völker,  wo  die  Verstheorien  und  Vers- 
schemen der  verschiedenen  Nationen  einfach  neben  einander  gestellt  werden,  ohne 
dass  sich  der  Vf.  über    sie   zu    einem    allgemein  gültigen  Standpunkt    erhöbe.    An- 

(1)12* 


I  8  :  2-12  J.  Minor,  Metrik.     1893,  1894. 

sohliessend  an  die  in  den  Berichtsjahren  erschienenen  Besprechungen2)  komme  ich  in 
diesem  Zusammenhange  noch  einmal  auf  das  Werk  zurück.  In  der  Vorrede  macht 
der  greise  Vf.  den  modernen  Ideen  zwar  eine  Konzession,  indem  er  zwischen 
gesungenen  und  gesagten  Versen  und  dem  entsprechend  ganz  richtig  zwischen 
Rhythmik  und  Metrik  unterscheidet:  nur  im  Gesang,  meint  er,  hätten  die  deutschen 
Versfüsse  eine  bestimmte  rhythmische  Zeitdauer,  erst  hier  würden  sie  also  zu  Takten, 
und  erst  hier  wären  die  Lehren  der  griechischen  Metriker  seit  Aristoxenos  auf  sie 
anwendbar.  Im  gesagten  Verse  dagegen  haben  wir  es  mit  keinen  vierzeitigen  Dak- 
tylen und  keinen  dreizeitigen  Trochäen  usw.  wie  im  griechischen,  sondern  einfach 
mit  zwei-  und  dreisilbigen  Versfüssen  zu  thun,  für  die  der  Vf.  (wozu?  da  zwei-  und 
dreisilbig  weit  deutlicher  ist)  die  von  Schmeckebier  gebrauchten  Benennungen  durch- 
zuführen verspricht.  Aber  im  Text  kommen  nicht  einmal  diese  Benennungen  zur 
Geltung;  das  Kapitel  über  die  accentuierenden  Verse  der  Germanen  steht  auf  ganz 
veralteter  Basis  (der  altdeutsche  Vers3)  nach  Vilmar-Grein !)  und  kann  zahlreicher 
Schnitzer  wegen  nur  mit  einer  Warnungstafel  versehen  werden.  Opitz  soll  zuerst 
dreisilbige  Versfüsse  eingeführt  haben!  Im  Neuhochdeutschen  gebe  es  keinen  Tiei'ton  (die 
Accentlehre  ist  überhaupt  mehr  als  falsch)!  Auch  hier  natürlich  spuken  neben  den 
rhythmischen  Versen  die  rhythmuslosen  Verse  (woher  dann  Verse?),  d.  h.  die  Verse 
ohne  Versfüsse,  die  gerade  am  meisten  Rhythmus  enthalten!  aber  diese  deutschesten 
Verse  werden  nur  vorübergehend  erwähnt,  das  Herz  des  Vf.  gehört  den  schönen 
Versfüssen  nach  griechischem  Muster,  und  man  wundert  sich  nur,  wie  er  darauf 
gekommen  ist,  die  deutsche  Metrik  vor  der  griechischen  zu  behandeln,  auf  die  sie 
sich  stützt!  Schillers  Glocke  (S.  138  ff.)  wird,  nicht  ohne  einzelne  feine  Beobachtungen, 
ganz  in  -  und  v  dargestellt.  Aber  wie  verkennt  W.  schöne  Goethesche  Daktylen,  wenn  er 
betont  „Nur  wer  die  Sehnsucht  kennt,  weiss  was  ich  leide!";  oder  wie  entspricht  es 
so  gar  nicht  der  Vorrede,  wenn  er  den  fünffüssigen  Jambus  noch  immer  als  kata- 
lektische  Hexapodie  auffasst!  Gegentlich  des  Hexameters  wird  ein  Exkurs  von  einem 
modernen  Dichter  (Heinrich  Kruse)  eingeschaltet,  der  zu  den  fleissigsten  deutschen 
Hexameterdichtern  gehört,  aber  besser  Hexameter  als  über  Hexameter  schreibt:  er 
eifert  gegen  fabelhafte  Metriker,  die  ihm  verwehren  wollen  oder,  aber  zu  verkürzen; 
die  deutsche  Sprache  sträube  sich  gegen  das  Verbot  des  Hiatus  usw.  Zur 
Orientierung  über  die  verschiedenen  metrischen  Prinzipien  und  Formen  der  indo- 
germanischen und  semitischen  Nationen  kann  das  Buch  immer  dienen ;  schade,  dass  es 
durch  solche  Unmassen  von  Druckfehlern  entstellt  ist.4"11).  —  Für  Erweiterung  des 
Begriffes  der  Metrik  plaidiert  Sievers12)  in  seinem  mit  grossem  Beifall  auf- 
genommenen Vortrag  am  Wiener  Philologentag.  Metrik  ist  nach  ihm  nicht  bloss  die 
Lehre  von  den  Zeitmassen  der  gebundenen  Rede,  sondern  sie  hat  überhaupt  den 
Anteil  festzustellen  und  zu  zergliedern,  den  die  lautliche  Kunstform  der  Poesie 
im  Gegensatz  zu  der  Lautform  der  ungebundenen  Rede  an  der  eigentümlichen 
Wirkung  des  einzelnen  Dichtwerkes  wie  der  Dichtung  überhaupt  hat.  Als  oberstes 
Gesetz  gilt  ihm,  dass  der  Metriker  bei  seiner  Analyse  der  Form  doch  nie  den  Inhalt 
ausser  Acht  lasse,  dass  er  nie  mit  blossen  Schemen  operiere,  sondern  mit  lebendigen 
Teilen  des  Kunstwerkes  selbst,  dem  diese  Schemen  zukommen:  „Mit  andern  Worten, 
es  ist  unzulässig,  dass  der  Metriker  die  einzelnen  Teile  eines  Dichtwerkes  .  .  .  (also 
Verse,  Strophenteile,  Strophen)  gewissermassen  aufbaue  aus  den  erst  durch  weiter- 
gehende Analyse  zu  gewinnenden  abstrakten  Einzelstücken,  als  da  sind  Silben,  Vers- 
füsse u.  dgl."  Eine  eigentümliche  Schwierigkeit  entsteht  daraus,  dass  das  Dichtwerk 
in  der  Regel  nur  in  schriftlicher  Ueberlieferung  vorliegt  und  erst  durch  mündliche 
Interpretation,  durch  Vortrag,  wieder  ins  Leben  zurükgerufen  werden  muss.  Die  sub- 
jektive Nachempfindung  und  Nachbildung  (des  Lesers)  muss  also  an  die  Stelle  der 
direkten  Anregung  (durch  den  Dichter,  dessen  Stimme  längst  verklungen  ist)  treten ; 
Fehlgriffe  sind  kaum  zu  vermeiden,  aber  ein  weitreichendes  Mittel  zur  Korrektur  haben 
wir  in  dem  Experiment,  indem  wir  verschiedene  Interpretationen  einer  solchen  mehr- 

frfiher:  ZOG.  44,  S.  1-30;  DDichtung.  13,  S.  223,5,  247/8,  294/6.]|  —  2)  X  E-  Graf:  NPhilolRs.  13,  S.  138/9;  J.  v.  Jan: 
BPhWS.  13,  S.  723,  755;  LCB1.  1893,  8.  1680/2;  R.  Meringer:  ZOG.  45,  S.  784/5;  R.  M.  Meyer:  DLZ.  1893,  S.  278/9.] |  — 
3)  X  E.  Sievers,  Altgerm.  Metrik.  (=  Samml.  kurzer  Grammatiken  germ.  Dialekte.  Ergänznngsreihe  II.)  Halle  a.  S., 
Kiemeyer.  XVI,  252  S.  M.  5,00.  |[0.  Lyon:  ZDU.  7,  S.  281/7  .J|  —  4)  X  A.  Heusler,  Ueber  german.  Versbau.  (=  Schriften 
z.  german.  Philol.  her.  v.  M.  Roediger.  N.  7.)  B.,  Weidmann.  VIII,  139  S.  M.  6,00.  —  5)  X  Th.  Schäfer,  Grundzöge 
d.  dtsch.  Metrik.  Bremen,  Heinsms  Nachf.  1893.  14  S.  M.0,30.  (Aus:  J.  W.  Schaf  er,  Ausw.  aus  dtsch.  Dichtern ;  JBL.  1893  I  7:110.)  — 
6)  X  L-  Voigt,  Hilfsbüchlein  für  d.  dtsch.  Unterr.,  enth.  d.  Wichtigste  aus  d.  Litt.-Gesch.,  Metrik  u.  Poetik.  Wien,  Holder. 
1893.  32  S.  Fl.  0,20.  (JBL.  1893  I  7:136.)  —  7)  X  E.  Leipold,  Dtsch.  Litt.-Gesch.  in  50  Kreise  abgeteilt.  Mit  e.  Anh. 
über  Metrik  u.  Poetik.  Straubing,  Attenkofer.  1893.  VIII,  136  S.  M.  1,20.  (JBL.  1893  I  7:146.)  —  8)  X  Q-  Bötticher 
u.  K.  Kinzel,  Gesch.  d.  dtsch.  Litt.  Mit  e.  Abriss  d.  Gesch.  d.  dtsch.  Sprache  u.  Metrik.  (Anh.  zu  d.  Denkmälern  d.  alt. 
dtsch.  Dichtung.)  Halle  a.  S.,  Buchh.  d.  Waisenhauses.  1893.  X,  174  S.  M.  1,80.  (JBL.  1893  I  J  :  83.)  —  9)  X  ß-  Benedix, 
Katechismus  d.  dtsch.  Verskunst.  3.  Aufl.  L.,  J.  J.  Weber.  12°.  VI,  88  S.  M.  1,50.  —  10)  X  E-  Stier,  Th.  Lohmeyer, 
Kleine  dtsch.  Satz-,  Formen-  u.  Interpunktionslehre  nebst  e.  Anh.  aus  d.  Poetik  u.  Metrik.  3.  Aufl.  (JBL.  1S92  I  5:109): 
PaedA.  36,  S.  444.  —  11)  X  &  Mehring,  Dtsch.  Verslehre  (JBL.  1891  19:2).  |[.I.  B.  Wackernell:  DLZ.  S.  73/5  (dazu: 
S.  Mehrin g,  Entgegn.  u.  W.,  Duplik:  ib.  S.  407,8);    Rieh.  Müller:  ÖLB1.  2,  S.  396/7.]|    —   12)  E.  Sievers,    Z.  Rhythmik 


J.  Minor,  Metrik.     1893,  1894.  I  8  :  12 

deutigen  Stelle  uns  vorführen :  das  Richtige  trifft  diejenige  lautliche  Interpretation, 
von  der  die  vollste  und  zugleich  reinste,  d.  h.  angemessenste  Wirkung  auf  den 
prüfenden  Zuhörer  ausgeht.  Die  erste  Forderung  an  den  Metriker  besteht  also 
darin,  dass  er  selbst  richtig  vortragen  lerne.  Metrik  ist  also  die  Einführung  in  die 
Form  eigen  heiten  und  Formschönheiten  der  Dichtung:  Und  sie  hat  es  nicht  so  sehr 
mit  den  üblichen  Vers-  und  Strophenschemata  als  vielmehr  mit  gewissen  mehr  all- 
gemeinen Eigenheiten  der  gebundenen  Rede  zu  thun.  Um  diese  richtig  beurteilen 
zu  können,  schlägt  der  Vf.  den  Weg  der  historischen  Betrachtung  ein.  Er  geht  von 
dem  Satz  aus,  dass  alle  Dichtung  ursprünglich  Gesang  war  und  zwar  Vermutlich  ein 
von  Tanz  begleiteter  Gesang;  die  gebundene  Rede  entstand  dadurch,  dass  man  die 
Rede  den  rhythmischen  Tanzbewegungen  anzupassen  suchte.  Ein  fertiges  Musikstück 
aber  besteht  aus  dem  Rhythmus  (A)  und  aus  der  Melodie  (B).  Die. Melodie  wird  in  ver- 
schiedenen Zeiten  Und  bei  Verschiedenen  Völkern  verschieden  gebildet,  hier 
giebt  es  keine  allgemeinen  Regeln.  Die  Gründgesetze  des  Rhythmus  dagegen  sind 
immer  und  überall  dieselben:  er  beruht  auf  Zeit  (der  Zerlegung  des  Tonwerkes 
in  bestimmte  Zeitabschnitte)  und  auf  Kraft  (oder  Nachdruck,  der  dynamischen  Ab- 
stufung der  Lautmassen  gegen  einander).  Aber  die  Dichtung  bleibt  nicht  immer 
Gesang;  aus  dem  Gesangvers  entwickelt  sich  der  Sprech vers,  der  für  grosse  Ge- 
biete der  Dichtung  die  Herrschaft  gewinnt.  So  beträchtlich  der  Abstand  ist,  so  ist 
er  doch  nur  ein  Gradunterschied,  kein  Wesensunterschied,  auch  der  Sprechvers  hat 
Rhythmus  und  Melodie;  und  es  ist  eine  der  ersten  Aufgaben  des  Metrikers,  sich  die 
Uebereinstimmungen  und  die  Unterschiede  zwischen  Sprechvers  und  Gesangvers  klar 
zu  machen  (Aa).  Für  den  Rhythmus  des  Sprech verses  kommt  nach  S.  unser  musikalischer 
Takt,  der  nur  ein  praktisches  Hilfsmittel  für  die  richtige  Zeiteinhaltung  beim  Vortrag 
ist  und  nur  der  abstrakten  Zeitmessung  dient,  indem  er  die  Zeiteinheiten  zählt  und 
ordnet,  nicht  in  Betracht.  Eine  rhythmische  oder  melodische  Gruppe  oder  Figur 
bindet  vielmehr  eine  Reihe  von  Einzelschällen  dadurch  zu  einer  höheren  Einheit,  dass 
man  sie  mit  einem  gemeinschaftlichen  Willensimpuls  hervorbringt;  das  Ein-  und 
Absetzen  dieser  Impulse  scheidet  die  einzelnen  Gruppen  von  einander.  Diese  können 
daher  ebensogut  mit  der  Senkung  wie  mit  der  Hebung  beginnen,  d.  h.  fallenden, 
steigenden  oder  fallend-steigenden  (Amphibrachys)  Rhythmus  haben  (der  Vortragende 
macht  auf  Wechsel  des  Rhythmus  im  Gesänge  aufmerksam;  die  drei  ersten  Zeilen  des 
Studentenliedes  „Es  sä-  |  ssen  beim  schäü-  J  me'nden  fün-  |  kelnden  Wein"  haben 
steigenden,  der  vierte  zur  Variation  fallenden  Rhythmus:  „Und  |  lüstig  die  |  Becher 
er-  |  klän j  gen").  Der  verschiedene  Rhythmus"  ändert  auch  das  dynamische  Ver- 
hältnis zwischen  Hebung  und  Senkung:  ein  fallender  Takt  schwächt  auch  die  Hebung, 
während  der  steigende  (crescendo)  die  Hebung  zu  verstärken  und  zu  dehnen  verlockt 
(im  obigen  Beispiel  ist  sas  —  punktiertes  Viertel,  lus  —  blosses  Viertel).  Im  Sprech- 
vers ist  der  Rhythmuswechsel  noch  häufiger  und  mannigfaltiger  als  im  Gesang. 
Innerhalb  eines  einheitlichen  Versstückes  freilich  begegnet  er  selten;  vgl.  aber  W. 
Schlegels  Choliamben.  Dagegen  ist  er  ohne  weiteres  gestattet  zwischen  Vers  und  Vers; 
vgl.  Bürgers  Lied  vom  braven  Mann:  „Der  |  Tauwind  |  kam  vom  |  Mittags-  |  meer"; 
aber  „er  fegte  |  die  Felder,  |  zerbrach  |  den  Forst."  Besonders  wirkungsvoll  ist  der 
Wechsel  des  Rhythmus  in  der  Cäsur.  (b)  Wie  die  Musik  einfache  und  zusammengesetzte 
Takte  durch  Unterordnung  des  einen  unter  den  anderen  zu  einer  höheren  Einheit 
zusammenfasst,  so  werden  auch  im  Sprechvers  die  einfachen  Rhythmusgruppen  oder 
Füsse  entweder  bloss  koordiniert  (monopodische  oder  podische  Bindung);  oder  einer 
dem  anderen  an  Nachdruck  untergeordnet  (dipodische  Bindung),  wobei  die  minder 
betonten  Füsse  auch  an  Zeitmass  hinter  den  vollbetonten  zurücktreten,  die  sich  auf 
ihre  Kosten  etwas  ausdehnen.  Auch  in  den  dipodisch  gebundenen  Versen  findet 
man  Wechsel  des  Rhythmus,  d.  h.  Bindung  von  steigenden  und  fallenden  Dipodien 
(Verse  mit  gleichlaufendem  Rhythmus  oder  mit  gebrochenem;  „als  ich  noch  ein  |  Knabe 
war"  neben  „sah  ein  Knäb'  |  ein  Roslein  stehn").  Der  podische  Vers  besteht  also 
aus  doppelt  so  vielen  gleichgewichtigen  Wörtern  als  der  dipodische:  der  erste  ist 
schwerer,  zum  Ausdrucke  schwerster  Gedankenfülle  geeignet  und  unser  eigentlicher 
Kunstvers;  der  dipodische  leichter,  und  der  Lieblingsvers  der  Volksdichtung,  (c) 
Den  Hauptunterschied  zwischen  dem  Gesangvers  und  dem  Sprechvers  bildet  die 
Zeitaufteilung  innerhalb  der  rhythmischen  Gruppe.  Der  musikalische  Takt  baut  sich 
aus  einer  bestimmten  Anzahl  ideeller  Zeiteinheiten  oder  /^6roi  ntycörot  auf,  die  man 
durch  Taktschlagen  oder  durch  Zählen  markieren  kann;  der  Sprechvers  kennt  nur  die 
Fussteilung,  innerhalb  der  Füsse  ist  die  Zeiteinteilung  frei,  es  herrscht  also  auch  keine 
bestimmte  Taktart,  die  sich  durch  eine  Vorzeichnung  ausdrücken  Hesse.  Es  ist  also 
auch  vergebliche  Mühe,  die  Versfüsse  in  Noten  darstellen  und  das  Verhältnis  zwischen 
Länge  und  Kürze  in  den  einzelnen  Versfüssen  ein  für  allemal  fixieren  zu  wollen 
(hier  trifft  S.  mit  meinen  Anschauungen  zusammen;  während  ich  aber  in  Versen  mit 
unregelmässigem  Wechsel  von  Hebung  und    Senkung   Taktgleichheit  annehme).  (B) 


I  8:i2-i4a  J.  Minor,  Metrik.     1893,  1894. 

In  Bezug  auf  die  Melodie  stehen  dem  Sprechverse  nur  die  festen  Tonhöhen  und 
Intervalle  der  empirischen  Sprache  zu  Gebote.  Aber  das  Zusammentreffen  von  Vers- 
accent  und  Sinnesaccent  in  der  deutschen  Dichtung"  und  der  im  Deutschen  stark 
hervortretende  Parallelismus  zwischen  Satzaccent  und  Satzmelodie  (die  Starkton- 
silben liegen  auch  höher  in  der  Skala)  gestattet  auch  eine  Anknüpfung  der  ver- 
schiedenen Arten  der  Melodieführung  an  die  rhythmischen  Hauptarten.  Dipodische 
Verse  müssen  daher  auch  einförmiger  sein  als  podische.  In  podischen  Versen  haben  die 
gleichen  Accente  auch  ungefähr  die  gleiche  Tonhöhe,  das  ganze  also  einen  wesentlich 
getragenen  Charakter.  Solchen  melodisch  gleichschwebenden  Versen  treten  andere 
podische  gegenüber  mit  stärkerem  aber  ungeordnetem  Wechsel  von  Nachdruck  und 
Tonhöhe,  aus  denen  wieder  besonders  zwei  Formen  heraustreten:  die  Verse  mit  Sprung- 
ikten  („Weh,  steck  ich  in  dem  Kerker  noch?")  und  die  Skalenverse,  wo  die  Accente 
stufenweise  in  Stärke  und  Höhe  steigen  (im  Dialog  zwischen  Wagner  und  Faust  redet 
Wagner  in  Skalenversen,  Faust  in  Versen  mit  Sprungikten).  Endlich  giebt  es  Verse, 
die  der  Melodie  nach  dipodisch  gebaut  sind  (d.  h.  je  eine  höhere  Note  mit  einer 
tieferen  verbunden),  sich  aber  doch  von  der  rhythmischen  Dipodie  deutlich  unter- 
scheiden,indem  die  mit  den  stärkeren  Hebungen  regelmässig  abwechselnden  schwächeren 
mindestens  zum  grösseren  Teile  auf  sinnvollere  Wörter  fallen  und  daher  nicht  so 
stark  zurücktreten  wie  in  der  rhythmischen  Dipodie  („Das  wässer  rauscht',  das  wässer 
schwoll";  Gegensatz  von  schwerer  und  leichter  Dipodie).  — 

Psychologisches  und  Physiologisches.  In  seinen  Untersuchungen 
geht  Meumann13)  von  einem  Ueberblick  über  die  bisherigen  Erklärungsarten  des 
Rhythmus  aus:  die  genetische  —  aus  dem  Tanz;  Moriz,  Scherer  und  Hildebrand14)  — 
scheint  ihm  nichts  zu  erklären,  weil  sie  den  Rhythmus  schon  voraussetzt;  ebenso- 
wenig die  physiologische  (aus  den  rhythmischen  Vorgängen  unseres  Organismus: 
Atem,  Herzschlag,  Puls),  weil  man  wahrscheinlich  erst,  als  die  rhythmischen  Er- 
scheinungen schon  bekannt  geworden  waren,  auf  die  Uebereinstimmung  geführt 
worden  sei;  der  teleologischen  (W.  Schlegel:  Schonung  der  Kräfte  durch  Wirkung 
des  Masses)  will  er  wenigstens  die  Zweckmässigkeit  des  Rhythmus  für  das  Gedächtnis 
(Experimente  von  Müller  und  Schumann)  gelten  lassen  (rhythmisch  geformte  Wort- 
reihen prägen  sich  leichter  ein);  wenig  kann  er  von  den  Aesthetikern  und  Musik- 
theoretikern, mehr  von  den  Physiologen  und  Psychologen  (besonders  von  Mach  und 
Wundt)  brauchen.  Rhythmische  Formen  aus  den  physiologischen  Vorgängen  abzu- 
leiten, ist  nach  M.  schon  deshalb  unmöglich,  weil  sie  sämtlich  Kunstprodukte  sind. 
Mit  Herbart  und  Wundt  betrachtet  er  alle  rhythmischen  Eindrücke  als  Prozesse  höherer 
Art,  bei  denen  wir  vorstellend  thätig  sind;  wenn  auch  ausser  dem  ästhetischen  Effekt 
noch  eine  Summe  rein  sinnlicher  Lust-  und  Unlustursachen  thätig  ist.  Mit  Herbart 
sieht  er  in  ihnen  nur  einen  besonderen  Fall  der  (mittelbaren  oder  unmittelbaren) 
Wahrnehmung  zeitlicher  Verhältnisse,  wobei  die  Aufmerksamkeit  nur  in  sekundärer 
Weise  mit  dem  Rhythmus  selbst,  in  erster  Linie  aber  mit  dem  Rhythmizomenon 
(musikalischer  Gedanke  oder  poetischer  Text)  beschäftigt  ist.  Herbart  hat  beobachtet, 
dass  wir  die  langsamen  Takte  mit  einem  Gefühl  des  Aufschiebens  und  des  Wartens, 
die  schnellen  mit  einem  Gefühl  der  Erregung  begleiten,  und  er  giebt  dafür  die 
Erklärung,  dass  wir  im  ersten  Fall  den  kommenden  Schall  immer  schon  innerlich 
vorgebildet  haben,  dass  dagegen  im  letzteren  Fall  der  schnell  eintretende  Schlag 
immer  die  Reproduktion  des  vorigen  in  abnormer  Weise  beschleunige.  Es  handelt 
sich  also  bei  den  rhythmischen  Eindrücken  um  ein  Zu-  und  Abwenden  der  Auf- 
merksamkeit, ein  Reproduzieren  succedierender  Empfindungen,  ihr  Zusammenfassen 
zu  leicht  überschaubaren  Vorstellungsgruppen  durch  Unterordnung  der  schwächeren 
Eindrücke  unter  die  stärkeren,  teilweise  sogar  um  ein  bewusstes  Vergleichen.  Als 
die  allgemeine  Bedingung  des  Rhythmus  betrachtet  M.  mit  Herbart,  Wundt  und 
Riemann  daher  die  regelmässige  Wiederholung:  das  nachfolgende  Glied  erscheint  als 
die  Wiederholung  des  ersten,  das  voraufgehende  als  die  Vorbereitung  des  folgenden. 
(„Höre  ich,"  sagt  der  Vf.,  „zwei  ganz  gleiche  Töne  an,  so  habe  ich  keine  Veranlassung 
sie  aufeinander  zu  beziehen"  —  dieser  Satz  widerspiicht  aber  direkt  den  Experimenten 
über  subjektiven  Rhythmus  bei  M.  S.  301  — ;  „ist  der  erste  beträchtlich  stärker 
als  der  zweite,  so  bilden  sie  sofort  eine  Einheit,  der  zweite  ist  die  schwächere  Wieder- 
holung des  ersten,  der  erste  die  kräftigere  Vorbereitung  des  zweiten").  So  macht 
sich  beständig  die  Erwartung  geltend,  das  Folgende  nach  Analogie  des  Voraufgehenden 
gestaltet  zu  finden,  und  sobald  nun  regelmässige  mit  unregelmässigen  Bildungen 
wechseln,  wird  die  Erwartung  bald  befriedigt,  bald  steigert  sie  sich  zu  dem  peinlichen 
Gefühl  der  Verzögerung,  bald  macht  sie  der  Ueberraschung  Platz  (Lotze,  Wundt). 


u.  Melodik  d.nouhochdtsch.  Sprechverses.  (=11  :86a,  S.  870-82.)  ||F.  Detter:  ZDPh.  26,  8.400,5.]|  -  13)  E.  Meumann,  Unter- 
suchungen •/,.  Psychologie  u.  Aetthetik  d.  Rhythnms.  Habilitationsschr.  L.,  Engelmann.  113  S.  (Auch:  PhilosSt.  10, 8. 249-822, 
393-430."    —    14)  R.  Hildebrand,    Z.  Urgesch.  unserer  Metrik:  ZDU.  7,  S.  1  6.    —    14  a)  X  K.  Skr  au  p,   D.  Kunst  d.  Rede 


J.  Minor,  Metrik.     1893,  1894.  I  8:i3-i4a 

Die  einfachste  Form  ist  daher  der   zweigliedrige  Takt,  und  zwar  der  fallende    •  ?; 

ihm  koordiniert  ist  der  dreigliedrige,   als    dessen  einfachste  Form  M.  mit  Wundt  die 

amphibrachische  fff  betrachtet,  wo  eine  Hebung  sowohl  durch  eine  vorausgehende, 

als  durch  eine  folgende  Senkung  hervorgehoben  wird  (auch  hiermit  stehen  aber  die 
Experimente  M.s  [S.304]  in  Widerspruch,  nach  denen  beim  subjektiven  Rhythmus 
nie  amphibrachische  Bewegung  erscheint).  Kompliziertere  Formen  kommen  dann  mit 
Hilfe  des  Gedächtnisses  zu  Stande;  es  ist  ein  stetes  Inbeziehungsetzen,  ein  Vorführen 
von  Analogie  und  Gegensätzen,  wobei  die  rhythmischen  Elemente,  die  durch  Unter- 
schiede in  der  Tonhöhe,  Tonstärke  und  Tondauer  ausgezeichnet  sind,  bei  ihrer 
Wiederkehr  natürlich  als  Wiederholungen  auffallen.  Das  Prinzip  der  Wiederholung 
liegt  also  dem  Rhythmus  zu  Grunde  (vgl.  das  Accentsystem  der  hebräischen  Sprache 
und  den  Parallelismus  der  Satzglieder  in  der  alttestamentlichen  Dichtung).  Die 
Elemente  des  subjektiven  Rhythmus  ermittelt  M.  zunächst  an  Schalleindrücken,  die 
mit  gleicher  Qualität  und  Intensität  in  gleichen  Intervallen  (am  günstigsten  bei  0,3 
oder  0,2  Sekunden,  nicht  unter  0,1  und  nicht  über  1,5,  ganz  aufhörend  bei  4,25 
Sekunden  nach  den  Experimenten)  auf  einander  folgen  und  längere  Zeit  fortdauern. 
Wir  —  auch  die  an  den  Rhythmus  nicht  Gewöhnten?  —  glauben  dann  (fälschlich) 
stärker  betonte  herauszuhören,  die  periodisch  wiederkehren ;  die  Eindrücke  werden 
nicht  einzeln  gehört,  sondern  zu  Gruppen  zusammengefasst;  zwischen  je  zwei  Gruppen 
fällt  eine  leere  Zeit;  der  Rhythmus  ist  meistens  ein  fallender.  Werden  die  Schläge 
nicht  in  gleichen  Intervallen  geführt,  so  tritt  (wie  ich  schon  in  meiner  Metrik 
[s.  o.  N.  1,  S.  13/4]  gezeigt  habe)  die  Zeitordnung  stellvertretend  für  den  Accent  ein: 
es  erscheint  nicht  immer  der  zweite,  vierte,  sechste  usw.  Schall  betont,  sondern  die 
durch  die  gleiche  Zeitdauer  von  einander  getrennten.  Mit  diesen  rhythmischen 
Gruppen  streitet  aber  nun  in  der  Musik  eine  andere  Gruppenbildung,  die  durch  das 
innere  Zusammenfassen  der  Töne  (den  musikalischen  Gedanken,  die  Phrasierung) 
gebildet  wird  und  hauptsächlich  auf  der  Qualität  der  Töne  beruht.  Je  mehr  unsere 
Aufmerksamkeit  auf  die  Tonfolge  gerichtet  ist,  umsomehr  tritt  die  Aufmerksamkeit 
auf  rhythmische  Verhältnisse  zurück,  und  besonders  die  mannigfachsten  Zeit- 
täuschungen treten  ein.  Der  Rhythmus  wird  nur  behauptet,  indem  er  wie  jede 
gleichmässige  Bewegung  mechanisch  oder  automatisch  wird  (linke  Hand  beim  Klavier). 
Diese  Grundsätze  wendet  M.  nun  auch  auf  den-  gesprochenen  Vers  an,  indem  er 
vorausschickt,  dass  die  metrische  Litteratur  ihm  für  seine  Zwecke  sehr  wenig  zu 
bieten  habe.  Ich  muss  dagegen  protestieren;  denn  es  wird  sich  zeigen,  dass  ich  in 
meiner  ihm  wohlbekannten  Metrik  die  meisten  Probleme  vor  ihm  in  Angriff  genommen, 
teilweise  ganz  ähnlich  beantwortet  habe,  in  dem  Resultat  aber  freilich  von  ihm 
abweiche,  aus  guten  Gründen  wie  sich  noch  (s.  u.)  ergeben  wird.  Auch  M.  be- 
schränkt sich,  wie  ich,  auf  den  neuhochdeutschen  Vers,  der  allein  der  experimentellen 
Beobachtung  zugänglich  sei;  auch  er  nimmt  ihn  nur  in  freier,  künstlerischer  Dekla- 
mation1411), nicht  in  skandierender  Sprechweise  zur  Grundlage.  Den  Unterschied  des 
poetischen  Rhythmus  von  dem  musikalischen  leitet  er,  wie  ich,  zunächst  aus  der 
Natur  des  Rhythmizomenon  ab.  Während  es  die  Musik  mit  Empfindungen  zu 
thun  hat,  hat  es  die  Poesie  mit  nach  logischen  Zusammenhängen  zu  Sätzen  geordneten 
Worten  zu  thun,  die  schon  in  der  Prosa  eine  feste  Betonung  haben,  so  dass  die 
Poesie  mit  einem  schon  rhythmisierten  Material  arbeitet.  Durch  den  Sinn  bedingte 
kleinere  rhythmische  Abschnitte  durchbrechen  den  metrischen  Aufbau  derVersfüsse 
beständig  (bei  mir:  Antagonismus  zwischen  Versfuss  und  Wortfuss,  zwischen 
natürlicher  und  künstlicher  Betonung)  und  bestimmen  erst  den  ganzen  Rhythmus 
seinem  Charakter  nach.  Neu  ist  M.s  Erklärung:  unsere  Aufmerksamkeit  wird  dadurch 
beständig  (wie  durch  die  musikalische  Phrasierung)  von  dem  Rhythmus  als  solchem 
abgezogen;  daher  ist  oft  eine  Zeitlang  die  freieste  Behandlung  des  Rhythmus  möglich, 
ohne  dass  wir  ästhetisch  etwas  vermissen.  Wie  jede  künstlerische  Durchbildung 
die  Natur  des  Stoffes  zu  respektieren  hat,  so  ist  auch  ein  völlig  regelmässiger  Wechsel 
des  Bedeutsamen  und  des  minder  Bedeutenden  uns  zuwider,  weil  dabei  (wie  beim 
blossen  Skandieren)  das  logisch  Unbedeutende  in  gleicher  Weise  hervortritt  wie  das 
Bedeutsame  (ebenso  in  meiner  Metrik).  Völlige  Regelmässigkeit  wäre  der  Ausdruck 
einförmiger  Gedankenbewegung  (bei  mir:  es  ist  nicht  die  erste  Aufgabe  des  Dichters, 
korrekte  Verse  zu  machen).  In  betreff  des  Anteils  der  Quantität,  die  M.  mit  Recht 
als  einen  unglücklichen  Namen  bezeichnet  (ich  habe  zwischen  Quantität  als  der  natür- 
lichen Silbendauer  und  zwischen  der  Taktdauer  genau  unterschieden),  wirft  M.  den 
Metrikern  vor,  dass  sie  über  den  Anteil  der  Zeitfaktoren  an  dem  Rhythmus  keine 
bestimmte  Antwort  geben;  ich  habe  die  ganz  bestimmte  Antwort  gegeben,  die  durch 
die  von  M.  selbst  angeführten  Experimente  gestützt  wird,  dass  sie  nur  dort  in 
Betracht  kommt,  wo  der  Rhythmus  nicht  durch  den  regelmässigen  Wechsel  von  Hebung 
und  Senkung  ohnedies  gesichert  ist.     Aber  M.  selber  führt  uns  in   diesem  Punkte 


I  8:i3-ua  J.  Minor,  Metrik.     1893,  1894. 

nicht  weiter.  Er  schickt  voraus,  dass,  wenn  unsere  Aufmerksamkeit  von  dem  Rhythmus 
abgelenkt  und  auf  den  Sinn  gerichtet  ist,  besonders  die  Zeitwahrnehmung  so  gut  wie 
abgeschnitten  wird.  Dann  aber  untersucht  er  doch  die  Bedeutung  der  Quantität  für 
den  Rhythmus  und  er  findet  sie  in  denselben  Punkten,  wie  ich  in  meiner  Metrik: 
1.  tn  der  Silbendauer,  wobei  es  sich  zeigt,  dass  die  betonte  Silbe  immer  auch  eine 
längere  Dauer  hat;  2.  in  den  Pausen  zwischen  den  Silben,  Worten  und  Versenden 
Kur  Markierung  der  Gruppen  und  grosseren  Abschnitte  (ich  war  wohl  der  erste,  der 
auf  die  Bedeutung  der  Pausen  auch  im  gesprochenen  Vers  aufmerksam  gemacht  hat); 
&  in  der  Taktdauer.  Aber  in  Bezug  auf  die  Frage,  in  wie  weit  sie  gewahrt  wird, 
konlnlt  auch  M.  nicht  weiter  als  die  früheren  Metriker  vor  mir.  Obwohl  er  sie  als 
Wesentliche  Bedingung,  aller  komplizierten  rhythmischen  Bildungen  betrachtet,  so 
;,däss  sich  nirgendwo  ein  rhythmischer  Wechsel  unserer  Erlebnisse  nächweisen  lässt, 
der  ihrer  ganz  entbehrt",  findet,  er,  sie  im  gesprochenen  Vers  bald  gewahrt,  bald 
vollständig  preisgegeben.  Die  Tendenz  zur  Einhaltung  der  Taktdäuer  ist  allerdings 
vorhanden,  aber  sie  dient  nur  zur  Einleitung  des  Automatismus  und  des  geregelten 
Fortganges  der  Bewegungen  (also  doch!).  Ja  sogar  die  Tendenz  zur  Einhaltung 
einer  absoluten  Taktdauer  (=  1  Sekunde)  die  M.  als  die  natürliche  Länge  der  Auf- 
merksamkeitsperiode betrachtet,  ist  durch  Experimente  erwiesen.  Wir  empfinden, 
giebt  er  zu,  alle  Verletzung  der  Taktgleichheit  als  ein  rhythmusauflösendes  Element. 
Zwei  Tendenzen  der  poetischen  Deklamation  (vgl.  Sievers  und  meine  Metrik)  stehen 
sich  gegenüber:  die  taktierende  oder  skandierende,  die  das  Interesse  an  dem  Rhythmus, 
und  die  phrasierende  oder  gruppierende,  die  das  Interesse  an  dem  Inhalt  zum  Aus- 
druck bringt.  Eine  sinnvolle  Deklamation  nötigt  zu  beständiger  Aufgebung  des 
Rhythmus,  und  auch  die  Taktgleichheit  wird,  wie  jede  künstlerische  Regel,  bald  ein- 
gehalten, bald  aufgehoben  (wann  und  wo  kann  also  der  Psychologe  so  wenig  bestimmen 
wie  die  bisherigen  Metriker).  Auf  Wiederholung  beruhen  beide  Arten  des  Vortrages: 
dort  handelt  es  sich  um  die  Wiederkehr  gleicher  Zeitabschnitte,  hier  um  die  Wieder- 
aufnahme gleich  oder  ähnlich  gebauter  Gruppen,  ja  oft  sogar  beträchtlich  ungleicher, 
je  mehr  die  Aufmerksamkeit  von  dem  Rhythmus  ab  und  auf  den  Sinn  gelenkt  ist 
(das  heisst  doch:  je  weniger  von  Rhythmus  die  Rede  sein  kann!).  Worin  besteht 
denn  aber  nun  der  Rhythmus  des  gesprochenen  Verses?  Wie  sich  im  Rhythmus 
das  Unbetonte  dem  Betonten  unterordnet,  so  bilden  sich  auch  im  gesprochenen  Vers 
logische  Gruppen  in  einem  System  abgestufter  Betonungen,  die  sich  unter  der  Herrschaft 
einer  Hauptbetonung  in  eine  rhythmische  Gruppe  zusammenschliessen,  die  für  das  Ohr 
des  Hörenden  so  markiert  wird.  Für  die  Poesie  sei  (gegenüber  der  Musik)  ein  relativ 
unregelmässiger  Betonungswechsel  charakteristisch;  aber  auch  hier  giebt  es  zwei 
Extreme:  die  Annäherung  an  die  Regelmässigkeit  im  Wechsel  betonter  und  unbetonter 
Silben  und  die  Annäherung  an  die  vollkommene  Willkür  und  Auflösung  aller  Regeln. 
Aber  „die  einzelne  rhythmische  (!)  Gruppe  kann  durchaus  rhythmischen  (!)  Charakter 
haben,  auch  wenn  sie  nicht  durch  eine  zweite  wieder  aufgenommen  wird  und  von 
einer  Markierung  des  gleichen  Zeitfortschrittes  keine  Rede  sein  kann  .  .  .  Soll  aber 
ein  grösseres  rhythmisches  Ganzes  entstehen,  das  einen  ästhetisch  befriedigenden 
Eindruck  macht,  so  muss  die  rhythmische  Gruppe  von  anderen  gleich  oder  ähnlich 
gebauten  wieder  aufgenommen  werden  und  zwar,  falls  die  Pausen  sich  nicht  in 
unangenehmer  Weise  vordrängen  sollen,  mit  gleichen  Pausen  zwischen  den  Gruppen, 
womit  von  selbst  eine  gewisse  Gleichheit  in  der  Markierung  der  Hauptbetonungs- 
zeiten gegeben  ist"  (also  doch!  vgl.  meine  Metrik.  Ja  „die  rhythmischen  Gruppen 
können,  wenn  sie  unter  sich  gleich  gebaut  sind,  ihrerseits  gerade  die  Einheit  der 
Taktgleichheit  garantieren",  dies  in  wörtlicher  Uebereinstimmung  mit  meiner  Metrik). 
Aber  da  die  logischen  Gruppen  in  der  Regel  (!)  vermöge  der  Subordination  der  Be- 
tonungsstufen in  denselben  unmittelbar  als  entsprechende  rhythmische  Gruppen  (!) 
für  das  Ohr  ins  Gewicht  fallen,  so  haben  sie  eine  die  Taktgleichheit  beständig  durch- 
kreuzende Bedeutung  nicht  nur  wegen  der  Abschnittbildung,  sondern  vor  allem  wegen 
ihres  in  sich  abgeschlossenen  Betonungssystemes.  Diese  logische  Gruppenbildung 
nun  ist  es,  die  Zusammenfassung  nach  dem  Sinn,  die,  indem  sie  beim  Deklamieren  in 
einem  der  logischen  und  emotionellen  Bedeutung  entsprechenden  System  von  Betonungs- 
stufen zum  Ausdruck  kommt,  die  kleinsten  rhythmischen  Einheiten  konstituiert;  als 
solche  gelten  unserem  Erfassen  also  die  logischen  (rhythmischen)  Gruppen,  nicht 
die  Takte.  Eine  grössere  Kombination  rhythmischer  Gruppen,  die  an  sich  ganz 
unrhythmisch  wirkt  wegen  allzulanger  Ungleichheit  der  Einzelgruppen,  erscheint 
ferner  sofort  rhythmisiert,  wenn  sie  als  Ganzem  wiederholt  wird;  ja  sogar  wenn  sie 
nur  teilweise  wiederholt  wird,  und  die  rhythmisierende  Wirkung  erstreckt  sich  dann 
auch  auf  die  nicht  wiederholten  Teile;  sie  wird  in  ihrem  Effekt  noch  gesteigert,  wenn 
sie  durch  eine  folgende  reicher  gegliederte  in  entwickelterer  Form  wieder  aufgenommen 
wird.  Die  Wiederholung  sich  entsprechender  rhythmischer  Teile  ist  das  eigentlich 
synthetische    Element   des    Rhythmus.    Diese   Ausführungen    des  Vf.  sind   in    allen 


J.  Minor,  Metrik.     1893,  1894.  I  8  :  is-Ha 

Punkten  unhaltbar,  so  weit  sie  nicht  auf  den  jedem  Metriker  wohlbekannten  Satz 
hinauslaufen,  dass  das  metrische  Schema  in  jedem  Gedicht  verlassen  und  wiederher- 
gestellt wird.  Sie  beruhen  auf  dem  fundamentalen  Widerspruch,  dass  der  Vf.  die 
logischen  Gruppen,  weil  auch  die  Sprache  schon  ihren  Rhythmus  hat,  mit  den 
rhythmischen  Gruppen  zusammenwirft,  ohne  durch  die  oben  angezeigte  (1— I)  Tautologie 
auf  seine  petitio  principii  aufmerksam  zu  werden.  Es  ist  freilich  richtig,  dass  auch 
die  logischen  Gruppen  ihren  Rhythmus  haben;  als  die  Bedingungen  des  Rhythmus 
aber,  um  den  es  sich  hier  handelt,  hat  M.  selber  die  Elemente  aufgezeigt:  darunter 
regelmässig  wechselnde  betonte  und  unbetonte  Silben  und  Quantität;  er  hat  ferner 
oft  genug  darauf  hingewiesen,  dass  die  einzelnen  Faktoren  der  Rhythmusbildung 
einander  ersetzen  können.  Während  es  sich  in  der  logischen  Gruppe  um  freien 
Wechsel  betonter  und  unbetonter  Silben  handelt,  handelt  es  sich  in  den  rhythmischen 
Gruppen,  ausser  bei  gleicher  Quantität,  um  regelmässigen  Wechsel  von  betonten  und 
unbetonten  Schällen  oder  Tönen.  Die  beiden  Begriffe  sind  also  nicht  gleichwertig  und 
können  nicht  vertauscht  werden.  Aus  M.s  Darstellung  ergiebt  sich  bloss,  dass  hier  von 
Rhythmus  überhaupt  nicht  die  Rede  sein  kann.  Sonst  wäre  jeder  Prosatext,  der  ja  immer  in 
rhythmische  Gruppen  zerfällt,  im  ästhetischen  Sinne  rhythmisch.  Dasselbe  Resultat  ergiebt 
sich,  wenn  M.  die  automatische  Taktgleichheit  leugnet,  während  unsere  Aufmerksam- 
keit vom  Rhythmus  ab  und  auf  den  Sinn  gelenkt  wird:  hier  ist  also  auch  überhaupt 
kein  Rhythmus  vorhanden,  und  unsere  vorstellende  Thätigkeit  jedenfalls  nicht  mit 
dem  Ordnen  der  Zeiteindrücke,  sondern  mit  ganz  anderen  Dingen  beschäftigt.  Anders 
verhält  es  sich  natürlich  mit  der  Wiederholung  gleicher  oder  ähnlicher  Gruppen, 
wo  entweder  die  eine  Bedingung  (regelmässiger  Wechsel  von  Hebung  und  Senkung) 
oder  die  andere  (gleiche  Taktdauer)  erfüllt  ist,  oder  wo  sich  bei  grösseren  Kombinationen 
diese  Bedingungen  in  einer  höheren  Einheit  erfüllen  (französischer  Vers,  Klopstocks 
Odenverse).  Gerade  die  Gattungen  aber,  deren  metrisches  Schema  am  freiesten  ist, 
also  Knittelverse,  freie  Klopstocksche  Rhythmen  usw.  kommen  unter  M.s  Gesichts- 
punkten am  wenigsten  zur  Geltung.  Denn  hier  findet,  wenn  die  Senkung  fehlt,  gar 
keine  Ueber-  und  Unterordnung  statt,  trotz  der  logischen  Gruppen!  Oder  wenn  die 
Anzahl  der  Senkungen  rasch  und  stark  wechselt,  wiederholen  sich  ganz  unähnliche 
Figuren.  Wo  steckt  hier  der  Rhythmus?  Also  gerade  die  Versarten,  die  dem 
musikalischen  Rhythmus  am  nächsten  stehen,  würden  nach  M.  unsere  Aufmerksamkeit 
von  dem  Rhythmus  ablenken  auf  den  Sinn;  M.  verwechselt  hier  selber  das  metrische 
Schema  mit  dem  Rhythmus,  wie  er  uns  Metrikern  vorwirft.  Man  lese  nur  die  Knittel- 
verse des  Faust  oder  Goethes  hohe  Oden  anders  als  taktierend!  Man  kann  es  gar 
nicht,  der  Takt  stellt  sich  von  selber  immer  her.  In  Wahrheit  aber  bestätigen  alle 
von  M.  angeführten  Experimente  meinen  Satz:  bei  regelmässigem  Wechsel  von 
Hebung  und  Senkung  ist  die  ohnedies  garantierte  Taktdauer  gleichgültig;  bei 
freiem  Wechsel  von  Hebung  und  Senkung  wird  der  Rhythmus  nur  durch  Ein- 
haltung der  Taktdauer  aufrecht  gehalten,  wo  er  nicht  überhaupt  höheren  dichterischen 
Absichten  geopfert  wird.  Diesen  Satz  bestätigen  zunächst  die  Experimente  von  Sievers 
und  dem  Amerikaner  Bolton  (bei  M.  S.  317,  406),  wonach  wir,  wenn  wir  einen  zwei- 
zeitigen und  einen  dreizeitigen  Takt  unmittelbar  hinter  einander  schlagen,  die  Taktdauer 
unwillkürlich  einhalten,  d.  h.  die  drei  Schläge  des  zweiten  Taktes  erfolgen  unwillkürlch 
rascher  als  die  zwei  Schläge  des  ersten  (vgl.  das  ganz  gleichbedeutende  Experiment 
bei  Minor  [s.  o.  N.  1;  S.  13/4]).  Ferner  kommt  M.  selber  oft  genug  auf  den  Satz 
zurück,  den  ich  gleichfalls  meiner  Metrik  zum  Grunde  gelegt  habe,  dass  die  einzelnen 
Faktoren  der  Rhythmusbildung  einander  teilweise  ersetzen  können :  es  kann  im  musikali- 
schen Rhythmus  die  Qualität  des  Tones  (Tonhöhe)  für  den  Accent  eintreten  (z.B.  bei  Orgel- 
spiel; Wundt  und  Lobe,  der  den  rhythmischen  Accent  überhaupt  nicht  gleichbedeutend 
mit  stärkerer  Betonung  hält);  es  können  sich  auch  Zeitdauer  und  Betonung  in 
grossem  Masse  vertreten  (Lobe ;  Riemann:  Accent  auch  durch  geringe  Dehnung  der 
auf  den  Schwerpunkt  fallenden  Note  möglich).  Und  so  giebt  M.  selber  zu:  jedes  der 
beiden  Elemente  kann  die  dominierende  Stelle  im  Rhythmus  übernehmen,  wenigstens 
für  eine  kurze  Zeitstrecke;  und:  wenn  die  Schläge  in  ungleichen  Zeiten  folgen,  tritt 
die  Zeitordnung  stellvertretend  für  die  Betonung  ein.  Soll  im  Verse  überhaupt  von 
Rhythmus  die  Rede  sein,  so  müssen  diese  allgemeinen  Bedingungen  auch  für  ihn 
gelten.  Aus  ihnen  ergiebt  sich  aber  mein  Satz  mit  Notwendigkeit.  Das  Experiment, 
wonach  ungleichzeitige  Takte  neben  einander  gestellt  zur  Einhaltung  der  Takt- 
gleichheit drängen,  ist  aber  für  die  Metrik  auch  sonst  noch  von  Wert:  denn  da  die 
Zeiteinteilung  im  Inneren  der  Takte  beim  Sprechvers  nicht  eingehalten  werden  muss 
(vgl.  Sievers  und  meine  Metrik),  so  liegt  gar  kein  Grund  mehr  vor,  im  Hexameter 
etwa  den  Spondeus  und  den  Daktylus  als  gleichzeitige  Takte  zu  betrachten  und 
eine  künstliche  Notenschrift  zu  ersinnen,  in  der  sie  beide  gleich  viel  viertel  oder 
halbe  Noten  ausmachen.  Auch  in  seiner  Verwendung  des  Namens  Metrik  kann 
ich  dem  Vf.  nicht  Recht  geben.     Er  verwirft  die  herkömmliche  Bedeutung,  nach  der 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.     V.  (l)t'' 


I  8:13-16  J.  Minor,  Metrik.     1893,  1894. 

Metrik    der   speciellere,  (auf   den  poetischen   Text  bezogene)   Teil  der  Rhythmik  ist, 
weil  sie  ihm  eine  beständige  Quelle  der  Verwechslung-  des  metrischen  und  des  rhyth- 
mischen   Gesichtspunktes  zu  sein   scheint.    Metrik  ist  für  ihn  bloss  ein  System  von 
Regeln  und  Symbolen  für  die  sinnfällige  Wiedergabe  der  Mittel,  die  dem  Spielenden 
zur  Verfügung   stehen,   um    die  von  dem  Komponisten  beabsichtigten  rhythmischen 
Eindrücke  zu  erkennen    und  zu  verwirklichen,  kurz   gesagt:   die  (immer  mehr  oder 
weniger  unvollkommene)  Fixierung   für   das   Auge   durch    Noten  und  Versschemen 
(S.  289,  297,  317,  394,  415  ff.).     Der  Begriff  des  Taktes  ist  für  ihn  ein  rein  metrischer ; 
Takte  sind  metrische  Einheiten,  vom  Rhythmus  unterschieden  (wie  verhält  sich  dazu 
aber   die    „taktierende   Tendenz"  beim  Vortrag  der  Verse?).    Ich  kann  nicht  finden, 
dass    mit    dieser   Unterscheidung    etwas    gewonnen    sei;    denn  wenn   auch   das  Wort 
Metrik  hier  in  der  Musik  und  im  gesprochenen  Vers  dasselbe   bedeutet,  so  werden 
von  M.  dafür   die  Worte   Rhythmus    und   Rhythmik   ebenso   zweideutig   verwendet: 
was  M.   den  Rhythmus    des   gesprochenen  Verses   nennt,   hat   mit   den  allgemeinen 
Bedingungen  des  Rhythmus  eben  so  wenig  zu  thun,  wie  früher  in  der  sogenannten 
Metrik    eine    durchgängige    Anwendung    der    Prinzipien    des    Rhythmus    auf    einen 
besonderen  Fall  stattfand.     Wir  werden  also  besser  auch  künftig  die  ältere  Bedeutung 
des  Wortes   beibehalten  und    es  sub  inteso  verstehen,  wie  M.  das  Wort  Rhythmus. 
M.s  Untersuchung   enthält   noch  eine  Menge,  zum  grössten  Teile  freilich  schon  von 
Früheren  angestellter  Experimente  und  Beobachtungen,  die  für   die  Metrik  fruchtbar 
werden    können.     Z.   B.  diejenigen    über    den    fallenden    und    steigenden    Rhythmus 
(S.  280,  285/6,  299,  426).    Auch  nach  der  Meinung  der  Physiologen  und  Psychologen 
ist  es  bloss  konventionell,  wenn  in  unserer  Notenschrift  immer  die  erste  Note  die  betonte 
ist  (Wundt);  derselbe  physikalische  Rhythmus  kann  physiologisch  sehr  verschieden 
sein,   je   nachdem    die    Aufmerksamkeit,    durch    die   Betonung    geleitet,    verschieden 
einsetzt  (Mach).    Auch  nach  dem  Musiktheoretiker  (Riemann)  sind  beide  Taktformen 
berechtigt,   je  nachdem    ein  Ton  als  die  gesteigerte   oder  die  abgeschwächte  Wieder- 
holung des  vorigen  betrachtet  wird.  Aber  M.  führt  doch  Experimente  an  (S.  286,  426),  die 
fast  alle  die  natürliche  Neigung  (und  nicht  bloss  bei  den  Deutschen,  sondern  auch  bei  den 
Amerikanern)  zeigen,  den  betonten  Schall  als  den  taktbeginnenden  zu  hören.15)  —  Recht 
im    Gegensatz    zu    M.    steht    von    Dubczynski16)    ganz    auf   dem    Standpunkt 
Brückes.     Die  Taktgleichheit    gilt    ihm    heute   noch,    wie   bei    den    antiken  Völkern 
und  bei  den  alten  Deutschen,  überall  als  Gesetz ;  die  geringste  Verletzung  empfinden 
wir  lästig,    als  Knittel-  oder  stolpernde  Verse  (!).     Das  skandierende  Hersagen  von 
Versen  durch  Kinder  wird    als    natürliche  Grundlage    des  Rhythmus    auch   für   den 
gesprochenen  Vers  herangezogen;  mit  Brücke  betrachtet  D.  den  Rhythmus  gern  los- 
gelöst von  Sinn  und  von  Worten  an  sinnlosen  Lauten  bimbam.    D.  arbeitet  noch  mit 
dem  Kymographion;   für  die  übrigen  Experimente  stehen    ihm    keine  Apparate    zur 
Verfügung.    Sein  Hauptgegenstand  ist  die  physiologische  Wirkung  der  Musik  und  des 
Verses    auf  den  Körper.     Dass    eine    solche    besteht,    beweist    nicht  bloss  die  Heils- 
wirkung,   welche    die  Alten    und    die  Wilden   dem  Rhythmus    zuschreiben,    sondern 
auch    die    neueren    Untersuchungen  Dogiels    über    den  Einfluss    der  Musik    auf   den 
Blutkreislauf.     In    einem  erkenntnistheoretischen  Exkurs    betrachtet    der  Vf.  die  Zeit 
als  eine  Relation,  die  nicht  direkt  zu  beurteilen  ist,  weil  sie  nicht  als  Zeit  percipiert 
werden  kann,  sondern  die  nur  an  einem  Masse  zu  messen  ist.    Um  dieses  Mass  aus- 
findig zu  machen,    konstatiert    der  Vf.  zunächst    aus  Versuchen,    dass   wir  in    einer 
Minute  meistens  70 — 80  Arsen  lesen,  beim  Hexameter  durchschnittlich  70 — 75,  niemals 
aber    unter    60;    interessant    ist,    dass    dieselben    Menschen    denselben  Text    an    ver- 
schiedenen Tagen  mit  verschiedener  Geschwindigkeit  lesen.    Die  Atemperiode  entspricht 
dem    nicht:    wir    machen    in    der  Minute  nur  16 — 20  Atemzüge,  und  das  Atemholen 
wird  beim  mündlichen  Vortrag  ausserdem  künstlich  geregelt.     Aber  der  Herzschlag 
mit  seinen  60—80  Kontraktionen   in  der  Minute  entspricht.     Versuche  haben  dem  Vf. 
gezeigt,    dass  der  Pulsschlag  mit  dem  Tempo    der   Rede   zunehme.     Nun    sind    wir 
uns     des    Herzschlages     freilich    nicht    bewusst,    weil    wir    an    ihn    gewöhnt    sind; 
aber   der  Vf.    sucht  nachzuweisen,  dass  zwischen  dem  Herzen  und  dem  Ohr  in   den 
Gefässen  des  Blutumlaufes    ein    Zusammenhang   bestehe,    dass   also    der  Aortenstoss 
auf  das  Ohr  einen  direkten  Reiz  ausüben  könne.  Glockenschläge  die  mit  dem  Aorten- 
stoss zusammenfallen,  sind  dem  Vf.  deutlicher,   andere  die  dazwischen  fallen,  undeut- 
licher erklungen.    Ebenso  will  er  gefunden  haben,  dass  bei  einem  Deklamator  die  Puls- 
schläge und  die  Arsen  zusammenfallen.  Er  schliesst  daraus,  dass    uns  das  Sprechen 
weniger  anstreng-end  sei  und  angenehmer  klinge,  wo  die  Geschwindigkeit  des  Sprechens 
mit   dem  Herzschlag   gleichen  Schritt    hält.     Als    praktische  Folgen    für   die  Metrik 

u.  d.  Vortrags.  L.,  J.  J.  Weber.  XVI,  284  S  Mit  16  Abbild.  M.  4,50.  —  15)  X  E-  Sievers,  Grundzüge  d.  Phonetik  z. 
Einfährung  in  d.  Studium  d.  Lautlehre  d.  indogerm.  Sprachen.  4.  verb.  Aufl.  (=  Bibl.  indogerman.  Grammatiken,  bearb.  v. 
B.  Delbrück,  K.  Foy,  W.  Hubschraann  u.  a.  1.  Bd.)  L.,  Breitkopf  &  Härtel.  1893.  XVI.  298  S.  M.  5,00.  —  16)  A.  J.  R. 
v.  Dubozynski,  Beurteilung  n.  Begriffsbildung  d.  Zeitintervalle  in  Sprache,  Vers  u.  Musik.    Psycho-philos.  Studie  v.  Stand- 


J.  Minor,  Metrik.     1893,  1894.  I  8  :  le-ao 

will  der  Vf.  daraus  ableiten:  1.  dass  Verse  mit  vielen  Senkungen  (jambische  und 
trochäische  Trimeter  und  Tetrameter)  ungleich  schneller  gelesen  werden  müssen  als 
z.  B.  daktylische  Verse,  weil  bei  der  Pulsfrequenz  oder  Hebungszahl  von  70  Schlägen 
in  einer  Minute  dort  280,  hier  nur  210  Silben  zu  sprechen  seien;  2.  dass  uns  am  Eingang 
des  Verses  Unregelmässigkeiten,  d.  h.  ungleichwertige  Silben  nicht  stören,  während  sie 
(Brücke)  nach  der  zweiten  Arse  schon  störend  wirken:  weil  sich  hier  die  Ge- 
schwindigkeit  der  Sprache  dem  Masse  bereits  zu  akkomodieren  beginnt  (aber  doch 
nicht  bei  jedem  Verse  von  neuem?).  Endlich  glaubt  der  Vf.  beobachtet  zu  haben, 
dass  auch  die  Pulsfrequenz  des  Zuhörers,  besonders  des  aufmerksameren,  sich  nach 
der  des  Sprechers  regelt  .  .  .  Die  Ausführungen  des  Vf.  sind  recht  anfechtbar 
—  wie  kommt  es,  dass  viele  Menschen  trotz  Puls  und  Herzschlag  vollkommen  un- 
rhythmisch sind?  —  und  seine  Versuche  flössen  mir  wenig  Vertrauen  ein.  Was  an 
ihnen  wahr  ist,  hat  schon  Dogiel  erkannt,  der  der  Musik  nicht  bloss  Einfluss  auf  den 
Blutkreislauf  der  Menschen  und  Tiere  zuschrieb,  sondern  auch  Veränderungen  in  der 
Atmung  mit  diesen  Schwankungen  des  Blutkreislaufes  in  Verbindung'  brachte. 
Hervorhebung  verdient,  dass  auch  D.  (mit  Berufung  auf  Vierordt,  Mach  und  Hermann) 
unsere  Empfindlichkeit  für  gleiche  Intervalle  bei  einer  Geschwindigkeit  zwischen 
0,3  und  0,4  Sekunden  am  schärfsten  findet ;  am  meisten  bei  0,375  Sekunden,  wo 
Unterschiede  von  0,05  (Mach,  0,046  Vierordt)  Sekunden  empfunden  werden.  Bei 
0,3  Sekunden  wird  ein  Unterschied  von  3,3  °/0,  resp.  5  °/0  noch  erkannt ;  bei  langsameren 
Schlagfolgen,  über  0,3,  wird  das  Urteil  immer  weniger  sicher,  bei  1,4  ist  die  Hälfte 
der  Urteile  falsch,  wobei  kleine  Zeiträume  g-e wohnlich  für  grösser,  grosse  gewöhnlich 
für  kleiner  genommen  werden.  Ich  will  auch  nicht  unterlassen,  darauf  aufmerksam 
zu  machen,  dass  die  Zahl  von  70  Arsen  in  der  Minute  an  Meumanns  Untersuchungen 
eine  Stütze  findet,  der  für  eine  rhythmische  Gruppe  durchschnittlich  eine  Sekunde 
rechnet.  —  Ueber  die  physiologischen  Grundlagen  der  rhythmischen  Empfindungen 
handelt  auch  das  einleitende  Kapitel  der  nachgelassenen  Schrift  von  Billroth17): 
„Wer  ist  musikalisch?"  Vf.  betrachtet  den  Rhythmus  als  ein  wesentliches,  mit  unserem 
Organismus  innig  verbundenes  Element  des  Musikalischen:  Rhythmus  des  Atmens, 
des  Herzschlags,  der  Körperbewegungen  (Gehen,  Marschieren,  Tanzen).  Nach  dem 
Gesetze  der  Mitbewegungen  werden  wir  umgekehrt  durch  den  Rhythmus  zur  Be- 
wegung mit  fortgerissen.  Sehr  interessant  sind  besonders  die  statistischen  Angaben 
von  Militaristen  über  die  Prozentsätze  von  Rekruten,  die  schwer  oder  nie  rhythmisch 
marschieren  lernen;  es  giebt  also  Menschen,  denen  (trotz  Atemholen  und  Herzschlag!!) 
das  rhythmische  Gefühl  nicht  angeboren  und  auch  nicht  beizubringen  ist.  Körper- 
und  Gedankenbewegungen  scheinen  dem  Vf.  im  Mittelalter  weit  langsamer  gewesen 
zu  sein  als  jetzt,  daher  die  langsameren  Rhythmen.  Auf  dem  Rhythmus  beruht  die 
Popularität  und  daher  die  Langlebigkeit  der  Komposition;  ohne  einen  sehr  deutlich 
decidierten  Rhythmus  lebt  kein  Volkslied  besonders  lange.  Eintöniger  Rhythmus 
macht  die  Musik  langweilig,  übermässig  rascher  Wechsel  im  Rhythmus  spannt  uns 
ab.  Von  dem  Rhythmus  der  Bewegung  unterscheidet  B.  den  ruhenden  Rhythmus, 
die  Symmetrie  im  Räume  (Meumann  bekämpft  diese  Uebertragung  bildlicher  Ausdrücke 
auf  andere  Vorstellungsarten).  In  dem  Kapitel  über  die  Beziehungen  von  Tonhöhe, 
Tonklang  und  Tonstärke  zu  unserem  Organismus  ist  besonders  das  Ueberspringen 
von  einem  Sinnescentrum  zum  anderen  interessant:  Trompetenklang  oder  Pfeifenton 
ruft  dem  einen  die  Vorstellung  von  gelb,  die  Kirchenglocke  anderen  violett,  der 
Violinton  rotviolett  vor ;  die  Vokale  A  =  schwarz,  E  =  halbviolett,  I  ==  hellgelb, 
O  =  dunkelviolett,  U  =  braungrau.  Uas  Ueberspringen  von  Sinneswahrnehmungen 
auf  Empfindungen  und  von  Empfindungen  auf  Bewegungen  wird  durch  sehr  lehr- 
reiche Beispiele,  auch  aus  der  Tierwelt,  belegt.  — 

Accentlehre.  Ueber  den  natürlichen  Rhythmus  der  neuhochdeutschen  Sprache, 
über  die  Quantitäts-18)  und  Betonungsverhältnisse  der  Prosa,  liegen  so  gut  wie  gar 
keine  besonderen  Arbeiten  vor,  so  dringend  gerade  dieses  Gebiet  die  Sprachforscher 
zu  einer  Bearbeitung  herausfordert.  Besonders  die  Accentlehre  wünschte  ich  durch 
meine  Metrik  aus  dem  langen  Winterschlaf  herausgerissen  zu  haben.  Hof  f  mann - 
Krayer19-20)  in  Zürich  hat  in  seinem  Aufsatz  namentlich  seine  Beobachtungen  über 
Gleichgewichtserscheinungen  (unabsehbar  für  unabsehbar)  mit  einigen  Zusätzen  der 
Schule  zugänglich  gemacht.  So  unhaltbare  Behauptungen,  wie  menschheit  mit  dem 
Nebenaccent  (vgl.  menschheit  lebt),  werden  hoffentlich  bald  ganz  verschwinden.  Wenn 
H.  meint,  dass  man  etwas  Abschliessendes  über  die  Betonung  ohne  viele  Belege  aus 
den  indogermanischen  und  ausserindogermanischen  Sprachen  nicht  werde  bieten 
können,  so  teile  ich  diese  Ansicht  nicht;  ich  rate  vielmehr  bei  der  Stange  zu  bleiben 
und   die  lebende  Sprache  zur  alleinigen  Lehrmeisterin  zu  wählen.     Mit  Recht   aber 

punkte  d.  Physiologie.  L.,  Litt.  Anst.  (A.  Schulze).  50  S.  M.  2,00.  —  17)  Th.  Bill  roth,  Wer  ist  musikalisch?:  DRs.  81,  S.  78-106.  — 
18)  X  A.Heu sler,G.Burghauser,  D. neuhochdtsch. Dehnung  d. mittelhochdtsch. kurzen  Stammvokals (JBL.  1891 1  8:30):  DLZ.  1893, 
S.333,4. -19)E.  Hoffmann-Krayer,  Z.  Accent  u.  Sprachrhythmus:  ZDU.  8,  S.  757-63.  -  20)  id.,  Stärke,  Höhe,  Länge.  E.  Beitr. 

(1)13* 


I  8:20-23  j.  Minor,  Metrik.     1893,  1894. 

lässt  sich  H.  durch  die  doppelte  Bedeutung-  des  Wortes  Accent  (1.  Hervorhebung 
einer  Silbe  oder  eines  Wortes;  2.  mundartlicher  Tonfall,  z.  B.  sächsischer  Accent) 
darauf  führen,  auch  den  Tonfall  in  Betracht  zu  ziehen.  Ich  habe  schon  in  meiner 
Metrik,  leider  zu  selten,  die  Qualität  der  Töne  bei  der  Accentlehre  berücksichtigt. 
Es  ist  heute  meine  Oeberzeugung,  dass  die  Tonhöhe  bei  der  Betonung,  namentlich 
im  Satzaccent,  eine  viel  grössere  Rolle  spielt.  Wie  der  Musikästhetiker  Lobe  gezeigt 
hat,  dass  der  rhythmische  Accent  keineswegs  immer  identisch  ist  mit  stärkerer  Be- 
tonung, dass  vielmehr  der  Accent  auch  durch  die  Tonhöhe  vertreten  werden  kann, 
so  ist  auch  der  prosaische  Accent  keineswegs  bloss  Tonstärke.  In  „ein  edles 
pferd"  herrscht  bei  ruhiger  Sprechweise  aufsteigender  Accent;  will  ich  aber 
das  Attribut  betonen  („ein  edles  pferd  duldet  keinen  sporn"),  so  ist  „edles"  nicht 
stärker,  sondern  nur  höher  betont.  '  Accent  ist  nicht  immer  Tonstärke,  er  ist  nur 
Auszeichnung,  die  Auszeichnung  kann  auch  durch  die  Tonhöhe  geschehen.  —  Auf 
solche  Gedanken  führt  auch  der  Aufsatz  von  Hildebrand21)  über  „rhythmische  Be- 
wegung in  der  Prosa".  Er  geht  von  dem  Unterschied  zwischen  der  deutschen  und 
der  französischen  Betonung  aus,  die  den  Unterschied  zwischen  Haupt-  und  Neben- 
accent  nicht  kennt  und  dem  Zusammentreffen  der  beiden  Accente  auszuweichen  sucht: 
der  Franzose  sagt  statt  Vorlesung  immer  Vorlesung  (man  übersehe  hier  nicht  die 
feinen  Bemerkungen  von  Lindau22)  über  den  Accent  im  französischen  Vortrag). 
Mit  Recht  sagt  H.,  dass  vorlesen  genau  so  viel  Zeit  in  Anspruch  nimmt  wie  vorzu- 
lesen oder  vorgelesen ;  der  „Raum"  zwischen  den  beiden  Accenten  bleibe  offen,  wenn 
keine  unbetonte  Silbe  eingeschoben  ist.  Anders  als  Hoffmann,  namentlich  vom  Stand- 
punkt der  Tonhöhe  aus,  beurteilt  H.  das  sog.  Rücken  des  Accentes-  in  ansehnlich 
und  unansehnlich,  in  ünausfüllbar  und  unaüsfüllbär.  Aus  füllen,  sagt  er,  wird  aus- 
füllen, wobei  „aus"  höher  gelegt  wird,  als  die  Tonlinie  der  Stammsilben  ist,  aber  füll 
in  seinem  Tonrechte  keineswegs  verkürzt  wird;  ebenso  aus  sehen:  ansehen.  Kommt 
nun  noch  eine  betonte  Vorsilbe  un  hinzu,  so  besteht  das  Bestreben,  un  noch  höher 
zu  legen,  an  tritt  zurück,  sehen  müsste  noch  mehr  zurücktreten  —  d.  h.  die  künstliche 
Abstufung  der  Töne  würde  zu  künstlich,  man  kehrt  daher  wieder  zum  Natürlichen, 
zum  Möglichen  zurück,  und  die  Sprache  behilft  sich  mit  dem  regelmässigen  Wechsel 
von  Hebung  und  Senkung,  wobei  es  ihr,  da  alle  Silben  Anspruch  auf  Accent  haben, 
gleichgültig  ist,  ob  unabsehbar  oder  unabsehbar  betont  wird  (vgl.  dagegen  nur 
unabwendbar,  unausdenkbar).  Solche  Betonungen  ziehen  durch  Analogie  noch  andere 
ähnliche  Fälle  in  ihren  Bereich,  ohne  das  Schwanken  ganz  zu  beseitigen.  Betonungen 
wie  wahrscheinlich  und  notwendig  will  H.  aus  den  Substantiven  (Wahrscheinlichkeit, 
Notwendigkeit)  erklären ;  sie  werden  um  so  fester,  weil  sie  dem  Bedürfnis  des  Verses 
entgegen  kommen.  —  Eine  die  Betonung  betreffende  Specialfrage,  nämlich  die  Hebung 
des  schwachen  e,  behandelt  auf  Grund  eines  sehr  reichen  Materials  Vogt  23).  Für 
uns  kommt  nur  der  auf  die  neuere  Litteratur  bezügliche  Teil  der  Abhandlung  in  Betracht. 
Die  mittelhochdeutsche  Dichtung  der  Blütezeit  sucht  das  schwache  e  bekanntlich  aus  der 
Hebung  nicht  bloss  am  Versschluss,  sondern  ganz  zu  verbannen.  In  der  neuhochdeutschen 
Zeit  werden  solche  Hebungen  erstens  durch  die  Dehnung  der  Stammsilben  (daraus 
folgt  die  Unmöglichkeit  der  Verschleifung  in  Fällen  wie  maneger),  zweitens  durch 
das  Gesetz  des  regelmässigen  Wechsels  von  Hebung  und  Senkung  (daraus  folgt  die 
Unmöglichkeit  ein  Wort  wie  dienete  mit  Nebenton  auf  zweiter  Silbe  zu  brauchen) 
unentbehrlich.  Bei  den  Meistersingern  können  die  Endsilben,  besonders  die  auf  -er 
und  -el,  sogar  wie  im  frühmittelhochdeutschen  in  der  Hebung  stehen,  während  die 
Stammsilbe  in  der  Senkung  steht  (meister:  her);  am  häufigsten  im  Teuerdank  (helden: 
standen),  wo  alle  Arten  der  Endsilben  -e  vorkommen,  während  Hans  Sachs  nur  das 
-er  so  reimt  (wer  :  götter),  Hans  Sachsens  Schüler  Puschmann  aber  auch  in  der 
Theorie  alle  diese  Fälle  nur  dann  strafbar  findet,  wenn  „man  klügeln  will  oder  in 
die  Schärfe  merkt."  Seit  Opitz  kommen,  da  der  Wortaccent  jetzt  beachtet  und  regel- 
mässiger Wechsel  von  Hebung  und  Senkung  Gesetz  wird,  nur  mehr  dreisilbige 
Wörter  in  Betracht,  in  deren  Beurteilung  und  Anwendung  keine  Uebereinstimmung 
herrscht.  Opitz  braucht  sie  nicht  bloss  im  Versinnern  (selbst  wenn  kein  -e  in  der 
Senkung  folgt),  sondern  auch  in  der  Cäsur  des  Alexandriners,  nie  aber  im  stumpfen 
Reim.  Zesen  betrachtet  das  Flexions-e  in  dreisilbigen  Wörtern  als  kurz,  besonders 
in  Komposita  (obsiegen),  nur  —  er  (prediger)  bezeichnet  auch  er  als  anceps,  jedoch  eher 
kurz  als  lang,  aber  in  der  Vershebung  lässt  er  sie  sowohl  im  Innern  als  in  der  Cäsur 
gelten  und  deutet  nur  an,  dass  die  mittlere  Silbe  auch  kurz  sein  müsse;  in  seinem 
Reimregister  stehen  daher  schwer  :  förderer:  wagenschmeer,  aber  auch  Spree :  bessere: 
irdische,  obwohl  er  weiss,  dass  die  dreisilbigen  eigentlich  unter  die  Daktylen  gehören. 
Schottel  dagegen  betrachtet  sie,  auch  bei  unbetonter  Mittelsilbe,  schon  nur  mehr  als 


z.  Physiol.  d.  Accentuat.  mit  speo.  Berücks.  d.  Deutschen.  Habilitationsschr.  Zürich.  1892.  IX,  51 S.  —  21)  R.  H  i  1  d  e  b  r  a  n  d ,  Rhy thm.  Be- 
wegung in  d.  Prosa:  ZDU.  7,  S.  641/7.  —  22)  P.Lindau,  Bemerkungen  über  Regie  u.  Inscenierung:  N&S.  65,  S. 35-106, 227-42.  (Bes. 


J.  Minor,  Metrik.     1893,  1894.  I  8  :  23-24 

eine  „Vergünstigung-  oder  Uebersehung",  und  Birken  lässt  sie  überhaupt  nur  als 
Daktylen  gelten,  obwohl  er  in  der  Praxis  das  betonte  e  mitunter  nicht  entbehren 
kann.  Hunold  spottet  über  Reime  wie  Schlesier  :  peiniger,  die  sehr  übel  klappen; 
trotzdem  hat  im  18.  Jh.  nur  Goethe  solche  Reime  bloss  daktylisch  verwendet,  während 
Lessing,  Schiller  (dieser  besonders,  vgl.  Jungfrau  von  Orleans  Könige  :  Höh  und  die 
Preussenhymne  „nicht  Ross  noch  Reisige  :  sichern  die  steile  Höh")  usw.  keinen  Anstoss 
an  e  im  Reime  nehmen.  Im  Versinnern  ist  betontes  e  ganz  gewöhnlich.  Nur 
Moriz  lässt  (hei-)liger  nur  als  w  «,  nicht  als  -  *  gelten.  Voss  betrachtet  sie  in  der 
natürlichen  Betonung  auch  als  kurz;  aber  aus  rhythmischen  Gründen,  und  zwar  aus 
Gründen  nicht  des  Accentes  sondern  der  Quantität  (weil  die  betonte  Silbe  an  Dauer 
gewinnt),  findet  er  sie  gerade  an  den  starkbetonten  Stellen  des  Verses,  im  Versschi  uss, 
in  der  Cäsur  tauglich,  aber  auch  in  der  Pause  (?)  am  Wortschluss  (während  im 
Wortinnern  flüchtigeren  unmöglich  sei).  W.  Schlegel  lässt  es  im  Versinnern  bei 
seltenem  Gebrauch,  aber  nicht  in  der  Cäsur  und  im  Versschluss  gelten;  Brücke  be- 
schränkt es  auf  die  minder  betonten  Arsen.  Die  Dichtung  des  18.  Jh.  lässt  es, 
wenigstens  bei  schwacher  Mittelsilbe,  an  allen  Stellen,  in  der  Cäsur  des  Alexandriners, 
in  der  letzten  Hebung  des  fünffüssigen  Jambus  usw.  so  gut  wie  im  Versinnern  gelten  (auch 
Wieland,  den  ich  Metrik  S.  120  mit  Bezug  auf  Sauer  S.  26  ausgenommen  hatte);  Goethe 
verbindet  sogar  Hiatus  damit  (vgl.  meine  Metrik  S.  179 — 80)  und  lässt  in  der  Pandora 
eine  schwere  Senkung  folgen  („freundlicher  Meerwünder  schreitend"),  aber  dennoch 
braucht  Goethe  die  -e  in  dem  Tasso  und  in  der  Claudine  seltener  als  in  der  früheren 
Iphigenie.  Und  wenn  sie  in  seinen  ältesten  Trimetern  häufiger  vorkommen,  besonders 
im  Versschluss,  so  ist  er  hier  durch  das  antike  Schema  beeinflusst,  dessen  C  er  nachzubilden 
trachtet.  Darum  hat  er  auch  später  in  der  Ueberarbeitung  und  in  den  neuen  Partien 
der  Helena  die  e  im  Versinnern  getilgt,  aber  gerade  am  Versende  (entsprechend 
dem  antiken  j)  beibehalten.  Aus  dem  Briefe  an  Schiller  über  die  Phädra  (1805) 
ergiebt  sich,  dass  Goethe  das  Problem  mit  der  antikisierenden  Metrik  von  Seite  der 
Quantität  auffasste  (der  ohnedies  kurze  Vers  würde  dadurch  noch  kürzer,  und  der 
Schauspieler  knicke  gleichsam  zusammen!),  und  dem  entspricht  in  den  Lesarten 
zur  Helena  die  Praxis,  in  solchen  Fällen  der  Taktdauer  durch  Zerdehnung  nach- 
zuhelfen: erschütterendes  schien  Goethe  besser  als  erschütterndes.  In  den  fünffüssigen 
Jamben  der  Helena  hat  sich  Goethe  Anapäste  nicht  gestattet,  daher  finden  sich  hier  die  e 
weit  häufiger  als  je  zuvor,  wobei  er  wieder  nach  dem  obigen  Grundsatze  dem 
Vers  durch  eine  folgende  schwere  Senkung  Fülle  zu  geben  sucht.  Vogt  hat  ganz  Recht, 
wenn  er  diesem  Prinzip  seine  Zustimmung  erteilt:  denn  bei  der  taktierenden 
Deklamation  der  Weimarer  Schule  wurde  das  e  so  stark  betont,  dass  es  eine 
schwere  Senkung  (unmittelbar  vor  folgender  starker  Hebung)  aushalten  konnte,  was 
im  fünffüssigen  Jambus  bei  unserer  Vortragsweise  nicht  mögiich  wäre.  Schade,  dass 
sich  der  Vf.  die  höchst  lehrreichen  Beobachtungen  Heines  gelegentlich  der  Mitarbeit 
an  Immermanns  Tulifäntchen  (Elster  7,  S.  262—75  passim)  hat  entgehen  lassen.  — 

Verslehre.  In  seiner  feinsinnigen  Art  und  Weise,  die  auchBekanntes  (s.o.  N.  12,  unter 
Aa)als  neu  erscheinen  lässt,  handelt  Hildebrand24)  über  den  gemischten  Rhythmus 
(d.  h.  die  Mischung  schreitender  und  hüpfender,  oder  besser  zweisilbiger  und  dreisilbiger 
Versfüsse).  Von  den  drei  möglichen  Formen  der  Mischung*  (1.  verschiedene  Zeilen 
derselben  Strophe  gehen  in  verschiedenem  Rhythmus,  vgl.  Schillers  Erwartung*;  2.  die 
verschiedenen  Strophen  desselben  Gedichtes  gehen  in  verschiedenem  Rhythmus,  vgl. 
Schillers  Eleusisches  Fest)  behandelt  H.  nur  den  dritten,  wo  die  Mischung  in 
derselben  Verszeile  auftritt;  und  auch  hier  unterscheidet  er  wiederum  die  beiden 
Fälle,  wo  die  verschiedene  Bewegung  an  eine  strenge  Regel  gebunden  ist  (der  von 
Zeile  zu  Zeile  um  einen  Fuss  vorrückende  Daktylus  in  der  Klopstockschen  Nachbildung 
der  sapphischen  Strophe  lässt  uns  kühl)  und  den  anderen,  wo  die  Bewegung  frei 
mit  dem  Inhalt  wechselt,  wie  in  Goethes  Erlkönig  (es  dürfte  aber  kaum  :  „er  hat 
den  |  Knaben  wohl  |  in  dem  |  Arm"  und  „manch  bunte  |  Blumen  sind  |  an  dem  | 
Strand",  zu  lesen  sein,  sondern:  „Knaben  |  wohl  in  dem"  und  „Blumen  |  sind  an  dem"). 
Das  historische  Fundament  des  Artikels  ist  sehr  schwach,  H.  selbst  muss  es  wiederholt 
ausbessern.  Zuerst  findet  er  darin  eine  ganz  neue  Erscheinung*,  die  er  auf  den 
Einfluss  der  Herderschen  Volkslieder  zurückführen  möchte,  obwohl  Herder  sich  der 
Freiheit  mehr  aus  Bequemlichkeit  als  aus  höheren  Kunstabsichten  bediene  (war  nicht 
im  gesungenen  Lied,  auch  im  Gesellschaftslied  des  17.  und  18.  Jh.  die  Auflösung  einer 
längeren  Note  in  zwei  kürzere  seit  jeher  gestattet?).  Dann  aber  findet  er  sie,  wie  er 
meint,  bloss  aus  bequemer  Nachlässigkeit,  auch  in  Wielands  Oberon,  in  Goethes  freien 
Rhythmen  (die  auch  für  H.  im  Grunde  eigentlich  gehobene  Prosa  sind),  in  Schillers 
„Schlacht",  in  improvisierten  Versen  usw.  Diese  Untersuchung  muss  auf  Grund  eines 
weniger  zufälligen  Materiales  neu  geführt  werden.  — 


S.  236  7.)  —  23)  F.  V  o  g  t ,  V.  d. Hebung  d.  schwachen  e.  E.  Beitr. z.  Gesch. d.  dtsch.Versbaus. (=12: 50,  S.  150-79.)-  24)  R.  H  i  1  d  e  b  r  ;i  n  d , 


I  8:25-2?  j.  Minor,  Metrik.    1893,  1894. 

Zu  Beobachtungen  über  den  Hexameter  hat  Hildebrand25)  eine  Stelle 
in  meiner  Metrik  (S.  3)  den  Anlass  gegeben,  wo  ich  ihn  auf  Grund  seiner  mir 
damals  allein  zugänglichen  Ausführungen  über  den  Rhythmus  der  Auszählsprüche, 
in  denen  er  ganz  mit  Zelle  übereinstimmt,  zu  den  deutschnationalen  Metrikern 
gerechnet  habe.  In  den  beiden  Aufsätzen  will  er  keineswegs  zu  den  krittlichen 
Verkleinerern  des  deutschen  Hexameters  gezählt  werden.  Er  geht  von  dem  Daktylus 
aus  und  wirft  den  Deutschen,  besonders  in  der  Schule,  vor,  dass  sie  die  zweite  Kürze 
unwillkürlich  zu  verlängern  bestrebt  seien;  also  cörporä,  münerä  sagen  (aber  das 
ist  doch  bloss  ausserhalb  des  Hexameters  der  Fall,  wenn  nicht  wiederum  die  stark- 
betonte Silbe  des  nächsten  Versfusses  darauf  folgt?),  während  die  richtige  Betonung 
sei:  münera,  cörpöra.  Solche  Daktylen  findet  der  Vf.  nun  auch  instinktiv  im  deutschen 
Hexameter  bevorzugt :  „häb  ich  den  |  markt  und  die  |  Strassen  doch  |  nie  so  |  einsam 
ge|sehen";  und  er  macht  aufmerksam,  dass  auch  die  Musiker  Daktylen  mit  Nebenaccent 
auf  der  ersten  Senkungssilbe  behandeln,  z.  B.  Beethoven  in  „freudvoll  und  leidvöll", 
oder  „wir  hätten  gebaüet  ein  stättliches  Haus".  Sogar  im  alten  römischen  Daktylus 
falle  auf  die  erste  der  beiden  Kürzen  ein  Prosaton.  (Den  Namen  Daktylus  leitet 
Hildebrand  mit  Aristides  von  „Finger"  ab:  die  drei  Glieder  des  Fingers  und  des 
Daktylus  stehen  in  dem  absteigenden  Grössenverhältnis;  das  Hauptglied  grösser  als 
zweite,  das  zweite  grösser  als  das  dritte  —  also  nach  dem  Gesetz  des  goldenen 
Schnittes,  den  ich  in  meiner  Metrik  (S.  211)  zuerst  auf  die  Teile  des  Hexameters 
angewendet  habe).  —  In  dem  zweiten  Aufsatze  betrachtet  Hildebrand26)  den 
Hexameter  als  einen  Vers  von  gemischtem  Rhythmus.  Der  dreisilbige  Versfuss  ist 
der  bevorzugte,  dem  im  vorletzten  Fuss  seine  Stelle  gewahrt  ist;  aber  auch  dem 
zweisilbigen  Versfuss  bleibt  am  Schluss,  im  letzten  Fuss,  sein  Recht  gewahrt.  Also 
nicht  der  hüpfende  Rhythmus  allein,  sondern  die  Mischung  des  hüpfenden  und  des 
schreitenden  Rhythmus  charakterisiert  den  Vers.  H.  zeigt  an  etlichen  Stellen 
aus  lateinischen,  griechischen  und  deutschen  Dichtungen,  dass  dem  letzten  Daktylus 
(oder  den  beiden  letzten  Daktylen)  gern  ein  Spondeus  vorausgeht,  der  mit  ihm  ab- 
wechselt und  also  die  Vorliebe  für  die  Mischung  der  Versfüsse  an  vierter  und  fünfter 
Stelle  (bezw.  dritter  und  vierter  Stelle)  verrät.  Die  genauen  statistischen  Unter- 
suchungen von  Drobisch,  auf  denen  meine  Aufstellungen  in  der  Metrik  (S.  285)  beruhen, 
hat  H.  nicht  zu  Rate  gezogen.  Er  erklärt  die  Erscheinung  aus  dem  Gesetz  des  Gegen- 
satzes: die  verschiedenartigen  Versfüsse  heben  sich  gegenseitig  in  ihrer  Wirkung, 
indem  sie  nebeneinander  treten.  Ich  glaube  vielmehr,  dass  sie  in  ein  noch  un- 
geschriebenes, aber  sehr  notwendiges  Kapitel  der  Metrik  gehört,  das  von  der  Bewegung 
handelt:  der  lebhafte  dreisilbige  Versfuss  wird  durch  den  ruhigeren  zweisilbigen 
gestaut  und  aufgehalten,  und  umgekehrt  der  trägere  zweisilbige  durch  den  muntereren 
dreisilbigen  wieder  beflügelt,  und  auf  diesem  Antagonismus  beruht  die  gleichmässige, 
nicht  zu  lebhafte  und  auch  nicht  zu  träge  Bewegung  des  Verses.  Erst  im  Zusammen- 
hang mit  dem  Kapitel  von  der  Bewegung  wird  man  förderlich  über  das  Ethos  der 
Versfüsse  und  Verse  handeln  können.  — 

Mit  dem  Tr  im  et  er  Goethes  beschäftigt  sich  ausser  Vogt  (s.  o.  N.  23)  auch 
Niejahr27)  in  seiner  Studie  über  die  Helenadichtung.  Er  unterscheidet  nicht 
zwei  (Harnack),  sondern  drei  Perioden  in  Goethes  Trimeterdichtung:  I.  1800 — 2,  wo 
Goethe  ohne  genaue  Kenntnis  des  griechischen  Verses  an  die  Arbeit  geht,  G.  Hermanns 
griechische  Metrik  verschmäht,  aber  mit  ihrem  Vf.  1800  überProsodie  und  Rhythmik 
sich  unterhält,  und  sich  an  das  Muster  und  die  Lehre  W.  von  Humboldts  (Ueber- 
setzung  des  Agamemnon  von  Aeschylos  und  ein  hs.  Aufsatz  über  den  Trimeter)  anlehnt. 
So  entsteht  das  Helenafragment  mit  kunstloser  Behandlung  des  neuen  Masses: 
zu  lange  und  zu  kurze  Verse;  (spärliche)  dreisilbige  Füsse  nach  Muster  des  Aeschylos 
und  seines  Uebersetzers;  monopodische  Bewegung  wie  bei  J.  E.  Schlegel  und  Eamler 
(Wieland  ist  übersehen  trotz  meinem  Hinweis).  Obwohl  Goethe  selber  bekennt,  dass 
er  „nur  so  nach  allgemeinen  Eindrücken"  arbeite,  lässt  N.  sich  verleiten,  die  Goetheschen 
Verse  auf  die  strenge  Regel  des  antiken  tragischen  Trimeters  hin  zu  prüfen,  wonach 
der  Anapäst  (ausser  bei  Eigennamen)  nur  im  ersten  Fuss  statthaben  kann,  während 
es  sich  sonst  nur  um  Tribrachys  (*  t>  »)  und  falschen  Daktylus  (-  «  «)  handelt.  Da  er 
nun  keinen  Zweifel  gelten  lässt,  dass  man  „von  Vä|ter  Ere|bus  melde"  zu  lesen  habe 
und  nicht  „von  vä|terE|rebus  meljde",  ferner  dass  eine  Form  wie  „erfolgte"  als  Tribrachys 
aufzufassen  sei,  so  hat  er  es  leicht,  auch  diese  Regel  nicht  bloss  bei  Goethe,  sondern 
in  der  deutschen  Trimeterdichtung  überhaupt  bestätigt  zu  finden.  Ich  frage  nur, 
worauf  sich  diese  Unterscheidung  der  Versfüsse  gründet,  und  ob  je  ein  deutscher 
Dichter,  der  nicht  zugleich  Philologe  war,  etwas  anderes  als  Jamben  und  Anapäste 
im  Trimeter  verwendet  hat?  Nach  N.  hat  Goethe  auch  das  von  Humboldt  gelernt,  und 


Gemischter  Rhythmus:    ZDU.  8,  S.  173-83.    —    25)    id.,    Z.  Daktylus,    d.  dtsch.  u.  latein.,   auch  v.  Hexameter:  ib.  S.  1/6.     (S. 
auch  PrJbh.  75,  S.  £36-41.)  -  26)  id.,  Z.  Hexameter:  ib.  S.  89-94.  -    27)  J.  Niejahr,  Goethes  Helena:  Euph.  1,  S.  81-109. 


J.  Minor,  Metrik.     1893,  1894.  I  8  :  27-30 

ebenso  die  Anwendung*  der  Cäsur;  die  Mängel  liegen  nur  in  der  Behandlung  der 
Silben messung  (!  also  nicht  in  der  Unkenntnis  des  antiken  Verses?).  II.  1807  und  8: 
In  der  Pandora  (die  im  „Prometheus"  wirklich  nur  bis  zum  Abgang  der  Elpore 
erschienen  ist,  obwohl  noch  vier  Hefte  der  Zeitschrift  herauskamen)  macht  sich  Vorliebe 
für  zweisilbige  Senkungen  geltend;  aber  im  Halleschen  Theaterprolog  wieder  strenge 
Jamben  wie  bei  Ramler,  dessen  Einfluss  sich  auch  in  der  Archilochischen  Epoden- 
form  (Trimeter  wechseln  mit  jambischen  Dimetern)  des  Fragmentes  vom  „Löwenstuhlu 
zeigt.  Der  Einfluss  Riemers  und  das  Studium  der  Metrik  von  Hermann  bestimmen 
Goethe:  ni.  1825 — 30.  Unter  Riemers  und  Göttlings  Einfluss  erhält  Goethe  (jetzt  erst?) 
eine  sichere  Anschauung  von  dem  Wesen  des  antiken  Verses  und  er  bildet  ein  festes 
Stilprinzip  im  Anschluss  an  die  Form  des  altgriechischen  Verses  aus.  Bei  der  Um- 
arbeitung des  Helenafragmentes  und  in  den  neugedichteten  Partien  handelt  es  sich 
nach  N.  besonders  um  die  Vermehrung  der  Senkungen  (vgl.  dagegen  Vogt  N.  23), 
daher  wird  Synkope  absichtlich  vermieden.  Muster  ist  aber  jetzt  nicht  mehr  Aeschylos, 
sondern  Euripides.  Auch  sonst  findet  N.  peinliche  Nachbildung  der  Antike:  die 
dreisilbigen  Füsse  seien  auf  die  erste  bis  vierte  Versstelle  beschränkt;  der  Iktus  falle 
meistens  auf  die  erste  Silbe  eines  neuen,  mehrsilbigen  Wortes,  wenn  die  Länge  auf- 
gelöst ist;  die  Cäsur  gewöhnlich  im  dritten,  seltener  im  vierten  Fuss.  Mich  haben 
seine  Ausführungen  in  keinem  Punkte  überzeugt;  am  allerwenigsten  die  (bloss 
chronologische)  Periodisierung,  denn  schon  aus  diesem  Auszug  wird  man  ersehen 
haben,  dass  die  Perioden  im  wesentlichen  sich  decken.  — 

Während  über  den  englischen  fünffüssigen  Jambus  aus  der  jüngsten 
Zeit  zahlreiche  Untersuchungen  vorliegen28"28,1),  die  künftig  vielleicht  auch  der 
deutschen  Metrik  zu  gute  kommen  werden,  kann  es  sich  im  Deutschen,  wo  seit 
Zarncke,  Dannehl  und  Sauer  gerade  der  fünffüssige  Jambus  das  Lieblingsthema  einer 
freilich  oft  nach  der  von  dem  Vorgänger  ererbten  Schablone  arbeitenden  Untersuchung 
geworden  ist,  bloss  noch  um  Ergänzungen  handeln.  So  vervollständigt  Schlösser29)  die 
Arbeiten  Dannehls  und  Sauers  über  den  fünffüssigen  Jambus  bei  Zachariä,  indem  er  die 
von  diesen  übersehenen  Bruchstücke  einer  Jambenübersetzung  von  Miltons  verlorenem 
Paradies  (in  dem  Vorbericht  zum  zweiten  Teil  der  hexametrischen  Uebersetzung 
1763)  und  die  Jamben  in  „Tayti"  1777  einer  Untersuchung  nach  dem  Muster  Sauers 
unterzieht.  Neues  ergiebt  sich  wreder  für  die  Geschichte  des  fünffüssigen  Jambus 
noch  für  den  Vers  Zachariäs,  dessen  Vorliebe  für  stumpfe  Ausgänge  (auch  auf 
nebentoniges  [nicht  „unbetontes"]  e)  allerdings  1763  noch  nicht  Gesetz  ist,  der  aber 
in  seiner  Vermeidung  des  Hiatus,  in  seiner  Bevorzugung  langer  Perioden  (nach 
Zarnckes  unglücklichem  Ausdruck,  d.  h.  des  durch  20—30  Zeilen  hindurchgehenden 
Antagonismus  zwischen  Satzschluss  und  Versschluss)  und  in  der  freien  Handhabung 
des  Enjambement  seine  aus  den  älteren  Forschungen  wohlbekannten  Züge  zeigt. 
Leider  beurteilt  auch  Seh.  das  Enjambement  noch  immer  allein  nach  der  zufälligen 
Zusammengehörigkeit  der  Satzglieder  (der  Genetiv  vom  regierenden  Substantiv  ge- 
trennt usw.),  obwohl  die  Redepausen  mehr  von  der  Länge  der  einzelnen  Satz- 
gliederund von  der  Struktur  des  ganzen  Satzes  abhängig  sind;  in  „treueste,  ||  gefälligste 
Gefährtin"  z.  B.  liegt  gar  kein  Enjambement  vor,  weil  hier  auch  in  der  raschesten 
Prosa  jeder  eine  Pause  einhalten  muss ;  vgl.  „ordentliche,  ||  brave  Leute"  und  „ordent- 
liche junge  Leute"!  — 

Eine  sehr  lehrreiche  Arbeit  über  den  Knittelvers  bis  auf  Goethe  ver- 
danken wir  Flohr30).  Der  Name,  von  den  leoninischen  Hexametern  auf  die  deutschen 
Alexandriner  mit  Innenreimen  übertragen,  wird  dann  auch  von  den  ähnlich  kurzen 
Nachzüglern  der  alten  Reimpaare  tadelnd  gebraucht;  in  der  Litteratur  kommt  er 
zuerst  bei  Canitz  (1677)  vor,  Wernicke  gebraucht  ihn  dann  für  das  französische 
poeme  burlesque.  Der  Hans  Sächsische  Vers,  den  F.  nicht  als  silbenzählend,  sondern 
als  den  altdeutschen  Reimvers  betrachtet,  wird  nach  den  strengen  metrischen  und 
stilistischen  Vorschriften  Opitzens  als  altfränkisch  empfunden,  und  er  muss  dem 
Alexandriner  in  der  Kunstdichtung  das  Feld  räumen;  nur  im  Sinngedicht  sind, 
vermöge  der  Volkstümlichkeit  des  Inhaltes,  die  vierfüssigen  Jamben,  allerdings  meistens 
in  strophischer  Gliederung,  nie  ganz  geschwunden.  Es  leben  aber  die  von  den 
Litteraten  verachteten  Reimpaare  in  den  Versen  der  Spruchsprecher,  Pritschmeister 
und  der  unstudierten  Handwerker  auf  Schützenfesten,  in  Festdichtungen  und  Ge- 
legenheitsgedichten aller  Art,  in  Improvisationen  fort,  veredelt  durch  das  der  Kunst- 


(S.  bes.  S.  95-102;  vgl.  auch  IV  8 e.)  —  28)  X  H.  Clages,  D.  Blankvers  in  Thomsons  Seasons  n.  Youngs  Night-Thoughts. 
Dies.  Halle  a.  S.  1892.  57  S.  —  28a)  X  p-  Kupka,  Ueber  d.  draraat.  Vers  Thomas  Dekkers.  Diss.  Halle  a.  S.  1893. 
37S.  — 28b)  XErail  Eiste,  D.Blankvers  in  d.  Dramen  G.Chapmans.  Diss.  Halle  a.  S.  1892.  63  S.  —  28c)  X  C.  K  naut, 
Ueber  d.  Metrik  Bob.  Greens.  Diss.  Halle  a.  S.  1890.  65  S.  -  28d)X  R  Boyle:  EnglSt.  19,  S.  274/6,  278,9.  (Heber  N.  23-28o.) 
—  29)  B.  Schlösser,  D.  fünffüss.  Jambus  bei  Zachariä:  VLG.  6,  S.  119-2S  —  30)  O.  Flohr,  Gesch.  d.  Knittelverses  v. 
17.  Jh.  bis  z.  Jugend  Goethes.  (=  Berliner  Beitrr.  z.  german.  u.  roman.  Philol.  Veröffentl.  v.  E.  Ebering.  Germ.  Abt.  N.  1.) 
B.,  C.  Vogt.    112  S.   M.2,40.  |[R.  M.  Meyer:  DLZ.  S.  1196/7;  LCB1.  S.  1066/7.]|   (E.  Teil  auch  als  Berliner  Diss.    1893.  42  S.)  — 


I  8:30  J.  Minor,  Metrik.     1893,  1894. 

dichtung  gemässe  Streben,  den  Accent  besser  zu  beobachten  und  den  regelmässigen 
Wechsel  von  Hebung  und  Senkung,  sowie  von  männlichen  und  weiblichen  Endungen 
einzuhalten.  Auch  werden  von  den  Kunstdichtern  die  älteren  Dichter  des  16.  Jh. 
um  ihres  treuherzigen  nationalen  Inhalts  wegen  gelesen  und  belobt,  trotz  ihrer 
kunstlos  gescholtenen  Form.  Die  Kunstpoesie  nimmt  dann  den  Pritschmeistern  den 
Reimvers  aus  der  Hand,  zunächst  um  ihn  als  Waffe  gegen  die  Pritschmeister  selbst  zu 
gebrauchen  in  mimischer  ("ausspottender)  Satire.  (Hier  vermisse  ich  bei  P.  den 
rechten  Uebergang.  Es  sollte  gesagt  sein,  dass  das  Wesen  des  Reimverses  für  die 
Opitzianer  zunächst  in  dem  besteht,  was  Hunold  später  die  Licentia  poetica  nennt: 
nämlich  in  der  Freiheit  I)  von  den  strengen  metrischen  Vorschriften  Opitzens,  also 
1.  von  dem  Accentgesetz,  oder  2.  von  dem  regelmässigen  Wechsel  von  Hebung  und 
Senkung,  und  II)  von  den  strengen  stilistischen  Vorschriften  Opitzens.  Und  es  hätte 
starke  Betonung  verdient,  dass  unsere  Kunstdichter,  indem  sie  ohne  Beachtung  der 
Versfüsse  regellose  Verse  zu  schreiben  sich  vornahmen,  ohne  jedes  feste,  seit 
Opitz  gültige  metrische  Prinzip  arbeiteten  und  gerade  so  darauf  geführt  wurden, 
sich  allein  dem  Gehör  zu  überlassen.)  So  verspottet  Gryph  zuerst  die  un- 
gleichen Versfüsse  in  parodistischen  Reimen  und  Versen,  die  absichtlich  schlecht 
und  stümperhaft  sein  sollen;  während  später  Weise  und  Frisch  im  Drama,  in  der 
Satire  Sacer,  Zeitler,  Callenbach  namentlich  die  Verletzung  des  Accentgesetzes 
parodieren  und  auch  andere  Kunstdichter  Personen  aus  dem  Volk  in  Knüttelversen 
redend  einführen.  Der  Hofdichter  Oanitz,  der  die  Reimpaare  auch  in  höfischen  Fest- 
dichtungen vorfand,  ist  dann  der  erste,  der,  nicht  andere  verspottend,  sondern  im 
eigenen  Namen,  in  Knittelversen  redet,  die  also  keine  satirische  Absicht  mehr  haben, 
sondern  in  ihrem  launigen,  gemütlichen  Ton  ihm  zu  vertraulichen  Ergiessungen, 
zu  heiterer  Selbstironie  und  zu  gelegentlichen  Improvisationen,  auf  die  er  selber 
gar  keinen  litterarischen  WTert  legt,  willkommen  sind.  Der  achtsilbige  burleske  Vers 
in  den  Episteln  des  Franzosen  Scarron  veranlasst  ihn,  sich  in  ähnlicher  Form  mit 
seinem  Freunde  Willnitz  zu  unterhalten,  wobei  er  sich  in  diskreter  Weise  nur 
gelegentlich  einen  Verstoss  gegen  den  Wortaccent  erlaubt,  die  vierfüssigen  Jamben  auch 
zu  volkstümlichen  Strophen  (aab  ccb)  gliedert  und  auch  im  Stil  eine  leise  Färbung  von 
der  Pritschmeisterdichtung  entlehnt.  In  seiner  Umgebung  folgen  andere,  darunter 
sogar  ein  Freifräulein,  ohne  jede  litterarische  Ambition  seinem  Beispiel ;  erst  die  wenigen 
Proben,  die  sich  später  im  Anhang  hinter  seinen  Gedichten  ans  Licht  wagen  (1700), 
finden  sofort  auch  in  der  Litteratur  Nachfolge.  Wernicke  parodiert  seine  eigenen 
Alexandrinerheroiden,  indem  er  „Dieselbe  im  Scherz  oder  Burlesque"  (so  1701,  dagegen 
schon  1704  „Dieselbe  in  Knittelversen")  und  in  derb  humoristischem  Tone  folgen 
lässt.  Hunold  redet  über  die  Knittelverse  in  seiner  Poetik:  „Stehen  am  meisten 
unter  Protektion  der  Licentia  poetica"  —  „Unter  guten  Freunden  in  scherzhaften 
und  lustigen  Dingen  noch  üblich" ;  „Sie  sollen  ohne  Kunst  eine  Kunst  in  sich  haben, 
sein  gar  nicht  so  leicht  zu  machen."  In  Hamburg,  wo  sie  durch  die  in  der  Ge- 
legenheitsdichtung fortlebenden  niederdeutschen  Reimverse  und  durch  die  in  den 
Opernrecitativen  und  in  der  Fabel  aufgekommenen  vers  libres  begünstigt  werden, 
finden  wir  sie  bei  Brockes,  Richey  usw.  1738  giebt  Renner  schon  „eine  Handvoll 
Knittelverse"  heraus,  von  verschiedenen  Vf.  und  immer  noch  in  Gelegenheits- 
gedichten und  in  Sendschreiben;  aber  auch  Quodlibets  (Zusammenstellungen  von  dem 
Sinn  nach  nicht  zusammengehörigen  Gedanken  und  Versen)  werden  beliebt.  Auf 
Koromandel,  Philander  von  der  Linde,  Günther,  Picander-Henrici  folgen  die  Dichter 
von  Fabeln  und  Erzählungen,  die  sich  wie  Le  Passes  und  Riederer  der  Knittelverse 
bedienen ;  Drollinger  und  noch  Zachariä  dichten  in  B.  Waldis  Manier.  Als  die  besten 
gelten  Gottsched  die  von  Geander  an  der  Oberelbe  (Hofrat  Müldener)  1729,  die  bei 
überwiegend  regelmässigem  jambischem  Rhythmus  doch  fehlende  und  mehrsilbige 
Senkungen  aufweisen  und  stilistisch  den  Ton  des  Hans  Sachs  so  überraschend  treffen 
sollen,  dass  ein  Neudruck  erwünscht  wäre.  Gottscheds  empfehlende  Aeusserungen 
sind  bekannt ;  er  lässt  sie  zum  Scherz  gelten  und  verlangt  archaisierenden  Ton ;  seine 
eigenen  Versuche  und  die  seiner  Frau  stehen  unter  dem  Einfluss  des  Canitz.  Er  rät 
auch  die  englischen  Knittelverse  von  Butlers  Hudibras  im  Versmass  des  Originals  zu 
übersetzen;  Riedel  und  Schubart  wiederholen  die  Aufforderung,  die  dann  Soltau  (1787) 
erfüllt.  In  den  Kämpfen  zwischen  den  Gottschedianern  und  den  Schweizern  wird  der 
Knittelvers  wieder,  zuerst  von  Gottscheds  Schülern  (Rosts  Epistel  des  Teufels  an 
die  Kunstrichter),  dann  auch  von  anderen  (Cronegk)  zur  Satire  und  Parodie  ver- 
wendet. Mit  Recht  hat  der  Vf.  sein  Thema  nicht  bloss  von  der  metrischen,  sondern 
auch  von  der  stilistischen  Seite  behandelt  und  nicht  allein  die  Geschichte  eines  Vers- 
masses  sondern  auch  die  einer  Dichtungsgattung  geschrieben,  beide  Gesichtspunkte 
sind  hier  nicht  von  einander  zu  trennen.  Es  steckt  ein  ganzes  Kapitel  der 
travestierenden  und  parodistischen  Litteratur  in  der  Geschichte  des  Knittelverses. 
Von  Haus  aus  beruht  ja  die  satirische  Wirkung  auf  der  Beiseitesetzung  der  Opitzischen 


J.  Minor,  Metrik.     1893,  1894.  I  8  i  30-32 

Stilregeln :  alles  was  seit  Opitz  verpönt  war,  die  harten  Synkopen  und  die  Apokopen, 
das  fehlende  Personalpronomen  bei  Anfangsstellung  des  Verbs,  die  freie  Wortstellung- (das 
Adjektiv  nachgesetzt)  wird  hier  gesucht;  gemeine  und  unedle  Wörter,  archaistische 
Formen  und  Wendungen  sind  beliebt;  eine  einfache  Syntax,  die  nur  das  chronologische 
Nacheinander,  keine  logische  Unterordnung  kennt,  gehört  zum  Stil.  In  den  Reimen 
dominieren  die  Füllsel  und  Flickwörter,  die  typischen  Adjektive  wie  fein,  lobesam 
usw.,  und  die  so  bequemen  Diminutiva  auf  -lein  und  -gen;  auch  die  Häufung 
der  Reime  dient  oft  der  stets  beabsichtigten  komischen  Wirkung.  Sehr  gern  lässt 
die  Knittelversdichtung  das  Gedicht  selbst  im  Gedicht  entstehen  und  nach  dem  be- 
rühmten Muster  des  Hans  Sachs  werden  Datum  und  Absendung  des  Gedichtes  mit- 
gereimt. Der  Bänkelsängerton  wird  namentlich  in  den  Aufrufen  des  Publikums 
(„Merkt,  Christen!"  —  „Denkt,  Christen!")  nachgeahmt,  oft  sogar  in  privaten  Episteln, 
die  sich  bloss  an  einen  Freund  wenden;  aber  auch  der  Vortrag  von  Marktschreiern, 
Guckkastenmännern  ist  beliebt.  Immer  aber  ist  die  Dichtungsgattung  entweder  ein 
Brief  oder  ein  Gelegenheitsgedicht.3011)  — 

Mit  dem  Strophenbau  beschäftigt  sich  allein  das  Programm  von  Bück- 
mann31), das  die  Verwendung  des  Verses  von  7  Hebungen  im  deutschen  Strophenbau 
zum  Gegenstand  hat.  Der  Vf.  will  dazu  beitragen,  die  Lehre  vom  deutschen  Strophenbau 
von  äusserlichen  und  zufälligen  Einteilungsgründen  (wie  der  Anzahl  der  Verse,  der 
Stellung  der  Reime)  zu  befreien,  und  einer  Einteilung  das  Wort  reden,  die  das 
Wesen  der  Strophen  trifft:  nämlich  der  Einteilung  nach  der  Art,  wie  die  Takte  zum 
Kolon,  das  Kolon  zur  Periode,  die  Perioden  zur  Strophe  verbunden  sind.  Hierin  ist 
Westphal  sein  Vorgänger ;  aber  wie  dieser  so  hat  auch  B.  sich  nicht  immer  von  dem 
Fehler  zu  weit  getriebenen  Schematisierens  frei  gehalten,  und  es  macht  oft  den 
Eindruck,  als  ob  sich  die  verschiedenen  Strophenformen  nicht  in  lebendigen  Dichtungen, 
bei  denen  die  Form  dem  Dichter  sehr  oft  gar  nicht  klar  zum  Bewusstsein  kommt,  sondern 
als  ob  sie  sich  auf  dem  Papiere  als  Schemata  auseinander  entwickelten;  dazu  verleitet 
freilich  auch  die  gewohnte  Terminologie  (z.  B.  eine  Strophe  entsteht  durch  „Waisenein- 
schub", was  doch  nur  als  Erkenntnisgrund  für  den  Metriker,  nicht  als  Erklärungsgrund 
richtig  ist),  die  den  Mangel  einer  psychologischen  Grundlegung  auf  diesem  Gebiete 
recht  fühlbar  macht.  B.  geht  von  der  Entwicklung  des  siebenhebigen  Verses  aus: 
das  viertaktige,  stumpf  ausgehende  Kolon  fordert  ein  Gegengewicht  und  so  entsteht  der 
deutsche  Vollvers,  die  Langzeile ;  neben  dem  Gesetz  des  Gegengewichtes  wirkt  aber 
auch  das  Streben  nach  Abwechslung*  im  Gleichwertigen  (Differenzierung),  das,  um 
den  Vers  bei  öfterer  Wiederholung  vor  Eintönigkeit  zu  bewahren,  die  Zusammen- 
ziehung von  Hebung  und  Senkung  in  eine  Silbe  mittels  Dehnung  der  Hebung-ssilbe 
bewirkt,  also  den  weiblichen  Ausgang,  der  die  beiden  letzten  Takte  umfasst  (±  -). 
So  entsteht  der  Berner  Vers  (4  mjannlich]  +  4  w[eiblich]),  der  dem  Pavierton,  der 
Lindenschmiedstrophe,  der  Lieblingstrophe  Luthers,  Goethes  Sänger,  Günthers  und 
Bürgers  Lenore  u.  a.  zu  Grunde  liegt.  Seine  Umkehrung  (4  w  +  4  m)  ist  der 
Nibelungenschlussvers,  dessen  beide  letzten  Hebungen  in  den  Kinderreigen  oft  auf 
eine  Silbe  fallen  (einsilbiger  Dehnschluss  *  -,  Brachykatalexis).  Von  da  ist  dann  nur 
ein  weiterer  Schritt,  die  letzte  Hebung  durch  eine  Pause  zu  ersetzen,  und  es  entsteht 
der  Nibelungenvers  ('4  w  +  3  m),  den  also  B.  mit  Recht  als  einen  Vers  von  7  Hebungen, 
aber  von  8  Takten  betrachtet  und  nicht  (wie  Wilmanns)  aus  dem  romanischen  Zehn- 
silbler,  sondern  aus  den  selbwachsenen  Kinder-  und  Volksreimen  ableitet.32)  B.  er- 
örtert die  verschiedenen  Formen,  die  der  Nibelungenvers  annehmen  kann,  je  nach 
den  Cäsuren  (männliche  oder  weibliche  Hauptcäsur,  Nebencäsur  im  ersten  Glied) 
und  nach  dem  Rhythmus  (jambisch  oder  trochäisch,  mehrsilbige  oder  fehlende 
Senkungen).  In  Bezug  auf  den  Rhythmus  folgt  B.  dem  Beispiel  Stoltes,  und  sehr 
feinsinnig  weiss  er  die  verschiedenen,  durch  iVuflösung  oder  Zusammenziehung  (d.h. 
mehrsilbige  oder  fehlende  Senkungen)  entstehenden  Formen  auf  die  verschiedenen 
Taktarten  zu  beziehen ;  freilich  geht  es  auch  hier  wie  bei  Stolte  nicht  ohne  die 
beliebte  Verwechslung  des  rhythmischen  und  des  metrischen  Gesichtspunktes  ab, 
vor  der  ich  in  meiner  Metrik  hoffentlich  nicht  vergeblich  gewarnt  habe:  „Das  Wandern 
ist  des  Müllers  Lust  —  das  Wandern"  kann  in  8  Takten  komponiert  werden,  ein  7hebiger 
Vers  ist  es  nicht.  Aus  dem  zweigliedrigen  Nibelungenvers  entsteht  durch  Ver- 
doppelung die  einfachste  Form  der  Strophe,  die  Halbstrophe  (erste  Hälfte  der 
Nibelungenstrophe).  Zweimal  zwei  Nibelungenverse  (=  2  Halbstrophen)  bilden 
den  vielgebrauchten  Hildebrandston;  drei  Nibelungenverse  +  einem  Vollvers  die 
Nibelungenstrophe.  Aus  den  Verbindungen  des  7hebigen  Verses  mit  dem  Gudrun- 
verse (4  w  +  4  w)  und  mit   dem   alten   Vollverse    (4  m  -f-  4  m),    sowie    mit   mehr- 


30a)    X    H-    Stekker,    D.    Versbau    im    niederdtsch.    Narrenschiff    (JBL.   1892    17:10;    II  5b  :  6).     |[W.   S(eelraann): 
KBIVNiederdSpr.  16,   S.  62;   L.  Hol  scher:    ASNS.  90,   S.  339-40.]  |  —  31)  L.  Backmann,  D.  Vers  v.  7  Hebungen  im  dtsch. 
Strophenbau.     Progr.     Lüneburg    (L.,    Fock).     1893.     4°.     38  S.      ![R.    M.    Meyer:    DLZ.    S.    973.]|     —   32)    XX    (15:321.) 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschiohte.    V.  (1)14 


I  8:33-36  J.  Minor,  Metrik.     1893,  1894. 

gliedrigen  Perioden  entstehen  massenhafte  Strophenbildungen,  die  B.  sorgfältig    ver- 
zeichnet und  mit  Beispielen  belegt.  — 

Einzelne  metrische  Probleme.  Das  Enjambement  behandelt 
B  o  r  i  n  s  ki33),  der  in  ihm  das  gemeinsame  Kriterion  der  asynartetischen  Verse  der 
Alten  sehen  will  (?).  Eine  Pause  scheint  ihm  am  Ende  eines  jeden  Verses  un- 
entbehrlich; sie  des  Enjambements  wegen  schwinden  zu  lassen,  sei  ein  künstlerisch 
durch  nichts  gerechtfertigter  pedantischer  Naturalismus,  der  unter  Umständen  (z.  B. 
in  Lessingschen  Jamben)  zu  einem  grenzenlosen  Getratsch  veranlassen  könnte  (!).  Als 
die  Wurzeln  der  Uebereinstimmung  von  metrischen  Einheiten  und  Sinneseinheiten 
(„des  bäurischen  Zwanges  des  Reihenschlusses  primitiver  Kunst")  betrachtet  B.  den  Reim 
und  die  Allitteration.  Die  mittelalterliche  Lyrik  kennt  zu  Anfang  kein  Enjambement,  erst 
Wolfram  steht  frei  gegen  die  rohen  Schaaren  von  Bundschuhreimereien  auf.  Auch  bei 
Shakespeare  und  bei  Ronsard  (hier  unter  Berufung  auf  Vergil)  findet  B.  den  Ueber- 
gang  von  steifer  Aengstlichkeit  zu  bewusster  Freiheit  in  der  Sinnfügung.  Erst 
Malherbe  verbannt  das  Enjambement  wieder,  und  nicht  bloss  die  Praxis  der  fran- 
zösischen Klassiker,  sondern  auch  die  Theorie  der  Encyklopädie  (s.  v.  Enjambement) 
vertritt  einen  rigorosen  Standpunkt.  Durch  Weise  und  Gottsched  wird  dieser  auch 
in  Deutschland  herrschend  und  erst  durch  Klopstocks  Oden,  die  freiestes  Enjambement 
gestatten,  und  durch  Lessings  Jamben  durchbrochen.  Goethe  bevorzugt  die  Form 
des  Enjambements,  wo  der  Vers  dem  Sinne  nach  in  seinem  Vorgänger  beginnt 
(„Versvorschlag"),  auch  bei  Sophokles  sei  sie  beliebt  und  auch  bei  Schiller  ist  sie, 
wenn  auch  nicht  so  häufig  wie  bei  Goethe,  so  doch  beliebter  als  der  „Vers  nach  schlag" 
(wenn  der  Vers  erst  in  den  ersten  Silben  des  folgenden  seinen  syntaktischen  Ab- 
schluss  findet).  Unter  den  modernen  scheine  Grillparzer  beweisen  zu  wollen,  dass 
im  Dramenvers  auch  ohne  die  sich  überstürzende  Unruhe  Nathanscher  Enjambements 
Geist,  Freiheit  und  Leben  herrschen  können;  Heyse  begünstige  einen  leichten  Vers- 
nachschlag. .  .  Auch  B.,  wie  Schlösser  (s.  N.  29),  rechnet  nur  mit  der  syntaktischen 
Gliederung,  nicht  mit  den  Redepausen,  die  von  dieser  oft  ganz  unabhängig  sind. 
Auch  er  berücksichtigt  nicht  das  Tempo  des  Vortrages:  in  einer  langsamen,  feier- 
lichen pathetischen  Klopstockschen  Ode  ergeben  sich  Pausen  von  selber  leichter  als 
in  dem  raschen,  lebendigen  Vers  des  Nathan,  dessen  Ende  doch  unmöglich  jedesmal 
durch  eine  Pause  zu  markieren  ist !  Denn  auch  die  Ansicht,  dass  der  Vers  nur  durch 
die  Pause  ein  metrisches  Ganze  werde,  muss  ich  bestreiten.  — 

Ueber  die  Seele  des  Reimes  handelt  Kirchbach34)  sehr  einsichtig,  aber  ohne 
Kenntnis   der  älteren  Litteratur,  die  ihm  vieles  vorweggenommen  hat.     Nach  K.  ist 
ein   musikalischer    Wert   des    Reimes    überhaupt  gar  nicht  vorhanden.     Die  Freude 
am   Reim  beruht  wie  die  an  dem  Echo  einfach  auf  dem  Vergnügen  an  jeder  Nach- 
ahmung überhaupt;   nicht  aber  der   Gleichklang  als  solcher   erfreut  uns  um  seiner 
selbst  willen,  sondern  nur  der  Gleichklang  der  lebendigen,  bedeutungsvollen  Worte  zu 
einem  geistigen   Zwecke.     Wie  Poggl  u.  a.  sagt  auch  K.:  wir  freuen  uns,  zwischen 
gleichen  Lauten  auch  einen  Sinnesbezug  herauszufinden;  ihn  aufzusuchen  werden  wir 
eben  durch  die  Nachahmung  d  Laute  veranlasst,  denn  jede  Nachahmung  ist  zugleich 
Betonung  und  fordert  zur  Vergleichung  heraus.     Nicht  im  Gleichklang  also,  sondern 
in  dem   durch  den  Gleichklang  herausgefundenen  geistigen  Verhältnis  zwischen  den 
gleichklingenden   Worten   liegt  der  Reim,  die  „Seele  des  Reimes".     Er  dient  daher 
immer  auch  als   Nebenmittel  zur  Unterstützung  des  geistigen  Nachdruckes,  den  wir 
auf  gewisse  Anschauungsfolgen  und  Ideengänge  legen.  An  anderen  Stellen,  besonders 
der  strophischen  Gedichte,  versieht  er  freilich  oft  auch  bloss  leichthin  den  äusserlichen 
Zweck  der  antiken  Cäsur,  die   dem   Ausruhen   und  Atemschöpfen  des  Redners  ent- 
spricht.   Der  Vf.  giebt  Beispiele  seelenloser  Reime  besonders  aus  der  nachklassischen 
neueren   Dichtung,   der    er   den   Vorwurf   macht,    dass    sie   über    dem   pedantischen 
Streben  nach  äusserer  Richtigkeit  der  Gleichklänge  das  Gefühl  für  die  viel  wichtigere 
geistige   Accentuierung   der   Reimbegriffe    verloren   habe.     Ich  kann   ihm  aber  nicht 
in  der  Beurteilung  aller  angeführten  Beispiele  Recht  geben  und  ihm  auch  nicht  den 
Vorwurf  ersparen,  dass  er  das  musikalische   Element  des  Reimes  missachtet :  durch 
die  Wiederholung  derselben  Laute  wird  die  Aufmerksamkeit  eben  doch  auch  auf  die 
Laute  selbst,   auf  das  Materielle  des  Tones  gelenkt,  und  die  einzige  Wirkung  von 
Harmonie  erzielt,  freilich  nur  in  der  unvollkommenen  Weise,  deren    der  gesprochene 
Vers  fähig  ist.35)  — 

Ueber  den  Hiatus  in  der  deutschen  Poesie  handelt  wenig  förderlich 
N  eub  u  r  g  e  r36),  dem  nicht  bloss  die  elementaren  Vorkenntnisse  auf  philologischem 
Gebiete  überhaupt,  sondern  auch  der  rechte  Begriff  des  Hiatus  im  besonderen  fehlen, 


—  33)  K.  Borinski,  D.  Ueberf&hrung  d.  Sinnes  ober  d.  Versschluss  n.  ihr  Verbot  in  d.  neueren  Zeit.  (=  Stnd.  z.  Litt.-Gesch. 
M.  Bernay s  gewidmet  [.TBL.  1893  I  1  :  118],  S.  41-60.)  —  34)  W.  Kirohbaoh,  D.  Seele  d.  Reimes:  ML.  62,  S.  491/4.  —  35)  X 
A.  Zukertort,    Ueber  d.  Stabreim:    MADSprV(Berlin).  4,    S.  10-21.     -    36)    E.  Neubarger,    Ueber    d.  Hiatus  in  d.  dtsch. 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.  I  8:36-37     I  9  :  1 

obwohl  Scherers  grundlegende  Arbeit  nun  in  den  von  Erich  Schmidt  und 
Burdach37)  herausgegebenen  „Kleinen  Schriften"  bequem  zugänglich  ist.  Er  betrachtet 
sogar  das  Zusammentreffen  voller  und  langer  Vokale  als  Hiatus  und  sucht  aus  zu- 
sammengerafften Beispielen  von  Otfried  bis  auf  den  Grafen  von  Schack  und  aus  der 
Unvermeidlichkeit  des  Hiatus  in  der  grammatikalisch  richtigen  Prosa  zu  beweisen, 
dass  die  Vermeidung  des  Hiatus  nicht  national,  sondern  der  griechischen  Prosodie 
entnommen  sei  (ebenso  Kruse,  s.  oben).  — 


I>9 

Kunstgeschichte. 

Cornelius    Gurlitt. 

Knnstlehre  N.  1.  -  Kunstkritik  N.  15.  —  Kunstgeschichte:  Allgemeine  Darstellungen  N.  75.  — 
Topographie:  Allgemeines  N.  118;  Schlesien  N.  121;  Sachsen  N.  124;  Thüringen  N.  126;  Bayern  N.  127;  Württemberg  N.  137; 
Reichslande  N.  140;  Rheinlande  N.  143;  Westfalen  N.  146;  Pommern  N.  147;  Westpreussen  N.  148;  Ostpreussen  N.  149: 
Anhalt  N.  151;  Österreich  N.  152;  Schweiz  N.  159.  —  Malerei  der  Renaissance:  Frühzeit  N.  160;  Dürer  N.  169;  Philipp  Hain- 
hofer  N.  190;  Hans  Holbein  d.  Ae.  N.  191 ;  Hans  Baidung  gen.  Grien  N.  194:  Chrph.  Amberger,  M.  Giünewald,  S.  Beham,  W.  Haber, 
P.  Flötner,  H.  Burgkmair  N.  197;  Jörg  Breu,  Hans  Muelich,  Jost  de  Negker.  N.  200;  J.  Heintz,  W.  Traut,  F.  Sustris,  Jan 
Thomas  N.  204;  Sammlungen  N.  208;  L.  Cranach  N.  209;  B.  Bruyn  N.  212.  —  Bildhauerei  N.  215.  —  Barockkunst  N.  222.  - 
Zeitalter  Friedrichs  d.  Gr.  N.  240.  —  Uebergang  vom  Rokoko  zur  klassischen  Schule  N.  250.  —  Klassische  und  romantische 
Periode  N.  268.  -  Neuere  und  neueste  Zeit:  H.  M.ikart  N.2S2;  B.  riglhein  N.  283:  H  Baisch  N.  286;  K.  Stauffer-Bern  N.  309; 
A.  Boecklin  N.  311;  F.  von  Uhde  N.  315;  M.  Liebermann  N.  318;  F.  Stuck  N.  322;  M  Klinger  N.  324;  H.  Thoma  N.  83»; 
H.  Pndor  N.  340a;  Humoristen  N.  341:  W.  Friedrich,  II.  Hendrich.  H  Prell,  F.  Röber  N.  346.  -  Bildnerei  N.  350.  —  Archi- 
tektur N.  362.  —  Kunsthistoriker  N.  400.  —  Specialgebiete:  Vervielfältigende  Künste  N.  410.  —  Gartenbau  N.  426.  — 
Kunstgewerbe  N.  429.  — 

Kunstlehre.  Das  meist  besprochene  und  wohl  auch  meist  gelesene 
Buch  des  Berichtsjahres  war  Woermanns1)  Schrift:  „Was  uns  die  Kunst- 
geschichtelehrt", die  in  rasch  aufeinanderfolgenden  Auflagen  erschien.  Man  erkennt 
an  diesem  Erfolge  zunächst  das  Bedürfnis  der  Menge,  sich  von  einem  bewährten 
Kenner  alter  und  neuer  Kunst  leiten  und  in  das  Verständnis  der  ihr  so  oft  fremd- 
artigen neueren  Schaffensart  einführen  zu  lassen.  Denn  dies  ist  der  vortrefflich  erreichte 
Zweck  des  Werkes.  Die  Ansicht,  die  in  manchen  Besprechungen  auftauchte,  dass  es 
den  jeweiligen  Gegnern  des  Kritikers  missfallen  werde,  hat  sich  im  allgemeinen  nicht 
bewahrheitet.  Bei  manchen,  je  nach  der  Parteistellung  hin  und  her  zerrenden  Aus- 
stellungen, die  aber  sich  nicht  zu  einer  wirklichen  Ablehnung  steigerten,  zeigt  sich, 
dass  W.  der  Welt  so  recht  eigentlich  aus  dem  Herzen  sprach,  als  er  einen  ver- 
söhnenden Weg  zum  Verständnis  suchte  und  nach  keiner  Richtung  hin  schroff  auftrat. 
Folgt  man  seinen  Ausführungen,  so  erscheint  manches  in  der  Kunstdebatte  leiden- 
schaftlich gesprochene  Wort  recht  unnötig.  Freilich  bleibt  ein  kritischer  Punkt 
unerledigt,  der  nämlich,  dass  W.  sich  nur  der  meisterhaft  behandelten  Kunst  zuneigt, 
nur  diese,  nicht  aber  die  Stümperei  gelten  lassen  will,  nur  von  ihr  spricht.  Damit 
ist  aber  eine  grosse  Lücke  im  Kreise  der  Beweisführung  offen  geblieben,  vielleicht 
weniger  für  die  ältere,  als  für  die  jeweilig  neue  und  neueste  Kunst,  um  die  es  sich 
doch  eigentlich  handelt.  W.  meint  nun,  es  gebe  ein  festes  Urteil  darüber,  was 
Stümperei  sei  und  was  nicht.  Man  müsse  das  Gute  gelten  lassen,  in  welcher  Form 
es  erscheine,  das  Schwache  aber  ablehnen.  All  der  Streit  der  „Richtungen"  kommt 
aber,  meines  Ermessens,  doch  wohl  daher,  dass  die  Vertreter  verschiedener  Kunst- 
anschauungen jenen  der  anderen  mit  dem  leidenschaftlich  verfochtenen  Anspruch 
auf  Richtigkeit  nur  ihrer  Ansichten  vorwerfen,  schlecht,  ungenügend,  stümperhaft  zu 
sehen,  zu  zeichnen,  zu  malen,  zu  komponieren,  dass  sie  sich  gegenseitig  die  Würde 
der  Meisterschaft  absprechen.  Mit  dem  bei  W.  vorherrschenden  liebenswürdigen 
Zuge  wohlwollenden  Verständnisses  ist  mithin  leider  nicht  sehr  viel  gethan.  Bellen 
hilft  hier  nichts,  hier  muss  gebissen  werden.  Die  Alten  —  man  sehe  Pechts  weiter 
unten  zu  besprechendes  Buch  —  halten  immer  noch  die  Jungen  für  „Schwindler", 
und  die  Jungen  lachen  über  den  Ruhm  vieler  Alten,  die  einst  als  Meister  gepriesen 
wurden.  Der  Massstab  dafür,  was  schön,  gut,  echt,  meisterhaft  in  der  Kunst  ist, 
bleibt  ungefunden,  ja  der  Weg  zum  Entdecken  des  Schönen  im  bisher  für  stümper- 


Poesie:    Didask.  1893,    S.  571,2.    —    37j  W.  Scherers    Kleine  Schriften    her.  v.  K.  Burdach  u.  Erich  Schmidt    (JBL.  1893 
I  1  :  117);  2.  Bd.,  S.  375.  — 

1)  K.  Woerroann,  Was  uns  d.  Kunstgesch.  lehrt.  Einige  Bemerk,  über  alte,  neue  u.  neueste  Malerei.  Dresden, 
Ehlermann.  IV,  202  S.  M.  3,00.  i[H  Helferich:  Zukunft  7,  S.  135/9;  F.  Sebastian:  Ges.  S.  6S9-91;  Kurd  Lange: 
LCB1.  S.  443/4;  Ad.  Bartels:  Didask.  N.  140;  Carl  Neumann:  PrJbb.  76,  S.  370,3;  Kunstchr.  5,  S.482;  H.  Rosenhagen: 

(1)14* 


19:1-8  C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte. 

haft  Erklärten  ist  nicht  freigelegt.  Die  Kunstgeschichte  lehrt  W.  nicht  und  uns  allen 
nicht,  gerecht  zu  sein:  denn  wo  es  kein  Gesetz  giebt,  wie  in  der  Kunst,  giebt  es 
kein  Recht,  und  wo  kein  Recht  ist,  kann  auch  keine  Gerechtigkeit  walten.  Nach 
wie  vor  wird  der  eine  die  mit  sich  selbst  unfertigen  grossen  Anreger  feiern,  der 
andere  die  Könner,  je  nach  der  Art  des  Urteiles,  nach  der  Grundlage  der  urteilenden 
Persönlichkeit.  Wohl  aber  verdient  W.s  Buch  die  erlangte  Verbreitung,  weil  es  mit 
ausserordentlichem  Geschick  und,  wie  bei  dem  geistvollen  und  vielerfahrenen  Vf. 
nicht  anders  zu  erwarten,  mit  weitem  Blick  das  Material  ordnet  und  es  zahlreichen 
Lesern  gewiss  zum  ersten  Mal  begreiflich  macht,  warum  die  ihnen  so  missfallenden 
Werke  anderen  ehrliche  Begeisterung  wecken,  unter  welchem  „Gesichtswinkel",  wie 
das  Ding  jetzt  heisst,  die  moderne  Kunst  zu  betrachten  ist,  und  welches  ihr  Verhältnis 
zur  alten  sei.2  4)  —  In  seinem  Buche  „Zwischen  den  Künsten"  vertritt  Bie5)  seine 
Vorliebe  für  induvidualistische  Kunst  gegenüber  der  formalen  durch  eine  Darleguug 
seiner  ästhetischen  Anschauungen.  Er  betont  gleich  WToermann,  dass  jeder] Förderer 
der  Kunst  Realist,  das  heisst  ein  Mann  sein  müsse,  der  seine  persönliche  Stellung 
zur  Naturerscheinung  darzubieten  habe,  nicht  aber  zum  Typus  hindränge,  also  zur 
Darstellung  einer  abgereiften  Naturerfahrung.  Er  giebt  damit  Kunde  von  der  all- 
gemein veränderten  Stellung  der  Kritik,  die  sich  namentlich  auch  darin  äussert,  dass 
die  Kritiker  nicht  mehr  „urteilen"  sondern  ihr  Verhältnis  zum  einzelnen  Kunstgegenstand, 
und  zwar  ihr  augenblickliches  Verhältnis,  darzustellen  suchen.  —  Sich  philosophierend 
über  diese  Fragen  Klarheit  zu  schaffen,  versuchte  Carstanjen6)in  einem  sehr  lesens- 
werten Aufsatz.  „Schön"  ist  ihm  eine  individuelle  Charakteristik  unseres  ästhetischen 
Verhaltens,  bezeichnet  also  nicht  eine  Eigenschaft  der  Dinge,  sondern  unser  Ver- 
hältnis zu  den  uns  wohlgefallenden  Dingen.  Er  wendet  sich  hierin  im  Grundinhalt 
seines  Gedankenganges  gegen  jenen  Woermanns,  welcher  die  alte  Ansicht  Kants 
modifiziert  aufnahm,  dass  es  eine  allgemein  anerkannte,  also  aprioristische  Schönheit 
gebe,  und  stimmt  mir  in  meinem  Satze  zu:  „Schön  ist  was  gefällt;  für  mich  ist  schön, 
was  mir  gefällt;  für  andere  anderes."7)  Weiterschreitend  untersucht  dann  C.  die 
Gründe  des  Gefallens  auf  Grund  psychologischer  Betrachtungsweise.  Er  weist 
zunächst  nach,  dass  das  Gefallen  nicht  auf  einzelnen  Eigenschaften  des  Gegen- 
standes beruhe.  So  habe  man  die  Verhältnisse  als  einen  Grund  der  Schön- 
heit bezeichnet:  Aber  welche?  und  warum?  Sind  die  Türme  des  Kölner  Domes 
zu  hoch,  wie  der  Engländer  Fergusson  sagt,  um  schön  zu  sein,  oder  sind  sie 
schön,  weil  sie  so  hoch  sind?  Giebt  es  ein  Gesetz  der  Verhältnisse,  oder  machen  die 
Verhältnisse  selbst  sich  Gewohnheitsgesetze?  Hier  schweigt  die  alte  Aesthetik! 
Form,  Gehalt,  Materie  sind  C.  nichts  als  ein  physiologischer  Reiz,  es  besteht  kein 
kausaler  Zusammenhang  zwischen  diesem  und  dem  ästhetischen  Urteil.  Es  kommt 
also  sicher  keine  feste,  allgemein  giltige,  geregelte  Beziehung  zwischen  Objekt  und 
Urteil  zu  stände,  sondern  nur  ein  durch  die  Verhältnisse  bedingtes;  es  ist  Aufgabe 
der  Aesthetik,  die  Beziehungen  klar  zu  legen,  unter  welchen  die  Urteile  sich  bilden, 
nicht  die  Urteile  als  Grundlage  für  die  Beziehung  zu  fassen.  Nur  scheinen  diese 
Beziehungen  mir  ausschliesslich  durch  die  Individualität  des  Urteilenden,  dessen  Sinnes- 
erfahrung und  Formengefühl  bedingt  zu  sein.  Also  das  „Ich"  ist  der  Massstab  des 
Urteils,  das  Wert  und  Recht  nur  für  das  Ich  hat.  Ordnen  sich  meinem  Urteil  viele 
unter,  so  bin  ich  eine  starke  Persönlichkeit,  wie  es  der  starken  künstlerischen 
Persönlichkeit  gelingt,  viel  beifällige  Urteile  auf  sich  zu  lenken.  Ein  künstlerisch 
Unfertiger  (Stümper)  kann  ein  grosser  Mann  sein  und  die  Kunst  der  Könner  (Meistert 
über  den  Haufen  werfen,  ein  Mann  von  sehr  starkem  Urteil  und  Kraft  der  Rede  des 
Meisters  Werk  in  den  Augen  der  Menge  verächtlich,  das  des  Stümpers  bewundert 
machen.  Und  so  bleibt  es  wohl  bei  obigem  Satz:  „Schön  ist,  was  gefällt";  und  das 
ganze  Gerede  von  „ewigen  Gesetzen  der  Schönheit"  ist  Ein  grosser  Irrtum,  die 
Aesthetik  des  18.  und  19.  Jh.,  namentlich  die  romantische,  eine  Wissenschaft  vom 
Wert  etwa  der  Scholastik  oder  der  Astrologie,  interessant  als  Denkmal  ihrer  Zeit.  — 
Wohl  aber  sind  für  die  Künstler  und  die  Kunstfreunde  jene  Untersuchungen  an- 
regend, welche  das  Wesen  der  Kunst  beschreibend  festzuhalten  und  erklärend  zu- 
gänglicher zu  machen  trachten.  Findet  man  auch  nicht  die  über  der  Kunst  schwebenden 
Gesetze,  nach  welchen  sie  notwendig  zu  bilden  hat,  so  findet  man  leichtlich  jene, 
nach  welchen  sie  schuf,  das  heisst  die  Bedingungen,  aus  welchen  heraus  sich  das 
Werk  in  Künstlerhand  bildete.  „Das  Wesen  der  architektonischen  Schöpfung"  nennt 
Seh  m[a  r  s  o  w  8)  seine  an  der  Leipziger  Universität  gehaltene  Antrittsrede,  in  welcher 


TglRs".  N.  58;  ML.  63,  S.  541;  H.  A.  Li  er:  Kunstchr.  5,  S.  382;  RepKunstw.  S.  199-200.JI  —  2)  X  C.  Gurlitt,  Woermann 
u.  Hildebrand:  Geg.  45,  S.  313/5.  (Ueber  N.  1.)  —  3)  X  A.d.  Rosenberg,  D.  Lehrer  d.  Kunstgesch.  n.  d.  nene  Kunst: 
Grault.  2,  S.  264-70.  (Ueber  N.  1.)  -  4)  XE-  Neuling,  D.  Kunstgesch.  e.  lebendige  Wissensch.:  WeserZg.  N.  17139-40.  (Ueber 
N.l.)  —  5)  0.  Bie,  Zwischen  d.  Künsten.  Beitr.  i  rood.  Aesthetik:  FrB  5,  8.353-68,476-85,605-21,705-22,821-35,903-18,966-1016. 
|[Kunstw.8,S.20/3.]|  (1895als  Buch  ersch.)  —  6)  F.  Car  st  an  jen,  „Schön":  Kunstw.8, 8.129-34,145,188.-7)  XM.  Kl  ein,  Aesthetik 
auf  naturwissensch,  Grundlage :  Naturwissensch Wschr.  N.  25.  —  8)  A.  Schmarso  w,   L>.  Wesen  d.  architekt.  Schöpfung.  L.,  Hierse- 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.  I  9  :  8-20 

er  in  diesem  Sinne  die  ästhetische  Behandlung-  der  Baukunst  aus  der  seit  dem 
18.  Jh.  beliebten  Manier  der  Zergliederung-  der  Bauformen  zur  Würdigung  der  Raum- 
wirkung hinzuführen  beabsichtigt.  Denn  der  Aussenbau  erscheine  der  Plastik  ver- 
wandt, im  Innenbau,  wo  der  Mensch  den  Mittelpunkt  seiner  Schöpfung  darstelle,  sei 
die  Baukunst  erst  ganz  ihrem  Wesen  nach  verständlich,  sie  umrahmt  hier  den 
Menschen.  Hier  steckt  gewiss  ein  durchaus  richtiger  und  auch  geschickt  ausgeführter 
Gedanke,  freilich  keineswegs  ein  neuer,  wie  man  beim  Lesen  des  Vortrages  zu  glauben 
sich  angeregt  fühlt.  —  Aus  gleichem  Grunde  beschäftigte  Hildebrands  Problem  der 
Form(JBL.  1893  I  11 :  19)  in  so  vielfacher  Weise  gerade  die  besten  Köpfe.  Denn  es  ist  das 
Buch  ein  Rechenschaftsbericht  über  die  von  dem  trefflichen  Bildhauer  für  seine  eigene 
Produktion  festgestellten  Gesetze.  Aber  auch  hier  ist  die  Produktion  das  Ursprüngliche, 
Gebietende,  das  Gesetz  das  Entlehnte,  —  nicht  umgekehrt,  wie  Hildebrand  vielleicht 
selbst  manchmal  glauben  mag9"14*).  — 

Kunstkritik.  In  7.  Auflage  erschien  des  Grafen  Schack15)  Werk 
über  seine  Gemäldesammlung,  deren  Schicksal  durch  seinen  Tod  in  Frage  kam  und 
daher  in  der  Tagespresse  vielfach  besprochen  wurde16).  Je  mehr  sich  die  Kunst- 
geschichte mit  der  wichtigen  Zeit  der  Entstehung  der  modernen  deutschen  Kunst 
beschäftigt,  nämlich  mit  den  Zeiten,  da  Schwind,  Feuerbach,  Böcklin  nach  dem  Aus- 
druck ihrer  Ideale  ringend  dem  Alten  entgegentraten,  um  so  lebhafter  ist  die  Zu- 
stimmung der  Kunstkritik  zu  den  Thaten  Sch.s.  Freilich  werden  auch  Zweifel  an 
ihm  laut.  Aber  es  beweist  schon  der  starke  Absatz  der  Buches,  dass  die  von  Schack 
ausgehende  Anregung  heute  noch  nachwirkt.  Liest  man  aber  das  Buch  selbst,  so 
spürt  man  doch  deutlich,  dass  Sch.s  Kennerschaft  noch  stark  durch  seine  geschicht- 
liche Bildung  und  seine  dichterische  Auffassung  beeinträchtigt  wurde,  dass  er  rein 
künstlerisch  nur  in  bedingter  Weise  zu  sehen  vermochte,  dass  also  die  Zweifel,  welche 
gerade  die  von  ihm  geförderten  Künstler  gegen  seine  Kennerschaft  ausgesprochen 
haben,  nicht  Ergebnisse  schwarzen  Undankes,  sondern  eines  inneren  Missverstehens 
sind.  —  Mit  Schack  wetteifert  Pecht17)  um  die  Ehre,  in  frühen  Zeiten  die  Talente 
erkannt  zu  haben,  welche  Münchens  Kunstruhm  darstellen.  Seine  Autobiographie 
ist  fliessend  geschrieben,  aber  hinterlässt  den  Eindruck,  als  sei  man  einer  sehr  liebens- 
würdigen, doch  keineswegs  einer  sehr  ernsten  Persönlichkeit  begegnet.  Unter  dem 
Ernst  ist  hier  sicher  nicht  Griessgrämlichkeit  und  auch  nicht  Pedanterie  zu  verstehen, 
sondern  das  Streben,  die  dem  Manne  verliehenen  Gaben  durch  Selbstzucht  zur  vollen 
Entfaltung  zu  bringen.  Es  ist  ja  kein  Wunder,  dass  P.,  selbst  Maler  und  mit- 
schwimmend in  dem  künstlerischen  Fahrwasser  Münchens,  überall  an  jenen  Künstler- 
erschein ung-en  Gefallen  fand,  die  in  der  ihm  geläufigen  Richtung  sich  neben  ihm 
vorwärts  bewegten,  dass  er  ein  Befreier  der  koloristischen  Schule  der  Malerei  und 
des  Kunstgewerbes  wurde,  die  mit  ihm  emporwuchs,  ein  Befreier  von  der  unverständigen 
Kritik  der  durch"  die  Wissenschaft  zur  Besserwisserei  gekommenen  Aesthetiker,  dass 
er  einer  künstlerischen  Anschauung  der  Kunst  die  Bahn  öffnete.  Mit  Recht  beglück- 
wünschte man  ihn  daher  zu  seinem  80.  Geburtstag18-19).  Neben  Pietsch  hat  er  hierin 
zweifellos  das  meiste  in  Deutschland  gethan,  in  dieser  Beziehung  überragt  er  auch 
den  freilich  „später  aufgestandenen"  Schack  ganz  erheblich.  Aber  wenn  es  schon 
ein  grosses  Verdienst  ist,  dass  er  sich  rühmt,  kein  Talent  verkannt  zu  haben,  das 
später  zu  ehrlich  erworbenem  Ruhm  kam,  so  bleibt  er  doch  noch  der  Parteimann, 
der  manchem  diesen  Ruhm  nicht  gönnt,  ihn  nicht  für  ehrlich  erworben  hinzunehmen 
vermag.  Wenn  er  die  um  Manet  „Schwindler"  nennt  und  Thoma,  den  von  ihm  einst 
so  bitter  Angegriffenen,  auch  jetzt  noch  nicht  namhaft  macht,  so  zeigt  sich  eben,  dass 
er  sicher  nicht  alle,  sondern  nur  die  schulgerechten  Talente  seiner  Zeit  verstand. 
Dass  Feuerbach  und  Böcklin  in  ihm  früh  Verteidiger  fanden,  ist  sein  Ruhm,  dass  er 
Makart  und  Defregger  über  sie  stellte,  seine  Schwäche.  —  Den  gleichen  kritischen 
Ruhm  haben  die  Kachlebenden  für  einen  verstorbenen  Berliner  Schriftsteller  durch 
erneute  Herausgabe  seiner  für  Tagesblätter  geschriebenen  Aufsätze  beansprucht. 
Auch  die  Kritiken  von  Titus  Ullri  c  h20)  begleiten  die  Hauptereignisse  der  Kunst- 
geschichte,   namentlich   der  Geschichte  der  Malerei  seit  1852,    soweit   sie   in    Berlin 

mann.  30  S.  M.  1,00.  |[H.  Wölfflin:  RepKnnstw.  17,  S.  141/2:  MÖsterrMusKunstlndustr.  9,  S.  13<>.]|  —  9)  X  Kurd  Lange: 
LCBI.S. 731/4;  H.Grimm:  DLZ  S.116S;  W.  v.  Seydlitz:  RepKunstw.  17,S.46/8;  0.  Harnack:  PrJbb.  77,  S.160;  J.  Lessing: 
Kunstchr.  5,  S.  457, 467.]  |  -  10) X  (=  N.'  2.)  —  11) X  Konr  Lange,  D.  künstler.  Erz.  d.  dtsch  Jng.  (JBL.  1893  111:2).  |f Grenzb.  2,  S.  83-90 ; 
AtBn.9,S.73/4.],  —  12)XR-Hocheg&er-I)könBtler-Erz-d-dtsch  Jng.:ZInnendekoration..r),S.66  7,74/51823,90.  —  lStXW.Koop- 
mann^.Entsteh.d.KBnstwerkes^BL.lSgSIll^ß).  |[H.W.:  LCB1  S.445;O.Harnack:PrJbb.77,  S.160.]|  -  14)  X  Al.Riegl,  Stil- 
fragen (JBL.  1893  I  11:26).  |[LCB1.S.21;  R.  Bock:  Kunstchr.  5,S.  254,6.]|  -  14a)X  Emil  Koch,  D.  Kunst  als  Gegenstand  d. 
Gymn.-Unterr.:  NJbbPh.  150,  S.  131-45, 170/7.  -  15)  Ad.  Fr  Graf  y.  Schack,  Meine  Gem&ldegal.  7.  Ann.  Nebst  e.  Anh.,  enth. 
e.  vollst.  Verzeichnis  d.  Gemälde-Samml.  nach  Nummern.  St.,  Cotta.  VII,  384  S.  M.  3,00.  —  16)  X  B-  Becker:  Nation,,.  11, 
S.  4524:  BURS  62,  S.  620/1;  AI.  Braun:  ÜLAM.  72,  S.  844/5:  0.  Panizza:  Zuschauer  1,  S.  5014;  IllZg.  102,  S.  S98,«; 
BerlTBl.  N.  192,  205;  Wilh.  Schmidt:  AZg".  N.  179;  B.  Hirth:  Kunstchr.  5,  S.  441/6.  —  17)  (I  4:468;  IV  1  c  :  66.) 
j[M.  Necker:  BLU.  S.  753/5;  Max  Schmid:  ML.  63,  S.  1618-20;  Geg.  46,  S.  180/4;  Ad.  Rosenberg:  Grenzb.  4,  S.  SM]  8 
-  18)  X  F.  v.  Reher,  F.  Pecht  z.  80.  Geburtst.:  Kunstfür  Alle  9,  S.  2,6.  —  19)  X  H.  V,  F.  Pecht  z.  80.  Geburtst. :  NorddAZg. 
N.  461.  -  20)  T.  Ullrich,   Krit.  Aufsätze  über  Kunst,  Litt.  u.  Theater.    B.,  Gaertner.    VII,  352  S.    Mit  Bildn.    M,  4,50.   - 


I  9-.20-25  C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte. 

in  öffentlichen  Ausstellungen  zu  sehen  waren.  Delaroche,  Gallait,  Leutze,  Fr.  Preller, 
Cornelius,  Knaus,  C.  F.  Lessing  usw.  erscheinen  nach  einander.  Die  Auswahl  aus 
seinen  Arbeiten  —  um  eine  solche  handelt  es  sich  doch  —  ist  sichtlich  in  der" Absicht 
geschehen,  nachzuweisen,  das  auch  U.  das  Gute  alsbald  erkannt  habe  und  somit 
seiner  Zeit  voraus  geeilt  sei.  Ein  Lob  Böcklins  vom  J.  1860  ist  ja  wirklich"  eine 
kritische  That.  Aber  im  allgemeinen  ist  seine  Kritik  Nacherzählen  der  im  Bilde 
dargestellten  Thatsachen,  nicht  Nachempfinden  des  künstlerischen  Wertes.  U.  bleibt 
trotz  mancher  erfreulichen  Züge  ein  Kritiker  der  romantischen  Aesthetik,  und  es  ist 
ihm  so  wenig  wie  anderen  gelungen,  aus  dieser  heraus  sich  von  der  Ueber- 
schätzung  des  geschichtlichen  oder  poetischen  „Inhalts"  frei  zu  machen.  —  Ludwig 
Pietschs  70.  Geburtstag  gab  den  Anstoss,  sich  auch  mit  diesem  Kritiker  zu  beschäftigen. 
Wenn  er  Ludw.  Stettenheims21)  Lob  über  sich  ergehen  lassen  muss,  dass  er 
anspruchsvoller  Mittelmässigkeit  und  gespreizter  Talentlosigkeit  mit  herbem  Tadel  ent- 
gegenträte, so  muss  man  dagegen  erinnern:  Gerade,  dass  er  Gutes  tadle  und  gegen  die 
Mittelmässigkeit  zu  milde  urteile,  ist  der  oft  erhobene,  gerechtere  Vorwurf  gegen  den 
viel  gepriesenen  und  viel  geschmähten  Haupt  Vertreter  der  älteren  Kritik  in  Berlin. 
—  Der  Wunsch  sich  über  den  Stand  der  künstlerischen  Dinge  im  allgemeinen  klar 
zu  werden,  tritt  auch  in  diesem  Jahresabschnitt  deutlich  hervor.  Ich  greife  einige 
Versuche  heraus,  die  mir  als  typisch  scheinen.  So  Aldenhovens22)  Aufsatz 
„Die  Kunst  und  das  Publikum".  Ein  offenes  Geständnis,  dass  er  nicht  verstehe,  was 
die  Neuen  wollen:  So  haben  wir  als  Quartaner  die  Farben  unseres  Tuschkastens 
verwendet!  sagt  er  von  einer  schattenlosen  Landschaft.  Ihm  ist  die  Richtung  der 
Impressionisten  kaum  mehr  als  eine  Verirrung,  zumeist  wohl  ein  Beweis  allgemein 
vorherrschender  Unfähigkeit.  Es  ist  immerhin  psychologisch  merkwürdig,  dass  ein 
grundgescheiter  Mann  wie  A.  sich  niemals  fragt,  ob  der  Grund  des  Missverstehens 
nicht  etwa  doch  in  ihm  liege,  nicht  in  dem  Sinne,  in  welchem  Helferich23)  von 
ihm  redet:  „Er  ist  ein  guter  Mann;  er  ist  sehr  ästhetisch;  aber  hat  gar  keine  Ahnung 
von  der  Kunst!",  sondern  in  dem,  dass  er  in  seiner  Jugend  aufnahmefähig  für 
vielerlei  Kunst  war,  und  dass  er  nun  es  nicht  mehr  ist,  dass  seine  Sinne  vorzeitig 
zu  stumpf  wurden,  um  sich  neuem  Fassen  zu  erschliessen,  dass  ihm  gerade  seine 
Aesthetik  einen  Riegel  vor  die  Erweiterung  seines  Schönheitsempfindens  schob.  Man 
kann  von  Kunst  eine  Ahnung  haben,  ohne  aller  Kunst  gerecht  werden  zu  können. 
Winckelmann  hatte  mehr  als  eine  solche  Ahnung,  hatte  aber  gewiss  über  die  Skulpturen  des 
Zeustempel  in  Olympia  ähnlich  geurteilt  wie  der  Bildhauer  Hahnel:  Es  ist  erfreulich 
zu  sehen,  dass  es  auch  Griechen  gab,  die  nichts  gekonnt  haben!  Nicht  das  Unverständnis 
im  allgemeinen  macht  A.,  der  hier  nur  als  Beispiel  für  viele  Gleichwertige  genannt 
sein  soll,  unfähig  zur  Kritik,  sondern  die  Meinung,  die  Kunst  müsse  sich  nach 
seinem  Verständnis  richten.  Man  kann  andererseits  heute  öfters  lesen,  was  früher 
undenkbar  war,  dass  nämlich  ein  Kritiker  selbst  sagt,  er  bespreche  den  und  jenen 
Künstler  nicht,  nicht  weil  er  ihm  unwürdig  hierzu  erscheine,  sondern  weil  er  ihn  nicht 
verstehe!  Bisher  hat  es  geheissen:  Jener  Künstler  ist  ein  Narr,  den  der  ästhetisch 
Gebildete  und  noch  viel  mehr  der  Kritiker  von  Beruf  nicht  ohne  weiteres  versteht. 
Denn  die  alte  Aesthetik  forderte  von  der  Kunst  Unterordnung,  während  die  heutige  in 
ihr  Förderung  sucht.  Ob  nun  die  „Alten"  oder  die  „Neuen"  schliesslich  Recht 
behalten,  ob  die  moderne  Kunst  voll  Unsinn  oder  voll  Sinn  ist,  das  wird  doch  unent- 
schieden bleiben.  Denn  auch  kommende  Zeiten  werden  kein  gerechtes  Urteil  zu  fällen 
vermögen.  Auch  sie  werden  von  den  für  sie  massgebenden  Lebensbedingungen 
aus  bedingt  richtig  urteilen.  Man  muss  die  Geschichte  der  Wertschätzung  etwa  eines 
Franz  Hals  verfolgen,  um  sich  hierüber  klar  zu  werden.  Aber  die,  welche  der  zeit- 
genössischen Kunst  zustimmen,  weil  sie  sie  verstehen,  weil  sie  mit  den  Künstlern  gleich- 
gestimmt sind,  werden  dauernd  für  die  Kunstgeschichte  grösseren  Wert  haben;  sie  sind 
die  berufenen  Erklärer  ihrer  Zeit,  nicht  jene,  welche  als  Fremdlinge  in  ihren  eigenen  Tagen 
hausen.  —  Den  Wunsch,  sich  wenigstens  über  die  äusseren  Vorgänge,  das  Hin  und  Her 
des  Kampfes  zu  unterrichten,  wird  man  wieder  am  besten  durch  die  Fachblätter  befriedigen. 
Ihre  Reihe  wurde  im  letzten  Bericht  aufgezählt,  ebenso  wie  in  diesem  der  sich  an- 
bahnende Sieg  der  modernen  Art  kritischer  Besprechung  erwähnt  wurde.  Einzelnen 
Blättern  sei  aber  noch  besondere  Aufmerksamkeit  zugewendet.  So  dem  „Kunstwart"24  25), 
welchen  F.  Avenarius  auf  der  von  vornherein  eingenommenen  vornehmeren  Höhe 
erhielt.  Diese  äussert  sich  nicht  im  Nichteinmischen  in  die  Tagesfragen,  sondern 
gerade  durch  kräftige,  aber  allem  Cliquenwesen  fremde  Parteinahme.  Die  Ausstellungs- 
und Kunstberichte  von  Paul  Schumann,  Albert  Dresdner,  Alfred 
Freihofer,  Oskar  Bie  usw.,  das  ernste  Streben  nach  ästhetischer  Klärung, 
nach  Vertiefung,  ohne   dadurch    die   Frische   aufzugeben,    die   weitsichtige  Art   der 


21)  L.  Steltenheim.L.  Pietsch:  FrBl".  K.  301.  -  22)  C.  Aldenhoven,  1).  Kunst  u.  d.  Publikum:  Nation".  11,3.1835.— 
23)  II.  llelferich,  Kunstausstellungen  in  d.  Fremde:  Zukunft  8,  S.  72/9.  —  24-25)  X  *>•  Kunstwart:  WIDM.  75,  S.  521.  — 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.  I  9  :  26-33 

Berichterstattung'  über  alle  Vorkommnisse  in  den  verschiedenen  Kunstgebieten  machen 
auch  für  den  Historiker  das  Blatt  zu  einer  Art  Denkmal  der  Zeit.  Die  Arbeiten  von 
Julius  Elias  in  der  „Nation"  gehören  zu  jenen,  in  welcher  sich  ein  Aufmerksamer 
den  Kunstwerken  gegenüber  selbst  beobachtet  und  von  seinen  Erfahrungen  vor 
diesen  Nachricht  giebt:  Kritik  ist  das  Kunstwerk,  gesehen  durch  ein  Temperament. 
Das  „Atelier"  hat  sich  mehr  und  mehr  eine  führende  Stellung  unter  den  Blättern 
erobert,  welche  im  Kampfe  oder  doch  in  der  Durchführung  bestimmter  Anschauungen 
zum  Siege  ihrer  Aufgabe  sehen.  Hans  Rosenhagen,  der  Leiter  des  Blattes, 
ficht  mit  Frische  und  heilsamer  Rücksichtslosigkeit  für  die  Sache  und  namentlich 
für  die  Berliner  Verhältnisse;  Friedrich  Fuchs,  Gerhard  Romint,  Will3r 
Pastor,  Max  Schmid,  Robert  Mielke,  P.TW alle,  J.  van  Eyck  usw. 
stehen  ihm  zur  Seite.  Der  „Kunstsalon",  das  Organ  der  trefflichen  Amsler  und  Ruthardtschen 
Kunsthandlung  in  Berlin,  litt  unter  dem  Umstände,  dass  er  zugleich  kunstgeschichtlichen 
Zwecken  dienen  wollte.  Auch  hier  ist  aber  das  zur  Tagesgeschichte  Gegebene  das 
Bessere :  Fred  Walter  in  München,  Clemens  Sokal  in  Wien,  H  e  i  n  r. 
Bothmer  in  der  Schweiz  lieforten,  die  deutschen  Kunstverhältnisse  beschreibende, 
Aufsätze.  Leider  war  ihm  ein  wunderlicher  Kultus  mit  halbschürigen  künstlerischen  und 
schriftstellerischen  Talenten,  eine  grosse  Unklarheit  in  der  redaktionellen  Mache  be- 
schieden. Im  Okt.  erschienen  statt  des  Kunstsalon  „Wochenberichte"  mit  nicht  weniger  als 
drei  Gratisbeilagen,  die  das  Blatt  völlig  ungeniessbar  machten ;  sie  bewiesen,  dass  die  Firma 
hinsichtlich  ihres  Redakteurs  einen  schweren  Fehlgriff  gethan  hatte.26"28)  —  Be- 
merkenswert ist  die  Schwenkung  der  ZBK.  von  C.  v  o  n  Lützow29),  deren  neuer 
Jahrgang  mit  einem  der  neuen  Kunst  sich  zuwendenden  Aufsatz  des  Herausgebers 
eröffnet  wurde,  der  sich  auf  Bierbaums  Arbeiten  stützt.  Die  Berichterstattung  über 
die  Ausstellungen  usw.  ist  auch  zumeist  an  jüngere  Kräfte  übergegangen,  unter  denen 
H.  Hirth  als  beachtenswert  hervortritt.  —  Ebenso  waltet  über  Pechts  „Kunst  für 
Alle"  entschieden  der  Geist  zum  mindesten  der  Duldung  für  das  Neue  und  auch  die 
politischen-  und  Wochenschriften  sind  mehr  und  mehr  zur  Anerkennung  der  jüngeren 
Kunst  übergegangen.  Hermann  Helferichs  (Emil  Heilbuts)  Aufsätze  in 
der  „Zukunft"  werden  in  diesen  Blättern  mehrfach  als  besonders  reife  Früchte  eines 
mit  der  Gesamtleistung  der  Weltkunst  innig  Vertrauten  und  als  Meisterwerke 
fein  durchbildeten  Stiles  sowie  tiefer  Sachkenntnis  Erwähnung  finden.  — 
Francquarts  Schriftchen  über  den  „Schaupöbel"  hat  den  Dresdener  Maler  Ehrenberg30) 
zu  einer  anonymen  Entgegnung  angeregt,  die  an  Verbissenheit  und  Erregtheit 
nichts  zu  wünschen  übrig  lässt.  Der  Ankauf  der  Pietä  von  Klinger  durch  die  Dresdener 
Galerie  sowie  P.  Schumanns31)  und  W  o  e  r  m  a  n  n  s32)  Aufsätze  über  diese  bieten 
ihm  den  Anlass  zu  einer  Darlegung  seines  idealistischen  Standpunktes.  Belehrung 
wird  man  in  seiner  Schrift  nur  insofern  finden,  als  es  wissenswert  ist,  den  Grad 
gegenseitiger  Erbitterung  und  plumpen  Miss  verstehens  kennenzulernen.  —  In  ähnlichem 
Tone  ist  F  e  d  d  e  r  sen  s33)  Broschüre  gehalten,  gleichfalls,  soviel  ich  weiss,  das 
Werk  eines  Malers,  den  die  neue  Kunst  beiseite  zu  drücken  droht  oder  bereits  beiseite 
gedrückt  hat.  —  Streitentfachend,  nicht  streitmildernd,  wie  sie  wohl  sollte,  hat  auch  die 
Schrift  des  Mediziners  F  ritsch34)  gewirkt,  der  die  neue  Kunst  nach  den  Anschau- 
ungen des  Anatomen  zu  prüfen  vornahm,  um  ihr  ihre  Fehler  vorzuhalten.  —  Natürlich 
wusste  sie  Entgegnungen  hervorzurufen.  Namentlich  suchte  der  Maler  Aug.  von 
Hey  den35)  in  ruhiger,  würdiger  Sprache  die  Künstler  vor  der  von  Ueberhebung, 
ja  Schulmeisterei  nicht  freien  Beurteilung  zu  bewahren,  indem  er  Fritsch  eine  für 
den  Zweck  nicht  genügende  Methode  der  Beurteilung  vorwarf,  dessen  Ansicht  be- 
kämpfend, dass  die  modernen  Maler  absichtlich  hässliche  Modelle  wählten  und  dass 
sie  nicht  richtig  zu  zeichnen  vermöchten.  Dabei  ist  zu  beachten,  dass  H.  ja  selbst 
künstlerisch  zu  den  „Alten"  gehört.  —  Auch  hierin  bot  Klinger  das  eigentliche  Kampf- 
objekt; neben  ihm  waren  L.  von  Hofmann,  Exter  usw.  die  zumeist  besprochenen 
Künstler.  F  r  i  t  s  c  h 36)  antwortete  wieder  auf  diese  Schrift,  ohne  wesentlich  Neues 
zur  Frage  beizubringen.37)  —  „Fort  mit  der  Censur  in  der  bildenden  Kunst"  heisst 
eine  weitere  Broschüre38),  die  sich  gegen  die  „Jury"  für  Aufnahme  von  Bildern  auf 
den  Ausstellungen  überhaupt  oder  doch  gegen  die  jetzige  Arbeitsart  dieser 
Aufnahmerichter     äussert.      Im    Grunde    weiss     sie     bessere    Vorschläge    in    dieser 


26)  X  H.  Häfker,  D.  Kunst  in  Berlin:  Ges.  S.  1616-20.  -  27)  X  M.  G.  Conrad,  Aus  d.  Münchener  Kunstleuen:  ib. 
S.  1224,  246-50,  376/9,  924-31,  1092,3,  1210/1.  —  28)  X  Wilh.  Meyer,  Aus  d.  FranW.  Kunstleben:  ib.  S.  10935.  -  29)  C. 
v.  Lützow,  Neue  Bahnen  in  d.  Kunst:  ZBK  5,  S.  1/6  —  30)  [K  Ehrenberg],  D.  neue  Kunst  u.  d.  ,,Schaupöbel".  V. 
e.  Mitgliede  d.  „Schaupöbels".  Dresden,  Union  (Herzog  *  Schwinge).  39  S.  M.  0,60.  (Vgl.  JBL  1893  I  11  :  49,  54.)  —  31) 
P.  Schumann:  DresdAnz.  N.  306.  —  32)  K.  W[oermann]:  DresdJourn.  20.  Mai  1893.  —  33)  M.  Feddersen,  D.Entartung 
d  Münch.  Kunst.  München,  Scholl.  38  S.  M.  1,00.  —  34)  G.  Fritsch,  Unsere  Körperforraen  im  Lichte  d.  mod.  Kunst.  B., 
Habel.  39  S.  M.  0,80.  |[J.  Levin:  Geg.  45,  S.  403-10;  H.  A.  Li  er:  Kunstchr.  5,  S.  377-82.]|  -  35)  A.  v.  Hey  den,  Aus 
eigenem  Rechte  d.  Kunst.  E.  Wort  z.  Abwehr.  B.,  Fontane.  24  S.  M.  0,50  |fBLU.  S.  702.JI  —  36)  G.  Fritsch,  Ne  sutor 
supra  crepidam!  B.,  Habel.  36  8.  M.0.80.  —  37)  X  E-  Du  Bois-Ray  mond,  Naturwissensch.  u  bild  Kunst.  L.,  Veit  *  Co. 
1891.     64  S.     M.  1,20,     |[WID31.  75,  S.  144  J|    —    38)    Fort  mit  d.  Censur  in  d.  bild.  Kunst!     E.  Reformschrift  gegen  d.  Jury- 


I  9:39-72  C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte. 

Frage  auch  nicht  zu  geben,  sondern  ruft  nur  die  Gerechtigkeit  der -Erwählten  an: 
als  ob  es  im  Kunsturteil  eine  Gerechtigkeit  gäbe! — Ruhiger  und  sachlicher  äussert 
sich  in  gleicher  Frage  abermals  Aug.  von  H  e  y  d  e  n39).  —  Die  eigentlichen  persön- 
lichen Streitigkeiten  der  Berliner  bespricht  Helfer  ich40)  in  einer  ihrem  Werte 
angemessenen  Behandlung.  Als  ob  die  unter  direkter  Beeinflussung  Kaiser  Wilhelms  IL 
erfolgte  Prämiierung  der  Frau  Vilma  Parlaghi  irgendwie  ein  Unrecht  sei,  anderen 
von  den  Künstlern  selbst  getroffenen  Wahlen  gegenüber.  —  In  einem  zweiten  Aufsatz 
wendet  Helferich41)  sich  gegen  die  Akademien  und  deren  Künstlerzüchtung 
mit  einem  Humor,  dessen  Schärfe  zumeist  in  der  klaren  Erkenntnis  begründet  ist, 
dass  seine  berechtigte  Abneigung  gegen  diese  „bombastischen  Institute"  deren  Bestand 
doch  nicht  beeinträchtigen  wird.42-43)  —  Je  mehr  die  zünftige  Kritik  durch  die  Thatsache 
des  Emporsteigens  der  von  ihr  so  lange  Zeit  Verketzerten  an  die  Wand  gedrückt  wurde, 
desto  eifriger  war  man  bemüht,  die  Künstler  selbst  um  ihre  Ansicht  zu  fragen, 
Bestätigung  ihrer  Ansichten  von  „berufenster  Seite"  suchend.  Freilich  nicht  überall 
mit  gewünschtem  Erfolge,  namentlich  nicht  mit  dem,  nun  ein  abschliessendes  Urteil 
zu  erlangen.  Denn  die  Künstler  selbst  erweisen  sich  zumeist  in  der  Betrachtung 
der  Kunst  als  noch  einseitiger  als  der  ärgste  der  von  ihnen  verhöhnten  Kunstschreiber. 
So  wurden  denn  eine  Anzahl  von  Meistern  ausgeholt,  ohne  dass  dadurch  viel  Gutes 
zu  Tage  gekommen  wäre.  Wohl  aber  ist  denjenigen,  die  freiweg  ihre  Einseitigkeit 
bekannten,  dieser  Freimut  oft  herzlich  schlecht  bekommen.  So  hat  Reinhold 
Begas44)  „Aphorismen  über  Kunst"  drucken  lassen  und  in  diesen  eine  Anzahl 
von  Ansichten  über  das  Verhältnis  der  Bildnerei  zu  Bestellern  und  Kritikern 
niedergelegt,  welche  natürlich  mancherlei  Widerspruch  hervorriefen,  gerade  weil  er 
ein  hervorragender  Künstler  ist.  Dass  er  unter  „Realismus"  das  Betonen  des  Neben- 
sächlichen zu  verstehen  scheint,  ist  immerhin  bei  einem  Manne  mit  so  offenen  Augen 
als  ein  Beweis  dafür  merkwürdig,  dass  er  von  alle  dem,  was  über  diese  Fragen  ge- 
schrieben und  geredet  wurde,  nichts  gehört  oder  doch  nichts  gelernt  hat.  Seine  fast 
wegwerfenden  Aeusserungen  über  Cornelius  stehen  nicht  in  rechtem  Verhältnis  zu 
dem  lebhaft  betonten  WTunsche  der  Hochhaltung  aller  Kunst,  denn  auch  Cornelius 
ist  daseinsberechtigt  trotz  Begas!  Wie  alle  Künstleräusserungen,  und  mit  Recht, 
sind  die  Aphorismen  im  Grunde  eine  Selbstverteidigung.  —  Aehnlich  hat  sich 
Franz  Lenbach45)  über  die  moderne  Malerei  geäussert  —  natürlich  vom  Stand- 
punkt seines  eigenen  Schaffens  aus;  Ladewig46)  hat -Ferdinand  Keller  befragt, 
durch  Amsler  und  Ruthardts  Wochenberichte  sind  ganze  Reihen  von  Künstlern  zur 
Enthüllung  ihrer  Gedanken  angeregt  worden.  —  Selbst  der  Präsident  der  Londoner 
Akademie  Sir  Frederic  Leighton47)  sah  sich  veranlasst,  sich  über  die  deutsche 
Kunst  zu  äussern.  Neues  hat  auch  er  nicht  vorgebracht,  wohl  aber  bewiesen,  dass 
selbst  eine  so  hervorragende  Stellung  nicht  zu  einem  weitsichtigen  Urteil  befähigt, 
wenn  diesem  nicht  ein  zielklares  Studium  und  die  besondere  Befähigung,  welche  den 
Kritiker  ausmacht,  zu  Grunde  liegt;  dass,  wenn  auch  die  Kritiker  in  künstlerischer 
Beziehung  oft  dilettantisch  urteilen,  Künstler  ebenso  oft  in  kritischer  Beziehung 
nicht  Besseres  leisten.  —  Im  Gegensatz  hierzu  ist  es  nicht  uninteressant,  Leighton  im 
Lichte  deutscher  Kritik48)  zu  betrachten.  —  Bierbaums  „Aus  beiden  Lagern"  (JBL. 
1893  I  11 :  50;  12  :  262)  wurde  Veranlassung  zu  einer  ergötzlichen  Auseinandersetzung 
über  das  Wesen  der  Kritik  zwischen  Max  Schmid48a)  und  Servaes48b).  — 
Die  Frage,  inwiefern  die  neue  Kunst  eine  nationale  und  daher  lebensfähige  sei, 
suchten  mehrere  Kritiker  in  verschiedener  Weise  zu  erörtern,  indem  sie,  nach  ihrem 
Ursprung  forschend,  sich  über  ihr  Wesen  Klarheit  zu  schaffen  trachteten;  Muthers 
und  Woermanns  Arbeiten  boten  hierzu  vielfach  die  Anregung*.  Häufig  sind  diesen 
Besprechungen  auch  solche  kunstgeschichtlichen  Inhalts  beigefügt49"72).  —  Rosen- 
wesen miserer  grossen  Kunstausstell.  V.  C.  B.  u.  H.  W.  Düsseldorf,  Lintz.  19  S  M.  0,50.  —  39)  A.  v.  Hey  den,  Jury  u. 
Kunstausstellungen.  B.,  Fontane.  IX,  37  S.  M.  0,50.  —  40)  H.  Helferich,  Medaillenwirtschaft:  FrB.  5,  S.  1261/5.  — 
41)  id..  Malerisch:  Zukunft  9,  S.  4133.  —  42)  X  w-  Schölermann,  Freilicht!  E.  Plein-air-Stud.  2.  Aufl.  Frankfurt a.  M., 
Jäger.  55  S.  M.  1,00.  —  43)  X  *"•  Sarvaes,  Berliner  Kunstfrühling  (JBL.  1893  I  11  :48):  WI.)M.  7>,  S.  52>.  —  44)  R.  Begas, 
Aphorismen  über  Kunst:  Zukunft  6,  S.  610/3. —45)  F.  Lo'nb ach,  Maltechnik  u.  Akad.:  ib  5,  S.  214/8.  |[Luise  v.  Kobell:  DR.  4, 
S.  88-93;  Kunstchr.  5,  S.  45/Q;  Max  Schmid:  ML.  63,  S.  1436/8.]  |   —  46)  P.  L.tdewig,  Künstlergespräche:  DR.  4,  S.  336-41. 

—  47)  Sir  Frederic  Leighton,  On  german  Art:  ArtJourn.  Jan.  —  48 1  (=  N.  23.)  —  48a)  Max  Schmid,  Z.  Abwehr: 
ML.  63,  S.  123/4.  -  48b)  F.  Servaes,  Kunstkritik  u.  Berufskritik:  FrB.  5,  S.  83/5.  —  49)  X  E-  D-.  Ursprung 
v.  Wesen  d.  mod.  Malerei:  DWB1.  7,  S.  561/3,  574/6.  —  50)  X  H-  A-  Lier,  D.  mod.  Kunst  u.  d.  Kunstgesch.:  BLU. 
S.  257-60.  —  51)  X  Ernst  Lehmann,  Z.  Kunst  u.  Kunstgesch.:  ib.  S.  390/3.  —  52»  X  id-.  D-  Einzug  d.  mod.  Kunst:  ib. 
ß.  290/1.  —  53)  X  F-  Servaes,  D.  Herkunft  d.  mod.  Malerei:  N*S.  70,  S.  202-16.  —  54)  X  G.  Dehio,  D.  Malerei  d.  19.  Jh. 
beleucht.  v.  e.  Jüngeren:  PrJbb.  76,  S.  122-33.  -  55)  X  H.  Rosenhagen,  D.  germ.  Beweg,  in  d.  mod.  Malerei:   TglRs".  N.  35. 

—  56)  X  Nat-  Kunst  u.  Realismus:  NatZg.  N.  2    —  57)  X  C.  Gn  rli  tt,   Was  ist  dtsch.  Kunst?:    Kai.  aller  Dtsch.  S.  207-13. 

—  58)  X  C.  Aldenhoven,  Mod.  Kunstgesch  :  Nation«.  11,  8.552/6.    -  59)  X  E-  Lehmann,  Z.  Kunstgesch.:  BLU.  S.  806/8. 

—  60)  X  B-  Becker,  Technische  Probleme  mod.  Malerei:  Nation».  11,  S.  332/4.  —  61)  X  c-  Gurlitt,  Z.  Kunstgesch.: 
Geg.  45,  8.  25/7.  —  62)  X  id.,  Z,  Kunst  u.  Kunstgesch.:  ib.  S.  103/4.  —  63)  X  '*■  Hermann,  D.  dtsoh.  Säle  im  Louvre: 
VossZg.  N.  602.  -  64)  X  H.  Hirth,  D.  Publikum  u.  d.  mod.  Malerei:  WIDM.  75,  S.  622/7.  -  65)  X  °-  P'inizza,  Kunst 
u.  Künstlerisches  aus  München:  Zuschauer  2,  S.  64/7  —  66)  X  A>  Kruhl,  Im  Zeichen  d.  Kunst:  Kritik  1,  S.  85-91.  — 
67)  X  F-  Knnert,  Aus  unserem  mod.  Kunstleben:  NZ«.  12',  S.  388-96,  428-36.  —  68)  X  H  T-.  Glossen  zu  d.  Aufs.  „Aus 
pnserem  mod-  Kunstleben"  v.  F.  Kunert:  ib.  S.  709-14.   -  69)  X  Kunstkrit.  SnaziorgÄn'ra:  Grenzb.  4,  S.  323/8.    —    70)  X  H- 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.  I  9  :  71-85 

berg73)  erklärt,  die  „neue  Kunst"  sei  im  Grunde  nur  eine  „Leimrute  für  Gimpel", 
entstanden,  um  eine  Parteiherrschaft  neuer  Personen  herbei  zu  führen,  die  aber  auf 
„Lug  und  Trug  gebaut"  sei.  In  diesem  Tone  behandelt  er  die  Münchener  secessio- 
nistische  Bewegung.  Das  mag  dem  ganz  um  sein  Ansehen  gekommenen  Nachfolger 
Nicolais  in  der  „berlinischen"  Art  der  Kritik  nicht  übel  genommen  werden,  aber  ist 
hier  doch  festzustellen  für  jene,  die  die  streitenden  Parteien  später  einmal  studieren 
wollen.  Sehr  bemerkenswert  ist  die  Antwort  R.s74),  in  der  er  sich  verwahrt,  gehässige 
Ausdrücke  in  seiner  „ruhigen  Darlegung  des  Thatbestandes"  verwendet  zu  haben.  — 
Kunstgeschichte.  Auf  dem  hier  zu  behandelnden  Gebiete  der  neueren 
deutschen  Kunst  gab  es  verschiedene  allgemeine  Darstellungen75).  Das  gross 
angelegte  Kuhn  sehe76)  Werk  rückt  in  der  eigenartigen  Anordnung  vor,  dass  jedes 
Heft  Bogen  aus  allen  drei  Teilen  (Malerei,  Architektur  und  Plastik)  bringt,  freilich  zu- 
nächst mit  entschiedener  Bevorzugung  der  Baukunst.  —  Das  altbewährte  Müllersche  all- 
gemeine Künstlerlexikon  erschien  in  dritter,von  Singer 77),  völlig  überarbeiteter  Auflage. 
Da  ja  überhaupt  die  neuere  deutsche  Kunstgeschichte  seit  dem  Erscheinen  der  letzten 
Auflage  (1882)  grosse  Fortschritte  machte,  hat  das  Lexikon  vielfache  Erweiterungen 
erfahren  müssen.  —  Unter  den  für  den  Schulgebrauch  bestimmten  kunstgeschichtlichen 
Lehrbüchern  erlebten  die  von  Graul78"79)  je  eine  dritte  Auflage,  jenes  von  M.  von 
Broecker80)  einezweite,  Sackens81)  Katechismus  der  Baustile  eine  elfte,  Buchners82) 
Leitfaden  der  Kunstgeschichte  eine  fünfte,  Warneckes83)  Vorschule  der  Kunst- 
geschichte eine  zweite  Auflage.  Dass  G.  die  neuere  Kunst  nicht  mehr  über- 
arbeitete, überrascht  bei  seiner  sonstigen  Stellung  zur  modernen  Kunst  und  bei  seiner 
unbedingt  weiter  gehenden  Sachkenntnis.  Es  scheint  sich  nur  um  einen  Nachdruck 
der  älteren  Auflage  zu  handeln.  Gerade  von  ihm,  der  doch  thatsächlich  inmitten  der 
Kunstbewegung  unserer  Tage  steht,  hätte  man  erwarten  sollen,  dass  erder  Auffassung 
unserer  Zeit  Raum  gebe,  die  in  der  Kunst  von  1810—20  nicht  mehr  eine  Auf- 
erstehung aus  dem  Nichts,  sondern  die  Fortentwicklung  einer  starken  Strömung  auf 
Klassizismus  und  Romantik  erblickt.  Man  muss  den  Mut  unserer  Väter  dem  un- 
mittelbar hinter  uns  Liegenden  gegenüber  gewinnen  und  sich  von  der  Kunsthistorie, 
wie  sie  1850—1860  zusammengebraut  wurde,  nicht  über  Gebühr  imponieren  lassen !  — 
Das  von  der  ausgezeichneten  Berliner  Kunsthandlung  Amsler  und  Ruthardt  heraus- 
gegebene, wissenschaftlich  durchgearbeitete  Verzeichnis  von  Photographien84)  nach 
Werken  der  Malerei,  ein  Hülfsmittel  ersten  Ranges  für  das  vergleichende  Studium  der 
Gemälde  umiässt  nun  bereits  in  seiner  vierten  Lieferung  die  deutsche  Kunst  bis  auf 
Dürer,  Cranach  und  Holbein  und  bietet  in  seiner  sorgfältigen  Durcharbeitung  ein  vor- 
zügliches Hülfsmittel  für  die  Kunstgeschichte.  —  Ein  neues  Lehrbuch  dieser  Wissen- 
schaft trat  mit  in  den  Wettbewerb  ein,  und  zwar  von  dem  inzwischen  leider  verstorbenen 
Goeler  von  Ravensburg85).  Es  hat  eine  thunlich  knappe  Form  gewählt, 
um  in  der  Kürze  viel  zu  bieten.  Es  verzichtet  auf  jede  Ausschmückung  des  That- 
sächlichen  durch  schriftstellerische  Durchbildung,  sondern  giebt  das  Gerippe,  dem  der 
Vortragende  und  der  Lernende  selbst  das  Seine  hinzuzufügen  hat.  Dabei  ist  es  eine 
tüchtige  wissenschaftliche  Leistung,  welche  beweist,  dass  der  Vf.  nicht  bloss  aus  zwei 
Lehrbüchern  ein  drittes  machte,  sondern  dass  er  den  Stand  der  jeweiligen  Special- 
forschungen festzustellen  bemüht  war.  Eine  systematisch  klare  Gliederung  des 
Stoffes  —  bei  der  es  natürlich  ohne  Härten  in  der  Scheidung  und  Verbindung  ver- 
wandter Kunstwerke  nicht  abgeht  —  eine  kurze,  klare  Charakterisierung,  eine  vor- 
sichtige Auswahl  der  zu  erwähnenden  Werke  geben  dem  Buche  einen  hervor- 
ragenden Lehrwert.  —  Trotz  der  eigentümlichen  Erscheinungsart,  dass  nämlich  der 
dritte,  die  Renaissance    behandelnde   Band    zuerst   in    Heften    ausgegeben    wird,    ist 


Rosenhagen,  Mod.  Kunst:  TglRsK.  N.  200.  —  71)  X  Ad-  Rosenberg,  D.  dtsch.  Kunstausstell.  1894:  Grenzb.  4,  S.  559-69. 
—  72)  X  F-  Stahl.  D.  Lebensfrage  d.  mod.  Kunst:  Kritik  1,  S.  3114.  —  73)  id..  Vom  Hexentanzplatz  d.  neuen  dtsch. 
Malerei:  Grenzb.  1,  S.  435-42.  —  74)  E.  Wort  für  d.  neue  dtsch.  Kunst  mit  Entgegnung:  ib.  S.  633-41.  —  75)  X  Denkmäler 
d.  Kunst.  Z.  TJebers.  ihres  Entwicklungsganges  v.  d.  ersten  künstl.  Versuchen  bis  zu  d.  Standpunkte  d  Gegenw.  bearb.  v. 
W.  Lübke  u. -C  v.  Lützow.  7.  Aufl.  Klass.-Ausg.  (36.  Mg.)  Mit  196  Taf.  St.,  Neff.  Fol.  IV,  450  S.  M.  36,00. 
(Dass.  Stahlstich-Ausg.  M.  92,00.)  —  76 1  Alb.  Kuhn,  Allg.  Kunstgesch.  Mit  über  1000  111.  u.  mehr  als  120  ganzseit.  artist. 
Beil.  6.  Lfg.  (Z.  1.  u.  2.  Bd.)  Einsiedeln,  Benziger.  S.  177-240;  97-112.  M.  3,00.  (JBL.  1893  I  11  :  66.)  —  77)  Allg. 
Künstlerlex.  Leben  u.  Werke  d.  berühmtesten  bild.  Künstler.  3.  Aufl.,  vorbereitet  v.  Herrn.  Alex.  Müller,  her.  v.  H.  W. 
Singer.  1.  Halbbd.  Frankfurt  a.  M.,  Litter.  Anst.  288  S.  M.  6,30.  —  78)  R.  Graul,  Bilderatlas  z.  Einführ,  in  d.  Kunstgesch. 
Schulausg.  d.  kunsthist.  Bilderbogen.  3.  Aufl.  L.,  Seemann.  4°.  IV,  104  S.  M.  3,60.  (JBL.  1893  I  11  :  59.)  —  79)  id.. 
Einführ,  in  d.  Kunstgesch.  Textbuch  z.  Schulausg.  d.  kunsthist.  Bilderbogen.  3.  Aufl.  ebda.  VI,  128  S.  M.  1,40.  — 
80)  M  v.  Broecker,  Kunstgesch.  im  Grundriss  d.  kunstliebend.  Laien  z.  Stud.  u.  Genuss.  2.  Aufl.  Göttingen,  Vanden- 
hoeck  &  Ruprecht.  X,  164  S.  Mit  41  Abbild.  M.  2,60.  |[Geg.  46,  S.  lll.]|  —  81)  Ed.  Sacken,  Katechismus  d.  Baustile 
oder  Lehre  d.  architekt.  Stilarten  v.  d.  ältesten  Zeiten  bis  auf  d.  Gegenw.  11.  Aufl.  Mit  103  Abbild.  L.,  J.  J.  Weber.  12°. 
XII,  196  S  M.  2,00.  —  82)  W.  Buchner,  Leitfaden  d.  Kunstgesch.  Für  höh.  Lehranst.  n.  d.  Selbstunterr.  bearb.  5.  Aufl. 
Mit  87  Textabbild.  Essen,  Baedeker.  X,  179  S.  M.  2,80.  (JBL.  1893  I  11  :  58.)  —  83)  G.  War  necke,  Vorschule  d.  Kunstgesch. 
Textbuch  zu  d.  kunstgesch.  Bilderbuch.  2  Aufl.  L.,  Seemann.  VIII,  98  S.  M.  1,00.  (JBL.  1893  I  11:57.)  —  84)  Verzeichnis 
v.  Photographien  nach  Werken  d.  Malerei  bis  z.  Anfang  d.  19.  Jh.  nach  kunstwissensch.  Gesichtspunkten  geordn.  3.  u.  4.  Lfg 
B.,  Amsler  &  Ruthardt.  S.  279-562.  M.  10,00.  —  85)  Fr.  Frhr.  Goeler  v.  Ravensburg,  Grundriss  d.  Kunstgesch.  B., 
C.  Dnncker.  XII,  478  S.  Mit  9  Fig.  M.  6,00.  |[S.  Huber:  LHw.  33,  S.  684  7;  VossZg.  N.  250;  ChristlKunstbl.  N.  8;  TglRs». 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.     V.  (1)15 


I  9:86-96  C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte. 

Alwin  Schultz86)  allgemeine  Geschichte  der  bildenden  Künste  im  J,  1894  noch 
nicht  in  das  hier  zu  behandelnde  Gebiet  eingetreten.  Jedenfalls  aber  zeigt  es  sich 
schon  im  ersten  Hefte,  dass  hier  ein  mit  ausserordentlichem  Aufwand  ausgestattetes 
Werk  an  die  Oeffentlichkeit  kommt,  über  welches  eingehend  zu  berichten  sein  wird. 
—  Frantz87"88)  Geschichte  der  christlichen  Malerei  gelangte  nun  zum  Schluss, 
indem  auch  ein  Bilderheft  beigefügt  wurde.  Leider  fehlt  in  diesem  Buche  die  Be- 
handlung der  für  diese  Besprechung  massgebenden  Zeit.  Mit  der  Reformation  endet 
das  im  katholischen  Sinne  das  Christentum  auffassende  Buch,  welches  in  ruhiger 
Form  die  besonderen  Anschauungen  des  Vf.  kund  giebt  und  somit  auch  auf  den 
nicht  in  gleicher  Weltauffassung  Stehenden  belehrend  und  anregend  wirkt.  Freilich 
klebt  diesen  katholischen  Büchern  der  gleiche  Fehler  an  wie  den  „aufgeklärten", 
der  nämlich,  dass  sie  den  Stand  der  Weltanschauung  von  heute  auf  vergangene 
Zeiten  erstrecken.  Wie  die  liberalen  Gelehrten  jeden  wissenschaftlich  Vorwärts- 
strebenden und  gar  Antiklerikalen  vergangener  Zeit  als  Parteigenossen  ansprachen, 
so  thun  die  Katholiken,  als  habe  die  römische  Kirche  zu  allen  Zeiten  eine  Einheit 
der  Gleichgesinnten  gebildet,  als  hätten  alle  Gläubigen  sich  auf  das  Programm  der 
Centrumspartei  von  jeher  ein  geschworen.  —  Wegen  ihres  Textes  und,  für  die  hier 
vorliegenden  Zwecke,  namentlich  auch  wegen  der  sehr  reichen  Illustrierung  ist 
Kaemmels89)  illustrierte  Weltgeschichte  an  dieser  Stelle  zu  empfehlen.  Die 
bildliche  Ausstattung  geschah  namentlich  durch  Wiedergabe  zeitgenössischer  Bild- 
und  Kunstwerke,  die  in  hervorragender  Weise  geeignet  sind,  die  Zeitstimmung 
auf  den  Beschauer  zu  übertragen  und  somit  den  kulturgeschichtlichen  Lehrwert  des 
Buches  zu  steigern.  Das  17.  und  18.  Jh.  bilden  im  wesentlichen-  den  Inhalt  der 
beiden  stattlichen  Bände.  —  Unter  den  neueren,  weitere  Gebiete  umfassenden 
Publikationen  sind  die  Bilder  aus  -der  Kunstgeschichte  von  Leithäuser90)  zu 
nennen.  Ob  es  ein  wirkliches  Bedürfnis  war,  die  an  sich  verständigen  und  klaren, 
aber  keineswegs  hervorragenden,  doch  für  den  Laien  lehrhaften  Berichte  über  die 
Forschungen  anderer,  nachdem  sie  in  den  Zeitungen  ihre  Pflicht  gethan,  in  einen 
Band  zu  vereinen,  lasse  ich  dahingestellt.  —  Origineller  ist  das  Buch  von 
Engels91),  ob  es  gleich  weder  als  wissenschaftliche  Forschung  noch  in  illustrativer 
Beziehung  eine  Förderung  unserer  Erkenntnis  herbeiführt.  Es  ist  das  Buch 
eines  Mannes,  der  mit  Herzenswärme  an  seine  Aufgabe  herantrat  und  sie  mehr 
mit  den  Trieben  eines  frommen  Sammlers  wie  mit  der  Absicht  kritischer  Sichtung 
behandelte:  Ein  Buch,  an  dessen  Entstehen  er  selbst  gewiss  durch  Jahrzehnte  die 
grösste  Freude  hatte.  —  Merlos  Werke  über  die  Kölner  Künstler  schritt  in  lieferungs- 
mässigem  Erscheinen  fort.  Die  unter  Firmenich  Richartz92)  vollzogene  Bearbeitung 
des  berühmten  Buches  hat,  dies  ist  schon  jetzt  deutlich  ersichtlich,  dessen  Wert  noch 
ausserordentlich  gesteigert93-94).  —  Von  Muthers95)  Geschichte  der  Malerei  im 
19.  Jh.  erschien  der  dritte  Band.  Wieder  begleitete  das  Buch  eine  Reihe  von  Be- 
sprechungen, in  welchen  der  erreichte  Fortschritt  in  der  Erkenntnis  dankend  anerkannt 
wurde,  aber  sich  auch  Widerspruch  gegen  die  Art  der  Benutzung  fremder  Quellen 
erhebt96).  In  diesen  Bande  bespricht  M.  die  „Jungen"  aller  Kunstvölker,  ist  er  mit- 
hin in  jenem  Gebiete,  in  dem  er  sich  völlig  heimisch  fühlt,  als  einer  der  „dazu  gehört". 
Das,  was  das  Buch  auszeichnet,  ist  vor  allem  die  Beherrschung  des  Ganzen  durch 
eine  Persönlichkeit,  die  auf  das  Ich,  nicht  auf  die  Meinung  der  „strengen  Wissen- 
schaft" begründete  Auffassung  des  Werdeganges  und  der  Werte  der  Kunst.  Ver- 
gleiche ich  M.s  Buch  mit  dem  so  vieler  anderer,  so  ist  das  eine  ein  solches,  welches 
überall  an  die  bestehende  Lehrmeinung  anstösst,  weil  es  von  einem  Selbstdenkenden 
geschrieben  ist,  so  bieten  die  anderen  tüchtige  Gelehrtenarbeit,  welche  ergründet,  wie 
man  über  den  Gang  der  Dinge  nach  den  neuesten  Forschungen  zu  denken  habe. 
M.  scheut  sich  nicht,  von  anderen  einen  Satz,  einen  Abschnitt  wörtlich  zu  entlehnen, 
wrenn  nur  der  Gedankengang  der  seineist;  andere  glauben,  wenn  nur  die  Wortstellung 
eine  neue  ist,  über  die  fremden  Gedanken  frei  verfügen  zu  dürfen.  Ihnen  ist  der 
Gang  der  Kunstentfaltung  endgültig  klar  gelegt,  sie  geben  nur  Bestätigungen  der 
Darstellungsart,  die  Schnaase,    Lübke   und   ihre  Zeitgenossen  feststellten.     M.  hat  es 


N.  169.]!  —  86)  Alwin  Schultz,  Allg.  Gesch.  d.  bild.  Künste.  3.  Bd.,  1.  Lfg.  B.,  Grote  (S^p.  Conto).  S.  1-48.  M.  2,00. 
l[Bär  20,  S.  579;  VossZg.  N.  560.]|  -  87)  E.  Frantz,  Gesch.  d.  christl.  Malerei.  15.-17.  Lfg.  Freiburg  i.  B.,  Herder. 
S.  673-950.  M.  7,00.  UKath.  2,  S.  378-80;  ThLB.  17,  S.  SS. [ [  (.JBL.  1S93  I  11  :  63.)  -  88)  id.,  Bilder  z.  Gesch.  d.  christl. 
Malerei,  ebda.  72  Taf.  u.  7  S.  Text.  M  5,00.  —  89)  (II  1:1;  III  1:2.)-  90)  G.  Leithäuser,  Bilder  aus  d.  Kunstgesch.  Ham- 
burg, Verlagsanst.  VII,  228  S.  M.  3,00.  -  91)  M.  Engels,  D.  Darstellungen  d.  Gestalten  Gottes  d.  Vaters,  d.  getreuen  u. 
gefallenen  Engel  in  d.  Malerei.  E.  kunsthist.  Stud.  mit  112  Abbild,  auf  65  Taf.  Progr.  Luxemburg.  4°.  VI,  94  9.  —  92)  J.  J. 
Merlo,  Köln.  Künstler.  Her.  V.E.Firmen  ich- Richartz  (JBL.  18931 11 :71).  5.  u.6  Lfg.  Düsseldorf,  Schwann.  S.321-480.  äM.1,50. 
|[J.  Helby:RAC4,  S.  491 ;  H.  de  Cur  zon:  RCr.  36,  S  382;  LCB1.S.  125.JI  -  93)  O  A.  Wintterlin,  Württemb  Künstler  in  Lebens- 
bildern. Mit  22  Bildn.  in  Holzschn.  St.,  Dtsch.  Verlagsanst.  IX,  498  S.  M.  5,00.  |[R'BGV.  42,  S.  136.]|  —  94)  O  Karoline 
Murau,  Wiener  Malerinnen.  Dresden,  Pierson.  XII,  127  S.  M.  2,00.  —  95)  R.  Muther,  Gesch.  d.  Malerei  im  19.  Jh. 
(JBL  1893  I  11  :276.)  3.  Bd.  Mit  442  Illustr.  G.  Hirth,  München.  IX,  757  S.  M.  15,00.  IfMax  Schmid:  ML.  63,  S.  829-30; 
J.  S.:  LCB1.  S.  1380/2;  WIDM.  76,  S.  503,9;  BerlBörsCour.  N.  60;  Alf.  Gotth.  Meyer:  NatZg.  N.  319;  H.  A.  Lier:  ZBK.  5, 
S.  219-23.]|   -  96)  X  Th.  Wolff,  Grosse  Kunst  u.  kleine  Künste:  BerlTBl.  N.  60.  -  97)  X  Gesch.  d.  dtsch.  Kunst.  (JBL.  1893 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.  I  9 


97-125 


endlich  gewagt,  hiermit  für  ein  immerhin  beschränktes  Gebiet  zu  brechen.  Hoffent- 
lich kommt  bald  die  Errettung-  auch  aus  der  formalistischen  Gesamtanschauung  der 
Kunstgeschichte,  aus  der  Trennung  nach  „Stilen"  —  als  sei  das  Wesen  der  Bau- 
kunst darin  zu  suchen,  ob  Spitzbogen  oder  Rundbogen  angewendet  würden!  Ist 
dieser  Umschwung  einmal  vollzogen,  so  wird  die  Welt  staunend  sich  fragen,  wie 
es  ihr  möglich  war,  die  stumpfe  Betrachtungsart  der  Kunstgeschichte  als  eine  grosse 
That  zu  feiern97"101).  —  Einzelne  Sonderarbeiten  seien  hier  angezogen.  Gurlitt102) 
brachte  einen  auf  Leischings  (JBL.  1893  I  11:9)  Buch  l03)  sich  aufbauenden,  seine 
Aesthetik  heranziehenden  Text  zu  einigen  Bildern  Reynolds.  —  Von  der  grossartigen 
Herausgabe  der  Kupferstiche  und  Holzschnitte  alter  Meister,  welche  unter  Führung 
Lippmanns104)  die  Reichsdruckerei  in  Berlin  mustergültig  veranstaltet,  erschien 
ein  weiteres,  50  Blätter  umfassendes,  Heft.  —  Das  von  Hanfstaengel  in  München 
vorbereitete  Prachtwerk  über  die  Kgl.  Galerie  zu  Dresden,  zu  welchem  H.  Lücke  den 
Text  liefert,  wurde  angezeigt105).  —  Das  Seidlitzsche106)  Portraitwerk  schritt  bis 
ins  Zeitalter  des  30jährigen  Krieges  vor.  --  Besonders  vielseitige  Aufschlüsse  über 
Kunst  und  Künstler  vorwiegend  des  16.  Jh.  giebt  der  Katalog  der  Portraitsammlung 
des  Erzherzogs  Ferdinand,  welchen  Kenner107)  herausgab108"117).  — 

Topographie.  Die  beschreibende  Darstellung  der  Bau-  und  Kunstdenk- 
mäler in  Deutschland  nahm  ihren  stetigen  Fortgang.  Ihr  Zweck  ist  ja  nicht  lediglich 
ein  kunstgeschichtlicher,  sondern  mehr  noch  ein  kunsterzieherischer,  insofern  als  sie 
den  Gemeinden  und  den  Behörden  ein  Mittel  an  die  Hand  geben  soll,  für  Erhaltung 
des  geschichtlich  und  künstlerisch  Wertvollen  zu  wirken.  Daher  machte  sich  auch 
eine  Reihe  von  Versuchen  bemerkbar,  welche  die  Folgerung  der  Darstellung,  nämlich 
die  Fürsorge  für  die  Erhaltung  der  Denkmäler,  weiter  auszubilden  suchten.  So  gab 
Ermisch118)  einen  kurzen,  aber  vielseitigen  abwägenden  Ueberblick  über  den 
allgemeinen  Stand  der  Erhaltungsfrage  in  verschiedenen  Staaten119).  —  Aehnliche 
Ziele  verfolgt  die  Denkschrift120)  betreffend  den  staatlichen  Schutz  der  Denkmäler 
im  Herzogtum  Braunschweig.  — 

Von  Lutsch  s121)  Verzeichnis  der  Denkmäler  Schlesiens  wurde  der 
Band  über  den  Reg.-Bezirk  Oppeln  durch  die  Bearbeitung  der  Fürstentümer  Oppeln 
und  Ratibor  und  der  freien  Standesherrschaften  Beuthen  und  Pless  vollendet.  Die 
Städte  Oppeln,  Ratibor,  Gleiwitz,  Beuthen  und  andere  Orte  bieten  mancherlei  Be- 
merkenswertes, wenn  gleich  das  Gesamtergebnis  ein  für  die  Entwicklung  der  neueren 
deutschen  Kunstgeschichte  nicht  sehr  reiches  ist.  —  Wernicke122),  ein  Gelehrter 
mit  glücklicher  Hand  im  Finden  von  Aktennachrichten,  schrieb  einen  Aufsatz  zur 
Künstlergeschichte  von  Liegnitz.  —  Umfangreicher  ist  der  gut  illustrierte  Aufsatz  von 
Jonetz123)  über  Brieg  und  namentlich  über  seine  vornehmen  Renaissancebauten.  — 

In  Sachsen  nahm  Gurlitt124)  die  infolge  von  Steches  Tod  ruhende  Arbeit 
wieder  auf,  indem  er  den  Band  Leipzig-Land  lieferte.  Gegenüber  den  Stecheschen  Bänden 
wurde  die  illustrative  Seite  etwas  stärker  betont,  namentlich  wurde  die  zeichnerische 
Wiedergabe  auf  alle  vorkommenden  Zeichen,  Marken  und  Muster  erstreckt.  Auch  hier 
ist  das  Ergebnis  nicht  ein  eben  sehr  reiches,  wenn  schon  an  Malereien  und  Schnitz- 
werken der  Zeit  um  1500  nicht  unbedeutende  Arbeiten  auftreten.  Namentlich  die 
Madonna  aus  Eythra  und  die  Pietä  aus  Taucha  sind  hervorragende  Werke  sächischer 
Schnitzkunst.  —  Auf  einzelnen  Bauten  zu  Stolpen  machte  ein  besonderer,  Archivalien 
heranziehender  Aufsatz  Gurlitts125)  aufmerksam.   —  Die  Schlosskirche  zu  Torgau, 

I  11:64.)  |[H.  Grosse:  DBUEU15.  21.  S.  47;  Kunstgewerbe!)!.  5,  S.  46.]|  —  98)  X  F-  Reber,  Gesch.  d.  Malerei  (JBL.  1S93 
I  11:61).  |[TglRsB.  N.  1;  Max  Schmid:  ML.  63,  S.  7C2.J|  —  99)  A.  Ilg,  Kunstgesch.  Charakterbilder  (JBL.  1893  111:106): 
WIDM.  75,  S.  524.  —  100)  X  B-  Haendcke,  D.  Bannerträger  (JBL.  1893  I  11:217):  LCB1.  S.  1148,9.  —  101)  X  W.  Lübke, 
Grundriss  d.  Kunstgesch.  (JBL.  1893  I  11:56):  VossZg.  N.  570.  —  102)  C.  Gurlitt,  Josh.  Reynolds:  V.  Fels  z.  Meer.  2, 
S.  168-76.  —  103)  X  Konr.  Lange:  LCB1.  S.  1036/8;  id.:  Grenzb.  1,  S.  531-42;  WIDM.  75,  S.  139.  —  104)  Kupferstiche  n. 
Holzschnitte  alter  Meister  in  Nachbildungen.  Her.  v.  F.  Lippmann.  5.  Mappe.  B.,  Reichsdr.  Folio.  50  Bll.  mit  1  S.Text. 
M.  100,00.  —  105)  VossZg.  N.  592.  —  106)  Allg.  hist.  Portraitwerk.  Neue  Ausg.  (JBL.  1893  I  11  :  74.)  II.  Abt.:  D.Zeitalter 
d.  30j.  Krieges  (1600—70).  13.-19.  Lfg.  München,  Verlagsanst.  für  Kunst  u.  Wissensch.  Fol.  ä  10  Taf.  Mit  10  Bll.  Text, 
ä  M.  4,00.  |[J.  Sahr:  ZDU.  7,  S.  651-69.]|  -  107)  Fr.  Kenner,  D.  Porträtsamnil.  d.  Erzherz.  Ferdinand  v.  Tirol:  JKSAK.  15, 
S.  147-259.  |[J.  Juveczeck:  ÖLB1.  3,  S.  174/6.] |  (JBL.  1893  I  11  :  76.)  -  108)  X  *•  Bo'e.  Sieben  Meisterwerke  d.  Malerei 
(JBL.  1893  I  11  :73).  |fA.  E.:  HPB11.  113.  S.  460/4;  ÖLB1.  3,  S.  51.]|  —  109)  X  W.  Wunderer,  F.  Bender,  Klass.  Bilder- 
mappe (JBL.  1892  I  5:105):  BBG.  30,  S.  417,8.  —  HO)  X  Max  F.  Friedländer,  Nachbildungen  älterer  Kupferstiche: 
VossZg".  N.  16/7.  —  111)  X  D-  Ausstell,  v.  Werken  d.  Holzschneidekunst  d.  15.  bis  18.  Jh.:  VossZg.  N.  45.  -  112)  X  A.  G. 
Horst,  D.  hist.  Samml.  d.  Münchner  Künstlergenossenschaft:  Kunstchr.  5,  S.  169-74.  —  113)  X  Uebers.  d.  kunsthist.  Samm- 
lungen d.  Allerhöchst.  Kaiserhauses.  L.,  Litt.  Anst.  (A.  Schnitze).  390  S.  Mit  4  Grundrissen.  M.  2,00.  —  114)  X  !*•  v- Rades, 
Leopold  I.  als  Förderer  der  Kunst:  Kunstchr.  5,  S.  10/3,  402.  —  115)  X  K.  Budde,  D.  neubegründ.  Samml.  v.  Gemälden 
alter  Meister  zu  Strassburg  i.  E.:  DWB1.  7,  S.  149-53.  —  116)  X  Rud.  Wackernagel,  Ueber  Altertumsammlungen.  Fest- 
rede. Basel  (R.  Reich).  40  S.  Mit  3  Taf.  M.  2,00.  —  117)  X  E.  A.  Stfickelberg,  D.  hist.  Museum  in  Basel:  NZürichZg. 
27.  April.  —  118)  H.  Ermisch,  D.  Fürsorge  d.  Staats  für  d.  Erhalt,  d.  Denkmäler  d.  Vergangenh.:  LZgH.  N.  153.  —  119)  X 
KBGV.  42,  S.  93/7.  —  120)  Denkschrift  betr.  d.  staatl.  Schutz  d.  Denkmäler  im  Herzogt.  Braunscbweig.  Wolfenbüttel,  Zwissler. 
16  8.  M.  0,50.  —  121)  H.  Lutsch,  Verzeichnis  d.  Kunstdenkmäler  d.  Prov.  Schlesien.  4.  Bd.  (1.  u.  2.  Hälfte:  JBL.  1893 
I  11  :82).  Breslau,  C.  Korn.  XVI,  444  S.  M.  7,20.  —  122»  E.  Wernicke,  Z.  Künstlergesch.  v.  Liegnitz:  SchlesiensVorz.  5, 
N.  10.  —  123)  (1.  v.  Jonetz,  Brieg:  ZBK.  5,  S.  25-33,  105-10,  181/6.  -  124)  C.  Gurlitt,  Beschreibende  Darstell,  d.  Bau- 
u.  Kunstdenkmäler  d.  Kgr.  Sachsen.  Auf  Kosten  d.  Staats  her.  vom  Altertumsver.  16.  Heft.  Dresden,  Moedeheld.  156  S. 
Mit  118  Illustr.   u.   14  Beil.     M.  7,00.    -    125)    id.,    Kurfürt  Augusts  Bauten  zu  Stolpen:    NASächsG.  15,  S.  157-61.  —  125a) 

(1)15* 


I  9  :  I25a-i35a  C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte. 

den  ältesten  protestantischenKirchenbau,  deren  Wiederherstellung"  der  wackere  Divisions- 
pfarrer  Schild 125a)  vorzubereiten  sich  die  Aufgabe  stellte,  besprach  und  beschrieb  er 
in  einer  kurzen  geschichtlichen  Studie.  — 

In  Thüringen,  wo  Lehfeldt126)  sein  Werk  mit  grossem  Fleisse  fortsetzte, 
treten  uns  in  den  Schlössern  Schwarzburg  und  Rudolstadt  zwei  hervorragende  Bauten 
des  18.  Jh.  entgegen.  Ausser  dem  Schloss  Könitz  aus  dem  16.  Jh.,  einer  Anzahl 
von  gewerklichen  Erzeugnissen  in  fürstlichen  Sammlungen,  einem  hübschen 
Renaissancehaus  in  der  Stadt  Rudolstadt  bietet  auch  hier  das  endende  Mittelalter  den 
Kern  des  Erhaltenen.  Die  kleinen  thüringischen  Höfe  zeigen  sich  als  Kunstcentren 
von  dankenswertem  Einfluss  auf  die  Gesamterscheinung  des  Landes;  sie  bringen  ihm 
eine  Kultur,  die  sich  seit  dem  Ende  des  30jährigen  Krieges  stetig,  wenn  auch  mit 
bescheidenen  Mitteln  entwickelt.  — 

Auch  die  bay  eri  sehe  Inventarisation  schritt  1894  rüstig  fort  und  umfasste  die 
Bezirksämter  Weilheim,  Garmisch  und  Tölz.  Wieder  bietet  sie  unter  dem  Einfluss 
der  katholischen  Kirche  und  des  sie  stützenden  Hofes  ausserordentlich  reiche  Gaben 
für  die  Kunstgeschichte  der  letzten  Jhh.  Die  Klosterkirchen  zu  Schlehdorf,  Polling, 
Benediktbeuren,  die  Reste  des  altberühmten  Klosters  Wessobrunn,  welchen  das 
an  anderer  Stelle  zu  erwähnende  Buch  Hagers  (N.  225)  besonders  sorgfältige  Unter- 
suchungen widmete,  die  Pfarrkirchen  verschiedener  auch  kleinerer  Orte,  namentlich 
jene  von  Weilheim  aus  dem  17.  Jh.,  die  Wandmalereien  in  Oberammergau,  Mitten- 
wald usw.,  die  Holzvertäfelungen  desSchlosses  Reichersbeuren  (um  1515),  vor  allem 
aber  die  Prachtkirche  zu  Ettal,  eines  der  Hauptwerke  deutscher  Kunst  im 
18.  Jh.,  predigen  wieder  den  Höhestand  deutscher  Barockkunst  in  Bayern.  Die 
Herausgeber  sind  nach  wie  vor  G.  von  Bezold  und  Berthold  Riehl127).  — 
Diesen  aus  öffentlichen  Mitteln  herausgegebenen  Werken  über  bayerische  Kunst  reihen 
sich  wieder  die  gemeinsamen  Veröffentlichungen  von  Aufleger  und  Traut- 
mann128"129) an.  Jetzt  haben  sie  der  prachtvollen  Hofkirche  in  Fürstenfeld  und  der 
Amalienburg  zu  Nymphenburg  ihre  Fürsorge  zugewendet.  D.s  Arbeiten  erweisen  sich 
stets  als  ebenso  lehrreich  für  die  Gesamtgeschichte,  wie  erschöpfend  für  den  besonderen 
Fall,  so  dass  man  nur  die  ruhige  Fortentwicklung  seiner  Studien  freudig  begrüssen 
kann.  —  Nicht  minder  beachtenswert  ist  Hagers130)  Untersuchung  über  das  Kloster 
Steingaden  in  Oberbayern.  —  Der  Führer  durch  den  Dom  zu  Eichstätt,  welchen 
Schmitz131)  herausgab,  sei  hier  mit  erwähnt,  sowie  das  nur  teilweise  in  das  Ge- 
biet dieses  Berichtes  fallende  Büchlein  Haa  cks  132)  über  die  gotische  Kunst  Lands- 
huts.—Dem  Anfang  des  16.  Jh.  gehört  das  Chorgestühl  der  Martinskirche  zu  Meiningen 
an,  dessen  Studium  sich  Schiller133)  widmete.  —  Spechts134)  kurze  Beschreibung 
und  Geschichte  der  Frauenkirche  in  München  ist  auch  um  ihrer  kulturgeschichtlichen 
Nachrichten  willen  ein  Buch,  das  sich  erfreulich  über  die  gewöhnliche  Art  der 
Führer  erhebt.  —  Eine  selbständige  Arbeit  von  grossem  Interesse  ist  die  von 
Lochner  von  Hüttenbach136)  über  die  Jesuitenkirche  zu  Dillingen,  einem  Werke 
der  Zeit  von  1607—17,  welches  im  17.  und  18.  Jh.  weiter  ausgeschmückt  wurde,  in 
der  Grundrissanordnung  aber  der  Michaelskirche  in  München  verwandt  bleibt.  Die 
Darstellung  der  Baugeschichte  dieser  berühmten  Ordensniederlassung  stürzt  manche 
falschen  Ansichten  über  das  Wesen  der  Jesuitenbauten  und  den  „Jesuitenstil" 
um135a).  —  Die  Pfälzer  haben  der  staatlichen  Inventarisation  durch  Selbsthilfe  vor- 
gearbeitet. Die  vom  dortigen  Architekten-  und  Ingenieurverein  herausgegebene 
Darstellung  der  Kunstdenkmäler  greift  zunächst  wichtige  Bauten  heraus,  um  sie 
monographisch  zu  behandeln.  Dabei  liegt  das  Hauptgewicht  auf  den  früh  mittel- 
alterlichen Kunstwerken.  Doch  bietet  die  Schlossruine,  die  Orangerie,  die  katholische 
Kirche  und  andere  Bauten  zu  Blieskastel  für  das  18.  Jh.,  die  Grabmäler  zu  Mimbach 
für  das  16.  Jh.  gute  Beispiele  auch  späterer  Zeit.  Das  letzte  Heft  ist  dem  Dom  zu 
Speyer  gewidmet,  dessen  Geschichte  infolge  der  Erneuerungen  nach  der  französischen 
Verwüstung    von  1689    durch  die  Architekten    der  Kurfürsten    von  Trier    (Balthasar 


E.  Schild.  Z.  350  j.  Jubil.  (3.  Okt.)  d.  Garnisonkirche  auf  Schloss  Hartenfels  in  Torgau.  (Sonderabdr.  aus  DEB11.)  Halle  a.  S. 
(Strien).  20  S.  M.  0,30.  —  126)  P.  Lehfeldt,  Bau-  u.  Kunstdenkmäler  Thüringens  (JBL.  1893  I  11  :  S4).  Heft  19-20.  Jena, 
G.  Fischer.  IV,  185  S.  Mit  60  Abbild,  u.  7  Lichtdr.-Taf.  VIII,  VI,  281  S.  Mit  22  Abbild,  u.  5  Lichtdr.-Taf.  M.  6,00;  3,60. 
j[VossZg.  N.  584;  CBIBauverw.  S.  39-40.]|  —  127)  G.  v.  Bezold  u.  B.  Riehl,  D.  Kunstdenkm.  d  Kgr.  Bayern  (JBL.  1893 
I  11  :S5).  I.  Bd.,  2.-9.  Heft.  München,  Jos.  Albert.  Fol.  S.  49-741.  Mit  Abbild,  ä  12  Taf.  ä  M.  10,00.  —  128)  O.  Auf- 
leger u.  K.  Trautmann,  D.  kgl.  Hofkirche  in  Fürstenfeld.  (=  Süddtsch.  Archit.  u.  Ornamentik  im  18.  Jh.  N.  9.)  München, 
Werner.  14  S.  Mit  35  Taf.  M.  36,00.  —  129)  0.  Aufleger,  D.  Amalienburg  im  kgl.  Schlosspark  zu  Nymphenburg.  (=  ebda. 
N.  10.)  8  S.  Mit  25  Taf.  M.  25,00.  —  130)  Gg.  Hager,  D.  Bau-  u.  Kunstdenkmale  d.  Klosters  Steingaden.  Mit  11  Taf.: 
OberbayrA.  48,  S.  124-78.  —  131)  W.  Sohmitz,  Führer  durch  d.  Domkirche  in  Eichstätt.  Eichstätt,  Brönner.  12°.  32  S. 
M.  0,30.  —  132)  Fr.  Ilaack,  D.  got.  Architektur  u.  Plastik  d.  Stadt  Landshut.  München,  A.  Buchholz.  II,  95  S.  M.  1,60. 
—  133)  H.Schiller,  Gesch.  d.  Allgäuer  Kunst.  Progr.  Memmingen.  4°.  64  S.  |[MÖstrMusKunstIndustr.  9,  S.  82.]|  — 
134)  F.  A.  Specht,  D  Frauenkirche  in  München.  Kurze  Gesch.  u.  Beschreib,  dieses  Gotteshauses  z.  Feier  d.  400j.  Jubil.  d. 
Ein  weih.  München,  Braun  &  Schneider.  42  5.  Mit  Abbild.  M.  0,80.  —  135)  0.  Frhr.  Lochner  v.  Hüttenbach,  D. 
Jesuitenkirche  zu  Dillingen,  ihre  Gesch.  u.  Beschreib,  mit  bes.  Berücksichtig,  d.  Meisters  ihrer  Fresken:  Chrph.  Thoni. 
Scheffler  (1700-56).     Diss.    München.    30  S.  —  135a)  X  J-  Neuwirth,  M.  Birkler,  D.  Kirchen  im  Obermarchthal  (JBL.  1893 


C.  Grurlitt,  Kunstgeschichte.  19:  136-143 

Neumann,  Pigage,  Schlaun)  nach  der  abermaligen  Verwüstung  von  1792  durch  die 
bayerischen  Architekten  Wiebeking,  Martin  und  durch  die  Maler  Hess  und  Schraudolph 
vielfach  in  das  Gebiet  der  neueren  Kunst  hinübergreift.  Für  die  beim  „Restaurieren" 
zu  verschiedenen  Zeiten  massgebendenden  Gedanken  bildet  er  geradezu  ein  muster- 
gültiges Beispiel,  da  er  erst  im  Sinne  des  vorigen  Jh.  so  schön  wie  möglich, 
dann  im  Sinne  König  Ludwigs  I.  so  romantisch  wie  möglich  erneuert  wurde,  während 
man  ihn  jetzt  so  echt  alt  wie  möglich  restaurieren  möchte.  Die  reiche  Zahl  von  Ab- 
bildungen vermittelt  einen  guten  öeberblick  über  die  unglücksreiche  Geschichte 
des  ehrwürdigen  Kaiserdomes  136).  — 

Aus  Württemberg137-138)  lag  auch  in  diesem  Jahre  ein  neuer  Band 
nicht  vor;  ebenso  haben  Baden  und  Hessen  eine  Fortsetzung  des  Werkes  in- diesem 
J.  nicht  erscheinen  lassen.  Einzelforschungen  haben  uns  einstweilen  zu  entschädigen. 
Schäfer139)  machte  die  Baukunst  des  16.  Jh.  in  Freiburg  i.  B.  zum  Gegenstand 
seiner  Studien,  nachdem  er  schon  früher  der  älteren  Baugeschichte  des  Münsters  einer 
sorgfältige  Untersuchung  gewidmet  hatte.  — 

Bei  den  Reichs  landen  ist  von  einer  hervorragend  gelungenen  Veröffent- 
lichung zu  berichten:  „Strassburg  und  seine  Bauten"  behandelt  die  jüngste  Schrift, 
mit  welcher  den  Verband  deutscher  Architekten-  und  Ingenieur  vereine140)  einer 
seiner  Zweigvereine  zu  seiner  diesmaligen  Tagung  beschenkte.  Die  Stadtgeschichte 
in  diesem  kostbar  ausgestatteten  Buche  schrieb  F.  von  Borries,  die  des  Münsters  ver- 
fassten  G.  Dehio  und  E.  Mey  er,  von  dem  auch  eine  die  Umgestaltungen  im  18.  Jh.  mit 
berücksichtigende  Sonderarbeit  M  ey  er  s- A  1 1  ona141)  über  die  Skulpturen  des 
berühmten  Bauwerkes  vorliegt.  Für  die  Geschichte  der  neueren  Kunst  bieten  diese 
Arbeiten  mancherlei  Neues,  namentlich  für  die  Zeit  des  Ueberganges  zur  Renaissance. 
Das  vielbehandelte  Gebiet  der  älteren  Stadtgeschichte  verlassend,  tritt  das  Buch  in 
eine  neue  wichtige  Periode  ein.  Die  Profanbauten  des  Mittelalters  und  der  Renaissance 
wurden  von  0.  Winckelmann  und  Th.  Schmitz,  die  bemalten  Hausfassaden 
von  A.  Schricker,  die  Bauthätigkeit  vom  Anfang  des  17.  Jh.  bis  1870  vom 
Stadtbaurat  Ott  behandelt  und  bieten  eine  überraschende  Menge  wichtiger 
Aufschlüsse,-  F.  X.  Krauss  Elsässer  Inventarisations-Werk  glücklich  ergänzend. 
Als  Zwischenglied  zwischen  französischer  und  deutscher  Kunst,  als  Sitz  eines 
französischen  Erzbischofs,  als  reich  entfaltetes  Gemeinwesen  äussert  die  Stadt 
auch  in  der  vielseitigen  Schöpfumigsweise  ihrer -Bauten  die  eigenartige  Stellung, 
in  welche  "sie  in  die  Revolutionszeit  eintrat.  In  die  Darstellung  des  neuen 
Strassburg  teilten  sich  zumeist  jene  Männer,  die  selbst  an  seiner  Verjüngung  mit- 
arbeiteten. Die  ausserordentliche  Sorgfalt  in  Text  und  Abbildung,  welche  namentlich 
auch  dem  16. — 18.  Jh.  gewidmet  wurde,  macht  das  Buch  zu  einer  kultur- 
historischen Quelle  ersten  Ranges  und  erneuert  den  Ruhm  der  deutschen  Architekten 
und  Ingenieure:  Aehnliches  leistet  in  seinen  Verbänden  kaum  ein  anderer  Berufsstand 
Deutschlands,  keine  Künstlerschaft  des  Auslandes.  —  Im  gleichen  Sinne  erklärend 
wirkte  auch  der  an  jenem  Verbandstage  in  Strassburg  gehaltene  Vortrag  Otts 142) 
über  „Die  bauliche  Entwicklung  Strassburgs".  — 

Rasch  und  erfolgreich  schreitet  die  Arbeit  in  den  Rheinlanden  fort. 
C  1  e  m  e  n 143)  hat  diesmal  in  Düsseldorf  eine  schwierige,  aber  lohnende  Aufgabe  ge- 
funden, und  zwar  eine  solche,  welche  gerade  über  die  späteren  Jhh.  wichtige  Aufschlüsse 
brachte.  Die  Jesuitenkirche  S.  Andreas  mit  ihren  Denkmalen,  das  schöne  Wilhelms- 
denkmal in  der  Lambertskirche,  die  Kamine  von  Schloss  Hugenpoet  (1577),  das  lange 
noch  nicht  —  meiner  Ansicht  auch  nicht  von  C.  —  genug  gewürdigte,  Schlüters 
Grossem  Kurfürsten  vorausgehende  Reiterbild  des  Kurfürsten  Johann  Wilhelm  von  dem 
Niederländer  Grupello,  die  Bauwerke  des  Rokoko  halten  den  mittelalterlichen  Kunst- 
resten an  Wert  die  Wage.  Bescheidener  ist  das,  was  das  zweite  Heft  bietet.  Von  den 
protestantischen  Kirchen  zu  Elberfelcl  (1688  und  1749),  Wupperfeld  (1779),  Wichlinghusen 
(1742),  Luttringhausen  (1734)  usw.,  hätte  man,  ihrer  inneren  Einrichtung  wegen, 
einen  Grundriss  gern  gesehen,  der  doch,  wie  die  merkwürdige  Kanzel  von  Langenberg 
zeigt,  mancherlei  Eigenart  haben  dürfte.  Gerade  weil  C.  mit  so  geschickter  Hand 
überall  neben  dem  Eigenartigen  auch  das  Typische  auszuwählen  und  darzustellen  versteht, 
sei  es  seiner  trefflichen  Arbeit   gegenüber    erlaubt,    diesen  Wunsch   laut   werden  zu 


I  11:  147):  ÖLB1.  3,  S.  327  8.  —  136)  D.  Kunstdenkra.  in  d  Pfalz  ges.  u.  her.  v.  d.  Pfalz.  Kreisges.  d.  bayer.  Architekten-  u. 
Ingenieurver.  (3.  Bd.,  4.  u.  5.  Lfg.;  4.  Bd.,  1.  Lfg.)  Ludwigshafen,  Lauterborn.  S.  121-58;  S.  159-95;  S.  1-46.  ä  M.  2,00.  —  137)  X  Kunst 
u.  Kunstliebhaber  in  Württemberg  um  1612:  BBSW.  S.  273/5.  —  138)  X  B-  p>  E.  franz.  Baumeister  in  Oberschwaben:  ib. 
S.  133/4,  192.  —  139)  K.  Schäfer,  D.  Baukunst  d.  16.  Jh.  in  Freiburg  i.  B.:  ZGORh.  9,  S.  665-711.  —  140)  Strassburg 
u.  seine  Bauten.  Her.  vom  Architekten-  u.  Ingenieur- Ver.  für  Els.-Lothr.  Mit  655  Abbild ,  11  Taf.  u.  1  Plan.  Strassburg  i.  E., 
Trübner.  XII,  686  S.  M.  20,00.  |[CBlBauverw.  S.  341/2;  DBauZg.  S.  401,3,  434-40,  442,4,  446/8,  450/2.]|  —  141)  E.  Meyer- 
AI  tona,  D.  Skulpturen  d.  Strassb.  Münsters  bis  1789.  I.  Diss.  Strassburg  i.  E.  53  S.  —  142)  Ott:  DBauZg.  S.  434-40, 
442/4,  446,8,  450/2.  —  143)  P.  C lernen,  D.  Kunstdenkm.  d.  Rheinprovinz  (JBL.  1893  I  11:93).  3.  Bd .,  1.  Heft  (Düsseldorf). 
2.  Heit  (Barmen).  M.  7,00.  Düsseldorf,  Schwann.  VI,  172  S.  Mit  77  Abbild,  u.  8  Taf.  VI,  134  S.  Mit  5  Taf.  u.  65  Abbild. 
M.  7,00;  5,00.     |[KBWZ.  13,  S.  129-30;    StML.  46,  S.  221/2;    H.  Ehrenberg:    Kunstchr.  5,    S.  90/1;    Jos.  Clausa:    StMBCO. 


I  9-.144-151  C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte. 

lassen.  —  Einzelne  Sonderschriften  begleiteten  die  Arbeit:  Eine  solche  über  den 
Umbau  des  dem  18.  Jh.  angehörigen  Schlosses  Poppeisdorf  bei  Bonn144)  bringt 
dessen  Grundreste  und  einzelne  geschichtliche  Nachrichten.  —  Der  Helmkensche145) 
Führer  durch  den  Dom  zu  Köln,  eine  der  besten  dieser  so  wichtigen  kleinen  Arbeiten, 
erlebte  seine  3.  Auflage.  Er  ist  auch  wichtig  wegen  der  kurzen,  aber  anregenden 
Mitteilungen  über  die  Restaurierung,  einen  nicht  unwesentlichen  Teil  moderner  Kunst- 
geschichte. — 

In  dem  neuen,  dem  Kreis  Dortmund-Stadt  gewidmeten,  Hefte  der  Inven- 
tar isation  Westfalens  von  Ludorff146)  fallen  28  Seiten  des  nur  54  Seiten  starken 
Textes  auf  die  Stadtgeschichte.  Bloss  der  Rest  ist  der  eigentlichen  Beschreibung  der 
Kunstdenkmäler  gewidmet.  Es  bleibt  nach  Abzug  jenes  verhältnismässig  langen 
Vorwortes  (von  Rose)  nicht  viel  mehr  als  ein  Bilderbuch  übrig.  Dass  gerade  das 
so  ausserordentlich  reiche  Ergebnis  in  den  westfälischen  Landen,  der  für  viele  Zeiten 
ganz  eigenen  Stellung  dieser  zur  deutschen  Kunstgeschichte  die  wissenschaftliche 
Ergründung  und  Beschreibung  zu  sehr  in  den  Hintergrund  trat,  muss  immer  wieder 
bedauernd  betont  werden.  Freilich  ist  Dortmund  für  neuere  Kunstgeschichte  ein 
wenig  ergiebiger  Platz,  wohl  aber  erweist  es  sich  nach  den  trefflichen  Abbildungen 
als  überaus  reich  an  Gaben  des  Mittelalters.  -• 

Im  vorliegenden,  den  Kreis  Stolp  behandelnden,  Bande  der  pommer sehen 
Inventarisation  ist  die  Kirche  zu  Schmolin  als  ein  bewusst  protestantischer  Bau  von 
1581  beachtenswert.  Sonst  haben  die  letzten  Jhh.  fast  nur  in  der  Kirchenausschmückung 
künstlerische  Reste  hinterlassen,  und  auch  diese  erheben  sich  selten  über  eine  wohl- 
anständige Mittelmässigkeit,  Ein  schwerer  Schlag  traf  das  Werk  durch  den  kurz 
nach  Erscheinen  des  Heftes  erfolgten  Tod  seines  Bearbeiters  Böttger 147).  — 

Wie  die  früheren  Hefte,  so  bearbeitete  den  westpreussischen  Kreis  Grau- 
denz  Landbauinspektor  Heise148).  Das  Altarbild  der  katholischen  Pfarrkirche  zu 
Graudenz  aus  dem  15.  Jh.,  kunstgewerbliche  Erzeugnisse  der  Folgezeit  und  die 
katholische  Barockkirche  (Zuchthaus-  und  Seminarkirche  zu  Graudenz)  bieten  das 
nicht  eben  reiche  Ergebnis  für  die  hier  zu  behandelnde  Kunstperiode.  — 

Böttichers149)  Arbeit  über  Ostpreussen  vermehrte  sich  um  den  das  Erm- 
land  behandelnden  Band.  Auch  hier  gehört  das  Beste  dem  späteren  Mittelalter  an. 
Doch  haben  die  katholischen  Borockkirchen  (Kreuzkirche  zu  Braunsberg;  Wallfahrts- 
kirchen zu  Glottau,  Krossen,  Stegmannsdorf,  das  Kloster  Springborn)  nicht  un- 
interessante Gestaltung,  und  Braunsberg,  Frauenberg  und  andere  Orte  bieten  mancherlei 
zur  Geschichte  der  älteren  Malerei.  Die  zahlreichen  Altarwerke  der  Renaissance  und 
der  folgenden  Zeiten,  namentlich  aber  die  schönen  Kirchengeräte  sind  besonders 
hervorzuheben,  das  prachtvolle  Grabmal  des  Kardinals  Bathori  von  1598,  anscheinend 
holländische  Arbeit,  hätte  wohl  eine  eingehendere  Darstellung  verdient.  Man  kann 
deutlich  beobachten,  wie  sehr  der  Katholizimus  hier  im  Nordosten  wie  überall  im 
17.  und  18.  Jh.  dem  Protestantismus  darin  überlegen  war,  dass  er  die  Kraft  der  Kunst 
zu  würdigen  und  sich  dienstbar  zu  machen  verstand150).  — 

Von  bemerkenswertem  Reichtum  ist  die  Inventarisation  des  Anhalter 
Landes,  die  Büttner  Pf  ä  n  n  e  r  zu  Thal151)  vornimmt.  Die  Renaissanceschlösser 
zu  Plötzkau,  Köthen,  das  Rathaus  zu  Sandersleben,  namentlich  die  um  die  Wende 
vom  17.  zum  18.  Jh.  entstandenen  Bauten  zu  Bernburg,  Bierdorf  und  zahlreiche 
Erzeugnisse  gewerblicher  Kunstthätigkeit  reihen  sich  den  stattlichen  romanischen 
Anlagen  des  Landes  nicht  unebenbürtig  an  und  lehren,  wie  in  Thüringen,  dass  nur 
die  kleinen  Höfe  eine  den  Kunstbestrebungen  der  katholischen  Kirche  entsprechende 
Thätigkeit  in  schönheitlicher  Richtung  entwickelten,  während  das  Volk  in  seinen 
Gemeinden  und  Stadtverwaltungen  nur  sehr  selten  sich  über  die  Anforderung  plattester 
Nützlichkeit  erhob.  Somit  erscheint  der  „Despotismus"  der  Fürsten,  wie  er  sich 
aus  dem  Merkantilsystem  entwickelt  hatte,  so  übel  doch  nicht,  wie  ihn  die  liberale 
Geschichtsschreibung  geschildert. 

Für  Oester reich  fehlt  es  zunächst  noch  an  einer  Inventarisation.  Dort 
ersetzt  sie  die  k.  k.  Centralkommission  für  Erhaltung  der  Kunstdenkmäler  in  ihren 
„Mitteilungen",  wenngleich  nicht  in  völlig  entsprechendem  Umfange.    Während  diese 


S.  134/9.JI  —  144)  CBIBauverw.  S.  144/5.  —  145)  F.  Th.  Helmken,  D.  Dom  zu  Köln,  seine  Gesch.  u  Bauweise,  Bildwerke  u. 
Kunstschätze.  3.Aufl.  Köln,  Boisseree.  IV,  160  S.  Mit  Abbild.  M.  1,50.  —  146)  A.  Ludorff,  D.  Bau-  u.  Kunstdenlcm.  v. 
Westfalen  (JBL.  1893  I  11:94).  D.  Kreis  Dortmund-Stadt.  Mit  gesch.  Einl.  v.  E.  Kose.  Paderborn,  Schöningh.  4°.  III,  54  S. 
Mit  4  Karten  u.  175  Abbild.  M.  3,00.  |[H.  Ehrenberg:  CBIBauverw.  S.  292.]|  —  147)  D.  Baudenkm.  d.  Prov.  Pommern 
(JBL.  1893  I  11  :96).  Bearb.  v.  L.  Böttger.  III.  Bd.  2,  Heft  1:  Kreis  Stolp.  Stettin,  Saunier.  V,112S.  Mit  Abbild.  M.  6,00. 
—  148)  D.  Bau-  u.  Kunstdenkm.  d.  Prov.  Westpreussen  (JBL.  1893  I  11:97).  Heft  9  D.  Kreis  Graudenz.  Bearb.  v.  K.Heise. 
Danzig,  Bortling.  VII,  133  S.  Mit  96  Textabbild,  u.  9  Beil.  M.  6,00.  |[FBPG.  7,  S.  588.JI  —  149)  Ad.  Bötticher,  D.  Bau- 
u.  Kunstdenkm.  d.  Pro?.  Ostpreussen  (JBL.  1893  I  11  :  98).  4.  Heft.  Königsberg  i.  Pr.,  Teichert.  VIII,  296  S.  Mit  Abbild 
u.  15  Lichtdr.-Taf.  M.  4,00.  —  150)  X  H-  Ehrenberg,  Gesch.  d.  Kunst  im  Gebiete  d.  Prov.  Posen  (JBL  1893  111:  105). 
|[Fr.  Sarre:  ßepKunstw.  17,  S.  450/2;  F.  Schwartz:  FBPG.  7,  S.  280;  LCB1.  S.  1071.]|  —  151)  F.  Büttner  Pfännor 
zu  Thal,  Anhalts  Bau-  u.  Kunstdenkm.  (JBL.  1893  I  11  :  100).    Dessau,  Kahle.  S.  113-264.    Mit  Illnstr.   M.  5,00.  |[WIDM.  75, 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.  I  9  :  152-167 

früher  den  deutschen  Provinzen  und  Staaten  vorbildlich  sein  konnte,  ist  sie  jetzt, 
wenigstens  was  die  Erforschung"  der  Denkmäler  betrifft,  entschieden  überholt. 
Nur  in  Kärnten  ist  eine  Inventarisation  begonnen  worden.  Dort  setzt  auch 
Hann  152)  seine  Uebersicht  über  die  wichtigsten  Baudenkmäler  nach  zeitlicher  Ordnung 
fort,  die  er  1892  begann  und  nun  bis  zum  Schluss  der  Gotik  fortführt;  Spuren 
dieses  Stiles  bis  1572  verfolgend.  —  Das  reich  ausgestattete  Tafelwerk  von 
Franz153)  über  mährische  Kunstschätze  fordert  dringend  einen  Text.  Kunstgewerb- 
liches überwiegt  zunächst  in  diesem  stattlichen  Buche  und  zwar  namentlich  solches 
in  Renaissanceformen.  Aber  das  Buch  weist  doch  eine  solche  Fülle  von  darzustellenden 
Einzelwerken  auf  und  giebt  sie  so  geschickt  wieder,  dass  es  auch  als  wissenschaft- 
liche Gabe  willkommen  ist154-158).  —  Die  beneidenswerte  Aufgabe,  Tirol  wandernd 
zu  durchstreifen,  hat  sich  der  Innsbrucker  Professor  Semper158')  gestellt.  Seine 
Kunststudien  zeigen,  welche  Fülle  des  Beachtenswerten,  ja  Hervorragenden  das  Land 
bietet,  und  wie  sehr  sich  auch  dort  eine  planmässige  Inventarisierung  nötig  macht. 
Der  von  ihm  selbst  vor  einigen  Jahren  erst  „entdeckten"  Brixener  Malerschule  des  15.  Jh. 
geht  S.  nun  weiter  nach,  ebenso  den  Werken  und  dem  Einfluss  des  Michael  Pacher.  — 

Unter  den  Schweizer  Werken  steht  in  erster  Linie  das  Pracht  werk  von 
Haendcke  und  Aug.  Müller159)  über  das  Münster  in  Bern.  — 

Der  Betrieb  der  neueren  deutschen  Kunstgeschichte  hat  sich  wieder  im 
wesentlichen  um  einzelne  strittige  Punkte  und  besonders  gefeierte  Namen  gedreht. 
Die  Malerei  der  Renaissance  steht  immer  noch  in  erster  Linie;  dann  aber  auch 
der  Kupferstich  des  15.  und  16.  Jh.  Die  seiner  Zeit  von  Lübke  mächtig  angeregte 
Erforschung  der  Bauthätigkeit  des  16.  Jh.  ist  jetzt  gegenüber  der  Vorliebe  für  das 
18.  zurückgetreten.  Wäre  es  möglich,  der  Wissenschaft  die  Wege  zu  weisen,  so 
müsste  auf  die  Lücken  hingezeigt  werden.  Nur  in  Oesterreich  wird  dem  Anfang  des 
17.  Jh.  genügende  Aufmerksamkeit  geschenkt,  nirgends  macht  sich  bis  heute  eine 
auch  nur  einigermassen  erschöpfende  Uebersicht  über  die  deutsche  Bildnerei  seit 
dem  15.  Jh.  und  über  die  süddeutsche  Freskomalerei  bemerkbar.  Dass  eine  solche 
Uebersicht  hinsichtlich  der  Baukunst  besteht,  darf  ich  wohl  meinem  Buche  über 
Barockarchitektur  zuschreiben.  Und  wenn  gleich  diesem  fast  in  jeder  die  ein- 
zelnen Teile  des  grossen  Gebietes  behandelnden  Sonderschrift  Irrtümer  oder  doch 
nicht  ausreichende  Kenntnis  des  Vorhandenen  nachgewiesen  werden,  so  birgt  schon 
dies  negative  Ergebnis  einen  Vorteil  in  sich.  Es  sollte  demnach  irgend  wer  versuchen, 
auch  für  die  anderen  Künste  einen  Ueberblick  zu  schaffen,  so  gut  es  eben  möglich  ist, 
damit  erst  einmal  das  Haus  da  ist,  an  welchem  die  notwendige  Flickarbeit  von  den 
Specialisten  vollzogen  werden  kann.  Freilich  wird  eine  solche  Arbeit,  wie  die 
meinige,  nicht  auf  fleissige  Benutzung  der  Bibliotheken,  sondern  der  Eisenbahnbillette 
sich  aufbauen  müssen.  Und  das  ist  leider  zumeist  das  dem  deutschen  Gelehrten  minder 
geläufige  „Hülfsmittel".  Die  Arbeiten,  die  die  gotische  Frühzeit  der  Kunst  be- 
handeln, gehören  nur  in  beschränktem  Masse  hierher.  Aldenhovens160)  Aufsatz 
über  die  altkölnische  Malerschule  gab  einen  Ueberblick  über  das  wichtige  Gebiet 
mit  weiter  Ausschau  in  die  zeitgenössische  Kunst.  —  Dem  Amsterdamer  Meister 
Joost  van  der  Beeke  aus  Kleve  schreibt  Firmenich-Richartz  161)  die  bisher  unter 
dem  Namen  des  Meisters  des  Todes  Mariae  bezeichneten  Werke  zu,  somit  den  Kreis 
der  Kölner  Malerschule  noch  mehr  einengend.  —  Dagegen  wendet  sich  mit  grosser 
Entschiedenheit  A.  von  Wurzbach162).  —  Eine  Reihe  von  Arbeiten  beschäftigen 
sich  mit  gotischen,  meist  unter  alter  Uebermalung  hervorgeholten  Wandmalereien, 
welchen  jetzt  überall  eine  besondere  Teilnahme  zugewendet  wird.  So  zu  Ingolstadt, 
Zell  bei  Oberstaufen,  Memmingen,  auf  die  Lochner  von  Hüttenbach163)  weist, 
zu  Bozen,  die  der  für  die  Tiroler  Landesgeschichte  verdiente  Atz164)  aufdeckte,  in 
Dahlem  bei  Berlin,  welche  Voss165)  dem  13.  Jh.  zuweist,  in  Engstatt  in  Württem- 
berg, welche  Gmelin166)  behandelt.  —  Die  Ulmer  Malerschule,  vorwiegend  Bartholo- 
mäus Zeitblom,   unterzog  Bach167)  einer   genauen  Untersuchung,  welche  das  bisher 

S.  523  4.]|  —  152)  Fr.  G.  Hann,  D.  gnt.  Kirchenbaukunst  in  Kärnten.  Progr.  Klagenfurt  (St.  Hermagoras).  1893.  20  S. 
(JBL.  1893  I  11:245,6.)  —  153)  AI.  Franz,  Kunstarchäolog.  Aufnahmen  aus  Mähren.  Brunn,  Knauthe.  Folio.  100  Taf.  mit 
9  S.  Text.  M.  8,50.  —  154)  X  D-  Rathäuser  d.  Stadt  Wien  seit  600  J.  Her.  v.  d.  Gemeinde  Wien,  L.,  Litt.  Anst.  (A.  Schnitze). 
12°.  45  S.  Mit  13  Abbild.  M.  2,00.  -  155)  X  K.  Drex  ler,  D.  Stift  Klosterneuburg.  E.  knnsthist.  Skizze.  Wien,  St.  Nobertus. 
VII,  276  S.  Fl.  4,20.  —  156)  X  Rud.  Müller,  Kunst-  u.  Baudenkm.  d.  Salhausen  im  Elleethale:  MVGDB.  S.  401-12.  — 
157)  X  Verzeichnis  d.  wichtigsten  Grabdenkmäler  in  Niederösterr.:  BMAltVWien  28,  S.  130-44.  —  158)  X  W.  Deininger 
Interieurs  u.  Mobilien  aus  Schloss  Joatzberg.  B.,  Uessling  &  Spielmeyer.  12  Bll.  in  Lichtdr.  M.  12,00.  [[Kunstgewerbe^.  5, 
S.  47/8;  Zinnendekoration.  5,  S.  25,  73.]/  —  158a)  H.  Semper,  Wanderungen  u.  Kunststud.  in  Tirol.  I.  (Smderabir.  aus  d. 
„Boten  für  Tirol  u.  Vorarlberg.")  Innsbruck,  Wagner.  II,  262  S.  M.  2,00.  —  159)  B.  Haendcke  u.  Aug.  Müller,  1).  Münster 
in  Bern.  Bern,  Schmidt,  Francke  &  Co.  X,  179  S  Mit  31  Textillustr.  u.  20  Taf.  Fl.  14,40.  |[0.  J.  Neuwirth:  ÖLB1.  3, 
S.  304/9.JI  —  160)  C  Aldenhoven,  Ueber  d.  altköln.  Malerschule:  Nation«.  11,  S.  73/5,  89-92.  —  161)  E.  Firmenioh- 
Richartz,  D.  Meister  d.  Todes  Mariae,  sein  Käme  u.  sein  Herkommen:  ZBK.  5,  S.  187-94.  —  162)  A.  v.  Wurzbach,  Josse 
v.  Cleve  u.  d.  Meister  vom  Tode  d.  Maria:  ib.  S.  247  8.  -  163)  O.  Frhr.  Lochner  v.  Hüttenbach,  Bayer.  Wandgemälde 
d.  14.  u.  15.  Jh.:  RepKunstw.  16,  S.  337-47.  —  164)  K.  Atz,  Ueber  e.  jüngst  entdecktes  Wandgemälde  zu  Bozen:  MCC.  20, 
S.  57.  —  165)  G.  Voss,  D  neu  entdeckten  Wandgemälde  zu  Dahlem:  ZBK.  5,  S.  261-72.  —  166)  A.  Gmelin,  D.  Wand- 
gemälde   im  Chor  d.  Kirche    zu  Engstatt    (Ballingen):    BBSW.  S.  2469.    —    167)    M.  Bach,    Stud.  z.  Gesch.  d.  Ulmer  Maler- 


I  9  :  ir>7a-i83  C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte. 

über  diesen  Meister  bekannte  Material  kritisch  behandelnd,  seine  Eigenart  der  Er- 
kenntnis näher  bringt.  —  Marguilliers167aj  eingehende  und  gut  illustrierte  Ar- 
beit über  den  Tiroler  Maler  Michael  Pacher  bringt  dem  deutschen  Fachmann  nicht 
viel  mehr  Neues  als    eine  geschickte  Orientierung  über  das  betreffende  Kunstgebiet. 

—  Bilder  aus  der  Schule  des  Michel  Wohlgemuth  weist  Hann168)  im  Museum  zu 
Klagenfurt  nach,  und  zwar  Reste  eines  dem  heiligen  Vitus  geweihten  Altares.  — 

Gleich  mächtig  wie  in  den  vorhergehenden  Jahren  ist  die  Flut  der  Dürer- 
Arbeiten  im  J.  1894  nicht  gewesen.  Noch  wirken  die  teilweise  für  seine  Lebens- 
beschreibung grundlegenden  Veröffentlichungen  in  den  Zeitschriften  nach.  So  er- 
fuhr das  Werk  von  Lange  und  Fuhse,  welches  Dürers  schriftlichen  Nachlass 
zusammenstellte,  mehrere  Recensionen169),  bei  welchen  namentlich  auch  die  litterarische 
Bedeutung  Dürers  hervorgehoben  wurde.  — Golling170)  besprach  Neuwirths  Arbeit 
(JBL.  1893  111:200)  über  Kaiser  Rudolf  IL  als  Dürersammler170*).  —  Dissel- 
hoffs171)  kurze  Lebensbeschreibung  des  Meisters  erschien  in  wohlverdienter  zweiter 
Auflage,  neu  kam  heraus  ein  (mir  nicht  zugängliches)  Werk  von  Dobson172)  über 
Dürers  „kleine  Passion".  —  Die  „Auferstehung  Christi"  behandelt  Blumenstengel 173). 

—  Zu  Tereys  Arbeit  (JBL.  1893  I  11 :  176)  über  Dürers  venezianischen  Aufenthalt174) 
äusserte  sich  Lange.  —  Mit  Holbein  gemeinsam  betrachtet  den  grossen  Nürnberger 
Sayous175).  —  Es  versuchte  Sepp176)  eine  Erklärung  der  Apokalypse  Dürers,  mit 
Bezug  auf  die  Strassburger  Ausgabe  von  1502. 177_179)  —  In  Buchform  tritt  uns  eine 
Lebensbeschreibung  Dürers  entgegen,  welche  aus  einem  in  Regensburg  mit  Beifall 
aufgenommenen  Vortrage  entstand.  Der  Beifall  blieb  dem  Buche  treu,  so  dass  es  als- 
bald in  2.  Auflage  erschien.  Dem  Vf.,  Ant.  Weber180),  kommt  es  darauf  an,  Dürers 
„Glaubensbekenntnis"  festzustellen.  Dem  Entwicklungsgange  des  Künstlers  sind  64, 
seiner  Charakteristik  als  solcher  8,  dem  Glaubensbekenntnis  70  Seiten  gewidmet.  Es 
erscheint  der  kunstgeschichtliche  Teil  mithin  als  die  schmückende  Beigabe  zu  jener, 
welche  ein  nachträgliches  „Wegtaufen"  des  grossen  Malers  für  den  Katholizismus 
bezweckt.  Da  geht  es  denn  ohne  grobe  Gewaltsamkeit  nicht  ab.  Dürers  Brief  an 
Spalatin  von  1520,  in  welchem  er  den  Wunsch  ausspricht,  Luthers  Bildnis  zu  malen, 
wird  nach  W.  dadurch  als  Beweis  gegen  die  in  seinem  Briefe  bekundete  Liebe  für 
den  „christlichen  Mann"  entkräftet,  dass  er  thatsächlich  nicht  hingereist  sei;  die  be- 
rühmte Stelle  in  seinem  Tagebuche  über  Luthers  Gefangenschaft  als  nicht  „pro- 
testierenden" Geistes  bezeichnet,  da  von  den  guten  Werken  und  vom  „Einig"-Leben 
der  Christen  die  Rede  darin  sei.  Sobald  Dürer  sich  nicht  völlig  im  Geiste  Luthers 
äussert,  seinen  alten  religiösen  Gewohnheiten  folgend,  wird  er  als  Gegner  der  Neuerungen 
bezeichnet,  wird  mit  allerhand  wohl  auf  die  Hörer  des  Vortrages  in  Regensburg  ganz 
gut  berechnete  Fechterkunststücken  fortgearbeitet.  Mir  scheint  es  als  eines  der  wider- 
lichsten Bücher,  das  sich  je  an  das  Andenken  eines  grossen  Mannes  drängte,  ein 
solches,  das  nicht  Klarheit  erstrebt,  sondern  sein  Bild  zu  Parteizwecken  auszunutzen 
sucht.  Wissenschaftlich  ist  es  ohne  jeden  Belang,  lehnt  sich  völlig  an  M.  Zucker 
(Dürers  Stellung  zur  Reformation,  Erlangen  1886)  an,  nur  an  dessen  Folgerungen 
herummäkelnd.  Bedauerlicher  als  das  Buch  selbst  scheint  mir  noch  sein  Erfolg,  der 
Umstand,  dass  es  doch  eine  grössere  Zahl  Menschen  giebt,  die  sich  an  solchen  „histo- 
rischen" Klopffechtereien  erfreuen.  —  Knackf  uss181),  der  bekannte  Kasseler  Maler 
und  Kunsthistoriker,  brachte  dagegen  ein  Werk,  das  den  Mann  nicht  zu  sich  und 
seiner  Tagesmeinung  herabziehen,  sondern  ihn  in  seiner  Grösse  die  Welt  verstehen 
lehren  will,  eine  namentlich  für  die  vorzügliche  Ausstattung  billige,  recht  für  die 
Menge  berechnete  Arbeit,  die  sich  bei  der  wissenschaftlichen  Streitfrage  nicht  lange 
aufhält,  um  mit  herzlichem  Verständnis  Dürers  Schöpfungen  sich  widmen  zu 
können.182-187)  —  Dem  Dürer  aberkannt  und  dem  Jan  von  Eyck  zugeschrieben   wird 

schule:  ZBK.  5,  S.  201/7,  235-40.  -  167a)  A.  Marguillier,  Un  maitre  oublie  du  XV.  siecle:  Michel  Pacher:  GBA.  11, 
S.  327-49;  12,  S.  42,  265-80.  -  168)  F.  G.  Hann,  D.  Tafelgemälde  aus  d.  Vituslegende  in  d.  Samml.  d.  Kärntnischen  GV.  zu 
Klagenfurt:  Carinthia  1,  S.  1,7,  33/7.  —  169)  X  K.  Lange  u.  F.  Fuhse,  Dürers  schriftl.  Na.:hlass  (JBL.  1893  I  11:  173). 
Ip.  S.:  RepKunstw.  16,  S.  469-71;  NAS  69,  S.  411;  FränkKur.  N.  201;  LCB!.  1893,  S.  1705/7;  A.  P.:  RCr.  38,  S.  134; 
K.  Kö tschau:  Grenzb.  2,  S.  28-33;  W.  Conway:  Ac.  46,  S.  157;  StML  47,  S.  363/4;  G.  Vermeulen:  HPB11.  113,  S.  382/4; 
P.  Schumann:  Kw.  8,  B.  13;  WIDM.  76,  S.  510;  ,T.  Neuwirth:  Euph.  1,  S.  155/9;  M.  Osborn:  Nation*3.  11,  S.  345,6; 
G.  Günther:  ib.  S.  469-70.]|  —  170)  J.  Golling:  Gymn.  12,  S.  723/4.  —  170a)  J.  Neuwirth,  F.  v.  Reber,  Kurfürst 
Maximilian  v.  Bayern  als  Gemäldesammler  (JBL.  1893  I  11:198):  ÖLB1.  3,  S.  339-40.  —  171)  J.  Disselhoff,  A.  Dürer, 
Luthers  Freund  (JBL  1893  I  11  :  175).  2.  Aufl.  —  172)  A.  Dobon,  The  Jittle  passion  of  A.  Dürer.  London,  Bell  &  Sons. 
Sh.  5.  |[Ac  45,  S.  293;  Ath.  2,  S.  230;  SaturdayR.  77,  S.  369-70.]|  —  173)  K.  Blumenstengel,  A.  Dürers  Auferstehung 
Christi:  Grenzb  4,  S.  236,8.  —  174)  Konr.  Lange:  Grenzb.  2,  S.  478-80.  —  175 )  E.  Sayous,  Durer  et  Holbein  portraitistes: 
BURS,  63,  S.  293-309.  -  176)  J.  N.  Sepp,  A.  Dürer.  D.  geheime  OfFenb.  Johannis.  15  Vollb.  nach  d.  Handzeichn.  u.  gleichzeit. 
Text  nach  d.  Strassb.  Ausg.  v.  Mart.  Graeff  15(12.  Mit  e.  Vom.  n  Jw»;jl(»'|s.  Auslegungen.  München,  Hamböck.  Folio.  8  S. 
Mit  15  Taf.  M.  8,00.  —  177)  X  A.  W.  Tu  er,  Dürers  „Adam  and  EveJ:  NQ.  5,  S.  347,  439.  -  178)  X  V.  Valentin,  A. 
Springer,  A.  Dürer  (JBL.  1893  I  11  :  171):  DWB1.  7,  S.  359.  -  179)  X  B  Ri«U',  Dtsch.  u.  it»l.  Kunstchuraktere  (JBL.  1893 
I  11  :  196).  |[WIDM.  75,  S.  267;  LCB1.  189t,  S.  604.]|  -  180)  Ant.  Weber,  A.Dürer,  Sein  Leben,  Wirken  u.  Glauben.  2.  Aufl. 
Regensburg,  Pustet.  IV,  148  S.  M.  1,20.  |[0.  Frhr.  Lochner  v.  Hüttenbach:  LRs.  20,  S.  200,1;  StML.  46,  S.  221 ; 
ZChiistlK.6,  S.  350;  Phil.  Schneider:  Kath.  1,  S.  284/5;  F.  Koch:  StMBOO.  S.  139-40.]|  (Vgl.  II  6:200.)  —  181)  H.  Knackf  uss, 
Dürer  u.  Holbein.  Bielefeld,  Velhagen  &  Klasing.  76  S.  Mit  83  Illustr.  M.  2,00.  (Aus  NMhDalieim.)  —  182)  X  H.  Fievens- 
Gavaert,   A.  Dürer  au  Musee  du  Louvre:    L'Art.  Heft  3.   —   183)    X    O.    Frhr.   Lochner  v.  Ilüttenbuch,   E.  neu  auf- 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.  I  9  •.  184-201 

durch  Frimm  el188"189)  ein  kleines  Bild  zu  Hermannstadt  in  Siebenbürgen.  Abge- 
sehen etwa  vom  Schweizer  Jos.  Heinz  und  einigen  Malern  des  18.  Jh.  findet  sich 
wenig  in  dem  diese  Frage  behandelnden  ersten  Bändchen  der  „Galeriestudien",  das  in 
das  Gebiet  des  hier  Aufzuzählenden  fiele:  Zunächst  beschäftigt  es  sich  mit  Erzeug- 
nissen der  niederländischen  Kunst.  — 

Für  die  jetzt  von  Ilg  geleitete  Sammlung  „Quellenschriften  zur  Kunstgeschichte" 
brachte  Döring190)  einen  neuen  Band  bei,  in  dem  er  die  Beziehungen  des  Augsburger 
Patriziers,  Sammlers  und  Kunsthändlers  Philipp  Hainhofer  zum  pommerschen 
Hof,  namentlich  den  dorthin  schwunghaft  betriebenen  Handel  mit  Kunstwerken  an 
Briefen  aus  der  Zeit  zwischen  1610  und  19  darlegte.  Weitaus  das  Wichtigste  ist 
das,  was  über  Dürer  gesagt  wird;  keiner  der  älteren  Künstler  wird  so  oft  erwähnt, 
nach  keines  Werken  ist  die  Jagd  des  genannten  Unterhändlers  eine  so  lebhafte.  Die 
Briefe  geben  einen  sehr  lehrreichen  Einblick  in  die  Kunstverhältnisse  der  Zeit,  die 
ein  ganz  entschiedenes  Gefühl  dafür  hatte,  dass  ihre  künstlerischen  Leistungen  nicht 
mehr  auf  der  Höhe  des  verflossenen  Jh.  standen.  Ausser  den  zeitgenössischen  Augs- 
burger Künstlern,  an  der  Spitze  Rottenhamer,  werden  namentlich  Italiener,  vorzugs- 
weise solche  des  endenden  16.  Jh.,  erwähnt.  Doch  ist  das  Ergebnis  für  die  Geschichte 
deutscher  Kunst  und  namentlich  deutschen  Kunstgewerbes  immer  noch  ein  sehr 
reiches.  Namentlich  findet  sich  über  die  Augsburger  Goldschmiede  und  Kunsttischler 
vielerlei  Neues  und  zum  Studium  Anregendes  in  den  Berichten.  — 

Die  Vorgeschichte  Hans  Holbeins  d.  Ae.  berührt  Burckhardt 191)  in 
seinen  Studien  zur  Geschichte  der  Baseler  Malerei  des  späteren  Mittelalters.  — 
Die  Annahme,  welche  Lippmann  in  einem  Vortrage  ausgesprochen  hatte,  dass  der 
sog.  „Meister  des  Amsterdamer  Kabinets"  identisch  mit  Hans  Holbein  d.  Ae.  sei, 
wurde  durch  einen  Anonymus192)  ablehnend  besprochen.  Warum  schrieb  er  ohne  Namen- 
nennung? Sollte  Lippmanns  Macht  wirklich  so  gefährlich  sein,  dass  sich  niemand 
öffentlich  an  den  Berliner  Geheimrat  heranwagt?  —  Die  Holbeinforschung  machte 
sonst  im  Berichtsjahre  nur  wenige  erkennbare  Fortschritte.  Ueber  die  Wirksamkeit 
der  Holbeingesellschaft  zu  Manchester  habe  ich  nichts  erfahren.  His193)  Aufsatz 
über  die  wahrscheinlich  um  1518  entstandene  Zeichnung  eines  Bergwerkes,  die  er 
im  British  Museum  zu  London  auffand,  ist  als  einzige  mir  vorliegende  Publikation  zu 
erwähnen 193a).  — 

Dem  Verzeichnisse  der  Werke  des  Han.s  Baidung  gen.  Grien  (JBL. 
1893  I  11  :  230)  hat  Terey194)  rasch  eine  vornehme  Ausgabe  der  Handzeichnungen 
folgen  lassen,  dank  der  Unterstützung  durch  die  Reichslande  und  die  Stadt  Stras- 
burg eines  der  nicht  eben  häufig  gelungenen  Werke  dieser  Art.  —  Eigene  Studien 
über  den  Meister  veröffentlichte  Stiassny195).  —  Ueber  den  Fund  des  in  Frei- 
burg i.  B.  in  einem  Speicher  verwahrten  Mittelstückes  von  Baidungs  dortigem  Altar- 
werk berichtet  Terey196)  noch  besonders.  — 

Durch  eine  Dissertation  Haaslers197)  über  Christoph  Amberger  ist 
die  Reihe  der  biographischen  Einzelschriften  glücklich  bereichert  worden.  —  Ihr 
zur  Seite  steht  der  Aufsatz  von  Heinr.  Alfr.  Schmid  198),  welcher  sich  Matthias 
Grünewalds  Leben  zum  Thema  stellte  und  dabei  eine  Klarlegung  der  Art  dieses 
selbständigsten  aller  deutschen  Meister  seiner  Zeit  versuchte.  —  Im  Anschluss  an  ein 
1883  erschienenes  Werk  von  A.  J.  von  Brenner-Enkervoerth  über  die  kaiserlichen 
Landsknechte  kommt  Wilh.  Schmid199)  auf  Zeichnungen  von  S.  Beham,  Am- 
berger, Wolf  Huber,  Peter  Flötner,  Hans  Burgkmair  usw.  zu 
sprechen.  — 

Stiassny200)  ergänzt  einige  Punkte  in  der  Kenntnis  der  beiden  JörgB  reu  von 

gefundenes  Gemälde  A.  Dürers,  d.  sog.  Heiland.  Knnstgesch.  Stud.  B.,  H.  Spanier.  10  S.  M.  1,00.  —  184)  X  M.  Bach, 
D.  angebl.  Dürer  im  kgl.  Kunstkab.  in  Stuttgart:  Kunstchr.  5,  S.  383/4.  — 185)  X  S.  Rein  ach,  Durer  Germanus  et  Xenophantos 
Athonaios:  CAC.  Bd.  76,  N.  10.  —  186)  X  (I  3  :  337/8.)  — 187)  X  w-  ▼•  Seydlitz,  B.  neues  Selbstbildnis  Dürers:  JPrK.  15, 
S.  23,6.  —  188)  Th.  v.  Frimmel,  E.  neuer  Jan  van  Eyck:  Kunstchr.  5,  S.  4301.  —  189)  id.,  Kleine  Galeriestud.  N.  P. 
1.  Lfg.  D.  Geraäldesamml.  in  Hermannstadt.  Wien,  Gerold  &  Co.  94  S.  Mit  6  Abbild,  u.  3  Facs.  M.  3,60.  |[RepKunstw.  16, 
S.  392,3;  C.  Woermann:  Kunstchr.  5,  S. 88-90.] |  —  190)  Oslt.  Döring,  D.  Augsb.  Patriciers  Philipp  Hainhofer  Beziehungen 
zu  Herz.  Philipp  II.  v.  Pommern-Stettin.  Korresp.  aus  d.  J.  1610—19  im  Ausz.  mitget.  u.  kommentiert.  (=  Quellenschriften 
für  Knnstgesch.  u.  Kunsttechnik  d.  MA.  u.  d.  NZ.  her.  v.A.  Ilg.  VI.  Bd.)  Wien,  Graeser.  XX,  362  S.  M.  7,00.  |[L.  Kämmerer: 
RepKunstw.  17,  S.  142,4;  MMusKnnstlndustr.  9,  S.  156  7;  LCBI.  S.  683/4;  W1DM.  75,  S.  267;  BBSW.  S.  673/5;  N&S.  69,  S.  411.]| 
—  191)  D.  Burckhardt,  Stud.  z.  Gesch.  d.  Baseler  Malerei.  (=  Festbuch  z.  Eröffn.  d.  hist.  Mus.  [Basel,  Reich.  VI,  257  S.  Mit  Abbild., 
9  Lichtdr.-Taf.,  1  Bildn.  u.  2  färb.  Plänen],  S.  127-50.)  —192)  Historicus,  Hans  Holbein  d.  Ae.  u.  d.  Meister  d.  Amsterdamer 
Kabinets:  Kunstchr.  5,  S.  313/6.  —  193)  E.  His,  Holbeins  Bergwerkszeichnung  im  Britischen  Museum:  JPrK.  15,  S.  207-10. 
— 194)  Hans  Baidung  gen.  Grien,  Handzeichnungen  in  Orig.-Grösse  u.  Lichtdr.-Abbild.  nach  d.  Orig  in  Basel,  Berlin,  Bern  usw. 
Her.  v.  G.  v.  Terey.  I.  Bd.  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  Folio.  XXII  S.  Mit  84  Taf.  M.  100,00.  |[ZGORh.  9,  S.  180/1.  342; 
H.  A.  Schmid:  RepKunstw.  16,  S.  293/6;  LRs.  20,  S.  165/8;  RepKunstw.  16,  S.  74/5;  W.  v.  Seydlitz:  AZg".  N.  58;  AGNM. 
N.  2:  R.  Strassny:  Kunstchr.  5,  S.  2226;  A.  Schnütgen:  ZChrK.  7,  S.  314.li  —  195)  R-  Stiassny,  Baldung-Stud.: 
Kunstchr.  5,  8.  137-42.  —  196)  G.  v.  Terey,  E.  wiedergefund.  Altarwerk  Hans  Baidungs:  Alemannia  22,  S  279-80.  (Vgl. 
RepKunstw.  16,  S.  446/7.)  —  197)  E.  Haasler,  D.  Maler  Chrph.  Amberger  v.  Augsburg.  Dias.  Heidelberg.  141  S.  |[Max 
Friodländer:  RepKunstw.  16,  S.  414/5.] |  —  198)  Heinr.  Alfr.  Schmid,  Matth.  Grünewalds  Leben.  (=  N.  191,  S.  37-96.) 
|[Max  F.Friedländer:  RepKunstw.  16,  8.  471/4.]  |  —199)  Wilh.  Schmid,  Zeichnungen  v.  S.  Beham,  Amberger,  Wolf  Huber, 
Flötner,  Burgkmair:  RepKunst.  16,  S.  366/8.  -  200)  R.  Stiassny,  Ueber  Jörg  Breu :  ZChrK.  7,  S.  102.  -  201)  id.,  Jörg 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  LittoraturgeBchichte.    V.  ( 1 J 1 D 


I  9  :  201-222  C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte. 

Augsburg-,  namentlich  in  der  Unterscheidung-  von  Vater  und  Sohn,  an  Heinr.  Alfr. 
Schmids  201~202)  Aufsatz  sich  anlehnend;  dieser  behandelt  den  bayerischen  Miniatur- 
maler Hans  Muelich,  Chmelarz203),  den  Formschneider  Jost  de  Negker204), 
welcher  zu  Burgkmair  in  einem  ähnlichen  Verhältnis  stand  wie  Hans  Lützelburger  zu 
Holbein  und  namentlich  für  die  Fortbildung  des  Clairobscur-Druckes  von  Bedeutung 
wurde.  — 

Dem  auf  die  grossen  Meister  folgenden  Zeitabschnitt  gehört  der  Schweizer  Maler 
Josef  Heintz  an,  über  welchen  Haendcke204)  im  Anschluss  ansein  im  Vorjahr  be- 
sprochenes Werk  (JBL.  1893  I  11 :  216)  über  die  Schweizer  Malerei  genauere  Nachricht, 
namentlich  auf  Grund  von  Forschungen  in  Wien,  giebt.  —  Die  Lebensbeschreibung  des 
Wolf  Traut,  Friedr.  Sustris  und  des  unter  Kaiser  Leopold  I.  in  Wien  thätigen 
niederländischen  Malers  Jan  Thomas  gehören  noch  hierher:  Sie  sind  von  Ree205), 
Wessely206)  und  Li  er207)  verfasst.  — 

Zu  dem  Pracht  werk  über  die  Sammlung  des  Dr.  Schubart.  in  München, 
eines  der  hervorragendsten  und  sachkundigsten  „Amateure"  Deutschlands,  schrieb  der 
holländische  Kunstgelehrte  Hofstede  de  Groot208)  den  Text.  Hier  sind  namentlich 
zwei  schöne  Bildnisse  von  Amberger  hervorzuheben,  die  neben  Cranach  die  hervor- 
ragendsten Werke  deutscher  Kunst  in  dieser  Sammlung  bilden,  während  sonst  Italiener 
und  Niederländer  vorwiegen.  — 

Lieber  Lukas  Cranach  liegt  fast  nur  die  Arbeit  von  Bauch209)  vor,  in  der 
auf  Symphorian  Reich,  als  einen  Holzschnitzer  aus  Cranachs  Werkstätte,  auf  die 
Ausschmückung  des  Schlosses  Wittenberg  usw.  aufmerksam  gemacht  wird.  Jacopo 
dei  Barbaris  Anwesenheit  in  Frankfurt  a.  0.  1508  wird  erwähnt. —  Das  von  Cranach 
geschaffene  mecklenburgische  Wappen  und  daran  anschliessend  andere  Ex-libris 
(diese  sind  ja  die  neuesten  Ziele  des  Sammeleifers)  kamen  in  ansehnlichen  Ver- 
öffentlichungen durch  Teske210)  und  Warnecke211)  zur  erneuten  Vervielfältigung. — 

Einen  durch  Lichtdrucke  illustrierten  Nachtrag  zu  seinen  Studien  (JBL.  1893 
I  11  :  241)  über  den  Kölner  Maler  Barthomäus  Bruyn  bringt  Firmenich- 
Richartz212-214).  - 

Gleiche  Berücksichtigung  wie  die  Malerei  hat  die  Bildhauerei215-217)  wieder 
nicht  gefunden.  Hervorzuheben  sind  hier  die  Lebensbeschreibungen  der  beiden 
Syrlin,  in  denen  durch  den  sachkundigen  Klemm218"219)  in  Kürze  das  festgestellt 
wurde,  was  die  Forschung  über  die  beiden  Ulmer  Holzschnitzer  zu  Tage  förderte.  — 
Einer  späteren  Zeit,  dem  Barock,  gehört  der  im  steyrischen  Kloster  Admont 
thätige  Holzbildhauer  Stammel  an,  eine  überaus  eigenartige  Erscheinung  in  jener  an 
Talenten  so  reichen  Zeit.     Wichner220)  berichtet  über  ihn221).   — 

Somit  werden  wir  in  das  Gebiet  der  Barockkunst  übergeführt:  Ein  für 
deren  Geschichte  höchst  wichtiges,  lange  erwartetes  Werk  ist  in  dem  von  II g222) 
über  den  grossen  Wiener  Architekten  Fischer  von  Erlach  nunmehr  erschienen.  1. 
ist  mit  stürmischer  Liebe  Oesterreicher  und  Freund  des  Barock,  dessen  Schönheit 
er  als  einer  der  ersten  erkannte.  Bedauerlicherweise  hat  diese  Leidenschaft  einen 
etwas  eifersüchtigen  Zug.  Er  möchte  für  Oesterreich  wissenschaftlich  eine  Art  Monroe- 
Doktrin  aufstellen:  Oesterreichische  Kunst  nur  für  die  Oesterreicher.  Sowie  ein 
Reichsdeutscher  sich  in  sein  Gebiet  mischt,  wird  er  misstrauisch;  stammt  dieser  aus 
Berlin,  so  wird  er  ärgerlich.  Das  Buch  I.s  ist  das  Ergebnis  eines  erstaunlichen  Fleisses. 
Man  kann  es  als  eine  Grundlegung  der  Geschichte  der  Kunst  des  17.  und  18.  Jh. 
in  Wien,  ja  in  Oesterreich  bezeichnen.  Alles  was  vor  diesem  Buche  über  das  darin 
berührte  Thema  geschrieben  ist,  wird  hinfällig;  man  findet  in  ihm  nicht  nur  den 
Hauptmeister,  sondern  alle  jene  gründlich  behandelt,  die  in  seinen  Schaffenskreis 
traten.  Es  ist  aber  dabei  nicht  recht  klar  ersichtlich,  warum  I.  so  böse  auf  alle  die 
ist,  die  vor  ihm  schrieben,  ohne  seine  kolossalen  Studien  gemacht  zu  haben,  warum 
er  rings  um  sich  beisst,  obgleich  doch  die  anderen  eigentlich  niemandem  zu  Leide 
ihre   Fehler    niederschrieben.      I.  nennt  sein    Werk   nur    eine    Vorarbeit,    und    eine 


Breu  d.  Ae.  u.  Jörg  Breu  d.  J.:  ZBK.  4,  S.  21-74.  —  202)  W.  Schraid,  Hans  Muelich,  Miniaturmaler  am  Hofe  Albrechts  IV. 
V.Bayern:  ZBayerKunstgewV.  9,  S.  3/5,  81/4.  —  203)  E.  Chmelarz,  Jost  de  Negkers,  Helldunkelbll.  Kaiser  Max  u.  St.  Georg: 
JKSAK.  15,  S.  392/7.  —  204)  B.  Haendcke,  Jos.  Heinz,  d.  Hofmaler  Rudolfs  IL:  ib.  S.  45-60.  —  205)  P.  J.  Ree,  Wolf 
Traut:  ADB.  38,  S.  515/6.  —  206)  J.  E.  Wessely,  F.  Sustris:  ib  37,  S.  195/6.  —  207)  H.  A.  Lier,  Jan  Thomas:  ib.  38, 
S.  90.  —  208)  Samml.  Schubart.  E.  Ausw.  v.  Werken  alter  Meister.  Reprod.  in  Heliograv.  u.  Phototyp.  Text  v.  C 
Hofstede  de  Groot.  München,  Verlagsanst.  für  Kunst-  u.  Wissensch.  Polio.  VIII,  54  S.  Mit  24  Taf.  M.  100,00.  j[W.  v. 
Seydlitz:  AZg».  N.  23;  Th.  v.  Frimmel:  ZBK.  4,  S.  215/9.] |  —  209)  G.  Bauch,  Z.  Cranachforschung:  RepKunstw.  17, 
S.  421-35.  -  210)  X  (I  3:341.)  -  211)  (=  N.  186.)  —  212)  E.  Firmenich- Richartz,  D.  Flügelgemälde  d.  Essener 
Altares:  ZChrK.  7,  S.  226-30.  —  213)  X  J.  R.  Rahn,  B.  Haendcke,  Schweizer  Malerei  (JBL.  1893  I  11  :216):  Kunstchr.  5, 
S.  158-62.  —  214)  X  G.  Koetschau,  Barthel  Behani  (JBL.  1893  I  11:228).  |[W.  v.  Seydlitz:  RepKunstw.  16,  S.  73/4; 
Th.  v.  Frimmel:  Kunstchr.  5,  S.  241  2. |]  -  215)  X  L.  M.,  Adam  Krafts  Stationen  zu  Nürnberg:  ChristlKunstbll.  N.  8.  — 
216)  X  P-  J-  Ree,  Veit  Stoss:  BayerGewerbeZg.  N.  15.  -  217)  X  B-  T.,  P.  Vischers  Grabmal  d.  Kurfürsten  Friedrichs  d.  W.: 
D.  österr.-ung.  Bildhauer  u.  Steinmetz  N.  27.  —  218)  A.  Klemm,  Jörg  Syrlin  d.  Ae.:  ADB.  37,  S.  1668.  —  219)  id.,  Jörg 
Syrlin  d.  Jung.:  ib.  S.  168/9.  —  220)  J.  Wichner,  D.  Admonter  Plastiker  Thaddaeus  Stammel:  StMBCO.  S.  651/8.  — 
221)  X  Wilh.  Schmidt,    S.  Troger:    ADB.  38,    S.  634.    —   222)    A.  Ilg,   D.   Fischer   v.    Erlach.    I.    Leben  u.  Werke  Joh. 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.  I  9  1 222-234 

solche  blieb  es  auch  trotz  seines  erstaunlichen  Umfanges.  Vielleicht  wäre  wohl  auch 
möglich  gewesen,  sein  Material  noch  weniger  nach  einem  Buchplane,  sondern  viel- 
leicht gar  lexikalisch  zu  ordnen,  um  dann,  an  der  Hand  einer  solchen  Material- 
sammlung, in  künstlerischer  Behandlung  die  Art  und  das  hohe  künstlerische  Verdienst 
Fischers  darzustellen,  wozu  I.  ja,  wie  allbekannt,  im  hohen  Grade  befähigt  ist.  So 
wird  ihm  über  kurz  oder  lang  irgend  jemand  das  Fett  aus  seinem  Buch  wegschöpfen, 
um  die  eigene  Suppe  damit  zu  schmalzen.  Diese  Bedenken  mögen  ausgesprochen 
sein  im  Gefühl  des  Dankes  für  die  ausserordentlich  reichen  Ergebnisse  des  20jährigen 
Sammelfleisses,  denen  gegenüber  eine  im  Rahmen  dieses  Berichtes  zu  haltende  Be- 
sprechung sich  als  völlig  machtlos  erweist.  Es  ist  nur  gut,  auf  die  Planlosigkeit  der 
Forschung  über  die  Berliner  Baugeschichte  hinzuweisen,  um  zu  erkennen,  wie  hoch 
I.s  Arbeit  vom  rein  wissenschaftlichen  Standpunkt  einzuschätzen  ist.  —  In  engem 
Zusammenhang  mit  diesem  Hauptwerk  stehen  weitere  Publikationen  Ilgs223"224); 
so  jene  über  das  Palais  Kinsky  in  Wien,  eines  der  glänzendsten  Barockwerke  der 
Kaiserstadt,  wobei  auf  die  im  Hauptwerke  fehlende  Illustration  um  so  stärkeres  Ge- 
wicht gelegt  wurde.  Der  Bau  wurde  von  Hildebrand  für  den  Feldmarschall  Daun  mit 
vollendetem  Geschmack  errichtet  als  ein  Zeichen  des  hohen  Kunstsinnes  der  öster- 
reichischen Grossen  jener  Zeit.  Aehnliohe,  vorwiegend  bildliche  Darstellungen  bietet 
das  Werk  über  die  stattlichen  Hausthore  der  Barockzeit  Wiens.  —  Ein  zweites  Buch, 
das  die  Kunstgeschichte  der  Barockzeit  ruckweise  um  ein  tüchtiges  Stück  vorwärts 
brachte,  ist  das  Hagers225)  über  Wessobrunn.  Der  Vf.  giebt  hierin  nicht  nur  die 
Kunstgeschichte  des  berühmten  Klosters,  sondern  namentlich  eine  Darstellung  des  Kunst- 
treibens der  im  Schutze  des  Klosters  im  16.,  17.  und  18.  Jh.  blühenden  Schule  von  weithin 
wandernden  Stukkaturen,  Bildhauern  und  Architekten.  Diese  Darstellung  wirft  ein 
plötzliches  Licht  über  die  Möglichkeit  rascher  Stilverbreitung  durch  eine  einzige  wohl- 
geschulte Künstlerverbindung,  welche  Verwandtschaft,  Heimatsgemeinschaft  und  die 
Ueberlieferung,  nicht  aber  irgend  ein  geschriebenes  Gesetz  zusammenhielt.  Es  ist 
somit  ein  Einblick  nicht  nur  in  die  Kunstgeschichte  der  betreffenden  Zeit,  sondern 
auch  in  den  Werdeprozess  für  andere  Zeiten  der  Kunst  gegeben,  der  geradezu  über- 
raschend ist.  Denn  die  Erkenntnis  vom  gewaltigen  Wert  eines  solchen  „Kunstnestes" 
auf  das  ganze  Schaffen  weiter  Gebiete  muss  dahin  führen,  andere  solcher  Nester  aus- 
zuheben, deren  es  an  den  oberitalienischen  Seen,  im  Bregenzer  Land,  in  Tirol  und 
den  Ostalpen  sicher  noch  giebt.  Freilich  erscheint  zunächst  W'essobrunn  so  gross,  dass  man 
sich  schwer  vorstellen  kann,  dass  Aehnliches  sich  oft  wiederholt  habe226)  (s.o.N.  127).  — 
Diese  dem  süddeutschen  Barock  gewidmeten  Werke  werden  durch  mehrere  biographische 
Arbeiten  ergänzt227-229).  Nach  wie  vor  bot  die  Berliner  Kunstgeschichte  des  17.  und 
18.  Jh.  ein  reiches,  vielleicht  im  Verhältnis  zu  wichtigeren  oder  doch  gleich  bedeutenden 
Zweigen  der  Barockkunst,  zu  viel  bearbeitetes  Gebiet.  Leider  wirken  aber  noch 
die  einzelnen  Kräfte  in  völlig  unsystematischer  Weise;  sie  suchen  sich  gegenseitig 
durch  überraschende  Entdeckungen  zu  überflügeln.  Namentlich  klebt  der  archivalischen 
Erforschung  noch  ein  Zug  von  Dilettantismus  an,  der  nur  in  den  Arbeiten  von 
Seidel  völlig  überwunden  erscheint.  Es  wird  noch  zu  viel  „mit  heisser  Feder"  ge- 
arbeitet, mit  dem  Bedürfnis,  das  Gefundene  rasch  an  die  Oeffentlichkeit  zu  bringen. 
In  den  österreichischen  Urkunden  und  Regesten  wurden  1894  wieder  auf  215  Seiten 
über  1100  die  Kunst  betreffende  Aktenstücke  veröffentlicht:  Aus  dem  k.  u.  k.  Reichs- 
Finanz- Archiv  von  Kreyczi230),  aus  dem  k.  k.  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv  von 
H.  von  Voltelini231).  —  An  solchen  Arbeiten  eines  ruhig  schaffenden  Fleisses  er- 
kennt man  die  Schäden  der  Berliner,  durch  des  alten  Nicolai  Geistreichigkeit  noch 
heute  gründlich  verfahrenen  Kunstbeschreibung.  Josephs232)  Werk  über  dieParochial- 
kirche  giebt  einen  klaren  Bericht  von  Entstehung  und  Durchbildung  eines  Baues, 
zu  welchem  der  von  Nicolai  zum  grossen  Meister  erhobene  Nering  den  Entwurf 
lieferte.  Sein  erster  Plan  von  1694  ist  eine  rein  holländische  Saalkirche,  von  höchst 
bescheidenem  Kunstwert,  die  zweite  ausgeführte  leitet  J.  auf  St.  Maria  della  consolazione 
in  Todi  zurück.  Es  wird  mir  schwer,  an  eine  solche  direkte  Entlehnung-  zu  glauben ;  ich 
meine  vielmehr,  dass  hier  noch  unerschlossene  Einflüsse  sich  geltend  machten,  um 
Nerings  schwaches  Können  plötzlich  zu  einer  so  ansehnlichen  und  seinem  sonstigen 
Schaffen  gegenüber  fremdartigen  Leistung  zu  steigern.  —  Nerings  gesamte  künstlerische 
Persönlichkeit  behandelt  eingehend  Bor r mann233).     Er  ist  zwar  der  Ansicht,  dass 

Bernh.  Fischers  t.  Erlach  d.  Vaters.  Wien,  Konegen.  XIU,  819  S.  Mit  Bildn.  u.  1  Tah.  M.  20,00.  —  223)  id  ,  D.  Palais 
Kinsky  auf  d.  Freiung  in  Wien.  Wien,  Löwy.  16  S.  Mit  30  Taf.  in  Lichtdr.  M.  25,00.  |[MÖstrMusKunstInd.  9,  S.  158.]| 
—  224)  id.,  Portale  v.  Wiener  Profanbauten  d.  17.  u.  18.  Jh.  60  Lichtdr.  Wien,  Schroll.  18  S.  u.  2  Bll.  Text.  M.  60,00.  — 
225)  G.  Hager,  D.  Bauthätigkeit  in  Kloster  Wessobrunn  u.  d.  Wessobrunner  Stukkatoren.  München  (G.  Franz).  328  S.  Mit 
16  Abbild,  u.  9  Taf.  M.  5,00.  (Aus:  OberbayrA.  48,  S.  195-521.)  —  226)  id.,  Z.  Gesch.  d.  Barocks  u.  Rokoko  in  Altbayern: 
AZg».  N.  26.  -  227)  X  H-  A.  Lier,  P.  Troger:  ADB.  33,  S.  633  4.  —  228)  X  id-.  Joh.  Trautmann:  ib.  S.  5189.  —  229)  X 
(=N.  135.)  —  2301  F.  Kreyczi:  JKSAK.  15,  S.  I- XL VIII.  —  231)  H.  v.  Voltelini,  Aus  d.  k.  u.  k.  Hof-,  Haus-  n.  Staats- 
arch.:  ib.  S.  IL-CLXXIX.  —  232)  D.  Joseph,  D.  Parochialkirche  in  Berlin.  1694—1894.  E.  bau-  u.  kunsthist.  Stnd.  auf 
Grund  archival.  Quellen.  B.,  Bibliogr.  Bureau.  VI,  176  S.  Mit  11  Holzschn.  M.  2,50.  |[CBlBauverw.  S.  312;  C.  Gurlitt: 
KepKunstw.  17,3.278-80. Jj  —  233)  R.Borrm  an  n:  Joh.  Arn.  Nehring:  DBauZg.  S.  5013,  553/9.  -234)  X  G.  Galland,  D.  grosse 

(1)16* 


I  9:234-255  C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte. 

nicht  Nering  sondern  der  Pariser  Architekt  Blondel  das  Zeughaus  entwarf.  Hiermit 
ist  Nerings  Bedeutungslosigkeit  besiegelt.  Denn  was  er  sonst  schuf,  zeigt  so  sehr 
die  Spuren  der  Mittelmässigkeit,  dass  es  wahrlich  ein  verfehltes  Unternehmen  — 
wenigstens  im  Sinne  einer  gerechten  Verteilung  des  Studiums  über  die  ganze  Barock- 
architektur ist,  auf  diesen  Künstler  dritten  Ranges  immer  wieder  die  Aufmerksamkeit 
hinzulenken,  den  Hunderte  von  kaum  berücksichtigten  Baumeistern  weltferner  Klöster 
in  den  Thälern  der  Alpen  oder  dem  mitteldeutschen  Berglande  an  Können  und  an  Eigen- 
art übertreffen.  Zudem  sind  die  Schlüsse  B.s,  nach  welchen  er  Nering  u.  a.  das 
Fürstenhaus  zuschreibt,  mehr  als  gewagt;  es  fehlt  für  sie  immer  noch  an  einer 
einigermassen  ernsthaft  zu  nehmenden  Stilvergleichung.234)  —  Gelegentlich  der 
200jährigen  Wiederkehr  des  Tages,  da  Andreas  Schlüter235)  nach  Berlin  berufen 
wurde,  besprach  Borrmann236)  dessen  Lebenswerk.  Um  die,  wie  mir  scheint, 
im  Augenblicke  wichtigste  Frage,  welchen  Anteil  Schlüter  am  Berliner  Schlossbau 
gehabt  habe,  und  in  wie  weit  fremde  Hände  thätig  waren,  schlängelt  er  sich  mit  der 
Wendung,  „Schlüter  sei  auf  freieren  malerischen  Wechsel  der  Formen  ausgegangen", 
habe  demnach  einmal  mit  der  festen  Hand  eines  italienischen  Meisters,  das  andere 
Mal  mit  der  eines  in  Baukunst  dilettierenden  Bildhauers  geschaffen.  Ich  hoffe  noch, 
dass  es  in  dieser  Angelegenheit  einstens  so  ergehen  wird,  wie  in  den  vielen  anderen 
zur  Berliner  Baugeschichte.  Eines  Tages  wird  ein  dort  Einheimischer  dasselbe  „ent- 
decken", was  ich  in  meinem  Buche  über  Schlüter  schon  vor  Jahren  darlegte,  und 
von  dem  Augenblicke  an  wird  es  als  wahr  hingenommen  werden.  Solange  aber  dort 
jene  Leute  das  grosse  Wort  führen,  die  über  die  Bannmeile  von  Berlin  hinaus 
Barockkunst  nicht  studierten,  müssen  natürlich  die  Berliner  Meister  als  ganz  besonders 
gestaltete,  das  Unmögliche  leistende  gepriesen  werden237-238).  —  Die  Wiederher- 
stellung des  Flügels  am  Schlosse  zu  Königsberg  i.  Pr.,  von  dem  Ehrenberg  nach- 
wies, dass  ihn  ein  Architekt  Schultheis  von  Unfried,  nicht  aber  Schlüter  erbaute,  wurde 
durch  Knappe239)  bewirkt.  Es  nähert  sich  dieser  Bauteil  in  den  Formen  demjenigen 
am  Berliner  Schloss,   welcher   italienischen  Palastmotiven   folgt.  — 

Die  von  der  Berliner  kunstgeschichtlichen  Gesellschaft  veranstaltete  Aus- 
stellung240) (JBL.  1893  I  11  :  259)  von  Kunstwerken  aus  dem  Zeitalter  Fried- 
richs des  Grossen  brachte  noch  eine  Reihe  von  Untersuchungen  über  einzelne 
Gebiete  hervor.  So  arbeitete  S arre241)  über  die  Erzeugnisse  der  Silberschmiedekunst, 
Graul242)  über  das  Mobiliar,  W.  von  Seydlitz243)  über  das  Porzellan  der  Meissener 
Fabrik,  Stettiner244)  über  jenes  von  Vincennes  und  Sevres.  —  Die  wertvollsten 
Nachrichten  aber  brachte  Seidel245)  in  seinem  Aufsatz  über  das  Bildhaueratelier 
Friedrichs  des  Grossen  und  über  F.  G.  Adam,  S.  Fr.  Michel  und  J.  P.  A.  Tassaert, 
die  Meister,  welche  es  inne  hatten.  —  In  engstem  Zusammenhang  mit  diesem  Auf- 
satze steht  eine  zweite  Reihe,  in  welcher  Seidel246"247)  seine  archivalischen  For- 
schungen über  Friedrich  den  Grossen  als  Sammler  fortsetzt,  und  ein  Artikel  über 
ein  Pästellbild  J.  E.  Liotards;  sodann  aber  auch  eine  Betrachtung  Grauls248)  über 
die  französische  Malerei  am  Hofe  Friedrichs.  —  Derselben  Zeit  und  der  auf  sie  folgen- 
den gehören  Woermanns249)  umfassende  Untersuchungen  über  die  vorzugsweise 
in  Dresden  thätigen  Maler  Ismael  und  Anton  Raphael  Mengs  an,  jene  Meister,  die 
den  Wandel  zum  Klassizismus  so  mächtig  vorbereiteten.  — 

Die  Zeit  dieses  Ueberganges  vom  Rokoko  zu  der  klassischen 
Schule  in  Deutschland  gewinnt  für  die  Kunsthistoriker  sichtlich  an  Interesse.  Dies 
äussert  sich  in  der  wachsenden  Zahl  der  Studien  über  die  Kunst  dieser  Zeit.  Neben 
den  Biographien  über  die  Maler  Traunfellner,  über  die  Künstlerfamilie  Thomann 
von  Hagelstein  und  Tischbein,  und  anderen,  die  durch  den  Fortgang  der 
ADB.250"252)  bedingt  waren253),  erscheinen  die  grossen  Bildhauer  der  Zeit  wieder 
häufiger  in  der  Litteratur.  —  Eine  sehr  lesenswerte  Studie  über  den  alten  Schadow 
lieferte  Geiger254).  Es  war  bisher  Sitte,  Schadow  als  „Vorläufer"  der  höchsten 
Kunst  in  der  Bildnerei  zu  nennen  und  Tassaert  eine  kleine  Huldigung  dafür  dar- 
zubringen, dass  er  der  Berliner  Plastik  vorausgegangen  sei.    Mir  will   scheinen,  als 


Kurfürst  (JBL.  1893  UI  1  :  123).  |[F.  Richter:  DWB1.  7,  S.  252;  J.  Neuwirth:  ÖLB1.  3,  S.  17/9.] |  —  235)  X  *"•  Walle, 
Schlüters  Eintritt  in  d.  Dienst  d.  Gr.  Kurfürsten:  VossZg.  N.  364.  —  236)  R.  Borrmann,  A.  Schlüter:  CBIBauw.  S.  317/9, 
330/2,  350/1.  —  237)  X  A-  Hai  was,  A.  Schlüters  Masken  sterbender  Krieger.  B..  Stahn.  22  Aufnahmen.  M.  25,00.  — 
238)  X  F.  Eiselen,  D.  Umbau  d.  langen  Brücke  in  Berlin:  DBauZg.  S.  617/8,  625/7,  632,3.  —  239)  P.  Knappe,  D. 
Wiederherstell.  d.  Umfriedschen  Flügels  am  Schlosse  zu  Königsberg  i.P.:  CBIBauverw.  S.  33,9.  —  240)  X  W.  Gretor,  D.  alte 
Kunst  in  Berlin:  Zukunft  9,  S.  279-81.  (Vgl.  auch  Kunstgewerbe^.  5,  S.  162.)  —  241)  Fr.  Sarre,  Erzeugnisse  d.  Silber- 
schmiedekunst: JPrK.  15,  S.  26-40.  —  242)  R.  Graul,  D.  Mobiliar:  ib.  S.  127-35.  -  243)  W.  v.  Seydlitz,  D.  Porzellan  d. 
Meissener  Fabrik:  ib.  S.  135/9.  —  244)  R.  Stettiner,  D.  Porzellan  v.  Vincennes  u.  Sevres:  ib.  S.  140-57.  —  245)  P.  Seidel, 
D.  Bildhaueratelier  Friedrichs  d.  Gr.:  ib.  S.  101-76.  -  246)  id.,  Friedrich  d.  Gr.  als  Sammler:  ib.  S.  48-57,  81-93.  —  247) 
id.,  Pastellbildnis  d.  Grafen  Fr.  Algarotti  v.J.  E.  Liotard:  ib.  S.  122,4.—  248)  R.  Graul,  Franz.  Malerei  am  Hofe  Friedrichs  d.  Gr.: 
GraphKünste.  17,  S.  11-22.  —  249)  K.  Woermann,  Ismael  u.  A.  R.  Mengs:  ZBK.  5,  S.  7-14,  82-91,  163-76,  208-15,  285-93.  — 
250)  X  H.  A.  Lier,  J  Traunfellner:  ADB.  33,  S.  511.  —  251)  X  Wilh.  Schmidt,  Thormann  v.  Hagelstein:  ib.  S  65/6.  — 
252)  X  L.  Katzenstein,  J.  Tischbein  u.  seine  Brüder:  ib.  S.  362-71.  —  253)  X  k.  Geiger,  Berliner  Kunstausstell.  v. 
1798:  MVGBerlin.  S.  81/8.  —  254i  id.,  Vom  alten  Schadow:  WIDM.  77,  S.  80-95,  224-39,  314-21.    —    255)  X   E-  Lehmann, 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.  I  9  ■.  256-272 

sei  die  Zeit  nicht  fern,  in  der  man  von  Tassaert  zu  Schadow  und  endlich  zu  Rauch 
und  seiner  Schule  den  langsamen  Rückgang"  erkennen  wird,  derart,  dass  zwar  die 
Künstler  an  persönlichem  Gehalt  eine  steigende  Linie,  das  allgemeine  Können  um  sie 
herum  aber  eine  fallende  Linie  darstellt.  Mir  wenigstens  scheint,  als  seien  Büsten  von  dem 
Werte,  wie  sie  Tassaert  schuf,  in  der  ersten  Hälfte  des  19.  Jh.  nur  sehr  spärlich  wieder 
aufgetaucht.  Ueber  die  Schäden  der  idealistischen  Auffassung  der  Bildniskunst,  die 
nicht  den  Menschen  darstellte,  sondern  des  Künstlers  erhabenere  Vorstellung  von 
ihm,  kann  man  deutlich  an  den  Bildnissen  Goethes  erkennen.255)  —  Den  Maler  und 
Architekten  Friedr.  Thouret  behandelt  Win tterlin256),  indem  er  somit  auch  in  den 
Goethekreis 257)  einführt.  —  Der  für  die  ADB.  zu  liefernde  Aufsatz  über  A.  Trippel 
fiel  Lier258)  zu259-260).  —  Wenn  es  gleich  um  einen  Dänen  sich  handelt,  so  ist  doch 
Jul.  Langes261)  Buch  über  Thorwaldsen  hier  zu  nennen,  eine  der  feinsinnigsten 
Darstellungen  der  künstlerischen  Bestrebungen  jener  Zeit.  Die  in  Thorwaldsen  wirkende 
Mischung  von  Eigenart  und  einer  in  der  Darstellung-  fremder  Ideale  schwelgenden 
Phantasie,  von  nationaler  Selbständigkeit,  die  unwillkürlich  sich  äussert,  und  be- 
absichtigter Internationalität,  von  einer  in  den  Skizzen  sich  deutlich  äussernden  Rokoko- 
empfindung und  dabei  dem  Streben,  die  dieser  eigene  Schärfe  der  Charakteristik 
zu  mildern,  —  alle  die  Züge  einer  nach  Normen  suchenden  Zeit  sind  hier  meisterhaft 
dargelegt.  Da  ist  einer,  der  den  Klassizismus  „schon  wieder"  historisch  versteht, 
nachdem  er  an  der  Kenntnis  der  junghellenischen  Plastik  durch  die  moderne 
Kunstauffassung  sich  durchgerungen.262)  —  Die  Geschichte  der  jüngeren  Berliner 
Bildner  erhielt  eine  starke  Anregung  durch  die  von  der  Grimmstiftung  öffentlich 
ausgeschriebene  Aufgabe,  die  Entstehungsgeschichte  des  Denkmals  Friedrichs  des 
Grossen  in  Berlin  zu  behandeln.  Von  den  beiden  Bearbeitungen  von  Merckle263) 
und  Mackowsky264)  stand  nur  die  letztere  mir  zur  Berichterstattung  zur  Ver- 
fügung. Der  Vf.  behält  sich  in  dieser  ein  Werk  über  die  Reiterdenkmale  vor,  welche 
die  Ratlosigkeit  der  modernen  Plastik  ihren  monumentalen  Aufgaben  gegenüber 
dringend  erfordere.  Es  wäre  sehr  wünschenswert,  dass  er  den  Künstlern,  die  sich 
nicht  zu  helfen  wissen,  recht  bald  den  erlösenden  Rat  erteile.  Was  er  über  Schinkels 
Stellung  zu  seinen  Vorgängern,  über  die  Sachlage  in  Rom  zu  Anfang  des  Jh.  sagt, 
hätte  ebensogut  vor  30  Jahren  geschrieben  werden  können.  Das  Studium  des  18.  Jh. 
hat  diesen  Reformator  der  Denkmalplastik  noch  nicht  beschäftigt;  der  Rat,  den  dieser 
die  Kunst  Rauchs  ,,noch"  Verstehende  uns  erteilt,  dürfte  vielleicht  der  sein,  zu 
Rauch  zurückzukehren.  Sonst  ist  seine  kleine  Arbeit  brav  und  lesenswert,  der  In- 
halt ein  Blick  in  das  intimere  Treiben  am  preussischen  Hofe  und  in  die  bei  der 
Denkmalbildung  zu  Grunde  liegenden  Absichten  und  idealistischen  Ziele.265-267)  — 
Ueber  die  klassische  und  romantische  Periode  der  deutschen  Malerei 
lag  tiefes  Schweigen.  Die  spärlichen  sie  behandelnden  WTerke  konnten  im  Grunde 
nicht  mehr  thun  als  festzustellen,  dass  zwischen  der  Kunst  von  Cornelius  und  Rauch 
und  der  von  heute  eine  gleiche  Kluft  liegt,  wie  zwischen  Rokoko  und  Klassizismus. 
Gerade  die  wenigen  zu  erwähnenden  Arbeiten  bekräftigen  den  Bruch.  Die  Jul. 
Schnorr  von  Carolsfeld-Ausstellung  in  Frankfurt  am  Main  brachte  einen  Ueberblick 
über  die  Gesamtthätigkeit  des  Künstlers,  von  der  der  Katalog268)  seiner  dort  ver- 
einten Werke  Kunde  giebt.  Dies  war  die  Veranlassung,  dass  mehrere  Federn  sich 
zu  seiner  Charakteristik  regten269-271).  Den  meisten  Schriftstellern  kam  es  darauf 
an,  Schnorrs  Stellung  zur  Kunst  von  heute  festzustellen,  wobei  denn  meist  die  Er- 
kenntnis hervortrat,  dass  sein  fördersamer  Einfluss  bereits  mit  den  50er  Jahren  ab- 
schloss.  —  Ludwig  Richters  Lebenserinnerungen,  dieser  Hausschatz  des  deutschen 
Volkes,  erschienen  in  8.  Auflage,  herausgegeben  von  Heinrich  Richter272).  Als 
Schriftsteller  wie  als  Künstler  überdauert  der  schlichte  Mann  seine  vornehmen  Zeit- 
genossen. —  Ueber  ihn,  ferner  über  Carl  Madjera,  namentlich  aber  über  seinen  Vater 
Joseph     von    Führich     berichtet     die     schon     im     letzten     Bande     erwähnte     von 


Goethes  Bildnisse  u.  d.  Zarnckesche  Samml.:  ZBK.  5,  S.  249-58,  276-85.  —  256)  A.  Wintterlin,  F.  Thouret:  ADB.  3S, 
8.  1213.  —  257)  X  A.  Frhr.  v.  Berger,  Ueber  Goethes  Ansicht  v.  d.  Kunst:  MontagsR.  N.  20.  —  258)  H.  A.  Lier,  A. 
Trippel:  ADB.  38,  S.  6215  —  259)  X  D-  Burckhardt- Werthmann,  E.  Bäohel.  E.  Beitr.  z.  Baseler  Kunstgesch.: 
BaslerJb.  18,  S.  187-219.  —  260)  X  F-  Holtze,  Gemälde  v.  Rode  im  Kgl.  Kammergericht:  MVGBerlin.  S.  86/7.  -  261)  Jul. 
Lange,  Thorwaldsens  Darstellung  d.  Menschen.  E.  kunstgesch.  Umriss.  Uebers.  v.  Mathilde  Mann.  B.,  Siemens.  XII, 
144  S.     Mit  8  Vollbild,  u.  16  Textillustr.     M.  5,00.    -    262)  X  Leop.  Gustav,  Thorwaldsens  50j.  Todestag:    Didask.  N.  69. 

—  263)  O  X  XK.  Merckle,  D.  Denkm.  Friedrichs  d.  Gr.  in  Berlin.  Aktenmäss.  Gesch.  u.  Beschreib,  d.  Monuments.  B., 
Besser.     XV,  200  S.     Mit  1  Lichtdr.     M.  5,00.     |[VossZg.  N.  218:    LCB1.  S.  1342;    G.  A.:  Bär  20,  S.  531;  Grenzb.  2,  S.  191  2.]  | 

—  264)  H.  Mackowsky,  D.  Friedrichsdenkm.  nach  d.  Entwürfen  Schinkels  u.  Rauchs.  1822—36.    B.,  C.Vogt.    64  S.    M.  1,80. 

—  265)  X  Z.  50 j.  Gedenktage  d.  Vollend.  d.  Modells  z.  Rauchschen  Reiterstandbild  Friedrichs  d.  Gr.:  VossZg.  N.  318.  —  266)  X 
Jul.  Disselhoff,  E.  Rietschel,  d.  Schöpfer  d.  Lutherdenkmals.  2  Aufl.  Kaiserswerth,  Buchh.  d.  Diakonissen-Anst.  72  S. 
Mit  Abbild,  u.  Bildn.  M.  0,25.  —  267)  X  Rauch  u.  d.  Durchlaucht:  Bär  20,  S.  326.  —  268)  Kat.  d.  Ausstell,  v.  Werken 
Jul.  Schnorr  v.  Carolsfeld,  reranst.  v.  Freien  Dtsch.  Hochstift  in  Frankfurt  a.  M.  Juli  u.  Aug.  1894.  Frankfurt  a.  M.  (Gebr. 
Knauer).  XV,  112  S.  Mit  Abbild,  u.  1  Tafel.  M.  2,50.  |[V.  Valentin:  DWB1.  7,  S.  392/4;  Didask.  N.  176. J |  —  269)  X 
J.  Schnorr  v.  Carolsfeld.  Z.  100J.  Geburtst.:  BerlBörsCour.  N.  140.  —  270)  X  K-  Woermann,  J.  Schnorr  v.  Carols- 
feld.    E.    Gedenkbl.:    TglRs".    N.   69.    -     271)    X    J-    Schnorr    v.    Carolsfeld:    IUZg.    102,    S.   338.    —    272)    (IV    lc  :  62.) 


I  9:273-280  C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte. 

H.  von  Wörndle273)  herausgegebene  Sammlung  ausgewählter  Schriften  des  Lukas 
Ritter  von  Führich,  eines  österreichischen  Verwaltungsbeamten.  Vieles  ist 
fein  empfunden,  das  Ganze  von  echter  Religiosität  getragen,  ohne  dass  man  in  den 
Aufsätzen  ein  tieferes  Menschentum,  eine  starke  Eigenkraft  bemerkte.  —  Wolters- 
dorff274)  vollendete  sein  Essai  sur  la  vie  et  les  oeuvres  de  Rudolphe  Toepffer.  Zu- 
meist gilt  es  zwar  dem  Schriftsteller.  Aber  auch  die  Stellung  zur  zeitgenössischen 
Kunst,  namentlich  zu  den  Anfängen  der  Landschaftsmalerei  in  der  Schweiz,  zu 
Calame,  zur  Alpenlandschaft  findet  Erwähnung.275)  —  Eine  Beschreibung  von  An- 
selm  Feuerbachs  Leben  und  Wirken!  Sicher  eine  der  schönsten  Aufgaben,  die 
dem  Kunsthistoriker  winken:  den  Mann  zu  schildern,  der,  durch  den  Realismus  der 
auf  ihn  folgenden  Zeit  prophetisch  hindurchschauend,  das  kommende  Streben  nach 
selbständig  empfundener,  geschlossener  Form  im  Geist  erkannte  und  mit  allen 
Kräften  ihm  sich  hingab,  der  darum  noch  heute  Vielen  zu  wenig  wahr,  anderen  zu 
klassisch,  den  ganz  Alten  zu  persönlich,  zu  willkürlich  erscheint.  Er  ist  für  die 
Welt  nie  modern  gewesen  und  wird  es  nie  sein,  seine  Zeit  ist  auch  heute  noch  nicht 
gekommen  und  wird,  nie  kommen,  so  wenig  wie  die  Rethels.  Was  er  schuf,  ist  zu 
abstrakt,  zu  sehr  innerlich  verarbeitet,  um  je  der  Menge  gefallen  zu  können.  Ihm 
winkt  wohl  die  Hochachtung  der  Kunstgeschichte  und  das  Achselzucken  derjenigen, 
denen  die  Kunst  Freuden  bringen  „soll".  Das  alles  hat  der  Vf.  der  Lebens- 
beschreibung, der  wegen  der  treuen  Freundschaft  in  trüben  Tagen  und  wegen  seines 
frühen  Verständnisses  der  Eigenart  Feuerbachs  hochverdiente  Allgeyer276)  wohl 
empfunden.  Aber  er  hat  nicht  jenen  Ueberblick  über  die  zeitgenössische  Kunst,  um 
dem  Leser  die  Wandlungen  in  der  Entwicklung  des  Malers  und  der  Menschen 
klar  zu  machen,  er  bringt  in  dankenswerter  Weise  Thatsächliches-,  Neues  die  Fülle, 
er  würzt  es  mit  Funken  von  Feuerbachs  Geist,  er  ordnet  diese  in  die  Folge  der 
Lebensgeschichte  ein,  —  aber  es  fehlt  ihm  die  Kraft,  diese  zu  runden,  als  ein  Er- 
gebnis des  Mannes,  der  Zeit,  der  Weltströmungen  und  des  diese  überhastenden  Vor- 
wärtsdrängens schriftstellerisch  zu  gestalten.  Wie  Muther  richtig  ausführt,  ist  A.  trotz 
des  unmittelbaren  Verkehrs  mit  dem  Freunde  dem  Wesen  des  Künstlers  nicht  gerecht 
geworden,  wenn  ihm  auch  für  die  liebevolle  Darstellung  des  Lebensganges  dauernd 
zu  danken  sein  wird.  Mich  machte  eine  Stelle  im  Vorwort  des  Buches  stutzig,  nach 
welchem  dem  Vf.  die  Benutzung  der  Briefe  Feuerbachs  an  seine  Mutter,  die  beste  Kennerin 
des  Wertes  ihres  Sohnes,  und  anderer  Akten  von  der  Direktion  der  Berliner  National- 
galerie versagt  wurde,  welche  diese  vor  Jahren  von  Frau  Feuerbach  erwarb.  Etwa 
1890  ersuchte  mich  die  Mutter,  infolge  eines  Aufsatzes  über  den  Künstler,  ich  solle  dessen 
Leben  schreiben.  Die  Benutzung  jener  Akten,  welche  sie  für  mich  erbat,  wurde 
auch  ihr  versagt,  wie  ich  hörte,  weil  ein  Beamter  der  Galerie  ein  Werk  über  Feuer- 
bach vorbereite.  Ich  schwieg  damals,  da  die  Angelegenheit  zunächst  mich  persönlich 
betraf.  Frau  Feuerbach  schrieb  mir  in  ihrem  Unmute,  sie  wolle  in  ihrem  Testament 
jenen  Wunsch  nochmals  niederlegen.  Ob  dies  geschah,  weiss  ich  nicht.  Jedenfalls 
aber  ist  jenes  Werk  jetzt  (1896)  noch  nicht  erschienen,  und  es  zweifeln  die,  welche 
den  betreffenden  Beamten  kennen,  daran,  dass  es  je,  sicher  nicht  in  einer  des  Meisters 
Grösse  nur  einigermassen  entsprechenden  Form  erscheinen  werde.  Ich  möchte  aber 
fragen :  Sind  die  aus  Staatsmitteln  erkauften  Akten  für  die  Beamten  oder  für  die 
Nation  da?  Der  neue  Direktor  der  Sammlung  giebt  vielleicht  Aufschluss  hierüber.  — 
Unter  den  Künstlern,  welche  abseits  von  der  grossen  Heeresstrasse  sich  eigenartig 
entfalteten,  ist  Anton  Burger  erst  jetzt,  nach  seinem  Tode,  zu  vollen  Ehren  gelangt, 
durch  eine  Sonderausstellung277)  sowie  durch  Schilderungen  Anna  Spiers278"279). 
Aehnlich  wie  Spitzweg  und  der  Hamburger  Kauffmann  ist  er  ein  Genremaler  älterer 
Schule,  der  seiner  Zeit  zu  schlicht  und  zu  helläugig  war,  um  als  „bedeutend"  und 
„stilvoll"  zu  gelten.  —  Eine  wahre  Entdeckung  brachte  für  die  meisten  von  Ber- 
lepsch280)  durch  sein  Buch  über  Gottfried  Keller  als  Maler.  Auch  hier  ging  dem 
Buche  eine  Ausstellung  von  Werken  des  berühmten  Dichters  voraus,  die  den  wunder- 
vollen Mann  von  dieser  Seite  kennen  lehrte.  Aber  erst  durch  B.s  feinsinnige  Auf- 
fassung ist  uns  das  technisch  nicht  genügend  geschulte,  aber  künstlerisch  um  so 
weiter  dringende  Naturerfassen  des  tiefsinnigen  Schweizers  nahe  geführt  worden.  Das  ist 
nicht  Dilettantismus,  sondern  jenes  Schaffen  des  ohne  Arme  oder  doch  ohne  den 
allzeit  fertigen  Gebrauch  dieser  geborenen  Malers.      Meinte   man    einst,    das  Können 


—  273)  L.  Ritter  v.  Führich,  Ausgew.  Schriften.  Her.  v.  A.  v.  Wörndle  (JBL.  1893  111:298).  |[A.  v.  Maler: 
ÖLB1.  3,  S.  176/7;  G.  Grupp:  LRs.  20,  S.  135/6.]|  —  274)  H.  Wol tersdorff,  Essai  sur  la  vie  et  les  oouvres  de  Rudolphe 
Toepffer  (JBL.  1893  I  11:324).  II.  Progr.  Magdeburg,  Baensch.  29  S.  —  275)  X  Ed-  ß°d<  Notes  sur  la  peinture  alpestre: 
BURS.  62,  S.  318-37.  —  276)  J.  Allgeyer,  Ans.  Feuerbach.  Sein  Leben  u.  seine  Kunst.  Mit  e.  in  Kupfer  gest.  Selbstbildn. 
d.  Künstlers  u.  38  Text-Illustr.  in  Autotypie.  Bamberg,  Buchner.  XIV,  432  S.  M.  8,00.  |[R.  Muther:  Zeit  S.  89-90,  105/7; 
F.  Rieffei:  FZg.N.24.J|  —  277)  1).  Ant.  Burger- Ausstell,  in  Frankfurt  a.M.:  Didask.  N.  19.  -  278)  Anna  Spier,  A.  Burger: 
KunstUZ.  3,  S.  57-80.  —  279)  id.,  A.  Burger:  FZg.  N.  316.  —  280)  H.  E.  v.  Berlepsch,  G.  Keller  als  Maler.  Nach  seinen 
Erzählungen,  seinen  Briefen  u.  d.  künstl.  Nachl.  dargest.     L.,  Seemann.     V,  152  S.     M.  2,75.    |[F.  Avenarius:  Kw.  8,  S.  109; 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.  I  9:281-326 

mache  den  Künstler,  so  lehrt  Keller,  dass  ohne  dieses  das  Empfinden  Herzerquickendes 
zu  leisten  vermag. 2S1)  — 

Neuere    und  neueste   Zeit.    Während   Pechts    Buch    eine    erneute   Lob- 

E reisung  Hans  Makarts  bringt,  glaubt  von  Vincenti282)  ihn  bereits  gegen 
mterschätzung  verteidigen  zu  müssen,  indem  er  in  Wort  und  Bild  seine  Werke 
nochmals  vorführt.  — 

Nachrufe  wurden  einer  Anzahl  Münchener  Künstler  gewidmet  durch  ver- 
schiedene Federn283)  in  den  Journalen,  keinem  mehr  als  dem  in  noch  jungen 
Jahren  verstorbenen  Bruno  Piglhein.  Der  gut  illustrierte  Aufsatz  Böhms284)  dürfte 
zunächst  den  besten  Ueberblick  über  die  Leistung  des  Mannes,  jener  von  Becker285) 
über  seine  Persönlichkeit  bieten.  — 

Sodann  war  es  Hermann  Baischs  Tod286),  der  die  lebhafteste  Teil- 
nahme erregte.287"308)  — 

Die  leidige  Karl  S tauf fer- Angelegenheit309),  derentwegen  im  Vorjahr 
schon  so  viel  Tinte  geflossen  war,  hielt  Binswanger310)  für  nötig  von  der  psychia- 
trischen Seite  zu  beleuchten,  wobei  er  dann  zu  Ergebnissen  kam,  die  eigentlich  nichts 
anderes  bewiesen,  als  dass  seine  Wissenschaft  noch  sehr  mit  der  Stange  im  Nebel 
herumfahre.  Die  sich  daran  knüpfenden  Misshelligkeiten  werden  besser  nicht  weiter 
erwähnt.  — 

lieber  Arnold  Böcklin  erschienen  zwei  trefflich  illustrierte  Aufsätze  von 
F.  von  Ostini311)  und  Meissner312),  welche  Kunde  von  der  wachsenden  Be- 
geisterung für  den  Meistergeben.  —  Voll  feiner  Beobachtung  ist  He  lferi  chs313) 
Vergleich  zwischen  Munkaczy,  dem  Mann  der  Reklame,  und  Böcklin.314)  — 

Ebenso  hat  Bierbaums  Buch315)  über  Fritz  vonUhde  (JBL.  1893  I  11 :  352) 
die  zustimmende  Besprechung  seiner  Anschauungsgenossen  hervorgerufen.  — 
M  e  i  s  s  n  er316"317)  behandelte  den  Münchener  Meister  in  seiner  lebhaft  anerkennenden 
und  sorglich  um  das  Verständnis  bemühten  Art  in  zwei  Aufsätzen.  — 

Den  Dienst,  welchen  Bierbaum  Uhde  und  Stuck  leistete,  that  Kämmerer318) 
in  einer  eingehenden  Besprechung  seiner  Kunstart  für  Max  Lieber  mann,  während 
Th.  Wolff319)  diesen  allein  als  Radierer  betrachtete.  —  Otto  Feld320)  u.  a.321)  giebt 
einen  Ueberblick  über  sein  Schaffen  und  über  seinen  wachsenden  Einfluss  auf  das 
jüngere  Geschlecht.  — 

Bierbaums  Buch  über  Franz  Stuck  (JBL.  1893  I  11:359)  veranlasste  eine 
Anzahl  von  Besprechungen322)  und  mehr  oder  minder  selbständigen  Behandlungen 
desselben  Themas,  von  welchen  namentlich  jene  von  Anna  Spier323)  als  ein  gutes 
Mittel  zum  Verständnis  seiner  Art  um  der  reichen  Illustrationen  willen  hervorgehoben 
zu  werden  verdient.  — 

Max  Klingers  jüngerer  Ruhm  drang  mächtig  in  die  Weite.  Die  sorgsame 
Pflege,  welche  dieser  am  Dresdener  Kupferstichkabinet  fand,  brachte  ihn  einem  fran- 
zösischen Kritiker,  Michel324),  nahe,  der  sich  in  begeisterter  Form  über  den  jungen 
Meister  äusserte,  dem  er  den  ersten  Platz  in  der  deutschen  Kunst  neben  Menzel  zu- 
wies. —  Gurlitt325)  schildert  ihn  auf  Grund  persönlicher  Bekanntschaft.  —  Die 
„Brahmsphantasien"  und  andere  Neuschöpfungen  brachten  dem  Leipziger  Künstler 
lebhafte  Zustimmung326"328).  —  Die  in   seiner  Vaterstadt  erscheinende  ZBK.    söhnte 

J.  Proelss:  Vom  Fels  z.  Meer  2,  S.  262/4.] |  —  281)  X  C.  Brun,  G.  Keller  als  Maler.  (==  Njbl.  her.  v.  d.  Stadtbibl.  in  Zürich 
auf  d.  J.  1894.)  Zürich  (Faesi  &  Beer).  4°.  31  S.  Mit  Bildn.  u.  6  Taf.  M.  3,00.  —  282)  K.  v.  Vincenti,  Z.  10.  Todest. 
H.  Makarts:  Kunst  für  Alle  9,  S.  17-20.  —  283)  X  Vom  Fels  z.  Meer  2,  S.  41;  IllZg.  103,  S.  103;  EL  Rosenhagen-  TglRs« 
N.  166;  Max  Schmid:  ML.  63,  S.  944/6;  VossZg.  N.  327;  ÜL&M.  72,  S.  904;  J.  Elias:  FreisZg.  22.  Juli  (Charakteristik  u. 
persönl.  Erinnerungen.)  —  284)  G.  Böhm,  B.  Piglhein:  KunstUZ.  2,  S.  31-90.  —  285)  B.  Becker,  B.  Piglhein:  Nation«.  11, 
S.  626/7.  -  286)  X  ÜL&M.  72,  S.  743;  IllZg.  102,  S.  586/7;  Vom  Fels  z.  Meer  2,  S.  30;  TglRs«.  N.  116;  A.  R[osenberg]: 
ZBK.  5,  S.  259-62.  —  287)  X  Joh.  Max,  Carl  v.  Blaas :  AllgKunstChr.  6,  S.  289-98.  -  288)  X  *"•  Pecht,  W.  v.  Linden- 
schmit:  Kunst  für  Alle  9,  S.  344/6.  —  289)  X  Tn-  Horschelt:  ib.  S.  37-41,  529.  —  290)  X  A.  Fellin,  Edm.  Kanoldt,  d. 
Illustrator  u.  Landschafter:  Daheim  30,  S.  56;8.  —  291)  X  G.  V[osb],  L.  Bokelmann:  TglRs».  N.  90,  97.  —  292)  X  E- 
Stinkelberg,  L.  Bokelmann:  Kunst  für  Alle  9,  S.  149-51.  —  293)  X  Rnd-  Berger,  E.  dtsch.  Maler-Radierer  (B.  Mann- 
feld): AllgKunstChr.  6,  S.  457-62.  —  294)  X  C<  *•  Lützow,  L.  Carl  Müller:  GraphKünste.  17,  S.  1-10.  —  295)  X  H- 
Holland,  K.  Trost:  ADB.  38,  S.  653,6.  -  296)  X  K.  F.,  G.  Engelbach:  VossZg.  N.  539.  -  297)  X  E-  sch.,  Johannes 
Wölffle:  BBSW.  S.  190,2.  —  298)  X  H.  A.  Lier,  Gust.  Taubert:  ADB.  37,  S.  429-38.  —  299)  X  Py1.  R-  Fr-  K-  Saarland: 
ib.  S.  141.  —  300)XZ.  100J.  Geburtst.  d.  Hofmalers  W.  Hensel:  VossZg.  N.  310/1,315.-301)  X  W.  Sillem,  ChristofTer  Suhr  : 
ADB.  37,  S.  139-41.  -  302)  X  H-  A.  Lier,  K.  B.  Stürmer:  ib.  S.  51/2.  —  303)  X  '*•.  K-  G.  Ad.  Thomas:  ib.  38,  S.  91.  — 
304)  X  Ed.  Daelen,  A.  Tidemand:  ib.  S.  243/6.  -  305)  X  Gerhardt  v.  Reutern:  BaltMschr.  41,  S.  294-312,  333-74,494-511. 

—  306)  X  H.  A.  Lier,  P.  v.  Tiesenhausen:  ADB.  38,  S.  289-90.    —    307)  X  W.  Bernhardi,    Friedr.  Tieck:  ib.  S.  247-51. 

—  308)  X  Hermine  Villinger,  W.  Hasemann  u.  sein  Kunstlerheim  im  Schwarzwald:  VelhKlasMh.  1,  S.  297-305.  —  309)  X 
O.  Brahm,  K.  Stauffer  (JBL.  1893  I  11  :  16):  WIDM.  75,  S.  24,5.  —  310)  Rob.  Binswanger,  K.  Stauffer-Bern :  DR.  1,  S.  109-25. 

—  311)  F.  v.  Ostini,  A.  Böcklin:  VelhKlasMh.  2,  S.  31-51.  —  312)  F.  H.  Meissner,  A.  Böcklin:  KunstUZ.  1,  S.  21-34.  — 
313)  H.  Helferich,  Munkaczy  u  Böcklin:  Zukunft  9,  S.  497-504.  —  314)  X  A.  Böcklin:  BÜRS.  63,  S.  416.  —  315)  X  F- 
Kunert:  NZSt.  121,  g.  695/6;  J.  S.:  LCB1.  S.  22;  E.  Altkirch:  Zuschauer  2,  S.  380,1.  —  316)  F.  H.  Meissner,  F.  v.  Uhde: 
WIDM.  75,  S.  19-42.  —  317)  id.,  E.  Besuch  bei  F.  v.  Uhde:  Zukunft  6,  S.  331,4.  —  318)  L.  Kämmerer,  M.  Liebermann. 
(Erweit.  Abdr.  aus  JBK.)  L.,  Seemann.  17  S.  Mit  Abbild,  u.  5  Taf.  M.  5,00.  —  319)  Th.  Wolff,  M.  Liebermann  als 
Radierer:  BerlTBl.  N.  580.  —  320)  Otto  Feld,  M.  Liebermann:  N&S.  30,  S.  309-19.  —  321)  X  Ernst  Lehmann,  M.  Lieber- 
mann: BLU.  S.  369-71.  —  322)  X  sP-:  WIDM.  76,  S.  128;  Max  Schmid:  ML.  63,  S.821;  F.  H.  Meissner:  FrB.5,.S  148/5. 

—  323)  Anna  Spier,  F.  Stuck:  WIDM  76,  S.  545-63.  —  324)  E.  Michel,  M.  Klinger:  GBA.  35,  S.  361-83.  —  325)  C. 
Gurlitt,  M.  Klinger:  Kunst  für  Alle  9,  S.  65-75,  81/5.    —   326)  X  *"■  Avenarius,    Neues  v.  Rlinger:   TglRsB.  N.  24/5.  — 


I  9  :  327-357  C.  G  u  r  1  i  1 1 ,  Kunstgeschichte. 

sich  mit  seiner  Art  aus  und  Hess  seinen  Verehrern  das  Wort 32i,~330),  und  selbst  Rosen- 
berg 330a)  erkannte  an,  dass  er  in  der  Plastik  „eine  ziemlich  grosse  Gewandheit"  und 
dass  er  „tüchtig  zeichnen  gelernt  habe".  — 

Hans  Thoma  widmet  Bier  ba  um331)  eine  längere  Besprechung.  —  Es 
äusserte  sich  Weizsäcker332)  über  die  Lithographien  des  Luxemburgers  H.  Pidoll 
und  des  Frankfurters  Steinhausen,  als  zweier  hervorragender  Vertreter  der  Kunst- 
verjüngung auch  in  diesem  Gebiet.  —  Graul333)  tritt  für  Josef  Sattlers,  der 
Dürers  verwandte,  Zeichnungsweise  ein.334) —  Dem  Oesterreicher  Hans  Schwaiger 
widmete  Graul335)  eines  der  vornehm  ausgestatteten  Hefte  der  Graphischen 
Künste.336-340)  — 

Heinrich  Pudor310a)  veranstaltete  eine  „Einer-Ausstellung",  in  der  er  mit 
eigenen  Werken  gegen  die  Massenausstellungen  protestieren  wollte.  Ueber  den  Wert 
seiner  Bilder  und  Skulpturen,  die  ich  nicht  einmal  sah,  ist  hier  nicht  zu  urteilen. 
Wie  immer  leiden  die  dem  Katalog  beigegebenen  Aufsätze  bei  gutem  Grundgedanken 
unter  dem  Umstände,  dass  P.  sich  selbst  hoch,  vielleicht  viel  zu  hoch  hält.  Einen  der- 
artigen Irrtum  können  die  Menschen,  die  auf  Bescheidenheit  halten,  am  wenigsten 
vertragen.  Mir  will  scheinen,  dass,  was  in  seinem  Katalog  steht,  sehr  verständig  und 
bei  unbefangener  Durchsicht  für  P.  einnehmend  sei,  trotz  mancher  Uebertreibungen, 
und  dass  man  sehr  unrecht  thut,  sich  über  einen  Mann  zu  empören,  weil  er  sich 
vielleicht  zu  gewaltsame  Mühe  giebt,  nicht  so  zu  sein  wie  die  anderen  alle.  So  viel 
ich  weiss,  hat  er  noch  keinen  geschädigt  durch  seine  Eigenart  ausser  sich  selbst  und 
die,  welche  unbedingt  glauben,  die  Welt  könne  nur  glücklich  sein,  wenn  alle  in 
einer  Uniform  stecken.  Jedenfalls  sind  mir  seine  kurzen  Aufsätze  lehrreicher  als 
viele  längere  der  Weisesten  im  Senat  der  Kritiker.  — 

Der  Humoristen  unter  den  Zeichnern  zu  gedenken,  gab  das  Erscheinen  des 
100.  Bandes  der  „Fliegenden  Blätter"  Veranlassung.  Fred  Walter341)  widmete  ihnen 
einen  reich  illustrierten  Aufsatz. —  Wilhelm  Busch  wurde  von  Paul  Ernst342)  und 
Fuchs,  Adolf  Oberländer343)  von  Fuchs344)  allein  charakterisiert.  —  Hier  ist  wohl 
auch  das  Buch  Olindas345)  über  „Freund  Allers"  zu  nennen.  Die  kräftige  Ab- 
lehnung, welche  Avenarius  diesem  Afterrealisten  bot,  war  gewiss  allzu  aufdringlicher 
Lobhudelei  gegenüber  am  rechten  Platze.  — 

Woldemar  Friedrichs  Wandmalereien  im  Gymnasium  zu  Wittenberg  er- 
klärt der  Direktor  der  Anstalt  Guhrauer346)  in  einem  Vortrage.  —  Van  der  linden347) 
preist  die  Kunst  Hermann  Hendrichs  nicht  ohne  weidliches  Schimpfen  auf  jene, 
welche  ihm  in  seiner  Begeisterung  nicht  zu  folgen  vermögen;  Hermann  Prell 
und  Fritz  Röber  werden  als  Historienmaler  grösseren  Stiles  gefeiert. 348_34!')  — 

Am  bescheidensten  ist  die  schriftstellerische  Ernte  wieder  hinsichtlich  der 
Bildnerei.  Es  sind  zu  verzeichnen  nur  der,  anlässlich  der  Fertigstellung  des  grossen 
Brunnenwerkes  inDresden  geschriebene,  treffliche  Aufsatz  von  Paul  Schumann350)  über 
Robert  Diez,  der  Nachruf  zu  Victor  Tilgners  Tod  von  Sokal351),  Nachträge  zur 
Lebensbeschreibung  des  Wiener  Bildners  Hans  Gasser  von  Waizer352),  ein  Auf- 
satz über  Robert  Cauer,  den  Bildhauer  von  allerhand  „herzigen"  Süssigkeiten,  von 
Rosenberg353).  —  Erwähnt354)  seien  hier  ferner  die  liebevolle  Betrachtung  des  Lebens 
eines  wenig  beachteten  niederösterreichischen  Kirchenbildhauers,  Josef  Angeler 
von  Reimar355)  und  eine  Nachricht356)  über  einen  Tafelaufsatz  Karl  Winterhalters. 
In  der  Frage  des  Nationaldenkmals  für  Kaiser  Wilhelm  I.  ergriff  die  „Bauzeitung" 
wiederholt  das  Wort.  Fritsch357)  wendet  sich  noch  einmal  gegen  die  Aufstellung 
des  Nationaldenkmales  in  der  Achse  des  Schlossportales   mit  der  ihm  eigenen  Ruhe 


327)  X  id-,  M.  Klingers  Cyklus  „Vom  Tode":  Kw.  8,  S.  60/1.  —  328)  X  AI  fr.  Gotth.  Meyer,  M.  Klingers  Brahras- 
phantasien:  ML.  63,  S.  170/7.  —  329)  X  Hans  W.  Singer,  M.  Klingers  Gemälde:  ZBK.  5,  8.  49-54.  —  330)  X  A-  See- 
mann, D.  Klinger-Ausstell.  in  Leipzig:  Kunstchr.  5,  S.  203/6.  —  330a)  A.  Rosenberg,  D.  Maler  u.  Kadierer  M.  Klinger: 
ib.  S.  208/9.  -  331)  Otto  J.  Bierbaum,  H.  Thoma:  Ges.  S.  1017-30.  -  332)  H.  Weizsäcker,  H.  Pidoll  u.  Steinhausen: 
GraphKünste.  16,  S.  90/6.  —  333)  R.  Graul,  J.  Sattler:  ib.  S.  102/4.  —  334)  X  p-  Jessen,  J.  Sattler,  e.  dtsch.  Zeichner: 
Kunstgewerben.  6,  S.  25.  —  335)  R.  Graul,  Hans  Schwaiger  (Aus:  GraphKünste.)  Wien,  Ges.  für  vervielfält.  Kunst. 
Fol.  13  S.  Mit  3  Taf.  u.  21  Abbild.  M.  9,00.  —  336)  X'D-  Affenmenschen  v.  Gabr.  Max:  Grenzb.  3,  S.  432.  —  337)  X  F- 
Pecht,  F.  v.  Defregger:  Kunst  für  Alle  9,  S.  209-13.  —  338)  X  id-.  Jal-  Adam:  ib.  S.  50/1.  —  339)  X  C.  v.  Lützow,  F 
Simm:  ZBK.  5,  S.  15-20.  —  340)  X  ö.  Fuchs,  Alb.  Keller:  AllgKunstChr.  6,  S.  2-10.  —  340a)  H.  Pndor,  Einer-Ausstell. 
Kat.  d.  Ausstell,  v.  Werken  d.  bild.  Kunst.  2.  Aufl.  Mit  e.  Vorw.  L.,  Selbstverl.  19  S.  0,65.  —  341)  Fred  Walter,  E. 
Jubil.-Stud. :  KunstüZ.  1,  S.  75-118.  —  342)  Paul  Ernst,  W.  Busch:  ML.  63,  S.  20/3.  —  343)  G.  Fuchs,  W.  Busch: 
AllgKunstChr.  6,  S.  33/7.  —  344)  id.,  Ad.  Oberländer:  ib.  S.  37/8.  —  345)  Alex.  Ol  in  da,  Freund  Allers.  E.  Künstlerleben. 
Mit  Bildern  v.  C.  W.  Allers.  St.,  Union.  X,  336  S.  M.  20,00.  |[Joh.  Proelss:  Gartenlaube  S.  820;  F.  Avenarius: 
Kunstw.  8,  S.  121/2.]|  —  346)  H.  Guhrauer,  D.  Wandgemälde  in  d.  Aula  d.  Gymn.  zu  Wittenberg.  Festrede.  Progr.  Witten- 
berg, Wattrodt.  14  S.  Mit  1  Taf.  —  347)  Ch.  Vanderlinden,  H.  Hendrich:  AllgKunstChr.  0,  S.  193-200.  —  348)  H.  V., 
H.  Prell.  E.  dtsch.  Geschichtsmaler:  NorddAZg.  N.  204.  —  349)  F.  Röbers  Untergang  d.  nord.  Götterwelt  u.  d.  Erscheinen 
d.  Christentums:  ZBK.  5,  S.  97-101.  —  350)  P.  Schumann,  Rob.  Diez:  Kunst  für  Alle  9,  S.  129-34,  145-54.  —  351)  C 1. 
Sokal,  V.  Tilgner:  AllgKunstChr.  6,  S.  1016.  —  352)  R.  Waizer,  Biographisches  über  Hans  Gasser:  Carinthia  1,  S.  72-80, 
148-54,  178-83.  —  353)  Ad.  Rosenberg,  Rob.  Cauer:  Daheim  30,  S.  840,3.  —  354)  X  E-  Jul-  Hähnel,  Litt.  Reliquien  (JBL.  1893 
I  11  :  21):  TkIRsH.  N.  25.  —  355)  S.  Reimar,  Jos.  Angeler:  Neukirchner  Bezirksbote  S.  97;9.  —  356)  K.  Winterhalters  Tafel- 
aufsatz: Gartenlaube  S.  292.    —    357)    K.  E.  O.  Fritsoh,    Noch  einmal  d.  Frage  d.  Nationaldenkmals  für  Kaiser  Wilhelm  I.: 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.  I  9:858-374 

und  Sachlichkeit.  —  Theoretisch  behandelte  die  Frage  Albert  Hofmann358)  in  einem 
Vortrage:  Die  Gestaltung  von  „Nationaldenkmälern",  welche  im  wesentlichen  einen 
Ueberblick  über  Inhalt  und  Wert  der  älteren  Denkmäler  und  die  daraus  sich  er- 
gebenden Nutzanwendungen  bietet359"359-1).  —  Die  Geschichte  der  Denkmale  im  all- 
gemeinen bespricht  Rieh.  M.  Meyer360),  indem  er  auf  deren  Vergänglichkeit  weist. 

—  Solche  zu  hemmen,  ruft  von  Oidtmann361)  zum  Schutze  der  älteren  Werke 
dieser  Art  auf.  — 

Architektur.  Die  Frage  des  protestantischen  Kirchenbaues,  welche  durch 
das  Werk  der  „Vereinigung  Berliner  Architekten"  angeregt  worden  war,  fand  eine 
gründliche  Behandlung  auf  dem  ersten  Kongress  für  denKirchenbau  des  Protestantismus. 
Die  „Vereinigung"  gab  einen  eingehenden  Bericht362)  über  den  Verlauf  sowie  über 
die  Hauptvorträge  (J.  Otzen,  Nik.  Müller,  Com.  Gurlitt,  Otto  March,  Orth,  C.  Doflein  usw.) 
heraus.  —  Das  Ergebnis  der  Berliner  Besprechung  war  ein  sehr  erfreuliches.  War  es  das 
Ziel  gewesen,  gegen  die  formalistisch-gotisierenden  Bestrebungen  der  im  Kirchenbau 
noch  vorherrschenden  Romantik  zu  Gunsten  einer  klaren  Zweckstrebigkeit  Sturm  zu 
laufen,  so  war  der  Erfolg  geradezu  überraschend.  Ernstlich  hielten  die  Romantiker 
kaum  stand,  das  ihnen  als  Norm  geltende  sog.  „Eisenacher  Regulativ"  wurde  völlig 
verleugnet,  dem  Grundgedanken,  dass  die  religiösen  Anschauungen  der  Gemeinde 
und  die  aus  diesen  sich  ergebenden  Forderungen  der  Liturgie  den  Ausschlag  der 
„Tradition"  gegenüber  zu  geben  habe,  wurde  nur  schwach  widersprochen.  Eine 
umfangreiche  Litteratur  schloss  sich  dem  Kongress  an,  aus  welcher  Marchs363)  treff- 
liche, Bemerkungen  und  Salzmanns364)  Vortrag  genannt  sein  mögen364*).  —  Die 
planmässige  Erforschung  des  deutschen  Bauernhauses  und  der  dabei  entwickelten 
Volkskunst  ist  in  das  Arbeitsprogramm  des  Verbandes  deutscher  Architekten-  und 
Ingenieurvereine  aufgenommen  worden365).  —  Die  somit  gegebene  Anregung  äusserte 
sich  dann  auch  im  Erscheinen  mehrerer  hierher  gehöriger  Arbeiten.  Kossmann366) 
veröffentlichte  eine  sehr  gediegene  Abhandlung  über  das  alemannische  Bauernhaus, 
Eisenlohrs  ältere  Arbeit  hierüber  in  wertvoller  Weise  ergänzend.  —  Das  Thüringer 
Bauernhaus  fand  auf  der  Erfurter  Gewerbeausstellung  eine  praktische  Darstellung367).  — 
In  gleichem  Sinne  gehalten  ist  Eigls368)  noch  umfangreichere  Veröffentlichung  über 
das  Salzburger  Bauernhaus  und  zwar  vorzüglich  über  den  Pinzgau,  wo  die  auch 
hier  meist  aus  Holz  errichteten  ländlichen  Bauten  in  eingehendster  Weise  geschildert 
werden.  —  Aehnlich  Bunker369)  über  die  deutsch-ungarischen  Bauernhäuser.  — 
Diese  neuen  Aufnahmen  erfolgten  in  einer  von  der  früheren,  zumeist  von  Anthropologen 
ausgehenden  Darstellung  abweichenden,  nicht  bloss  die  Grundrissverteilung  und  das 
äussere  Bild,  sondern  das  Wichtigste,  die  Konstruktion,  berücksichtigenden  Art.  —  In 
gleicher  Richtung  wirkte  Gruners  (JBL.  1893  111:  166)  kleines  Buch,  welches  noch 
kürzlich  besprochen  wurde370).  —  Hier  sind  auch  die  den  Burgenbau  betreffenden 
Arbeiten  hervorzuheben,  die  ebenfalls  auf  die  Erkenntnis  des  alten  Wohnungswesens  neben 
der  des  Festungswesens  hinzielen371"372).  —  Dem  volkstümlichen  Schmuck  der  Häuser, 
namentlich  der  Hausmalerei373)  in  den  Alpen,  wendete  man  gleichfalls  das  Augenmerk  zu. 

—  Eine  Frage  von  allgemeinem  künstlerischen  Interesse  beschäftigte  die  Architekten 
aufs  lebhafteste:  die  des  Städtebaues,  der  Gestaltung  der  Strassen  auch  nach  der 
ästhetischen  Seite  hin.  Der  Aachener  Professor  Henrici,  der  Wiener  Camillo  Sitte, 
in  minder  weitblickender  Art  noch  der  Kölner  Stubben  haben  in  jüngster  Zeit  die 
Ansichten  nach  dieser  Richtung  hin  ganz  umgeformt.  Theoretisch  behandelte 
Henrici373'1)  die  Angelegenheit  nochmals  in  einem  sehr  beachtenswerten  Aufsatze: 
„Einiges  zur  Beachtung  bei  Anlage  von  Strassen,  Plätzen  und  Gebäuden  auf  unebenem 
Gelände".  —  Die  von  K.  E.  O.  Fritsch  und  A.  Hofmann  meisterhaft  redigierte  und 
in  allen  dem  Fortschritte  dienenden  Fragen  führende  „Deutsche  Bauzeitung"  widmete 
überhaupt  dieser  Frage  viele  Aufmerksamkeit373b).  —  Die  Fertigstellung  des  Reichstags- 


DBanZg.  S.  57/9.  —  358)  Alb.  Hofiuann,  D.  Gestaltung  d.  Nutionaldenkm.:  ib.  S.  1817,  1936.  —  359)  X  P-  Walle,  D. 
neueste  Entwurf  für  d.  Kaiser  Wilhelm-Denkm.  in  Berlin:  Atelier  N.  6.  —  359a)  O  X  X  H.  Maertens,  D.  dtsch.  Bild- 
säulen-Denkm.  d.  19.  Jh.  11.  15.  Heft.  St.,  J.  Hoffmann,  ä  4  Lichtdr.  u.  4  Bll.  Text.  S.  45-65.  |[VossZg.  N.  572] |  —  360) 
Rieh.  M.  Meyer,  D.  Schicksale  d.  Denkmäler:  Nation«.  11,  S. 713/5.  —  361)  (14:22a.)  —  362)  Vereinig.  Berliner  Architekten. 
1.  Kongress  für  d.  Kirchenbau  d.  Protestantismus.  Abgeh.  in  d.  Neuen  Kirche  zu  Berlin  am  24.  u.  25.  Mai  1894.  B.  (Greve). 
60  S.  —  363)  0.  March,  Unsere  Kirchen:  BayreuthBll.  17,  S.  160  7.  —  364)  Salzmann,  D.  Kirchenbau  d.  Protestantismus: 
DPB1.  27,  S.  398,9.  —  364a)  X  J-  L-  Sponsel,  D.  Frauenkirche  zu  Dresden  (JBL.  1893  I  11  :  162).  |[A.  v.  Oechelhäuser: 
NASächsG.  15,  S.  338-41;  C.  Gurlitt:  RepKunstw.  16,  S.  278-80.]|  —  365)  X  D-  planmäss.  Erforsch,  d.  dtsch.  Bauernhauses. 
Arbeitsprogr.  d.  Verbandes  dtsch.  Architekten  u.  Ingenieure:  CBIBauverw.  8.  363.  (S.  auch  DBauZg.  N.  479.)  —  366)  B. 
Kossmann,  D.  Bauernhäuser  im  bad.  Schwarzwald.  (Aus  ZBauwesen.)  B.,  Ernst  &  Sohn.  Folio.  26  S.  Mit  108  Abbild, 
n.  5  Taf.  M.  12,00.  (Vgl.  I  4:218.)  —  367)  CBIBauverw.  S.  272.  —  368)  J.  Ei  gl,  D.  Salzburger  Gebirgshaus.  Wien,  A. 
Lehmann.  Fol.  IV,  40  S.  Mit  67  Textillustr.  u.  37  Taf.  M.  30,00.  —  369)  J.  ß.  Bunker,  Typen  v.  Bauernhäusern  aus  d. 
Gegend  v.  Oedenberg  in  Böhmen.  (Aus  MAnthrGesWien.)  Wien,  (A.  Holder)  4°.  16  S.  Mit  14  Abbild.  M.  1,60.  |[Alb. 
Hofmann:  DBauZg.  S.  473/4;  O.  Marmorek:  ÜL&M.  72,  S.  794/5.] |  -  370)  X  Didask.  N.  205.  —  371)  X  P  Clemen, 
Tiroler  Burgen.  Wien,  Braumüller.  IV,  141  S.  Mit  Abbild.  M.  5,00.  —  372)  X  Ant.  Peter,  Burgen  u.  Schlösser  im 
Herzogt.  Schlesien.  Teschen,  Prochaska.  XVIII,  253  S.  M.  5,00.  —  373)  X  K-  Atz,  Tiroler  Hausmalerei:  BepKunstw.  17, 
S  436  8.  —  373a)  K.  Henrici,  Einiges  z.  Beachtung  bei  Anlage  t.  Strassen,  Plätzen  u.  Gebäuden  auf  unebenem  Gelände: 
DBauZg.  S.  5012,  5079.  -  373b)  X  ib-  s-  5/6>  65.7'  70/2-  123/5-  133  5>  377A  608-10.  —  374)  K.  E  O.  Fritsch,  D.  Beichs- 
Jahresberiohte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (l)l' 


I  9:374-413  C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte. 

gebäudes  und  die  keineswegs  freundliche  Stellung,  welche  Kaiser  Wilhelm  IL  zu 
diesem  Bau  und  zu  seinem  Schöpfer  Paul  Wallot  nahm,  brachte  eine  ganze  Litteratur 
zu  Wege.  Das  sachlich  Wertvollste  durften  die  Fachgenossen  des  Künstlers  über 
den  Bau  gesagt  haben;  so  Fritsch374),  der  dem  Erbauer  freundschaftlich  nahe 
steht,  ohne  sich  hierdurch  in  seiner  ausserordentlichen  Klarheit  des  Urteils  bestimmen 
zu  lassen.  —  Streiter375)  vermochte,  als  Mitarbeiter  Wallots  (1888—94)  in  alle  Einzel- 
heiten eingeweiht,  dabei  ein  denkender  Kopf,  dem  Wesen  seines  Meisters  trefflich  zu 
folgen.  —  Auch  R  ap  s  i  lb  e  r376)  liess  eine  Broschüre  erscheinen,  worin  er  die 
Baugeschichte,  die  Baubeschreibung  und  einen  Lebensabriss  des  Künstlers  gab, 
welche  den  späteren  Arbeiten  meist  zu  Grunde  gelegt  wurden.  —  Besonders  lebhaft 
wurde  der  Ton  durch  die  unverständige  und  eben  in  diesem  Unverstand  harmlose 
Kritik,  mit  welcher  C.  von  L  ü  t  z  o  w 377)  den  Bau  und  die  Berliner  Baukunst  über- 
haupt abkanzelte.  Sie  gab  zu  scharfen  Entgegnungen  Anlass378"380).  —  Mit  des  Wiener 
Architekten  K.  von  Hasenauer  Tod  trat  die  grosse  Frage  seines  Lebens :  welchen 
Anteil  er  neben  Semper  am  Entwurf  der  Wiener  Museumsbauten  habe, 
wieder  lebhafter  hervor.  Wie  Hasenauer  sich  bei  Lebzeiten  sehr  bemühte,  die  An- 
erkennung als  eigentlicher  Erfinder  jener  Bauten  auf  sich  zu  lenken  —  ich  habe  ein  Schreiben 
dieses  Inhalts  selbst  in  Händen  gehabt  — ,  so  beeilte  sich  auch  die  Wiener  Presse381) 
nach  seinem  Tode  diese  Ansicht  zu  verbreiten.  —  Dies  gab  dem  Sohne  Gottfried 
Sempers,  Manfred  Semper382),  Veranlassung,  die  Sachlage  unter  Beibringung 
eines  grossen  Aktenmateriales  klar  zu  legen,  aus  welchem  deutlich  hervorgeht,  wie 
Semper  nicht  nur  als  Künstler,  sondern  auch  als  Mensch  seinem  einstigen  Genossen 
überlegen  war.  und  wie  viel  mehr  die  Bauten  seines  als  des  jüngeren  Architekten 
Geistes  sind.  —  In  den  Besprechungen383"388)  von  Hasenauers  Lebenswerk  klingt 
diese  Frage  überall  an.  —  Von  den,  anderen  verstorbenen  Architekten  gewidmeten 
Nachrufen  sind  die  auf  Denzinger  von  G.  von  Bezold389),  auf  C.  Lipsius  von 
Gu  r  1  i  1 1390),  auf  O.  Sommer391"392)  von  zwei  Ungenannten  hervorzuheben.  — Biographien 
von  Baumeistern  verschiedener  Jhh.  und  Epochen  seien  hier  kurz  angemerkt393"399).  — 

Der  Tod  hat  unter  den  Kunsthistorikern  wieder  seine  Ernte 
g-ehalten  und  somit  auch  zu  Nachrufen  Anlass  gegeben.  Die  Erinnerungen  an 
Ludwig  Pfau  sind  freilich  lediglich  dem  Dichter  gewidmet  gewesen.  —  Aber 
die  Nachrufe  auf  Robert  Dohme  von  Seidel400)  und  Jordan401),  auf  Hubert 
Janitschek  von  H.  von  Tschudi402),  auf  Julius  Meyer403)  von  Rosenberg404), 
auf  Quirin  Ritter  von  Leitner  von  H  e  i  n  r.  Zimmermann405),  auf  Valentin 
Teirich,  den  Wiener  Architekten  und  Herausgeber  italienischer  Kunstdenkmäler,  von 
Lier406),  auf  Moritz  Thausing  von  T  h.  von  Frimmel407),  auf  Sulpiz  Boisseree408) 
und  auf  Joh.  Trost  wiederum  von  Lier409),  geben  über  die  deutsche  Kunstforschung 
weitere  Aufschlüsse.  — 

Specialgebiete:  Vervielfältigende  Künste.  Das  Handbuch 
Lippmanns  (JBL.  1893  I  11:411)  über  die  Kupferstechkunst  besprach  Singer410), 
indem  er  bei  manchem  Widerspruch  in  speciellen  Fragen  die  Gesamtanlage  als  eine 
treffliche  pries.  —  Einen  populären  Ueberblick  über  die  Holzschnittkunst  gab 
Sondheim411).  —  Ein  Sondergebiet,  die  Kupferstecher  Mährens,  hat  sich  Schräm412) 
zur  Bearbeitung-  gewählt.  Sein  Verzeichnis  bringt  zwar  mancherlei  dankenswertes  Neues, 
leider  aber  nicht  über  den  wichtigsten  der  Stecher,  überWenzel  von  Olmütz,  indem  hier  ledig- 
lich Schmids  und  Lehrs  Forschungsergebnisse  kurz  wiedererzählt  werden.  —  Lehrs413) 

haus:  DBauZg.  S.  553/6,  565/6,  577-30,  589-92,  597-600.  -  375)  R-  Streiter,  D.  neue  Reichstagshaus  in  Berlin  v.  P.  Wallot. 
E.  baugesch.  Darstell.  (Aus  CBIBauverw.)  B.,  Ernst  &  Sohn.  Folio  23  S.  Mit  17  Abbild,  u.  5  Taf.  M.  5,00.  —  376)  M. 
Rapsilber,  D.  Raichstagshaus  in  Berlin.  E.  Darstell.  d.  Baugesch.  u.  d.  künstlerischen  Ausgestalt,  d.  Hauses.  B.,  Siemens. 
80  S.     Mit  2  Illustr.     M.  1,80.      [VossZg.  N.  574.]|   -  377)  C.  v.  Lützow,  D.  neue  Reichsgebäude  in  Berlin:  NFPr.  N.  10815. 

—  378)  X  K-  Th.  O.  Fritsch,  D.  Urteil  e  Kunsthistorikers  über  d.  neue  Architektur  Berlins:  DBauZg.  S.  505-10.  —  379)  X 
H.  Schliepraann,  Vom  neuen  Reichstagsgebäude.  E.  Stud.  über  d.  Fragen  d.  Monnmentalkunst:  TglRsB.  N.  165/6,  168.  — 
380)  X  C.  Gurlitt,  Wallot  u.  d.  Reichstagshaus:  VelhKlasMh.  1,  S.  241-56.  —  381l  FrBIW.  N.  5.  —  382)  M.  Semper, 
Hasenauer  u.  Semper:  ABauZg.  S.  57-63,  75-82,  85-96.  |  Mit  6  Taf.)  -  383)  X  v-  Doderer,  K.  Frhr.  v  Hasenauer:  ib. 
S.  29-31.  —  384)  X  Frhr.  v.  Hasenauer:  SchorersFaiuilienbl".  N.  5.  -  385)  X  J-  v-  Falke,  Hasenauer  als  Künstler: 
WienerZg.  N.  10.    —    386)  X  B-  Ranzoni,  Hasenauer:  Didisk.  N.  10.  —  387)  X  K-  Prnr-  v-  Hasenauer:  ÜL&M.  71.  S.  362. 

-  388)  X  F-  v-  Feldegg,  K.  v.  Hasenauer:  CBIBauverw.  S.  13/4.  —  389)  G.  v.  Bozold.  F.  3.  v.  Denzinger:  CBIBauverw. 
S.  82.  (S.  auch  Carl  Weber:  SüddBauZg.  S.  72/6:  DBauZg.  S.  111/3.)  -  390)  C  Gurlitt:  Const.  Lipsius:  ib.  S.  157/8. 
(S.  auch  DBauZg.  S.  195)  -  391)  K„  0.  Sommer:  ib.  S.  76.  -  392)  L.,  O.Sommer:  DBauZg.  S.  100,  l.  -  393)  X  H- Hol  land, 
Ivo  Thürmer:  ADB.  38,  S.  221,2.  -  394)  X  G.  Veesenmeyer,  Ferd.  Thrän:  ib.  S.  127.  —  395)  X  J-  Stammler,  Joh.  G. 
Müller,  Architekt  u.  Dichter.  (1822-49):  SchwRs.  4,  S.  41-54,  167-76.  —  396)  X  L-  TrZesch tik,  Joh.  G.  Müller: 
ABauZg.  S  7/8.  —  397)  X  K.  Weiss,  H  Tschorte:  ADB.  38,  S.  716/3.  (Mit  Dürer  bekannt  gewesen.)  -398)  X  A.  Klemm, 
Aberlin  Tretsch:  ib .'S.  577/9.  —  399)  X  &  ▼■  L&tzow,  Z.  Gedächtnis  Friedr.  Schmidts:  Kunstchr  5,  S  531/4.  (S.  auch: 
ÖLBI.  3,  S.  465.)  —  400)  P.  Seidel,  R.  Dohme:  RepKunstw.  17,  S.  8/9.  -  401)  M  Jordan,  R.  Dohme:  JPrK.  15,  S.  3/4.  — 
402)  H.  v.  Tschudi,  Hub.  Janitschek:  RepKunstw.  17,  S.  17.  (Vgl.  JBL  1393  I  11:4013.)  -  403)  X  J*L  Meyer: 
JPrK.  15,  S.  61,4.  —  404)  Ad.  Rosenberg,  Jul.  Meyer:  Kunstchr.  5,  S.  425-30.  —  405)  II  ein  r.  Zimmermann,  Quirin 
Ritter  v  Loitner:  JKSAK.  15,  S.  393-405.  —  408)  H.  A.  Lier,  Val.  Teirich:  ADB.  37,  S.  550/2.  -  407)  Th.  v.  Fr  i  mmol, 
Moritz  Thausing:  ib.  S.  660/4.  —  408)  X  Sulpiz  Boisseree:  DEB1I.  19,  S.  846  52.  -  499)  H.  A.  Lier,  Joh  Trost:  ADB.  38, 
S.  653.  -  410)  W.  Singer:  RepKunstw.  17,  S.  165/8.  -  411)  M.  Sondheim,  Ueber  d.  dtsch.  Holzschnitt:  BFDH.  10, 
S.  123-37.  —  412)  W.  Schräm,  Verzeichnis  mährischer  Kupferstecher  aus  d.  Zeit  vom  J.  1480  bis  z.  Gegenw.  Auf  Grund 
gedr.  u.  hs.  Quellen.     Brunn,  Winiker.     40  S.     M.  0,60.  —  413)  M.  Lehrs,  D.  dtsch.  u.  niederländ.  Kupferstich  d.  15.  Jh.  in 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.  I  9  :  «4-434 

setzte  seine  Specialstudien  über  den  Kupferstich  des  15.  Jh.  fort,  indem  er  die 
Sammlungen  zu  Gotha,  Karlsruhe,  Sigmaringen,  Donaueschingen  und  Danzig  einer 
Untersuchung  unterwarf.  —  Die  von  Strassburg  aus  mit  besonderem  Eifer  betriebenen 
Studien  der  älteren  Formschneiderkunst  rückten  um  ein  erhebliches  Stück  mit 
H  e  i  tz444"416)  fleissigen  Arbeiten  vorwärts.  —  Einen  Holzschnitt  von  1562  und,  hieran 
anknüpfend,  die  unterscheidenden  Merkmale  zwischen  Dürers  und  Hans  Springinklees 
Kunstart  erörtert  Wilh.  Schmidt417"421).  —  In  einer  Studie  wird  das  Werk 
William  Ungers,  Karl  Koeppings,  Wilhelm  Hechts,  Johannes  Sonnenleiters  sowie  die 
moderne  Lithographie  von  Graul422-423)  zusammengefasst,  während  er  die  Radierung 
an  anderer  Stelle  besonders  umfassend  behandelt424).  —  Die  neue  Zeitschrift  „Pan" 
kündigt  von  Seidlitz425)  an.  — 

Einen  längeren  Aufsatz  über  den  Gartenbau  der  letzten  Jhh.  liefert 
B  ie426),  die  fortschreitende  Sachkenntnis  hinsichtlich  der  geschichtlichen  Entwicklung 
in  diesem  von  Dilettantenhand  viel  geplagten  Gebiete  zusammenfassend427"428). 

Auch  im  Kunstgewerbe  vollzog  sich  ein  starker  Wandel  hinsichtlich  der 
als  erstrebenswert  aufgestellten  Ziele.  Die  Siege  der  Schotten  in  der  grossen  Kunst, 
der  plötzlich  erwachte  Sinn  für  die  prärafaelitische  Kunst  Englands,  die  Weltaus- 
stellung von  Chicago  und  die  von  ihr  ausgehende  Bekanntschaft429) mit  amerikanischer 
Gleichgültigkeit  gegen  Reinheit  hinsichtlich  der  geschichtlichen  Stile  leiteten  den 
raschen  Umschwung  ein.  —  Ein  Vortrag  des  Direktors  im  Berliner  Kunstgewerbe- 
museum, Lessings430),  die  auf  Gurlitts  Veranlassung  vom  Berliner  Kunstgewerbe- 
museum veranstaltete  Ausstellung*  von  Werken  des  Engländers  Walter  Crane431), 
die  dann  wandernd  Deutschland  durchzog,  bereiteten  die  Schwenkung  weiter 
vor432"433).  —  Das  Kunstgewerbe  verliess  seine  alten  stilistischen  Bahnen.  Hierin  liegt 
an  sich  weder  etwas  Befremdliches  noch  etwas  zu  Bekämpfendes.  Die  Engländer, 
die  uns  bisher  als  „geschmacklos"  —  Woermann  würde  sagen  als  ,,Stümper';  — 
erschienen,  sind  jetzt  für  uns  geschmackvoll  und  Meister.  Dieser  Umschwung  ist 
natürlich,  ist  das  Recht  der  Kunst  wie  des  Kunstgewerbes,  ein  Zeugnis  seiner  Lebens- 
kraft, wie  auch  die  „Alten"  zetern  mögen.  Minder  löblich  ist  der  rasche  Abfall  der 
deutschen  Tagesästhetiker  von  ihren  alten  Idealen,  und  nun  gar  die  überraschende 
Fixigkeit,  mit  der  sie  das  eben  von  ihnen  selbst  Vertretene  für  Unsinn  und  die  neue 
Kunst  für  das  allein  Richtige  erklärten.  Während  früher  die  „Ueberzeugung"  und 
die  ^charaktervolle"  Starrheit  der  Ansicht  den  Kritiker  zu  Ansehen  brachte,  jeder, 
der  einmal  zu  einer  Ansicht  gelangte,  die  ihm  richtig  schien,  alles  was  gegen  diese 
war,  kurz  und  klein  kritisierte,  so  ist  jetzt  das  „Finden"  zu  Ehren  gekommen.  Die  junge 
Welt  der  Kunstschreiber  geht  um  wie  der  brüllende  Löwe,  um  eine  unerkannte  Schönheit 
der  Welt  vorzuhalten  und  ihr  die  Sünde  unter  die  Nase  zu  reiben,  dass  jene  noch  un- 
bekannt sei!  In  Ermangelung  einerleitenden  Person  ist  nur  im  Kunstgewerbe  eine  Theorie 
vielfach  angepriesen  worden.  M eurer434)  hat  das  Verdienst,  ein  vertieftes  Studium  der 
Pflanze  angeregt  zu  haben,  als  ein  Heilmittel  gegen  den  stilistischen  Schematismus 
und  gegen  die  Altertümelei  im  Kunstgewerbe.  Er  hat  das  in  eigenen  Schriften  und  neuer- 
dings wieder  in  einem  zum  Abdruck  gelangten  Vortrag  dargelegt  und  dabei  namentlich 
einen  individualisierenden  Unterricht  gefordert,  einen  solchen,  der  die  Schüler  und 
das  Naturvorbild  seiner  Eigenart  nach  behandelt.  Freilich  hinkt  der  böse  Teil  hinten 
nach:  Dass  er  nämlich  selbst  ein  System  fand  und  an  sein  System  glaubt,  dass  er 
die  Pflanze  geometrisch  erfassen  zu  können  glaubt,  und  dass  er  ein  Verstehen  dieses 
Systems  mit  dem  künstlerischen  Erfassen  der  Natur  zu  verwechseln  scheint.  Wenn 
wir  nicht  einen  Crane  bekommen,  der  uns  die  Pflanze  im  Muster  lebendig  macht, 
werden  uns  alle  M.s  nichts  helfen.  Dazu  kommt,  dass  M.  glaubt,  Rom  allein 
biete  die  nötigen  oder  doch  brauchbaren  Pflanzen.  Crane  hat  sie  hinter  jeder  Hecke 
zu  finden  g'ewusst.    —    Selbst  die  Vornehmen  unter  den  Kunsttheoretikern  schreiten 


kleinen  Samml.  (JBL.  1893  I  11  :413):  KepKunstw.  17,  S.  348-65.  —  414)  (I  3:114.)  |[ZGORh.  9,  S.  734/5.]|  —  415)  (13:115.) 
|[G.  v.  Terey:  RepKunstw.  17,  S.  225/7.]|  —  416)  P.  Heitz,  Dietrich  t.  Bern  (Sigenot).  14  Strassb.  Orig.-Holzstöcke  aus 
e.  „allen  Bibliographen  völlig  unbekannten  Ausg.-  d.  16.  Jh.  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  IV  S.  u.  6  Bll.  M.  1,50.  —  417)  Wilh. 
Schmidt,  H.  Springinklee:  EepKunstw.  17,  S.  39.  —  418)  X  *<*.,  Johannes  Thurneysser:  ADB.  38,  S.  229.  —  419)  X  H- 
A.  Lier,  A.  Tischler:  ib.  S.  373  4.  —  420)  X  E-  Wunschmann,  Jak.  Sturm:  ib.  37,  S.  20/1.  (N.  428-30  behandeln  Kupfer- 
stecher.) —  421)  X  D-  Künstlerklub  St.  Lucas:  DWB1.  7,  S.  200/2.  (Düsseldorf.)  —  422)  E.  Graul,  D.  Ausstell,  v. 
Werken  graph.  Kunst  in  Wien  1894:  GraphK&nste.  17,  S.  23-42.  -  423)  id.,  D.  vervielfältig.  Kunst  d  Gegenw.  33.  Heft: 
3,  Bd.  D.  Eadierung  d.  Gegenw.  in  Europa  u.  Nordamerika.  Wien,  Ges.  für  vervielfältig.  Kunst.  Folio.  VII,  268  S.  Mit 
eingedr.  Fig.  u.  6  Taf.  M.  80,00.  —  424)  X  D-  Kupferstichsamml.  aus  d.  Nachl.  S.  M.  d.  Königs  Ferdinand  v.  Portugal. 
Versteig,  zu  Köln  d.  29.  Nov.  1893  u.  d.  folg.  Tage  durch  J.  M.  Heberle.  Köln  (J.  M  Heberle).  XI,  201  S.  M.  3,00.  —  425) 
W.  v  Seydlitz,  Pan:  Zukunft  9,  S.  319-23.  —  426)  O.  Bie,  D.  Gartenbaukunst:  WIDM.  75,  S.  635  52,  690-706.  —  427) X 
P.  Jessen,  Gartenanlagen  u.  Gartendekorati  men:  Kunstgewerbebl.  5,  S.  1803.  —  428)  X  L.  Krause,  Aus  P.  Laurem- 
bergs  Tageb  :  BGEostock.  S.  41-64.  (Gartenbau  während  d.  30j.  Krieges.)  —  429)  X  w-  ßode,  D.  Kunst  in  d.  Ver.  Staaten. 
Eindrücke  v.  e.  Besuch  d.  Weltausstell.  in  Chicago:  ZBK  5,  S  137-45,  162,8.  —  430)  J  u  1.  Lessing,  D.  amerik.  Kunstgewerbe. 
Referat:  Kunstchr.  5,  S.  211.  —  431)  X  Rücklin,  E.  engl.  Musterzeichner:  ZMusterzeichner.  N.  2.  —  432)  X  B-  Borr- 
mann,  E.  Ausstell,  v.  Erzeugnissen  d.  amerik.  Kunstgewerbes:  CBIBauverw.  S.  98-100.  —  433)  X  L.  Gmelin,  Architek- 
tonisches aus  Nord-Amerika:  DBauZg.  S.  4535,  4813,  485/7,  495/8,  520/2,  532/8,  566-70,  582,3.  —  434)  M.  M  eurer,  D.  Ziele 
u.  Bedingungen  d.  Naturforroenstnd.  an  technischen  Kunstschulen  u.  meine  Bestrebungen  auf  diesem  Gebiete.   Dresden,  Küht- 

(1)17* 


I  9  :  435-448  C.  G  u  r  1  i  1 1 ,  Kunstgeschichte. 

sehr  rasch  und,  wie  uns  scheinen  will,  nicht  ohne  Sprünge  in  der  einmal  gewiesenen 
Richtung  weiter.  Der  feinsinnige  Hamburger  Museumsdirektor  Li chtwark435)  hätte 
vielleicht  in  seinem  Werkchen  „Makartbouquet  und  Blumenstrauss"  einen  kurzen 
Auszug  aus  jenen  Anschauungen  beifügen  können,  mit  dem  wir  alle  Makarts  Sieges- 
zug einst  begTÜssten;  sie  waren  so  thöricht  nicht;  wenigstens  hat  sich  niemand  ihrer 
zu  schämen,  ausser  eben  denjenigen,  welche  in  der  kritischen  Charakterfestigkeit  ihre 
Ehre  suchten.  Diese  Anmerkung  soll  die  Freude  über  L.s  geistreiche,  auf  die  Pflege 
der  natürlichen  Blume  gegenüber  der  Blumenverbildung  hinzielende  Arbeit  sonst 
nicht  beeinträchtigen.  —  Buss436)  behandelt  die  kunstgewerbliche  Frage  mit  Ruhe, 
jedoch  zugleich  auch  mit  völliger  Absage  von  jenen  Ueberzeugungen  über  schön  und 
kunstgemäss,  die  er  einst  mit  gleicher  Sachlichkeit  verteidigte.  Auf  dem  bisherigen 
Wege  sei,  so  sagt  er,  kein  Heil  zu  finden.  Es  wird  auch  auf  dem  jetzigen  nur  durch 
starke  Persönlichkeiten,  nicht  durch  ein  System  oder  allein  durch  den  WTeg  gefunden 
werden.  —  Auch  Luthmer437),  der  Frankfurter  Meister,  äussert  sich  zum  Problem. 
—  Lichtwarks438^439)  Versuche,  die  Künste  des  „Amateurs"  und  „Dilettanten" 
heranzuziehen  und  heranzubilden,  damit  sie  der  echten  Kunst  eine  grössere  Menge 
von  Empfänglichen  entgegenführen,  verdienen  die  grösste  Beachtung.  Wie  der  für 
die  Kunstpflege  Hamburgs  unermüdlich  thätige  Mann  durch  die  Darstellung  Ham- 
burgs im  Bilde,  durch  die  Berufung  moderner  Künstler  zum  Malen  des  den  Museums- 
besuchern Bekanntesten  im  naturalistischen  Sehen  zu  schulen  trachtet  (man  vergleiche 
dazu  den  Aufsatz  von  Elias440)  über  eine  gelegentliche  „Berlinische  Ausstellung"  im 
Rathause),  so  hat  er  durch  Ausstellungen  von  Dilettantenarbeiten  und  Amateur- 
photographien  und  durch  an  diese  geknüpfte  Vortragsreihen  seinen  Weg  weiter  ver- 
folgt. Es  giebt  wohl  keinen  Museumsdirektor,  der  mehr  als  er  seinen  Posten  als 
einen  volkserzieherischen  betrachtet,  der  gründlicher  mit  jener  „Vornehmheit"  brach,  die 
zumeist  auf  selbstgefälliger  Trägheit  beruht441"442).  —  An  der  Spitze  der  kunstgewerb- 
lichen Veröffentlichungen  stehen  die  Kataloge  zweier  Museumsleiter:  Brinckmann443) 
und  Jessen444).  B.  giebt  in  einem  starken  Bande  an  der  Hand  der  fast  aus- 
schliesslich durch  seine  Bemühung  zusammengebrachten  Sammlung  eine  Darstellung- 
der  gesamten  Geschichte  des  Kunstgewerbes.  Spielt  in  dieser  naturgemäss  das 
Oertliche  oder  doch  das  Norddeutsche  eine  besonders  wichtige  Rolle,  so  gelang 
es  B.  doch  auch  aus  allen  ferner  liegenden  Gebieten  Stücke  und  zwar  meistens 
solche  ersten  Ranges  aufzubringen,  an  die  sich  dann  die  gewerbegeschichtlichen 
Betrachtungen  anknüpfen.  Die  sorgtältige  Illustrierung  macht  das  Buch  besonders 
wertvoll,  in  welchem  einer  der  grössten  Kenner  seines  Faches  die  Summe  seines 
Wissens  niederlegte.  J.,  der  Bibliothekar  des  Berliner  Museums  und  wohl  der  beste 
Kenner  des  Ornamentstiches,  gab  in  seinem  Katalog  ebenfalls  eine  Geschichte  des 
ganzen  Kunstgebietes,  welche  das  früher  für  dies  Gebiet  Erschienene  weit  hinter  sich 
lässt,  dabei  aber  doch  die  praktischen  Zwecke  der  von  ihm  geleiteten  Anstalt  vor- 
walten lässt.  —  Riegl445)  schlägt  die  Begründung  von  Museen  für  Volkskunst  vor, 
in  welchen  gesammelt  werden  soll,  was  die  häusliche  Werkstätte  an  Eigenartigem 
lieferte,  und  durch  welches  aufzuzeichnen  sei,  wie  sie  diese  Arbeiten  herstelle.  In 
der  Schilderung  des  Unterschiedes  zwischen  Sklaven-,  Haus-  und  Lohnarbeit,  des 
Nebenzweiges  zur  Fabrikarbeit,  der  verschiedenen  meist  mit  Vernichtung  endenden 
Versuche,  die  Hausindustrie  zu  „heben",  bietet  das  Buch  sehr  viel  Anregendes,  wie 
denn  R.  sich  überall  als  Mann  von  selbständiger  Gedankenarbeit  äussert.  —  Die 
Geschichte  der  Töpferkunst  scheint  im  Berichtsjahre  besonders  begünstigt.  Graesses 
seit  Jahrzehntenim  Gebrauch  befindlicher  „Guide"  wurde  durch  Jaennicke446)  erneut 
aufgelegt  und  umfasst  jetzt  5200  Marken  von  keramischen  Erzeugnissen.  Während 
deutsche  Autoren  hier  die  französische  Sprache  für  ihre  Arbeit  wählen,  zeigt 
das  Dictionnaire  de  la  Ceramique 447),  dass  in  Frankreich  ein  derartiges 
Werk  noch  bei  gänzlicher  Unkenntnis  deutscher  Töpferei  entstehen  kann.  — 
Hier  mag  auch  der  Aufsatz  über  Christoph  Feilner448)  erwähnt  sein,  jenen  Töpfer, 
welcher  um  1800  im  Verkehr  mit  den  Künstlern  Berlins  sein  Gewerbe  erhob  und 
neben  March  der  Schöpfer  einer  Berliner  Kunstkeramik  wurde.  —  Die  Goldschmiede- 
mann. 12°.  39  S.  M.  0,60.  —  435)  A.  Lichtwar k,  Makartbouquet  u.  Blumenstrauss.  Mönchen,  Verl.-Anst.  für  Kunst 
u.  Wissensch.  64  S.  M.  1,80.  —  436)  G.  Buss,  Unser  Kunstgew.:  FrB.  5,  S.  729-38.  —  437)  F.  Luthmer,  Unsere  Be- 
strebungen im  Ornament:  DBauZg.  S.  501.  —  438)  A.  Li  chtwark,  Wege  u.  Ziele  d.  Dilettantismus.  München,  Verlagsanst. 
für  Kunst  u.  Wissensch.  88  S.  M.  1,80.  —  439)  id.,  D.  Bedeut.  d.  Amateur- Photogr.  Halle  a.  S.,  Knapp.  4".  72  S.  Mit 
17  Taf.  u.  Abbild.  M.  10,00.  —  440)  J.  Elias,  D.  Berlinische  Ausstellung  im  Rathause:  Nation".  11,  S.  4156.  —  441)  X 
L.  Pietsch,  Kunst  u.  Photogr.:  VelhKlasMh.  2,  S.  385-99.  —  442)  X  E.  Servae  s,  Frauenarbeit  in  d.  mod.  Kunst:  Frau  1, 
S.  224-30.  —  443)  J.  Brinckmann,  D.  Hamb.  Mus.  für  Kunst  u.  Gewerbe.  E.  Führer.  L,  Seemann.  XIII,  827  S.  Mit 
431  Abb.  M.  15,00.  |[J.  L(essing):  NatZg.  N.  674;  Kunstgewerbebl.  5,S.  191-20O.]|  -  444)  P.  Jessen,  Kat.  d.  Ornament- 
stichsamml.  d.  kgl.  Kunstgewerbemus.  zu  Berlin,  ebda.  VIII,  450  S.  M.  7,50.  IfMÖstrMusKunstlnd.  9.  S.  285, 6.] |  —  445)  A. 
Riegl,  Volkskunst,  Hausfleiss  u.  Hausindustrie.  B.,  Siemens.  III,  82  S.  M.  2,00.  |[MÖstrMusKunstInd.  9,  S.  136.]|  —  446) 
J.  G.  Th.  Graesse,  Guide  de  l'amateur  de  porcelaines  et  de  faiences  augm.  par  F.  Jaennicke.  Dresden,  Schönfeld.  VI, 
236  S.  M.  8,00.  -  447)  Dictionnaire  de  la  ceramique.  Paris,  Libr.  de  l'art.  260  S.  Fr.  30,00.  |[J.  V.  v.  Falke:  RepKunstw.  16, 
S.  302/4.]|    —    448)  Im  Hause  meines  Grossvaters,  d.  Töpfers  Chrph.  Feilner:  NorddAZg.  1893,  N.  8,  12,  14,  16/7,  20.  —  449) 


C.  Gurlitt,  Kunstgeschichte.  I  9  •.  449-477 

kunst  hat  vor  Allen  der  Geschichtsschreibung  guten  Anhalt  geboten,  schon  wegen 
ihrer  Verbindung  mit  dem  Kupferstich.  So  hat  Lehrs449)  aus  seiner  streng  fach- 
wissenschaftlichen Thätigkeit  eine  lehrreiche  kunstgewerbliche  Studie  abgezweigt, 
indem  er  das  gestochene  Vorlagewerk  für  Goldschmiede  zusammenstellte,  welches  die 
in  Sammlungen  verstreuten  Blätter  des  Meisters  E.  S.  ausmachen.  —  Einzelne  Gold- 
schmiedewerke der  Renaissance  behandelt  Bosch450'452).  —  Dem  Wiener  Goldschmiede 
Dietrich  widmet  List453)  einen  Aufsatz.  —  Den  Niederländer  Paulus  van  Vianen, 
einen  der  hervorragendsten  Meister  am  Hofe  Kaiser  Rudolfs  IL,  und  sein  Werk 
schildert  eing-ehend  Modern454),  während  von  Drach455)  den  hessischen  Uhrmacher 
Jost  Burgi  und  dessen  für  Kassel,  den  Kaiserhof  und  andere  Besteller  gelieferte, 
seiner  Zeit  berühmte  Werke  zum  Gegenstand  der  Untersuchung  macht.  —  Aus  dem 
Nordosten  bringen  uns  zwei  Arbeiten  Kunde,  welche  die  Kunstfertigkeit  der  Gold- 
schmiede auch  jener  Landesteile  in  glänzendem  Licht  zeigen.  Namentlich  ist  die 
„Silberbibliothek"  Herzog  Albrechts  von  Preussen,  die  Schwenke  und  Lange456) 
beschreiben,  ein  hervorragendes  Erzeugnis  prunkvoller  Kleinkunst.  —  Ueber  die  Stiche 
des  Goldschmiedes  M.  Z.,  wahrscheinlich  Matthias  Zündt,  handelt  ein  Aufsatz  von 
Ritt  er457).  —  Zur  Glockenkunde  kamen  mehrere  Beiträge458-459),  ausser  den  in  den  In- 
ventarisationswerken  niedergelegten  Untersuchungen  über  dieses  Gebiet.  —  Die  Waffen- 
kunde fand  in  Böheims460)  stattlicher  Publikation  über  die  in  Wien  bewahrten  Objekte 
eine  erfreuliche  Bereicherung.  Bei  der  Sachkenntnis  des  Vf.  und  dem  grossen  Stoff- 
reichtum der  dortigen  Sammlung  konnte  er  einen  vollständigen  Ueberblick  über  den 
Stand  der  wissenschaftlichen  Forschung*  auf  diesem  Gebiete  geben.  Die  Anordnung 
des  Stoffes  ist  eine  chronologische,  die  Vertretung  der  deutschen  Waffen  in  seinem 
neuen  Werke  eine  ansehnliche. —  In  einer  Besprechung461)  der  namentlich  durch  Leon 
Robert  mit  Unterstützung  des  Ministers  Freycinet  bewirkten  Veröffentlichung  des 
„Musee  rf Artillerie"  in  Paris  wird  auf  den  auch  für  die  deutsche  Gewerbegeschichte 
wichtigen  Inhalt  dieser  reichhaltigen  Sammlung  hingewiesen.  —  Die  Schätze  der 
namentlich  durch  ältere  Stücke  ausgezeichneten  Sammlung  Zschille  in  Grossenhain 
bei  Dresden,  welche  inzwischen  an  das  historische  Museum  zu  Dresden  überging, 
wurden  umfassend  von  Forrer462)  publiziert.  —  M.  von  Ehrenthal463),  der  Direktor 
dieses  Museums,  behandelte  auf  Grund  archivalischer  Forschungen  die  Wittenberger 
Plattner  Werkstatt  des  Hans  Eryngk  und  Andreas  Rockenberger,  wobei  es  zur  Fest- 
stellung einer  Anzahl  erhaltener  Arbeiten  in  Dresden,  Wien  und  Paris  usw.  kommt.  — 
Umfassende  Studien  über  das  Waffenwesen  der  Zeit  von  1500  lieferte  Böh ei  m464).  — 
Einer  älteren  Zeit  gehören  zumeist  die  mit  figürlichen  Darstellungen  reich  verzierten 
Elfenbeinsattelan,  welche  von  Schlosser465)  an  gleicher  Stelle  nach  Kunstwert  und 
ikonographischem  Inhalt  beschrieb.  —  Ueber  die  Geschichte  der  Glasmalerei466"470) 
lag  nicht  viel  Neues  vor471"477).   — 


M.  Lehrs,  Vorlagen  für  Goldschmiedegravierungen  vom  Meister  E.  L. :  ZChrK.  7,  S.  235-43.  —  450)  H.  Bosch,  E.  mark. 
Familienschmuck  aus  d.  Anf.  d.  17.  Jh.:  MGNM.  S.  73/9.  -  451)  id.,  E.  Pokal  d.  Nürnberger  Goldschmieds  Elias  Lenker: 
ib.  S.  1/8.  —  452)  id.,  Selbstbildnis  d.  Goldschmieds  Nik.  Weiler:  ib.  S.  114/6.  —  453)  C.  List,  D.  Wiener  Goldschmied 
Dietrich:  MBlAltVWien.  29,  S.  9.  —  454)  H.  Modern:  JKSAK.  15,  S.  60-102.  —  455)  C.  Alhard  v.  Drach,  Jost 
Burgi,  Kammeruhrmacher  Rudolfs  II.  Beitr.  zu  seiner  Lebensgesch.  u.  Nachrichten  v.  d.  Arbeiten  desselben:  ib.  S.  15-44.  — 
456)  (I  3:269.)  |[H.  Ehrenberg:  RepKunstw.  16,  S.  397,8.]|  —  457)  F.  Ritter,  Matth.  Zündt,  d.  Meister  d.  Kraterographie : 
MÖstrMusKunstlnd.  9,  S.  724.  —  458)  X  J-  Geissberger,  Beitr.  z.  Glockenkunde:  St.  Leopolds  BI.  8,  N.  3,4.  —  459)  X 
J.  Kothe,  Gesch.  d.  Glockengiesserei  in  d.  Prov.  Posen:  ZHGPosen.  S,  S.  411/3.  —  460)  W.  Böheim,  Album  hervorrag. 
Gegenstände  aus  d.  Samml.  d.  Allerh.  Kaiserhauses.  Wien,  Löwy.  Folio.  29  S.  Mit  50  Taf.  in  Lichtdr.  u.  Textillustr.  M.  50,00. 
|[MÖstrMusKunstInd.  9,  S.  53.]|  —  461)  MÖstrMusKunstlnd.  9,  S.  1112.  -  462)  R.  Forrer,  D.  Waffensamml.  d.  Stadtrats 
Rieh.  Zschille  in  Grossenhain.  2  Bde.  B.,  Mertens.  31  S.  Mit  236  Taf.  in  Lichtdr.  M.  1,60.  —  463)  M.  v.  Ehrenthal, 
E.  sächs.  Plattnerwerkstatt  zu  Wittenberg:  NASächsG.  15,  S.  299  312.  —  464)  W.  Böheim,  D.  Zeugbücher  d.  Kaisers 
Maximilian  I.  (Schluss)  beschrieben  u.  erläut.:  JKSAK.  15,  S.  295-391.  —  465)  J.  v.  Schlosser,  Elfenbeinsättel  d.  aus- 
gehenden MA.:  ib.  S.  260-94.  —  466;  X  '•  Merz,  D.  Glasgemälde  in  d.  Barfüsserkirche  zu  Augsburg:  ChristlKunstbl.  N.  10. 
—  467)    X    H.  Stähelin,    E.  Glasgemälde   in  Unter-Bussnang  aus   d.  J.  1591:    ThurgauischeBVtG.  33,   S.  169.    —    468)  X 

D.  Glasgemälde  d.  Klosterkirche  zu  Königsfelden :  AnzSchwAlt.  S.  389-97.  —  469)  X  D-  Wandgemälde  im  Beinhuus  zu  Ober- 
Aegeri:  ib.  8.  363/6.  —  470)  X  *•  J>  Dr<>i  Churer  Glasmaler  d.  16.  Jh.  (1589):  ib.  S.  4034.  -  471)  X  (I  3  :  467.)   —  472)  X 

E.  Pazaurek,  Kunstschmiede  n.  Schlosserarbeiten  d.  13.  bis  18.  Jh.  aus  d.  Samml.  d.  Nordböhm.  Gewerbemus.  in  Reichenberg. 
Reichenberg.  5  S.  Mit  30  Taf.  in  Lichtdr.  M.  35,00.  —  473)  X  M  znr  Strassen,  Spitzen  d.  16.  bis  19.  Jh.  Aus  d.  Samml. 
d.  Kunstgewerbemns.  zu  Leipzig.  2  Tle.  Text  v.  M.  Heiden.  (=  Ornament,  u.  knnstgewerbl.  Sammelmappe  N.  45.)  L., 
Hiersemann.  ä  25  Lichtdr.-Taf.  M.  60,00  —  474)  X  Fr.  Schilde,  Aus  d.  kunstgewerhl.  Abteil,  d.  grossherz.  Mus.  zu 
Schwerin:  Kunstgewerbe^.  5,  S.  87-90.  —  475)  X  F.  Moser,  D.  Kunstgew.-  u.  Handwerkerschule  zu  Magdeburg  1793  —  1893: 
ib.  S.  4/7.  —  476)  X  Otto  Schulze,  D.  Bedeut.  d.  dekorat.  Malerei  d.  Fläche  im  Heim:  Zinnendekoration.  5,  S.  33-40.  — 
477)  X  Th.  Vollhehr,  D.  Kunstgew.  u.  d.  Künstler:  ib.  S.  27.  — 


I  10:1-5  PL  Reimann,  Musikgeschichte. 

1,10 

Musikgeschichte. 

Heinrich  Reimann. 

Allgemeines:  Bibliographisches  N.  1.  —  Musikphilosophie  und  -kritik  N.  4.  —  Akustik  N.  21.  —  Musik- 
geschichte: Quellen  N.  22.  —  Zusammenfassende  Darstellungen  N.  23.  —  Lokale  Musikgeschichte  N.  27.  —  Musikinstrumente 
N.  30.  —  Sammelwerke  N.  34.  —  Einzelne  musikalische  Formen:  Lied  N.  38.  —  Oper  N.  57.  —  Einzelne 
Musiker  und  Komponisten:  TJgolino  von  Orvieto,  H.  Buchner  N.  68.  —  Palestrina  und  Orlando  di  Lasso  N.  70.  — 
F.  Soriano,  S.  Calvisius,  Monteverdi,  D.  Strunck,  Joach.  Meyer  N.  86.  —  J.  S.  Bach  N.  91.  —  Händel,  Ch.  D.  F.  Schuhart  N.  94. 
—  J.  A.  Hiller,  Gluck  N.  97.  —  Mozart  N.  99.  —  F.  W.  Eust  N.  101.  —  Beethoven  N.  102.  -  Th.  Körner  N.  109.  —  K.  M. 
von  Weber,  J.  L.  F.  Glück  N.  111.  —  Mendelssohn  N.  115.—  B.  Schumann,  I.  Moscheies  N.  120.  —  Jenny  Lind  N.  124  —  C.  Loewe 
N.  125.  —  Eich.  Wagner:  Facsimileausgabe,  Uebersetzungen,  Briefe  N.  128;  Biographie  N.  139;  Kritik  N.  146;  zu  einzelnen 
Werken  N.  160;  Bayreuther  Festspiele  N.  176  —  Liszt  N.  185.  —  Smetana,  Eaff  N.  190.  —  Gounod,  Flotow,  N.  Gade,  E.  Franz 
N.  193.  —  H.  von  Bülow  N.  200.  —  A.  Eubinstein  N.  230.  —  Ph.  Spitta  N.  246.  —  Tschaikowski,  Johanna  Jachmann- Wagner, 
Hermine  Spiess,  Jenny  Meyer,  Aloyse  Krebs-Michalesi,  Em.  Faisst,  Alex.  Bitter  N.  252.  —  Joh.  Strauss  N.  262.  —  E.  Hanslick 
N.  272.   —   F.  Erkel,  A.  Brückner,  Herrn.  Levi,  M.  Zenger,  E.  Leoncavallo,  P.  Mascagni  N.  273.  — 

Allgemeines.  Wie  im  vergangenen  Jahre  eröffnet  auch  diesmal  ein 
bibliographisches  Werk  Vogels1)  den  Bericht:  er  hat  nun  als  Bibliothekar 
der  Musikbibliothek  Peters  in  Leipzig  deren  Katalog  herausgegeben.  Wie  alle 
bibliographischen  Arbeiten  des  Vf.,  so  zeichnet  sich  auch  diese  letztere  durch  ausser- 
ordentliche Sorgsamkeit  und  Genauigkeit  aus.  lieber  die  Vollständigkeit  der  Bibliothek 
selbst  ein  Urteil  zu  fällen,  gehört  nicht  zu  unserer  Aufgabe,  die  sich  im  vorliegenden 
Falle  wesentlich  mit  dem  Wert  der  rein  bibliothekarischen  bezw.  bibliographischen 
Arbeit  des  Vf.  zu  beschäftigen  hat.  Und  in  dieser  Hinsicht  seien  einige  Be- 
merkungen gestattet.  Ich  kann  mich  weder  mit  der  Anordnung  des  Kataloges  im 
ganzen  noch  im  einzelnen  einverstanden  erklären.  In  letzterer  Hinsicht  schwankt 
nämlich  die  Anordnung  zwischen  systematischer  Folge  (nach  den  Titeln)  und 
alphabetischer  (nach  den  Vf.).  Doch  das  mag  in  Rücksicht  auf  praktische  Beweg- 
gründe geschehen  sein.  Was  jedoch  die  systematische  Anordnung  des  Ganzen 
betrifft,  so  weicht  sie  von  jedem  bibliothekarischen  System  ab  und  bedarf,  vom 
Standpunkt  der  Bibliothekwissenschaft  betrachtet,  einer  Umgestaltung.  Namentlich  ist 
mir  unklar,  wie  der  Vf.  „Biographien"  und  „Monographien"  (das  letztere  ist  doch  die 
allgemeinere  Bezeichnung)  trennen  konnte.  Den  Anfang  machen  allgemeine  encyklo- 
pädische  Schriften  (Kataloge,  Lexika,  Encyklopädien);  dann  folgen  „Periodika".  Nun- 
mehr müssten  die  einzelnen  Kategorien  etwa  so  aufeinander  folgen:  III.  Philosophie 
(inkl.  Akustik)  und  Kritik.  IV.  Theorie  im  engeren  Sinne:  a)  allgem.  Musiklehre; 
b)  Generalbass;  c)  Gesangstheorie;  d)  Instrumentale  Theorie.  V.  Geschichte: 
a)  Quellen;  bj  Gesamtdarstellungen  bezw.  Darstellungen  einzelner  Perioden;  c)  Lokal- 
geschichte; d)  Geschichte  einzelner  theoretischer  Disciplinen;  e)  einzelner  Formen  usw. 
a)  Gesangsmusik  (Lied,  Oper  usw.),  ß)  Instrumentalmusik  (Sonate,  Symphonie  usw.); 
f)  Geschichte  der  Instrumente;  g)  Sammelwerke.  VI.  Einzeldarstellungen  (Monographien) 
in  historischer  Folge.  Dies  Prinzip,  das  ich  im  wesentlichen  auch  diesen  Berichten 
zu  Grunde  gelegt  habe,  hat  sich  bis  jetzt  vollkommen  bewährt.  —  Die  Donebauersche 
Autographensammlung  in  Prag  verzeichnete  Batka2)  und  gab  dazu  als  Vorwort 
eine  in  vertraulichem  Plauderton  gehaltene  Erläuterung,  die  an  Joh.  Strauss  gerichtet 
ist.  —  Riemanns3)  Musiklexikon  erschien  in  vierter  Auflage.  Das  Werk  ist  ein 
unentbehrliches  Nachschlagebuch  geworden,  das  man  immer  zur  Hand  hat.  Der  Vf. 
ist  eifrigst  bemüht  gewesen,  den  Text  zu  berichtigen  und  zu  ergänzen.  Wenn  er 
nur  auch  den  Sieg  über  sich  selbst  errungen  und  von  der  Darlegung  seiner  Lieblings- 
theorien in  so  ausgedehntem  Umfange  abgesehen  hätte.   — 

Musikphilosophie  und  -kritik.  Ein  bedeutsames,  ich  möchte  fast  sagen, 
grundlegendes  Werk  besitzen  wir  nunmehr  in  Billroths4)  Aufsätzen:  „Wer  ist 
musikalisch?"  Da  die  Schrift  nach  des  berühmten  Vf.  Tode  (1896)  in  erweiterter  Form 
erschienen  ist,  so  wird  die  eingehende  Würdigung  dieses  ausserordentlichen,  dem 
Helmholtzschen  nahezu  ebenbürtigen  Werkes  erst  später  zu  erfolgen  haben.  —  Eine 
Schrift  des  bereits  in  den  30er  J.  unseres  Jh.  verstorbenen  Göttinger  Privatdocenten 
Krause,  von  Vetter5)  herausgegeben,  enthält  recht  viel  Ueberspanntes  in  gespreizter 
Ausdrucksform  z.  B. :  „Beethovens  Kompositionen  sind  Weltgemälde  mit  darüber 
schwebender  Schwermut  und  unbesiegbarer  Heldenkraft".   Ferner :  „Es  ist  ein  eigener 


1)  E.  Vogel,  Kat.  d.  Musikbibl.  Peters.  L.,  Peters.  168,  161  S.  M.  18,00.  |[M.  Seiffert:  AMusZg.  21,  S.  27.]| 
—  2)  E.  Batka,  Aus  d.  Musik-  u.  Theaterwelt.  Beschreib.  Verzeichn.  d.  Autogr.-Samml.  Fritz  Donebauer  in  Prag.  Prag, 
Selbstverl.  LXXX,  150  S.  M.  4,00.  —  3)  H.  Eiemann,  Musiklex.  4.  vollst,  umgearb.  Aufl.  L.,  Hesse.  1210  S.  M.  10,00. 
|[J.  Merkel:  MusWBl.  25,  S.  349-50;  F.  X.  Haberl:  KirchenmusJb.  20,  S.  125.]|  —  4)  X  X  (I  8:17.)  (Erschien  nach  d. 
Tode  Billroths  in  erweit.  Formals  Schrift,   v.  E.  Hanslick   her.  [1896],  u.  wird  später  bespr.)   —   5)    K.  Chr.  F.  Krause,   Z. 


H.  R  ei  mann,  Musikgeschichte.  I  10  :  e-io 

Grund,  warum  wir  keine  Dichter  wie  Händel,  Haydn,  Mozart,  Beethoven,  haben;  — 
denn  gegen,  diese  ist  selbst  Goethe  in  seiner  Art  wie  ein  blinder  Heide  (! !).  Es  ist 
in  ihnen  Nachtwachen  und  Nachtwandeln  der  Ideen"  (! !).  Besser  sind  die  apho- 
ristischen Entwürfe  zu  „Vorlesungen  über  die  Theorie  der  Musik".  —  Einen  recht 
günstigen  Eindruck  machen  W.  Wolffs6)  Aufsätze  über  Tonmalerei,  musikalische 
Vorstellung  von  Schlaf  und  Tod,  Unhörbares  in  der  Musik  usw.  Der  Vf.  besitzt 
eine  sichere  musikalische  Litteraturkenntnis  und  die  Gabe  einer  wohlabgerundeten, 
feinen  Darstellung.  —  Unbedeutend  dagegen,  sind  und  auf  ausgetretenen  Gleisen 
wandeln  Mogaveros")  „Note  d'estetica  musicale".  In  bunter  Reihe  und  ohne 
inneren  Zusammenhang  bietet  der  Vf.  Bilder  aus  dem  Leben  Chopins,  Beethovens, 
Berlioz,  Schumanns,  Mozarts  usw.  mit  einem  abschliessenden  Exkurs:  L'influenza 
della  musica  e  la  critica".  —  Ebenso  oberflächlich  behandelte  Schlicht8)  die 
öffentliche  Musikübung  in  Hinsicht  auf  die  verschiedenen  Komponisten  und  die  lokalen 
Musikcentren  Europas,  während  Bie9)  eine  recht  einseitige  Interpretation  des 
Wagnerschen  Wortes:  „Deutsch  sein,  heisst  eine  Sache  um  ihrer  selbst  willen  thun" 
gab.  —  Den  pädagogischen  Wert  der  Hausmusik  entwickelte  S  inend10)  in  einem 
zu  Soest  gehaltenen  Vortrage,  worin  er  zugleich  recht  praktische  und  darum 
beherzigenswerte  Ratschläge  für  eine  gute  Auswahl  des  musikalischen  Materials  für 
gedachten  Zweck  gab.  —  Dass  die  „moderne  Kunstmusik"  zu  kompliziert  und  deshalb 
dem  Verständnis  des  grossen  Publikums  verschlossen,  dass  dies  früher  anders  gewesen, 
und  Wagner  ein  Thor  sei  zu  glauben,  seine  Werke,  insbesondere  sein  „Ring"  sei  eine 
nationale  Errungenschaft  für  das  deutsche  „Volk";  dass  ebenso  „Liszt,  Brahms,  Raff, 
Rubinstein"  absolut  nicht  volkstümlich  seien,  beklagte  Röckner11).  Tolstoi  verlange, 
jeder  solle  für  alle  schaffen;  folglich  müsse  populärer  komponiert  werden.  Der 
Vf.  ist  offenbar  mit  unserer  „populären"  Musik,  die  den  Bedürfnissen  des  „Volkes" 
entspricht,  nicht  recht  bekannt.  Wir  raten  ihm,  die  Werke  von  Strelewicz  zu  studieren. 
Was  unsere  grossen  Meister  betrifft,  so  waren  Bach,  Mozart,  Beethoven  ebenso  wenig 
für  die  Zeitgenossen  „populär"  wie  Wagner  und  die  Seinen.  —  Eine  sorgsame  Ab- 
wägung der  Ansichten  Hartmanns  und  Hanslicks  über  das  Schöne  in  der  Musik,  ihr 
Wesen  und  ihre  Wirkung  überhaupt  giebt  M  o  o  s12).  Die  schliessliche  Entscheidung 
fällt  für  Hartmann  gegen  Hanslick  aus13).  —  Ein  Aufsatz  Arends14)  wendet  sich 
speciell  gegen  die  Oberflächlichkeit  der  musikalischen  Kritik.  Es  kommt  nicht  bloss 
darauf  an,  „etwas  Richtiges"  zu  schreiben,  das  aber  so  allgemein  gehalten  sei,  dass 
es  eben  jeder  sag*en  und  schreiben  könne;  der  Kritiker  solle  sich  immer  und  überall 
als  Sachkenner,  im  allgemeinen  wie  im  besonderen,  erweisen.  —  Ueber  Kunst  und 
Kritik  ergeht  sich  R  eis  s  mann15)  in  breiten  Redewendungen,  als  handelte  es  sich 
um  eine  Darstellung  der  paläontologischen  Urgenese  der  Kunst,  während  als  Gegen- 
satz hierzu  Rosenthal16)  Zukunftskritik  treibt.  Er  wendet  sich  gegen  das 
„Autoritätsprinzip  und  die  Festlegung  der  Nuancen"  in  der  Musik.  Der  sogenannte 
Objektivismus  ist  die  „Bankerotterklärung  des  künstlerischen  Gestaltungsvermögens" 
und  „Tradition"  ist  die  „Krücke  der  Objektivität".  Die  „Technik"  wird  heutzutage 
wegen  der  Ueberproduktion  an  Technikern  gering  geachtet.  In  ihr  liegt  aber  die 
wahre  Kunst.  Bachs  Kontrapunkt  ist  eben  auch  nur  „Technik",  und  „tcx"»?"  hiess  bei 
den  Alten  in  specie:  die  „Kunst".  So  sehr  wir  im  ersten  Punkt  mit  dem  Vf.  über- 
einstimmen, so  sehr  beklagen  wir  den  Irrtum  im  zweiten  Falle.  Bachs  Kontrapunkt 
ist  mehr  als  blosse  Technik,  ist  Seele,  Geist,  Leben,  Blut:  kurz  alles,  was  zu  Bachs 
Individualität  überhaupt  gehört,  sein  ganzes,  volles,  übermenschlich  grosses  „Ich". 
Und  das  war  doch  sicherlich  mehr  als  eine  „technische"  Maschine!  —  Mit  der  „neuesten 
Programmmusik"  befasst  sich  E  hr  li  ch  17"18).  Seitenlang  zählt  er  philosophisch- 
musikalische Litteratur  auf  zu  Gunsten  der  Programmmusik;  ja  er  kommt  zuletzt 
sogar  auf  den  nicht  einmal  sonderbaren,  weil  gar  zu  billigen  Gedanken:  „Jedes 
Musikstück  sei  eigentlich  Programmmusik,  insofern  es  eine  bestimmte  Stimmung 
ausdrücke !"  Alle  Programmmusiker  haben  also  Recht,  namentlich  auch  Berlioz.  Nur 
einer  nicht:  F.  Liszt!  Dessen  „lange"  Programme  versuchten  jeden  Takt  ohrgerecht 
zu  legen.  Der  Vf.,  dessen  eigentümliche  Beziehungen  zu  Liszt  wir  leider  im  vorigen 
JB.  rückhaltslos    darlegen    mussten,   mag   über    Liszt    denken  wie    er  will;    das  sei 


Theorie  d.  Musik.  Aus  d.  hs.  Nachl.  d.  Vf.  her.  t.  B.  Vetter.  Weimar,  Felber.  75  S.  M.  1,60.  —  6)  W.  Wolff,  Ges. 
musikästh.  Aufsätze.  St.,  Grüninger.  IV,  51  S.  M.  1,20.  |fA.  Seiffert:  AMusZg.  21,  S.  423/4;  E.  R(ochlich):  NZMusik.  61, 
S.  511;  VossZg.  N.  132]j  (Erschienen  zuerst  in  d.  NBerlMusZg.  u.  im  .,Klavierlehrer.u)  —  7)  G.  Mogavero,  Note 
d'estetica  musicale.  Palermo,  Clausen.  93  S.  —  8)  J.  Schucht,  D.  Tonkunst  in  d.  Kulturstaaten  am  Ende  d.  19.  Jh.: 
NZMusik.  61,  S.  2,3,  135.  —  9)  0.  Bie,  Etwas  über  nat.  Kunst:  AMusZg.  21,  S.  601/8.  -  10)  J.  Smend,  Ueber  d.  erziehl. 
Wert  d.  Hausmusik.  Dortmund,  Crüwell.  23  S.  M.  1,00.  —  11)  H.  Röckner,  Mod.  Musik  u.  Volkstümlichkeit:  Geg.  45, 
S.  23/5.  —  12)  P.Moos,  Ed.  v.  Hirtmann  gegen  El  Hanslick:  AMasZg.  21,  S.  395/6.  418-20,437,8.  —  13)  X  A.  C.  Kalischer,  Philo- 
sophen u.  Astronomen  d.  17.  Jh.  u.  d.  eth.  Seite  d  Musik:  N&S.  70,  S.  352-82.  —  14)  M.  Arend,  D.  Aufgaben  d.  Kritikers  : 
MusWBl.  25,  S.  1/2,  13/4.  25/6.   —  15)  A    Reissmann,  Kunst  u.  Kritik;  Künstler  u.  Kritiker:  NZMusik.  61,  8.  37  8,  49-51.  — 

16)  M.  Rosenthal,  Präludien  zu  e.  Musikkritik  d.  Zukunft:  Zeit  1,  S.  169-70.  |[(0.  Lessraann):  AMusZg.  21,  S.  681/2.]|   — 

17)  H.  Ehrlich,  Neueste  Programm-Musik:  Geg.  45,  S.  134/6.    —    18)  X  id.,   Musiker  u.  Publikum:    ib.  46,  S.  217j8.  —  19) 


I  10-.19-25  H.  Reimann,  Musikgeschichte. 

ihm  seit  der  „Rhapsodie"  unbenommen.  Aber  der  obige  Satz  ist  nicht  wahr. 
Liszts  Progamme  sind  nicht  „lang",  sondern  so  knapp  wie  möglich  (ausser  wo  ein 
ganzes  Gedicht  [MazeppaJ  den  Vorwurf  bildet),  noch  will  Liszt  jemals  „jeden  Takt" 
ohrgerecht  zurechtlegen.  Das  letztere  ist  eine  Verleumdung !  —  Einen  ähnlichen  Kunst- 
verfall, den  des  Gesanges,  und  zwar  durch  Wagnersche  Musik,  beklagte  Kohut19). 
Wagner  stellt  „an  das  brutale  (!)  Material"  der  Stimme  und  die  Kraft  der  Lungen 
unerhörte  Anforderungen;  das  „Singen  mit  der  Brust"  ist  Hauptsache.  Als  Beweis 
führt  der  Vf.  seinen  „Schwiegervater"  Mannstein  an,  des  weiteren  Rietz  und  Hiller! 
Auch  in  Italien  könne  man  seit  LampertisTode  nicht  mehr  singen !  Nur  die  Rückkehr  zur 
italienischen  Gesangsschule  werde  dem  drohenden  Verderben  abhelfen!  Demgegenüber 
ist  zu  betonen :  Verdi,  Meyerbeer,  sogar  Mozart  in  einzelnen  Partien  (z.  B.  Konstanze, 
Donna  Anna),  Beethoven,  Weber  (Euryanthe,  Eglantine,  Rezia)  stellen  ebenso  starke 
Anforderungen  an  die  Stimme  wie  Wagner.  Dass  freilich  so  viel  unfertige,  nur 
halb  ausgebildete  Sänger  sich  sofort  als  „Wagnersänger"  aufthun,  schadet  ihnen  und  der 
Sache.  Was  ferner  die  Stimmausbildung  betrifft,  so  giebt  es  weder  eine  italienische 
noch  eine  deutsche,  sondern  nur  eine  natürliche  Methode.  Das  Specifikum  der 
„italienischen  Methode"  bereitet  wesentlich  zu  italienischem  Gesänge  (nach  Sprache  und 
Charakter  der  Musik)  vor;  wir  Deutsche  bedürfen  für  unsere  deutsche  Musik 
„deutscher  Methoden",  um  unsere  (nicht  italienischen)  Vokale,  Konsonanten,  Silben 
und  Worte  gesangsmässig  richtig  sprechen  zu  lernen.  —  Die  wahre  historisch 
berechtigte  musikalische  Form  der  Orgelsonate  entwickelt  Reimann20)  in  einer 
Reihe  von  Einzelkritiken.  — 

Aus  dem  Gebiet  der  Akustik  habe  ich  nur  einen,  aber  einen  vortrefflichen 
Beitrag  zu  verzeichnen:  Planck21)  weist  aus  praktischen  Erfahrungen  im  Konzert- 
saale nach,  dass  die  moderne  Vokalmusik  sich  in  der  temperierten  Stimmung  bewegt. 
Durch  das  Akkomodationsvermögen  des  an  die  Temperatur  gewöhnten  Ohres  wird 
dies  ermöglicht.  Aber  es  giebt  Fälle,  bei  denen  der  praktische  Einfluss  der  „natür- 
lichen" Stimmung  nachweisbar  ist.  Der  hierzu  mitgeteilte  praktische  Fall  (Aufführung 
einer  Schützschen  Motette  durch  den  Chor  der  kgl.  Hochschule)  ist  ein  sehr  lehr- 
reiches Exempel.  Gewisse  Akkordfolgen  führen  bei  temperierter  Stimmung  zu  Er- 
höhung oder  Vertiefung  der  Normalhöhe.  Die  einschlägige  Korrektur  erfolgt  jedesmal 
an  betreffender  Stelle  durch  den  Einfluss  der  „natürlichen"  Stimmung.  — 

Musikgeschichte.  Als  hervorragendes  Quellen  werk  sind  hier  in  erster 
Reihe  die  „Denkmäler  deutscher  Tonkunst  in  Oesterreich"  22)  zu  nennen.  Die  Seele 
des  Unternehmens  ist  Guido  Adler,  der  hierfür  wie  heutzutage  kein  zweiter  befähigt  ist. 
Er  verfügt  nicht  bloss  im  weitesten  Umfange  über  die  dazu  gehörigen  musik- 
geschichtlichen Kenntnisse :  sein  ruhiges,  besonnenes  Urteil,  sein  klarer  Verstand 
und  seine  von  aller  ehrgeizigen  Nebenabsicht  weit  entfernte,  der  reinsten  Kunst 
gewidmete  Begeisterung  verbindet  sich  mit  einem  ungemein  praktischen  Blick,  der 
für  ein  solches  Unternehmen  doppelt  wertvoll  ist,  wenn  es  eben  mehr  bedeuten  soll  als 
eine  bloss  momentane  Wiederbelebung  längst  vergessener  Meister  in  Zeichen  und 
Formen,  die  ein  schnelles  abermaliges  Vergessen  —  diesmal  auf  ewig  —  sicher  ver- 
bürgen. Gerade  in  letzterer  Hinsicht  sind  die  österreichischen  Denkmäler  den  von 
der  preussischen  Kommission  herausgegebenen  „Denkmälern  deutscher  Tonkunst" 
weit  voraus,  wie  denn  auch  in  Oesterreich  die  Mitarbeiter  entschieden  glücklicher, 
weil  weniger  engherzig,  gewählt  sind.  Im  Verlauf  unseres  Berichtsjahres  sind  die 
ersten  zwei  Bände  in  Halbbänden  erschienen :  1, 1  enthält  des  durch  seinen  „Gradus 
ad  Parnassum"  wohlbekannten  J.  J.  Fux  Messen,  von  J.  E.  Habert  vorzüglich  re- 
digiert; I,  2  G.  Muffats  erstes  Florilegium,  von  H.  Rietsch  höchst  sorgsam  heraus- 
gegeben; II,  1  bietet  Motetten  von  Fux,  und  11,2  das  zweite  Florilegium  Muffats,  von 
denselben  Herausgebern.  Nach  diesen  überaus  gelungenen  Publikationen  darf  man 
den  weiteren  Folgen,  namentlich  der  Publikation  der  berühmten  Trientiner  Hss.,  mit 
Musikstücken  von  Dufay,  Binchois  usw.,  mit   freudiger  Spannung  entgegensehen.  — 

Eine  z  u  s  am  m  e  nf  a  ss  e  nde  Darstellung  der  Musikgeschichte  „in  usum 
delphini"  bietet  Kothe 23),  eine  Kompilationsarbeit  ähnlicher  Art  Gebeschu  s24). 
—  Das  Unglaublichste  aber  an  Nachlässigkeit,  Flüchtigkeit,  Unwissenheit,  was  je 
unter  dem  Namen  einer  „Geschichte  der  Musik"  auf  den  Büchermarkt  gekommen, 
leistete  Keller25).  Der  Raum  ist  hier  zu  kurz  bemessen,  all  das  zu  wiederholen, 
was  ich  in  meiner  Kritik  dieses  Buches  in  den  BLU.  angeführt   habe.     Ich  verweise 


A.  Kohut,  Vom  Verfall  d.  Gesangeskunst.  E.  rousik.-ästhet.  Betracht.:  Bühne  &  Leben  2,  S.  166/7,  178/9.—  20)  H.  Reimann, 
Orgelsonaten.  Krit.  Gänge:  AMusZg.  21,  N.  40  6.  —  21)  M.  Planck,  D.  natürl.  Stimmung  in  d.  mod.  Vokalmusik.  L., Breitkopf  &Härtel. 
25  S.  M.  0,75.  -  22)  Denkmale  dtsch.  Tonkunst  in  Oesterr.  Her.  v.  G.  A  d  1  e  r.  Bd.  I.  I.  u.  2.  Hälfte.  Wien,  Artaria.  XI,  142  S. ;  X,  146  S. 
M.17,00.  |[SignaleN.40;SchwMusZg.  N.  15;  (R.  Eitner):  MhMusikgesch.  S.  205;  E.  H(an  slick):  NFPr.  N.  10  629;  M.  Seiffert: 
AMusZg.  21,  S.  215/6;  LCB1.  S.  684;  Kirchenohor  S.  9;  Mus.  sacr.  S. 5.J|  —  23)  B.  Kothe,  Abriss  d.  Musikgesch.  6.  Aufl.  L, 
Leuckart.  316  S.  M.  2,00.  —  24)  J.  Gebeschus,  Gesch.  d.  Musik  v.  d.  ältesten  vorchristl.  Zeiten  bis  auf  d.  Gegenw.  B., 
A.  Schultze.    272  8.    M.  3,00.   —   25)   0.   Keller,   Gesch.  d.  Musik.    (=  111.  Bibl.   d.   Kunst-   u.   Kulturgesoh.    Bd.  4.)    L., 


H.  Reimann,  Musikgeschichte.  I  10 


26-34 


daher  darauf,  kann  mir  aber  doch  der  Ergötzlichkeit  wegen  nicht  versagen,  wenigstens 
einige  K.sche  Quidproquos  anzuführen;  Aubers  Oper:  Leocadie,  erscheint  bei  K.  als 
„Leo  ladi";  „La  dot  de  Luzette"  als:  „La  dos  de  Lucatte";  Glinkas  „Ruslan  und 
Ludmilla"  als  „Russland  und  Ludmilla";  von  Wagner  heisst  es,  er  liege  „in  der 
Nähe  des  Festspielhauses  (!)  zur  ewigen  Ruhe  gebettet".  Die  beigegebenen  Bilder 
sind  fast  durchweg  zum  Entsetzen  (vgl.  z.  B.  das  Joachimportrait) ;  einzelne  sind 
mit  einander  verwechselt;  „Meyerbeer"  z.  B.  ist  als  „Mehul"  bezeichnet!  Doch 
genug.  —  Zu  etwas  Erquicklicherem,  wie  es  der  dritte  Band  der  Ambrosschen  Musik- 
geschichte, von  Kade26)  bearbeitet,  bietet!  Der  Bearbeiter  ist  allzu  konservativ 
gewesen;  nicht  einmal  die  Seitenzahlen  der  zweiten  und  dritten  Auflage  weichen  von 
einander  ab,  jede  Seite  ist  in  der  dritten  genau  an  derselben  Stelle  gebrochen,  wie 
in  der  zweiten!  Hat  der  Bearbeiter  etwa  eine  „Stereotypauflage"  korrigiert?  Einzelne 
(nicht  alle)  Citate  sind  ergänzt,  Druckfehler  und  anderweitige  Versehen  im  Text  wie 
in  den  Notenbeispielen  sind  (allenthalben,  nicht  immer)  verbessert.  Vieles,  was 
einer  Umgestaltung  dringend  bedurft  hätte,  ist  genau  so  geblieben  wie  früher.  Unter 
denen,  welche  mit  Mitteilungen  und  Beiträgen  den  Herausgeber  unterstützten,  hatte 
der  Vf.  die  Güte,  auch  mich  in  der  Vorrede  aufzuführen.  Leider  wurde:  H.  Riemann 
in  Charlottenburg  gedruckt.   — 

LokaleMusikgeschichte  nach  archivalischen  Quellen  behandelt  ein  Auf- 
satz Helds27)  über  das  Dresdener  Kreuzkantor at.  Dasselbe  wird  1542  zuerst  er- 
wähnt. Den  Kernpunkt  der  Arbeit  bildet  die  Aufzählung  sämtlicher  Kantoren  von 
1240  bis  auf  unsere  Zeit.  Die  Lebensschicksale,  das  künstlerische  Wirken  eines  jeden 
Kantors  ist,  soweit  es  möglich  war,  eingehend  geschildert  und  den  wichtigsten  und 
berühmtesten  unter  diesen  Kantoren,  z.  B.  Rüling,  Neander,  Homilius  (1755—85), 
Ch.  Theod.  Weinlig  (Lehrer  Wagners),  E.  Jul.  Otto  (gest.  1875)  ist  besondere  Be- 
achtung unter  Hinzufügung  eines  Verzeichnisses  ihrer  Werke  geschenkt.  —  Regesten 
über  die  Münchener  Hofkapelle  giebt  Walter28).  Das  Material  dazu  stammt  aus  der 
Hinterlassenschaft  des  verdienstvollen  Kustos  der  Münchener  Musikbibliothek, 
J.  J.  Maier.  —  In  einer  ausserordentlich  eingehenden  und  umfangreichen  Abhandlung- 
behandelt  Heinr.  Webe  r  29)  die  Geschichte  des  liturgischen  Gesanges  im  Bistum  Bam- 
berg, von  der  frühesten  Zeit,  der  der  Mutterdiöcesen  Bambergs  und  des  heiligen  Boni- 
facius,  beginnend  bis  zum  18.  Jh.  Der  zweite  Abschnitt  der  Monographie  betrifft 
den  deutschen  Kirchengesang  vom  11.  Jh.  ab,  die  Einwirkung  der  Reformation,  eine 
Geschichte  und  Kritik  der  fränkischen  Kirchengesangbücher  u.  dgl.  — 

An  Beiträgen  zur  Geschichte  einzelner  Musikinstrumente  verzeichnen  wir 
zunächst  Frenzeis30)  Schrift  über  die  Orgel.  Das  Werkchen  enthält  eine  nicht 
immer  geschmackvoll  zusammengestellte  Anthologie  von  Gedichten,  Aussprüchen 
berühmter  und  unberühmter  Männer  (Dichter,  Komponisten,  Schriftsteller)  über  die 
Orgel  und  ihre  Meister.  —  Ein  wenig  anspruchsvoll  nannte  Bie31)  die  skizzen- 
hafte Beschreibung  einiger  Tasteninstrumente  der  kgl.  Instrumentensammlung'  in 
Berlin:  „Geschichte  des  Klaviers",  wogegen  Krebs32)  einen  wirklich  sehr  dankens- 
werten Beitrag  zur  Instrumentalgeschichte  mit  dem  Aufsatz  über  Kaspar  Tieffen- 
brucker  lieferte.  —  Die  seltsamen,  aus  dem  Bronzealter  stammenden,  in  Dänemark 
sehr  zahlreich  gefundenen  und  im  Museum  zu  Kopenhagen  verwahrten,  trotz  ihres 
hohen  Alters  von  2500  Jahren  aber  wohl  erhaltenen  „Luren"  (Hörner  aus  Bronze, 
den  römischen  Heerhörnern  ähnlich)  beschreibt  Hammerich33).  Die  Windung  des 
Instrumentes  ging  vom  Mundstück  unter  dem  rechten  Arme  nach  rückwärts,  so  dass 
der  mit  Hängezierat  und  ornamentierten  Platten  versehene  Schallbecher  (Stürze) 
oberhalb  des  Kopfes  nach  vorn  gerichtet  war.  Unwichtig  sind  die  vom  Vf.  auf- 
geworfenen Fragen:  ob  man  auf  den  „Luren"  zweistimmig  geblasen,  und  wie  viele 
Naturtöne  (Obertöne)  im  Bronzezeitalter  als  bekannt  anzusehen  sind.  — 

An  Sammelwerken  sind  vor  allen  anderen  S  p  i  1 1  a  s  34)  musikgeschichtliche 
Aufsätze  zu  erwähnen,  nicht  bloss  weil  sie  einen  so  überaus  reichen  Inhalt  bieten 
und  als  letzte  und  reifste  Frucht  eines  ungemein  arbeitsvollen  und  ergebnisreichen, 
leider  zu  früh  abgeschlossenen  Forscherlebens  veröffentlicht  wurden,  sondern  wegen 
ihrer  thatsächlichen  wissenschaftlichen  Bedeutung.  Wohl  waren  die  Aufsätze  fast 
sämtlich  einzeln  in  Zeitschriften  schon  vorher  veröffentlicht  worden,  aber   sie   haben 


Friesenhahn.  438  S.  M.  4,00.  |[M.  Seiffert:  AMusZg.  21,  S.  184;  H.  Reimann:  BLU.  S.  728.U  —  26)  A.  W.  Ambros, 
Gesch.  ä.  Musik.  3.  Aufl.  3.  Bd.  Her.  t.  O.  Kade.  L.,  Leuekart.  1893.  640  S.  M.  12,00.  (Vgl.  JBL.  1892  I  9  :  12;  1893 
I  13:15.)  —  27)  K.  Held,  D.  Kreuzkantorat  zu  Dresden.  Nach  archiv.  Quellen  bearb. :  VjsMusikwissensch.  10,  S.  239-410. — 
28)  K.  Walter,  Archiv.  Excerpte  über  d.  herzogl.  Hofkapelle  in  München:  KirchenmusJb.  20,  S.  76-87.  —  29)  Heinr. 
Weber,  D.  Kirch  enge  sang  im  Fürstbistum  Bamberg.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Kirchenges,  in  Ostfranken.  (=  2.  Vereinsschr.  d. 
Görres-Ges.  z.  Pflege  d.  Wiss.  im  kath.  Deutschi.)  Köln,  Bachern.  1893.  VIII,  64  S.  M.  1,20.  |[StML.  46,  S.  4573; 
J.  Veith:  ÖLB1.  3,  S.  3/4;  M.  Heimbucher:  Kath.  1,  S.  91/2.JI  —  30)  R.  Frenzel,  D.  Orgel  u.  ihre  Meister.  Dresden, 
Naumann.  145  S.  M.  1,20.  —  31)  O.  Bie,  D.  Gesch.  d.  Klaviers:  Daheim  30,  S.  615/8.  —  32)  C.  Krebs,  Kasp.  Tieffen- 
brucker,  d.  älteste  dtsch.  Geigenbauer:  VossZg.  N.  383.'—  33)  A.  Hammerich,  Stud.  über  d.  altnord.  Luren  im  National- 
mus.  zu  Kopenhagen:  VjsMusikwissensch.  10,  S.  1-32.  —  34)  (II  2:54.)  |[MusRs.  N.  16;  SohwMusZg.  N.  11;  RiMusIt.  N.  4f 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (1)18 


i  10:35-39  H.  Reimann,  Musikgeschichte. 

alle  eine  gründliche  Durcharbeitung"  erfahren.  Soll  ich  unter  den  vorzüglichen  Ar- 
beiten die  vorzüglichsten  erwähnen,  so  nenne  ich:  „H.  Schütz"  (Begleitwort  zu  der 
von  Spitta  kurz  vor  seinem  Tode  abgeschlossenen  Gesamtausgabe  der  Werke);  „Die 
Anfänge  madrigalischer  Dichtung";  „Bachiana";  die  Kritik  über  Jansens  Ausgabe 
der  schriftstellerischen  Werke  Schumanns  und  den  Aufsatz  über  die  „Ballade".  Die 
von  Schülern  Sp.s  vielgerühmte  und  als  musterhaft  gepriesene  Arbeit  über  „Sperontes 
singende  Muse"  halte  ich  in  ihrem  Endresultat:  Sperontes  sei  der  Schlesier  J.  Sigis- 
mund  Scholz  gewesen,  für  verfehlt.  Die  Beweise,  die  Sp.  hierfür  beibringt,  sind  teils 
zu  wenig  erschöpfend,  teils  zu  wenig  überzeugend.  Auch  sonst  findet  sich  gerade 
in  diesem  Aufsatz  so  manches  (vgl.  die  Beziehungen  gleicher  Melodien  zu  einander 
und  ihre  Entwicklung  aus  einander),  was  vom  rein  musikalischen  Standpunkte  nicht 
annehmbar  erscheint.  Ich  komme  darauf  im  nächsten  JB.  gelegentlich  zurück.  — 
Von  La  Maras35)  „Musikalischen  Studienköpfen",  dem  wohlbekannten,  trefflich  ge- 
schriebenen und  mit  sorgfältig  gearbeiteten  Verzeichnissen  versehenen  Werke,  und 
zwar  von  dessen  erstem,  die  Romantiker  enthaltenden,  Bande,  ist  bereits  die  siebente 
Auflage  erschienen.  Das  Buch  wird  sich  in  dieser  erweiterten  und  teilweise  um- 
gearbeiteten Form  sicher  neue  Freunde  erwerben36).  —  Payer37)  (nicht:  Poyer) 
veröffentlichte  fünf  Briefe,  und  zwar  zwei  von  Weber,  je  einen  von  Marschner,  Lind- 
paintner  und  Spohr.  Inhaltlich  sind  sie  unbedeutend;  nur  der  Lindpaintnersche  ist 
zur  Charakterisierung  dieser  eitlen,  selbstgefälligen  Künstlernatur  interessant.  — 

Einzelne  musikalische  Formen:  Lied.  Das  laufende  Jahr  hat  auf 
diesem  Gebiet  ein  Riesenwerk  zum  Abschluss  gebracht.  Erks  Liederhort  erfüllt 
seine  Aufgabe,  ein  „allgemeines  deutsches  Volksgesangbuch"  zu  sein,  in  hohem  Masse. 
Die  wertvollsten  deutschen  Volkslieder  alter  wie  neuer  Zeit  sind  hier  in  reicher  Aus- 
wahl zusammengetragen,  kritisch  gesichtet  und  historisch  kommentiert.  Damit  ist 
zunächst  der  deutschen  Litteratur  wie  der  deutschen  Kunst  ein  so  grossartiger  Zu- 
wachs zu  teil  geworden  wie  niemals  seit  Menschengedenken.  Aufnahme  haben  nur 
Volkslieder  gefunden;  der  höfische,  der  Meistergesang  und  die  „Gesellschaftslieder"  des 
16.  und  17.  Jh.,  desgleichen  die  seit  dem  Neuerwachen  der  alten  Volkslieder  alsbald 
entstehenden  volkstümlichen  Lieder  des  18.  und  19.  Jh.  —  gemeiniglich  als  „Kunst- 
lieder" bezeichnet  —  sind  ausgeschlossen.  Dafür  sind  niederdeutsche,  selbst  altnieder- 
ländische Lieder  ohne  Bedenken  aufgenommen  worden.  Beides  mit  Recht.  Ist  das 
Verdienst,  dieser  Sammlung  das  Leben  gegeben  zu  haben,  zunächst  Erk  zuzuschreiben, 
so  ist  nichtsdestoweniger  ein  mindestens  gleicher  Teil  dem  Herausgeber,  Böhme38),  zu 
überweisen.  Der  Plan  des  Werkes,  das  höchst  mühsame  Quellenverzeichnis,  die  Litterätur- 
angaben,  Wort-  und  andere  Erklärungen,  die  Register  usw.  sind  ausschliesslich  B.sWerk. 
Seiner  jahrelangen,  mühevollen  und  vor  allem  sehr  uneigennützigen  Arbeit  in  erster 
Reihe,  demnächst  den  hochherzigen  Spenden  der  Kaiser  Wilhelm  1.  und  Wilhelm  II. 
verdankt  das  deutsche  Volk  ein  monumentales  Werk,  wie  es  keine  andere  Nation 
besitzt.  Eine  genaue  und  vollkommen  erschöpfende  Kritik  an  dem  Buche  zu  üben, 
alle  seine  Einzelheiten  zu  prüfen,  dazu  halte  ich  mich  nicht  für  befähigt;  ich  meine 
überhaupt,  dass  dies  bei  dem  Umfange  des  Werkes  und  der  Unmasse  des  verarbeiteten 
Stoffes  schlechterdinge  ausser  dem  Bereiche  der  Kraft  eines  einzelnen  Menschen  liegt. 
Aber  ich  hatte  bei  der  Herausgabe  einer  grösseren  Sammlung  geistlicher  Lieder 
reichliche  Gelegenheit,  die  Richtigkeit  der  angegebenen  Melodien  (3,  S.  624  ff.),  sowie 
der  Litteraturangaben  zu  prüfen.  In  ersterer  Hinsicht  habe  ich  gar  manche  Unrichtig- 
keiten bemerkt,  die  zu  korrigieren  hier  nicht  der  rechte  Platz  ist.  In  letzterer  Hin- 
sicht wären  ab  und  zu  genauere  Citate  (Angabe  der  Seitenzahl)  erwünscht.  Ich  muss 
es  ferner  als  einen  Mangel  bezeichnen,  dass  B.  die  in  seinem  „Altdeutschen  Lieder- 
buch" so  vortrefflich  bewährte  Methode  des  Druckes  der  Melodien  in  den  alten  Typen 
aufgegeben  hat,  offenbar  eine  Cession  an  Erk,  der  in  den  alten  Melodien  weniger 
sicher  bewandert  war.  Doch  sehen  wir  angesichts  der  Grösse  und  Bedeutung 
dieses  Liederwerkes  von  diesen  Mängeln  ab  und  freuen  wir  uns  eines  solchen 
Besitzes.  —  Eine  Sammlung  litauischer  Kirchengesänge  (aus  dem  18.  und  19.  Jh.) 
von  Hoffheinz35')  muss  deshalb  hier  erwähnt  werden,  weil  die  litauischen  Lieder 
zum  nicht  geringen  Teil  Umbildungen  deutscher  Melodien  sind.  Eigentümlicher  Weise 
ist  der  Zeilenumfang  dieser  Melodien  zumeist  auffallend  kurz  (häufig  nur  2  Zeilen), 
auch  für  recht  lange  Texte.  Die  Melodien  sind  4 stimmig  gesetzt.  Spitta 
tadelt  dies;  die  Weisen  seien  nur  melodisch,  nicht  harmonisch  gedacht.  Die  letztere 
Scheidung  muss  ich  im  Prinzip   bekämpfen;   jeder  Melodie  —  auch   der  einfachsten 


Signale  N.  67;  N&S.  76,  S.  286;  LCB1.  S.  863/4;  C.  K(rebs):  VossZg.  N.  452,  454.]|  -  35)  La  Mara,  Musikal.  Studienköpfe. 
Bd.  1.  Romantiker.  7.  umgearb.  Aufl.  Mit  Portrr.  L.,  Schmidt  &  Günther.  VII,  417  S.  M.  3,50.  |[0.  L( essmann): 
AMusZg.  21,  S.  637.]j  —  36)  O  J.  A.  Fuller-Mailland,  Masters  of  germun  music.  London,  Osgood  Sh.  5.  |[J.  S. 
S(hedlock):  Ac.  46,  S.  219  ]|  -  37)  0.  Payer,  Fünf  Briefe  berühmter  Tondichter:  NZMusik.  61,  S.  25,7.  -  38)  (I  5:299; 
II  2:39.)  HKVZg.  N.  359;  Grenzb.  2,  S.  572/3;  VossZg.  N.  524;  LCBF.  S.  1839-90;  NorddAZg.  N.  329.])  -  39)  W.  Hoff- 
bein'/.,  Giesmiu   Balsui.     Litauische   Kirchengesänge.    Her.    v.    d.  Litauischen    litt.  Ges.    in  Tilsit.     Heidelberg,  Winter.     4°. 


H.  Reimann,  Musikgeschichte.  I  10  :  40-57 

gregorianischen  —  liegt  ein  harmonisches  Element  zu  Grunde,  und  zwar  dasjenige,  auf 
dem  das  Tonsystem,  dem  die  Melodie  angehört,  beruht.     Eine  andere  Frage   ist  es 
freilich,    ob   jener   4 stimmige    Satz    dem    Wesen   der   Melodie   in    der   angedeuteten 
Hinsicht  auch  immer  entspricht.     Diese  Frage  würde  ich  im  vorliegenden  Falle  mit 
„nein"  beantworten.  —  Das  von  Kothe  und  Scholz40]  herausgegebene  katholische 
Gesangbuch  ist  zwar  nur  für  religiöse  Zwecke  bestimmt,    aber   wegen   einiger  wert- 
voller und  selten  zu  findender  Volksmelodien,  die  es  enthält,  beachtenswert.  —  Fuchs41) 
Melodienalbum  erwähne  ich  lediglich  als  trauriges  Beispiel  musikalischer  Geschmacks- 
losigkeit.    Geistliche  Volksmelodien  mit  Guitarren-,  bezw.  Zitherbegleitung  in  marsch- 
und  tanzartigen  Rhythmen!  —  Von  Reimanns  im  vorigen   Jahre    erwähnten    Lieder- 
sammlungen   (JBL.    1893  I  13:44/5)  handeln    zwei  Aufsätze    von  R.  Weber42)    und 
Kretzschmar43).   —    Eine   sehr  willkommene  Fortsetzung,    aber   hoffentlich   noch 
nicht  den  Abschluss  bildet  Lew  alters44)  fünftes  Heft  der  niederhessischen  Volks- 
lieder.   L.  verfügt  über  ansehnliche  Litteraturkenntnis  und  den  richtigen  Geschmack. 
Das  letztere  zeigt  sich  in  dem  einfachen,  aber  guten    2-  oder  3stimmigen  Satze,  in 
welchem  er  die  Lieder  mitteilt.  —  Eine  verdienstliche  Arbeit  Seyferts45)  behandelt 
das  volkstümliche  Lied  von  1700—1800.     Verwunderlich  ist   nur,    warum    das  Lied 
im  Singspiele  (J.  A.  Hiller,  Andre,  Reichardt,  Neefe,  Himmel  usw.)  von  der  „selbständigen 
Liedkomposition"  getrennt  und  dadurch  eng  Zusammengehöriges  auseinandergerissen 
wird.    Auch  muss  ich  bestreiten,  dass  Hillers  Lieder,  namentlich  die  Kinderlieder, 
lediglich  als  „Mittel  zur  Gesangsbildung"  anzusehen  sind.     In  diesen  verschiedenen 
Liedformen  tritt  uns  vielmehr  Volks-  und  Mode-  (meinetweg-en  auch  Kunst-)  Gesang 
in  ihrem  Widerstreit  sehr  drastisch  vor  die  Augen.     Recht  gut  sind  J.  P.  A.  Schulz 
und  seine  Nachfolger:  Andre,  Neefe,  Reichardt  behandelt.    Die  süddeutschen  Lieder- 
sänger werden  dagegen  nur  gestreift.     Die  Umgestaltung  des  volkstümlichen  Liedes 
zum    2 — 3  stimmigen    Chorliede  (Kinder-,    Studenten-,  Gesellschaftslieder)   und  zahl- 
reiche Notenbeispiele  bilden  den  Schluss  dieses  Aufsatzes,  zu  welchen  Max  Fried- 
laender  dankenswerte  Zusätze  und  Berichtigungen  gegeben  hat.  —  EinAnonymus46) 
verlangt,     dass     das    Volkslied    die    Grundlage    des     Gesangsunterrichts    auf    den 
Gymnasien  bilden  müsse.    Dies  sei  das  beste  Mittel  gegen  die  Verbreitung  elender 
Gassenhauer.     Ein  frommer  Wunsch  nach  beiden  Seiten  hin.  —  Ueber  Veränderungen 
von  Volksmelodien,  und  zwar  von  solchen,  die  (der  Regel  entgegen!)  Verbesserungen 
sind,  handelt  Bleisteiner47),  während  die  Depravation  der  Melodien  auf  den  Kneipen 
und  die  schlechte  Wahl  der  Lieder  von  Lorentzen4S  49)  getadelt  werden.     In  einem 
späteren  Aufsatz  giebt  L.  nebst  einer  Kritik  des  Lahrer  Kommersbuches  (41.  Auflage) 
eine  annehmbare  Auswahl  guter  Kneiplieder.  —  Eine  im  „Daheim"  enthaltene  Mittei- 
lung aus  „Souvenirs  de  la  M1116  de  Crequy   de  1710  ä  1803"  enthält  eine  Erklärung 
dreier  Damen  v.  St.  Cyr,  wonach  der  ursprüngliche  Text  zur  Melodie  der  preussischen 
Nationalhymne50)  von  Aln,e  de  Brinon,  einer  Aebtissin  v.  St.  Cyr,  und  die  Melodie  von 
Lully   ist.     Eingehendere   Beweise    werden    hierfür   nicht    erbracht.   —  Ein  Vortrag 
Max  Friedlaenders51-53)   erörterte    die    Beziehungen    des   Hauffschen    Volksliedes 
„Morgenroth"  zu  Gedichten  Günthers  usw.  sowie  die  Herkunft  der  Melodie.     In  ähn- 
licher Weise  wird  das  bekannte  triviale  „Lied  vom  Kanapee",  dessen  früheste  Form 
aus  dem  J.  1740  nachweislich  ist,  behandelt.    Dieser  zweite  Teil  des  Vortrags  wurde 
noch  in  mehreren  anderen  Zeitschriften  veröffentlicht.  —  Das  ursprünglich  russische, 
aber  in  Deutschland  ganz  volkstümlich  gewordene  Lied:   „Schöne  Minka,  ich   muss 
scheiden"  bespricht  ein  Anonymus54).  —    Das  specielle  Gebiet  des  Männergesanges 
betrifft  ein  Aufsatz55),  der  ganz  sachgemäss  einen  Abriss  seiner  Geschichte  von  Mich. 
Haydn  bis  Reichardt  giebt.  —  Eine  vortreffliche  Sammlung  volkstümlicher  Männer- 
chöre enthält  Reisers56)  Liederkranz.  — 

Oper.  Die  hierher  gehörige  Schrift  von  Pfohl5r)  ist  aus  einer  Sammlung 
Hamburger  Musikkritiken  entstanden,  aber  trotzdem  kein  schlechtes  Buch.  Schon 
dass  allen   diesen  Einzelarbeiten   ein  gemeinsames  Ziel   gegeben   ist,    nämlich:   „Die 


IV,  113  S.  M.  5,00.  |[Ph.  Spitta:  VjsMusikwissensch.  10,  S.  216-2l.]l  —  40)  W.  Kothe  u.  E.  Scholz,  Kath.  Gesang-  n. 
Gebetbuch.  Im  Auftr.  d.  Dekanatsamtes  d.  Grafseh.  Glatz  zusammengest.  u.  her.  3.  verm.  u.  verb.  Aufl.  Habelschwerdt, 
Franke.  12°.  XVI,  206  S.;  VIII,  211  S.  M.  1,20.  —  41)  J.  Fu  ch  s,  Melodien- Album  mit  geistl.  Liedern.  Für  d.  Zither  bearb. 
St.,  Selbstverl.    64  S.    (Nicht  im  Handel.)  —  42)  E.  Weber:  BLU.  S.  515  6   —  43)  [H.  Kretzschmar]:  Grenzb.  1,  S.  53  5. 

—  44)  (I  5:313.)  —  45)  B.  Seyfert,  D.  musikal.-yolkstüml.  Lied  v.  177O-1S0O:  VjsMusikwissensch.  10,  S.  33-102.  (Vgl. 
Nachtrr.  u.  Berichtigungen  v.  Max  Friedlaender:  ib.  S.  234.)  —  46)  D.  Volkslied  auf  d.  Gymn.:  Grenzb.  1,  8.  535  7.  — 
47)  G.  Bleisteiner,  Äenderungen  d.  Volksmundes  an  bekannten  Liedern:  VjsMusikwissensch.  10,  S.  474-82.  —  48)  [Th. 
Lorentzen],  Ueber  d.  Singsang  auf  d.  Kneipen:  BurschenschBH.  8,  S.  107-10.   (Vgl.  dazu  H.  Gillische  wski:  ib.  S.  136  7.) 

—  49)  id..  Unsere  Kommerslieder:  ib.  S.  177-85.  (Vgl.  dazu  H.  Gillische  wski:  ib.  S.  248/9.)  —  50)  H.  v.  S.  z.  T.,  Z. 
Melodie  d.  preuss.  Nationalhymne;  Daheim  30,  S.  588.  —  51)  Max  Friedlaender,  Ueber  einige  volkstüral.  Lieder  d.  18.  Jh. 
(=  I  1:86a,  S.  400,3.)    (Vgl.  dazu  F.  Detter,  Ber.  über  d.  Philologenver.  in  Wien:  ZDPh.  26,  S.  400/5.)  —  52)  X  (H  2 :  55.) 

—  53)  X  M.  Friedlaender,  D.  Lied  v.  Kanapee:  Grenzb.  2,  S.  573/4.  —  54)  D.,  „Schöne  Minka,  ich  muss  scheiden": 
Bär  20,  S.  98, 134.  —  55)  D.  dtsch.  mehrstimm.  Männergesang  u.  seine  hervorragendsten  Vertreter.  I.:  Daheim15.  30,  N.  46,  52.  —  56) 
A.  Heiser,  Liederkranz  aus  Schwaben.  St.,  Nitzschke.  456  S.  M.  2,00.  —  57)  F.  Pfohl,  D.  mod.  Oper.  L.,  Reissner.  401  S. 
M.  5,00.     |[0.  Bie:  AMusZg.  21,  S.  400,1;    H.  Eeimann:  BLU.  S.  729-30;    NZMusik.  N.  22  3;    EiMusIt.  N.  3;    SchwäbKron, 

(1)18* 


I  10:58-67  H.  Reimann,  Musikgeschichte. 

Strahlenbrechung"  der  Kunst  Wagners  im  Schaffen  der  Gegenwart  zu  zeigen",  spricht 
für  eine  sorgsame  Ueberarbeitung  der  Augenblicksarbeiten.  Vortrefflich  ist  die  Ana- 
lyse des  Corneliusschen  „Barbiers",  ferner  die  vonGoldmarcks  „Merlin",  Verdis  „Otello", 
Smetanas  „Verkaufter  Braut",  Tascas  „A  Santa  Lucia".  Dem  Urteil  über  Mascagnis 
„Cavalleria"  und  „Amico  Fritz",  die  zu  günstig  wegkommen,  Verdis  „Falstaff",  der 
zu  ungünstig  beurteilt  wird,  stimme  ich  nicht  bei;  auch  sonst  hätte  ich  Neben- 
sächliches (unkorrekte  und  aus  dem  Klavierauszug  bezogene  Musikbeispiele,  In- 
korrektheiten und  Absurditäten  im  Ausdruck,  z.  B.:  „Der  Tod  schreitet  in  den  dumpfen 
Schlägen  der  grossen  Trommel  über  die  Scene")  zu  tadeln.  Aber  das  Gute  überwiegt 
bei  weitem.  —  Interessant  und  belehrend  behandelt  Krebs58)  das  Musikdrama 
in  Spanien.  —  Stoessel5<J)  wendet  sich  gegen  einen  Aufsatz  Heubergers,  der  über 
die  Geringschätzung  und  die  Vernachlässigung  klagte,  die  Dichter  der  Oper  gegen- 
über an  den  Tag  legen.  Ein  guter  Dichter,  meint  der  Vf.,  braucht  den  Musiker 
nicht,  um  sein  Ziel  und  seinen  Kunstzweck  zu  erreichen.  Andererseits  muss  der 
Operntextdichter  zum  grössten  Teil  auf  seine  künstlerische  Selbständigkeit  verzichten, 
er  wird  nur  Handlanger  für  den  Komponisten.  Die  Polemik  ergiebt  als  Resultat, 
dass  Wagner  der  einzig  vernünftige  Mensch  und  Künstler  war.  —  Zu  ähnlichem 
Resultate  hätte  Graf60)  gelangen  müssen,  wenn  er  seinen  Grundgedanken  streng  ver- 
folgt hätte.  Die  Oper  entstand  aus  einer  „zufällig  falschen  Auffassung  der  griechischen 
Tragödie  bei  Gelegenheit  des  Wiederbelebungsversuches  derselben  zur  Zeit  der 
Renaissance".  Sie  wurde  Modeschöpfung  und  damit  allen  Wandlungen  der  Mode 
unterthan.  Daher  ihre  mannigfachen,  oft  sich  widersprechenden  Formen.  Dieser  an 
sich  richtige  und  fruchtbare  Gedanke  wird  leider  vom  Vf.  nicht  ausgeführt.  Ueber 
Monteverdi,  Gluck  gerät  er  mit  einem  Salto  mortale  auf  Wagner,  dessen  Opernmusik 
im  wesentlichen  „symphonische  Musik  zu  Bühnenbildern"  sei.  Der  Vf.  zeigt  damit, 
dass  er  das  WTesen  des  Dramas  ganz  äusserlich  auffasst.  Schon  Lessing  betont  be- 
kanntlich, die  fortschreitende  „innere"  Handlung  als  das  Wesentliche  des  Dramatischen. 
Nun,  wenn  in  diesem  Lessingschen  Sinne  irgend  ein  Wagnerscher  Opernakt  eminent 
dramatisch  ist,  dann  ist  es  der  2.  Akt  des  „Tristan",  den  der  Vf.  gerade  als  Beispiel  für 
„undramatische"  symphonische  Musik  zu  einem  lebenden  Bilde  bezeichnet.  —  Ertel61) 
will  die  Formen  der  modernen  Oper  behandeln,  bietet  aber  ein  konfuses  Durch- 
einander von  Einzelheiten  und  zeigt,  dass  er  für  solche  Aufgabe  weder  Kenntnisse, 
noch  Beruf,  noch  Geschick  hat.  —  Sehr  zeitgemäss  wendet  sich  Mauke62)  gegen 
das  Missverständnis  Wagners  seitens  der  modernen  Komponisten  Italiens  (Mascagni, 
Franchetti),  Frankreichs  (Chabrier),  Deutschlands  (Hummel,  Umlauft  usw.).  Sie  kopieren 
und  geben  nichts  oder  nur  verschwindend  wenig  Eigenes.  Am  deutlichsten  tritt  dies 
bei  der  Anwendung  des  dramatischen  Pathos  vor  Augen.  Wenn  beiMascagni  (im  Freund 
Fritz)  der  alte  Rabbi  in  die  geringste  Emotion  gerät,  oder  (in  den  Rantzau)  der  Schulmeister 
hinausgeworfen  wird,  geht  ein  Getöse  im  Orchester  los,  als  ob  der  Himmel  einfiele. 
Der  Vf.  hat  gewiss  Recht;  in  dem  Unwesentlichen,  ja  in  dem  Falschverstandenen 
wähnt  man  Wagners  „wahre"  Originalität,  und  so  ahmt  man  sie  in  gröbster  Manier  nach63). 
—  Wie  Grillparzer  seinerzeit  für  die  Italiener  und  gegen  die  deutsche  Oper,  insbesondere 
gegen  den  „Freischütz"  und  die  „Euryanthe"  Webers  zu  Felde  zog,  und  welche  jammer- 
volle Kabalen  die  Aufführung  des  „Freischütz"  in  Wien  gänzlich  erfolglos  machten 
(das  Schiessen  auf  der  Bühne  war  polizeilich  untersagt,  die  Darstellung  des  Ein- 
siedlers und  Samiels  wurde  aus  religiösen  Gründen  verboten),  stellt  Batka64)  trefflich 
dar  und  hebt  in  dem  Kampfe  der  Deutschen  gegen  die  Italiener  (Cera  und  Barbaja) 
namentlich  die  Verdienste  des  Hofrats  Mosel  gebührend  hervor.  Leider  krankt  Wien 
heute  noch  an  dem  1816  durch  die  Truppe  Geras  (die  Borgondio!)  ihm  eingeimpften 
Italianismus.65)  —  Eine  interessante  briefliche  Mitteilung  Rubin steins  an  Herrn  Rud. 
Loewenstein  über  seine  Ansichten  von  der  Oper  überhaupt  und  insbesondere  von  der 
durch  ihn  selbst  kultivierten  geistlichen  Oper  verdanken  wir  einer  Dame:  Margarete 
Toeppe66).  Rubinsteins  innerstes  Gefühl  beleidigte  der  Christus,  der  Samson,  Josua, 
Elias,  Paulus  „im  Frack",  wie  er  bei  unseren  landläufigen  Oratorienaufführungen 
zu  sehen  ist.  Das  Oratorium  hat  einen  dramatischen  Kern,  es  bedarf  keiner  so 
spannenden  Handlung,  keiner  so  packenden  Auftritte,  keiner  „Liebesgeschichte"  wie 
die  Oper.  Aber  es  kann  des  dramatischen  Kernes,  folglich  auch  der  dramatischen 
Vorführung  nicht  entraten.  Darum  soll  die  geistliche  Oper  an  Stelle  des  Oratoriums67) 
treten.  — 


N.  174;  N&S.  76,  S.  286;  Ges.  S.  1382/3;  MusWBl.  25,  S.  322/3,  337,9.]|  —  58)  C  Krebs,  D.  Musikdrama  in  Spanien: 
VoBsZg".  N.  501.  —  59)  A.  St  oes  sei,  Textdichter  u.  Komponisten:  Geg.  45,  S.  2947.  —  60)  M.  Graf,  D.  Opernpiobleni : 
Didask.  N.  278.  —  61)  P.  Ertel,  D.  Formen  d.  rood.  Oper:  Bühne  *  Leben  2,  S.  702,3,  719-21.  —  62)  W.  Mauke,  Ueber 
d.  falsche  Pathos  in  d.  dramat.  Musik:  BerlE.  1,  S.  272/6.-63)  X  IJ-  Kar  eil,  Naturgesch.  in  d.  Oper:  Didask.  N.  44.  (E.' 
Humoreske.)  —  64)  R.  Batka,  Grillparzer  u.  d.  Kampf  gegen  d.  dtsch.  Oper  in  Wien:  GrillpurzerJb  4,  S. 119-44.  |[O.B(ie): 
AMusZg.  21,  S.360.]|  -  65)  X  0.  M.-M.,  D.  Hoftänze  d.  früheren  Jhh. :  Daheim".  30,  N.  1.  —  66)  M  argarete  Toeppe,  A.  Rubin- 
Stein,  Christus.    Geistl.  Oper  (L.,  Senff.  66  8.  M.  1,00  [Textbuch]):  Zukunft  9,  S.  456-61.  —  67)  X  c-  O-i.,  D.  Entwicklung  d. 


H.  Reimann,  Musikgeschichte.  I  10  i  68-77 

Einzelne  Musiker  und  Komponisten.  Den  musiktheoretischen  Traktat 
des  Ugolino  von  Orvieto  (1450)  übersetzte  Kornmüller68),  während  gleichzeitig" 
Hab  er  1  sehr  dankenswerte  „bio-bibliographische"  Mitteilungen  über  Ugolino  machte, 
von  denen  ich  besonders  den  Nachweis  erwähnen  muss,  dass  Ugolino  da  Orvieto  als 
identisch  mit  Ugolino  da  Civitavecchia  anzusehen  ist.  —  Den  alten  Organisten  am 
Münster  in  Konstanz,  Hans  Buchner,  der  ebenfalls  als  identisch  mit  dem  „Meisler 
Hans  von  Konstanz"  zu  betrachten  ist,  betrifft  ein  Aufsatz  des  Konstanzer  Organisten 
von  Werra69).  — 

Eine    grosse  Anzahl  Schriften    und  Aufsätze  brachte   das  Berichtsjahr   über 
Palestrina   und  Orlando  di  Lasso.    War  doch  1894  gerade  das  300.  J.  seit  Pale- 
strinas  und  Orlandos  Tode  verflossen.  Wir  erwähnen  zunächst  die,  in  welchen  Palestrina 
und  Orlando    gemeinsam   behandelt   werden.     Zuerst    den    Aufsatz  Th.  Schmids70), 
eines  ausserordentlich  feinen  Kenners  und  gründlichen  Forschers,   sodann  den  Vor- 
trag   Rebers71):    eine    einfache,    aber    verständnisvolle  Darlegung    der    Bedeutung 
beider    Meister,    endlich    Walters72)    ebenfalls    sehr    sorgsamen    und    gründlichen 
Essay.    —   Palestrina    allein,    und    zwar    seine  Bedeutung    im    16.    und    seine    Ver- 
breitung und  Würdigung  im  19.  Jh.  beleuchtet  in  seiner  lichtvollen  und  überzeugenden 
Art   Spitta73).    Er   geht    davon   aus,    dass  jene  Musik  der  Italiener,  die  ihren  Höhe- 
punkt in  Palestrina  erreicht,  nicht  „autochthon",  sondern  aus  Belgien,  Nordfrankreich 
und  England  nach  Italien  gekommen  sei.      Das  Madrigal  in  nordischer  Polyphonie 
sei  für  die  italienische  Kunst  grundlegend  geworden.     Später   habe  man  sich  dieser 
Polyphonie,  bei   der  jede  Stimme  ihre  Selbständigkeit   strengstens  vertritt,  entwöhnt 
und  sich  an  bestimmte,  usuelle  Akkordfolgen  gewöhnt.    So  entstand  der  Fundamental- 
bass.    Palestrina  verhalte  sich  zu  Orlando  wie  etwa  Bach  zu  Händel.    Dieser  Vergleich 
ist  wohl  doch    etwas   zu    systematisch,    nicht   minder    der    andere:    die    Messen  und 
Hymnen  Palestrinas  verhielten  sich  zu  den  gleichen  Kompositionen  der  Kunstitaliener, 
wie  italienische  Madrigale  zu  deutschen,  niederländischen  und  französischen  Liedern. 
Ist  damals  überhaupt  ein  so  strenger  Unterschied  in  nationaler  Beziehung  zu   kon- 
statieren?   Ist   der   weltliche   Gesang    wesentlich    verschieden  vom  geistlichen?    Und 
nicht  vielmehr  nach  Melodie,    Charakter    und  Ausführung    nahezu    identisch?    Somit 
glaube  ich  auch  nicht,  dass  Palestrinas  Hauptbedeutung  auf  der  Vereinigung  zweier  ver- 
schiedener Elemente,  eines  weltlichen   (Madrigal)    und   eines  geistlichen  (polyphoner 
Figuralgesang),    beruhen  könne.    —    Seinem  Meister  Spitta  folgt  Seiffert74)  in  der 
wohlbegründeten  Betonung  des  Satzes,    dass  Palestrina  den  Höhepunkt  einer   lange 
vorhergegangenen    Kunstentwicklung  (deren   Boden   freilich  nicht   durchweg  Italien 
war)     bilde,      dass     nach    Palestrina    ein   völliger    Umschwung    vor    sich    ging    und 
eine    ganz    neue    und   gänzlich    verschiedene    Kunst   unter   Beseitigung   der    bisher 
geltenden  Prinzipien  entstand.  —  Eine,  bescheidenen  Ansprüchen  allenfalls  genügende, 
Kompilation    ist   Langes75)  Palestrinaartikel.  —  Den  höchsten    Ansprüchen   an   die 
Kritik    sollte    eigentlich    Sandbergers76)   W7erk    über  Orlando    entsprechen.     Man 
hatte  gerade  von  diesem  Vf.  eine    endgültige  Lösung   so    vieler   offener  Fragen    er- 
wartet.    Leider  scheint  das  zum  Orlandojubiläum   veröffentlichte    erste  Buch    dieses 
Werkes  etwas   schnell  fertig  gestellt    worden    zu   sein.     Wenigstens   macht    es   nicht 
den  Eindruck,   als  wenn  der  Vf.  des  reichen  Materiales,  das  er  zusammen  getragen, 
vollkommen  Herr  sei.    Ueber  wichtige  Dinge,  wie  z.  B.  über  das  Geburtsjahr,  bleiben 
wir    trotz    seitenlanger  Erörterungen   im  Unklaren   und    müssen    uns    begnügen,    als 
Resultat    zu    vernehmen:    des  Vf.  „persönliche  Meinung"  sei,    Orlando  ist  1530  (und 
nicht    1520    oder  1532)    geboren.     Eine    rein    „persönliche"  Meinung  ohne  stützende 
Gründe,  noch  dazu  im  schreienden  Widerspruche  zu  so  glaubhaften  Quellen,  wie  sie 
das  Münchener  Grabdenkmal  und  die  Datierung  von  Sadelers  Portrait  bilden  (nach 
denen  Orlando  zweifellos  1532  geboren),  ist   wissenschaftlich   wertlos.   —   Ein  Lands- 
mann Sandbergers,  von  Destouches77),  feiert  Orlando  als  „Münchener",  als  einen 
„von  den  Unseren",  als  Leiter    „unserer   Hofkapelle"    „zu  Ruhm    und  Ehre    unserer 
Stadt  München".     Auch  der  Vf.  vermag  sich  dem  Schwanken  Sandbergers  gegenüber 
nicht  für  1532  als  Geburtsjahr  auszusprechen.    Und  doch  heisst  es  deutlich  genug: 
„Post  lustra  ac  hyemes  sena  bis  acta  duas";  da  Orlando  1594  gestorben,  ist  er,  bei  einem 
Alter  von  62  J.,   1532  geboren.     D.  giebt  genaue  Auskunft  über  die  Vermögens-  und 


Oratoriums.  T.  IL:  Daheim^.  30.  N.  3.  —  68)  II.  K  o  r  n  m  ü  11  e  r  ,  Musiklehre  d.  Ugolino  v.  Orvieto  (1450):  Kirchenmus-lb  20,  S.  19-40. 
(Dazugehören:!"  X.  H  aber  1.  Bio-Biblicgr.  Notizen  über  Ugolino:  ib.  S.  40,9.)  —  69)  E.  v.  W  e  r  r  a,  Joh.  Buchner  (1483— 1540):  ib. 

S.  88-92.  —  70)  Th.  Seh  mid  d  J.,  Principes  musicae:  ib.  S.  49  76.  —  71>  J.  R  e  b  e  r  ,  Vortr.  z.  Feier  d.  grossen  Meisler  d  Tonkunst 

Giovanni  da  Palestrina  u.  Orlando  di  Lasso.  Progr.  d.  kgl.  bayer  höh.  weibl.  Bildungsanst.  Asciiaffenburg  (Wailandt).  24  S.  -  72) 
C.  Walter.    Palestrina  u    Orlando.    I1PB11.  113,    S.  777-804,  873-89.    —    73)    P  h.   Spitta,    Palestrina    im    1«.  u.  19.  Jh.: 

DRs.  79,  S.  74-95.     —    74)  M.  Seiffert,    Palestrina     Auch  e.  Gedenkbl.  zu  seinem  300.  Todest.:   AMusZg.  21,  S.  65/7,  81/3. 

—  75)  E.  Lange,  Palestrina.  E.  Erinnerungsbl.:  NZMusik.  61,  S.  178/9,  190,1,222,4,230/1,290,2  —  76)  A.  Sandberger, 
Beitrr.  z.  Gesch.  d  bayer.  Hofkapelle  unter  Orlando  di  Lasso.  1.  Buch.  L.,  Breitkopf  &  Härtei.  119  S.  M  3  00.  ||C.  Krebs: 
VjsMusikwissensch.  10,  S.  225/7;  F.  X.  II  a  b  e  r  1 :  KirchenmusJb.  10,  S.  120,2;  W.  Bäumker:  LHandw.  33,  S.  728/9.]|  — 
77)  E.  v.  Destouches,   Orlando  di  Lasso.     E.  Lebensbild  z.  3.  Centenn.  seines  Todest.     München,  Lentner.    110  S.   M.  1,5Q, 


I  10  :  78-9«  H.  Reimann,  Musikgeschichte. 

Familienverhältnisse  des  Meisters  und  seiner  Nachkommen,  über  die  Orlandohäuser 
auf  Münchens  feuchtfröhlichem  „Platzl";  über  die  Bedeutung-  des  Musikers  schweigt 
sich  der  Vf.  aus.  —  Das  Werk,  welches  Decleve78)  gewissermassen  als  Vertreter 
der  Heimat  Orlandos  (Hennegau)  seinem  grossen  Landsmanne  widmete,  hat  als  fast 
einziges  Gute  und  Lobenswerte  eine  schöne  Ausstattung  aufzuweisen.  Sonst  ist  es 
(inhaltlich)  flüchtig  und  unkritisch  abgefasst.  —  Vortrefflich  dagegen  und  höchst 
anerkennenswert  ist  wiederum  Th.  Schmids79)  Orlandostudie.  —  Porges80)  führt 
aus,  es  sei  an  Palestrina  und  Orlando  das  vor  allem  bewundernswert,  dass  in  ihren 
Werken  „die  schrankenlos  sich  ergiessende  Ekstase  in  strenge  Kunstform  gefasst 
und  idealisiert  werde.  Palestrinas  Heimat  sei  der  Himmel,  sein  Auge  daher  immer 
nach  oben  gerichtet;  Orlando  sei  realistischer,  gehöre  der  Erde  an."  —  Auch  Bussler81) 
und  Seiffert82)  fixieren  den  Unterschied  zwischen  beiden  Meistern  ähnlich83"85).  — 

Den  Lebensgang  und  die  Thätigkeit  Francesco  Sorianos  (geb.  1549,  gest. 
nach  1621)  entwickelt  Haberl86)  in  einer  bewundernswert  klaren  und  meisterhaft 
übersichtlichen  Weise,  in  Form  von  Regesten.  —  Den  berühmten  Leipziger  Theore- 
tiker Seth  Calvisius  hat  eine  grössere  Arbeit  Benndorfs87)  zum  Gegenstande.  Der 
Vf.  betrachtet  zunächst  Calvisius  Vorläufer:  Gafur,  Glarean,  Zarlino,  ohne  über  diese 
Musikgelehrten  etwas  Neues  beizubringen,  und  stellt  sodann  die  Theorie  des  Gelehrten 
in  ziemlich  klarer  Form  dar,  wobei  namentlich  Calvisius  Uebersicht  über  die  Musik- 
geschichte von  Interesse  ist.  —  Kretzschmar88),  den  ausgezeichneten  Leipziger 
Musikforscher,  finden  wir  bei  seinem  Lieblingsthema,  der  altitalienischen  Oper.  Er 
weist  nach,  dass  Monteverdis  „Incoronazione  di  Poppea"  den  Geist,-  aus  dem  das 
Musikdrama  im  Kreise  Florentiner  Hellenisten  hervorging,  am  reinsten  und  sichersten 
repräsentiert.  —  Auch  Seiffert89)  kehrt  mit  einer  trefflichen  Untersuchung  über  den 
Orgelmeister  Delphin  Strunck  (1601 — 94)  zu  seinem  eigentlichen  Arbeitsfelde  zu- 
rück. —  Einem  Kollegen  Struncks  in  Wernigerode,  dem  Organisten  Joachim  Mayer 
(1607—78)  widmet  Jacobs90)  einen  längeren  Artikel,  der,  wie  so  viele  Arbeiten 
sogenannter  Schüler  Spittas,  sich  in  Aufzählungen  von  Rechnungen,  Emolumenten- 
skalen,  Erzählungen  von  persönlichen  Verhältnissen  usw.  des  Langen  und  Breiten  ergeht 
und  über  die  Hauptsache:  die  Stellung  und  Thätigkeit  in  der  Kunst,  recht  wenig  bringt. 
Eine  dürftige  „Hochzeitsmotette"  ist  alles,  was  über  die  künstlerischen  Leistungen 
Mayers  mitgeteilt  wird.  — 

Die  Oertlichkeit,  den  Johannneskirchhof  in  Leipzig,  wo  Bach  begraben 
wurde,  und  die  unbekannte  Grabstätte  Bachs  auf  ihm  (eichener  Sarg,  flaches  Grab) 
beschreibt  nach  archivalischen  Quellen  Wustmann91);  er  kommt  zu  dem  Resultat: 
da  Bachs  Grab  bald  neu  belegt  wurde,  sei  es  aussichtslos,  seine  Gebeine  zu  finden; 
ein  Resultat,  das,  wenn  Hiss  Entdeckungen  und  Forschungen  nicht  trügerisch  sind, 
bereits  ad  acta  gelegt  ist.  —  Nicht  mit  den  sterblichen  Ueberresten,  sondern  mit  dem 
Unsterblichen  bei  Bach,  mit  seiner  „Kunst  der  Fuge"  beschäftigt  sich  Riemann92). 
Er  giebt  eine,  bis  auf  die  Phrasierungszeichen,  wohlgelungene  Analyse  jenes  Bachschen 
Wunderwerkes,  während  Ruthardt93)  Anweisung  erteilt,  womit  „Bachstudien"  am 
besten  beginnen.  — 

Von  Händel  sprechen  zwei  Arbeiten  von  Stein94)  und  Fleischer95);  jener 
beschreibt  das  Händelhaus  in  Halle,  dieser  erklärt  das  daselbst  gefundene,  angeblich 
von  dem  jungen  Händel  benutzte  Klavier  für  „unecht",  d.  h.  aus  späterer  Zeit  als 
Händeis  Jugend  stammend.  —  Ch.  F.  D.  Schubarts  Aufenthalt  in  Augsburg,  seine 
erspriessliche  Thätigkeit  als  Musiklehrer  und  Redakteur  der  Schwäbischen  Chronik, 
sein  Auftreten  gegen  den  jesuitischen,  quacksalbernden  Pfarrer  Gassner,  das  zur  end- 
lichen Katastrophe  und  Verhaftung  Schubarts  führte,  schildert  lebendig  und  über- 
zeugend Simmet96).  — 

J.  H.  Hill  er,  der  Begründer  des  deutschen  Singspiels,  der  Komponist  zahl- 
reicher volkstümlicher  Lieder,  der  „Vater  des  deutschen  Kinderliedes",  hat  endlich  durch 


![H.  Reim  an  n:  BLU.  S.  730;  NZMusik.  61,  S.  321;  LHandw.  33,  S.  155/6.]|  -  78)  J  Decleve,  Roland  de  Lassus,  sa  vie 
et  ses  reuvres.  (Her.  t.  d,  Soc.  d.  scienoes,  des  arts  et  des  lettres  de  Hennegau.)  Mons,  S  Loret  242  S.  |[M.  Seiffert: 
AMusZg.  21,  S.  375;  KirchenmusJb.  10,  S.  119.]|  —  79)  T  h.  Schraid,  Orlando  di  Lasso:  StML.  47,  S.  265-86.  —  80)  H. 
Porges,  Z.  300j.  Todest  Orlando  di  Lassos:  NZMusik.  61,  S.  301/2.  —  81)  L  BfusslerJ,  Orlando  Lisso:  NatZg.  N.  353. 
—  82)  M.  Seiffert,  Orlando  di  Lasso:  AMusZg.  21,  S.  331/2.  —  83)  X  C,  G-d.,  Orlandus  Lassas:  DaheimB.  N.  42.  — 
84)  X  W.  Fronmüller-Lindau,  Z.  300j.  Todest.  d.  Orlando  di  Lasso:  Sammler*.  N.  70.  —  85)  X  R-  J.  Hartman  n, 
Orlando  di  Lasso:  ÜL&M.  72,  S.  40/2.  —  86)  F.  X.  Haberl,  Lebensgang  u.  Werke  d.  Francesco  Soriano:  KirchenmusJb.  20, 
S.  95-103.  —  87)  K.  Benndorf,  Sethus  Calvisius  (1556-1615)  als  Musiktheoretiker:  VjsMusikwi=sensch.  10,  S.  411-70.  (D. 
Aufs,  ist  e.  erweit.  Diss.)  -  88)  H.  K  r  e  t  z  s  r  li  m  ar  ,  Monteverdis  „Tncm-nnaaione  di  Poppea":  ib.  S  483-530.  —  89)  M. 
Seiffert,  Alte  Orgelmeister.  I.  Delphin  Strunck  (1601  -94):  AMusZg.  21,  S.617/9.  (Vgl.  auch  ADB.  36,  S.  665  7.)  —  90)  E. 
Jacobs,  D.  Organist  Joach.  Mayer  in  Wernigerode  (1607—78).  E.  Beitr.  a.  Gesch.  d.  Mus.  seiner  Zeit,  bes.  d.  Orgel: 
VjsMusikwissensch.  10,  S. 146-202.  -  91)  G.  Wustraann,  Bachs  Grab:  Grenab.  4,  S.  117-26.  -  92)  H.  Riemann,  Katech. 
d.  Fugen-Komposition.  3.  T.  Analyse  v.  J  S.  Bachs  „Kunst  d.  Fuge."  (=  111.  Katech.  v  M.  Hesse.  N.  29.)  L.,  Hesse. 
VIII,  166  S.  M.  1,50.  —  93)  A.  Ruthardt,  Bachstudien:  Daheim».  30,  N.  38.  —  94)  P  h.  S  t  e  i  n  ,  D.  Händel-Haus  in 
Halle  a  8.:  IllZg.  102,  S  18.  —  95)  0.  Fleischer,  D.  angebl.  Handel- Klavier  in  Halle  a.  S.:  AMusZg.  21,  S  41.  -  96) 
L.  Simmet,   D.  Dichter,    Publizist  u.  Musiker  Ch.  Fr.  D.  Schubart   in   Augsburg    1774-75    (JBL.  1893  IV  2a:  59).     Progr. 


H.  Reimann,  Musikgeschichte.  I  10  :  97-117 

Peisers97)  wohlgelungene  Arbeit  die  verdiente  Würdigung-  erfahren.  Singt  man 
doch  heute  noch  „Ohne  Lieb  und  ohne  Wein",  den  „Aeolus",  „Schön  sind  Rosen 
und  Jasmin"  und  „Als  ich  auf  meiner  Bleiche"!  —  Einen  sehr  annehmbaren  Beitrag 
zur  Gluck -Biographie  verdanken  wir  Funck98).  — 

Zur  Mozartforschung  spendete  wiederum  Engl99)  einen  ausgezeichneten  Bei- 
trag, aus  dem  wir  vor  allem  die  erneute  und  hoffentlich  endgültige  Ablehnung  der 
Friedlaend ersehen  Verrufserklärung  gegen  Mozarts  Wiegenlied  (JBL.  1893  I  13:83) 
hervorheben.  Sonst  bietet  E.  einen  Nachweis  über  Mozarts  Taufnamen:  Johannes 
Chrysostomns  (nach  dem  Kalenderheiligen),  Wolfgang  (nach  dem  Grossvater 
mütterlicherseits),  Theophilus  fnach  dem  Taufpaten).  Dazu  kommt  als  Firm- 
name: Sigismund.  1770,  bei  Gelegenheit  seines  Aufenthaltes  in  Italien,  wandelte 
Mozart  Theophilus  in  „Amadeo"  um ;  ferner  eingehende  biographische  Nachrichten 
über  Mozarts  Söhne:  Karl  und  Wolfgang100).  — 

Den  tüchtigen  Sonatenkomponisten  F.  W.  Rust,  einen  Vorgänger  Beethovens, 
suchte  Prieger101)  der  Vergessenheit  zu  entreissen.  — 

Von  und  über  Beethoven  hat  der  JB.  zunächst  einen  Brief  an  L.  Spohr102), 
betreffend  die  Subskription  auf  die  „Missa  solemnis",  eine  von  Prieger103)  verfasste 
Gelegenheitsschrift  über  die  Entstehungszeit  und  die  Beurteilung-  der  Beethovenschen 
Symphonien,  sowie  einen  Artikel  Kalbecks104)  über  Beethovens  Heimstätten  zu 
verzeichnen.  —  Unbedeutend  sind:  Kalischers 105)  Aufsatz,  der  die  Beziehungen 
Beethovenszur  Fürstin  Josephine  von  Lichtenstein  darlegensoll,  aber  wiederum  unter  einem 
sensationslüsternen  Titel  ein  „Nichts"  enthält  (vgl.Beweisführung-enwie:  die  kunstsinnige 
Fürstin  wird  —  wie  viele  andere  Gräfinnen,  Baroninnen  und  Fürstinnen  —  Beethovens 
Schülerin  gewesen  sein;  die  „Beziehungen"  reduzieren  sich  darauf,  dass  Beethoven 
für  F.  Ries  einen  Bittbrief  an  die  Fürstin  schrieb),  und  Wirths106)  langatmiger,  in 
unleidlich  anmassendem  Stil  geschriebene  Deutung  des  Allegretto  derA-dur-Symphonie. 
Von  Wagners  unsterblicher  Erläuterung  dieser  Symphonie  als  einer  „Apotheose  des 
Tanzes"  ausgehend,  sieht  W.  im  zweiten  Satze  die  „Ruhe  vom  Tanze":  das  „Ein- 
schlafen". Ueber  den  Geschmack  lässt  sich  bekanntlich  nicht  streiten.  —  Auf  Rei- 
manns Apostrophe  wegen  der  angeblichen,  von  Kuhac107)  behaupteten  Entlehnung 
der  Hauptmotive  der  Pastoralsymphonie  aus  kroatischen  Volksliedern  (JBL.  1893 
I  13:80)  antwortet  dieser,  ohne  jedoch  die  Sache  vollständig  klar  zu  legen  und  die 
Entlehnnng  sicher  nachzuweisen.  —  Einen  dankenswerten  Aufschluss  über  das  Ori- 
ginalprogramm zu  Beethovens  Ballettmusik :  „Die  Geschöpfe  des  Prometheus"  bringt 
ein  Anonymus108)  bei.  Es  handelt  sich  um  ein  Ballett  von  Salv.  Vigano,  dessen  Text 
verloren  war  und  von  Friedr.  Rust  hergestellt  worden  ist.  — 

Wohlgemeint,  aber  für  die  Musikgeschichte  nicht  sehr  ergiebig  ist  Müsiols  109) 
Schrift  über  Th.  Körner,  desgleichen  was  Roeder110)  über  die  Laute  und  Guitarre 
des  Dichters  von  „Leyer  und  Schwert"  berichtet.  — 

Eine  recht  oberflächliche  und  unmusikalische  Plauderei,  keine  Kritik,  ist  Lin- 
daus nl)  Bericht  über  die  Jubiläumsaufführung  von  Karl  Maria  von  Webers  „Frei- 
schütz" in  Dresden.  —  Die  ursprüngliche  Form  derselben  Oper,  insbesondere  die  dem 
jetzigen  Anfange  vorausgeschickte  Scene  desEremiten  und  der  Agathe  beschreibt  ein  Ano- 
nymus 112).  —  Recht  pedantisch-trocken  und  der  Form  nach  fast  schülerhaft  zu  nennen 
ist  ein  Expose  von  Joss113)  über  Weber  als  Schriftsteller.  —  Einem  vergessenen 
Liederkomponisten  („Herz  mein  Herz,  warum  so  traurig",  „In  einem  kühlen  Grunde"), 
J.  L.  F.  Glück,  widmet  Lang114)  einen  Immortellenkranz.  — 

Mendelssohns115)  freundschaftliche  und  künstlerische  Beziehungen  zu  Schu- 
mann stellt  Wasi  el  e  w  s  ki 116)  im  ganzen  überzeugend  dar,  während  Spittas117)  Ver- 
öffentlichung eines  Mendelssohnschen  Briefes,  in  welchem  sich  ein  lobendes  Urteil  Mendels- 
sohns über  Schumanns  „Paradies  und  Peri"  befindet,  doch  für  die  supponierte  Herzens- 


Augsburg  (J.  P.  Himmer).  1893.  32  S.  —  97)  K.  P  e  i  s  e  r  ,  .Toh.  Ad.  Hiller.  B.  Beitr.  z.  Musikgesch.  d.  18.  Jh.  L  ,  Hug  &  Co. 
136  S.  M.  2,40.  ![M.  S(eiffert):  AMusZg.  21,  S.  678;  E.  R(ochlich):  NZMusik  61,  S.  547/8.JI  —  98)  H.  F  u  n  c  k , 
Glucks  zweimal.  Zusammentreffen  mit  Klopstock  am  Hofe  Karl  Friedrichs  v.  Baden:  Euph.  1,  S.  790,2  —  99)  J.  E.  Engl, 
Studien  über  W.  A.  Mozart.  2.  F  (=  13  JB  d.  Internat.  Stift.  „Mozarteum.")  Salzburg,  v.  Kiesel.  38  S.  M.  0,50.  -  100)  X 
E.  neues  Mozart-Bildnis:  IllZg.  101.  8.  74.  —  101)  E.  Prieger.  Friedr.  Wilh.  Rust.  E.  Vorgänger  Beethovens.  Köln,  P.  P. 
Tonger.  32  S.  M.  0,30.  -  102)  L.  Tan  Beethoven.  Brief  an  L.  Spohr:  AMusZg.  21,  S.  663  — 103)  [E.  Prieger],  Beethoven- 
Fest,  veranst.  zu  Bonn.  Bonn  (J.  F.  Carthans).  83  S.  |fG.  E(ngel):  VossZg.  N.  272.J|  (Nicht  im  Handel.)  —  104)  X  M- 
Kalbeck,  Beethovens  Heimstätten:  VelhKlasMh.  2,  S.  611-20.  —  105)  A.  C.  Kalischer,  Fürstin  Josephine  v.  Lichtenstein 
in  ihren  Beziehungen  zu  Beethoven:  Sammler*.  N.  126.  —  106)  M.  Wirth,  D.  Allegretto  v.  Beothovens  A-Dur-Symphonie 
u.  e.  Bischen  (!)  diese  selbst:  MusWBl.  25,  S.  53  4,  65/6,  77/8,  93/4,  105/6,  117/8,  129-30,  145,6.  —  107)  F.  X.  Kuhac,  Ant- 
wort auf  d.  Beethovensche  Entlehnnngsfrage:  AMusZg.  21,  S.  331-96,  420/1,438-40.  —  108)  R.  B.,  Zu  Beethovens  Prometheus- 
Musik:  ib  S.  142/3.  —  109)  R.  Müsiol,  Th.  Körner  u.  seine  Beziehungen  z  Mnsik.  Ratibor,  Simmich.  1893.  96  S.  M.  1.50. 
IfWIDM.  75,  S.  525]|  —  H0l  E.  Roeder,  Th.  Körners  Saitenspiel:  Didask.  N.  6.  —  111)  P.  Lindau,  D.  500.  Auffuhr,  d. 
„Freischütz"  in  Dresden:  Nl'Pr.  N.  10683.  —  112)  D.  ursprüngl  Form  v.  Webers  Freischütz:  DBühneng.  23,  8.  195.6.  (Vgl. 
auch  TglRs«.  N.  129.)  —  113)  V.  Joss,  K.  M.  v.  Weber  als  Schriftsteller.  Prag  (SelbstverU.  11  S.  (Sonderabdr.  aus  d.  JB. 
d.  Lese-  u.  Rodehaue  d.  dtsch.  Studenten  in  Prag.)  —  114)  P.  Lang,  Z.  100.  Geburtst  e.  weltberühmten  unbekannten  Spiel 
manns  (J.  L.  F  Glück):  Daheim«.  30,  N.  1.  —  115>  O  (IV  lc:55)  -  116)  W.  J.  v  Wasielewski,  F.  Mendelssohn  u.  R. 
Schumann:  DR.  3,  S.  329-41.   -  117)  X  F.  Mendelssohn-Bartholdy,  Brief  an  Ewer  &  Co.  in  London.  (Veröffentl.  v.  Ph  S[pitta]): 


I  10:iis-i5i  H.  Reimann,  Musikgeschichte. 

freundschaft  beider  nicht  so  beweiskräftig  ist,  als  Sp.  es  wünscht.  Schumanns  Ver- 
ehrung- für  Mendelssohn  steht  über  allen  Zweifel.  Mendelssohns  menschliche  Eigen- 
art, seine  Exklusivität  und  manches  andere  lassen  den  Gedanken  nicht  aufkommen, 
dass  er  ein  ebenso  rückhaltloser  Bewunderer  der  Kunst  Schumanns,  wie  dieser  der 
seinigen  war.  —  Sehr  verdienstvoll  ist  die  Mitteilung  ungedruckter  Briefe  Mendels- 
sohns an  Taubert118),  desgleichen  S  e  i  f  f  e  r  t  s  119)  Ergänzung  zu  den  bisher  bekannten 
Loreleyfragmenten.  — 

Jansen  120)  giebt  (im  Anschluss  an  Hanslicks  Mitteilungen  über  Vesque 
von  Püttlingen  im  musikalischen  Skizzenbuche)  eine  Darstellung  der  Verhandlungen 
Robert  Schumanns  mit  Vesque  gelegentlich  der  geplanten  Verlegung  der  Neuen  Zeit- 
schrift für  Musik  von  Leipzig  nach  Wien  und  Schumanns  üebersiecllung  dahin. 
Obwohl  der  Plan  fehlgeschlagen  war,  blieben  doch  die  freundschaftlichen  Beziehungen 
beider  einander  sehr  sympathischen  Männer  gleich  rege  und  aufrichtig121).  —  An 
Ignaz  Moscheies  100.  Geburtstag  erinnerte  Vogel122"123).  — 

Eine  ganz  seltsame,  fast  unbegreifliche  Schrift  ist,  was  Wilkens i24)  über  Jenny 
Lind  veröffentlichte.  Fast  eine  Profanierung  evangelischen  Geistes  durch  einen 
hyperorthodoxen,  sich  in  den  Dunst  abstruser  Schwärmerei  verlierenden  ,,Dr.  der 
Theologie  und  Philosophie  in  Kalksburg  bei  Wien".  Seine  phantastisch-religiöse 
Verzückung,  die  infolge  mangelhafter  musikalischer  Kenntnisse  jeden  Augenblick 
ins  Lächerliche  umschlägt,  feiert  in  der  Lind  die  „Christin  als  Primadonna  ihrer 
Zeit".  Die  Künstlerin,  so  meint  er  (S.  15),  studierte  eifrigst  „im  Gehorsam  gegen 
Gottes  Gebot,  weil  sie  wusste,  was  sie  durch  Gottes  Gnade  sein  konnte,  also  sein 
sollte."  „Himmlischer  Glanz",  „Leuchten  prophetischer  Inspiration"  —  sind  bei  der 
Lind  Kleinigkeiten.  Von  der  „Regimentstochter"  in  der  Darstellung  der  Lind  sagt 
der  Vf.  wörtlich:  „Das  Cisternenwasser  des  'Es  rückt  an,  Frisch  darauf,  Es  ist  da, 
Passt  auf  verwandelte  dieser  Gesang  in  Johannisberger" !  Und  endlich:  „Die  Jenny 
Lind  war  eine  strenggläubige  Christin,  die  nie  aus  der  Taufgnade  gefallen  ist".  Wer 
sich  hiefür  interessiert,  findet  in  Reimanns  Recension  (BLÜ.)  eine  reiche  Blütenlese 
ähnlicher  Kraftaussprüche.  — 

Bei  Carl  Löwe,  dem  Balladenkomponisten,  hat  man  „den  alten  Sturm,  die  alte 
Müh"  zu  bestehen.  Kritiklose  Enthusiasten  sind  es  ausnahmslos,  die  über  ihn 
schreiben  und  alle  Lobesepitheta  auf  ihn  erschöpfen.  Wossidlo125)  will  nun  gar 
durch  Analysen  den  Schatz  Löwescher  Balladen  der  Allgemeinheit  erschliessen.  Als 
ob  das  nötig  wäre.  Die  Löweschen  Balladen  samt  und  sonders,  die  schönsten,  die 
schönen  wie  die  geringwertigen  (denn  auch  solche  giebt  es)  erschliessen  sich  rätsel- 
und  mühelos  dem  Willfährigen.  Lowes  Gaben  waren  beschränkt.  Unbestreitbar 
Grosses  hat  er  nur  auf  dem  Gebiete  der  „Ballade"  geleistet.  —  Vielen  anderweitigen 
Arbeiten  merkt  man  die  schwielige  Hand  des  Handwerkers  an,  und  es  ist  geradezu  un- 
begreiflich, wie  R  u  n  z  e  126-127^  behaupten  kann:  „Eine  grosse  Anzahl  der  berühmtesten 
Wagnermotive:  Fafner,  Gral,  Siegfrieds  Heldenmotiv,  mit  (sie!)  die  bekanntesten  Stellen 
aus  dem  Holländer,  Tristan,  Walküre,  kommen  schon  bei  Löwe  vor".  Nur  ein  musik- 
alischer Dilettantismus  ohne  Gleichen  kommt  auf  solche  Gedanken.  Von  der  reich 
besetzten  Tafel,  auf  der  der  Vf.  Lowes  Ruhm  dem  gläubigen  Leser  serviert,  fällt  auch 
ein  Brosamen  auf  dessen  Freund  und  Textdichter  Giesebrecht.  — 

Von  unheimlicher  Reichhaltigkeit  ist  die  Richard  Wagner-Litteratur  dieses 
Jahres.  Wir  mussten  darauf  verzichten,  all  die  Berichte  über  die  Bayreuther  Aufführungen 
zu  verzeichnen.  Sie  bilden  allein  für  sich  eine  ganze,  eigene  Litteratur.  Wir  haben 
nur  diejenigen  Aufsätze  erwähnt,  die  nicht  als  blosse  „Kritiken"  der  Aufführungen 
von  1894  zu  gelten  haben,  sondern  sich  mit  den  Prinzipien  der  Wagnerfrage  und 
Bayreuths  befassen.  —  Die  vortrefflich  gelungene  Facsimileausgabe  des  Meister- 
singertextes128) eröffne  die  lange  Reihe  der  W^agnerschriften.  —  Demnächst  sei 
eine  italienische  (Torchi129))  und  eine  englische  Uebersetzung  (Ellis)130)  von 
„Oper  und  Drama"  erwähnt.  —  Es  folgen  zwei  überaus  dankenswerte  Brief- 
publikationen. Fünfzehn  Briefe  Wagners  an  Eliza  Wille131),  geb.  Sloman,  die 
Gattin   des    1851  aus  Hamburg  nach  Zürich  übergesiedelten  Journalisten  Wille,    in 

VjsMusikwissensch.  10,  S.  230.  —  118)  V.  Mendelssohn  u.  W.  Taubert.  Mit  ungedr.  Briefen  v.  Mendelssohn:  DR.  1,  S.  57-73. 
—  119)  M.  Seiffert,  Mendelssohns  Loreley-Skizzen:  AMusZ».  21,  S.  393/9.  —  129)  F.  G.  Jansen,  Roh.  Schumann  u.  Vesque 
v.  Püttlingen:  Grenzb.  3.  S.  20-33.  —  121)  X  A-  Kohnt,  D.  Stiefmutter  Klara  Schumanns.  Persönl.  Erinnerungen:  BerlTBL 
N.  55.  —  122)  B.  V[ogelJ,  Z.  100.  Geburtst.  v.  I.  Moscheies  (geb.  30.  Mai  17  94):  NZMusik.  61,  S.  229-30.  —  123)  X  z" 
100.  Geburtst.  v.  I.  Moscheies:  VossZg  N.  246.  —  124)  C.  A.  Wilkens,  Jenny  Lind.  E.  Cäcilienbild  aus  d.  evang.  Kirche" 
Gütersloh,  Bertelsmann.  66  S.  M.  0,80  |[E  Luthardt:  ThLBl.  15,  S  300;  KinsMschr.  S.  1113;  H.  Reimann:  BLÜ.  S.  730/l.]| 
(Sonderabdr.  aus  BG1.  15,  S.  107-28,  143-59,  183-208.)  —125)  W.  Wossidlo,  C.  Löwe  als  Balladenkoraponist.  B.,  Schlesinger. 
71  S.  M.  1,00  |[0.  L(essmann):  AMusZg.  21,  S.  665.J]  —  126-27)  M.  Run/.e,  L.  Giesebrecht  u.  C.  Löwe,  Z.  350j.  Ge- 
denkfeier d.  Stettiner  Manne  rstiftsgy  ran  B.,  C.  Duncker.  34  S  M.  0,80.  —  128)  R-  Wagner,  D.  Meistersinger  v.  Nürn- 
berg. (Facs.-Ausg.  d.  Textes.)  Mainz,  Schott.  4°.  82  S.  M.  12,50.  --  129)  O  id.,  Opera  e  dramma.  Trad.  italiana,  eseguita 
sulla  second.i  ed.  tedesca  di  L.  Torchi.  Annotata  e  illustr.  dal  traduttore  con  esempi  musicali.  2  Vol.  (■=  Bibl.  artistica 
N.  2/3.)  Torino,  Pratelli  Bocca.  221,  26t  S  L.  6,00.  —  130)  id.,  Prose  works,  transl.  by  W.  A.  Ellis.  V.  2.  Opera  and  dramu- 
London,  P.  Kegan.     Sh.  12(5.    -   131)  id.,   15  Briefe.     Her.  v.  Eliza  Wille.     B.,  Paetel.     163  S.     M.  2,00.     |[VossZg.  N.  603; 


H.  Reimann,  Musikgeschichte.  I  10: 132-145 

dessen  Villa  zu  Mariafeld  Wagner  mit  Herwegh,  Gottf.  Keller,  Moleschott,  Mommsen 
usw.  häufigen  Verkehr  pflegte;  und  die  Briefe  an  Aug.  Röckel,  den  Gesinnungs- 
und Leidensgenossen  Wagners  aus  den  sturmbewegten  Dresdener  Maitagen.  Die 
Briefe  an  Frau  Wille  zählen  unbedingt  zu  den  schönsten  und  lichtvollsten  Blättern 
der  Lebensgeschichte  des  Meisters.  Eine  keineswegs  aufdringliche,  fortlaufende 
kommentierende  Erzählung  verbindet  die  in  den  Briefen  berührten  Thatsachen 
mit  einander  und  macht  den  Genuss  dieser  auserlesenen  Schriftstücke  noch  um  vieles 
reizvoller.  Die  Röckelbriefe  verdanken  wir  der  trefflichen  La  Mara132).  Sie  sind 
nach  „Waldheim"  adressiert,  wo  der  unglückliche,  zu  lebenslänglicher  Gefängnisstrafe 
„begnadigte"  Freund  dreizehn  Jahre  (bis  1862)  zubrachte.  Wagner  sucht  durch 
Uebersendung  von  Lektüre  (Feuerbach,  Schopenhauer,  den  „Ring  des  Nibelungen" 
usw.),  durch  Trosteszuspruch,  Erörterungen  über  kunstphilosophische  und  musikalische 
Fragen  das  bedauernswerte  Los  des  Unglücklichen  nach  Kräften  zu  erheitern  und 
zu  lindern133).  —  Wiederum  habe  ich  über  die  Praeger-Angelegenheit  (JBL.  1892 
19:95/6;  1893  113:112)  zu  berichten.  Die  von  Chamberlain134-135)  veröffent- 
lichten „echten"  Briefe  Wagners  an  den  Londoner  „Freund"  geben  Anlass  dazu.  Ich 
kann  meine  im  vorigen  J.  ausgesprochene  Ansicht  auch  nach  Kenntnisnahme  dieser 
Publikation  nicht  ändern.  Gegen  eine  Sprache,  wie  sie  sich  der  Herausgeber  gegen 
Praeger  erlaubt  ("„Sumpf  von  dummer  Bosheit,  der  einen  anekelt"),  muss  man  vom 
Standpunkt  des  litterarischen  Anstandes  protestieren.  Dass  Wagner  mit  Praeger  be- 
freundet, dass  er  ihm  seiner  Zeit  aufrichtig  sympathisch  gesinnt  war,  lässt  sich  nicht 
hinweg  disputieren.  Wenn  es  nun  gar  endlich  feststeht,  dass  Praeger  die  letzten  20  J. 
seines  Lebens  erblindet  war,  so  ist  für  mich  damit  das  Briefrätsel  vollkommen  gelöst. 
Der  arme,  bedauernswerte,  blinde  Mann  ist  ein  Opfer  seiner  Hülfslosigkeit  geworden. 
Im  übrigen  meinte  er  es  ehrlich,  auch  wo  er  irrte,  und  ein  „Freund"  Wagners  war 
er  doch,  trotz  Chamberlain.  —  Auf  einige  nicht  erhebliche  Jugendbriefe  Wagners136), 
die  im  BerlBörsCour.  veröffentlicht  wurden,  sei  hier  kurz  hingewiesen.  — 
Interessanter  ist  der  Brief  Wagners  an  Th.  Hell137)  (K.  G.  Th.  Winkler),  woraus 
sich  die  Thatsache  ergiebt,  dass  Wagner  1841  es  übernommen  hatte,  im  Verein  mit 
dem  Pariser  Bibliothekar  Anders  eine  grosse  Beethovenbiographie  zu  schreiben. 
Die  indirekte  Veranlassung  zu  diesem  geplanten  Unternehmen  bot  Schindlers  gleich- 
artige, aber  ganz  ungenügende  Arbeit.  —  Auf  das  Verhältnis  Wagners  zu  Ludwig  II. 
einerseits  und  zu  von  der  Pfordten  andererseits  wirft  ein  anderer  Brief  Wagners  l38) 
ein  grelles  Licht.  Derselbe  Brief,  1866  geschrieben,  enthält  den  bezeichnenden  Satz: 
„Mit  Deutschlands  Wiedergeburt  und  Gedeihen  steht  und  fällt  das  Ideal  meiner  Kunst."  — 

Auf  dem  Gebiet  der  Wagnerbiographie  ist  in  erster  Reihe  Glasenapps139) 
Werk,  von  dem  der  erste  Band  (bis  1843  reichend)  in  dritter,  gänzlich  umgearbeiteter 
Auflage  erschienen  ist,  zu  erwähnen.  Wir  behalten  uns  vor,  eine  eingehende 
Würdigung  dieses  monumentalen  und  von  keiner  anderen  Wagnerbiographie  bis 
jetzt  erreichten  Werkes  nach  seinem  vollständigen  Erscheinen  zu  geben.  —  Gut  ge- 
meint, aber  eine  dünne  Leistung  ist  Heinrichs140)  Wagnerbüchlein 14!).  —  Ein 
Angriff  gegen  Dingers  bekanntes  Wagnerwerk,  in  welchem  Chamberlain142)  dem 
genannten  Vf.  Unzuverlässigkeit  bei  Thatsachenangaben  in  hochfahrender  Rede  vor- 
warf, führte  zu  einer  gründlichen  Abwehr  von  Seiten  Dingers,  worauf  es  „stille 
ward".  Der  Streit  betraf  Wagners  Stimmung  bei  Uebernahme  des  Dresdener  Kapell- 
meisterpostens und  seine  Teilnahme  an  dem  Maiaufstand.  —  Für  die  letztere  Frage  erstand 
ein  neuer  Zeuge  in  einem  Deutsch- Amerikaner:  R.  Roempler,  dessen  Wahrhaftigkeit 
gut  beglaubigt  ist,  und  der  nach  Smolians143)  Mitteilung  erzählt,  dass  Wagner 
durch  gedruckte  Zettel  sächsische  Truppen  gegen  die  drohende  preussische  Invasion 
angefeuert  habe144).  Man  darf  darauf  gespannt  sein,  wie  Chamberlain  diesen  „Kron- 
zeugen" wiederum  ä  la  Praeger  vernichten  wird.  —  Die  Kabalen,  die  in  München 
gegen  Wagner  angezettelt  wurden,  stellt  Wittmer145)  dar.  Etwas  Neues  bringt  er 
zur  Sache  nicht  bei.  — 

Sehr  reichhaltig  ist  die  Litteratur  zur  Wagner  kr  itik  im  allgemeinen.    Ihrem 


A.  H(eintz):  AMusZg.  21,  S.  593.11  —  132)  (IV  lo:56.)  |[0.  Bie:  AMusZg.  21,  S.  423;  SchwMusZg.  N.  18;  E.  R(oohlich  ) : 
NZMusik.  61,  S.  588/9;  DBühneng.23,  S.  267.] |  —  133)  X  G.  Schönaich,  R.  Wagner  u.  A.  Röckel:  WienTBl.  N.  203.  —  134) 
(IV  lc:57.)  |[LCB1.  S.  798,9.] |  —  135)  X  R-  Wagner,  Echte  Briefe  an  F.  Präger.  Her.  v.  H.  St.  Chamberlain.  Mit 
Vorw.  v.  H.  v.  Wolzogen.  Bayreuth,  Gnu  124  S.  M.  1,50.  |[0.  Bie:  AMusZg.  21,  S.  423JI  (Erweit.  Abdr.  v.  N.  134.)  — 
136)  Briefe  d.  jungen  R.  Wagner:  BerlBörsCour.  N.  206.  —  137)  R.  Wagner,  Brief  an  K.  G.  Th.  Winkler  (Th  Hell):  AMusZg.  21, 
S.  5/7.  —  138)  id.,  Brief  über  d.  bayer.  Zustände  im  J.  1866  an  Jul.  Fröbel:  FZg.  N.  249.  (Abdr.  aus  Vom  Fels  z.  Meer.)  -  139) 
C.  Fr.  Glasenapp,  D.  Leben  R.  Wagners  in  6  Bachern  dargest.  1.  Bd.  (1813-43).  L,  Breitkopf  *  Härtel.  413  S.  M.  7,50. 
j[LCBl.  S.  17078;  VossZg».  N.  41.]|  -  140)  Heinrich,  R.  Wagners  Leben  u.  Schaffen  u.  d.  Nibelungenring.  Dresden, 
Lehmann.  12°.  95  S.  M.  0,60.  —  141)  X  H-  T-  Wolzogen,  Recollections  of  R.  Wagner.  Transl.  by  A.  u.  C.  Simpson. 
Bayreuth,  Giesel.  103  S.  M.  1,20.  —  142)  H.  St.  Chamberlain,  Unter  uns.  An  d.  Herausgeber  d.  BayreuthBll. : 
BayreuthBll.  17,  S.  73,8.  (Erwiderung  v.  Dinger:  ib.  S.  272/6.)  —  143)  R.  Roempler,  E.  Erinnerung  an  R.  Wagner. 
Mitget.  v.  A.  Smolian  (unter  d.  Tit.:  Wagner  als  Revolutionär):  MusWBI.  25,  S.  3212.  (Vgl.  Nachtr.  v.  Fr.  Lattich:  ib. 
S.  540.)  —  144)  X  G-  Schönaich,  R.  Wagner  u.  d.  Maiaufstand  in  Dresden:  WienTBl.  N.  231.  —  145)  G.  Wittmer,  ß. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgesohichte.    V.  (1)'^ 


I  10:146-164  H.  Reimann,  Musikgeschichte. 

altbewährten  Grundsatze  getreu  zetern  die  Grenzb.146)  gegen  Wagner  und  sprechen 
viel  Erbauliches  über  die  erlahmende  Teilnahme  an  Wagners  Werken.  Auch  im 
Gewandhause  zu  Leipzig  habe  man  billigerweise  von  dem  Todestag  des  Meisters 
in  diesem  J.  keine  Notiz  genommen.  „Wer  überhaupt  in  Leipzig  Wagner  hören  will, 
der  gehe  ins  Theater,  oder  auf  die  —  Wachtparade" !  —  Ebenso  gut  „brüllt"  ein 
anderer  Löwe:  W.  Hoffmann147),  über  Wagnersche  „Tonungetüme".  Wagnersche 
Akkorde  und  Wagnersche  Orchesterbehandlung  „scheuchen  gleich  einem  nebelhaften 
Gespenst  jeden  Realismus  (!)  und  jedes  frische  Leben  von  der  Bühne."  —  Ist  schon  die 
Wirkung,  die  dieser  P.  Abraham  redivivus  ausübt,  verblüffend,  weil  unfreiwillig 
komisch,  so  bleibt  sie  doch  noch  zurück  hinter  der,  die  Hennig148)  als  reissender 
Wolf  im  Schafsfell  erreicht.  Unter  dem  friedsamen  Titel  „Zur  Verständigung"  tadelt 
er  —  als  ganz  selbstverständlich  —  an  Wagner  die  Breite,  Unbeholfenheit  und 
Unklarheit  der  Darstellung,  den  Schwulst  der  Sprache,  die  unglaublichen  Längen  im 
„Tristan"  und  die  Aufzählung  der  35  Meisterweisen  in  den  „Meistersingern",  weist 
nach,  wodurch  Wagner  sich  um  die  ganze  Wirkung  des  „Charfreitagszaubers"  bringt, 
und  wie  weder  König  Marke,  noch  Hans  Sachs,  noch  Eva  irgend  wie  erklärbare 
Charaktere  seien,  wie  Brünhildens  Kampf  mit  Siegfried  um  den  Ring  abstossend 
wirke,  und  der  Mangel  polyphoner  Musik  bei  Wagner  geradezu  unerträglich  sei. 
Und  das  nennt  H.  „Verständigung"!149-150)  —  Da  ist  mir  doch  Fiedler151)  noch 
lieber,  der  uns  Wagner  stracks  „aus  der  Musikantenhölle"  heraufbeschwört  und  uns 
erzählt,  welch  wohlverdiente  Qualen  der  „Meister"  auszustehen  habe.  —  Eine  gerechte 
und  keineswegs  übertriebene  Anerkennung  Wagners  nebst  einer  energischen  Zurück- 
weisung des  grassierenden  Mascagnidusels,  über  dem  man  unser  rüstig  strebendes 
musikalisches  Jungdeutschland  vergesse,  enthält  Traudts152)  Artikel.153"154)  — 
Speci euere  Aufgaben  aus  dem  Gebiete  des  Musikdramas  behandeln  eine  Reihe  von 
Schriften,  deren  vorzüglichste  Chamberlains155)  Vortrag  über  die  Bedeutung  des 
Todes  bei  Wagner  ist.  Der  Tod,  als  das  Aufgehen  in  der  Allgemeinheit,  der  Ver- 
lust des  Ichs,  das  Aufhören  des  Egoismus,  ist  die  vollendete  That  der  Liebe.  Da 
mit  dem  Tode  die  Individualität  aufhört,  wird  durch  den  Tod  des  Meisters  Art  erst 
recht  und  vollständig  erkannt.  Aus  letzterem  ergiebt  sich  die  Bedeutung  des  Todes 
für  die  dramatische  Handlung.  Ist  jener  Gedanke  die  sittliche  Auffassung  des  Todes, 
so  ist  dieser  die  künstlerische.  Der  Tod  wird  die  versöhnende  That  des  Lebens;  er 
führt  zur  Verklärung,  zur  Erlösung  (Holländer  und  Senta,  Tannhäuser  und  Elisabeth, 
Elsa,  Tristan  usw.).  —  Die  strenge  Einheit  künstlerischer' Grundanschauung,  welche 
gerade  Wagner  charakterisiert,  bringt  es  von  selbst  mit  sich,  dass  man  zwischen  den 
Einzelwerken  eine  Fülle  von  Uebereinstimmungen  und  Parallelismen,  philosophisch- 
dichterische, wie  musikalisch-dramatische  findet.  Ernst156),  vor  allem  aber  zwei 
von  H.  von  Wol zogen157)  inspirierte  Artikel  bieten  hierfür  sehr  interessante  Einzel- 
heiten.158) —  Während  in  die  dramatischen  Fusstapfen  Wagners  wohl  nur  Weingartner 
und  Strauss  zu  treten  wagten,  hat  der  rein  musikalische  Stil  Wagners  sich  viel  all- 
gemeiner verbreitet  und  zahlreiche  Nachahmer  gefunden.  Dass  diese  Nachahmung 
nicht  überall  glücklich  war,  dass  teilweise  blosse  Kopien  zu  Tage  gefördert  wurden, 
zeigt  Anton  Seidl159)  und  weist  auf  Amerika  hin,  das  sich  in  dieser  Hinsicht  von 
jeder  platten  Wagnern  ach  ah  merei  fern  hält.  — 

Zu  einzelnenWerken  Wagners  liegen  eine  ganze  Reihe  von  Aufsätzen, 
Analysen  vor.  Zunächst  Arthur  Sei  dl  s160)  Monitum  an  die  Rienzisänger  und 
Kapellmeister,  die  Verzierung  im  ersten  Takt  der  bekannten  As-dur-Arie,  die  übrigens 
kein  „Mordent",  sondern  ein  Doppelschlag  ist,  nicht  wie  gewöhnlich  von  oben,  sondern 
von  unten  anfangend  zu  machen.  Der  Doppelschlag  „von  unten"  ist  keine  Wagnersche 
Erfindung;  der  Vf.  hätte  sich  darüber  aus  jedem  guten  theoretischen  Werke  belehren 
und  vor  allem  erfahren  können,  dass  „Mordent"  und  „Doppelschlag"  ganz  andere 
Dinge    sind.  —    Eine    Anzahl  Tannhäuser-161)  und  Lohengrinführer162-164)  geben  zu 

Wagner  in  München:  MusWBl.  25,  S.  161/2,  173/4,  213/4,  225/6..  —  146)  Z.  Wagnerkultus:  Grenzb.  1,  S.  508-10.  -  147)  W. 
Hot'fmann,  D.  Rieh.  Wagner- Taumel.  E.  Mahnruf  gegen  d.  Verfall  d.  Künste.  L„  Siegismund  &  Volkening.  54  S.  M.  0,80. 
|[AMusZg.  21,  N.  223;  Signale  N.  27;  BayreuthBll.  17,  S.  IV- VI.]  —148)  0.  R.  Hennig,  Z.  Verständigung.  E  Beitr.  z.  Wagner- 
Sache.  L.,  Reinboth.  34  S.  M.  1,00.  —  149)  O  X  A-  Riechetti,  Note  wagneriane.  Milano,  M.  Kantorowicz.  1893.  113  S. 
L.  1,00.  — 150)  O  X  S.  Ursini-Scuderi,  Rico.  Wagner  e  l'opera  sua.  Studio  critico  sulla  (cosi  detta)  questione  wagneriana. 
Palermo,  Clausen.  39,  XI  S.  L.  1,25.  —  151)  F.  Fiedle  r,  Aus  d.  Musikantenhölle.  E.  Urteil  über  R.  Wagner  im  Jenseits. 
Graz,  Wagner.  47  S.  M.  1,25.  —152)  V.  Traudt,  Wagner  u.  d.  Italiener:  BerlR.  1,  S.  36-40.  —  153)  X  D.  Rieh.  Wagnermuseum, 
u.  d.  Zukunft  d.  Wagnertums.  E.  Aufruf  an  d.  Wagnerianer.  L.  u.  Baden-Baden,  C.  Wild.  38  S.  M.  0,50.  (Erweit.  Abdr. 
aus  d.  MusWBl.)  —  154»  X  M-  Hebert,  Tetralogie.  Tristan  &  Iseult,  Parsifal.  Trois  moments  de  la  pensee  de 
R.  Wagner:  APC.  27,  S.  235-48,  335-63,  411-29.  —  155)  H.  S  t.  C  hambe  r  lain ,  D.  Bedeutung  d.  Todes  bei  Wagner.  (Ge- 
dächtnisrede am  13.  Febr.  1893  im  Neuen  Wagnerver.  Wien):  BayreuthBll.  17,  S.  30-40.  —  156)  A.  Ernst,  D.  Ueberein- 
stimmung  d.  einzelnen  Scenen  in  d.  Dramen  Wagners:  ib.  S.  234/9.  —  157)  Musikal.-dramat.  Parallelen.  Beitr.  z.  Erkenntnis 
v.  d.  Musik  als  Ausdruck.     Ges.  v.  mehreren  Wagnerianern,  erläut    durch  Einen    [H.  r.  W  o  1  zöge  n]:    ib.  S.  139-51,  313-41. 

—  158)  X  J-  Beyer,  üeber  d  Dramatische  in  R.Wagners  Tondichtungen:  NLB11. 1,  S.  56/7.  —  159 1  Anton  Seidl,  Wagner 
inflaeneeonpresent-day  composers:  NAR.  158,  S.  86-93.  —  160)  Arthur  Seidl,  D.  Mordentim  „Rienzi":  MusWBl.  25,  S.  481, 493/4. 

—  161)  X  *•  Pfohl,  Führer  durch  R.  Wagners  Tannhäuser.  3.  Aufl.  L,  Reinbotb.  63  S.  M.  1,00.  —  162)  X  A.  Jahn,  Leit- 
faden zu  R.  Wagners  „Lohengrin."  ebda.  52  S.  M.  1,00.  —  163)  X  F-  Panzer,  Lohengrin-Stud.  Halle  a.  S„  Niemeyer. 
60  S.     M.  1,60.    —   164)  X  A.  Heintz,    R.  Wagners  Lohengrin.     Nach  Dichtung    u.  rousikal.  Entwickl.  d.   Werkes    dargest. : 


H.  Reimann,  Musikgeschichte.  I  10  :  ir»ö-isü 

weiteren  Bemerkungen  nicht  Anlass.  —  Dafür  sei  eines  satirisch  beginnenden,  aber 
ernst  und  würdig  endenden  Aufsatzes  165)  gedacht,  der  sich  gegen  die  hyperkritische 
Textauslegung  im  Tristan166)  wendet.  „Blaue  Streifen  stiegen  im  Westen  auf  — 
Auf  ruhiger  See  vor  Abend  —  Erreichen  wir  sicher  das  Land  —  Cornwalls  grünen 
Strand."  Tristans  Schiff  auf  der  Fahrt  von  Westen  nach  Osten  erblickt  Cornwall 
im.  Osten.  Bezögen  sich  also  jene  Streifen  auf  Cornwall,  so  müsste  Wagner  „Osten" 
geschrieben  haben.  Man  gab  nun  die  allerunsinnigsten  und  thörichtesten  Erklärungs- 
versuche, um  den  „WTesten"  zu  retten,  wandte  sich  sogar  an  die  „Deutsche  Seewarte", 
deren  Direktor  Niemeyer  die  vortreffliche  Naturbeobachtung  Wagners  bestätigte,  aber 
ebenfalls  „Osten"  für  „Westen"  forderte.  Der  Vf.  betont  nun  mit  Nachdruck,  dass 
Haarspalterei  in  der  Kritik  zu  nichts  führe;  „Westen"  ist  eben  ein  Schreibfehler. 
„Dormitat  interdum"  usw.  Man  setze,  wenn  es  einem  um  die  Richtigkeit  in  solcher  un- 
glaublich kleinlichen  Nebensache  zu  thun  sei,  „Osten"  ein,  oder  lasse  „Westen"  stehen  und 
—  grüble  einer  poetischen  Licenz  nicht  nach.167)  —  „L'oeuvre  d'art  la  plus  magnifique 
de  ce  siecle"  nennt  Ehrhard168)  den  „Ring  des  Nibelungen"169)  und  preist,  im 
Gegensatz  zu  dem  „kühleren"  Frankreich,  Deutschland,  weil  hier  Wagnersche  Kunst 
triumphiere  und  Wagners  Werke  den  Menschen  in  Fleisch  und  Blut  übergegangen 
seien.  Wie  doch  der  Schein  täuscht!  —  Nicht  so  begeistert,  auch  nicht  so  tief  und 
verständnisvoll  lässt  sich  De  la  Laurencie170)  über  „Parsifal"  vernehmen.  —  Doch 
ist  seine  Auseinandersetzung  klar  und  ansprechend,  während  D  r  ön  ew  o  1  fm)  von 
Parsifalbegeisterung  überströmt  und  insbesondere  die  „christliche"  Heilslehre  als 
Grundgedanken  des  Festspiels  nachweist.  Durch  Leiden  führt  der  Weg  zum  Heil; 
wo  die  Kraft  des  Mitleids  für  andere  den  eigenen  Wunsch,  das  eigene  Ich  über- 
windet, da  ist  Erlösung.  —  Viel  reservierter  zeigt  sich  H  a  r  d  e  n 172)  dem  gleichen 
Thema  gegenüber.  Er  hält  klug  und  vorsichtig  die  Mitte  zwischen  den  Empfindsamen 
„vom  Stamme  Hanslicks"  und  den  Schwarmgeistern,  die  vor  Wagners  Parsifal  auf 
die  Knie  sinken  und  „Gebete  lallen."  H.  giebt  lediglich  eigene,  äussere,  teilweise 
sogar  recht  äusserliche  Eindrücke  wieder.  Zu  einer  erkenntnisvollen  Wertschätzung 
des  Werkes  selbst  scheinen,  trotz  der  gelehrten  litterarischen  Einleitung,  seine  Mittel 
nicht  zu  reichen173).  —  Wagners  Faust-Ouverture  hat  einen  neuen  Erklärer  gefunden, 
van  Santen-Kol  f  f 174),  nach  Bülow  freilich  wie  eine  Ilias  nach  der  Odyssee.  Trotz  der 
unendlichen  Ausführlichkeit  dieser  neuen  Analyse  steht  in  Bülows  kurzer  Schrift  ent- 
schieden zehnmal  mehr  und  zwanzigmal  Besseres,  als  bei  S.-K.  —  Wagners  Unfähigkeit 
als  „Baumeister"  erweist  schlagend  Bayer175).  Die  Einrichtung,  das  Orchester  unsichtbar 
zu  machen,  die  schwitzenden  Angesichter  der  armen  Musiker  mit  ihren  wütenden  Arm- 
und  Gesichtsbewegungen  dem  Publikum  zu  entziehen,  hat  schon  Rubinstein  die  Freude 
an  der  Tannhäuser-Ouverture  verdorben.  Darum,  und  weil  Maler  und  Bildhauer 
musizierende  Engel  ebenfalls  mit  unverdeckten  Instrumenten  (und  Pausbacken!) 
darstellen,  sei  auch  das  Wagnersche  „verdeckte  Orchester"  unkünstlerisch  und 
ein  Nonsens.  Der  ganze  Baustil  des  Bayreuther  Theaters  sei  nicht  normal,  daraus 
lasse  sich  also  auf  keine  normale  Musik  schliessen.  Denn  normale  Musik  lässt  sich 
auch  in  normalem  Baustil  unterbringen!  — 

Eine  Apologie  der  materiellen  wie  künstlerischen  Leitung  der  Bayreuth  er 
Festspiele  verfasste  Koch  176).  Er  berücksichtigte  und  betonte  vorzugsweise  die 
Konsonanzen  und  reinen,  ungetrübten  Akkorde  des  „deutschen  Olympia",  während 
im  Gegensatz  zu  ihm  Mauke177)  ein  kräftig  Wort  von  den  Dissonanzen  zu  reden 
weiss.  Fremdländische  Sänger  werden  bevorzugt,  ein  schlimmes  Günstlings-  und 
Protektionswesen  reisst  ein,  die  Höhe  der  Eintrittspreise  verwehrt  gerade  so  vielen 
Besten  den  Zutritt.  Auch  die  Aufführungen  sind  nicht  mehr  auf  der  Höhe  der 
Zeit.178"180)  —  C  h  amb  erlain  s181)  Märchen  vom  Tode  Parsifals  scheint  auf  den 
ersten  Blick  nicht  hierher  zugehören.  Allein  das  Ganze  ist  eine  —  recht  wenig 
geschickte  Allegorie  auf  den  Tod  Wagners  und  die  Weiterführung  der  Festspiele 
durch    Parsifal- Wagners    Sohn:    Lohengrin-Siegfried.182)      Parsifal   stirbt,    als    eben 


AMusZg.  21,  N.  1-18.  —  165)  D.  dtsch.  Seewarte  u.  Wagners  „Tristan  u.  Isolde":  Geg.  46,  S.  168-71.  —  166)  O  M.  Kufferath, 
Tristan  et  Isenlt.  Paris.  Fischbacher.  367  S.  Fr.  500.  \[0.  B  i  e  :  AMusZg.  21,  S.  241.]|  —  167)  X  F.  P  f  o  h  1 ,  Führer  durch  R.  Wagners 
dtsch.  Nationaloper  rD.  Meistersinger  v.  Nürnberg."  E.  Essay.  2.  Anfl.  L.,  Reinboth.  68  S.  M.  1,00.  —  168)  A.  Ehrhard, 
L'anneau  du  Nibelung  de  R.  Wagner.  Clerraont-FeTrand  (Selbstverl.j.  38  S.  (Conference  iaite  a  TAmphitheätre  de  la  Fac. 
d.  Lett.  de  Clermont-Ferrand.)  —  169)  X  H-  Porges,  R.  Wagners  Bühnenfestsp. :  rD.  Ring  d.  Nibelungen."  E.  Stud. 
3.  (Tit.-)Aufl.  München,  MeThoff.  64  S.  M.  1,  00.  —  170)  L.  De  la  Laurencie,  La  legende  de  Parsifal  et  le  drarue  musical 
de  R.  Wagner.  2.  ed.  Nantes,  E.  Grimaud.  104  S.  —  171)  O.  Drönewolf,  E.  Parsifal-Aufführung  in  Bayreuth.  Bayreuth, 
Heuschmann.     37  S.     M.  1,00.     |[DEKZ.  8,    S.  57,  15;6.]|    —    172)    M.  H[ardenJ,  Parsifal:  Zukunft  8,  S.  376-84.    —    173)   O 

C.  T.  Gatty,  R.  Wagner  Parsifal,  the  argument,  the  raus,  drama.     London,  Schott.     Sh.  2.  —   174)  J.  van  Santen-Kolf  f , 

D.  Faust-Ouverture  Werden  u.  Wachsen.  Geschichtliches,  Biographisches,  Aesthetisches.  |Z.  50 j.  Jubil.  ihrer  ersten  Aufführ.): 
BayreuthBll.  17,  S.  240^8,  368-75.  —  175)  J  Bayer,  R.  Wagner  als  Baumeister:  NFPr.  N.  10  757.  —  176)  M.  Koch,  Aus 
Bayreuth:  DWB1.  7,  S.  394,6,  416,8.  —  177)  W.  Mauke,  Akkorde  u.  Dissonanzen  vom  dtsch.  Olympia:  Ges.  S.  1215-30.  — 
178)  O  E.  E.  Cuthell,  A  Bayrenth-Pilgrimage.  2  V.  London,  Low.  Sh.  12.  —  179)  O  P.  H.  Waddell,  Parsifal  of  B. 
Wagner  at  Bayreuth  1894.  London,  Blackwoods.  Sh.  26.  —  180)  X  L«  programme  ae  Bayreuth:  BÜRS.  62,  S.  1878.  —  181) 
H.  St.  Chamberlain,  Parsifals  Tod.  E.  Märchen:  BayreuthBll.  17,  S.  152-60.  —  182)  X  Siegfr.  Wagner:  SchorersFamilienbl11. 

(1)19* 


I  10  :  183-191  H.  Reimann,  Musikgeschichte. 

Lohengrin  von  seiner  Ausfahrt  zurückkehrt.  Lohengrin  soll  jetzt  des  Amtes  als 
Gralshüter  walten.  Er  besinnt  sich,  dass  soeben  ein  Pfingstwunder  (!)  an  ihm 
geschehen  sei:  „Die  Flamme  war  ihm  bis  tief  ins  Herz  gedrungen";  „dort  warf  sie 
helles  Licht  auf  manches,  was  ihm  bisher  dunkel  (!)  geblieben  war"  und  zeigte  ihm 
„eine  neue  Welt."  Er  vernahm  bis  dahin  nie  gehörte  Stimmen,  und  „die  Gnade  des 
heiligen  Geistes  hatte  es  gefügt,  dass  Lohengrin-Siegfried  nunmehr  die  Sprachen 
der  anderen  Wesen  gleich  seiner  eigenen  verstand."  „Und  diese  Erleuchtung  war 
ein  letztes  Vermächtnis  Parsifals !"  Aus  der  Märchensprache  in  gemeine  Prosa  übersetzt, 
heisst  das:  so  wurde  aus  dem  Architekten  Siegfried  Wagner  der  junge  „Meister" 
von  Bayreuth,  der  alle  Fähigkeiten  eines  Komponisten,  Dirigenten,  Regisseurs  kraft 
jenes  „Pfingstwunders"  in  sich  vereinigt.  —  Dass  unter  solchen  Umständen  alte, 
treue  Anhänger  des  Meisters,  die  an  jenes  „Wunder"  nicht  zu  glauben  im  stände 
sind,  um  die  Zukunft  Bayreuths  besorgt  sind,  zeigten  Lessmanns 183)  Aus- 
führungen. —  Andererseits  hebt  jetzt  München  als  gefährlicher  Rivale  Bayreuths 
sein  Haupt  stolz  empor  und  dachte  bereits  1892  alles  Ernstes  daran,  ein  eigenes 
Wagnertheater 184)  zu  errichten.  Der  Plan  wurde  zurückgelegt;  dafür  trat  die  Münchener 
Oper  mit  sehr  rühmenswerten  Aufführungen  hervor.  — 

Einen  reichen  Zuwachs  hat  die  Lisztlitteratur  zu  verzeichnen,  vornehmlich 
durch  La  Maras185)  dritten  Band  der  Lisztbriefe:  der  „Briefe  an  eine  Freundin". 
Die  Briefe  stammen  aus  den  J.  1855—69  und  1878 — 86;  der  letzte  ist  vom  7.  Juli 
datiert,  also  etwa  4  Wochen  vor  Liszts  Tode  geschrieben.  Schon  diese  Daten 
gestatten  einen  Schluss  auf  die  Reichhaltigkeit  der  Sammlung.  Wagners  und  seiner 
Werke  Schicksale,  Liszts  gute  und  schlimme  Erfahrungen  während  seiner  Weimarer 
Kapellmeisterschaft,  alle  die  unzählbaren  Beziehungen  und  Bekanntschaften,  die 
Liszts  nimmer  ruhende  Natur  aller  Orten  anknüpfte,  der  bunte  Wechsel  persönlicher, 
musikalischer  (die  ungenannte  Adressatin  war  einst  seine  Schülerin)  und  politischer 
Mitteilungen  (die  Adressatin,  Tochter  eines  Diplomaten,  war  an  der  Redaktion 
politischer  Zeitungen  beteiligt  und  hatte  weitverzweigte  diplomatische  Verbindungen), 
all  dies  giebt  jener  Briefsammlung  neben  ihrem  geschichtlichen  Wert  noch  den 
besonderen  Reiz  einer  ausserordentlich  unterhaltsamen  Lektüre.186)  —  In  ihrer 
Unmittelbarkeit  wirkte  diese  „Biographie  in  Briefen"  viel  eindringlicher  als  Lina 
R  a  m  a  n  n  s  ,87)  grosses  biographisches  Werk,  das  nunmehr  mit  dem  sehr  umfang- 
reichen zweiten  Teile  des  zweiten  Bandes  abgeschlossen  vorliegt.  Dass  die  Vf.  das 
Beste  gewollt  und  erstrebt  hat,  wird  jeder  zugeben;  indessen  Wollen  und  Vollbringen 
sind  zweierlei.  Für  die  positiven  Ereignisse  in  Liszts  Leben  ist  das  Werk  eine 
sichere  Quelle.  Aber  es  fehlt  der  Vf.  die  Gabe,  den  Stoff  zu  konzentrieren,  ein  einheitliches 
Bild  zu  geben  und  alle  die  zahlreichen  bunten  Farben,  in  welchen  dieses  Bild  strahlt, 
zu  einer  rechten  Farbenharmonie  zu  vereinigen.  Schon  bei  den  einfachsten  Klavier- 
werken Liszts  ergeht  sie  sich  in  so  überschwenglichen  Redensarten,  dass  ihr  die 
Sprache  bei  den  grossen  Oratorien  und  symphonischen  Werken  naturgemäss  ganz 
versagt.  Das  ist  kein  Reden  mehr,  sondern  ein  Stammeln.  Zum  Unglück  ist  dieDiktion  der 
Vf.  eine  sehr  unbeholfene,  bombastische  und  ekstatisch-übertriebene,  die  gar  häufig  eine 
der  guten  Absicht  entgegengesetzte  Wirkung  erzielt.  Die  Vf.  will  das  Beste,  gewiss.  Aber 
die  Form,  in  der  sie  ihre  Arbeit  der  Welt  bietet,  schadet  der  Lisztsache  mehr,  als 
sie  ihr  nützt.  Einzelheiten,  die  dies  näher  erläutern  und  beweisen,  findet  man  in 
Reimanns  Recension.188)  —  Eine  flüchtige  Zusammenstellung  der  Verdienste  Liszts 
um  den  deutschen  Tonkünstlerverein  gab  Simon189)  auf  Grund  zahlreicher,  in  dem 
Kahutschen  Musikverlage  befindlicher  Briefe.  — 

Zu  den  musikalischen  Grössen,  die  erst  nach  dem  Tode  zu  gebührender 
Anerkennung  gelangt  sind,  gehört  Smetana,  dessen  „Verkaufte  Braut"  als  wirk- 
sames Antidoton  gegen  das  Gift  der  Sonzognisten  erst  1892  bei  Gelegenheit  der  Wiener 
Ausstellung  entdeckt  wurde.  Smetana,  dem  Neid  das  Leben  verbitterte,  und  der  am 
21.  Okt.  1874  von  Taubheit  befallen  wurde,  hat  seine  „tragische"  Biographie  der  Welt 
in  der  Form  eines  wundervollen  Streichquartetts  „Aus  meinem  Leben"  hinterlassen. 
Eine  Biographie  in  Worten  widmet  dem  trefflichen  Künstler  ein  Landsgenosse: 
Hlaväc190),  während  Payer191)  in  dankenswerter  Weise  Smetanas  komische  Opern 
bespricht  und  ihnen  in  der  Litteratur  die  ehrenvolle  Stelle  zwischen  Cornelius  und 
Götze  anweist,  mit  denen   beiden  Smetana  geistig  verwandt   ist.  —  Wie  das  Schick- 

N.  5.  —  183)  0.  Lessmann,  D.  Zukunft  Bayreuths:  FrB.  5,  S.  930/4.  —  184)  E.  Wagnertheater  in  München:  Geg.  45,  S.  151,3. 
—  185)  (IV  lc:58.)  |[E.  H  (an slick):  NFPr.  N.  10845;  Didask.  N.  22;  LCB1.  S.  1086,7;  LHw.  32,  S.  300,1;  0.  Bie: 
AMusZg.  21,  S.  69-71;  Signale  N.  26;  Geg.  43,  S.  207;  GazMusMilano.  N.  13;  WIDM.  75.  S.  145;  ib.  76,  S.  510;  NAS.  76, 
S.  286.J|  —  186)  O  F.  Liszt,  Letters  coli.,  ed.  by  La  Mara,  transl.  by  Consta  nee  Bache.  2  vols.  London,  Grevel.  Sh.  28. 
|[SaturdayR.  77,  S.  477/8;  J.  J.  Shedlook:  Ac.  46,  S.  74.]|  —  187)  Lina  Hamann,  F.  Liszt.  Bd.  2,  Abt.  2.  (Sohluss.)  L., 
Breitkopf  &  Härtel.  531  8.  M.  9,00.  |[R.  Pohl:  NZEusik.  61,  S.  61/2;  LCB1.  S.  288;  J.  L.:  Frau  1,  S.  344;  H.  Beimann: 
BLU.  S.  697,9.] |  —  188)  X  M.  Chop  (Charles),  Führer  durch  F.  Liszts  sinfon.  Dichtungen.  N.  1/4.  3.  Aufl.  L.,  Bossberg. 
32  S.  M.  1,00.  —  189)  P.  Simon,  F.  Liszt  als  Förderer  d.  Allg.  Dtsch.  Musikver.:  NZMusik.  61,  S.  237-40.  —  190)  F. 
Hlavao,    F.  Smetuna.     E.  biogr.  Skizze:  N&S.  68,   S.  175-82.    —    191)   0.  Payer,    D.  kom.  Opern  F.  Smetanas:    AMusZg.  21, 


tl.  Reimann,  Musikgeschichte.  I  10:192-226 

sal  mitunter  begangene  Sünden  rächt,  weist  Ziehn192)  an  Raff  nach,  der  Wagners 
Lohengrin  heftig  befehdete,  schliesslich  aber  in  seiner  „Leonorensymphonie"  sich 
Wagnerschen  Geistes  so  voll  zeigt,  dass  eine  Reminiscenz  an  Wagner  der  anderen 
folgt.  — 

Den  vornehm  empfindenden,  aber  etwas  weiblich  gearteten  Gounod,  dessen 
Ideale  die  deutschen  Künstler  Mozart,  Weber,  Mendelssohn  und  Meyerbeer  waren, 
charakterisiert  vortrefflich  Gump recht193),  in  viel  knapperer  Form  ein  Ano- 
nymus194 195).  —  Von  Flotow,  der  in  manchen  Stücken  Gounod  dem  Wesen  nach 
sehr  ähnlich  ist,  handelt  ein  anderer  Anonymus  196).  —  Auch  Niels  W.  Gades  poetisch- 
musikalische Natur  hat,  abgesehen  von  ihrer  nordischen  Eigenart,  etwas  Weiches, 
Weibliches.  Seinen  von  seiner  Tochter,  Dagmar  Gade197)  veröffentlichten  Briefen  und 
Aufzeichnungen  verdanken  wir  einen  höchst  interessanten  Einblick  in  das  eigenste 
Wesen  des  mit  Schumann  und  Mendelssohn  so  innig  verbundenen  dänischen  Meisters. 
Ein  reiner,  edler  Künstler  und  ein  unendlich  liebenswerter  Mensch,  das  ist  der  kurze 
Gesamteindruck  all  dieser  Aufzeichnungen.  —  Dem  unsterblichen  Liedersänger 
Rob.  Franz,  einer  Halloren-Kraft  und  -Kernnatur  dem  Aeusseren  nach,  ist  in  dem 
Freiherrn  von  Prochäzka198)  ein  ausserordentlich  tüchtiger  und  sachkundiger  Bio- 
graph erstanden.  Ein  Büchlein  von  kleinem  Umfange,  aber  von  grossem  Wert  für 
die  richtige  Schätzung  dieses  Liedermeisters,  der  übrigens  redend  und  sich  offen 
mitteilend  in  den  von  Waldmann199)  veröffentlichten  Gesprächen  eingeführt  wird.  — 

Es  folgt  nunmehr  eine  kurze  Uebersicht  über  einen  Teil  der  fast  unerschöpf- 
lichen Litteratur,  die  der  Heimgang  zweier  Grossen:  Hans  vonBülows  und  Rubin- 
steins zu  Tage  gefördert  hat.  Bezeichnend  ist,  dass  von  Rubinstein  bereits  eine  An- 
zahl Biographien  existieren,  von  Bülow  —  mit  Ausnahme  der  kleinen  B.  Vogelschen 
Schrift  noch  keine.  Und  in  der  That  ist  es  eine  unendlich  schwere  Aufgabe,  eine 
Natur,  wie  Bülow  zu  fixieren,  eine  Natur,  scheinbar  aus  allerlei  Widersprüchen  zu- 
sammengesetzt, und  doch  in  sich  so  fest  gefügt  und  einheitlich:  scheinbar  so  wandel- 
bar, und  doch  so  stet  und  treu,  so  kleinlich  und  doch  so  riesengross,  so  beissend- 
witzig  und  bitter-sarkastisch,  und  doch  so  harmlos  einfach  und  kindlich  gut.  Pfeiffers200) 
Studien  bei  Bülow  geben  hierfür  —  obwohl  sie  nur  einen  verhältnismässig  kleinen 
Wirkungskreis  Bülows  betreffen  —  einen  herrlichen  Beweis.  —  Von  den  zahllosen 
Nachrufen  an  Bülow  geben  wir  dem  We  1 1  i  s201)  zweifellos  den  Preis.  „Die  mächtigste, 
bedeutsamste  Persönlichkeit  unseres  nationalen  Musiklebens  ist  dahin  gesunken." 
Das  ist  mit  wenig  Worten  alles  und  nicht  zu  viel  gesagt.  Bülows  „ehrfurchtsvolle 
Leidenschaft  für  Beethoven",  „seine  unablässige,  planmässige  Arbeit"  für  diesen 
seinen  Helden  stehen  im  Mittelpunkte  dieses  Nachrufes,  wie  sie  im  Mittelpunkte 
Bülows chen  Denkens  und  Empfindens  standen.  —  Die  Macht  der  Bülowschen  Persönlich- 
keit, namentlich  dem  „süssen  Konzertpöbel"  gegenüber,  den  Sonderling,  der  „mit  dem 
blitzblanken  Schwerte  der  Skepsis  der  Modernen  auf  die  Suche  nach  Wundern"  ging, 
den  anderen  „Baumeister  Solness",  den  feinen  Geist,  der  malgre  lui  so  oft  die  Zu- 
flucht zu  trivialen  Spässen  (?)  nahm,  alle  diese  Rätsel  stellt  Harden202);  aber  er 
löst  sie  nicht.  Sein  Blick  haftet  auch  hier  wieder  an  der  Oberfläche.  —  Rührend 
und  teilweise  ergreifend  sind  Zabels203"205)  Mitteilungen  über  die  letzten 
Lebenstage  Bülows,  höchst  pietätvoll  und  von  inniger  Verehrung  diktiert  seine 
„Gedenkblätter"206).  —  Von  den  übrigen  Nachrufen,  die  den  Dirigenten  und  Pianisten 
Bülow  in  warmen,  ja  begeisterten  Reden  preisen,  aber  seine  produktive  Kraft  gering 
anschlagen,  erwähne  ich  den  von  Bussler207),  von  Sternfeld208),  der  übrigens 
Bülows  Verdienste  um  die  Wagnersche  Kunst  mit  ganz  besonderer  Emphase  feiert, 
Vogel209),  Taubert210),  Hirschfeld211),  sodann  neben  anderen212-215)  auch 
einige  ausserdeutsche216"219).  —  Porges220)  bezeichnet  Bülows  künstlerische 
Individualität   sehr    treffend    als    das  Resultat  Wagnerschen  und  Lisztschen  Geistes. 


S.  515-60.  -  192 )  B.  Ziehn,  Eaffs  „Wagnerf  rage"  u.  „Leonore" :  ib.  N.  19-26,  50-52.  —  193)  0.  öimprecht,  Ch. 
Gounod:  W1DM.  76,  S.  454-64.—  194)  Ch.  Gounod:  Daheim".  30,  N.  3.  — 195)  O  C.  Saint-Saens,  Ch.  Gounod  et  le  Don 
Juan  de  Mozart.  Paris,  Olh  ndorff.  16°.  44  S.  —  196)  TL,  F.  t.  flotow :  Bär  20,  S.  206.  —  197)  Dagmar  Gade,  Niels  W.  Gade,  Auf- 
zeichnungen u.  Briefe.  Autoris.  Uebers.  aus  d.  Dan.  Basel,  Geering.  279  S.  M.  4,00.  |[LCB1.  S.  326;  P  h.  Spitta: 
VjsMusikwissensch.  10,  S.  114/5;  H.  Beimann:  BLD.  S.  100,1]  |  —  198)  E.  Frhr.  v.  Prochäzka,  B.  Franz.  (=  ÜB.  N.  3273  4 

I  Musiker-Biographien  N.  16J.)  L.,  Reclam.  12°.  167  S.  M.  0,40.  —  199)  W.  Waldmann,  B.  Franz.  Gespräche  aus  10  J. 
L.,  Breitkopf  &  Härtel.  168  S.  M.  3,00.  —  200)  Th.  Pfeiffer,  Sind,  bei  H.  v.  Bülow.  5.  Aufl.  B.,  Luckhardt.  123  S. 
M.  3,00.  |[GazMusMiiano.  N.  35;  MusTimes.  N.  616;  E.  R(ochlich):  NZMusik.  61,  S.  589;  VossZg.  N.  282.J|  -  201)  H. 
Welti,  H.  v.  Bülow:  Nation«».  11,  S.  306  7.  (Vgl.  auch  TglRsB.  N.  37,  39.)  —  202)  M.  H[ardenJ,  H.  v.  Bülow:  Zukunft  6, 
S.  385  8.  —  203)  E.  Zabel,  Z.  Erinn.  an  fl.  v.  Bülow:  NatZg.  N.  130  -  204  J  id..  Am  Beerdigungstage  H.  t.  Bülows:  ib. 
N.  197.  —  205)  id.,  H.  v.  Bülow.  Gedenkbll.  aus  seinen  letzten  Lebensjahren.  Hamburg,  Gräfe  &  Sillem.  56  S.  M.  1,00. 
|[VossZg.  N.  282;  BerlTBl.  N.  217.][  —  206)  X  Bubinstein  über  Bülow:  FrBl»'.  N.  52.  —  207)  L.  B[usslerJ,  H.  v.  Bülow: 
NatZg.  N.  107.  -  208)  B.  Sternfeld,  H.  t.  Bülow.  L.,  Fritzsch.  20  S.  M.  0,50.  l[VossZg.  N.  282.J|  —  209)  B.  Vogel, 
H.  y.  Bülow:  lllZg.  102,  S.  197.  —  210)  E.  E.  Taubert,  H.  v.  Bülow:  Post  N.  46.  —  211)  B.  Hi  r  schf  e  1  d ,  H.  v. 
Bülow:  Presse  N.  46.  —  212)  X  H-  v-  Bülow:  ÜLAM.  71,  S.  455.  —  213)  X  H.  v.  Bülow:  SchorersFamilienbl".  N. 9.  —  214)  X 

II  t.  Bülow:  NZMusik.  61,  S.  85,6.  —  215)  X  H-  T-  Bülow.  E.  Erinnerungsbl.:  Didask.  N.  42.  (Abdr.  aus  d.  MagdZg.)  — 
216)  X  La  mort  de  H-  de  Bulow:  BTJBS.  61,  S.  624,6.  —  217)  X  H.  ▼•  Bülow:  Ath.  1,  9.  221.  —  218)  X  &*•  H-  ▼•  Bülow: 
Ac.  45,  S.  155.  —  219)  X  H-  T-  B&low:  SaturdayB.  77,  S.  170,1.  —  220)  H.  Porges,  Z.  Gedächtn.  H.  v.  Bülows:  NZMusik.  61, 


t  10:221-251  £t.  Reimann,  Musikgeschichte. 

Berlioz  war  ebenfalls  bestimmend  für  ihn.  Der  „Komponist"  Bülow  ist  noch  längst 
nicht  zu  seiner  verdienten  Würdigung  gelangt.  —  Auch  Pfohl221)  hat  Bülows 
künstlerische  Objektivität,  aus  der  seine  eigen  geartete  subjektive  Anschauung  ent- 
sprang, richtig  geschätzt,  während  ein  anderer  Hamburger  Kritiker,  S  i  tt  ar  d  222), 
fälschlich  behauptet:  Bülow  sei  im  Alter  konservativ  geworden,  habe  von  „Tristan" 
nichts  mehr  wissen  wollen,  und  den  Ausdruck  „Bayreuthknecht"  habe  er  als  Opposition 
gegen  den  „Wagnertaumel"  ersonnen.  Den  Beweis  dagegen  liefert  Bülow  selbst  mit 
seinem  1880  geschriebenen  Briefe  an  Wolzogen,  den  eine  Spende  von  40000  Mark 
für  Bayreuther  Zwecke  begleitete.  Der  Vf.  entstellt  Bülows  Aeusserungen,  indem  er 
sie  in  ganz  veränderte  Situationen  rückt,  die  verschiedensten  Zeiten  bunt  durch- 
einander mengt  und  anderes,  oft  ganz  Entgegengesetztes  aus  Bülows  Worten  folgert, 
als  sie  wirklich  besagten.  —  Bülows  viel  getadeltes  excentrisches  Wesen  rührte  von 
seiner  starken  „Opposition  gegen  das  Triviale"  her;  trotzdem  vermahnten  ihn  unausgesetzt 
„schäbige  Journalisten"  um  seines  Wesens  willen.  So  charakterisiert  Robert223).  — 
Mar  schal  k224)  hat  richtig  erkannt,  dass  Bülows  „Extempores"  in  Konzertsälen 
vorbereitet,  und  kein  unbesonnener  Ausbruch,  sondern  der  wohl  vorbedachte  Aus- 
druck seines  längst  gehegten  Zorngefühls  waren.  Von  der  bekannten  „Bismarckrede" 
mag  dies  als  zutreffend  gelten.  —  Etwas  nüchtern  klingt  Rodenbergs  225),  fast 
allzu  poetisch  Neubürgers  226)  Nachruf.  Der  letztere  ist  jedenfalls  besser  gemeint. 
Mit  Bezug  auf  Bülows  Opfer  für  Bayreuth  heisst  es  da:  „Er  war  treu!  Dem  grossen 
Künstler,  welcher  ihm  das  Haus  —  Zerstörte,  baute  er  den  prächt'gen  Tempel  —  Und 
was  mit  süssen  Tönen  er  gewann  ....  er  brachte  es  als  Spende  —  Hin  nach  Bay- 
reuth, den  Tempel  ihm  zu  bau'n!"  —  Den  „jungen  Bülow"  versucht  Wichmann227) 
zu  charakterisieren.  Erinnerungen  an  Bülow  in  München  erweckt  Elisabeth  Marr228) 
durch  Mitteilung  zweier  Briefe  Bülows  vom  J.  1865  aus  jener  Stadt.  —  Bülows  und 
Lassalles  Freundschaft,  für  die  Lassalles  Briefe  an  Bülow,  von  diesem  selbst  zur  Ver- 
öffentlichung gegeben,  das  schönste  Zeugnis  ablegen,  behandelt  lediglich  auf  Grund 
dieses  Materials  B  r  a  s  c  h229).  — 

Die  Nekrologe  auf  AntonRubinstein  zollen  durchweg  dem  Pianisten,  dem 
einzigen  Erben  Liszts,  die  höchste  Anerkennung.  Den  zahlreichen  Kompositionen 
Rubinsteins  gegenüber  sind  die  Meinungen  vorwiegend  weniger  günstig.  Sehr 
richtig  sagt  B  u  s  sie r  23°):  Rubinstein  sei  als  Komponist  gross  im  Wollen,  aber 
nicht  im  Vollbringen  gewesen.  —  Hanslick231)  giebt  eine  interessante  Parallele 
zwischen  Liszt  und  Rubinstein.  Der  letztere  spielte  zwar  stets,  „wie  ich  will"  und 
„wie  es  mir  gefällt";  aber  er  war  Liszt  gegenüber  weit  naiver.  So  manche  seiner 
Kompositionen  wird  jetzt  nach  seinem  Tode  wieder  aufleben;  „den  Klavierspieler 
wird  nichts  mehr  lebendig  machen".  —  Als  Rubinsteins,  des  Komponisten,  Hauptübel 
bezeichnet  Schenker 232)  die  „Ungleichmässigkeit  des  Ideenniveaus",  als  seinen 
Hauptvorzug  die  Befähigung  für  das  einfach  Grosse  und  die  Fähigkeit,  „die  Poesie 
der  Bibel  einzuatmen"233).  —  Porges234)  findet  bei  Rubinstein  überall  gute  An- 
empfindung,  aber  selten  tieferen  Gehalt  und  noch  viel  weniger  scharfe  Charakteristik. 
Für  Wagner  hatte  Rubinstein  so  gut  wie  keine  Empfänglichkeit235"236).  —  Mosz- 
kowski237)  nennt  Rubinstein  einen  „Dämon  des  Klavierspiels",  der  sich  nicht  scheut, 
um  dieser  dämonischen  Wirkung  willen  die  Struktur  eines  Tonstückes  vollkommen 
aufzulösen.  —  Weihevolles  Versenken  in  die  Kunst  und  innere  Vertiefung  vermisst 
R  ö  c  k  n  e  r 238)  bei  Rubinsteins  Werken239-245).  — 

Noch  einen  dritten  grossen  Toten  betrauerte  in  diesem  J.  die  musikalische  Welt: 
Philipp  Spitta.  Ihm  widmete  Rodenberg 246),  dessen  Zeitschrift  Spitta 
sehr  nahe  stand,  einen  warmen  Nachruf.  — Desgleichen  thaten  zwei  Schüler  Spittas: 
Seif  f  er  t247)  und  Vo  ge  1  248);  ferner  Andrich249)  und  B  ussler250).  Des  letzteren 
längerer  Aufsatz  ist  im  wesentlichen  eine  durchaus  zustimmende  Kritik  des  Spittaschen 
Opus  posthumum:  der  musikgeschichtlichen  Aufsätze  (s.  o.  N.  34).  —  Eine  in 
keiner  Weise  pro  oder  contra  beeinflusste  Schätzung  der  Bedeutung  Spittas  für  die 
Musikgeschichte  suchte  R  ei  mann251)  zu  geben.     Spittas  Hauptverdienst   ist  seine 

S.  109-11,  121/2.  —  221)  F.  Pfohl,  H.v.  Bülow:  Daheim  30,  S.  400/2.  —  222)  J.  Sittard,  H.  t.  Bülow:  NZMusik.  61,  S.  97/9. 

—  223)  A.  Rohert,  Bülow:  ML.  63,  S.  232/4.  —  224)  M.  Marschälle,  H.v.Bülow:  FrB.  5,  S.  298/9.  —  225)  J.  R[oden- 
berg],  H.  v.  Bülow:  DRs.  79,  S.  122,3.  —  226)  F.  Neubürger,  Nachruf  an  H.  v.  Bülow:  Didask.  N.  104.  —  227)  H. 
Wichmann,  Z.  Charakteristik  d.  jungen  H.  v.  Bülow:  Zeitgeist  N.  33.  —  228)  Elisabeth  Marr,  Erinnerungen  an 
H.  v.  Bülow:  Geg.  45,  S.  327/9.  —  229)  M.  Brasch,  F.  Lassalle  u.  H.  v.  Bülow:  Didask.  N.  203.  —  230)  L.  B[ussler], 
A.  Rubinstein:  NatZg  N.  630.  —  231)  E.  Hanslick,  A.  Rubinstein:  Didask.  N.  281.  (Abdr.  aus  d.  NFPr.)  —  232)  H. 
Schenker,  A.  Rubinstein:  Zukunft  8,  S.  326  9.  —  233)  G.  Efngel],  A.  Rubinstein:  VossZg.  N.  545,  546,  549.  —  234) 
H.  Porges,  A.  Rubinstein:  NZMusik.  61,  S.  545,7.  —  235)  X  O.  Lessmann,  A.  Rubinstein:  AMusZg.  21,  S.  635/6.  — 
236)  X  B-  Vogel,  A.  Rubinstein:  NZMusik.  61,  S.  533/4.    —    237)  A.  Moszkowski,    A.  Unbinstein:   ML.  63,  S.  1518-20. 

—  238)  H.  Röckner,  A.  Rubinstein:  Geg.  46,  S.  357/9.  —  239)  X  A.  Rubinstein:  Gartenlaube  S.  876.  —  240)  X  A.  Rubin- 
stein: SammlerA.  N.  141.  —  241)  X  H.  Neumann,  A.  Rubinstein:  BerlTBl.  N.  592.  —  242)  X  H-  Ehrlich,  Erinnerungen 
an  Rubinstein:  ib.  N.  632.  —  243)  X  A.  Rubinstein:  WienZg.  N.  269.  —  244)  X  A.  Rubinstein:  Ac.  46,  S.  431.  —  245)  X 
A.  Rubinstein:  Ath.  2,  S.  723.  —  246)  J.  R[odenberg],  Ph.  Spitta:  DRs.  79,  S.  468-70.  -  247)  M.  Seif  f  er  t,  Ph.  Spitta: 
AMusZg.  21,  S.  228/9.  —  248)  E.  Vogel,  Ph.  Spitta:  MusWBl.  25,  S.  239-40.  —  249)  X  s-  Andrich,  Ph.  Spitta: 
Nation«.  11,  S.  441/2.    —    250)  L.  BfusslerJ,   Z.  musikal.  Litt.  (Nachruf  für  Ph.  Spitta):  NatZg.  N.  536.  —  251)  H.  Rei- 


H.  R  ei  mann,  Musikgeschichte.  I  10:252-276 

Bachbiographie,  die  zwar  in  vielen  Stücken  einen  Vergleich  mit  der  Jahnschen 
Mozartbiographie  nicht  aushält,  auch  die  Vorarbeiten  anderer  etwas  stark  bei  Seite 
schiebt,  aber  eine  auf  feste  Fundamente  gestützte,  mit  grösster  Hingabe  gearbeitete 
Künstlerbiographie  allerersten  Ranges  bildet.  Nächst  diesem  Werke  sind  die  Schütz- 
ausgabe, auch,  wenngleich  in  geringerem  Masse,  die  Ausgabe  der  Buxtehudeschen 
Orgelkompositionen  verdienstvoll.  Nicht  so  glücklich  war  Spitta  in  der  Lösung  aller 
derjenigen  Fragen,  die  praktisch-musikalischer  Art  waren.  Die  Polemik  über  die 
Ausführung  des  bezifferten  Basses  bei  Bach  und  der  Cembalobegleitung  bei  der 
Ausgabe  der  Sonaten  Friedrichs  des  Grossen  endigte  nicht  günstig.  Aber  wenn  er 
hier  auch  irrte,  er  irrte  menschlich,  und  wohl  jedem,  der  nicht  schwerer  fehlte 
als  er.   — 

Verfolgen  wir  die  Liste  der  Toten  dieses  J.  weiter,  so  folgt  Tschaikowski, 
aus  dessen  im  „Ruskij  Vestnik"  veröffentlichten  Tagebuche  die  Aufzeichnungen  über 
den  Aufenthalt  in  Leipzig  1887  mitgeteilt  wurden252).  —  Ferner:  die  eminente 
dramatische  Künstlerin  Johanna  Jachmann-Wagner,  der  Taubert253) 
einen  würdigen  Nachruf  widmete254);  Hermine  Spiess,  die  ausserordentlich 
liebenswürdige  und  vortreffliche  Liedersängerin,  deren  Andenken  ihre  treue  Begleiterin 
und  Schwester,  Minna  Spiess 255),  in  einem  ungemein  lesenswerten  Buche  der 
Nachwelt  bewahrt  hat256).  —  Jenny  Meyer,  die  bekannte  Berliner  Gesangslehrerin, 
für  die  Helene  Lange257)  einen  Nekrolog  schrieb;  die  Dresdener  Sängerin  Aloyse 
Krebs-Michalesi,  deren  Wirken  0.  Schmid258)  verherrlichte;  endlich  Em.  Faisst, 
der  Direktor  des  Stuttgarter  Konservatoriums259).  —  Das  Wirken  und  Streben  des 
Dichter-Komponisten  Alex.  Ritter,  der  inzwischen  auch  den  Toten  beigesellt  ist, 
schilderte  sehr  ansprechend  Ho  f  m  üll  e  r260"261).  — 

Das  laufende  Berichtsjahr  war  übrigens  das  50jährige  Jubeljahr  der  künst- 
lerischen Thätigkeit  des  Walzerkönigs  Joh.  Strauss.  Dem  Jubilar  zu  Ehren 
veröffentlichte  Kl  ei  necke262)  eine  Biographie  von  Strauss,  dem  Vater,  Eisen- 
berg263)  eine  ausführliche  Geschichte  der  Familie  Strauss,  insbesondere  aber  ein 
sehr  ins  Einzelne  gehendes  Lebensbild  des  Jubilars,  unter  dessen  „Blauen  Donau- 
Walzer"  bekanntlich  Brahms  die  treuherzige,  lakonische  Kritik  schrieb:  „Leider  nicht 
von  Brahms"!264-271)  — 

Zur  selben  Zeit  ungefähr  feierte  ein  anderer  „grosser"  Wiener  das  fünfzig- 
jährige Jubiläum  seiner  Thätigkeit:  Hanslick272),  der  bekannte  Musikkritiker  der 
NFPr.  Er  ist  ein  lebendiger,  aktiver  Zeuge  des  grossen  Umschwungs,  den  das 
Wiener  Musikleben  innerhalb  dieser  50  J.  genommen,  vielleicht  auch  zum  grossen 
Teil  ein  Beförderer  dieses  Umschwungs  selbst.  Seine  Selbstbiographie  ist  hierfür  ein 
trefflicher  Beweis.  H.s  Gegnerschaft  gegen  die  Wagnersche  Kunst,  in  deren  Dienst 
er  sich  am  Anfange  seiner  kritischen  Laufbahn,  im  J.  1846,  hingebungsvoll  gestellt 
hatte,  und  auch  sein  Buch  vom  „musikalisch  Schönen",  die  theoretische  Negation  der 
Möglichkeit  eines  musikalischen  Fortschritts  und  das  philosophische  Verdammungsurteil 
der  neuen  Kunst,  alles  das  wird  man  von  der  Summe  der  Bedeutung  dieses  Kritikers 
getrost  in  Abrechnung  bringen  können,  und  es  bleibt  immerhin  noch  ein  so  grosser 
Rest  übrig,  dass  trotz  allem  H.  für  eine  der  bedeutendsten  Erscheinungen  in  der  Musik- 
litteratur  gelten  muss.  So  herrlich  und  trefflich  wie  er,  hat  kein  Mensch  über  Mozart, 
Weber,  Schubert,  Schumann  und  unzählige  andere  Meister  geschrieben;  so  treu  zu 
ihren  Idealen,  wie  er,  haben  nur  wenige  gestanden;  so  geistvoll,  liebenswürdig  und 
unterhaltsam  versteht  keiner  zu  plaudern!  Und  so  bietet  auch  seine  Autobiographie  mit 
ihrem,  dem  Andenken  seines  Freundes  Billroth  gewidmeten,  Anhange  dem  Leser  einen 
in  seiner  Art  unvergleichlichen  Genuss.  — 

Den  ungarischen  Nationalkomponisten  Franz  Erkel  schildert  von  Boro- 
styäny273),  den  populärsten  der  Wiener  Künstler,  Anton  Brückner  ein  Ano- 
nymus274-275). —  Einen    der   treuesten   aus    der   Zahl   der    Getreuen    Wagners,    den 

mann,  Ph.  Spitta :  BLU.  S.  737,9.  -  252)  Aus  d.  Tagebnehe  P.  Tschaikowskis:  MusWBl.  25,  S.  324,5,  339-40,  362,  379-80, 
395,410/1.  (Vgl.  auch  C.  Resch,  Tagebuchbll.  P.  Tschaikowslcis:  BerlTBl.  N.  143.)  —  253)  E.  E.  Taubert,  Johanna 
Jachmann- Wagner:  Frau  2,  S.  147,9.  —  254)  X  Johanna  Jachmann- Wagner:  Bühne  &  Leben  2,  S.  557.  —  255)  Minna 
S  p  i  e  s  ,  Hermine  Spies.  E.  Gedenkbuch  für  ihre  Freunde.  Mit  e.  Vorw.  v.  H.  B  n  1 1  h  a  u  p  t.  St.,  Göschen.  VIII,  300  S. 
M.  5,00.  |[S.  O(chs):  AMusZg.  21,  S.  593;  G.  Eberhard:  Zuschauer  2,  S.  517.]|  -  256)  X  Hermine  Spiess:  Gartenlaube 
S.  740.  —  257)  Helene  Lange,  Jenny  Meyer:  Frau  1,  S.  790,3  —  258)  O.  Schmid,  Aloyse  Krebs-Michalesi:  Bahne 
u.  Leben  2,  S.  403,4.  —  259)  Imm.  Faisst:  NZMusik.  61,  S.  295|6.  —  260)  J.  Hofm  aller,  Alex.  Ritter,  d.  Dichter  u.  Kom- 
ponist: Ges.  S.  519-25.  —  261)  X  W.  Steinhäuser,  D.  Abenteuer  e.  dtsch.  Orgelvirtuosen.  Aus  Jos.  Mar.  Homeyers 
Leben.  Mühlhausen  i.  Th.,  C.  Andres  265  S.  M  4,00.  —  262)  R.  Kleinecke,  Joh.  Strauss.  E.  Lebensbild.  (=  ÜB.  fBr 
Musiklitt.  N.8.)  L.,  Laurencic.  45  S.  M.  0,50.  —  263)  L.  Eisenberg,  Joh.  Strauss.  E.Lebensbild.  L,  Breitkopf  A  Härtel. 
368  S.  M.  4,00.  |[0.  L(essmann):  AMusZg.  21,  S.  623:  VossZg.  N.  536;  S.  Loewy:  BerlBörsCour.  N.  470.]|  -  264)  X 
A.  Moszkowski,  J.  Strauss.  E.  Gedenkbl.  z.  Jubil.  d  Walzerkönigs:  ML.  63,  S.  1-J87-91.  —  265)  X  E.  L  ö  w  e  n ,  D. 
50 j.  Jubil.  t.  J.  Strauss:  Bahne  &  Leben  2,  S.  533/4.  —  266)  X  ö-  Ramberg,  D.  Walzerkönig  (J.  Strauss):  Gartenlaube 
S.  636/7.  —  267)  X  A.  Ritter  v.  Hermann,  D.  Strauss- Jubil.:  MontagR.  N.  42.  -  268)  X  J-  Strauss:  Presse  N.  275.  — 
269)  X  R-  Uirschfeld,  J.  Strauss:  ib.  N.  281.  —  270)  X  Le  jubile  de  trauss:  BÜR3.  64,  S.  396  7.  —  271)  O  X  H. 
Imbert,  Et.  sur  J.  Brahms  avec  le  catal.  de  ses  ajuvres.  Paris,  Fischbacher.  36  S.  Fr.  1,00.  —  272)  (IV  lc  :  60.)  |[Signale  X.  69.J| 
—  273)  F.  v.  Borostyäny.  F.  Erkel:  IUZg.  101,  S.  47.  -  274)  H.,  E.  Wiener  Figur  (A.  Brückner):  FrBl^.  N.  243.  — 
275)  X  E.  Virtuosenpaar  (E.  d'Albert  u.  Teresa  Careno):  SchorersFamilienbl«.  N.  4.  —  276)  A,  Hahn,  Herrn.  Levi.   E.  Ton- 


I  10:277-285    I  1 1  :  i-3  J.  Bolte,  Stoffgeschichte. 

Münchener  Kapellmeister  Herrn.  Levi,  preist  Hahn276),  während  Hofmiller277) 
eine  „Beckmesser-Natur",  den  Komponisten  Max  Zenger,  gebührend  geisselt.  Zenger 
vergriff  sich  an  Wagners  „Wieland",  indem  er  den  Wag'nerschen  Entwurf  zu  einem 
Operntext  für  sich  umarbeiten  Hess. 278"283)  —  Auch  gegen  die  italienischen  Ausbeuter 
Wagners  wendet  sich  endlich  der  allgemeine  Groll  der  deutschen  Kritik.  Zwei  Auf- 
sätze sind  hierfür  der  Beweis:  der  erste  von  Schenk  er284)  gegen  Ruggiero 
Leoncavallo  („eine  triviale  Erfindernatur",  „trivial  im  Allerheiligsten!");  die  andere 
von  Mauke285)  unter  dem  sachlich  vollkommen  zutreffenden  Titel:  „Pietro  Mascagni 
hat  abgewirtschaftet".  — 


Stoffgeschichte. 

Johannes  Bolte. 

Antike  Stoffe:  Helena  N.  1;  Atlantis  N.  2;  Hero  und  Leander  ET.  8;  Ribe  und  Fachs  N.  4.  —  Orientalische  Stoffe: 
Scharfsinnsproben  N.  5;  Testament  des  Hnndes  N.  5a.  —  Mittelalterliche  Legenden  und  Sigen:  Johannes  von  Alexandria  N.  6; 
Kreuzauffindung,  Siebenschläfer  N.  7;  Einsiedler  und  Engel  N.  8;  Papst  Silvester,  St.  Julian  N.  9;  Fabliaux  N.  10;  Schwan- 
ritter N.  11;  Melusine  N.  12;  Ewiger  Jude  N.  14.  —  Historische  Persönlichkeiten:  Jungfrau  von  Orleans  N.  17;  Faust  N.  21; 
Demetrius  N.  23;  Wallenstein,  Cromwell  N.  24.  —  Märchen-  und  Schwankstoffe:  Hans  Sachs  N.27;  Meistersängerpoesie  N.  29 ; 
Gevatter  Tod,  Sieben  Schwaben  N.  30;  R.  Baurabach  N.  32;  Kaiser  und  Abt  N.  33;  Pat°r  Guardian  N  34;  Sshnell  wie  der  Ge- 
danke N.  35.  —  Dramatische  Stoffe:  Romeo  und  Julia  N.  36;  Titus  Andronicus  N.  41;  Mass  für  Miss  N.  42;  Komödie  der 
Irrungen  N.  44;  Niemand  und  Jemand  N.  46;  Spinische  Tragödie  N.  47;  Herzogin  von  Amalfi  N.  49;  Rule  a  wife  N.  49:  Der 
Falke  N.  50.  —  Verschiedenes  (Burleske  Litteratur,  Reiterleben,  Wein,  Glocke,  Teufel)  N.  51.   — 

Antike  Stoffe.  Kaum  in  den  Kreis  unserer  Betrachtung  gehört  Deckers1) 
weitschweifiges  Schulprogramm  über  die  Helenasage,  da  es  sich  im  wesentlichen 
darauf  beschränkt,  die  Auffassung  Homers  von  dem  sittlichen  Charakter  der  Helena 
darzulegen.  Das  Resultat  ist  nicht  neu:  im  Gegensatze  zu  den  kyklischen  Dichtern 
und  zu  Euripides  fällt  in  den  ursprünglichen  Teilen  der  homerischen  Gedichte  die 
Schuld  des  Ehebruches  nicht  auf  das  Weib  des  Menelaos,  sondern  auf  die  gewaltige 
Göttin  Aphrodite.  Was  der  Vf.  ausserdem  über  die  Entwicklung  des  Mythos  von 
Helena  und  den  Dioskuren  sagt,  in  denen  er  drei  Berggipfel  des  Taygetos  wieder- 
erkennen will,  giebt  zu  mehrfachen  Bedenken  Anlass.  — 

Dagegen  richtet  Sander2)  in  seiner  Abhandlung  über  die  platonische  Insel 
Atlantis  von  vornherein  seinen  Blick  auf  die  Bedeutung,  die  jene  im  Timaios  und 
Kritias  erscheinende  Erzählung  von  der  versunkenen  reichen  Insel  für  die  Welt- 
literatur gewonnen  hat.  Anschaulich  zeigt  er,  teilweise  im  Anschluss  an  Th.  Henri 
Martins  Timaios-Studien,  wie  Piatos  Bericht  schon  im  Altertume  bald  als  historische 
Ueberlieferung,  bald  als  freie  Mythendichtung  angesehen  wurde,  wie  der  christliche 
Geograph  Kosmas  Indikopleustes  damit  die  biblische  Sintfluterzählung  in  Verbindung 
setzte,  und  welche  Rolle  die  Atlantissage  nach  der  Entdeckung  Amerikas  in  den 
Dichtungen  vom  besten  Staate,  namentlich  bei  Thomas  Morus,  Campanella  und  Bacon, 
spielt.  Die  Geographen  des  16.  und  17.  Jh.  meinten  die  versunkene  Insel  bald  in 
dem  neu  entdeckten  Erdteile,  bald  anderwärts  wiederzufinden;  Olaus  Rudbek  bewies 
in  vier  Folianten,  dass  seine  Heimat  Schweden  darunter  zu  verstehen  sei,  während 
Bailly  ihn  dadurch  übertrumpfte,  dass  er  Spitzbergen  für  die  wahre  Atlantis  erklärte. 
Auch  die  Geologen  und  Prähistoriker  von  Buffon  bis  auf  den  wunderlichen  Donnelly 
0886)  haben  in  der  platonischen  Dichtung  eine  Bestätigung  ihrer  Theorien  wieder- 
finden wollen.  Zum  Schlüsse  weist  S.  auf  das  Trauerspiel  „Atlantis"  des  Grafen 
Schack  hin,  worin  ein  schwärmerischer  Fürst  kurz  vor  dem  Ausbruche  der  französischen 
Revolution  eine  Schar  von  Kolonisten  nach  Amerika,  dem  Lande  seiner  Träume, 
führt,  um  dort  zu  erkennen,  dass  das  wahre  Glück  nur  dem  reinen  Herzen  be- 
schieden ist.  — 

Zu  Jellineks  früher  (JBL.  1892  I  8:3)  besprochener  Untersuchung  über  die 
Sage  von  Hero  und  Leander  liefert  H  o  e  n  i  g 3)  mehrere  dankenswerte  Nach- 
träge   aus    der    italienischen,    englischen    und    deutschen    Litteratur,    darunter    eine 


kttnstler-Portr  :  N&S.  71,  S.  195-208.  —  277)  3.  Hnfmiller,  Sixtns  Beckmesser  vor  d.  Münchener  Ak.  d.  Tonkunst:  Ges. 
S.  934-44.  —  278)  X  Camilla  Krohn,  Elisabeth  Leisinger:  NZMusik.  61.  S.  74/5,87/8.  —  279)  A.  Klughardt:  Daheim».  30, 
N.  46.  —  280)  X  W.  Pastor,  Chrn.  Sinding:  VossZg».  N.  27/8.  —  281)  X  Hans  Sommer:  Daheim«.  30,  N.  1.  —  282)  X 
A.  Niggli,  K.  Munzinger.  E.  biogr.-krit.  Skizze.  (=  Biographien  Schweiz.  Tonkünstler.)  L.  u.  Zürich,  Hug  &  Co.  25  S. 
M  0,40.  —  283)  X  Aus  d.  Leben  e.  Tonkünstlerin  (Julie  v.  Pfeilschifter):  Didisk.  N.  119.  —  284)  H.  Schenker,  R. 
Leoncavallo:  Zukunft  6,  S.  138-40.  —  285)  W.  Mauke,  Mascagni  hat  abgewirtschaftet:  Ges.  S.  118-24.  — 

1)  F.  Decker,  D.  griech.  Helena  in  Mythos  u.  Epos.    Progr.    Magdeburg  (Baensch).   4°.  30  S.    -    2)  F.Sander, 
Ueber  d.  platonische  Insel  Atlantis.     Progr.     Bunzlau    (Voigt).     1893.     4°.     40  S.    —    3)    B.    Hoenig:    ADA.    20,    S.    85/8.    — 


J.  B  o  1 1  e ,  Stoffgeschichte.  111:4-8 

bisher  ungedruckte  Romanze  Höltvs  im  Bänkelsängerton  aus  dem  Nachlasse  von 
J.  H.  Voss.  — 

lieber  die  zahlreichen  Fassungen  der  äsopischen  Fabel  vom  Raben  und 
Fuchs  handelt  umsichtig  und  klar  die  Promotionsarbeit  von  Ewert4).  Da  die 
Verschiedenheit  der  Versionen  meist  nur  auf  nebensächlichen  Zügen  beruht,  hat  J er 
auf  die  Zuthaten  der  einzelnen  Erzähler  sorgfältig  geachtet,  unter  denen  er  Lafontaines 
Darstellung  mit  Recht  den  Preis  erteilt.  Nebenbei  orientiert  er  hübsch  über  die 
litterarischen  Zusammenhänge  der  mittelalterlichen  Fabelsammlungen;  seine  Ueber- 
zeugung,  im  indischen  Jataka  vom  Schakal  und  Raben  liege  uns  das  Original  zu 
der  griechischen  Erzählung  vor,  braucht  man  freilich  nicht  zu  teilen.   — 

Orientalische  Stoffe.  Ebenso  wie  Ewert  geht  Prato5)  von  der 
allzu  allgemein  aufgefassten  Benfeyschen  Hypothese  des  indischen  Ursprunges  der 
Novellenmotive  aus,  indem  er  an  zwei  von  Schiefner  aus  der  tibetanischen  Sammlung 
Kandjur  mitgeteilte  Erzählungen  verschiedene  Parallelen  aus  anderen  Ländern  anreiht, 
leider  ohne  eine  Genealogie  derselben  aufzustellen.  Es  handelt  sich  in  beiden  Fällen 
um  Scharfsinnsproben  eines  weisen  Alten  oder  mehrerer  Brüder :  um  die 
Unterscheidung  einer  Mutterstute  von  ihrem  Fohlen,  einer  männlichen  Schlange  von 
einer  weiblichen,  des  unteren  Endes  eines  Zweiges  vom  oberen,  sowie  um  die  genaue 
Beschreibung  eines  verlorenen  Kamels  oder  Pferdes  aus  dessen  Fussspuren.  Beide 
Erzählungen  sind  aus  dem  Orient  auch  nach  Europa  gewandert  und  mit  ähnlichen 
verbunden  worden  —  in  Italien  ist  z.  B.  eine  Novelle  Sercambis  und  die  Reise  der 
Söhne  Giaffers,  in  Frankreich  Voltaires  Zadig,  in  Deutschland  ein  Märchen  Hauffs 
anzuführen  — ,  aber  dass  diese  Motive  wirklich  aus  der  buddhistischen  Litteratur,  die 
ein  grosses  Reservoir  für  allerlei  längst  umlaufende  Geschichten  verschiedenster  Her- 
kunft bildet,  herstammen,  scheint  mir  eine  Annahme  zu  sein,  die  erst  bewiesen  werden 
muss.  Auch  hat  gerade  für  die  Fabel  von  dem  verlorenen  Kamele  und  den  scharf- 
sinnigen Brüdern  Siegfried  Fränkel  fZVVolksk.  3,  S.  320)  den  arabischen  Ursprung 
wahrscheinlich  gemacht.  Eine  wahrhaft  kritische  Untersuchung  sämtlicher  Varianten 
wäre  erwünscht  und  würde  trotz  ihrer  Schwierigkeit  wohl  zu  lohnenden  Ergebnissen 
hinführen.  — 

Dieselbe  Einwendung  lässt  sich  gegen  Am  a  1  f  i5a)  machen,  der  dem  Schwanke 
Poggios  vom  Testament  des  Hundes  (wiederholt  in  Paulis  Schimpf  und 
Ernst  N.  72)  ohne  weiteres  orientalischen  Ursprung  zuschreibt,  weil  er  auch  in  einer 
türkischen  Sammlung  des  16.  Jh.  wiederkehrt.  A.  hat  gar  nicht  die  Möglichkeit  er- 
wogen, dass  der  Türke  Lamai  die  Fassung  Poggios  benutzte,  ebenso  wie  wir  in  der 
1882  von  Decourdemanche  veröffentlichten  türkischen  Fabelsammlung  aus  dem  16.  Jh. 
verschiedene  Uebersetzungen  aus  Poggio,  Rimicius  und  Abstemius  antreffen.  — 

Wieviel  Interesse  die  Erforschung  der  mittelalterlichen  Legenden 
und  Sagen  (vgl.  auch  I  5:237—66),  die  man  allzulange  nur  den  theologischen 
Bearbeitern  der  Kirchengeschichte  überlassen  hat,  auch  für  den  Literarhistoriker 
besitzt,  zeigt  Wendland6)  in  einem  knappen  Feuilletonartikel.  In  den  apokryphen 
Evangelien,  Apostel-  und  Märtyrergeschichten  finden  wir  nicht  nur  erbauliche  Ten- 
denzen, sondern  die  Regungen  dichterischer  Phantasie,  die  eine  niedere  christliche 
Unterhaltungslitteratur  erschafft.  Ausser  dem  bekannten  geistlichen  Romane  von 
Barlaam  und  Joasaph  erinnert  W.  in  diesem  Zusammenhange  an  die  kürzlich  von 
Geizer  herausgegebene  griechische  Lebensbeschreibung  des  mildthätigen  Erzbischofes 
Johannes  von  Alexandria,  die,  gleichfalls  im  7.  Jh.,  von  Leontios  von 
Neapolis  verfasst  wurde  und  u.  a.  den  Stoff  von  Gottfried  Kellers  zierlicher  Novelle 
vom  schlimmheiligen  Vitalis  enthält;  vermutlich  benutzte  Keller  eine  alte  lateinische 
Uebersetzung  des  Leontios.  — 

Einige  als  Quellen  griechischer  und  lateinischer  Legenden  bedeutsame  syrische 
Texte  übersetzt  R  y  s  s  e  1 7)  aus  Bedjans  Publikation  der  Märtyrerakten,  nämlich  die 
im  4.  und  5.  Jh.  zu  Edessa  entstandene  Kr  e  uz  auffindungsiegende,  die  sich  aus 
der  Helenasage  entwickelte,  und  die  älteste  bekannte  Fassung  der  vor  500  ent- 
standenen Siebenschläferlegende,  die  dann  durch  Gregor  von  Tours  nach  der 
Uebersetzung  eines  Syrers  dem  Abendlande  zugeführt  wurde.  — 

Die  Legende  vom  Einsiedler  und  Engel  verfolgt  Rohde8)  in  seiner 
Dissertation  durch  die  orientalischen  und  occidentalen  Litteraturen.  Da  er  jedoch 
nicht  alle  von  Oesterley  und  Gaston  Paris  nachgewiesenen  Bearbeitungen  berück- 
sichtigt und  auf  die  seit  1880  erschienene  Litteratur  kaum  geachtet  hat,  so  kommt 
er    wenig   über   eine    unvollständige   Aufzählung   und    Inhaltsangabe  hinaus.      Von 


4)  M.  Ewert,  TJeber  d.  Fabel  „D.  Rabe  u.  d.  Fuchs."  Diss.  Rostock.  (B.,  C.  Vogt.)  124  S.  M.  2,00.  [h.  Fränkel:  ZVLR.  7, 
S.  484-90.]|  —  5)  St  Prato,  2  Episoden  aus  2  tibetanischen  Novellen  in  d.  Orient,  u.  occident.  Ueberlief.  E.  krit  Versuch: 
ZVVolksk.  4,  S.  347-73.  —  5a)  G.  Araalfi,  E.  türk.  Erzähl,  in  e.  ital.  Schwanke:  ib.  S.  428-30.  —  6)  P.  Wendland,  Alt- 
christi. Legenden  u.  mod.  Litt:  VossZgB.  N.  16.  —  7)  V.  Ryssel,  Syr.  Quellen  abendländ.  Erzählungsstoffe:  ASNS.  93,  S.  1-22, 
241-80.  —  8)  0.  Rohde,  D.  Erzähl,  vom  Einsiedler  u.  d.  Engel  in  ihrer  gesch.  Entwickl.  E.  Beitr.  z.  Exempellitt  Diss. 
Jahresberichte  lilr  neuere  deutsche  Litleruturgescbicbte.     V.  (1)20 


I  11  :  9-20  J.  Bolte,  Stoff geschichte. 

deutschen  Fassungen  bespricht  er  eigentlich  nur  Gellerts  „Schicksal",  weiss  aber 
nichts  von  Vintler,  Kaufringer,  Hans  Sachs  (vgl.  S.  57),  von  dem  Schelzschen  Gedichte, 
das  Moritz  von  Schwind  zu  seiner  schönen  Zeichnung  anregte,  von  Köhlers  Nach- 
weisen zu  Gerings  isländischen  Erzählungen  usw.  Neu  ist  eigentlich  nur  die  Mit- 
teilung einer  lateinischen  Prosafassung  aus  einer  Rostocker  Hs.  des  15.  Jh.,  die  der 
von  Wright  in  den  „Latin  Stories"  veröffentlichten  nahe  verwandt  ist.  — 

Auf  Grafs9)  gesammelte  Aufsätze  über  mittelalterliche  Sagen  und  Aber- 
glauben (1892—93)  macht  eine  ausführliche  Besprechung  von  Landau  aufmerksam. 
L.  hebt  die  Untersuchungen  über  das  Schlaraffenland  (il  paradiso  terrestre),  über 
Papst  Silvester  IL,  Michael  Scotus,  König  Arthur  im  Aetna,  den  heiligen 
Julian  und  einen  italienischen  Pilatusberg  hervor  als  ausgezeichnet  durch  die 
Fülle  des  beherrschten  Materiales  und  die  Eleganz  der  Darstellung,  indem  er  einige 
Nachträge,  namentlich  aus  der  hebräischen  Legendenlitteratur,  anhängt.  — 

Dem  früher  (JBL.  1893  I  10:9)  erwähnten  Buche  Bediers  über  die  alt- 
französischen F  a  b  1  i  a  u  x  tritt  ein  scharfer  Kritiker  in  C  1  o  e  1 1  a 10)  entgegen,  der 
nicht  bloss  die  sprachlichen  und  literarhistorischen  Untersuchungen  in  vielen  Punkten 
bekämpft,  sondern  auch  für  den  Wert  der  Quellenuntersuchungen  und  der  ver- 
gleichenden Literaturwissenschaft  eine  Lanze  bricht.  — 

Mehr  der  mythologischen  Forschung  als  der  Litterat  Urgeschichte  gehört  ein 
Aufsatz  von  Bloete11)  über  die  Sage  vom  Schwanritter  (Lohengrin)  an.  Im 
Gegensatz  zu  Pleyte  und  Hoffory,  die  in  dem  Schwanritter  den  germanischen  Himmels- 
gott Tius  und  im  Schwane  ein  Symbol  des  Lichtes  oder  der  Wolke  zu  erkennen 
meinten,  erklärt  B.  die  Sage  für  einen  Jahreszeitmythus,  den  die'  germanischen 
Bataver  am  Niederrheine  aus  dem  regelmässigen  Erscheinen  der  Wandervögel  zur 
Frühlings-  und  Spätherbstzeit  folgerten,  wie  auch  vor  ihnen  die  in  der  gleichen 
Gegend  sesshaften  Kelten  die  Singschwäne  als  Begleiter  ihres  Lichtgottes  Lugus  an- 
gesehen hatten.  — 

Die  Vorzüge  der  ältesten  deutschen  Bearbeitung  der  M  elusinen  sage 
durch  den  Berner  Schultheissen  Thüring  von  Ringoltingen  aus  dem  Ende  des  15.  Jh. 
legt  Biltz12),  teilweise  im  Gegensatze  zu  Baechtold,  dar;  er  verlangt  einen 
kritischen  Neudruck  dieses  trefflichen  Ausbildners  der  deutschen  Prosa,  während 
Frank el13)  zu  Nutz  und  Frommen  eines  künftigen  Forschers  die  von  ihm  gesammelten 
Notizen  und  Büchertitel  über  die  Verbreitung  derselben  Sage  zusammenstellt.  — 

Neubaurs  1893  erschienene  Arbeit  über  die  Sage  vom  ewigen  Juden  (JBL.  1893 
I  10:14/5)  hat  von  verschiedenen  Seiten14)  die  verdiente  Anerkennung  für  die  um- 
sichtige Sammlung  des  weitschichtigen  Materials  gefunden;  an  den  Betrachtungen 
über  die  Entstehung  der  Sage,  in  denen  sich  Neubaur  zumeist  an  Gaston  Paris 
anschliesst,  hat  Singer  einiges  auszusetzen.  Er  zweifelt  an  dem  Zusammenhang 
der  Erzählungen  von  Cartaphilus,  dessen  Namen  er  als  Papierliebhaber,  Schrift- 
gelehrter deutet,  mit  den  erst  spät  bezeugten  Malchussagen  und  denkt  vielmehr  an 
buddhistischen  Einfluss;  auch  trägt  er  einige  Schweizer  Volkssagen  von  Ahasverus 
nach.  —  Nichts  Neues  bietet  ein  anspruchsloser  Vortrag  Reinsteins15)  über  den 
ewigen  Juden  und  Faust.16)  — 

Unter  den  Arbeiten,  welche  den  in  der  Litteratur  verherrlichten  historisch  en 
Persönlichkeiten  gelten,  haben  wir,  absehend  von  einigen  Besprechungen 
älterer  Werke17"19),  eine  Musterung  der  frühen  Dichtungen  über  die  Jungfrau 
von  Orleans  zu  verzeichnen.  H  a  n  e  b  u  t  h20),  ein  Schüler  Stengels,  hat  in  seiner 
Dissertation  sieben  französische  und  lateinische  Dichtwerke  ausführlich  und  sorg- 
fältig besprochen,  die  während  des  Zeitraumes  1433 — 1629  entstanden  sind  und  die 
patriotische  Laufbahn  der  Jeanne  d'Arc  verherrlichen.  Das  älteste  davon  ist  das 
Mystere  von  der  Belagerung  von  Orleans,  1581  und  1600  folgen  zwei  französische 
Tragödien,  1629  ein  lateinisches  Schuldrama  im  Jesuitenstil  von  dem  Löwener  Professor 
Vernulaeus.  H.  beschäftigt  sich  mit  der  Textgeschichte  und  dem  Metrum  der  einzelnen 
Stücke,  erzählt  den  Inhalt  und  spürt  den  Quellen  nach;  doch  ist  seine  Darstellung 
meist  trocken  und  ohne  rechten  Fluss.  Interessant  ist,  dass  er  als  Quelle  für 
Vernulaeus  ausser  Hordais  Geschichtswerk  auch  die  Tragödie  von  1600  annehmen  zu 
müssen  meint;  dankenswert  die  summarische  Aufzählung  der  späteren  Jeanne  d' Are- 
Dichtungen.  — 

Rostock.  57  S.  [[O.  Glöde:  ASNS.  93,  S.  161/4.]|  —  9)  O  A.  Graf,  Miti  loggende  e  superstizioni  del  raedio  evo.  Torino, 
E.Loescher.  1892-93.  XXIII,  310  S.;  398  S.  [[AI.  Tille:  LCB1.  S.  19-20;  M.  Landau:  ZVLR.  7,  S.  237-41.]l  -  10)  W.  Cloetta: 
ASNS.  93,  S.  206-26.  —  11)  J.  F.  D.  Bloete,  D.  2.  T.  d.  Schwanrittersage.  E.  Versach  z.  Erklärung  d.  Schwans:  ZDA.  26, 
S.  272-88.  —  12)  (I  5:260.)  |[L.  Fränkel:  ZDPh.  27,  S.  410.]|  —  13)  (I  5  :  259.)  -  14)  X  8.  Singer:  ADA.  20,  S.  195/8;  J. 
Steinschneider:  DLZ.  S.  56/7;  L.  Proescholdt:  Anglia«.  4,  S.  137/8;  K.  Engel:  ZVLR  7,  S.  234/7.  —  15)  T  h.  Rein- 
stein,  D.  Sage  vom  ewigen  Juden  u.  d.  Faustsage:  PAVTorgau.  7,  S.  24/5.  —  16)  X  J-  Seeber,  D.  ewige  Jude.  Episches 
Gedicht.  Freiburg  i.  B.,  Herder.  12».  VII,  216  S.  M.  2,00.  |[W.  Kreiten:  StML.  47,  S.  597-611.]|  —  17)  X  Ad.  Tobler, 
G.  Paris,  II  Saladino  (JBL.  1893  I  10:19):  ASNS.  93,  S.  164/6.  —  18)  X  K.  Lechner,  E.  Söffe,  Rudolf  v.  Habsburg 
(JBL.  1893  I  10:20):  Gymn.  12,  S.  832.  -  19)  X  O-  F.  Walzel,  J.  Potri,  D.  Agnes  Bernauer-Stoff  (JBL  1893  I  10:21): 
ADA.  20,    S.  205/6.    —    20)    K.  Hanebuth,    Ueber    d.  hauptsächlichsten   Jeanne  d'Arc-Dichtungen    d.  15.,  16.  u.  beginnenden 


J.  Bolte,  Stoffgeschichte.  111:  21  33 

Die  Entwicklung-  der  Faustsage  stellt  Nover21)  in  populärer,  flüssiger 
Weise  dar;  für  die  Zeugnisse  über  den  historischen  Faust  stützt  er  sich,  neuere  Ent- 
deckungen übersehend,  auf  Kiesewetters  Buch,  spricht  dann  ziemlich  flüchtig  über 
das  Volksbuch  von  1587,  Marlowes  Drama,  das  deutsche  Puppenspiel  und  schliesst 
mit  Goethes  Dichtung  ab.  —  Weit  höher  steht  der  zur  Erläuterung  der  vom  Frank- 
furter Freien  Hochstifte  veranstalteten  Faustausstellung  gehaltene  Vortrag  Heu  er s22) 
über  Faust  in  der  Geschichte,  Sage  und  Dichtung,  der  an  einer  anderen  Stelle  dieser 
Berichte  näher  charakterisiert  werden  wird.  — 

Popek23)  setzt  seine  eingehenden  und  dankenswerten  Studien  (JBL.  1893 
I  10:26)  über  die  neueren  Dramen  vom  falschen  Demetrius  fort  und  bespricht 
von  den  Ergänzern  Schillers :  Gruppe,  der  die  Fehler  seiner  Vorgänger  zu  vermeiden 
suchte,  Laube,  der  sich  als  Theaterpraktiker  bewährte,  aber  keine  tiefere  seelische 
Erschütterung  hervorzurufen  verstand,  Sievers,  der  von  Laube  ausgehend  wiederum 
Schiller  näher  kam.  und  Zimmermann,  der  sich  am  strengsten  an  des  letzteren  Plan 
hielt.  Dagegen  folgte  Herman  Grimm  in  seinem  Jugendwerke  einer  anderen  Ueber- 
lieferung,  nach  der  ein  anderer  Knabe  an  Stelle  des  echten  Demetrius  ermordet  ward ; 
dieser  bleibt  am  Leben  und  tritt  später  seinem  Doppelgänger  entgegen,  der  sich 
darauf  selber  ersticht.     Eine  weitere  Fortsetzung*  soll  folgen.  — 

Die  ältesten  Wallenstein  dramen  des  Micraelius,  Vernulaeus  und  Glapthorne 
führt  Vetter24)  in  eingehenden  Inhaltswiedergaben  vor,  während  Trost25)  in 
einem  Zeitungsartikel  über  C  r  o  m  w  e  1 1  als  Helden  der  Tragödie  sich  gar  nicht  mit 
bestimmten  Dichtwerken  beschäftigt,  sondern  dem  modernen  Dramatiker  von  diesem 
Stoffe  abrät,  weil  die  Vorstellungswelt,  Sprache  und  Handlungsweise  der  Puritaner 
unserem  Publikum  nicht  verständlich  und  nachfühlbar  seien;  eine  subtile  psychologische 
Analyse  Cromwells  zu  geben,  sei  Sache  des  Historikers,  nicht  des  Dramatikers.26)  — 

Märchen-  und  Schwankstoffe.  An  erster  Stelle  ist  hier  zu  erwähnen, 
dass  Goetze27)  seine  sorgsame  Ausgabe  der  Fabeln  und  Schwanke  des  Hans 
Sachs  abgeschlossen  hat.  Der  zweite  Band  bringt  187  Nummern  aus  der  Zeit  1558—73; 
in  der  Einleitung  sind  die  vom  Dichter  benutzten  Quellen  übersichtlich  zusammen- 
gestellt. —  Teilweise  neue  Ergebnisse  liefert  Stiefels28)  ausführliche  Arbeit  über 
die  Vorlagen  derselben  Fabeln,  Märchen  und  Schwanke,  die  ebenso  wie  seine 
frühere  Untersuchung  der  Fastnachtspiele  die  dem  Nürnberger  Dichter  eigentümlichen 
Züge  hervorhebt.  — 

Welchen  Ertrag  das  noch  wenig  durchforschte  Gebiet  der  Meistersänge  r- 
poesie  für  die  Motivkunde  liefern  kann,  zeigt  eine  von  Bolte29)  veröffentlichte 
Lese  von  18  Meisterliedern  des  16. — 17.  Jh.  aus  Berliner,  Erlanger  und  Weimarer 
Hss.,  die  volkstümliche  Märchen-  und  Schwankstoffe  behandeln,  aber  nicht  aus  den 
bekannten  gedruckten  Sammlungen  Boccaccios,  Paulis  usw.,  sondern  grösstenteils 
aus  mündlicher  Ueberlieferung  schöpfen.  Wir  finden  hier  die  älteste  Aufzeichnung 
des  Märchens  von  den  Bremer  Stadtmusikanten  vom  J.  1551,  die  Schwanke  von  den 
drei  Wünschen,  von  St.  Peter  als  Drescher,  von  Luther  und  dem  Teufel  mit  dem 
Tintenfass,  das  Fabliau  „L'äme  au  vilain",  Rabelais  Episode  vom  Teufel  zu  Pape- 
figuiere,  ferner  die  Vorlagen  zu  zwei  Nummern  in  Schumanns  Nachtbüchlein  usw. 
Die  Mehrzahl  der  Gedichte  rührt  von  Hans  Sachs  her,  einzelne  sind  von  Hager, 
Benedikt  von  Watt,  Hans  Deisinger  und  Ambrosius  Metzger  verfasst.  Auf  andere 
verwandte  Fälle  verweist  die  Einleitung.  — 

Dazu  gehören  auch  zwei  von  Bolte30)  anderwärts  vorgelegte  Meisterlieder 
vom  Gevatter  Tod:  eins  hat  wiederum  Hans  Sachs  zum  Vf.,  das  andere  ist  1644 
von  Heinrich  Wolff  nach  einem  Fastnachtspiele  Ayrers  bearbeitet.  Ausserdem  ver- 
zeichnet B.  schematisch  sämtliche  bisher  bekannten  Versionen  des  Märchens.  — 
Ebenso  geht  der  Schwank  von  der  Hasenjagd  der  sieben  Schwaben,  dessen 
Geschichte  Bolte31)  vom  16.  bis  ins  19.  Jh.  verfolgt,  auf  ein  Meisterlied  des  Hans 
Sachs  zurück.  — 

Zupitza32)  untersucht  die  anmutigen  Erneuerungen  alter  Schwanke  durch 
Rudolf  Baumbach  auf  ihre  Quellen  hin  und  weist  namentlich  Erzählungen  und 
Dichtungen  des  16.  Jh.  als  Grundlagen  nach:  Paulis  Schimpf  und  Ernst,  Hans  Sachs, 
Wlckrams  Ritter  Galmy,  Thyms  Thedel  von  Walmoden,  Volkslieder.  Leider  liegt 
nur  ein  kurzes  Referat  über  seine  Arbeit  vor.  — 

Zu  Bürgers  Gedicht  vom  Kaiser  und  Abt  liefert  Dörfler33)  zwei 
Parallelen,    die  aus   dem  Munde    des   rumänischen  Landvolkes    stammen;    die   erste 

17.  Jh.  Diss.  Marburg.  1893.  91  S.  -  21)  (113:38;  IV8e:72.)  —  22)  (n  3  :  42.)  —  23)  A.  Popek,  D.  falsche  Demetrius  in  d. 
Dichtung  mit  bes.  Berücksicht.  Schillers  u.  seiner  Fortsetzer  (Fortsetz.)  Progr.  Linz.  2(5  S.  |[M.  Saliger:  Gymn.  12,  S.  830.]| 
(Vgl.  IV  9  :  173.>  —  24)  (in  4  :  8;  IV  9  :  100.)  -  25)  K.  Trost,  Cromwell  als  Held  d.  Tragödie:  NorddAZg.  N  359.  —  26)  X 
L.  Fränkel,  R.  Spiller,  Z.  Gesch.  d.  Märchens  vom  Dornröschen  (JBL.  1893  I  5:233):  ZVVolksk.  4,  S.  221  3.  -  27)  (113:22; 
4b  :  3.)  —  28)  (II  4b  :  68.)  -  29)  (II  2  :  32;  4b  :  81.)  -  30)  (II  2  :  35.)  -  31)  (in  3:2.)  -  32)  J.  Zupitza,  Ue'oer  Quellen 
zu  d.  Abenteuern  u.  Schwänken  R.  Banmbachs.  Vortr.  Referat:  ASNS.  92,  S.  1702;  93,  S.  151.  —  33)  A.  F.  Dörfler,  Rumänisches 

(1)20* 


I  11  :  34-45  J.  Bolte.  Stoffgeschichte. 

stimmt  mit  dem  deutschen  Gedichte  überein;  in  der  zweiten  legt  der  Kaiser  einem  groben 
Wirte  drei  teilweise  abweichende  Fragen  vor,  die  ein  armer  Tagelöhner  für  ihn  be- 
antwortet. — 

Für  ein  verbreitetes  Scherzgespräch  zwischen  Pater  und  Nonne,  das  eine 
Beichte  parodiert,  für  den  Pater  Guardian,  erhalten  wir  von  E  n  g  1  e  r  t 34)  eine 
Reihe  von  Varianten,  die  in  neuerer  Zeit  in  Deutschland,  Frankreich  und  England 
aufgezeichnet  sind.  — 

Erich  Schmidt35)  legt  aus  Reinhold  Köhlers  Nachlass  eine  sehr  reich- 
haltige Sammlung  von  Stellen  vor,  in  denen  der  aus  dem  Puppenspiele  von  Dr.  Faust 
jedem  geläufige  Vergleich  der  höchsten  Schnelligkeit  mit  dem  menschlichen 
Gedanken  erscheint  und  meist  den  Gipfel  einer  dreifachen  Steigerung  bildet.  So 
lautet  im  finnischen  Märchen  die  Stufenfolge:  Vogel,  Wind,  Gedanke;  im  schwedischen 
Ross,  Vogel,  Gedanke;  anderwärts  erscheinen  der  Pfeil,  der  Blitz,  der  Sonnenstrahl 
als  Vorstufen;  in  der  rumänischen  Volkspoesie  findet  sich  sogar  die  Gradation:  schnell 
wie  der  Wind,  der  Gedanke,  die  Sehnsucht,  der  Fluch,  oder  endlich  schneller  als 
das  Glück  vergeht.  — 

Dramatische  Stoffe.  Wiederum  sind  verschiedene  Quellenunter- 
suchungen36"37) zu  den  Bühnendichtungen  Shakespeares  und  seiner  Zeitgenossen  zu 
verzeichnen.  Frank el38-39)  (JBL.  1893  I  10:38)  setzt  seine  stoffvergleichenden 
Sammlungen  zu  Romeo  und  Julia  fort;  er  trägt  fleissig  nach,  was  ihm  an  weiteren 
Bearbeitungen  der  Hauptfabel  seither  zu  Gesicht  gekommen;  namentlich  bespricht  er 
das  um  1500  gedruckte  italienische  Gedicht  „Ipolito  Buondelmonti  e  Dianora  de' Bardi", 
in  dem  die  Liebenden  glücklich  vereint  werden,  und  er  druckt  eine  niederländische  und 
eine  englische  Uebertragung  von  Guyons  kurzem  Bericht  aus  Joh.  van  Nyenborghs 
Weeckwerken  fl657)  und  aus  dem  Archaioplutos  (1613)  sowie  eine  Stelle  aus  Conlins 
Narrnwelt  C1706)  ab.  In  einem  anderen  Artikel  verteidigt  er  den  Dichter  gegen 
mancherlei  Vorwürfe  und  verweist  auf  mehr  oder  weniger  ähnliche  Stoffe  wie  den 
Callimachus  der  Hroswitha,  Bandellos  Novelle  von  Edward  III.  und  der  Gräfin  von 
Salisbury,  Garters  Bearbeitung  des  Brookeschen  Gedichtes,  Titzs  Grabesheirat,  die 
schottische  Ballade  vom  lustigen  Habicht,  die  im  Sommemachtstraume  verwertete 
Pyramusfabel  oder  die  verwandten  Situationen  und  Charaktere  in  den  „beiden  Vero- 
nesern".  Doch  mangelt  es  der  hin-  und  herspringenden  Darstellung  an  der  rechten 
Scheidung  von  Wichtigem  und  Nebensächlichem,  wozu  ich  auch  die  Mehrzahl  der 
Citate  rechne,  und  somit  auch  an  klaren  und  greifbaren  Resultaten.  —  Aehnlich  be- 
urteilt   Brandl40)    Fränkels    Buch    „Shakespeare    und    das    Tagelied"    (JBL.   1893 

1  10 :  38),  das  ja  als  ein  Teil  derselben  Untersuchungen  entstanden  ist,  indem  er  ihm 
in  seiner  Kritik  (der  eingehendsten,  die  seither  erschienen  ist)  die  Nutzlosigkeit 
„chaotischer  Gelehrsamkeit,  verwirrender  Citierwut  und  plan-  und  zweckarmer  Stoff- 
anhäufung" vorhält.  — 

Varnhagen41)  teilt  aus  einer  um  1400  entstandenen  Erlanger  Hs.  ein 
lateinisches  Predigtmärlein  mit,  das  als  Vorstufe  des  Shakespeareschen  Titus 
Andronicus  Beachtung  verdient.  Ein  geblendeter  Räuber  rächt  sich  an  dem  allzu 
vertrauensseligen  Ritter,  indem  er  seine  Frau  und  Kinder  ermordet  und  sich  mit  dem 
jüngsten  Sohne  vor  den  Augen  des  Vaters  vom  Thurme  herabstürzt.  — 

Für  die  in  Shakespeares  „Mass  für  Mass"  behandelte  Geschichte  von  der 
Frau,  die  ihre  Ehre  für  das  Leben  des  Gatten  oder  Bruders  preisgiebt,  haben  gleich- 
zeitig von  Osztoya42)  und  ein  englischer  Anonymus43)  die  älteste  schriftliche  Auf- 
zeichnung in  einem  lateinischen  Briefe  entdeckt,  den  ein  in  Wien  studierender  Ungar 
Namens  Joseph  Macarius  1547  an  einen  Gönner  gerichtet,  und  den  J.  Illesy  1893  in 
einer  ungarischen  Zeitschrift  veröffentlicht  hat.  Hier  wird  jener  Vorfall  als  kürzlich 
in  einer  Stadt  bei  Mailand  geschehen  erzählt,  wozu  die  Ortsangabe  Como  späterer 
Berichte  stimmt;  der  verräterische  Richter  wird  vom  kaiserlichen  Statthalter  zu  Mai- 
land, Don  Fernando  Gonzaga,  bestraft.  — 

Groene44)  macht  darauf  aufmerksam,  dass  Shakespeare  in  der  „Komödie 
der  Irrungen"  nicht  bloss  die  plautinischen  Menächmen,  den  Amphitruo  und  den 
Apollonius  von  Tyrus  ausgenutzt  habe,  sondern  dass  ihm  auch  für  die  Anfangs-  und 
Schlussscene,  in  denen  der  Syrakusaner  Aegeon  in  Ephesus  verhaftet,  das  Todesurteil 
aber  infolge  einer  Aufklärung  nicht  vollstreckt  wird,  bestimmte  Vorgänge  in  Chaucers 
Erzählung  des  Ritters  und  in  Sidneys  Arcadia  als  Vorbilder  vorschwebten.45)  — 

zu  Kaiser  u.  Abt:  ZVLR.  7,  S.  221/3.  —  34)  (I  5:331;  s.  auch  I  5:330.)  —  35)  (I  5  :  378.)  —  36)  X  (H4a  :  24.)  ![C.:RCr.  38, 
S.  512/3]  |  -^JX^-Proescnoldt,!!  Landau,  Shakespeares  Kaufmann  v.  Venedig  (JBL.  1893  1 10 :  36) :  JbDShakespeareGes.  29-30, 
S.  310/1.  —  38)  L.  Franke  1,  Neue  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Stoffes  v.  Shakespeares  Romeo  and  Juliet:  EnglStud.  19,  S.  183-206. 
—  39)  id.,  Untersuchungen  z.  Entwicklungsgesch.  d.  Stoffes  v.  Romeo  u.  Julia:  ZVLR.  7,  143/8.—  40)  X  A-  Brandl: 
ADA.  20,  S.  227-31;  Max  Koch:  ZVLR.  7,  S.  345/7;  L.  Proescholdt:  JbDShakespeareGes.  29-30,  S.  314/5;  F.  S.  Krause: 
ZVVolksk.  4,  S.  97;  M.  Landau:  Urquell  5,  S.  35/6.  —  41)  H.  Varnhagen,  Z.  Vorgesch.  d.  Fabel  v.  Shakespeares 
Titus  Andronicus:  EnglStud.  19,  S.  163,4.  —  42)  A.  H.  v.  Osztoya,  Z.  Quelle  v.  Shakespeares  „Mass  für  Mass":  ZVLR.  7, 
S.  223/6.  —  43)  L.  L.  K.,  Ueber  d.  Stoff  zu  „Measure  for  Measure":   JbDShakespeareGes.  29-30,  S.  292/6.  —  44)  J.  Groene, 

2  neu   entdeckte   Quellen   zu  Shakespeares  Komödie    d.  Irrungen:   ib.    S.  281/7.    —    45)    X    (1114:7.)     |[L.  Pr  oesohol  dt: 


J.  Holte,  Stoffgeschichte.  I  11:  «NM 

Ein  anonymes  englisches  Drama  „Niemand  und  Jemand"  vom  J.  1606, 
das  Tieck  für  den  nie  erschienenen  dritten  Band  seiner  „Vorschule  Shakespeares" 
verdeutscht  hatte,  untersucht  Bolte46)  bei  Gelegenheit  des  Abdruckes  dieser  Tieckschen 
Uebersetzung  auf  seine  Quellen.  Interessanter  als  die  Geschichte  des  sagenhaften  eng- 
lischen Königs  Elidure  ist  das  darin  eingeflochtene  Zwischenspiel,  das  die  Verfolgung 
des  ehrlichen  Niemand  durch  den  Schurken  Jemand  darstellt.  Die  Figur  des  Niemand 
(Nobody),  die  von  den  Schauspielern  als  ein  Mann  ohne  Rumpf  (Body)  mit  einem 
Paar  ungeheurer,  am  Halse  beginnender,  Hosen  dargestellt  wurde,  ist  zusammen- 
gewachsen aus  der  um  1290  von  Radulfus  von  Anjou  aus  Bibelstellen  zusammen- 
geflickten lateinischen  Legende  des  heiligen  Nemo  und  einem  (hier  zum  ersten  Male 
edierten)  deutschen  Poem  des  um  1500"  dichtenden  Strassburger  Barbiers  Jörg  Schan, 
das  den  armen  Niemand  als  den  unschuldigen  Sündenbock  für  die  Uebelthaten  nach- 
lässiger Dienstboten  schildert  und  samt  der  vom  Vf.  beigegebenen  bildlichen  Dar- 
stellung des  Niemand  in  Deutschland,  Holland  und  England  Verbreitung-  fand. 
Besprochen  werden  auch  die  beiden  älteren  Verdeutschungen  des  englischen  Schau- 
spieles durch  die  englischen  Komödianten  (1620)  und  durch  A.  von  Arnim  (1813),  sowie 
die  niederländischen  Bearbeitungen  von  Isaak  Vos  (1645)  und  von  Joh.  Nomsz  (1768).  — 

Die  in  Kyds  „Spanischer  Tragödie"  dramatisierte  Fabel  weist  Worp47) 
in  Everaert  Sycerams  niederländischer  uebersetzung  von  Ariosts  rasendem  Roland 
(Antwerpen  1615)  nach;  und  zwar  hat  der  Niederländer  die  englische  Tragödie  selber 
vor  Augen  gehabt  und  stellenweise  wörtlich  übertragen.  — 

Sorgsam  und  anschaulich,  aber  ohne  gerade  neue  Ergebnisse  zu  gewinnen, 
vergleicht  Kiesow48)  in  seiner  Doktorarbeit  die  aus  Bandellos  Erzählung  von  der 
Herzogin  von  Amalfi  und  ihrem  Hausmeister  Antonio  erwachsenen  novellistischen 
und  dramatischen  Bearbeitungen.  Direkt  auf  Bandello  beruht  das  spanische  Stück 
des  Lope  de  Vega,  während  Websters  etwa  zehn  Jahre  später  entstandene  Tragödie 
aus  Painters  „Palace  of  Pleasure"  geschöpft  ist,  der  ebenso  wie  Goularts  kurze  Er- 
zählung auf  die  1559  erschienene,  mit  vielen  Reden  und  mythologischen  Beispielen 
ausgeschmückte  Erweiterung  des  Franzosen  Belieferest  zurückgeht,  lieber  den  öfter 
behaupteten  Einfluss  Shakespeares  auf  Webster  urteilt  der  Vf.  sehr  nüchtern  und 
zurückhaltend;  auch  lehnt  er  mit  Recht  ab,  aus  den  wenigen  Gemeinsamkeiten,  die 
Webster  und  Lope  gegenüber  ihren  Quellen  aufweisen,  auf  eine  Benutzung  Lopes  durch 
den  englischen  Dichter  zu  schliessen,  dessen  Werk  durch  den  einheitlichen  Grund- 
gedanken und  künstlerischen  Wert  das  spanische  überragt.  — 

In  ähnlicher  WTeise,  doch  weniger  bedachtsam  und  ausführlich  geht  Bahlsen49), 
der  schon  früher  (JBL.  1893  I  10:40)  die  bei  den  englischen  Dramatikern  des  17.  Jh. 
erkennbaren  spanischen  Einflüsse  behandelt  hatte,  auf  die  spanische  Quelle  von 
Fletchers  Lustspiel  „Rule  a  wife  and  have  a  wife"  und  ihre  litterarische  Sippschaft 
ein.  Während  nämlich  die  Haupthandlung  bei  Fletcher,  die  Zähmung  eines  herrsch- 
süchtigen Weibes,  das  Vorbild  von  Shakespeares  „bezähmter  Widerspenstigen"  keinen 
Augenblick  verleugnet,  ist  der  andere  Teil  des  englischen  Stückes,  der  sich  mit  dem 
Ehepaare  Perez  und  Estefania  beschäftigt,  aus  der  1613  gedruckten  Novelle  des 
Cervantes  „Die  trügerische  Heirat"  entlehnt.  Kurz  beleuchtet  B.  noch  einige  aus- 
ländische Nachahmungen  Fletchers,  namentlich  Holbergs  „Heinrich  und  Pernille"  und 
Schröders  „Stille  Wasser  sind  tief",  während  er  für  Gherardis  Posse  „Les  Chinois" 
und  Tobins  „Honey  Moon"  einen  direkten  Zusammenhang  mit  jenem  ablehnt.  — 

Zu  Anschütz  früher  (JBL.  1893  I  10 :  42)  von  uns  angeführter  Arbeit  über 
die  Verbreitung  der  Boccaccioschen  Novelle  vom  Falken  des  verarmten  Liebhabers 
trägt  Ullrich50)  einige  weitere  deutsche  und  dänische  Fassungen  in  erzählender  und 
dramatischer  Form  nach.  — 

Verschiedenes.  Als  einen  nützlichen  Beitrag  zu  der  ziemlich  vernach- 
lässigten Geschichte  der  burlesken  Litteratur  möchteich  auf  ein  Büchlein  Toi  dos51) 
kurz  hinweisen,  obwohl  es  unser  Gebiet  nicht  direkt  berührt.  Der  junge  italienische 
Gelehrte  stellt  darin,  um  Morillots  Werk  zu  ergänzen,  die  Beeinflussung  der  burlesken 
Werke  Scarrons  durch  italienische  Vorbilder  fest,  indem  er  nach  einem  Blicke  auf 
die  litterarischen  Beziehungen  zwischen  Frankreich  und  Italien  die  bei  Scarron  wieder- 
klingenden Stellen  aus  Amelonghis  komischem  Heldengedicht  „Gigantea",  aus  Lallis 
Travestie  der  Aeneis  und  aus  Boccalinis  Berichten  vom  Parnass  hervorhebt.  —  Mit 
Uebergehung  einiger  uns  unzugänglich  gebliebener  Bücher52-54)  über  das  Reiter- 

AngliaB.  4,  S.  131,3.] |  —  46)  J.  Bolte,  Niemand  u.  Jemand.  E.  engl.  Drama  aus  Shakespeares  Zeit,  übers,  v.  L.  Tieck: 
JbDShakespeareGes.  29-30,  S.  4-91.  —  47)  .T.  A.  Worp,  D.  Fabel  d.  „Spanish  Tragedy«  in  e.  niederländ.  Uebersetz.  d.  Orlando 
furioso:  ib.  S.  183-91.  —  48)  K.  Kiesow,  D.  verschied.  Bearbeitungen  d.  Novelle  v.  d.  Herzogin  v.  Amalfi  d.  Bandello  in  d. 
Litteraturen  d.  16.  u.  17.  Jh.  Diss.  Leipzig.  29  S.  (Vollständig  in:  Anglia  17,  S.  199-258.)  —  49)  L.  Bahlsen,  E.Komödie 
Fletchers,  ihre  span.  Quelle  u.  d.  Schicksale  jenes  Cervantesschen  NovellenstofFes  in  d.  Weltlitt.  Progr.  B.  (Gaertner).  4°. 
27  S.  —  50)  H.  Ullrich:  ZVLR.  7,  S.  480/1;  Rieh.  Schröder:  DLZ.  S.  237  8.  —  51)  P.  Toldo,  Ce  que  Scarron  doit 
aux  auteurs  burlesques  d'Italie.  Pavie,  Fusi  freres.  1893.  38  S.  —  52)  O  V.  v.  F  ritsch,  Keiterleben  in  Lied  u.  Bild. 
München,  Bruckmann.  4°.  X,86S.  Mit  111.  M.  20,00.  j[N&S.  68,  S.  135.]|  —53)  O  XXH-  Treuheit,  D.Wein  in  Prosa  u.  Poesie. 
Weines  Wahrheit.    Nürnberg,  Raw.    12°.   79  S.   M.  1,00.  —  54)  O  X  X  G-  Morel  n.  Vogel  v.  Glarus,   D   Glocke  im  Lichte 


I  11:55-56  1  12-.1-4    K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

leben,  den  Wein,  die  Glocke  in  der  deutschen  Dichtung",  die  wohl  nur  als  Material- 
sammlungen  in  Betracht  kommen,  sei  noch  zur  Ergänzung  unseres  vorjährigen  Berichtes 
daran  erinnert,  dass,  zufolge  einer  Besprechung  von  Barewicz55),  die  polnische  Studie 
von  Matuszevvski  (JBL.  1893  I  10:44)  über  den  Teufel  in  der  Poesie  ein  Bild  aller 
Entwicklungsstufen  entrollt,  die  diese  Gestalt  in  der  accadischen,  ägyptischen,  indischen 
und  persischen  Litteratur  und  namentlich  bei  den  christlichen  Völkern  durchgemacht 
hat.  Die  Reformation  machte  den  Teufel  zu  einem  mächtigen  Herrscher  auf  Erden, 
wie  eine  Zusammenstellung  der  protestantischen  Teufelsfigur  in  Marlowes  Faust  mit 
der  katholischen  Auffassung  bei  Calderon,  Tasso,  Dante,  Machiavelli  lehrt.  Protestan- 
tische Dichter  wie  Milton,  Goethe  und  Byron  vertieften  den  Charakter  am  meisten. 
In  der  polnischen  Litteratur  haben  nur  Krasinski  und  Zmorski  dem  gefallenen  Engel 
originelle  Züge  verliehen,  während  die  Volkssage  von  Twardowski  keine  der  Faust- 
sage analoge  Entwicklung-  erfahren  hat.56)  — 


1,12 

Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

Karl  Kehrbach. 

Allgemeines:  Uebersichten  und  Bibliographie  N.  1.  —  Geschichte  der  Paedugogik  N.  4.  —  Methodik  einzelner 
Unterrichtsfächer:  Religion  N.   6;  Latein  N.  7.  —  Einzelne  Persönlichkeiten:  Reformationszeit  N.  8.   —  Comenius  N.  15. 

—  H.Tolle  N.  24.  —  Jak.  und  Chrn.  Thomasius  N.  25.  —  A.  H.  Francke  N.  28.  —  Lüneburger  Schreib-  und  Rechenmeister  N.  29.  — 
Lessing  N. 30.  —  Chrn.  6.  Salzmann  H..SI.  —  Pestalozzi  und  Pestalozzianer  N. 35.  —  F.  E.  von Rochow  N. 40.  —  Philanthropinisten :  E.  Ch. 
Trapp,  P.  Villaume,  J.  Stuve  N.  43.  —  K.  Chrn.  F.  Krause,  F.  W.  Sturz,  B.  Chr. L.  Natorp  N. 46.  —  Herbart N.  49.  —  F.  Th.  Thiersch,  F.  W.  K. 
Sucro, K.F. SüpfleN. 50.  —  A.  von  Seid  N.  53.  —  F.  Molmann  N.  54.  —  Schulmänner  des  19.  Jh.:  Baden  N.  55;  Oesterreich  N.67:  Preussen 
N.  74;  Sachsen  N.  91;  Württemberg  N.  94;  russische  Ostseeprovinzen  N.  95.  —  Universitäten:  Allgemeines  N.  97.  —  Berlin  N.  99; 
Bonn  N.  100 ;  Dillingen  N.  101 ;  Erfurt  N.  108;  Greifswald  N.  103 ;  Halle  N.  104 ;  Königsberg  N.  134 ;  Leipzig  N.  144 ;  Prag  N.  147 ;  Rostock 
N.  148;  Salzburg  N.  149;  Tübingen  N.  150.  —  Disputationen  N.  153.  —  Akademische  Stifte  und  Seminare  N.  156.  —  Studententum 
N.  158.  —  Schulwesen:  Allgemeines  N.  172.  —  Gymnasien  und  Lateinschulen:  Baden  N.174;  Bayern  N.  175;  Braunschweig 
N.  178;  Oldenburg  N.  179;  Preussen:  Brandenburg  N.  180,  Hannover  N.  185,  Hessen-Nassiu  N.  187,  Pommern  N.  190,  Posen 
N.  195,  Provinz  Sachsen  N.  196.  Schlesien  N.  200,  Schleswig-Holstein  N.  203,  Rheinprovinz  und  Westfalen  N.  204;  Königreich 
Sachsen  N.  208;  Oesterreich  N.  210.  —  Realschulwesen:  Herders  Forderungen  N.  214;  Baden  N.  215;  Braunschweig  N.  216; 
Hannover  N.  217;  Hessen  N.  218:  Preussen:  Brandenburg  N.  220,  Hessen-Nassau  N.  221,  Rheinlande  N.  223;  Oesterreich  N.  224. 

—  Lehrerbildungswesen:  Seminar  N.  225;  Normalschule  N.  226;  Lehrerkonferenzen  N.  227.  —  Volksschulwesen:  Baden  N.  223  ; 
Bayern  N.  229;  Ostpreussen  N.  230;  Rheinland  und  Westfalen  N.  231;  Provinz  Sachsen  N.  234;  Königreich  Sachsen  N.  236; 
Württemberg  N.  238;  Oesterreich  N.  239;  Schweiz  N.  240.  —  Mädchen-  und  Frauenbildung  N.  241.  —  Verschiedenes: 
Schulkomödie  N.  242.  —  Kavaliermässige  Erziehung  N.  243.  —  Ordenserziehung  N.  244.  —  Weihnachtssingen  der  Dorfschullehrer 
N.  245.  —  Volksschullehrerverein  N.  246.  — 

Allgemeines.  Ehe  wir  in  die  Besprechung  der  Einzelheiten  eintreten,  sei 
auf  ein  Werk  hingewiesen,  in  dem  alljährlich  über  die  innerhalb  eines  Jahres  er- 
schienenen Veröffentlichungen  zur  Schulgeschichte  in  grossen  Uebersichten  be- 
richtet wird:  auf  die  von  Rethwisch1)  herausgegebenen  Jahresberichte  über 
das  höhere  Schulwesen.  Für  diese  Jahresberichte  hat  Bender2)  die  Bearbeitung  der 
ersten  Abteilung  „Schulgeschichte'1  übernommen  und  die  Aufgabe  gelöst,  indem  er 
den  Stoff  in  vier  Abteilungen  gliedert:  Werke  allgemeineren  Inhalts,  Anstaltsgeschichte, 
Schulmänner,  Schriften  zur  Erziehungslehre.  —  Wie  ehedem  im  Plane  der  MGP.  für 
die  innerhalb  des  Rahmens  dieses  Unternehmens  erscheinenden  Veröffentlichungen 
der  Bibliographie  ein  grösserer  Wert,  als  es  sonst  bei  ähnlichen  Veröffentlichungen 
der  Fall  war,  beigemessen  wurde,  so  hat  auch  die  Gesellschaft  für  deutsche  Erziehungs- 
und Schulgeschichte,  die  das  Erbe  der  in  jenem  Plane  niedergelegten  Bestrebungen 
angetreten  hat,  diese  Berücksichtigung  des  Bibliographischen  zu  ihrer  Aufgabe  ge- 
macht und  begonnen,  in  ihren  Mitteilungen  Verzeichnisse  der  historisch-pädagogischen 
Litteratur  der  einzelnen  Jahre  anzulegen3).  — 

Geschichte  der  Pädagogik.  Von  dem  dreiteiligen  Lehrbuche  der  Pädagogik, 
das  Ost  ermann  und  Wegener4)  verfasst  haben,  kommt  für  uns  nur  der  erste  Teil,  die 
Geschichte  des  christlichen  Erziehungswesens,  in  Betracht.  Abweichend  von  anderen 
für  den  Unterricht  in  Lehrerseminaren  bestimmten  Geschichts werken  der  Pädagogik,  in 
denen  die  Erziehungsgeschichte  des  Orients,  Griechenlands  und  Roms  mitbehandelt  wird, 
beschränken  sich  die  Vf.  auf  die  Darstellung  des  christlich-deutschen  Erziehungs- 
wesens. Die  Form  der  Darstellung  ist  überwiegend  die  biographische,  die  wohl  auch 


d.   dtsch.  Dichtung.     2.  Aufl.     Glarus,  Vogel.    237   S.    M.  2,00.    —   55)   W.    Barewicz:   Euph.    1,   S.    418/9.    —   56)  O  X 
F.  Wernicke,  Weihnachtspoesien:  All  Deutschland  N.  12.  — 

1)    K.  Rethwisch,   JB.   über   d.  höh.  Schulwesen.    7.  Jahrg.    (1393.)    B.,   Gaertner.    VIII,  744  S.    M.  14,00.  - 
2)   M.  Bender,   Schulgesch.    (=  N.  1,  S.  1-23.)    —   3)  Yerzeichn.  d.  im  J.  1892   erschien.  Veröffentlichungen    z.    dtsch.  Er- 
ziehungs-  u.  Schulgesch.:   MGESchG.  4,  S.  207/8,  234/8.    -    4)  W.  Ostermann    u.  L.  Wegener,   Lehrbuch  d.  Päd.     1.  Bd. 


tC.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens.    I  12-.5-i4 

als  die  geeignetste  für  den  Seminarunterricht  angesehen  werden  muss.  Doch  ist  auch 
dem  pragmatischen  Zusammenhange  der  Geschichte  Rechnung  getragen.  Durch  die 
beigefügten  Literaturnachweise,  die  allerdings  in  einer  Reihe  von  Fällen  noch  er- 
gänzt werden  könnten,  ohne  dadurch  dem  Charakter  des  Buches  Eintrag  zu  thun, 
sind  Fingerzeige  für  weiteres  Studium  auf  diesem  Gebiete  gegeben.  — 

Methodik  einzelner  Unterrichtsfächer.  Unter  den  methodischen 
Fragen  des  Religionsunterrichts  der  letzten  J.  steht  die  Schulbibelfrage  mit  im 
Vordergrunde.  Wie  bei  vielen  Erörterungen  über  die  Methodik  des  Unterrichts, 
zeigt  sich  auch  hier,  wie  gering  die  Kenntnisse  über  die  historische  Entwicklung 
dieser  Frage,  die  wohl  die  meisten  für  eine  Frage  der  letzten  Jahrzehnte  halten,  sind, 
und  wie  mangelhaft  auch  hier  in  den  einzelnen  methodischen  Veranstaltungen  ihre 
Kontinuität  ist.  Seit  150  J.  ist  eine  Reihe  von  Versuchen  gemacht  worden,  die  Schul- 
bibelfrage zu  lösen.  Diese  Versuche  hat  Friedrich  Dix  in  seiner  Geschichte  der 
Schulbibel  (Gotha,  Behrend;  1892)  zur  Darstellung  gebracht.  Einen  kurzen  Aus- 
zug aus  diesem  Buche  veröffentlichen  die  MGESchG.5).  —  Dasselbe  Thema 
hat  auch  Bergemann6)  behandelt,  der  nach  ausführlicher  Abwägung  des  Für  und 
Wider  zu  dem  Resultate  kommt,  dass  eine  Schulbibel  thatsächlich  ein  Bedürfnis  sei, 
vor  allem  für  die  Volksschule.  — 

Zur  Geschichte  der  Methodik  des  lateinischen  Unterrichts  an  der  Kirch- 
spielschule zu  St.  Marien  in  Rostock  im  Anfange  des  16.  Jh.  bringt  Hofmeister7) 
durch  seine  geschichtliche  Nachricht,  die  einem  Ms.  des  Magisters  Hildebrand  Dorgelo 
entnommen  ist,  einen  Beitrag'.  Das  aus  dem  J.  1502  stammende  Ms.  enthält  die  für 
den  Schulunterricht  zubereiteten  drei  ersten  Komödien  des  Terenz:  Andria,  Eunuchus 
und  Heautontimorumenos.  Aus  den  dem  Texte  eingefügten  oder  an  den  Rand  ge- 
schriebenen Bemerkungen  geht  hervor,  dass  im  Vordergrunde  der  Interpretation  die 
reine  Sacherklärung  durch  Synonyma  oder  Umschreibungen  steht,  dass  Parallelstellen 
aus  Horaz,  Vergil,  Cato,  Boethius  usw.  angezogen,  Realien  aber  nur  selten  berührt 
werden,  und  dass  die  interpretatio  durch  läica  lingua,  also  niederdeutsch,  erfolgte.  — 

Einzelne  Persönlichkeiten:  Reformationszeit.  Einem  ver- 
dienstvollen Schulmanne,  einem  Schüler  des  Murmellius,  einem  Freunde  der 
Wittenberger  Reformatoren,  dem  Rektor  der  Lüneburger  Johannesschule,  Hermann 
Tulichius  (1486—1540),  hat  Koldewey8)  ein  Denkmal  errichtet.  Die  von  Tulichius 
im  Verein  mit  Rhegius  für  die  Lüneburger  Schule  aufgestellten  Schulgesetze  sind 
als  Leges  Tulichianae  lange  Zeit  in  Erinnerung  geblieben.  Seine  bereits  1525 
in  Eisleben  mit  Agricola  verfasste  Schulordnung  kann  als  ein  Vorläufer  des  kur- 
sächsischen Schulplanes  angesehen  werden.  —  Die  wechselvollen  Schicksale  eines 
Schulmannes,  der  ebenfalls  den  Reformatorenkreisen  in  Wittenberg  nahe  stand,  des 
Sigmund  Suevus  (Schwabe  1526 — 96),  hat  Erdmann9)  dargestellt.  Von  Haus  aus 
Theologe,  später  Lehrer  in  den  Gymnasialfächern  in  Reval,  Lauban,  Thorn,  Breslau, 
verdient  Schwabe  auch  in  der  Geschichte  der  Methodik  des  Rechenunterrichts  ge- 
nannt zu  werden.  Hat  er  doch  ein  Werk  über  die  löbliche  Rechenkunst  verfasst,  in 
dem  eine  Reihe  von  Rechenaufgaben  gestellt  sind,  die  an  die  biblische  Geschichte 
anknüpfen.  Unvergessen  seien  auch  seine  Verdienste  um  die  zum  Besten  der  Kirche 
und  Schule  von  ihm  begründete  Laubaner  Bibliothek.  —  Ueber  den  ersten  Rektor 
des  von  Bugenhagen  am  24.  Mai  1529  in  den  Räumen  des  Johannisklosters  in 
Hamburg  eröffneten  Johanneums,  den  Magister  Theophilus  (Frydag  scheint  sein 
Familienname  gewesen  zu  sein),  berichtet  Bert  he  au10).  —  Durch  Kr  aus  s11)  werden 
wir  mit  dem  Leben  des  Michael  Tiffernus  (1488  —  1555)  bekannt  gemacht,  eines  Mannes, 
der  in  Wien  studierte,  dort  Mitglied  der  Bursa  animi  war  und  bald  als  Erzieher  edler 
Knaben  jenen  Ruf  erlangte,  der  Ursache  war,  dass  der  österreichische  Hof  auf  ihn 
aufmerksam  wurde  und  ihn  zum  Präceptor  des  Prinzen  Christoph,  nachmaligen 
Herzogs  von  Württemberg,  bestellte.  Dass  seine  Einwirkung  auf  diesen  Fürsten  von 
Erfolg  war,  bezeugen  die  sich  später  entwickelnden  Freundschaftsbeziehungen  zwischen 
Präceptor  und  Zögling.  —  Den  Lebensgang  Jakob  Sturms  (1489—1553),  des  Spröss- 
lings  einer  hochangesehenen  Strassburger  Patricierfamilie,  der  als  Staatsmann  die 
Macht  und  das  Ansehen  Strassburgs  gehoben  hatte,  hat  Winkelmann12)  be- 
schrieben.   Hier  sei  nur  seiner  Verdienste  um  den  Humanismus  und  die  Reformation 

—  er  war  ein  Freund  WTimpfelings,  Sleidans,  des  Landgrafen  Philipp  von  Hessen  — 
und  vor  allem  um  die  Begründung  des  späterhin  so  berühmten  Strassburger 
Gymnasiums  gedacht.  —  Ueber  dessen  ersten  Rektor,  den  berühmten  Johann  Sturm 
(1507—89),     veröffentlicht    Ziegler13)    ausführliche,    auf    sorgfältigen    Studien    be- 

6.  Aufl.  Oldenburg,  Schulze.  VIII,  243  S.  M.  3,00.  —  5)  Z.  Gesch.  d.  Schulbibel:  MGESchG.  4,  S.  2056.  —  6)  P-  Berge- 
mann, Z.  Schulbibelfrage.  E.  hist.-krit.  Untersuch.  (=  Päd.  Mag.  N.  37.)  Langensalza,  Beyer  &  Söhne.  1893.  44  S. 
M.  0,50.     (Vgl.  auch  U  6:75/7.)    -  7)  Ad.  Hofmeister,  Z.  Gesch.  d.  Kirchspielschule  zu  St.  Marieu:  BGRostock.  4,  S.  77-82. 

—  8)  F.  Koldewey,  H.  Tulichius:  ADB.  33,  S.  777-81.  —  9)  Chr.  Fr.  D.  Erdmann,  Signi.  Suevus  (Schwabe):  ib.  37, 
S.  129-35.  —  10)  C.  Bertheau,  Magister  Theophilus:  ib.  S.  722,4.  —  11)  R.  Krauss,  Mich.  Tiffernus:  ib.  33,  S.  293 ,5.  - 
12)  (II  1:69;  6:239.)    -    13)  (II  5:36;  6:240.)    —   14)    R.  Kade,   D.  Kantor  Chrph.  Demant    in  Zittau:    NLausitzMag.  70, 


I  12:15-26     K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehuugswesens. 

ruhende  Nachrichten.  Trotz  der  über  Joh.  Sturm  und  die  Strassburger  Schule  be- 
reits vorhandenen  Monographien  muss  Z.s  Arbeit  als  eine  Darstellung",  in  der  auf 
bescheidenem  Räume  klar  und  übersichtlich  alles  Bemerkenswerte  hervorgehoben  ist, 
begrüsst  werden.  Für  die  Ausgabe  eines  Sonderdrucks  würden  sicher  Viele  Z. 
dankbar  sein.  —  lieber  Chrph.  Demant,  einen  sächsischen  Schulmann,  der  von 
1597 — 1604  in  Zittau,  später  in  Freiberg  thätig  war  und  der  auch  als  Komponist  und 
Kantor  grossen  Ruf  genoss,  über  den  aber  —  was  Kaemmel  (NLausMag.  49, 
S.  295)  bedauernd  hervorhebt  —  trotzdem  nähere  Nachrichten  fehlen,  hat  jetzt  der 
verdiente  Musikhistoriker  Kade14)  einige  Mitteilungen  gebracht.  — 

Reber15),    der  im  vorigen  Jahre  die  Sittenvorschriften  des  Comenius  für 
die  Schule  zu  Saros  Patak  (JBL.  1893  I  6:31)    ediert  hatte,   fügt   seinen  Comenius- 
arbeiten    eine   Ausgabe    der   Regulae   vitae   hinzu,     die    Comenius    während    seiner 
Elbinger  Thätigkeit   (1643)    für   seinen   damaligen    Zögling  Kochlewski    geschrieben 
hatte.     Der    Ausgabe    sind    eine  Uebersetzung    ins  Deutsche    und  Mitteilungen   über 
den   Aufenthalt    des  Comenius    in    Elbing   beigegeben.    —  Während  Uebersetzungen 
der  Magna  didactica    des  Comenius    in    den  verschiedenen    deutschen  Ausgaben    der 
pädagogischen  Werke  des  Comenius  vorhanden  sind,    war  eine  neue  Separatausgabe 
des  Werkes    in    der  Originalsprache    noch    nicht  vorhanden.     Eine    solche  handliche 
und  billige  Ausgabe  hat  jetzt  Hultgren16)  veröffentlicht  und  mit  Anm.  versehen.  — 
Reinhardt17)    zieht   eine  Parallele  zwischen  der  Schulordnung    in  der  Unterrichts- 
lehre des  Comenius  und  den  Frankfurter  Lehrplänen.     Die  Frage,  ob  Latein  in  Sexta 
zu    beginnen    habe    oder   erst    in    Tertia,    sei    keineswegs    eine    moderne;    vielmehr 
stimmten    bereits    die   Ansichten    des    Comenius    mit   jenem   Lehrplane    überein,    der 
in  Deutschland  zuerst  in  Altona  eingeführt  worden  sei  und  jetzt  an  mehreren  höheren 
Schulen  in  Frankfurt  a.  M.  die  Probe  zu  bestehen  habe.  —  Nebe18),  der  verdienst- 
volle Comeniusforscher,  hat  einen  neuen  Beitrag  zur  Geschichte  der  Geistesentwicklung 
des  Comenius    veröffentlicht,    worin    er    über    des  Comenius  Studienzeit   in    Herborn 
Mitteilungen  giebt,    die  auf  teilweise  neuen  Funden  beruhen.  —  Ein  Verzeichnis  der 
in    der   neueren   Zeit    entstandenen    Comeniuslitteratur    hat   Mämpel19)    zusammen- 
gestellt. —  Zum  vorigen  JB.  sei  die  Festpredigt,    die  Borgius20)  zur  Comeniusfeier 
im  J.  1892  gehalten  hat,  nachgetragen.21)  —  Hier  sei  sogleich  Johann  Heinrich  Stuss 
(1686 — 1775),  der  die  Lehrbücher  des  Comenius  empfahl,  angeführt.    Schumann22-23), 
der    die  Entwicklung    seines  Lebens    darbietet,    hebt   hervor,    dass  Stuss    bereits  im 
J.  1734  für  die  Schule  eine  Sammlung  auserlesener  Gedichte  herausgab,  nachdem  er 
einige  Jahre  vorher  eine  Sammlung  „teutscher  Reden"  zum  Dienste  der  studierenden 
Jugend  veröffentlicht  hatte.     Sein  Interesse   für  die  deutsche  Sprache  und  Litteratur 
zeigt    sich    auch  durch  seinen  Hinweis    auf   die  Bedeutung    des  Ulfilas,    von    dessen 
gotischer  Bibelübersetzung  er  eine  neue  Ausgabe  forderte.     Klopstocks  Messiade  hat 
er  freudig  begrüsst  und  1751  in  einem  lateinischen  Programme  lobend  hervorgehoben, 
auch  später  das  Gedicht  gegen  die  heftigen  Angriffe  Gottscheds  in  drei  Commentationes 
tapfer   und  glücklich  verteidigt.     Diese  Liebe   zur    deutschen  Litteratur   rühmt  Seh. 
auch  an  dem  Sohne  des  Genannten,    an  Just.  Chrn.  Stuss,  der,  obwohl  Theologe,  in 
Göttingen  Mitglied  des  philologischen  Seminars    und    der   von  Gessner   gegründeten 
deutschen  Gesellschaft  war.     In  den  J.  1755 — 56  edierte  er  eine  Anthologie  unter  dem 
Titel    „Muster    und    Proben    der  Teutschen  Dichtkunst   in    den   mehrsten  Arten    der 
Poesie.".     Erwähnt    sei  auch  sein  historisch  -  pädagogischer  Aufsatz  „Erneuertes  An- 
denken der  Erziehungs-  und  Schulanstalten  Herzog  Ernst  des  Frommen  von  Gotha" 
(Hannov.  Mag.   1776,  Stück  61/4).  — 

Ueber  Heinrich  Tolle  (1629  —  79),  einen  Schulmann  und  Dramatiker,  der 
21  Jahre  lang  das  Göttinger  Gymnasium  leitete,  unterrichtet  uns  Roethe24).  Zu 
den  Dramatikern  wird  dieser*  Schulmann  gerechnet  wegen  der  von  ihm  für  die 
Schüler  gedichteten  Schäferspiele,  die  bei  den  öffentlichen  Aktus  neben  lateinischen 
Darstellungen  aus  Ciceros  Leben  aufgeführt  wurden  und  in  der  Form  der  Allegorie 
gewisse  Lehrsätze  entwickelten,  wobei  auch  der  niederdeutschen  Sprache  der  Ein- 
gang gestattet  wurde.  — 

Mit  den  beiden  Thomasius,  Jakob  und  seinem  berühmteren  Sohne  Christian, 
haben  sich  zwei  Forscher  beschäftigt.  Sachse25-26)  schildert  die  Wirksamkeit  des 
Jakob  Thomasius  als  Rektors  der  Thomasschule  in  Leipzig,    und   zwar  auf  Grund 

S.  253-61.  —  15)  J-  Reber,  D.  Arnos  Comenius  Lebensregeln  (Regulae  vitae).  Aschaffenburg,  Wailandtsche  Druck.  (L.,  Fock.) 
45  S.  M.  0,80.  —  16)  F.  K.  Hultgren,  J.  A.  Comenii  Magna  didactica.  Ex  editione  Amstelodaroensi  a.  1657  omnes  libros 
didacticos  complectente  nunc  priraum  separatim  ed.  L.,  Siegisraund  &  Volkening.  255  S.  M.  5,00.  —  17)  K.  Reinhardt, 
D.  Schulordnung  in  Comenius  Unterrichtslehre  u.  d.  Frankfurter  Lehrpläne:  MhComeniusG.  3,  S.  16-30.  —  18)  A.  Nebe, 
Comenius  Studienzeit  in  Herborn:  ib.  S.  78-95.  —  19)  K.  Mämpel,  Neue  Comeniuslitt. :  DB11EU".  21,  S.  25/6.  -  20)  E. 
Borgius,  Festpredigt  •/..  Comeniusfeior  am  28.  März  1S92.  Progr.  Lissa.  1893.  4°.  6  S.  —  21)  X  K.  Pro  eil,  E.  slav. 
Weltbürger  als  Bahnbrecher  dtsch.  Geistesfreihoit  (Comenius):  Kai.  aller  Deutschen  S.  71/5.  —  22)  A.  Schumann,  Joh. 
Heinr.  Stuss:  ADB.  37,  S.  68-70.  -  23)  id.,  Just  Chrn.  Stuss:  ib.  S.  70/1.  ■-  24)  G.  Roethe,  Heinr.  Tolle:  ib.  33,  S.  4212. 
—    25)    R.  Sachse,    Jak.  Thomasius,    Rektor  d.  Thonrisschnle.     Progr.     L.,   A.   Edelmann.     4".     24  S.    —    26)    (III  5:50.)  — 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens.     I  12  •.  27-.1) 

von  dessen  eigenen  Aufzeichnungen.  Einleitend  behandelt  er  auch  die  frühere  Ge- 
schichte der  Familie,  wofür  ihm  einige  Programm  ata  funebria,  die  mit  Recht  als 
gute  Quellen  für  die  Gelehrtengeschichte  anzusehen  sind,  gedient  haben.  Die  Haupt- 
ausbeute gaben  aber  die  Acta  Thomana,  die  Thomasius  als  Rektor  der  Thomasschule 
in  den  J.  1676—84  abgefasst  hat.  Diese  —  Fragmente  —  hat  S.  erg-änzt  durch 
die  Acta  des  Nicolaigymnasiums,  dessen  Rektor  Thomasius  vorher  gewesen  war  und 
das  er  nach  denselben  Grundsätzen  organisiert  hatte  wie  das  Thomasgymnasium. 
Die  Lektüre  der  lateinischen  klassischen  Schriftsteller  wollte  er  beschränkt  und  da- 
für die  neueren  Latinisten  christlicher  Richtung  vorgezogen  wissen.  Ebenso  bevorzugte 
er  statt  der  griechischen  Klassiker  das  Neue  Testament.  Der  Leipziger  Rat,  dem 
beide  Gymnasien  unterstellt  waren,  stimmte  übrigens  diesen  Bestrebungen  des  Jakob 
Thomasius  zu.  —  Bei  Christian  Thomasius,  mit  dem  sich  die  Abhandlung-  von 
Rausch27)  beschäftigt,  hat  man  bisher  merkwürdiger  Weise  immer  nur  seiner 
Bestrebungen  um  die  Reform  des  Unterrichtsbetriebes  auf  den  Universitäten,  seines 
Eintretens  für  die  Verwendung  der  deutschen  Sprache  im  akademischen  Vortrage 
gedacht  und  dabei  ganz  übersehen,  dass  er  auch  für  die  Reform  des  höheren  Schul- 
wesens thätig  gewesen  ist  und  an  der  Erörterung  der  pädagogischen  Fragen  seines 
Zeitalters  lebhaften  Anteil  genommen  hat.  Schon  als  Doctor  privatus  in  Leipzig  hat 
er  betont,  dass,  um  das  akademische  Studium  zu  heben,  das  höhere  Schul- 
wesen verbessert  werden  müsse.  R.  weist  hier  auf  die  in  den  Geschichten  der 
Pädagogik  bisher  unerwähnt  gebliebenen,  im  J.  1688  erschienenen  „Gedanken  über 
allerhand  lustige  und  nützliche  Bücher"  hin.  Besonders  hat  Thomasius  den  Jenaer 
Professor  Erhard  Weigel,  der  gegenüber  der  einseitigen  Bevorzugung  der  Grammatik 
den  vernachlässigten  Realien  zu  ihrem  Rechte  verhelfen  wollte,  die  deutsche  Sprache 
beim  Unterricht  verwendete  und  eine  Anstalt  gründete,  in  der  seine  Reformen  durch- 
geführt wurden,  als  pädagogischen  Reformer  hochgeehrt.  Dass  Thomasius  auch  die 
Anstalt  Weigels  besucht  und  sein  günstiges  Urteil  darüber  im  Decemberhefte  seiner 
,, Monatsgespräche"  von  1689  veröffentlicht  hat,  dürfte  wohl  erst  jetzt  durch  R.  zur 
öffentlichen  Kenntnis  gebracht  worden  sein.  Leider  hat  R.  diesen  Besuch,  der  nach 
dem  Titel  der  Abhandlung  den  Hauptinhalt  bilden  müsste,  in  der  Oekonomie  seiner 
Schrift  nur  mit  wenigen  Sätzen  abgefunden.  — 

Zum  ersten  Male  ist  August  Hermann  Franckes  Grosser  Aufsatz,  der 
schon  in  mehreren  Francke  betreffenden  Schriften  erwähnt  worden  war,  durch 
Fries28)  herausgegeben  worden,  der  sich  dadurch  ein  Verdienst  um  die  Geschicht- 
schreibung der  Pädagogik  im  allgemeinen  und  der  Franckeschen  Stiftungen  im  be- 
sonderen erworben  und  auch  zur  Charakteristik  der  Persönlichkeit  Franckes  einen 
wichtigen  Beitrag-  geliefert  hat.  Francke  beabsichtigte  durch  seinen  Aufsatz  Hilfe 
und  Unterstützung-  für  den  Ausbau  seines  Werkes  zu  gewinnen.  Hervorzuheben 
sind  Kapitel  I,  in  welchem  er  über  die  sittliche  Verderbtheit  der  einzelnen  Stände, 
vornehmlich  des  Lehrstandes  spricht,  Kapitel  II,  das  als  höchst  wirksames  Mittel, 
der  Verderbtheit  zu  steuern,  die  Gründung  der  Universität  Halle  rühmt,  Kapitel  V 
und  VI,  worin  Verbesserungsvorschläge  und  die  Mittel  zur  Erhaltung  und  Er- 
weiterung der  Stiftungen  erörtert  werden.  — 

Ueber  eine  Anzahl  von  Schreib-  und  Rechenmeistern  der  Stadt 
Lüneburg-  aus  der  Zeit  von  1547—1756  hat  S  ch  0  n  e  ck  e2i))  Nachrichten  dar- 
geboten, die  in  der  Hauptsache  in  der  Wiedergabe  von  Bestallungsurkunden  bestehen. 
Neben  den  Lateinschulen  hatten  die  Magistrate  der  Städte  entweder  Schreib-  und 
Rechenschulen  selbst  noch  eingerichtet  oder  ihre  Zulassung  als  Winkelschulen  geduldet. 
Eine  genügende  Darstellung  dieses  Schreib-  und  Rechenschulwesens  wird  erst 
möglich  sein,  wenn  auch  für  andere  Städte  ähnliche  Veröffentlichungen  herausgegeben 
werden.  — 

Aus  Lessings  Schriften  hat  Mann 30)  in  einer  gründlichen  Abhandlung 
alles  das  ausgezogen  und  verarbeitet,  was  Lessing-s  Stellung  zu  Unterricht  und 
Erziehung  charakterisiert.  Sein  Erziehungsideal  ist  die  sittliche  Vollkommenheit.  Die 
Erziehungsarbeit  an  dem  Einzelnen  gilt  ihm  nur  als  eine  Teilarbeit  an  der  Erziehung 
der  Gesamtheit.  Solle  der  Mensch  vollkommener  werden,  so  müssten  seine  Begriffe 
geklärt  werden,  das  sei  die  Aufgabe  des  Unterrichts.  Der  Unterricht  müsse  ein 
erziehender  sein,  er  müsse  den  Forschungsdrang  im  Zöglinge  hervorbringen  und  zwar 
durch  „Ehrgeiz  und  Neubegierde"  und  das  Vergnügen  an  der  Erkenntnis  der  Wahr- 
heit. Die  Auswahl  der  Unterrichtsstoffe  habe  nach  psychologischen  Gesichtspunkten 
zu  erfolgen,  und  es  müsse  eine  beständige  Bezug-nahme  der  Wissenschaften  auf 
einander   stattfinden.     Wie  Herbart  verlangt  er  zuerst  das  Darbieten,  dann  das  Aus- 


27)  A.  Bausch,  Chrn.  Thomasius  als  Gast  in  Erhard  Weigels  Schule  zu  Jena.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Täd.  im  17.  Jh. 
Sonderabdr.  aus  d.  Festschr.  d.  Jenaer  Gymn.  z.  350j.  Jubelfeier  d.  Eisenacher  Gymn.  am  18.  Okt.  Jena,  Neuenhahn.  4". 
11  S.  —  28)  W.  Fries,  A.  H.  Frankes  Grosser  Aufsatz.  Festschr.  z.  200j.  Jubil.  d.  Unir.  Halle.  Halle  a.  S.,  Waisenhaus. 
XII,  70  S.  M.  2,00.  -  29)  W.  Schonecke,  Lnneburger  Schreib-  u.  Bechenmeister:  MGESchG.  4,  S.  111-30.  —  30)  G.Mann, 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgcschichte.     V.  (1)21 


I  12:31-36     K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

arbeiten  des  begrifflichen  Materials  und  endlich  Uebung  und  Anwendung  der 
gewonnenen  Ergebnisse,  um  diese  zu  einem  wirklichen  geistigen  Besitztume  des 
Zöglings  zu  machen.  M.  zeigt  auch,  wie  Lessing  einzelne  Unterrichtsfächer  aufgefasst 
und  behandelt  wissen  will.  — 

Aus  Veranlassung  der  150.  Wiederkehr  des  Geburtstages  von  Chrn.  G.  Salz- 
mann, dem  Patriarchen  unter  den  Philanthropen,  ist  eine  Anzahl  von  Schriften  und  Auf- 
sätzen erschienen.  Von  Werken  Salzmanns  haben  Schreck31),  der  früher  bereits  das 
,, Ameisenbüchlein"  in  einem  Neudruck  herausgegeben  hat,  und  Wimmers32)  jetzt 
jenes  Werk  neu  gedruckt,  das  nach  dem  Titel  der  3.  und  4.  Auflage  Krebsbüchlein 
genannt  wurde,  in  der  1.  und  2.  Auflage  aber  unter  dem  Titel  „Anweisung  zu 
einer  zwar  nicht  vernünftigen,  doch  modischen  Erziehung  der  Kinder"  weithin  sich 
Eingang  zu  verschaffen  gewusst  hatte.  Beide  haben  ihrer  Ausgabe  den  Text  der 
Ausgabe  letzter  Hand  zu  Grunde  gelegt,  ohne  die  Varianten  der  vorhergehenden 
Ausgaben  zu  verzeichnen.  W.  hat,  da  er  mit  seinem  Buche  den  Zweck  verbindet, 
jenes  Werk  Salzmanns  der  reiferen  Jugend  und  dem  häuslichen  Kreise  zugänglich 
zu  machen,  dabei  noch  eine  Anzahl  von  „Mitteln  und  Erzählungen",  die  entweder 
irgend  wie  anstössig  sein  konnten  oder  weniger  anziehend  sind,  weggelassen  und 
ausserdem  seiner  Ausgabe  eine  Lebensgeschichte  Salzmanns  vorausgeschickt.  —  Von 
den  zahlreichen  in  Zeitschriften  und  Zeitungen  sowie  in  Programmen  veröffentlichten 
Aufsätzen  über  Salzmann  sind  mir  leider  nur  wenige  zugegangen,  und  ich  selbst  war 
nicht  in  der  Lage,  im  J.  1894  eine  Sammlung  des  gesamten  Materials  oder  doch  des 
grössten  Teiles  davon  zu  veranstalten;  ich  kann  hier  also  nur  die  Arbeiten  berück- 
sichtigen, die  mir  von  der  Redaktion  zur  Verfügung  gestellt  worden  sind.  Es 
sei  nun  zunächst  auf  Breyers33)  Aufsatz  hingewiesen,  der  nach  einer  im 
Verhältnis  zum  Umfange  der  Arbeit  etwas  weit  ausholenden  Einleitung  eine  Lebens- 
beschreibung Salzmanns  giebt  und  Mitteilungen  macht  über  Salzmanns  Prinzipien  der 
Erziehung,  über  die  Mittel,  wie  diese  Prinzipien  erreicht  werden  können,  ferner 
welche  Eigenschaften  Salzmann  von  einem  Erzieher  fordert  und  wie  er  eine  Erziehungs- 
anstalt eingerichtet  wissen  will.  —  Ein  Werk  Salzmanns,  das  seiner  Zeit  einen  grossen, 
nur  durch  die  Kulturströmungen  des  letzten  Drittels  des  vorigen  Jh.  verständlichen 
Erfolg  hatte,  den  sechsbändigen,  in  den  J.  1783—88  in  Briefform  erschienenen 
Roman  „Karl  von  Karlsberg",  hat  G  e  h  m  1  i  c  h 34)  durch  ein  Schriftchen  aus  der 
Verg-essenheit  gezogen.  Wenige,  höchstens  die  berufsmässigen  Literarhistoriker  und 
solche,  die  sich  mit  der  Geschichte  der  Pädagogik  beschäftigen,  kennen  das  Werk, 
von  dem  Gervinus  berichtet,  dass  es  durch  seinen  populären  Stil  ein  „ungeheures 
Publikum"  gehabt,  und  dass  der  Vf.,  als  die  Bände  nicht  regelmässig  auf  einander 
folgten,  „flehentlich"  um  die  Fortsetzung  gebeten  und  mit  sehr  bedeutendem  Honorar 
ermutigt  wurde,  während  die  Xenien  dem  Vf.  des  Romans  einen  Platz  in  der  Charite 
anwiesen.  Und  doch  ist  dieser  unendlich  breite  und  triviale,  als  ein  Seitenstück  zum 
Faustin  oder  Belphigor  bezeichnete  Roman  eine  Fundgrube  für  die  Geschichte  des 
Erziehungs-  und  Unterrichtswesens  im  18.  Jh.;  denn  er  schildert  uns  die  Kleinkinder- 
erziehung, den  Unterrichtsbetrieb  in  den  öffentlichen  Schulen,  die  Verhältnisse  der 
Lehrer,  ihre  Besoldung,  Schülerverhältnisse,  das  Hofmeisterwesen,  die  Beschaffenheit 
der  Akademien  usw.  in  der  damaligen  Zeit  und  giebt  auch  Vorschläge  zu  ihrer  Ver- 
besserung, die  sich  meistens  mit  den  Forderungen  des  Philanthropinismus  decken.  — 
Mann35)  hat  von  seiner  Ausgabe  ausgewählter  Werke  Pestalozzis  den 
vierten  Band,  und  zwar  in  4.  Auflage,  erscheinen  lassen  (JBL.  1893  I  6:51).  Der 
Band  enthält  Pestalozzis  Reden  an  sein  Haus  und  Pestalozzis  Schwanengesang  aus 
dem  J.  1826.  Die  Texte  giebt  der  Herausgeber  nach  der  Cottaschen  Ausgabe,  fügt 
aber  die  Abweichungen  von  der  1.  Ausgabe  hinzu  und  erläutert  das  Ganze  durch 
Einleitungen  und  Anmerkungen.  Durch  das  beigefügte  alphabetische  Namen-  und 
Sachregister  hat  M.  den  Gebrauch  des  Buches  in  dankenswerter  Weise  erleichtert 
und  dadurch  seinen  Verdiensten  um  das  Pestalozzistudium  ein  neues  hinzugefügt.  — 
Der  verdienstvolle  Herausgeber  der  pädagogischen  Bibliothek  Alb.  Ric  h  t  er36)  hat 
bereits  die  5.  Auflage  seiner  Ausgabe  von  Pestalozzis  „Wie  Gertrud  ihre  Kinder  lehrt" 
veröffentlicht.  Er  giebt  den  Text  auch  nach  der  Cottaschen  Ausgabe  und  gewährt  — 
ebenfalls  wie  Mann  —  dem  Leser  eine  genaue  Vergleichung  mit  den  früheren  Aus- 
gaben, hier  mit  der  Ausgabe  von  1801.  In  angehängten  Anmerkungen  werden  die 
Pestalozzischen   Ansichten    vom  Standpunkte    der  „heutigen   pädagogischen  Wissen- 


Lessings  Päd.,  dargest.  auf  Grund  seiner  Philos.  Diss.  Jena.  55  S.  —  31)  (IV  5  :  612.)  —  32)  Chrn.  G.  Salzmann,  Krebs- 
büchlein oder  Anweis,  zu  e.  Unvernunft.  Erziehung  d.  Kinder.  Für  Schule  u.  Haus  bearb.  u.  mit  e.  Einl.  vers.  v.  Dr.  Wirame  rs. 
2.  Aufl.  (=  Samml.  d.  bedeutendsten  päd.  Schrr.  aus  alter  u.  neuer  Zeit.  N.  6.)  Paderborn,  Schöningb.  154  S.  M.  1,20.  — 
33)  E.  Breyer,  Chrn.  G.  Salzmann.  Progr.  Wiener  Neustadt,  (Verl.  d.  n.  ö.  Lehrersemin.).  29  S.  —  34)  E.  Gehmlich, 
Erzieh,  u.  Unterr.  im  18.  Jh.  nr,ch  Salzmanns  Roman  „Karl  v.  Karlsberg".  (=  Päd.  Mag.  N.  42.)  Langensalza,  Beyer  &  Söhne. 
11,  42  S.  M.  0,50.  —  35)  Fr.  Mann,  J.  H.  Pestalozzis  ausgew.  Werke.  4.  Bd.  4.  Aufl.  (—  Bibl.  päd.  Klass.  4.  Bd.)  ebda. 
V,  382  S.     M.  2.00.    -    36)    J-  iL  Pestalozzi,  Wie  Gertrud    ihre  Kinder   lehrt.     Bearb.  u.  mit  Erlänt.  vers.  v.  Alb.   Richter, 


K.  Kehr  b  ach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens.     1   12  :  37-44 

schaff  kritisiert.  Die  als  Einleitung"  gegebene  Darstellung  von  Pestalozzis  Lebens- 
gange will  R.  nicht  als  eine  eigentliche  Biographie  angesehen  wissen;  denn  hierzu 
gehöre  Kongenialität  mit  der  so  wunderbaren,  merkwürdigen,  liebenswerten  Natur 
Pestalozzis,  sowie  das  Verständnis  für  seine  grossartigen  Eigenschaften  nicht  minder 
als  für  seine  Schattenseiten.  Die  biographische  Skizze  solle  nur  einer  schnelleren 
Orientierung-  über  den  äusseren  Werdegang-  Pestalozzis  dienen.37)  —  Auch  über  einige 
Pestalozzianer  sind  neue  Mitteilungen  erschienen.  So  hat  Hunziker38)  uns 
Johann  Georg  Toblers  (1769—1843)  Leben  vorgeführt.  Als  begeisterter  Verehrer 
Pestalozzis  hatte  dieser  nach  beendigtem  theologischen  Studium  eine  Schule  für  Mädchen 
gegründet.  Zu  zwei  verschiedenen  Malen  hat  er  an  der  Seite  Pestalozzis  in  Burgdorf 
gewirkt,  und  wenn  er  auch  1808  bleibend  aus  dem  Pestalozzischen  Kreise  ausschied, 
so  ist  er  doch  den  Ideen  Pestalozzis  in  seinem  späteren  Lehrerberufe  und  auch  als 
pädagogischer  Schriftsteller  treu  geblieben.  —  Ho  saus39)  hat  Tillichs  (1780—1807) 
Leben  und  Wirken  ansprechend  beschrieben.  Schon  in  seiner  ersten  Publikation 
trat  Tillich  mit  aller  Entschiedenheit  für  Pestalozzi  ein.  Seine  segensreiche  erzieherische 
Thätigkeit  in  Gemeinschaft  mit  Olivier  in  Dessau  hat  H.  besonders  berücksichtigt.  — 

So  gross  die  Wirksamkeit  F.  E.  von  Rocho  w  s  im  vorigen  Jh.  gewesen,  so  sehr 
er  auch  von  seinen  Zeitgenossen  anerkannt  worden  ist,  und  so  sehr  sein  Name  bei  uns 
noch  mit  Ehren  genannt  wird,  so  hat  Gänsen40"41),  der  eine  Ausgabe  von  Rocho ws 
ausgewählten  pädagogischen  Schriften  bewirkt  hat,  doch  Recht,  wenn  er  sagt,  dass 
die  Mehrzahl  der  Werke  dieses  überaus  fruchtbaren  Schriftstellers  verschollen  sei. 
Selbst  um  seine  wichtigsten  Schriften  zusammenzubringen,  hat  G.  grosse  Mühe  an- 
wenden müssen.  W^enn  er  von  ihnen  nur  einige  kleinere,  eine  Auswahl  aus  dem 
Kinderfreund  und  den  Versuch  eines  Schulbuchs  neu  herausgiebt,  so  kann  man  das 
für  die  Zwecke,  die  die  Sammlung  der  bedeutendsten  pädagogischen  Schriftsteller  an- 
strebt, nur  billigen,  das  dargebotene  Material  genügt,  ein  abgeschlossenes  und  an- 
schauliches Bild  des  Pädagogen  Rochow  zu  geben,  und  das,  was  er  gewollt  und 
erreicht  hat,  kann  deutlich  aus  den  mitgeteilten  Texten  erkannt  werden.  Als 
Erläuterung  hierzu  ist  die  unter  sorgfältiger  Benutzung  der  Quellen  verfasste,  auch 
in  der  KZEU.  abgedruckte  Biographie  Rochows  beigegeben,  bei  deren  Abfassung 
—  woran  ich  aber  einen  Anstoss  nicht  nehmen  kann  —  der  katholische  Standpunkt 
G.s  nicht  ohne  Einfluss  geblieben  ist.  —  Ueber  das  Verhältnis  Rochows  zum 
Philanthropinismus  hat  Lütholz42)  eine  Dissertation  abgefasst,  in  der  er  Rochow 
nicht  unrichtig  den  Volksmann  unter  den  Philanthropen  nennt.  In  den  für  den 
Philanthropinismus  charakteristischen  Merkmalen  stimme  er  mit  diesem  überein,  und 
nur  die  Künsteleien  auf  dem  Gebiete  der  Zucht  und  des  Unterrichts  habe  er  ver- 
mieden. Während  aber  die  Philanthropinisten  in  Dessau  Reformen  auf  dem  Gebiete 
des  höheren  Schulwesens  anstrebten,  habe  Rochow  diese  Prinzipien  auf  die  Schule 
des  niederen  Volkes  angewandt.  — 

Philanthropinisten.  Das  Leben  E.  Ch.  Trapps  (1745  — 1818),  eines  Mitarbeiters 
Basedows  und  Campes,  wird  uns  von  Zimmermann43)  vorgeführt.  Nachdem  Trapp 
eine  Zeit  lang  am  Philanthropin  gewirkt  hatte,  wurde  er  1779  als  Professor  der 
Pädagogik  nach  Halle  berufen.  Seine  Thätigkeit  war  aber  hier  nicht  von  langer 
Dauer.  Infolge  seines  Konfliktes  mit  Semmler  legte  er  bereits  1783  seine  Professur 
nieder,  und  er  übernahm  die  von  Campe  bei  Hamburg  gegründete  Erziehungsanstalt, 
von  wo  er  nach  einigen  Jahren  auf  Anregung  Campes  nach  Braunschweig  als 
Professor  und  Mitglied  des  neu  begründeten  Schuldirektoriums  berufen  wurde  in  der 
Voraussetzung,  dass  er  vor  allem  zweckmässige  Lehrbücher  entwerfe.  Als  aber  bereits 
1790  das  Direktorium  aufgelösst  wurde,  gründete  Trapp  in  Wolfenbüttel  eine  kleine 
Erziehungsanstalt  und  schriftstellerte  nebenher  in  der  alten  Weise,  indem  er  be- 
sonders als  Mitarbeiter  am  Braunschweigischen  Journal  thätig  war.  —  Die  Bedeutung 
eines  anderen  Philanthropinisten,  der  in  engen  Beziehungen  zu  dem  Dessauer  Kreise 
stand,  des  Predigers  an  der  französischen  reformierten  Gemeinde  in  Halberstadt, 
P.  Villaume,  hat  Funk44)  ausführlich  dargestellt.  Seine  Ansichten,  die  ganz  im 
Geiste  des  Basedow-Campeschen  Utilitarismus  und  Eudämonismus  wurzeln,  hat  V. 
niedergelegt  im  philanthropischen  Journal,  in  Campes  Revisionswerk,  im  Braun- 
schweiger Journal  und  in  der  Bibliothek  für  das  gesamte  Schul-  und  Erziehungs- 
wesen. Aus  allem  geht  hervor,  dass  seine  Bestrebungen  eng  verknüpft  sind  mit  der 
Entwicklung   des    Dessauer  Philanthropinismus.    —    Ueber  Joh.  Stuve    (1752—93), 


5.  Aufl.  (=  Päd.  Bibl.  her.  v.  K.  Richter.  1.  Bd.)  L.,  Siegisraund  &  Volkening.  210  S.  M.  2,00.  —  37)  X  H-  W.  Hoff- 
meister, Pestalozzi.  Hist.  Volksschausp.  aus  d.  2.  Hälfte  d.  18.  Jh.  Giessen,  K.  Krebs.  IV,  133  S.  M.  1,50.  —  38)  J. 
Hunziker,  Joh.  G.  Tobler  v.  Wolfhalden:  ADB.  38,  S.  393/4.  —  39)  W.  Hosäus,  E.  G.  Albr.  Tillich:  ib.  S.  3039.  —  40) 
J.  Gänsen,  F.  Eb.  v.  Rochows  ausgew.  päd.  Schriften.  (=  Samml.  d.  bedeutendsten  päd.  Schriften  aus  alter  u.  neuer  Zeit. 
N.  19.)  Paderborn,  Schöningh.  411  S.  M.  2,40.  —  41)  id.,  F.  Eb.  v.  Rochow:  KZEU.  43,  S.  97-105,  145-57.  —  42)  F.  LQt- 
holz,  Ueber  d.  Verhältn.  Rochows  z.  Philanthropinismus.  Diss.  Leipzig.  41  S.  —  43)  P.  Zimmermann,  E.  Ch.  Trapp: 
ADB.  38,  S.  4978.  —  44 J  G.  Funk,  D.  Päd.  P.  Villanmes.     E.  Beitr.  ■/..  Gesch.  d.  Philanthropinismns.     Diss.     Leipzig.     82  S. 

(1)21* 


1  12:45-53     K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

einen  Anhänger  des  Philanthropinismus,  der  an  Campes  Allgemeiner  Revision  und  am 
Braunschweigischen  Journal,  das  von  Campe  in  Gemeinschaft  mit  Trapp  und  Heusinger 
herausgegeben  wurde,  fleissig  mitarbeitete,  unterrichtet  uns  Zimmermann45).  Wir 
erfahren  dabei,  dass  er  auch  zur  Hebung  des  Mädchenschulwesens  durch  seine  Ab- 
handlung „Ueber  die  Notwendigkeit  der  Anlage  öffentlicher  Töchterschulen  für  alle 
Stände"  einen  kräftigen  Anstoss  gegeben  hat.  — 

Während  Karl  Chrn.  Fried r.  Krause  bisher  in  den  meisten  der  ihm 
gewidmeten  Schriften  nur  in  seiner  Bedeutung  für  die  Philosophie  (s.  auch  IV  5  :  129  —  32) 
gefeiert  wurde,  hat  Vetter46)  sich  ein  Verdienst  erworben  durch  Veröffentlichung' 
einer  Anzahl  von  Abhandlungen  und  Einzelsätzen  über  Erziehung  und  Unterricht, 
die  er  aus  dem  hs.  Nachlasse  Krauses  herausgegeben  hat.  Verdienstvoll  und  wichtig, 
auch  für  solche,  die  nicht  Anhänger  Krauses  sind,  ist  ein  angefügtes  Verzeichnis  aller 
bis  jetzt  erschienenen  philosophischen,  mathematischen  und  geschichtlichen  Schriften 
Krauses.  —  Das  Leben  des  sächsischen  Schulmannes  Fr.  W  i  1  h.  Sturz  (1762  —  1832), 
der,  nachdem  er  am  Rutheneum  in  Gera  als  Professor  gewirkt  hatte,  von  1803—23 
Rektor  der  Fürstenschule  in  Grimma  war,  diese  Schule  aber  freilich  nicht  aus  ihrem 
tiefen  Verfall  gehoben  hat,  schildert  Koldewey *').  —  Einer  Anregung  des  Vor- 
standes der  Gesellschaft  für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte  folgend,  hatte 
der  preussische  Kultusminister  Bosse  in  einer  Verfügung  den  Wunsch  ausgesprochen, 
dass  die  Lehrer  höherer  Bildungsanstalten  in  Einzelschriften  mehr,  als  es  bisher 
geschehen  ist,  Themata  aus  der  Schul-  und  Erziehungsgeschichte  behandeln  möchten. 
Dieser  Anregung«  verdankt  das  ungemein  reichhaltige  Werk  0.  Natorps48)  über 
B.  Chr.  Ludw.  Natorp  (1774—1846)  sein  Entstehen.  Es  handelt  sich  hier  nicht 
nur  um  eine  einfache  Biographie  des  um  die  Kirche  und  Schule  hochverdienten 
Mannes,  sondern  auch  um  ein  Zeitbild  aus  der  Geschichte  des  Niederganges  und  der 
Wiederaufrichtung  Preussens  in  der  ersten  Hälfte  dieses  Jh.  Für  die  Geschichte  der 
Bestrebungen  auf  dem  Gebiete  des  Schulwesens  in  Brandenburg  und  Westfalen,  in 
welchen  beiden  Provinzen  Natorp  während  seines  Lebens  gewirkt  hat,  enthält  das 
Werk  ungemein  reichhaltiges  Material,  über  das  der  beigegebene  Index,  der  freilich 
etwas  ausführlicher  hätte  sein  können,  wenigstens  eine  annähernde Uebersicht  gewährt.  — 

Von  Kehrbach  s19)  Ausgabe  der  sämtlichen  Werke  Herbarts  ist  der 
achte  Band  erschienen,  der  den  Text  des  zweiten,  des  systematischen  Teiles  der 
allgemeinen  Metaphysik  bringt.  Es  sind  diesem  Bande  eine  Reihe  von  Anhängen 
beigegeben,  darunter  auch  noch  nicht  edierte,  der  Text  der  bereits  edierten  aber  ist 
einer  genauen  Revision  unterzogen  worden,  wodurch  mehrfach  das  Unzuverlässige 
früherer  Ausgaben  zu  Tage  getreten  ist.  — 

Dem  um  die  Entwicklung  des  höheren  Bildungswesen  in  Bayern  insbesondere, 
sowie  um  die  Entwicklung  der  klassischen  Philologie  im  weitesten  Umfange  über- 
haupt verdienten  Philologen  F.  Th.  Thiersch  hat  Baumeister50)  ein  mit  liebevoller 
Hingabe  gearbeitetes  Denkmal  in  seiner  Darstellung  des  Lebens  und  Wirkens  von 
Thiersch  gesetzt.  -  In  F.  W.  K.  Sucro  (1789—1861)  führt  uns  Pro  hie51)  einen 
Schulmann  vor,  der  seine  Thätigkeit  an  der  Domschule  zu  Magdeburg,  deren  Direktorat 
er  übrigens  ausschlug,  fast  ausschliesslich  mit  dem  Unterrichte  in  den  klassischen 
Sprachen  ausgefüllt  hat.  —  In  der  Geschichte  der  Methodik  des  lateinischen  Unter- 
richts wird  K.  F.  Süpfle  (1799— 1871)  stets  eine  geachtete  Stellung  einnehmen.  Sein 
Leben  und  seine  Verdienste  hat  Koldewey52)  gezeichnet  und   charakterisiert.  — 

Eine  fesselnde  Darstellung  der  Lebensentwicklung  A.  von  Selds  hat 
dessen  Schwiegersohn,  der  verdienstvolle  Bibliothekar  des  preussischen  Unterrichts- 
ministeriums, Schindler53),  auf  Grund  von  selbstbiographischen  Aufzeichnungen, 
Tagebüchern,  Briefen  und  mündlichen  Berichten  verfasst.  Der  Name  Selds  war  in 
der  ersten  Hälfte  unseres  Jh.  ein  vielgenannter,  weil  sein  Träger  der  Führer  der 
damals  im  Aufschwung  befindlichen  Mässigungs-  und  Enthaltsamkeitsbestrebungen 
war  und  häufig  als  Redner  in  Volksversammlungen  und  Bildungsvereinen  hervor- 
trat. Für  die  Geschichte  des  Erziehungs-  und  Unterrichtswesens  ist  das  Werk 
Sch.s  insofern  wichtig',  als  es  Mitteilungen  über  die  Beschaffenheit  des  von  Seid 
besuchten  Gymnasiums  in  Guben  und  ganz  seltsam  anmutende  Schilderungen  der 
Krakauer  Universitätsverhältnisse  enthält.  Hervorragend  sind  Selds  Verdienste  um 
das  Berliner  Sonntagsschulwesen   und   sein  Streben,    den   vaterländischen  Sinn    der 

—  45)  P.  Zimmermann,  Joh.  Stnve:  ADB.  37,  S.  82/3.—  46)  R.  Vetter,  Grundlehren  d.  Wissensch.  z.  TJnterr.  v.  K.  Chrn. 
F.  Krause.  Ans  d.  hs.  Nachl.  d.  Vf.  her.  (=  Abhandl.  n.  Einzelsätze  über  Erz.  n.  L'nterr.  Bd.  2.)  Weimar,  Felber.  V, 
104  S.  M.  2,50.  —  47)  F.  Koldewey,  F.  W.  Sturz:  ADB.  37,  S.  56/9.  —  48)  0.  Natorp,  B.  Chr.  L.  Natorp,  Doktor  d.  Theol., 
Oberltonsistorialrat  u.  Vice-Qeneralsnperint.  zu  Münster.  E.  Lebens-  u.  Zeitbild  aus  d.  Gesch.  d.  Niederganges  u.  d.  Wieder- 
aufrichtung  Preussens  in  d.  1.  Hälfte  dieses  Jh.  Essen,  Bädeker.  VIII,  259  S.  Mit  Bildn.  M.  2,40.  —  49)  K.  Kehrbach, 
J.  Fr.  Herbarts  sämtl.  Werke  in  chronol.  Reihenfolge.  Bd.  8.  Langensalza,  Beyer  A  Söhne.  1893.  XVI,  444  S.  M.  5,00. 
(Vgl.  JBL.  1890  I  6:24;  1891  I  6  :  33;  1892  I  10:58;  1893  I  6:54.)  —  50)  A.  Baumeister,  Fr.  Th.  Thiersch:  ADB.  38, 
S.  7-17.  (Berühmter  Philol.,  Päd.  n.  Philhellene,  1784-1860.)  —  51)  (1115:86.)  -  52)  F.  Koldewey,  K.  F.  Süpfle: 
ib.  8.  163/4.    —    53)    K.  Schindler,    Baron  Alb.  v.  Seid,    e.    treuer  Königs-    u.   wahrer  Volksfrennd.     E.  Lebensbild.     Basel, 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  nnd  Erzieh  ung-swesens.     I  12  :  54-74 

Schüler  zu  stärken  und  den  Unterricht  in  vaterländischer  Geschichte  anschaulich  zu 
machen  zu  einer  Zeit,  da  der  Geschichtsunterricht  meistens  nur  im  Auswendiglernen 
einer  Reihe  von  Daten  und  Zahlen  bestand.  — 

Im  J.  1831  hatte  der  Seminardirektor  Münch  zu  Unlingen  ein  Vademecum 
für  ältere  und  jüngere  Volksschullehrer  herausgegeben,  ein  Werk,  das  bereits  seit  50  J. 
vollständig  vergriffen  ist.  In  diesem  Werke  war  der  schriftliche  Nachlass  P.  Molmanns, 
eines  hochbegabten  badischen  Volksschullehrers,  mit  dargeboten.  Pieper54)  hat  aus 
dem  in  jenem  Werke  dem  Nachlasse  Molmanns  entstammenden  Material  alles  zu- 
sammengezogen, um  ein  kurzes  Lebensbild  Molmanns  daraus  zu  konstruieren,  und 
hat  einen  Teil  jenes  hs.  Materials  wörtlich  veröffentlicht.  Molmann,  1755  geboren 
(leider  erfährt  man  in  dem  Aufsatze  P.s  das  Todesjahr  nicht)  hatte  sich  auf  den  Rat 
seines  früheren  Lehrers  Bop,  des  Direktors  des  Lehrerseminars  zu  Freiburg  i.  B.,  ein 
Tagebuch  angelegt,  in  welches  er,  wie  er  selbst  schreibt,  eigene  und  fremde  An- 
sichten eintrug,  die  ihm  wichtig  schienen  und  sein  Verfahren  sicher  machten.   — 

Schulmänner  des  19.  Jh.:  Baden.  Einem  Manne,  der  in  der  Blüte  der 
Jahre,  zu  früh  für  die  Wissenschaft  und  die  Seinen  dahingerafft  wurde,  der  rasch 
durch  seine  Studien  sich  zu  einem  der  gründlichsten  Kenner  des  Humanisten-  und 
Reformationszeitalters  emporgearbeitet  hatte,  Karl  Hartfelder,  sind  bereits  im 
vorigen  Jahre  eine  Reihe  von  Nekrologen  gewidmet55""64).  Die  Verdienste  Hartfelders 
um  die  Geschichte  des  deutschen  Erziehungs-  und  Unterrichtswesens,  auf  die  es  hier 
allein  ankommt,  hat  Kehrbach65)  kurz  skizziert  und  dazu  im  Anhange  den  Lebens- 
abriss,  den  Hartfelders  Freund  Brandt66)  in  Heidelberg  im  Südwestlichen  Schulblatte 
veröffentlicht  hatte,  mit  unwesentlichen  Aenderungen  dargeboten.  — 

Eine  ausführliche  Darstellung  des  Entwicklungsganges  und  der  Verdienste 
des  ehemaligen  österreichischen  Unterrichtsministers  Graf  Leo  Thun-Hohenstein, 
des  grossen  Reformators  des  höheren  Unterrichts wesens  Oesterreichs,  hat  Frank- 
furter67) verfasst.  Bereits  im  vorigen  J.  (JBL.  1893  I  6:63)  konnte  auf  das  ge- 
diegene Werk  F.s,  in  dem  er  ausser  dem  Grafen  Leo  Thun-Hohenstein  noch  dessen 
Mitarbeiter  Exner  und  Bonitz  behandelt,  hingewiesen  werden.  —  Hier  sei  auch  gleich 
der  Abdruck  von  Harteis  6S)  Festrede  zur  Enthüllung  des  Thun-Exner-Bonitz-Denkmals, 
die  bereits  im  Vorjahre  (JBL.  1893  I  6 :  64)  charakterisiert  war,  erwähnt,  —  Die  Ver- 
dienste, die  sich  der  bekannte  Kirchenfürst  Rauscher  (1797— 1876),  dessen  Thätigkeit 
in  Oesterreich  in  eine  Zeit  fällt,  in  der  grosse  Umwälzungen  auch  auf  dem  Gebiete  des 
Erziehungs-  und  Unterrichtswesens  sich  abspielten,  um  das  katholische  Bildungs- 
wesen erworben  hat,  werden  von  Schaefer69)  geschildert,  der  zugleich  die  äussere 
Lebensentwicklung  Rauschers  darstellt.  Unter  den  Werken,  die  in  den  öster- 
reichischen Lehrer-  und  Lehrerinnenseminaren  für  den  Unterricht  in  der  Geschichte 
der  Pädagogik  mit  Erfolg  benutzt  worden  sind  und  noch  benutzt  werden,  nimmt  die 
Geschichte  der  Erziehung  und  des  Unterrichts,  ein  Lehrbuch  von  dem  verdienten 
österreichischen  Schulmanne  Josef  Lukas,  eine  geachtete  Stellung  ein.  Von  dem 
Leben  dieses  Mannes,  der  —  1835  in  einem  steirischen  Bauernhause  geboren  —  durch 
eigene  Kraft  vom  Volksschullehrer  zum  tüchtigen  pädagogischen  Schriftsteller  sich 
emporarbeitete,  und  unter  dessen  historisch-pädagogischen  Leistungen  die  Monographien 
über  Ignaz  von  Felbiger  und  Diesterweg  besonders  verdienen  erwähnt  zu  werden, 
entwirft  Jos.  Mayer70)  ein  ansprechendes  Bild.  —  Dem  jüngst  verstorbenen  Gym- 
nasialdirektor Heinr.  Hackel  (s.  u.  N.210)  hat  Knöpfler71)  eine  biographische  Skizze 
gewidmet,  die  diesen  verdienten  Schulmann  schildert,  dessen  Gewissenhaftigkeit  bei 
dem  Erteilen  des  deutschen  Unterrichts  aus  seinen  hs.  hinterlassenen  Präparationen 
hervorgeht.  Teutsch,  dem  Bischof  der  evangelischen  Landeskirche  Siebenbürgens, 
dem  hervorragendsten  Vertreter  des  siebenbürgisch-sächsischen  Volkstums  der  neueren 
Zeit  (s.  0.  I  4 :  392),  ist  eine  Reihe  von  Nekrologen  gewidmet,  unter  denen  der  von 
Kehrbach72)  seine  Bedeutung  für  die  Geschichtsschreibung  der  Pädagogik  und  seine 
Verdienste  um  die  MGP.  sowie  um  die  Gesellschaft  für  deutsche  Erziehungs-  und 
Schulgeschichte,  hervorhebt. 73)  — 


Jaeger  &  Kober.  VI,  293  S.  Mit  Bildn.  M.  2,00.  —  54)  J.  Pieper,  F.  Molmann  oder  d.  Leben  u.  Wirken  e.  christl. 
Mustererz.  vor  100  J.  Nebst  Auszügen  päd.  Lehren  u.  Grundsätze  aus  dessen  Tagebuche.  2.  Aufl.  (=  Samml.  d.  bedeutendsten 
päd.  Schrr.  aus  alter  u  neuer  Zeit.  N.  6.)  Paderborn,  Schöningh.  70  S.  M.  1,20.  —  55)  X  K  Wotke:  ZOG.  45,  S.  1155. 
—  56)  X  J-  Neff,  K.  Hartfelder.  E.  Lebensskizze:  ZGGFreiburg.  11,  S.  47-74.  —  57)  X  K  Hartfelder:  HZ.  35,  S.  398. 
(JBL.  1893  IV  5:379.)  —  58)  X  H.  Haupt:  ZKG.  14,  S.  492/3.  (JBL.  1893  I  2:42.)  -  59)  X  G.  Knod:  ZGORh.  8,-S.  539-41. 
fJBL.  1893  IV  5:378.)  -  60)  X  H.  Bassermann:  PKZ.  1893,  S.  595/6.  (JBL.  1893  I  2:41.)  —  61 1  X  SchwäbKron.  1893, 
N.  133.  —  62)  X  BreisgauerZgB.  1893,  N.  135.  —  63)  X  J  Wille:  BadLandesZg.  1893,  N.  140.  -  64)  X  J  Häussner: 
KarlsruherZgB.  1893,  N.  165.  -  65)  K.  Kehrbach,  K.  Hartfelder:  MGESchGB.  4,  S.  XXV-XXXI.  (Vgl.  II  7:8.)  —  66)  X 
K.  Brandt:  HeidelbergerZg.  1S93,  N.  131.  —  67)  S.  Frankfurter,  Graf  Leo  v.  Thun-Hohenstein:  ADB.  38,   S.  178-212.  — 

68)  W.  v.  Hartel,    Festrede  z.  Eröffn.  d.  42.  Versamml.    dtsch.  Philol.  u.  Schulmänner    in  Wien.     (=11  :86a,   S.  7-20.)  — 

69)  P.  Schaefer,  Kardinal  Rauscher  als  Päd.:  KZEU.  43,  S.  385-95,  481-90,  433-47,  529-33.  —  70)  Jos.  Mayer,  Schulrat 
J.  Lukas.  Progr.  Wiener-Neustadt,  Verl.  d.  n.  ö.  Landes-Lehrersemin.  11  S.  —  71)  J.  Knöpfler,  H.  Hackel,  k.  k.  Gymnasial- 
direktor. (E.  biogr.  Skizze.)  Progr.  d.  Kaiser  Franz  Josef-Staatsgymn.  Freistadt  in  Oberösterr.  14  S.  —  72)  K.  Kehrbach, 
G.  D.  Teutsch:    MGESchG.  4,    S.  XXXI-XXXIV.    --    73)    X    Denkrede  auf  G.  D.  Teutsch:  AVSbnbgL.  26,  S.  293-412.    -    74) 


I  12:75-80     K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

Ueber  des  bekannten  Pädagogen  und  Publizisten  Böttiger  Berufung  nach 
der  preussischen  Hauptstadt  (1803)  hat  Geiger74)  zu  den  bereits  in  den  BLU. 
nach  den  Materialien  des  Berliner  Geheimen  Staatsarchivs  gegebenen  Mitteilungen 
neue,  wichtige  hinzugefügt,  die  der  Böttigerschen  Briefsammlung  in  der  Kgl.  Bibliothek 
zu  Dresden  zu  verdanken  sind.  —  Gründlich  und  objektiv  hat  Pechner75)  die  Lebens- 
entwicklung Wilhelm  Moritz  Thilos,  des  bekannten  Direktors  des  Berliner  Lehrer- 
seminars, dargestellt.  So  sehr  F.  diese  hochgebildete,  geistvolle  Persönlichkeit  mit 
ihrem  reichen  organisatorischen  Talente  und  ihrer  wissenschaftlichen  Bildung  hervor- 
hebt, so  fügt  er  doch  auch  zugleich  zu  dem  Lichte  den  Schatten  hinzu.  Thilos  kühle 
Natur,  sein  Sarkasmus  im  Verkehr  mit  Zöglingen  und  Lehrern  bewirkte,  dass  ihm 
von  beiden  Seiten  nie  viel  Liebe  entgegengebracht  wurde;  im  Lehrerkollegium  fehlte 
es  während  seines  Direktorates  an  Einigkeit  und  Gemeinsamkeit.  Trotzdem  muss 
man  ihn  mit  F.  zu  den  hervorragenden  Schulmännern  seiner  Zeit  zählen  und  es  ihm 
als  ein  Verdienst  anrechnen,  dass  er  nach  dem  Erscheinen  der  Regulative  1854  dem 
Berliner  Seminar  eine  eigenartige  Stellung,  bei  der  ein  hervortretender  Einfluss  der 
Regulative  nicht  zu  bemerken  war,  bewahrte.  Seine  schriftstellerische  Thätigkeit  er- 
streckte sich  ausser  auf  Pädagogik  —  es  sei  hier  nur  an  seine  Arbeit  über  Spener 
als  Katecheten  (1840),  durch  die  er  die  Aufmerksamkeit  des  Ministers  von  Altenstein 
erregte,  und  an  seine  verschiedenen  Aufsätze  in  der  Schmidschen  Encyklopädie 
erinnert  —  auch  auf  Theologie  und  Hymnologie  —  hier  sei  erwähnt  „Das  geist- 
liche Lied  in  der  evangelischen  Volksschule  Deutschlands".  Mit  Recht  hebt 
F.  hervor,  dass  diesen  zahlreichen  schriftstellerischen  Arbeiten  zwar  originelle  Auf- 
fassung und  schlagende  Beweisführung  zugesprochen  werden  müssen,  dass  aber  der 
Stil  hart,  oft  überladen,  nicht  selten  maniriert  sei.  —  Philipp  Spitta,  einem  eifrigen 
Förderer  der  historisch-pädagogischen  Bestrebungen,  hat  Kehrbach76)  einen  Nach- 
ruf gewidmet,  der  ausser  dem  Lebensabrisse  und  der  Verzeichnung  von  Spittas 
musikwissenschaftlichen  Publikationen  sein  Verhältnis  zu  den  MGP.  und  der  Gesell- 
schaft für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte  hervorhebt.  —  Runze77)  ge- 
denkt in  einer  warm  empfundenen  Schilderung  zweier  Männer,  Ludwig  Giesebrechts 
und  Karl  Loewes:  Giesebrecht  hervorragend  als  Schulmann,  Dichter  und  Gelehrter, 
und  in  dieser  Eigenschaft  von  dem  bekannten  Literarhistoriker  Franz  Kern  ge- 
würdigt (Stettin  1875);  Karl  Loewe,  der  berühmte  Balladen kompon ist,  —  beide  Lehrer 
am  Marienstiftgymnasium  in  Stettin,  beide  über  den  Schulkreis  hinaus  gemeinsam 
künstlerisch  wirkend.  Für  viele  der  Loeweschen  Kompositionen,  Oratorien,  Kantaten 
lieferte  Giesebrecht  den  Text.  —  Hensel78)  entrollt  uns  das  Leben  eines  ost- 
preussischen  Schulmannes,  dessen  Andenken  „viele  Generationen  von  Schülern,  die 
die  Erinnerung  an  seinen  Unterricht  zu  ihren  liebsten  zählen,  segnen",  des 
Königsberger  Gymnasialprofessors  Karl  Witt.  Wenn  H.  in  seiner  Darstellung  zum 
grössten  Teile  Witt  selbst  durch  seine  Briefe  und  Aufzeichnungen  reden  lässt,  so 
kann  man  ihm  dafür  nur  danken ;  denn  das  Bild  von  W7itts  Erziehung,  von  der  Be- 
schaffenheit der  Schulanstalten  und  der  Universität,  die  er  besuchte,  wirkt  dadurch 
um  so  plastischer.  Was  er  von  seinen  Schulerinnerungen  schildert,  lässt  sich  in  dem 
Worte  Dressur  zusammenfassen.  Vor  lauter  grammatischen  Spinngeweben  hat  er  auf 
der  Schule  von  den  alten  Klassikern  so  viel  wie  nichts  gesehen,  und  selbst  die  schöne, 
dem  kindlichen  Geschmacke  so  zusagende  Odyssee  blickte  nur  trübe  hindurch.  Die 
Wissenschaft  bestand  auf  dem  Gymnasium,  das  er  besuchte,  nicht  in  lebendigen  Be- 
griffen, sondern  in  toten  Buchstaben.  Schule  und  Leben  standen  in  gar  keiner  Be- 
rührung, wie  leider  anderswo  vielfach  auch.  Und  ganz  im  Wesen  dieses  Dualismus 
ist  die  von  Witt  erzählte  Anekdote,  dass  ein  ostpreussischer  Lehrer,  der  Jahre  lang 
die  eiliTToSts  ßoca  als  schleppfüssige  Rinder  demonstriert  hatte,  ganz  ausser  sich  ge- 
wesen sei  und  das  wunderbare  Zusammentreffen  der  lebendigen  Natur  mit  dem  ge- 
schriebenen Homer  gepriesen  habe,  als  er  auf  einem  Spaziergange  die  Rinder  wirk- 
lich die  Füsse  nachschleppen  sah.  Das  Buch  liefert  auch  Beiträge  zur  politischen 
Geschichte  Preussens,  besonders  der  Schicksale  des  1848er  Tiberalismus,  dessen  An- 
hängerschaft Witt  sein  Amt  als  Gymnasiallehrer  in  Hohenstein  kostete.  Erst  nachdem 
er  zehn  Jahre  seines  Amtes  entsetzt  gewesen  war,  wurde  er  in  Königsberg  am  alt- 
städtischen Gymnasium  wieder  angestellt.  Da  die  Zeiten  inzwischen  andere  geworden 
waren,  so  konnte  er  bis  an  sein  Lebensende  (1891)  seinen  fortschrittlichen  Ansichten 
huldigen,  ohne  je  wieder  belästigt  zu  werden.  —  Lohmeyer79)  hat  uns  sehr  aus- 
führlich den  Lebensgang  und  die  wissenschaftliche  Thätigkeit  des  ehemaligen 
Gymnasialdirektors  in  Eibingen  Max  Toeppens  (1822—93)  vorgeführt.  Toeppens  Be- 
deutung liegt  in  seinen  Leistungen  für  das  Gebiet  der  altpreussischen  Geschichte.    Nennt 


(IV  5:615.)  —  75)  H.  Fechner,  G.  W.  M.  Thilo:  ADB.  38,  S.  37-40.  —  76)  K.  Kehrbach,  Ph.  Spitta:  MGESchG.  4, 
S.  XXXVI-VII.  —  77)  (I  10  :  126,7.)  —  78)  8.  Hensel,  K.  Witt,  e.  Lehrer  u.  Freund  d.  Jugend.  B.,  Behr.  XI,  340  S.  M.  5,00. 
—  79)  K.  Lohmeyer,  M.  Toeppen:  AltprMschr.  31,  S.  148-83.    -    80)  F.  W.  Dörpfeld,  Ges.  Sohriften.    I.  Bd.:  Beitrr.  z. 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens.     I  12  :  81-94 

ihn  doch  die  Universität  Königsberg-  in  dem  erneuten  Doktordiplom  alter  parens  et 
conditor  der  preussischen  Geschichte.  —  Der  steigende  Einfluss,  den  Dörpfeld  auf  die 
Schulpädagogik  ausgeübt  hat  und  noch  ausübt,  wird  auch  dokumentiert  durch  die 
Neuausgabe  seiner  Schriften.  Von  der  von  Bertelsmann  verlegten  Ausgabe  der  ge- 
sammelten Schriften  Dörpfelds 80-8r)  sind  Band  I  und  II  erschienen:  Beiträge  zur 
pädagogischen  Psychologie  (Denken  und  Gedächtnis,  Bildung  der  Begriffe)  und  die 
Schriften  zur  allgemeinen  Didaktik  (Grundlinien  einer  Theorie  des  Lehrplans  und  der 
didaktische  Materialismus).  Auch  die  bekannte  Denkschrift  „Das  Fundamentstück  einer 
gerechten,  gesunden,  freien  und  friedlichen  Schulverfassung"  ist  neu  aufgelegt  worden.  — 
Ueber  seine  Schriften  zur  Schulverfassungsfrage  hat  Dörpfeld  sich  selbst  in  einem 
Briefe,  den  er  Mitte  der  80  er  J.  an  einen  Wiener  Universitätsprofessor  gerichtet 
hatte,  und  der  jetzt  von  Georg  Müller82)  veröffentlicht  wird,  ausgelassen.  —  Nach  dem 
Tode  Dörpfelds  sind  eine  Reihe  Veröffentlichungen  erschienen,  die  sich  mit  diesem 
verdienstvollen  Schulmanne,  der  in  den  Spuren  Herbarts  gewandelt,  beschäftigen. 
Die  Schrift  Vogelsangs83)  will  nicht  eine  ausführliche  Biographie,  sondern  nur  eine 
kurze  Darstellung  seines  Lebens  nebst  dem  Wichtigsten  aus  seiner  segensreichen 
und  vielseitigen  Thätigkeit  liefern :  Dörpfeld,  obwohl  während  seines  ganzen  Lebens 
Volksschullehrer,  verdiene  mit  Comenius,  Pestalozzi,  Herbart  usw.  in  eine  Reihe 
gestellt  zu  werden.  Zu  der  Allseitigkeit  seiner  wissenschaftlichen  Bildung  und  der 
Weite  seines  philosophischen  Blickes  käme  noch  seine  charaktervolle  Persönlich- 
keit.84-85) —  Durch  Ho  che86)  erfahren  wir  Näheres  über  des  ehemaligen  evangelischen 
Rektors  Suffrian  (1805-  76)  Lebensgang.  Frühzeitig  lag  er  naturwissenschaftlichen 
Studien  ob,  die  besonders  der  Entomologie  galten.  Als  Organisator  hat  er  in  der 
Realschule  in  Siegen,  deren  Direktor  er  1836  geworden  war,  einen  Typus  geschaffen, 
der  die  Grundlage  für  die  1859  erfolgte  Regelung  des  preussischen  Realschulwesens 
gebildet  hat.  —  Eines  verdienstvollen  Mannes  aus  dem  Benediktinerorden,  der  als 
Ordensbruder  den  bezeichnenden  Namen  Hermann  Contractus  trug,  als  Lehrer  und 
Seelsorger  zugleich  geschätzt  war,  allgemeineren  Ruf  aber  noch  erlangte  durch  seine 
Thätigkeit  als  Jugendschriftsteller,  besonders  als  Herausgeber  der  katholischen  Kinder- 
bibliothek und  der  in  ungemein  starker  Auflage  verbreitet  gewesenen  Unterrichts- 
und Gebetsperlen,  des  P.  Hermann  Koneberg  (1837—91),  gedenkt  Grimm87). 
—  Eine  kurze  biographische  Skizze  der  Entwicklung  von  Gust.  Völcker  (1845—82), 
ehemaligem  Direktor  des  Realprogymnasiums  in  Schönebeck,  hat  Mangold88)  ge- 
geben. —  Der  Lebensgang  Ed.  Bocks,  eines  Mannes,  der  sich  um  die  Entwicklung 
der  Methodik  des  deutschen  Unterrichts  besondere  Verdienste  erworben  hat,  wird 
von  Förster89)  vorgeführt.  —  Carstens90)  schildert  uns  die  Verdienste  eines 
Schleswig- hoMeinschen  Schulmannes,  des  Rektors  an  der  Stadtschule  in  Friedrich- 
stadt a.  E.,  Karl  Chrn.  Tadey  (1802—41),  der  mit  Nachdruck  die  Notwendigkeit  der 
Gründung  höherer  Bürgerschulen,  in  denen  der  Bürgers-  und  Geschäftsmann  die 
unumgänglich  notwendigen  Kenntnisse  auf  der  Grundlage  eines  Herz  und  Geist  Ver- 
edelnden Unterrichts  sich  erwerben  könnte,  betonte.  — 

Einem  sächsischen  Schulmanne,  dem  ehemaligen  Rektor  der  evangelischen 
Freischule  in  Leipzig,  Louis  Thomas,  widmet  der  verdiente  Historiograph  der  säch- 
sischen Schuigeschichte,  Georg  Müller91),  einen  Artikel,  aus  dem  Thomas  Geschick- 
lichkeit für  die  Praxis  des  Lehrerberufs  und  für  die  pädagogische  Schriftstellerei,  die 
er  mit  Berthelt,  Jaeckel  und  Petermann  in  der  Abfassung  ungemein  verbreiteter  Lehr- 
bücher für  den  Volksschulunterricht  ausübte,  zu  erkennen  ist.  —  Eines  Mannes,  dessen 
Verdienste  um  die  Organisation  der  allgemeinen  deutschen  Lehrerversammlungen, 
als  deren  getreuer  Eckehart  er  mehrfach  bezeichnet  wurde,  jetzt  noch  bei  älteren 
Lehrern  unvergessen  sind,  des  ehemaligen  Ohrdrufer  Superintendenten  und  Bezirks- 
schulinspektors Adolf  Moritz  Schulze  (1808—81),  gedenkt  Schumann92).  Eine  un- 
gemein vielseitige  pädagogische  Wirksamkeit  hat  Schulze  in  dem  Herzogtum  Gotha 
ausgeübt.  Er  hat  es  verstanden,  vielen  modernen  Anforderungen  an  die  Schule: 
Errichtung  von  Turnplätzen,  Schulbibliotheken,  physikalischen  Kabinetten,  Einführung 
von   weiblichen  Handarbeiten   in    den  Schulunterricht,    Jugendfesten,   Erhöhung   der 


päd.  Psychol.  1.  Denken  u.  Gedächtnis.  2.  D.  sohulmäss.  Bildung  d.  Begriffe.  II.  Bd.:  Z.  allg.  Didaktik.  1.  Grandlinien  e. 
Theorie  d.  Lehrplans.  2.  D.  didakt.  Materialismus.  Gütersloh,  Bertelsmann.  XXVI,  171  u.  47  S.;  XIV,  170  u.  140  S.  M.  2,50; 
M.  3,20.  —  81)  id.,  D.  Fnndamentstück  e.  gerechten,  gesunden,  freien  u.  friedl.  Schulverfassung.  1.-4.  Lfg.  Hilchenbach, 
Wiegand.  1392—93.  IX,  350  S.  M.  3,50.  (Lfg.  lu.2:  1892;  3u.4:  1893.)  —  82)  Georg  Maller,  Dörpfeld  über  seine  Schriften 
z.  Schulverfassungsfrage:  DB11EU.  21,  S.  1336.  —  83)  W.  Vogel  sang,  Rektor  F.  W.  Dörpfeld,  Kurze  Darst.  seines  Lebens 
u.Wirkens.  Hilchenbach,  Wiegand  23  S.  M.  0,60.  —  84)  X  Hörn,  Gedächtnisrede  auf  F.  W.  Dörpfeld.  Geh.  im  Ver.  f.  Her- 
bartsche  Paed,  in  Rheinland-Westfalen.  Referat:  DB11EU.  21,  S.  113,4.  -  85)  X  Th.  Hermann,  F.  W.  Dörpfeld,  e. 
Altmeister  unter  d.  dtsch.  Lehrern:  Daheim  30,  S.  316  8.  —  86)  R.  Hoche,  Ch.  W.  L.  Ed.  Suffrian:  ADB.  37,  S.  135,6.  — 
87)  O.  Grimm,  P.  H.  Koneberg:  KZEU.  43,  S.  5025.  -  88)  Fr.  Mangold,  Direktor  G.  Völker:  COIRW.  22,  S.  465,9.  — 
89)  Ed.  Förster,  Ed.  Bock,  weil.  Geh.  Regierungs-  u.  Schulrat.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  preuss.  Volksschule:  PädBll.  23, 
S.  101-60.  -  90)  C.  E.  Carstens,  K.  Chrn.  Tadey:  ADB.  37,  S.  3412.  -  91)  Georg  Mal  ler,  L.  Thomas:  ib.  38,  S.  90.  — 
92)  A.    Schumann,    Ad.  M.  Schulze:    ib.  37,    S.  325/8.    —    93)  (I  2:52.)    —    94)  E.  Gundert,    W.  Glauncr:  MGESchG.  4, 


I  12:95-100     K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

Lehrerbesoldung',  die  Zustimmung  der  Behörden  und  anderer  Kreise  zu  erwirken. 
Zahlreich  sind  die  pädagogischen  Abhandlungen,  Lehrbücher  und  Recensionen,  die 
von  ihm  ausgegangen  sind.  —  Bruchstücke  zu  einer  zukünftigen  ausführlicheren 
Lebensbeschreibung  Rudolf  Hildebrands  (1824—94),  des  verstorbenen  Germanisten 
an  der  Leipziger  Universität,  werden  von  Berlit93)  nach  persönlichen  Eindrücken 
und  Erinnerungen  dargeboten.  Ausser  seiner  Thätigkeit  als  Universitätslehrer  und 
vorher  als  Lehrer  an  der  berühmten  Thomana  ist  auch  Hildebrands  Mitarbeit  an  dem 
Grimmschen  Wörterbuche  hervorragend.  Das  Interesse  für  die  Schule  und  den 
deutschen  Unterricht  hat  er  noch  in  späteren  Lebensjahren  durch  sein  treffliches 
Buch  von  der  deutschen  Sprache  und  —  bereits  früher  —  durch  seine  Mitbegründung 
der  von  Lyon  herausgegebenen  ZDU.  bethätigt.  — 

Gundert94),  der  Vorsitzende  der  Gruppe  Württemberg  der  Gesellschaft 
für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte,  widmet  einem  Mitgliede  dieser  Gruppe, 
dem  verstorbenen  Stadtpfarrer  Wilhelm  Glauner  in  Wildbad,  einen  Nachruf,  in  dem 
Glauner  als  pädagogischer  Schriftsteller  gewürdigt  wird.  — 

Die  Erinnerung  an  einen  Schulmann  und  Apostel  des  evangelischen  Deutsch- 
tums in  den  russischen  Ostsee  pro  vinzen  wird  wachgerufen  durch  Ed.  Thrämer  s95) 
Biographie  von  Theod.  von  Thrämer  (1809 — 59),  dessen  ganze  Lebensarbeit  eine 
reformatorische  war,  der  in  die  baltische  Pädagogik  ein  frisches,  bald  auch  von 
Deutschland  mit  Genugthuung  bemerktes  Leben  brachte,  der  in  seinen  Bestrebungen 
für  Hebung  des  deutschen  Sprachunterrichts  die  Zustimmung  J.  Grimms  fand  und 
durch  seinen  Grundriss  der  deutschen  Stillehre  auf  die  Methodik  des  deutschen 
Unterrichts  am  Gymnasium  befruchtend  wirkte.  —  Die  von  M.  Böhm96)'  veröffentlichten 
Tagebuchblätter  aus  dem  Nachlass  seines  Vaters  Chr.  Böhm  führen  uns  die  Lebens- 
entwicklung eines  Mannes  vor,  der,  in  der  Jugend  Weingärtnerlehrling  bei  Stuttgart, 
später  Zögling  des  Seminars  zu  Esslingen,  durch  eigene  Kraft  sich  —  besonders  in 
den  Sprachen  —  weiter  bildete,  was  ihn  befähigte,  als  Lehrer  in  verschiedenen 
Pensionaten  und  Anstalten  thätig  zu  sein.  Seine  Mitteilungen  sind  für  die  Geschichte 
der  Schule  und  der  sie  innerhalb  gewisser  Zeiträume  beherrschenden  Fragten  nicht 
unwichtig.  Nachdem  er  vor  dem  Kuratorium  der  Dorpater  Universität,  noch  ein 
Staatsexamen  gemacht,  wurde  er  später  Lehrer  an  der  Kreisschule  zu  Wenden  in 
Livland.  — 

Universitäten:  Allgemeines.  Nicht  ohne  Wert  sowohl  für  den  Einblick  in 
den  Unterricht  deutscher  Fürstensöhne  in  früheren  Zeiten  als  auch  für  die  Universitäts- 
geschichte ist  ein  von  Friedr.  Schmidt97),  dem  verdienstvollen  Historiker  der  Erziehung 
der  bayerischen  W7ittelsbacher  (MGP.  XIV),  veröffentlichter,  von  dem  Prinzen  Wilhelm 
von  Bayern  1562  als  Stilübung  verfasster  lateinischer  Brief.  Es  wird  da  erwogen, 
welche  Universitäten  für  einen  Deutschen  am  geeignetsten  sind.  Vor  dem  Besuche 
französischer  und  italienischer  Hochschulen  wird  abgeraten  und  unter  den  deutschen 
Ingolstadt  empfohlen.  —  Va  r  ren  t  r  ap  p98),  der  die  Verdienste  des  Grossen  Kur- 
fürsten um  die  Universitäten  vorführt,  hat  für  seine  Studie  das  Gewand  einer  Festrede 
an  Kaisers  Geburtstag  gewählt.  Er  hebt  hervor,  wie  der  Grosse  Kurfürst  den  in 
Frankfurt  und  Königsberg  unter  den  Studenten  grassierenden  Pennalismus  einschränkte, 
wie  er  den  in  den  Disputationen  an  den  Universitäten  herrschenden  dogmatischen 
Spitzfindigkeiten  entgegentrat  und  aus  diesem  Grunde  seinen  Landeskindern  den 
Besuch  der  Wittenberger  Universität  verbot,  wie  er  die  Reformierten  gegen  die 
Verketzerungen  durch  die  Lutheraner  schützte,  und  wie  er,  um  eine  Universität  mit 
freiem  wissenschaftlichen  Geiste  zu  schaffen,  die  von  den  Jülich-Kleveschen  Herzögen 
geplante  Universität  Duisburg  gründete;  ja,  er  dachte  sog'ar  daran,  eine  branden- 
burgische „Universal-Universität  der  Völkerwissenschaften  und  Künste"  zu  errichten.  — 

lieber  die  Zustände  an  der  Berliner  Universität  in  den  ersten  Jahren 
ihres  Bestehens  hat  Geiger99)  eine  Anzahl  von  Mitteilungen  veröffentlicht,  die  aus 
den  Briefen  des  Staatsrats  Uhden  an  K.  A.  Böttiger  in  Dresden  entnommen  sind.  Wir 
erfahren  Einzelheiten  über  verschiedene  Docenten,  so  über  Fichte,  über  ihre  Berufungen, 
über  die  Studentenschaft  usw.  — 

Von  einem  Anonymus100)  sind  Bilder  aus  der  Geschichte  der  kurfürstlichen 
Universität  Bonn  veröffentlicht,  die  sich  im  wesentlichen  mit  der  Gründung  (1786) 
und  den  Gründungsfeierlichkeiten  dieser  Universität,  die  1797  einging,  beschäftigen. 
Am  Schlüsse  berichtet  der  Vf.  über  die  ferneren  Schicksale  einzelner  Lehrer  dieser 
Hochschule,  unter  denen  Eulogius  Schneider  in  berüchtigtem  Andenken  steht.  — 


S.  XXXV.  -  95)  Ed.  Thrämer,  Th.  v.  Thrämer:  ADB.  38.  S.  123/7.  —  96)  M.  Böhm,  Lebenswege  e.  sohwäb.  Päd.  Tage- 
bnchbll.  ans  d.  Nachl.  d.  weil.  Schnlinsp.  zu  Wenden  (Livland)  Chrn.  Böhm.  Reval,  Kluge.  1893.  83  S.  M.  1,20.  —  97) 
Friedr.  Schmidt,  E.  epistola  suasoria  d.  Prinzen  Wilhelm  v.  Bayern  aus  d.  J.  1562.  E.  Beitr.  z.  Charakteristik  verschiedener 
Univ.  u.  Länder:  MGESchG.  4,  S.  167-71.  —  98)  (1  4:57;  III  1:200.)  —  99)  L.  Geiger,  Berliner  Analekten.  D.  Anfänge 
d.  Berliner  Univ.:  Euph.  1,  S.  365-82.   -•    100)  A.,   D.  kurfttrstl.  Univ.  zu  Bonn.    (=  Bilder    aus   d.  Gesch.  v.  Bonn  u.  seiner 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehung-swesens.     I  12  :  101-109 

Ein  Verzeichnis  von  Studierenden  in  Dillingen  im  J.  1599,  das  eine 
Beilage  zu  den  Berichten  des  damaligen  schweizerischen  Nuntius  an  den  Kardinal 
Staatssekretär  S.  Giorgio  gebildet  hatte,  veröffentlicht  von  Weech101).  Es  sind  in 
dem  Verzeichnisse  nur  die  Angehörigen  der  Benediktiner,  Cistercienser  und  Präin on- 
stratenser  mit  Angabe  der  Abtei,  aus  der  sie  stammten,  aufgeführt.  — 

Die  Erinnerung  an  die  vor  500  J.  gegründete,  1816  aufgelöste,  ehemals 
berühmte  Universität  Erfurt  ist  von  dem  Vereine  für  die  Geschichte  Erfurts 
durch  einen  Vortrag,  den  0  e  r  g  e  1 102)  im  Aultrage  des  Vereins  im  Mai  1892 
gehalten  hat,  aufgefrischt  worden.  Oe.,  der  schon  durch  seine  Studie  über  das 
Erfurter  Collegium  majus  die  Universitätsgeschichte  gefördert  hat  (vgl.  I  4 :  65), 
spricht  zunächst  über  die  Gründung  dieser  Universität,  beantwortet  hierbei  die  Frage, 
wann  sie  gegründet  wurde,  teilt  dann  mit,  dass  ähnlich  wie  in  Köln  die  Universität 
durch  den  Rat  und  die  Bürgerschaft  ins  Leben  gerufen  worden  sei,  und  erörtert  die 
Gründe,  die  die  Bürgerschaft  hierzu  veranlassten  in  einer  Zeit,  in  der  Kursachsen, 
Kurbrandenburg,  Hessen,  Kurtrier  usw.  noch  kein  Studium  generale  eröffnet  hatten. 
Indem  er  sich  Denifles  Forschungen  zu  Nutze  macht,  weist  er  übrigens  nach,  dass 
schon  vor  der  Gründung  des  Studium  generale  ein  hochentwickeltes  Bildungswesen 
in  Erfurt  existierte.  — 

Gesterding 103)  hat  sich  durch  das  Verzeichnis  der  für  die  Studierenden 
der  Universität  Greifswald  vorhandenen  Stiftungen,  Stipendien  und  Benefizien 
ein  Verdienst  erworben,  da  das  im  J.  1829  von  einem  Verwandten  des  Vf.  heraus- 
gegebene Buch  (Greifs waldische  Stipendien  für  Studierende)  im  Buchhandel  längst 
vergriffen  war  und  selbstverständlich  auf  Vollständigkeit  keinen  Anspruch  mehr 
erheben  kann.     (Vgl.  auch  I  4 :  62.)  — 

Zwei  berühmte  deutsche  Universitäten  haben  in  diesem  Jahre  Jubiläen  ge- 
feiert, die  Universität  Halle,  auf  deren  Feier  des  200jährigen  Bestehens  schon 
im  vorigen  Bande  (JBL.  1893  I  6:  110)  aufmerksam  gemacht  wurde,  und  die  Univer- 
sität Königsberg,  die  auf  eine  350jährige  Existenz  zurückblicken  kann.  Die  be- 
deutsamste Gabe,  die  aus  Veranlassung  der  Hallenser  Jubiläumsfeier  entstanden  ist, 
—  Schraders  vorzügliches  Werk  fällt  in  das  J.  1893  (JBL.  1893  I  6:  110;  vgl.  auch 
III  5 :  67)  —  ist  der  von  der  Universitätsbibliothek  in  Halle  herausgegebene  zweite 
Band  des  von  Förstemann  im  J.  1841  begonnenen  Album  academiae  Vitebergensis 
(1502 — 60) ,04).  Von  der  ganzen  mühsamen  Arbeit,  die  unter  der  Oberleitung  Hart- 
wigs in  der  Hauptsache  von  Naetepus  und  Häckradt  unter  freundschaftlicher 
Beihilfe  der  übrigen  Bibliothekbeamten  ausgeführt  worden,  ist  leider  nur  der  erste 
Teil  veröffentlicht  worden,  der  die  Fortsetzung  der  Inscriptiones  bis  zum  J.  1602  enthält. 
Der  zweite  Teil,  durch  den  der  erste  erst  recht  nutzbar  werden  wird,  soll  die  Indices 
enthalten.  Auf  dem  Titelblatte  des  vorzüglich  ausgestatteten  Werkes,  einer  ausser- 
ordentlich ergiebigen  Quelle  besonders  auch  für  die  Geschichte  des  Protestantismus, 
sind  die  von  Ludwig  Cranach  gemalten  Porträts  Luthers  und  Melanchthons  zum 
ersten  Male  in  Originalgrösse  reproduziert.  Die  in  Aussicht  gestellte  Fortsetzung 
des  Werkes  wird  jeder  mit  Freuden  begrüssen.  —  Eine  ungemein  fleissige  Arbeit  ist 
auch  die  des  bekannten  Nationalökonomen  Conrad105)  in  Halle.  Seine  statistischen 
Nachrichten  erstrecken  sich  auf  die  Frequenzverhältnisse  der  Universität  vom 
J.  1693 — 1893.  C.  giebt  ziffernmässige  Belege  über  die  Frequenz  Verhältnisse  der 
einzelnen  Fakultäten,  über  die  Dauer  des  Studiums,  über  Stand  oder  Beruf  der 
Väter  der  Studierenden,  über  die  Finanz  Verhältnisse  der  Universität,  über  die 
Docenten,  den  Universitätsbesuch  durch  Ausländer,  über  die  Gehaltsverhältnisse 
der  Professoren,  über  Promotionen  usw.  —  Auch  von  dem  verdienstvollen  His- 
toriker Hertzb  erg  106_109)  rühren  mehrere  durch  das  Jubiläum  veranlasste 
Schriften  her.  In  gedrängter  Kürze  giebt  er  eine  übersichtliche  Darstellung  der 
Geschichte  der  Universität  Halle,  wobei  hervorragende  Vertreter  der  einzelnen  Fakul- 
täten charakterisiert,  das  Verhältnis  der  Universität  zur  Stadt,  das  studentische  Leben 
in  den  verschiedenen  Perioden  und  allerlei  interessante  Einzelheiten  geschildert 
werden.  In  der  Festschrift  des  thüringisch-sächsischen  Geschichts-  und  Altertums- 
vereins hat  H.  sein  Thema  enger  gefasst  und  eine  fliessend  geschriebene  Schilderung 
der  Stadt  und  Universität  Halle  im  J.  1794  gegeben.  Hier  interessiert  besonders 
die  Darstellung,  soweit  sie  sich  auf  die  Bildungsanstalten  Halles  beziehen.  Das  alte 
lutherische  Gymnasium,    das    1565   im   alten  Franziskanerkloster   gegründet   worden 


Umgebung.)  Bonn,  Hauptmann.  28  S.  M.  0,50.  —  101)  F.  v.  Weeoh,  Studierende  in  Dillingen  1599:  ZGORh  9,  S.  518,9 
—  102)  (I  4:64.)  —  103)  K.  Gesterding,  Stiftungen,  Stipendien  u.  Beneficien  für  Studierende  an  d.  Univ.  Greifswald. 
Greifswald,  Abel.  IV,  96  S.  M.  1,80.  -  104)  (II  6  :  154.)  —  105)  J.  Conrad,  D.  Statistik  d.  Univ.  Halle  währ.  d.  200  J. 
ihres  Bestehens.  (Sonderabdr.  aus  Festschr.  z.  200j.  Jubil.  d.  Univ.  Halle.)  Jena,  G.  Fischer.  4».  78  S.  M.  3,00.  —  106)  G. 
Hertzberg,  Kurze  Uebersicht  über  d.  Gesch.  d.  Univ.  in  Halle  a.  S.  bis  z.  Milte  d.  19.  Jh.  Halle  a.  S.,  Anton.  III,  78  S.  Mit 
Bild.  M.  1,00.  —  107)  id.,  55.  Entwicklung  d.  Fridericiana.  Festschr.  z.  Feier  d.  200 j.  Besteh,  d.  Univ.  Halle.  Halle  a.  S., 
Hendel.  Fol.  4  S.  M.  0,50.  (Ist  e.  Ausz.  aus  N.  106.)  —  108)  id.,  Z.  Entwickl.  d.  Fridericiana:  FZg.  N.  211.  —  109) 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (1)22 


I  12  i  uo-183     K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

war,  leitete  seit  1780  Mag.  Benjamin  Friedrich  Schmieder,  unter  dem  bei  den  grossen 
„Rede-Aktus"  die  Schüler  kleinere  Schauspiele  aus  Weisses  Kinderfreund  aufführten, 
ein  Gebrauch,  der  erst  1801  abgeschafft  wurde.  Das  reformierte  Gymnasium  war  um 
jene  Zeit  nur  schwach  besucht:  1790  hatte  es  in  den  beiden  obersten  Klassen  nur 
5  Schüler.  Interessant  ist  der  Beschluss  der  Bürgerschaft  und  des  Presbyteriums, 
in  dem  reformierten  Gymnasium  mehr  Rücksicht  auf  die  realen  Disciplinen  zu  nehmen, 
da  die  Anstalt  nicht  bloss  für  künftige  Studierende  da  sei,  sondern  auch  für  die  Bürger 
und  Kaufleute  mehr  sorgen  müsse.  Von  dem  damaligen  Subrektor  Dessmann  wird 
berichtet,  dass  er  1793  eine  Schule  für  die  Töchter  der  vornehmeren  Familien  ein- 
richtete. Die  bedeutendste  Stellung  nahmen  nach  wie  vor  die  Franckeschen  Stiftungen 
ein,  trotzdem  die  Zeiten  ihres  alten  Glanzes  vorüber  waren  —  eine  Folge  des  Aus- 
lebens des  Pietismus.  Die  Universität  nahm  gerade  beim  Abschluss  des  ersten  Jh.  ihres 
Bestehens  einen  neuen  Aufschwung;  eine  Säkularfeier  aber  unterblieb  damals  infolge 
der  durch  das  Wöllnersche  System  veranlassten  Vorgänge.  —  Geiger  110)  hat  in 
seinem  Beitrage  zur  Geschichte  der  Universität  Halle  zwei  Persönlichkeiten  aus  dem 
ehemaligen  Lehrkörper  dieser  Universität,  Christian  Thomasius  und  Friedr.  Aug.  Wolf, 
herausgegriffen  und  charakterisiert.111)  —  Speciell  über  die  Gründung  der  Universität 
haben  von  Hanstein112)  und  W.  Kawerau113)  gehandelt.  —  Eine  Anzahl  von  kleineren 
Aufsätzen,  Illustrationen,  Gedichten,  Erinnerungen  zur  Geschichte  der  Universität 
bringt  die  Festausgabe  der  Saale-Zeitung114).  Es  befinden  sich  darunter  ausser  dem 
Aufsatz  von  Hertzberg  auch  eine  Plauderei  über  den  Dichter  des  Gaudeamus  igitur, 
den  Mag.  Kindleben,  von  Arnold  Wellmer,  und  Erinnerungen  von  Justus  Hendel.  — 
Ehrenberg115)  hat  seine  in  der  Strassburger  Post  veröffentlichten,  die  Geschichte  der 
Stadt  und  der  Universität  Halle  betreffenden  kleinen  Skizzen  in  einem  besonderen 
Schriftchen  vereinigt.116-128)  —  In  der  von  Mirbt129)  verfassten  Geschichte  der  theo- 
logischen Fakultät  der  Universität  Halle  werden  drei  Epochen  unterschieden:  Die 
Epoche  des  Pietismus  ist  an  den  Namen  August  Hermann  Franckes,  die  des  Ratio- 
nalismus an  Christian  Wolff,  Semmler,  Wegscheider  und  Gesenius,  die  der  Ver- 
mittlungstheologie an  den  Namen  Tholucks  geknüpft130).  —  Die  Beziehungen  zwischen 
der  Hallischen  Universität  und  den  Franckeschen  Stiftungen  werden  von  Knauth  in 
der  Epistola  gratulatoria,  die  die  Einleitung  der  von  der  Latina  der  Universität 
gewidmeten  Festschrift 131)  bildet,  charakterisiert.  Dass  auch  das  Kloster  Unserer 
lieben  Frauen  in  Magdeburg  in  enge  Beziehung  zur  Universität  Halle  gebracht  werden 
sollte,  dürfte  bis  jetzt  weiteren  Kreisen  nicht  bekannt  geworden  sein.  Um  so  dank- 
barer sind  Hertels132)  Nachrichten  hierüber.  Das  Kloster  sollte  mit  seinen  Ein- 
künften nach  Halle  verlegt  und  mit  der  zu  gründenden  Universität  vereinigt  werden. 
Obwohl  die  Verhandlungen  hierüber  mit  grösstem  Eifer  betrieben  wurden,  blieb 
schliesslich  das  Kloster  doch  in  Magdeburg.  —  Auch  die  Beziehungen  der  Universität 
Halle  zum  alten  Dessauer,  die  freilich  niemals  die  besten  waren,  werden  wieder  auf- 
gefrischt133). — 

Der  bekannte  Historiker  Prutz134)  hat  in  einem  auf  genauer  Quellen- 
forschung beruhenden  Werke  die  Geschichte  der  Königsberger  Universität  im 
19.  Jh.  dargestellt.  Nach  einem  kurzen  Ueberblick  über  die  ältere  Geschichte  der 
Albertina  schildert  er  die  Bedeutung  Kants,  der  der  Universität  am  Ende  ihrer  alten 
Epoche  zum  Weltruf  unter  den  Hochschulen  Deutschlands  verholfen  hatte.  Nach  dem 
Tode  Kants  (1804),  der  übrigens  schon  1797  seine  Lehrthätigkeit  aufgegeben, 
wird  der  erste  Versuch  der  so  notwendigen  Reorganisation  der  Albertina  1805  und 
1806  gemacht.  Das  Unglücksjahr  1806  hat  nur  vorübergehend  diese  Arbeit  gehemmt. 
Es  ist  geradezu  erstaunlich,  dass  in  jener  Zeit  der  tiefsten  Erniedrigung  Preussens 
die  Mittel  für  die  Hebung  des  höheren  und  niederen  Bildungswesens  so  reichlich 
fliessen   konnten.     Neue    Kräfte    wurden   berufen,    unter    denen  Herbart    und  Bessel 


(I  4:58.)  —  110)  L.  Geiger,  Z.  Gesch.  d.  Univ.  Halle:  NFPr.  N.  10753.  -  111)  X  Aus  d.  Gesch.  d.  Hallenser  Univ.:  VossZg. 
N.  354.  —  112)  A.  v.  Hanstein,  Gründung  d.  Univ.  Halle:  Didask,  S.  502/3.  —  113)  W.  Kawerau,  D.  Anfänge  d.  Univ. 
Halle:  MhComeniusG.  3,  S.  233-52.  —  114)  Festsohr.  z.  Feier  d.  200 j.  Bestehens  d.  Univ.  Halle.  Festausg.  d.  SaaleZg.  Halle  a.  S., 
Hendel.  Fol.  11  S.  M.  0,50.  -  115)  F.  Ehrenberg,  D.  Univ.  Halle  1894.  E.  Grass  aus  Strassbarg  z.  200.  Jahresfeste. 
Strassburg  i.  E.,  W.  Heinrich.     17  S.    M.  0,40.  —  116)  X  Acaderaicus,  Alte  u.  neue  Erinnerungen  an  Halle:  NatZg.  N.  408. 

—  117)  X  J-.  D>  Hallenser  Jubil.-Tage :  ib.  N.  444,  446.  —  118)  X  H.  S.,  D.  Jubelfeier  d.  Univ.  Halle:  WeserZg.  N.  17126, 
17129,  17130.  —  119)  X  W.  Kawerau,  D.  Jubelfeier  d.  Univ.  Halle.  Halle  a.  S.,  E.  Strien.  62  S.  M.  0,75.  (Sonderabdr. 
aus  MagdZg.)  —  120)  X  D.  200j.  Jubelfeier  d.  Univ.  Halle:  DB11EU.  21,  S.  273/4,  282,3.  —  121)  X  ß-,  D.  200 j.  Jubelfeier 
d.  Univ.  Halle:  SchlesZg.  N.  537.  —  122)  X  R-  s-  200j.  Jubelfeier  d.  Univ.  Halle:  Post  N.  208-12.  —  123)  X  Th.  Braun, 
D.  Univ.  Halle:  Zeitgeist  N.  30.  —  124)  X  Hallesche  Festtage:  ÜL&M.  72,  S.  962.  —  125)  X  p-  Rache,  Z.  200j.  Jubil.  d. 
Univ.  Halle- Wittenberg:  ib.  S.  875/8.  —  126)  X  O.  Günther,  D.  Jubelfeier  d.  Univ.  Halle:  Gartenlaube  N.  378-82.  —  127)  X 
Z.  Universitätsjubil.  in  Halle:  BerlBörsCour.  N.  352.  —  128)  X  Ad.  Müller,  Z.  Jubelfeier  d.  Univ.  Halle:  NorddAZg.  N. 355. 

—  129)  K.  Mirbt,  D.  theol.  Fakultät  d.  Friedrichs-Univ.  zu  Halle:  KM.  13,  S.  653-66.  —  130)  X  &  Fey,  D.  theol.  Fakult. 
zu  Halle  1694—1894:  Pfarrhaus  10,  S.  113/5.  —  131)  Festschr.  z.  200j.  Jubelfeier  d.  vor.  Friedrichs-Univ.  Halle- Wittenberg, 
dargebr.  v.  d.  lat.  Hauptschule  d.  Franckeschen  Stiftungen.  Halle  a.  S.,  Waisenhaus.  4°.  IX,  117  S.  M.  2,00.  —  132)  G. 
Hertel,  D.  Kloster  U.  L.  Fr.  u.  d.  Errichtung  d.  Univ.  Halle:  MagdZgB.  N.  29.  —  133)  D.  „Alte  Dessauer"  u.  d.  Univ. 
Halle:  Didask.  S.  758.  —  134)  (I  4:60.)     I [SchlesZg.  N.  670.] |    —   135)  K.  Gareis,   D.  Univ.  Königsberg  im  19.  Jh.:  NatZg. 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens.     I  12  :  136-149 

hervorragten.  An  der  burschenschaftlichen  Bewegung,  die  in  dem  Wartburgfeste 
ihren  Ausdruck  fand,  haben  Königsberger  Studenten  sich  nicht  beteiligt.  —  Die 
gediegene  Arbeit  von  Prutz  hat  mehrfach  die  Grundlage  für  kleinere  Artikel  gebildet, 
so  für  den  Aufsatz  von  Gar  eis135)  über  die  Universität  Königsberg  im  19.  Jh.  und 
für  die  Arbeit  von  Hertz ,36).  —  Auch  Prutz  137)  selbst  giebt  in  seiner  vorzüglichen, 
in  der  Aula  der  Königsberger  Universität  am  27.  Jan.  1894  gehaltenen  Festrede  einen 
Auszug*  aus  seinem  Werke.  Eine  ganz  kurze  Skizze 138)  der  Entwicklung  der  Universität 
nebst  dem  Programm  für  die  Festfeier  bringt  die  Frankfurter  Zeitung.139"142)  — 
Stettiner  143)  hat  seine  vorher  einzeln  veröffentlichten  Skizzen  über  die  Geschichte 
der  Albertina  in  einer  kleinen  Schrift  vereint,  durch  die  man  in  unterhaltender,  das 
kulturhistorische  Element  besonders  hervorhebender  Form  eine  Gesamtübersicht  über 
die  Entwicklung  der  Universität  von  den  Zeiten  des  Georgius  Sabrinas,  des  ersten 
Rektors  der  Königsberger  Universität,  eines  Schwiegersohnes  von  Melanchthon,  bis 
in  die  neuere  Zeit  hinein  erhält.  — 

Gess144)  schildert  die  Verhältnisse  der  Leipziger  Universität  um  das 
J.  1502  auf  Grund  der  vom  Herzog  Georg  eingeforderten  Gutachten  über  Missstände 
an  der  Universität  und  über  Vorschläge  zu  deren  Beseitigung.  Diese  Gutachten 
und  Reform  vorschlage,  die  übrigens  mit  einer  einzigen  Ausnahme  sämtlich  deutsch 
abgefasst  sind,  hatte  der  Herzog  eingefordert,  um  Mittel  zu  finden,  die  Leipziger 
Universität  nicht  von  der  soeben  gegründeten  Wittenberg-er  überflügeln  zu  lassen.  — 
Von  B  lanck  mei  s  t  e  r 145)  rührt  eine  populär  geschriebene  Geschichte  der  theo- 
logischen Fakultät  der  Universität  Leipzig  her,  deren  älteste  Statuten  vom  J.  1415 
datieren  und  deren  Lehrstühle  ursprünglich  von  den  Dominikanern  des  Pauliner- 
klosters besetzt  wurden.  Niemand  konnte  Licentiat  werden,  der  nicht  vorher  die 
Priesterweihe  empfangen  hatte.  Ein  protestantisches  Gepräge  erhielt  die  Fakultät 
erst  1543.  B.  unterscheidet  in  seiner  weiteren  Darstellung  das  Zeitalter  der  Orthodoxie 
und  des  Pietismus  und  das  Zeitalter  der  Aufklärung;  während  dieses  Zeitalters 
studierte  Goethe  in  Leipzig.  In  dem  Gegensatze  zwischen  den  Anhängern  Ernestis, 
der  die  Bibel  ganz  philologisch  interpretierte,  und  seinem  Antipoden  Crusius  stellte 
sich  Goethe  auf  die  Seite  der  Ernestischen  „klaren"  Partei,  erklärte  aber  doch  dabei, 
dass  „durch  diese  höchst  löbliche  verständige  Auslegungsweise"  zuletzt  der  poetische 
Gehalt  der  Schriften  der  Propheten  verloren  gehen  müsse.  Auch  von  Jean  Paul 
rühren  briefliche  Mitteilungen  über  den  Streit  der  Ernestianer  und  Crusianer  aus 
dem  J.  1781  her.  —  Wie  in  Paris  und  Prag  herrschte  auch  an  der  Universität  Leipzig 
die  Einteilung  der  Universitätsangehörigen  in  Nationen,  und  zwar  hatte  Leipzig  die 
vier  Abteilungen:  Sachsen,  Meissner,  Bayern  und  Polen,  letztere  auch  Schlesier 
genannt ;  zu  diesen  gehörten  die  Preussen  oder,  wie  sie  sich  selbst  bezeichneten,  die 
natio  Prutenica  oder  Prutenorum.  Die  Schicksale  dieser  natio,  die  bis  zum  J.  1830 
bestand  und  die  im  vorigen  Jh.  in  Gottsched  einen  warmen  Beschützer  ihrer  Rechte 
gefunden  hatte,  werden  von  Georg  Müller 146)  ansprechend  geschildert.  — 

Bredl147),  ein  Mitglied  des  Cistercienserordens,  hat  ein  Verzeichnis  der  an 
dem  erzbischöflichen  Seminar  in  Prag  thätig  gewesenen  Professoren  mit  Angabe 
der  Abteien,  denen  sie  angehörten,  und  der  Werke,  die  sie  verfasst  haben,  zusammen- 
gestellt. — 

Ueber  die  Entstehung  und  die  älteste  Geschichte  der  Universität  Rostock 
hat  Koppmann148)  interessante  Mitteilungen  gemacht,  durch  die  die  Angaben  in 
seiner  Geschichte  der  Stadt  Rostock  ergänzt  und  die  Darstellung  in  Grabbes  Werke 
über  die  Geschichte  der  Rostocker  Universität  berichtigt  werden.  K.  stellt  fest,  dass 
aus  dem  Aktenmaterial  nicht  zu  ersehen  ist,  von  wem  der  Gedanke  der  Gründung 
einer  Universität  in  Rostock  ausgegangen  ist,  dass  aber  sowohl  die  Herzöge  Johann 
und  Albrecht  als  auch  der  Rat  der  Stadt  gleichmässigen  Anteil  an  der  Gründung 
hatten.  Bis  1437  sind  die  Unterhaltungskosten  aus  städtischen  Mitteln  bestritten 
worden.   — 

Aus  dem  reichen  Vorrat  von  urkundlichem  Materiale  zur  Geschichte  der 
ehemaligen  Benediktiner -Universität  in  Salzburg  schöpft  Hamm  erles149)  in- 
teressante Darstellung,  wodurch  die  grosse  Bedeutung,  die  diese  eingegangene 
Universität  einst  gehabt  hat,  erwiesen  wird.  — 

Ein    wertvoller    Beitrag   zur   Geschichte     der   Universität   Tübingen,    den 


N.  428.  —  136)  M.  Hertz,  Schriften  z.  Königsberg.  Univ.-Jubil.:  SchlesZg.  N.  570.  —  137)  (I  4:60.)  -  138)  D-  350j.  Jubel- 
feier d.  Albertina:  FZg.  N.  161.  —  139)  X  Fr.  Skowronnek.  Anf  d.  Wacht  im  Osten.  Z.  Feier  d.  350 j.  Bestehens  d. 
Albertina  in  Königsberg:  Zeitgeist  N.  31.  —  140)  X  Alb-  Jacoby,  Athenae  Prussicae.  (Z.  Gesch.  d.  Univ.  Königsberg): 
FZg.N.  180.  —  141)  X  H-  Wagner,  Jubelfeier  d.  Albertus-UniT. :  ÜL&M.  72,  S.  943/4.  —  142)  X  Z.  Feier  d.  350j.  Bestehens 
d.  Albertina  in  Königsberg  i.  P.:  Post  N.  198.  —  143)  (I  4:61.)  -  144)  (I  4:63.)  —  145)  F.  Blanckmeister,  D.  theol. 
Fakult.  d.  üniv.  Leipzig:  Pfarrhaus  10,  S.  49-55, 68-74.  (Auch  als  Sonderabdr.  unter  gleichem  Titel  erschienen:  L.,  Fr.  Richter. 
53  S.  M.  0,50.)  —  146)  Georg  Müller,  D.  preuss.  Nation  an  d.  Univ.  Leipzig:  NJbbPh.  150,  S.  353-72,  401-20.  —  147) 
S.  Bredl,  Cistercienser  Professoren  im  erzbischöfl.  Seminar  zu  Prag:  StMBCO.  15,  S.  297-306.  —  148)  K  Koppmann, 
Z.  Gesch.  d.  Univ.  Rostock:   HansGBll.  1893,  S.  23-40.   —   149)  A.  J.  Hammerle,   E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  ehemal.  Salzburger 

(1)22* 


112:  150-161     K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

Rümelin150)  bereits  im  J.  1882  veröffentlicht  hatte,  ist  jetzt  in  einem  Neudruck  er- 
schienen. Den  Abschnitt,  den  er  bebandelt,  rechnet  R.  selbst  zu  den  interessantesten 
der  Universität  und  dabei  zu  den  unbekanntesten;  denn  die  Einrichtungen  der  alten 
Hochschule  in  den  Zeiten  des  Herzogtums  seien  bekannt,  die  jetzigen  in  den  letzten 
50er  J.  entstandenen  Ordnungen  ebenfalls;  aber  die  dazwischen  liegende  Zeit,  wie 
der  alte  Bau  allmählich  eingerissen  und  abgebrochen,  der  neue  „nach  mancherlei 
wechselnden  Plänen"  versucht  und  schliesslich  aufgeführt  wurde,  sei  zwar  nach  all- 
gemeinen Umrissen  bekannt,  aber  noch  nicht  aus  den  Akten  und  Urkunden  im 
inneren  Zusammenhange  dargestellt  worden.  R.  behandelt  nur  den  Zeitraum  der 
Regierung  des  Königs  Friedrich,  den  Treitschke  den  geistvollsten,  aber  auch  ruch- 
losesten unter  den  Satrapen  Napoleons  nennt,  ein  Urteil,  dem  sich  R.  nicht  anschliesst. 
Friedrich  war  es,  der  die  korporative  Freiheit  der  Universität,  wonach  sie  ihr  Ver- 
mögen selbständig  verwalten  durfte,  freie  Rektoren-  und  Professorenwahl  und  die 
volle  bürgerliche  und  peinliche  Gerichtsbarkeit  hatte,  während  andererseits  dem 
Landesherrn  nur  ein  beschränktes  Bestätigungsrecht  zustand,  durch  Manifest  vom 
18.  März  1806  beseitigte.  1809  hob  er  die  bedingte  Exemption  der  Studierenden 
vom  Militärdienst  auf  und  1811  wurde  durch  die  „organischen  Gesetze"  die  Korpo- 
ration in  eine  vollständig  staatliche  Lehranstalt  umgewandelt.  —  Ein  Anonymus151) 
giebt  eine  Uebersicht  über  die  Entwicklung  der  evangelisch- theologischen  Fakultät 
in  Tübingen  in  einzelnen  Abschnitten,  die  die  Anfänge,  das  Reformationszeitalter, 
die  Zeit  des  Luthertums,  die  ältere  Tübinger  Schule,  die  sich  um  Baur  gruppiert, 
und  Beck  und  seine  Schule  schildern.152)  — 

Aus  dem  Vorjahre  muss  hier  das  Werk  von  Hörn153)  über  akademische 
Disputationen  nachgetragen  werden,  das  von  grosser  Gründlichkeit  und  Belesenheit 
Zeugnis  giebt.  In  übersichtlicher  Anordnung  des  Stoffes  behandelt  er  Wesen  und 
Zweck,  die  verschiedenen  Arten  der  Disputationen,  Aufgabe  und  Bedeutung  des 
Präses,  die  Autorschaft  der  akademischen  Disputationen,  die  Schuldisputationen  in 
den  akademischen  Gymnasien,  die  Disputierschriften,  den  Missbrauch  der  Disputationen, 
erörtert  die  Bedeutung  und  geschichtliche  Entwicklung  der  Doktorpromotion  und  giebt 
in  einem  Anhange  ein  Verzeichnis  der  ehemaligen  und  jetzigen  deutschen  Univer- 
sitäten. Auf  die  über  das  Werk  zwischen  Kaufmann154)  und  Hörn155)  ent- 
standene Polemik  kann  ich  nicht  eingehen,  da  ich  die  betreffenden  Aufsätze  nicht 
erhalten  habe.  — 

Akademische  Stifte  und  Seminare.'  E  r  i  ch  son  s  156)  Buch 
über  das  Strassburger  theologische  Studienstift,  das  Collegium  Wilhelmitanum,  wird 
im  nächsten  JB.  besprochen  werden.  —  lieber  Herbarts  pädagogisches  Seminar  in 
Königsberg,  über  das  bis  jetzt  nur  spärliche  Nachrichten  in  die  Oeffentlichkeit  ge- 
langt waren,  hat  Kehrbach157)  auf  der  deutschen  Philologen  Versammlung  in 
Wien  einen  Vortrag  gehalten,  dessen  Inhalt  auf  den  wiederaufgefundenen  Akten 
des  Seminars  beruht.  Diese  Akten  werden  zunächst  innerhalb  der  „Texte  und 
Forschungen"  der  Gesellschaft  für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte  und 
sodann  im  letzten  Bande  der  Kehrbachschen  Herbartausgabe  (s.  o.  N.  49)  wörtlich 
abgedruckt  werden.  — 

Studententum.  Buchwald  158),  der  kundige  Historiker  des  Refor- 
mationszeitalters, hat  unter  dem  Titel  „Simon  Wilde  aus  Zwickau"  ein  Wittenberger 
Studentenleben  zur  Zeit  der  Reformation  gezeichnet,  auf  das  im  nächsten  JB.  näher 
eingegangen  werden  soll.  —  H  e  y  c  k  s  159)  Schilderungen  des  Heidelberger  Studenten- 
lebens im  Anfange  unseres  Jh.  sind  jetzt  in  zweiter  Auflage  veröffentlicht.  —  Von 
Schneider160),  dem  verdienstvollen  Forscher  auf  dem  Gebiete  des  deutschen 
Studentenlebens,  ist  ein  ausführlicher  Aufsatz  über  die  Entstehung  der  Burschen- 
schaft erschienen,  der  auf  neuen  Quellen,  die  das  Berliner  Staatsarchiv  birgt,  beruht. 
Darnach  sei  die  Gründung  der  Burschenschaft  als  das  Ergebnis  langjähriger  Be- 
strebungen, als  die  Frucht  einer  im  Geiste  der  Zeit  liegenden  Neugestaltung,  zugleich 
als  der  Anfang  eines  sittlichen  Aufschwunges  der  deutschen  akademischen  Jugend 
zu  betrachten.  Es  werden  vor  allen  Jahns  und  Friesens  Verdienste  hervorgehoben. 
—  Interessante,  zu  der  landläufigen  Auffassung  über  die  Gründung  der  Burschen- 
schaft im  Gegensatz   stehende  Mitteilungen  hat  Fabricius161)  veröffentlicht.     Zu- 


Benediktiner-UniT.:  StMBCO.  15,  S.  249-70,  445-61,  561/9.  —  150)  G.  Rümelin,  König  Friedrich  V.Württemberg  u.  seine  Bezieh, 
z.  Landesuniv.  1882.  (=  IV  5:476,  S.  37-110.)  —  151)  D.  evangel.-theol.  Fakultät  Tübingen:  Pfarrhaus  10,  S.  146-52.  — 
152)  O  H.,  D.  Tübinger  Univ.-Wappenbueh  v.  J.  1628:  DHerold.  25,  S.  98-100.  —  153)  E.  Hörn,  D.  Disputationen  u.  Pro- 
motionen an  d.  dtsch.  Univ.,  vornehml.  seit  d.  16.  Jh.  Mit  e.  Anh.,  enth.  e.  Verzeichn.  aller  ehemal.  u.  gegenwärt,  dtsch. 
Uniy.  (JBL.  1893  I  3 :  136.)  (=  Beihefte  z.  CBIBibl.  N.  11.)  L.,  Harrassowitz.  1893.  VIII,  128  S.  M.  5,00.  —  154)  O 
(I  3:165.)  —  155)  O  (I  3:166.)  -  156)  O  X  X  AI.  Erichson,  D.  theol.  Studienstift  Collegium  Wilhelmitanum.  Zu 
dessen  350 j.  Gedächtnisfeier.  Festschr.  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  VIII,  212  S.  M.  3,50.  —  157)  K.  Kehrbaoh,  Mitteilungen 
über  J.  F.  Herbarts  päd.  Seminar  in  Königsberg.  (=1  1  :  86  a,  S.  158-69.)  -  158)  O  X  X  (H  1  :  122.)  -  159)  (I  4  :  48.)  - 
160)  G.  H.  S[chn eider],  D.  Entstehung  d.  Burschensch.  (Mitteil.  d.  Vereinig,  für  Geschichtsschreibung):  BurschenschBll.  8, 
S.  1/4,  25/8,  57-62,  89-96,  117-23.    —    161)   W.  Fabrioius,   D.   Gründung   d.   Jenaisohen    Burschensch.:   ib.   S.  145-50,  173/5, 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens.     1  Vl-.na-tio 

nächst  lässt  er  allerdings  Jena  den  Ruhm,  der  Sitz  der  ersten  wirklichen  Burschen- 
schaft zu  sein,  weist  dann  aber  nach,  dass  die  burschenschai'tlichen  Bestrebungen  bereits 
1812  ihre  Pflege  und  zwar  bei  der  Landsmannschaft  der  Vandalen,  zu  denen  auch 
Jahn  Beziehungen  unterhielt,  gefunden  hatten.  Der  erste  Sprecher  dieser  Korporation, 
Karl  Hörn,  war  es,  der  1815  nach  Beendigung  des  Feldzuges  die  Gründung  der 
Burschenschaft  bewirkte.  Die  Farben  der  Vandalen:  schwarz-rot  mit  goldener  Ein- 
fassung, gingen  auf  die  Burschenschaft  über;  die  Vandalen  übertrugen  ihre  Gesinnung 
auch  auf  die  mit  ihnen  durch  Kartelle  verbundenen  auswärtigen  Landsmannschaften.  — 
Hier  sei  auch  der  ersten  grösseren  Feier  der  neu  gegründeten  Burschenschaft,  der 
Friedensfeier  zu  Jena  im  J.  1816,  gedacht,  die  mit  der  Pflanzung  der  Burschenschafts- 
eiche abschloss  162).  —  Ueber  einige  Persönlichkeiten,  die  zu  der  deutschen  Burschen- 
schaft in  der  ersten  Zeit  ihres  Bestehens  in  Beziehung  standen,  über  Fichte,  Jahn 
und  Friesen,  bringen  die  B urschen schBll.  einige  Nachrichten163"165).  —  Ueber 
den  berühmtesten  Göttinger  Studenten,  Otto  von  Bismarck,  sind  Nachrichten 
gegeben,  die,  angeregt  durch  die  Aushängebogen  einer  neuen  Bismarckbiographie, 
die  darin  gegebene  Schilderung  von  Bismarcks  Göttinger  Studentenzeit  mehrfach 
berichtigen  166J.  —  Zu  den  im  vorigen  Jahrgange  (JBL.  1893  I  6 :  148/9)  erwähnten 
Studentenauszügen  bringen  die  BurschenschBll.  einen  neuen  in  Erinnerung,  nämlich 
den  bekannten  Frankenthaler  Auszug  der  Heidelberger  Studenten  im  J.  1828 167).  — 
Veranlasst  durch  das  Jubiläum  der  Universität  Halle  hat  König168)  Beiträge  zur 
geschichtlichen  Entwicklung  des  Hallenser  Studententums  gegeben.  —  Das  Hallenser 
Universitätsjubiläum  hat  auch  zwei  wertvolle  kleinere  Werke  über  Studentensprache 
und  Studentenlied  gezeitigt.  Unter  der  Leitung  Burdachs  hat  der  „Deutsche  Abend 
in  Halle"  16<J)  einen  Neudruck  des  Idiotikons  der  Burschensprache,  das  einen  Teil  der 
Schrift  Chrn.  Fr.  Augustins  „Bemerkungen  eines  Akademikus  usw."  (1795)  bildete, 
veranstaltet  und  mit  einer  wertvollen  Einleitung  nebst  eingehenden  Anmerkungen 
versehen.  Als  zweiter  Teil  des  Buches  sind  die  vom  Mag.  Chrn.  Fr.  Kindleben, 
dessen  Studentenlexikon  Augustin  vielfach  benützt  hat,  1781  herausgegebenen  Studenten- 
lieder abgedruckt.  —  Eine  Ergänzung  hierzu  bildet  John  Meiers170)  eingehende 
Studie  über  die  Hallische  Studentensprache.  —  Die  Reproduktion  einer  Hiebermensur 
zwischen  zwei  Landsmannschaften171)  ist  insofern  kulturgeschichtlich  interessant,  als 
die  Verschiedenartigkeit  der  Trachten  so  recht  ein  Bild  der  ganzen  politischen  Zer- 
fahrenheit Deutschlands  in  der  damaligen  Zeit  (1808)  ist.  — 

Schulwesen.  Bei  den  allgemeinen  Arbeiten  ist  zunächst  aus  dem 
vorigen  Jahre  Rüdes 172)  Studie  über  den  pädagogischen  Gehalt  der  bedeutenderen 
evangelischen  Schulordnungen  nachzutragen,  die  in  der  Hauptsache  auf  dem  Studium 
der  Quellen  beruht,  wie  sie  die  MGP.,  Vormbaum,  Reyscher  und  Müllers  Quellen- 
schriften geben.  Ausführlicher  behandelt  R.  den  von  Melanchthon  verfassten  sächsischen 
Schulplan,  die  braunschweigische  Schulordnung  Bugenhagens,  die  grosse  württem- 
bergische und  die  von  Trotzendorf.  —  Hier  sei  auch  gleich  W  i  r  t  h  s 173)  im 
wesentlichen  auf  Vormbaums  Ausgabe  evangelischer  Schulordnungen  beruhende 
Abhandlung  über  die  Arten  der  Schulen  und  ihre  Organisation  während  des 
16.  und  17.  Jh.  im  evangelischen  Deutschland  angeführt.  — 

Gymnasien  und  Lateinschulen.  Wir  beginnen  —  der  alphabeti- 
schen Reihenfolge  entsprechend  —  mit  Baden.  In  seiner  Festrede,  die  Uhlig174) 
bei  der  Einweihung  des  neuen  Gymnasialgebäudes  zu  Heidelberg  gehalten,  hat  er 
auch  einen  Blick  auf  die  Vergangenheit  des  Heidelberger  Schulwesens  geworfen 
und  übersichtlich  seine  Entwicklung  skizziert.  — 

Veranlasst  durch  die  Erhebung  der  Kreis-Lateinschule  in  Frankenthal  in 
der  bayerischen  Pfalz  zu  einem  sechsklassigen  Gymnasium  haben  Hildenbrand 
und  Koch175)  eine  Darstellung  der  früheren  Entwicklung  des  Frankenthaler 
höheren  Schulwesens  gegeben,  und  zwar  hat  H.  die  Geschichte  bis  zum  J.  1816  ver- 
folgt, während  K.  mit  dem  J.  1817  einsetzt.  Die  ältesten  Schulen  Frankenthals  waren 
Stiftungen  der  Klöster  und  zwar  der  Augustiner  Chorherren,  die  1119  ein  Kloster 
dort  gründeten.  Später  fiel  das  Kloster  an  die  Reformierten,  und  die  einzelnen 
Pfarreien  unterhielten  ihre  eigenen  Schulen,  neben  denen  um  1600  noch  die  lateinische 


205-11,  237;9.  -  162)  D.  Friedensfeier  zu  Jena  1816:  ib.  S.  149,  152,3,  163.  —  163)  X  (IV  5  :  112.)  —  164)  X  F-  L-  Jahn- 
(=  N.  160,  S.  89-122.)  (Vgl.  auch  IV  5:627,  631/3.)  —  165)  X  F-  Friesen:  BurschenschBll.  8,  S.  68-70.  —  166)  F.,  Aus 
Fürst  Bismarcks  Studentenzeit  in  Göttingen:  ib.  S.  228/9.  —  167)  D.  Frankenthaler  Auszug  d.  Heidelberger  Studenten 
am  14.  Aug.  1828.  (Mit  Bild):  ib.  S.  121,  138.  —  168)  (I  4:47.)  —  169)  (I  4:49.)  —  170)  (I  4:49a.)  —  171)  W.  F., 
E.  Mensurbild  aus  napoleon.  Zeit  (1808).  (Mit  Bild):  BurschenschBll.  8,  S.  48-50.  —  172)  A.  Rüde,  D.  bedeutendsten 
evangel.  Schulordnungen  d.  16.  Jh.  nach  ihrem  päd.  Gehalte.  (=  PädMag.  N.  32.)  Langensalza,  Beyer  <fc  Söhne.  1893.  II, 
60  8.  M.  0,75.  —  173)  A.  Wirth,  D.  evang.  Schule  d.  16.  u.  17.  Jh.  Mit  Zugrundelegung  v.  Vormbaums  evangel.  Schul- 
ordnungen. Progr.  Meerane  i.  S.  26  S.  —  174)  G.  Uhlig,  Z.  Gesch.  d.  Gymn.  zu  Heidelberg  (d.  neue  Gebäude  u.  seine  Ein- 
weihung). Progr.  Heidelberg.  4°.  20  S.  —  175)  F.  J.  Hildenbrand  u.  Alw.  Koch,  Uebersicht  d.  Gesch.  d.  höh.  Lehr- 
anstalten d.  Stadt  Frankenthal  in  d.  Pfalz.  (=  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Stadt  Frankenthal  i.  d.  Pf.  I.T.,  S.  3-31.)  Progr.  Franken- 
thal. (Auch  als  Sonderabdr.  unter  d.  gleichen  Titel:  Frankenthal,  Göhring&Co.    31  S.    M.  1,00;    für  d.  Mitgl.  d.  AV.  M.  0,50.) 


I  12  :  i75a-i8o    K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

Schule  erwähnt  wird.  Wie  fast  überall  in  Deutschland,  so  verfiel  auch  hier  durch  den 
30jäbrigen  Krieg"  das  Schulwesen,  und  erst  als  1657  die  kalvinistische  Schule  (gym- 
nasium  illustre)  von  Neuhausen  bei  Worms  nach  Frankenthal  verlegt  wurde  entstand 
eine  kurze  Blüte.  In  jener  Zeit  war  auch  Jakob  Redinger,  ein  Schüler  von  Comenius, 
Lehrer  an  der  Anstalt.  Bemerkt  zu  werden  verdient,  dass  auch  die  philanthropinistische 
Richtung  in  Frankentbai  Eingang  fand,  indem  1779  ein  männliches,  1780  ein  weibliches 
Philanthropin  gegen  die  „misanthropischen  Gymnasien"  errichtet  wurde.  Eine  stetige 
Entwicklung  trat  erst  nach  der  französischen  Revolution,  die  die  Auflösung  des 
Gymnasiums  herbeiführte,  und  nach  den  napoleonischen  Kriegen  ein  durch  die  Besitz- 
ergreifung der  Pfalz  seitens  der  Witteisbacher.  Diese  spätere  Zeit  wird  durch  die 
Verordnung  Max  I.  vom  29.  Okt.  1817  eingeleitet.  Das  frühere  Gymnasium  wird 
Progymnasium,  später  lateinische  Schule,  dann  Kreis-Lateinschule,  bis  sie  1894—95 
Vollgymnasium  wird.  Mit  dieser  Anstalt,  deren  Entwicklung  K.  nach  den  ver- 
schiedensten Seiten  hin  (Dotation,  Prüfungen,  Unterricht,  Anstaltsvorstände,  Lehrer, 
Programme,  Frequenz)  schildert,  wurden  1836,  den  Bedürfnissen  jener  Zeit  nach- 
gebend, ein  Realkursus  und  eine  wenn  auch  unvollständige  Landwirtschafts-  und 
Gewerbeschule  verbunden.  —  Einige  kurze  geschichtliche  Notizen  über  die  Latein- 
schule (mit  Realkursus)  zu  Günzburg  an  der  Donau  besonders  während  der 
J.  1843 — 93  hat  deren  derzeitiger  Vorsteher  Rummelsburger 175a)  veröffentlicht. 
Die  ersten  Spuren  dieser  Lateinschule  führt  er  zurück  bis  auf  das  J.  1750,  in  welchem 
die  Piaristen  dort  ihre  Lehrthätigkeit  begannen.  —  Mit  der  Geschichte  des  Regens- 
burger Gymnasiums  hat  sich  H  ein  i  s  ch  176  _1"j  beschäftigt.  Zunächst  giebt  er 
den  Abdruck  der  Instruktion  für  die  Lehrer  des  Gymnasiums  aus  dem  J.  1557; 
sodann  berichtet  er  über  die  Ausgaben  der  Stadt  Regensburg  für  ihr  Gymnasium 
in  den  J.  1613 — 47,  die  nach  verschiedenen  Richtungen  lehrreich  sind.  Es  werden 
Ausgaben  verzeichnet  für  die  Praemia  (Schulmedaillen)  des  Münzmeisters,  für  Bücher 
und  Medikamente,  die  von  der  Stadt  für  die  Schüler  bezahlt  wurden,  für  Speise  und 
Trank,  für  die  an  die  Examina  sich  anschliessenden  Gastmähler  der  Lehrer,  für 
Dekorationen  bei  Schulfeierlichkeiten  usw.  Uebrigens  werden  auch  an  drei  Stellen 
die  Ausgaben  für  die  deutschen  Schulen,  für  Reiseunkosten  der  Lehrer  und  für 
Mahlzeiten  bei  den  Visitationen  angeführt.  — 

Der  unermüdliche  Forscher  auf  dem  Gebiete  pädagogischer  Geschichts- 
schreibung, Koldewey 178),  giebt  in  seinem  Verzeichnisse  der  seit  dem  J.  1828  am 
braunschweigischen  Martino-Katharineum  thätig  gewesenen  Direktoren  und 
Lehrer  nicht  nur  einen  schätzenswerten  Beitrag  zur  braunschweigischen  Schul- 
geschichte, sondern  auch  einzelne  Materialien  zur  Gelehrtengeschichte,  der  Geschichte 
der  Philologie  und,  was  für  uns  hauptsächlich  in  Betracht  kommt,  zur  Geschichte 
der  deutschen  Litteratur.  Unter  den  angeführten  Persönlichkeiten  ragt  in  letzterer 
Beziehung  besonders  Griepenkerl  hervor,  der  —  von  1816 — 49  an  der  Anstalt  thätig  — 
in  den  von  ihm  herausgegebenen  Dichtungen,  besonders  in  seinem  Drama  „Robes- 
pierre", grosse  dichterische  Begabung  verrät.  Dass  er  auch  ein  feinsinniger  Philosoph 
war,  belegen  sein  Lehrbuch  der  Logik  und  seine  Briefe  über  die  Philosophie  Her- 
barts, der  als  sein  Lehrer  grossen  Einfluss  auf  ihn  geübt  hat.  Dichterisch  thätig' 
und  weiteren  Kreisen  dadurch  bekannt  war  auch  der  Direktor  Ferd.  von  Heinemann, 
der  1850—64  an  der  Anstalt  wirkte.  Sonst  verdienen  noch  aus  dem  Verzeichnisse 
hervorgehoben  zu  werden:  der  Historiker  Assmann,  der  übrigens  1859  bei  der 
Schillerfeier  eine  Festrede  über  Schillers  nationale  Bedeutung  hielt,  und  Dürre,  dessen 
Name  ebenfalls  weiteren  Kreisen  vertraut  geworden  ist,  besonders  wegen  seiner 
Arbeiten  zur  Geschichte  des  Herzogtums  Braunschweig  und  hierin  wiederum  durch 
seine  auf  die  Schulgeschichte  bezüglichen  Untersuchungen.  — 

Sello179)  unterrichtet  uns  an  der  Hand  der  Archivalien  des  olden- 
burgischen Haus-  und  Centralarchivs  über  die  geschichtliche  Entwicklung  der 
Schule  in  Wildeshausen  im  Herzogtum  Oldenburg  und  reproduziert  dabei  einige 
Urkunden  von  1583—84,  die  über  die  Stellung  des  Schreib-  und  Rechenmeisters 
Beiträge  geben.  S.s  Darstellung  ist  auch  für  die  Reformationsgeschichte  im  Herzog- 
tum Oldenburg  nicht  unwichtig.  — 

Unter  den  preussischen  Provinzen  sei  Brandenburg  voran- 
gestellt. Richter180)  giebt  einen  kurzen  Abriss  über  die  Gründung  und  Ein- 
weihung des  unter  seiner   Leitung    stehenden    kgl.  Prinz  Heinrichs-Gymnasiums   in 


—  175  a)  J.  Rummelsberger,  D.  Lateinschule  zu  Günzburg  v.  1843  bis  1893/4.  Progr.  d.  kgl.  bayer.  Lateinschule.  Günz- 
burg a.  d.  Donau,  (Paul).  S.  28-37.  —  176)  H.  Heinisoh,  Ausgaben  d.  Stadt  Regensburg  für  ihr  Gymn.  Poöticum  in  d. 
J.  1613-47:  MGESchG.  4,  S.  29-32.  —  177)  id..  Instruktion  für  d.  Lehrer  d.  Gymn.  in  Regensburg  aus  d.  J.  1557:  ib.  S.  131/2. 

-  178)  Fr.  Koldewey,  Verzeichnis  d.  Uirektoren  u.  Lehrer  d.  Gymn.  Martino-Katharineum  zu  Braunschweig  seit  d.  J.  1828. 
Progr.  Braunschweig,  (B.  Goeritz).  4°.  IV,  56  S.  —  179)  G.  Sello,  Z.  Gesch.  d.  Schule  in  Wildeshausen  im  Herzogt.  Olden- 
burg v.  MA.  bis  in  d.  18.  Jh.  nebst  urkundl.  Beitrr.  aus  d.  J.  1583—84:  MGESchG.  4,  S.  182-99.  —  180)  O.Richter,  Grund, 
u.  Einweih.  d.  kgl.  Prinz  Heinrich-Gymn.     (Mit  Ansichten  d.  Gymn.  u.  einzelner  Teile  dess  )     Progr.    B.,  (A.  W.  Hayns  Erben). 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens.     1   12  :  18I-190 

Berlin-Schöneberg.  Es  sei  erwähnt,  dass  er  in  demselben  JB.  eine  Schilderung-  der 
für  den  am  25.  Febr.  1894  verstorbenen  Geh.  Regierungsrat  Klix  abgehaltenen 
Trauerfeier  bietet.  —  Nachdem  B  erb  ig181)  bereits  im  J.  1889  einen  Teil  der  Schul- 
geschichte der  alten  Lateinschule  zu  Krossen  und  zwar  aus  der  Zeit  vor  der  Re- 
formation und  von  der  Reformation  bis  zum  J.  1586  unter  Beifügung  wertvoller 
urkundlicher  Beläge  geschrieben  hatte,  hat  er  jetzt  seine  Darstellung  bis  zum  J.  1695 
weitergeführt.  In  diesem  J.  war  der  langjährige  Rektor  Gottfried  Rothe  gestorben, 
der  ein  Schüler  des  Comenius  war  und  der  hier  auch  als  Dichter  einer  grossen 
Menge  deutscher,  freilich  geschmackloser  Gelegenheitsgedichte  erwähnt  sein  möge. 
Seiner  Darstellung  hat  B.  die  brandenburgische  Visitationsordnung  von  1596,  soweit 
sie  die  Schule  betrifft  und  des  Kantors  Gregorius  Möller  Vokation  und  Lektionspläne 
aus  den  J.  1635—84  beigegeben.  —  Wie  dürftig  oft  die  Einrichtungen  der  Stadt- 
schulen waren,  geht  aus  Brummers182)  Mitteilungen  über  die  Schulgeschichte  der 
Stadt  Nauen,  für  die  er  den  Lektionsplan  von  1701  und  die  Schulgesetze  von  1723 
veröffentlicht,  hervor.  Die  vier  Klassen  dieser  Lateinschule  wurden  durch  einen 
einzigen  Ofen  erwärmt,  was  nur  möglich  war,  wenn  die  einzelnen  Klassen  einfach 
durch  eine  Bretterwand,  die  natürlich  nicht  bis  an  die  Decke  reichen  durfte,  g-eschieden 
waren.  —  Als  eine  Ergänzung  zu  der  aus  Anlass  der  Feier  des  350jährigen  Be- 
stehens des  Prenzlauer  Gymnasiums  herausgegebenen  Festschrift  zur  Geschichte 
dieser  Anstalt  (JBL.  1893  I  6:171)  sei  Arnoidts183)  Bericht  über  die  Feier  dieses 
Jubiläums  hier  angeführt.  —  Grosser s184)  Ueberblick  über  die  Entwicklung  des 
Gymnasiums  zu  Wittstock  in  den  ersten  25  J.  giebt  zunächst  eine  Chronik,  dann 
Nachrichten  über  die  Einrichtungen  des  Gymnasiums,  die  Lehrer,  die  Frequenz- 
verhältnisse, Abiturienten  und  widmet  die  Schlusskapitel  dem  Schuleigentum  und 
dem  Schuletat,  einschliesslich  der  Stiftungen,  Benefizien  usw.  — 

Hannover.  Ueber  die  ersten  zwei  J.  der  Entwicklung  der  Göttinger  Kaiser- 
Wilhelmsanstalt  macht  Ah  r  en  s185)  einige  Mitteilungen.  —  Wichtige  Dokumente 
zur  Geschichte  des  berühmten  Pädagogiums  zu  Ilfeld  und  des  hannoverschen  höheren 
Schulwesens  überhaupt  sind  die  von  Holstein186)  aus  den  Schätzen  der  Göttinger 
Bibliothek  veröffentlichten  Verbesserungsvorschläge  des  Philologen  C.  G.  Heyne  und 
des  Abtes  Jerusalem  in  Braunschweig.  — 

Hessen-Nassau.  Durch  die  Gedenkfeier  des  50jährigen  Bestehens  des 
kgl.  Gymnasiums  zu  Wiesbaden  ist  eine  Festschrift  hervorgerufen  worden,  in  der 
auch  Streiflichter  auf  die  frühere  Geschichte  des  höheren  Schulwesens  in  Wiesbaden 
fallen.  Paehler187)  schildert,  aus  den  Quellen  schöpfend,  die  Entwicklung  vom 
J.  1543— 1817.  —  Spiess188)  setzt  diese  Untersuchungen  insofern  fort,  als  er  ein  Ver- 
zeichnis der  Lehrer  des  Pädagogiums  von  1817 — 44  und  des  Gymnasiums  von 
1845 — 94  giebt,  und  Fritze189)  erg-änzt  sie  durch  das  Abiturienten  Verzeichnis  aus 
den  J.  1847—94.  Interessant  sind  P.s  Mitteilungen  über  das  Pädagogium,  das  eine 
Vorbereitungsanstalt  einerseits  für  diejenigen  Schüler,  die  auf  das  Gymnasium  über- 
gingen und  später  sich  dem  höheren  Staatsdienste  widmen  wollten,  andererseits  für  die 
Knaben,  welche  einen  gelehrten  Beruf  nicht  im  Auge  hatten,  sein  sollte.  Es  trug 
also  hier  den  Charakter  eines  Progymnasiums,  an  dem  der  Unterricht  in  der  deutschen 
Sprache  von  dem  analytisch-grammatikalischen  Unterrichte  bis  zum  Lesen  und  Er- 
klären leichter  Schriftsteller  und  dem  Verf ertigen  schriftlicher  Aufsätze  fortgeführt 
werden  sollte  und  die  Schüler  zu  Versuchen  in  der  deutschen  Poesie  aufgemuntert 
wurden,  „um  manches  schlummernde  Dichtergenie  zu  erwecken."  Für  die  Geschichte 
der  Schulprogramme  von  Wichtigkeit  ist  die  Nachricht,  dass  1821  die  nassauische 
Regierung,  um  Ersparnisse  zu  machen,  bestimmte,  dass  die  Programme  der  nassaui- 
schen Pädagogien  in  Einem  Hefte  vereint  erscheinen  sollten,  dass  jedesmal  einer  der 
Rektoren  abwechselnd  eine  pädagogische  Arbeit  zu  liefern  habe.  Das  erste  Heft 
brachte  Kecks  Abhandlung  „Ueber  den  Unterricht  in  der  deutschen  Sprache  auf 
öffentlichen  gelehrten  Schulen."  — 

Pommern.  Nachgetragen  zum  vorigen  JB.  sei  Brands190)  Darstellung 
der  geschichtlichen  Entwicklung  des  vor  25  Jahren  gegründeten,  aus  dem  städtischen 


4°.  20  S.  —  181)  F.  Berbig,  Nachrr.  u.  Urkk.  d.  Lateinschule  zu  Krossen.  2.  T.  Progr.  Krossen  a.  0.,  Zeidler.  4°.  36  S. 
(D.  1.  T.  ist  1889  ebda,  erscb.)  -  182)  F.  Brummer,  Z.  Schulgeseh.  d.  Stadt  Nauen.  a)  Lektionsplan  v.  1701;  b)  Schulgesetze 
v.  1723:  MGESchG.  4,  8.  33-64.  —  183)  R.  Arnoldt,  Ber.  über  d.  Feier  d.  350 j.  Bestehens  d.  Gymn.  zu  Prenzlau  am  17., 
18.  u.  19.  Mai  1893.  Progr.  Prenzlau,  (Vincent).  73  S.  —  184)  R.  Grosser,  Ueberbliok  aber  d.  ersten  25  J.  d.  Gymn.  zu 
Wittstock.  Progr.  Wittstock,  (Wessely).  4".  19  S.  —  185)  H.  Ahrens,  Gesch.  d.  Entstehung  d.  Kaiser -Wilhelms- 
anstalt u.  ihre  Entwicklung  in  d.  ersten  2  J.  Progr.  Göttingen.  1893.  5  S.  —  186)  H.  Holstein,  2  Schriftstücke 
z.  Hebung  d.  Pädagogiums  zu  Ilfeld  u.  d.  hannöv.  höh.  Sohulwesens  aus  d.  J.  1770.  a)  Des  Hofrats  u.  Göttinger  Prof.  C.  G. 
Heyne  Verbesserungsvorschläge,  b)  D.  Schreiben  d.  Abtes  Jerusalem  in  Braunschweig  an  d.  Premierminister  v.  Münchhausen 
in  Hannover,  d.  Heyneschen  Vorschläge  betr.:  MGESchG.  4,  S.  65-84.  —  187)  R.  Paehler,  Gesch.  d.  Wiesbadener  Pädagogiums. 
(=  Festschr.  d.  kgl.  Gymn.  zu  Wiesbaden  z.  Gedenkfeier  d.  50j.  Bestehens  d.  Anstalt,  S.  1-29.)  Wiesbaden,  H.  Lützenkirchen. 
4°.  133  S.  -188)  B.  Spiess,  Verzeichn.  aller  Lehrer  d.  Pädagogiums  (1817-44)  u.  d.  Gymn.  (1844-94).  (=  N.  187,  S.  31-103.) 
—  189)  A.  Fritze,  Verzeichn.  aller  Abiturienten  d.  Gymn.  v.  1847-94.  (=  N.  187,  S    104-33.)  —  190)  A.  Brand,  Ber.  über 


1  12:i9i-i97     K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erzieh ungswesens. 

Progymnasium  hervorgegangenen  Gymnasiums  zu  Dramburg,  das  1888  Staatsanstalt 
wurde.  Beigegeben  ist  ein  Bericht  über  die  Feier  des  Jubiläums  der  Anstalt  und 
ihres  vormaligen  Direktors,  Prof.  Queck,  der  25  J.  Leiter  des  Gymnasiums  gewesen 
war;  ferner  ein  Verzeichnis  der  seit  1872  entlassenen  Abiturienten.  —  Weitere  Nach- 
richten zur  Schulgeschichte  Pommerns  giebt  Beyer101)  in  der  Fortsetzung  seiner 
im  vorigen  Bande  (JBL.  1893  I  6 :  178)  angeführten  fleissigen  Arbeit.  Es  werden  aus 
der  Matrikel  des  Pädagogiums  zu  Stettin  und  des  Danziger  Gymnasiums  die  aus 
Neustettin  stammenden  Schüler  aus  den  J.  1641  —  1714  aufgezählt.  Von  Schülern  des 
Neustettiner  Gymnasiums  aus  den  J.  1640—1714,  für  welche  Zeit  das  Schüleralbum 
fehlt,  hat  B  16  Schüler  nachweisen  können.  Den  einzelnen  mitgeteilten  Namen  sind 
kurze  biographische  Bemerkungen  beigefügt.  —  Wehrmann192),  der  verdienstvolle 
Forscher  auf  dem  Gebiete  der  Pommerschen  Schulgeschichte,  schildert  die  Wirk- 
samkeit des  Rektors  Thomas  Reddemer,  der  von  1604—18  der  Ratsschule  zu  Stargard 
vorstand  und  eifrig  bemüht  war,  durch  Aufstellung  geeigneter  Stundenpläne  und 
durch  Abfassung  von  Schulbüchern  für  den  lateinischen  und  griechischen  Unterricht 
die  Anstalt  zu  heben.  —  Einen  weiteren  Beitrag  sowohl  zur  Geschichte  des  pommerschen 
Schulwesens  als  auch  zur  Geschichte  der  akademischen  Gymnasien  hat  Wehr- 
mann193) geliefert  durch  seine  Mitteilungen  über  die  Disputationen  am  Stettiner 
Pädagogium.  —  Lemcke194)  fährt  fort  Beiträge  zur  Geschichte  der  Stettiner 
Ratsschule  (JBL.  1893  I  6  :  158)  zu  publizieren  und  zwar  giebt  er  Auszüge  aus  den  be- 
reits bekannten  pommerschen  Kirchenordnungen,  die  die  gesetzlichen  Bestimmungen 
für   die  äussere   und    innere  Einrichtung   des  Schulwesens   enthalten    und   mehr   als 

2  Jhh.  hindurch  die  Grundlage  für  alle  pommerschen  Schuleinrichtungen  gebildet 
haben.  — 

Posen.  Friebe195)  giebt  eine  interessante  Darstellung  der  wechselvollen 
Schicksale  der  ehemaligen  Lateinschulen  Fraustadts,  deren  erste  seit  1404  beglaubigt 
ist,  aber  wahrscheinlich  bereits  viel  früher  bestanden  hat.  Ihre  Blütezeit  begann, 
nachdem  1555  fast  ganz  Fraustadt  evangelisch  geworden  war,  hauptsächlich  unter 
dem  Rektorate  Joh.  Brachmanns,  und  sie  behielt  ihren  guten  Ruf  bis  ins  18.  Jh. 
hinein.  Die  inneren  Unruhen  im  Königreiche  Polen  hemmten  die  stetige  Entwicklung 
dieser  lateinischen  Stadtschule,  neben  der  bereits  eine  zweite  Lateinschule,  von 
Jesuiten  geleitet,  entstand.  Von  Wichtigkeit  ist  der  von  F.  mitgeteilte  Unterrichts- 
plan der  Fraustädter  Schule  aus 'dem  J.  1749,  „ein  Spiegelbild  seiner  Zeit  und  des 
Umschwunges,  den  alle  deutschen  Schulen  erlebt  hatten";  das  Lateinische  wurde 
eingeschränkt  zu  Gunsten  der  deutschen  Sprache  und  deutscher  Stilübungen.  Er- 
wähnt zu  werden  verdient,  dass  zu  den  Schülern  der  Fraustädter  Stadtschule  auch 
Andr.  Gryphius  gehörte,  der  hier  1633  seinen  ersten  poetischen  Versuch,  ein  Gedicht 
über  den  Kindermörder  Herodes  in  heroischem  Versmasse,  wagte.  Die  katholische 
Lateinschule  war  1724  durch  den  Adel,  der  bedeutende  Geldmittel  zusammenbrachte, 
als  fünfklassige  Schule  gegründet  worden  und  wurde  von  den  Jesuiten  geleitet. 
Nach  Aufhebung  des  Ordens  1775  wurde  sie  bis  zur  zweiten  Teilung  Polens  von 
Cisterciensern  weitergeführt.  Preussen  gründete  nachher  als  Ersatz  eine  Kreisschule, 
aus  der  eine  Realschule  und  1890  das  jetzige  Gymnasium  hervorgingen.  — 

Provinz  Sachsen.  Matthias196)  schildert  in  seiner  Festschrift  die  Ent- 
wicklung des  Gymnasiums  zu  Burg,  das  1864  aus  der  im  J.  1844  gegründeten  Real- 
schule hervorgegangen  ist.  Ausser  den  Verzeichnissen  ehemaliger  und  jetziger 
Lehrer,  der  Abiturienten  seit  1849  werden  auch  einige  Mitteilungen  über  die  alte  in 
der  Reformationszeit  gegründete  Lateinschule,  die  1878  in  die  Bürgerschule  um- 
gewandelt wurde,  hinzugefügt.  —  Durch  die  Erinnerungen  an  seine  Schülerzeit,  die 
„goldene  Zeit  der  sieben  Klosterjahre",  werden  wir  von  Nebelung197)  mit  den  Ein- 
richtungen einer  eigenartigen  Schule  bekannt  gemacht.  Wir  erfahren,  dass  im 
Pädagogium  Unserer  lieben  Frauen  zu  Magdeburg  das  Lektionssystem  bestand,  wo- 
nach ein  Schüler  in  einem  Fache  in  Oberprima,  im  anderen  in  Sexta  sitzen  konnte, 
dass  ferner  mit  Ausnahme  des  Propstes,  des  Rektors  und  des  Prorektors  alle  Kon- 
ventualen  und  Lehrer  unverheiratet  waren,  dass  die  Alumnen  eine  besondere  Tracht 
trugen,  dass  zwar  allerlei  Spiele  getrieben  und  Spaziergänge  mit  den  Lehrern  unter- 
nommen wurden,  aber  das  Turnen  untersagt  wurde,  dass  die  Alumnen  fleissig  das 
Theater  und  die  Konzerte  besuchten  und  dass  sie  sogar  einen  Klosterball  veranstalteten, 

d.  25 j.  Bestehen  d.  Anstalt.  Progr.  d.  kgl.  Gymn.  Dramburg,  (Schade  &  Co.).  1893.  4°.  17  S.  —  191)  Th.  Beyer,  D. 
ältesten  Schüler  d.  Neustettiner  Gymn.  Progr.  Neustettin,  (R.  G.  Hertzberg).  4°.  II,  32  S.  —  192)  M.  Wehrmann,  D. 
Schule  zu  Stargard  i.  P.  unter  d.  Rektor  Th.  Reddemer  (1604-18):  MGESchG.  4,  S.  17-28.  —  193)  id.,  D.  Disputationen 
am  Pädagogium  (akad.  Gymn.)  in  Stettin:  ib.  S.  172-81.  —  194)  H.  Lemcke,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Stettiner  Rats- 
schule in  5  Jhh.  I.  ürkk.,  2.  Abt.  Progr.  Stettin,  (Herrcke  &  Lebeling).  4».  27  S.  —  195)  M.  Friebe,  Gesch.  d. 
ehemal.  Lateinschulen  Fraustadts.  Progr.  Fraustadt,  (Pucher).  4n.  54  S.  —  196)  E.  Matthias,  Beitrr.  z.  Gesch.  d. 
Realsch.  u.  d.  Gymn.  Fostschr.  z.  Feier  d.  50j.  Bestehens  d.  höh.  Lehranst.  in  Burg.  (Mit  1  Bild  d.  Viktoria-Gymn.  u. 
7  Autotyp.)  Burg  (bei  Magdeburg),  Hopfer.  106  S.  M.  1,00.  --  197)  A.  Nebelung,  7  Schalerjahre  im  Pädagogium  z. 
Kloster  „Unserer  Lieben  Frauen"  in  Magdeburg  (1820-27).    2.  (Titel-)Aufl.    Giessen,  Krebs.    8°.    40  S.   M.  0,60.    (Erschienen 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens.     I  12  :  ios-206 

zu  welchem  die  besten  Magdeburgischen  Familien  eingeladen  und  mit  den  Kloster- 
kutschen abgeholt  wurden.  —  Die  von  Matthes198)  mitgeteilten  Aktenstücke  zur 
Geschichte  der  Schule  und  Kirche  des  Klosters  Rossleben  erstrecken  sich  auf  die 
Zeit,  in  der  Rossleben  der  Superin tendentur  zu  Sangerhausen  unterstand,  d.  h.  etwa 
von  1571  bis  zur  Mitte  des  17.  Jh.  Uebrigens  bezieht  sich  ein  nur  geringer  Teil 
des  Dargebotenen  auf  die  Schule,  die  1580  im  Range  den  Fürstenschulen  beinahe 
gleichgestellt  wurde.  Aus  der  Zeit  des  30jährigen  Krieges  sind  nur  belanglose  An- 
ordnungen, z.  B.  über  Vertretung,  mitgeteilt  worden.  Von  1639—75  war  die  Schule 
ganz  verödet.  —  In  der  Beilage  zum  Programm  der  Landesschule  Pforta  ergänzt 
Max  Hof  mann109)  sein  Pförtner  Stammbuch  (JBL.  1893  I  6:184).  — 

Sohlesien.  Einige  Mitteilungen  unterrichten  uns  über  die  Lateinschule 
in  Lauban ,  deren  Reorganisation  im  Geiste  des  Comenius  durch  den  Rektor 
M.  Gottfried  Hoffmann  am  Ende  des  17.  Jh.  bewirkt  wurde 200).  —  Die  so  wechsel- 
vollen Schicksale  einer  alten  schlesischen  Schulanstalt,  des  kgl.  Gymnasiums  zu  Oels, 
hat  Werner201)  dargestellt.  Der  Stifter  der  Schule  war  der  Herzog  Karl  IL  von 
Münsterberg-Oels,  bei  dessen  Lebzeiten  sich  die  Schule  rasch  entwickelte;  aber  nach 
seinem  1617  erfolgten  Tode  ging  sie  rasch  wieder  zurück,  wozu  der  30 jährige  Krieg 
das  Seinige  beitrug-.  Neue  Lebenskraft  erhielt  die  hinsiechende  Schule  erst  im  J.  1737 
durch  die  Kospoth-Stiftung.  Bemerkt  zu  werden  verdient,  dass  der  Wert  der  deutschen 
Muttersprache  bereits  in  der  Eröffnungsrede  von  1594  hervorgehoben  wurde,  und  dass 
unter  dem  Rektor  Dominici  (1776--- 92)  in  allen  Klassen  deutscher  Unterricht  erteilt 
wurde,  in  der  Prima  2,  in  Sekunda  und  Tertia  3,  in  Quarta  5,  in  Quinta  6  Stunden 
wöchentlich:  es  wurden  Uebungen  im  deutschen  Stil,  im  Deklamieren  und  Disponieren 
nach  Sulzers  Vorübungen  und  nach  Schützens  Lehrbuch  zur  Bildung  des  Verstandes 
und  Geschmacks,  zwei  damals  sehr  gebräuchlichen  Lehrbüchern,  angestellt.  Ortho- 
graphische Uebungen  wurden  in  der  Quarta  an  der  Hand  von  Campes  Sittenbüchlein 
vorgenommen;  in  der  letzten  Klasse  wurde  Lesen  und  Orthographie  an  Rochows 
Kinderfreund  geübt.  In  Tertia  fanden  besondere  Uebungen  im  Briefschreiben  statt. 
Daneben  liefen  deutsche  dramatische  Schüleraufführungen,  unter  denen  hervorgehoben 
zu  werden  verdient  die  Aufführung  von  Lessings  Minna  von  Barnhelm  im  J.  1776. 
Von  1813  ab  führt  die  Anstalt,  die  seit  1737  Seminarium  geheissen  hatte,  wieder  den 
Namen  Gymnasium.  An  der  patriotischen  Begeisterung  des  J  1813  hatte  auch  das 
Oelser  Gymnasium  gebührenden  Anteil;  Blüchers  Adjutant,  von  Nostiz,  war  ein 
ehemaliger  Schüler  des  Gymnasiums.  Aus  der  Zahl  der  späteren  Schüler  sei  auf 
Gustav  Freytag  hingewiesen.  —  Die  Geschichte  einer  anderen  schlesischen  Anstalt, 
die  erst  seit  25  J.  besteht,  des  kgl.  Gymnasiums  zu  Gross-Strelitz,  hat  L arisch202) 
geschrieben.  Es  handelt  sich  dabei  hauptsächlich  um  Verhandlungen  zwischen 
Bürgerschaft,  Magistrat,  der  Regierung  und  dem  Provinzial-Schulkollegium  wegen 
des  Zustandekommens  der  Anstalt.  — 

Schleswig-Holstein.  Wiederum  bringt  S  e  i  t  z  203)  zur  Geschichte  der 
früheren  lateinischen  Schule  in  Itzehoe  Mitteilungen  und  Aktenstücke  (Einladungen, 
Lehrpläne,  Gesuche,  Verhandlungen  mit  dem  Rate),  die  sich  auf  die  J.  1717—48  er- 
strecken und  die  früheren  Veröffentlichungen  fortsetzen.  — 

Rheinprovinz  und  Westfalen.  In  seiner  Geschichte  des  Bonner 
Gymnasiums  (JBL.  1893  I  6  :  179)  fährt  Buschmann204)  fort  und  liefert  jetzt  den 
dritten  Teil,  der  das  kgl.  preussische  Gymnasium  in  der  Uebergangszeit  und  das 
Gymnasium  während  der  Leitung  Biedermanns  bis  zum  J.  1846  behandelt.  Inter- 
essant sind  in  dieser  sorgfältigen  Darstellung  Grasshofs  Charakteristik  der  Lehrer 
des  Gymnasiums  in  der  Uebergangszeit  und  die  Wiedergabe  der  Erinnerungen 
Gottfried  Kinkels,  eines  ehemaligen  Zöglings  und  späteren  Lehrers  der  Anstalt, 
letztere  auch  deshalb,  weil  sie  zeigen,  wie  ungenügend  deutsche  Sprache  und 
Litteratur  am  Bonner  Gymnasium  —  wie  an  so  vielen  anderen  —  gepflegt  wurden. 
Das  war  dort  auch  noch  der  Fall  nach  der  Reifeprüfungsordnung  von  1834,  die  aus- 
drücklich für  deutsche  Sprache  und  Litteratur  höhere  Anforderungen  stellte.  — 
Bruders205)  Geschichte  des  Schulwesens  zu  Bingen  a.  Rh.  während  des  MA  kann 
hier  erwähnt  werden,  da  seine  Mitteilungen  bis  ins  16.  Jh.  hinein  reichen.  Sie  sind  für 
verschiedene  Seiten  des  Schullebens  nicht  ohne  Wichtigkeit,  so  die  Berichte  über  Steuer- 
freiheit der  Lehrer,  über  Besoldungsverhältnisse,  über  Schulgeld  und  über  die  Feier 
des  Bischofspiels.  —  S  t  e  u  slo  f  f206),  der  Direktor  des  Herforder  Gymnasiums,  ver- 

zuerst  1891.)  —  198)  Matthes,  Aktenstücke  z.  Gesch.  d.  Schule  u.  Kirche  Kloster  ßossleben.  Progr.  Görlitz,  (Görlitzor 
Nachrichten  u.  Anz.).  4°.  21,  UI  S.  —  199)  Max  Hofmann,  Z.  Pförtner  Stammbuch  1543—1893.  Progr.  Kgl.  Landessch. 
Pforta.  6  S.  —  200)  Gymn.  in  Lauban:  MhComeniusG.  3,  S.  338  9.  —  201)  E.  Werner,  Gesch.  d.  kgl.  Gyran,  zu  Oels. 
Festschr.  z.  Feier  d.  300 j.  Bestehens  d.  Anst.  Oels,  A.  Ludwig.  96  S.  —  202)  B.  Larisch,  D.  Gründung  u.  d.  bisher. 
Entwicklung  d.  Anst,  aus  An!,  ihres  25j.  Bestehens  dargest.  Progr.  d.  kgl.  Gyran.  Gross-Strelitz,  (Hübner). 
4°.  16  S.  —  203)  K.  Seitz,  Aktenstücke  z.  Gösch,  d.  früheren  lat.  Schule  zu  Itzehoe  VI.  Progr.  Itzehoe, 
(Pfingsten).  48  S.  —  204)  J.  Buschmann,  Z.  Gesch.  d.  Bonner  Gymn.  3.  T.  Progr.  Bonn,  (Georgi).  4°.  49  S.  — 
205)  P.  Bruder,  D.  Schulwesen  zu  Bingen  a.  Rh.  während  d.  MA.:  MGESchG.  4,  S.  85-102.  —  206)  Steusloff,  E.  lat. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.     V.  (1)23 


1  12:207-215     K.  Kehrbaeh,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

öffentlicht  eine  lateinische  Schulordnung-  (mit  beigefügter  Uebersetzung)  aus  dem 
J.  1555,  die  der  ehemalige  Rektor  Froböse  für  die  Lateinschule  in  Herford  entworfen 
hat.  Ganz  im  Charakter  der  Zeit  wird  den  Schülern  das  Schlittschuhlaufen  und 
Baden,  sowie  der  Gebrauch  der  deutschen  Sprache  verboten.  —  Von  K  u  h  1  s 2Ü7)  Ge- 
schichte der  Stadt  Jülich,  insbesondere  des  früheren  Gymnasiums  zu  Jülich,  liegt  der 
dritte  und  letzte  Teil  vor,  der  die  Zeit  von  1742  —  1815  umfasst  und  die  Geschichte 
des  Gymnasiums  bis  zu  seinem  Untergänge  1799  führt.  Die  Aufhebung  des  Jesuiten- 
ordens 1773  zog  schon  im  folgenden  J.  die  der  Schule  nach  sich,  doch  wurde  sie 
Dank  den  Bemühungen  des  Magistrats  und  der  Bürgerschaft  1777  wieder  eröffnet, 
bis  sie,  mehr  und  mehr  im  Niedergang  begriffen,  1799  aufgelöst  und  trotz  aller  Ver- 
suche der  Stadt  nicht  wieder  ins  Leben  gerufen  wurde.  1818  wurde  eine  höhere 
Stadtschule  errichtet.  — 

Königreich  Sachsen.  Ueber  den  Unterricht  in  der  Wolkensteiner 
Lateinschule,  eine  der  ältesten  des  sächsischen  Erzgebirges,  in  den  J.  1598  und  1706 
werden  wir  orientiert  durch  zwei  Stundenpläne  aus  diesen  Jahren,  die  Gehmlich208) 
ediert.  —  Unter  dem  Titel  „Humanismus  und  Realismus  im  höheren  Schulwesen 
Sachsens  während  der  J.  1831—51"  schildert  Scholtze209)  im  ersten  Teile  seiner 
Arbeit  das  sächsische  höhere  Schulwesen  in  den  J.  1831—40,  in  denen  der  Realismus 
in  dem  Lehrplane  des  Gymnasiums  seine  rechtliche  Anerkennung  und  in  zwei 
neuen  Schulgattungen,  der  Realschule  und  dem  Realgymnasium,  seinen  ersten  eigen- 
tümlichen und  bereits  unterschiedenen  Ausdruck  fand.  — 

Oester reich.  Die  Schicksale  des  Freistädter  Gymnasiums  (Oberösterreich) 
während  der  ersten  25  J.  seines  Bestehens  hat  dessen  inzwischen  verstorbener  Direktor 
Hackel210)  (s.  o.  N.  71)  angefangen  zu  schreiben.  —  Ein  interessanter  Beitrag 
zur  Geschichte  des  Schulwesens  und  der  Reformation  in  Böhmen  ist  von  Horcicka211) 
durch  seine  Geschichte  der  Lateinschule  des  böhmischen  Bergstädtchens  Schlaggen- 
wald dargeboten  worden.  Die  Schule,  die  lange  segensreich  gewirkt  hatte  und  als 
die  beste  Böhmens  galt,  fiel  —  ein  Opfer  der  Gegenreformation  —  um  1624.  Der 
Vf.  hat  seine  Gabe  durch  eine  Reihe  von  Beilagen:  Bestallungen,  Instruktionen, 
Bibliothekskataloge  usw.,  bereichert.  —  Holzer212)  hat  eine  Vergleich ung  des  der- 
zeitigen österreichischen  Gymnasiums  mit  den  Forderungen  des  berühmten,  vom 
Grafen  Leo  Thun,  Franz  Exner  und  Hermann  Bonitz  herrührenden  Entwurfes  der 
Organisation  usw.  angestellt  und  gezeigt,  wie  weit  die -Organisation  des  jetzigen 
Gymnasiums  von  jenem  ursprünglichen  Entwürfe  abweicht,  und  nach  welchen 
Richtungen  hin  Veränderungen  und  Verbesserungen  eingetreten  sind.  —  Ueber  das 
erste  Decennium  des  Bestehens  des  Wiener  Staatsgymnasiums  des  XII.  Bezirks  (Unter- 
Meidling)  hat  dessen  Direktor  de  Ma  th  a-Wastl 213)  eine  chronologische  Ueber- 
sicht  gegeben.  — 

Realschulwesen.  Ueber  Herders  Bedeutung  und  seine  Forderungen 
für  Unterricht  und  Erziehung  ist  mehrfach  berichtet,  dabei  aber  in  den  meisten  Fällen 
seine  Ansicht  über  den  Wert  der  klassischen  Sprachen  in  den  Vordergrund  gestellt 
worden.  Dass  Herder  aber  auch  verdient,  in  der  geschichtlichen  Entwicklung  der 
Realschulidee  genannt  zu  werden,  erhellt  aus  Volkers214)  Aufsatz  über  Herders 
Plan  einer  livländischen  Schule,  der  in  seinem  „Journal  meiner  Reise"  (1767)  dar- 
gestellt ist,  einen  Plan,  in  dem  Prinzipien  der  Erziehung  sich  finden,  „welche  unsere 
Zeit  mehr  und  mehr  als  förderlich  anerkennen  wird."  Herders  Plan  fordert  zunächst, 
dass  in  der  Schule  die  deutsche  Muttersprache  mehr  zu  ihrem  Rechte  gelange,  und 
zwar  solle  die  Grammatik  und  der  Stil  aus  der  Sprache  erkannt  werden.  Nach  der 
Muttersprache  tritt  in  der  zweiten  Realklasse  das  Französische  ein,  das  er  vor  dem 
Lateinischen  bevorzugt  wissen  will,  und  zwar  soll  das  Französische  nicht  aus  der 
Grammatik,  sondern  lebendig  gelernt  werden,  nicht  für  das  Auge  und  durch  das 
Auge  studiert,  sondern  durch  das  Ohr  und  für  das  Ohr  gesprochen.  Erst  nach  dem 
Französischen  folgte  das  Lateinische  und  später  das  Griechische.  Für  diese  alten 
Sprachen  verlangt  er  weniger  Grammatik,  dagegen  viel  Lektüre.  — 

Baden.  Die  ersten  25  J.  einer  Realanstalt,  die  aus  einer  siebenklassig'en 
höheren  Bürgerschule  hervorgegangen  war,  des  Realgymnasiums  zu  Karlsruhe, 
schildert  Kappes215).  — 

Den  Plan  zur  Errichtung  der   ältesten  Realschule   im    Herzogtum   Braun- 

Schulordnung  d.  Rektors  Froböse  aus  d.  J.  1585  nebst  Uebersetz.  Progr.  Herford,  (Gebr.  Heidemann).  4°.  3  S.  —  207)  J. 
Kühl,  Gesch.  d.  Stadt  Jülich,  insbes.  d.  früheren  Gymn.  III.  T.:  1742—1815.  Jülich.  J.  Fischer.  VIU,  194  S.  M.  5,00.  — 
208)  E.  Gehmlich,  2  Stundenpläne  d.  Lateinsch.  in  Wolkenstein 'im  Erzgebirge  aus  d.  J.  1593  u.  1706:  MGESchG.  4,  S.  133/6. 
—  209)  A.  Scholtze,  Humanismus  u.  Realismus  im  höh.  Schulwesen  Sachsens  während  d.  J.  1831—51.  I.  T.  Progr. 
Plauen  i.  V.,  (Neupert).  4°.  38  S.  —  210)  H.  Hackel,  Gesch.  d.  Gymn.  in  Freistadt  (Oberösterr.)  in  d.  ersten  25  J. 
seines  Bestandes  (1867—92).  I.  T.  Progr.  Freistadt.  1893.  62  S.  —  211)  (II  6:187.)  —  212)  Jos.  Holzer,  D.  Gymn.  d. 
Organisations-Entwurfes  u.  unser  heutiges  Gymn.  Progr.  d.  Staatsobergymn.  Mähr.-Trübau.  25  S.  —  213)  J.  de  Matha- 
Wastl,  Chronol.  Rückblick  auf  d.  1.  Decenn.  d.  Bestandes  d.  Lehranst.  Progr.  d.  k.  k.  Staatsgymn.  im  XII.  Bez.  Wien.  1893. 
61  S.  -  214)  Völker,  Herders  Plan  e.  livländ.  Schule:  COIRW.  22,  S.  469-511.  —  215)  K.  Kappes,  Rückblick  auf  d.  ersten 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens.     I  12  :  210-222 

schweig-,  nämlich  der  zu  Königslutter  aus  dem  J.  1745,  hat  Koldewey216)  als 
Ergänzung"  zu  den  von  seinem  Vater  herausgegebenen  braunschweigischen  Schul- 
ordnungen (MGP.  Bd.  II  und  VIII)  bekannt  gemacht.  Dieser  Plan  ist  dadurch  wichtig, 
dass  er  die  für  die  einzelnen  Fächer  von  Lehrern  und  Schülern  benutzten  Bücher  ver- 
zeichnet. Hier  sei  erwähnt,  dass  auf  das  Briefschreiben  damals  grosses  Gewicht  gelegt 
wurde,  und  dass  für  dieses  Unterrichtsfach  dem  Lehrer  die  Benutzung  von  Gellerts 
Briefen  vorgeschrieben  war.  — 

Die  Darstellung  der  Entwicklung  des  Realprogymnasiums  zu  Uelzen  fin 
Hannover  hat  Schober217)  sich  zur  Aufgabe  gestellt.  — 

Eine  umfangreiche,  sorgfältige,  mit  wertvollen  Beilagen  und  wichtigem  ein- 
gestreuten urkundlichen  Material  bereicherte  Geschichte  der  Lateinschule  zu  Friedberg 
in  Hessen  hat  Windhaus218),  der  bereits  im  J.  1892  in  den  MGESchG.  Friedberger 
Schulrechnungen  veröffentlicht  hatte  (JBL.  1892  I  10 :  334)  geschrieben.  Die  gross- 
herzogliche Realschule  und  das  Progymnasium  sind  als  Fortsetzung  der  alten  Latein- 
schule zu  Friedberg  anzusehen,  und  es  kann  insofern  von  einem  350jährigen  Jubiläum 
dieser  Anstalten  gesprochen  werden.  Im  ersten  Abschnitte  seines  Buches  hat  W.  auch 
Beiträge  zur  Kenntnis  des  Friedberger  Schulwesens  vor  der  Gründung  der  Latein- 
schule (1543)  gegeben.  Urkundlich  belegt  ist  die  Schule  zum  ersten  Male  im  J.  1381 
durch  einen  Rector  parvulorum  Sifridus.  Wichtig  für  die  Kirchengeschichte  ist  seine 
Schilderung  des  Einzuges  der  Reformation.  Viel  Material  fällt  auch  für  die  Gelehrten- 
geschichte ab.  Eingefügte  Stundenpläne  und  Schulordnungen  illustrieren  den  Unter- 
richtsbetrieb in  den  einzelnen  Perioden  der  Friedberger  Schulentwicklung.  Zu  bedauern 
ist,  dass  der  Vf.  es  unterlassen  hat,  das  ungemein  reiche  und  authentische  Material 
durch  ein  Namen-  und  Sachregister,  das  die  Reichhaltigkeit  des  Stoffes  übersichtlich 
gegliedert  darbieten  würde,  leichter  zugänglich  zu  machen.  —  Eine  kurze  Geschichte 
der  grossherzoglichen  Real-  und  Landwirtschaftsschule  zu  Grossumstadt  in  Hessen 
hat  deren  derzeitiger  Direktor  Dersch219)  geschrieben.  Die  Schule  hat  sich  nach 
und  nach  unter  Ueberwindung  grosser  Schwierigkeiten  aus  einer  zweiklassigen  Vor- 
bereitungsanstalt für  die  oberen  Klassen  der  Realschule  und  des  Gymnasiums  ent- 
wickelt. Die  damit  verbundene  Landwirtschaftsschule  soll  jungen  Leuten  die  nötige 
wissenschaftliche  Grundlage  zu  einem  späteren  rationellen  Betriebe  der  Landwirtschaft 
geben.  D.  fügt  seiner  Skizze  ein  Verzeichnis  der  Direktoren  und  Lehrer  der  Anstalt 
sowie  eine  kurze  Statistik  der  Schülerfrequenz  bei, 

Preussen:  Provinz  Brandenburg.  In  kurzer  statistischer  Form  giebt 
Martus220)  einen  Rückblick  auf  das  25jährige  Bestehen  des  Berliner  Sophienreal- 
gymnasiums. — 

So  sehr  der  Deutsche  wohl  ein  Recht  hat,  die  französische  Fremdherrschaft 
im  ersten  Jahrzehnte  unseres  Jh.  als  eine  Schmach  zu  beklagen,  so  darf  doch  nicht 
übersehen  werden,  dass  auch  manches  Gute  durch  sie  geschaffen  oder  angeregt  wurde. 
So  müssen  der  Regierung  des  Königreiches  Westfalen  ihre  Verdienste  um  Hebung 
des  Bildungswesens  angerechnet  werden.  Was  in  jener  Zeit  für  die  Bürger-  und 
Realschulen  der  jetzigen  Provinz  Hessen- Nassau  beabsichtigt  und  gethan  worden 
ist,  hat  Knabe221)  übersichtlich  dargestellt  und  dadurch  wieder  eine  Lücke  in  der 
Geschichtsschreibung  des  Realschulwesens  ausgefüllt.  —  Ueber  die  Entwicklung  des 
Kasseler  Realgymnasiums  berichtet  Wittich222),  dessen  derzeitiger  Direktor.  Er  giebt 
kurze  biographische  Notizen  über  die  Direktoren  und  Lehrer.  Unter  den  ersteren  sei 
Kreyssig  genannt,  dessen  Verdienste  um  die  deutsche  Litteratur  —  er  hat  über 
Goethes  Faust  und  über  den  deutschen  Roman  der  Gegenwart  geschrieben  —  be- 
kannt sind.  Auch  W.  selbst  hat  Beziehungen  zur  deutschen  Sprache  und  Litteratur. 
Er  war  Heyse  behülflich  bei  der  Herstellung  der  14.  Auflage  seines  Wörterbuches, 
hat  über  Goethes  Tasso  geschrieben  und  auch  eine  Schulausgabe  von  dieser  Dichtung 
in  der  Schoeninghschen  Sammlung  veranstaltet.  Unter  den  Lehrern  verdienen  hier 
Karl  Knabe,  jetzt  an  der  Oberrealschule  in  Kassel,  der  mehrfach  Beiträge  zur  Schul- 
geschichte Hessen-Nassaus  geliefert  hat,  und  Heuser,  der  vor  zwei  Jahren  (1892)  in 
der  Programmarbeit  die  Frage  behandelte,  warum  Schiller  populärer  sei  als  Goethe, 
erwähnt  zu  werden.  Auch  Seelig  sei  hier  genannt  wegen  seiner  Dissertation  über  den 
elsässischen  Dichter  Hans  vom  Bühel.  — 

Die   wechselvollen  Schicksale  der   höheren  Lehranstalt  (Oberrealschule  und 


25  J.  d.  Anst.  (Realgymn.)  n.  Nachtrr.  zu  d.  r883  mitgeteilten  Verzeichn.  d.  Lehrer.  Progr.  Karlsrahe.  rS93.  5  S.  —  216) 
F.  Koldewey,  Schulordnungen  d.  Stadt  Königslutter  (Braunschweig).  II.  Plan  f.  d.  Errichtung  d.  Realsch.  aus  d.  J.  1745: 
MGESchG.  4,  S.  137-47.  —  217)  L.  Schöber,  Gesch.  d.  Schule  (Realprogymn.  zu  Uelzen)  1869—94.  Progr.  Uelzen.  19  S. 
—  218)  G.  Windhaus,  Gesch.  d.  Latein  seh.  zu  Friedberg.  Festschr.  z.  350j.  Jubil.  d.  grossherz.  Realsch.  u.  d.  Progymn.  zu 
Friedberg  i.  H.  (Mit  1  Tab.)  Friedberg,  Bindernagel.  1893.  V,  196  S.  —  219)  0.  Dersch,  Gesch.  d.  grossherz.  Real-  u. 
Landwirtschaftssch.  zu  Grossumstadt  in  d.  25  J.  ihres  Bestehens.  Progr.  Grossnmstadt,  (Lindauer).  18  S.  Mit  Bild.  — 
220)  H.  Martus,  Rückblick  auf  d.  25j.  Bestehen  d.  Schule.  Progr.  d.  Sophiengymn.  B.,  (H.  Müller).  öS.  —  221)  K. 
Knabe,  Lchrpläne  v.  Bürger-  u.  Realschulen  d.  Prov.  Hessen-Nassau  aus  d.  Zeit  d.  französ.  Fremdherrsch.:  MGESchG.  4, 
S.  279-84.   -  222)  W.  Wittich,  Rückschau  auf  d.  25j.  Gesch.  d.  Kasseler  Realgymn.    Progr.    Kassel,  (Gebr.  Schneider).     4°. 

(1)23* 


I  12:223-228     K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erzieh ungswesens. 

Progymnasium)  zu  Rheydt  im  Rheinlande  hat  Wittenhaus223),  der  langjährige 
verdiente  Direktor  dieser  Schule,  zur  Darstellung  gebracht.  — 

In  seiner  Geschichte  des  Realgymnasiums  in  Waidhofen  a.  d.  Thaya  (Nieder- 
Oester  reich)  giebt  K.  Seh  mit224)  eine  Chronik,  die  mit  dem  J.  1870  beginnend 
bis  1894  in  jedem  Jahre  wichtige  Sehulereignisse  anmerkt.  Er  spricht  auch  über 
Schulaufsicht,  verzeichnet  die  Lehrkräfte  nach  der  Zeit  ihres  Diensteintritts  usw., 
schliesst  hieran  ein  alphabetisches  Verzeichnis  der  Schüler  aus  den  J.  1870—94  und 
giebt  bei  den  einzelnen  ihre  derzeitige  Stellung  an.  —    , 

Lehrerbildungswesen.  Die  Einweihung  des  neuen  braunschweigischen 
Seminargebäudes  hat  Bosse225)  die  Anregung  gegeben,  die  Entstehung  und  Ent- 
wicklung des  herzoglichen  Lehrerseminars  von  1751—1801  auf  Grund  eingehender 
Quellenstudien  darzustellen.  Die  Schilderung  der  Gründung  des  Seminars  setzt  erst 
mit  dem  dritten  Abschnitte  (S.  72)  ein,  während  im  Vorhergehenden  ein  Ueberblick 
über  die  Anfänge  der'  deutschen  Lehrerbildungsanstalten  bis  zum  J.  1751  gewährt 
und  im  zweiten  Kapitel  einige  „charakteristische  Bilder"  aus  der  Entwicklungs- 
geschichte des  braunschweigischen  Stadt-  und  Landschulwesens  gegeben  werden, 
wobei  die  innerhalb  der  MGP.  und  der  MGESchG.  und  anderswo  bereits  veröffent- 
lichten gründlichen  Untersuchungen  Koldeweys  zur  braunschweigischen  Bildungs- 
geschichte benutzt  worden  sind.  Ein  Verdienst  würde  sich  der  Vf.  erwerben,  wenn 
er  seine  treffliche  Arbeit  weiter  führen  wollte  und  durch  ein  Namen-  und  Sachregister 
—  im  vorliegenden  Werke  fehlt  sogar  leider  das  Inhaltsverzeichnis  —  die  Benutzung 
des  Buches  erleichterte.  — 

Die  Bestrebungen,  nach  dem  7jährigen  Kriege  das  darniederliegende  Volks- 
schulwesen zu  heben,  mussten  bei  der  Heranbildung  eines  geeigneten  Lehrerstandes 
einsetzen.  In  Oesterreich  waren  auf  Felbigers  Anregung  die  sogenannten  Normal- 
schulen, die  in  den  einzelnen  Provinzen  eine  Richtschnur  für  alle  übrigen  Schulen  sein 
und  in  denen  zugleich  die  Lehrer  ausgebildet  werden  sollten,  eingerichtet  worden.  Was 
Felbiger  für  Oesterreich,  das  hat  für  die  Münsterschen  Lande  Franz  von  Fürstenberg,  an- 
geregt durch  Overberg,  der  die  Seele  der  Münsterschen  Normalschule  war,  gethan.  Obwohl 
nun  schon  mancherlei  über  diese  Normalschule  veröffentlicht  worden  ist  —  hier  sei 
besonders  an  Krabbes  vorzügliches  Leben  Overbergs  erinnert  — ,  so  hat  Krass226) 
sich  doch  ein  unstreitbares  Verdienst  erworben  durch  seine  kurze,  übersichtliche 
Geschichte  der  Münsterschen  Normalschule,  in  der  er  auf  Grund  von  Aktenmaterial  und 
Mitteilungen  ehemaliger  Schüler  ein  Bild  entwirft,  wie  es  in  dieser  Vollständigkeit 
bisher  noch  nicht  existiert  hat.  — 

Einen  interessanten  Beitrag  zur  Geschichte  der  Schullehrerkonferenzen 
hat  Gundert227)  geschrieben.  In  Württemberg  hatten  die  Lehrerkonferenzen,  noch 
ehe  die  Regierung  ihre  Einrichtung  1793  amtlich  empfohlen  hatte,  bereits  als  Privat- 
unternehmungen bestanden.  Es  hatte  nämlich  bereits  1759  und  1760  der  Ludwigs- 
burger Waisenhausschulmeister  Israel  Hartmann,  ein  Anhänger  des  Pietismus,  nach 
Analogie  der  Lehrerkonferenzen  A.  H.  Franckes  solche  eingerichtet.  Was  auf  diesen 
Konferenzen  während  der  J.  1759  und  60  verhandelt  wurde,  hat  G.  aus  den  hinter- 
lassenen  Papieren  Hartmanns  herausgegeben  und  dabei  in  seiner  begleitenden  Dar- 
stellung Streiflichter  auf  die  Entwicklung  des  württembergischen  Volksschulwesens 
fallen  lassen,  wodurch  die  Mitteilungen  Palmers  über  diese  ersten  Konferenzen  in 
seinem  Artikel  „Schulkonferenzen"  in  der  Schmidschen  Encyklopädie  wertvoll  er- 
gänzt werden.  — 

Volksschulwesen.  Im  grossen  Stile  hat  der  badische  Volksschullehrer- 
verein228), angeregt  durch  seinen  verdienstvollen  Obmann  Heyd,  die  Geschichte  des 
Volksschulwesens  im  Grossherzogtum  in  Angriff  genommen.  Sämtliche  badische 
Lehrer  sollten  sich  an  der  Sammlung  der  in  den  Kirchen-,  Schulen-  und  Ortsarchiven 
ruhenden  Materialen  zur  badischen  Volksschulgeschichte  beteiligen.  Es  wurde  eine 
Kommission  gebildet,  die  Regierung  und  die  Archivdirektionen  förderten  die  Be- 
strebungen, und  so  war  es  möglich,  dass  bereits  jetzt  drei  stattliche  Lieferungen  des 
geplanten  Werkes  vorliegen,  in  denen  eine  Anzahl  von  Schulgeschichten  einzelner 
Geoiete  des  Grossherzogtums  dargestellt  sind.  Dem  ganzen  geht  eine  allgemeine 
historische  Einleitung  von  J.  Barth  vorauf.  An  den  anderen  Teilen  arbeiteten  bis 
jetzt  Jak.  Hoffmann  und  L.  Feigenbutz.  Ungleichheiten  in  der  Anlage  und 
Bearbeitung    werden   sich   nicht   vermeiden   lassen;    um    so   mehr   ist   der   Wunsch 


63  S.  —  223)  Wittenhaus,  D.  Entwickl.  d.  höh.  Lehranst.  zu  Kheydt.  Progr.  d.  Oberrealsch.  u.  Progymn.  Rheydt. 
S.  1-20.  —  224)  Karl  Schmit,  Gesch.  d.  n.-ö.  Landes-Realgymn.  Waidhofen  a.  d.  Thaya  in  d.  ersten  25  J.  seines  Bestandes 
(1870—94).  I.  Progr.  Waidhofen  a.  d.  Th.,  (Ruth).  39  S.  —  225)  F.  Bosse,  D.  Entsteh,  d.  herzogl.  Lehrerseminars  zu 
Braunschweig  u.  seine  Entwickl.  v.  1751 — 1801.  Festschr.  z.  Einweih.  d.  neuen  Serainargebäudes.  Braunschweig,  Woller- 
mann. IV,  150  S.  M.  2,00.  —  226)  M.  Krass,  Gesch.  d.  Münsterschen  Nornialschule.  Progr.  Münster,  (Aschendorff).  82  S. 
—  227)  E.  Gundert,  Z.  Gesch.  d.  Schullehrerkonferenzen:  NB11EU.  23,  S.  1-12.  —  228)  Gesch.  d.  Entwickl.  d.  Volksschul- 
wesens   im  Grossherzogt.  Baden.     Im  Auftr.    d.  allg.    had.  Volksschullehrerver.  quellenmäss.   bearb.  unter  Leitung   u.  Mitwirk. 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens.     I  12:229-237 

gerechtfertigt,  dass  am  Schlüsse  des  ganzen  Werkes  ein  sorgfältig  gearbeitetes  Namen- 
und  Sachregister  die  Benutzung  des  Buches  erleichtere.  — 

Bayern.  Nachdem  Kr  allinger229)  bereits  durch  die  Edition  einer  Rede 
des  Exjesuiten  Domin icus  Zöttl  einen  Beitrag  zur  Geschichte  des  Landsberger  Schul- 
wesens geliefert  hat  (JBL.  1891  I  6:197),  erörtert  er  jetzt  dasselbe  Thema,  wenn  auch 
mit  der  Beschränkung*  auf  das  Volksschulwesen,  viel  ausführlicher.  Er  unterscheidet 
drei  Entwicklungsperioderi:  die  elementare  Privatschule  unter  obrigkeitlicher  Auf- 
sicht, die  Landsberger  Kloster-Mädchenschule  uud  die  Entstehung  der  öffentlichen 
Volksschule.  — 

Ostpreussen.  Durch  seine  Veröffentlichung,  in  der  Mitteilungen  über 
Schulverfassung,  Schulbesuch,  Schuleinnahmen,  Schulunterricht,  Bildung  der  Lehrer 
usw.  von  sechs  Schulen  des  Kirchspiels  Georgenburg  in  Ostpreussen  im  J.  1766  ge- 
macht werden,  hat  Froehlich230)  einen  wertvollen  Beitrag  zur  Geschichte  des  Land- 
schulwesens geliefert,  das  in  Ostpreussen  in  damaliger  Zeit  im  Vergleich  zu  anderen 
Gegenden  als  hochentwickelt  bezeichnet  werden  muss.  — 

Zur  Geschichte  des  Volksschulwesens  in  Rheinland  und  Westfalen  liegen 
mehrere  Beiträge  vor.  Lemmen231)  schildert  das  niedere  Schulwesen  im  Erzstift 
Trier  während  des  17.  und  18.  Jh.,  nicht  ohne  dabei  die  spärlichen  Belege  über  das 
Vorhandensein  von  Volksschulen  in  früheren  Zeiten  kurz  zu  erwähnen.  Während 
vor  dem  17.  und  noch  im  17.  Jh.  selbst  nur  ein  geringer  Teil  der  Jugend  die  Schule 
besuchte,  wurde  es  unter  Joh.  Hugo  von  Orsbeck  hierin  etwas  besser.  Grosser  Ein- 
fluss  und  weitgreifende  Reformen,  auch  für  das  Volksschulwesen,  gingen  von  Clemens 
Wenzel  (1768)  aus,  der  den  Spuren  lgnaz  von  Felbigers  folgend  zur  besseren  Vor- 
bildung der  Volksschullehrer  eine  Normalschule  in  Koblenz  gründete.  —  Einen 
kleinen  Beitrag  zur  Geschichte  der  Dorfschule  hat  Falk232)  durch  die  Mitteilung  des 
Schulmeistereides  zu  Steinheim  a.  M.  aus  dem  J.  1518  geliefert.  —  Kurze  geschicht- 
liche Mitteilungen  über  die  früheren  und  jetzigen  Verhältnisse  einer  kleinen  Dorf- 
schule, der  zu  Hetterscheid  in  der  Ruhrgegend,  hat  Crem  er283)  gebracht.  — 

Provinz  Sachsen.  Indem  Martens234)  eine  kurze,  aber  fleissige  Skizze 
über  die  Verordnungen  des  Erfurter  Rats  für  die  Volksschulen  des  ihm  unter- 
stehenden Gebietes  veröffentlicht,  macht  er  uns  mit  einer  Einrichtung  bekannt,  über 
deren  Existenz  wohl  bisher  wenige  etwas  gewusst  haben.  In  der  1620  vom  Erfurter 
Rat  für  das  Landschulwesen  erlassenen  Verfügung  wird  das  Lateinische  als  obli- 
gatorisches Unterrichtsfach  unter  Angabe  der  Lehrziele  dieses  Faches  vorgeschrieben. 
Die  Dorfschulen  sollen  in  drei  Klassen  zerfallen,  von  denen  die  beiden  unteren  wieder  in 
drei  Abteilungen  (decuriae)  eingeteilt  sind.  In  der  ersten  und  zweiten  Klasse  soll  sogar 
Griechisch  getrieben  werden.  Dass  diese  Schulordnung  hinsichtlich  der  erstrebten 
Lehrziele  nicht  allgemein  verbindlich  sein  konnte,  ist  klar,  und  der  Rat  von  Erfurt 
wird  schon  zufrieden  gewesen  sein,  zumal  in  der  Zeit  des  30jährigen  Krieges,  ein- 
klassige  Dorfschulen,  in  denen  der  Katechismusunterricht  die  Hauptsache  war,  in  seinen 
Dörfern  aufrichten  zu  können.  Dass  aber  der  Rat  selbst  in  dieser  traurigsten  Zeit 
immer  bemüht  war,  neue  Vorschläge  zur  Hebung  der  Stadt-  und  Landschulen  zu 
machen,  beweisen  die  Bildungen  verschiedener  Kommissionen,  deren  eine,  die  vom 
J.  1637,  Meyfarth,  der  Dichter  des  Liedes  „Jerusalem,  du  hochgebaute  Stadt",  an- 
regte. Wie  genau  es  der  Rat  bei  dem  1647  von  ihm  herausgegebenen  Visitations- 
ausschreiben genommen  hatte,  erhellt  daraus,  dass  darin  200  Fragen  an  Pfarrer 
und  40  Fragen  an  die  Lehrer  gerichtet  sind.  —  Ueber  die  Verhältnisse  der 
Volksschulen  in  den  auf  dem  Eichsfelde  gelegenen  fünf  WTintzingerodischen  Dörfern 
bis  zum  J.  1803  hat  Grosse235)  berichtet.  Das  Schulwesen  daselbst  hat  sich  un- 
abhängig von  den  von  Kurmainz  erlassenen  Bestimmungen  entwickelt.  Erst  in  der 
Zeit  nach  dem  30jährigen  Kriege  lässt  sich  über  das  Schulwesen  in  diesen  Dörfern 
etwas  Genaueres  sagen.  — 

Königreich  Sachsen.  Zu  den  wertvollen  Monographien,  die  bereits  über 
einzelne  Teile  des  sächsischen  Dorfschulwesens  erschienen  sind,  hat  Goldberg236) 
eine  neue  hinzugefügt,  die  sich  mit  der  Entwicklung  der  Schule  auf  den  Zittauer 
Dörfern  bis  zur  Eröffnung  des  Zittauer  Seminars  (1811)  beschäftigt.  Diese  Mono- 
graphien erfordern,  da  hier  die  Quellen  viel  dürftiger  fliessen,  meistens  grössere  Mühe 
als   die   über  das  höhere  Schulwesen.     G.  hat  mit  grossem  Fleisse  die  Kirchen-  und 


d.  Obmannes  H.  Heyd.  Lfg.  1/3.  Bühl  (Baden),  Aktienges.  Konkordia.  S.  1-288.  a  M.  1,00.  —  229)  H.  Kr  allinger,  Ueber 
d.  Volksschulwesen  d.  Stadt  Landsberg  a.  L.  v.  d.  frühesten  Anfängen  bis  z.  Durchführung  d.  Schulzwanges  zu  Beginn  d. 
gegenw.  Jh.:  OberbayrA.  48,  S.  87-112.  —  230)  G.  Froehlich,  E.  Landschulkat.  v.  J.  1766:  AltprMschr.  31,  S.  470-90.  — 
231)  (I  4:78.)  —  232)  F.  Falk,  Schulmeister- Annahme  u.  Schulmeistereid  zu  Steinheim  am  Main  im  J.  1518:  MGESchG.  4, 
S.  277/9.  —  233)  Cremer,  Schulgeschichtliches:  KZEU.  43,  S.  2138.  —  234)  K.  Martens,  D.  Fürsorge  d.  Erfurter  Rates 
für  d.  Dorf  Schulwesen  während  d.  30  j.  Krieges.  Progr.  Erfurt.  10  S.  —  235)  H.  Grosse,  D.  Verhältnisse  d.  Volksschulen 
sowie  d.  Lehrer  u.  Küster  in  den  5  zum  ehemal.  Wintzingerodischen  Gerichte  gehörigen  Dörfer  bis  z.  J.  1803:  DBUEU.  21, 
S.  88-90,  98/9,  105,6.    —   236)  (I  4 :  79.)  —    237)  B.  Pahner,  E.  Keyisionsber.  über  d.  ira  Hnllischen  Viertel  zu  Leipzig  be- 


I  12:238-243    K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens. 

Schularchive,  die  Schöppenbücher,  besonders  aber  die  Akten  des  Zittauer  Rathauses, 
die  freilich  nur  bis  zum  Anfange  des  18.  Jh.  reichen,  durchforscht  und  hat  das 
Resultat  seiner  Forschungen,  die  mit  dem  Mittelalter  einsetzen,  in  übersichtlicher 
Gliederung  vorgeführt.  Durch  die  Beilagen:  Lehrerprüfung  im  Rechnen,  Vorschriften 
für  den  Schulhalter  und  Hochzeitsbitter,  Dorfschulmatrikel,  Martin  Grünwalds  Schul- 
ordnung von  1706  hat  G.  seine  Studie  noch  erweitert.  —  Die  Geschichte  des  Winkel- 
schulwesens hat  Pahner237)  durch  die  Veröffentlichung  eines  Revisionsberichtes  über 
einzelne  Leipziger  Winkelschulen  um  1741  bereichert.  Leipzig  hatte  bis  zum  Ende 
des  18.  Jh.  nur  zwei  städtische  Lateinschulen,  aber  keine  deutsche  Stadtschule.  Es 
war  daher  kein  Wunder,  wenn  das  Winkelschulwesen  dort  üppig  wucherte  und  einen 
Einfluss  auf  die  Bildung  der  mittleren  und  unteren  Stände  ausübte,  der  bei  der  Be- 
urteilung kultureller  Gegenstände  einzelner  Städte  und  Stände  nicht  ausser  Acht  ge- 
lassen werden  darf.  — 

Die  von  Kaisser238),  dem  fleissigen  Durchforscher  der  württembergischen 
Volksschulgeschichte,  herausgegebene  Bestallungsurkunde  für  den  Messner  Bonaven- 
tura Schilling  ist  insofern  interessant,  als  hier  als  Kandidat  des  Messnerdienstes  ein 
Student  auftritt,  und  die  Schulmeisterstelle  getrennt  von  dem  Kirchendienste  erscheint, 
ferner  dass  ein  Teil  des  Einkommens  vom  Messneramt  und  Schuldienst  unter  die 
Vertreter  beider  Aemter  gleichmässig  geteilt  wird,  und  dass  die  Anstellung  immer 
nur  auf  ein  Jahr  Geltung  hat.  — 

Oesterreich.  Trotzdem  die  Geschichte  des  Volksschulwesens  der  Sieben- 
bürger Sachsen  im  einzelnen  und  im  ganzen  bereits  tüchtige  Bearbeiter  gefunden 
hat,  muss  man  das  Buch  Beckers235')  willkommen  heissen.  Zwar  hat  Teutsch 
in  seinen  innerhalb  der  MGP.  (Bd.  VI  und  XIII)  veröffentlichten  siebenbürgisch- 
sächsischen  Schulordnungen  mit  Einleitungen,  Anmerkungen  und  Register,  die 
wesentlichsten  Urkunden  zur  Geschichte  auch  des  siebenbürgischen  Volksschulwesens 
veröffentlicht,  allein  es  fehlt  doch  bei  dieser  Veröffentlichung,  die  durch  die  Urkunden 
dem  Forscher  ein  Bild  der  gesamten  Entwicklung  des  siebenbürgischen  Bildungs- 
wesens geben  will,  an  einer  zusammenfassenden  fortlaufenden  Darstellung  der  eigen- 
artigen Entwicklung  des  siebenbürgischen  Volksschulwesens  Eigenartig  —  denn  in 
Siebenbürgen  sind  Staat  und  Kirche,  politische  und  kirchliche  Gemeinde  stets  eins 
gewesen,  und  auch  heute  noch  ist  die  deutsch-evangelische  Gemeinde  und  die  deutsche 
Schulgemeinde  im  wesentlichen  eine  und  dieselbe.  Es  ist  daher  anzunehmen,  dass  da, 
wo  eine  Kirche  war,  auch  eine  Schule  gewesen  ist,  wenngleich  eine  solche  im  Mittel- 
alter nicht  immer  da,  wo  von  einer  Kirche  die  Rede  ist,  nachgewiesen  werden  kann. 
Seiner  schwungvollen,  für  das  Wesen  des  siebenbürgischen  Volkstums  begeisterten 
Darstellung  hat  B.  im  Anhange  noch  einige  Beilagen:  Schulordnungen,  Schulgesetze, 
Reformvorschläge,  sowie  ein  siebenbürgisches  Volksgedicht  beigegeben.  — 

Der  arbeitsfreudige  Forscher  und  Sammler  auf  dem  Gebiete  des  schweize- 
rischen Schulwesens,  Hunziker240),  giebt  die  Entwicklung  der  Reformbestrebungen 
innerhalb  des  Dorfschulwesens  Zürichs,  die,  angeregt  durch  den  Antistes  Ulrich,  in 
den  70  er  J.  des  vorigen  Jh.  zum  Durchbruch  gelangten  und  1878  die  offizielle 
Sanktion  erhielten.  Die  Verbesserungen  bestanden  u.  a.  in  der  Erweiterung  der 
Winterschule  um  zwei  Wochen,  in  allgemeiner  Einführung  der  Sommerschule  mit 
zwei  Tagen  wöchentlich  Unterricht,  Einführung  einheitlicher  Schüler-  und  Absenzen- 
Tabellen,  verschärftem  Vorgehen  gegen  Vernachlässigung  des  Schulbesuchs,  schärferer 
Betonung  der  Klasseneinteilung,  Aufstellung  eines  Lehrplanes,  Verpflichtung  der 
Gemeinde,  Schulhäuser  oder  wenigstens  Schulstuben  herzugeben,  Schutz  der  Lehrer 
gegen  widerspenstige  Eltern.  — 

In  seinen  beiden  Vorträgen  über  den  höheren  Mädchenunterricht  und  über 
Frauenbildung  hat  Müller-Frauenstein241)  auch  eine  Anzahl  von  Nachrichten 
zur  Geschichte  der  weiblichen  Erziehung  in  Deutschland  und"  zur  Entwicklung  der 
Frauenfrage  eingefügt.  — 

In  einem  letzten  Abschnitte  sei  Verschiedenes  zusammengestellt.  Dass 
die  Jesuiten  auf  die  Aufführungen  von  Schulkomödien  grosses  Gewicht  legten, 
ist  allgemein  bekannt.  Leider  ist  die  Absicht,  eine  grössere  zusammenfassende  Dar- 
stellung über  die  Geschichte  der  Schulkomödie  bei  den  Jesuiten  zu  schreiben,  von 
dem  Herausgeber  der  Ratio  studiorum  et  Institutiones  scholasticae  Societatis  Jesu 
(MGP.  Bd.  II,  V,  VIII,  XV)  nicht  ausgeführt  worden.  Umsomehr  sind  einzelne  Beiträge 
als  Vorarbeiten  hierfür  willkommen.    Wilh.  Richter242)  hat  eine  Zusammenstellung 


stehenden  Winkelschulen  u.  seine  weiteren  Folgen  (1741):  MGESchG.  4,  S.  2004.  —  238)  B.  Kaisser,  Bestallungsurk.  für  d. 
Messner  Bonaventura  Schilling  in  Nendingen,  Oberamt  Tuttlingen,  aus  d.  J.  1786:  ib.  S.  147/8.  —  239)  K.  Th.  Becker,  D. 
Volksschule  d.  Siebenburger  Sachsen.  E.  Ueberblick  über  ihre  gesch.  Entwickl.  mit  e.  Anh.  erklärender  Beul.  Bonn,  Paul. 
II,  156  S.  M.  2,50.  -  240)  O.  Hunziker,  Aus  d.  Reform  d.  Zürcherischen  Landsohulen  1770-78:  XürcherTb.  S.  222-76.  — 
241)  G.  Müller-Frauenstein,  Ueber  höh.  Mädchenunterr.  u.  über  Frauenbildung.  2  Vortrr.  Hannover  u.  L.,  Ost.  60  S. 
M.  0,60.  —    242)  Wilh.  Richter,  Paderborner  Jesuitendramen  in  d.  J.  1592-1770:  MGESchG.  4,  S.  5-16.  —  243)  (I  4:68.) 


K.  Kehrbach,  Geschichte  des  Unterrichts-  und  Erziehungswesens.     I  12:244-24« 

der  Titel  der  innerhalb  der  J.  1592—1770  im  Paderborner  Jesuitengymnasium  auf- 
geführten Dramen  veröffentlicht.  — 

Kavaliermässige  Erziehung.  Zu  den  mächtigen  Strömungen  der 
deutschen  Kultur  gehört  auch  jene,  die  bereits  im  16.  Jh.  sich  bemerkbar  macht 
und  im  17.  immer  stärker  anschwillt,  und  durch  die  uns  die  neue  französische 
Bildung  und  Lebensweise  zugeführt  wird.  Dieser  von  dem  französischen  Hofe  aus- 
gehende Einfluss  zeigt  sich  auch  in  den  Zielen  der  Erziehung  jener  Periode.  Der 
ideale  Mensch  ist  für  diese  Zeit  der  Typus  des  Hofmanns,  und  die  Idealerziehung 
besteht  in  der  Erziehung,  die  die  Hofkreise  hochhielten.  Was  nun  damals  als  not- 
wendige Bestandteile  im  Unterricht  und  in  der  Erziehung  zu  einem  gebildeten  Menschen, 
zu  einem  Kavalier,  angesehen  wurde,  legt  Steinhausen243),  der  schon  kurz  vorher 
in  seiner  ZKultG.  dieses  Thema  erörtert  hatte  (JBL.  1893 1  6  :  238),  in  seinem  Aufsatze 
„Die  Idealerziehung  im  Zeitalter  der  Perücke"  klar  auseinander.  — 

Ordenserziehung.  Zu  den  Beiträg-en  über  die  Schuldisciplin  vergangener 
Jhh.  hat  Wilh.  Richter244)  ein  neues,  auf  authentischen  Nachrichten  beruhendes 
interessantes  Kapitel  hinzugefügt,  das  ausser  der  historischen  Pädagogik  auch  der 
Sittengeschichte  neue,  noch  nicht  benutzte  Stoffe  zuführt.  Es  steht  zu  erwarten,  dass  in 
der  von  der  GESchG.  beabsichtigten  Herausg'abe  der  Texte  und  Forschung-en  R. 
weitere  Mitteilungen  aus  den  hs.  Tagebüchern  der  Paderborner  Studienpräfekten  des 
17.  Jh.   bekannt  giebt.  — 

An  der  Hand  zweier  alter  Zeitung-snummern  des  Schwäbischen  Merkur 
und  der  Deutschen  Zeitung  vom  J.  1791  erinnert  Sarrazin245)  an  die  Unsitte  des 
Weihnachtssingens  der  Dorfschullehrer,  die  in  Baden  bereits  im  letzten 
Decennium  des  vorigen  Jh.  abgeschafft  worden  ist.  — 

Nachdem  der  im  J.  1873  gegründete  Verein  Hamburger  Volksschul- 
lehrer sich  in  diesem  Jahre  zu  Guusten  der  Gesellschaft  der  Freunde  des  vater- 
ländischen Schul-  und  Erziehungswesens  aufgelöst  hat,  ist  als  letztwillige  Verfügung 
des  Vereins  seine  Geschichte,  die  die  Gründung  und  das  Wesen,  seine  Arbeiten, 
seine  Krisen,  seine  Beziehungen  usw.  darstellt,  von  Köhncke  und  Scheel246) 
geschrieben  worden.  — 


1,13 
Poetik  und  ihre  Geschichte. 

Richard  Maria  Werner. 

[Der  Bericht  über  die  Erscheinungen  des  Jahres  1894  wird  im  sechsten  Bande 
nachgeliefert.] 


—  244)  Wilh.  Richter,  Aus  d.  Tageb.  d.  Paderborner  Studienpräfekten  P.  H.  Rexing.  S.  J.  (1665-67):  MGESchG.  4,  S.  247-76. 

—  245)  J.  Sarrazin,  Die  Schulmeister  u.  d.  Weihnachtssingen  vor  100  J.:  Alemannia  22,  S.  53/5.    —   246)  H.  Köhncke  u. 
J.  J.  Scheel,  Gesch.  d.  Ver.  Hamburger  Volksschullehrer  (1873—94).    Hamburg,  Fritzsche.    105  S.    M.  1,00.  — 


II.  Von  der  Mitte  des  15.  bis  zum  Anfang 
des  17.  Jahrhunderts. 


IM 

Allgemeines. 

Max  Osborn. 


Geschichte:  Allgemeine  Darstellungen  N.  1;  revolutionäre  Bewegungen  N.  20;  Specialgeschichtliches  N.  33; 
einzelne  Persönlichkeiten  N.  55.  —  Geistiges  Lehen:  Allgeraeines  N.  72;  Literaturgeschichte  N.  82;  Wissenschaft  N.  91.  — 
Kulturgeschichtliches  N.  110.  —  Briefe  und  Memoiren  N.  139.    —  Bibliographisches  N.  153.  — 

Die   Zeiten,    da   die   Geschichtsschreibung*    sich  im    wesentlichen    damit   be- 
gnügte,   politische    und    Kriegsgeschichte   zu    geben,    da    sie    auch    die  wichtigsten 
geistigen  Strömungen  bei  weitem  nicht  ihrer  Bedeutung  entsprechend  berücksichtigte 
und  der  Litteratur  wie  den  bildenden  Künsten  kaum  einen  gnädigen  Seitenblick  zu- 
warf, sind  lange  dahin.     Der  moderne  Historiker  befleissig't  sich  einer  Universalität,  die 
sich  der  moderne  Litterarhistoriker  zum  Beispiel  nehmen  sollte,  wenn  er  Geschichte  der 
Dichtung,  d.  h.  Geschichte    der  Menschheit   von    der   litterarischen  Seite  her,  treiben 
und  schreiben  will.     In  keiner  der  umfassenden  geschichtlichen  Darstellungen 
unserer  Epoche    suchen   wir   in    dem   allgemeinen  Rahmen  vergeblich  nach  einer 
eingehenden  Würdigung    der  Zeitlitteratur,    der  Kunst,    der   ganzen    Weltauffassung, 
der    wissenschaftlichen  Anschauungen    und    der  Ideen,  die  emportauchten  und  wirk- 
sam geworden  sind.     Aus  Lamprechts1)  „Deutscher  Geschichte",    deren    zahlreiche 
Verehrer   den  Kampf   wider    die    weit  kleinere  Gruppe  der  Gegner  siegreich  zu  be- 
stehen   scheinen,    kommt    von  dem  fünften,  das  16.  Jh.  behandelnden  Bande  diesmal 
für  uns   nur   der   erste  Teil  in  Betracht,   der  die  deutsche  Dichtung  jener  Zeit  noch 
nicht  in  einer  gesonderten  Uebersicht  behandelt.     Aber  dieser  Abschnitt  des  grossen 
Werkes    bietet   trotzdem    eine    reiche  Ausbeute    auch   für  die  speciellen  Zwecke  des 
Literarhistorikers.     Denn   mit   einem   weitblickenden  souveränen  Zuge  sind  hier  die 
Kräfte  gezeichnet,  die  beim  Beginn  der  aufdämmernden  neuen  Zeit  in  unserem  Vater- 
lande lebendig  wurden  und  zur  Macht  gelangten.     Der  Uebergang  zur  Geldwirtschaft 
ist   L.  das    entscheidende  Moment,    das    den    gewaltigen  Umschwung   im  Gange   der 
nationalen  Entwicklung  herbeiführte.     Er  bringt  zunächst  eine  Wendung  auf  wirt- 
schaftlichem,  socialem   und  politischem  Gebiete  herbei,  als  deren  unmittelbare  Folge 
sich   die   geistige  Revolution    darstellt.     Mit  dem  Augenblick,  da  die  Erscheinungen 
der  Geldwirtschaft  social  deutlich  zu  Tage  treten,  setzt  auch  die  geistige  Entwicklung 
ein,    die   zum  Individualismus   des    16.  und  17.  Jh.    hinüberleitet.     Auf  dem  Gebiete 
der  Kunst    wie   der  Litteratur    und   der  Wissenschaften,   im  Kreise    der  ästhetischen 
wie  der  intellektuellen  Bethätigung   verschieben   sich  die  Interessen;   das  Bestreben 
nach   naturalistischer  Beherrschung   der  Aussenwelt  tritt  auf.     „Die  Malerei  erreicht 
den   im    einzelnen    unübertroffenen  Realismus    der  van  Eycks  und  ihrer  Nachfolger 
bis  zum  Schluss   des  15.  Jh.     Die  Litteratur  nähert  sich  der  persönlichen  Charakte- 
ristik in  den  ersten  Formen  der  Satire  und  des  Dramas,  und  die  Wissenschaft  sucht 
die  realen,  geschichtlichen,  geographischen  Probleme    und   befreit  sich  langsam  von 


1)  (I  1  :  51;  4  :  11.)     j[0.  Zöctler:  ThLBl.  15,  S.  241/4;    LCB1.  S.  987/8;    H.  Grimm:  DLZ.  S.  811/5;   Grenzt.  2, 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.     V.  (2)1 


II  1  :  i  M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts. 

der  Herrschaft  der  Scholastik  eines  Thomas  und  Bonaventura."  Gestärkt  wird  diese 
Bewegung-  und  diese  Bildung  durch  die  grossen  Strömungen  der  Renaissance  und  des 
Humanismus,  gesichert  indessen  für  immer  erst  durch  das  wichtigste  nationale  Er- 
eigniss  des  ganzen  Zeitalters:  durch  die  Reformation.  „Luther  ist  es,  der  dem  Indi- 
vidualismus auf  dem  tiefsten  Gebiete  des  Geisteslebens,  auf  dem  religiös-philosophischen, 
freie  Bahn  bricht,  indem  er  die  Einzelperson  unmittelbar,  ohne  die  Daz  wisch  enkunft 
irgend  welcher  Sakramentsanstalt,  dem  göttlichen  Prinzip  gegenüberstellt."  Freilich 
nicht  alle  hat  Luther  mit  dem  Geist  seiner  Lehre  erfüllt.  Und  wie  er  zu  Beginn 
seines  öffentlichen  Auftretens  der  populärste  Mann  in  Deutschland  war,  so  ward  er 
nach  den  Bauernkriegen,  als  er  offen  aufdeckte,  wie  sehr  ihn  die  unteren  Kreise 
missverstanden  hatten,  „auf  lange  Zeit  einer  der  unpopulärsten  Männer  im  Reiche." 
So  erklärt  L.  die  erstaunlichen  Erfolge  der  Gegenreformation  bereits  in  der  zweiten 
Hälfte  des  16.  Jh.  Und  mit  Humanismus  und  Renaissance  stand  es  nicht  anders. 
Die  ganze  neue  individualistische  Kultur  mit  ihrem  künstlerischen  und  litterarischen 
Realismus,  mit  ihrer  Freude  am  klassischen  Altertum,  mit  der  wahren  Begeisterung, 
dem  tieferen  Verständnis  für  die  Lehre  Luthers  war  auf  einen  nur  kleinen  Kreis  be- 
schränkt, weil  eben  auch  ihre  materiellen  und  socialen  Voraussetzungen  nur  dünn 
gesät  waren:  „Die  ungleichmässige  Entwicklung  der  materiellen  Kultur  spiegelte 
sich  wieder  in  den  zerstreuten  ungleichmässigen  Fortschritten  des  Geisteslebens." 
Dem  17.  und  18.  Jh.,  so  führt  L.  aus,  blieb  die  Aufgabe,  „die  im  16.  Jh.  erreichte 
Höhe  der  Geisteskultur  nun  auch  wirtschaftlich  und  social  dauernd  zu  stützen",  die 
individualistische  Kultur  zum  Allgemeingut  der  Nation  zu  machen  —  eine  Aufgabe, 
die  der  Vf.  als  am  Schlüsse  des  18.  Jh.  thatsächlich  gelöst  ansieht.  Er  betrachtet 
diese  ganze  Periode,  vom  Beginn  des  humanistischen  Zeitalters  und  der  grossen 
Entdeckungen  bis  zum  Ende  des  vergangenen  Jh.,  als  eine  in  sich  geschlossene 
Epoche  des  Individualismus,  der  nun  die  Epoche  des  „modernen  Subjektivismus" 
gefolgt  sei.  Darum  hält  L.  es  geradezu  für  einen  „verhängnisvollen"  geschichtlichen 
Irrtum,  wenn  man  in  unserer  Zeit,  was  oft  und  gern  geschieht,  sich  dem  Glauben 
hingiebt,  „dass  wir  heutzutage  noch  mit  der  Geisteskultur  der  Reformationszeit 
durch  unmittelbare  Zusammenhänge  verbunden  seien".  Eine  Gegenüberstellung 
Luthers  und  Kants,  welch  letzterer  an  der  Schwelle  der  jüngsten  Phase  steht,  soll 
das  veranschaulichen:  „Luther  weist  den  religiösen  Individualismus  noch  an  die 
Offenbarung  des  Evangeliums"  (und  damit  an  die  daraus  abgeleiteten  kirchlichen 
und  dogmatischen  Autoritäten);  Kants  ethischer  Subjektivismus  dagegen  „verwirft 
jede  statutarische  Autorität  und  stellt  das  Individuum  nur  auf  sich  und  damit  auf 
den  Begriff  einer  menschlichen  Freiheit,  die  sich  allein  ihre  Gesetze  giebt."  Nach 
diesen  in  der  Einleitung  klar  und  scharf  entwickelten  allgemeinen  Gedanken  wendet 
sich  L.  zur  Darstellung  der  historischen  Ereignisse,  der  wirtschaftlichen  und  socialen 
Wandlungen  vom  14.  zum  16.  Jh.  und  ihrer  Ergebnisse  auf  geistigem  und  gesell- 
schaftlichem Gebiete.  Er  zeigt  das  langsame  Heranreifen  der  kapitalistischen  Form 
im  Wirtschaftsleben  und  die  „proletarischen  Bildungen".  Es  entsteht  ein  neuer,  rein 
auf  die  Arbeit  gestellter,  in  dauernder  kapitalistischer  Abhängigkeit  befindlicher  prole- 
tarischer Stand,  der  ein  „allzeit  gewärtiges  Element  des  Aufstandes"  ist.  Alle  Kreise 
der  Bevölkerung  werden  unter  diesem  Gesichtspunkte  vorgenommen.  In  dem  immer 
stärker  hervortretenden  höheren  Bürgertum  zeigt  sich  vor  allem  die  geistige  Be- 
fruchtung der  Nation  durch  die  realen  Thatsachen.  Auf  den  Kaufmannstand,  auf 
den  lebhaften,  gesteigerten  Verkehr,  den  die  neue  Art  des  Handels  mit  sich  brachte, 
wird  nachdrücklich  hingewiesen.  Aus  der  neuen  Welt  der  Anschauungen,  aus  dem 
neuen  Tempo,  das  in  den  Gang  der  europäischen  Kultur  hineingekommen  ist,  gehen 
„ganze,  allseitig  individuelle  Menschen"  hervor.  „Ein  allgemeiner  Drang  nach  ver- 
geistigtem Dasein,  nach  der  Durchbildung  des  Einzelnen  zum  Mikrokosmus  hin 
trat  ein."  Die  reissende  Entwicklung  des  Buchdrucks  und  der  polygraphischen 
Gewerbe,  dieser  Vermittler  geistiger  Errungenschaften  von  Ort  zu  Ort,  von  Person 
zu  Person,  zeigte  diesen  Fortschritt  am  deutlichsten.  Die  „Demokratisierung  des 
Waffenhandwerks  durch  die  Erfindung  der  Feuerwaffen"  bringt  den  Adel  um  seinen 
alten  Beruf.  Aber  nur  vereinzelte  Personen  aus  ritterlichen  Geschlechtern  erkennen 
dies  und  begreifen,  dass  nur  durch  geistige  Leistungen  eine  neue  Stellung  zu  ge- 
winnen sei.  Wie  ein  Adliger,  der  noch  schwankend  in  seiner  Erkenntnis  ist,  steht 
Maximilian  I.  inmitten  all  dieses  brausenden  Lebens.  L.  zeichnet  ihn  mit  wenigen 
Strichen  und  führt,  um  die  imperialistischen  und  dynastischen  Beweggründe  auch 
seiner  litterarischen  wie  künstlerischen  Bestrebungen  zu  erweisen,  treffend  eine 
Stelle  aus  dem  Weiskunig  an,  die  zugleich  den  erwachenden  Individualismus  der 
Zeit  kennzeichnet:  „Wer  ihme  in  seinem  Leben  kein  Gedächtnis  macht,  der  hat  nach 
seinem  Tod  kein  Gedächtnis,  und  desselben  Menschen  wird  mit  dem  Glockenton 
vergessen."  In  einer  vollendeteren  Beherrschung  der  Aussenwelt  und  der  mensch- 
lichen Umgebung   offenbart    sich   die   immer  höher  steigende  individualistische  Per- 


M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  1  =  2-12 

sönlichkeit.  Es  wächst  das  Gefühl  für  die  Natur,  die  Freude  an  der  Landschaft, 
es  entwickelt  sich  der  historische  Sinn,  und  die  Selbstbetrachtung  sowie  die  kritische 
Beachtung  der  nächst  liegenden  Lebensverhältnisse  beginnen  eine  Rolle  zu  spielen. 
So  kommen  Charakteristiken,  Lebensbeschreibungen,  Autobiographien,  Memoiren  in 
die  Höhe,  so  fängt  man  an,  in  Briefen  seine  Persönlichkeit  mitzuteilen,  so  steigt,  die 
Kunst  der  Porträtmalerei  auf  eine  ansehnliche  Höhe.  Vor  allem  wird  dann  der 
Humanismus  von  den  Anfängen  bis  zu  seiner  Konsolidierung  als  Alleinherrscher 
im  Lande  der  Gelehrsamkeit  (S.  151—63,  183 — 202)  und  die  neu  aufblühende 
naturalistische  bildende  Kunst  (S.  164—83,  203—17)  behandelt;  Albrecht  Dürer 
zumal  wird  eine  hohe  Stellung  eingeräumt.  Es  folgt  Luther  und  seine 
Wirksamkeit  bis  zum  J.  1525.  Die  radikalen  Ausläufer  der  Reformation  auf  reli- 
giösem und  politischem  Gebiete,  Wiedertäufer  und  Bauernkriege,  machen  den 
Schluss  des  Bandes.  Es  ist  unvermeidlich,  dass  bei  einem  WTerke  wie  dem  L.s,  das 
einen  solchen  Riesenstoff  von  hoher  Warte  aus  überblicken  will,  Ungenauig- 
keiten  im  einzelnen  mit  unterlaufen.  Es  soll  darum  keine  krittlerische  Mäkelei  sein, 
wenn  bei  den  speciellen  Angaben,  die  in  die  zusammenfassende  Darstellung  eingefügt 
sind,  zur  Vorsicht  gemahnt  wird;  einzelne  Stichproben  haben  verschiedentliche  Irr- 
tümer ergeben  (so  S.  138  „Im  J.  1556  ist  Eichhorns  Schrift  vom  Hosenteufel  erschienen": 
die  Schrift  erschien  1555  und  ihr  Vf.  ist  Andreas  Musculus,  Eichhorn  in  Frankfurt  a.  O. 
ist  der  Verleger;  so  S.  187,  wo  sich  unrichtige  Angaben  bei  den  Gründungsjahren  der 
Universitäten  finden:  Heidelberg  1385  statt  1386,  Rostock  1409  statt  1419).  —  In 
der  Spamerschen  illustrierten  Weltgeschichte  hat  Kaemmel2)  nun  den  fünften  Band, 
der  die  allgemeine  Geschichte  Europas  vom  Beginn  der  grossen  Entdeckungen  bis 
zum  30jährigen  Kriege  umfasst,  in  dritter,  „völlig  veränderter"  Auflage  heraus- 
gegeben. Das  Buch  sucht  den  Zielen  der  Spamerschen  Sammlung,  die  der  Kultur- 
geschichte besondere  Berücksichtigung  zu  teil  werden  lassen  will,  mit  Erfolg  gerecht 
zu  werden.  Trefflich  ausgewählte  Illustrationen,  Porträts,  Karten,  Facsimiles,  zumal 
die  vorzüglichen  Reproduktionen  alter  Holzschnitte  und  Kupferstiche  (zwischen  S.  472/3 
ist  ein  Abdruck  der  „Newezeitung  aus  der  Türekey",  einer  der  ersten  in  Berlin  ge- 
druckten Zeitungen  [1578],  eingefügt)  führen  den  Leser  unmittelbar  in  die  geschilderte 
Zeit.  Besonders  wirksam  illustrieren  die  Abbildungen  die  Abschnitte,  die  über 
bildende  Kunst  handeln.  Aber  auch  die  Litteraturkapitel  profitieren  von  dieser 
popularisierenden  Tendenz  des  Werkes.  Hervorgehoben  seien  zumal  die  Partien 
über  die  Dichtung  und  Kunst  der  italienischen  Renaissance  (S.  108—29),  über 
deutsche  Wissenschaft  und  Kunst  zur  Reformationszeit  (S.  401—28)  und  über  die 
französische  Renaissance  (S.  492—500).  Die  musterhafte  Ausstattung  seitens  der 
Verlagshandlung,  die  für  den  verhältnismässig"  immerhin  recht  niedrig  bemessenen 
Preis  ungemein  viel  bietet,  sei  rühmend  erwähnt.  —  Bach  mann3)  behandelt  in  dem 
umfangreichen  zweiten  Bande  seines  hauptsächlich  -die  österreichischen  Verhältnisse 
berücksichtigenden  Werkes  nur  den  kurzen  Zeitraum  von  1467—86  mit  durchaus 
selbständiger  Durchforschung  und  Verarbeitung  des  zersplitterten  und  spröden 
Materials.4-7)  —  Für  die  Sammlung  Göschen  hat  Kurze8)  die  deutsche  Geschichte 
bis  zum  J.  1500  in  einem  kleinen  Bändchen  von  180  Seiten  knapp  und  über- 
sichtlich, im  Einklang  mit  den  Zwecken  des  ganzen  Unternehmens,  erzählt.  —  In 
einem  Aufsatz  Zimmermanns9),  der  vom  katholischen  Standpunkte  aus  die  neuesten 
protestantischen  Geschichtsschreiber  der  Reformationszeit  vornimmt,  wird  in  herab- 
lassendem Tone  zumal  bei  Bezold  (JBL.  1890  II  1:1;  1893  II  1:2)  anerkannt,  dass 
man  allmählich  „aus  der  Periode  der  Einseitigkeit"  herauskomme,  allerdings  wird 
sogleich  hinzugefügt,  dass  man  dafür  „den  Schein  der  Unparteilichkeit  und  Gerechtig- 
keit annehme."  —  Die  älteren  Werke  von  Droysen10)  (JBL.  1893  II  1  :  1;  III  1  :  6) 
und  Egelhaaf11)  (JBL.  1892  II  1:2)  fanden  noch  Besprechungen.12)  —  Das  für  die 
Kenntnis  der  allgemeinen  Zustände  während  des  Reformationsjh.  so  überaus  wichtige, 
grossartig*  angelegte  und  musterhaft  herausgegebene  Sammelwerk  der  Nuntiatur- 
berichte  aus  Deutschland,  dessen  frühere  Bände  (JBL.  1892  II  1:75;  1893  II  1 :  140/1, 


S.  592-603.]|  —  2)  O.  Kaemmel,  111.  Gesch.  d.  Neueren  Zeit  I.  T.:  Vom  Beginn  d.  gross.  Entdeckungen  bis  *.  30 j.  Kriege. 
3.  Aufl.  (=  Spamers  111.  Weltgesch.  Mit  bes.  Berücksicht.  d.  Knltnrgesch.  her.  t.  0.  Kaemmel  u.  K.  Sturmhoefel. 
5.  Bd.,  1.  T.)  L.,  Spamer.  XII,  752  S.  Mit  340  Abbild,  u.  40  Beill.  M  3,50.  |[Grenzb.  2,  8.  45/6;  NJbbPh.  150,  S.  2905 
(bes.  v.  S.  292  an).]|  (S.  u.  III  1:23:  vgl.  auch  JBL.  1993  III  1  :  l.>  —  3)  A.  Bachmann,  Dtsch.  Reichs-Gesch.  im  Zeit- 
alter Friedrichs  III.  u.  Maximilians  I.  Bd.  2.  1467—86.  L.,  Veit.  XII.  768  S.  M.  18,00.  |[Diemar:  KBWZ.  13,  S.  1647; 
MVGDBB.  33,  S.  17-21-])  —  4)  X  V.  v.  Kraus,  Dtsch.  Gesch.  1438-1519.  4.  Lfg.  (bis  1455).  (=  Bibl.  dtsch.  Gesch.  Lfg.  90.) 
St.,  Cotta  S.  241-320.  M.  1,00.  -  5)  X  (1U  1:6.)  &•  Perier:  RQH.  53,  S.  327,3.J|  (Vgl.  auch  JBL.  1S90  III  1:1; 
1893  II  1  :  4.)  —  6)  X  Th-  Lindner,  Gesch.  d.  dtsch.  Volkes.  Bd.  2:  Vom  Augsb.  Religionsfrieden  bis  z.  Grund,  d.  neuen 
Reiches.  St.,  Cotta.  X,  388  S.  M.  5,00.  —  7)  O  X  M.  Creighton,  A  hist.  of  the  papaey  durin?  the  period  of  the  Re- 
formation. Vol.  5:  The  german  revolt  1517-27.  London  u.  New-York,  Longmans,  Green  &  Co  Sh.  15.  |[ScottishR.  23, 
S.  419-21.]|  —  8)  F.  Kurze,  Dtsch.  Gesch.  im  MA.— 1500.  (=:  Samml.  Göschen  N.  33.)  L.,  Göschen.  12°.  181  S.  M.  0,SJ. 
[Stühlen:  COIRW.  22,  S.  701.]|  —  9)  A.  Zimmermann,  Z.  Charakteristik  d.  neuesten  Geschichtsschreiber  über  d.  dtsch. 
Reform.:  HPB11.  113,  S.  126-40.  —  10)  X  id-:  Kath.  1,  S.  80/5.  —  U)  X  ThLBl.  17,  S.  29.  —  12)  O  X  Allg.  hist.  Porträt- 
werk.    Neue  Ausg.     Abt.  1.     (Lfg.  1-12)  ca.  1300—1600.     München,  Verlagsanst.  für  Kunst  n.  Wiss.    Fol.    ä  10  Taf.  mit  10  Bil. 

(2)1* 


II  1:13-17  M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts. 

146;  6:35)  wiederum  einige  rühmende  Recensionen  erfahren  haben13-14),  ist  aber- 
mals um  einen  stattlichen  Band  weiter  fortgeschritten :  es  ist  der  zweite  Band  der 
dritten  Abteilung-,  die  unter  Hansens15)  Redaktion  gestellt  ist.  Wir  werden  in  das 
Pontifikat  Gregors  XIII.  geführt  und  lesen  die  klugen  feinen  Briefe  der  päpstlichen 
Beauftragten:  des  Kardinallegaten  Giovanni  Morone  vom  Reichstage  zu  Regensburg 
1576,  des  Nuntius  Giovanni  Baptista  Castagna  vom  niederländischen  Pacifikations- 
tage  zu  Köln  im  J.  157916)  und  des  Kardinallegaten  Ludovico  Mandruzzo  vom 
Reichstage  zu  Augsburg  1582.  Wir  werden,  wie  auch  in  den  früheren  Bänden,  nicht 
nur  aufs  eingehendste  über  die  thatsächlichen  Einzeiereignisse,  hier  also  die 
auf  den  beiden  Reichstagen  geführten  Kämpfe  um  die  religiöse  Frage,  unter- 
richtet und  über  die  Umstände,  welche  die  Spaltung  der  niederländischen 
Provinzen  und  ihre  Trennung  vom  Reiche  herbeiführten,  sondern  wir  sehen 
im  Spiegel  der  sorgfältigen  Berichte  das  ganze  Deutschland  jener  Zeit.  Inter- 
essant zumal  sind  die  Mitteilungen  Morones,  des  fähigsten  Diplomaten,  über  den 
die  Kurie  zu  jener  Zeit  verfügte,  und  seine  Korrespondenz  mit  dem  Staatssekretär 
Kardinal  von  Como  in  Rom,  von  der  übrigens  einzelne  Teile  schon  früher  ver- 
öffentlicht worden  sind  (Theiner,  Annales  ecclesiastici),  die  H.  jedoch  hier,  um  den 
Zusammenhang  nicht  zu  stören,  noch  einmal  zum  Abdruck  gebracht  hat.  Als  er 
im  J.  1576  über  die  Alpen  fuhr,  um  den  heiligen  Vater  auf  dem  Reichstage  zu 
Regensburg  zu  vertreten,  sah  bereits  die  päpstliche  Regierung  wie  die  katholische 
Partei  in  Deutschland  hoffnungsreicher  in  die  Zukunft.  Es  war  die  Zeit,  da  der 
Katholizismus  sich  wieder  verjüngte  und  von  neuem  seine  Kräfte  zusammenraffte,  da 
er  begann,  in  planmässig  vorbereiteten  und  geschickt  geführten  gegenreformatorischen 
Stössen  die  uneinigen  protestantischen  Feinde  zurückzudrängen.  Mit  Eifer  sieht  darum 
auch  Morone  darauf,  dass  die  zuverlässigsten,  fleissigsten  und  brauchbarsten  Diener 
und  Vorkämpfer  Roms,  die  Jesuiten,  immer  mehr  festen  Fuss  in  deutschen  Landen 
fassen  und  neue  Gebiete  sich  und  der  Kirche  erobern.  Von  Regensburg  selbst  und 
von  Dillingen  ist  in  diesem  Sinne  vielfach  die  Rede  (S.  31,  43/4,  58,  99  10 1,  136  usw.). 
Auch  auf  die  notwendige  Reorganisation  der  Universität  Freiburg  i.  B.  wird  als  auf 
eine  wichtige  Forderung  hingewiesen  ('S.  39 — 40,  119).  Von  den  katholischen 
deutschen  Schriftstellern  tritt  der  Feind  Fischarts,  Johannes  Nas,  einmal  auf  (S.  40); 
P.  Canisius  begleitete  Morone  zum  Reichstag  (S.  99).  Ein  wenn  nicht  geradezu 
störendes,  so  doch  dauernd  hemmendes  Element  für  die  Gegenreformation  ist  in 
jenem  Jahre  noch  die  Persönlichkeit  des  Kaisers  Maximilian  IL,  dessen  frühe 
Neigungen  zum  Protestantismus  unvergessen  geblieben  sind,  und  der  auch  nun 
immer  noch  durch  sein  stetiges  Schwanken  und  seine  thatenlose  Unentschlossenheit 
ein  Gegenstand  ununterbrochener  Sorge  für  die  Kurie  ist.  Zwar  zeigt  er  sich  beim 
Besuche  Morones  als  ein  durchaus  frommer  Fürst  (S.  66),  aber  er  ist  kein  Führer 
der  deutschen  Katholiken,  die  so  noch  nicht  recht  aus  ihrer  Nachlässigkeit  und 
Schlaffheit  sich  aufraffen  und  den  gespaltenen  Lutheranern  und  Kalvinisten  gegenüber 
noch  nicht  energisch  sich  zusammenschliessen.  Am  schlimmsten  wird  diese  Un- 
behaglichkeit  dem  Kaiser  gegenüber,  als  der  ernstlich  erkrankte  Monarch  sich  durch- 
aus weigert,  die  Sakramente  der  römischen  Kirche  zu  empfangen  (S.  151,  156/7, 
159—60,  163,  167).  Die  Kaiserin,  der  spanische  Gesandte,  Morone  selbst  und  der 
Nuntius  Delfino  —  sie  alle  bieten  umsonst  ihren  Einfluss  auf:  Maximilian  stirbt,  ohne 
die  Sterbesakramente  genommen  zu  haben,  aber  doch  immerhin  als  ein  treuer  Sohn  der 
Kirche:  Halbheit  im  Tode,  wie  Halbheit  im  Leben  ihn  beherrscht  hatte.  Sein  Hin- 
gang schmerzt  die  Päpstlichen  nicht  sehr.  Seine  guten  Eigenschaften  rühmt  nun, 
da  er  tot  ist,  der  Kurial  Minutio  Minucci  in  einer  Relation  (S.  175  ff.),  aber  zuver- 
sichtlicher sieht  man  doch  seinem  Nachfolger  Rudolf  II.  entgegen.  Morone  meint, 
die  neue  Majestät  „sia  catholichissima",  und  man  werde  sie  behandeln  können  „come 
figlio  obediente"  (S.  167,  171).  Während  der  zweite  Abschnitt  des  von  H.  heraus- 
gegebenen  Bandes  fast  nur  die  rein  politischen  Verwicklungen  in  der  Nordw7estecke 
des  Reiches  behandelt,  kommen  im  dritten  die  allgemeinen  Gesichtspunkte  wieder 
mehr  zur  Geltung.  Es  ist  der  erste  Reichstag  unter  Rudolf  IL,  um  den  es  sich  hier 
handelt:  der  Reichstag  zu  Augsburg  1582,  bei  dem  der  Kardinal  Mandruzzo  als 
Legat  aus  Rom  erscheint.  Wir  sind  im  rechten  Fahrwasser  der  Gegenreformation. 
Die  päpstlichen  Beamten  sprechen  von  der  „herkömmlichen  Ergebenheit"  des  Kaisers, 
der  „solita  devotione  verso  la  santa  sede  Apostolica".  Bei  alledem  aber  beklagt 
Mandruzzo  immer  noch  die  Gleichgültigkeit,  Lauheit,  Uneinigkeit  der  Katholiken, 
denen    es    auch    an    einem   geeigneten  Führer,   einem   Manne    wie    wir   heute  sagen 


Text,  ä  M.  4,00.  (Vgl.  I  9:  106.)  —  13)  X  LCB1.  S.  237/8;  NedSpect.  S.  327/8.  -  14)  X  °-  Brau  n  sberger,  F.  Dittrich, 
Nuntiaturberichte  G.  Morones  (.TBL.  1892  II  1  :  77;  1893  II  1  :  145):  StML.  46,  S.  90/2.  —  15)  J.  Hansen,  Nuntiaturberichte 
aus  Deutschland,  nebst  ergänz.  Aktenstücken.  Abt.  III,  Bd  2.  D.  Reichstag  zu  Regensburg  1576;  d.  Paciflkationstag  zu  Köln 
1579;  d.  Reichstag  zu  Augsburg  1582.  Im  Auftr.  d.  kgl.  preuss.  hist.  Inst,  in  Rom  bearb.  B„  Bath  XCIII,  679  S.  M.  25,00. 
—  16)  X  iQ-.  D-  niederlünd.  Paciflkationstag  in  Köln  im  J.  1579:  WZ.  13,  S.  227-72.   —  17)  A.  Pieper,  Z.  Entstehungsgesch. 


M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./ 16.  Jahrhunderts.  II  1  :  17-19 

würden  „der  schärferen  Tonart",  gebricht  (S.  387,  414,  430,  547/8).  Darum  ist  die 
Förderung'  der  Jesuiten  immer  noch  eine  wichtige  Angelegenheit  (S.  396).  Mandruzzo 
ist  mit  eisernem  Fleisse  dabei,  sich  einen  Ueberblick  über  die  polemische  Litteratur 
zu  verschaffen  und.  sich  darüber  genau  zu  unterrichten,  wie  der  Gang  der  Dinge 
bisher  sich  gestaltet  hat.  Auch  Sleidan  wird  zu  Rate  gezogen  (S.  424;  vgl.  S.  636). 
Besonders  interessiert  den  Kardinallegaten  das  Konkordienbuch  vom  28.  Mai  1577, 
diesen  Abschluss  der  lutherischen  Dogmatik,  der  in  der  lateinischen,  Mandruzzo 
natürlich  allein  verständlichen,  Fassung  erst  soeben  herausgekommen  war  (1580  von 
Osiander,  1582  von  Seinecker  übersetzt).  Er  erörtert  eingehend  den  Plan,  gegen 
dies  protestantische  Werk  eine  katholische  Gegenschrift  ins  Leben  zu  rufen,  für 
deren  Abfassung  er  zumal  Petrus  Canisius,  Georg  Eder,  Nikolaus  Elgardus  und 
Robert  Bellarmin  in  Vorschlag  bringt  (S.  410,  416,  423,  433,  460).  Alle  seine  Gedanken 
über  die  Zweckmässigkeit  einer  solchen  Konfination  der  Wittenberger  Konkordie 
und  die  Hauptgesichtspunkte,  die  darin  zur  Geltung  kommen  müssten,  hat  Mandruzzo 
in  einem  besonderen  Gutachten  („Parere")  zusammengefasst,  das  H.  im  Anhang 
mitteilt  (S.  596/9).  Die  wichtigste  Frage  von  allgemeinem  Interesse  aber  ist  in 
diesem  dritten  Teile  des  vorliegenden  Nuntiaturberichtsbandes  die  Einführung  des 
neuen  Kalenders.  Como  giebt  Mandruzzo  die  Anweisung,  für  seine  Annahme  in 
Deutschland  zu  sorgen  (S.  422/3).  Der  Legat  trägt  die  Sache  dem  Auftrage  gemäss 
dem  Kaiser  vor,  und  Rudolf  willigt  gern  ein,  glaubt  auch,  es  würden  sich  keine 
Schwierigkeiten  in  den  Weg  stellen  (S.  465).  Aber  die  Sache  geht  recht  langsam 
voran.  Como  erinnert,  der  Kalender  sei  in  den  meisten  europäischen  Ländern  an- 
genommen, und  es  würde  „troppo  gran  scandalo  et  deformitä"  sein,  wenn  sich  das 
in  Deutschland  nicht  erreichen  lasse  (S.  517).  Immer  grösser  werden  die  Hindernisse, 
der  Widerstand  der  Protestanten  wächst,  und  es  scheint  nur  schwer  möglich,  in  der 
Frage  zu  einem  befriedigenden  Abschluss  zu  gelangen  (S.  532,  548,  550).  Bald  ist 
Mandruzzo  „mezzo  desperato"  (S.  553)  und  erklärt,  dass  es  völlig  undenkbar  sei,  in 
diesem  Punkte  rasch  zum  Ziele  zu  kommen.  Immer  toller  wird  die  uns  so  gering- 
fügig erscheinende  Angelegenheit,  immer  grössere  Kreise  zieht  sie  und  immer  kom- 
pliziertere Verwicklungen  hat  sie  im  Gefolge  (S.  562/7).  Erwähnt  sei  noch,  dass  von 
einem  Drucker  Aurelius  Frobenius  die  Rede  ist  (S.  492),  der  eine  Zeit  lang  in  Rom 
den  Eindruck  hervorrief,  als  ob  er  ein  Katholik  sei,  und  dadurch  päpstliche  Förderung 
gewann.  —  An  dieser  Stelle  sei  gleich  auf  Piepers17)  Arbeit  über  die  Entstehungs- 
geschichte der  ständigen  Nuntiaturen  hingewiesen,  der  demnächst  ein  Band  von 
Instruktionen  an  die  Nuntien  folgen  soll.  Der  erste  ständige  Nuntius  in  Deutsch- 
land war  Lorenz  Campeggio.  Aus  der  Reihe  seiner  Nachfolger  ist  nach  P.s  Meinung 
Morone  bei  weitem  der  gewandteste  und  gebildetste  gewesen,  während  Beilesheim 
in  seiner  Besprechung  Aleander  die  Krone  zuerkennt.  P.  giebt  wichtige  Nachrichten 
über  die  Kreditive  der  Nuntien,  Aufschlüsse  über  das  Chiffresystem  der  geheimen 
Korrespondenzen,  die  durch  Proben  erläutert  werden;  u.  a.  veröffentlicht  er 
auch  die  vollständigen  Depeschen,  welche  Paul  III.  im  J.  1547  dem  Gurone  Bertano 
an  Karl  V.  mitgab.  —  Einige  Werke  verwandten  Charakters  schliessen  sich  an.  So 
die  Sammlung  der  venetianischen  Depeschen  vom  Kaiserhofe  (JBL.  1893  II  1 :  148), 
die  wiederholt  besprochen  wurde18),  so  die  Dissertation  Rösemeiers19),  die 
Macchiavellis  erste  Legation  zu  Kaiser  Maximilian  I.  und  seine  drei  Schriften  über 
Deutschland  zum  Thema  hat.  R.  kommt  im  ganzen  nicht  viel  über  die  zwei  Jahre 
ältere  Heidelberger  Dissertation  Sillibs  (JBL.  1892  II  1  :  77)  hinaus,  die  ihm  un- 
bekannt zu  sein  scheint.  Er  sucht  aus  den  einschlägigen  Büchern  Macchiavellis, 
dem  „Rapporto  delle  cose  della  Magna",  dem  „Discorso  sopra  le  cose  della 
Magna  e  l'imperatore  Massimiliano"  und  den  „Ritratti  delle  cose  della  Magna" 
die  Anschauungen  des  Florentiners  über  Deutschland  herauszudestillieren,  ohne 
aber  sehr  tief  zu  bohren  oder  sehr  weit  zu  blicken.  Macchiavelli  durch- 
schaute Maximilians  wankelmütigen  Charakter,  er  beurteilt  treffend  seine  Stellung 
zu  den  Reichsständen,  zu  den  Städten,  in  denen  er  die  Stärke  des  ganzen 
Landes  erblickt,  zu  den  Fürsten,  deren  wachsende  Macht  er  freilich  nicht 
klar  erkennt.  Deutschland  erscheint  ihm  gross  und  reich;  reich  besonders,  weil 
die  Bewohner  —  massig  seien,  und  weil  fast  nichts  von  fremden  Ländern  importiert, 
dagegen  sehr  viel  nach  dem  Ausland,  zumal  an  Manufakturwaren,  ausgeführt  werde 
(S.  26).  Aber  er  sieht  mit  scharfem  Auge  die  unglückseligen  Umstände,  durch 
welche  die  grossen  Machtmittel  des  Landes  paralysiert  werden.  R.,  der  die  Berichte 
Macchiavellis  im  einzelnen  weder  vollständig  noch  ganz  der  Wirklichkeit  ent- 
sprechend  nennt,    berichtigt    einige  Punkte.    Zum  Schlüsse    giebt   er   anhangsweise 


d.  stand.  Nuntiaturen.  Freiburg  i.  B.,  Herder.  VIII,  222  S  M.  3,50  |[A..  Bellesheim:  HPB11.  113,  S.  58S-97;  id.:  LHw.  33, 
8.  6/8;  O.  Braunsberger:  StML  47,  S.  350/2  J|  -  18)  X  Gust.  Wolf:  MHL.  22,  S.  2928;  EHR.  9,  S.  379;  RSIt.  11, 
S.  279-89.  —  19)  H.  Rose  m  ei  er,  Nico.  Macchiavellis  1.  Legation  zu  Kaiser  Maximilian  I.  u.  seine  3  Schriften  über  Deutschland. 


II  1  :  20-24  M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./ 16.  Jahrhunderts. 

einen  Auszug1  aus  zwei  verwandten  Werken.  Zunächst  aus  dem  „Viaggio  in  Allemagna" 
des  Francesco  Vettori,  des  Gefährten  Macchiavellis  auf  der  deutschen  Legation.  R. 
nennt  die  geistvolle,  witzige  und  für  die  Kenntnis  unserer  Kulturverhältnisse  so 
ungemein  wichtige  Schrift  „voll  von  Obscönitäten",  weil  in  der  That  der  Landsmann 
Boccaccios  eine  schmunzelnde  Renaissancefreude  an  pikanten  Novelletten  und 
schlüpfrigen  Anekdoten  nicht  verleugnen  kann.  Aber  er  ist  lustig  und  hat  Grazie, 
und  darum*  beleidigen  seine  Zoten  und  Erzählungen  von  geilen  Mönchen,  verbuhlten 
Weibern  und  betrogenen  Ehemännern  nicht.  Der  dritte  Italiener,  der  bei  R.  zu 
Worte  kommt,  ist  Vincenzo  Quirini,  dessen  „Relazione  di  Germania'1  eingehender 
und  ausführlicher  von  Deutschland  berichtet  als  Macchiavellis  Schriften,  der  aber  doch 
nicht  im  stände  ist,  ein  so  packendes  Gesamtbild  zu  entwerfen  wie  der  Vf.des  „Principe."  — 
Das  Interesse  der  heutigen  Zeit  ist  ganz  besonders  auf  die  revolutionären 
Bewegungen  des  16.  Jh.  gerichtet.  Trotz  aller  unleugbar  bestehenden  und  von 
Lamprecht  (s.  o.  N.  1)  so  scharf  herausgehobenen  Grundverschiedenheiten  der  beiden 
Epochen  sind  die  äusseren  und  inneren  Aehnlichkeiten  doch  oft  so  überraschend  und 
so  einleuchtend,  dass  man  sich  einen  Vergleich  nicht  versagen  kann  (vgl.  JBL.  1891 
II  1  :  4).  Die  socialen  Missstände  der  Reformationszeit  und  die  revolutionären  Ver- 
suche, ihrer  Herr  zu  werden,  wie  sie  in  den  Bauernkriegen  und  in  der  grossartigen 
Wiedertäuferbewegung  zur  Geltung  kamen,  stehen  uns  trotz  aller  zeitlichen  und 
sachlichen  Entfernung  so  nahe,  dass  die  Forschung  sich  unablässig  und  voll  glü- 
henden Eifers  mit  ihnen  beschäftigt.  Man  studiert  sie,  man  schildert  sie,  und  man 
hat  dabei,  vielfach  vielleicht  ganz  unbewusst,  das  Gefühl,  zur  Klärung  der  brennendsten 
und  wichtigsten  Fragen  und  Probleme,  die  der  Allgemeinheit  wie  dem  Einzelnen  von 
heute  am  Herzen  liegen,  ein  Scherflein  beizutragen.  Es  ist  nur  natürlich,  dass  die 
radikalen  Reformbestrebungen  der  Bauern  und  Täufer  wie  ihrer  mittelbaren  und  un- 
mittelbaren Vorgänger2021)  das  besondere  Interesse  der  Socialdemokratie  erregen22). 
Die  moderne  socialdemokratische  Partei  sieht  mit  Fug  in  den  damaligen  Forderungen, 
Programmen,  Tendenzen  zahllose  Analogien  mit  den  heutigen,  sie  hat  so  gut  wie  ihre 
Gegner  die  Linie  erkannt,  die  vom  Einst  zum  Jetzt  führt,  und  sucht  nun  ihr  Ver- 
langen und  ihr  Ideal  mit  dem  Hinweis  auf  die  „Vorläufer"  und  mit  ihre'r  wissen- 
schaftlichen Behandlung  zu  stützen.  Im  nächsten  Jahrgang  der  JBL.  werden  wir 
uns  mit  einem  Werke  zu  beschäftigen  haben,  aus  dem  dies  besonders  klar  hervor- 
geht: mit  dem  ersten  Bande  der  bei  Diez  in  Stuttgart  erscheinenden,  man  kann  fast 
sagen  partei-offiziellen  „Geschichte  des  Socialismus",  der  von  Plato  über  den  ur- 
christlichen Kommunismus  bis  ins  Reformationszeitalter  führt  (vgl.  JBL.  1895  II  1). 
Diesmal  haben  wir  es  mit  den  nicht  vom  Parteistandpunkt  ausgehenden,  vielmehr 
völlig  objektiven  Studien  von  Loserth23-24)  zu  thun,  die  den  Abschluss  seiner  höchst 
verdienstvollen  Arbeiten  zur  Geschichte  der  Wiedertäufer  in  Oesterreich  bilden  (JBL. 
1892  II  1  :  29;  1893  II  1:25;  6:  181).  Sie  handeln  —  ebenso  wie  die  früheren  ge- 
gestützt auf  Materialsammlungen  des  verstorbenen  Josef  von  Beck  —  von  dem  Kom- 
munismus der  mährischen  Wiedertäufer  im  16.  und  17.  Jh.  und  bringen  Beiträge  zu 
ihrer  Geschichte  wie  zur  Kenntnis  ihrer  Lehre  und  ihrer  Verfassung.  Zuerst  zeigt 
L.  die  Entwicklung  der  Huterschen  „Gemeinschaft"  von  ihrer  Entstehung  und 
wachsenden  Verbreitung  an;  er  erzählt  die  Parteiungen  unter  den  Taufgesinnten, 
schildert  die  ansehnlichen  Fortschritte  des  Anabaptismus,  die  Wirksamkeit  Peter 
Riedemanns,  Lienhard  Lanzenstiels,  Peter  Walpots  und  Hansel  Krals,  die  glückliche 
Zeit  der  Blüte  und  den  Rückgang  unter  dem  Drucke  der  katholischen  Reaktion,  die 
in  Nicolsburg  einsetzte,  bis  zur  Vernichtung  und  Vertreibung  aus  Mähren  im  Beginn 
des  17.  Jh.  AufS.  190  wird  in  kurzem  Auszug  ein  „Dialogus  oder  Gespräch"  mitgeteilt, 
das  den  antitäuferischen  Maximilian  von  Dietrichstein,  Herrn  zu  Nicolsburg,  feiert. 
Wie  in  diesem  ersten  Teile  lässt  sich  L  auch  in  dem  zweiten  Abschnitt,  der  „Leben 
und  Lehre  der  Wiedertäufer"  behandelt  (S.  222-  91),  stets  von  den  Quellen  leiten, 
von  Briefen,  Berichten,  Mandaten,  „Rechenschaften",  „Ordnungen"  aller  Art  und  von 
den  Schriften  der  Gegner,  zumal  des  Feldsberger  Pfarrers  Christoph  Andreas  Fischer, 
dessen  leidenschaftliche  Hetzbüchlein  am  meisten  zur  Verjagung,  aber  nicht  minder 
zur  Kenntnis  und  dadurch  mittelbar  auch  zum  Ruhme  der  Brüder  von  der  huterischen 
Gemeinschaft  beigetragen  haben.  Vielfache  Auszüge  ergänzen  und  illustrieren  die 
Darstellung  L.s.  Die  mährischen  Wiedertäufer  hatten  eine  völlig  kommunistische 
Lebensform  eingeführt.  Sie  beruhte  auf  dem  streng  festgehaltenen  Gesetz  der  abso- 
luten Gütergemeinschaft  und  dem  Satze,  dass  Eigentum  Sünde  sei.  Der  Begriff  des 
„Mein  und  Dein"  ist  dem  Geiz  verwandt  und  die  schliessliche  Ursache  aller  Kriege. 


Diss.  Kiel.  46  S.  —  20)  X  L-  Keller,  D.  böhra.  Brüder  u.  ihre  Vorläufer :  MhCoraenlusG  3,  S.  172-209.  (Auch  als  Sonderabdr. : 
L,  Voigtländer.  39  S,  M.  0,75.)  —  21)  X  H-  Schreiber,  D.  Bundschuh  zu  Lehen  i.  B.  u  d.  arme  Konrad  zu  Bühl,  2  Vor- 
boten d.  dtsch.  Bauernkrieges:  Schau  ins  Land  19,  S.  8-23.  —  22)  X  B-  Schönlank,  Sociale  Kämpfe  vor  300  J.  Alt- 
nürnberg Studien.  L.,  Duncker  &  Humblot.  XII,  212  S.  M.  4,00.  ,[K.  Kautski:  NZ.  121,  S.  823/5;  C.  Koehne:  MHL.  22, 
S.  314;8.]|    -    23)  (II  6:273.)   —   24)   J.  Loserth,   D.  Kommunismus   d.  huterischen  Brüder   in  Mähren    im   16.  u.  17.  Jh.; 


M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  1  •.  24-27 

Wer  der  Gemeinschaft  beitritt,  hat  alles,  was  er  persönlich  besitzt,  in  die  Gemein- 
schaftskasse  abzuliefern  und  verliert  jedes  Recht  auf  dieses  sein  früheres  Besitztum. 
Freilich  sind  es  zumeist  Arbeiter,  Handwerker  und  Kleinbauern,  die  sich  hier  zu- 
sammenfinden, aber  es  kommen  auch  vereinzelte  wohlhabende  Bauern  und  sogar 
Adelige  hinzu.  Aecker,  Wiesen,  Wälder,  Häuser  sind  gemeinschaftlicher  Besitz.  Ge- 
werke  und  Gewerbe  werden  zum  Nutzen  der  „Gemain"  betrieben,  die  alle  ihre  An- 
gehörigen mit  Essen,  Kleidung  und  Wohnung  versorgt.  Verdienst,  Geschenke,  auch 
Trinkgelder,  zu  deren  fleissigem  Sammeln  aufgefordert  wird,  sind  abzugeben.  Hat 
sich  eine  genügend  grosse  Anzahl  von  „Brüdern"  in  einem  Orte  angesiedelt,  so 
gründen  sie  eine  „Haushabe",  d.  i.  ein  grosses  Haus  mit  einer  Reihe  kleinerer  Neben- 
gebäude; wir  finden  oft  bis  600  Personen  in  einer  solchen  „Haushabe"  vereinigt. 
Nicht  alle  Berufe  dürfen  betrieben  werden:  „Kramerei  und  Kaufmannschaft"  ist  „ein 
sündiger  Handel"  (S.  259 ff.),  Wirtsgeschäfte  sind  ein  für  alle  Mal  verboten,  Schneider 
und  Schmiede  in  der  Ausübung  ihres  Handwerks  sehr  beschränkt,  da  jeder  Luxus 
und  jede  Waffenfabrikation  verpönt  sind  (S.  261/2).  Die  Täufer  sind  ernste,  ehren- 
werte, bescheidene,  massige,  fromme,  pflichtgetreue  Menschen,  redlich,  weil  sie  die 
Lust  am  Eigentum  nicht  kennen  wollen,  freilich  auch  nüchtern  und  ohne  Freude  an 
der  Kunst  wie  ohne  viel  Achtung  vor  der  Wissenschaft.  Jedoch  bilden  sie  in  ihrer 
Weise  ein  vortreffliches  Schulwesen  aus  (S.  278  ff.).  In  einer  Schulordnung  von  1568 
werden  ganz  kostbare  Grundsätze  aufgestellt,  die  jeder  Pädagog  von  heute  einmal 
durchlesen  sollte.  Ganz  früh  werden  die  Kinder  von  der  Mutter  genommen  und  in 
ein  Schulhaus  gesteckt,  wo  alles  ihrer  Körper-  und  Geistespflege  dient,  wo  sie  in 
gemeinsamen  Schlaf-,  Speise-,  Arbeitszimmern  dem  kommunistischen  Sinne  gemäss 
erzogen  werden.  Aber  der  Unterricht  ist  zweifellos  ein  guter.  Das  erkennen  wir 
an  den  durchweg  ganz  ausgezeichnet  abgefassten,  klaren,  von  einer  soliden  Sprach- 
unterweisung zeugenden  Schriftstücken  aus  dem  Kreise  der  Brüder.  Ja,  L.  ist  der 
Ansicht,  dass  nahezu  alle,  nur  mit  geringen  Ausnahmen,  des  Lesens  und  Schreibens 
kundig  waren.  Ihre  Bäder  erweisen  sich  als  hervorragende  hygienische  Einrich- 
tungen. Ihre  Aerzte  sind  im  ganzen  Lande  gesucht;  1599  wird  sogar  einer  an  den 
kaiserlichen  Hof  gezogen.  Die  grösste  Bedeutung  aber  haben  ihre  wirtschaftlichen 
und  Handwerks-Einrichtungen.  „Hier  ging  alles  auf  den  Grossbetrieb  hinaus,  und 
die  einzelnen  Handwerker  arbeiteten  einander  in  die  Hände.  Es  war  strengstens 
untersagt,  ein  Rohprodukt  wo  anders  als  von  Wiedertäufern  selbst  zu  nehmen,  vor- 
ausgesetzt, dass  es  vorhanden  war."  So  wurden  z.  B.  aus  den  Schlächtereien  die 
Felle  an  die  Gerber  abgeliefert  und  von  diesen  zubereitet  an  Sattler,  Riemer  und 
Schuster  weitergegeben.  Diese  Produktionsmethode  im  Verein  mit  den  einfacheren 
Lebensverhältnissen  und  Gewohnheiten  setzten  sie  in  den  Stand,  ihre  Waren  er- 
heblich billiger  zu  verkaufen  als  die  andersgläubigen  Handwerker.  Ihr  korrektes 
Verhalten,  ihr  Pflichteifer,  ihre  unbedingte  Treue  und  Gewissenhaftigkeit  machten 
sie  allenthalben  beliebt  und  gesucht.  Und  wie  nicht  nur  die  Konfessionsgenossen, 
sondern  auch  alle  anderen  von  den  täuferischen  Handwerkern  kauften,  so  nahmen 
die  Barone  im  Lande  mit  Vorliebe  ihre  Gutsverwalter  und  sonstigen  Bediensteten 
aus  dem  Kreise  der  Anabaptisten.  Diese  scharfe  Konkurrenz  jedoch  machte  ihnen  die 
gesamte  andersgläubige  Bevölkerung  ringsum  zum  erbitterten  Feinde;  sie  ward  am 
letzten  Ende  der  Hauptgrund  der  fanatischen  Agitation  gegen  die  Brüder.  Ein 
Lied  vom  J.  1586,  das  L.  stückweise  mitteilt,  giebt  diesen  Empfindungen  Ausdruck 
(S.  192/3).  Aber  neben  dem  Neid  der  Gegner  war  es  noch  ein  innerer  Feind,  der 
ihrer  kommunistischen  Gesellschaftsordnung  die  Wurzel  abgrub:  der  „Eigennutz", 
wie  sie  ihn  nennen  („Die  Gemeinschaft  war  nicht  schwer,  Wenn  der  Eigennutz  nicht 
war"),  die  unvertilgbare  Lust  am  persönlichen  Eigentum,  wie  wir  ihn  bezeichnen 
könnten.  Der  dem  Menschengeschlecht  innewohnende  Individualismus  lässt  sich, 
das  zeigte  sich  auch  hier,  wenn  überhaupt,  so  doch  nicht  leicht  durch  den  rein 
socialistischen  Gedanken  unterdrücken  oder  gar  ganz  aus  der  Welt  schaffen.  Und 
wenn  die  hohe  Blüte  der  kommunistischen  Täufergemeinschaft  den  modernen  An- 
hänger kommunistisch-socialistischer  Staats-  und  Gesellschaftsauffassung  in  seiner 
Ueberzeugung  bekräftigen  mag,  so  mag  sie  ihm  auf  der  anderen  Seite  durch  manche 
Einzelheiten  und  durch  ihren  Ausgang  auch  die  Zweifel  und  Bedenken  nahe  rücken, 
denen  er  sich  nicht  verschliessen  darf.  Dabei  soll  niemals  vergessen  werden,  dass 
das  religiöse  Moment,  von  dem  die  ganze  Bewegung  schliesslich  ausgegangen  war, 
das  Beispiel  der  Apostel,  das  Vorbild  der  kommunistischen  urchristlichen  Gemeinden 
das  System  der  mährischen  Täufer  erst  ermöglichte  und  ein  Ferment  darstellte,  ohne 
dessen  kittende  Kraft  der  ganze  Bau  kaum  je  so  entstanden,  zweifellos  aber  weit 
früher  zusammengekracht  wäre.  —  Was  neben  Loserths  Arbeit  auf  diesem  Gebiete 
im  Verlauf  des  Berichtsjahres  ans  Licht  gekommen  ist,  gewährt  für  unsere  Zwecke 
nicht  sonderlich  viel25-26).     Die  Lokalforschung  geht  rüstig  voran:  Sander27)  handelt 

ZSocWirtschG.  3,  S.  61-92.  (Ausz.  aus  N.  23;  vgl.  auch  II  2  :  19-20.)  —  25)  X  &  Lehnert,  Studien  z.  Gesch.  d.  12  Artikel 


II  1  :  26-40  M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./ 16.  Jahrhunderts. 

vom  Bauernkriege  in  Vorarlberg  und  teilt  kulturhistorisch  wie  sprachgeschichtlich 
wertvolle  Aktenstücke  in  sorgfältigem  Abdruck  mit;  Schäfer'28)  veranstaltet  eine 
Ausgabe  der  Darstellung  des  Bauernkrieges  um  Schwäbisch-Hall,  die  einst  der 
wackere  Stadtschreiber  Hermann  Hoff  mann  verfasst  hat;  Manns29)  führt  uns  in  die 
„Zimmerischen  Lande",  indem  er  natürlich  die  Zimmerische  Chronik  als  Hauptquelle 
benutzt.  —  Meli30)  giebt  einen  Beitrag  über  den  späten  Nachklang  der  grossen  ober- 
deutschen Bauernbewegung,  den  „windischen"  oder  auch  innerösterreichischen  Auf- 
stand vom  J.  1573:  er  veröffentlicht  ein  kürzlich  im  steiermärkischen  Landesarchiv 
gefundenes  interessantes  Aktenfascikel,  das  ausführlich  die  Kosten  registriert,  die  von 
der  Landschaft  zur  Dämpfung  des  Aufstandes  aufgewandt  wurden.31-32)  — 

Die  sonstigen  specialgeschichtlichen  Arbeiten  können  wir  hier  rasch 
übersehen.  In  seiner  kurzen  Darstellung  der  Entwicklung  des  deutschen  Beamten- 
staates geht  Schmoller33)  vom  16.  Jh.  aus.  —  Aus  der  Zeit  Karls  V.34)  ist  einiges 
zu  notieren.  Die  Studie  Fürstenwerths  über  die  Verfassungsänderungen  in  den 
oberdeutschen  Reichsstädten  (JBL.  1893  II  1 :  47)  fand  wiederholt  Besprechung35).  — 
Hans  Schulz36)  hat  einer  Dissertation  über  den  Sacco  di  Roma  eine  eingehende 
Studie  folgen  lassen.  Er  giebt,  bevor  er  seine  Darstellung  beginnt,  eine  Uebersicht 
über  das  gesamte  vorliegende  Aktenmaterial,  das  recht  bedeutend  ist;  denn  die  Ein- 
nahme und  Plünderung  der  Hauptstadt  der  Welt,  dies  unerhörte  und  verblüffende 
Ereignis,  fand  als  die  grösste  Sensation  der  Zeit  überall  ein  litterarisches  Echo.  Uns 
interessieren  zumal  unter  den  Memoirenwerken  die  Aufzeichnungen  des  bayerischen 
Edelmannes  Ambrosius  von  Gumppenberg  (S.  29—32)  sowie  die  Erwähnung  Sebastian 
Schärtlins  von  Burtenbach  (S.  32/3),  ferner  ganz  besonders  die  Schar-  der  deutschen, 
vielfach  mit  eingestreuten  Gedichten  versehenen  Flugschriften,  „Newen  Zeitungen", 
„Wahrhafftigen  Relationen",  der  Dialoge  und  ähnlichen  Hefte,  die  Seh.  (S.  34— 48)  auf- 
zählt, schliesslich  noch  unter  den  „Geschichtswerken"  die  „Historia"  des  zur  Um- 
gebung Georgs  von  Frundsberg  gehörigen  Jakob  Ziegler  aus  Landau  (S.  62—70), 
die  bereits  im  J.  1527  niedergeschrieben  ist,  und  die  den  Frundsbergen  (Georg  und 
Kaspar)  gewidmete  Schrift  von  Adam  Reissner  (1572).  —  Unter  dem  Titel  „Der 
Reichstag  zu  Augsburg  im  J.  1530"  giebt  der  protestantische  Pfarrer  Lenk37)  in 
gehobenem  Kanzelton  eine  treuherzig  gemeinte  Schilderung  der  Reformation  bis  zur 
Confessio  Augustana.  —  In  die  Zeit  des  Schmalkaldischen  Bundes38)  führt  uns 
Brandenburg39),  der  eine  kritische  Darstellung  der  Vorgänge  bei  der  Gefangen- 
nahme Herzog  Heinrichs  von  Braunschweig  im  J.  1545  giebt  und  die  Auffassung 
Issleibs,  Landgraf  Philipp  von  Hessen  habe  den  Braunschweiger  durch  arglistige 
Verheissungen  in  sein  Lager  gelockt  und  dort  widerrechtlich  festgehalten,  bekämpft 
(vgl.  MSächsAV.  26,  S.  1-52  und  ASächsG.  5,  S.  97—166).  —  Die  älteren  Ar- 
beiten von  Goetz  (JBL.  1892  II  1 :  34)40)  und  Walter41),  die  sich  mit  der  Wahl 
Maximilians  IL  befassen,  wurden  besprochen.  —  Aus  dem  Wust  der  lokalgeschicht- 
lichen Veröffentlichungen  nennen  wir,  im  Südosten  Deutschlands  beginnend,  zunächst 
Gindelys42)  Werk  über  die  Gegenreformation  in  Böhmen43),  das  freilich  zum 
guten  Teil  schon  den  Rahmen  dieses  Teiles  der  JBL.  überschreitet,  weil  die  wichtigsten 
entscheidenden  Ereignisse  erst  ins  17.  Jh.  fallen.  —  Recensionen  über  Ludewigs44) 
Schilderung  der  Politik  Nürnbergs  in  der  Reformationszeit  (JBL.  1893  II  1 :  48)  und 
über  Schäfers45)  Ueberlinger  Studie  (JBL.  1893  I  4:431)  schliessen  sich  an.  — 
Hollaender46)  hat  seiner  vorjährigen  Abhandlung47)  zur  Strassburger  Geschichte 
(JBL.  1893  II  1:43)  eine  neue  über  die  Politik  der  Stadt  im  J.  1532  hinzugefügt.  — 
Hier  sei  auch  auf    einen    Aufsatz    Baum  gar  tens48)    „Strassburg   vor    der    Refor- 

vom  J.  1525.  Disa.  Halle  a.  S.  93  S.  —  26)  X  (H  6  :  265.)  —  27)  Herrn.  Sander,  Einige  Aktenstücke  z.  Gesch.  Vorarlbergs 
im  Zeitalter  d.  dtsch.  Bauernkrieges.  Progr.  d.  k.  k.  Oberrealsch.  Innsbruck.  1893.  27  S.  —  28)  D.  Schäfer,  Stadt- 
schreibet Herrn.  Hoffmanns  Bauernkrieg  um  Schwäbisch-Hall.  (=  Württemberg.  Gesch.-Quellen.  Her.  v.  Dietr.  Schäfer. 
Bd.  1  [St.,  Kohlhammer.  IV,  IV,  443  S.  M.  6,00],  S.  271-352.)  |[KBWZ.  13,  S.  117;  LCB1.  S.  1662;  ZGORh.  9,  S.  732;  DLZ. 
S.  1489.]|  —  29)  P.  Manns,  D.  Bauernkrieg  in  d.  Zimmerischen  Landen.  Progr.  d.  Realsch.  Hechingen.  1893.  18  S.  — 
30)  A.  Meli,  Z.  kindischen  Bauernaufstände  d.  J.  1573:  BKSteiermGQ  26,  S  34-52.  —  31)  X  G-  Maisch,  Religion  u.  Re- 
volution (JBL.  1892  II  1  :  30;  1893  II  1  :  25  a):  LCB1.  S.  1166/7.  —  32>  X  H-  Haupt,  E.  oberrhein.  Revolutionär.  (JBL.  1893  II 1 :  19.) 
|[G.  Bossert:  ThLZ.  11,  S.  300/3;  AI.  S.:  LCB1.  S.  1917/8.JJ  -  33)  (I  4  :  148;  III  1  :  146;  IV  lb  :  85.1  -  34)  X  A.  Kluck- 
hohn,  Dtsch.  Reichstagsakten.  1.  Bd.  (JBL.  1893  II  1  :  36.)  |[H.  Ulmann:  DLZ.  S.  495/8;  H.  Virck:  ThLZ.  19,  S.  417-20; 
M.  Immich:  FBPG.  7,  S.  591/2.JI  —  35)  X ZGORh.  9,  S.  181/2;  E.  Brandenburg:  MHL.  22,  S.  437;  G.  Bossert:  ThLBl.  15, 
S.  246/8.  —  36)  Hans  Schulz,  D.  Sacco  di  Koma,  Karls  V.  Truppen  in  Rom.  1527-23.  (=  Hallesche  Abhandl.  z.  neueren 
Gesch.  her.  v.  G.  Droysen.  N.  32.)  Halle  a.  S.,  Niemeyer.  188  S.  M.  4,60.  (T.  I  schon  vorher  als  Hallenser  Diss.  1893. 
32  S.)  —  37)  H.  Lenk,  D.  Reichstag  zu  Augsburg  im  J.  1530.  Barmen.  Wiemann.  156  S.  M  2,00.  |[KonsMschr. 
S.  1333/4.]|  -  38)  X  O.  Winckelmann,  D.  schmalkald.  Bund.  1530-32  (JBL.  1893  II  1:39):  MHL.  22,  S.  198-204.  —  39)  E. 
Brandenburg,  D.  Gefangennahme  Herz.  Heinrichs  v.  Braunschweig  durch  d.  schmalkald.  Bund  (1545).    L.,  Fock.    74  S.   M.  1,50. 

—  40)  X  G-  Blondel:  RH.  55,  S.  169-71.  —  41)  F.  Walter,  D.  Wahl  Maximilians  II.  Diss.  Heidelberg.  1892.  71  S. 
|[M(IL.  22,  S.  205/7.]|  -  42)  A.  Gindely,  Gesch.  d.  Gegenreform.  in  Böhmen.  L.,  Duncker  &  Humblot.  XII,  532  S.  M.  12,00. 
|[L.  Viereck:  MHL.  22,  S.440/4.JI  -  43)  X  '■  Emier.  Paneti  Rakovnicke  od  roku  1425-1639:  SBGWPragPh.  N.  4.  (=  43  S.) 
(Gedenkbücher  v.  Rakonitz  aus  d.  J.  1425-1639.)  —  44)  X  H-  Ulmann:  DLZ.  S.  1135/6;  LCB1.  S.  7834;  MhComeniusG.  3, 
S.  102.  -  45)  X  V.  Knipping:  KBWZ  13,  S.  102/3;  W.  Naude:  MHL.  22,  S.  209-10.  —  46)  Ale.  Hollaender,  Strass- 
burgs  Politik  im  J.  1562:  ZGORh.  9,  S.  1-48.  —  47)  X  G-  Egelhaaf:  ZGOBh.  9,  S.  722/4;  L.  Schädel:  MHL.  2>,  S.  204/5. 

-  48)   (IV  lb:8,   S.  475-85.)   —    49)   G.  Tournier,    Mülhausen   im    16.  Jh.    D.  Reform,  u.  d.  Aufruhr  v.  1587  in  d.  Mül- 


M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  1  i  49  63 

mation"  hingewiesen,  der  sich  in  der  Sammlung*  seiner  kleinen  historischen  und 
politischen  Arbeiten  findet.  —  In  erzählendem  Tone  gab  Tournier40)  Schilderungen 
aus  der  Geschichte  Mühlhausens  im  16.  Jh.,  Hauptmann50)  eine  populäre  Dar- 
stellung der  Ueberrumpelung  Bonns  durch  Martin  Schenk  von  Nideggen  (1587),  der 
er  das  Facsimile  eines  gleichzeitigen  Hogenbergschen  Stiches  beigab.  —  Aus  des 
Freiherrn  von  Wintzingeroda-Knorr51)  Schrift  über  die  Vollendung  der  Gegen- 
reformation auf  dem  Eichsfelde  kommt  für  unseren  Zeitraum  nur  das  erste  Kapitel 
(S.  1  —  55)  in  Betracht,  das  die  antiprotestantischen  Bemühungen  unter  den  Mainzer 
Kurfürsten  Wolfgang,  Johann  Adam  und  Johann  Schweikart  umfasst.  —  Aus  dem 
J.  1892  sei  der  erste  Band  des  Werkes  von  Priebatsch52)  nachgetragen,  das  in 
Einzeldarstellungen  den  Kampf  der  deutschen  Städte  gegen  die  territoriale  Fürsten- 
gewalt schildert.  Er  beschäftigt  sich  mit  den  Streitigkeiten,  welche  die  Hohenzollern 
mit  den  märkischen  Städten  im  15.  Jh.  ausgefochten  haben.  Die  Markgrafen 
Friedrich  IL,  Albrecht  Achilles,  Johann  Cicero  und  Joachim  I.  stehen  (nach  Friedrich  I., 
dessen  Regierungszeit  ja  vor  die  von  den  JBL.  umfasste  Epoche  fällt,)  im  Vorder- 
grunde. Mit  Recht  hat  man  der  verdienstvollen  Arbeit  den  Vorwurf  gemacht,  dass 
sie  die  Dinge  lediglich  von  der  rein  politischen  Seite  in  Angriff  nehme  und  die 
wirtschaftlichen  wie  socialen  Faktoren  zu  sehr  ausser  Acht  lasse.  —  Von  den  Drang- 
salen norddeutscher  Frauenklöster  in  der  Reformationszeit  schrieb  Falk53).  Erzieht 
Eimbeck,  Wienhausen,  Göttingen,  Kloster  Lüne,  Kloster  Medingen,  Kaufungen- 
Gehrden,  Hamburg,  Stralsund  und  das  Magdalenenkloster  zu  Riga  in  den  Kreis 
seiner  einseitig  katholischen  Betrachtungen.54)  — 

Unter  den  Arbeiten  über  einzelne  Persönlichkeiten  aus  der  Geschichte 
unseres  Zeitraums  finden  wir  am  wenigsten  über  die  Kaiser  jener  Epoche.  Zu  Karl  V. 
sind  ausser  einer  Besprechung  des  Baumgartenschen  Werkes  (JBL.  1892  II  1:6; 
1893  II  1  :  57)  von  Egelhaaf55)  nur  einige  kürzere  Aufsätze  zu  notieren,  von  denen 
der  eine,  der  Bergers56),  einen  Abschnitt  aus  desselben  Vf.  im  nächsten  Bande  näher 
zu  besprechendem  grossen  Werke  über  die  Kulturaufgaben  der  Reformation  bildet, 
während  der  andere  einen  Bericht  von  Krebs57)  über  das  schöne  Buch  des  belgischen 
Musikforschers  Van  der  Straeten  „Charles  Quint  Musiciena  (Gand,  Jules  Vaylsteke) 
enthält.  —  Dem  Landgrafen  Philipp  dem  Grossmütigen  von  Hessen58)  hat  Metz59) 
im  „Hessenland"  eine  eingehende  Schilderung  gewidmet.  —  Nachzutragen  aus  dem 
vergangenen  Jahre  ist  hier  das  populäre  Lebensbild,  mit  dem  von  Wagner60)  den 
trefflichen  Johann  von  Schwarzenberg  weiteren  Kreisen  bekannt  machen  wollte.  Das 
Buch  hat  einen  unverzeihlichen  Mangel,  den  der  Vf.  aber  ganz  naiv  eingesteht.  Er 
wollte  ein  lebendiges,  untrockenes,  ja  ein  amüsantes  Buch  schreiben,  und  da  der  Stoff 
hierzu  allein  oft  leider  nicht  ausreichende  Gelegenheit  bot,  so  sah  er  sich  gezwungen, 
um  seine  Zwecke  zu  erfüllen,  „mancherlei  hinzuzudichten1',  was  er  sich  denn  auch 
wirklich  wiederholt  gestattete.  Es  ist  schade,  dass  die  Arbeit  durch  diese  Geschmack- 
losigkeit und  durch  sonstige  Ungenauigkeiten  verdorben  ist.  Der  Gedanke,  Johann 
von  Schwarzenberg,  der  in  seiner  genialen  Vielseitigkeit,  seiner  Klugheit  und  seiner 
brutalen  körperlichen  Kraft  wie  ein  ins  Deutsche  übersetzter  uomo  universale  der 
italienischen  Renaissance  wirkt,  als  ein  echtes  Kind  seiner  wilden  schönen  Zeit  dem 
deutschen  Publikum  zu  schildern,  ist  gar  nicht  übel.  —  Dem  Führer  der  lutherischen 
Partei  in  Bayern,  Pankraz  von  Freyberg  auf  Hohenaschau  (1508-65),  hatPreger61) 
ein  Heft  gewidmet.  —  Mit  dem  historischen  Götz  von  Berlichingen  beschäftigt  sich 
ein  Programm  von  P  a  1 1  m  a  n  n 62).  Er  steht  auf  dem  entgegengesetzten  Standpunkt  wie 
Kamann,  der  in  seiner  Studie  über  die  Fehde  Götzens63)  mit  der  Reichsstadt  Nürn- 
berg (JBL.  1892  I  4:459;  II  1:33)  auf  Grund  nüchterner  Kritik  ein  nicht  sehr 
schmeichelhaftes  Bild  von  dem  Ritter  mit  der  eisernen  Hand  entworfen  hat.  Aber 
wenn  Kamann    vielleicht   ein  wenig  allzu   nüchtern    und  vom  heutigen  Standpunkte 

hausener  Chronik  nacherz.  Illzach  i.  E.,  Verl.  d.  Buchdr.  „Z.  Heimat."  53  S.  M.  1,00.  |[HJb.  15,  S.  669;  KonsMschr.  S.  553.] | 
—  50)  F.  Hauptmann,  D.  ueberrumpelung  Bonns  am  22.  Dec.  1587.  (=:  Bilder  aus  d.  Gesch.  v.  Bonn  u.  Umgebung.) 
Bonn  a.  Rh.,  P.  Hauptmann.  70  S.  M.  0,50.  —  51)  L.  Frhr.  v.  Wintzingeroda-Knorr,  D.  Kämpfe  u.  Leiden  d.  Evan- 
gelischen auf  d.  Eichsfelde  während  3  Jhh.  Heft  II:  D.  Vollend.  d.  Gegenreforra.  u.  d.  Behandl.  d.  Evangel.  seit  d.  Beendigung 
d.  30j.  Krieges.  (=  Schriften  d.  Ver.  für  Keform.-Gesch.  N.  42.)  Halle  a.  S.,  Niemeyer.  128  S.  M.  1.20.  —  52)  F.  Priebatsch, 
D.  dtsch.  Städte  im  Kampfe  mit  d.  Fürstengewalt.  I.  D.  Hohenzollern  u.  d.  Städte  d.  Mark  im  15.  Jh.  B.,  Weidmann.  1892. 
VIII,  270  S.  M.  6,00.  |[H.  Pirenne:  RCr.  33,  S.  265/6;  L.  Viereck:  WIDM.  76,  S.  213/8.]|  —  53)  F.  Falk,  D.  Drangsale 
norddtsch.  Frauenklöster  in  d.  Reformationszeit:  Kath.  I,  S.  250/5,  447-61.  —  54)  X  E.  Joachim,  D.  Politik  d.  letzten  Hoch- 
meisters (JBL.  1892  II  1:26;  1893  II  1:35).  |[H.  Ehrenberg:  FBPG.  7,  S.  588|9;  J.  Kolberg:  LRs.  20,  S.  3178.JI  - 
551  G.  Egelhaaf:  HZ.  71,  S.  95/9.  —  56)  A.  E.  Berger,  Karl  V.  u.  Luther:  VossZgB.  N.  446.  —  57)  C.  K[rebs],  Karl  V. 
als  Musikfreund:  VossZg.  N.  220.  —  58)  X  F.  Falk,  D.  Fussfall  d.  Landgrafen  Philipp  v.  Hessen:  HPB11.  114,  S.  713/8.  — 
59)  H.  Metz,  Philipp  d.  Grossmutige,  Landgr.  v.  Hessen  (1504-67):  Hessenland  S.  138,9,  154/5,  166/7,  182  3,  196:7,  222/3, 
252/5,  266/9,  278-80.  —  60)  J.  Frhr.  v.  Wagner  (=  Joh.  Renatus),  Joh.  v.  Schwarzenberg.  E.  Lebens-  u.  Geschichtsbild 
aus  d.  15.  u.  16.  Jh.  11.-16.  Taus.  B.,  Ver.  d.  Bücherfreunde.  1893.  VII,  373  S.  M.  4,00.  |[ThLB.  17,  S.  275;  Edm.  Lange: 
BLU.  S.  343/4.[|  —  61)  K.  Preger,  Pankraz  v.  Freyberg  auf  Hohenaschau,  e.  bayer.  Edelmann  aus  d.  Reformationszeit. 
(=  Schriften  d.  Ver.  für  Reform.-Gesch.  N.  40.)  Halle  a.  S.,  Niemeyer.  1893.  59  S.  M.  1,20.  —  62)  K.  Pallmann,  D.hist. 
Götz  v.  Berlichingen  mit  d.  eisernen  Hand  n.  Goethes  Schausp.  über  ihn.  E.  Quellenstud.  Progr  d.  Luisenstädt.  Oberrealsch. 
B.,  (Gaertner).  44  S.  M.  1,00.  (Vgl.  u.  IV  8e:12.)  -  63)  X  H.  L->  Götz  v.  Berlichingen:  NatZg.  N.  160.  (Ausgehend  v, 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (2)2 


II  1  -.64-75  M.  Osborn.  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts. 

aus  urteilte,  ohne  sich  recht  in  die  Situation  des  Mannes  zu  versetzen,  wenn  er  auf 
diese  Weise  vielleicht  ein  Historikergebot  missachtete,  so  ist  P.  sicherlich  noch  viel 
weiter  von  der  Wahrheit  entfernt,  wenn  er  behauptet,  Götzens  Endziel  sei  „Vernichtung' 
der  Fürstengewalt  und  Herstellung'  eines  mächtigen  Kaisertums  auf  Grund  des  Unter- 
thanenverhältnisses"  gewesen:  er  wollte  „wie  nur  Einen  Gott,  so  nur  Einen  Herrn 
haben"  (S.  38),  er  „erstrebte  ein  sociales  Ziel  von  eminenter  Bedeutung".  Das  ist 
ohne  Frage  auch  grundfalsch.  Aber  P.s  Schilderung  der  allgemeinen  Zustände, 
seine  Darstellung  der  Rechtsunsicherheit  jener  Jahre  zu  Beginn  des  16.  Jh.,  wobei 
Münchener  Staats-  und  Privatakten  manchen  bestätigenden  Zug  zu  dem  bekannten 
Material  hinzubrachten,  ferner  die  Analyse  von  Götzens  Selbstbiographie  (S.  14—43) 
nach  deren  Kapiteln,  mit  reichlich  eingestreuten  Citaten,  machen  das  Programm  doch 
lesenswert.  Von  demjenigen  Teile  der  P. sehen  Arbeit,  der  sich  mit  dem  Drama 
Goethes  befasst,  wird  an  einer  anderen  Stelle  dieses  Bandes  die  Rede  sein.  —  Dem 
Zeitgenossen  des  Burgherrn  vonJaxthausen,  dem  Landsknechtführer  Georg  von  Frunds- 
berg,  gilt  ein  trefflicher  Essay  A  resin-Fattons64),  der  in  schlichter  Darstellung 
den  „deutschen  Bayard"  aus  seiner  Zeit  herauswachsen  lässt  und  eine  gute 
Charakteristik  des  tapferen,  grundehrlichen  Mannes  giebt.65)  —  Das  interessante  Leben 
und  den  biederen  Charakter  der  Philippine  Welser  hat  Böheim66)  nach  den  älteren, 
rein  wissenschaftlich  gehaltenen  Arbeiten  von  Josef  Hirn,  David  von  Schönherr, 
Friedrich  Kenner  und  von  einem  Angehörigen  der  Familie  Philippinens,  Freiherrn 
Johann  Michael  von  Welser,  für  ein  weiteres  Publikum  geschildert.  Er  hat  selbst 
einige  bereits  feststehende  Punkte  durch  archivalische  Belege  bekräftigt,  sonst  aber 
hauptsächlich  sich  die  Aufgabe  gesetzt,  diejenige  Auffassung  von  der  bürgerlichen  Gattin 
Erzherzog  Ferdinands  IL  von  Tirol  zu  bekämpfen,  die  lange  Jhh.  hindurch  die  einzig 
gültige  war,  die  in  den  mannigfachen  dramatischen  Bearbeitungen  des  Stoffes,  wie  in 
den  bekanntesten  von  Emanuel  Schikaneder  (1780)  und  Oscar  von  Redwitz,  herrschte 
und  noch  heute  von  weiten  Kreisen  des  Volkes  geglaubt  wird.  Vor  allem  weist  er 
jede  Möglichkeit  einer  Ermordung  Philippinens  aus  politischen  Gründen  als  eine 
Absurdität  zurück.  Vom  Verlage  ist  das  Werk  B.s  aufs  vornehmste  ausgestattet  und 
mit  über  zwanzig  gut  gelungenen  Reproduktionen  alter  Bildnisse  und  Hss.,  sowie  mit 
Photographien  kunstgewerblich  wichtiger  Stücke  aus  dem  Besitze  Philippinens  ge- 
schmückt worden.  Die  Originale  einer  ganzen  Reihe  von  Porträts  des  Erzherzogs 
und  seiner  Gemahlin  sind  im  Besitze  des  Freiherrn  von  Lipperheide  auf  Matzen  bei 
Brixlegg  in  Tirol.  —  Die  ADB.  bringt  uns  wieder  einige  hervorragende  Männer  des 
16.  Jh.  in  Erinnerung.  Mummenhoff67)  schildert  Anton  Tucher,  den  Nürnberger 
Kaufmann  und  Politiker,  und  rühmt  zumal  den  grossen  orts-  und  kulturgeschichtlichen 
Wert  seiner  vom  Stuttgarter  Litterarischen  Verein  (als  134.  Publikation)  herausgegebenen 
Haushaltungsbücher.  —  Girgensohn68)  erzählt  von  Heinrich  von  Tiesenhausen, 
der  neben  einer  Geschichte  seiner  Familie  u.  a.  auch  eine  Historie  der  Erz- 
bischöfe von  Livland  verfasst  hat.  —  Eine  gewaltige  Persönlichkeit  ist  Jakob  Sturm, 
Strassburgs  grösster  Staatsmann  und  einer  der  hervorragendsten  Führer  und  Leiter 
der  Reformation.  Winckelmann69)  preist  seine  politischen  Berichte  auch  als 
litterarische  Denkmäler  ersten  Ranges.  Er  bedauert,  dass  Sturms  reiches  Leben 
und  fruchtbringende  Thätigkeit  noch  keine  erschöpfende  Darstellung  gefunden  haben. 
Das  von  W.  sorgfältig  zusammengestellte  Material  mag  seinem  kommenden  Biographen 
eine  Stütze  bieten.  —  Heinrich  Sudermann  (1520 — 91),  über  den  Keussen7")  schrieb, 
war  der  allgeehrte  und  geachtete  Syndikus  der  deutschen  Hansestädte.71)  — 

Das  gesamte  geistige  Leben  des  deutschen  Volkes  bei  Beginn  der  Neu- 
zeit72) hat  in  einer  allgemein  gehaltenen,  sehr  lesenswerten  Skizze  Ulmann73) 
geschildert.  In  vier  Abschnitte  hat  er  seine  Uebersicht  gegliedert :  politische  Lage 
des  Reiches  und  der  Territorien  (S.  3 — 29),  die  Kirche  und  das  religiöse  Volksleben 
(S.  30—  50),  gesellschaftliche  Formen  und  wirtschaftliche  Fragen  (S.  51 — 72),  Wissen- 
schaft und  Unterricht,  Litteratur  und  Kunst  (S.  73 — 92).  Es  ist  natürlich,  dass  in 
diesem  engen  Rahmen  nur  ganz  ilüchtig  die  allerwichtigsten  Hauptpunkte  berührt 
werden  konnten.  Am  schlechtesten  kommt  die  Litteratur  in  dem  Heftchen  fort.74) 
—    Mit    gläubigem    Herzen    und    aus    begeistertem    Gemüt    feiert  Walther75)     die 

Hamann. )  —  64)  J.  M.  R.  Aresin-Fatton,  Georg  v.  Frundsberg.  (—  Hist.  Essays  [Wien,  C.  Gerold.  357  S.  M.  5,00], 
S.  193-357.)  —  65)  X  L.  Schädel,  H.  Witte,  D.  letzte  Puller  v.  Hohenbarg  (JBL.  1893  II  1  :32):  M1JL.  22,  S.  45/6.  — 
66)  W.  Bö  he  im,  Philippine  Welser.  E.  Schilderung  ihres  Lebens  u.  ihres  Charakters.  Innsbruck,  Verl.  d.  Ferdinandeum. 
4".  67  S.  Mit  Abbild.  M.  5,00.  |[LZgB.  N.  424;  Grenzb.  3,  S.  2S7/8.J |  (Vgl.  auch  NedSpect.  S.  287-90.)  —  67)  E.  Mummen- 
hoff, Ant.  Tucher:  ADB.  38,  S.  756-64.  —  68)  J.  Girgensohn,  Heinr.  v.  Tiesenhausen:  ib.  S.  289.  -  69)  Otto  Winckel- 
mann, Jak.  Sturm:  ib.  37,  S.  5-20.  —  70)  H.  Haussen,  Heinr.  Sadermann:  ib.  S.  1217.  —  71)  O  X  X  W.  Vogt,  Konr. 
Pentinger.  E.  Lebensbild  aus  d.  Blütezeit  d.  Reichsstadt  Augsburg  (=  Festschr.  z.  22.  dtsch.  Juristentag  [ Augsburg,  Reichel. 
102  S.  Nicht  im  Handel],  S.  29-67.)  —  72)  X  K  Burdach,  Vom  M A.  z.  Reform.  (JBL.  1893  II  1  :  73).  |[J.  S  e  e  ra  &  1 1  e  r :  Euph.  1,  S.  149-53 ; 
K.  Wenck:  HZ.  73,  S.  173;  K.  Wotke:  ZOG.  45,  S.  418-20;  LCB1.  S.  748,9;  R.  Wolkan:  MVGDB».  S. 48-50.] |  —  73)  H.  Ul- 
mann, D.  Leben  d.  dtsch.  Volkes  bei  Beginn  d.  Neuzeit.  (=  Schriften  d.  Ver.  für  Reform. -Gesch.  N.  41.)  Halle  a.  S.,  Nie- 
weyer.  92  S.  M.  1,20.  —  74)  X  w-  Dilthey,  Auffassung  u.  Analyse  d.  Menschen  im  15.  u.  16.  Jh.  (JBL  1892  II  1:1;  vgl. 
auch  III  5:1):   MhComeniusG.  3,  S.  38,9.    —    75)    Wilh.  Walther,    D.    Bedeutung   d.    Reform,    für   d.  Gesundheit  unseres 


M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  1  :  76-78 

Reformation  als  den  Höhepunkt  der  die  neue  Zeit  heraufbringenden  Bewegungen  und 
als  den  ewigen  Hort  der  „Gesundheit  unseres  Volkslebens'1.76)  —  Die  wichtigste  Er- 
scheinung des  Berichtsjahres,  die  hierher  gehört,  ist  der  siebente  Band  von  Janssens 
Geschichtswerk,  den  Pastor")  ergänzt  und  herausgegeben  hat.  Das  Buch  wird  noch 
an  einer  anderen  Stelle  dieser  Berichte  besprochen,  und  wir  müssen  uns  darum 
kurz  fassen.  P.  fand  das  Ms.  zu  dem  Bande,  der  „Schulen  und  Universitäten, 
Wissenschaft  und  Bildung"  umfassen  sollte,  nach  dem  Tode  des  Lehrers  und  Freundes 
keineswegs  in  druckfertigem  Zustande  vor.  Nur  sehr  wenig  war  ganz  abgeschlossen; 
alles  Uebrige  erforderte  eine  nochmalige  genaue  Durchsicht,  die  Materialsammlungen 
J.s  mussten  noch  verarbeitet  werden.  Vor  allem  aber  musste  P.  in  der  zweiten  Hälfte 
eine  ganze  Reihe  von  Kapiteln  selbst  ausarbeiten,  natürlich  auch  hier  gestützt  auf 
zahlreiche  Notizen  und  Vorarbeiten  J.s,  die  auch  für  die  Fortführung  des  Werkes  bis 
zum  Untergang  des  alten  Reiches  im  J.  1806  so  zahlreich  vorliegen,  dass  nach  P.s  Ver- 
sprechen „die  Vollendung  der  Geschichte  des  deutschen  Volkes  als  gesichert  be- 
trachtet werden  darf".  Immer  klarer  wird  —  das  geht  aus  zahlreichen  Be- 
sprechungen hervor  —  auch  in  protestantischen  Kreisen  die  hohe  Bedeutung  der 
ultramontanen  Historiographie,  deren  Gipfel  J.  darstellte,  erkannt.  Man  glaubt  zu 
entdecken,  dass  man  seine  Anschauung  von  der  Reformationszeit  doch  vielleicht  ein 
wenig  zu  sehr  nach  immerhin  einseitigen  Schilderungen  gebildet  hat,  dass  es  für  den 
Historiker,  dem  Objektivität  als  das  höchste  Gesetz  gelten  muss,  von  hohem  Werte 
ist,  auch  einmal  die  Kehrseite  der  Medaille  zu  betrachten.  Kein  besonnener  Mensch 
wird  je  die  J.sche  Auffassung  für  die  richtige,  sein  Gemälde  für  ein  der  vergangenen 
Wirklichkeit  entsprechendes  halten;  die  Wahrheit  wird  ja  wohl  auch  nicht  in  der 
Mitte  zwischen  den  beiden  Extremen  liegen,  sondern  fraglos  näher  bei  dem  protestan- 
tischen. Aber  trotz  alledem  wird  der  kommende  unparteiische  Historiker  des  16.  Jh. 
starke  Förderung  durch  J.s  Werk  erfahren.  Auch  in  dem  vorliegende  Bande  ist 
wieder  mit  staunenswertem  Fleisse  eine  unerschöpfliche,  unendliche  Fülle  von 
Material  herangeschleppt  und  verteilt  worden ;  freilich  ist  es  noch  weniger  verarbeitet, 
als  dies  früher  der  Fall  war,  es  bleibt  noch  mehr  als  sonst  lediglich  aufgesammelter  Roh- 
stoff. Zuerst  ist  vom  Schulwesen  die  Rede,  von  dem  grossartigen  Aufschwung  in 
der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jh.  und  dem  „Verfall  seit  der  Kirchenspaltung".  Fast  über- 
all in  protestantischen  Lateinschulen,  Gymnasien,  Volksschulen  trostlose  Zustände, 
Verkommenheit  bei  Lehrern  wie  Schülern;  dagegen  die  grossartige  Thätigkeit  der 
Katholiken,  besonders  der  Jesuiten,  als  Erzieher,  die  keiner  jemals  geleugnet  hat. 
Dem  Schuldrama  wird  ein  eigener  Abschnitt  gewidmet  (S.  106—34):  Anstössigkeiten, 
Roheiten,  Unpassendes,  Verunglimpfungen  und  Verhetzungen  bei  den  Lutheranern; 
Ruhe,  Gleichmass,  pädagogische  Zielbewusstheit,  wahre  Kunst  und  trefflichste  moralische 
Wirkungen  auf  der  anderen  Seite.  Bei  den  Universitäten  ist  es  nicht  anders  (S.  135 
bis  211).  Alles  Ungünstige,  was  durch  die  Stürme  der  Reformation  zweifellos  ans 
Licht  gekommen  war,  alles  Schlimme,  was  die  Reformatoren  nicht  beseitigen  konnten, 
wird  eifrigst  betont;  aber  alle  die  tausend  neuen  Keime  der  Forschung  und  des 
Unterrichts,  die  jener  Epoche  ihre  Entstehung  verdanken,  sind  verschwiegen.  Nicht  viel 
anders  ist  es  in  den  von  P.  selbst  geschriebenen  Abschnitten.  Der  Schüler  hat  von 
seinem  Meister  willig  alles  angenommen,  und  man  würde  es  kaum  merken,  dass  ein 
neuer  Vf.  nun  einsetzt,  wenn  die  Vorrede  es  uns  nicht  unzweideutig  verraten  hätte. 
P.  hat  die  sehr  verdienstvollen  Kapitel  über  Naturwissenschaften,  Heilkunde,  Theologie 
und  Philosophie  bei  den  Katholiken,  und  vor  allem  „Uebertragungen  der  heiligen 
Schrift  in  die  deutsche  Sprache  bei  Katholiken  und  Protestanten"  bearbeitet.  Da- 
neben finden  sich  eingehende  Darstellungen  der  humanistischen  Studien  in  Deutsch- 
land und  der  neulateinischen  Dichtung  (S.  222—56),  der  Rechtswissenschaft  und  des 
Rechtsstudiums,  der  Mathematik  und  Astronomie,  der  Geschichtsschreibung  (S.  276— 306). 
Den  Schluss  des  Bandes  bilden  die  Mitteilungen  über  die  katholische  und 
protestantische  Predigt  (S.  576—606)  und  die  über  Buchdruckerei,  Buchhandel,  Bücher- 
censur  sowie  über  die  Anfänge  des  Zeitungswesens.  Keiner,  der  sich  mit  unserer  Epoche 
beschäftigt,  wird  an  diesem  trotz  aller  Einseitigkeit  und  meinetwegen  tendenziösen 
Absichtlichkeit  bewundernswerten  Kompendium  vorübergehen  können,  und  niemand 
wird  es  ohne  hohen  Nutzen  lesen,  wenn  er  sich  einerseits  seine  Ruhe,  andererseits 
seine  Kritik  zu  wahren  weiss.77a)  —  Wie  im  vergangenen  Jahre  seien  auch  diesmal  hier 
einige  italienische  Studien  genannt,  welche  die  Renaissance-Zeit  betreffen:  zunächst 
zwei  Bände,  die  dem  wenig  älteren  Sammelwerke  von  Aufsätzen  über  das  Rinascimento 
(JBL.  1893 II  1 :74)  entsprechen;  sie  führen  den  Titel  „La  vita  italiana  nel  Cinquecento"78); 


Volkslebens.  Vortr.  L.,  Dörffling  &  Franke.  24  S.  M.  0,40.  (Abdr.  ans  AELKZ.)  —  76)  X  w-  Schmitz,  D.  Einfluss  d. 
Religion  auf  d.  Leben  beim  ausgehend.  MA.,  bes.  in  Dänemark.  (=  StML.  Ergänzungsheft  N.  61.)  Freiburg  i.  B„  Herder. 
160  S.  M.  2,20.  |[A.  Bellesheim:  Kath.  2,  S.  267,9;  HPBH.  114,  S.  547/8.J)  —  77)  (II  6:2.)  (Vgl.  JBL.  1892  II  1  :  7-15; 
1893  II  1:7-11.)  —  77a)  X  A.  Baum  gar  tn  er,  Dtsch.  Bildung  u.  Wissensch.  im  16.  Jh.:  StML.  46,  S.  233-54.  (Im  Anschl. 
an  N.  77.)  —  78)  La  Tita  italiana  nel  Cinquecento.     Conferenze  tenute  a  Firenze  nel  1893.     I.  Storia;  II.  Letteratura.   Milano, 

(2)2* 


II  1  :  79-82  M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts. 

sodann    eine  Studie  Venturis79);   Kükelhaus80)    besprach   das  Buch   von  Wolffs 
über  Lorenzo  Valla  (JBL.  1893  II  1:79).81)  - 

Zur  deutschen  Literaturgeschichte  des  16.  Jh.  haben  wir  endlich  wieder 
einmal  ein  grosses  zusammenfassendes  Werk  zu  nennen,  das  freilich  auch  von  einem 
lokalen  Gesichtspunkt  ausgeht.  Wolkan82)  hat  seinen  früheren  Studien  über  die 
Geschichte  der  deutschen  Dichtkunst  und  des  deutschen  Geisteslebens  in  Böhmen 
(JBL.  1890  II  1:  13;  1891  II  1:1;  1892  II  1:42;  1893  II  1:89)  nun  als  Abschluss 
einen  stattlichen  Band  folgen  lassen,  der  die  „Geschichte  der  deutschen  Litteratur  in 
Böhmen  bis  zum  Ausgange  des  16.  Jh."  darstellt.  Er  bildet  mit  den  älteren  Arbeiten 
zusammen  nun  ein  schönes  Denkmal  des  Eifers,  mit  dem  heute  die  Deutschböhmen 
auch  mit  der  Waffe  wissenschaftlicher  Arbeit  gegen  die  wilden  czechischen  Gegner 
ihre  Nationalität  verteidigen.  Man  darf  diesen  Gesichtspunkt  nicht  aus  den  Augen 
lassen,  wenn  man  das  Buch  vornimmt.  Es  ist  für  die  deutsche  Sache  in  Böhmen 
gewiss  nicht  ohne  Wichtigkeit,  dass  einmal  ein  zuverlässiger,  gründlicher  Gelehrter, 
der  einen  höchst  achtbaren  Fleiss  sein  eigen  nennt,  alles  sammelt,  was  an  deutscher 
Geistesarbeit  aus  dem  schönen  Lande  hervorgegangen  ist.  Sonst  könnte  man  ernstlich 
die  Frage  aufwerfen:  besteht  nicht  ein  Missverhältnis  zwischen  der  wahren  Grösse 
und  allgemeinen  Bedeutung  des  Stoffes  und  dem  riesenhaften  Umfang  dieses  Buches, 
das  vom  Verlage,  wohl  mit  Hülfe  einer  öffentlichen  Unterstützung,  mit  beneidenswert 
schönem  Papier  und  grossen  Antiqualettern  ausgestattet  ist,  so  dass  es  nun  noch 
gewaltiger  dareinschaut  als  es  in  Wahrheit  ist?  Es  fehlt  an  dieser  Stelle  naturgemäss 
der  Raum,  alles  das  auszusprechen,  was  man  gegenüber  dem  W.schen  Buche  em- 
pfindet, alle  seine  grossen  Verdienste  und  hohen  Vorzüge  zu  beleuchten  und  seine 
unleugbaren  Schwächen  zu  kennzeichnen.  Nur  das  Wichtigste  kann  hier  heraus- 
gehoben werden.  W.  hatte  ursprünglich  die  Absicht,  den  älteren  Teilen  seines 
Werkes  „Böhmens  Anteil  an  der  deutschen  Litteratur  des  16.  Jh.",  von  denen  der 
erste  eine  vortreffliche  Bibliographie,  der  zweite  eine  Auswahl  von  Texten  gebracht 
hatte,  als  dritten  Teil  eine  zusammenfassende  Darstellung  dieses  „Anteils"  nachzu- 
schicken. Aber  der  Plan  erweiterte  sich.  Zum  wirklichen  Verständnis  des  Huma- 
nismus des  Reformationsjh.  ergab  sich  ein  Zurückgehen  auf  den  Humanismus  des 
15.  und  14.  Jh.  als  unumgänglich  notwendig.  Und  so  kam  der  Vf.  allmählich  dazu, 
die  ganze  Zeit  bis  zum  Schlüsse  des  16.  Jh.,  genauer  noch  bis  zum  J.  1618,  da  in 
Böhmen  die  Sturmglocke  zum  grossen  Kriege  geläutet  wurde,  in  den  Kreis  seiner 
Betrachtung  zu  ziehen.  Ein  einleitendes  Kapitel  über  die  „Entwicklung  des  deutsch- 
tums  in  Böhmen"  (I)  giebt  die  Grundlage.  Ein  zweites,  sehr  willkommenes  über 
„Schulwesen"  (II)  steht  ihm  zur  Seite.  Es  folgt  der  „Humanismus"  (III),  von  seinen 
Anfängen  unter  Karl  IV.  bis  zur  Mitte  des  16.  Jh.  gesondert  aus  dem  Ganzen  des 
Stoffes  herausgehoben.  Sodann  schliessen  sich  zwei,  nicht  sehr  geschickt  von  ein- 
ander abgegrenzte  Abschnitte  an:  „Höfische  Dichtung"  (IV)  und  „Das  14.  und 
15.  Jh."  (V).  Das  bei  weitem  umfangreichste  Kapitel  „Das  16.  Jh."  (VI)  macht  den 
Schluss.  Während  W.  erklärt,  dass  die  Behandlung  der  ältesten  Zeit  ihm  am 
wenigsten  Mühe  gemacht  habe,  da  er  hier  am  meisten  sich  auf  Vorarbeiten  habe 
stützen  können,  und  während  er  die  Arbeit  über  das  14.  und  15.  Jh.  die  un- 
erfreulichste und  auch  unerspriesslichste  nennt  und  offen  eingesteht,  dass  hier  sich 
der  Kritik  am  meisten  Angriffspunkte  bieten,  glaubt  er  in  der  Darstellung  seiner 
letzten,  auch  uns  hier  hauptsächlich  interessierenden  Epoche  die  Stärke  seiner  Arbeit 
zu  sehen.  In  der  That  hat  der  Vf.  als  Frucht  unermüdlichen  Suchens  und  Forschens 
hier  eine  ungeheure  Fülle  von  Material  herangebracht,  die  uns  überhaupt  erst  in 
stand  setzt,  die  Entwiklung  der  deutschen  Dichtung  und  der  deutschen  Prosa 
in  Böhmen  zu  verfolgen.  Zum  ersten  Male  wird  uns  hier  die  ganze  litterarische 
Ueberlieferung,  die  gedruckte  wie  die  hs.liche,  gesichtet  und  geordnet,  vorgeführt. 
An  allen  Punkten  und  Enden  wird  unsere  Kenntnis  tüchtig  gefördert.  Und  wenn 
gar  manches  mitgeteilt  wird,  was  wir  wohl  entbehren  könnten,  so  wird  das  durch  die 
zahllosen  neuen  Aufschlüsse,  zumal  über  das  geistliche  und  weltliche  Lied  sowie 
über  das  Drama,  wieder  gut  gemacht.  Die  hohe  Bedeutung  des  Erzgebirges  wird 
hervorgehoben,  Joachimsthal  besonders  als  Heimstätte  des  deutschen  Wesens  ge- 
rühmt, seines  grossen  Pfarrers  Johann  Mathesius  vielseitige  Wirksamkeit  eingehend 
an  verschiedenen  Stellen  gewürdigt.  Auch  andere  hervorragende  Persönlichkeiten: 
Bohuslous  Lobkowitz  von  Hassenstein,  Cl.  Stephani,  Nik.  Hermann,  J.  Krüginger, 
kommen     zur    Geltung.      Indessen    sie    erscheinen    nicht,    wie    wir    es    wünschen. 


Fratelli  Treves.  455  S.  in  2  Bdn.:  S.  1-279;  S.  280-455.  L.3,00;  2,00.  (Darin  bes.  zu  merken:  S.  1-51:  L.  A.  Ferrai,  Francesco  I. 
e  Carlo  V.;  S.  282-316:  C.  Paoli,  GH  scrittori  politici  del  Cinquecento;  S.  317-68:  G.  Carducci,  L'Orlando  Furioso; 
S.  369-408:  E.  Nencioni,  Torquato  Tasso;  S.  409-55:  G.  Mazzoni,  La  lirica  del  Cinquecento.)  —  79)  A.  Venturi,  Natura 
del  „Rinascimento":  NAnt.  40,  S.  440-59.  —  80)  Th.  Kükelhaus:  DLZ.  S.  268-70  -  81)  X  p-  Roden.  Shakespeares  „Sturm" 
(JBL.  1893  II  1:81).  |[Ges.  S.  284;  JbDShukespeareGes.  29-30,  S.  311/2;  J.  Z(upitza):  ASN3.  93,  S.  182/3.] |  —  82)  R. 
Wolkan,  Gesch.  d.  dtsch.  Litt,  in  Böhmen  bis  z.  Ausg.  d.  16.  Jh.  (=  Böhmens  Anteil  an  d.  dtsch.  Litt.  d.  16.  Jh.  3.  T.)  Prag, 


M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  1  :  82-ss 

Sie  werden  ziemlich  äusserlich  hingestellt,  mit  allen  notwendigen  thatsächlichen  An- 
gaben über  ihr  Leben  und  ihre  Werke.     Aber  sie  werden  nicht  als  ganze  Menschen 
gezeichnet,  nicht   charakterisiert,   nicht  in  ihrer  individuellen    Eigentümlichkeit  ge- 
packt  und    lebendig    gemacht.     Wir  sehen    sie   nicht,   wir    können   uns  keine  Vor- 
stellung   von    ihnen    machen.     Wir    durchschauen  und   begreifen    aber   auch    nicht 
den  Gehalt  ihres   poetischen    Schaffens,   das  Wirken  und  Gelten  ihrer  Persönlichkeit 
im  geistigen  Leben  ihrer  Zeit.     Nur  den  Rohstoff  bekommen  wir  vorgesetzt.  Als  ein 
besonders  in   die  Augen   fallendes  Beispiel  sei  auf  die  dreizehn  grossen  Seiten  hin- 
gewiesen, auf    denen    der  interessante  und  wichtige  Theobald  Hoeck  behandelt  wird 
(S.  364—76).     Da    giebt    W.    eine    lange   Reihe   von    gewiss    trefflich    ausgewählten 
Proben  aus  den  Gedichten,  die  immer  nur  durch  einige  spärliche  Zeilen  Textes  von 
einander   getrennt   sind.     Aber  das   ist  keine   Charakteristik,  kein  Wiedererschaffen 
der  Persönlichkeit,  wie  wir  es  ersehnen.  Es  sind  zusammengeklebte  Fetzchen,  jedoch 
kein  volles,  einheitliches  Bild.     Die   vornehmste  Aufgabe  des  Literarhistorikers,  die 
Dinge    in    sich    aufzunehmen   und    sie  aus  seinem   Geiste  wieder  werden  zu  lassen, 
diese  Aufgabe,   die  auch  seine   höchste  ist,  weil  sie  fast  eine  produktive  ist  wie  die 
des  schöpferischen  Künstlers,  —  sie  hat  der  Vf.  nicht  gelöst.     Wie  bei  diesem  einen 
Beispiel  so  ist  es  allenthalben.    W.  hat  sich  nicht  über  seinen  Stoff  emporgeschwungen. 
Man   sieht  ihn  in   seinem  Museum   arbeiten.    Der   Schweiss  ist  nicht  g-enügend  ab- 
getrocknet,   und  man  braucht  nicht  Baechtolds  wundervolle  Geschichte  der  deutschen 
Litteratur  in   der   Schweiz,  die  dem  Vf.  nach  seinem  eigenen  Worte  als  Muster  vor- 
schwebte,   zum    Vergleich    heranzuziehen,  um    diesen   Mangel  zu  empfinden.     Doch 
darf  man   darüber  auch   das   Gute  nicht  vergessen  oder  unterschätzen,  das  wir  dem 
Werk  W.s  verdanken.    Diese  umfassende  und  erschöpfende  Sammlung  und  Sichtung 
des    Stoffes    (soweit    sich    das    unter   den    heutigen  Umständen  ermöglichen  liess)  ist 
eine  Leistung  von  dauernder  Geltung.     Auch  die  vielfachen  ungenauen  Einzelheiten, 
welche   die  im    nächsten  Jahrgange  zu  verzeichnenden,  eingehenden  Besprechungen 
des   Buches   berichtigen  und  verbessern,  ändern  daran  nichts.  (Auf  die  Anzeige  von 
R.  Fürst  [Euph.  2,  S.  649—57],  die  eine  vortreffliche  kurze  Inhaltsangabe  des  Ganzen 
bringt,  sei  hier  schon  im  voraus  hingewiesen.)    Wenn  jedoch  W.  sagt,  seine  schwer- 
gelehrte Arbeit  möchte  „der  Wissenschaft  zu  Liebe  geschrieben  sein,  aber  ihr  nicht 
allein  und  nicht  zuletzt  dem  deutschen  Volke  in  Böhmen",  so  muss  man  sagen,  dass 
er  diesen  letzten  Teil  der  selbstgestellten  Aufgabe  -noch  nicht  erfüllt  hat.    Wir  dürfen 
aber   auch    das    gewiss    zuversichtlich  von  ihm  erwarten.     Er  ist  vielleicht  zur  Zeit 
der    Einzige,    der    es  kann,  und    ohne  Zweifel  der  Berufenste  dazu.     Nur  müsste  er 
sich  entschliessen,  über  sein  Buch  nun  wieder  ein  Buch  zu  schreiben,  das  seinerseits 
nicht  nur  Benutzer,  sondern  auch  Leser  fände.     Und  er  muss  sich  vornehmen,  nach 
seinem  tiefen  Sinn  das  heilige  litterarhistorische  Gebot  zu  befolgen,  das  einer  unserer 
Meister  einmal   aufgestellt  hat:  „Du  sollst  nicht  töten,  sondern  lebendig  machen!"  — 
Was   wir  hier  von  Wolkan  selbst  erhoffen,  das  hat,  um  Kleineres  mit  Grösserem  zu 
vergleichen,  mit  der  knappen   Studie  von  Lorenz  über  Mecklenburgs  Anteil  an  der 
deutschen  Nationallitteratur  (JBL.   1893  I  1:111;  II  1:86;  III  1:136)  Schröder83) 
versucht.      Das    Heftchen,    aus    einem    Vortrag    und    aus     Zeitungsaufsätzen     ent- 
standen,   giebt   freilich   auch    nicht   viel   mehr   als    Lorenz   Materialsammlung,  über 
deren  Trockenheit  es  sich  nur  wenig  erhebt.     Manche  Proben,  die  Lorenz  nicht  ge- 
bracht hatte,  werden  von  Seh.    mitgeteilt.     Gelegentlich    des  Reinke  de   Vos  finden 
sich  ein  paar  Zusätze  über  das  Tierepos  (S.  13/5),  und  vom  Drama  der  Reformations- 
zeit wird  ein  wenig  ausführlicher  gesprochen  (S.  25—30).  —  Von  der  kurzen  Ueber- 
sicht  über   die   deutsche  Litteratur  des    16.  und    17.  Jh.,  die  Zipper84)  für  ein  pol- 
nisches   Sammelwerk    schrieb,    kann   ich   nur   nach   Werners    Anzeige    berichten. 
Danach  ist  sie   eine  völlig  unzulängliche  Stümperei:  „Nicht  durch  ein  Wort",  urteilt 
WT.    nach    einigen   Belegen   im    einzelnen,  „verrät  der  Herr   Vf.,   dass    er  etwas   zu 
sagen   hat,   und  so  kann  man  nur  den  —  Mut  bewundern,  mit  dem  er  an  die  Dar- 
stellung  ging."  —  In    seinem  illustrierten    Hans   Sachs-Buch,   das   an  anderer  Stelle 
des  näheren  besprochen   wird,    hatte  Genee85)    die  Absicht,  den  Dichter  aus    seiner 
Zeit  und  seiner  Stadt  heraus  zu  zeigen.     Er  widmete  darum  Altnürnberg  und  seiner 
Kultur,   seiner   Kunst,   seinem   religiösen  und  Geistesleben,  seinen  Handwerkern  und 
Gelehrten,  seinen  Meistersingern  und  Theateraufführungen  manche  Seiten,  die  uns  jedoch 
nichts  Neues  bringen,  das  Altbekannte  niemals  in  neuer,  dagegen  öfters  in  künstlich 
zurechtgemachter  Beleuchtung.  Doch  mag  in  den  bekannten  „weiteren  Kreisen"  das  Inter- 


Haase.  XVI,  538  S.  M.  20,00.  —  83)  (I  1 :  59;  III  1 :  208.)  —  84)  A.  Zipper,  D  dtsch.Litt.  d.  16.  u.  17.  Jh.  (=  Allg.  Litt  -Gesch. 
mit  Illustr.  3.  T.  Neuere  Litt.-Gesch  1.  Periode:  D.  Zeiten  d.  Humanismus  u.  d.  Reform.  [Warschau,  S.  Lewental.  1891. 
564  S.  Eub.  2,25],  S.  196-236)  IfKwH.  8,  S.  297-302;  R  M.  Werner:  Euph.  1,  S.  14S/9.JI  (l).  poln.  Titel  lautet:  „Literatur» 
nimiecka  wiecku  16.  i  17.  [üziejie  literatury  powszechnej  z  illustracyami.  Tora.  III.  Dzieje  literatury  nnwozytnej.  Okres 
pierwszy:  Czasy  huraanizmu  i  reformaeyi.")  —  85)  (II  4b  :  12.)  —  86)  X  Ij-  Pariser,  H.  Sachs,  Luther,  Fischart  etc.  (JBL.  1893 


II  1:86-87  M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts. 

esse  für  die  Epoche,  in  der  Hans  Sachs  stand,  durch  G.s  Buch  immerhin  gefördert 
werden.86)  —  Einen  höchst  inhaltvollen,  viel  Neues  bietenden,  an  trefflichen  An- 
regungen reichen  Aufsatz  hat  von  Reinhardstöttner87)  über  Volksschriftsteller 
der  Gegenreformation  in  Altbayern  veröffentlicht.  Trotz  allen  Stimmen,  die  sich 
hier  nicht  minder  als  sonst  im  Reiche  für  eine  Verbesserung  der  Kirche  erhoben, 
hatte  die  Reformation  in  den  wittelsbachischen  Ländern  doch  keinen  Boden.  Freilich, 
ohne  Zweifel  und  Spaltungen  ging  es  auch  hier  nicht  ab.  Noch  1546,  beim  Tode 
Luthers,  ja  noch  in  der  ersten  Regierungszeit  Albrechts  V.  (1550—79)  schwankt  die 
Wage  in  Altbayern;  dann  freilich  neigt  sie  sich  rapide  zu  Gunsten  des  Katholi- 
zismus. Nun  wird  München  das  „zweite  Rom",  und  von  hier  sowie  von  Ingolstadt 
aus  beginnen  die  Jesuiten  mit  planmässigem  Bedacht  vorzugehen.  Die  bayerischen 
Fürsten  sind  nun  die  vornehmste  Stütze  der  Kurie  in  Deutschland:  Es  ist  fürchter- 
lich, so  ruft  der  Jesuit  Konrad  Vetter  aus,  „was  dieser  Trach  (Luther)  in  den  aller- 
schönsten  Stiften  und  Klöstern  dises  gantzen  Lands  I  sowol  im  Obern  als  Nidern 
Bayrn  !  mit  seinem  Trachenschwantz  vn[d]  Sawrüssl  für  eine  Verwüstung  vnnd 
Grewel  würde  angericht  haben",  hätten  nicht  „die  hertzhafften  Löwen  j  vnnd  unbe- 
wegliche Säulen  der  alten  Catholischen  Religion  |  oder  die  durchleuchtigiste  Fürsten 
vnnd  Hertzogen  von  Bayrn"  ihm  gewehrt  (S.  50).  Treffend  führt  R.  aus,  dass  für 
die  ruhige  Entwicklung  der  humanistischen  Studien  und  friedlichen  Künste  das 
Fernhalten  von  der  neuen  Lehre  während  des  16.  Jh.  nicht  schlecht  für  Bayern  war, 
dass  aber  nach  dem  dreissigjährigen  Kriege,  als  alle  Blüten  hinweggefegt  waren, 
Bayern,  „gerade  weil  es  den  Kampf  um  die  geistige  Freiheit  im  vorigen  Jh.  mitzu- 
kämpfen verabsäumt  hatte",  nicht  auf  frühere  Errungenschaften  zurückgreifen  konnte 
und  darum  schwerer  als  die  übrigen  Einzelstaaten  in  unserem  Vaterlande  unter  den 
Folgen  litt,  viel  langsamer  erst  sich  wieder  erholen  konnte.  Mit  feinem  Sinne  wird 
hier  der  Grund  aufgedeckt,  warum  nach  dem  grossen  Kriege  der  katholische  Süden 
Deutschlands  lange  Zeit  hindurch  so  beträchtlich  und  so  überraschend  hinter  dem 
protestantischen  Norden  zurückblieb.  Sodann  wendet  sich  R.  seinem  eigentlichen 
Thema  zu.  Nicht  auf  das  will  er  aufmerksam  machen,  was  Theologen,  Staatsmänner, 
Kirchenlehrer  verfasst  haben,  nicht  auf  die  scharfen  dogmatischen  Erörterungen, 
Lieder,  gelehrten  Dialoge,  Jesuitendichtung  und  -spiele  —  das  alles  ist  so  ziemlich 
gesichtet  und  ausgeschöpft.  Sondern  er  will  den  Blick  der  Forscher  auf  das  lenken, 
was  für  die  niederen  Schichten  und  was  aus  ihnen  heraus  geschrieben  wurde,  und  er 
verspricht  hier  sehr  interessante  litteratur-  wie  besonders  sprachgeschichtliche  Er- 
gebnisse. Die  Streiter  für  Rom  mussten  deutsch  schreiben,  „dem  einfältigen  völcklein 
zu  gut,  welches  das  latein  nit  allenthalben  versteet",  wie  Cochlaeus  einmal  sagt; 
die  Protestanten  sprachen  deutsch  —  also  muss  man  „das  gegenteil  auch  im  Teutschen 
dem  volck  fürhalten".  Das  war  ein  gewaltiger  Umschwung;  denn  seit  1369  soll  so 
gut  wie  nichts  über  religiöse  Dinge  in  deutscher  Sprache  abgefasst  worden  sein. 
Nun  werden  deutsche  geistliche  Gesänge  den  protestantischen  gegenübergestellt; 
Luthers  und  der  Seinen  Lieder  gehen  oft. unversehrt  über  (so  „Christum  wir  sollen 
loben  schon  Der  reinen  Magd  Marie  Sohn,  Soweit  die  liebe  Sonne  leucht"),  oder 
Stücke  aus  den  Psalmen  und  den  Evangelien  werden,  auch  vielfach  nach  Luthers  Ueber- 
setzung,  in  Verse  gebracht.  Die  Dialoge  werden  als  wirksame  populäre  Form  bevor- 
zugt. R.  giebt  Proben  dafür  (S.  58 — 61).  Streite  und  Zwiste  hat  in  massenhaften 
deutschen  Schriften  u.  a.  der  Barfüssermönch  Kaspar  Schatzger  ausgefochten. 
Wir  sehen  ihn  (S.  63—71)  in  seinen  Heften  und  Büchern,  die  für  die  bayerisch-ober- 
pfn'lzische  Mundart  seiner  Zeit  sehr  interessant  sind,  jedenfalls  die  Sprache  des  da- 
maligen München  treu  wiederspiegeln,  im  Kampfe  mit  Joh.  von  Schwarzenberg, 
mit  Oslander,  mit  dem  Pfarrer  Antonius  Zymmermann.  Der  letztere  hatte 
gepredigt,  Christus  habe,  als  er  zur  Vorhölle  hinabstieg,  die  höllische  Pein  ge- 
spürt. Schatzger  stellte  dagegen  ein  leidenschaftliches  „Beduncken"  auf,  dessen 
Erfolg  war,  dass  der  arme  Pastor  „gefenglich  angenummen"  wurde.  Als  be- 
sonders hervorgetretene  antilutherische  Verlagsfirmen  macht  R.  folgende  nam- 
haft: Schobser,  Nik.  Henricus,  Adam  Berg  in  München;  Sartor,  Eder,  Weissenborn 
in  Ingolstadt;  dazu  noch  einige  in  Straubing  und  Amberg.  Einen  weiten  Leserkreis 
hatten  die  Schriften  des  schon  genannten  Konrad  Vetter  (S.  76/7),  der  wütend  und 
und  mit  verbissener  Gehässigkeit  gegen  Luther  tobte.  Joh.  Nas  (S.  77/9),  Laurentius 
Forer  (S.  79 — 80)  und  Adam  Walasser,  der  sich  besonders  um  die  Einführung  und 
Verbreitung  der  antireformatorischen  Lieder  verdient  machte,  werden  erwähnt.  Der 
bedeutendste  aber  von  allen  ist  Aegidius  Albertinus.  „Tn  seinen  umfangreichen  Werken 
spiegelt  sich  die  Anschauung,  welche  man  in  der  Hauptstadt  des  Südens  in  den 
ersten  J.  des  17.  Jh.  über  die  Reformation  hatte".  Er  schreibt  bereits  ganz  ruhig, 
„wie  ein   überlegener  Sieger".     Der  Schluss   von  R.s  Aufsatze   (S.  86  —  118)  ist  der 


II  1  :88;  3:50;  4:28):  BBG.  30,  S.  315.  —  87)  K.  v.  Reinhardstöttner,  VolkSBchriftsteller  d.   Gegenreform.  in  Altbayern : 


M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  1  •.  88-112 

Charakteristik  dieses  geschickten  Schriftstellers  gewidmet,  dessen  polemische 
Werke  ein  echtes  Denkmal  der  Gegenreformation  sind.  Er  ist  ein  so  nüchterner, 
starrer  Philister,  dass  ihm  die  Kunst  des  Schönschreibens  alle  anderen,  auch  die 
Malerei,  übertrifft  und  die  Künstler  lediglich  als  „eitele,  liderliche,  verschlagene,  arg- 
listige, unverschambte  und  gottlose  Leut"  erscheinen.  Er  ist  so  asketisch  und 
fleischfeindlich,  dass  ihm  die  Ehe  nur  ein  notwendiges  Uebel  ist,  dass  er  Komödien 
und  Schauspiele  ingrimmig  hasst.  Den  ungemein  lesenswerten  Ausführungen  hat 
R.  eine  Reihe  von  Quellennachweisen  fS.  118—39)  angefügt.  —  W  eddigen88)  hat 
seine  knappe  „Geschichte  der  Einwirkungen  der  deutschen  Litteratur  auf  die 
Litteraturen  der  übrigen  europäischen  Kulturvölker  der  Neuzeit"  in  zweiter  Auflage 
herausgegeben.  —  Faguets80)  Studien  über  die  französische  Litteratur  des  16.  Jh. 
seien  nicht  vergessen.  —  McClumph  a90)  erinnerte  wieder  an  Herfords  bekanntes 
Werk    über  die    litterarischen  Beziehungen    zwischen  England    und  Deutschland.  — 

Ganz  kurz  nur  seien  die  Arbeiten  verzeichnet,  die  von  der  wissenschaft- 
lichen Bethätigung  des  16.  Jh.  handeln.  G.  v  o  n  Kress91)  veröffentlicht  eine  Studie 
über  gelehrte  Bildung  im  alten  Nürnberg  und  das  Studium  der  Nürnberger  an 
italienischen  Hochschulen.  —  Die  bibliographischen  Zusammenstellungen  Roths92) 
über  die  Gelehrtenfamilie  Lorichius  aus  Hadamar  sowie  die  Studie  Falk  s 93)  über 
zwei  Bürgermeister  und  „treugebliebene  Katholiken":  G.  Agricola  in  Chemnitz,  den 
ersten  grossen  Mineralogen  der  neueren  Zeit  und  Begründer  der  Bergwerkskunde, 
und  J.  Hass  in  Görlitz,  der  (übrigens  stark  von  dem  Einfluss  der  lutherischen 
Sprache  zeugende)  Ratsannalen  hinterlassen  hat,  haben  schon  an  anderen  Stellen 
Erwähnung  gefunden.  —  Auch  über  die  Schriften  Hart  in  an  ns94)  und  Sud- 
hof fs95-96)  über  Paracelsus  ist  an  anderem  Orte  näheres  zu  finden;  zu  den  Gedenk- 
artikeln, die  der  400.  Geburtstag  Hohenheims  im  Vorjahre  hervorgerufen  hat  (JBL. 
1893  II  1:100/5),  sind  noch  einige  nachzutragen97"100).  —  Ein  Hauptvertreter  der 
medizinischen  Theorien  des  Paracelsus  war  Leonhard  Thurneisser.  Ihm  hat  Heide- 
mann101) eine  Skizze  gewidmet,  die  auch  die  vielseitige  litterarische  Thätigkeit 
Thurneissers,  seine  Schriften  über  Magie  und  Alchimie,  seine  Vorbereitungen  zu 
einer  Chronik  und  einer  Karte  der  Mark  Brandenburg  usw.  berücksichtigt.102-104) 
—  Peter  von  Andlau,  der  als  Gelehrter  in  Basel  wirkte,  in  seinem  „Libellus  de  Cesarea 
monarchia"  den  Ansatz  zur  Bildung  eines  deutschen  Staatsrechts  schuf  und  in  den 
ersten  Jahren  der  Universität  eine  Rolle  spielte,  hat  in  H  ü  r  b  i  n105)  einen  Biographen 
gefunden.  Die  Studie  enthält  beachtenswertes  Material  zur  Kenntnis  des  gelehrten 
Lebens  in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jh.  Dass  von  Briefen  die  Rede  ist  (S.  211),  die 
Sebastian  Brant  an  Peter  von  Andlau  schrieb,  sei  noch  besonders  bemerkt.  —  Ein 
Anonymus106)  handelte  nach  den  Quellen  kurz  über  Matthias  Kretz,  den  ersten  Vor- 
stand der  von  Aventin  ins  Leben  gerufenen  Ingolstädter  gelehrten  Gesellschaft,  den 
langjährigen  Domprediger  in  Augsburg  und  Mühchen.  Kretz  ist  ein  eifriger  Ver- 
ehrer des  Erasmus;  er  hat,  wie  er  in  einem  (S.  13/4)  auszugsweise  wiedergegebenen 
Briefe  mitteilt,  des  grossen  Humanisten  Abhandlung  vom  christlichen  Ritter  öffentlich 
auf  der  Kanzel  erklärt  und  eine  Schrift  verfasst,  in  der  er  nachweisen  wollte,  dass 
Erasmus  kein  Lutheraner  sei.  „Jetzt",  d.  h.  1530,  meint  der  Briefschreiber,  wäre 
eine  solche  „Apologie"  nicht  mehr  nötig,  da  jetzt  jeder  von  Erasmus  wisse,  dass  er 
„catholicissimus"  ist.107"109)  — 

Unter  den  kulturgeschichtlichen  Erscheinungen110),  die  in  unser 
Gebiet  fallen,  hat  neben  einer  englischen  Arbeit  von  Bax111)  zunächst  und  vor  allen 
anderen  eine  ausgezeichnete  Studie  Steinhausens112)  Anspruch  auf  Beachtung. 
Sie  handelt  von  den  Anfängen  des  französischen  Litteratur-  und  Kultureinflusses  auf 
Deutschland  in  der  neueren  Zeit    und  will  die  Gründe  und  allmähliche  Ausbreitung 


FKLB.  2,  S.  46-139.  (Auch  Sonderabdr.:  München,  Franz.  94  S.;  nicht  im  Handel.)  —  gg)  F.  H.  0.  W eddigen. 
Gesch.  d.  Einwirkungen  d.  dtsch.  Litt,  auf  d.  Litt.  d.  übrigen  europ.  Kulturvölker  d.  Neuzeit.  2.  (Titel- lAnsg. 
L.,    Wigand.      183    S.      M.    2,00.     —     g9)    E.    Faguet,     16.    siecle.      Etüde    litt.     Paris,    Lecene.     XXXIII,    426   S.     Fr.  3,50. 

[RIE.  27,  S.  188:  RCr.  37,  S.  131/4;  BSProtFranc.  43,  S.  108;  L.  Geiger:  NatZg.  N.  122.JI  (Daraus  id.,  Calvin 
ecrivain:  RPL.  52,  S.  648-61.)  —  90)  Ch.  F.  McClumpha,  C.  H.  Herford,  The  litt,  relations  of  England  and  Qermany. 
(Cambridge  1886):  MLN.  9l,  S.  45/9.  —  91)  G.  v.  Kress,  Gelehrte  Bildung  im  alten  Nürnberg  u.  d.  Studium  d.  Nürnberger 
an  italien.  Hochschulen.  (  =  III  5:8:  2,  S.  14-50.)  —  92)  (I  3  :  153.)  —  93)  (II  6  :  20.)  —  94)  (II  6  :  279.)  —  95)  (II  5:53.) 
|[BLChrSchw-  24,  S.  173/4.JI  —  96)  (II  5:54.)    -    97)  X  K-  Lasswitz,    Z.  Erinnerung  an  Paracelsus:  Nation».  11,  S.  183/5. 

-  9g)  X  F-  Lampert,  Theophr.  Paracelsus.  E.  Gedenkbl.  post  festum:  FränkKur.  28  März.  —  99)X  Paracelsus:  NZ.  12l, 
S.  436/9.  —  100)  X  K.  Kiesewetter,  Theophr.  Paracelsus:  ÜL.fcM  71,  S  241/2.  -  lOll  J.  Heidemann,  Leouh. 
Thurneisser  znm  Thurn:  ADB.  38,  S.  226/9.  —  102)  X  N.  Paulus,  G.  Pictorius  v.  Villingen:  LHw.  33,  S.  7212.  (Arzt  d. 
16.  Jh.)  -  103)  X  T.  Stein,  350  J.  (Kopernikus):  SchorersFamilienbl  16,  S.  111.  -  104)  X  <*  Berthold,  Joh.  F.tbricius 
u.  d.  Sonnenflecken.  Nebst  e.  Exkurs  über  D.  Fabricius.  L.,  Veit.  60  S.  M.  1,80.  |[LCB1.  S.  1567.]|  —  105)  J.  Hürbin, 
Peter  v.  Andlau:  KathSchwBU.  10,  S.  207-37,  285-318.  (Vgl.  dazu  P.  Albert:  ZGORh.  9,  S.  524/5.)  -  106)  M.  Kretz.  E. 
bayer.  Gelehrter  d.  16.  Jh.:  HPB11.  114,  S.  1-19.  —  107)  X  A.  Bachmann,  Zach.  Theobald:  ADB.  37,  S  6S2/4.  -  10g)  X 
E.  Schaumkell,  D  Rechtsgelehrte  Franciscus  Balduin  als  Ironiker  u  Historiker.  Progr.  Güstrow.  4".  34  S.  —  109)  X 
Th.  Brandi,  Mtnfr.  Meyer,  Wig.  Hundt  (JBL.  1892  II  1:62;  1393  II  1:96):  HZ.  73,  S  512,3.  -  110)  X  Alw.  Schultz, 
Dtsch.  Leben  im  14.  u.  15.  Jh.  (JBL.  1891  I  5  :  16;  1892  I  4  :  21;  II  1  :  63;  1893  II  1 :  115):  LRs.  20,  S.  19-20.  -  111)  E.  B. 
Bax,  German  society  at  the  close  of  the  MA.     London,  Sonnenschein.    Sh.  5.  —  112)  (I  4:86;  IV  ld:  12.)  —  U3)  X  Rieh, 


II  1  i  112  M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts. 

dieses  Einflusses,    der  etwa    von  1670 — 1730  seinen  Höhepunkt  erreichte,    im  16.  Jh. 
verfolgen.      St.  möchte  dies  Thema   eingehender  und  „schärfer"  erörtern,    als  es  bis- 
her geschehen  ist.     Es  war  nicht  das  erste  Mal,  dass  Frankreich  eine   massgebende 
Einwirkung  auf  die  Kultur  und Litteratur Deutschlands  gewann.  Das  römisch  gewordene 
Gallien  war    dem  Westen  Germaniens    durchaus  ein  Vorbild.      Später  ist  namentlich 
die  Epoche  des  Rittertums  von  Bedeutung;  die  ganze  Erscheinung  ist  lediglich  oder 
doch  wesentlich  ein  Produkt  des  französischen  Einflusses.     Das  14.  und  15.  Jh.  zeigen 
dann  in  Deutschland    einen  kräftigen   nationalen  Aufschwung    und   eine  hohe  selbst- 
ständige Entwicklung,  deren  Hauptfaktor  das  Bürgertum  war.     Nun  aber,  im  16.  Jh., 
beginnt  von  neuem  das  Vorbild  der  westlichen  Nachbarn  in  unserem  Vaterlande  eine 
massgebende  Rolle   zu  spielen,    und  St.  stellt  den  Satz    auf,    dass    diesem  Umstände 
jetzt  ganz  ähnliche  Thatsachen  zu  Grunde  liegen  wie  einstens  in  der  Ritterzeit.     Da- 
mals   war    das  wesentlichste  Element   zunächst    die    „Ausbildung    eines    bestimmten 
Lebens-  und  Bildungsideals,  das  zur  Nachahmung  reizte":  des  ritterlichen  Gesellschafts- 
ideals,  das  sich    in  Frankreich    entwickelt    hatte.     So    war    es   auch    zu  Beginn    des 
Reformationsjh.     Jetzt  freilich  ist  es  ein  anderes  Ideal:   das  Ideal  des  Hoflebens,  das 
in  dem  reichen, glänzenden, heiteren  Paris  Franz  des  Ersten  heranwächst.  Paris  als  Haupt- 
stadt des  festesten  und  einheitlichsten   monarchischen  Staatswesens    in  Europa    ward 
mehr  und  mehr  der  führende  Ort    des  Weltteils,    der  Sitz    der  Bildung.      Und  wenn 
auch  damals  Italien  noch   einen  grossen  Kultureinfluss    besass  und  Spanien  begann, 
einen  solchen  auszuüben,  so  ist  es  doch  erklärlich,  dass  zumal  die  benachbarte  und 
wenigstens  seit  1550  in  einem  unaufhaltsamen  Niedergange  befindliche  deutsche  Nation 
auf  Frankreich  als  auf  ein  „gesellschaftliches  Musterland"  hinblickte.    Wie  uns  ferner 
als  wichtige  Vermittlungfserscheinung    im    Mittelalter  die  direkte  Verbindung  beider 
Länder,  teils  durch  die  Kreuzzüge,  teils  durch  Reisen  der  Deutschen  nach  Frankreich, 
entgegentritt,  so  ist  es  auch  nun.     Die  Reiselust  beginnt  im  Verlaufe  des  16.  Jh.  zu 
einer  Modekrankheit,   zu  einer  Reisesucht  zu  werden.     Schon   um   1500  sehen  einige 
deutsche  Fürsten  den  französischen  Hof  als  die  beste  Erziehungsstätte  für  ihre  Söhne 
an;  auf  der  viel  besuchten  Pariser  Hochschule  war  schon  lange  unter  den  vier  Nationen 
eine  von  Germania.    Wie  in  der  Epoche  der  Troubadoure  und  der  Minnesänger  sind 
es  auch  nun  ganz  naturgemäss  die  Frankreich  zunächst  gelegenen  Gebiete,  der  Elsass, 
die  Pfalz,    das    Rheinland,    die    Niederlande,    die   einen  Vermittelungsboden  für  den 
französischen  Einfluss  bieten.  Am  wichtigsten  ist  jene  allmähliche  Vervollkommnung 
einer  neuen  gesellschaftlichen  Bildung,  der  höfischen,  nach  der  man  sich  in  Deutschland 
besonders  in  der  zweiten  Hälfte  des  Jh.  um  so  mehr  zurichten  beginnt,  als  jetzt  das  Bürger- 
tum aus  seiner  führenden  Stellung  gedrängt  wird  und  mit  der  wachsenden  Bedeutung 
der  Territorialfürsten   die  zahlreichen  Höfe    mehr  in   den  Vordergrund  treten.      Der 
geistige  wie   politische   Niedergang   Deutschlands   entwickelt   dann    eine   nicht   bloss 
auf  Frankreich    gerichtete    Fremdsucht,    die    sich   jedoch  immer  entscheidender  und 
ausschliesslicher  gallischem  Leben  und  gallischer  Sprache  zuwendet.    Hinzu  kommen 
nun   noch   verschiedene   Momente,   die   den  Sieg    des   französischen  Kultureinflusses 
vollkommen   machen,    die    jedoch    eine    mehr    accidentelle    Bedeutung    haben    und 
nicht   die   essentielle,    die    man   ihnen    von    vielen  Seiten    beilegt:  Karls  V.  aus  den 
Niederlanden  mitgebrachte  französische  Bildung,  die  auch  zum  grossen  Teil  durch  ihn 
hervorgerufene  französische  Färbung  des   diplomatischen  Verkehrs,   weiter  die  Ein- 
wirkung   der    vertriebenen   und    massenhaft    zugewanderten  Kalvinisten,  schliesslich 
die  politischen  Momente,  die  Verbindung  des  protestantischen  Deutschlands  mit  dem 
aufstrebenden  und  sogar    nach    der  römischen   Kaiserkrone  blickenden  französischen 
Königtum.  Für  alle  diese  Punkte  bietet  St.  aus  der  Fülle  seines  Reichtums  an  Wissen 
zahlreiche  treffende  Beweise  und  Erläuterungen.  Wir  hören  Näheres  über  die  Kalvinisten 
in    Deutschland    und    ihre  Thätigkeit,    über    die  politischen  Agenten  Frankreichs  in 
unserem  Vaterlande,    über   die  allgemein  zur  Mode  gewordenen  Bildungsreisen,  vor 
allem    über  das  Leben  an  den  Höfen    (S.  367—72).     Hofleute  und  Vornehme  werden 
immer  mehr  das  Vorbild  der  Massen;  die  in  sich  ruhende,  selbstbewusste  Kraft  des 
Bürgertums  schwindet.     Auch  auf  die  Sprache  wirkt  alles  das  —  die  einwandernden 
französischen  Fremdwörter    zeigen   es  —  und    auf   die  Litteratur.     St.  weist   auf  die 
zunächst    für  adelige  Kreise  geschriebenen,   nachher   als  „Volksbücher"  populär  ge- 
wordenen Prosaromane  hin,  zumal  die  Amadisromane,  dann  auf  Fischart,  der  wie  sein 
Lehrer  Caspar   Scheit   ein  Freund   der    französischen  Litteratur   ist,    auf  die  neuen 
„welschen    Liedlein"    und    „franckreichischen   gesenglein"    usw.   (S.  374/5).     Sodann 
geht    der  Vf.    auf   die    Uebersetzungen    und    Nachahmungen    französischer    Bücher 
sowie  deren  Verbreitung  ein,  die  er  nach  den  seit  1564  auftretenden  buchhändlerischen 
Messkatalogen  kontrolliert.  Hier  ist  allerdings  im  16.  Jh.  noch  nicht  allzu  viel  zu  finden. 
Schliesslich  werden  noch  die  an  Zahl  zunehmenden  Wörterbücher,  Sprachlehren  und 
Sprachlehrer,     meist    zugewanderte   Kalvinisten,    herangezogen   (S.    377  —  80).       An 
der    Schwelle   des    17.    Jh.    ist   dann   der   französische    Einfluss   vollständig-    durch- 


M.  Osborn,  Allgemeines  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  1  :  113  139 

gedrungen.  St.,  der  die  schädlichen,  ja  oft  verderblichen  Folgen  der  deutschen 
Ausländerei  keineswegs  verkennt,  spricht  offen  die  zweifellos  berechtigte  Ansicht 
aus,  dass  jener  französische  Einfluss  auf  die  Deutschen  teilweise  recht  günstig  ge- 
wirkt hat.  Vor  allem  betont  er  sehr  fein,  „dass  die  französische  neue  gesellschaftliche 
Kultur  den  Deutschen,  der  in  theologischem  Eifer  und  Interesse  zu  ersticken  drohte, 
wieder  verweltlichte.  Ohne  die  weltliche  Kultur  des  neuen  Frankreich,  die  ja  freilich 
die  Frivolität  und  Verderbtheit  nicht  ausschliesst,  ist  der  antikirchliche  Zug  der 
späteren  Zeiten,  namentlich  des  18.  Jh.,  nicht  denkbar."113)  —  Zum  Verkehrsleben 
des  16.  Jh.114)  und  zur  Geschichte  des  Kaufmannstandes  wird  einiges  gemeldet : 
Sim  onsf  el  d115)  brachte  noch  eine  Nachricht  über  den  Fondaco  dei  tedeschi  in 
Venedig,  Liebes116)  Notizen  über  die  Anfänge  der  lombardischen  Wechsler  im 
Mittelalter  gehören  nur  mittelbar  hierher,  Staub  er117)  berichtete  von  Augsburger 
Kaufleuten  in  Afrika  und  Vorderindien  im  J.  1505.  —  Hier  sei  auch  die  ausgezeichnete 
Studie  Stiedas118)  genannt,  die  eingehende  Mitteilungen  über  die  hansisch-vene- 
tianischen  Handelsbeziehungen  bringt,  obschon  sie  nur  die  erste  Hälfte  des  15.  Jh.  in  den 
Kreis  ihrer  Betrachtungen  zieht.  Von  hohem  Interesse  sind  namentlich  die  sorg- 
fältig zum  Drucke  gebrachten  „Urkunden'1  (S.  119—81),  meist  Geschäftsbriefe  an 
den  aus  Lübeck  stammenden  Grosskaufmann  Hildebrand  Veckinchusen.119)  — 
Einige  Beiträge  zur  Schul-120)  und  Universitätsgeschichte121)  schliessen  sich  an. 
Buchwald122),  der  fleissige  Erforscher  der  Zwickauer  Akten  und  Hss.,  giebt  ein 
fesselndes  Bild  aus  der  Wittenberger  Studentengesellschaft.  Die  Stadt  Zwickau  ge- 
leitete mit  der  gleichen  Fürsorge,  die  sie  ihren  Knaben  auf  ihrem  wohlberühmten 
Gymnasium  angedeihen  Hess,  ihre  Jünglinge  auf  die  Hochschule.  Meist  wandten  sie 
sich  nach  Wittenberg,  und  der  Stadtschreiber  von  Zwickau,  M.  Stephan  Roth,  hielt 
ein  wachsames  Auge  über  sie.  Die  Zwickauer  Studenten  nun  sandten  von  Wittenberg 
aus  eine  grosse  Zahl  von  Briefen  an  Roth,  die  einen  reichen  kulturhistorischen 
Schatz  bergen.  B.  hat  schon  früher  daraus  geschöpft  (s.  u.  N.  139).  Nun  giebt  er  die 
33  lateinischen  Briefe  eines  einzelnen  aus  der  Schar,  des  Simon  Wilde,  mit  einer  Ein- 
leitung heraus.  Der  junge  Mann  berichtet  seinem  Gönner  über  alles,  was  in  der 
Lutherstadt  vorgeht,  über  seine  Studien,  sein  Leben,  seinen  Verkehr.  Er  schickt 
ihm  kleine  Geschenke,  denen  er  lateinische  Gedichte  beifügt,  erzählt  mancherlei  von 
der  litterarischen  Hetzjagd,  die  Heinz  von  Wolfenbüttel  entfesselte,  auch  von  Spuk- 
geschichten, vor  allem  aber  von  neuen  buchhändlerischen  Erscheinungen  (S.  84/5). 
Wilde  war  Mediziner,  wurde  später  Arzt  zu  Eisleben  und  war  im  J.  1546  persön- 
licher Zeuge  von  Luthers  Hinscheiden,  dem  er  vielleicht  schon  früher  näher  gestanden 
hat.  —  Einen  „Blick  in  die  Justizpflege  des  16.  Jh."  warf  von  Zeschau123)  nach 
archivali sehen  Quellen.  —  In  einem  populären  Vortrage  stellte  Albrecht124)  das 
Wissenswerte  über  Adam  Ries  und  die  Anfänge  unserer  Rechenlehre  zusammen.  — 
Ueber  Lukas  Geizkofler,  dessen  Erinnerungen  viel  Stoff  bieten,  um  das  süd- 
deutsche Leben  in  der  ersten  Periode  der  Gegenreformation  verstehen  zu  lernen, 
berichtete,  ebenfalls  in  einem  Vortrage,  Foss125).  —  Von  den  vielfachen  Reisen, 
die  im  16.  Jh.  von  Deutschland  aus  unternommen  wurden  (s.  o.  N.  112),  ist  einiges 
zu  notieren126128),  ferner  von  Hochzeiten,  fürstlichen129-130)  wie  bürgerlichen131),  von 
Schmausen132)  und  Trinkgelagen133"135).  —  Zwei  Mitteilungen  schliessen  sich  an,  die 
von  dem  Elend  der  Pest136"137)  Kunde  geben.138)  — 

Was  von  den  wichtigsten  und  unmittelbarsten  Quellen  zur  Kenntnis  der  all- 
gemeinen Zustände  unserer  Zeit,  von  Briefen  und  Memoiren,  im  Berichtsjahre 
ans  Licht  gekommen  ist,  sei  hier  kurz  verzeichnet.  Buchwalds  Sammlung  (JBL.  1893 
I  6  :  113;  II  1  :  155;  6  :  48)    wurde    wiederholt   besprochen139).     Ihr   stellt    sich    eine 


Möller,  M.  Manlik,  D.  Leben  u.  Treiben  d.  oberdtsch.  Bauern  (JBL.  1893  II  1:127):  ÖLB1.  3,  S.  299-300.  -  114)  X  (I  4:263.) 

—  115)  H.  Simonsfeld,  Z.  Gesch.  d.  Fondaco  dei  tedeschi  in  Venedig  (1441):  ZKultG.  1,  S.  323/5.  —  U6>  G.  Liebe,  D. 
Anfänge  d.  lombard.  Wechsler  im  dtsch.  MA.:  ib.  S.  273-80.  —  117)  A.  Stauber.  Augäburger  Kauflente  in  Afrika  U.Vorder- 
indien, 1505:  Bayerland  3,  S.  89,  101.  —  118)  W.  Stieda,  Hansisch-venetian.  Handelsbeziehungen  im  15.  Jh.  Festschr.  d. 
Landesuniv.  Rostock  z.  2.  Säkularfeier  d  Univ.  Halle  a.  S.  Rostock,  Druck  d.  Univ.-Buchdr.  (Adlers  Erben).  XII,  192  S. 
M.  5,00.  (Vgl.  auch  I  4:  206-216.)  —  119)  X  L-  Eid*  D.  Bäckerstrike  zu  Speier  1479:  Bayerland  3,  3.  461,4.  —  120)  X  *• 
Hollweck,  Z.  Gesch.  d.  bayer.  Schulwesens  im  16.  Jh.:  HPBll.  114,  S.  71S-49.  —  121)  X  B-  Brugi,  Gli  studenti  tedeschi 
e  la  S.  inquis.  a  Padova  nella  2.  metä  dei  sec.  16.  Venezia.  19  S.  |[CBlRechtswesen.  13,  S.  406.]|  (Sonderabdr.  aus 
AMIV.  Bd.  V.)  —  122)  G.  Buchwald,  Simon  Wilde  aus  Zwickau.  E  Wittenberger  Studentenleben  z.  Zeit  d.  Reform.: 
MDGLeipzig.  9,  S.  63-111.  —  123)  W.  v.  Zeschau,  E.  Blick  in  d.  Justizpflege  d.  16.  Jh.  Nach  archiv.il.  Quellen: 
NiederlausitzMag.  4,  S.  175-211.  —  124)  G.  Alb  recht,  Ad.  Ries  u.  d.  Entwicklung  unserer  Rechenkunst.  (=  SGV.  N.  184.) 
Prag,  Haase.  20  S.  Fl.  0,20.  —  125)  R.  Foss,  Geizkofler,  e.  Lebensbild  aus  d.  Reformationszeit.  Vortr.,  geh.  in  HGBerlin. 
Ref.:  SBHGBerlin.  (an  MHL  22),  S.  1.  —  126)  X  K  Kunze  n.  W.Stein,  Reiseberichte.  (Forschungen  z  Gesch.  d.  Hansa 
in  holländ.  u.  niederrhein.  Arch.):  HansGBll.  7,  S.  X-XXXI.  (Vgl.  auch  I  4:124/5.)  -  127)  X  (I  4:126.)   -  128)  X  (I  4:127.) 

—  129)  X  (I  4:43.)  —  130)  X  (I  4:43a.)  —  131)  X  M  Wehrmann,  Z.  Hochzeit  Rektor  P.  Treskows  in  Gaben  (1606): 
MNLGATJ.  3,  S.  263  5.  -  132)  X  (I  4:50.)  —  133)  X  (ü  5:105.)  --  134)  X  M.  Knibbe,  Ber.  über  e  Gasterei  auf 
d.  Trinkstube,  1599.  Mit  Beil.:  PAVTorgau.  7,  S.  26,  87-94.  (Vgl.  II  5:105.)  —  135)  X  E.  hess.  Mässigkeits?er.  ans  d. 
J.  1601:  Hessenland  S.  13/5.  136)  X  A-  Leicht,  E.  Pestrechnung  aus  d.  16.  Jh.:  MVGMeissen.  3,  S.  326-30.  -  137)  X 
L.  Geiger,  Berl.  Ratsverordnung  gegen  d.  Pest  (1585):  VossZgB.  n.  8.  —  138)  X  H.  Regung,  Niedergang  d.  öffentl.  Sicher- 
heit nm  d.  Wende  d.  16.  Jh.:  Bär  20,  S.  300/3.    —    139)  X  Th.  Kolde:    ThLBl.  15,  S.  334/5:    G.  Kaweran:    DLZ.  S.  324,5; 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.     V.  ('-)<> 


II  1:140-154  II2-.1       Gr.  Ellinger,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts. 

Publikation  Tschackerts140)  an  die  Seite,  die  ungedruckte  Briefe  „zur  allgemeinen 
Reformationsgeschichte"  aus  Hss.  der  Universitätsbibliothek  in  Göttingen,  meist  in 
wörtlichem  Abdruck,  in  einzelnen  Fällen  in  kurzen  Inhaltsangaben,  mitteilt.  Ihre 
Hauptbedeutung  ist  an  anderer  Stelle  gewürdigt  worden.  Hier  sei  nur  noch  einmal 
von  einem  anderen  Gesichtspunkt  aus  auf  die  Briefe  des  Eobanus  Hessus  an  Hiero- 
nymus  Baumgärtner141)  (N.  1,  2,  5)  aufmerksam  gemacht,  in  denen  der  Gelehrte  von 
seiner  Vergilübersetzung,  von  einem  Gedicht,  das  er  verfasst  (S.  4),  und  von  seinem 
Epicedium  auf  Albrecht  Dürer  (S.  6)  spricht.  In  einem  Schreiben  (N.  11)  bestätigt  F. 
Myconius  den  Empfang  eines  Briefes  von  Joh.  Spangenberg  und  seiner  „Mar- 
garita",  in  einem  anderen  (N.  21)  beklagt  D.  Milesius  den  „miserandum  statum" 
der  Universität  Königsberg,  in  einem  dritten  (N.  24)  macht  P.  Eber  Mitteilung  über 
Geburt  und  Taufe  eines  Enkels  des  Erasmus,  Sohnes  von  Erasmus  Tochter  Helena, 
sowie  über  den  Rückgang  der  Pest  in  Wittenberg.  Ein  dankenswertes  Register 
„zur  Ausnutzung  der  Briefe"  hat  T.  angefügt.  —  Albrecht  Dürers  herrliche  Künstler- 
briefe und  Aufzeichnungen  sind  nun  in  diplomatisch  genauem  Abdruck  durch  die 
Ausgabe  des  gesamten  schriftlichen  Nachlasses  von  Lange  und  Fuhse142)  allgemein 
zugänglich  gemacht.  —  Von  Kunst  und  Künstlern  handeln  meist  auch  die  Kor- 
respondenzen des  Augsburger  Patriziers  Philipp  Hainhofer,  von  denen  Doering143) 
einen  kleinen  Teil  veröffentlicht  hat.  Hainhofer,  der  weitverzweigte  Beziehungen  zu  den 
meisten  deutschen  und  verschiedenen  auswärtigen  Höfen  unterhielt,  erweist  sich  in  seinen 
deutschen,  französischen,  lateinischen,  italienischen  und  spanischen  Briefen  teils  als 
politischer  Korrespondent,  teils  als  Ratgeber  und  Agent  für  alle  Angelegenheiten 
der  Kunst  und  des  Kunstgewerbes.  Aus  dem  massenhaften  Material  hat  D.  nur 
einen  kleinen  Ausschnitt  gegeben,  nämlich  einen  Teil  der  Briefe  Hainhofers  an  den 
Herzog  Philipp  II.  von  Pommern-Stettin,  mit  dem  er  in  enger  Verbindung  stand. 
Sie  bieten  eine  reiche  Fülle  höchst  lesenswerter  Partien.144"146)  —  Ein  Eingehen  auf 
von  Bezolds147)  Studie  über  die  Anfänge  der  Selbstbiographie  muss  für  das  nächste 
Jahr  aufgespart  werden.  —  Aus  den  Publikationen  über  Memoiren  und  Stamm- 
bücher148"151) hebe  ich  den  Abdruck  der  „Jerusalemfahrt"  des  Heinrich  von  Zedlitz 
(1493)  hervor,  den  Röhricht152)  veranstaltete.  Der  Text,  der  schon  früher  auszugs- 
weise bekannt  gemacht  war,  ist  besonders  wertvoll  durch  die  Reichhaltigkeit  der 
Nachrichten  über  Hin-  und  Rückreise  auf  ziemlich  ungewohnten  Wegen,  über  Mit- 
reisende und  über  die  heiligen  Stätten  selbst.  Er  ergänzt  so  die  gleichzeitigen  kürzerenBe- 
richte  von  der  Fahrt  des  Kurfürsten  Friedrich  des  Weisen  und  des  Herzogs  Christoph 
von  Bayern.  Die  Schilderung  ist  sehr  ausführlich,  aber  sehr  trocken.  In  Venedig 
und  Rhodus  wird  der  Schreiber  ein  wenig  lebendiger  und  wärmer.  Die  Hauptsache 
ist  natürlich  überall  der  „Aplas".  Heinrich  von  Zedlitz  glaubt  alles,  was  ihm  von 
Legenden  erzählt  und  von  Seltsamkeiten  aufgebunden  ist.  „Man  gewaist  vns  auch 
den  steinn,  do  das  loch  Inne  ist,  do  der  han  gesessenn  hat  vnd  gekreet"  (S.  195).  — 
Zum  Schlüsse  sei  noch  auf  den  bibliograph  ischen  Beitrag  von  Roth153), 
der  wieder  eine  kleine  Nachlese  zu  Hain  und  Weller  giebt,  und  auf  den  Katalog 
seltener  und  kostbarer  Bücher  des  15.  und  16.  Jh.  hingewiesen,  den  Albert  Cohn, 
mit  reichem  illustrativen  Schmuck,  herausgegeben  hat154).  — 


11,2 

Lyrik. 

Georg  Ellinger. 

Kirchenlied:    Evangelisches    Lied:    Allgemeines  N.  1;    einzelne  Dichter  N.  3.    —    Katholisches  Lied    N.  17.  — 
Täuferisches  Lied  N.  19.    —    Meistergesang:   Allgemeines  N.  22;  einzelne  Sänger  und  Lieder  N.  30.  —  Volkslied:  All- 


LCB1.  S.  668/9;  HZ.  72,  S  372;  ChristlWelt.  N.  46.  —  140)  (116:155.)  (25  N.  1527-69;  Separatabdr.  aus  AbhGWGöttingen. 
Bd.  40.)  —  141)  X  Nile.  Müller,  Beitrr.  z.  Briefw.  d.  älteren  Hieronyraus  Baumgärtner  u.  seiner  Frau:  MVGNürnberg.  10 
S.  241-66.  -  142)  (I  9  :  169.)  —  143)  (I  9  :  190.)  -  144)  X  J-  Kamann,  Aus  d.  Briefw.  e.  jungen  Nürnberger  Kaufmanns  im 
16.  Jh.:  MGNM.  S.  9-22,  45-56.  —  145)  X  *".  Stieve,  Witteisbacher  Briefe  (JBL.  1892  II  1  :  83;  III  1:6;  1893  II  1  :  153).  |[J. 
Hirn:  ÖLB1.3,  S.  266/7;  LCB1.  S.  916/7.]|  —  146)  X  F.  W.  E.  Roth,  E.  Brief  d.  Stanisl  Hosius,  Bischof  v  Warschau  1538: 
CBIBibl.  11, S.  125.  -  147) X X  (IV  1  c : 77.)  — 148)  X  H.  S  c h  r  ö d e  r ,  H.  v.  Seh weinichens  Lehr-  u.  Wanderjahre :  WIDM.  38,  S.  497-507. 

—  149)  X  A    v-  Rahden,  D.  Stammbuch  Christophers  v.  Sacken  auf  Dübenalken,  1577—1618:  VHSG.  21,  S.  9-32.     Mit  4  Taf. 

—  150)  X  F.  v.  Krones,  Karl  v.  Zierotin  u.  sein  Tageb.  v.  1591:  ZKultG.  2,  S.  1-30.  —  151)  X  (I  *  =  129.)  —  152)  R. 
Röhricht,  D.  Jemsalemfahrt  d.  Heinrich  v.  Zedlitz,  1493:  ZDPV.  17,  S.  98-114,  185-200,  277-301.  —  153)  (I  3:105.)  — 
154)  (I  3  :  108.)  — 


G.  Ellinger,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  2  •.  t-5 

gemeines  N.  36;  einzelne  Landschaften  N.  38;  Liedersammlungen  N.  39;  ältere  Lieder  N.  42;  Uebergang  zum  neueren  Volkslied 
N.  54;  neueres  Volkslied  N.  56;  Beziehungen  zur  Musik  N.  82.  — 

Kirchenlied.  Eine  eingehendere  und  umfassende  Arbeit  über  das  evan- 
gelisch e  Kirchenlied  im  allgemeinen  ist  in  diesem  Berichtsjahre  nicht  zu  verzeichnen.1) 
Nur  eine  Gattung"  ist  einer  etwas  genaueren  Betrachtung  unterzogen  worden:  Boy2) 
hat  die  Passionslieder  der  evangelischen  Kirche  in  einem  grösseren  Ueberblicke  zu 
würdigen  gesucht.  Die  von  ihm  gegebene  Darstellung  bringt  keine  neuen  und 
bedeutenden  Gesichtspunkte,  legt  aber  im  grossen  und  ganzen  ansprechend  die 
wichtigsten  Epochen  und  die  Hauptleistungen  der  besprochenen  Gattung  dar.  Von 
Wert  scheint  mir  der  Hinweis  auf  die  Entstehung  der  berühmten  Lieder  Joh. 
Heermanns:  „Herzliebster  Jesu,  was  hast  du  verbrochen"  und  „Jesu,  deine  tiefen  Wunden." 
Beide  Lieder  sind  bekanntlich  von  Betrachtungen  des  heil.  Augustin  über  das  Leiden 
Christi  abhängig.  B.  stellt  die  Behauptung  auf,  dass  die  unmittelbare  Vorlage 
Heermanns  nicht  Augustin  selbst  gewesen  sei,  sondern  dass  man  zwischen  dem 
lateinischen  Original  und  dem  deutschen  Liede  noch  ein  Bindeglied  anzunehmen  habe: 
„Ein  solches  Bindeglied  ist  die  evangelische  Erbau ungslitteratur,  deren  inniger  Zu- 
sammenhang mit  dem  evangelischen  Kirchenliede  noch  viel  zu  wenig  untersucht 
worden  ist."  Als  Beleg  für  seine  Behauptung  druckt  der  Vf.  die  deutschen  Bearbeitungen, 
die  Martin  Moller  in  seinem  Erbauungsbuche  den  betreffenden  Augustinschen  Stellen 
hat  zu  teil  werden  lassen,  ab,  und  es  lässt  sich  in  der  That  nicht  bestreiten,  dass 
eine  Anlehnung  Heermanns  an  eine  derartige  Bearbeitung  dadurch  sehr  wahr- 
scheinlich wird.  Genaueres  konnte  allerdings  erst  eine  eingehende  Untersuchung 
ergeben.  — 

Von  den  einzelnen  Dichtern  ist  Erasmus  Alberus  durch  Schnorr  von 
Carolsfeld3)    in   seiner   vortrefflichen    Biographie  gewürdigt  worden   (S.  103—12). 
Ausser  den  beiden   weltlichen  Volksliedern,    die    nachweislich    von  Alberus  verfasst 
sind  (Liliencron  4,  N.  57 — 187,  auch   bei  Wackernagel  Bd.  3;  in  der  Hs.  werden   die 
Daten  der  Entstehung  mitgeteilt:  14.  Aug.  1550  und  10.  Jan.  1551),  möchte  Seh.  ihm 
noch    ein    in  der  gleichen  (Dresdener)  Hs.  überliefertes  Lied  „wider   die  Feinde  des 
Evangelij"  zuschreiben.     Zur  Begründung  seiner  Hypothese  führt  Seh.  eine  hs.  Notiz 
an,  durch  die  dieses  Lied  mit  den   beiden  vorhergenannten  Liedern  gewissermassen 
in  Verbindung    gesetzt    wird.     Da  der  Vf.  selbst    seine  Vermutung    nicht    allzustark 
betont,   so  muss  man  wohl  darauf  verzichten,   hier   zu  einem  einigermassen  sicheren 
Resultate  zu  gelangen.     Noch  unsicherer  ist  das  Urheberverhältnis  bei  zwei  anderen 
Liedern    der    gleichen    Hs.,    die    Seh.    wegen    ihres    ähnlichen    Inhalts    wohl    sonst 
für  Alberus   in  Anspruch  zu    nehmen  geneigt    wäre:    „Erhalt    vns  herr   bey    deinem 
wort,   gebessert"  und  „Ach  du  arger  Heintze,  was  hast   du  gethan."     Von   den  drei 
anderen    weltlichen  Liedern,   die  dem  Dichter   zugeschrieben   werden,   hält  Seh.  nur 
seine  Autorschaft  bei   dem  Liede   „von  Grickel   Interim"   (gegen  Agricola  gerichtet) 
für  wahrscheinlich,  weil  Form   und  Inhalt  ebenso  auf  den  Dichter  hinweisen  wie  die 
Thatsache,   dass   es   von  dem   Liede    einen  Druck    giebt,    der    vermutlich    aus    einer 
Magdeburger  Presse  hervorgegangen  ist.    Eine  vortreffliche  Betrachtung  hat  Seh.  den 
Kirchenliedern  gewidmet,  ihre  Entstehungszeit  (ungefähr  zwischen  1545  und  50)  sowie 
die  (teilweise,  wie  es  scheint,  verlorenen  Drucke)  und  die  Zahl  der  noch  erhaltenen  14 
wirklichen  Kirchenlieder  festgestellt.  Ebenfalls  die  bibliographischen  Angaben  (S.  222) 
bieten  noch  manche  schätzbaren  Nachweise.  —  Sehr  glücklich  hat  auch  W.  Kawerau4) 
über  die  Lyrik  des  Alberus  gehandelt;  seine  Darstellung,  die  auch  die  gegen  Karl  V., 
Herzog  Moritz  und  das  Interim  gerichteten  polemischen  Volkslieder  berührt,  wird  auch 
neben  Schnorr  noch  ihren  Wert  behalten.  —  Von  den  Forschungen,  welche  Vogel5)  über 
Lieder  des  Alberus,  Widebram  und  Pincier  angestellt,  verdienen  namentlich  die  Ausfüh- 
rungen über  Widebram  Interesse.  Es  handelt  sich  um  das  bei  Wackernagel  (5,  S.  323) 
abgedruckte  Lied:  „Wir  leben  wie  ein  Wandersmann",  für  das  seit  1886  ältere  Zeugnisse 
beigebracht  worden  sind,  die  als  Autor  Friedrich  Widebram  nennen.    Nun  sind  die  ersten 
vierzehn  Zeilen  in  einer  Leichenpredigt  überliefert,  die  ein  sächsischer  Hofgeistlicher 
dem  Sohne  des  Kurfürsten  August  von  Sachsen  gehalten  hat.     Da  der  Kurfürst  erst 
zwei  Jahre  vor  dem  Tode  seines  Sohnes  Widebram  als  Kryptokalvinisten  vertreiben 
liess,  hält  V.  es   für   ausgeschlossen,  dass  der   Hofprediger    ein   von  dem  verjagten 
Ketzer  verfasstes  Lied  citiert  habe.    Aus  dieser  Thatsache  wie  aus  dem  Zustande  des 
bei  Wackernagel   vorliegenden  Textes  schliesst  der  Vf.,  wie  mir  scheint,   mit  Recht, 
dass  nur  die  letzte  Hälfte  des  Liedes  von  Widebram  herrührt,  der  auch  wahrscheinlich 


1)  O  X  H.  Grosse,  Th.  Meyer.  D.  Kirchenlied,  e.  ästhet.  Untersuch.  (JBL  1893  I  12:  194  :  DBllEÜ«.  21,  S.  301, 
—  2)  P.  Boy,  D.  Passionslieder  d.  evang.  Kirche:  KM.  13,  S.  281-93.  —  3)  F.  Schnorr  v.  Carolsfeld,  Erasm.  Alberus. 
"E.  hiogr.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Reformationszeit  (JBL  1893  II  6  :  146).  Drosden,  Ehlermann.  1893.  VIII,  232  S.  M.  6,00. 
][LCB1.  S.  630.j|  (Vgl.  II  5:  113.)  —  4)  W.  Kawerau,  Erasm.  Alberus  in  Magdeburg  (JBL.  1893  116:147):  GBllMagdeburg.  28, 
S.  1-62.     (Vgl.  II  5  :  115.)    —    5)    A.Vogel,    Beitrr.    z.    nassauischen    Kirchenliederdichterkunde:    BllHymn.  8.  S.  84,5,  102/6, 

2(3)* 


II  2:6-20  G.  Ellinger,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts. 

die  Stropheneinteilung  hergestellt  hat.  Betreffs  der  ersten  Hälfte  des  Liedes  möchte 
ich  einer  früheren  Aufstellung"  Linkes  beipflichten,  der  in  dem  ersten  Teile  die 
(vielleicht  von  dem  oben  erwähnten  Hofprediger  Martin  Mirus  verfasste)  Uebersetzung 
eines  ebenfalls  in  jener  Leichenpredigt  erhaltenen  lateinischen  Gedichtes  sieht.  — 
Unter  den  biographischen  Skizzen,  welche  in  dem  vorliegenden  Jahrgange  der  ADB. 
den  Vertretern  des  evangelischen  Kirchenliedes  gewidmet  sind,  ragt  die  Charakteristik, 
die  Zahn6)  von  Valentin  Triller  entwirft,  durch  Sachkenntnis  und  eindringende 
Sorgfalt  hervor.  Die  dürftigen  Lebensnachrichten,  die  über  Trillers  irdische  Laufbahn 
nur  spärliches  Licht  verbreiten,  werden  zusammengestellt  und  die  Nachricht  von  der 
Vertreibung  Trillers  wegen  abweichender  Lehrmeinungen  mit  Recht  als  mit  dem, 
was  wir  sonst  von  ihm  wissen,  unvereinbar  bezeichnet.  Dann  wendet  sich  Z.  dem 
höchst  merkwürdigen  Gesangbuch  (1555,  Titelauflage  mit  neuer  Widmung  und 
Vorrede  1559)  zu,  das  wegen  seiner  Originalität  und  der  offenbar  beabsichtigten  Un- 
abhängigkeit von  den  Wittenberger  Gesangbüchern  eine  so  eigentümliche  Stellung 
innerhalb  des  protestantischen  Kirchenliedes  einnimmt;  auch  diese  Partie  orientiert 
vortrefflich  über  die  einschlägigen  Fragen.  —  Michael  Tham,  der  Herausgeber  des 
grossen  deutschen  Gesangbuches  der  böhmisch-mährischen  Brüder,  hätte  wegen  der 
Wichtigkeit  der  in  Betracht  kommenden  Fragen  wohl  eine  eingehende  Darstellung 
verdient.  Diese  wird  ihm  in  dem  vorliegenden  Artikel7)  nicht  zu  teil;  auch  weist 
die  Skizze  recht  bedenkliche  Angaben  auf,  die  sich  doch  wohl  hätten  vermeiden 
lassen.  Nach  dem  Vf.  sollen  die  Lieder  wohl  fast  alle  ohne  Ausnahme  aus  dem 
Czechischen  übersetzt  sein;  bekanntlich  lässt  sich  das  nach  Wolkans8)  Ermittlungen 
nur  von  77  unter  348  nachweisen;  ebenso  sollen  nach  des  Vf.  Angabe  im  Hornschen 
Gesangbuche  die  meisten  Lieder  aus  dem  Czechischen  stammen,  während  das 
thatsächlich  nur  bei  9  der  Fall  ist.  —  Bloss  eine  unbedeutende  Notiz  findet  sich  über 
den  Kirchenliederdichter  des  16.  Jh.  Chr.  Thalheimer9).  —  Auch  die  kurze  Biographie 
von  Gregor  (Georg)  Sünderreiter  kommt  über  einige  dürftige  Angaben  nicht  hinaus10).  — 
Noch  spärlich  er  sind  Johannes  Trache,  Benedikt  Thaurer  und  Esajas  Tribauer  bedacht11"13); 
etwas  mehr  hätte  sich  über  diese  Kirchenliederdichter  des  16.  Jh.  doch  auch  trotz  des 
spärlichen  Materials  sagen  lassen.  —  Wenigstens  etwas  eingehender  ist  der  Artikel, 
der  den  beiden  Kirchenliederdichtern  Valentin  Thilo14)  (1579 — 1620)  und  seinem 
gleichnamigen  Sohne  (1607—62),  dem  Freunde  Simon  Dachs,  gewidmet  ist;  er  zählt 
die  Lieder  auf,  bei  denen  es  feststeht,  ob  sie  vom  Vater  oder  vom  Sohne  herrühren. 
Bei  dem  Liede:  Mit  Ernst,  o  Menschenkinder,  giebt  der  Vf.  kurz  die  heute  meist  all- 
gemein angenommene  Ansicht  wieder,  nach  der  die  ältere  Fassung  von  dem  Vater, 
die  jüngere  Form,  in  der  das  Lied  dauerndes  Besitztum  geworden  ist,  von  dem  Sohn 
herrühre.  Ein  Urteil  über  diese  Frage  äussert  der  Vf.  nicht;  vielleicht  würde  sich 
eine  erneute  Prüfung  der  Mühe  verlohnen;  in  der  vorliegenden  Arbeit,  wo  es  sich 
um  eine  Zusammenfassung  der  einigermassen  gesicherten  Resultate  handelte,  war 
allerdings  keine  Veranlassung  dazu.  —  Abraham  Suarinus  (1563—1615)  erhält  eine 
kurze  Notiz15);  Abraham  Tellers  (1609—58)  Leben16)  ist  kurz  erzählt  worden,  ohne 
dass  auf  seine  Thätigkeit  als  Dichter  geistlicher  Lieder  näher  eingegangen  wäre.  — 

Auf  dem  Gebiete  des  katholischen  Liedes  sind  nur  wenige  Arbeiten  zu 
verzeichnen.  Ein  von  Hartmann17)  veröffentlichtes,  aus  dem  Anfang  des  17.  Jh. 
stammendes  Marienlied  hat  fast  nur  lokale  Bedeutung.  —  In  recht  ausführlicher 
Darstellung  handelt  Eickhoff18)  über  das  Lied:  „Es  ist  ein  Ros  entsprungen" 
und  betont,  da  es  sich  in  dem  Liede  um  ein  Marienlied  handelt,  die  Richtigkeit  der 
Lesart:  Ros  gegenüber  dem  neuerdings  wieder  beliebten  Reis.  Gewiss  ist  seinen 
Ausführungen  zuzustimmen.  — 

Für  das  Verständnis  der  täuferischen  Liederdichtung  in  den  österreichi- 
schen Ländern  leisten  die  Untersuchungen  des  zu  früh  verstorbenen  J.  von  Beck, 
die  Loser th  19"20)  zugänglich  gemacht  hat,  und  L.s  ebenfalls  auf  Grund  der  Studien 
Becks  gearbeitete  Biographie  Balthasar  Hubmaiers  vortreffliche  Dienste.  Hier  werden 
die  dankbaren  Motive  aufgezeigt,  durch  deren  Verwendung  die  täuferische  Lieder- 
dichtung in  ihren  Märtyrerliedern  einen  so  unmittelbaren  und  lebensvollen  Eindruck 
hervorzubringen  weiss  (vgl.  z.  B.  S.  469  in  N.  19  das  so  häufig  auftretende  wirk- 
same Motiv  von  der  Rache  Gottes,  die  die  trifft,  die  das  unschuldige  Blut  der 
Märtyrer  vergossen  haben;  wichtig  auch  S.  469:  „Sein  [des  Täufers]  Herz  könnt  man 

118-29,  131/2.  —  6)  J.  Zahn,  Val.  Triller:  ADB.  38,  S.  615/8.  (Vgl.  II  6:278.)  —  7)  L  n..  Mich.  Tham:  ib,  37,  S.  649.  (Vgl. 
II  6  :  277.)  —  8)  X  B.  Wolkan,  D.  Kirchenlied  d.  böhm.  Brüder  (JBL.  1891  II  2  :  3) :  MhComeniusG.  3,  S.  101.  —  9)  1.  u., 
Chrn.  Thalheimer:  ADB.  37,  S.  645/6.  —  10)  id.,  G.  Sünderreiter:  ib.  S.  156/7.  -  11)  id.,  Joh.  Trache:  ib.  38,  S.  483  9.  — 
12)  id.,  Benedikt  Thaurer:  ib.  37,  S.  660.  —  13)  id.,  Esajas  Tribauer:  ib.  38,  S.595.  —  14)  id.,  Val.  Thilo  n.Sohn:  ib.  S.  42/3. 
—  15)  id.,  Abr.  Snarinus:  ib.  37,  S.  102/3.  —  16)  id.,  Abr.  Teller:  ib.  S.  555/6.  —  17)  A.  Hartmann,  Ans  Altmünohen. 
E.  Lied:  MschrHVOberbay.  3,  S.  40/5.  18)  P.  Eickhoff,  Z.  Liede:  „Es  ist  ein  Ros  entsprungen":  BllHymn.  8,  S.  1828.  — 
19)  J.  Loserth,  J.  v.  Beck,  D.  Anabaptismus  in  Tirol  (JBL.  1892  II  I  :  29):  AÖG.  78,  S.  427-604.  (S  namentl.  S.  469,  Anm.  4 
n.  565.)  —  20)  id.,  Dr.  Balth.  Hubmaior  u.  d.  Anfänge  d.  Wiedertaufe  in  Mähren  (JBL.  1893  II  1:25:  6:181).  Brunn 
(C.  Winiker).     1893.     VIII,  217  S.     Mit  1  Lichtdr.    M.  2,40.    (S.  namentl.  S.  191,  Str.  1   u.  3  d.  ergreifenden  Liedes  d.  Wieder- 


G.  Ellinger,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  2  ■.  21-23 

nicht  verbrennen,  sie  wurfens  zuletzt  in  einen  See)."  —  Die  Besprechung-  der  Wieder- 
täufer-Hs.,  die  Unger21)  vor  zwei  Jahren  begonnen  (JBL.  1892  II  2:11),  findet  jetzt 
die  sehnlichst  erhoffte  Fortsetzung.  U.  reiht,  wie  er  angefangen,  die  Lieder 
nach  Ländern  ein.  Für  Kärnten  bringt  die  Hs.  keine  Belege,  wohl  deshalb,  weil,  wie 
U.  vermutet,  die  Bewegung  hier  weniger  intensiv  aufgetreten  ist;  einige  Belege 
über  die  erfolgten  10  Hinrichtungen  von  Kärntner  Wiedertäufern  und  einem 
Widerruf  zweier  Wiedertäufer  vom  J.  1538  werden  mitgeteilt.  Dagegen  erhalten  wTir 
für  Mähren  ein  sehr  ausführliches  Lied  in  35  zwölfzeiligen  Strophen ;  es  schildert  die 
Verfolgung,  die  die  Brüder  in  den  J.  1619 — 22  in  Pribitz  zu  erdulden  hatten, 
und  ihre  schliessliche  Vertreibung.  Der  Vf.  ist  einer  der  Vertriebenen.  An  poetischem 
Wert  scheint  mir  das  Gedicht  hinter  den  früher  veröffentlichten  zurückzustehen; 
litterarhistorisch  bietet  es  dagegen  viel  Interessantes,  so  die  merkwürdige  Einleitung, 
wo  der  Dichter  von  der  Verfolgung  spricht,  die  die  Frommen  zu  erdulden  haben,  und 
dabei  mit  Abel  anfängt;  auch  der  Anfang  der  Strophe  34  ist  für  die  täuferische  Ge- 
sinnung ungemein  charakteristisch;  in  der  Bitte  für  die  Feinde  tritt  wiederum  die 
bereits  vor  zwei  Jahren  hervorgehobene  Parallelisierung  mit  Christus  hervor. 
Knapper,  frischer,  volkstümlicher  sind  die  beiden  weiter  mitgeteilten  Märtyrerlieder; 
das  eine  stammt  aus  Oesterreich  unter  der  Enns,  es  ist  von  dem  Liederdichter 
Christoph  Hueter  verfasst  und  schildert  die  Ermordung  des  Schusters  Hans  Gurtzheim 
zu  Wien  27.  Juni  1548  (bemerkenswert  sind  die  mystischen  Wendungen,  Str.  9,  auch 
der  in  der  Mystik  fortwährend  wiederkehrende  Vergleich  von  dem  Gold,  das  im 
Feuer  erprobt  wird,  Str.  12;  Str.  29  wiederum  Parallelisierung  mit  Christus);  das 
zweite  erzählt  den  Tod  des  württembergischen  Webers  Hans  Missel,  der  zu  Wart- 
hausen in  Württemberg,  13.  Dec.  1571,  hingerichtet  wurde.  Einige  dankbare  Motive, 
die  U.  aus  den  Quellen  mitteilt,  und  welche  an  die  oben  bei  Gelegenheit  der  Beckschen 
Publikation  erwähnten  Motive  erinnern,  hat  sich  der  Dichter  merkwürdigerweise  ent- 
gehen lassen.  Die  neu  bekannt  gegebenen  Stücke  bestätigen  im  ganzen  das  Urteil, 
das  sich  dem  Leser  schon  bei  der  Lektüre  der  ersten  Hälfte  der  Edition  U.s  auf- 
drängte: In  diesen  Liedern  treten  uns  die  tiefe,  innige,  weit  verachtende  Frömmigkeit 
und  die  todesmutige,  unerschütterliche  Bekenntnistreue  der  Täufer  ergreifend 
entgegen.  — 

Meistergesang.  Die  oberflächlichen  allgemeinen  Ausführungen 
Weddigens22)  (JBL.  1891  II  2:20)  sind  in  der  Separatausgabe  nicht  gehaltvoller 
geworden;  eine  ebenfalls  wenig  erfreuliche  Anthologie  aus  dem  Meistergesang  ist  bei- 
gefügt. —  Wertvoll  sind  die  Mitteilungen,  welche  Hartmann23)  aus  Pester  Meister- 
singerhss.  giebt,  die  aus  Nürnberg  stammen.  H.  bringt  ein  alphabetisches  Verzeichnis 
der  Singer,  zählt  die  Lieder  und  Töne  auf  und  gewährt  als  Beilage  20  Liedtexte,  die 
von  Hans  Sachs,  Daniel  Holzmann,  Hans  Winder,  Jobst  Zolner,  Ambrosius  Metzger, 
Jörg  Holzbock,  Heinrich  Wolf,  Hans  Steinlein,  Johann  Georg  Mozner  herrühren,  teils 
anonym  sind.  Die  angehängten  Aktenstücke  bringen  nicht  viel  Neues;  wichtig  da- 
gegen ist  der  von  dem  Vf.  (S.  39  ff.)  gegebene  Exkurs  über  die  Bezeichnungen : 
Fechter  und  „approbiert  Fechtmeister",  die  in  den  Pester  Hss.  je  einmal  Hans  Sachs 
zu  teil  werden,  wie  denn  auch  in  einer  anderen,  hauptsächlich  von  Georg  Hager  ver- 
fassten  Berliner  Hs.  Hans  Sachs  einmal  als  Fechter  bezeichnet  wird.  Ob  sich  aber 
aus  diesen  Benennungen  etwas  Sicheres  ergeben  wird,  ist  sehr  fraglich;  es  ist  wohl 
als  wahrscheinlicher  zu  betrachten,  dass  es  sich  um  eine  irrige  Nachricht  handelt, 
zumal  auch  aus  Hans  Sachsens  Dichtung:  der  Fechtspruch,  hervorzugehen  scheint, 
dass  der  Dichter  die  Fechtkunst  nicht  gelernt  hat.  —  Mit  dem  zuletzt  behandelten 
Gegenstande  berühren  sich  auch  die  wertvollen  Mitteilungen  Hampes24),  der  u.  a. 
einige  bisher  unbekannte  hs.  Dichtungen  mitteilt.  —  Aus  der  Münchener  Hs.  Clm.  5102 
legt  Keinz25)  ein  launiges  Gedicht  des  Meistersängers  Daniel  Holzmann  vor,  in 
welchem  Meistertöne  in  scherzhafter  Weise  aufgezählt  werden.26)  —  Auf  die  wert- 
vollen Beiträge,  die  Mummenhoff,  Keinz  und  Martin  zur  Geschichte  des  Meister- 
gesanges geliefert  haben,  soll  im  nächsten  Jahresbericht  zurückgekommen  werden27); 
ebenso  auf  die  interessanten  Mitteilungen  von  Streinz28)  über  den  Meistergesang  zu 
Iglau  in  Mähren.  —  Auf  die  Prosaauflösungen  von  Meistergesängen  hatte  Bolte  bereits 
in  seiner  Ausgabe  von  Valentin  Schumanns  Nachtbüchlein  (1893)  aufmerksam  gemacht 
und  dort  nachgewiesen,    dass  Val.  Schumann  5  Meistergesänge    des    Hans  Sachs   in 

täuferbischofs  Leonh.  Schiemers.)  -  21)  Th.  Unger,  Ueber  e.  Wiedertäufer-Liederhs.  d.  17.  Jh.:  JGGPÖ.  15,  S.  23-35, 187-93. 
(Vgl.  II  6:274.)  —  22»  0.  Weddigen,  D.  dtsch.  Meistergesang.  Mit  e.  litteraturgesch.  Einl.  u.  Ausw.  v.  Probestücken. 
B.,  Friedberg  &  Mode.  100  S.  M.  1,00.  j|A.  Schröter:  BL.U.  S.648;L.  Freytag:  COIRW.  22,  S.  6945.]  -23)  A.  Hartmann, 
Dtsch.  Meisterliederhss.  in  Ungarn.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Meisterges.  Festgabe  z.  Hans  Sachs-Jub.  5.  Not.  1894.  Mönchen, 
Kaiser.  106  S.  M.  2,40.  (Vgl.  II  4b  :  63.)  —  24)  Th.  Hampe,  Spruchsprecher,  Meistersinger  u.  Hochzeitlader,  vornehral. 
in  Nürnberg:  MGNM.  S.  25-44,  60,9.  —  25)  F.  Keinz,  Altdtsch.  Kleinigkeiten.  13:  ZDA.  38,  S.  145-60.  (Vgl.  II  3:3.)  — 
26)  X  X  E-  Goetze,  Hans  Sachsens  Gemerkbüchlein:  ZVLR.  7,  S.  439-48.  (Vgl.  II  4b  :  10.)  —  27)  O  X  X  A.  L.  Stiefel, 
Hans  Sachs-Forschungen.  Festschrift  z.  400.  Geburtstagsfeier  d.  Dichters.  Nürnberg,  Raw.  VII,  472  S.  M.  6,00.  (Vgl.  113:25; 
4b:  60.)   —    28)  O  X  X   F-  Streinz,   D.  Meistergesang  in  Mähren:  BGDS.  19,  S.  131-73.    —   29)  F.  Pfaff,  Karls  Becht: 


II  2:29-36  G.  Ellinger,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts. 

Prosa  umgesetzt  hat;  bei  fünf  anderen  Stücken  ist  der  gleiche  Vorgang  ebenfalls  mit 
Wahrscheinlichkeit  anzunehmen.  Eine  ähnliche  Prosaauflösung  des  Meisterliedes: 
Karls  Recht,  teilt  Pfaff29)  jetzt  aus  einer  Freiburger  Hs.  des  16.  Jhh.  mit.29a)  — 

Wir  kommen  zu  einzelnen  Meistersängern  und  -liedern.  Aus  Wolf 
Bautners  Liederhs.  zieht  Streinz30)  zehn  Stücke  von  Strassburger  Meistersängern  (Job. 
Ulrich,  Martin  Gümpel,  Georg  Ichinger,  Joseph  Schmierer  und  Simon  Otthofer)  nach 
Liedanfängen,  Strophenbau  und  -zahl  aus  und  fügt  dazu  noch  zwei  schon  längst  un- 
zweifelhaft mit  Recht  für  Wolfbart  Spangenberg  in  Anspruch  genommene  Poeme. 
Mit  Ausnahme  eines  einzigen  Gedichtes  liegen  sämtlichen  Gedichten  religiöse 
Stoffe,  bezw.  kirchliche  Vorwürfe,  zu  Grunde.  Str.  giebt  einige  Texte,  Umschreibung 
zweier  biblischen  Stellen  (Klagelieder  Jeremiä,  Psalm),  beides  von  Jon.  Ulrich;  ferner 
ein  Lied  zur  hundertjährigen  Jubelfeier  der  Reformation,  im  wesentlichen  eine  Ver- 
herrlichung des  göttlichen  Wortes;  schliesslich  das  einzige  weltliche,  relativ  gelungenste 
Lied:  Die  frölich  Mayenzeit  von  M.  Gümpel;  es  zeigt  namentlich  am  Anfang  in  der 
Naturschilderung  eine  gewisse  Frische  und  Mannigfaltigkeit;  die  beiden  letzten 
Strophen,  die  geistliche  Nutzanwendungen  geben,  sind  dann  matter.  —  Aus  Berliner, 
Dresdener  und  Weimarer  Hss.  stellt  Bolte31)  sechs  Meisterlieder  des  jüngeren  Georg 
Hager  von  Nürnberg  (geb.  um  1560,  gest.  um  1645)  zusammen.  Das  erste:  Sankt 
Franziscus  und  Sankt  Petrus  (1588  gedichtet),  behandelt  einen  weitverzweigten  und 
in  vielfachen  Fassungen  vorliegenden  bekannten  Schwankstoff;  das  zweite:  der 
Krokodilfang  im  Prediger-Kloster,  bezieht  sich  auf  ein  1596  in  Nürnberg  vorgefallenes 
Ereignis  und  gehört  in  die  Reihe  der  so  vielfach  vorkommenden  Spottlieder  auf  miss- 
glückte Jagden.  N.  3  schildert  die  Sommerlust  in  der  Buchenklinge,  einem  Lustort 
in  der  Nähe  von  Nürnberg,  anmutig  und  reizvoll,  während  N.  4  eine  recht  trockene 
und  kahle  Aufzählung  der  „Umgebungen  von  Nürnberg"  veranstaltet.  Das  fünfte  Lied 
berichtet  nach  einer  kurzen  epischen  Einleitung,  welche  Waren  in  Nürnberg  meistens 
ausgerufen  werden,  das  sechste  ist  ein  von  dem  bereits  hoch  in  den  Fünfziger 
stehenden  Meister  an  seine  spätere  Frau  während  der  Brautschaft  gerichtetes  Liebes- 
lied. Am  meisten  Beachtung  scheinen  mir  N.  3  und  6  zu  verdienen,  N.  3  wegen  des 
auch  von  B.  besonders  hervorgehobenen  Naturgefühls,  das  sich  mit  einer  sonst  im 
16.  Jh.  nicht  häufig  vorkommenden  Stärke  äussert,  N.  6  wegen  der  Formen  der  volks- 
tümlichen Liebeslyrik,  die  hier  in  den  Meistergesang  herübergenommen  worden 
sind.  —  Wertvolle  Proben  aus  Erlanger,  Weimarer  und  Berliner  Hss.  (teilweise  den 
gleichen  wie  oben)  reiht  Bolte3'2)  nach  ihrem  gemeinsamen  Inhalt  an;  er  teilt 
18  Meisterlieder  mit,  die  Märchen-  und  Schwankstoffe  behandeln  und  begleitet  sie 
mit  reichen  Nachweisen,  auch  eine  kurze,  aber  trotzdem  sehr  belehrende  Uebersicht 
über  die  Stoffkreise  des  Meistergesanges  wird  (S.  53)  entworfen.  Die  Vf.  der  auf- 
gefundenen Meisterlieder  sind:  Hans  Sachs,  Benedikt  von  Watt,  Georg  Hager, 
Am brosius  Metzger,  Hans  Deisinger;  vier  Lieder  sind  anonym.  —  Aus  einer  Berliner 
Hs.  hebt  Bolte33)  ein  Lied  des  Nürnberger  Meistersingers  Friedrich  Beer  aus,  welches 
dadurch  ein  gewisses  Interesse  gewinnt,  dass  es  ein  Kapitel  (41)  aus  dem  Faustbuch 
von  1587  bearbeitet.  Da  das  Lied  bereits  Juni  1588  gedichtet  worden  ist,  sieht  man 
zugleich,  wie  schnell  sich  das  Faustbuch  verbreitet  hat.  —  Zwei  Meisterlieder  des 
Nürnbergers  Heinrich  Wolff  legt  Bolte34"35)  aus  einer,  Gottscheds  Nachlass  ent- 
stammenden, Weimarer  Hs.  vor;  das  eine  behandelt  Wallensteins  Tod  (gedichtet 
5.  Aug.  1635),  das  andere  den  Sieg  des  sächsischen  Generals  Arnheim  bei  Liegnitz 
(gedichtet  16.  Aug.  1635).  Auch  ein  später  gedichtetes  Meisterlied  Wolffs,  nicht  minder 
ein  stofflich  nahestehender  Meistergesang  von  Hans  Sachs  sind  bei  B.  zu  finden.  — 
Volkslied.  Den  allgemeinen  Grundbegriffen:  Kunstdichtung  und  Volks- 
dichtung, sucht  Berger36)  zu  Leibe  zu  gehen.  Er  stellt  fest,  in  welchem  Sinne  Herder 
den  Begriff  Volksdichtung  der  Kunstdichtung  entgegensetzt,  weist  auf  die  engere 
Auffassung  und  Beschränkung  der  beiden  Ausdrücke  hin,  wie  sie  sich  bei  Arnim, 
Brentano  und  den  Brüdern  Grimm  Bahn  brach,  und  gelangt,  indem  er  die 
wichtigsten  Definitionen  der  Volkspoesie  prüft,  zu  dem  Resultate,  dass  ein  durch- 
greifender und  prinzipieller  Unterschied  zwischen  Kunst-  und  Volkspoesie  überhaupt 
nicht  vorhanden  sei.  Im  Anschluss  an  Scherer  führt  er  dann  den  Unterschied 
zwischen  Volks-  und  Kunstpoesie  im  wesentlichen  auf  den  Unterschied  zwischen  ge- 
schriebener und  mündlich  überlieferter  Dichtung  zurück;  ferner  wird  noch  hervor- 
gehoben, welche  Bedeutung  für  die  Verbreitung  des  Volksliedes  der  Melodie  zukommt. 
Was  die  an  erster  Stelle  erwähnte  Unterscheidung  betrifft,  so  ist  es  unzweifelhaft 
richtig,    dass  die  Hauptmerkmale  der  Technik  des  Volksliedes  durchaus  auf  die  Art 


ZVLR  6,  S.  3979.  —  29a)  X  E.  Mummenhoff,  D.  Versammlungsorte  d.  Meistersänger:  FränkKur.  N.  16.  (Vgl.  II  4b:  84.) 
—  30)  F.  Streinz,  Z.  Gesch.  d  Meistergesangs  in  Strassburg:  JbGElsLothr.  9,  S.  76-82.  —  31)  J.  Bolte,  6  Meisterlieder 
G.  Hagers:  Alemannia  22,  S.  159-84.  -  32)  id.,  Märchen-  u.  Schwankstoffe  im  dtsch.  Meisterliede:  ZVLR.  7,  S.  449-72.  (Vgl. 
II  4b:  81.)  —  33)  id.,  E.  Meisterlied  v.  Doctor  Faust:  Euph.  1,  S.  787/8.  —  34)  id.,  E.  Meisterlied  auf  Wallensteins  Tod: 
Üb.  5,  8.  20/5.    -    35)  id.,  D.  Märchen  vom  Gevatter  Tod:  ZVVolksk.  4,  S.  37-40.    -    36)  A.  E.  Berger,  Volksdichtung  u. 


G.  Eliinger,  Lyrik  des  i5./16.  Jahrhunderts.  II  2  :  37-40 

ihrer  Ueberlieferung  zurückzuführen  sind.  Muss  man  nun  hierin  dem  Vf.  zustimmen, 
so  ist  es  doch  fraglich,  ob  er  sich  im  Rechte  befindet,  wenn  er  wie  den  Unterschied 
zwischen  Volks-  und  Kunstepos,  so  auch  den  zwischen  Volks-  und  Kunstlied  für 
gegenstandslos  erklärt.  —  Eine  für  jeden  Freund  des  Volksliedes  erfreuliche  Gabe 
verdanken  wir  der  Sorgfalt  Boltes  und  Erich  Schmidts37).  Aus  dem  Nachlasse 
Reinhold  Köhlers  haben  sie  fünf  im  Weimarer  Schlüsselverein  gehaltene  Vorträge 
herausgegeben  und  einen  sechsten  bereits  gedruckten  hinzugefügt.  Würdiger  wie 
durch  diese  Publikation  und  den  einleitenden  Nachruf  konnte  das  Andenken  des 
teuren  und  liebenswerten  Mannes  nicht  g'eehrt  werden.  — 

Ueber  das  deutsche  Volkslied  einzelner  Landschaften  ist  Verschiedenes 
gearbeitet  worden.  Eine  knappe,  aber  lehrreiche  Charakteristik  des  Volksgesanges 
in  Oesterreich-Ungarn  hat  Hauffen38)  entworfen.  Er  spricht  zunächst  über  den 
Dialekt  im  Volksliede  und  weist  ganz  richtig  darauf  hin,  dass  die  Behauptung 
Hoffmanns  von  Fallersieben,  das  Volk  singe  durchweg  im  hochdeutschen  Dialekt,  sich 
nicht  halten  lasse.  Die  Verwendung  der  Schriftsprache  beschränke  sich  vielmehr  auf 
bestimmte  Gegenden  (Mitteldeutschland,  Ober-  und  Mittelrhein);  in  anderen  Teilen  der 
deutsch  sprechenden  Länder  finde  sie  sich  im  wesentlichen  nur  bei  den  Volksliedern, 
die  einem  höheren  Stoffkreise  angehören  (den  älteren  Balladen  und  Liebesliedern 
höheren  Stiles).  Den  Unterscheidungsmerkmalen,  die  H.  hier  für  den  Dialekt  auf- 
stellt, wird  man  zustimmen  können,  wenn  auch  wohl  im  einzelnen  noch  Modifikationen 
eintreten  müssen.  Nach  einem  Ausblick  auf  den  augenblicklichen  Bestand  des  deutsch- 
österreichischen Volksliedes  und  einer  Uebersicht  über  die  einzelnen  Sammlungen 
wendet  sich  H.  den  Liedergattungen  zu,  die  für  die  deutsch -österreichischen  Länder 
charakteristisch  und  in  ihnen  allein  vertreten  sind,  den  Almliedern,  Jägerliedern, 
Schnadahüpfeln.  Hübsch  sind  bei  den  ersten  beiden  Gattungen  kurz  die  Motive 
charakterisiert,  die  sich  aus  den  behandelten  Stoffgebieten  ergeben;  ausführlich  und 
lehrreich  wird  über  die  Schnadahüpfel  gehandelt  (vgl.  namentlich  S.  12  über  das 
Schnadahüpfel  als  Tanzweise).  Ausser  den  Hochgebirgsgegenden  ist  namentlich  in 
den  sog.  Sprachinseln  das  deutsche  Volkslied  in  eigentümlicher  Weise  weiter  ent- 
wickelt worden.  Für  das  siebenbürgische  Volkslied  sind  vornehmlich  die  Hochzeits- 
lieder und  die  Totenklagen  charakteristisch;  neben  ihnen  finden  sich  natürlich  auch 
Lieder,  für  die  wir  im  deutschen  Volksliede  Analogien  nachweisen  können;  nicht  so 
reich  wie  bei  den  Siebenbürger  Sachsen  hat  sich  die  Entwicklung  bei  den  Deutschen 
im  ungarischen  Bergland  gestaltet,  sehr  reich  dagegen  wieder  bei  den  Bewohnern  der 
deutschen  Sprachinsel  Gottschee,  deren  Lieder  wir  eingehend  im  nächsten  Berichts- 
jahr betrachten  werden.  Auch  das  historische  Volkslied  in  Oesterreich  wird  nach 
seinen  wichtigsten  Stoffen  durchgenommen,  hierauf  ein  Blick  auf  die  Lieder  geworfen, 
die  Oesterreich  mit  Deutschland  gemeinsam  sind;  ebenfalls  die  geistliche  Volkslyrik,  die 
Kinderlieder,  sowie  sonstige  Denkmäler  volkstümlicher  Poesie,  wie  Haussprüche  und 
Grabschriften,  werden  kurz  gewürdigt.38")  — 

Die  jetzt  mir  vollständig  in  drei  Bänden  vorliegende  Liedersammlung 
von  Erk  verfolgt,  wie  der  Herausgeber  Böhme39)  selbst  sich  ausdrückt,  den  Zweck, 
„das  Wertvollste  von  allen  in  alter  und  neuer  Zeit  gesungenen  Volksliedern  in  reicher 
und  kritischer  Auswahl  darzubieten,  um  von  der  lyrischen  Volkspoesie  der  Deutschen 
ein  Gesamtbild  zu  geben,  den  Zusammenhang  zwischen  altem  und  neuem  Liede  und 
den  Entwicklungsgang  erkennen  zu  lassen,  und  dadurch  zunächst  der  Wissenschaft 
zu  dienen,  nebenbei  auch  gebildeten  Freunden  des  Volksgesanges  in  Stunden  der  Er- 
holung durch  die  dargebotene  frische  Naturpoesie  gemütliche  Unterhaltung  und  edle 
Erheiterung  zu  verschaffen."  Ob  eine  derartige  populäre  Absicht,  wie  sie  in  den 
letzten  Worten  angedeutet  ist,  bei  einem  Werke  von  solcher  Ausdehnung  überhaupt 
in  Betracht  kommen  kann,  bleibe  dahin  gestellt.  Wir  haben  es  hier  naturgemäss  nur 
mit  dem  wissenschaftlichen  Werte  der  Sammlung  zu  thun.  Den  Grundstock  des  Werkes 
bilden  die  reichen  Aufzeichnungen  noch  im  Volke  lebender  Lieder,  die  Ludwig  ICrk 
sich  angelegt  hatte.  Wer,  gleich  mir,  schon  Gelegenheit  gehabt  hat,  den  hs.  Nachlass 
Erks  zu  benutzen,  wird  wohl  nicht  ohne  ein  Gefühl  der  Ehrfurcht  die  Hingebung 
bewundert  haben,  mit  der  der  bescheidene  Mann  alle  seine  Kräfte  in  den  Dienst  der 
grossen  Aufgabe  seines  Lebens  gestellt  hat,  und  jeder  wahre  Freund  des  deutschen 
Volksliedes  müsste  schon  deshalb  dem  vorliegenden  Werke  zu  lebhaftestem  Dank  ver- 
pflichtet sein,  weil  es  die  reichen  Erträgnisse  der  Arbeit  Erks  nun  einem  jeden 
zugänglich  macht.  Indessen  hat  es  B.  bei  Erks  Sammlungen  nicht  bewenden  lassen, 
er  hat  auch  die  gedruckten  älteren  und  neueren  Liederbücher  durchgearbeitet  und 
aus  eigenen  Liederaufzeichnungen  manches  hinzugethan.  Aus  dem  so  gewonnenen 
Material  hat  er  nun  wieder  eine  Auswahl  getroffen,  um  so  eine  Art  von  Durchschnitts- 
bild der  Leistungen  im  deutschen  Volksgesange  zu  erreichen.     Die  Auswahl  verdient 


Kunstaichtnng:  N&S.  68,  S.  76-96.    —   37)  (I  5  :  1.)    -    38)  (I  5  :  283.)    -    38  a)  X  X  (I  5  :  338.)  —   39)  (I  5  :  299.)  -  40) 


IT  2  :  39  G.  Ellinger,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts. 

alles  Lob;  dieses  Urteil  bezieht  sich  auf  die  Gesamtanlage,  im  einzelnen  ergeben  sich 
naturgemäss  manche  Meinungsverschiedenheiten;  indessen  ist  hier  nicht  der  Ort,  der- 
artige Dinge  zur  Sprache  zu  bringen.  Hervorzuheben  ist  ferner  der  Fleiss,  den  B. 
aufgewendet,  und  die  Hingebung,  mit  der  er  die  übernommene  Aufgabe  erfasst  hat. 
Demnach  kann  man  sagen:  der  Herausgeber  hat  in  dem  vorliegenden  Sammelwerk 
das  geleistet,  was  sich  nach  seinen  bisherigen  Arbeiten  von  ihm  erwarten  Hess. 
Dieses  Urteil  schliesst  nun  allerdings  keineswegs  aus,  dass  der  Liederhort,  wenn  man 
den  Massstab  an  ihn  legt,  mit  dem  man  jede  kritische  Ausgabe  zu  messen  berechtigt 
ist,  vieles  zu  wünschen  übrig  lässt.  Zunächst  wird  man  mit  der  Behandlung  der 
aufgenommenen  Texte  aus  der  älteren  deutschen  Zeit  (das  16.  Jh.  eingeschlossen)  und 
anderen  germanischen  Dialekten  sich  nicht  einverstanden  erklären  können.  Es  darf 
an  dieser  Stelle  davon  abgesehen  werden,  dass  die  Uebersetzungen  aus  niederländischen 
Volksliedern  fast  überall  arge  Versehen  aufweisen;  wichtiger  ist  es  noch,  dass  der 
Herausgeber  sich  mit  der  Sprache  und  den  wichtigsten  literarhistorischen  Gesichts- 
punkten für  die  Beurteilung  der  deutschen  Dichtung  des  16.  Jh.  zu  wenig  vertraut 
zeigt.  Gerade  dadurch  erklärt  es  sich,  dass  er  bei  manchen  Textdeutungen  sehr 
schnell  seine  Entscheidung  trifft,  während  jemand,  der  mit  dem  16.  Jh.  vertrauter  ist, 
erst  lange  zwischen  verschiedenen  Deutungen  schwanken  und  auch  dann  sich  noch 
mit  einiger  Vorsicht  entscheiden  würde.  Ich  greife  ein  beliebiges  Beispiel  heraus. 
In  dem  Tendenzliede  des  Ludwig  Hailmann:  „Lobt  Gott,  ihren  frommen  Christen", 
N.  278  (Bd.  2,  S.  78/9)  werden  die  Worte:  („Zum  Waffen  wollen  wir  greifen,)  —  Den 
Harnisch  legen  an,  —  Den  Paulus  hat  geschlagen,  —  In  seiner  Liberei"  von  B. 
folgendermassen  erklärt:  „Die  geistliche  Rüstung,  die  Paulus  durch  seine  Bücher  ge- 
schmiedet hat."  Natürlich  handelt  es  sich  aber  gar  nicht  um  Bücher,  sondern  nur 
um  eine  einzige  Stelle,  nämlich  die  allbekannten  Worte:  Epheser  VI,  13 — 17.  Schon 
dadurch  musste  die  Deutung  Liberey=Bibliothek  zweifelhaft  werden,  und  jedenfalls 
war  die  Frage  zu  erwägen,  ob  wir  es  nicht  hier  mit  dem  im  16.  Jh.  und  gerade 
speciell  auch  in  der  Volksdichtung  so  häufig  vorkömmenden  Worte  liberei=livree,  also 
in  diesem  Falle:  Rüstung,  zu  thun  haben.  Dem  entspricht  es  denn  nun  auch,  dass 
sich  B.  mit  den  wichtigsten  literarhistorischen  Voraussetzungen  des  älteren  deutschen 
Volksliedes  auffallend  wenig  vertraut  zeigt.  Bd.  3,  S.  297  wird  zu  dem  Jägerliede: 
„Es  wollt  ein  Jäger  jagen"  die  sonderbare  Bemerkung  gemacht:  „Dass  dieses  unsaubere 
Jägerlied  zu  einer  geistlichen  Umdichtung  (einem  Adventliede  „Der  geistliche  Jäger" 
genannt)  Anlass  geben  konnte  und  dieses  in  katholischen  Gesangbüchern  gedruckt 
werden  konnte,  begreifen  wir  heutzutage  nicht."  Man  muss  aus  dieser  Bemerkung 
den  Schluss  ziehen,  dass  B.  die  Tendenz  der  geistlichen  Parodien  unbekannt  ist. 
Diese  aber  ging  von  so  entschiedenen  moralischen  Gesichtspunkten  aus,  dass  heutzutage 
gewiss  Niemand  Grund  hat,  sich  darüber  zu  entrüsten.  Indem  man  nämlich  die  beliebte 
Melodie  des  Liedes  beibehielt  und  sich  möglichst  eng  auch  an  den  Text  anschloss, 
wollte  man  die  „fleischlichen  Buhllieder"  verdrängen  und  sie  durch  geistliche  ersetzen, 
d.  h.  man  wollte  das  Volk  gewöhnen,  einen  von  allen  Anstössigkeiten  gereinigten 
und  in  den  Dienst  der  Religion  gestellten  Text  zu  der  liebgewordenen  Melodie  zu 
singen.  Auch  mit  der  Textrekonstruktion  kann  man  keineswegs  überall  zufrieden 
sein;  manche  Lieder  des  16.  Jh.,  bei  denen  über  die  beste  der  vorliegenden 
Fassungen  bereits  seit  Uhland  ein  Zweifel  nicht  mehr  bestehen  konnte,  werden 
nach  minderwertigen  Texten  abgedruckt.  Bei  manchen,  namentlich  neueren  Volks- 
liedern werden  jüngere  Fassungen  als  Haupttext  abgedruckt,  während  die  ältesten 
manchmal  nur  mit  ihren  Anfangszeilen  in  die  Anmerkung  gesetzt  werden  (vgl.  z.  B. 
1,  S.  488;  2,  S.  329,  333,  349,  480;  3,  S.  576/7).  Man  könnte  nun  eine  derartige  An- 
ordnung verstehen  und  sogar  bei  einer  Volkssammlung  von  der  Anlage  des  ursprünglichen 
Liederhortes  für  die  einzig  zweckmässige  halten,  wenn  zunächst  als  Haupttext  die 
am  meisten  charakteristische  der  noch  im  Volke  lebenden  Formen  g-egeben  und 
darauf  rückwärts  schreitend  das  Lied  bis  zu  seiner  ältesten  Fassung  verfolgt  würde, 
so  weit  das  noch  möglich  ist.  Indessen  ein  solches  Prinzip  hat  B.  keineswegs 
verfolgt;  überhaupt  sieht  man  nicht  recht  ein,  welche  Gesichtspunkte  für  die  An- 
reihung des  Textes  massgebend  gewesen  sind.  Hier  hätte  vieles  gebessert  werden 
können,  denn  die  Benutzung  des  umfangreichen  Werkes  wird  durch  diese  Art  der 
Anordnung  entschieden  erschwert.  Sollte  ferner  wirklich,  wie  B.  beabsichtigte,  ein 
Bild  von  dem  allmählichen  Werden  und  Wachsen  des  Volksliedes  gegeben  werden, 
so  musste  bei  den  einzelnen  Liedern  alles  herbeigezogen  werden,  was  geeignet  ist, 
uns  die  Entstehungsgeschichte  erkennen  zu  lassen.  Das  ist  aber  keineswegs  geschehen; 
ich  führe  wieder  ein  Beispiel  an.  Das  Lied:  „Als  wir  jüngst  in  Regensburg  waren" 
(1,  S.  459)  ist  die  völlige  Umdichtung  eines  alten  Gesellschaftsliedes,  das  wahrscheinlich 
aus  dem  endenden  17. oder  dem  beginnenden  18.  Jh.  stammt;  B.  führt  von  diesem  Liede  nur 
die  erste  Strophe  an;  sollte  man  aber  wirklich  eine  Vorstellung  von  der  Umbildung 
erhalten,  die  das  Volk  vorgenommen  hat,  so  musste  der  ganze  Text  mitgeteilt  werden. 


G.  Ellinger,  Lyrik  des  15./ 16.  Jahrhunderts.  II  2  :  40-43 

Raum  zu  derartigen  Mitteilungen  und  zur  Vervollständigung"  einzelner  nur  in 
fragmentarischer  Form  aufgenommener  Lieder  hätte  sich  leicht  schaffen  lassen,  wenn 
B.  notorisch  unechte  Lieder  wie  den  Rattenfänger  von  Hameln  oder  die  schwäbische 
Tafelrunde  entweder  stillschweigend  bei  Seite  gelassen  oder  nur  kurz  angeführt,  wenn 
er  ferner  eine  Reihe  von  älteren  deutschen  Stücken,  die  für  jeden  Leser  entbehrlich 
sind,  nicht  unter  die  Volkslieder,  mit  denen  sie  gar  nichts  zu  thun  haben,  gestellt, 
sondern  sich  hier  ebenfalls  mit  kurzen  Verweisungen  begnügt  hätte.  Auch  zahlreiche 
ganz  belanglose  Erklärungen,  wie  die  nachfolgende  zu  Lied  N.  53  gegebene  (1,  S.  182), 
wären  am  zweckraässigsten  fortgeblieben:  „Gier  nach  Reichtum  bringts  bis  zum 
scheusslichen  Verbrechen  des  Giftmords  und  gemeine  Behandlung  des  Leichnams  ist 
das  Schlussglied  in  der  Kette  der  teuflischen  Bosheit.  Doch  der  Zeuge  der  Blutthat 
ist  da  und  Strafe  ereilt  den  Mörder,  der  seinen  Tod  vor  Augen  sehend  in  der  Ver- 
zweiflung die  Geldsucht  verwünscht,  die  ihn  auf  die  Bahn  des  Verbrechens  trieb." 
Ebenso  gern  würde  man  auf  manche  höchst  fragwürdige  historische  Deutungen  ver- 
zichtet haben,  so  wenn  zu  den  Schlussstrophen  des  Liedes  N.  122,  die  man  im 
höchsten  Falle  auf  die  oppositionelle  Stimmung  der  ländlichen  Kreise  gegen  die  von 
der  Kurie  namentlich  im  15.  und  beginnenden  16.  Jh.  ausgeübten  finanziellen  Be- 
drückungen zurückführen  darf,  die  Bemerkung  gemacht  wird:  „Die  drei  Schluss- 
strophen klingen  halb  heidnisch :  aus  ihnen  spricht  der  Hass  der  neubekehrten  Sachsen 
gegen  die  Papen,  die  beim  Begräbnis  Opfergeld  für  die  Seelenmesse  forderten".  Als 
eine  billigen  wissenschaftlichen  Ansprüchen  vollständig  genügende  Bearbeitung  des 
weitschichtigen  Materials  kann  demnach  die  neue  Form,  in  der  der  Liederhort  vor- 
liegt, nicht  betrachtet  werden.  Aber  kein  Einsichtiger  wird  diese  Thatsache  benutzen, 
um  dem  Herausgeber  daraus  einen  Vorwurf  zu  machen.  B.  hat  vielmehr,- wie  nochmals 
hervorgehoben  werden  möge,  gethan,  was  in  seinen  Kräften  stand.  Es  wäre  die 
Aufgabe  der  Regierung  gewesen,  ihm  noch  einen  mit  den  allgemeinen  litterarhistorischen 
Voraussetzungen,  deren  Kenntnis  bei  der  Bearbeitung  eines  derartig  wichtigen  Einzel- 
gebietes unmöglich  entbehrt  werden  kann,  gründlich  vertrauten  Mitarbeiter  an  die 
Seite  zu  stellen.  Dann  hätte  das,  was  jetzt  an  dem  Werke  sich  störend  geltend  macht, 
mit  Leichtigkeit  beseitigt  werden  können.  Indessen  auch  so,  wie  der  Liederhort  heute 
vorliegt,  wird  er  für  jeden  Freund  des  deutschen  Volksliedes  ein  notwendiges 
Hülfsmittel  bleiben.  —  Eine  wesentliche  Bereicherung  unserer  Kenntnis  des  deutschen 
Volksliedes  bildet  die  Sammlung  von  Lew  alt  er40),  welche  uns  vortrefflich  den 
augenblicklichen  Liederbestand  Niederhessens  vorführt.  Natürlich  besteht  der  grösste 
Teil  von  L.s  Buch  aus  bereits  bekannten  Liedern,  für  die  L.  gute  Nachweise  bei- 
gesteuert hat,  aber  das  Buch  bietet  auch  manches  neue  Material,  für  das  die  Volks- 
liederforschung alle  Ursache  hat  dankbar  zu  sein,  zumal  eine  Reihe  schöner  Melodien 
—  auch  für  bereits  bekannte  Texte  —  hier  zum  ersten  Male  mitgeteilt  wird.  Manches 
allerdings,  was  L.  als  nicht  belegbar  anführt,  ist  bereits  bekannt  (vgl.  z.  B.  für  das 
Lied  2,  N.  9,  unten  N.  66/7  und  Erk-Böhme  2,  S.  469;  das  Lied,  obschon  offenbar  kein 
eigentliches  Volkslied,  ist  geschichtlich  um  deswillen  ausserordentlich  lehrreich,  weil 
es  eben  erst  anfängt  zersungen  zu  werden  und  man  deshalb  den  Prozess  der  volks- 
tümlichen Umbildung  fast  mit  Händen  greifen  kann.  5,  S.  47  knüpft  wenigstens  in 
den  Anfangsworten  an  ein  aus  fliegenden  Blättern  des  18.  Jh.  bekanntes  Volkslied 
an  und  scheint  ein  parodistisches  Seitenstück  sein  zu  sollen ;  es  liegt  allerdings  hier 
in  recht  zerrütteter  Form  vor.)  Im  übrigen  aber  bieten  die  von  L.  zum  ersten  Male 
mitgeteilten  Texte  2,  N.  4,  16;  3,  N.  5,  23;  4,  N.  25,  46;  5,  N.  13,  17,  19—21,  32,  39,  42, 
45,  48—51,  53/5,  60,  63  ausserordentlich  dankenswertes  Material  für  die  Erkenntnis 
der  Fortbildung  des  Volksliedes  in  unserem  Jh.  Wir  sehen  deutlich,  wie  der 
Volksgesang  ältere  formelhafte  Elemente  übernimmt  und  sie  auf  neue  Stoffgebiete 
überträgt,  wie  auch  selbständigere  Neubildungen  versucht  werden.  Eine  starke 
Neigung  zur  Sentimentalität  weist  z.  B.  das  Lied  3,  N.  23  auf,  bei  dem  sich  der  gleiche 
Vorgang  wiederholt  wie  oben  bei  2,  N.  9.  Anknüpfung  an  kunstmässige  Elemente 
findet  sich  ebenfalls;  5,  N.  19  entspricht  in  seinen  beiden  ersten  Zeilen,  was  L.  nicht 
hervorgehoben  hat,  dem  Anfang  von  Kaspers  Lied  im  Freischütz,  nachher  schliesst 
sich  eine  selbständige  Nachdichtung  daran.  Für  die  Fragen  nach  der  Entstehung 
des  Volksliedes  gewinnen  auch  die  Weiter-  bezw.  Umdichtungen  der  Hauffschen  Lieder, 
die  L.  mitteilt  (2,  N.  37;  3,  N.  44),  eine  gewisse  Wichtigkeit.41)  —  Auch  die  noch 
dem  vorigen  Berichtsjahr  angehörenden  ostpreussischen  Volkslieder,  die  der  ver- 
storbene Fri  schb  ier41a)  gesammelt  hat,  bringen  schönes  Material;  unbekannte 
Stücke  sind  freilich  in  der  Sammlung  so  gut  wie  gar  nicht  vertreten,  aber  für  die 
Umbildungen  von  Liedern  und  Liedfragmenten,  wie  sie  sich  in  einer  ziemlich  ab- 
geschlossenen  Landschaft  vollzogen  haben,  kann  man  hier  manche  interessanten  Belege 
finden.  — 


(I  5  :  313.)  -  41)  X  (I  5  :  314.)  —  41a)  (I  5 :  316.)  —  42)  O  X  X  (I  5 :  315.)  -  43)  O  X  X  G.  Tob ler,  D.  Liederdichter 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (2)4 


Il  2  :  42-62  G.  Ellinger,  Lyrik  des  15./16.  Jahrhunderts. 

Aus  einem  Sammelbande  älterer  deutscher  Lieder42"44)  teilt  A.  Schmidt44*) 
einige  wertvolle  Stücke  mit;  einzelne  bereits  bekannte  Lieder  in  bemerkenswerten 
Fassungen ;  hervorzuheben  ist  namentlich  das  S.  123  erwähnte  Lied  von  Hans  Sachs 
auf  die  Belagerung  von  Wien  durch  die  Türken  1529.  —  Ein  „Reygenlied"  von  Sant 
Grobian,  von  dem  wir  seit  Zarnckes  Ausgabe  des  Narrenschiffes  bereits  2  Strophen 
kennen,  teilt  John  Meier45)  vollständig  mit;  der  Dialekt  weist  auf  das  ober- 
rheinische Gebiet;  der  vorliegende  Abdruck  wird  aus  der  Mitte  des  16.  Jh.  stammen. 
Dem  Lied  liegt,  wie  schon  Zarncke  bemerkte,  das  72.  Kapitel  des  Narrenschiffes  zu 
Grunde,  doch  ist  das  dort  aufgespeicherte  poetische  Material  von  dem  Dichter  des 
Liedes  nicht  ohne  Selbständigkeit  verarbeitet  worden.  —  Zwei  poetische  Volkslieder, 
von  denen  das  eine  in  niederdeutscher,  das  andere  in  hochdeutscher  Sprache  abg-efasst 
ist,  teilt  von  Hansen46J  aus  dem  Revaler  Stadtarchiv  mit.  N.  I  stammt  aus 
dem  J.  1554  und  schildert  den  Krieg,  den  der  deutsche  Orden  gegen  den  Erzbischof 
Wilhelm  von  Brandenburg  und  dessen  Koadjutor  Christof  von  Mecklenburg  führte;  das 
zweite  ist  im  J.  1601  entstanden  und  knüpft  an  die  polnisch-schwedischen  Wirren,  die 
Streitigkeiten  im  Hause  Wasa  an;  die  Stadt  Riga  wird  in  dem  Liede  ermahnt,  nicht 
sich  Schweden  anzuschliessen,  sondern  dem  Polenkönige  treu  zu  bleiben.  — 
Bartholomäus  Theiler,  nach  Angabe  eines  Druckes  von  1621  der  Vf.  eines  Liedes 
auf  die  Schlacht  bei  Moncontour  (eine  Zürcher  Hs.  nennt  als  Vf.  des  Liedes  Barth 
Reygell),  hat  in  Roethe47)  einen  Biographen  gefunden.  R.  schildert  den  Dichter  in 
seiner  antihugenottischen  Tendenz,  die  ihn  zu  Uebertreibungen  und  vielleicht  auch  zu 
bewussten  Unwahrheiten  verführt,  und  in  seinem  schweizerischen  Nationalstolz.  Die 
Darstellung  des  Liedes  wird  als  klar  aber  trocken  gekennzeichnet.  —  Das  bereits 
durch  Reinhold  Köhler  nach  einer  Weimarer  Hs.  bekannt  gegebene  Lied  auf  die  Be- 
lagerung von  Magdeburg  durch  W7allenstein,  dessen  Vf.  N.  Rittershaus  ist,  wird  von 
Rüben  söhn48)  nach  einer  Berliner  Hs.,  die  jener  Weimarer  offenbar  als  Vorlage 
gedient  hat,  abgedruckt  und  mit  guten  Bemerkungen  begleitet.  —  Von  den  Mitteilungen 
Boltes49"50)  über  niederdeutsche  und  niederländische  Volksweisen  kommen  für 
das  deutsche  Volkslied  in  Betracht  die  beiden  von  B.  nach  Amsterdamer  Auf- 
zeichnungen wiedergegebenen  Melodien  zu  dem  Volkslieder  „Laet  de  blaue  Flagg1 
mael  weinen",  von  dessen  Text  sich  leider  nur  der  Anfang  erhalten  hat,  der  schon  bei 
Müllenhoff  „Sagen,  Märchen  und  Lieder  usw.u  zu  finden  ist.  Ferner  giebt  B.  ebenfalls 
nach  einer  Amsterdamer  Hs.  eine  Melodie  zu  dem  Liede:  Pierlala,  die  älter  ist  als  die 
bisher  bekannten  und  hier  angeführt  werden  muss,  da  das  im  17.  Jh.  entstandene 
niederländische  Lied,  verkürzt  und  teilweise  dadurch  unverständlich  gemacht,  auch  in 
Deutschland  bekanntlich  eine  gewisse  Popularität  erlangt  hat.51"53)  — 

Einen  Uebergang  zum  neueren  Volkslied  bedeutet  S  p  i  1 1  a  s 54) 
mustergiltiger  Aufsatz:  Sperontes  Singende  Muse  an  der  Pleisse.  Er  ist  in  diesem 
Jahre  mit  manchen  Verbesserungen  neu  gedruckt  worden,  und  es  ist  hier  gewiss  an- 
gezeigt, nochmals  auf  diese  vortreffliche  Arbeit  hinzuweisen,  die  für  musikalische  und 
literarhistorische  Untersuchung  eines  Liederbuches  ein  ausgezeichnetes,  namentlich 
methodisch  höchst  wichtiges  Vorbild  aufstellt.  —  Aus  dem  18.  und  19.  Jh.  sind  fliegende 
Blätter  nachgewiesen;  Friedlaender55)  hat  diese  Beobachtungen  in  bestimmtem 
Kreise  fortgesetzt.  — 

Aus  der  Litteratur  zum  neueren  Volkslied  teilt  Pich ler56)  eine  Reihe 
von  Schnadahüpfeln,  Kinderliedern  und  anderen  kleineren  volkstümlichen  Stücken 
aus  Tirol  mit.57"59)  —  Eines  der  von  ihm  beigebrachten  Lieder  vom  Pater  Guardian  giebt 
Diels60),  Weinhold  und  Englert  noch  Gelegenheit  zu  Nachträgen  von  Fassungen 
aus  verschiedenen  deutschen  Landesteilen;  auch  eine  französische  und  eine  englische 
Form  wird  angeführt  und  eine  Melodie  mitgeteilt.  Ein  bisher  nur  unvollständig 
bekanntes  Volkslied,  einen  stey ermärkischen  Raufjodl,  teilt  Weinhold61)  vollständig 
aus  einem  gedruckten  Liederbuche  des  17.  Jh.  mit  Melodie  mit.  —  Aus  dem  Spessart 
sammelt  Englert61a)  eine  Reihe  von  Wiegenliedern  mit  lehrreichen  Erläuterungen 
und  Varianten.  —  Eine  ganz  vortreffliche  Untersuchung  hat  Bolte62)  dem  Kinderliede 
vom  Herren  von  Ninive  zu  teil   werden   lassen,    die    den  scheinbar   sinnlosen  Text 


Matthis  Zollner:  AnzSchwG.  S.  65,6.  —  44)  O  X  X  F-  w-  E-  Roth,  Mitteilungen  aus  Hss.  u.  älteren  Druckwerken:  ZDPh.  26, 
S.  58-70.  (Vgl  II  5:31.)  —  44a)  A.  Schmidt,  E.  Sammelnd,  dtsch.  Lieder  aus  d.  J.  1529  in  d.  Grossherzogl.  Hofbibl.  zu 
Darmstadt:  CBIBibl.  11,  S.  113-30.  —  45)  (I  5:296;  II  5:102.)  —  46)  G.  v.  Hansen,  Publikat.  aus  d.  Revaler  Stadtarch. 
VI.  Dichtungen:  BKELK.  4,  S.  154-61.  —  47)  G.  ßoethe,  Barth.  Theiler:  ADB.  37,  S.  673.  —  48)  (III  1  :  27;  2  :  4.)  -  49) 
(I  5:317.)  -  50)  X  (I  5:295;  II  5:103.)  —  51)  O  X  X  C.  SchQddekopf,  D.  Breslauer  Judenlied  Jakobs  v.  Ratingen: 
KBlNiederdSpr.  17,  S.  6-10.  —  52)  O  X  X  K.  Sprenger,  Zu  Soltaus  hist.  Volksliedern:  ib.  S.  34/5.  —  53)  O  X  X  f ■ 
Frennsdorf,  Zu  Soltaus  Volksliedern:  ib.  S.  51.  —  54)  Ph.  Spitta,  Sperontes  Singende  Muse  an  d.  Pleisse.  (=  Musikgesch. 
Aufsätze  [B.,  Gebr  Paetel.  VIII,  471  S.  M.  9,00],  S.  175-295.)  (Vgl.  110:34.)  —  55)  M.  Friedlaender,  D.Lied  vom  Kanapee: 
VjsMusikwissensch  10,  S.  203-15.  (Vgl. I  10:  52.)  —  56)  (I  5  :  308.)  —  57)  X  J.Pommer,  252  Jodler  u.  Juchezer.  N.  F.  (JBL.  1893 
15:266.:  Wien,  Rebay  A  Robitschek.  1893.  XII,  212  S.  M.  2,50.  -  58)  X  R- H.  Greinz  u.  J.  A.  Kapferer,  Tiroler  Volkslieder.  2.  F 
(JBL.1893I5:263.)L.,Liebtskind.  1893. 16°.  XI,  185S.M.  1,50.- 59)X(1 3:303.)  — 60)  (15: 330,1.)  —  61)  (15:310.)  -  61  a)  (1 5 : 336.) 
-  62)  (I  5  :  329;  III  2:3.)    —    63)  (I  5  :  311.)    -    64)  ß.  Sprenger,   Zu  Uhlands  Volksliedern  u.  Simrocks  dtsch.  Mythol. 


Gr.  Ellinger,  Lyrik  des  1.5./16.  Jahrhunderts.  ü  2  :  63-82 

wenigstens  stückweise  aufzuhellen  geeignet  ist.  An  der  Hand  zweier  Citate  aus  den 
Briefen  der  Herzogin  Elisabeth  Charlotte  und  eines  weiteren  Zeugnisses  aus  dem 
17.  Jh.  weist  er  nach,  dass  die  erste  Zeile  des  Liedes  ursprünglich  entweder:  „Da 
kommen  wir  Gecken  und  Nonnen  her"  oder  „Hi  kommen  wir  käkken  Nonnen  her" 
gelautet  haben  muss.  —  Von  den  durch  Geldern-Crispendorf63)  aus  der  Herr- 
schaft Burgk  geholten  Liedern  sind  6  schon  bekannt,  wenigstens  in  nah  verwandten 
Fassungen.  Hervorzuheben  ist  nur  der  vorliegende  Text  des  Liedes:  Es  war  einst 
eine  Jüdin  (N.  1),  der  von  allen  mir  bekannten  anderen  sehr  zahlreichen  Fassungen 
ganz  erheblich  abweicht;  das  wichtigste  Motiv:  die  Werbung  der  Judentochter  um 
den  Schreiber  und  seine  Forderung,  dass  sie  erst  Christin  werden  müsse,  fehlt  hier 
ganz,  und  auch  sonst  sind  die  realen  Verhältnisse,  die  dem  Liede  zu  Grunde  liegen, 
ziemlich  verwischt.  Das  einzige  unbekannte  Lied  (N.  2)  ist  jüngeren  Datums;  merk- 
würdig ist  es,  dass  das  Gedicht  eine  Nachbildung  von  Heines:  Ich  hatte  einst 
ein  schönes  Vaterland  (Elsters  Ausg.  1,  S.  2ö3)  ist;  die  erste  Strophe  lehnt  sich 
ziemlich  genau  an  Heine  an,  die  beiden  letzten  sind  eine  freie  Weiterführung.  Es 
wäre  von  hohem  Interesse,  wenn  sich  etwas  über  die  Art  feststellen  Hesse,  in  der 
Heines  Gedicht  auf  diese  Weise  in  volkstümliche  Kreise  verpflanzt  worden  ist  (etwa 
durch  Vermittlung  einer  populären  Melodie,  was  wohl  das  Wahrscheinlichste  wäre).  — 
Eine  Notiz  Sprengers64)  berichtigt  ein  kleines  Missverständnis  in  einer  mythologischen 
Bemerkung,  die  Unland  (Abhandlung  3,  S.  123,  3.  Aufl.)  zu  einem  Volksliede  beisteuert. 

—  Schell65)  druckt  ein  bergisches  Volkslied  ab,  das  eine  kurze  Schilderung  des 
Soldatenlebens  giebt;  einzelne  Teile  sind  bekannt,  das  Ganze  in  dieser  Fassung  meines 
Wissens  nicht.  —  Von  den  drei  Volksliedern  aus  Mecklenburg,  die  [Ulöde66)  ver- 
öffentlicht, ist  nur  das  dritte  echt  und  aus  anderen  Fassungen  bereits  bekannt  (die 
vorliegende  ist  sehr  verwahrlost;  charakteristisch  die  Schlusswendung,  wenn  auch  in 
ähnlicher  Form  schon  belegt);  die  beiden  ersten,  zu  denen  Schermann67)  noch 
einige  Varianten  aus  dem  Spessart  weiss,  während  Englert68)  und  Krönig69) 
Fassungen  aus  Studentenkreisen,  aus  Tirol,  Lindau,  Mittelfranken,  Bamberg  und  dem 
nördlichen  Thüringen  heranziehen,  sind  neueren  Ursprungs.  Bemerkenswert  ist,  dass 
sowohl  Seh.  als  G.  ihre  Lieder  von  ganz  alten  Leuten  haben  singen  hören.70_7üa)  — 
Ebenfalls  neueren  Datums,  wenn  auch  mit  Benutzung  älterer  Wendungen,  scheint  ein 
aus  Südungarn  von  Dörfler71)  mitgeteiltes  Volkslied  zu  sein.  —  Ein  ganz  hübsches 
Liedchen  der  Ofener  Schwaben  giebt  ebenfalls  Dörfler72)  bekannt.  —  Zwei  wichtige 
Varianten  zu  dem  Liede:  Es  ritten  drei  Reiter  wohl  über  den  Rhein  (Erk-Böhme  1, 
S.  188),  fand  Mätyäs73)  in  der  Ofener  Gegend.  In  der  ersten  aus  dem  Dorfe 
Szent-Ivän  stammenden  Fassung  ist  ausser  einigen  bemerkenswerten  formellen 
Varianten  noch  wichtig,  dass  die  Diebe  sich  nicht  für  Grafen  und  Herren,  sondern 
für  Goldschmiede  ausgaben;  die  zweite  in  Solymär  aufgezeichnete  ist  vor  allem  durch 
die  sonst  nicht  überlieferten  Reden  der  Räuber  nach  der  Blutthat  von  Interesse.  — 
Ganz  neuen  Ursprungs  ist  das  von  Heilig74)  aus  Baden  entnommene  Volkslied.  — 
Ein  Aufsatz  von  Ra dem  ach  er75):  Maisitten  am  Rhein,  bringt  einige  dankenswerte 
Zusammenstellungen  von  volkstümlichen  Liedern  und  Liedfragmenten  am  Rhein.  — 
Dasselbe  leistet  für  Bremen  ein  ganz  gut  orientierender  Aufsatz  von  Post76).  Doch 
sind  die  benutzten  Texte  fast  durchweg',  wenn  auch  teilweise  in  anderer  Fassung,  bereits 
bekannt.  Immerhin  sind  die  Mitteilungen  brauchbar,  zumal  der  Vf.  auch  gleichartige 
Texte  anderer  Landschaften  zum  Vergleich  heranzieht.  —  Manches  Hübsche  fällt  für 
die  volkstümliche  Lyrik  in  der  Sagensammlung1  Fabers77)  ab.7s"81)  — 

Die  reichhaltige  Arbeit  Eitners82),  die  des  Liedes  Beziehungen  zur 
Musik  erörtert  und  nach  der  rein  musikalischen  Seite  hin  in  einem  anderen  Ab- 
schnitte besprochen  wird,  bietet  auch  in  den  litterarhistorischen  Beziehungen  des  Volks- 
liedes viel  Bemerkenswertes.  Wichtig  ist  z.  B.  die  Thatsache  (25,  S.  151),  dass  Konrad 
Paumann  (gest.  1473)  in  seinem  Lied:  Weiblich  Figur,  kein  Volkslied  als  Cantus  firmus 
hat;  wir  haben  es  also  hier  im  15.  Jh.  schon  mit  einem  für  das  Unterhaltungs- 
bedürfnis der   vornehmeren  Gesellschaft  berechneten  Kunstlied  (Gesellschaftslied)  zu 

(JBL.  1893  I  5  :  260):  Urquell  4,  S.  33/4.  (Vgl.  I  5  :  287.)  —  65)  0.  Schell,  Bergisches  Volkslied  (JBL.  1893  I  5  :  293):  ib. 
S.  20.  —  66)  0.  Glöde,  Volkslieder  aus  Mecklenburg  (JBL.  1893  I  5:297/8):  ib  S.  71/2.  —  67)  L.  Schermann,  Volkslieder 
aus  d.  Spessart:  ib.  S.  144/5.  —  68)  A.  Englert,  Zu  d.  Liedern:  „In  d.  Gartens  dunkler  Laube"  u.  „Müde  kehrt  e.  Wanders- 
raann  zurück":  ib.  5,  S.  93/5,  138,9.  —  69)  F.  Krönig,  In  d.  Gartens  dunkler  Laube:  ib.  S.  195.  —  70)  X  H-  Merkens, 
Altes  Kölner  Studentenlied;  Volkslied:  ib.  4,  S.  173.  (D.  mitget.  Volkslied  e.  Bauernlied  aus  d.  Kölner  Gegend.)  —  70a)  X 
L.  Fränkel,  Zu  „E.  Volkslied  im  Studentenmund"  (JBL.  1893  I  5:252):  ib.  S.  174.  (Bestätigt  d.  längst  bekannte  Thatsache, 
dass  d.  Lied:  „Ich  ging  in  e.  Nacht  [in  d.  ältesten  Fassungen  aus  d.  16.  Jh.  „Es  sass  ein  Eul  und  spann"  u.  „Ich  ging  bei 
eitler  Nacht"J  auch  als  Stadentenlied  fortlebt.)  —  71)  A.  F.  Dörfler,  Dtsch.  Volkslied  aus  Sndung  (JBL.  1893  I  5:  272): 
ib.  S.  274.  —  72)  id.,  Volkslied  d.  Ofener  Schwaben:  ib.  5,  S.  230.  —  73)  L.  Mätyäs,  Zu  d.  Liede:  „Es  kamen 
drei  Diebe  ans":  ib.  S.  262/3    —  74)  0.  Heilig,  Volkslied,  ges.  v.  Burschen  in  Grötzingen  bei  Karlsruhe  (Baden):  ib.  S.  286. 

—  75)  (I  5  :  63.)  —  76)  (I  5  :  343.)  —  77)  K.  W.  Faber,  Sagen  u.  Volksgebräuche  aus  d.  Sund-Gau  (JBB.  1893  I  5  :  14): 
JbGElsLothr.  9,  S.  4-75.  —  78)  X  (I  5  :  309.)  —  79)  X  ß  5  :  288.)  —  80;  X  (l  5  =  237.)  -  81)  X  C1  5  :  302.)  -  82)  K.  Eitner, 
D.  alte  dtsch.  mehrstimm.  Lied  (JBL  1893  I  13:46):  MhMusikgesch.  25,  S.  149-55,  164-79,  183-204,  207-20;  26,  S.  1-14,  17-22, 
25-33,  35-42,  47-54,  57-64,  67-82,  87-103,  106-35.  — 

(2)4* 


II  2  :  82    II  3  -.  i-7       A.  Hauffen,  Epos  des  15./16.  Jahrhunderts. 

thun.  In  dieselbe  Thatsachenreihe  gehört  die  (26,  S.  107  erörterte)  Möglichkeit,  dass 
Georg-  Vogelhuber  (Anfang  des  16.  Jh.)  die  Melodien,  die  den  Cantus  firmus  bilden, 
selbst  erfunden  hat.  Der  auch  für  die  textliche  Seite  des  Volksliedes  so  wichtige 
Uebergang  zum  Sologesang  wird  angebahnt  durch  die  Lieder  mit  Lautenbegleitung; 
26,  S.  27  erste  Versuche  in  Deutschland  sind  die  15  Lieder  mit  Arnoldt  Schlick  (geb 
um  die  Mitte  des  15.  Jh.)  Am  Schluss  weist  E.  kurz  auf  das  wichtige  Faktum  des 
Eindringens  der  italienischen  Villanellen  in  Deutschland  hin;  ihrem  Einfluss  gelingt 
es,  den  kontrapunktischen  Gesang  vollständig  zu  verdrängen:  die  Oberstimme  gelangt 
bald  zur  ausschliesslichen  Herrschaft;  die  übrigen  Stimmen  werden,  wenn  es  auch 
bei  ihnen  zunächst  nicht  ganz  an  selbständiger  Führung  fehlt,  im  wesentlichen  als 
Begleitung  verwendet.  — 


11,3 

Epos. 

Adolf  Hauffen. 

Erzählende  Dichtungen  (Sigenot,  Wigalois)  N.  1.  —  Volksbücher:  Lucidarius  N.  6;  Eulenspiegol  und  Reinke  de  Voss 
N.  8;  Magelone  N.  16;  Melusine  N.  16a.  —  Schwanke:  V.  Schumann  N.  19;  Einzelnes  N.  20:  Hans  Sachs  N.  22;  G.  Wickram 
N.  28.  —  J.  Fischart  N.  31.  —  Faust  N.  38.  —  Chroniken  und  Geschichtsschreiber:  Schweiz  N.  43;  Süddeutschland  N.  47; 
Oesterreich  K.  50;  Mitteldeutschland  N.  56;  Korddeutschland  N.  58.  — 

Die  Anzahl  der  Arbeiten  auf  unserem  Gebiete  ist  in  diesem  Berichtsjahre 
gering;  auch  zusammenfassende  Darstellungen  fehlen,  dagegen  sind  ein  paar  aus- 
gezeichnete Monographien  zu  verzeichnen,  die  durch  die  erschöpfende  Behandlung 
eines  begrenzten  Stoffes  reiche  Ergebnisse  für  unseren  ganzen  Zeitraum  zu  Tage 
gefördert  haben.  Unter  den  neueren  Erscheinungen1)  über  erzählende  Dichtungen 
verdient  besondere  Beachtung  Schorbachs2)  Ausgabe  des  sogenannten  jüngeren 
Sigenot  aus  dem  Dietrichsepenkreise  nach  dem  lange  verloren  geglaubten  ältesten 
Druck:  Heidelberg  1490.  Diese  auch  wegen  ihrer  43  Holzschnitte  wertvolle,  in  einem 
einzigen  vollständigen  Exemplar  erhaltene  Inkunabel  ist  in  Lichtdruck  getreu  nach- 
gebildet. Die  Einleitung  bringt  bibliographische  Beschreibungen  der  zahlreichen 
Sigenotdrucke  von  1490 — 1661,  wodurch  unsere  bisherigen  Kenntnisse  (vgl. 
Goedekes  Grundriss  l2,  S.  250)  wesentlich  berichtigt  und  ergänzt  werden.  —  Aus 
einer  Münchener  Hs.  des  15.  Jh.  teilt  Keinz3)  ein  grösseres  Bruchstück  einer  Er- 
zählung in  Reimpaaren  mit,  die  einen  Stoff  der  Gesta  Romanorum  (bei  Keller 
S.  148  ff.)  vom  Harnisch  des  toten  Ritters  ziemlich  getreu  nach  der  Vorlage  und  in 
schwäbischer  Mundart  wiedergiebt.  —  Edw.  Schröder4)  weist  nach,  dass  die  be- 
kannte Bearbeitung  des  Volksbuches  vom  Wigalois  in  jüdisch-deutschen  Reimen 
von  Josel  Witzenhausen  ins  16.  Jh.  fällt,  gleichzeitig  auf  eine  spätere  Umarbeitung  in 
travestierender  Prosa  (1786)  hinweisend.  —  Dem  sächsischen  Schulmeister  Georg 
Thym  (1520 — 60),  der  bekanntlich  über  den  schönen  braun schweigschen  Sagenstoff 
vom  Thedel  von  Wallmoden  ein  nüchternes  moralisierendes  Gedicht  in  Reimpaaren 
verfasst  hat,  widmet  Zimmermann5)  eine  kurze  Skizze.  — 

Reiche  Förderung6)  brachte  das  Berichtsjahr  den  deutschen  Volksbüchern. 
Die  ganz  ausserordentliche  Monographie  von  Schorbach7)  über  den  Lucidarius 
verbreitet  durch  die  sichere  Beherrschung  eines  ungeheuren  Materials  über  ein  bisher 
sehr  dunkles  und  verworrenes  Gebiet  völlige  Klarheit.  Wenn  die  Untersuchung  auch 
im  wesentlichen  bibliographischer  Natur  ist,  so  bietet  sie  doch  auch  für  die  Literatur- 
geschichte überaus  wichtige  Ergebnisse  dar.  Aus  der  grossen  Masse  der  ver- 
schiedenartigen, unter  dem  Titel  Lucidarius  (und  ähnlich)  vorhandenen  Hss.  und  Drucke 
hebt  Seh.  zwei  bestimmte  Werke  heraus,  den  deutschen  Lucidarius  und  das  lateinische 
Elucidarium.  Der  Lucidarius  ist  eigentlich  die  erste  deutsche  Encyklopädie.  In  drei 
Abschnitten  werden  in  Gesprächsform  das  Wesen  Gottes,  die  Schöpfung  und  die  Be- 
schaffenheit der  Welt,  die  Bedeutung  und  die  kirchlichen  Einrichtungen  des  Christen- 
tums, endlich  das  Leben  nach  dem  Tode  und  das  jüngste  Gericht  besprochen.     Seh. 

1)  X  S.  Englert,  Heinrichs  Buch  (JBL.  1892  113:7;  1893  II  3  :  3a).  |[K.  Kochendörffer:  DLZ.  S.  12/4; 
A.Leitzmann:  LBIGRPh.  15,  S.  108/9;  J.  E.  Waokernell:  Alemannia  21,  S.  294/7.]|  —  2)  (I  3:106)  -  3)  (II  2:25.)  — 
4)  Edw.  Schröder,  Aus  d.  Nachgesch.  d.  Wigalois:  ZDA.  38,  S.  111/2.  —  5)  P.  Zimmermann,  G.  Thym:  ADB.  38,  S.  234  5. 
—  6)  O  XHistori,  e.  fast  kurzweilige,  v.  d.  schönen  Elisa,  e.  Künigs  Tochter  aus  Portugal,  u.  Grave  Albrechten  v.  Werdenberg, 
wie  d.  dieselbe  aus  ires  Vaters  Hof  entführet  u.  nach  vil  ausgestandenen  Abentheuern,  glücklich  in  sein  Heimat  nach  Sargans 
gebracht  hat.  Lustig  u.  anmutig  zu  lesen  u.  dem  schwäb.  Volk  z.  Nutzen  u.  Vergnügen  aus  alter  Geschrift  gezogen,  auch 
nunmehr  z.  ersten  mal  in  Druk  ausgeben  durch  e.  fahr.  Schueler.  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  96  S.  M.  3,00.  —  7)  K.  Schor- 
bach,  Studien   über   d.  dtsch.  Volksbuch  Lucidarius   u.  seine  Bearbeitungen   in  fremden  Sprachen.    (=r  QF.  N.  74.)    Strass- 


A.  Hauffen,  Epos  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  3  1 7-19 

erweist,  dass  Herzog1  Heinrich  der  Löwe  zwischen  1190  und  95  zu  Braunschweig 
von  seinen  Kaplänen  nach  lateinischen  Vorbildern  den  Lucidarius  herstellen  Hess. 
Das  Buch  fand  ausserordentliche  Verbreitung.  Seh.  giebt  die  genaueste  bibliographische 
Beschreibung  von  42  Hss.,  von  1200  bis  ins  17.  Jh.  hinein,  und  von  82  Drucken  vom 
Ende  des  15.  bis  zum  Anfang  des  19.  Jh.  Nur  ein  kleiner  Teil  davon  war  uns  bisher 
bekannt.  Auch  die  Geschichte  des  Textes  hat  Seh.  zum  ersten  Mal  untersucht.  Danach 
zerfallen  die  Hss.  in  zwei  Gruppen,  von  denen  die  Passung  B  die  Grundlage  der 
Drucke  geworden  ist.  In  diesen  hat  der  Text  mannigfache  Veränderungen  und  Um- 
gestaltungen erfahren,  so  1534  durch  J.  Cammerlander  im  protestantischen  Sinne, 
während  die  jüngeren  Ausgaben  immer  mehr  das  theologische  Element  zu  Gunsten 
der  länderbeschreibenden  Abschnitte  einschränken.  Als  Quellen  des  Lucidarius  weist 
Seh.  nach:  1.  das  Elucidarium  des  Honorius  Augustodunensis,  ein  dogmatisches 
Handbuch  zum  Gebrauche  für  Theologen.  Der  Lucidarius  ist  also  weder  identisch 
mit  dem  Elucidarium,  noch  eine  Uebersetung  davon;  er  hat  nur  daraus  geschöpft. 
2.  und  3. "des  Honorius  Imago  mundi  und  Gemma  animae.  4.  die  Philosophia  mundi  des 
Wilhelm  von  Conches.  Seh.  bespricht  ferner  den  dänischen  Lucidarius  (eine  freie 
Bearbeitung),  den  mittelniederländischen  und  den  czechischen  Lucidarius  (Ueber- 
setzungen  des  deutschen  Werkes),  endlich  die  zahlreichen  in  den  verschiedensten 
Sprachen  nachzuweisenden  Uebersetzungen  des  Elucidarium.  Als  Fortsetzungen 
dieser  mit  musterhafter  Sorgfalt  und  geradezu  verblüffendem  bibliographischen  Wissen 
durchgeführte  Untersuchung  verspricht  Seh.  eine  kritische  Ausgabe  des  Lucidarius 
und  eine  Monographie  über  Honorius.  — 

Einige  sprachliche  Bemerkungen  zum  Eulenspiegel8_9b)  und  zum  Reinke 
de  Voss1010*)  hat  Sprenger11-12)  veröffentlicht.  —  Die  im  Vorjahre  erwähnten  platt- 
deutschen Bearbeitungen  dieser  beiden  Volksdichtungen  durch  Tannen13"14)  sind  in 
Sonderausgabe  erschienen.15)  — 

Ein  im  Berichtsjahre  eröffnetes  Unternehmen  Sauers,  die  „Bibliothek  älterer 
deutscher  Uebersetzungen",  soll  auch  unserem  Gebiete  durch  die  Veröffentlichung  von 
Uebersetzungen  fremder  Novellen  und  Volksbücher  des  15.  und  16.  Jh.  neues  Material 
zuführen.  Im  ersten  Bändchen  giebt  Bolte16)  die  von  ihm  in  Gotha  aufgefundene 
Originalhs.  von  Warbecks  Uebersetzung  der  französischen  Mageion e  heraus.  Das 
Volksbuch  von  der  schönen  Magelone  hat  in  Warbecks  Fassung  bis  in  die  letzten 
Jahre  immer  wieder  neue  Auflagen  erlebt  und  eine  ausserordentlich  grosse  Ver- 
breitung gefunden;  gerade  darum  ist  der  Abdruck  des  ursprünglichen  Textes  und  die 
monographische  Behandlung  des  ganzen  Stoffes  in  der  Einleitung  dazu  sehr  will- 
kommen. Mit  weit  ausgreifender  Gelehrsamkeit  schildert  B.  (alle  Ergebnisse  der 
grossen  Magelonelitteratur  verwertend  und  seinerseits  bereichernd)  die  Entstehung 
des  französischen  Originals,  ferner  auf  Grund  neu  erschlossenen  Materials  das  Leben 
Veit  Warbecks,  zeichnet  den  Einfluss  der  französischen  Litteratur  in  Deutschland  zu 
Beginn  des  16.  Jh.  mit  Ausläufen,  deren  Bedeutung  weit  über  den  besonderen  Zweck 
hinausgeht,  vergleicht  Warbecks  Uebersetzung  mit  dem  Originale  und  mit  dem  ersten 
Druck  (dessen  Varianten  im  Anhang  verzeichnet  sind)  und  stellt  endlich  die  Biblio- 
graphie    der     zahllosen    Mageloneausgaben    bei    fünfzehn    Nationen  zusammen.  — 

Biltz16»)  handelt  über  die  Verdeutschung  des  französischen  Melusine- 
Romans  durch  den  Berner  Schultheissen  Thüring  von  Ringoltingen  1456  und  über 
den  ersten  Druck  dieser  Arbeit  1474.17-18)  — 

Auch  in  der  Litteratur  über  ältere  Schwanke  steht  eine  Ausgabe  Boltes19) 
im  Vordergründe:  Valentin  Schumanns  Nachtbüchlein  (1559),  die  aus  dem 
Vorjahre  nachzutragen  ist.  Dem  sorgfältigen  Neudruck  sind  eine  Einleitung  über 
Schumanns  Leben,  über  seine  schriftstellerische  Eigenart  und  seine  Quellen  (u.  a. 
Hans  Sachs  und  eine  Züricher  Bibelübersetzung  1531),  ferner  ein  Anhang  verwandter 
Schwanke  und  Meisterlieder  des  16.  Jh.  und  Anmerkungen  beigegeben.     Die  letzteren 

bürg  i.  E.,  Trübner.  X,  276  S.  M.  6,50.  —  8)  O  X  r-  Goebel,  Till  Eulenspiegels  wunderbare  u.  seltsame  Abenteuer.  Nach 
d.  Volksbuche  d.  Jug.  erz.  Mit  5  Farbendruckb.  von  W.  Schäfer.  Wesel,  Däms.  12°.  72  S.  M.0,50.  —  9)  O  X  E  Friedel, 
Till  Eulenspiegel:  Bär  20,  S.  7,9,  19-21.  34/5,  46,8,  58,9,  70/1,  801,  91,2,  105/8.  -  9a)  O  X  'd'.  Z.  Eulenspiegel-Legende  mit 
bes.  Rucks,  auf  Berlin  u.d.  Mark  Brandenburg:  BrandenburgiaN.  10.—  9  b)  OXX  Chr.  Wal  th er,  Z. Gesch. d  Volkshuch.es  v.  Eulen- 
spiegel :  JbVNiederdSpr.  19,  S.  1-67.  -  10 )  O  X  A  Hofmeister,  D.  Vf.  d.jungeren  Glosse  z.  Reinke  Voss :  ib.  S.  113  21  - 10  a)  X  J- w- 
Muller  u.  H. Logeman,D.hystorie  van Reynaert(JBL.  1893 II  3:14i.  |fJ.Nagl:ÖLBl. 3,S. 620,1;  H.Hirt:  AngliaB.  34, S.72/3.]|  -11)  K. 
Sprenger,  Z.Till  Eulenspiegel:  ZDPh.  27,  S.  249-50.  •-  12 1  id..  Zu  Reinke  de  Voss:  ib.  S.  315/6.  —  13)  K.  Tannen,  Tyl  üulen- 
speegels  eerste  weltvaari  in  6  historien  mit  vööreeden  v.  Lessing,  myn  bestvaar  u.  my.  Bremen,  Hampe.  XII,  83  S.  M.  2,00. 
—  14)  id.,  Reinke  Vos.  2.  Uplaage.  ebda.  LIII.  243  S.  M.  6,00.  —  15)  X  J  Nagl,  K.  Tannen,  Niederdtsch.  Haupt- 
u.  Heldenbuch  (JBL.  1893  II  3:  6l:  ÖLB1.  3,  S.  622  3.  -  16)  J.  Bolte,  D.  schöne  Magelone,  aus  d.  Franz.  übers,  v.  Veit  War- 
beck 1527.  Nach  d.  Originalhs.  her.  (-  Bibl.  älterer  dtsch.  Uebers.  her.  v.  A.  Sauer.  N.  1.)  Weimar,  Felber.  XLVII,  87  S. 
M.3,00.  -  16  a)  (15:260;  11: 12.)  —  17)  X  (HI  3:1.)  |[KonsMschr  S.447/8.]|  (Enthält  in  gewandter  u.  zweckdienlicher  Ueberarbeit. : 
Fortunat,  Alexander  u.  Ludwig,  Oktavianus,  Melusine,  Loher  u.  Maller,  schöne  Magelone,  Heinrich  d.  Löwe,  Schildbürger,  Griseldis, 
Apollonius  v  Tyrus,  Genovefa,  Kaiser  Karl,  Haimonskinder,  Eulenspiegel,  Flos  u.  Blankflos,  Gerhard  v.  Köln,  Herzog  Ernst, 
Fierabras,  7  Schwaben,  Schwabenritter,  Oberon,  Faust.)—  18 )  X  J-  Strohschneider,  Mittelf.-änk.  Prosalegenden  (Schluss). 
Progr.  Prag.  1893  31  S.  (Schluss  d.  Barbara  u.  d.  vollständ.  Agathalegende  nach  e.  Prager  Hs.  v.  ca  1400,  samt  e  Wörter- 
verzeichnis. D.  ersten  Teile  1891—92  [35  u.  26  S.J )  — 19)  J.  B  o  1 1  e ,  Val.  Schumanns  Nachtbüchlein  1559.  (=  BLVSt.  N.  197.)  Tübingen, 


II  3:20-40  A.  Hauffen,  Epos  des  15./16.  Jahrhunderts. 

liefern  zu  den  einzelnen  Motiven  eine  erstaunliche  Fülle  von  Parallelen  aus  allen 
Litteraturen  und  eine  Untersuchung-  ihrer  Beziehungen  zu  Schumanns  Schwänken. 
Ein  reichhaltiges  Namen-,  Sach-  und  Wortregister  beschliesst  die  Ausgabe.  — 

Ein  bereits  länger  bekanntes  Einzelblatt  eines  Amisdruckes  versetzt 
E  d  w.  S  c  h  r  ö  d  e  r 20)  in  die  Offizin  des  älteren  Johannes  Prüss  in  Strassburg  (um  1483). 

—  Eine  Parallele  zu  Paulis  Schwank  vom  Eiszapfen-Kinde  bringt  von  R  e  i  n  h  ard- 
stöttner21)  aus  G.  Brunmylleus  1560  bei.  — 

Die  Schwänkesammlung-  des  Hans  Sachs,  die  Goetze22)  besorgt,  hat 
mit  dem  2.  Bande  ihren  Abschluss  gefunden,  worin  187  Schwanke  (acht  darunter 
zum  ersten  Male)  veröffentlicht  werden.  Ein  Vorwort  giebt  für  die  ganze  Sammlung 
die  Gesichtspunkte  an,  die  für  die  Textgestaltung  massgebend  waren.  Beigefügt 
sind  Nachträge  zu  den  Anmerkungen  des  1.  Bandes  sowie  eine  Zusammenstellung 
der  Stoffquellen  für  die  Schwanke.  Alle  Vorzüge,  die  im  Vorjahre  dem  1.  Bande23J 
nachgerühmt  werden  konnten,  gelten  auch  für  den  zweiten.  -  Den  Humor  derSachsschen 
Schwanke  hat  Semler24)  mit  Rücksicht  auf  ihre  Verwertung  im  deutschen  Unter- 
richte behandelt  und  die  einzelnen  Stücke  je  nach  der  dargestellten  Situation  in  4 
Gruppen  geteilt:  Der  Tölpel  gegenüber  den  Dingen,  der  Tölpel  gegenüber  dem  Schelm, 
der  Schelm  gegenüber  dem  Schelm,  Tölpelei  und  Schelmerei  gegenüber  geistig-sittlicher 
Ueberlegenheit  und  dem  Humor.  —  Näher  kann  ich  auf  diese  und  verwandte  Ar- 
beiten25-27) nicht  eingehen,  um  nicht  dem  besonderen  Hans  Sachs-Abschnitt  des 
Berichtsjahres  vorzugreifen.  — 

Bibliographischer  Natur  sind  die  Beiträge28)  zu  Georg  Wickram.  —  Barack20) 
beschreibt  eine  (in  Strassburg  aufbewahrte)  bisher  unbekannte  Ausgabe  des  Roll- 
wagenbüchleins vom  J.  1556,  die  im  Anfang  zwölf  Stücke  mehr  enthält,  als  die  erste 
Ausgabe  des  J.  1555.  —  Nachträge  zu  Goedekes  Verzeichnis  vonWickrams  Schriften 
liefert  Bolte30)  mit  gelegentlichen  Bemerkungen  zur  Stoffgeschichte.  — 

Zur  Fischartlitteratur31"34)  sind  diesmal  nur  kleinere  Beiträge  zu  ver- 
zeichnen. Ein  hübscher  Fund  gelang  Adolf  Schmidt35):  Das  Bücherzeichen 
Fischarts  in  einem  Darmstädter  Exemplar  des  Valerianus  1567.  Das  dem  Aufsatze 
in  einer  guten  Nachbildung  beigegebene,  hervorragend  schöne  Zeichen  rührt  von 
Jost  Amman  her.  Es  hat  rechts  die  Worte:  Insignia  J.  Fischarti  Mentzer  V.  J.  D., 
links:  Jove  fovente  gignitur  Minerva,  oben  Non  cuius  vis  vector.  Das  Wappen  ist  ein 
redendes,  indem  es  durch  entsprechende  Embleme  den  Namen  Fisch-art  andeutet.  — 
Berichtigungen  und  Nachträge  zur  Bibliographie  des  Bienenkorbs  liefert  En  giert36).  — 
In  einer  eingehenden  Untersuchung  hat  Hauffen37)  den  zweiten  Teil  von  Fischarts 
Ehezuchtbüchlein  mit  dessen  Quellen  verglichen  und  die  Arbeitsweise  Fischarts  an 
zahlreichen  Beispielen  beleuchtet,  zum  Schlüsse  auch  die  Beziehungen  zwischen 
Fischart  und  Tobias  Stimmer  in  grossen  Zügen  skizziert.  Auch  auf  die  merkwürdige 
Thatsache  wird  hingewiesen,  dass  Fischart,  der  verschiedene  weitabliegende  Quellen 
oft  seitenlang'  nahezu  wörtlich  abgeschrieben  hat,  die  reiche  Ehelitteratur  der  Zeit 
für  das  Mittelstück  des  Ehezuchtbüchleins  gar  nicht  benutzt.  — 

In  seinem  Vortrage  über  die  Faustsage  wandelt  N  o  v  er38)  auf  oft  betretenen 
Pfaden.  Er  führt  die  Zeugnisse  über  den  historischen  Faust  und  die  einzelnen  Faust- 
bücher vor,  teilweise  im  Änschluss  an  Kiesewetter39),  und  er  bespricht  darin  in  wenig 
fruchtbarer  Art  die  Bearbeitung  der  Faustsage  bei  Marlowe,  in  den  Puppenspielen, 
bei  den  neueren  Dichtern,  endlich  bei  Goethe.  —  Zum  Spiesschen  Faustbuch  bemerkt 
Kluge  40),  dass  das  Abenteuer  mit  den  vollen  Bauern  (S.  84  des  Neudruckes)  schon 
vor  1587  bei  J.  J.  Wecker  1582  De  Secretis  (S.  43)  vorkommt.  —  Zur  Bibliographie 

Selbstverl.  d.  Ver.  1893  XXIV,  439  S.  (Nur  för  Mitglieder.)  —  20)  Edw.  Schröder,  D.  alte  Druck  d.  Pfaffen  Amis:  ZDA.  38, 
S.  112.  —  21)  K.  v.  Reinhardstöttner,  Zu  Joh.  Paulis  „Schimpf  u.  Ernst":  ZVLR.  7,  S.  473,4.  (Zugleich  in  d.  Fest- 
schrift d.  ZVLR.  z.  Hans  Sachs-Feier  [=  II  4b  :  62J,  S.  74/5;  vgl.  II  5:124.)  —  22)  E.  Goetze,  Hans  Sachs  Sämtliche  Fabeln 
n.  Schwanke    (JBL.  1893  II  3:20)  2.  Bd      (=  NDL.  N.  126-34.)     Halle  a.  S.,  Niomeyer     XXXI,  640  S.    M.5,40     (Vgl.  114  b:3.) 

—  23)  X  A-  ▼.  Weilen,  Dass.  1.  Bd.  (JBL.  1893  II  3:  20):  ZOG.  45,  S.  786/7.  -  24)  Chr.  Semler,  D.  Schwanke  d.  Hans 
Sachs  u.  d  Komische:  ZDÜ.  8,  S.  95-114.  (Vgl.  II  4b  :  103.)  —  25)  X  M-  s--  D-  Engelhut,  e.  Schwank  d.  H.  Sachs  u.  seine 
Quelle.  (=  II  2:27,  S.  352;  vgl.  II  4b  :  69.)  -  26)  X  E.  Haueis,  E.  Lobspruch  d.  Stadt  Salzburg.  Mit  e  litteraturgesch. 
Einl.  u.  Wort-  n.  Sacherklärnngen.  (Aus  MGSalzbnrgL.  Bd.  34.)  Wien,  Konegen.  35  S.  Mit  2  Abbild.  M.  1,00.  (Vgl. 
II  4b:  8.)  —  27)  X  E.  Samhaber,  Hans  Sachs.  Vortr.  (=  Beil.  zum  ^Volksboten".)  Linz  (Wimraer).  4°.  15  S.  (Mit 
sehr  schönen  Uebersetzungsproben.  Nicht  im  Handel.  Vgl.  II  4b  :47a.)  —  28)  X  J  Hochstetter,  G.  Wickram: 
RAlsace.  45,  S.  45-60.  (E.  Besprech.  d.  im  J.  1866  ersch  Stöoerschen  Büchleins  über  W.)  —  29)  [K  A.J  Bfarack],  Zu  Jörg 
Wickrams  Rollwagenbüchlein :  CBIBibl.  11,  S.  491.  -  30)  J.  Bolte,  Zu  G.  Wiokraras  Schriften:  Alemannia  22,  S.  45/8.  (Vgl. 
II  5  :  122.)  —  31)  X  J-  Fischart,  D.  Jesuitenhütlein.  Sat.  Gedicht.  (—  Meyers  Volksbücher  N.  1055.)  L.,  Bibliogr.  Inst. 
44  S.  M.  0,10.  (In  sprachlich  modernisierter  Fassung.)  —  32)  X  A.  Englert,  A.  Hauffen,  J.  Fischarts  Werke  (JBL.  1893 
II  3  :  47):  Euph.  1.  S.  807-15.  —  33)  X  O.  Glöde,  F.  Galle,  D.  poet.  Stil  Fischarts  (JBL.  1893  I  8  :  35;  II  3  :  43):  ASN*.  91, 
S.  278-80.  (Vgl.  II  5:87.)  —  34)  X  L.  Fränkel,  A.  Alsleben,  l'ischarts  Geschichtsklitterung  (JBL.  1891  II  3:22;  1892 
II  3:32a):  LBIGRPh.  15,  S.  109-10.  (Vgl.  II  '5:88.)  -  35)  Ad.  Schmidt,  D.  Bücherzeichen  Joh.  Fischarts  in  d.  Grossherzogl. 
Hoibibl.  zu  Darmstadt:  QBllHVHessen.  14,  S.  474/6.  (Vgl.  JBL  1893  I  3:233.)-  36)  A.  Eng  lort,  Z.  Bibliogr.  d.  Fischarischen 
Bienenkorbes:  Alemannia  22,  S.  48-53.    —    37)  A.  Hauffen,  D.  Quellen  v.  Fischarts  Ehezuchtbüchlein:  ZDPh.  27,  S.  308-50. 

—  38)  J.  Nover,  D.  Faustsage  u.  ihre  poet  Gestaltung.  (=  SGWV.  N.201.)  Hamburg,  Verlagsanst.  45  S.  M.  0,80.  (Vgl.  I  11:21.1  - 
39)  X  C.  Kiesewetter,  Faust  in  der  Gesch.  u.  Trad.  (JBL.  1893  II  3:28.)  |[L.  Fr&nkel:  ASNS.  92,  S.  180,1;  WIDM.  75, 
S.  400.]|    -  40)  F.  Kluge,  Z.  Spiesschen  Fanstbuch:  ZVLR   7,  S.  111.  —  41)  (I  3:  154.)  —  42)  O.  Heuer,  Faust  in  Gesch., 


A.  Hauffen,  Epos  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  3  ■.  41-57 

desselben  Faustbuches  verzeichnet  Heuer41)  ein  bisher  unbekanntes  Breslauer 
Exemplar  o.  0.  u.  J.,  das  wahrscheinlich  einen  Abdruck  der  Ausgabe  von  1590  dar- 
stellt. Ausserdem  zeigt  er,  dass  das  Kopenhagener  und  das  Berliner  Exemplar  des 
gereimten  Faustbuches  (Tübingen  1588)  völlig  miteinander  übereinstimmen.  —  In 
hübscher  zusammenhängender  Darstellung  schildert  Heuer42)  die  reichhaltige 
Frankfurter  Faustausstellung  des  J.  1893  (JBL.  1893  III  3:8),  indem  er  diebemerkens- 
wertesten Gegenstände,  einzelne  historische  Faustzeugnisse,  Volksbücher  und  Lieder- 
drucke, einzelne  Zauberbücher,  die  aus  Fausts  Schule  stammen,  seltene  Drucke, 
Theaterzettel,  Bildwerke  zu  Faustdramen  besonders  hervorhebt.  — 

In  aller  Kürze  sei  noch  der  zahlreichen  Arbeiten  über  Chroniken  und 
Geschichtsschreiber  unseres  Zeitraumes  gedacht43).  In  die  Schweiz 
führen44)  uns  zwei  biographische  Artikel:  den  1589  geborenen  Solothurner  Staatsmann 
Hans  Jacob  von  Staal,  der  eine  Familienchronik  mit  genauen  Nachrichten  über  die 
eidgenössischen  Ereignisse  seiner  Zeit  hs.  hinterliess,  behandelt  Fäh45).  —  Dem 
Vater  der  schweizerischen  Geschichtsschreibung  Aegidius  Tschudi  widmet  Oechsli46) 
eine  ausführlichere  Darstellung,  indem  er  sowohl  dessen  bewegtes  politisches  Wirken 
im  Dienste  der  katholischen  Partei  der  Schweiz,  als  auch  dessen  reiche,  das  ganze 
Gebiet  der  Schweizer  Altertümer  und  Geschichte  umspannende  litterarische  Thätigkeit 
eingehend  würdigt.  — 

Auf  süddeutschem  Boden47)  sind  Joachimsohns48)  quellenkritische 
Untersuchungen  zur  städtischen  und  klösterlichen  Geschichtsschreibung  Augsburgs 
im  15.  Jh.  zu  nennen.  J.  charakterisiert  die  einzelnen  Chronisten,  besonders  Mülich, 
Burkard  Zink,  Wilhelm  Wittwer  und  deren  Beziehungen  zu  Meisterlin.481)  —  Die  geo- 
graphischen und  ortsgeschichtlichen  Arbeiten  über  Altbayern  im  16.,  17.  und  18.  Jh. 
würdigt  Grub  er49)  im  einzelnen:  Die  Kartographie,  die  Studien  über  die  Bodenform, 
die  Gewässer  des  Landes,  die  Pflege  der  Ortskunde,  Beobachtungen  über  das  alt- 
bayerische  Volk  und  seine  Eigenart.  In  den  beiden  letzten  Kapiteln  sind  besonders 
Westenrieders  Arbeiten  über  München  und  die  Münchener  berücksichtigt.  — 

Mehrere  Beiträge  wurden  zur  österreichischen  Geschichtsschreibung50"51) 
veröffentlicht.  In  dem  umfangreichen  (an  der  Wiener  Hofbibliothek  aufbewahrten) 
hs.  Nachlass  des  Wolfgang  Lazius  hat  Michael  Mayr52)  den  Plan  einer  grossen, 
aus  den  Quellen  gearbeiteten  Geschichte  Oesterreichs  von  ihren  Anfängen  bis  auf  die 
Epoche  des  Vf.  als  den  Mittelpunkt  der  ganzen  vielgestaltigen  Schriftst ellerei  des 
Wiener  Humanisten  entdeckt.  Diese  sorgfältige  kritische  Untersuchung  gewährt 
auch  dem  Literaturhistoriker  die  Gelegenheit  zu  mannigfacher  Ausbeute.  —  Drei 
Historikern  aus  der  Umgebung  des  Kaisers  Maximilian  I.  wurden  biographische 
Artikel  gewidmet.  Max  Treitz-Sauerwein,  den  Geheimschreiber  und  Mitarbeiter  an 
den  Schriften  des  Kaisers,  schildert  von  L  i  li  e  n  er  0  n53),  indem  er  besonders  aus- 
führlich Treitz  Anteil  an  dem  „WTeisskunig",  dieser  wichtigsten  autobiographischen 
Arbeit  Maximilians,  darlegt.  Der  erste  Teil  (die  Vorgeschichte:  Friedrichs  III.  Ver- 
mählung und  Krönung)  sowie  der  zwTeite  Teil  (Maximilians  Jugendzeit  und  Vermählung) 
rühren  wahrscheinlich  im  wesentlichen  von  Treitz  her;  der  dritte  Teil  (Maximilians 
Kriegsfahrten)  ist  nach  dessen  eigenen  fragmentarischen  Erzählungen  und  Diktaten 
von  Treitz  redigiert,  jedoch  nicht  abgeschlossen  worden.  —  Den  Hofkaplan 
des  Kaisers,  den  1513  verstorbenen  Ladislas  von  Suntheim,  der  u.  a.  geo- 
graphische Darstellungen  österreichischer  und  süddeutscher  Länder  mit  wichtigen 
Nachrichten  zur  alten  Wirtschaftsgeschichte  und  Topographie  veröffentlicht  hat, 
charakterisiert  von  Heyd54);  den  Ehrenhold  Karls  V.,  Kaspar  Sturm,  der  nach 
einem  Ausspruch  Maximilians  den  satirischen  Versuch  „Die  vier  namhaftesten 
Königreiche"  (Frankfurt  1538)  unternahm,  behandelt  Roethe55)  in  einer  knappen 
Skizze.  — 

Aus  Mitteldeutschland56)  ist  die  eingehende  Besprechung  der  Zwickauer 
Annalen  des  Matthäus  Winter  durch  Klotz57)  anzuführen.  Nach  vereinzelten  Angaben 
älteren  Datums  gewährt  sie  regelmässigen  Bericht  für  die  J.  1590—1640  (abgesehen 


Sage  u.  Dichtung :BFDH.  10,  S.39*-52*.  (Vgl.  111: 22.1  —  43)  XA.Hegler,  Geist  n.  Schrift  hei  Seb.  Frank  (.TBL.  1893  II  3  :  62).  \[G. 
Kawerau:  GGA.  S.  76-30:  J.  H.  Maronier:  ThT.  N.  l.JI  —  44)  X  F-  J-  P0,it-  B-  reliS  Testament  d.  Chronisten  Barthol. 
Anhorn:  AnzSchwG.  S  89-92.  (Anfang  d.  17.  Jh.)  -  45)  F.  Fah,  H.  J.  v.  Staal:  ADB.  37,  S.  329-30.  —  46)  W.  Oechsli, 
Aeg.  Tschudi:  ib.  38,  S.  723-44.  —  47)  O  X  X  Th-  Ludwig,  D.  Konstanzer  Geschichtsschreibung  bis  z.  18.  Jh.  Strass- 
burg  i.  E,  Trübner.  VIII,  271  S.  M.  6,00.  —  48)  P.  Joachimsohn.  Z.  städt.  u.  klösterl  Geschichtsschreibung  Augsburgs 
im  15.  Jh. -.Alemannia  22,  S.  1-32, 123-59.  i[ZHVSchwaben  21,  S.181/2.]|  -  48a)X  W.Vogt.  D.  Augsb.  Chronik  d.Cl  Sender  bis  1512: 
ZHVSchwaben.  21, S.  149-64.  -49)Chrn.Grubor,D.  landeskundig  Erforsch.  Altbayerns  im  16.,  17. u.  18.  Jh.  (=  FDLV. 8.  Bd.. N  4.)  St., 
Engelhorn  77  S.  Mit  1  Karte.  M.3,00.  —50)  X  Eberh.  Windeck  u.  sein  Sigmundbuoh:  CBIBibl.  71,  S.  433-83.  —  50a)XJLosertn. 
Kleine  Beitrr.  z.  Gesch.  Eberh.  Wind»cks,  d.  Biographen  d.  Kaisers  Sigismund:  MVGDB.  32,  S.  18-24.  —  51)  X  M.  Klimesch,  Ge- 
schichtsschreiber d.  ehemal.  Cisterzienser-Stiftes  Goldenkron:  ib.  S.  158-70,256-72.  —  52)  Mich.  Mayr,  Wolfg.  Lacius  als  Geschichts- 
schreiber Oesterreichs.  E.  Beitr.  z.  Historiogr.  d.  16.  Jh.  Mit  Nachtrr.  z.  Biogr.  Innsbruck,  Wagner.  IV,  91  S.  M.  1,80. 
|[J.  Seemöller:  Euph.  1.  S.  153/5.]|  —  53)  B.  v.  Liliencron,  Max  Treitz-Sauerwein:  ADB.  33,  S.  559-62.  —  54)  W. 
v.  Heyd,  Ladislas  v.  Suntheim:  ib.  37,  S.  1612.  —  55)  G.  Roethe,  Casp.  Sturm:  ib.  S  41/2.  —  56)  X  Chrn.  Meyer,  Quellen 
z.  Gesch.  d.  Stadt  Hof   (JBL.  1893  II  3:85):    LCB1.    S.  1622.    —    57)    H.   Klotz,    D.    Zwickauer    Annalen    d.  Matth.  Winter: 


113:58-63  II4a:i-6     W.  Creizenach,  Drama  des  15./16.  Jahrhunderts. 

von  den  zwei  Lücken  1613 — 18  und  1624 — 26),  und  zwar  vor  allem  Familienereignisse, 
dann  aber  auch  kulturhistorisch  wertvolle  Nachrichten  über  städtische  Angelegenheiten, 
Gewerbe,  Marktverkehr,  Schützenfeste,  kirchliches  Leben,  Ortsgeschichte  usw.  — 

Aus  Norddeutschland58"60)  sei  hervorgehoben  F.  Schroeders61) 
Ausgabe  der  klevischen  Chronik  des  Johannes  Turck,  der  ("als  Fortsetzer  Gerts)  die 
Ereignisse  seiner  Heimat  von  1452  bis  zum  Aussterben  des  klevischen  Herzogshauses 
1609  erzählt.  Neben  Kleve  sind  auch  die  Nachbarländer  berücksichtigt.  Die  Be- 
nutzung und  Mitteilung  reichen  urkundlichen  Stoffes  macht  die  Chronik  wertvoll.  — 
Aus  dem  Mikrochronologikon  des  märkischen  Chronisten  Peter  Hafftiz  druckt 
Holtze62)  die  für  die  Berliner  Geschichte  von  1440—1597  reichenden  wertvollen 
Bestandteile  ab  und  versieht  sie  mit  Erläuterungen.  Neben  zahlreichen  Sagen  sei 
hervorgehoben  die  Geschichte  des  Rosshändlers  Kohlhase  (S.  34 — 42),  Hexen  in 
Berlin  (S.  51/2)  und  die  Berichte  über  des  bekannten  Alchymisten  Thurneysser 
Aufenthalt  in  Berlin  (S.  79— 83).63)  — 


11,4 

a)  Drama. 

Wilhelm  Creizenach. 

Zusammenfassende  Darstellungen  N.  1. —  Mittelalterliches  Drama:  einzelner  Landschaften  N  4;  Weihnachtsspiele 
N.  6;  Theophilusdraraa  N.  8;  geistliches  Drama  und  kirchliche  Kunst  N.  16.  —  Dialogische  Werke  N.  17.  —  Bühnengeschichte 
einzelner  Landschaften  und  Städte  N.  19.  —  Estherdramen  N.  24.  —  Dramatiker  des  16.  Jh.:  P.  Rebhun  N.  26;  A.  Seitz 
N.  28;  Joh.  Baumgart  N.  29;  Joh.  Kasser  N.  30;  Tob.  Stimmer  N.  31;  Joh.  Teckler,  B.  Thamni,  H.  Tilesius  N.  3t;  M.  Rinck- 
hart  N.  37.  —  Fortlehen  des  geistlichen  Volksdramas  N.  38.  — 

Eine  zusammenfassende  Darstellung  des  deutschen  Dramas  im 
späteren  Mittelalter  ist  in  dem  Berichtsjahre  nicht  versucht  worden,  doch  wurde  die 
Sammlung  mittelalterlicher  Spiele  von  Froning1)  (JBL.  1891  II  4:3)  und  der  erste 
Band  der  Geschichte  des  neueren  Dramas  von  Creizenach2)  (JBL.  1893  II  4:1) 
wiederholt  besprochen.3)  — 

Auch  zur  Geschichte  des  mittelalterlichen  Dramas  in  ein- 
zelnen Landschaften  oder  Städten  ist  nur  wenig  neues  Material  ans  Licht 
gezogen  worden.  Wackerneils4)  Aufsatz  über  die  altdeutschen  Passionsspiele 
in  Tirol  hat  den  Charakter  einer  vorläufigen  Mitteilung.  Der  Vf.  giebt  uns  einen 
Ueberblick  über  die  Tiroler  Passionshss.,  die  seit  seiner  bekannten  früheren  Publikation 
über  diesen  Gegenstand  (1887)  neu  entdeckt  wurden,  und  über  die  wir  Näheres 
erfahren  werden,  wenn  einmal  —  was  hoffentlich  recht  bald  der  Fall  sein  wird  — 
die  von  W.  schon  längst  geplante  Ausgabe  dieser  Spiele  erscheint.  Den  wichtigsten 
Zuwachs  bilden  ein  Bozener  Text,  ein  Sterzinger  Text  von  1551  sowie  ein  Text,  der 
sich  nach  Amerika  verirrt  hat,  und  über  den  Schmidt- Wartenberg  in  den  Publications 
of  the  Modern  Language  Association  (Baltimore  1890)  berichtete.  —  Dass  auch  in 
Bayreuth  zur  Zeit  des  ausgehenden  Mittelalters  das  geistliche  Drama  beliebt  war, 
ergiebt  sich  aus  dem  merkwürdigen  Requisitenverzeichnis,  das  B  r  u  n  c  o 5)  aus  den 
dortigen  Kirchenbaurechnungen  zum  ersten  Male  buchstabengetreu  veröffentlicht  hat. 
Es  werden  da  u.  a.  ein  Regenbogen,  sechs  Hüte  für  die  Teufel,  „drei  heidnische 
huett  dem  kaiser"  und  ein  Schwert  für  den  Apostel  Paulus  erwähnt. 

Die  „Beiträge  zur  Geschichte  der  deutschen  Weihnachtsspiel  e",  die 
Koppen6)  veröffentlicht  hat,  sind  von  sehr  ungleichem  Werte.  Das  erste  Kapitel, 
über  die  lateinischen  Weihnachtsdramen  ist  sowohl,  was  die  Litteraturkenntnis,  als 
auch  was  die  Arbeitsmethode  des  Vf.  betrifft,  durchaus  ungenügend.  Ergiebiger  ist 
Kap.  II,  worin  das  hessische  Weihnachtsspiel  mit  dem  Sterzinger  verglichen  wird, 
das  dem  Vf.  in  einer  Abschrift  Zing-erles  vorlag;  es  wird  gezeigt,    dass  beide  Spiele 


MAVZwickau.  4,  S.  97-121.  —  58)  O  X  E.  Runge,  D.  niederdtsch.  Bischofschronik  bis  1553.  (=  Osnabrücker  Geschichts- 
quellen. 2.  Bd.)  Osnabrück  (Rackhorst).  LXIV,  381  S  M.  10,00.  |[LCB1.  S.  1558/9.]|  —  59)  X  P-  Bahlmann,  Newe 
Zeitung  v.  d.  erschröcklichen  Wunderzeichen.  Münster.  l.")9">:  ZVtGWestf.  52,  S.  227/9.  —  60)  O  X  K-  Kopp- 
mann, Magister  Nik.  Rutze,  Vf.  d.  „Bokeken  von  dem  Repe":  BGRostnok.  S.  88/9.  —  61)  F.  Schroeder,  D.  Chronik  d.  Joh. 
Türck:  AHVNiederrh.  58,  S.  1-175.  -  62)  (I  3  :  177;  II  C:  227.)  -  63)  X  E-  G.  Schultheiss,  D.  Geographische  in  Hart- 
mann  Schcdels  Liber  chronicarum.    1493:   Globus  65,  S.  6-11,  27-32.     (Mit  5  Abbild,  u.  1  Karte.)  — 

1)  X  H.  Holstein:  ZDPh.  26.  S.  563/6;  J.  E.  Wackemell:  ÖLB1.  2,  S.  2389;  R.  Schneider:  COIRW.  21, 
S.  104/5.  -  2)  X  F.  V[ogt]:  LCB1.  S.  245/7;  K.  Dziatzko:  WSKPh.  S.  326/8 ;  St.  Graf  Tarnowski:  Przeglad  Polski  114, 
S.  392/9;  B.  Renier:  GSLIt,  24,  S.  436,9.  -  3)  X  E.  Montan us,  D.  ältesten  Volksschauspiele:  Didask.  *N.  85.  (Vgl. 
FränkKur.  N.  190.)  -  4)  J.  E.  Wackerneil,  D.  altdtsch.  Passionsspiele  in  Tirol.  Wien.  St.  Norbertus.  18  S.  M.  0,36.  — 
5)  W.  lirnnco,  Verteidigung  Wilh.  Holles  gegen  d.  Dr.  phil.  M.  Bendiner:    AGOberfranken.  19,  S.  25.    -    6)  (I  4:35.)    |fA. 


W.  Creizenach,  Drama  des  15./16.  Jahrhunderts.  II  4a  :  7-19 

miteinander  verwandt  sind  und  auf  eine  gemeinsame  Quelle  hindeuten.  In  Kap.  III 
sucht  der  Vf.  für  die  Weihnachtsspiele  von  St.  Gallen  und  Erlau  eine  gemeinsame 
lateinische  Grundlage  zu  rekonstruieren;  in  Kap.  IV  strebt  er  die  Einwirkung  eines 
verlorenen  Erlösungsspieles  auf  die  Weihnachtsspiele  des  Mittelalters  nachzuweisen, 
doch  sind  seine  Ausführungen  wenig  überzeugend.  Kap.  V  endlich  behandelt  Hans 
Sachsens  Christi  Geburtsspiel  in  seinem  Verhältnis  zum  volkstümlichen  Weihnachtsspiel 
(vgl.  II  4b  :86a).7)  — 

Die  französischen  Dramatisierungen  der  Theophilussage  hat 
ein  ausgezeichneter  Kenner  der  geistlichen  Litteratur,  Sepet8),  besprochen;  für  die 
deutsche  Literaturgeschichte  ist  die  von  ihm  aufgestellte  Meinung  von  Interesse,  dass 
der  niederdeutsche  Theophilus  auf  das  französische  Drama  zurückgehe,  das  1384  in 
Aunai  (Eure  et  Loire)  aufgeführt  wurde.  —  Dieser  Ansicht  ist  jedoch  Stroh  mayer9) 
entgegengetreten,  der  die  Abhängigkeit  des  deutschen  Theophilus  von  einem  französischen 
Vorbild  in  Abrede  stellt.  Doch  ist  es  ihm  nicht  vollkommen  gelungen,  die  für  ein 
französisches  Vorbild  sprechenden  Umstände  zu  entkräften.  Es  ist  doch  sehr  auffallend, 
dass  der  Helmstädter  Theophilus  ganz  wie  der  des  Rutebeuf  mit  einem  Monolog  des 
abgesetzten  Theophilus  beginnt,  und  dass  wie  in  den  französischen  Mirakeldramen 
eine  Predigt  in  extenso  in  das  Stück  eingefügt  ist,  durch  deren  Anhörung  Theophilus 
in  Reuegedanken  versinkt.  St.  vermutet,  ein  Passionspiel,  in  dem  Magdalena  durch 
eine  Predigt  bekehrt  wurde,  möge  vielleicht  den  Anlass  zu  dieser  Scene  gegeben 
haben.  Beachtenswerter  ist  eine  andere  Aufstellung  St.s;  er  bestreitet,  dass  die 
französischen  Judennamen  im  Trierer  Theophilus  etwas  für  den  französischen  Ursprung 
des  Stückes  bewiesen,  und  meint,  der  Dichter  könne  auf  diese  Namengebungen  sehr 
wohl  dadurch  gekommen  sein,  dass  im  14.  und  15.  Jh.  so  viele  aus  Frankreich  ver- 
triebene Juden  sich  in  den  Rheingegenden  aufhielten.  10~15)  — 

Einen  interessanten  Beitrag  zur  Geschichte  des  Verhältnisses  zwischen  dem 
geistlichen  Drama  und  der  kirchlichen  Kunst  enthält  Webers 16) 
Schrift  über  bildliche  Darstellungen  der  Kirche  und  Synagoge.  Mit  grosser 
Belesenheit  und  feinem  Spürsinn  hat  W.  ein  Material  von  erstaunlicher  Reichhaltigkeit 
zusammengebracht  und  einer  kritischen  Besprechung  unterzogen,  die  ihm  von  Seiten 
der  Kunsthistoriker  reichen  Beifall  eingetragen  hat.  Auch  der  Literaturhistoriker 
wird  in  W.s  Schrift  Belehrung  und  Anregung  finden  und  die  Tendenz  des  Vf.,  bei 
Uebereinstimmungen  zwischen  dem  geistlichen  Drama  und  der  bildenden  Kunst  das 
Drama  als  den  gebenden  und  die  Kunst  als  den  empfangenden  Teil  zu  betrachten, 
ist  gewiss  im  allgemeinen  berechtigt.  Doch  enthalten  gerade  seine  Ausführungen 
über  das  Drama  manches,  was  zum  Widerspruch  herausfordert,  so  namentlich  die 
Hypothese  (S.  35  ff.),  die  Streitscene  zwischen  Ecclesia  und  Synagoga  sei  schon  im 
10.  Jh.  in  den  Kirchen  vorgeführt  worden,  um  dem  Volke  einen  Ersatz  für  die  alt- 
hergebrachten Streitgedichte  zwischen  Frühling  und  Winter  zu  gewähren.  Auch  ist 
es  dem  Vf.  entgangen,  dass  für  die  Vorführung-  der  Synagoge  mit  verbundenen 
Augen  sich  schon  im  Tegernseer  Antichrist  ein  Beispiel  findet  (vgl.  Creizenach, 
Geschichte  des  neueren  Dramas  1,  S.  85).  — 

Schliesslich  seien  noch  zwei  dialogische  Werke  aus  der  Erbauungs- 
literatur flüchtig  erwähnt:  ein  Gespräch  zwischen  Gott  und  der  menschlichen  Seele, 
das  Roth17)  aus  einer  Hs.  des  15.  Jh  herausgegeben  hat,  und  die  Unterredung 
zwischen  dem  heiligen  Anseimus  und  der  Jungfrau  Maria,  von  der  ein  Aufsatz 
G  r  af  fu  n  der  s18)  handelt.  — 

Zur  Bühnengeschichte  einzelner  Landschaften  undStädte 
im  Reformationszeitalter  wären  nur  ein  paar  kurze  Notizen  zu  verzeichnen.  Aus  den 
Torgauer  Stadtrechnungen  ergiebt  sich,  wie  Taubert19)  mitteilt,  dass  im  J.  1535 
die  Darsteller  einer  Historie  von  Joseph  (deutsch  oder  lateinisch?)  ein  Fass  Bier 
erhielten.  1535  wurde  auch  Agricolas  bekannte  Tragödie  von  Johannes  Hus  in  der 
Nicolaikirche  aufgeführt,  die  schon  damals  keinen  kirchlichen  Zwecken  mehr  diente. 
Bei  einer  1549  vom  Schulrektor  geplanten  Terenzaufführung  ist  es  gleichfalls  zweifel- 
haft, ob  es  sich  um  das  Original  oder  um  eine  Uebersetzung  handelt.  Ausserdem 
bespricht  T.  eine  Plautusauffiihrung,  die    am    1.  Jan.    1553    veranstaltet   wurde    und 


Schlossar:  BLü.  1893,  8.  790.]|  —  7)  X  E.  Gehmlich,  D.  dtsch.  Weihnachtsspiel  d.  MA.:  LZg».  N.  154.  —  8)  M.  Sepet, 
Un  drarae  relig.  au  MA.:  Le  Miracle  de  Theophile.  Paris  (Retaux-Brayl.  33  S.  (Sonderabdr.  aus  RHMaine.)  —  9)  H.  Stroh- 
mayer: Romania  23,  S.  6017.  -  10)  X  K-  Drescher,  R.  Hange,  Dietr.  Schernberg  (JBL.  1891  n  4:8):  LBIGRPh.  14, 
S.  86/9.    —    11)  X  E.  Wasserzieher,  Carl  Schröder,  Redent.  Osterspiel  (JBL.  1893  II  4:4):  COIRW.  21,  S    57L  —   12)  X 

D.  Redentiner  Osterspiel  vom  J.  1464:  KonsMschr.  S.  337-51.  (Uebers  ins  Neuhochdtsch.)  —  13)  O  X  X  c-  Schumann, 
Z.  Redentiner  Osterspiel:  KBIVNiederdSpr.  17, S.  75/6.  -  14)  X  K-  Drescher,  T.  Mansholt,  D.  Künzelsaoer  Fronleichnamsspiel 
(JBL  1892  II  4:  12):  LBIGRPh.  15,  S.  293  4.  -15)  O  XX  A.  Kleinlcnecht,  6  dtsch.  Fronleichnamsspiele:  SchwäbKron.  N.  44. 
—  16)  P.  Weber,    Geistl.  Schauspiel    u.  bild.  Kunst    in    ihrem  Verhältnis    erläut    an   e.  Ikonographie  d.  Kirche  u.  Synagoge. 

E.  knnsthist  Stud.  Mit  10  Abbild,  in  L'chtdr.  u.  18  Textbild.  St.,  Ebner  &  Seubert.  152  S.  M.  4,00.  —  17)  fc  W.  E.  Roth, 
Mitteilungen  aus  Hss.  u.  alteren  Druckwerken:  ZDPh.  26.  S.  58,9.  —  18)  O  P.  Graffunder,  Z.  Anseimus:  JbVNiederdSpr.  19, 
S.  155-63.    —    19)    0     Taubert,    Torgauer    Theaterauffuhrangen    im    Reformationszeitalter.     Vortr.     Referat:    PAVTorgau.  7, 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  I '-.)•' 


II  4a  :  20-29  W.  Creizenach,  Drama  des  15./16.  Jahrhunderts. 

zwar  von  Studenten  der  Universität  Wittenberg-,  die  der  Pest  wegen  nach  Torgau 
verlegt  worden  war.  Vor  der  Komödie  spielte  man  eine  allegorische  Scene,  die 
1554  in  Wittenberg  im  Druck  erschien:  Pater  Albis  freut  sich  über  die  Eintracht 
der  beiden  Schwesterstädte  Leucoris  (Wittenberg)  und  Argelia  (Torgau).  —  Gelegentlich 
der  Aufführung  eines  Spiels  vom  reichen  Mann  und  Lazarus  durch  Bürgerin  Chur20) 
am  Sonntag  Laetare  1541  wird  in  den  Ratsprotokollen  ausdrücklich  bemerkt,  es  sei  „gar 
glücklichen  und  wol  gangen,  gar  niemandt  kein  schaden  nit  geschächen".21)  —  Von 
Gaedertz22)  Buch  über  das  niederdeutsche  Schauspiel  ist  eine  neue  Titelauflage 
erschienen.23)  — 

Durch  seine  Untersuchung  über  Esther  im  deutschen  und  lateinischen 
Drama  des  Reformationszeitalters  hat  Schwartz24)  die  Reihe  der  Abhandlungen 
vermehrt,  in  denen  die  Dramen  des  16.  Jh.  nach  stofflich  zusammengehörigen  Gruppen 
betrachtet  werden.  Etwa  ein  Viertelhundert  Dramen  sind  besprochen  und  zwar  nicht 
nach  der  chronologischen  Reihenfolge,  sondern  nach  ihrer  Abhängigkeit  von  den 
beiden  Dramen,  die  der  Vf.  als  die  in  erster  Linie  massgebenden  erweist,  nämlich 
der  „Hester"  des  Hans  Sachs  und  dem  „Hamanus"  des  Naogeorgus.  Der  Vf.  hat  nicht 
nur  mehrere  seltene  Drucke,  sondern  auch  interessantes  neues  hs.  Material  heran- 
gezogen, so  z.  B.  die  dialogischen  Inhaltsangaben,  die  bei  einer  Aufführung  von 
Naogeorgs  Haman  in  Zürich  1601  den  einzelnen  Akten  vorangestellt  wurden,  ferner 
eine  lateinische  Esthera  von  Fabronius  (160Q)  und  ein  Münchener  Jesuitendrama,  das 
vor  allem  deshalb  merkwürdig  ist,  weil  der  Dichter  das  Stück  des  protestantischen 
Streiters  Naogeorgus  ausgiebig  benutzte.  —  Unter  den  Besprechungen  der  Schwartz- 
schen  Abhandlung  sei  die  von  Singer25)  besonders  hervorgehoben.  Der  Vf.  be- 
richtigt ein  offenbares  Versehen  in  dem  Abdruck  der  erwähnten  dialogischen  Inhalts- 
angaben (Sylnang  lies  Sylvanus),  beschreibt  einen  auf  der  Züricher  Stadtbibliothek 
befindlichen  seltenen  Druck  des  Magdeburger  Estherspiels  von  Voith  aus  d.  J.  1537 
und  weist  darauf  hin,  dass  sich  zwischen  den  Estherspielen  des  Voith  und  des  Hans 
Sachs  einerseits  und  den  Estherscenen  im  französischen  „Mistere  du  viel  testament" 
andererseits  merkwürdige  Uebereinstimmungen  finden,  die  noch  eine  nähere  Be- 
trachtung verdienen    — 

Zahlreicher  sind  die  neuen  Mitteilungen  über  einzelne  hervorragende  Drama- 
tiker des  16.  Jh.  Fries26)  erörtert  die  Frage  nach  dem  Geburtsort  Paul  Rebhuns. 
Er  ist  geneigt,  der  Angabe  Schwindels  im  Thesaurus  bibliothecalis  Glauben  zu 
schenken,  wonach  Rebhun  in  der  österreichischen  Stadt  Waidhofen  an  der  Ibs  ge- 
boren wurde.  Wie  F.  mit  Recht  hervorhebt,  kann  es  nur  zur  Bestätigung  dieser 
Angabe  dienen,  dass  Rebhuns  Bruder  in  der  Wittenberger  Matrikel  1542  als  „Joannes 
Perdix  Austriacus"  bezeichnet  wird.  Ausserdem  gelang  es  F.,  die  Existenz  einer 
Familie  Rebhun  in  Waidhofen  im  16.  Jh.  urkundlich  nachzuweisen.  Im  Zusammen- 
hang" mit  diesen  Mitteilungen  berichtet  er  über  die  lutherischen  Sympathien  der 
Bewohner  dieser  gewerbfleissigen  Stadt  und  über  die  auffallend  zahlreichen  Waid- 
hofener,  die  im   16.  Jh.  in  Wittenberg  studierten.27)  — 

Ueber  die  „Tragedi"  des  Alexander  Seitz  (Strassburg  1 540)  berichtet  B  ölte28) 
und  vervollständigt  damit  das  Bild,  das  Linder  von  diesem  merkwürdigen  Mann 
entworfen  hat.  Mit  Recht  bezeichnet  B.  es  als  einen  Beweis  der  geistigen  Frische 
des  alten  Mannes,  dass  er  sich  noch  die  neue  Form  des  biblischen  Dramas  aneignete, 
über  deren  Vorzüge  er  sich  in  der  Vorrede  verbreitet.  Sehr  charakteristisch  ist  auch 
die  ausführliche  Anweisung  zur  Inscenierung,  wo  u.  a.  die  Kostüme  und  die  An- 
ordnung des  feierlichen  Zuges  der  Darsteller  zum  Schauplatz  genau  vorgeschrieben 
werden.  Das  Stück  selbst  ist  eine  Verbindung  der  Parabeln  vom  grossen  Abendmahl 
und  von  den  klugen  und  thörichten  Jungfrauen.  Unter  denen,  die  sich  zum  Mahl 
begeben,  befinden  sich  auch  die  Kaiser  Julianus  und  Trajanüs;  ihre  Unterredungen 
mit  den  Aposteln  am  Himmelsthor  bilden  den  eigentlichen  Kern  des  Ganzen.  — 

Dem  „Gericht  Salomonis"  (1561)  von  Johann  Baumgart,  Pfarrer  in  Magde- 
burg, einem  sehr  dürftigen  und  weitschweifigen  Machwerk,  sucht  W.  Kawerau25*) 
dadurch  einiges  Interesse  abzugewinnen,  dass  er  es  als  ein  typisches  Erzeugnis  der 
damaligen  Schuldramatik  betrachtet  und  mit  anderen  Dramatisierungen  des  nämlichen 
Stoffes  vergleicht,    wobei  jedoch  die  auswärtigen  Dramen   und  auch  die  lateinischen 


S.  30.  —  20)  F.  J.,  Schauspielaufführung  in  Chur:  AnzSchwG.  S.  95.  —  21)  X  J-  Baechtold,  Schweiz.  Schauspiele  d.  16.  Jh. 
(JBL.  1893  II  4:  11.)  |[W.  C(reizenach):  LCB1.  S.  89;  F.  Pfaff:  Alemannia  22,  S.  92;  R.  Seuffert:  GGA.  S.  839-40.]| 
—  22)  K.  Th.  Gaedertz,  D.  nioderdtsch  Schauspiel.  Z.  Kulturleben  Hamburgs.  2  Bde.  Neue,  um  2  V  orw.  verm.  Ausg. 
Hamburg,  Verlagsanst.  XVIII,  258  S.;  XXXI,  286  S.  M.  8,00.  |[L.  Fränkel:  ASNS.  93,  S.  171/3.])  (Vgl  1114:18.)  — 
23)  X  F.  Leist,  Gesch.  d.  Theaters  in  Bamberg  (JBL.  1893  III  4:  29):  BHVBamberg.  N.  55  (278  SA  (Enth.  nichts  Bemerkens- 
wertes für  d.  altere  Zeit.)  —  24)  Und.  Schwartz,  Esther  im  dtsch.  u.  neulat.  Drama  (JBL  1893  I  10:35'.  Oldenburg  u.  L., 
Schulze.  VII,  276  S.  M.  4,00.  ||W.  C(reizenach):  LCB1.  S.  899-900;  R.  Friedrich:  BLU.  S.  663,4  J|  -  25)  S.Singer, 
Ueber  N.  24:  Bundl'.  S.  255/6.  —  26)  G.  Fries,  War  P.  Rebhun,  d.  erste  dtsch.  Kunstdramatiker,  aus  Waidhofen  an  d.  Ibs 
gebürtig?:  BVLNiederöstcrr.  28,  S.  311-32.  —  27)  O  X  X  w-  Kawerau,  J.  Greff  in  Magdebnrg:  GBUMagdeburg.  29, 
S.  154-77.  -  28)  J.  Bolte,    E.  protest.  Moralitiit  t.  Alex.  Seitz:  ZDPh.  26,  S.  71/7.    —    29)  W.  Kawerau,    Joh.  Baumgarts 


W.  Creizenach,  Drama  des  15./ 16.  Jahrhunderts.  II  4a  :  30  38 

Dramen  Birks  und  Evrards  unberücksichtigt  bleiben.  Das  Merkwürdigste  an  dem 
Stück  sind  die  von  der  Haupthandlung  unabhängigen  Kontrastscenen,  in  denen 
uns  bestechliche,  thörichte  und  feige  Richter  vorgeführt  werden;  der  Vf.  zeigt  ein- 
gehend, wie  in  diesen  satirischen  Scenen  charakteristische  Tendenzen  jener  Zeit  zum 
Ausdruck  kommen.  Was  die  unflätigen  Derbheiten  Baumgarts  betrifft,  so  sucht 
Janssen  gegenüber  K.  die  mildernden  Umstände  hervorzuheben.  — 

Johann  Rassers  Spiel  von  der  Rinderzucht,  das  1573  zu  Ensisheim  im 
Elsass  aufgeführt  und  1574  gedrückt  wurde,  galt  bisher  für  verschollen.  Jetzt  ist 
dieses  Spiel  in  der  Baseler  Universitätsbibliothek  auf  eine  eigentümliche  Weise  ans 
Licht  gezognen  worden.  Es  hat  nämlich  gegen  Ende  des  16.  Jh.  ein  Buchbinder  eine 
Anzahl  Exemplare  —  offenbar  als  Makulatur  —  erworben  und  daraus  durch  Auf- 
einanderkleben  der  Blätter  sich  einen  Ersatz  für  Pappdeckel  zum  Einbinden  von 
Büchern  hergestellt.  Nun  ist  es  gelungen,  die  einzelnen  Blätter  aus  einem  solchen 
Einband  loszulösen  und  auf  diese  Weise  ein  Exemplar  herzustellen,  über  dessen  In- 
halt Binz30)  lehrreich  berichtet.  Zunächst  stellt  er  fest,  dass  der  Dichter  ein  guter 
Katholik  und  Pfarrer  in  Ensisheim  war,  in  einer  gereimten  Vorrede  erzählt  er  von 
seinen  Predigten  über  das  Thema  der  Kinderzucht.  Die  Grundidee  des  Spieles  ist 
nicht  neu;  die  Hauptpersonen  sind  das  fromme  Hänslein,  das  von  seinen  Eltern  zur 
Schule  geschickt  wird,  dann  die  Universität  bezieht  und  endlich  den  Posten  eines 
königlichen  Rates  erhält;  ihm  gegenübersteht  der  böse  Knabe  Aleator,  der  von  seiner 
Mutter  verhätschelt  wird  und  als  Dieb  am  Galgen  endigt.  Der  Jude  Ulman,  der  ihn 
zum  Diebstahl  verführt  hat,  wird  gleichfalls  aufgehängt;  zum  Schluss  des  Stückes 
holt  ihn  der  Teufel  vom  Galgen  herunter.  Die  Aufführung  nahm  zwei  Tage  in  An- 
spruch, das  Personenverzeichnis  umfasst  113  Nummern.  Die  Handhabung  der  dra- 
matischen Form  ist  die  zu  jener  Zeit  in  der  Schweiz  und  im  Elsass  übliche;  die 
Gerichtsverhandlung  wird  besonders  ausführlich  dargestellt.  — 

Die  Quelle  von  Tobias  Stimmers  „Comedia"  (1580)  hat  Bolte31)  in  einer 
Fabel  des  Burkhard  Waldis  nachgewiesen;  für  ein  bei  Stimmer  vorhandenes  komisches 
Motiv,  das  bei  Waldis  fehlt,  vermutet  der  Vf.  direkte  oder  indirekte  Entlehnung  aus 
einer  italienischen  Komödie.32"33)  — 

Die  wichtigsten  Daten  aus  dem  Leben  Johannes  Tecklers  hat  Bolte34) 
festgestellt;  er  hat  dessen  Schauspiel  „König  üauids  und  Michols  Heyrat  und  Hoch- 
zeit41 (1572)  kurz  charakterisiert.  —  Holstein35"36)  berichtet  über  Balthasar 
Thamms  Spiel  von  der  Märtyrerin  Dorothea  (1594)  und  über  das  Leben  des 
Hieronymus  Tilesius  (gest.  1566),  eines  eifrigen  Vorkämpfers  der  Reformation,  dem 
wir  bekanntlich  die  Erhaltung  von  Schernbergs  Spiel  von  Frau  Jutten  verdanken.  — 
Die  Reformationsdramen  Martin  Rinckharts  werden  in  einer  Dissertation 
von  Michael37)  ausführlich  besprochen.  Er  analysiert  den  Inhalt  dieser  Dramen 
und  weist  nach,  dass  Rinckhart  im  „Indulgentiarius  confusus"  sich  an  Andreas  Hart- 
manns Curriculum  vitae  Lutheri  sklavisch  anschloss,  dass  er  jedoch  daneben  auch 
manches  aus  der  gleichfalls  auf  Hartmann  beruhenden  Tetzelocramia  Kielmanns  ent- 
lehnte. Alsdann  wird  die  dramatische  Technik  Rinckharts  sehr  eingehend  und  ver- 
ständig erörtert;  allerdings  würde  dieser  Abschnitt  noch  mehr  gewonnen  haben,  wenn 
der  Vf.  auch  die  Praxis  anderer  zeitgenössischer  Dramatiker  in  ausgedehnterem  Masse 
zur  Vergleichung  herangezogen  hätte.  Besondere  Erwähnung  verdient  die  Kritik  der 
episodischen  Situationsbilder,  in  denen  Rinckhart  noch  am  ehesten  etwas  von  eigen- 
artiger dramatischer  Begabung  zeigt,  sodann  die  Besprechung  der  scenischen  An- 
weisungen, die,  wie  der  Vf.  mit  Recht  hervorhebt,  uns  interessante  Einblicke  in  das 
Bühnenwesen  jener  Zeit  gewähren.  Auch  sucht  er  festzustellen,  inwieweit  Rinckhart, 
der  im  grossen  und  ganzen  auf  dem  Boden  der  Dramatik  des  16.  Jh.  steht,  durch  die 
mitten  in  seine  Laufbahn  fallende  Opitzsche  Reformbeweg-ung  beeinflusst  wurde.  — 
Um  das  Fortleben  des  geistlichen  Volksdramas  in  Luzern  wusste 
man  seit  längerer  Zeit.  Es  gedieh  dort  fröhlich  noch  bis  in  das  17.  Jh.  hinein. 
Brand  stet  ter38),  dem  wir  schon  mehrere  hübsche  Mitteilungen  über  diese  Spiele 
verdanken,  berichtet  jetzt  ausführlich  über  „die  Aufführung  eines  Luzerner  Osterspiels 
im  16. — 17.  Jh.,  teilweise  nach  neu  aufgefundenen  Quellen",  die  leider  nicht  genauer 
bezeichnet  sind.  Er  bietet  uns  damit  einen  höchst  anziehenden  und  vergnüglichen 
Beitrag  zur  Geschichte  des  Volksdramas.  Die  Aufführung  umfasste  den  ganzen  Zeit- 
raum von  der  Schöpfung  bis  zur  Ausgiessung  des  heiligen  Geistes  und  nahm  zwei 
Tage  in  Anspruch.     Nicht  nur  die  dramatische  Technik,  sondern  auch  der  Inhalt  ist 


Gericht  Salornoais:  VLG.  6,  S.  1-36.  —  30)  G.  Binz,  Joh.  Rassers  Spiel  v.  d.  Kinderzucht :  ZDPh.  26,  S.  480-93.  (A.  S(chul  te): 
ZGORh.  9,  S.  192.]!  (Vgl.  II  5:35.)  —  31)  J.  Bolte,  D.  Quelle  v.  Tob.  Stimmers  „Comedie"  1580:  Euph.  1,  S.  52  7.  - 
32)  X  A.  Licht  enheld,  H.  Kluibenschedl,  Erzherz.  Ferdinand  II.  v.  Tirol  als  Schauspieldichter  (JBL.  1S91  114:37): 
ZUG.  44,  S.  1801.  (Rahmt,  dass  K.  gezeigt  habe,  wie  d.  „Speculuiu  vitae  humanae"  aus  d  Individ.  d.  Vf.  entsprungen  sei.) 
—  33)  X  W.  Saliger,  F.  Spengler,  Mart.  Bohemns  (JBL.  1S93  II  4:31):  Gymn.  12,  S.  8301.  —  34)  J.  Bolto,  J.  Teckler: 
ADB.  37,  S.  5256.  —  35)  H.  Holstein,  B.  Thamni:  ib.  S.  6501.   -  36)  id.,  H.  Tilesius:  ib.  38,  S  298      -  37)  E.Michael, 

(2)5* 


II  4a  :  38-39    II  4b  :  1-7  K.  Drescher,  Hans  Sachs. 

noch  ganz  und  gar  mittelalterlich.  Ueberall  zeigen  sich  Analogien  zu  den  erhaltenen 
Spielen,  so  namentlich  in  den  Passion sscenen  und  in  den  Magdalenenscenen,  auch 
kommen  Scenen  vor,  die  sonst  nicht  in  deutschen,  sondern  nur  in  ausländischen 
geistlichen  Dramen  nachweisbar  sind,  z.  B.  das  Gespräch  der  Philosophen  während 
der  Sonnenfinsternis  am  Tage  der  Kreuzigung.  Für  besondere  scenische  Effekte,  z.  B. 
für  den  Mannaregen,  sind  ausführliche  Anweisungen  gegeben;  der  Riese  Goliath  trägt 
über  seinem  wirklichen  Kopf  einen  papierenen,  den  ihm  David  abschlägt.  In  diesen 
Bühnenanweisungen,  die  auch  durch  Situationspläne  verdeutlicht  sind,  ist  manches 
enthalten,  was  unbedenklich  für  die  Erkenntnis  des  mittelalterlichen  Bühnenwesens 
verwendet  werden  kann.  Selbstverständlich  wurde  die  möglichste  Naturtreue  an- 
gestrebt; nicht  nur  bei  der  Ermordung  Abels,  sondern  auch  bei  der  Beschneidung 
Christi  musste  es  so  aussehen,  als  ob  wirklich  Blut  flösse.  Es  wird  berichtet,  dass 
„die  Spectanten,  nit  nur  die  Katholischen,  sunder  ouch  die  vnkatholischen"  höchlich 
erbaut  waren,  und  dass  der  Rat  der  Stadt  jedem  der  Auswärtigen,  die  bei  dem  Spiele 
mitwirkten,  ein  paar  Hosen  in  den  Farben  der  Stadt,  blau  und  weiss,  verehrte.  — 
Wer  den  interessanten  Aufsatz  nicht  einsehen  kann,  dem  wird  der  Auszug  von  Foss39) 
gewiss  sehr  willkommen  sein.  — 


b)  Hans  Sachs. 

Karl  Drescher. 

Ausgaben  und  Neudrucke  N.  1.  —  Handschriften  N.  9.  —  Biographien  N.  11.  —  Feier  des  400jährigen  Geburts- 
tages: Festaufsätze  und  -aufführungen  N.  15;  Ausstellungen  N.  53;  Feier  in  Nürnberg  N.  56;  Festschriften  N.  60.  —  Ein- 
zelnes: Uebersichten  N.  66;  Stoffliche  Untersuchungen  N  68;  Textgeschichte  N.  76;  Meisterlieder  und  Schwanke  N.  80:  Drama 
N.  85;  Sprache  N.  87;  äussere  Lebensumstände  und  Zeitgenossen  N.  90;  Verhältnis  zur  Information  N.  92:  Nachfolger  und 
Nachleben  N.  94.  —  Hans  Sachs-Dichtungen  N.  105.  — 

Das  laufende  Berichtsjahr,  durch  den  400jährigen  Geburtstag  zugleich  ein 
Jubiläumsjahr  für  unseren  Dichter,  brachte  zunächst  die  Fortsetzung  begonnener  Hans 
Sachs- A  usgaben  und  -Neudrucke.  Goetze1)  veröffentlichte  den  22.  Band 
der  Tübinger  Gesamtedition.  Der  Neudruck  der  fünf  Foliobände  war  mit  dem 
21.  Bande  1892  nach  zweiundzwanzigjähriger  Arbeit  zu  Ende  geführt  worden;  der 
vorliegende  Band,  dem  noch  ein  zweiter  nebst  einem  Registerband  sich  anschliessen 
wird,  enthält:  1.  alle  die  Werke  von  Hans  Sachs,  die  bei  seinen  Lebzeiten  zwar 
gedruckt,  aber  nicht  in  die  Nürnberger  Folioausgabe  aufgenommen  wurden;  2.  die 
Dichtungen,  die  entweder  überhaupt  noch  ungedruckt  oder  nur  vereinzelt  aus  den 
Hss.  veröffentlicht  sind,  so  dass,  dank  der  unermüdlichen  Thätigkeit  G.s,  auch  der 
nicht  in  die  Folioausgabe  übergegangene  und  darum  bisher  schwer  zugängliche  Teil 
der  Hans  Sachsischen  Poesie  jetzt  als  wissenschaftliches  Material  der  allgemeinen 
Forschung  gewonnen  ist.  —  Desgleichen  folgte  dem  im  vorigen  Berichtsjahre  er- 
schienenen ersten  Bande  (JBL.  1893  II  3 :  20)'2)  der  zweite,  abschliessende  Band  der 
von  Goetze3)  herausgegebenen  Sondersammlung  der  Hans  Sachsischen  Fabeln  und 
Schwanke  in  Spruchgedichtform.  Der  Text  beruht  auf  den  Originalhss.,  wo  diese 
nicht  mehr  vorhanden,  auf  Einzeldrucken  und,  wo  auch  diese  versagten,  auf  der  Folio; 
beigefügt  sind  reiche  litterarische  Nachweise  sowie  Nachträge  zum  ersten  Bande. 
So  steht  auch  dieses  bei  Hans  Sachs  besonders  interessante  Dichtungsgebiet  jetzt 
stofflich  und  textlich  in  möglichst  ursprünglicher  Form  der  Forschung  offen.4) 
—  Die  sonst  noch  erschienenen  Neudrucke  einzelner  Dichtungen  sind  mehr  populären 
Charakters  und  schon  durch  das  Hans  Sachsjubiläum  veranlasst.  Von  den  beiden 
Heftchen  der  Meyerschen  Sammlung5"6),  beide  mutatis  mutandis  mit  der  gleichen 
Vorrede,  enthält  das  eine  drei  Fastnachtspiele  („Heiss  Eisen",  „Narrenschneiden", 
„Tote  Mann"),  das  zweite  zwanzig  ausgewählte  Spruchgedichte.  Die  modernisierte 
Form  entfernt  sich  weiter,  als  in  der  Vorrede  behauptet  wird,  von  dem  Originaltexte; 
denn  durch  die  Aenderungen  ist  die  festgelegte  Silbenzahl  des  Hans  Sachsischen 
Verses  gestört,  und  wir  lesen  einen  freien  Knittelvers  nach  Goetheschem  Muster.  — 
Umgekehrt  hat  Burchard7),  der  die  Fastnachtspiele  „Frau  Wahrheit  will  niemand 


M.  Rinckhart    als  Dramatiker.     Diss.     Leipzig.     82  S.    —   38)    E.    Brandstetter,    D.   Aufführung    e.  Luzerner   Osterspiels: 
GFröO.  48,  S.  277-336.  —  39)  ß.  Foss,  E.  Luzerner  Osterspiel:  ZDU.  8,  S.  244-50.  — 

1)  Hans  Sachs.  Her.  v.  A.  v.  Keller  u.  E.  Goetze.  (JBL.  1892  II  4:36.)  Bd.  22.  Her.  v.  E.  Goetze.  (=  BLVSt. 
N.  201.)  Tübingen,  Selbstverl.  d.  Ver.  572  S.  (Nur  für  Mitglieder.)  —  2)  X  R-  Gen6e,  Z.  Hans  Sachs-Forsohung  u. 
-Litteratur:  NatZg.  1893,  N.  579.  —  3)  (II  3:22.)  |[A.  v.  Weilen:  ZOG.  45,  S.  786/7;  RCr.  38,  S.  208.] |  -  4)  X  (=  JBL.  1893 
1  10:28.)  —  5)  H.  Sachs,  Drei  Fastnachtsspiele.  (=  Meyers  Volksbücher  N.  1073.)  L.,  Bibliogr.  Inst.  50  S.  M.  0,10.  — 
6)  id.,   Ausgew.  Gedichte.    (=  ebda.   N.  1074/5.)     108  S.    M.  0,20.     |[H.  C.  K.:   LZg».  N.  132.JI    —    7)   G.  Burchard,   Hans 


K.  Drescher,  Hans  Sachs.  II  4b  :  8-u 

beherbergen"  und  den  „Fahrend  Schüler  im  Paradies",  sowie  die  „Tragödie  von  der 
Lisabethe"  bearbeitete,  den  Charakter  des  Hans  Sachsischen  Verses  besser  gewahrt; 
doch  hat  seine  mehr  glättende  Bearbeitung  trotz  entschieden  hervortretenden 
Formtalentes  manches  Frische,  Urwüchsige  aus  dem  Original  entfernt.  — 
Den  Lobspruch  der  Stadt  Salzburg  giebt  Hau  eis8)  nach  einem  Facsimile 
der  Hs.  mit  litterarischen  und  historischen  Erläuterung*en  heraus.  Hervorzuheben 
ist  der  wohl  gelungene  Nachweis,  dass  die  Einkleidung  des  Gedichts  nicht  bloss 
eine  poetische  Fiktion  ist,  sondern  Lebensumstände  des  Salzburger  Druckers  Hans 
Baumann  enthält.  Diese  Beobachtung  ist  für  die  Beurteilung  der  Einkleidung  anderer 
Gedichte  von  Wert.  Falsch  gelesen  ist  Vers  112  guonst:  Kuonst,  für  guenst:  Kuenst; 
die  erste  Form  ist  sprachlich  unhaltbar  und  findet  sich  nie  bei  Hans  Sachs.  — 

Auch  Handschriften  des  Dichters  sind  wieder  neu  aufgefunden  worden. 
Mummenhoff9)  stellte  fest,  dass  die  auf  der  Nürnberg-er  Stadtbibliothek  befind- 
liche, unter  dem  Namen  des  Schlossergesellen  Paul  (richtig  Barthel)  Weber  gehende 
Meisterliederhs.  bis  auf  das  letzte  Gedicht  Ms.  des  Hans  Sachs  sei,  für  Barthel 
Weber  g*eschrieben.  Sie  enthält  bis  auf  zwei  auch  ausschliesslich  Meisterlieder  des 
Hans  Sachs,  darunter  40  aus  verlorenen  Meistergesangbüchern.  Die  Original-An- 
kündigung dieses  erfreulichen  Fundes  durch  den  Finder  hätte  aber  einen  besseren 
Platz  verdient,  als  eine  belletristische  Zeitschrift  in  diesem  Falle  zu  bieten  vermag.  — 
Ferner  fand  Goetze10]  in  Weimar  ein  die  J.  1555 — 61  umfassendes  Protokollbuch 
der  Nürnberger  Singschule,  das  Hans  Sachs  in  seiner  Thätigkeit  als  Merker  auf- 
gezeichnet hatte.  Es  enthält  für  jede  Singschule  die  Angabe  ihres  Datums,  die 
Namen  der  Singer,  die  von  ihnen  gesungenen  Töne,  den  Anfangsvers  jedes  Liedes, 
die  Namen  der  Gewinner,  ihre  Preise,  die  Höhe  des  übrig  gebliebenen  Schulgeldes. 
Bloss  einiges  aus  den  reichhaltigen  Aufschlüssen,  die  jener  Fund  zu  geben  im  stände 
ist,  hat  G.  selbst  hervorgehoben;  er  weist  nur  hin  auf  den  beherrschenden  Einfluss, 
den  die  Hans  Sachsische  Dichtung  auf  die  Wahl  der  damals  an  der  Singschule  vor- 
getragenen Lieder  hatte,  und  auf  die  glückliche  Art,  wie  sich  diese  Singprotokolle 
mit  den  Ratsverlässen  über  die  Theateraufführungen  der  Meistersinger  (vgl.  V. Michels : 
VLG.  3,  S.  34— 42)  ergänzen,  das  Weitere  jüngerer  Forschung  überlassend.  — 

Auch  Hans  Sachs biographien  sind  durch  das  bevorstehende  Jubiläum 
angeregt.11)  Als  erste,  sogar  noch  rechtzeitig  zum  Weihnachtsfeste  1893,  erschien 
Gene  es12)  weitangelegtes  Buch,  das  wissenschaftlichen  Anspruch  erhebt  und  daher 
auch  mit  wissenschaftlichem  Massstab  zu  messen  ist.  Der  Vf.  wollte  zugleich  ein 
Kultur-  und  ein  Lebensbild  aus  der  Zeit  der  Reformation  geben,  weil  er  aber  zu  viel 
gewollt,  ist  er  mit  seiner  Absicht  gescheitert.  Keiner  der  beiden  Teile  seiner  selbst- 
gestellten Aufgabe  ist  auch  nur  annähernd  erschöpfend  behandelt,  sie  drücken  und 
stören  einander,  statt  sich  entsprechend  zu  ergänzen.  Bei  dem  „Kulturbilde"  tritt 
das  kunsthistorische  Element  viel  zu  einseitig  hervor,  bei  dem  „Lebensbilde"  gelangt 
G.  in  keiner  Weise  über  schon  vorher  Gangbares  hinaus.  Im  Einzelnen  sind  G.s 
Angaben  vielfach  unrichtig  (vgl.  z.  B.  die  Ausführungen  über  die  Versammlungsorte 
der  Meistersinger  S.  109,  die  Bemerkungen  über  die  Fastnachtsspiele  S.  335,  343  usw.). 
Am  schlimmsten  aber  ist  es  bestellt  mit  G.s  Lesungen,  die  ungenügende  Sprach- 
kenntnis zeigen,  der  „buchstabengetreue"  Abdruck  des  „Wunder barlich  träum  etc." 
(S.  434/9)  wimmelt  von  Fehlern.  Das  Beste  an  dem  Buche  sind  die  zahlreichen 
Illustrationen,  von  denen  G.  selbst  verschiedene  geliefert  hat.  Sie  geben  dem  Ganzen 
ein  gefälliges  Aussehen;  dazu  ist  die  Darstellung  gerne  mit  kleinen  anekdotenhaften 
—  wenn  auch  unhistorischen  —  Zügen  verbrämt.  Beides  gefällt  aber  dem  grossen 
Publikum,  und  so  kommt  es,  dass  hier  die  Aufnahme  günstig  war,  während  die 
Fachkreise  sich  ablehnend  verhielten.—  Eine  populäre  Darstellung  verfasste  Mummen- 
hoff13) gemäss  einem  Auftrage  der  Stadt  Nürnberg.  Der  Zweck  dieser  liebenswürdigen 
Arbeit  wird  durch  die  fassliche  und  doch  gediegene  Darstellung,  durch  die  gut  ge- 
wählten Illustrationen  und  den  billigen  Preis  vollkommen  erreicht.  —  Auch  die 
Schrift  von  Schumann14)  erfüllt  ihren  Zweck,  wenn  sie  auch  hinter  der  eben  ge- 
nannten bedeutend  zurücksteht.  — 


Sachs-Dramen  nebst  e.  Festspiel.  B.,  Fontane  &  Cie.  77  S.  M.  1,00.  —  8)  (II  3:26.)  —  9i  F.  Mummenhoff,  E.  wieder- 
entdeckter Hans  Sachs-Codex:  SchorersFamilienbl.  15,  S.  44/5.  (Vgl.  auch  AKünstlerSchriftstZg.  1S93,  S.  140;  FränkKur.  1893, 
N.446  [nach  d.  t.  Mnmmenhoff  d.  Stadtmagistrat  zu  Nürnberg  eingereichten  Gutachten].)  —  10)  (II  2:26.)  —  11)  X  V.  Kiy, 
Hans  Sachs.  Sein  Leben  n.  Wirken  (JBL.  1893  U  4 :  26).  L..  Scholtze.  1893.  85  S.  Mit  1  Portr.  M.  0,60.  [A.  Paul: 
COIRW.  21.  S.  572,3;  Paed.  15,  S.  804;  K.  Drescher:  Euph.  1,  S  806.JI  —  12)  R.  Genee,  Hans  Sachs  n.  seine  Zeit.  E. 
Lebens-  n.  Knltnrbild  ans  d.  Zeit  d.  Reformation.  L.,  J.  J.  Weber.  X,  524  S.  M.  10,00.  |[K.  Fr(enzel):  NatZg.  1893, 
N.  662,  712;  R.  B.:  LZg".  1893,  N.  288;  A.  Bartels:  Didask.  1893,  N.  284;  E.  R.:  FränkKur.  1893, N.  640;  KZg.  1893,  N.  1031 ; 
O.:  MünchNN.  1893,  N.  558;  M  S.:  N*S.  69,  S.  406.8  (mit  Abbild.);  R.  Friedrich:  BLU.  S.  689-92;  Zeitgeist  N.  6  ; 
K.  0.:  ThLB.  17,  S.  42;  M.  Herrmann:  DLZ.  S.  809-11  (scharf  abweisend);  K.  Drescher:  Euph.  1,  S.  8016  (weist 
im  einzelnen  d.  Mängel  d.  Buches  nach) ;  LCB1. S. 439-40  J|  (Vgl.  III:  85.)  —  13)  E.  M u  m  m  e  n  h  o  f  f ,  Hans  Sachs.  Z.  400 j.  Geuartsjubil. 
d.  Dichters.  Im  Anftr.  d.  Stadt  Nürnberg.  Nürnberg  (F.  Korn).  142  S.  Mit  Abbild.  M.  0,50.  |[H.  Josephson:  ThLB.  17, 
S.  242.];    —   14)  G.  Schumann,    Hans  Sachs.     Nach    seinem  Leben    u.  nach    seinen  Dichtungen    für    d.  dtsch.  Volk  dargest. 


11  4b  :  15-54  K.  Drescher,  Hans  Sachs. 

In  den  Landen  fand  weithin  eine  Feier  des  400jährigen  Geburts- 
tages unter  den  mannigfachsten  Veranstaltungen  statt.  Aus  der  Flut  von  Fest- 
aufsätzen, Erinnerungs-  oder  Gedenkblätternl5~47a)  hebe  ich  nur  die  eindringende 
Charakteristik  Erich  Schmidts 48),  die  literarhistorische  Würdigung  Max 
Kochs49)  und  den,  den  Dichter  unserem  modernen  Empfinden  nahe  bringenden, 
Vortrag  von  Minor50)  heraus.  —  Ein  schon  früher  gehaltener,  doch  erst  im  laufen- 
den Berichtsjahre  gedruckter  Vortrag  von  Thimm51),  den  ich  hier  anschliesse,  ist 
ohne  jede  Bedeutung.  —  Eine  Reihe  von  Theatern  veranstalteten  Festaufführungen: 
so  öffnete  das  Burgtheater52)  seine  klassische  Stätte  Hans  Sachsens  volksmässiger 
Dichtung  und  liess  auf  Goethes  in  Handlung  umgesetztes  Gedicht  „Plans  Sachsens 
poetische  Sendung"  vier  Fastnachtspiele  folgen  („Frau  Wahrheit  will  niemand  be- 
herbergen", „Der  Teufel  mit  dem  alten  Weib",  „Der  fahrende  Schüler  im  Paradies", 
„Der  Tod  im  Stock"),  die  weit  über  die  Feststimmung  hinaus  den  Beifall  des  Publikums 
fanden.  An  anderen  Orten  brachte  man  Hans  Sachs  selbst  als  handelnde  Person  auf 
die  Bühne,  in  München  und  Weimar  ward  Greifs  „Hans  Sachs"  (vgl.  N.  109)  auf- 
geführt, in  Berlin  Genees  Gelegenheitsdichtung  (vgl.  N.  110),  ebenso  —  doch  in 
anderer  Fassung  —  in  Nürnberg  zur  Vorfeier  des  Hans  Sachstages,  zusammen  mit 
dem  Fastnachtspiel  „Frau  Wahrheit  will  niemand  beherbergen".  — 

Besonders  anschaulich  verkörperte  sich  die  Erinnerung  an  unseren  Dichter 
in  verschiedenen  Hans  Sachs-Ausstellungen.  Die  Hof-  und  Staatsbibliothek53)  in 
München,  die  schon  früher  die  König  Ludwig-Centenarausstellung  und  jüngst  eine 
Orlando  di  Lasso-Ausstellung  veranstaltet  hatte,  bot  eine  vortrefflich  zusammengestellte 
Sammlung  der  verschiedensten  auf  Hans  Sachs  bezüglichen  Dokumente,  die  262 
Nummern  umfasste.  Das  ganze  Material  war  in  vier  Abteilungen  geordnet.  Die  erste 
beschäftigte  sich  mit  Hans  Sachsens  Leben  und  enthielt  Ansichten  und  Werke  über 
Nürnberg  im  15.  und  16.  Jh.,  biographische  Dichtungen  aus  den  verschiedenen 
Lebenszeiten,  Urteile  von  Zeitgenossen,  Porträts  des  Dichters.  Zum  ersten  Male  ward 
hierbei  eine  bisher  unbekannte  Medaille  auf  Hans  Sachs  aus  dessen  letzten  Lebens- 
jahren ausgestellt,  deren  Abbildung  auch  das  Titelblatt  des  Kataloges  ziert.  Sie  trägt 
die  Umschrift  „Hans  Sachs  poet  zu  Nurmb",  eine  wissenschaftliche  Besprechung  des 
auch  künstlerisch  wertvollen  Stückes  wird  in  den  Mitteilungen  der  Bayerischen 
Numismatischen  Gesellschaft  vorbereitet.     Die  zweite  Abteilung  umfasste  Dichtungen 

—  bei  dem  Abschnitt  Meisterlieder  hatte  die  Dresdener  Kgi.  Oeffentliche  Bibliothek 
mit  zwei  Bänden  Originalhss.  ausgeholfen  —  und  Gesamtausgaben;  in  der  dritten 
war  der  höchst  interessante  Versuch  gemacht,  auf  Grund  seine»  eigenhändigen  Ver- 
zeichnisses Hans  Sachsens  Bibliothek  zu  rekonstruieren;  die  letzte  Abteilung  zeigte 
Hans  Sachs  im  Andenken  der  Nachwelt.  —  In  der  Weimarer  Ausstellung,  über  die 
Ruland54)  nach  ihrer  Beendigung  berichtete,  ging  man  darauf  aus,  der  jetzt  leben- 

(Billige  Jubil.-Ausg.)  Neuwied  u.  L,  Heuser.  239  S.  Mit  Portr.  M.  1,50.  |[K.  Drescher:  Euph.  1,  S.  806.] I  —  15)  X 
H.  C.  Kellner,  Hans  Sachs:  LZgB.  N.  132.  —  16)  X  A-  v-  Weilen,  Hans  Sachs  u.  Wien:  MontagsR.  N.  45.  (Dichtungen 
d.  Hans  Sachs,  d.  mit  Wien  in  Bezieh,  stehen.)  -  17)  X  L-  Hfevesl  i,  Hans  Sachs:  FrBJW.  N.  303.  —  18)  X  M.  Osborn, 
Hans  Sachsens  poet.  Sendung:  VossZgB.  N.  518.  (Würdig,  d.  hist.  Stellung  d.  Dichters.)  —  19)  X  A.  v.  Hanstein,  Hans 
Sachs:  Didaslt.  N.  259.  —  20)  X  V.  Joss,  Hans  Sachs.  B.  Charakteristik:  DDichterheim.  14.  N.  24.  -  21)  X  8.  M.  Prem 
Z.  Hans  Sachs-Jubil.:  Bote  für  Tirol  u.  Vorarlberg  N.  253/4.  (Sucht  in  e.  Abschweifung  e.  Aufenthalt  d.  Hans  Sachs  in  Tirol 
u.  Innsbruck  aus  Gedichteingängen  nachzuweisen.)  —  22)  X  E-  Strater,  Hans  Sachs:  Post  N.  303.  —  23)  X  !•■  Bösel, 
Hans  Sachs:  Sammler  v.  N.  130.  —  24)  X  L-  Holthof,  Hans  Sachs:  FZg.  N.  306.  —  25)  X  L-  k.  Hans  Sachs:  MünchNN. 
N.  509.  -  26)  X  Hans  Sachs:  SchwäbKron.  N.  258.  -  27)  X  V.  Kiy,  Hans  Sachs.  E.  Gedenkbl  :  KZg.  N.  b95.  —  28)  X 
H.  W[ittma]nn,  Hanns  (!)  Sachs:  NFPr.  N.  10848.    —    29)  X  B-  ▼•  Gottschall,  Z.  Hans  Sachs-Jubil.:  SchlesZg.  N.  774. 

—  30)  X  Fr.  Freyert,  Hans  Sachs.  E.  Lebensbild  aus  d.  Reformationszeit:  WeserZg.  N.  17  218/9.  —  31)  X  J«l-  Hart, 
Hans  Sachs:  TglRs«  N  259-60.  —  32)  X  J-  La  n  d  au  ,  Hans  Sachs:  BerlBörsCour.  N.  51S.  —  33)  X  H.  Jan  nk  e  ,  Hans 
Sachs:  Bär  20,  S.  525/8,  538-40,  652/5,  561/3.  —  34)  X  K-  Ki  nz  e  • >  Hans  Sachs,  d.  Volkssänger  d.  Reformation:  Daheim  30, 
S.  776/9.  (Mit  Abbild.)  -  35)  X  Le  quatrieme  centenaire  de  Hans  Sachs:  BURS.  64,  S.  627-30  (Erfreut  durch  gesunde 
Wertschätz.,  in  Einzelheiten  jedoch  zu  berichtigen.)    —    36)   X   R-  Friedrich,    Hans  Sichs.     Z.  5.  Nor. :    BLU.  S    689-92. 

—  37)  X  H.  B  oesch,  Hans  Sachs.  E.  Gedenkbl.:  Gartenlaube  S.  732,7.  (Mit  Abbild.)  —  38)  X  G-  Z[ielerJ,  Hans  Sachs: 
NorddAZg.  N.  518.  -  39)  X  R.  G  e  n  6  e  ,  E.  dtsch.  Mann:  Hans  Sachs:  lllZg.  103,  S.  506,7.  (Vgl.  JBL.  1893  II  4:25.)  — 
40)  X  Gedenkbl.  z.  Feier  d.  400.  Geburtst.  d.  Nürnb.  Meistersängers  Hans  Sachs,  dargebr.  v.  Vorst  d.  Goethever.  zu  Zwickau. 
(=  Mitteilungen  N.  6.)  (D.  Festartikel  ist  d.  LZgB.  [vgi  N.  132J  entnommen.)  -  41)  X  Fr-  Amerlan,  Hans  Sachs.  E.Lebens- 
bild. Nürnberg,  Raw.  4°.  16  S.  Mit  15  Abbild.  M.  0,20.  (=  Hans  Sachs-Kai.  für  1895  [Nürnberg,  J.  Th.  Raw.  4». 
76  S  Mit  Abbild.  M.  0,50],  S.  17-25.  Entliält  ausserdem  noch  d.  Erzählung  von  e.  Zechprellerei  in  Erfurt  nach  e  Meistergesang 
d.  Hans  Sachs;  in  ganz  unzulässiger  Weise  wird  das  dort  Erzählte  als  hist.  Erlebnis  d.  Dichters  behandelt.)  -  42)  X  Hans 
Sachs:  Pfarrhaus  10,  S.  1723.  -  43)  X  O.  S.,  Hans  Sachs:  DB11EU.  21,  S.  376/8.  —  44)  X  O  Lyon,  Z.  Hans  Sachsens 
400j.  Geburtst.:  ZDU.  8,  S.  767-70.  (Bespr.  auch  anerkennend  Goetzes  Ausg.  d.  Fastnachtsspiele  u.  Schwanke,  sowie  M.Greifs 
„Hans  Sachs".)  -  45)  X  E.  Van  derstetten,  Hans  Sachs:  DBühneng.  23,  S.  362;4.  —  46)  X  C.  Weit  brecht.  Rede  z. 
Hans  Sachs- Feier  d.  Litt.  Klubs  Stuttgart,  geh.  am  3.  Nov.  1894:  SchwäbKron.  N.  261.  —  46  a)  X  z-  400j  Geburtst.  d. 
Dichters  Hans  Sachs:  AELKZ.  27,  S.  1061/7.  (ib  S.  1013  Abdr.  d.  Liedes  v.  Hans  Sachs:  Wach'  auf,  meines  Herzens  Schöne; 
vgl.  II  6:198.)  —  47)  X  ^  Bardachzi,  Hans  Sachs.  E.  Bild  d.  Lebens  u.  Wirkens  d  wackeren  Meistersängers  z.  400 j.  Ge- 
denkfeier seiner  Geburt.  (—  SGV.  N.  194)  Prag,  Haerpfer.  27  S.  Mit  Bild.  M.  0,40.  —  47a)  X  (W  3:27.)  -  48)  Erich 
Schmidt,  Hans  Sachs.  E.  Gedenkbl.:  DRs  81,  S.  297-304  —  49)  Max  Kooh,  Zu  Hans  Sachsens  Geburtst.:  BayreuthBll.  17, 
S.  376/9.  —  50)  J.  Minor,  Hans  Sachs.  Vortr.  geh.  z.  400 j.  Jubil.  d.  Geburtst.  d.  Hans  Sachs:  WienZg.  N.  255.  —  51)  R. 
Thimm,  Hans  Sachs.     (=  1  2:12,  S.  112-34.)    (Abdr.  d.  Gedichte  „Sanct  Peter  mit  d.  geiss"  u.  „Der  zipperlein  u.  d.  spinn".) 

—  52)  X  !"•  H[eves]i:  FrBIW.  N  305  (lobend);  Zeit  N.  6  (vermisst  d.  erforderl.  stilgemässe  Inscen.)  —  53)  Hans  Sachs - 
Ausstell.  d.  kgl.  Hof-  u.  Staatsbibl.  31.  Okt. -15  Nov.  1894  Z.  400.  Geburtst.  d  Nürnbergischen  Dichtors  2  verm.  u.  verb. 
Aufl.     München,  Bruckmannsche  Buchdr.     16  S.      [F.  Boll:    MünchNN.  N.  504/5.]|     (Nicht    im    Handel.)    —    54)    C.   Ruland, 


K.  Drescher,  Hans  Sachs.  ll  4b  i  55-69 

den  Generation  ein  Bild  der  äusseren  Erscheinung  und  der  Thätigkeit  des  Dichters  zu 
geben,  und  man  hatte  daher  eine  Reihe  von  Porträts  des  Hans  Sachs  sowie  Hss. 
von  ihm  selbst  und  seinen  Singgenossen  beigebracht,  darunter  manches  bisher  noch 
Unbeachtete,  wie  einzelne  Bände  der  Nürnberger  Singschulprotokolle.  Die  dritte  Ab- 
teilung (Werke  von  und  über  Hans  Sachs)  enthielt  u.  a.  Goethes  Reinschrift  von 
„Hans  Sachsens  poetischer  Sendung*"  für  die  erste  Gesamtausgabe  aus  dem  Goethe- 
Schillerarchiv.  Die  Ausstellung  hat  gezeigt,  dass  Weimar  vor  anderen  Orten  wertvolle 
Reliquien  und  reiches  Material  für  die  Erforschung  der  Geschichte  des  Nürnberger 
Meistergesanges  besitzt.55)  Auch  Nürnberg  hatte  in  der  Jubiläumswoche  aus  Be- 
ständen der  Stadtbibliothek  und  des  Germanischen  Museums  in  der  Katharinen- 
kirche,  dem  letzten  Versammlungsort  der  Meistersinger,  eine  Hans  Sachsausstellung 
veranstaltet.  — 

Am  umfassendsten  gedacht  und  am  glanzvollsten  ausgeführt  war  naturgemäss 
die  Feier  in  des  Dichters  Vaterstadt56),  in  Nürnberg.  Sie  begann  am  Vorabend 
mit  einer  Aufführung  im  Stadttheater  (vgl.  N.  52),  zu  der  noch  eine  (wirkungslos 
gebliebene)  Dilettantenaufführung  von  Greifs  „Hans  Sachs"  durch  den  Verein  „Urania" 
kam,  und  einem  Fackelzug  und  Huldigung  vor  dem  mit  einer  Rosenlaube  umgebenen 
Denkmal  des  Dichters.  Die  Hauptfeier  am  folgenden  Tage  brachte  zunächst  den 
akademischen  Festaktus  im  Rathaus,  bei  welchem  Goetze57)  die  Festrede  hielt. 
Mit  liebevoller  Vertiefung  in  seinen  Gegenstand  zog  G.  die  Summe  seiner 
jahrelangen  Beschäftigung  mit  dem  Dichter  und  führte  ihn  in  den  verschiedenen 
Seiten  seines  Wesens,  in  seiner  reformatorischen,  politischen  und  poetischen  Sendung 
vor.  Auf  weitere  Forschungen  weisen  die  Bemerkungen  über  die  Meistergesänge 
hin.  Wenn  auch  nicht  sämtliche  gedruckt  werden  können,  so  bietet  doch  eine 
entsprechende  Auswahl  eine  ebenso  notwendige  wie  wertvolle  Ergänzung  der  Spruch- 
gedichte. Auch  den  Ausführungen  über  Hans  Sachsens  führende  Stellung  in  der 
Entwicklung  des  deutschen  Dramas  ist  ausdrücklich  beizupflichten.  —  Der  Festrede 
folgte  der  glänzende  und  in  allen  Teilen  gelungene  Festzug58),  der  Idee  nach  von 
Mummenhoff  entworfen  und  vom  Direktor  der  Nürnberger  Kunstschule.  Hammer, 
ins  Werk  gesetzt.  Er  stellte  das  Nürnberg  des  1(5.  Jh.  in  seinen  verschiedenen  Beziehungen 
zu  Hans  Sachs  dar.  Nachmittags  folgten  Dilettantenaufführungen  zweier  Fast- 
nachtspiele („Fahrend  Schüler  in  Paradies",  „Krämerskorb");  der  Abend  brachte  im 
Stadttheater  Wagners  „Meistersinger"  in  ungekürzter  Wiedergabe  und  überfüllte 
Festversammlungen  in  den  fünf  grössten  Sälen  der  Stadt.59)  — 

Unter  den  Festschriften  wissenschaftlichen  Inhalts  steht  wiederum  das 
Nürnberger  Sammelwerk  voran.  Mit  seiner  Herausgabe  war  Stiefel60)  betraut,  der 
sich  mit  grosser  Mühewaltung  in  verhältnismässig  kurzer  Zeit  der  Aufgabe  entledigte. 
Es  liegt  vor  uns  ein  stattlicher  Band,  enthaltend  dreizehn  grössere  und  kleinere 
Abhandlungen  verschiedensten  Inhalts  mit  Hans  Sachs  als  gemeinsamem  Mittelpunkt. 
Leider  fehlt  ein  geeignetes  Vorwort,  da  sich  Weinhold61)  mit  einem  ganz  kurzen 
Referate  über  die  eingegangenen  Arbeiten  begnügte.  —  Herausgeber  und  Verleger 
der  Zeitschrift  für  vergleichende  Literaturgeschichte62)  widmen  aus  dem  laufenden 
Jahrgange  ihrer  Zeitschrift  die  verschiedenen  Hans  Sachs- Arbeiten,  gesondert  gedruckt, 
als  Festgabe.  —  Hartmann63)  und  S  u  p  h  a  n64)  bringen  selbständig  ihre  Arbeiten, 
Kön  necke65)  veranstaltet  einen  Abdruck  des  Hans  Sachs-Abschnittes  aus  seinem 
vortrefflichen  Bilderatlas.    — 

Im  einzelnen  hat  unsere  Kenntnis  Hans  Sachsens  manche  Vermehrung 
erfahren,  wenn  auch  das  Gesamtergebnis  nicht  so  reich  ist,  wie  man  wohl  hoffen 
durfte.  Eine  allgemeine  Uebersicht  über  die  Hans  Sachs-Litteratur 66)  des  letzten 
Lustrums  wollte  Bechstein67)  geben,  doch  nahm  ihm  mitten  in  der  Arbeit  der 
Tod  die  Feder  aus  der  Hand.67a)  — 

Stoffliche  Untersuchungen  bietet  zunächst  Stiefel68),  der  in 
eingehender  Abhandlung  über   die  Quellen  der  Fabeln,  Märchen  und  Schwanke  der 


Nachträgliches  z.  Hans  Sachs-Feier:  WeimarZg.  N.  276.  (Auch  selbständig  gedr.,  10  S.;  nicht  im  Handel.)  —  55)  X  Hans 
Sachs,  v.  ihm  n.  über  ihn.  Z  5.  Nov.  1894  Kat.  N  438  (214  Nummern  mit  seit  Werken.)  Frankfurt  a.  M.,  Jos.  Baer  &  Cie. 
16  S.  —  56)  Reihenfolge  d.  Festlichkeiten  z.  400j.  Geburtstagsfeier  unseres  Nürnberger  Dichters  Hans  Sachsam  4.  u.  5. Nor.  1894. 
Nürnberg  (Raw).  8  S.  M.  0,15.  —  57)  E.  Goetze,  Hans  Sachs-Festrede,  ebda.  23  S.  Mit  2  Abbild.  M.  0.50.  —  58) 
Hist.  Festzug  z.  Erinnerungsfeier  an  d.  4'H)  j.  Geburtst.  d.  Nürnb  Meistersingers  u.  Volksdichters  Hans  Sachs  am  5.  Nov.  1894 
zu  Nürnberg,  ebda.  16  X  361  cm-  Mit  1  Bl  Text.  M.  1,00.  -  59)  X  V-  Valentin,  D.  Nürnberger  Hans  Snchs-Feier:  DWB1.  7, 
S.  572/4,  586/7.  (Auch:  M.  N[ecker]:  NFPr.  N.  10852;  Th.  Hampe:  WeserZg.  N.  17  224;  M.  Schü ssler:  IllZg.  103,  S.  558; 
A.  Holzbock:  Bühne  u.  Leben  2,  S.  6003.)  —  60)  (II  2  :  27.)  -  61)  K.  Weinhold,  Vorwort  (=  N.  60,  S.  III-VI.)  -  62) 
Festschrift  z.  Hans  Sachs-Feier  gewidm.  v.  Her.  u.  Verl.  d.  ZVLR.  (  =  ZVLR.  7,  S.  402-74.)  Weimar,  Felber.  77  S.  M.  1,50. 
—  63)  (II  2:23.)  —  64)  B.  Suphan,  Hans  Sachs  in  Weimar.  Gedr.  Urkk.  z.  400.  Geburtst.  d.  Dichters  aufs  neue  her. 
Weimar,  Böhlau.  8°.  44  S.  M.  0,70.  |[T.:  NatZg.  N.  610]|  -  65)  [G.  Kön  necke  ],  Z.  Feier  d.  5.  Nov.  1894,  d  400.  Geb. 
d.  Hans  Sachs  (Aus:  G.  Könnecke,  Bilderatlas  z.  Gesch.  d.  dtsch.  Nat.-Litt.)  Marburg,  Elwert.  Fol.  8  S.  Mit  27  Abbild. 
M.  0.60.  |[H.  C.  K(ellner):  LZgB.  N.  132.J|  —  66)  X  Rob-  Schneider,  K.  Kinzel,  Hans  Sachs  (JBL.  1893  1  7 :  56;  114:28): 
COIRW.  22,  S.  100.  -  67)  K.  Bechsteii. ,  Hans  Sachs-Litt.  im  letzten  Lustrum:  ZVLR  7.  S.  417-38.  (Auch  selbständig  in 
N.  62,  S.  20-41.)    —    67»)  X  (I  3  :  152)    —    68)  A-  L    Stiefel,    Ueber  d.  Quellen  d.  Fabeln,   Märchen  u.  Schwanke  d.  Hans 


II  4b:  68-78  K.  Drescher,  Hans  Sachs. 

Hans  Sachs-Forschung*  zahlreiche  neue  Bausteine  liefert.  Mit  grosser  Belesenheit  ist 
das  weite  schwierige  Gebiet  durchstreift;  es  werden  nicht  nur  die  Quellen  weitaus  der 
meisten  Stücke  nachgewiesen,  sondern  auch  darüber  hinausgehend  für  die  ver- 
gleichende Literaturgeschichte  zahlreiche  Verzweigungen  aufgedeckt.  Manche 
Parallele  freilich  wird  man  nicht  für  zwingend  ansehen  und  die  Frage:  Woher? 
darum  noch  nicht  als  beantwortet  erachten ;  auch  sind  die  aufgestellten  Vermutungen 
nicht  durchweg  wahrscheinlich.  So  bleibt  manches  noch  weiterer  Erörterung  vor- 
behalten, was  übrigens  bei  der  Schwierigkeit  dieser  leicht  zerfliessenden  Untersuchung 
nicht  wunder  nehmen  kann.  Prinzipiell  wichtig  wäre  der  beim  „Schmied  zu  Rom"  (Phocas) 
nur  erst  begonnene  Nachweis,  dass  Hans  Sachs  Geschichten,  die  er  ohne  Namen  der 
handelnden  Personen  fand,  auf  eigene  Faust  auf  bekannte  Persönlichkeiten  übertrug. 
Es  wäre  besonders  bei  der  Untersuchung  darauf  zu  achten,  ob  nicht  vielleicht 
ähnliche  Motive  ihm  bei  der  Uebertragung,  wie  in  obigem  Falle,  einen  bestimmten 
Weg  gewiesen  haben.  —  Der  kleine  Nachweis  der  Quelle  zur  „Engelhut"  von 
einem  Anonymus69)  hätte  sich  besser  in  die  grosse  Arbeit  von  Stiefel  eingegliedert. 
—  Das  Verhältnis  des  Hans  Sachs  zu  dem  Chronisten  Albert  Krantz  bespricht 
G  o  1 1  h  e  r 70),  doch  berücksichtigt  er  nur  das  in  der  Folioausgabe  vorhandene  Material. 
Und  auch  hier  eilt  er  an  den  Spruchgedichten  rasch  vorüber,  um  sich  hauptsächlich 
mit  den  beiden  Dramen  „Rosimunda"  und  „Hagbart  und  Signe"  zu  beschäftigen,  so 
dass  die  Arbeit  der  Vollständigkeit  und  auch  der  erschöpfenden  Behandlung  entbehren 
muss.  —  Speciell  über  die  Bearbeitung  des  Nibelungenstoffes  handelt  Wunderlich71) 
mit  Ausblicken  auf  die  modernen  Bearbeitungen  von  Raupach,  Geibel,  Uhland, 
Fouque,  Fr.  L.  Hermann,  R.  Wagner.  —  Den  Gesamteinfluss  Boccaccios  auf  die 
Dichtung  des  Hans  Sachs  darzustellen  hat  sich  Drescher72)  zur  Aufgabe 
gemacht,  und  er  führt  in  einer  ersten,  mehr,  einleitenden  Abhandlung  die  Untersuchung 
bis  in  den  Anfang  der  vierziger  Jahre.  Boccaccio  steht  sowohl  im  Meistergesang 
wie  auch  in  der  Spruchdichtung  mit  am  Eingang  der  Hans  Sachsischen  Produktion, 
und  immer  wieder  ist  Hans  Sachs  zu  dieser  gewaltigen  Fundgrube  für  seine  poe- 
tischen Stoffe  und  seine  Kenntnis  des  Altertums  zurückgekehrt.  Es  lässt  sich  ver- 
folgen, wie  mancher  Stoff  und  mancher  Name  allmählich  zum  eisernen  Bestände 
seiner  Dichtung  und  Bildung  wird.  Ebenso  knüpft  sich  an  Boccaccios  Namen  ein 
bedeutender  technischer  Fortschritt  im  Fastnachtspiel:  die  Einführung  des  Orts- 
wechsels, und  so  ist  auch  die  Frage  zu  berücksichtigen,  in  wie  weit  die  Bearbeitung 
der  handlungsreicheren  Novellen  Boccaccios  auf  Hans  Sachsens  dramatische  Technik 
weiterbildend  gewirkt  hat.  —  Mac  Mechans  Arbeit,  welche  diese  Frage  schon  hätte 
berühren  müssen,  bespricht  nachträglich  Drescher73).  —  Ausserdem  sind  noch 
zu  erwähnen  Stiefels74"75)  Besprechung  von  Dreschers  Studien  zu  Hans  Sachs 
(JBL.  1891  II  4:25;  1892  II  4:40/1)  und  dessen  Bemerkungen  zum  fünften  Fastnacht- 
spiel, in  denen  er  neben  der  Benutzung  der  Frankschen  auch  die  Heranziehung 
von  Wimphelings  Uebersetzung  des  Beroaldus  durch  Hans  Sachs  nachweist.  — 

Verschiedentlich  hat  die  Geschichte  des  Hans  Sachsischen  Textes  die 
Forschung  angeregt.  Das  Verhältnis  der  ersten  Folioausgabe  zu  den  Spruchbüchern 
sucht  Drescher76)  festzustellen.  D.  beschäftigt  sich  zunächst  mit  dem  ersten 
Foliobande  und  stellte  als  Vorarbeit  für  dessen  Vergleichung  mit  den  Hss.  zunächst 
den  Inhalt  der  drei  ersten  (verlorenen)  Spruchbücher  fest,  wobei  sich  ergab,  dass  ein 
erstes  Meistergesangbuch  und  ein  erstes  Spruchbuch  gesondert  nicht  existierten,  dass 
vielmehr  der  erste  Gedichtband  Meisterlieder  und  Spruchgedichte  zusammen  in  fort- 
laufender Paginierung  enthielt,  und  zwar  gehörte  die  erste  Hälfte  des  Bandes  den 
Meisterliedern,  die  zweite  den  Spruchgedichten.  Der  Nachlass  des  Hans  Sachs 
bestand  somit  nicht  aus  34,  sondern  nur  aus  33  Bänden.  Die  Untersuchung  selbst 
ergab,  dass  zunächst  der  erste  Folioband  das  Werk  bewusster,  innerhalb  der  Grenzen 
seines  Talentes  und  Könnens  auch  nach  Besserung  strebender  Redaktion  des  Dichters 
selbst  ist,  dass  ihm  also  gegenüber  den  Spruchbüchern  eine  selbständigere  Stellung 
gebührt,  als  er  bisher  einnahm.  —  Goetze77)  berichtet  nochmals  zusammenfassend 
über  die  Schicksale  der  noch  erhaltenen  18  Gedichtbücher,  giebt  aus  seiner  reichen 
Erfahrung  Winke  zur  Vermeidung  von  Irrtümern  bei  Wiedergabe  der  Hans  Sachsischen 
Hss.  und  zeigt  an  einer  Reihe  von  Beispielen,  wie  der  Originaltext  Fehler  des 
Druckers  beseitigen  hilft.  —  Als  Vorarbeit  einer  Untersuchung  über  Stichreim  und 
Dreireim  bei  Hans  Sachs  unterwirft  Herrmann'8)  die  textgeschichtliche  Stellung- 


Sachs.  (=  N.  60,  S.  33-192.)  —  69)  (II  3:25.)  -  70)  W.  Golther,  Hans  Sachs  u.  d.  Chronist  Albert  Krantz.  (=  N.  60, 
S.  263-77.)  —  71)  H.  Wunderlich,  Hans  Sachs  U.  d.  Nibelungendrania.  (=  N.  60,  S.  233-62.)  —  72)  K.  Drescher,  Hans 
Sachs  u.  Boccaccio.  I.:  ZVLR.  7,  S.402  15.  (Selbständig  in  N.  62,  S.  5-19)  —  73)  id.,  Mac  Mechan,  The  relation  of  Hans  Sachs 
totheDecameron.  (Diss.  Halifax.  1889.  81  S.):  LBIGRPh.  15,  S.  5/6.  (D.  tadelt  d.  Aensserlichkeit  d.  Untersuch.)  —  74)  A.  L.  Stiefel: 
ZVLR.  6,  S.  145/9;  M.  Rachel:  ZDFli.  26,  S.  272/5.  —  75)  A.  L.  Stiefel,  Z  5.  Fastnachtsspiel  d.  Hans  Sachs:  ZVLR.  6,  S.  406/7. 
—  76)  K.  Drescher,  D.  Spruchb&cher  d.  Hans  Sachs  u  d.  erste  Folioausg.  (=  N.  60,  S.  209-52.)  —  77)  E.  Goetze,  D. 
Hss.  d.  Hans  Sachs.  (—  N.  60,  S.  193-208.)  —  78)  M.  Herrmann,  Stichreira  u.  Dreireira  bei  Hans  Sachs  u.  anderen  Drama- 


K.  Drescher,  Hans  Sachs.  II  4b  :  79  87 

des  Dramen  Verzeichnisses  im  Generalregister  einer  erneuten  Prüfung";  er  kommt  zu 
dem  Resultat,  dass  dieses  den  letzten  erhaltenen  Rest  einer  verloren  gegangenen 
älteren  Dramensammlung  darstelle  und  gegenüber  den  Reinschriften  der  Spruchbücher 
älteren  Stand  aufweise.  Aber  H.s  scheinbar  so  glückliches  Resultat  wird  trotz  des 
aufgewendeten  Scharfsinnes  hinfällig  durch  den  methodischen  Fehler,  dass  der  hs.liche 
Text  in  den  einzelnen  Spruchbüchern,  die  Nachträge  zu  einer  Reihe  von  Dramen  am 
Schlüsse  und  das  jeweilige  Sonderregister  eines  jeden  Bandes  nicht  in  der  erforder- 
lichen Weise  berücksichtigt  und  auseinandergehalten  sind.  Auch  enthalten  ein- 
zelne Angaben  trotz  der  Gewissenhaftigkeit,  auf  die  H.  ausdrücklich  hinweist, 
Rechenfehler,  die  wesentliche  Folgerungen  wieder  aufheben.  Auf  Grund  seines 
Resultates  zieht  H.  für  die  Hauptuntersuchung  bloss  diejenigen  Dramen  heran,  die  im 
Generalregister  mit  der  nämlichen  Verszahl  notiert  sind  wie  in  den  Spruchbüchern 
(oder  eventuell  der  Folio).  Da  nun  H.,  wie  bemerkt,  die  verschiedenen  Stellen  der 
Verszählung  innerhalb  der  Spruchbücher  nicht  richtig  auseinanderhielt,  sein  Resultat 
somit  ein  unhaltbares  werden  musste,  so  ist  auch  die  vorgenommene  Aussonderung 
nicht  berechtigt.  —  Für  die  Druckgeschichte  von  Interesse  ist  die  Mitteilung,  dass 
sich  ein  sehr  seltener  Hans  Sachs-Druck,  die  „Beschreibung  aller  Stand"  von  1568 
zu  Frankfurt  a.  M.  im  Privatbesitz  befindet79).  — 

Die  Bedeutung  der  Meisterlieder  und  Schwanke  Hans  Sachsens 
hebt  Bolte80)  in  einer  Sitzung  des  Vereins  für  Volkskunde  hervor  und  macht 
dabei  die  interessante  Bemerkung,  dass  der  historische  Tintenfleck  auf  der  Wartburg, 
der  erst  1796  in  der  Litteratur  auftaucht,  sich  schon  1602  bei  den  Meistersingern  in 
einem  Liede  Deisingers  findet.  Der  Schauplatz  ist  aber  hier  noch  Wittenberg,  und 
nicht  Luther  wirft  hier  das  Tintenfass  nach  dem  Teufel,  sondern  umgekehrt  der 
Teufel  nach  Luther.  —  An  anderer  Stelle  druckt  Bolte81)  18  aus  Volksüberlieferung 
geschöpfte  und  darum  stofflich  besonders  interessante  Märchen  und  Schwanke  in 
Meisterliedform  ab,  unter  denen  11  von  Hans  Sachs  gedichtet  sind.  Die  beigegebenen 
Anmerkungen  und  Verweisungen  gehören  der  Stoffgeschichte  an.  —  Aus  Hss.  in 
Pest,  die  ursprünglich  aus  Nürnberg  stammen,  gewinnt  Hartmann82)  eine  Reihe 
Namen  von  Meistersingern  des  16.  und  17.  Jh.  nebst  deren  Gedichten  und  zugehörigen 
Tönen.  Das  Ganze  ist  alphabetisch  übersichtlich  zusammengestellt.  Der  Anhang 
bringt  20  ausgewählte  Lieder,  darunter  3  von  Hans  Sachs.  N.  3  ist  schon  in  ur- 
sprünglicherer Fassung  gedruckt  bei  Drescher  (Studien  zu  Hans  Sachs  NF.  Anh. 
S.  XL  VI),  N.  6  von  Keinz  (ZDA.  38,  S.  159).  —  Ein  sehr  dankenswertes  Verzeichnis 
der  bis  jetzt  bekannten  Meistersinger  des  16.  Jh.  nebst  Angabe  von  Heimat,  Lebens- 
zeit, Gewerbe,  Fundort  der  Dichtungen,  Tönen  und  Weisen  hat  Keinz83)  zusammen- 
gebracht. Die  Arbeit  wird  jede  weitere  Forschung  auf  dem  einschlägigen  Gebiete 
erleichtern;  leider  hat  aber  der  Vf.  die  hierher  gehörige  Dresdener  Hs.  (M  197  [100CJ)  in 
Unterschätzung  ihres  Inhalts  auszubeuten  unterlassen.  —  Mummenhoffs84)  Unter- 
suchung charakterisiert  die  Veränderungen  der  1616  revidierten  und  1635  offiziell  aufge- 
zeichneten Schulordnung  der  Meistersinger  gegenüber  den  früheren  bekannten  und  der 
ältesten  Ordnung  von  1540.  Er  bringt  dann  neue  Feststellungen  über  die  Singstätten 
der  Meistersinger  im  16.  Jh.;  die  Vermutungen  über  die  Zeit  der  Uebersiedlung  aus 
der  Marthakirche  in  die  Katharinenkirche  sind  jedoch  durch  neuere  Forschungen 
widerlegt.  Schliesslich  wird  die  Singschulordnung  zum  Abdruck  gebracht;  sie  zeigt 
Unterschriften  der  Meistersinger  noch  bis  zum  J.  1735.  — 

Für  das  Drama85)  kommt  wiederum  Herrraanns86)  Arbeit  überStichreim  und 
Dreireim  in  Betracht.  Ihre  Vorzüge  sind  eine  weite  Umgrenzung  des  Gebietes,  die 
auch  das  historische  Moment  berücksichtigt,  sowie  eine  wesentliche  Verfeinerung  der 
Gesichtspunkte  gegenüber  der  früheren  Forschung.  Die  Durchmusterung  seines 
Materials  ergiebt  für  H.  vier  bedeutungsvolle  Abschnitte  in  der  Hans  Sachsischen 
Reimtechnik,  1517— 40  (Lehrjahre),  1540 — 50  (Durchbildung  künstlerischer  Prinzipien), 
1550—55  (Meisterschaft),  1555—61  (Unsicherheit  und  Rückgang),  innerhalb  deren  die 
Verwendung  des  Dreireims  sov/ie  des  Stich-  und  Vollreims  untersucht  und,  wenn 
möglich,  begründet  wird.  Es  werden  aber,  auch  abgesehen  von  dem  früher  ge- 
machten Vorbehalt,  noch  manche  Resultate,  neben  anderen,  sicheren,  durch 
spätere  Forschung  modifiziert  werden  müssen.  Da  die  Kunstübung  bei  Hans  Sachs 
auf  seinem,  naturgemäss  nicht  immer  in  gleicher  Stetigkeit  wirkenden  Gefühle,  nicht 
auf  einer  festen  ästhetischen  Erkenntnis  beruht,  und  da  auch  vieles  recht 
handwerksmässig    gedichtet    ist,    so    haben    die    verschiedenen     Dramen    für    die 


tikern  d.  15.  u.  16.  Jh.  Nebst  e.  Untersuch,  über  d.  Entsteh,  d  Hans  Sachsischen  Textes.  (=  N.  60,  S.  407-71.)  —  79)  Biblio- 
graphisches z.  Hans  Sachsfeier:  FZg.  N.  306.  —  80)  .T.  Bolte,  TJpber  Hans  Sachs.  Referat:  VossZg.  N.  222.  —  81)  (II  2:  32; 
selbständig  in  N.  62,  S.  52/7 )  —  82)  (=  N.  63.)  —  83)  F.  K  e  i  n  z  ,  Hans  Sachsens  Zeitgenossen  u.  Nachfolger  in»  Meister- 
gesang. Verzeichnis  d.  bis  jetzt  belt.  Meistersinger  d  16.  Jh.  (=  N.  60,  S.  320-51.)  —  84)  E.  Mu  m  ra  e  nh  o  f  f ,  D.  Sing- 
schulordnung v.  J.  1616-35  u.  d.  Singstätten  d.  Meistersinger.  (=  N.  60,  S.  27S-319;  vgl.  II  2  :  29a.)  —  85)  XG-Klitsctter. 
Hans  Sachs  n.  d.  dtsch.  Drama-  Bühne  u.  Leben  2,  S.  580/3.  —  86)  (=  N.  78)  —  86  a)  X  (H  *a  '•  6-)  —  87)  (I  7:9.)  — 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgeschichte.    V.  (2)6 


II  4b:  88-101  K\  Drescher,  Hans  Sachs. 

Beurteilung  des  Hans  Sachsischen  Könnens  auch  verschiedenen  Wert.  Dieser  That- 
sache  wird  H.  nicht  genügend  gerecht,  und  daraus  entspringen  z.  B.  die  oft  recht 
äusserlichen  Begründungen  der  vorgefundenen  Reimverwendung  im  Abschnitt 
„Lehrjahre".  Aus  dem  nämlichen  Grund  erscheint  auch  die  Statistik  zu  stark 
verwendet;  man  sollte  mehr  wägen,  weniger  zählen.  Einzelne  chronologisch  unhalt- 
bare Angaben  laufen  unter  (Narrenschneiden  1537  anstatt  1536,  Pura  1558  anstatt  1559, 
die  für  die  Folio  Ende  der  fünfziger  Jahre  um  hundert  Verse  erweiterte  Redaktion 
der  „Unnütz  fraw  Sorg"  ist  für  1537,  dem  Abfassungsjahre  der  ersten  [verlorenen] 
Fassung  verwertet  usw.),  die  Textgestaltung  verrät  Eile  auch  in  sachlichen  Aus- 
führungen.S6a)  — 

Ueber  Hans  Sachsens  Sprache  haben  wir  zwei  fleissige  Dissertationen 
erhalten,  von  James 87),  und  umfassender  von  Shumway 88),  die  erfreulicher 
Weise  das  hier  noch  sehr  vernachlässigte  Gebiet  der  Grammatik  betreten.  Leider 
ist  aber  noch  in  beiden  Arbeiten  der  Text  der  ersten  Folioausgabe,  für  deren  Sprache 
Hans  Sachs  nicht  verantwortlich  ist,  zu  viel  herangezogen.  —  Den  grossen 
Reichtum  an  Sprichwörtern  und  sprichwörtlichen  Redensarten  bei  Hans  Sachs  sammelt 
Schweitzer 89),  und  er  setzt  geschickt  aus  diesem  so  wichtigen  Kleinmaterial 
ein  anziehendes  Kulturbild  des  damaligen  Nürnberger  Bürgertums  zusammen.  — 

Zur  Kenntnis  der  äusseren  Lebensumstände  des  Dichters  wird 
von  R.  Schmidt90)  eine  Urkunde  über  Ablösung  einer  Hans  Sachs  gehörigen 
Hypothek  beigebracht,  und  von  Michels91)  erhalten  wir  interessante  Mitteilungen 
über  Hans  Sachsens  Verkehr  mit  seinem  Zeitgenossen  und  vertrauten  Freunde, 
dem  wohlhabenden  Nürnberger  Kaufmanne  Niklas  Praun.  Auch  Praun  hatte  litte- 
rarische Interessen;  er  hinterliess  drei  Dialoge,  zu  denen  Hans  Sachs  eine  Vorrede 
schrieb,  gerichtet  an  die  beiden  Brüder  Prauns.  Diese  Vorrede,  sowie  der  eine  der 
Dialoge  („köpf  und  piret")  werden  von  M.  abgedruckt.  — 

In  seinem  Verhältnisse  zur  Reformation  wird  Hans  Sachs,  trotz 
Kaweraus  bekannter,  vortrefflicher  Schrift  von  Nicoladoni92)  nochmals  zum 
Gegenstand  einer  Abhandlung  gemacht.  Ihr  Hauptteil  besteht  aber  nur  aus 
einem  ganz  äusserlichen  Referat  über  Hans  Sachsens  vierten  Dialog,  dem  Gespräch 
eines  evangelischen  Christen  mit  einem  lutherischen.92»)  Grobe  Nachlässigkeiten  und 
höchst  bedenkliche  Bemerkungen  laufen  unter,  z.  B.  die:  Hans  Sachs  habe  „im  Alter 
von  mehr  als  70  Jahren  für  immer  die  treuen  Augen"  geschlossen,  und  er  habe  noch 
die  Freude  erlebt,  „dass  er  auf  Einladung  Luthers  an  der  Herausgabe  eines  evangelischen 
Gesangbuchs  mitwirken  konnte".  —  Besser  unterblieben  wäre  auch  die  öffentliche 
Anfrage  der  Schriftleitung93),  ob  sich  von  den  drei  letzten  der  sieben  Hans  Sachsischen 
Dialoge  keinerlei  Spur  erhalten  habe-,  ein  fünfter  (im  9.  hs.  Spruchbuch)  ist  schon 
1878  in  Schnorrs  Archiv  (7,  S.  295 — 300),  ein  sechster  (aus  dem  5.  Spruchbuche)  1882 
ebenda  gedruckt  worden  (11,  S.  60/3).  — 

Von  Hans  Sachsens  unmittelbaren  Nachfolgern  schildert  Hampe94) 
in  grossen  Zügen  an  der  Hand  unveröffentlichter  Ratsprotokolle  die  windige  Litteraten- 
existenz des  Ambrosius  Oesterreicher,  der  die  Privilegien  der  Meistersinger  zu  seinem 
privaten  Vorteil  auszubeuten  suchte.  —  Martin95)  macht  uns  mit  den  Meistergesängen 
auf  das  Strassburger  Münster  von  Hans  Sachsens  treuem  Schüler  Adam  Puschmann 
bekannt.  —  Mehr  ist  über  Hans  Sachsens  Nachleben  in  den  folgenden  Jhh.96) 
zu  verzeichnen.  Zwar  entschieden  verfehlt  ist  Hartmanns97)  Versuch,  Hans 
Sachs  auf  Grund  von  späten  Notizen  in  den  Pester  Meisterliederhss.  zu  einem  An- 
hänger der  Fechtkunst  oder  gar  zu  einem  Fechtmeister  stempeln  zu  wollen,  dagegen 
zeigt  er  sehr  glücklich  an  einem  neuen  Beispiele,  wie  Dichtungen  des  Hans  Sachs 
ohne  Nennung  des  Vf.  in  andere  Sammlungen  übergingen,  und  wie  Reste  Hans 
Sachsischer  Dramatik  in  den  Kreisen  des  Volkes  noch  bis  in  unsere  Zeit  sich  erhalten 
haben.  —  In  zwei  Abhandlungen  sucht  Richter98"99)  durch  Zusammenstellung 
zahlreicher  Zeugnisse  zu  erweisen,  dass  es  noch  durch  das  ganze  17.  Jh.  eine,  wenn 
auch  kleinere,  Hans  Sachsgemeinde  gegeben  hat,  zu  der  aber  nicht  die  schlechtesten 
Köpfe  gehörten,  und  dass  erst  das  18.  Jh.  Hans  Sachs  „vergass".  Aber  das  18.  Jh. 
hat  auch  Hans  Sachs  wiedererweckt,  durch  Goethe  und  die  Weimarer  Freunde.  — 
Die  auf  diese  Wiedererweckung  bezüglichen  litterarischen  Manifeste  hat  S  u  p  h  a  n  l0°) 
zusammengestellt  und  im  Verein  mit  den  Mitarbeitern  des  Goethe-Schillerarchivs  mit 

88)  (I  7  :  10.)  —  89)  Ch.  Schweitzer,  Sprichwörter  u.  sprichwörtl.  Redensarten  bei  Hans  Sachs.  (=  N.  60,  S.  353-81.) 
—  90)  B.  Schmidt,  Hans  Sachs  als  Kapitalist:  MGNM.  S.  79-80  —  91)  V.  Mi  c  h  e  1  s ,  Hans  Sachs  u.  Niklas  Prann. 
(=  N.  60,  S.  1-82.)  —  92)  AI.  Nicoladoni,  Hans  Sachs  u.  d.  Reformation:  MhComeniusGes.  3,  S.  279-90.  (Dazu  Nachr. 
v.  L.  Keller  S.  335;  vgl.  II  6:199.)  —  92a)  X  &•  s-  335-  (Angabe  d.  genauen  Titels  dieses  Dialogs  n.  Nachweis  e. 
Exemplars  in  d.  Kgl.  Panlinischen  Bibl.  zu  Münster  )  —  93)  ib.  S.  2S3.  —  94)  Th.  Hampe,  Ueber  Hans  Sachsens  Schüler 
Ambros.  Oesterreicher.  (=  N.  60,  S.  397-406.)  —  95)  E.  Martin,  D.  Meistergesänge  v.  A.  Puschmann  auf  d.  Strassburger 
Münster.  (=  N.  60,  S.  382  96.)  —  96)  X  MhComeniusGes.  3,  8.  335/6.  —  97)  (=  N.  63,  S  39,  4n.)  —  98)  A.  Richter, 
E.  Nachwort  z.  Hans  Sachsfeier:  Grenzb.  4,  S.  373/8.  -  99)  id.,  Hans  Sachsens  Fortleben  im  17.  Jh.:  ZDKG.  3.  S.  355-74.  — 
100)  (=  N.  64.)  —  101)    X    O.  Hellinghaus,    G    Wahl,    Hans  Sachs  u.  Goethe.     2.  T.     (JBL.   1893  II  4:24):    Gymn.  12, 


A.  Hofmeister,  Didaktik  des  15./16.  Jahrhunderts.  1893,  1894.    II  4b  :  101-112  II  S  :  l-sä 

geschickt  orientierenden  Bemerkungen  versehen.  Die  Wirkung-  des  Büchleins,  dessen 
Wert  in  seiner  Zusammenstellung'  beruht  und  dessen  Urkunden  trefflich  für  sich  selbst 
sprechen,  ist  ausserordentlich  frisch.  —  In  welcher  Weise  Goethe101)  in  den  siebziger 
Jahren  seine  Sprache  durch  Hans  Sachsisches  Gut  beeinflussen  Hess,  hat  G  o  e  tz  e  ,ü2) 
feinsinnig  und  mit  vielen  interessanten  Beispielen  nachgewiesen.  —  Und  Semler103), 
überzeugt  von  dem  auch  heute  noch  dauernden  erziehlichen  Gehalte104)  des  Hans 
Sachsischen  Humors,  befürwortet  lebhaft,  die  Schwanke,  trotz  ihrer  Derbheit  und 
ihres  reformatorischen  Standpunktes  und  trotz  der  jetzt  herrschenden  konfessionellen 
Empfindlichkeit,  sogar  in  die  Lektüre  der  Schule  aufzunehmen.  — 

Noch  ein  Wort  über  Hans  Sachs-Dichtungen.105"107)  Das  matte, 
doch  für  die  Vorgeschichte  von  Wagners  „Meistersingern"  wichtige  Drama  Deinhard- 
steins  hat  Wittmann108)  durchgesehen  und  wieder  herausgegeben.  —  Greif109) 
erschien  auf  dem  Plan  mit  einem  fünfaktigen  Schauspiel  „Hans  Sachs",  das  im 
einzelnen  schöne  lyrische  Stellen  enthält,  einen  nachhaltigeren  Eindruck  jedoch  nicht 
machen  konnte.  Es  schildert  frei  erfundene  Kämpfe  des  Hans  Sachs  gegen  Unver- 
stand und  Anfeindungen  der  Neider  und  schliesst  mit  des  Dichters  erfolgreicher 
Werbung  um  seine  erste  Frau.  Nicht  zum  Vorteile  des  Stückes  wird  auch  hier,  wie 
bei  Deinhardstein,  Kaiser  Max  aufgeboten,  den  Knoten  zu  lösen.  —  Aus  der  Zeit 
der  jungen  Ehe,  in  die  Hans  Sachsens  Konflikt  mit  dem  Rat  eine  vorübergehende 
Trübung  bringt,  ist  Geneesuoj  Lebensbild  entnommen,  während  Bu  rchards111) 
poetisch  empfundenes  und  glücklich  durchgeführtes  Festspiel  den  alternden  Dichter 
seine  zweite  Lebensgefährtin  gewinnen  lässt.112)  — 


11,5 

Didaktik.    1893,  1894. 

Adolph  Hofmeister. 

Geistliche  Didaktik:  Mystik  N.  1.  —  Totentänze  N.  9.  —  Katechismen  N.  11.  -  Predigt  N.  17.  —  Ver- 
schiedenes N.  21.  —  Weltliche  Didaktik:  Schule  und  Erziehung  N.  32.  —  H.  Steinhöwel  N.  41.  —  E.  Tilisch  N.  45.  — 
B.  Heupold  N.46.  —  Kalender  N.  47.  —  Aerzte  und  Naturforscher:  Th.  Faracelsus  N  53;  Anonymus  N.55;  Tabernaemontanus, 
N.  Tanrellus  N.  56;  G.  Agricola  N.  58:  S.  Franck,  G.  Torquatus  N  59.  —  Rechtsbücher  N.  63.  —  J.  Oldendorp  N.  68.  — 
r.  Schuler  N.  71.  —  Salire:  S.  Brant  N.  73:  Th.  Murner  N.  78;  J.  Fischart  N.  86;  Teufellitteratur  N.  98;  Grobianus  K.  100; 
Trunk,  Spiel  und  Liebe  N.  103.  —  Tierdichtung,  Fabel  und  Parabel  N.  111.  —  Schwankbücher  N.  117  a.  —  Priaraeln  und 
Sprichwörter  N.  125.  — 

Geistliche  Didaktik.  Den  Mystizismus  als  philosophische  Doktrin  stellt 
Stöckl1)  dar,  als  beruhend  auf  einer  stolzen  Selbstüberhebung  des  menschlichen 
Geistes,  indem  dieser  sich  mit  der  Erkenntnisweise,  die  ihm  von  Natur  aus  beschieden 
ist,  nicht  begnügt,  sondern  höher  hinaufsteigen  will  zu  einer  Erkenntnisart,  die 
über  seine  natürliche  Erkenntniskraft  hinausgeht,  und  an  die  er  in  der  natürlichen 
Ordnung  nicht  hinanreichen  kann.  Deshalb  ermangeln  die  mystischen  Gesichte  dieser 
Art  jedes  Kriteriums  der  Wahrheit.  Beispiele:  Die  protestantischen  Theosophen 
Valentin  Weigel  und  Jakob  Böhme.  Anders  steht  es  um  die  christliche  Mystik,  wie 
sie  durch  die  Viktoriner,  Bonaventura,  Gerson  usw.  vertreten  ist.  Sie  beruht  auf 
einer  ausserordentlichen  übernatürlichen  Gnadener Weisung  und  göttlichen  Erleuchtung, 
wenngleich  auch  hier  grosse  Vorsicht  geboten  ist  und  allein  das  von  der  Kirche  nach 
sorgfältiger  Prüfung  ausgesprochene  Urteil  massgebend  sein  darf.  —  P runer2),  der 
die  Mystik  als  Zweig  der  katholischen  theologischen  Wissenschaft  behandelt,  räumt 
dämonischen  Einflüssen  einen  Anteil  an  der  Entstehung  mystischen  Schauens  ein  und 

S.  541/2.  -  102)  E.  Goetze,  Z.  Feier  v.  Goethes  Geburtstag.  Goethe  u.  Hans  Sachs:  BFDH.  10,  S.  6-21.  —  103)  (U  3:  24.) 
—  104)  X  Ha»»  Sachs  als  Moralphilosoph:  Didask.  N.  264.  —  105)  X  E-  A.  Gutjahr  u.  F  Ad.  Geis»  ler,  Hans  Sachs 
in  Leipzig.  Festspiel  in  2  Aufz.  (Musik  v.  F.  Th.  Cursch-Bühren.  Op.  116.)  Text-  u.  Regiebuch.  L.,  Pöschel  &  Trepte.  39  S. 
M.  0,75.  (Hans  Sachs  bei  d.  Leipziger  Meistersängern)  —  106)  X  &  A.  Gutjahr,  Erläuterungen  z.  F.  Th  Cursch-Bührens 
Festspiel  (Op.  116)  „Hans  Sachs  in  Leipzig"  ebda.  31  S.  M.0,50.  (Litt.  u.  hist.  Notizen,  z.T.  nach  Wustmann  „Aus  Leipzigs 
Vergangenheit."  Setzt  Wagenseils  Urteil  über  Hans  Sachs  „21  Jahre  nach  d.  Tode  d.  Meisters"  !)  —  107)  X  Hans  Sachs 
d.  Meistersänger  als  evang.  Zeuge.  Dramat.  Scene  z.  Darstell,  in  evang.  Vereinen  verf.  v.  e.  Nürnb.  Geistlichen.  Nürnberg, 
Raw.  19  S.  M.  0,35.  —  108)  J.  L.  Deinhardstein,  Hans  Sachs.  Schausp.  in  4  Aufz.  Durchges.  u.  her.  v.  C.  Fr.  Witt  mann. 
(=  ÜB.  N.  3215.)  L.,  Reclam.  76  S.  M.  0,20.  —  109)  M.  Greif,  Hans  Sachs.  Vaterland.  Schausp.  in  5  Aufz.  L.,  Araelang. 
86  S.  M.  1,00.  |[J.  R.:  LZg".  N.  126;  KonsMschr.  S.  1227;  DBühneng  23,  S.  322.]|  —  110)  R.  Genee,  Hans  Sachs.  E. 
Nürnberger  Festschausp.  z.  Feier  seines  400.  Geburtst.  1.  Prolog  u.  Fastnachtsspiel  d.  Hans  Sachs :  Frau  Wahrheit  will  nie- 
mand herbergen.  2.  D.  junge  Meister.  Lebensbild  in  2  Akten.  Nürnberg,  Raw.  78  S.  M.  0,80.  |[V.  Valentin:  DWB1.  7, 
S.  573/4  (verurteilend).]!  —  111)  (=  N.  7.)  —  112)  X  E.  Hermann,  Hans  Sachsens  Herbstglück.  Dramat.  Scene.  Lahr, 
Schuuenburg.     14  S      M.  0,30.  — 

1)  A.  Stöckl,  Mystizismus:  WWKL.  8,  S.  2075-81.    —    2)  J.  Pruner,  Mystik,  myst.  Theologie:  ib.  S.  2081-105. 

(2^6* 


II  5-.3-11      A.  Hofmeister,  Didaktik  des  15./16.  Jahrhunderts.    1893,  1894. 

stellt  die  Kennzeichen  der  wahren  Mystik,  Misstrauen  auf  sich  und  demütige  Unter- 
werfung- unter  den  Willen  Gottes,  denen  der  falschen,  auf  rein  natürlichen  Ursachen 
oder  gefährlichem  Blendwerk  beruhenden,  besonders  dem  Eingenommensein  von  sich 
selbst  und  der  Sucht,  sich  bemerklich  zu  machen,  gegenüber.  —  Susanna  Wink- 
wort hs3J,  Pfeiffers  erste  Ausgabe  benutzende,  Uebersetzung  der  „Theologia  deutsch" 
ist  mit  der  Einleitung  Kingsleys  und  dem  Briefe  Bunsens  in  neuer,  hübsch  aus- 
gestatteter Auflage  erschienen.4)  —  Heg-lers  trefflicher  Arbeit  über  Geist  und  Schrift 
bei  Sebastian  Franck  (JBL.  1892  II  5b:  3;  1893  116:185)  sind  noch  mehrere, 
durchweg  höchst  anerkennende  Besprechungen  gefolgt.  Bossert5)  rühmt  das  feine 
Verständnis  der  nicht  leichten  Sprache  und  Ausdrucks  weise  Francks,  vermisst  aber 
den  Nachweis,  wie  Franck  zu  seiner  mystischen  Grundanschauung  kommt,  und  giebt 
einige  dafür  in  Betracht  kommende  Gesichtspunkte  an;  ebenso  findet  er  den  starken 
Wechsel  in  der  Stellung  Francks  zu  den  religiösen  Fragen  seiner  Zeit  noch  nicht 
völlig  aufgehellt.  —  Gust.  Kawerau6)  weist  den  Einfluss  Luthers  auf  Franck  an 
einzelnen  Stellen  genauer  nach  und  führt  eine  Hegler  entgangene  heftige  Aeusserung 
Luthers  gegen  ihn  an.7)  —  Francks  religionsphilosophische  Ansichten  in  ihrem  Zu- 
sammenhange mit  der  gleichzeitigen  Wissenschaft  darzustellen  ist  das  Bestreben  von 
Tausch8);  Erasmus,  Cornelius  Agrippa  und  Vives  folgt  er  in  der  Richtung  des 
Humanismus,  Tauler,  der  Deutschen  Theologie,  Staupitz,  Denck  in  seiner  durchaus 
praktisch  angelegten  Mystik  und  gelangt  auf  diesem  Wege  zu  der  spiritualistischen 
Weltanschauung,  die  ihn  gegen  jedes  Dogma  indifferent  macht  und  zur  Forderung 
uneingeschränkter  Toleranz  führt.     (Vgl.  auch  N.  59 — 60  und  II  6  :  279.)  — 

Die  mittelalterlichen  Totentanzdarstellungen  in  Wort  und  Bild  macht 
Seelmann9)  zum  Gegenstand  einer  eingehenden  und,  falls  nicht  etwa  ganz  neues 
Material  auftauchen  sollte,  wohl  einstweilen  massgebenden  Untersuchung.  Indem  er 
den  Lübecker  Totentanz  von  1463,  wie  er  in  der  von  Meileschen  Abschrift  erhalten 
ist,  mit  den  übrigen  Texten  vergleicht,  stellt  er  fest,  dass  dieser  auf  eine  nieder- 
ländische Vorlage  zurückgeht,  sodann  aber,  dass  er  auffällig  mit  der  altspanischen 
Danza  general  de  la  muerte  zusammenstimmt.  Die  gemeinsame  Quelle  beider  muss  eine 
französische  sein,  und  zwar  eine  nordfranzösische,  deren  Entstehung  ins  14.  Jh.  zu  setzen 
ist,  und  von  der  die  noch  erhaltene  französische  Danse  macabre  eine  Umarbeitung 
darstellt.  Die  spanische  Danza  hat  ihrerseits  ihre  Vorlage  durch  Zusätze  erweitert, 
die  nur  in  Spanien  selbst  entstanden  sein  konnten,  wie  die  Einführung  des  Rabbiners 
und  des  maurischen  Oberpriesters,  sodass  demnach  der  Lübecker  Text  der  ursprüng- 
lichen Vorlage  am  nächsten  steht.  Die  dialogische  Form  deutet  auf  scenische  Auf- 
führungen hin  und  thatsächlich  sind  historische  Nachrichten  darüber  vorhanden.  Die 
bildlichen  Darstellungen  sind  jünger  als  das  Gedicht,  haben  aber  dann  dessen  Ge- 
staltung insofern  beeinflusst,  als  in  den  neueren  Fassungen  der  Tod  sich  sofort  zum 
Folgenden  wendet  und  nicht  mehr,  wie  im  spanischen  und  lübischen  Text,  erst  dem 
Vordermann  Antwort  giebt.  An  diese  grundlegenden  Erörterungen  schliesst  sich  eine 
umfängliche  Litteratur-  und  Denkmälerübersicht  und  als  Anhang  der  leider  nicht  voll- 
ständig erhaltene  alte  Lübecker  Totentanztext,  teilweise  ergänzt  aus  der  daraus 
abgeleiteten  Revaler  Ueberlieferung.  —  Einen  kleinen  Nachtrag  dazu,  die  aus  dem 
Karmeliterkloster  zu  Harlem  stammende  und  jetzt  im  dortigen  Stadthaus  befindliche 
Reihe  der  Grafen  von  Holland  bis  auf  Maria  von  Burgund  und  Maximilian,  die  von 
dem  als  Herold  gekleideten  Tod  angeführt  wird,  bringt  Mull  er10)  bei.  — 

Die  erste  zur  Einführung  in  die  Hauptstücke  der  christlichen  Religion  be- 
stimmte Schrift,  welche  ausdrücklich  den  Titel  „Katechismus"  führt,  ist  der  „Cate- 
chismus,  das  ist  Unterricht  zum  christlichen  Glauben"  von  Andreas  Althammer  1528, 
der  erste  so  betitelte  katholische  Katechismus  der  Georg  Wicels  von  1535.  Selbst- 
verständlich gab  es  aber  schon  vorher  eine  nicht  unbedeutende  Litteratur  dieser  Art, 
nur  war  sie  weniger  für  die  Kinder  und  Laien  als  für  die  Pfarrer  und  Lehrer  be- 
stimmt, und  vor  der  Verbreitung  der  Buchdruckerkunst  konnten  solche  Anleitungen 
überhaupt  nicht  Gemeingut  des  Volkes  werden.  Eine  Zusammenstellung  der  sämtlichen 
im  15.  und  16.  Jh.  in  deutscher  Sprache  erschienenen  Katechismen,  denen  sich  die  in 
Deutschland  gedruckten  lateinischen  anreihen,  hat  Bahlmann11)  veröffentlicht  und 
damit  einen  Blick  in  eine  zahlreiche,  bisher  zu  wenig  beachtete  Litteratur  eröffnet. 
Auch  auf  die  vorhandenen  Sammlungen  von  Katechismuspredigten  geht  der  Heraus- 


—  3)  Theologia  Germanica.  Transl.  from  the  german  by  Susanna  Winkwort h.  With  a  pref.  by  Charles  Kingsley. 
London,  Macmillan  &  Co.  1893.  LXXVII,  227  S.  Sh.  2,6.  (Zuerst  1854  bei  Longnian  in  London  erschienen.)  —  4)  O  X  A. 
Del  v  igne,  Un  roonument  eleve  a  Zwolle  au  venerable  Thomas  a  Kempis:  PrH.  3,  S.  393,4.  —  5)  G.  Bossert:  ThLZ.  18, 
S.  191/3.  -  6)  G.  Kawerau:  GGA.  S.  76-80.  —  7)  X  L.  Stein:  AGPhilos.  6,  S.  586/7.  -■  8)  E.  Tausch,  Seb.  Franck 
v.  Donauwörth  u.  seine  Lehrer.  E.  Stud.  z.  Gesch.  d.  Keligionsphilos.  Diss.  Halle  a.  S.,  (B.,  Mayer  &  Müller.)  1893  55  S. 
M.  1,50.  (JBL.  1893  II  6:184.)  —  9)  W.  S  e  e  1  m  a  n  n  ,  D.  Totentänze  d.  MA..:  JbVNiederdSpr.  17,  S.  1-80.  (Sonderabdr. : 
Norden,  Soltau.  1893.  3,  80  S.  M.  1,50.)  |[J.  Bolte:  DLZ.  S.  877/8.]|  (Dazu  KBIVNiederdSpr.  15,  S.  41  [kurzer  UmrissJ; 
vgl.  JBL.  1893  I  11:209.)  —  10)  J.  W.  Muller,  Nederlandsche  doodendansen:  KBIVNiederdSpr.  16,  S.  87,8.   —  U)  (13: 147; 


A.  Hofmeister,  Didaktik  des  15./16.  Jahrhunderts.    1893,  1894.     II  5  i  12-25 

geber  ein  und  teilt  als  Anhang  eine  niederdeutsche  „Tafel  des  christlichen  Lebens" 
aus  dem  Ende  des  15.  Jh.  mit,  die  sich  nur  in  einem  einzigen  Exemplar  (in  Göttingen) 
erhalten  hat.  Einzelne  Ergänzungen  und  Berichtigungen  giebt  Falk  in  seiner 
Recension.  —  Ungefähr  gleichzeitig  mit  Bahlmanns  Bibliographie  erschien  ein  Aufsatz 
von  Paulus12),  worin  der  Vf.  als  Vorlage  der  unter  dem  Namen  des  Lorichius 
gehenden  Kinderlehre  eine  um  1515  in  Landshut  gedruckte  deutsch-lateinische  Schrift 
Joh.  Freibergers  nachweist.  Dass  der  allerdings  sonderbar  aussehende  Titel  ein  Dis- 
positionsschema enthält:  ,,Quis  quid  ubi  per  quos  quotiens  cur  quomodo  quando", 
scheint  er  nicht  bemerkt  zu  haben.  —  Von  den  Vf.  katholischer  Katechismen  haben 
noch  besondere  Behandlung  erfahren  Michael  Heiding  durch  Paulus13")  und  der  bei 
Bahlmann  fehlende  Conrad  Distel  durch  Roth14).  —  Zwei  umfänglichere  Schriften  l5~16) 
über  den  bedeutendsten  und  erfolgreichsten  von  ihnen,  Petrus  Canisius,  sind  schon 
entsprechend  gewürdigt.  — 

Einige  kurze  Notizen  zum  Beweise  dafür,  dass  im  15.  Jh.  die  Predigt  in 
der  Volkssprache  Regel  gewesen  sei,  stellt  Falk17)  zusammen;  ihm  schliesst  sich 
Paulus18)  an,  der  auf  die  grosse  Bedeutung  der  Predigt  auch  im  vorreformatorischen 
Gottesdienste,  namentlich  in  der  Advents-  und  Fastenzeit,  hinweist,  —  Ein  Beispiel, 
wie  in  volkstümlicher  Predigt  Reimereien  in  deutscher  Sprache  eingeflochten 
werden,  zeigt  Linsenmeyer19)  in  der  Charakteristik  des  sonst  unbekannten  Nikolaus 
von  Lüttich,  während  Paulus20)  dem  Franziskaner  Johannes  Wild,  1539  1554  Dom- 
prediger zu  Mainz,  als  einem  der  besten  deutschen  Kanzelredner  seiner  Zeit,  dessen 
Predigten  sich  durch  lichtvolle,  überzeugende  Darstellung  ebenso  auszeichnen  wie 
durch  edle  und  einfache  Ausdrucksweise,  ein  Denkmal  setzt.  Es  ist  ein  eigenes 
Schicksal,  dass  nicht  nur  der  ohne  Wilds  Vorwissen  gedruckte  Johanneskommentar 
und  einige  aus  seinem  Nachlasse  herausgegebene  Arbeiten,  für  deren  Veröffentlichung 
ihn  keine  Verantwortlichkeit  treffen  konnte,  den  Büchercensoren  nicht  gefielen, 
sondern  dass  1590  Sixtus  V.  sogar  sämtliche  Schriften  dieses  treuen  Katholiken  und 
eifrigen  Vorkämpfers  seines  Glaubens  (sie  sind  S.  68—  74  in  34  Nummern  verzeichnet) 
auf  den  Index  setzte,  wo  sie  heute  noch  stehen.  — 

Am  Schlüsse  dieses  Abschnittes  sei  Verschiedenes  zusammengestellt.  Der 
Augsburger  Mönch  Veit  Bild,  dessen  noch  erhaltener,  von  A.  Schröder  und  Grundl2') 
veröffentlichter  Briefwechsel  mancherlei  Interessantes  bewahrt,  tritt  sonst  in  keiner 
Weise  besonders  hervor.  Sein  Anteil  an  der  deutschen  Ausgabe  der  Geschichte  der 
Augsburger  Lokalheiligen  St.  Ulrich,  St.  Simpert  und  St.  Afra  ist  nur  gering;  etwas 
mehr  hat  er  an  der  lateinischen  Ausgabe  mitgearbeitet.  Auf  den  Gebieten  der 
Mathematik,  Astronomie  nnd  Geographie,  ebenso  in  anderen  Wissenschaften  ist  er 
eifrig  thätig,  aber  ohne  durchschlagenden  Erfolg'.  Zeitweilig  zeigt  er  starke  Hin- 
neigung zu  Luther,  zieht  es  aber  doch  vor,  bis  an  sein  Lebensende  (1529)  ruhig  im 
Kloster  zu  bleiben,  —  kurz,  ein  unklarer,  schwacher  Charakter.  —  Eine  nach  jeder 
Richtung  Achtung  einflössende  Gestalt  ist  der  bayerische  Landhofmeister  Christoph 
von  Schwarzenberg,  den  Paulus22)  schildert.  Ein  Schüler,  Freund  und  Gönner  der 
Tübinger  Humanisten,  beharrte  er  trotz  des  feurigen  Anschlusses  seines  Vaters  Johann 
an  Luther  und  die  Reformation  beim  alten  Glauben  und  griff  zu  dessen  Ver- 
teidigung selbst  zur  Feder,  woraus  sich  dann  eine  allerdings  nicht  lange  dauernde 
litterarische  Fehde  zwischen  Vater  und  Sohn  und  deren  beiderseitigen  Sekundanten 
(auf  Christophs  Seite  Kaspar  Schatzger)  entspann.23)  —  Eine  recht  selten  genannte, 
aber  gewiss  näherer  Bekanntschaft  werte  Persönlichkeit  führt  Kn od24)  in  der  Person 
des  elsässischen  Ritters  Eckhart  zum  Trubel  vor,  dessen  reformationsfreundliche 
Schriften  von  echt  volkstümlichem  Humor  und  einfältigem  Bibelchristentum  sich  er- 
füllt zeigen.25)    —    Hervorragenden  Einfluss  auf   die  Umwandlung  des  Ordensstaates 


II  6:4.3.)  |[J.  Falk:  Kath.  2,  S.  361/5:  ÖLB1.  3,  S.  740.];  —  12)  N.  Paulus.  Z.  Gesch.  d.  Katechismus:  Kath.  2,  S.  185-91. 
(Vgl.  II  6  :  45.)  —  13)  id.,  Michael  Heiding.  E.  Prediger  u.  Bischof  d.  16.  Jh.:  ib.  S.  410-30,  481-502.  (Starb  1561  als  Bischof 
v.  Merseburg:  vgl.  II  6:  26.)  -  14)  F.  W.  E.  Ko  t  h ,  Conrad  Distel  zu  Worms,  e.  vergessener  Katechet  d.  16.  Jh.:  HPBU.  114, 
S. 876/9.  (Prediger  zn  Worms,  liess  1580  zn  Mainz  e.  „Snmma  oder  kurzer  Begriff..."  in  volkstüml. Sprache  erscheinen:  vgl. 
II  6:44.)  —  15)  X  P.  Drews.  Petrus  Canisius,  d.  erste  dtsch.  Jesuit  (JBL.  1893  II  6:26).  Halle  a.  S.,  Niemeyer.  1892. 
158  S.  M.  1.20.  —  16)  X  O.  Braunsberger,  Entsteh,  u.  erste  Entwickl  d.  Katechismen  d.  sei.  Petrns  Canisius  (JBL.  1893 
II  6:27).  Freiburg  i.  B..  Herder  187  S.  M.  2,50.  |[H  J.  Wurm:  MHL.  22,  S.  208/9;  A.  Ebner:  HPBI1.  112,  S.  939-41: 
A  Bellesheim:  DublinR.  113,  S.  683/4;  LCB1.  1891,  S.  1497]|  —  17)  F.  F[alk],  Z.  Predigtwesen  d.  ausgehenden  MA.: 
Kath  73«,  S.  478-80.  —  18)  N.  P  au  1  u  s  ,  Z.  Gesch.  d.  Predigt  beim  ausgehenden  MA.:  ib.  2,  8.  279-87.  —  19)  A.  Linse  n- 
meyer,  Nik.  v.  Löttich,  e.  Reimprediger  am  Ende  d.  MA..  ib.  8.  351/5.  —  20)  N.  Paulus,  Jeh.  Wild.  E.  Mainzer  Dom- 
prediger d.  16.  Jh  (=  Vereinsschrift  d.  Görres-Ges.)  Köln,  Bachern.  1893.  IV,  79  S.  M.  1,50.  |[F.  n.  R  eu  s  c  h  :  ThLZ  19, 
S.  420  1;  A.  Englert:  Euph.  1,  8.  806/7;  L.  Wintera:  ÖLB1  3,  S.  389-90.]|  (Vgl.  II  6:22.)  —  21)  A.  Schröder,  D. 
Humanist  Veit  Bild,  Mönch  bei  St.  Ulrich.  Sein  Leben  u.  sein  Briefw.:  ZHVSchwaben.  20,  S.  173-227.  |[MhComeniusGes.  3. 
S.  334.]  |  (S.  218-27  ausgew.  Briefe,  her.  v.  B.  Grundl;  vgl.  n  6:  16.)  —  22)  N.  P  au  1  u  s  ,  Chrph.  v.  Schwarzenberg.  E. 
kath.  Schriftsteller  n.  Staatsmann  d.  16.  Jh.:  HPBU.  111.  S.  10-32.  (Geb.  1488,  gest.  9.  Jan.  1533:  vgl.  JBL.  1893  TL  1  :  60.)  — 
23)  X  Biogr.  Nachtrr.  zu  Chrph.  v.  Schwarzenberg:  ib.  112,  S  144-54.  (1.  F.  Binder,  Aus  d.  Jugendzeit  in  Schwaben; 
2.  N  Paulus,  Schwarzenbergs  Familie  [Vermählung  13.  März  1509].)  —  24)  G.  Knod,  Ritter  Eckhart  z.  Trubel:  ADB.  38, 
S.  668/9.  (Gest.  zu  Anfang  d.  40er  Jahre  auf  seiner  Burg  Hindesheim  i.  E.)  —  25)  X  ö.  Roethe,  Hans  Chrph.  Prhr. 
v.  Teuffei:    ib.  37,    S    789-91.     (Geb.  1560-70,  gest.  nach  1620,  Vf.  gutgemeinter,    aber  wenig  hervorrag.  Dichtungen,    in  deren 


II  5:2r,-42       A.  Hofmeister,  Didaktik  des  15./16.  Jahrhunderts.    1893,  1894. 

Preussen  in  ein  weltliches  Fürstentum  hatte  Friedrich,  Herr  zu  Heideck  in  Franken, 
Ordenspfleger  zu  Johannisburg,  ausgeübt;  nachdem  dies  erreicht  war,  musste  es  von 
grösster  Wichtigkeit  sein,  wie  sich  der  livländische  Zweig  des  Ordens  unter  dem 
Meister  Walther  von  Plettenberg  dazu  und  namentlich  zur  Einführung  der  Reformation 
stellte.  Auch  hier  griff  Heideck  selbst  ein  und  setzte  eine  Schrift  auf,  in  der  er  ein 
vollständiges  lutherisches  Glaubensbekenntnis  mit  Anwendung  auf  das  praktische 
Leben  entwickelt  und  auf  Grund  dieses  Walther  von  Plettenberg  auf  die  Seite  der 
Reformation  zu  ziehen  versucht.  Der  Versuch  hatte  nicht  den  gewünschten  Erfolg, 
aber  Heideck  hat  sich  durch  diese,  von  Tschackert26)  neu  herausgegebene,  Schrift 
einen  ehrenvollen  Platz  in  der  Reformationslitteratur  erworben,  wenn  er  auch  später 
in  Schwenckfeldsche  Sektiererei  verfiel.  —  Das  Leben  und  die  Schriften  des  wehr- 
haften, über  eine  scharfe  Dialektik  verfügenden  Stadtpfarrers  Jakob  Ratz  zu  Neuen- 
stadt an  der  Linde  schildert  Bossert27);  die  Schriften  „vom  Tanzen",  „von  der 
Hellen"  und  „vom  Fasten"  verdienen  wohl  weiter  bekannt  zu  werden.  Trotz  der  in 
seiner  eigenen  Familie  und  in  seiner  ganzen  Heimat  herrschenden  Stimmung  gegen 
die  Geistlichkeit  wählte  er  doch  selbst  den  geistlichen  Stand;  was  er  aber  aus  eigener 
Kenntnis  über  das  Leben  und  Treiben  der  Mainzer  Domherren  und  das  frivole  Ge- 
bahren  Aleanders  berichtet,  übersteigt  ziemlich  alle  Begriffe.28)  —  Nachrichten  meist 
bibliographischer  Natur,  die  teilweise  unser  Gebiet  berühren,  liegen  vor  von  Anders- 
son2öj,  Paulus30)  und  Roth.31)  - 

Weltliche  Didaktik.  Ziemlich  gleichzeitig  haben  unabhängig  von  einander 
Bahlmann32)  und  Weingart33)  in  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jh.  anscheinend  recht 
verbreitet  gewesene,  für  Mittelschulen  bestimmte  Schul-  und  Erzieh ungs regeln 
wieder  ans  Licht  gezogen.  Sie  bestehen  aus  72  lateinischen  sechshebigen  accen- 
tuierenden  gereimten  Zweizeilern,  denen  eine  Umschreibung  in  gereimten  deutschen 
Vierzeilern  gegenübersteht.  Da  diese  sich  dem  teilweise  recht  korrumpierten  lateinischen 
Texte  sehr  frei  anpasst,  hat  W.  jeder  Strophe  noch  eine  wörtliche  (Jebersetzung  bei- 
gegeben. —  Von  dem  Leben  des  Mömpelgarder  Landvogts  Marquardt  von  Stein,  der 
G.  de  la  Tour  Landrys  1372  geschriebenen  Li  vre  pour  Tenseignement  de  ses  filles  mit 
Rücksicht  auf  seine  eigenen  Kinder  in  schlichte  deutsche  Prosa  übersetzte,  giebt 
Roethe34)  Nachricht.  Das  zuerst  1493  bei  Furter  in  Basel  gedruckte  Buch  fand 
vielen  Beifall  und  wurde  noch  im  17.  Jh.  neu  aufgelegt.  —  In  alten  Einbänden  der 
Baseler  Universitätsbibliothek  fand  Binz35)  eine  grössere  Anzahl  Bruchstücke 
von  des  Ensisheimer  Pfarrers  Joh.  Rasser  verschollenem  Spiel  von  der  Kinderzucht, 
das  nach  Weller,  der  seinerseits  Willer  folgt,  1573  in  Bern  aufgeführt  sein  sollte. 
Obgleich  die  Bruchstücke,  die  mindestens  fünf  verschiedenen  Exemplaren  entstammen, 
nicht  die  Zusammenstellung  eines  vollständigen  Originales  gestatten,  so  reichen  sie 
doch  durchaus  hin,  uns  einen  vollkommenen  Einblick  in  die  Oekonomie  und  Ausführung 
des  Stückes  gewinnen  zu  lassen.  Das  Spiel  ebenso  wie  das  von  der  Hochzeit  des 
Königssohnes  ist  in  Ensisheim  selbst,  und  zwar  am  5.  und  6.  Aug.  1573,  von  97  Knaben, 
aufgeführt  und  im  Jahre  darauf  in  Strassburg  (vielleicht  auch  in  Frei  bürg  i.  B.)  ge- 
druckt worden.  Die  Angabe  der  Quelle  Wellers,  eine  Aufführung  habe  in  Bern  statt- 
gefunden, muss  bei  dem  klar  ausgesprochenen  katholischen  Charakter  des  Stückes 
auf  Irrtum  beruhen.  —  Die  treffliche  Biographie  des  berühmten  Strassburge."  Rektors 
Joh.  Sturm  von  Ziegler36)  mag  an  dieser  Stelle  erwähnt  werden.  —  Seelmanns3'"38) 
Beiträge  zur  Kunde  älterer  niederdeutscher  Schulbücher  haben  schon  ihren  Platz  ge- 
funden. —  Die  deutsche  Grammatik  des  Nordhausener  Rektors  und  späteren  Pfarrers 
zu  Bendeleben  Joh.  Clajus,  die  dadurch,  dass  er  als  Massstab  für  den  zu  seiner  Zeit 
gültigen  Sprachgebrauch  fast  ausschliesslich  die  Lutherbibel  von  1545  anwendet, 
von  hoher  Wichtigkeit  für  die  Ausbildung  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache 
erscheint,  hat  Weidling39"40)  neu  herausgegeben.   — 

Die  vielseitige  schriftstellerische  Thätigkeit  Heinrich  Steinhöwels  und 
deren  weitreichenden  Einfluss  hat  Strauch41"42)  in  knapper  Darstellung  sehr  klar 
und    anschaulich    charakterisiert;    er    hat    wertvolle    aktenmässige    Belege    für    seine 


grösster  er  seinen  Uebertritt  z.  Katholizismus  zu  motivieren  sucht,  u.  die  übrigens  auch  schon  ins  17.  Jh.  fallen.)  —  26)  P. 
Tschackert,  Friedrich  Herr  zu  Heideck,  Christi.  Ermahnung  an  Herrn  Walther  von  Plettenberg  (JBL  1892  II  5b:  19; 
1893  II  6  :  142.)  Königsberg  i.  Pr.  (Beyer).  1892.  44  S.  M.  1,00.  |[U.  V  i  r  c  k  :  ThLZ.  19,  S.  44.JJ  —  27)  G. 
Bossert,  Jak.  Ratz,  sein  lieben  u  seine  Schriften:  BWKG.  8,  K.  5-10.  —  28)  O  X  H.  Heineck  u.  H.  Grössler, 
Drei  Briefe  d.  M  Cyriacus  Spanger.berg  an  M.  Andr.  Fabricius  (JBL.  1893  II  6  :  155):  Manst'elderBll.  7,  S.  1505.  —  29)  A. 
Andersson,  Miscellanea:  CBIBibl.  10,  S.  436-90.  30)  N.  Paulus,  Kath.  Schriftsteller  ans  d.  Reformationszeit  (JBL.  1893 
II  6:5):  Kath.  73*,  S  213-23.  (Nachtr.  zu  Kath  72',  S.  544 ff.)  -  31)  (II  2:44.)  —  32)  O  P.  Bahlma  nn,  Schülerregri'ln 
aus  d.  Ende  d.  15.  Jh  :  MGESchG.  3,  S  l.'9-4ö.  —  33)  M.  Wein  gart,  Statuta  vel  praecepta  scolarium.  Schulerregelu  aus 
«.  Ende  d.  15.  Jh.  Progr.  Metten.  31  S.  —  34)  G.  Roethe,  Marquardt  v.  Stein:  ADB.  35,  S.  666  8.  —  35)  (II  4a:  30.)  - 
36)  Th.  Ziegler,  Joh.  Sturm:  ADB.  37.  S.  21-38.  (Vgl.  II  6:240.)  -  37)  W.  Seelmann,  Niederdtsch  Fibeln  (JBL.  1893 
16:11):  JbVNiederdSpr.  18,  S.  124/9  (H.  Lambeck,  „Deutsche  Orthographie",  Hamburg  1633,  u.  Marcus  Schulte,  o.  O. 
1532.  Sollte  also  heissen  16.  u.  17.  Jh.)  -  38)  id.,  Rollenhagen  über  mundartl.  Aussprache  (JBL.  1893  I  6:  10):  ib.  S  120,3. 
—  39)  V.  Weidling,  üeber  Joh.  Clajus  dtsoh.  Grammatik:  Diss.  Freibnrg  i.  B.  32  S.  (Vgl.  I  7  :  11.)  —  40)  (I  7  :  11.) 
r-  41)  ri>.  Strauch,  H.  Steinhöwel:  ADB.  35,  S.  728-36.    (Vgl.  JBL.  1893    II  3:41.)  —  42)  id.,  Z.  Lebensgesch.  Steinhöwels: 


A.  Hofmeister,  Didaktik  des  15./16.  Jahrhunderts.    1893,  1894.     II  5  •.  43-53 

äusseren  Lebensumstände  beigebracht.  —  Die  noch  blühende  Familie  führt  jetzt  den 
Namen  Steinheil.43-44)  — 

Der  „Lobspruch  des  deutschen  Fürsten-  und  Adelsstands"  (Freiberg  i.  M.  1588) 
des  Schlesiers  Eleasar  Tilisch  (Tilesius  von  Tilenau),  den  R  o  e  t  h  e 45)  schildert, 
steht  stofflich  ganz  unter  dem  schlimmen  Einfluss  Rüxners  und  zeigt  nur  mässigo 
poetische  Begabung. — 

Hierher  gehört  auch  der  fleissige  Präceptor  an  der  Studienanstalt  St.  Anna 
in  Augsburg  Bernhard  Heupold,  dessen  Biograph  Radlkofer46)  zwar  das 
Hauptgewicht  auf  seine  Thätigkeit  als  Lehrer  und  Chronist  der  Schule  legt,  dabei 
aber  auch  einen  zur  ersten  Orientierung  völlig  ausreichenden  Einblick  in  seine  um- 
fassende litterarische  Thätigkeit  gewährt.  Ausser  den  bei  Goedeke  (22,  S.  201—15  und 
S.  461/5)  angeführten  Schriften  kommen  für  uns  noch  in  Betracht  eine  Anzahl  von 
poetischen  Beschreibungen,  die  die  Stadt  Augsburg,  deren  Wappen,  Rathaus  und 
andere  merkwürdige  Bauwerke  zum  Gegenstand  haben.  — 

In  leichter,  unterhaltender,  durch  reichhaltige  Litteraturangaben  und  An- 
merkungen auch  zu  wissenschaftlicher  Einführung  brauchbarer  Darstellung  giebt 
U  h  l47)  einen  CJeberblick  über  die  Wandlungen,  die  der  deutsche  Kalender,  dieser 
unentbehrliche  Hausfreund,  seit  Karls  des  Grossen  Tagen  durchgemacht  hat.  Den 
breitesten  Raum  nimmt  der  Kalender  des  Mittelalters  und  des  Reformationsjh.  ein 
mit  all  den  verschiedenen  chronologischen,  meteorologischen  und  astrologischen  Zu- 
thaten,  dem  Cisiojanus,  der  Ostertabelle,  den  Gesundheits-  und  Wetterregeln  und  dem 
Bauernkalender,  die  teilweise,  wenn  auch  in  abgeschwächter  Form,  noch  in  unseren 
Kalendern  nachwirken  und  die  gegen  das  Ende  des  15.  Jh.  als  „Praktiken"  und 
„Prognostiken"  anfingen,  selbständig  zu  werden,  bis  sie  schliesslich  einer  meist  recht 
derben,  aber  nicht  unverdienten  Satire  zum  Opfer  fielen.  Zu  tendenziösen  Zwecken 
wurden  die  Kalender  schon  im  16.  Jh.  ausgenutzt,  in  katholischem  Sinne  von  Murner, 
in  evangelischem  von  Joh.  Copp  und  O.  Brunfels,  so  dass  also  die  neuesten  Er- 
scheinungen dieser  Art  nicht  erst  im  französischen  Revolutionskaleuder,  sondern  schon 
in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jh.  ihr  Vorbild  finden  können.  Auch  das  Wetterbüchlein, 
wie  es  Hellmann48)  nach  der  ersten  Rejnmannschen  Ausgabe  von  1510  neu  ab- 
gedruckt hat,  zählt  zu  diesem  Litteraturkreise  und  stellt  zugleich  die  älteste  in  deutscher 
Sprache  erschienene  meteorologische  Schrift  dar,  deren  Nachwirkungen  wir  in  den 
volkstümlichen  Wetterregeln  noch  heute  wahrnehmen  können.  Die  auf  die  Kalender- 
reform Papst  Gregors  XIII.  bezügliche  satirische  Litteratur  führt  U.  in  einigen  sehr 
charakteristischen  Proben  vor,  über  die  lange  Vorgeschichte  der  Reform  und  über 
diese  selbst  äussert  er  sich  so  gmt  wie  gar  nicht.  —  Einigermassen  treten  in  diese 
Lücke  zwei  biographische  Artikel  über  Andreas  Stiborius,  von  Günther49),  und 
Johannes  Stöffler,  von  Hartfelder50),  ein.  Stöffler,  dessen  grosses  Kalenderwerk 
übrigens  bei  Uhl  die  gebührende  Würdigung  gefunden,  hatte  auf  Grund  der  damals 
stark  verbreiteten  Zahlen mystik  die  Sintflut  auf  das  J.  1524  angekündigt,  war  aber  so 
glücklich,  diesen  Termin  selbst  noch  um  7  Jahre  zu  überleben.  —  Aehnlich  erging 
es  dem  von  Cantor51)  als  Regenerator  der  wissenschaftlichen  Mathematik  sehr  hoch 
gestellten  lutherischen  Theologen  Mich.  Stifel,  der  den  Weltuntergang  auf  den  19.  Okt.  1533 
morgens  8  Uhr  verkündigt  hatte  und  ihn  am  angesetzten  Tage  mit  seiner  Gemeinde 
(Lochau  bei  Wittenberg)  in  Gebet  und  Tröstung  aus  Gottes  Wort  erwartete.  Deshalb 
des  Amtes  entsetzt,  Hess  er  von  der  mystischen  Zahlengrübelei  ab  und  wandte  sich  mit 
bestem  Erfolg  ernstlichen  mathematischen  Studien  zu.  Durch  seine  „Deutsche  Arith- 
metica"  (1545),  in  der  er  durchgehend  deutsche  Ausdrücke  an  Stelle  der  meist 
italienischen  oder  griechisch-arabischen  Termini  zu  setzen  bestrebt  ist,  tritt  er  mit  in 
die  Reihe  der  um  die  Reinheit  unserer  Muttersprache  verdienten  Männer;  später  ver- 
fiel er  wieder  in  seine  alte  Leidenschaft.52)  — 

Wir  kommen  zudenAerzten  und  Naturforschern.  Ein  Werk  staunens- 
werten Fleisses  ist  Sudhoffs53)  auf  breitester  Grundlage  angelegter  „Versuch  einer 
Kritik  der  Echtheit  der  Paracelsischen  Schriften",  wovon  bis  jetzt  der  erste  Teil 
vorliegt.    (Im  Klarheit  darüber  zu  schaffen,  was  von  dem  vielen  unter  dem  Namen  des 

VLG.  6,  S.  277-90.  —  43)  X  G.  v.  Wyss,  Joh.  Stampf:  ADB  36,  S.  751,4  (Schweiz  Historiker,  geb.  in  Bruchsal  1500,  gest. 
in  Zürich  um  1576.)  —  44)  X  W.  Becker,  Ad.  Tratziger:  ib.  33,  S.  501/4.  (Rechtsgelehrter  u.  Historiker,  geb.  um  1523  zu 
Nürnberg,  gest.  17.  Okt.  1584  auf  d.  Reise  v.  Hamburg  nach  Gottorp.  Hist.  Hauptwerk  d.  Himburgische  Chronik  v.  1558.)  — 
45)  G.  Roethe,  Eleasar  Tilisch:  ib.  S.  3012.  —  46)  M.  Radlkofer,  Bernh.  Heupold,  Präceptor  an  d.  Studienanst  St.  Anna 
zu  Augsburg:  ZHVSohwaben.  20,  S.  116-35.  (Vf.  e.  Losbuches,  Frankfurt  a.  M.  1595.)  —  47 1  W  Uhl,  Unser  Kalender  in 
seiner  Entwickl.  v.  d.  ältesten  Anfängen  bis  heute  Paderborn,  Schöningh.  1893.  165  S  M.  1.40.  |[DR  1,  S.  144.]|  (Vgl. 
JBL.  1893  I  4:144.)  -  48)  G.  Hellmann,  L.  Reynraan,  Wetterbuchlein,  v.  wahrer  Erkenntnis  d.  Wetters  1510  (=  Neudrr. 
v.  Schriften  u.  Karten  über  Meteorologie  u  Erdmagnetismus  N.  1.)  B.,  Asher  &  Co.  1893.  4°.  41,  14  S.  M.  6,00.  |[S. 
Günther:  FränkKur.  1893,  N.  629.]l  (Vgl.  JBL.  1892  H  5:  14.)  —  49)  S.  Günther,  Andr.  Stiborius:  ADB.  36,  S.  1623.  — 
50)  K.  Hartfelder,  Joh.  Stöffler  v.  Justingen:  ib.  S.  317/8.  -  51)  M.  Cantor,  Mich.  Stifel:  ib.  S.  203-16.  —  52)  X  s- 
Günther,  G.  Stadius:  ib.  35,  S.  375  6.  (Keplers  Vorgänger  als  steirischer  Landschaftsroathematiker;  gest.  1593.)  —  53)  K. 
Sudhoff,  Versuch  e.  Kritik  d.  Echtheit  d.  Paracelsischen  Schriften.  I.  T  D.  unter  Hohenheims  Namen  erschienenen  Druck- 
schriften.    B.,  Reimer.     1894.     XIII,  722  S.  M.  18,00.  |[Max  Lange:  VossZg".  1893,  N.  51.]|    (Unterstützt  v.  Ed.  Schubert: 


II  5  :  54-62       A.  Hofmeister,  Didaktik  des  15./16.  Jahrhunderts.    1893,  1894. 

Paracelsus  Ueberlieferten  wirklich  als  das  Werk  seines  Geistes  angesehen  werden  darf 
oder  muss,  hat  S.  seit  15  Jahren  in  Gemeinschaft  mit  seinem  inzwischen  ver- 
storbenen Freunde  Ed.  Schubert  alles  gesammelt,  was  unter  Hohenheims  Namen 
noch  vorhanden  und  in  den  verschiedensten  Bibliotheken  (147  sind  namentlich  auf- 
geführt) des  In-  und  Auslandes,  wozu  noch  die  eigene  Sammlung  mit  122  und  die 
Schuberts  mit  194  Nummern  kommen,  zerstreut  aufbewahrt  ist,  und  legt  nun,  nachdem 
schon  zwei  Hefte  „Paracelsus-Studien"  (Frankfurt  a.  M.  1887—89)  verdienter  Weise 
die  grösste  Aufmerksamkeit  der  beteiligten  Kreise  auf  sich  gezogen  hatten,  die 
Ergebnisse  seiner  Bemühungen  der  g-elehrten  Welt  vor.  Es  sind  518  Nummern,  jede 
mit  sorgfältigster  bibliographischer  Beschreibung  und  Analyse  des  Inhalts  versehen, 
sogar  die  letzten  198,  die  der  Herausgeber  selbst  in  ihrer  Mehrzahl  als  „Neudrucke 
ohne  Wert  und  grobe  Unterschiebungen"  bezeichnet.  Dem  zweiten  Teil  ist  die 
Beschreibung  und  Besprechung,  sowie  Inhaltsangabe  der  zahlreichen  noch  vorhandenen 
Paracelsushss.  vorbehalten,  worauf  dann  der  Schlussband  in  zusammenhängender 
Darstellung  die  Echtheit  der  einzelnen  Schriften  auf  Grund  des  gebotenen  Materials 
erörtern  soll:  Hier  wird  sich  in  grossen  Zügen  der  Gang  Hohenheimschen  Denkens 
und  Schaffens  in  den  verschiedenen  Abschnitten  seines  Lebens  von  selbst  ergeben. 
Es  wäre  sehr  zu  hoffen,  dass  die  Krönung  des  so  fest  fundamentierten  Gebäudes 
nicht  allzulange  auf  sich  warten  Hesse.  —  Auch  zur  Bibliographie  der  Nachfolger  des 
Paracelsus  hat  Sudhoff54)  höchst  schätzbare  Beiträge  geliefert.  Dass  er  dabei  mit 
einem  sehr  selbstbewussten  Dilettanten  auf  diesem  Gebiet  nicht  gerade  glimpflich 
umspringt,  wird  ihm  ausser  dem  Betroffenen  selbst  wohl  niemand  verargen.  — 

Zweifelhaft  ist  die  Persönlichkeit  des  anonymen  Vf.  einer  alchymistischen 
Schrift  unter  dem  Titel  „Der  Ritter-Krieg",  von  der  Roethe55)  nur  eine  Ausgabe, 
Hamburg  1680,  vorlag.  Der  Vorrede  nach  sollte  der  Vf.  ein  Bamberger  Priester 
Johannes  Sternhals  (um  1488)  sein,  aber  Inhalt  und  Sprache  lassen  auf  ein  100  Jahr 
jüngeres  Datum  schliessen.  — 

Einen  kurzen  Lebensabriss  des  durch  sein  „Kräuterbuch"  berühmt  gewordenen 
Heidelberger  Leibarztes  Jak.  Theodorus,  genannt  Tabernaemontanus,  giebt 
Wun  schmann56);  die  Bedeutung  des  Altorfer  Mediziners  Nik.  Taurellus, 
der  es  als  unermüdlicher  Kämpfer  gegen  die  Lehre  von  der  „doppelten  Wahrheit" 
und  gegen  die  Unfehlbarkeit  des  übrigens  auch  von  ihm  als  Fürsten  der  Philosophen 
anerkannten  Aristoteles  mit  den  Theologen  wie  mit  den  Philosophen  in  gleicher 
Weise  verdarb,  trotzdem  sein  eifrigstes  Bestreben  gerade  dahin  abzielte,  das  Wissen 
mit  dem  Glauben  zu  versöhnen,  würdigt  Groos57).  — 

Wie  der  reiche  Bergsegen  des  sächsisch-böhmischen  Grenzgebirges  durch  die 
,, Bergreihen"  Einfluss  auf  die  deutsche  Dichtung  gewann,  so  hat  er  auch,  nach 
Sehr  auf58),  durch  Vermittlung  der  grundlegenden  Schriften  Georg  Agricolas, 
die  allerdings  alle  lateinisch  geschrieben  sind  (nur  das  Hauptwerk,  De  re 
inetallica,  Basel  1556,  ist  im  Jahre  darauf  von  Philipp  Bechius  ins  Deutsche  über- 
tragen worden  und  hat  in  dieser  Gestalt  1580  und  1621  neue  Auflagen  erlebt)  zur 
wissenschaftlichen  Begründung  der  Mineralogie  und  Hüttenkunde  das  Beste  bei- 
getragen. — 

Die  Bedeutung  Sebastian  Francks  (s.o.N.5/8)  als  Kosmograph,  seine  Stärken 
wie  seine  Schwächen,  wTenn  auch  mit  besonderer  Hervorhebung  der  ersteren,  trägt 
Löwenberg59)  in  anregender  Weise  vor,  doch  ist  darüber  schon  anderweitig  zur 
Genüge  berichtet,  ebenso  darüber,  dass  gerade  die  von  L.  besonders  betonten  lebendigen 
Schilderungen  der  Volkssitten  und  Gebräuche  von  Vogt60)  als  direkte  Entlehnung, 
nicht  als  geistiges  Eigentum  Francks  nachgewiesen  sind.61)  —  Auszüge  aus  der 
lateinisch  geschriebenen,  aber  vom  Autor  mit  zahlreichen  deutseben  Randglossen  ver- 
sehenen, trotz  mancher  Mängel  und  Versehen  historisch  recht  wertvollen  Topographie 
des  Erzstifts  Magdeburg  von  Georg  Torquatus  aus  dem  einzigen  Abdruck  des 
1567  begonnenen  Werkes  in  F.  E.  Boysens  Monumenta  inedita  Tom  I  (un.)  1761  (die 
Hs.  ist  seitdem  verschwunden)  hat  Dittmar62)  veröffentlicht.  — 

Das  15.  und  16.  Jh.  trägt  auch  auf  dem  Gebiete  des  Rechtslebens  das 
Gepräge  des  Uebergangs,  der  zwar  im  Stillen  längst  vorbereitet  war,  sich  jetzt  aber 
in  beschleunigtem  Tempo  vollzieht.  Der  Umstand,  dass  weitaus  die  meisten  schrift- 
lichen Aufzeichnungen  der  älteren  deutschen  Stadt-  und  Landrechte,   von    denen 

vgl  n  1  :95.)  —  54)  id.,  E.  Beitr.  u.  Nachtr.  z.  Bibliographie  d.  Paracelsisten  im  16.  Jh.:  CBIBibl.  10,  8.  816-26,  385-407; 
11,  S.  169-72.  (Vgl.  JBL.  1893  I  3  :  124:  II  1  :  176;  s.  o.  II  1  :  96.)  -  55)  ».  Roethe,  Joh.  Stemhals:  ADB.  36,  S.  122/3.  - 
56)  E.  Wunsohmann,  Jak.  Theodorus,  gen.  Tabernaemontanus:  Ib  37,8  7,4;ö.—  57)  K  Groos,  Nik.  Tanrellns:  ib. S.  467-71. 
—  58)  A  Schranf,  Ueber  d.  Einfluss  d.  Bergsegens  anfd.  Entsteh,  d.  mineralog.  Wissenseh.  im  Anfange  d.  16.  Jh.:  AlmAkWien.  44, 
S.  287-317.  (Sonderabdr.:  Wien,  Tempsky.  31  S.  M.  0,60.)  —  59)  J.  Löwenberg,  D.  Weltbuch  Seb.  Francks  (.TBL.  1893 
II  1  :  109;  3:60).  (=  SGWV.  N  177.)  Hamburg,  Verlagsanst.  1893.  37  S.  M.,0.80.  |[BBG  8.  188:  DWB1.  7,  S  168;  BLTJ. 
f».  287;  MhComeniusG.  3,  S.  41||  —  60)  F.  Vogt,  Seb.  Franck  u.  Joh  Boemus  (JBL.  1893  I  5  :  12;  II  3  :  61):  ZVVolksk.  8, 
8.  117-80.  -  61)  X  Fritz,  Seb.  Münster:  WWKL.  8,  8.  2007/8.  (Ganz  kurz  u.  ohne  neue  Gesichtspunkte  zu  eröffnen.)  — 
62)    M.    Dittmar,    D.    beiden    ältesten    Magdeburgischen    Topographen:    ALVolkskProvSachsen.  3,    S.  1-39.     (Nur    Torquatus 


A.  Hofmeister,  Didaktik  des  15./16.  Jahrhunderts.    1893,  1894.     II  5  :  63-76 

aus  niederdeutschem  Sprachgebiet  Jellinghaus63)  eine  grosse  Anzahl  zusammen- 
gestellt hat,  dieser  Zeit  entstammen,  giebt  Kunde  davon,  dass  man  die  Notwendigkeit 
einer  solchen  Fixierung  klar  erkannt  hatte.64)  —  Ueber  die  Vorgeschichte  eines  weit- 
verbreiteten Kanzleihandbuches,  des  „Formulare  und  deutsch  Rhetorica"  (erste  datierte 
Drucke  Augsburg  und  Strassburg-  1483)  verbreitet  sich  Joachimsohn65),  und  er 
stellt  fest,  dass  die  Augsburger  Ausgabe  die  erste,  die  Strassburger  ein  geschickter 
Nachdruck  ist.  Die  Entstehung  ist  in  einer  schwäbischen  Kanzlei  zu  suchen,  vielleicht  zu 
Ulm  oder  Nördlingen;  vielerlei  deutet  darauf  hin,  dass  der  rhetorisch  unter  dem 
Einfluss  Nikolaus  von  Wyles  stehende  Schulhalter  Bernhard  Hirschfelder  von 
Nördlingen  an  der  sicher  nicht  vor  1478  abgeschlossenen  Sammlung  starken  Anteil 
gehabt  hat.  Dass  er  als  der  eigentliche  Vf.  anzusehen  sei,  bezweifelt  J.  aus  stilistischen 
Gründen,  stellt  aber,  zugleich  Beziehungen  zwischen  ihm  und  Hartmann  Schedel 
andeutend,  nicht  in  Abrede,  dass  er  der  letzte  Redaktor  gewesen  sein  könne.  — 
Ulrich  Tenglers,  des  Höchstädter  Landvogts,  als  Hülfs-  und  Nachschlagebuch  für  die 
„Halbgelehrten"  geschriebener  „Layenspiegel",  der  praktische  Unterweisung  mit 
theoretischer  Begründung  geschickt  verbindet,  bildet,  nach  A.  von  Eisen- 
hart s66)  Ausführungen,  mit  Seb.  Brants  „Richterlichem  Klagspiegel"  den 
Abschluss  der  populären  Rechtslitteratur  des  15.  und  16.  Jh.  Die  erste  Auflage 
erschien  1509,  die  zweite  bedeutend  vermehrte  ("„Der  new  Layenspiegel")  1511.  Das 
Werk  stand  6—7  Jahrzehnte  hindurch  in  hohem  Ansehen  und  hat  mehr  als  jedes 
andere  der  Einbürgerung  der  fremden  Rechte  in  der  Praxis  der  Niedergerichte  Vor- 
schub geleistet.  —  Welche  Meinung  aber  das  Volk  schon  lange  vorher  von  den 
„lateinischen"  Advokaten  gefasst  hatte,  zeigt  klärlich  das  von  B  ölte67)  veröffentlichte 
Gedicht  „Van  den  sali  boeuen",  das  einem  ehrlichen  Zorn  gegen  die  unersättlichen 
Forderer  und  säumigen  Förderer  Worte  leiht.  — 

Im  Vollbesitz  gelehrter  römisch-rechtlicher  Bildung  und  selbst  Professor  der 
Rechte  nach  einander  in  Greifswald,  Frankfurt  a.  0.,  Rostock,  Köln  und  Marburg, 
hat  Johann  Oldendorp  in  der  Zeit  seines  Röstocker  Aufenthalts  einige  sowohl 
durch  die  Wahl  wie  durch  die  Behandlung  des  Stoffes  bemerkenswerte  Schriften  in 
heimischer  Mundart,  in  klarern,  kernigem  Niederdeutsch,  ausgehen  lassen,  die  jetzt 
durch  sehr  gelungene  Facsimiledrucke  mit  erläuternden  Vorbemerkungen  biblio- 
graphischer, historischer  und  sachlicher  Natur  von  Freybe68-70)  wieder  allgemein 
zugänglich  gemacht  worden  sind.  Die  erste  davon  hat  ihrem  Vf.  in  der  Rechts- 
geschichte den  Platz  eines  Begründers  des  Naturrechts  100  Jahre  vor  Hugo  Grotius 
gesichert;  in  der  zweiten  könnte  man,  wenn  es  gestattet  wäre,  moderne  Anschauungen 
in  das  16.  Jh.  hineinzutragen,  die  Grundzüge  einer  konstitutionellen  Verfassung 
auf  konservativer  Basis  erblicken;  die  dritte  ist  allerdings  von  mehr  lokal- 
geschichtlichem Interesse,  aber  für  die  Würdigung  des  unerschrockenen  Vorkämpfers 
der  Reformation  von  Wert.  — 

Hier  reihen  sich  am  besten  an  die  „weisen  Sprüche"  des  hochverdienten 
Landammanns  Paul  Schuler  von  Glarus,  den  Heer71)  schildert.  Er  hat  sie  im 
79.  Jahre  seines  Alters  niedergeschrieben.  In  der  poetischen  Form  nicht  gerade 
hervorragend,  legen  sie  Zeugnis  ab  von  regem  Interesse  für  das  öffentliche  Wohl 
und  von  einem  offenen  Auge  für  die  Schäden  der  Zeit,  besonders  für  den  verderblichen 
Aemterkauf.72)  — 

Die  Erinnerung  an  das  400jährige  Alter  der  unsterblichen  Satire  „Das 
Narrenschiff"  und  ihren  Dichter  Sebastian  Brant  frischt  J  e  n  t  s  c  h 73~74)  durch 
zwei  geschickt  geschriebene  Aufsätze  wieder  auf,  in  deren  einem  er  hervorhebt,  dass 
Brant  trotz  seines  unverzagten  Auftretens  gegen  die  Missbräuche  in  der  Kirche  und 
gegen  die  Verderbtheit  des  Klerus  doch  nie  aufgehört  habe,  ganz  katholisch  zu 
fühlen  und  zu  denken,  während  er  im  zweiten  die  litterarische  Bedeutung  des  Werks 
in  den  Vordergrund  stellt.75)  —  Die  Frage,  in  welchem  Verhältnis  Alexander  Barclay 
in  seiner  1509  erschienenen  englischen  Ausgabe  des  Narrenschiffs  die  von  ihm  selbst 
darin  namhaft  gemachten  Quellen,  das  deutsche  Original,  die  lateinische  Uebersetzung1 

kommt  hier  in  Betracht;  d.  zweite,  Gehhard  v.  Alvenslehen  [gest.  1681],  fällt  ausserhalb  unseres  Zeitraums.) — 63)  H.  Je  Hing  - 
baus,  D.  Rechtsaufzeichnungen  in  niederdtsch.  Sprache:  JbVNiederdSpr.  18,  S.  71/8.  —  64)  O  X  Fr.  Thudichum,  D. 
Tübinger  Stadtrecht  v.  1493:  BBSW.  S.  220  2.  —  65)  (I  7  :7a.)  —  66)  A.  v.  Eisenhart,  Ul.  Tengler:  ADB.  37,  S.  568-70. 
—  67)  J.  Bolte,  E.  Spottgedicht  auf  d.  Kölner  Advokaten:  JbVNiederdSpr.  19,  S.  163,7.  —  68)  A.  Freybe,  J.  Oldendorp, 
Wat  byllick  vn  recht  ys,  eyne  körte  erklaring,  allen  stenden  denstlick.  Rozstock  1529.  (Was  billig  u.  recht  ist.  D.  dtsch. 
Erstlingsschrift  d.  sog.  Naturrechts.)  Schwerin,  Bärensprung.  70,  51  S.  M.  2,00.  -  69)  i  d. ,  id.,  Van  radtslagende,  wo  men 
gude  Politie  vnd  ordenunge,  ynn  Steden  vnd  landen  erholden  möghe.  Rozstock  1530.  (E.  Ratmannen-Spiegel.)  ebda.  1893. 
24  S.,  36  Bll.  M.  3,00.  —  70)  id.,  id.,  Warhafftige  entschuldinge  Wedder  de  mortgirigen  vprorschen  schandtdichter  vnd 
falschen  klegere.  1533.  (Wahrhaftige  Entschuldigung.  E.  Beitr.  z.  Mecklenburg.  Kirchengesch.)  ebda.  22,  16  S.  M.  1,00. 
(Vgl.  II  6:219.)  —  71)  G.  Heer,  Landamman  P.  Schuler  u.  seine  Zeit:  JbHVGlarus.  28,  S.  15-65.  (S  51-65:  Hrn.  Pauli 
Schulers  wyss  sprüch.)  —  72)  X  A-  T-  Eisenhart,  Jak.  Thoming:  ADB.  38,  S.  112/3.  (Th.  [in  Rostock  1541  als  Tobinck 
immatrikuliert]  hat  hervorrag.  Anteil  an  d.  Revision  d.  sächs.  Civilrechts ;  stirbt  1576  als  Prof  u.  Ordinarius  d.  Schöffenstnhls 
zu  Leipzig.)  —  73)  K.  Jentsch,  Seb.  Brant  u.  sein  Narrenschiff:  Zeit  1,  S.  102/4.  —  74)  id.,  Seb.  Brant  u.  sein  Narrenschiff: 
FZg.  N.  325.  (Mit  bes.  Hervorheb.  d.  litt.  Bedeut.)  —  75)  X  Seb.  Brant  u.  sein  Narrenschiff:  KZEU.  43,  S.  538-56.  -  76) 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (2)7 


II  5:76-84       A.  Hofmeister,  Didaktik  des  15/16.  Jahrhunderts.    1893,  1894. 

Lochers  und  die  aus  dieser  abgeleitete  französische  Rivieres  benutzt  habe,  beantwortet 
Fraustadt16)  in  einer  minutiösen  Untersuchung-  dahin,  dass  Barclay  von  seinen 
Vorlagen  nicht,  wie  man  glauben  möchte,  in  der  von  ihm  selbst  angegebenen 
natürlichen  Reihenfolge  Gebrauch  gemacht  hat,  sondern  sich  zuerst  und  fast  durchweg 
an  Locher  hält,  manchmal  auch  Riviere  benutzt,  das  deutsche  Original  selbst  aber 
nur  ausnahmsweise  heranzieht.  Doch  auch  die  direkte  Vorlage  behandelt  Barclay, 
da  seine  Uebersetzung  für  die  breiten  Schichten  seines  Volkes  bestimmt  ist,  ziemlich 
frei.  In  behaglicher  Breite  stellt  er  die  einzelnen  Gedanken  dar,  fügt  Sprichwörter, 
von  denen  F.  (S.  30/2)  eine  Auswahl  mitteilt,  Vergleiche  und  neue  Beispiele  ein,  um 
den  betreffenden  Fall  noch  genauer  zu  beleuchten,  ersetzt  antike  Einrichtungen  nicht 
selten  durch  entsprechende  Institutionen  seines  Heimatslandes  und  gestattet  sich  Um- 
stellungen im  Text,  deren  Veranlassung  nicht  immer  klar  auf  der  Hand  liegt;  so 
gewinnt  sein  Werk  einen  ziemlich  hohen  Grad  von  Selbständigkeit.  Als  x\nhang  ist 
der  verdienstlichen  Schrift  eine  kritische  Besprechung  der  das  gleiche  Thema  be- 
handelnden Arbeit  von  J.  Seifert  (Brunn  1884)  beigegeben.  —  Halters77)  „Neues 
Narrenschiff"  hat  mit  Brant  nur  den  Titel  gemein;  es  ist  eine  Satire  auf  modernste 
litterarische  Verhältnisse  in  Strassburg.  — 

Thomas  Murners  vielbewegtes  Leben  und  reiche  litterarische  Thätigkeit 
zeichnet  von  Funk78)  auf  Grund  der  bekannten  Vorarbeiten  in  pragmatischer 
Kürze.  —  Seine  Immatrikulation  in  Krakau,  Wintersemester  1499 —  1500,alsFraterThomas 
Murner  ordinis  Sancti  Francisci  de  Argentina  weist  Werner79)  nach,  doch  ist  bei 
der  bekannten  Praxis  der  älteren  Universitätsmatrikeln  darin  kein  Beweis  für  Strass- 
burg als  Geburtsort  zu  suchen.  —  Einen  Brief  Murners  an  den  Rat  zu  Frankfurt  aus 
dem  J.  1511,  aus  dem  hervorgeht,  dass  er  wegen  Beleidigung  der  nicht  ganz 
makellos  erscheinenden  Ehefrau  eines  Frankfurter  Bürgers  beim  Ordensprovinzial 
verklagt  war,  bringt  Spanier80)  nicht  unwahrscheinlich  mit  dem  31.  Kap.  der 
Narrenbeschwörung  zusammen.  —  Martin81-82)  sieht  sich  genötigt,  gegen  eine  in 
sehr  übelwollendem  Tone  gehaltene  Recension  der  „Handzeichnungen  von  Thomas 
Murner"  in  der  Kunstchr.  (JBL.  1893  II  5b:  9)  Verwahrung  einzulegen  und  verweist 
auf  seine  spätere  Veröffentlichung,  in  der  er  seine  Annahme  von  Murners  Urheberschaft 
weiter  ausführt.  —  Ueber  das  Abhängigkeitsverhältnis  Murners  von  Brant  und  das 
gegenseitige  Verhältnis  der  Narrenbeschwörung  und  der  Schelmenzunft  verbreitet 
sich  Spanier83"84)  in  einer  ausführlichen  und  gründlichen  Untersuchung,  deren 
Endresultat  nicht  besser  als  mit  des  Vf.  eigenen  Worten  wiederzugeben  ist:  „Die 
Narrenbeschwörung  ist  durch  das  Narrenschiff  beeinflusst,  aber  Murner  ist  kein  Ab- 
schreiber Brants.  Zarnckes  Angaben  hierüber  sind  unrichtig.  Murner  schliesst  die 
Narrenbeschwörung  selbst  ausdrücklich  an  das  Narrenschiff  an,  und  wo  er  Brant  im 
einzelnen  folgt,  geschieht  es  in  Selbständigkeit  und  freier  Art.  Die  Schelmenzunft 
ist  weder  eine  Skizze,  noch  ein  Auszug  der  Narrenbeschwörung,  sondern  eine  selb- 
ständige Dichtung.  Sie  ist  nach  der  Narrenbeschwörung  entstanden,  und  zwar  ist 
diese  in  den  J.  1509—12,  jene  im  J.  1512  verfasst".  Diese  Untersuchung  dient 
zugleich  als  litterarhistorische  Einleitung  zu  Sp.s  Ausgabe  der  Narrenbeschwörung 
nach  dem  Druck  von  1512,  dem  einzigen,  der  auf  Murner  selbst  zurückgeht,  während 
die  früheren  Herausgeber  auf  Grund  einer  irrigen  Annahme  Goedekes  den  fehler- 
vollen Abdruck  Strassburg  1518  wiedergeben.  Die  Holzschnitte  der  Vorlage  sind 
dem  Texte  in  genauen  photolithographischen,  wenn  auch  des  veränderten  Formats 
wegen  etwas  verkleinerten  Nachbildungen  eingefügt,  ebenso  sind  kurzgefasste,  aber 
reichhaltige  Anmerkungen  und  ein  Glossar  angehängt  —  Neuerungen  für  die  sonst 
auf  bibliographische  und  textkritische  Notizen  sich  beschränkenden  Neudrucke,  aber 
solche,  die  nur  mit  Genugthuung  zu  begrüssen  sind.  Wald.  Ka  wer  au  erkennt  in  seiner 
sehr  eingehenden  und  beistimmenden  Recension  das  Gewicht  der  von  Sp.  angeführten 
Gründe  für  die  Priorität  der  Narrenbeschwörung  an,  doch  möchte  er  sie,  namentlich 
das  Argument  des  künstlerischen  Fortschrittes,  nicht  für  so  entscheidend  halten,  um  darauf 
eine  positive  Behauptung  zu  gründen,  ebenso  tritt  er  Sp.  darin  bei,  dass  Zarncke 
das  Abhängigkeitsverhältnis  übertrieben  dargestellt  habe,  aber  das  bleibe  doch  un- 
bestritten, dass  wir  ohne  Narrenschiff  keine  Narrenbeschwörung  haben  würden,  und 
dass  ohne  Brants  Text  und  ohne  die  Bilder  seiner  Dichtung  Murner  seine  besten 
Einfälle  schwerlich  gekommen  wären.  Auch  über  den  sittlichen  Gehalt  der  Murnerschen 
Satirendichtung  urteilt  K.  weniger  günstig  als  der  Herausgeber.  —  Aus  dem 
reichen    Schatze   wertvollen    Stoffes,    den   Murners    aus    dem    vollen   Menschenleben 

F.  Franstadt,  Ueber  d.  Verhältnis  v.  Barclays  Ship  of  fools  z.  lat.,  franz.  u.  dtsch.  Quelle.  Diss.  Breslau,  (Nischkowsky). 
50  S.  —  77»  E.  H a 1 1  e  r ,  D.  neue  Narrenschiff.  Strassburg  i.  E.,  Treuttel  &  Würtz.  1893.  64  S.  M.  1,00.  —  78 )  F.  H.  v.  F u n  k ,  Th.  Murner  : 
WWKL.  8,  S.  2024/8.—  79)  R  M.Werner,  Murner  in  Krakau:  VLG.  6,8.319-20.  —  801  M.  Spanier,  E.  Brief  Th.  Murners:  ZDPh.  26, 
S  370/5.  — 81)E.Martin,  Entgegnung:  Kunstohr.  5.  S.  197.  (D.  Recension  ib.  S.  162/3.)  -  821  id.,  Handzeichnungen  v.  Th.  Mnrner 
(JBL.  1893  I  11  :  236).  Strassburg  i.  E.,  Gerschels  Photogr.  Inst.  1892.  4  S.  mit  8  Taf.  M.  8,00.  —  83)  M.  Spanier,  Ueber 
Murners  Narrenbeschwörung  u.  Schelmenzunft:  BGDS.  18,  S.  1-71.  (Auch  als  Heidelberger  Diss.  ersch.  71  S.)  —  84)  id., 
Th.  Murner,    Narrenbeschwörung.     Mit  Einl.,   Anm.  u.  Glossar.    (=  NDL.  N.  119-24.)     Halle  a.  S.,    Niemeyer.     XXXVI,  372  S. 


A.  Hofmeister,  Didaktik  des  15./16.  Jahrhunderts.    1893,  1894.     II  5  :  85-98 

herausgegriffene  Schriften  bieten,  wählt  Spanier85)  Tanz  und  Lied,  um  einerseits 
zu  zeigen,  wie  häufig  Murner  in  direkten  Hinweisen  und  leicht  zu  erkennenden  An- 
spielungen darauf  Bezug  nimmt,  andererseits,  wie  der  Vorzug  der  schriftstellerischen 
Eigentümlichkeit  des  Dichters  im  Volksliedmässigen  seiner  satirischen  Darstellung 
liegt,  in  der  Frische  und  Unmittelbarkeit  der  Auffassung  und  Gestaltung,  der  frohen 
Unbekümmertheit  um  das  Urteil  strenger  Richter  und  in  der  Rücksichtslosigkeit  des 
Tones,  die  dem  eigenen  Stande  keine  Schonung  angedeihen  lässt,  und  dass  gerade 
darin  ein  Hauptgrund  seiner  Popularität  unter  den  Zeitgenossen  zu  suchen  ist.  — 

Johann  Fischarts  Ansichten  über  Erziehung  und  Unterricht,  wie  er 
sie  im  Ehezuchtbüchlein,  in  der  Kinderzucht,  in  verschiedenen  Vorreden  und  sonst 
zerstreut  ausgesprochen  hat,  betrachtet  Mäder86);  er  stellt  fest,  dass  Fischart,  wenn 
auch  selbst  durchaus  humanistisch  gebildet,  nicht  den  internationalen  Humanismus, 
sondern  eine  praktische  deutsch-nationale  Bildung  vertritt  8~)  —  Zu  Alslebens  Ausgabe 
der  Geschichtsklitterung  (JBL.  1891  II  3  :  22)  sind  noch  einige  sehr  beifällige 
Recensionen  erschienen88"89),  ebenso90)  zu  Frantzens  hübscher  und  fruchtbarer  Unter- 
suchung (JBL.  1892  II  3:31)  über  Fischart  als  Uebersetzer.91"92)  —  Reichhaltige 
Beiträge  zur  Fischartbibliographie,  zumeist  aus  der  Darmstädter  Hofbibliothek,  legt 
Adolf  Schmidt93)  vor  und  g'eht  dabei  besonders  auf  des  Joh.  Chph.  Artopeus,  ge- 
nannt Wolckenstern,  Konkurrenzschrift  von  Fischarts  Scherzpraktik  ein,  die  unter  dem 
Titel  „Aller  Praktik  Grossvater"  auftrat.  Fischart  nimmt  die  Priorität  für  sein  Werk 
in  Anspruch;  eine  dem  scheinbar  entgegenstehende  Notiz  wird  von  Seh.  für  irr- 
tümlich erklärt.  —  Der  dritte  Teil  von  Hauffens94"95)  Auswahl  aus  den  Werken 
Fischarts  enthält  das  Podagrammisch  Trostbüchlein  und  das  Philosophische  Ehezucht- 
büchlein. Aus  der  Beschäftigung  mit  dem  Trostbüchlein  ist  eine  wertvolle  Studie 
über  die  ironischen  Enkomien  überhaupt  erwachsen.  Auf  antike  Vorbilder  zurück- 
gehend, waren  sie  im  Humanistenzeitalter  ausserordentlich  beliebt,  da  sie  bequeme 
Gelegenheit  darboten,  die  didaktischen  Elemente  der  alten  Schriftsteller,  Fabeln, 
philosophische  Betrachtungen,  Lebensregeln,  Beispiele  historischer  Heldenthaten,  mit 
der  volkstümlichen  Komik  der  Zeit  zu  verbinden  und  so  in  ironischer  oder  derb- 
komischer Einkleidung  heilsame  Wahrheiten  vorzutragen.  Unter  den  Vf.  dieser 
Scherze  sind  die  klangvollsten  Namen  zu  finden.  Im  17.  Jh.  vereinigte  man  dann 
diese  Schriften  in  Sammlungen,  deren  umfänglichste  das  Amphitheatrum  sapientiae 
Socraticae  ioco-seriae  .  .  .  congestum  a  Casp.  Dornavk)  (Hanau  1619,  2  Bde.  Fol.)  ist. 
In  allen  ist  das  Bestreben  erkennbar,  den  gewählten,  möglichst  unbedeutenden,  un- 
angenehmen oder  direkt  widerwärtigen  Gegenstand  mit  dem  grössten  Aufwand  von 
Witz,  Gelehrsamkeit  und  rhetorischer  Kunst  herauszustreichen,  wobei  mythologisches 
Beiwerk,  klassische  Citate  und  volkstümliche  Anekdoten  eine  Hauptrolle  spielen. 
Neben  den  Klassikern  bildet  das  „Encomium  Moriae"  des  Erasmus  für  alle  Späteren 
das  Vorbild,  und  da  dies  selbst  seinerseits  deutlich  von  Brants  Narrenschiff  abhängig 
ist,  so  übt  auch  dieses  Werk  einen  bestimmenden  Einfluss  auf  die  Enkomienlitteratur 
aus.  Ebenso  schliesst  sich  an  Pirkheimers  „Laus  Podagrae"  eine  Reihe  ähnlicher 
Schriften  an,  so  dass  ausser  der  „Laus  Stultitiae"  kein  anderes  Enkomium  eine  so 
anhaltende  litterarische  Nachwirkung  aufzuweisen  hat.  E  n  g  1  e  r  t  bringt  in  seiner 
Recension  der  H.schen  Ausgabe  eine  dem  Herausgeber  unbekannt  gebliebene 
zweite  Ausgabe  des  Ehezuchtbüchleins  von  1591  bei  und  spricht  Zweifel  darüber 
aus,  ob  die  Vorrede  beider  Ausgaben  von  1591  ausreiche,  die  Todeszeit  Fischarts  so 
bestimmt  auf  die  Zeit  zwischen  10.  März  und  14.  April  1591  anzusetzen,  da  durchaus 
nicht  sicher  feststehe,  wann  Fischart  die  Aenderungen  in  der  Vorrede,  oder  ob  er  sie 
überhaupt  selbst  vorgenommen  habe.96)  —  Die  Vilmarschen,  teilweise  ungenauen  Be- 
schreibungen der  verschiedenen  Drucke  des  Bienenkorbs  sowie  die  dadurch  ver- 
anlassten Irrtümer  Kessemeiers  berichtigt  Englert9")  und  weist  einer  von  Rückbeil 
beschriebenen,  bisher  unbekannten,  undatierten  Ausgabe  ihre  richtige  Stellung  zwischen 
der  2.  Ausgabe  von  1588  und  der  undatierten  Ausgabe  F.  (nach  Vilmar)  an.  (Vgl. 
auch  II  3:25/7.)  — 

Eine  sehr  dankbare  Aufgabe  hat  sich  Osbor  n98)  gestellt  und  sie  glücklich 

M.  3,60.  |[W.  Kaweran:  Euph.  1,  S.  793-800;  LCB1.  S.  1378  ]|  (Vgl.  U  6:  13.)  —  85)  id.,  Tanz  u.  Lied  bei  Th.  Murner: 
ZDPh.  26,  S.  201-24.  —  86)  B.  Mäder,  D.  päd.  Bedent.  Fischarts  (JBL.  1893  I  6  :  18).  Diss.  L.,  (0.  Schmidt).  1893.  43  S. 
—  87)  X  (II  3  =  33.)  -  88)  X  (I  3  :  34.)  -  89)  X  Gyron.  12,  S.  650.  -  90)  X  L^B1  !893,  S.  1534.  —  91)  X  Fr-  Rabelais, 
Gargantua  et  Pantagruel  (Fragments).  (=  Nouv.  bibl.  pop.  N.  391.)  Paris,  H.  Gantier.  36  S.  Fr.  0,10.  (Vorsichtig  modernisierte 
Ausw.).  —  92)  O  X  F-  Tenot,  Rabelais  et  sa  mission.  Et.  en  vieux  franc.  Tours,  Imprim.  Pericat.  16°.  88  S.  —  93) 
Ad.  Schmidt,  Z.  Bibliogr.  d.  älteren  dtsch.  Litt.  (JBL.  1893  I  3:125;  II  3:55):  CB1  Bibl.  1893.  S  433-56.  —  94)  A  Hauffen, 
J.  Fischart,  Werke.  3.  T.  (JBL.  1893  II  3  :  479.)  (=  DNL.  Bd.  18,  Abt.  3.)  St.,  Union.  1893.  LXX,  332  S.  M.  2,50.  |[A. 
Englert:  Euph.  1,  S.  807-lö.]|  —  95)  id.,  Z.  Litt.  d.  ironischen  Enkomien:  VLG.  6,  S  161-85.  —  96)  X  J-  Fischart,  D. 
Jesuitenhütlein.  (=  Meyers  Volksbücher  N.  1055.)  L.,  Bibliogr.  Inst.  44  S.  M. 0,10.  (Sprachlich  modernisiert;  vgl.  JBL  1893 
II  3:45.)  —  97)  A.  Englert,  Z.  Bibliogr.  d.  Fischartschen  Bienenkorbes:  Alemannia  22,  S.  48-53  —  98)  M.  Osbor n,  D. 
Teufellitt.  d.  16.  Jh.  (JBL.  1893  n  1  :  92;  IU  5  :  5.)  (=  Acta  Germanica  m,  Heft  3.)  B.,  Mayer  *  Möller.  1893  VI,  236  S. 
M.  7,00.  |[H  Gaidoz:  PolybibU'.  71,  S.  339-40;  L.  Fr(änkel):  LCB1.  S.  1740,1;  G  Kawerau:  GGA.  S.  165/8;  A.Schröter: 
BLU.  1893,    S.  756;    F.  H.  Keusch:    ThLZ.  19,    S.  338/9;    A.    Tille:    ZVLB.  7,    S.  483/4;    KZg.  1893,   N    906;    G.  Loesche: 

(2)7* 


II  5  =  99-101      A.  Hofmeister,  Didaktik  des  15./16.  Jahrhunderts.    1893,  1894. 

gelöst.     Die  Teufellitte  ratur  des  16.  Jh.,  und  zwar  die  bereits  von  Goedeke  unter 
diesem  Titel  zusammengefasste,  auf  lutherischem  Boden    erwachsene,    ausschliesslich 
von  Geistlichen  gepflegte  satirisch-didaktische  Litteratur,    die    für   jedes  Laster,  jede 
Untugend  einen    besonderen,  oft  noch  mit  zahlreichem  Gesinde   ausgerüsteten  Teufel 
bei  der  Hand  hat,    ist  es,    die   den  Gegenstand    der  Untersuchung    bildet.     Die  Ein- 
leitung zeigt  im  Umrisse  das  Eindringen  des  Teufels  und  seiner  Scharen,  denen  die 
vom    Christenglauben     überwundenen    heidnischen    Gottheiten    und    das    Heer    der 
dämonischen  Gestalten  der  niederen  Mythologie   eingereiht  wurden,   in  die   bildende 
Kunst  und   in   die  Litteratur.     Namentlich   im  Drama   des    Mittelalters    nehmen    die 
Teufel  einen  recht  bedeutenden  Raum  ein,  erscheinen  aber  bei  allem  Uebelwollen,  bei 
aller  Bosheit    doch   im  ganzen  machtlos  gegenüber    dem  Gnadenschatze    der  Kirche 
und  der  Fürbitte  der  Heiligen,  so  dass  sie  zuletzt  zur  komischen  Figur  des  dummen 
Teufels  herabsinken.     In  der  tieferen  und  ernsteren  Lebensauffassung  des  Protestantis- 
mus  dagegen  kommt  der  Teufel  wieder  vor  als  das  auserlesene  Rachewerkzeug  der 
zürnenden  Gottheit,  als  der  altböse  Feind,  der  umhergeht    wie    ein  brüllender  Löwe 
und  seine  Diener  aussendet  zu  den  verschiedenen  Nationen  und  Ständen,  um   sie  zu 
verderben.     Diese  zu  bekämpfen,  nicht  mit  dem  Eisen  oder  mit  der  Faust,    sondern 
mit  dem  Worte  der  Wahrheit,  hatte  Luther  selbst  geheissen,  und  so  tritt  schon  1544 
als  erster  unter  den  vorzüglich  dazu  berufenen  Dienern  des  Wertes  Johannes  Chryseus 
mit  seinem  dramatisch  behandelten  „Hofteufel"  auf  den  Plan,  1551  folgt   ihm,  direkt 
auf  Luther  hinweisend,  Matth.  Friederich    mit  dem  ,, Saufteufel",    und    1555  Andreas 
Musculus  mit  seinem  berühmten,  mit  Recht  als  Typus  für  die  ganze  Litteraturgattung 
geltenden  „Hosenteufel".     Zahlreiche  Nachahmer  folgten,  so  dass  der  unternehmende 
Verleger  Feierabend    in    Frankfurt    a.   M.    schon    1569    eine  umfängliche    Sammlung 
solcher  Schriften  unter  dem  etwas  reklamehaften  Titel  „Theatrum  Diabolorum"  ver- 
anstalten konnte,  die  —  ein  schlagender  Beweis  für  den  Erfolg  —  1575  eine  zweite 
und  1587 — 88  eine  dritte,  bis  auf  33  Nummern  angewachsene  Auflage  erlebte.     Von 
diesen  und  einigen  anderen,  aus  irgend  welchen  Gründen  darin  nicht  aufgenommenen 
„Teufeln"   giebt   nun  O.  eine   je  nach    der  Wichtigkeit    eingehendere    oder    kürzere 
Analyse,  die  zeigt,  wie  alle  diese  Werke,   wie  verschiedenen  Vf.  sie  auch  angehören, 
und  so  verschieden  ihr  litterarischer  Wert    auch    sein  mag,    doch   in   Bezug  auf  die 
äussere  Komposition,  auf  den  angeschlagenen  möglichst  derben  Ton,  auf  den  Luther 
nachgebildeten  Stil,  auf  die    spiritualistische  Weltanschauung,  so  mit  einander  über- 
einstimmen, das  die  Persönlichkeit  der  Vf.  ganz  hinter  dem  Gegenstande  zurücktritt, 
und  dass  die  verschiedenen  Bestandteile    der  Sammlung    fast   als  zusammengehörige 
•  Kapitel  Eines  Werkes  erscheinen.    Ein  Schlusskapitel  behandelt  die  Wirkungen  und 
Nachklänge  der  Teufellitteratur;  ihr  Publikum    ist  fast   ausschliesslich   in    den  pro- 
testantischen Gegenden   zu  suchen  —  ein  Innsbrucker   Druck    des  Saufteufels  steht 
völlig  allein  — ,  hier  aber  ist  sie  allbekannt  und  viel  gelesen,  und  dementsprechend 
macht  sich  auch  ihr  Einfluss  in  der  Litteratur,  besonders    im  Drama,  geltend,  doch 
fallen  die  meisten  dieser  Nachklänge  schon  ins  17.  Jh.   Gegen  das  Ende  dieses  Zeitraums 
verschwinden  die  Teufelbücher  unter  dem  Einflüsse  des  erstarkenden  Pietismus  vom 
Markte.    Unter  den  zahlreichen  Besprechungen,  die  dem  schönen  Werke  zu  teil  ge- 
worden,    sind    als     sachlich     am    reichhaltigsten     hervorzuheben    die    von    G  u  s  t. 
Kawerau  und  Tille.     K.  mahnt,  bei  der  Benutzung  der  Teufellitteratur  eingedenk 
zu  bleiben,  dass  die  Sittenprediger  die  Schatten  möglichst  dunkel    zu    zeigen    lieben 
und  die  Signatura  temporis  pessimistisch  übertreiben,    weist   auf  den  „Mittagsteufel" 
des  90.  (91.)  Psalms  hin,    mit    dem    schon    St.  Bernhard    sich  beschäftigt   hatte,  und 
bringt   auch    sonst   noch    allerhand   beachtenswerte  Litteraturn achweise  und  kleine 
Berichtigungen  bei ;  T.  ist  mit  der  systematischen  Einordnung  der  verschiedenen  Teufel 
in  bestimmte  Rubriken  nicht  ganz  einverstanden,    weil   man    so   kein  Bild  von  dem 
geschichtlichen  Werden  dieser  Litteratur  erhalte,  und    wünscht    eine  Vertiefung    des 
Themas   bis    zur    Aufhellung   der  Wechselwirkung   zwischen    volkstümlicher   Welt- 
anschauung und  gelehrter  Litteratur  und  der  daraus  sich  ergebenden  Weiterentwicklung 
beider,  aus  der  er  einen  Fortschritt  in    der   Lösung   des   Faustproblems    erhofft.    — 
Osborn  s")  Einleitung  zu  seiner  Ausgabe  des  „Hosenteufels"    weist   auf   die    von 
Musculus  zwar  selbst  erwähnte,  sonst  aber  weniger  beachtete  Thatsache  hin,  dass  die 
Pludertracht  hauptsächlich  in  den  der  Reformation  gewonnenen  Gegenden  herrschte,  und 
stellt  eine  Reihe  litterarischer  Zeugnisse  und  obrigkeitlicher  Verordnungen  über  diese 
Modeverkehrtheit  zusammen.     Die  Ausgabe  selbst   geht   auf   den    ersten  Druck  von 
1555   zurück;    eine  Vergleichung   der   niederdeutschen   Uebersetzung   von  1556    mit 
diesem  findet  sich  auf  S.  XVIII— XX.  — 

Ausgehend  von  Erasmus  Buch    „De    civilitate    morum",    das   Heinrich   von 
Burgund  gewidmet  ist,    kommt  Bonnaffe100)  auch   auf  den  „Grobianus"  zu 

ThJB.  13,  S.  259.]|    —   99)   id.,   A.  Musculus,  Vom  Hosenteufel  (1555).  (=  NDL.  N.  125.)    Halle  a.  S,  Niemeyer.  XXX,  27  S. 
M.  0,60.    —    100)    Edm.  Bonnaffe,    Ütudes  sur  la  Benaissance.  —  Les  livres  de  civilite:    EDM.  117,  S.  610-32.    —    101)  Gr. 


A.  Hofmeister,  Didaktik  des  15./16.  Jahrhunderts.    1893,  1894.    II  5  :  101-iu 

sprechen,  von  dessen  Inhalt  er  einen  Ueberblick  giebt ;  er  empfiehlt  ihn  den  modernen 
Realisten  als  Vorbild,  dem  noch  mancher  feine  Zug- abzulauschen  sei.  —  Ellinger101) 
warnt  in  einer  Recension  von  Hauffens  Caspar  Scheit  vor  der  Ueberschätzung  des 
kulturgeschichtlichen  Wertes  der  grobianischen  Litteratur:  gerade  die  durchgeführte 
Ironie  und  der  allgemeine  Beifall,  den  sie  findet,  zeigen  schon  eine  Erhebung  über 
die  geschilderten  Zustände,  und  macht  auf  einen  „Kurtzverfassten  Grobianus"  auf- 
merksam, der  der  um  1660  erschienenen  „Renovierten  und  merklich  vermehrten 
Alamodischen  Hobel-Bank"  als  Anhang  beigegeben  ist  und  sich  als  Auszug  aus  der 
ersten  Fassung  erweist.  Er  bildet  zugleich  den  letzten  selbständigen  Ausläufer  dieser 
Litteratur.  —  „Ein  schön  Reygenlied  von  Sant  Grobian",  von  dem  schon  Zarncke 
zwei  Strophen  in  seiner  Ausgabe  des  Narrenschiffes  veröffentlicht  hatte,  druckt 
John  Meier  102)  nach  dem  Original,  einem  Einzeldruck  o.  0.  u.  J.  aus  der  Meuse- 
bachschen  Sammlung,  ab  und  führt  Zarnckes  Hinweis,  dass  das  Lied  eine  Be- 
arbeitung des  72.  Kapitel  des  Narrenschiffs  sei,  weiter  dahin  aus,  dass  es  keineswegs 
eine  blosse  neue  Versifikation  ist,  sondern  die  Vorlage  durch  manche,  nicht  un- 
wesentliche Zuthaten  bereichert  und  geschickt  in  eine  neue  Form  giesst.  Die  Heimat 
ist  im  oberen  Elsass,  der  Druckort  ebenda  zu  suchen  und  die  Entstehungszeit  etwa 
in  die  Mitte  des  16.  Jh.  zu  setzen.  — 

Gleichfalls  aus  einem  Liederdrucke  der  Berliner  kgl.  Bibliothek  aus  dem 
16.  Jh.  teilt  Bolte103)  einen  Spruch  über  die  18  Eigenschaften  der  Trinker  mit. 
—  Einen  beachtenswerten  Beitrag  zur  Trinklitteratur  mit  besonderer  Beziehung  auf 
Magdeburg  veröffentlicht  Waldemar  Kawerau  104),  indem  er  die  Kurfürstl.  Sächsische 
Vermahnung  gegen  Gotteslästerung  und  Völlerei  von  1531,  eine  Predigt  Eberhard 
Weidensees  aus  dem  Anfang  der  40er  Jahre  und  einschlägige  Stellen  aus  den  Evan- 
gelien- und  Leichenpredigten  des  Dompredigers  Siegfried  Sack  (gest.  1596)  ein- 
gehender bespricht  und  auf  deren  Zusammenhang  mit  der  volkstümlichen  Litteratur 
jener  Zeit  hinweist.  Von  Interesse  ist  auch  die  von  Kurfürst  August  am  30.  Jan.  1579 
bestätigte  erneuerte  Ordnung  der  Torgauer  Ratstrinkstube,  die  Taubert105)  zur 
Kenntnis  bringt,  ebenso  ein  Bericht  über  eine  grosse  Gasterei  auf  der  Trinkstube 
am  28.— 31.  Mai  1599  mit  Tischordnung  und  Speisenfolge.  —  Beim  geselligen  Trunk 
pflegt  das  Spiel  nicht  zu  fehlen  und  auch  darin  wird  häufig  die  durch  die  Vernunft 
gebotene  Grenze  überschritten.  Eine  inKöln  im  15.  Jh.  entstandene  Warnung  davor  macht 
Bolte106)  bekannt;  er  schickt  eine  sehr  dankenswerte,  wenn  auch  nicht  auf  Vollständig- 
keit Anspruch  machende  Zusammenstellung  der  über  die  Verderblichkeit  des  Würfelspiels 
handelnden  Dichtungen  des  13. — 16.  Jh.  voraus.107-109)  —  Wald.  Kaweraus110) 
warme  und  mannhafte  Schutzschrift  für  die  evangelische  Auffassung  der  Ehe  und 
Liebe  im  Reformationszeitalter  gegen  Janssens  und  seiner  Zettelsammler  ebenso 
heftige  wie  ungerechtfertigte  Angriffe  —  „Die  Ehe  im  Spiegelbilde  der  deutschen 
Litteratur  des  16.  Jh."  möchte  der  Vf.  selbst  sein  Thema  umschreiben  —  hat  bereits 
im  vorigen  Jahrgange  unter  der  Reformationslitteratur  ihre  Besprechung  gefunden; 
zu  erwähnen  bleibt  hier  noch  eine  Recension  Ellingers,  der  die,  auch  wirklich 
vorhandene  Mängel  und  Schwächen  auf  protestantischer  Seite  keineswegs  bemäntelnde 
Schrift  allen  Gebildeten  zur  Lektüre  dringend  ans  Herz  legt.  — 

Der  Vortrag  über  die  Tiersage  von  Nover111)  hat  nicht  den  vollen  Bei- 
fall der  Recensenten  errungen.  —  Den  oben  (N.  95)  erwähnten  ironischen  Enkomien 
ist  auch  Wolfhart  Spangenbergs  „Ganskönig"  zuzurechnen,  den  Wald.  Kawerau112) 
anregend  behandelt,  um  von  da  auf  des  schreibseligen  Osterweddinger  Pastors  Joh. 
Sommer  aus  Zwickau  (daher  Cygnaeus  oder  Olorinus)  Lobrede  auf  die  Martinsgans 
(Magdeburg  1609)  zu  kommen.  Sommer  benutzte  dazu  ausser  dem  Ganskönig  noch 
seines  Landsmannes  Hans  Ackermann  „Tugend  der  Burekarts-  und  Martinsgans" 
aufs  ungenierteste,  ist  jedoch  selbst  litterarisch  gebildet  und  mit  den  Volkssitten,  dem 
Volkslied  und  dem  Sprichwort  vertraut  genug,  um  seiner  burlesken  Bratenrede 
selbständigen  litterarischen  Wert  zu  verleihen;  freilich  lässt  er  sie  dann,  geschmacklos 
genug,  in  eine  wirkliebe  Predigt  auslaufen.  —  Eine  Ehrenpflicht  gegenüber  einem 
der  besten  Mitkämpfer  Luthers  hat  Schnorr  von  Carolsfeld113)  erfüllt  durch 
seine    auf    den    sorgsamsten    archivalischen    und    litterarischen   Studien   beruhende 


Ellinger,  Ad.  Hauffen,  Caspar  Scheit,  d.  Lehrer  Fischarts  (JBL.  1892  II  5a  :  44;  5b  :  10):  ZDPh.  25,  S.  417,9.  —  102) 
(I  5  :  296;  II  2  :  45.)  —  103)  (I  5  :  295;  II  2  :  50.)  —  104)  W.  Kawerau,  Z.  Trinklitt,  d.  16.  Jh.:  MagdZg».  1893,  N.  41/2.  — 
105)  0.  Taubert,  D.  Torgauer  Trinkstube  u.  d.  Trinkstubenordnung  v.  1579:  PAVTorgau.  7,  S.  21,2,  81-94.  (Vgl.  II  1  :1334.) 
—  106)  J.  Bolte,  Warnung  vor  d.  Würfelspiel:  JbVNiederdSpr.  19,  S.  90/4.  -  107)  X  Edw-  Schröder,  Ad.  Hofmeister, 
„Eyn  Loszbuch  auss  der  karten"  (JBL.  1890  II  5  :  42):  ADA.  19,  S.  273  4.  —  108)  O  X  D.  Venusnarr  in  d.  dtsch.  Satire  d. 
16.  Jh.:  Kyffhäuser8,  S.  46/9.  —  109)  O  X  X  J.  Oranstoun,  Satirical  poems  of  the  time  of  the  Reformation.  Edinburg,  Scottish 
Text  Society.  (Weitere  Angaben  unerreichbar.)  |[Ath.  1,8.  344.JI  —  110)  W.  Kawerau,  D.  Reformation  u.  d.  Ehe  (JBL.  1892  I  4:  37; 
II  5b:  28;  1893  II  6:191).  (=  Schriften  d.Ver.  für  Reformationsgesch.  Bd.  39.)  Halle  a.  S.,  Niemeyer.  1892.  104  S.  M.  1,20.  J[G. 
E(llinger):  NatZg.  1893,  N.  293]|  —  111)  J.  Nover,  D.  Tiersage  (JBL.  1893  I  5:221;  II  3:13).  (=  SGWV.  N.  164.) 
Hamburg,  Verlagsanst.  1893.  48  S.  M.  1,00.  —  112)  W.  Kawerau,  Z.  Gesch.  d.  dtsch.  Tierdichtung  (JBL.  1893  II  3:54): 
GBllMugdeburg.  28,    S.  264-82.    —    113)    (II  2:3.)    —   114)    X    A    Stern,    E.  dtsch.  Dichter    d.  Reformationszeit:    Grenzb.  1, 


II  5:iH-i25      A.  Hofmeister,  Didaktik  des  15./16.  Jahrhunderts.    1893,  1894. 

Biographie  des  Fabeldichters  Erasmus  Alberus114);  gleichzeitig1  hat  Kawerau115) 
ihm  als  dem  mannhaften  Streiter  gegen  das  Interim  ein  Denkmal  gesetzt.116)  —  Aus 
Berliner  Meistersängerhss.  hebt  Hampe111)  zwei  Parabeln  heraus,  die  von  den 
drei  Ringen,  niedergeschrieben  1605,  und  die  vom  „Mann  im  Syrerland",  nach  dem 
Buch  der  Beispiele,  aber  mit  weiter  ausgeführtem  allegorisierendem  Schlüsse.  — 

Zur  Forschung  über  die  Schwankbücher  ist  zu  bemerken,  dass  die 
Bibliographie  des  „Pfarrers  vom  Kaienberg"  in  den  Berichtsjahren  wertvolle  Be- 
reicherungen erfahren  hat.  Zuerst  fand  Adolf  Schmidt1 17a)  in  der  Hof bibliothek 
zu  Darmstadt  den  bis  jetzt  ältesten  datierten  Druck  (Heidelberg,  Knoblochtzer  1490) 
auf,  der  zugleich  noch  zwei  vollständig  mitgeteilte  Stücke  über  die  Fische,  wann  sie 
am  besten  sind  und  womit  sie  scherzweise  verglichen  werden,  und  am  Schluss  die 
gereimte  Geschichte  vom  Ritter  Alexander  (Trimunitas)  enthält.  —  Einen  noch  älteren, 
aber  undatierten  Druck  (Augsburg,  Pflanzmann  1470—80?)  beschreibt  K.  Meyer118) 
nach  einem  Münchener  Bruchstück,  ebenso  eine  niederländische  Ausgabe  Amster- 
dam 1613  (Univ.-Bibl.  Göttingen),  die  sich  selbst  als  „neu  übersehen"  bezeichnet  und 
noch  als  Prosaauflösung  eines  deutschen  Gedichtes  erkennbar  ist.  Die  erste,  noch 
nicht  aufgefundene,  niederländische  Ausgabe  ist  als  die  direkte  Vorlage  der  von 
Edw.  Schröder  1887  (JbVNiederdSpr.  13,  S.  129—52)  veröffentlichten  englischen  Prosa- 
übersetzung anzusehen,  nicht  das  niederdeutsche  Gedicht,  von  dem  P  r  i  e  b  s  c  h119J 
ein  neues  Bruchstück  entdeckt  hat.120)  —  Lappenberg,  dessen  1854  erschienene 
Ausgabe  des  „Ulenspiegel"  noch  heute  als  eine  höchst  beachtenswerte  Leistung 
zu  bezeichnen  ist,  ging  auf  Grund  seiner  Vorlage,  des  Strassburger  Druckes  von  1519, 
von  der  Ueberzeugung  aus,  Murner  sei  nicht  etwa  bloss  als  Uebersetzer,  sondern  für 
den  grössten  Teil  geradezu  als  Vf.  des  beliebten  Volksbuches  anzusehen,  und  er 
glaubte  es  daher  als  nebensächlich  unterlassen  zu  dürfen,  das  Verhältnis  der  ältesten 
erhaltenen  Ausgaben  zu  einander  und  zu  einer  vorauszusetzenden  niederdeutschen 
Ausgabe  näher  zu  untersuchen.  Seitdem  ist  1868  ein  älterer,  gleichfalls  Strassburger, 
Druck  von  1515  aufgetaucht  und  1884  durch  H.  Knust  veröffentlicht  worden  (NDL. 
N.  55/6);  und  Scherer  hat  die  selbständige  Stellung  der  Kölner  Ausgabe  von  1538 
nachgewiesen.  Auf  dieser  durch  eine  undatierte  Antwerpener  Ausgabe  verstärkten 
Grundlage  unterzieht  Walther121)  die  ganze  Eulenspiegelfrage  einer  eingehenden 
Nachprüfung,  deren  Ergebnis  kurz  dahin  zusammen  zu  fassen  ist,  dass  mindestens 
drei  niederdeutsche  Ausgaben  des  Eulenspiegel  vorhanden  gewesen  sein  müssen.  Die 
erste  von  1483  mit  der  im  Antwerpener  Drucke  erhaltenen  Vorrede  ist  in  Ostfalen, 
am  wahrscheinlichsten  in  Braunschweig,  entstanden.  Eine  Erweiterung  durch  Schwanke 
mitteldeutscher  (Erfurter?)  Herkunft  fand  bald  statt,  womit  sich  zugleich  ein  Eindringen 
mitteldeutscher  Wendungen  und  Namensformen  verband.  Frühestens  nach  1490  erschien 
eine  neue  Ausgabe,  zu  der  die  Vorrede  im  Kölner  Drucke  gehört;  eine  dritte  Aus- 
gabe, die  den  beiden  Strassburger  Drucken  zu  Grunde  lag  und  wahrscheinlich  ge- 
mischte Sprachformen  zeigte,  muss  nach  der  daraus  entlehnten  Vorrede  der  Grieninger- 
schen  Ausgaben  um  1500  entstanden  sein;  Murners  Anteil  an  diesen  Ausgaben  ist 
höchstens  der  eines  wenig  sorgsamen  Uebersetzers.  Diese  Resultate  werden  gewonnen 
durch  umsichtigste  Beachtung  und  Beleuchtung  aller  in  Betracht  kommenden  Um- 
stände, sodass  auch  für  das  richtige  Verständnis  der  Historien  selbst  ein  sehr  grosser 
Schritt  vorwärts  gethan  ist.  (Vgl.  auch  II  3:8  —  11,  13.)  —  Bolte122)  ergänzt 
Goedekes  Nachrichten  über  Georg  Wickrams  Schriften  sowohl  in  Bezug  auf  andere 
Fundorte  wie  auf  Goedeke  unbekannt  gebliebene  Ausgaben,  Quellen  und  spätere 
Benutzungen.  Interessant  ist,  dass  sich  das  von  Wickram  im  „Goldfaden"  mitgeteilte 
Lied  „Gross  leyd  und  schmertz  Hat  mir  mein  hertz  Vor  einem  jar  beladen"  auch  in 
einem  fliegenden  Blatte  o.  O.  u.  J.  der  Berliner  kgi.  Bibliothek  unter  dem  Titel  „Der 
Goldfaden"  findet.  (Vgl.  auch  II  3  :  28—30.)  —  Der  von  Hartmann  und  Bossert  schon 
früher  aus  der  Heidelberger  Universitätsmatrikel  geführte  Nachweis,  dass  der  Vf. 
des  Volksbuches  von  Peter  Lewen  wirklich  Achilles  Jason  Widmann  hiess,  ergänzt 
Kolb123)  durch  Nachrichten  aus  den  Kirchenbüchern  und  Salzamtsakten  von 
Schwäbisch-Hall ;  auch  das  Urbild  des  Peter  Lew,  Peter  Düsenbach,  ist  als  Priester 
und  Kaplan  zu  Schwäbisch-Hall  1486  urkundlich  nachzuweisen.124)  — 

Limbachs  125J  Idee  einer  Sammlung  von  ausgewählten  Priameln  in 
neuhochdeutscher  Uebertragung  ist  als  eine  durchaus  ansprechende  zu  bezeichnen, 
zumal  neben  den  bekannten  Sammlungen  von  Keller  und  Euling   noch  eine  Menge 

S.  82-91,  187-98.  (Ueber  N.  113.)  -  U5)  (II  2:4.)  —  116)  X  W.  Braune,  Erasmus  Alberus,  Fabeln  (JBL.  1392  II  5b  :  27). 
|[G.  E(llinger):  NatZg.  1893,  N.  390;  W.  Kawerau:  AZg».  1893,  N.  1C0;  L(JB1.  189:),  S.  156.JI  -  117)  Th.  Harape,  Zwei 
Parabeln  v.  Meistersingern:  VLG.  6,  S.  102-10.  —  117a)  (=  N.  93.)  —  118)  K.  Meyer,  2  Ausgaben  d.  Gesch.  d.  Pfarrers  vom 
Kaienberg.  (=  I  3  :  48,  S.  62/6.)  -  119)  R.  Priebsoh,  E.  viertes  Bl.  aus  d.  niedersächs.  Pfarrherrn  vom  Kaienberge: 
JbVNiederdSpr.  18,  S.  1113.  —  120)  X  Edw.  Schröder,  Z.  Litt.  d.  Pfarrers  vom  Kaienberge:  KBIVNiederdSpr.  17,  S.  75. 
—  121)  Ch.  Walther,  Z.  Gesch.  d.  Volksbuches  vom  Eulenspiegel:  JbVNiederdSpr.  19,  S.  1-79.  —  122)  (II  3:30.)  —  123) 
Chr.  Kolb,  D.  Vf,  u.  d.  Held  d.  Peter  Lew  (JBL.  1893  II  3  :  23):  VLG.  6,  S.  110,4.  —  124)  X  (H  3  :  21.)  —  125)  H.  Lim- 
bach, Priameln.     E.  ausgew.  Samml.  altdtsch.  Sinngedichte  mit  erläut.  Vorw.  (JBL.  1S93  I  5:308).    Dresden,  Albanus.    1892. 


Gr.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.      II  5  :  126-130  II  6  : 1-2 

Stoff  hier  und  da  verzettelt  ist.  Die  Uebertragung  selbst  freilich  ist,  wie  Strauch 
an  verschiedenen  Beispielen  nachweist,  nicht  immer  gelungen.  —  Das  Leben  des 
ersten  Sammlers  deutscher  Sprichwörter  Anton  Tunnicius  (der  Vf.  schreibt 
mit  Seb.  Franck  Tunicius)  hat  Fränkel126)  dargestellt.  —  Eine  sehr  umfängliche, 
mühevolle  und  lehrreiche  Untersuchung  über  die  Quellen  der  Franckschen  Sprich- 
wörtersammlung legt  P  u  s  c  h  127)  vor.  Als  solche  Quellen  macht  Seb.  Franck  selbst 
Tappius  und  Tunnicius  namhaft.  Die  Sammlung  des  Tappius,  über  dessen  Leben, 
Ausgaben  und  Arbeitsweise  P.  sich  näher  ausspricht,  hat  Franck  sehr  stark  benutzt, 
allerdings  auch  beträchtlich  erweitert;  viel  freier  steht  er  dem  Tunnicius,  dessen 
zweite  Ausgabe  von  1515  ihm  vorlag,  gegenüber,  sei  es,  weil  er  vieles  davon  schon 
früher  gegeben  hatte,  sei  es,  weil  beschränkte  Kenntnis  des  Niederdeutschen  ihn 
bewog,  manches  wegzulassen,  was  ihm  nicht  ganz  verständlich  oder  als  Sprichwort 
unbekannt  war.  So  kommt  es,  dass  er  von  den  1362  Sprichwörtern  des  Tunnicius 
11/1  unbenutzt  lässt  (nicht  umgekehrt,  wie  Fränkel  in  dem  eben  angeführten  Artikel 
unter  besonderer  Berufung  auf  P.  behauptet).128"130)  — 


11,6 

Luther  und  die  Reformation. 

Gustav  Kawerau. 

Allgemeine  ReformationsgeschichtoN.  1.  —  Katholische  Kirche:  J.  U.  Surgant  N.  8;  St.  Fridolin  N.  9; 
Leipziger  Universität  N.  10;  Albrecht  von  Mainz  N.  12;  Th.  Murner,  J.  Tetzel  N.  13;  V.  Bild  N.  16;  K.  Wirapina,  J.  L.  Vives, 
K.  von  Millitz  N.17;  G.  Agricola,  J.  Hass  N.20;  J.  Wild  N.22;  M.  Kretz  N.  23 ;  J.  Winzler  N.24;  C.  Kling  N.25;  M.  Heiding 
N.  26;  G.  Witzel  N.  27;  G.  Lorichius  N.  28;  W.  Seidl  N.  29;  Wolfg.  Mayer  N.  30;  Theob.  Tharaer  N.  32;  D.  Manch  N.  34; 
J.  Reihing  N.  35;  L.  Surius,  A.  Tanner  N.  36;  Th.  Chrön  N.  38;  L.  Geizkofler  N.  39.  —  Jesuiten  N.  40.  —  Nonnen- 
klöster N.  41.  —  Katholische  Katechismen  N.  43.  —  Schulwesen  N.  47.  —  Gegenreformation  N.  49.  —  Evangelische 
Kirche:  Luther:  Gesamtausgaben  N.  51.  —  Fnnde  N.  53.  —  Neudrucke  N.  54.  —  Zur  Kritik  einzelner  Schriften  N.  60.  — 
Briefwechsel  N.  62.  —  Bibel:  Die  vorlutherische  N.  66;  die  revidierte  Lutherbibel  N.  69;  Schulbibel  N.  75.  —  Lieder  N.  81.  — 
Katechismus  N.  85.  —  Sprachliches  N.  108.  —  Biographie:  Th.  Kolde  N.  110;  A.  Berger  N.  112;  Bildnisse  Luthers  N.  116.  — 
Einzelne  Punkte  N.  118.  —  Lebensende  N.  123.  —  Lutherstätten  N.  129.  —  Theologie  und  Weltanschauung  N.  132.  —  Ultra- 
montane Lutherpolemik  und  Abwehr  N.  148.  —  Quellenpublikationen  N.  153.  —  Geschichte  der  Reformatoren 
und  der  Reformationszeit:  Allgemeines  N.  156.  —  Besonderes:  Die  lutherischen  Gebiete:  Sachsen  N.  64;  Thüringen 
N.  178;  Schlesien  N.  182;  Oesterreich  N.  182a;  Süddeutschland  N.  192;  Nürnberg  und  Franken  N.  196a;  Hessen  N.  205;  Ost- 
friesland N.  207;  Niedersachsen  N.  208;  Schleswig-Holstein  N.  216;  Mecklenburg  N.  219;  Brandenburg  N.  224;  Preussen 
N.  228.  —  Die  reformierten  Gebiete:  Schweiz  N.  232;  Elsass-Lothringen  N.  236:  Worms  N.  244;  Grafschaft  Schweinsberg 
N.  245;  Pfalz  N.  246;  Niederrhein  N.  256;  Niederlande  N.  259.  —  Reformierte  Flüchtlinge  N.  264.  —  Kleine  Gruppen  und 
Sektlerer:  Wiedertäufer  N.  266;  Böhmische  Brüder  N.  276;  Schwenkfeldianer  N.  278.  — 

Allgemeine  Reformationsgeschichte.  Um  mit  etwas  Gutem 
zu  beginnen,  werde  der  erfreulichen  Thatsache  zuerst  gedacht,  dass  Rankes  Standard- 
work1),  seine  „Deutsche  Geschichte  im  Zeitalter  der  Reformation"  in  7.  Auflage  in 
der  Gesamtausgabe  neu  erschienen  ist.  Sind  wir  in  vielen  Einzelerkenntnissen  auch 
erheblich  weiter  gekommen,  für  die  Gesamtauffassung  lernen  wir  immer  wieder  von 
dem  Meister.  —  Janssen,  „Deutschlands  grösster  und  deutschester  Geschichts- 
schreiber," wie  die  HPBU.  ihn  benermen,  ist  über  der  Ausarbeitung  vom  7.  und 
8.  Bande  seiner  Geschichte  des  deutschen  Volkes  gestorben.  Beide  Bände  sollten  die 
im  6  Bande  begonnene  Darstellung  der  Kulturzustände  des  deutschen  Volkes  seit  dem 
Ausgang  des  Mittelalters  bis  zum  Beginn  des  30  jährigen  Krieges  zum  Abschluss  bringen 
—  ursprünglich  in  nur  Einem  Bande.  Aber  bei  dem  Charakter  der  Arbeit  als  eines 
grossen  Citatenarsenals  wuchs  das  Material  zu  2  starken  Bänden  an.  Janssens 
Schüler,  Freund  und  Biograph  Pastor2)  hat  die  Schlussredaktion  der  hinter- 
lassenen  Mss.  und  die  Ergänzung  der  fehlenden  Kapitel  in  gleicher  Arbeitsweise  und 
gleicher  Tendenz  in  verhältnismässig  sehr  kurzer  Zeit  vollendet.  Der  7.  Band  enthält 
die  Ausführungen  über  Schulen  und  Universitäten,  Bildung  und  Wissenschaft, 
Büchercensur  und  Buchhandel.  Hier  sind  die  Abschnitte  Naturwissenschaften,  Heil- 
kunde,   Theologie    und   Philosophie    bei    den    Katholiken   und    Uebertragungen   der 


XV,  106  S.  M.  2,00.  |[Ph.  Strauch:  DLZ.  1893,  S.  366/7.](  -  126)  L.  Fränkel,  Ant.  Tunicius:  ADB.  33,  S.  791,3.  —  127) 
K.  Pusch,  Ueber  Seb.  Francks  Sprichwörtersamml.  vom  J.  1541.  Progr.  Hildburghausen  (Gadow).  4°.  42  S.  —  128)  X 
R.  Sprenger,  Zu  einzelnen  Stellen  mittelniederdtsch.  Dichtungen:  JbVNiederdSpr.  17,  S.  90/6.  (Zu  Botes  Boek  van  veleme 
rade  S.  95/6.)  —  129)  X  Ed.  Damköhler,  Zu  mittelniederdtsch.  Gedichten:  ib.  19,  S.  109-12.  (Zu  Botes  Boek  van  veleme 
rade.)  —  130)   O  X  *■  Vetter,  Lehrhafte  Litt.  d.  14.  u.  15.  Jh.  (JBL.  1890  II  5  :  1):  COIRW.  21,  S.  281/2.  — 

1)  L.  v.  Ranke,  Sämtl.  Werke.  3.  Gesamtausg.  1.-6.  Bd.  Disch.  Gesch.  im  Zeitalter  d.  Reformation.  7.  Aufl. 
L.,  Duncker  &  Hurablot.  XII,  351  S.:  VI,  391  S.;  XI,  435  S.;  VII,  395  S.;  VU,  383  S.;  VII,  376  S.  M.  36,00.  —  2)  (I  4 :  9) ; 
7.  Bd.  Schulen  u.  Univ.,  Wissensch.  u.  Bild,  bis  z.  Beginn  d.  30j.  Krieges.  Her.  v.  L.  Pastor.  1.-12.  Aufl.  XLV1I,  660  S. 
M.  6,00.     |[F.  Paulsen:  DLZ.  S.  142;  G.  Loesche:  JGGPÖ.  15,  S.  214/5;   LCB1.  S.  781,2;   M.  Schmitz:  MHL.  22,  S.  302/5; 


II  6  :  2-4  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

h.  Schrift  in  die  deutsche  Sprache  bei  Katholiken  und  Protestanten  von  P.  geliefert. 
Der  8.  Band  behandelt  die  volkswirtschaftlichen,  gesellschaftlichen  und  religiös-sitt- 
lichen Zustände,  schliesslich  auf  200  Seiten  das  Hexenwesen  und  den  Hexenprozess. 
Hier  stammen  die  Abschnitte  über  die  allgemeine  sittlich-religiöse  Verwilderung,  die 
Zunahme  der  Verbrechen  und  die  Kriminaljustiz  aus  P.s  Feder.  Sicherlich  ist  hier 
eine  Fülle  von  Materialien  zur  Kultur-  und  Sittengeschichte  des  16.  Jh.  aufgehäuft, 
woraus  jeder,  der  sich  mit  diesen  Materien  beschäftigt,  dankbar  vieles  wird  lernen 
können;  aber  die  Tendenz  ist  auch  so  durchsichtig,  die  Mache  so  deutlich  erkennbar, 
dass  das  Urteil  über  diese  Art  von  Geschichtsschreibung  nicht  schwer  ist.  Im 
1.  Bande  war  z.  B.,  um  das  Lichtbild  katholischer  Frömmigkeit  am  Ende  des  Mittel- 
alters zu  zeichnen,  mit  Vorliebe  aus  der  katholischen  Erbauungsliteratur  geschöpft, 
die  da  beschrieb,  wie  das  christliche  Leben  sein  soll;  jetzt  werden  mit  gleicher  Vorliebe 
die  Strafpredigten  der  evangelischen  Prediger  excerpiert,  um  die  Nachtbilder  zu 
gewinnen,  die  zur  Zeichnung  der  schrecklichen  Wirkungen  der  „kirchlichen  Revolution" 
erforderlich  sind.  Gilt  es,  Laster  zu  schildern,  so  wird  den  Protestanten  gern  der 
Vortritt  in  Beispielen  aus  ihren  Kreisen  und  neidlos  der  breiteste  Raum  zugestanden; 
handelt  es  sich  um  etwas  Gutes,  so  gilt  ein  anderes  Prinzip,  und  muss  wirklich  auch 
den  Gegnern  ein  Lob  gespendet  werden,  so  wird  es  möglichst  verklausuliert,  und 
alsbald  für  die  abschwächende  Gegenwirkung  gesorgt.  Wie  sehr  hier  auch  P.  Erbe 
des  Janssenschen  Verfahrens  ist,  dafür  nur  ein  Beispiel.  Es  handelt  sich  (7.  S.  544) 
um  die  Frage,  ob  Luther  bei  seiner  Bibelübersetzung  sich  einer  der  mittelalterlichen 
Uebersetzungen  bedient  hat.  Streng  methodisch  ist  diese  Frage  bisher  nur  von 
W.  Walther  in  seiner  Schrift  „Luthers  Bibelübersetzung  kein  Plagiat"  (1891)  untersucht 
worden,  mit  dem  Ergebnis,  dass  keine  Abhängigkeit  besteht.  Statt  nun  anzuerkennen, 
dass  hier  zuerst  streng  methodisch  dieser  Nachweis  geführt  ist,  und  die  Annahmen 
früherer  Forscher  dadurch  wertlos  geworden  sind,  hüllt  P.  sein  Urteil  in  vornehme 
oder  vorsichtige  Zurückhaltung:  „Ob  Luther  sich  auch  noch  als  Hülfe  einer  älteren 
deutschen  Uebersetzung  bediente,  ist  streitig".  Und  dazu:  „Wie  bedenklich  die  ganze 
Sache  steht,  zeigt  am  besten  die  Thatsache,  dass  ein  Forscher  wie  Walther  eine 
eigene  Abhandlung  gegen  Krafts  Abhandlung  zu  schreiben  sich  veranlasst  sah!"  Also 
wenn  ein  geschulter  Forscher  gegen  vages,  unmethodisches  Gerede  früherer  Schrift- 
steller zu  Felde  zieht  und  endlich  Klarheit  schafft,  dann  „steht  die  ganze  Sache 
bedenklich"?  Es  ist  die  echte  Janssensche  Kunst  —  für  Tendenzschriftstellerei  höchst 
bequem  — ,  sich  hinter  den  Zwiespalt  protestantischer  „Autoritäten"  zurückzuziehen, 
anstatt  die  Stimmen  zu  wägen.  Auf  Paulsens  Besprechung  des  7.  Bandes  sei 
besonders  hingewiesen.  Loesches  Urteil  geht  dahin,  dass  das  Verfahren,  mit 
zusammengeleimten  Zetteln  Geschichte  zu  schreiben,  im  7.  Bande  augenscheinlich 
Bankbruch  erleide.  —  Der  Jesuit  Baumgartner3)  liefert  einen  Auszug  aus  dem 
7.  Bande  und  versichert  dabei:  „Unbefangenen  Protestanten  wird  es  nicht  entgehen, 
dass  Janssen  und  Pastor  zwar  ihre  religiöse  Ueberzeugung  nirgends  aufgaben  oder 
verhehlen,  dass  sie  aber  mit  grosser  Ruhe  und  Unparteilichkeit  an  ihre  Aufgabe 
herantreten,  dass  sie  Licht  und  Schatten  sehr  gerecht  verteilen  usw."  Diese  „un- 
befangenen" müssen  zugleich  etwas  einfältig  sein.  Wir  stimmen  ihm  dagegen  zu, 
wenn  er  weiter  sagt:  „Schon  als  Nachschlagebuch  und  bibliographisches  Repertorium 
hat  der  Band  einen  WTert,  den  kein  praktischer  Geschichtsforscher  und  kein 
Bibliophile  sich  entgehen  lassen  wird."  —  Eine  Anzeige,  die  ein  Anonymus  (in  HZ.  72, 
S.  326)  der  Janssen-Biographie  Pastors  gewidmet  hat,  setzt  das  Jesuitenblatt4)  in 
hellen  Zorn;  sie  wird  als  charakteristisches  Zeugnis  für  den  in  „gewissen  deutschen 
Gelehrtenkreisen"  herrschenden  Mangel  an  „religiöser  Duldsamkeit,  wissenschaftlicher 
Unbefangenheit  und  litterarischem  Anstand"  an  den  Pranger  gestellt.  Der  Entrüstungs- 
artikel schlägt  dabei  auf  J.  Loserth  als  den  vermeintlichen  Vf.  los,  der  aber  nur 
durch  einen  Irrtum  zum  Vf.  der  anonym  erschienenen  R'ecension  gestempelt  wird. 
Der  anonyme  Kritiker  stösst  sich  besonders  daran,  dass  der  Vf.  von  Janssen 
behauptet,  er  sei  persönlich  „gutmütig"  und  doch  zugleich  „fanatisch  und  bigott' 
gewesen.  Wir  anderen,  die  wir  unter  unseren  katholischen  Zeitgenossen  schon  öfters 
dieser  Kombination  begegnet  sind,  werden  das  schwerlich  für  eine  so  ungeheuerliche 
Behauptung  ansehen.  Es  ist  aber  einfach  eine  Verdrehung  des  Thatbestandes,  wenn 
diesen  „gewissen  deutschen  Gelehrtenkreisen"  imputiert  wird,  sie  hassten  Janssen, 
weil  er  „gläubiger  Katholik"  gewesen.  Schliesslich  behauptet  der  Vf.,  Specifikum 
der  „katholischen"  Geschichtsschreibung  sei  es,  im  Gegensatz  zu  der  „noch  herrschenden 
protestantischen,  jüdischen  und  atheistischen",  ohne  Gereiztheit,  Hass  und  Vorurteil 
an  die  Prüfung  der  christlichen  Vergangenheit  heranzutreten,  von  katholischen 
Dingen  etwas   zu   verstehen,    katholische  Persönlichkeiten,  Gebräuche  und  Anschau- 


G.  E.  Haas:  LRs.  S.  91;  ÖLB1.  3,  S.362.]|  (Vgl.  II  1  :  77.)  —  3)  A.  Baumgartner,  Dtsch.  Bildung  u.  Wissensch.  im  16.  Jh.: 
StML.  46,  S.  233-54.  —  4)  E.  wissenschaftl.  Urteil  über  Janssen:  ib.  47,  S.  40,2.  (Daau  S.  110  2  u.  „Berichtigung"  9.  364.)  -  5)  Q. 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  IIT>  : >i2 

ungen  nicht  blindlings  zu  lästern  und  zu  verzerren  usw.  Eine  gute  Portion  Selbst- 
bewusstsein  scheint  auch  zu  den  Vorzügen  dieser  Geschichtsschreibung  zu  gehören. 
—  Bossert5)  widmet  dem  7.  Bande  der  Janssenschen  Geschichte  eine  ausführliche 
Besprechung,  weist  die  Tendenz  nach,  gemäss  der  die  einzelnen  Abschnitte  zur 
Erreichung  des  beabsichtigten  Totalbildes  gearbeitet  sind,  macht  auf  Vergessenes  oder 
Verschwiegenes,  auf  falsche  Schlüsse  aus  Quellencitaten,  Verschiebungen  des  That- 
bestandes  usw.  aufmerksam,  tritt  auch  dem  Bearbeiter  und  Herausgeber  Pastor  in 
der  Frage  über  Joh.  Hoffmeisters  Lebenswandel  und  Lebensende,  über  welcher  B. 
mit  N.  Paulus  in  Streit  geraten  ist  (1893  II  6:6/8),  noch  einmal  energisch  und  mit 
einer  Reihe  beachtenswerter  Einwendungen  gegen  die  „Rettung",  die  Paulus  unter- 
nommen und  Pastor  eifrigst  acceptiert  hat,  entgegen.  —  Zimmermann6)  unterzieht 
H.  Baumgartens  Geschichte  Karls  V.  und  von  Bezolds  deutsche  Reformationsgeschichte 
kritischen  Betrachtungen  und  sagt  ersterem  Gehässigkeit  und  Verdrehung  des  wahren 
Sachverhalts  in  der  Beurteilung  Leos  X.  und  Clemens  VII.  sowie  in  der  der  Talente 
und  persönlichen  Eigenschaften  Karls  V.  nach;  Bezolds  Darstellung  sei  inkonsequent, 
da  sie  die  Reformation  bald  hoch  rühme,  bald  verurteile.  Aus  beider  Schriften  sei 
immerhin  viel  zu  lernen,  vor  allem,  wie  wenig  die  Reformation  für  die  Bildung  und 
geistige  Erneuerung  des  Volkes  geleistet  habe.  —  Die  ausführliche  Besprechung,  die 
Kolde")  den  zwei  Bänden  deutscher  und  schweizerischer  Reformationsgeschichte  des 
Deutsch- Amerikaners Ph. Schaff  (JBL.  1893  II  1  :  6a;  6  :  3)  gewidmet  hat,  verdient  neben 
ihren  kritischen  Berichtigungen  einzelner  Aufstellungen  des  New-Yorker  Gelehrten 
besonders  Beachtung  wegen  der  lichtvollen  Darstellung  des  Lebens-  und  theologischen 
Entwicklungsganges  des  inzwischen  verstorbenen  Kirchenhistorikers  und  wegen  der 
prinzipiellen  Erörterungen  der  Aufgabe,  die  von  dem  Kirchengeschichtsschreiber  zu 
lösen  sei.  — 

Katholische  Kirche.  Den  in  neuerer  Zeit  viel  genannten  Vf.  des 
Manuale  Curatorum,  den  Baseler  Pfarrer  von  St.  Theodor  und  Professor  Johann 
Ulrich  Surgant  (gest.  1505)  behandelt  ein  kurzer  Artikel  von  Bernouilli8). 
Die  Charakteristik  des  ehedem  so  weit  verbreiteten  Manuale  könnte  reichhaltiger 
und  eingehender  sein.  — 

Dem  schon  1498  verstorbenen  Franziskaner  Stephan  Fridolin  hat 
Paulus9)  einen  Artikel  gewidmet,  der  zwar  über  die  Lebensgeschichte  des  Mönches 
nicht  viel  zu  meiden  weiss,  aber  aus  seinem  1491  gedruckten  Predigtwerke  „Schatz- 
behalter"  sowie  aus  mehreren  Hss.  über  seine  Lehre  und  Predigtweise  manche 
Mitteilung  enthält.  München  besitzt  von  ihm  in  Cgm  4439  eine  geistliche  Unterweisung 
für  die  Schwestern  von  St.  Clara;  anderes  hatten  Veesenmeyer  in  Ulm  und  V.  Hasak. 
Aus  der  Hs.,  die  letzterer  besass,  sind  vom  katholischen  Pressverein  der  Diöcese 
Seckau  seine  Vorträge  über  die  Psalmen  hochdeutsch  herausgegeben  worden 
(Graz  1887);  ersterer  hat  in  seiner  Sammlung  von  Aufsätzen  zur  Erläuterung  der 
Kirchengeschichte  (Ulm  1827)  über  die  in  seinem  Besitz  befindliche  Hs.  Bericht 
erstattet.  Aus  allem  ergiebt  sich  das  Bild  eines  Ordensmannes,  den  P.  einem  Staupitz 
als  Gesinnungsgenossen  an  die  Seite  setzen  möchte.  Vielleicht  hilft  sein  Aufsatz 
dazu,  dass  die  verschollenen  Hss.  wieder  auftauchen,  und  Gelegenheit  gegeben  werde, 
den  ohne  Zweifel  beachtenswerten  Prediger  und  Erbauungsschriftsteller  noch  vollständiger 
kennen  zu  lernen.  — 

Der  Aufsatz  über  die  Leipziger  Universität  imJ.  1502  von  G e s s  10) 
zeigt,  wie  im  Schrecken  über  die  Gründung-  der  Wittenberger  Universität  Herzog 
Georg1  eine  Reform  seiner  Hochschule  beschliesst.  Gutachten  über  die  Gebrechen 
der  Leipziger  Universität  werden  von  sämtlichen  Docenten  eingefordert.  Was  für 
Missstände  kommen  hier  betreffs  der  Vorlesungen,  des  Promotionswesens,  des  Cliquen- 
wesens und  des  Lebenswandels  der  Universitätslehrer  zu  Tage!  Wimpina  ist  der 
einzige  unter  den  Theologien,  über  den  nicht  Klage  geführt  wird,  einer  von  denen, 
deren  Gutachten  dann  der  Herzog  seiner,  freilich  wenig  erfolgreichen,  Reformation 
der  Universität  zu  Grunde  legt.  Es  ist  ein  kultur-  und  sittengeschichtlich  höchst 
interessantes  Material,  das  diese  Gutachten  ergeben,  zugleich  eine  urkundliche  Be- 
leuchtung" der  Zustände  am  Ende  des  Mittelalters,  die  sich  hier  ganz  anders  zeigen 
als  in  Janssenscher  Schön  maierei.  —  Einen  der  Buchdrucker  der  Leipziger  Universität, 
Jakob  Thanner,  behandelt  Wustmann11).  Wann  der  erste  Teil  seines  letzten  grossen 
Verlagswerkes  „Alle  Kirchengesang  und  gebeth"  von  Chr.  Flurheim  erschienen  ist, 
hätte  der  Vf.  mühelos  aus  Wackernagels  Bibliographie  des  deutschen  Kirchenliedes 
N.  288  ersehen  können,  statt  sich  auf  Vermutungen  einzulassen.  — 

Der  Artikel  über  die  Wahl  Albrechts  von  Brandenburg-  zum  Erzbischof 


Bossert,  D.Wirkung  d.  Reformation  auf  Schule  u.  Bildung  nach  Janssen:  AELKZ. 27,  S. 677-80,  7014,  725-30.  —  6)  (II  1 : 9.) 
—  7)Th.  Kolde:  ThStK.  67,  S.  173-200.  —  8)  A.  Bernouilli,  J.  U.  Surgant:  ADB.  37,  S.  165/6.  —  9)  N.  Paulus,  D.Franzis- 
kaner St.  Fridolin.  E.  Nürnberger  Prediger  d.  ansgeh.  MA.:  HPB11.  113,  S.  465-83.  —  10)  F.  Gess,  D.  Leipz.  Univ.  inj  J.  1502. 
(=  I  4:6,  S.  177-90.)  —  U)  (I  3:58.)  —  12)  J.  Gase,  Z.Mainzer  Bischofswahl  vom  J.  1514:  Kath.  2,  S.  9-26.  —  13)  (II  5:84.) 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (2)8 


tl  6  :  12-18  Gr.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

von  Mainz,  verfasst  durch  Gass12),  kommt  zu  dem  bekannten  Ergebnis,  dass 
lediglich  finanzielle  Rücksichten  den  Ausschlag-  gaben,  da  er  persönlich  die  Palliums- 
kosten  tragen  wollte  und  dem  Domkapital  für  die  Leistung  dieser  Zahlung  bessere 
Garantie  zu  bieten  schien  als  seine  Konkurrenten.  G.  hebt  hervor,  dass  die  Palliums- 
kosten,  bezw.  der  von  den  Fuggern  geleistete  Vorschuss  von  21000  Dukaten  Albrecht 
veranlasste,  sich  um  die  Ablassvertreibung  in  Rom  zu  bewerben.  So  „beg-ann  jene 
unheilvolle  Ablasspredigt,  die  der  Anlass  zum  Ausbruch  der  abendländischen  Glaubens- 
spaltung wurde."  — 

Da  der  Neudruck  der  Thomas  M  u  r  n  e  r  sehen  Narrenbeschwörung  von 
Spanier13)  in  die  Zeit  vor  Beginn  des  Reformationskampfes  weist,  Murner  nur  als 
den  Satiriker  der  mittelalterlichen  Kirche  zeigt,  so  kann  hier  von  einer  Besprechung 
abgesehen  werden.  Es  sei  aber  auf  die  sorgfältige  Recension  von  John  Meier 
verwiesen.  —  Brechers14)  biographischer  Artikel  über  Johann  Tetzel  hält 
sich  an  das  von  Körner  in  seiner  bekannten  Schrift  über  den  Ablassprediger  Erforschte. 
Wir  wünschten  noch  grössere  Unterscheidung  zwischen  dem,  was  wir  sicher  wissen, 
und  dem,  was  in  den  Berichten  über  diesen  von  der  öffentlichen  Meinung  Verfolgten  doch 
immerhin  kritisch  anfechtbar  ist  und  auch  von  katholischer  Seite  für  unbewiesen 
erklärt  wird,  so  z.  B.  in  betreff  der  Innsbrucker  Ehebruchsaffaire.15)  — 

Drei  Quartbände  Briefe,  die  im  Archiv  des  bischöflichen  Ordinariats  zu 
Augsburg  aufbewahrt  werden  und  bisher  zum  grössten  Teil  unbenutzt  waren,  bilden 
die  Unterlage  für  das  Lebensbild  des  Augsburger  Humanisten  und  Mönches  Veit 
Bild,  das  Schröder16)  gezeichnet  hat.  Geboren  1481  in  Hochstädt,  in  Ingolstadt 
beim  Studium  von  dem  Poeta  Jakob  Locher  Philomusus  und  dem  Mathematiker 
Joh.  Stabius  besonders  angeregt,  kommt  Bild  1500  als  Pfarrschreiber  an  St.  Ulrich 
in  Augsburg.  Seine  Gedichte  schaffen  ihm  die  Gunst  des  Kanonikus  Bernhard  von 
Waldkirch,  durch  den  er  in  bessere  Stellen  befördert  wird;  er  ist  auf  dem  bequemen 
Wege  in  geistliche  Benefizien,  dabei  lebt  er  dahin  in  humanistisch  leichtfertiger 
Lebensanschauung.  Da  treibt  ihn  tötliche  Krankheit  plötzlich  zur  Einkehr,  und  er 
tritt  1503  als  Novize  bei  St.  Ulrich  ein;  um  seiner  Kränklichkeit  willen  blieb  er  frei 
von  der  Uebernahme  von  Klosterämtern;  man  Hess  ihm  Müsse  zu  wissenschaftlicher 
Beschäftigung  und  zum  Lehren.  Seine  Sprachkenntnisse  waren  anfangs  sehr  gering, 
doch  bessert  sich  bald  seine  Latinität;  seine  griechischen  Kenntnisse  blieben  elementar; 
noch  1522  fängt  er  an,  im  Interesse  des  Bibelstudiuras  hebräisch  zu  lernen,  aber  mit 
geringem  Erfolge.  Intensiver  sind  seine  mathematischen  Studien ;  er  wird  ein  gesuchter 
Nativitätensteller;  er  versteht  Sonnenuhren  zu  konstruieren  und  astronomische  Kalender 
anzufertigen.  Er  gehört  ferner  zu  den  ersten  Freunden  Luthers  und  der  Reformation 
in  Augsburg:  er  korrespondiert  lebhaft  mit  Oekolampad  und  Spalatin.  Aber  seit  dem 
Bauernkrieg  erlahmt  sein  Interesse;  von  Oekolampad  scheidet  ihn  dessen  Abendmahls- 
lehre, die  Korrespondenz  mit  Spalatin  schläft  ein;  aber  langsamer  als  sein  Freund 
Peutinger  wendet  er  sich  ab.  1529  stirbt  er  in  seinem  Kloster.  Seh.  giebt  uns  ferner 
von  318  Briefen  der  Bildschen  Briefsammlung  Regesten,  18  davon  werden  am  Schluss 
durch  Beda  Grund.1  zum  Abdruck  gebracht:  darunter  2  Briefe  Bilds  an  Luther, 
21.  Sept.  1518  und  16.  April  1520,  6  Briefe  Spalatins  an  Bild  (1518-24),  einer  von 
Bild  an  Spalatin,  4  Briefe  Oekolampads  usw.  Aus  den  vorangehenden  Briefregesten 
seien  besonders  4  Briefe  des  späteren  Wiedertäuferapostels  Joh.  Denk  vom  J.  1520 
hervorgehoben  und  ein  Brief  Bilds  an  Th.  Murner,  April  1522.  Die  Briefe  an 
Pirkheimer  hatte  schon  früher  Heumann  gedruckt,  Briefe  von  Adelmann,  Locher, 
Oekolampad,  Spalatin,  Amann,  Ellenbog,  Peutinger  F.  A.  Veith  herausgegeben,  auch 
Braun  Notitia  de  codd.  mss.  einiges  aus  dieser  Briefsammlung  schon  veröffentlicht. 
Höchst  dankenswert  ist  jetzt  diese  Gesamtübersicht  über  diesen  Briefschatz.  Leider 
sind  die  Abdrucke  der  Briefe  im  Anhang  ziemlich  fehlerhaft  und  schlecht  korrigiert.  — 

In  einem  Nachtrage  zu  seinen  früheren  Forschungen  über  K  o  n  r  a  d 
Wimpina  (JBL.  1893  II  6:21)  publiziert  N.  Müller17)  das  im  Leiningschen 
Archiv  zu  Amorbach  aufgefundene  Testament  des  Frankfurter  Theologen  von  1530, 
und  er  beleuchtet  die  mancherlei  Legate  desselben,  an  denen  ihm  mit  Recht  beachtenswert 
erscheint,  dass  der  reiche  Prälat  zwar  für  seine  Familie  fürstlich  sorgt,  auch  sonst 
allerlei  Bedürftige  und  Arme  reichlich  bedenkt,  aber  kein  einziges  Legat  für  rein 
kirchliche  Zwecke  aussetzt,  nicht  einmal  für  sich  selbst  eine  Messstiftung  macht. 
Dagegen  zeigen  seine  Stiftungen  frappante  Aehnlichkeit  mit  den  Gedanken,  die  in 
den  evangelischen  Kastenordnungen  niedergelegt  waren.  „Der  mittelalterliche  Theologe 
und  Kirchenmann  wurde  noch  am  Ende  seines  Lebens  auf  einem  Gebiet  des  praktischen 
Christentums  zum  Anhänger  und  Anwalt  seines  grössten  Gegners  Luther."  Nebenbei 
erinnert  M.  daran,  dass  die  neuerdings    von  Ehrle   nicht   ohne  Tendenz    gegen    die 


-  14)  A.  Brecher,  Joh.  Tetzel:  ADB.  37,  S.  605,9.    -    15)  X  W.  A.  Wegoner,  K  Ablassbrief  Tetzels:  Bär  20,  B.  200.  — 
16)  (II  5:21.)  —  17)  N.  Mnller,    Ueber  Konr.  Wimpina.     Nachtr.:  ThStK.  67,  S.  339-02.    -    18)  9.  Kayser,  Joh.  L.  Vives 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  ll  6  •.  is-22 

reformatorischen  Bemühungen  um  Armenpflege  ausgespielte  Schrift  des  Humanisten 
Vives  über  städtische  Armenpflege  von  1526  durch  den  Strassburger  Reformator 
Kaspar  Hedio  ins  Deutsche  übertragen  und  der  Strassburger  evangelischen  Bürger- 
schaft zugeeignet  wurde.  —  Hierbei  sei  der  sorgfältigen  Studie  von  Kayser 18) 
über  Johann  Ludwig  Vives  gedacht,  die  aber,  während  sie  sonst  die  Ueber- 
setzungen  seiner  Schriften  ins  Deutsche  sorgsam  notiert,  gerade  bei  dieser  Schrift  den 
Hinweis  auf  Hedio  vergisst.  —  Falk19)  bringt  aus  Joannis  Rerum  Mogunt.  II  381 
und  aus  einer  hs.  Sammlung  der  Epitaphien  und  Totenschilde  des  Mainzer  Domes 
von  1727  Genaueres  über  Tod  und  Begräbnis  des  durch  Luthers  Geschichte  berühmt 
gewordenen  Karl  von  Miltitz  bei.  — 

Den  Mineralogen  Georg  Agricola,  Bürgermeister  von  Chemnitz,  und 
den  Görlitzer  Bürgermeister  Joh.  Hass  stellt  Falk20)  wegen  ihrer  Anhänglichkeit 
an  die  katholische  Kirche  trotz  ihres  Lebens  in  evangelischer  Umgebung  zusammen. 
Beide  sind  aber  auch  zugleich  bemerkenswerte  Zeugen  von  Missbräuchen  beim 
Ablasshandel.  Denn  ersterer  führt  darüber  Klage,  dass  Arme  vom  Segen  des  Ablasses 
—  der  Instruktion  zuwider  —  thatsächlich  ausgeschlossen  wurden;  „für  diese  Miss- 
bräuche der  Unterbeamten  (?)  musste  dann  Tetzel  herhalten  und  büssen."  Letzterer 
bezeugt  aber  bekanntlich  schon  für  den  Ablass  von  1509  Tetzels  Wort:  „So  balde 
der  Pfennige  ins  Becken  geworfen  und  klunge,  so  balde  wäre  die  Seele  gen  Himmel", 
ein  Zeugnis,  dem  gegenüber  nur  der  schwache  Trost  bleibt,  dass  ihm  dies  Wort 
durch  andere  berichtet  war,  und  dass  Geschwätz  und  Verleumdung  damals  schon 
thätig  gewesen  sein  würden.21)  — 

Inder  Zusammenstellung  der  zahlreichen  Arbeiten,  die  wir  Paulus22)  für 
die  Geschichte  der  katholischen  Theologen  des  16.  Jh.  verdanken,  wie  sie  von  uns 
früher  (JBL.  1893  II  6:5—19)  gegeben  ist,  fehlte  doch  noch  eine  Publikation,  die 
uns  erst  jetzt  vorliegt  und  hier  zunächst  nachgetragen  werden  soll.  Sie  behandelt 
den  Mainzer  Franziskaner  und  Domprediger  Johann  Wild  (Ferus),  der  nicht 
allein  einer  der  fruchtbarsten  und  hervorragendsten  katholischen  Prediger  der 
Reformationszeit  gewesen  ist,  sondern  auch  Züge  an  sich  trägt,  die  es  erklärlich 
machen,  dass  seine  Schriften  dem  römischen  Index  verfielen,  und  dass  man 
evangelischerseits  ihn  unter  die  „festes  veritatis" (so E.G. Dieterich,  Altorf  1723)  rechnen 
konnte.  P.  bemüht  sich,  gestützt  auf  die  Münchener  Vorräte  an  Drucken  seiner 
Schriften,  den  schlichten  äusseren  Lebensgang  (geb.  um  1495,  gest.  8.  Sept.  1554) 
aufzuhellen,  besonders  aber  seine  kirchliche  Stellung  klarzulegen  und  nach  Kräften 
zu  entschuldigen,  den  Mann  möglichst  vollständig  für  den  Katholizismus  zu  retten. 
Er  hebt  seine  Friedensliebe  hervor,  die  ihn  die  Polemik  gegen  Luther  —  den  er 
nie  nennt  —  meiden  Hess;  er  erkennt  den  Freimut  an,  mit  dem  er  die  Missstände 
an  derKurie,auch  Missbräuche  im  Heiligenkult  tadelt.  Wild  unterscheidet  eben  zwischen 
ecclesia  romana  und  curia  romana.  In  der  Rechtfertigungslehre  acceptiert  er  Luthers 
Formeln,  auch  das  sola  fide,  versteht  aber  unter  fides  die  fides  formata,  und  er  lehrt 
die  Verdienstlichkeit  der  nach  der  Rechtfertigung  vollbrachten  Werke,  bleibt  also 
doch  auf  dem  Boden  der  katholischen  Heilslehre.  So  erklärt  es  sich,  dass  zunächst 
einzelne  seiner  Schriften  —  mit  deren  Veröffentlichung  er  erst  1550  anfing  —  cen- 
suriert  wurden,  1551  sein  Kommentar  zu  Johannes  durch  die  Sorbonne,  1559  durch 
dieselbe  sein  Matthäuskommentar.  Inzwischen  erhob  sich  der  Dominikaner  Domi- 
nikus  Soto  1554  in  besonderer  Schrift  gegen  den  Johanneskommentar;  der  Franzis- 
kaner Michael  Medina  suchte  dagegen  1558  den  heim  gegangenen  Ordensgenossen  von 
jedem  Vorwurf  in  scharfer  Antikritik  zu  reinigen.  Nun  wurde  1580  durch  den 
portugiesischen  Inquisitor  auch  sein  Kommentar  zum  Römerbrief  auf  den  Index  ge- 
bracht. 1583  erweiterte  die  spanische  Inquisition  diese  Censur  auch  noch  auf  einen 
alttestam entlichen  Kommentar  (zu  Ecclesiastes)  —  endlich  setzt  Sixtus  V.  1590 
sämtliche  Schriften  donec  corrigantur  auf  den  Index;  der  Index  von  1596  bestätigt 
dies  Verdikt.  P.  bemüht  sich,  dies  Urteil  der  Kurie  als  eine  Uebereilung  zu  kenn- 
zeichnen, wie  er  auch  sonst  schon  mehrfach  die  Indexarbeit  des  16.  Jh.  als  eine 
teilweise  sehr  leichtfertige,  summarisch  und  flüchtig  gefertigte  anerkannt  hat.  Auch 
für  die  nach  römischem  Mass  wirklich  censurbedürftigen  Schriften  sucht  er  mancher- 
lei Entschuldigungen  hervor:  teils  sind  es  bei  seinen  Lebzeiten,  aber  hinter  seinem 
Rücken  von  anderen,  teils  erst  nach  seinem  Tode  edierte  Schriften,  Aufzeichnungen, 
die  nicht  für  die  Oeffentlichkeit  bestimmt  waren.  Das  wird  richtig  sein,  aber  sind 
diese  Schriften,  denen  die  vorsichtige  Feile  für  die  öffentliche  kirchliche  Censur  fehlt, 
nicht  ganz  besonders  wertvolle  Zeugnisse  seines  kirchlichen  Standpunktes?  Die  Aus- 
rede des  Sixtus  Senensis,  Wilds  Matthäuskommentar  sei  von  Ketzern  vor  der  Druck- 


(1492-  1540)  I.-.HJb.  15,  S.307-53.  (Vgl. II  7:42.)  —  19)  F.Falk,  Des  K.  v. Miltitz  Tod  u. Begräbnis  1529:  Kath. 2,  S, 477,9.  —  20)  id., 
D.  Bürgermeister  G.  Agricola  u.  J.  Hasse:  HPBU.  113,  S.  140,8.  (Vgl.  II  1  :  93.)  —  21)  X  *"■  H-  Ren  seh,  P.  Sylvius:  ADB.  37, 
S. 286/7.  (Nach  d.  Forschungen  v.  Seidemann  u.  N.  Paulus.)  —  22)  (II 5 :  20.)  —  23)  (II 1 :  106.)  —  24)  N.  P au  1  u s ,  Joh.  Winzler, e.  Fran- 

(2)8* 


II  6:23-26  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

legung  verfälscht  worden,  erneuert  P.  nicht.  Ich  finde  aber  auch  bei  ihm  keine 
Berücksichtigung-  der  Angabe  bei  Aubertus  Miraeus  (Scriptores  saec.  XVI  s.  v.): 
Censores  Romani  1574  suis  typographis  inhibuerunt  opera  eius  distrabi  sine  facultate. 

Ich  irre  wohl  nicht,  wenn  ich  Paulus23)  auch  für  den  Vf.  der  gehaltreichen 
Studie  über  den  Mitarbeiter  an  der  Confutatio,  den  Augsburger  Matthias  Kretz, 
halte.  Der  Artikel  zeigt  ganz  seine  Art  und  beruht  gleich  den  seinigen  auf  den  in 
München  zu  findenden  hs.  und  gedruckten  Materialien.  Nach  der  Ingolstädter  Ma- 
trikel nimmt  er  Haunstetten  bei  Augsburg  als  seinen  Geburtsort  an.  In  Ingolstadt 
wendet  Kretz  sich  1516  der  Theologie  zu,  nachdem  er  in  Wien  und  Tübingen  huma- 
nistische Studien  getrieben  hatte.  Er  wird  Vorsteher  der  von  Aventin  gegründeten 
Ingolstädter  sodalitas  litteraria.  Kurze  Zeit  ist  er  Domprediger  in  Eichstädt,  seit 
1521  predigt  er  im  Augsburger  Dom.  Hier  gerät  er  mit  der  evangelischen  Partei  in 
heftige  Kämpfe,  besonders  infolge  seiner  Predigt  von  der  Beichte  1524.  Der  Vf. 
macht  auf  die  freundschaftlichen  Beziehungen,  die  Kretz  zu  Erasmus  unterhielt,  auf- 
merksam, besonders  auf  Grund  der  in  Burschers  Spicilegium  veröffentlichten  Briefe 
des  Kretz.  1531  verlässt  er  Augsburg  und  wird  Stiftsdekan  in  Moosburg,  aber  schon 
1533  Dekan  der  Liebfrauenkirche  in  München.  Er  nimmt  am  Wormser  Colloquium 
1540  Teil,  stirbt  aber  schon  1543.  Der  Aufsatz  bietet  viele  Berichtigungen  älterer 
Angaben  über  Kretz.  — 

Einen  wenig  bekannten  schwäbischen  Gegner  der  Reformation  führt  uns 
Paulus24)  in  dem  Franziskaner  Johann  Winzler  vor,  der  um  des  Eifers  willen, 
mit  dem  er  die  neue  Lehre  bekämpft,  1523  aus  Nürnberg  und  einige  Monate  später 
auch  aus  Basel  weichen  musste.  Als  Guardian  von  Lenzfried  bei  Kempten  wird  er 
in  Kampf  mit  den  evangelischen  Geistlichen  von  Kempten  verwickelt,  worüber  P. 
aus  einer  Münchener  Hs.  (Cgm.  4259)  Interessantes  mitteilt.  Er  macht  dabei  die 
Litterar historik er  darauf  aufmerksam,  dass  die  meisten  schwäbischen  Vorkämpfer  des 
Katholizismus  im  16.  Jh.  „eine  wahre  Meisterschaft  in  Handhabung  der  deutschen 
Sprache'-'  bekundeten;  die  Literaturgeschichte  habe  hier  noch  eine  alte  Ehrenschuld  ab- 
zutragen. Im  Bauernkriege  flüchtet  Winzler  nach  Ulm,  wo  ihm  aber  auch  das 
Predigen  verboten  wird.  Als  Guardian  von  Landshut  richtet  er  1529  ein  längeres 
Schreiben  an  eine  wankelmütige  Klosterfrau,  das  (Cgm.  9057)  in  München 
erhalten  geblieben  ist.  Dasselbe  enthält  teilweise  direkte  Polemik  gegen  Luthers 
De  votis  monasticis.  Ueber  die  späteren  Lebensschicksale  des  streitbaren,  erst  1554 
gestorbenen  Mannes  vermag  P.  nur  wenige  Notizen  beizubringen.  Betreffs  des  Ver- 
haltens Winzlers  beim  Wormser  Religionsgespräch  wird  man  erst  Bosserts  Gegen- 
rede auf  den  Angriff,  den  P.  hier  gegen  ihn  richtet,  abwarten  müssen.  — 

Einen  weit  bekannteren  aus  den  Söhnen  des  h.  Franziskus  schildert  uns 
Paulus25)  in  seinem  Aufsatz  über  Conrad  Kling,  den  Erfurter  Domprediger,  der 
seit  1525  in  seinen  Predigten  und  auch  litterarisch  die  katholische  Sache  verficht, 
als  Kanzelredner  vielen  Beifall  findet,  sich  Verdienste  um  die  Erhaltung  einer  katho- 
lischen Partei  in  Erfurt  erwirbt  und  der  Weiterverbreitung  der  Reformation  wirksam 
entgegentritt.  Aber  auch  er  ist  kein  korrekter  Katholik;  er  tritt  wiederholt  für  die 
Rechtfertigungslehre  des  Regensburger  Interims  entschieden  ein,  und  seine  Schriften 
stehen  daher  donec  corrigantur  im  Index.  Seine  kirchliche  Stellung  würde  noch 
deutlicher  hervorgetreten  sein,  wenn  P.  die  an  ihn  gerichteten  Briefe  Witzeis  in  den 
Epistolarum  libri  IV  (Lips.  1537)  herangezogen  hätte.  Da  sehen  wir,  wie  ihn  zeit- 
weise gerade  der  Gegensatz,  in  dem  er  sich  zu  den  Pseudocatholici  Erfurts  —  die 
Kanoniker  sind  gemeint  —  befindet,  so  mutlos  macht,  dass  er  sein  Predigtamt  auf- 
geben will,  dass  er  überhaupt  nicht  nur  mit  den  Evangelischen,  sondern  ebenso  mit 
Leuten  seiner  eigenen  Kirche  zu  kämpfen  hat.  Die  Schilderung,  die  Witzel  (Bl.  04) 
von  dem  Wesen  dieser  Unverbesserlichen  giebt,  qui  confidunt  suis  in  ceremoniolis  et 
solis  constitutionum  observantiis,  die  nur  die  Sünden  der  Evangelischen  sehen  und 
diese  convitiis  exagitant,  volunt  puri  esse  ab  errore  omni,  gehört  doch  wohl  mit  zum 
Verständnis  der  Position  Klings.  — 

Eine  sehr  tüchtige  Studie  liefert  Paulus26)  über  Michael  Heiding,  Sidonius, 
den  Mitarbeiter  am  Augsburger  Interim  und  dank  dem  kaiserlichen  Waffenglück 
(letzten)  Bischof  von  Merseburg.  Zu  den  biographischen  Aufsätzen,  die  in  den  letzten 
Jahren  von  Winter,  Kawerau  und  Hundhausen  über  ihn  veröffentlicht  waren,  liefert 
er  mit  Hülfe  der  Schätze  der  Münchener  Bibliothek  zahlreiche  Ergänzungen,  nament- 
lich über  die  litterarische  Gegnerschaft,  die  sich  im  evangelischen  Lager  gegen  einzelne 
seiner  Schriften  erhoben  hatte.  Freilich  wird  man  aus  seiner  Berichterstattung  nicht 
verstehen,  was  eigentlich  die  scharfe  Polemik  gegen  Heidings  Predigten  von  der 
Messe  hervorgerufen  hatte.  Am  Schluss  verteidigt  er  seinen  Lebenswandel  gegen 
die  schweren  Anschuldigungen  des  Flacius:  er  bringt  allerlei  Zeugnisse  bei,  die  von 


ziskuner  d.  16.  Jh.:  Kath.  1,  S.  40-57.  —  25)  id.,  Konr.  Kling,  e.  Erfurter  Domprediger  d.  16.  Jh.:  ib.  S.  146-63.  -  26)  (I  5: 13.)  —  27) 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  i  27-30 

seiner  „Ehrbarkeit"  reden.  Man  wird  hier  nur  die  Frage  aufwerten  müssen,  welchen 
Massstab  denn  wohl  die  Zeitgenossen  an  die  „Ehrbarkeit"  eines  Priesters  anlegten, 
ob  ihnen  jemand,  der  aus  jüngeren  Jahren  Kinder  besass,  darum  wohl  sein  Lebenlang 
als  „unehrbar"  galt,  ob  also  diese  Leumundszeugnisse  das  beweisen,  was  sie  beweisen 
sollen.  Lesen  wir  doch,  dass  z.  B.  in  den  Regensburger  Visitationsprotokollen 
die  Zechpröpste  oft  von  Pfarrern,  die  zwei  und  mehr  Kinder  hatten,  aussagen:  sie 
„sein  aines  priesterlichen  wandeis  berümpt"!     (Vgl.  HPBll.  114,  S.  722.)  — 

Paulus27)  macht  darauf  aufmerksam,  dass  Georg  Witzel  1546  unter  dem 
Namen  Gersones  Landavus  den  Dialog  „Causa  tarn  diuturnae  calamitatis  ecclesiastici 
Status  in  Germania"  und  unter  dem  gleichen  Namen  1562  noch  einmal  seine  1539 
unter  eigenem  Namen  erschienenen  „Drey  Gesprechbüchlin"  ausgehen  liess;  ebenso 
dass  er  sich  in  der  Auslegung  des  57.  Psalmes  1547  und  in  der  Schrift  Pro  Evan- 
gelistarum  .  .  .  peste  reprimenda  admonitio  1565  unter  dem  Namen  Bonifacius  Britannus 
verbirgt.  Letzteres  ist  von  besonderem  Interesse,  da  dieser  Bonifacius  Britannus  Luthers 
Vater  gelegentlich  als  „Mörder"  bezeichnet;  dieselbe  Anklage  hatte  ja  bekanntlich  Witzel 
schon  1535  vorgebracht.  Der  vermeintliche  zweite  Zeuge  für  diesen  Flecken  auf 
Luthers  Familiengeschichte  erweist  sich  also  nun  als  identisch  mit  dem  ersten. 
P.  freilich  hält  „durch  dies  Zeugnis  Witzeis,  gegen  welches  im  16.  Jh.  niemals  ein 
Widerspruch  sich  hören  liess",  die  Sache  für  erledigt.  Andere  werden  mit  Köstlin 
„das  völlige  Schweigen  aller  anderen  gleichzeitigen  Gegner"  Luthers  doch  für  einen 
Gegenbeweis  erachten,  sowie  den  Umstand,  dass,  wer  sich  der  Justiz  um  Todschlags 
willen  entziehen  will,  doch  nicht  an  einen  Ort  übersiedelt,  wo  er  unter  derselben 
sächsischen  Oberhoheit  blieb.  — 

Dem  Konvertiten  Gerhard  Lorichius  gilt  eine  andere  Studie  des  fleissigen 
und  gelehrten  Paulus28).  Aus  Hadamar  in  Nassau  gebürtig  (um  1485)  erhält 
Lorichius  in  der  Vaterstadt  nach  Beendigung  der  Universitätsstudien  Verwendung 
im  Kirchen-  und  Schuldienst;  als  Pfarrer  an  der  dortigen  Aegidienkirche  schliesst 
er  sich  begierig  der  Reformation  an,  verheiratet  sich  auch,  wendet  sich  aber  jedenfalls 
vor  1536  wieder  ab,  „so  ich  bei  derselbigen  Sekte  nichts  sehe  oder  höre,  das  einer 
Reformation  gleichsehen  möge".  Mit  einem  lateinischen  Katechismus  Institutio 
catholicae  fidei  1536  tritt  er  unter  die  katholischen  Schriftsteller,  aber  unter  die 
reformerischer  Tendenz.  Er  eifert  für  die  communio  sub  utraque  und  bekämpft  leiden- 
schaftlich den  Priestercölibat.  In  seiner  Schrift  De  missa  publica  (1536)  eifert  er  gar 
gegen  die  Privatmessen,  die  er  als  Quelle  alles  Uebels  betrachtet.  Er  hat  inzwischen 
in  Wetzlar  Stellung  gefunden,  aber  sein  erasmianischer  Mittelweg  schafft  ihm,  wie 
er  im  Pastorale  1537  klagt,  Feindschaft  von  beiden  Seiten.  1542  verdrängt  ihn  die 
Reformation  auch  aus  Wetzlar;  nach  einem  Aufenthalt  in  St.  Johannisberg  verschafft 
ihm  Heiding  in  Mainz  eine  Unterkunft.  Er  beschäftigt  sich,  da  er  ohne  Amt  ist, 
litterarisch,  z.  B.  mit  der  Uebersetzung  Witzelscher  Predigten  ins  Lateinische,  schreibt 
auch  Erläuterungen  zu  Georg  Wickrams  Verdeutschung  der  Metamorphosen  Ovids 
(1545).  Eine  Streitschrift,  die  er  gegen  die  „Schmähbüchlein  der  Rottengeister"  aus- 
gehen lässt,  veranlasst  durch  ihre  Ausfälle  auf  die  protestantischen  Stände  seine  Aus- 
weisung aus  Mainz,  ein  Akt  politischer  Rücksichtnahme  des  Erzbischofs  Sebastian 
auf  Hessen  und  Kurpfalz.  Von  einem  nicht  näher  bekannten  Versteck  aus  schreibt 
er  jetzt  eilfertig  Scholien  zum  Alten  und  Neuen  Testament,  die  er  mit  Ausfällen  gegen 
die  Lutheraner  würzt.  1547  wird  er  Pfarrer  zu  Worms,  ist  Mitglied  der  erzbischöflichen 
Kommission,  die  1549  in  Nassau  das  Interim  einführt,  und  nimmt  an  der  Mainzer 
Synode  desselben  Jahres  Teil.  Nachdem  er  noch  eine  Hs.  aus  Ludwigs  des  Frommen 
Tagen,  eine  Reformationsordnung  vom  Aachener  Konzil  817,  veröffentlicht  hat,  scheint 
er  bald  darauf  verstorben  zu  sein.  Schon  1559  setzte  Rom  seine  sämtlichen  Schriften 
auf  den  Index.  Am  Schluss  des  Aufsatzes  sucht  P.  über  die  Söhne  des  Lorichius  und 
über  verschiedene  Namensvettern  Klarheit  zu  schaffen.  — 

Mehr  als  30  Bände  hs.  Nachlasses  auf  der  Münchener  Staatsbibliothek 
liefern  Paulus29)  die  Unterlage  für  ein  Lebensbild  des  sonst  fast  unbekannten 
Benediktiners  Wolf  gang  Sei  dl  (Sedelius).  1491  in  Maurkirchen  geboren,  auf  der 
Landshuter  Lateinschule  vorgebildet,  besuchte  er  nur  wenige  Monate  hindurch  1516 
die  Universität  Ingolstadt;  denn  er  trat  noch  in  demselben  Jahre  ins  Benediktiner- 
kloster Tegernsee  ein.  Wissenschaftliche  Neigungen  spielten  hierbei  mit;  er  erlernt 
hier  das  Griechische.  Mit  der  Liebe  zur  Poesie  verbindet  sich  die  zur  Musik;  mit 
dem  Münchner  Kapellmeister  Ludw.  Senfl  tritt  er  in  freundschaftlichen  Verkehr  und 
Austausch.  Ebenso  ziehen  ihn  Astronomie  und  Mechanik  an.  Er  schreibt  aber  auch 
einen  Traktat  De  arte  praedicandi  und  erwirbt  sich  solchen  Ruf  als  Prediger,  dass 
er  1532  nach  München  berufen  wird,  wo  er  regelmässig  die  Kanzel  besteigt.    München 


N.  P au lu  s ] ,  Pseudonyme  Schriften  v.  G.  Witzel :  Kath.  2,  S.  473/7.  —  28)  i  d. ,  Gerh.  Lorichius,  e.  Konvertit  d.  16.  Jh. :  ib.  1,  S.  503-28. 
—  29)  i d.,  D.  Benediktiner  W.  Seidl.  E.  bayer.  Gelehrter  d.  16.  Jh. :  HPBll.  113,  S.  165-85.  —  30)  i  d. ,  Wolfg.  Mayer,  E.  bayer.  Cister- 


II  6  :  30-39  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

vertauscht  er  1550  auf  einige  Zeit  mit  Augsburg,  wird  1551  nach  Trient  gesandt, 
1553 — 55  predigt  er  in  Salzburg.  Nur  Weniges  seiner  Schriften  wurde  gedruckt, 
manche  grössere  Arbeit  blieb  Ms.  Nach  seiner  Rückkehr  nach  München 
Hess  er  einen  „geistlichen  Laienspiegel"  zur  Warnung  des  Volkes  vor  dem  Luther- 
tum 1559  ausgehen.  1560  zog  er  sich  nach  Tegernsee  ins  Kloster  zurück,  wo  er 
1562  starb.  — 

Nicht  weniger  unbekannt  ist  der  Cisterzienserabt  Wolfgang  Mayer,  geb. 
1469,  gest.  1544  in  Alderspach,  über  den  zwar  schon  vor  100  Jahren  ein  Ingolstädter 
Professor  Steph.  Wiest  vier  Programme  geschrieben  (1788—92),  über  den  wir  aber 
jetzt  aus  seinem  hs.  in  München  erhalten  gebliebenen  Nachlass  Näheres  durch  den 
unermüdlichen  Paulus30)  erfahren.  Ausser  zahlreichen  Gedichten  (in  Clm.  1851) 
verfasst  er  1518  die  Annalen  von  Alderspach  (Clm.  1012),  bearbeitet  eine  ältere 
Geschichte  der  Passauer  Bischöfe  (ebda.),  verfertigt  einen  Briefsteller  deutsch  und 
lateinisch  (Clm.  3299);  eine  Erklärung  der  Benediktinerregel  von  seiner  Hand 
scheint  verloren  zu  sein.  Erhalten  aber  sind  zwei  Schriften  gegen  Luther:  Votorum 
monasticorum  tutor  1526  (Clm.  2886)  gegen  Luthers  De  votis  monasticis,  mit  Aner- 
kennung mancher  Missstände  in  den  Klöstern  seiner  Tage,  und  In  aliquot  Lutherana 
paradoxa  dialogus  1528  (Clm.  2874),  ein  Dialog  zwischen  Abt  und  Mönch  über 
Kirche,  Schrift,  Sakramente  usw.,  der  im  Dogma  katholisch  ist,  dabei  aber  in  der 
Offenheit,  mit  der  die  Schäden  und  Missbräuche  besprochen  werden,  den  Vf.  an 
Erasmus  erinnert.  Mayer  schilt  auf  die  Un Sittlichkeit  der  Priester,  den  Weltsinn 
der  Bischöfe,  die  Ueberspannung  der  Papstgewalt,  die  zu  grosse  Menge  kirchlicher 
Satzungen,  den  Missbrauch  im  Ablasswesen.  In  Klagen  und  Trauern  über  die 
verworrenen  Zeit  Verhältnisse  ersehnt  der  bitter  enttäuschte  Klostergelehrte  den 
erlösenden  Tod.31)  — 

Der  Artikel  von  Kraus32)  über  den  Konvertiten  Theobald  Thamer  ist 
von  erstaunlicher  Dürftigkeit.  Die  spärlichen  Litteraturangaben  reichen  bis  1857; 
aber  1858  erschien  die  Dissertation  von  Hochhuth  und  1861  desselben  gründliche 
Studie  über  Thamer  und  Landgraf  Philipp  (ZHistTheol.  S.  165  ff.).  Was  nützen 
also  dem  Benutzer  eines  Sammelwerkes  wie  der  ADB.  so  unzulängliche  Beiträge?33)  — 

Das  Wenige,  das  über  das  Leben  des  Wormser  Domscholasters  Daniel 
Mauch  bisher  aus  Pantaleon  (Prosopographie  und  Heldenbuch)  bekannt  war, 
vervollständigt  Falk34)  durch  Hinweis  auf  die  in  Nauseas  Epp.  Miscell.  libri  X. 
enthaltenen  Briefe  desselben  aus  den  J.  1530 — 40,  bringt  auch  aus  anderen  Quellen 
manches  über  ihn  bei  und  zeigt  ihn  uns  im  Verkehr  mit  Witzel,  Ferus,  Oporinus, 
Hosius  usw.     Er  starb  19.  Mai  1567.  — 

Die  Lebensgeschichte  des  Jesuiten  Jakob  Reihin g  (geb.  1579),  seinen 
überraschenden  Uebertritt  zum  evangelischen  Bekenntnisse,  die  Versuche  seiner 
Ordensmitglieder,  erst  diesen  Uebertritt  zu  vertuschen,  dann  den  Ausgetretenen  zu 
verleumden  und  zu  beschimpfen,  zugleich  ihn  mit  Versprechungen  zurückzulocken 
oder  den  weltlichen  Arm  gegen  ihn  aufzubieten,  endlich  seine  gegen  die  römische 
Kirche  gerichteten  Revokationspredigten  schildert  in  populärer  Art  Schalls35) 
kleine  Schrift.  — 

Von  dem  gelehrten  Kölner  Karthäuser  Laurentius  Surius  (gest.  1578)  stellt 
Reusch36)  knapp  die  Daten  seiner  einfachen  Lebensgeschichte  und  die  Titel  seiner 
Werke  zusammen.  —  In  ähnlicher  Weise  ist  der  Artikel  Reuschs37)  über  den 
Jesuiten  Adam  Tanner  (gest.  1632)  gehalten,  wobei  besonders  die  sehr  verständigen 
Urteile  desselben  über  Hexerei  und  Hexenprozesse  hervorgehoben  werden,  aber  auch 
der  Angriffe  gedacht  wird,  die  ihm  dafür  widerfuhren.  — 

Den  Führer  der  Gegenreformation  in  Krain,  Fürstbischof  Thomas  Chrön 
(geb.  1560,  gest.  1630),  schildert  Elze38).  Von  evangelischem  Vater  stammend,  aber 
durch  einen  Onkel  in  jesuitische  Erziehung  gebracht,  konvertiert  er  1586,  beginnt 
1597  mit  dem  Eifereines  Renegaten  die  Gegenreformation,  bei  der  er,  abgesehen  davon, 
dass  er  viele  evangelische  Kirchen  zerstört  oder  weggenommen  hat,  auch  in  Menge 
evangelische  Bücher  (meist  slowenische)  hat  verbrennen  lassen.  — 

Den  Tiroler  Lukas  Geizkofler  (gest.  1620),  dessen  Familie  und  besonders 
seine  Reisen  kennzeichnet  Foss39)  in  anschaulichen  Bildern  einem  weiteren  Leser- 
kreise nach  A.  Wolfs  Buch  von  1873.  Theologen  wie  Pfauser,  Canisius  und  Nas 
finden  dabei  mehrfach  Erwähnung.  Er  schildert  jene  süddeutschen  Kreise,  in  denen 
man  selbst  nicht  genau  wusste,   ob  man  Protestant    oder   Katholik  war,   und  vertritt 

zienserabt  d.  16.  Jh.:  HJb.  15,  S.  575-88.  —  31)  X  F.Hipler,  Monuraenta  Cromeriana.  Mart.  Cromers  Gedichte,  Synodalreden  u. 
Hirtenbriefe.  Braunsberg,  Wiehert.  1893.  VIII,  147  S.  M  2,40.  —  32)  F.  X.  Kraus,  Theob.  Thamer:  ADB.  37,  S.  650.— 
33)  X  A.  v.  Schulte,  Hermann  u.  Petrus  Thyraeus:  ib.  38,  S.  237  8.  (Sehr  summarisch.)  —  34)  F.  Falk,  D.  Wormser 
Dorfscholaster  Dr.  D.  Manch:  Kath.  2,  S.  27-44.  —  35)  J.  Schall,  Dr.  Jak.  Beihing,  erst  Jesuit,  dann  (Konvertit)  evang. 
Christ.  1579—1628.  (-  Schriften  für  d.  dtsch.  Volk,  her.  v.  Ver.  für  Roformationsgesch.  Heft  24.)  Halle  ».  S.,  Niemeyer. 
28  S.  M.  0,15.  —  36)  F.  H.  Keusch,  Laurent.  Surius:  ADB.  37,  S.  166.  —  37)  id..  Ad.  Tanner:  ib.  S.  380/2.  —  38)  Th. 
Elze,  Thomas  (Chrön),  Fürstbischof  v.  Laibach:  ib.  38,  S.  71/3.  —  39)  R-  Foss,  Lebensbilder  aus  d.  Zeitalter  d.  Reformation. 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  :  40-47 

den  Standpunkt,  dass  ein  Katholik,  der  den  Katholizismus  bessern  will,  ohne  Protestant 
zu  werden,  vergebliche  Arbeit  treibt.  — 

Re usch40)  bringt  aus  Döllingers  Nachlass  Auszüge  aus  Briefen  der  ersten 
Ordensgenerale  des  Jesuitenordens,  die  aus  den  Jesuitenkollegien  in  München  und 
Ingolstadt  stammen  und  interessantes  Detail  für  die  Erkenntnis  des  Geistes,  der 
Diplomatie  und  Verwaltungspraxis  des  Ordens  bieten.  So  erhält  Canisius  1560  einen 
sanften  Verweis,  dass  er  den  General  an  die  Erfüllung  eines  gegebenen  Versprechens 
erinnert  hat;  denn  jedes  Versprechen  der  Ordensgubernatoren  sei  unter  der  conditio 
majoris  obsequii  divini  und  des  majus  bonum  communitatis  zu  verstehen.  Ein 
Memoriale  von  1596  lässt  erkennen,  wie  sehr  damals  schon  die  Strenge  der  Ordens- 
regel in  den  bayerischen  Kollegien  erschlafft  war;  auch  über  die  tief  gesunkene 
Keuschheit  der  Beichtväter  des  Ordens  wird  Klage  geführt,  mit  der  charakteristischen 
Wendung:  constat,  quod  tandem  etiam  principibus  innotuit,  non  defuisse  ex  nostris 
etiam  confessariis,  qui  ...  in  turpitudinem  fuerint  prolapsi  fS.  263).  — 

Die  Nachrichten,  welche  Falk41)  aus  verschiedenen  Chronisten  über  die  mehr 
oder  weniger  gewaltsame  Reformation  norddeutscher,  besonders  lüneburgischer, 
Nonnenklöster  und  den  Widerstand,  den  dabei  häufig  die  Klosterfrauen  leisteten, 
zusammenstellt,  dienen  einem  grossen  litterarischen  Zukunftsunternehmen:  wie  die 
alte  Christenheit  aus  der  Lesung  der  Märtyrerakten  Mut  in  Verfolgungszeiten  schöpfte, 
so  müssten  die  Drang*sale  frommer  OrdensJeute  durch  die  böse  Reformation  zu  einem 
grossen  Erbauungsbuche  zusammen  getragen  werden,  um  den  in  der  Gegenwart  um 
ihrer  Religion  willen  Verfolgten  Mut  und  Vertrauen  einzuflössen.  „Schaffen  wir  den 
Unserigen  ein  solches  Mittel  der  Ermutigung!"  Danach  scheint  schon  wieder 
„diocletianische  Katholikenverfolgung-"  in  deutschen  Landen  zu  wüten.  —  Von  ähn- 
lichen Drangsalen  und  gleicher  Sündhaftigkeit  von  Ordensfrauen  berichtet  ein 
Anonymus42)  aus  dem  Thurgauischen  Dominikanerinnenkloster  Katharinenthal  in 
den  J.  1529  und  30  nach  späteren  Aufzeichnungen  einer  Konventualin,  die  aber  noch 
Augenzeuginnen  jener  Tage  gekannt  hatte.   — 

Bahlmann43)  führt  in  seiner  auch  die  Katechismen  aus  früherer  Zeit  berück- 
sichtigenden Schrift  für  das  16.  Jh.  28  katholische  Katechismen  auf,  17  Original- 
schriften und  11  Uebersetzungen.  (Falk  liefert  in  seiner  beachtenswerten  Recension 
Berichtigungen  und  Ergänzungen  dazu;  so  weist  er  einen  Trierischen  Katechismus 
von  1589  und  den  Bilderkatechismus  des  Jesuiten  Joh.  Bapt.  Romanus  [Gratz  1589] 
nach.)  Ferner  werden  Katechismuspredigten  von  Clichtoveus,  Heiding  und  Scöpper 
registriert;  endlich  wird  die  nur  in  einem  einzigen  Exemplar  erhaltene  „Vermahnung 
und  Tafel"  (vgl.  Kath.  711,  S.  380)  vollständig  abgedruckt.  Es  wird  von  F.  bereits 
ein  Corpus  catechismorum  saeculorum  XV.  et  XVI.  in  Aussicht  genommen,  das  inner- 
halb der  MGP.,  eventuell  in  Verbindung  mit  der  Görres-Gesellschaft,  erscheinen  solle.  — 
Roth44)  erinnert  daran,  dass  in  dem  Buch  des  W^ormser  Pfarrers  von  St.  Johann 
Konrad  Distel  „Summa  Octer  kurtzer  begriff,  ober  [vber?]  die  Lehr  usw."  (1580)  „eine 
Art  Katechismus  für  im  Wissen  Vorgeschrittene"  —  also  nach  gewöhnlichem  Sprach- 
gebrauch doch  kein  Katechismus!  —  enthalten  sei  und  nennt  jenen  daher  „einen 
vergessenen  Katecheten",  bringt  auch  einige  Notizen  über  das  Leben  des  Mannes 
sowie  über  ein  Buch  desselben  bei,  in  welchem  er  Heidings  Evangelienpostille  „in 
Fragstuck  abgekürtzt"  bearbeitet  hat.  —  Anknüpfend  an  eine  Aeusserung  Georg 
Eders  1569  über  das  Vorhandensein  von  Katechismusunterricht  auch  schon  vor 
Luthers  Auftreten,  vervollständigt  Paulus45)  die  Liste  der  katholischen  Katechismus- 
arbeiten des  16.  Jh.  durch  Hinweis  auf  Jodocus  Lorichius  christliche  Kinderlehre 
1582,  die  nach  ausdrücklicher  Erklärung  des  Vf.  nur  solches  enthalte,  was  „in  der 
christlichen  Kirche  beständiglich  gehalten",  und  bestätigt  diese  Angabe  durch  Hinweis 
auf  eine  kleine  Schrift  von  Johann  Freiberger  von  1515,  die  den  gleichen  Memorier- 
stoff wie  Lorichius,  nur  in  anderer  Reihenfolge,  biete.  (Er  hätte  auch  auf  Geffckens 
Bilderkatechismus  des  15.  Jh.  verweisen  können,  wo  sich  im  wesentlichen  die  gleichen 
Memorierstücke  vorfinden.)  Im  übrigen  werden  einige  irrige  Angaben  anderer  über 
katholische  Katechismusschriften  berichtigt  und  zuletzt  wird  von  des  Canisius  kleinstem 
deutschen  Katechismus  ein  Druck  nachgewiesen,  der  bereits  dem  J.  1556  angehören 
wird.  Danach  würde  dieser  2  Jahre  früher  erschienen  sein,  als  Braunsberger  ange- 
nommen hatte.  —  Von  der  lateinischen  Ausgabe  dieses  kleinsten  Katechismus  (1556), 
von  dem  nur  ein  Exemplar  (München,  Staatsbibliothek)  gegenwärtig  bekannt  ist, 
bietet  der  Canisiusforscher  Reiser46)  einen  Neudruck.  Er  findet  sich  einer  Ingol- 
städter  lateinischen  Grammatik  von  1556  als  Anhang  beigefügt.  — 

Holl  weck47)  giebt  aus  den  Regensburger  Visitationsprotokollen  von  1559 

(=  N.  35,  Heft  23.)  Halle  a.  S.,  Niemeyer.  48  S.  M.  0,15.  —  40)  F.  H.  Reusch,  Archival.  Beitrr.z.  Gesch.  d.  Jesuitenordens:  ZKG.  15, 
S.  90-107,  261-82.  —  41 1  (II 1 :  53.)  —  42)  E.  Stück  Schweiz.  Reformationsgesch. :  HPßll.  113,  S.  579-87.  -  43)  (I  3 :  147 ;  II 5 : 1 1 .)  -  44) 
(1 5 :  14.)  —  45)  (15:12.)  —  46)  J. B. R e i s  e  r ,  P.  Canisius,  Summa  doctrinae  christianae  per  quaestiones  traditae  et  ad  capt um  rudiorum 
accommodata,  d.  i.  d.  kleinste  lat.  Katechismus  d.  sei.  P.  C.  Passau,  Abt.   16°.  X,  21  S.  M.  0,40   jfN.Paulus:  Kath.  2,  S.  365,6.  ]|  —  47) 


II  6:48-51  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

Auszüge  in  betreff  des  Schulwesens,  sendet  aber  auch  allgemeine  Erörterungen 
über  die  kirchlichen  Zustände,  besonders  auch  über  den  Bildungsstand  und  das  sitt- 
liche Leben  des  damaligen  bayerischen  Klerus  voraus,  auf  die  ich  aufmerksam 
machen  möchte,  wenn  sie  auch  nur  bereits  Bekanntes  bestätigen.  Gegen  den  —  in 
dieser  Allgemeinheit  allerdings  schiefen  —  Satz,  dass  Luther  der  Begründer  des 
Volksschulwesens  gewesen  sei,  protestiert  er  unter  Berufung  auf  das  bayerische 
Schulwesen  des  16.  Jh.,  das  auch  vor  und  ohne  Luther  bestanden  habe;  es  verdanke 
seine  Einrichtung  vielmehr  dem  älteren  Humanismus.  Dabei  versteht  er  freilich 
unter  Volksschule  anderes  als  die,  die  Luther  zu  ihrem  Begründer  machen.  —  Hier 
sei  auch  ein  katholischer  Zeitungsaufsatz48)  angeschlossen,  der  aus  Nerrlichs  Buch 
über  das  Dogma  vom  klassischen  Altertum  (vgl.  I  1  :  26)  mit  Behagen  excerpiert, 
was  dort  Nachteiliges  über  die  italienischen  Humanisten  gesagt  ist.  — 

Scheichl49)  giebt  in  Beispielen,  die  zumeist  erst  dem  17.,  seltener  dem 
16.  Jh.  entnommen  sind,  Bilder  aus  den  Bekehrungsarten,  mit  denen  die  Gegen- 
reformation in  Oesterreich  arbeitete,  und  zeigt,  welche  Religionsheuchelei  dadurch 
erzeugt,  in  welchem  Masse  zugleich  aber  auch  der  Volksaberglaube  nicht  nur  ge- 
duldet, sondern  direkt  begünstigt  wurde.     (Vgl.  auch  III  1:  106/2,  164/5.)  50).  — 

Evangelische  Kirche:  Luther.  Der  9.  Band  der  Weimarer  Ge- 
samtausgabe51), der  auf  dem  Titel  1893  trägt,  aber  erst  zum  neuen  Jahre  aus- 
gegeben wurde,  ist  ein  Ergänzungsband  zu  den  Schriften,  in  denen  uns  die  initia 
Lutheri  bis  zum  Wartburgaufenhalt  vorliegen;  er  enthält  Nachträge,  Ergänzungen, 
und  Berichtigungen  zu  Bd.  1 — 6  und  8;  Bd.  7  ist  leider  noch  nicht  erschienen.  Nach- 
getragen sind  teils  Stücke,  die  schon  längst  bekannt  waren,  aber  zurückgestellt  oder 
für  einen  Supplementband  aufgespart  wurden,  weil  sie  Luther  nur  indirekt  oder  un- 
sicher zuzuweisen  waren:  so  Agricolas  eigenmächtige  Ausgabe  der  Vaterunserpre- 
digten 1518;  (J.  K.  F.  Knaake  und  P.  Pietsch),  die  von  Luther  nicht  aner- 
kannte Ausgabe  seines  Sermons  vom  ehelichen  Stand  1519  (J.  K.  F.  Knaake), 
Amsdorfs  Auszug  aus  den  Vaterunserpredigten  1519  (GL  Koffmane  und  P.  Pietsch), 
Cranachs  Passional  Christi  und  Antichristi  1521  mit  den  Originalbildern  in  Faksimile 
(G.  Kawerau);  dazu  verschiedene  bisher  zurückgestellte  Dokumente:  Bucers  Bericht 
über  die  Heidelberger  Disputation  und  eine  Aufzeichnung  Luthers  über  dieselbe 
(J.  K.  F.  Knaake),  Luthers  Ausgabe  der  Thesen  Ecks  1519  (G.  Koffmane),  seine 
Eintragungen  ins  Wittenberger  Dekanatsbuch  1515,  1517 — 18,  1520  (E.  Thiel  e).  Dazu 
die  Nachträge  neuer  Funde:  Luthers  Hs.  seiner  Auslegung  von  Psalm  110  (E.A.Do- 
leschall  und  P.  Pietsch),  die  in  allen  Exemplaren  der  Acta  Augustana  durch 
die  kurfürstliche  Censur  geschwärzte  Stelle,  die  nur  in  dem  Zwickauer  Exemplar 
unversehrt  geblieben  ist  (G.  Buchwald),  Luthers  Hs.  zum  Sermon  von  den 
guten  Werken  und  zu  Ein  Urteil  der  Theologen  zu  Paris  (N.  Müller),  zwei 
Thesenreihen  1519  (?)  und  1520  (G.  Koffmane).  Diese  Stücke  waren  bereits 
inzwischen  von  den  Entdeckern  schon  anderweitig  veröffentlicht  worden.  Aber  es 
werden  auch  zahlreiche  Nachträge  geboten,  die  hier  zum  ersten  Male  ans  Licht 
kommen:  Buchwald  veröffentlicht  die  von  ihm  in  Zwickau  gefundenen  Randbe- 
merkungen Luthers  zu  Augustin,  Anselm,  Tauler  und  Tritheim  (1509 — 16);  ferner 
Randbemerkungen  zu  einem  hebräischen  Psalter  (1516—20),  G.  Kawerau  die 
Glossen  Luthers  auf  dem  in  Nordhausen  wieder  entdeckten  Bl.  XLI.  des  Wolfen- 
büttler  Psalters,  Thiele  Luthers  Predigten  aus  der  von  Tschackert  entdeckten  Königs- 
berger Hs.,  K.  Steiff  Luthers  Entwurf  eines  Schreibens  an  den  Papst  (1518), 
J.  K.  F.  Knaake  den  Entwurf  seines  „Erbietens"  von  1520!  Zu  diesem  reichen 
Inhalt  kommen  zahlreiche  Einzelnachträge  und  Berichtigungen  zu  früheren  Bänden 
hinzu,  auch  7  vorzüglich  facsimilierte  Hss.-Proben  aus  der  Zeit  von  1509 — 21.  Also 
ein  Supplementband  von  mannigfaltigem,  teilweise  höchst  wertvollem  Inhalt,  In  den 
Randbemerkungen  haben  wir  teilweise  die  ältesten  bisher  bekannt  gewordenen 
Proben  seines  Geistes  und  seiner  Arbeitsweise;  in  anderem  höchst  erwünschte  Er- 
gänzungen zu  bereits  Bekanntem.  Da  hier  ferner  für  einzelne  Schriften,  deren 
Drucke  längst  bekannt  waren,  die  Hss.  Luthers  als  neue  Funde  hinzukamen,  so  lag 
es  nahe,  jetzt  für  die  interessanten  Fragen  nach  dem  Verhältnis  der  Wittenberger 
Drucke  zu  Luthers  Niederschrift  in  Bezug  nicht  nur  auf  den  Text,  sondern 
auch  auf  die  Orthographie  und  Interpunktion  durch  womöglich  „photographisch  ge- 
treuen" Abdruck  dieser  Hss.  sicheres  Material  zu  beschaffen.  P.  Pietsch  hat  auf 
die  Lösung  dieser  Aufgabe  grössten  Fleiss  verwandt;  wieweit  es  freilich  möglich 
ist,  durch  Typendruck  diese  „fast  photographische  Treue"  in  der  Reproduktion  einer 
Hs.  zu  schaffen,  darüber  sei  auf  die  Bemerkungen  in  Gust.  Kawerau s  Recension  hin- 
gewiesen.    Joh.    Luther    macht  in   seiner  Besprechung   des  Bandes   darauf   auf- 

(II 1 :  120.)  —  48)  D. Humanismus  in  neuerer  protest.  Beleuchtung:  KVZg".  N.  570.  —  49)  (III 1: 163.)  —  50)  X  K.  Lütolf ,  Z.  Gegen- 
reformation in  d.  Konstanzer  Diöoese:  KathSchwBll.  S.  453-77.  —  51)  M.  Luther,  Werlte.  Krit.  Gesamtausg.  9.  Bd.  Weimaf,  Böhlau. 
XVI,  806  S.     M.  23,00.     |[G.  Kawerau:    ThLZ.  19,   S.  189-94;    A.  Eeiffersoheid:    DLZ.  S.  649-52.]|     (Mit  Nachbild,  v.  27 


Gr.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  i  52-55 

merksam,  dass  die  reizvolle  Bordüre,  die  jeden  Band  der  Weimarer  Ausgabe  ziert, 
und  als  „nach  Lukas  Cranach"  bezeichnet  wird,  das  Monogramm  JP  (Plans  Franck?) 
trägt,  somit  nach  Basel  weist  und  gleich  anderem  Material  von  Lotther  aus  der 
Frobenschen  Druckerei  bezogen  sein  werde.  Die  Scholia  in  librum  Genesis  (S.  329), 
welche  den  Königsberger  Predigtband  eröffnen,  werden  richtiger  mit  Kolde  (GGA. 
1895,  S.  582)  für  Luthers  fleissige  Vorbereitungsarbeit  auf  seine  Genesispredigten,  als 
für  Nachschriften  der  gehaltenen  Predigten  zu  erklären  sein.  So  erklärt  sich  auch 
am  leichtesten,  dass  die  Scholia  zwei  Kapitel  weiter  reichen  als  die  Predigten  selbst.  — 
Die  neuen  Bände  der  unter  Redaktion  von  Hoppe52)  rüstig  vorschreitenden  ameri- 
kanischen Lutherausgabe,  die  mir  leider  nicht  zu  Gesicht  gekommen  sind, 
bringen  in  Band  9  Luthers  grösseren  (späteren)  Kommentar  zum  Galaterbrief 
und  die  noch  übrigen  exegetischen  Schriften  über  neutestamentliche  Texte  zum 
Abdruck  (JBL.  1893  II  6  :  52).  Für  jenen  grossen  Kommentar  hat  H.  die  alte 
Uebersetzung  des  Justus  Menius  gründlich  nach  dem  lateinischen  Original  revidiert, 
den  Sermon  über  1.  Joh.  5,  4.  5  hat  er  neu  übersetzt.  Die  Schrift  Moibans  „Das 
herrliche  Mandat  Jesu  Christi",  die  Walch  in  diesem  Bande  vollständig  mit  abge- 
druckt hatte  (vgl.  Erl.  Ausg.  63,  S.  344),  hat  er  dagegen  nicht  wieder  reproduziert. 
Im  3.  Bande  sind  für  die  Genesispredigten  Buchwalds  Zwickauer  Funde  verwertet, 
die  Predigten  über  die  zehn  Gebote  (Decem  praecepta  Wittenbergensi  praedicata 
populo  1518)  und  die  Annotatt.  in  Deuter,  sind  neu  übersetzt,  dagegen  ist  die  von 
Buchwald  entdeckte  Vorlesung  über  das  Buch  der  Richter  wegen  ihrer  „fragmen- 
tarischen und  auch  sonst  zweifelhaften  Beschaffenheit"  nicht  aufgenommen.  Die 
Missourier  scheinen  in  dem  Bearbeiter  ihrer  Lutherausgabe  einen  respektablen  Ge- 
lehrten nicht  allein  von  tüchtiger  Arbeitskraft,  sondern  auch  von  wissenschaftlicher 
Arbeitsweise  gefunden  zu  haben.  — 

Schon  im  vorigen  Jahresbericht  war  Gelegenheit  gewesen,  der  grossen 
Funde  zu  gedenken,  die  Buchwald53)  in  Jena  gemacht  hat  (JBL.  1893  II  6:56/8). 
Inzwischen  liegt  ein  g-enauerer  Bericht  vor,  worin  er  erzählt,  wie  ein  von  ihm  im 
Weimarer  Archiv  gefundener  Brief  der  ernestinischen  Herzöge  ihn  zunächst  veran- 
lasste, die  Archivakten  über  die  Jenaer  Lutherausgabe  genau  zu  durchforschen.  Hier 
fand  er  in  einem  Briefe  Poachs  aus  dem  J.  1564  „M.  Rörers  Bücher"  erwähnt,  „so 
itzt  in  der  Liberey  zu  Jhena  verwaret".  Er  reiste  daher  nach  Jena,  wo  man  ihm 
alsbald  20  Quartbände  mit  meist  Rörerschen  Nachschriften  von  Predigten,  Vorlesungen 
und  Tischreden  Luthers  aufwies.  Aber  da  ein  schon  1883  von  B.  in  Zwickau  ent- 
decktes Register  Predigtjahrgänge  aufzählte,  die  hier  noch  fehlten,  so  suchte  er  weiter 
und  entdeckte  bei  einem  neuen  Besuch  in  Jena  zunächst  11  Oktavbände  Lutherana 
und  einen  Oktavband  Bugenhagiana,  teilweise  ungebunden  und  defekt;  da  er  nun 
nach  den  fehlenden  Bogenlagen  „die  gesamten  Hss.  der  Jenaer  Universitätsbibliothek" 
durchsuchte,  fand  er  zwar  nicht  die  fehlenden  Bogen,  aber  noch  zwei  ganze  Oktav- 
bände Lutherana,  teilweise  Autographa!  Wundersame  Gedanken  erweckt  dieser 
Bericht  bei  dem  mit  Jenaer  Bibliotheksverhältnissen  Unbekannten  in  betreff  der 
Ordnung,  Instandhaltung  und  Katalogisierung  der  dort  befindlichen  Hss.  Um  so  leb- 
hafter muss  der  Dank  sein,  der  dem  unermüdlichen  Entdecker  gebührt.  Nun  wird 
auch  sicher  nicht  abermals  der  reiche  Besitz  Jenas  an  Luthermss  in  Vergessenheit 
geraten;  B.  selbst  ist  ja  in  Voller  Arbeit,  den  Schatz  zu  heben  und  zu  verarbeiten. 
Vorliegender  Aufsatz  giebt  bereits  eine  sehr  förderliche  Zusammenstellung  und  Ord- 
nung des  Inhalts  dieser  Bände.  — 

Der  von  Zimmer54)  besorgte  Neudruck  der  Schrift  „An  den  christlichen 
Adel"  bietet  für  20  Pfennige  einen  massig  modernisierten,  lesbaren  Text  und  dazu 
eine  grosse  Anzahl  erläuternder  Anmerkungen,  für  die  besonders  Benraths  und  Knaakes 
Ausgaben  benutzt  sind.  Die  kurze  Einleitung  verzichtet  freilich  auf  jede  Einführung 
in  die  Fragen,  zu  denen  der  Inhalt  der  Schrift  Anlass  gegeben  hat.  Das  Titelbild 
(S.  5)  ist  verkleinerte  Nachbildung  nicht  eines  der  Wittenberger  Drucke,  sondern  eines 
Leipziger  Nachdrucks  (=  Knaake  Nummer  E);  das  hätte  dem  Leser  doch  wohl  gesagt 
werden  müssen.  —  Köstlin  hatte  1874  (Hallesches  Osterprogr.  S.  8)  darauf  hingewiesen, 
dass  in  Förstemanns  Ausgabe  der  Wormser  Rede  Luthers  nach  Spalatins  Aufzeichnung 
(Urkundenbuch  1842,  S.  69  ff.)  eine  Textlücke  sein  müsse,  hatte  aber  auf  seine  Anfrage 
im  Archiv  den  Bescheid  erhalten,  dass  Förstemanns  Abdruck  vollständig  sei.  Burk- 
hard t55)  hat  nunmehr  doch  ermittelt,   dass  bei  der  Abschrift  2  Seiten  überschlagen 


Holzschn.  u.  7  Hss.-Facs.)  —  52)  i  d. ,  Sämtl.  Schriften,  her.  v.  J.  G.  Walch.  Aufs  neue  her.  im  Auftr.  d.  Minist,  d.  dtsch. 
evang.-luth.  Synode  v.  Missouri,  Ohio  u.  anderen  Staaten.  Neue  rev.  Ster.-Ausg.  9.  Bd.  Ausleg.  d.  Neuen  Testaments  (Schluss). 
—  3.  Bd.  Ausleg.  d.  Alten  Testaments  (Forts.  Predigten  über  d.  erste  Buch  Mosis  u.  Ausleg.  über  d.  folg.  biblischen  Bächer 
bis  zu  d.  Psalmen  [excl.J)  St.  Louis,  Mo.  (Zwickau,  Schriften-Ver.  d.  sep.  evang.-luth.  Gemeinden).  1893  u.  94.  4°.  XIII,  1895  S. ; 
VU,  1973  S.  M.  15,00;  M.  17,00.  |[B.  B.  Warfield:  PresbytRefR.  Okt.-Heft.l|  (Bes.  v.  F.  A.  Hoppe.)  —  53)  G.  Buchwald, 
Jenaer  Lutherfunde:  ThStK.  67,  S.  374-92.  —  54)  fl.  Zimmer,  M.  Luther,  An  d.  christl.  Adel  dtsch.  Nation.  (=  Meyers 
Voltsbacher  N.  1099-1100.)  L.,  Bibliogr.  Inst.  16°.  98  S.  M.  0,20.  —  55)  C.  A.  H.  Burkhardt,  Luthers  Wormser  Rede  in 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (2)9 


II  6  :  56-61  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

worden  sind,  und  giebt  daher  jetzt  einen  vollständigen  Abdruck  der  ganzen  Rede. 
Die  grosse  Lücke  beginnt  bei  Förstemann  S.  71a  Z.  16  v.  o.  hinter  „lere".  —  Von 
Luthers  berühmtem  Aufruf  an  die  deutschen  Städte,  Schalen  zu  gründen,  hat  Israel56) 
in  seiner  verdienstlichen,  wegen  zu  geringer  Teilnahme  leider  nicht  weiter  fortgeführten 
Sammlung  von  Neudrucken  pädagogischer  Schriften  des  16.  und  17.  Jh.,  deren  erstes 
Heft  sie  bildete,  noch  eine  neue  Auflage  veranstaltet,  der  auch  die  auf  die  Schulen 
bezüglichen  Abschnitte  aus  Melanchthons  „Unterricht  der  Visitatoren"  beigefügt  sind. 
Beide  Schriftstücke  sind  die  klassischen  Dokumente  des  dem  Gymnasialwesen  sich 
zuwendenden  Interesses  der  sächsischen  Reformatoren,  der  Verwendung  der  huma- 
nistischen Studien  für  die  Heranbildung  der  Diener  in  Kirche  und  Staat  nach  dem 
Ideal  einer  sapiens  et  eloquens  pietas.  Dabei  sei  an  den  prächtigen  Facsimiledruck 
erinnert,  den  I.  durch  Drugulinsche  Kunst  1883  zum  Lutherfest  von  der  Schrift  „An 
die  Ratsherrn"  veranstaltete,  der  in  der  Flut  der  Erzeugnisse  jenes  Jahres  nur  wenig 
bekannt  geworden  zu  sein  scheint.  —  Enders57)  giebt  einen  Neudruck  (nebst  Ein- 
leitung) von  Luthers  „Brief  an  die  Fürsten  zu  Sachsen  von  dem  aufrührischen  Geist" 
Juli  1524,  darauf  Münzers  grimmige  Replik  „Hoch verursachte  Schutzrede  und  Antwort 
wider  das  geistlose,  sanftlebende  Fleisch  zu  Wittenberg",  Nürnberg  Okt.  1524,  und 
drittens  Valentin  Ickelsamers  Apologie  Karlstadts  gegen  Luther  „Klage  etlicher 
Brüder",  Rothenburg  a.  T.  März  1525:  letztere  beide  Schriften  sind  selten,  und  daher 
ihr  Neudruck  sehr  erwünscht;  Luthers  Brief  ist  zwar  oft  gedruckt,  aber  noch  nicht 
in  der  kritischen  Weim.  Ausg.,  und  ist  hier  beigegeben,  da  Münzer  beständig  auf 
ihn  Bezug  nimmt.  Auf  einzelne  Desiderien  in  Betreff  der  geschichtlichen  Einleitung 
macht  Kaweraus  Besprechung  aufmerksam.  —  E.  Müller58)  legt  eine  ver- 
kürzende und  den  Stoff  auf  die  einzelnen  Evangelien  verteilende  Verarbeitung  des 
exegetischen  Materials  aus  Luthers  Schriften  vor,  das  der  fleissige  Württemberger  Eberle 
1856  zu  den  Evangelien  zusammengetragen  hatte.  Den  Stoff,  den  seither  schon  Eberle 
in  seiner  2.  Auflage  nachgetragen,  und  der  dann  weiter  durch  Enders  in  der  2.  Auf- 
lage der  Erl.  Ausg.  und  durch  Buchwald  bekannt  gemacht  worden  ist,  kennt  er  nicht. 
Es  ist,  wie  Bossert  ermittelt  hat  und  scharf  formuliert,  ein  „verdünnter  Abguss  jenes 
Erstlingswerkes  Eberles",  ohne  dass  der  Vf.  sagt,  in  welcher  Weise  er  diesen  excerpiert 
hat,  „trotz  formeller  Vorzüge  ein  Rückschritt".  Im  4.  Teile  ist  ausser  Eberle  auch 
anderes  benutzt,  aber  wie  in  den  früheren  Teilen  ohne  Angabe  des  Fundortes.  —  Die 
Ausgabe  von  Luthers  Erklärung  des  Galaterbriefs,  die  der  rührige  Calwer  Verlags- 
verein59) veröffentlicht  hat,  bietet  unter  Benutzung  der  geschickten  Arbeit  von 
Chr.  G.  Eberle  „Luthers  Epistelauslegung"  eine  aus  Luthers  älterem  und  jüngerem 
Kommentar  (1519  und  35)  zusammengesetzte,  Zeitgeschichtliches  streichende,  auch 
sonst  kürzende  Kompilation,  die  natürlich  für  wissenschaftliche  Zwecke  nicht  geeignet 
ist,  aber  allen,  denen  es  nur  um  Einblick  in  die  eigentliche  Schriftauslegung  und 
erbauliche  Schriftanwendung  zu  thun  ist,  ein  bequemes  Hülfsmittel  bietet.  Freilich 
hat  der  Leser  hier  niemals  Luthers  Text  selbst  vor  sich,  da  beide  Kommentare 
lateinisch  geschrieben  sind,  sondern  den  modernisierten  Text  der  beiden  alten  deutschen 
Ueber Setzungen  (von  Vincentius  Heidnecker  [Obsopöus?]  1525  und  Justus  Menius  1539). 
Mit  grosser  Geschicklichkeit  sind  beide  Auslegungen  zu  gegenseitiger  Ergänzung  in 
einander  geschoben,  mitunter  so,  dass  inmitten  eines  Satzes  der  Uebergang  aus  der 
einen  in  die  andere  erfolgt.  So  viel  ich  verglichen  habe,  fand  ich  dabei  nirgends 
eine  Alterierung  der  Gedanken  Luthers,  wenn  auch  jene  Uebersetzungen  teilweise 
sehr  frei  verfahren.  — 

Zur  Kritik  einzelner  Schriften  weist  Kolde60)  nach,  dass  die  von 
ihm  schon  früher  erwiesene  Thatsache,  es  seien  in  Schmalkalden  1537  Luthers 
„Schmalkaldische  Artikel"  gar  nicht  offiziell  von  den  Ständen  beraten  und  ange- 
nommen worden,  aus  einer  kleinen  Intrigue  Melanchthons  zu  erklären  ist,  der  an 
der  Fassung,  die  die  Abendmahlslehre  hier  durch  Luther  erhalten,  Anstoss  nahm, 
über  diese  scharfe  Fassung  dem  Landgrafen  Philipp  meldete,  sie  sei  gegen  den 
ursprünglichen  milderen  Entwurf  Luthers  durch  Bugenhagen  hineingebracht,  und 
daher  riet,  die  Stände  möchten  sich  einfach  auf  die  Confessio  Augustana  und  die 
Wittenberger  Konkordie  berufen.  Diese  Anschuldigung  Melanchthons  gegen  Bugen- 
hagen, auf  deren   Bedeutung   übrigens   auch   schon   Kawerau  (ThStK.  62,  S.  806/7) 


Spalatins  Wiedergabe:  ThStK.  67,  S.  151/6.  —  56)  A.  Israel,  M.  Luther,  1.  An  d.  Radherren  aller  stedte  deutsches  lands. 
Nach  d.  1.  Ausg.  gedr.  zu  Wittenb.  1524.  2.  V.  Schalen.  Letzter  Abschn.  aus  d.  Unterr.  d.  Visitatoren  eto.  Nach  d.  1.  Ausg. 
gedr.  zu  Wittenb.  1528.  Zweite,  mit  e.  Einl.  u.  sprachl.  Erläuterungen  verm.  Ausg.  (=  Samml.  selten  gewordener  päd.  Schriften 
d.  16.  u.  17.  Jh.  N.  I.)  Zschopau,  Raschke.  52  S.  M.  1,00.  —  57)  L.  Enders,  Ans  d.  Kampf  d.  Schwärmer  gegen  Luther. 
3  Flugschriften  (1524-25).  (=  NDL.  N.  118.)  Halle  a.  S.,  Niemeyer.  1893.  XVIII,  55  S.  M.0,60.  |[ö.  Kawerau:  ThLZ.  19, 
S.  276/7;  W.  Walther:  ThLBl.  15,  S.  166.]|  —  58)  E.  Maller,  Luthers  Erklärung  d.  h.  Schrift.  I.-III.  (D.  Evang.  Matthaei. 

—  D.  Evang.  d.  Markus  u.  Lukas.  —  D.  Evang.  Johannis.)  IY.  D.  Apostelgeschichte  u.  d.  Brief  an  d.  Körner.  Gütersloh,  Bertels- 
mann. 1893—94.  619  S.  k  M.  1,50.  |[G.  Bossert:  ThLZ.  19,  S.  494/5,  640;  KonsMsohr.  8.  1108/9;  E.  Breest:  ThLBl.  17, 
S.  123.]|  —  59)  M.  Luthers  Erklärung  d.  Briefes  St.  Pauli  an  d.  Qalater.    Calw  u.  St.,  Calwer  Verl.-Ver.    12°.   368  S.  M.  1,00. 

-  60)   Th.  Kolde,   Z.  Gesch.  d.  Schmalkald.  Artikel:   ThStK.  67,   S.  157-60.    —   61)   id.,   Ueber   d.  Echtheit  d.  Luther  zu- 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  :  ei-e« 

aufmerksam  gemacht  hatte,  erhält,  wie  K.  weiter  ausführt,  volle  Bestätigung  durch 
das  in  Zangemeisters  photographischem  Faksimile  C1883)  zugänglich  gemachte  Auto- 
graph der  Schmalkaldischen  Artikel,  das  thatsächlich  in  dem  betreffenden  Artikel 
den  ursprünglichen  milderen  und  den  hineinkorrigierten  schärferen  Text  zeigt.  — 
K  o  1  d  e 61)  erörtert  auch,  dass  von  der  unter  Luthers  Werken  (lateinisch  Erl.  Ausg. 
opp.  var.  arg.  7,  S.  370  ff.,  deutsch  Bd.  31,  S.  411  ff.)  abgedruckten  Schrift  Convocatio 
concilii  liberi  (1534)  der  lateinische  Text  das  Original  sein  müsse,  dass  aber  Luther 
weder  der  Uebersetzer  ins  Deutsche,  noch  auch  der  Vf.  des  lateinischen  Textes  sein 
werde.  Den  wahren  Vf.  sucht  K.  in  den  Kreisen  der  humanistischen  Expektanten. 
Er  versucht  wahrscheinlich  zu  machen,  dass  Luthers  Name,  der  auf  dem  Titel  der 
lateinischen  Ausgabe  in  dem  Abdruck  der  Gesamtausgaben  steht,  in  dem  bisher 
nicht  wieder  entdeckten  Originaldruck  gar  nicht  gestanden  haben  werde.  — 

Zu  Luthers  Briefwechsel  bringt  uns  Fijaiek62)  einen  interessanten 
Beitrag.  In  einem  Krakauer  Druck  von  1521  befinden  sich  Erlasse  des  päpstlichen 
Legaten  in  Polen,  Zacharias  Ferreri,  der  schon  1520  Sigismund  I.  zu  einem  strengen 
Edikt  gegen  die  Einführung  Lutherischer  Bücher  bewog  (3.  Mai),  unter  diesen 
auch  das  der  deutschen  Lutherforschung  verborgen  gebliebene  Mahnschreiben  an 
Luther  vom  20.  Mai  1520,  das  zu  vollständigem  Abdruck  gebracht  wird.  Es  ist 
reich  an  salbungsvoller  Rhetorik,  mit  der  Luther  bewiesen  wird,  dass  er  instrumen- 
tum  malum  sei  und  Busse  thun  müsse.63)  —  Zu  dem  apokryphen  Briefe  Kaiser  Fer- 
dinands an  Luther,  1.  Febr.  1537,  den  Burkhardt  Luthers  Briefwechsel  (S.  275)  noch 
ohne  eine  Bemerkung  über  seine  Unechtheit  registriert,  bringt  Bossert64)  die 
Nachricht  bei,  dass  der  1600  aus  Purgstein  in  Untersteiermark  vertriebene  Prediger 
Joh.  Durchdenbach  dem  Herzog  Friedrich  von  Württemberg  eine  Abschrift  dieses 
Briefes  überbrachte,  die  er  selbst  von  dem  Freiherrn  zu  Heberstein  erhalten  hatte.  — 
Buchwald65)  teilt  aus  Rörers  hs.  Sammlung  in  Jena  Luthers  bisher  fehlenden 
Brief  vom  14.  Jan.  1546  an  König  Christian  III.  mit,  der  neben  dem  Dank  für  ein 
Geldgeschenk  mancherlei  „neue  Zeitung"  enthält.  — 

Jostes66)  überrascht  die  gelehrte  Welt  mit  dem  Anspruch,  den  Ueber- 
setzer der  durch  den  Druck  verbreiteten  vorlutherischen  Bibelüber- 
setzung in  der  Person  des  Dominikaners  (?)  Meister  Johannes  Rellach  entdeckt  zu 
haben,  der  um  1450  seine  Arbeit  gefertigt  habe.  Damit  würde  nicht  nur  der  oft 
vermutete  waldensische  Ursprung  dieser  Uebersetzung  definitiv  abgethan  sein,  son- 
dern es  müssten  auch  die  Hss.  dieses  Uebersetzungstypus,  die  bisher  für  erheblich 
älter  gehalten  wurden,  sämtlich  in  die  zweite  Hälfte  des  15.  Jh.  heruntergerückt 
werden!  Von  hier  aus  erhebt  sich  ein  schweres  Bedenken  gegen  die  „Entdeckung". 
Wir  kommen  darauf  zurück,  wenn  wir  W.  Walthers  gewichtige  Entgegnung  zu  be- 
sprechen haben  werden.  —  K  n  e  1 1  e  r  s  6r)  Besprechung  des  Waltherschen  Werkes 
über  die  mittelalterliche  deutsche  Bibel  (JBL.  1891  II  6  :  20)  lässt  dem  biblio- 
graphischen Teil  dieser  Arbeit  unbedingte  Anerkennung  widerfahren;  nur  am 
Schlussteil  stösst  er  sich  an  der  zum  „Schaden  des  Buches"  hervortretenden  „reli- 
giösen Polemik"  des  Vf.;  durch  tendenziöse  Deuteleien  schädige  er  die  Wahrheit 
und  helfe  die  konfessionellen  Vorurteile  schüren.  Die  Beweise,  die  der  Jesuit  hierfür 
vorbringt,  sind  sehr  dürftig;  denn  sie  laufen  darauf  hinaus,  dass  er  Walther  vor- 
wirft, hier  und  da  eine  Quellenstelle  nicht  ganz  richtig  gedeutet  zu  haben,  oder  dass 
er  selbst  versichert,  hier  anderer  Ansicht  zu  sein.  Inwiefern  damit  religiöse 
„Polemik"  erwiesen  ist,  verstehe  ich  nicht.  Es  beweist  aber,  wie  empfindlich  man 
in  K.s  Lager  ist;  es  gehört  wohl  zur  Taktik,  dass  der  Arbeit  eines  Protestanten, 
auch  wenn  man  ihre  positiven  Ergebnisse  mit  Dank  acceptieren  kann,  eine  Warnungs- 
tafel beigefügt  werden  muss.  —  Rinns68)  Aufsatz  beabsichtigt,  einem  weiteren 
Leserkreise  die  Ergebnisse  der  Waltherschen  Forschung  mitzuteilen.  — 

Die  Schrift  von  Kamphausen69)  enthält  auf  den  ersten  20  Seiten  die 
Rektoratsrede,  in  der  er  als  alter  langjähriger  Mitarbeiter  am  Werk  der  Bibel- 
r  e  v  i  s  i  o  n  die  unvergängliche  Bedeutung  der  Lutherschen  Bibelübersetzung  rühmt, 
sodann  die  „Textverwilderung"  der  späteren  Bibeldrucke  schildert  und  erklärt, 
endlich  in  grossen  Zügen  den  Gang  des  Revisionswerkes  darlegt.  Die  Anmerkungen 
dazu  (S.  21/6)  bringen,  in  reicher  Fülle  und  zugleich  trefflich  gewählt,  Erläuterungen 
und   Materialien    zur  Charakterisierung    der  Uebersetzungsarbeit  Luthers    sowie    der 


geschrieb.  Schriftchens  „Convocatio  Concilii  liberi  Christiani  etc.":  ZKG.  15,  S.  94  7.  —  62)  J.  FijaleV,  Mahnschreiben  d. 
papstl.  Legaten  in  Polen  Zach.  Ferreri  an  M.  Luther,  20.  Mai  1520:  HJb.  15,  S.  307-53.  (Nachträgl.  Verbesserungen  auf  S.  589.) 
—  63)  X  Th.  Kolde,  2  Lutherbriefe  (JBL.  1893  II  6:59):  ZKG.  14.  S.  6037.  —  64)  G.  Bossert,  Joh.  Durchdenbaoh,  e. 
österr.  Exulant  in  Württemberg.  Kirchendienst:  JGGPÖ.  15,  S.  38.  —  65)  G.  Bnchwald,  E.  noch  ungedr.  Brief  Luthers  an 
König  Christian  IU.  v.  Dänemark:  ThStK.  67,  S.  769-73.  —  66)  F.  Jostes,  D.  „Waldenserbibeln"  u.  Meister  Joh.  Rellach: 
HJb.  15,  S.  771-95.  —  67)  A.  Kneller:  StML.  45,  S.  392/7.  —  68)  H.  Rinn,  D.  dtsch.  Bibelübers.  im  MA.:  ChristlW.  8, 
S.  97-102, 124/7, 159-62, 200/4.  —  69)  A.  K  a  m  p  h  a  u  s  e  n ,  D.  berichtigte  Lutherbibel.  Rektoratsrede  mit  Anm.  B  ,  Renther  &  Reichard. 
66  S.    M.  1,50.     |[F.        Fay:  ThLZ.  19,  S.  619-20;  H.  Holtzmann:  DLZ.  S.  1507/8;  ThLBl.  17,  S.  171.1    (Vorher  ohne  Anm. 

(2)9* 


II  6  :  70-70  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

Revisionsarbeit,  wie  dieselbe  sowohl  in  der  Probebibel,  wie  in  abermals  ersichtlichem 
Fortschritt  in  der  „durchgesehenen  Ausgabe"  von  1892  vorliegt.  —  Einen  gehar- 
nischten Protest  gegen  die  revidierte  Lutherbibel  hat  der  Vertreter  missourischen 
Luthertums  in  Deutschland,  Willkomm'70),  schon  in  einer  zweiten  vermehrten 
Auflage  ausgehen  lassen.  Er  giebt  zwar  zu,  dass  Luthers  Arbeit  sachlich  und 
sprachlich  hier  und  da  eine  Verbesserung  vertrage,  doch  bestreitet  er  der  heutigen 
wissenschaftlichen  Theologie  das  Recht,  an  Luthers  Werk  Revision  zu  üben,  da  sie 
darauf  ausgegangen  sei,  Luthers  „christologisierende  Anschauungen"  in  der  Auf- 
fassung des  Alten  Testaments  zu  bekämpfen  und  durch  entsprechende  Aenderungen 
das  Verständnis  für  einen  „stufenmässigen  Fortschritt  der  alttestam entlichen  Heils- 
erkenntnis" zu  ermöglichen.  Besonders  anstössig  ist  ihm  die  Aenderung  in  Hiob 
19,  25,  26,  obgleich  er  selber  einräumen  muss,  dass  es  sich  dort  um  einen  „luther- 
schen Irrtum"  handelt.  Die  Grundsätze  des  Vf.  für  Bibelexegese  sind  so  von 
dogmatischen  Voraussetzungen  beherrscht,  dass  eine  Verständigung  zwischen  ihm 
und  „wissenschaftlichen"  Theologen  allerdings  ausgeschlossen  ist;  die  Fundamental- 
sätze aller  Methodik  der  Bibelerklärung  müssten  verleugnet  werden,  wenn  man  seinem 
Mahnworte  Folge  geben  wollte.  —  Die  Besprechung  der  revidierten  Bibel  von 
Kohrs71)  geht  wenig  auf  Einzelnes  ein.  —  J  e  h  1  e  72)  kritisiert  in  seiner  sorg- 
samen Weise  Inkonsequenzen  und  Unrichtigkeiten  im  Register  der  durchgesehenen 
Lutherbibel.  Zugleich  führt  er  Beschwerde  darüber,  dass  die  mühsamen  Zusammen- 
stellungen von  Bedenken,  die  er  nach  Erscheinen  der  Probebibel  veröffentlicht  hatte,  um 
Unebenheiten,  Ungleichheiten  usw.  zu  beseitigen,  so  wenig  von  Seiten  der  Kommission 
Berücksichtigung  gefunden  haben,  und  dass  Kamphausen  in  seiner  Broehure(s.  o.N.69) 
so  leicht  und  von  oben  herab  diese  Beiträge  zur  Bibelverbesserung  abthut.  Das 
scheinen  sie  uns  allerdings  nicht  verdient  zu  haben,  und  wir  verstehen  seine 
Erregung  darüber,  dass  „man  der  Lutherbibel  nicht  die  Vollendung  gegeben,  die 
man  ihr  hätte  geben  können".  ™-">*)  — 

Das  Referat  über  die  Bremer  Schulbibel  von  Witte75)  kommt  zu  dem 
Ergebnis,  dass  „sie  zwar  noch  hier  und  da  verbesserungsfähig  ist,  im  grossen  und 
ganzen  aber  das  von  Tausenden  gefühlte  Bedürfnis  nach  einem  Bibelauszuge  für 
die  Schulen  in  mustergültiger  Weise  befriedigt".  Unzweifelhaft  werde  sie  sich  ihren 
Wirkungskreis  erobern  und  nach  und  nach  in  die  deutschen  Schulen  einziehen. 
Eine  Beeinträchtigung  der  Lutherschen  Vollbibel  stehe  durch  ihren  Dienst  so  wenig 
zu  erwarten,  dass  sie  vielmehr  dazu  beitragen  werde,  die  Lutherbibel  dem  deutschen 
Volke  wert  und  vertraut  zu  machen.  —  Auch  Schlier76)  tritt  mit  erfreulicher 
Entschiedenheit  für  das  pädagogische  Bedürfnis  ein.  Den  Schülern  statt  der  Bibel 
ein  „biblisches  Lesebuch"  in  die  Hand  zu  geben,  den  Namen  „Schulbibel"  oder  gar 
„Familienbibel"  perhorresziert  er  freilich,  da  er  so  laute,  als  solle  damit  die  Bibel 
selbst  beseitigt  sein.  Der  richtige  Zeitpunkt,  an  dem  der  Jugend  die  Bibel  in  die 
Hand  zu  geben  sei,  sei  nicht  schon  der  Beginn  des  Konfirmandenunterrichts,  sondern 
erst  der  Tag  der  Konfirmation.  Am  besten  sagt  ihm  unter  den  vorhandenen  Ver- 
suchen, dieses  Schulbuch  uns  zu  liefern,  die  Bremer  Schulbibel  (trotz  dieses  von 
ihm  abgelehnten  Titels)  zu.  Doch  ist  auch  diese  seines  Erachtens  zu  umfangreich. 
—  Dass  die  Schulmänner77),  die  sich  auf  der  XIX.  rheinischen  Religionslehrer  Ver- 
sammlung über  die  Frage:  Gehört  die  Schulbibel  oder  die  Vollbibel  in  die  Hände 
der  Schüler?  ausgesprochen  haben,  mit  gleicher  Entschiedenheit  für  die  Notwendig- 
keit einer  Schulbibel  eintreten  würden,  konnte  man  von  ihnen  als  Männern  der 
Schulpraxis  erwarten.  Ihre  Vorträge  verdienen  beachtet  zu  werden  wegen  der  Viel- 
seitigkeit der  dabei  berücksichtigten  Gesichtspunkte,  wegen  der  Energie],  mit  der  gerade 
im  Interesse  grösserer  Liebe  des  Volkes  zur  Bibel  und  besserer  Bekanntschaft  mit 
ihr  für  die  Schulbibel  plädiert,  und  wegen  der  Würde,  mit  der  die  gesalbte  Bered- 
samkeit pastoraler  Gegner  der  Schulbibel  beantwortet  wird.  —  Auch  der  Bericht 
W.Neumanns78)  über  denVortrag  von  Weck,  der  das  gleiche  Thema  auf  der  IV.  schle- 
sischen  Religionslehrerversammlung  behandelte,  zeigt,  dass  der  Vortragende  den 
gleichen  Standpunkt  vertrat,  und  dass  die  Teilnehmer  einstimmig  die  beiden  Haupt- 
thesen (Notwendigkeit  der  Schulbibel  in  höheren  wie  niederen  Schulen  und  Em- 
pfehlung der  Bremer  Schulbibel  als  der  den  Anforderungen  der  Schule  am  besten 
entsprechenden)  annahmen.79)   —  Dagegen  fällt  das  an  eine  Anzeige  der  Schrift  von 


in  „Halte  was  da  hast".)  —  70)  0.  H.  Th.  Willkomm,  Was  ist  v.  d.  beabsichtigten  Rev.  d.  Lutherschen  Bibel äbers.  zu 
halten?  2.  verm.  Ann.  Zwickau,  Schriftenverl.  d.  sep.  evang.-luth.  Gem.  12°.  32  S.  M.  0,10.  —  71)  H.  Kohrs,  D.  Bibel 
in  d.  Uebers.  Luthers.  Durchgesehene  Ausg.:  ZDU.  8,  S.  210/2.  —  72)  Fr.  Jehle,  D.  Reg.  d.  durchges.  Lutherbibel:  NKZ.  5, 
8.  761-73.  (Vgl.  JBL.  1893  II  6  :  72.)  —  73)  X  D-  notwendigen  Verbesserungnn  d.  Lutherschen  Bibelübers.  2.  Aufl.  Gütersloh, 
Bertelsmann.  20  S.  M.  0,20.  —  74)  X  M-  Heyne,  D.  Cansteinsche  Lutherbibel:  ADA.  20,  S.  350/2.  —  75)  L.  Witte,  D. 
Bremer  Schulbibel:  ZERU.  5,  S.  307-16.  -  76)  Schlier,  Bibel,  Schulbibel,  Bibl.  Lesebuch:  NKZ.  5,  S.  988-1001.  —  77) 
Ist  d.  Einführung  e.  Schulbibel  notwendig?  Verhandl.  d.  XIX.  rhein.  Religionslehrervers.:  ZERU.  6,  S.  18-40.  —  78)  W.  Neu- 
mann, 4.  Vers,  evang.  Religionslehrer  an  höh.  Schulen  d.  Prov.  Schlesien.   (Ber.):   ib.  5,  S.  282/5.    —    79)  X    M.  Evers,  D. 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  :  so-87 

Bahnisch  (JBL.  1892  II  6  :  23)  sich  anschliessende  Votum  eines  Anonymus80)  aus 
dem  Pfarrerstande  gegen  die  Einführung  der  Schulbibel  aus.  Grund:  das  christliche 
Volk  werde  Anstoss  an  der  Verdrängung  (?)  der  Vollbibel  nehmen;  der  Gefahr  aber, 
die  für  die  Jugend  in  den  geschlechtlich  anstössigen  Stellen  liege,  werde  durch 
„unauffälliges  Uebergehen  beim  Schulunterricht"  wirksamer  begegnet  als  durch 
Beseitigung.  — 

Der  anonyme  Vf.81)  eines  Aufsatzes  über  Luthers  Lied  „Wir  giauben  all 
an  einen  Gott"  rügt  mit  Recht  die  verbreitete  Angabe,  dass  es  Luthers  Umdichtung 
des  Apostolikum  sei,  und  weist  nach,  dass  er  vielmehr  das  Nicäno-Constantinopoli- 
tanum  zu  Grunde  gelegt  habe.  Es  werden  ferner  ältere  und  jüngere  Versuche  der 
gleichen  Umdichtung  mitgeteilt,  und  richtig  wird  hervorgehoben,  dass  die  Melodie 
nicht  von  Luther  stammt,  sondern  schon  im  Anfang  des  15.  Jh.  vorhanden  gewesen 
ist.  —  Sprenger82)  verteidigt  in  Luthers  Weihnachtslied  die  herkömmliche  Deutung 
des  „Susannine"- Wiegenlied  unter  Hinweis  auf  die  Sitte  des  Kindelwiegens,  die  auch 
im  evangelischen  Deutschland  noch  längere  Zeit  fortbestand.  —  Hochhuth82a)  stimmt 
dieser  Deutung  bei  unter  Berufung  auf  einen  älteren  Aufsatz  von  Vilmar  (in  Pastoral- 
theologBU.  10,  S.  46  ff.).  —  Bötticher83)  tritt  dafür  ein,  dass  in  „Ein  feste 
Burg"  die  Worte  „er  hilft  uns  frei  aus  aller  Not"  nicht,  wie  Bechstein  wollte,  ein 
„frei  helfen"  in  Analogie  von  „frei  lassen"  cum  accusativo  voraussetzen,  sondern 
dass  „uns"   der  Dativ  und  „frei"  adv.  sei  =  in  unbeschränkter  Herrschergewalt.84)  — 

Ein  sehr  wertvolles  Stück  seiner  Jenaer,  teilweise  auch  schon  Zwickauer  Luther- 
funde hat  Buch  wald85)  herausgegeben  und  bearbeitet  in  einer  Schrift,  die  für  die 
Entstehung  des  Grossen  wie  des  Kleinen  Katechismus  von  grösster  Bedeutung 
ist.  Auf  die  Entstehung  des  Grossen  Katechismus  werfen  Licht  die  in  Jena  aufge- 
fundenen Predigten,  nämlich  Rörers  Nachschriften  von  drei  Cyklen  Lutherscher 
Predigten  über  den  Katechismusstoff,  vom  18.  Mai,  14.  Sept.  und  30.  Nov.  1528 
ab,  also  ein  dreimaliger  praktischer  Predigtversuch,  auf  Grund  dessen  und  im  An- 
schluss  an  welchen  oft  bis  auf  den  Wortlaut  Luther  im  Anfang  des  J.  1529  seinen 
Grossen  Katechismus  —  das  Muster  für  die  Katechismuspredigten  der  Pfarrer  — 
ausarbeitete.  Auf  Grund  ferner  seiner  Zwickauer  Funde  (JBL.  1893  II  6  :  48/9)  giebt 
B.  ein  gegen  frühere  Annahmen  wesentlich  verändertes  Bild  von  der  Entstehung  des 
Kleinen  Katechismus.  Schon  im  Jan.  1529  sind  die  drei  ersten  Hauptstücke  auf 
Tafeln  in  Plakatform  erschienen,  im  März  erscheinen  4.  und  5.  Hauptstück  in  gleicher 
Weise.  B.  lässt  dann  durch  Bugenhagen,  der  in  Hamburg  die  Reformation  einführt, 
diese  Tafeln  in  niederdeutscher  Sprache  zu  einem  Büchlein  vereinen,  so  dass  wir  in 
dem  Hamburger  Druck  von  1529  (ohne  Luthers  Vorwort)  die  älteste  Buchausgabe 
zu  erblicken  hätten  (April  und  Mai).  Im  Mai  erfolgt  die  Herstellung  der  (verlorenen, 
in  drei  Nachdrucken  aber  erhaltenen)  Wittenberger  editio  princeps,  gleich  darauf 
eine  gleichfalls  verlorene  zweite  Ausgabe.  Am  13.  Juni  schon  kommt  die  dritte  ge- 
mehrte und  gebesserte  Ausgabe  zur  Versendung,  die  in  einem  Exemplar  des  Ger- 
manischen Museums  —  freilich  nur  in  Trümmern  —  erhalten  geblieben  ist.  Ganz 
ähnlich  hatte  Gust.  Kaweraus85a)  Anzeige  der  Schrift  Buchwalds  zur  Wittenberger 
Stadt-  und  Universitätsgeschichte  (JBL.  1893  II  6  :  48)  bereits  aus  den  hier  vorliegenden 
Briefstellen  die  Entstehungsgeschichte  zu  rekonstruieren  versucht,  nur  dass  ich  als 
erste  Ausgabe  die  Tabulae  selbst  gezählt,  also  nicht  zwischen  der  Buchausgabe  vom 
Mai  und  der  vom  Juni  noch  eine  weitere  Ausgabe  einschalten  wollte.  Inzwischen 
habe  ich  von  einem  Katechismusnachdruck  Kenntnis  erhalten,  der  einen  Text  ent- 
hält, der  zwischen  der  editio  princeps  und  der  „gemehrten  und  gebesserten"  die 
Mitte  hält;  möglichenfalls  ist  hier  die  Spur  einer  zwischen  beiden  stehenden  Witten- 
berger Ausg-abe  zu  finden,  und  es  würde  somit  Buchwalds  Deutung  der  betr.  Brief- 
stelle erwünschte  Bestätigung  erhalten.  In  der  Einleitung  giebt  der  Vf.  eine  sehr 
vollständige  Zusammenstellung  aller  Arbeiten  und  Predigten  Luthers  über  Kate- 
chismusstoffe von  1516—28;  die  drei  Reihen  Katechismuspredigten  von  1528  werden 
harmonistisch  in  drei  Kolumnen  abgedruckt,  die  wörtlich  daraus  in  den  Grossen 
Katechismus  übernommenen  Stellen  kenntlich  gemacht.  Einzelne  Berichtigungen 
bringt  die  Recension  von  E  n  d  e  r  s.  Von  selbständigem  Werte  ist  die  eingehende 
Anzeige  von  C  o  h  r  s ,  der  sich  durch  sie  als  gründlichen  Kenner  der  Katechismus- 
geschichte einführt.86)  —  Mit  Befriedigung  begrüssen  wir  es,  dass  die  tüchtige 
Katechismusbearbeitung  von  Kaftan87)  eine  zweite  Auflage  erlebt  hat,   in  der  der 

Schulbibelfrage  auf  d.  19.  evang.  Religionslehrervers.  d.  Eheinlands  zu  Düsseldorf,  24.  Mai  1894.  (Erweit.  Sonderdr.  aus 
ZERTJ.)  B.,  Reuther  &  Reichard.  74  S.  M.  1;20  —  80)  Z.  Schulbibelfruge :  AELKZ.  27,  S.  371/2.  —  81)  Wir  glauben  all' an 
Einen  Gott:  ib.  S.  104  6.  —  82)  R  Sprenger,  Zu  Luthers  Weihnachtsliede  „Vom  Himmel  hoch":  ZERÜ.  5,  S.  1245.  —82a) 
Hochhuth,  Susannine:  ib.  S.  125.  —  83)  G.  Bötticher,  Z.  Lutherliede  „Ein  feste  Barg*:  ZDÜ.  8.  S.  770/3.  —  84)  X 
R.  Sprenger,  Zu  Luthers  Umschreibung  d.  130.  Psalms  (Aus  tiefer  Not):  ZERU.  5,  S.  216/8.  —  85)  G.  Buchwald,  D. 
Entsteh,  d.  Katechismen  Luthers  u.  d.  Grundlage  d.  gr.  Katechismus.  L.,  Wigand.  4°.  XVI,  49  S.  M.  4,50.  |[E.  L.  Enders: 
ThLBl.  15,  S.  406/7;  F.  Cohrs:  ThLZ.  19,  S.  611/5;  LCB1.  S.  1132.]|  —  85a)  G.  Kawerau:  DLZ.  S.  3245.  -  86)  X  M. 
Reu,   Z.  Entstehungsgesch.    d.   kl.  Katechismus   Dr.  M.  Luthers:    KirchlZ.  (Nordamerika)  18,  5.  Heft.    —    87)   Th.  Kaftan, 


Ü  6:88-110  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

Vf.  gegen  manchen  Einwand  seine  Positionen  verteidigt  oder  auch  genauer  for- 
muliert, manches  nachträgt  und  zu  mancher  neueren  katechetischen  Arbeit  Stellung 
nimmt.  Mich  wundert  nur,  dass  er  dabei  an  der  Schrift:  Die  unterrichtliche  Be- 
handlung des  6.  Gebotes  in  der  Schule  (Leipzig  1893)  mit  der  Studie  Q.  von  Rohdens 
über  dieses  Katechismusstück  vorübergegangen  ist.  Wie  in  der  ersten  Auflage  (S. 2 19), 
so  nennt  er  auch  jetzt  noch  (S.  235)  seinen  Magdeburger  Kollegen  Schultz  statt 
Schultze.  —  Dass  Schützes88)  vollständig  ausgeführte  Katechesen  immer  wieder 
neue  Auflagen  erleben,  ist  nicht  zu  verwundern;  sie  machen  ja  Lehrenden  die  Vor- 
bereitung möglichst  bequem  und  ersparen  eigenes  Nachdenken;  und  es  redet  hier 
ein  alter  erfahrener  Praktikus,  von  dem  auch  immer  etwas  zu  lernen  ist,  wenn  auch 
Auffassung  und  Methode  ihn  zu  einem  Vertreter  der  traditionell  dogmatisierenden 
Katechismuserklärung  machen.  —  Die  anspruchslose  Arbeit  von  Lange  und  Hoff- 
mann89) lehnt  die  Besprechung  der  einzelnen  Katechismusabschnitte  stets  an 
biblische  Geschichten  an  und  bietet  dem  Lehrer  der  Volksschule  Präparationen  für 
die  einzelnen  Lehrstunden.  —  T  e  i  t  g  e 90)  setzt  (JBL.  1892 II  6  :  30)  seine  Bearbeitung  des 
Katechismusstoffes  weiter  fort.91"105)  —  Malo106)  plädiert  dafür,  dass  in  Luthers  Er- 
klärung des  1.  Artikels  in  dem  bekannten  Satze  „Wider  alle  Fährlichkeit  be- 
schirmet usw."  für  das  der  Erfahrung  widersprechende  „alle"  ein  „allerlei"  einzu- 
setzen sei.  Luther  habe  sich  hier  falsch  ausgedrückt;  das  müsse  durch  offene  ehr- 
liche Korrektur  des  Katechismustextes,  den  die  Jugend  lernen  soll,  zur  Anerkennung 
gebracht  werden.  Das  sei  pädagogisch  richtiger  als  erst  Falsches  lernen  zu  lassen 
und  dann  durch  eine  umdeutende  Auslegung  den  Anstoss  zu  verhüllen  (?).107)  — 

Der  sprachliche  Dinge  aufrührende  Aufsatz  Klaibers  „Lutherana"  (JBL. 
1893  II  6  :  64;  s.  o.  I  7:8)  hat  durch  verschiedene  Germanisten  wertvolle  Er- 
gänzungen erhalten,  die  ebenso  für  die  Vervollständigung  des  deutschen  Lexikons 
wie  speciell  zum  Verständnis  des  Lutherschen  Wortschatzes  wichtige  Beiträge  liefern. 
Ich  verweise  besonders  auf  die  Beiträge  von  Ehrismann  und  John  Meier108) 
zu  der  Redensart  „mit  Lungen  auswerfen",  von  M.  zu  „dem  Pilatus  opfern",  von 
Creizenach  zu  „r  ob  unten".  —  Zudem  bei  Luther  häufig  auftretenden  „thät"  im  Be- 
dingungssatze in  der  negativen  Bedeutung  „wäre  nicht  vorhanden"  liefert  Men- 
sing109)  zwei  Beispiele  aus  dem  niederdeutschen  Wolfenbütteler  Esop.  — 

Die  rühmende  Anzeige,  die  ein  Anonymus110)  der  K  o  1  d  e  sehen  Luther- 
biographie (JBL.  1893  II  6:91)  gewidmet  hat,  soll  hier  nicht  allein  wegen  einer 
Reihe  von  beachtenswerten  Einzelbemerkungen  erwähnt  werden,  die  Desiderien  für 
eine  neue  Auflage  geltend  machen,  sondern  auch  weil  wir  hier  gelegentlich  (S.  267) 
der  auch  sonst  schon  angetroffenen  Behauptung  begegnen,  dass  die  Ritschlsche  Partei 
„es  für  nötig  erachtet  habe,  eine  besondere  Lutherausgabe  zu  veranstalten  und  mit 
ihrer  Theologie  zu  verbrämen."  Es  ist  damit  auf  die  Braunschweiger  Volksausgabe 
gezielt.  Der  Vf.  kennt  sicher  die  Vorgeschichte  dieser  Ausgabe  nicht;  wüsste  er, 
welchen  Anteil  J.  Köstlin   an  ihrem  Zustandekommen  und   an  der  Aufforderung  an 


Ausleg.  d.  luth.  Katechismus  (JBL.  1892  II  6  :  29).  2.  verb.  Aufl.  Schleswig,  Bergas.  VIII,  391  S.  M.  4,80.  —  88)  Fr.  W. 
Schütze,  Entwürfe  u.  Katechesen  über  Dr.  M.  Luthers  kl.  Katechismus.  Für  evang.  Volksschullehrer.  Zugleich  e.  prakt. 
Anleit.  z.  Katechisieren  für  Schullehrerserainare.  2.  Bd.  2.  Abt.  (2.  Hauptst.,  2.  Artikel.)  4.  verm.  Aufl.,  nach  d.  Tode  d.  Vf. 
bes.  v.  dessen  Sohne  E.  Th.  Schütze.  L.,  Teubner.  IV,  309  S.  M.  2,25.  —  89)  F.  Lange  u.  K.  Hoffmann,  D.  kl. 
Katechismus  Dr.  M.  Luthers,  auf  Grund  d.  hibl.  Gesch.  in  anschaul.  u.  einf.  Weise  für  d.  Schulgebr.  erklärt.  3.  T.  A.  Ausg. 
für  d.  Lehrer.  L.,  Peter.  87  S.  M.  0,80.  |[ThLBl.  17,  S.  181.] |  —  90)  L.  Teitge,  Z.  Vorbereit,  auf  d.  Katechismusnnterr. 
Erläut.  d.  relig.-eth.  Inhalts  d.  kl.  Katechismus  Dr.  M.  Luthers  durch  bibl.  Geschichten.  II.  T.  Gütersloh,  Bertelsmann,  IV, 
123  S.  M.  1,60.  —  91)  X  A.  Albrecht,  Katechesen  über  d.  kl.  Katechismus  Luthers  im  engen  Anschluss  an  d.  mecklenb. 
Landeskatechismus.  1.  T.  V.  d.  Vorbereitungsfragen  bis  z.  anderen  Artikel.  Güstrow,  Opitz  &  Co.  X,  260  S.  M.  2,50.  — 
92)  X  C.  Mischke,  D.  kl.  Katechismus  Luthers.  In  Entwürfen  z.  Gebr.  für  d.  Oberstufe  evang.  Schulen  bearb.  3.  Bdchen. 
L.,  Brandstetter.  VI,  113  S.  M.  1,40.  —  93)  X  J-  Kolbe,  D.  kl.  Katechismus  Dr.  M.  Luthers  in  ausgef.  Katechesen  für  d. 
Lehrer  in  d.  Oberklasse  d.  Volksschule  u.  im  Konfirmanden-Unterr.  2.  Aufl.  Breslau,  Dülfer.  XVI,  303  S.  M.  3,50.  —  94)  X 
K.  Brudnick,  Katechismuslehre  auf  Grund  d.  kl.  Katechismus  v.  Dr.  M.  Luther.  Mit  Erläut.,  Sprüchen,  Fragen.  Wien, 
Manz.  12°.  112  S.  M.  1,20.  —  95)  X  <*•  B-  Weiss,  Dr.  M.  Luthers  kl.  Katechismus,  nebst  kurzer  Ausleg.  Neu  bearb. 
v.  Lackner.  Ausg.  B.  Königsberg  i.  P.,  Härtung.  64  S.  M.  0,25.  —  96)  X  A.  Ambrassat,  AI.  Luthers  kl.  Katechismus. 
Dresden,  Jacobi.  VI,  120  S.  M.  1,50.  —  97)  X  M.  Luther,  Kl.  Katechismus  in  Fragen  u.  Antworten,  mit  beweis.  Sprüchen 
d.  hl.  Schrift,  erläut.  Liedervereen  u.  bibl.  Beispielen.  Her.  v.  A.  Hamm.  Strassburg  i.  E.,  VomhofF.  99  S.  M.  0,80.  —  98)  X 
K.  Kühn,  Katechismusbüchlein.  D.  kl.  Katechismus  v.  M.  Luther,  pass.  Sprüche  zu  seiner  Ausleg.,  u.  Gebete  für  Schule  u. 
Haus.  Königsberg  i.  Pr.,  Gräfe  &  Unger.  II,  32  S.  M.  0,25.  —  99)  X  Spruchbuch  zu  Dr.  M.  Luthers  kl.  Katechismus.  Zum 
Gebr.  in  d.  Volksschulen  d.  Diöcesen  Schleiz  u.  Ebersdorf.  3.  Aufl.  Lobenstein,  Ch.  Teich.  74  S.  M.  0,40.  —  100)  X  K-  H- 
Caspari.  D.  1.  Hauptstück  d.  kl.  Katechismus  Luthers,  d.  sind:  d.  10  Gebote,  ausgelegt  in  Predigten  für  d.  christl.  Volk. 
7.  Aufl.  St.,  Steinkopf.  12°.  159  S.  M.  0,80.  -  101)  X  D-  kl-  Katechismus  mit  d.  Ausleg.  Dr.  M.  Luthers.  3.  Aufl.  4.-5.  Taus. 
Bremen,  Morgenbesser.  12°.  14  S.  M.  0,10.  —  102)  X  A..  Kluckhuhn,  Hilfsbüohlein  z.  Konfirmanden-Unterr.  in  freiem 
Anschluss  an  Dr.  M.  Luthers  kl.  Katechismus.  2.  Aufl.  L.,  F.Richter.  VI,  82  S.  M.  0,75.  |[ThLBl.  15,  S.  538/9.]|  —  103)  X 
100  Denksprüche  zu  Dr.  M.  Luthers  kl.  Katechismus.  Für  Konfirmanden.  Nürnberg,  Lohe.  12°.  8  S.  M.  0,05.  —  104)  X 
Bibl.  Beispiele  z.  1.  Hauptstück  v.  Dr.  M.  Luthers  kl.  Katechismus.  (Nach  Dr.  Buchruckers  bibl.  Gesch.)  Für  Konfirmanden, 
ebda.  12°.  12  S.  M.  0,05.  —  105)  X  H.  Roser,  Le  Notre-Pere  explique  par  Luther,  Zwingli  et  Calvin.  These.  Kouen, 
impr.  Cagniaro.  59  S.  —  106)  H.  Malo,  „Wider  alle  Fährlichkeiten  beschirmet  u.  vor  allem  Uebel  behütet  u.  bewahret": 
ZERU.  6,  S.  48-58.  —  107)  X  E-  Sprenger,  „Abspannen"  in  Luthers  Erklärung  z.  10.  Gebot:  ib.  5,  S.  220.  —  108)  G. 
Ehrismann  u.  John  Meier,  Zu  Klaibers  „Lutherana":  ZDPh.  27,  S.  55-63.  (Vgl.  E.  Damköhler  u.  W.  Creizenach, 
Zu  d  Lutherana:  ib.  S.  505/6.)  —  109)  0.  Mensing,  Niederdtsch.  dede  =  hochd.  thät  im  Bedingungssatze:  ib.  S.  533/4.  — 
110)  ThLBl.  15,   8.  267-71;   G.  Bossert:   ThLZ.  19,   S.  245/7;   LZg».  N.  116;    K.  Sallmann:    BLU.  S.  26/8;   LZg».  N.  116; 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  tl  6  :  111-119 

bestimmte  Theologen  zur  Mitarbeit  gehabt  hat,  so  würde  er  diese  Behauptung  nicht 
vorgetragen  haben.  Ich  selbst  wenigstens  bin  durch  Köstlin  zur  Mitarbeit  gewonnen 
worden;  für  Parteizwecke,  wie  der  Vf.  sie  voraussetzt,  wären  weder  er  noch  ich  zu 
haben  gewesen.  Das  Gleiche  gilt  für  andere  Mitarbeiter,  die  hervorragenden  Anteil 
an  der  Herstellung  dieser  Lutherausgabe  gehabt  haben.  Sind  doch  drei  der  Heraus- 
geber Mitarbeiter  an  dem  Litteraturblatt,  in  dem  der  Anonymus  diese  falsche  Nach- 
rede zum  Besten  giebt.  —  Noch  mehr  bietet  für  Ergänzungen  und  Berichtigungen  die 
sachkundige,  höchst  anerkennende  Recension  von  Bossert.111)  — 

B  e  r  g  e  r  ,12)  greift  in  seiner  noch  im  Berichtsjahre  erschienenen  „Einleitung 
in  eine  Lutherbiographie'1  weiter  zurück,  als  sonst  üblich  war.  Nicht  nur  das  Ende 
des  Mittelalters  fasst  er  ins  Auge,  sondern  er  zeichnet  ein  Bild  des  ganzen  Mittel- 
alters, um  zu  zeigen,  wie  es  in  den  verschiedensten  Entwicklungslinien  Vorberei- 
tungsdienst für  die  in  Luther  beginnende  neue  Zeit  gethan:  er  schildert  die  all- 
mähliche Entwicklung  eines  Nationalbewusstseins,  das  zu  dem  kirchlichen  Uni- 
versalismus in  Gegensatz  treten  musste;  das  Emporkommen  einer  Laienkultur  gegen- 
über der  kirchlichen  Kultur;  den  Durchbruch  des  Individualismus  im  Begehren  nach 
persönlicher  Heilsgewissheit  und  Selbständigkeit  der  Glaubensüberzeugung  gegenüber 
der  Unmündigkeit,  in  der  der  Einzelne  von  der  Kirche  gehalten  wird;  endlich  den 
Durchbruch  der  Laienreligion  dem  kirchlichen  Priestertum  gegenüber.  Am  Schlüsse 
erhebt  sich  die  Gestalt  Luthers,  in  dessen  Lebensweg  die  sich  emporringenden  neuen 
Kräfte  zusammenwirken.  Im  Bauernstande  wurzelnd,  wächst  er  doch  in  die  Kreise 
der  städtischen  Kultur  hinein;  Laienfrömmigkeit  und  die  von  der  Kirche  gepflegte 
mönchische  Askese  verbinden  sich;  dazu  hilft  ihm  seine  Abstammung  aus  Mittel- 
deutschland, auch  zwischen  den  Stämmen  des  deutschen  Volkes  eine  „Mittlerstellung" 
einzunehmen.  (Bossert  macht  in  seiner  Anzeige  darauf  aufmerksam,  dass  doch 
wohl  auch  die  Verbindung  von  sächsischer  Eisenhärte  und  fränkischer  Gewandtheit 
in  Luthers  Abstammung  von  sächsischem  Vater  und  fränkischer  Mutter  in  Betracht 
zu  ziehen  sei.)  Die  gedankenreiche,  flott  geschriebene  Studie,  die  dem  Vf.  aus  einem 
einleitenden  Kapitel  zum  Buche  anwuchs,  bietet  dem,  der  sich  einmal  an  grossen 
Durchblicken  erfreuen  will,  reichen  Genuss  und  mannigfache  Anregung;  wie  solid 
der  Unterbau  gewissenhafter  Durchforschung  im  einzelnen  ist,  mögen  gewiegte 
Kenner  des  Mittelalters  beurteilen.  Auf  Anmerkungen  und  Quellenangaben  ist  völlig 
verzichtet.113"115)  — 

Im  Anschluss  an  A.  von  Dommers  Lutherdrucke  auf  der  Hamburger  Stadt- 
bibliothek beschreibt  ein  Anonymus116)  vier  Luther  bildnisse,  Holzschnitte  aus 
Druckschriften  der  J.  1519— 20. in)  — 

Unter  den  Schriften  über  einzelne  Punkte  in  Luthers  Geschichte  tritt 
Briegers118)  sorgfältige  Studie  über  den' processus  inhibitorius,  den  Albrecht  von 
Mainz  laut  seines  Erlasses  vom  13.  Dec.  1517  gegen  Luther  anordnete,  der  Meinung 
entgegen,  dass  Albrecht  auf  den  Vorschlag  seiner  Räte  jenen  zur  Zeit  als  inopportun  habe 
fallen  lassen,  und  sucht  zu  erweisen,  dass  Tetzel  allerdings  den  Prozess  angestrengt 
habe,  aber  durch  Friedrichs  des  Weisen  Verhalten  baldgenötigt  worden  sei,  von  ihm 
wieder  abzulassen.  In  Tetzels  Thesen  vom  April  1518  (These  47  und  48)  ist  der 
inquisitor  haereticae  pravitatis  scharf  hervorgekehrt  und  gegen  Friedrich  der  Vorwurf 
erhoben,  dass  er  hartnäckig  wäre  und  den  Ketzer  nicht  habe  vor  seinem  ordentlichen 
Richter  wollen  erscheinen  lassen.  Auch  These  41  führt  darauf,  dass  Luther  „legitime", 
also  von  einer  kirchlich  zuständigen  Autorität  gezeigt  war,  dass  seine  Aufstellungen 
der  katholischen  Wahrheit  zuwiderliefen.  Somit  beweisen  diese  Thesen,  dass  ein 
rechtliches  Verfahren  thatsächlich  eröffnet  gewesen  war.  Auch  Karlstadts  Antwort 
in  Gegenthesen  an  Stelle  des  in  Heidelberg  weilenden  Luther  beweist  (These  362  ff., 
376  f.,  378),  dass  Tetzel  Luther  vorgeladen,  der  Kurfürst  aber  ihm  verboten  hatte, 
ausserhalb  seines  Gebietes  und  vor  feindlichem  Richter  sich  zu  stellen.  Diese  Citation 
durch  Tetzel  in  Albrechts  Auftrage  wird  in  den  Jan.  1518  zu  setzen  sein;  freilich 
schweigen  Luthers  Briefe  hierüber,  aber  wir  besitzen  auch  nur  einen  einzigen  Brief, 
der  sicher  dem  Januar  angehört.  —  Gegenüber  der  allgemeinen  Annahme  der  Luther- 
biographen, dass  in  den  Verhandlungen  mit  Miltitz  Jan.  1519  vier  Punkte  zwischen 
ihm  und  Luther  vereinbart  worden  seien,  zeigt  Brieger119),  dass  es  sich  schliesslich 
nur  um  die  zwei  Punkte  gehandelt    hat,    dass   beiden  Parteien  Schweigen   auferlegt 

VossZgB.  N.  322.)  —  1U)  X».  Schwalb,  E.  neue  Biogr.  Luthers:  NationB.  11,  S.  392  5.  -  112)  A.  Berger,  D.  Kultur- 
aufgaben d.  Reformation.  Einl.  in  e.  Lutherbiogr.  B.,  E.  Hoffmann.  VIII,  300  S.  M.  5,00.  |[G.  Bossert:  ThLZ.  S.  239-40.] | 
-  113)  X  *•  Lang,  Merkverse  zu  Luthers  Werden  u.  Wirten.  St.,  Steinkopf.  16°.  24  S.  M.  0,20.  (Versus 
memoriales  für  jedes  Jahr  in  Luthers  Leben.  Nicht  immer  schön,  aber  herzlich  gut  gemeint.)  —  114)  X  k.  Kelber,  Held 
Luther.  36  Gesänge.  Nürnberg,  Baw.  127  S.  M.  2,00.  —  115)  X  3-  s-  Beamish,  The  brave  Saxon:  Fragments  from 
Luthers  hist.  With  present  day  sketches.  Coventry,  Curtis.  298  S.  Sh  3/6.  —  116)  D.  ältesten  Bildnisse  Luthers:  Kath.  2, 
S.  191/2.  —  117)  X'A.  Hausrath,  Luthers  Romfahrt  (JBL.  1893  n  6:92).  |[R.  König:  Daheim  30,  S.  808:  LCB1.  S.  201/2; 
DPB1.  27,  S.  6,7;  ThLBl.  17,  S.  77.]|  —  118)  Th.  Brieger,  Ueber  d.  Prozess  d.  Erzbischofs  Albrecht  gegen  Luther.  (=14:6, 
S.  191-203.)  —  U9)  id.,  Lutherstud.   1.  D.  Ergebnis  d.  Altenburger  Verhandlungen  mit  Karl  v.  Miltitz  u.  Luthers  Entwicklung 


II  6  :  120-129  Gr.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

werde,  und  dass  Miltitz  dem  Papst  Bericht  erstatte.  Luthers  Brief  an  den  Papst  (mit 
dem  unmöglichen  Datum  3.  März  1519),  den  man  als  Ergebnis  der  Verhandlung  be- 
trachte, sei  nur  ein  Entwurf,  nie  abgegangen,  Miltitz  von  Luther  zwar  vorgelegt,  aber 
von  ersterem  desavouiert,  so  dass  er  vorgezogen  habe,  selber  dem  Papst  über  Luther 
zu  berichten.  Der  Inhalt  dieses  Miltitzschen  Berichts  lässt  sich  noch  aus  dem  darauf 
ergangenen  Breve  Leos  X.  an  Luther  vom  29.  März  1519  eruieren.  Aber  auch  die 
Schrift  „Unterricht  auf  etliche  Artikel"  sei  nicht  Einlösung  eines  Miltitz  gegebenen 
Versprechens,  sondern  eine  Schutzschrift  gegen  Missdeutungen  seiner  gelehrten  Streit- 
schriften, über  deren  Anlass  uns  nichts  weiter  bekannt  sei.  Dies  letzte  Stück  in  B.s 
Beweisführung  scheint  uns  weniger  einleuchtend  als  das  Uebrige.120"121)  —  Schild122) 
giebt  als  350jährige  Jubiläumserinnerung  eine  Schilderung  der  am  5.  Okt.  1544  durch 
Luther  vollzogenen  Weihe  der  Torgauer  Schlosskirche,  wobei  er  nicht  nur  auf  die 
Bedeutung  der  uns  erhaltenen  Weihepredigt  hinweist,  sondern  auch  über  den  musi- 
kalischen Teil  der  Festfeier  Bericht  erstattet,  vor  allem  aber  über  jenes  erste  evangelische 
Kirchengebäude  selbst  und  seine  weitere  Geschichte  Mitteilungen  macht.  — 

Zu  den  über  Luthers  Lebensende  neuerdings  geführten  Erörterungen  liefert 
Paulus123)  einen  wertvollen  Beitrag,  indem  er  als  den  katholischen  Mansfelder  Bürger, 
dessen  auf  Augenzeugenschaft  beruhenden  Bericht  Cochläus  1548  zuerst  veröffentlichte, 
einen  Vetter  Georg  Witzeis,  den  Apotheker  Johann  Landau  in  Eisleben,  nachweist. 
Johann  Nas  bezeugt  ausdrücklich,  dass  dieser  seinen  Bericht  über  Luthers  Tod  an 
Witzel  gesendet  habe.  Von  diesem  sicheren  und  unantastbaren  katholischen  Berichte 
aus  vernichtet  nun  auch  P.  den  Majunkeschen  Bedientenroman  über  Luthers  Selbst- 
mord und  weist  zum  Ueberfluss  noch  darauf  hin,  dass  jene  Selbstmordmär,  die  Sedulius 
1606  veröffentlichte,  von  „kompetenten"  Katholiken  damals  schon  einfach  „ignoriert" 
wurde.  Zugleich  lässt  er  einer  französischen  Bearbeitung  der  Majunkeschen  Ent- 
deckung durch  Lorrenz12'1)  eine,  nach  den  Proben  zu  urteilen,  voll  verdiente  derbe 
Abfertigung  zu  teil  werden.  —  Gleichwohl  schweigt  Majunke125-128)  noch  immer 
nicht.  Er  findet  nicht  Ruhe  wegen  Luthers  „Selbstmord";  er  beschenkt  uns  mit  einer 
Gesamtausgabe  der  unsterblichen  Werke,  in  denen  er  erst  der  Welt  diese  Kunde 
gebracht  und  dann  für  seine  „Entdeckung"  selber  Reklame  gemacht  hat.  —  Aber 
auch  seine  diesjährigen  neuen  Leistungen  sind  nur  erneuerte  Versuche,  die  Aufmerksam- 
keit eines  leichtgläubigen  Publikums  immer  wieder  auf  diesen  Punkt  zu  lenken.  M.  bindet 
zu  diesem  Zweck  mit  Kolde  an  und  fordert  ihn  in  dem  ihm  eigenen  Jargon  heraus, 
ob  er  etwa  nachweisen  könne,  dass  zwei  Aeusserungen  in  Luthers  Tischreden  (ed.  Auri- 
faber), in  denen  dieser  sagt,  dass  ihm  wohl  auch  einmal  in  einer  Stunde  der  Anfechtung 
ein  Selbstmordgedanke  gekommen  sei  (ed.  Förstemann-Bindseil  3,  S.  85)  und  davon 
redet,  dass  wir,  wenn  Christus  aus  dem  Himmel  heruntergestossen  würde,  uns  am 
nächsten  Baume  aufhängen  könnten  (ib.  3*  S.  105),  durch  Aurifaber  gefälscht  seien? 
Dabei  begegnet  M.  die  —  Gedankenlosigkeit,  zu  vergessen,  dass  ihm  Kolde  schon 
in  der  3.  Auflage  seiner  gegen  ihn  gerichteten  Streitschrift  (1890,  S.  39)  zur  ersten 
Frage  eine  eingehende  Antwort  gegeben  hat.  Um  so  ungezogener  ist  jetzt  diese  An- 
zapfung. Bei  der  zweiten  aber  begegnen  wir  der  groben  Entstellung  des  Thatbestandes, 
dass  M.  das  Wort  Luthers  „Wird  man  uns  Christum  aus  dem  Himmel  herunterstossen" 
als  die  Annahme  eines  nach  Luthers  Theologie  sehr  wohl  möglichen  Falles  deutet, 
während  doch  Luther  fortfährt  —  was  M.  unterschlägt:  „Er  wird  aber  wohl  bleiben". 
AuchM.s  Aufsatz  über  Johann  Aurifaber  dient  der  Wiederaufwärmung  seiner  Selbstmord- 
phantasien, speciell  der  Erinnerung  des  Lesers  an  den  eben  erwähnten  Artikel.  Aber 
er  hat  auch  eine  neue  Schandthat  entdeckt.  Jonas  nennt  zwar  (übereinstimmend  mit 
Aurifabers  eigenen  Aussagen)  in  seinem  ausführlichen  Bericht,  doch  nicht  in  dem 
gleich  nach  Luthers  Tode  geschriebenen  Briefe  Aurifaber  unter  den  anwesenden 
Zeugen;  folglich  hat  Aurifaber  Jonas  hier  zu  einer  Lüge  verleitet  und  selber  mehrfach 
die  gleiche  Lüge  ausgebreitet!  Das  sind  Beweisführungen,  wie  wir  sie  bei  M.  gewohnt 
und  wie  sie  seiner  würdig  sind.  Auch  sein  Artikel  über  Bozius  und  Sedulius  gehört 
in  diesen  Zusammenhang:  denn  beide  sind  ja  die  klassischen  Zeugen  seiner  Selbst- 
mordmär. Daher  sind  sie  wert,  dass  er  ihnen  ein  biographisches  Denkmal  setzt. 
Damit  nimmt  er  es  nun  freilich  sehr  leicht,  indem  er  einfach  wörtlich  die  kurzen 
Artikel  älterer  Nomenklaturen  abschreibt.  Da  möchte  man  beiden  doch  lieber  wünschen, 
dass  der  fleissige  und  gelehrte  Paulus  über  sie  schriebe.  — 

in  d.  ersten  Monaten  d.  J.  1519:  ZKG.  15,  S.  204-21.  —  120)  X  (Hl:  56.)  —  121)  X  O.  Nuntius  Paolo 
Vergerio  u.  seine  Begegnung  mit  Luther  im  J.  1535:  ÜPB1.  27,  S.  254/6.  —  122)  E.  Sohild,  Z.  350 j.  Jubil.  d. 
Garnisonkirche  zu  Torgau,  d.  ältesten  ursprunglich  evang.  Gotteshauses:  DEB11.  19,  S.  461-80.  —  123)  N.  Paulus, 
E.  kath.  Augenzeuge  über  Luthers  Lehensende:  HJb.  15,  S.  811/9.  —  124)  L.  B.  Lorrenz,  La  fln  de  Luther  d'apres  les 
dernieres  recherches  hist.  2.  ed.  revue  et  augm.  Paris,  Retaux.  VIII,  72  3.  Fl.  2,00.  —  125)  P.  Majunke,  Ges.  Luther- 
Schriften.  4  Tle.  in  1  Bd.  1.  Luthers  Lebensende.  E.  hist.  Untersuch.  5.  Aufl.  2.  D.  hist.  Kritik  über  Luthers  Lebensende. 
2.  Aufl.  3.  E.  letztes  Wort  an  d.  Luther-Dichter  nebst  neuen  Nachtrr.  2.  Aufl.  4.  Luthers  Testament  an  d.  dtsch.  Nation. 
Seine  letzten  Schriften,  seine  letzten  Worte  u.  seine  letzte  —  That.  2.  Aufl.  Mainz,  Kupferberg.  100,  106,  02  S.;  VIII,  285  S. 
Mit  1  Faks.  M.  5,00.  |[Polybiblk  71,  S.  81/2,  188/9.]|  —  126)  id.,  Neue  Aufgabe  z.  nLutherforschungJ :  HPB11.  113,  S.257-64. 
—  127)  id.,  Joh.  Aurifaber:  ib.  114,  S.  418-28.    —   128)    id.,   Bozius   u.  Sedulius:   ib.  113,   S.  419-30.    -    129)    J.  Köstlin: 


Gr.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  :  129-130 

Ueber  Lutherstätten  ist  einiges  erschienen.  Die  Anzeige,  die  Köstlin129) 
zu  Wittes  Festbericht  (JBL.  1893  II  6 :  109)  geschrieben  hat,  verdient  hier  Erwähnung 
wegen  ihrer  Mitteilungen  über  die  beim  Umbau  der  Schlosskirche  begonnenen  Nach- 
forschungen an  den  Gräbern  der  beiden  Wittenberger  Reformatoren.  Er  berichtet 
(S.  631),  dass  Melanchthons  Grab  damals  geöffnet  und  das  Skelett  wohl  erhalten  ge- 
funden ist,  dass  aber  ein  Befehl  von  höchster  Stelle  weitere  Nachforschungen 
inhibierte.  An  Luthers  Grab  wurde  daher  nur  auf  1,40  Meter  Tiefe  das  Erdreich 
sondiert,  ohne  dass  man  bis  zu  dieser  Tiefe  auf  ein  Grabgewölbe  oder  einen  Sarg 
stiess.  Da  aber  auch  sonst  in  Wittenberg  die  Gräber  damals  sehr  tief  ang-elegt  wurden, 
so  enthält  dieses  Ergebnis  kein  Verdachtsmoment,  als  sei  das  Grab  leer,  und  keine 
Bestätigung  der  erst  im  18.  Jh.  auftauchenden  Sage,  Bugenhag'en  usw.  hätten  während 
des  schmalkaldischen  Krieges  Luthers  Leichnam  heimlich  fortgeschafft,  um  ihn  vor 
Beschimpfung  zu  schützen.  Dagegen  spricht  vor  allem,  dass  Bugenhagen  selbst 
später  in  seinem  Bericht  über  die  Belagerung  Wittenbergs  1547  schreibt,  er  und  andere 
seien  nicht  geflüchtet,  um  bei  Luthers  Grabe  zu  bleiben.130)  —  Lee131)  schildert  einen 
Besuch  in  der  Lutherstadt  Wittenberg  und  eine  Besichtigung*  der  bekannten,  oft 
beschriebenen  Stätten  reformationsgeschichtlicher  Erinnerungen,  etwas  pathetisch  mit 
den  Empfindungen  eines  andächtigen  Beschauers.  — 

Luthers  Theologie  und  Weltanschauung  rückt  nunmehr  in  unseren 
Gesichtskreis.  Sander132)  hat  seinen  aus  Anlass  des  Lutherjubiläums  im  Nov.  1883 
in  Breslau  gehaltenen  und  damals  gedruckten  Vortrag  in  einer  Sammelausgabe  seiner 
Vorträge  und  Aufsätze  noch  einmal  der  Oeff entlich keit  vorgelegt.  Er  entwickelt 
in  ansprechender  Art  Luthers  sola  fide  nach  Entstehung,  Bedeutung  und  Ueber- 
einstimmung  mit  dem  Schriftzeugnis ;  erzeigt,  wie  früh  der  Kirche  die  evang-elische 
Grundlehre  getrübt  wurde,  und  in  welcher  Weise  auch  ein  Augustin  noch  zurück- 
bleibt hinter  der  Erkenntnis  Luthers.133)  —  Einen  der  wichtigsten  Punkte  aus  der 
Theologie  der  Reformatoren,  das  Verhältnis  ihrer  Lehre  vom  liberum  oder  richtiger 
vom  servum  arbitrium  zu  ihrem  Gottesbegriff  und  die  Frage  nach  den  Wurzeln  des 
letzteren,  behandelt  Staub134)  in  einer  leider  druckfehlerreichen  und  auch  stilistisch 
nicht  tadelfreien  Abhandlung.  Der  Abschnitt  über  Luther  beschäftigt  sich  nur  mit 
der  Schrift  De  servo  arbitrio  und  Kattenbuschs  Abhandlung  dazu  (1875);  die  Ergeb- 
nisse der  letzteren,  dass  ein  ursprünglich  religiös  gefasstes  Problem  durch  Einfluss 
der  Gotteslehre  der  Nominalisten  sich  in  ein  metaphysisches  umsetzt  und  damit  ver- 
worren wird,  erkennt  er  wesentlich  an,  nur  dass  er  auch  schon  in  der  metaphysisch 
gefassten  Erbsündenlehre  eine  zweite  Quelle  der  Verwirrung  des  Problems  findet. 
Gründlichere  Studien  zeigt  der  Abschnitt  über  Zwingli,  mit  dessen  Schriften  er  sich 
in  umfassender  Art  beschäftigt  hat.  Er  sucht  hier  nachzuweisen,  in  welchem  Masse 
sich  Zwingli  schon  früh,  von  Thomas  von  Aquino  ausgehend,  mit  Aristoteles,  dann 
mit  Plato,  aber  auch  mit  den  Stoikern,  besonders  mit  Seneca  beschäftigt  habe,  und 
sucht  namentlich  bei  letzteren  die  Wurzeln  des  Gottesbegriffes,  der  sich  bei  Zwingli 
geltend  macht,  ohne  dabei  in  Abrede  zu  stellen,  dass  gewisse  nächstliegende  An- 
knüpfungen bei  Picus  von  Mirandula  gegeben  waren.  Der  Abschnitt,  der  den  Spuren 
einer  Bekanntschaft  Zwingiis  mit  der  griechischen  Philosophie  nachforscht,  scheint 
mir  das  Dankenswerteste  an  dieser  Schrift  zu  sein.  Ihre  daneben  hergehende  Polemik 
gegen  die  Ritschlsche  Gotteslehre  interessiert  uns  hier  nicht  weiter.  —  Boy135)  sucht 
in  Luthers  Lehre  vom  Predigtamt  die  Antinomie  in  den  Aussagen,  dass  das  Schlüssel- 
amt nicht  einem  Klerus,  sondern  dem  Glauben  und  den  Gläubigen  gehört,  und  dass 
Gott  das  Predigtamt  eingesetzt  habe,  so  zu  lösen,  dass  er  letzteren  Satz  dahin  verstehen 
will:  Gott  gießt  die  für  das  Predigtamt  erforderlichen  Charismata.  Dem  Vf.  scheinen 
Luthers  Erörterungen  über  diese  Materie  und  die  grosse  Streitlitteratur,  die  seit 
Höflings  „Grundsätzen  evangelisch-lutherischer  Kirchenverfassung"  über  das  rechte 
Verständnis  der  Lehre  Luthers  vom  Amt  erschienen  ist,  doch  nur  sehr  fragmentarisch 
bekannt  zu  sein;  sonst  würde  er  nicht  in  einem  Artikelchen  mit  etlichen  zufälligen 
Citaten  Entscheidung  zu  treffen  versuchen,  wenn  auch  anzuerkennen  ist,  dass  sein 
Urteil  massvoll  und  verständig  ist.  —  Das  viel  besprochene  Thema  „Luthers  Lehre 
vom  Gottesdienst"  behandelt  Rietschel 136),  ausgehend  von  den  vier  Arten  Gottes- 
dienst ,  die  Luther  selbst  gelegentlich  (Erl.  Ausg.  opp.  lat.  24,  S.  476)  aufzählt. 
Gottesdienst  im  eigentlichen  Sinn  ist  für  Luther  das  ganze  aus  dem  Glauben  geborene, 
in  Nächstenliebe  und  Berufserfüllung  sich  erzeigende  Christenleben.  Von  hier  aus 
kommt  er  nach  R.  zum  Gottesdienst  im  engeren  Sinne  aus  dem  Prinzip  der  Nächsten- 


ThStK.  67,  S.  625-36.  —  130)  X  I>r-  Macaulay,  Luther- Anecdotes.  London,  Tract.  Soc.  16°.  Sh.  0  6.  —  131)  H.  Lee, 
Bei  Luther  u.  Melanchthon.  E.  Reisehild:  Sammler*-.  N.  64.  —  132)  F.  Sander,  Luthers  Grundlehre:  d.  Rechtfertigung  allein 
durch  d.  Glauben.  (=  I  1  :  70,  S.  1-32.)  —  133)  X  A.  Neuberg,  Luthers  Bechtfertigungslehre  nach  seiner  gesch.  Stellung 
u.  nach  seiner  Bedeut.  für  uns:  PastoralBllHomil.  36,  S.  361-75.  —  134)  M.  Staub,  D.  Verhältnis  d.  menschl.  Willens- 
freiheit z.  Gotteslehre  bei  M.  Luther  u.  Huldr.  Zwingli.  Diss.  Zürich,  E.  Seemann.  II,  129  S.  Fr.  4,00.  —  135)  M.  Boy, 
D.  Predigtamt  nach  d.  Lehre  Luthers  u.  d.  luth.  Bekenntnisschriften:  Halte  was  du  hast  17,  S.  249-56.  —  136)  G.  Bietsche  I, 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (2)10 


Ü  6  :  137-140  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

liebe  heraus,  da  diese  verpflichtet,  auch  den  Nächsten  zu  Heilserkenntnis  zu  führen. 
Wie  der  Hausvater  so  in  Liebe  im  Hausgottesdienst  die  Hausgenossen  lehrt,  so  der 
öffentliche  Gottesdienst  als  ein  erweiterter  Hausgottesdienst  das  noch  lehr-  und  zucht- 
bedürftige Pfarrvolk.  So  kommt  Luther  zu  seinem  rein  pädagogischen,  katechetischen 
Kultusbegriff.  Zugleich  regt  sich  aber  auch  bei  Luther  der  Gedanke,  dass  hiermit 
der  gläubigen  Gemeinde  nicht  Genüge  geschieht:  daher  sein  Phantasiebild  eines  noch 
zu  schaffenden  Gottesdienstes  für  die,  die  mit  Ernst  Christen  sein  wollen,  als  notwendige 
Folge  der  rein  pädagogischen  Betrachtung  des  öffentlichen  Gottesdienstes  —  aber 
eben  die  Verwirklichung  dieses  Konvertikelgottesdienstes  lehnt  er  dann  doch  selber 
ab,  und  das  mit  Recht.  Daneben  aber  bietet  er  selbst  an  zahlreichen  Stellen  eine 
Auffassung  des  öffentlichen  Gottesdienstes  dar,  die  jene  pädagogische  Betrachtung 
selbst  korrigiert,  indem  sie  den  Kultus  als  gemeinsamen  Ausdruck  des  Glaubens, 
Bekennens  und  Dankens  zu  deuten  sucht.  Und  zwar  handelt  es  sich  dabei  nicht  nur 
um  den  unmittelbaren  Ausdruck  eines  Bedürfnisses  der  gläubigen  Gemeinde,  sondern 
die  Vereinigung  gründet  sichbesonders  auf  die  Stiftung  des  Abendmahls  zum  Gedächtnis 
der  Erlösung  und  auf  die  Gnadengabe  seines  Wortes.  Die  schöne,  auf  gründlichen 
Studien  ruhende  Abhandlung  bietet  eine  wertvolle  Ergänzung  zu  der  Schrift  von 
Gottschick  über  das  gleiche  Thema  (1887),  wenn  sie  auch  meines  Erachtens  mehr 
systematischen  Zusammenhang  in  Luthers  verschiedene  Gedankenreihen  bringen  will, 
als  thatsächlich  vorhanden  gewesen  sein  wird.  —  Kolde137)  veröffentlicht  den  Bericht 
zweier  Kulmbacher  Prediger,  Johann  Schnabel  und  Leonhard  Eberhard,  über  ihren 
Besuch  in  Wittenberg  im  Sommer  1538,  wobei  sie  sich  Rats  erholt  hatten  über 
Ordination,  Eherecht  und  Ehegerichtsbarkeit,  Visitation  und  Kirchenzucht  (Akten  des 
Nürnberger  Kreisarchivs).  Dabei  teilen  sie  zugleich  das  von  Melanchthon  ihnen  über- 
gebene  Wittenberger  Ordinationsritual  mit,  die  älteste  bisher  bekannt  gewordene  Form 
desselben.  Daran  schliesst  sich  die  Antwort  der  Ansbacher  Prediger  auf  diesen 
Bericht,  der  besonders  dadurch  interessant  ist,  dass  er  den  Ordinationsritus  mit  Hand- 
aullegung  bedenklich  findet,  und  Examen,  Präsentation  und  Einführung  für  völlig 
ausreichende  Berufung  und  Weihung  erachtet.  K.  vergleicht  das  Ordinationsformular 
von  1538  mit  dem  1883  von  G.  Rietschel  publizierten,  erweist  letzteres  als  eine  etwas 
spätere  und  nicht  von  Luther  selbst  herrührende  Ueberarbeitung,  deutet  ausserdem 
hin  auf  den  interessanten  Bericht  über  die  von  Luther  1542  an  Amsdorf  vollzogene 
Ordination  zum  Bischof  von  Naumburg  (in  „Neue  Mitteilungen  aus  dem  Gebiete 
historisch-antiquarischer  Forschungen"  II.)  sowie  auf  den  Nürnberger  Ordinationsstreit 
von  1543,  und  erinnert  damit  die  Liturgiker  an  grosse  Gebiete,  die  noch  geschicht- 
licher Durchforschung  harren.  —  Die  schöne  Festrede  von  Lenz138)  sucht  Luthers 
Lehre  von  der  Obrigkeit  von  dem  Centrum  seiner  religiösen  Erfahrung  aus  zu  ver- 
stehen; er  zeigt,  wie  er  von  seiner  Erkenntnis  des  fessellos  allmächtigen  und  doch 
zugleich  gnädigen  Gottes  aus  zum  Begriff  der  Gottesordnung  auch  in  der  dem 
Menschen  anbefohlenen  Schöpfung  gelangt.  Von  hier  aus  kann  er  auch  die  Gottes- 
ordnung einer  Obrigkeit  gewinnen,  die  göttlichen  Rechtes  und  von  göttlichen  Gnaden 
ist,  und  doch  von  sich  aus  nichts  mit  dem  Christentum  direkt  zu  schaffen  hat:  ein 
Amt  der  Friedenserhaltung,  des  Rechtsschutzes,  der  Förderung  irdischer  Wohlfahrt, 
ein  Amt  des  Schwertes  und  des  Zornes,  mit  wesentlich  negativen  Funktionen.  Erst 
wenn  der  Träger  der  obrigkeitlichen  Gewalt  zugleich  Christ  ist,  beginnen  für  ihn 
bestimmte  Pflichten  gegen  das  Wort  Gottes,  es  erwächst  die  positive  Pflicht,  dem 
Evangelium  den  Zugang  zu  sichern.  L.  weist  speciell  nach,  dass  Luther  von  einer 
freien  Kirche  im  freien  Staat  nichts  wusste  und  dass  er  seinem  religiösen  Ideal  nicht 
untreu  wurde,  als  er  die  Landeskirche  zu  bauen  begann.139)  —  Köhlers140)  Schrift 
kommt  hier  in  Betracht,  insofern  sie  die  viel  verhandelte  Frage  nach  dem  Abhängigkeits- 
verhältnis der  Hessischen  (Hornberger)  Reformatio  von  Luthers  „deutscher  Messe" 
behandelt.  Er  lehnt  ebenso  einen  massgebenden  Einfluss  jener  Schrift  Luthers  wie 
eine  geistige  Autorschaft  des  Landgrafen  Philipp  ab,  verweist  dagegen  auf  spiritualistisch 
franziskanische  und  waldensische  Einflüsse,  die  bei  dem  Südfranzosen  und  ehemaligen 
Franziskaner  Franz  Lambert,  dem  Hauptvf.,  sicher  mitgewirkt  hätten;  den  Radikalismus 
und  die  abstrakte  Konstruktionsweise  der  Kirchenverfassung  erklärt  er  für  einen 
„echt  französischen"  Einschlag.  Ausserdem  finde  sich  das  litterarische  Vorbild  wahr- 
scheinlich in  Eberlins  „15  Bundesgenossen",  am  nächsten  im  10.  Bundsgenoss.  Doch 
will  er  nicht  behaupten,  dass  dieser  das  „unmittelbare  Original"  der  Hornberger 
Reformation  gewesen;  doch  sei  freilich  zu  vermuten,  dass  Lambert  die  Schrift  gekannt 
habe.  Der  bürgerliche  Radikalismus  und  die  naturrechtliche  Auffassung  seien  bei 
Lambert  aus  Einflüssen  der  schweizerischen  Reformation  abzuleiten.  Danach  erschiene 


Luthers  Lehre  vom  Gottesdienst:  ib.  18,  S.  1-21,  65-79.  —  137)  Th.  Kolde,  Z.  Gesch.  d.  Ordination  u.  d.  Kirchenzucht: 
ThStK.  67,  S.  217-44.  —  138)  M.  Lenz,  Luthers  Lehre  v.  d.  Obrigkeit:  PrJbb.  75,  S.  426-41.  —  139)  X  B.  Bess,  Luther  u.  d. 
landesherrliche  Kirchenregiment.    E.  Vortr.    Marburg,  Ehrhardt.    23  S.    M.  0,40.   —   140)  W.  Köhler,  Hess.  Kirchenverfass. 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  i  ui-isöa 

die  hessische  Reformatio  als  ein  Mixtum  compositum  aus  allen  möglichen  Strömungen 
und  Gedankenkreisen.  Am  dunkelsten  ist  mir  dabei  der  seit  Ritschl  mehrfach  wieder- 
holte Hinweis  auf  specifisch  franziskanische  Ideen.  Was  K.  darüber  (S.  8)  ausführt, 
hat,  soviel  ich  erkennen  kann,  recht  wenig  mit  den  Gedanken  der  Hornberger 
Reformation  zu  thun.141)  —  Auch  das  bedeutsame  Werk  von  Rieker142)  verdient 
hier  genannt  zu  werden,  insofern  hier  im  Gegensatz  zu  herrschenden  Ansichten  der 
Nachweis  unternommen  wird,  dass  das  Ideal  der  Reformatoren  nicht  eine  dem  Staate 
gegenüber  unabhängige  und  selbständige  Kirche,  sondern  ein  Staat  und  Kirche  un- 
trennbar vereinigendes  Gemeinwesen  gewesen  sei,  in  dem  zwar  getrennte  weltliche 
und  geistliche  Funktionen  unterschieden  werden,  für  das  aber  doch  an  der  Anschauung 
festgehalten  wird,  dass  in  aller  Verschiedenheit  der  Glieder  die  Einheit  des  Leibes 
bestehe.  Somit  sei  das  Landeskirchentum  kein  Widerspruch  zu  dem  Ideal  der 
Reformatoren,  noch  weniger  ein  Abfall  von  ihren  kirchlichen  Grundanschauungen 
gewesen.  Er  betont  stark  das  Fortwirken  der  mittelalterlichen  Weltanschauung  von 
der  Einheit  des  christlichen  Körpers  und  ebenso  den  Zusammenhang  des  landesherrlichen 
Kirchenregimentes  mit  der  schon  vor  der  Reformation  sich  bildenden  Stellung  der 
Landesherren  zur  Kirche  ihrer  Territorien.  —  Paul143)  zeigt  seinen  Zuhörern,  wie  in 
Luthers  Christentum  mit  seinem  Gottvertrauen,  seiner  Hochschätzung  der  Arbeit,  der 
bürgerlichen  Tugenden  Genügsamkeit,  Unterthanentreue  usw.  wertvolle  Unterlagen 
für  eine  Gesundung  der  socialen  Verhältnisse  dem  deutschen  Volk  dargeboten  seien.144)  — 
Die  populäre  Schrift  von  Rinn145)  weist  das  persönliche  Glaubensleben  Luthers  als 
die  starke  Quelle  seiner  gesamten  häuslichen  und  öffentlichen  Lebensführung  und 
Berufsarbeit  nach.146"147)  — 

Weitbrecht148)  erinnert  an  das  Wiederaufleben  katholisch-kirchlicher  Wissen- 
schaft um  1830  als  einer  von  Anfang  an  mit  der  Absicht  bewusster  und  durchdringender 
ultramontaner  Polemik  gegen  Luther  und  den  Protestantismus  erfüllten;  an 
die  bayerische  Streiterschar  Görres,  Philipps,  Jarke,  Jörg  mit  ihrem  Hass  gegen  das 
protestantische  Preussen,  Kettelers  Hirtenbrief  bei  der  Bonifaciusfeier  1855,  Döllingers 
Lutherskizze  1851:  auf  der  Gegenseite,  in  der  Abwehr,  an  die  Kurzsichtigkeit  der 
Hengstenberg-Stahlschen  Kreise,  die  das  Dogma  verkündeten,  Rom  sei  gar  nicht  der 
Feind,  mit  dem  die  evangelische  Kirche  zu  kämpfen  habe.  Er  erinnert  an  den  Vor- 
läufer des  Evangelischen  Bundes,  den  „Protestantischen  Bund"  von  1852,  dem  die 
Kreuzzeitung  protestantischen  Zelotismus  und  unkatholischen  Eifer  vorwarf,  als  er 
zum  Widerstand  gegen  römische  An-  und  Uebergriffe  meinte  mahnen  zu  müssen; 
ferner  an  Geizers  Protestantische  Monatsblätter  (1852—70)  mit  ihrem  reichen  Rüst- 
zeug protestantischer  Polemik,  an  das  Erscheinen  der  Haseschen  Polemik  1862  usw. 
Das  Wormser  Lutherdenkmal  und  Janssens  Geschichtswerk  bilden  weitere  Etappen 
im  Kampf.  Unser  schnell  lebendes  Geschlecht  bedarf  von  Zeit  zu  Zeit  solcher  Rück- 
blicke. —  An  der  Fey  sehen149)  Zusammenstellung  von  Urteilen  Luthers  über  das 
Papsttum  muss  man  bedauern,  dass  sie  ihre  zahlreichen  Citate  nach  der  Jenaer  Luther- 
ausgabe giebt  statt  nach  einer  der  heutigen  Tags  gebräuchlichen;  da  nur  die  deutschen 
Bände  jener  Ausgabe  benutzt  sind,  so  ist  viel  Material  aus  Luthers  Werken  dabei 
unberücksichtigt  geblieben.  Das  „Deus  vos  impleat  odio  Papae"  oder,  wie  der  Vf. 
auch  sagt,  „die  Stärkung  der  evangelischen  Christen  im  Geisteskampf  der  Gegenwart" 
ist  bei  dieser  Blütenlese  leitender  Gesichtspunkt  gewesen.  —  „Trierer  Lutherstudien" 
nennt  Fey150)  eine  zweite  Streitschrift,  weil  sie  sich  gegen  den  Trierer  Professor 
Einig 150a)  wendet,  der  in  einer  Kontroverse  mit  Beyschlag  auch  die  landläufigen 
Anschuldigungen  gegen  Luther  wieder  vorgebracht  hatte.  F.  beleuchtet  Döllingers 
Wandlungen  in  seinem  Urteil  über  Luther,  den  Charakter  der  Tischreden,  Luther  und 
die  Ehe,  seine  Heirat,  sein  Verhalten  zu  Landgraf  Philipps  Doppelehe  und  dergleichen 
Punkte,  wie  sie  fort  und  fort  in  ultramontaner  Polemik  wieder  aufgetischt  werden. 
Seine  Gegenrede  geschieht  meist  durch  Citate  aus  Köstlin,  Kolde,  W.  Walther  usw., 
ruhig  und  verständig;  trotzdem  werden  freilich  bei  nächster  Gelegenheit  die  gleichen 


im  Zeitalter  d.  Reformation.  Giessen,  v.  Münchow.  V,  97  S.  M.  1,60  —  141)  X  S.  Friedrich,  Luther  u.  d.  Kirchenverfass. 
d.  Reformatio  Ecclesiarum  Hassiae  v.  1526.  Diss.  Giessen.  (Darmstadt,  Bergsträsser.)  V,  40  S.  M.  0,60.  —  142)  K.  Rieker, 
D.  rechtl.  Stellung  d.  evang.  Kirche  Deutschlands  u.  ihrer  gesch.  Entwickl.  bis  z.  Gegenw.  L.,  Hirschfeld.  XV,  488  S.  M  10,00. 
|[E.  Sehling:  ThLZ.  15,  S.  356;  id.:  DZKR.  4,  S.  223'9.]i  —  143)  W.  Paul,  Luther  als  Helfer  in  d.  soc.  Not  d.  Gegenw. 
Vortr.  Osterwieck,  Zickfeldt.  20  S.  M.  0,25.  —  144)  X  E.  Albertz,  Luther  kein  dtsch.  Nationalheiliger,  aber  e.  dtsch. 
Prophet:  KM.  14,  S.  107-20.  (Gut  geschrieben.)  —  145)  H.  Rinn,  Luther,  e.  Mann  nach  d.  Herzen  Gottes.  (=  Schriften  für 
d.  dtsch.  Volk,  her.  v.  Ver.  für  Reformationsgesch.  N.  21  )  Halle  a.  S.,  Nieraeyer.  1893.  54  S.  M.0,15.  —  146)  X  w-  Walther, 
D.  Bedeut.  d.  dtsch.  Reformation  für  d.  Gesundheit  unseres  Volkslebens.  Vortr.  (Aus  AELKZ.)  L.,  Dörffling  &  Franke. 
24  S.  M.  0,40.  i[E(rnst)  L(uthardt):  ThLBl.  15,  S.  21;  A.  Langguth:  ib.  17,  S.  90.]|  (Vgl.  JBL.  1893  II  6:193.)  — 
147)  X  N.  Recolin,  Oü  etait  le  protestantisme  avant  Luther  et  Calvin?  Paris  (Buttner-Thierry).  12°.  26  S,  —  148)  R. 
Weitbrecht,  Angriff  u.  Abwehr.  Z.  Gesch.  d.  konfess.  Polemik  im  19.  Jh.  IV.  D.  Schwesterkirche.  (=  Flugschriften  d. 
Evang.  Bundes  N.  90)  L.,  C.  Braun.  27  S.  M.  0,20.  —  149)  C.  Fey,  Urteile  Dr.  M.  Luthers  über  d.  Papsttum.  Aus  seinen 
Schriften  zusammengetragen.  2.  Aufl.  ebda.  III,  50  S.  M.  0,25.  |[R.  Bendixen:  ThLBl.  16,  S.  310/1.] |  —  150)  id.,  Trierer 
Lutherstud.  E.  Beleuchtung  d.  neuesten  röm.  Angriffe  gegen  Luther.  2.  Taus.  L.,  Buchh.  d.  Evang.  Bundes.  62  S.  M.  0,60. 
|[R>  Bendixen:  ThLBl.  16,  S.  310/1;   C.  Rönnecke:  ib.  17,  S.  209.]|  —  150a)  P.  Einig,  Luthers  Nachfolger,  e.  Führer  z. 

(2)10* 


II  6  :  151-154  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

Anschuldigungen  ungeschwächt  wieder  zum  Vorschein  kommen.  —  Im  J.  1874  hatte 
ein  Konvertit  Arndt151)  im  Verlage  der  Berliner  „Germania"  sich  über  Luther  her- 
gemacht und  in  zusammengerafften  richtigen  und  falschen  Citaten  aus  dessen  Werken 
ihn  als  einen  auf  jedem  Punkte  sich  selbst  widersprechenden,  „lügnerischen"  Menschen 
zu  erweisen  gesucht.  Das  Pamphlet  erregte  damals  in  norddeutschen  evangelischen 
Kreisen  einiges  Aufsehen:  man  war  diese  Sorte  von  Konvertitenlitteratur  und  dieses 
leichtfertige  Spiel  mit  Citaten  —  dazu  bei  der  Citations weise  des  Vf.  mit  fast 
unkontrollierbaren  Citaten  —  noch  nicht  gewöhnt.  Die  „Kreuzzeitung"  öffnete  ihre 
Spalten  nicht  nur  Klagen  und  Anfragen  betreffs  dieser  Schrift,  sondern  auch  einer 
eingehenden  kritischen  Abfertigung,  auf  die  der  Vf.  von  Rom  her  höhnisch  replizierte, 
er  habe  jetzt  keine  Zeit  und  Gelegenheit,  seine  Citate  nachzuschlagen.  Dies  Machwerk 
mit  seinen  Fehlern,  Flüchtigkeiten,  Entstellungen  und  seiner  bodenlosen  Citations- 
weise  erlebt  jetzt  nach  20  Jahren  einen  unveränderten  Neudruck !  Die  Citate  des  Vf. 
stammen  zum  grössten  Teil  aus  der  älteren  lateinisch  geschriebenen  jesuitischen 
Pamphletlitteratur;  denn  er  citiert  auch  deutsche  Schriften  Luthers  häufig  mit 
lateinischem  Titel.  Teilweise  nennt  er  völlig  unverständliche  Titel  (z.  B.  in  1.  und 
2.  Auflage  S.  41:  „Ann.  ad  Due.  23",  soll  heissen:  Deuteromion  Mose  cum  anno- 
tationibus  cap.  23;  dies  Kapitel  aber  umfasst  in  der  Erl.  Ausg.  12 '/2  Seiten,  auf  denen 
man,  wenn  man  Lust  hat,  das  Citat  nachsuchen  kann!).  Die  Tischreden  citiert  er 
bald,  je  nach  dem  Buch,  aus  dem  er  abschreibt,  als  Eislebener  Ausgabe,  bald  als 
Aurifaber,  bald  als  Goldschmidt;  er  citiert  „1.  T.  p.  305"  und  so  häufig,  sagt  aber 
nirgend,  welche  der  vielen  Lutherausgaben  er  meint,  und  ob  deutsche  oder 
lateinische  Teile;  kurz,  er  beweist  mit  den  meisten  Citaten,  dass  er  Luther  gar  nicht 
selber  gelesen  hat.  Er  citiert  Agricolas  bekanntes,  von  Luther  bekämpftes  Wort 
„An  den  Galgen  mit  Mose"  (S.  36)  keck  als  Lutherwort  usw.  Er  scheint  also  in 
20  Jahren  noch  immer  keine  Zeit  gefunden  zu  haben,  Luther  selbst  aufzuschlagen 
und  seine  falschen  Citate  richtig  zu  stellen.  Und  dabei  steht  auf  dem  Titel  dieser 
unredlichen  Schrift  das  gute  Lutherwort:  „Wer  einmal  lügt,  der  ist  gewiss  nicht  aus 
Gott  und  soll  in  allen  Dingen  fortan  verdächtigiich  gehalten  werden"!152)  — 

Quellenpublikationen.  Buchwald153)  hat  mit  seiner  schnell  fördernden 
Editionskunst  das  von  G.  Rietschel  (vgl.  dessen  Schrift  über  Luther  und  die  Ordination 
Wittenberg,  1883)  wieder  ans  Licht  gezogene  und  bereits  in  verschiedenen  Richtung-en 
verwertete  Wittenberger  Ordinandenregister  zunächst  als  Festgabe  zum  Halleschen 
Universitätsjubiläum  für  die  J.  1537—60  herausgegeben;  die  eigenen  Zuthaten 
beschränken  sich  auf  die  Zufügung  fortlaufender  Nummern,  ferner  auf  die  Anfertigung 
eines  Personen-  und  eines  Ortsregisters.  Neben  dem  Wittenberger  Album,  dem  über 
Decanorum  facultatis  theologicae  und  den  von  Köstlin  edierten  Registern  der  Baccalaurei 
und  Magistri  der  philosophischen  Fakultät  bietet  dieses  Ordinandenverzeichnis  ein 
höchst  wertvolles  Dokument  für  Personalien  aus  der  evangelischen  Theolog-enschaft. 
Da  in  Wittenberg  nicht  nur  die  kursächsischen  Geistlichen,  sondern  auch  die 
schlesischen,  lausitzischen,  die  siebenbürgischen,  daneben  auch  pfälzische,  pommersche 
usw.  Geistliche  in  Wittenberg  examiniert  und  ordiniert  wurden,  so  ist  hier  eine 
Fundgrube  für  die  Specialkirchengeschichte  zahlreicher  Gebiete  erschlossen.  Höchst 
interessant  ist  auch  der  Einblick,  der  sich  hier  in  die  Vorbildung  der  Pfarrer  zu 
jener  Zeit  ergiebt.  In  grosser  Zahl  werden  zunächst  besonders  die  Dorfgemeinden 
mit  unstudierten,  dem  Handwerkerstande  entnommenen  Predigern  aus  Not  versorgt; 
aber  es  ist  statistisch  zu  belegen,  wie  dieser  clerus  minor  immer  mehr  abnimmt,  die 
Zahl  der  Studierten  wächst.  Gern  hätte  man  ja  gesehen,  dass  B.  zu  den  einzelnen 
Namen  gleich  Angaben  hinzugefügt  hätte,  wo  sie  in  jenen  anderen  Wittenberger 
Registern  etwa  zu  finden  sind,  oder  wo  sie  im  Briefwechsel  der  Reformatoren  genannt 
werden ;  das  wäre  freilich  eine  mühsame  und  langwierige  Arbeit,  die  nun  der  Benutzer 
je  nach  seinen  Bedürfnissen  allmählich  selber  zu  seinem  Handgebrauch  sich  herstellen 
muss.  In  dem  beigefügten  Ortsregister  sind  mir  bisher  folgende  Versehen  aufgestossen, 
die  ich  hier  notieren  will:  S.  132  lies  bei  Freiburg  1659;  N.  136  unter  Magdeburg  939 
statt  933;  N.  137  unter  Niemegk  lies  1115;  N.  139  ist  unter  Schweinitz  1858  zu  tilgen  und 
dafür  das  fehlende  Schwerin  1858  einzufügen.  —  Das  Hallesche  Universitätsjubiläum 
hat  uns  als  erwünschte  Gabe  die  von  den  Beamten  der  Universitätsbibliothek  besorgte 
Herausgabe154)  eines  zweiten  Teiles  des  Albums  der  Wittenberger  Hochschule  gebracht, 
der  von  Ostern  1560  bis  Okt.  1602  reicht.  In  Ausstattung  und  Einrichtung  gleicht 
er  durchaus  dem  ersten,  einst  von  Förstemann  herausgegebenen.     Besonders  erfreulich 


kath.  Kirche.  Trier,  Paulinus-Dr.  38  S.  M.  0,15.  |[C.  Rönnecke:  ThLBl.  17,  S.  135/6.] |  —  151)  A.  Arndt,  Blutenstrauss 
aus  Luthers  Werken,  enth.  seine  Ansichten  über  36  Punkte  d.  christl.  Glaubens  in  mehr  als  300  Citaten.  Für  Katholiken  u. 
Protestanten  ges.  2.  Aufl.  B.,  Germania.  44  S.  M.  0,35.  —  152)  X  Dr.  Thalheim  (=  J.  A.  Pötsch),  D.  wahren  Ver- 
dienste Luthers  um  d.  Volksschule.  Z.  Lehr  u.  Wehr  dargest.  |  =  Päd.  Vortrr.  u.  Abhandl.  her.  v.  J.  Pötsch.  N.  4.)  Kempten, 
Kösel.  29  S.  M.  0,30.  -  153)  G.  Buchwald,  Wittenberger  Ordiniertenbuch.  1587-60.  L.,  Wigand.  V,  141  S.  M.  10,00. 
—    154)     Album     academiae    Vitebergensis     ab    a.    Ch.  MDLX     urque    ad    u.    MDC1I.     Vol.    II.     Sub    auspiciis    bibliothecae 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  :  155-157 

ist,  dass  ein  Registerband  über  Personen-  und  Ortsnamen  für  beide  Teile  folgen  und 
Förstemanns  unverständliche  Schrulle,  im  Interesse  intensiverer  Forschung-  kein 
Register  beizufügen,  endlich  gut  gemacht  werden  soll.  Leider  konnte  dieser  Register- 
band nicht  rechtzeitig  fertig  gestellt  werden.  Ein  Vorwort  von  G.  Naetebus  orientiert 
über  die  Universitätsdokumente,  welche  die  Bibliothek  von  der  alten  Wittenberger 
Hochschule  in  Aufbewahrung -hat,  sowie  über  frühere  Publikationen  aus  der  Matrikel. 
Beachtenswert  sind  die  bis  1573  reichenden  Berichte  der  Rektoren  über  die  Zeit- 
verhältnisse, die  Witterung,  Himmelserscheinungen,  die  politischen  Ereignisse  des 
Tages,  z.  B.  über  den  Naumburger  Fürstentag,  die  Bartholomäusnacht  usw.  Gr.  Major 
giebt  bei  seinem  Rektorat  1561  eine  Selbstbiographie.  Interessant  ist  auch  eine  Ver- 
ordnung über  die  Rektorats  wähl,  die  —  nebenbei  bemerkt  —  auch  deutliche  Auskunft 
über  die  Art,  wie  die  Orgel  beim  Gottesdienste  verwendet  wurde,  gewährt.  — 
Tschackert155)  veröffentlicht  aus  Hss.  der  Göttinger  Bibliothek  Briefe  von  Eob.  Hess 
(20.  Jan.  1527,  7.  Apr.  1528  und  vor  15.  Juni  1530),  Joh.  Hambach,  Prediger  zum 
Crafftshofe  in  Nürnberg  (1528  mit  Nachrichten  über  die  reformatorischen  Anfänge  in 
WTürzburg);  von  Luther  ein  Bedenken  von  1529  (erst  im  Nachtrage  S.  57  bemerkt  T., 
dass  es  schon  [de  Wette  3,  S.  465 ff.]  gedruckt  war);  von  Justus  Jonas  (3.  Febr.  1531 
und  20.  Jan.  1535);  von  dem  Nürnberger  Lesemeister  Mich.  Rotting  (1533,  über 
Oslanders  Absolutionsstreit),  Domin.  Sleupner  (über  dieselbe  Sache);  von  Veit  Dietrich 
an  Scheurl  (über  die  Frage,  ob  die  römische  Kirche  ein  stabulum  porcorum  sei)  und 
einen  Brief  von  1539  (über  den  evangelischen  Kultus  in  Nürnberg);  von  Friedr. 
Myconius  (1539),  eine  Fürsprache  der  sächsischen  Theologen  und  Räte  auf  der  Rück- 
kehr vom  Wormser  Religionsgespräch  für  die  evangelischen  Christen  in  Worms, 
20.  Jan.  1541;  einen  Brief  Bugenhagens  an  Mörlin,  5.  Febr.  1544;  eine  Verfügung 
des  Herzogs  Moritz  von  Sachsen  an  den  Leipziger  Rat  zu  Gunsten  des  Camerarius, 
12.  März  1545;  Oslanders  Aufkündigung  seines  Nürnberger  Kirchendienstes  wegen 
des  Interims,  Nov.  1548;  einen  Bericht  M.  Frechts  über  seine  Gefangenschaft,  15.  Nov. 
1551, und  einen  späteren  Brief  vom  28.  Apr.  1552;  einen  Brief  des  jüngeren  Just.  Jonas 
1551  (nur  als  Regest);  einen  Scheltbrief  Joach.  Mörlins  an  Funck,  9.  Nov.  1551;  David 
Milesius  an  M.  Chemnitz,  29.  Okt.  1553,  mit  mancherlei  Nachrichten  aus  Königsberg; 
ein  von  Stigel  ausgefertigtes  Zeugnis  für  einen  Jenaer  Studenten  22.  Mai  1556;  Joh. 
Schelhamers  Schreiben  an  den  Nürnberger  Rat  1565  wider  die  dortigen  Schwenk- 
feldianer  (Regest);  einen  Brief  Paul  Ebers  von  1567  und  endlich  einen  Brief  des 
Nürnberger  Predigers  Joh.  Kauffmann  von  1569  wegen  einer  seinen  Kollegen  anstössig 
gewesenen  Predigt.  Dem  bunten  Konglomerat  von  Briefen,  deren  Hauptmasse  jedoch 
aus  Nürnberg  stammt,  sind  vom  Herausgeber  zahlreiche  wertvolle  erläuternde  An- 
merkungen und  Register  beigegeben.  Befremdlich  ist  der  hohe  Preis,  für  den  das 
Heft  von  57  Seiten  verkauft  wird.  — 

Geschichte  der  Reformatoren  und  der  Reformationszeit:  All- 
gemeines. Die  in  dem  „Ehrendenkmal"156)  vereinigten  Biographien  dienen  populär 
erbaulichen  Zwecken.  Mit  Ausnahme  des  Lebensbildes  des  Fr.  Myconius  von  dem 
bekannten  sächsischen  Theologen  Meurer  kommen  sie  aus  der  Feder  von  streitbaren 
Theologen  der  lutherischen  Kirche  in  Missouri:  E.  G.  W.  Keyl  hat  (S.  26— 114) 
Luther  behandelt,  J.  F.  Köstering  Melanchthon,  Bugenhagen,  Spalatin,  Jonas,  Cruciger 
und  Spengeler  [so!].  Bekanntschaft  mit  den  neueren  Forschungen  fehlt;  es  sind 
volkstümlich  gehaltene,  dabei  den  Geist  des  missourischen  Luthertums  mehr  oder 
weniger  deutlich  bekundende  Bearbeitungen  nach  dem  biographischen  Material,  wie 
es  durch  Meurer,  Pressel  usw.  hergerichtet  war.  Dem  Referenten  bieten  diese 
Lebensbilder  daher  wesentlich  unter  dem  Gesichtspunkte  ein  Interesse,  dass  hier  zu 
beobachten  ist,  was  jenen  Missouriern  an  Luthers  und  seiner  Gefährten  Leben  und 
Werk  besonders  bedeutsam  erscheint.  Es  wird  z.  B.  betont,  dass  Luther  freie  Pfarr- 
wahl der  Gemeinden  gelehrt  habe,  dass  er  kein  Fürstenknecht  gewesen,  dass  er  in 
Marburg  die  „List,  Heuchelei  und  Betrug"  der  Zwingiianer  durchschaut  habe,  dass  nur 
„Scheinheilige"  sich  an  Luthers  Derbheit  stossen.  Karlstadts  und  Münzers  Auftreten 
erscheint  als  direkte  Anstiftung  des  Satan.  Was  ein  missourischer  Lutheraner  selber 
an  Nachahmung  Lutherscher  Derbheit  zu  leisten  vermag,  möge  man  (S.  199)  nachlesen. 
Merkwürdig  freundlich  wird  dabei  noch  Melanchthon  behandelt,  wenn  auch  natürlich 
sein  späteres  Leben  wesentlich  als  warnendes  Exempel  dargestellt  wird,  um  zu  zeigen, 
wohin  falsche  Friedensliebe  und  wohin  Unionsversuche  führen.  Aber  seine  „vielfachen 
Verfehlungen"  werden  doch  noch  freundlich  zu  entschuldigen  gesucht.  —  Hechten- 
bergs157) für  Volksschulen  berechneten  Bilder  aus  der  Kirchengeschichte  zeigen  in 


nniv.  Halensis  ex  autographo  editum.  Halle  a.  S.,  Niemeyer.  4°.  XIX,  498  S.  M.  24,00.  —  155)  P.  Tschackert, 
Ungedr.  Briefe  z.  allg.  Reforraationsgesch.  Aus  Hss.  d.  Königl.  Univ.-Bibl.  in  Göttingen.  [Ans:  AbhGWGöttingen.] 
Göttingen,  Dieterich.  4°.  57  S.  M.  6,40.  (Vgl.  II  1  :  140.)  —  156)  Ehrendenkm.  treuer  Zeugen  Christi.  E.  Samml.  kurz- 
gefasster  christl.  Lebensbilder  ans  alter  a.  neuer  Zeit.  Z.  Erbauung  für  evang.-luth.  Christen.  1.  Bd.  Mit  8  Portrr.  u.  e. 
Titelbild.     2.  Aufl.     Zwickau,  J.  Herrmann.    12°.  VII  I,  320  S.    M.  2,25.  —  157)  A.  Hechtenberg,  Bilder  aus  d.  Kirchengesch. 


II  6  :  158-164  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

ihren  reformationsgeschichtlichen  Abschnitten  einen  bedauerlichen  Mangel  an  Bekannt- 
schaft mit  der  Geschichtsforschung".  Staupitz  ist  der  Vorsteher  des  Erfurter  Klosters  (S.  35), 
Ablass  bedeutet  Vergebung  der  Sünden  (S.  36),  Luther  übersandte  seine  95  Thesen 
dem  Papste  (S.  38);  die  Leipziger  Disputation  schloss  damit,  dass  Eck  Luther  zu 
dem  Geständnis  reizte,  auch  ein  Konzil  könne  irren  fS.  39);  die  sächsische  Kirchen- 
visitation begann  um  das  J.  1529  (S.  43);  die  Confessio  Augustana  wurde  am 
25.  Juni  1530  in  lateinischer  und  deutscher  Sprache  vorgelesen;  Kaiser  Karl  hielt 
1529  den  Reichstag  in  Speier  ab  usw.  Und  wie  naiv  ist  der  Satz  (S.  44):  „So 
lange  Luther  lebte,  kam  es  nicht  zum  Kriege;  denn  er  riet  dringend  zum 
Frieden!"158"160)  — Ein  gedankenreicher  Aufsatz  vonDilthey161)  erinnert  daran,  dass  das 
Wesen  der  reformatorischen  Glaubenslehre  sehr  ungenügend  durch  den  Hinweis  auf 
die  wiedererweckte  paulinische  Rechtfertigungslehre  erfasst  werde,  auch  nicht  durch 
Hinweis  auf  die  Lehre  von  der  Schrift.  Die  höhere  Stufe  der  reformatorischen 
Religiosität  wolle  vielmehr  erkannt  sein  in  Zusammenhang  mit  der  Entwicklung  der 
germanischen  Gesellschaft:  gegenüber  der  hierarchischen  Disciplin  wird  das  Recht 
geltend  gemacht,  sich  mit  der  unsichtbaren  Ordnung  der  Dinge  selber  auseinander- 
zusetzen; der  germanische  Geist  löst  sich  los  von  der  Bildlichkeit  des  religiösen 
Vorstellens;  im  Berufsleben  wird  der  Spielraum  für  die  im  Glauben  erhaltene  Kraft 
erkannt;  derselbe  soll  sich  in  der  weltlichen  Gesellschaft  und  deren  Ordnung  bethätigen. 
Charakteristiken  der  Loci  Melanchthons,  der  Schrift  Zwingiis  De  vera  et  falsa  religione 
und  der  Institutio  religionis  christianae  von  Calvin  schliessen  sich  an  als  der  drei 
Repräsentanten  der  altprotestantischen  Dogmatik,  wobei  namentlich  Calvin  weit  höher 
in  seiner  Selbständigkeit  und  Eigenart  gewertet  ist,  als  es  von  Ritschi  geschah.162)  — 
Eugen  Wolff 163),  der  für  Kürschners  Sammelwerk  schon  den  Band  bearbeitet  hatte, 
der  Luthers  Schriften  in  Auswahl  enthält  (JBL.  1891  II  6 :  3a),  hat  nun  auch  für 
dasselbe  Werk  das  Kirchenlied  des  16.  und  17.  Jh.  zusammengestellt.  Da  er 
Luthers  Lieder  schon  in  dem  früheren  Bande  berücksichtigt  hatte,  so  fehlen  diese 
hier  ganz.  Die  Sammlung  beginnt  mit  den  katholischen  Dichtern  Witzel,  Querhammer, 
Schweher  und  Ulenberg;  auf  diese  folgen  erst  in  seltsamer  und  das  Verhältnis  des 
katholischen  zum  evangelischen  Kirchenlied  doch  wohl  verschiebender  Anordnung 
die  lutherischen  Sänger  der  Reformationstage,  von  denen  nur  Speratus,  Hovesch, 
Alberus,  B.  Waldis,  N.  Hermann  Anfnahme  gefunden  haben.  Es  schliessen  sich  an 
aus  der  2.  Hälfte  des  16.  Jh.  B.  Ringwaldt,  Ph.  Nicolai  und  weiter  aus  dem  17. 
Joh.  Heermann,  M.  Rinckart,  Jos.  Stegmann,  P.  Gerhardt,  G.  Neumark;  die  Refor- 
mierten sind  durch  Joach.  Neander  vertreten.  Etwa  200  Seiten  sind  somit  dem 
evangelischen  Kirchenlied  gewidmet  —  P.  Fleming  und  die  Königsberger  werden 
in  anderem  Zusammenhang  Berücksichtigung  finden.  Den  Schluss  des  Bandes  bilden 
die  katholischen  Sänger  des  17.  Jh.:  Fr.  Spee  (mit  fast  250  Seiten!)  und  Angelus  Silesius. 
Der  breite  Raum,  der  Spee  eingeräumt  ist,  zeigt,  dass  WT.  den  Begriff  „Kirchenlied" 
sehr  weit  und  unklar  gefasst  hat.  Er  giebt  die  Lieder  des  16.  Jh.  nach  Wackernagels 
„Deutschem  Kirchenlied."  Ueberraschender  Weise  hält  er  den  Vf.  dieses  Werkes  für 
Wilhelm  Wackernagel!  Dass  dieForschung  seit  demErscheinen  diesesBuches  doch  einige 
Schritte  vorwärts  gethan,  ist  dabei  unbeachtet  geblieben.  So  wäre  „Allein  Gott  in  der 
Höh  sei  Ehr"  jetzt,  wenn  doch  der  „erste  Druck"  massgebend  sein  sollte,  nieder- 
deutsch nach  dem  Rostocker  Gesangbuch  von  1525  zu  geben  gewesen;  erst  1539  taucht 
es  in  hochdeutscher  Form  auf.  Bei  Joh.  Heermann  ist,  so  viel  ich  verglichen  habe, 
nicht  die  editio  princeps  der  Devoti  Musica  Cordis  von  1630,  sondern  die  Ausgabe 
von  1636  mit  ihren  teilweise  stark  abweichenden  Lesarten  herangezogen.  Ueber 
M.  Rinckarts  „Nun  danket  alle  Gott"  wird  die  alte  Legende  wiederholt,  dass  wir  in 
ihm  das  Jubellied  hätten,  mit  welchem  Rinckart  1644  „die  ersten  Anzeichen"  des 
Friedensschlusses  begrüsst  haben  solle.  Aber  seit  1881  ist  bekannt,  dass  das  Lied 
schon  1630  in  dem  „Jesu-Hertz-Büchlein"  mit  der  sehr  schlichten  Bestimmung  „nach 
dem  Essen"  steht,  also  als  Gratiaslied  gedichtet  worden  ist.  Ueber  die  Auswahl  für 
eine  solche  Sammlung  werden  die  Wünsche  immer  weit  aus  einander  gehen.  Nach 
meinem  Geschmack  fehlt  doch  manches  Lied  ersten  Ranges  aus  dem  16.  Jh.,  z.  B.  Was 
mein  Gott  will,  das  gescheh  allzeit.  —  * 

Besonderes:  Die  lutherischen  Gebiete.  Was  Sachsen  anbetrifft,  so 
habe  ich  die  neue  Melanchthonbiographie  von  Schäfer164)  in  keiner  der  mir  zugänglichen 
Bibliotheken   angetroffen,    auch   keine   Recension  gesehen.     Schon  der  Umfang  lässt 


Gütersloh,  Bertelsmann.  80  S.  M.  0,30.  —  158)  X  H.  Lenk,  D.  Reichstag  zu  Augsburg  im  J.  1580.  Barmen,  Wiemann. 
III,  156  S.  M.  2,00.  —  159)  X  F.  Bock,  D.  relig.  Volkslitt.  d.  evang.  Kirche  Deutschlands  in  e.  Abriss  ihrer  Gesch.:  DPB1.  27, 
S.  300/3,  308-11,  315/7.  (Nach  H.  Beck  [JBL.  1893  II  6:  187J.)  —  160)  X  A..  Thürling,  Reformation  u.  kirohl.  Tonkunst: 
AZgn.  N.  31/2.  —  161)  W.  Dilthey,  D.  Glaubenslehre  d.  Reformatoren:  PrJbb.  75,  S.  44-86.  —  162)  X  S.  Fritschel,  D. 
Lehre  vom  Kinderglauben  in  d.  lnth  Kirche  d.  16.  Jh.:  KirchlZ.  (Nordamerika)  18,  N.  4.  -  163)  Eng.  Wolff,  D.  dtsch. 
Kirchenlied  d.  16.  u.  17.  Jh.  (JBL.  1893  II  2  :  3;  III  2  :  8.)  (=  DNL.  N.  206.)  8t.,  Union.  XXII,  497  S.  M.  2,50.  —  164)  O 
R.  S  c häf  e  r ,  Ph.  Melanchthons  Leben,  aus  d.  Quellen  darge  st.  Gütersloh,  Bertelsmann.  VIII, 288  S.  M.  3,60.  (Mit  Bildn.)  (Vgl. II  7  : 30a.) 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6:105-173 

vermuten,  dass  es  sich  nicht  um  eine  Arbeit  handelt,  die  wissenschaftlichen  Zwecken 
dienen  will.  —  Cohrs165)  bringt  das  Fragment  eines  im  Drucke  abgebrochenen 
Melanchthonschen  Katechismus  von  1528  zum  Abdruck,  das  Stephan  Roth  in  Zwickau 
in  einem  einzigen  Exemplar  uns  aufbewahrt  hat;  es  war  von  mir  wieder  aufgefunden 
bei  meinen  Studien  zu  Kaspar  Güttel,  und  zum  Zwecke  der  Veröffentlichung  von  mir 
kopiert  worden.  Die  letzte  Arbeit  daran  hat  mir  C.  auf  meinen  Wunsch  abgenommen, 
der  eine  sehr  sorgfältige  Einleitung  voraufschickt;  darin  weist  er  nach,  dass  der 
Druck  erst  Ende  1528  erfolgt  sein  kann;  er  geht  brieflichen  Aeusserungen  schon  aus  dem 
Ende  des  J.  1527  nach,  die  da  zeigen,  dass  Melanchthon  zur  Abfassung  eines 
Katechismus  angetrieben  wird  und  eine  solche  auch  verspricht.  Er  nimmt  an,  dass 
Melanchthon  seine  Arbeit,  nachdem  bereits  zwei  Bogen  gedruckt  waren,  abbrach,  da 
er  erfuhr,  dass  Luther  an  seinem  grossen  Katechismus  arbeitete,  und  zwar  gern 
abbrach,  da  er  neuem  Streit  mit  Agricola  über  Busse  und  Gesetz  damit  entgehen 
konnte.  So  erklärt  sich  dieser  Torso,  der  schon  in  der  Auslegung  des  3.  Gebotes 
abbricht  mit  Steph.  Roths  hs.  Notiz:  „So  ferne  ists  gemacht,  und  der  Herr  Philip, 
will  ferner  nichts  dran  machen."  —  Das  aus  Hartf eiders  Nachlass  von  Herrmann166) 
herausgegebene  zweite  Heft  Melanchthonscher  declamationes  enthält  die  Reden 
De  gradibus  discentium(CR.ll,S.98ff.),De  ordine  discendi(CR.ll,S.209ff.),De  restituendis 
scholis  (11,  S.  487  ff.),  De  studiis  linguae  Graecae  (11,  S.  855  ff.).  Es  ist  bei  der  Aus- 
wahl also  das  Interesse  an  dem  Praeceptor  Germaniae  bestimmend  gewesen. 
Geschichtliche  Einführungen,  bibliographische  Nach  Weisungen,  Lesartenverzeichnisse 
und  Anmerkungen  sind  beigefügt.  —  Wilhelm  Meyer167)  beschreibt  die  Göttinger 
Hs.  Luneb.  99,  die  eine  Nachschrift  einer  Vorlesung  über  Ciceros  Officia  enthält,  als 
deren  Vf.  er  Melanchthon  und  als  deren  Zeit  er  1555  ermittelt.  Er  teilt  aus  ihr  höchst 
interessante  Proben  mit:  Aeusserungen  über  Cicero,  über  Melanchthon  selbst  und  den 
Wittenberger  Kreis,  über  Künstler,  Dichter,  Theologen  und  andere  Gelehrte  seiner 
Zeit,  über  Völker,  Länder  und  Städte,  über  die  Stände,  Kaiser,  Könige  und  Fürsten, 
Adel  und  Geistlichkeit  usw.,  kurz:  er  hat  den  Anekdotenschatz,  mit  dem  Melanchthon 
seine  Vorlesungen  würzte,  herausgehoben.  Daneben  ist  einleitend  vortrefflich  über 
Melanchthon  als  Docent,  über  die  Art  seines  Vortrages  im  Kolleg  und  die  Art  der 
Nachschriften  seiner  Vorlesungen  gehandelt.  Man  darf  sich  freuen,  dass  der  treffliche 
Göttinger  Philologe  jetzt  seine  scharfsinnigen  und  sorgsamen  Studien  den  Hss.  der 
Reformationszeit  zugewendet  hat.168)  —  Eine  wunderliche  Arbeit  ist  der  Artikel 
Tschack  erts169)  über  Johann  Toltz.  Aus  „Unschuldigen  Nachrichten"  1724  (S.  1073/4) 
entnimmt  er  ein  Verzeichnis  der  1526  erschienenen  Schriften  dieses  Erbauungsschrift- 
stellers, ohne  eigene  Nachprüfung ;  da  dort  vermutet  ist,  vielleicht  könne  der  Witten- 
berger Kanonikus  Johann  Doelsch  de  Feldkirchen  Vf.  sein,  so  stellt  er  biographische 
Notizen  über  diesen,  besonders  nach  Enders  (4,  S.  187),  voran.  Von  diesem  Doelsch 
muss  er  aber  richtig  melden,  dass  er  1523,  und  zwar  als  Gegner  Luthers,  gestorben 
ist,  was  jenem  Artikelschreiber  von  1724  unbekannt  war.  Nun  überlässt  er  dem 
Leser,  sich  das  Wunder  zu  erklären,  dass  der  1523  Gestorbene  plötzlich  drei  Jahre 
später  als  gut  lutherischer  Erbauungsschriftsteller  auftaucht.  Er  hätte  aus  der  grösseren 
Schrift  von  Toltz,  „Der  heiligen  Schrift  Art,  Weise  und  Gebrauch",  sehen  können, 
dass  der  Vf.  dort  erklärt,  er  citiere  die  Psalmen  nach  Luthers  Zählung,  nicht  nach 
der  der  Vulgata;  also  benutzte  er  Luthers  Psalmenübersetzung  von  1524.  Hätte  er 
ferner  des  mit  Toltz  doch  wohl  identischen  Johann  Doltz  Schrift  Elementa  pietatis  in 
quinque  dialogos  brevissimos  conjecta  (ohne  Jahr)  herangezogen,  so  hätte  er  gesehen, 
dass  Doltz  dort  Stücke  aus  Luthers  kleinem  Katechismus  wortgetreu  übersetzt,  also 
noch  mindestens  1529  geschriftstellert  hat.  Hier  bedarf  es  also  gründlicher  Nach- 
besserung.170"171) —  Petri172)  bespricht  das  in  der  Zellerfelder  Kirchenbibliothek  aufbe- 
wahrte Album,  welches  den  1575  in  Wittenberg  erschienenen  Sakramentsschriften  Luthers 
beigebunden  ist.  In  dieses  haben  im  Jahre  darauf  die  Teilnehmer  am  Lichtenberger 
Konvent,  d.  h.  die  sächsischen  Theologen,  die  auf  Kurfürst  Augusts  Befehl  die 
schwäbisch-sächsische  Konkordienformel  zu  beraten  hatten,  sich  mit  frommen  Sprüchlein 
eingezeichnet,  Seinecker  mit  seinem  bekannten  Liederverse  „Lass  mich  dein  sein 
und  bleiben",  der  fr*eilich  schon  1572  gedruckt  gewesen  ist.  Seine  Hs.  des  Verses 
zeigt  dem  Druck  gegenüber  charakteristische  Varianten.  Nähere  Nachrichten  über  jene 
bedeutende  Kirchenbibliothek  aus  Kasp.  Calvörs  Vermächtnis  eröffnen  den  Artikel.  — 
R.  Hofmann173)    liefert   eine   fleissige  und    tüchtige   Studie   über   die  Reformations- 

—  165)  F.  Cohrs,  E.  Melanchthonsches  Katechismusfragment:  ZPTh.  16,  S.  235-56.  —  166)  TM.  Herrmann],  Ph.  Melanchthon, 
Declamationes.  Ausgew.  u.  her.  von  K.  Hartf  eider.  2.  Heft.  (=  LLO.  N.  9.)  B.,  Weidmann.  XVI.38S.  M.  1,00.  (Vgl.  II  7:8.)  -  167) 
W.  Meyer,  Melanchthons  Vorlesung  über  Ciceros  Officia.  1555:  NGWGöttingen.  S.  146-81.  —  168)  X  E-  ß  enr>  z-  Charak- 
teristik Melanchthons:  DPB1.  27,  S.  156/7,  162/4.  —  169)  P.  Tschackert.  Joh.  Toltz. :  ADB.  38,  S.  430/1.  —  170)  X  W. 
Tümpel,  E.  hs.  Kantionale  Joh.  Walthers  vom  J.  1545:  Siona  19,  S.  60/4.  —  171)  X  S.  Issleib,  D.  Interim  in  Sachsen. 
1548-52:  NASächsG.  15,  S.  193-263.  —  172)  E.  Petri,  D.  Album  d.  Lichtenberger  Konvents  auf  d.  Calvörschen  Kirchenbibl. 
zu  Zellerfeld:  NKZ.  5,  S.  646-67.  —  173)  R.  Hofmann,  Eeformationsgesch.  d.  Stadt  Pirna.  Nach  urkundl.  Quellen  dargest. 
Glauchau,  Peschke.     1893.    III,  329  S.    M.  4,00.     |[G.  Bossert:   ThLBl.  15,    S.  213/4;    G.   Kawerau:   ZKG.  15,   S.  147.]|  - 


II  6  :  174-178  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

geschiente  der  Stadt  Pirna  auf  Grund  reichhaltiger  lokaler  Urkunden  und  Akten,  im 
Anschluss  an  des  Vf.  1887  erschienene  Abhandlung"  über  die  kirchlichen  Zustände 
Pirnas  vor  Einführung  der  Reformation.  Letztere  beginnt  1539,  am  21.  Juli,  mit  der 
ersten  Visitation  durch  Jonas,  Spalatin  und  Genossen,  über  die  ebenso  wie  über  die 
zweite  gründlichere  von  1540  und  die  dritte  von  1555  genauer  Bericht  gegeben  wird. 
Nei;e  Materialien  hierfür  gewährte  der  einst  dem  Ratsarchiv  entwendete,  seit  1885 
wiedergewonnene  Codex  Lauterbach.  Die  in  diesem  befindliche  Kirchenordnung 
Lauterbachs,  d.  h.  seine  Darlegung,  wie  sich  das  gottesdienstliche  Leben  thatsächlich 
in  Pirna  gestaltet  hatte,  wird  als  Beilage  abgedruckt.  Für  die  Lebensgeschichte 
dieses  Lutherschülers  und  ersten  Superintendenten  der  Stadt  ergiebt  sich  manche 
schöne  Ausbeute.  Die  Schulgeschichte  der  Stadt  unter  der  Einwirkung  der  Reformation 
und  der  Einfluss  der  letzteren  auf  das  sittliche  Leben  sind  mit  Sorgfalt  behandelt. 
In  einer  Beilage  tritt  der  Vf.  mit  gewichtigen  Gründen  dafür  ein,  dass  Pirna,  und 
nicht  Leipzig,  die  Geburtsstätte  des  Ablasspredigers  Tetzel  gewesen  sei.  —  Der  Nach- 
trag, den  Burkhardt174)  aus  neu  aufgefundenen  Akten  zu  seiner  1879  erschienenen 
„Geschichte  der  sächsischen  Kirchen-  und  Schulvisitationen"  bringt,  bietet  für  die 
Literaturgeschichte  nur  das  Eine,  dass  er  (S.  77)  den  Entwurf  zu  einem  Passus  des 
späteren  Visitationsbuches  mitteilt.  —  Die  ersten  5  aus  einem  Cyklus  von  9  Vorträgen, 
in  denen  G.  Müller175)  vor  einem  Kreise  von  Beamten  über  die  Verfassungs-  und 
Verwaltungsgeschichte  der  sächsischen  Landeskirche  Bericht  erstattet  hat,  liegen  uns 
in  einem  Bande  vereinigt,  für  den  Druck  wohl  auch  erweitert,  mit  Anmerkungen, 
Beilagen  und  Register  ausgestattet,  als  ein  wertvoller  Beitrag  besonders  auch  zur 
Geschichte  der  sächsischen  Kirche  im  16.  Jh.  vor.  Sie  behandeln  die  Quellen  und 
das  Gebiet  der  Landeskirche,  das  landesherrliche  Kirchenregiment,  die  kirchlichen 
Behörden,  die  Kirchen  Visitationen  und  Kirchenordnungen,  Bekenntnis,  Bekenntnis- 
verpflichtung und  Censur.  Der  Vf.  beherrscht  dabei  nicht  nur  die  sächsische  Litteratur 
in  seltenem  Masse,  sondern  ist  auch  seit  Jahren  mit  den  das  Kirchen-  und  Schulwesen 
betreffenden  Schätzen  des  Dresdener  Archivs  im  weitesten  Umfange  vertraut.  Daher 
bietet  er  nicht  nur  eine  sehr  brauchbare  übersichtliche  Zusammenstellung  des  bereits 
von  anderen  Erforschten,  sondern  auch  auf  Schritt  und  Tritt  Ergebnisse  eigener 
archivalischer  Forschung.  Am  eingehendsten  ist  dabei  mit  gutem  Grunde  das  16.  Jh. 
behandelt.  In  Texte  wie  in  den  Anmerkungen  sind  mancherlei  Archivalien  zum  Ab- 
druck gebracht,  die  auch  für  die  sächsische  Theologengeschichte  Ausbeute  gewähren.  — 
Geffckens176)  Aufsatz  korrigiert  die  verbreitete  Annahme,  dass  1543  in  Leipzig  ein 
Konsistorium  errichtet  worden  sei ;  vielmehr  ist  die  Wahrnehmung  der  konsistorialen 
Verwaltung  und  Judikatur  einstweilen  dem  unter  Fürst  Georg  von  Anhalt  eingesetzten 
Merseburger  Konsistorium  übertragen  worden;  erst  1550  ist,  als  Heiding  Merseburger 
Bischof  wurde,  in  der  Person  des  Juristen  Dr.  Reifschneider  das  Merseburger 
Konsistorium  „nach  Leipzig  transferiert"  worden.  Der  Aufsatz  teilt  femer  ein  Memorial 
von  1587  „Gebrechen  des  Konsistorii  zu  Leipzig"  mit,  das  besonders  die  Unsicherheit 
in  Handhabung  der  Ehegerichtsbarkeit  beleuchtet.  Dies  giebt  dem  Vf.  Anlass,  auf 
die  sächsische  Eherechtlitteratur  des  16.  Jh.  näher  einzugehen  und  betreffs  der  drei 
Materien:  Gradverbote,  Sponsalien  und  Ehescheidungsgründe,  die  Schwankungen  in 
der  Lehrweise  der  evangelischen  Kanonisten  jener  Zeit  zu  beleuchten.177)  — 

Thüringen.  Für  Friedrich  Myconius  ist  eine  wertvolle  Quelle  durch  Red- 
lich178) leicht  zugänglich  gemacht  worden.  Es  war  bekannt,  dass  er  1527  im 
Gefolge  des  Herzogs  Johann  Friedrich  in  Düsseldorf  war  und  hier  am  19.  Febr.  mit 
dem  Kölner  Franziskaner  Johann  Korbach  (Joh.  Heller  aus  Korbach)  siegreich  dis- 
putierte. Den  seltenen  Bericht  hierüber,  der  hernach  aktenmässig  den  Verlauf  der 
Disputation  beschrieb  (vgl.  Herzogs  Realencykl.  2.  Aufl.  10,  S.  401),  hat  jetzt  R.  in  einem 
Neudruck  mitgeteilt.  Danach  wäre  Myconius  vollständig  Sieger  in  der  Disputation 
geblieben  und  der  Franziskaner  zur  Anerkennung  der  evangelischen  Lehre  gezwungen 
worden.  Leider  ist  Korbachs  Gegenschrift,  die  hernach  gegen  diesen  Bericht  aus- 
gegangen sein  soll,  noch  nicht  wieder  ans  Licht  gekommen.  Hat  man  sonst  wohl 
Myconius  selbst  zum  Vf.  jenes  Berichtes  gemacht,  so  beschränkt  sich  R.  vor- 
sichtig darauf,  diesen  als  einen  vom  sächsischen  Standpunkt  aus,  aber  völlig  sachlich 
und  geradezu  aktenmässig  verfassten  Bericht  zu  bezeichnen.  —  Dem  Erfurter  Arzt 
und  Professor,  dem  Maecen  der  Humanisten,  Georg  Sturtz,  der  auch  Luther  bei  seiner 
schweren  Erkrankung  in  Schmalkalden  und  drei  Jahre  später  Melanchthon  in  ähn- 
licher Lage    in  Weimar  behandelte,   gilt   ein   kurzer,    aber   sorgsamer   Artikel   von 


174)  C.  A.  H.  Burkhardt,  D.  älteste  Kirchen-  u.  Schulvi^itation  im  östl.  Thüringen.  1527:  ThStK.  67,  S.  773-82.  —  175)  G. 
Müller,  Verfassungs-  u.  Verwaltungsgesch.  d.  sächs.  Landeskirche.  9  Vorles.  (=  BSäohsKG.  N.  9.)  1.  T.  L.,  Barth.  272  S. 
Mit  Anm.  n.  Beill.  M.  4,00.  (2.T.  ehda.  N.  10.  320  S.  M.4,50.)  —  176)  H.  Geffoken,  Z.  älteren  Gesch.  u.  ehegerichtl.  Praxis 
p.  Leipz.  Konsistoriums:  DZKR.  4,  S.  7-67.  —  177)  X  H.  Nobbe,  D.  Snperintendentenamt,  seine  Stell,  u.  Aufg.  auf  d.  evang. 
Kirchenordnungen   d.    16.  Jh.:   ZKG.  15,   S.  44-93.    —    178)    O.   Redlich,   D.    Düsseldorfer   Religionsgespräch   rom   J.  1527: 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  •.  179- 189 

G.  Müller179).  —  Es  führt  uns  Bärwinkel180)  nach  Erfurt,  und  er  zeigt  uns  einen 
1569  aus  Anlass  der  Wahl  des  evangelischen  Predigers  Joh.  Gallus  zum  Rektor  ent- 
brannten Theologenstreit,  da  der  Erwählte  die  mit  der  Investitur  verknüpften  Fest- 
lichkeiten mitmachte  und  dadurch  in  Verdacht  kam,  sein  evangelisches  Bekenntnis 
verleugnet  zu  haben.  Zu  Poach,  der  bei  dieser  Affaire  auch  beteiligt  gewesen  war, 
liefert  Buch walds  Recension  einige  Mitteilungen.181)  — 

Schlesien.  Dem  schlesischen  Theologen  Siegmund  Suevus  (geb.  1526, 
gest.  1596),  dessen  Thätigkeit  besonders  den  Städten  Lauban  und  Breslau  angehört, 
behandelt  Erdmann182),  wobei  auf  die  Charakteristik  seiner  Predigtweise  besondere 
Sorgfalt  verwandt  wird.  Am  bekanntesten  ist  er  wohl  durch  seine  Registerarbeiten 
zu  den  Gesamtausgaben  der  Lutherschen  Werke  geworden.  — 

Für  Oesterreich- Böhmen  stellt  Wolkan182a)  aus  der  reichhaltigen  Flug- 
schriftenlitteratur,  ohne  dass  ihm  neue  archivalische  Quellen  zur  Verfügung  ständen, 
ansprechend  die  Beziehungen  des  Joh.  Sylvius  Egranus  und  den  auf-  und  nieder- 
steigenden Einfluss  Karlstadts  auf  die  Gemeinde  in  Joachimsthal  dar.  Das  Lebens- 
bild des  Egranus,  das  er  hierbei  zeichnet,  bedarf  mehrfacher  Berichtigung  und^  Ver- 
vollständigung. Es  sei  hier  nur  noch  darauf  verwiesen,  dass  auch  Georg  Witzeis 
Epistolarum  libri  IV  Lips.  1537  eine  Quelle  für  des  Egranus  späteres  Leben  bilden, 
denn  die  Briefe  Bl.  Oob  und  Rr  (adressiert  M.  J.  E.)  sind  an  ihn  gerichtet.  —  Während 
Loesche  noch  mit  der  Arbeit  an  seiner  grossen  Mathesiusbiographie  beschäftigt  war 
(JBL.  1893  116:149—51),  ist  ihm  flugs  Amelung183)  mit  einem  Buche  zuvor- 
gekommen, das  in  zwiefacher  Weise  von  fremder  Arbeit  zehrt.  Der  Theolog  und 
Literaturhistoriker  Vilmar  hatte  sich,  zunächst  in  lexikalischem  Interesse,  mit  den 
Schriften  des  Mathesius  beschäftigt  und  dann  einen  seiner  hessischen  Schüler,  den 
1892  verstorbenen  Pfarrer  Christian  Müller,  zu  Mathesiusstudien  angeregt.  Ausser 
einer  vollständigen  Mathesiusbibliographie  hatte  dieser  zahlreiche  Vorarbeiten  für 
eine  Biographie  hinterlassen.  Dieser  Naohlass  wurde  A.  übergeben;  dazu  kamen  dann 
Loesches  Vorarbeiten  in  zahlreichen  Publikationen.  Auf  diese  Studien  zweier  anderer 
gestützt  konnte  A.  in  verhältnismässig  kurzer  Zeit  ein  Lebensbild  fertigen,  das  inhaltlich 
allen  früheren  Arbeiten  über  Mathesius  bedeutend  überlegen  ist.  Was  er  als  sein 
Eigenes  hinzubrachte,  das  ist  der  Standpunkt,  von  dem  aus,  und  der  Ton,  in  dem 
hier  das  Leben  des  Lutherschülers  erzählt  ist.  Der  Standpunkt  ist  der  pietätvoller 
Verehrung  des  „lieben  und  werten  Zeugen  der  lutherischen  Kirche",  kraft  deren  er 
„den  Glaubenshelden  der  Jugendzeit  unserer  Kirche  nicht  als  kühler  Kritiker  gegen- 
übersteht, sondern  als  demütiger,  lernbegieriger  Schüler  zu  Füssen  sitzt"  (S.  VII). 
Der  Ton  aber  ist  dadurch  gegeben,  dass  seine  Schrift  „nicht  eine  wissenschaftliche 
Arbeit  im  engeren  Sinne  des  Wortes,"  sondern  für  einen  weiteren  Kreis  bestimmt 
sein  soll.  Daher  ist  trotz  des  guten  und  reichen  Quellenmaterials  meist  auf  Quellen- 
nachweise verzichtet ;  dagegen  fehlt  es  nicht  an  erbaulichen  Wendungen  und  allerlei 
Zeugnisablegen  einem  „schwachgläubigen  und  zerfahrenen"  Zeitalter  gegenüber. 
Am  Schlüsse  erhalten  wir  eine  Bibliographie  der  „wichtigsten"  Schriften  desMathesius,<lie 
sich  freilich  mit  der  seither  von  Loesche  veröffentlichten  nicht  entfernt  messen  kann 
(S.  241/6);  ferner  zwei  Predigten  (S.  249—67),  Proben  seiner  Gebete  (S.  268—70), 
seiner  Dichtungen  (darunter  die  Pastoralregeln,  S.  271—82),  endlich  zwei  seiner 
Fabeln  (S.  282/4).  —  Loesche184-185)  giebt  in  Ergänzung  seines  Aufsatzes  vom 
J.  1891  über  die  „Kirchenordnung"  von  Joachimsthal  von  1551  einen  vollständigen, 
genauen  Abdruck  derselben,  d.  h.  genauer  des  Berichts,  den  Mathesius  einem  Freunde 
über  Lehre  und  Ceremonien  in  Joachimsthal  erstattet  hat,  nach  der  grossen  Postille 
des  Mathesius,  Nürnberg  1570.  Die  editio  princeps  von  1567  scheint  er  um  deswillen 
hierbei  nicht  zu  Grunde  gelegt  zu  haben,  weil  ein  Exemplar  derselben  ihm  in  der 
Wiener  Bibliothek  nicht  zur  Verfügung  stand.  —  Von  dem  Melanchthonianer  Johann 
Major  teilt  Loesche186)  ein  hs.  in  der  Bibliothek  zu  Joachimsthal  erhaltenes  lateinisches 
Lobgedicht  auf  den  Bürgermeister  Valentin  Mulcius  von  Schlaggenwald  mit,  datiert 
24.  Jan.  1553;  denn  derselbe  hatte  dem  Joachimsthaler  Gymnasium  ein  Exemplar 
vonGessners  Historia  animalium  gestiftet.187"188)  —  Ausführlich  handelt  Nicoladoni189) 


DBergGV.  19,  S.  193-213.  |[0.  Redlich:  ZKG.  15.  S.  477/8.]]  —  179)  G.  Müller,  G.  Stnrtz:  ADB.  37,  S.  54/6.  -  180) 
R.  Bärwinkel,  E.  Blick  in  d.  Kirchengesch.  Erfurts  im  letzten  Drittel  d.  16.  Jh.  Progr.  Erfurt.  1893.  4n.  20  S.  |[G.  Buch- 
wald: ThLBl.  15,  S.  31.]|  —  181)  X  0.  Burkhardt,  D.  Einfuhr,  d.  Reformation  in  d.  reuss.  Ländern,  zugleich  e.  Beitr.  z. 
Kirchengesch.  dieser  Länder.  L..  Werther.  47  S.  M.  1,00.  —  182)  D.  Erdmann,  S.  Suevus:  ADB.  37,  S.  129-35.  -  182a) 
R  Wölk  an,  D.  Anfänge  d.  Reformation  in  Joachimsthal.  (Aus  MVGDB.)  Prag,  (Haase).  29  S.  (Nicht  im  Handel.)  —  183) 
K.  Amelung,  M.  Joh.  Mathesius,  e.  luth.  Pfarrherr  d.  16.  Jh.  Sein  Leben  u.  Wirken,  unter  Benutzung  d.  hs.  Nachlasses 
d.  sei.  Pfarrers  Chrn.  Möller  dargest.  Gütersloh,  Bertelsmann.  284  S.  Mit  Bildn.  M.  3,60.  —  184)  X  G.  Loesche,  J. 
Mathesius.     E    Lebens-  u.  Sittenbild    aus    d.  Reformationszeit.     1    Bd.     Gotha,    Perthes.     XXI,  639  S.     M.  10,00.    —    185)  id., 

D.  evang.  Kirchenordnungen  Oesterreichs:  JGGPÖ.  15, S  11/4,49-57.  —  186)  id.,  E.  ungedr.  Gedicht  v.  Joh.  Major.  Huraanistisch- 
evang.  Stimmungsbild  aus  Böhmen:  ib.  S.  154/6.    —   187)  X   A-  Horoicka,    D.  Lateinschule  in  Schlaggenwald    (1554—1624). 

E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Reformation.     Progr.     Prag.     39  S.    -    188)    X    H     G™d'.    D.    Reformation    im   Egerlandc.      Nach    d. 
Quellen  dargestellt.    Eger,  Götz.    V,  266  S.    M.  5,00.  |[W.  Hicke:  MVGDB».  S.  74/5.]|    (S.  u.  UI  1:160.)  —  189)  A.  Nico- 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (2)11 


II  6  :  190-194  GL  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

über  den  am  12.  Sept.  1524  in  Wien  gerichteten  Bürger  Kaspar  Tauber,  mit  sehr 
reichhaltigein  Literaturverzeichnis  —  wer  citiert  freilich  heutigen  Tages  noch  Luthers 
Briefe  nach  Aurifabers  Ausgabe?  Ein  Widerspruch  scheint  mir  darin  zu  bestehen, 
dass  N.  auf  S.  428  Tauber  seine  Anregungen  von  den  von  Wittenberg  ausgehenden 
Ideen  erhalten  lässt,  auf  S.  426  dagegen  sein  Evangelium  das  „des  deutschen  Städters  zu 
Beginn  des  16.  Jh.",  das  „Resultat  der  mittelalterlichen  Mystik  und  der  Unzufriedenheit 
mit  den  kirchlichen  Zuständen"  nennt;  es  ist  doch  nicht  so,  dass  Luther  das  „zum 
Reformator  machte,  was  alle  Welt  damals  dachte  und  fühlte."  —  Der  Aufsatz  von 
Elze190)  über  den  Reformator  in  Krain  und  Begründer  der  slovenischen  Schriftsprache 
und  Litteratur,  Primus  Trüber,  ist  eine  im  ganzen  kürzende,  im  einzelnen  neue,  eigene 
Forschungen  verwertende  Revision  seines  Artikels  in  Herzogs  Realencykl.  16, 
S.  56  ff.191)  — 

Süddeutschland.  Der  gelehrte  katholische  Kulturhistoriker  Grupp192) 
hat  in  einem  schön  ausgestatteten,  mit  interessanten  Bildern,  Ansichten  und  einer 
Karte  des  Pagus  Retiensis  geschmückten  Bande  die  Reformationsgeschichte  des 
Rieses,  genauer  freilich  die  Geschichte  der  Oettingenschen  Fürsten  in  der  Reformations- 
zeit mit  Benutzung  von  viel  archivalischem  Material  geschrieben.  In  das  laute  Lob, 
das  die  katholische  Presse  dem  Buche  gespendet,  wird  der,  dem  es  wirklich  um  die 
Geschichte  der  Reformation  zu  thun  ist,  leider  nur  mit  starken  Einschränkungen 
einstimmen  können.  Denn  das  reformationsgeschichtliche  Material  wird  fast  erdrückt 
von  kulturgeschichtlichem  Detail,  z.  B.  von  Inventarbeschreibungen  des  fürstlichen  Haus- 
geräts; und  auch  in  den  der  Reformationsgeschichte  gewidmeten  Abschnitten  haftet 
das  Interesse  des  Vf.  überwiegend  an  den  Personen  der  Mitglieder  des  fürstlichen 
Hauses,  nicht  an  der  kirchlichen  Bewegung  und  den  kirchlichen  Zuständen.  Das 
Rezept,  nach  dem  seine  „katholische  Ueberzeugung"  mit  der  Reformation  umgeht, 
entwickelt  er  (S.  155/6).  Er  entschuldigt  die  Grafen  und  beschuldigt  um  so  schwerer 
die  Theologen  als  die  eigentlichen  Stürmer  und  Dränger,  deren  Eitelkeit,  Neuerungs- 
sucht, Anmassung  und  Herrschgelüste  die  Fürsten  zu  Schritten  fortrissen,  deren 
Konsequenzen  diese  nicht  völlig  übersahen.  Bei  den  Fürsten  ist  es  die  an  sich 
löbliche  Sorge,  den  beklagenswerten  damaligen  Zustand  der  Kirche  zu  bessern,  bei 
den  Theologen  die  Tendenz,  die  kleinen  Päpste  zu  spielen.  So  wird  denn  der  Bauern- 
krieg folgendermassen  „erklärt".  Die  Bauern  befanden  sich  ganz  wohl;  nicht  die 
Not,  sondern  der  Uebermut  trieb  sie  zur  Empörung;  die  Schuld  daran  fällt  aber 
auf  die  lutherischen  Schriften  mit  ihrer  religiösen  Aufwühlung.  Von  dem  Brief- 
wechsel des  Grafen  Ludwig  von  Oettingen  mit  Luther  scheint  dem  Vf.  Karrers  Ver- 
öffentlichung (ZLuthKTh.  1853)  unbekannt  geblieben  zu  sein.  Vergeblich  sucht  man 
eine  nähere  Charakteristik  der  führenden  Theologen,  z.  B.  Kargs.  Doch  fehlt  es 
natürlich  in  den  mitgeteilten  Archivalien  nicht  an  dankenswertem  Material,  so  sei 
Luthers  Brief  an  Graf  Ludwig  über  das  Regensburger  Religionsgespräch  (S.  88) 
hervorgehoben;  auch  die  Notiz,  dass  sich  in  den  Oettingenschen  Religionsakten  zwei 
gleichzeitige  Abschriften  der  Confessio  Augustana  befinden  (S.  75).  Die  Besprechung 
dieses  Buches  durch  Paulus  bringt  wertvolle  bibliographische  Mitteilungen  über  den 
1539  aus  Oettingen  ausgewanderten  altgläubigen  Mag.  Wolf  gang  Hermann  (Kyriander). 
—  Pressel193)  bietet  in  seiner  Ausgabe  der  Predigten  des  Joh.  Brenz  vier  voll- 
ständige Predigten,  aus  achtzehn  anderen  Auszüge,  ausserdem  auch  je  eine  Predigt 
des  jüngeren  Joh.  Brenz  und  des  Balthasar  Biclenbach,  des  Nachfolgers  des  Re- 
formators. Die  vorangeschickte  Biographie  bemüht  sich  im  Ton  und  in  der  Vorliebe 
für  die  Anekdote  volkstümlich  zu  sein.  Dass  weder  Melanchthon  noch  Brenz  das 
theologische  Doktordiplom  erhielten,  „soll  bis  heute  manchen  vergeblich  darnach 
Strebenden  trösten"  (S.  XXIX),  auch  den  Vf.?  In  den  Litteraturangaben  fehlt  die 
bekannte  Hartmann-Jägersche  grosse  Biographie.  —  Votteler194)  zeichnet  sachkundig 
das  Lebensbild  des  Reutlinger  Schulmanns  und  Predigers  Hans  Schradin,  der  mit 
kurzer  Unterbrechung,  die  das  Interim  herbeiführte,  von  1523  bis  an  seinen  Tod  1560 
im  Dienst  der  Vaterstadt  gestanden,  in  der  Abendmahlsfrage  scharf  und  entschieden 
für  Luther  Partei  ergreifend,  dabei  aber  zugleich  sowohl  in  betreff  der  Beseitigung 
der  Heiligenbilder  wie  in  radikaler  Vereinfachung  des  Kultus  den  Einfluss  der 
Schweizer  Reformation  bekundend.  Die  interessanteste  Episode  bietet  sein  Auftreten 
den  Wiedertäufern  gegenüber  1527,  wo  Reutlingen  nicht  ganz  erfolglos  den  Versuch 
machte,    durch   sachliche,    freundliche  Belehrung    auf  Schwärmer  einzuwirken.    Den 


ladoni,  Kasp.  Tauber:  ADB.  37,  S.  423/9.  —  190)  Th.  Elze,  Primus  Trüber:  ib.  33,  S.  669-74.  —  191)  X  A.  Czerny,  D. 
Anfänge  d.  Reformation  in  d.  Stadt  Steyr  1520—27:  BFrancisco-Carolinum.  N.  52.  —  192)  G.  Grupp,  Oetting.  Gesch.  d,  Re- 
formationszeit. Reformationsgesch.  d.  Rieses.  Mit  Bildern  u.  Ansichten.  Nördlingen,  Th.  Reischle.  X,  160  S.  M.  3,50.  |[N. 
Paulus:  HPB11.  113,  S.  455/9;  K.  Bu  :  ZHVSchwaben.  1893,  S.  238;  F.  Falk:  Kath.  1,  S.  573/4;  id.:  HJb.  15,  S.  447;  G. 
Bossert:  ThLBl.  15,  S.  236/7,  287.]|  —  193)  P.  Pressel,  Johannes  Brenz,  Württembergs  Reformator.  Ausgew.  Predigten. 
Mit  e.  einl.  Monographie.  (=  D.  Predigt  d.  Kirche  Bd.  XXIV.)  L,  F.  Richter.  1893.  XLI,  109  S.  M.  1,60.  |[ThLBl.  15, 
S.  255.]j    —    194)    F.  Votteler,   Joh.   Schradin,    d.    Genosse    Matthäus  Albers.    E.  Beitr.  z.  Reformationsgesch.   Reutlingens. 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6:  i»5 

Brief,  den  Capito  nach  Schradins  plumpem  Angriff  auf  den  Zwinglianer  Konrad  Sam 
an  ihn  richtete,  scheint  mir  V.  feindlicher  gedeutet  zu  haben,  als  er  gemeint 
war  (S.  29—30);  die  ungetrübte  Fortsetzung  ihrer  freundschaftlichen  Beziehungen 
wäre  sonst  schwer  begreiflich.  —  Eine  sehr  gründliche  und  schätzenswerte  Arbeit 
hat  Germann195)  über  den  lutherischen  Hebraisten  Joh.  Forster,  der  zugleich  als 
praktischer  Kirchenmann  und  als  schroffer  Parteigänger  Luthers  an  verschiedenen 
Städten  in  Deutschland,  auch  in  der  Grafschaft  Henneberg  (Schleusingen),  thätig 
gewesen  ist,  als  Festschrift  veröffentlicht.  Zu  schon  bekanntem  Material  hat  der 
Sammelfleiss  des  Vf.  manch  neues  Stück  hinzugefügt,  vor  allem  den  in  Gotha  auf- 
gefundenen ausführlichen  Bericht  Forsters  über  seine  Erlebnisse  in  Augsburg  (1535—38), 
eine  Quelle  allerersten  Ranges  für  die  Kämpfe  der  lutherischen  und  zwinglischen 
Partei  in  dieser  Stadt  mit  dem  wertvollsten  Detail  aus  der  städtischen  Kirchen- 
geschichte. S.  61  —320  nimmt  der  Abdruck  dieses  Berichtes  mit  seinen  Dokumenten- 
beilagen ein.  Da  G.  das  umfängliche  Aktenstück  in  die  Biographie  ein- 
schiebt, auch  sonst  sämtliche  Stücke  aus  Forsters  Briefwechsel,  längst  Gedrucktes 
wie  Ungedrucktes,  vollständig  im  Text  der  Lebensgeschichte  mitteüt,  so  bekommt 
diese  freilich  formell  etwas  Chronikenhaftes,  die  eigene  Darstellung  und  Verarbeitung 
des  Stoffes  verschwindet  hinter  dem  Abdruck  sämtlicher  Dokumente  für  eine  Geschichte 
Forsters,  aber  die  Mitteilung  und  Zusammenstellung  dieser  Materialien  ist  selbst  höchst 
dankenswert,  und  der  urkundliche  Charakter  des  Werkes  gestattet  auch  dem,  dessen 
theologische  Beurteüung  der  Vorgänge  von  der  G.s  abweicht,  sich  überall  aus 
den  Dokumenten  selbst  zu  informieren.  Joh.  Forster,  in  seiner  Zwickauer  Periode 
auch  Forsthemius  sich  nennend,  ist  nach  G.  1496  geboren,  als  Sohn  eines 
ehrsamen  Augsburger  Schlossers,  keineswegs  —  wie  man  aus  seinen  Kenntnissen 
im  Hebräischen  hat  schliessen  wollen  —  Proselyt  aus  dem  Judentum;  ein  Schüler 
Veit  Bilds,  studiert  er  seit  1515  in  Ingolstadt,  wird  unter  Ecks  Dekanat  1520 
Magister  artium  und  ediert  hier  1521  sein  von  Reuchlin  bevorwortetes  hebräisches 
Lexikon,  siedelt  aber  schon  im  Sommer  nach  Leipzig  über,  geht  von  dort  1522  an 
die  von  Leonh.  Natter  eröffnete  humanistische  Schule  in  Zwickau;  doch  er  verliess 
schon  nach  Jahresfrist  dies  Schulamt,  da  durch  Schuld  des  Rektors  und  der  Zeit- 
verhältnisse die  Schule  nicht  in  Blüte  kam.  G.  nimmt  jetzt  einen  ersten  Wittenberger 
Aufenthalt  Forsters  an,  für  den  freilich  direktes  Zeugnis  fehlt;  er  zieht  (S.  320)  auch 
diese  Vermutung  wieder  zurück,  da  ein  inzwischen  aufgefundener  Brief  vielmehr  auf 
einen  kurzen  Zwischenaufenthalt  in  Böhmen  führt.  Jedenfalls  ist  er  schon  Sommer 
1524  wieder  zu  Zwickau  im  Schulamte  thätig.  (Der  Brief  Forsters  S.  27/8,  datiert 
Sylvestri  1526,  ist  übrigens  nach  bekannter  Rechnung  vom  31.  Dec.  1525,  nicht  1526,  zu 
verstehen.)  Es  folgt  ein  Wittenberger  Aufenthalt  von  1530-35,  wo  er  neben  seiner 
Thätigkeit  als  Lehrer  des  Hebräischen  zugleich  als  Prediger  Verwendung  findet. 
Im  Zusammenhang  mit  den  Konkordie -Verhandlungen  erfolgt  seine  Berufung  nach 
Augsburg  ins  Predigtamt:  die  drei  Jahre,  die  er  hier  zubringt  als  Vertreter  des 
norddeutschen  Luthertums  unter  Amtsgenossen,  die  mehr  oder  weniger  stark  von 
Zwingli  beeinflusst  sind,  bilden  durch  die  lebensvollen  detaillierten  Aufzeichnungen 
Forsters  den  ausführlichsten,  aber  auch  inhaltlich  hochinteressanten  Abschnitt  des 
Buches.  Den  verschiedenen  Geist  beider  Reformationen  in  seiner  Ausprägung  nicht 
nur  in  der  Abendmahlslehre,  sondern  vor  allem  in  Fragen  des  Kultus  und  der  Ver- 
fassung, in  der  verschiedenen  Stellung  zur  kirchlichen  Sitte,  zu  den  Schwenkfeldern, 
in  den  laxeren  oder  strengeren  Anschauungen  über  den  Lebenswandel  des  Geistlichen 
—  Forster  selbst  wird  der  „Weinfeuchte"  beschuldigt  —  lässt  sich  hier  ganz  vorzüglich 
studieren;  eine  treffliche  Quelle  ist  hierfür  erschlossen,  freilich,  was  man  nicht  ver- 
gessen darf,  zugleich  eine  Parteischrift  des  Lutheraners  gegen  die  ihm  höchst  un- 
sympathische Gegenpartei.  Aus  „jämmerlicher  Löwengrube  erlöst",  geht  Forster  1539 
als  Professor  des  Hebräischen  an  die  Tübinger  Universität,  erwarb  auch  hier  den 
theologischen  Doktor.  Aber  auch  von  hier  wird  er  verdrängt,  wahrscheinüch  weil 
sein  scharf  geschnittenes,  polemisches  Luthertum  den  massgebenden  Persönlichkeiten 
in  Württemberg  ungelegen  war.  Die  Nürnberger  Kirche  schafft  ihm  als  Propstei- 
verw alter  an  St.  Lorenz  eine  vorübergehende  Beschäftigung;  er  wird  1542  von 
Nürnberg  der  dem  evangelischen  Bekenntnis  sich  anschliessenden  Stadt  Regensburg 
als  Prediger  zugesendet  (1542),  aber  nach  3  Monaten  nach  Nürnberg  zurückgerufen, 
um  bald  darauf  dem  Grafen  Wilhelm  von  Henneberg  zur  „Anrichtung  des  evangelischen 
Kirchendienstes"  überlassen  zu  werden.  Hier  wirkt  er,  in  Luthers  Geist  1543—47 
das  Kirchenwesen  organisierend.  Leider  sind  die  späteren  Lebensjahre  Forsters  in 
Merseburg  und  Wittenberg,    seine  „Melanchthonische"  Zeit,   nur  noch  ganz  kurz  an- 


Progr.  d.  Gymn.  Reutlingen,  (C.  ßnpp).  1893.  50  S.  —  195)  W.  Germann,  D.  Joh.  Forster,  d.  Henneberg.  Reformator,  e. 
Mitarbeiter  n.  Mitstreiter  D.  M.  Luthers.  In  urkundl.  Nachrichten  nebst  Urkk.  z.  Henneberg.  Kirchengesch.  Mit  Forsters 
Bild,   Hs.  u.  Siegel.    Festschrift   z.  350j.  Henneberg.  Ref.-Jubil.    (=  NBGHennebeeg.  N.  12.)    Meiningen,  Brückner  &  Renner. 


2(11) 


* 


II  6  :  196-203  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

gedeutet,  nicht  genauer  behandelt.  Trotz  mancher  Mängel  des  Buches  in  schrift- 
stellerischer Beziehung,  auch  mancher  Lese-  oder  Druckfehler  in  der  Wiedergabe 
der  Dokumente,  mancher  Spuren  der  Eile,  mit  der  das  Buch  letztlich,  um  noch 
rechtzeitig  als  Festschrift  zu  erscheinen,  fertiggestellt  ist,  darf  es  doch  wegen  des 
hier  aufgeschlossenen  Materials  einen  hervorragenden  Platz  beanspruchen.  —  Der- 
selben 350  jährigen  Reformationsfestfeier  der  Grafschaft  Henneberg- Schleusingen 
verdankt  die  kleine  populäre  Schrift  von  Höhn196)  ihre  Entstehung".  Hier  behandelt 
der  Abschnitt  S.  30  ff.  Forsters  Leben  und  speciell  seine  Thätigkeit  in  der  Graf- 
schaft, im  biographischen  Teil  mit  einigen  Ungenauigkeiten,  die  durch  Germanns 
Arbeit  berichtigt  werden  müssen.  — 

Nürnberg  und  Franken.  Dem  ersten  Bande  seiner  Linck-Biographie 
(JBL.  1893  II  6:130)196a)  lässt  Reindell197)  den  ersten  Band  einer  Gesamtausgabe 
der  Schriften  folgen.  (Die  Briefe  werden  als  Beilage  zur  Biographie  mitgeteilt.) 
Anstatt  der  Anwendung  des  reinen  chronologischen  Prinzips  hat  der  Herausgeber 
die  Schriften  gruppiert  in:  eigene  Schriften,  Uebersetzungen,  von  Linck  veranstaltete 
Ausgaben  der  Schriften  anderer,  Schriften,  zu  denen  er  das  Vorwort  schrieb,  gemein- 
schaftlich mit  anderen  verfasste  Schriften,  unter  dem  Pseudonym  Nicodemus  Noricus 
erschienene,  endlich  ungedruckte  Schriften,  —  ein  Einteilungsprinzip,  das  aus  logischen 
wie  sachlichen  Gründen  manches  wider  sich  hat.  Der  vorliegende  Band  bringt  die 
Schriften  der  1.  Gruppe  bis  1525  in  wortgetreuen,  nur  die  Interpunktion  regelnden 
Neudrucken;  litterarische  und  bibliographische  Einleitungen,  Textvarianten,  Notierung 
der  Bibelcitate  nach  Kapitel  und  Vers,  auch  einige  sachliche,  häufiger  sprachliche 
und  sprachgeschichtliche  Erläuterungen  sind  die  Editionszuthat  R.s.  Der  Abdruck 
der  Texte  ist  sorgfältig,  bei  den  Anmerkungen  wünschte  man  wohl  konsequentere 
Beobachtung  bestimmter  Prinzipien;  einzelne  Korrekturen  und  Ergänzungen  findet  man 
in  Bosserts  und  Gust.  Kawerau s  Besprechungen.  —  Der  Festartikel198)  zum  5.  Nov. 
1894,  dem  Hans  Sachs-Jubiläum,  behandelt  die  Stellung  des  Nürnberger  Schusters 
zur  Reformation  mit  einigen  Seitenblicken  auf  die  heutige  christlich-sociale  Bewegung. 

—  Das  gleiche  Thema  behandelt  Nicoladoni 199),  wobei  zu  bemerken  ist,  dass  er 
Hans  Sachs  schon  vor  der  Berührung  mit  Luthers  Reformation  von  „mystischen 
Neigungen",  wie  sie  in  den  beiden  ersten  Jahrzehnten  des  16.  Jh.  der  religiöse  Zug 
des  deutschen  Volkes  gewesen  seien  (?),  berührt  sein  lässt  und  ihn  in  nahe  Beziehung 
zu  der  nach  L.  Kellers  Vorgang  aufgefassten  sodalitas  Staupitiana  setzt.  —  An 
Webers200)  Albrecht  Dürer,  der  die  ganze  zweite  Hälfte  seiner  Schrift  dem  „Verhältnis 
Dürers  zur  Glaubensneuerung"  widmet,  rühmt  die  Jesuitenzeitschrift  die  „überzeugende 
Beweisführung"  dafür,  dass  der  Nürnberger  Maler  „sich  nicht  von  der  alten  Lehre 
abgewendet  hat  und  im  Frieden  mit  der  katholischen  Kirche  gestorben  ist",  und  sie 
findet,  dass  Zuckers  Schrift  von  1886,  die  nüchtern  und  überzeugend  den  Gegenbeweis 
angetoeten  hatte,  an  „einseitigen  Ausführungen"  leidet.  —  Auch  an  dem  Werke  von 
Lange  und  Fuhse  (s.  o.  I  9:169)  ist  demselben  Blatte201)  anstössig,  dass  es  den 
Meister  zum  Protestanten  macht.  Was  beweise  denn  auch  eine  so  „gleichgültige 
Notiz"  wie  die,  dass  sich  Dürer  1520  oder  1521  hs.  ein  Verzeichnis  von  16  Schriften 
Luthers  anlegte?  Ob  dies  Verzeichnis  nicht  doch  in  Verbindung  mit  den  bekannten 
Notizen  in  seinem  Tagebuch,  die  davon  reden,  wie  oft  und  wie  begierig  er  solche 
„Traktätlein"  kauft,  etwas  für  die  Gesinnung  und  die  Interessen  des  Meisters  beweist?  — 
Auch  Schneider201'1)  freut  sich,  dass  Weber  so  brav  die  „Anmassung  neuerer 
protestantischer  Schriftsteller"  zurückgewiesen,  dieDürer  zum  „Maler  der  Reformation"  (?) 
stempeln  wollten.  Durch  den  Bauernkrieg  und  durch  das  „Wüten  gegen  alles  Heilige 
und  Tugendhafte"  werde  ja  Dürer  bald  von  seiner  Hinneigung  zur  Reformation 
bekehrt  worden  sein.  —  Vermeulen201b)  operiert  an  dieser  Dürerfrage  folgender- 
massen:  ob  Dürer  katholisch  oder  protestantisch  gewesen,  hat  mit  der  Wahrheit  des 
katholischen  Dogma  nichts  zu  thun;  folglich  behandelt  der  Katholik  WTeber  diese 
Frage  leidenschaftslos,  unbefangen  und  objektiv,  während  sie  auf  protestantischer 
Seite  sofort  mit  Heftigkeit  besprochen  wird.  Die  objektive  Untersuchung  Webers 
macht  nun  über  jeden  Zweifel  erhaben,  dass  Dürer  sich  nicht  von  der  wahren  Lehre 
abgewendet  und  im  Frieden  mit  der  katholischen  Kirche  gestorben  ist.  Wer  also 
fürder  an  der  Weberschen  Rettung  Dürers  für  den  Katholizismus  zweifelt,  der  ist 
weder  unbefangen  noch  objektiv.  Gleichwohl  wag-en  wir  es  doch  noch,  Dürer  hier 
dem  Luther  anhänglichen  Teile  der  Nürnberger  zuzuzählen.202)  —  Eine  sehr  tüchtige 

VIII,  468  S.;  112  S.  M.  9,00.  —  196)  W.  Höhn,  Kurze  Gesch.  d.  Kirchengesch.  in  d.  geforsteten  Grafschaft  Henneberg. 
(=  Schriften  für  d.  dtsch.  Volk,  her.  v.  Ver.  für  Reformationsgesch.  N.  23.)  Halle  a.  S.,  Nieraeyer.  54  S.  M.  0,15.  —  196  a)  X 
V.  Michels:  ADA.  20,  S.  266-71.  —  197)  W.  Reindell,  W.  Linck,  Werke  ges.  u.  her.  mit  Einleit.  u.  Anm.  Mit  Titelbild. 
1.  Hälfte:  Eigene  Schriften  bis  z.  zweiten  Nürnberger  Wirksamkeit.  Marburg,  Ehrhardt.  XVII,  357  S.  M.  6,00.  |[G.  Kawerau: 
GGA.  S.  S25/8:  G.  Bossert:  ThLZ.  19,  S.  589-91;  ThLB.  17,  S.  76.]|  (Auch  V.  Michels,  W.  Reindell,  D.  Wenz.  Linck 
v.  Colditz,  1483-1547  [1892J:  ADA.  20,  S.  266-71.)  —  198)  (II  4b  :46a.)  -  199)  (I  5:92.)  -  200)  (I  9:180.)  |[G.  Ver- 
meulen:  HPB11.  113,  S.  382/4.JI  —  201)  Neue  Reime  v.  Dürer:  StML.  47,  S.  363/4.   -  201a)  (=  N.  200.)  —  201  b)  (=  N.  200.) 

—  202)  X  (I  9:171.)  —   203)  H.  Westermayer,  D.  Brandenb.-Nürnberg.  Kirchenvisitation  u.  Kirchenordnung.     1528-33. 


U.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6  :  2os-2ii 

Arbeit  mit  schätzbaren  neuen  Ergebnissen  begrüssen  wir  in  Westermayers203) 
Schrift.  Sie  interessiert  an  dieser  Stelle  wegen  ihrer  sorgfältigen  archivalischen  Er- 
mittelungen über  die  Entstehungsgeschichte  der  Brandenburgisch -Nürnbergischen 
Kirchenordnung-  von  1533,  deren  Vorgeschichte  genau  verfolgt  wird,  und  bei  der  wir 
namentlich  die  Nürnberger  Theologen,  vor  allem  Oslander,  in  Kommissionsarbeiten 
recht  intim  kennen  lernen;  Oslanders  Ehrgeiz  und  Selbstherrlichkeit  tritt  dabei  in 
unerfreulicher  Weise  zu  Tage.  Auch  die  Geschichte  der  der  Kirchenordnung  bei- 
gefügten „Kinderpredigten"  über  Luthers  Katechismus,  aus  denen  das  später  hinzu- 
gefügte Hauptstück  „vom  Amt  der  Schlüssel"  bekanntlich  stammt,  wird  hier  endlich 
aufgeklärt:  Osiander  und  Sleupner  treten  als  die  Vf.  des  massgebenden  Entwurfs 
aus  den  Akten  hervor;  dass  dabei  Osiander  der  Löwenanteil  zufallen  wird,  ist  nicht 
zu  bezweifeln.  Leider  hat  sich  der  fleissige  Vf.  mitunter  in  der  Umrechnung  der 
Daten  geirrt,  dadurch  auch  gelegentlich  die  richtige  Aufeinanderfolge  der  Ereignisse 
verschoben.  In  den  Beilagen  erhalten  wir  u.  a.  zum  ersten  Male  den  Wortlaut  der 
1528  zwischen  dem  Markgraftum  Brandenburg  und  Nürnberg  vereinbarten,  der  ersten 
Kirchenvisitation  zu  Grunde  gelegten  Kirchenordnung.  Hier  ist  in  dem  wichtigen 
Abschnitt  (S.  148),  der  die  Frage  erörtert,  wie  zu  verfahren  war,  wenn  sich  einmal 
keine  Kommunikanten  einstellten,  offenbar  statt  „messung"  (Zeile  3  v.  u.)  „niessung" 
zu  lesen,  und  zur  Sache  ist  Luthers  den  hier  vertretenen  Standpunkt  bekämpfende 
Ausführung  in  den  Schmalkaldener  Artikeln  (p.  306  Hase;  Erlanger  Ausgabe  252,  S.  176) 
zu  vergleichen.  Auch  für  die  kirchenpolitischen  Anschauungen  des  Nürnbergers 
Laz.  Spengler  bietet  die  Arbeit  wertvolle  Aufschlüsse.  —  Im  Anschluss  hieran  sei 
auch  noch  nachträglich  der  anspruchslosen,  aber  gut  unterrichteten  Arbeit  von 
Julius  Meyer204)  Erwähnung  gethan,  die  dem  Markgrafen  Georg  von  Brandenburg, 
dem  entschiedenen  und  bewussten  Förderer  der  Reformation,  ein  Ehrendenkmal  setzt, 
auch  ein  gutes  altes  Porträt  von  ihm  reproduziert.  — 

Ein  charakteristisches  Bild  aus  der  verworrenen  hessischen  Kirchen- 
geschichte in  der  zweiten  Hallte  des  16.  Jh.  mit  ihren  Abendmahlsstreitigkeiten  und 
der  beginnenden  Entfremdung  der  Ober-  und  Niederhessen  zeichnet  Bess205),  auch 
mit  Benutzung  von  archivalischem  Material,  in  dem  Lebensbilde  von  Kaspar  Tholde, 
dem  Nachfolg-er  Adam  Krafts  in  der  Marburger  Superintendentur.  Wir  sehen  in  ihm 
einen  sehr  unselbständigen,  stets  unter  der  Führung  energischerer  Persönlichkeiten 
stehenden  Mann;  offiziell  ist  er  das  Haupt  der  Geistlichkeit,  wird  aber  mehr  geführt, 
als  dass  er  die  Führung  hätte.  So  hat  er,  von  Hunnius  stark  beeinflusst,  gegen  Ende 
seines  Lebens,  obwohl  im  Grunde  seines  Herzens  ein  Mann  der  specifisch  hessischen, 
die  dogmatischen  Differenzen  ausgleichenden  Union  doch  zur  Verschärfung  des  Gegen- 
satzes nicht  unerheblich  beigetragen.  —  Bess206)  behandelt  auch  den  Marburger 
Philosophen  und  Theologen  Joh.  Heinr.  Tonsor  (gest.  1649)  auf  Grund  seiner 
Schriften,  die  ihn  durchaus  als  Scholastiker  in  der  Philosophie  wie  in  der  Theologie 
erweisen.  — 

Sehling207)  bringt  für  Ostfries land  den  Erweis,  dass  die  im  Staatsarchiv  zu 
Aurich  befindliche  undatierte  „Karken  Ordenynge  vor  den  Pastoren  und  Kareken 
Deneren"  thatsächlich  die  bisher  vermisste,  von  Martin  Ondermark  von  Celle  und 
Matthäus  Ginderich  von  Bardowieck  verfasste,  den  norddeutsch  lutherischen  Typus 
repräsentierende  Kirchenordnung  von  1535  ist.  Der  nachfolgende  Abdruck  ist  nicht 
ganz  frei  von  Fehlern ;  ob  diese  der  Hs.  oder  dem  Herausgeber  zur  Last  fallen,  weiss 
ich  nicht.  Inhaltlich  ist  die  Ordnung  besonders  interessant  durch  ihre  Vorschriften 
über  die  Art,  wie  das  Abendmahl  ausgeteilt  wird;  hier  zeigt  sich  meines  Erachtens 
ein  Einfluss  auch  der  braunschweigschen  Kirchenordnung  von  1528.  Ebenfalls  ist  von 
Bedeutung,  dass  auch  in  dieser  Ordnung  bereits  die  Augsburger  Konfession  von  1530 
als  Lehrnorm  für  die  Predigt  der  Kirchendiener  aufgestellt  wird  (S.  147).  — 

Niedersachsen.  Den  biographischen  Artikel  über  den  Reformator  von 
Göttingen  und  Schweinfurt,  Joh.  Sutellius,  liefert  Kretzschmar208);  doch  geht  für 
Göttingen  seine  Kenntnis  der  Litteratur  nicht  über  Havemann  (1842)  hinaus  ;  dass  wir 
eine  Reformationsgeschichte  Göttingens  von  G.  Erdmann  aus  dem  J.  1888  besitzen, 
ist  *ihm  unbekannt  geblieben.209)  —  Mit  gewohnter  Sorgfalt  ist  der  Artikel  Zimmer- 
manns210) über  den  Helmstädter  Professor  Tuckermann  (gest.  1651),  den  strengen 
Lutheraner  an  der  von  Calixt  und  seinem  Anhange  beherrschten  braunschweigschen 
Universität,  gearbeitet.  —  Der  Hashagenschen211)  Ausgabe  von  Predigten  Joh.  Arndts 

Auf  Grund  d.  Akten  dargest.  Erlangen,  Junge.  IV,  152  S.  M.  2,40.  |[G.  Bossert:  ThLBl.  15,  S.  621/2;  E.  Friedberg: 
DZKR.  4,  S.  340/1.] |  —  204)  Jul.  Meyer,  D.  Einführung  d.  Reformation  in  Franken.  Denkschrift  z.  Gedächtn.  an  d. 
350.  Jährest,  d.  Todes  Markgr.  Georg  d.  Frommen.  Mit  Portr.  Ansbach,  Brügel  &  Sohn.  1893.  25  S.  M.  1,00.  |[ThLBl.  17, 
S.  161.] |  —  205)  B.  Bess,  Kasp.  Tholde:  ADB.  33,  S.  52/5.  —  206)  id.,  Joh.  Tonsor:  ib.  S.  442.  -  207)  E.  Sehling,  D. 
Ostfries,  (sog.  Lüneburgische)  Kirchenordnung  v.  1535.  Eingel.  u.  zum  ersten  Male  her.:  DZKR.  4,  S.  129-56.  —  208)  J. 
Kretzschmar,  Joh.  Sutell:  ADB.  37,  S.  1967.  —  209)  X  ürban  Rhegius,  Seelen-Artzenei.  Nebst  e.  Lebensbeschreibung 
desselben  v.  G.  Haccius.  Hermannsbnrg,  Missionsbuchh.  12°.  82  S.  M.  0,90.  (Dient  Erbauungszwecken;  vgl.  Uhlhorn  über 
Rhegius    S.  149-50.)    —    210)    P.    Zimmermann,    P.  Tackermann:    ADB.  38,  S.  774/6.    —    211)    F.  Hashagen,    Joh.  Arndt. 


II  6  :  212-224  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

ist  statt  einer  Biographie  vielmehr  eine  Apologie  des  reinen,  korrekten  Luthertums 
dieses  Erbauungsschriftstellers  vorangeschickt  gegen  Ritschis  Behauptung,  Arndts 
„Wahres  Christentum"  sei  eine  Urkunde  für  die  schon  am  Anfang  des  17.  Jh.  ein- 
getretene Zersetzung  der  lutherischen  Lebensanschauung.  Die  übrigen  Schriften 
Arndts  bewiesen  ja  zur  Genüge  seinen  rein  lutherischen  Standpunkt,  müssten  daher 
für  die  Interpretation  des  angefochtenen  „Wahren  Christentums"  herangezogen  werden; 
die  von  H.  zum  Abdruck  gebrachten  Predigten  Arndts  sollen  helfen,  diesen 
Charakter  seiner  Lehre  zu  bezeugen,  und  sind  auch  zu  diesem  Zweck  ausgewählt.  — 
Wald.  Kawerau212)  giebt  in  frischen  Farben  ein  Bild  dss  Lebensganges  und  der  schrift- 
stellerischen Thätigkeit  des  Halberstädter  Propstes  Eberh.  Weidensee,  der  besonders 
in  seiner  kurzen  Wirksamkeit  an  St.  Jakobi  in  Magdeburg  (1524—26)  durch  populäre 
Flugschriften  im  Interesse  der  Reformation  kräftig  eingegriffen  hat.  Später  gehört 
seine  Arbeit  den  Städten  Hadersleben  und  Goslar  an.  —  Den  Kollegen  Weidensees, 
den  ehemaligen  Franziskaner  Johann  Fritzhans,  den  rührigen  Volksprediger  und  Volks- 
schriftsteller, behandelt  Wald.  Kawerau213)  in  einem  das  Lebensbild  jenes  mannigfach 
ergänzenden  Aufsatz.  —  Der  Magdeburger  Pastor  Torquatus  (gest.  1575)  interessiert 
nicht  nur  um  seiner  von  Boysen  1761  edierten  Annales  Magdeburgenses  et  Halber- 
stadenses  willen,  sondern  auch  als  gelehrter  Polemiker  gegen  den  römischen 
Cölibat  (1562).  Janicke214)  hat  ihm  einen  gut  orientierenden  Artikel  gewidmet.  — 
Tschackerts215)  Artikel  über  den  Bremer  Reformator,  den  Lutheraner  Joh.  Timann, 
ist  (teilweise  bis  auf  den  Ausdruck)  ein  Auszug  aus  Bertheaus  vortrefflichem  Artikel 
in  Herzogs  Realencyklpopädie  (152,  S.  664  ff.),  den  er  daher  auch  an  erster  Stelle 
unter  seinen  Quellen  nennt.  Wie  in  diesem  vermisse  ich  auch  bei  Tsch.  den  Hinweis 
auf  die  von  Spiegel  (ZHistTh.  1872,  S.  36  ff.),  veröffentlichten  Briefe  Timanns  über 
die  Kolloquien  in  Worms  und  Regensburg.  — 

Ueber  den  ersten  Reformator  in  Schleswig-Holstein,  den  Husumer 
Hermann  Tast,.  der  1522  mit  lutherischer  Predigt  im  Lande  begann,  handelt 
Carstens216).  Was  er  dabei  unter  dem  „Lied  Luthers"  versteht,  das  Tast  1524  unter 
so  grossem  Beifall  in  Garding  gesungen  haben  soll,  sagt  der  Vf.  nicht.  —  Seinem 
grösseren  Buche  über  den  „dänischen  Luther"  Joh.  Tausen  hat  L.  Schmitt211)  einen 
längeren  Auszug  vorangeschickt,  der  fast  zwar  nur  in  bösen  Dingen  die  Parallele 
zwischen  dem  dänischen  Schüler  Luthers  und  seinem  Meister  zu  führen  weiss,  aber 
doch  wenigstens  zu  giebt,  dass  auch  Tausen  gleich  Luther  auf  die  Bildung  seiner 
Muttersprache  verdienstlichen  Einfluss  geübt  und  schöne  Kirchenlieder  gedichtet 
habe.218)  — 

Mecklenburg.  Zu  einem  Facsimiledruck  der  kleinen  Schrift  „Wahrhaftige 
Entschuldigung"  des  Rostocker  Syndikus  Dr.  Joh.  Oldendorp  (1533)  hat  der  bekannte 
Freund  niedersächsischer  Litteratur  Frey  be219)  inParchim  eine  Einleitung  geschrieben, 
die  das  Lebensbüd  Oldendorps  bietet  bis  zum  Zeitpunkt  seines  Entweichens  nach 
Lübeck  1534,  wo  er  dann  in  Wullenwebers  Handel  bedeutsam  mitgewirkt  hat. 
Gegen  die  unvorteilhafte  Charakteristik,  die  Waitz  von  ihm  gegeben  hat,  sucht  F. 
ihn  wenigstens  für  die  Zeit  seiner  Wirksamkeit  in  Rostock  entschieden  in  Schutz 
zu  nehmen.  Er  ist  ihm  hier  der  verdiente  Führer  der  evangelischen  Partei,  der 
zwar  um  seines  entschiedenen  Bekenntnisses  willen  ungegründeten  Verdächtigungen 
der  altkirchlichen  Partei  ausgesetzt  ist,  jedoch  sachlich  völlig  gerechtfertigt  dasteht. 
Aber  sein  Verfahren,  seine  Entlassung  aus  dem  Rat  zu  fordern,  um  dann  von  der 
erregten  Bürgerschaft  sich  gewaltsam  wieder  einsetzen  zu  lassen,  ist  doch  wohl  als 
ein  demagogischer  Kniff  bedenklicher  Art  zu  bezeichnen.  Bezüglich  des  in  dem 
facsimilierten  Druck  von  L.  Dietz  häufig  vorkommenden  e  mit  übergesetztem  e 
sei  an  die  Bemerkungen  von  Wiechmann-Kadow  in  seinem  Neudruck  des  Slüterschen 
Gesangbuches  von  1531  (S.  68)  erinnert.  —  Das  Wenige,  was  sich  über  Heinrich 
Techen  ermitteln  lässt,  der  1534  in  Rostock  als  „oberster  Prädikant"  angenommen, 
aber  verdächtigen  Verkehrs  mit  Wiedertäufern  beschuldigt  wurde  und  1540  wegen 
Streites  mit  Universität  und  Rat  sein  Amt  aufgeben  musste,  stellt  Hofmeister220) 
zusammen.221)  —  Die  Theologen  Paul  Tarnow  (geb.  1562,  gest.  1633  als  Professor 
in  Rostock)  und  seinen  Neffen  Joh.  Tarnow  (geb.  1586,  gest.  1629)  behariflelt 
Tschackert222"223).  Ich  verstehe  nur  nicht,  warum  er  sowohl  Tholucks  Lebens- 
zeugen der  lutherischen  Kirche  (S.  165  ff.)  als  auch  0.  Krabbes  „Aus  dem  kirchlichen 


Ausgew.  Predigten.  Mit  e.  einl.  Monographie.  (=  Predigt  d.  Kirche.  Bd.  XXVI.)  L.,  Fr.  Richter.  LYI,  128  S.  M.  1,60. 
|[Kon8Mschr.  S.  659-60.JI  —  212)  W.  Kawerau,  Eberh.  Weidensee  u.  d.  Reformation  in  Magdeburg.  (=  Njbll.  her.  v.  d. 
hist.  Komm.  d.  Prov.  Sachsen.  N.  18.)  Halle  a.  S.,  Hendel.  42  S.  M.  1,00.  |[H.  Löschhorn:  ZKG.  15,  S.  154.] |  -  213)  id., 
Joh.  Fritzhans:  GBllMagdeburg.  29,  S.  214-42.  —  214)  K.  Janicke,  Torquatus:  ADB.  38,  S.  455/7.  —  215)  P.  Tschackert, 
Joh.  Tiraann:  ib.  S.  352/4.—  216) C.  E  Carstens,  Herrn.  Tast:  ib.  37.  S.  413/4.  —  217)  L.  Schmitt,  D.  dän.  Luther:  Hans 
Tausen  (1494—1561):  HPB11.  114,  S.  629-46.  —  218)  X  C.  Bertheau,  D.  Vorgesch.  d.  Lauenburg.  Kirchenordnung: 
AVGLauenburg.  4,  S.  1-26.  —  219)  (I  5:70.)  -  220)  Ad.  Hofmeister,  H.  Techen:  ADB.  37,  S.  524/5.  —  221)XK.Kopp- 
mann,  Dr.  Joh.  Kittel,  Prof.  d.  Theol.  n.  Superint.  zu  Rostook.  1561-63:  JbbVMecklG.  59,  S.  144-76.  —  222)  P.  Tschackert, 
P.  Tarnow:  ADB.  37,  S.  398/9.  —  223)  id.,  Joh.  Tarnow:  ib.  S.  397/8.  —  224)  H.  Landwehr,  Joachims  II.  Stellung  z.  Kon- 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  11  6  =  224-237 

und    wissenschaftlichen    Leben   Rostocks"     (1863,    S.    46  ff.,    49  ff.)    dabei    unbenutzt 
gelassen  hat.  — 

Landwehr224)  verarbeitet  das  im  zweiten  Bande  der  Strassburger  politischen 
Korrespondenz  und  in  den  vier  ersten  Bänden  der  Nuntiaturberichte  niedergelegte 
Material  zu  genauerer  Erforschung  der  kirchlichen  Stellung  Joachims  II.  von  Branden- 
burg. Das  Bild  dieses  Fürsten  hebt  sich  dabei  in  Bezug  auf  Selbständigkeit  in 
seinen  Ideen  und  Handlungen,  deren  Kennzeichen  war,  dass  seiner  kaiserfreundlichen 
Politik  sich  selbständige  theologische  Interessen  beigesellten.  Im  Anhang  teilt  B. 
die  Bulle  Pauls  III.  mit,  in  der  dieser  den  Fürsten  und  Ständen  des  sächsischen 
Kreises  (10.  Sept.  1536)  das  Konzil  von  Mantua  ankündigte.  —  Parisius225)  behandelt 
auf  Grund  der  im  Berliner  Staatsarchiv  befindlichen  Protokolle  anschaulich  die 
grundlegende  erste  brandenburgische  Kirchen  Visitation,  als  deren  Arbeitskraft  vor 
allem  Kanzler  Johann  Weinleben  neben  dem  Hofprediger  Jakob  Stratner  hervortritt. 
Beachtenswert  ist  das  Bild,  das  er  von  dem  zwar  reformationsfreundlichen,  aber 
energie-  und  daher  autoritätslosen  Bischof  Matthias  von  Jagow  zeichnet,  einer 
Persönlichkeit,  die  meist  bedeutend  überschätzt  werde.  Er  sucht  daraus  zu  erklären, 
warum  dieser  Mann  so  auffallend  in  der  weiteren  Entwicklung  des  evangelischen 
Kirchentums  in  der  Mark  zurücktrete.  Er  sei  wohl  auch  zu  wenig  geistliche 
Persönlichkeit  gewesen,  wie  seine  Verfehlungen  gegen  den  Cölibat  aus  der  Zeit 
seiner  katholischen  Prälatur  bewiesen.  —  Eine  kurze  Familiengeschichte  und 
Charakteristik  der  märkischen  Kanzler  von  Heintz  von  Kracht  (1440)  bis  auf 
Joh.  Weinleben  (1540—58)  giebt  Holtze226  227).  Ebenso  bringt  er  Biographisches 
über  den  märkischen  Schulmann  und  Chronisten  Peter  Hafftitz  (geb.  1530,  gest. 
nach  1600),  und  er  charakterisirt  sein  nur  h£.  erhaltenes  Mikrochronolo- 
gicon:  trotz  mancher  Entlehnungen,  deren  Quelle  er  nicht  nennt,  in  vielem 
selbständig,  mit  gutem  Urteil  und  einer  gewissen  Aufklärung  dem  Volksaberglauben 
gegenüber,  dabei  voll  Hasses  gegen  den  Papst  wie  gegen  die  Calvinisten. 
Unzuverlässig  sind  seine  Jahreszahlen.  H.  teilt  die  auf  Berlin  bezüglichen  Stellen 
mit  und  kommentiert  sie.  — 

Aus  genauer  Kenntnis  der  Quellen  ist  das  Bild  geflossen,  das  Tschackert228) 
von  der  Persönlichkeit  des  deutschen  Hochmeisters  Albrecht  von  Preussen  zeichnet 
unter  den  Aufschriften:  Wie  Albrecht  dazu  kam,  der  Reformation  beizutreten;  Was 
er  für  die  Reformation  in  Preussen  that;  Wie  viel  er  über  die  Grenzen  seines  Landes 
hinaus  für  den  Protestantismus  überhaupt  geleistet  hat.  Indem  Tsch.  die  trüben  Zeiten 
der  osianderischen  Streitigkeiten  und  des  Siechtums  des  alternden  Herzogs  nur  leise 
streift,  den  körperlich  und  geistig  siech  gewordenen  nicht  mehr  voll  für  jene  späteren 
Zeiten  verantwortlich  sein  lässt,  kann  er  pietätvoll  und  ungestört  bei  den  freundlichen 
und  erfreulichen  Zügen  im  Bilde  dieses  Hohenzollern  verweilen.  Da  die  Quellen, 
aus  denen  er  schöpft,  vor  allem  in  seinem  dreibändigen  Urkundenbuch  (Leipzig  1890) 
gesammelt  sind,  so  konnten  die  Anmerkungen  meist  in  kurzen  Verweisungen  auf 
dieses  Werk  bestehen.  Betreffs  der  Datierung  von  Luthers  Schreiben  an  den  Deutsch- 
orden tritt  er  den  Ausführungen  Gust.  Kaweraus  (Weim.  Ausg.  12,  S.  228ff.)  bei,  und 
er  setzt  es  nicht  mehr  wie  im  Urkundenbuch  in  den  März,  sondern  in  den  Dec.  1523; 
somit  ist  es  auch  nicht  der  freien  Initiative  Luthers  entsprungen,  sondern  Ergebnis 
des  Besuches  Albrechts  bei  Luther,  eine  zwischen  beiden  verabredete  Arbeit.  Gegen 
Benrath  hält  Tsch.  daran  fest,  dass  in  der  Königsberger  Reformationsgeschichte 
Briessmann  die  Priorität  vor  Amandus  zuzugestehen,  letzterer  ausserdem  nicht  als 
ein  „tüchtiger"  Charakter,  sondern  als  ein  „demagogischer  Hetzer"  zu  beurteilen  sei. 
Ausführlichere  Nachweisungen  hierüber  stellt  er  in  Aussicht.229-231)  — 

Die  reformierten  Gebiete:  Schweiz.232"234)  Der  Artikel  von 
Tschackert235)  über  den  lutheranisierenden  Baseler  Antistes  Simon  Sulzer  (gest.  1585) 
ist  leider  ohne  Benutzung  der  neueren  Litteratur  verfasst:  dass  wir  neuerdings  einen 
Briefband  Sulzerana  (Heidelberg  1886)  und  eine  Monographie  über  Sulzer  von 
G.  Linder  (Heidelberg  1890)  besitzen,  scheint  dem  Vf.  unbekannt  geblieben  zu  sein.  — 

Elsass-Lothringen.236)     Köstl  ins237)  Studien  zur  Geschichte  derSeelsorge 


zilsfr.ige.  I.  Bis  z.  Frankf.  Anstand:  FBPG.  6,  S.  529-60.  |[G.  Kawerau:  ZKG.  15,  S.  150/1.] |  —  225)  A.  Parisius,  Z. 
Erinner,  an  d.  erste  brandenburg.  Generalkirchen  Visitation:  DEB11. 19,8.  660-78.  —  226)  F.  Holtze,  D.  ältesten  mark.  Kanzler 
u.  ihre  Familien:  FBPG.  7,  S.  181-233.  —  227)  (I  3:  177;  H  3:62.)  —  228)  P.  Tschackert,  Herz.  Albrecht  v.  Preussen 
als  reformat.  Persönlichkeit.  (=  Schriften  d.  Ver.  für  Reformationsgesch.  N.  45.)  Halle  a.  8.,  Niemeyer.  104  8.  M.  1,20.  — 
229)  X^-Boetticher,  D.  Anfänge  d.  Reformation  in  d.  preuss.  Landen  ehemals  poln.  Anteils  bis  z.  Krakauer  Frieden, 
8.  Apr.  1525.  Diss.  Königsberg  i.  Pr.  44  8.  -  230)  X  H.  J.  Böthführ,  Sylv.  Tegetmeyer:  ADB.  37,  S.  529-30.  (T.  aus  Ham- 
burg, führte  d.  Reformat.  in  Riga  ein.)  —  231j  X  Th.  Schiemann,  Materialien  zur  Gesch.  d.  Reformat.  in  Riga  u.  Roval. 
Aus  d.  Revaler  Stadtarch.  mitget.:  BKELK.  4,  S.  65-82.  —  232)  X  H.  Escher,  Zwingiis  Gutachten  über  e.  Bündnis  mit 
Konstanz,  Lindau  u.  Strassburg.  Sommer  1527:  AnzSchVG.  25,  8.  25/9.  —  233)  X  J-  Strickler,  Zwingiis  Gutachten  über  e. 
Bündnis  mit  evang.  Reichsstädten  (1527?,  1529?):  ib.  S.  85/8.  —  234)  X  Tn-  Burckhardt-Biedermann,  Basels  erstes  Re- 
formationsmandat: ib.  S.  117-26.  —  235)  P.  Tschackert,  8.  Sulzer:  ADB.  37,  S.  154/5.  —  236)  X  *"■  Grimme,  Wolfg. 
Musculus:  JbGesLothrG.  5,  S.  1-20.  —  237)  H.  A.  Köstlin,  D.  Wandlungen  im  Begriff  d.  Seelsorge:  Halte  was  du  hast  17, 


II  6:238-246  G*  Kaweräu,  Luther  und  die  Reformation. 

verdienen  Erwähnung-,  da  sie  eingehend  Bucers  Schrift  „Von  der  wahren  Seelsorge", 
Strassburg  1539,  behandeln  (S.  293—306)  und  auch  Luthers  Auffassung  der  seelsorger- 
lichen Aufgabe  auf  Grund  von  Portas  Pastorale  Lutheri,  Eisleben  1582,  dargestellt 
wird.  —  Erichson238)  liefert  den  interessanten  Nachweis,  dass  Calvins  Sonntags- 
Gottesdienstordnung,  deren  älteste  Recension  sich  in  einem  Strassburger  Druck  von 
1542  erhalten  hat,  mit  ganz  geringen  Abweichungen  aber  auch  in  der  Genfer  Forme 
des  prieres  wiederkehrt,  genau  der  Strassburger  Liturgie  nachgebildet  ist,  wie  sie  in 
der  Schrift  „Der  Psalter  mit  aller  Kirchenübung"  1539  und  schon  in  einem  älteren, 
wahrscheinlich  auf  1537  zu  datierenden  Druck  vorliegt.  An  der  Priorität  der  deutschen 
Gestalt  dieser  Liturgie  ist  daher  nicht  zu  zweifeln;  Calvin  ist  hier  der  Entlehnende. — 
Während  Strassburgs  grösster  Staatsmann  Jakob  Sturm,  eine  der  „vornehmsten  und 
anziehendsten  Erscheinungen  des  16.  Jh.",  von  Winckelmann239)  sachkundig  und 
mit  feiner  Charakteristik  biographisch  behandelt  worden  ist,  hat  Strassburgs  grosser 
Schulrektor  Johannes  Sturm  in  Ziegler240)  einen  Biographen  gefunden,  der  sich 
ebenso  vor  dem  überschwenglichen  Rühmen  zu  hüten  weiss,  wie  er  auch  durch  Be- 
trachtung der  Zeit  und  ihrer  Bedürfnisse  ihn  gegen  das  Verurteilen  nach  ungeschicht- 
lichen Massstäben  in  Schutz  nimmt.  Z.  beachtet  mit  Recht,  dass  bei  dem  vielge- 
wandten Humanisten  das  religiöse  Moment  der  Erziehung  bei  weitem  nicht  in  der 
Kraft,  wie  z.  B.  bei  Trotzendorf,  besteht,  dass  zwar  aus  der  Betonung  der  lateinischen 
eloquentia  an  sich  ihm  kein  Vorwurf  zu  machen  ist,  wohl  aber  aus  der  Ueberspannung 
des  Unterrichtszieles,  dass  er  sich  einbildet,  die  perfecta  eloquentia  eines  Cicero 
wirklich  erreichen  zu  können,  und  dass  er  den  gesamten  Sprachunterricht  rhetorischen 
Gesichtspunkten  unterordnet.  Gegen  Pachtler  hält  der  Vf.  es  für  sehr-  wahrscheinlich, 
dass  Sturm  auch  den  jesuitischen  Humanismus  beeinflusst  hat.241"243)  — 

Weiffenbach244),  der  schon  früher  den  Katechismus  des  Wormser  Predigers 
Leonhard  Brunner  von  1543  ans  Licht  gezogen,  macht  uns  jetzt  mit  einer  noch 
älteren  Schrift  desselben  bekannt:  „Billige  Antwort  aus  heil.  Schrift  auf  29  Artikel, 
von  Dechant  und  Capitel  des  Stifts  zu  Worms  gefragt"  1530.  Ermutigt  durch  die 
Zeitlage,  hatte  das  Domkapitel  einen  Vorstoss  gegen  die  Evangelischen  der  Stadt 
und  ihre  Prediger  gemacht.  In  der  am  9.  Mai  1530  erschienenen  Schrift  liegt 
Brunners  gründliches,  selbständiges  und  tapferes  Bekenntnis  in  Beantwortung  der 
vom  Kapitel  gestellten  Fragen  vor.  Der  Vf.  bezeugt  sich  darin  als  Vertreter  etwa 
der  Strassburger  Lehrweise.  Kindertaufe  ist  weder  verboten  noch  geboten,  sondern 
christlicher  Freiheit  anheimgestellt;  im  Abendmahl  handelt  es  sich  nicht  nur  um  ein 
Zeichen,  sondern  um  einen  geheimnisvollen  geistlichen  Genuss  der  Gläubigen.  Den 
Bildern  gegenüber  vertritt  er  den  schroffen  Standpunkt  Zwingiis.  W.s  wörtliche 
Auszüge  geben  ein  anschauliches  Bild  von  der  sehr  seltenen,  in  der  Utrechter 
Universitätsbibliothek  in  einem  Exemplar  erhaltenen  Schrift.  — 

Riggenbach245)  macht  uns  auf  Grund  eines  leider  defekten  Druckes  im 
Besitz  der  „Vaterländischen  Bibliothek"  zu  Basel  mit  einer  1563  in  Basel  gedruckten 
Kirchenordnung  für  die  kleine  Grafschaft  Schweinsberg  bekannt.  Der  Vf.  ist 
der  Baseler  Pfarrer  und  Professor  Huldricus  Coccius  (Koch),  über  den  wir  hier 
Näheres  erfahren.  Zu  Grunde  liegt  aber  die  Marburger  Kirchenordnung  von  1557 
(Richter,  Kirchenordnungen  2,  S.  503  ff.).  Die  Lehre  dieser  Schrift  ist,  z.  B.  betreffs 
der  Taufe,  die  der  helvetischen  Konfession,  aber  mit  mancher  lutheranisierenden 
Wendung.  Interessant  ist  dabei,  dass  die  kurze  Lehrdarstellung  in  Kap.  4  der 
Dreiteilung  des  eben  erschienenen  Heidelberger  Katechismus  sich  anschliesst,  ob- 
gleich der  als  Lehrschrift  neben  der  Confessio  Augustana  genannte  Katechismus  doch 
wohl  der  lutherische  ist.  Die  Taufliturgie  ist  die  lutherische,  aber  mit  einigen  Ab- 
schwächungen;  nach  hessischem  Muster  ist  eine  Konfirmationsliturgie  aufgestellt. 
In  den  Kapiteln  vom  Abendmahl  sind  die  streitigen  Lehrfragen  möglichst  umgangen, 
das  Interesse  konzentriert  sich  hier  auf  Fragen  der  Kirchenzucht,  um  unwürdige 
Kommunikanten  fernzuhalten.  — 

Einen  schönen  Beitrag  zur  Geschichte  der  pfälzischen  Kirche  unter 
Friedrich  III.  liefert  Bonnard246)  in  seinem  Buche  über  Thomas  Erast.  Es  ist  nicht 
seine  Absicht,  eine  vollständige  Biographie  des  theologisierenden  Arztes  zu  geben, 
sondern  er  beschränkt  sich  auf  eine  genaue  Darstellung  des  zwischen  Erast  und 
Genossen  einerseits,  den  strengen  Calvinisten  Olevianus  und  Genossen  andererseits 
1568  entbrannten  Kampfes  über  die  Kirchenzucht,  in  welchem  ersterer  der  calvinischen 

S.  297-322.  -  238)  A.  Erichson,  D.  k.ilvinische  u.  d.  altstrassburg.  Gottesdienstordnung.  B.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Liturgie 
in  d.  evang.  Kirche.  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  35  S.  M.  0,80.  —  239)  O.  Winckelmann,  Jak.  Sturm;  ADB.  37,  S.  5-20.  — 
240)  (II  5:36.)  —  241)  X  L  Bleeck,  D.  Augsburger  Interim  in  Strassburg  i.  E.  Diss.  Berlin.  1893.  37  S.  —  242)  X 
E.  Kleinwächter,  D.  Metzer  Reformations  versuch.  1542  43.  Diss.  Marburg.  (L,  Fock )  67  S.  —  243)  X  G-  Matthis, 
Bilder  aus  d.  Kirchen-  u.  Dörfergesch.  d.  Grafsch.  Saarwerden  (zugleich  2.  Bd.  d.  „Leiden  d.  Evangelischen  in  d.  Grafsch. 
Saarwerden").  Strassburg  i.  E,  Heitz.  VII,  370  S.  M.  3,00.  —  244)  W.  Weiffenbach,  L.  Brunners  „Billige  Antwort": 
Halte  was  du  hast  17,  S.  253-69.  |[G.  Kawerau:  ZKG.  15,  S.  149-50.]|  —  245)  B.  Riggenbach,  E.  bisher  unbek.  Kirchen- 
ordnung aus  d.  16.  Jh.:  ib.  S.  202-21.  —  246)  A.  Bonnard,  Thomas  graste  (1524—83)  et  la  Discipline  ecclesiastique.  These. 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  Q  .  247- 203 

Anschauung*  den  Satz  entgegenstellt,  dass  die  Ausübung  der  Sittenzucht,  die  disciplinare 
Thätigkeit,  Sache  des  christlichen  Staates,  nicht  der  Kirche  sei.  Der  Vf.  hat  ausser 
den  gedruckten  Quellen  auch  die  Briefschätze  der  Simmlerschen  Sammlung  in  Zürich 
fleissig  benutzt.  Nebenbei  liefert  er  sichere  Ermittelungen  über  den  Familiennamen 
(Lüber)  und  die  Heimat  (Baden  in  der  Schweiz)  des  Erast,  bring-t  auch  einen  neuen 
Beweis  dafür  bei,  dass  er  der  Vf.  des  1891  durch  Doedes  wieder  ans  Licht  gezogenen 
„Büchlein  vom  Brotbrechen"  (1561)  gewesen  ist.  Auch  die  auffällige  Stellungnahme 
des  Arztes  gegen  seinen  Kollegen  Wier  in  der  Hexenprozessfrage  findet. Erörterimg. 
Eine  fast  vollständige  Bibliographie  der  Schriften  des  Erast  macht  den  Beschluss. 
Einige  Ergänzungen  dazu  könnte  die  Breslauer  Stadtbibliothek  liefern,  die  auch 
einige  Briefe  von  ihm  aufbewahrt.  —  Tschackert247)  giebt  einen  kurzen  Artikel 
über  den  durch  sein  tragisches  Ende  berühmt  gewordenen  piälzischen  Antitrinitarier 
Joh.  Sylvanus,  den  Friedrich  III.  1572  in  Heidelberg  enthaupten  Hess;  Neues  ist 
darin  nicht  zu  finden.  (Auch  Bonnard  giebt  im  eben  genannten  Buche  [S.  52]  eine 
gute  Charakteristik  von  Sylvanus.)  —  Den  Proselyten  aus  dem  Judentum  und  Professor 
des  Alten  Testaments  an  der  Heidelberger  Universität,  Immanuel  Tremellius,  den  Vf. 
einer  oft  aufgelegten  neuen  lateinischen  Uebersetzung  des  Alten  Testaments,  der, 
1577  entlassen,  in  Metz  und  dann  an  der  neugegründeten  Akademie  in  Sedan  Unter- 
kommen fand  (gest.  1580),  behandelt  Ney248).  —  Die  beiden  Tossanus,  Vater  und 
Sohn,  hat  Cuno249-250)  in  gehaltvollen  Artikebi  behandelt.  Der  Vater  Daniel 
(geb.  1541,  gest.  1602)  wird  nach  längerer,  mannigfach  gefährdeter  Wirksamkeit 
auf  französischem  Boden  1573  als  Hofprediger  nach  Heidelberg  berufen,  hatte  den 
Auftrag,  die  Oberpfalz  vom  Luthertum  zum  Calvinismus  zu  bekehren,  wobei  er  auf 
'  heftigen  Widerstand  stiess.  Nach  dem  Tode  seines  Gönners  und  nach  der  lutherischen 
Reaktion  in  der  Kurpfalz  fand  er  gleich  anderen  Unterkunft  in  Neustadt  a.  d.  Hardt, 
wo  er  als  Generalsuperintendent  im  Ländchen  des  Pfalzgrafen  Johann  Kasimir,  dann 
auch  als  Professor  Beschäftigung'  hatte;  er  zog  dann  1583  als  Hofprediger  dieses 
Fürsten  wieder  in  Heidelberg  ein.  Sein  Leben  ist  ein  Kampf  wider  Jesuiten,  Lutheraner 
und  Schwenkfeldianer.  Die  Schriften  gegen  letztere  schätzt  C.  besonders  hoch,  dessen 
Darstellung  übrigens  in  einer  nicht  angenehmen  Weise  konfessionell  reformiert  ge- 
färbt ist.  Der  Sohn  Paul  (geb.  1572,  gest.  1634),  Professor  der  Theologie  in  Heidel- 
berg, kommt  besonders  wegen  seines  1617  erschienenen  grossen  Bibelwerkes  in 
Betracht,  das  Luthers  Uebersetzung  „mit  trefflichen  Erklärungen  des  Herausgebers 
und  wörtlicher  Uebersetzung*  aller  Stellen,  die  Luther  nicht  richtig*  übersetzt  hat", 
enthält  und  zahlreiche  Auflagen  erlebt  hat.  —  Den  Reformator  von  Bergzabern, 
Nikolaus  Thomä  (gest.  1546),  der  hier  unter  dem  Schutz  Ludwigs  von  Zweibrücken 
ungehindert  wirken  konnte,  seit  1543  unterstützt  von  dem  englischen  Flüchtling 
Myles  Coverdale,  behandelt  ein  Artikel  von  Ney251).  Thomä  ist  in  der  Abendmahls- 
lehre Zwinglianer.  Seine  Briefe  (Thomasarchiv  zu  Strassburg*  i.  E.)  sind  eine  der 
wichtigsten  Quellen  der  pfälzischen  Reformationsgeschichte.  —  Lindenborn252)  teilt, 
veranlasst  durch  das  Interesse,  das  die  Arbeiten  für  die  neue  preussische  Agende 
auch  für  die  ältere  Agendenlitteratur  erwecken,  Einiges  aus  den  beiden  lutherischen 
Ordnungen,  der  des  Pfalzgrafen  Ludwig  1577  und  der  Sponheimer  1600,  und  aus  der 
pfälzischen  reformierten  Agende  von  1563  mit;  dass  es  über  diese  und  andere 
pfälzische  Kirchenordnungen  ein  treffliches  Werk  von  H.  Bassermann  giebt  (Stutt- 
gart 1891),  scheint  ihm  dabei  freilich  ganz  unbekannt  geblieben  zu  sein.253-255)  — 
Auf  Grund  der  von  der  Marnix- Vereinigung  1881  veröffentlichten  „Hande- 
lingen van  den  Kerkeraad  der  geheime  Nederlandsche  Hervormde  gemeente  te  Keulen 
von  1571  tot  91"  zeichnet  Simons256  257)  in  seiner  Bonner  Antrittsvorlesung  das 
Bild  einer  altkölnischen  reformierten  Seelsorgegemeinde,  das  anziehende,  ja  be- 
wunderungswürdige Bild  einer  mitten  im  Druck  der  Verfolgung  ein  reiches  Leben 
in  Seelsorge,  Armenpflege  und  Sittenzucht  entfaltenden  Gemeinde.  In  seinem 
grösseren  Buche  schildert  er  auf  Grund  tüchtiger  Studien  die  Bestimmungen  der 
niederrheinischen  Kirchenordnungen  über  die  Organisation  der  Armenpflege  als 
Gemeindesache  und  den  dafür  geschaffenen  Diakonat,  sodann  die  Ausführung  und 
Verwirklichung  dieser  Grundsätze  in  den  einzelnen  niederrheinischen  Gebieten. 
Daran  schliessen  sich  die  Abschnitte  über  den  Niedergang,  die  Nachwirkung  und 
die  Bedeutung*  dieser  Organisation  für  die  Gegenwart.258)  — 

Lausanne,  G.  Bridel  &  Co.  222  S.  —  247)  P.  Tschackert,  Joh.  Sylvanus:  ADB.  37,  S.  285/6.  —  248)  J.  Ney,  Imm. 
Tremellius:  ib.  38,  S.  563/5.  -  249)  F.  W.  Cuno,  Dan.  Tossanus:  ib.  S.  469-74.  —  250)  id.,  Paul  Tossanus:  ib.  S.  474/5.  — 
251)  J.  Ney,  Nik.  Thomä:  ib.  S.  64.  —  252)  A.  Lindenborn,  3  pfälz.  Kirchenordnungen  aus  d.  16.  Jh.,  verglichen  mit  d. 
Entwurf  d.  neuen  preuss.  Agende:  KM.  13,  S.  309-19.  —  253)  X  W.  6.  Freund,  Method.  Entwürfe  u.  Präparationen  zu  d. 
Heidelberger  Katechismus.  Siegen,  Selbstverl.  203  S.  M.  1,80.  —  254)  X  P-  W.  Cuno,  Bernh.  Textor:  ADB.  37,  S.  623. 
(Inspekt.  d.  Kirchen  in  Nassau;  gest.  1602.)  —  255)  X  W.  Thümmel,  Warum  misslang  d.  Reforraationsversuch  d.  Erzbisch. 
Hermann  v.  Wied?  Vortr.  (=  Freundschaftl.  Streitschriften.  N.  56.)  Barmen,  Wiemann.  2t  S.  M.  0,30.  —  256)  E.  Simons;, 
E.  altköln.  Seelsorgegemeinde  als  Vorbild  für  d.  Oegenw.:  Halte  was  du  hast  17,  S.  155-65.  |[Stromberger:  ThLZ.  19, 
S.  665,6.]|  —  257)  id.,  D.  älteste  evang  Gemeidearmenpflege  am  Niederrhein  u.  ihre  Bedeut.  für  unsere  Zeit.  Bonn,  Strauss. 
IV,  166  S.  M.  3,00.  |[Stromberger:  ThLZ.  19,  S.  665.]|  —  258)  X  Ed.  Jacobs,  Joh.  Meinertzhagen  u.  d.  Interim; 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (2)12 


II  6:259-271  G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation. 

Der  niederländische  Caspar  Swerinckhuizen  ](auch  Grevinckhoven),  geb. 
1550  zu  Dortmund,  gest.  1606  als  angesehener  reformierter  Prediger  in  Rotterdam, 
wird  uns  durch  van  Slee259)  als  Polemiker  gegen  Katholiken  und  Taufgesinnte  bekannt 
gemacht.  —  Van  Slee260)  giebt  auch  ein  Lebensbild  des  scharfen  remonstrantischen  Pole- 
mikers gegen  den  Calvinismus,  Jacobus  Taurinus  in  Utrecht,  der  sich  noch  auf  dem  Sterbe- 
lager als  der  Vf.  der  anonymen  Streitschrift  „Weegschael"  bekannte  (gest.  1618).  — 
In  dem  Artikel  über  Anton  Thysius  (1565—1640)  zeichnet  van  Slee261)  ein  Mitglied 
der  Dortrechter  Synode,  aber  eines  von  milderer  Denkungsart.  Thysius  war  Professor 
in  Harderwick,  seit  1619  in  Leiden.262"263)  — 

Die  mühsam  aus  weitschichtiger Litteratur  gesammelten  Angaben  Scheichls264) 
über  alle  Emigrationen,  die  aus  religiösen  Motiven  von  Spanien,  den  Niederlanden, 
Italien  und  Frankreich  her  seit  1500  erfolgt  sind,  über  Anlass  der  Auswanderung,  Zahl 
der  reformierten  Flüchtlinge  und  die  Zufluchtsstätten,  an  denen  sie  Aufnahme 
fanden,  dienen  dem  kulturgeschichtlichen  Interesse,  nachzuweisen,  was  für  Gewerb- 
thätigkeiten  durch  diese  Emigranten  an  neue  Stätten  verpflanzt  worden  sind.  Das 
interessante  Büchlein  bietet  daher  für  die  Litteraturgeschischte  direkt  keine  Aus- 
beute.265) — 

Kleine  Gruppen  und  Sektierer:  Wiedertäufer.  In  seinem  kleinen 
Artikel  über  Markus  Thomae,  einen  der  Zwickauer  Propheten,  erklärt  Tschackert266) 
den  Thomae  wieder  für  einen  Tuchmacher  und  unterscheidet  von  ihm  den 
„Literatus"  Mark.  Stübner.  Nicht  erwähnt  wird  dabei,  dass  schon  Seidemann  in 
seinem  „Th.  Münzer"  mit  gewichtigen  Gründen  für  die  Identität  beider  aufgetreten 
ist  —  schreibt  doch  Münzer  an  Thomae  lateinisch  und  tituliert  ihn  mit  „Erudito 
viro"  — ;  dass  ferner  Köstlin  (Luther  l2,  S.  804  f.)  die  Beweisführung  für  die 
Identität  beider  in  möglichster  Vollständigkeit  gegeben,  dass  auch  Kolde  (2,  S.  38) 
diese  für  eine  zweifellos  erwiesene  Sache  hält.  Warum  wird  denn  in  einem  Werke 
wie  der  ADB.  nicht  eine  Berichterstattung  über  den  heutigen  Stand  der  Untersuchung 
gegeben?  Der  Artikel  erweckt  den  Schein,  als  wenn  seit  Erbkam  1848  niemand 
mehr  sich  zur  Frage  geäussert  hätte.  —  Poppe267)  veröffentlicht  einen  Brief 
Th.  Münzers  an  die  Ratsherrn  zu  Allstedt  „Sontag  Ciriaci  1524"  (?  der  Sonntag 
war  der  7.  Aug.,  Cyriaci  der  8.);  er  betrifft  seine  Flucht  aus  Allstedt.  Andere 
Dokumente  beziehen  sich  auf  einen  evangelisch  gewordenen,  von  Herzog  Georg- 
gefänglich  eingezogenen  und  dann  zum  Romzuge  begnadeten  Priester  Leonhard 
Burekart.  —  Ein  interessantes  Porträt  des  Münsterschen  „Königs",  des  Wiedertäufers 
Johann  von  Leyden268),  reproduziert  nach  einer  Denkmünze  im  Berliner  Museum 
„Daheim".  Das  Bild  verdient  Beachtung  neben  Aldegrevers  Kupferstich,  den 
Bezold  in  seine  Reformationsgeschichte  (S.  711)  aufgenommen  hat.  —  Dettmer269) 
teilt  aus  einer  Hs.  im  Staatsarchiv  zu  Münster  den  Bericht  eines  Anonymus 
mit,  der  die  ausführlichste  gleichzeitige  Darstellung  aus  den  unruhigen  Tagen  des 
Jahres  1534  (29.  Jan.  —  25.  Febr.)  enthält,  ehe  Knipperdolling  und  Kibbenbroick, 
unter  dem  Einfluss  der  Melchioriten  auf  den  Bürgermeister,  in  Münster  auf  gesetzlichem 
Wege  als  Häupter  der  Täuferpartei  zu  den  höchsten  Aemtem  der  Stadt  gelangten. 
Ein  zweiter  Teil  derselben  Hs.  enthält  Nachrichten  über  die  von  den  Wiedertäufern 
an  Kirchen  und  Klöstern  verübten  Verwüstungen,  über  die  Durchführung  der  Güter- 
gemeinschaft usw.  Soweit  sich  darin  Neues  vorfindet,  ist  es  von  D.  ausgehoben. 
Als  Vf.  dieses  Teils  der  Hs.  wird  der  in  den  Quellen  zum  Münsterschen  Aufruhr 
mehrfach  genannte  Ueberläufer  Hermann  Ramert  erwiesen,  der  den  Belagerern  den 
Mordanschlag  gegen  den  Bischof  verriet.  Endlich  werden  aus  demselben  Ms.  zwei 
Formen  der  Satzungen  der  Wiedertäufer,  „Der  Wedderdoeper  eidt",  mitgeteilt,  und 
mit  der  fast  völlig  übereinstimmenden  Recension  derselben  bei  Cochlaeus  verglichen.  — 
Bahlmann270)  giebt  eine  höchst  dankenswerte  Bibliographie  der  Quellen,  der 
gleichzeitigen  Flugschriften  und  der  späteren  Darstellungen  des  Wiedertäuferreiches 
in  Münster.  Dabei  ist  nur  unklar,  nach  welchem  Prinzip  Darstellungen  in  allgemeinen 
Geschichtswerken  berücksichtigt  sind:  Ranke  und  Janssen  sind  z.  B.  verzeichnet, 
Bezold  und  Egelhaaf  nicht.  Auch  dichterische  Bearbeitungen  sind  nicht  ver- 
gessen. —  Die  fleissige  und  liebevolle  Arbeit  Nicoladonis271)  über  Hans  Bünderlin 
verdient  schon  um  des  reichen  hs.  Materials  willen,  das  (S.  160—301)  Abdruck  findet, 


ZBergGV.  29,  S.  238-65.  —  259)  J.  C.  van  Slee,  Kasp.  Swerinckhuizen:  ADB.  37,  S.  261.  —  260)  id.,  Jak.  Taurinus:  ib. 
S.  471/3.  —  261)  id.,  Ant.  Thysius:  ib.  38,  S.  239-40.  -  262)  X  id.,  L.  Trelcatius:  ib.  S.  563.  —  263)  X  G.  Bossert,  F. 
Hubert,  Vergerios  publiz. Thätigkeit (JBL.  1893  11  6:174):  ThLBl.  15,  S.  153/4.—  264)  F.  Soheichl,  Glaubensflüchtlinge  aus 
Spanien  mit  d.  Niederlanden,  Italien  u.  Frankreich  seit  d.  J.  1500.  E.  kulturgesch.  Abhandl.  Linz,  Mareis.  69  S.  M.  0,75. 
—  265)  X  F-  Arnold,  Glaubenskämpfe  an  dtsch.  Höfen  d.  16.  Jh.:  Germania  1,  S.  33-40.  —  266)  P.  Tschackert,  Mark. 
Thomae:  ADB.  38,  S.  64.  —  267)  G  Poppe,  Aus  d.  Zeit  d.  Bauernkrieges:  ZHarzV.28,  S.  310/4.  —  268)  Denkmünze  auf  Joh. 
v.  Leyden:  Daheim  30,  S.  240.  —  269)  H.  Dettmer,  Ungedr.  Quellen  z.  Gesch.  d.  Wiedertäufer  in  Münster:  ZVtGWestf.  51, 
S.  90-118.  —  270)  P-  Bahlmann,  D.  Wiederläufer  in  Münster.  E.  bibliogr.  Zusammenstell.  (Aus:  ZVtGWestf.  Bd.  51.) 
Münster,  Begensberg.  63  S.  M.  1,00.  —  271)  A.  Nicolad oni,  Joh.  Bünderlin  v.  Linz  (JBL.  1893  II  6:183).  B.,  Gaertner. 
1893.    VIII,  314  S.    M.8,00.    |[J.  Loserth:  MhComeniusG.  3,  S.  96/9;   G.  Loesohe:  JGGPÖ.  15,  8.  218/9;    i d. :  DLZ.  S.  1340/7  ; 


G.  Kawerau,  Luther  und  die  Reformation.  II  6:272-279 

volle  Beachtung'.  Er  rekognosciert  den  1529  in  Strassburg  auftauchenden  Joh.  Bünderlin 
aus  Linz  als  den  1515  in  der  Wiener  Matrikel  verzeichneten  Joh.  Wunderl  aus  Linz. 
Dass  dieser  wiederum  identisch  ist  mit  dem  in  N.s  Urkundenanhang  mehrfach  auf- 
tretenden Hans  Vischer  aus  Linz,  hat  inzwischen  Bossert272)  überzeugend  nach- 
gewiesen. Bedenklich  ist  mir  das  Bestreben  N.s,  die  Entwicklungsgeschichte  der 
oberösterreichischen,  speciell  der  steyrischen  Täufer  von  dem  Zusammenhange  mit 
der  schweizerischen  und  oberdeutschen  Täuferbewegung  möglichst  zu  isolieren  und 
in  ihnen  eine  Fortsetzung  der  „aus  waldensischen  und  mystischen  Bausteinen  auf- 
gebauten mittelalterlichen  Brüdergemeinden"  (S.  45)  zu  sehen.  Er  meint  wahrscheinlich 
machen  zu  können,  dass  noch  zur  Zeit  Luthers  „Brüdergemeinden,  hervorgegangen 
aus  den  Waldesiern  und  beeinflusst  durch  die  deutsche  Mystik",  in  Oberösterreich 
und  insbesondere  in  Steyr  existierten  (S.  63).  Auch  Loserth  hat  in  seiner  beachtens- 
werten Besprechung  diese  auf  L.  Kellers  bekannte  Arbeiten  sich  gründende 
Betrachtung  beanstandet.  Die  Lutherforschung  muss  Notiz  nehmen  von  der 
Angabe  des  Vf.,  dass  sich  Luthers  Briefe  an  die  Mitglieder  der  österreichischen  Adels- 
familie Jörger  heute  im  Besitz  der  oberösterreichischen  Familie  Graf  Weissen  wolf  befinden 
(S.  13).  Beachtenswert  sind  die  Beziehungen  zwischen  Bünderlin  und  Seb.  Franck, 
die  N.  hervorhebt.  —  Einen  sehr  wertvollen  Beitrag  zur  inneren  Geschichte  der 
mährischen  Täufergemeinden  hat  Loserth273"273a)  seinen  früheren  verdienstlichen 
Arbeiten  auf  dem  Gebiete  des  Anabaptismus  hinzugefügt:  er  zeigt  uns  die  Organisation 
des  gemeinsamen,  kommunistischen  Lebens  in  den  mährischen  Ansiedlung'en,  ihren 
genossenschaftlichen  Arbeitsbetrieb,  ihre  ökonomischen  Erziehung«-  und  Kranken- 
pflegeeinrichtung'en;  er  zeigt  diese  Einrichtungen  in  ihrer  Blüte  wie  in  ihrem  Verfall, 
lässt  uns  auch  die  Kritik  vernehmen,  die  schon  zeitgenössische  Beurteiler  daran  geübt 
haben.  —  Unger274)  teilt  ein  von  Christoph  Hueter  verfasstes  Lied  auf  den  gewalt- 
samen Tod  des  Schusters  Hans  Gurtzhaim  in  Wien  (gest.  27.  Juni  1548)  mit,  des- 
gleichen das  Lied  „Von  unserm  lieben  Bruder  Hans  Missel",  der  am  13.  Dec.  1571 
zu  Warthausen  in  Württemberg  enthauptet  wurde.  Ein  drittes,  das  „Pribitzer-Lied", 
schildert  anschaulich  die  entsetzlichen  Schicksale  der  Brüder  in  Mähren  während 
und  nach  dem  böhmischen  Aufstand  von  1619—22;  es  ist  ein  Lied  von  35  Zwölf- 
zeilern.  Der  Dichter  will  mit  seinem  ergreifenden  Liede  die  armen  Brüder  lehren, 
„in  bösser  Zait  nit  ungeduldig  sein".  —  Ueber  den  1558  mit  dem  Schwert  in  Köln 
gerichteten  täuferischen  Buchdrucker  Thomas  von  Imbroich,  den  Vf.  eines  viel  am 
Niederrhein  gelesenen  „Bekenntnis  von  der  Taufe",  handelt  sachkundig  Keller.276)  — 

In  dem  Priester  der  Böhmischen  Brüder  Georg  Israel  zeigt  Kruske276) 
den  Führer  der  nach  Polen  eingewanderten  Brüder,  der  den  mächtigen  Grafen 
Ostrorog  für  die  Unität  gewann,  erster  Senior  der  Unität  wurde,  auch  den  Anschluss 
der  Evangelischen  in  Klein-Polen  an  die  Unität  erreichte.  Johann  Laski  bringt  mit 
seiner  Selbständigkeit,  die  sich  nicht  unterordnen  konnte,  eine  Lockerung  in  diese 
Verbindung  und  kehrt  den  Calvinismus  stärker  hervor.  Erst  nach  dessen  Tode  er- 
hielt die  Unität  wieder  die  leitende  Stellung  im  evangelischen  Polen,  nahm  nun  aber 
selbst  Calvinisches  so  sehr  in  sich  auf,  dass  ihre  Eigentümlichkeiten  allmählich  von 
diesen  Einflüssen  aufgezehrt  wurden.  —  Der  Artikel277)  über  Michael  Tham,  den 
Liederdichter  und  Mitherausgeber  des  grossen  Gesangbuches  der  böhmischen  Brüder 
von  1566,  verrät  keine  Bekanntschaft  mit  Wolkan  „Das  deutsche  Kirchenlied  der 
böhmischen  Brüder"  (JBL.  1891  II  2  :  3),  wo  von  S.  48  an  ausführlich  über  das  Ge- 
sangbuch und  von  S.  68  an  speciell  über  Tham  gehandelt  wird.  — 

Zahn278)  handelt  sachkundig  über  des  schlesischen  Seh wenkfeldianers 
Val.  Triller  „Schlesisch  singebüchlein"  (1555),  sowohl  nach  Seiten  der  Texte  wieder 
Melodien.279)  — 

A.  H-r.:  LCB1.  S.  1436/7;  J.  Seeraüller:  Kuph.  1,  S  387-90;  R.  Wolkan:  MVGDB».  S.  36/7.J!  -  272)  G.  Bossert,  Noch 
einmal  Hans  Bünderlin:  JGGPÖ.  15,  S.  30/7.  —  273)  J.  Loserth,  D.  Kommunismus  d.  mähr.  Wiedertäufer  im  16.  u.  17.  Jh. 
Beitrr.  zu  ihrer  Gesch  ,  Lehre  u.  Verfass.  (Aus:  AÖG.  81,  S.  135-322.)  Wien,  Tempsky.  188  S.  M.  3,60.  (Vgl.  II  1  :  23.)  — 
273a)  X  id-.  Wiedertäufer  in  Steiermark:  MHVSteiermark.  42,  S.  118-45.  —  274)  (II  2:21.)  —  275)  L.  Keller,  Thom. 
v.  Imbroich:  ADB.  38,  S.  73/4.  —  276)  R.  Kruske,  G.  Israel,  erster  Senior  u.  Pastor  d  Unität  Grosspolen.  E.  Beitr.  z.  Gesch. 
d.  Reformation  in  Polen.  Diss.  Breslau  (L.,  Fock.)  67  S.  -  277)  (U  2  :  7.)  —  278)  (II  2:6.)  —  279)  X  F-  Hart  mann, 
Theoph.  Paracelsu8  als  Mystiker.  E.  Versuch,  d.  in  d.  Schriften  v.  Th.  P;iracelsus  verborgene  Mystik  durch  d.  Licht  d.  in  d. 
Reden  d.  Inder  enthaltenen  Weisheitslehren  anschaulich  zu  machen.  (Aus:  MGSalzburgL.)  L.,  W.  Friedrich.  III,  55  S.  M.  2,00. 
(Vgl.  II  1:94;  5:1/8.)  - 


2(12)« 


II  7:1-6  G.  Ellinger,  Humanisten  und  Neulateiner. 

Humanisten  und  Neulateiner. 

Georg  Ellinger. 

Allgemeines:  Gesamtdarstellungen  und  grössere  Einzelgebiete  N.  1;  Briefsaminlungen  N.  6;  Sammelwerke  N.  7.  — 
Einzelne  Perioden:  Aelterer  Humanismus:  Reuchlin  und  Thomas  Trnchsess  von  Wetzhausen  N.  10,  J.  Trach  N.  15,  Murmellius 
und  H.  Stuve  N  15a,  J.  Trithemius  N.  18,  Aventin  N.  19,  W.  Lazius  N.  20;  Blütezeit:  Erasmus  N  22,  0.  Brunfels  N.  27, 
Thiloninus  Philyranus  N.  29.  —  Neulateinische  Poesie  und  Gelehrtengeschichte  N.  31.  —  Der  Humanismus  in  Ungarn  und 
Siebenbürgen  N.  40.  —  Der  Humanismus  in  Spanien  N.  42.    — 

Allgemeines:  Gesamtdarstellungen  und  grössere  Einzelgebiete. 
Von  Georg  Voigts  grundlegendem  Buche  (JBL.  1893  II  7  :  1)  in  seiner  neuen  durch 
Lehnerdt  besorgten  Ausgabe  ist  in  dem  vorigen  Berichte  die  Rede  gewesen.  Da  im 
nächsten  Jahre  ohnehin  auf  einige  Besprechungen ')  Rücksicht  genommen  werden  muss, 
so  kann  man  vorläufig  von  einem  erneuten  Eingehen  Abstand  nehmen.  Nur  so  viel 
sei  gleich  bemerkt,  dass  ich  im  wesentlichen  an  dem  im  vorigen  Berichte 
abgegebenen  Urteile  festhalte  und  dass  ich  mich  mit  den  Massstäben,  die  von  ver- 
schiedenen Seiten  an  die  Neubearbeitung  angelegt  worden  sind,  nicht  einverstanden 
erklären  kann.  —  Der  Epistolographie,  diesem  so  wichtigen  Zweige  der  hu- 
manistischen Produktion ,  ist  eine  Studie  von  Richter2)  gewidmet  worden. 
R.  führt  den  interessanten  Nachweis,  dass  zwei  Briefe  Enea  Silvios  (an  Schlick  und 
an  Joh.  Lauterbach)  über  die  prosaische  Umbildung  des  Eingangsgedichtes  der 
Oden  an  Mäcenas  und  der  Epode  Beatus  ille  handeln.  Vielfaches  wörtliches  Anklingen 
und  Uebereinstimmung  des  Gedankengehaltes  hat  der  Vf.  meines  Erachtens  über- 
zeugend dargethan;  dagegen  kommt  die  von  ihm  betonte  Thatsache,  dass  Enea 
absichtlich  seine  Quelle  verschwiegen  habe,  kaum  in  Betracht;  derartige  Ausschmückung 
war  so  an  der  Tagesordnung,  dass  Eneas  eifriges  Bestreben,  die  horazischen 
Gedichte  ganz  seiner  Zeit  anzupassen  und  alles  dazu  nicht  Stimmende  wegzulassen 
oder  umzubilden,  gewiss  kaum  auf  einen  Wunsch  zurückzuführen  ist,  seine  Vorlage 
zu  verheimlichen.  Weiter  zeigt  R.,  wie  der  Jurist  Claudius  Cantiuncula  in  einem  Schreiben 
an  Agrippa  von  Nettesheim  fast  wörtlich  einen  Brief  vom  19.  Jan.  1518  ausschreibt,  den  er 
wenige  Tage  vorher  von  Ulrich  Zasius  erhalten.  Auch  diese  Thatsache  lässt  sich  in  der 
Frühzeit  des  Humanismus  vielfach  belegen;  zahlreiche  Beispiele  kann  der  Vf.  in  dem  im 
vorigen  JBL.  besprochenen  Briefwechsel  Hermann  Schedels  finden. 2a)  —  Untersuchungen 
über  das  Verhältnis,  das  die  Humanisten  den  einzelnen  klassischen  Schriftstellern 
gegenüber  eingenommen  haben,  wie  sie  philologisch  und  antiquarisch  ihrer  Herr  zu 
werden  suchten  und  in  selbständiger  Produktion  ihren  Spuren  nachgingen,  gehören 
zu  den  notwendigsten  und  zugleich  dankbarsten  Aufgaben,  welche  der  Forschung 
gestellt  sind.  Die  Rolle,  die  Terenz3)  im  deutschen  Humanismus  zufiel,  hat  Herr- 
mann4) in  grossen  Zügen  darzustellen  gesucht;  er  hat  das  Bekannte  übersichtlich 
und  klar  zusammengestellt,  und  die  Gruppierung  und  Charakteristik  des  Materials 
überall  durch  seine  scharfsinnige  und  doch  vorsichtige  Betrachtungsweise  gefördert.  — 
Wunderlich5)  hat  dem  ersten  Uebersetzer  des  Eunuch  von  1486,  dem  Ulmer  Hans 
Nythard,  eine  kurze  Arbeit  gewidmet;  er  geht  auf  die  Ulmer  Familie  ein,  der  der 
Uebersetzer  angehörte,  und  berichtet  nach  dem  Tractatus  de  civitate  Ulmensi  des 
reisenden  Dominikaners  Felix  Faber  über  die  Persönlichkeit  des  Vf.  Faber  erzählt, 
dass  Nythard  zwar  Laie  gewesen  und  keinen  akademischen  Grad  besessen  habe,  dass 
er  aber  ein  gelehrter  Geschichtsschreiber  gewesen  sei,  der  sich  eifrig  mit  der  klassischen 
Litteratur  beschäftigt  habe.  (Vergil,  Seneca  und  Ovid  werden  dabei  ausdrücklich  ge- 
nannt.) In  Urkunden  wird  er  wiederholt  als  Inhaber  städtischer  Ehrenstellen  erwähnt, 
und  zwar  mehrfach  als  Richter  und  zweimal  als  Altbürgermeister.  Diesen  Mitteilungen 
schliesst  sich  eine  Charakteristik  der  Uebersetzung  an;  endlich  sucht  W.  die  Zeit 
der  Anfertigung  zu  bestimmen  und  entscheidet  sich  dabei  für  die  siebziger  Jahre  des 
15.  Jh.  — 

Von  der  durch  Weber6)  vorgelegten  Sammlung  von  Briefen  gehört 
nur  ein  verschwindend  geringer  Bruchteil   der   eigentlichen  Humanistenzeit   an,    der 


DXLCB1.S.1177;  K.Wotke:  ZOG.  45,  S. 420,2;  id.:  AZgK.N.  109.  -2)  A.Richter,  Z.Kritik  humanist.  Briefschreibung: 
Z  VLR.  7,  S  129-42.  —  2  a)  X  ?•  Bahlmann,  D.  lat.  Dramen  v.  Wimphelings  Sty lpho  bis  z. Mitte  d.  16.  Jh.  (JBL.  1893 II  7 :  56).  | [LCB1.  S.  58 ; 
R.  Kulcula:  ÖLB1.  3,  S.  718;  K.  Wotke:  ZOG.  45,  S.417.]|  -  3)  X  K.  Dziatzko,  Z.  Terentius  iraMA.:  NJbbPh.  149,  S.  465-77.  — 
4)  M.  Herrmann,  Terenz  in  Deutschland  bis  z.  Ausg.  d.  16.  Jh.  (JBL.  1893  I  6:246;:  MGESchG.  3,  S.  1-28.  —  5)  H. 
Wunderlich,  D.  erste  dtsch.  Terenz.  (=11:  65,  S.  201-16;  vgl.  JBL.  1893  II  4:  10;  7  :  57.)  —  6)  E.  Weber,  Virorum 
cluroruin  saeculi  XVI.  et  XVII.  epistolae  selectae.  E  codicibas  manuscriptis  Gottingensibas  edidit  et  adnotationibus  instruxit. 
(=  Biblioth.  scriptorum  latinorum  recentioris  aetatis  Teubneriana.)  L.,  Teubner.  X,  196  S.  M.  2,40.  (Dankbar  sei  hier  noch 
d.  Noten    d.  Herausgebers    gedacht,    d.  für  d.  in  d.  Briefen  erwähnten  Persönlichkeiten    u.  Verhältnisse    reiches  Material  bei- 


G.  Ellinger,  Humanisten  und  Neulateiner.  II  7  •.  7-9 

grösste  Teil  der  Gelehrtengeschichte  und  der  Geschichte  der  neulateinischen  Dichtung 
des  16.  Jh.  Der  Sammlung*  darf  ein  ausserordentlich  hoher  Wert  zugesprochen 
werden,  da  uns  die  Briefe  recht  anschaulich  namentlich  in  die  Interessen  der  Gelehrten- 
kreise des  16.  Jh.  hineinführen.  Die  hs.  Vorlagen  fast  aller  mitgeteilten  Briefe  be- 
finden sich  auf  der  Göttinger  Bibliothek.  Der  eigentlichen  Humanistenzeit  gehören 
5  Briefe  Eoban  Hesses  an,  von  denen  einer  schon  bekannt,  hier  aber  in  besserer 
Fassung  nach  einer  Abschrift  des  16.  Jh.  vorliegt.  Weiter  sind  mit  Briefen  vertreten 
Georg  Agricola,  Georg  Fabricius,  Esr.  Rüdinger  und  Adam  Siber;  der  Adressat  ist 
bei  den  vier  zuletzt  genannten  Wolfg.  Meurer  in  Leipzig.  Weiter  schliessen  sich 
3  Briefe  des  Paulus  Melissus  an,  den  Rest  machen  44  Briefe  des  Janus  Gruter 
an  seine  Freunde  in  Nürnberg'  und  22  Briefe  des  am  Anfang  des  17.  Jh. 
lebenden  Juristen  Hermann  Thedering-.  Wägt  man  den  Wert  der  Briefe 
gegeneinander  ab,  so  scheinen  die  an  letzter  Stelle  genannten  Briefe  Thederings 
verhältnismässig  am  wenigsten  Beachtung  zu  verdienen  (mit  Ausnahme  von  N.  73, 
der  durch  seine  volkstümlichen  Spässe  anziehend  ist).  Im  übrigen  gelten  mir  als  be- 
sonders wertvoll  N.  9  (Brief  von  Georg  Fabricius  aus  Padua),  die  Briefe  von  Hesse 
und  Melissus,  und  namentlich  die  von  Gruter,  aus  denen  man  ein  ungemein  lebendiges, 
Irisches  und  unmittelbares  Bild  von  dem  Gelehrtentreiben  des  16.  Jh.  erhält.  — 

Von  den  Sammelwerken  sind  Herrmanns  lateinische  Literaturdenkmäler 
auch  in  diesem  Berichtsjahre  rüstig-  fortgeschritten.  Die  beiden  neuen  Hefte  bieten 
uns  zwei  sehr  erfreuliche  Gaben  dar.  Wotke")  legt  die  Ausgabe  eines  der  inter- 
essantesten Werke  des  ausgehenden  italienischen  Humanismus  vor:  die  Dialoge  des  Lilio 
GregorioGiraldi  über  die  neulateinische  Litteratur.  Es  ist  das  erste  Werk,  das  g'anz  bestimmt 
ausgesprochene  litterarhistorische  Tendenzen  verfolgt,  während  Giraldis  Vorgänger, 
wie  Leonardo  Bruni  usw.,  sich  mehr  auf  kleinere  kritische  Streifzüge,  Lebensnachrichten 
und  Verzeichnisse  beschränkten.  Jedenfalls  kommt  dem  Büchlein  für  die  Erkenntnis 
des  Humanismus  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jh.  ein  ungemeiner  WTert  zu;  die  W>rt- 
urteüe  eines  Mannes,  der  mitten  in  dem  humanistischen  Treiben  stand,  werden  wir 
freilich  nicht  überall  unterschreiben  können,  aber  sie  führen  uns  doch  durchweg  vor- 
trefflich in  die  Zeit  ein  und  lehren  uns  die  Stimmung  kennen,  mit  der  man  damals 
dieser  Litteratur  und  ihren  einzelnen  Vertretern  gegenüberstand.  W.  entwirft  eine 
Lebensskizze  Giraldis,  er  verfolgt  die  Einkleidung  des  Dialoges  und  charakterisiert 
dann  den  Standpunkt,  den  Giraldi  bei  seiner  Beurteüung  der  im  wesentlichen  der 
ersten  Hälfte  des  16.  Jh.  angehörenden  Dichter  einnimmt.  Man  kann  im  allgemeinen 
nicht  sagen,  dass  Giraldi  bei  seinen  Urteilen  nach  möglichster  Objektivität  strebt,  er 
lässt  vielmehr  seine  speciellen  Neigungen  und  Antipathien  sehr  stark  hervortreten, 
wie  denn  auch  in  dem  sehr  verschiedenen  Umfange  der  einzelnen  Dichtercharakteristiken 
eine  derartige  Tendenz  sich  häufig-  geltend  macht.  .  Vor  allen  Dingen  wiegt  bei  ihm 
der  religiöse  Gesichtspunkt  vor;  Giraldi,  der  Freund  Picos,  war  ein  eifriger  Bekämpfer 
aller  antikatholischen  Tendenzen,  und  so  spielt  namentlich  in  seiner  Beurteilung  der 
deutschen  Humanisten  die  Abneigung  gegen  die  Reformation  eine  wichtige  Rolle. 
„In  die  Schar  dieser  Poeten",  heisst  es  z.  B.,  „könnten  auch  Oekolampad,  Bucer, 
Sturm,  Philipp  Melanchthon  und  viele  andere  eingereiht  werden,  wenn  sie  sich  nur 
auf  die  schönen  Wissenschaften  beschränken  und  nicht  mehr  wissen  wollten  als  nötig 
ist  und  nicht  mit  Martin  Luther  das  Volk  zur  Annahme  der  neuen  Lehre  wider  Papst 
und  Kaiser  anreizen  wollten."  Dem  vorliegenden  Abdruck  liegt  die  erste  Ausgabe 
von  1551  zu  Grunde,  doch  sind  die  Veränderungen  der  zweiten  Ausgabe  (1580)  be- 
rücksichtigt worden.  W.  hat  der  Ausgabe  wertvolle  litterarische  Nachweise  und  ein 
vortrefflich  gearbeitetes  Register  beigefügt.  Bei  dem  Reichtum  des  Gebotenen  wäre 
es  natürlich  kleinlich,  mit  einzelnen  Nachträgen  anzukommen,  die  auch  bei  der  besten 
Arbeit  so  leicht  zu  geben  sind,  und  durch  deren  Beibringung  Ignoranten  sich  so  gern 
den  Schein  der  wissenschaftlichen  Ueberlegenheit  zu  verleihen  suchen;  nur  darauf 
möchte  ich  hinweisen,  dass  der  auf  S.  64  genannte  Johannes  Camerarius  unmöglich, 
wie  auf  S.  100  angenommen  wird,  mit  Joachim  Camerarius  identisch  sein  kann;  es 
ist  vielmehr  augenscheinlich  Johannes  von  Dalberg  gemeint.  —  Aus  dem  Nachlasse 
Hartfei  de  rs8)  wird  noch  eine  weitere  Folge  von  Deklamationen  Melanchthons  ge- 
boten (doch  ist  die  Autorfrage  beiN.  2  strittig),  vier  an  der  Zahl,  denen  gut  orientierende 
Einleitungen  beigegeben  sind.  Dem  Heftchen  geht  ein  von  Herrmann  verfasster 
Verständnis-  und  pietätvoller  Nachruf  auf  den  allzufrüh  dahingeschiedenen  Gelehrten 
voran.  —  Unter  den  Besprechungen 9)  der  erschienenen  Hefte,  die  in  dieses  Berichts- 


bringen  u.  v.  ausserordentlicher  Belesenheit  Zeugnis  ablegen.)  —  7)  K.  Wotke,  Lilius  Gregorius  Gyraldus  de  poetis 
nostrorum  teraporum.  (=  LLD.  N.  10.)  B.,  Weidmann.  XXV,  104  S.  M.  2,40.  —  8)  (II  6:166.)  (1.  Heft  =  LLD.  N.  4; 
vgl.  JBL.  1892  II  8  :  10.)  -  9)  X  M.  Herrmann,  Lat.  Literaturdenkmäler  N.  2  8  (JBL.  1893  II  7  :  35).  |[L. 
Fränkel:  LBIGRPh.  15,  S.  2948;  H.  Holstein:  ZDPh.  26,  S.  421/3;  BPhWS^  14,  S.  1558,9;  J.  Meister: 
ÖLB1.  3,  S.  109-11;   G.  Kawerau:   ThLZ.  19,  S.  344;    Schmidt-Treptow  a.  R  :    MHL.  22,  S.  195;    R.  Wotks:   ZOG.  45, 


II  7  :  10-20  Gr.  Ellin ger,  Humanisten  und  Neulateiner. 

jähr  fallen,  sei  auf  die  Recension  des  7.  Heftes  von  Meister  hingewiesen.  M.  wirft 
dem  Herausgeber,  der  in  diesem  Falle  zugleich  der  Referent  ist,  eine  einseitig- 
protestantische Tendenz  vor,  die  ihm  durchaus  ferngelegen  hat.  Er  macht  dann  eine 
Anzahl  von  sehr  bemerkenswerten  Ausstellungen  an  der  Gestaltung  des  Textes  und 
vermisst  bei  dem  Herausgeber  prosodische,  metrische  und  grammatische  Feinfühligkeit 
—  ein  Urteil,  dem  der  Herausgeber  selbst  durchaus  beipflichtet.  Doch  will  er  dem 
Herausgeber  keineswegs  „Fleiss  und  allgemeine  Gewandtheit  in  Auffassung  und  Stil" 
absprechen,  und  er  schliesst  mit  dem  Wunsche:  „Ja,  wir  wünschen,  dass  es  ihm  gelingen 
möge,  nach  dem  Studium  des  Prudentius  und  nach  Durchlesung  der  Geschichte  Janssens 
seine  Geschichte  der  lateinischen  Dichtung  Deutschlands  im  16.  Jh.  mit  Ver- 
meidung protestantischer  Einseitigkeit  interessant  wie  seine  Einleitung  im  ganzen 
zu  schreiben."  — 

Einzelne  Perioden.  Der  Frühzeit  des  deutschen  Humanismus10-13)  sind 
in  diesem  Berichtsjahre  keine  nennenswerten  Beiträge  gewidmet  worden.  Nur  für 
den  sogenannten  älteren  Humanismus  sind  einige  kleinere  Studien  zu  verzeichnen. 
Bekannt  durch  seine  Parteinahme  für  Reuchlin  in  dem  Pfefferkornschen  Handel  ist 
der  Mäcenat  Thomas  Truchsess  von  Wetzhausen,  dessen  Leben  Knod14) 
kurz,  aber  ausreichend  schildert.  — 

Gleichfalls  in  Reuchlins  Kreis  führt  uns  die  Gestalt  des  Jakob  Trach 
(Dracontius),  von  dessen  Lebensumständen  wir  allerdings  ziemlich  wenig  wissen,  und 
von  dem  uns  Leistungen  so  gut  wie  gar  nicht  überliefert  sind,  so  dass  wir  uns  bloss 
mit  der  Nachricht  von  seinem  vielseitigen,  auch  das  mathematisch  -  geographische 
Gebiet  berührenden  Streben  zufrieden  geben  müssen.  Hartfelder!5)  hat  alles  zu- 
sammengestellt, was  sich  über  ihn  ermitteln  lässt.  — 

Seine  Ausgabe  von  Werken  des  Murmellius,  deren  in  den  beiden  letzten 
Jahrgängen  (JBL.  1893  II  7:29—30)  wiederholt  gedacht  ist15"),  hat  Bömer16)  auch 
in  diesem  Jahre  fortgesetzt;  er  legt  jetzt  eine  Ausgabe  der  Pappa  puerorum  vor. 
Ein  Neudruck  dieses  Werkchens,  das  bekanntlich  eine  wichtige  Etappe  in  dem 
humanistischen  Kampfe  gegen  das  Doctrinale  des  Alexander  de  Villa  Dei  bedeutet, 
muss  als  wirklich  verdienstlich  bezeichnet  werden.  Eine  Einleitung  orientiert  klar 
und  übersichtlich  über  das  Werk;  der  saubere  und  vortrefflich  gedruckte  Text  ist 
nach  der  Editio  princeps  angefertigt;  ausgelassen  hat  der  Vf.  nur  das  erste  Kapitel, 
welches  ein  nach  Stoffen  angeordnetes  Lexikon  der  am  häufigsten  vorkommenden 
Wörter  enthält.  Die  beigegebenen  Anmerkungen  sind  mit  Fleiss  und  Sorgfalt  zu- 
sammengestellt, Für  S.  34,  N.  35  a  hätte  B.  wohl  noch  auf  Luthers  Sendbrief  vom 
Dolmetschen  (Erl.  Ausg.  ö5,  S.  110)  verweisen  können.  —  Ein  Schüler  des  Murmellius 
war  Hermann  Stuve,  von  seinem  Lehrer  hochgeschätzt;  was  von  den  dürftigen 
Lebensnotizen  bekannt  ist,  hat  Bahlmann17)  zusammengestellt.  — 

Johannes  Trithemius  ist  von  Wegele18)  biographisch  behandelt  worden. 
Die  Stellung  des  Trithemius  in  der  Geschichtsschreibung,  seine  löblichen  Bestrebungen 
und  schweren  Verirrungen  weiss  W.  angemessen  darzustellen,  Trithemius  sonstiger 
Stellung  innerhalb  des  Humanismus  wird  er  indessen  nicht  gerecht.  Da  wir  mit 
Trithemius  schon  die  Beziehungen  des  Humanismus  zur  Geschichte  berührt  haben, 
so  mag  es  gerechtfertigt  erscheinen,  wenn  wir  hier  die  weiteren  humanistischen 
Geschichtsforscher  anschliessen.  — 

Eine  schöne  Bereicherung  hat  unsere  Kenntnis  von  Aventins  Lebens- 
umständen durch  Lenz19)  erfahren;  und  zwar  handelt  es  sich  dabei  um  den  namentlich 
von  Jakob  Sturm  und  Bucer  betriebenen  Plan  einer  Berufung  Aventins  nach 
Strassburg.  Unsere  Kenntnis  von  diesem  nicht  zur  Ausführung  gekommenen  Plane 
stammt  aus  einem  Briefe  Bucers  an  Beatus  Rhenanus,  den  Horawitz  und  Hartfelder 
ohne  ersichtlichen  Grund  in  die  Zeit  von  1523—25  gesetzt  haben.  Wegele  erkannte 
in  seiner  populären  Aventinbiographie  zwar  einen  Anhalt  zur  Datierung  des  Schreibens, 
setzte  es  aber  ebenfalls  zu  früh  an,  nämlich  in  das  J.  1526,  während  M.  Herrmann 
in  seiner  wertvollen  Besprechung  von  WTegeles  Arbeit  sehr  richtig  hervorhob,  dass 
der  Brief  nicht  vor  1528  geschrieben  sein  könnte.  Seine  Datierung  1529  ist  freilich 
ebenfalls  nicht  zutreffend;  auf  Grund  eigener  scharfsinniger  Erwägungen  und  neuen 
archivalischen  Materiales  weist  L.  nach,    dass   der   ganze  Vorgang   in   etwas  spätere 


S.  416,7-H  -  10)  X  id.,  Albrecht  v.  Eyb  (JBL.  1893  II  7:11).  |[LCB1.  S.  762/3;  EL  Holstein:  ZVLR.  7,  S.  340/5;  H.Lösch- 
horn:  MHL.  22,  S.292;  H.  Wunderlich:  LBIGRPh.  15,  S.  291/3;  O.  Pniower:  VossZg».  N.24,5;  M.  Blau:  MLN.  9,  S.  220,8; 
J.  Hürbin:  KathSchwBH.  S.  534/5;  G.  Schepss:  WSKPh.  11,  8.  238-41.]|  -  11)  X  E.  Matthias,  M.  Herrmann,  Albrechts 
v.  Eyb  Schriften,  Bd.  2  (JBL.  1890  II  8:56):  ZDPh.  26,  S.  428/9.  —  12)  X  A-  Starzer,  A.  Büchi,  Albreoht  v.  Bonstetten 
(JBL.  1892  II  7  :  15):  ÖLB1.  3,  S.  364.  —  13)  X  w-  Cloetta,  D.  Anfänge  d.  Renaissancetragodie  (JBL.  1892  II  8:  44).  |[F. 
Muncker:  BBG.  30,  S.  27/9;  R.  Wendriner:  LBIGRPh.  14,  S.  367-72.]|  —  14)  G.  Knod,  Thoraas  Truchsess  v.  Wetz- 
hausen: ADB.  38,  S.  683/5.  —  15)  K.  Hartfelder,  Jak.  Trach:  ib.  S.  488.  —  15a)  X  LCB1.  S.  319-20.  -  16)  A.  Bömer, 
D.  Münsterischen  Humanisten  Joh.  Murmellius  Pappa  puerorum  in  e.  Neudr.  her.  (=  Ausgew.  Werke  d.  Murmellius  N.  4.) 
Münster,  Regensberg.  XX,  43  S.  M.  1,60.  —  17)  P.  Bahlmann,  Herrn.  Stuve:  ADB.  37,  S.  83/4.  -  18)  F.  X.  Wegele,  J. 
Trithemius:    ib.  38,  S.  626  30.    —    19)    M.  Lenz,    Aventins  Berufung    nach  Strassburg:    ZGORh.  9,    S.  629-37.  —    20)  OXX 


Gr.  Ellinger,  Humanisten  und  Neulateiner.  II  7  :  20-31 

Zeit  zu  rücken  ist.  Briefe  des  bekannten  Augsburger  Stadtarztes  Gereon  Sailer 
an  Bucer,  die  L.  im  Thomasarchiv  in  Strassburg  fand,  geben  über  die  Angelegenheit 
den  erwünschten  Aufschluss.  Nach  diesen  Aktenstücken  ist  es  nicht  mehr  zweifelhaft, 
dass  mit  dem  Reichstag,  von  dem  Bucer  in  dem  Briefe  an  Beatus  Rhenanus  spricht, 
weder  der  Speierer  Reichstag  von  1529  noch  der  Augsburger  von  1530,  sondern  der 
Regensburger  von  1532  gemeint  ist,  der  Brief  also  zwischen  dem  8.  Nov.  und 
8.  Dec.  1531  geschrieben  ist.  Die  Ergebnisse  der  L.schen  Untersuchungen  lassen 
sich  demnach  kurz  etwa  folgendermassen  zusammenfassen:  Bucer  hat  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  auf  dem  Augsburger  Reichstage  von  1530  Aventin  zum  ersten 
Male  kennen  gelernt;  möglich,  dass  hier  schon  in  ihm  und  Jakob  Sturm  der  Gedanke 
aufgetaucht  ist,  den  hervorragenden  Gelehrten  für  Strassburg  zu  gewinnen.  Der  wohl 
schon  länger  mit  Aventin  bekannte  Sauer  machte  den  Vermittler;  ihn  ging  Bucer 
Sept.  und  Okt.  1531  damit  an,  Briefe  an  Aventin  zu  besorgen,  die  nach  Sailers 
Antworten  die  Berufung  nach  Strassburg  enthalten  haben  müssen;  auch  hat  Sailer 
sich  redlich  bemüht,  Aventin  zur  Annahme  des  Antrages  zu  veranlassen.  Leider 
geben  uns  auch  die  von  L.  erschlossenen  Quellen  keinen  Aufschluss  darüber,  wes- 
halb die  von  Bucer  eifrig  fortgesetzten  Unterhandlungen,  als  deren  letztes  Zeugnis 
ein  Brief  Sailers  vom  19.  April  1532  vorliegt,  nicht  zu  einem  befriedigenden  Resultate 
gekommen  sind.  — 

Eine  wertvolle  Bereicherung  unserer  Kenntnis  der  humanistischen  Geschichts- 
schreibung verdanken  wir  Mayr20),  der  zum  ersten  Male  den  Inhalt  des  bisher  so 
gut  wie  unbekannten  Hauptwerkes  des  Wolfgang  Lazius,  die  österreichische 
Geschichte,  nach  den  hs.  erhaltenen  Stücken  und  den  Notizen,  die  in  anderen  Werken 
des  Lazius  darüber  gegeben  sind,  darlegt.  Eine  eingehendere  Würdigung  dieser 
Publikation  behalten  wir  uns  für  den  nächsten  Bericht  vor.  —  Johann  Tethin g er 
ist  eigentlich  mehr  Panegyrist  und  ausschmückender  Dichter  als  Geschichtsschreiber; 
dass  sein  Gedicht  und  sein  Kommentar  über  die  Kriege  Herzog  Ulrichs  von  Württem- 
berg und  dessen  Rückkehr  in  sein  Land  keine  Glaubwürdigkeit  beanspruchen  könnten, 
hat  vor  langer  Zeit  bereits  Ranke  nachgewiesen.  Krauss21)  hat  ihn  kurz  bio- 
graphisch behandelt.  — 

Wir  kommen  zur  Blütezeit  des  Humanismus.  Erasmus  ist  vonFroude22) 
eingehend  behandelt  worden,  doch  ist  mir  das  W7erk  bis  jetzt  nicht  zugänglich  ge- 
wesen, so,  dass  ich  dessen  Besprechung  ebenfalls  erst  im  nächsten  Bericht  vornehmen 
kann.  —  Die  Erasmusstudien  von  Richter  (JBL.  1892  II  8:56)  hat  Herrmann23) 
recensiert;  er  tadelt,  dass  der  Vf.  die  Monatsdaten  in  den  Erasraischen  Briefen 
überall  allzu  gläubig  hingenommen  habe,  und  bestreitet  die  Möglichkeit,  auf  Grund 
der  eigenen  Angaben  des  Erasmus  sein  Geburtsjahr  festzustellen.  Dem  ist  zu- 
zustimmen; eine  Replik  von  Richter  und  Duplik  von  H.  lördern  in  der  Sache  nichts 
Neues  zu  Tage;  doch  wird  zuzugeben  sein,  dass  in  H.s  Recension  das  wirklich  Ver- 
dienstliche der  Richterschen  Arbeit  nicht  stark  genug  hervortritt.24-27)  — 

Bereits  Hartfelder  hatte  in  der  im  vorigen  Berichtsjahre  (JBL.  1893  II  7 :  39) 
besprochenen  Schrift27)  einen  Teil  des  geistigen  Entwicklungsganges  von  Huttens 
Verteidiger  Otto  Brunfels  zu  zeichnen  gesucht;  jetzt  legt  Roth28)  eine  Arbeit  vor, 
die  dem  ganzen  Leben  und  Schaffen  des  eigenartigen  Mannes  gerecht  zu  werden 
versucht.  Manche  unbekannte  oder  doch  so  gut  wie  unbeachtete  Notiz  ist  dabei  ans 
Licht  gezogen  worden,  und  dafür  wird  man  dankbar  sein  müssen;  im  einzelnen  aber 
hätte  vieles  schärfer  gefasst  und  eindringender  behandelt  werden  können.  Auch  ist 
manches  recht  undeutlich,  so  ist  (S.  286)  von  Brunfels  Bekanntschaft  mit  Capito  die 
Rede,  auf  S.  287  wird  dann  ein  Wolfgang  Fabricius  wie  eine  bisher  nicht  erwähnte 
Person  eingeführt,  während  dieser  doch  thatsächlich  kein  anderer  als  Capito  ist. 
Doch  soll  damit  das  Verdienstliche  der  Arbeit,  die  zum  ersten  Male  die  vielfach 
lückenhaften  Lebensnotizen  und  die  zerstreuten  schriftstellerischen  Leistungen  des 
Brunfels  zu  sammeln  sucht,  nicht  in  Abrede  gestellt  werden.  — 

In  Mutianus  Rufus  Kreis29)  gehört  der  mehr  durch  den  Spott  des  Cordus 
als  durch  seine  eigenen  Leistungen  bekannt  gewordene  Thilo ninus  Philymnus 
(Thilemann  Conradi,  geb.  um  1485,  gest.  nach  1522);  Bolte30)  hat  die  Lebensnotizen  zu- 
sammengestellt und  zählt  seine  recht  selten  gewordenen  Schriften  auf.30a)  — 

Neulateinische  Poesie  und  Gelehrtengeschichte.  Für  den  Dichter 
Johannes   Fabricius    Montanus    hat    Vulpinus31)    sehr    schätzbares   neues    Material 

(II  3:52.)  —  21)  R.  Kranss,  Joh.  Tethinger:  ADB.  37,  S.  590.  —  22)  O  X  X  J-  A-  Fronde,  Life  and  lettres  of  Erasmus. 
Lectnres  delivered  at  Oxford.  London,  Longman,  Green  &  Co.  Sh.  15.  |[Ac.  46,  S.  3434;  ScottishR.  24,  S.  438,9;  SaturdayB.  78. 
S.  384/6;  Ath.  2,  S.  447/8.]|  —  23)  M.  Herrmann:  ADA.  20,  S.  43/7.  —  24)  X  M.  Albert,  Ulrich  v.  Hntten.  Hist.  Drama 
in  5  A.  Hermannstadt,  Krafft.  132  S.  M  2,80.  —  25)  X  E-  Matthias,  S.  Szamatölski,  Ulrichs  v.  Hütten  dtsch.  Sohriften 
(JBL.  1892  II  8:64):  ZDPh.  26,  S.  423,8.  —  26)  X  F.  Sander,  Bnrg  Steckelberg  u.  Ulrich  v.  Hütten.  (=  I  1  :  70,  S.  97-121.) 
(Pop.  Darstell.)  -  27)  X  MhCoraeninsG.  3,  S.  160.  —  28)  F.  W.  E.  Roth,  0.  Brunfels:  ZGORh.  9,  S  234-317.  -  29)  O  X  X 
K.  Krause,  E.  neu  aufgefundene  Schrift  d.  Eob.  Hessus:  CBIBibl.  11,  S.  163,9.  —  30)  J.  Bolte,  Thiloninus  Philymnus: 
ADB.  38,  S.43.  -  30a)  X  (U  6:164.)  UKonsMschr.  S.  662.JI  -   31)  T  h.  Vulpinus,  D.  lat.  Dichter  Joh.  Fabricius  Montanus 


II  7  :  32-34  G.  Ellinger,  Humanisten  und  Neulateiner. 

beigebracht;  er  ergänzt  nach  Leus  Allgemeinem  helvetischen  eidgenössischen  Lexikon 
das  Verzeichnis  der  Schriften  und  fügt  noch  ein  mir  unbekanntes  satirisches  Stück 
gegen  den  Index  Pauls  IV.  (1559)  „Echo"  hinzu.  Die  beiden  wertvollsten  Gaben  des 
Vf.  sind  aber  zwei  bisher  so  gut  wie  gänzlich  unbekannte  Selbstbiographien  des 
Fabricius,  die  in  den  Miscellaneis  Tigurinis  (Bd.  III)  verg-raben  waren,  und  auf  die 
V.  ebenfalls  durch  Leus  Angaben  geleitet  wurde.  Beide  Stücke  legt  der  Vf.  in  einer 
recht  klaren  und  verständlichen  deutschen  Uebersetzung  vor;  die  erste,  in  Prosa  abgefasste 
Selbstbiographie  ist  nicht  allzulange  vor  dem  Tode  des  Fabricius  (1566),  und  zwar  im  J.  1565, 
niedergeschrieben;  der  rein  sachlich-biographische  Wert  dieser  Aufzeichnungen  ist 
wohl  überall  gleich  gross;  zuweilen  leidet  unter  der  allzu  grossen  Knappheit  und  der 
summarischen  Erzählung  die  Verständlichkeit,  so  wird  z.  B.  nicht  berichtet,  dass 
Fabricius  bereits  mit  P.  Lotichius  Sekundus  und  Joh.  Althus  in  Marburg  zusammen- 
gewesen ist,  wodurch  ihre  spätere  Erwähnung  in  Wittenberg  ziemlich  in  der  Luft 
schwebt.  Aber  trotzdem  bietet  die  Biographie  manche  sehr  anziehende  neue  Thatsachen; 
man  vergleiche  nur  die  schöne  Schilderung'  von  dem  ersten  Besuche  des  Fabricius 
bei  Melanchthon  (S.  12).  Und  höher  noch  als  die  rein  sachlichen  Aufschlüsse,  die 
uns  die  Biographie  gewährt,  ist  der  Wert  anzuschlagen,  den  das  Werkchen  für  die 
Erkenntnis  der  Persönlichkeit  des  Fabricius  gewinnt.  Wir  lernen  den  Dichter  als 
ein  tief  inniges  Gemüt  kennen,  einen  gottvertrauenden,  pietätvollen  Menschen,  dessen 
Persönlichkeit  uns  aus  den  schlichten  Werten  seiner  Erzählung  ungemein  sympathisch 
entgegentritt.  Die  zweite  Biographie  ist  ein  längeres  elegisches  Gedicht  (1565),  das 
im  wesentlichen  die  in  der  prosaischen  Lebensbeschreibung-  berichteten  Thatsachen, 
zuweilen  aber  knapper  und  klarer,  wiederholt.  Angenehm  fällt-  auch  hier  der 
gemütvolle  Zug  auf,  der  z.  B.  in  dem  innigen  Familiengefühl  zu  Tage  tritt.  Beigegeben 
ist  noch  eine,  mir  bisher  unbekannte,  kurze  Selbstcharakteristik,  ebenfalls  den 
Miscellaneis  Tigurinis  entnommen;  die  drei  weiter  mitgeteilten  Gedichte  sind  aus  der 
Gedichtsammlung  des  Fabricius  bekannt,  werden  aber  gewiss  bei  der  Seltenheit  des 
Büchleins  manchem  Leser  willkommen  sein.  Aus  dem,  derselben  Quelle  entstammenden, 
Lebensbilde  Leo  Judas,  des  Oheims  des  Fabricius,  das  von  Leos  Sohn  Johannes 
verfasst  ist,  teilt  V.  die  auf  Fabricius  bezügiiehen  Stellen  mit  und  hat  auch  sonst  die 
biographischen  Notizen  aus  manchen,  teilweise  schwer  zugänglichen  Büchern  gut 
erläutert.  —  Leber  Hermann  Tulichius  bringt  Koldewey32)  in  seiner  biographischen 
Skizze  eine  Reihe  von  Bemerkungen  bei,  durch  die  die  bisherigen  Angaben  über  die 
Lebensgeschichte  des  Gelehrten  einigermassen  verändert  werden.  Zweifelhaft  wird 
danach  der  von  Meibom  berichtete  Aufenthalt  des  Tulichius  in  Löwen,  ebenso  sein 
angeblicher  Verkehr  mit  Hermann  von  dem  Busche.  Ganz  ins  Reich  der  Fabel  zu 
verweisen  ist  die  Nachricht,  dass  Tulichius  in  Leipzig  Professor  gewesen  sei;  er  war 
vielmehr  dort  (1512  bis  Ende  1519  oder  Anfang  1520)  Korrektor  in  der  Lottherschen 
Druckerei.  Auch  die  Erzählung,  dass  Tulichius  Leipzig  habe  verlassen  müssen,  weil  M. 
Lotther  durch  den  Druck  reformatorischer  Schriften  den  Zorn  des  Herzogs  Georg  auf  sich 
geladen  habe,  lässt  sich  nicht  halten,  vielmehr  blieb  Lotther  unangefochten  in  Leipzig, 
und  Tulichius  folgte  einem  der  Söhne  des  Druckers,  der  in  Wittenberg  ein  Zweiggeschäft 
errichtete.  Die  weitere  Thätigkeit  des  Tulichius  (gest.  1540)  in  Wittenberg,  Eisleben 
und  Lüneburg  weiss  K.  ansprechend  darzustellen;  einzelnes  fällt  dabei  nicht  bloss 
für  die  Schulgeschichte,  sondern  auch  für  die  Geschichte  des  Humanismus  ab,  so 
die  Verlesungen,  die  er  in  Wittenberg  über  Agricolas  De  inventione  dialectica  hielt, 
die  Thatsache,  dass  Tulichius  in  Lüneburg  Erasmische  Werke  meist  von  seinen  Schülern 
fernzuhalten  suchte  —  eine  Nachricht,  die  sich  wahrscheinlich  auf  die  Benutzung 
der  Colloquia  bezieht,  während  der  Gebrauch  der  Schrift  des  Erasmus:  De  duplici 
copia  verborum,  ausdrücklich  bezeugt  wird.  —  Eine  Reihe  von  kleinen  biographischen 
Skizzen  hat  die  ADB.  den  Gelehrten  und  Neulateinern  des  16.  Jh.  zu  teil  werden 
lassen.  Westermayer33)  giebt  ein  Lebensbüd  des  Marcus  Tatius  Alpinus  aus 
Graubünden  (geb.  um  1500,  gest.  um  1567),  er  charakterisiert  kurz  seine  kleineren 
lateinischen  Gedichte  sowie  sein  umfangreiches  lateinisches  Hochzeitsgedicht  auf  den 
Sohn  Leonhards  von  Eck,  auch  seine  deutschen  Uebersetzungen  griechischer  und 
lateinischer  Schriftsteller  werden  erwähnt.  —  Georg  Thym  (geb.  um  1520,  gest.  1560), 
dessen  deutsche  Gedichte  in  einen  anderen  Zusammenhang  gehören,  ist  von  Zimmer- 
mann34) behandelt  worden;  seine  von  Melanchthon  empfohlenen  exempla  syntaxeos 
zeigen  ihn  als  praktischen  und  gelehrten  Pädagogen;  den  von  ihm  verfassten  lateinischen 
Gedichten  (meist  Gelegenheitspoesie)  rühmt  Z.  Gewandtheit  nach.  —  Die  verworrenen 
und  vielfach  sich  widersprechenden  Lebensnachrichten  über  den  ersten  Rektor  des 
Hamburger  Johanneums  Theophüus  (wahrscheinlich  Frydag,  auch  die  Namen  Gottfried 


(aus  Bergheim  i.  E.)  1527—66.  Seine  Selbstbiogr.  in  Prosa  u.  Versen  nebst  einigen  Gedichten  v.  ihm  verdeutscht.  (=:  Beitrr. 
z.  Landes-  u.  Volksk.  v.  Els.-Lothr.  N.  18.)  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  27  S.  M.  0,80.  |[B.  Stehle:  Alemannia  22,  S.  184/6.)]| 
-  32)  F.  Koldewey,  H.  Talichius:  ADB.  38,  S.  777-81.   —   33)  G.  Westermayer,  Markus  Tafius:  ib.  37,  S.  415.  —  34) 


G.  Ellinger,  Humanisten  und  Neulateiner.  II  7  :  35-40 

Harmelateus,  Harmelates  sind  überliefert)  hat  Berthe  au35)  zusammengestellt.  — 
Chr.  Stymmelius  hätte  wohl  einen  eingehenderen  Lebensabriss  verdient,  als  er  ihm 
durch  G.  von  Bülow36)  zu  teil  geworden  ist.  Die  Charakteristiken  sind  kurz  und 
wenig  aufschlüssreich,  teilweise  auch  undeutlich;  wenn  zuerst  die  „Studentes"  erwähnt 
werden  und  an  sie  das ,  Judicium Paridis" als  „zweite  Arbeit"  angereiht  wird,  so  ist  das  doch 
auch  zur  eisten  Orientierung  zu  wenig  und  zu  unklar;  es  hätte  doch  mindestens  dar- 
auf hingewiesen  weiden  müssen,  dass  es  sich  um  ein  ganz  kleines  episches  Gedicht 
im  elegischen  Masse  handelt.  Auch  die  Litteratur  ist  unvollständig,  so  fehlt  der  Hin- 
weis auf  den  Vortrag  Erich  Schmidts.  Für  den  ausgezeichneten  Philologen  Friedrich 
Sylburg  hat  Koldewey37)  manches  Neue  beigebracht  (Sylburg  war  in  Jena  kern 
Schüler  des  Lorenz  Rhodomannus,  wie  Fabricius  behauptet),  die  Thätigkeit  Sylburgs 
als  Herausgeber  meist  griechischer,  doch  auch  lateinischer  Werke  gut  charakterisiert 
und  auf  die  wertvollen  Indices  seiner  Ausgaben,  auf  den  Scharfsinn  und  die  Feinheit 
seiner  Beobachtungen  auf  dem  Gebiete  des  Wortgebrauches  hingewiesen.  —  Dem 
Uebersetzer  von  Buchannans  Jephthes,  Joh.  Titelius,  der  in  der  Metrik  den  Spuren 
Rebhuns  zu  folgen  scheint,  widmet  Bolte38)  eine  kurze  Betrachtung.  —  Frank  eis39) 
biographischer  Skizze  Friedrich  Taubmanns  ist  grosser  Fleiss  und  Hingebung  an  den 
Gegenstand  nachzurühmen.  Manche  breiteren  Ausführungen  hätten  sich  wohl  etwas 
knapper  zusammenfassen  lassen;  und  im  ganzen  wäre  grössere  Klarheit  und  Ueber- 
siehtlichkeit  zu  wünschen  gewesen.  Auch  auf  einzelne  Auswüchse  des  etwas  ge- 
schraubten Stiles  hätte  man  gern  Verzicht  geleistet.  — 

Der  Humanismus  in  Ungarn  und  Siebenbürgen.  Schon  vor  zwei 
Jahren  konnte  auf  die  wertvollen  Untersuchungen  hingewiesen  werden,  die  Bauch40) 
den  Vertretern  des  deutschen  Humanismus  in  Ungarn  und  Polen  gewidmet  hat. 
Jetzt  legt  er  ein  ansprechendes  Lebensbild  Valentin  Ecks  vor,  des  Schülers  des 
ebenfalls  von  ihm  biographisch  behandelten  R.  Agricola  Junior  vor.  Das  bewegte 
Leben  des  in  Lindau  um  1494  geborenen  Humanisten,  der  nach  manchen  Wanderungen 
als  angesehener  Stadtschreiber  (Syndicus  nennt  er  sich  1526,  Judex  1529)  starb, 
wird  klar  und  übersichtlich  geschddert.  Unter  den  philologischen  und  poetischen 
Erzeugnissen  seien  namentlich  hervorgehoben  das  merkwürdige,  wahrschemlich  1517 
verfasste  Gedicht,  ob  ein  kluger  Mann  heiraten  soll,  eine  Frage,  die  im  bejahenden 
Sinne  entschieden  wird;  ferner  die  1518  veröffentlichten,  an  König  Sigismund  I. 
gerichteten  Klagelieder  der  vernachlässigten  Religion;  der  sehr  merkwürdige  Dialog 
über  die  Verwaltung  des  Staates  und  die  poetische  Epistel,  in  der  das  von  den 
Türken  bedrängte  Oberungarn  •  König  Ferdinands  Hdfe  anruft.  In  einem  der  dieser 
Epistel  beigegebenen  kleineren  Gedichte,  worin  die  Frau  eines  Mä,cenaten 
gepriesen  wird,  findet  sich  die  Wendung:  „Wenn  Paris  Magdalena  neben  den  drei 
Göttinnen  gesehen  hätte,  würde  er  gesagt  haben:  Weichet  Juno,  Minerva  und  Venus!" 
Jeder  Freund  der  deutschen  Dichtung  des  16.  Jh.  wird  dabei  an  das  schöne  Gesellschafts- 
lied: „Rosina,  wo  was  dein  Gestalt"-  erinnert.  —  In  die  gleichen  Gegenden  führt 
uns  auch  die  vortreffliche  Arbeit  H.  Wolffs41),  der  uns  einen  wertvollen  Beitrag  zur 
Geschichte  des  Humanismus  bei  den  Siebenbürger  Sachsen  bietet.  Die  geistige 
Entwicklung  des  Humanisten  Johannes  Lebel  liegt  freilich  ebenso  im  Dunkel  wie 
ein  grosser  Teil  seiner  Lebensschicksale.  W.  sucht  zum  ersten  Mal  das  Geburtsjahr 
näher  zu  bestünmen,  und  man  wird  den  Gründen  nachgeben  müssen,  mit  denen  er 
es  zwischen  die  J.  1475  und  85  setzt.  Eine  weitere  Erwähnung  Lebeis  finden  wir 
dann  erst  wieder  1527,  wo  er  als  Priester  genannt  wird,  dann  lassen  uns  die  Quellen 
wieder  bis  1540  im  Stich,  1540  treffen  wir  ihn  als  Prediger  in  Hermannstadt.  1542 
in  Thalmesch  als  Pfarrer,  1545  wiederum  Pfarrer  zu  Budak  im  Bistritzer  Kapitel,  1557 
dankte  er,  wahrscheinlich  wegen  seines  hohen  Alters,  ab;  er  starb  1566  in  Gensdorff. 
Von  besonderem  Interesse  ist  seine  Stellung  als  Vertreter  des  Protestantismus  in 
Ungarn;  ganz  vortrefflich  hat  er  die  neue  Lehre  in  zwei  apologetischen  Schreiben 
gegen  den  Bischof  in  Weissenburg,  Paul  Bomemissa,  verteidigt.  Die  beiden  prosaischen 
Schriften  Lebeis  (beide  ungedruckt)  haben  dem  Vf.  nicht  vorgelegen,  und  er  muss 
sich  daher  auf  die  Mitteilungen  anderer  beschränken.  Danach  scheinen  die  Memorabüja 
Transsylvaniae  patriotische  Phantasien  von  ausserordentlicher  Kühnheit  enthalten  zu 
haben,  während  sein  Volumen  scriptorum  in  emolumentum  Capituli  Bistricensis  eine 
Art  Schriftstellerlexikon  war.  Ausführlich  dagegen  spricht  W.  über  das  Hauptwerk 
Lebeis,  sein  episches  Gedicht:  De  oppido  Thalmus,  Carmen  historicum.  1542  entstanden, 
1562  neu  bearbeitet,  wurde  es  in  der  letzten  Fassung  1779  von  Seivert  veröffentlicht, 
auch  dem  Vf.  hat  nur  dieser  Druck  und  nicht  die  Urgestalt  des  Gedichtes  vorgelegen. 
Die   lehrreiche    und   sorgfältige  Analyse  W.s,   zeigt   uns  Lebel   durchaus  im  Banne 


O.  Zimmermann,    G.  Thym:    ib.  38,  S.  234/5.    —    35)  C.  Bertheau,    Theophilus:   ib.  37,  S.  722/4.    —    36)   G.  v.  Bülow, 
Christof  Stymmelius:  ib.  S.  98,9.  —    37)  F.  Koldewey ,  Friedr.  Sylburg:  ib.  S.  282,5.  —  38)  J.  Bolte,  Job.  Titelius:  ib.  38, 
B.  876/7.  -  39)  L.  Frftnkel,  Friedr.  Taubm:inn:  ib.  37,  8.  433-40.  —  40)  G.  Banch,  Val.  Eck.    K.  Lebensbild  aus  d.  Zeit  d. 
Jahresberichte  lür  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  ^~J  lo 


II  7:41-42  G.  Ellinger,  Humanisten  und  Neulateiner, 

gleichartiger  anderer  neulateinischer  Dichtungen:  ein  Konglomerat  von  sagenhaften 
und  geschichtlichen  Elementen,  hier  und  da  von  dem  Dichter  durch  Züge  eigener 
Erfindung  bereichert;  die  Darstellung  scheint  nach  den  angegebenen  Proben  nicht 
ohne  Gewandtheit  zu  sein,  und  in  der  Begeisterung  des  Dichters  für  sein  liebes 
Thalmesch  kommt  ein  überaus  sympathischer  Zug  des  Humanisten,  sein  starkes 
Volks-  und  Vaterlandsgefühl,  angenehm  zum  Ausdruck.  — 

Der  Humanismus  in  Spanien.  Eine  brauchbare  Lebensübersicht  des 
Vives  hat  Kayser42)  entworfen;  der  spanische  Humanist  wird  im  wesentlichen  richtig 
charakterisiert,  wenn  sich  auch  irgendwelche  neue  Gesichtspunkte  nicht  ergeben. 
Für  Deutschland  kommen  namentlich  seine  Beziehungen  zu  Erasmus  sowie  sein 
Verhältnis  zur  Reformation  in  Betracht;  über  beides  findet  man  hier  ganz  gut 
orientierende  Auszüge  aus  Vives  Briefwechsel  und  seinen  Schriften;  mit  Recht  weist 
K.  darauf  hin,  dass  Vives  der  Reformation  gegenüber  eine  durchaus  abweisende 
Stellung  eingenommen  hat.  Eine  nähere  Betrachtung  von  Vives  Schrift:  De  subven- 
tione  pauperum,  wird  in  Aussicht  gestellt.  — 


Besitzergreifung  Ungarns    durch    d.    Habsburger:    UngR.  14,    S.  40-57.    —    41)    IL   Wolt'f,   Joh.  Lebel.     E.  siebenbürg.-dtsch, 
Humanist.  Progr.  d.  evang.  Gymn.    Schässburg.  4°.  23  S.  -  42)  (II  6  :  18.)  — 


III.  Vom  Anfang  des  17.  bis  zur  Mitte 
des  18.  Jahrhunderts. 


Allgemeines. 

Alexander  Reifferscheid. 

Politische  und  wirtschaftliche  Verhältnisse:  Allgemeines  N.  1.  —  Dreissigjähriger  Krieg  N.  12.  — 
Zeitalter  des  dreissigjährigen  Krieges  N.  101.  —  Kaiser  Leopold  I.  und  seine  Zeit  N.  109.  —  Der  Grosse  Kurfürst  und  seine 
Zeit  N.  129.  —  Zeit  der  Könige  Friedrich  I.  und  Friedrich  Wilhelm  I  N.  146.  —  Kirchliche  und  religiöse  Zustände 
N.  158.  —  Geschichte  des  geistigen  Lehens:  Allgemeines  N.  183.  —  Litteraturgeschichte  N.  205.  — 

Die  allgemeinen  politischen  und  die  wirtschaftlichen  Ver- 
hältnisse des  ganzen  Zeitraumes  sowohl  wie  einzelner  Abschnitte  sind  im  Berichts- 
jahr, abgesehen  von  den  für  ein  grösseres  Publikum  bestimmten  Büchern  von 
Jäger1),  Kaem  mel2-3),  Stacke4-5),  mit  Hingebung  erforscht  und  dargestellt 
worden.  —  Ritters6)  Geschichtswerk  (JBL.  1890  III  1 :  1)  ist  auch  in  diesem  Berichts- 
jahr noch  nicht  zum  Abschluss  eines  zweiten  Bandes  gelangt.  —  Den  ersten  beabsichtigte 
Kluckhohn7)  in  einem  ausführlichen  Essay  zu  würdigen,  es  erschien  aber  nur  der 
einleitende  allgemeine  Teil  aus  seinem  Nachlasse.  —  Die  Werke  Hubers8)  (JBL. 
1892  III  1:5)  und  Erdmannsdörffers5')  (JBL.  1892  III  1:3;  1893  III  1  :  12)  wurden 
mit  grosser  Anerkennung  besprochen.  —  H.  von  Zwiedineck-S  üdenhorst ,0) 
führte  die  Darstellung  der  deutschen  Geschichte  im  Zeitraum  der  Gründung  des 
preussischen  Königtums  vom  Tode  des  grossen  Kurfürsten  bis  zum  Ende  der  Regie- 
rung Karls  VI.  und  kam  so  zum  Abschluss  seines  verdienstlichen,  von  echtem 
Patriotismus  getragenen  Werkes.  Den  Vorwurf  politischer  Tendenz  weist  er  in  der 
Vorrede  entschieden  zurück  und  verwahrt  sich  dagegen,  dass  er  geflissentlich  unge- 
rechte Urteile  verbreite.  Er  müsse  auch  auf  die  Fehler  und  Missgriffe  der  Staats- 
lenker aufmerksam  machen,  um  deren  Folgen  für  die  Gegenwart  erkennen  zu  lassen. 
Von  besonderer  Wichtigkeit  in  diesem  zweiten  Bande,  der  alle  früher  gerühmten 
Vorzüge  des  ersten  (JBL.  1890  III  1  :  2)  zeigt,  ist  der  dritte  Abschnitt  des  ersten 
Buches  über  das  deutsche  Volk  an  der  Wende  des  18.  Jh.  Nach  eingehender  Er- 
örterung der  Ansichten  zeitgenössischer  Publizisten  über  die  Stellung  der  Reichs 
gewalt  zu  den  Territorialregierungen,  bespricht  er  das  Rechtsleben,  das  zum  Schaden 
des  Volkes  immer  mehr  durch  das  römische  Recht  bestimmt  wurde,  und  die  -  Ent- 
wicklung des  Kriegswesens,  die  Bildung  stehender  Heere,  die  dem  gemeinschädlichen 

1)  O.  Jäger.  Weltgesch.  in  4  Bdn.  3.  Bd.:  Gesch.  d.  neueren  Zeit  1517-1789  2.  (Titel-)Aufl.  Bielefeld,  Vel- 
hagen  &  Klasing.  VII,  652  S.  M.  8,00.  |[Ko«dderitz:  MHL.  22,  S.  262/4.]  (Vgl.  JBL  1892  IV  1  :  51.)  —  2)  0.  Kaemmel, 
Gesch.  d.  neueren  Zeit.  2.  Bd.:  V.  30j.  Kriege  bis  z.  Machthöhe  Ludwigs  XIV.  Mit  457  Textabbild,  sowie  36  Beil.  u.  Karten. 
{—  Spaniers  ill.  Weltgesch.  Mit  bes.  Berücksicht.  d.  Kulturgesch  Bd.  6.)  L„  Spamer.  XII,  768  S.  M.  S,50  |[A.  Baldarans: 
NJbbPh.  150,  S.  292  5;  BBG.  30,  S.  766/7.]|  —  3)  id.,  V.  Beginn  d.  grossen  Entdeck,  bis  ■/..  30j.  Kriege  (JBL.  1S93  III  1:1). 
IfGrenzb.  2,  S.  45  6.j|  —  4)  L.  Stacke,  Dtsch.  Gesch.  6.  Aufl.  2  Bde.  Bielefeld,  Velhagen  &  Klasing.  XI,  744  S  :  XIII, 
«72  S.  M.25,00.  —  5)  X  Sprösser,  Deutschlands  Heerführer  (1640-1894),  verewigt  in  d.  Namen  d.  Regimenter  u.  Bataillone 
d.  dtsch.  Heeres,  in  Wort  u.  Bild  dargest.  L.,  Hirt  &  Sohn.  222  S.  M.  3,00.  —  6)  M.  Ritter,  Dtsch.  Gesch.  im  Zeitalter 
d.  Gegenreformat.  u.  d.  30j.  Krieges  (1533—1648).  (=  Bibl.  Dtsch.  Gesch.)  II.  Bd.  9.-13.  Lfg.  St.,  Cotta.  S.  1-400.  M.  5,00.  — 
7)  A.  Kluckhohn,  M.  Ritters  dtsch.  Gesch.  (  =  N.  6):  HZ.  72,  S.  102/6.  -  8)  X  J-  Loserth:  HZ.  72,  S.  3279.  —  9l  X 
Ed.  Heyck:  FBPG.  7,  8.  6058;  A.  Pribram:  HZ.  73,  S.  329-33;  A.  Zimmermann:  HPB11.  114,  S.  604-10;  Grenzb.  3,  S.  230  4. 
—  10)  IL  v.  Zwiedineck-Südenhorst,  Dtsch.  Gesch.  im  Zeitraum  d.  Gründung  d.  preuss.  Königtums.  2.  Bd.:  Vom  Tode 
d.  Gr.  Kurfürsten  bis  z.  Ausg.  d.  Regierung  Kaiser  Karl  VI.  (=  Bibl.  Dtsch.  Gesch.  N.  51,  56,  60,  68,  75,  86,  94,  96/7.)  St., 
Jahresberichte  lür  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.     V.  (3)1 


III  1:11-16      AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17./18.  Jahrhunderts. 

Militarismus  des  30jährigen  Krieges  ein  Ende  machten.  Bei  der  Betrachtung  der 
wirtschaftlichen  Verhältnisse  zeigt  Z.-S.,  dass  das  deutsche  Volk  mit  Energie  und 
Selbstvertrauen  in  Landwirtschaft  und  Gewerbe  die  Schäden  des  30jährigen  Krieges 
auszubessern  versucht  und  die  wirtschaftliche  Unabhängigkeit  vom  Auslande,  beson- 
ders von  Frankreich  angestrebt  hat.  Verschlechtert  hatte  sich  die  Lebensstellung 
der  Landwirtschaft  treibenden  Bevölkerung.  Die  adligen  Grundbesitzer  hatten  weder 
Geld  noch  Arbeiter  und  wurden  so  zu  immer  gehässigeren  Massregeln  gegen  die 
freien  und  leibeigenen  Bauern  veranlasst.  In  vielen  Gegenden  verschwanden  infolge- 
dessen mit  den  Dörfern  die  freien  Bauern.  Dagegen  wuchs  die  Bevölkerung  Deutsch- 
lands durch  die  Einwanderung  der  französischen  Hugenotten  und  der  sowohl  aus 
Ungarn  als  auch  aus  Holland  und  Portugal  kommenden  Juden.11)  — 

Gross  ist  die  Zahl  der  Schriften,  umfangreicher  Werke  und  Abhandlungen 
wie  kleinerer  Aufsätze  und  Artikel  zur  Geschichte  des  30jährigen  Krieges. 
Ausser  den  Besprechungen  der  Arbeiten  Winters12)  und  Klopps13)  (JBL.  1893  III 
1 :  7/8)  sind  die  grösseren  Monographien  Opels,  Gindelys,  Irmers  zu  nennen.  Opels  14) 
ausgedehntes  Werk  über  den  niedersächsischen  Krieg  ist  endlich  fertig  geworden. 
Er  fördert  durch  peinlich  genaues  Eingehen  auf  die  archivalischen  Nachrichten  in 
vielen  Einzelheiten  die  Kenntnis  der  Ereignisse,  ohne  die  Gesamtvorstellung  von  dem 
Kriege  im  wesentlichen  zu  ändern.  Christian  IV.  weiss  0.  allerdings  mit  Erfog  gegen 
manchen  Vorwurf  zu  rechtfertigen.  Mit  Recht  macht  er  bezüglich  des  Lübecker  Friedens 
geltend,  dass  keines  der  norddeutschen  Stifter  durch  mannhafte  Unterstützung  be- 
sondere Rücksichten  verdient  hatte.  Man  dürfe  es  dem  Könige  nicht  verargen,  dass 
er  sich  in  seinem  gesunden  Realismus  die  Verhältnisse  nutzbar  gemacht,  wie  sie  sich 
im  Verlaufe  des  Krieges  gestaltet  hatten.  —  Gindelys  sorgfältige  Monographie,  die  reife 
Frucht  langjähriger  umfassender  archivalischer  Studien,  behandelte  ohne  jede  Vor- 
eingenommenheit die  Gegenreformation  in  Böhmen.  Sie  erschien  aus  seinem  Nach- 
lass,  von  Tu  petz15)  herausgegeben.  Gindely  berücksichtigt  gleich  massig  die 
kirchlichen,  wirtschaftlichen  und  staatsrechtlichen  Folgen  der  Schlacht  am  weissen 
Berge  und  weist  nach,  dass  die  Gewaltmassregeln  gegen  das  Besitztum  der  pro- 
testantischen Böhmen  das  Land  wirtschaftlich  zu  Grunde  gerichtet  haben,  ohne 
nennenswerte  Vorteile  des  Fiskus,  da  die  Ausführer  der  strengen  kaiserlichen  Befehle 
sich  gewissenlos  bereicherten.  —  Ueber  einen  vielverkannten  und  parteiisch  beurteil- 
ten Heerführer  und  Staatsmann  aus  der  Zeit  des  30jährigen  Krieges,  Hans  Georg  von 
Arnim,  dessen  wechselvolles  Leben  bis  auf  wenige  Jahre  nahezu  unbekannt  war, 
schrieb  Irmer16)  ein  vortreffliches  Buch,  unter  geschicktester  Verwertung  alles  er- 
reichbaren archivalischen  Materials.  Nach  I.  war  Arnim  ein  politischer  Einsiedler, 
der  unverstanden  von  der  grossen  Menge  durch  die  Welt  gegangen.  Er  hatte  alles, 
was  er  „von  Importanz  geredet",  „mit  eigener  Hand  fleissig  notiert".  Leider  ist  der 
ganze  Nachlass  durch  Sorglosigkeit  und  Treulosigkeit  vernichtet,  so  dass  es  un- 
möglich ist,  das  ganze  Leben  des  Vielgeschmähten  mit  gleicher  Ausführlichkeit  zu 
schildern.  Und  doch  wären  bei  kaum  einem  anderen  autobiographische  Aufzeich- 
nungen von  solchem  Werte  wie  bei  Arnim,  der  so  viele,  fast  unerklärliche  Wand- 
lungen durchgemacht .  hat.  Nach  einander  stand  er  in  schwedischen,  polnischen, 
mansfeldischen,  schwedischen,  kaiserlichen,  kursächsischen,  kurbrandenburgischen, 
kaiserlichen  Diensten.  Bis  1630  scheint  es  ihm  gleichgültig  gewesen  zu  sein,  welchem 
Kriegsherrn  er  diente,  dann  machte  er  seine  Kriegsdienste  von  seiner  politischen 
Ueberzeugung  abhängig.  Die  Bedrängnis  der  Evangelischen  liess  ihn  in  die  Dienste 
des  Kurfürsten  von  Sachsen  treten,  zur  Uebernahme  eines  kurfürstlich-kaiserlichen 
Kommandos  in  den  letzten  Monaten  seines  Lebens  trieb  ihn  die  Vergewaltigung 
Deutschlands  durch  Schweden  und  der  Hass  wegen  des  Unrechts,  das  ihm  1637  die 
schwedische  Regierung  zugefügt  hatte.  Eigennutz  hat  ihn  jedenfalls  nie  geleitet. 
Schwedische  Agenten  haben  ihm  freilich  nachgesagt,  er  habe  seine  hohe  militärische 
Stellung  zum  eigenen  Vorteil  ausgenutzt.  Dass  das  gehässige  Verleumdung  war, 
zeigt"  die  Dürftigkeit,  in  der  Arnim  gelebt  und  gestorben,  während  er  günstigere  Ge- 
legenheit hatte  sich  zu  bereichern  als  andere  Heerführer  und  Reichsfürsten,  die  es 
ohne  Scheu  gethan  und  damals  den  Grund  zum  heutigen  Reichtum  ihrer  Familien 
gelegt  haben.  Arnim  Hess  sich  die  Treue  seiner  Ueberzeugung  weder  durch  schwe- 
dische noch  durch   kaiserliche   Belohnung   abkaufen.     Die   Ruhe    seines    Gewissens 


Cotta.  XII,  664  S.  M.  8,00.  (S.  u.  N.  175.)  —  11)  X  L-  Demme,  Naohrr.  u.  TJrkk.  z.  Chronik  v.  Hersfeld.  II.  (JBL.  1893  III  1:18): 
.1.  Pistor:  MHL.  22,  S.  456.  -  12)  X  H.  L(andwehr):  NatZg.  N.  119.  —  13)  X  <*•  Droysen:  PrJbb.  75,  S.  382/4;  C 
Spannagel:  KBGV.  42,  S.  39-40;  A.  M.  Weiss:  LKs.  20,  S.  225/7;  A.  Weskamp:  HJb.  15,  S.  391-95;  HPB11.  113,  S.  43-51. 
—  14)  J.  0.  Opel,  D.  niedersächs.-dän.  Krieg.  III.  Bd.  D.  dän.  Krieg  v.  1627  bis  z.  Frieden  v.  Lübeck  (1629).  Magdeburg, 
Faber.  VIII,  749  S.  M.  12,00.  |[R'>.  37,  S.  513/6;  LCB1.  S.  1526/7:  HTD.  5,  S.  696-764.H  (D.  1.  Bd.  „D.  niedersäohs.  Krieg 
1621/3"  erschien  Halle  1872  [VI,  594  S.J,  d.  2.  „D.  dän.  Krieg  1624,6"  Magdeburg  1878  [IV,  616  8J.)  —  15)  A.  Gindely,  Gesch. 
d.  Gegenreformat.  in  Böhmen.  Nach  d.  Tode  d.  Vf.  her.  v.  Th.  Tupetz.  L.,  Dunoker  &  Humblot.  XI,  532  8.  M.  12,00. 
|[RCr.  37,  S.  516/8;  G.  Winter:  BLU.  S.  277/8;  LCB1.  S.  546,7;  L.  Viereck:  MHL.  22,  S.  440,4.] |  (S.  u.  N.  159.)  —  16)  G. 
Irmer,    Hans  Georg  v.  Arnim.     Lebensbild    e.  protest.  Feldherrn  u.  Staatsmannes    aus    d.  Zeit    d.  30 j.  Krieges.     Mit  e.  Bild. 


AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17./18.  Jahrhunderts.      III  1  :  n-42 

stand  ihm  höher  als  Fürstengunst.    Furchtlos  trat  er  ehenso  Gustav  Adolf  wie  Wallen- 
stein entgegen,  als  beide  auf  der  Höhe  ihrer  Macht  standen.1')   —  Die  kleineren  Ab- 
handlungen sind  von  ungleichem  Werte.     Ein  Bild  von  den   allgemeinen    Zuständen 
während  des  30jährigen  Krieges  entrollen  die  „Täglichen  Aufzeichnungen"  des  Gar- 
caeus,  eines  Pfarrers  in  Sorau  und  Brandenburg;  sie  gestatten  manchen  Einblick  in 
alle  Gräuel  der  Zeit  und  das  dissolute  Leben  des    Pfarrers.      Veröffentlicht    wurden 
sie  von  Tschirch18)  mit  einer  ausführlichen  Einleitung  und  ungedruckten  Urkunden 
zur  Kulturgeschichte  der  Zeit.     Aus  übel  angebrachter  Prüderie  ist  manches   in  den 
Aufzeichnungen  gestrichen,  was  für  die  Kenntnis  des  Alltagslebens  der  Zeit  von  Be- 
deutung gewesen  wäre.19)  —  Stieve*20)  erbrachte  aus  dem  Kontobuch  der  deutschen 
Liga  den  Beweis,  dass  die  Wirksamkeit  der  Liga  vor    allen  anderen  von  Maximilian 
ausging,  dass  er  die  Kräfte  seines  Landes  aufs  äusserste    für    die    Reichsverfassung 
und  den  Katholizismus  anstrengte,  weit  mehr  als  die    übrigen   katholischen    Stände, 
die  nicht  glauben  wollten,  dass  es  besser  sei,    Hab    und    Gut    für    die    Abwehr    der 
Feinde  einzusetzen,  als  es  ihnen  zur  Beute  fallen  zu  lassen.  —    Verschiedene  unter- 
suchten die  Geschichte  einzelner  Landstriche   während    des    Krieges.      Nur    geringe 
Ergebnisse  hatte  bei  spärlichem  Aktenmaterial  Bodewig21)  in  seinem  Schriftchen 
über  Lahnstein,  wo  die  Schweden  nur   vier   Jahre    lang    Herren    waren.      Ergiebige 
Quellen  standen  Gotthold2'2)  zu  Gebote,    der   in    mehreren    Programmen    über    die 
Schweden  in  Frankfurt  am  Main  seine  Archivalien    ausführlich    zu   Worte    kommen 
lässt,  um  zu  zeigen,  dass   echte  Männer    damals    an    der    Spitze    des  Gemeinwesens 
standen,  die  reine  Liebe  zu  ihrer  Vaterstadt  bethätigten.  —  Fischer23)  behandelte 
den  Schwedeneinfall    in  Vorarlberg  nach   Archivalien  zu  Innsbruck,    Bregenz,  Feld- 
kirch, Hohenems.23a"24)  —  Wallensteins  Katastrophe  schilderte  unter  steter  Kritik  der 
Ergebnisse  der  neueren  archivalischen  Forschungen  eingehend  Wittich25"30). —  Von 
dem  Schwager  Wallensteins,  dem  kaiserlichen  General  Grafen  Adam  Erdmann  Trczka, 
gab  Ha  11  wich31)  getreu  nach  den  Urkunden  eine  kurze  Lebensbeschreibung.    Dar- 
nach darf  es  als  ausgemacht  gelten,  dass  Trczka   den    Bruch    mit    dem   Kaiser    und 
darum   den  Anschluss  Wallensteins  an  Kursachsen  und  Brandenburg,  ja  an  Schweden 
und  Frankreich    systematisch    betrieb.      Er    war    der    eigentliche    Mittelpunkt    aller 
Intriguen  gegen  den  Kaiser  und  bereitwilliger   Vermittler  bei   allen   antikaiseiiichen 
Unterhandlungen.  —  Eine  unbefangene  gerechte  Würdigung    des    so    lange  masslos 
verleumdeten,  dann  ebenso  masslos  verherrlichten  Oberbefehlshabers  der  katholischen 
Liga,  Grafen  von  Tilly,  der  als  Heeresorganisator,'  als  Feldherr  und  als  Mensch  alle 
Achtung  verdient,  schrieb  Wittich32)  nach  grösstenteils  bisher  noch  nicht  benutzten 
Archivalien.  —  Dem  kühnen  kaiserlichen  Feldherrn  Grafen  von  Pappenheim  widmete 
Lilie33)  ein  Blatt  der  Erinnerung.34-35)  —  Die  Monographie  über  den  Geh.-Rat  und 
Minister  Kaiser  Ferdinands  IL,  Anton  Wolfradt,  beendete  nach  Hopfs  Tode  (3.  Sept. 
1893)  mit  dessen  Material  Maurer36),    der  im  Schlussteil  die  bischöfliche  Wirksam- 
keit Wolfradts  mit  manchen  Ausblicken  auf  die  milde  Durchführung  der  Gegenrefor- 
mation in  Niederösterreich  behandelte.  —  Die  300jährige  Gedenkfeier  an  die  Geburt 
Gustav  Adolfs    veranlasste    eine    grosse  Zahl  wohlgemeinter  Schriften    zu  Ehren  des 
Schwedenkönigs,  die,  meist  für  Schüler  oder  für  die  weitesten  Volkskreise  bestimmt,  ohne 
wissenschaftlichen  Ertragsind37"76).   Von  den  Reden  zu  seinem  Gedächtnis  verdienen  die 


H.  G  v  Arnims.  L.,  Hirzel.  397  S.  M.  8.00.  |[Edm.  Lange:  BLU  S.  341,2;  LCB1.  S.  1559-62.]!  -17)  X  ß-  George,  Hans 
Georg  v.  Arnim:  Bär  20,  S.  356/9,  367-71,  330,3,  391/4,  4047.  (Abhängig  v.  N.  16.)  —  18)  (I  4  :  131.)  —  19)  X  K-  Einert,  e. 
Thüringer  Landpfarrer  im  30j.  Kriege  (JBL.  1893  111  1:19).  |[Grenzb.  1,  8.  108:  HZ.  72,  S.  376.]|  —  20)  F.  Stieve,  D. 
„Oontobuchu  d.  Dtsch.  Liga:  DZG.  10,  S.  97-106.  —  21)  E.  Bodewig,  Lahnstein  im  30j.  Kriege.  Progr.  d.  Eealprogymn. 
Oberlahnstein  (Fr.  Schickel).  51  S.  —  22)  O.  Gotthold,  D.  Schweden  in  Franltfnrt  a.  M.  IV.  Progr.  Frankfurt  a.  M., 
Krebs-Schmitz  Nachf.  4°.  40  S.  (T.  1-3  erschienen  in  d.  JB.  derselben  Schule  1885,  1888,  1891.)  —  23)  G.  Fischer,  Z. 
Gesch.  d.  Schwedeneinfalls  in  Vorarlberg  i.  J.  1647.  Progr.  Feldkirch  (L.  Sausgruber).  41  S.  (S.  u.  N.  85.)  —  23a)  O  X  X  A- 
I)  ü  n  i  n  g ,  Stift  u.  Stadt  Quedlinburg  im  30  j.  Kriege.  Quedlinburg  (Selbstverl.).  65  S.  |[D Herold.  25,  S.  118.]|  —  24)  O  X  X  G- H  e  r  t  e  1 , 
Nachrichten  über  Bottmarsdorf  während  d.30j.  Krieges:  GBllM;igdeburg.  29,  S.  232-61.  —  25)  K.  Wittich,  Wallensteins  Katastrophe. 
I.-IL:  HZ.  72,  S.  385-440;  73,  S.  211-83.  -  26)  X  A.  Holzbock,  Wallenstein  in  Altdorf:  BerlTBl.  N.  425.  -  27)  X  M  Ruben- 
sohn,  Werbung  Herzogs  Alb.  v.  Friedlnnd  um  d.  Jungkfrau  Mngdeburgk:  GBllMagdeburg.  29,  S  137-51.  (Vgl.  III  2:4.)  — 
28)  X  W.  Baege.  Wallenstein  in  d.  Mark  Brandenburg:  NorddAZg«. N.  14/6.  —  29)  X  H.  Bosch,  D.  Wallenstein-Festspiel 
in  Altdorf:  Gartenlaube  S.  618/9.  (Vgl.  I  4:36.)  —  30)  X  Ch.  Glauser,  Le  Wallenstein  de  Benjamin  Constant.  Progr. 
Aussig.  56  S.  (S.  u.  IV  9.)  —  31)  H.  Hallwich,  Adam  Erdmann  Graf  Trczka:  ADB.  38,  S.  537-49.  —  32)  K.  Wittich, 
Joh.  Tserclaes  Graf  v.  Tilly:  ib.  S.  314-50.  —  33)  M.  Lilie,  Gottfr.  Heinr.  Graf  v.  Pappenheim.  E.  Gedenkbl.  zu  seinem 
300j.  Geburtst.  (29.  Mai):  IllZg.  102,  S.  559.  —  34)  X  S.  Röckl,  Quellenbeitrr.  z.  Gesch.  d.  krieger.  Thätigkeit  Pappenheims 
(JBL.  1893  III  1  -.28).     IfBlasel:    Gymn.  12,  S.  202.]|    —    35)  X    Piccolominis  bref  om  slaget  vid  Lützen:  HTS.  14,  S.  87-90. 

—  36)  J.  Maurer,  Anton  Wolfradt,  Fürstbischof  v.  Wien  u.  Abt  d.  Benediktinerstiftes  Kremsmünster,  Geh.  Rat  u.  Minister 
Kaiser  Ferdinands  II.  III.  Abt.  Wien,  Holder.  80  S.  M.  1,00.  \[A.  Bellesheim:  LHandw.  33.  S.  498/9;  J.  M.:  KVZg. 
N.  624.] ]  (Nach  d.  v.  Alex.  Hopf  zumeist  aus  archiv.  Quellen  ges.  Materialien  ausgearb.)  —  37)  X  H.  Bauer,  Gustav  Adolf: 
Gartenlaube  S.  811/6.  —  38)  X  F.  Blanckmeister,  Gustav-Adolf-Stunden.  L.,  F.Richter.  VIII.  357  S.  M.  3,50.  |[G. 
Könnecke:  ThLB.  17,  S.  278,9;  Pfarrhaus  10.  S.  145/6.]|  —  38a)  X  E.  Blümel,  Gustav  Adolf  König  von  Schweden. 
E.  Gedenkbuch  z.  300j.  Geburtstagsfeier  d.  Retters  d.  dtsch.  evang.  Kirche.  Her.  vom  christl.  Ver.  im  nördl.  Dtschld. 
Eisleben,    P.    Klöppel.      226    S.      M.    1,00.    —    39)    H.    C,    D.    Gustav-Adolf-Feier    in    Deutschland:    HPB11.    114,    S.    785-99. 

—  40)  X  Ch.  Correvon,  Lettre  d'Allemagne  le  300.  anniversaire  de  la  naissance  de  Gustav  Adolf:  RChr.  2, 
S.  455-60.  —  41)  X  R-  Dietrich,  Gustav  Adolf  in  Lied  u.  Dichtung:  LZgB.  S.  585/8.  —  42)  X  E.  Dietz,  Vie  de  Gustave- 
Adolphe,  racontee  ä  la  jeunesse  ä  l'occasion  du  300.  annivers.  de  sa  naiss.     Paris,  Soc.  des  ecoles  du  dimanche.    52  S.  M.  0,25. 

(3)1* 


III  1:43-90       AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17./18.  Jahrhunderts. 

von  Lenz77)  und  von  Prutz78)  besondere  Beachtung-.  Es  fehlten  auch  nicht  die 
Entgegnungen  derer,  die  in  Gustav  Adolf  nur  den  fremden  Eroberer  sehen79-82)  oder 
die  materialistischer  Geschichtsauffassung  huldigen83);  auch  bei  ihnen  ist  ein  längeres 
Verweilen  nicht  gerechtfertigt.  —  Von  wirklichem  Werte  wären  Arbeiten  gewesen, 
welche  nach  bisher  unbenutzten  Archivalien  das  Auftreten  Gustav  Adolfs  und  der 
Schweden  in  einzelnen  Gegenden  Deutschlands84)  unbefangen  untersucht  hätten,  wie 
Prohnhäuser85)  es  gethan  hat,  der  nach  Darmstädter  und  Mainzer  Akten  Gustav  Adolf 
und  die  Schweden  in  Mainz  und  am  Rheine  behandelte.  Er  beurteilt  Gustav  Adolfs 
Absichten  wohl  ganz  richtig,  wenn  er  annimmt,  derselbe  habe  sich  mitten  in  Deutsch- 
land für  sein  weiteres  Vorgehen  gegen  Süddeutschland  in  der  Mainlinie  eine  starke 
Operationsbasis  schaffen  wollen,  deren  Bedeutung  in  der  That  nach  der  Niederlage 
bei  Nördlingen  sichtbar  wurde.86)  —  Sehr  wertvoll  ist  die  Arbeit  von  Stalins87). 
Er  stellte  alle  Schenkungen  und  Gnadenerweise,  im  ganzen  60,  zusammen,  welche 
Gustav  Adolf  und  später  sein  Kanzler  Axel  von  Oxenstierna  mit  erobertem  Land- 
besitz im  löebiet  des  heutigen  Württemberg  an  34  Fürsten  und  Herren  und  an 
7  Reichsstädte  an  Zahlungsstatt  oder  aus  Freundschaft  machte  in  der  Zeit  vom  29.  Dec. 
1631  bis  zum  4.  Juni  1634,  etwa  im  Werte  von  60  Millionen  Mark.  Die  Nörd- 
linger  Schlacht  hob  allerdings  die  meisten  dieser  Schenkungen  wieder  auf  —  Inner- 
lich nahe  verwandt  ist  diesem  Aufsatze  die  Untersuchung  Lorentzens88)  über  die 
Geschichte  der  schwedischen  Armee,  die  in  engster  Beziehung  steht  zur  Geschichte 
der  schwedischen  Politik  seit  Gustav  Adolf.  Die  Lage  der  Finanzen  hatte  Schweden 
gezwungen,  den  Krieg  geradezu  zu  suchen,  damit  das  Heer,  welches  erhalten  werden 
musste,  wenigstens  in  Feindesland  und  vom  Feinde  ernährt  wurde.  So  ruht  das 
Hauptgewicht  der  L.schen  Untersuchung  auf  der  volkswirtschaftlichen  Seite.  —  Eine 
Reihe  von  Aufsätzen  beschäftigten  sich  mit  Einzelfragen.  So  giebt  die  Veröffent- 
lichung eines  Briefes89)  von  Baner  vom  15.  April  1641  und  des  Gutachtens  seiner 
Aerzte  vom  29.  einen  kleinen  Beitrag  zur  Lebensgeschichte  Baners.  Wir  erfahren 
daraus  Näheres  über  seine  Krankheit  und  die  Stimmung,  in  der  er  sich  während 
dieser  Zeit  befand.  —    Mack90)  schilderte  nach    den  Berichten    Braunschweigscher 


—  43)  X  G-  Fischer,  Gustav  Adolf  oder:  „Jeder  Zoll  e.  König".  E.  Lebensbild  z.  300j.  Gebnrtst.  d.  Heldenkönigs  für  unser 
evang.  Volk.  Herborn,  Buchh.  d.  Nass.  Kolportagever.  48  S.  M.  0,15.  (Mit  Abbild.)  —  44)  K.  Gerolc,  Vor  29  J.  Gustav- 
Adolf-Segen.  Festpredigt,  am  7.  Sept.  1865  geh.  Ans  Anl.  d.  Dresdener  Gustav -Adolf-Jubil.  im  Juli  1894  wieder  aufgel. 
Dresden,  Sturm  &  Co.  15  S.  M.  0,20.  —  45)  X  E.  Gut  jähr,  König  Gustav  II.  Adolfs  v.  Schweden  Beweggründe  z.  Teil- 
nahme am  dtsch.  Kriege  auf  Grund  bes.  d.  schwed.  Quellen  aus  d.  J.  1629—30.  L.,  Dörffling  &  Franke.  72  S.  M.  1,00.  |[R. 
B endixen:  ThLBl.  15,  S.  561. ]|  (D.  evang.  Schule,  e.  Beitr.  z.  3C0j.  Gedenkfeier  an  Gustaf  Adolfs  Geburt.  Ursprüngl.  e. 
Vortr.,  geh.  in  d.  paed.  Ges.  zu  Leipz.,  über  d.  d.  Vf.  selbst  berichtete:  DB11EÜ.  21,  S.  369-70,  378,9.)  —  46)  X  R-  Jordan 
u.  A.  Totzke,  Gustav  Adolf.  D.  Held  d.  30 j.  Krieges  u.  Befreier  d.  protest.  Glaubens.  Festschr.  zu  d.  300 j.  Geburtst.  Für 
Schule  u.  Haus.  Neuwied  u.  L.,  Heuser.  96  S.  M.  1,00.  |[Gust.  Eosenthai:  ThLB.  17,  S.  279.]|  —  47)  X  P.  Kaiser, 
Gustav  Adolf.  E.  christl.  Heidenleben.  Z.  Jubelfeier  d.  300j.  Geburtst.  Gustav  Adolfs  am  9.  Dec.  1894.  D.  dtsch.  evang. 
Volke  dargeboten.  Bielefeld,  Velhagen  &  Klasing.  89  S.  MitAbbild.  M.  0,50.  ITGust.  Kosenthai:  ThLB.  17,  S.  159;  BLU. 
S.  558.J|  —  48)  X  id..  Zu  Gustav  Adolfs  300j.  Geburtst.:  IllZg.  103,  S.  666,  670/1.  —  49)  X  id.,  Z.  Gustav  Adolf-Jubil.: 
Daheim  S.  747-50.  —  50)  X  C.  Müller,  Zu  Gustav  Adolfs  300.  Geburtst.:  NatZg.  N.  660,  662.  —  5H  X  P-  Moser,  Gustav 
Adolf.  Z.  Gedächtn.  seines  300.  Geburtst.:  DEB11.  19,  S.  789-S09.  -  52)  X  R-  Pappritz,  Gustav  Adolf:  VossZg».  N.576.  — 
53)  X  A.  R.,  Gustav  Adolf  im  dtsch.  Volkslied:  IllZg.  103,  S.  671/2.  —  54)  X  Fr.  Rienäcker,  Gustav  Adolf  z.  300 j.  Ge- 
burtst. Gustav  Adolfs.  10.  Aufl..  Dessau,  P.  Baumann.  24  S.  M.  0,10.  —  55)  X  ß-  Kogge,  Gustav  Adolf-Flugbl.  Leben 
u.  Thaten  d.  Glaubenshelden.  Dresden,  Gustav  Adolf- Verl.  15  S.  M.  0,10.  (Mit  20  Abbild.)  —  56)  X  id-<  Gustav  Adolf, 
Deutschlands  Erretter  —  nicht  Eroberer!  E.  Wort  über  d.  wahren  Zwecke  u.  Ziele  d.  Glaubensbelden.  ebda.  26  S.  MitAb- 
bild. M.  0,50.  —  57)  X  F.  W.  Runze,  Gustav  Adolf.  Z.  Jubelfeier  seines  300j.  Geburtst.  am  3.  Dec.  1S94.  Erfurt,  H.  Neu- 
mann. 20  S.  M.  0,50.  —  58)  X  E-  Schulz,  Z.  Feier  d.  300j  Geburtst.  Gustav  Adolfs,  Königs  v.  Schweden.  9.  Dec.  1894. 
E.  Lebensbild  d.  gottbegeisterten  Streiters  für  d.  reine  Lehre  d.  Evangeliums.  L.,  Th.  Thomas.  22  S.  M.  0,25.  —  59)  X  k 
Spannenberg,  Gustav  Adolf.  Gedenkbl.  z.  300j.  Geburtstagsfeier  d.  grossen  Heldenkönigs.  (=  Paed.  Abhandl.  N.  23.) 
Bielefeld,  Helmich.  17  S.  M.  0,35.  —  60)  X  E.  Sparfeld,  Gustav  Adolf,  König  v.  Schweden,  d.  heldenmüt.  Kämpfer  für 
Deutschlands  Religionsfreiheit.  E.  Volksbuch  für  alle  Stände.  2.  Aufl.  L.,  Friese.  481  S.  M.  3,00.  —  61)  X  F.  St.,  D. 
Gustav  Adolf-Feier  u.  d.  Ultramontanismus:  DPB1.  27,  S.  340,1.  —  62)  X  A.  Steinke,  Gustav  Adolf.  Festschr.  zu  seinem 
300j.  Geburtst.  Graudenz,  Gaebel.  12  S.  M.  0,20.  -  63)  X  A-  Thoma,  Gustav  Adolf-Spiel.  Für  Stadt  u.  Land.  2.  Ausg. 
Karlsruhe,  Reiff.  96  S.  M.  1,00.  —  64)  X  G.  A.  Tischer,  Gustav  Adolf.  Z.  9.  Dec:  DPB1.  27,  S.  377  9.  —  65)  X  M- 
Ueberschaar,  D.  Gedächtn.  d.  Gerechten  bleibet  im  Segen.  Festschr.  z.  300 j.  Geburtst.  Gustav  Adolfs.  Magdeburg, 
Gebr.  Geitel.  VI,  31  S.  M.  0,40.  —  66)  X  R-  Weitbreclit,  Z.  Gustav  Adolf-Feier:  BLU.  S.  769-72.  —  67)  X  G.Winter, 
D.  Wahrheit  über  Gustav  Adolf:  Geg.  46,  S.  277/8,  296/8.  —  68)  X  H-  ▼•  Zobeltitz,  Gustav  Adolf  als  Feldherr:  Daheim 
S.  795/8.  —  69)  X  Schriften  über  Gustav  Adolf:  DPB1.  27,  S.  383.  (Blosse  Aufzählung.)  —  70)  X  Gustav  Adolf:  NZ^t.  2, 
S.  801/6.  —  71)  X  Gustav  Adolf:  Grenzb.  4,  S.  481/6.  —  72)  X  Zehn  Stimmen  über  Gustav  Adolf:  Pfarrhaus  10,  S.  177  9.  — 
73)  X  z-  Säkularfeier  Gustav  Adolfs:  DEKZ.  8,  S.  457.  —  74)  X  Gustav  Adolfs  Landung  in  Pommern.  Mit  III.:  Bär  20, 
S.  242.  —  75)  X  A.  Rfs.,  Svensk  Gustav  Adolfs-litteratur:  HTS.  14,  S.  114/7.  —  76)  X  Gustav  Adolffeste  1894:  ib.  S.  360  2. 

—  77)  M.  Lenz,  Gustav  Adolf,  d.  Befreier,  z.  Gedächtn.:  PrJbb.  78,  S.  507-16.  -  78)  H.  Prutz,  Rede  auf  Gustav  Adolf. 
Königsberg  i.  P.,  Härtung.  16  S.  M.  0,20.  —  79)  X  '•  Bur&.  Gustav  Adolf  im  Lichte  d.  neueren  Gesch. -Forsch.  4.  Aufl. 
Essen,  Fredebeul  &  Koenen.  48  S.  M.  0,30.  —  80-81)  X  H-  Cardauns,  Gustav  Adolph  u.  d.  dtsch.  Feier  d.  Jubil.  seiner 
Geburt:  KVZg.  N.  719.  —  82)  X  w"s  ist  Gustav  Adolf  d.  Deutschen?  Glaubensheld  oder  Eroberer?  Befreier  oder  Ver- 
wüster? Paderborn,  Bonifaciusdr.  16°.  38  S.  M.  0,15.  -•■  83)  X  F.  Mehring,  Gustav  Adolf.  E.  Fürstenspiegel  zu  Lehr 
u.  Nutz  d.  dtsch.  Arbeiter.  B.,  Verl.  d.  „Vorwärts".  52  S.  M.  0,30.  -  84)  (=  N.  21/4.)  —  85)  L.  Frohnhäuser,  Gustav 
Adolf  u.  d.  Schweden  in  Mainz  u.  am  Rhein.  Z.  Erinn.  an  d.  300j.  Wiederkehr  d.  Geburtst.  Gustav  Adolfs.  Darmstadt,  Berg- 
strässer.  VI,  232  S.  M.  3,00.  (Sonderabdr.  ans  AHessG.  Bd.  2.)  -  86)  X  R-  George,  Gustav  Adolf  u.  Kurfürst  Georg 
Wilhelm  v.  Brandenburg:  Bär  20,  S.  587  9,  596,9.  —  87)  P-  v.  Stalin,  Schwed.  Schenkungen  in  Bezug  auf  Teile  d.  heut. 
Königr.  Württemberg  u.  an  zu  demselben  gehör.  Familien  währ.  d.  30j.  Krieges.  St.,  Kohlhammer.  47  S.  M.  1,00.  (Sonderabdr. 
aus  WürttVjh.  Bd.  3.)  —  88)  Th.  Lorentzen,  D.  schwed,  Armee  im  30j.  Kriege  u.  ihre  Abdankung.  L.,  Veit  &  Co.  VII, 
216  S.     M.  6,00.    —    89)    E.  Brief  Bauers  v.  15.  Apr.  1641:  HTS.  14.  S.  275,9.    —    90)    H.  Mack,    D.  Hanse  u.  d.  Belagerung 


AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17./18.  Jahrhunderts.     III  1  :  91-112 

Gesandten  die  fruchtlosen  diplomatischen  Versuche  der  Hansa,  die  Belagerung1  Stral- 
sunds durch  Wallenstein  zu  hindern,  und  ihre  Unfähigkeit,  die  Stadt  wirksam  zu 
unterstützen.91-93)  —  Wittich94)  sah  sich  durch  die  Verteidiger  der  alten  Ansicht 
über  den  Brand  Magdeburgs  zu  einem  Nachtrage  genötigt,  in  dem  vor  allem  seine 
Kritik  zeitgenössischer  Berichte  über  die  Zerstörung  Magdeburgs  beachtenswert  ist. 
—  Philippi96)  schilderte  die  Belagerung  Osnabrücks  durch  die  Schweden  im  Aug. 
16B3  und  veröffentlichte  einige  Osnabrücker  Akten  darüber.  Die  kriegsgeschicht- 
lichen Arbeiten  von  Reitzensteins96)  (JBL.  1893  III  1 :  34),  Opitz97)  (JBL.^  1892  III 
1 :  23;  1893  III  1 :  35)  und  Strucks9S)  (JBL.  1893  III  1  :  37)  wurden  anerkennend  be- 
sprochen. —  Den  Kriegszug  eines  im  Egerlande  gebildeten  Reiterregiments  von  Eger 
her  durch  das  nördliche  Deutschland,  Schlesien,  südwärts  nach  Ungarn  und  wieder 
nordwärts  nach  Schleswig  und  Jütland,  sowie  nach  Preussen  über  die  Weichsel  be- 
schrieb ein  ungenannter,,  Abkömmling  aus  altegerer  Patrizierfamilie"99).  —  Diemar100) 
behandelte  die  Schicksale  der  Hessen-Kasselschen  Truppen  im  Heere  Gustav  Adolfs 
1632.  Darnach  haben  6  hessische  Regimenter  au  der  Schlacht  bei  Lützen  teil- 
genommen.—  Wuttke101)  beleuchtete  die  Ursachen  und  den  Verlauf  der  Kipperzeit 
in  Kursachsen  mit  Ausblicken  auf  die  allgemeinen  deutschen  Zustände.  Für  die 
Missstände  macht  er  vor  allem  die  falsche  Scheidemünzpolitik  verantwortlich.102-103)  — 

Die  Erinnerung  an  Josias  Rantzau,  einen  Parteigänger  aus  dem  Zeitalter 
des  30jährigen  Krieges,  der  nach  einander  in  dänischen,  schwedischen,  kaiser- 
lichen, französischen  Diensten  gestanden  und  es  in  Frankreich  durch  seine  kriege- 
rische Tüchtigkeit  1645  bis  zum  Marschall  gebracht,  frischte  Harzen-Müller 104) 
auf.105)  —  Hierher  gehört  auch  die  Doktorarbeit  Stamms106),  der  nach  ungarischen 
Quellen  die  langjährigen  Intriguen  und  den  offenen  Aufstand  des  nur  von  politischen, 
nicht  von  religiösen  Beweggründen  geleiteten  Gabriel  Bethlen,  Fürsten  von  Siebenbürgen, 
gegen  Kaiser  Ferdinand  II.  darstellte.  —  Eine  reife  Fruchtseiner  weitausgreifenden  archiv- 
alischen  Forschungen  zur  Geschichte  der  Bündner  und  Veltliner  Frage  in  den  Jahren 
1618 — 26legteReinhardt ,07)  vor  in  seiner  Veröffentlichung  der  Korrespondenz  des  Erz- 
herzogs Leopolds  V.  von  Oesterreich  mit  Alfonso  und  Girolamo  Casati,  spanischen  Ge- 
sandten in  der  Eidgenossenschaft,  nach  den  Originalen  im  Statthaltereiarchiv  zu  Innsbruck. 
Sie  istum  so  wichtiger,  weil  bisher  nur  französische  und  venetianische  Quellen  erschlossen 
waren.  Die  umfangreiche  Einleitung  giebt  einen  Beitrag  zur  Geschichte  der  spani- 
schen Gesandtschaft  in  der  Schweiz.  —  Einen  Beitrag  zur  Geschichte  der  Schweiz 
in  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jh.  haben  wir  in  von  Liebenaus108)  Fortsetzung 
seiner  alle  Einzelheiten  berücksichtigenden  Untersuchung  über  den  Luzerner  Bauern- 
krieg vom  J.  1653  (vgl.  JBL.  1893  III  1  :  50),  dessen  wahre  Ursache  ein  allgemeines 
materielles  Missbehagen  ohne  jede  politische  oder  religiöse  Färbung  war.  Die  Bauern- 
führer suchten  teilweise  eigene  Unbilden  zu  rächen,  sie  setzten  das  Wohl  ihrer  einzel- 
nen Gemeinden  und  Landvogteien  über  das  Gesamtwohl  des  Staates.  Von  Entle- 
buch  aus  wurden  die  Bauern  im  Gebiete  von  Luzern  und  Bern  gegen  ihre  Obrig- 
keit aufgehetzt,  sie  fanden  bald  eifrige  Anhänger  in  den  Kreisen  der  Bauern  anderer 
Kantone  und  unter  den  unzufriedenen  Bürgern  Luzerns  selbst. 

Eine  rege  Thätigkeit  entwickelte  sich  auf  dem  Gebiete  der  Geschichte  Kaiser 
Leopolds  I.  und  der  Politik  seiner  Zeit.  Nicht  zugänglich  war  mir  das  Werk 
von  Rezek  und  Svätek109).  —  Sehr  verspätet  besprach  Lorentzen  110"1U)  zwei 
gediegene  hierher  gehörige  Aufsätze  Pribrams  (JBL.  1891  III  l  :  23,  29).  —  Als  Beitrag 
zur  Quellengeschichte  dieser  Zeit  veröffentlichte  Dvorak112)  die  politisch  bedeuten- 
den Briefe  Kaiser  Leopolds  I.  an  seinen  ersten  geheimen  Rat  und  Obersthofmeister, 
Wenzel  Euseb,  Herzog  in  Schlesien   zu  Sagan,  Fürsten  zu  Lobkowitz,    der   sich  bis 

Stralsunds  im  J.  1628:  HansGBll.  21,  S.  123-55.  —  91)  X  K.  Wittich,  Dietrich  v.  Falkenberg  (JBL.  1893  III  1  :  32):  HZ.  73, 
S.  327/8.  —  92)  X  K.  Wittich:  R.  Volkholz,  D.  Zerstörung  Magdeburgs  (JBL.  1893  III  1  :33):  ib.  72,  S.  557/8.  —  93)  X 
M.  Dittmar,  D.  Zerstörung  Magdeburgs  im  J.  1631:  GBllMagdeburg.  29,  S.  303-400.  —  94)  K.  Wittich,  Pappenheim  u. 
Falkenberg.  E.  Beitr  z.  Kennzeichnung  d.  lokalpatriot.  Geschichtsschreibung  Magdeburgs.  B.,  W.  Baensch.  141  S.  M.  4,00. 
|[G.  Rüthning:  MIIL.  22,  S.  446-50;  HZ.  73,  S.327,S.1|  —  95)  Fr.  Philippi,  D.  Belagerung  Osnabrücks  durch  d.  Schweden 
1688.  Mit  e.  Taf.:  MVGOsnabrück.  IS,  S  257-90.  —  96)  X  H.  Diemar:  HZ.  73,  S.  91/2.  —  97)  X  L.  K  :  Bär  20,  S.  11; 
G.  Küthning:  MHL.  22,  S.  2135:  K.  Wittich.  HZ.  72,  S.  375,6.  —  98)  X  H-  Diemar:  HZ.  73,  S.  176,7;  A.  Schulte: 
ZGOKh.  9,  S.  182,3.  —  99)  E^  dtsch.-böhm.  Reiterregiment  im  30j.  Kriege  1625-35:  MVGDB.  32,  S.  357-83.  —  100) 
H.  Diemar,  D.  Anteil  d.  Hessen  an  d.  Schlacht  bei  Lützen  1632:  ZVHessG.  18,  S.  327-53.  —  101)  (I  4:169.)  — 
102)  X  Kipper  u.  Wipper:  Daheim  S.  320.  —  103)  E.  Gothein.  D.  dtsch.  Kreditverhältnisse  u.  d.  30 j.  Krieg  (JBL.  1S93 
1111:42).  |[LCB1.  S.  1562/3;  G.  Küntzel:  DLZ.  S.  16548;  HZ.  73,  S.  560.]|  —  104)  A.  N.  Harzen-Müller,  Josias 
Rantzau,  d.  Sohn  d.  30 j.  Krieges:  LZg".  S.  489-92.  —  105)  P.  Sonden:  E.  u.  A.  Seraphim,  Aus  d.  kurländ.  Ver- 
gangenheit (JBL.  1892  14:765;  III  1:26;  1893  14:493;  III  1:43):  HTS.  14,  S.  4-13.  —  106)  A.  Stamm,  D.  erste 
Feldzug  d.  Gabriel  Bethlen,  Fürsten  v.  Siebenbürgen,  geg.  Kaiser  Ferdinand  IL,  König  v.  Ungarn,  bis  z.  Waffenstillst, 
v.  Pressburg  im  Dec.  1619.  Kronstadt,  Alexi.  II,  82  S.  M.  1,50.  —  107)  H.  Reinhardt,  D.  Korresp.  d.  Alfonso  u.  Girolamo 
Oasati,  spanischen  Gesandten  in  d.  Schweiz.  Eidgenossensch.,  mit  Erzherz.  Leopold  V.  v.  Oesterr.  E.  Beitr.  z.  Schweiz,  u. 
allgem.  Gesch.  im  Zeitalter  d.  30 j.  Krieges.  (=  Collectanea  Friburgensia.  I.)  Freiburg  i.  Schw.,  Universitätsbuchh  4°. 
XI,  LXXXV1I,  214S.  M.6,00.  |[RCr.  33,  S.  2668.]|  —  108)  Th.  v.  Liebenau,  D.  Luzern  Bauernkrieg  v.  J.  1653:  JbSchwG.  19, 
S.  71-320.  —  109)  A.  Rezek  u.  J.  Svätek,  D.  Regierung  Leopolds  I.  Prag,  Kober.  452  S.  Fl.  3,00.  —  110-11)  Th. 
Lorentzen:  DLZ.  S.  1458,9.  —  112 1  M.  Dvorak,  Briefe  Kaiser  Leopolds  I.  an  Wenzel  Euseb,  Herzog  in  Schlesien  zu  Sagan, 
Fürsten  zu  Lobkowitz  1657 — 74.     Nach  d.  Orig.  d.  fürstl.  v.  Lobkowitzschen  Familienarch.  zu  Randnitz  an  d.  Elbe  in  Böhmen: 


III  1  :  11.3-125    AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17./18.  Jahrhunderts. 

zum  J.  1674  des  unumschränkten  Vertrauens   seines   Herrn   erfreute.    —   Auf  Grund 
von  Archivalien  des  fürstlich  Oetting-en-Wallersteinschen  Archivs  zu  Wallerstein  ver- 
suchte Weiss113)  eine  neue  Darstellung-  der  Wahl  Leopolds  I.,  ohne  zu  wesentlich 
neuen  Ergebnissen  zu  gelangen.  —  Zwei  Arbeiten  des  um  die  Geschichte  dieser  Zeit 
wohlverdienten  österreichischen  Geschichtsforschers  Pribram  114_115)  sind  hier  zu  ver- 
zeichnen: ein  Aufsatz  über  das  Verhältnis  der  niederösterreichischen  Stände  zur  Krone 
unter  Leopold  I.,  der  einen  erwünschten  Beitrag  bietet  zur  inneren  Geschichte  Oester- 
reichs,  und  eine  vortreffliche  Monographie  über  den  ausgezeichneten  Diplomaten  und 
Publizisten  Franz  Paul  von  Lisola,  welche  die  Ergebnisse  eindringender,  auf  ein  um- 
fangreiches und  zum  grössten  Teil  bisher  gänzlich  unbenutztes  Quellenmaterial  begrün- 
deter Forschungen  mitteilt.  Das  Werk  ist  um  so  freudiger  zu  begrüssen,  weil  Lisola  der 
bedeutendste  Führer  im  Kampf  um  die  Freiheit  Europas  gegen  die  Weltherrschafts- 
gelüste  Ludwigs  XIV.  war.     Es  enthält  wertvolle   Beiträge  zur    Geschichte    der    da- 
maligen österreichischen  Politik,  die  die  herrschende  Auffassung  in    vielen    Stücken 
berichtigen.  —  Mit  den  Reichsfeinden,  den  Türken  und  den  Franzosen,   beschäftigen 
sich  mehrere  kleinere  Arbeiten116).     Hofmann  11T)  gab  genaue  Zahlennachweise  über 
die    Folgen    der   Türkengefahr    der    J.   1663    und    64    für    die    Bewohner   der    Stadt 
und  Herrschaft  Glauchau.   Es  musste  für  Werbung  und  Unterhaltung   der  Kreisvölker 
Sorge    getragen    und    ein    ständiges    Defensionswerk    eingerichtet  werden. —  H.  von 
Zeissberg118)  feierte  die  Befreier  Wiens  bei  der  Türkenbelagerung  im  J.  1683  aus 
Anlass  der  Errichtung  des  Erinnerungsdenkmals  im  Stefansdome.110)  —  Nicht  mensch- 
licher als  die  Türken  hatten  die  Franzosen  in  Deutschland    gehaust.1'20)     Huber121) 
schrieb  die  Geschichte  der  zu  Gunsten  Frankreichs  im  J.  1679  erfolgten  Befestigung 
Hüningens,     des     wichtigen    südlichsten    Punktes    der    Grenzen    Frankreichs    und 
Deutschlands,    und    der    weiteren    Entwicklung    der   Festung    bis    zum    J.    1698,    in 
dem     die     Werke    geschleift    werden    mussten.      Der    Anhang    enthält    eine    Denk- 
schrift    Vaubans    über    die    Lage    der    Festung    im     Falle     einer    Belagerung.    — 
Ein  anschauliches  Bild  der  Zerstörung  Bonns,  welches  die  BVanzosen  besetzt  hielten, 
durch    die  Brandenburger,   entwarf   nach    den    Quellen    Hauptmann122).    —    Von 
Duncker123)  schilderte  den  kaiserlichen  Generalfeldmarschall  J.  K.   Reichsfreiherrn 
von  Thüngen,  der  sich  gegen  Türken  und  Franzosen  als  Truppenführer  ausgezeichnet  hat. 
—  Reiche  Belehrung  über  die  innere  Geschichte  dieser  Zeit,  wie  die  von  den  Fran- 
zosen verbrannten  Städte  umsichtig  und  thatkräftig  wieder   aufgebaut    wurden,    ent- 
halten Seidenbenders  Vorschläge  für  die  Wiederaufrichtung    der    Stadt    Worms,    die 
Weckerling124)  veröffentlicht.     Sie  bezeugen  die  ernste  Gesinnung,    mit    der    man 
darauf  bedacht  war,  „dem  under  der  aschen  seufzenden  Steinhaufen  und  der  exulirend 
und  auf  das  euserst  erarmbten  bürgerschaft  wieder  in  die  höhe  und  auf   zu  helfen", 
überzeugt,  dass  die  „wieder  aufrichtende  republique    auf  3   hauptsaulen    als    1.    den 
Gottesdienst,  2.  gute  polizei  und  3.  vernünftiges  haushalten"  gegründet  werden  müsse. 
Seidenbender  machte  dementsprechend  seine  Vorschläge.   Er  kommt  zu  dem  Ergebnis, 
dass  „das  wiederaufkommen  der  stadt  in  sich  selbst  gesuchet   werden  müsse,  welches 
in  nichts  änderst  bestehe,  als  dass  man  sie  volkreich  zu  machen  suche.     Dieses  habe 
sein  rechtes  centrum  in  aufrichtung  der    commercien,    fabriquen    und    manufacturen, 
allermassen  sie  die  eigentliche  brunquelle  des  reichthumbs  seien."     Am  liebsten  hätte 
er  lauter  evangelisch-lutherische  Einwohner,  da  das  aber,  ohne  „sich  selbst  in  seinen 
ruinen  zu  consumiren",   nicht  angängig,  will  er  unter  sicheren   Bedingungen    Refor- 
mierte zulassen.     Gegen  die  Aufnahme  vermögender  Katholiken  erklärt  er  sich  ent- 
schieden; noch  intoleranter  ist  er  gegen  fremde  Juden,  am  liebsten  wollte  er  „die  race 
so  stillschweigend  aussterben  lassen".     Die  Judenschaft  ist  ihm  mit    „der   schwerste 
Stein,   so  bei  dem  wiederaufrichtendem   corpore    zu    heben".      Er  rät  zur    strengsten 
Beschränkung    und   Bedrückung    der    einheimischen    Juden,    gegen    die    ihm    keine 
Massregel  scharf  genug    ist.125)    —    Auch    gegen    den    dritten    Erbfeind   hatten    die 
Deutschen  schon  damals  zu  kämpfen.     Gestützt  auf  die  Untersuchungen  von  Krones 

AÖG.  SO,  S.  461-514.  [["HZ.  72,  S.  559-60.  ||  (Auch  als  Sonderabdr.:  Wien,  Tempsky.  56  S.  M.  1,30.)  —  113)  J.  Weiss,  Beitrr. 
z.  Gesch.  d,  Wahl  Leopolds  I.  aus  d  fürstl.  Oettingen-Wallersteinschen  Arch.  zu  Wallerstein:  HJb.  15,  S.  529-55.  —  114)  A. 
Pribram,  D.  n'iederöbterr.  Slände  u.  d.  Krone  in  d.  Zeit  Kaiser  Leopolds  I.:  M1ÖG.  14,  S.  589-652  —  115)  id..  Franz  Paul 
Freiherr  v.  Lisola  1818-74  u.  d.  Politik  seiner  Zeit.  L.,  Veit  &  Co.  V11I,  714  S.  M.  18,00.  (Mit  Bild.)  —  116)  id.,  A.  Schulte, 
Markgr.  Ludw.  Wilh.  v.  Baden  (JBL.  1S92  III  1  :28):  HZ.  73,  S.  333/5.  —  117)  R.  Hofmann,  Stadt  u.  Herrschaft  Glauchau 
um  d.  ,T.  1663  u.  d.  Türkengefahr:  SchönburgischeGBll.  1,  S.  38-59.  —  118)  H.  v.  Zeissberg,  Denkschr.  z.  Erinnerung  an  d. 
2.  Türkenbelag.  Wiens  im  J.  1683  anlässl.  d.  am  13.  Sept.  1894  erfolgten  Enthüllung  d.  Denkmals  im  St.  Stefansdome  zu  Wien. 
(Mit  e.  Lichtdr.)  Wien,  A.  Holder.  37  S.  M.  1,00.  —  119)  X  H.  M.  Truxa,  Erinnerungs-Denkmäler  d.  Befreiung  Wiens 
aus  d.  Tflrkennot  d.  J.  1683.  Mit  4  Abbild.  Wien,  Mayer  &  Co.  1891.  50  S.  M.  1,00.  —  120)  R.  Fester,  D.  Augsburger 
Allianz  v.  10S6  (JBL.  1893  111  1  :  52).  HA.  Pribram:  HZ.  73,  S.  94/5;  A.  Schulte:  ZGORh.  9,  S.  185/6;  0.  Weber:  GGA. 
S.  565/8.H  —  121)  Aug.  llu  bor,  Gesch.  Hüningens  v.  1679—98.  Diss.  Basel  (Druck,  d.  Allg.  Schweizer  Zg.).  139  S.  — 
122)  F.  Hauptmann,  D.  Zerstörung  Bonns  im  ,1.  1689.  (=  Bilder  aus  d.  Gesch.  v.  Bonn  u.  seiner  ITmgeb.  N  6.)  Bonn,  Haupt- 
mann. 75  S.  M.0,50.  -  123)  C.  v.  Duncker,  Joh.  Karl  Reichsfrhr.  v.  Thingen;  ADB.  38,  S.  218-20.  -  124)  A.  Wackerling, 
Job.  Friedr.  Seidenbenders  Vorschläge  für  d.  Wiederaufrichtung  d.  Stadt  Worms  nach  d.  Zerstörung  ders.  durch  d.  Franzosen 
im  J.  1689.  Eingel.  u.  her.  Progr.  Worms  (A.  K.  Boeninger).  XI,  76  S.  —  125)  X  T'1  Kükelhans,  D.  Urspr.  d.  Planes  v. 
ewigen  Frieden  in  d.  Memoiren  d.  Herzogs  v.  Sully  (JBL.  1893  III  1  :  681.     HR.  Mahrenholtz:  MHL.  22,  S.  319-20;  HZ.  72, 


AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17./ 18.  Jahrhunderts.    III  1  :  120-132 

schilderte  Miklau126)  Franz  II.  Rakoczy  und  entwarf  ein  Bild  des  Mannes,  das  von 
der  magyarischen  Ueberlieferung  stark  abweicht.  Rakoczy  habe  sich  nie  von  höheren 
Tendenzen,  sondern  nur  von  der  Rücksicht  auf  eigenen  Vorteil  leiten  lassen,  er  habe 
nie  die  Rechte  des  Volkes,  sondern  stets  die  Vorrechte  des  magyarischen  Adels  ver- 
fochten und  sei  bei  den  Magyaren  nur  wegen  seines  unauslöschlichen  Hasses  gegen 
alles  Deutsche,  besonders  gegen  das  deutsche  Herrscherhaus,  zu  Ansehen  gekommen. 
—  Dierauer127)  charakterisierte  kurz  den  betriebsamen  St.  Gallischen  Staatsmann 
Fidel  von  Thurn,  der  durch  diplomatische  Intrig*uen  unbedeutende  Dinge  zu  grossen 
Begebenheiten  aufzubauschen  verstanden,  zuerst  in  französischem,  dann  in  deutschem 
Interesse  thätig  gewesen  war  und  gegen  Ende  des  17.  Jh.  gewissenlos  und  zum 
Schaden  der  katholischen  Kantone  die  konfessionelle  Spannung  in  der  Eidgenossen- 
schaft verschärft  hat.-—  Auf  Grund  sorgfältiger  archivalischer  Vorarbeiten  lieferte 
Preuss  l2s)  über  den  Füssener  Friedensschluss,  der  als  sehr  bedeutsamer  Erfolg  der 
österreichischen  Politik  im  Kampf  mit  Bayern  um  den  Vorrang  in  Deutschland  zu 
betrachten  ist,  eine  abschliessende  Monographie,  die  Wiener  und  die  Münchener  Ver- 
hältnisse gleichmässig  berücksichtigend. 

Erfreulichen  Eifer  entwickelt  die  Forschung  über  den  Begründer  des 
preussischen  Staates,  den  Grossen  Kurfürsten,  und  seine  Zeit.  Mehrere 
grössere  Werke  und  zahlreiche  Abhandlungen  legen  davon  ein  rühmliches  Zeugnis 
ab.  Die  Veröffentlichung1  umfassender  Urkundenwerke  der  Geschichte  des  inneren 
preussischen  Staatslebens  schreitet  rüstig  fort.  Die  Belege  für  eine  authentische  Ge- 
schichte der  inneren  Herstellung  der  brandenburgischen  Staaten  nach  dem  30jährigen 
Kriege  giebt  in  reicher,  unbeschränkter  Fülle  Meinardus129)  in  seiner  fleissigen 
und  umsichtigen  Veröffentlichung  der  Protokolle  und  Relationen  des  branden- 
burgischen Geheimen  Rates  aus  der  ganzen  Regierungszeit  des  Kurfürsten  Friedrich 
Wilhelm.  War  der  Kurfürst  in  der  Residenz,  so  wohnte  er  den  Sitzungen  in  der 
Geheimen  Ratsstube  selbstthätig  bei,  deren  Protokolle  sorgfältig  geführt  wurden,  war 
er  nicht  daheim,  so  mussten  die  Mitglieder  des  Geheimen  Rates  ihm  über  alle  Be- 
ratungen mindestens  wöchentlich  Bericht  erstatten,  worauf  er  resolvierte.  Die  vor- 
liegenden drei  Bände  enthalten  die  Protokolle  der  J.  1643  bis  Ende  August  1647, 
die  Relationen  von  1640  an.  Besondere  Anerkennung  verdient  die  Art  der  Heraus- 
gabe, zusammenhängende  und  abschliessende  geschichtliche  Einleitungen  begleiten 
den  ersten  und  den  als  Ganzes  gefassten  zweiten  und  dritten  Band,  die  Stücke  selbst 
werden  in  möglichster  Vollständigkeit  gegeben,  vor  subjektiven  Auslassungen  schein- 
bar unbedeutender  Stellen  hütet  M.  sich  mit  peinlicher  Gewissenhaftigkeit,  dialektische 
und  sprachliche  Eigentümlichkeiten  wahrt  er  in  richtiger  Erkenntnis  ihrer  Wichtig- 
keit. Die  hervorragende  Bedeutung-  des  Werkes  für  die  politische  Geschichte  zeigt 
gleich  der  erste  Abschnitt  der  Einleitung  des  zweiten  Bandes;  wir  erhalten  hier  eine 
Ehrenrettung  Schwartzenbergs,  der  als  Vorarbeiter  des  brandenburgisch-preussischen 
Einheitsstaates  gelten  darf,  der  sich  nie  herbeig-elassen  hat,  irgendwelche  Sonder- 
interessen, mochten  sie  klevische,  preussische  oder  märkische  sein,  zu  vertreten, 
dessen  einziges  Ziel  war,  durch  die  Begründung  einer  militärischen  Machtstellung 
das  Ansehen  des  Hauses  Brandenburg  nach  innen  und  aussen  zu  heben.  Unbegreif- 
lich bleibt,  dass  Friedrich  Wilhelm,  der  bald  die  Wege  Schwartzenbergs  selbst  be- 
trat, sich  voll  Misstrauen  von  seinem  treuesten  Diener  abwandte.130)  —  Erdmanns- 
dörffer131)  widmete  dem  Bande  der  Aktenstücke,  deren  Herausgabe  Hirsch  besorgt 
(JBL.  1892  III  1 :  30 ;  1893  III  1  :  69),  eine  längere  Besprechung.  —  Ein  neuer  um- 
fangreicher Band  dieser  Reihe  liegt  jetzt  vor,  bearbeitet  von  Breysig132),  er  enthält 
den  ersten  Teil  der  Ständeverhandlungen  Preussens.  B.  beginnt  mit  einer  breitange- 
legten allgemeinen  Einleitung  über  die  Entwicklung"  der  ständischen  Verhältnisse 
in  Preussen  von  den  ersten  Anfängen  bis  zum  Regierungsantritt .  des  Grossen  Kur- 
fürsten, um  so  ein  Verständnis  des  Verhaltens  der  preussischen  Stände  des  17.  Jh. 
zu  ermöglichen.  Das  Aktenmaterial  wird  in  zwei  Abschnitten  vorgelegt,  die  wieder 
besondere,  gut  orientierende  Einleitungen  haben.  Während  im  ersten  Abschnitte  drei 
Landtage,  die  von  1640—41,  1656  und  57  erledigt  werden,  umfasst  der  zweite  bei 
reicherem  Aktenvorrat  nur  die  erste  Hälfte  des  grossen  Landtages  von  1661 — 63,  die 
Zeit  bis  zum  14.  März  1662.  Mit  Recht  hat  B.  sich  die  Grenzen  seiner  Arbeit  er- 
heblich  weiter    gesteckt  als   seine  Vorgänger,  die   nur  die  verfassungsgeschichtlich 


S.  557.]|  —  126)  J.  Miklau,  Franz  II.  Rakoczy  (1676—1735).  E.  Lebens-  u.  Charakterbild.  Progr.  d.  1.  dtsch.  K.  K.  Gymn. 
Brunn  (R  Knauthe)  48  S.  -  127)  J.  Dierauer,  Fidel  v.  Thurn:  ADB.  38,  B.  2234.  —  128)  G.  Preuss,  D.  Friede  v.  Füssen 
1745.  (=  Hist.  Abhandl.  her.  v.  Th.  Heigel  u.  H.  Grauert.  N.  6.)  München.  H.  Lüneburg.  128  S.  M.  4,20.  —  129)0. 
Meinardus,  Protokolle  u.  Relationen  d.  Brandenbarg.  Geh.  Rates  aus  d.  Zeit  d.  Kurfürsten  Friedrich  Wilhelm.  II-1II. 
(i=  Pub),  aus  d.  Kgl.  Preuss.  Staatsarch.  N.  545.)  L.,  Hirzel.  1893.  CXLII,  GS4  8.;  841  S.  ä  M  28,00.  |[W.  A[rndtJ: 
LCB1.  S.  4702;  K.  Breysig:  FBPG.  7,  S.  2525;  F.  Hirsch:  MHL.  22,  S.  320,9.J|  (D.  1.  Bd.  erschien  1889  als  41.  Publikation. 
LXXXV1I,  750  S.  M.  20,00.  |[W.  A(rndt):  LCB1.  1891,  S.  292/3]|.)  -  130)  X  8.  Fitte,  Schwartzenberg:  VossZgB.  N.  37  8. 
(Popularisiert  d.  Ergebnisse  d.  Untersuchungen  v.  Meinardus.  [=  N.  129].)  —  131)  X  B-  Erdniannsdörffer:  DLZ.  8.  1265/7. 
—  132)  K.  Breysig.    ürkk.  u.  Aktenstücke   z.  Gesch.  d.  Kurfürsten    Friedr.  Wilhelm    v.  Brandenburg.    XV.    Stand.  Verband- 


III  1:133-145    AI.  Reifferscheid,  Allgeraeines  des   17./18.  Jahrhunderts. 

wichtigen  Akten  aufgenommen  hatten;  er  hat  alles,  was  überhaupt  zur  Verhandlung 
gekommen,  vorgelegt    und    so    eine   Menge    verwaltungs-,    wirtschafts-,    rechts-   und 
kirchengeschichtlichen    Materials    mit    zur    Veröffentlichung    gebracht.  —    Bobe133) 
lenkte    die    Aufmerksamkeit    deutscher    Geschichtsforscher    auf   den   im    Haseldorfer 
Familienarchiv    aufbewahrten ,    umfassenden    Nachlass    des    dänischen    Geheimrates 
Detlev  von  Ahlefeldt,  der  zu  dein  Grossen  Kurfürsten,  seinen  Diplomaten  und  Gene- 
rälen in  vertrautem  Briefverkehr  gestanden.  —  In  das  Getriebe  der  äusseren  Politik 
in    den    J.  i657    und    58   führte    ein    Aufsatz    von    Arndt134).      Wir    gewahren    die 
wachsende  Spannung  zwischen  Brandenburg  und  Schweden,  die  erfolglosen  Bemüh- 
ungen beider  Fürsten,  Friedrich  Wilhelms   und   Karl  Gustavs,    sich   Magdeburgs  für 
den  Fall  eines  Krieges    zu   versichern.  —  Die    Belagerung    und  Eroberung    Stettins 
durch  den  Grossen  Kurfürsten  im  J.  1677  beschrieb   nach   amtlichen   Berichten    und 
den  Mitteilungen  militärischer  Augenzeugen  von  Kessel135).  —  Arndt136)  schilderte 
nach  Briefen  Waldecks  und  des  .Pfalzgrafen    von   Neuburg,   wie   der   Reichsgraf  G. 
Fr.  von  Waldeck  im  J.  1651  eine  persönliche  Zusammenkunft  des  Grossen  Kurfürsten 
mit    dem    Pfalzgrafen  Wolfgang  Wilhelm  zur  Zufriedenheit  Friedrich  Wilhelms   ver- 
mittelte.—  Meinardus137)  gab  einen  höchst  interessanten  Beitrag  zur  Charakteristik 
des  Grossen  Kurlürsten,   indem    er    ein  vertrautes   Schreiben   desselben   an  Joh.  von 
Hoverbeck   aus   dem  J.  1661    veröffentlichte.     Friedrich  Wilhelm  spricht    darin  seine 
innersten  Gedanken  über  das  Angebot  der  Krone  von  Polen  unverhohlen  aus:  „Wenn 
Gott  ihn  dazu  beruffen  tette,   und  er  in  seiner    Religion   verbleiben   kuntte",    so    hält 
er  „dafür,  dass  keiner  sein  wurde,  der  der  Chron  Pollen  mehre  Avantage  zubringen 
konnte,  den  er".     Er  ist  zu  allen  möglichen  Zugeständnissen  bereit,  will  sogar  „sein 
Preussen  wider  zu  Lehn  von  der  Chron  Pollen  empfangen".     In  freudiger  Erregung 
malt  er  sich  aus:  „Wen  diesse  beide  Staatten  zusammen  kernen,  in  was  consideration 
die  Republik  sich  woll  bei  Freunden  und  Feinden  stellen  wurde;  ja  wo  wurde  eine 
Königs  Macht  gegen  diesse  sein"!     Er    verwahrt    sich    dann    dagegen,    dass    er  von 
bösen  Leuten  „als  ein  Tirann,  der  seine  Unterthanen  übel  tractire,  ausgeroffen  werde". 
Er  glaubt  es  „gegen  der  Posterität"   nicht  verantworten    zu    können,    wenn    er    sieb 
nicht  auch  nach  Kräften  um  die  polnische  Königskrone  bemühte.  —  Gegen  Pribram 
(s.  o.    N.   115),    der   zu    sehr    den    Massstab    des    Reichsfürsten    an    die    Handlungen 
Friedrich  Wilhelms  angelegt  habe,  nahm  Breysig138)  in  einem  kurzen  Artikel  den 
Grossen  Kurfürsten  in  Schutz  und  betonte,  je  preussischer  die  Hohenzollern  gewesen, 
desto  deutscher  seien  sie  gewesen,    ohne  dass    sie    auch   nur    im   mindesten    das  Be- 
wusstsein  nationaler  Tendenzen  zu  haben  gebraucht.  —  Landwehr139)    vernichtete 
die  falsche  Vorstellung,    die    erste  Heirat    des    Grossen    Kurfürsten    sei    von    beiden 
Seiten    aus  Herzensneigung    hervorgegangen,    durch    Schilderung    des    romantischen 
Liebesverhältnisses  der  siebzehnjährigen  Prinzessin  Luise  Henriette  von  Oranien  mit 
Plenri  Charles  de  la  Tremoille,   Prinzen  von  Tarent;    nur  gezwungen  verzichtete  sie 
auf  den  Geliebten  und  reichte  nur  widerwillig  dem  Kurfürsten  die  Hand.140)  —  Ueber 
die  Erziehung  der  älteren  Söhne  des  Grossen   Kurfürsten,   die   dieser  seinem  ersten 
Minister,  dem  Oberpräsidenten  Freiherrn  0.  von  Schwerin  (vgl.  JBL.   1893  III  1:74/5) 
übertragen,  berichtete  Hirsch141)  nach  dem  hs.  Tagebuche  Schwerins,   aus   dem   er 
manche   charakteristische    Einzelheit   mitteilte.  —  Eine   wissenschaftliche   Biographie 
G.    Derfflingers,    des    berühmten    Feldmarschalls    des    Grossen    Kurfürsten,     hatte 
E.  Fischer 142)  in  Angriff  genommen.    Aus  seinem  Nachlass   erschien  nur  ein  Bruch- 
stück, Derfflingers  Herkunft  und  Jugendzeit  behandelnd.143)  —  Ein  Stück   branden- 
burgisch-preussischer  Provinzialgeschichte    schrieb    genau    nach    den    Akten    Span- 
nagel144). Er  schilderte  die  Einwirkung  der  brandenburgischen  Verwaltung  auf  das 
Fürstentum    Minden    und    die    Grafschaft    Ravensberg    von    ihrer    Vereinigung    mit 
Brandenburg-Preussen  an  bis  zu  ihrer  Vereinigung  zu  einem  Provinzialverbande  im 
J.  1719  und  zeigte,  wie  die  Kräfte  der  beiden  Gebiete  zu  ihrem  eigenen  Besten  und 
zum  Vorteil  des    Gesamtstaates   verwertet   wurden.  —  Nach  Akten  des  Reichsarchivs 
in  Stockholm  erörterte  Malmström145)  die  allmähliche  Umgestaltung  und  Neuordnung 
des    Verwaltungs-    und    Steuerwesens    in    den    von    Schweden    oecupierten    Teilen 


langen.  111.  Preussen.  I.  B.,  Reimer.  XII,  775  S.  M.  20,00.  |[K.  —  L.:  LCB1.  S.  1405/0. J|  —  133)  L.  Bobe,  D.  Hiiseldorfer 
Familienarch.  u.  seine  Briofsamml.  E.  Boitr.  ■/..  Gesch.  d.  Feldzüga  d  Gr.  Karfürsten:  FBPG.  7,  S.  180-92.  —  134)  W.  Arndt, 
Schweden,  Brandenburg,  Magdeburg.  1057,  1058:  ib.  S.  1-48.  —  135)  K.  v.  Kessel,  D.  Belagerung  u.  Eroberung  Stettins 
durch  d.  Gr.  Kurfürsten  Friedrich  Wilhelm  im  J.  1077:  Bar  20,  S.  24/7,  31/4.  430,  55/8.  —  136)  W.  Arndt,  Waldecks  erste 
Verwendung  im  brandenburg.  Dienst.  1051.  (=14:6,  S.  215-39.)  |[A.  N(aude):  FBPG.  7,  S.  250.]|  —  137)  0.  Meinardus, 
Kurfürst  Friedrich  Wilhelms  Bemühungen  um  d.  polnische  Königskrone:  HZ.  72,  S.  61/4.  —  138)  K.  Breysig,  D.  Gr.  Kurfürst 
u.  d.  nat.  Idee:  FBPG.  7,  S.  501/4.  —  139)  H.  Landwehr,  E.  Rivale  d.  Gr.  Kurfürsten:  KonsMschr.  S.  177-83.  -  140)  X 
R.  Brode,  Luise  Henriette,  Kurfürstin  v.  Brandenburg:  MVGBerlin.  S.  20/8.  (Ber.  r.  H.  Brendicke  über  d.  Vortr.  B.s.)  — 
141)  F.  Hirsch,  D.  Erz.  d.  ältesten  Söhne  d.  Gr.  Kurfürston:  FBPG.  7,  S.  141-71.  --  142)  E.  Fischer,  Georg  Derfflinger. 
Bruchstück  seines  Lebensbildes:  MWB1".  11,  S.  397-451.  —  143)  X  ö.  E.  v.  Natzmcr,  Lebensbilder  aus  d.  Jh.  nach  d.  grossen 
dtsch.  Kriege  (JBL.  1892  III  1:43;  1893  III  1:72.)  |[B.  Erdmannsdörf fer:  ÜLZ.  S.  944/0;  Koedderitz:  MHL.  22, 
S.  163/4.JI  —  144)  K.  Spannagel,  Minden  u.  Ravensberg  unter  brandenb.-preuss.  Herrschaft  v.  1048  —  1719.  Hannover  u.  L., 
Hahn.    VIII,   248   S.      M.  4,60,    —   145)    0.   Malmström,    Bidrag   til   Svenska   Pommerns  historia   1053-00.     Helsingborg, 


AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17./18.  Jahrhunderts.     III  1  -.ue-isa 

Pommerns.  Bemerkenswert  ist  die  energische  Opposition  der  pommerschen  Stände  gegen 
die  Schweden.  Während  die  Städte  ihnen  nicht  abgeneigt  waren,  bereiteten  be- 
sonders Adlige  und  Geistliche  den  von  den  Schweden  unternommenen  Reorganisa- 
tionsversuchen immer  neue  Schwierigkeiten.  — 

Grundlegend  für  die  Geschichte  des  inneren  preussischen  Staatslebens  im 
18.  Jh.,  zunächst  der  Zeit  der  Könige  Friedrich  I.  und  Friedrich  Wilhelm  I., 
ist  das  grosse  Werk  der  Denkmäler  der  preussischen  Staatsverwaltung,  von  dem  der 
erste  Band,  bearbeitet  von  Schmoller  und  Krauske146),  jetzt  vorliegt.  Er  wird 
eingeleitet  durch  eine  umfangreiche  Abhandlung  Sch.s,  welche  eine  neue  universal- 
geschichtliche Auffassung  des  gesamten  Beamtentums  anbahnt.  Seh.  giebt  eine 
Darstellung  der  socialen  und  materiellen  Verhältnisse  des  Beamtentums,  erläutert  die 
Ressort-  und  Kompetenzabgrenzung  zwischen  den  einzelnen  Behörden  und  legt  die 
letzten  historischen  und  psychologischen  Wurzeln  alles  Beamtenwesens  bloss.  So  er- 
fasst  er  auch  das  Fürstentum  als  ein  Amt.  Er  unterscheidet  vier  Gruppen,  den 
Typus  der  Vorzeit,  das  erbliche  Beamtentum,  das  Wahlbeamtentum,  das  Berufs- 
beamtentum. Er  gewinnt  so  den  universellen  Rahmen,  in  dem  die  brandenburg- 
preussische  Organisation  als  der  klassische  Typus  des  berufsmässigen  Beamtentums 
sich  zeigt.147)  Auch  der  Urkundenband  befriedigt  die  höchsten  Anforderungen. 
Sorgfältige  Anmerkungen,  in  denen  alle  auftretenden  Persönlichkeiten  biographisch 
behandelt  werden,  und  Mitteilungen  aus  diplomatischen  Berichten  erleichtern  das 
Verständnis.  Neue  Aufschlüsse  darf  man  sich  besonders  über  die  Bedeutung  des 
vielgeschmähten  Friedrich  Wilhelm  I.  versprechen.148-150)  —  Den  schlechten  Ruf 
verdankt  er  vor  allem  den  „Denkwürdigkeiten"  der  eigenen  Tochter,  der  Markgräfin 
Friederike  Sophie  Wilhelmine  von  Bayreuth  (JBL.  1893  III  1:76),  deren  Unzuver- 
lässig-keit  schon  Ranke  und  J.  G.  Droysen  erwiesen.  Berneck151)  unterzog  sie 
einer  neuen  Prüfung,  indem  er  ihre  Glaubwürdigkeit  für  die  Heiratsverhandlung 
vom  J.  1730  untersuchte.  Er  bestätigte  die  früheren  Ergebnisse.  Beachtenswert 
ist  der  Vergleich  der  ersten  Redaktion  der  „Denkwürdigkeiten"  mit  den  späteren 
Bearbeitungen,  die  sich  infolge  der  zunehmenden  Verbitterung  der  Markgräfin  immer 
weiter  von  der  Wahrheit  entfernen.  —  Während  Berneck  sich  absichtlich  nur  auf 
die  gedruckten  Quellen  stützte,  hat  Oncken15-)  mit  Hülfe  ungedruckter  aus 
den  Archiven  von  London  und  Wien  den  Nachweis  geführt,  dass  der  englische  Hof 
in  der  ganzen  Heiratsverhandlung  durchaus  unredlich  verfahren,  weder  eine  ein- 
fache noch  eine  doppelte  Heirat  gewollt  hat,  sondern  nur  darauf  bedacht  gewesen, 
den  preussischen  Hof  vom  Kaiser  loszureissen  und  den  König  Friedrich  Wilhelm  I.  der  eng- 
lischen Politik  dienstbar  zu  machen.  —  Krauske153)  skizzierte  den  Lebenslauf  und  die 
Bedeutung  W.  H.  von  Thulemeiers,  des  einflussreichen  Ministers  Friedrich  Wilhelms  I.154) 

—  Carlsons  155J  Ausgabe  der  eigenhändigen  Briefe  Karls  XII.  von  Schweden  ist  jeden- 
falls von  höchstem  Werte  für  die  Beurteilung  des  Charakters  dieses  Königs.  —  Leber 
ein  Ereignis  aus  seiner  Geschichte,  die  Belagerung  und  Schlacht  von  Narva,  liegt 
jetzt  der  eingehende  Bericht  eines  Augenzeugen  vor:  die  auch  kulturgeschichtlich 
wichtigen  täglichen  Aufzeichnungen  des  Generals  von  Hallart,  der  im  Auftrage 
Peters  des  Grossen  die  Belagerung  leitete  und  das  persönlich  Erlebte  unmittelbar 
nachher  vor  Narva  und  später  in  schwedischer  Kriegsgefangenschaft  aufschrieb.  Sein 
Tagebuch  wurde  nach  einer  von  Hallart  selbst  hergestellten  Abschrift  von  Biene- 
mann 156)  veröffentlicht. 157)    — 

Leber  die  kirchlichen  und  religiösen  Zustände  in  diesem  Zeiträume  sind 
ausser  wenigen  grösseren  Monographien  nur  kleinere  Arbeiten  zu  erwähnen.  Aus 
W  i  n  t  e  r  a  s ' 58)  Schlussartikel  über  die  Schliessung  der  protestantischen  Kirche  inBraunau 
ist  als  überraschendes  Ergebnis  anzuführen,  dass  thatsächlich  1618  eine  Kirchen- 
sperre daselbst,  die  allgemein  angenommen  worden,  nicht  stattgefunden  hat.  Sie  er- 
folgte erst  vier  Jahre  später,  als  die  protestantische  Sache  in  Böhmen  längst  ver- 
loren war.  —  Ueber  die  Durchführung  der  Gegenreformation  in  den  österreichischen 
Ländern  sind    ausser   der    wertvollen  Monographie  Gin  delys  ,59J,   die    bereits    be- 

Joh.  Svensson.  42  S.  Kr.  1,00.  |[F.  Arnheim:  FBPG.  7,  S.  5946.]|  —  146)  (I  4:148.)  |[K.  Breysig:  LCB1.  S.  1622/4; 
A.  Naude:  FBPG.  7,  B.  610/5.]|  —  147)  X  (&•)  —  148)  X  (I  4:416.)  tfE.  B(erner):  FBPG.  7,  S.  608.]|  —  149)  X  In- 
struktion Friedrich  Wilhelms  1.  an  d.  General-Direktorium:  Bär  20,  S.  627.  —  150)  X  E-  Edikt  Friedrich  Wilhelms  I.  gegen 
d.  Tragen  v.  Holzschuhen :  ib.  S.  422.  —  151)  K.  Bernbeck,  D.  Denkwürdigkeiten  d.  Markgräftn  Friederike  Sophie  Wilhelraine 
v.  Bayreuth  u.  d.  englisch-dtsch.  Heiratsverhandl.  v.  1730.  Mit  e.  Vorw.  v.  W.  Oncken.  (=  Giessener  Stud.  auf  d.  Gebiete 
d.  Gesch.  N.  6.)  Giessen,  J  Richter.  X,  104  S.  M.  2,80.  |[K.  Treutsch  v.  Buttlar:  FBPG.  7,  S.  616/7;  LCB1.  S.  1285.]|  — 
152)  W.  Oncken,  Sir  Charles  Hotham  u.  Friedrich  Wilhelm  I.  im  J.  1730.  Urkundl.  Aufschlüsse  ans  d.  Arch.  zu  London 
u.  Wien:  FBPG.  7,  S.  377-407.  —  153)  O.  Krauske,  W.  H.  y.  Thulemeier:  ADB.  38,  S.  161,3.  —  154)  X  W.  Falcken- 
heiner:    E.  Schulze,    Lebensbeschr.  d.  Prinzen  Ludwig  Grano  v.  Hessen-Homburg    (JBL.  1892  III  1:44):    MHL.  22,  S.  3334. 

—  155)  O  X  X  E-  Carlson,  D.  eigenhänd.  Briefe  König  Karls  XII.  Gesaram.  u.  her.  Autoris.  dtsch.  Uebers.  v.  F.  M e  w i u  s. 
B.,  Reimer.  XLVIII,  455  S.  M.  9,00.  |[01a  Hansson:  Nation».  11^  S.  259-62;  H.  v.  Petersdorf f:  FBPG.  7,  S.  609-10; 
U.  Schirren:  DLZ.  8.  1337/8;  Geg.  46,  S.  _23.]|  —  156)  F.  Bienemann,  D.  Tagebuch  d.  Generals  v.  Hallart  über  d.  Belag, 
u.  Schlacht  bei  Narva  1700.  Her.:  BKELK.  4,  S.  357-438.  -  157)  O  X  X  F.  Biedermann.  Propst  Glücks  Berichte  aus 
Marienbnrg  an  d.  Generalgonverneur  Grafen  Dahlberg  vom  J.  1701:  BaltMschr.  41,  S.  607-19,  680-96.  —  158)  L.  Wintera, 
Gesch.  d.  Protestant.  Bewegung  in  Braunau.     Nach  Archivquellen:  MVGDB.  32,  8.  25-47.  —  159)  (=  N.  15.)  —  160)   O  XX 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  G^)~ 


III  1:160-171      AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17./18.  Jahrhunderts. 

sprochen,  nur  kleinere  Aufsätze  zu  nennen,  die  alle  unzugänglich  waren160"  164J.  — 
Die  Gegenreformation  auf  dem  Eichsfelde,  dessen  Bevölkerung  1582  noch  vollständig 
evangelisch  gewesen,  behandelte  in  wenig  übersichtlicher  Weise  von  Wintzingeroda- 
Knorr165). — Die  Antrittsvorlesung  von  Kvacsala,66)über  die  irenischen  Bestrebungen 
des  Duraeus  und  seiner  Freunde  bietet  nicht  viel  Neues.  —  Eine  gerechtere  Wür- 
digung der  Bestrebungen  der  mährischen  Wiedertäufer  verdanken  wir  Loser th  l67). 
Nachdem  er  in  einem  besonderen  Buch  ihren  Apostel  Dr.  Balthasar  Hubmaier  und 
die  Anfänge  der  Wiedertäufer  in  Mähren  behandelt  (JBL.  1893  II  6  :  181),  schrieb  er 
auf  Grund  einer  reichhaltigen  Sammlung  von  Aktenstücken,  Sendbriefen,  Lehr- 
gebäuden, Handwerksordnungen  aus  dem  Nachlasse  des  Hofrates  Ritter  von  Beck  die 
Geschichte  der  Hüterschen  Gemeinschaft  in  Mähren  von  ihrem  Entstehen  bis  zu 
ihrer  Vertreibung  und  schilderte  dann  ihr  inneres  Leben,  ihr  Lehrsystem  und  ihre 
kommunistischen  Lebensformen.  —  Tollin168)  beendete  sein  reichhaltiges,  auf  den 
umfassendsten  Quellenstudien  beruhendes  Werk,  in  dem  er  die  Geschichte  der  fran- 
zösischen Kolonie  in  Magdeburg  als  ein  Spiegelbild  des  gesamten  Refuges  darstellte. 
Es  ist  mit  grosser  Wärme  und  Hingebung  geschrieben  und  erweckt  auch  bei  Ferner- 
stehenden lebhafte  Teilnahme  für  das  eigenartige  Wesen  hugenottischer  Gemeinden. 
Der  Schlussteil  schildert  die  innere  Entwicklung  der  französischen  Kirchengemeinde 
in  Magdeburg.  Mit  unermüdlichem  Eifer  hatte  T.  sich  aus  verschiedenen  Archiven 
das  überreiche  Material  zusammengebracht,  es  ist  ihm  nicht  gelungen,  desselben 
Herr  zu  werden.  So  erklärt  sich  die  planlose  Art  der  Veröffentlichung.  In  den 
beiden  ersten  Bänden  gab  er  die  allgemeine  Geschichte  der  Hugenotten  vor  und  nach 
1685,  die  Geschichte  der  französischen  Kolonien  in  der  Provinz  Sachsen  und  die 
der  Magdeburger  Gemeinde  bis  zum  Tempelbau.  1889  liess  er  in  der  zweiten  Ab- 
teilung des  dritten  Bandes  ein  Urkundenbuch  der  Magdeburger  Gemeinde  mit  einem 
kurzen  Ueberblick  ihrer  Geschichte  erscheinen.  1892  sohilderte  er  den  Kampf  der 
hugenottischen  Glaubensflüchtlinge  insbesondere  in  Magdeburg  (JBL.  1892  14:810), 
1893  den  Nutzen  des  Refuges,  besonders  in  Magdeburg160)  (JBL.  1893  I  4:527).  — 
Von  dem  allmählichen  Wiederaufleben  des  französischen  Protestantismus  in  den 
J.  1715,  dem  Todesjahre  Ludwigs  XIV.,  bis  1787,  in  welchem  Jahre  das  Toleranzedikt 
Ludwigs  XVI. erlassen  wurde, giebt  Schott no)  eine  gedrängte  Darstellung  und  schildert 
eingehend  den.  Entwicklungsgang  und  die  segensreiche  Wirksamkeit  von  Antoine  Court 
(geb.*  1695,  gest.  1760),  der  den  Glaubensgenossen  sein  ganzes  Leben  gewidmet.  —  Auf 
Grund  selbständigen  Quellenstudiums  und  teilweise  eigener  archivalischer  Forsch- 
ungen brachte  Landwehr171)  (gest.  24.  Juni  1894  im  Alter  von  35  Jahren)  die 
Kirchenpolitik  des  Grossen  Kurfürsten,  im  wesentlichen  nur  die  evangelischen  Verhält- 
nisse berücksichtigend,  zur  Darstellung.  Nach  einer  Einleitung  über  die  Glaubens- 
grundsätze Friedrich  Wilhelms  behandelte  er  dessen  Reichspolitik  und  zeigte,  wie  er 
bei  jeder  Gelegenheit  die  evangelischen  Interessen  kraftvoll  vertreten  und  eine  Allianz 
aller  evangelischen  Mächte  angestrebt  hat.  Seine  Landespolitik  war  je  nach  den 
eigenartigen  Verhältnissen  der  Landschaften  verschieden ;  dem  entsprechend  betrachtet 
L.  die  einzelnen  Landesteile  gesondert,  eingehend  Preussen  und  die  Mark.  Bei 
der  Beurteilung  der  kirchlichen  Verhältnisse  Preussens,  für  die  L.  fast  aus- 
schliesslich auf  die  giftigen  Streitschriften  der  starren  Lutheraner  angewiesen  war, 
verliert  er  die  Unbefangenheit  und  wird  ungerecht  gegen  die  Reformierten.  Der 
Kurfürst  gewährte  allen  christlichen  Konfessionen  gleiches  Recht  und  gleichen  Schutz, 
forderte  aber  aufs  strengste  von  allen  Frieden  und  gegenseitige  Duldung.  Volle 
Anerkennung  verdient  L.s  Behandlung  der  kirchlichen  Verhältnisse  in  der  Mark, 
wo  er,  durch  Archivalien  unterstützt,  überall  die  Verdienste  Friedrich  Wilhelms  nach 
Gebühr  würdigt.  Nach  zum  Teil  neuen  Quellen  stellt  der  Vf.  dann  die  Beziehungen 
des  Kurfürsten  zu  den  französischen  Hugenotten  dar  und  seine  rege  Teilnahme  für 
die  irenischen  Bestrebungen  sowohl  des. Duraeus  wie  Spinolas.  In  einem  Anhang 
wird  das  Verhalten  Friedrich  Wilhelms  seinen  katholischen  Unterthanen  gegenüber 
betrachtet,  das  überall  den  Rechtsstandpunkt  wahrte,  in  den  verschiedenen  Land- 
schaften aber  je  nach  den  Verhältnissen  und  politischen  Rücksichten  ein  verschiedenes 

IL  G  radl,  D.  Reformat  d.  Egerlandes:  JGGPÖ.14,S.  185-237 (vgl. ib.  13,  S.  155-95).  -  161)  O  XX *•  Pichle  r,  E.siebzigtäg.  Feldzug  : 
ib  S.  1-44.  (D.  vom  28.  Aug.  bis  z.  15.  Nov.  1600  durchgeführte,  in  Klagenfurt  abgeschlossene  Gegenreform,  in  Kärnten.)  —  162)  O  XX 
F.  Scheichl,  Glaubensftüchtlinge  aus  d.  österr.  Gebieten  in  d.  letzten  vier  Jhh.:  ib.  S.  134-85.  —  163)  O  X  X  id.,  Bilder 
aus  d.  Zeit  d.  Gegenreform. :  ib.  15,  S.40/8, 199-204.  —  164)  OXXH.Weigel,D.  Durchfuhr,  d.  Gegenreforra.  in  Fugau :  ib.  S.  78-98.  — 
165)  L.  Frhr.  v.  Wintzingeroda-Knorr,  D.  Kämpfe  u.  Leiden  d.  Evang.  auf  d.  Eichsfelde  während  dreier  Jhh.  IL  D. 
Vollendung  d.  Gegenreform,  u.  d.  Behandl.  d.  Evang.  seit  d.  Beendigung  d.  30 j.  Krieges.  (=  Schriften  d.  Ver.  für  Reformations- 
Gesch.  N.  11.)  Halle  a.  S.,  Niemeyer.  128  S.  M.  1,20.  —  166)  J.  Kvacsala,  Irenische  Bestrebungen  z.  Zeit  d.  30j.  Krieges. 
Antrittsvorlesung.  (=Acta  et  commentationes  univ.  Imp.  Jurievensis  [olim  Dorpatiensis|  N.  1.)  22  S.  |[ThLBl.  15,  S.  321. J|  — 167) 
J.  Loserth,  D.  Kommunismus  d.  mährischen  Wiedertäufer  im  16.  u.  17.  Jh.  Beitrr.  zu  ihrer  Gesch.,  Lehre  u.  Vorfass. : 
AÖG.  81,  S.  135-322.  (Auch  als  Sonderabdr. :  Wien,  Tempsky.  188  S.  M.  3,60.)  —  168)  (14:420;  lVlb:405.)  |[LUB1. 
S.  1449-50;  0.  Tschirch:  DLZ.  S.  1579-82.]|  —  169)  X  H.  Tollin,  Hugenottischer  Hausbesitz  seit  1735—85: 
GBUMagdeburg.  29,  S.  1-cO.  —  170)  Th.  Schott,  D.  Kirche  d.  Wüste.  1715-87.  D.  Wiederaufleben  d.  franz.  Pro- 
testantismus im  18.  Jh.  (=  Schriften  d.  Ver.  für  Keformat.-Gesch.  N.  43/4.)  Hallo  a.  8.,  Nieraeyer.  216  S.  M.  2,40. 
—  171)  IL  Landwehr,  D.  Kirchenpolitik  Friedrich  Wilhelms,  d.  Gr.  Kurfürsten.  Auf  Grund  arch.  Quellen.  B.,  E.  Hofmann  &  Co. 
XII,  385  S.     M.  7,20.    |[K.  Br(ey)s(i)g:  LCB1.  S.  1207/8;  KonsMschr.  51,  S.  771/2;  F.  Hirsch:  DLZ.  8.  815/9;  id.:  MOL.  22, 


AI.  Reifferscheid,  Allgemeines  des  17./18.  Jahrhunderts.      III  1. i72-is; 

war.  Zum  Schluss  zeigt  L.  des  Kurfürsten  Toleranz  auch  den  Juden  gegenüber 
(vgl.  JBL.  1892  III  1 :  30).  Nicht  verschwiegen  werden  darf,  dass  nach  diesem 
Werke  die  kirchlichen  Archive  sich  meistens  im  Zustande  grösster  Unordnung  be- 
finden, so  dass  selbst  Eingeweihten  ein  Ueberblick  nicht  möglich  ist.172"173)  —  Ver- 
leitet durch  eine  scherzhafte  Aeusserung  des  Grossen  Kurfürsten  gab  man  sich  in 
Rom  der  Illusion  hin,  er  sei  geneigt,  zum  Katholizismus  überzutreten.  Ribbeck174) 
veröffentlichte  einen  Brief  des  Sekretärs  des  päpstlichen  Breven  vom  J.  1677,  in  dem 
der  Paderborner  Bischof  ersucht  wird,  die  Gesinnungen  des  Kurfürsten  genauer  zu 
erforschen  und  nötigenfalls  auf  ihn  einzuwirken.  —  Treffende  Auseinandersetzungen 
über  die  religiösen  Ideen,  die  Unionsbestrebungen,  das  Auftreten  des  Johann  de  La- 
badie  finden  sich  in  der  oben  besprochenen  deutschen  Geschichte  von  Zwiedineck- 
S  ü  d  e  n  h  o  r  s  t  s 175: 175il).—  Einen  wertvollen  Beitrag  zur  Geschichte  der  kirchlichen  Kämpfe 
zwischen  Reformierten  und  Lutheranern  gab  Frensdorff 176)  durch  seine  Geschichte 
der  Familie  Pauli,  deren  bedeutende  Glieder  reformierte  Theologen  waren.  Im  An- 
schluss  an  vierzehn  Briefe  König  Friedrich  Wilhelms  I.  an  Reinhold  Pauli  (JBL. 
1893  III  1 :  80),  behandelt  F.  in  einem  zweiten  Teile  die  kirchlichen  Zustände  in 
Preussen,  die  Kirchen politik  und  die  religiösen  Anschauungen  Friedrich  Wilhelms  I. 
—  A.  von  Winter  feld  l77)  zeigte,  welchen  Widerstand  Friedrich  Wilhelms  I.  Reglement 
für  den  Gottesdienst  fand,  das  nach  dem  Beispiel  der  Reformierten  alles,  was  im 
lutherischen  Gottesdienst  an  katholische  Ceremonien  erinnerte,  beseitigen  wollte.  Nur 
ein  Prediger  hatte  den  Mut  offen  zu  erklären :  „Hier  wissen  wir  nichts  von  papisti- 
schen und  abergläubischen,  sondern  nur  von  uralten  apostolischen  Ceremonien". 
Er  wurde  sofort  dimittiert  und  kassiert.  Friedrich  II.  nahm  das  Reglement  zurück 
und  stellte  den  Gemeinden  frei,  ob  sie  die  alten  Ceremonien  beibehalten  oder  ab- 
stellen wollten.178)  —  Von  F.  Wolff17")  erschien  ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Be- 
ziehungen zwischen  der  preussischen  Regierung  und  den  Protestanten  in  Polen,  die 
sich  über  Getährdung  oder  Behinderung  des  exercitium  publicum  beklagten,  deren 
Lage  aber  durch  die  Einmischung  Preussens  und  die  von  Preussen  gegen  seine 
katholischen  Unterthanen  unternommenen  Repressalien  nur  verschlimmert  wurde.  — 
Gruber180)  verfasste  ein  Programm  über  die  Ansiedlung  der  Salzburger  Pro- 
testanten in  Ostpreussen,  die  sich  bei  dem  renitenten  W'esen  eines  Teils  der  Auswan- 
derer nicht  leicht  durchführen  liess.  —  Als  Ergänzung  zu  Ehrenbergs  Schrift  über 
die  Jesuiten  in  Altona  (JBL.  1893  III  1  :  98)  veröffentlichte  Wagner181)  eine  Rela- 
tion vom  J.  1603  über  die  Notwendigkeit  der  Unterstützung  der  Jesuiten  in  Altona 
durch  die  Kurie.  Interessant  ist,  dass  danach  der  Graf  von  Schauenburg  bereit  war{ 
den  Jesuiten  gegen  ein  gutes  Geschenk  von  8000  Scudi  die  Ausübung  der  Seelsorge 
in  Altona  zu  gestatten.  —  Einen  schönen  Beitrag  zur  Geschichte  des  Judentums 
lieferte  Kaufmann182)  in  seinem  Werk  über  J.  C.  Bacharach,  den  gelehrtesten  und 
vielseitigsten  deutschen  Rabbiner  des  17.  Jh.,  aus  den  Memorbüchern  der  älteren 
jüdischen  Gemeinden  und  nach  den  Grabsteinen  der  jüdischen  Friedhöfe.  — 

Für  die  Geschichte  des  geistigen  Lebens  dieser  Zeit  im  allgemeinen 
liegen  ausser  einem  Quellenwerke  einige  Monographien  und  mehrere  kleinere 
Arbeiten  vor.  Mit  Freuden  zu  begrüssen  ist  Webers183)  Auswahl  bisher  unver- 
öffentlichter Briefe  berühmter  Männer  des  17.  Jh.  aus  Göttinger  Hss.  mit  reichen 
Anmerkungen.  Am  meisten  kommen  hier  in  Betracht  die  launigen  Briefe  des  Paulus 
Melissus  und  des  Janus  Gruterus,  durch  die  unsere  Kenntnis  des  geistigen  Lebens 
in  Heidelberg  (vgl.  JBL.  1890  III  1:6)  in  mancher  Beziehung  erweitert  wird.  — 
Eine  blosse  Aufzählung  bedeutender  Männer  einer  bestimmten  Gegend  scheint  Geist- 
hirts  184)  „Schmalkaldia  litterata"  zu  sein.  —  Grosse  Hoffnungen  weckt  das  Werk 
von  Dessoir185),  das  mir  leider  unzugänglich   geblieben.186-187)   —    Ebenso    wenig 

S.  481/6;  ThLBl.  15,  S.  371;  K  Köhler:  ThLZ.  19,  S.  469-71;  O.  Tschirch:  FBPG.  7,  S.  597-600.J|  —  172)  X  H-  Landwehr, 
Bartholom.  Stosch  (JBL.  1S93  111  1  :  87).  |[ThLBl.  15,  S.  225;  G.  Kawerau:  ThLZ.  19,  24S,9.]|  —  173)  X  W.  Beyschlag,  P. 
Gr  KnrfQrst  als  evang.  Charakter  (JBL.  1S93  III  1  :  88).  ||K.  Breysig:  LCB1.  S.  988,9;  F.  Hirsch:  MHL.  22,  8.  455.]l  — 
174)  W.  Ribbeck,  E.  Brief  über  d.  erwarteten  Uebertritt  d.  Gr.  Kurfürsten  •/..  Katholizismus:  FBPG.  7,  S.  207/8.  —  175) 
(—  N.  10.)  -  175  a)  X  R-  Albert,  P.  Grünberg,  Ph  3.  Spener  (JBL.  1893  III  l  :  90):  ThLBl.  15,  S.  391.  —  176)  F.  Frens- 
dorff, Briefe  König  Friedrich  Wilhelms  I.  v.  Preussen  an  Hermann  Beinhold  Pauli.  Her.  u.  eingel.  Göttingen,  Dietrich. 
58  S.  M.  3,60.  |[A.  N(audti):  FBPG.  7,  S.  260,1.]|  —  177)  A.  t.  Winterfeld,  König  Friedrich  Wilhelm  I.  v.  Preussen  als 
oberster  Landesbischof:  Bär  20,  S.  165fS.  —  178)  X  Verfügung  Friedrich  Wilhelms  I.  gegen  zu  lange  Predigten:  ib.  S.  519.  — 
179)  F.  Wolff,  Preussen  u.  d.  Protestanten  in  Polen  1724.  Progr.  d.  Andreas-Kealgymn.  B.  (R.  Gaertner).  4°.  30  S.  \\Vr. 
Holtze:  FBPG.  7,  S.  617,8.J|  —  180)  C.  Gruber,  1).  Salzburger  Emigranten.  Progr.  Marienburg  (L.  Giesow).  1893.  71  S. 
||F.  Hirsch:  MHL.  22,  S.  26.]|  (Vgl.  JBL.  1893  IV  8d  :  7.)  —  181)  F.  Wagner,  Z.  Gesch.  d.  Jesuiten-Mission  in  Altona: 
ZVHambG.  9,  S.  633/8.  —  182)  (I  4:437.)  |[H.  L.  Strack:  ThLBl.  15,  Ö.  559-60.JI  —  183)  E.  Weber,  Virorum  clarorum 
saeculi  XVI  et  XVII  epistolae  selectae.  E  codicibus  ms.  Göttingensibus  edidit  et  adnotationibus  instruxit.  L.,  Teubner.  X, 
195  S.  M.  2,40.  —  184)  O  X  X  J-  C.  Geisthirt,  Schmalkaldia  litteruta,  d.  i.  hist.  Beschreibung  191  gelehrter  Leute, 
welche  in  d.  Stadt  Schmalkalden  u.  d.  dahin  gehörig.  Ortschaften  geboren,  sowohl  daselbst  als  an  anderen  Orten  d.  gemeine 
Beste  im  weltl.  u.  geistl.  Regiment,  wie  anch  auf  Academien  u.  geringeren  Schulen  befördert  u.  noch  befördern,  nach  aiphabet. 
Ordnung  aufgestellt.  (=  ZVHennebergG.  N.  12.)  Schmalkalden  (F.  Wilisch).  4°.  VIII,  96S.  M.  2,00.  —  185)  O  X  X  M.  Dessoir, 
Gesch.  d.  neueren  dtsch.  Psycho!.  1.  Bd.  V.  Leibniz  bis  Kant.  B.,  C.  Duncker.  XIII,  439  S.  M.  13,50.  |[A.  Drews: 
PJb.  77,  S.  557-64.]|  —  186)  X  W.  Dilthey,  D.  natürl.  System  d.  Geisteswissenschaften  im  17.  Jh.  (JBL.  1893  HI  1  :  110): 
MhComeniusG.  3,  S.  104.    —    187)  X   B-  George,   L.  Geiger,   Berlin  1688-1840  (JBL.  1892    I  4:586;    III  1:59;    IV  lb:47): 

(3)2* 


III  1:188-206     AI.  Reiff erscheid,  Allgemeines  des  17./18.  Jahrhunderts. 

standen  mir  Dittmars188)  Mitteilungen  aus  dem  Tagebuch  des  Fürsten  Christian 
von  Anhalt-Bernburg  zu  Gebote.  —  Kleine  Berichtigungen  zu  Büngers  Buch  über 
M.  Bernegger  (JBL.  1893  III  1:109)  gab  Jacob180"1110)  auf  Grund  eigener  Nach- 
forschungen im  Strassburger  Archiv.  Darnach  lag  Kaspar  Bernegger  eine  Arbeit 
seines  Vaters  über  Strassburgs  Verfassung  vor,  als  er  einen  Abriss  der  verfassungs- 
geschichtlichen Entwicklung  seiner  Vaterstadt  zu  geben  gedachte.  Kaspar  Bernegger 
war  ferner  nach  J.  nicht  Geschäftsträger  der  Stadt  Strassburg  am  französischen  Hofe, 
wie  Bünger  angab,  sondern  führte  nur  von  Strassburg  aus  die  Korrespondenz  mit 
dem  Geschäftsträger  der  Stadt  in  Paris.  —  Recht  dankenswert  war  Bischoffs101) 
MonogTaphie  über  das  Leben  und  die  vielseitige  litterarische  Thätigkeit  Georg 
Philipp  Harsdörfers,  die  er  zu  einem  richtigen  Zeitbilde  zu  gestalten  wusste.  Sehr 
störend  ist  es,  dass  die  Noten  hinter  jedem  Kapitel,  dessen  Umfang  nicht  durch 
Kolumnentitel  angedeutet  wird,  versteckt  sind.  —  Den  Abschnitt  über  Harsdörfer 
als  Mathematiker  und  Naturphilosophen  hat  Rudel102)  beigesteuert.  —  Gegenüber 
der  breiten  Darstellung  Bischoffs  hebt  sich  die  gedrängte  Schmidts1015)  in  seinem 
Aufsatz  über  Sigmund  Birken  vorteilhaft  ab.  Schade,  dass  er  nicht  tiefer  einge- 
drungen ist.104)  —  Zur  kritischen  Geschichte  der  deutschen  Publizistik105-106)  ist  ein 
neuer  tüchtiger  Beitrag  von  Mayr-Deisinger  10")  geliefert  worden,  der  leider  unter 
Ausschluss  der  Oeffentlichkeit  erschienen  ist.  —  Von  den  Briefen  des  berühmten 
Publizisten  S.  Pufendorf  veröffentlichte  Varrentrapp108)  weitere  zwei  und  nach 
einer  Greifswalder  Hs.  Auszüge  aus  anderen.  Charakteristisch  ist  Pufendorfs  Aeusse- 
rung,  als  er  gefragt  worden,  ob  er  Otto  Wilhelms  von  Königsmark  Thaten  beschreiben 
wolle:  „Graf  Otto  Wilhelms  seine  Sachen  sind  sehr  denkwürdig;  es  gehören  dazu 
aber  1.  sehr  gute  Journals  und  Memoires,  nam  ex  nihilo  nihil  fit  und  muss  man 
keine  Historie  aus  dem  Kopfe  machen  ä  la  francaise,  2.  thut  man  auch  solche  Arbeit 
nicht  für  nichts". m))  —  Die  Ergebnisse  seiner  Studien  über  das  Verhältnis  des 
Grossen  Kurfürsten  zu  den  Hochschulen  legte  Varrentrapp200)  vor.  Friedrich 
Wilhelm  hegte  lebhafte  Teilnahme  für  wissenschaftliche  Forschung.  Er  erliess 
strenge  Edikte  gegen  den  Pennalismus  und  sorgte  trotz  des  Widerstrebens  der 
Lutheraner  für  die  Berufung  irenisch  gesinnter  Lehrer.  Er  begründete  eine  neue 
Hochschule  zu  Duisburg  und  versah  sie  mit  tüchtigen  Gelehrten.  Nur  kurze  Zeit 
beschäftigte  ihn  der  uferlose  Plan  einer  brandenburgischen  Universaluniversität  der 
Völker,  Wissenschaften  und  Künste.201"204)  — 

Aus  dem  Fache  der  Literaturgeschichte205)  ist  eine  vortreffliche  Ab- 
handlung zu  erwähnen,  die  ein  bisher  völlig  vernachlässigtes  Gebiet,  dessen  Wich- 
tigkeit für  die  Geistesgeschichte  des  17.  und  18.  Jh.  nicht  zu  verkennen  ist,  erschlossen 
hat:  Bor  inskis206)  Buch  über  den  spanischen  Schriftsteller Gracian,  den  Vater  der  beiden 
wichtigsten  Elemente  der  modernen  Bildung,  der  Theorie  des  Geschmacks  und  der 
Praxis  der  Weltklugheit,  die  man  damals  Politik  nannte.  In  einem  zweiten  Teile 
behandelte  er  die  Hoflitteratur  in  Deutschland  und  besonders  die  Hofdichtung  des 
17.  Jh.  — WTährend  Borinski  in  seinem  Buche  nachdrücklich  die  Wichtigkeit  der  Unter- 
suchung des  spanischen  Einflusses  auf  die  deutsche  Litteratur  des  17.  Jh.  hervor- 
gehoben, untersuchte  Steinhausen207)  die  Anfänge  des  französischen  Litteratur-  und 
Kultureinflusses  in  Deutschland.  —  Den  Anteil  einer  bestimmten  Landschaft  an 
der  deutschen  Litteratur  bis  zum  Ende  des  17.  Jh.  behandelte  K.  Schröder208)  in 
einem  Vortrage.  Er  zählte  eine  Reihe  von  Schriftstellern  auf,  die  entweder  in 
Mecklenburg  geboren  oder  dort  wirkend  sich  in  der  Dichtung  mehr  oder  weniger 
versucht  haben.  Man  darf  ihm  zugestehen,  dass  die  Mecklenburger  auch  im  17.  Jh. 
nach    ihrem    geistigen  Vermögen   sich  am  litterarischen  Schaffen  beteiligt  haben.  — 


Rar  20,  S.  470.  —  188)  O  X  X  M.  Dittmar,  Aus  d.  Tageb.  d.  Fürsten  Christian  d.  J.  v.  Anhalt-Bernbnrg:  GBUMagdebnrg.  29, 
S.  90-136.—  189-90)  K.  Jacob,  Zn  Matth.  u.  Kasp.  Bernegger:  ZGORh.  9,  S.  519-23.—  191)  Th.  Bischoff,  Georg  Philipp 
Harsdörfer.  E.  Zeitbild  ans  d.  17.  Jh.  (—  Festschr.  z.  250j.  Jubelfeier  d.  Pegnes.  Blumenordens,  gegründ.  in  Nürnberg  am 
10.  Okt.  1044.     [Nürnberg,  J.  L.  Schräg.     XVI,  032  S.     M.  8,00],  XVI  P.  u.  S.  1-300,405-74.)  (Mit  vielen  Abbild.;  vgl.  III  2:  22.) 

—  192)  K.  Rudel,  Harsdörfer  als  mathemat.-naturphilos.  Schriftsteller.  (=  ebda.  S.  301-403.)  —  193)  Aug.  Schmidt, 
Sigmund  v.  Birken,  gen.  Betulius.  1626-81.  (=  ebda,  S.  475  532.)  —  194)  X  M. .  S  ch  ü  s  s  1  e  r,  Jubil.  d.  Blumenordens: 
ÜL&M.  72,  S.  774/5.  —  195)  X  J-  Gebauer,  D.  Publizistik  über  d.  böhm.  Aufstand  v.  1018  (JBL.  1892  1111:62).  |[L.  Viereck: 
MHL.  22,  S.  56-60;  HZ.  73,  S.  176.] |  —  196)  A.  Pribram,  J.  Haller,  I).  dtsch.  Publizistik  in  d.  J.  166S-84  (JBL.  1892 
III  1  :63):  HZ.  72,  S.  106.  —  197)  O  X  X  Mayr-Deisinger,  D.  Flugschriften  d.  J.  1618-20  u.  ihre  polit.  Bedeutung. 
Hab.-Schr.  München.  1893.  96  S.  —  198)  K.  Varrentrapp,  Briefe  Pnfendorfs  an  Falaiseau,  Friese  u.  Weigel:  HZ.  73, 
8.59-07.  —  199)  X  S.  Eck,'  A.  Rebelliau,  Bossuet  historien  du  protestantisme  (JBL  1S92  III  1:68;  1893  1111:121): 
ThLZ.  19,  S.  45/8.    —    200)    (I  4:57.)     |[A.  N(aude):  FBPG.  7,  S.  255/6;  F.  Hirsch:  MHL.  22,  S.  455/6;  HZ.  73,  S.  177/&H 

—  201)  X  G.  Galland,  D.  Gr.  Kurfürst  u  Moritz  v.  Nassau  (JBL.  1S93  III  1  :  123):  VossZg.  N.  100.  —  202)  X  id-.D.  Gr.  Kur- 
fürst u.  d.  Wunderglaube.  Nach  archival.  Qnellen.  1.  Friedr.  W'ilh.  u.  d.  naturwissensch.  Wunder.  II.  Friedr.  Wilh.  u.  d. 
Zaubeiwesen:  Zeitgeist  N.  46,  48.  —  203)  X  &  Mosen,  D.  Leben  d.  Prinzessin  Charlotto  Amelie  de  la  Tremoille  (JBL.  1892 
III  1:70).  |[A.  Tuxen:  HT».  5,  S.  243-53;  Hessenland  S.  55;6.]|  —  204)  X  R- Fester,  Kurfürstin  Sophie  v.  Hannover  (JBL.  1893 
III  1  :  127).  |[DWB1.  7,  S.  12;  C.  Span  nag  el:  DLZ.  S.  055;  HZ.  72,  S.  500.]|  —  205)  X  H.  Hettner,  Litt.-Gesch.  III  1 
(JBL.  1893    III  1:134):    PrJbb.  75,  S.  371.    -    206)    (I  4:85;    111  2:371.     |[K.  H.:    LCB1.    S.  1674/5;    ZVLR.  7,    S.  1-27.J|  — 


AI.  Reiffersoheid,  Allgemeines  des  17./18.  Jahrhunderts.     111  1:207-210  III  2  1-5 

Ueber  die  bedeutendsten  französischen  Schriftsteller  des  17.  Jh.  veröffentlichte  Faguet20») 
in  13.  Auflage  geschmackvolle,  für  ein  weiteres  Publikum  bestimmte  Studien,  ohne 
wissenschaftlichen  Wert.  —  Das  Andenken  eines  in  der  deutschen  Literatur- 
geschichte verschollenen  Mannes,  Joh.  Wilh.  Steinauers  aus  Naumburg,  eines  Partei- 
gängers Gottscheds,  erneute  Günther210).    — 


111,2 

Lyrik. 

Ludwig  Pariser. 


Hoch/.eitslieder  N.  1.  -  Volksluder  N.  3.  —  Geistliche  Lyrik:  F.  von  Speo  N.  7;  G.  Trckel  N.  10;  II.  Thomasius 
N.  11;  M.  A.  von  Löwenstein  N.  12;  D.  Trommer  N.  13;  P.  Gerhardt  N.  14;  J.  und  A.  Tribbechow  N.  16;  Landgraf  Friedrich 
Jakob  von  Hessen- Homburg  N.  18:  G  Terstegen  N.  19  —  Weltliche  Kunstlyrik:  Pegnitzschäfer  N.  22;  schlesischo  Dichtor: 
A.  Tschcrning  N.  25,  Chrph.  Köler  N.  2<5.  F.  von  Logau  N.  28,  J.  P.  TM*  N.  29,  Chrn.  Günther  N.  33;  Hofdichtung  N.  37; 
J.  Trocmcr  N.  38;  F.  von  Hagedorn  N.  39:  J.  Chrn.  Lose  N.  40;  D.  Triller  N.  41.  — 

An  bibliographischen  Arbeiten  haben  wir  keinen  Zuwachs  erhalten ;  ebenso- 
wenig haben  einzelne  Perioden  aus  der  Geschichte  der  geistlichen  oder  weltlichen 
Lyrik  unseres  Zeitraums  Bearbeiter  gefunden.  Die  Mehrzahl  der  zu  besprechenden 
Schriften  fördert  lediglich  die  Kenntnis  biographischer  Einzelheiten.1)  Aus  der  „Vitae 
Pomeranorum"  betitelten  Sammlung  der  Universitäts-Bibliothek  zu  Greifswald  teilt 
Adam2)  den  Inhalt  von  31  niederdeutschen  Hochzeitsliedern  mit,  die 
er  nach  dem  Namen  des  Bräutigams  alphabetisch  geordnet  hat.  Zumeist  in  den 
patricischen  Kreisen  der  pommerschen  Städte  entstanden,  bieten  sie  mancherlei  kultur- 
historisch Interessantes  in  derb  humoristischen  Schilderungen.  Die  Sammlung  umfasst 
einen  Zeitraum  von  etwa  70  Jahren  und  hört  mit  dem  J.  1700  auf.  Die  ältesten 
Hochzeitscarmina  sind  lateinisch,  ihnen  folgen  zunächst  halb  hochdeutsche  und  halb 
lateinische,  denen  sich  zuweilen  ein  plattdeutscher  Schwank  anschliesst,  bis  endlich 
um  die  Mitte  des  17.  Jh.  das  Latein  ganz  verdrängt  wird.  Mit  der  in  Vorpommern 
gegen  den  Schluss  des  17.  Jh.  zur  Herrschaft  gelangten  Orthodoxie  nehmen  alsbald 
die  ausgelassenen  Hochzeitsgedichte  ein  Ende.  — 

Für  die  Geschichte  des  Volksliedes  ist  diesmal  wenig  Material  hinzuge- 
kommen.3) Ein  Gebiet,  welches  seit  Reinh.  Köhlers  grundlegender  Arbeit 
„Um  Städte  werben"  [Arch.  für  Litt.-Gesch.  1870,  S.  228  ff.]  wenig  Beachtung 
fand,  hat  Rubensohn4)  durch  die  Herausgabe  der  „Werbung  Hertzoges  Albrecht 
von  Friedlandt  an  Jungkfrau  Magdeburgk  (1629)"  bereichert.  R.  fand  das  Gedicht 
in  einem  Exemplar  der  deutschen  Poemata  von  Opitz  aus  der  Meusebachschen 
Sammlung.  Ein  persönlicher  Bekannter  von  Opitz,  der  Strassburger  Nikolaus 
Rittershaus  —  seit  1634  Professor  der  Jurisprudenz  in  Altdorf,  —  hat  es  neben 
andern  Gedichten  dort  eingeschrieben.  Der  Herausgeber  vermutet,  dass  Rittershaus, 
dessen  Familie  aus  Braunschweig  gebürtig  war,  selbst  die  Werbung  gedichtet  hat. 
Seit  der  Belagerung  Braunschweigs  durch  Herzog  Heinrich  Julius  (1605)  stand  es  mit 
Magdeburg  in  einem  Freundschafts-  und  Unterstützungsverhältnis,  dem  von  Seiten 
Braunschweigs  durch  dieses  Gedicht  Ausdruck  gegeben  werden  sollte.  Es  hat  8 zeilige 
Strophen  und  sowohl  die  Sprache  wie  die  verwendeten  Motive  sind  volkstümlich  ge- 
halten; die  Verstechnik  verrät  jedoch,  dass  der  Vf.  dem  Kreise  der  Opitzianer  nahe 
stand.  Der  Dichter  dieser  Brautwerbung  folgt  im  grossen  und  ganzen  den  geschicht- 
lichen Vorgängen  aus  den  J.  1625 — 29.  Er  lässt  Wallenstein  zuerst  durch  seinen 
Obersten  freundlich  um  die  Stadt  anhalten  und  dem  abgewiesenen  Freier  durch  die 
Jungfrau  Magdeburg  den  Rat  geben,  nach  Halberstadt  zu  ziehen  und  sich  dort  am 
Ofen  zu  wärmen.  Köhler,  welcher  das  Gedicht  nach  einer  WTeimaraner  Hs.  mit- 
geteilt hat,  bezeichnet  es  als  das  älteste  der  Gattung.  R.  fügt  die  Abweichungen 
seiner  Vorlage  von  der  Weimaraner  Hs.  hinzu,  aus  denen  erhellt,  dass  letztere  die 
Kopie  eines  „verständnislosen"  Schreibers  ist  —  vermutlich  nach  dem  Berliner 
Exemplar.  —  W'allensteins  Verhältnis  zu  Kaiser  Ferdinand  und  seine  Ermordung 
behandeln    drei    czechische    Volkslieder    aus  dem    17.    Jh.,    die    Zibrt5),    teils    aus 


207)  (I  4:86.)    —   208)  (I  1  :59.)    —    209)  E.  Faguet,   Dix-septieme  sieole,  et.  litt.     13.  ed.    (=  Nouv.  ßibl.  litt.)    Paris, 
Lecene,  Oudin  &  Cie.     VII,  480  S.  —  210)  0.  Günther,  Aus  Gottscheds  Briefwechsel:  MDGesLeipzig.  9,  8.  47-60.  — 

1)  X  A-  Leitzmann,  G.  Ellinger,  Kirchenlied  n.  Volkslied  (JBL.  1892  III  2:6):  LBIGRPh.  15,  S.  80/1.  (L.  be- 
mängelt d.  unrichtige  Verhältnis  zwischen  d.  Stoffinasse  u.  d.  gegebenen  Raum.  Ellinger  selbst  aber  hat  schon  fS.  15J  d.  ihm  auf- 
erlegte Beschränkung  beklagt.)  —  2)  K.  Adam,  Niederdtsch.  Hochzeitsgedichte  d.  17.  u.  18.  Jh.  aus  Pommern:  JbVNiederdSpr.  19, 
S.  122-30.  —  3)   O  X  (I  5  =  329.)  -  4)  (III  1  :  27.)  —  5)  C.  Zibrt,  Ceske  pisne  o  Waldäteinovi  a  Harantovi  ze  XVII.  a  XVIII. 


III  2:6-15  L.  Pariser,  Lyrik  d.  17./18.  Jahrhunderts. 

älteren  Drucken,  teils  nach  Hss.  der  Krakauer  Bibliothek  veröffentlicht.  Ob  sie  mit 
deutschen  Liedern  zusammenhängen,  kann  ich  wegen  Unkenntnis  der  czechischen 
Sprache  nicht  beurteilen.  —  Aus  den  Sammlungen  italienischer  Madrigale  und  Can- 
zonetten  von  Orazio  Vecchi,  Giovanni  di  Macque  und  Ippolito  Busi  hat  Bolte6)  die 
Originale  von  7  deutschen  Liedchen  veröffentlicht,  welche  sich  in  dem  Liederbuch 
Christoph  von  Schallenbergs  in  deutscher  Uebersetzung  befinden  (vgl.  J.  Hurch: 
ASNS.  87,  S.  46).  - 

Die  katholische  Dichtung  innerhalb  der  geistlichen  Lyrik  hat  in  dem 
Berichtsjahre  keinen  Bearbeiter  gefunden.  —  Gebhards  Monographie  über  Friedrich 
von  Spee  (JBL.  1893  III  2:11)  wird  von  einem  Anonymus")  zu  jesuitenfreundliche 
Gesinnung  vorgeworfen.8)  Sowohl  die  oberflächliche  Art,  wie  die  Trutznachtigall  be- 
sprochen wird,  wie  die  Darstellung  von  Spees  Verdiensten  um  die  Beseitigung  der 
Hexen prozesse  wird  abfällig  kritisiert.'-')  — 

Die  Vorbilder  für  die  geistlichen  Deutschen  Epigrammata  von  Gerhard 
Trekel  (1645)  hat  Roethe10)  in  den  lateinischen  Epigrammen  des  Johann  Steinmetz 
gefunden.  R.  charakterisiert  die  ersteren  als  triviale  Machwerke  voll  anspruchsvoller 
dogmatischer  Ausfälle  gegen  die  Ketzer;  obendrein  sei  der  Vf.  der  schwierigen,  aus 
dem  Lateinischen  entlehnten  Form  nicht  Herr  geworden.  — 

Der  Augsburger  Rechtsgelehrte  Hieronymus  Thomasius,  obschon  von 
grösserer  Bedeutung  auf  dem  Gebiete  des  Dramas,  gehört  wegen  seiner  „Sonn-  und 
Festtagsandachten"  in  den  Kreis  unserer  Besprechungen.  Wie  schon  der  Titel  verrät, 
hatsich  Thomasius  die  Sonn-  und  Feiertagssonette  des  Andreas  Gryphius  zum  Muster  ge- 
nommen. Auf  Grund  der  Vorarbeiten  Creizenachs  berichtet  Roethe11)  von  dem 
abenteuerlichen  Leben  und  den  Werken  des  Thomasius.  Er  weist  auf  sein  technisches 
Geschick  hin,  das  sich  besonders  in  wilden  Scenen,  Sturm-  und  Gewitterschilderungen 
offenbare.  Dagegen  verfällt  er  andererseits  auch  in  die  Fehler  seiner  schlesischen 
Lehrmeister,  deren  Bombast,  Sentimentalität  und  übel  angebrachte  Gelehrsamkeit  er 
selbst  bei  Motiven  verwertet,  die  er  aus  den  Evangelien  herüber  genommen  hat.  Die 
ihm  mangelnde  Reife  des  Geschmacks  zeigt  sich  auch,  wenn  er  in  seiner  geistlichen 
Lyrik  burschikose  Ausdrücke  verwendet.  — 

Der  300.  Geburtstag  von  Matthaeus  Apelles  von  Löwenstern  hat 
AI  brecht12)  veranlasst,  die  Erinnerung  an  den  begabten  schlesischen  Dichter  und 
Musiker  wieder  aufzufrischen.  Zwar  ist  die  auf  ihn  angewendete  Bezeichnung  „ein 
vergessener  Dichter",  insofern  nicht  zutreffend,  als  sowohl  die  ADB.,  Gervinus,  Kober- 
stein  als  auch  die  musikgeschichtlichen  Sammelwerke  Auskunft  über  Löwenstern  geben; 
unter  dem  Namen:  Matthaeus  Apelles  ist  er  bei  Goedeke  verzeichnet.  Das  Kriegs- 
elend, das  die  Wallensteinschen  und  Mansfeldschen  Truppen  —  im  Dienste  der  Gegen- 
reformation —  in  seine  schlesische  Heimat  brachten,  gab  seinen  ersten  Liedern  die 
Grundstimmung.  Die  Gewandtheit  der  schlesischen  Dichter  in  der  Beherrschung 
und  Kombinierung  der  Formen  besitzt  auch  er,  unterstützt  durch  ungewöhnliche 
musikalische  Begabung.  Während  er  den  Alexandriner  nur  ausnahmsweise  anwendet, 
liebt  er  es,  seine  Kirchenlieder  durch  antike  Strophenformen  neben  dem  Reim  aus- 
zuschmücken. Eine  Sapphische  und  eine  Alkäische  Ode  von  ihm  werden  noch  heute 
in  evangelischen  Gemeinden  gesungen  und  finden  sich  unter  den  Nummern  212  und 
584  im  brandenburgschen  Provinzialgesangbuch.  Von  ihm  rühren  auch  Psalmen- 
paraphrasen her  (z.B.  ein  schönes  Auferstehungslied  nach  Psalm  121)  und  geistliche 
Oden,  die  ihn  als  vortrefflichen  Uebersetzer  lateinischer  Hymnen  zeigen.  — 

Charakteristisch  für  die  Weise  dichtender  Dilettanten  aus  geistlichem  Stande 
ist  die  grösstenteils  aus  geistlichen  Liedern  bestehende  Sammlung  „Nickerische 
Poesie"  des  Pfarrers  David  Trommer  aus  Plauen,  die  M.  von  Waldberg13)  be- 
spricht. Abgesehen  von  dem  Mangel  jeglicher  dichterischer  Eigenart  verrät  sie  in 
ihrer  unbeholfenen  Nachahmung  Flemings  einen  solchen  Mangel  an  Technik,  dass 
sie  selbst  bei  anspruchslosen  Zeitgenossen  nur  spöttische  Aufnahme  fand.  — 

Landwehr14)  hält  es  für  unrichtig,  dass  man  die  ihrer  Zeit  bahnbrechende 
Biographie  Paulus  Gerhardts  von  E.  G.  Roth  (JBL.  1893  III  2:21)  wieder  neu 
aufgelegt  hat.  Man  sei  jetzt  über  den  Lebenslauf  Gerhardts  besser  unterrichtet  und 
besitze  insbesondere  über  seine  Jugendjahre  mehr  Material,  als  in  der  neuen  Be- 
arbeitung des  Buches  durch  Lommatzsch  wiedergegeben  sei.  Er  verlangt  eine  neue 
wirklich  kritische  Biographie  des  Dichters.  —  Zu  einer  solchen  bietet  Landwehr15) 
selbst  Hülfsmittel,  und  er   bringt  namentlich   über    die   erste  Lebenshälfte  Gerhardts 


v«ku  (Böhm.  Lieder  über  Waldstein  n.  Harant  ans  d.  XVII.  u.  XVIII.  Jh.)  (=  SBGWPragP".  18!«  [Prag,  Kivnäc".  M.  12.00|, 
N.  10  [15  8.].)  -  6)  J.  Bolte,  Zu  d.  v  Chrph.  v.  Schallmberg  übers  ital.  Liedern:  ASNS.  92,  S.  65/8.  -  7)  Euph.  1,  S.  164. 
—  8)  X  0.  Hellinghaus:  Gymn.  12,  S.  540.  —  9)  X  1-  n.,  Val.  Thümig:  ADB.  !)8,  S.  169.  —  10)  G.  Roethe,  Gerh. 
Trelcel:  ib.  S.  562.  —  11)  id.,  Hieron.  Thomasius:  ib.  S.  104  7.  —  12)  G.  Albrecht,  E  vergessener  Dichter.  (Matth.  Apelles 
v.  Löwenstern):  NatZg.  N.  254.  (D.  gleiche  Aufs.,  nur  um  einige  Citate  vermehrt,  in  d.  SchlesZg.  N.  282.)  —  13)  M. 
t.  Waldberg,  D.  Trommer:  ADB.  38,  S.  641.  -  14)  H.  Landwehr:  FBPG.  7,  3.  257.  -   15)  id.,  T.  Gerhardt:  VossZg». 


L.  Pariser,  Lyrik  d.  17./18.  Jahrhunderts.  III  2  :  i6-is 

manches  Neue  auf  Grund  archivalischer  Quellen.  Nähere  sicher  beglaubigte  Daten 
über  sein  Leben  reichten  bisher  nur  bis  zu  seinem  44.  J.  herab  —  eine  befremdende 
Thatsache  bei  einer  Persönlichkeit  wie  Gerhardt,  dem  schon  zu  seinen  Lebzeiten 
allgemeine  Anerkennung  und  Liebe  entgegengebracht  wurde.  So  folgt  z.  B.  in  der 
Rothschen  Lebensbeschreibung  auf  das  Geburtsjahr  gleich  das  J.  1651,  in  welchem 
Gerhardt  als  Predigtamtskandidat  in  Berlin  lebte.  L.  giebt  zunächst  an  der  Hand 
urkundlicher  Belege  den  Stammbaum  der  aus  Eilenburg  gebürtigen  Mutter  des  Dichters, 
der  sich,  mütterlicherseits,  bis  zur  Reformationszeit  verfolgen  lässt.  Mit  seinem 
Bruder  Christian  besuchte  Paulus  die  Landesschule  in  Grimma,  das  sog.  Muldanum. 
Ein  erhaltenes  Schulzeugnis  aus  dem  J.  1625  nennt  seine,  natürlich  lateinischen, 
Verse  erträglich.  Die  langen  Jahre  zwischen  seiner  Immatrikulation  auf  der  Hoch- 
schule zu  Wittenberg,  wo  er  am  2.  Jan.  1628  als  Theolog  inskribiert  wurde,  und 
der  Zeit  seines  ersten  Berliner  Aufenthaltes  weiss  L.  allerdings  auch  nur  durch 
Vermutungen  auszufüllen.  Aus  der  Bezeichnung  des  Berliner  Ministeriums  :  „S.  S. 
theol.  cand.,  welcher  sich  all  hier  •  bei  uns  in  des  Churf.  Kammergerichtsadvocati 
Herrn  Andreas  Bertholds  Hause  befindet"  zu  schliessen,  dass  Gerhardt  bei  Berthold 
—  seinem  späteren  Schwiegervater  —  Hauslehrer  gewesen  ist,  hält  L.  der 
allgemeinen  Annahme  gegenüber,  mit  Recht  für  unzulässig.  Dass  er  schon  in  jener 
Zeit  (vor  1651)  dem  Bertholdscheu  Hause  nahe  stand,  bekunden  ein  Trauerlied  und 
ein  Hochzeitscarmen,  welche  er  auf  Freunde  jener  Familie  gedichtet  hat.  L.  macht 
es  wahrscheinlich,  dass  Gerhardt  im  Verkehr  mit  den  bedeutenderen  Berliner  Lieder- 
dichtern Michael  Schirmer  und  Burchard  Wiesen mayer  stand,  die  beide  am  Gymnasium 
zum  Grauen  Kloster,  einem  der  geistigen  Sammelpunkte  des  damaligen  Berlin, 
thätig  waren.  Ein  Lobgedicht  Gerhardts  auf  Schirmer  spricht  für  L.s  Annahme.  Wie 
schon  frühere  Biographen  Gerhardts,  benutzt  auch  L.  das  Datum  der  ältesten  Aus- 
gabe von  Crügers  Praxis  pietatis  (1648),  welche  18  Lieder  Gerhardts  enthält,  um 
dessen  ersten  Berliner  Aufenthalt  und  die  Entstehungszeit  jener  Lieder  festzustellen. 
Aus  der  Mittenwalder  Amtsperiode  wird  das  glückliche  Familienleben  des  Dichters, 
das  sich  in  seiner  gleichzeitigen  Lyrik  wiederspiegelt,  geschildert;  der  schöne  Lob- 
gesang: „Ein  Weib,  das  Gott  den  Herren  liebt",  soll  seiner  Hausfrau  Anna  Maria 
Berthold  zu  Ehren  in  Mittenwalde  gedichtet  sein.  Gegen  die  Ansicht,  Gerhardt  habe 
im  Auftrage  der  Kurfürstin  Luise  mehrere  sonst  dieser  selbst  zugeschriebene  Kirchen- 
gesänge verfasst.  wendet  L.  ein,  dass  hierzu  einmal  das  notwendige  Bindeglied  eines 
Verkehrs  zwischen  beiden  nicht  nachgewiesen  sei,  und  dass  weder  im  Königi.  Haus- 
archiv noch  in  den  zahlreichen  anderen  Dokumenten  jener  Zeit  irgend  ein  Anhalt 
hierfür  geboten  sei.  Aus  dem  Gerhardts  zweiten  Berliner  Aufenthalt  gewidmeten 
Abschnitt  ist  die  klar  abgewogene  Darstellung  des  oft  geschilderten  Streites  zwischen 
dem  grossen  Kurfürsten  und  seiner  lutherischen  Geistlichkeit  hervorzuheben.  Das 
milde  Verfahren  des  Kurfürsten,  der  Gerhardts  wegen  seine  Kirchen politik  zwar  nicht 
umstossen  konnte,  ihm  aber  das  Befolgen  der  Edikte  so  viel  als  möglich  zu  erleichtern 
suchte,  wie  andererseits  die  starre  Konsequenz  Gerhardts  werden  verständlich,  dem 
als  überzeugungstreuem  Lutheraner  jener  Zeit  der  Synkretismus  ein  Greuel  sein  musste. 
L.  weist  auf  den  Widerspruch  zwischen  Gerhardts  Handeln  und  der  in  seiner  Lyrik 
ausgesprochenen  Gesinnung  hin:  in  seinen  Liedern,  die  voller  Langmut  und  voll 
herzlichen  Erbarmens  gegen  seine  Mitmenschen  sind,  findet  sich  kein  Zug,  der  auf 
dogmatische  Halsstarrigkeit  schliessen  lässt;  seine  Gutachten  gelegentlich  des  Berliner 
Religionsgespräches  vom  J.  1662  zeigen  Gerhardt  als  Kind  seiner  Zeit,  „während 
aus  seinen  Dichtungen  sein  eigentlicher  innerer  Mensch  zu  uns  spricht".  — 

Von  Zinzendorf  sehr  geschätzt  waren  die  geistlichen  Lieder  des  in  früher 
Jugend  in  Geisteskrankheit  verfallenen  Johannes  Tribbechow.  Sein  Vater,  der 
Lübecker  Superintendent  A  dam  T  ribb  e  ch  o  w  —  über  beide  schreibt  S  chum  ann16-  n)  — 
hatte  sich  schon  in  Kirchenliedern  versucht  und  eine  hymnologische  Ausführung  des 
Symbolum  Ignatianum:  „amor  meus  crucifixus  est"  gedichtet.  Die  geistige  Richtung1 
des  Sohnes,  von  dem  4  Lieder  in  das  Freylinghausensche  Gesangbuch  aufgenommen 
wurden,  ist  durch  pietistische  Einflüsse  (A.  H.  Francke  in  Halle)  bestimmt  worden.  — 

Aus  einem  geschriebenen  hessen-homburgschen  „Gesang-  und  Lieder- 
büchlein" vom  J.  1730  teilt  Roth18)  die  Anfänge  von  4  geistlichen  Liedern  mit, 
welche  1734  als  N.  291,  1561,  1563  und  1842  des  hessen-homburgschen  Gesang- 
buches gedruckt  worden  sind.  R.  stellt  die  Abweichungen  des  gedruckten  Textes  von 
der  Hs.  fest,  aus  denen  der  Druck  als  die  schlechtere  Fassung  der  Lieder  ersichtlich 
wird.  Vf.  der  3  letzten  Nummern  ist  der  Landgraf  Friedrich  Jakob  von 
Hessen-Homburg.  — 

Dem  reformierten  Mystiker  Gerhardt  Tersteegen,  dem  Vf.  der  oft  auf- 
gelegten   Sammlung:    „Geistliches   Blumengärtlein    inniger    Seelen"    ist    von    einem 


N.  12,4.  —  16)  A.  Schumann,  Jon.  Tribbechow:  ADB.  38,  S.  598-000.  —  17)  iä.,  A.  Tribbechow:  ib.  S.  597/9.  —  1$)  F,  W. 


III  2  :  19-23  L.  Pariser,  Lyrik  d.  17./18.  Jahrhunderts. 

anonymen  Autor19)  eine  biographische  Skizze  gewidmet  worden.  Der  klare  Sinn 
Tersteegens,  den  er,  ungeachtet  seiner  schwärmerischen  Frömmigkeit,  ungesunden 
sektiererischen  Neigungen  gegenüber  bewies,  und  die  Bedeutung  seines  umfassenden 
brieflichen  Verkehrs  mit  den  „Erweckten"  —  die  er  dazu  vermochte,  sich  nicht  von 
der  Kirche  loszusagen  —  werden  hervorgehoben.  Als  Uebersetzer  beschäftigte  er 
sich  mit  den  erbaulichen  Schriften  besonders  derjenigen  Mystiker,  die  Pierre  Poiret 
in  seiner  Lettre  sur  les  principes  et  les  caracteres  des  principaux  auteurs  mystiques 
hervorhebt.  Seine  geistlichen  Lieder,  von  denen  ein  grosser  Teil  zur  privaten  Er- 
bauung bestimmt  ist,  während  gerade  die  kleine  Zahl  seiner  Gemeindelieder  seinen 
dichterischen  Ruhm  begründete,  werden,  was  Innigkeit  und  Formvollendung  an- 
betrifft, den  Dichtungen  des  Angelus  Silesius  und  Joachim  Neanders  an  die  Seite 
gestellt.2«'21)  _ 

Uen  Uebergang  zur  weltlichen  Kunstlyrik  bilden  die  Pegnitzschäfer. 
Sie  bezeichnet  Bi  s  ch  off22)  mit  Recht  als  die  Führer  jener  süsslich  geistlichen 
Richtung,  welche  sowohl  auf  katholischer  wie  auf  protestantischer  Seite  von  der  Mitte 
des  17.  Jh.  ab  die  kirchliche  Dichtung  zu  beherrschen  anfängt.  Der  Stifter  des 
Ordens  Harsdörffer  zeigt  sich  in  seinen  vielen  geistlichen  Liedern  selbst  noch  un- 
berührt von  dieser  Geschmacksverirrung;  seine  nüchterne  Natur  sowohl  wie  seine 
ernste  Frömmigkeit  bewahrten  ihn  davor,  in  die  „Spielweise"  zu  verfallen,  die  seine 
weltlichen  Dichtungen  kennzeichnet;  jene  Ausartung  ist  vielmehr  auf  Dilherr  und 
Birken  zurückzuführen.  Harsdörffers  geistliche  Lieder  sind  in  seinen  verschiedensten 
Werken  zerstreut,  so  in  den  Gesprächsspielen,  in  Nathan  und  Jotham,  im  Schauplatz  usw.; 
auch  zu  den  Erbauungsschriften  seines  Freundes  Dilherr  hat  er  solche  beigetragen. 
Seine  lehrhafte  Art  vernichtet  gewöhnlich  die  poetische  Wirkung  seiner  alle  Lebens- 
verhältnisse umfassenden  Lieder.  Auffallend  bei  dem  sonst  so  trockenen  Wesen 
Harsdörffers  ist  seine  Hinneigung  zu  mystischen  Schriften,  von  denen  er  sowohl 
italienische  (Novarini)  wie  spanische  (heilige  Theresa)  übersetzt  hat.  Dieser  Zug  zeigt 
sich  auch  in  seiner  Auffassung  des  hohen  Liedes,  die  er  in  der  Vorrede  zu  Dilherrs 
1654  erschienener  Betrachtung  über  dasselbe  ausspricht.  Eine  Nachdichtung  des 
Hymnus:  „Salve  mundi  salutare"  vom  heiligen  Bernhard  sowie  ein  kraftvolles  Gebet 
Daniels  in  derselben  Sammlung  zeigen  Harsdörffer  als  würdigen  Nachfolger  der 
älteren  Meister  des  deutschen  Kirchenliedes.  Auch  manchen  Strophen  seiner  Andachts- 
gemähle  (vgl.  S.  155  ff.)  ist  dichterischer  Schwung  nachzurühmen.  Wenn  auch 
Harsdörffers  hauptsächliche  Bedeutung  in  seinen  didaktischen  Schriften  zu  suchen  ist, 
und  seine  Lyrik  dementsprechend  auf  dem  Gebiet  des  geistlichen  Liedes  am  er- 
spriesslichsten  erscheint,  so  ist  doch  auch  in  seinen  weltlichen  Dichtungen  —  und 
mit  diesen  kommen  wir  zur  Besprechung  der  weltlichen  Kunstlyrik  überhaupt  — 
eine  ganz  bestimmte  Eigenart  ausgeprägt.  —  Seine  kunsttheoretischen  Anschauungen, 
auf  italienischem  Boden  gebildet,  stehen  in  bewusstem  Gegensatz  zu  dem  Klassizismus 
eines  Opitz.  Sein  Ideal  fand  er  in  der  italienischen  Schäferpoesie,  und  italienische 
und  spanische  Vorbilder  führten  ihn  dazu,  jenen  „Barockstil"  auszubilden,  dessen 
Pflege  der  Pegnitzorden  sich  angelegen  sein  liess.  In  seinen  Gedichten,  worin  zwar 
metrische  Verstösse  nicht  selten  begegnen,  suchte  er  den  Daktylen  und  Anapästen 
gegenüber  den  von  Opitz  bevorzugten  Versmassen  Eingang  zu  verschaffen.  B.  hat 
eine  Auswahl  Harsdörfferscher  Gedichte,  sowohl  selbstverfasster  wie  übersetzter,  seiner 
vortrefflich  geschriebenen  und  wohl  erschöpfenden  Biographie  des  Nürnberger 
Patriciers  beigegeben.  Auch  der  bibliographische  Anhang  ist  viel  detaillierter  als 
das  bei  Goedeke  gegebene  Verzeichnis  der  Werke  Harsdörffers.  —  Das  Jubelfest  des 
Pegnesischen  Blumen-Ordens  hat  neben  der  für  den  Orden  wichtigeren  Persönlichkeit 
Harsdörffers  auch  die  Erinnerung  an  die  Dichtungen  S.  von  Birkens  wieder  hervor- 
gerufen. Anknüpfend  an  Justinus  Kerners  Charakteristik  der  Birkenschen  Poesie 
(im  Morgenblatt  für  gebildete  Stände  1834,  N.  257)  hat  A.  Schmidt23)  ein  Lebens- 
bild „Floridäns"  entworfen  und  seine  einzelnen  Werke  kurz  analysiert.  Er  bemerkt 
mit  Recht,  dass  bisher  niemand,  der  sich  mit  dem  Dichter  Birken  beschäftigte,  ver- 
absäumt habe,  seine  geschmacklosen  Reimhäufungen,  seinen  „sonderbar  verzogenen 
Strophenbau"  und  die  äussere  Form  seiner  Gedichte  lächerlich  zu  machen,  deren 
Niederschrift  die  Bilder  von  Kronen,  Pokalen  usw.  wiedergiebt.  Man  müsse  ihm  vom 
Standpunkt  der  poetischen  Technik  und  des  Geschmacks  seiner  Zeit  und  Umgebung 
gerecht  werden  und  die  Mühe  nicht  scheuen,  unter  der  allerdings  bedenklich  grossen 
Masse  seiner  Poesien  die  von  wirklichem  Empfinden  zeugenden  und  auch  in  der 
Form  schlichten  Verse  herauszusuchen.  Von  seiner  Lyrik  ist  neute  nur  noch  Einiges 
aus  seinen  geistlichen  Liedern  lebendig  geblieben  (in  den  Gesangbüchern  der 
evangelisch-lutherischen  Gemeinden  in  Bayern  und  Württemberg).    Floridäns  poetische 


E.  Roth,  Mitteilungen  aus  Hss.  u.  älteren  Druckwerken:  SSDPh.  26,  S.  58-70.  -   19)  I.  u,  Gerh.  Tersteegen:  A.DB.  37, 6.  576/0. 

—  20)  X  id-.  Cl.  Thieme:  ib.  S.  759-60.  —  21)  X  A-  Iji  e  r<  J-  TL11:  ib.  .'18,  S.  302,3.    (Herrenhuter  Liederdichter  aus  Mähren.) 

—  22)Th.Bischoff,  Philipp  Harsdörffer.  (=1111:101,  S.  1-4S0.)  -- 23)  A.  S  c  h  m  i  d  t,  S.Y.Birken.  (=  111 1 :193,  B.  -IS0-532.) 


L.  Pariser,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  2  :  24-28 

Birkenwälder,  wie  sein  Amarantengarten  sind  eine  bunte  Sammlung*  von  Liebes- 
gedichten  und  den  verschiedensten  Gelegenheitsarbeiten.  Die  besonders  zahlreichen 
Hochzeitscarmina  enthalten  die  in  unserem  Zeitraum  bei  solchen  Anlässen  beliebte 
Mischung  von  Lüsternheit  und  Frömmelei.  Ein  anderer  Teil  der  Birkenschen  Poesien 
kennzeichnet  sich  als  allegorisch  verkleidete  Lobgesänge  auf  seine  einzelnen  Gönner, 
so  die  „Guelfis"  auf  den  Herzog  August  von  Braunschweig-Lüneburg,  die  „Amalfis" 
auf  Octavio  Piccolomini  und  sein  Haus;  sogar  dem  Blasenstein  des  letztgenannten 
Mäcens  ist  in  den  „poetischen  Lorbeerwäldern"  ein  besonderer  Sang  gewidmet.  Seh. 
weist  auf  die  reiche  Briefsammlung  aus  Birkens  Nachlass  hin,  die  sich,  neben  hs. 
vorhandenen  Werken,  noch  im  Besitz  des  Blumenordens  befindet.  Namentlich  zwei 
Stammbücher  Birkens,  mit  Eintragungen  aus  dem  Freundeskreise  des  Dichters  dürften 
für  den  Litterarhistoriker  von  Interesse  sein.  Auch  aus  seiner  Uebersetzung  des 
ersten  Buches  von  Vergils  Aenei's,  welche  der  Orden  gleichfalls  im  Ms.  aufbewahrt, 
wäre  wohl  die  Mitteilung  einer  Probe  wünschenswert.  —  Aus  den  Altdorfer  und 
Tübinger  Universitätsmatrikeln  hat  Pariser24)  den  spärlichen  biographischen  Daten 
Herdegens  über  Joh.  Tepelius  einiges  Neue  hinzugefügt.  Die  1673  zu  Giessen  ver- 
fasste  „geküsste  Lysis"  ist  eine  schwülstige  Naturbetrachtung,  die  vollständig  unter 
dem  Einflus  Birkens  steht,  sowohl  hinsichtlich  der  geschraubten  Ausdrucksweise, 
wie  in  der  Verstechnik.  — 

Im  entsprechenden  Verhältnis  zu  ihrer  quantitativen  Beteiligung-  an  der  Lyrik 
unseres  Zeitraumes  pflegt  sich  auch  die  Forschung  mit  den  Gedichten  der  seh  le- 
sischen Poeten  zu  beschäftigen.  Hie  erit  Opitio  par,  nisi  maior  erit,  war  einst 
dem  Schützling  von  Opitz  und  Löwenstern  Andreas  Tscherning  prophezeit  worden. 
Und  nicht  nur  seine  Altersgenossen,  auch  die  jüngere  Generation  —  u.  a.  Morhof 
—  stellte  ihn  Opitz  an  die  Seite.  In  Wirklichkeit  war  er  nur  sein  g*etreuester 
Anhänger  und  Nachahmer  und  hat  es  selten  über  die  dem  Schlesier  angeborene  Ge- 
wandtheit in  der  Beherrschung  des  Formellen  gebracht.  Nicht  zum  wenigsten  mag 
hieran  die  ihm  mangelnde  Freiheit  in  der  Wahl  seiner  Stoffe  schuld  gewesen  sein. 
Es  war  eben  grösstenteils  bestellte  Arbeit,  die  er  zu  den  verschiedenen  Familien- 
ereignissen seiner  Gönner  liefern  musste.  Tscherning  war  sich  dessen  wohl  bewusst, 
und  wehmütig*  klagt  er  seinem  Wohlthäter  Löwenstern,  dass  er  „viel  auf  andrer 
Befehl  vnnd  gegebene  Masse  der  Zeit"  habe  hinschreiben  müssen.  Sein  Biograph 
Hippe25)  macht  auf  die  reichhaltige  Sammlung  der  Korrespondenzen  Tschernings 
aufmerksam,  die  sich  auf  der  Breslauer  Stadtbibliothek  befindet. 

Aus  einem  Sammelband  der  Königl.  Bibliothek  zu  Berlin  teilt  Ruben- 
söhn26)  Uebersetzungen,  grösstenteils  aus  klassischen  Dichtern,  von  Christoph  Köler 
mit.  Der  begabte  schlesische  Dichter  —  der  Biograph  von  Opitz  und  Lehrer  Hof- 
mannswaldaus  —  hat  sie  während  seiner  Strassburger  Studienjahre,  in  denen  er  mit 
Zinkgref  und  Moscherosch  verkehrte,  gedichtet  und  1627  herausgegeben.  Wir  finden 
darunter  auch  das  anakreontische  Trinkliedchen  rj  yij  fdkuva  nivet  wieder,  mit  dessen 
verschiedenen  Verdeutschungen  sich  Kochs  Untersuchung  im  Vorjahre  beschäftigte 
(JBL.  III  2  :  32).  K.  wollte  keine  wortgetreue  Uebersetzung  geben,  sondern  hat  nur  den 
Grundgedanken  des  Originals  beibehalten  und  diesen  zu  einem  deutschen  Trinklied 
mit  Refrain  erweitert,  das  sich  durch  Wohllaut  und  Sangbarkeit  auszeichnet.  Durchaus 
deutsch  in  seinem  Empfinden  und  seiner  metrischen  Gestaltung  ist  auch  Catulls 
„Vivamus  mea  Lesbia  et  ainemus"  geraten,  während  dessen  Hymenäus :  „vesper  adest" 
in  engem  Anschluss  an  das  Original  wiedergegeben  ist.  Auch  in  einem  Rondeau 
weiss  er  sich  auf  das  Glücklichste  dem  damals  in  Deutschland  noch  wenig  bekannten 
romanischen  Vorbild  anzuschmiegen.  Die  Beherrschung  der  fremden  Formen,  die 
Gewandtheit  und  der  Reichtum  der  Sprache  Kölers  ist  so  auffallend,  dass  man  kaum 
einen  Dichter  aus  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jh.  zu  lesen  glaubt.  Man  muss  mit  R. 
bedauern,  dass  Kölers  schöne  Begabung  später  in  Schlesien  „an  dem  Elend  des 
Alexandriners"  zu  Grunde  gegangen  ist."  Die  mitgeteilten  Proben  aus  dem  Berliner 
Exemplar  (es  scheint  ein  Unikum  zu  sein),  denen  R.  weitere  nebst  einer  Würdigung* 
des  Dichters  folgen  lassen  will,  rechtfertigen  wohl  den  Wunsch  nach  einer  ausführ- 
lichen Monographie  über  Köler.27)  — 

Ein  Epicedion  Friedrich  von  Logaus,  das  weder  in  der  Gesamt- 
ausgabe von  1654,  noch  bei  Eitner  sich  findet,  veröffentlicht  Kopp28)  nach  einem 
Druck  der  Königl.  Bibliothek  zu  Berlin.  Es  ist  1642  gelegentlich  des  Todes  der  Frei- 
frau von  Niemitz  gedichtet  und  insofern  für  die  Biographie  des  Dichters  von  Interesse, 
als  aus  Zeile  16  das  bisher  unbekannte  Todesjahr  von  Logaus  erster  Gattin  sich  be- 
stimmen lässt.  K.  giebt  einen  unverkürzten  Abdruck  des  Gedichts  und  einige  Er- 
läuterungen. 


—  24)  L.  Pariser,  J.  Tepelius:  ADB.  37,  S.  573.  —  25)  M.  Hippe,  A.  Tscherning:  iL.  38,  S.  714/6.  —  26)  M.  Ruben- 
sohn,  Gedichte  v.  Christoph  Köler:  Euph.  1,  S.  293-305.  —  27)  X  E-  Denkmal  für  P.  Fleming:  SchönburgGBll.  S.  61. 
(F.s  Denkmal  in  seiner  Vaterstadt  Hartenstein  betr.)  —  28)  A.  Kopp,    K.  nnbek.  Gedicht  Logaus:  CBIBibl.  11,  S.  106-11.  — 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litturaturgeschichte.    IV.  (3)3 


III  2:29-35  L.  Pariser,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

Nach  L.  H.  Fischers  Biographie  hat  Markgraf29)  einen  Lebensabriss  des 
Gelegenheitsdichters  Johann  Peter  Titz  veröffentlicht.  Die  zahlreichen  Hochzeits- 
und Leichencarmina  (vgl.  Goedeke  32,  S.  139 — 40)  des  durch  den  30jährigen  Krieg 
aus  seiner  schlesischen  Heimat  Vertriebenen  heben  sich  nicht  aus  der  Masse  ähnlicher 
Erzeugnisse  heraus.  In  „2  Büchern  von  der  Kunst,  hochdeutsche  Verse  und  Lieder 
zu  machen"  suchte  er  die  Opitzschen  Theorien  im  einzelnen  weiter  auszuführen. 
Obwohl  er  in  seinen  späteren  Jahren  dem  Königsberger  Dichterkreis  räumlich  nahe 
lebte  und  ihm  auch  äusserlich  insofern  verbunden  war,  als  er  unter  dem  Namen 
„Tityrus"  in  ihn  aufgenommen  wurde,  Hess  doch  seine  schlesische  Sonderart,  die  er 
durch  einen,  noch  erhaltenen,  Briefwechsel  mit  seinen  Freunden  in  der  Heimat  sich 
zu  wahren  wusste,  es  zu  keinem  intimeren  Verhältnis  mit  den  preussischen  Dichtern 
kommen.30"32) 

Die  Biographie  und  die  Gedichte  Christian  Günthers  haben  auch  in  dem 
Berichtsjahr  ihre  alte  Anziehungskraft  bewahrt.  Keinem  anderen  Dichter  unseres 
Zeitraums  wurde  eine  gleiche  Teilnahme  zugewendet.  Die  wertvollste  Vorarbeit  für 
eine  kritischa  Ausgabe  der  Güntherschen  Gedichte,  seit  Berth.  Litzmanns  Text- 
kritik, hat  Kopp33)  geliefert.  Während  ein  grosser  Teil  der  neueren  Litteratur 
über  Günther  sich  damit  begnügte,  uns  Hypothesen  über  die  beiden  Leonoren  zu  be- 
scheren oder,  wie  das  anspruchsvolle  Wittigsche  Buch,  Schweidnitzer  Lokalstudien 
und  Kirchenbuchauszüge  zu  bringen,  hat  sich  K.  der  Mühe  unterzogen,  noch  einmal 
genau  die  auf  der  Berliner  Bibliothek  befindlichen  Ausgaben  der  Gedichte  zu  ver- 
gleichen und  an  der  Hand  der  Steinbachschen  Biographie  das  Leben  Günthers  in  ein 
chronologisches  regestenartiges  System  zu  bringen.  Viele  für  die  Zeitfolge  der  Ge- 
dichte und  den  Lebenslauf  Günthers  wichtige  Thatsachen  waren  dem  ohnehin  un- 
zuverlässigen Steinbach  unbekannt,  weil  die  hierfür  besonders  wichtige  „Nachlese" 
erst  1742,  vier  Jahre  nach  dem  Erscheinen  seiner  Schrift  über  Günther,  herauskam. 
Dementsprechend  hat  K.  auch  alles  neuere  Quellenmaterial  berücksichtigt.  Hoffentlich 
lässt  nun  die  kritische  Ausgabe  der  Güntherschen  Werke,  welche  durch  K.s  Arbeit 
bedeutend  erleichtert  ist,  nicht  mehr  lange  auf  sich  warten.  —  Aus  dem  bisher  nicht 
bemerkten  Akrostichon:  Magdalena  Eleonora  Jachmannin,  welches  die  Verse  eines 
geistlichen  Liedes  von  Günther  (S.  90  der  Sammlung  Breslau  und  Leipzig,  bei  Hubert) 
ergeben,  schliesst  Karl  Hof  mann,34)  dass  die  Nachricht  des  ersten  Biographen 
Günthers,  Steinbach,  die  Schweidnitzer  Leonore  habe  den  Familiennamen  Jachmann 
geführt,  nicht  unbegründet  ist.  Die  Idylle  zu  Ruschkowitz  (JLB.  1893  III  2  :  40)  will 
H.  auf  Grund  der  eigenen  Angabe  des  Dichters  in  den  Juli  des  J.  1714  verlegen. 
Die  Namen  Magdalis,  Lenchen,  Lorchen,  Leonore  und  Olorena  (durch  Umstellung 
der  Buchstaben  aus  Leonora)  nimmt  er  ausschliesslich  für  die  Schweidnitzer  Leonore 
in  Anspruch,  welcher  er  folglich  auch  alle  Gedichte  zuweist,  die  einen  dieser  Namen 
enthalten.  In  den  Gedichten,  wie  auch  schon  im  „Theodosius"  hat  H.  einige  An- 
spielungen Günthers  auf  Leonorens  Schwester  Maria  Euphrosina  herausgefunden, 
welche  sie  in  einem  recht  unvorteilhaften  Licht  erscheinen  lassen.  Sie  war  dem 
Liebesverhältnis  ihrer  Schwester  nicht  geneigt  und  hat  sich  wohl  dadurch  den  Groll 
des  Dichters  zugezogen.  Auch  Leonorens  Bruder  Georg  Kaspar,  einstigen  Mitschüler 
Günthers  auf  der  Gnadenschule  zu  Schweidnitz,  lernen  wir  kennen.  H.  macht  noch 
auf  die  häufige  Verwendung  von  Sprichwörtern  und  sprichwörtlichen  Redensarten  in 
den  Güntherschen  Gedichten  aufmerksam  und  belegt  seine  Beobachtung  mit  einer 
Reihe  von  Beispielen.  —  Fulda  nahm  an,  dass  Günthers  Gedicht  „Selbstzufriedenheit" 
(DNL.  38,  S.  138)  zu  der  Zeit  entstanden  sei,  als  die  Bewerbung  des  Dichters  um 
die  Hofpoetenstelle  in  Dresden  gescheitert  war.  Spanier35)  hat  in  der  letzten  Strophe 
dieses  Gedichts  das  Akrostichon:  „In  Jauer"  gefunden  und  schliesst  hieraus  auf  eine 
Entstehungszeit  während  der  Wanderung  des  Dichters  von  Breslau  nach  Lauban. 
(Dec.  1719  bis  Jan.  1720).  Diese  genauere  Datierung  würde  zu  der  Angabe  eines 
anderen  Gedichts  über  den  behaglichen  Aufenthalt  Günthers  in  Jauer  passen  (DNL. 
38,  S.  203).  Sp.  weist  ferner  auf  biblische  Reminiscenzen  bei  Günther  hin  und  be- 
gründet ausführlicher  die  von  Imelmann  1879  in  den  „Grenzboten"  behauptete  Ueber- 
einstimmung  zwischen  Bürgers  Leonorenballade  und  Günthers  Gedicht  „An  Leonore" 
(DNL.  38,  S.  206)  hinsichtlich  des  Titels  und  der  Strophenform.  Das  beiden  Ge- 
dichten äusserlich  Gemeinsame  zeigt  sich  allerdings  nur,  wenn  man  die  erste  Fassung 
der  Eingangsstrophe  von  Bürgers  Ballade  mit  der  ersten  Strophe  des  Güntherschen 
Gedichts  vergleicht.  Sp.  erwähnt  noch  ein  in  Günthers  Lyrik  verwendetes  Motiv,  das 


29)  H.  Markgraf,  J.  P.  Titz:  ADB.  33,  S.  389-90.  —  30)  X  ^.  F  r  ä  nk  e  1,  J.  Ettlinger,  Chrn.  Hofmann  v.  Hofmannswaldau 
(JBL.  1891  III  2  :  27):  LBIGRPh.  15,  S.  226/8.  (Anerkennend,  mit  einigen  Znsätzen  z.  Gesch.  d.  v.  H.  benutzten  Stoffe.) 
—  31)  X  °-  Hellinghaus,  K.  Friebe,  Chrn.  Hofmann  v.  Hofmannswaldaus  Grabschriften  (JBL.  1893  m  2:38):  Gymn.  12, 
S.  540.  —  32)  X  K.  Hofmann,  Mühlpfort  (JBL.  1893  III  2:39).  |[LCB1.  S.  912:  H.  Löschhorn:  DLZ.  S.  1164/5.]|  — 
33)  A.  Kopp,  Biogr.-krit.  Studien  fiber  J.  Chrn.  Günther:  Euph.  1,  S.  718-44.  —  34)  Karl  Hofmann,  Neues  /..  Leben  n. 
Dichten  J.  Chrn.  Günthers:  ZDPh.  26,  S.  81,  225,9.  —  35)  M.  Spanier,  Zu  J.  Chrn.  Günthers  Gedichten:  ZDPh.  26,  S.  77-81. 


L.  Pariser,  Lyrik  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  2  :  36-39 

auch  in  der  Neigung'  des  jungen  Goethe  zu  Annette  (Dichtung  und  Wahrheit  [Ausg. 
1.  H.]  B.  7,  S.  102/3)  wiederkehrt.  —  Dembowsky36)  prüft  die  Gedichte  Günthers 
auf  ihren  ethischen  Gehalt  hin  und  zieht  zum  Vergleiche  die  Goethesche  Lyrik  heran. 
Im  Kreise  einer  solchen  Betrachtung  kann  sich  Günthers  dichterische  Persönlichkeit 
nicht  von  ihrer  günstigen  Seite  zeigen.  Eine  so  haltlose,  allen  Sinnenreizen  zugäng- 
liche Natur  kann  nicht  schwer  wiegen,  wenn  man  an  sie  nur  den  Massstab  des 
Sittengesetzes  legt.  D.  weist  zwar  die  grausame  Ablehnung  des  ,, untauglichen  Sub- 
jekts" zurück,  welche  Gervinus  befürwortet  und  hält  Goethes  bekannten  Ausspruch 
über  Günther,  der  ihm  zugleich  den  Anlass  zu  seiner  Vergleichung  beider  Dichter 
bot,  für  zutreffend.  Allein  bei  aller  Anerkennung,  die  er  der  Gefühlswärme  Günthers, 
der  Anmut  und  Leichtigkeit  seiner  Sprache  zollt,  gelangt  er  doch  zu  dem  Schluss: 
„Keines  seiner  Gedichte  ist  ein  Kunstwerk,  Einheit  und  Geschlossenheit  der  Kom- 
position fehlt  selbst  den  Liedern."  Wir  können  den  Standpunkt  D.s  nicht  teilen, 
welcher  Günther  vorwirft,  dass  seine  Poesie  die  eigentliche  Aufgabe  eines  jeden  Kunst- 
werks, die  Befreiung  des  Geistes  von  jeder  trüben  Erdenstimmung  nicht  zu  erfüllen 
vermag.  Gerade  der  Umstand,  dass  diese  Lieder  aus  dem  persönlichsten  Interesse 
ihres  Dichters  entsprungen  sind,  hat  ihnen  ihre  Frische  bewahrt  und  hebt  sie  weit 
über  die  Lyrik  seiner  deutschen  Zeitgenossen  hinaus.  Man  wird  den  Wert  dieser 
Dichtungen  gerechter  beurteilen,  wenn  man  die  poetischen  Produktionen  jener  Epoche 
zum  Vergleiche  wählt,  als  wenn  man  Goethes  gewaltige  —  unter  einem  so  viel 
günstigeren  Geschick  gereifte  —  Persönlichkeit  neben  den  jugendlichen  schlesischen 
Dichter  stellt.  Vieles,  was  D.  als  eine  Schranke,  die  dem  dichterischen  Können 
Günthers  gezogen  war,  oder  als  Manier  erscheint,  wird  sich  dann,  wie  der  von  D. 
gerügte  rhetorische  Schwulst  als  eine  Verirrung  des  Zeitgeschmacks  erweisen.  D.s 
Abhandlung,  reich  an  anregenden  Gedanken  über  Günthers  lyrische  Veranlagung, 
z.  B.  über  seine  Stärke  in  der  elegischen  Epistel,  geht  nur  zu  weit  in  dem  Verlangen 
nach  einer  reinen  Kunstform  in  einer  Epoche  unserer  Litteratur,  die  noch  mit  einer 
unausgebildeten  Sprache  und  der  Herrschaft  ausländischer  Vorbilder  ringen  musste.  — 

Borinskis37)  Studien  über  die  Hofdichtung  in  Deutschland  kommen 
für  unseren  Abschnitt  nur  insofern  in  Betracht,  als  in  ihnen  die  Poesie  der  Politiker 
gestreift  wird.  Die  mit  „Flatterien"  verzierte  Dichtung,  welche  an  den  deutschen 
Fürstenhöfen  ihr  Unwesen  trieb,  wird  von  B.  auf  die  französischen  Hofpoeten, 
namentlich  auf  Boileau  zurückgeführt — eine  Quelle,  die  schon  von  den  Zeitgenossen 
erkannt  wurde.  Die  in  der  deutschen  Hofdichtung  auffallende  Bevorzugung  der  Form 
des  „heroischen  Gedichtes"  erklärt  B.  durch  ihren  Bezug  auf  den  „Heroe"  in  der 
Politik.  Bei  Besser,  Neukirch  usw.  ist  fortan  „heroisches  Gedicht"  gleichbedeutend 
mit  einem  Lobgedicht  auf  den  zu  feiernden  Herrscher. 

Durch  seine  Festearmina  und  Bettelgedichte  verdiente  der  aus  Dresden 
stammende  Deutsch-Franzos  Johann  Troemer  sich  am  sächsischen  und  russischen 
Hof  seinen  Lebensunterhalt.  Durch  sein  gebrochenes  Deutsch  gelang  es  ihm,  die 
Aufmerksamkeit  hoher  Gönner  auf  sich  zu  lenken.  Erich  Schmidt38)  rühmt  ihm 
Talent  für  realistische  Schilderungen,  namentlich  von  Hoffesten  und  Volksbelustigungen, 
nach.  Unter  anderen  volkstümlichen  Stoffen  hat  er  auch  die  Sage  vom  Schmied  zu 
Jüterbogk  in  Knittelversen  behandelt.  Seine  Schriften,  die  in  erster  Linie  kultur- 
historisches Interesse  bieten,  geben  ein  trauriges  Bild  von  dem  litterarischen  Ge- 
schmack, der  in  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jh.  am  sächsischen  Hofe  herrschte.  — 

Die  Gedanken,  welche  Friedrich  von  Hagedorn  über  Erziehung  und 
Bildung  ausgesprochen  hat,  werden  in  einer  Abhandlung  von  Meinhold39)  zu- 
sammengefasst.  Hagedorn  war  selbst  fest  durchdrungen  von  seinem  Beruf  als  Er- 
zieher, da  er  „oft  Wahrheiten  lehre,  die  wirklich  verdienten  gepredigt  zu  werden," 
und  hielt  es  für  die  höchste  Aufgabe  des  Dichters,  seine  Zeitgenossen  sittlich  und 
geistig  emporzuheben.  In  seinem  „Horaz"  erklärt  er,  auf  welchem  Wege  der  Dichter 
dieser  Pflicht  genügen  solle.  Der  philanthropische  Zug  seines  Jh.,  der  auch  ihn  be- 
seelte, mag  durch  seinen  Aufenthalt  in  England  gefördert  worden  sein,  wo  er  Sinn 
für  W7ohlthätigkeit  und  die  Neigung,  ärmere  Volksklassen  in  ihrem  Bildungsstreben 
zu  unterstützen,  in  grossem  Stil  kennen  gelernt  hatte.  Auf  seine  ethischen  An- 
schauungen haben,  wie  er  selbst  berichtet,  die  Essays  von  David  Hume  eingewirkt. 
Als  ein  Anklang  an  die  Tugendlehre  Shaftesburys  kennzeichnet  sich  Hagedorns 
Ideal,  Tugend  und  Schönheit  in  der  Lebensführung  gleichmässig  zu  bethätigen. 
Seine  Religion  gründet  sich  allein  auf  die  Moral  und  erscheint  beinahe  dem  Dogma 
abgeneigt.  Jedoch,  wenn  er  auch  einer  sich  nach  aussen  kundgebenden  Frömmig-- 
keit  abhold  war  und  dem  Pietismus,  wie  ihn  das  18.  Jh.  ausgebildet  hatte,  unsym- 
pathisch   gegenüberstand,    beweisen    andererseits    Briefe    an    Bodmer    und    jüngere 


—  36)  J.   Dembowslci,    Günther   n.   Goethe.     Eth.   Studien   z.   lyr.  Dichtung.  Progr.  Lyck  (A.  Glanert).  34  B.  (Vgl.  IV 8c.)  — 
37)  (I  4:85;  III  1  :  206;  5:2.)  —  38)  Erich  Schmidt,  J.  Troemer:  ADB.  38,  S.  636,9.  —  39)  F.  L.  Meinhold,  Hagedorns 

(3)3* 


1112:40-41   1113:1-2    A.  Reifferscheid,  Epos  des  17./ 18.  Jahrhunderts. 

Anakreontiker,  dass  ihm  das  Christentum  heilig-  war.  Die  Freude  an  geselliger 
Heiterkeit  —  der  für  Hagedorns  Lyrik  besonders  charakteristische  Zug  —  gewinnt 
durch  den  guten  Geschmack  des  welterfahrenen  Hamburgers  erst  ihre  ästhetische 
Berechtigung.  M.  weist  an  Urteilen  von  Schmidt  und  Klopstock  nach,  wie  Hage- 
dorns heiteres  Lebensprinzip  von  dem  jüngeren  Geschlecht  richtig  verstanden  wurde. 
Sein  Ankämpfen  gegen  alles,  was  ihm  als  Unnatur  und  Ueberkultur  erschien,  wird 
in  seinem  geselligen  Leben  und  in  seiner  litterarischen  Thätigkeit  verfolgt.  In  dem 
was  er  „Weisheit,  der  Seele  Majestät"  nennt,  ist  die  Summe  seiner  Gedanken  über 
die  Vollkommenheit  menschlicher  Bildung  enthalten.  Diese  aus  der  Lebenserfahrung 
geschöpfte  Weisheit  stellt  Hagedorn  als  erstrebenswerteres  Gut  vor  die  Gelehrsamkeit, 
da  sie  allein  Zufriedenheit  und  innere  Freiheit  verschaffe,  Schein  und  Wahn  ver- 
achten lehre.  — 

Eine  pädagogische  Verirrung  aus  dem  Beginn  des  vorigen  Jh.  ist  die 
„Singende  Geographie"  des  Magisters  Johann  Christian  Lose,  aus  welcher 
Schwartz40)  erheiternde  Proben  mitteilt.  Ob  das  zu  Hildesheim  im  J.  1708  er- 
schienene Buch  zuerst  die  Lyrik  für  den  geographischen  Schulunterricht  in  Anspruch 
genommen  hat,  wie  Seh.  behauptet,  ist  uns  unbekannt.  Dass  der  junge  Goethe 
nach  einer  ähnlichen  Methode  in  der  Erdkunde  unterrichtet  wurde,  wissen  wir  aus 
dem  ersten  Buche  von  Dichtung  und  Wahrheit.  Die  Gedächtnisverse  über  „Ober- 
Yssel",  welche  Goethe  uns  überliefert  hat,  unterscheiden  sich  wenig  von  den  Reimen 
des  Magisters  Lose.  — 

Daniel  Triller,  der  selbst  seine  moralischen  und  physikalischen  Gedichte 
im  Vergleich  zu  seiner  Thätigkeit  auf  epischem  Gebiet  als  geringe  Gaben  bezeichnet 
hat,  ist  in  seinem  langen  Leben  den  verschiedensten  litterarischen  Einflüssen  zu- 
gänglich gewesen.  Seinem  trockenen  „urprosaischen"  Wesen  haben  aber  alle  Anlehnungs- 
und Entlehnungsversuche  nicht  abhelfen  können.  Wir  haben  ihn  als  Uebersetzer 
des  Anakreon  (JBL.  1893  III  2:32)  kennen  gelernt  und  können  sonstige  Früchte 
seiner  klassischen  Bildung  oft  in  den  Fussnoten  seiner,  sechs  Bände  umfassenden, 
Gedichte  wiederfinden.  Erich  Schmidt41)  zählt  die  einzelnen  Vorbilder  für  den 
poetischen  Betrieb  des  als  Arzt  und  akademischen  Lehrers  wohlverdienten  Mannes 
von  Opitz  bis  auf  Brockes  auf  und  weist  im  einzelnen  darauf  hin,  wie  vollkommen 
es  Triller  geglückt  ist,  die  teleologische  Naturbetrachtung  des  „grossen  Brooks"  nach- 
zuahmen. In  seiner  religiösen  Dichtung  folgt  er  dem  Sannazaro,  ohne  jedoch  dessen 
antike  Elemente  mit  aufzunehmen.  Ein  gewisses  Talent  nach  der  formellen  Seite  hin 
kann  Triller  als  Uebersetzer  zugestanden  werden.  Für  seinen  poetischen  Ruhm  war 
es  verhängnisvoll,  dass  er  noch  die  Umwälzungen,  welche  die  vierziger  Jahre  des 
vorigen  Jh.  in  der  deutschen  Litteratur  hervorriefen,  als  Schaffender  miterleben  sollte. 
Von  den  Schweizern  verspottet  und  von  den  Gottschedianern  im  Stich  gelassen, 
konnte  der  alte  Triller,  welcher  schon  in  seinen  Mannesjahren  eine  höchst  unselb- 
ständige Natur  war,  sich  in  den  litterarischen  Händeln  nicht  mehr  zurecht  finden, 
die  Klopstocks  Auftreten  vorbereiten  halfen.  Seine  letzten  poetischen  Bemühungen 
bestanden  in  einer  geschmacklosen  und  elend  versifizierten  Polemik  gegen  den  Dichter 
des  Messias.  — 


111,3 

Epos. 

Alexander  Reifferscheid. 

Volksbücher  N.  1.  —  Faust  N.  5.  —  Schwanke  N.  6.  —  Grimmeishausen  N.  7.  —  Christian  Weise  N.  9.  —  Diederichs 
von  dem  Werder  Ariostübersetzung  N.  10.  —  Eobinson  und  Robinsonaden  N.  11.  — 

Auch  in  diesem  Berichtsjahre  liegt  nicht  Eine  grössere  Arbeit  über  die  Ent- 
wicklungsgeschichte des  Epos  vor,  nur  kleinere  Beiträge  und  Notizen  sind  zu  ver- 
zeichnen. Für  die  Volksbücher  ist  so  gut  wie  gar  nichts  geschehen.1)  Bolte2) 
wies  zwei  Bilderbogen  des  17.  und  18.  Jh.  nach,  die  im  Kupferstich  die  Hasenjagd 
der  sieben  Schwaben  darstellen,  teilte  die  in  schwäbischer  Mundart  abgefassten  Be- 
gleitverse mit  und  gab  verschiedene  nützliche  Notizen   zur  Geschichte  des  von  Aur- 


Gedanken    v.   sittl.  n.  geist.   Bildung.    Diss.    L.  (Mehnert).    41  S.  —   40)  P.  Schwartz,   Geographie  nach  Noten:  VossZg". 
N.  9-10.  —  41)  Erich  Schmidt,  D.  Triller:  ADB.  38,  S.  608-15.   — 

1)  X  G-  Klee,  D.  Buch  d.  Abenteuer.  Fünfundzwanzig  Geschichten  d.  dtsch.  Volksbuchern  nacherz.  Mit  16  Ab- 
bild. Gütersloh,  Bertelsmann.  VIII,  502  B.  M.  3.60.  (E.  neue  Bearbeit.  d.  dtsch.  Volksbücher  für  d.  Jug.  In  d.  „Ilaimons- 
kindern"  Tiecks  Bearbeit.  benutzt,  in  „Doktor  Faust"  Aurbachers  Erneuerung.)  —  2)  J.  Bolte,  Zwei  Flugbll.  t.  d.  7  Schwaben: 


A.  Reifferscheid,  Epos  des  17/.18.  Jahrhunderts.  III  3  :  3-10 

bacher  in   seinem  Volksbuch    von    den    sieben    Schwaben    verarbeiteten    älteren  Er- 
zählung-sstoffes.3"4)    — 

Was  hinsichtlich  des  Fortlebens  der  Faustsage  (JBL.  1892  III  3  :  4)  vermutet 
worden,  sieht  sich  jetzt  Tille5)  selbst  genötigt,  zuzugeben  :  er  hatte  den  medizinischen 
Schriftsteller  B.  Chrph.  Faust,  Doktor  der  Medizin  und  Hofrat  zu  Bückeburg,  ohne 
Grund  mit  dem  Schwarzkünstler  identifiziert.  — 

Das  wenige,  was  sich  über  die  Schwank  Sammlung  des  Joh.  Talitz  von 
Lichtensee  sagen  lässt,  die  zuerst  1645  unter  dem  Titel:  „Kurtzweyliger  Reyszgespann" 
erschien,  stellte  Pariser6)  zusammen.  Danach  enthielt  die  besonders  in  Süd- 
deutschland beliebte  Sammlung  ursprünglich  216  Stücke,  Apophthegmen,  Schwanke 
und  historische  Anekdoten,  nach  den  Ständen  und  Berufsklassen  geordnet.  In 
späteren  Ausgaben  von  1655  bis  1702  wurde  sie  um  113  Nummern  vermehrt.  Talitz 
selbst  hatte  aus  Pauli,  Kirchoff  und  deutschen  Uebersetzungen  italienischer  Novellen 
geschöpft,  sein  Buch  wurde  ausgeschrieben  von  Petrus  von  Memel.  — 

Stilgebauers  treffliche  Arbeit  über  Grimmeishausens7)  Dietwald  und  Ame- 
linde  (JBL.  1893  III  3:  12)  wurde  mehrfach  anerkennend  besprochen.8)  — 

Ueber  die  Romane  des  17.  Jh.  liegt  nichts  von  Bedeutung  vor:  das  Programm  von 
D  a  u 9)  ist  nicht  einmal  als  ein  Anlauf  zu  einer  wirklichen  Untersuchung  zu  bezeichnen. 
Dem  Titel  des  Programms  nach  will  er  das  Verwandtschaftsverhältnis  des  Simplicissimus 
und  der  „drei  ärgsten  Erznarren"  Christian  Weises  feststellen.  In  der  Arbeit  selbst 
geht  D.  darauf  aus  zu  zeigen,  dass  Weises  Roman  ein  Seitenstück  zum  Simplicissi- 
mus ist.  In  dem  Begriffe  des  Seitenstücks  liegt  seiner  Ansicht  nach  ein  Zweifaches : 
das  eine  muss  die  Ergänzung  des  anderen  sein,  damit  ein  abgerundetes  symmetri- 
sches Gesamtbild  der  betreffenden  Sphäre  zu  stände  kommt ;  dann  sind  die  ethischen 
Tendenzen  beider  Stücke  in  Betracht  zu  ziehen.  Das  Abrundende  findet  D.  nun  darin, 
dass  Grimmeishausen  in  das  wilde  Kriegs-  und  Lagerleben,  Weise  in  die  bürger- 
lichen friedlichen  Verhältnisse  nach  dem  Kriege  einführt.  Beide  schildern  aber  als 
wahre  Realisten  das  Selbsterlebte;  die  Verschiedenheit  des  Stoffes  ist  also,  da  der 
eine  schon  während  des  Krieges,  der  andere  erst  nach  dem  Kriege  lebte,  ganz  selbst- 
verständlich. Nach  D.  spiegeln  beide  Romane  die  im  volkstümlichen  Leben  kursieren- 
den Ansichten  wieder.  Zuerst  werden  die  von  beiden  Schriftstellern  gemeinsam  be- 
handelten Gegenstände  besprochen.  Zunächst  der  Aberglauben,  ohne  Rücksicht  auf 
Amersbachs  verdienstliche  Zusammenstellungen  (JBL.  1891 1113:3;  18931113:6).  Während 
Grimmeishausen  noch  unter  dem  Banne  des  Aberglaubens  steht,  macht  Weise,  seiner 
rationalistischen  Lebensauffassung  entsprechend,  die  Abergläubischen  lächerlich. 
Schwächen  und  Verirrungen  der  Zeit  gegenüber  nehmen  beide  denselben  moralischen 
Standpunkt  ein,  ohne  dass  daraus  irgend  etwas  im  Sinne  der  Arbeit  zu  folgern  wäre. 
Ohne  Bedenken  kann  man  D.  zugeben,  dass  beide  Romane  fast  alle  Seiten  des 
socialen  Lebens  ihres  Kreises  berühren  und  dass  jeder  eine  reiche  Fundgrube  für 
die  Kulturgeschichte  ist.  Man  braucht  deshalb  nicht  D.  beizupflichten,  dass  beide 
auch  innerlich  verwandt  seien  in  Tendenz  und  Methode,  mittels  deren  die  Tendenz 
durchgeführt  werde.  Sie  haben  grosse  Aehnlichkeit  wegen  ihres  auch  von  D.  mit 
Recht  behaupteten  lehrhaften  Charakters.  D.  hätte  jedenfalls  besser  gethan,  wenn  er 
seinen  ersten  Gedanken,  den  der  Haupttitel  „Die  kulturgeschichtlich  wichtigsten  Ro- 
mane usw."  verrät,  ausgeführt  und  beide  Romane  auf  ihren  Wert  für  Kulturgeschichte 
geprüft  hätte.  Bei  dieser  Untersuchung  hätte  er  auch  wohl  aus  inneren  Gründen 
feststellen  können,  dass  der  Simplicissimus  lange  vor  seinem  Erscheinen  verfasst 
worden,  so  dass  die  beiden  Romane  trotz  der  zeitlichen  Nähe  ihres  Erscheinens  doch 
nicht  als  zeitgenössische  Erzeugnisse  aufzufassen  sind.  — 

Im  Anschluss  an  Witkowskis Monographie  über  Diederich  von  dem  Werder 
versuchte  Fasola10)  eine  Würdigung  der  Sprache  der  Ariostübersetzung. 
Er  beschränkte  sich  auf  Betonung  und  Reimverbindung  und  gab  Belege  für  die 
starke  Betonung  der  Endungen  -lieh,  -ig,  -isch,  für  die  häufige  Accentuierung  leben- 
dig, elend,  für  die  Reim  Verbindungen  beleidigt  :  geschädigt,  je  :  sie,  jeder  :  wieder. 
Seltsamerweise  wundert  er  sich  über  die  Infinitivform  sprachen  (:  Sachen),  obgleich 
er  selbst  „bespracht  er  sich"  unabhängig  vom  Reime  nachweist,  ein  Blick  in  Lexers 
mittelhochdeutsches  WTörterbuch  hätte  ihn  ausreichend  orientiert.  Am  wenigsten  be- 
friedigt, was  F.  über  die  volkstümliche  und  mundartliche  Färbung  der  Uebersetzung 
bietet;  man  erkennt  sofort,  dass  ihm,    dem    Italiener,   hier    das   rechte    Sprachgefühl 


ZVVolksk.  4,  S.  430,7.  —  3)  X  F-  Goebel,  Till  Eulenspiegels  wunderbare  u.  seltsame  Abenteuer.  Nach  d.  Volksbuche  d. 
Jug.  erst.  Mit  5  Farbendr.  Wesel,  Düros.  12°.  72  S.  M.  0,50.  —  4)  X  W.  Bl  ack,  New  Fortunatus.  New  and  rev.  edit. 
London,  Low.  Sh.  2  6.  —  5)  A.  Tille:  ZVLR.  7,  S.  492.  —  6)  L.  Pariser,  J.  Talitz  v.  Lichtensee:  ADB.  37,  S.  363.  — 
7)  X  0.  Hellinghaus,  K.  Amersbach,  Aberglaube,  Sagen  u.  Märchen  bei  Grimmeishausen  (JBL.  1892  IU  3:6):  Gymn.  12, 
S.  541.  -•  8)  X  Fr.  Jostes:  LRs.  20,  8.  136;  E.  Friedrich:  BLU.  S.  84 ;  E.  Petzet:  BBG.  30,  S.  629-30;  A.  t.  Weilen: 
ZOG.  45,  S.  787.  —  9)  A.  Dan,  D.  kulturgesch.  wichtigsten  Romane  d.  17.  Jh.  I.  D.  Simplicissimus  u.  Chrn.  Weises  Drei 
ärgste  Erznarren.  E.  Beitr.  z.  Feststellung  d.  Verwandtschaftsverhältnisses  beider  Romane.  Progr.  Schwerin  (Bärensprnng). 
4°.     33   S.     |[0.    Glöde:    ASNS.    93,    S.  339-42.JI   -  10)    C.    Fasola,    Diederichs  v.  d.  Werder  Übersetz,  d.  Ariost:   ZVLR.  7, 


1113:11-17   1114:1-3       J.  Bolte,  Drama  des  17./18.  Jahrhunderts. 

fehlt.  Leicht  wird  es  ihm  dagegen,  die  Uebersetzungsfehler  namhaft  zu  machen,  die 
Werder  aus  mangelhafter  Kenntnis  des  Italienischen  begangen.  Wichtig  ist  der 
Nachweis,  dass  Werder  seiner  Uebersetzung  des  „Orlando  furioso"  vonAriost  76  Strophen 
aus  Bojardos  „Orlando  innamorato"  einverleibt  hat.  — 

Einen  wertvollen  Beitrag  zur  Geschichte  des  Robinson  Stoffes  lieferte 
Hippe11)  in  seinem  Aufsatze  über  Henry  Nevils  Isle  of  Pine,  welche,  1668  zu  Lon- 
don erschienen,  solchen  Beifall  fand,  dass  sie,  mehrfach  übersetzt,  verkürzt  und  er- 
weitert, fast  im  ganzen  westlichen  Europa  ein  Jh.  lang  die  Geister  beherrschte.  Das 
Stoffgebiet,  aus  dem  Defoe  schöpfte,  war  also  kein  neues,  der  Robinson  Crusoe  ist 
vielmehr  aus  dem  Geschmack  und  dem  Geiste  seiner  Zeit  hervorgewachsen.12"15)  — 
Zur  Geschichte  der  Robinsonaden  steuerte  Kleemann16)  einige  Notizen  bei:  Der 
„Geistliche  Robinson"  ist  der  Titel  einer  neuen  Ausgabe  von  Zucchellis  merkwürdiger 
Missions-  und  Reisebeschreibung,  für  die  dieser  Titel  nur  ein  lockendes  Aushänge- 
schild war.  Nach  einer  Angabe  Stolles  in  seiner  Bibliotheca  anonymorum  ist  der 
„Schlesische  Robinson"  vielleicht  von  dem  Rektor  des  Breslauer  Elisabethanums, 
Chrn.  Stieff,  verfasst.  Der  „Moralische  Robinson"  rührt  von  einem  Studierenden  der 
Theologie,  Kettner,  her,  der  sich  in  ihm  „an  diesem  und  jenem,  darüber  er  doch  zum 
Inspektor  nicht  gesetzet,  reiben"  wollte.  K.  führt  endlich  den  Titel  einer  RobiDso- 
nade  auf,  deren  Vorhandensein  bisher  nicht  bekannt  war:  den  „Eilfertigen  Robinson". 
—  In  einer  Replik  gegen  J.  ten  Brink  in  Leyden  macht  Ullrich17)  darauf  aufmerk- 
sam, dass  nicht  nur  der  „vermakelijke  Avanturier",  ein  Schelmenroman  des  Nicolaus 
Heinsius  später  in  Deutschland  unter  der  Maske  einer  Robinsonade  erschienen  ist, 
sondern  dass  noch  eine  grosse  Reihe  anderer  Werke,  die  vor  dem  Defoeschen 
Robinson  ausgegeben  worden,  in  Deutschland  nach  1719  mit  dem  Robinsontitel  auf 
den  Markt  kamen.  So  trachteten  auch  später  noch  andere  Werke  durch  Annahme 
des  Robinsontitels  sich  einen  grösseren  Leserkreis  zu  erwerben.    — 


111,4 

Drama. 

Johannes  Bolte. 

Uebergangszeit:  A.  Tharäus  N.  1;  St.  Egl  N.  2.  —  Englische  Komödianten:  Fortunatusdramen  N.  3;  Singspiele 
N.  4;  W.  Eichelin  N.  5;  Buhneneinrichtung  N.  6;  Miles  gloriosus  N.  7.  —  Wallensteindraraen  N.  8.  —  A.  Gryphius  *T.  9. 
—  D.  Symonis  N.  10.  —  Moliere-Uebersetzer  N.  12.  —  Schulkomödie  N.  13.  —  Jesuitcndramen  N.  14.  —  Theatergeschichte 
einzelner  Städte  (Danzig,  Hamburg)  N.  17.  —  Wandertruppen:  A.  Elenson  und  J.  Veiten  N.  19;  M.  D.  Treu  N.  20;  Prinz  von 
Arkadien  KT.  21;  J.  A.  Stranitzky  N.  22;  Suppig  N.  23;  A.  G.  Uhlich,  holländische  Gesellschaften  N.  24.  —  Weltliche  Volks- 
schauspiele: Faust  N.  25;  Don  Juan  N.  29.  —  Niederländische  Dichter  N.  30.  — 

Der  Uebergangszeit  aus  dem  16.  in  das  17.  Jh.  gehört  der  Lausitzer 
Pfarrer  Andreas  Tharäus  an,  dem  Holstein1)  einen  kurzen  Artikel  widmet. 
Der  litterarische  Wert  seiner  gereimten  Klage  der  Frau  Gerste  und  des  Herrn  Flachs 
(1609)  und  seines  dramatischen  Weiberspiegels  (1628)  hätte  sich  schärfer  bestimmen 
lassen,  wenn  H.  auf  die  Quellen  beider  Stücke  eingegangen  wäre;  die  Komödie  be- 
ruht nämlich  auf  einem  lateinischen  Gespräche  des  Erasmus  und  auf  einem  deutschen 
Zwischenspiele  aus  Tecklers  Heirat  Davids  und  Michals  (1572).  Dass  Tharäus  1610 
einen  wendischen  Katechismus  schrieb,  den  Leskien  im  Archiv  für  slavische  Philologie 
(Bd. 2)  besprochen  hat,  sei  hier  nur  im  Interesse  der  Vollständigkeit  nachgetragen.111)  — 

Zu  den  beiden  Fastnachtsspielen  des  wackeren  Regensburger  Schreiners 
Steffan  Egl,  die  Hartmann2)  1893  aus  der  Hs.  veröffentlicht  hatte,  trägt  derselbe 
Vf.  einige  Notizen  über  einzelne  Ausdrücke  „Meister  von  hohen  Sinnen",  „Hansel 
frischer  Knecht",  über  die  Hobelscene  und  über  die  Familie  Egls  nach.  — 

Dem  Einfluss  der  englischen  Komödianten  auf  die  Entwicklung  des 
deutschen  Schauspiels  hatte  Harms  1892  in  einer  Monographie  (JBL.  1892  III  4 : 3) 
über  zwei  deutsche  Fortunatusdramen3)  nachgespürt;  Drescher  bemerkt  dazu, 
dass  das  Schauspiel  des  Hans  Sachs  (1553),  auf  dem  der  hs.  Kasseler  Fortunat  beruht, 


S.  189-205.  —  11)  M.  Hippe,  E.  vor-Defoesche  engl.  Eobinsonade:  EnglSt.  19,  S.  66-104.  —  12)  X  R-  Nied ergesäss, 
Alex.  Selkirk,  d.  ältere  Robinson.  Für  d.  dtsch.  Jug.  bearb.  (—  ÜB.  für  d.  Jug.  N.  322.)  St,  Union.  64  S.  M.  0,40.  — 
13)  X  Defoe,  Kobinson  Crusoe,  illust.  London,  Hutchinson.  Sh.  3,6.  —  14)  X  id.,  Robinson  Crusoe  Mariner.  (=  Childrens 
LibraTy.)  London,  Union.  Sh.  2,6.  —  15)  X  id.,  Robinson  Crusoe,  illust.  (=  Anchor  Series.)  London,  Hutchinson.  Sh.  2. 
—  16)  B.  Kleemann,  Z.  Gesch.d.  Robinsonaden:  Euph.  1,  S.  603/4.  —  17)  H.  Ullrich, Zu  ZVLR.  6,  S.  239:  ZVLR.  7,  S.  230,1.  — 
1)  H.  Holstein,  Andr.  Tharaens:  ADB. 37,  S.  654.  —  la)OXX  A-  Hofmeister.  Jochim  Schluh:  BGRostock.  3, 
S.  90/1.  —  2)  A.  Hartmann,  Zu  d.  Regensburgcr  Fastnachtsspielen  (JBL.  1893  111  4:2):  Bayerns  Mundarten  2,  S.  295,'9.  — 
3)  K.  Drescher:   LBIGRPh.  15,  S.  2579;    A.  v.  Weilen:   DLZ.  S.  10356;    A.  Chuquet:    RCr.  38,  S.  318;    VossZg.  N.  84; 


J.  Bolte,  Drama  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  4 : 4-9 

aus  der  Augsburger  Textfamilie  des  deutschen  Volksbuches  (1530)  hervorgegangen 
sei,  während  für  den  Fortunat  der  englischen  Komödianten  (1620)  der  Frankfurter 
Text  (zuerst  1551)  Quelle  war.  Ferner  macht  er  auf  die  offenbare  Verwandtschaft 
aufmerksam,  die  zwischen  der  Zweikam pfscene  des  in  derselben  Kasseler  Hs.  er- 
haltenen „Ariodante"  und  dem  Kampfe  Edgars  und  Edmunds  in  Shakespeares  „König 
Lear"  bestehe.  — 

Boltes  Materialiensammlung  zur  Geschichte  des  strophischen  Singspiels 
(JBL.  1893  III  4:7)  ist  gleichfalls  von  mehreren  Seiten4)  einer  wohlwollenden  Kritik 
unterzogen  worden;  einige  kleinere  Nachträge,  wie  beispielsweise  die  Varianten  eines 
späteren  Abdruckes  von  „Singing  Simpkin",  liefert  dabei  von  Weilen.  — 

Wertvolle  Nachrichten  über  die  zu  Anfang  des  Jh.  herumziehenden  Komö- 
diantenbanden hat  Trautmann5)  aus  dem  Stadtarchive  von  Rothenburg  ob  d.  Tauber 
veröffentlicht.  Um  1604  reichte  dort  Wr.  Eichelin  von  Strassburg,  der  schon  aus 
einer  Nördlinger  Supplik  bekannt  ist,  sein  aus  zwölf  Stücken  bestehendes  Repertoire 
ein.  Nur  drei  biblische  Stoffe  finden  sich  darin:  Daniel  in  der  Löwengrube;  Susanna 
und  der  verlorene  Sohn;  sonst  lauter  weltliche  Historien:  4.  Zwei  Ritter  aus  Burgund 
(Hans  Sachs);  5.  Vincentius  Ladislaus  (gereimt  nach  Heinrich  Julius  von  Braun- 
schweig); 6.  Annabella  von  Montf errat  (Marston);  7.  Celide  und  Sedea;  8.  Pyramus 
und  Thisbe;  9.  von  Melone,  einem  vertriebenen  Könige  aus  Dalmatia;  10.  von  Ludovico, 
einem  Könige  aus  Hispania;  11.  von  einem  ungehorsamen  Kauftnannssohn;  12.  von 
einem  alten  Römer  (Botzarhio?),  so  seinem  Sohne  wegen  eines  jungen  Weibes  des 
Guts  enterben  wollen  (wohl  das  Pickelheringsspiel  von  der  schönen  Maria  und  dem 
alten  Hahnrei).  Neun  von  diesen  Titeln  kehren  in  der  erwähnten  Nördlinger 
Eingabe  wieder;  ausserdem  13.  Romeo  und  Julitha  (Shakespeare).  1614  traf  der 
bekannte  Engländer  John  Spencer  auf  der  Reise  von  Nürnberg  nach  Heidelberg  in 
Rothenburg  ein  und  gab  mehrere  Vorstellungen,  ebenso  1654  Georgius  Joliphus. 
Spencer  hatte  dabei  die  Genugthuung,  an  einigen  Soldaten,  die  sich  bei  einer  Auf- 
führung ungebührlich  betrugen,  eine  schnelle  Justiz  ausgeübt  zu  sehen.  — 

Ein  Schulprogramm  von  A.  van  der  Velde,6)  das  die  Entstehung  des 
englischen  Schauspielerstandes,  die  Einrichtung  der  Bühne,  den  Anteil  des 
Publikums  und  der  Kritik  anschaulich  vorzuführen  sucht,  verdient  hier  genannt  zu 
werden,  da  die  englischen  Verhältnisse  ja  vielfach  für  die  deutschen  massgebend 
wurden.  Allerdings  schöpft  der  Vf.  nicht  immer  direkt  aus  den  Quellen  und  steht 
nicht  überall  auf  der  Höhe  der  Forschung;  doch  ist  der  Zweck,  den  Gebildeten  in  die 
Lektüre  der  Shakespeareschen  Dramen  einzuführen,  durch  die  übersichtliche  Zu- 
sammenfassung vieler  Einzelheiten  vollkommen  erreicht.  — 

Die  Arbeit  von  Graf7)  über  die  komische  Figur  des  Miles  gloriosus 
beschränkt  sich  nach  dem  Referate  von  Gl  öde  darauf,  die  Entwicklung  dieser  Gestalt 
auf  der  englischen  Bühne  vom  Thersites  von  1537  an  bis  auf  Beaumont  und  Fletcher 
vorzuführen,  ohne  auf  deutsche  Seitenstücke  wie  den  Vincentius  Ladislaus  ein- 
zugehen. — 

Teilweise  führt  uns  auch  das  Büchlein  von  Vetter8)  über  Wallenstein  in 
der  dramatischen  Dichtung  des  Jahrzehnts  seines  Todes  nach  England. 
V.  liefert  sorgsame  Inhaltsangaben  der  drei  lateinisch-deutschen  Schulkomödien  des 
lutherischen  Stettiner  Rektors  Micraelius  (1631—33)  voll  frostiger  Allegorien,  analysiert 
dann  den  1637  erschienenen  Fritlandus  des  Löwener  Professors  Vernuläus,  eine 
rhetorische,  vom  habsburgischen  Standpunkte  aus  geschriebene  Schulübung,  und  die 
romantische  Tragödie  des  Engländers  Glapthorne  (1639),  die  durch  die  fahrenden 
Komödianten  auch  nach  Deutschland  gebracht  wurde,  wie  ein  Berliner  Theaterzettel 
aus  dem  J.  1690  beweist.  Auch  das  1858  von  Thomas  veröffentlichte  italienische 
Gedicht  Fulvio  Testis,  eines  Bewunderers  Wallensteins,  auf  dessen  Ermordung  wieder- 
holt V.  Seine  Bemerkungen  über  die  (S.  35)  erwähnte  Bremer  Ankündigung 
erledigen  sich  dadurch,  dass  dies  seither  durch  Könneckes  Bilderatlas  allgemein  zu- 
gänglich gewordene  Dokument  nicht  „gleich  nach  dem  30jährigen  Kriege",  sondern 
erst  1688  entstanden  ist.  Eine  Beeinflussung  von  Schillers  Wallenstein dichtung  durch 
das  Stück  des  Vernuläus,  die  der  Vf.,  Göttling  folgend,  mit  einigen  Klauseln  zur  Er- 
wägung stellt,  wird  man  bei  nüchterner  Prüfung  der  Sachlage  schwerlich  annehmen.  — 

Die  schon  früher  von  uns  charakterisierte  Arbeit  Wysockis  über  Andreas 
Gryphius  (JBL.  1893  III  4:14)  beurteilt  Max  Koch9)  im  ganzen  anerkennend; 
doch  vermisst  er  namentlich  eine  Untersuchung  des  Jesuitendramas  und  seines  Ein- 


P.:  Hessenland  S.  124.  —  4)  XA.  v.  Weilen:  DLZ.  S.  460/1;  DRs.  78,  S.  478;  C.  Krebs:  VjsMusikwissensch.  10,  S.  228/9; 
B.  M.  Meyer:  ML.  63,  S.  926;  A.  Chuquet:  ECr.  38,  S.  318/9.  —  5)  K.  Trautmann,  Engl.  Komödianten  in  Rothen- 
burg ob  d.  Tauber:  ZVLR.  7,  S.  60/7.  —  6)  A.  van  d.  Velde,  Engl.  Bahnenverhältnisse  im  16.  u.  17.  Jh.  Progr.  Görlitz 
(Gretsel).  4°.  39  S.  —  7)  O  H.  Graf,  D.  Miles  gloriosus  im  engl.  Drama  bis  z.  Zeit  d.  Bürgerkriege.  Diss.  Rostook.  1892. 
58  S.  |[0.  Gl  öde:  LBIGRPh.  14,  S.  243/5.  J|  —  8)  Th.  Vetter,  Wallenstein  in  d.  dramat.  Dichtung  d.  Jahrzehnts  seines 
Todes  (Micraelius  —  Glapthorne  —  Fulvio  Testi).     Frstnenfeld,    Huber.     49  S.     M.  2,00.     (Vgl.   IV  9:100.)    —    9)    M.  Koch: 


III  4:io-i9  J.  Bolte,  Drama  des  17./18.  Jahrhunderts. 

flusses  auf  den  protestantischen  Tragiker  und  stellt  sich  in  der  Beurteilung"  der 
Einwirkung-  der  holländischen  Poesie  mehr  auf  die  Seite  Kollewijns.  — 

Einen  verschollenen  Zeitgenossen  von  Gryphius  bespricht  Wehrmann10) 
in  dem  hinterpommerschen  Zesianer  Daniel  Symonis  (1637—85),  der  als  einund- 
zwanzigjähriger Student  zu  Königsberg  1658  ein  fünfaktiges  Drama  „Aeneas  und 
Dido"  in  affektiertem  Stile  nebst  einer  vollständigen  Prosaübersetzung  der  vergilischen 
Aeneis  veröffentlichte,  es  aber  glücklicherweise  bei  diesem  ersten  Versuche  hat  be- 
wenden lassen.11)  — 

Dem  Anonymus,  der  1670  als  erster  Moliere- Ueber  setze  r  auftrat  und  in 
der  „Schaubühne  englischer  und  französischer  Komödianten"  fünf  Stücke:  L'amour 
medecin,  Les  precieuses  ridicules,  Sganarelle,  L'avare,  Georges  Dandin  für  die 
lebendige  Bühne  verdeutschte,  widmet  Eloesser12)  eine  eindringende  und  fruchtbare 
Untersuchung.  Die  Auswahl  hat  nicht  gerade  die  höchsten  Leistungen  des  fran- 
zösischen Dichters  getroffen,  sondern  die  für  das  deutsche  Publikum  wirksamsten 
Stücke,  die  diesem  bekannte  Motive  behandelten,  aber  durch  Vertiefung  dieser  Motive 
und  Verfeinerung  der  Technik  etwas  Neues  boten.  Die  Vergleichung  der  Ueber- 
setzung  mit  dem  Originale  lässt  den  Anonymus  als  „einen  Mann  des  Theaters  ohne 
modern-litterarische  oder  tiefere  klassische  Bildung"  erscheinen,  „der  mit  praktisch 
erworbener  Kenntnis  des  Französischen  und  mit  grosser  Gewandtheit  in  der  deutschen 
Umgangssprache  ausgerüstet  ist".  Indem  E.  jedes  Stück  für  sich  untersucht,  gelangt 
er  dazu,  aus  den  stilistischen  Eigentümlichkeiten  einen  zweiten  Verdeutscher,  von 
dem  der  „Avare"  bearbeitet  wurde,  zu  vermuten.  Zum  Schlüsse  stellt  er  die  frühesten 
Einwirkungen  Molieres  auf  deutsche  Dichter  dar.  — 

Zur  Geschichte  der  protestantischen  und  katholischen  Schulkomödie  sind 
einige  vereinzelte  Beiträge  geliefert  worden.  Jacob13)  druckt  die  deutsche  Inhalts- 
angabe eines  dreiaktigen  Stückes  ab,  das  1676  auf  dem  kursächsischen  Schlosse 
Hartenfels  zur  100jährigen  Jubelfeier  der  Konkordienformel  gespielt  wurde.  Religio 
irrt  trauernd  umher,  von  Spes  getröstet.  Der  Kurfürst  beschliesst  infolge  einer 
Traumerscheinung  das  Einigungswerk,  wogegen  die  höllischen  Furien  Calumnia, 
Discordia  und  Dubitatio  vergeblich  sich  auflehnen.  Schliesslich  steigt  der  Morgen- 
stern in  der  Morgenröte  empor  und  verkündet  den  anbrechenden  Tag.  Chöre  und 
Arien  sind  eingelegt,  auf  die  scenische  Ausstattung',  die  Wiedergabe  des  Erdbebens 
und  das  Feuerwerk  war  offenbar  viel  Sorgfalt  verwandt.  Leider  erfahren  wir  nicht, 
wer  Dichter  und  Darsteller  waren.  — 

Die  dramatische  Thätigkeit  der  Jesuiten  hat  in  Zeidler14)  einen  eifrigen 
Erforscher  gefunden.  An  seinen  früher  an  dieser  Stelle  besprochenen  „Studien" 
(JBL.  1891  III  4:15a;  1893  III  4:21)  freilich  hebt  Drescher  hervor,  dass  er  öfter 
durch  die  Sympathie  für  seinen  Gegenstand  zu  weit  geführt  werde  und  an  einer 
wichtigeren  Frage,  der  nach  dem  Verhältnis  von  Andreas  Gryphius  zu  den  Jesuiten- 
dramen, zu  flüchtig  vorbeigeeilt  sei.  —  Z eidlers15)  Fortsetzung  seiner  Arbeit  über 
den  Pater  Ferd.  Rosner  und  andere  dem  Orden  angehörige  Theaterdichter  ist  mir 
leider  nicht  zu  Händen   gekommen.16)  — 

Die  Theatergeschichte  einzelner  Städte  ist  im  Berichtsjahre  wenig 
gefördert  worden.  Abgesehen  von  einigen  Besprechungen17)  des  für  unsere  Periode 
wertlosen  Buches  von  Rub  (JBL.  1893  III  4:32)  über  die  Danziger  Bühne,  haben 
wir  nur  eine  neue  (Titel-) Ausgabe  von  Gaedertz18)  1884  erschienenem  Werke  über 
das  niederdeutsche  Schauspiel  Hamburgs  zu  verzeichnen.  Im  Vorworte  führt  der 
Vf.  über  mangelnde  Anerkennung  seiner  Arbeiten  Klage  und  liefert  einige  Nachträge 
zu  den  niederdeutschen  Dramatikern  der  neueren  Periode.  — 

Unsere  Kenntnis  der  Wandertruppen  dagegen  wird  durch  einen  glück- 
lichen Fund  Zimmermanns19)  erfreulich  vermehrt.  Ferdinand  Albrecht,  ein  jüngerer 
Bruder  des  in  der  Literaturgeschichte  bekannten  braunschweigschen  Herzogs  Anton 
Ulrich,  hegte  trotz  mancher  Wunderlichkeiten  eine  lebhafte  Neigung  für  die  drama- 
tische Kunst.  Er  Hess  nicht  nur  1677  in  dem  neuerbauten  Komödiensaale  des 
Beverner  Schlosses  den  jüngst  durch  Creizenach  edierten  „Tugend  und  Liebes- 
streit" und  1680  „Sidonia  und  Theagenes"  mit  dem  Nachspiele  vom  arglistigen 
Schuldner  durch  seine  Hofbedienten  aufführen,  sondern  er  beherbergte  auch  1680  die 
beiden  bedeutendsten  Prinzipale  ihrer  Zeit,  Andreas  Elenson  und  Johann  Veiten, 

LBIGRPh.  15,  S.  393/5.  —  10)  M.  Wehrmann,  D.  Symonis:  ADB.  37,  S.  233/9.  —  11)  X  O-  Hellinghaus,  B.  Hubner, 
Prodromus  poetious  t.  A.  A.  v.  Haugwitz  (JBL.  1893  III  4:17):  Gyran.  12,  S.540/1.  —  12)  A.  Eloesser,  D.  älteste  dtsch. 
Uebersetz.  Molierescher  Lustspiele  (JBL.  1893  I  8  :  95;  III  4  :  19).  (=  Berliner  Beitrr.  z.  germ.  u.  rom.  Philol.  veröffentl.  v. 
E.  Ehering.  Germ.  Abt.  N.  3.)  B.,  C.  Vogt.  1393.  78  S.  M.  1,80.  |[LCB1.  S.  1067.]|  -  13)  F.  Jacob,  Ueber  e.  1676  auf' 
d.  Schlosse  Hartenfels  aufgef.  Theaterstück:  PAVTorgau.  7,  S.  32/6.  —  14)  K.  Drescher:  LBIGRPh.  15,  S  256/7;  A.  Chu  quet: 
RCr.  33,  S.  317.  —  15)  O  X  X  J-  Zeidler,  Jesuiten  u.  Ordensleute  als  Theaterdichter  (Schluss;  JBL.  1893  III  4  :  23)  : 
BVLNiederöstr.  28,  S.  12-43.  —  16)  O  X  X  F.  Endl,  Ueber  d.  Schuldramen  u.  Komödien  d.  Piaristen  mit  spec.  Berucksicht. 
d.  dramat.  Auffahningen  am  Piaristen-Gymn.  zu  Hörn  im  17.  u.  18.  Jh.  Progr.  Wien.  56  S.  —  17)  X  R-  Friedrich: 
BLU.  S.  219;   N&S.  70,  S.  412;    LCB1.  S.  685;    E.  Kilian:   DLZ.  S.  307/8.    —   18)  (II  4a  :  22.)    —    19)  P.  Zimmermann,  E. 


J.  Bolte,  Drama  des  17. /18.  Jahrhunderts.  III  4  :  20-24 

mit  ihren  Truppen  bei  sich  und  verkehrte  mit  den  Schauspielern  recht  ungezwungen, 
so  sehr  er  sonst  öffentlich  seine  fürstliche  Würde  zu  wahren  bedacht  war.  Seine  von 
Z.  im  Wolfenbütteler  Archive  entdeckten  Tagebuchnotizen,  deren  ausführliche  Publi- 
kation hoffentlich  nicht  lange  auf  sich  warten  lässt,  bezeugen  dieses  Interesse  nach- 
drücklich; denn  dort  hat  der  Fürst  nicht  bloss  die  Titel  der  dargestellten  Stücke, 
sondern  auch  Inhalt  und  Rollenverteilung  verzeichnet  und  selbst  die  einzelnen  Mit- 
glieder der  Truppe  (Elenson  hatte,  die  Lehrjungen  abgerechnet,  zehn  Personen  bei 
sich;  Veiten  dagegen  neunzehn,  darunter  vier  Frauen  und  drei  Kinder)  in  ihren 
Leistungen  und  persönlichen  Verhältnissen  charakterisiert.  Elenson  gab  z.  B.  „Romeo 
und  Juliette  oder  den  Streit  zwischen  den  Montagesern  und  Cappalitanern",  den 
„dollen  Marschalk  aus  Spanien",  das  „Martyrium  Polyeuctus";  Veiten  spielte  u.  a. 
den  „berühmten  römischen  General  Andronicus",  „die  moralische  Tragikomödie  Le  Cid 
oder  Liebesgeschichte  Rodorigen  und  Chimena"  und  den  bürgerlichen  Edelmann 
Molieres.  — 

Ein  Zeitgenosse  dieser  Prinzipale  war  der  von  Li  er  20)  in  einem  kurzen  Artikel 
behandelte  Michael  Daniel  Treu.  Geboren  um  1634,  kam  er  1669  mit  seiner  Bande 
nach  München  und  erhielt,  nachdem  er  zum  Katholizismus  übergetreten  war,  eine  An- 
stellung als  bayerischer  flofbedienter.  Seine  Lüneburger  und  Münchener  Vor- 
stellungen sind  uns  wenigstens  den  Titeln  nach  bekannt.  Er  blieb,  obwohl  ihn  eine 
französische  und  später  eine  italienische  Gesellschaft  zeitweilig  in  den  Schatten  drängte, 
in  München  und  starb  hier  1708.   — 

Wie  eine  Aktion  Treus  beschaffen  war,  davon  vermag  vielleicht  eine  1701  zu 
Bonn  vor  dem  bayerischen  Prinzen  Clemens  Joseph  gespielte  Komödie,  „Der  falsche 
Printz  von  Arcadien"  eine  Vorstellung*  zu  gewähren,  deren  Veröffentlichung  durch 
Brenner2l)nunmehr  abgeschlossen  ist.  Die  letztenScenen  enthalten  eine  Festaufführung 
des  närrischen  Dorfschulmeisters,  die,  im  bayerischen  Dialekt  abgefasst,  die  Nach- 
ahmung des  Peter  Squenz  deutlich  verrät.  B.  hat  aus  dem  gedruckten  Argumente, 
auf  das  in  den  JBL.  zuerst  hingewiesen  wurde,  den  in  der  Münchener  Hs.  fehlenden 
zweiten  Teil  ergänzt,  ist  aber  auf  die  weiteren  literarhistorischen  Fragen  nicht 
eingegangen.  — 

Die  unsicheren  Traditionen  über  den  Begründer  der  Wiener  Volksbühne  Josef 
Anton  Stranitzky  hat  von  Weilen22)  vortrefflich  gesichtet  und  aus  den  Akten 
berichtigt.  Stranitzky,  1676  in  Steiermark  geboren  und  zum  ärztlichen  Berufe  vor- 
bereitet, trat  1699  als  Marionettenspieler  in  Augsburg  auf,  kam  dann  in  Verbindung 
mit  dem  Salzburger  Hilverding  und  Naffzer  und  liess  sich  1707  in  Wien  als  Arzt  und 
Komödiant  nieder.  Seit  1712  spielte  er  im  Komödienhause  an  der  Kärtnerthorbastei. 
Er  trat  als  Hanswurst  in  der  Maske  eines  salzburgschen  Kraut-  und  Sauschneiders 
auf  und  errang  als  Schauspieler  wie  als  Schriftsteller  grosse  Erfolge.  Sein  Kalender, 
seine  Reisebeschreibung  und  die  von  Weiss  analysierten  hs.  Hauptaktionen  zeigen 
den  Einfluss  Grimmeishausens,  Callenbachs  und  Abrahams  a  Sancta  Clara.  Die 
Ollapotrida  Fuchsmundi  dagegen  spricht  W.  ihm  ab.  — 

Dem  Dresdener  Suppig,  der  1731-50  im  Rollenfache  der  jüngeren  Lieb- 
haber und  Chevaliers  Mitglied  der  Neuberschen  Gesellschaft  war,  ist  ein  kurzer 
Artikel  Liers23)  gewidmet.  — 

In  derselben  Truppe  der  Neuberin  machte  ein  jüngerer  Landsmann  Suppigs, 
Adam  Gottfried  Uhlich,  seine  Lehrzeit  durch,  dem  Heitmüller24)  eine  gründ- 
liche und  frisch  geschriebene  Monographie  widmet.  Uhlich,  der  1737  von  bitterer 
Not  getrieben  mit  siebzehn  Jahren  die  Wittenberger  Universität  verliess,  gehörte  nach 
einander  der  Gesellschaft  der  Neuberin,  Schönemanns,  Ackermanns  und  Schuchs  als 
Schauspieler,  Sekretär  und  Hausdichter  an,  wusste  sich  an  den  verschiedensten  Orten 
mit  ausdauerndem  Fleisse  in  jede  Lage  zu  schicken  und  stand  lange  in  eifrigem 
Briefwechsel  mit  dem  gestrengen  Gottsched.  Als  Schriftsteller  entwickelte  er  eine 
grosse  Fruchtbarkeit;  Schäferstücke,  allegorische  Vorspiele,  bürgerliche  Komödien 
wie  „der  faule  Bauer",  Uebersetzungen  wie  die,  Cats  „Aspasia"  nachgebildete,  „Elisie" 
usw.  gingen  aus  seiner  raschen  Boeder  hervor.  Sein  Ende  ist  in  Dunkel  gehüllt; 
bald  nach  1756  muss  er  gestorben  sein.  Dieser  hübschen  Arbeit  hat  H.  einen  Auf- 
satz über  die  Vorstellungen  angehängt,  die  1740  und  41  von  zwei  holländischen 
Gesellschaften  in  Hamburg  veranstaltet  wurden.  Er  benutzt  dazu  die  auf  der 
Hamburger  Stadtbibliothek  erhaltenen  Theaterzettel,  lässt  aber  in  der  Zuweisung 
der  hier  genannten  Titel  an  die  dramatischen  Autoren  manche  Lücken.  Das  Reper- 
toire enthält  teils  Uebersetzungen   französischer  Schauspiele    von  Corneille,    Monere, 


Theater  in  Bevern:  BraunschwAnz.  N.  76-81.  —  20)  H.  A.  Lier,  Mich.  D.  Tren:  ADB.  38,  S.  579-80.  —  21)  0.  Brenner, 
Altbayer.  Sprachproben  aus  d.  18.  Jh.  D.  Prinz  v.  Arcadien  (Schluss;  JBL.  1892  III  4  :  28):  Bayerns  Mundarten  2,  S.  161-81. 
—  22)  A.  t.  Weilen,  J.  A.  Stranitzky:  ADB.  37,  S.  765-74.  —  23)  H.  A.  Lier,  Suppig:  ib.  S.  164/5.  -  24)  F.  Heit- 
müller, I.  A.  G.  Uhlich.  IL  Holland.  Komödianten  in  Hamburg  (174Ö  u.  41).  (=  TheatergeschF.  N.  8.)  Hamburg,  Voss. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    Y.  (3)4 


III  4:25-31  J.  Bolte,  Drama  des  17./18.  Jahrhunderts. 

Scarron,  Montfleury,  Hauteroche,  Palaprat,  teils  holländische  Originalstücke  von 
Vondel,  Zevecote,  Wouthers,  Isaak  Vos,  Langendijk,  Pluymer  usw.  Auch  Grams- 
bergens  Pyramus  und  Thisbe,  „in  das  Hochdeutsche  bekannt  unter  dem  Nahmen  von 
Peter  Sequens"  (lies  Squenz)  ward  am  15.  Mai  1741  gegeben.  — 

Unter  den  weltlichen  Volksschauspielen,  die  auf  alte  Tradition  ge- 
gründet sich  bis  in  unsere  Tage  fortgepflanzt  haben,  nimmt  das  aus  Mario wes25) 
genialer  Dichtung  erwachsene  deutsche  Schauspiel  vom  Doktor  Faust  noch  immer 
das  hauptsächliche  Interesse  für  sich  in  Anspruch.  Einem  der  Puppenspieltexte,  mit 
denen  die  Untersuchungen  über  die  Entwicklung  dieses  Dramas  bisher  operiert  haben, 
nämlich  dem  von  Carl  Engel  1874  und  82  veröffentlichten  (E),  hat  Bruinier  26) 
die  Existenzberechtigung  zu  entziehen  gesucht,  indem  er  in  einem  besonderen  Buche 
die  Angabe  Engels,  er  habe  das  Stück  um  1862  zu  Berlin  aus  der  Hs.  eines  Puppen- 
spielergehilfen kopiert,  als  unwahr  bekämpft.  Er  zeigt  vielmehr  durch  einen  neuen 
Abdruck  von  E,  dem  er  die  übereinstimmenden  Stellen  der  übrigen  Texte  bei- 
fügt, dass  Engel  seinen  Text  selber  aus  jenen  zusammengeflickt  und  mehrfach  mit 
Rücksicht  auf  dramatische  Effekte  willkürlich  abgeändert  habe.  Die  Beweisführung 
B.s  erscheint  überzeugend;  und  wenn  man  zunächst  noch  die  Möglichkeit  gelten 
lassen  möchte,  dass  Engel  durch  einen  anderen  getäuscht  sein  konnte,  so  widerspricht 
doch  das  völlige  Schweigen,  das  Eng-el  diesem  Angriffe  auf  seine  Glaubwürdigkeit 
entgegensetzt,  auch  dieser  Annahme.  Creizenach  betont  in  seiner  Anzeige,  dass 
auch  er  bisher  E  als  ein  im  19.  Jh.  entstandenes  Gemisch  von  Texten  betrachtet 
habe,  die  verschiedenen  Entwicklungsstufen  des  Volksschauspiels  angehören,  und 
dass  es  für  die  Rekonstruktion  des  Entwicklungsganges  des  letzteren  nicht  viel  aus- 
mache, ob  man  die  nivellierende  Bearbeitung  einem  Schauspieler  zuschreibe  oder  dem 
Herausgeber  Engel.  Er  macht  auch  darauf  aufmerksam,  dass  die  an  Sprichwörter- 
weisheit reiche  Rede  des  Hanswurst  an  Faust  aus  der  Rede,  die  Mephistopheles  im 
Faustbuche  von  1587  (und  zwar  in  Simrocks  Modernisierung)  hält,  hervorgegangen 
sei.  —  Kraus27)  protestiert  gegen  die  ihm  von  Ellinger  (JBL.  1893  III  4:42)  zu- 
geschriebene Ansicht,  das  „pragerische  Comödilied"  vom  Doktor  Faust  gebe  den 
Inhalt  eines  in  Prag  während  des  17.  Jh.  aufgeführten  Faustdramas  wieder,  weist 
aber  jetzt  die  Fassung  C  des  Puppenspieles  dem  18.  Jh.  zu.  —  Die  von  Kraus  heraus- 
gegebene böhmische  Fassung  erkennt  von  Weilen28)  als  ein  wichtiges  Bindeglied 
zwischen  Marlowe  und  den  neueren  deutschen  Puppenspieltexten  an.  — 

Werners29)  1891  erschiene  Ausgabe  des  Don  Juan  aus  dem  Repertoire 
der  Laufener  Schiffer  (JBL  1891  III  4:32;  1892  III  4:40)  und  seine  ausführlichen 
Mitteilungen  über  dies  eigentümliche  Liebhaber theater  aus  den  Salzburger  Hss.  und 
Akten  sind  in  den  seither  erschienenen  Besprechungen  mit  verdienter  Anerkennung 
willkommen  geheissen  worden;  nur  gegen  die  Untersuchung  über  das  Verwandt- 
schaftsverhältnis der  älteren  dramatischen  Behandlungen  des  Don  Juan-Stoffes  haben 
Szamatölski  und  Drescher  Einspruch  erhoben.  Sz.  bestreitet,  dass  der  Laufener 
Text  die  verlorene  alte  Hauptaktion  getreuer  wiedergebe  als  die  Puppenspiele,  unter 
denen  er  die  Strassburger  Fassung  für  wertvoller  erklärt  als  den  Engeischen  Text; 
er  will  auch  keine  doppelte  Fassung  für  die  Hauptaktion  annehmen,  sondern  sieht 
diese  als  eine  Uebersetzung  von  Gilibertis  italienischem  Schauspiel  (1652)  an,  die 
später  teilweise  nach  der  Commedia  dell'  arte  von  1657  überarbeitet  wurde.  Ebenso 
hebt  D.  hervor,  dass  in  der  Laufener  und  der  Engeischen  Recension  nicht  die  Haupt- 
typen zweier  Entwicklungsreihen  vorliegen,  sondern  dass  sich  die  erste  ebenso  an 
Giliberti  anschliesse,  näher  sogar  als  Engels  Text,  und  nur  in  Einzelheiten  der 
Commedia  dell1  arte  folge.  — 

Anhangsweise  sei  noch  auf  zwei  Werke  von  Verwey30-31)  hingewiesen, 
die  sich  zur  Aufgabe  stellen,  das  grosse  Publikum  Hollands  für  die  bedeutenderen 
niederländischen  Dichter  des  17.  Jh.,  Hooft,  Bredero,  Vondel  zu  erwärmen. 
Der  Vf.  giebt  zu  diesem  Zwecke  Auszüge  aus  ihren  Werken,  unterbrochen  durch 
längere  Textstellen.  Eine  Förderung  der  wissenschaftlichen  Forschung  hat  er 
nicht  angestrebt.  — 


X,  143  S.  M.  2,80.  |[A.  Chuquet:  RCr.  33,  S  319.]!  —  25)  O  Clir.  Mirlowe,  La  tragique  hist.  dn  docteur  Faust.  Paris, 
Gantier.  32  S.  —  26»  J.  W.  Bruinier,  Faust  vor  Goethe.  Untersuchungen.  I.  D.  Engeische  Volksschauspiel  Doktor  Joh. 
Faust  als  Fälschung  erwiesen.  Halle  a.  S.,  Nieraeyer.  VIII,  107  S.  M.  2.80.  |[W.  Creizenach:  LCB1.  S.  930/l.]|  —  27) 
E.  Kraus,  Erwiderung:  ZDPh.  26,  S.  Hl/2.  (G.  Ellinger:  ib.  26,  S.  142.)  -  28)  A.  v.  Weilen,  A.  Kollmann.  Dtsch. 
Puppenspiele.  1891.  —  E  Kraus,  D.  böhm.  Puppenspiel  v.  Daktor  Faust  1891  (JBL.  1891  III  4:  28,  31):  DLZ.  S.  111.  —  29) 
S.  Szamatölski:  ADA.  20,  S.  47-52;  K.  Drescher:  LBIGRPh.  15,  8.  254/6;  A.  Chuquet:  RCr.  38,  S.  3167.  —  30)  A. 
Verwey,  Nederlandsche  Dichters  met  Proza  (Hooft,  Bredero).  Amsterdam,  Van  Loy  en  Gerlings.  1893.  120,  141  S.  Fl.  2,00. 
|[G.  Kalff:  Gids  4,  S.  100/9.]!  —  31)  id.,  Eene  Inleiding  tot  Vondel.  Amsterdam,  W.  Versluys.  1892.  668  S.  Fl.  7,20. 
|[G.  Kalff:  Gids  4,  S.  96-100.]|  — 


V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  5:1 

IU,5 

Didaktik. 

Victor  Michels. 

Gesamte  Ideenbildung  N.  I.  —  Streben  nach  freierer  Weltbildung:  Balth.  Gracian  N.  2;  Ph.  Rarsdörfer  N.  3; 
Sprachgesellschaften  N.  10.  —  Religiöse  Belegung  K.  12.  —  Gelehrte  Arbeit:  Justus  Lipsius  N.  39;  Geschichtsschreiber 
N.  40a;  S.  Pufendorf  N.  44;  Jak.  Thomasius  N.  50;  Briefwechsel  N.  51.  —  Philosophische  Aufklärung:  Psychologie  N.  54; 
J.  Ch.  Sturm,  W.  von  Tschirnbaus  N.  57;  Leibniz  B.  59:  Christ.  Thomasius  N.  62;  A.  Budiger  K.  71.  —  Gottsched  N.  72.  — 
Didaktiker  der  Gottschedschen  Geschmacksrichtung:  B.  L.  Tralles  N.  80;  Familie  Sucro  N.  81.  — 

Für  das  historische  Verständnis  der  gesamten  Ideenbildung  des  17.  Jh. 
hat  Dilthey'J  ausserordentlich  viel  gethan.  Wie  hat  sich  das  natürliche  System  der 
Geisteswissenschaften  entwickelt?  Wir  müssen  auf  ältere  Aufsätze  D.s  zurückgreifen, 
mit  denen  der  in  das  Berichtsjahr  fallende  zusammengehört,  um  den  Gedankengang 
seiner  Ausführungen  ganz  klar  zu  legten.  A.  Drei  Motive  —  so  hatte  D.  bei-eits  1891 
darzuthun  begonnen  —  waren  in  der  Metaphysik  und  Theologie  des  Mittelalters  zu  einem 
Ganzen  vereinigt:  das  religiöse  Motiv,  das  in  aller  Metaphysik  auf  den  älteren  Ent- 
wicklungsstufen herrscht,  vorzüglich  aber  in  der  ganzen  Kultur  der  östlichen  Völker 
dominierte,  das  ästhetisch-wissenschaftliche,  das  die  Griechen  in  seiner  das  europäische 
Denken  bestimmenden  Gestalt  ausgebildet  haben,  und  das  dritte,  welches  D.  das 
regimentale  nennt,  das  in  den  Lebensbegriffen  und  der  nationalen  Metaphysik  der 
Römer  ausgesprochen  ist.  Bei  den  Römern  bildet  die  Stellung  des  Willens  in  den 
Verhältnissen  von  Herrschaft,  Freiheit,  Gesetz,  Recht  und  Pflicht  den  Ausgangspunkt 
des  Weltverständnisses  und  der  metaphysischen  Begriffsbildung.  „Vom  Rechte  aus 
werden  für  den  römischen  Geist  Willensherrschaft,  Zweckmässigkeit,  Utilität  und 
Regel  zu  Organen  für  das  Gewahren  und  Begreifen  schlechthin."  „So  geht  aus  dem 
Recht  in  alles  Denken  der  Begriff  der  naturalis  ratio  und  der  Ueberzeugung  von  der 
Unverbrüchlichkeit  der  ihr  entsprechenden  Lebensordnung  über."  „Hieraus  ergiebt 
sich  dann  eine  höhere  Stufe  des  geschichtlichen  Bewusstseins  bei  den  Römern,  ver- 
glichen mit  dem  der  Griechen."  „Die  Unverbrüchlichkeit  der  erworbenen  Rechte 
giebt  ihnen  Grundlage  und  Inhalt  für  die  Konception  vom  Fortschreiten  der  Geschichte 
und  der  civilisatorischen  Weltherrschaft  Roms."  Die  Vermischung  von  römischem 
und  griechischem  Geist  in  der  späteren  Stoa,  die  Verbindung  von  Nomos  und  Logos, 
wie  D.  es  ausdrückt,  Imperium  und  Vernunftzusammenhang  schuf  eine  Philosophie, 
die  für  die  römischen  Lebensbegriffe  eine  möglichst  feste  Grundlage  suchte  und  diese 
in  dem  unmittelbaren  Bewusstsein  fand.  Angeborene  Ideen  werden  empirisch  gesichert 
durch  den  consensus  gentium:  Sittengesetz,  Rechtsbewusstsein,  Freiheitsbewusstsein, 
Gottesbewusstsein;  sie  sind  das  Fundament  von  Lebensbegriffen,  die  unerschütterliche 
Grundlage,  durch  welche  wir  das  Universum  zu  uns  in  ein  Verhältnis  setzen.  Vom 
griechischen  Beweis  Gottes  aus  der  gedankenmässig  schönen  und  zweckvollen  Vollendung 
der  WTelt  gelangt  man  zu  einem  Götter  und  Menschen  umfassenden  Gesetz.  So  ent- 
steht der  Begriff  des  Naturrechts,  die  Grundlage  einer  allgemeinen  Rechts-  und 
Pflichtenlehre.  B.  Im  Mittelalter  waren  die  drei  Motive  verschmolzen.  Bei  dem  Ueber- 
gangzurNeuzeit  machten  sich  indessen,  wie  D.  weiter  ausführt  (JBL.  1892  II 1 :1),  die  Wider- 
sprüche geltend,  die  aus  der  Verwendung  der  verschiedenartigenBestandteile  entsprangen. 
Während  des  15.  und  16.  Jh.  tritt  eine  grosse  Umänderung  in  der  Lebenshaltung  der 
Menschen  ein  und  „bringt  zunächst  eine  umfangreiche  Litteratur  hervor,  in  welcher 
menschliches  Innere,  Charaktere,  Passionen,  Temperamente  geschildert  und  der 
Reflexion  unterworfen  werden".  D.  verfolgt  das  Band,  das  Seneca,  Marc  Aurel, 
Epiktet,  Plotin,  Tacitus  mit  der  geistlichen  Litteratur  der  Meditationen  und  Soliloquien 
verbindet  und  sich  weiter  zu  Petrarca  schlingt,  der  als  Schöpfer  der  neuen  Litteratur 
feinsinnig  gewürdigt  wird.  Macchiavelli  überträgt  die  neue  Anschauung  vom 
Menschen  auf  die  Politik.  Eine  neue  Form  nimmt  dann  die  humanistische  Bewegung 
in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jh.  an,  nachdem  die  Führung  über  die  Niederlande 
(Erasmus)  an  Frankreich  übergegangen  ist.  „Hier  tritt  die  Renaissance  als  Form 
der  Bildung  einer  grossen  aristokratischen  Gesellschaft  in  der  mächtigsten  Monarchie 
auf.  Daher  hat  sie  hier  zuerst  alle  lebendigen  Kräfte  der  Gesellschaft,  alle  Realitäten 
juristischer,  politischer  und  ästhetischer  Art  erfasst.  Unter  diesen  Umständen  ent- 
steht eine  grossartige  Auffassung  des  römischen  Rechts,  ein  über  die  Italiener 
hinausreichendes  Verständnis  der  Historie  und  eine  die  nationale  Dichtung  leitende 
Poetik."  D.  führt  das  im  einzelnen  aus  und  zeigt,  wie  solche  Verhältnisse  Montaigne 


1)  W.  Pilthey,   D.  Autonomie    d.  Penkens,    d.  konstruktive   Bationalismus    u.  d.  pantheistische  Monismus    nach 
ihrem  Zusammenhang  im  17.  Jh.:  AGPhilos.  7,  S.   28-91.   (Vgl.  AGPhilos.  4,  S.  G04-51 :  5,  S.  337-40:  0.  00-127,  125-36,  347-79, 

(3)4* 


III  5:1  V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

voraussetzt  —  „nouvelle  figure,  un  philosophe  impremedite  et  fortuit."  In  Deutsch- 
land nimmt  die  Bewegung'  entsprechend  den  besonderen  Verhältnissen,  die  hier 
herrschen,  einen  vorwiegend  religiösen  Charakter  an.  Mit  der  Auflösung  der  theo- 
logischen Metaphysik  des  Mittelalters  vollzieht  sich  „die  Verlegung  des  religiösen 
Instinktes  aus  dem  kosmischen  Drama  in  das  persönliche  Verhältnis  zu  dem  Christus 
mit  den  leidensvollen  Zügen  und  zu  dem  traulicher  und  näher  gefühlten  Gottvater." 
1.  „Das  griechische  Christentum  war  in  der  Bildlichkeit  anschaulichen  Denkens  ver- 
blieben. Sein  intellegibler,  transscendenter  Kosmos  war  das  Gegenbild  des  anschaulich 
gegebenen  Kosmos.  Seine  Transscendenz  überschritt  nirgends  das  anschauliche 
Denken.  Es  lebte  in  dem  übersinnlichen  Schauspiel  der  Trinität,  der  ewigen  Zeugung 
und  einer  Welt  von  göttlichen  Kräften."  „Der  germanische  Geist  löste  sich  los  von 
der  Bildlichkeit,  welche  als  Erbe  Griechenlands  die  theologische  Metaphysik  der  abend- 
ländischen Völker  beherrscht  hatte."  2.  „Das  römische  Christentum  war  regimental. 
Der  römische  Geist  konnte  den  religiösen  Prozess  nur  als  an  ein  neues  geistliches 
Imperium  gebunden  denken  .  .  .  Die  Fides  implicita  war  der  Gehorsam  von  Unter- 
thanen."  D.  zeigt,  wie  der  Kern  der  reform atischen  Religiosität  nicht  in  der  Erneuerung 
der  paulinischen  Lehre  von  der  Rechtfertigung  durch  den  Glauben  enthalten  ist, 
sondern  in  der  Loslösung  des  Individuums  von  der  regimentalen  religiösen  Ordnung, 
welche  der  römische  Geist  geschaffen  hatte.  Das  hängt  zusammen  mit  dem  gesteigerten 
Selbstgefühl  der  Personen.  Männern  wie  Luther  und  Zwingli  erschien,  wie  D.  treffend 
sagt,  „die  ganze  katholische  hierarchische  Disciplin  als  ein  dämonischer  Mechanismus, 
welcher  die  Seele  von  ihrem  Gott  absperrt.  Darum  zerschlugen  sie  diese  Schranken. 
Sie  erfassten  wieder  ihr  ursprüngliches  Recht,  mit  der  unsichtbaren  Ordnung  der 
Dinge  sich  selber  auseinanderzusetzen."  „Der  religiöse  Ausdruck  hiervon  war,  dass 
der  Mensch  einsam  mit  Gott  sich  auf  seinem  eigenen  Wege  nur  durch  seine  eigene 
Arbeit  sein  Verhältnis  zu  dem  Unsichtbaren  bildet."  „Erst  bei  den  nordischen  Völkern 
tritt  der  religiöse  Prozess  in  die  Unsichtbarkeit.  Er  erfasst  seine  völlige  Verschieden- 
heit von  den  anschaulichen  Denkvorgängen,  wie  sie  in  den  Formeln  und  Beweisen 
des  griechischen  Dogma  wirksam  sind,  und  er  löst  sich  von  dem  äusseren  Apparat 
von  Mitteln,  Disciplin  und  WTerken  in  einem  Gehorsam  heischenden  geistlichen 
Imperium  los,  wie  dieser  von  dem  römischen  Herrschergeiste  geschaffen  worden  war. 
Indem  Luther  dies  vollbringt,  schliesst  in  ihm  vollends  die  tiefste  Bewegung  des 
Mittelalters,  das  franziskanische  Christentum  und  die  Mystik  ab,  und  zugleich  beginnt 
in  ihm  der  moderne  Idealismus."  „Aus  dem  Leben,  den  religiös-sittlichen  Erfahrungen 
stammt  ihm  alles  Wissen  über  unser  Verhältnis  zum  Unsichtbaren  und  bleibt  daran 
gebunden.  Und  so  tritt  das  intellektuelle  Band  des  Kosmos,  das  die  Vernunftwesen 
an  die  Weltvernunft  bindet,  zurück  hinter  den  moralischen  Zusammenhang."  3.  Ein 
neues  sittliches  Lebensideal,  bestehend  in  der  Entfaltung  der  natürlichen  Anlagen  und 
und  dem  lebensfrohen  Wirken  in  der  Welt,  war  in  Italien  vorbereitet  (uomo  universale), 
in  Frankreich  (vgl.  Rabelais  „Gargantua"  Kap.  57),  England  (Thomas  Morus  „Utopia") 
und  auch  Deutschland  aufgegriffen  (Gregor  von  Heimburg,  Pirckheimer,  Hütten). 
Es  wirkte  zunächst  auch  auf  Luther  und  Zwingli  (die  D.  in  ihrer  Gegensetzlichkeit 
vortrefflich  charakterisiert).  „Luthers  germanische  Aktivität  fand  sich  abgestossen 
von  jedem  Werk  ohne  wirkende  Kraft,  von  jeder  Arbeit  ohne  Leistung.  In  der  Welt- 
thätigkeit  selbst,  in  dem  Berufsleben  erfasste  er  den  von  Gott  gegebenen  Spielraum 
für  die  im  Glauben  enthaltene  Kraft."  Die  katholische  Religiosität  „löst  gewisser- 
massen  die  Substanz  der  Person  auf  und  behält  nur  einen  Teil  der  Menschennatur, 
das  Nacherleben  Christi,  das  schmelzende  Gefühl  der  Liebe:  .  .  .  Die  Religiosität 
Luthers  wehrt  sich  gegen  den  Schnitt  in  die  ganze  lebendige  Menschennatur,  durch 
den  die  Passionen  von  dem  Gottverwandten  losgelöst  werden.  Sie  setzt  dem 
mönchischen  ein  menschlich  volles  Ideal  gegenüber,  welches  die  ganze  menschliche 
Lebendigkeit  in  das  religiöse  Verhältnis  aufnimmt  und  in  ihm  zur  christlichen  Vollkommen- 
heit erhebt."  D.  weist  dann  aber  auch  mit  grosser  Schärfe  auf  die  schwachen  Seiten  der  re- 
formatorischen Bewegung.  „DieReformation  hebt  den  ungeheuren  Widerspruch  des  katho- 
lischen Kirchensystems  auf,  welches  für  die  tiefinnerliche,  weitabgewandte  Lebens- 
stellung eine  weltbeherrschende  Organisation  erstrebt  hatte;  aber  sie  ist  nicht  im  stände, 
aus  sich  heraus  eine  neue  Ordnung  der  Gesellschaft  zu  gestalten."  C.  Weiter  zeigt  nun  D., 
wie  sich  zunächst  der  Gedanke  einer  natürlichen  Religion  vorbereiten  konnte.  Ein  „religiös- 
universalistischer Theismus"  hatte  sich  schon  vor  Luther  gebildet,  d.  h.  „die  Ueber- 
zeugung,  dass  die  Gottheit  in  den  verschiedenen  Religionen  und  Philosophien 
gleicherweise  wirksam  gewesen  sei  und  noch  heute  wirke."  Schon  im  Mittelalter  bei 
einzelnen  entwickelt  (Friedrich  IL),  bei  den  Italienern  des  15.  Jh.  ausgebildet  (Er- 
zählung von  den  drei  Ringen),  wird  er  von  Erasmus,  Reuchlin,  Mutian  und  den 
Erfurter  Humanisten  übernommen,  als  wahre  Theologie  im  Reuchlinschen  Streit  ver- 
fochten. Er  war  lebendig  bei  den  Spiritualisten.  Luther  warf  sich  ihm  entgegen  und 
erneute  die  Paulinische  Rechtfertigungslehre.    Er  trennte  sich  von  Zwingli,  sagte  sich 


V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  5:i 

los  vonErasmus  und  überliessdieSpiritualisten  der  Verfolgung-:  „Die  Danaidenarbeit  der 
theologisch-metaphysischen  Systembild  ung  begann  in  dieser  Kirche  von  neuem."  Gleich- 
wohl führten  verschiedene  Umstände  zur  Stärkung  der  neuen  Bewegung:  I.  Die  Zersplitte- 
rung der  Konfessionen  und  das  stärker  werdende  Toleranz-  und  Friedensbedürfnis  lässt 
den  Menschen  dieses  Zeitalters  in  noch  unbestimmten  Umrissen  die  Anschauung  einer 
allen  frommen  Menschen  gemeinsamen  Wahrheit  auftauchen.  Coornhert,  anknüpfend 
an  den  Rationalismus  des  Erasmus,  bereitet  dafür  in  den  Niederlanden  den 
Boden,  wo  nach  ihm  der  Zwang  der  Verhältnisse  diese  Ideen  ausbreitet  (Koolhaes, 
Duifhuis,  Peter  van  Hoft,  Oldenbarneveldt).  Arminius  in  Leyden  leitete  die 
grosse  Friedenstendenz  Coornherts  in  engere  theologische  Bahnen.  Die 
niederländische  Bewegung  griff  nach  England  hinüber  (John  Haies,  Falkland,  Chilling- 
worth,  Jerenry  Taylor),  wo  auch  die  lndependenten  Gewissensfreiheit  forderten  (Milton), 
und  nach  Amerika  (Roger  Williams).  In  Deutschland  entstand  bei  Calixt  „die  Idee 
eines  gemeinsamen  Lehrbegriffs,  in  welchem  die  Konfessionen  sich  vereinigen  könnten." 
Um  von  dieser  Anschauung  einer  allen  Religionen  gemeinsamen  Wahrheit  zu  dem 
Begriff  einer  natürlichen  Theologie  (Thomas  Morus,  Jean  Bodin,  Bacon,  Herbert  von 
Cherbury  usw.)  zu  kommen,  bedurfte  es  des  Gedankens  von  der  Rationalität  des 
gemeinsamen  Kernes  aller  wahren  Religion,  der  seinerseits  den  Begriff  natürlicher  An- 
lagen, angeborener  moralischer  und  religiöser  Kräfte  voraussetzt.  Für  dessen  erneute  Aus- 
bildung aber  war  die  im  Humanismus  wirksame  und  in  der  niederländischen  Philologie 
kulminierende  Erneuerung'  der  römischen  Stoa  von  Bedeutung.  IL  Ein  zweiter  Vor- 
gang, der  das  natürliche  System  und  seine  Macht  vorbereitete,  vollzog  sich  im  Schosse 
der  Kirchen  selber  und  bestand  in  der  Entstehung  des  historisch  -  kritischen 
Denkens  und  in  der  Auflösung  des  Dogmas  von  innen.  D.  unterscheidet  drei  Rich- 
tungen innerhalb  der  Theologie  des  16.  Jh.:  die  kirchliche  Theologie,  den  moralischen 
Rationalismus  und  das,  was  er  transscendentale  Theologie  nennt.  1.  Dadurch,  dass 
das  Prinzip  der  Tradition,  welches  die  einheitliche  kirchliche  Theologie  des  Katholi- 
zismus zusammengehalten  hatte  und,  wie  dies  später  immer  deutlicher  wurde,  weniger 
die  Kontinuität  der  Entwicklung  bezeichnete  als  „die  fortschreitende  Bestimmung 
des  Willens  zu  einem  System  von  Gesetzen,  deren  keines  zurückgenommen,  jedes 
vielmehr  nur  näher  interpretiert  werden  durfte",  vom  Protestantismus  verworfen 
wurde,  war  man  bei  der  Unsicherheit  und  dem  Zwiespalt  der  Konfessionen  zu  fort- 
währender wissenschaftlicher  Erforschung  der  Grundlagen  des  Christentums  getrieben. 
So  entstand  infolge  des  Kampfes  a)  ein  grosser  Fortschritt  der  historischen  Kritik 
(Prüfung  der  kirchlichen  Tradition:  Flacius);  b)  die  Ausbildung  der  Hermeneutik 
(Streit  über  die  Sufficienz  der  heiligen  Schrift;  der  „goldene  Schlüssel"  des  Flacius; 
Richard  Simon,  Franz,  Glassius).  2.  Die  zweite  theologische  Richtung,  der  Ratio- 
nalismus, wird  von  Erasmus  begründet  und  wurzelt  in  der  humanistischen  Auf- 
klärung der  Valla  und  Vives.  Erasmus  bekämpft  siegreich  Luthers  Willenslehre  und 
beginnt  schon,  obwohl  sich  geschickt  akkommodierend,  die  Dogmatik  zu  unter- 
minieren. Von  ihm  führt  eine  gerade  Linie  zu  Coornhert,  den  Socinianern  und  Ar- 
minianern, von  da  zu  den  Deisten.  „Das  Epochemachende  im  sociniomischen 
System  liegt  in  der  hellen,  scharfen  und  klaren  Durchführung  des  Prinzips,  dass  das 
neue  protestantische  Christentum  sich  vor  der  humanistischen,  erasmischen,  historisch- 
kritischen, formalen  und  moralischen  Vernunft  des  grossen  vorwärtsschreitenden  Jh. 
rechtfertigen  müsse."  Hugo  Grotius  „geht  in  seiner  Apologie  des  Christentums  von 
dem  Zusammenhang  der  Menschen  mit  Gott  und  dem  Streben  derselben,  zur  Glück- 
seligkeit zu  gelangen,  aus."  Er  prüft  die  Quellenberichte  und  schliesst  aus  den 
Wundern  und  der  Auferstehung  auf  ein  göttliches  Mandat  Christi.  Derartige  Be- 
strebungen mussten  zu  einer  verbesserten  Interpretation  und  Hermeneutik  führen. 
Eine  grammatisch-historische  Methode  der  Hermeneutik  bildet  sich  aus  durch  Buxtorf, 
Joh.  Alph.  Turretin,  Wetstein.  Die  erste  Form  der  historischen  Interpretation  ist  die 
Akkomodationstheorie.  Gottes  Wort  passt  sich  den  bestimmten  historischen  Ver- 
hältnissen an,  in  denen  es  wirken  soll.  Historisch  und  kritisch  prüfen  Arminianer 
und  Socinianer  die  Dogmen.  Die  Stärke  der  socinianischen  Dogmenkritik  beruht 
darin,  dass  der  Zusammenhang,  die  innere  Verkettung  der  Dogmen  Gegenstand  der 
Krilik  wird  (die  Lehre  von  der  ursprünglichen  Vollkommenheit  des  Menschen,  der 
Erbsünde,  von  Christi  Opfer  und  der  Satisfaktion,  der  Trinität  und  Gottmenschheit). 
3.  Die  transscendentale  oder  spekulative  Theologie  hat  sich  aus  der  Mystik  entfaltet. 
Ein  religiös  universaler  Pantheismus  bildete  sich  in  dem  revolutionären  Chaos,  das 
die  Namen  Hubmaier,  Denck,  Hetzer,  Grebel,  Karlstadt,  Münzer,  Schwenckfeld  etc. 
bezeichnen,  und  tritt  klar  in  Sebastian  Franck  hervor,  den  D.  im  Gegensatz  zu 
anderen  Forschern  als  Begründer  der  modernen  Geschichts-  und  Religionsphilosophie 
charakterisiert.  In  Frankreich  vollzog  Jean  Bodin  in  seinem  hs.  verbreiteten  „Hepta- 
plomeres"  eine  Verbindung  mit  dem  moralischen  Rationalismus.  Er  betont  die  Ver- 
wandtschaft aller  Religionen  und  wirft  die  Frage  auf,  wie   die  Einzelreligionen    sich 


III  5  :  i  V.  Michels,  Didaktik  des  17./ 18.  Jahrhunderts. 

zu  der  Naturreligion  und  unter  einander  verhalten.  Das  Kriterium  der  wahren  Re- 
ligion kann  er  nicht  entdecken  Eine  Entscheidung  ist  für  die  Seligkeit  nicht  er- 
forderlich. „Mit  dieser  Richtung  auf  die  natürliche  Religion,  welche  nunmehr  für  die 
Seligkeit  zureichend  gefunden  wird,  gehen  die  Probleme  aus  der  Hand  der  Theologen 
in  die  der  Philosophen  über."  D.  weist  den  Einfluss  der  römischen  Stoa,  den  er  vielleicht 
etwas  überschätzt,  auf  Petrarca,  Salutato,  Aretin,  Valla,  Agricola,  Zwingli  nach. 
III.  Die  in  den  kirchlichen  Dogmatiken  des  16.  Jh.  gemachten  Versuche,  das  theologisch- 
metaphysische System  zu  retten,  zeigen  nur  seine  Selbstauflösung.  „Melanchthon 
ist  für  Deutschland  das  Mittelglied,  welches  die  alten  Philosophen  und  deren  Tra- 
dition in  den  mittelalterlichen  Schriftstellern  mit  dem  natürlichen  System  des  17.  Jh. 
verbindet.  Dies  natürliche  System  ist  bei  ihm  schon  in  allen  Grundzügen  fest  ver- 
zeichnet." In  einer  feinsinnigen  Analyse  der  Ansichten  Melanchthons,  die  wir  nicht 
in  ihren  Einzelheiten  wiederholen  können,  zeigt  D.,  wie  nach  Melanchthon,  der  in 
seinen  philosophischen  Anschauungen,  was  bisher  nicht  genügend  beachtet  war,  in 
allererster  Linie  durch  Cicero  beeinflusst  ist,  sowohl  die  Wissenschaften  als  der  christ- 
liche Glaube  ihre  letzten  Bedingungen  im  natürlichen  Lichte  („lumen  naturale") 
haben.  Die  Uebernahme  der  paulinischen  Rechtfertigungslehre  nebst  ihren  Voraus- 
setzungen hatte  die  unvermeidliche  Folge,  dass  Melanchthon  immer  mehr  von  den 
metaphysischen  Bestimmungen  des  älteren  kirchlichen  Dogmas  in  seine  Glaubenslehre 
(„Loci  communes")  zurückzunehmen  genötigt  war  und  so  dem  wahren  protestantischen 
Geiste,  den  die  erste  Auflage  zeigt,  sich  entfremdete.  Zwingiis  Dogmatik  („De  vera 
et  falsa  religione"  1524)  war  überhaupt  spekulativer  angelegt.  Er  gebt  gemäss 
seinem  universalistischen  Theismus  aus  von  dem  allgemeinen  Begriff  der  Religiosität, 
dem  die  ganze  Menschheit  durchwaltenden  Gottesbewusstsein.  Er  gewinnt  den  Zu- 
sammenhang mit  dem  historischen  Christus  und  den  Rechtsgrund  für  die  reforma- 
torische Dogmatik  nur  dadurch,  dass  ihm  die  Bibel  die  Manifestation  Gottes  ist  und 
ihre  Auslegung  von  göttlichem  Geiste  geleitet  wird.  Bei  Kalvin  dagegen,  einer  ganz 
romanischen  regimentalen  Natur,  ist  das  absolute  Machtwirken  Gottes  der  Ausgangs- 
punkt, und  „das  gefahrvolle,  aber  willensmächtige  Dogma  von  der  Unverlierbarkeit 
der  Gnade"  bezeichnet  „den  äussersten  Punkt  menschlicher  Selbstgewissheit".  Da 
aber  Kalvin  jede  auch  formale  Hülfe  der  Philosophie  verschmäht  und  der  Standpunkt 
der  Gnadenmacht  wichtige  Elemente  der  christlichen  Religiosität,  so  die  Anforderungen 
des  Gesetzes  an  jeden  Menschen,  das  biblisch  ausgedrückte  Bewusstsein  der  Ver- 
antwortung, das  Recht  Gottes  zu  ewigen  Strafen,  das  im  Glaubensprozess  enthaltene 
Bewusstsein  der  Mitwirkung  des  Menschen  an  der  Erzielung  des  Heils,  gar  nicht  zu 
erklären  vermag,  so  „findet  sich  die  Dogmatik  doch  überall  auf  die  Unerkennbarkeit 
ihres  letzten  Zusammenhanges,  auf  das  Mysterium  oder,  was  dasselbe  ist,  auf  die 
skotistische  Willkür  in  Gott  und  die  Verurteilung  der  menschlichen  Neugier  zurück- 
geworfen." So  werden  die  Geister  von  dem  historischen  Christentum  ab-  und  zur 
Behauptung  der  Autonomie  des  religiösen  Bewusstseins  hingedrängt.  Zuerst  stellte 
Herbert  von  Cherbury  den  Satz  auf,  die  Vernunft  besitze  in  sich  selbst  das  Vermögen 
aller,  auch  der  religiös-moralischen  Wahrheiten.  Bedeutend  für  die  Folgezeit  wurde 
derjenige  Teil  seines  Werkes,  in  welchem  er  die  Möglichkeit  wahrer  Erkenntnis  zu 
erweisen  unternahm  und  durch  das  Zusammenwirken  von  natürlichem  Instinkt, 
äusserer  und  innerer  Erfahrung  und  diskursivem  Denken  begründete.  Die  allgemeine 
Uebereinstimmung  ist  das  Merkmal  der  höchsten  Wahrheiten.  Seine  Lehre  ist  nach 
D.  der  Versuch,  „das  Problem. des  Erkenntnisvermögens  durch  die  Lehre  der  Stoa 
von  dem  instinctus  naturalis  und  den  notiones  communes  aufzulösen."  „Die  Sonderung 
der  vier  Faktoren  der  Erkenntnis,  die  Bestimmung  der  überwiegenden  Bedeutung 
des  instinctus  naturalis,  als  welcher  die  höchste  und  absolut  unantastbare  Instanz 
bildet:  diese  Lehre  bildet  den  moralischen  Rationalismus  des  18.  Jh.  bis  zu  Kant 
und  Jacobi".  „Das  Problem  der  Erkenntnis  konnte  er  aber  im  Sinne  objektiver 
Giltigkeit  desselben  nur  dadurch  auflösen,  dass  er,  wiederum  im  Einverständnis  mit 
den  Alten,  die  Gewähr  für  die  objektive  Bedeutung  der  Evidenz  und  der  Allgemein- 
geltung  in  der  Verwandtschaft  der  menschlichen  Vernunft  mit  der  objektiven  Ver- 
nunft des  Universums  fand."  So  bildet  sich,  nachdem  das  theologisch-metaphysische 
System  im  15.  und  16.  Jh.  erschüttert  ist,  auf  dem  neuen  Boden  einer  mündig  ge- 
wordenen Wissenschaft  ein  neues  wissenschaftliches  System,  welches  allgemein  gültige 
Prinzipien  für  die  Führung  des  Lebens  und  die  Leitung  der  Gesellschaft  gewährte. 
D.  Den  Mut,  diese  am  meisten  verwickelte  und  schwierigste  aHer  Aufgaben  zu  lösen,  ge- 
wann schliesslich  die  menschliche  Vernunft  durch  die  ausserordentliche  Steigerung*  der 
Souveränität  des  Menschen  gegenüber  der  Natur  und  die  Erschliessung  des  Universums 
durch  das  rechnende  Denken  (Kopernicus,  Kepler,  Galilei,  Bacon).  1.  Die  Autonomie 
der  menschlichen  Vernunft  in  Bezug  auf  die  sittliche  Lebensführung  der  Einzelperson 
ist  zuerst  von  Bacon  in  England  und  von  Charron  in  Frankreich  ausgesprochen 
worden.     Bacon  löst,  die  moralische  Wissenschaft  völlig  los  von  der  Ideologie.   „Die 


V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  5  .  1 

sittlichen  Ordnungen  stehen  unter  einem  Naturgesetz."  Von  ihm  ist  jedem  Menschen 
ein  Bewusstsein  mitgegeben,  welches  freilich  verdunkelt  sein  kann.  Das  äussere 
Merkmal  dieses  Gesetzes  ist  der  consensus.  „Die  Herrschaft  dieses  Naturgesetzes  be- 
greifen und  fördern,  heisst,  es  psychologisch  auffassen."  So  entsteht  die  Aufgabe,  „nicht 
bloss  die  Regeln  des  sittlichen  Lebens  aufzustellen,  sondern  über  die  Mittel  der  Unter- 
ordnung unserer  Affekte  unter  das  natürliche  Gesetz  praktische  Sätze  abzuleiten." 
Charron  geht  davon  aus,  dass  das  Fundament  der  Weisheit  ist,  sich  selbst  zu  stu- 
dieren und  kennen  zu  lernen.  Der  Mensch  soll  seine  moralische  Gebrechlichkeit  und 
seine  miserable  Lage  kennen  lernen:  die  Geieralregel  der  Weisheit  aber  empfängt 
er  von  der  Natur  selber,  da  die  Moral  von  Religion  und  Kirche  unabhängig  ist. 
Lebensideal  ist  die  prud'hommie.  „Die  wahre  prud'hommie  ist  männlich  und  edel, 
lachend  und  freudig,  immer  sich  selbst  gleich  und  beständig;  sie  geht  mit  festem, 
stolzem  Tritt,  sie  hält  immer  ihren  Kurs  inne,  sie  blickt  nicht  seitwärts,  nicht  rück- 
wärts, sie  ändert  ihren  Schritt  und  ihre  Weise  nicht  nach  Wind,  Zeit  und  Gelegen- 
heiten." Die  Regeln  für  diese  prud'hommie  giebt  die  Natur.  In  uns  ist  die  all- 
gemeine Vernunft  (raison  universelle)  durch  die  Natur  gelegt.  „Daher  sagt  die 
Doktrin  aller  Weisen  aus:  wohl  leben  heisst  secundum  naturam  leben:  das  höchste 
Gut  ist  mit  sich  übereinstimmen."  2.  Die  zweite  grossere  Aufgabe  war  die  Ordnung 
der  europäischen  Gesellschaft.  „Aus  den  Prinzipien  der  biblischen  Schriften  war 
nur  Ein  folgerichtiges  Ideal  des  Gemeinlebens  abzuleiten:  eine  auf  Bruderliebe  und 
Gemeinsamkeit  des  Besitzes  gegründete  theokratische  Ordnung.  Der  Widerspruch 
derselben  mit  den  thatsächlichen  Lebensbedingungen  erwies  sich.  So  fand  man  sich 
auf  die  politische  Philosophie  angewiesen.  Hierbei  war  das  juristische  und  politische 
Denken  der  Römer  und  der  von  ihnen  bedingten  griechischen  Autoren,  wie  des  Po- 
lybius,  überall  leitend."  Macchiavelli  hat  zuerst  „den  regimentalen  Gedanken  der 
römischen  Welt  unter  den  neuen  Bedingungen  der  modernen  Völker  zur  Geltung 
gebracht."  Ihm  folgten  Guicciaixlini,  Paruta  und  Botero.  Im  Norden  haben  zwei 
„von  der  römischen  Stoa  genährte  und  erfüllte  Schriftsteller"  diesem  echtrömischen 
Prinzip  der  Staatsraison  eine  mehr  systematische  Gestalt  gegeben:  Scioppius  (Paediae 
politices,  herausgegeben  von  Conring  1613)  und  Justus  Lipsius  (Politica  1612).  Als 
wahrere  Fortbildungen  der  Staatsraison  des  Macchiavelli  dürfen  die  Schriften  des  Paolo 
Sarpi  über  die  venetianischen  Regierungsmaximen  (1615)  und  das  Testament  Richelieus 
gelten.  Aber  vorher  wurde  in  Frankreich  infolge'  der  religiösen  Bürgerkriege  und 
der  Protestantenverfolgungen  das  Recht  der  Fürsten  und  önterthanen  untersucht.  Die 
Bartholomäusnacht  rief  die  Schrift  des  Hotomanus  „De  iure  regum  libri  tres"  (Basel  1585) 
hervor.  Hubert  Languet  in  seiner  Schrift  „Vindiciae  contra  tyrannos"  (1569)  be- 
nutzte zuerst  den  griechisch-römischen  Begriff  des  Staatsvertrages,  um  das  Recht 
des  Widerstandes  gegen  den  Monarchen  abzuleiten.  „Nicht  minder  stark 
waren  die  Gründe  für  die  Ausbildung  eines  allgemein  gültigen,  mit  dem  Richteramt 
der  Vernunft  ausgestatteten  Naturrechts,  welche  zu  dieser  Zeit  in  den  socialen  und 
politischen  Gegensätzen  und  Forderungen  enthalten  waren."  „Diesen  Anforderungen 
an  ein  der  Zeit  entsprechendes  staatsrechtliches  und  politisches  System  haben  nun  drei 
grosse  W^erke  für  das  Zeitalter  entsprochen:  die  Staatslehre  des  Bodin  1577,  die  Politik 
des  Althus  1603  und  das  Völkerrecht  des  Hugo  de  Groot  1625."  „Bodin  ist  der 
grosse  Theoretiker  der  absoluten  Monarchie,  welche  die  Gewissensfreiheit  achtet  und 
die  Wohlfahrt  des  Ganzen  zu  verwirklichen  strebt."  „Die  allgemeinen  Grundlagen 
alles  geselligen  Lebens  der  Menschen  sind  die  göttlichen  und  natürlichen  Gesetze;  alle 
Fürsten  der  Erde  sind  den  göttlichen  Gesetzen  unterworfen,  und  es  steht  nicht  in 
ihrer  Befugnis,  diesen  entgegen  zu  handeln."  Bodin  leugnet  die  Pflicht  des  Gehorsams, 
wo  das  göttliche  Gesetz  und  die  Grundgesetze  der  Natur  verletzt  werden.  „Auf  diesen 
Grundlagen  entsteht  die  Regierungsgewalt  vermittelst  des  Staatsvertrags.  Bodin 
schliesst  jede  Teilung  der  Staatsgewalt,  sonach  auch  jede  staatsrechtlich  bestimmte 
Mitwirkung  anderer  Faktoren  mit  dem  Souverän  aus"  („princeps  legibus  solutus 
est").  „Die  Monarchie  allein  ist  im  stände,  das  demokratische  Prinzip  der  Gleichheit 
und  das  aristokratische  der  Abmessung  von  Pflichten  und  Rechten  im  Staate  zu  ver- 
binden." Im  klaren  Anschluss  an  ihn  und  im  klaren  Gegensatz  zu  ihm  hat  Althus 
zuerst  die  „Majestät"  des  Volkes  proklamiert  und  der  Volksversammlung  als  ihr 
unzerstörbares  Recht  die  Ausübung  der  parlamentarischen  Befugnisse  zugeschrieben. 
Hugo  Grotius  geht  aus  von  dem  Begriff  einer  allgemeinen  Jurisprudenz.  Alles  Recht 
beruht  auf  der  Uebereinkunft;  diese  aber  holt  ihre  verpflichtende  Kraft  aus  dem 
natürlichen  Recht.  „Das  Naturrecht",  lehrt  Grotius,  „ist  so  unveränderlich,  dass  es 
selbst  von  Gott  nicht  verändert  werden  kann  ....  So  wenig  Gott  bewirken  kann, 
dass  zwei  mal  zwei  nicht  vier  ist,  ebensowenig  kann  er  bewirken,  dass  das,  was 
seiner  inneren  Natur  nach  schlecht  ist,  nicht  schlecht  sei."  Das  Problem  ist,  die  all- 
gemein gültigen  und  notwendigen  Begriffe  und  Sätze  des  Naturrechts  aufzufinden; 
dafür  verwertet  Grotius  sowohl  die  analytische  (indirekte,   stoisch-römische)  Methode, 


III  5  :  2-3  V.  Michels,  Didaktik  des  17./ 18.  Jahrhunderts. 

die  den  naturrechtlichen  Charakter  eines  Begriffs  oder  Satzes  aus  dem  consensus 
gentium  herleitet,  als  die  synthetische  oder  direkte,  die  ihn  aus  der  Natur  des  Menschen 
m  der  Gesellschaft  ableitet.  So  sucht  Grotius  das  Recht  der  privaten  Notwehr,  des 
Privateigentums,  die  Personenrechte  (erworben  u.  a.  durch  Zeugung),  das  Straf- 
recht zu  begründen.  E.  Alle  diese  Bewegungen  führen  schliesslich  zur  Herbeiführung 
eines  in  naturgegebenen,  evidenten  Begriffen  und  Sätzen  ruhenden  natürlichen  Systems. 
„Der  Fortschritt  vollzieht  sich  in  der  Durchführung  eines  autonomen  rationalen 
Systems:  der  Konstruktion  des  Universums  durch  die  Vernunft."  Zwei  Formen  bilden 
sich:  die  deistische  Lehre  vom  Universum,  begründet  durch  den  Begriff  des  Descartes 
von  der  Maschine  der  Welt  („Der  ganze  materielle  Mechanismus  ist  nach  ihr  nur 
Instrument  für  die  konstruktive  Vernunft  in  der  Gottheit  und  der  Einzelperson"), 
und  die  pantheistische  oder  panentheistische  Lehre,  „angelegt  in  dem  Panpsychismus, 
welcher  nach  Aufgabe  der  substanzialen  Formen  vom  antik  mittelalterlichen  Vernunft- 
system als  Erklärung  des  Lebens  in  der  Natur  aus  einwohnenden  psychischen  Kräften 
übrig  blieb."  Schon  von  den  Okkamisten  Pierre  dAilly,  Joh.  Charlier  Gerson,  Rai- 
mund von  Sabunde,  Nicolaus  von  Cusa  vertreten,  mit  phantastischer  Naturerklärung 
von  Reuchlin,  Agrippa,  Paracelsus,  mit  alexandristischem  Naturalismus  von  Pomponazzi 
ausgebildet,  erlangte  er  seinen  Höhepunkt  in  Giordano  Bruna,  Spinoza,  Shaftesbury. 
D.  bemüht  sich  zum  Schluss  den  Einfluss  der  Stoa  auf  Spinoza  nachzuweisen.  — 

Die  Linien,  die  Dilthey  gezogen  hat,  lassen  sich  weiter  verfolgen.  An  das, 
was  über  das  Ideal  des  Uomo  universale  gesagt  wird  und  die  Unfähigkeit  der  Refor- 
mation, dieses  neue  Lebensideal  in  Wirklichkeit  umzusetzen,  sähe  man  gern  eine 
Schilderung'  des  Strebens  nach  freierer  WTeltbildung  angeknüpft,  die  auch  im 
Deutschland  des  17.  Jh.  zum  Durchbruch  kommt.  Das  hat  nun  freilich  Borinski2) 
nicht  geleistet,  der  die  Hoflitteratur  an  den  spanischen  Jesuiten  Balthasar  Gracian 
anknüpft;  aber  er  hat  wenigstens  wertvolle  Bausteine  dafür  geliefert.  Wenn  man  von 
Diltheys  Ausführungen  kommt,  so  empfindet  man  den  Mangel  an  Durcharbeitung  des 
Stoffs  und  Schärfe  der  Darstellung  in  dem  gelehrten  Buche  doppelt  schmerzlich.  Wer 
die  einschlägige  Litteratur  mehr  oder  weniger  gut  kennt,  wird  von  B.  vielfache 
Förderung  erfahren;  aber  mit  Recht  betont  dieser  selbst,  dass  er  sich  auf  ein  wenig 
betretenes  Gebiet  begiebt:  da  hätte  er  doch  seinen  Lesern  etwas  mehr  zu  Hülfe  kommen 
sollen.  In  vier  sehr  lehrreichen  Kapiteln  schildert  er  den  Vf.  des  „Oraculo  Manual", 
das  uns  Schopenhauer  erneuert  hat,  als  einen  Mann  von  bitter  pessimistischen  Ansichten 
über  die  Menschenwelt,  die  er  in  ihrer  Nichtigkeit,  Kleinlichkeit,  Bosheit  und  Elendigkeit 
im  „Criticon"  abkonterfeit.  B.  setzt  diese  „unabhängige  Rücksichtnahme  auf  das 
Unzuverlässige,  Trügerische  der  Werterscheinung"  in  Beziehung  zu  der  „bald  in 
Frankreich  sich  systematisch  krystallisierenden  allgemeinen  Erkenntnis  von  der  Un- 
haltbarkeit  des  naiven  Illusionismus  der  Renaissance".  Gracian  will  enttäuschen;  er 
hat  aber  auch  ein  sehr  positives  Ideal.  Er  will  den  Mann  ziehen,  der  die  Welt  ver- 
steht und  sich  ihr  gegenüber  aufrecht  zu  halten  weiss.  Dieser  W7elt  gegenüber  sind 
die  Klugheitsregem  geboten,  die  Gracian  lehrt.  B.  betont  den  defensiven  Charakter, 
den  sie  zunächst  haben.  Vor  allen  Dingen  handelt  es  sich  darum,  zwei  Fähigkeiten 
virtuos  auszubilden:  vorauszusehen  und  abzuwarten.  Den  Mann,  der  die  Kunst  des 
Abwartens  begreift,  die  darin  besteht:  die  Dinge  reifen  zu  lassen,  hat  Gracian  in  der 
verlorenen  Schrift  „El  varon  atento"  geschildert;  den,  der  die  Kunst  der  beherrschenden 
Voraussicht  inne  hat,  die  auf  der  Ausübung  der  „moral  anatomia  del  hombre"  beruht, 
behandelt  er  im  „Discreto".  Wer  beide  vereinigt,  kann  durch  seine  Fähigkeiten  die 
Menschen  leiten  als  der  wahre  Held,  der  „Heroe",  der  im  Kampfe  mit  der  Welt 
seinen  Mann  steht.  Am  unfehlbarsten  wird  man  den  Mann,  der  dieser  Aufgabe  völlig 
gewachsen  und  auf  der  Höhe  ist  („el  hombre  en  su  punto"),  daran  erkennen,  dass 
er  die  Fähigkeit  besitzt,  auf  dem  Markte  des  Lebens  in  jedem  Augenblick  die  rechte 
Wahl  zu  treffen.  Diese  Fähigkeit  des  Auswählens,  die  nur  durch  eine  allgemeine 
Durchbildung  („cultura")  erworben  wird,  ist  der  Geschmack  („gusto"),  und  B.  führt 
diesen  für  die  ästhetischen  Theorien  des  17.  Jh.  und  der  Folgezeit  so  wichtigen  Begriff  auf 
Gracian  zurück.  Der  Geschmack  giebt  dem  Menschen  die  Sicherheit  des  Auftretens.  Er  ist 
unentbehrlich  für  den  Helden.  Denn  der  Höhepunkt  des  Geschmacks  besteht  darin, 
dass  man  es  in  der  Ausbildung'  seiner  Persönlichkeit  so  weit  gebracht  hat,  dass  die 
Menschen  —  um  B.s  Worte  zu  gebrauchen  —  „ihren  instinktiven  Hass  und  Wider- 
willen gegen  den  bevorzugten  Mitmenschen  aufgeben  und  in  dem  wohlthuenden  Ein- 
druck seines  Wesens,  gleichsam  im  Genüsse  seiner  schönen  Natur,  sich  entschädigt 
finden  für  den  unausbleiblichen,  immerwährenden  Stachel,  den  seine  Ueberiegenheit 
und  gar  seine  herrschende  Stellung  ihnen  auferlegt."  Das  aber  nennt  Gracian 
„galanteria"  und  er  hat,  wie  B.  weiter  ausführt,  ein  feines  Verständnis  auch  für  die 
Wirkung  liebenswürdiger  Schwächen,  die  mit  dem  Heldentum  verbunden  sind.    Auch 

509-45;  s.  auch  JBL.  1892  II  1  :  1.)  —  2)  (I  8  :  85;  III  1  :  206;  2  :  37.)    |[LCB1.  S.  1674/5  (tadolt  d    Stil).]|   —  3)  (III  1 :  191/3; 


V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  5:4-3? 

den  Ausdruck  „schöne  Seele"  möchte  B.  auf  Gracian  zurückführen;  ob  mit  Recht, 
bleibe  dahingestellt.  Der  eigentliche  Beruf  des  für  die  beherrschende  Stellung  in 
der  Welt  gebildeten  Mannes  aber  ist  der  des  Staatsmannes,  des  „Politico".  So  finden 
sich  die  Ideale  des  17.  Jh.  bei  Gracian  bereits  vereinigt,  und  B.  weist  die  direkten 
Einflüsse  auf  die  Hoflitteratur  in  Deutschland  nach,  insbesondere  auf  Thomasius  und 
auf  Christian  Weise.  — 

In  einer  Anmerkung  hebt  Borinski  auch  den  Zusammenhang  von  Philipp 
Harsdörfers  Bestrebungen  mit  den  Idealen  der  Hofschule  hervor.  Ihm,  dem  Stifter 
des  pegnesischen  Blumenordens,  gilt  eine  etwas  langatmige  Biographie  von  Bischo  ff 3) 
in  sechs  Kapiteln:  1.  Lebensskizze,  2.  Fruchtbringende  Gesellschaft,  3.  Frauenzimmer- 
gesprächsspiele, 4.  Hirtenorden  an  der  Pegnitz,  5.  Philipp  Harsdörfer  als 
didaktisch-religiöser  Schriftsteller,  6.  Mathematisch-naturwissenschaftliche  Schriften. 
Das  alles  ist  mit  grosser  Belesenheit  behandelt,  ohne  dass  der  Versuch,  Harsdörfer 
zu  „retten",  recht  geglückt  wäre.  Für  die  Lebensskizze  ist  das  hs.  Harsdörfersche 
„Familienbuch"  benutzt.  Auszüge  sind  sehr  reichlich  eingestreut;  auch  ist  zum 
Schluss  eine  Bibliographie  und  eine  Anthologie  „Poetisches  aus  Harsdörfers  Werken" 
angefügt.  Bildet  B.s  Aufsatz  den  Hauptteil  der  umfangreichen,  mit  schönen  Illustrationen 
geschmückten  Festschrift  zum  250jährigen  Bestehen  des  Blumenordens,  so  wird  man 
doch  auch  die  knappe  Biographie  des  zweiten  Stifters  Siegmund  von  Bircken  durch 
August  Schmidt  recht  lesbar  finden.4-9)  — 

ImGrunde  genommen  ist  es  gleichfalls  dasStreben  nach  weltmännischer  Bildung, 
einer  Bildung  die  mit  der  der  übrigen  Nationen  wetteifern  kann,  was  bei  den  Be- 
mühungen der  Sprachgesellschaften  hervortritt.  Sie  haben  diesmal,  ausser 
dass  das  einschlägige  Kapitel  bei  Bischof  Harsdörfers  Beziehungen  zur  „Frucht- 
bringenden Gesellschaft"10)  im  wesentlichen  auf  Grund  des  bekannten  Quellen werks 
von  Krause  darstellt,  keine  Behandlung  erfahren.  Doch  sei  bemerkt,  dass  Gräfu) 
zu  seiner  Dissertation  über  den  „Sprach verderber"  (JBL.  1893  III  5  :  6)  einen  Nachtrag 
bringt,  indem  er  eine  Ausgabe  nachweist,  die  zu  „Colin.  Vor  den  Minnenbrüder  im 
Loret.  Anno.  MDCLXVII"  erschienen  ist  und  die  Vorlage  für  den  Abdruck  in  Cocays 
„Teutschem  Labyrinth"  zu  sein  scheint.  — 

Weniger  Förderung  als  im  Vorjahr  hat  die  Kenntnis  der  religiösen 
Bewegung  erfahren.  Ein  Buch  wie  Grünbergs  Spener  (JBL.  1893  III  1  :  90;  5  :  22) 
fehlt  diesmal.12)  —  Von  Katholiken  erfreut  sich  Abraham  a  Sancta  Clara13-15) 
dauernder  Popularität;  auch  hat  von  Schulte16)  dem  Jesuiten  Petrus  Tyräus  einen 
Artikel  gewidmet ;  unter  den  Protestanten  haben  ausser  ein  paar  gelehrten  Theologen i"-21) 
und  Predigern22-28)  des  17.  Jh.,  der  gutartige  Schwärmer  Johann  Tennhart 
(gest.  1721)  durch  Tschack  er  t29),  F.  Brekling  (gest.  1711)  durch  Moltesen30), 
der  Erbauungsschriitsteller  und  der  Dogmatiker  Ph.  J.  Tilemann  gen.  Schenck,  durch 
Bess31)  Behandlung  gefunden.  B.  giebt  eine  kurze  Charakteristik  der  Schriften: 
„Tägliche  Opfer  aller  Christen  in  geistreichen  Andachten  und  schönen  seelenrührenden 
Gebehten  auf  alle  Morgen  und  Abend  der  gantzen  Wochen  gerichtet,  Breslau  1673" 
und  „Sechzehn  Stufen  des  Gnadenthrons  Jesus  Christus,  begreiffend  acht  Vor- 
bereitungen und  soviel  Danksagungen  auf  jedweden  Tag  in  der  Woche  vor  und 
nach  dem  Gebrauch  des  heiligen  Abendmahls,  Cöthen  1680".  Als  Vorbild  habe  das  4.  Buch 
der  „Imitatio  Christi"  gedient.  —  August  Hermann  Franckes  Leben  ist  von  Armin 
Stein32)  zu  einer  populären  Biographie  verarbeitet  worden,  die  uns  nicht  zugänglich 
war.  —  Der  Famulus  Franckes  in  Leipzig,  Mitbegründer  des  „Collegium  philobiblicum" 
und  spätere  Dekan  der  Nikolauskirche  zu  Berlin,  Johann  Kaspar  Schade  (1666—98), 
ist  durch  L  o  m  m  a  t  z  s  c  h 33)  behandelt  worden,  der  seine  deistischen  Neigungen,  den 


2:22.)  —  4)  X  H.  Pfeilschmidt,  Deutschlands  älteste  litt.  Gesellschaft:  FZg.  N.  178.  —  5)  X  0.  Beringer,  Z.  250j 
Jnbil.  d.  Pegnes.  Blumenordens:  IllZg.  102,  S.  709-10.  (Schilderung  d.  Irrhains  mit  Illustr.)  —  6)  X  id-.  D-  Irrhainfest  d. 
Pegnes.  Blumenordens:  ib.  103,  S.  134.  (Mit  Illustr.)  —  7)  X  H.  B[öschJ,  D.  250j.  Jubelfeier  d.  Pegnes.  Blumenordens: 
Gartenlaube  S.  372.  —  8)  X  Altes  u.  Neues  aus  d.  Pegnes.  Bluraenorden  (JBL.  1893  III  5:3):  WIDM.  75,  S.  655.  —  9)  X 
0.  M.,  D.  Stifter  d.  Pegnitzordens.  E.  Jubil.-Betrachtung:  Sammler*.  N.  81.  —  10)  X  R-  G-.  Harsdörfer  u.  d.  dtsch.  Sprache : 
NatZg.  H.  650.  —  11)  H.  Graf,  E.  bis  jetzt  unbek.  gebliebene  Ausg.  d.  dtsch.  Sprachverderbers:  ZDU.  8,  S.  185,6.  —  12)  X 
(III  1  :  175a.)  —  13)  X  H.  J.  Dieckmann,  Abraham  a  Sancta  Clara:  Sammler  A.  N.  78.  —  14)  X  E-  Predigt  d.  Abraham 
a  Sancta  Clara:  ib.  N.  82.  —  15)  X  M-  Beck,  Abraham  a  Sancta  Clara:  LZg».  N.  79.  —  16)  A.  v.  Schulte,  P.  Thyräus: 
ADB.  38,  S.  238.  -  17)  X  '•  C.  van  Slee,  Ewald  Teelinck:  ib  37,  S.528.— 18)  X  id.,  W.  Teelinck:  ib.  S.  527/8.  —  19)XC.E. 
Carstens,  Nie.  Teting  (N.  Knutsen):  ib.  S.  5902.  -  20)  X  ?•  Tschackert,  Th.  Thumm:  ib.  38,  S.  169-71.  -  21)  X  L- 
Stieda,  Zwei  Königsberger  Gelehrte  d.  17.  u.  18.  Jh.  D.  beiden  Schreiber  (Vater  u.  Sohn):  AltprMschr.  31,  S.  385-430. 
(1.  Art.  Behandelt  D.  Mich.  Schreiber,  ord.  Prof.  d.  Theolog.  an  d.  Univ.  zu  Königsberg,  geb.  1662,  gest.  1712;  mit  ausfuhr!. 
Schriftenverzeichnis.)  —  22)  X  Chrn.  Meyer,  Joh.  E.  Teichmann:  ADB.  37,  S.  541,2.  —  23)  X  w-  Harless,  W.  Teschen- 
macher:  ib.  S.  582/4.  —  24)  O  X  Lamparter,  Jac.  Fabricias:  Pfarrhaus  10,  S.  1812.  (Hofprediger  Gustav  Adolfs.)  — 
25-26)  X  (HI  1  :  172.)  (JBL.  1893  III  5  :  19.)  —  27)  X  Ueber  •&•  25  6:  MhComeniusGes.  3,  S.  236/7.  -  28)  O  XX  (IH  1  =  171.) 
[J.  Heidemann:  MhComeniusG.  3,  8.  228-31.]|  —  29)  P.  Tschackert,  Joh.  Tennhart:  ADB.  37,  S.  570  1.  —  30)  O 
L.  J.  Moltesen,  Fredrik  Brekling  et  Bidrag  tit  Pietismens  üdviklings  Historie.  Köbenhavn,  Schönberg.  1893.  IV,  188  S. 
|[G.  D ah  1  mann:  ThLBl.  15,  S.  574]]  —  31)  B.  Bess,  Ph.  Joh.  Tilemann,  gen.  Schenck:  ADB.  38,  S.  297,8.  —  32)  O  X  X 
Armin  Stein  [=  H.  Nietschmann],  A.  H.  Francke,  Zeit-  u.  Lebensbild  aus  d.  Periode  d.  dtsch.  Pietismus.  3.  Aufl. 
(=  Dtsch.  Geschichts-  u.  Lebensbilder.  3.  Bd.)  Halle  a.  S.,  Waisenhaus.  XHI,  353  S.  Mit  Bild.  M.  3,60.  —  33)  S. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (3)5 


III  5:34-51  V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

Hass  gegen  alle  Heuchelei  und  die  mancherlei  Gewissensnöte,  mit  denen  Schade  zu 
kämpfen  hatte,  entwickelt  und  auch  eine  eingehende  Bibliographie  anfügt.  —  Für 
Zinzendorf34)  sucht  von  Natzmer35),  wie  es  scheint,  ein  Nachkomme  von 
Zinzendorfs  Stiefvater,  durch  Auszüge  aus  dem  hs.  Tagebuch  des  jungen  Grafen  in 
etwas  umständlicher  Weise  und  mit  ermüdender  Weitschweifigkeit  den  Beweis  zu  führen, 
dass  die  Wahl  des  Hofmeisters  Crisenius  für  Zinzendorf  eine  recht  unglückliche  war 
und  die  schlechte  Behandlung,  unter  der  der  junge  Graf  im  Franckeschen  Institute  zu 
leiden  hatte,  im  wesentlichen  auf  diesen  zurückzuführen  sei.  Allerhand  Einzelheiten 
sind  von  Interesse,  die  Figuren  der  Mutter  und  Grossmutter  werden  greifbare  Persönlich- 
keiten.36) —  Von  dem  uns  nicht  zugänglichen  Buch  Burkhardts31)  über  die  Brüder- 
gemeinde, das  schon  1893  erschienen  ist,  ersieht  man  aus  K  o  1  d  e  s  Recension,  dass 
es  zwar  keine  kritische  Geschichte,  aber  ganz  geschickt  gearbeitet  ist,  —  Dem  Mit- 
begründer der  Brüdergemeinde,  dem  treuen  Mitarbeiter  Zinzendorfs,  Joh.  Töltschig, 
gilt  ein  biographischer  Artikel  von  L  i  e  r 38).  — 

Noch  schwächer  fliessen  die  Einzelbeiträge  für  die  gelehrte  Arbeit  des 
17.  Jh.  Durch  Halms  Aufsatz  in  den  Münchener  Sitzungsberichten  (1882)  sind 
Neidharts39)  Forschungen  über  die  Jenaer  Reden  des  Justus  Lipsius 
angeregt.  Seine  Arbeit  zerfällt  in  zwei  Teile.  Zum  Leben  bemerkt  N.,  Lipsius  habe 
jedenfalls  gelogen,  als  er  angab,  er  habe  in  Rom  Fehler  und  Schäden  der  Kirche 
durchschaut  und  sich,  da  er  schon  vorher  zur  „wahren"  Religion  hinneigte,  daraufhin 
zum  Protestantismus  bekehrt.  Die  in  der  zweiten  Jenaer  Rede  angegebenen  um- 
stände vertragen  sich  nicht  mit  den  Thatsachen.  N.  macht  sehr  wahrscheinlich,  dass 
Lipsius,  um  auf  jeden  Fall  eine  Professur  in  Jena  zu  erhalten,  .sich  für  einen 
Protestanten  ausgegeben  und  als  solcher  gelebt  hat.  Auch  Magister  scheint  er  sich 
genannt  zu  haben,  ohne  es  gewesen  zu  sein.  Wahrscheinlich  hatte  ihn  Camerarius 
veranlasst  nach  Jena  zu  gehen.  Seine,  ein  Vierteljahr  lang  dauernde,  Wirksamkeit 
in  Jena  war  glänzend.  Er  ging  fort:  1.  weil  er  überhaupt  nicht  die  Absicht  hatte, 
sich  in  Jena  festzusetzen,  sondern  die  Stelle  nur  als  Durchgangsstation  betrachtete; 
2.  weil  es  ihm  in  Jena  nicht  behagte,  teils  wegen  der  schwachen  Besoldung,  teils 
wegen  der  mangelnden  Zuhörer;  3.  weil  es  ihm  schwer  fiel,  sich  durch  die  Mittel  zu 
halten,  durch  die  er  empor  gekommen  war.  Die  Jenaer  Reden  des  Lipsius  aber 
zerlegt  N.  im  zweiten  Teil  in  zwei  Klassen:  die  acht  Reden,  die  1607  zu  Darmstadt 
in  einem  Bande  erschienen,  und  die  Rede  „De  calumnia".  N.  bringt  neueAgumente 
dafür,  dass  Lipsius  wirklich  der  Vf.  der  acht  Reden  war.40)  — 

Unter  den  Geschichtsschreibern  hat  W  e  g  e  1  e  40a)  den  sächsisch- 
ernestinischen  HofhistoriographenTentzel  behandelt  (1659  —  1707). —  Toeppen41)giebt 
eine  Zusammenstellung  sämtlicher  Elbinger  Geschichtsschreiber  und  Geschichts- 
forscher. —  Krauske42)  zeichnet  das  Bild  des  Polyhistors  Thulemeyer  (1642 — 1714), 
der  eine  Zeitlang  als  Historiker  und  Rechtsgelehrter  in  Frankfurt  ein  glänzende 
Rolle  spielte,  aber  infolge  der  Schwächen  seines  Charakters  ein  schmähliches  Ende 
nahm.43)  — 

Samuel  Pufendorf  hat  Paul  Meyer44_45b)  eine  Abhandlung 
gewidmet,  in  der  er  das  Geschlecht  der  Pufendorfe  in  Form  eines  Stammbaums  über- 
schauen lässt  und  ein  Verzeichnis  der  Werke  und  Briefe  Samuels  giebt.4*"49)  — 

Aus  der  Biographie  des  Jakob  Thomasius  von  Sachse50)  hebe  ich 
hervor  eine  Bemerkung  über  Aristoteles  in  der  Rede  „Pro  Aristotele  quod  iure  suo 
usus  fuerit  negans  idoneum  Ethicae  auditorem  esse  juvenem",  mit  der  Thomasius  1653 
sein  Amt  als  Professor  der  Moral  in  Leipzig  antrat :  er  beklagt  die  nach  der  früheren 
Ueberschätzung  des  Aristoteles  eingetretene  Vernachlässigung.  S.  bemerkt,  die  Stelle 
in  der  verlorenen  Leichenrede  Carpzovs,  wonach  Thomasius  die  heidnischen  Autoren 
gehasst  hätte,  dürfe  bei  den  bekannten  Anschauungen  Carpzovs  nicht  urgiert  werden. 
Beiläufig  wird  erwähnt,  dass  Thomasius  in  einer  Denkschrift  vom  Juli  1676  eine  Be- 

Lommatzsch,  Joh.  Kasp.  Schade:  ADB.  37,  S.  319-25.  —  34)  X  H.  Roy,  Zinzendorfs  Anweisungen  für  d.  Missionsarbeit 
(JBL.  1893  III  5:32):  ThLBl.  15,  S.  190.  -  35)  Gn.  E.  v.  Natzmer,  D.  Jugend  Zinzendorfs  im  Lichte  ganz  neuer  Quellen. 
Eisenach,  Wilkens.  XII,  264  S.  M.  4,60.  |[LCB1.  S.  1096;  P.  Grünberg:  DLZ.  S.  12513;  KonsMschr.  S.  778;  LZgB.  N.  73.JI 
—  36)  X  B-  Erdmann  sdörffer,  Gn.  E.  v.  Natzmer,  Lebensbilder  aus  d.  Jh.  nach  d.  grossen  dtsch.  Kriege  (JBL.  1892 
III  1  :43):  DLZ.  S.  944/6.  —  37)  O  G.  Burkhardt,  D.  Brüdergemeinde.  1.  T.  Entsteh,  u.  gesch.  Entwickl.  d.  Brüder- 
gemeinde. Im  Auftr.  d.  Unitätsältesten-Konferenz  bearb.  Gnadau,  Unitätsbuchh.  1893.  VII,  216  S.  M.  1,50.  |[MhComeniusG.  3, 
S.  101;  Th.  Kolde:  ThLBl.  15,  S.  223/4.] |  —  38)  H.  A.  Lier,  Joh.  Töltschig:  ADB.  38,  S.  429-30.  —  39)  R.  Neidhart, 
De  Justi  Lipsi  vita  Jenensi  orationibnsque  ab  eo  habitis.  Progr.  Passau.  1893.  41  S.  —  40)  X  J-  C.  van  Slee.  Joh. 
Gerardi  Tan  Teerens  (Terentius):  ADB.  37,  S.528.  —  40a)F.  X.  Wegele,  W.  E.  Tentzel:  ADB.  37,  S.  571  2.  —  41)  M.Toeppen, 
D.  Elbinger  Geschichtsschreiber  n.  Geschichtsforscher  in  krit.  Uebers.  vorgeführt.  (=  ZWestprGV.  32,  S.  1-200.)  Danzig, 
Bertling.  1893.  200  S.  M.  3,00.  —  42)  O.  Krauske,  Heinr.  Günther  v.  Thulemeyer  (Thulemar) :  ADB.  38,  S.  159-60.  — 
43)  X  C-  Grünhagen,  Georg  Thebesius:  ib.  37,  S.  665/6.  —  44)  Paul  Meyer,  S.  Pufendorf.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  seines 
Lebens.  Progr.  Grimma  (Sohiertz).  31  S.  —  45)  X  >d.,  S.  Pfufendorf:  LZg».  N.  131.  —  45a)  X  ld  .  s-  Pufendorf.  E. 
Gedenkbl.  zu  seinem  200 j.  Todestage:  IllZg.  103,  S.  461/2.  (Mit  Illustr.)  —  45b)  X  id--  s-  Pufendorf.  Vortr.  Referat: 
VossZg.  N.  502,  504.  —  46)  O  X  X  (HI  1  '  197.)  —  47)  X  A.  v.  Eisenhart,  E.  Tentzl:  ADB.  37,  S.  572/3.  —  48)  X  »d-i 
Joh.  Otto  Tabor:  ib.  S.  337/9.  —  49)  X  F-  Batssel,  Dav.  Tappe:  ib.  S.  389-90.  (Vf.  e.  „Ost-Indianischen  Reisebeschreibung", 
Hannover  u.  Wolfenbüttel  1704.)  —  50)  R.  Sachse,    Jak.  Thomasius:   ib.  3S,  S.  107-12.  —  51)  R.  Beck,  M.  Christian  Daums 


V.  Michels,  Didaktik  des  17./ 18.  Jahrhunderts.  III  5  :  51-63 

schränkung  der  klassischen  Lektüre  befürwortete  und  der  Aufführung-  der  biblischen 
Dramen  des  Schonäus  das  Wort  redete.  — 

Den  Briefwechsel  des  Zwickauer  Rektors  Christian  Daum  hat  Beck51"52) 
in  verschiedener  Weise  ausgenutzt.  Daums  Beziehungen  zu  Leibniz  waren  bereits 
durch  Gottsched  („Anecdota  quaedam  Leibnitiana"  Leipzig  1750),  durch  Diestel  (Archiv 
für  Literaturgeschichte  11,  S.  349  ff.)  und  durch  B.  selber  (in  den  MAVZwickau.  1888) 
erörtert.  B.  druckt  neuerdings  die  beiden  Briefe  von  Leibniz  an  Daum  und  das 
Schreiben  Daums  an  Leibniz  vom  J.  1666  wieder  ab.  Ausserdem  weist  er  hier  auf 
die  Beziehungen  zu  Friedrich,  Rappolt,  Jakob  Thomasius,  Chr.  Fr.  Franckenstein, 
Kaspar  Löscher,  dem  Vater  Valentin  Löschers,  Kaspar  von  Barth,  Joachim  Feller  usw. 
hin,  und  giebt  zu  Daums  hs.  Briefwechsel  eine  Art  gelehrten  Kommentar.  Ein  Bild  von 
packender  Hässlichkeit  erhalten  wir  von  dem  greisen  Kaspar  von  Barth  durch  einen 
Brief  Fellers  an  Daum.  Fellers  Persönlichkeit  hat  B.,  seine  Zwickauer  Programme 
stark  benutzend,  auch  ausführlicher  behandelt:  seine  Jugendjahre  und  Jugendlehre, 
sein  Verhältnis  zu  Barth,  zu  Haus  und  Familie,  zu  Zwickau  und  Daum,  die  ihm  ge- 
wordenen Ehren  und  Anerkennungen.  —  Keller53)  weist '  in  einer  Notiz  auf  den 
Briefwechsel  von  Hermann  van  der  Hardt  (geb.  1660,  gest.  als  Professor  der 
orientalischen  Sprachen  zu  Helmstädt).  Er  befindet  sich  in  der  Hof-  und  Landes- 
bibliothek zu  Karlsruhe  und  enthält  Schreiben  an  Francke,  Spener,  Leibniz  usw. 
F.  Lamey  hat  1891  (JBL.  1891  III  5: 1)  ein  Verzeichnis  der  Adressaten  veröffentlicht.  — 

Was  die  philosophische  Aufklärung  angeht,  so  wird  es  genügen, 
Dessoirs54)  Geschichte  der  Psychologie  hier  zu  erwähnen,  in  der  die  ver- 
schiedenartigsten Persönlichkeiten  herangezogen  und  eine  Reihe  interessanter  Probleme, 
die  auch  die  Litteraturgeschichte  berühren,  freilich  mehr  gestreift  als  g-elöst 
werden.55"56)  — 

Den  occasionalistischen  Cartesianer  Johann  Christophorus  Sturm  hat 
Falckenberg57),  den  durch  seine  Beziehungen  zu  Leibniz  bekannten  Mathematiker 
und  Philosophen  Ehrenfried  Walther  von  Tschirnhaus  hat  Liebmann58)  bio- 
graphisch behandelt.  — 

Wenig  bietet  die  Forschung  über  Leibniz.  War  Leibniz  Determinist  oder 
Indeterminist?,  so  fragt  Nithack59).  Er  kommt  zu  dem  Resultat,  „dass  die  Unsicherheit 
in  der  Leibnizschen  Theorie  von  der  Willensfreiheit  vor  allem  dadurch  entstanden 
ist,  dass  er  Begriffen,  die  in  der  Philosophie  längst  eine  bestimmte  Prägung  erhalten 
hatten,  eine  neue  Bedeutung  gab;  deshalb  ist  es  möglich,  ihn  zugleich  als  Deterministen 
und  Indeterministen  hinzustellen".  —  Ein  nicht  zugängliches  Werk  Cescas60) 
über  Leibniz  Metaphysik  und  Erkenntnistheorie  bekämpft  besonders  die  Ansicht 
Kuno  Fischers,  dass  die  prästabilierte  Harmonie  in  Leibniz  System  notwendig  und 
fest  begründet  sei,  —  wie  ein  Recensent,  Tocco,  behauptet,  mit  Glück.61)  — 

Unter  den  Vätern  der  Aufklärung  ist  Christian  Thomasius  reichlich 
bedacht.  Landsberg62)  teilt  sein  Leben  in  drei  Perioden.  Die  erste  gelte  bis  1678 
oder  richtiger  bis  zur  Bekanntschaft  mit  Pufendorfs  „Apologia".  „Als  ein  wohl  be- 
anlagter  und  wohl  erzogener  Professorensohn  und  Professuranwärter  war  er  in 
Frankfurt  eingezogen,  als  der  Christian  Thomasius  unserer  Kulturgeschichte  verliess 
er  es,  als  Rationalist  und  Aufklärer,  kampflustig  und  siegvertrauend."  Nach  einer 
kürzeren  holländischen  Reise  (1679)  und  einigen  Jahren  äusserer  Ruhe  und  innerer 
Sammlung,  während  deren  er  in  Leipzig"  praktizierte  und  Privatvorlesungen  im  üblichen 
Stile  hielt,  folgte  1684—90  die  zweite,  die  Glanzepoche,  in  der  Thomasius  als  Rationalist 
und  Sturmgeist  Kritik  an  dem  Bestehenden  übt.  Er  bleibt  nur  stehen  vor  zwei 
Haltepunkten :  der  reinen,  im  Sinne  des  ersten  Jh.  gefassten  christlichen  Religion  und 
vor  der  durch  den  Herrscher  repräsentierten  Staatsallmacht.  „Ein  zorn-  und  witz- 
sprühender Eiferer  gegen  alles  Niedere  und  Beschränkte,  gegen  alle  Schulen  und 
Regelzwang,  mehr  niederreissend  als  aulbauend,  mehr  Vertreter  des  sogenannten 
gesunden  Menschenverstandes  und  Agitator  als  Gelehrter,  trotz  aller  gelegentlich 
dabei  an  den  Tag  gelegter  Gelehrsamkeit."  Thomasius,  so  führt  L.  aus,  sei  vor  allen 
Dingen  ein  impulsiver,  stets  durch  die  Stimmung  des  Moments  beherrschter  Charakter 
gewesen.  Die  dritte  Periode  beginne  1690,  zeige  ihn  in  Halle  als  Pietisten  und  be- 
deute keine  Vertiefung.     Die  pietistische  Selbstbetrachtung  und  Selbstzergliederung- 


Beziehungen  z.  Leipziger  gelehrten  Welt  während  d.  sechziger  J.  d.  17.  Jh.  Progr.  Zwickau,  Zückler.  1893—94.  4°.  16, 
39  S.  —  52)  id.,  Aus  d.  Leben  Joach.  Fellners.  Nach  hs.  Quellen  d.  Zwickauer:  MAVZwickau.  4,  S.  24-77.  —  53) [L.  Kelle  r], 
Hermann  v.  d.  Hardt  in  seinen  Briefen  an  Spener,  Francke  etc.:  MhComeniusG.  3,  S.  277.  —  54)  (III  1  :  185.)  |[VossZgB. 
N.  8;  P.  y.  Lind:  AltprMschr.  31,  S.  376/8.]|  —  55)  X  VV.  Bolin,  Spinoza.  E.  Kultur-  u.  Lebensbild  (=:  Geisteshelden. 
Her.  t.  A.  Bettelheini.  N.  9.)  B.,  E.  Hofmann  &  Co.  VIII,  176  S.  M.  2,00.  |[F.  Jodl:  DLZ.  S.  1126/7.JI  —  56)  O  X 
L.  Brunschvicg,  Spinoza.  Paris,  Alcan.  231  S.  —  57)  B.  Falckenberg,  Joh.  Christophorus  Sturm:  ADB.  37,  S.  39-40. 
—  58)  O.  Liebmann,  E.  W.  v.  Tschirnhaus:  ib.  38,  S.  722/4.  —  59)  A.  Nithack,  Darstellungen  u.  Kritik  d.  Lehre  Leibniz 
v.  d.  menschl.  Wahlfreiheit.  Diss.  Halle  a.  S.  46  S.  —  60)  G.  Cesca,  Li  Metafisica  e  la  teorica  della  conoscenza  del  Leibniz. 
Padova,  Drucker  e  Senigallia.  18S8.  44  S.  L.  2,00.  |[F.  Tocco:  AGPhilos.  7,  S.  133/9.JI  —  61)  X  M-  Kronenberg,  Leibniz  u.  d. 
preuss.Ak.d.  Wissenschaften:  YossZgB.N.  4. —  62)  0.  Landsberg,  Chrn.  Thomasius:  ADB.  38,  S.  93-102.  —  63)  (I  4:463.)  -- 

(3)5* 


III  5:64-66  V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts. 

führe  zum  Separatismus.  Die  Mitarbeiterschaft  an  Arnolds  Kirchen-  und  Ketzer- 
geschichte bleibt  noch  im  einzelnen  nachzuweisen.  Die  metaphysischen  Grübeleien 
leiten  ihn  jedoch  schliesslich  zu  Heiterkeit  und  Reife.  In  den  juristischen  Arbeiten 
vollzieht  sich  die  Emancipation  von  Pufendorf.  L.  fasst  sein  Urteil  dahin 
zusammen:  „Thomasius  ist  kein  tiefer  Philosoph  und  Denker,  kein  gelehrter  Forscher 
und  Sammler  gewesen,  sein  Blick  haftete  meist  bloss  am  unmittelbar  Praktischen, 
sein  Verstand  leugnet  kurzweg  alle  Probleme,  denen  er  nicht  gewachsen  ist;  der 
Dauer  seiner  einzelnen  Arbeiten  stehen  ihre  geringe  formale  Durcharbeitung  und  ihre 
Zersplitterung  im  Wege.  Aber  er  ist  ein  Mann  von  sprudelndem  Ideenreichtum,  von 
intuitiver,  selbst  bei  historischen  Fragen  der  richtigen  Lösung'  zustrebender  Genialität, 
und  seine  Werke,  häufig  denselben  improvisierten  Charakter  tragend  wie  seine  Lehr- 
vorträge, haben,  wie  diese,  auf  eine  zahlreiche  Zuhörerschaft,  so  auf  das  Publikum 
seiner  Zeit  im  weitesten  Masse  gewirkt:  durch  den  Reiz  einer  frischen  Unmittel- 
barkeit, durch  die  Gewalt  einer  wuchtigen  Persönlichkeit".  —  Auf  Thomasius  Leipziger 
Zeit  und  den  Wegzug  nach  Halle  lässt  Landsberg63)  ausserdem  in  einer  Gelegen- 
heitsschrift helles  Licht  fallen.  Seine  auf  Dresdener  Aktenmaterial  gestützten 
Darlegungen  gipfeln  in  der  Schilderung  der  biographischen  Bedeutung,  die  der 
Schrift  „Erörterung  der  Ehe-  und  Gewissensfrage,  ob  zwei  fürstliche  Personen  im 
römischen  Reiche,  deren  eine  der  Lutherischen,  die  andere  der  Reformierten  Religion 
zugethan  ist,  einander  mit  gutem  Gewissen  heiraten  können"  in  Wahrheit  zukommt. 
Die  Ehe  des  Herzogs  Moritz  Wilhelm  von  Zeitz  mit  der  Prinzessin  Maria  Amalia 
von  Brandenburg  hatte  ihre  politische  Bedeutung.  Der  Herzog',  in  staatsrechtlich 
unklarer  Stellung  gegenüber  Kursachsen,  im  Streben  nach  Selbständigkeit,  suchte 
den  Anschluss  an  Brandenburg.  Thomasius  kannte,  was  er  in  seinen  autobio- 
graphischen Darstellungen  zu  verschleiern  für  gut  fand,  die  einschlägigen  Verhältnisse 
genau  und  hat  unbedingt  beides  voraussehen  müssen,  sowohl  den  Erwerb  der 
Zeitzer  und  Brandenburger  Gnade  als  den  Verfall  in  die  äusserste  kursächsische 
Ungnade,  als  er  die  Eheschrift  herausgab.  Es  wird  an  der  Art,  wie  die  von  Leipzig 
und  Wittenberg  aus  gegen  Thomasius  erhobenen  Anklagen  in  Dresden  behandelt 
wurden,  gezeigt,  dass  von  dem  Augenblick  ab,  in  dem  sich  Thomasius  einfallen  Hess, 
die  contre  raison  d'Etat  seiner  Kurf.  Durchlauchtigkeit  zu  Sachsen  geschlossene 
Ehe  des  Herzog  Moritz  von  Zeitz  zu  vereidigen,  ihn  auch  der  Minister  Haugwitz  und 
die  Hofkreise  fallen  Hessen.  L.  kommt  zu  dem  Resultat,  dass  Thomasius,  für  den 
die  Leipziger  Verhältnisse  unmögliche  geworden  waren,  sowohl  „diese  sächsische 
Krisis  wie  die  brandenburgische  Lösung  derselben  mit  aller  Ueberlegung  und  feiner 
Geschicklichkeit  auf  Einen  Schlag  durch  die  Eheschrift  herbeigeführt  habe."  Nicht 
berührt  ist  dabei  ein  Punkt,  auf  den  neuerdings  Opel64)  hinweist,  dass  nämlich 
Thomasius  bereits  in  einem  der  Schreiben  vom  7.  und  10.  Okt.  1688,  auf  welche 
Pufendorf  am  16.  Okt.  1688  antwortete,  „der  in  Halle  zu  begründenden  neuen 
Universität  und  vielleicht  auch  schon  seiner  in  Aussicht  genommenen  Uebersiedlung 
von  Leipzig  nach  Halle"  gedachte.  Dabei  kommt  des  Thomasius  Verhalten  wiederum 
in  ein  anderes  Licht.  Vor  dem  Wegzug  von  Leipzig  begab  sich  Thomasius  zum 
Herzog  Moritz,  der  ihn  sofort  nach  Berlin  empfahl.  L.  teilt  das  Antwortschreiben 
Kurfürst  Friedrichs  III.  vom  31.  März  (10.  April)  1690  an  den  Herzog  mit,  dass  er 
emphatisch  die  „eigentliche  Begründungsurkunde  der  Universität  Halle"  nennt.  Ein 
kurfürstlicher  Haftbefehl  ist  entgegen  der  Angabe  des  Thomasius  wahrscheinHch 
nie  erlassen  worden,  so  dass  es  sich  um  einen  einfachen  Wegzug  von  Leipzig,  nicht 
um  eine  Flucht  handelt.  Im  April  1690  aber  erging  dann  auf  Veranlassung  des  Ober- 
konsistoriums der  Schöppenspruch,  dass  Thomasius  zur  Haft  zu  bringen,  gegen  ihn 
mit  der  Specialinquisition  zu  verfahren  und  er  artikelsweise  zu  vernehmen  sei.  Doch 
kam  der  Befehl  nicht  zur  Ausführung,  da  der  Handel  dem  Kurfürsten  vorgelegt 
wurde,  und  man  in  Dresden  gegen  Brandenburg  nichts  direkt  Feindliches  zu  unter- 
nehmen wagte.  Im  Juli  1691  konnte  Thomasius  seine  Mobilien  nach  Halle  schaffen 
lassen.  1692  versuchte  der  neue  Kurfürst  Johann  Georg  IV.  auf  neue  Beschwerde 
der  Leipziger  einen  Schritt  gegen  Thomasius  in  Berlin,  der  im  wesentlichen 
erfolglos  blieb.  Nach  dem  Uebertritt  Friedrich  Augusts  des  Starken  zum 
Katholizismus  aber  vollzog  sich  ein  völliger  Umschwung.  Es  ist  bekannt,  dass 
der  Oberkonsistorialbefehl  vom  3.  Dec.  1697,  der  zum  Streit  gegen  Thomasius 
aufrief,  durch  ein  kurfürstliches  Toleranzedikt  vom  27.  März  1698  annulliert  wurde. 
L.  schildert  dann  weiter  die  Rückberufungsunterhandlungen  in  den  J.  1705  und  1709. 
Im  J.  1705  suchte  man  vergeblich  den  in  Ehesachen  als  tolerant  geltenden  Thomasius 
von  Dresden  aus  für  ein  günstiges  Gutachten  im  Coselschen  Handel  zu  gewinnen, 
das  man  dem  Gutachten  des  Oberkonsistoriums  entgegenstellen  wollte.  Die  Berufung 
selbst  scheiterte   besonders  daran,    dass  man  Thomasius  in  Leipzig  nicht  anstellen 


64)  (=  N.  68.)  —  65)  X  S.  Frey,  Chrn.  Thomasius:  VolksZg.  N.  332.  —  66)  F.  Frensdorff,   Halle  u.  Göttingen.  Rede  z. 


V.  Michels,  Didaktik  des  17./18.  Jahrhunderts.  III  5  i  66-75 

konnte,  ohne  den  Ordinarius  der  Juristenfakultät,  den  alten  Geheimrat  Born,  zu  brüskieren, 
was  Thomasius  selbst  nicht  wollte.  Man  kam  unmittelbar  nach  Borns  Tode  1709  auf 
die  Berufung  zurück;  doch  Hess  sich  Thomasius  von  Brandenburg-Preussen  halten. 
Mit  dem  Herzog"  von  Zeitz  blieb  Thomasius  in  freundschaftlichen  Beziehungen.  1708 
wurde  er  herzoglicher  Geheimrat.  Sein  Briefwechsel  von  1708—18,  den  L.  in  einer 
Ordnungstabelle  überschauen  lässt,  ist  interessant  für  die  Geschichte  des  Herzogs, 
der  in  seiner  Politik  gegenüber  Kursachsen  durchaus  unglücklich  war  und  durch 
seinen  Aufsehen  erregenden  Uebertritt  zum  Katholizismus  am  18.  April  1717,  den  er 
am  16.  Okt.  1718  rückgängig  machte,  nicht  nur  nicht  die  Gunst  König  Augusts  gewann, 
sondern  auch  das  protestantische  Stift  Naumburg  verlor.65)  —  Auch  Frens  dorff66) 
wirft  in  einer  Göttinger  Festrede  einen  Blick  auf  Thomasius.  In  dem  Kampf  gegen 
die  Pedanterie  erblickt  er  seine  Hauptthätigkeit.  „Die  Richtung  auf  das  Brauchbare 
ist  die  Losung,  die  in  Halle  ausgegeben  wird  und  weithin  Aufnahme  findet".  —  Ebenso 
enthält  natürlich  Schraders67)  „Geschichte  der  Friedrichs -Universität  zu  Halle" 
Kapitel,  die  Thomasius  und  Francke  gewidmet  sind,  wie  auch  eine  kurze  Schilderung 
Chrn.  Wolffs  und  anderer  Hallenser.  In  den  Anlagen  (2,  S.  353/4)  ist  die  Bestallung 
für  Thomasius  publiziert.  —  Die  Schriften  „Von  Nachahmung  der  Franzosen",  „Vom 
elenden  Zustand  der  Studenten",  „Von  der  Pflicht  eines  evangelischen  Fürsten,  die 
Besoldungen  und  Ehrenstellen  der  Kirchendiener  zu  vermehren"  hat  Opel68)  heraus- 
gegeben mit  einer  eingehenden  Einleitung,  die  das  Leben  des  Thomasius  bis  zum 
Beginn  der  Streitigkeiten  mit  den  Pietisten  schildert,  die  Anlässe  der  edierten 
Schriften  ausführlich  erörtert,  und  mit  recht  nützlichen  Anmerkungen.69)  —  Das 
berühmte  Programm  „Von  Nachahmung  der  Franzosen",  mit  dem  Thomasius  seine 
Vorlesungen  über  Balthasar  Gracian  eröffnete,  hat  ausserdem  Sauer70)  durch  einen 
Neudruck  bequem  zugänglich  gemacht.  —  Borin  ski70a)  schildert  des  Thomasius 
Verhältnis  zu  Gracian,  charakterisiert  die  „Philosophia  aulica"  und  widmet  dem 
Gegner  der  „Thomasischen  Geisterlehre",  dem  „Zoilus  aller  Hofhasen  und  Hofgecken", 
dem  Bannerträger  des  „Realismus",  Gabriel  Wagner,  Realis  de  Vienna,  eine  eingehende 
Betrachtung. 

Ein  Gegner  der  Leibnizisch  - Wolff sehen  Philosophie  und  zugleich  Schüler 
von  Thomasius,  dessen  starke  Beeinflussung  durch  Graciansche  Gedanken  Borinski 
entgangen  ist,  war  Andreas  Rüdiger;  seine  Moralphilosophie  entwickelt  Carls71).  — 

Geber  Gottsched  wird  das  langerwartete  abschliessende  Buch  wohl  nicht  von 
Eugen  Wolff72"73)  geschrieben  werden.  W.  beginnt  seine  Darstellung  mit  der 
Schilderung  von  Gottscheds  Stellung  zur  deutschen  Sprache,  indem  er  sich  mit  ein 
paar  Worten  gegen  Danzels  Bemerkung  wendet,  dass  Gottsched  in  der  Philosophie 
seiner  Zeit  wurzele.  Es  ist  wahrlich  für  den  Historiker  ein  recht  unzureichender 
Grund,  dass  Gottsched  nach  W.  auf  dem  Gebiet  der  Sprache  mehr  geleistet  hat. 
Ueber  Gottscheds  Rationalismus,  der  auch  bei  den  grammatischen  Bestrebungen  un- 
verkennbar ist,  wird  man  sich  von  seiner  Stellung  zur  Wolffschen  Philosophie  aus 
am  besten  orientieren  können.  W.  schildert  Gottsched  als  Beförderer  des  „Deutschen" 
(im  Gegensatz  zu  anderen  Sprachen),  des  „Gemeindeutschen",  des  „Korrektdeutschen" 
und  des  „Elegantdeutschen".  Seinen  Fehler  sieht  er  hauptsächlich  darin,  dass  er  die 
Verschiedenheit  der  Poesie-  und  Prosasprache  nicht  genügend  erkannt  habe. 
Förderlich  scheinen  mir  die  an  zweiter  Stelle  gebrachten  Ausführungen  über 
Gottscheds  Philosophie,  obgleich  ich  manches  schief  finde,  so  vieles,  was  über  Leibniz 
gesagt  wird,  über  Malum  hypochondriacum  und  Sentimentalität  usw.  Recht  klar 
wird  Gottscheds,  in  den  Dissertationen  niedergelegte,  Lehre  über  den  Influxus 
physicus  behandelt.  W.s  Ausführungen  können  als  Kommentar  zu  Danzels  allzu 
knapper  Darstellung  mit  Nutzen  verwertet  werden.  Der  Vf.  zweifelt  nicht,  dass 
Knutzen  (was  Benno  Erdmann  aus  „historischen"  Gründen  geleugnet  hatte)  von 
Gottsched  mit  beeinflusst  ist  und  räumt  die  chronologischen  Schwierigkeiten  aus  dem 
Wege.  Verdienstlich  zeigt  er,  dass  Gottsched  in  seinem  rasch  zusammengestellten 
„System"  die  „Institutiones  philosophiae  W^olffianae"  von  Thümmig74)  bisweilen  wört- 
lich ausgeschrieben  hat.  Gottsched  giebt  aber  eine  selbständige  Definition  der  Phi- 
losophie, die  er  sehr  bezeichnend  als  Anweisung  zur  Glückseligkeit  definiert.  Es 
hängt  das  damit  zusammen,  dass  nach  ihm  die  Sittlichkeit  auf  dem  Verstände  beruht. 
Ein  starker  mechanistischer  Zug  bei  Gottsched  wird  von  WT.  betont:  er  tritt  auch  in 
dem  hervor,  was  Gottsched  über  Kunst  und  Religion  lehrt.  Aus  der  Beobachtung 
des  Gesetzes  vom  zureichenden  Grunde  entsteht  ihm  die  natürliche  Dichtkunst.    „So 

Feier  d.  Geburtstages  S.  Maj.  d.  Kaisers  n.  Königs  am  27.  Mai  1S94.  Göttingen,  Dietrich.  28  S.  M.  0,40.  (Vgl.  I  12.)  — 
67)  W.  Schrader,  Gesch.  d.  Friedrichs-Univ.  zu  Halle.  I.-II.  (JBL.  1S93  I  6:  110).  B.,  DSmmler.  VIII,  640  S.;  V,  583  S. 
31.  31,00.  (Vgl.  I  12.)  -  68)  O  (I  4:461.)  —  69)  X  E.  Hallenser  Professor  vor  200  J.:  BerlTBl.  N.  363.  (Anknüpfend  an 
d.  Herausg.  d.  „Kleinen  dtsch.  Schriften"  v.  Chrn.  Thomasius.)  —  70)  (I  4  :  462.)  |[LZgB.  N.  94.]|  —  70  a)  (=  N.  2.)  —  71) 
W.  Carls,  Andr.  Rüdigers  Moralphilosophie.  (=  Abhandl.  z.  Philos.  u.  ihrer  Gesch.  Her.  v.  B.  Erdmann.  N.  3.)  Halle  a.  S., 
Xierneyer.  51  S.  M.  1,20.  -  72)  (I  7:17.)  —  73)  Eugen  Wolff,  Gottsched  im  Kampf  um  d.  Aufklärung:  ZDTJ. 8,  S.  633-84, 
713-57,  7S9-831.  —  74)  X  O-  Liebmann,  L.  Ph.  Thümmig:  ADB.  38,  S.  1778. —  75)  J.  Reicke,  Zu  Jos.  Chr.  Gottscheds  Lehr- 


III  5:75-88  V.  Michels,  Didaktik  des  17. /18.  Jahrhunderts. 

pflegen  geschickte  Poeten,"  heisst  es  bei  ihm,  „die  wahrscheinlichsten  Fabeln  nach 
dem  Muster  der  Natur  zu  erfinden",  —  Gottscheds  „Kritische  Dichtkunst"  in  nuce, 
bemerkt  W.  Gottscheds  fortgeschrittene  Ansichten  in  der  Staatsphilosophie  führt  W. 
auf  Miltons  „Defensio  pro  populo  Anglicano"  zurück.  Gottsched  verteidigt  das 
Recht,  zu  revoltieren.  Im  „kirchlichen  Teil  der  Staatslehre"  predigt  er  mit  ungleich 
grösserer  Entschiedenheit  als  Ch.  Wolff  und  Thümmig  Toleranz.  In  dem  Kapitel 
„Gottscheds  agitatorische  Stellung  in  den  philosophisch-theologischen  Zeitkämpfen" 
sind  ein  paar  Einzelheiten  von  Interesse.  Gottscheds  absprechende  Bemerkungen 
über  das  Märchen  von  D.  Fausten  als  Inbegriff  alles  Aberglaubens  werden  notiert, 
für  Gottscheds  Stellung  zur  Orthodoxie  neue  Zeugnisse  beigebracht.  W.  betont  mit 
Recht  die  rühmlichen  Seiten  in  Gottscheds  Verhalten,  verkennt  aber  die  Schwächen, 
die  Gottscheds  Stellung  auch  hier  hat.  Eingehender  alsDanzel  berichtet  er  über  die  Gesell- 
schaft der  Alethophilen.  —  Ausführlich  erörtert  Seuffert  Gottscheds75)  Verhältnis  zu 
Pietsch,  dessen  Theorie  derDichtkunst  in  den  vonReicke  namhaft  gemachtenDisputationen 
er  „in  manchem  Betracht  bedeutender"  findet,  als  umfangreichere  Poetiker  vor  und  nach 
Pietsch.  Gegen  Braitmeier,  der  ohne  jeden  Beweis  behauptet  hatte,  Pietsch  huldige 
noch  der  Lohensteinschen  Geschmacksrichtung,  betont  S.  mit  Recht,  dass  Pietsch  als 
Klassizist  und  Gegner  des  Schwulstes  erscheine.  Seine  Vorläufer  sind  noch  nach- 
zuweisen.76"79) — 

Von  den  Didaktikern  der  Gottschedschen  Geschmacksrichtung 
war  Balthasar  Ludwig  Tr alles  bei  Goedeke  (42,  S.  18)  sehr  unvollständig  be- 
handelt. Seine  Gegenschrift  gegen  Friedrichs  des  Grossen  „De  la  litterature  allemande", 
in  der  er  sich  selbst  und  Haller  als  die  grössten  deutschen  Dichter  hinstellt  und 
Weisse  und  Lessing  als  Nachahmer  Molieres  gelten  lässt,  aber  gegen  „Götz  von 
Berlichingen"  heftig  polemisierend  beklagt,  dass  Lessing  im  „Nathan"  die  deutsche 
Sprache,  „von  Goethe  angezettelt,  geflissentlich  zu  verderben  bemüht  gewesen",  ist 
dort  nicht  einmal  erwähnt.  Nun  schildert  ihn  uns  Hippe80)  sehr  wohlwollend  als 
Marin  von  „gewaltigem,  man  könnte  sagen  polyhistorischem"  Wissen,  dem  es  bei 
ausserordentlicher  Vielseitigkeit  der  Interessen  eine  beneidenswerte  Arbeitskraft  und 
Schaffensfreudigkeit  möglich  machten,  neben  seiner  angestrengten,  bis  ins  höchste  Alter 
geübten  Praxis  eine  litterarische  Thätigkeit  von  grossem  Umfange   zu    entfalten.    — 

Auch  über  die  Familie  Sucro  bietet  derselbe  Paragraph  bei  Goedeke 
unzulängliche  Angaben.  Wie  weit  hier  Pröhle81-86)  alles  klärt,  vermag  ich  nicht 
zu  sagen.  Ich  vermisse  Rücksichtnahme  auf  K.  Schüddekopf  „K.  W.  Ramler  bis  zu 
seiner  Verbindung  mit  Lessing",  ein  Buch,  das  mir  momentan  nicht  zugänglich  ist, 
wo  aber  (S.  34)  unter  Polemik  gegen  die  1.  Auflage  von  Goedekes  „Grundriss" 
Johann  Georg  Sucro  als  Herausgeber  des  „Druiden"  genannt  wird.  P.  scheidet  den 
Vater  Christophorus  Sucro  (1685 — 1751),  der  wegen  seiner  hervorragenden  pietistischen 
Leichenpredigten  erwähnenswert  ist,  und  dessen  drei  Söhne.  Christophorus  Josephus 
(nicht  Christian  Joseph;  1718—56)  ist  nach  ihm  Vf.  der  „Versuche  in  Lehrgedichten 
und  Fabeln"  (1747),  des  „Herbstes"  und  der  „Landluft"  (1748)  und  Herausgeber 
des  „Druiden"  (1749).  Johann  Georg  (1722—86)  war  Prediger  wie  der  Vater. 
Als  das  eigentlich  schriftstellerische  Talent  der  Familie  aber  ist  Johann  Josias 
zu  betrachten,  Popularphilosoph  und  Dichter,  frühestens  1724  in  Magdeburg 
geboren  und  1760  gestorben.  Ueber  sein  Leben  weiss  freilich  auch  P.  nicht  viel 
mehr  als  ganz  unsichere  Vermutungen  beizubring'en.  Seine  Werke  sind  ausser  den 
beiden  Abhandlungen  „Die  vergnügte  Einsamkeit"  und  „Der  moralische  Nutzen  der 
Poesie",  die  P.  nicht  zu  Gesicht  bekommen  hat:  1746  ein  Gedicht  über  die  „beste 
Welt"  (Halle),  1747  eine  „Sammlung  auserlesener  Gedichte",  nicht  vor  1757  der  erste 
Band  des  Prosawerks  „Erfahrungen",  1759  „Ueber  den  Epiktet  und  seine  Lampe". 
P.  nimmt  Einfluss  des  letztgenannten  Werkes  auf  Wieland  an,  der  den  alten  Magde- 
burger Domprediger  jedenfalls  während  des  Aufenthalts  in  Kloster-Bergen  kennen 
lernte  und  wohl  auch  den  Söhnen  einiges  Interesse  schenkte.  Auch  die  1760  er- 
schienenen „Parallelen  von  S  *  *  *  *,  erster  Band,  erstes  Stück",  schreibt  P.  dem 
Johann  Josias  zu.  Ein  Sohn  von  Johann  Georg  ist  Georg  Wilhelm,  dessen  Sohn 
Friedrich  Wilhelm  Karl  (1789— 186 1).87"88)  — 


jähren  auf  d.  Königsberger  Univ.  (JBL.  1892  III  5  :  29).     |[B.  Seuffert:  GGA.  S.  909-25;  0.  F.  Walzel:  ZOG.  45,  S.930,l.]| 

—  76)  X  G.  Krause.  Gottsched  u.  Flottwell  (JBL.  1893  1115:61).  |[B.  Friedrich:  BLU.  S.  262;  M.  K(och):  LCB1. 
S.  406/7;  A.  Sauer:  DLZ.  S.  1517;  K.  H.  Lohmeyer:  FBPG.  7,  8.  278/9;  Grenzb.  3,  S.  142/3.] |  —  77)  X  (IH  1  =210.)  — 
78)  O  X  (IV  1  c  :  78.)  —  79)  O  X  J-  Addison,  Essays,  From  the  rSpectator\  With  notes.  London,  Routledge.  Sh.  8,6.  — 
80)  M.  Hippe,  B.  L.  Tralles:  ADB.  38,  S.  489-94.  —  81)  H.  Pröhle,  Christophorus  Sucro:  ib.  37,  S.  112/3.  —  82)  id., 
Christophorus  Josephus  Sucro:  ib.  S.  113.  —  83)  id.,  Joh.  G.  Sucro:  ib.  S.  113/4.   —   84)  id.,  Joh.  Josias  Sucro:  ib.  S.  114/5. 

—  85)  id.,  G.  Wilh.  Sucro:  ib.  S.  115.  —  86)  id.,  Friedr.  Wilh.  K.  Sucro:  ib.  S.  115/6.  —  87)  X  E.  Blösoh,  V.  Bernh.  v. 
Tscharner:  ib.  38,  S.  704/5.  —  88)  X  (in  2  :  39.)  — 


IV.  Von  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts 
bis  zur  Gegenwart. 


IY,1 

Allgemeines. 
a)  Litteraturgeschichte. 

Adolf  Stern. 

Allgemeines:  Gesamtdarstellungen  N.  1.  —  Die  Moderne  N.  7.  —  Anthologien  N.  10.  —  Almanache  N.  14. — 
Stammbücher  N.  17.  —  Specialstadien  und  -darstellungen:  Sammelwerke  N.  20.  —  Lokale  Forschung:  Kreuz 
nnd  Quer  N.  28:  Norddeutschland:  Berlin  N.  29,  Sachsen  N.  31,  Thüringen  (Weimar)  N.  32,  Schleswig- Holstein  N.  37;  Oester- 
reich  N.  38:  Baltische  Lande  N.  42:  Schweiz  N.  43;  Amerika  N.  44.  — 

Allgemeines.  Neue  und  umfassende  Gesamtdarstellungen  der  Epoche 
von  der  Mitte  des  vorigen  bis  zum  Ende  dieses  Jh.  hat  das  J.  1894  nicht  gebracht, 
und  wir  haben  sie  um  so  weniger  erwarten  können,  als  selbst  die  älteren  und  nur 
neubearbeiten  Werke  dieser  Art  teilweise  ins  Stocken  geraten  sind.  War  schon  in 
den  beiden  vorhergehenden  Jahren  die  Fortführung  des  neu  bearbeiteten  Goedeke- 
schen  Grundrisses1)  (JBL.  1893  IV  la:2)  eine  sehr  langsame,  so  ist  diesmal  jede 
Fortsetzung  ausgeblieben,  da  das  kleine  Heft,  mit  dem  der  sechste  Band,  das  siebente 
Buch  und  die  Darstellung  der  Romantik  wenigstens  begonnen  wurde,  schon  ins 
J.  1895  hinüberfällt.  Die  Gründe  dieser  langsamen  Förderung  mögen  mannigfacher 
Natur  sein,  beklagenswert  bleibt  sie  immer,  da  die  späteren  Kapitel  sich  schon  auf 
eine  viel  ausgebreitetere  Quellenlitteratur  stützen,  als  die  früheren  und  der  Abstand 
von  länger  als  einem  Jahrzehnt,  wer  weiss,  ob  nicht  von  zwei  Jahrzehnten,  zwischen 
dem  Beginn  und  dem  Schluss  der  Arbeit  heute  viel  klaffender  und  ersichtlicher  sein 
muss,  als  er  vor  noch  einem  Menschenalter  gewesen  wäre.  Es  wird  zwar  unablässig 
versichert,  dass  der  „Grundriss"  absolute  Vollständigkeit  nicht  beanspruche  noch 
erstrebe,  es  ist  aber  nur  zu  ersichtlich,  dass  der  Versuch,  das  Material  nicht  nur  in 
seiner  Tiefe,  sondern  auch  in  seiner  ganzen  sehr  zufälligen,  ja  geradezu  wertlosen 
Breite  hereinzuziehen,  den  rascheren  Abschluss  empfindlich  hemmt  und  die  Aus- 
sichten auf  ein  bis  zum  Ende  des  19.  Jh.  fortgeführtes  Werk  wesentlich  beeinträch- 
tigt. —  Dafür  ist  denn  die  von  Harnack2)  besorgte  Neuausgabe  von  Hettners  „Ge- 
schichte der  deutschen  Litteratur  im  18.  Jh."  mit  dem  dritten  Buche  „Das  klassische 
Zeitalter  der  deutschen  Litteratur"  glücklich  zu  Ende  geführt  worden.  Der  Bearbeiter 
bezeichnet  selbst  den  letzten  Band  des  Buches  als  den  schwierigsten,  er  sagt  aus- 
drücklich: „Je  mehr  der  Bearbeiter  eigene  Specialstudien  auf  den  ihm  vorliegenden 
Gegenstand  gewandt  hat,  wie  ich  es  besonders  in  Bezug  auf  Goethe  und  Schiller 
gethan  habe,  um  so  schwieriger  wird  es  ihm  sein,  die  Objektivität  gegenüber  dem 
Standpunkte  des  ursprünglichen  Vf.  zu  gewinnen  und  zu  behalten  und  ein  unbestech- 
liches (unbestochenes)  Urteil  darüber  zu  fällen,  inwieweit  jener  Standpunkt  von  der 
neuen  Forschung  überwunden  ist  und  inwieweit  er  noch  Gültigkeit  beanspruchen 
darf."   Die  erste  wie  die  letzte  Frage  gegenüber  einem  Werke  wie  dem  Hettnerschen 


1)  X  L-  Hirzel:  DLZ.  S.  434/6.    —    2)  H    Hettner,  Litteraturgesch.  d.  18.  Jh.     Her.  v.  0.  Harnack  (JBL.  1893 
IV  la:3).     3.  Buch.     1.   D.  Sturm-  u.  Drangperiode.    2.   D.  Ideal  d.  Humanität.     Braunsohweig,  Vieweg  &  Sohn.     VI,  373  S. ; 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (4)1 


IV  la:2     Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Literaturgeschichte. 

wird  eben  immer  die  sein,  welchen  Wert  man  der  Urteils-  und  der  Darstellungs- 
kraft  des  Vf.  beimisst,  welche  Wirkung-  man  davon  erhofft.  Immer  werden  natürlich 
die  Werke  am  besten  daran  sein,  die  man  lediglich  als  Zeugnisse  der  grossen  Persön- 
lichkeit und  geistigen  Macht  ihrer  Urheber  völlig  unverändert  wieder  herausgiebt. 
Wer  würde  daran  denken,  die  einzelnen  Kapitel  und  Ausführungen  von  Herders 
„Ideen  zur  Philosophie  der  Geschichte"  mit  den  Ergebnissen  der  neueren  Geschichts- 
und vergleichenden  Sprachwissenschaft,  der  neueren  Natur-  und  Völkerkunde  in 
Einklang  zu  setzen?  Oder,  um  ein  minder  vornehmes  Beispiel  zu  wählen,  welcher 
Herausgeber  von  Vilmars  bekannter  „Deutscher  Nationallitteratur"  hat  sich  nicht  von 
vornherein  eingestehen  müssen,  dass  bei  der  subjektiven  Anlage  und  der  festen  Zu- 
sammenfügung des  Werks  die  Umarbeitung  aller  anfechtbaren  Sätze  einen  Zusammen- 
sturz des  ganzen  Baues  herbeiführen  müsste?  Hettners  Werk  forderte  seiner  ganzen 
Anlage  nach  die  Eingriffe  einer  fremden  Hand  weit  mehr  heraus.  Es  suchte  sich 
auch  da,  wo  es  am  selbständigsten  ist,  im  Zusammenhang  nicht  nur  mit  den  wirk- 
lichen Resultaten  der  Forschung,  sondern  auch  mit  ihren  jeweiligen  Moden  und 
Tagesstimmungen  zu  erhalten,  es  stellte  sich  in  sehr  vielen  Fällen  als  Revision  und 
letzte  Abwägung  entgegenstehender  Meinungen  dar,  es  knüpfte  die  Darlegung  der 
eigenen  Anschauung  gern  an  eine  Auseinandersetzung  mit  Vorgängern  und  Zeit- 
genossen an,  es  zog  in  jeder  Neuauflage  eine  ganze  Reihe  von  inzwischen  auf- 
geworfenen Fragen  in  den  Kreis  seiner  Erörterungen  herein,  es  gab  sich  in  mehr 
als  einem  Sinne  als  abschliessendes  Werk.  Eine  Konsequenz  dieser  Eigenart  war  es, 
dass  die  Bearbeiter  (denn  auch  die  englische  und  französische  Litteraturgeschichte  des 
18.  Jh.  hat  Neubearbeitungen  erfahren;  s.  u.  IV  ld  :  1 — la)  von  dem  Gesichtspunkt  aus- 
gingen, der  Vf.  selbst  würde  nicht  unterlassen  haben,  bei  längerem  Leben  die  Ergän- 
zungen und  Berichtigungen  einzuschalten,  mit  denen  sie  ihrerseits  das  Werk  versahen. 
Vergleichen  wir  in  der  Bearbeitung  H.s  die  beiden  grossen  Hauptabschnitte  des  dritten 
Buches  „Die  Sturm-  und  Drangperiode"  und  „Das  Ideal  der  Humanität"  mit  der  von 
Hettner  zuletzt  revidierten  dritten  Auflage,  so  haben  wir  auch  in  diesen  Bänden  die 
genaue  und  gründliche  Nachprüfung  und  vielfache  Richtigstellung  der  Citate,  die 
umfassende  und  dennoch  knappe  Berücksichtigung  der  neuen  Thatsachen  und  der 
wirklich  gelösten  Fragen  zu  rühmen.  Mit  einer  gewissen  Selbstüberwindung  sucht 
sich  der  Bearbeiter  innerhalb  dieser  Schranken  zu  halten.  Und  doch  entschlägt  man 
sich  des  Eindrucks  nicht,  dass  ihm  dies  nicht  immer  möglich  gewesen  ist.  Darüber 
kann  kein  Streit  sein,  dass  der  Herausgeber  nur  eine  Pflicht  erfüllt,  wenn  er  in- 
zwischen klargestellte  Dinge  des  hypothetischen  Charakters  entkleidet,  den  sie  in 
der  letzten  Fassung  Hettners  noch  zeigten.  Wenn  die  Spinozastudien  Herders, 
nach  Angabe  Hayms,  bis  auf  die  Bückeburger  Zeit  zurückgeführt  werden,  wenn  als 
das  Drama,  das  Goethe  1771  an  den  Lieutenant  Demars  in  Neu-Breisach  übersandte, 
die  erste  Bearbeitung  des  Götz  von  Berlichingen  (statt  des  „Cäsar")  bezeichnet  wird, 
wenn  das  Lustspiel  „Die  Weiber  von  Weinsberg"  Leisewitz  bestimmt  zugesprochen 
wird,  wenn  H.  nach  den  genauen  Nachrichten  Litzmanns  die  Liste  der  von  Schröder 
gespielten  Shakespeareschen  Dramen  ergänzt,  wenn  er  im  Kapitel  „Schiller  bis  zu 
seiner  ersten  Uebersiedlung  nach  Weimar"  eine  kurze,  unbedingt  vom  Vf.  hier  nur 
vergessene  Charakteristik  Chr.  F.  D.  Schubarts  einschaltet,  wenn  er  im  Kapitel  Kant 
die  ästhetisch  fruchtbare  Seite  und  die  für  die  ästhetische  Anschauung  Schillers  und 
Goethes  entscheidenden  Sätze  der  „Kritik  der  Urteilskraft"  hereinzieht,  so  darf  da- 
gegen ebenso  wenig  erinnert  werden,  als  wenn  er  Veröffentlichungen  berücksichtigt, 
die  seit  Hettners  Abscheiden  erfolgt  sind.  Der  Satz  über  Lenz  als  Lyriker  (Die 
Sturm-  und  Drangperiode  S.  214)  stützt  sich  auf  K.  Weinholds  Sammlung  der  Lenz- 
schen  Gedichte,  die  Umarbeitung  des  ersten  Kapitels  über  „Faust"  (S.  166,  170  ff.) 
schöpft  ihre  Berechtigung  aus  der  Auffindung  des  „Urfaust"  durch  Erich  Schmidt 
und  macht  auch  einige  spätere  Eingriffe  im  zweiten  Abschnitt  des  dritten  Buches 
unvermeidlich.  Ein  wenig  anders  steht  es  schon  mit  der  auf  die  neuen  Arbeiten 
über  Goethes  Thätigkeit  als  Bühnendichter  gestützten  Zusätzen  zum  Kapitel  „Goethes 
und  Schillers  antikisierende  Kunsttheorie"  (Das  Ideal  der  Humanität  S.  262,  264/5), 
steht  es  mit  den  Abminderungen  der  Hettnerschen  Kritik  der  antikisierenden  Dich- 
tungen Goethes.  Möglich,  dass  der  ursprüngliche  Vf.  gegenwärtig  sich  zu  diesen 
Dichtungen  anders  stellen  würde,  aber  da  dies  eben  nur  möglich  und  keineswegs 
gewiss  ist,  so  sollte  auch  die  Schärfe  seiner  Polemik  nicht  gemindert  werden.  Noch 
viel  mehr  gilt  dies  von  gewissen  Milderungen  des  Ausdrucks,  die  sich  z.  B.  im 
Kapitel  Herder  finden.  Wenn  Hettner  schreibt:  „Er,  der  offen  mit  dem  alten  Kirchen- 
glauben gebrochen  hatte,  war  Geistlicher  und  Präsident  der  obersten  Kirchenbehörde! 
Er,  der  streng  sittliche  und  wahrheitsliebende  Mann  mit  dieser  steten  Lüge  auf  der 
Seele,  entsetzlich!"  und  H.  dies  in  den  Satz:  „obgleich  die  Forderung  der 
Rechtgläubigkeit  in  Weimar  nicht  an  Herder  herantrat,  musste  das  Widerspruchs- 
volle seiner  Stellung  von  einem  so  gewissenhaften,  ja  zart  empfindenden  Manne  doch 


Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Literaturgeschichte.   IV  la:3-5a 

je  länger,  je  mehr  empfunden  werden"  umändert,  auch  den  späteren  Vergleich  Herders  mit 
Swift  durch  die  (vollkommen  zutreffende)  Bemerkung  einschränkt:  „Nur  dass  Herder 
stets  mit  äusserster  Pflichttreue  fortfuhr,  jede  menschlich-wertvolle  praktische  Wirk- 
ung, die  ihm  sein  Amt  eröffnete,  in  persönlicher  Hingebung  auszuüben  und  dadurch 
sich  eine  würdige  Thätigkeit  zu  bewahren",  wenn  der  Vf.  den  „schmerzlichen  Wider- 
willen" über  das  Gedicht  Goethes  an  Marie  Louise  von  Frankreich  empfindet  und 
der  Herausgeber  ganz  kühl  objektiv  in  dem  Huldigungsgedicht  ein  Bekenntnis  der 
damaligen  Anschauungen  und  Träume  Goethes  sieht,  so  stellt  sich  die  volle  Gefahr 
vor  Augen,  die  in  solchen  Aenderungen  liegt.  Die  besonnen  abgewogenen  Worte 
H.s  gefallen  uns  ja  in  diesen  und  anderen  Fällen  besser  als  die  Herbheiten 
und  schroffen  Ausdrücke  Hettners,  aber  das  ist  gar  nicht  die  Frage.  Zur  littera- 
rischen Charakteristik  Hettners,  des  Einflusses,  den  die  Hallischen  Jahrbücher  und  Feuer- 
bach und  Strauss  in  seiner  Jugend  auf  ihn  ausgeübt  haben,  gehören  eben  die  vereinzelten 
herben  Urteile  und  gelegentlichen  Vorurteile,  die  plötzlich  innerhalb  seiner  ruhig- 
klaren und  gewinnenden  Darstellung  aufblitzen.  Es  ist  eine  Prinzipfrage,  ob  und 
wie  weit  dergleichen  auf  Grund  inzwischen  vorgeschrittener  Forschung  beseitigt 
werden  darf.  Gerade  weil  die  bescheidene  und  mustergültige  Zurückhaltung  des 
Herausgebers  und  die  selbstlose  Sorgfalt,  die  er  dem  bedeutenden  Buche  Hettners 
gewidmet  hat,  die  höchste  Anerkennung  verdienen,  weil  dank  seiner  pietätvollen 
Arbeit,  der  umfassenden  warm  belebten  Darstellung  und  der  energischen  Anschau- 
ung Hettners  wiederum  neue  Wirkungen  gesichert  sind,  weil  das  Werk  als  Ganzes 
völlig  bewahrt  ist  und  „in  einer  Zeit  des  Naturalismus  für  die  idealistische  und  doch 
lebenswahre  Kunst,  in  einer  Zeit  experimentierender  Kunstübung  für  die  unver- 
brüchlichen Gesetze  des  künstlerischen  Schaffens  streiten"  kann,  braucht  man  sich 
nicht  zu  scheuen,  auf  die  Unsicherheit  der  Grenze  hinzuweisen,  die  die  abgeschiedene 
Persönlichkeit,  das  individuelle  Gefühl  und  Urteil  gegen  Empfindungen  und  Urteile 
der  Späteren  wahren  soll.  —  Die  im  vorjährigen  Bericht  angezeigte  Neuausgabe  der 
von  Strodtmann  und  Rudow3)  übersetzten  „Hauptströmungen  der  Litteratur  des 
19.  Jh."  von  Georg  Brandes  ist  mit  dem  5.  Bande,  der  die  „Romantische  Schule 
in  Frankreich"  behandelt,  wie  vorausgesagt,  beschlossen  und  durch  die  Beigabe  des 
Generalregisters  zum  5.  Bande  ausdrücklich  als  abgeschlossen  bezeichnet  worden. 
Und  so  ist  denn  nun  der  unerfreuliche  Fall  eingetreten,  dass  von  diesem  bedeuten- 
den und  geistvollen  Buche  zwei  Ausgaben  vorliegen,  von  denen  die  eine  auf  den 
6.  Band  über  „Das  junge  Deutschland"  verzichten  muss,  während  die  andere  nach 
wie  vor  den  3.  und  4.  Band  vermissen  lässt.  Worauf  sich  die  Titelbezeichnung  vierte 
„vermehrte"  Auflage  der  Barsdorfschen  Ausgabe  bezieht,  wird  uns  nicht  recht  klar, 
wahrscheinlich  auf  den  hinzugefügten  5.  Band,  der  in  St.s  ursprünglicher  Ueber- 
tragung  noch  fehlte.  Dringender  als  je  ist  aber  zu  wünschen,  dass  die  Veitsche 
Ausgabe  nicht  sowohl  zum  Abschluss  gelange,  als  vielmehr  ihr  fehlendes  Mittelstück 
erhalte.  Die  zahlreichen  Besprechungen  des  Werkes  erweisen  die  fortdauernde  Teil- 
nahme daran,  und  es  ist  keineswegs  unwichtig,  welche  Ausgabe  die  stärkste  Ver- 
breitung und  Geltung  gewinnt.  —  Der  Literaturgeschichte  des  19.  Jh.  gehört  die 
Darstellung  Ad.  Sterns4)  „Die  deutsche  Nationallitteratur  vom  Tode  Goethes  bis 
zur  Gegenwart"  an,  die  auch  in  ihrer  dritten  Auflage  eine  vollständige  Erneuerung, 
eine  reichere  Gliederung  und  wesentliche  Zusätze  bekommen  hat.  Im  Vorwort  zur 
3.  Auflage  betont  der  Vf.,  dass  er  nach  wie  vor  bemüht  gewesen  sei,  Lücken  und 
Mängel  des  ersten  Entwurfs  auszugleichen,  der  Darstellung  eine  innere,  historisch 
begründete  Folge  wie  einen  lebendigen  Fluss  zu  verleihen,  auch  die  Einzelgruppen 
möglichst  deutlich  hervorzuheben,  dass  er  aber  bei  der  Verbindung  seiner  Arbeit 
mit  Vilmars  bekanntem  Werke  (zu  dem  St.s  Uebersicht  nicht  sowohl  die  Fortsetzung 
als  einen  selbständigen  Anhang  bildet)  an  die  Form  zusammenhängender  Vorlesungen 
gebunden  war  und  nicht  daran  denken  durfte,  die  sechs  grösseren  Abschnitte  („Ein- 
leitung", „Das .  junge  Deutschland  und  die  politische  Lyrik",  „Nachwirkungen  der 
klassischen  und  romantischen  Ueberlieferung",  „Die  Erhebung  gegen  die  Herrschaft 
der  Tendenzpoesie",  „Der  poetische  Realismus",  „Neue  Kämpfe  und  das  Ende  des  Jh.") 
in  die  doppelte  oder  dreifache  Zahl  kleinerer  aufzulösen  oder  etwa  gar  um  des  An- 
scheins grösserer  Mühe  willen,  auf  den  lebendigen  und  überzeugenden  Ton  des  Vor- 
trags zu  verzichten.  —  Die  beiden  Schriften  Kirchners  (JBL.  1893  IV  la:7— 7b)  „Die 
deutsche  Nationallitteratur  im  19.  Jh."5)  und  ,,Gründeutschland"5a)  erfuhren  fort- 
gesetzte Zurückweisungen  und  Angriffe,  zwischen   denen   nur   ganz    vereinzelt   eine 


VIII,  728  S.  M.  6,50;  12,00.  (Mit  Generalreg.  v.  Rud.  Grosse.)  —  3)  G.  Brandes,  D.  Hauptströmungen  d.  Litt.  d.  19.  Jh. 
Uebers.  v.  Ad.  Strodtmann  u.  W.  Rudow  (JBL.  1893  IV  1  a  :  4).  Bd.  4  u.  5.  L.,  Barsdorf.  VII,  380  S.;  V,  348  S.  u.  XV  S. 
Generalreg.  M.  4,50;  5,50.  |rF.  Mehring:  NZ»1.  12',  S.  309-11;  WIDM.  75,  S.  522;  76,  S.  379-80;  Ges.  S.  964.]|  —  4)  Ad. 
Stern,  D.  ätsch.  Nationallitt,  vom  Tode  Goethes  bis  z.  Gegenw.  3.  verm.  u.  verb.  Aufl.  Marburg,  Elwert.  XII,  ISO  S.  M.  1,50. 
|[P.  Schnurer:  ÖLB1.  2,  S.  631;  WIDM.  76,  S.  128.J|  —  5)  X  WIDM.  76,  S.  379;  Paed.  B.  789-90;  R.  Friedrich:  BLU. 
S.  84;  E.  Hermann:  PaedA.  36,  S.  172,3,  300  7  (zeugt  v.  geringem  Verständnis).]!  —  5a)  X  KonsMschr.  S.  104;  DDichtung.  16, 

(4)1* 


IV  la:6     Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Literaturgeschichte. 

und  die  andere  freundlichere  Stimme  laut  wurde,  deren  Aeusserungen  dann  zumeist 
erkennen  Hessen,  dass  der  betreffende  Beurteiler  die  eigentliche  Aufgabe  einer  histo- 
risch-kritischen Darstellung  der  neuesten  Litteratur  entweder  nicht  kannte  oder  doch 
ausser  Augen  liess.  —  Ein  bedeutendes  und  selten  so  selbständig,  so  reich  und  ge- 
drängt zugleich  behandeltes  Kapitel  der  neuesten  Geschichte  deutscher  Litteratur 
bringt  H.  von  Treitschke6)  im  5.,  leider  letzten  Teile  seiner  klassischen  „Deutschen 
Geschichte  im  19.  Jh.".  Es  ist  der  (fünfte)  „Realismus  in  Kunst  und  Wissenschaft" 
überschriebene  Abschnitt  des  5.  Buches,  das  die  acht  ersten  Regierungsjahre  König 
Friedrich  Wilhelms  IV.  schildert,  während  jener  sowohl  die  politische  Poesie  der 
vierziger  Jahre  als  die  bedeutsame  Wendung  umfasst,  die  gerade  in  dem  aufgeregten 
Jahrzehnt  zwischen  1840  und  48  eintrat.  Kann  man  auch  nicht  ohne  weiteres  zu- 
geben, dass  der  Drang  nach  dem  Wirklichen,  dem  modernen  Leben,  ausschliesslich 
ein  Vermächtnis  des  jungen  Deutschlands  gewesen  sei,  so  wird  man  umsomehr  dem 
Grundgedanken  der  ganzen  Darstellung  zustimmen  müssen.  „Die  politische  Leiden- 
schaft, die  Ahnung  eines  nahenden  grossen  Umschwungs  zwang  sich  jedem  ernsten 
Geiste  so  mächtig  auf,  dass  selbst  die  strenge  Wissenschaft  sich  der  Tendenz  nur 
selten  ganz  zu  erwehren  vermochte.  Künstlerische  Andacht  konnte  einem  so  fried- 
losen, aufgeregten  Geschlechte  nicht  leicht  fallen,  gleichwohl  begann  der  Formensinn 
unverkennbar  wieder  zu  erstarken  nach  der  wüsten,  ästhetischen  Verwilderung  der 
dreissiger  Jahre.  Die  Herrschaft  des  souveränen  Feuilletons  war  gebrochen,  all  der 
Wust  von  eilfertigen  Kritiken,  Zeitbildern,  Capriccios  und  Halbnovellen,  die  ganze 
trübe  Vermischung  von  Poesie  und  Prosa,  die  im  letzten  Jahrzehnt  für  geistreich 
gegolten  hatte,  erschien  jetzt  schal  und  abgestanden."  In  T.s  Charakteristik  der 
politischen  Poeten  des  Liberalismus  und  Radikalismus  fährt  Herwegh,  der  „Blender", 
schlechter,  als  Hoffmann  von  Fallersieben  und  Dingelstedt,  „dessen  edel  angelegtem 
Geiste  es  doch  niemals  gelang,  seine  Dichterkraft  völlig  auszubilden".  Lebendig,  an- 
schaulich und  feinsinnig  erscheinen  dann  die  Charakteristiken  Freiligraths,  Lenaus, 
Geibels.  In  der  Kritik  der  letzten  Werke  Heines  verkennt  der  Geschichtsschreiber  bei 
allem  Grimm  vaterländischer  Entrüstung  weder  die  phantasie volle  Beweglichkeit  noch 
den  Geist  und  das  sprachschöpferische  Vermögen,  er  „blieb  der  Alte,  ein  Dichter  der 
Schönheit  ebenso  mächtig  wie  der  Niedertracht".  Tiecks  letztes  Werk  „Vittoria 
Accorombona",  das  „wie  eine  Stimme  aus  dem  Grabe  in  diese  modernen  Kämpfe 
hinein  erklang",  nennt  T.  das  reifste,  das  bestdurchdachte  Kunstwerk  des  alten 
Meisters,  die  Kritik,  die  das  in  seiner  Art  hervorragende  Gedicht  mit  einigen 
schnöden  Bemerkungen  über  altromantischen  Höllenspuk  abthat,  ungerecht,  aber 
nicht  ganz  grundlos:  „Die  Gegenwart  besass  doch  schon  zu  viel  eigenes  Leben,  sie 
verlangte  mit  Recht  ihre  eigenen  Empfindungen  auch  in  der  Schilderung  einer  fremden, 
abenteuerlichen  Welt  wieder  zu  finden."  Um  so  höhere  Würdigung  findet,  nachdem 
an  Rehfues  vergessene  historische  Romane  gemahnt  worden,  die  Dichterkraft  und 
das  Bestreben  von  Wilibald  Alexis,  der  T.  als  fleissiger  Künstler,  bedachtsam  sinnend 
und  feilend,  aber  nicht  mit  so  heiterer  Sicherheit  wie  Scott,  über  der  Fülle  seiner 
Gestalten  stehend  gilt,  gegen  dessen  vaterländische  Romane,  die  echte  Perlen  er- 
zählender Dichtung  bleiben,  die  Deutschen,  die  Brandenburger  und  das  Herrscher- 
haus gleich  undankbar  gewesen  sind.  Die  mit  niederländischem  Fleiss  sauber  ausge- 
malten, gewissenhaft  der  Natur  nachgebildeten,  frisch  und  kräftig,  frei  von  gefühlsseliger 
Schönfärberei  realistisch  gehaltenen  Schwarzwälder  Dorfgeschichten  Berthold  Auer- 
bachs hatten  darum  weit  reicheren  Erfolg,  „weil  sie  den  realistischen  Zug,  die  demo- 
kratische Weltanschauung  des  neuen  Geschlechts  kräftig  förderten.  Gegenüber  den 
späteren  Dorfgeschichten  und  den  Nachahmungen  erkannte  man  dann  allmählich, 
dass  der  Dorfgeschichte  in  der  Romandichtung  nur  die  Stelle  gebührt,  die  ihr  Immer- 
mann von  Haus  aus  angewiesen  hatte,  die  Stelle  einer  bescheidenen  Episode."  Unter 
den  dichtenden  Frauen  der  Periode  werden  Fanny  Lewald  und  deren  Todfeindin,  die 
Gräfin  Hahn-Hahn,  ausführlicher  beurteilt,  den  Preis,  wie  billig,  erhält  Annette  von 
Droste-Hülshoff,  „unter  Deutschlands  schriftstellernden  Frauen  das  stärkste  Dichter- 
talent, dem  nur  leider  die  künstlerische  Durchbildung  fehlte".  Bei  Besprechung  der 
dramatischen  Bestrebungen  der  vierziger  Jahre  zeigt  sich  der  Geschichtsschreiber 
gerechter  gegen  die  halbpoetischen  unausgereiften  Gebilde  und  Versuche  Laubes  und 
Gutzkows,  als  man  eigentlich  erwarten  sollte;  hier  mögen  eigene  Jugendeindrücke 
mitgesprochen  haben.  Als  Gesamturteil  erscheint  der  Satz:  „Die  jungen  Dramatiker 
glaubten  wieder  an  die  Zukunft  unserer  Bühne,  die  Stücke  Gutzkows  und  Laubes 
spiegelten  das  Leben  der  Zeit  immerhin  weit  treuer  wieder,  als  die  weit  zierlicher 
ausgefeilten  Dramen  des  Oesterreichers  Halm,  der  ganz  undeutsch,  an  spanischen 
Vorbildern  geschult,  die  erkünstelte  Unnatur  seiner  Gestalten  nur  durch  technisches 
Geschick    und    eine   melodische,    klangvolle    Sprache    erträglich    machte."     Hebbels 


S.  104.  —  6)  H.  v.  Treitschke,  Eealismtis  in  Kunst  u.  Wissenschaft.    (=  Dtsch.  Gesch.  im  19.  Jh.    5.  T.    [L,Hirzel.    VUI 


Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Literaturgeschichte.     IVla:7 

Sonderstellung  wird  dahin  charakterisiert,  dass  der  ernste,  gedankenschwere  Nord- 
länder, der  in  rauher  Lebensschule  eine  düstere,  fast  hoffnungslose  Ansicht  von  der 
Menschheit,  von  den  Widersprüchen  der  modernen  Gesellschaft,  von  der  Geschichte 
Deutschlands  gewonnen  hatte,  sich  stets  die  höchsten  Ziele  setzte,  die  grossen  sitt- 
lichen Probleme  dramatisch  zu  gestalten  suchte  und  dem  realistischen  Zuge  des  Zeit- 
alters durch  die  unerbittlich  strenge,  folgerechte  Durchbildung  seiner  Charaktere  ent- 
sprach. Aber  sein  Schaffen  war  zu  bewusst,  obwohl  die  gedrungene  Komposition, 
die  mächtig  aufsteigende  Handlung,  der  erschütternde  Schluss  einen  starken  theatra- 
lischen Erfolg  zu  erzwingen  schienen,  fehlte  dem  Dichter  der  Sinn  für  das  Gemein- 
verständliche, der  alle  Bühnenwirkung  bedingt.  Wenn  dann  hervorgehoben  wird, 
dass  dieser  grossangelegte,  tiefsinnige  Dichtergeist  erst  nach  vielen  Jahren  qualvollen 
Ringens  den  Glauben  an  einfachere  Ideale  und  den  Mut  zu  dauernden  Werken  wieder 
gefunden  habe,  so  scheint  doch  der  mittleren  Periode  Hebbels,  der  Zeit  der  „Julia", 
des  „Herodes"  und  des  „Trauerspiels  in  Sizilien",  zu  grosses  Gewicht  und  zu  schwere 
Bedeutung  gegenüber  dem  letzten  Jahrzehnt  beigemessen,  dem  „Agnes  Bernauer", 
„Gyges"  und  die  „Nibelungen"  entstammen.  Im  Zusammenhang  mit  dieser  Anschau- 
ung steht  dann  auch  das  Urteil,  dass  G.  Freytag  allein  unter  allen  Dramatikern  der 
Periode  die  rechte  Herzensfreudigkeit  des  Schaffens,  die  von  Goethe  gerühmte  gut- 
mütige, ins  Reale  verliebte  Beschränktheit  besessen  habe.  Er  liebte  seine  Menschen 
und  lebte  mit  ihnen,  er  schien  sie  an  sein  Herz  zu  drücken,  so  dass  sie  ihm  selbst 
und  den  Hörern  unvergesslich  blieben,  während  man  den  dramatischen  Gestalten 
der  anderen  oft  die  Berechnung,  die  Reflexion  anmerkte.  Der  Darstellung  deutscher 
Litteratur  und  Kunst  der  vierziger  Jahre  reiht  sich  die  des  wissenschaftlichen  Lebens 
an,  zunächst  soweit  es  von  der  Zeit  bestimmt  wurde,  die  Zeit  bestimmen  half.  Hier 
beginnt  T.  mit  der  Charakteristik  der  Historiker  Dahlmann,  J.  G.  Droysen,  der 
historisch-politischen  Parallelen-  und  Anspielungslitteratur  (Strauss  „Der  Romantiker 
auf  dem  Throne  der  Cäsaren",  Otto  Abels  „Theodat,  König  der  Ostgoten",  Adolf 
Schmidts  „Geschichte  der  Denk-  und  Glaubensfreiheit  unter  den  ersten  Cäsaren"). 
Aus  der  Schilderung  der  Gegenseite  treten  die  Blätter  über  Ranke,  Stahl,  die 
beiden  Grimm  grossartig  hervor;  mit  der  raschen  Uebersicht  des  ersten  glänzen- 
den Aufschwungs  der  Naturwissenschaften  schliesst  das  bedeutsame  Kapitel.  Von  be- 
sonderer und  entscheidender  Wichtigkeit  ist  die  unumwundene  Verurteilung,  die  T. 
der  Geschichte  der  deutschen  Dichtung  von  G.  G.-  Gervinus  gegenüber  ausspricht. 
Ihren  Ruhm  als  Werk  von  bleibendem  Werte,  als  grundlegende  Arbeit,  ihren 
Wert  als  bahnbrechendes  ideenreiches  Werk,  das  das  Werden  der  Dichtung  im 
Zusammenhange  mit  den  Schicksalen,  den  Thaten,  den  Empfindungen  der  Nation, 
mithin  in  seiner  Notwendigkeit  auffasste,  bestreitet  er  natürlich  nicht.  Aber  an  dem 
unleidlichen,  g'riesgrämigen  Ton,  an  der  Malerei  grau  in  grau,  an  der  grausamen 
Härte,  die  „schädlich  auf  ein  Volk  wirkte,  das  ohnehin  starke  Talente  nur  ungern 
anerkannte",  nimmt  er  ebenso  heftigen  Anstoss,  als  an  der  Geschichtskonstruktion, 
die  den  Lebensnerv  der  historischen  Welt,  die  persönliche  Freiheit  zerstört.  „Aus 
geistreichen  Parallelen  und  halbrichtigen  Vergleichungen  leitete  Gervinus  kurzweg 
historische  Gesetze  ab.  Und  gerade  das  wichtigste  dieser  Gesetze,  das  dem  ganzen 
Buche  zu  Grunde  lag,  war  unzweifelhaft  falsch.  Gervinus  behauptete,  die  Blütezeiten 
der  Religion,  der  Litteratur,  der  Politik  folgten  auf  einander  im  Laufe  der  Geschichte, 
während  doch  der  Augenschein  lehrt,  dass  Kunst  und  Dichtung  ihr  eigenes  ursprüng- 
liches Leben  führen,  das  durch  die  politischen  Schicksale  wohl  beeinflusst,  aber 
nicht  bedingt  wird."  Für  T.  steht  es  fest,  dass  „Kunst  und  Dichtung,  wenngleich 
nicht  jede  Zeit  das  Grösste  schaffen  konnte,  allen  Kulturvölkern  immer  so  unent- 
behrlich geblieben  sind,  wie  das  liebe  Brod",  und  er  findet  es  daher,  obschon 
er  die  Gervinussche  Litteratur geschichte  als  eine  Macht  in  den  politischen  Kämpfen 
des  Tages  wie  in  der  Entwicklung  der  deutschen  Wissenschaft  anerkennt,  auch  zu- 
giebt,  dass  dem  damals  emporwachsenden  Geschlecht  politische  Leidenschaft  und 
Thatkraft  nötiger  waren  als  ästhetische  Beschaulichkeit,  unverzeihlich,  dass  der  schul- 
meisternde Hochmut  des  Historikers  für  die  freie  und  doch  nicht  gesetzlose  Mannig- 
faltigkeit des  historischen  Lebens  kein  Verständnis  besass,  und  dass  „die  alte  nord- 
deutsche Todsünde  der  Tadelsucht  in  diesem  Süddeutschen  ihren  nie  übertroffenen 
Meister"  fand.  — 

Die  „Moderne"  giebt  nach  wie  vor  Anlass  zu  ebenso  erbitterten  wie  teil- 
weise thörichten  Kämpfen,  gelegentlich  zu  gründlichen  Untersuchungen,  meist  aber 
zu  einem  Durcheinander  der  Stimmen,  in  dem  „keiner  mehr  sein  eigen  Wort,  ge- 
schweige denn  die  Stimmen  der  anderen  verstehen  kann".  Einen  merkwürdigen  und 
geistvoll  scherzenden  Ausblick  in  die  Zukunft  der  Litteratur  thut  Frenzel7),  indem 
er    die   Phantasien   und    Ideale   der  Jüngsten   mit   einem  gewissen  melancholischen 


774  8.    M.  10,00],   S.  370-423.)     |[LCB1.   S.  1761/2.]|     (Vgl.  IV  Ib.)  —    7)   K.   Frenzel,   Zukunfts-Litt. :  NatZg.  N.  193,201. 


IV  la:8-io     Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:   Literaturgeschichte. 

Lächeln  einmal  für  erfüllt  erachtet,  die  Voraussetzung-  macht,  dass  schon  im  J.  1950 
die  Litteratur  für  die  Massen  die  einzig-  vorhandene  sein  werde:  „denn  der  Einfluss 
der  Menge  ist  viel  stärker  als  die  Macht  auch  des  grössten  Talents  gegenüber  dem 
immer  weiter  anwachsenden  Publikum",  während  die  historische  Kunst  auf  Grund 
einer  starken  Volksindividualität  den  gegebenen  Zuständen  nicht  mehr  entspreche. 
Aber  wenn  die  Satire,  das  Salz  der  Erde,  die  Jeremiade,  die  Weltuntergangsdrohung, 
der  Gegensatz  zwischen  der  Wahrheit  und  der  konventionellen  Lüge,  von  denen 
jetzt  so  reichlicher  Gebrauch  gemacht  wird,  verschwunden  sein  werden,  wenn  sich 
die  socialistischen  Einrichtungen  eingebürgert  haben,  der  erbitterte  Kampf  um  den 
Besitz  aufgehört  hat,  der  Heisshunger  gestillt  und  damit  das  Gebiet  des  socialen 
Schauspiels  und  Romans  ebenso  vermindert  ist  wie  durch  die  Einführung  internationaler 
Schiedsgerichte,  die  uns  vor  Krieg  und  Ruhm,  vor  Helden  und  Heldenthaten  be- 
wahren, historische  Dramen  und  Romane  „alte  Scharteken"  geworden  sind,  wenn 
sich  mit  Zunahme  der  allgemeinen  Wohlfahrt  der  Kreis  des  Tragischen  wie  des 
Komischen  gleichmässig  verengt  hat,  werden  der  Litteratur  nur  noch  die  ethische 
Abhandlung',  die  Moralpredigt,  die  Allegorie  und  die  Idylle  bleiben.  Denn  die 
Darstellung-  leidenschaftlicher  Zustände,  gespannter  Verhältnisse,  verbrecherischer 
Thaten  würde  in  einem  schreienden  Gegensatz  zu  der  Wirklichkeit,  zu  den  friedlichen 
Sitten,  der  Eintracht  und  der  Wunschlosigkeit  der  Lebenden  stehen.  Die  Idylle,  die 
Scherzkomödie,  die  Posse  und  die  Pantomime  —  vorausgesetzt,  dass  die  Obrigkeit 
von  1950  es  nicht  allzustreng  mit  der  Sittlichkeit  nimmt,  würden  die  Gattungen  sein, 
in  denen  sich  die  Zukunftsdichtung  am  reichsten  entfaltet.  „Da  den  Königen  ihre 
Macht,  der  Börse  ihr  Gift,  dem  Adel  sein  Uebermut,  der  Bildung  ihre  Anmassung, 
mehr  zu  wissen  und  tiefer  zu  empfinden  als  die  Masse,  der  Kirche  ihr  Himmel  und 
ihre  Hölle  genommen  sind,  woher  sollten  einem  Satiriker  die  grossen  Stoffe  und  die 
bissigen  Worte  zuströmen?  Die  Probe  wird  dann  gemacht  werden,  ob  es  eine  Kunst 
ohne  Inhalt  geben  kann.  Der  beste  Schaumschläger  erringt  den  Preis."  —  Dass  wir 
einstweilen  von  dieser  Zeit  noch  weit  entfernt  sind,  lehrt  jeder  Blick  in  die  litterarischen 
Zeugnisse  von  den  Kämpfen  des  Tages.  Die  socialdemokratische  Poesie,  über  die 
katholische  Prälaten  wie  Präses  Mehler8)  Vorträge  auf  den  Diözesan Versammlungen 
des  Vereins  für  das  katholische  Deutschland  als  über  ein  schwieriges,  aber  interessantes 
Thema  halten,  ist  in  ihren  wesentlichen  Aeusserungen  nichts  weniger  als  Idyll-,  vielmehr 
ingrimmigste  Kampfdichtung.  Beurteiler  freilich,  die  Erzeugnisse  wie  M.  Heines  „Er- 
leuchtung" (Michel,  fallen  dir  die  Schuppen  von  den  Augen?),  weil  sie  das  Gedicht 
im  „Socialdemokratischen  Deklamator"  finden,  der  heutigen  socialistischen  Litteratur 
hinzurechnen,  sollten  die  Kritik  unterwegs  lassen;  wer  sich  nicht  besser  und  eingehender 
mit  einem  Gegenstand  befasst  hat,  besitzt  weder  das  Recht  zur  Lobpreisung  noch  zur 
Verurteilung.  —  Auch  die  moderne  Kolportagelitteratur,  über  die  Dehn9)  sich  des 
Breiteren  vernehmen  lässt,  ist,  wie  aus  allem  hervorgeht,  noch  um  viele  Stationen 
von  dem  Zukunftsidyll  des  J.  1950  entfernt.  Inzwischen  aber  tobt  der  Streit  um  die 
Produkte  des  Tages  weiter,  wo  ein  Stück  Boden  gewonnen  scheint,  spült  die  nächste 
Springflut  einer  allerjüngsten  und  allermodernsten  Moderne  das  kümmerlich  den 
Wogen  Abgerungene  hinweg.  Eine  Litteraturauffassung,  für  die  das  Grosse,  Tiefe  und 
Echte  in  jeder  Gestalt  wertvoll  und  Zeugnis  geistiger  Entwicklung  bleibt,  muss  sich 
endlich  bequemen,  bei  einem  gewissen  Kampf  des  Tages,  „den  Larven  schlagen",  zu 
schweigen,  wenn  sie  nicht  lediglich  pessimistisch  und  fruchtlos  protestierend  auf- 
treten will.  — 

Dass  die  Zahl  der  Anthologien  proportional  dem  beständigen  Anschwellen 
der  naturwüchsigen  und  vor  allem  der  nachahmenden  Lyrik  Jahr  für  Jahr  wächst, 
muss  eigentlich  nur  der  Vollständigkeit  halber  erwähnt  werden.  Denn  die  Gruppe  der 
Sammlungen,  die  unter  irgend  einem  Gesichtspunkt  eine  literarhistorische  Bedeutung 
zu  beanspruchen  haben,  bleibt  doch  eine  sehr  beschränkte.  Wie  im  vorigen  Jahre 
die  deutsch-amerikanische  Anthologie  Zimmermanns,  so  ist  es  auch  diesmal  eine 
ausserhalb  des  heutigen  deutschen  Reiches  erwachsene  Sammlung,  „Das  baltische 
Dichterbuch"  des  Frhrn.  J.  E.  von  Grotthuss10),  die  besondere  Teilnahme  in 
Anspruch  nimmt.  Die  deutsche  poetische  Diaspora  in  den  baltischen  Provinzen 
Russlands,  deren  Anhänger  bis  ins  Mittelalter  zurückreichen,  die  bereits  im  16.  und 
17.  Jh.  zu  einer  gewissen  Bedeutung  gediehen,  unter  den  Einwirkungen  des  reicheren 
litterarischen  Lebens  im  Deutschland  des  18.  und  19.  Jh.  stattlich  angewachsen  ist,  hat 
um  so  mehr  ein  gewisses  Recht  auf  Beachtung,  als  sie  voraussichtlich  nicht  allzulange 
mehr  ihre    alte  Bedeutung    und  Geltung   für   die   baltischen  Lande  behaupten  wird. 


—  8)  J.  B.  Mehler,  D.  socialderookrat.  Poesie.  Vortr.,  geh.  auf  d.  Diöcesanversamrol.  d.  Volksver.  für  d.  kathol.  Deutschland 
in  Augsburg.  Augsburg,  Huttier.  15  S.  M.  0,10.  —  9)  P.  Dehn,  Mod.  Kolportage-Litt.  (=  Zeitfragen  d.  christl.  Volks- 
lebens. Her.  t.  E.  Frhrn.  v.  Üngern-S ternberg  u.  H.  Dietz.  N.  137.)  St.,  Belser.  35  S.  M.  0,80.  |[H.  Josephson: 
ThLB.  17,  S.  229.]|  —  10)  J.  E.  v.  Grotthuss,  D.  Balt.  Dichterbuch.  E.  Answ.  dtsch.  Dichtungen  aus  d.  Balt.  Proy.  Rnss- 
lands    mit    e.    litterarhist.  Einl.    u.    biogr.-krit,  Studien.     Mit  24  Portrr.  u.  1  Titelb.     Reval,   Kluge.     XLVIII,  432  S.    M.  6,00. 


Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Literaturgeschichte.    IV  la:  11-12 

Das  deutsche  Leben  in  den  russischen  Ostseeprovinzen,  von  der  Gefahr  völliger 
Unterdrückung  und  Verkümmerung  bedroht,  wird  wohl  noch  eine  Zeitlang  seinen 
poetischen  Wiederhall  finden,  der  zumeist  auch  ein  Nachhall  der  in  der  deutschen 
Dichtung'  erklingenden  Laute  ist,  aber  die  Aussichten  auf  kräftig  selbständige  Fort- 
bildung baltischer  Stammespoesie  sind  bedenklich  verkümmert.  Auch  die  rück- 
schauende Sammlung  muss  ja  ein  paar  Mal  etwas  kühn  verfahren,  um  klangreiche 
Namen  aufzuweisen.  Wenn  aus  dem  16.  Jh.  der  hessische  Fabeldichter  Burkard 
Waldis,  aus  dem  17.  Jh.  der  sächsische  Lyriker  Paul  Fleming  mit  Gedichtproben  im 
„Baltischen  Dichterbuch"  erscheinen,  so  lässt  sich  das  nur  halbwegs  durch  den 
längeren  Aufenthalt  des  ersteren  in  Riga,  des  anderen  in  Reval  rechtfertigen.  Unter 
den  livländischen  Poeten  des  18.  Jh.  hat  einzig  und  allein  J.  M.  R.  Lenz  eine  tiefer- 
reichende Bedeutung  in  der  Geschichte  der  deutschen  Litteratur.  Doch  gehören 
K.  F.  L.  Petersen,  K.  U.  von  Böhlendorff,  Grass,  Ulr.  von  Schlippenbach,  A.  H. 
von  Weyrauch,  Elise  von  der  Recke,  Sophie  von  Schwarz  zu  den  Namen,  die  ehemals 
auch  ausserhalb  ihrer  Heimatprovinzen  Klang  hatten.  Den  grössten  Raum  der 
Anthologie  nehmen  die  Lyriker  des  19.  Jh.  in  Anspruch.  Unter  diesen  fehlt  es  nicht 
an  sinnigen,  feinfühligen  Liederdichtern,  aber  nur  einzelne  sind  zu  poetischen  Per- 
sönlichkeiten ausgeprägt.  Bezeichnend  ist,  dass  das  Leben  in  den  Ostseeprovinzen  selbst 
viel  seltener  poetische  Klänge  und  Schilderungen  hervorruft,  als  die  sehnende 
Erinnerung  oder  die  Wanderlust  in  der  Fremde.  Eine  bemerkenswerte  Ausnahme 
bilden  hier  die  Gedichte  von  Helene  von  Engelhardt,  deren  „Nordischer  Winter", 
Sturmlieder  und  Theearabesken,  fesselnde  Bilder  aus  der  Mitte  baltischen  Lebens 
vor  Augen  stellen.  Unter  den  neueren  Poeten  zeichnen  sich  K.  von  Fircks,  J.  E. 
von  Grotthuss  (der  Herausgeber),  der  humoristische  R.  Seuberlich,  vor  allen  aber  doch 
R.  M.  von  Stern,  wohl  das  bedeutendste  und  gestaltungskräftigste  Talent  unter  den 
jüngeren  Balten,  vor  vielen  aus.  Unter  den  Dialektdichtern  (wenig  vertreten,  da 
Dichter  und  Publikum  in  den  Ostseeprovinzen  zumeist  aristokratisch  sind)  finden  wir 
den  Revaler  J.  J.  Malm  (1795  — 1862)  mit  Proben  von  deutschesthnischer  Mundart. 
Die  deutschen  Dichter,  die  im  eigentlichen  Russland  geboren  wurden,  allen  voran 
natürlich  Elisabeth  Kulmann,  sind  den  baltischen  Dichtern  angereiht.  Die  litterar- 
historische  Einleitung  wie  die  biographischen  Notizen  am  Schluss  sind  dankenswert, 
aber  nicht  frei  von  einzelnen  Irrtümern.  Th.  G.  von  Hippel,  der  nur  1761  kurze  Zeit 
in  Riga  verweilte,  kann  dem  rigaschen  Umgangskreis  Herders  unmöglich  angehört 
haben.  Garlieb  Merkel,  der  erst  1769  geboren  ist,  musste  schärfer  als  durch  das 
Wort  „später"  von  dem  Berensschen  Kreise  der  Herderschen  Zeit  getrennt  sein.  Der 
Petersburger  Dramatiker  Alexander  Fischer  lebte  und  erschoss  sich  nicht  in  Freiburg, 
sondern  zu  Freiberg  in  Sachsen.  —  Die  kleinere  Sammlung  von  Johanson11)  „Die 
baltischen  Lande  in  Liedern  ihrer  Dichter"  trifft  in  ihrer  Auswahl  natürlich  mannig- 
fach mit  Grotthuss  zusammen.  Sie  weist  indessen  auch  einige  Namen  auf,  die  sich 
nicht  im  „Baltischen  Dichterbuch"  finden.  Von  älteren  treffen  wir  nur  auf  einen, 
der  auch  bei  Grotthuss  nicht  hätte  fehlen  sollen,  auf  den  Eislebener  Philipp  Crusius 
(1585 — 1676),  den  deutschen  Ahnherrn  der  esthländischen  und  schwedischen  Familie 
von  Krusenstjerna,  den  Führer  der  holsteinisch  -  gottorpschen  Gesandtschaft  nach 
Persien,  der  auch  Fleming  angehörte.  Gleich  diesem  Freunde  durch  die  Liebe  zu 
einer  Patrizierstochter  von  Reval  dieser  Stadt  verbunden,  stieg  Crusius  im  schwedischen 
Dienst  zum  Statthalter  von  Esthland  auf.  Die  übrigen  Lyriker  des  Büchleins  gehören, 
mit  Ausnahme  von  sechs,  deren  Geburtsjahr  noch  im  vorigen  Jh.  liegt,  dem  19.  Jh. 
an.  Die  Auswahl  der  Gedichte  erfolgte  unter  dem  Gesichtspunkt  der  Heimatserinnerung: 
Strand,  Wald  und  Heide,  die  Türme  von  Riga  und  Reval,  die  Burgen  von  Wenden 
und  Treiden,  der  Dom  und  die  Universität  von  Dorpat,  die  Inseln  und  Klippen  der 
Ostsee,  die  Seen  und  Flüsse  der  drei  Provinzen  spiegeln  sich  in  ihnen  wieder.  — 
In  der  Anlage  dem  baltischen  Dichterbuch  nahe  verwandt  zeigt  sich  die  Anthologie 
„Westiälische  Dichtung  der  Gegenwart",  dieHülter12)  und  Uhlmann-Bixterheide 
veranstalteten,  und  in  der  wir  neben  einer  litterarhistorisch-kritischen  Einleitung  Proben 
aus  den  hochdeutschen  und  plattdeutschen  Dichtungen  lebender  Westfalen,  schliesslich 
ein  biographisch-bibliographisches  Register  finden,  laut  dessen  in  der  Sammlung 
einundvierzig  westfälische  Dichter  vertreten  sind,  von  denen  leider  ein  so  echt  be- 
gabter wie  der  jugendliche  Julius  Petri  und  wohl  noch  manch  anderer  seit  dem 
Hervortreten  der  Sammlung  schon  aus  dem  Leben  geschieden  sind.  Die  Auswahl 
der  Poeten,  der  Proben  und  die  Charakteristik  der  einzelnen  Dichter  leiden  unter 
einer  gewissen  Zwiespältigkeit.  Dass  es  eine  specifisch  „westfälische  Stammesart  giebt, 
die  in  der  Dichtung  Ausdruck  gesucht  und  gefunden  hat,  dass  innerhalb  dieser 
Allgemeinheit  charakteristische  Verschiedenheiten  beim  Münsterländer,  Sauerländer, 

(Vgl.  IV  2b.)  —  11)  H.  Johanson,  D.  halt.  Lande  in  Liedern  ihrer  Dichter.  E.  Anthol.  mit  biogr.  n.  bibliogr.  Notizen. 
Zürich,  M.  v.  Stern.  12°.  XV,  227  S.  M.  6,00.  |[BLU.  S.  89.] |  (Vgl.  IV  2h.)  —  12)  0.  H  älter  u.  Uhlmann-Bixter- 
heide, Westf.  Dichtung  d.  Gegenw.     Beitrr.  z.  Würdig,  westfäl.  Geisteslebens.    Mit  7  Dichterportrr.  u.  zahlr.  Original-Beitrr. 


IV  la:  is-16     Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Literaturgeschichte. 

westfälischen  Märker  vorhanden  sind,  dass  eine  grössere  Anzahl  von  westfälischen 
Poeten  mit  besonders  zäher  Treue  an  den  Eindrücken,  Ueberlieferungen  und  Sitten 
der  Heimat  festhält",  wird  jedermann  den  Herausgebern  zugestehen.  Annette  Droste- 
Hülshoff,  Fr.  Wilh.  Weber,  der  Dichter  von  „Dreizehnlinden",  und  wiederum  der 
Nachromantiker  Joseph  Pape  oder  die  Dialektpoeten  Ferd.  Krüger  und  Franz  Giese 
sind  in  diesem  engeren  Sinne  westfälische  Dichter.  Dass  es  möglicherweise  einer 
feineren  und  tieferen  Untersuchung  gelingen  würde,  gewisse  Elemente,  die  bei  den 
Genannten  vorwalten,  auch  in  den  westfälischen  Dichtern  zu  ergründen,  die  durch 
Lebensschicksale  und  Bildungsrichtungen  den  Kreisen  und  den  geistigen  Grund- 
richtungen der  Heimat  entrückt  sind,  lässt  sich  gleichfalls  nicht  in  Zweifel  ziehen. 
Aber  die  Herausgeber  begnügen  sich  in  ihren  kritischen  Darlegungen  mit  einem 
allzulauten  Anpreisen  der  grundverschiedensten  und  gegensätzlichsten  Naturen. 
Müss  man  fragen,  was  litterarische  Charakterköpfe,  wie  die  Brüder  H.  und  J.  Hart, 
wie  Peter  Hille,  der  Vf.  der  „Socialisten",  oder  Jakob  Loewenberg,  der  Vf.  der 
„Lieder  eines  Semiten",  mit  den  frommen  katholischen  Poeten  und  Erzählern  des 
Münster-  und  Sauerlandes,  mit  J.  Pape,  H.  Keiter,  Ferdinande  von  Brackel,  der 
Gräfin  von  Holnstein-Mengersen  u.  a.  Gemeinsames  haben,  inwiefern  das  westfälische 
Blut  sich  in  Akademikern,  wie  dem  Maler-Dramatiker  H.  von  Rüstige,  dem  Camoens- 
übersetzer  W.  Storck  u.  a.  geltend  macht,  und  lautet  die  Antwort  hierauf,  dass  für 
die  Aufnahme  in  dieses  westfälische  Dichterbuch  nur  die  Geburt  auf  dem  Boden 
Westfalens  massgebend  gewesen  ist,  so  befremdet  dann  wieder  die  Aufnahme  der 
Charakteristik  und  der  Gedichtproben  des  Lyrikers  P.  Baehr,  der  in  Thorn  geboren, 
nur  zufällig  in  Bad  Oeynhausen  lebt,  oder  der  scharfe  Angriff  auf  die  Arnsberger 
Dichterin  Johanna  Baltz,  deren  Erfolge  als  unberechtigte,  denen  „die  heutige  dem 
Militarismus  und  allem,  was  damit  zusammenhängt,  zugewandte  Zeitströmung  zu  gute 
gekommen  ist",  bezeichnet  werden.  —  Einen  minder  günstigen  Eindruck  als  die 
westfälische  Dichtung  ruft  das  „Prager  Dichterbuch"  hervor,  das  Teweles13)  im 
Sinne  und  mit  der  Unterstützung  der  Gesellschaft  zur  Förderung  deutscher  Wissen- 
schaft, Kunst  und  Litteratur  in  Böhmen  herausgegeben  hat.  In  Poesie  und  Prosa 
treffen  wir  auf  Beiträge  von  Fr.  Adler,  R.  Austerlitz,  H.  Herold,  A.  Klaar,  H.  Lieb- 
stöckl,  Laska  van  Oesteren,  H.  Salus,  R.  Schubert,  H.  Teweles  und  Jos.  Willomitzer, 
von  denen  nur  die  Gedichte  von  Fr.  Adler  und  auch  diese  zumeist  mehr  durch 
rhetorischen  Schwung  als  poetischen  Gehalt  über  das  Mittelmass  hinausragen. 
Hoffentlich  ist  es  nur  das  zufällige  Missgeschick,  das  Sammelwerke  dieser  Art  so 
leicht  betrifft,  dass  die  deutschen  Poeten  Böhmens  hier  auf  einem  so  wenig  imponierenden 
Niveau  des  Talents  und  Geschmackes  erscheinen.  — 

Der  Cottasche  Musenalmanach  unter  der  Redaktion  Brauns14)  ist  auch 
diesmal  nicht  ausgeblieben.  Seinem  ursprünglichen  Charakter  bleibt  dieser  Almanach 
treu:  er  bildet  nach  wie  vor  einen  Sammelpunkt  für  die  Poeten,  die  des  Vergehens 
schuldig  sind  vor  1860  geboren  zu  sein.  Der  Herausgeber  kann  sich  offenbar  zum 
Verzicht  auf  eine  gewisse  Vornehmheit  und  klare  Durchbildung  der  Form  nicht 
entschliessen,  entbehrt  damit  einer  Gruppe  jüngerer  Lyriker,  die  bei  dieser  Durch- 
bildung ihre  Eigenart  gefährdet  glauben.  Immerhin  schrumpft  die  Zahl  der  früher 
Beitragenden,  die  nichts  zu  geben  haben  als  glatte  Verse,  entschieden  zusammen. 
Wie  in  den  älteren  Jahrgängen  sind  es  vor  allen  die  lyrisch-epischen  und  die  didaktischen 
Gedichte,  durch  die  sich  Brauns  Sammlung  auszeichnet  in  den  poetischen  Erzählungen 
und  Bildern.  Freilich  darf  die  eingehendste  und  umsichtigste  Beurteilung,  die  von 
Muncker,  nicht  verschweigen,  dass  sich  auch  in  dieser  Gruppe  manche  mittelmässige 
und  dilettantische  Stücke  finden  und  leider  gerade  unter  den  mittelmässigsten  Ge- 
dichten recht  berühmte  Poetennamen  prangen.  Aber  das  Gute  überwiegt  doch  durch- 
aus. Von  den  erzählenden  Dichtungen  werden  nächst  der  Prosanovelle  „Rafaela"  von 
Hermine  Kell  er- Jordan,  die  aus  Heyses  Schule  stammt,  die  Gedichte  „Wie  die  Jugend 
liebt"  von  Isolde  Kurz,  „Das  Begräbnis"  von  K.  Woermann,  „Der  Prophetenschüler" 
von  Ad.  Stern,  „Fra  Serafico"  von  A.  Pichler,  „Der  Weber"  von  Max  Haushofer, 
das  Balladenpaar  „König  Hannes"  von  A.  Matthäi,  unter  den  lyrischen  Beiträgen  des 
Almanachs  die  Gedichte  von  W.  Hertz,  Adolf  Berk,  M.  Kiesewetter,  K.  Busse, 
A.  Moser,  die  „Sonette  aus  Palermo"  von  J.  Haarhaus  und  J.  V.  WTidmanns  „Selt- 
samer Gasthof"  hervorgehoben,  als  Spruchdichter  nur  Pichler  ausgezeichnet.  —  Sehr 
unergiebig  stellt  sich  „Jung-Deutschlands  Musenalmanach"  dar,  den  die  Redaktion 
der  Zeitschrift  „Jung-Deutschland  und  Jung-Elsass"  herausgiebt15);  er  kann  mit  der 
vorjährigen  Publikation  Bierbaums  und  der  Münchener  Secession  auch  nicht  von 
fern  verglichen  werden.  —  Eine  Art  Musenalmanach  in  Prosa  veranstaltete 
Flaischlen16)    in    „Neuland",    einem  Sammelbuch,    das,    nur    die   „Modernen"    im 

L.,  Lenz.  XVI,  269  S.  M.  3,00.  —  13)  H.  Teweles,  Prager  Dichterbuch.  Prag,  Khrlich.  VII,  252  S.  M.  3,00.  -  14)  O. 
Brann,  Cottascher  Musenalm.  auf  d.  J.  1895.  St.,  Cotta.  12«.  284  S.  M.  6,00.  |[A.  Sohlossar:  BLU.  S.  794;  P.  Muncker: 
AZg".  N.  288.J|  (Vgl.  JBL.  1893  IV  1  a  :  17;  s.  auch  IV  2b.)  —  15)  Jung-Deutschlands  Musenalm.  Her.  v.  d.  Red.  d.  Halb- 
monatsschr.  Jung-Deutschland  u.  Jung-Elsass.     1.  Jahrg.    Strassburg  i.  E.,  Kattentidt.  12".  205  S.  M.  2,00.  —  16)  C.  Flaischlen  , 


Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:   Literaturgeschichte.     IV  la:  17-20 

engsten  Sinne  berücksichtigend,  für  den  Anspruch,  die  Dichtung  der  letzten  zwei  Jhh. 
oder  auch  nur  die  bedeutenderen  Dichter  der  letzten  beiden  Menschenalter  abzulösen, 
wenig  genug  zu  wirken  vermochte,  in  den  novellistischen  Skizzen  und  Studien  von 
O.  J.  Bierbaum,  M.  G.  Conrad,  Anna  Ooissant-Rust,  M.  Dreyer,  Franz  Evers, 
C.  Flaischlen,  H.  von  Gumppenberg,  M.  Halbe,  H.  Hart,  J.  Hart,  Otto  Erich  Hart- 
leben, W.  Hegeler,  K.  Henckell,  F.  Hille,  Maria  Janitschek,  D.  von  Liliencron, 
J.  H.  Mackay,  Willy  Pastor,  Carlot  Reuling,  P.  Scheerbart,  J.  Schlaf,  H.  Schliep- 
mann,  Heinz  Tovote  natürlich  eben  so  viel  Verheissendes  und  Keimkräftiges  wie 
Renommistisches  und  Manieriertes  zu  Tage  bringt.  Im  ganzen  aber  können  diese 
Proben  nicht  einmal  als  charakteristisch  für  die  gegenwärtig  erreichte  Darstellungs- 
fähigkeit unserer  Jüngsten  gelten.  Es  muss  peinlich  auffallen,  dass  eine  litterarische 
Schule,  die  die  Losung  der  Selbständigkeit,  der  freien  Individualität  und  des 
Individualismus  um  jeden  Preis  so  laut  erschallen  lässt,  in  ihren  Anläufen  eine  so 
auffällige  Gleichheit  des  Vortrages  und  der  stilistischen  Künste  aufweist.  Doch  liegt 
dies,  wie  gesagt,  zu  einem  Teil  in  dem  Vorwiegen  der  Novellette  und  der  kleinen 
Skizze,  die  in  der  Sammlung  fast  ausschliesslich  vertreten  ist,  und  darf  grösseren 
selbständigeren  Werken  der  hier  in  Frage  stehenden  Autoren  gegenüber  wenigstens 
nicht  ohne  weiteres  verallgemeinert  werden.  — 

Die  Mitteilungen  über  Stammbücher,  namentlich  des  vorigen  Jh.,  und 
die  Auszüge  aus  diesen  mehren  sich  fortgesetzt.  Ein  „Urenkel"  n)  durchmustert  das 
Stammbuch  seines  Urgrossvaters,  des  kurfürstlich  sächsischen  Artilleriehauptmanns 
Tielke,  der  als  junger  sächsischer  Offizier  beim  Ausbruch  des  siebenjährigen  Krieges 
mit  der  ganzen  sächsischen  Armee  in  Gefangenschaft  geraten,  bald  nach  Wien  entfloh, 
zahlreiche  Schlachten,  Gefechte,  Belagerungen  des  Krieges  auf  österreichischer  Seite 
mit  durchmachte,  nach  dem  Hubertusburger  Frieden  meist  in  Freiberg  in  Garnison 
stand,  1764  und  65  zur  Vertiefung  seiner  mathematischen  und  anderen  Studien  in 
Leipzig  lebte  (der  Urenkel  vermutet,  dass  jener  Offizier,  dessen  Goethe  im  7.  Buche 
von  „Dichtung  und  Wahrheit"  gedenkt,  Tielke  gewesen  sei)  und  in  ebenso  mannig- 
fachen Beziehungen  als  grossem  Ansehen  stand.  Die  Einzeichnungen  seines  Stamm- 
buches rühren  grossenteils  von  Offizieren,  Geschäftsmännern,  angesehenen  Beamten, 
Landedelleuten  usw.,  wie  auch  von  Frauen  dieser  Kreise  her.  Doch  finden  sich  auch 
unter  diesen  einige  litterarisch  namhafte  Persönlichkeiten,  so  der  Hofmarschall  J.  F. 
von  Racknitz,  dessen  „Geschichte  des  Geschmacks"  die  Xenien  übel  gestreift  haben; 
in  Dresden  und  Leipzig  gesellen  sich  einzelne  Berühmtheiten  hinzu :  der  Göttinger 
Ch.  G.  Heyne  (mit  dem  Tielke  seit  Knabentagen  befreundet  war),  der  Leipziger 
Theolog  Zollikofer,  der  Geschmacksdiktator  Gottsched  am  Abend  seines  Lebens  (1765) 
und  dessen  zweite  Gattin  Wilhelmine  Albertine  (die  „Jungfer  Oberstlieutenantin"  eines 
Goetheschen  Briefes  aus  Leipzig  an  den  Frankfurter  J.  J.  Riese),  der  Maler  Oeser, 
Crusius  u.  a.  Die  interessanteste  Eintragung  ist  vielleicht  die  Dresdner  der  alten 
Friederica  Carolina  Neuber,  die,  fort  und  fort  an  ihre  geliebte  Schauspielkunst 
denkend,  sie  poetisch  preisend,  noch  im  Mai  1760  den  mutigen  Wahlspruch  schreibt: 
„Was  frag  ich  nach  der  Zier,  wenn  ich  nur  wohl  agier!"  Neben  Versen  von  Haller, 
Hagedorn,  Canitz  werden  ziemlich  viel  poetische  Versuche  von  Dilettanten  ein- 
getragen, in  denen  der  wohlgeschrotene  Alexandriner  noch  eine  Hauptrolle  spielt. 1S) 
—  Riese19)  teilte  aus  einem  im  Besitz  der  Frau  Rosita  Mylius  in  Rostock  befind- 
lichen Stammbuche  eines  unbekannten  Schweden,  der  um  1784  und  85  in  Rostock 
studiert  hat,  die  von  D.  Chodowiecki,  Anna  Luise  Karschin  und  Basedow  herrühren- 
den Blätter  mit.  — 

Den  Reigen  der  Specialstudien  und  -darstellungen  führt  für  dies- 
mal eine  Sammlung  von  Aufsätzen,  die  in  dem  von  Franzos20)  heraus- 
gegebenen Buche  „Die  Geschichte  des  Erstlingswerkes"  autobiographische  und  auto- 
kritische Aufzeichnungen  von  neunzehn  vielgenannten  und  erfolgreichen  deutschen 
Schriftstellern  der  Gegenwart  umfasst.  Der  Herausgeber  ist  von  der  für  zahlreiche  Fälle 
zutreffenden  und  für  zahlreiche  andere  sehr  unzutreffenden  Voraussetzung  ausgegangen, 
dass  der  auf  dem  Gebiet  der  Litteratur  hervorragende  Mensch  die  Geschichte  seines  Erst- 
lingswerkes als  das  wichtigste  Kapitel  seiner  Selbstbiographie  ansehen  müsse.  Er 
versteht  freilich  unter  dem  Erstlingswerke  nicht  den  ersten  Anlauf,  nicht  die  erste 
Schreib-  und  Dichtübung  des  künftigen  Schriftstellers,  sondern  eben  sein  erstes 
grösseres  Werk,  mit  dem  er  in  die  Oeffentlichkeit  getreten  ist.  Also  er  will,  um 
das  erlauchteste  Beispiel  zu  wählen,  im  Grunde  von  Goethe  nicht  die  Geschichte  der 
„Laune  des  Verliebten"  und  der  „Mitschuldigen",  nicht  die  der  Leipziger  und  der 
Sesenheimer  Lieder,  sondern  die  des  „Götz"  und  „Werther"  haben  und  lesen.     Und 


Neuland.  E.  Sammelbuch  mod.  Prosadichtung.  B.,  Ver.  d.  Bücherfreunde.  XI,  488  S.  M.  5,00.  |[Ad.  Schroeter:  BLU. 
S.  457. j|  —  17)  — r.— ,  E.  Stammbuch:  LZg».  N.  38.  —  18)  Bll.  aus  d.  Stammbuch  Jens  Baggesens  (JBL.  1893  IV  la:22). 
|[L.  Geiger:  NatZg.  N.  434;  TglRs«  N.  85.11  —  19)  A.  Biese,  Aus  e.  Stammbuch:  BFDH.  9,  S.  401,3.  —  20)  K.E.Franzos, 
D.  Gesch.  d.  Erstlingswerkes.  Selbstbiogr.  Aufsätze.  Mit  d.  Jugendbildn.  d.  Dichter.  L.,  Titze.  XVIII,  296  S.  M.  6,00. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (4j~ 


IV  1  a  :  20     Ad.  Stern,   Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:    Literaturgeschichte. 

in  diesem  Sinne  meint  er  dann :  „Die  erste  Höhe,  die  man  erstiegen,  die  erste 
Schlacht,  die  man  geschlagen  hat,  —  um  wie  vieles  Frühere  und  Spätere  sich  die 
Schatten  des  Vergessens  breiten  mögen,  dies  leuchtet  fort.  Welchem  Dichter  wird 
nicht  die  Zeit,  da  er  seinen  Erstling  schrieb,  als  ein  Unvergessliches,  in  seiner  Art 
Einziges  und  Höchstes  im  Gemüte  fortleben?  Und  dann  —  man  setzt  ja  auch  später 
seine  volle  Kraft  ein,  leistet  Besseres  und  Reiferes,  aber  was  schafft  man  unter  ähn- 
lichen Stürmen  der  Seele,  mit  dem  gleichen  heissen  Drang,  sein  Inneres  aus- 
zuströmen? Vielleicht  gelingt  es  nicht,  und  man  stammelt  nur  für  weniger  Leute 
Ohren,  wo  man  herrlich  zu  allem  Volk  zu  reden  vermeinte,  aber  wie  bezeichnend  für 
des  Dichters  Wesen,  geradezu  der  Schlüssel  zu  seinem  Schaffen  bleibt  dies  erste 
Buch,  ob  es  nun  ein  Reden  oder  ein  Stammeln  ist."  Indem  F.  sehr  verschieden  ge- 
artete Dichter  und  Schriftsteller  der  Gegenwart  zu  diesem  vermeintlich  wichtigsten 
Kapitel  ihrer  Selbstbiographie  bestimmte,  hat  er  nicht  vermeiden  können,  auch 
Autoren  heranzuziehen,  die,  wie  Spielhagen  und  Dahn,  längst  ganz  ausführlich 
über  ihr  Leben  und  ihre  poetische  Entwicklung  berichtet  haben  und  in  der  Ge- 
schichte des  Erstlingswerkes  nur  wiederholen  können,  was  wir  schon  wussten.  Und 
ebenso  unvermeidlich  hat  es  sich  gezeigt,  dass  die  einzelnen  zur  Darstellung  ihrer 
ersten  litterarischen  That  Berufenen,  in  der  Auffassung,  was  sie  als  Erstlingswerk  be- 
trachten sollen,  weit  von  einander  abweichen,  entweder  wie  Th.  Fontane  von  dem 
wirklichen  poetischen  Erstling,  dessen  sie  sich  aus  ihrer  Knabenzeit  erinnern,  wie 
H.  Sudermann  von  einem  verunglückten  Studentendrama  erzählen,  oder  wie  Marie 
von  Ebner-Eschenbach  über  ihre  poetischen  Kinder-  und  Lehrjahre,  wie  Wilh.  Jensen 
über  seine  litterarischen  Anfänge  überhaupt  berichten.  Nur  wenige  moderne  Dichter 
werden  das  Klopstocksche  Glück  teilen,  dass  das  erste  Werk  zugleich  zum  Haupt- 
werk ihres  Lebens  wird,  was  der  Dichter  der  Völkerwanderung  H.  Lingg  von  sich 
beteuern  kann,  oder  dass,  wie  es  bei  Georg  Ebers  mit  dem  Roman  „Eine  ägyptische 
Königstochter",  bei  K.  E.  Franzos  mit  den  Novellen  „Die  Juden  von  Barnow",  bei 
Spielhagen  mit  den  „Problematischen  Naturen",  bei  K.  F.  Meyer  mit  dem  Gedicht 
„Huttens  letzte  Tage"  der  Fall  ist,  das  Erstlingswerk  vorbildlich  die  volle  Eigenart, 
das  besondere  Gepräge  der  späteren  Dichtungen  aufweist.  Mit  allem  Recht  lehnt 
es  Heyse  ab,  die  Märchen  „Vom  Jungbrunnen"  und  die  Studententragödie  „Francesca 
von  Rimini"  als  Spiegel  seines  poetischen  Wesens  ansehen  zu  lassen,  oder  E.  Wiehert 
von  einem  in  den  Unterhaltungen  des  litterarischen  „Kränzchens  zu  Königsberg" 
gedruckten  „Kaiser  Otto  III."  den  Massstab  seines  dramatischen  Könnens  zu  ent- 
nehmen. Der  W7ert  der  einzelnen  Mitteilungen,  obschon  natürlich  allen  der  Reiz 
lebendiger  und  intimer  Erinnerung  innewohnt,  ist  ungleich;  nicht  alle  Poeten  sind 
der  Gefahr  solcher  Selbstschilderungen,  der  theatralischen  Pose  und  der  allzu  feier- 
lichen Miene  so  glücklich  ausgewichen,  wie  die  grössere  der  beiden  Dichterinnen 
der  Gruppe,  die  tapfere  und  durch  und  durch  gesunde  Marie  Ebner-Eschenbach  oder 
wie  Baumbach,  der  Entstehung  und  Schicksal  seines  „Zlatorog"  knapp  und  kurz  auf 
drei  Seiten  erledigt.  Wer  irgend  in  Zukunft  über  die  in  der  „Geschichte  des  Erst- 
lingswerkes" vertretenen  Dichter  zu  berichten  und  zu  urteilen  haben  sollte,  wird  der 
hier  dargebotenen  Schlüssel  nicht  ganz  entraten  können,  aber  bald  finden,  dass  die 
einen  wirklich  den  Zutritt  zum  innersten  Wesen  und  dem  poetischen  Laboratorium 
erschliessen,  während  die  anderen  nur  die  Thür  zu  einer  Art  von  Vorgemächern 
öffnen,  die  mit  den  ehemals  beliebten  Prunkküchen  reichsstädtischer  Hausfrauen,  in 
denen  nie  gekocht,  sondern  nur  Gesellschaft  empfangen  wTurde,  eine  verzwickte  Aehn- 
lichkeit  haben.  Die  vorhandenen  Aufsätze  von  Bodenstedt,  Schack,  Rodenberg  und 
Roquette  mussten  weggelassen  werden,  weil  sie  von  diesen  Schriftstellern  in  eigene 
Bücher  aufgenommen  worden  waren,  ehe  das  Sammelwerk  zu  stände  kam.  Den 
Skizzen  sind  auch  Jugendbildnisse  von  Fontane,  Spielhagen,  Heyse,  Marie  von  Ebner- 
Eschenbach,  Wiehert,  Julius  Wolff,  Hopfen,  Ebers,  Sudermann,  Baumbach,  Eckstein, 
Voss,  0.  Schubin  (Lola  Kirschner)  und  Fulda  beigegeben.  Die  vom  Herausgeber 
getroffene  Auswahl  der  vertretenen  Schriftsteller  entzieht  sich  natürlich  der  Kritik, 
da  der  Gesichtspunkt,  unter  dem  sie  erfolgte,  weder  aus  der  Vorrede  noch  aus  der 
Folge  der  autobiographischen  Studien  klar  wird.  F.  sagt  in  der  Einleitung  zur 
Geschichte  des  Erstlingswerks,  dass  ihm  sein  Unternehmen  auch  wichtig  für  die 
Literaturgeschichte  erschienen  sei,  und  dass  er,  bei  Erwägung  des  Fleisses  und  der 
Fülle  von  Scharfsinn,  die  heute  daran  gesetzt  werden,  um  zu  erkunden,  unter  welchen 
Einflüssen  und  Verhältnissen  die  Dichter  des  18.  Jh.  ihre  Erstlingswerke  geschrieben, 
geglaubt  habe,  sich  den  Dank  der  Litterarhistoriker  in  der  zweiten  Hälfte  des  20.  Jh. 
zu  verdienen:  „Da  dürfte  sich  ja  wohl  die  Wissenschaft  mit  den  Dichtern,  die  wir 
Ungelehrten  jetzt  lesen,  beschäftigen."  Und  dann  giebt  er  die  Bemerkung  zum 
besten:  „So  bedeutend  wie  die  kleinen  Hainbundleute,  über  die  heute  dicke  Bücher 
erscheinen,  sind  alle,  die  hier  zu  den  Lesern  sprechen."  Man  dürfte  ihm  vorhalten, 
dass  die  Anschuldigung,  als  ob  die  Wissenschaft   allemal   ein  Jh.    brauche,    ehe  sie 


Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Literaturgeschichte.     IV  la  :  21-27 

der  poetischen  Produktion  nahetritt,  eine  starke  Ungerechtigkeit  gerade  heute  ein- 
schliesst,  wo  eher  die  Tendenz  vorhanden  ist,  die  Früchte  unreif  von  den  Bäumen 
zu  reissen,  als  sie  erst  trocken  einhutzeln  zu  lassen.  Und  man  müsste  hinzufügen, 
dass  unter  seinen  Repräsentanten  der  gegenwärtigen  Litteratur  etwelche  Modeschrift- 
steller sich  befinden,  die  für  die  Zukunft  doch  vielleicht  mindere  Bedeutung  haben 
werden  als  die  kleinen  Hainbundleute  für  die  Erweckung  und  Entwicklung  unserer 
Lyrik  in  der  That  hatten.  —  In  der  Reihe  der  Essay  Sammlungen  nimmt  das  Buch 
von  Brandes21),  „Menschen  und  Werke",  eine  sehr  bedeutende  Stelle  ein.  Nur  zu 
ihrem  kleinsten,  aber  freilich  nicht  unwichtigsten  Teile  befassen  sich  diese  neuen,  in 
der  bekannten  geistvollen  feinsinnigen,  doch  übersubjektiven  Art  des  Autors  ge- 
haltenen Studien  mit  deutscher  Litteratur.  Streng  genommen  gehören  von  16  Auf- 
sätzen nur  die  vier  „Goethe  und  Dänemark",  „Friedrich  Nietzsche",  „Hermann 
Sudermann"  und  „Gerhart  Hauptmann"  hierher.  Und  doch  ist  in  allen  übrigen  Ab- 
handlungen über  Holberg,  Oehlenschlägers  Aladdin,  E.  Zola,  Guy  de  Maupassant, 
Puschkin  und  Lermontow,  F.  Dostojewski,  Leo  Tolstoi,  Das  Tier  im  Menschen, 
Kristian  Elster,  A.  Kielland,  J.  P.  Jacobsen,  A.  Strindberg  nicht  nur  fortwährend 
Bezug  auf  Strömungen  und  Elemente  der  deutschen  Litteratur  genommen,  sondern 
alle  einzelnen  Erörterungen  des  Vf.,  die  feinsten  seiner  Anschauungen,  die  tiefsten 
seiner  Erkenntnisse  und  Urteile  stammen  aus  seiner  deutschen  Bildung.  Und  wenn 
B.  hundertmal  seine  Vorliebe  für  das  Künstlervolk  der  Franzosen  betont,  wenn  ihm 
die  Abwesenheit  jedes  sittlichen  Urteils  bei  den  neueren  Franzosen  sogar  wohlthätig 
ist,  wenn  er  wieder  und  wieder  den  Renaissancegeist  über  alles  preist,  der  nur 
Menschen,  nur  Individuen  sucht  und  dem  es  der  höchste  Daseinszweck  bleibt,  indi- 
viduelle Besonderheit  künstlerisch  zu  verkörpern,  so  weiss  er  doch  wohl,  dass  die 
grossen  Träger  der  deutschenLitteratur  mehr  als  alle  anderen  von  diesem  Renaissancegeist 
in  sich  aufgenommen  haben.  So  weit  er  in  seiner  ästhetischen  Feinfühligkeit,  in 
seinem  Schwelgen  im  besonderen  geht,  so  elastisch  und  nachgiebig  er  jeder  neuen 
Erscheinung  gegenüber  zu  sein  scheint,  so  hat  er  doch  das  Bewusstsein  bewahrt, 
dass  es  Allgemeinforderungen  giebt,  die  auch  der  revolutionäre  Geist  weder  besiegen 
noch  verleugnen  kann.  Man  möchte  sagen,  dass  in  drei  Sätzen,  die  wie  Leitmotive 
durch  diese  Studien  hindurchklingen,  Sätzen  wie:  „Alle  wahre  Kunst  wendet  sich 
an  die  Höchstentwickelten  der  Zeit",  „Es  ist  notwendig,  auf  die  Gefahr  aufmerksam 
zu  machen,  dass  der  himmelweite  Unterschied  zwischen  einem  Dichter  und  einem 
Unterhaltungsschriftsteller  in  Vergessenheit  gerät"  und  endlich  „Die  Lesewelt  hat 
das  Recht,  von  dem  Schriftsteller  zu  erwarten,  dass  er  nicht  das  Wort  nehme,  be- 
vor er  Reife  genug  besitzt,  die  Tragweite  seiner  Anschauungen  einigermassen  über- 
sehen zu  können.  Ist  er  völlig  ungefestigt,  kennt  er  nicht  einmal,  was  gegen  seine 
Meinungen  eingewandt  werden  kann,  so  muss  er.  sich  schweigend  zurückhalten",  im 
Grunde  genommen  jede  Gefahr  beseitigt  erscheint,  die  aus  der  anschmiegenden,  die 
WTallungen  des  künstlerischen  Blutes  gleichsam  teilenden,  von  jeder  Art  Form- 
vollendung und  selbst  von  berechnetem  Virtuosentum  hingerissenen  kritischen  An-  und 
Nachempfindung  des  dänischen  Aesthetikers  hervordroht.  —  Gegenüber  den  glänzend 
geschriebenen  und  mit  souveräner  Sicherheit  auftretenden  Arbeiten  von  Brandes 
kommen  die  verdienstlichen  und  sorgfältigen  Studien  anderer  einigermassen  ins 
Gedränge,  wenn  sie  zufällig  die  gleichen  oder  verwandte  Gegenstände  behandeln. 
Dies  gilt  von  den  Sammlungen  von  Sintenis22),  der  seine  litterarischen  Ansichten 
in  Vorträgen  über  H.  Sudermann,  H.  Seidel,  Bret  Harte,  Mark  Twain,  F.  Bellamy  — 
drei  Amerikaner  gegen  zwei  Deutsche  —  darlegt.  —  Von  den  sorgfältigen  und  fein- 
gezeichneten Dichterporträts  Ziels23)  ist  eine  vierte  Reihe  erschienen;  von  Rütte- 
nauer24)  ein  litterarisches  Skizzenbuch,  in  dem  der  Aufsatz  über  Jensen  wohl  das 
Bemerkens-  und  Beachtenswerteste  ist.25)  —  Die  früher  erschienenen  Studien  Ad. 
Sterns26)  (JBL.  1893  III  3:  17;  IV  la:27)  erfuhren  noch  mehrere  Besprechungen.  — 
Die  namhaftesten  deutschen  Humoristen  der  Gegenwart  macht  Kohut27)  zum  Gegen- 
stand einer  literarhistorischen  Studie,  die  wohl  richtiger  als  Feuilletonplauderei  zu  ver- 
zeichnen ist.  Muss  es  schon  auffallen,  dass  der  Vf.  alle  Vertreter  des  Witzes,  des 
Spottes  und  der  Satire  ohne  weiteres  Humoristen  nennt,  so  gehört  die  Charakteristik: 
„Der  norddeutsche  Humorist  ist  ein  heisshungriger  Geselle,  er  hat  grosse  gewölbte 
Augen,  eine  hohe,  steile  Stirn e,  eine  spitze  Nase,  magere,  wenn  nicht  gar  bleiche 
Wangen,  er  gehört  zu  den  Cassiusgestalten,  die  Cäsar  fürchtete,  weil  sie  zu  viel 
denken ;  der  süddeutsche  Humorist  ist  harmlos,  schalkhaft,  neckisch,  ein  stets  lustiger, 


|[R.  M.  Meyer:  DLZ.  S.  1542/4.11  —  21)  G.  Brandes,  Menschen  u.  Werke.  Essays.  Frankfurt  a.  M.,  Litt.  Anst.  V,  533  S. 
M.  10,50.  |[R.  Friedrich:  BLU.  S.  97-100;  L.  Berg:  Zuschauer  1,  S.  36/8.]|  —  22)  Fr.  Sintenis,  Litt.  Ansichten  in  Vortrr. 
YuTJew,  E.  J.  Karow.  80  S.  M.  2,00.  —  23)  E.  Ziel,  Litt.  Reliefs  Dichterportrr.  4.  Reihe.  L.,  Wartig.  UI,  226  S.  M.  2,50. 
—  24)  B.  Rüttenauer,  Zeitiges  u.  Streitiges.  E.  litt.  Skizzenbuch.  Heidelberg,  G.  Weiss.  VII,  265  S.  M.  3,20.  —  25)OXX 
L.  Bamberger,  Charakteristiken.  (=  Ges.  Werke.  Bd.  2.)  B.,  Rosenbaum  A  Hart.  V,  328  S.  M.  5,00.  |[Th.  Barth:  Nation".  1 
1,  S.  510/1.]|   (Vgl.  IV  lb:318.)  —  26)  X  WIDM.  75,  8.  655;  Anglia  4,  S.  234/5.-27)  A.  Kohut,  D.  namhaftesten  dtsch.  Hnraoristen 

(4)2* 


IV  la  :  23-31    Ad.  Stern,  Allgemeines  des   18./19.  Jahrhunderts:  Literaturgeschichte. 

froher  Patron,  ein  sogenannter  Gemütsmensch;  der  österreichische  Humorist  ist  ein 
wohlbeleibter  Mann  mit  Stumpfnase  und  feisten  Wangen,  wenn  er  lacht,  kneift  er 
die  Augen  zu,  er  ist  ein  dicker,  also  ein  guter  Mensch",  vollends  ins  Gebiet  der  her- 
kömmlichen Allgemeinheiten.  Im  einzelnen  werden  J.  Stettenheim,  J.  Stinde,  O. 
Blumenthal,  R.  Schmidt-Cabanis,  Edw.  Bormann,  G.  Schumann,  C.  von  der  Planitz 
(Mikado),  W.  Busch,  Jul.  Weiss,  M.  Kalbeck,  J.  Bauer,  G.  Schwarzkopf,  Dan.  Spitzer 
ausführlicher  besprochen,  man  kann  nicht  sagen  charakterisiert,  manche  andere 
wenigstens  genannt.  — 

Gelangen  wir  nun  zum  Gebiet  lokaler  Litteraturforschung,  so  wird 
uns  zunächst  ein  eigentümliches  Kreuz  und  Quer  durch  die  von  einem  liebens- 
würdigen Geiste  belebten,  grösstenteils  litterarischen  Plaudereien  von  Hevesi28) 
angesonnen,  in  denen  der  Vf.  in  der  Art  der  seit  Heine  beliebten  Feuilletonreise- 
bilder, nur  pietätvoller,  gemütswärmer  allerhand  Erinnerungen  auffrischt.  Die 
Litteraturkenntnis  Hevesis  reicht  nicht  bloss  von  Heine  bis  Scheffel,  sondern  er  weiss 
auch  in  früheren  Tagen  unserer  Litteratur  Bescheid,  die  „Reiseerinnerungen  an 
Lessing"  aus  Braunschweig  und  Wolfenbüttel  sind  sehr  frisch  und  gewinnend. 
Unpassende  Bemerkungen  wie  die,  dass  der  Tempelherr  im  „Nathan",  um  sich  im 
Gehen  Datteln  von  den  Bäumen  pflücken  zu  können,  mindestens  dreissig  Fuss  hoch 
sein  müsste,  fehlen  in  derartigen  Reisebildern  ja  nie  ganz,  im  allgemeinen  jedoch 
geht  ein  Zug  erquicklicher  Ehrfurcht  vor  dem  Grossen  und  Echten  durch  diese 
Blätter.  Der  Vf.  hat  einen  feinen  Blick  für  die  Lebenseigentümlichkeit  vergangener 
Tage  und  bildet  sich  nicht  ein,  dass  wir  durch  die  Stelzen,  die  uns  Naturwissenschaft 
und  Technik  untergeschnallt  haben,  persönlich  stattlicher  und  innerlich  grösser  ge- 
worden wären.  Gelegentlich  werden  seine  Eindrücke  zu  sehr  in  einer  Farbe  wieder- 
gegeben, um  völlig  wahr  zu  sein.  So  gichtbrüchig  und  greisenhaft  z.  B.,  wie  in 
seiner  Erinnerung  an  Tiefurt,  siehts  in  und  um  Weimar  eben  in  Wirklichkeit  nicht 
aus.  — 

Wir  wenden  uns  nach  Norddeutschland.  Lieber  die  litterarischen  und 
theatralischen  Verhältnisse  und  Vorgänge  zu  Berlin  im  ersten  Jahrzehnt  unseres 
Jh.  berichtete  Geiger29)  durch  eine  Reihe  archivalischer  Notizen,  bei  denen  haupt- 
sächlich die  Berichte  Justus  Gruners,  des  Polizeipräsidenten  von  Berlin,  an  den 
Minister  des  Innern,  Grafen  von  Dohna,  aus  den  J.  1809  —  10  benutzt  wurden.  Die 
ganze  Unfreiheit  der  damaligen  Lage  tritt  aus  der  Thatsache  hervor,  dass  Kotzebues 
„Not  ohne  Sorgen  und  Sorgen  ohne  Not"  Anlass  zu  politischen  Demonstrationen 
geben  konnte  und  selbst  solch  ein  Stück  auf  Beschwerde  des  französischen  Gesandten 
St.  Marsan  verboten  werden  musste.  Zu  den  Aktenstücken,  die  G.  aufgefunden,  ge- 
hören auch  Verhandlungen,  die  beweisen,  dass  es  1803  in  der  That  Friedrich 
Wilhelms  III.  Absicht  war,  nach  Gedikes  Tode  K.  A.  Böttiger,  den  Weimarschen 
Ubique  als  Direktor  des  Gymnasiums  zum  grauen  Kloster  nach  Berlin  zu  berufen. 
Zum  Glück  blieb  es  bei  der  Berufung  Bellermanns.  —  An  die  drei  dahingeschiedenen 
Berliner  Literarhistoriker  Julian  Schmidt,  G.  von  Loeper  und  Wilh.  Scherer  mahnen 
Erinnerungen  und  Ausblicke  von  Her  man  Grimm30),  die  später  zum  Vorwort 
der  5.  Auflage  seiner  Vorlesungen  über  Goethe  gedient  haben.  Schmidt  wird  da- 
hin charakterisiert,  dass  er  ein  Selbstgefühl  hegte,  das  ihm  seine  Art,  die  Dinge  zu 
behandeln,  als  die  natürliche  erscheinen  liess,  und  indem  er  sich  der  Strömung,  auf 
der  es  ihn  forttrug,  vertraute,  sah  er  sich  stets  dahin  geführt,  wo  er  sich  heimisch 
fühlte.  Er  bedurfte  niemandes,  sah,  dass  die  anderen  seiner  bedurften,  dass  keiner 
sich  zur  Aufgabe  machte,  die  hohe  Meinung,  die  er  von  sich  gebildet  hatte, 
herabzustimmen.  Denn  all  dem  war  die  Bescheidenheit  eines  Mannes  zugemischt, 
der  ungestört  seine  Strasse  ziehen  will  und  nichts  weiter.  G.  von  Loeper  „glich  ihm 
nur  darin,  dass  auch  er  mit  gleicher  Entschiedenheit  seine  Strasse  verfolgte;  an  Un- 
nachgiebigkeit  gab  er  Julian  Schmidt  nichts  nach".  Wilh.  Scherer  erfreut  sich  der 
eingehendsten  Würdigung,  doch  ist  es  dem  Vf.  nicht  um  ein  Gesamtbild,  sondern  um 
das  Bild  seines  Verhältnisses  zu  dem  grossen  Gelehrten  zu  thun.  Der  an  die 
Schilderung  dieses  Verhältnisses  geknüpften  Ausblicke  über  die  Zukunft  der  Goethe- 
forschung, Goetheerkenntnis  und  der  Stellung  des  Dichters  in  seinem  Volke  ist  an 
anderer  Stelle  der  JBL.  zu  gedenken.  — 

Ein  der  sächsischen  Geschichte,  und  zwar  der  Lokalgeschichte  Leipzigs 
angehöriges  Vorkommnis,  ein  Studententumult,  der  „Leipziger  Musenkrieg"  von 
1768,  dessen  Andenken  zuerst  durch  die  Selbstbiographie  Goethes  erhalten  wurde, 
der,  kurz  bevor  er  die  Leipziger  Universität  verliess,  diesen  Sturm  im  Wasserglas 
miterlebte,  hat  in  Günther31)  einen  neuen  Darsteller  erhalten,  der  aus  seither  unbe- 


in  d.  Gegenw.  E.  litterargesch.  Studie.  Zürich,  Schabelitz.  48  S.  M.  0,00.  —  28)  L.  Hevesi,  V.  Kalau  bis  Säkkingen.  E. 
gemütl.  Kreuz  u.  Quer.  St.,  Bonz  &  Comp.  1893.  12°.  VII,  323  S.  M.  4,00.  |[Grenzb.  1,  S.  52/3;  1-m-n:  Nation».  11, 
S.  324.J|  (Vgl.  JBL.  1894  14:29.)  —  29)  L.  Geiger,  Archival.  Notizen  zu  Berlins  Litteraturgesch.  Vortr.  in  GDL.  (Juni  1893) : 
DLZ.  S.  23/4.  —  30)  H.  Grimm,  Erinnerungen  u.  Ausblicke:  DRs.  78,  S.  439-52.  —  31)  Otto  Günther,  Z.  Gesch.  d.  Leipz. 


Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Literaturgeschichte.     IV  la  :  32-34 

kannten  Quellen  schöpft  und  Witkowskis  Bericht  (GJb.  15,  S.  206—15)  mannigfach  er- 
gänzt. Litterarische  Bedeutung  erhält  der  Studentenäufruhr  dadurch,  dass  er  z.  T. 
durch  die  schöngeistigen  Neigungen  der  Studierenden  hervorgerufen  wurde,  denen 
die  gelehrten  Optimaten  der  Leipziger  Universität  mit  Härte  entgegentraten.  Ganz 
im  Sinne  des  Philologen  Ernesti,  der  vorgab,  „als  wenn  die  alten  Autores  gänzlich 
in  Vergessenheit  kämen,  indem  jetzt  alles  die  neueren  schönen  Wissenschaften  lernte", 
setzte  es  der  Senat  der  Hochschule  durch,  dass  nur  am  Mittwoch  und  Sonnabend 
Schauspielvorstellungen  stattfinden  durften  (gegen  die  Sonnabendvorstellungen  eiferten 
alsbald  wieder  die  Prediger  von  den  Kanzeln)  und  beförderte  damit  nicht  wenig  die 
Gärung  und  Erbitterung  der  Studenten.  Als  poetische  Denkmale  der  erst  siegreichen, 
dann  hart  bestraften  Jugenderhebung  teilt  G.  das  Siegeslied  eines  Leipziger  Studenten 
vom  12.  Aug.  1768  und  die  Satire  „Fregens  Grabschrift"  mit.  — 

Eine  Thüringer  Erinnerung,  die  sich  an  Erfurt  knüpft  und  mit  der 
klassischen  Periode  Weimars  lose  zusammenhängt,  giebt  Pick32)  in  einem  Schriftchen 
über  den  letzten  Historiker  der  Universität  Erfurt  J.  Dominikus.  Als  Freund  Dal- 
bergs,  als  dessen  „rechte  Hand",  während  dieser  als  Koadjutor  des  mainzischen  Kur- 
staats in  Erfurt  residierte,  an  den  letzten  matten  und  vergeblichen  Versuchen,  der 
alten  verfallenden  Universität  aufzuhelfen,  vielfach  beteiligt,  erwies  Dominikus  auch 
in  der  nachfolgenden  schweren  Zeit  napoleonischer  Herrschaft  wackere  Gesinnung 
und  Thatkraft.  Seine  Beziehungen  zu  Weimar-Jena,  namentlich  zu  Schiller,  waren 
die  freundlichsten;  mit  der  Annahme,  dass  Dominikus  die  Idee  Schillers,  den  Wallenstein 
zu  dramatisieren,  zuerst  angeregt  habe,  schiesst  der  erfurtische  Lokalpatriotismus  ent- 
schieden übers  Ziel  hinaus.  Von  den  aufgezählten  zahlreichen  Schriften  des  ver- 
gessenen Historikers  hat  sich  nur  eine  Schrift  über  „Erfurt  und  das  Erfurtische  Ge- 
biet" in  lokalem  Ansehen  erhalten.  —  Unmittelbar  auf  den  klassischen  Boden  Wei- 
mars führen  drei  Briefe  von  Blumenbach,  Sophie  Brentano  u.a.,  die  Erich  Schmidt33) 
als  Glückwunsch  zu  K.  W7einholds  70.  Geburtstag  drucken  liess.  Ein  abgerissenes 
Blatt  aus  Niethammers  Nachlass  berichtet  über  Schillers  erste  akademische  Vorlesung 
am  26.  und  27.  Mai  1789.  Schiller  wird  ein  Erzgenie  geheissen;  das  Gedränge  war 
am  zweiten  Tage  womöglich  noch  ärger  als  am  ersten,  der  Briefschreiber  kam  um 
drei  Viertel,  fand  aber  sogar  schon  das  Vestibüle  vollgepfropft.  „Einige  wollten  be- 
haupten, verschiedene,  die  bei  Griesbach  Exegese  hörten,  seien  seit  11  Uhr  da- 
geblieben und  haben  sich  das  Essen  ins  Auditorium  tragen  lassen,  um  ihre  Plätze 
nicht  zu  verlieren."  Sophia  Brentanos  Brief  aus  Osmanstädt  vom  8.  Aug.  1799  ist 
an  Henriette  von  Arnstein  gerichtet;  die  Schreiberin  sendet  Blätter  aus  Schillers  Garten, 
in  seiner  Lieblingslaube  und  von  Schillers  liebenswürdiger  Frau  gepflückt.  Sie 
kann  Schillers  Aeusseres  „nicht  gut  beschreiben,  genug,  er  führt  ein  Heer  Geister  in 
seinem  Gefolge,  die  ihn  mit  einer  seltsamen  Magie  umgaben.  So  ungefähr  wirkte 
seine  lange  hagere  Gestalt,  sein  blasses  überirdisches  Gesicht  und  sein  ernstes  stilles 
Wesen  auf  mich".  Vor  allen  hat  Wieland  das  Herz  Sophiens  gewonnen:  „Ich  wünsche 
dir  aus  inniger  Liebe,  du  mögest  ihn  nur  einmal  wie  ich  sehen  im  Inneren  seines 
häuslichen  Lebens."  In  Weimar  hat  sie  Herder,  Kotzebue,  Frau  von  Wolzogen,  die 
Vf.  der  Agnes  (Agnes  von  Lilien),  besucht  —  „so  klar  und  zart  und  engelhaft  das 
ganze  Werk  sein  soll,  so  wenig  ist  dies  alles  die  Dichterin",  —  hat  auch  Jean  Paul 
Richter  gesehen,  der  „ein  ungewöhnlicher  seltsam  guter  Mensch"  heisst.  Nur 
„Goethes  Umgang  allein  thut  einem  nicht  wohl,  er  ist  kalt  und  trocken  für  Menschen, 
die  ihm  gleichgültig  sind,  und  um  ihm  mehr  als  das  zu  sein,  dazu  gehöret  viel". 
Doch  betrachtet  Sophie  Brentano  „den  Sänger  Dorotheens"  mit  Dank  und  Verehrung. 
—  Umgekehrt  schreibt  Blumenbach  an  Heyne  aus  Jena  vom  4.  Mai  1783,  dass  er 
eben  in  Weimar  Goethe  und  Wieland  recht  genau  kennen  gelernt  habe,  dass  nament- 
lich Goethe  alle  seine  Vorstellungen  gar  sehr  übertroffen  habe.  Goethe  erscheint  dem 
Göttinger  als  „gesetzter,  ganz  un affektierter,  äusserst  zugänglicher  Mann,  unglaublich 
offen,  hell  und  doch  tief  penetrierend  im  Urteil,  überaus  billig,  garnicht  decisiv". 
Wieland  verliert  neben  Goethe,  „sie  dutzen  sich  zwar  und  sind  herzlich  gute  Freunde, 
aber  man  spürt  doch  Goethes  Superiorität".  —  Mit  diesem  Briefe  im  Zusammenhang 
steht  ein  Bericht  von  Therese  Heyne,  der  späteren  Gattin  Georg  Forsters  und  L.  F. 
Hubers,  vom  30.  April  1783,  den  Leitzmann34)  in  Jena  veröffentlichte.  Therese  Heyne 
begleitete  ihren  Onkel  Blumenbach  und  dessen  Frau  auf  einer  Reise  nach  Süd- 
deutschland und  der  Schweiz,  deren  erste  wichtige  Stationen  Weimar  und  Jena 
waren.  Sie  schildert  lebendig  den  Stern,  des  Herzogs  Einsiedelei  im  Park,  Goethes 
mit  gebleichten  Schindeln  gedecktes  Gartenhaus,  dessen  Dach  damals  noch  „glänzend 
weiss"    aus    dem    Grün    hervorschaute,    sie    fährt,    während    Onkel    Blumenbach  bei 


Musenkrieges  im  J.  1768.  (Ans:  MDGesLeipzig.)  L.,  Hiersemann.  46  S.  M.  3,00.  |[K.  Heinemann:  BLU.  S.  724.JI  — 
32)  A.  Pick,  Prof.  Jak.  Dominikus,  i.  Freund  d.  Koadjutors  v.  Dalberg.  E.  Beitr.  z.  Erfurt.  Gelehrtengesch.  (=  SGWV. 
N.189.)  Hamburg,  Verlagsanst.  44  S.  M.  1,00.  —  33)  Erich  Schmidt,  K.  Weinhold  mit  herzl.  Glückwünschen  z.  26.  Okt.  1893 
dargebr.     Weimar  (Hofbuchdr.).    7  S.    (Privatdr.)  —  34)  A.  Leitzmann,  Therese  Heyne  über  Weimar  u.  Jena  1783:  Euph.  1, 


IV  1  a  :  35-38     Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Literaturgeschichte. 

Goethe  und  bei  Hof  ist,  nach  Belvedere,  lernt  aber  doch  am  1.  Mai  Goethe  kennen, 
der  ihr  sehr  gefällt:  „Er  hat  eine  kluge  Phisionomie,  starke  Augenknochen  über  dem 
Auge  und  sehr  dünne  Lippen,  sein  Auge  ist  ernst  und  gross."  Am  2.  Mai  gelangt 
Therese  zu  Wieland,  der  „nicht  gross,  sehr  mager  ist,  sehr  freundliche  lebhafte 
Augen  (die  aber  jetzt  rot  sind),  eine  Nase  wie  Grosspapa  in  Göttingen,  hat  im  Mund 
viel  feines,  doch  ein  wenig  hämisch".  Wieland  spricht  viel  von  sich,  mit  gehöriger 
Eitelkeit,  meist  vom  Oberon;  Wieland  hat  weit  mehr  Eitelkeit,  Goethe  sprach  kein 
WTort  von  sich;  wenn  Blumenbach  von  seinen  Geschäften  anfing,  „brach  Goethe  ab 
und  redete  von  uns".  Freilich  ist  der  Hauptgrund,  den  die  junge  Göttingerin  für 
ihre  Bevorzugung  Goethes  abgiebt,  erstaunlich  nüchtern  res  „geschieht  gewiss  nicht 
oft,  dass  ein  Genie,  das  so  ausschweifte  und  Dinge  schrieb,  die  so  manchem  ehr- 
lichen Mutterkinde  den  Kopf  umdrehten,  am  Ende  alle  seine  Thorheiten  liegen  lässt 
und  ein  vernünftiger  Geschäftsmann  wird!"  Hier  meint  man  denn  das  Göttingen, 
in  dem  der  gelehrte  Böhmer  Bürgern  das  Kompliment  machte,  dass  er  erstaunliche 
Fertigkeit  in  solchen  Lappalien  wie  Verse  besitzen  solle,  vor  Augen  zu  sehen. 
Thereses  weiterer  Bericht  schildert  auch  Jena  mit  seinen  Professorenhäusern  und 
Gärten,  erinnert  an  den  Rechtsprofessor  K.  F.  Walch,  den  Bibliothekar  Professor 
J.  G.  Müller,  den  Orientalisten  J.  G.  Eichhorn.  Auf  die  Dürftigkeit  der  Jensener 
Naturalien  Sammlung  und  Bibliothek  sieht  die  verwöhnte  Göttinger  Professorentochter, 
die  unwillkürlich  Vergleiche  mit  den  reichen  Sammlungen  daheim  anstellt,  ziemlich 
spöttisch  herab.  —  lieber  Karl  Theodor  von  Dalberg  und  Weimar  verbreitet  sich  ein 
Aufsatz35),  der  nichts  Neues  enthält,  nur  das  Bekannte  neu  gruppiert  und  'für  die 
Dankesansprüche,  die  sich  Dalberg  durch  seine  Beziehungen  zu  Goethe  und  nament- 
lich zu  Schiller  erworben  hat,  neu  eintritt.36)  — 

Zur  äussersten  Nordmark  des  Reiches  führt  uns  Möller37)  in  einer  Studie, 
„Aus  zwei  Jh.  schleswig-holsteinischer  Litteratur",  die,  mit  Rückblicken  auf 
Joh.  Rist  und  Joach.  Rachel  beginnend,  doch  eigentlich  erst  in  der  zweiten  Hälfte 
des  18.  Jh.  kräftiger  einsetzt,  weil  bis  dahin  die  Kopenhagener  Staats  Weisheit  die 
gesamte  cimbrische  Halbinsel  wiederholt  greuelvoller,  kriegerischer  Verwüstung 
anheim  gab.  An  die  Charakteristik  von  Matthias  Claudius  knüpft  sich  die  Erörterung 
der  mancherlei  Verzweigungen,  die  der  Göttinger  Hainbund  gerade  in  Schleswig- 
Holstein  hatte,  von  dem  früh  an  der  Schwindsucht  verschiedenen  Volksschullehrer 
J.  H.  Thomsen  zu  Kjus  in  Angeln  bis  zu  jenem  Esmarch,  den  in  einem  Göttinger  Dichter- 
roman (es  ist  „Hölty"  gemeint)  der  Hannoveraner  Friedrich  (nicht  Johannes)  Voigts  ein 
Menschenalter  später  als  sentimentalen  Schmachtlappen  schilderte,  worüber  der  zum 
ehrenfesten  und  wohlgenährten  Amtsverwalter  gediehene  frühere  Hainbundsgenosse 
sich  höchlich  ergötzte.  Er  war  der  Grossonkel  und  Schwiegergrossvater  von 
Theodor  Storm.  Den  Romanschriftsteller  Joh.  Gottwerth  Müller  will  der  Vf.  als 
Müller  von  Itzehoe  vom  zahlreichen  Geschlecht  der  Müller  unterschieden  wissen;  in 
dem  Diplomaten  J.  G.  Rist,  dem  Vf.  wertvoller  Denkwürdigkeiten,  sieht  er  „ein 
Konglomerat  durchaus  entgegengesetzter  Gesinnungsmomente,  wie  es  die  späteren 
Spiralen  in  der  inneren  politischen  Entwicklung  der  Eibherzogtümer  wohl  begreiflich 
machen  können".  Einem  Zeitgenossen  Rists,  dem  Altonaer  G.  F.  Schumacher,  mit 
seinen  zu  früh  vergessenen  Lebenserinnerungen  spricht  M.  das  Prädikat  eines  Er- 
zählers ersten  Ranges  zu.  Im  Leben  schiffbrüchig  gewordene  Talente  wie  Ludolf 
Wienbarg,  F.  Schiff,  den  geistreichen  Bernhard  Luttermerck  streift  die  Darstellung 
nur  flüchtig,  erinnert  dann  an  die  Satiriker  J.  Bendixen,  den  Vf.  der  Farce  „Till 
Eulenspiegel",  und  an  K.  H.  Keck,  den  Dichter  der  aristophanischen  Komödie  „Die 
Kaiserwahl  zu  Frankfurt".  Die  vier  grossen  schleswig-holsteinischen  Poeten  des 
19.  Jh.,  die  Dithmarsen  Fr.  Hebbel  und  Klaus  Groth,  die  Nordfriesen  Theodor  Storm 
und  W.  Jensen,  stammen  sämtlich  von  der  Westküste  der  Herzogtümer.  In  der 
knappen,  nicht  völlig  zutreffenden  Charakteristik  Fr.  Hebbels  findet  sich  der  interessante 
Satz,  dass  wenn  M.  die  Reden  des  Holofernes  in  der  Judith  lese,  er  manchmal  den 
Ton  aus  einer  dithmarsischen  Grossbauernschenke  herauszuhören  glaube:  „Eben  der 
Sohn  des  tagelöhnenden  Kleinhäuslers  konnte  das  darzustellen  und  zu  übertreiben 
geneigt  sein."  Bei  Storm  wird  hervorgehoben,  dass  den  Schleswig-Holsteinern  wie 
den  Balten  eine  gewisse  geistige  Jugendblässe  anhafte,  vielleicht  könne  man  dabei 
auch  an  die  bekannte  geistige  Spätreife  der  so  vielfach  charakterverwandten  Schwaben 
denken.  Erst  den  Sechzigern  nahe  sei  Th.  Storm  vom  Idyll  und  dem  Stimmungsbild 
zur  grossen  Historie  vorgedrungen,  dann  allerdings  aber  auch  im  höchsten  Stil.  Im 
völligen  Gegensatz  zu  Storm  hat  Klaus  Groth  das  zweifelhafte  Glück  gehabt,  sofort 
mit  seinem  ersten  Werke  zum  ersten  Range  der  zeitgenössischen  Poesie  vorzudringen, 
worauf  für  ihn  eigentlich  nichts  mehr  zu  erreichen  blieb.     Die  spätere  Entwicklung 


S.  72/8.  —  35)  A.  Dr.,  K.  Th.  t.  Dalberg  u.  Weimar:  NatZgü.  N.  113.  —  36)  X  K-  Trost,  Kunst  u.  Broderwerb  in  Mass.  Zeit: 
NorddAZg.  N.  319.  —  37)  Cajus  Möller,  Ans  2  Jhh.  schlesw.-holst.  Litt.:  NatZg.  N.  219,234.  —  38)  H.M.  Trnxa,  Hedwig 


Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Literaturgeschichte.     IV  la:  39-41 

streift  M.s  Uebersicht  nur,  obschon  er  noch  Namen  wie  Fr.  Dörr,  wie  J.  H.  Fehrs, 
wie  Ad.  Bartels,  wie  Ed.  Wilda,  wie  endlich  die  Erzählerin  Charlotte  Niese  gebührend 
hervorhebt.  — 

Deutsch-Oesterreich  erscheint  zunächst  durch  ein  biographisches  Denk- 
mal vertreten,  das  Truxa38)  der  1893  verstorbenen  Dichteriu  und  Erzählerin  Hedwig- 
Wolf,  der  Tochter  des  romanischen  Philologen  und  Wiener  Bibliothekskustos  Ferd.  Wolf, 
errichtete.  Die  vom  Vater  her  sprachkundige  Schriftstellerin  hat  sich  vornehmlich 
durch  ihre  Uebersetzungen  von  Werken  der  spanischen  Erzählerin  Fernan  Caballero, 
der  spanischen  Sittenbilder  des  Jesuiten  B.  L.  Coloma,  des  Pablo  de  los  Rios 
verdient  gemacht.  In  ihren  eigenen  sehr  zahlreichen  Erzählungen,  denen  T.s 
Erinnerungsschrift  fünf  aus  dem  litter  arischen  Nachlasse  hinzufügt,  und  von  denen  wir 
ein  genaues  Verzeichnis  erhalten,  scheint  sie  vielfach  von  den  spanischen  Realisten,  mit 
denen  sie  sich  beschäftigte,  beeinflusst,  jedenfalls  genügt  es  nicht,  wenn  zur  Charakteristik 
der  Kunst  der  Schriftstellerin  gesagt  wird :  „Wiewohl  sie  dem  Treiben  der  Welt  ferne 
stand  und  in  stiller  Zurückgezogenheit  als  Blume  der  Tugend  lebte,  besass  sie  gleich- 
wohl Menschen-  und  Weltkenntnis  genug,  um  in  ihren  Novellen  die  feinsten 
psychologischen  Schilderungen  zu  liefern  und  Charaktere  markant  zu  zeichnen." 
Auch  die  Berufungen  auf  Fr.  Halm,  Hieronymus  Lorm  und  Faust  Pachler  können 
kein  klares  Bild  der  litterarischen  Stellung  der  Erzählerin  geben,  die  jedenfalls 
gewissen  altösterreichischen  Ueberlieferungen  und  den  kirchlichen  Kreisen  geistig 
näher  stand,  als  die  Mehrzahl  der  modernen  Schriftstellerinnen  Deutsch-Oesterreichs.  — 
Neck  er39)  bringt  in  einer  Weihnachtsschau  über  neuere  Wiener  Dichter  den  Reich- 
tum der  Talente,  die  Wien  zur  Zeit  besitzt,  bei  Beurteilung  von  Marie  von  Ebner- 
Eschenbach,  G.  Schwarzkopf,  Helene  Migerka,  K.  E.  Edler,  H.  Hango,  Albrecht  Graf 
Wickenburg  und  Minna  Kautsky  zum  Bewusstsein.  Die  eindringlichste  Aufmerksamkeit 
widmet  er,  wie  billig,  wiederum  der  bedeutenden  Erscheinung  der  Ebner-Eschenbach. 
Zeigt  sich  diese  Dichterin  unzweifelhaft  in  ihren  neuesten  Schöpfungen  herber  als 
ehedem,  so  giebt  N.  die  Erklärung,  sie  sei  auf  ihrem  Wege  nach  der  Erkenntnis  der 
menschlichen  Natur  auf  etwas  gestossen,  wobei  einem  der  Verstand  stille  stehe, 
nämlich  auf  das  schlechtweg  Böse  in  der  menschlichen  Natur,  das  sich  jeder  wohl- 
wollenden und  pädagogischen  Behandlung  entzieht,  das  nicht  zu  ändern  ist.  „Und 
davor  stehend,  nimmt  die  Milde,  Güte  und  Nachsicht  dieser  Ethikerin  ein  Ende. 
Ohne  Sentimentalität  entscheidet  sie  sich  dafür,  dass  dieses  irrational  Böse  einfach 
ausgerottet  werden  soll.  Denn  diese  Dichterin,  welche  die  thätige  Hochherzigkeit 
des  Weibes  und  die  hochherzige  Thatkraft  des  Mannes  über  alles  feiert,  kann 
Tolstois  Ideal  einer  religiös-schwärmerischen  Thatlosigkeit  durchaus  nicht  billigen. 
Die  ganze  westliche  Kultur  in  ihr  und  ihr  persönlicher  Charakter  widerstreben  diesem 
slawisch-orientalischen  Lebensideal."  —  Eine  Anzahl  von  neueren  Tiroler  Poeten  be- 
spricht Prem40)  in  seinen  Briefen  über  tirolische  Litteratur.  Die  Einflüsse  der 
jüngsten  Litteraturbewegung  haben  sich  bis  in  das  abgeschlossene  und  starr  katholische 
Bergland  hinein  erstreckt;  der  Beurteiler  unterscheidet  unter  den  jüngeren  Poeten 
seines  Heimatlandes  Hypernaturalisten  oder  „Ueberhopste"  und  „gemässigte  Neu- 
germanen". Bei  den  letzteren  nimmt  er  überall  noch  die  Nachwirkungen  des  Alt- 
meisters unter  den  Tiroler  Poeten,  Ad.  Pichler,  wahr.  Er  rechnet  hierzu  H.  Greinz, 
H.  von  Schullern,  die  Dramatiker  Kranewitter  und  Heimfelsen,  die  mit  Ernst  auf  das 
Volkstümliche  gehen,  vor  allen  aber  den  Lyriker  Arthur  von  Wallpach  und  den 
Erzähler  und  Bauernspieldichter  Franz  Lechleitner.  —  Den  Prager  Schriftsteller- 
kreisen der  Vergangenheit  tritt  man  durch  die  Studie  Fürsts41)  über  Aug.  Gottl. 
Meissner  nahe.  Der  erste  Protestant,  der  einen  Ruf  an  die  Prager  Universität  erhielt 
(1784—1804),  hat  Meissner  doch  viel  geringere  Thätigkeit  als  akademischer  Lehrer 
denn  als  Belletrist,  Redakteur,  ja  laut  F.s  Nachweisen  als  Buchhändler  (Selbst- 
veiieger)  entwickelt.  Das  vollständige  und  genaue  Verzeichnis  seiner  Schriften  aus 
früherer  und  späterer  Zeit  ändert  am  litterarischen  Gesamtbilde  des  fruchtbaren 
Belletristen  wenig,  aber  mit  Ueberraschung  sehen  wir  durch  F.  einen  wunderbaren 
Zwiespalt  zwischen  Meissners  Schreiben  und  Treiben,  zwischen  seiner  Produktion 
und  seiner  persönlichen  Stellung  in  der  Litteratur  nachgewiesen.  „Die  Litteratur- 
richtung,  an  die  er  sich  äusserlich  aus  guten  Gründen  gern  anschmiegen  möchte, 
hat  mit  seinem  Schaffen  und  Wirken  kaum  etwas  zu  thun,  und  die  Männer,  in  deren 
Geiste  er  schreibt  und  denkt,  werden  von  ihm  öffentlich  mit  Vorliebe  übel  behandelt". 
Der  Versuch  sich  den  Göttingern  durch  Verunglimpfung  Wielands  zu  empfehlen,  die 
falsche  Antike,  die  Agathon,  Idris  und  Amadis,  die  Wielands  wollüstige  Grazien- 
philosophie gezeitigt,  herabzuwürdigen  und  hundert  ähnliche  Dinge  standen  freilich 
dem  Romanschreiber,  der  trotz  alledem  Wielands  Anregungen  nahezu  alles  verdankte, 

Wolf.  B.  litt.  Frauengestalt  Oesterreichs.  Mit  1  Portr.  n.  5  Novellen  aus  d.  Nachlasse  Hedwig  Wolfs.  Wien,  Selbstverl. 
81  S.  M.  1,00.  —  39)  M.  Neoker,  Wiener  Dichter:  NFPr.  N.  10372.  —  40)  S.  M.  Prem,  Briefe  über  tirol.  Litt.: 
TirolerLandeszg.  N.  28.    —   41)   R.  First,   Ä.  G.  Meissner.    E.  Darstellung   seines    Lebens   u.  seiner   Schriften   mit  Quellen- 


IV  la:  42-43    Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Literaturgeschichte. 

schlecht  zu  Gesicht.  Rasch  angeregt  und  schreibfertig,  belesen  und  mit  einem 
gewissen  deutschen  Nationalbewusstsein  ausgerüstet,'  erschien  er  sich  als  ein  hervor- 
ragender Schriftsteller.  Und  wenn  ihm  nun  F.  „masslose  schriftstellerische  Eitelkeit, 
daraus  resultierende  beständige  Empfindlichkeit,  Kriecherei  nach  oben,  Nachgiebig- 
keit gegen  den  derben  Geschmack  des  Tages,  bis  zur  Ungezogenheit  gesteigerte 
Gereiztheit  gegen  Leser  und  Kritiker,  Aufdringlichkeit,  sobald  er  sich  dadurch  zu 
fördern  suchte",  vorwirft,  so  erscheint  das  Stück  Unsterblichkeit,  das  ihm  auf  diese 
Weise  gesichert  ist,  eben  nicht  beneidenswert.  So  exakt  und  scharf  der  Vf.  verfährt, 
wo  es  sich  um  seinen  Autor  handelt,  so  laufen  doch  in  Nebendingen  kleine  Irrtümer 
unter.  Dora  Stock  soll  (S.  14)  das  erschütternde  Ende  ihres  Neffen  Theodor  nur 
um  wenige  Jahre  überlebt  haben;  sie  starb  1832,  also  19  Jahre  nach  Theodors  Fall 
bei  Gadebusch ;  S.  186  wird  Karl  IL  von  England  der  „unglückliche"  Karl  IL  genannt, 
was  auf  einer  Verwechslung  mit  seinem  Vater  Karl  I.  zu  beruhen  scheint.  -«- 

Den  baltischen  Landen,  ihren  Beziehungen  zur  deutschen  Litteratur  und 
ihren  poetischen  Talenten  widmet  in  Anlehnung  an  die  oben  (N.  10)  charakterisierte 
Anthologie  von  E.  J.  von  Grotthuss  Zabel42)  eine  Skizze,  in  der  er  u.  a.  das  Ver- 
hältnis der  poetischen  Gäste,  die  jeweils  aus  dem  grossen  Mutterlande  nach  den 
Ostseeprovinzen  kamen,  zu  den  Balten  und  eine  Reihe  der  im  baltischen  Dichterbuch 
vertretenen  Poeten  knapp  und  treffend  schildert.  Ueber  P.  Fleming  (nicht  Flemming) 
heisst  es:  „Sein  Aufenthalt  in  den  Ostseeprovinzen  dauerte  nur  kurze  Zeit,  aber  er 
war  bestimmend  für  sein  Leben  und  Schaffen.  Ohne  denselben  hätte  er  Gedichte 
wie  die  „Livländische  Schneegräfin",  in  dem  ein  merkwürdig  gelungenes  Sitten- 
gemälde jener  Zeit  enthalten  ist,  oder  seine  Verse  an  die  „Baltischen  Sirenen"  niemals 
schreiben  können.  Obwohl  aus  Mitteldeutschland  stammend,  hat  er  die  Empfindungen 
der  Balten  glücklicher  zum  Ausdruck  gebracht  als  der  später  zur  Geltung  gekommene 
Kurländer  Besser,  der  Oberceremonienmeister  des  ersten  Königs  von  Preussen,  ein 
versedrechselnder  Hofpoet,  der  die  Kälte  seines  Herzens  und  die  Dürftigkeit  seiner 
Phantasie  hinter  dem  rhetorischen  Schwulst  zu  verbergen  suchte".  Bei  den  baltischen 
Dichtern  des  18.  Jh.  fällt  ihm  der  Reichtum  an  seltsamen  Schicksalen  und  Abenteuern 
auf,  und  indem  er  an  die  Lebensläufe  von  R.  M.  Lenz,  L.  Petersen,  der  dem  grimmigen 
russischen  Winter  zum  Opfer  fiel,  an  U.  Böhlendorff,  der  ein  Landstreicherleben 
führte,  an  W.  Smets,  den  Sohn  der  Sophie  Schröder,  der  nach  einander  Hauslehrer, 
Soldat  im  Freiheitskriege,  Schauspieler,  katholischer  Pfarrer  und  Domherr,  schliesslich 
auch  Abgeordneter  zum  Frankfurter  Parlament  von  1848  war,  erinnert  (er  hätte  auch 
A.  H.  von  Weyrauch,  der  in  Dresden  Jahrzehnte  lang  mitten  in  der  Grossstadt  dürftig 
wie  ein  Anachoret  lebte,  hinzufügen  können),  darf  er  wohl  sagen,  dass  im  Vergleich 
mit  diesen  Männern  die  baltischen  Dichter  unseres  Jh.  lauter  Fridoline,  Männer  in 
meist  gesicherter  Lebensstellung  und  durchweg  korrekt  in  ihrer  Lebensführung  waren 
und  sind.  Bei  der  Schätzung  der  Lyriker  des  19.  Jh.  tritt  Z.  der  Grotthussschen 
Apotheose  des  kurländischen  Dichters  Karl  von  Fircks  entgegen  und  knüpft  an  die 
Klage,  dass  die  baltischen  Provinzen  von  jeher  nur  wenig  von  ihren  Dichtern  ge- 
halten hätten,  die  energische  Mahnung:  Propheten  des  deutschen  Geistes  sollten  doch 
vor  allem  in  ihrem  engeren  Vaterlande  etwas  gelten,  wenn  man  sich  nicht  in  den 
deutschen  Ostseeprovinzen  dem  Verdachte  aussetzen  will,  dass  man  dort  zwar  für 
Deutschland  im  allgemeinen  schwärmt,  aber  im  einzelnen  doch  schon  zu  vergessen 
beginnt,  was  der  deutschen  Volksseele  als  Nahrung  dient  und  infolge  der  fort- 
gesetzten Russifizierungsversuche  dem  slavischen  Temperament  bereits  näher  gerückt 
ist,  als  man  weiss  und  vor  der  Welt  zugeben  will.  — 

Die  schon  kurz  erwähnten  Studien  Saitschiks43)  über  hervorragende 
schweizerische  Dichter,  die  der  Vf.  als  „Meister  der  schweizerischen  Dichtung 
des  19.  Jh."  bezeichnet,  umfassen  eingehende  Würdigungen  Jeremias  Gotthelfs, 
Gottfried  Kellers,  K.  F.  Meyers,  H.  Leutholds  und  Dranmors.  Ueber  die  ersten  drei 
kann  nicht  gestritten  werden,  so  gut  wie  Dranmor  aber  hätten  wohl  auch  J.  V. 
Widmann  und  A.  Corrodi  berücksichtigt  werden  dürfen.  Unter  den  vorhandenen 
Aufsätzen  haben  die  über  Gotthelf  und  Keller  den  grössten  Wert;  bei  Gotthelf  hätten 
gerade  die  kleinen  Meisterstücke,  in  denen  der  grosse  Erzähler  sich  von  der  vor- 
teilhaftesten Seite  offenbart  und  die  gröbliche  Tendenz  mildert  oder  zurückdrängt, 
weit  entschiedener  hervorgehoben  werden  sollen  als  die  grossen  Gemälde  des  Berner 
Lebens  der  dreissiger  und  vierziger  Jahre.  Kellers  Lyrik  findet  sehr  liebevolle 
Würdigung,  das  eigentümliche  Verhältnis  dieses  Dichters  zur  Natur,  die  ihm  immer 
nur  als  erquickende,  wohlthuende,  den  Menschen  tragende  Macht  gilt,  erschöpft  S. 
mit  dem  Nachweis,  dass  bei  Keller  die  Natur  mit  dem  Menschen  aus  einheitlichem 
Gewebe  sei,  die  Realität  ihrer  Erscheinungen  das  menschliche  Seelenleben  durch- 
dringt und  umklammert;  wir  schöpfen  aus  der  Aussenwelt  keinen  scheinbaren,  sondern 

Untersuchungen.  St.,  Göschen.  XV,  356  S.  Mit  Bild.  M.  6,00.  (Vgl.  IV  3.)  —  42)  E  Zabel,  Balt.  Dichter:  NatZg. 
N.  334,  336.  —  43)  R.  M.  Saitsohilc,  Meister  d.  Schweiz.  Dichtung  im  19.  Jh.     Frauenfeld,  Huber.     1893.    111,428  8.  M.  5,00. 


G.Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.  IV  la:44iVlb:i 

wesentlichen  Gehalt,  der  mit  unserem  Empfinden  unzertrennlich  zusammenschmilzt. 
Der  Stil  des  Vf.  hat  etwas  Unruhiges,  Nervöses,  Rhapsodisches,  wodurch  Klarheit 
und  Bestimmtheit  des  Urteils  vielfach  beeinträchtigt  werden.  — 

Aus  der  Anregung  der  im  Vorjahr  (JBL.  1893  IV  la:16)  besprochenen 
grossen  Zimmermannschen  Sammlung  „Deutsch  in  Amerika"  ist  eine  Studie  von 
Benkard44)  „Deutsche  Poesie  im  Lande  der  Prosa"  erwachsen,  die  neben  der  auf 
amerikanischem  Boden  blühenden  Lyrik  auch  der  deutsch-amerikanischen  Zeitungs- 
presse gedenkt  und  die  scheinbare  Abschweifung  mit  dem  Umstand  rechtfertigt, 
dass  diese  Litteraturerzeugnisse  in  Poesie  und  Prosa  von  Anfang  an  meist  in  Zeit- 
ungen veröffentlicht  wurden.  Aus  der  Gruppe  der  Deutsch-Amerikaner  hebt  B.  die 
Namen  Fr.  Lieber,  Friedr.  Münch,  K.  de  Haas,  den  pfälzischen  Dialektdichter  L.  A. 
Wollen weber,  E.  Dorsch,  K.  Kretz,  Niki.  Müller,  K.  Knortz,  E.  Dietzsch,  W. 
Müller  und  die  Dichterin  Franziska  Anneke  hervor.  Er  findet,  dass  in  den  deutsch- 
amerikanischen Dichtungen  der  Gegenwart  meist  von  anderen  Dingen  die  Rede  sei, 
als  von  der  Sehnsucht  nach  dem  alten  Vaterlande,  dem  deutschen  Frühling  und  dem 
deutschen  Walde.  Die  jüngere  Generation  betont  sogar  ihr  Amerikanertum  sehr 
stark,  ja  sie  wendet  sich  energisch  gegen  die  „Grünen",  die  über  Amerika  losziehen, 
weil  sie  sich  nur  schwer  in  die  neuen  Verhältnisse  finden  können.  — 


b)  Politische  Geschichte.    1893,  1894. 

Georg  Winter. 

Allgemeines:  Zur  Geschichte  der  Geschichtsschreibung  N.  1.  —  Darstellende  Werke  der  ganzen  Periode  N.  9. 

—  Erste  Periode  des  18.  Jahrhunderts  N.  18.  —  Zeitalter  Friedrichs  des  Grossen:  Quellen  N.  23.  —  Ge- 
samtdarstellungen N.  27.   —   Die  schlesischen  Kriege  N.  50.  —  Spätere  Epoche  N.  75.  —  Innere  Geschichte  Preussens  N.  85. 

—  Maria  Theresia  N.  87.  —  Friedrich  Wilhelm  II.  N.  91.  —  Zeitalter  der  französischen  Revolution:  Allgemeines 
N.  93.  —  Einwirkungen  auf  Deutschland  N.  99.  —  Revolutionskriege  N.  107.  —  Untergang  des  alten  Reichs  N.  113.  — 
Napoleonische  Epoche:  Kriege  N.  115.  —  Fremdherrschaft  in  Deutschland  N.  133.  —  Königreich  Westfalen  N.  140.  — 
Preussens  Erneuerung  N.  144.  —  Freiheitskriege  N.  156.  —  Epoche  der  nationalen  Einheitsbestrebungen:  Quellen 
N.  191.  —  Gesamtdarstellungen  K.  194.  —  Geist  der  Zeit  N.  203.  —  Einzelnes  N.  207.  —  Biographische  Beiträge:  Th.  von  Bern- 
hardi  N.  226;  Metternich,  Bunsen,  Graf  Spiegel  zum  Desenberg,  W.  von  Humboldt  N.  231;  Karl  Anton  von  Hohenzollern  N.  238. 

—  Zeitalter  Kaiser  Wilhelms  I.:  Allgemeines  N.  240.  —  Biographisches:  BisroarckN.  254;  Lothar  Bucher  N.290;  Moltke 
N.  295;  andere  Heerführer,  Parlamentarier  N.  309.—  Einzelne  Ereignisse:  Krieg  von  1866  N.  321;  Krieg  von  1870—71  N.  324. 

—  Neueste  Zeit:  Kaiser  Friedrich  III.  N.  359;  Wilhelm  IL  N.  364.  —  Geschichte  der  Gegenwart  N. 373.  —  Karl  von  Rumänien 
N.  377.  —  Territorialgeschichtliches:  Oesterreich  N.  378.  —  Preussen  N.  395.  —  Bayern  N.  409.   -  Württemberg  N.  417. 

—  Baden  N.  425.  —  Königreich  Sachsen  N.  433.  —  Sachsen-Weimar  N.  438.  —  Sachsen-Koburg-Gotha  N.  442.  —  Sachsen- 
Meiningen  N.  450.  —  Königreich  Hannover  N.  451.  —  Kurhessen  N.  452.  —  Braunschweig  N.  454.  —  Mecklenburg-Schwerin 
N.  456.  —  Oldenburg  N.  459.  —  Elsass-Lothringen  N.  461.  —  Hamburg  N.  464.  —  Politik  und  sociale  Frage:  Politische 
Schriften  N.  465.  —  Sociale  Zustände  N.  471.  —  F.  A.  Lange  N.  476.  —  Lassalle  N.  477.  —  K.  Marx  N.  487.  — 

Zweck  und  Aufgabe  dieses  Kapitels  im  allgemeinen  Abschnitt  des  Teiles  IV 
erhellt  am  besten,  wenn  man  sich  die  Grenzlinien  wie  die  gemeinsamen  Gebiete  beider 
nahe  mit  einander  verwandten  Wissenschaften,  der  Geschichte  und  der  Literatur- 
geschichte, klar  vergegenwärtigt.  Ohne  Frage  wird  der  Historiker  ein  völlig  zu- 
treffendes und  erschöpfendes  Bild  einer  Epoche  nicht  zu  entwerfen  vermögen,  ohne 
sich  über  ihre  treibenden  geistigen  Kräfte  und  Leistungen  auf  das  genaueste  unter- 
richtet zu  haben.  Politische  Geschichte  in  völliger  Isoliertheit  hat  es  niemals  gegeben 
und  kann  es  nicht  geben.  Die  staatliche  Entwicklung  ist  ebenso  nur  ein  Teil,  eine 
bestimmte  Richtung  der  Kulturarbeit,  wie  die  litterarische  und  künstlerische.  Auch 
der  politische  Historiker  wird  also  die  Litteratur  einer  von  ihm  geschilderten  Epoche 
nicht  unberücksichtigt  lassen  dürfen,  und  je  höher  er  seine  Aufgabe  fasst,  um  so 
mehr  wird  er  bestrebt  sein,  alle  Seiten  der  geschichtlichen  Entwicklung  als  Aeusserungen 
eines  und  desselben  Volksgeistes  zu  erfassen;  natürlich  aber  wird  er  aus  den  hieraus 
sich  ergebenden,  von  denen  des  Litterarhistorikers  gänzlich  verschiedenen  Gesichts- 
punkten die  Litteraturgeschichte  auch  ganz  anders  als  dieser  behandeln.  Dasselbe 
aber  gilt  auch  im  umgekehrten  Falle.  Der  Literarhistoriker  wird  der  Gefahr  einer 
völlig  einseitigen  Auffassung  und  eines  das  Wesen  der  Dinge  nicht  ergründenden 
Werturteils  notwendig  erliegen  müssen,  wenn  er  die  Litteraturgeschichte  als  etwas 
schlechthin  Isoliertes,  von  den  übi'igen  Richtungen  und  Leistungen  der  menschlichen 
Kulturarbeit  völlig  Getrenntes  auffassen  wollte.  Jedes  Litteraturerzeugnis  ist  eben 
ein  Erzeugnis  seiner  Zeit,  des  ganzen  geistigen  und  materiellen  Kultur- 
zustandes, von  dem  es  ein,  wenn  auch  noch  so  sehr  von  der  Individualität  seines 
Schöpfers  bedingter,  Teil  ist.  Nur  aus  einer  ausreichenden  Kenntnis  des  gesamten 
historischen  Entwicklungszustandes  der  Zeit  seiner  Entstehung  heraus  lässt  es  sich 
tief  und  ganz  verstehen  und  verständlich  machen.  Der  gesamte  geschichtliche  Stand- 
punkt eines  Volkes  und  einer  Epoche  bildet    den    unentbehrlichen  Hintergrund   für 

|[E.  Hang:  BLTJ.  S.  263.]|  (Vgl.  JBL.  1893  IV  la:49.)  —  44)  C  h  r  n.  Benkard,  Dtsch.  Poesie  im  Lande  d.  Prosa: 
FZg.  N.  173,  175.  — 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (4)3 


IV  lb:i     G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

das  Verständnis  der  Litteratur  jenes  Volkes  und  jener  Epoche.  Die  beiden  Wissen- 
schaften sind  offenbar  in  demselben  Grade  auf  einander  angewiesen,  in  demselben 
Grade  genötigt,  von  ihren  Ergebnissen  wechselseitige  Kunde  zu  nehmen,  als  ihre 
Gegenstände  selbst  wechselseitig  durch  einander  bedingt  und  von  einander  abhängig 
sind.  Dazu  aber  kommt  noch  ein  Anderes.  Die  deutsche  Geschichtsschreibung  ist 
seit  ihrer  Neubegründung  durch  Niebuhr  und  Ranke  in  ihren  hervorragendsten  Ver- 
tretern und  ihren  besten  Leistungen  ohne  Zweifel  selbst  eine  Gattung  unserer  natio- 
nalen Litteratur  geworden,  welcher  neben  der  frei  schaffenden  poetischen  Litteratur 
eine  eigenartige  formale  wie  materielle  Bedeutung  zukommt.  Mehrere  unserer 
grossen  Historiker  dürfen  als  Klassiker  unseres  deutschen  Prosastiles  angesehen 
werden.  Wer  wollte  eine  Geschichte  der  deutschen  Prosa  des  19.  Jh.  zu  schreiben 
unternehmen,  ohne  die  Werke  Leopold  von  Rankes  zu  berücksichtigen?  Aus  diesen 
kurzen  Andeutungen  erhellt  zur  Genüge,  dass  und  inwieweit  der  Literarhistoriker 
von  den  Ergebnissen  der  Geschichtsschreibung  im  weiteren  Sinne  Kenntnis  zu  nehmen 
durch  die  Natur  seines  eigenen  Gegenstandes  veranlasst  wird.  Natürlich  ist  es,  dass 
von  wesentlichem  Interesse  für  den  Literarhistoriker  von  den  historiographischen 
Arbeiten  in  der  Hauptsache  nur  deren  vornehmste  Ergebnisse,  d.  h.  grössere, 
die  Einzelforschungen  zu  einer  Gesamtdarstellung  verarbeitende  Geschichtswerke, 
weniger  aber  die  der  Kleinarbeit  des  Geschichtsforschers  dienenden  monographischen 
Einzeluntersuchungen,  quellenkritischen  Forschungen  usw.  sind,  welche  letzteren 
für  ihn  nur  insoweit  in  Betracht  kommen,  als  sie  eine  wesentliche  Verschiebung  der 
Grundlinien  des  bisherigen  historischen  Gemäldes  zur  Folge  haben.  Erschöpfende 
Vollständigkeit  nach  dieser  Richtung  oder  gar  nach  der  der  blossen  Quellenver- 
öffentlichungen kann  also  ebensowenig  Aufgabe  dieses  Berichtes  sein,  wie  der  Historiker 
etwa  von  den  specifisch-technischen  litterarhistorischen  Einzelforschungen  der  Literar- 
historiker Kenntnis  zu  nehmen  in  der  Lage  ist.  Nach  diesen  Gesichtspunkten  ist 
der  nachstehende  Bericht  abgefasst,  nach  diesen  Gesichtspunkten  will  er  beurteilt 
werden.  Zur  Geschichte  der  Geschichtsschreibung  zunächst  sind  einige 
wichtige  Werke  zu  verzeichnen.  Nach  beiden  Richtungen,  der  mehr  litterarischen, 
wie  der  historischen  ist  auch  für  den  Litterarhistoriker  von  entscheidender,  ja  von 
epochemachender  Bedeutung  unter  den  Historikern  der  Altmeister  deutscher  Geschichts- 
schreibung, der  Goethe  unter  den  deutschen  Historikern  des  19.  Jh. :  Leopold  von  Ranke. 
Wie  seine  Werke,  auch  rein  litterarisch-stilistisch  genommen,  zu  den  Zierden  unserer 
deutschen  Litteratur  gehören,  so  sind  sie  daneben  durch  die  Universalität  seines 
Wissens  wie  durch  die  Vielseitigkeit  der  Gesichtspunkte,  unter  denen  er,  der 
eigentliche  Begründer  der  objektiven  Richtung  in  unserer  Geschichtsschreibung,  die 
geschichtliche  Entwicklung  betrachtet,  auch  eine  unerschöpfliche  Fundgrube  historischen 
Sinnes  und  historischer  Auffassung  für  den  Litterarhistoriker.  Hat  doch  Ranke 
stets  die  grossen  geistigen  Bewegungen  und  Kräfte  im  Völkerleben,  die  „leitenden 
Ideen",  als  das  Bestimmende  der  ganzen  geschichtlichen  Entwicklung  betrachtet  und 
von  diesem  Gesichtspunkte  aus  der  Litteratur  der  verschiedenen  Völker  stets  eine 
hervorragende  Stelle  in  seinen  historischen  Werken  angewiesen.  Ueber  Wesen  und 
Bedeutung,  Eigenart  und  Grundanschauung  Rankes  unterrichtet  zu  werden,  dürfte 
daher  auch  dem  Litterarhistoriker  von  grösstem  Interesse  sein.  Diese  Aufgabe  hat 
sich  in  unserer  Berichtsperiode  ein  Werk  von  Guglia1)  gestellt,  welches  in  dem 
äusseren  Rahmen  einer  Biographie  Rankes  auch  eine  Würdigung  und  Charakterisierung" 
seiner  sämtlichen  Werke  und  der  in  ihnen  enthaltenen  historisch  -  philosophischen 
Grundanschauungen  gegeben  hat.  Die  biographischen  Partien  beruhen  im  wesent- 
lichen auf  Rankes  autobiographischen  Aufzeichnungen  und  Briefen,  sowie  auf  den 
Aufsätzen  Doves,  Wiedemanns  und  des  Berichterstatters.  Der  Hauptnachdruck 
des  Buches  aber  beruht  auf  der  Analyse  der  Rankeschen  Werke,  seiner  universalen 
und  philosophischen  Geschichtsauffassung,  sowie  seiner  epochemachenden  Bedeutung 
für  die  Methodik  der  Geschichtswissenschaft.  Auch  seine  Weltanschauung,  die  in 
der  Hauptsache  konservativ-religiös  ist,  aber  infolge  der  objektiven  Betrachtungs- 
weise, die  seiner  Darstellung  eignet,  auch  die  Berechtigung  der  liberalen  Ideen  nicht 
verkennt  und  ihnen  Konzessionen  zu  machen  bereit  ist,  wird  an  der  Hand  seiner 
Werke  wie  der  verschiedenen  von  ihm  dem  Könige  eingereichten  Denkschriften 
geschildert.  Ganz  besonders  hebt  der  Vf.  auch  die  religiöse  Auffassung  hervor, 
die  Ranke  von  seinem  Berufe,  seiner  „Mission",  hatte,  und  die  geradezu  das  war,  was 
ihn  zur  Geschichtsschreibung  führte.  Seine  ganze  Ideenlehre  hängt  damit  auf  das 
engste  zusammen.  Er  hat  diese  seine  Auffassung  einmal  kurz  in  dem  Worte  aus- 
gedrückt: „Geschichte  ist  Religion".  Im  grossen  und  ganzen  wird  das  Buch 
der  ganzen  geistigen  Eigenart  Rankes  durchaus  gerecht  und  ist  auch  litterarisch 
eine  durchaus  erfreuliche  Erscheinung.  —  Im  wesentlichen   auf  Rankes   Bahnen    hat 


1)  E.  Guglia,  L.  v.  Ranlces  Leben  u.  Werke.    L.,  Grvmow.    1893     424  S.    M.  4,50.    (Vgl  JBL.  1893  IV  5:299.)  — 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.    IV  lb:2-4 

sich  nun  die  ganze  ältere  Generation  der  deutschen  Geschichtsschreiber  bewegt,  so 
sehr  sie  sonst  in  ihrer  Eigenart  und  geistigen  Individualität  von  ihm  verschieden 
waren,  so  sehr  namentlich  ein  grosser  Teil  von  ihnen  dadurch  sich  von  dem  Altmeister 
unterschied,  dass  sie,  von  der  engen  Verwandtschaft  zwischen  Geschichte  und  Politik 
angezogen,  sich  zugleich  energisch,  und  zwar  zumeist  im  Sinne  eines  gemässigten 
nationalen  Liberalismus,  am  öffentlichen  Leben  beteiligten.  Zweien  von  ihnen  sind 
im  Berichtsjahre  eingehendere  Charakteristiken  bezw.  Lebensbeschreibungen  gewidmet 
worden.  Die  eine,  von  Brode2),  welche  sich  mit  Max  Duncker  beschäftigt,  enthält 
eine  liebe-  und  verständnisvolle  Würdigung  seiner  Bedeutung  für  die  deutsche  Ge- 
schichtsschreibung, beruht  aber  in  allen  thatsäch liehen  Angaben  durchaus  auf  Hayms 
Lebensgeschichte  Dunckers,  über  dessen  Ergebnisse  sie  nirgends  wesentlich  hinaus- 
kommt; die  andere  ist  ein  ehrendes  biographisches  Denkmal,  welches  einer  der 
Schüler  des  Geschichtsschreibers  Kaiser  Karls  V.,  Hermann  Baumgartens,  diesem  als 
Einleitung  zu  einer  Ausgabe  seiner  gesammelten  kleineren  Aufsätze  gesetzt  hat. 
Marcks3)  hat  in  dieser  Einleitung  in  vortrefflicher,  bei  aller  Verehrung  und  Be- 
wunderung, welche  er  seinem  Lehrer  entgegenbringt,  doch  durchaus  objektiver,  ver- 
ständnisvoller und  feinsinniger  Weise  die  Bedeutung  Baumgartens,  des  Historikers  und 
Politikers,  gezeichnet,  eine  Aufgabe,  die  für  ihn  um  so  schwieriger  war,  als  er  der 
ganzen,  aus  der  idealsten  Periode  des  deutschen  Liberalismus  stammenden  politischen 
und  Welt-Auffassung  Baumgartens,  die  sich  mit  den  neuesten  Wendungen  unserer 
nationalen  und  staatlichen  Entwicklung  nicht  recht  befreunden  konnte,  ziemlich  fremd, 
zuweilen  direkt  ablehnend  gegenübersteht.  Er  hat  dabei  mit  liebevoller  Sorgfalt  die 
Tagebuchfragmente  und  Briefe  Baumgartens,  welche  bis  in  seine  Schul-  und  Studenten- 
zeit zurückreichen,  für  seine  Darstellung  verwertet,  geschildert,  wie  Baumgarten  in 
Halle  dem  ihm  gesinnungsverwandten  Historiker  Max  Duncker  nahe  trat,  wie  er, 
als  Burschenschafter  verfolgt,  auch  in  seinem  späteren  Leben  die  wechselvollsten  Schick- 
sale als  Redakteur,  als  Mitarbeiter  Dunckers  im  Berliner  Pressbureau  usw.  durch- 
machte, bis  es  ihm  erst  im  reiferen  Alter  gelang,  in  die  akademische  Laufbahn,  welche 
er  als  seinen  eigentlichen  Lebensberuf  auffasste,  hineinzukommen.  Auch  in  dieser 
neuen  Thätigkeit  aber  hat  er  nach  wie  vor,  in  nahen  freundschaftlichen  Beziehungen 
zu  Matthy,  Roggenbach,  Sybel,  Duncker,  Wehren pfennig,  Haym,  Gustav  Freytag, 
regen  Anteil  am  öffentlichen  Leben  genommen,  von  welchem  mehrere,  in  der  vor- 
liegenden Sammlung  vereinigte,  früher  an  den  verschiedensten  Stellen  gedruckte 
Aufsätze  rühmliches  Zeugnis  ablegen.  Auf  diese  Aufsätze  konnte  sich  daher  M.  vielfach 
bei  der  Schilderung  der  eigenartigen  Bedeutung  und  Stellung,  welche  Baumgarten 
in  der  geistigen  Entwicklungsgeschichte  des  deutschen  Liberalismus  einnahm,  beziehen. 
Für  diese  seine  Stellung  sind  namentlich  die  beiden  Schriften  „Der  deutsche  Libe- 
ralismus. Eine  Selbstkritik"  und  „W7ie  wir  wieder,  ein  Volk  geworden  sind?"  von 
ausschlaggebender  und  charakteristischer  Bedeutung.  Sie  zeigen  deutlich  die  Trennung, 
welche  sich  infolge  der  Ereignisse  von  1866  und  1870 — 71  unter  den  früher  in  der 
Hauptsache  einigen  deutschen  Liberalen  vollzog.  Bestanden  doch  in  jener  früheren 
Epoche  des  Liberalismus  auch  nahe  freundschaftliche  Beziehungen  zwischen  Baum- 
garten und  Treitschke,  während  später  beide  Männer  sowohl  in  ihrer  politischen  wie 
in  ihrer  wissenschaftlich-historischen  Auffassung  so  weit  von  einander  abwichen,  dass 
es  zu  einer  heftigen  polemischen  Auseinandersetzung  vor  der  Oeffentlichkeit  zwischen 
beiden  kam,  deren  Darlegung  für  den  Biographen  offenbar  eine  ebenso  schwierige 
als  bei  seiner  persönlichen  Stellung  zu  den  Beteiligten  peinliche  Aufgabe  war.  Für 
die  historisch-politische  Litteratur  aber  stellt  sowohl  die  M.sche  Biographie  als  die 
von  Varrentrapps  sachkundiger  Hand  ausgewählte  Sammlung  der  glänzend  geschriebenen 
und  von  edler  Gesinnung  wie  echt  wissenschaftlicher  Wahrheitsliebe  getragenen 
Aufsätze  Baumgartens  eine  sehr  willkommene  Bereicherung  dar.  Der  Biograph  hat 
sich  dann  natürlich  auch  eingehend  mit  den  streng  wissenschaftlichen  Arbeiten  Baum- 
gartens beschäftigt,  welche  namentlich  für  die  spanische  Geschichte  grundlegende 
neue  Ergebnisse  gewonnen  und  in  dem  grossen  Werke  über  Karl  V.  ihren  hervor- 
ragenden Abschluss  und  ihre  Krönung  gefunden  haben.  —  Neben  diesen  Vertretern 
einer  zwar  in  der  Hauptsache  und  nach  ihrem  eigenen  eifrigen  Bestreben  objektiven, 
aber  doch  in  ihrer  Grundanschauung  protestantischen  Geschichtsschreibung  hat  auch 
der  vornehmste  Vertreter  der  bewusst  und  gewollt  katholisch-ultramontanen  Richtung 
in  unserer  deutschen  Historiographie,  Johannes  Janssen,  einen  sachkundigen  und  ge- 
sinnungsverwandten, aber  doch  objektiver  gearteten  Biographen  in  Pastor4),  dem 
Vf.  der  Geschichte  des  Papsttumes  seit  dem  Ausgange  des  Mittelalters,  gefunden. 
Das    kleine  Buch   ist   im   wesentlichen   für  weitere    Kreise    des    deutschen,  d.  h.  in 


2)  E.  Brode,  M.  Dunclters  Anteil  an  d.  dtsch.  Gesch.-Schreibung:  FBPG.  6,  S.  501-27.  —  3)  H.  BnnnigaTten,  Hist.  u.  polit. 
Autsätze  u.  Reden.  Mit  e.  biograph.  Einl.  v.  E.  Marcks.  Strassburg  i.  E.,  Trübner.  CXLI,  528  S.  Mit  e.  Bildn.  M.  10,00. 
[F.  Meineclte:  HZ.  73,  S.  479-81;  MHL.  23,  S.  248-52;  AI  fr.  Stern:  Nation».  10,  S.  515  6.]|  —  4)  L.  Pastor.  Job. 
Janssen.     Freiburg  i.  B.,  Herder.     1892.     152  S.     M.  1,60.     |[LCB1.  1S93,  S.  401;  MHL.  23,  S.  241.11     (Vgl.  JBL.  1892  II  1  :  15; 

(4)3* 


IVlb:5      G.  Winter,   Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:    Politische  Geschichte. 

diesem  Falle  des  katholischen  deutschen  Volkes  berechnet  und  als  Vorläufer  einer 
projektierten  umfangreichen  wissenschaftlichen  Biographie  gedacht.  P.  verhält  sich 
im  ganzen  rein  referierend,  ohne  in  dem  lebhaften  Streite,  welcher  um  Janssens 
grundgelehrtes,  aber  in  seiner  wissenschaftlichen  Methode  stark  angreifbares  Werk 
entbrannt  ist,  direkt  Stellung  zu  nehmen  und  ohne  Janssen  überall  völlig  beizu- 
stimmen. Ein  endgültiges  Urteil  wird  sich  über  diese  biographische  Leistung  erst  ge- 
winnen lassen,  wenn  das  umfassende  und  wissenschaftlich  begründete  Werk  vorliegen 
"wird.  —  Dagegen  kommt  litterarisch  wie  für  die  Entwicklungsgeschichte  der 
deutschen  Geschichtsschreibung  eine  grosse  Bedeutung  den  autobiographischen  Auf- 
zeichnungen zu,  welche  der  hervorragendste  österreichische  Geschichtsschreiber  der 
Gegenwart,  A.  von  Arneth5),  über  sein  Leben  und  sein  wissenschaftliches 
Schaffen  veröffentlicht  hat.  Was  zunächst  den  rein  biographischen  Teil  betrifft, 
der  für  die  Gesinnung  und  das  bescheidene  Wesen  des  Vf.  ein  treffliches  Zeugnis 
ist,  so  sind  speciell  für  den  Literarhistoriker  namentlich  die  Aufzeichnungen  A.s 
über  seine  Kindheits-  und  Jugendgeschichte  und  über  sein  elterliches  Haus  von 
besonderem  Interesse,  weil  seine  Mutter  vor  ihrer  Verheiratung*  mit  seinem  Vater  die 
Braut  Theodor  Körners  gewesen  ist,  so  dass  er  über  den  Dichter  und  seine  Be- 
ziehungen zu  seiner  Braut  aus  persönlichen  Aeusserungen  der  letzteren  eine  ganze 
Reihe  interessanter  und  wichtiger  Mitteilungen  machen  konnte.  Für  den  Geschichts- 
forscher aber  sind  die  Darlegungen  über  den  geistigen  Werdegang  des  österreichischen 
Historikers  und  Biographen  der  Kaiserin  Maria  Theresia  in  hohem  Masse  dankens- 
wert und  willkommen,  nur  bedauert  man  zuweilen  recht  lebhaft,  dass  eine  fast  über- 
grosse Bescheidenheit  den  Vf.  verhindert  hat,  sich  über  seine  eigenen  wissen- 
schaftlichen Leistungen  eingehender  auszusprechen ,  als  er  gethan.  Auch  die 
grossen  Verdienste,  die  sich  A.  als  Direktor  der  österreichischen  Archivverwaltung 
um  ihre  grössere  Zugänglichkeit  und  ihre  verständnisvolle  Beförderung  wissen- 
schaftlicher Bestrebungen  erworben  hat,  treten  in  dieser  Selbstdarstellung  weit  weniger 
hervor,  als  es  in  einer  von  einem  anderen  verfassten  Biographie  A.s  zweifellos  der 
Fall  gewesen  sein  würde.  Allein  in  diesen  rein  biographischen  Aufzeichnungen  er- 
schöpft sich  der  Wert  dieses  Werkes  keineswegs.  A.  hat  auch  am  öffentlichen  Leben 
Oesterreichs  einen  hervorragenden  Anteil  genommen  und  namentlich  in  der  Frank- 
furter Nationalversammlung  als  Mitglied  des  Augsburger  Hofes  eine  zwar  äusserlich 
wenig  hervortretende  und  daher  in  der  bisherigen  Litteratur  über  jene  Versammlung 
wenig  beachtete,  aber  darum  doch  für  die  Entwicklungsgeschichte  des  nationalen 
Gedankens  keineswegs  bedeutungslose  Rolle  gespielt.  Ueber  die  ausserordentlich 
schwierige  und  in  sich  nach  mehr  als  einer  Richtung  widerspruchsvolle  Stellung, 
welche  die  österreichischen  Abgeordneten  infolge  der  schwankenden,  zuletzt  immer 
feindseligeren  Haltung  ihrer  Regierung  in  der  Paulskirche  einnahmen,  enthalten  diese 
Aufzeichnungen  eines  durchaus  ehrlichen,  hesonnenen  und  massvollen  österreichischen 
Politikers  manchen  wertvollen  Fingerzeig,  der  um  so  wichtiger  ist,  als  die  vom 
heutigen  nationalen  Standpunkte  geschriebenen  Darstellungen  naturgemäss  der  miss- 
lichen Stellung  der  österreichischen  Abgeordneten,  welche  sich  in  einer  ihrer  Natur 
nach  völlig  unhaltbaren  Lage  befanden,  gar  nicht  voll  gerecht  werden  können.  A. 
aber  konnte  hierüber  um  so  mehr  authentische  Nachrichten  mitteilen,  als  er  nicht 
allein  lebhaften  Anteil  an  den  Verhandlungen  der  Versammlung  und  der  österreichischen 
Gruppe  der  Abgeordneten  nahm,  sondern  auch  mit  der  Centralregierung  Fühlung 
hatte,  die  ihn  einmal  sogar  zum  Chef  der  Staatskanzlei  des  Reichsverwesers  Erzherzog 
Johann  in  Aussicht  genommen  hatte.  Ueberall  tritt  hier  in  den  Erörterungen  des 
Vf.  eine  anerkennenswerte  Objektivität  und  Ruhe  des  Urteils  auch  gegenüber  dem 
Verhalten  seiner  eigenen  Regierung  zu  Tage,  wie  er  denn  z.  B.  die  Erschiessung 
Robert  Blums  als  einen  „groben  Fehler"  Oesterreichs  bezeichnet.  Daneben  beruht 
der  Wert  seiner  Darstellung  auch  in  der  lebensvollen  Schilderung  einzelner  leitender 
Persönlichkeiten,  z.  B.  des  Grafen  Friedrich  Deym.  Auffallend  hart  dagegen  ist  sein 
Urteil  über  Gervinus,  mit  dem  er  eben  in  der  Zeit  der  Paulskirche  in  eine  lebhafte 
publizistische  Fehde  geriet.  A.  seinerseits  hätte  gewünscht,  dass  Oesterreich  seinen 
deutschen  Ländern  eine  solche  Sonderstellung  eingeräumt  hätte,  welche  deren  Eintritt 
in  den  deutschen  Bund  ermöglicht  hätte,  ein  Bestreben,  das  nur  aufs  neue  die 
Unhaltbarkeit  jenes  Dualismus  zwischen  Oesterreich  und  Preussen  in  Deutschland 
zeigt,  welcher  erst  durch  die  neueste  Entwicklung  unseres  Vaterlandes  überwunden 
worden  ist.  An  Enttäuschungen  bitterster  Art  konnte  es  unter  diesen  Umständen  auf 
Seiten  der  deutschgesinnten  österreichischen  Abgeordneten  nicht  fehlen,  und  sie  treten 
uns  auf  jeder  Seite  dieser  lebendigen  Darstellung,  namentlich  auch  aus  den  in  sie 
verwebten   Briefen   A.s   an    seinen  Vater  entgegen,   welche  Zeugnisse  seiner  höchst 


IV  lb  :  141  a;  1893  II  6  :  36.)  —  5)  A.  Frhr.  v.  Arneth,  Ans  meinem  Leben.   2  Bde.     St.,  J.  G.  Cotta.   1891-92.    VIII,  282  S.; 
VIII,    3Ö8    S.     M.    12,00.      ||B.    Gebhardt:    BZ.    72,     S.    184/5;     AZg».    N.    173/4,    180.]|      (Vgl.    JBL.    1893    IV   1  c  :  140.) 


Gr.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.    IV  lb:  6-10 

ehrenwerten  politischen  Gesinnung-  sind.  Auch  an  dem  parlamentarischen  Leben 
seiner  österreichischen  Heimat  hat  sich  A.  dann,  immer  in  gemässigtem  deutschem 
Sinne,  beteiligt.  Seine  Aufzeichnungen  hierüber  enthalten  vieles  für  die  innere  Ver- 
waltungsgeschichte Oesterreichs  sehr  Interessante.  Den  Hauptinhalt  des  Buches  für 
die  späteren  Lebensjahre  aber  bilden  dann  die  litterarisch  -  wissenschaftlichen  Be- 
strebungen und  die  häuslich-persönlichen  Erlebnisse  des  Vf.,  sowie  seine  Thätigkeit 
für  die  Archivverwaltung.  Nach  allen  diesen  Richtungen  hin,  als  selbstbiographisches 
Denkmal  wie  als  Quelle  für  die  deutsche  und  österreichische  Geschichte  unserer  Zeit, 
darf  dieses  Buch  eine  hervorragende  Stellung  in  unserer  zeitgenössischen  Litteratur 
in  Anspruch  nehmen.6-7)  —  Als  Gegenstück  zu  diesen  biographischen  Darstellungen 
über  mehrere  unserer  hervorragendsten  neueren  Geschichtsschreiber  möge  das  in 
den  schärfsten  Ausdrücken  gehaltene  schroff  abfällige  Urteil  über  unsere  gesamte 
nationale  Geschichtsschreibung  Erwähnung  finden,  welches  der  bekannte  social- 
demokratische  Abgeordnete  Bloss)  vom  Standpunkte  seiner  Partei  und  der  materia- 
listischen Geschichtsauffassung  ausgesprochen  und  zu  begründen  versucht  hat.  Be- 
zeichnend ist  hier  vor  allem  die  Thatsache,  dass  B.  unter  den  insgesamt  als  rück- 
ständig bezeichneten  Leistungen  der  modernen  Geschichtsschreibung  den  ultramontanen 
doch  im  allgemeinen  den  Vorzug  vor  den  liberalen  giebt;  namentlich  wird  Janssen 
wegen  des  von  ihm  beigebrachten  reichen  socialökonomischen  Materials  gelobt. 
Dageg-en  wendet  sich  der  Zorn  des  Vf.  besonders  lebhaft  gegen  Flathes  Werk  „Das 
Zeitalter  der  Restauration  und  Revolution"  in  der  Onckenschen  Sammlung,  nament- 
lich gegen  dessen  Darstellung  der  Volksbewegung  von  1848.  — 

Wenden  wir  uns  nun  von  der  Geschichte  der  deutschen  Geschichtsschreibung 
zu  deren  einzelnen  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Geschichte  des  18.  und  19.  Jh., 
so  sind  zunächst  eine  Reihe  grösserer  darstellender  Werke  zu  erwähnen,  welche 
die  ganze  in  Rede  stehende  Periode  umfassen.  Zum  grossen  Teil  handelt  es 
sich  dabei  allerdings  nur  um  neue  Ausgaben  älterer ,  in  ihren  Vorzügen  und 
Schwächen  bereits  bekannter  Werke.  So  sind  von  der  Jag  er  sehen9)  Weltgeschichte 
die  beiden  Bände,  welche  die  neuere  und  neueste  Zeit  umfassen,  in  neuer  Titelauf- 
lage erschienen.  Das  tüchtige,  mit  g-uter  Kenntnis  und  besonnener  Auswahl  der 
neueren  Fachlitteratur  g-earbeitete  Werk  ist  in  erster  Linie  für  die  vaterländische 
Jugend  der  obersten  Klassen  der  höheren  Lehranstalten  g-eschrieben.  Es  ist  im  grossen 
und  ganzen  bestrebt,  objektiv  zu  berichten,  gleichwohl  tritt  der  energisch  protestan- 
tische Standpunkt  des  Vf.  in  der  Beurteilung  der  geschichtlichen  Entwicklung  deut- 
lich zu  Tage.  —  Den  entgegengesetzten  katholisch-ultramontanen  Standpunkt  vertritt 
die  sehr  umfangreiche  und  g-ross  angelegte  Weltgeschichte  von  J.  B.  von  Weiss10), 
von  welcher  der  12.,  13.,  14.  und  lö.  Band  in  neuen  (der  2.  und  3.)  Auflagen  er- 
schienen sind.  Es  ist  die  Zeit  vom  ersten  österreichischen  Erbfolgekriege  und  vom 
Regierungsantritt  Friedrichs  des  Grossen  bis  zur  grossen  französischen  Revolution, 
welche  hier  zu  erneuter,  eingehender  und  vielfach  umgearbeiteter  Darstellung  ge- 
kommen ist.  Der  Vf.  tritt  zwar  teilweise,  eben  infolge  seines  katholischen  Stand- 
punktes, in  dem  grossen  Entscheidungskampfe  zwischen  den  beiden  deutschen  Vor- 
mächten Preussen  und  Oesterreich  durchaus  auf  die  Seite  Maria  Theresias  gegen 
Friedrich  den  Grossen,  doch  lässt  er  der  Regententhätigkeit  und  der  unablässigen  Arbeit 
des  letzteren  an  der  inneren  Verbesserung  seines  Staatswesens  Gerechtigkeit  widerfahren. 
Besonderen  Nachdruck  legt  der  Vf.,  dem  Beispiele  Janssens  folgend,  auf  die  Schilde- 
rung der  religiösen  und  litterarischen  Zustände,  nur  kommt  natürlich  auch  hier,  und 
zwar  hier  vorzugsweise,  der  ultramontane  Standpunkt,  namentlich  z.  B.  bei  der 
schroffen  Verurteilung  des  Illuminatenordens,  deutlich  zu  Tage.  Ganz  besonders  ein- 
gehend beschäftigt  W.  sich  mit  Lessing,  von  dessen  Werken  er  z.  B.  das  über  die 
„Erziehung  des  Menschengeschlechtes"  sehr  anerkennt.  Weiter  werden  ausführlich 
die  Wolfenbütteler  Fragmente,  der  Nathan  usw.  besprochen.  Doch  wird  der 
Literarhistoriker  aus  diesen  sehr  einseitig  gefärbten,  im  übrigen  aber  auf  genauer 
Kenntnis  der  besprochenen  Werke  beruhenden  Erörterungen  kaum  neue  Gedanken 
entnehmen,  wohl  aber  zuweilen  von  der  Wunderlichkeit  der  abgegebenen  Urteile 
überrascht  werden;  so,  wenn  der  Vf.  (Bd.  12,  S.  206)  von  Lessing  u.a.  sagt:  „So  hat 
denn  ein  protestantischer  Theologe  die  Lehre  der  Katholiken  von  der  Tradition  ge- 
rechtfertigt!" In  ähnlichem  Sinne  werden  dann  auch  die  Reformen  Josephs  II.  be- 
sprochen, wobei  namentlich  auf  religiösem  Gebiet  (in  der  Toleranzfrage,  den  Be- 
schränkungen der  Orden,  dem  Verbot  des  Besuchs  des  Collegium  Germanicum  und 
des  direkten  Verkehrs  der  Bischöfe  mit  Rom,  der  Einziehung  der  Klöster  usw.,  der  ab- 
weichende   Standpunkt   des   Vf.    energisch    betont   wird.    Doch   ist   die    Darstellung 


—  6)  X  H-  Pnnck,  J.  G.  Schlossers  Zirkular-Korresp. :  ZGORh.  9,  S.  325/6.  —  7)  X  D-  Gothaische  Hofkai.  1794  u.  1894: 
VossZg.  1893,  N.  580,  582.  —  8)  W.  B  1  o  s ,  Professoren  als  Geschichtsschreiber:  HS»»  11,  N.  28.  -  9)  (111  1  :  1)  |[Mark- 
hauser:    BBG.  1893,    S.  5T3.]|    —    10)    J.  B.  v.  Weiss,   Weltgesch.     12.-15.  Bd.     2.  u.  3.  Aufl.     Graz,    Styria.     VI,  681  &; 


IV  lb  :  ii-i7    G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

ruhiger  und  von  schroff  tendenziöser  Einseitigkeit  verhältnismässig  freier  als  die 
Janssens,  und  namentlich  da,  wo  der  religiöse  Standpunkt  des  Vf.  nicht  in  Frage 
kommt,  wenigstens  eifrig  bestrebt,  die  Dinge  objektiv  zu  sehen.  —  Ausserordent- 
liche Beliebtheit  und  grosse  Verbreitung  hat  sich  von  den  zusammenfassenden 
Werken  über  die  gesamte  deutsche  Geschichte  namentlich  Stackes11)  Werk,  zum 
Teil  auch  durch  den  reichen  illustrativen  Schmuck,  welcher  der  Darstellung  bei- 
gegeben ist,  erworben,  wie  sich  schon  daraus  zeigt,  dass  nunmehr  schon  die  6.  Auf- 
lage dieses  im  grossen  und  ganzen  völlig  zuverlässigen  und  durchaus  auf  der 
Höhe  der  Forschung  stehenden  Werkes  vorliegt.  —  Einen  neuen  Versuch  einer 
kurzen,  gedrängten  Darstellung  der  deutschen  Geschichte  von  einem  einheitlichen 
Gesichtspunkte  aus  hat  Biedermann12)  unternommen,  indem  er  in  den  Grundzügen 
die  allmähliche  Entwicklung  des  Gegensatzes  zwischen  Partikularismus  und  natio- 
naler Einheitsidee,  stets  mit  guter  und  zutreffender  historischer  Begründung,  ver- 
folgt. Vom  heutigen  nationalen  Standpunkte  aus,  den  der  Vf.  stets  auch  persönlich 
aufopferungsvoll  im  öffentlichen  Leben  vertreten  hat,  werden  dann  die  einzelnen  Per- 
sönlichkeiten, welche  an  der  Verwirklichung  der  staatlichen  Einheit  hervorragend 
mitgewirkt  haben,  beurteilt.  —  Ausser  diesen  allgemeinen,  von  einheitlicher 
Auffassung  der  geschichtlichen  Entwicklung  getragenen  Darstellungen  sind  noch  eine 
Anzahl  von  Versuchen  zu  nennen,  die  geschichtliche  Entwicklung  in  einer  Reihe 
von  mehr  oder  minder  anschaulichen  Einzelbildern  zu  zeigen,  die  es  dann  freilich  zu 
einer  einheitlichen  Erfassung  des  Wesens  der  geschichtlichen  Entwicklung  nicht 
kommen  lassen.  —  In  besonders  hohem  Grade  zeigt  sich  das  letztere  bei  einem  sonst 
löblichen  und  von  den  besten  Absichten  eingegebenen,  auch  recht  umfassend  an- 
gelegten Buche  Neumann-Strelas  13),  welches  die  ganze  deutsche  Geschichte  in 
Form  ziemlich  regellos  an  einander  gereihter  Biographien  aller  auf  den  verschie- 
densten Gebieten  hervorragenden  Männer  darzustellen  unternimmt,  dabei  aber  jeden 
leitenden  Gedanken  vermissen  lässt  und  auch  in  der  Form  wenig  geschickt  ist. 
Es  wird  nicht  einmal  der  Versuch  gemacht,  einen,  wenn  auch  nur  ausser] ichen 
Zusammenhang  zwischen  den  einzelnen,  systemlos  durcheinander  geschüttelten  Lebens- 
beschreibungen herzustellen,  so  dass  das  Ganze  bloss  ermüdend  und  verwirrend  wirkt, 
obwohl  im  einzelnen  manche  brauchbare  Schilderung  in  dem  Werke  enthalten  ist. 
Auch  die  Quellen,  auf  denen  die  Darstelluug  beruht,  sind  sehr  dürftig,  zumeist  die 
abgeleiteten  zweiten  und  dritten  Ranges.  Im  ganzen  kann  das  Buch  jedenfalls  auf 
wissenschaftliche  Bedeutung  keinen  Anspruch  erheben.  —  Eher  durchführbar  ist  ein 
derartiges  Werk  jedenfalls,  wenn  es  von  vornherein  darauf  verzichtet,  eine  zusammen- 
hängende Entwicklung  aus  Einzelbildern  zu  gewinnen,  sondern  jedes  einzelne  Bild 
eben  nur  als  solches,  als  für  sich  bestehenden  Essay,  behandelt.  In  dieser  Form 
hat  der  bekannte  Vf.  der  „Politischen  Geschichte  der  Gegenwart",  Wilhelm 
Müller14),  eine  Reihe  von  Bildern  aus  der  neueren  Geschichte  veröffentlicht,  deren 
jedes  ein  in  sich  abgeschlossenes,  durch  die  Selbständigkeit  des  Urteils  und  der 
Charakteristik  immerhin  anregendes  Ganzes  bietet,  obgleich  der  Anspruch,  wissen- 
schaftlich Neues  und  Originales  zu  bieten,  nicht  erhoben  wird.  Besonders  geschickt 
und  mit  sorgsamer  Benutzung  der  neuesten  Ergebnisse  der  Forschung  entworfen 
sind  die  Essays  über  Kaiser  Joseph  IL,  Lützow,  Gneisenau  und  York.  —  Im  Gegen- 
satz zu  dieser  von  wissenschaftlichem  Ernst  getragenen  und  auf  sachkundiger  Ver- 
wertung der  wissenschaftlichen  Litteratur  beruhenden  Sammlung  muss  eine  andere, 
obwohl  sie  in  neuer  Auflage  erschienen  ist,  als  wissenschaftlich  wie  litterarisch  völlig 
wertlos  bezeichnet  werden.  Ihr  Vf.  Oberbrey er 15)  hat  eine  Reihe  von  mehr  oder 
minder  beglaubigten  Anekdoten  über  Fürsten  und  Fürstinnen  zusammengestellt, 
durch  welche  er  diese  dem  Volke  näher  bringen  und  menschlich  verständlich  machen 
will.  —  Denselben  Zwreck  verfolgen  von  einem  wissenschaftlich  immerhin  etwas 
höheren  Standpunkte  in  Bezug  auf  die  Führer  und  Feldherren  des  deutschen  Heeres 
zwei  ziemlich  umfangreiche  Bücher  von  Bussler16)  und  Sprösser17),  beide  rein 
populär  und  nicht  gerade  auf  erschöpfender  Kenntnis  der  neuesten  Forschung  be- 
ruhend, aber  doch,  namentlich  das  B.sche,  anschaulich  und  verständig  geschrieben.  — 
Ueber  die  erste  Periode  des  18.  Jahrhunderts,  bis  zum 
Regierungsantritt  Friedrichs   des   Grossen,    sind    fast   gleichzeitig   in    den    Sammel- 


VIII,  760  S.;  XV,  667  S.;  VIII,  663  S.  M.  6,10;  6,80;  6,10;  6,10.  (Vgl.  JBL.  1892  II  1  :4;  1893  III  1:2.)  -  11)  (III  1:4.)  — 
12)  K.  Biedermann,  Gesch.  d.  dtsch.  Einheitsgedankens.  E.  Abriss  dtsch.  Verfassungsgesch.  v.  d.  Urzeit  bis  z  Erricht. 
d.  neuen  dtsch.  Kaisertums.  Wiesbaden,  Bergmann.  1893.  VI,  68  S.  M.  1,00.  |[MHL.  22,  S.  247;  P  Goldschmidt: 
FBPG.  7,  S.  290;  BLU.  8.  222.3;  DBs.  81,  8.  158.]|  —  13)  K.  Neumann-Strela,  Deutschlands  Helden  in  Krieg  u.  Frieden. 
Dtsch.  Gesch.  Mit  vielen  Brustbild,  u.  Textabbild.  3.  Bd.  Hannover,  C.  Meyer.  1893.  618  S.  M.  4,50.  |[N&S  69,  S.  410.]| 
(Vgl.  JBL.  1893  I  1  :  101;  II  1  :  16:  III  1  :  3.)  —  U)  Wilh.  Müller,  Bilder  aus  d.  neueren  Gesch.  St.,  Bonz  &  Co.  1893. 
III,  350  S.  M.  4,00.  —  15)  M.  Oberbrey  er,  Fürst!.  Charakterzüge.  E.  Fürsienbuch  fürs  Volk  2.  (Titel- )Aufl.  B„  Sigis- 
mund.  1893.  V,  176  S.  M.  1,00.  —  16)  W.  B  u  8  s  1  e  r ,  Preuss.  Feldherren  u.  Helden.  Kurzgefasste  Lebensbilder  sämtl. 
Heerführer,  deren  Namen  preuss.  Begimenter  tragen  Als  Beitr.  ■/,.  Vaterland.  Gesch.  2.  Bd.  Gotha,  Schloessmann.  1893. 
VI,  461  S.    M.  5,00.   —   17)   (111  1:5.)   —    18)   B.   Er  dm  a  n  n  s  d  ör  f  f  e  r .   Dtsch.    Gesch.   v.   Westfäl.   Frieden   bis   z.  Be- 


Gr.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.   IV  ib  :  is-20 

werken  von  Oncken  und  von  Zwiedineck-Südenhorst  zwei  umfassende  Schilderungen 
erschienen,  welche  beide  durchaus  auf  dem  Standpunkte  der  neuesten  For- 
schung stehen  und  als  zusammenfassende  und  abschliessende  Darstellungen 
des  gegenwärtigen  Standes  der  Forschung  von  grundlegender  Bedeutung  sind. 
Aber  in  dieser  Zusammenfassung  der  Einzelergebnisse  der  bisherigen  Forschung 
erschöpft  sich  Wert  und  Bedeutung  der  beiden  Werke  keineswegs,  vielmehr  darf 
jedes  von  ihnen,  das  eine  das  andere  ergänzend,  auch  ein  durchaus  eigenes  Verdienst 
für  sich  in  Anspruch  nehmen.  Beide  Vf.  sind  auch  selbständig  als  Forscher  auf  dem 
von  ihnen  behandelten  Gebiete  thätig  gewesen  und  urteilen  daher  auf  Grund  ge- 
nauester Sachkenntnis  und  tiefeindringender  Studien  in  den  Quellen,  durch  welche 
sie  nicht  allein  im  stände  waren,  die  Einzelergebnisse  der  Detailforschung  zu  einem 
einheitlichen,  von  selbständiger  Auffassung  der  geschichtlichen  Entwicklung  ge- 
tragenen Bilde  zu  verarbeiten,  sondern  auch  diesem  Bilde  manchen  neuen  selb- 
ständigen Zug  in  der  einen  oder  anderen  Richtung  hinzuzufügen,  der  Forschung  neue 
Bahnen  und  Wege  zu  zeigen,  neue  Probleme  anzuregen  und  aus  ihrer  reichen 
Kenntnis  des  Gegenstandes  heraus  die  Lücken  nachzuweisen,  welche  die  bisherige 
Forschung  noch  gelassen  hat.  Sie  bilden  eine  um  so  erfreulichere  Bereicherung 
unserer  historischen  Litteratur,  als  sie  keineswegs  etwa  das  eine  das  andere  über- 
flüssig machen,  sondern  infolge  der  Eigenart  und  der  Besonderheit  der  Neigungen 
der  Vf.  sich  gegenseitig  vortrefflich  ergänzen.  Erdmannsdörffer 18)  ist  seiner 
ganzen  Anlage  und  Neigung  nach  in  erster  Linie  politischer  Historiker,  während  von 
Zwiedineck-Südenhorst l9)  den  vornehmsten  Nachdruck  auf  die  kulturgeschichtliche 
Seite  der  Entwicklung  legt  und  hier  die  bisher  teilweise  sehr  wenig  ausreichenden 
Vorarbeiten  aus  seinen  eigenen  Forschungen  heraus  ergänzt  und  erweitert,  dabei 
aber  freilich,  eben  infolge  des  Mangels  an  Vorarbeiten,  zuweilen  der  Gefahr  zu 
schneller  Generalisierung  erliegt.  In  der  politischen  Geschichte  steht  natürlich  bei 
beiden  der  immer  mehr  innerhalb  der  deutschen  staatlichen  Entwicklung  hervor- 
tretende Gegensatz  zwischen  Preussen  und  Oesterreich  sehr  im  Vordergrunde.  Dieser 
bedingt  dann  auch  das  Urteil  über  die  Leistungen  und  das  Schaffen  und  Wirken 
der  leitenden  Persönlichkeiten,  auf  welches  namentlich  E.  ganz  hervorragenden 
Nachdruck  gelegt  hat.  Und  merkwürdig!  Er  ist  hier,  namentlich  in  der  Beurteilung 
der  staatlichen  Leistungen  Oesterreichs  und  seiner  leitenden  Persönlichkeiten,  trotz 
aller  Anerkennung  und  bewundernden  Verehrung, .  die  er  den  grossen  preussischen 
Organisatoren  entgegenbringt,  fast  objektiver  und  gerechter  als  der  österreichische 
Forscher,  welcher  infolge  seiner  energisch  deutsch-nationalen  Gesinnung  fast  preussi- 
scher  ist  als  die  preussischen  Geschichtschreiber  und  sich  daher  der  Droysenschen 
Auffassung  sehr  nähert,  gegen  die  E.s  Darstellung  in  vielen  Punkten  eine  kräftige 
Reaktion  darstellt,  indem  sie  der  nicht  immer  billigen  Unterschätzung  der  geschicht- 
lichen Leistungen  des  österreichischen  Staates  an  den  Ostgrenzen  deutscher  Kultur 
entgegentritt  und  auf  die  Verdienste,  welche  sich  die  habsburgische  Monarchie  auf 
diesem  Gebiete  erworben  hat,  rühmend  hinweist.  Dabei  werden  Preussens  Grösse 
und  Bedeutung  nicht  im  mindesten  unterschätzt.  Im  Gegenteil  gehören  die  der  Or- 
ganisation der  preussischen  Verwaltung  unter  Friedrich  Wilhelm  I.  gewidmeten  Ab- 
schnitte ohne  Frage  zu  den  glänzendsten  und  unterrichtendsten  des  ganzen  Werkes; 
sie  lassen  mit  voller  Klarheit  und  Deutlichkeit  erkennen,  dass  jene  g*rosse  Or- 
ganisationsarbeit des  rauhen  und  schlichten  preussischen  Soldatenkönigs  die  not- 
wendige Vorbedingung  der  staunenswerten  Erfolge  seines  grossen  Sohnes  und 
Nachfolgers  gewesen  ist.  —  Ausserdem  liegen  noch  mehrere  Specialuntersuchungen 
über  König  Friedrich  Wilhelm  I.  von  Preussen  vor,  die  von  allgemeinerem  Interesse 
sind.  Die  erste  beschäftigt  sich  mit  dem  englischen  Heiratsprojekt,  welches  in  der 
Jugendgeschichte  Friedrichs  des  Grossen  eine  so  hervorragende  Rolle  spielt. 
Oncken20)  erbringt  in  dieser  sorgfältig  und  mit  grösster  Akribie  geführten 
Untersuchung  den  Nachweis,  dass  die  bisherigen  Darstellungen  der  über  diese  Frage 
zwischen  Preussen  und  England  geführten  Unterhandlungen,  namentlich  die  von 
Raumer  und  Carlyle,  auf  einer  sehr  ungenügenden  und  ungenauen  Benutzung  der 
im  Londoner  Archiv  hierüber  vorhandenen  Akten  beruhen.  Er  holt  das  von  seinen 
Vorgängern  Versäumte  nach,  teilt  mehrere  bisher  übersehene  Aktenstücke  im 
Wortlaut  bezw.  in  Uebersetzung  mit  und  kommt  auf  Grund  dieser  zu  einem  von  der 
bisherigen  Anschauung  sehr  abweichenden  Ergebnisse.  Danach  ist  es  unzweifelhaft, 
dass  vor  den  entscheidenden  persönlichen  Verhandlungen  zwischen  dem  Könige  und 
dem  englischen  Gesandten  Hotham  andere  heimliche  zwischen  den  König'innen  ge- 
pflogen worden  waren,  von  deren  Inhalt  der  König  nicht  unterrichtet  war,  so  dass 
er  die  Eröffnungen  des  englischen  Hofes,  welche   Hotham   überbrachte,    ganz   falsch 

gierungsantr.  Friedrichs  d.  Gr.  1648-1740.  Mit  Portrr.,  IU.  n.  Karten.  2  Bde.  (=  Allg.  Gesch.  in  Einzeldarstellungen,  her. 
v.  W.  Oncken.  3.  Hanptabschn.,  7.  T.)  B.,  Grote.  1892-93.  747,  527  S:  11.6,00;  12,00.  |[A.  Pribram:  HZ.  73,  S.  329-33.], 
(Vgl.  JBL.  1892  III  1:3;  1893  in  1  :  12;  s.  auch  o.  III  1:9.)   —    19)  (III  1  :  10.)  —  20)  (III  1  :  152.)  —  21)  (III  1  :  176.)  — 


IV  lb:  20-27    G.Winter,  Allgemeines  des  18./ 19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

auffasste  und  auffassen  musste  und  dadurch  in  der  ganzen  Angelegenheit  getäuscht 
und  irre  geführt  wurde.  Denn  die  Verhandlungen  wurden  von  beiden  Seiten  unter 
ganz  verschiedenen  Gesichtspunkten  geführt.  Während  Friedrich  Wilhelm  I.  annahm, 
dass  der  englische  Hof  davon  unterrichtet  sei,  dass  sein  (des  Königs)  Absehen  nur 
auf  eine  einfache  Heirat  zwischen  dem  Prinzen  von  Wales  und  der  preussischen 
Königstochter  gerichtet  seien,  war  der  englische  Gesandte  angewiesen,  nur  auf  der 
Basis  einer  Doppelheirat  zwischen  den  Genannten  auf  der  einen,  dem  Kronprinzen 
von  Preussen  und  einer  englischen  Prinzessin  auf  der  anderen  Seite,  zu  verhandeln. 
Dieses  Doppelheiratsprojekt  war  für  den  englischen  Hof  gerade  darum  die  conditio  sine 
qua  non  der  Verhandlung,  weil  es  ihm  gar  nicht  der  Endzweck,  sondern  nur  Mittel  zu  dem 
Zweck  war,  den  König  von  der  Allianz  mit  dem  Kaiser  abzuziehen  und  durch  die 
Vermählung  des  Kronprinzen  mit  einer  englischen  Prinzessin  an  die  englisch- 
hannoversche  Politik  zu  fesseln.  Demgemäss  lauteten  auch  die  Weisungen,  welche 
Hotham  von  seinem  Hofe  erhalten  hatte,  ganz  anders,  als  man  bisher  angenommen 
hat,  und  als  auch  der  König  ohne  Kenntnis  der  zwischen  den  Königinnen  gepflogenen 
Unterhandlungen  annehmen  musste.  Nur  seinem  festen,  unbeugsamen  und  treu  an 
der  Allianz  mit  dem  Kaiser  festhaltenden  Sinne  hatte  es  der  König  zu  danken,  dass 
er  in  diesen  Verhandlungen  nicht  von  England  überlistet  und  überrumpelt  wurde. 
Nicht  an  seinem  eigenen  Eigensinn  scheiterte,  wie  man  bisher  annahm,  das  Projekt, 
sondern  an  den  ganz  ausserhalb  des  Eheprojekts  liegenden  politischen  Zwecken,  die 
England  dabei  verfolgte.  —  Für  die  religiöse  Auffassung  des  Königs  charakteristisch 
sind  die  vierzehn  von  Frens  dor  ff 21)  herausgegebenen  Briefe  an  den  Hallenser 
reformierten  Prediger  Hermann  Reinhold  Pauli,  denen  der  Herausgeber  eine  vor- 
treffliche orientierende  Einleitung  über  das  aus  Danzig  stammende  Geschlecht  Pauli 
voranschickt,  welche  für  die  Geschichte  der  Reformation  in  Danzig  von  hohem 
Interesse  ist.  —  Endlich  ist  noch  eine  eingehende  Darstellung  der  Schicksale  der 
Salzburger  Emigranten  von  G ruber22)  erschienen,  die  auf  Grund  des  Dekrets 
Friedrich  Wilhelms  I.  vom  2.  Febr.  1827  Aufnahme  in  Preussen,  namentlich  in 
Lithauen,  gefunden  haben.  Eine  in  Goeckings  Emigrationsgeschichte  enthaltene 
Episode  der  Reise  dieser  Emigranten,  welche  sich  zu  Altmühl  in  Bayern  abspielte, 
hat  bekanntlich  Goethe  den  Stoff  zu  Hermann  und  Dorothea  gegeben.  — 

Weit  zahlreicher  als  die  geschichtlichen  Arbeiten  über  Friedrich  Wilhelm  I. 
sind  die  über  das  Zeitalter  Friedrichs  des  Grossen  und  Maria 
Theresias.  Die  Forschung  über  den  ersteren  hat  eine  grossartige  und  feste 
authentische  Grundlage  namentlich  durch  die  mit  schrankenloser  Freimütigkeit  er- 
folgte Veröffentlichung  der  wichtigsten  Quelle,  der  politischen  Korrespondenz  des 
Königs,  erfahren,  die  es  ermöglicht,  die  politische  Haltung  und  die  entscheidenden 
Gedanken  und  Motive  Friedrichs  Schritt  für  Schritt  zu  verfolgen.  Jeder  weitere 
Band  dieses  umfassenden  Unternehmens  —  in  der  Berichtsperiode  sind  der  19.  und  20. 
erschienen23)  —  hat  neue  und  sehr  wesentliche  Bereicherungen  unserer  Kenntnis 
jener  Epoche  gebracht.  —  Die  speciell  aus  dem  20.  Bande  sich  ergebenden  Resultate 
hat  von  Sybel24)  in  einer  glänzenden  Abhandlung,  welche  in  der  Akademie  der 
Wissenschaften  vorgetragen  wurde,  zur  lebensvollsten  Anschauung  gebracht. 24a_26)  — 

Für  die  Gesamtauffassung  Friedrichs  des  Grossen  und  seiner  grossartigen 
politischen  und  Regenten-Thätigkeit  auf  allen  Gebieten  ist  es  aber  vor  allem  von  ent- 
scheidender Bedeutung,  dass  Koser27),  der  gründlichste  Kenner  dieser  Zeit,  der 
jahrelang  selbst  die  Herausgabe  der  Korrespondenz  des  Königs  besorgt  hat,  nunmehr 
daran  gegangen  ist,  die  Ergebnisse  Jahrzehnte  langer  Studien  zu  einer  einheitlichen 
Gesamtdarstellung  zu  verarbeiten,  und  so  seit  langer  Zeit  zum  ersten  Male  den 
Versuch  machte,  ein  W^erk  über  Friedrich  den  Grossen  für  die  ganze  Dauer 
seiner  Regierung  auf  Grund  aller  bisher  zu  Tage  geförderten,  nicht  in  letzter  Linie 
von  ihm  selbst  geführten  Untersuchungen  zu  schreiben,  wovon  jetzt  der  erste, 
von  der  ganzen  wissenschaftlichen  Welt  freudig  begrüsste  Band  abgeschlossen  vor- 
liegt. K.  vereinigt  in  glücklichster  Weise  die  wissenschaftlichen  und  künstlerischen 
Fähigkeiten,  welche  allein  die  Lösung  dieser  Aufgabe  ermöglichen  können.  Er  führt 
dem  Leser  die  Ergebnisse  eindringendster  und  sorgfältigster  Quellenforschungen  in 
einer  so  eleganten  und  abgerundeten  Form  vor,  dass  man  die  schwere  und  massen- 
hafte Arbeit,  welche  hinter  dieser  künstlerischen  Form  verborgen  ist,   gar   nicht  ge- 


22)  (III  1  :  180.)  —  23)  Polit.  Korresp.  Friedrichs  d.  Gr.  19.  n.  20.  Bd.  B.,  Duncker.  678,  600  S.  ä  M.  15,00.  (Vgl.  JBL."1891 
IV  1  :  78.)  —  24)  H.  v.  Sybel,  Friedrich  d.  Gr.  im  J.  1761.  Festrede,  geh.  in  d.  Ak.  d.  Wissensch.  am  25.  Jan.:  HZ.  73, 
S.  1-13.  —  24  a)  X  °-  Herrmann,  Z.  diplomat.  Thätigkeit  Friedrichs  d.  Gr.:  VossZg«.  1893,  N.  22/3.  (Nach  N.  23 ;  Bd.  19.) 
—  25)  X  C  h.  Simond,  Frederic  le  Grand.  Memoires  du  philosophe  de  Sans-Souci.  (=  Nouv.  bibl.  popul.)  Paris,  Gautier. 
36  S.  Fr.  0,10.  (Enth.  e.  kurze  Biogr.  Friedrichs  d.  Gr.  u.  zieml.  dürftige  Auszüge  aus  seinen  hist.  Schriften.)  —  26)  X 
F.  Schwill,  Ueber  d.  Verhältnis  d.  Texte  d.  Hist.  de  mon  temps  Friedrichs  d.  Gr.  Diss.  Freiburg  i.  B.  1892.  104  S. 
(Vgl.  JBL.  1892  IV  lb:  73.)— 27)  B.  Koser,  König  Friedrich  d.  Grosse.  1.  Bd.  (=  Bibl.  dtsch.  Gesch.  her.  v.  H.  v.  Zwiedineck- 
Südenhorst.)     St.,  Cotta.     XII,  640  S.   M.  S,00.  |[FBPG.  7,  S.  262,5;  W.  Wiegand:  DLZ.  15,  S.  272/7;   LCB1.  S.  142;   KZg. 


G.Winter,  Allgemeines  des  18./ 19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.    tVlb:27a-39 

wahrt.  Dabei  kommen  alle  Seiten  der  unvergleichlich  vielseitigen  Thätigkeit  des 
Königs  auf  allen  Gebieten  menschlicher  Geistesarbeit,  seine  politische  Wirksamkeit 
nach  aussen  und  im  Inneren,  seine  grossartigen  Feldherrn-  und  Regenten-Eigenschaften, 
wie  seine  künstlerisch- wissenschaftlichen  Bestrebungen  in  gleich  hohem  Masse  zur 
Geltung.  Ueberall  tritt  es  klar  und  unzweideutig  hervor,  dass  dieser  geniale  Mann 
in  der  That  durchweg  der  geistige  Mittelpunkt  seines  kühn  emporstrebenden  Staates 
und  Volkes  gewesen  ist.  Und  trotz  seiner  unverhohlenen  und  erklärlichen  Be- 
wunderung für  den  königlichen  Genius  ist  K.  doch  weit  entfernt  von  einer  einseitigen 
und  blinden  Verhimmelung  seines  Helden,  er  versäumt  vielmehr  durchaus  nicht,  auch 
die  Schattenseiten  des  glänzenden  Bildes  hervorzuheben,  und  zwar  nicht  bloss  im  all- 
o-emeinen,  etwa  mit  dem  bekannten  Hinweise  darauf,  dass  die  g*rossartige  Schöpfung 
des  Königs  doch  gar  zu  sehr  nur  auf  die  beiden  Augen  ihres  Schöpfers  gestellt 
gewesen  sei,  sondern  er  wägt  bei  jeder  einzelnen  Handlung  und  Einrichtung  des 
Königs,  welche  er  schildert,  ruhig  und  besonnen  nach  beiden  Seiten  hin  ab,  so  z.  B. 
auch  bei  den  vielbewunderten  Einrichtungen  des  preussischen  Heeres,  wo  K.  neben 
den  Vorteilen  auch  die  unzweifelhaften  Nachteile  nachdrücklich  betont,  die  sich  aus 
dem  Alleinbesitz  aller  Offizierstellen  in  den  Händen  des  Adels  herausstellten.  Einer 
der  Glanzpunkte  der  Darstellung  ist  die  prächtige  Schilderung  des  angeregten  geistigen 
Lebens  in  Sanssouci,  welches  auf  Grund  der  Oeuvres  du  philosophe  de  Sanssouci 
und  mannigfacher  Korrespondenzen  des  Königs  mit  Gelehrten  und  Künstlern  dem 
Leser  anschaulich  vergegenwärtigt  wird.  Ebenso  meisterhaft  ist  die  Darstellung  der 
auswärtigen  Politik  des  Königs  in  den  J.  1750  —  55  und  des  Ursprungs  des 
siebenjährigen  Krieges,  bei  welchem  es  namentlich  auf  die  Auffassung-  der  West- 
minster-Konvention  vom  16.  Jan.  1756  ankommt.2"11)  In  der  hierüber  ausgebrochenen 
lebhaften  Kontroverse,  welche  für  die  gesamte  Beurteilung  der  Politik  des  Königs 
von  entscheidender  Bedeutung  ist,  und  auf  die  wir  noch  näher  zurückkommen,  verteidigt 
K.  mit  umfassendster  Begründung  mitRecht  die  bisherige,  auf  einem  erdrückenden  Quellen- 
material beruhende  Auffassung,  dass  die  Eröffnung  des  siebenjährigen  Krieges  durch  den 
König  thatsächlich  nur  ein  praevenire,  ne  praeveniatur,  ein  Angriff  zur  Verteidigung 
gegen  die  umfassendsten  Angriffspläne  der  Gegner  war.  Gleich  eindringend,  anschaulich 
und  unterrichtend  sind  die  Darlegungen  K.s  über  die  innere  Politik  des  Königs, 
seine  Regententhätigkeit  im  allgemeinen,  die  Justiz-  und  Verwaltungsreform  und  die 
Handels-  und  Gewerbepolitik  im  besonderen.  Mit  Recht  betont  er  nachdrücklich, 
dass  Friedrich  der  Grosse,  so  befruchtend  sein  Genius  auch  auf  die  von  ihm  über- 
nommenen Einrichtungen  einwirkte  und  sie  zur  Lösung  grösserer  Aufgaben  befähigte, 
doch  bei  allen  Reformbestrebungen  möglichst  konservativ  und  vorsichtig  auf  den  von 
dem  Vater  gelegten  Grundlagen  weiterbaute,  und  dass  er  da,  wo  er  grundsätzliche 
Aenderungen  traf,  zuweilen  auch  irrte  und  ernste  Gefahren  teils  für  die  Gegenwart 
herbeiführte,  teils  für  die  Zukunft  herauibeschwor.  Friedrich  selbst  entfaltete  nament- 
lich in  der  Friedenszeit  zwischen  dem  zweiten  schlesischen  und  dem  siebenjährigen 
Krieg-e,  dem  unendlich  fruchtbaren  Jahrzehnt  von  1745 — 56,  eine  unausgesetzte 
Reformarbeit  in  der  ganzen  inneren  Einrichtung  seiner  Monarchie.  Bezeichnend  ist 
der  von  K.  angeführte  Ausspruch  des  Königs,  dass  jetzt  (d.  h.  bei  diesen  Arbeiten 
der  Friedenszeit)  seine  Regierung  erst  recht  begonnen  habe,  „in  dem  Sinne,  dass 
wahrhaft  regieren  das  Glück  des  Volkes  fördern  heisse,  dass  wahrhaft  sich  nur  im 
Frieden  regieren  lasse".  Dieser  Reformarbeit  im  einzelnen  ist  dann  K.  mit  der 
grössten  Sorgfalt  und  liebevollem  Verständnis  nachgegangen;  er  hat  auch  auf  diesem 
Gebiete  sein  Werk  zu  einem  Standard  work  für  die  deutsche  Wissenschaft  gemacht. 
—  Neben  dieser  umfassenden  und  grundlegenden  wissenschaftlichen  Leistung  treten 
alle  übrigen  Darstellungen  über  diese  Periode  naturgemäss  in  den  Hintergrund,  soweit 
sie  nicht  neue  Aufschlüsse  über  einzelne  Probleme  und  Ereignisse  enthalten.  Er- 
wähnung verdient  aber  immerhin,  dass  von  dem  bekannten  Kuglerschen  28 )  Werke 
über  den  König  jetzt  eine  Volksausgabe  mit,  freilich  nicht  gerade  vollendet  wieder- 
gegebenen Zeichnungen  Menzels  erscheint.  29)  —  Eine  Anzahl  kleinerer  Arbeiten  be- 
schäftigen sich  mit  einzelnen  Seiten  der  wissenschaftlich  -  künstlerischen  Thätigkeit 
des  Königs  und  mit  der  Geselligkeit  am  Hofe  zu  Sanssouci.  aü_4u)   Darunter  verdienen 

1893,  N.  985;  Geg.  45,  S.  367;  Grenzb.  1,  S.  655,6;  H.  Fechner:  HZ.  72,  S.  495  8.] I  —  27a)  X  id.,  Aus  d.  Korresp.  d.  franz. 
Gesandtisch,  zu  Berlin  1746-56:  FBPG.  6,  S.  451-81;  7,  S.  71-96.  —  28)  F.  Kugler,  Gesch.  Friedrichs  d.  Gr.  Mit  400 
Illustr.  v.  A.  Menzel.  (10  Lfgn.)  L.,  Mendelssohn.  XVIII,  420  S.  M.  6,00.  —  29)  X  Friedrich  d.  Gr.:  Bär  20,  S.  51/2,  110, 
350,  564.  —  30)  X  1*  PfietschJ,  Friedrich  d.  Gr.  u.  d.  franz.  Malerei  seiner  Zeit:  VossZgB.  1S93,  N.  3.  (Ist  e.  auszügl. 
Besprech.  d.  Werkes  r.  P.  Seidel [JBL.  1893  1 11  :  263J.)  (Vgl.  I  9.)  —  3DX  Gutersohn,  Friedrichs  d.  Gr.  Thätigkeit  für  Unterr.  u. 
Bildung.  Progr.  Karlsruhe.  1893.  4".  12  S.  —  32;  X  Friedrichs  d.  Gr.  Gedanken  über  Religion.  Dresden,  Jaonicke.  IV, 
158  S.  M.  0,70.  —  33)  X  Abendges.  im  Schloss  Sanssousi:  Bär  20,  S.  447.  —  34)  X  E-  Wiehr,  Friedrich  d.  Gr.  u.  sein 
Verhältn.  z.  dtsch.  Sprache,  Litt.  u.  Schule:  ib.  S.  168/9,  176,9.  —  35)  X  L.  Geiger,  E.  Brief  Voltaires  an  Friedrich  II.: 
AZgu.  N.  184.  (Teilt  mit  e.  bist.  Einl.  e.  in  gebundener  Sprache  abgefassten  Brief  Voltaires,  d.  sich  auf  Chasot  bezieht,  mit; 
derselbe  befindet  sich  in  d.  Privatsamml.  v.  C.  Meinert  in  Dessau  u.  war  bisher  nnbek.)  —  36)  X  E.  Brief  Friedrichs  d.  Gr. 
an  d.  Marquis  d'Argens  aus  d.  J.  1760:  VossZg.  N.  382.  —  37)  X  G.  Schuster,  Friedrich  d.  Gr.  u.  seine  Beziehungen  zu 
d.  Freimaurern:  NorddAZg«.  N.  20/2.  —  38)  X  J-  Isenbeck,  Graf  Hoditz.  E.  Freund  Friedrichs  d.  Gr.:  ib.  N.  7.  —  39)  X 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.     V.  (4)4 


IV  lb:  40-äo    G.Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

Beachtung-  ein  Hinweis  Geigers41)  auf  eine  1781  erschienene  Schrift  Rauquil- 
Lieutards  über  Friedrichs  des  Grossen  Schrift  „De  la  litterature  Allemande"  und  eine 
durchdachte  Abhandlung  Disselnkötters42)  über  das  Erziehungsideal  Friedrichs, 
welche  ausser  auf  einigen  pädagogischen  Lehrbüchern  und  dem  Jürgen  Bona 
Meyerschen  Buche  über  denselben  Gegenstand  auf  einem  genauen  Studium  der  päda- 
gogischen Schriften  des  Königs  beruht  und  dessen  Thätigkeit  für  die  Volksschule 
und  für  die  höheren  Lehranstalten  behandelt.  Der  Vf.  weist  darauf  hin,  dass  der 
König  in  Bezug  auf  die  Volksschule  im  wesentlichen  auf  den  von  seinem  Vater  ge- 
schaffenen Grundlagen  fortwirkte,  aber  ohne  eigentliche  persönliche  liebevolle  und 
dauernde  Teilnahme,  während  in  seinen  Ansichten  über  die  Erziehung  der  höheren 
Stände  seine  eigenen  freien  Anschauungen  schon  mehr  zur  Geltung  kommen.  Be- 
sonders interessant  sind  hier  die  vom  Vf.  eingehend  besprochenen  Vorschriften  für 
die  1765  in  Berlin  begründete  Academie  des  nobles,   Friedrichs  Lieblingsschöpfung. 

—  Zum  Gegenstande  einer  besonderen  Untersuchung  ist  auch  das  Verhältnis  des 
Königs  zu  seinem  Vorleser  De  Prades  von  Gundlach43)  gemacht  worden.  Hier 
ward  auf  Grund  von  Akten  des  Geheimen  Staatsarchivs  zu  Berlin  der  Nachweis  er- 
bracht, dass  de  Prades  nicht,  wie  vielfach  angenommen  worden  ist,  durch  eine  un- 
gnädige Laune  des  Königs  seine  Stellung  verlor,  sondern  infolge  Verrats  an  der 
Sache  seines  Beschützers,  indem  er  im  siebenjährigen  Kriege  von  allem,  was  zu 
seiner  Kenntnis  gelangte,  dem  Feinde  Nachricht  gab. 44)  —  Koser45)  giebt  eine 
Untersuchung  des  Inhaltes  und  Wertes  der  Voltaireschen  Schrift  „Idee  de  la  cour 
de  Prusse",  die  mit  grosser  Akribie  und  Sorgfalt  geführt  ist.  —  Für  den  Literar- 
historiker nicht  ohne  Interesse  ist  ein  Hinweis  Homers46)  darauf,  dass  Friedrich 
in  seiner  Schrift  über  die  deutsche  Litteratur  Von  seinem  im  allgemeinen  bekanntlich 
scharf  ablehnenden  Urteile  über  diese  den  sehr  wenig  hervorragenden  österreichischen 
Dichter,  Oberstlieutenant  von  Ayrenhoff,  ausnimmt,  dessen  herzlich  unbedeutendes 
Drama  „Der  Postzug  oder  die  noblen  Passionen"  der  König  lobend  unter  den  deutschen 
Stücken  hervorhebt,  ja  es  als  die  einzige  wirklich  originelle  deutsche  Komödie  be- 
zeichnet. —  Für  die  allgemeine  Charakteristik  des  Königs  nicht  unerheblich  sind  die 
von  Arnheim47)  mitgeteilten  Urteile  über  ihn,  welche  der  schwedische  Graf  Karl 
Gustav  Tessin  in  seinen  Tagebüchern  aufgezeichnet  hat,  und  die  in  ihren  für  den 
König  sehr  günstig  und  bewundernd  lautenden  Teilen  um  so  mehr  als  zuverlässig 
angesehen  werden  dürfen,  als  sie  in  einer  Zeit  niedergeschrieben  sind,  in  der  ihr, 
früher  Friedrich  in  bewundernder  Verehrung  anhängender,  Vf.  bereits  völlig  mit  dem 
Könige  zerfallen  war.48)  —  Sehr  zahlreich  sind  die  Untersuchungen,  welche  sich  mit 
einzelnen  kürzeren  Perioden  oder  einzelnen  Ereignissen  aus  der  Regierungszeit 
Friedrichs  d.  Gr.  beschäftigen.  Aus  seiner  Kronprinzenzeit  hat  K  r  a  u  s  k  e  4ü)  eine 
Reihe  von  Briefen  Friedrichs  an  den  Fürsten  Leopold  und  an  die  Prinzen  von 
Anhalt-Dessau  veröffentlicht,  welche  inhaltlich  nicht  gerade  sehr  bedeutend  sind  und 
jedenfalls  beweisen,  dass  Friedrich  nur  sehr  uneigentlich  als  Schüler  des  alten 
Dessauer  bezeichnet  werden  kann,  dass  er  nur  in  seiner  taktischen  Ausbildung 
durch  die  Lehren  des  grossen  Kriegsmechanikus  gefördert  worden  ist.  —  Eine 
wichtige  Massregel  Friedrichs,  welche  gleich  in  die  ersten  Wochen  seiner  Regierung 
fallt  und  allgemein  als  Zeichen  eines  neues  Geistes  betrachtet  wurde,  die  Abschaffung 
der  Tortur  durch  die  Kabinetsordre  vom  3.  Juni  1740,  hat  Kose  r49a)  in  einer  eigenen 
kleinen  Abhandlung  geschildert,  in  der  er  nachweist,  dass  diese  Bestimmung  ganz 
der  Initiative  des  jungen  Königs  entsprungen  ist,  wie  sich  aus  den  von  K.  im  Auszuge 
mitgeteilten  Korrespondenzen  zwischen  den  Ministern  ergiebt.  — 

Ueber  den  ersten  der  schlesischen  Kriege  besitzen  wir  jetzt  eine 
umfassende,  auf  eingehendsten  Quellenstudien  beruhende  und  aus  militärisch-technisch 
höchst  sachkundiger  Feder  stammende  Darstellung  in  dem  Werke  des  Grossen  Ge- 
neralstabes50), das  in  vieler  Hinsicht  neue  Gesichtsspunkte  eröffnet  und  namentlich  auf 

P.  Seidel,  Friedrich  d.  Gr.  als  Sammler:  JPrK.  14,  S.  48-57,  81-93.  (Enthält  viele  bemerkenswerte  Einzelheiten  über  d. 
künstlerischen  etc.  Sammlungen  Friedrichs  d.  Gr.,  aus  denen  dann  Didask.  N.  57  einiges  wiedergegeben  ist.)  —  40)  X  H-  Mackowsky, 
D.  Friedrichsdenkmal  nach  d.  Entwürfen  Schinkels  u.  Rauchs  (1822-36).  B.,  Vogt.  64  S.  M.  1,80.  —  41)  L.  Geiger,  E. 
unbek.  Schrift  gegen  Friedrichs  d.  Gr.  De  la  litt.  Allem.  Mitt.  in  GDL.  Ref.:  VossZg.  1893,  N.  299.  (Vgl.  hierzu  d.  aus 
d.  Bär  in  Didask.  1893,  N.  198  wiedergegebenen  beiden  Schreiben  Friedrichs  d.  Gr.  an  zwei,  übrigens  wenig  hervorragende 
Dichter,  welche  ihm  ihre  Gedichte  eingesandt  haben.)  —  42)  H.  Disselnkötter,  D.  Erziehungsideal  Friedrichs  d.  Gr. 
Progr.  Wesel.  1893.  4°.  25  S.  —  43)  M.  Gundlaoh,  Friedrich  d.  Gr.  u.  sein  Vorleser  De  Prades  (=  SGWV.  N.  160.) 
Hamburg,  Verlagsanst.  46  S.  M.  1,00.  |[FBPG.  6,  S.  322;  MHL.  21,  S.  344/5.]|  -  44)  X  Chrn.  Meyer,  Berliner  Hofleben 
während  d.  ersten  Regierungsjahre  Friedrichs  d.  Gr.:  NorddAZg.  N.  509,  511,  520.  —  45)  R-  Koser,  Voltaire  u.  d.  Idee  de 
la  cour  de  Prusse:  FBPG.  6,  S.  141-80.  —  46)  E.  Horner,  Friedrich  d.  Gr.  u.  e.  österr.  Dichter:  FrBIW.  N.  286.  —  47)  F. 
Arnheim,  Urteile  e.  zeitgenöss.  schwed.  Politikers  über  Friedr.  d.  Gr.  Mitteil,  aus  d.  Tagebüchern  d.  Grafen  K.  Gust  Tessin: 
FBPG.  6,  S.  242-50.  —  48)  X  <*■  Wallat,  Friedrichs  d.  Gr.  wechselnde  Politik  gegen  Frankreich.  Progr.  Deutsch-Krone. 
40  S.  (W.  sucht,  in  seinen  Ausführungen  oft  über  das  Ziel  hinausschiessend,  d.  Politik  Friedrichs  d.  Gr.  gegenüber  Frankreich 
in  d.  Zeit  v.  1740—56  in  allen  ihren  Phasen,    mit   alleiniger  Preisgabe  d.  Vertrages  v.  Klein-Schnellendorf,    zu   rechtfertigen.) 

—  49)  O.  Krauske,  D.  Uriefe  d.  Kronprinzen  Friedrich  v.  Preussen  a.  d.  Fürsten  Leopold  u.  an  d.  Prinzen  v.  Anhalt-Dessau: 
FBPG.  7,  8.  49-69.  —  49a)  R.  Koser,  D.  Abschaffung  d.  Tortur  durch  Friedrich  d.  Gr.:  ib.  6,  S.  575-81.  (Vgl.  JBL.  1893, 
I  4:115.)    —    50)  D.  Kriege  Friedrichs  d.  Gr.,  her.  vom  Grossen  Generalstabe.    I.T.:  D.  1.  Schles.  Krieg  1740—42.     2.  u.  3.  Bd. 


Gr.  Winter,  Allgemeines  des  18./ 19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.    tVlb:  51-55 

dem  Gebiete  der  Strategie  und  Taktik  manche  wertvolle  Bereicherung*  unserer  bis- 
herigen Kenntnis  von  dem  jugendlichen  Feldherrn  Friedrich  gebracht  hat.  U eberall 
zeigt  sich,  dass  der  König,  im  Gegensatz  zu  der,  den  Grundsätzen  der  Zeit  ent- 
sprechenden, französischen  und  bayerischen  Kriegführung  nicht  auf  die  Gewinnung 
„herrschender  Positionen",  sondern  auf  die  Vernichtung  der  feindlichen  Streitkräfte 
ausgeht.  Unausgesetzt  plant  und  verlangt  er  einen  energischen  Vorstoss  gegen  Wien, 
an  dessen  Ausführung,  wie  überhaupt  an  der  Kühnheit  seiner  Operationen,  er  aber 
oft  durch  politische  Rücksichten  gehindert  wird.  Mit  grosser  Klarheit  tritt  in  dem 
Werke  auch  zu  Tage,  in  wie  bewundernswerter  Weise  der  König  stets,  selbst  während 
der  kriegerischen  Vorgänge,  auf  die  Reorganisation  seiner  Armee  auf  Grund  der 
soeben  im  Felde  gewonnenen  Erfahrungen  bedacht  ist  und  z.  B.  seine  Reiterei 
während  des  Krieges  selbst  auf  die  Höhe  der  ihr  anfangs  unzweifelhaft  überlegenen 
österreichischen  bringt.  Im  einzelnen  kommt  das  Werk  oft  zu  Ergebnissen,  welche 
von  denen  Grünhagens  und  Droysens  nicht  unerheblich  abweichen,  doch  bedarf  es 
in  diesen  Fällen  wie  auch  sonst  der  Nachprüfung,  zumal  auch  in  der  Verwertung 
und  der  Herausgabe  der  ziemlich  zahlreich  der  Darstellung  selbst  einverleibten  Briefe 
und  Aktenstücke,  bei  der  man  nicht  selten  die  hierbei  unbedingt  notwendige  Ge- 
nauigkeit vermisst.  —  Derselben  ersten  Kriegsperiode  Friedrichs  des  Grossen  ist 
eine  gleichfalls  in  erster  Linie  taktische  Untersuchung  Herrmanns51)  gewidmet, 
welche  sich  namentlich  eingehend  mit  dem  Flügelangriffe  in  schiefer  Schlachtordnung 
beschäftigt,  den  der  König  bekanntlich  sehr  bevorzugte  und  schon  bei  Mollwitz 
zur  Anwendung  brachte.  —  Speciell  in  Bezug  auf  die  Schlacht  von  Hohenfriedberg 
ist  die  Frage  nach  dem  Anteile,  welchen  die  einzelnen  Truppenführer  an  dem 
preussischen  Siege  gehabt  haben,  neu  aufgeworfen  und  viel  umstritten  worden  durch 
die  Publikation  von  Ga  e  d  e  r  t  z5253J,  die  auf  Grund  von  Aufzeichnungen  des 
Generals  Chasot  diesem  das  Haupt  verdienst  an  dem  Siege  zuschreiben  will.  Aber 
die  Quelle,  welche  allein  seiner  Beweisführung  zu  Grunde  liegt,  ist  doch  nicht  ge- 
eignet, den  Anteil  Chasots  als  einen  so  glänzenden  erscheinen  zu  lassen,  wie  G.  be- 
hauptet. Es  sind  nämlich  nicht  einmal  die  bisher  vergeblich  gesuchten  Memoiren 
Chasots  selbst,  die  ja  an  sich  schon  als  pro  domo  sprechend  ein  unparteiisches 
Zeugnis  nicht  darstellen  würden,  sondern  nur  indirekt  auf  Chasot  zurückgehende 
Aufzeichnungen,  welche  G.  aufgefunden,  herausgegeben  und  in  ganz  erheblicher 
Ueberschätzung  ihres  Wertes  seiner  Darstellung  zu  Grunde  gelegt  hat.  Es  handelt 
sich  um  ein  Ms.  von  Vorträgen,  welche  der  Mitbegründer  der  „Gesellschaft  zur 
Beförderung  gemeinnütziger  Thätigkeit"  in  Lübeck,  Kroger,  in  dieser  Gesellschaft  im 
Dec.  1797  gehalten  hat.  Die  Hs.  war  bisher  verborgen  geblieben,  merkwürdiger  Weise 
auch  Schlözer,  der  eine  Arbeit  über  Chasot  geschrieben.  Kroger  hat  in  nahen 
persönlichen  Beziehungen  zu  Chasot  gestanden,  der  nach  seinem  Austritt  aus  dem 
preussischen  Dienste,  und  nachdem  er  mit  dem  ihm  früher  sehr  freundlich  gesinnten 
Könige  zerfallen  war,  Kommandant  von  Lübeck  gewesen,  und  hat  dessen  Lebens- 
erinnerungen eingesehen.  Diese  Vorträge  Krögers  zusammen  mit  einem  Briefe  Chasots 
über  die  Schlacht  von  Hohenfriedberg  sind  es,  mit  denen  G.  operiert,  obwohl  man 
gar  nicht  weiss,  wie  viel  eigentlich  Kroger  aus  Chasots  Lebenserinnerungen  geschöpft 
hat.  Dem  sind  nun  eine  ganze  Anzahl  sachkundiger  Forscher  in  oft  sehr  schroffer 
Form  entgegengetreten;  sie  haben  den  Inhalt  der  Chasotschen  Behauptungen  als  ge- 
schichtliche Fälschung  hingestellt,  sind  aber  dann  doch  auch  wieder  in  der  Gering- 
schätzung der  G.schen  Publikation  ohne  Zweifel  zu  weit  gegangen,  so  dass  G.  in  der  Lage 
war,  in  einer  eigenen  Abwehrschrift  einige  dieser  Angriffe  nicht  ganz  unwirksam  zurück- 
zuweisen, wenn  auch  freilich  nicht  völlig  zu  widerlegen.  Im  Gegenteil  musste  er  jetzt  in 
der  hauptsächlichsten  Frage  selbst  zugeben,  dass  er  zu  viel  behauptet  habe.  Dagegen 
hält  G.  im  übrigen  seine  Meinung  über  die  Krögerschen  Excerpte  aus  Chasots  ver- 
loren gegangenen  Memoiren  aufrecht,  wird  aber  kaum  irgendwo  Zustimmung  hierfür 
finden.  54j  —  Das  Zustandekommen  des  der  bayerischen  Politik  jener  Zeit  wenig  zur 
Ehre  gereichenden  Füssner  Friedens  Von  1 745  schildert  Preuss55)  auf  Grund 
authentischen  Materials.  Die  bayerischen  Diplomaten  zeigen  sich  gegenüber  den 
österreichischen  Drohungen  ihrer  Aufgabe  gar  nicht  gewachsen.  Die  Centralregierung 
aber  schwankt  unentschlossen  hin  und  her.  Der  Unterhändler  Fürstenberg  ist 
völlig  unfähig,  ebenso  Seckendorf.  Der  Friede,  der  vielleicht  nicht  einmal  unbedingt 
notwendig  war,  wird  eine  volle  diplomatische  Niederlage  Bayerns.  —  Für  die  in  den 

Mit  20  Karlen,  Plänen  u.  Skizzen.  B.,  Mittler.  1893.  275  u.  37  S.;  377  n.  44  S.  M.  21,00.  |[MWB1.  78,  S.  15836;  LCB1.  1893, 
S.  1221;  MHL.  22,  S.  217.JI  —  51)  0.  Herrmann,  V.  Mollwitz  bis  Chotnsitz.  K.  Beitr.  z.  Taktik  Friedrichs  d.  Gr.:  FBPG.  7, 
S.  313-61.  —  52)  K.  Th.  Gaedertz,  Friedrieh  d.  Gr.  u.  General  Chasot.  Bremen,  C.  Ed.  Müller.  101  S.  M.  2,00. 
j [JbDArmeeMarine  .1891,  S.  117-21;  LCB1.  S.  669,  874;  O.  Herrmann:  FBrG  7,  S.  271,2;  WIDM  76,  S.  125;  KZg.  N.  S37; 
LZg».  N.  146;  VossZg.  N.  57S;  MagdZg.  N.  Ö61.]|  —  53)  id.,  Abwehr  einiger  gegen  meine  Schrift  Friedrich  d.  Gr.  n.  General 
Chasot  erhobenen  Einwendungen,  ebda.  31  S.  M.  0,50.  —  54)  X  Herrn.  Vogt,  Gesch.  d.  dtseh.  Keiterei  in  Einzelbildern. 
Nach  d.  Tode  dess.  fortges.  y.  H.  v.  Trfitzschler.  111.  v.  B.  Knötel.  7.  Heft.  Zwei  Ehrentage  d.  fridericianischen  Reiterei 
(Hohenfriedberg,    Rossbachj.      Rathenow,    Babenzion.     34   S.     M.    1,00.    —    55)   G.   Preuss,   D.  Friede  v.  Füssen  1745.     Diss. 

(4)4* 


lVlb:  56-60    Gr.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

ersten  beiden  schlesischen  Kriegen  bereits  erreichte  Tüchtigkeit  der  preussischen 
Armee  und  für  die  Achtung,  welche  sie  sich  bei  den  Beobachtern  anderer  Staaten  er- 
rungen hatte,  bezeichnend  ist  eine  Schilderung,  die  der  französische  Gesandte 
in  Berlin,  Marquis  von  Valori,  dem  Ministerium  der  auswärtigen  Angelegen- 
heiten im  J.  1748  über  dieselbe  erstattet  hat,  und  welche  Koser56"57)  mitteilt. 
Derselbe  Forscher  hat  einen  wichtigen  Beitrag  für  die  Geschichte  der  Zeit  bis 
zum  Beginn  des  siebenjährigen  Krieges  geliefert,  indem  er  den  Versuch  unter- 
nommen hat,  das  ziemlich  fragmentarische  Material,  welches  aus  den  ersten  10 
Jahren  der  Regierung  Friedrichs  hierüber  vorhanden  ist,  zu  einer  Bevölkerungs- 
statistik des  preussischen  Staates  für  diese  Periode  zu  verwerten,  was  um  so 
schwieriger,  aber  auch  um  so  dankenswerter  war,  als  regelmässig  wieder- 
kehrende Volkszählungen  erst  aus  der  Zeit  nach  dem  siebenjährigen  Kriege 
vorhanden  sind.  —  Ueber  die  Entstehung  des  siebenjährigen  Krieges  hatte  die  bis- 
herige Forschung,  unterstützt  durch  die  umfassende  Veröffentlichung  der  politischen 
Korrespondenz  des  grossen  Königs,  nach  langen  heftigen  Streitigkeiten  der  ver- 
schiedenen wissenschaftlichen  Auffassungen  unter  einander  doch  schliesslich  in  den 
Werken  Rankes,  Schäfers,  Kosers  und  Naudes  zu  einem  auf  so  massenhaftem  Beweis- 
material begründeten  gesicherten  Ergebnisse  geführt,  dass  in  der  Hauptsache  ein 
Streit  nicht  mehr  möglich  schien.  Auch  die  österreichischen  Forscher  gaben  schliesslich 
nach  Arneths  Vorgange  zu,  dass  die  frühere  „preussische  Tradition"  zwar  in  Einzel- 
heiten über  das  Ziel  hinausgeschossen,  in  den  entscheidenden  Punkten  aber  das 
Richtige  getroffen  hatte.  Als  allgemein  zugestanden  konnte  man  vor  allem  das 
Ergebnis  betrachten,  dass  Friedrich  mit  dem  vielbesprochenen  Einbrüche  in  Sachsen  im 
J.  1756  nichts  weiter  that,  als  dass  erden  lange  Zeit  gegen  ihn  gehegten  feindlichen  Plänen 
seiner  Gegner  zuvorkam.  Auch  darüber  herrschte  im  allgemeinen  Uebereinstimmung, 
dass  die  ganze  Politik  Friedrichs  in  den  Monaten  vor  dem  Ausbruch  des  Krieges 
durchweg  friedliche  Ziele  verfolgte  und  namentlich  ein  Uebergreifen  des  englisch- 
französsischen  Konflikts  auf  deutschen  Boden  zu  verhindern  suchte.  Da  ist  nun  jetzt 
von  einem  hervorragenden  preussischen  Forscher,  Max  Lehmann58),  ein  materiell 
wie  formal  gleich  scharfer  Angriff  gegen  diese  gesamte  bisherige  Auffassung  über 
den  Ursprung  des  siebenjährigen  Krieges  unternommen  und  die  Behauptung  auf- 
gestellt worden,  dass  Friedrich  den  Angriff  im  J.  1756  nicht  unternommen  habe,  um 
einem  mit  Sicherheit  zu  erwartenden  Angriffe  der  gegen  ihn  teils  bestehenden,  teils 
im  Werden  begriffenen  Koalition  zuvorzukommen,  sondern  vielmehr,  weil  er  den 
Augenblick  für  günstig  zur  Verwirklichung  längst  gehegter  Eroberungs-  und 
Annexionsgelüste  gehalten  habe;  mit  anderen  Worten:  L.  unternimmt  es,  die  ganze 
bisherige,  auf  den  eindringendsten  Studien  in  den  Archiven  der  beteiligten  Staaten 
beruhende  historische  Auffassung  über  den  Ursprung  des  siebenjährigen  Krieges 
vollständig  auf  den  Kopf  zu  stellen.  Das  glänzend  geschriebene  und  mit  scheinbar 
souverän  sicherer  Beweisführung  auftretende  Buch  hat  in  der  wissenschaftlichen 
Welt  gewaltiges  Aufsehen  gemacht  und  den  verschiedenen  Forschern  auf  diesem 
Gebiete  Veranlassung  zu  einer  eingehenden  Prüfung  und  nochmaligen  Revision  des 
gesamten  Quellenmaterials  gegeben.  Diese  aber  hat  zu  dem  fast  einstimmigen 
kritischen  Ergebnisse  geführt,  dass  der  von  L.  versuchte  Nachweis  auf  völlig  un- 
zureichendem Beweismaterial  beruhe  und  daher  völlig  missglückt  sei.  Es  sind  dem 
Vf.  in  der  Verwertung  der  von  ihm  benutzten  Akten  so  arge  methodische  Fehler, 
so  ungenaue  und  irreführende  Citate,  eine  so  unzureichende  Benutzung  der  ihm 
vorliegenden  Aktenstücke  unzweifelhaft  nachgewiesen  worden,  dass  man  nicht  be- 
greift, wie  ein  bisher  so  bewährter  Forscher  im  stände  war,  dieses  Buch  zu  ver- 
öffentlichen, welches  nur  zur  Folge  gehabt  hat,  dass  in  den  dadurch  hervorgerufenen 
Streitschriften  die  bisherige,  von  L.  als  „preussische  Legende"  bezeichnete  Auffassung 
eine  nur  um  so  glänzendere  Bestätigung  erfahren.  —  Namentlich  hat  es  sich  der 
von  L.  am  heftigsten  und  in  einer  bisher  in  der  wissenschaftlichen  Polemik  fast 
uuerhörten  Weise  angegriffene  Forscher,  Naude59"60),  angelegen  sein'  lassen,  die 
von  Lehmann  beigebrachten  Argumente  auf  das  eingehendste  zu  prüfen  und  ihre 
völlige  Unhaltbarkeit  so  überzeugend  nachzuweisen,  dass  damit  das  Urteil  über  das 
Lehmannsche  Buch  endgültig  gesprochen  sein  dürfte.  Was  nun  die  Geschichte  des 
siebenjährigen  Krieges  selbst  betrifft,  so  hat  zunächst  N.  einen  neuen,  sehr  beachtens- 
werten Beitrag  zu  der  alten  Streitfrage  über  die  strategischen  Grundanschauungen 
und  Grundsätze  Friedrichs  des  Grossen  geliefert.  Das  Ergebnis  der  sorgfältig  und 
scharfsinnig  geführten  Untersuchung  für  den  Feldzug  1757  ist,  dass  der  Gedanke 
Friedrichs  im  Winter  1756 — 57  ursprünglich  dahin  ging,   eine  strategische  Defensive 


München.  64  S.  —  56)  K.  Koser,  E.  franz.  Schilderung  d.  preuss.  Heeres  v.  1748:  FBPG.  7,  S.  299-311.  —  57)  id.,  Z.  Be- 
völkerungsstatistik d.  preuss.  Staats  v.  1740—56:  ib.  S.  540/8.  —  58)  M.  Lehmann,  Friedrich  d.  Gr.  u.  d.  Ursprung  d.  7j. 
Krieges.  L., Hirzel.  M.  2,80.  | [ W.  W  i  e g a n  d :  DLZ.  S.  1615-27. J|  —  59-60)  A.  N  a  u  d  e ,  Friedrichs  d.  Gr.  Angriffspläne  gegen  Oesterreich 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.     IV  lb  •.  ei-69 

bei  taktischer  Offensive  zu  beobachten.  Dann  erst  taucht,  namentlich  in  den 
schriftlichen  Verhandlungen  mit  seinem  Vertrauten  Winterfeldt,  der  Gedanke  der 
strategischen  Offensive  auf,  der  dann  noch  viel  umfassendere  Dimensionen  annimmt, 
als  man  bisher  angenommen  hat.61)  —  Auch  über  die  erste  grössere  Schlacht  des 
siebenjährigen  Krieges  herrscht  noch  immer  lebhafte  Meinungsverschiedenheit,  indem 
von  österreichischer  Seite  noch  jetzt  behauptet  wird,  dass  die  Schlacht  bei  Lobositz 
kein  preusischer  Sieg  gewesen  sei.  Gegen  diese  zuletzt  noch  von  Dop  verfochtene 
Ansicht  hat  Immich  62-63)  ejne  ausführliche  und  auf  eingehender  Quellenkritik  beruhende 
Polemik  gerichtet,  worin  er,  im  wesentlichen  mit  einer  früheren  Untersuchung 
Graniers  übereinstimmend,  wohl  endgültig  beweist,  dass  die  Schlacht  ein  preussischer 
Sieg  war,  freilich  nur  ein  taktischer,  da  der  strategische  Endzweck  der  Schlacht  nicht 
erreicht  wurde.  —  I  mm  ich64)  hat  auch  eine  auf  sorgfältigem  Studium  des  gesamten 
Quellenmaterials  beruhende  neue  Untersuchung  über  die  Schlacht  von  Zorndorf  ver- 
öffentlicht, in  welcher  er  freilich  in  der  Hauptsache  zu  dem  negativen  Ergebnis 
kommt,,  dass  eine  sichere  Erkenntnis  der  einzelnen  taktischen  Vorgänge  unmöglich 
ist.  Von  allgemeinerem  Interesse  ist  auch  das  Ergebnis  des  Vf.,  dass  die  allgemeine 
Annahme,  Seidlitz  habe  seinen  berühmten  Angriff  gegen  den  Befehl  des  Königs 
unternommen,  unrichtig  ist.  —  Den  bekannten  Versuch  der  alten  Reichsmacht,  gegen 
Friedrich  den  Grossen  einen  Achtsprozess  anzustrengen,  hat  Thudichum65)  zum 
Gegenstande  erneuter  eingehender  Behandlung  gemacht,  aber  ohne  neue  Ergebnisse 
zu  gewinnen.  Ja  selbst  die  bisherige  Litteratur  auf  diesem  Gebiete  ist  vom  Vf.  nur 
in  sehr  unzureichender  Art  verwertet  worden.  —  Zwei  kriegsgeschichtliche 
Untersuchungen  über  den  Feldzug  Friedrichs  gegen  die  Russen  im  J.  1759  ver- 
danken wir  Naude66"67).  In  der  einen  führt  er  den  Nachweis,  dass  der  König 
auch  hier  eine  grössere  Offensive  tief  nach  Polen  hinein  bis  über  die  Weichsel 
hinaus  geplant  habe.  In  der  zweiten  untersucht  er  einige  zweifelhafte  Elemente  der 
bisherigen  Tradition  über  die  Schlacht  von  Kunersdorf  und  kommt  u.  a.  zu  dem 
Ergebnis,  dass  der  Anfall  von  Gicht,  von  dem  der  König  kurz  vor  der  Schlacht  be- 
fallen sein  und  unter  deren  Einfluss  er  noch  während  des  Kampfes  gestanden  haben 
soll,  nichts  weiter  als  eine  durch  falsche  Datierung  eines  Briefes  des  Königs  an 
seinen  Bruder  Heinrich  entstandene  Fabel  sei.  Sehr  interessant  sind  auch  die  Aus- 
führungen N.s  über  das  Verhalten  des  Königs  nach  der  Schlacht,  nach  denen  die 
gänzlich  verzweifelte  Stimmung  Friedrichs  doch  nur  von  kurzer  Dauer  war,  und  die 
zeitweilige  Abgabe  des  Kommandos  an  Finck  erst  nach  glücklicher  Vollendung  des 
Oderüberganges  erfolgte.  —  Ueber  die  gesamte  Kriegführung  zwischen  Friedrich 
und  den  Russen  ist  jetzt  eine  umfassende,  auf  den  Feldakten  beruhende  Darstellung 
von  russischer  Seite  durch  die  deutsche  Uebersetzung  von  Dry  galskis68)  zugänglich 
gemacht  worden,  von  der  im  Berichtsjahre  der  dritte  Band  erschienen  ist.  Man  muss 
es  sich  bei  der  Lektüre  stets  gegenwärtig  halten,  dass  man  es  nicht  mit  einer  auf 
eindringender  und  erschöpfender  Kritik  der  von  den  verschiedenen  Staaten  vor- 
liegenden Quellen  beruhenden,  sondern  mit  einer  durchaus  in  russischem  Sinne  ge- 
färbten Darstellung  zu  thun  hat.  Als  solche  ist  sie  vor  allem  dadurch  von  hohem 
Wert,  weil  sie  eine  Fülle  von  Mitteilungen  aus  den  Feldakten  selbst  im  Auszuge 
enthält  und  hierdurch  eine  unbefangene  Würdigung  der  russischen  Kriegführung 
eigentlich  erst  ermöglicht,  während  die  Forschung  bisher  sehr  stark  unter  dem  Ein- 
flüsse der  österreichischen  Quellen  gestanden  hat,  die  alle  Misserfolge  ihrer  eigenen 
Kriegführung  auf  die  Missgriffe,  die  Langsamkeit  und  Unentschlossenheit  der 
russischen  Heeresleitung  zu  schieben  bestrebt  waren.  Natürlich  verfällt  nun  die 
russische  Darstellung  wieder  oft  in  den  entgegengesetzten  Fehler,  so  dass  es  auch 
bei  ihrer  Benutzung  grosser  Vorsicht  bedarf.  Aber  als  eine  sehr  willkommene  Be- 
reicherung unserer  historischen  Kenntnis  der  fridericianischen  Kriegsgeschichte 
darf  diese  russische  Publikation  doch  bezeichnet  werden.  —  Dasselbe  gilt  von  einer 
Veröffentlichung  von  Do  na  lies69),  die  über  die  Kriegsführung  des  Herzogs  Ferdi- 
nand von  Braunschweig  manches  neue  Licht  verbreitet.  Der  Privatsekretär  des  mit 
dem  Könige  verbündeten  Herzogs  hat  ein  Journal  über  dessen  Feldzüge  hinterlassen. 
Um  über  seinen  Wert  und  seine  Bedeutung   ein  Urteil    zu    ermöglichen,    hat  D.  das 


im  7j. Krieg.  1.  Feldzug t.  1757.  Marburg i.  H.,  Elwert.  4°.  39  S.  M.  1,60.  [[LCB1.  S.205;  FBPG.  7.  S.272.]|  —  61)  X  G.  Winter, 
D.  Strategie  Friedrichs  d.  Gr.  in  d.  Feldzügen  v.  1756  u.  57 :  HTb.  10,  S.  105-85.  —  62-63 )  M.  I  m  m  i  c  h ,  Z.  Schlacht  bei  Lobositz :  FBPG.  6, 
S.  355-76.  —  64)  id.,  D  Schlacht  bei  Zorndorf  am  25.  Ang.  1758.  B.,  Speyer  u.  Peters.  156  S.  M.  3.50.  j[0.  Herrmann: 
FBPG.  6,  S.  3234;  H.  Delbrück:  PrJbb  73,  S.  150;  MHL.  22,  S.  221,3;  Graf  Lippe:  JbDArmeeMarine.  84,  S.  349-51.]|  — 
65)  F.  Thudichum,  D.  Achtsprozess  gegen  Friedrich  d.  Gr.  u.  seine  Verbündeten  1757—53.  (Aus:  Festgabe,  Herrn  Dr. 
K.  v.  Ihering  z.  Dolctorjubil.  am  6.  Aug.  1892  dargebr.  v.  d.  Juristenfakultät  zu  Tübingen.  [Tübingen,  Verl.  d.  Juristenfakult. 
XI,  185.  Nicht  im  Handel.])  Tübingen,  Verl.  d.  Juristenfakultät.  27  S.  M.  0,80.  |[FBPG.  6,  S.  323;  CBIRechtswesen.  12, 
S.  382.J|  —  66)  A.  Naude,  Z.  Feldzuge  gegen  d.  Russen  im  J.  1759:  FBPG.  6,  S.  581/4.  --  67)  id.,  Z.  Schlacht  bei  Kuners- 
dorf: ib.  S.  251-64.  —  68)  Masslowski,  D.  7j.  Krieg  nach  russ.  Darstell.  3.  T.  1759-62.  Mit  6  Plänen  übers,  y.  A.  v.  Dry- 
galski.     B,  Eisenschmidt.    XV,  476  S.     M.  15,00.    |[G.  W  inter:  BLU.  S.  87/8.]|    —    69)  H.  Donalies,  D.  Anteil  d.  Sekretärs 


IV  lb:  70-76    G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

Verhältnis  des  Herzogs  zu  seinem  Privatsekretär  und  die  geschäftliche  und  persön- 
liche Stellung  des  letzteren  eingehend  untersucht  und  namentlich  seinen  thatsäch- 
lichen  Einfluss  auf  die  Kriegführung  des  Oberfeldherrn  gegenüber  den  mancherlei 
Uebertreibungen  und  Unterschätzungen,  die  darüber  zu  Tage  getreten  sind,  festzustellen 
gesucht.''0)  — Einen  zunächst  mehr  für  die  Territorialgeschichte  wichtigen,  aber  doch 
auch  für  die  Heeresorganisation  des  vorigen  Jh.  in  den  deutschen  Kleinstaaten  inter- 
essanten Beitrag  zur  Geschichte  des  siebenjährigen  Krieges  hat  von  Thüna71)  ge- 
liefert. Er  schildert  die  Geschichte  des  2.  (blauen)  Würzburger  Regiments  Fussvolk. 
Die  auf  fast  übergenauem  Aktenstudium  beruhende  Darstellung  gewährt  interessante 
Einblicke  in  das  Ausrüstungs-,  Besoldungs-  und  Verpflegungswesen  der  damaligen 
Truppen.  —  Endlich  seien  noch  einige  auf  sorgsamen  rein  lokalen  Forschungen  be- 
ruhende Schilderungen  der  Leiden  erwähnt,  welche  der  Krieg  über  die  von  ihm  be- 
troffenen Gegenden  verhängte72"73).  —  Während  der  kriegerischen  Operationen  hat  es 
natürlich  auf  beiden  kriegführenden  Seiten  auch  nicht  an  eifrig  gepflogenen  diploma- 
tischen Verhandlungen  gefehlt.  Für  Friedrich  den  Grossen  kam  es,  je  mächtiger 
die  Koalition  seiner  Gegner  wurde,  um  so  mehr  darauf  an,  auch  seinerseits  Bundes- 
genossen zu  finden  und  sich  namentlich  unter  den  deutschen  Fürsten  einen  Anhang 
zu  sichern.  Dem  letzteren  Bestreben  verdankt  der  Gedanke  eines  evangelischen 
Fürstenbundes  unter  Preussens  Führung  gegenüber  den  von  Oesterreich  geleiteten 
Katholiken  seine  Entstehung.  Er  taucht  zuerst  kurz  vor  Beginn  des  siebenjährigen 
Krieges  auf  und  wird  fast  eifriger  als  von  Preussen  selbst  von  Hessen-Cassel 
gefördert,  während  sich  Hannover  ablehnend  verhält.  Nach  dem  Siege  Friedrichs 
bei  Prag  scheint  der  Gedanke  der  Verwirklichung  sehr  nahe  zu  sein,  wird  aber 
durch  die  Niederlage  von  Kollin  wieder  verhindert.  1758—59  taucht  er  wieder  auf, 
als  der  Wiener  Hof  die  Achtserklärung  gegen  Friedrich  betreibt,  verschwindet  dann 
aber  wieder.  H.  Meyer74)  hat  diese  Entwicklung  auf  Grund  eingehender  archiva- 
lischer  Studien,  deren  Grundlage  die  politische  Korrespondenz  Friedrichs  des  Grossen 
bildet,  im  einzelnen  behandelt.  — 

Dem  in  der  späteren  Epoche  Friedrichs  liegenden  zweiten  Entwicklungs- 
stadium des  evangelischen  Fürstenbundes  ist  jetzt  wieder  erneute  Aufmerksamkeit  zu- 
gewendet worden,  nachdem  Lorenz75)  die  Behauptung  aufgestellt  hat,  dass  kein  anderer 
als  Goethe  der  eigentliche  Urheber  des  Fürstenbundes  durch  ein  1778  von  ihm  erstattetes 
Gutachten  gewesen  sei,  in  welchem  er  rät,  sich,  um  sich  vor  den  Beschwerden  des 
Krieges  zu  sichern,  zu  gemeinsamen  Schutzmassregeln  zusammen  zu  thun.  Dieser 
Gedanke  sei  dann  von  Edelsheim  eifrig  aufgenommen  worden,  hätte  aber  im  wesent- 
lichen eine  Vereinigung  der  Kleinstaaten  ohne  Preussen  als  Zielpunkt  gehabt.  Durch 
Braunschweig  und  Pfalz-Zweibrücken  sei  dieser  Plan  an  Friedrich  verraten  worden, 
der  ihn  dann  zu  seinem  Vorteil  verwertete,  während  er  sich  ursprünglich  gegen  ihn 
richtete.  —  Lorenz  hat  für  diese  seine  Auffassung,  deren  aktenmässige  Grundlage 
vorläufig  sehr  unzureichend  erscheint,  noch  weitere  Mitteilungen  aus  dem  Weimarer 
Archiv  in  Aussicht  gestellt,  einstweilen  aber  ist  Bailleu76)  dieser  Auffassung  sehr 
energisch  entgegengetreten  und  hat  in  scharfer  Form  die  Arbeit  von  Lorenz  als 
„ein  leichtes,  luftiges  Bauwerk  ohne  alles  Fundament"  bezeichnet.  Er  weist  Lorenz 
in  der  That  leichtsinnige  Benutzung  bezw.  Nichtbenutzung  von  Archivalien  und  für 
die  Frage  grundlegenden  Büchern  nach.  B.  seinerseits  verficht  dann  erfolgreich  die 
Ansicht,  dass  nicht  Goethe  der  Urheber  des  Fürstenbundes  sei,  sondern  dass  dieser 
ein  durchaus  selbständiger  Akt  der  preussischen  Politik  gewesen.  Karl  August 
wollte  einen  Bund  der  Kleinstaaten  ohne  Preussen  und  wurde  erst  später  durch 
Braunschweig  für  das  preussische  Projekt  gewonnen.  Goethe  hat  nur  bei  dem  for- 
malen Abschluss  mitgewirkt.  Dann  aber  habe  Karl  August  auch  auf  das  treueste 
an  dem  Bunde  festgehalten.  —  Natürlich  war  die  Diplomatie  Friedrichs  auch 
in  den  ausserdeutschen  Ländern  unausgesetzt  thätig.  Einen  mehr  persönlich 
dynastischen  Charakter  trug  eine  Gesandtschaft,  welche  im  J.  1777  nach  Stockholm 
ging,  und  mit  welcher  neben  dem  eigentlichen  Gesandten,  dem  Grafen  Nostitz,  auch 
der  Grossvater  Bismarcks  mütterlicherseits,  Anastasius  Ludwig  Mencken,  betraut 
war.  Es  handelte  sich  dabei  um  den  ernsten  Zwist,  der  zwischen  dem  Könige 
Gustav  III.  und  seiner  Mutter  Luise  Ulrike,   Schwester  Friedrichs  des  Grossen,  aus- 


Westphalen  an,  d.  Feldzügen  d.  Herz.  Ferdinand  v.  Braunschweig-Lßnebnrg  (1758—62).  Diss.  Bonn.  32  S.  —  70)  X  E« 
Daniels,  Ferd.  v.  Braunschweig:  PrJbb.  78.  S.  137-68,  478-516  —  71)  L.  Frhr.  v.  Thüna,  D.  Wörzbnrger  Hülfstruppen  im 
Dienste  Oesterreichs  1756— 63.  F.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  7j.  Krieges.  Wflrzbnrg,  Stnber.  1893.  X,  257  S.  M.  6,00.  |[MImmich: 
FBPG.  6,  S.  628,'9.J|  —  72)  X  w-  Nöldeke,  D.  Drangsale  d.  Stadt  Celle  während  d.  7j.  Krieges.  Celle,  Schulbuchh.  12°. 
32  S.  M.  0,40.  —  73)  X  P-  Schwartz,  Z.  Gesch.  d.  Neumark  während  d.  7j.  Krieges.  Progr.  B.,  R.  Gaertner.  4°.  28  S. 
M.  1,00.  (Enthält  u.  a.  e.  bisher  nicht  benutzten  gleichzeitigen  Eer.  d.  Predigers  zu  Neudamm  über  d.  Schlacht  v.  Zorndorf, 
ausserdem  interessante  Nachrichten  über  d.  mehrfachen  Durchmärsche  russ.  u.  schwed.  Truppen.)  —  74)  H.  Meyer,  Plan  e. 
evang.  Ffirstenbundes  im  7j.  Kriege.  Diss.  Bonn  (Celle,  Schweiger  u.  Pick).  1898.  85  S.  |[FBPG.  7,  S.  273;  MHL.  22,  S.  339.]| 
—  75)  O.  Lorenz,  Goethes  polit.  Lehrjahre,  Vortr.  mit  Anm.  u.  e.  Anh.:  Goethe  als  Historiker.  B.,  Besser.  1893. 
V,  180  S.     M.  3,00.     |[LCB1.  S.  1001.]|     (Vgl.   .TBL.   1893    IV  8a:  91;  8b:  17.)  -    76)  P.  Bailleu,    Karl  August,  Goethe  u.  d. 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.    IV  lb  :  77-89 

gebrochen,  und  in  welchem  Friedrich  vermittelnd  und  versöhnend  zu  wirken 
bestrebt  war.  Die  Schicksale  dieser  Gesandtschaft  sind  von  Hü  ff  er77)  ausführlich 
auf  Grund  des  zwischen  Stockholm  und  Berlin  geführten  Depeschenwechsels,  sowie 
der  hinterlassenen  Papiere  Gustavs,  aus  denen  Auszüge  von  Gejer  mitgeteilt 
worden  sind,  und  Luise  Ulrikes,  sowie  endlich  einer  Reihe  von  Excerpten,  die  dem 
Vf.  von  Fritz  Arnheim  zur  Verfügung  gestellt  wurden,  beschrieben  worden.78)  —  Dass 
übrigens  die  preussische  Armee  in  der  auf  den  siebenjährigen  Krieg  folgenden 
lang'en  Friedensepoche  sich  nicht  ganz  auf  der  Höhe  ihrer  früheren  Ruhmestage 
hielt,  hat  Friedrich  der  Grosse  selbst  in  einem  Schreiben  an  Tauenzien  vom  6.  Sept. 
1782  ausgesprochen,  worin  er  über  die  schlesische  Armee  nach  der  üblichen 
Inspizierung  ein  sehr  ungünstiges  Urteil  fällt79).  —  Doch  behauptete  immerhin  das 
preussische  Heer  sein  in  ruhmvollen  Kämpfen  erworbenes  Ansehen  und  stand  jeden- 
falls turmhoch  über  den  militärischen  Einrichtungen  der  deutschen  Kleinstaaten.  Den 
letzteren  ist  dann  namentlich  mit  Recht  ein  schwerer  Vorwurf  aus  dem  Handel 
gemacht  worden,  den  sie  mit  ihren  Landeskindern  trieben,  indem  sie  diese  in 
den  amerikanischen  Freiheitskriegen  gegen  Geldzahlungen  an  England  überliessen. 
Nun  ist  zwar  neuerdings  darauf  aufmerksam  gemacht  worden,  dass  die  ein- 
schlägigen neueren  historischen  Darstellungen  sich  insofern  einer  Uebertreibung  schul- 
dig machen,  als  dieser  Soldatenhandel  immerhin  ein  Kind  seiner  Zeit  war,  und  die 
damaligen  gegen  Geld  angeworbenen  Soldaten  nicht  mit  den  wehrpflichtigen  Landes- 
kindern unserer  Tage  verglichen  werden  dürften.  Aber  unzweifelhaft  ist  es  doch, 
dass  das  Verfahren  der  betreffenden  Landesherren  ihnen  nicht  zur  Ehre  ge- 
reicht.80-84) — 

Für  die  innere  Geschichte  Preussens,  seiner  Regierung  und  Verwal- 
tung von  ganz  hervorragender  Bedeutung  ist  die  Sammlung  der  Acta  Borussica, 
welche  die  Berliner  Akademie  der  Wissenschaften  herausgiebt.  Dem  grossen  Werke 
Hintzes  über  die  preussische  Seidenindustrie  fJBL.  1892  14:454;  IV  lb:67)  ist  sehr 
schnell  ein  weiteres,  unter  Schmollers  Leitung  von  Krauske85)  bearbeitetes, 
über  die  Behörden  Organisation  und  die  allgemeine  Staatsverwaltung  Preussens  ge- 
folgt, dem  Seh.  eine  von  grossen  historischen  Gesichtspunkten  ausgehende  Einleitung 
vorausgeschickt  hat,  in  welcher  die  Grundzüge  der  geschichtlichen  Entwicklung  des 
Beamtentums  überhaupt,  des  brandenburgisch-preussischen  insbesondere,  seit  dem 
16.  Jh.  zu  lichtvoller  Darstellung  gelangen.  Anschaulich  und  lebensvoll  wird 
das  Emporkommen  des  landesherrlichen  Beamtentums  gegenüber  der  altständi- 
schen Verwaltung  durch  den  Grossen  Kurfürsten  und  Friedrich  Wilhelm  I.  geschildert, 
welch  letzterer  die  Staatshoheit  Preussens  eigentlich  erst  geschaffen  hat.  Die  in 
diesem  Werke  veröffentlichten  Akten  umfassen  dann  in  erster  Linie  den  Geschäfts- 
betrieb der  Berliner  Centralbehörden,  ausserdem  die  Thätigkeit  der  Provinzial- 
behörden  und  das  Notwendigste  aus  der  Lokalverwaltung,  den  Landrat  und  den 
Steuerrat.  Die  Reformen  beginnen  schon  unter  Friedrich  I.,  auf  den  durch  dieses 
wie  durch  Erdmannsdörffers  bereits  (s.  o.  N.  18)  besprochenes  Werk  doch  ein  günstigeres 
Licht  fällt,  als  in  den  bisherigen  Forschungen.  Dann  lässt  namentlich  das  erste 
Regierungsjahr  Friedrich  Wilhelms  I.  auf  allen  Gebieten  die  Grundgedanken  und 
Ziele  der  gesamten  Reformthätigkeit  erkennen,  die  dem  preussischen  Staate  erst 
die  feste  Grundlage  gaben,  ohne  welche  die  weltumspannende  Thätigkeit  Friedrichs 
des  Grossen  gar  nicht  möglich  gewesen  wäre.  —  Speciell  zur  Geschichte  des  Handels 
zur  Zeit  Friedrichs  hat  Frege86)  einen  kleinen  Beitrag  geliefert,  indem  er  auf  Grund 
von  Aktenstücken  des  Magdeburger  Stadtarchivs  einige  Nachrichten  mitteilt,  welche 
sich  auf  die  Bestrebungen  des  Königs  beziehen,  den  Handelsverkehr  auf  der  Oder 
zu  heben.  — 

Bekanntlich  ist  dann  auch  die  grosse  Gegnerin  Friedrichs  des  Grossen, 
Maria  Theresia,  eifrig  und  erfolgreich  bestrebt  gewesen,  durch  umfassende  Re- 
formen im  Inneren  ihrem  Staate  neue  Kräfte  zuzuführen.  Diesjss  Bestreben  ist  in  be- 
sonders hohem  Masse  auch  der  österreichischen  Zoll-  und  Handelspolitik  zu  gute  ge- 
kommen, welcher  Beer87"89)  mehrere  eingehende  und  auf  gründlichen  archivalischen 
Studien  beruhende  Abhandlungen  gewidmet  hat.     In  dieser  Thätigkeit  fand  danach  die 

Fürstenbund:  HZ.  73,  S.  14-32.  —  77)  H.  Hüffer,  D.  Zerwürfnis  Gustafs  III.  v.  Schweden  u.  seiner  Mutter  Luise  Ulrike,  d. 
Schwester  Friedrichs  d.  Gr.,  u.  d.  Gesandtsch.  A.  L.  Menckens  in  Stockholm  (1777—82).  Unter  Mitw.  v.  F.  Arnheim 
dargest.  L.,  Duncker  &  Humblot.  74  S.  M.  1,40.  (Aus  FBPG.  6,  S.  377-450:  im  Anschluss  daran  Mitt.  über  Bismarcks  Gross- 
vater Mencken:  Didask.  N.  80.)  —  78)X°Herrraann,  D.  letzten  Jahre  d.  Königin  Ulrike  v.  Schweden:  VossZg".  1893, 
N.  9.  —  79)  X  Didask.  N.  167.  —  80)  X  Weimer,  D.  Soldatenhandel  dtsch.  Fürsten.  Vortr.:  QBllHVHessen.  1893:  1, 
S.  265/8.  —  81)  X  F-  W.  Junghans,  D.  amerikan.  Feldzug  d.  Hessen  nach  d.  Tageb.  d.  Grenad.  Joh.  Neuber  v.  Niedervellmar. 
1776-83:  Hessenland  N.  14.  —  82)  X  P-  Gall,  Friedrich  v.  d.  Trenck:  ADB.  37,  S.  568,9.  —  83)  X  A.  Kohut,  Prin- 
zessin Amalie  v.  Preussen  und  Friedrich  Frhr.  v.  d.  Trenck:  Zeitgeist  N.  35.  —  84)  X  H.  Pröhle.  Ch.  L.  v.  Stille:  ADB.  37, 
S.  240/5. —  85)  (I  4:148;  III  1:146.)  |[A.  Naude:  FBPG.  7,  S  3127  (sehr  anerkennend).]!  —  86)  F.  C.  A.  Frege,  Beitrr  z. 
Handelsgesch.  aus  d.  Zeit  Friedrichs  d.  Gr.:  MagdZgB.  N.  15.  —  87)  A.  Beer,  Stud.  z.  Gesch.  d.  österr.  Volks wirtsch.  unter 
Maria  Theresia.  1.  D.  österr.  Industriepolitik.  Wien,  Tempsky.  133  S.  M.  2,60.  (Aus  AÖG.)  —  88)  id.,  D.  handelspolit. 
Beziehungen   Oesterr.    zu   d.  dtsch.  Staaten   unter  Maria  Theresia,     ebda.     269  S.     M.  5,00.     (Aus  AÖG,)    —    89)  id.,  D.  Zoll- 


IV  lb:  90-96    G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

Kaiserin  namentlich  bei  dem  Grafen  Cobenzl  eifrige  und  verständnisvolle  Unter- 
stützung*. Er  war  es  z.  B.,  der  eine  vollständige  wirtschaftliche  Vereinigung  der 
bisher  durch  Zollschranken  von  einander  getrennten  kaiserlichen  Erblande  in  An- 
regung brachte.  Der  Zolltarif  von  1775  schuf  dann  aus  Westösterreich  mit  Aus- 
nahme von  Tirol  ein  eigenes  Zollgebiet.  Dagegen  blieb  die  Zolllinie  gegenüber 
Ungarn  bestehen.  In  gleich  ausführlicher  Weise  ist  dann  B.  auch  den  handels- 
politischen Beziehungen  Oesterreichs  zu  den  anderen  europäischen  Staaten,  namentlich 
zu  Preussen,  nachgegangen  und  hat  auf  Grund  von  Wiener  Archivalien  sehr  wert- 
volle Ergänzungen  zu  Fechners  Buch  gegeben.  Insbesondere  hat  er  sich  nach- 
zuweisen bemüht,  dass  der  Wiener  Hof  keineswegs  den  Plan  hegte,  sich  den  von 
ihm  in  den  Verträgen  von  Berlin  und  Dresden  eingegangenen  handelspolitischen 
Verpflichtungen  gegen  Preussen  zu  entziehen.90)  — 

Für  die  kurze  Zwischenzeit  zwischen  dem  Tode  Friedrichs  des  Grossen  und 
dem  Beginn  der  französischen  Revolution  liegen  einige  Beiträge  zur  Geschichte  der 
ersten  Regierungsjahre  Friedrich  Wilhelms  II.  von  Preussen  vor.  In-  erster 
Linie  ist  da  die  Fortsetzung  der  grossen  Publikation  Max  Lehmanns91)  zu  er- 
wähnen, welche  jetzt  die  Regierungszeit  dieses  Königs  erreicht  hat.  Selten  hat  ein 
so  gutes  Einvernehmen  zwischen  Preussen  und  Rom  bestanden  wie  in  den  Jahren, 
auf  welche  sich  die  hier  mitgeteilten  488  Aktenstücke  beziehen.  Die  von  Friedrich 
Wilhelm  II.  unternommenen  Vermittelungsversuche  zwischen  dem  Papste  und  den 
deutschen  Erzbischöfen  in  dem  Nuntiaturstreit  bilden  den  Hauptinhalt  des  Bandes. 
Leider  fehlt  wie  überhaupt  in  den  späteren  Bänden  jede  darstellende  Einleitung. 
Von  Interesse  sind  natürlich  auch  die  hier  mitgeteilten  Aktenstücke,  welche  die 
Kirchenpolitik  Wöllners  betreffen.  —  Die  übrigen  Arbeiten  müssen  sich  mit  einer 
flüchtigen  Erwähnung  begnügen.  Die  eine,  von  Schwemann91a),  behandelt  die 
Geschichte  des  preussischen  Salinenwesens  und  stellt  einen  Teil  der  Vorarbeiten  zu 
dem  das  Berg-,  Hütten-  und  Salinenwesen  berührenden  Werke  der  Acta  Borussica  dar; 
die  andere,  von  Senckler92),  behandelt  den  kurzen  preussischen  Feldzug  in  den 
Niederlanden.  — 

Die  Geschichte  der  grossen  französischen  Revolution  ist  von  der 
deutschen  Geschichtsschreibung  in  der  Berichtsperiode  zumeist  nur  in  ihren  Ein- 
wirkungen auf  unser  Vaterland  näher  untersucht  worden.  Zur  allgemeinen  Geschichte 
der  Revolution  in  Frankreich  selbst  liegen  nur  vereinzelte  neuere  Arbeiten  von 
deutschen  Geschichtsschreibern  vor.  Um  so  erfreulicher  ist  es,  dafs  uns  ein  grosses 
und  sehr  eigenartiges,  fast  mehr  noch  für  die  französische  Geschichtsschreibung  als 
für  die  Geschichte  selbst  hochbedeutsames  Werk,  das  H.  Taines,  in  einer  im  grossen 
und  ganzen  wohlgelungenen  Uebersetzung  von  Katscher93)  näher  gerückt  worden 
ist.  Das  Hauptverdienst  des  Taineschen  Werkes  besteht  wohl  darin,  dass  es  der 
üblichen  und  sonst  in  Frankreich  alleinherrschenden  landläufigen  Tradition  über  die 
„grosse  Revolution"  mit  anerkennenswertem  Freimut  entgegentritt  und  sich  im 
wesentlichen  auf  den  von  Sybel  gebahnten  Wegen  gesicherter,  unbefangener  und 
unparteiischer  Darstellung  der  Ereignisse  bewegt.  Näher  auf  den  Inhalt  des  in  seinen 
Vorzügen  und  Schwächen  schon  seit  längerer  Zeit  bekannten  Werkes  einzugehen  ist 
hier  nicht  der  Ort.  Sein  Hauptreiz  liegt  in  der  anschaulichen  und  mit  unerbittlicher 
Schärfe  gezeichneten  Darstellung  der  vorrevolutionären  Zustände,  welche  die  Vor- 
bedingung der  französischen  Revolution  gewesen  sind.  Erwähnt  sei  hier  noch  die  der 
Untersuchung  vorausgeschickte  Einleitung  K.s,  welche  die  eigenartige  Bedeutung  des 
Werkes  in  der  Hauptsache  treffend  hervorhebt;  nur  überschätzt  K.  diese  Bedeutung 
insofern,  als  er  nicht  genug  beachtet,  dass  viele  Ergebnisse  Taines  durch  Sybels 
grundlegendes  Werk  in  Deutschland  längst  Allgemeingut  waren.94-95)  —  Eine  anziehend 
und  lebendig  geschriebene,  aber  nicht  eigentlich  Neues  bietende  Charakteristik  der 
unglücklichen  Königin  Maria  Antoinette  hat  Prölss96)  vorgelegt.  Sie  beruht  zwar 
nicht  auf  eigenen  Quellenstudien,  verwertet  aber  die  bisherigen  Forschungen  geschickt 
und  mit  glücklicher  Auswahl,  freilich  ohne  alle  Quellenangaben.  Eine  eigentliche 
Biographie  hat  der  Vf.  nicht  geschrieben,  sondern  nur  eine  Charakteristik  nach  den  ver- 
schiedenen Seiten  und  Richtungen  ihrer  Neigungen  und  Befähigungen,  deren  jede  dann 
durch  ihr  ganzes  Leben  hindurch  verfolgt  wird,  wobei  zuweilen  lästige  Wiederholungen 

politik  u.  d.  Schaffung  e.  einheitl.  Zollgebiets  unter  Maria  Theresia:  MIÖG.  14,  S.  236-326.  —  90)  X  F-  A-  Bacciocco, 
Maria  Theresia  in  Mariahilf:  AltWien.  2,  N.  5/6.  (Rein  lokale  Erinnerungen  an  d.  Kaiserin.)  —  91)  M.  Lehmann,  Preussen 
u.  d.  kath.  Kirche  seit  1640.  VI.  (1786—92).  (=  Publikat.  aus  d.  Kgl.  Preuss.  Staatsarch.  Bd.  53.)  L.,  Hirzel.  594  S.  M.  16,00. 
IfLCBl.  1893,  S.  973.]|  —  91a)  A.  Schwemann,  Frhr.  v.  Keinitz  als  Chef  d.  Salzdepartements  1786—96:  FBPG.  7,  S.  409-57. 
(Ist  e.  Teil  d.  Vorarbeiten  z.  d.  d.  Berg-,  Hütten-  u.  Salinen wesen  betreff.  Werke  d.  Acta  Borussica.)  —  92)  Senckler 
(Hauptmann),  D.  preuss.  Feldzug  in  d.  Niederland,  im  J.  1787.  B.,  Felix.  39  S.  Mit  e.  Karte.  M.  1,50.  —  93)  H.  Taine,  D.  Ent- 
steh, d.  mod.  Frankreich.  Antor.  dtsch.  Bearb.  v.  L.  Katscher.  2.  veränd.  Aufl.  1.  Bd.;  2.  Bd.,  1.-3.  Abt.;  3.  Bd.,  1.-2.  Abt. 
L„  Abel  u.  Müller.  VIII,  456  8.;  VIII,  432  S.;  X,  470  S.;  XXVII,  571  S.;  XVI,  381  S.;  XXVI,  270  S.  Kompl.  M.  48,00.  — 
94)  X  G-  Brandes,  D.  Autoritäts-Prinzip  u.  d.  Revolution  v.  1789.  L.,  Barsdorf.  41  S.  M.  0,75.  (Ist  e.  Sonderabdr.  aus 
B.s  „Hauptströmungen  d.  Litt")  —  95)  X  E-  Guglia,  Neue  franz.  Berichte  über  Ancien  regime  u.  Revolution:  Nation15.  11, 
S.  169-71.    —    96)  R.  Prölss,    Königin  Marie  Antoinette.     Bilder    aus    ihrem   Leben.     L.,    Reissner.     III,   244  S.     M.  4,00.  — 


G.Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.   IVlb:97-i06 

kaum  zu  vermeiden  waren.97)  —  Für  die  Charakteristik  des  durch  die  unselige  Hals- 
bandgeschichte bekannt  gewordenen  Strassburger  Bischofs,  des  Kardinals  Rohan, 
nicht  ohne  Bedeutung  sind  die  jetzt  von  Fischer98)  veröffentlichten  Aufzeichnungen 
des  Forstverwalters,  welcher  mit  dem  Kardinal  nach  Ettenheim  emigrierte.  Sie  zeigen 
den  Kardinal  so,  wie  er  auch  in  seinem  Verhalten  in  den  geschichtlichen  Ereignissen 
erscheint:  schwach,  durch  und  durch  eitel  und  ausserdem  in  hohem  Grade  dem 
Wunder-  und  Aberglauben  ergeben.  — 

Etwas  zahlreicher  sind  die  mehr  oder  minder  lokal  gefärbten  Säkular-Er- 
innerungen  an  die  Einwirkungen  der  französischen  Revolution  aufDeutsch- 
land. Bekanntlich  sympathisierten  in  den  ersten  Stadien  der  Revolution,  so  lange 
sie  eine  unzweifelhaft  ideale  freiheitliche  Richtung  innehielt ,  in  Deutschland 
viele  der  Edelsten  des  Volkes  mit  ihr,  welche  dann,  nachdem  die  Bewegung  in 
Frankreich  die  Wendung  zur  Schreckensherrschaft  genommen  hatte,  gründlich  von 
ihrer  Vorliebe  geheilt  wurden.  Wirkungen  des  revolutionären  Geistes,  die  teilweise  als 
Spiegelbilder  der  Zeitströmung  von  nicht  geringem  Interesse  sind,  lassen  sich  aber  nicht 
bloss  in  den  von  der  französischen  Invasion  früher  oder  später  erreichten  Gegenden, 
sondern  fast  überall  im  deutschen  Vaterlande  verfolgen.  In  Bezug  auf  Wien  hat  es 
eine  sehr  beachtenswerte  Untersuchung  von  Fäulhammer99)  unternommen,  ein  Bild 
dieser  geistigen  Strömungen  zu  entwerfen.  Der  Vf.  hat  sich  dabei  W.  Wencks 
„Deutschland  vor  100  Jahren"  in  den  „Politischen  Meinungen  und  Stimmungen  in 
der  Revolutionszeit"  zum  Muster  genommen,  zu  dem  er  auf  Grund  seiner  Studien 
über  die  österreichische  Geschichte  jener  Zeit  eine  Ergänzung  geben  will.  Im  Mittel- 
punkte seiner  Darstellung  stehen  die  publizistischen  Aeusserungen  und  Aufzeichnungen 
des  Wiener  Journalisten  und  Dramaturgen  Joseph  Schreyvogel;  daneben  hat  er  allerlei 
Volksblätter  und  Flugschriften  herangezogen,  welche  ein  grelles  Licht  auf  die  Schäden 
nnd  Missstände  der  inneren  Verwaltung  und  auf  die  dagegen  reagierende  öffentliche 
Meinung  werfen.  Besonders  charakteristisch  für  diese  Stimmungen  ist  das  Volksblatt 
„Der  Eipeldauer".  Vielfach  machten  sich  auch  Hinneigungen  zu  den  Jakobinern 
geltend,  und  jedenfalls  ist  von  einem  eigentlich  patriotischen  Aufschwünge  gegen  das 
mit  Oesterreich  im  Kriegszustand  lebende  Frankreich  keine  Rede.  Die  Regierung 
ergriff  gegenüber  den  Wiener  „Jakobinern"  strenge  Massregeln.  Nach  F.s  Ansicht 
ist  eine  weitverzweigte,  von  Frankreich  angestiftete  Verschwörung  nicht  eine  Erfindung 
der  Wiener  Polizei,  sondern  Thatsache.  Natürlich,  machte  sich  dann  aber  auch  die 
gegen  die  französische  Revolution  gerichtete  Stimmung  geltend,  namentlich  in  der 
Wiener  Zeitschrift  von  Leopold  Alois  Hofmann  und  in  dem  Magazin  der  Kunst  und 
Litteratur  von  dem  Exjesuiten  Hoffstätter,  doch  wendete  sich  diese  Bewegung,  weit 
über  das  Ziel  hinausschiessend,  gegen  alles  Liberale  und  Aufgeklärte,  namentlich 
gegen  Schreyvogel,  der  dann  seinerseits  wieder  an  der  „Oesterreichischen  Monatsschrift", 
welche  den  geistigen  Mittelpunkt  der  patriotischen  und  loyalen  Opposition  bildete, 
mitarbeitete  und  hier  u.  a.  seine  Tragödie  „Die  eiserne  Maske"  veröffentlichte. 
Interessant  ist  endlich  auch  ein  von  F.  in  seiner  Untersuchung  veröffentlichter  Brief 
Schrey vogels  an  seinen  älteren  Bruder  aus  Jena  vom  30.  Okt.  1794.  —  Ueber  Württem- 
berg veröffentlicht  Hart  mann100)  einige  Säkular-Erinnerungen  nach  Aufzeichnungen 
von  Zeitgenossen  über  die  beiden  württembergischen  Herzöge,  welche  in  der  Periode 
des  Baseler  Friedens  regierten:  Ludwig*  Eugen  und  Friedrich  Eugen,  mit  mancherlei 
kleinen  litterarischen  Reminiscenzen,  z.  B.  an  die  von  Schiller  ausgeschlagene 
Berufung  an  die  Universität  Tübingen.  —  Auch  aus  Hessen101),  Nassau-Saarbrücken102) 
und  dem  Elsass103)  liegen  ähnliche  Erinnerungen  aus  den  Tagen  der  französischen 
Revolution  vor,  von  denen  eine  namentlich  Erwähnung  verdient,  welche  die  Schicksale 
der  Stadt  Strassburg  in  den  revolutionären  Bewegungen  der  J.  1792 — 93,  besonders 
während  der  Regierung'  der  Volksrepräsentanten  St.  Just,  Lebas,  Milhaud  und  Guyardin 
schildert104),  über  welche  die  Stadt  nach  ihrem  Wiederabzuge  eine  Beschwerde  an  den 
Konvent  richtete,  die  mit  ihren  Beilagen  dem  anonymen  Vf.  zur  Grundlage  seiner 
Darstellung  gedient  hat105^106).  — 


97)  X  E.  Schugay,  D.  21.  Jan.  1793.  E  Säkul.-Erinner. :  FeuilletZg.  N.  446.  (Z.  Gedächtn.  an  d.  Hinrichtung  Ludwigs  XVI. 
Ohne  wissensch.  Wert.)  —  98)  L.  Fischer,  Memoire«  d'un  garde  chasse  du  Prince-Cardinal  Louis  de  Rohan.  Strass- 
burg i.  E..  Noiriel  34  S.  M.  0,60.  (Aus  RCathAlsace.  NS.)  —  99)  A.  Fäulhammer,  Polit.  Meinungen  u.  Stimmungen 
in  Wien  in  d.  J.  1793  u.  94.  Progr.  Salzburg.  1893.  32  S.  —  100)  J.  Hartmann,  Vor  100  J.:  BBSYV.  N  20,1.  — 
101)  X  E-  ness-  Prinz-Jakobiner:  Didask.  1893,  N.  145.  (Behandelt  d.  Prinzen  Karl  Konstantin  v.  Hessen-Rotenburg-Rheinfels, 
d.  sich  in  d.  That  eifrig  an  d.  franz.  Revol.  beteiligt  hat,  aber  ihre  terrorist.  Ausschreitungen  missbilligte  u.  deshalb  fast 
auch  auf  d.  Guillotine  gekommen  wäre,  dann  aber  noch  bis  1821  als  alter  Sonderling  in  Frankfurt  a.  M.  lebte.)  —  102)  X 
A.  Fauth,  Unter  d.  Schreckensherrschaft  d.  Jakobiner.  Bll.  aus  d.  Leidensgesch  d.  Fürstentums  Nassau-Saarbrücken  während 
d.  franz.  Revol.  D.  dtsch.  Volke  zu  Nutz  u.  Froromen  erz.  Herborn,  Kolportage-Ver.  12°.  75  S.  M.  0,35.  —  103)  X  Re- 
volutionserinnerungen aus  d.  alten  Hanauer  Land.  General  Helmstetter:  StrassbPost.  1893,  N.  237.  (Behandelt  d.  Pfaffenhofener 
Ochsenwirt  H.,  d.  sich  im  Feldzuge  v.  1793  unter  Hoche  so  auszeichnete,  dass  er  es  bis  z.  General  brachte,  dann  aber  zu 
seiner  bürgerlichen  Beschäftigung  zurückkehrte,  Friedensrichter  wurde  usw.  Beruht  auf  e.  hs.  Pfaffenhofer  Familien-Chronik.) 
—  104)  Vor  hundert  J.  im  Elsass:  AZg".  N.  121/2.  —  105)  X  D.  ersten  Opfer  d.  niederrhein.  Revolutionsgerichts  (5.  Nov.  1793) : 
StrassbPost.  N.  307.  —  106)  X  D.Tempel  d.  Vernunft  in  Strassburg.  Jh.-Erinnerungen  aus  d.  Gesch.  d.  Strassburger  Münsters: 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  ("1)5 


IV  lb  :  107-H3  G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

Ueber  die  Revolutionskriege  des  monarchischen  Europa  gegen 
Frankreich  bis  zur  Begründung  des  napoleonischen  Kaisertums  liegen  neben  den 
entsprechenden  Abschnitten  des  umfassenden  Tanera  sehen107),  rein  kriegswissenschaft- 
lichen Werkes,  welches  die  gesamte  deutsche  Kriegsgeschichte  von  Pehrbellin  bis 
Königgrätz  behandelt,  einige  Specialuntersuchungen  vor,  die  eine  unzweifelhafte  Er- 
weiterung unserer  bisherigen  Kenntnis  der  kriegerischen  Ereignisse  bedeuten.  — 
So  giebt  Bockenheimer108)  eine  eingehende  Darstellung  der  Wiedereroberung  von 
Mainz  durch  die  Alliierten,  welche  zugleich  eine  Apologie  des  lange  verkannten 
d'Oyre  ist.  Dass  die  Preussen  verräterische  Kriegslisten  gebraucht  hätten,  stellt  der 
Vf.  energisch  in  Abrede.  Der  Einfluss  des  Königs  habe  sich  im  preussischen  Lager 
häufig  störend  geltend  gemacht  und  eine  Einheitlichkeit  der  Leitung  erschwert,  oft  gänz- 
lich vereitelt.  Die  Arbeit  ist  eine  Erweiterung  der  älteren  Arbeit  Kleins  unter  Be- 
nutzung der  neuesten  Forschungen,  unter  denen  der  Vf.  namentlich  auf  den  durch  seine 
Unparteilichkeit  hervorragenden  Franzosen  Chuquet  grossen  Wert  legt.  —  Eine  auf 
sorgfältiger  Benutzung  der  deutschen  amtlichen  Quellen  beruhende  Darstellung  des 
Feldzuges  von  1793  hat  die  kriegsgeschichtliche  Abteilung  des  grossen  Generalstabes 
veröffentlicht109).  Sie  bemüht  sich  namentlich  die  Gründe  nachzuweisen,  aus  denen 
der  Feldzug,  trotz  unzweifelhafter  taktischer  Erfolge  im  einzelnen,  doch  im  ganzen 
zu  einem  ungünstigen  Ergebnisse  führte.  Hauptsächlich  waren  diese  Gründe  politischer 
Art  und  bestanden  vornehmlich  in  der  beständigen  Rücksicht  auf  das  befreundete 
Oesterreich.  Dazu  kamen  dann  noch  Differenzen  im  Hauptquartier,  welche  jede 
energische  Kriegführung  hemmten  und  namentlich  eine  starke  Offensive  völlig 
unmöglich  machten.  Natürlich  wurde  aber  durch  ein  solches  Verhalten  auch  die 
Stimmung  im  Heere  sehr  nachteilig  beeinflusst;  es  fehlte  an  Entschluss  und  Initiative. 

—  Eine  der  Schlachten  dieses  Feldzuges,  die  bei  Kaiserslautern,  ist  dann  im  Verein 
mit  den  im  folgenden  Jahre  an  derselben  Stelle  gelieferten  Gefechten  zum  Gegen- 
stande einer  sehr  eingehenden  taktischen  Darstellung  gemacht  werden110),  die  zwar 
neue  Quellen  nicht  heranzieht,  sondern  nur  auf  den  bisherigen  gedruckten  Dar- 
stellungen beruht,  aber  rein  taktisch-militärisch  recht  unterrichtend  ist  und  nament- 
lich auch  durch  die  Beigabe  eines  Schlachtplans  aus  dem  Fr.  R.  von  Rothenburgschen 
Schlachtenatlas  sehr  an  Anschaulichkeit  gewinnt.110»)  —  In  die  spätere  Periode  der 
deutsch-französischen  Kriege,  in  welcher  Napoleon  den  Grund  zu  seinem  Feldherrn- 
ruhme legte,  führt  uns  eine  sehr  sorgfältige,  strategisch  und  taktisch  vortreffliche  und 
auch  stilistisch  gut  durchdachte  Arbeit  von  Günther111),  welche  den  Feldzug  von  1800 
behandelt,  und  zwar  unter  vorzüglicher  Berücksichtigung  der  Schlacht  von  Marengo 
(14.  Juni  1800)  mit  ihren  militärischen  und  politischen  Folgen.  Die  Arbeit  ist  mit 
entschiedener  Hinneigung  zu  den  französischen  Revolutionsheeren  vom  schweizerischen 
Standpunkte  aus  geschrieben.  Von  den  mit  grosser  Gelehrsamkeit  und  Belesenheit 
in  den  Quellen  gewonnenen  kriegsgeschichtlichen  Einzelergebnissen  ist  von  weiterem 
Interesse  namentlich  die  auf  Grund  einer  umfassenden  Kritik  der  einzelnen  Vorgänge 
gefolgerte  Auffassung,  dass  Moreau  weit  weniger  günstig  beurteilt  werden  müsse,  als 
dies  in  der  bisherigen  Tradition  geschehen  sei.  Klar  tritt  der  Gegensatz  der 
strategischen  Grundanschauungen,  welche  in  den  beiden  feindlichen  Heeresleitungen 
herrschten,  hervor.  Während  Napoleon  immer  direkt  die  Vernichtung  des  gegnerischen 
Heeres  als  einziges  Ziel  verfolgt,  verliert  man  auf  kaiserlicher  Seite  in  dem  Bestreben, 
die  Magazine  zu  retten,  Schlachten.  Für  die  Entwicklungsgeschichte  der  napoleonischen 
Strategie  und  Taktik  ist  die  Arbeit  ohne  Zweifel  von  hervorragender  Bedeutung.112)  — 

Inzwischen  ging  unter  den  gewaltigen,  von  Frankreich  her  erfolgenden 
Stössen  auch  das  morsche  alte  heilige  römische  Reich  deutscher  Nation  unauf- 
haltsamem Untergange  entgegen.  Einem  einzelnen  Gliede  dieses  immer  lebens- 
unfähiger werdenden  Organismus,  den  51  Reichsstädten  in  diesen  letzten  Tagen  des 
Bestehens  des  alten  Reiches,  ist  eine  Untersuchung  von  Guglia113)  gewidmet, 
welche  Beiträge  zur  Geschichte  der  inneren  politischen  Bewegungen  in  denselben 
aus  der  zeitgenössischen  Litteratur  und  den  Akten  des  ehemaligen  Reichshofrats  in 
Wien  giebt.     G.  unterscheidet,  darin  im  wesentlichen  Maurer  folgend:    1.  Städte  mit 

ib.  N.  317/9.  —  107)  C.  Tanera,  Deutschlands  Kriege  v.  Pehrbellin  bis  Königgrätz.  E.  vaterl.  Bibl.  für  d.  dtsch.  Volk  u. 
Heer.  4.  u.  5.  Bd.  Manchen,  C.  H.  Beck.  VII,  245  S.;  X,  244  S.  ä  M.  2,00.  —  108)  K.  G.  Bockenheimer,  D.  Wieder- 
eroberg.  v.  Mainz  durch  d.  Dtsch.  im  Sommer  1793.     Mainz,  V.  v.  Zabern.    1893.    III,  124  S.    M.  2,00.  (Vgl.  JBL.  1893  IV  8b  :  25.) 

—  109)  Pirmasens  u.  Kaiserslautern.  E.  Erinnerg.  an  d.  J.  1793.  Mit  e.  Uebersichtskarte,  3  Plänen  u.  2  Skizzen.  (=  Kriegsgesch. 
Einzelschriften,  her.  v.  Gr.  Generalstabe.  N.  16,  3.  Bd.,  III  n.  S.  275-397.)  B.,  Mittler.  1893.  123  S.  M.  3,00.  —  HO)  J.  K. 
D.  Schlacht  bei  Kaiserslautern  am  28.,  29.  u.  30.  Nov.  1793  nebst  Schlachtplan  aus  d.  Schlachtenatlas  v.  v.  Rotenburg,  sowie 
Bericht  über  d.  Gefechte  bei  Kaiserslautern  am  23.  Mai  u.  18.-20.  Sept.  1794.  Kaiserslautern  (E.  Crusins).  59  S  Mit  1  Karte 
u.  4  Abbild.  M.  1,20.  —  110  a)  X  C.  v.  B. -K. ,  Z.  Psychologie  d.  grossen  Krieges.  I.  Arcole.  Stud.  aus  d.  Lehrjahren  e.  grossen 
Generals.  Wien,  Braumüller  1893.  59  S.  Mit  1  Skizze.  M.  1,50.  —111)  R  Günther,  Gesch.  d.  Feldzuges  v.  1800  in  Oberdeutschi., 
d.  Schweiz  u.  Oberitalien.  V.  d.  Schweiz.  Offiziersges.  gekrönte  Preisschrift.  Frauenfeld,  Huber.  1893.  211  S.  M.  3,60.  — 
112)  X  id->  D-  Uebergang  d.  Corps  Lecourbe  über  d.  Rhein  bei  Stein  am  1.  Mai  1800.  E.Studie  aus  d.  Gesch.  d.  2.  Koalitions- 
krieges. (=  Samml.  militärwissensch.  Vortrr.  u.  Aufs.  In  zwang!  Heften.  N.  4.)  Düsseldorf  u.  Mainz,  Militär- Verl.  14  S. 
M.  0,60.   —    U3)  E.  Guglia,   Z.  Ge6ch.  einiger  Reichsstädte  in   d.  letzten  Zeiten  d.  Reiches.    Progr.    Wien.    1893.    62  S.  — 


G.Winter,  Allgemeines  des  18./ 19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.   IV  lb  :.m-H6 

vorwiegend  aristokratischem  Regiment  (Frankfurt,  Ulm,  Nürnberg,  Augsburg,  Ess- 
lingen und  einige  kleinere  schwäbische),  2.  Städte  mit  vorherrschend  demokratischem 
Regiment  (Aachen,  Köln,  Speier,  Worms,  Goslar,  Nordhausen,  Schweinfurt,  Reutlingen) 
und  3.  Städte  mit  bürgerlichem,  aber  nicht  zünftigem  Regiment  (Bremen,  Hamburg, 
Dortmund,  Regensburg,  Mühlhausen).  In  der  ersten  Kategorie  herrschen  in  den 
Zeiten  des  untergehenden  Reiches  fortwährende  Streitigkeiten  zwischen  dem  Magi- 
strate und  den  bürgerlichen  Ausschüssen,  die  dann  zu  wiederholten  Reichshofrats- 
Konklusen  führen.  Der  Vf.  bespricht  dabei  auch  einige  Flugschriften,  welche  in  be- 
sonnener und  verständiger  Weise,  nicht  nach  der  revolutionären  französischen  Art, 
Verfassungsreformen,  z.  B.  in  Nürnberg,  verlangen.  Dagegen  kam  es  in  Ulm  bei  den 
Streitigkeiten  zwischen  Rat  und  Bürgerschaft  zu  ziemlich  tumultuarischen  Scenen. 
Bei  einigen  der  Städte  der  genannten  Kategorie  bestand  nach  G.  die  Zunftherrschaft 
nur  noch  dem  Namen  nach.  In  Worms  befanden  sich  fast  lauter  Verwandte  in  den 
Stadträten.  Im  allgemeinen  aber  erschienen  die  Fundamente,  auf  denen  sich  die 
Gesellschaft  des  alten  Reiches  erhob,  in  den  Reichsstädten  noch  ziemlich  un erschüttert. 
Und  doch  brach  das  ganze  Gebäude  dann  unter  den  gewaltigen  Angriffen  der  neuen 
Gesellschaft  in  Frankreich  und  ihres  Organisators  jählings  zusammen.  Viele  der 
Besten  im  Volke  sahen  aber  damals  noch  immer  nicht  die  dem  Bestände  des  Vater- 
landes von  Napoleon  drohende  Gefahr,  sondern  blickten,  scheinbar  jedem  Nationalitäts- 
gefühl entsagend,  eine  Zeitlang  gleich  dem  alternden  Goethe  in  staunender 
Bewunderung  zu  dem  korsischen  Eroberer  auf  und  meinten  in  ihm  den  Weltheros 
und  Weltbefreier  erblicken  zu  sollen.  —  Bekanntlich  hat  zu  denen,  die  so  dachten 
und  empfanden,  auch  der  grosse  Philosoph  Hegel  gehört.  Wie  Goethe  seinem  Volke 
in  dem  Augenblick,  da  es  sich  aufraffte  die  Fesseln  des  fremden  Eroberers  abzuwerfen, 
das  harte  Wort  zurief:  „Rüttelt  nur  an  euren  Ketten,  der  Mann  ist  euch  zu  gross", 
so  Hess  sich  auch  Hegel  von  der  scheinbar  übermenschlichen  Grösse  Napoleons 
blenden  und  zeitweise  zu  kritikloser  Bewunderung  hinreissen.  Für  die  Entstehung 
der  politischen  Gesinnung  und  Betrachtungsweise,  aus  welcher  dem  Philosophen  diese 
Anschauung  erwachsen  ist,  bietet  eine  bisher  unbekannt  gebliebene,  jetzt  durch 
Mollat114)  herausgegebene  Denkschrift,  welche  im  J.  1802  entstanden  ist,  die  Mög- 
lichkeit einer  psychologischen  Erklärung.  Man  ersieht  aus  ihr,  wie  sich  Hegel 
gleich  vielen  anderen  tiefer  denkenden  Zeitgenossen  den  Kopf  zermarterte,  um  einen 
Weg  zu  finden,  auf  welchem  die  monströse  Gestalt  des  damaligen  deutschen  Reiches 
zu  einem  wirklichen  Staate  umgeschaffen  werden  könne.  Dass  es  dieser  Verfassung 
nahezu  an  allen  Grundlagen  fehlte,  die  sie  zu  einer  lebensfähigen  hätten  machen 
können,  wie  ihr  vor  allen  Dingen  alle  staatsrechtlichen  Voraussetzungen  und 
Bedingungen  einer  solchen  fehlten,  das  hat  niemand  klarer  erkannt  und  schärfer 
formuliert  als  Hegel.  Die  Kritik  dieser  Verfassung  vom  politischen  wie  historischen 
Standpunkte  aus  ist  völlig  zutreffend  und  schneidend  klar,  aber  einen  Ausweg  aus 
diesem  Chaos  heraus  hat  er  ebenso  wenig  zu  finden  vermocht  wie  andere  Politiker 
der  Zeit,  Stein  nicht  ausgenommen.  Die  Theorie  des  Bundesstaates,  deren  Verwirk- 
lichung uns  das  neue  Reich  gebracht  hat,  war  eben  damals  noch  nicht  bekannt. 
Die  Hegeische  Denkschrift,  deren  Herausgabe  freilich  keineswegs  einwandfrei  ist, 
ist  daher  nicht  allein  für  die  Charakteristik  des  Philosophen,  sondern  auch  für 
die  der  herrschenden  politischen  Grundanschauungen  jener  Zeit  sehr  wertvoll.  — 

In  die  Zeiten  dieses  Höhepunktes  der  napoleo  nis  che  n  Epoche,  vor  allem  der 
Kriege  gegen  ihn  führen  uns  nun  eine  Reihe  von  Untersuchungen  ein,  welche  sich 
speciell  mit  dem  Zusammenbruche  des  für  unbesiegbar  gehaltenen  Staates  Friedrichs 
des  Grossen  beschäftigen.  Ueber  den  Feldzug  von  1806—7,  der  diesen  Zu- 
sammenbruch herbeiführte,  besitzen  wir  jetzt  ein  sehr  umfassendes  Werk  von 
Lettow-Vorbeckm),  dessen  3.  Band  in  der  Berichtsperiode  erschienen  ist.  Er  be- 
handelt speciell  den  Feldzug  in  Polen  und  unternimmt  dabei  eine  militärische  Recht- 
fertigung Napoleons  gegenüber  der  ungünstigen  Beurteilung,  die  ihm  vielfach  wegen 
seines  polnischen  Feldzuges  zu  teil  geworden  ist.  —  Die  in  den  früheren  Bänden  des 
Werkes  gewonnenen  Ergebnisse  über  den  Feldzug  bis  zu  der  furchtbaren  preussi- 
schen  Niederlage  von  Jena  und  Auerstädt  haben  jetzt  in  manchen  Einzelheiten  wichtige 
kritische  Ergänzungen,  in  der  Hauptsache  aber  volle  Bestätigung  gefunden  durch 
die  eingehenden  Untersuchungen  von  Treuenfelds  ,16).  Bemerkenswert  ist  an  dessen 
Werke  vor  allem,  dass  es  die  Hauptschuld  an  der  preussischen  Niederlage  nicht  den 
inneren  Gebrechen  der  preussischen  Heeresorganisation  zuschreibt,  sondern  der. bei- 
spiellos   schlechten   Führung,  namentlich   Braunschweigs   und  Hohenlohes,  daneben 


114)  G.  W.  Fr.  Hegel,  Kritik  d.  Verfassung  Deutschlands,  her.  v.  G.  Mollat.  Cassel,  Fischer.  1893.  143  S.  M.  4,00.  (Vgl. 
JBL.  1893  IV  5:131.)  —  115)  0.  v.  Lettow- Vorbeck,  D.  Krieg  v.  1800-7.  III.  D.  Feldzug  in  Polen.  B.,  Mittler.  XV, 
209  S  Mit  1  Karte.  M.  5,50.  |[LCB1.  S.  670;  FBPG.  7,  S.  283/4.]|  (Vgl.  JBL.  1892  IV  1  b  :  8.)  —  116)  B.  v.  Treuenfeld  , 
Auerstädt   u.    Jena.    2  Bde.    Hannover,  Helwing.    IX,   452   S.;   IV,  202   S.     M.  20,00.     |[LCB1.   S.  310/1;   KonsMschr.   S.  777; 

(4)5* 


IV  1  b  :  H7-1S2    G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

auch  dem  Könige.117)  — Dem  ritterlichen  preussischen  Prinzen  Louis  Ferdinand,  welcher 
in  der  Schlacht  bei  Jena  den  Heldentod  starb,  ist  eine  kleine,  aber  recht  gute  Lebens- 
skizze von  Hymmens118)  und  eine  epische  Dichtung  von  Bunge119)  gewidmet 
worden.  —  Ueber  das  traurige  Ergebnis  dieses  Feldzuges,  den  Tilsiter  Frieden,  hat 
Lenz120)  eine  sehr  sorgfältige  Untersuchung  veröffentlicht,  welche,  ohne  neues 
Quellenmaterial  heranzuziehen,  durch  ausserordentlich  geschickte,  mit  eindringender 
Kritik  gehandhabte  Verwertung  der  bisher  bekannten  Darstellungen  zu  sehr  beachtens- 
werten Ergebnissen  gelangt.  Sehr  oft  in  schroffen  Gegensatz  namentlich  zu  Albert 
Vaudal,  gegen  den  er  energisch  polemisiert,  kommt  L.  in  der  Hauptsache  zu  der 
Auffassung,  dass  Kaiser  Alexander  von  Russland  sich  zur  Aufgabe  Preussens  ent- 
schloss,  weil  er  sonst  den  Abfall  seines  Heeres  fürchten  musste  und  von  seiner  Um- 
gebung gedrängt  wurde.  Entgegen  der  in  Bennigsens  Memoiren  vertretenen  Ansicht 
habe  auf  russischer  Seite  entschieden  Friedensliebe  geherrscht.  Sehr  bemerkens- 
wert ist  ausserdem  der  von  L.  versuchte  Nachweis,  dass  Russland  im  J.  1805  die 
Absicht  gehabt  habe,  Preussen  zu  überrumpeln  und  seiner  östlichen  Provinzen  zu 
berauben.121"122)  —  Mit  der  Niederwerfung  Preussens  schien  das  Endziel  Napoleons 
in  Bezug  auf  Deutschland,  die  Abhängigkeit  des  grössten  Teiles  dieses  Landes  von 
Frankreich,  in  der  Hauptsache  entgültig  erreicht  zu  sein.  Da  raffte  sich  im  J.  1809 
Oesterreich  noch  einmal  zu  einem  heldenmütigen,  von  der  Begeisterung  weiter 
Volksschichten  getragenen  Widerstände  auf,  um  die  drückenden  Fesseln  des  fremden 
Eroberers  abzuwerfen.  Für  die  Geschichte  dieses  leider  erfolglosen  Versuches  wie 
überhaupt  für  die  Kriegsgeschichte  Oesterreichs  in  jener  ganzen  Epoche  ist  uns  jetzt 
eine  hervorragend  wichtige  Quelle  durch  die  Veröffentlichung  des  litterarischen  Nach- 
lasses des  bedeutendsten  österreichischen  Heerführers  in  allen  diesen  Feldzügen,  des 
Erzherzogs  Karl,  zugänglich  gemacht  worden123).  Viele  der  in  dieser  Publikation 
enthaltenen  strategischen,  taktischen,  historischen  Schriften,  Denkschriften  usw. 
waren  auch  schon  bisher  gedruckt,  einegrosseMenge  ist  neu  hinzugekommen  und  hat  das 
historische  Bild  des  Vf.  dieser  äusserst  zahlreichen  litterarischen  Arbeiten  um  eine 
Fülle  neuer  Züge  bereichert.  Neben  den  für  die  Kriegsgeschichte,  namentlich  die 
des  Feldzuges  von  1796,  wichtigen  Ergebnissen,  die  sich  daraus  gewinnen  lassen, 
ist  die  Publikation  natürlich  auch  für  die  Lebensgeschichte  und  die  Kenntnis  der 
Persönlichkeit  des  Erzherzogs  von  unschätzbarem  Werte.  U.  a.  enthält  der 
6.  Band  auch  eine  Autobiographie  aus  dem  J.  1814.  —  Zum  Gegenstande  besonderer 
Behandlung  ist  von  dem  Feldzuge  von  1809  eigentlich  nur  der  tragische  Helden- 
kampf der  Tiroler  unter  Andreas  Hofer  gemacht  worden.  Doch  sind  die  meisten 
darüber  veröffentlichten  Darstellungen  rein  populären  Charakters  und  wissenschaft- 
lich ohne  erheblichen  Wert124-130).  Dagegen  ist  nicht  ohne  Interesse  eine  Abhand- 
lung Prybilas131),  welche  auf  Grund  eingehender,  auf  den  von  Schellhammer  und 
Feiner  publizierten  Aktenstücken  beruhender  Studien  auf  die  Volkserhebung  aufmerk- 
sam macht,  welche  gleichzeitig  mit  der  bisher  fast  allein  behandelten  Tiroler  Be- 
wegung in  dem  damals  erst  seit  kurzer  Zeit  zu  Oesterreich  gehörenden  Salzburger 
Gebirgslande  losbrach  und  mit  jener  in  nahem  Zusammenhange  stand.  —  Nicht  minder 
wertvoll  ist  eine  Untersuchung  Exners132),  welche  eine  auf  neuem  archivalischen 
Material  beruhende  Darstellung  der  Teilnahme  Sachsens  an  dem  österreichisch-französi- 
schen Kriege  von  1809  entwirft.  Namentlich  wird  hier  eingehend  der  Marsch 
der  sächsischen  Truppen  nach  Niederösterreich  und  die  Schlacht  bei  W7agram  behandelt. 
Ausserdem  enthält  die  Abhandlung  auch  interessante  Nachrichten  über  das  Unter- 
nehmen   des  Herzogs   von  Braunschweig.  — 

Die    österreichische   Erhebung   vermochte    die    Entfaltung    der   Uebermacht 

FBPG.  7,  S.  282.]|  —  117)  X  Zeitgenöss.  Briefe  aus  Weimar  über  d.  Schlacht  hei  Jena  u.  Auerstädt:  JenaischeZg.  1892,  N.  41/2. 
—  118)  v.  Hymmen,  Prinz  Louis  Ferdinand  v.  Preussen.  Hist.-hiogr.  Skizze  Mit  1  Bildn.  u.  1  Gefechtsplan.  B.,  Eisen- 
schmidt. 58  S.  M.  1,00.  —  119)  B.  Bunge,  Prinz  Louis  Ferdinand.  E.  Heldenleben.  Hist.  Dichtung.  B.,  Siegismund.  VIII, 
265  S.  M.  3,60.  —  120)  M.  Lenz,  Tilsit:  FBPG.  6,  S.  181-237.  — 121)  X  J-  Plew,  D.  Bartensteiner  Vertrag  zwischen  Preussen 
u.  Kussland  v.  26  Apr.  1807.  Progr.  Bartenstein.  4°.  36  S.  |[MHL  23,  S.  24.] |  (Eingeh.  u.  zusammenfass.  Würdig,  d.  in 
dtsch.  Uebersetz.  mit  abgedr.  Vertr.  auf  Grund  d.  in  neuerer  Zeit  veröifentl.  Materials,  namentl.  d.  Denkwürdigkeiten  Harden- 
bergs.) —  122)  X  Ch.  Levin,  La  Prusse  apres  Jena.  Mit  Anmerkungen  u.  Wörterverzeichnis  her.  v.  A.  Mühlen.  (=  Bibl. 
franc.  ä  l'usuge  des  ecoles.  N.  26.)  B.,  Friedberg  &  Mode.  IV,  52  S.  M.  1,00.  —  123)  Karl,  weil.  Erzherzog  v.  Oesterr., 
Ausgew.  Schriften,  her.  im  Auftr.  seiner  Söhne,  d.  Herren  Erzherz.  Albrecht  u.  Wilhelm.  Mit  Karten  u.  Plänen.  2.-6.  Bd.  Wien, 
Braumüller.  VII,  415  S.;  VI,  432  S.;  VI,  656  S.;  VI,  666  S.;  VI,  632  S.  M.  7,00;  7,50;  12,00;  13,00;  13,00.  |[LCB1.  S.  206; 
WienZg.  1893,  N.  1;  Presse  1893,  N.  123,  266.J]  (.Vgl.  JBL.  1893  IV  5:  138/9.)  —  124)  X  A.  Ohorn,  Andr.  Hofer.  (=  SGV. 
N.  182.)  Prag,  Haase.  1893.  15  S.  M.  0,20.  —  125)  X  J-  Maurer,  Tiroler  Helden.  Münster  i.  W.,  Russell,  117  S.  Mit 
Abbild.  M.  2,40.  (Rein  popul. ;  zwar  mit  Benutz,  d.  Erlasse  u.  Korrespond.  Hofers,  aber  im  übrigen  wenig  krit.  u.  zu  leicht- 
gläubig gegenüber  d.  d.  Ereignisse  ausschmückenden  Tradition.)  —  126)  X  J-  F.  Baur,  Andr.  Hofer  oder  d.  Befreiungskampf 
Tirols  am  13.  Aug.  1809  am  Berg  Isel  in  30  Gesängen.  Innsbruck,  Wagner.  VII,  142  S.  M.  1,20.  —  127)  X  A.  Funck,  D. 
Tiroler  Krieg  im  J.  1809.  Rede.  Kiel,  Eckardt.  22  S.  M.  0,50.  (E.  begeisterte,  schwungvolle  u.  v.  echt  nationaler  Gesinnung 
getragene  Rede,  aber  wissensch.  ohne  Bedeut.)  —128)  X  J°a-  Harnberger,  D. franz.  Invasion  in  Kärnten  im  J.  1809.  (Nach  d. 
Invasionsakten.)  C.  D.  Lage  Kärntens  während  d.  Anwesenheit  d.  Feinde.  2.  T.  Progr.  Klagenfurt,  F.  v.  Kleinmayr.  47  S. 
M.  1,00.  —  129)  X'-Kenxiacb,  D.  Berg  Isel  bei  Innsbruck.  D.  hist.-denk würdige  Schiessstätte  d.  Kaiser-Jäger.  Wien, 
Braumüllor.  15  S.  M.  0,40.  (Aus  SÖMZ.)  —  130)  X  K.  Th.  Heigel,  Jos.  Speckbacher:  ADB.  35,  S.  78/9.  -  131)  P.  Pry- 
bila,  Anteil  Salzburgs  an  d.  Volkserhebung  im  J.  1809.     Progr.     Salzburg  (H.  Kerber).     50  S.     M.  1,00.   —    132)  M.  Exner, 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.  IV  lb  :  133-uo 

Napoleons  und  der  Fremdherrschaft  in  Deutschland  nicht  aufzuhalten,  welche 
sich  vielmehr  jetzt  in  vollem  Umfange  fühlbar  machte,  die  einen  Teile  ganz 
dem  französischen  Kaiserreiche  oder  den  von  ihm  abhängigen  Schöpfungen 
angliedernd,  die  anderen  durch  brutale  Ausnutzung  des  Sieges  aufs  äusserste  aus- 
saugend. In  welchem  Masse  dieses  System  von  Napoleon  gehandhabt  wurde,  dafür 
sind  eine  sehr  bezeichnende  und  charakteristische  Quelle  die  berüchtigten  napoleoni- 
schen Bulletins,  aus  denen  neuerdings  Auszüge  neu  veröffentlicht  worden  sind,  deren 
Herausgeber  Wille133)  ihre  Verlogenheit,  die  darin  enthaltenen  Uebertreibungen 
und  Lobhudeleien  treffend  kritisiert  und  charakterisiert.  —  Auf  Grund  lokaler  Einzel- 
forschungen will  eine  andere,  aus  politischen  Beweggründen  (zur  Empfehlung  der 
Militärvorlage)  erwachsene  Broschüre  von  Jansen134)  den  Nachlebenden  zum  Be- 
wusstsein  bringen,  welche  Bedrückungen  ihre  Vorfahren  in  der  napoleonischen  Zeit 
von  den  Franzosen  erlitten  haben.  Für  seine  historischen  Darlegungen  hat  der  Vf. 
in  Bezug  speciell  auf  Lübeck  auch  hs.  Quellen  benutzt,  z.  B.  die  Aufzeichnungen 
des  Senators  Peter  Wilken  in  einem  Auszuge  von  E.  Deecke.  Ausserdem  werden 
namentlich  Erfurt  und  Stralsund  berücksichtiget.  —  Mit  ganz  besonderer  Härte  ver- 
fuhr der  Imperator  dann  bekanntlich  gegenüber  dem  niedergeworfenen  und  verhassten 
preussischen  Staate.  —  Als  Beispiel  hierfür  sind  die  der  Stadt  Königsberg  aus  der 
Kriegskontribution  von  1807  erwachsenen  Leiden  von  Czygan  ,35~136)  in  zwei  unter- 
richtenden, auf  authentischem  Aktenmaterial  beruhenden  Untersuchungen  behandelt 
worden.  Die  eine  davon  beruht  auf  den  im  Besitz  eines  Königsberger  Kaufmannes 
befindlichen  gedruckten  Bekanntmachungen  des  Königsberger  Magistrats  aus  der 
Zeit  der  französischen  Okkupation,  welche  sich  auf  die  Beitreibung  der  französischen 
Kriegskontribution  an  Geld  und  Naturalien  beziehen,  und  auf  den  entsprechenden  Akten 
des  Königsberger  städtischen  Archivs.  Der  Uebermut  des  Siegers  nach  dem  Einzüge 
in  Königsberg  (16.  Juni  1807),  die  Not  und  Bedrückung  der  Stadt  erhalten  durch 
diese  rein  geschäftlichen  Papiere  eine  lebendige,  ins  Einzelne  gehende  Illustration. 
In  der  zweiten  Abhandlung  tritt  C.  auf  Grund  der  Akten  der  Annahme  entgegen, 
als  hätte  es  die  Stadt  Königsberg  durch  irgend  welche  Kunstgriffe  verstanden,  einen 
Teil  der  Last  auf  die  Provinz  abzuwälzen.  —  Einen  interessanten  Beitrag  aus  der 
Zeit  der  französischen  Okkupation  in  Preussen  bringt  Geiger137),  indem  er  aus  den 
in  den  J.  1809  usw.  von  dem  Polizeipräsidenten  Justus  Grüner  an  den  Minister  des 
Inneren  Grafen  von  Dohna  gerichteten  Polizeiberichten,  die  neben  kurzen  Notizen  auch 
ausführliche  Stimmungsberichte  und  alle  möglichen  Nachrichten  enthalten,  diejenigen 
Stellen  beibringt,  welche  zur  Feststellung  biographischer  Daten  von  Wert  sind. 
Ausserdem  teilt  er  Interessantes  aus  den  Berichten  über  das  Theater,  wo  es  zu- 
weilen auch  zu  politischen  Demonstrationen,  Hochs  auf  den  König  kam,  mit,  so  dass 
diese  Auszüge  historisch  wie  litterarhistorisch  gleich   interessant   sind.138-139)  — 

Eine  Reihe  hervorragender  und  unsere  historische  Kenntnis  erheblich  vermeh- 
render Veröffentlichungen  und  Darstellungen  sind  dem  Königreiche  Westfalen, 
welches  Napoleon  aus  den  Ländern  mehrerer  von  ihm  abgesetzter  deutscher  Fürsten 
bildete  und  seinem  Bruder  Jeröme  übergab,  gewidmet  worden.  Zunächst  hat  die 
Ausgabe  der  Briefe  der  Königin  Catharine,  Gemahlin  Jerömes,  welche  1887  von 
Schlossberger  veranstaltet  worden  ist,  sich  aber  als  sehr  wenig  vollständig  erwiesen 
hat,  durch  Du  Casse140)  eine  beträchtliche  Ergänzung  und  Vermehrung  aus  Pariser 
Archivalien  erhalten,  der  als  Einleitung  eine  kurze  Biographie  der  Königin  voraus- 
geschickt ist.  Die  Publikation  selbst  umfasst  ein  Fragment  der  Memoiren  der  Königin 
und  eine  grosse  Anzahl  von  Briefen,  namentlich  an  eine  ihrer  Tanten,  die  Prin- 
zessin Emmy,  Gemahlin  Ludwigs  von  Württemberg,  ferner  an  die  Kaiserin  Marie 
Louise,  an  ihren  Gemahl  Jeröme  u.  a.  aus  den  J.  1807—31.  Damit  liegen  jetzt  Kor- 
respondenz und  Tagebuch  der  Königin,  wenn  auch  in  mehreren  verschiedenen 
Publikationen  verstreut,  vollständig  vor.  —  Zugleich  ist  aufs  Neue  der  Versuch 
gemacht  worden,  eine  Gesamtdarstellung  der  Geschichte  des  Königreichs  West- 
falen zu  schreiben.  Ueber  den  bisherigen  Versuchen  dieser  Art  hatte  ein  eigener 
Unstern  gewaltet;  sie  sind  alle  unvollendet  geblieben.  Am  lebhaftesten  zu  bedauern 
ist  das  in  Bezug  auf  das  Goeckesche  Werk,  dessen  Abschluss  durch  den  Tod  des  Vf. 


D.  Anteilnahme  d  legi,  sächs.  Armee  am  Feldzuge  gegen  Oesterr.  u.  d.  krieg.  Ereignisse  in  Sachsen  im  J.  1809.  Nach  amtl. 
Unterlagen  bearb.  Dresden,  W.  Baensch.  V,  135  S  Mit  6  Taf.  M.  4,50.  |[LCB1.  S.  951;  AMZg.  75,  S.  289:  NASächsG.  10, 
S.  160.];  —  133)  ß.  Wille,  Napol.  Bulletins.  E.  Stud.  für  Vaterlandsfreunde.  Braunschweig,  Gebr.  Harring.  TOS.  M.  1,20. 
—  134j  K.  Jansen,  Heilsame  Erinnerungen  aus  d.  Franzosenzeit.  Kiel,  Eclcardt.  82  S.  M.  1,50.  —  135)  P.  Czygan,  D. 
Publikanda  d.  Magistrats  zu  Königsberg,  d.  Kriegs-Kontribution  im  J.  1807  betr.,  nebst  ihrer  Entstehungsgesch.  nach  d.  Akten 
d.  städt.  Arch.  Progr.  Königsberg  i.  P.  1893.  4°.  31  S.  —  136)  id.,  Z.  Gesch.  d.  franz.  Kriegskontrib.  d.  Stadt  Königsberg,, 
ihrer  später  erfolgten  Ermässig.  u.  ihrer  Uebertrag.  auf  d.  ganze  Prov.  Nach  d  Akten  d.  Stadtarch.  dargest.  Progr.  ebda. 
4°.  19  S.  —  137)  L.  Geiger,  Litterarisches  aus  Berliner  Polizeiberichten:  VossZg".  1893,  N.  27.  —  138)  X  J-  ▼■  Pflugk- 
Harttung,  Unter  franz.  Joche:  ib.  N.  312.  (Behand.  d.  Schicksale  Hamburgs  in  d.  Franzosenzeit,  namentl.  d.  vorüber- 
gehende Besetzung  durch  Tettenborn  u.  d.  Leidenszeit  unter  Davout,  v.  d.  auch  Pf.-H.  sagt,  dass  er  weniger  grausam  gewesen 
sei,  als  es  d.  Befehle  Napoleons  verlangten.)  —  139)  X  id->  E.  Fremdherrschaft:  WIDM.  76,  S.  405-14.  —  140)  A.  le  baron 
Du   Casse,   Corresp.  ined.    de   la   reine    Catherine   de  Westfalie,    nee    princesse   de   Wurtemberg    (JBL.    1893,   IV  lc:   8.) 


IV  lb:  141-143    G.  Winter,  Allgem eines  des  18./ 19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

verhindert  wurde,  so  dass  es  nur  fragmentarisch  aus  seinem  Nachlasse  herausgegeben 
werden  konnte.  Auch  in  dieser  Form  aber  war  es  ein  sehr  tüchtiges  Zeugnis  für 
die  umfassenden  und  eindringenden  Studien,  welche  der  verstorbene  Vf.  in  den 
Archiven  für  seine  Arbeit  unternommen  hatte.  Eine  sichere  Grundlage  für  weitere 
Forschungen  war  damit  gewonnen  und  sie  ist  auch  von  der  neuesten  Geschichte 
Westfalens  von  Kl  e  ins  ch  m  i  d  t 141)  in  umfassender  Weise  als  solche  verwertet 
worden,  in  weit  höherem  Masse,  als  man  nach  der  geringschätzigen  Art,  wo- 
mit der  Vf.  von  seinen  Vorgängern  spricht  und  sein  Werk  als  die  erste 
wirkliche  Geschichte  des  Königreichs  bezeichnet,  vermuten  sollte.  Thatsächlich  ist. 
K.  nur  in  sehr  wenigen  Punkten  über  die  Ergebnisse  Goeckes  hinausgekommen 
und  ist  in  der  Gesamtauffassung  fast  durchweg  von  diesem  seinem  Vorgänger  sehr 
stark  abhängig.  Im  übrigen  ist  aber  im  einzelnen  mancher  Fortschritt  unverkenn- 
bar, und  es  soll  keineswegs  in  Abrede  gestellt  werden,  dass  dem  Buche  eingehende 
Studien  in  den  verschiedenen  Staatsarchiven,  ferner  in  Briefen  und  Aufzeichnungen  aus 
Privatbesitz  zu  Grunde  liegen,  die  zu  dem  von  Goecke  gewonnenen  Bilde  viele 
neue  und  interessante  Züge  hinzugefügt  haben.  Namentlich  sind  die  diplomatischen 
Verhandlungen,  die  Beziehungen  Jerömes  zu  seinem  Bruder  hier,  unzweifelhaft 
ausführlicher,  zuweilen  freilich  wenig  geordnet  und  in  ermüdender  Breite  dargestellt, 
während  in  Bezug  auf  das  Zuständliche  Goeckes  Buch  entschieden  den  Vorzug  ver- 
dient. —  Speciell  den  Schicksalen  und  Leiden  des  Kurfürstentums  Hannover  in  der 
Zeit  der  französischen  bezw.  westfälischen  Herrschaft  sind  fast  gleichzeitig  zwei 
ganz  grosse  und  grundlegende  Werke  gewidmet  worden,  welche  sich  in 
Bezug  auf  die  von  ihnen  behandelte  Periode  eng  an  einander  anschliessen  und  sich 
inhaltlich  vortrefflich  gegenseitig  ergänzen.  Das  eine  bietet  gleichsam  die  Vor- 
geschichte zu  dem  anderen.  W.  von  Hassell142)  hat  die  letzten  10  Jahre  vor  der 
Okkupation  Hannovers  durch  Frankreich  (1795 — 1806),  Thimme143)  die  Zeit  der 
französischen  Okkupation  selbst  und  die  der  französisch-westfälischen  Herrschaft 
in  Hannover  zum  Gegenstande  seiner  Studien  gemacht.  Beide  Arbeiten  beruhen 
auf  eindringenden  Forschungen  in  den  Staatsakten,  zu  denen  H,  der  einer  angesehenen 
hannoverschen  Familie  entstammt,  noch  viele  Akten  aus  Privatbesitz,  die  Th.  nicht 
zugänglich  waren,  hinzufügen  konnte.  Beide  Arbeiten  behandeln  mit  gleicher  Aus- 
führlichkeit die  inneren  Zustände  der  Regierung  und  Verwaltung  wie  die  diplo- 
matischen Verhandlungen  und  enthalten  eine  grosse  Fülle  neuer  und  wertvoller  Auf- 
schlüsse über  bisher  unbekannte  Vorgänge  dieser  wechselreichen  Periode.  In  H.s 
Buch  ist  besonders  bemerkenswert  die  eingehende  und  erschöpfende  Darstellung 
der  Ereignisse,  welche  zur  Konvention  von  Sulingen  und  zur  Kapitulation  von 
Artlenburg  führten.  Im  übrigen  giebt  er  trotz  seiner  unzweifelhaft  hannoverschen  Ge- 
sinnung rückhaltlos  zu,  dass  er  keinerlei  Beweise  für  die  zum  Ueberdruss  wieder- 
holte Behauptung  gefunden  habe,  dass  Preussen  seit  150  Jahren  stets  auf  der  Lauer 
gelegen  habe,  um  den  kleinen  Nachbarstaat  (Hannover)  zu  verschlingen.  Von  Th.s 
Werk  liegt  zunächst  nur  der  erste  Band  vor,  welcher  ausser  einer  sehr  unter- 
richtenden Einleitung  über  die  inneren  Zustände  der  hannoverschen  Lande  zu  Be- 
ginn des  19.  Jh.,  die  sich  mit  H.s  Darstellung  vielfach  berührt,  die  Geschichte  der 
ersten  französischen  Okkupation  von  1803  —  5,  der  preussischen  Besitznahme  im  J.  1806 
und  der  zweiten  französischen  Okkupation  von  1806  — 10  enthält,  während  der  zweite  Band 
die  Zeit  des  Königreichs  Westfalen  und  die  Geschichte  der  mit  Frankreich  ver- 
einigten Lande  umfassen  soll.  Den  Hauptgegenstand  der  Darstellung  bilden  die 
inneren  Zustände.  In  der  ausführlichen  Darstellung  der  Verwaltungsorganisation 
in  den  drei  verschiedenen  Perioden  nehmen  natürlich  die  Verhandlungen  der  Be- 
hörden unter  einander  über  die  Ausführung  der  französischen  finanziellen  Anforde- 
rungen einen  breiten  Raum  ein.  Daneben  wird  auch  die  Volksstimmung  eingehend 
geschildert  und  ein  anschauliches  Bild  von  der  Mitteilung  des  Volkswohlstandes  und 
seiner  Gefährdung  durch  die  wiederholten  Okkupationen  auf  authentischer  Akten- 
grundlage gegeben.  In  der  Schilderung  der  Zustände  der  althannöverschen  Zeit 
kommt  Th.  vielfach  zu  erheblich  unerfreulicheren  und  ungünstigeren  Ergebnissen 
als  H.  und  seine  hannoverschen  Vorgänger,  welche  den  privilegierten  Klassen  an- 
gehörten. Die  Arbeit  ist  jedenfalls  trotz  aller  Bedenken,  die  man  hie  und  da  im 
einzelnen  gegen  die  Ergebnisse  des  Vf.  erheben  mag,  eine  der  hervorragendsten 
Bereicherungen,  welche  unsere  Kunde  jener  Zeit  in  den  letzten  Jahren  erfahren  hat.  — 


■]G.  Monod:  EH.  54,  S.  114/5;  LCB1.  S.  1847.]  |  —  141)  A.  Kl  ein  Schmidt,  Gesch.  d.  Königreichs  Westfalen.  (=  Gesch.  d. 
Europ.  Staaten.  Bd.  54,  T.  1.)  Gotha,  Perthes.  678  S.  M.  12,00.  |[LCB1.  1893,  S.  974;  Nation».  10,  S.  506;  MHL.  22,  S.  227-34; 
Th.Ilgen:  HZ.  72,  S.  108-15  (sehr  absprechend J;  KBGV.  42,  S.  111  2.]|  -  142)  W.  v.  Hassell,  D.  Kurfürstentum  Hannover  v. 
Baseler  Frieden  bis  z.  preuss.  Okkupation  im  J.  1806.  Nach  archival.  u.  hs.  Quellen.  Mit  4  Portrr.  Hannover,  Carl  Meyer. 
XXIV,  455  S.  M.  7,50.  —  143)  Fr.  Thimme,  I).  inneren  Zustände  d.  Kurfürstentums  Hannover  unter  d.  franz.-westfäl.  Herr- 
schaft 1806-13.  Hannover,  Hahn.  448  S.  M.  8,00.  |[P.  Goldschmidt:  FBPG.  7,  S.  284/5;  Th.  Ilgen:  HZ.  73,  S.  342/3.] | 
(E.  T.  d.  Buches  ist  unter  d.  Titel:  „D.  Okkupation  d.  Kurfürstentums  Hannover  durch  d.  Preussen  im  J.  1806"  als  Göttinger 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.  IV  lb  :  144-149 

Inmitten  aller  dieser  traurigen  Vorgänge  und  Leiden,  welche  unserem  Vater- 
lande durch  die  Fremdherrschaft  auferlegt  wurden,  reifte  in  Preussen  jene  Er- 
neuerung der  sittlichen  Kräfte  des  Staates  heran,  die  Napoleon  stets  souverän  verachtete, 
und  an  denen  er  dann  doch  zu  Grunde  gehen  sollte.  Eine  eigentlich  wissenschaftlich 
erhebliche  Bereicherung  unserer  Kenntnis  dieser  grossartigen  inneren  Reformarbeit 
auf  geistigem  wie  politischem  und  militärischem  Gebiete  hat  die  Berichtsperiode  nicht 
aufzuweisen,  dagegen  sind  doch  einige  beachtenswerte  und  anregende  neue  Er- 
örterungen über  sie  erschienen.  Vor  allem  verdient  hier  ein  auf  eigene  Quellen- 
studien zwar  verzichtendes,  rein  populäres,  aber  von  einer  zwar  einseitigen,  aber 
durchaus  einheitlichen  wissenschaftlichen  und  Weltanschauung  getragenes  Werk  von 
Baur144)  Erwähnung,  welches  eine  Reihe  lebensvoll  und  durchdacht  geschriebener 
Lebensbilder  der  hervorragendsten  geistigen  Führer  dieser  Periode,  Fichtes,  Arndts, 
Schleiermachers,  des  Freiherrn  vom  Stein,  wie  auch  ihrer  Feldherren  und  auch  des 
preussischen  Königspaares  darbietet.  Eingeleitet  wird  das  ansprechende  WTerk  durch 
zwei  allgemeine  Kapitel  über  die  religiöse  Zerfahrenheit  und  nationale  Zerrissenheit, 
die  den  nationalen  Niedergang  hervorgerufen  habe.  Der  entscheidende  Gesichtspunkt 
des  tief  religiösen  und  positiv  gläubigen  Vf.  ist  der,  dass  weniger  die  nationale  als 
die  religiöse  Erweckung  des  Volkes  die  Vorbedingung  für  die  Befreiungskriege  ge- 
wesen sei,  wobei  er  aber  trotz  seines  eigenen  theologischen  Standpunktes  die  reli- 
giöse Erweckung  in  einem  so  weiten  und  duldsamen  Sinne  fasst,  dass  er  selbst 
Fichte  zu  den  religiösen  Erweckern  des  Volkes  und  nicht  in  erster  Linie  zu  den 
nationalen  zählt.  Freilich  geht  er  dabei  in  der  Deutung  des  Denkens  und  Wirkens 
des  Philosophen  ohne  Zweifel  etwas  weit.  Wissenschaftlich  Neues  bietet  das  Werk, 
wie  schon  angedeutet,  nicht,  aber  litterarisch  ist  es  ein  schönes  Denkmal  tief  reli- 
giöser und  echt  nationaler  Gesinnung,  ohne  engherzigen  Fanatismus  und  von  weit- 
gehender Duldung  gegen  Andersgläubige,  sofern  sie  nur  ernst  sittliche  Menschen 
sind,  und  insofern  eine  anziehende  und  auch  mannigfach  belehrende,  freilich  nicht 
ohne  Kritik  zu  benutzende  Lektüre.  —  Eine  geistvolle  Skizze  Cartellieris 145) 
schildert  die  geistige  Wiedergeburt  Deutschlands  durch  Fichte,  die  neugegründete 
Berliner  Universität,  Arndt  usw.  —  Einen  eingehenden  und  anregenden,  auf  ge- 
nauester Kenntnis  der  historischen  Zustände  beruhenden  Vergleich  der  preussischen 
Reformgesetzgebung  mit  den  politisch-socialen  Errungenschaften  der  französischen 
Revolution  hat  Koser146)  gegeben.  Im  wesentlichen  handelt  es  sich  ihm  dabei  um 
eine  Widerlegung  der  französischen  Auffassung,  welche  in  Cavaignacs  Buche  „La 
formation  de  la  Prusse  contemporaine"  ihren  Ausdruck  gefunden  hat.  In  vollem 
Gegensatz  zu  Cavaignac  weist  K.  nach,  dass  der  Freiher  vom  Stein  eben  eine  Nach- 
ahmung der  Einrichtungen  der  französischen  Revolution  auf  der  Grundlage  abstrakter 
Vernunftprinzipien  gar  nicht  wollte,  sondern  dass  seine  Grösse  in  seiner  mäch- 
tigen Reformarbeit  auf  dem  Boden  der  gegebenen,  historisch  erwachsenen  Zustände 
beruht,  weshalb  er  den  grössten  Nachdruck  gerade  auf  die  Erhaltung  bezw.  Be- 
gründung einer  decentralisierten  Selbstverwaltung  legte,  in  klarem  Gegensatze  zu 
der  schroff  centralisierenden  Tendenz  der  revolutionären  Organisation  in  Frankreich. 
—  Diesem  grossen  Reformator  der  preussischen  Regierung  und  Verwaltung  sind  in 
der  Berichtsperiode  zwei  neue  zusammenfassende  biographische  Darstellungen  auf 
Grund  des  gesamten  bisher  gedruckt  vorbiegenden  Materials  von  Neubauer147) 
und  von  Alfred  Stern148)  gewidmet  worden,  von  denen  namentlich  die  letztere  das 
Muster  einer  in  knappem  Rahmen  gehaltenen  und  doch  alles  Wesentliche  mit  vollster 
und  genauester  Kenntnis  und  Beherrschung  des  reichen  Materials  erschöpfenden 
Biographie  ist.  Doch  hat  auch  N.  das  bis  jetzt  bekannte  Material  in  anerkennens- 
werter und  zufriedenstellender  Weise  verwertet,  nur  hat  er  die  Einwendungen,  welche 
neuerdings  namentlich  gegen  die  nationalen  Reformideen  Steins  erhoben  worden 
sind,  wenig  oder  gar  nicht  berücksichtigt.  Der  Hauptnachdruck  wird  auch  von  N. 
auf  die  politische  Reformthätigkeit  Steins  in  Preussen  gelegt.  —  Auch  dem  grossen 
Reformator  des  preussischen  Heeres  ist  eine  von  warmer  Verehrung  und  Begeiste- 
rung getragene  Darstellung  Hoenigs149)  gewidmet  worden,  die  freilich  nicht  von 
rein  wissenschaftlichen,  sondern  von  vorwiegend  politischen  Gesichtspunkten  aus- 
geht, in  ihrer  Begründung-  aber  rein  historisch  verfährt.  Der  Vf.  will  nämlich  vor 
allem  an  der  Hand  einer  eingehenden  Schilderung  der  Scharnhorstschen  Reformidee 
und  ihrer  Ausführung  in  Bezug  auf  die  allgemeine  Wehrpflicht   die   in  socialdemo- 


Diss.  1893  ersch.  [57  S.].)  —  144)  W.  Baur,  Gesch.-  u.  Lebensbilder  aus  d.  Erneuerung  d.  relig.  Lebens  in  d.  dtsch.  Be- 
freiungskriegen. 2  Bde.  5.  Aufl.  Hamburg,  Rauhes  Haus.  XVI,  352  S.;  HL.  388  S.  M.  8,00.  —  145)  A.  Cartellieri, 
Deutschlands  geistige  Erhebung  gegen  Napoleon  I.:  GüterslohJb.  3,  S.  193-208.  —  146)  B.  Eoser,  D.  preuss.  Reformgesetzgebg. 
in  ihrem  Verhältnis  z.  franz.  Revolution:  HZ.  73,  S.  193-210.  —  147)  Frdr.  Neubauer,  Frhr.  v.  Stein.  Preisgekr.  Arbeit. 
(=  Geisteshelden,  her.  v.  A.  Bettelheim.  12.  Bd.)  B.,  E.  Hofmann  &  Co.  VII,  204  S.  M.  3,00.  |[DLZ.  S.  1365;  AkBll.  9, 
S.  298;  Geg.  46,  S.  1624;  B.  Gebhardt:  FBPG.  8,  S.29I/3.]|  —  148)  Alfr.  Stern,  H.  F. K.  Frhr.  v.  Stein :  ADB.  35,  S.  614-41. 
—  149)  F.  Hoenig,  D.  Scharnhorstsche  Heeresreform  u.  d.  Socialdemokratie.    B.,  Militär-Verl.  (R.  Felix).    67  S.    M.  1,50.  — 


IV  lb  :  150-172    G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

kratischen  Kreisen  oft  aufgestellte  Behauptung  widerlegen,  als  habe  Scharnhorst  eine 
Miliz  nach  socialdemokratischem  Muster  angestrebt.  —  Ein  immer  wieder  aufs  neue 
behandelter  Gegenstand  der  populären  historischen  Litteratur  ist  in  der  Berichts- 
periode das  Leben  der  Königin  Luise  gewesen,  der  eine  ganze  Reihe  wohlgemeinter 
und  zum  Teil  auch  recht  anregend  und  lebensvoll  verfasster,  aber  wissenschaft- 
lich bedeutungsloser  Lebensbeschreibungen  gewidmet  worden  sind150"154).  —  Am 
meisten  selbständige  Bedeutung  kommt  unter  ihnen  noch  der  Kreyenbergschen155) 
Arbeit  zu,  welche  eine  lesenswerte  Skizze  der  Bedeutung  der  Königin  für  Pädagogik 
und  Ethik  enthält  und  ihre  Gedanken  über  eine  Reformation  der  Schule  an  Haupt 
und  Gliedern  durch  Verstandesarbeit  und  sittliche  Kräftigung  zu  lebendiger  Dar- 
stellung bringt. 

Für  die  Zeit  der  Freiheitskriege  selbst,  als  deren  Vorläufer  der  ver- 
wegene Zug  des  Herzogs  Friedrich  Wilhelm  von  Braunschweig  angesehen  werden 
kann156-157),  ist  neben  einer  Anzahl  kleinerer  biographischer  Beiträge158-160)  vor 
allem  von  hohem  wissenschaftlichen  Werte  die  Thatsache,  dass  von  der  in  Form  und 
Inhalt  als  grundlegend  allseitig  anerkannten  D  e  lb  rüc  k  sehen  161)  Biographie 
Gneisenaus,  welche  zuerst  1882  erschien  und  die  Ergebnisse  des  von  Pertz  be- 
gonnenen, von  D.  vollendeten  fünfbändigen  Werkes  erst  zu  einem  wirklichen  Bilde 
gestaltete,  eine  neue  Auflage  erschienen  ist,  worin  alle  seit  dem  Erscheinen  der 
ersten  Auflage  veröffentlichten  Beiträge  zur  Geschichte  der  Freiheitskriege  sorgfältig 
benutzt  und  verwertet  sind,  so  dass  der  Verf.  seine  frühere  Darstellung  in  manchen 
Einzelheiten  abändern  musste,  während  er  in  anderen  Punkten  im  Gegensatz  zu 
der  späteren  Forschung  seine  frühere  Auffassung  beibehält.  Die  sorgsame  Ueber- 
arbeitung  hat  dabei  der  Frische  und  lebendigen  Wärme  der  Darstellung  keinen  Ein- 
trag gethan.  Jedenfalls  aber  ist  diese  Leberarbeitung  um  so  dankenswerter,  als  das 
ursprüngliche  Pertz-D.sche  Werk,  so  ungemein  reich  an  neuen  Aufschlüssen  es  war, 
doch  eigentlich  nur  eine  schwerfällige  und  kaum  lesbare  Materialsammlung  ge- 
wesen.162-165) —  Den  anderen  preussischen  Helden  der  Befreiungskriege,  Scharn- 
horst166), Bülow  von  Dennewitz167)  und  Blücher168)  sind  nur  kleinere  populäre  Dar- 
stellungen gewidmet  worden.  —  Dagegen  haben  die  einzelnen  Feldzüge  der  Be- 
freiungskriege169) und  namentlich  der  von  1813  eingehende  und  auf  umfassenden 
Forschungen  beruhende  Behandlung  erfahren.  Eingeleitet  wurde  die  Teilnahme 
Preussens  an  der  1812  von  Russland  erfolgreich  begonnenen170)  Bekämpfung  Napo- 
leons durch  die  von  General  York  geschlossene  Konvention  von  Tauroggen,  über 
deren  politisch-militärische  Entstehungsgeschichte  Grobbel171)  eine  eingehende 
Untersuchung  veröffentlicht  hat.  Der  Vf.  ist,  im  Gegensatz  zu  Küntzel  und  in  Ueber- 
einstimmung  mit  M.  Lehmann,  der  Ansicht,  dass  York  den  Vertrag  nicht  nur  ohne, 
sondern  gegen  den  ausdrücklichen  Befehl  des  Königs  abgeschlossen  hat.  Er  be- 
urteilt im  übrigen  die  militärische  Lage  für  Preussen  vor  Abschluss  der  Konven- 
tion als  zu  günstig.  Die  Schilderung  der  Sendung  Seydlitz  nach  Berlin  und  der 
Konvention  selbst  ist  aber  von  Küntzel  mit  gut  gehandhabter  Kritik  sehr  lebhaft 
angefochten  worden.172)  —  Von   hervorragender    Bedeutung   für   den    Herbstfeldzug 

150)  X  C.  v.  d.  Boeck,  D.  Königin  Luise  v.  Preussen.  E.  Vorbild  weibl.  Tugenden.  Hist.  Erzähl,  für  d.  Jugend.  Mit 
Farbendr.-Ill.  nach  Orig.-Zeichn.  v.  G.  Anemüller.  8.  Aufl.  L.,  Drewitz  Nachf.  III,  218  S.  M.  4,50.  —  151)  X  P.  Bellardi, 
Königin  Luise,  ihr  Leben  u.  ihr  Andenken  in  Berlin.  B.,  Plahn.  112  S.  M.  1,70.  (Rein  popul.  auf  Grund  d.  im  Vorw.  citierten 
Forschungen  anderer,  mit  bes.  Betonung  d.  Denkm.,  Stiftung.,  Schulen  u.  Einricht.,  welche  d.  Namen  d.  Königin  tragen.)  — 
152)  Ferd.  Schmidt,  Königin  Luise.  E.  Lebensbild.  Mit  3  Bildern  in  Farbendruck  v.  J.  Scholtz.  3.  Aufl.  Glogau,  Flemming. 
146  S.  M.  1,80.  —  153)  X  H-  Müller-Bohn,  D.  Weihnachtsfest  im  Leben  d.  Königin  Luise:  VossZgB.  N.  52.  —  154)  X 
B.  Liebermann,  Königin  Luise  v.  Preussen.  E.  Charakter-  u.  Lebensbild  in  dramat.  Darstellg.  als  christl.  patriot.  Volks- 
festspiel. Judenbach,  Selbstverl.  VII,  71  S.  M.  1,20.  —  155)  G.  Kreyenberg,  Luise,  Königin  v.  Preussen,  ihre  ethische 
u.  päd.  Bedeutung.  E.  Gedenkbl.  z.  24.  Dec.  1893.  B.,  Oehraigke.  34  S.  M.  0,60.  —  156)  X  v-  Kortzf  leisch ,  D.  Herzogs 
Friedrich  Wilhelm  v.  Braunschweig  Zug  durch  Norddeutschland  im  J.  1809.  Mit  1  Bild.,  2  Gefechtsplänen,  1  Uebersichtskarte 
u.  2  Textskizzen.  (Aus  Beiheft  z.  MWB1.  N.  9-10.)  B.,  Mittler,  III,  76  S.  M.  1,75.  (E.  lebhafte,  fast  zu  sehr  ins  einzelne 
gehende  Schilderung  d.  bis  z.  Tollkühnheit  verwegenen  Zuges  auf  Grund  einiger  gleichzeitiger  Aufzeichn.  u.  Veröffentlich.)  — 
157)  X  K.  Janicke,  Briefwechsel  d.  Herzogs  Friedrich  Wilhelm  v.  Braunschweig-Oels  mit  d.  Grafen  Münster  in  d.  J.  1811 — 13: 
MagdZg1'.  N.  43  6.  (D.  Briefw.  betrifft  d.  bestand.  Streben  d.  in  England  sich  aufhaltenden  Herzogs,  sich  wieder  an  d.  Kriege 
gegen  Napoleon  zu  beteiligen.)  —  158)  X  Ad.  Hofmeister,  Johanna  Stegen,  d.  Mädchen  v.  Lüneburg:  ADB.  35,  S  560/2. 
(Gute  Zusammenfass.  d.  bisherigen  Litt,  über  d.  patriot.  Mädchen,  welches  sich  in  d.  Kämpfen  um  Lüneburg  aufopfernd  be- 
thätigte  u.  v.  Rückert,  Varnhagen  u.  Massmann  in  gut  gemeinten  Versen  besungen  wurde.)  —  159)  X  B.  Poten,  Aug.  v. 
Thümen,  General,  1757—1826:  ib.  38,  S.  167/9.  —  160)  X  p-  Goldschmidt,  K.  Frhr.  v.  Stein  z.  Altenstein,  d.  preuse. 
Minister:  ib.  35,  S.  645-60.  —  161)  H.  Delbrück,  D.  Leben  d.  Feldmarsch.  Grafen  Neidhardt  v.  Gneisenau.  In  2  Bd.  2.,  nach 
d.  Ergebnissen  d.  neueren  Forschungen  umgearb.  Aufl.  B.,  H.  Walther.  X,  412  S. ;  371  S.  M.  10,60.  |fC.  Bö  ssler:  Post. 
N.  305.11  —  162)  X  Gneisenau:  Bär  20,  S.  52,  326,  337/8.  —  163)  X  H-  Delbrück,  General  Wolseley  über  Napoleon, 
Wellington,  Gneisenau:  PrJbb.  78,  S.  312-26.  —  164)  OX  A-  Pick,  Graf  N.  v.  Gneisenaus  Briefe  an  Joh.  B.  Siegling,  Prof. 
d.  Math,  in  Erfurt.  Erfurt,  Villaret.  88  S.  Mit  2  Tab.  u.  2  Bildn.  M.  1,60.  —  165)  X  w-  Buchner,  Gneisenau.  E.Lebensbild. 
2.  Aufl.  Lahr,  Schauenburg.  1893.  12°.  IU,  119  S.  Mit  Bild.  u.  1  Karte.  M.  0,75.  -  166)  X  id-.  Scharnhorst.  E.Lebens- 
bild. 2.  Aufl.  ebda.  111  S.  M.  0,75.  —  167)  X  E.  Heinrich,  General  Bülow  v.  Dennewitz.  E.  Held  d.  dtsch.  Befreiungs- 
kriege. (Dtsch.  Jugend-  u.  Volksbibl.  N.  148.)  St.,  Steinkopf.  12°.  155  S.  M.  0,75.  —  168)  X  L.  P.,  D.  Blücher-Denkmal 
zu  Caub:  IllZg.  102,  S.  637.  —  169)  X  A-  v-  Boguslawski,  D.  Landwehr  v.  1813-93.  B.,  Mittler.  28  S.  M.  0,60. 
|[BLU.  S.  174.]|  —  170)  X  K-  Bleibtreu,  D.  russ.  Feldzug  1812.  Studie.  L.,  Friedrich.  143  S.  Mit  2  Karten.  M.  3,00. 
—  171)  T.  Grobbel,  D.  Konvention  v.  Tauroggen.  Diss.  Marburg.  78  S.  |[G.  Küntzel:  FBPG.  7,  S.  285;  0.  Roloff: 
DLZ.  S.  975/6.] |  —  172)  X  Aus  °-  Tageb.  e.  Offiziers  d.  Yorkschen  Corps:  Didask.  1893,  N.  75/7.  (Tag  für  Tag  eingetragene 
Aufzeichnungen   über  d.  Bewegungen   d.  Yorkschen  Corps  v.  27.  März  1813  bis  z.  Abschluss   d.  Waffenstillstandes,   also  u.  a. 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./ 19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.    IV  lb  :  173-178 

von  1813  sind  zwei  sehr  umfassende  kriegsgeschichtliche  Arbeiten,  welche  denselben 
Gegenstand,  die  Kriegsführung  Bernadottes,  behandeln,  freilich  aber  zu  einander  dia- 
metral entgegengesetzten  Ergebnissen  kommen.  Während  die  eine  dieser  Dar- 
stellungen, die  Wiehrs173),  im  Anschluss  an  Swederus  zu  der  Auffassung  gelangt, 
dass  Bernadotte  kein  Vorwurf  treffe,  dass  er  vielmehr  nach  wohldurchdachtem  Plane, 
der  den  Verhältnissen  durchaus  angemessen  war,  handelte,  dass  ihm  daher  der 
Ruhm  der  Schlacht  bei  Dennewitz  gebühre,  die  Tradition  aber,  dass  Bülow  das 
Hauptverdienst  an  dem  Erfolge  dieser  Schlacht  gebühre,  auf  diesen  selbst  zurück- 
gehe und  unbedingt  verworfen  werden  müsse,  vertritt  von  Quistorp174)  in  seinem 
grossen,  ebenfalls  auf  umfassenden  Studien  beruhenden  Werke  die  entgegengesetzte, 
im  wesentlichen  mit  der  Bülowschen  Tradition  übereinstimmende  Anschauung.  Und 
dem  letzteren  haben  sich  fast  alle  Fach-  und  Sachkundigen  angeschlossen.  Der 
Gegensatz  der  Anschauungen  ist  zum  grossen  Teil  dadurch  herbeigeführt  worden, 
dass  merkwürdigerweise  der  historische  Fachmann  die  politische  Stellung  des  schwe- 
dischen Kronprinzen  grundsätzlich  unberücksichtigt  gelassen,  der  militärische  Fach- 
mann aber  sie  eingehend  behandelt  hat.  Dadurch  ist  der  erstere  verhindert  worden, 
die  letzten  Beweg-  und  Erklärungsgründe  der  Bernadotteschen  Strategie,  welche 
doch  recht  eigentlich  den  Schlüssel  zu  ihr  geben,  zu  erkennen.  Für  sehr  viele 
strategische  und  taktische  Einzelheiten  bleibt  aber  auch  W.s  auf  genauer  Kenntnis 
der  Feldakten  beruhende  Darstellung  von  hohem  Wert,  so  z.  B.  seine  eingehende 
Würdigung  des  grossartigen,  umfassenden  strategischen  Planes,  den  Napoleon  bei 
dem  Vorstosse  Oudinots  gegen  Berlin  verfolgte,  den  Davout  von  der  anderen  Seite 
unterstützen  sollte.  Und  so  viel  dürfte  doch  durch  W.  bewiesen  sein,  dass  man  das 
Urteil  über  Bernadotte  gegenüber  den  bisherigen  Darstellungen  doch  etwas  mildern  muss. 

—  Auch  der  Strategie?  Napoleons  selbst  in  dem  Feldzuge  von  1813  ist  eine  kritische 
Untersuchung  Feldmanns175)  zu  teil  geworden,  die  den  grössten  Feldherrn  jener 
Periode  in  etwas  schulmeisterlichem  Tone  sehr  ungünstig  beurteilt.  Zunächst  wird 
ihm  in  politischer  Beziehung  der  Vorwurf  gemacht,  dass  er  den  Frieden,  welchen 
er  sehr  leicht  hätte  haben  können,  nicht  ergriff;  strategisch  und  politisch  zugleich 
bezeichnet  der  Vf.  den  Abschluss  des  Waffenstillstandes  als  einen  unverzeihlichen 
Fehler.  Ebenso  tadelt  er  des  Kaisers  strategisch-taktisches  Verhalten  in  der  Zeit 
zwischen  den  Kämpfen  um  Dresden  und  der  Schlacht  bei  Leipzig,  in  welcher 
Napoleon  in  der  That  durch  den  um  ihn  sich  schliessenden  Ring  der  verbündeten  Heere 
in  immer  grössere  Enge  getrieben  wurde.  In  der  Schlacht  bei  Leipzig  selbst  habe 
er  nach  des  Vf.  Meinung  einen  Missgriff  über  den  anderen  gemacht.  Bei  der  Be- 
weisführung für  diese  etwas  kühnen  Behauptungen  geht  der  Vf.  selbst  aber  wissen- 
schaftlich recht  unmethodisch  vor,  indem  er  nur  sehr  unvollständiges  Quellenmaterial 
benutzt  und  zwar  vornehmlich  die  subjektiv  gefärbten  Memoiren  Macdonalds,  Marbots  usw. 
während  er  die  authentischen  Akten  einschliesslich  der  massenhaft  gedruckt  vor- 
liegenden so  gut  wie  gar  nicht  verwertet.  Dadurch  steht  aber  natürlich  die  Zu- 
verlässigkeit der  Ergebnisse  in  umgekehrtem  Verhältnis  zu  der  Sicherheit,  mit  der 
sie  vorgetragen  werden.  —  Ruhiger  im  Urteil  und  zuverlässiger  in  der  Forschung, 
weil  mit  sorgfältiger  Benutzung  der  Korrespondenz  des  Kaisers  bearbeitet,  ist  die 
Darstellung  des  Feldzuges  Napoleons  in  Sachsen  durch  von  Schimpff176),  welche 
für  die  strategisch-taktische  Geschichte  jener  entscheidenden  Monate  von  hervor- 
ragendem Werte  ist.  —  Speciell  der  Haltung  des  Königs  Friedrich  August  von  Sachsen, 
der  in  dieser  kritischen  Zeit,  unbeirrt  durch  die  Anträge  der  Verbündeten,  an  der 
Seite  Napoleons  aushielt,  ist  eine  Arbeit  Oertels177)  gewidmet,  welche  es  unter- 
nimmt, auf  Grund  der  gleichzeitigen  Flugschriften  und  der  zwischen  den  verschie- 
denen Monarchen  gewechselten  Briefe  das  Festhalten  des  Königs  an  der  Allianz  mit 
Napoleon  zwar  nicht  zu  rechtfertigen,  aber  verständlich  zu  machen  und  zu  ent- 
schuldigen. Doch  dürfte  es  dem  Vf.  kaum  gelungen  sein,  das  „Verstehen  und  Ver- 
zeihen" auf  den  Leser  in  vollem  Mass  zu  übertragen,  wenngleich  er  die  für  den 
König  sprechenden  Momente  der  militärisch-politischen  Lage  geschickt  hervorgehoben 
hat.  —  Ebenso  wenig  wie  in  Dresden  fand  die  Begeisterung,  welche  Preussen  im 
J.  1813  durchbrauste,  zunächst  in  Wien  ein  Echo.  Das  wird  von  neuem  bestätigt 
durch  die  Mitteilungen,  welche  W7ertheimer 178)  über  die  damalige  Stimmung  in 
Wien  gemacht  hat.     Von    feurigem   Patriotismus,    wie    er    im  J.  1809    emporgelodert 

über  d.  Schlacht  v.  Grossgörschen;  trocken  referierenden  rein  taktischen  Charakters,  dazwischen  aber  v.  hoher  patriot.  Be- 
geisterung getragene  Ausführungen,  welche  ein  treffliches  Spiegelbild  d.  damals  in  d.  preuss.  Armee  herrschenden  Geistes  sind.) 

—  173)  E.  Wiehr,  Napoleon  u.  Bernadotte  im  Herbstfeldzug  1813.  B„  Cronbach.  XI,  496  S.  M.  7,50.  |[PrJbb.  73,  S.  1538; 
F.  Meinecke:  FBPG.  6,  S.  639-41 ;  7,  S. 459-77 ; i d. :  HZ.  73,  498-501 ;  LCB1.  S.  1463/4 ;  MHL.  22,  S.  234/8.]|  —  174)  B.  v.  Quistorp, 
Gesch.  d.  Nordarmee  im  J.  1813.  3  Bde.  B.,  Mittler.  XII,  552  S. ;  VIII,  488  S.:  VI,  329  S.  M.  30,00.  |[V.  Kurs:  BLÜ. 
S.  310-11;  s.  ferner  Recensionen  zu  N.  173.]|  —  175)  M.  Feldmann,  Studien  z.  Gesch.  d.  Feldzuges  Napoleons  in  Deutsch- 
land im  J.  1813.  Diss.  Bern.  1893.  84  S.  —  176)  G.  t.  Schimpff,  1813.  Napoleon  in  Sachsen.  Nach  d.  Kaisers  Korresp. 
bearb.  Dresden,  Baensch.  VII,  278  S.  Mit  2  Kartenskizzen.  M.  6,00.  —  177)  F.  G.  J.  Oer  tel,  König  Friedrich  August  v. 
Sachsen  im  J.  1813.  Progr.  Leipzig.  4°.  27  S.  —  178)  Ed.  Wertheimer,  Wien  u.  d.  Kriegsjahr  1813.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Be- 
Jahresberichte für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (4)6 


IV  lb  :  179-188    G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

war,  ist  jetzt  dort  wenig"  zu  spüren.  Die  Wünsche  der  Wiener  schwanken,  ebenso 
wie  die  der  leitenden  Kreise,  unentschlossen  zwischen  Anschluss  an  die  Verbündeten 
und  Neutralität  hin  und  her.  Mehr  kühle  Erwägung  als  nationale  Begeisterung  Hess 
schliesslich  die  Entscheidung  zu  Gunsten  des  Anschlusses  an  die  Verbündeten  fallen. 
—  Wie  sehr  auch  nach  diesem  Anschlüsse  Oesterreichs  in  dem  Hauptquartier  der 
Verbündeten  die  treibenden  Kräfte  auf  preussischer  Seite  waren,  ist  vorlängst  be- 
kannt und  jüngst  durch  eine  in  mehr  als  einer  Beziehung  interessante  Korrespon- 
denz einer  englischen  Dame,  der  Lady  Burghersh,  Nichte  des  Herzogs  von 
Wellington,  bestätigt  worden.  Marie  von  Kraut179)  hat  uns  die  Bekanntschaft 
mit  diesen  Briefen  vermittelt.  Die  Lady  war  mit  ihrem  Gemahl,  der  als  englischer 
Militärbevollmächtigter  dem  österreichischen  Hauptquartier  beigegeben  war,  zumeist 
in  unmittelbarer  Nähe  und  persönlicher  gesellschaftlicher  Berührung  mit  den  leiten- 
den Kreisen  und  hat  über  ihre  Erlebnisse  im  Winterfeldzuge  1813  -  14  sehr  inter- 
ressante  Briefe  (43  an  der  Zahl)  an  ihre  englischen  Verwandten  gerichtet,  welche 
aus  dieser  grossen  Zeit  Episoden  und  Bilder  vorführen,  die  von  politischen  und 
militärischen  Schriftstellern  selbstverständlich  weniger  berücksichtigt  werden  konnten. 
Sie  sind  zunächst  kulturgeschichtlich  wichtig  durch  die  Schilderungen  der  per- 
sönlichen Reiseerlebnisse,  der  Art  zu  reisen,  des  Zustandes  der  Reisewege,  der 
„Gesellschaft"  in  Berlin  und  im  Hauptquartier,  der  Hotels  usw.,  welche  namentlich 
in  den  ersten  Briefen  einen  breiten  Raum  einnehmen.  Historisch  wertvoll  werden 
sie  besonders  durch  die  Erzählungen  über  die  fortdauernden  Meinungsverschieden- 
heiten im  Hauptquartier  der  Verbündeten  und  die  dadurch  herbeigeführten  Ver- 
zögerungen und  Hemmungen  der  Operationen.  Sympathie  und  Bewunderung  widmet 
die  Briefschreiberin  neben  ihrem  heimischen  General  und  Oheim  Wellington  vor 
allem  Blücher  und  überhaupt  den  Preussen,  deren  mutige  und  energische  Haltung 
ihr  Achtung  und  Anerkennung  einflösst.  —  Den  Verhandlungen,  welche  in  der  Zeit 
vom  7.  Nov.  bis  7.  Dec.  1813  zwischen  den  verschiedenen  Verbündeten  und  ihren 
Ministern  in  Frankfurt  gepflogen  worden  sind  und  für  den  weiteren  Fortgang  des 
Feldzuges  von  entscheidender  Bedeutung  waren,  ist  ausserdem  eine  eingehende 
historische  Untersuchung  von  Oncken180)  gewidmet  worden,  welche  auf  Akten  des 
Public  Record  Office  in  London  und  des  Kriegsarchivs  in  Wien  beruht  und  vielfach 
zu  ganz  anderen  Ergebnissen  und  einer  anderen  Gesamtauffassung  geführt  hat,  als 
die  von  Bernhardi  in  seinem  Werke  über  den  General  Toll  vertretene,  gegen 
welche  0.  mehrfach  mit  guter  Begründung  polemisiert.  —  Nach  diesen  Beratungen 
fand  dann  in  der  Neujahrsnacht  1814  der  von  den  Truppen  mit  Jubel  begrüsste 
Uebergang  Blüchers  über  den  Rhein  statt,  dem  Spielmann181)  einen  Erinnerungs- 
artikel gewidmet  hat,  der  indessen  nur  ein  Auszug  aus  Sauers  1892  erschienener  Unter- 
suchung über  denselben  Gegenstand  ist.  —  lieber  den  Feldzug  von  1814  in  Frank- 
reich182) liegt  neben  einigen  mehr  episodenhaften  Schilderungen183-184)  eine  um- 
fassendere und  auf  eingehenden  Studien  beruhende  Darstellung  von  Hillers185) 
vor,  in  welcher  der  Anteil  der  württembergischen  Truppen  an  den  Operationen  den 
Mittelpunkt  bildet.  —  Endlich  finde  hier  noch  Erwähnung  eine  umfassende  kriegs- 
geschichtliche Arbeit  Maags  186),  welche  sich  mit  der  Teilnahme  der  Schweizertruppen 
an  den  Kriegen  Napoleons  beschäftigt.  Sie  beruht  auf  den  eingehendsten  archivalischen 
Studien  und  bringt  eine  Menge  bisher  unbekannter  strategisch-taktischer  Einzelheiten, 
welche  sie  für  jeden  militärischen  Fachmann  geradezu  unentbehrlich  machen,  aber 
auch  dem  Historiker  mannigfache  Anregung  und  Belehrung  darbieten.187)  —  Für 
die  Geschichte  des  Wiener  Kongresses  liegt  nur  eine  kleinere  Abhandlung  L.  v  o  n 
Hirschfelds 188)  vor,  welche  die  Thätigkeit  des  mecklenburgischen  Bevollmächtigten 
von  Plessen  behandelt.  Er  wirkte  eifrig  für  einen  strafferen  Zusammenschluss  der 
deutschen  Einzelstaaten,  insbesondere  für  die  Schaffung  eines  Bundesgerichts,  und 
trat  dem  Partikularismus  der  Mittelstaaten  wiederholt  entgegen.  Seine  Berichte 
bringen  manche  brauchbare  Notiz  über  die  deutschen  Angelegenheiten,  weniger  über 


freiungskriege.  Wien,  Tempsky.  46  S.  M.  1,10.  —  179)  Lady  Burghersh,  später  Comtess  of  Westmorland.  Briefe  aus  d. 
Hauptquartier  d.  verbünd.  Armeen  1813  —  14.  Her.  v.  ihrer  Tochter  Lady  Rose  Weigall;  aut.  Uebers.  aus  d.  Engl.  v.  Marie 
v.  Kraut.  B.,  Mitscher  &  Röstell.  XIII,  150  S.  M.  3,20.  —  180)  W.  Onoken,  Gneisenau,  Radetzky  u.  d.  Marsch  d.  Haupt- 
armee durch  d.  Schweiz  nach  Langres:  DZG.  10,  S.  199-268.  —  181)  C.  Spielmann,  Blüchers  Uebergang  über  d.  Rhein  bei 
Caub:  FZg.  N.  165.  —  182)  X  K-  Bleibtreu,  D.  Imperator  (Napoleon  1814).  2.  (Titel-)  Aufl.  L.,  Friedrich.  X,  452  S. 
Mit  1  Karte.  M.  6,00.  (TJnkrit.  Verhimmelung  Napoleons  u.  Herabsetzung  d.  Kriegführung  d.  Verbündeten.)  —  183)  X 
E.  de  M uralt,  Un  episode  de  1814:  AnzSchwG.  S.  42/5.  —  184)  X  Erlebnisse  e.  mecklenb.-strelitz.  Husaren- Wachtmeisters 
in  d.  Feldzug  v.  1814:  KonsMschr.  S.  1188-95,  1277-89.  —  185)  F.  v.  Hiller,  Gesch.  d.  Feldzugs  1814  geg.  Frankreich  unter 
bes..  Berficksicht.  d.  Anteilnahme  d.  kgl.  wörttemb.  Truppen.  St.,  Kohlhammer.  XII,  481  S.  M.  6,00.  —  186)  Alb.  Maag, 
Gesch.  d.Schweizertrnppen  im  Kriege  Napoleons  I.  in  Spanien  u.  Portugal  (1807-14)  2Bde.  Biel,  E.Kuhn.  1892  -93.  XII,  527  S.;  IV, 
626  S.  ä  M.  8,00.  -  187)  X  R-  T  h  i  m  m ,  Hist.  Tagebuch  d.  Stadt  Tilsit  v.  17.  Dec.  1812  bis  z.  3.  Aug.  1814,  geführt  v.  d.  Stadtsekr.  Salchow . 
Z.  Druck  beförd.  v.  R.  Th.  (=  Beitrr.  z.  Gesoh.  v.  Tilsit,  N.  2.)  Tilsit,  W.  Lohauss.  45  S.  M.  0,50.  (D.  Abdr.  d.  für  d. 
Gesch.  Freussens,  seine  Leiden  u.  d.  seiner  Beamten  in  d.  Kriegsperiode  sehr  interessanten  Tagebuchs  schickt  d.  Her.  e.  kurze 
Lebensgesch.  d.  Vf.  d.  Tagebuches  voraus,  deren  aktenmäss  Quellen  er  d.  in  Königsberg  deponierten  Archive  d.  Stadt  T.  ent- 
nimmt.) —  188»  L.  v.  Hirschfeld,  E.  Staatsmann  d.  alten  Schule:  DRs.  78,  S   86-107.  —  189)  H.  Schütter,   D.  Stellung 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.  •  IV  lb  :  iso-ioa 

die  grosse  Politik.  —  Ein  Nachspiel  zu  der  napoleonischen  Kriegsepoche,  das 
Testament  des  gestürzten  Imperators  und  die  Stellung  der  europäischen  Mächte  zu 
ihm  und  zu  dem  Sohne  Napoleons,  dem  Herzoge  von  Reichstadt,  behandelt  Schütter 189) 
auf  Grund  einer  grossen  Menge  von  Akten,  welche  er  im  Wiener  Haus-,  Hof-  und 
Staatsarchive  fand,  und  welche  ergaben,  dass  England,  Frankreich  und  vor  allem 
Oesterreich  gegenüber  dem  Testamente  des  gestürzten  Gegners  ein  grosses  Gerechtig- 
keitsgefühl an  den  Tag  gelegt  haben.  Namentlich  gilt  das  für  den  Kaiser  Franz 
persönlich,  wie  sich  das  im  ganzen  Verlaufe  dieser,  die  Interessen  des  Herzogs  von 
Reichstadt  sehr  nahe  berührenden  Angelegenheit  zeigte190).  — 

Epoche    der    nationalen   Einheitsbestrebungen.      Die  Frei- 
heitskriege sind  in  ihrem  innersten  Wesen  eine  Reaktion  des  nationalen  Geistes  der 
durch  Napoleon    unterdrückten   und    in   ihrer  Existenz  bedrohten  Völker  gegen  den 
frevelhaften  Plan    einer    unter   französischer   Gewaltherrschaft   stehenden    Universal- 
monarchie.     Die  äussere  Unabhängigkeit  war  durch  den  gewaltigen  Kampf  gesichert, 
jetzt  handelte  es  sich  darum,  für  die  wiedergewonnene  Selbständigkeit  auch  die  Form 
des   nationalen    Staates    zu    erringen.     Dieses    von  den  Regierungen  zunächst  kurz- 
sichtig bekämpfte  und  unterdrückte  Streben  der  deutschen  Stämme  nach  nationaler 
Einheit,    welche    die   ideale  Vorbedingung   für    die    spätere  Aufrichtung    des   neuen 
Reiches  war,    erfüllt  die  Jahrzehnte    nach  den  Freiheitskriegen  und  bildet  in  seinen 
Wirkungen  und  Gegenwirkungen  den  Hauptinhalt  der  deutschen  Geschichte  in  dieser 
Zeit.     Wie   es    den   Anstoss    zu    der   romantischen  Richtung   in    unserer  nationalen 
Litteratur    gegeben     bezw.    erheblich     verstärkt,    wie    es    wesentlich    zu    der    Neu- 
begründung einer  nationalen  wissenschaftlichen  Geschichtsschreibung  beigetragen  hat, 
so  hat   es   in  Flugschriften,  in  der    periodischen   Litteratur   und    in    den    politischen 
Reden  eine  neue  Gattung  der  politischen  Litteratur  begründet,  welche  einen  deutlich 
erkennbaren  Niederschlag  der  einzelnen  Entwicklungsphasen  des  nationalen  Gedankens 
in  Deutschland  bildet.    Dem  einen  Teil  dieser  .Quellen,  den  politischen  Reden,  hat 
man  in  jüngster  Zeit  erhöhte  Aufmerksamkeit  zugewendet.     Eine  verständige  Auswahl 
derselben    unter    diesem  Gesichtspunkte   hat   Flathe191)    veranstaltet.     Sie  beginnt 
bezeichnender  Weise  mit  einer  der  Reden  Fichtes  an  die  deutsche  Nation  und  nimmt 
in   ihrem    ganzen    Inhalt   beständig    Rücksicht   auf  das  in  den  Reden  sich   wieder- 
spiegelnde   Wachsen   und    die    allmähliche  Ausgestaltung    der   nationalen    Idee,    als 
deren  typische,  nach  den   verschiedensten  Richtungen  auseinandergehende  Vertreter 
namentlich   Friedrich   Wilhelm    IV.,    Dahlmann,     Grimm,    Gagern,    Vincke,    Uhland, 
Welcker,  Max  Duncker,  Heinrich  von  Sybel  erscheinen,  die  dann  auch  alle  mit  ver- 
schiedenen  ihrer   bedeutendsten   Reden    in    dieser    Sammlung    vertreten    sind.    Der 
Herausgeber    hat  sich  dabei  bemüht,    seine  Auswahl  ohne  Rücksicht  auf  die  Partei- 
stellung der  einzelnen  Redner  zu  treffen.     Man  wird  daher  in  Bezug  auf  diese  Aus- 
wahl für  die  ältere  Zeit  bis  1848,  wo  der  Strom  noch  weniger  reich  fliesst,  im  allgemeinen 
mit  F.    übereinstimmen,    in  den    späteren    Abschnitten  aber,    in    denen    neben    dem 
nationalen  Gedanken    die    sociale  Frage   eine    stets   wachsende    Bedeutung   gewinnt, 
wird  man  manche  entscheidende  Rede  ungern   vermissen,    z.  B.  die  Bismarcks  über 
die  Militär  vorläge  vom  3.  Febr.  1890,  ferner  irgend  eine  der  grundlegenden  Reden 
desselben    Staatsmannes    über    die    sociale    Reformgesetzgebung.      Zu    bedauern   ist 
auch,  dass  auf  socialdemokratischer  Seite  nur  von  Vollmar,  nicht  aber  August  Bebel, 
ohne  Zweifel  der  glänzendste  Redner  dieser  Partei,    vertreten  ist.     Für  die  uns  hier 
zunächst  angehende  Entwicklung  des  nationalen  Gedankens  in  der  Periode  der  Neu- 
begründung des  Reiches   ist  die  vorliegende  Sammlung  jedenfalls  als  eine  recht  ge- 
schickte zu  bezeichnen.  —  Eine   andere,   diese   ganze  Periode   umfassende  und  noch 
über  dieselbe  hinausreichende  Quellensammlung  von  ganz  verschiedenem  Charakter 
ist  die,  welche   Jäger    und   Moldenhauer ,92)    veranstaltet  haben.     Sie  enthält 
nämlich    zum    Zweck    der    Vertiefung    der    Lektüre    und    des    Unterrichts    in    der 
neueren    und  neuesten  Geschichte   eine   Zusammenstellung   der    wichtigsten    Akten- 
stücke,   Verträge,    Manifeste,    Kundgebungen   der    Regierungen    und    der    Parteien 
in   natürlicher  Zeitfolge   im   Anschluss    an    J.s    Geschichte    der   neuesten   Zeit    vom 
Wiener  Kongress  bis  zur  Gegenwart.    Die  Zusammenstellung  ist  aber  naturgemäss  nur 
wenig  erschöpfend   und,    was  bedenklicher  ist,   ziemlich  willkürlich,    und  auch  sonst 
sind  gegen  die  bei  der  Herausgabe   befolgten  Grundsätze  recht  schwerwiegende  Be- 
denken erhoben  worden.    Für  eigentlich  wissenschaftliche  Zwecke  ist  die  Sammlung 
daher   wenig   verwertbar,    für  Schulzwecke  aber  sehr  dankenswert,    wenn  auch  mit 
Vorsicht   zu   gebrauchen.193)    — 

d.  österr.  Regierung  z.  Testamente  Napoleon  Bonapartes.  Wien,  Tempsky.  248  S.  M.  4,80.  (Aus  AÖG.)  —  190)  X  id-.  D- 
Herz.  t.  Reichstadt:  MIÖG.  15,  S.  114-20.  —  191)  Th.  Flathe,  Dtsch.  Reden.  Quellen  u.  Denkmäler  z.  Vaterland.  Gesch.  d. 
19.  Jh.  2  Bde.  L.,  Biedermann.  1893.  XXXV,  638  B.j  IV,  675  S.  ä  M.  5,00.  |[L0B1.  1893,  8.880;  MHL.  20,  S.  246;  LZg«.  1893, 
N.  68.]|  (Vgl.  JBL.  1893  IV  5  :  605.)  —  192)  0.  Jäger  u.  F.  Moldenhauer,  Ausw.  wichtiger  Aktenstücke  z.  Gesch.  d.  19.  Jh, 
B.,  0.  Seehagen.     XVI,  606  S.     M    9.00.     |rLCBl    S.  1423;  KBGV.  42,  S.  40,1.]|    -   193)  X  O   G.  Mollat,  Quellenbuch  z.   Ge- 

(4)6* 


IV  lb:  194-195-  G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

Weit  zahlreicher  als  diese  die  ganze  Periode  umfassenden  Quellen- 
sammlungen  sind  die  Gesamtdarstellungen,  welche  ihr  im  Berichtsjahre  zu 
teil  geworden  sind.  Da  verdient  dann  natürlich  an  erster  Stelle  hervorgehoben  zu 
werden,  dass  von  dem  grossen  Geschichtswerke  des  jüngst  verstorbenen  nationalen 
Historikers  von  T  r  eit  s  chk  e194"195)  neben  neuen  Auflagen  früherer  Bände  ein 
neuer,  der  fünfte,  erschienen  ist,  welcher  die  geschichtliche  Entwicklung  bis  zum 
Beginn  der  Revolution  von  1848  führt.  Das  gross  an  gelegte  Werk  ist  also  ein  Torso 
geblieben.  Bei  der  grossen  Bedeutung,  welche  dieses  Werk  und  sein  Vf.  für  die 
deutsche  Geschichtsschreibung  beanspruchen  dürfen,  ist  es  unerlässlich,  sein  Wesen 
und  seinen  Charakter  wenigstens  in  den  Grundzügen  auch  hier  klarzulegen.  Mit 
Recht  hat  man  T.  im  Gegensatz  zu  dem  grössten  Meister  der  objektiven  Geschichts- 
schreibung, Leopold  von  Ranke,  als  den  ausgesprochensten  Repräsentanten  der  sub- 
jektivistischen  Richtung  in  der  deutschen  Geschichtsschreibung  bezeichnet.  Etwa 
zwischen  beiden  in  der  Mitte  steht  der  dritte  unserer  grossen  Historiker  der  neueren 
Geschichte,  Heinrich  von  Sybel.  Der  Gegensatz  dieser  beiden  Richtungen  liegt  in 
dem  Grade,  in  welchem  es  dem  einzelnen  Historiker  gelingt,  sein  Selbst  gegenüber 
dem  dargestellten  Gegenstande  zurücktreten  zu  lassen,  was  natürlich  um  so  schwie- 
riger ist,  je  näher  die  darzustellende  Epoche  der  Lebenszeit  des  Geschichtsschreibers 
steht.  Diese  Gradunterschiede  können  natürlich  sehr  beträchtliche  sein  und  sind  es 
im  vorliegenden  Falle.  Man  braucht,  um  sich  ihrer  ganzen  Tragweite  bewusst  zu 
werden,  nur  den  Rankeschen  Satz,  er  wünsche  sein  Selbst  auslöschen  zu  können,  um 
die  Dinge  genau  so  zu  sehen,  wie  sie  waren,  mit  dem  echt  aus  T.schem  Geiste 
hervorgegangenen  Ausspruch  in  der  Vorrede  zu  dem  vorliegenden  fünften  Bande 
seiner  deutschen  Geschichte  zu  vergleichen :  dass  der  Mensch  nur  das  versteht,  was 
er  liebt.  Gewiss  liegt  auch  in  diesem  Satze  eine  tiefe  innere  Wahrheit,  wenn  sie  nur 
nicht  in  der  Anwendung  auf  die  rein  wissenschaftliche  Forschung,  in  der  sie  hier 
erscheint,  auch  den  Gegensatz  zur  logischen  Folge  hätte,  dass  dann  der  Historiker 
nur  über  das,  was  er  liebt,  zu  schreiben  versteht,  das  aber,  was  er  nicht  liebt,  auch 
nicht  zu  verstehen  vermag  und  darum  notwendig  einseitig,  ja  tendenziös  werden  muss. 
Und  bei  allen  glänzenden  Vorzügen,  welche  der  T. sehen  Geschichtsschreibung 
eigen  sind,  ist  doch  nicht  zu  verkennen,  dass  er  dieser  für  den  Geschichtsschreiber 
sehr  schwerwiegenden  Gefahr  nur  zu  oft  erlegen  ist.  Liebe  und  Hass  sind 
Aeusserungen  des  Gemüts  und  nicht  des  Verstandeslebens,  die  bei  der  rein  wissen- 
schaftlichen Thätigkeit  des  Forschens  und  Erkennens  nicht  mitsprechen  dürfen  und 
sollen.  Ganz  gewiss  wird  die  Macht  des  Gemüts  in  der  historischen  Darstellung, 
welche  zugleich  Wissenschaft  und  Kunst  ist,  sich  unwiderstehlich  geltend  machen,  und 
eine  Darstellung,  in  welcher  sie  den  unbefangenen  und  ohne  Hass  und  Liebe  fest- 
gestellten Thatsachenbestand  künstlerisch  gestaltet,  wird  hinreissen  und  begeistern 
können,  wie  das  ja  der  T. sehen  Darstellungsweise  wie  kaum  einer  anderen  gelungen 
ist.  Verhängnisvoll  wird  die  subjektivistische,  von  Gemütsbewegungen  beeinflusste 
Darstellung  erst  dann,  wenn  die  Empfindungen  von  Hass  und  Liebe  auch  auf  die 
Erforschung  der  Thatsachen  selbst  Einfluss  gewinnen.  Denn  dadurch  muss  das  wahre 
Bild  der  Vergangenheit  notwendig  verschoben  werden,  je  nachdem  Hass  oder  Liebe 
dem  Vf.  die  Feder  geführt  hat.  Hierin  eben  liegt  der  stark  ausgeprägte  Subjektivismus 
T.s,  der  mit  allen  seinen  vorteilhaften  und  nachteiligen  Wirkungen  in  seinen  Werken 
so  augenfällig  zu  Tage  tritt.  Dabei  zeigen  sich  die  vorteilhaften  Eigenschaften  dieser 
mit  Hass  und  Liebe  geschriebenen  Geschichte  naturgemäss  am  meisten  dann,  wenn 
es  sich  um  die  Darstellung  einer  grossen,  die  Gesamtheit  des  eigenen  Volkes  er- 
greifenden Bewegung,  wie  der  des  nationalen  Befreiungskampfes  gegen  Napoleon, 
handelt,  die,  in  ihrem  Wesen  einheitlich,  in  der  That  vom  Gemüt  erfasst  und  be- 
griffen werden  kann.  Bei  solchen  Darstellungen  offenbart  sich  gewiss  die  ganze 
Wucht  und  Grösse  der  Begabung  dieses  redegewaltigsten  unter  allen  unseren  neueren 
Historikern.  Ganz  anders  aber  wird  das  Bild,  sowie  die  Darstellung  des  feindlichen 
Ringens  verschiedener  Strömungen  im  Volksleben  in  Frage  kommt.  Da  muss  es 
gerade  die  vornehmste  Aufgabe  des  Historikers  sein,  bei  der  Prüfung  des  historischen 
Werdeganges  Hass  und  Liebe,  so  weit  das  menschenmöglich  ist,  schweigen  zu  lassen 
und  nur,  von  wissenschaftlichem  W7ahrheitsdrange  geleitet,  unbefangen  zu  unter- 
suchen, wie  in  dem  Ringen  verschiedener  Kräfte  und  Ideen  Recht  und  Wahrheit  auf 
beiden  Seiten  verteilt  war,  und  wie  dann  gerade  aus  dem  Kampf  entgegengesetzter  Welt- 
kräfte die  Fortentwicklung  des  geschichtlichen  Lebens  sich  gestaltet  hat.  Diese  Gabe, 
welche  die  schwerste  Kunst  des  Historikers,  auch  dem  Gegner  gerecht  zu  werden,  in 
sich  schliesst,  ist  T.  versagt  geblieben,  und  dadurch  hat  er  oft  statt  historisch  wahrer 


schichte  d.  dtsch.  Politik  im  19.  Jh.  L.,  Haessel.  293  S.  M.  3,00.  —  194)  H.  v.  Treitschke,  Deutsche  Gesch. 
im  19.  Jh.  1.  T.  Bis  z.  2.  Pariser  Frieden.  5.  Aufl.  2.  T.  Bis  zu  d.  Karlshader  Beschlössen.  4.  Aufl 
=  Staatengesch.  d.  neuesten  Zeit  Bd.   25  u.  28.)   L.,  S.  Hirzel.   IX,  795  S.;  VIII,  640  S.    M.  10,00;  M.  9,00.-195)  (VIla:6.) 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.    IV  lb  :  los 

Bilder  Zerrbilder  der  Vergangenheit  gegeben,  und  zwar  in  einem  Masse,  dass  man 
mit  Recht  behauptet  hat,  die  deutsche  Geschichtsschreibung  könne  den  gesteigerten 
T.schen  Subjektivismus  nur  ertragen,  weil  ihm  in  Ranke  und  seiner  Schule  ein  so 
gewaltiges  geistiges  Gegengewicht  gegenüberstehe.  Die  mit  dieser  Richtung  T.s 
verbundenen  Gefahren  machen  sich  aber  um  so  mehr  fühlbar,  als  die  individuelle 
Auffassung,  von  der  seine  geschichtliche  Darstellung  bestimmend  beeinflusst  wird, 
im  Verlaufe  der  beiden  Jahrzehnte,  in  denen  seine  deutsche  Geschichte  entstanden 
ist,  keineswegs  immer  die  gleiche  gewesen  ist.  Mit  jeder  Veränderung  der  politischen 
Grundanschauung  des  Vf.  hat  sich  aber  auch  der  Standpunkt,  von  dem  aus  er  die 
geschichtlichen  Vorgänge  betrachtet,  verändert,  so  dass  er  im  fünftem  Bande  in  mehr 
als  einer  Beziehung  ein  wesentlich  anderer  ist  als  im  ersten.  Daher  finden  sich 
in  dem  T.  des  fünften  Bandes,  der,  namentlich  durch  seine  antisemitischen  Neigungen 
beeinflusst,  dem  Liberalismus,  dem  er  selbst  früher  gehuldigt  hatte,  fast  völlig  feind- 
selig gegenübersteht,  eine  Reihe  von  einzelnen  Aeusserungen  und  Urteilen,  welche 
bei  dem  T.  des  ersten  Bandes  völlig  unmöglich  gewesen  wären  und  mit  der  histo- 
rischen Gerechtigkeit  nicht  immer  zu  vereinbaren  sind,  z.  B.  das  im  wesentlichen 
abfällige,  zuweilen  ironisch-spöttische  Urteil,  welches  über  einen  so  ehrenwerten  und 
charaktervollen  Mann  wie  Vincke  gefällt  wird,  der  sicher  von  einem  objektiver  an- 
gelegten Konservativen,  wie  etwa  gar  von  Ranke  selbst,  zutreffender  und  gerechter 
beurteilt  worden  wäre,  als  von  dem  so  stark  subjektivistischen  ehemaligen  Liberalen  T. 
Der  letztere  verliert,  wenn  sein  Urteil  über  eine  Person  oder  einen  historischen  Vor- 
gang einmal  feststeht,  nicht  selten  die  Fähigkeit,  die  gegen  dieses  Urteil  sprechenden 
Quellen  unbefangen  zu  verwerten.  Vincke  ist  ihm  der  liberale  Doktrinär,  der  dann, 
ohne  dass  dies  Urteil  an  seinen  einzelnen  Handlungen  und  Aeusserungen  geprüft  wird, 
stets  mit  einem  kurzen  und  packenden,  sehr  oft  aber  wTenig  zutreffenden  Urteil  abgethan 
wird.  Und  je  mehr  sich  der  Vf.  in  seinen  Zorn  hineinredet,  um  so  häufiger  geht 
ihm  seine  Beredsamkeit  mit  dem  ruhig  abwägenden  Urteile  durch.  Namentlich  ist 
das  dann  der  Fall,  wenn  seine  antisemitischen  Neigungen  Einfluss  auf  ihn  gewinnen. 
Da  operiert  er  in  der  That  nicht  selten  mit  Urteilen  und  Behauptungen,  die  in  ihrer 
allgemeinen  und  unbeweisbaren  Form  mit  den  antisemitischen  Schlag  Worten  der 
Gegenwart  eine  bedenkliche  Aehnlichkeit  besitzen.  Aeusserungen  der  Presse,  welche 
ihm  unsympathisch  sind  oder,  oft  mit  Recht,  als  für  unser  Volkstum  verderblich  er- 
scheinen, werden  ohne  weiteren  Beweis  der  „jüdischen  Presse",  den  „Pressjuden"  usw. zu- 
geschrieben; den  Juden,  unter  denen  damals  nicht  minder  als  heute,  wie  T.  selbst 
hie  und  da  zugeben  muss,  viele  wirklich  patriotisch  gesinnte  Männer  waren,  wird 
in  ihrer  Gesamtheit  mit  der  sehr  bezeichnenden  Ausnahme  Stahls  die  „lebendige 
Staatsgesinnung"  abgesprochen.  Das  Alles  natürlich  in  kurzen,  souveränen  Sätzen, 
ohne  die  Spur,  ohne  den  Versuch  eines  Beweises.  Und  gerade  da,  wo  eine  ein- 
gehende sachliche  Beweisführung  unumgänglich  notwendig  wäre,  wo  der  Vf.  den 
Ansichten  seiner  Vorgänger  schroff  entgegentritt,  begegnen  uns  statt  dieser  Beweis- 
führung* schroffe  und  wenig  motivierte  subjektive  Urteile,  gerade  da  häufen  sich  die 
Epitheten,  die  mit  wenigen  Worten  viel  beweisen  wollen  und  doch  nichts  beweisen. 
Natürlich  aber  stehen  —  wer  wollte  das  leugnen!  —  diesen  unzweifelhaften  Schatten- 
seiten der  subjektivistischen  Richtung  T.s  ebenso  unbestreitbare  Vorzüge  gegenüber, 
denen  er  viele  der  grössten,  edelsten  und  besten  Seiten  seiner  historischen  Auffassung* 
und  Darstellung  verdankt.  T.  ist  eben  mehr  Epiker  als  Historiker,  mehr  Künstler 
als  Gelehrter.  Seine  Darstellung  ist  von  einer  plastischen  und  dramatischen  Lebendig- 
keit, von  einer  Farbenpracht  und  Tiefe  der  Empfindung,  von  einer  Gewalt  der 
Leidenschaft,  wie  man  sie  in  einem  rein  subjektiven,  ruhig  wissenschaftlich  ab- 
wägenden, gelehrten  Werk  niemals  finden  wird.  Die  einzelnen  handelnden  Personen 
treten  uns  greifbar  und  menschlich  verständlich  entgegen.  Mit  wenigen  bezeichnenden 
Strichen  erreicht  T.  oft  grössere  Klarheit  und  innere  Wahrheit,  als  andere  mit  aus- 
führlichen und  sorgfältig  abwägenden  Charakteristiken.  Die  Sachlage  ist  bei  dieser 
Art  der  Geschichtsschreibung  oft  ähnlich  wie  bei  den  grossen  historischen  Dramen 
unserer  Dichter,  welche  auch  nicht  in  allen  Einzelheiten  der  geschichtlichen  Wahrheit 
entsprechen  und  doch  in  der  Hauptsache,  in  der  psychologischen  Motivierung  und  Ge- 
staltung, einen  hohen  Grad  innerer  Wahrheit  erreichen.  Dabei  ist  aber  T.s  Werk  trotz 
dieses  stark  ausgeprägten,  dichterisch  gearteten  Subjektivismus  ein  glänzendes  Zeugnis 
erstaunlicher  Belesenheit  und  Gelehrsamkeit,  ein  vollgültiger  Beweis  dafür,  dass  T. 
sich  die  grösste  Mühe  gegeben  hat,  seinen  ungestüm  vorwärts  drängenden,  schöpfe- 
rischen Geist  durch  genauestes  Quellenstudium,  zuweilen  in  den  trockensten  Akten- 
massen der  Archive,  zu  drillen  und  zu  zähmen.  Nur  in  der  Art,  wie  er  die  Ergeb- 
nisse dieser  Quellenforschung  zu  einem  einheitlichen  Bilde  gestaltet,  tritt  seine 
dichterisch  lebhafte  Natur  immer  wieder  klar  zu  Tage,  die  zuweilen  der  Quellen- 
forschung als  mächtiges  Förderungsmittel  zur  Seite  steht.  Eine  so  glänzende,  liebevolle 
und  für  die  feinsten  psychologischen  Regungen  eines  unvergleichlich  reichen  Geistes 


IV  lb  :  195-196  Gr.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

verständnisvolle  Charakteristik,  wie  sie  T.  z.  B.  von  Friedrich  Wilhelm  IV.  entworfen 
hat,  lässt  sich  in  der  That  allein  aus  der  Lektüre  der  Akten  nicht  gewinnen,  sie 
beruht  zum  grössten  Teile  auf  dem  liebevollen  Sichversenken  in  die  Individualität 
des  Königs,  für  die  der  Vf.  aus  dem  eingehenden  Studium  seines  Lebens  die  Grund- 
lage gewonnen  hat,  die  er  dann  aber  mit  feinem  Takt  und  Verständnis  zu  einem 
abgeschlossenen  und  innerlich  wahren  Bilde  zu  ergänzen  versteht.  Man  merkt  ihm 
dabei  die  Freude  an,  womit  er  sich  in  die  widerspruchsvolle  Natur  des  Königs 
vertieft  und  sich  bestrebt  hat,  die  mannigfachen  inneren  Wandlungen  zu  erforschen, 
aus  denen  sich  die  Widersprüche  der  Weltanschauung  wie  der  Handlungsweise  des 
Königs  begreifen  und  erklären  lassen.  Wir  verstehen  wohl  den  patriotischen  Schmerz, 
mit  dem  T.  den  unausbleiblichen  Enttäuschungen  nachgeht,  die  dem  Könige  eben 
infolge  der  tiefen  Widersprüche  seines  eigenen  Wesens  und  der  bei  allem  geistigen 
Reichtum  doch  dilettantischen  Art  seines  persönlichen  Eingreifens  in  die  Staats- 
geschäfte nicht  erspart  bleiben  konnten.  Die  Art,  wie  T.  diese  Entwicklung  von  den 
ersten  Tagen  froher  Erwartung,  da  man  von  dem  für  alles  Grosse  und  Hohe  em- 
pfänglichen Könige  die  Erfüllung  der  alten  Wünsche  und  Ideale  des  Volkes  erwartete, 
bis  zu  dem  Vorabend  des  furchtbaren  tragischen  Zusammenbruchs  schildert,  ist  von 
einer  unvergleichlichen  Frische,  Lebendigkeit  und  Anschaulichkeit.  Von  ganz  her- 
vorragendem Werte  ist  namentlich  die  Darstellung  der  Entwicklung  des  Zollvereins 
und  seiner  Bedeutung  für  die  Gestaltung  der  deutschen  Einheit,  welche  T.,  schon 
ehe  er  an  die  Abfassung  seiner  „Deutschen  Geschichte"  ging,  zum  Gegenstande  ein- 
gehendsten Studiums  gemacht  hat.  Im  Anschluss  hieran  werden  in  einem  auf  tief- 
eindringenden Studien  beruhenden  Kapitel  die  der  Revolution  von  1848  vorher- 
gehenden wirtschaftlichen  Zustände  und  Bewegungen  einer  genauen  Betrachtung 
unterzogen,  wobei  dann  freilich  die  persönlichen  Anschauungen  des  Vf.  wieder  oft  zu 
recht  schroffen,  ungerechten  Urteilen  führen.  Mit  ganz  besonderer  Vorliebe  verweilt 
dabei  der  zu  den  Schutzzöllnern  strengerer  Observanz  (im  Gegensatz  zu  seinen  frü- 
heren Anschauungen)  neigende  Vf.  bei  dem  grossen  Nationalökonomen  Friedrich  List. 
Mit  derselben  Gründlichkeit  und  erstaunlichen  Belesenheit  in  der  umfassenden 
gleichzeitigen  Litteratur  werden  aber  auch  die  anderen  Gebiete  des  kulturellen  und 
geistigen  Volkslebens  geschildert.  Diese  im  engeren  Sinne  kulturhistorischen  Kapitel 
reihen  sich  den  politisch  historischen  mit  ihrer  reichen  Fülle  von  Charakteristiken 
von  einzelnen  handelnden  Personen  würdig  an,  wenngleich  auch  hier,  namentlich 
in  der  oft  unbillig  scharfen  Beurteilung  Heines  und  der  jungdeutschen  Schule,  der 
stark  hervortretende  subjektivistische  Zug  zu  vorsichtiger  und  sorgfältiger  Nach- 
prüfung der  sehr  bestimmt  und  apodiktisch  auftretenden  Urteile  des  Vf.  herausfordert. 
—  Jedenfalls  wird  daher  derjenige,  der  ein  selbständiges  Urteil  über  die  komplizierten 
Vorgänge  des  geschichtlichen  Lebens  jener  bewegten  Periode  sich  noch  nicht  er- 
rungen hat,  gut  thun,  sich  der  geschickten  und  hinreissenden,  aber  oft  auch  sehr 
gefährlichen  Führung  des  Vf.  nicht  allzu  unbedingt  hinzugeben,  sondern  sich,  um 
zu  einem  möglichst  objektiven  Bilde  zu  gelangen,  auch  bei  Historikern  von  minder 
ausgeprägtem  Subjektivismus  Rats  zu  erholen.  Ein  solches  Werk  liegt  über  dieselbe 
Periode,  welche  Treitschke  in  den  ersten  Bänden  seiner  deutschen  Geschichte  behandelt 
hat,  jetzt  von  Alfred  Stern196)  vor.  Es  kann  sich  allerdings  an  Glanz  und 
Pracht  der  Darstellung  und  an  Redegewandtheit  mit  Treitschkes  Werk  nicht  an- 
nähernd messen,  aber  es  zeigt  ohne  Zweifel,  obwohl  der  persönliche  liberale  Stand- 
punkt des  Vf.  keineswegs  verhüllt  wird,  bei  ebenso  gründlicher  Forschung  doch 
intensiver  das  Bestreben,  auch  in  der  Darstellung  der  Forschungsergebnisse  ruhig  und 
unbefangen  zu  urteilen  und  Recht  und  Unrecht  nach  beiden  Seiten  gleich  abzuwägen 
und  zu  verteilen.  Der  Vf.  hat  ebenso  wie  Treitschke  schon  durch  frühere,  die 
Treitschkes  nicht  selten  schroff  angreifende  Forschungen  bewiesen,  dass  er  sich 
in  den  Quellen  umfassend  umgethan  hat  und- auf  Grund  einer  ausreichenden  Kennt- 
nis derselben  ein  wohlerwogenes  Urteil  abzugeben  vermag'.  Zwar  haben  wir  es  hier 
nicht  mit  der  Arbeit  einer  so  reichen  und  durch  und  durch  individuellen  Natur  zu 
thun,  wie  Treitschke  es  ist,  wohl  aber  liegt  auch  hier  das  Ergebnis  einer  eifrigen 
und  ernsten  wissenschaftlichen  Gedankenarbeit  vor,  deren  Resultate  die  Treitschkes 
in  vielen  Punkten  ergänzen,  in  anderen  mit  gründlicherer  Motivierung  zu  berichtigen 
geeignet  sind.  Der  Rahmen,  den  sich  der  Vf.  gesteckt  hat,  ist  ein  weiterer  als  der 
Treitschkes;  er  behandelt  nicht  allein  die  deutsche,  sondern  die  gesamte  europäische 
Geschichte  seit  dem  Wiener  Kongress  und  hat  daher  namentlich  auch  grosse  Sorg- 
falt auf  die  Geschichte  der  auswärtigen  Politik  gelegt,  welche  in  Treitschkes  Werk 
gemäss  dem  ganzen  Inhalt  der  von  ihm  geschilderten  Periode  der  deutschen 
Geschichte  naturgemäss  mehr  zurücktritt.  Diese  durchaus  unparteiischen,  und 
auf  strenger    und   umfassender    archivalischer    Forschung    beruhenden    Teile   seines 


|[LCB1.  S.  1761/2;  BüßS.  64,  S.  622/7;  B.  Gebhardt:  Geg.  46,  S.  278-82;  G.  Winter:  BLU.  .S.  69-73.JJ  —  196)  Alfr.  Stern, 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.    IV  1  b  :  197-203 

Werkes  haben  daher  allseitig"  die  grösste  Anerkennung  gefunden.  Der  vorliegende 
erste  Band  führt  die  Darstellung  vom  Wiener  Kongress  bis  zu  den  Karlsbader  Be- 
schlüssen. Benutzt  sind  ausser  den  gedruckten  Quellen  die  Archive  von  Berlin, 
Paris,  Wien,  Florenz  und  Bern.  —  Ausserdem  liegt  noch  eine  im  wesentlichen 
populäre  Zwecke  verfolgende  knappe  Schilderung  der  gesamten  deutschen  Geschichte 
des  19.  Jh.  im  Umriss  mit  guter  Hervorhebung  der  Hauptlinien  von  Salomon 197)  vor,  die 
sich  freilich  im  Wesentlichen  auf  das  politische  Gebiet  beschränkt  und  auch  hier  in 
keiner  Weise  nach  erschöpfender  Vollständigkeit  strebt.  Nur  ab  und  zu  wird  ein 
kurzer  Blick  auf  das  litterarische  und  wirtschaftliche  Gebiet  geworfen,  doch  können 
diese  kurzen  und  episodenhaften  Schilderungen  keinen  Anspruch  auf  selbständige, 
auf  einer  einheitlichen  Durchdringung  des  Ideengehalts  der  Epoche  beruhende  Be- 
deutung erheben.  Im  übrigen  ist  das  Streben  nach  Unparteilichkeit  in  der  Schil- 
derung der  einzelnen  Personen,  Parteien  und  politischen  wie  geistigen  Richtungen 
anzuerkennen.198)  —  Eine  weitere  rein  populäre,  aber  zur  vorläufigen  Orientierung- 
gut  unterrichtende  Gesamtdarstellung  von  V  o  1  z l")  ist  in  neuer  Auflage  erschienen.  — 
Ebenso  liegt  von  dem  infolge  seiner  fesselnden  und  übersichtlichen  Darstellung  beim 
gebildeten  Publikum  sehr  beliebten,  geschickt  geschriebenen  Werkchen  Stackes, 
welches  nicht  ein  einheitliches,  abgerundetes  Bild  der  historischen  Entwicklung*, 
sondern  einzelne  abgeschlossene  Erzählungen  darbietet,  eine  neue,  von  Stein200) 
fortgeführte  Ausgabe  vor.  Das  Buch  erhebt  nicht  den  Anspruch,  wissenschaftlich  Neues 
zu  bieten,  giebt  aber  eine  gute  Zusammenfassung  der  bisherigen  gesicherten  Ergeb- 
nisse der  Forschung.  —  Ausser  diesen  rein  historischen  Büchern  über  die  geschicht- 
liche Entwicklung  unseres  Jh.  sind  noch  einige  Arbeiten  erschienen,  welche  auf  den 
Grenzgebieten  historischer,  politischer  und  litterarischer  Arbeit  stehen  und 
die  geschichtliche  Entwicklung  nur  unter  einem  bestimmten  Gesichtswinkel  der 
gesamten  Weltanschauung  betrachten.  Einige  davon  wollen  sich  über  die  histori- 
schen und  nationalen  Momente  klar  werden,  auf  denen  die  nach  schweren  Opfern 
und  Kämpfen  errungene  nationale  Einheit  beruht,  und  streben  dabei  zugleich 
politisch  nationale  Ziele  für  die  Gegenwart,  für  die  Erhaltung  des  Errungenen 
an201"202).  - 

Ein  sehr  eigenartiges,  auf  selbständigem  Denken  und  einer  durchaus 
einheitlichen  Weltanschauung  beruhendes,  teils  historisches,  teils  philosophisches 
Buch  ähnlicher  Art  hat  in  der  Berichtsperiode  mit  dem  zweiten  Bande  seinen  Ab- 
schluss  erreicht.  Etwa  E.  M.  Arndts  „Geist  der  Zeit"  mag-  dem  Vf.  Duboc203) 
als  Muster  vorgeschwebt  haben.  Das  Buch  sucht  sich  über  die  in  unserer 
Zeit  wirksamen  geistigen  Kräfte  und  deren  Charakter  und  historische  Genesis  klar 
zu  werden  und  berücksichtigt  dabei  alle  geistigen  und  politisch-socialen  Strömungen 
des  Volkslebens.  Eben  weil  der  Vf.  eine  eigenartige,  von  inneren  Widersprüchen 
nicht  freie  Individualität  ist,  wird  er  mit  seinen  Anschauungen  bald  hier,  bald  dort 
lebhaften  Anstoss  und  Widerspruch  erregen,  und  auch  seine  historischen  Deduktionen 
sind  zuweilen  von  einem  recht  schiefen,  dem  wahren  Wesen  der  Dinge  nicht  ganz 
entsprechenden  Gesichtspunkte  aufgefasst,  aber  überall  begegnet  man  dem  energischen 
Streben,  den  Dingen  auf  den  Grund  zu  gehen  und  dem  Leser  einen  Einblick  in  die 
wirklich  treibenden  Kräfte  des  Kulturlebens  unserer  Zeit  zu  verschaffen.  Sehr  merk- 
würdig und  oft  zu  starkem  Widerspruch  anreizend  ist  z.  B.  seine  Auffassung  der 
Aera  Bismarck,  die  er  im  Gegensatz  zu  dem  patriarchalischen  und  dem  bornierten 
Despotismus  früherer  Perioden  als  fakultativen  Despotismus  bezeichnet.  Dabei  hat 
er  bei  der  historischen  Charakterisierung  Bismarcks  doch  gerade  den  wesentlichen 
Punkt  übersehen,  dass  die  welthistorische  Grösse  dieses  Mannes  gerade  nicht  in 
seinen  despotischen  Neigungen,  sondern  darin  zu  sehen  ist,  dass  er  die  Macht  des 
im  Volke  lebenden  nationalen  Gedankens  erkannt  und  mit  den  Machtmitteln 
realer  Politik  zur  Verwirklichung  gebracht  hat.  Dass  er,  um  das  zu  erreichen,  in 
der  Durchführung  dieses  im  Volke  lebenden  Gedankens  zuweilen  in  der  That  despo- 
tisch verfuhr,  ist  thatsächlich  nur  ein.accidentelles  Moment  in  seiner  geschichtlichen 


Gesch.  Europas  seit  d.  Vertrr.  v.  1815  bis  z.  Frankf.  Frieden  v.  1871.  1.  Bd.  B.,  Besser.  XVI,  655  S.  M.  10,00  —197)  L.  Salomon, 
Deutschlands  Leben  n.  Streben  im  19.  Jh.  St.,  Levy  &  Müller.  1893.  X  V,  326  S.  M.  4,50.  J[NatZg.  N.  64 ;  G.  W  i  n  t  e  r :  BLU.  S.  279.] | 
—  198  X  Georgiana  von  Bloomfield,  Europ.  Höfe  u.  deren  Diplomatie  seit  1S42.  "Antor.  Uebersetz.  aus  d.  Engl.  v.  Ida  Goeken. 
2  Tle.  in  1  Bd.  2.  (Titel-)  Ann.  B,  II.  Steinitz.  XIII,  217  S.;  VII,  308  S.  M.  5,00.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  1  b  :  9.)  —  199)  B. 
Volz,  Gesch.  Deutschlands  im  19.  Jh.  v.  Lüneviller  Frieden  bis  z.  Tode  Kaiser  Wilhelms  I.  2.  (Titel-)  Aufl.  Mit  24  Vollbild. 
L.,  Spamer.  1S93.  VIII,  622  S.  M.  6.00.  (1.  Aufl.  1890.)  —  200)  L.  Stacke,  Erzählungen  aus  d.  mittleren,  neuen  u.  neuesten 
Gesch.  3.  T.  Neueste  Gesch.  (1815-90).  6.  Aufl.,  durchges.  u.  ergänzt  u.  v.  1881-90  fortgef.  v.  H.Stein.  Oldenburg, 
Stalling.  XII,  699  S.  M.  5,50.  —  201)  X  Reüg  u.  nat.  Bewusstsein.  E.  gesell.  Ueberblick  mit  Hinweis  auf  d.  Gegenw.  V. 
Herausgeber  d.  „Dtsch.  Volksbibel'.  L.,  Rust.  IV,  27  S.  M.  0,40.  (Strebt  e  Erneuerung  d.  Volkslebens  auf  eittl.,  relig.  u. 
nat.  Grundlage  mit  scharfer  Polemik  geg.  konfessionelle  Beschränktheit,  gegen  Jesuitismus  u.  Orthodoxie,  aber  auch  mit  leichter 
antisemitischer  Anwandlung  an.)  —  202)  X  D.  Einigung  Deutschlands.  Betrachtung  v.  e.  Mecklenburger.  Dresden,  H.  Minden. 
131  S.  M.  2,00.  1|DR.  4,  S.  254.  („D.  Einigung  Deutschlands  «fll  (Verständige  u.  sachliche,  aber  nichts  irgendwie  Neues  u. 
Eigenartiges  bietende  Skizze  d.  Genesis  d.  dtsch.  Einheit  v.  d.  Tagen  d.  franz.  Revolution  bis  z.  Gegenw.,  wobei  d.  geistigen 
Arbeit  d.  Volkes  d.  ihr  gebührende  Raum  neben  der  polit.  That  Bismarcks  eingeräumt  wird.)         203)  J.  Duboc,  100  J.  Zeit- 


IV  lb  :  203-208    G.Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

Wirksamkeit  und  daher  bei  der  Beurteilung"  des  Einflusses,  welchen  die  Aera 
Bismarck  auf  den  Volksgeist  ausgeübt  hat,  nur  von  sekundärer  Bedeutung.  Immer- 
hin bleibt  die  Darstellung  dieser  Einwirkung  namentlich  auf  die  Entwicklung  der 
politischen  Parteien  eine  sehr  selbständige  und  beachtenswerte  Leistung,  auch  in 
ihrer  historischen  Begründung.  Nicht  minder  wird  man  auch  an  anderen  Stellen 
lebhafte  Einwände  gegen  die  Auffassung  des  Vf.  erheben  können  und  müssen,  im 
ganzen  aber  ist  das  Buch  trotz  allem  Verkehrten  und  Verzeichneten  historisch  wie 
litterarisch  wegen  der  Selbständigkeit  seiner  Auffassung  eine  entschieden  erfreuliche 
Erscheinung.204) —  Endlich  möge  hier  noch  eine  sehr  tüchtige  und  gründliche,  mehr 
litterarhistorische  Untersuchung  Richard  Schröders 205)  Erwähnung  finden, 
die  mehr  durch  ihren  Ausgangspunkt  als  durch  ihren  eigentlichen  Inhalt  hierher 
gehört.  Sie  verfolgt  nämlich  die  Kyffhäusersage,  welche  nach  der  Neubegründung 
des  Reiches  besonders  lebhaft  die  allgemeine  Aufmerksamkeit  wieder  auf  sich 
gelenkt  hat,  auf  ihren  historischen  Ursprung  zurück.  Er  weist  an  der  Hand  der 
neuesten  Forschungen,  namentlich  der  Grauerts,  darauf  hin,  dass  sich  diese  Sage 
im  Mittelalter  ursprünglich  nicht  auf  Friedrich  Barbarossa,  sondern  auf  Friedrich  IL 
bezogen  hat,  und  dass  erst  ein  1519  gedrucktes  Volksbuch  die  beiden  Kaiser  mitein- 
ander vermengt.  Durch  das  unsterbliche  Rückertsche  Gedicht  hat  die  Sage  dann 
ihre  heutige  Gestalt  erhalten.  Ihre  Wurzel  hat  sie  in  althistorischen  Vorstellungen 
vom  Ende  der  Welt.  Schon  bald  nach  Friedrichs  II.  Tode  enstand  das  Gerücht, 
der  Kaiser  sei  gar  nicht  gestorben,  sondern  halte  sich  nur  verborgen.  Auf  diese 
Gerüchte  stützten  sich  dann  die  falschen  Friedriche,  die  wiederholt,  namentlich  unter 
Kaiser  Rudolf  von  Habsburg,  auftraten.  Weiter  ausgestaltet  wurde  die  Sage  im 
15.  Jh.  durch  Johann  von  Winterthur  u.  a.  und  erhielt  bald  eine  aus- 
gesprochene antipäpstliche  und  antiklerikale  Tendenz.  Ein  Meistersingerlied  des  14.  Jh., 
welches  die  Sage  darstellt,  und  mehrere  andere  Gedichte  aus  derselben  Zeit  werden 
vom  Vf.  teils  eingehend  besprochen,  teils  im  Wortlaut  abgedruckt.  Er  verfolgt  dann 
die  eigenartige  Entwicklung,  welche  die  Sage  in  den  thüringisch-meissnischen  Ländern 
durchgemacht  hat,  wo  sie  auf  Landgraf  Friedrich  den  Freidigen  (gest.  1324)  bezogen 
wurde,  der  mütterlicherseits  ein  Enkel  Friedrichs  IL  war.  Von  Luther  wurde  sie 
dann  in  der  Schrift  „Vom  Missbrauch  der  Messe"  in  scherzhafter  Weise  auf  Friedrich 
den  Weisen  angewendet.  Aus  dieser  lokalisierten  Wettiner  Sage  ist  die  Kyffhäuser- 
Sage  entstanden;  der  thüringische  Chronist  Johann  Rothe  ist  der  erste,  der  von  der 
Entrückung  Kaiser  Friedrichs  IL  in  den  Kyffhäuser  erzählt.  Dabei  trat  dann  all- 
mählich, im  Anschluss  daran,  dass  der  Kyffhäuser  Berg  ursprünglich  Wodansberg 
hiess,  eine  Verschmelzung  mit  mythologischen  Elementen  ein.  Seit  dem  17.  Jh.,  den 
Zeiten  des  tiefsten  Niederganges  des  alten  Reiches,  erwartete  dann  die  Sage  von  dem 
wiederkehrenden  Kaiser  den  blutigen,  aber  siegreichen  Kampf  für  ein  grosses,  einiges 
deutsches  Vaterland.  So  ist  diese  Sage  gleichsam  der  symbolische  Ausdruck  für  das 
Streben  und  Sehnen  nach  der  deutschen  Einheit  geworden  und  alsbald  nach  der 
Wiederaufrichtung  des  Reiches  auf  dessen  greisen  Begründer  angewendet  worden.206)  — 
Wenden  wir  uns  nun  von  diesen  allgemeineren  Darstellungen  der  Epoche  der 
Vorbereitung  des  neuen  Reiches  zu  den  Untersuchungen,  welche  sich  mit  einzelnen 
Phasen  oder  Ereignissen  der  geschichtlichen  Entwicklung  beschäftigen,  so  er- 
wähnen wir  zunächst  einige  von  Ulmann207)  veröffentlichte  Berichte  Wilhelm  von 
Humboldts  aus  dem  J.  1816,  aus  denen  sich  die  Ansicht  dieses  grossen  Gelehrten  und 
Staatsmannes  über  die  Gestaltung  des  nationalen  Staates  ergiebt.  Und  zwar  zeigt 
sich  dabei,  dass  Humboldt  über  die  Bundesakte,  welche  Sybel  als  die  jämmerlichste 
„Unverfassung"  bezeichnet,  die  je  einem  grosseh  Volk  gegeben  worden  sei,  doch 
nicht  so  ungünstig  urteilte,  wie  man  wohl  angenommen  hat.  Nur  hat  er  das  un- 
bedingte Einvernehmen  Oesterreichs  und  Preussens  über  alle  an  den  Bund  zu 
bringenden  Sachen,  d.  h.  eine  thatsächlich  unmögliche  Voraussetzung,  für  die  not- 
wendige Vorbedingung  der  Existenz  des  Bundes  gehalten.  —  Der  deutschen  Ver- 
fassungsfrage zur  Seite  ging  die  preussische,  welche  sich  auf  die  Zusage  Friedrich 
Wilhelms  III. ,  eine  Repräsentation  des  ganzes*  Volkes  zu  begründen,  stützte.  Als 
man  dann,  nicht  allzu  lange  nach  den  Freiheitskriegen,  anfing  abgeneigt  zu  werden, 
dieses  Versprechen  zu  erfüllen,  und  nur  noch  eine  weitere  Ausgestaltung  der 
provinzialständischen  Einrichtungen  ins  Auge  fasste,  liess  die  preussische  Regierung 
die  Provinzen  bereisen,  um  die  sachkundigsten  Eingeborenen  und  Einsassen  „über 
das  jemals  Bestandene,  soweit  es  noch  passt",  zu  befragen,  wobei  man  im  grossen 
und  ganzen  sich    an  diejenigen    Kreise  wandte,  von   denen    man   annehmen    konnte, 


geist  in  Deutschland.  IL  L.,  Wigand.  1893.  IX,  265  S.  M.  4,00.  |[K.  Jentsch:  Zeitgeist  N.  2.]|  —  204)  X  A.  Berthold, 
J.  Dnbocs  100  J.  Zeitgeist  in  Deutschland.  Vortr.  ebda.  23  S.  M.  0,60.  (Ueber  N.  203.)  -  205)  Rieh.  Schröder,  D. 
dtsch  Kaisersage  u.  d.  Wiedergehurt  d.  dtsch.  Reiches.  2  Vortrr.  Heidelberg,  Winter.  63  S.  M.  1,80.  —  206)  X  <*•  Roethe, 
D.  dtsch.  Kaiser  u.  d.  dtsch.  Litt.  Göttingen,  Dieterich.  1893.  22  S.  M.  0,40.  (Vgl.  JBL.  1893  I  1  :  103;  s.  o.  I  1  :  57.)  — 
207)  H.  Ulmann,  Aus  amtl.  Berichten  W.  v.  Humbolds  im  J.  1810:   FBPÖ.  7,  S.  113-25.    —    208)  Alfr.  Stern,   D.  Preuss. 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.   IV  Ib  :  203-219 

dass  sie  für  die  Erhaltung-  der  rein  provinziellen  ständischen  Einrichtungen  waren. 
Die  hierüber  eingelaufenen,  schon  von  Treitschke  kurz  verwerteten  Berichte  und 
daraus  entstandenen  Akten  des  Berliner  Geheimen  Staatsarchivs  hat  Alfred  Stern208) 
zur  Grundlage  einer  eingehenden  und  beachtenswerten  Darstellung  über  diesen  Gegen- 
stand gemacht.  Je  mehr  dann  in  Preussen  und  noch  mehr  in  Oesterreich  jene  trau- 
rigen reaktionären  Strömungen  überhandnahmen,  weichein  den  Demagogenverfolgungen 
und  den  Karlsbader  Beschlüssen  ihren  verhängnisvollen  Ausdruck  fanden,  um  so 
schroffer  und  energischer  oppositionell  und  häufig  um  so  extremer  gestaltete  sich 
naturgemäss  die  nationale  und  liberale  Strömung,  welcher  gerade  die  Besten 
des  deutschen  Volkes  huldigten,  und  die  namentlich  in  der  studierenden 
Jugend,  ganz  besonders  aber  in  der  deutschen  Burschenschaft,  nach  wie  vor  ihren 
geistigen  Mittelpunkt  fand.  —  Gerade  weil  man  auch  das  berechtigte  nationale 
Streben  verfolgte,  überschritt  dies  häufig  die  Grenzen  des  Berechtigten.  Das  wird 
aufs  neue  dargethan  durch  zwei  kleinere  Arbeiten  von  Di  e  tz209_2t0),  die  sich  mit 
einzelnen  Persönlichkeiten  und  Vorgängen  aus  der  deutschen  Burschenschaft  be- 
schäftigen. Namentlich  zeigt  sich  diese  Erscheinung  an  den  teilweise  sehr  radi- 
kalen, bis  zum  Kommunismus  fortschreitenden  Strömungen,  welche  eine  Zeitlang 
einige  junge  Himmelsstürmer  der  Heidelberger  Burschenschaft,  zu  denen  auch  der 
jetzige  Finanzminister  Miquel  gehörte,  mit  sich  fortrissen.  —  Welche  Verfolgungen 
und  Bedrückungen  aber  selbst  sehr  gemässigte  und  besonnene  liberale  Vaterlands- 
freunde  in  der  vormärzlichen  Zeit  zu  erdulden  hatten,  dafür  ist  eines  der  bekanntesten 
Muster  der  hervorragende  Marburger  Gelehrte  Sylvester  Jordan,  der  Vater  der 
liberalen  hessischen  Verfassung  vom  5.  Jan.  1831,  der  seine  politische  Wirksamkeit 
durch  jahrelange  Gefangenschaft  auf  dem  Marburger  Schlosse  büssen  musste.  Ihm 
ist  zu  seinem  100jährigen  Geburtstage  eine  ansprechende  und  lebensvolle  Skizze 
gewidmet  worden211).  —  Die  lange  angesammelte  Erbitterung  und  die  mit  Unrecht 
niedergehaltene  liberale  Bewegung  entlud  sich  dann  in  den  heftigen  Stürmen  des 
J.  1848.  Die  meisten  der  in  der  Berichtsperiode  über  die  Märzrevolution  erschienenen 
Beiträge  sind  ohne  erheblichen  wissenschaftlichen  Wert212"216),  nur  einige  wenige 
verdienen  eine  nähere  Erwähnung.  Ein  interessantes  Schriftchen  über  die  Berliner 
Revolution  von  Dullo217)  stützt  sich  vornehmlich  auf  Auszüge  aus  Plakaten,  welche 
bekanntlich  in  jener  Bewegung  eine  grosse  Rolle  spielten;  doch  hat  der  Vf.  dieses 
wichtige  Material  weder  erschöpfend  noch  sonst  ausreichend  verwertet.  Die  Erzählung 
ist  leidlich  objektiv  vom  Standpunkte  der  gemässigteren  bürgerlichen  Demokratie 
geschrieben.  218)  —  Mit  der  Journalistik  des  J.  1848  in  Wien  beschäftigt  sich  eine 
sehr  lesenswerte  Arbeit  von  Z  e  n  ck  e  r  2l9j,  deren  Hauptaugenmerk  auf  die  Verdienste 
gerichtet  ist,  welche  sich  die  Wiener  Presse  damals  um  die  Bildung  der  öffentlichen 
Meinung  erworben  hat,  eine  Aufgabe,  die  um  so  schwerer  war,  als  die  Zeitung, 
selbst  noch  eine  lernende,  berufen  war,  andere  zu  lehren.  Der  Vf.  beginnt  mit  einer 
Schilderung  der  Wiener  Märztage.  Vorher  gab  es  in  Wien  nur  zwei  bedeutendere 
Zeitungen,  den  „Oesterreichischen  Beobachter"  und  die  „Wiener  Zeitung",  die  bis 
zum  letzten  Augenblick  das  Publikum  über  die  Tragweite  der  Pariser  Februar- 
Revolution  zu  täuschen  suchten.  Von  aussen  her  wirkten  namentlich  die  „Grenz- 
boten",  welche  damals  unter  Ignaz  Kurandas  Leitung  standen,  dem  dann  eine  grosse 
Bedeutung  für  die  Geschichte  der  Wiener  Journalistik  zukommt.  Seit  dem  ersten 
Tage  der  Pressfreiheit  bekannte  sich  die  „Wiener  Zeitung"  zu  dem  neuen  liberalen 
Programm,  schwerer  fügte  sich  der  „Oesterreichische  Beobachter".  Neue  Blätter, 
meist  nur  ephemere  Erscheinungen,  entstanden  dann  in  ziemlich  grosser  Anzahl,  von 
denen  eigentlich  nur  „Die  Konstitution"  eine  grössere  Bedeutung  hat,  welche  der 
Typus  der  radikalen  Journalistik  mit  stark  socialer  Tendenz  geworden  ist.  Daneben 
übten  eine  Zeitlang  „Der  Freimütige",  die  „Konstitutionelle  Donau-Zeitung",  ein  be- 
zahltes Regierungsorgan,  die  „Allgemeine  Oesterreichische  Zeitung"  (der  frühere  Beob- 
achter), welche  jetzt  demokratisch  -  socialistisch  mit  grossdeutscher  Tendenz  wurde, 
einen  mehr  oder  minder  bedeutenden  Einfluss  auf  die  öffentliche  Meinung  aus.  Da- 
neben spiegelt  die  Presse  die  immer   klarer    sich  vollziehende    Scheidung   zwischen 


Verfassungsfrage  im  J.  1817  u.  d.  Rundreise  v  Altenstein,  Klewitz,  Beyrae:  DZG.  9,  S.  62-99.  —  209)  E.  Dietz,  Herrn.  Müller- 
Strübing  u.  d.  Heidelberger  Burschensch.:  AZgB.  N.  271.  (M.-Str.  war  Mitglied  d.  Heidelberger  Franconia,  d.  sich  an  d.  Frankf. 
Hanptwachensturm  beteiligte.)  —  210)  id.,  Heidelberger  Kommunisten  u.  Atheisten  der  40er  J. :  ib.  N.  259.  —  211)  Sylv. 
Jordan:  ib.  1893,  N.  17.  —  212)  X  E-  Guglia,  Z.  Gesch.  d.  Februar-Revolution:  ib.  N.  139.  (Beruht  auf  d.  Souvenirs  de  Alexis 
de  Tocqueville  publies  par  le  Comte  de  Tocqueville;  vgl.  JBL.  1893  IVld:2.)  —  213)  X  E.  Mai,  D.  Prinz  v.  Preussen  1843: 
VossZgB.  N.  10/2.  (Sehr  inter.  Mitteil.  v.  Flngbll.  aus  d.  Revolutionszeit.)  —  214)  X  Jal.  Fröbel:  ib.  1893,  N.  526.  (Behand. 
d.  früheren  Demokraten,  Genossen  R.  Blums,  bekannt  durch  seine  polit.  Sohriften  [184SJ  u.  durch  seine  1890—91  erschienene 
selbstbiogr.  Aufzeichn.)  —  215)  X  E  Frey,  E  Stück  dtsch.  Gesch.  in  Italien  im  J.  1843.  2.  (Titel-)  Ausg.  B.,  Knecht.  75  S. 
M.  1,50.  (D.  1.  Aufl.  ist  1887  erschienen;  bezieht  sich  im  wesentl.  auf  d.  Gesch.  Venedigs.)  —  216)  X  B.  Poten,  Gust. 
Tiedemann:  ADB.  38,  S.  278-80.  (Bad.  Revolutionär  v.  1843.)  -  217)  G.  Dullo,  Berliner  Plakate  d.  J.  1848.  Zürich,  Verl.- 
Mag.  90  S.  M.  1,20.  |[NZSt.  H,  N.  37.]|  -  218)  X  E.  Mai,  D.  Parlamente  d.  J.  1848.  (Aus  Flugbll.j  (=  Welke  Bll.  d. 
Märzsturmes  1848.):  VossZg1'.  1893,  N.  113.  (Aehnlich  wie  Dullos  Buch  [N.  217J,  zumeist  auf  Plakaten,  Maueranschlägen  u. 
Flugbll.  beruhend.)  —  219)  E.  V.  Zencker,  Gesch.  d.  Wiener  Journalistik  währd.  d.  J.  1S43.  E.  Beitr.  z.  dtsch.  Kultargeich. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (4)? 


IV  lb  ;  219-230    Gr.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

den  „Schwarzgelben"  und  den  „Schwarzrotgoldenen"  wieder.  Doch  blieb  im  all- 
gemeinen die  Journalistik  zunächst  in  leidlich  gemässigten  Bahnen  und  beurteilte 
z.  B.  die  oktroyierte  Verfassung  vom  25.  April  ziemlich  massvoll.  An  der  Revolution 
vom  15.  Mai  ist  nach  Z.  jedenfalls  nicht  die  Presse  schuld,  sondern  es  handelte  sich 
hier  um  einen  spontanen  Ausdruck  der  Volksentrüstung.  Das  neue  liberale  Press- 
gesetz vom  18.  Mai  Hess  der  Journalistik  ziemlich  freie  Bahn  zur  Entfaltung.  Den 
Mittelpunkt  der  litterarisch  arbeitenden  Kreise  bildete  dann  der  Wiener  Schriftsteller- 
verein. Allmählich  machte  sich  aber  jetzt  in  der  Presse  Reklame  und  Konkurrenz- 
schwindel sehr  stark  geltend.  Einen  grossen  Einfluss  auf  die  öffentliche  Meinung 
gewannen  dann,  wenn  auch  nicht  in  dem  Masse  wie  in  Berlin  der  Kladderadatsch, 
mehrere  Witz-  und  Karikaturblätter.  Nach  der  Oktoberrevolution  aber  wurde  die 
Freiheit  der  Presse  durch  den  Fürsten  Windischgrätz  sehr  eingeschränkt  bezw. 
fast  völlig  unterdrückt.  Der  sehr  lebendigen  Schilderung  dieser  verschiedenen 
Phasen  der  Wiener  Journalistik  hat  der  Vf.  im  Anhang  einige  Aktenstücke  und 
ein  chronologisches  Verzeichnis  der  in  Wien  während  des  J.  1848  erschienenen 
Zeitungen  beigegeben.  —  Ebenfalls  aus  den  gleichzeitigen  Journalen  und  Flugschriften 
hat  Ludw.  Müller220)  eine  Menge  konkreter,  stellenweise  ganz  charakteristischer 
Einzelheiten  aus  der  Zeit  der  Revolution  in  Hessen  zusammengestellt.  Die  all- 
gemeinen  Partien   des  Buches    aber    bringen    nichts   Neues   und    Charakteristisches. 

—  Einen  recht  interessanten  Beitrag  zur  Geschichte  bezw.  Vorgeschichte  der  Revolution 
in  München  hat  Kurz221)  veröffentlicht.  Er  schildert  nämlich  den  Anteil,  welchen 
die  Münchener  Studentenschaft,  namentlich  die  Korps,  an  den  durch  die  Tänzerin 
Lola  Montez  verursachten  Bewegungen  genommen  haben,  und  giebt  dann  im  Anschluss 
daran  eine  Geschichte  des  im  J.  1848  gebildeten  studentischen  Freikorps,  welches 
sich  um  die  Aufrechthaltung  der  Ordnung,  namentlich  bei  dem  Angriff  auf  das  Zeug- 
haus, grosse  Verdienste  erwarb,  dabei  aber  sich  von  ähnlich  extremen  Anwandlungen, 
wie  sie  damals  in  der  Berliner  und  Wiener  Studentenschaft  vorkamen,  fernhielt.  Die 
kleine  flott  und  lebhaft  geschriebene  Arbeit  beruht  auf  Aufzeichnungen  von  Mün- 
chener Korpsstudenten,  Tagebüchern,  Zeitungsausschnitten  usw.  —  Ueber  den 
Verlauf  der  schleswig-holsteinschen  Kämpfe  in  der  Revolutionsperiode  und  die  damit 
verbundenen  kriegerischen  Ereignisse  haben  wir  jetzt  eine  klassische  Schilderung  in 
dem  3.  Bande  der  gesammelten  Werke  des  Feldmarschalls  Moltke,  auf  die  wir  in 
anderem  Zusammenhange  noch  zurückkommen  (s.  u.  N.  296).  Eine  in  vieler  Hinsicht 
vortreffliche  Ergänzung  dazu  bietet  das  Werk  Schleidens 222),  eines  der  Männer, 
welche  als  Vorkämpfer  der  schleswig-holsteinschen  Sache  eine  hervorragende  Rolle 
gespielt  haben.  Wertvoll  sind  namentlich  seine  eingehenden,  teilweise  auf  Autopsie 
beruhenden  Schilderungen  der  schleswig-holsteinschen  Zustände,  die  zuweilen  mit 
deutlicher  Opposition  gegen  die  des  Herzogs  von  Koburg-Gotha  geschrieben  sind. 
Sehr  ausführlich,  zuweilen  in  etwas  zu  behaglicher  und  ermüdender  Breite,  sind  auch 
die  Verhandlungen  dargestellt,  welche  den  Waffenstillstand  vom  Juli  1849  herbei- 
führten. Ausserdem  werden  namentlich  die  Vorgänge  bei  der  Statthalterschaft  be- 
rücksichtigt, während  die  kriegerischen  Ereignisse,  welche  den  Mittelpunkt  der  Dar- 
stellung Moltkes  bilden,  bei  Seh.  nur  kurz  berührt  werden.  Ergreifend  ist  die  Schil- 
derung Friedrich  Wilhelms  IV.  Der  Vf.  ist  der  Ansicht,  dass  der  König  sehr  wohl 
ein  Herz  für  die  Sache  der  Schleswig-Holsteiner  hatte,  aber  gegenüber  der  Kamarilla, 
welche  die  entgegengesetzte  Anschauung  vertrat,  machtlos  blieb.  ***"***)  —  Aus  der 
späteren  Zeit  Friedrich  Wilhelms  IV.  ist  nur  noch  eine  Untersuchung  Rothans225) 
über  die  diplomatische  Haltung  des  Königs  und  seiner  Regierung  während  des  Krim- 
krieges zu  erwähnen,  welche  ein  Franzose  verfasst  hat,  und  die  eine  grosse  Menge 
diplomatischer  Details  enthält,  welche  allerdings  noch  vielfach  die  Probe  der  Kritik 
bestehen  müssen.  — 

Von  den  biographischen  Beiträgen  zur  Geschichte  dieser  Periode226-229) 
kommt  nur  einigen  wenigen  eine  grössere,  diesen  aber  eine  zum  Teil  sehr  hervor- 
ragende Bedeutung  zu.  Ohne  Zweifel  die  erste  Stelle  gebührt  unter  ihnen  den  Denk- 
würdigkeiten des  bedeutenden  Volkswirtes  und  Kriegshistorikers  Theodor  von 
Bernhardi 23°),  welche  gleich  beim  Erscheinen  des  ersten  Teiles,  der  die  Jugend- 
wien u.  L.,  Braumüller.  1893.  XI,  159  S.  M.  4,00.  IfAZg«.  1S93,  N.  154.]|  (Vgl.  JBL.  1892  I  4  :  168;  s.  o.  I  3:  236.)  —220)  Ludw. 
Müller,   Aus  Deutschlands  trüben  Tagen.     Auf  Grund  aktenmäss.  Materials.  2.  T.     Marburg,  Ehrhardt.     IV,  201  S.     M.  1,50. 

—  221)  F.  Kurz,  D.  Anteil  d.  Münchener  Studentensch.  an  d.  Unruhen  d.  J.  1847  u.  48.  (Lola -Montez,  Studentenfreikorps; 
München,  Akad.  Verl.  112  S.  Mit  Bild.  M.  1,00.  —  222)  R.  Schieiden,  Erinnerungen  e.  Schleswig-Holsteiners.  4.  Bd.  Schles- 
wig-Holstein im  2.  Kriegsj.  1849  -  50.  Wiesbaden,  Bergmann.  XII,  401  S.  M.  8,00.  |[P.  Gol  dschmidt:  FBPG.  7,  S.  288/9 ; 
DKs.  81,  S.  158.]|  —  223)  X  Aus  d.  Z.  Friedrich  Wilhelms  IV.:  Zukunft  9,  S.  350/4,  398-93,  492/7,  500/4,  607-13.  —  224)  X 
K.  Binding,  Dtsch.  Staatsgrundgesetze  Heft  1-4.  L.,  Engelmann.  1893.  78,  91,  59,  66  S.  M.  1,20;  1,50;  1,00;  0,80.  (Enth. 
<1.  Rheinbundsakte,  d.  dtsch.  Bundesakte,  d.  Wiener  Schlussakte  u.  d.  Verfassungsurk.  für  d.  Preuss.  Staat  nebst  ihren  Ab- 
änderungen.) —  225)  G.  Rothan,  Souvenirs  diplomatiques:  La  Prusse  et  son  roi  pendant  la  guerre  de  Crimee.  Paris,  Levy. 
1893.    400  S.     Fr.  3,50.  —  226)  X  Friedrich  Wilhelm  III.:  Bär  20,  S.  28.    —    227)  X  Friedrich  Wilhelm  IV.:  ib.  S.  134,  157. 

—  228)  X  (;-  Wippermann,  G.  v.  Struve:  ADB.  36,  S.  681/7.  —  229)  X  F.  Schnorr  v.  Carolsfeld,  Ad.  v.  Trützschler: 
ib.  38,  S.  691/2.     (1818  Führer   d.  dtsch.  Demokratie.)    —    230)  Aus   d.   Leben  Theodor  v.  Bernhardis:    1.  Jugendorinnerungen, 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.    tV  Ib.  230 

geschichte  B.s  in  Esthland  enthält,  in  der  litterarischen  Welt,  namentlich    unter   den 
Historikern  und  Militärschriftstellern,  berechtigtes  Aufsehen  gemacht  haben.     Nahm 
man  schon  an  sich  die  persönlichen    biographischen  Aufzeichnungen   eines    auf  den 
verschiedensten    Gebieten   wissenschaftlicher  Thätigkeit    gleich   hervorragenden    und 
vielseitigen  Mannes  mit  reger  Teilnahme  entgegen,  weil  sie  einen  vortrefflichen  Ein- 
blick   in    die    Geisteswerkstätte    des    Forschers    ermöglichten    und    Aufschluss    über 
seinen  eigentümlichen    geistigen  Werdegang   gaben,    so   wurde    das    dadurch    wach- 
gerufene Interesse  noch  durch  die  anziehenden  Schilderungen  gehoben,  welche   der 
geistvolle  Mann  von  den  politischen   und  kulturellen  Zuständen,  unter  denen    er   in 
Russland  wie  in  Deutschland  sein  reiches  Leben  auslebte,  entwarf.  Im  ersten  Bande 
war  es  neben  den   rein  biographischen  Elementen   der    Darstellung   namentlich   das 
Kapitel  „6  Jahre  esthländischen  Stilllebens",  welches  durch  seine  ungewöhnlich  scharf- 
sinnig beobachtenden  Schilderungen  der  Zustände  im  Lande,  der  eigenartigen  Typen 
des  Adels  u.  dgl.  m.,  wie  auch  durch  seine  Mitteilungen  über  den  General  Toll,  den 
Weltumsegler  Krusenstern  usw.  das  lebhafteste  Interesse  erweckten.    Der  zweite  Teil 
zeigt  uns  dann  auf  der  einen  Seite  den  gelehrten  Forscher  selbst  in  der  entscheidenden 
Entwicklungsperiode  seines  geistigen  Schaffens,  auf  der  anderen  Seite  enthalten  die 
hier  veröffentlichten  Briefe  und  Tagebuchblätter  geradezu  unschätzbare  Beiträge  zum 
Verständnis  und  zur   tieferen   Erkenntnis    der    politischen   Vorgänge  der   bewegten 
Mitte  unseres  Jh.     Namentlich  wird  es  bei  der  Bedeutung,  welche  unsere  Beziehungen 
znm  russischen  Reiche  bis  in  unsere  Tage  hinein  behauptet  haben,  für  jeden  Leser 
willkommen  sein,  hier  aus  der  Feder  eines  warm  für  sein  Vaterland  fühlenden,  aber 
lange    Zeit    auf   russischem    Boden   inmitten   der   führenden    Kreise    lebenden,    un- 
parteiischen   und    unbefangenen,    dabei  mit  feiner  Beobachtungsgabe  ausgestatteten 
Mannes  ein  wirklich    zutreffendes    Bild   der    russischen  Zustände   zu    erhalten,  über 
welche  unter  unseren  leitenden  Kreisen  hier  und  da   sehr  verkehrte  Vorstellungen 
vorherrschen.     Besonders  interessant  sind  unter  den  rein  politischen  Aufzeichnungen 
B.s   namentlich  die  über    den  Eindruck,  welchen   die  Pariser  Februarrevolution  von 
1848  auf  die  leitenden  russischen  Kreise,  vor  allem  auf  Kaiser  Nikolaus  selbst,  sowie 
über  die  Rückwirkung,  welche  sie  namentlich  auf  die  eben  damals  im  Werke  befind- 
lichen inneren  Reformen  im  russischen  Reiche  ausgeübt  hat.     Von  nicht  geringerem 
Werte   sind    aber    auch    die  Beobachtungen,    die     der    aus  Russland    nach    langer 
Abwesenheit  in  sein  deutsches  Vaterland  zurückkehrende  Gelehrte  über  die  dortigen 
Zustände   aufgezeichnet  hat.     Mit   packenden  Farben  schildern   die  meist  kurz   hin- 
geworfenen Bemerkungen  die  traurigen  Massnahmen   der  schroffen  Reaktionszeit;  so 
ruhig  und  unbefangen  der   Vf.     auch    im   allgemeinen    ist,    so    gemässigt    in   jeder 
Richtung  seine  Gesinnung  und  Anschauungsweise  in  allgemein-nationalen  wie  in  den 
damals   obsch  weben  den  Fragen  der  inneren  Politik   erscheint,   hier    tritt    doch    der 
patriotische  Unwille  über  das  kurzsichtige  und  verkehrte  Verhalten  der  preussischen 
Regierung  gegenüber  den  inneren  Wirren,   über    die   unverständige  Bevormundung 
und  Einschüchterung  der  Bevölkerung  durch   die    Landräte,  welche   sich   namentlich 
bei  den  Landtagswahlen  in  hellstem  oder  vielmehr  trübstem  Lichte   zeigte,  mit   un- 
verkennbarer Deutlichkeit  zu  Tage.     Daneben   fesseln  aber  auch  die   Angaben  und 
erläuternden  Bemerkungen  über  seine  vielseitigen  litterarischen  Arbeiten  in  hohem 
Grade  die  Aufmerksamkeit.     Besonders  willkommen  werden  namentlich  allen  Kennern 
und  Freunden  der  Werke  B.s  die  Aufschlüsse   sein,  welche   sie   hier    über    die   Ent- 
stehung   seines    ersten   grossen,    noch   heute    sehr  wertvollen    nationalökonomischen 
Werkes,  des  „Versuchs  einer  Kritik  der   Gründe,   welche    für    grosses    und    kleines 
Grundeigentum  angeführt  werden",  finden,  ebenso  die  Mitteilungen  über  seine  Studien 
und  Veröffentlichungen  zur  Geschichte  der  Freiheitskriege,  in  denen  er  eine  völlige 
Umwandlung    der    bisherigen   Anschauungen    über    die   Leistungen    der    russischen 
Heeresleitung  im  Kriege  von  1812  im  Gegensatz  zu  der  hergebrachten  und  geflissent- 
lich verbreiteten  russischen  Tradition  anbahnte.    Ueberall  hier,  wie  in  der  Beurteilung 
der    politischen    und    namentlich    der    kriegerisch  -  strategischen    Ereignisse    seiner 
Zeit,  die  er  mit  regstem  Interesse  und   grösstem    Eifer  verfolgt  und   mit    kritischen 
Erläuterungen  in  seinem  Tagebuche  begleitet,  offenbart  B.  ein  treffendes   Urteil  und 
eine  feine  Beobachtungsgabe,  vor  allem  aber  ein  so  klares   und   eindringendes  Ver- 
ständnis für  die  wirklich  treibenden  Kräfte  des  geschichtlichen  Lebens,  dass  es  ihm, 
namentlich  auf  militärisch-technischem  Gebiete,  nicht  selten  gelang,  den  weiteren  Gang 
der  Entwicklung  bis  in  seine  Einzelheiten  genau  vorauszusehen  und  vorauszusagen. 
Die  Urteile,  welche  er  dabei  über  die  strategischen  Massnahmen  der  Heerführer,  erst 
im  Kriege  Oesterreichs  mit  der  ungarischen  Revolution,  dann  im  Krimkriege,  abgiebt, 
bieten  für  jeden  Militärschiiftsteller  wie  für  jeden  Kriegshistoriker  eine  Fülle  neuer 
Gesichtspunkte  und  Anregungen,  deren  das  Werk  auch  sonst  eine  grosse  Menge  ent- 
hält, so  dass  es  als  eine  der  erfreulichsten  Erscheinungen  unserer  historischen  Memoiren- 
litteratur  bezeichnet  werden  darf.  — 

(4)7* 


IV  lb  :  231-237    G.  Winter,  Allgemeines  des  18./ 19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

Ueber  den  leitenden  österreichischen  Staatsmann  in  der  Zeit  bis  zur  Revolution, 
Metternich,  der  auch  in  der  allgemeinen  deutschen  Geschichte  dieser  Zeit  eine 
nur  zu  hervorragende  Rolle  gespielt  hat,  liegen  nur  einige  kleinere,  wissenschaftlich 
nicht  erhebliche  Beiträge  vor,  von  Salpius231)  und  von  Schütter232),  deren 
letzterer  sich  zugleich  auf  F.  von  Gentz  bezieht.  —  Dagegen  sind  nicht  ohne  Interesse 
einige  persönliche  Erinnerungen  an  den  preussischen  Staatsmann  und  Gelehrten 
Chr.  Carl  Josias  Freiherrn  von  Bunsen,  welche  Bähring233),  der  in  Bunsens 
letzten  Lebensjahren  mit  diesem  befreundet  war,  mitgeteilt  hat,  und  die  eine  Ergänzung 
zu  desselben  Vf.  Biographie  Bunsens  (JBL.  1892  IV  lb  :  120;  5  :  251)  bilden.  B.  hebt 
Bunsens  Geistesverwandtschaft  mit  Comenius  hervor,  die  er  namentlich  dadurch  be- 
thätigte,  dass  er  auch  im  Staate  das  Christentum  zur  Wahrheit  werden  lassen  wollte 
und  eine  Friedenspolitik  nach  den  Grundsätzen  des  wahren  Christentums  anstrebte.  — 
Ebenfalls  von  irenischen,  allgemein  christlichen  Gesichtspunkten  ging  der  Katholik 
F.  A.  Graf  Spiegel  zumDesenberg,  erst  ernannter  Bischof  von  Münster, 
dann  Erzbischof  von  Köln,  aus,  der  bei  treuem  Festhalten  an  seiner  Religion  doch 
versöhnlich  gegenüber  dem  Staate  auftrat  und  in  den  Verwicklungen  der  preussischen 
Regierung  mit  der  Kurie  eine  vermittelnde  Haltung  beobachtete,  die  ihm  von  Seiten 
der  Ultramontanen  heftige  Angriffe  zuzog.  Ihm  ist  von  Reusch234)  eine  unter- 
richtende und  sachkundige  Lebensbeschreibung  gewidmet  worden.235"236)  —  Von 
hervorragendem  historischem  Interesse  ist  ferner  ein  biographisches  Werk  über  eine 
Tochter  Wilhelm  von  Humboldts,  Gabriele  von  Bülow237),  welches  uns  in 
ungemein  lebendiger  und  anziehender  Art  in  den  geistig  hochstehenden  und  in 
hohem  Masse  angeregten  Familienkreis  Wilhelm  von  Humboldts  einführt.  Es  beruht 
auf  den  zumeist  in  vollem  Wortlaute  mitgeteilten  zahlreichen,  von  inniger  Herzens- 
wärme erfüllten  und  alle  litterarischen  wie  persönlichen  Interessen  der  einzelnen 
Glieder  der  Familie  in  schrankenloser  Offenheit  und  Vertraulichkeit  berührenden 
Briefen,  welche  Wilhelm  von  Humboldt  mit  seiner  innig  verehrten  Gemahlin  Karoline 
und  mit  seinen  Kindern,  namentlich  mit  der  an  den  späteren  preussischen  Minister 
der  auswärtigen  Angelegenheiten,  Heinrich  von  Bülow,  vermählten  Tochter  Gabriele 
gewechselt  hat.  Alle  diese  Briefe  sind  noch  in  einer  Zeit  entstanden,  in  der  geistig 
hervorragende  Menschen  in  ganz  anderem  Masse  als  heute  ihr  ganzes  inneres  geistiges 
Leben  in  ihren  eingehenden  Briefen  an  die  ihnen  nahestehenden  Menschen  wieder- 
spiegeln Hessen.  Sie  eröffnen  uns  infolgedessen  ein  so  reizendes  und  anmutendes 
Bild  von  dem  reichen  und  gemütvollen  Leben  in  diesem  hervorragenden,  durch  innige 
Neigung  seiner  einzelnen  Glieder  unter  einander  verbundenen  Familienkreise,  dass 
ihre  Lektüre  schon  vom  rein  menschlichen,  psychologischen  Standpunkte  aus  einen 
hohen  Genuss  gewährt.  Vergegenwärtigt  man  sich  nun  auf  der  einen  Seite  die 
eminente  geistige  Bedeutung  des  Mittelpunktes  dieses  Kreises,  Wilhelm  von  Humboldts, 
und  zieht  dabei  in  Betracht,  dass  die  einzelnen  Glieder  der  Familie  häufig  durch 
lange  und  interessante  Reisen,  über  die  sie  sich  die  eingehendsten  Berichte  erstatten, 
von  einander  getrennt  waren,  erwägt  man  endlich,  dass  eben  infolge  jenes  besonders 
innigen  und  vertrauten  Familienlebens  diese  rückhaltlos  offenen  und  ausführlichen 
brieflichen  Mitteilungen  sich  auf  alle  die  vielseitigen  wissenschaftlichen,  litterarischen 
und  politischen  Interessen  aller  einzelnen  Briefsteller  erstrecken,  so  wird  man  sich 
ungefähr  eine  Vorstellung  von  dem  Reichtum,  der  Mannigfaltigkeit  und  der  inhalt- 
lichen Bedeutung  dieser  Veröffentlichung  machen  können.  Anmutige,  in  ihren  Einzel- 
heiten köstlich  ursprüngliche  und  frische  Reiseschilderungen  wechseln  mit  hoch- 
interessanten Berichten  über  den  Umgang  mit  fast  allen  Koryphäen  der  Wissenschaften 
und  Künste  ab,  mit  denen  der  Gelehrte  und  Staatsmann  Humboldt  in  Berührung  kam. 
Die  Briefe  aus  der  Zeit,  in  welcher  Humboldt  als  preussischer  Resident  in  Rom  weilte 
und  dort  in  seinem  gastfreien  Hause  einen  Mittelpunkt  für  alle  hervorragenden  deutschen 
Künstler  und  Gelehrten  schuf,  werden  auf  diese  Weise  zu  einer  fortlaufenden,  unaus- 
gesetzt das  höchste  Interesse  in  Anspruch  nehmenden  Chronik  des  gesamten  geistigen 
Lebens  der  ewigen  Stadt  in  jener  ereignisreichen  und  fieberhaft  erregten  Periode. 
Natürlich  fallen  dabei  hier  wie  später  auch  eine  Fülle  interessanter  Schlaglichter  auf 
die  politischen  Ereignisse  der  Zeit,  an  denen  Humboldt  in  hervorragendem  Masse 
beteiligt  war,  so  dass  diese  Publikation  litterarisch  wie  historisch  gleich  bedeutsam 
erscheint.  — 


2.  Unter  Nikolaus  I.  u.  Friedrich  Wilhelm  IV.  L.,  Hirzel.  1893.  XIV,  230  S.;  368  S.  M.  14,00.  |[LUB1.  1893,  S.  913;  DLZ.  14, 
S.  559;  0.  Harnack:  HZ.  73,  B.602/6;  NatZg.  N.  194,  272,  275,  287,  650;  DRs.  81,  S.  294-302;  G.  Winter:  BLÜ.  S.  357/8.]| 
(Vgl.  JBL.  1893  IV  lc:47;  s.  u.  IV  1  c.)  —  231)  F.  v.  Salpius,  Metternich  als  „polit.  Causeur"  u.  Seher.  Nach  neuauf- 
gefund.  Aufzeichn.  e.  preuss.  Helden  d.  Befreiungskriege:  AZg".  1893,  N.  53.  (Beruht  auf  e.  Ber.  d.  preuss.  Generals 
v.  Borstell  über  Metternich.)  —  232)  H.  Schütter,  Briefe  t.  F.  v.  Gent/,  an  d.  Fürsten  Metternich:  WienAbendpost.  1893,  N.  11, 
54.  (Briefe  rein  persönl.  Inhalts  aus  d.  J.  1820  u.  25.)  —  233)  G.  Bäh  ring,  Chr.  K.  J.  Frhr.  v.  Bunsen:  MhCoraeniusG.  2, 
S.  214-25.  —  234)  F.  H.  Keusch,  F.  A.  Graf  Spiegel  z.  Desenberg:  ADB.  35,  S.  149-55.  —  235-236)  X  J-  Disselhof  f,  Lebens- 
gescli.  d.  Oberpräsid.  L.  v.  Vincke.  3.  Aufl.  Kaiserswerth,  Diakonissen-Anst.  62  S.  Mit  111.  M.  0,20.  (Rein  pop.,  aber  lebendig 
u.  anschaulich  geschriebene  Biogr.)  —  237)  Gabriele  v.  liülow,  Tochter  Wilhelm  v.  Humboldts.  E.  Lebensbild.  Aus  d.  Familien- 
papiewen  W,  v.  Humboldts  u.  seiner  Kinder.    1791—1887.    B.,  Mittler.    572  8.    M.  10,00.     |[G.  Winter:  BLU.  S.  356,7.J|    (Vgl. 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.     IV  lb  : 233-241 

Während  bei  diesem  Werke  immerhin  der  Schwerpunkt  auf  der  litterarisch- 
wissenschaftlichen  Seite  liegt,  werden  wir  wieder  auf  die  politisch-nationale  Entwicklung 
Deutschlands  in  dieser  Periode  hingelenkt  durch  das  in  vierter  Auflage  erschienene 
Buch  von  Schmitz  238),  welches  dem  um  diese  Einheitsbestrebungen  sehr  verdienten 
Fürsten  Karl  Anton  von  Hohenzollern  ein  biographisches  Denkmal  er- 
richtet hat.  Der  Vf.  hat  nicht  gerade  selbst  neue  Quellen  herangezogen,  aber  doch 
mit  Fleiss  über  die  Familie  Hohenzollern  allen  Stoff  zusammengetragen,  der  in  den 
letzten  Jahren  sowohl  in  besonderen  Schriften,  als  auch  in  den  Zeitungen  über  das 
fürstliche  Haus  und  dessen  Glieder  bis  auf  die  Gegenwart  veröffentlicht  worden  ist; 
besonders  eingehend  und  schwungvoll  ist  die  Teilnahme  des  Fürsten  Karl  Anton  an 
der  Einigung  Deutschlands  unter  Preussens  Führung  geschildert,  die  er  namentlich 
durch  die  Aufgabe  seiner  Souveränität  zu  Gunsten  Preussens  bethätigte.  Dann  wird 
seine  Thätigkeit  als  Ministerpräsident  des  Ministeriums  der  „neuen  Aera"  unter  dem 
Prinzen  von  Preussen,  nachmaligem  Kaiser  Wilhelm  I.,  betrachtet.  Auch  bei  dem 
Briefwechsel  des  Fürsten  mit  Herzog  Ernst  II.  von  Koburg-Gotha  verweilt  der  Vf., 
und  er  berichtet  dann  namentlich  ausführlich  über  dessen  energisches  Eintreten  fü  rdie 
Heeresreform.  Er  war  es,  der  Bismarck  als  seinen  Nachfolger  vorgeschlagen  hat. 
Endlich  schildert  der  Vf.  noch  des  Fürsten  Thätigkeit  für  Kunst  und  Wissenschaft, 
die  er  namentlich  nach  seinem  Rücktritt  vom  Ministerium  in  Düsseldorf  und  Sigmaringen 
bethätigt  hat.239)  — 

Mit  der  Biographie  des  Fürsten  Karl  Anton  von  Hohenzollern  sind  wir 
bereits  in  die  Periode  eingetreten,  welche  dem  deutschen  Volke  endlich  die  Wieder- 
erringung  staatlicher  Einheit  gebracht  hat:  in  das  Zeitalter  Kaiser  Wilhelms  I. 
Für  die  Geschichte  dieser  Periode  im  allgemeinen  ist  durch  den  Reichtum  seiner 
authentischen  Informationen,  die  prächtige,  lebensvolle  und  von  einer  einheitlichen 
Auffassung  und  Weltanschauung  getragene  Darstellung  wie  durch  Höhe  und 
Objektivität  des  Urteils  grundlegend  uud  epochemachend  das  grosse  Werk  von 
Sybels240-241)  geworden,  dessen  erste  fünf  Bände,  welche  die  Darstellung  bis  zum 
Kriege  von  1866  führten,  bereits  vor  einigen  Jahren  erschienen  sind  und  die  all- 
gemeinste Anerkennung  und  Bewunderung  erregt  haben.  Es  war  das  erste  Mal,  dass 
ein  grosser  Historiker  den  Versuch  machen  durfte,  die  neueste  Zeitgeschichte  auf 
Grund  der  geheimen  Akten  und  der  Archive  eines  beteiligten  Staates  zu  schreiben, 
welche  ihm  mit  rückhaltloser  Offenheit  zur  Einsicht  verstattet,  und  dann  von  ihm  mit 
derselben  Offenheit  verwertet  wurden.  Ohne  Zweifel  hat  sich  diese  Liberalität  der 
preussischen  Staatsregierung  auf  das  glänzendste  gerechtfertigt.  Denn  S.  brachte  zur 
Lösung  der  grossen  Aufgabe  alle  die  Eigenschaften  mit,  welche  dazu  erforderlich 
und  unentbehrlich  sind:  die  methodische  Schulung  des  grossen  Gelehrten,  die 
formelle  Gestaltungskraft  des  grossen  Schriftstellers  und  den  weiten  Blick  des  Staats- 
mannes, der  selbstthätig  an  den  Ereignissen  mitgewirkt  hatte  und  darum  doch  eben 
infolge  seiner  historischen  Schulung  der  Gefahr  nicht  erlag,  die  Entwicklung  der 
grossen  historischen  Ereignisse  vom  Standpunkte  des  einseitigen  Parteimannes  zu 
betrachten.  Gerade  das  letztere  aber  ist  ihm  in  einem  Masse  gelungen,  das  die 
höchste  Anerkennung  verdient.  W7ohl  hat  S.  auch  in  dem  historischen  Werke  nicht 
im  mindesten  ein  Hehl  aus  seiner  persönlichen  Parteistellung  als  preussischer  National- 
liberaler gemacht,  aber  er  ist  dadurch  nicht  gehindert  worden,  auch  die  Beweggründe 
der  Gegner  zu  prüfen  und  gerecht  abzuwägen  und,  was  noch  schwerer  ist,  die 
von  ihm  und  seiner  Partei  begangenen  Fehler  zu  erkennen  und  unbefangen  und 
ruhig  zur  Darstellung  zu  bringen.  Er  steht  so  in  seiner  ganzen  Methode,  Auf- 
fassungs-  und  Darstellungsweise  gleichsam  in  der  Mitte  zwischen  den  beiden  von 
uns  früher  charakterisierten  Richtungen  Rankes  und  Treitschkes,  von  deren  ersterer 
die  Ruhe  und  Unbefangenheit  der  Forschung,  von  deren  letzterer  die  Lebhaftigkeit 
und  Anschaulichkeit,  welche  nur  eigene  persönliche  Teilnahme  an  den  Ereignissen 
verleihen  kann,  er  zu  eigen  hat.  Als  Politiker  hat  er  die  verschiedenen  Phasen  der 
Entwicklung  selbst  mit  durchgemacht,  welche  der  nationale  Liberalismus  gegenüber 
dem  Verwirklicher  der  nationalen  Idee  zu  bestehen  hatte.  Als  Historiker  hat  er 
dann  unbefangen  geprüft,  in  welchen  Punkten  der  Entwicklung  die  Vertreter  der 
nationalen  Idee,  in  welchen  anderen  der  grosse  Mann  der  That  im  Recht  oder  im 
Unrecht  waren,  hat  er  sich  überall  bemüht,  auch  seinen  politischen  Gegnern  durch- 
aus gerecht  zu  werden.  Das  ist  es,  was  seine  Darstellung  von  der  Treitschkes, 
der    sie  allerdings  an  Pracht  der  Farbengebung  und  Höhe  des  patriotischen  Pathos 


JBL.  1893  IV  lo:23;  s.  n.  IV  1  c.)  —  238)  M.  Schmitz,  Fürst  Karl  Anton  v.  Hohenzollern  u.  d.  Bedent.  seiner  Familie 
für  d.  Zeitgesch.  E.  gesch.-polit.  GedenHl.  4.  vielf.  umgearb.  Ann.  Mit  Bildn.  B.  n.  L.,  Heuser.  VII,  118  S.  M.  2,00.  — 
239)  X  B-  Gebhardt,  D.  Anfänge  d.  neuen  Aera:  Geg.  46,  S.  2002.  240)  H.  v.  Sybel,  D.  Begründung  d.  dtsch.  Reiches 
durch  Wilhelm  I.  6.  u.  7.  Bd.  1.-4.  Aufl.  München,  Oldenbourg.  XII.  377  S.  ä  M.  9,50  |[DLZ.  S.  1400  1;  BUBS.  64,  S.  622  7; 
Geg.  46,  S.  373;7.]|  (Bd.  1-3  sind  in  4.  revid.  Aufl.  erschienen.)  —  241)  id.,  Oesterr.  n.  d.  dtsch.  Frage:  PrJbb.  75,  S.  164. 
(Wo  S.  auf  d.  Frage  v.  H.  Ulmann:    „Welches   sind   d.  4  Punkte,   auf  d.  sich  Oesterr.  u.  Preussen  schon  Ende   1848  geeinigt 


IV  lb  :  240-244    G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

nicht   gewachsen    ist,    doch    in   Bezug-   auf  Ruhe   und  Sachlichkeit    und  daher  auch 
Wahrheit  der  Darstellung-  so  sehr  vorteilhaft  unterscheidet.    Die  Aufgabe,  die  beiden 
Elemente,  aus  denen  die  neue  deutsche  Einheit  hervorgegangen  ist,  in  ihren  überein- 
stimmenden Strebungen  und  ihrem  doch   oft  auch  schroff  hervortretenden  Gegensatz 
unter   gerechter  Verteilung    von  Licht   und  Schatten    und   unbefangener  Abwägung 
des  Für  und  Wider  zur  vollendeten  Darstellung  zu  bringen,  ist  ihm  in  weit  höherern 
Masse  gelungen,    als   irgend  einem    anderen,    der   unmittelbar    an    den    Ereignissen 
selbstthätigen  Anteil  genommen  hat.     Wir  sehen  unter  seiner  kundigen  Führung  die 
politische  Entwicklung  —  denn  nur  mit  dieser    hat  er  sich  beschäftigt  —  gleichsam 
Schritt  für  Schritt,    von  Monat  zu  Monat,    von    Tag   zu  Tage,   ja  oft  von  Stunde  zu 
Stunde  in  dramatischer  Lebendigkeit  sich  vollziehen,  wie  das  eben  nur  bei  einer  so 
umfassenden  und  eindringenden  Kenntnis  des  einschlägigen  Aktenmaterials  möglich 
war,  wie  sie  ihm  für  die  ersten  fünf  Bände  seines  Werkes  zur  Verfügung  stand.    Es 
ist  im  Interesse  der  Wissenschaft  auf  das  schmerzlichste  zu  bedauern,    dass  ihm  für 
die  in  der  Berichtsperiode  erschienenen  weiteren  zwei  Bände,  welche  die  Periode  von 
1866    bis   zum    Ausbruch    des  deutsch-französischen  Krieges  umfassen,  dieses  Glück 
der    freien    und    unbeschränkten    Aktenbenutzung    nicht    mehr    geboten    war.     Aus 
Gründen,    die  zu  untersuchen  hier  nicht  der  Ort  ist,   wurde  ihm  für  die  Fortsetzung 
des   Werkes    die   weitere   Benutzung   der  Akten    des   Geheimen  Staatsarchivs    nicht 
gewährt,  und  so  sah  er  sich  auf  diejenigen,  immerhin  auch  recht  zahlreichen  und  teil- 
weise sehr   wohl   informierten  Quellen  beschränkt,    welche  von  den  verschiedensten 
beteiligten  Seiten    durch    den  Druck   der  Oeffentlichkeit  zugänglich  gemacht  worden 
waren.     Auch    in    dieser    nicht    mehr    so  völlig  authentischen  Gestalt  ist  sein  Werk 
aber    von    geradezu   unschätzbarer  Bedeutung   und   für  viele  Partien  die    erste    er- 
schöpfende Darstellung  der  Vorgänge.     Zum  Teil  wurden  ihm  bei  der  Abfassung  der 
beiden    letzten   Bände    die  Akten   auch    einigermassen  ersetzt  durch  persönliche  Mit- 
teilungen, welche  ihm  von  den  hervorragendsten  leitenden  Stellen  gemacht  wurden, 
und  die  er  dann  mit  der  ihm    eigenen   kritischen  Meisterschaft  verwertet  hat.     Auf 
den  reichen  Inhalt  des  Werkes  im  einzelnen  kann  hier  natürlich  nicht  eingegangen 
werden.     Viel  besprochen  ist  namentlich  die  meisterhafte  Darstellung  des  Ursprungs 
des  deutsch-französischen  Krieges,  in  welcher  mit  unvergleichlicher  Klarheit  und,  bei 
aller   Fülle    der  Details,    doch    packender   dramatischer   Lebendigkeit    die   einzelnen 
Phasen  der  hohenzollernschen  spanischen  Kandidatur  entwickelt  werden.    Die  völlige 
Unhaltbarkeit    der    socialdemokratischen    Anschauung    von    einer    „Fälschung"    der 
Emser  Depesche  durch  Bismarck  ist  durch    diese    meisterhafte  Darstellung  als  voll- 
ständig  klar    erwiesen.     Sehr  beachtenswert,    wenn    auch    nicht    ohne   Widerspruch 
geblieben,    ist    die  Darstellung  der  Verhandlungen  Napoleons    über    einen  Dreibund 
mit  Oesterreich  und  Italien  vor  dem  Kriege    1870 — 71,  die  bisher  zumeist  auf  Grund 
der  unzuverlässigen,  die  Wahrheit  sehr  entstellenden  Veröffentlichungen  des  Herzogs 
von    Gramont    geschildert    worden    sind.     Im  ausgesprochenen  Gegensatz  zu  dessen 
Auffassung    sucht   S.  unter  Zugrundelegung    des    bisher    erreichbaren  authentischen 
Materials  nachzuweisen,    dass  von  einem  Abschluss  dieses  Dreibundes  gar  nicht  die 
Rede  sein  kann,    und  zwar  sei  der  Grund  des  Scheiterns    auf  italienischer  Seite  die 
Aufrechterhaltung  des  September- Vertrages  in  der  römischen  Frage  durch  den  Herzog 
von  Gramont  gewesen.     Nicht  ganz  auf  der  Höhe  dieser  Darstellung  der  Ereignisse 
und  Vorgänge  der  hohen  Politik  stehen  die  Abschnitte  der  Darstellung  S.s,    welche 
sich  mit  den  geistigen  Strömungen   im  deutschen  Volksleben,   namentlich  den  inter- 
nationalen Bewegungen  des  Ultramontanismus  und  der  Socialdemokratie  beschäftigen. 
Namentlich    der   letzteren    gegenüber   tritt    doch  die  auch  sonst  bei  Mitgliedern  der 
älteren  Generation    oft    zu    beobachtende  Thatsache   hervor,    dass   der  Vf.  den  tiefer 
liegenden  socialökonomischen  Ursachen  und  Triebfedern  dieser  Bewegung  nicht  ganz  so 
g-erecht  zu  werden  versteht,  wie  den  verschiedenen  Strömungen  auf  politischem  Gebiet, 
dass  ihm  mit  einem  Worte  die  nach  der  Erringung  der  nationalen  Einheit  mit  grösster 
Wuchtigkeit  auftretende  und  immer  mehr  das  allgemeine  Interesse  in  Anspruch  nehmende 
sociale  Frage  doch  nicht  in  dem  Masse  vertraut  ist  wie  uns  Jüngeren,  die  wir  unter  ihrem 
unmittelbaren   Eindruck    geistig  herangewachsen  sind,    eine  Beobachtung,    die   man 
auch    dem    grössten    Staatsmann    unseres    Jh.,    dem    Hauptschöpfer    des    nationalen 
Staates,  Bismarck,  gegenüber  gemacht  hat.     Im  übrigen  aber  ist  das  Werk  eine  jener 
grossen  Leistungen  des  deutschen  Geistes,  auf  welche  stolz  zu  sein  unser  Volk  alle 
Ursache  hat.242)  —  An  wissenschaftlichem  Wert    kann    sich    von    den    übrigen    dar- 
stellenden Arbeiten  keine  auch  nur  annähernd   mit  dem  Sybelschen  Werke   messen, 
doch    bringen    namentlich    die    Schriften    Blums243-244),    welcher    als   Reichstags- 

hatten?"  antwortet.)  —  242)  X  ö-  Rathlef,  Bismarclc  u.  Oesterr.  bis  1866  mit  besond.  Berücksichtig,  d.  Sybelschen  Werkes. 
Nebst  e.  Znsatzartikel:  „D.  Beurteil,  d.  österr.  n.  prenss.  Polit.  im  Sybelschen  Werke."  Reval,  Klnge.  V,  92  S.  M.  1,60. 
(Ans  BaltMschr.)  —  243)  H.  Blum,  Anf  d.  Wege  z.  dtsch.  Einheit.  Erinnerungen  u.  Aufzeichnungen  e.  Mitkämpfers  aus  d. 
J.  1867— 70.  2.  Bde.  Jena,  Costenoble.  1893.  377,360  8.  M.  10.00.  |[N*S.  69,  S.  409-10;  LCB1.  S.  1222/3.]|  (Vgl.  JBL.  1893 
IV  5:606.)  —  244)  id.,  D.  dtsch.  Reich  z.  Z.  Bismarcks.   (=  Polit.  Gesch.  v.  1871—90.)   L.,  Bibliogr.  Inst.    1893.   XX,  708  S. 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.    IV  lb  :  243-246 

abgeordneter,  mit  feiner  Beobachtungsgabe  ausgerüstet,  an  den  politischen  Vorgängen 
lebhaften  Anteil  genommen  hat,  namentlich  aus  persönlichen  Erinnerungen  manche 
wertvolle  und  willkommene  Ergänzung,  und  sie  haben  ausserdem  das  Verdienst,  die 
Darstellung  über  den  Endpunkt  der  Sybelschen  bis  fast  zur  unmittelbaren  Gegenwart 
hin  fortzuführen.  Das  eine  der  B. sehen  Werke,  welches  sich  in  Bezug  auf  die  be- 
handelte Periode  fast  völlig  mit  den  beiden  letzten  Bänden  des  Sybelschen  Werkes 
deckt,  enthält  nicht  eigentlich  eine  einheitliche,  neuerdings  konzipierte  Gesamt- 
darstellung, sondern  die  gleichzeitigen  Niederschriften  des  Vf.  über  die  Verhandlungen 
des  Reichstages  und  des  Zollparlaments  von  1867—70,  die  er  damals  namenlos  in 
einer  Zeitschrift  erscheinen  liess.  Dadurch  gewinnen  die  Aufzeichnungen  naturgemäss 
an  Frische  und  Ursprünglichkeit,  aber  es  fehlt  ihnen  der  höhere  Stand-  und  Gesichts- 
punkt unserer  heutigen  rückschauenden  historischen  Erkenntnis  der  Dinge.  Der  Vf. 
hat  gar  nicht  versucht,  die  Darstellung  einigermaassen  diesem  veränderten  chrono- 
logischen Standpunkte  auch  nur  äusserlich  anzupassen,  und  das  hat  manchmal  geradezu 
zu  grossen  Unklarheiten  geführt.  Wenn  er  von  „jetzt"  oder  „seitdem"  spricht,  so 
muss  man  sich  immer  erst  vergegenwärtigen,  dass  nicht  etwa  das  Jahr  der  Heraus- 
gabe des  Buches  (1893),  sondern  das  der  Niederschrift  des  betreffenden  Artikels 
gemeint  ist.  Sonst  enthält  das  Buch  manche  interessante  Aufschlüsse  über  interne 
Vorgänge  innerhalb  des  Parlaments  und  seiner  Parteien  und  über  deren  Verhandlungen 
mit  dem  Bundeskanzler,  welch  letzterer  sehr  stark  in  den  Mittelpunkt  der  ganzen 
Darstellung  gerückt  ist.  In  dem  zweiten  Werke,  welches  sich  der  behandelten  Zeit 
nach  unmittelbar  an  das  erste  anschliesst,  liegt  der  erste  Versuch  einer  zusammen- 
fassenden quellen  massigen  Darstellung  der  neuesten  Geschichte  von  1871 — 90  vor, 
der  sich  von  den  bisherigen  rein  volkstümlichen  Schriften  über  denselben  Gegenstand 
entschieden  vorteilhaft  unterscheidet.  B.  hat  sich  in  dem  Buche  bemüht,  nur  wirklich 
sichere  und  zuverlässige  Nachrichten  zu  geben,  die  Anordnung  des  Stoffes  ist  über- 
sichtlich und  klar,  die  Darstellung  fliessend  und  elegant.  Doch  sind  gegen  manche 
Einzelheiten  von  verschiedenen  unterrichteten,  teilweise  persönlich  beteiligten  Seiten 
auch  nicht  unerhebliche  Einwendungen  erhoben  worden.  Den  Mittelpunkt  der  Dar- 
stellung bildet  auch  in  diesem  zweiten  B.schen  Werke  Fürst  Bismarck,  dem  der 
gemässigt  nationalliberale  Vf.  bekanntlich  bewundernde  Verehrung  zollt.  Er  preist 
daher  den  alten  Kurs  gegenüber  dem  neuen  bedingungslos  und  zwar  zuweilen,  ohne 
Zweifel  mehr  von  politischen  als  von  historischen  Gesichtspunkten  geleitet,  über 
das  Ziel  hinausschiessend.  In  manchen  Punkten,  z.  B.  bei  dem  Abspringen  Bismarcks 
vom  Kulturkampfe,  ist  seine  Darstellung  daher  wenig  eingehend  und  ausreichend, 
wie  er  denn  die  neben  den  gewaltigen  Vorzügen  doch  auch  unleugbar  vorhandenen 
Schwächen  des  Bismarckschen  Regiments  doch  mehr  verschweigt,  als  für  den  objektiven 
Historiker  zulässig  ist.  Er  bleibt  eben  auch  als.  Schriftsteller  mehr  Politiker  als 
Historiker.  —  Ganz  ausschliesslich  mit  der  Geschichte  des  deutschen  Reichstages 
beschäftigt  sich  ein  lesenswertes  Buch  von  R  o  b  o  1  sk  y245),  das  im  wesentlichen 
aus  eigenen  Erinnerungen  und  Eindrücken  geschöpft  ist,  die  der  Vf.  als  Reichstags- 
korrespondent der  Weser-Zeitung  seiner  Zeit  niedergeschrieben  hat.  Daneben  sind  die 
offiziellen  Thronreden,  sowie  auch  die  stenographischen  Verhandlungsberichte  usw. 
benutzt.  Aus  diesen  Quellen  entwirft  der  Vf.  ein  anschauliches,  wenngleich  zuweilen 
in  trockene  Aufzählungen  sich  verlierendes,  nicht  immer  gleichmässiges  Bild  der 
Verhandlungen  des  norddeutschen  und  späteren  deutschen  Reichstages,  wobei  aber  oft 
das  tiefere  Verständnis  der  wirkenden  Ursachen  und  treibenden  Kräfte  fehlt,  weil 
der  Zusammenhang  des  Reichstages  und  seiner  Parteien  mit  dem  eigentlichen  Volks- 
leben zu  wenig  betont  wird.  Dagegen  ist  das  Streben  des  Vf.  nach  Objektivität  ent- 
schieden anzuerkennen.  Sein  eigener  Parteistandpunkt,  der  wohl  ein  gemässigt 
konservativer  ist,  tritt  nirgendwo  störend  hervor,  seine  Gesinnung  ist  eine  ausgesprochen 
nationale,  daher  legt  er  auch  auf  die  Behandlung  der  nationalen  Fragen  im  engeren 
Sinne  den  Hauptnachdruck,  während  die  wirtschaftlichen  und  politischen  Gegensätze 
im  einzelnen  nicht  immer  klar  genug  zu  Tage  treten.  Störend  bemerkbar  machen 
sich  häufige,  oft  wörtliche  Wiederholungen  desselben  Gedankens,  die  erkennen  lassen, 
dass  die  Darstellung  nicht  in  einem  Guss  niedergeschrieben,  sondern  aus  teil- 
weise recht  disparaten  Aufzeichnungen  verschiedener  Jahre  zusammengestellt  ist. 
Sehr  dankenswert  ist  die  im  Anhang  erfolgte  Beigabe  einiger  Aktenstücke,  darunter 
eines  vergleichenden,  die  Aenderungen  im  einzelnen  nachweisenden  Abdrucks  der 
Verfassungen  des  norddeutschen  Bundes  und  des  deutschen  Reiches,  ferner  der 
kaiserlichen  Botschaft  vom  17.  Nov.  1881,  des  Erlasses  des  Königs  vom  4.  Jan.  1882 
und  der  Erlasse  Kaiser  Wilhelms  II.  vom  4.  Febr.  1890  über  den  Arbeiterschutz.246)  — 
Die  übrigen  Darstellungen    dieses  Zeitraumes    sind   wesentlich   populärer  Natur,   im 

M.  6,00.  |fMHL.  22,  S.  247;  WIDM.  75,  S.  656:  Ath.  2.  S.  191;  Grenzb.  1,  S.  49-50.]|  —  245)  H.  Bobolsky,  D.  dtsch.  Reichs- 
tag. Gesch.  seines  25 j.Bestehens  1867-92.  B.,  Skopnik.  480,  XLII  S.  M.  6,00.  |[KBGV.  42,  S.  88.] |  —  246)  X  T.  Szafranski, 
Humor  im  dtseb.  Reichstag.     Aus  d.  amtl.  Stenograph.  Ber.  über  d.  Verhandl.  d.  dtsch.  Reichstags  v.  1871—93  zusammengest. 


IV  lb  :  247-257    G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

einzelnen  nicht  ohne  Verdienst,  aber  wissenschaftlich  ohne  selbständigen  Wert,  wohl 
aber  in  ihren  zum  Teil  wiederholten  Auflagen  ein  Beweis  dafür,  wie  stark  das  Be- 
dürfnis im  Volke  ist,  sich  über  die  historische  Entstehung  seiner  Einheit  näher  zu 
unterrichten.  Es  ist  gleichsam  eine  eigene  Art  populärwissenschaftlicher  Litteratur 
von  nicht  unbeträchtlichem  Umfange,  welche  diesem  Bedürfnis  ihre  Entstehung 
verdankt.247"253)  — 

Unter  den  biographischen  Beiträgen  sind  in  wissenschaftlicher  wie 
populärer  Richtung  am  zahlreichsten  und  wertvollsten  die,  welche  dem  Begründer 
des  neuen  Reiches  und  seinem  ersten  Kanzler,  dem  Fürsten  Bismarck,  gewidmet 
sind.  Um  die  erschöpfende  Sammlung  des  urkundlichen  Quellenmaterials  für  eine 
künftige,  den  wissenschaftlichen  Anforderungen  völlig  genügende  Biographie  des  grossen 
Staatsmannes  hat  sich  in  jüngster  Zeit  namentlich  Kohl254)  die  grössten  Verdienste 
erworben.  Ihm  verdanken  wir  vor  allem  die  erste  grosse,  auf  historisch-kritischer 
Grundlage  veranstaltete  vollständige  Sammlung  der  Reden  des  Fürsten,  wodurch  alle 
anderen,  in  mehr  oder  minder  geschickter  Auswahl  veranstalteten  Teilausgaben255) 
wissenschaftlich  antiquiert  werden,  wenngleich  sie  wegen  der  Kostspieligkeit  der 
K. sehen  Sammlung  für  populäre  Zwecke  auch  in  Zukunft  nicht  entbehrlich  sein 
werden.  Diese  Reden  bilden  in  der  That  nicht  bloss  eine  historische  Quelle  ersten 
Ranges,  sondern  sie  sind  auch  für  die  Geschichte  der  deutschen  Beredsamkeit  und 
des  deutschen  Stils  von  grösster  Bedeutung.  Die  Gewalt  der  Sprache,  die  Fülle  und 
der  Glanz  der  mit  unvergleichlicher  Geschicklichkeit  angewandten  Bilder  und 
historischen  Analogien,  wie  die  Wucht  und  Grösse  ihres  Inhalts  machen  sie  zu 
litterarischen  Denkmälern  von  unvergleichlicher  Bedeutung.  Ein  Teil  "der  ungeheuren 
Gedankenarbeit,  Energie  und  Schaffenskraft  dieses  gewaltigen  Geistes  ist,  einem 
mächtigen  Strome  vergleichbar,  in  diesen  Reden  zu  Tage  gekommen,  die  fast  alle 
grossen,  unsere  Zeit  bewegenden  Fragen  des  politischen,  geistigen  und  gesellschaftlichen 
Lebens  berühren,  und  die  auch  der  mit  stets  wachsender  Bewunderung  lesen  wird, 
der  mit  ihrem  Inhalt  nicht  immer  einverstanden  ist.  Ihre  Sprachgewalt  wie  die 
überzeugende  Wucht  ihrer  Gedanken  ist  bisher  unerreicht  geblieben  und  erklärt  einen 
Teil  der  fascinierenden  und  hinreissenden  Gewalt,  die  Bismarcks  Persönlichkeit  auf 
alle  ausübt,  die  mit  ihm  in  nähere  Berührung  gekommen  sind.256)  —  Ein  ähnlicher 
historischer  Wert  und  eine  verwandte  litterarische  Bedeutung  kommt  auch  den  Briefen 
Bismarcks  zu,  von  denen  eine  für  seine  geistige  und  politische  Entwicklung  besonders 
wichtige  Sammlung,  sein  Briefwechsel  mit  dem  General  von  Gerlach,  in  der  Berichts- 
periode veröffentlicht  worden  ist257).  Dies  Buch  bildet  eine  hochinteressante  und 
bedeutsame  Ergänzung  zu  dem  früher  von  Poschinger  herausgegebenem  Briefwechsel 
des  Bundestagsgesandten'  Bismarck  mit  seinem  Vorgesetzten,  dem  Ministerpräsidenten 
von  Manteuffel ;  ja  in  vieler  Hinsicht  sind  diese  Briefe  für  die  Genesis  der  politischen 
Anschauungen  Bismarcks  noch  wichtiger  als  jene  offiziellen  Berichte,  weil  sie  weit 
offener  und  rückhaltloser  gegeben  sind.  Am  Anfang  seines  Frankfurter  Aufenthalts 
stimmte  Bismarck  nach  diesen  Briefen,  deren  vorliegende  Ausgabe  freilich  mit  gutem 
Grunde  sehr  stark  angefochten  worden  ist,  im  wesentlichen  mit  dem  Haupte  der 
königlichen  Kamarilla  Friedrich  Wilhelms  IV.,  des  „gouvernement  oeculte",  wie  er 
selbst  es  nennt,  Leopold  von  Gerlach,  in  der  Hauptsache  überein,  aber  überall  erkennt 
man  doch  schon  das  Werden  und  Wachsen  einer  eigenen  selbständigen  Auffassung, 
die  sich  nicht  selten  in  scharfem  Gegensatz  zu  der  der  Regierung  befindet,  deren 
Schwäche  und  Feigheit  zuweilen  in  den  drastischsten  Ausdrücken  gegeisselt  wird. 
Sehr  merkwürdig  ist  vor  allem  die  allmähliche  Wandlung  seiner  ursprünglichen 
Auffassung  des  Verhältnisses  zu  Oesterreich,  welche  sich  nach  und  nach  immer  mehr 
zu  der  Ueberzeugung  zuspitzt,  dass  Preussen  eine  eigene,  selbständige  nationale 
Politik  nur  in  ausgesprochenem  Gegensatz  zu  Oesterreich  verfolgen  könne.  Das  ist 
das  A  und  0  der  Bismarckschen  Auseinandersetzungen  über  die  von  Preussen  im 
Krimkriege  zu  verfolgende   Politik,  wo   er    immer  wieder    darauf   dringt,    dass    sich 


2.  durchges.  Aufl.  B.,  Walther.  192  S.  M.  2,00.  irKVZg.  N.  409.]|  (Vgl.  I  4:136a.)  —  247)  X  C.  v.  d.  Boeek,  Kaiser 
Wilhelm  I.  u.  seine  Zeit.  E.  Buch  für  Alldeutsohlands  .Tugend.  Mit  Farbendr.-Ill.,  gezeichn.  u.  lithogr.  v.  W.Schäfer.  2.  Aufl. 
L.,  0.  Drewitz  Nachf.  III,  228  S.  M.  4.50.  —  248)  X  Wilhelm  I.  Kaiser.  E.  Lebensbild  d.  grossen  Kaisers  in  dtsch.  Liedern. 
B.,  Rehtwiseh  ä  Langewort.  12°.  95  S.  M.  1,00.  —  249)  X  A-  Thamm,  D.  Zeitalter  König  Wilhelms  I.  oder  d.  Zeit  d. 
Gährung  Deutschlands  in  Biogrnphien  dargest.  Striegan,  Wattenbach.  566  S.  M.  8,50.  |[KZg.  N.  1009.JI  —  250)  X  p- 
Grotowsky,  O.  grosse  Kaiser  im  dtsch.  Lied.  E.  Gedenkbuch  für  Schule  u.  Haus.  Neue  (Titel-)  Ausg.  Giessen,  Krebs. 
XVI,  221  S.  M.  1,50.  (D.  1.  Aufl.  ist  1892  erschienen;  s.  u.  IV  2b.)  —  251)  X  Kaiser  Wilhelm  I.  u.  Ostpreussen.  Z.  Feier 
d.  Enthöll.  d.  Denkmals  Kaiser  Wilhelms  I.  in  d.  Krönungsstadt  d.  Königr.  Preussen  am  4.  Sept.  Königsberg,  Rautenberg. 
22  S.  M.  0,50.  —  252)  X  W.  Kahl,  D.  neue  Kaisertum.  Festrede.  Bonn,  Strauss.  16  S.  M.  0,60.  —  253)  X  Didask  N.  197. 
(Einige  für  d.  Verhältn.  zwischen  Kaiser  Wilhelm  u.  d.  Feldmarsch.  Manteuff'el  wichtige  u.  interessante  Aktenstücke  nach 
d.  KZg.)  —  254)  D.  polit.  Beden  d.  Fürsten  Bismarck.  hist.-krit.  Gesamtausg.  her.  v.  H.  Kohl.  Bd.  IV-X.  St.,  Cotta.  XXII, 
458  S.;  XXVI,  447  S.;  XXVIII,  491  S.;  XXIV,  443  S.;  XX,  436  S  ;  XXII,  479  S.;  XXXII,  522  S.  M.  32,00.  ([DK.  4,  S.  126; 
AZg".  1893,  N.  227.]|  (Vgl.  JBL.  1892  IV  lb:123.)  —  255)  X  Fürst  Bismaroks  ges.  Reden.  3  Bde.  in  1  Bd.  B.,  Cronbach. 
416,  399,  399  S.  M.  3.00.  —  256)  X  H.  Kohl,  E.  ungehaltene  Rede  Bismaroks:  Znknnft  9,  S.  117-21.  —  257)  Briefw.  d. 
Generals  v.  Gerlach  mit  d.  Bundestags-Gesandten  O.  v.  Bismarck.    3.  Aufl.    B.,  Besser.    855  S.    M.  5,00.    |[WeserZg,  N.  16700; 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./ 19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.    IV  lb  :  25S-280 

Preussen  nicht  von  Oesterreich  ins  Schlepptau  nehmen  lassen  dürfe.  Er  kommt  dabei 
zu  dem  in  schroffem  Gegensatz  zu  dem  Adressaten  seiner  Briefe  stehenden  Aus- 
spruche, dass  man  sogar  vorübergehend  mit  dem  „revolutionären"  französischen  Em- 
pire, welches  Gerlach  bitter  hasste,  zusammengehen  könne,  um  nicht  in  Abhängigkeit 
von  Oesterreich  zu  geraten;  er  zeigt  hier  volle  Unabhängigkeit  von  den  steifbeinigen 
legitimistischen  Velleitäten  seines  einflussreichen  Freundes  am  preussischen  Hofe.  Wahr- 
haft herzerquickend  ist  die  Sprache,  die  Offenheit  der  Ausdrucksweise,  der  Freimut  seiner 
Ueberzeugung,  mit  der  er  keinen  Augenblick  hinterm  Berge  hält,  auch  wenn  er 
weiss,  dass  seine  Anschauungen  denen  der  Hofkreise  auf  das  schärfste  wider- 
sprechen.258-261) —  Die  allmähliche  Wandlung,  welche  die  öffentliche  Meinung  gegen- 
über dem  anfangs  als  „Junker"  verketzerten,  später  von  ihr  vergötterten  Staats- 
manne  durchgemacht  hat,  wird  ausgezeichnet  illustriert  durch  das  Album,  welches  der 
Kladderadatsch  von  den  im  Laufe  der  Jahre  in  seinen  Spalten  erschienenen  Karikaturen 
und  Witzen  über  Bismarck  veranstaltet  hat 262).  —  Eine  mit  Erläuterungen  versehene 
Sammlung  der  besten  Bismarckgedichte  desselben  Witzblattes  hat  Kohl 263)  heraus- 
gegeben. Ihr  kommt  nicht  allein  historisch,  sondern  unzweifelhaft  auch  litterarisch 
eine  grosse  Bedeutung  durch  den  poetischen  Wert  einzelner  dieser  Gedichte  zu, 
welche  von  Dohm,  Löwenstein,  Trojan,  Polstorff  u.  a.  verfasst  sind.  K.  hat  sich 
um  die  Sammlung  durch  seine  Erläuterungen,  welche,  viele  Anspielungen  auf  heute 
in  Vergessenheit  geratene  Dinge  erst  verständlich  machen,  ein  grosses  Verdienst  er- 
worben. Als  Quelle  der  Erläuterungen  dienen  ihm  meist  die  Reden  Bismarcks.  — 
Endlich  hat  Kohl264)  noch  nach  dem  Muster  des  Goethe  -  Jahrbuchs  ein  Bismarck- 
Jahrbuch  begründet,  dessen  erster  Band  vorliegt,  und  das  ein  Mittelpunkt  für 
die  weitere  Bismarckforschung  zu  werden  bestimmt  ist.265-266)  —  Unter  den  dar- 
stellenden Arbeiten  ist  in  erster  Linie  ein  drittes  Werk  Blums 267)  zu  nennen, 
welches  den  Fürsten,  den  er  schon  in  den  beiden  früher  besprochenen  Werken 
in  den  Mittelpunkt  der  Darstellung  gerückt  hatte,  nun  zum  Gegenstande  einer  im 
wesentlichen  auf  weitere  Kreise  berechneten  Biographie  macht.  Die  Auffassung  der 
geschichtlichen  Entwicklung  stimmt  mit  der  in  jenen  anderen  Werken  überein,  auf 
deren  Besprechung  daher  verwiesen  wird  (s.  o.  N.  243/4).  —  Auch  sonst  ist  Bismarck 
in  einer  grossen  Zahl  von  darstellenden  Arbeiten268-271),  Erinnerungen272"273)  und 
Charakteristiken274"276),  in  Lied277-278)  und  Bild279)  gefeiert  worden,  ohne  dass  man 
der  Mehrzahl  dieser  Arbeiten  einen  für  unsere  historische  Erkenntnis  des  Kanzlers 
erheblichen  Wert  beimessen  könnte.  —  Beachtenswert  ist  es,  dass  auch  von  englischer 
Seite  der  Versuch  einer  biographischen  Charakteristik  des  Kanzlers  unternommen 
worden  ist.  Dieses,  nun  durch  eine  deutsche  Uebersetzung  von  W  i  1 1  e 280)  zu- 
gänglich gemachte  Buch,  welches  eine  für  einen  Ausländer  gute  und  in  der  Haupt- 
sache richtige  Skizze  des  Lebens  des  grossen  Kanzlers  enthält,  beruht  vornehmlich 
auf  dessen  Reden  und  den  von  Poschinger  u.  a.  herausgegebenen  Briefen  und  Akten. 
Freilich  hat  der  Vf.  von  den  im  eigentlichen  Volke  wirkenden  Kräften,  die  Bismarck 
erst  die  Möglichkeit  seiner  erfolgreichen  Wirksamkeit  gegeben  haben,  keine  ausreichende 
Kenntnis  und  ist  daher  oft  in  eine  übertreibende  und  panegyrische  Schilderung  der 
Bedeutung  des  einen  [Mannes  verfallen;  im  übrigen  aber  zeigt  er  eine  anerkennens- 
werte Objektivität.  —  Immerhin  erwähnenswert  ist  auch  der  Versuch,  eine  Biographie 
Bismarcks  auf  dessen  eigenen,  in  Unterhaltungen,  vertraulichen  Briefen,   öffentlichen 

F.  Meinecke:  HZ.  72,  S.  44-60  („Gerlach  u.  Bismarck." ).1|  —  258-259)  X  Briefw.  zwischen  d.  Fürsten  Bismarck  u.  Ihering : 
Didask.  1893,  N.  197.  (Zwei  für  d.  Fürsten  wie  Ihering  gleich  charakteristische  u.  ohrenvolle  Briefe,  d.  zuerst  in  d.  „Zukunft" 
abgedruckt  waren.)  —  260)  X  Ungedr.  Briefe  v.  Bismarck:  NWienTBl.  N.  268.  —  261)  X  Didask.  N.  144  (Ueber  einige 
Briefe  d.  amerikan.  Gesch.-Schreibers  John  L.  Motley  an  Bismarck.)  —  262)  Bismarckalbura  d.  Kladderadatsch.  Mit 
300  Zeichnungen  t.  W.  Scholz  und  4  facsira.  Briefen  d.  Reiohskanzlers.  25.  Aufl.  B.,  A.  Hofmann  A  Co.  4".  IV,  184  S. 
M.  6,00.  —  263)  H.  Kohl.  Bismarck-Gedichte  d.  Kladderadatsch,  mit  Erläuterungen  her.  Mit  vielen  111.  v.  W.  Scholz  u.  G. 
Brandt.  1.-9.  Tausend,  ebda.  XX.  380  S.  M.  3,00.  —  264)  id.,  Bismarck-Jb.  1.  Bd.  B.,  Hering.  XVI,  516  S.  M.  10,00. 
(Vgl.  d.  Ankündig,  in  DLZ.  S.  571  2.)  —  265)  X  H-  Blümner,  D.  bildl.  Ausdruck  in  d.  Reden  d.  Fürsten  Bismarck:  Euph.  I, 
S.590-603,  771-87.  (Vgl.  JBL.  1891  IV  1  :  117;  1892  I  6  :  49:  IV  lb  :  124;  s.  o.  I  7:32.)  -  266)  X  Bismarck- Worte  aus  seinen  Reden  u. 
Briefen.  1847-88.  Mit  e.  Portr.  Bismarcks,  e.  Ansicht  seines  Schlosses  Friedrichsruh  u.  e.  Zeichn.  seines  Wappens.  L., 
Meissner  u.  Buch.  13  S.  M.  1,00.  —  267»  H.  Blum,  Fürst  Bismarck  u.  seine  Zeit.  E.  Biogr.  für  d.  dtsch.  Volk.  3  Bde.  München, 
C.  H.  Beck.  XII,  524  S.;  X,  419  S.;  XIV,  462  8.  ä  M.  5,00.  —  268'  X  A..  Graf  v.  Westarp,  Fürst  Bismarck  u.  d.  deutsche 
Volk.  3.  Aufl.  mit  e.  Festgruss  z.  1.  April  1893.  ebda.  1893.  VII.  234  S.  M.  2,80.  -  269)  X  F.  Sonnenburg,  Fürst 
Bismarck.  E.  Lebensbild.  B„  Meidinger.  III,  185  S.  M.  3,00.  —  270)  X  F-  v-  Koppen,  Fürst  Bismarck  u.  seine  Zeit.  E. 
Volksbuch  für  Jung  u.  Alt.  (=  Neue  Jugendbibl.  begr.  v  Ferd.  Schmidt  N.  12,3.)  L.,  Geibel  u.  Brockhaus.  12°.  IV,  270  S. 
M.  2.50.  —  271)  X  A.  Ohorn,  D.  Buch  v.  eisernen  Kanzler.  E.  Erzähl,  für  Deutschlands  Jug.  Mit  zahlr.  111.  in  Holzschn.  nach 
ersten  Künstlern  u.  4  Farbendr.-Bild.  v.  F.  Bergen.  St.,  Süddtsch.  Verl.-Inst.  IH,  228  S.  M.  3,00.  —  272)  XO  W.  v.  Bülow, 
Neue  Bismarck- Erinnerungen.  B.,  Steinitz.  V,  311  S.  M.  3.50.  —  273)  X  W.  Alexejew,  Erinnerungen  d.  ehemal.  Sprach- 
lehrers d.  Fürsten  v.  Bismarck.  St.  Petersburg,  Schraitzdorff.  23  S.  M.  0,50.  -  274)  X  O  Denkwürdigkeiten  d.  Fürsten 
Bismarck.  L.,  Renger.  1109  S.  M.  14,00.  —  275)  X  A.  Rauschenplat,  Bismarck  u.  Spinoza.  E  Charakterskizze.  Ham- 
burg, K.  Hartmann.  19  S.  M.  0,60.  —  276)  X  E-  Schröder,  95  Bismarck-Thasen.  B.,  Rentzel.  10  S.  M.  0,20.  —  277)  X 
P.  Grotowsky,  D.  eiserne  Kanzler  im  dtsch.  Lied.  E.  Gedenkb.  für  d.  dtsch.  Volk.  Giessen,  Krebs.  IX,  146  S.  M.  3,00. 
(Vgl.  IV  2b.)  —  278)  X  E-  Scherenberg,  Niemals!  D.  Fürsten  Bismarck.  Frühj.  1893.  4.  Tausend.  Elberfeld,  Lucas. 
7  S.  M.  0,15.  (Bekanntes  schwungsvolles  Gedicht;  giebt  d.  Sehnsucht  nach  e.  Versöhnung  zwischen  Kaiser  u.  Kanzler  Aus- 
druck.) -  279)  X  C.  W.  Allers.  Unser  Bismarck.  Text  v.  H  Krämer.  (In  14  Lfg.)  1.-5.  Lfg.  St.,  Union.  S.  1-100  mit 
Abbild,  u.  10  Taf.  ä  M.  2,00.  —  280)  C.  Lowe,  Fürst  Bismarck.  E.  hist.  Biographie.  Autoris.  Uebers.  v.  E.  A.  Witte.  L., 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (4)8 


IV  lb  :  281-291    G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

Reden  und  amtlichen  Kundmachungen  gegebenen  Rückblicken  auf  seine  Vergangen- 
heit aufzubauen281).  Dabei  hat  dann  der  anonyme  Vf.  ausserdem  auch  die  Arbeiten  von 
Poschinger,  Sybel,  Hahn  usw.  benutzt.  Der  Vf.  lässt  Bismarck  stets  selbst  reden  und 
stellt  nur  hie  und  da  den  Zusammenhang  zwischen  seinen  Mitteilungen  her.  Dadurch 
ist  die  Darstellung  freilich  sehr  ungleichartig  und  mosaikmässig  geworden,  doch  ist 
das  Buch  nicht  ohne  Wert  durch  die  Zusammenstellung  massenhaften,  an  den  ver- 
schiedensten Stellen  verstreuten  Materials,  teilweise  mündlicher,  freilich  nicht  immer 
zuverlässiger  Ueberlieferungen,  die  sich  der  Vf.  oft  mühsam  genug  verschaffen 
musste.  —  Ausser  diesen  das  ganze  Leben  Bismarcks  umfassenden  Arbeiten  sind 
noch  eine  Reihe  anderer  erschienen,  welche  sich  mit  einzelnen  Fragen  aus  demselben, 
den  Beziehungen  des  Fürsten  zu  anderen  Zeitgenossen  u.  dgl.  beschäftigen.  Unter 
diesen  hat  die  öffentliche  Aufmerksamkeit  und  Teilnahme  am  meisten  das  Buch  er- 
regt, in  welchem  von  Poschinger 282)  die  persönlichen  und  politischen  Be- 
ziehungen Bismarcks  zu  den  hervorragendsten  Führern  des  Parlaments  geschildert 
hat.  Das  Buch  ist  ein  Neuabdruck  einer  ursprünglich  in  der  DR.  erschienen  Artikel- 
Serie.  Es  enthält  eine  Fülle  hochinteressanter,  auf  genauer  persönlicher  Information 
durch  die  Beteiligten  beruhender  Mitteilungen,  die  aber  nicht  gerade  sehr  einheitlich 
und  von  höherem  Gesichtspunkt  verarbeitet  sind,  vielmehr  die  ordnende  Hand,  wie 
die  meisten  inhaltlich  so  wertvollen  Publikationen  P.s,  oft  sehr  vermissen  lassen. 
Zum  Teil  sind  den  mehr  oder  weniger  persönlich  gearteten  Mitteilungen  auch 
Aktenstücke  beigefügt,  welche  für  die  Zeitgeschichte  wichtiges  Material  enthalten, 
so  z.  B.  bei  dem  Abschnitt  über  Varnbüler  dessen  Denkschrift  über  die  Zoll-  und 
Steuerreform.  Sehr  bemerkenswert  sind  auch  die  Angaben  des  Vf.  über  die  Anfänge 
der  Centrumspartei  und  über  die  früheren  Beziehungen  Bismarcks  zu  dem  Fürsten 
von  Hohenlohe-Schillingsfürst,  ferner  über  den  Eintritt  Falcks  in  das  Ministerium  usw. 
—  Ein  auf  den  verschiedenartigsten  Quellen,  den  Veröffentlichungen  von  Busch, 
Poschinger  u.  a.  und  auf  persönlichen  Mitteilungen  mehrerer  Damen  (u.  a.  der  Malerin 
Vilma  Parlaghi)  beruhende,  zuweilen  aber  doch  recht  feuilletonistische  und  anekdoten- 
hafte Schilderung  des  Verhältnisses  des  Fürsten  Bismarck  zu  den  Frauen,  zu  denen 
seiner  eigenen  Verwandtschaft  (Mutter,  Schwester,  Gemahlin),  sowie  zu  den  Ge- 
mahlinnen der  Fürsten  und  Diplomaten,  mit  denen  er  in  seinem  langen  und  wechsel- 
reichen Leben  in  Berührung  kam,  hat  Kohut283)  entworfen.  —  Mit  grosser 
Prätention  tritt  eine  kleine  Broschüre284)  auf,  welche  die  neuesten  und  geheimsten  Auf- 
schlüsse über  Bismarcks  Beziehungen  zu  der  seit  seinem  Rücktritt  am  energischsten 
seinen  Standpunkt  vertretenden  und  sehr  oft  von  ihm  inspirierten  „Hamburger  Nach- 
richten" zu  geben  verspricht,  thatsächlich  aber  in  der  Hauptsache  nichts  weiter  als 
Auszüge  aus  verschiedenen  Zeitungsartikeln  der  „Hamburger  Nachrichten"  über  den 
Konflikt  zwischen  Bismarck  und  Caprivi  enthält.  Was  der  Vf.  selbst  hinzufügt, 
ist  bis  auf  wenige,  offenbar  aus  den  Kreisen  der  Redaktion  der  genannten  Zeitung 
stammende  Notizen  meist  unbedeutend,  sehr  oft  blosser  Klatsch.  Wahrscheinlich  ist  der  Vf. 
eine  untergeordnende  Persönlichkeit  aus  der  Umgebung  Bismarcks  oder  aus  der 
Redaktion  der  „Hamburger  Nachrichten".285)  —  Endlich  ist  auch  Fürst  Bismarck  als 
Privatmann  in  einem  anziehenden  Artikel  behandelt286)  und  einigen  seiner  Ver- 
wandten eine  biographische  Darstellung  gewidmet  worden287"289).  — 

Ebenfalls  zur  Charakteristik  des  geistig  sehr  eigenartigen,  selbstlosen  und  auf- 
opferungsvollen Beraters  des  Fürsten,  der  im  Laufe  seines  wechselvollen  Lebens  eine 
höchst  eigentümliche  innere  Wandlung  vom  bürgerlichen  Revolutionär  zum  nationalen 
Socialisten  und  Freunde  Ferdinand  Lassalles  durchgemacht  hat,  bis  er  in  seiner  Ver- 
trauensstellung bei  Bismarck  anlangte,  Lothar  Buchers,  sind  einige  wichtige  Beiträge 
von  B.  Buch  er290)  erschienen.  Zunächst  ist  es  für  die  Kenntnis  der  Entwicklungs- 
geschichte dieses  rätselhaften  Mannes  von  grosser  Bedeutung,  dass  eine  Auswahl  seiner 
kleineren  Schriften  politischen  Inhalts  erschienen  ist291),  welche  uns  einen  Einblick  in 
seinen  geistigen  Werdegang  gestattet.  Diese  Schriften  sind  aber  nicht  bloss  als  Denkmäler 
seiner  litterarischen  Thätigkeit  für  Buchers  Lebensgeschichte  von  Wichtigkeit,  sondern 
auch  für  die  Geschichte  der  politisch-socialen  Bewegung  in  Deutschland  überhaupt. 
Das  vorausgeschickte  Märchen,  welches  auch  als  litterarische  Erscheinung  beachtens- 
wert ist,  gewährt  eine  allegorische  Darstellung  seines  Lebens ;  dann  folgt  seine  (thatsächlich 


G.  Wigand.  III,  315  S.  M.  4,50.  |[LCB1.  S.  1367/8.]|  —  281)  Bismarcks  Leben  u.  Wirken.  Nach  ihm  selbst  erzählt.  L.,  Renger. 
VI,  486  S.  M.8,00.  —  282)  H.  Bitter  v.  Poschinger,  Forst  Bismarck  u.  d.  Parlamentarier.  2  Bde.  Breslau,  Trewendt. 
IV,  339  S.;  VI,  362  S.  ä  M.  7,50.  |[DAdelsbl.  S.  9-10;  SchwabMerkB.  N.  289.]|  —  283)  Ad.  Kohut,  Fürst  Bismarck  u.  d. 
Frauen.  B.,  Stahn.  155  S.  M.  2,00.  —  284)  Fürst  Bismarck  u.  d.  „Hamb.  Nachr."  Authent.  Tagebuchbll.  v.  e.  Eingeweihten 
B.,  Rentzel.  81  S.  M.  1,50.  —  285)  X  Crispi  bei  Bismarck:  DR.  2,  S.  1-33,  133-49,  261-88.  —  286)  Bismarck  als  Privatmann. 
Nach  H.  v.  Poschingers  Ansprachen-Samml.:  Geg.  46,  S.  309-13.  —  287)  X  Fürstin  Bismarck:  AkBU.  9,  S.  209.  —  288)  X 
Johanna  v.  Bismarck:  Bär  20,  S.  608-10.  —  289)  X  w-  Keiper,  D.  Fürsten  Bismarck  Grossvater  in  d.  Litt.:  Daheim  N.  30. 
(Weist  auf  einige  in  d.  Boie-Gotterschen  Musenalm.  veröffentl.,  an  sich  weder  sachlich  noch  formell  bedeutende  Gedichte  Karl 
Alexander  v.  Bismarcks  [1727-97]  hin.)  —  290)  B.  Buch  er,  Erinnerungen  an  Lothar  Bucher:  Grenzb.  1893:  4,  S.  420-79, 
469-76,  572-80.    -    291)  L.  Bucher,  Kleine  Schriften  polit.  Inhalts.    St.,  Krabbe.    VII,  352  S.    M.  5,00.   -   292)  id.,  D.  Paria- 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.  IV  lb  •.  291-294 

nicht  gehaltene)  Verteidigungsrede  vor  den  Geschworenen  von  1850,  welche  grelle 
Streiflichter  auf  die  durch  die  Verlegung  der  preussischen  Nationalversammlung  nach 
Brandenburg  geschaffene  Situation  wirft.  Andere  Aufsätze  beschäftigen  sich  mit 
der  orientalischen  Frage  usw.  Für  den  Literarhistoriker  besonders  interessant 
ist  Buchers  beim  Schillerfeste  in  Leipzig  (10.  Nov.  1861)  gehaltene  Festrede  über 
„Schiller  als  Jurist".  Bekanntlich  war  Schiller  auf  der  Karlsschule  ursprünglich  Jurist. 
Bucher  sucht  nun  nachzuweisen,  dass  Schiller  in  seinen  historischen  Rechtsanschauungen 
nicht  von  Rousseau,  sondern  von  Samuel  Pufendorf  beeinflusst  war.  Dann  folgt  ein 
Auszug  aus  einer  von  Bucher  am  8.  Mai  1865  dem  preussischen  Landtage  vorgelegten 
Denkschrift  betr.  die  ausserordentlichen  Ausgaben,  welche  durch  den  Krieg  gegen  Däne- 
mark veranlasst  worden  waren.  Sehr  interessant  ist  auch  der  Aufsatz  über  die  englische 
Rede-  und  Pressfreiheit  und  die  Fenierprozesse,  worin  deutlich  die  Wandlung  zu 
Tage  tritt,  welche  sich  bei  Bucher  infolge  seines  genauen  Studiums  der  englichen  Ver- 
hältnisse vollzog  und  ihn  zum  entschiedensten  Gegner  der  bis  dahin  herrschenden 
Manchestertheorie  machte.  In  diesem  Aufsatze  sucht  er  speciell  nachzuweisen,  dass 
die  Gesetze  über  Presse  und  Flugschriften  (libels),  dass  überhaupt  die  Repression 
gegen  die  Presse  in  England  weit  schärfer  sei  als  auf  dem  Kontinent.  Hier  wie  in 
mehreren  anderen  glänzenden  Artikeln  dieses  Buches  bemüht  er  sich  eifrig,  über 
die  englische  Geschichte,  Politik  und  Verwaltung  unter  seinen  Landsleuten  richtigere 
Vorstellungen  zu  erwecken,  als  sie  die  damals  landläufige  Tradition  enthielt,  unter 
deren  Einfluss  der  Vf.  früher  selbst  gestanden  hatte.  Freilich  hat  er  dabei  zu- 
weilen sehr  über  das  Ziel  hinausgeschossen  und  im  Gegensatz  zu  dieser  Tradition 
Behauptungen  aufgestellt,  welche  entschieden  unrichtig  oder  doch  zum  wenigsten 
historisch  nicht  erweisbar  sind.  Namentlich  gilt  dies  von  dem  sonst  glänzend  ge- 
schriebenen und  in  vieler  Beziehung  unterrichtenden  Aufsatze  über  den  Cobden-Club. 
—  Von  einer  anderen  grösseren  Schrift  B  u  c  h  e  r  s 292)  über  England,  welche  bei 
ihrem  ersten  Erscheinen  im  J.  1854  grosses  und  berechtigtes  Aufsehen  machte,  ist 
eine  neue  dritte  Auflage  erschienen,  die  jetzt  freilich  in  mancher  Hinsicht  fremdartig 
anmutet,  weil  sie  eben  auf  die  damaligen  Verhältnisse  zugeschnitten  ist,  die  aber 
doch  noch  heute  in  hohem  Masse  beachtenswert  ist.  Die  Schrift  tritt  mit  grosser  Sach- 
kenntnis den  landläufigen,  zum  grossen  Teil  auf  Unkenntnis  der  Verhältnisse  beruhenden 
Vorstellungen  über  die  Vorzüge  der  parlamentarischen  Verfassung  in  England  schroff 
entgegen  und  weist  nach,  .  dass  die  parlamentarische  Gesetzgebung  in  England  im 
Gegenteil  eine  allmähliche  Zerbröckelung  und  Zerstörung  der  ursprünglichen,  auf 
der  common  law  beruhenden,  sehr  freien  englischen  Verfassung  sei,  welche  auf  einem 
Missbrauch  der  Befugnisse  der  Mandatare  (Abgeordneten)  gegenüber  ihren  Man- 
danten beruhe.  Die  glänzend  und  geistvoll  geschriebene,  freilich  wiederum  sehr 
oft  weit  über  das  Ziel  hinausschiessende  Abhandlung  ist  auch  charakteristisch  für 
die  persönliche  Entwicklung  des  Vf.  Sie  vor  allem  ist  ein  sprechendes  Zeugnis 
dafür,  auf  welchem  Wege  der  im  Exil  in  England  lebende  Vf.  seinen  demokratischen 
Standpunkt  von  1848  gewaltig  und  grundsätzlich  änderte,  lange  bevor  er  in  Bismarcks 
Dienste  trat,  und  ein  eifriger  Anhänger  socialer  Reformarbeit  wurde.  Inhaltlich  sind 
die  richtigen  Gedanken  der  Schrift  uns  inzwischen  längst  durch  die  wissenschaftlich 
grundlegenden  Arbeiten  Gneists  über  englische  Verfassungs-  und  Verwaltungs- 
geschichte vertraut  geworden,  durch  welche  im  übrigen  die  Arbeit  Buchers 
weit  überholt  und  veraltet  ist;  aber  für  den  damaligen  Stand  unserer  Kenntnis 
englischer  Zustände  bleibt  sie  in  hohem  Masse  charakteristisch.  —  Auf  diesen 
Schriften  und  einer  reichen  aktenmässigen  und  persönlichen  Information  beruht  die 
Charakteristik,  welche  von  Poschin  g  er293)  unter  Vorwissen  und  Teilnahme  Buchers  von 
diesem  entworfen  hat,  und  von  der  in  der  Berichtsperiode  der  dritte  Band  erschienen 
ist.  Er  bietet  Ergänzungen  zu  den  beiden  ersten  Bänden  aus  persönlichen  Erinner- 
ungen des  Vf.  und  den  Korrespondenzen  Buchers  mit  seinen  Verwandten,  mit 
Lassalle  u.  a.,  welche  namentlich  auf  das  Verhältnis  Buchers  zu  Bismarck  und 
Lassalle  interessante  Streiflichter  werfen,  aber  auch  zur  Beurteilung  des  Charakters 
und  der  Lebensweise  Buchers  mannigfaches,  freilich  wenig  geordnetes  und  bunt 
durch  einander  gewürfeltes  Material  bieten.  —  Gegen  die  Poschingersche  Darstellung  von 
Buchers  Leben  und  Werken  ist  nun  ein  scharfer  Angriff  von  socialdemokratischer 
Seite  erfolgt294),  welcher  dem  Vf.  namentlich  vorwirft,  dass  er  in  einem  Briefe  Buchers 
an  Lassalle  die  Stelle  weggelassen  habe,  in  welcher  ersterer  erklärt,  dass  er  sich 
von  Lasalle  „im  Bewusstsein  seiner  Schwäche"  zurückgezogen  habe.  Im  übrigen 
richtet  sich  dieser  Angriff  natürlich  auch  zugleich  scharf  gegen  Bismarck  und  er- 
klärt Buchers,  des  Socialdemokraten,  Verhältnis  zu  Bismarck  als  das  Opfer  bestimmter 
socialer  Zustände,    ohne  bei  der  Beurteilung  dieses  Verhältnisses  zu  beachten,    dass 


rnentarismus,  wie  er  ist.    3.  Anfl.     ebda.     VII,  286  S.    M.  5,00.  —  293)  H.  t.  Poschinger,  E.  48er.    Lothar  Buchers  Leben 
u.  Werke.     3.  Bd.     B.,  Carl  Heymann.     III,  397  S.     M.  3,00.     (Vgl.  JBL.  1891  IV  6  :  189;  1893  IV  5:575.)  —    294)  Bucher  u. 

(4)8* 


IV  lb  :  295-299    G.  Winter,  Allgemeines  des  18./ 19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

der  Socialismus  des  nationalgesinnten  Lasalle  und  seines  Freundes  Bucher  sehr  weit 
von  der  heutigen  Socialdemokratie  verschieden  war,  und  dass  auch  Lassalle  durch 
die  Wahlverwandtschaft   des  Genius  sich  zu  Bismarck  hingezogen  fühlte.  — 

Neben  dem  grossen  leitenden  Staatsmanne  Kaiser  Wilhelms  I.  ist  auch  der 
grosse  Stratege,  dem  die  Erfolge  der  deutschen  Kriege  in  erster  Linie  zu  verdanken 
sind,  der  Feldmarschall  Graf  Moltke,  zum  Gegenstande  einer  immer  stärker  an- 
schwellenden historisch-biographischen  Litteratur  gemacht  worden.  Eine  besonders  reiche 
Anregung  hat  die  Forschung  überMoltke  in  unserer  Berichtsperiode  durch  die  Fortsetzung 
der  Herausgabe  des  umfangreichen  und  historisch  wie  litterarisch,  inhaltlich  wie  formell 
hochbedeutenden  litter  arischen  Nachlasses  des  Feldmarschalls  erhalten295).  Die 
Schriften  und  Briefe  Moltkes296),  welche  teils  rein  persönlichen  Charakters,  teils 
historischen  und  militärischen,  teils  sogar  litterarischen  Inhalts  im  engeren  Sinne 
sind,  bilden  eine  unerschöpfliche  Fundgrube  der  Erkenntnis  für  die  Persönlichkeit 
des  Vf.  und  für  die  Kriegsgeschichte  seiner  Zeit.  Mag  er  nun  in  vertrauten  Briefen 
an  seine  Braut  bezw.  Frau  das  Innerste  seines  Herzens,  Selbstgeschautes  und  Selbst- 
erlebtes schildern  oder  in  edler  Bescheidenheit  die  Geschichte  seines  eigenen  Lebens 
erzählen,  mag  er  geistvolle  und  von  feinster  Beobachtung  zeugende  Schilderungen 
fremder  Völker  zeichnen  oder  schlichte  und  doch  in  klassisch  schöner  und  einfacher 
Sprache  geschriebene  Darstellungen  der  unter  seiner  Leitung  geführten  kriegerischen 
Ereignisse  entwerfen,  immer  erscheint  er  als  der  zugleich  gemütstiefe  und  scharf- 
sinnige, vielseitig  gebildete  und  fein  beobachtende  Mann,  als  der  hervorragende 
Schriftsteller  und  Prosaiker,  als  welcher  er  auf  Grund  der  ersten  sieben  Bände 
seiner  gesammelten  Schriften  und  Denkwürdigkeiten  an  dieser  Stelle  schon  früher 
geschildert  worden  ist.  Der  vorliegende  achte  Band  derselben,  der  sich  vielfach  mit 
einer  den  gleichen  Gegenstand  behandelnden  Schrift  W  a g n  er  s297)  berührt,  enthält 
die  prächtige  Schilderung  seiner  Erlebnisse  in  der  Türkei,  zu  der  er  zugleich  mit 
dem  Ingenieurhauptmann  Mühlbach  von  der  preussischen  Regierung  entsandt  war. 
Die  Schrift  enthält  ebenso  wie  die  W7.s,  der  aus  zahlreichen  amtlichen  und  ausser- 
amtlichen  Korrespondenzen,  Notizen  und  Tagebüchern  Mühlbachs  schöpfte,  eine 
reiche  Fülle  interessanter  strategisch-taktischer  Details  über  die  türkischen  Operationen, 
an  denen  Moltke  Teilgenommen  hat.  Bekannt  ist  namentlich,  dass  die  türkische  Nieder- 
lage bei  Nisch  durch  die  Nichtbefolgung  eines  von  Moltke  der  türkischen  Heeres- 
leitung gegebenen  Ratschlages  veranlasst  wurde.  In  Bezug  auf  diese  Schlacht  wird 
seine  Darstellung  durch  die  W.s  durchaus  bestätigt.  Daneben  ist  die  Schrift  aus- 
gezeichnet durch  die  ausserordentlich  lebendige  und  anschauliche  Schilderung  der 
türkischen  Zustände,  durch  die  er  seine  Meisterschaft  in  der  Darstellung  fremd- 
ländischer Verhältnisse  bewies,  die  er  auch  in  anderen  Schriften  an  den  Tag  legte.  — 
In  dieser  Beziehung  sind  z.  B.  auch  von  grossem  Interesse  seine  Briefe  aus  Russ- 
land, welche  jetzt  bereits  in  vierter  Auflage  erschienen  sind298).  Diese  Briefe  und 
Tagebuchblätter  sind  gleich  wichtig  in  litterarischer,  politischer  und  socialer  Hinsicht. 
Sie  schildern  die  Erlebnisse  auf  einer  Reise,  die  Moltke  im  Aug.  und  Sept. 
1856  als  General  und  erster  persönlicher  Adjutant  des  Prinzen  Friedrich 
Wilhelm,  späteren  Kaisers  Friedrich  III.,  zur  Krönung  Czar  Alexanders  II.  nach 
Petersburg  und  Moskau  unternommen  hat.  Sie  sind  für  die  Würdigung  des  russischen 
Volkscharakters,  der  staatlichen  und  socialen  Institutionen  Russlands,  von  denen  der 
Vf.  namentlich  auf  die  nahezu  socialistische  Gemeindeverwaltung  grosses  Gewicht 
legt,  ebenso  interessant  und  wichtig,  wie  für  die  Kenntnis  der  speciellen  Vorgänge, 
deren  Schilderung  sie  in  erster  Linie  gewidmet  sind.  Moltke  offenbart  darin  in 
unübertrefflicher  Weise  seinen  Scharfblick  für  die  Eigenart  und  Eigentümlichkeiten  eines 
ihm  fremden  Volkes  und  eine  besonders  für  jene  Zeit  überraschend  feine  Beobachtungs- 
gabe speciell  für  sociale  Dinge.  Zugleich  sind  diese  Briefe  in  der  Feinheit  des 
Stils  und  der  Schärfe  und  Klarheit  ihrer  Charakteristik  ein  litterarisches  Denkmal 
ersten  Ranges.  —  Endlich  ist  auch  von  der  vom  grossen  Generalstabe  veranstalteten 
Ausgabe  der  militärischen  Werke  Moltkes  der  erste  Band  der  kriegsgeschichtlichen 
Arbeiten  erschienen,  welcher  sich  mit  dem  Kriege  gegen  Dänemark  in  den  Jahren 
1848—49  beschäftigt299).  Moltke  hat  diese  Arbeit  1862  begonnen  und  dann  bis  1867 
vielfach  unter  Benutzung  des  dänischen  Generalstabswerkes  umgearbeitet  und  ergänzt. 
Das    erste    und    vierte    Buch    sind   ganz    von    seiner   Hand    geschrieben,    für    das 


Lassalle:  NZSt.  Hl,  S.  578-81.  —  295)  Graf  Helm.  v.  Moltke,  Gesamm.  Schriften  u.  Denkwürdigkeiten.  8.  Bd.  Briefe  über 
Zustände  u.  Begebenheiten  in  d.  Türkei  ans  d.  J.  1835—39.  6.  Aufl.,  eingel.  u.  mit  Anm.  vers.  v.  G.  Hirschfeld.  B., 
Mittler.  LXXYII,  VI,  546  S.  M.  9,00.  |[BLU.  S.  140/1;  G.  Roloff:  HZ.  72,  S.  124/6;  AZg«.  N.  138;  NatZg.  N.  24;  LCB1.  S.  7/8, 
816/7.]|  (Ueber  Bd.  I-VII  vgl.  JBL.  1892  IV  lb  :  108.)  -  296)  (IV  lc  :  32.)  |[DR.  2,  S.  131/2;  Sphinx  19,  S.  101;  FBPG.  7,  S.  291/2.]| 
—  297)  R.  Wagner,  Moltke  n.  Mühlbach  zusammen  unier  d.  Halbmonde.  1837—39.  Gesoh.  d.  Sendung  preuss.  Offiziere 
nach  d.  Türkei,  d.  Kurdenfeldzuges  1838  u.  d.  syr.  Krieges  1839.  Mit  9  Skizzen  im  Text  u.  3  Kartenbeilagen.  B.,  Bath.  XV, 
321  S.  M.  9,00.  —  298)  Helm.  Graf  v.  Moltke,  Briefe  aus  Russland.  4.  Aufl.  B.,  Gebr.  Paetel.  209  S.  M.  3,00.  —  299)  Graf 
H.  v.  Moltke,  Milit.  Werke.  Abt.  III.  Kriegsgesch.  Arbeiten.  1.  T.  Gesch.  d.  Krieges  gegen  Dänemark  1848 — 49.  Her.  v.  Gr.  Generalstabe, 
Abt.  für  Kriegsgesch.    Mit  1  Uebersichtskarte,   6  Plänen,  4  Textskizzen.     B.,  Mittler.     1893.     X,  437  S     M.  11,00.     |[MHL.  22, 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./ 19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.    IV  l|b  -.  299-312 

zweite  und  dritte  sind  die  hs.  Vorarbeiten  des  Generalstabes  von  ihm  persönlich 
durchgearbeitet  und  korrigiert.  Auf  das  militärische  Detail,  welches  eine  Fülle  neuer 
Aufschlüsse  bringt,  einzugehen,  ist  hier  nicht  der  Ort.  Beachtenswert  auch  für  den 
Nichtmilitär  ist  Moltkes  ungünstiges  Urteil  über  die  Freischaren,  ausserdem  aber 
die  Darstellung  der  vielfachen  Hemmungen,  welche  die  Operationen  durch  die  aus- 
wärtigen Kabinete  von  London  und  Petersburg,  durch  die  heimischen  Gegensätze 
und  den  Fortgang  der  revolutionären  Bewegungen  erlitten.  Dadurch  wurde  auf 
deutscher  Seite  die  volle  Entfaltung  der  militärischen  Kraft  verhindert,  während 
Dänemark  alle  Vorteile  rein  passiven  und  zuwartenden  Verhaltens  auf  seiner  Seite 
hatte.  Das  Werk  ist  auch  reich  mit  Karten,  Plänen  und  Skizzen  ausgestattet.  — 
Durch  diese  zahlreichen  Quellenveröffentlichungen  ist  einer  erschöpfenden  und  wissen- 
schaftlich brauchbaren  Biographie  Moltkes  erst  die  erforderliche  Grundlage  geschaffen. 
Die  bisher  so  kurz  nach  Erschliessung  dieser  Quellen  erschienenen,  meist  in  erster 
Linie  für  populäre  Zwecke  berechneten  Versuche  können  allerdings  den  Anspruch 
darauf,  eine  den  wissenschaftlichen  Anforderungen  unserer  Tage  entsprechende  Darstellung 
zu  sein,  noch  nicht  erheben300"304). — Die  ohne  Zweifel  hervorragendste  biographische 
Arbeit  ist  die  des  bekannten  Militärschriftstellers  Jahns305),  die  als  eine  unmittelbare 
Frucht  der  aus  Moltkes  Nachlass  herausgegebenen  „Schriften  und  Denkwürdig- 
keiten" und  der  vom  Generalstabe  veröffentlichten  kriegswissenschaftlichen  Arbeiten 
bezeichnet  werden  kann.  Doch  führt  das  Werk  die  Darstellung  einstweilen  bloss  bis 
zu  dem  Zeitpunkte,  da  Moltke  als  Chef  an  die  Spitze  des  Generalstabs  trat.  Das 
WTeitere  will  der  Vf.  erst  behandeln,  wenn  Moltkes  kriegswissenschaftliche  Arbeiten, 
von  denen  jetzt  nur  Teile  vorliegen,  ganz  erschienen  sein  werden.  —  Ein  ganz  eigen- 
artiges Buch  über  Moltke  als  Erzieher  hat  Dann306)  herausgegeben.  Es  ist,  soweit 
es  sich  unmittelbar  auf  Moltke  bezieht,  aus  einer  Kritik  des  dritten  Bandes  von  Moltkes 
Werken,  der  den  Krieg  von  1870—71  in  geradezu  klassischer  Schilderung  behandelt, 
hervorgegangen.  Indem  D.  die  hervorragenden  Mannestugenden  der  Bescheidenheit  und 
Wahrhaftigkeit  Moltkes  an  dessen  Werke  im  einzelnen  nachweist,  schildert  er  die 
erziehliche  Bedeutung,  welche  das  grosse  Beispiel  dieses  Mannes  und  seine  Schriften 
für  das  deutsche  Volk  besitzen,  und  knüpft  daran  politische  Betrachtungen  darüber, 
inwiefern  unsere  Zeit  noch  auf  der  Höhe  des  nationalen  Aufschwunges  der  Heroenzeit 
stehe.  Er  kommt  dabei  politisch  zu  einer  ausserordentlich  pessimistischen  Auffassung, 
welche  in  einer  scharfen  Verurteilung  des  „neuen  Kurses"  gipfelt,  dabei  aber  Ver- 
ständnis für  die  in  unseren  socialen  Bestrebungen  hervortretenden  idealen  Kräfte  ver- 
missen lässt,  Bismarck  gar  zu  unbedingt  vergöttert,  seine  Nachfolger  aber  ebenso 
übertrieben  unterschätzt  und  verspottet.  Dagegen  trifft  der  Vf.  in  seinen  Erörterungen 
über  das  Volksschulgesetz,  welche  fast  noch  mehr  als  seine  Darlegungen  über  Moltke 
die  Hauptsache  für  ihn  zu  sein  scheinen,  Töne,  welche  das  Innerste  der  deutschen 
Volksseele  wiederspiegeln.  Im  ganzen  ist  das  Buch  doch  mehr  eine  national-politische 
als  eine  historische  Leistung.  —  Endlich  sei  noch  erwähnt,  dass  Moltkes  in  treuer  Liebe 
mit  ihm  verbundener  Gemahlin  eine  sehr  ansprechende,  schlicht  und  anspruchslos 
geschriebene  Lebensskizze307)  gewidmet  worden  ist,  welche  offenbar  von  einem 
(oder  einer?)  nahen  Verwandten  stammt,  der  seine  Informationen  durch  per- 
sönliche Mitteilungen  der  Familienmitglieder  erhalten  hat.  Historisch  ist  die 
kleine  Schrift  nicht  gerade  bedeutend,  sonst  aber  dadurch  interessant,  dass  einige 
bisher  unbekannte  Briefe  Molkes  und  seiner  Gemahlin,  von  der  letzteren  auch  zwei 
Gedichte,  veröffentlicht  werden.308)  — 

Auch  mehreren  anderen  deutschen  Heerführern309),  nämlich  Göben310), 
Fransecki311)  und  Steinmetz312),  sind  kürzere,  einen  wesentlichen  wissenschaftlichen 
Fortschritt  nicht  bezeichnende,  sonst  aber  ganz   verdienstliche  Lebensbeschreibungen 


S.  239-43.]|  —  300)  X  w-  Buchner,  Feldmarsch.  Gmf  Helmuth  v.  Moltke.  Festgabe  z.  25.  Jährest,  d.  Schlacht  bei  Sedan. 
Lahr,  Schauenburg.  V,  407  S.  M.  5,00.  —  301)  X  **-i  Graf  Moltke.  E.Lebensbild.  2.  Ann.  ebda.  IU,  186  S.  M.  0,75. 
(Lebhaft  n.  flott  geschriebene,  anziehende  Darstell.,  aber  rein  popnl.  u.  ohne  eigentl.  wissensch.  Wert.)  —  302)  X  F.  v.  Koppen, 
Graf  Helmuth  v.  Moltke.  E.  Lebensb.  für  Jung  u.  Alt.  111.  v.  R.  Knötel.  (=  Neue  Jugendbibl.,  begr.  v.  Ferd.  Schmidt.  N.  11.) 
L.,  Geibel  &  Brockhaus.  VIII,  131  S.  M.  0,75.  —  303)  X  Moltkes  Tactical  problems  from  1858  to  1882,  trans.  by  K.  v.  Donat. 
London,  W.  H.  Allen.  Sh.  28.  —  304)  X  w-  0'c-  Morris,  Moltke.  Biographical  and  critical  study.  2.  ed.  London,  Ward 
<fc  D.  Sh.  10.  |[EdinbR.  179,  S.  412,7;  ScottishR.  24,  S.  74-105.)|  —  305)  M.  Jahns,  Feldmarsch.  Moltke.  1.  T.  Lehr-  u. 
Wanderjahre.  (=  Geisteshelden  her.  v.  A.  Bettel  he  im.  N.  10/1.)  B.,  E.  Hofmann  &  Co.  XVI,  251  S.  M.  3,00.  ||NFPr. 
N.  10775;  VossZg.  N.  426.] |  —  306)  F.  Dahn,  Moltke  als  Erzieher.  Allerlei  Betrachtungen.  Nebst  Anhang:  Betrachtungen 
über  d.  Entwurf  e.  Volksschulgesetzes  in  Preussen.  &.  (Titel-)  Aufl.  Breslau,  Schles.  Buchdr.  12°.  LXXVI,  209  S.  M.  4,00. 
| [VossZg.  N.  348.]|  —  307)  F.  v.  B.,  Marie  v.  Moltke.  E.  Lebens-  u.  Charakterbild.  L.,  Wigand.  12°.  133  S.  M.  3,00. 
|[KonsMschr.  S.  218.]]  -  308)  X  E-  George,  Marie  v.  Moltke:  Bär  20,  S.  296/8,  307-10.  —  309)  X  B.  y.  Kleist,  D.  Generale 
d.  preuss.  Armee  v.  1840—90,  im  Anschlass  an  d.  Generale  d.  kurbrandenburg.  u.  kgl.  preuss.  Armee  v.  1640—1840  v.  K.  W. 
v.  Schöning  zusammengest.  1.  Folge  u.  Nachtr.  für  d.  J.  1891  u.  92.  Hannover,  Helwing.  V,  92  S.  M.  3,00.  —  310  X  ßr- 
Garlepp,  Aug.  v.  Göben,  preuss.  General  d.  Infanterie.  (=  ß.  Garlepp,  D.  Paladine  Wilhelms  I.  Lebensgesch.  Erzählungen. 
11.  Bd.)  Breslau,  Woywod.  IV,  206  S.  M.  1,00.  (Romanähnlich  geschrieben,  doch  z.  T.  mit  Benutz,  authent.  Quellen,  z.  B. 
d.  Göbenschen  Werkes  „Vier  J.  in  Spanien  oder  d.  Karlisten",  in  welchem  Göben  selbst  seine  Erlebnisse  in  Spanien  im  Heere  d. 
Karlisten  schildert.)  —  311)  X  ia>  Ed-  Friedr.  v.  Fransecki,  preuss.  General  d.  Infanterie,  (ebda.  Bd.  12.)  ebda.  VII,  208  S. 
M.  1,00.     (Ebenfalls    mehr  romanhafte,    aber    anmutige    u.   auf   inilit.    Quellen   fussende  Erzählung.)    —    312)    X    B.  Poten, 


IV  lb  :  313-321    G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

zu  teil  geworden.  —  Unter  den  deutschen  Parlamentariern  hat  namentlich  der 
bewährte  langjährige  Führer  der  Nationalliberalen,  Rudolf  von  Bennigsen,  eine  ein- 
gehendere Lebensbeschreibung  und  Würdigung  seiner  nationalen  und  politischen 
Bedeutung  durch  Kiepert313)  erfahren.  Die  anregend,  lebendig  und  mit  Wärme 
geschriebene  Skizze  gestaltet  sich  in  gewissem  Sinne  zu  einer  Geschichte  des  nationalen 
Gedankens  in  Deutschland  überhaupt,  zu  dessen  glänzendsten  und  überzeugtesten 
Vertretern  Bennigsen  schon  zur  Zeit  des  National  Vereins  gehörte  und  noch  jetzt  gehört. 
Hierbei  sind  namentlich  die  neuesten  darstellenden  Werke  von  Sybel,  H.  Blum  usw. 
benutzt.  Daneben  bietet  das  Buch  aber  auch  eine  Reihe  persönlicher  Erinnerungen 
und  andere  Mitteilungen,  die  K.  aus  verschiedenen  Schriften  über  die  specielle  Ent- 
wicklung in  Hannover,  an  welcher  Bennigsen  als  Mitglied  der  zweiten  Kammer  von 
1857 — 66  hervorragenden  Anteil  genommen  hat,  schöpft.  Für  die  eigentliche  parla- 
mentarische Thätigkeit  Bennigsens  sind  namentlich  seine  grossen  entscheidenden  Reden 
in  den  Parlamenten  ausgiebig  benutzt,  zum  Teil  auszugsweise  oder  im  Wortlaut 
wiedergegeben.314)  —  Von  der  zuerst  im  J.  1885  erschienenen  Schrift  Freunds315) 
über  Eduard  Lasker,  welche  eine  warme  Verteidigung  Laskers  gegenüber  den  gegen 
seine  politische  Thätigkeit  erhobenen  Vorwürfen  und  Angriffen  darstellt,  ist  eine  neue 
Auflage  erschienen,  ebenso  von  dem  zuerst  1890  publizierten,  sehr  beachtenswerten  Buche 
Bergers316-317)  über  den  alten  ehrenfesten  und  echt  freisinnigen  Westfalen  Harkort, 
das  ein  vortreffliches  Bild  von  diesem  Manne  in  seiner  Bedeutung  als  Volksvertreter 
und  Schriftsteller  giebt.  Harkorts  in  der  Skizze  gut  hervortretende  Hauptbedeutung  liegt 
auf  wirtschaftlichem  Gebiete.  Er  trat  zuerst  für  die  Einführung  der  Eisenbahn  und 
für  die  Rhein-Seeschifffahrt  ein,  letzteres  zu  einer  Zeit,  als  kaum  der  Flussdampfer 
zur  Anwendung  gekommen  war.  —  Für  die  Lebens-  und  politische  Entwicklungs- 
geschichte Bamberg ers318)  sehr  wertvoll  ist  die  Sammlung  seiner  kleineren  Schriften, 
von  welchen  jetzt  der  zweite  Band  erschienen  ist,  der  eine  Reihe  glänzend  und 
geistvoll  geschriebener  Charakteristiken  einzelner  hervorragender  Persönlichkeiten 
aus  der  Zeitgeschichte  enthält,  unter  denen  namentlich  seine  Erinnerungen  an 
Napoleon  III.,  seine  mit  warmer  Empfindung  verfasste  Skizze  über  Lasker 
und  endlich  seine  die  wesentlichen  Eigenschaften  scharf  zeichnende  Charak- 
teristik Treitschkes  hervorragen.  —  Eine  eingehende,  sehr  panegyrisch  gehaltene 
Würdigung  ist  auch  den  hauptsächlichsten  Führern  der  ultramontanen  Partei, 
Mallinckrodt,  Windthorst,  Franckenstein  und  Peter  Reich ensp erger  gewidmet  worden, 
welche  Schlesinger319)  gleich  auf  dem  Titelblatt  als  „grosse  Männer  einer  grossen 
Zeit"  bezeichnet.  Die  Schrift  ist  keine  Originalarbeit,  sondern  nur  eine  populäre, 
übrigens  nicht  ungeschickt  geschriebene  Zusammenstellung  der  in  Werken  anderer 
katholischer  Autoren  über  den  Kulturkampf  und  seine  katholischen  Hauptvorkämpfer 
gewonnenen  Resultate.320)  — 

Arbeiten  über  einzelne  Ereignisse  aus  dieser  Periode  liegen  in  grosser 
Anzahl  über  die  Kriege  von  1866  und  1870 — 71  vor;  namentlich  die  auf  den  letzteren 
bezüglichen  schwellen  in  einem  von  Jahr  zu  Jahr  wachsenden  Masse  zu  einer 
besonderen,  zumeist  auf  die  Bedürfnisse  des  grösseren  Publikums,  namentlich  der 
Mitkämpfer  in  jenen  Kriegen  zugeschnittenen  Litteratur  an.  Hier  können  natürlich 
nur  die  hervorragenden,  welche  für  die  Forschung  von  irgendwie  erheblicher  Bedeutung 
sind,  Erwähnung  finden.  Für  den  Krieg  von  1866  kommt  eine  solche  dem  bekannten 
Kanngiesserschen321)  Werke  zu,  von  dem  jetzt  der  zweite  Band  erschien,  welcher 
aus  dem  Nachlasse  des  inzwischen  verstorbenen  Vf.  herausgegeben  worden  ist.  In 
seinen  Forschungen  original  ist  der  Vf.  nur  in  Bezug  auf  Frankfurt  a.  M.,  während 
seine  übrige  Darstellung  im  wesentlichen  auf  den  Forschungen  anderer  beruht  und 
gegenüber  diesen,  namentlich  denen  Sybels  und  des  preussischen  Generalstabswerkes, 
nichts  Neues  bietet.  Wohl  aber  tritt  deutlich  eine  eigenartige,  zum  süddeutschen 
Partikularismus  hinneigende  Auffassung  hervor,  die  übrigens  weder  der  Anschaulich- 
keit und  Lebendigkeit,  noch  der  Objektivität  der  Darstellung  erheblichen  Eintrag 
gethan  hat.  Der  persönliche  Standpunkt  des  Vf.  ergiebt  sich  am  klarsten  aus  seiner 
Beurteilung  des  norddeutschen  Bundes,  der  als  ein  erweitertes  Preussen  bezeichnet 
und  geschildert  wird.  Im  allgemeinen  legt  der  Vf.  mehr  Gewicht  auf  die  politische 
Seite  als  auf  die  militärische,  doch  sind  auch  einzelne  kriegerische  Ereignisse, 
namentlich  die  Schlacht  bei  Königgrätz,  anschaulich  und  lebendig  geschildert.    Auch 


Steinmetz:  ADB.  36,  S.  19.  —  313)  A.  Kiepert,  Z.  70.  Geburtst.  E.  v.  Bennigsens.  Rückblick  auf  d.  Leben  e.  Parlamentariers. 
Hannover,  C.  Meyer.  144  S.  M.  1,25.  —  314)  X  s-  Sabin,  B.  v.  Bennigsen:  Geg.  46,  S.  18-20.  —  315)  L.  Freund,  Einiges 
über  Ed.  Lasker.  Neue  (Titel-)  Ausg.  Mönchen,  Mehrlich.  12°.  63  S.  M.  1,50.  —  316-317)  L.  Berger,  D.  alte  Harkort. 
E.  westfäl.  Lebens-  u.  Zeitbild.  Mit  d.  Bild.  Harkorts  u.  Abbild,  seiner  Grabstätte  u.  d.  Harkort-Denkmals.  S.  Aufl.  L., 
Baedeker.  XVI,  650  S.  M.  5,50.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  le:341.)-  318)  (IV  la:25.)  —  319)  O.  Schlesinger,  Grosse  Männer 
e.  grossen  Zeit.  Mallinckrodt,  Windthorst,  Franckenstein,  P.  Reichensperger.  Lebensbilder  d.  stud.  kath.  Jug.  z.  Bewunderung 
u.  Nacheiferung  vor  Augen  gest.  u.  mit  e.  Einl.:  „Kurze  Gesch.  d.  Kulturkampfes"  vers.  Münster,  Russell.  280  S.  M.  4,00. 
—  320)  O  X  J-  Galland,  Papst  Leo  XIII.  E.  Lebensbild.  2.  Ausg.  Paderborn,  Schöningh.  IV,  200  S.  M.  1,20.  —  321)  0. 
Kanngiesser,   Gesch.  d.  Krieges  von  1866.    2.  Bd.    Basel,  Schweiz.  Verl.-Druck.    XI,  344  S.    M.  5,00.     |[FBPG.  6,  S.  340.]| 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.    IV  lb  :  322-336 

hier  ist  die  Darstellung"  nicht  ohne  eigenes  Verdienst,  welches  zwar  nicht  in  der 
Heranziehung  und  Erschliessung  neuer  Quellen,  wohl  aber  in  der  selbständigen 
kritischen  Verwertung  der  Ergebnisse  der  neueren  Forschung  besteht.  —  Ueber  eine 
humoristiche  Episode  aus  dem  Feldzuge  von  1866  in  Südwestdeutschland,  die  ver- 
loren gegangenen  schwarz-rot-goldenen  Feldbinden  der  Nassauer,  sind  aus  dem 
Nachlasse  Karl  Brauns  einige  ergötzliche  Mitteilungen  veröffentlicht  worden322"323).  — 
Von  den  Gesamtdarstellungen  des  Krieges  von  1870  —  713-24-328^  ka,nn  keine 
den  Anspruch  erheben,  die  wissenschaftliche  Forschung  erheblich  gefördert  und 
über  die  Ergebnisse  der  klassischen  Schilderung  Moltkes  hinausgehende  Resultate 
gezeitigt  zu  haben;  doch  bieten  mehrere  von  ihnen  für  den  Militär,  Taktiker  wie 
Strategen,  manches  anregende  und  interessante,  auf  den  Mitteilungen  von  Mitkämpfern 
beruhende  Detail,  welches  aber  für  die  Erkenntnis  des  Fortgangs  des  Krieges  im 
ganzen  ohne  Belang  ist.  Ein  gewisses  Interesse  erweckt  durch  seine  eigenartige, 
vielen  eine  willkommene  Erinnerung  bietende  Anlage  ein  Gedenkblatt  an  den  Krieg 
vonElpons329),  welches  ausschiiessiich  aus  den  gleichzeitigen  Zeitungsberichten,  den 
authentischen  Telegrammen  wie  den  von  den  Zeitungen  daran  geknüpften  Aeusserungen 
besteht  und  so  einen  Niederschlag  der  gleichzeitigen  öffentlichen  Meinung  darstellt, 
freilich  aber  wenig  authentischen  Wert  hat,  da  die  Zeitungen  über  die  von  ihnen 
ebenfalls  geschilderten  diplomatischen  Verhandlungen  nicht  ausreichend  unterrichtet 
waren.  —  Ganz  specifisch  militär wissenschaftlich-taktischen  Wert  hat  das  Werk  Kardinal 
von  Widder  ns330),  welches  für  den  Historiker  nicht  eben  von  hervorragendem  Werte 
ist,  von  um  so  grösserem  aber  für  den  militärischen  Fachmann,  da  es  zum  guten 
Teile  sein  taktisches  Detail  aus  den  Feldakten  geschöpft  hat.  —  Erwähnt  sei  hier  ferner 
noch,  dass  das  bekannte  Werk  Boulangers,  welches  ein  typischer  Niederschlag  der 
französischen  Tradition  über  den  Krieg  ist,  jetzt  auch  in  Deutschland  durch  eine 
Uebersetzung  zugänglich  gemacht  worden  ist,  deren  zweiter  Band  in  der  Berichts- 
periode erschienen  ist331).  —  Wissenschaftlich  von  erheblich  grösserem  Werte  sind 
einige  Forschungen  und  Darstellungen,  welche  sich  mit  einzelnen  grösseren  oder 
kleineren  Teilen  des  Krieges  beschäftigen  und  über  diese  zuweilen  recht  wertvolle 
neue  Aufschlüsse  bringen.  Namentlich  gilt  dies  von  den  beiden  Arbeiten,  welche 
Honig332"333)  veröffentlicht  hat,  und  von  denen  besonders  die  über  den  Volkskrieg 
an  der  Loire  im  Herbst  1870  bei  militärischen  wie  historischen  Fachgenossen  ungeteilte 
Anerkennung  gefunden  hat.  Sehr  eingehend  hat  H.  hier  hauptsächlich  die  Schlacht 
bei  Beaune  la  Rolande  (28.  Nov.  1870)  behandelt,  über  die  er  sich  durch  mehr 
als  2000  Briefe  Klarheit  über  die  mannigfachen  Widersprüche  und  dunklen  Stellen 
der  bisher  bekannt  gewordenen  Schlacht  berichte  zu  verschaffen  gesucht  hat.  Auf 
Grund  dieses  Materials  giebt  er  dann  eine  eingehende  fachmännische  Kritik  der 
beiderseitigen  Operationen  und  hält  dabei  auch  mit  dem  Tadel  gegen  mehrere  nach 
seiner  Auffassung  auf  deutscher  Seite  vorgekommene  taktische  Fehler  keineswegs 
zurück.  Vortrefflich  sind  auch  seine  Charakteristiken  einiger  Generäle,  z.  B.  die 
von  Voigt-Rhetz,  der  sich  übrigens,  wie  beiläufig  erwähnt  sei,  nach  H.  während  der 
Konfliktzeit  zu  Gunsten  der  zweijährigen  Dienstzeit  geäussert  hat.334"335)  —  Mit 
derselben  Schlacht  von  Beaune  la  Rolande  beschäftigt  sich  auch  eine  Studie  von 
Natzmers336),  die  es  versucht,  die  Darstellung  Honigs  von  der  Schlacht,  soweit  sie 
N.  und  sein  Regiment  betrifft,  richtig  zu  stellen.  Dagegen  hat  dann  aber  Honig 
wieder  in  einem  Aufsatz  in  der  DHeeresZg.  repliciert,  in  welchem  er  seine  Ansicht 
aufrecht   erhält   und    die   Einwände  N.s,    wohl    endgültig,    zurückweist    und    wider- 


(Vgl.  JBL.  1892  IV  lb  :  34.)  —  322)  X  FZg.  N.  266.  (Nach  d.  RheinCour.)  —  323)  X  G.  E.  v.  Natzmer,  Meine  Erinnerungen 
an  d.  Krieg  1866:  KonsMschr.  S.  1290/7.  —  324)  X  E.  Fehleisen,  D.  dtsch.  franz.  Krieg  1870—71.  In  24  Heften.  Reutlingen, 
Ensslin.  Fol.  ä  32  S.  ä  M.  0,50.  (Rein  populäre,  durch  zahlreiche  Abbild,  ill.  Darstellung,  v.  deren  24  Heften  mir  nur 
2  vorgelegen  haben.)  —  325)  X  v-  Trapp-Ehrensohild,  Gesch.  d.  bad.  Leibgrenad.-Reg.  2.:  Im  Feldzuge  v.  1870—71. 
Nach  Vortrr.  d.  Majors  Thilo,  d.  Hauptleute  Seyb,  Eichrodt,  Löhlein,  d.  Prem.-Lieut.  Merz  u.  d.  Kriegsakten  zusammengest.  u. 
bearb.  Karlsruhe,  Ch.  F.  Müller.  260  S.  M.  3,00.  —  326) X  D.  Krieg  v.  1870  -71,  dargest.  v.  Mitkämpfern.  Bd.  1,  3  u.  6.  4.  Aufl. 
München,  Beck.  VII,  242  S.;  VIII,  235  S.;  VII,  202  S.  ä  M.  2,00.  —  327)  X  G.  v.  d.  Schulenburg,  Waffenthaten  dtsch. 
Soldaten  im  Kriege  1870-71.  (2.  T.  d.  Werkes  „Heldenthaten"  v.  H.  v.  Bülow.)  Nach  d.  Mitteil,  alter  Mitkämpfer  bearb. 
Hamburg  u.  B.,  Bruer  &  Co.  400  S.  M.  3,50.  —  328)  X  K-  Endres,  Beispiele  ans  d.  dtsch.-franz.  Kriege  v.  1870—71  u.  d. 
russ.-türk.  Kriege  v.  1877—78.  (=  Anleit.  z.  Studium  d.  Kriegsgesch.  v.  J.  v.  Hardegg  u.  Th.  Frhr.  v.  Troschke,  oder 
Geschichte  d.  Kriege  d.  Neuzeit.  Als  Anleit.  zu  deren  Stud.  bearb.  Ergänzungsbd.  4.  Hanptabschn.  1.  Heft.)  Darmstadt,  Zernin. 
X,  154  S.  M.  4,80.  —  329)  P.  v.  Elpons,  Tageb.  d.  dtsch.-franz.  Krieges  1870—71.  In  Zeitungsber.  aus  jenen  J.  Allen  Vater- 
landsfreunden z.  kommenden  25 j.  Jubelfeier  d.  Erheb,  u.  Wiedervereinigung  Deutschlands  gewidmet.  In  50  Lfg.  Saarbrücken, 
Klingebeil.  4°.  796  S.  ä  M.  0,20.  —  330)  G.  v.  Widdern,  Dtsch.-fran/..  Krieg  1870—71.  D.  Krieg  an  d.  rückwärt.  Ver- 
bindungen d.  dtsch.  Heere  u.  d.  Etappendienst.  2  Tle.  B.,  Eisenschraidt.  XI,  224  S.;  IV,  212  S.  ä  M.  5,00.  —  331)  E.  Bonlanger, 
Deutschlands  Feldzug  gegen  Frankreich  1870-71.  Autoris.  Ausgabe.  2.  Bd.  Wien,  0.  Franks  Nachf.  VII,  1144  S.  M.  17,00. 
—  332)  F.  Hoenig,  D.Volkskrieg  an  d.  Loire  im  Herbst  1870.  Bd.  II.  B.,  Mittler.  XIV,  373  S.  M.  8,50.  |[WeserZg.  N.  16900; 
Didask.  1893,  N.  78.J|  —  333)  id.,  Geschichtsbilder  aus  d.  Kriege  1370—71.  2.  Bd.  D.  Gefechte  v.  Boiscommun  u.  Lorcy  am 
24.  u.  26.  Nov.  1870.  B.,  Felix.  XII,  97  S.  M.  2,40.  —  334)  OX  J-  ▼•  Hartmann,  Briefe  d.  Führers  d.  1.  Kavallerie-Divis, 
aus  d.  Kriege  1870-71.  Kassel,  Freyschmidt.  HI,  VI,  180  S.  M.  3,50.  (Vgl.  JBL.  1893  IV  lc:57.)  —  335)  X  v-  Rentzell, 
Gesch.  d.  Garde-Jäger-Bataillons.  1744—1894.  Nebst  e.  Anh.  D.  1.  Kompagnie  d.  1.  Reserve- Jäger- Bataillons  im  Feldzuge 
1870—71.  2.  Aufl.  Mit  2  Bild.,  6  Uniformbildern,  Karten  u.  Plänen.  B.,  Mittler.  X,  396  S.  M.  11,00.  —  336)  G.  E. 
v.  Natzmer,   Bei  d.  Landwehr,   vor  Metz  u.  d.  Schlacht  bei  Beaune  la  Rolande.    Mit  3  Karten.    Gotha,   Perthes.     XXXVI. 


IV  lb  :  337-356    Gr.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

legt. —  Die  anderen  Gedenkschriften  an  einzelne  Ereignisse  des  Krieges,  wie  die  Schlacht 
von  Wörth337)  und  die  Belagerung  von  Paris338"340),  schildern  zwar  zuweilen  recht 
anschaulich  die  Einzelerlebnisse  des  Vf.,  liefern  aber  zur  Beurteilung  der  Operationen 
im  grossen  nichts  erheblich  Neues.  —  Dasselbe  gilt  von  den  Feldzugserinnerungen, 
welche  Angehörige  einzelner  Truppenteile  über  deren  Schicksale  im  Kriege  ver- 
öffentlicht haben341"347).  Einige  von  ihnen  können  vielleicht  dem  künftigen  Darsteller 
als  illustrierende,  freilich  oft  mit  Vorsicht  zu  gebrauchende  Quelle  für  Einzelheiten 
dienen,  als  selbständige  Arbeiten  haben  sie  zumeist  mehr  persönlichen  Wert  für  die 
Kriegskameraden  der  Vf.,  unter  denen  sie  zahlreiche  und  eifrige  Leser  finden,  wie 
die  offschnell  einander  folgenden  Auflagen  beweisen348).  —  Von  ähnlichen  Schilderungen 
zweier  hervorragender  Militärgeistlicher,  —  der  eine  ist  kein  Geringerer  als 
Frommel349),  der  andere  Huyssen350)  —  hat  die  eine  die  vierte,  die  andere  die 
sechste  Auflage  erlebt.  —  Wegen  des  persönlichen  Schicksals  des  nach  der  Schlacht 
bei  Villiers  (2.  Dec.  1870)  verschollenen,  hoffnungsvollen  Vf.  haben  lebhafte  Teil- 
nahme erweckt  die  Feldpostbriefe  des  ehemaligen  Afraners  Türk,  welche  dessen 
Bruder  herausgegeben  hat351).  Der  Verschollene,  1847  in  Erlau  bei  Mittweida  geboren 
und  bei  Ausbruch  des  Krieges  in  Leipzig  mit  der  Vorbereitung  zum  juristischen 
Examen  beschäftigt,  machte  den  Feldzug  als  Unteroffizier  im  sächsischen  Schützen- 
regiment N.  108  mit.  Seine  fast  täglich  geschriebenen  Briefe  reichen  vom  25.  Juli 
bis  27.  Nov.  1870.  —  In  die  Thätigkeit  des  Sanitätskorps  während  des  Krieges  werden 
wir  anschaulich  und  lebendig  eingeführt  durch  die  sehr  ansprechenden  Kriegs- 
erinnerungen eines  Sanitätsoffiziers352),  der  u.  a.  mit  der  Führung  eines  Sanitäts- 
zuges betraut  war  und  die  dabei  gemachten  Erlebnisse  und  Erfahrungen  zu  Nutz 
und  Frommen  seiner  Kollegen  in  etwaigen  späteren  Kriegen  in  anspruchsloser  und 
doch  anziehender  Form  mitteilt.353)  —  Ein  sehr  interessantes  Bild  von  der  Stimmung 
der  elsässischen  Bevölkerung  während  des  Krieges  erhalten  wir  durch  einen  einsichts- 
vollen und  massvollen  Bewohner  dieses  Landes,  G.  Müller354).  Er  schildert  ein- 
gehend, wie  diese  Stimmung  der  Bevölkerung  vor  Beginn  des  Krieges  sehr  geteilt 
war;  ein  Teil,  namentlich  die  Bauern,  seien  entschieden  gegen  den  Krieg  und  eher 
orleanistisch  als  bonapartistisch  gesinnt  gewesen,  viele  von  ihnen  hätten  daher  auch 
bei  dem  napoleonischen  Plebiscit  mit  Nein  gestimmt,  der  andere  Teil  aber  sei 
wütend  für  den  Krieg  gewesen.  Seine  gesamten  Beobachtungen  über  die  Art,  wie 
der  Krieg  eingeleitet  und  vorbereitet  wurde,  fasst  er  dann  in  den  Ausspruch  zusammen : 
„Unser  ganzes  Volk  war  mit  Blindheit  geschlagen."  —  Von  der  bekannten  Marx- 
schen  Schilderung  des  Kommuneaufstandes  in  Paris  ist  eine  italienische  Uebersetzung 
erschienen355).  —  Endlich  sei  noch  eines  Büchleins  von  Vor  meng356)  Erwähnung 
gethan,  welches  die  Fortsetzung  eines  früheren  Buches  desselben  Vf.:  „Erlebnisse  eines 
Arztes  aus  der  französischen  Kriegs-  und  Okkupationszeit"  ist  und  anmutige  Schilderungen 
des  Aufenthalts  der  deutschen  Truppen  in  Frankreich  nach  Abschluss  des  Friedens 
enthält  und  namentlich  über  die  anfangs  freundliche,  dann  aber  zunehmend  feind- 
selige Stimmung  der  Bevölkerung  anziehende  Mitteilungen  macht.    In  die  Darstellung 


168  S.  M.  4,00.  |[H.  Granier:  FBPG.  7,  S.  632/3.]|  —  337)  X  ö-  Scholz  (ehemaliger  Feldwebel).  Wörth.  E.  Vaterland. 
Gedenkbl.  Kriegserinnerungen.  8.-17.  Aufl.  Baden-Baden,  E.  Sommerraeyer.  12°.  49  S.  M.  0,30.  —  338-339)  X  Pt-  Sarcey, 
D.  Belagerung  von  Paris.  Eindrücke  u.  Erinnerungen.  Aus  d.  Franz.  übers,  v.  A.  Tuhten.  (=  ÜB.  N.  3118-20.)  L.,  Rectum. 
16°.  320  S.  M.  1,00.  (Dass.  v.  Th.  Bergfeldt  übers,  in  d.  Bibl.  d.  Gesamtlitt.  d.  In-  u.  Auslandes  N.  762-75.)  Mit  Bild. 
Halle  a.  S.,  O.  Hendel.  VIII,  252  S.  3,50  M.)  —  340)  X  0-  T-  Wernersdorf,  Füuf  Monate  vor  Paris.  Kriegserlebnisse  e. 
Fünfzigers.  Altenburg,  Geibel.  VII,  215  S.  M.  3,00.  —  341)  X  B-  Arke,  Im  Felde.  Kriegserinnerungen  e.  Freiwilligen  v. 
Grenadier-Regim.  König  Friedrich  IL  (3.  Ostpreuss.)  N.  4.  B.,  Mittler.  78  S.  Mit  Abbild.  M.  1,00.  —  342)  X  M-  v-  ßer&. 
Ulanenbriefe  d.  1.  Armee.    3  Tle.  in  1  Bd.    Nebst  e.  Karte  d.  Kriegsschauplatzes  v.  Amiens.    Bielefeld,  Siedhoff.    253  S.    M.  5,00. 

—  343)  X  F.  v.  Studnitz,  Grüne  Husaren  in  Frankreich.  D.  Husaren-Regiment  Graf  Götzen  (2.  Schles.)  N.  6  z.  Erinnerung 
an  d.  Feldzug  1870—71  gew.  B.,  Mittler.  III,  95  S.  M.  2,00.  —  344)  X  R-  Wilckens,  Kriegsfahrten  e.  frei  will.  bad. 
Dragoners  anno  1870—71.  2.  Aufl..  Karlsruhe,  Reiff.  IV,  133  S.  M.  1,20.  (Auf  Grund  e.  Tagebuches  u.  von  Briefen  verfasste 
lebensvolle  Schilderung  e.  Pfarrers.)  —  345)  X  O-  Leibig,  Erlebnisse  e.  freiwillig.  Jägers  im  Feldzuge  1870—71.  3.  Aufl. 
München,  Beck.  IV,  242  S.  M.  2,25.  ([KonsMschr.  S.  439.] |  —  346)  X  J-  Zaiss,  Aus  d.  Tageb.  e.  bad.  Pioniers.  Schilderang 
d.  Belagerungen  v.  Strassburg,  Schlettstadt,  Neu-Breisach  u.  Beifort  sowie  d.  3  tag.  Schlacht  bei  Beifort  im  Kriege  1870—71. 
Karlsruhe,  Reiff.  IV,  157  S.  M.  1,20.  (Schlichte  Schilderungen  e.  einfachen  Soldaten,  d.,  in  Eppingen  geb.  u.  Bildhauer 
geworden,  1869  mit  17  Jahren  als  Pionier  ins  Heer  freiwillig  eintrat  u.  dann  als  Unteroffizier  d.  geschild.  Belagerungen  mit- 
gemacht hat.) —  347)  X  K.  Zeitz,  Kriegserinnerungen  e.  Feldzugsfreiwilligen  aus  d.  J.  1870—71.  Mit  180  111.  v.  C.  Starcke 
und  1  Uebersichtsk-irte  d.  Kriegsschauplatzes.    Altenburg,  Geibel.    VIII,  920  S.    M.  11,00.    |[KonsMschr.  S.  325;  BLÜ.  S.   188/9.|| 

—  348)X  W.  Lacko  witz,  Aus  d.  grossen  J.  1870—71.  Ernste  u.  heitere  Erlebnisse  e.  Knaben.  Erzähl,  für  d.  reifere  Jug. 
M.  Farbendr.-Ill.  nach  Aquarellen  v.  R.  Knötel.  4.  Aufl.  L.,  0.  Drewitz  Nachf.  III,  252  S.  M.  4,50.  —  349)  E.  Frommel, 
0  Strassburg,  du  wunderschöne  Stadt.  Alte  u.  neue,  freudvolle  u,  leidvolle,  fremde  u.  eigene  Erinnerungen  e.  Feldpredigers 
vor  Strassburg  im  J.  1870.  4.  Aufl.  (=  Dtsch.  Jagend- u.Volksbibl.)  St.,  Steinkopf.  1893.  123  S.  M.  0,75.    (Vgl.  JBL.  1893  IV  1  c:  107.) 

—  350)  G.  Huyssen,  Bilder  aus  d.  Kriegsleben  e.  Militärgeistlichen.  E.  Beitr  z.  Kulturgesch.  d.  dtsch.-franz.  Krieges  v.  1870—71. 
6.  Aufl.  B.,  J.  H.  Mauren-Greiner.  VIII,  340  S.  M.  6,00.  —  351)  G.  Türk,  Feldpostbriefe  e.  vermissten  eheraal.  Afraners 
aus  d.  Kriege  1870,  her.  v.  seinem  Bruder.  L.,  Grunow.  1893.  VII,  XV,  181  S.  M.  1,50.  |[Didask.  1893,  N.  162.]|  — 
352)  W.  v.  St.,  Kriegserinnerungen  e.  Sanitäts-Offiziers  d.  Landw.  1870—71.  B.,  Gebr.  Paetel.  X,  181  S.  M.  4,00.  -  353)  X 
R.  Behrends  Wirth,  Frauenarbeit  im  Kriege.  Selbsterlebtes  aus  d.  J.  1870-71.  Neue  (Titel-)  Ausg.  B.,  Fontane  &  Co. 
III,  170  S.  M.  2,00.  -•  354)  G.  Müller,  Kriegserinnerungen  e.  Elsässers  1870-71.  Weissenburg,  R.Ackermann.  VIII,  286  S. 
M.  2,00.  |[StrassbPost.  1893,  N.  352,3.] |  —  355)  K.  Marx,  La  guerra  civile  in  Franoia  del  1870-71  a  la  comune  rivendicata. 
Bologna,   Soc.  tip.  Azzoguidi.     32   S.     L.  0,50.    —   356)  K.  Vormeng,   Ernste  u.  heitere  Bilder  aus  d.  franz.  Okkupationszeit 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.    IV  lb  ■.  357-367 

eingestreut  sind  lebendige  Beschreibungen  der  historischen  Denkmäler  in  Frankreich 
und  ihrer  geschichtlichen  Erinnerungen.  —  Verweilen  wir  schliesslich  noch  einen 
Augenblick  bei  der  in  Frankreich  vorherrschenden  Ansicht  über  den  Krieg  von 
1870— 71,  so  erhellt  die  populäre  Meinung  hierüber  mehr  noch  als  aus  den  eigentlich 
kriegsgeschichtlichen  Arbeiten,  wie  der  Boulangers,  aus  der  belletristischen  Litteratur, 
welche  über  den  Krieg  entstanden  ist  und  sich  durch  ausserordentliche  Gehässigkeit 
gegen  den  deutschen  Sieger  auszeichnet.  Natürlich  kann  auf  diese  Litteratur  hier 
nicht  weiter  eingegangen,  wohl  aber  darf  und  muss  auf  eine  von  deutscher  Seite  kom- 
mende objektive  und  vornehm  ruhige  Darstellung  dieserLitteraturvonKoschwitz257) 
hingewiesen  werden.  Der  Vf.  beschränkt  sich  im  wesentlichen  darauf,  ohne  jede 
Tendenz  den  Inhalt  der  einzelnen  Bücher  wiederzugeben.  Der  erste  Teil  behandelt 
die  Kriegsnovelle,  der  andere  den  Kriegsroman,  eine  Gliederung,  welche  freilich 
ziemlich  mangelhaft  und  nach  willkürlichen  äusseren  statt  nach  den  entscheidenden 
inneren  Merkmalen  erfolgt  ist.  Das  Buch  ist  daher  mehr  Materialiensammlung  als  kritische 
Würdigung,  aber  auch  in  dieser  Form  sehr  dankenswert.  Ein  Teil  der  vom  Vf. 
behandelten  Romane  und  Novellen  sind  reine  Helden-  und  Revanche-Erzählungen, 
welche  den  ganzen  Krieg  als  eine  Invasion  wilder  Barbaren  betrachten,  die  Deutschen 
als  halbe  Menschenfresser,  die  Franzosen  als  halbe  Engel  schildern;  ein  anderer  Teil  aber 
besteht  aus  ernsteren  litter  arischen  Erzeugnissen,  welche  die  Ueberlegenheit  der  Gegner 
anerkennen,  die  eigene  Schwäche  eingestehen  und  auf  Besserung  der  Missstände 
hinarbeiten  (z.  B.  Zolas  „Debäcle").358)  — 

In  Bezug  auf  die  Geschichte  der  neuesten  Zeit  seit  der  Neubegründung 
des  Reiches  ist  die  Aufmerksamkeit  der  Historiker  vor  allem  immer  wieder  durch 
die  grossen  Persönlickeiten  des  Herrscherhauses  gefesselt  worden,  welches  an  der 
Spitze  des  neuen  Reiches  steht.359)  Der  Heldengestalt  des  „Kronprinzen",  des  Kaisers 
Friedrich  III.,  der  durch  ein  unvergleichlich  tragisches  Geschick  nur  totkrank  den 
Thron  seiner  Väter  besteigen  konnte,  ist  neben  einigen  rein  populären,  in  der  Form 
vortrefflichen  Lebensskizzen360"362)  auch  eine  auf  breiter  wissenschaftlicher  Grundlage 
beruhende  Biographie  von  Philip pson363)  gewidmet  worden.  Der  Vf.  ist  der 
Ansicht,  dass  der  Kronprinz  Friedrich  Wilhelm  in  seinen  späteren  Jahren  infolge 
der  Ausschliessung  von  den  Geschäften,  die  Bismarck  in  seinem  Immediatbericht  in 
der  Geffcken-Angelegenheit  behauptet  hat,  verdüstert  und  verbittert  gewesen  sei. 
Gegen  diese  Auflassung  hat  Volz  Protest  erhoben,  und  aus  authentischen  Quellen, 
d.  h.  aus  Mittheilungen  des  Kronprinzen  selbst,  verschiedene  sehr  interessante  Mit- 
teilungen gemacht.  Im  übrigen  hat  die  Kritik  auch  derjenigen  Fachgenossen, 
welche  den  politischen  Standpunkt,  der  aus  der  Darstellung  Ph.s  zu  Tage  tritt,  nicht 
teilen,  bereitwillig  anerkannt,  dass  der  Vf.  nach  möglichster  Objektivität  gestrebt 
und  sich  fern  von  aller  Einseitigkeit  gehalten  hat.  ,  Die  warme  und  berechtigte  Ver- 
ehrung, die  er  dem  edlen  Monarchen  zollt,  hat  die  Unbefangenheit  seines  Urteils  in 
keiner  Weise  beeinträchtigt,  so  dass  seine  Schrift  zu  den  besten  über  den  unglück- 
lichen und  tiefbetrauerten  zweiten  Kaiser  des  neuen  Reiches  gezählt  werden  darf.  — 

Auch  die  Persönlichkeit  des  gegenwärtig  regierenden  Kaisers  Wilhelms  II. 
hat  in  ihrer  stark  individuellen  Bethätigung  auf  den  verschiedensten  Gebieten  in 
hohem  Mase  das  allgemeine  Interesse  auf  sich  gelenkt,  und  zwar  nicht  bloss  in  Deutsch- 
land364366), sondern  auch  im  Auslande.  Viel  Aufsehen  und  Interesse  hat  namentlich  die 
Charakteristik  erweckt,  welche  der  Amerikaner  Bigelow367)  von  dem  Kaiser  und  seinen 
Beziehungen  zu  Russland  veröffentlicht  hat,  und  die  jetzt  auch  in  deutscher  Ueber- 
setzung  erschienen  ist.  Die  in  vieler  Beziehung  auf  guter,  aus  der  Umgebung  des 
Monarchen  selbst  stammender  Information  beruhende  Schrift  ist  sehr  subjektiv 
gehalten  und  vermischt  oft  in  hohem  Grade  Wahres  mit  Falschem,  ist  aber  ein 
typischer  Beweis  dafür,  wie  sehr  die  ungewöhnliche  Persönlichkeit  des  jungen 
Kaisers  den  Ausländern  zu  imponieren  vermag.  Der  Vf.  steht  unbedingt  auf  Seiten 
des  Kaisers,  auch  in  dessen  Konflikt  mit  Bismarck,  welch  letzterer  infolgedessen  sehr 
scharf  und  oft  ungerecht  beurteilt  wird.     Scharf  ausgeprägt  tritt  auch  der  streng 


1871—73.  B.,  Borstell  &  Reimarus.  IV,  293  S.  M.  3,00.  —  357)  Ed.  Koschwitz,  D.  franz.  Novellistik  u.  Romanlitt,  über 
d.  Krieg  y.  1870-71.  B.,  Gronau.  III,  220  S.  M.  4,50.  |[P.  Remer:  NatZg.  N.  293/7;  O.  Hamack:  PrJbb.  78,  S.  520; 
Th.  v.  Sonesky:  DR.  3,  S.  254,5.]|  (S.  u.  IV  ld  :  21.)  —  358)  X  Franz.  Volksstimmungen  während  d.  Krieges  v.  1870-71: 
KonsMschr.  S.  50/3,  159-65,  268-76.  —  359)  X  C.  A.  Krüger,  Drei  Kaiser.  Lebensbilder  v.  Wilhelm  I.,  Friedrich  HI.  u. 
Wilhelm  II.  3.  Aufl.  L.,  Baedeker.  IX,  103,  72,  111  S.  M.  1,00.  --  360)  X  B.  Rogge,  Friedrich  III.,  dtsch.  Kaiser  u. 
König  v.  Preussen.  E.  Lebensbild.  3.  Aufl  L,  Hirt  u.  Sohn.  159  S.  M.  2,25.  —  361  X  Kaiser  Friedrich:  Bär  20,  S.  85,  337. 
—  362)  X  A.  Heinrichs.  Kaiser  Friedrich- Reden.  Für  Vaterland.  Gedenktage,  bes.  in  Schulen,  auf  Grund  aller  bis  jetzt 
veröffentl.  Quellen  bearb.  4.  Aufl.  B.,  Frantz.  108  S.  M.  1,50.  —  363)  M.  Philippson,  Friedrich  III.  als  Kronprinz  u. 
Kaiser.  B,  Grote.  1893.  VIII,  310  S.  M.  6,00.  j[B.  Volz:  DLZ.  1892,  S.  1689—90;  Nationi'».  10,  S.  238:  MHL.  22, 
S.  354;  FBPG.  7,  S.  295.]|  (.Vgl.  JBL.  1S92  IV  lb:83.)  -  364)  X  F-  Meister,  Kaiser  Wilhelm  IL  B.,  E.  Hoffmann  &  Co. 
VIII,  398  S.  M.  5,00.  —  365)  X  E.  Schröder,  Kaiser  Wilhelm  IL  E.  Herrscherbild  in  seinen  Aussprüchen.  St.,  Dtsch. 
Verl-Anst.  12°.  VII,  44  S.  M.  1,00.  —  366)  X  *•  Heinke.  Kaiser  Wilhelm  IL  als  Soldat.  D.  Mannschaften  v.  Heer  u. 
Marine  erz.  Mit  e.  Anhang,  enth.  Proklamationen,  Reden  etc.  Sr.  Majestät.  5.  Aufl.  B.,  Liebel.  48  S.  M.  0,40.  —  367)  P. 
Bigelow,    Kaiser  Wilhelm   IL   u.   sein   östlicher   Nachbar.     Aus   d.   Engl.   v.   0.   Key  her.     1.   u.  2.  Aufl.     L.,   C  F.  Müller. 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Idtteraturgeschiohte.    V.  (4)9 


tV  lb  :  368-377    G.  Winter,  Allgemeines  des  18./i9.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

freihändlerische  Standpunkt  des  Vf.  hervor,  der  ihn  zu  einer  vollen  Billigung"  der  von 
Bismarcks  Nachfolger  Caprivi  verfolgten  Handelsvertragspolitik  veranlasst.  Sein  Urteil 
über  den  Kaiser  fasst  er  in  dem  Satze  zusammen:  „An  Charakterstärke  und  geistiger 
Beanlagung  übertrifft  der  gegenwärtige  Kaiser  jeden  seiner  Vorfahren  ohne  Zweifel 
bis  zurück  zu  der  Zeit  Friedrichs  des  Grossen".  —  Welchen  ungewöhnlichen  Eindruck 
der  Kaiser  auf  die  Ausländer  hervorbringt,  zeigt  am  besten  die  Thatsache,  dass  selbst 
die  Franzosen  sich  ihm  nicht  zu  entziehen  vermögen.  So  hat  sich  bekanntlich 
Jules  Simon368)  in  der  Revue  de  Paris  auf  Grund  der  Eindrücke,  welche  er  bei  der 
internationalen  Arbeiterkonferenz  in  Berlin  empfangen  hat,  über  Wesen,  Art  und  Charakter 
des  Kaisers  eingehend  und  für  einen  Franzosen  merkwürdig  objektiv,  selbst  sympathisch 
geäussert.369) —  Weniger  auffallend  ist  es,  dass  ein  Italiener,  Gagliardi370),  dem  mit 
dem  seinigen  verbündeten  Monarchen  eingehende  Aufmerksamkeit  und  lebhafte  Teil- 
nahme entgegenbringt  und  eine  von  genauem  Studium  der  einschlägigen  deutschen 
Litteratur  zeugende  Charakteristik  desselben  veröffentlicht  hat.  —  Auch  dem  Hofe  der  Ge- 
mahlin des  Kaisers371)  und  dem  Bruder  des  Kaisers,  dem  Prinzen  Heinrich,  sind  eingehende 
Studien  gewidmet  worden,  von  denen  namentlich  die  letztere,  von  Langguth372)  ver- 
fasste,  ein  anschauliches  und  anziehendes  Lebensbild  entwirft.  Die  Darstellung,  welche 
der  Vf.  von  der  Erziehung  und  Entwicklung  des  Prinzen  giebt,  beruht  offenbar 
auf  Aufschlüssen  aus  Hofkreisen.  Besonders  eingehend  werden  die  verschiedenen 
Seereisen  des  Prinzen,  ohne  Zweifel  auf  Grund  von  Mitteilungen  von  Teilnehmern, 
in  sachlicher  und  sachkundiger,  wenngleich  zuweilen  etwas  deutlich  zu  Tage  tretender 
panegyrischer,  die  Verdienste  des  Prinzen  etwas  überschwenglich  feiernder  Form 
geschildert.  — 

Eine  den  mittelalterlichen  Chroniken  vergleichbare,  den  Zeitereignissen 
unmittelbar  von  Jahr  zu  Jahr  folgende  Geschichte  der  Gegenwart  hat  Wilhelm 
Müller  begründet.  Nach  seinem  Tode  wird  sie  jetzt  von  Wippermann373)  fortgesetzt. 
In  der  Berichtsperiode  ist  der  das  J.  1892  behandelnde  Band  erschienen.  Besonderer 
Nachdruck  ist  hier  auf  die  Verhandlungen  über  das  Volksschulgesetz,  ausserdem  aber 
auf  die  Bismarck  zu  Teil  gewordenen  Huldigungen  gelegt.  Der  Standpunkt  des  Vf., 
der  wohl  am  ehesten  zum  Nationalliberalismus  neigt,  ist  im  übrigen  streng  objektiv. 
Die  Strömungen  im  eigentlichen  Volksleben  werden  leider  neben  der  möglichst 
erschöpfenden  Aufzählung  einzelner  Vorgänge  und  Ereignisse  nur  wenig  berück- 
sichtigt, litterarische  Strömungen  überhaupt  nicht.  —  Aber  als  Quellensammlung  für 
den  Historiker  der  neuesten  Zeit  ist  dieses  Werk  ebenso  unentbehrlich  wie  das  seit 
langer  Zeit  sich  allgemeiner  Anerkennung  erfreuende,  jetzt  unter  Hans  Delbrücks375) 
sachkundiger  Leitung  stehende  „Staatsarchiv"  und  der  Schulthesssche375)  europäische 
Geschichtskalender.  —  Für  die  neueste  Geschichte  des  Deutschen  Reiches  seit  der 
Entlassung  Bismarcks  aus  seinen  Aemtern  ist  eine  neue  wichtige  Quelle  erschlossen 
worden  durch  eine  sorgfältige  und  geschickte  Auswahl  der  hauptsächlichsten  Reden 
seines  Amtsnachfolgers  Caprivi,  die  Arndt376)  veranstaltet  hat.  Ihren  hauptsächlichsten 
Inhalt  bilden  natürlich  die  grossen  Fragen  der  Marine-  und  Kolonialpolitik,  der 
Handelsverträge  und  des  Volksschulgesetzes.  Die  Reden  sind,  wenn  sie  auch  an 
Wucht  der  Sprache,  Reichtum  des  Inhalts  und  Gewalt  der  Beredsamkeit  denen 
seines  grossen  Vorgängers  nicht  annähernd  gleichstehen,  doch  in  ihrer  Art  ebenfalls 
hervorragende  oratorische  Leistungen  und  für  den  ehrlichen,  schlichten  und  soldatischen 
Sinn  des  zweiten  Kanzlers  charakteristisch.  Die  der  Ausgabe  der  Reden  vorauf- 
geschickte, ohne  Zweifel  auf  guten  Quellen  beruhende  Biographie  Caprivis  ist  unter- 
richtend und  lebendig  geschrieben,  aber  hie  und  da  doch  ein  wenig  zu  panegyrisch 
gehalten.  — 

Eine  grosse  Rolle  in  der  europäischen  Politik  hat  seiner  Zeit  die  Berufung 
eines  Mitgliedes  der  fürstlich  hohenzollerschen  Familie  auf  den  rumänischen 
Königsthron  gespielt.  Die  Schwierigkeiten,  die  sich  der  Annahme  dieser  Wahl  des 
Prinzen  Karl  von  Hohenzollern-Sigmaringen  gegenüber  dem  einmütigen  Proteste 
der  Pforte  und  der  auf  dem  Pariser  Kongresse  vereinigten  Garantiemächte  entgegen- 
stellten, schienen  unüberwindlich  und  geeignet,  ähnliche  Verwicklungen  hervor- 
zurufen, wie  im  J.  1870  die  Wahl  des  aus  demselben  Hause  stammenden  Prinzen 
Leopold  für  den  spanischen  Königsthron.     Man   zweifelte    daher  damals    allgemein 


139  S.  M.  2,50. —368)  O  J.  Simon,  Kaiser  Wilhelm  II.   Einzig  autor.  dtsch.  Uebers.  3.Aufl.    B.,  Sohlosser.    VIII,  262  S.   M.  3,00. 

—  369)  X  FZg.  N-  212-  (Auszüge  aus  N.  368.)  —  370)  E.  Gagliardi,  Guglielnio  II.  Fatti-parole-caratteristiche.  Torino- 
Roma,  L.  Roux  &  C.    456  S.  —  371)  X  Am  Hofe  d.  Kaiserin  Augusta  Viktoria.    4.  u.  5.  Tausend.    B.,  Steinitz.    278  B,    M.  3,50. 

—  372)  Ad.  Langguth,  Prinz  Heinrich  v.  Preussen.  E.  seemänn.  Lebensbild.  2.  (Titel-)  Ausg.  Halle  a.  S.,  Niemeyer. 
XII,  445  S.  M.  3,00.  —  373)  K.  Wippermann,  Pol».  Gesch.  d.  Gegenw.  Begründ.  v.  Wilh.  Müller.  26.  Bd.  D.  J.  1892.  B. 
Springer.  XI,  414  S.  M.  4,40.  —  374)  D.  Staatsarch.  Samml.  d.  .offlz.  Aktenstücke  z.  Gesch.  d.  Gegenw.  In  fortlaufenden 
HefteD  her.  v.  H.  Delbrück.  55.  Bd.  Gesamt-Register  zu  Bd.  33-44.  1.  u.  2.  Heft.  L.,  Duncker  &  Humblot.  112  S. 
a  M. ,  1,40.  —  375)  Schulthess  europ.  Gesch.-Kal.  N.  F.  9.  Jahrg.  1893.  D.  ganzen  Reihe  34.  Bd.  her.  v.  H.  Del- 
brück. München,  C.  H.  Beck.  X,  400  S.  M.  8,00.  —  376)  Graf  v.  Caprivis  Reden  im  dtsch.  Reichstage,  Preuss.  Landtage 
U.  bei  besond.  Anlässen.    1883—93.    Mit  d.  Biogr.  u.  d.  Bild.  her.  v.  R.  Arndt.    B.,  E.  Hofmann  &  Co.    III,  424  S.    M.  5,00. 


li.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.    IV  lb  :  377-378 

daran,  dass  der  Prinz  die  Wahl  annehmen  werde,  zumal  er  von  dem  Chef  seines 
Hauses,  dem  Könige  von  Preussen,  der  sich  selbst  durch  die  Beschlüsse  der  Garantie- 
mächte gebunden  fühlte,  ausserdem  aber  in  einen  sich  immer  schärfer  zuspitzenden 
Konflikt  mit  Oesterreich  zu  geraten  begann,  keinerlei  Hülfe  bei  seinem  schwierigen 
Unternehmen  zu  erwarten  hatte.  Trotz  alledem  wagte  der  junge  Prinz  zu  allgemeinem 
Erstaunen  der  politischen  Welt  den  gefährlichen  Schritt,  ging  nach  Rumänien  und 
stellte  so  die  europäischen  Mächte  vor  ein  kühnes  fait  accompli,  dem  sie  sich  um 
so  mehr  fügen  mussten,  als  bald  nachher  der  preussisch-österreichische  Krieg,  der 
schon  lange  gedroht  hatte,  wirklich  ausbrach.  Alle  diese  politischen  Schwierigkeiten 
und  die  schweren  Verlegenheiten,  die  dem  Hohenzollernprinzen  in  den  ersten  Jahren 
seiner  Regierung  in  Rumänien  aus  den  erregten  inneren  Parteikämpfen  seines 
Adoptiv  Vaterlandes  erwuchsen,  bilden  den  Gegenstand  eines  hochinteressanten  Memoiren- 
werkes, welches  eine  Fülle  neuer  Aufschlüsse  über  diese  Vorgänge  giebt3").  Es 
bezeichnet  sich  selbst  als  „Aufzeichnungen  eines  Augenzeugen",  und  in  der  That  kann 
diese  in  Form  eines  fortlaufend  geführten  Tagebuches  auftretende  Darstellung  der 
Ereignisse  nur  von  einem  mit  den  Verhältnissen  sehr  vertrauten  Teilnehmer  aus  der 
unmittelbarsten  Umgebung  des  Fürsten,  jetzigen  Königs  Karl  herrühren,  ja  an  manchen 
Stellen  machen  diese  Denkwürdigkeiten  den  Eindruck,  als  stammten  sie  in  Entwurf 
und  Anlage  von  dem  Könige  selbst  her  und  hätten  durch  einen  vertrauten  Staats- 
mann aus  seiner  Umgebung  nur  die  letzte  Umarbeitung  und  Ausfeilung  erfahren. 
Wie  dem  auch  sei,  jedenfalls  ist  der  Vf.  mit  allen  Vorgängen  und  mit  den  geheimsten 
Quellen  derselben  auf  das  genaueste  vertraut;  er  ist  in  der  Lage,  grosse  Teile  der 
geheimen  Korrespondenz  zwischen  dem  Fürsten  und  seinen  Verwandten  aus  dem 
preussischen  Königshause,  Kaiser  Wilhelm  I.  und  dem  Kronprinzen,  sowie  mit 
Bismarck  im  Wortlaute  mitzuteilen.  So  erfahren  wir  hier  auf  Grund  der  authentischen 
Aktenstücke,  dass  Bismarck  selbst,  abweichend  von  dem  vorsichtig  zurückhaltenden 
Verfahren  König  Wilhelms,  dem  Hohenzollernprinzen  den  Rat  gab,  die  Türkei  und  die 
europäischen  Mächte  vor  die  vollendete  Thatsache  der  Thronbesteigung  zu  stellen. 
Wir  werden  über  den  in  dieser  Frage  geführten  Schriftwechsel  mit  Kaiser  Napoleon 
und  Kaiser  Alexander  II.  von  Russland  unterrichtet;  es  werden  die  eingehenden  Briefe 
mitgeteilt,  durch  welche  namentlich  der  preussische  Kronprinz  seinem  Verwandten 
auf  dem  rumänischen  Throne  seine  rege  und  eifrige  Teilnahme  an  seinem  Schicksale 
bezeugt  und  ihm  eingehende  Ratschläge  für  sein  Verhalten  giebt.  Nicht  minder  unter- 
richtet und  unterrichtend  erweisen  sich  die  Darlegungen  des  Vf.  über  die  inneren 
politischen  Vorgänge,  wie  über  die  Kulturzustände  in  den  später  zu  einem  König- 
reiche erhobenen  vereinigten  Donaufürstentümern.  Der  Vf.  hat  den  Fürsten  —  wenn 
dieser  nicht  selbst  der  Vf.  ist  —  auf  allen  seinen  Reisen  durch  das  Land  begleitet 
und  überall  mit  feinem  Verständnis  Beobachtungen  -über  das  eigentümliche  Land  und 
seine  eigenartige  Kultur,  auch  hier  in  Tagebuchform,  aufgezeichnet.  Die  leitenden 
politischen  Persönlichkeiten,  namentlich  Bratianu,  werden  plastisch  und  anschaulich 
geschildert.  Wir  begleiten  den  jungen  thatkräftigen  Fürsten  mit  stets  regem  Interesse 
auf  seiner  dornenvollen  Laufbahn,  auf  der  es  ihm  gelang,  das  in  seiner  ganzen 
Regierung  und  Verwaltung  arg  verwahrloste,  aber  an  natürlichen  Hülfsquellen  reiche 
Land  geordneteren  Zuständen  entgegenzuführen.  Auch  die  Aufzeichnungen  über  die 
persönlichen  Schicksale  des  Fürsten,  über  seine  Ehe  mit  der  geistvollen  Fürstin  Carmen 
Sylva  sind  in  hohem  Grade  anziehend  und  interessant.  Dazu  kommt  noch  das 
Interesse,  welches  die  sehr  wertvollen  Mitteilungen  über  die  spanische  Thron- 
kanditatur  des  Bruders  des  Rumänenfürsten,  des  Erbprinzen  Leopold  von  Hohen- 
zollern,  einflössen,  über  welche  hier  die  intimsten  brieflichen  Aeusserungen  der  ver- 
schiedenen Mitglieder  des  hohenzollerschen  Hauses  mit  rückhaltloser  Offenheit 
mitgeteilt  werden.  Sie  bilden  eine  glänzende  Bestätigung  der  längst  als  feststehend 
betrachteten,  auch  von  Sybel  eingehend  dargelegten,  aber  von  französischer  und 
socialdemokratischer  Seite  angefochtenen  Auffassung  über  den  Verlauf  der  einzelnen 
Phasen  jener  Thronkandidatur,  welche  den  Franzosen  nicht  den  Grund,  wohl  aber  den 
Vor  wand  zur  Eröffnung  des  Krieges  von  1870  geliefert  hat.  — 

Territorialgeschichtliches.  Wenden  wir  uns  nun  der  Geschichte  der 
deutschen  Einzelstaaten  zu,  so  beginnen  wir  füglich  mit  demjenigen  Staate,  der,  obwohl 
heute  nicht  mehr  zum  Deutschen  Reiche  gehörend,  doch  dereinst  an  dessen  Spitze 
gestanden  hat:  mit  Oesterreich.  Ueber  dem  edlen  Kaiser  Joseph  II.  ist  eine  von 
katholisch-ultramontaner  Seite  ausgegangene  biographische  Skizze  Brunners378) 
erschienen,  die,  oft  in  schroffem  Gegensatz  zur  bisherigen  Tradition,  behauptet, 
Joseph  sei  durchaus  kein  Liberaler  gewesen,  habe  im  Gegenteil  jede  Stände-  oder 
Volksvertretung,  jeden  Konstitutionalismus  gehasst.     So  weit  das  richtig  ist,  hat  es 


|[R.  Arndt:  KonsMschr.  S.  546/7.]|   -  377)  (IV  lc  :  16.)   |[BLU.  S.  358/9,  617,8;  BerlBörsCoar.  N.  204.]|  —  378)  Seb.  Brunner, 
Joseph  II.  als  absol.  Beherrscher  seiner  Länder.     (=  Frankf.   zeitgem.   Brosch&ren.     Her.   v.  .1.  M.   Raich.     Bd.   14,    Heft  2.) 

(4)9* 


IV  lb  :  379-392    G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

auch  die  bisherige  Forschung  erkannt.  Was  der  Vf.  über  diese  hinausgehend 
behauptet,  ist  zumeist  schief  aufgefasst  oder  geradezu  falsch.  Damit  im  Widerspruch 
behauptet  er  dann  wieder,  der  Kaiser  sei  im  Fahrwasser  der  Revolution  gesegelt, 
seine  Ratgeber  seien  lauter  Freimaurer  gewesen.  Im  ganzen  ist  das  Buch  weiter 
nichts  als  eine  ziemlich  plumpe  Tendenzschrift.379)  —  Interessant  aber  ist  eine 
Schilderung  Josephs  IL,  welche  Dumm ler380)  aus  dem  Tagebuche  eines  Zürichers  ver- 
öffentlicht, und  in  welchem  sich  die  missgünstige  Stimmung  mancher  Wiener  Kreise  über 
den  Kaiser  wieder  spiegelt.  —  Einen  sehr  wertvollen  Beitrag  zur  Geschichte  der  Kirchen- 
politik des  Kaisers  Joseph  und  seiner  Beziehungen  zum  Vatikan  hat  Schütter381)  als 
Fortsetzung  einer  1890  von  ihm  über  die  Reise  des  Papstes  Pius  VI.  veröffentlichten 
Untersuchung  geliefert.  Der  Vf.  weist  darauf  hin,  dass  jene  im  Sinne  einer  Ein- 
wirkung auf  den  Kaiser  unternommene  Reise  des  Papstes  vollkommen  erfolglos 
gewesen  sei,  da  Joseph  ganz  bei  seiner  Kirchenpolitik  verharrte,  wie  sich  in  der 
vom  Vf.  ausführlich  geschilderten  Gründung  der  Giunta  Economale  in  Mailand  und 
der  geistlichen  Hofkommission  in  Wien  zeigte.  Die  Glaubens-  und  Dogmenlehre 
überliess  er  der  Kirche;  was  ausserhalb  dieses  Bereiches  stand,  unterwarf  er  der 
Oberaufsicht  des  Staates.  1782  wäre  es  fast  zu  einem  völligen  Bruche  mit  dem 
Papste  gekommen.  Joseph  reiste,  um  den  Papst  zur  Nachgiebigkeit  und  zu  einem 
Ausgleiche  zn  bewegen,  1783  selbst  nach  Rom.  Am  23.  Jan.  1784  kam  dann  das 
Konkordat  über  die  Besetzung  der  Bistümer  und  Benefizien  in  der  Lombardei,  die 
Pius  ganz  dem  Kaiser  cedierte,  zu  stände.  Im  Anhange  hat  der  Vf.  eine  grosse  Anzahl 
von  Aktenstücken  mitgeteilt.  —  Aus  der  Zeit  Franz  IL  liegen  ausser  zwei  kleineren 
biographischen382-383)  Beiträgen  mehrere  Skizzen  über  die  verschiedenen  Gemahlinnen 
des  Kaisers  vor384-385),  von  denen  namentlich  die  Arbeit  Guglias386)  über  die  Kaiserin 
Maria  Ludovica  beachtenswert  ist.  Sie  beruht  ausser  auf  den  bisher  bekannten 
Korrespondenzen  der  anmutigen,  jung  verstorbenen  Kaiserin  auf  ihren  im  Esten- 
sischen  Familienarchive  aufbewahrten  Briefen  an  ihre  Mutter  Marie  Beatrix  und 
an  ihren  Gemahl.  Bekannt  ist  die  Kaiserin  namentlich  dadurch,  dass  Goethe,  mit 
dem  sie  zuerst  1810  in  Karlsbad  zusammentraf,  ihr  eine  Reihe  formvollendeter 
Poesien  gewidmet  hat.  Bei  ihrer  Vermählung  mit  Kaiser  Franz  (1808)  ist  sie  ausser- 
dem von  August  Wilhelm  Schlegel  gefeiert  worden,  während  auf  ihren  Tod  Max 
von  Schenkendorf  ein  Gedicht  geschrieben  hat.  Politisch  aktiv  ist  die  Kaiserin  im 
allgemeinen  nicht  hervorgetreten,  hat  aber  innerlich  lebhaften  Anteil  an  den  Er- 
eignissen genommen  und  immer,  namentlich  1809,  energisch  auf  Fortsetzung  des 
Kampfes  gegen  Napoleon  gedrungen.  —  Aus  der  späteren  Geschichte  dieses  Jh. 
liegen  eine  Reihe  biographischer  Beiträge  über  österreichische  Staatsmänner,  Feld- 
herren und  Gelehrte  vor387-389).  Mit  besonderer  Freude  wird  man  gewiss  die 
Erinnerungen  an  Schmerling  begrüssen,  die  kein  Geringerer  als  Arneth390)  ver- 
öffentlicht hat,  die  mir  aber  leider  nicht  vorgelegen  haben.  —  Eine  zum  Volksbuche 
bestimmte,  auf  Zeitungen,  Broschüren,  persönlichen  Erinnerungen  und  Mitteilungen 
beruhende  Biographie  des  hervorragenden  österreichischen  Volksmannes  und  Vor- 
kämpfers für  das  Deutschtum,  Franz  Schmeykal,  ist  als  Gedenkschrift  an  ihn  ver- 
öffentlicht worden391).  Das  Buch  ist  freilich  wenig  überarbeitet  und  entwirft  ein 
etwas  buntes,  künstlerisch  wenig  abgerundetes,  nach  den  jeweilig  benutzten 
Quellen  mosaikartig  zusammengestelltes  Bild,  welches  aber  viele  lebendige  Einzel- 
heiten aus  Schmeykals  Leben  enthält.  —  Auch  dem  hervorragenden  ungarischen 
Volksführer  Ludwig  Kossuth  ist  eine  populäre,  offenbar  auf  guten  Forschungen 
beruhende,  aber  einseitig  für  den  Helden  der  Darstellung  gefärbte  Biographie 
Somogyis392)  gewidmet  wrorden,  welche  vor  allem  den  Zweck  verfolgt,  das  Leben 
dieses  Volksmannes,  der  in  der  That  nicht  nur  für  die  ungarische,  sondern  auch  für  die 


Frankfurt  a.  M.,  Foesser  Nachf.  62  S.  M.  0,50.  —  379)  X  H-  Jantsch,  Kaiser  Joseph  u.  d.  Schusterstochter.  Hist.  Vollcs- 
schanspiel. Nene  Ausg.  nach  d.  Scenarium  d  Wiener  Volkstheaters.  (=:  ÜB.  N.  524.)  L.,  Reclam.  71  S.  M.  0,20.  — 
380)  F.  Dümmler,  E.  Schilderung  Kaiser  Josephs  IL  u.  seines  Hofes:  DZG.  11,  S.  165-76.  —  381)  H.  Schütter,  Pins  YI. 
n.  Joseph  II.  v.  d.  Rückkehr  d.  Papstes  nach  Koni  bis  z.  Abschlüsse  d.  Konkordats.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Beziehungen 
Josephs  II.  z.  röm.  Kurie  v.  1782  —  84.  (=  Fontes  rernra  Austriacarum.  Oesterr.  Gesch.-Quellen,  her.  v.  d.  hist.  Kora.  d.  kais. 
Ak.  d.  Wissensch.  in  Wien.  2.  Abt.  Diplomataria  et  acta.  47.  Bd.,  2.  Hälfte.)  Wien,  Tempsky.  XX,  225  S.  M.  3,40.  — 
382)  X  H-  ▼•  Zeissberg,  J.  A.  de  Thugut,  österr.  Staatsmann:  ADB.  38,  S.  138-58.  —  383)  X  ö-  Buch  holz,  Fürst  zu 
Trautmannsdorff,  österr.  Staatsmann,  1749—  1S27:  ib.  8.  524-31.  —  384)  X  Ed.  Wertheimer,  D.  drei  ersten  Frauen  d. 
Kaisers  Franz.  Mit  3  Portr.  L.,  Dnncker  &  Humblot.  IX,  163  S.  M.  3,60.  |[BLU.  S.  165/8JI  —  385)  X  C.  Wolfsgruber, 
Carolina  Augusta,  D.  „Kaiserin  Mutter".  Wien,  Kirsch.  X,  299  S.  M.  6,00.  (Ueber  d.  Wittwe  d.  Kaisers  Franz.)  — 
386)  E.  Guglia,  Kaiserin  Maria  Ludovica  v.  Oesterr.  (1787-1816).  Nach  ungedr.  Briefen.  Wien,  Graeser.  XI,  196  S. 
M.  2,00.  irNatZg.  N.  295;  BLU.  S.  726/7;  FrBlw.  N.  207.] |  —  387)  X  W.  Wächtler,  D.  alte  treue  Badetzky.  Sein  reich- 
bewegtes Leben  u.  Streben.  Für  Oesterr.-Ungarns  Heer,  Jugend  u.  Völker.  Wien,  Grottendiek.  160  S.  M.  1,50.  —  388*  X 
D.  k.  k.  österr.  Feldmarsch.  Fürst  Windischgrätz,  d.  Bild  e.  wahren  Edelmannes:  DAdelsbl.  S.  286/9,  308,9,  3279,  389-91,  407/9, 
425/8.  —  389)  X  H.  ß.,  L.  v.  Hasner:  AZgI!.  1893,  N.  204.  (Anmutig  n.  mit  warmer  Lebendigkeit  geschriebene  Lebensskizze 
d.  Prager  Prof.  d.  Jurisprud.  d.  hochverdienten  österr.  Kultusministers  im  „Bürgerministerium"  u.  Schöpfers  d.  liberalen 
Volksschulgesetzes,  welches  er  in  hartem  Kampfe  mit  d.  österr.  Episkopat  durchführte.)  — 390)  A.  Ritter  v.  Arneth,  Anton 
Ritter  v.  Schmerling.  Episoden  aus  seinem  Leben.  1835,  1848  —  49.  Wien  u.  Prag,  Tempsky.  XVI,  343  S.  M.  8,00.  — 
391)  F.  Schmeykal.    E.  Gedenkschr.    Prag,  Kuli.    146  S.    Fl.  0,50.  —  392)  Ed.  Somogyi,  L.  Kossuth.    Sein  Leben  u.  Wirken. 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18.'19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.    IV  lb  :  393-403 

allgemeine  Geschichte  von  Bedeutung  ist,  auch  ausserhalb  der  ungarischen  Grenzen 
bekannter  werden  zu  lassen.  —  Mehr  Materialien  zu  einer  Biographie,  als  eine  solche 
selbst  über  einen  ausserhalb  Oesterreichs  weniger  genannten,  aber  auf  volkswirtschaft- 
lichem wie  historischem  Gebiete  gleich  hervorragenden  Mann  enthält  ein  Werk, 
welches  die  historisch-statistische  Sektion  der  mährisch-schlesischen  Gesellschaft  zur 
Beförderung  des  Ackerbaues  über  den  Ritter  Chr.  d'Elvert  herausgab393),  der  in 
dieser  Gesellschaft  eine  hervorragende  Wirksamkeit  entfaltet  hat.  —  Endlich  sei  noch 
eine  französische,  anziehend  geschriebene  und  auf  offenbar  gutem  Material  beruhende 
Biographie  des  Kronprinzen  Rudolf  von  Oesterreich  erwähnt,  welche  besonders  dessen 
Erziehung,  seine  Reisen  und  seine  schriftstellerische  Thätigkeit  behandelt,  und  von 
der  jetzt  eine  Uebersetzung  Papudoffs394)  ins  Italienische  erschienen  ist.  — 

Zur  preussischen  Territorialgeschichte,  soweit  dieselbe  noch  nicht  bei  der 
Besprechung  der  Arbeiten  über  allgemeine  deutsche  Geschichte  Erledigung  gefunden 
hat395),  liegen  zunächst  einige  zusammenfassende  Darstellungen  der  gesamten  preussi- 
schen Geschichte  vor396),  von  denen  sich  namentlich  die  Piersonsche397),  welche  bereits 
in  sechster  Auflage  erschienen  ist,  als  ein  zuverlässiger  und  umsichtiger  Führer 
viele  Freunde  erworben  hat.  Der  Vf.  hat  es  sich,  wie  in  jeder  neuen,  so  auch  in 
dieser  6.  Auflage  angelegen  sein  lassen,  die  Ergebnisse  der  modernen  Forschung  für 
seine  Neubearbeitung  umfassend  zu  verwerten,  so  dass  die  Darstellung  an  vielen 
Stellen  tiefgreifende  Aenderungen  erfahren  hat,  ohne  dass  jedoch  die  Grund- 
richtung und  wissenschaftliche  Gesamtanschauung  dabei  sich  umgewandelt  hätten.  Der 
Standpunkt,  von  dem  der  Vf.  die  historische  Entwicklung  überschaut,  bleibt  auch 
der  neueren  und  neuesten  Geschichte  gegenüber  vornehm  ruhig  und  besonnen  und 
lässt  zugleich  einen  weiten  Blick  auf  geschichtlichem  Gebiete  und  eine  verständige 
und  gemässigte  Auffassung  in  politischer  Hinsicht  erkennen.  Diese  Grundanschauung 
wird  man  als  eine  allgemein  patriotische  und  politisch  gemässigte,  etwa  dem  Stand- 
punkte der  heutigen  Mittelparteien  entsprechende  bezeichnen  dürfen,  doch  lässt  die 
Darstellung  immer  und  überall  das  wohlthuende  Streben  erkennen,  auch  dem  Gegner 
der  eigenen  Anschauung  gerecht  zu  werden.  —  Ausserdem  liegen  eine  Reihe  kleinerer, 
wissenschaftlich  nicht  erheblicher  biographischer  Beiträge  über  Mitglieder  des 
hohenzollerschen  Königshauses  vor398-401).  Für  die  innere  Geschichte  Preussens 
unter  Friedrich  Wilhelm  III.  nicht  ohne  Wert  ist  eine  Untersuchung  Roloffs402) 
über  die  Neuorganisation  des  Ministeriums  des  Auswärtigen.  Der  Vf.  schildert  zu- 
nächst die  bisherige  kollegialiscbe Organisation  des  auswärtigen(Kabinets-)Ministeriums, 
in  welchem  Finckenstein,  Alvensleben  und  Haugwitz  alle  Sachen  gemeinsam  bearbeiteten. 
Ausser  den  auswärtigen  Angelegenheiten  hatte  auch  eine  Reihe  innerer,  die  so- 
genannten deutschen  Sachen,  zu  ihrem  Ressort  gehört.  Dann  drang  namentlich 
Haugwitz  auf  Arbeitsteilung,  bei  welcher  er  im  wesentlichen  nur  die  politischen 
Sachen  behalten  wollte.  Der  Vf.  schildert  dann  die  einzelnen  Phasen,  in  denen  Haugwitz 
dies  wirklich  durchsetzt  und  dadurch  eine  ganz  neue  Organisation  anbahnt.  —  Für 
die  Beziehungen  Preussens  zur  römischen  Kurie  von  hohem  Werte  ist  eine  Unter- 
suchung Gebhardts  403),  welche  sich  mit  den  Anfängen  einer  preussischen  Gesandt- 
schaft in  Rom  beschäftigt.  Friedrich  der  Grosse  hatte  sich  mit  einer  indirekten  Ver- 
bindung durch  den  pfälzischen  Agenten  Coltrolini,  später  durch  andere  Agenten, 
begnügt.  Seit  fast  200  Jahren  hatten  keine  direkten  Verbindungen  des  preussischen 
Hofes  mit  dem  Vatikan  bestanden,  als  unter  Friedrich  Wilhelm  III.  am  25.  Aug.  1802 
Wilh.  von  Humboldt  zum  Residenten  ernannt  wurde.  G.  teilt  nun  aus  den  Akten 
des  Berliner  Archivs  und  aus  dem  Werke  über  Humboldts  Tochter  Gabriele  von  Bülow 
(s.  o.  N.  237)  eine  Anzahl  hierauf  bezüglicher  Aktenstücke  mit,  aus  denen  sich 
ergiebt,  dass  es  sich  in  erster  Linie  um  eine  Vertretung  der  Interessen  der  katho- 
lischen Unterthanen  Preussens  in  Rom  handelte  unter  voller  Aufrechterhaltung  der 
staatlichen  Rechte  circa  sacra.     Besonders  interessant  für  die  Beurteilung"   der  Auf- 


L.,  Wigand.  IV,  214  S.  M.  3,00.  —  393)  Chr.  Kitter  d'Elvert,  Gedenkbll.  zu  seinem  90.  Geburtst.  Her.  v.  d.  hist.-statist. 
Sektion  d.  k.  V.  mähr.-schles.  Ges.  z.  Beförderung  d.  Ackerbaues,  d.  Natur-  u.  Landeskunde.  Brunn,  Verl.  d.  hist.-stat.  Sektion. 
IV,  220  S.  M.  3,20.  —  394)  A.  de  Bertha,  L'arciduca  Rodolfo,  il  Kronprinz,  lo  scrittore.  Trad.  dal  francese  di  C.  Pap ud off. 
Firenze,  tip.  di  S.  Laudi.  108  S.  —  395)  X  P.Prinz,  Preussens  gesch.  Beruf.  Rede.  Gotha,  Thienemann.  12  S.  M.  0,20.  (Aus 
PädBll  i  —  396)  X  Gesch.  Brandenburg-Preussens,  bearb.  auf  Grund  d.  Direktiven  d.  kgl.  Inspektion  d.  Infanterie-Schulen 
für  d.  Unterr.  auf  d.  Unteroffizier-Schulen.  B.,  Mittler.  82  S.  M.  0,80.  —  397)  W.  Pierson,  Preuss.  Gesch.  2  Bde.  6.  Aufl. 
B.,  Gebr.  Paetel.  VIU,  511  S.;  IV,  598  S.  M.  10,00.  —  398)  X  Camilla  Krohn,  Fürstenjngend.  Ausführl.  Erziehungsgesch. 
d.  Hohenzollern  v.  Gr.  Kurfürsten  bis  zu  d.  jetz.  Kaisersprossen  verb.  mit  unterhalt.  Episoden.  Für  Knaben  u.  Mädchen  jeden 
Alters,  sowie  für  Jugendfreunde.  Hamburg,  Axien.  V,  296  S.  M.  4,00.  —  399)  X  *"-  E-  Paulig,  Familiengesch.  d.  Hohen- 
zollernschen  Kaiserhauses.  3.  Bd.  2.  Aufl.  Frankfurt  a.  O  ,  F.  Paulig.  VIII,  368  S.  M.  3,00.  |[BLU.  S.  558)1  (Enth.  Beitrr. 
z.  Privatleben  Friedrichs  d.  Gr.,  entspricht  aber  keineswegs  d.  gegenwärt.  Stande  d.  Forschung  u.  betont,  auf  d.  d.  Monarchen 
feindl.  Tradition  fussend,  mit  tendenziöser  Vorliebe  die  Schwächen  u.  abst  essenden  Züge  d.  Königs.)  —  400)  X  Friedrich 
Wilhelm  III.  als  Verteidiger  d.  positiven  Christentums:  DEKZ.  8,  S.  123,4.  —  401)  X  A.  Frhr.  v.  Eberstein,  Luise,  Kur- 
fürstin v.  Brandenburg;  Elisabeth,  Königin  v.  Preussen.  Vortrr.,  geh.  zu  Wiesbaden  z.  Besten  d.  daselbst  zu  erbauenden 
Diakonissen-Hauses  am  24.  u.  31.  Okt.  1893.  B.,  Wiegandt  &  Grieben.  39  S.  M.  0,75.  (Rein  populäre  Vortrr.  über  d. 
Gemahlinnen  d.  Gr.  Kurfürsten  u.  Friedrich  Wilhelms  IV.,  ohne  Wissenschaftlichkeit  u.  auch  sonst  v.  geringem  Werte.)  — 
402)  G.  Roloff,  D.  Neuorganisation  d.  Ministeriums  d.  Auswärtigen  v.  1798—1802:  FBPG.  7,  S.  97-111.  —  403)  B.  Gebhardt, 


IV  lb  :  404-410   G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

gaben  Humboldts  in  Rom  ist  dessen  Instruktion  vom  25.  Aug.  1802.  —  Endlich 
verdienen  noch  einige  Arbeiten  zur  preussischen  Provinzialgeschichte  eine  kurze 
Erwähnung.  Zur  hundertjährigen  Gedenkfeier  der  Vereinigung  der  Stadt  Danzig 
mit  dem  preussischen  Staate  ist  eine  für  einen  weiteren  Leserkreis  berechnete,  lebendig, 
geschickt  und  anregend  geschriebene  Festschrift  von  Damus404)  erschienen,  welche 
auch  eine  Einleitung  über  die  ältere  Geschichte  Danzigs,  die  Verfassungs-  und 
gesellschaftlichen  Zustände  der  Stadt  kurz  vor  der  Okkupierung  enthält,  dann  ihre 
Verwicklungen  mit  Preussen  von  1772  an  auf  Grund  einer  älteren,  umfassenderen 
Abhandlung  des  Vf.  behandelt  und  namentlich  grossen  Wert  auf  die  Schilderung  der 
Stimmung  der  Bevölkerung  legt,  die  allmählich  zum  Anschluss  an  den  Grossstaat 
hinneigte.  Neu  ist  die  Darstellung  der  verschiedenen  Verfassungsveränderungen 
nach  der  Okkupation.  Als  Anhang  veröffentlicht  der  Vf.  sieben  Beilagen  aus  dem 
Danziger  Archiv.  —  Von  der  umfassenden,  sich  fast  zu  sehr  im  Detail  verlierenden 
Tollinschen 405)  Geschichte  der  französischen  Kolonie  von  Magdeburg  ist  ein 
neuer  Band  erschienen,  in  dessen  erstem  Teile  Militärs  und  Adlige  der  Kolonie 
behandelt  werden,  während  sich  der  zweite  Teil  mit  dem  Fabrikwesen,  dem  Handel  und 
dem  Handwerk  beschäftigt.  Ein  dritter  Teil  bespricht  das  französische  Kolonie- 
gericht. Sehr  dankenswert  sind  die  hier  gebotenen  Beiträge  zu  einer  Sammlung 
alter  Häuser-  und  Strassennamen.  —  Auch  von  der  Kuhischen406)  Geschichte  der 
Stadt  Jülich  und  des  dortigen  früheren  Gymnasiums  ist  ein  dritter,  die  Zeit  von 
1742 — 1815  umfassender  Teil  erschienen,  der  zugleich  eine  Geschichte  der  Jesuiten 
in  Jülich,  denen  das  Gymnasium  im  J.  1664  übergeben  worden  war,  bietet. 
Interessant  sind  namentlich  die  Mitteilungen  über  die  in  der  Schule  veranstalteten 
dramatischen  Aufführungen.  —  Zur  Geschichte  der  Provinz  Schleswig-Holstein  sind 
zwei  biographische  Skizzen  über  den  mutigen  Vorkämpfer  für  die  Freiheit  und 
Selbständigkeit  der  vereinigten  Eibherzogtümer  gegenüber  den  dänischen  Ueber- 
griffen,  Uwe  Jens  Lornsen,  erschienen407-408).  — 

Von  den  übrigen  deutschen  Territorialstaaten  ist  namentlich  Bayern  zum 
Gegenstande  einer  Reihe  historischer  Darstellungen  gemacht  worden,  von  denen 
einige  als  sehr  wertvolle  und  bedeutende  Bereicherungen  unserer  historischen 
Litteratur  bezeichnet  werden  dürfen.409)  Eine  Fülle  interessanter  Mitteilungen  aus 
der  Geschichte  der  vier  ersten  Könige  Bayerns  hat  Luise  von  Kobell410)  ver- 
öffentlicht. Die  Verfasserin,  welche  als  fruchtbare  und  gewandte  Schriftstellerin 
ihren  Mädchennamen  beibehalten  hat,  auch  nachdem  sie  die  Gemahlin  des  Staatsrats 
August  von  Eisenhart  geworden  war,  entstammt  einer  bekannten  bayerischen  Künstler- 
und  Gelehrtenfamilie,  welche  in  mannigfachen  engen  Beziehungen  zum  Königshause 
gestanden  hat,  und  in  dereine  pietätvoll  festgehaltene  Familientradition  verschiedensten 
Ursprungs  bis  auf  den  heutigen  Tag  fortlebt,  die  zum  Teil  in  einem  ausgedehnten 
Briefwechsel,  zum  Teil  in  tagebuchartigen  Aufzeichnungen  niedergelegt  ist,  welche 
in  ziemlich  grossem  Umfange  namentlich  von  dem  Urgrossvater  der  Vf.,  dem 
Maler  und  Kupferstecher  Ferdinand  von  Kobell,  herrühren.  Aus  diesen  sehr 
verschiedenartigen  und  verschiedenwertigen  Familienpapieren  ist  das  vorliegende 
Buch  entstanden,  welches  infolge  des  nahen  Verkehrs,  in  dem  die  Familie  Kobell 
zu  dem  grossen  Kreise  von  Künstlern  und  Gelehrten  am  bayerischen  Königshofe 
gestanden  hat,  namentlich  über  das  gesellschaftliche,  wissenschaftliche  und  künst- 
lerische Leben  Münchens  seit  dem  Beginn  unseres  Jh.  eine  reiche  Fülle  anschau- 
licher und  interessanter  Schilderungen  enthält.  Daneben  finden  sich  aber  auch  zahl- 
reiche historische,  namentlich  kulturhistorische  Bemerkungen  eingestreut,  welche 
den  Reiz  des  Buches  erheblich  erhöhen.  Freilich  wird  man  dem  Urteil  der  Vf. 
über  die  einzelnen  historischen  Ereignisse  und  Persönlichkeiten  nicht  immer 
zustimmen  können,  wird  es  vielmehr  oft,  namentlich  z.  B.  bei  der  Beurteilung  des  Ministers 
Montgelas,  an  der  Hand  umfassenderer  und  in  die  geschichtliche  Seite  der  Sache 
tiefer  eindringender  Geschichtswerke  einer  durchgreifenden  Kontrolle  unterwerfen, 
an  anderen  Stellen  es  jedoch  als  gar  zu  allgemein  und  fast  trivial  gehalten  bezeichnen 
müssen,  allein  im  grossen  und  ganzen  zeugt  das  Buch  von  aufrichtigem  Streben 
nach   Unbefangenheit   und  von  einer  feinen  Beobachtungsgabe,  welche  vornehmlich 


W.  v.  Humboldt  u.  d.  Anfänge  d.  preuss.  Gesandtschaft:  ib.  S.  363-76.  —  404)  ß.  Damus,  Festschr.  z.  100 j.  Gedenkfeier  d. 
Vereinigung  Danzigs  mit  d.  Königr.  Preussen  im  J.  1793.  Auf  Veranl.  d.  städt.  Behörden  verf.  Danzig,  Bertling.  57  S. 
M.  2,00.  |[FBPG.  7,  S.  294;  MHL.  22,  S.  352.][  (E.  2.  Aufl.  ist  unter  d.  Titel  „Danzigs  Eintritt  in  d.  preuss.  Staat  im  J.  1793" 
ebda,  erschienen.)  —  405)  (I  4  :  420;  III  1  :  168/9.)  (Als  Ergänzung  hierzu  dienen  d.  v.  II  Tollin:  GBllMagdeburg.  28,  S.  100-84 
veröffentl.  Abhandlungen:  „Hugenottische  Topographie  v.  Magdeburg"  u.  „Hugenottischer  Hausbesitz  in  d.  ersten  50  Jahren  d. 
Kolonie  [1685—1735]".)  —  406)  (I  4:337.)  -  407)  O  K.  Jansen,  Uwe  Jens  Lornsen.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Wiedergeburt 
d.  dtsch.  Volks.  2.  billige  Ausg.  Kiel,  Eckardt.  1893.  X,  541  S.  M.  3,00.  |[WeserZg.  N.  16871.] |  —  408)  X  A.  F.  U.  L. 
Thomsen,  Lewer  dud  üs  Slaw.  (Lieber  todt  als  Sklav'.)  E.  Gedenkschr.  z.  100J.  Geburtstag  Uwe  Jens  Lomsens,  Itzehoe, 
G.  J.Pfingsten.  38  S.  M.  0,50.  —  409)  X  B.  du  Moniin- Eckart,  Regierungsfeindl.  Strömungen  in  Bayern  u.  die  auswärt. 
Mächte  im  J.  1800:  AZgB.  N.  170/3.  (Vorarbeit  zu  d.  inzwischen  erschienenen  1.  Bd.  d.  umfass.  Werkes:  „Bayern  unter  d. 
Ministerium  Montgelas";  vgl.  JBL.  1895  IV  lb.)    —    410)  (I  4:360;    IV  lc:13.)     |[A.  Bielsohowsky:    PrJbb.  76,  S.  545;7: 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.    IV  lb  :  «0-411 

die  kulturellen  und  socialen  Partien  des  Werkes  sehr  wertvoll  gestaltet  hat.  Die 
Schilderungen ,  welche  die  Vf.  namentlich  von  dem  geselligen  Verkehr  in 
den  geistig  führenden  Schichten  Münchens  und  aus  dem  Kreise  der  „Berufenen1', 
d.  h.  der  von  dem  kunstsinnigen  Könige  Maximilian  II.  nach  München  heran- 
gezogenen auswärtigen  Künstler  und  Gelehrten  entwirft,  sind  von  einer  Feinheit 
und  Sicherheit  des  Urteils,  die  sie  als  wahre  Kabinetstücke  gesellschaftsgeschicht- 
licher Kleinmalerei  erscheinen  lassen.  Weniger  gelungen  sind  die  Mitteilungen  und 
Urteile  über  die  Ereignisse  der  sogenannten  grossen  Politik,  bei  denen  doch  hie 
und  da  die  mangelnde  historische  Schulung  der  Frau  nur  zu  deutlich  heran- 
tritt. Doch  giebt  es  auch  hier  Stellen  in  dem  Buche,  die  der  allgemeinen  Teilnahme 
und  Beachtung  durchaus  wert  sind,  wie  namentlich  die  anschauliche  und  packend 
lebendige  Darstellung  von  dem  Zustandekommen  des  entscheidenden  Beschlusses 
König  Ludwigs  IL,  der  durch  den  Mobilmachungsbefehl  den  Anschluss  Bayerns  an 
die  deutsche  Sache  in  der  Nacht  vom  15.  zum  16.  Juli  herbeiführte.  Hier  konnte 
die  Vf.  sich  auf  die  eigene  Erzählung  ihres  Mannes,  die  sie  sich  sofort  unter  dem 
Eindrucke  des  Ereignisses  aufgezeichnet  hatte,  stützen,  und  diese  ist  von  um  so 
grösserer  Bedeutung,  als  ihr  Gemahl  Eisenhart  selbst  es  war,  der  den  ent- 
scheidenden Befehl  des  im  Bett  liegenden  Königs  erhielt  und  sofort  ausfertigte. 
Durch  die  Schilderung,  die  wir  hier  von  dem  Vorgange  erhalten,  wird  die  in  dem 
Tagebuche  Kaiser  Friedrichs  enthaltene  und  seitdem  herrschend  gewordene  Angabe, 
König  Ludwig  habe  ohne  Brays  Wissen  die  ihm  von  dem  Kriegsminister  Pranckh 
vorgelegte  Mobilmachungsordre  gezeichnet,  nicht  unerheblich  modifiziert  und  über 
allen  Zweifel  klargestellt,  dass  „der  entscheidende  Befehl  zur  Mobilmachung,  womit 
nach  Lage  der  Dinge  und  weit  über  die  Bedeutung  der  militärischen  Anordnung 
hinaus  auch  die  politische  Haltung  Bayerns  festgelegt  war,  des  Königs  eigenster, 
am  Morgen  des  16.  Juli  1870  erfolgter  EntSchliessung  verdankt  wird."  Dieser  über- 
raschende und  ohne  Zweifel  authentische  Aufschluss  über  einen  der  entscheidenden 
Vorgänge  in  dem  grossen  Kriegsjahre  hat  nicht  verfehlt,  allenthalben  das  grösste 
Aufsehen  zu  machen;  er  würde  allein  genügen,  um  dem  Buche  auch  historisch  einen 
grossen  Wert  zu  verleihen.  Und  ebenso  wird  man  die  Angaben  über  die  Absendung 
der  entscheidenden  Briefe  an  Wilhelm  I.  und  Bismarck  in  der  deutschen  Kaiserfrage 
mit  hohem  Interesse  lesen,  obwohl  sie  nicht  erschöpfend  und  ausführlich  genug 
sind,  als  dass  sie  die  durch  das  Tagebuch  Kaiser  Friedrichs  und  die  gegen  das- 
selbe gerichteten  Erklärungen  Bismarcks  entstandene  Streitfrage  endgültig  lösen 
könnten.  Immerhin  scheint  das  deutsche  und  bayerische  Volk  doch  auch  hier  der 
Initiative  des  Königs  weit  mehr  zu  verdanken,  als  man  bisher  anzunehmen  geneigt 
war.  —  Ein  anderes  Buch,  welches  sich  mit  der  späteren,  zu  immer  fortschreitender 
geistiger  Umnachtung  führenden  Periode  des  Lebens  des  kunstsinnigen  Königs 
Ludwigs  II.  beschäftigt,  hat  die  durch  die  nahen  Beziehungen  des  Vf.,  des  Dichters 
Heigel411),  zudem  unglücklichen  Monarchen  erweckten  Erwartungen  doch  nicht  in 
vollem  Masse  erfüllt.  H.  hat  eine  ganze  Reihe  der  Theaterstücke  für  den  König 
verfasst,  welche  in  den  vielberufenen  Separatvorstellungen,  denen  nur  Ludwig  selbst 
und  sein  Gefolge  beiwohnten,  aufgeführt  wurden.  Der  Dichter  ist  deshalb  mit  dem 
grossen  Dichterkomponisten  Richard  Wagner  zu  denen  gerechnet  worden,  die  auf 
die  geistige  Entwicklung  des  Königs  einen  unheilvollen  Einfluss  ausgeübt  und  die 
traurige  Katastrophe,  wenn  auch  nicht  veranlasst,  so  doch  beschleunigt  haben. 
Diesen  Anschuldigungen  und  Verdächtigungen  sowie  manchen  thörichten  Gerüchten 
über  Charakter  und  Sinnesart  des  Königs  entgegenzutreten,  ist  ausgesprochener- 
massen  der  eigentliche  Endzweck  des  H.schen  Buches.  Fast  scheint  es,  als  sei  es 
aus  einer  Reihe  gelegentlicher  polemischer  Notizen  gegen  die  Schriften  Friedrich 
Lamperts  usw.  entstanden;  so  wenig  ist  auch  nur  der  Versuch  gemacht,  das  Ganze 
zu  einer  einigermassen  einheitlichen  Darstellung  abzurunden.  Was  der  Vf.  hier  und 
da  zur  Lebensgeschichte  des  Königs  beibringt,  ist  grösstenteils  unbedeutend  und 
meist  längst  bekannt.  Im  einzelnen  enthält  das  Buch  manche  interessante  und  ver- 
ständige Bemerkungen  zur  Abwehr  der  thörichten  Anschuldigungen  und  Verurtei- 
lungen unüberlegter  Jugendstreiche  und  Aeusserungen  des  jugendlichen  Kronprinzen 
und  Königs,  aber  zu  einer  einigermassen  ausreichenden  und  erschöpfenden  Vor- 
stellung von  der  geistigen  Entwicklung  Ludwigs  kommt  man  dadurch  nicht. 
Wo  das  ja  einmal  der  Fall  sein  könnte,  stört  der  Vf.  selbst  den  Eindruck  durch 
eine  Fülle  eingestreuter,  rein  nebensächlicher,  oft  in  sehr  gelehrtem  Gewände  auf- 
tretender historischer  Notizen  über '  Schlösser,  Persönlichkeiten  usw.,  die  mit  dem 
Gegenstande  nur  in  äusserst  lockerem  Zusammenhange  stehen  und  oft  den  Eindruck 
erwecken,  als  habe  sich  der  Vf.  vorgenommen,  alles,  was  er  von  der  Geschichte 
Bayerns    irgend   weiss,   in   seine    Biographie   Ludwigs   II.    aufzunehmen.     Wirklich 


G.  Winter:    BLU.  S.  279-80.]  |    —    411)  K.  v.  Hei  gel,   König  Ludwig  II.  v.  Bayern.    E.  Beitr.  zu  seiner  Lebensgesch.    St., 


IV  lb  :  4ii-4i6b  G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

ausführlich  und  unterrichtend  wird  das  Buch  nur,  wenn  von  dem  Verhältnis  des 
Königs  zu  Wagner  und  zu  H.  selbst  gesprochen  wird.  Diese  Abschnitte  sind  denn 
auch  in  der  That  sehr  beachtenswert.  So  scheint  mir  der  Nachweis,  dass  Richard 
Wagner,  so  hoch  er  und  seine  Schöpfungen  von  dem  Könige  geachtet  und  verehrt 
wurden,  einen  irgendwie  bestimmenden  Einfluss  auf  den  König  in  anderen  als  rein 
künstlerischen  Dingen  nicht  gehabt  hat,  von  H.  vollkommen  erbracht  zu  sein. 
Minder  glücklich  ist  H.s  eigene  Verteidigung  gegen  die  Vorwürfe  wegen  des 
von  ihm  auf  den  König  ausgeübten  unheilvollen  Einflusses.  Immerhin  enthält  auch 
dieser  Abschnitt  manche  sehr  willkommene  Aufklärung  und  trägt  nicht  wenig 
dazu  bei,  die  ungemein  übertriebenen  Vorstellungen,  die  über  jene  Separat- 
vorstellungen verbreitet  worden  sind,  auf  ihr  richtiges  Mass  zurückzuführen.  Dass 
es  ihm  aber  völlig  gelungen  sei,  sich  von  dem  Verdachte,  den  König  in  seinen 
phantastischen  Neigungen  bestärkt  zu  haben,  gänzlich  zu  reinigen,  kann  doch  nicht 
behauptet  werden.  Richtig  ist  es,  dass  der  Vorwurf,  er  habe  Ludwig  II.  systematisch 
in  der  Vorliebe  für  Ludwig  XIV.  und  dessen  absolutistische  Regierungsgrundsätze 
bestärkt,  in  dem  Umfange,  in  welchem  er  erhoben  wurde,  nicht  berechtigt  ist. 
Allein  unzweifelhaft  ist  H.  doch  schon  dadurch,  dass  er  ausschliesslich  für  diese 
Separatvorstellungen  eigene  Dramen  in  regelmässiger  Wiederkehr  schrieb,  auf  die 
oft  sehr  bizarren  Meinungen  des  Königs,  auch  in  der  Wahl  der  Gegenstände  usw., 
doch  in  höherem  Masse  eingegangen,  als  es  wünschenswert  gewesen  wäre.  Doch 
wird  man  ihm  aus  der  Nachsicht,  mit  der  er  dieses  sein  eigenes  Verhalten  zu  ent- 
schuldigen sucht,  einen  so  schwerwiegenden  Vorwurf  nicht  machen  können,  da  er  eine 
noch  weiter  gehende  Nachsicht  auch  anderen  zu  teil  werden  lässt-  z.  B.  dem  ver- 
storbenen bayerischen  Archivdirektor  Franz  von  Löher.  Es  hat  seiner  Zeit  pein- 
liches Aufsehen  erregt,  als  bekannt  wurde,  dass  dieser  geistvolle  Gelehrte  es  über 
sich  gewonnen  hatte,  im  Auftrage  des  damals  schon  nicht  mehr  zurechnungsfähigen 
Königs  eine  Reise  nach  den  Mittelmeerinseln  zu  unternehmen,  um  Ludwig  II.  dort 
ein  neues  Königreich  auszusuchen.  H.  sucht  auch  das  zu  entschuldigen  und  wundert 
sich,  dass  diese  Handlungsweise  „dem  Gelehrten  nachträglich  stark  verübelt"  worden 
sei.  Uns  scheint  das  nicht  so  ganz  wunderbar.  Denn  ohne  Zweifel  wäre  es  doch 
wohl  die  Pflicht  eines  so  geistvollen  und  scharfsinnigen  Mannes  wie  Löher  gewesen, 
einen  solchen  unsinnigen  Auftrag  des  Königs  abzulehnen  und  sich  nicht  zum 
bezahlten  Werkzeuge  einer  tollen  Idee  des  unglücklichen  Fürsten  herzugeben.  Nach 
alledem  wird  man  dem  historischen  Urteile  des  Vf.  nicht  allzuviel  Vertrauen  schenken 
dürfen.412)  —  Eine  ansprechend  und  lebendig  geschriebene,  aber  nichts  erheblich  Neues 
bietende  Lebensbeschreibung  ist  auch  der  Mutter  KönigLudwigs  und  des  jetzt  regierenden 
Königs  von  Bayern,  Königin  Marie,  von  Marie  Schultze413)  gewidmet  worden.  — 
Sehr  panegyrisch  gehaltenist  dieSchilderung,welcheForster414)von  dem  ältesten  Sohn 
des  Prinzregenten  Luitpold,  Ludwig,  entworfen  hat.  Der  Vf.  legt  besonderen  Nachdruck 
auf  die  nationalen  und  volkswirtschaftlichen  Ansichten  und  Bestrebungen  Ludwigs  und 
benutzt  dabei  als  Quelle  namentlich  eine  Reihe  bei  den  verschiedensten  Gelegen- 
heiten von  dem  Prinzen  gehaltener  Reden,  die  er  teilweise  auch  im  Wortlaute  wieder- 
giebt.415)  —  Ausserdem  sei  hier  noch  eine  von  Leitschuh416)  verfasste  Lebens- 
beschreibung des  um  die  innere  Verwaltung  und  Regierung  von  Bamberg  und 
Würzburg  sehr  verdienten  Fürstbischofs  Ludwig  von  Erthal  erwähnt.  Der  Vf. 
schildert  eingehend  Erthals  Reform  der  Armenpflege,  seine  Verbesserung  des  Schul- 
wesens und  seine  Bestrebungen  zur  Hebung  des  Volkswohlstandes.  In  wissenschaft- 
lichen und  religiösen  Dingen  war  der  Fürstbischof  gemässigt  aufgeklärt,  in  kirchen- 
rechtlicher Hinsicht  ein  Josephinist.  —  Endlich  mögen  hier  noch  zwei  interessante 
Beiträge  zur  Wirtschaftsgeschichte  Bayerns  Erwähnung  finden.  Die  eine,  von 
Zöpfl4,6a),  behandelt  die  Handels-  und  Zollpolitik  der  mainfränkischen  Territorien, 
die  ihren  natürlichen  Mittelpunkt  in  Würzburg  haben  und  vornehmlich  durch  ihren 
noch  heute  bestehenden  Gegensatz  zu  den  Neckargebieten  charakterisiert  sind.  — 
Die  andere,  von  Seidl416b),  behandelt  eine  interessante  Probe  des  beginnenden 
Kampfes  zwischen  dem  durch  den  tüchtigen  Kattundrucker  Schule  repräsentierten 
modernen  Grossbetriebe  und  den  durch  den  Zunftzwang  herbeigeführten  Beschrän- 
kungen der  Produktion  im  18.  Jh.  — 


Bonz  &  Co.  387  S.  M.  5,00.  |[G.  Winter:  BLU.  S.  116/8;  Didask.  1893,  N.  12.JI  -  412)  X  *•  B.  Kober:  Ludwig  U.,  König 
v.  Bayern.  E.  Lebenskizze.  Nach  verlässl  Quellen  bearb.  u.  aus  Anl.  d.  50.  Wiederkehr  dessen  Geburtst.  d.  bayer.  Volke 
gewidm.  Mit  e.  Anh.  verschiedener  eigener  Dichtungen  d.  Vf.  Bamberg,  Buchner.  III,  40  S.  Mit  Bild.  M.  0,60  —  413)  Marie 
Schultze,  Marie,  Königin  v.  Bayern.  2.  Aufl.  München,  Korff.  94  S.  M.  1,20.  —  414)  J.  M.  Forster,  Ludwig,  königl. 
Prinz  v.Bayern.  E.  Lebensbild  z.  50.  Geburtst.  d.  Prinzen.  München,  Pohl.  96  S.  Mit  Bild.  M.  1,00.  —  415)  X  Jul-  Rath- 
geber,  Erinnerungen  an  d.  Prinzen  Max  v.  Zweibrücken-Birkenfeld  u.  an  d.  schöne  Strassburger  Zeit.  Strassburg  i.  E., 
Noiriel.  46  S.  M.  1,00.  —  416)  Er.  Leitschuh,  F.  Ludwig  v.  Erthal,  Fürstbischof  zu  Bamberg  u.  Würzbarg.  Bamberg, 
Buchner.  XI,  256  S.  M.  8.00.  |[H.Tb.  15,  S.  470;  HZ.  73,  S.  5612.][  —  416a)  G.  Zöpfl,  Frank.  Handelspolitik  im  Zeit- 
alter d.  Aufklärung,  e.  Beitr.  z.  dtsch.  Staats-  u.  Wirtschaftsgesch.  (=  Bayer.  Wirtschafts-  u.  Verwaltungsstud.,  her. 
v.  G.  Schanz  N.  3.)  L.,  Deichert.  348  S.  mit  2  Karten.  M.  9,00.  |[FZg.  N.  lll.]|  -  416b)  A.  Seidl,  J.  H.  v.  Schule  u.  sein 
Prozess   mit  d.  Augsburger  Weberschaft   (1764—85).    (=  Hist.  Abhandlgen.,   her.  v.  Th.  Heigel   u.  H.  Grauert.    N.  5.) 


G.Winter,  Allgemeines  des  18./ 19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.  IV  lb  :  «7-432 

Zur  württembergischen  Geschichte  liegt  eine  verständige  Charakteristik 
des  Begründers  der  Karlsschule,  Herzog  Karl  Eugens,  von  Stein417)  vor,  welche 
die  tyrannische  Härte  des  Fürsten  nachdrücklich  hervorhebt,  aber  doch  auch  das 
in  der  Karlsschule  wirklich  Geleistete  unbefangen  und  objektiv  würdigt.  —  Das 
Ende  der  Herrschaft  Friedrich  Eugens  von  Württemberg  in  Montbeliard,  welches 
am  10.  Okt.  1493  vom  französischen  Nationalkonvent  in  Besitz  genommen  wurde, 
hat  Rathgeber418)  dargestellt  und  dabei  geschichtliche  Rückblicke  und  anschauliche 
Schilderungen  der  Eigenart  des  kleinen  Ländchens  gegeben.  —  Das  Leben  vier  edler, 
dem  Württemberger  Hause  entstammender  Frauen  hat  in  anziehender  und  schöner 
Sprache,  aber  ohne  eigentlich  wissenschaftlich  Neues  zu  fördern,  Merkle419"421)  in 
Gestalt  von  vier  Vorträgen  geschildert.  Einer  davon,  der  Kaiserin  Maria  Feodorowna  von 
Russland,  deren  Jugendjahre  er  1892  in  einem  eigenen  Buch  zur  Darstellung  gebracht 
hat,  widmet  er  ausserdem  noch  eine  besondere  Untersuchung  über  ihr  segensreiches 
Wirken  als  Gutsherrin  von  Pawlowsk.  Im  grossen  und  ganzen  beruhen  diese 
Arbeiten  im  wesentlichen  auf  den  von  Eugen  Schumigorsky  im  „Russischen  Archiv" 
seit  1889  veröffentlichten  Beiträgen  zu  einer  Biographie  Maria  Feodorownas,  von 
denen  der  Vf.  das  auf  ihre  Jugendjahre  Bezügliche  dem  deutschen  Publikum  zu- 
gänglich machen  will.422"423)  —  Endlich  liegt  noch  eine  Darstellung  einer  kleinen 
Episode  aus  der  Geschichte  des  Hohentwiels  vor,  in  welcher  die  Schicksale  eines 
in  württembergische  Hände  gefallenen  Werbeoffiziers  Friedrichs  des  Grossen,  der 
jahrzehntelang  auf  dem  Hohentwiel  gefangen  gehalten  wurde,  auf  Grund  der  Akten 
im  Stuttgarter  Archiv,  im  preussischen  Geheimen  Staatsarchiv  und  den  Knobels- 
dorffschen  Familienpapieren  von  Lemcke424)  geschildert  werden.   — 

Zur  badischen  Geschichte  ist  ebenfalls  eine  Reihe  von  biographischen  Bei- 
trägen zur  Geschichte  des  Fürstenhauses  vorhanden.  Von  der  sorgfältig  ausgewählten 
Sammlung  von  Fürstenbildnissen,  welche  Hans  Müller425)  veranstaltet  hat,  ist  der 
zweite  und  letzte  Band  erschienen,  der  vom  Markgrafen  Friedrich  bis  zur  Gegenwart 
reicht.  Das  Werk  ist  geschichtlich,  kunstgeschichtlich  und  für  die  Geschichte  der 
Trachten  der  letzten  vier  Jhh.  von  Wert.  Zu  jedem  Bilde  werden  kurze  geschichtliche 
Erläuterungen  gegeben.  Ausserdem  geht  eine  kunsthistorische  Einleitung  über  Ent- 
stehung und  Maler  der  einzelnen  Stücke  voraus.426)  —  Von  dem  hervorragenden 
Quellenwerke  zur  Geschichte  Karl  Friedrichs  von  Baden,  welches  dessen  gesamte 
politische  Korrespondenz  enthält,  ist  der  dritte,  die  J.  1797 — 1801  umfassende, 
von  Obser427)  herausgegebene  Band  erschienen.  Er  enthält  eine  Fülle  wertvollen 
Materials  zur  Beurteilung  der  badischen  Politik  nach  dem  Baseler  Frieden  und  zur 
Geschichte  der  revolutionären  Propaganda  am  Rhein,  des  ersten  und  zweiten  Koalitions- 
krieges und  des  vielberufenen  Rastatter  Kongresses.  Ueber  den  letzteren  enthält  die 
Korrespondenz  nicht  viel  erhebliches  Neue,  und  was  darüber  gebracht  wird,  ist  nicht 
völlig  zuverlässig,  so  dass  das  endgültige  Urteil,  inwiefern  die  Edition  ihre  Aufgabe 
ausreichend  und  erschöpfend  gelöst  hat,  noch  nicht  feststeht.  —  Dem  Mark- 
grafen Karl  Friedrich  von  Baden  hat  Lavater  seine  „Physiognomischen  Fragmente" 
gewidmet.  Jetzt  hat  Funck428"429)  nachgewiesen,  dass  das  Bild  des  Markgrafen 
nicht  bloss  auf  diesem  Widmungsschreiben,  sondern  auch  an  einer  Stelle  der  Frag- 
mente selbst  ohne  Nennung  des  Namens,  aber  mit  Beifügung  einer  physiognomischen 
Skizze,  vorkommt.430)  —  Ausserdem  ist  noch  eine  rein  populäre  Biographie  der 
gegenwärtigen  Grossherzogin  Luise,  Tochter  Kaiser  Wilhelms,  von  Bornhak431) 
erschienen.  —  Eine  für  die  badische  Landeskunde  sehr  wertvolle  Bereicherung  bietet 
Baumanns432)  Darstellung  der  ganz  eigenartigen  politischen,  rechtlichen   und  wirt- 


Münctaen,  Lüneburg.  61  S.  M.  2,40.  —  417)  Ph.  Stein,  D.  Vater  d.  Karlsschüler.  Z.  Gedächtn.  an  d.  Todestag  Karl  Eugens 
▼.Württemberg:  FeuilletZg.  1893,  N.  485.  —  418)  J.  Rathgeber,  D.  letzte  dtsch.  Fürst  v.  Mümpelgard:  StrassbPost.  1893 
N.  282;4,  290.  —  419)  J.  Merkle,  Segensreiche  Wirksamkeit  durch  vier  Generationen.  4.  Lebensbilder  in  Vortrr.  Dorothea,. 
Herzogin  zu  Württemberg,  1736  —  98;  Maria  Feodorowna,  Kaiserin  v.  Russland,  1759—1823;  Katharina  Pawlowna,  Königin  v. 
Württemberg,  1788—1819;  Olga  Nikolajewna,  Königin  v.  Württemberg,  1822-92.  St.,  Malcoraes.  96  S.  M.  1,50.  -  420)  X 
id.,  Jugendjahre  d.  Kaiserin  Maria  Feodorowna  v.  Russland,  geb.  Prinzessin  t.  Württemberg.  1759 — 76.  Mit  d.  Bild  d.  Kaiserin 
u.  e.  Anhang:  Nachkommensch.  d.  Herz.  Friedrich  Engen  v.  Württemberg  (36  Taf.).  St.,  Kohlhammer.  V,  121  S.  M.  1,50.  — 
421)  id.:  BBSW.  1S93,  S.  77-96,  104-10.  —  422)  X  K.  Biesendahl,  König  Wilhelm  II.  v.  Württemberg.  E.  Fürslenbild. 
D.  dtsch.  Volke  u.  Heere  zugeeignet.  (=  Soldatenbibl.  N.  4.)  Rathenow,  Babenzien.  12°.  46  S.  Mit  Bild.  M.  0,30.  —  423)  X 
G.  F.  Raible,  Schwabens  Volk  z.  dankb.  Erinnerung  an  d.  edle  Königin  Olga  (1822-92)  gew.  St.,  Glaser  &  Sulz.  32  S. 
Mit  Bild.  M.  0,30.  —  424)  P.  Lemcke,  Joh.  Ernst  v.  Knobelsdorff.  E.  Bl.  Hohentwieler  Gesch.:  BBSW.  S.  230  8.  —  425)  Hans 
Müller,  Bad.  Fürstenbildnisse.  2.  (Schluss-)  Bd.:  V.  Markgraf  Friedrich  (1756—1817)  bis  z.  Gegenw.  Karlsruhe,  Groos. 
4°.  46,  XXI  S.  Mit  32  Lichtdr.-Taf.  u.  32  Bll.  Erläuterungen.  M  12,50.  —  426)  X  0.  Ringholz,  D.  selige  Markgraf 
Bernhard  v.  Baden.  Yolks-Ausg.  Freiburg  i.  B,  Herder.  VI,  93  S.  Mit  7  Abbild.  M.  0,50.  —  427)  Polit.  Korrespondenz 
Karl  Friedrichs  v.  Baden.  1783  —  1806,  her.  v.  d.  hist.  Kommission,  bearb.  t.  B.  E  rdmannsdörffer  u.  K.  Obser.  3.  Bd. 
1797—1801  bearb.  v.  K.  Obser.  Heidelberg,  Winter.  LXI,  440  S.  M.  16,00.  j[LCBl.  S.  1671/2;  W.  Michael:  FBPG.  7, 
S.  280/2.JI  (Vgl.  JBL.  1892  IV  lb  :  97.)  -  428-29)  H.  Funck,  Karl  Friedrich  v.  Baden  in  Lavaters  Physiognom.  Fragmenten  : 
ZGORh.  8,  S.  132/4.  (Vgl  JBL.  1893  IV  5:535.)  —  430)  X  E.  Gothein,  Karl  Friedrich  v.  Baden  u.  d.  Physiokraten  : 
AZgB.  1893,  N.  24,  26.  (Beruht  auf  d.  früher  erschienenen  Werke  v.  K.  Knies,  Karl  Friedrichs  v.  Baden  briefl.  Verkehr  mit 
Mirabeau  u.  Du  Pont.  [JBL.  1892  IV  lb:96.j)  —  431)  F.  Bornhak,  Luise,  Grossherzogin  von  Baden,  geb.  Prinzessin  v. 
Preussen,  Züge  e.  fürstl.  Lebensbildes.  (=  Ueue  Volksbücher,  her.  v.  d.  Vereinig,  v.  Freunden  christl.  Volks-Litt.  N.  16.) 
B.,  Evang.-Ver.-Bnchh.  12°.  109  S.  Mit  10  Abbild.  M.  0,30.  —  432)  Fr.  L.  Bau  mann,  D.  Territorien  d.  Seekreises  1800. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (4)10 


IV  lb  :  433-440    G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

schaftlichen  Zustände  des  ehemaligen  Seekreises,  der  aus  sechs  kleinen  Herrschaften 
und  Grafschaften  bestand,  um  die  Wende  des  18.  und  19.  Jh.  Eine  gut  gearbeitete 
Karte  und  ein  sorgfältiges  Ortsverzeichnis  sind  der  sehr  dankenswerten  Darstellung 
beigegeben.  — 

Zur  Geschichte  des  Königreichs  Sachsen  liegen  nur  eine  Reihe  populärer 
Biographien  des  Königs  Albert  vor,  welche  durch  dessen  50jähriges  Militär-Dienst- 
jubiläum veranlasst  sind.433"436)  Die  unzweifelhaft  hervorragendste  und  auf  den 
weitesten  Studien  beruhende  derselben  ist  die  von  Schimpffs437),  der  vom  sächsischen 
Kriegministerium  mit  dieser  Aufgabe  betraut  war  und  daher  über  das  authentische 
Quellenmaterial  frei  verfügen  konnte.  Neu  klargestellt  ist  z.  B.  in  diesem  beachtens- 
werten Buche,  dass  der  damalige  Prinz  Albert  als  Hauptmann  der  reitenden  Artillerie 
persönlich  an  der  Erstürmung  der  Düppeler  Schanzen  hervorragenden  Anteil  ge- 
nommen und  später  bei  Königgrätz  die  Ehre  der  sächsischen  Armee  gerettet  hat.  — 
Ausserdem  liegen  zwei  sehr  wichtige  Arbeiten  zur  Wirtschaftsgeschichte  Sachsens 
vor.  Die  eine,  von  Gebauer437a),  ist  vorwiegend  statistischer  Art  und  bespricht 
sämtliche  Zweige  der  sächsischen  Volkswirtschaft  in  ihrem  historischen  Werden  und 
jetzigen  Zustande  im  Zusammenhange;  sie  ist  der  erste  derartige  Versuch  seit  50  Jahren, 
Landwirtschaft,  Forstwesen,  Bergbau,  Industrie,  Buchgewerbe,  Handel  und  Verkehr 
in  systematischem  Zusammenhange  und  gleichmässig  erschöpfend  zu  behandeln.  — 
Die  zweite  sehr  interessante  Arbeit,  von  Wuttke437b),  ist  eine  wirtschaftsgeschichtliche 
Untersuchung  über  die  Entwicklung  des  Gesinderechts  und  die  Lage  der  dienenden 
Klassen  unter  vorwiegender  Benutzung  der  Gesindeordnungen  und  anderer  Akten 
des  Dresdener  Archivs.  Die  älteste  dieser  Ordnungen  stammt  aus  dem  J.  1466.  Vor 
allem  wird  die  Landwirtschaft  berücksichtigt.  Das  Ergebnis  des  Vf.  ist,  dass  das 
Gesinde  im  15.  bis  17.  Jh.  sich  in  wesentlich  besserer  Lage  befunden  habe  als  im 
18.  und  19.  Besonders  werden  die  Verdienste  Augusts  des  Starken  auf  dem  Gebiete 
der  Hebung  der  unteren  Klassen  hervorgehoben.  1700 — 1  wurde  die  erste  amtliche 
Lohnstatistik  aufgenommen.  — 

Die  historische  Litteratur  über  das  Grossherzogtum  Sachsen-Weimar 
hat  eine  wertvolle  Bereicherung  durch  von  Bojano  wski438)  erfahren,  der  auf  Grund 
der  unveröffentlichten  militärischen  Korrespondenz  Karl  Augusts  ein  Bild  von  seiner 
Thätigkeit  als  preussischer  Regimentschef  gezeichnet  und  dabei  darauf  hingewiesen 
hat,  wie  Karl  August  an  der  preussischen  Politik  des  von  ihm  mitunterzeichneten 
Fürstenbundes  festhielt  auch  da,  wo  er  materiell  nicht  mehr  mit  ihr  einverstanden 
war.  —  Einer  Anzahl  von  Prinzessinnen  bezw.  Fürstinnen  aus  dem  Sachsen- 
Weimarschen  Hause,  nämlich  der  Prinzessin  Karoline  Luise,  der  Herzogin  Helene 
von  Orleans,  geb.  Prinzessin  von  Weimar,  und  der  Grossherzogin  Maria  Paulowna, 
hat  Lily  von  Gizycki439)  anregende,  lebendig  geschriebene  und  auf  guten,  zum 
Teil  archivalischen  Studien  beruhende  Lebensbeschreibungen  gewidmet.  Bemerkenswert 
ist  namentlich  für  den  Litterarhistoriker  die  erste  dieser  Biographien,  die  der 
Prinzessin  Karoline  Luise,  weil  deren  Erzieherin  Henriette  von  Knebel,  deren  Brief- 
wechsel mit  ihrem  Bruder  von  Düntzer  herausgegeben  worden  ist,  ebenso  wie  die 
Prinzessin  selbst  in  Briefwechsel  mit  Charlotte  von  Schiller  standen,  den  die  Vf. 
im  Schillerarchiv  benutzt  und  verwertet  hat.  Auch  die  Biographie  der  Grossherzogin 
Maria  Paulowna,  Gemahlin  Grossherzog  Karl  Friedrichs,  bietet  viel  des  Interessanten 
und  Wertvollen.  Namentlich  werden  die  litterarischen  Abende  der  Grossherzogin, 
ihre  Beziehungen  zu  Gelehrten  und  Künstlern,  die  sie  in  regelmässiger  Wiederkehr 
zu  abwechselnden  Vorträgen  um  sich  versammelt,  anschaulich  und  lebendig  geschildert. 
Man  findet  hier  anziehende  Bemerkungen  über  eine  Fülle  von  Gelehrten  —  auch  die 
Jenenser  „Rosen- Vorlesungen"  verdanken  diesem  Kreise  ihre  Entstehung — ;  u.a. 
wird  auch  ein  Vortrag  des  Kanzlers  Friedr.  von  Müller  über  Goethes  Gespräche  mit 
Eckermann   analysiert   und   teilweise  mitgeteilt.440)  —  Endlich  sei  noch  das  bei  dem 


(=  Bad.  Neujahrsbll.,  her.  v.  d.  bad.  hist.  Kommission.  4.  Bl.  1894.)  Karlsruhe,  Braun.  64  S.  Mit  färb.  Karte.  M.  1,00.  — 
433)  X  M.  Dittrich,  König  Albert  u.  seine  Sachsen  im  Felde  1849,  1866,  1870—71.  Vaterland.  Gedenkbll.  2.  Aufl.  Dresden, 
Albanus.  1893.  V,  125  S.  M.  1,00.  —  434)  X  H.  Elro,  König  Albert  Sachsenherz.  E.  Bild  König  Alberta  v.  d.  Jugend  bis 
z.  Jetztzeit  in  einzelnen  Zögen.  (=  Dtsch.  Volks-Bibl.  N.  29.)  Dresden,  Friese  .fe  v.  Puttkaraer.  51  S.  Mit  Bild.  M.  0,30. 
—  435)  X  F-  v-  Koppen,  König  Albert  u.  d.  Hans  Wettin.  (—  Jugendbibl.  v.  Ferd  Schmidt,  N.  14,)  L.,  Geibel  u.  Brock- 
haus. III,  148  S.  M.  0,75.  —  436)  X  F-  Krantz,  Erinnerungsbll.  z.  50j.  Militärdienst-Jubiläum  Sr.  Maj.  d.  Königs  Albert 
v.  Sachsen.  Mit  Text:  Gesch.  Gedenkbll.  v.  0.  Kaemmel.  Pracht-Ausg.  L.,  F.  A.  Berger.  Fol.  20  Lichtdr.-Taf.  mit  8  S.  Text. 
M.  36,00.  —  437)  G.  v.  Schimpff,  König  Albert  50  Jahre  Soldat.  Gedenkbuch  z.  50j.  Dienstjubil.  Sr.  Maj.  d.  Königs.  1.-4.  Aufl. 
Dresden,  Baensch.  VII,  531  S.  Mit  4  rad.  Portrr,  10  Karten  u.  35  Beill.  M.  9,00.  —  437a)  H.  Gebauer,  D.  Volkswirtschalt 
im  Königr.  Sachsen.  3  Bde.  ebda.  1893.  612,  576  S.;  LXIV,  781  S.  M.  30,00.  |[LCB1.  1893,  S.  1709.]|  —  437b)  K. 
Wuttke,  Gesindeordnungen  u.  Gesindezwangsdienst  in  Sachsen  bis  z.  J.  1835.  (=  Staats-  u.  socialwissensch.  Forschungen, 
her.  v  G.  Schmoller.  12.  Bd.,  4.  Heft.)  L„  Duncker  &  Humblot.  1893  XI,  231  S.  M.  5,40.  |[H.  Lösohhorn:  MHL.  22, 
S.  243/4.]|  —  438)  P.  v.  Bojano  wski,  Karl  August  als  Chef  d.  <>.  preuss.  Kürassier- Regiments.  1787—94.  Mit  e.  Silhouette 
d.  Herzogs.  Weimar,  Böhlau.  V,  147  8.  M.  3,00.  (Vgl.  I  4 :  466.)  —  439)  Li  1  y  v.  Gizycki,  Dtsch.  Fürstinnen.  B„  Gebr. 
raetel.  III,  285  8.  M.  4,00.  |[DLZ.  S.  111/3;  VossZg.  N.  606;  WIDM.  75,  S.  528;  VelhagenKlasingsMh.  2,  S.  126.]|  -  440)  X 
P.  Weizsäcker,  Anna  Amalia,  Herzogin  v.  Sachsen-Weimav-Eisenach,  d.  Begründerin  d.  Weimarschen  Musenhofes.    Hamburg, 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.  IVlb:44i-448 

goldenen  Ehejubiläum  des  jetzt  regierenden  grossherzoglichen  Paares  erschienene, 
aus  Federzeichnungen  über  den  historischen  Festzug  bestehende  Festalbum  er- 
wähnt.441) — 

Zur  Geschichte  von  Sachsen-Koburg-Gotha  verdient  wissenschaftlich  wie 
litterarisch  Beachtung  die  Biographie  der  Herzogin  Luise  Dorothea,  welche  Jenny  von 
der  Osten442)  auf  Grund  eingehender  Studien  im  herzoglichen  Haus- und  Staatsarchiv 
zu  Gotha,  im  Geheimen  Staatsarchiv  usw.  verfasst  hat.  Dass  die  Vf.  dieses 
reichen  von  ihr  benutzten  Materials  nun  völlig  mächtig  geworden  sei,  kann  man 
nicht  sagen.  Die  Briefe  sind  meist  im  Wortlaut  in  wenig  geschickter  Art  in  die 
Darstellung  selbst  verwoben,  so  dass  man  es  mehr  mit  einer  Materialsammlung,  als 
mit  einer  künstlerisch  abgeschlossenen  Darstellung  zu  thun  hat.  Der  Mangel  an 
historischer  Kritik  zeigt  sich  auch  darin,  dass  die  der  Vf.  vorliegenden  Briefe 
unterschiedslos,  auch  wenn  sie  nur  die  kleinsten  Kleinigkeiten  enthalten,  verwertet,  oft 
sogar  wörtlich  in  die  Darstellung  aufgenommen  werden.  Der  Leser  muss  daher  selbst 
erst  die  Spreu  vom  Weizen  sondern,  wird  aber  dann  in  der  That  so  manches 
Weizenkorn  finden.  Denn  immerhin  spielen  neben  dem  mit  ermüdender  Breite 
behandelten  Kleinkram  auch  die  grossen  politischen  Angelegenheiten  in  dieses  kleine 
Stillleben  hinein.  Auch  litterarisch  war  das  Hofleben  in  Gotha  nicht  ohne  mannigfache 
Anregung.  So  war  Voltaire,  mit  dem  die  Herzogin  in  Korrespondenz  stand443),  auch 
einmal  persönlich  in  Gotha  (1753)  und  schrieb  auf  Veranlassung  der  Herzogin  seine 
Reichsannalen.  Im  ganzen  aber  wird  man  doch  sagen  müssen,  dass  Jenny  v.  d.  0.,  an 
die  Benutzung  archivalischen  Materials  wohl  nicht  genügend  gewöhnt,  der  Biographie 
einen  Umfang  gegeben  hat,  der  in  umgekehrtem  Verhältnis  zu  der  Bedeutung  ihres 
Inhalts  steht.  —  Mit  besonderer  Vorliebe  beschäftigt  sich  die  historische  Forschung 
und  Darstellung  nach  wie  vor  mit  Herzog  Ernst  IL  von  Koburg-Gotha,  dessen 
Bedeutung  für  die  Entwicklung  des  nationalen  Gedankens  in  der  That  nicht  unter- 
schätzt werden  darf.  Doch  verfallen  die  meisten  Biographen  Ernsts  oft  in  den  ent- 
gegengesetzten Fehler  und  überschätzen  die  Verdienste  des  Herzogs.  Das  gilt  auch 
von  den  Vf.  der  jüngsten  biographischen  Darstellungen  über  Ernst  IL,  die  übrigens 
sonst  manchen  erwünschten  neuen  Aufschluss  bringen,  in  der  Darstellung  der  politisch- 
nationalen Wirksamkeit  des  Herzogs  aber  fast  völlig  abhängig  von  der  durch  dessen 
eigene  Memoiren  begründeten,  zuweilen  doch  recht  anfechtbaren  Tradition  sind.  Der 
eine  derselben,  Beyer444),  hat  seine  biographische- Darstellung  im  Anschluss  an  ein 
früher  von  ihm  veröffentlichtes  Buch  (JBL.  1890  IV  2 :  106)  geschrieben,  in  welchem 
er  einige  Lieder  Rückerts  auf  Ernst  II.  ans  Licht  gezogen  hatte.  Und  zwar  ist  die 
Biographie  schon  zu  Lebzeiten  des  Herzogs  geschrieben,  welcher  von  dem  grössten 
Teil  des  Ms.  Einsicht  genommen  und  ihm  dadurch  einen  gewissermassen  offiziösen 
Wert  gegeben  hat.  Neben  den  Memoiren  des  Herzogs  hat  der  Vf.  auch  Privatbriefe 
und  einige  ungedruckte  Aktenstücke  benutzt.  —  Das  Buch  Ohorns445)  ist  in  seinem 
ersten,  der  Politik  des  Herzogs  gewidmeten  Teile  im  wesentlichen  ein  Auszug  aus 
des  Herzogs  Memoiren,  während  der  zweite  Teil  den  Landesvater,  Freund  der  Künste 
und  Menschen  Ernst  II.  behandelt.  Es  beruht  teilweise  auf  persönlichen  Erinnerungen, 
geht  aber  nach  dem  eigenen  Zugeständnis  des  Vf.,  der  dem  Herzog  persönlich  nahe 
gestanden  hat,  von  dem  allgemein  menschlich  recht-  schönen,  aber  historisch  doch 
nicht  berechtigten  Grundsatze  de  mortuis  nil  nisi  bene  aus.  —  Mokrauer-Maines446) 
Arbeit  behandelt  den  Herzog  als  Künstler  und  Komponisten.  Liederkompositionen 
hat  Ernst  II.  schon  in  seinen  Jugendjahren  verfertigt,  auch  hat  er  bei  Reissiger  in 
Dresden  gründlichen  musikalischen  Unterricht  genossen.  1846  entstand  seine  erste 
Oper  „Zaire",  der  dann  mehrere  andere,  darunter  das  1854  durch  Franz  Liszt  zur 
Aufführung  gebrachte  Hauptwerk  Santa  Chiara,  folgten.  Der  Vf.  spendet  diesen 
Kompositionen  aber  doch  zu  übertriebenes  Lob.  —  Auch  eine  einzelne  kleinere  Komposition 
des  Herzogs,  der  Männerchor  „An  Elsass-Lothringen",  welchen  der  Strassburger 
Männergesangverein  im  Original  besitzt,  ist  in  einem  kleinen  Aufsatze  behandelt 
worden.447)  —  Endlich  ist  noch  eine  „historische"  Würdigung  des  Herzogs  zu  erwähnen, 
welche  auf  einem  dem  panegyrischen  der  bisher  genannten  Vf.  genau  entgegengesetzten, 
von  der  historischen  Wahrheit  jedenfalls  noch  erheblich  weiter  entfernten  Standpunkt 
steht.    Der    aus    socialdemokratischem    Gesichtspunkte   geschriebene    Aufsatz448)    ist 


Yerlagsanst.  56  S.  M.  1,00.  (S.  u.  IV  8b.)  -  441)  Festalbura.  Festzug  z.  Feier  d.  gold.  Ehejubil.  d.  Grossherzogs  Karl 
Alexander  u.  d.  Frau  Grossherzogin  Sophie  v.  Sachsen,  gez.  v.  Hans  W.  Schmidt,  G.  Heil,  0.  Herrfurth  u.  H.  Flintzer.  Weimar, 
Huschke.  1892.  4°.  49  autogr.  Bll.  mit  4  S.  Text.  M.  3,00.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  Sa: 32-39 a.)  —  442)  Jenny  v.  d.  Osten, 
Louise  Dorothea,  Herzogin  v.  Sachsen-Gotha,  1732—67.  L.,  Breitkopf  &  Härtel.  4-.'8  S.  M.  7,50  |[L.  Geiger:  Nation1'.  11, 
S.  149-52;K.  Treusch  v.  Buttlar:  FBPG.  7,  B.  276;  L.  Lier:  BLU.  S.  165/8.]|  —  443)  X  ö.  Haase,  D.  Briefe  d.  Herzogin 
Luise  Dorothea  v.  Sachsen-Gotha  an  Voltaire:  NASächsG.  92,  S.  1-38,  144-64,  367-410.  —  444)  C.  Beyer,  D.  Vorkämpfer 
dtsch.  Grösse  Herz.  Ernst  11.  E.  biogr.  Volksbuch.  B.,  Siegismund.  XII,  158  S.  Mit  Bildnissen.  M.  2,00.  —  445)  A.  Ohorn, 
Herz.  Ernst  II.  v.  Sachsen-Koburg-Gotha.  E.  Lebensbild.  Mit  1  Portr.  u.  4  Abbild.  L.,  Renger.  VI,  239  S.  M.  5,00.  ||LCB1. 
S.  1208/9. ]|  —  446)  0.  Mokrauer- Maine,  Herz.  Ernst  U.  v.  Sachsen-Eoburg  u.  Gotha  u.  d.  Tonkunst.  E.  Stud.  Hannover, 
Oertel.     29  S.     M.  0,75.    —   447)  X    StrassbPost.  1893,    N.  234.    —    448)   Herz.  Ernst    v.  Koburg:    NZeit««.  11-,    S.  737-40.   — 

(4)10* 


IVlb:449-455    G.Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

im  Grunde  eine  blosse  Schmähschrift,  die  jede  geschichtliche  Bedeutung  des  Herzogs 
leugnet,  der  für  die  Arbeiterklasse  kein  anderes  Interesse  habe,  „als  dass  er  einer 
ihrer  Peiniger  und  Verfolger"  war.  Das  ist  jedenfalls  auch  vom  socialdemokratischen 
Standpunkt  weder  objektiv  noch  gerecht  geurteilt. 44fl)  — 

Aus  Anlass  des  25jährigen  Regierungsjubiläums  Herzog  Georgs  von  Sachsen- 
Meiningen  ist  auch  eine  kleine  Schrift  über  die  Geschichte  dieses  thüringischen 
Teilfürstentums  erschienen,  die  aber  durch  den  Tod  des  Vf.  unvollendet  geblieben  ist  und 
nur  von  der  Gründung  des  Herzogtums  (1681)  bis  zur  Auflösung  des  nach  dem 
Grundgesetze  vom  23.  Aug.  1829  einberufenen  ersten  Landtags  führt.450)  — 

Zur  Geschichte  des  früheren  Königreichs  Hannover  liegt  eine  kultur- 
geschichtlich recht  interessante  Biographie  vonL.  vonOmpteda451)vor,derenBedeutung 
nicht  eigentlich  in  der  Persönlichkeit  ihres  Helden,  des  Freiherrn  Friedrich  von 
Ompteda,  den  der  Vf.  vielmehr  selbst  nur  einen  Durchschnittsmenschen  nennt, 
sondern  gerade  darin  liegt,  dass  dessen  Erlebnisse  für  das  allgemeine  Niveau  der 
Zeit  vielleicht  aufklärender  wirken  als  die  der  „isolierten,  das  Schauspiel  führenden 
Helden  und  Heldengestalten."  Die  Darstellung  beruht  auf  Familienpapieren,  Akten 
der  Staatsarchive  zu  Berlin  und  Hannover  und  der  gleichzeitigen  Tageslitteratur. 
Friedrich  Ompteda  war  „in  Thaten  und  Leiden,  Schwächen  und  Vorzügen  ein  echter 
Typus  der  damaligen  höheren  Klassen";  keine  heroische  Gestalt,  kein  opferfreudiger 
Kämpfer  fürs  Vaterland,  sondern  nur  ein  begabtes  Kind  der  damaligen  grossen 
Welt,  für  die  sein  Lebensgang  als  typisch  aufgefasst  werden  kann.  Der  geschicht- 
liche Hintergrund  ist  in  der  Biographie  auf  Grund  der  allgemeinen  WTerke  von 
Häusser,  Treitschke,  Oncken,  Niebuhr,  Hüffer,  Perthes  usw.  gezeichnet  und  wird 
ergänzt  durch  originale  Mitteilungen  über  die  Gesandtschaft  Omptedas  in  Wien 
(1811  —  13).  Von  diesem  Hintergrunde  heben  sich  die  einzelnen  Erlebnisse  des  Helden 
lichtvoll  ab.  Die  Darstellung  zerfällt  in  drei  Abschnitte,  deren  erster  Omptedas  Thätig- 
keit  im  Dienste  König  Jeromes,  der  zweite  die  hannoversche  Mission  in  Italien,  der 
dritte  die  Gesandtschaft  beim  Vatikan  schildert.  Das  Ganze  ist  zugleich  der  Versuch 
einer  Ehrenrettung  des  heftig  angegriffenen  Diplomaten  in  Betreff  seiner  Mission, 
die  unwürdige  Prinzessin  Karoline  von  Wales  auf  ihrer  Reise  nach  Italien  zu  beob- 
achten und  Material  zu  einem  vom  Gemahl  und  Thronerben  von  Wales  geplanten 
Scheidungsprozess  herbeizubringen,  eine  heikle  Aufgabe,  deren  er  sich  mit  Anstand 
und  Geschick  entledigte.  Ungeheurer  Klatsch  kommt  dabei  zu  Tage,  der  aber  doch 
das  absolut  würdelose  Betragen  der  Prinzessin  unzweifelhaft  erscheinen  lässt.  Der 
Hauptwert  des  Buches  liegt  in  den  kulturgeschichtlich  interessanten  Notizen  über 
Omptedas  Erziehung  auf  dem  Gymnasium  zu  Regensburg,  über  sein  Leben  und 
Treiben  auf  den  Universitäten  Erlangen  und  Göttingen,  in  den  Schilderungen  des 
gesellschaftlichen   Lebens   auf    seinen    verschiedenen    Gesandtschaftsposten    usw.    — 

Zur  Geschichte  des  ehemaligen  Kurhessens  liegt  eine  von  Erich  Meyer452) 
verfasste  recht  ansprechende  Biographie  der  Landgräfin  Maria  von  Hessen,  Tochter 
Georgs  IL  von  England,  vor,  die,  inmitten  einer  völlig  verderbten  Umgebung  auf- 
gewachsen, sich  doch  rein  und  tugendhaft  erhalten  hat  und  trotz  der  erschwerendsten 
Umstände  doch  eine  vortreffliche  Mutter  ihrer  Kinder  geworden  ist,  die  sie  mit  Eifer 
den  verderblichen  Einflüssen  ihrer  Umgebung  zu  entziehen  suchte.  Ihre  Ehe  mit 
dem  Landgrafen  Friedrich  musste  nach  dessen  Uebertritt  zum  Katholizismus 
getrennt  werden.  Sehr  interessant  ist  dann  die  Art  geschildert,  wie  die  Landgräfin 
unter  diesen  schwierigen  Verhältnissen  für  die  ihr  überlassene  Erziehung  der  Kinder, 
namentlich  des  späteren  Landgrafen  Wilhelm  IX.,  sorgte.  Ihr  Geschick  hat  in  der 
That  etwas  in  hohem  Masse  Tragisches.  Ihr  Briefwechsel  mit  ihrem  ältesten,  in 
Göttingen  zur  Erziehung  weilenden  Sohne,  aus  dem  der  Vf.  eingehende  Mitteilungen 
macht,enthält  wahre  Perlen  mütterlicher  Liebe  und  Sorgfalt.453)  — 

Zur  b r au nschwTeigi sehen  Territorialgeschichte  liegen  zwei  Biographien 
braun schweigischer  Herzoginnen  vor.  Die  eine,  von  Sander454),  beschäftigt  sich  mit 
der  Herzogin  Eleonore  als  Beschützerin  der  reformierten  Gemeinden  und  entwirft 
eine  anregende  Skizze  von  dem  Leben  der  merkwürdigen  Frau,  indem  er  sich  dabei 
auf  die  Forschungen  von  Köster,  Beaucaire  usw.  und  auf  die  Akten  der  reformierten 
Gemeinde  zu  Zelle  stützt.  —  Der  andere  biographische  Versuch,  von  Zimmermann,455) 
ist    der   im    J.    1802    nach   Braunschweig    vermählten   Prinzessin   Marie   von  Baden 


449)  X  Herzog  Alfred  v.  Sachsen-Koburg-Gotha  u.  seine  Familie.  Mit  7  Portrr.  (1  Lichtdr.-Taf.)  Gotha,  Glaeser.  16  S. 
M.  0,40.  (Bein  popul.)  —  450  X  F-  TrinVs,  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  üerzogt.  Sachsen-Meiningen-Hildburghausen.  (=  Schriften 
d.  Ver.  für  Meiningische  Gesch.  N.  14.)  Meiningen,  Eye.  1893.  98  S.  M.  3,00.  (Vgl  JBL.  1893  I  4:393.)  —  451)  L.  Prhr. 
v.  Ompteda,  Irrfahrten  u.  Abenteuer  e.  mittelstaatl.  Diplomaten.  E.  Lebens-  u.  Kulturbild  aus  d.  Zeiten  um  1800.  L.,  Hirzel. 
XIV,  435  S.  M.  6,50.  —  452)  Erich  Meyer,  Maria,  Landgräfin  v.  Hessen,  geb.  Prinzessin  v.  England.  E.  Beitr.  z.  Sitten- 
gesch.  d.  18.  Jh.  Gotha,  Perthes.  VIII,  351  S.  M.  6,00.  |[NatZg.  N.  104;  L.  Pastor:  ÖLB1.3,  S.  713/5;  L.  Lier:  BLU.  S.  165/8.]| 
—  453)  X  0.  Gerland,  F.  W.  E.  Briede:  Hessenland.  S.  194/6,  211/3.  —  454)  F.  Sander,  Eleonore  Desmir  d'Olbreuse, 
Herzogin  v.  Braunschwoig-Lüneburg-Celle.  Vortr.  (Aus:  „D.  franz.  Kolonie.")  B.,  Mittler.  12  S.  M.  0,50.  —  455)  P. 
Zimmermann,  Marie,  Herzogin  zu  Braunschweig-Lüneburg-Oels,  geb.  Prinzessin  V.  Baden.  Vortr.  Wolfenbüttel,  Zwissler.    24  S. 


G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.    IV  lb: 456-465 

gewidmet  und  behandelt  neben  dem  landesmütterlichen  Wirken  der  Herzogin  auch 
die   grossen    politischen    Beziehungen,    in  deren  Mitte  die  fürstliche  Frau  stand.  — 

Mit  dem  Grossherzoge  Friedrich  Franz  II.  von  Mecklenburg -Schwerin, 
der  in  der  Geschichte  der  modernen  inneren  Entwicklung  Mecklenburgs  und  seines 
Anschlusses  an  Preussen  bezw.  an  das  neue  Reich  eine  hervorragende  Rolle  spielt, 
hatte  sich  das  1891  erschienene  Werk  L.  von  Hirschfelds  in  eingehender  und  sehr 
unterrichtender  Weise  beschäftigt  und  dabei  ein  Bild  der  Geschichte  Mecklenburgs  in 
den  letzten  100  Jahren  gezeichnet,  welches  auf  den  dem  Vf.  fast  unbeschränkt  zur 
Verfügung  stehenden  Quellen,  ganz  intimen  Korrespondenzen  und  Aufzeichnungen, 
beruht  und  eine  Fülle  neuer  wertvoller  Aufschlüsse  enthält.  Jetzt  ist  über  denselben 
Gegenstand  ein  neues  Buch  von  Volz456)  erschienen,  welches  zwar  in  den  haupt- 
sächlichsten historischen  Ergebnissen  mit  dem  Hirschfeldschen  übereinstimmt,  aber 
auch  manche  interessante  und  wichtige  Ergänzung  bringt,  namentlich  über  das 
persönliche  und  Familienleben  des  Grossherzogs,  dem  der  Vf.  persönlich  sehr  nahe 
stand.  Er  konnte  daher  eine  grosse  Reihe  persönlicher  Erinnerungen  aus  der  Umgebung 
des  Grossherzogs  bringen  und  u.  a.  dessen  Tagebuch  von  1841 — 49  benutzen.  Aus 
diesen  Quellen  bringt  der  Vf.  namentlich  über  die  Thätigkeit  des  Grossherzogs  für 
die  Kunst  manche  wertvollen  Mitteilungen,  so  auch  über  die  vielen  von  ihm  zu 
diesem  Zwecke  unternommenen  Reisen.457-458)  — 

Ueber  das  Herzogtum  Oldenburg  Hegt  neben  einem  fast  ausschliesslich 
statistischen,  sehr  umfassenden  Werke  von  Kollmann459),  welches  für  den  Statistiker 
eine  Quelle  ersten  Ranges  ist,  nur  eine  rein  populäre  Gelegenheitsschrift  zur  Ein- 
weihung des  Denkmals  des  Grossherzogs  vor460).  — 

Ueber  Elsass-Lothringen  ist  ein  extrem  deutschfeindliches  französisches 
Buch  von  Nicot  und  Pardellian461)  erschienen,  welches  beweisen  will,  dass  Elsass 
nie  ein  deutsches  Land  gewesen  sei,  und  dann  von  diesem  Standpunkte  aus  eine  ganz 
kurze  Darstellung  der  Geschichte  des  Landes  giebt  mit  besonderer  Hervorhebung 
der  unbestreitbaren  Thatsache,  dass  nach  dem  Raube  Ludwigs  XIV.  aus  den  geraubten 
Provinzen  viele  tüchtige  französische  Generäle  hervorgegangen  sind.  Metz  ist  nach 
dem  Vf.  natürlich  1870  durch  Verrat  genommen;  die  Deutschen  waren  „victorieux 
sans  combat'*.  Dann  folgen,  in  zwei  Perioden  (1.  Republique  et  empire;  2.  Periode 
de  1815  ä  nos  jours)  alphabetisch  aufgeführt,  kurze  Biographien  aller  geborenen 
Elsässer,  welche  eine  Rolle  in  der  französischen  Geschichte  gespielt  haben,  und  deren 
fast  durchweg  reindeutsche  Namen  die  beste  Widerlegung  der  Behauptungen  des 
Vf.  sind.  Das  Buch  hat  keinerlei  selbständigen,  sondern  nur  symptomatischen 
Wert.462"463)  — 

Für  die  Geschichte  Hamburgs  von  grossem  Werte  ist  eine  Arbeit  von 
Baasch464)  über  die  Geschichte  des  Handels  der  Stadt  mit  Amerika.  Die  Grund- 
lage der  Untersuchung  bilden  die  im  Hamburger  Archiv  befindlichen  sogenannten 
„Schifferbücher",  von  den  Zollbeamten  angelegte  Listen  der  ein-  und  auslaufenden 
Schiffe,  aus  denen  die  einzelnen  Handelsverbindungen  erschlossen  werden,  und  die 
Kontentlisten,  woraus  sich  die  Waren  ergeben,  auf  die  sich  der  Handel  er- 
streckte. — 

Politik  und  sociale  Frage.  Wenn  nach  der  vorstehenden  Besprechung 
der  rein  historischen  Litteratur  über  die  Geschichte  der  letzten  beiden  Jim.  noch 
ein  Abschnitt  über  Politik  und  Nationalökonomie  hinzugefügt  wird,  so  liegt  auf  der 
Hand,  dass  dabei  auch  nicht  annähernd  von  einer  erschöpfenden  Behandlung  oder 
auch  nur  Aufzählung  der  wichtigsten  Arbeiten  auf  diesem  Gebiete  die  Rede  sein 
kann.  Vielmehr  kann  es  sich  nur  um  diejenigen  Schriften  handeln,  welche  auf  den 
Grenzgebieten  der  Politik  und  Nationalökonomie  und  der  Geschichte  stehen,  d.  h. 
entweder  selbst  schon  einen  historischen  Charakter  tragen  oder  für  die  historische 
Beurteilung  der  Gegenwart  von  irgendwie  hervorragendem  Werte  sind.  —  Von  den 
politischen  Schriften  treffen  beide  Voraussetzungen  auf  eine  historisch-politische 
Gelegenheitsschrift  Geffckens465)  zu,  welche  mit  einem  geschichtlichen  Rückblick 


lt.  0,50.  —  456)  B.  Volz,  Grossherz.  Friedrich  Franz  II.  v.  Mecklenburg-Schwerin.  E.  dtsch.  Fürstenleben,  nach  Anfzeichn. 
u.  Erinnerungen  dargest.  Mit  1  Photogr.  u.  8  Phototyp.  Wismar,  Hinstorff.  VII,  302  S.  M.  4,00.  —  457)  X  W.  Bartold, 
Friedrich  Wilhelm,  Grossherz.  v.  Mecklenb.-Schwerin  u.  Auguste  Caroline.  Neustrelitz,  Barnewitz.  1S93.  4°.  HI,  Hl  S. 
M.  10,00.  (Wissenschaftl.  nicht  sehr  hervorragende  Festschr.  z.  Ehejubil.  d.  grossherzogl.  Paares.)  —  458)  X  ö.  v.  Bachwald, 
Bilder  aus  d.  volkswirtschaftl.  u.  polit.  Vergangenh.  v.  Mecklenburg.  Neustrelitz,  Jacoby.  138  S.  M.  2,25.  |[C.  Schirren: 
DLZ.  S.  503  4.]|  —  459)  P.  Kollmann,  D.  Herzogt.  Oldenburg  in  seiner  wirtschaftl.  Entwickl.  während  d.  letzten  40  J. 
Oldenburg,  Stalling.  1893.  608  S.  M.  10,00.  |[StatMschr.  19,  S.  246;  LCB1.  1893,  S.  1396.]|  —  460)  Peter  Friedrich  Ludwig, 
Herz.  v.  Oldenburg.  E.  Rückblick  in  Anlass  d.  Enthüllung  d.  Denkmals  d.  Herzogs  auf  d.  Schlossplatz  in  Oldenburg  am  6.  Juli 
1893.  Oldenburg,  Schulze.  48  S.  Mit  Bild.  M.  0,50.  —  461)  L.  Nicot  et  P.  Pardellian,  L'Alsace-Lorraine  et  l'armee 
francaise.  Paris,  Dentu.  III,  267  S.  —  462)  X  K.  H.  Bittner,  Erinnerungen  e.  höh.  Reichsbeamten  aus  Elsass-Lothringen. 
1871-73.  Saarbrücken,  H  Klingebeil.  VI,  143  S.  M.  2,50.  (Vgl.  IV  1  c  :  24.)  —  463)  X  H-  Witte,  Nat.  u.  polit.  Strömungen  in  Elsass- 
Lothringen  in  Vergangenh.  u.  Gegenw.:  AkBll. 9,  S.  37/9,  55/7,  66,9,  117,9,  131/2,  143/6,  225.—  464)  E.  Baasch,  Beitrr.  z.  Gesch. 
d.  Handels  zwischen  Hamburg  u.  Amerika.  Hamburg,  Friedrichsen.  256  S.  M.  6,00.  |[R.  Ehrenberg:  JNS.  2,  S.  616/8,  937/9. 
(Erwiderung  v.  B.,  Duplik  t.  E.)J]    —    465)  F.  H.  Geffcken,  Frankreich,  Eussland  u.  d.  Dreibund,   gesch.  Büokblicke  tut  d. 


IV  lb  :  466-474    G.  Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte. 

eine  ausgesprochene  politische  Tendenz  verbindet.  G.  will  auf  Grund  eines  histori- 
schen Ueberblicks  über  die  französisch-russischen  Beziehungen  seit  Peter  dem  Grossen 
nachweisen,  dass  die  Politik  Bismarcks  eine  falsche  gewesen  sei,  und  dass  die 
politische  Lage  des  Augenblicks  keinerlei  ernste  Gefahr  in  sich  schliesse.  Er 
empfiehlt  dem  Dreibunde,  England  zur  Allianz  heranzuziehen.  Das  alles  auf  Grund 
einer  umfassenden,  aber  unkritisch  benutzten  historischen  Belesenheit.  Irgend  welche 
wissenschaftliche  Bedeutung  hat  die  Schrift  nicht.  —  Von  Arbeiten  über  die  innere 
Politik  und  die  Geschichte  der  Parteien  erwähnen  wir  zunächst  eine  geistvolle  Skizze 
Jürgen  Bona  Meyers466)  über  die  Entwicklung  des  nationalen  Gedankens  zwischen 
Partikularismus  einerseits,  weltbürgerlichen  Ideen  andererseits,  an  die  eine  Mahnung 
zur  Pflege  des  nationalen  Gedankens  geknüpft  wird.  —  Das  Verhältnis  zwischen 
Staat  und  Kirche  erfährt  eine  eingehende  historisch-politische  Würdigung  durch 
Langwerth  von  Simmern467).  —  Einen  Versuch,  eine  allgemeine  nationale  Politik 
auf  den  Gegensatz  zum  Judentum  zu  begründen  und  zu  beweisen,  dass  eine  nationale 
Gestaltung  des  Staates  ohne  Eliminierung  des  jüdischen  Geistes  unmöglich  sei,  hat 
Lange468)  unternommen.  Aus  dem  Deutschen  Reiche  ein  deutsches  Vaterland  zu 
machen,  dazu  bedürfe  es  einer  Bannung  des  Geistes  des  Materialismus,  den  der  Vf. 
ohne  weiteres  mit  dem  jüdischen  Geiste  identifiziert.  Wenn  wir  diese  an  sich  sehr 
unbedeutende  Schrift  aus  der  Menge  der  noch  unbedeutenderen  antisemitischen 
Litteratur  hervorheben,  so  geschieht  es,  weil  auch  ernstere  Männer  glauben,  dass 
mit  dem  Uebertritt  eines  so  begabten  Mannes  wie  L.  der  in  ihrem  unklaren 
Fanatismus  untergehenden  und  in  der  That  in  unverkennbarer  Abnahme  begriffenen 
antisemitischen  Bewegung  neues  Leben  eingehaucht  werden  könne.-  Man  hat  daher 
in  L.s  Schrift  gewissermassen  ein  Manifest  eines  gemässigteren  Antisemitismus  sehen 
wollen  und  ihr  deswegen  eine  gewisse  historisch-politische  Bedeutung  zugeschrieben, 
die  ihr  aber  thatsächlich,  wie  der  Erfolg  gelehrt  hat,  nicht  zukommt.  —  Dagegen 
kommt  zwei,  durch  specielle  politische  Fragen  der  Gegenwart  hervorgerufenen  Schriften 
Gneists469-470)  eine  hervorragende  nicht  bloss  politische,  sondern  auch  historische 
Bedeutung  zu.  Die  eine  derselben  beschäftigt  sich  mit  der  nenerdings  wieder  viel 
ventilierten  Frage  des  Dreiklassenwahlrechts  in  Preussen,  welches  der  Vf.  gegen 
die  vielfachen  heftigen  Angriffe  durch  einen  eingehenden  historischen  Nachweis, 
dass  dieses  Wahlrecht  aus  der  Rechtsidee  von  der  ständischen  Gliederung 
des  Volkes  hervorgegangen  sei,  zu  rechtfertigen  sucht.  Auch  wenn  man,  wie  der 
Referent,  den  aus  dieser  historischen  Deduktion  gezogenen  Folgerungen  des  Vf. 
nicht  beizustimmen  vermag,  so  wird  man  doch  die  lichtvollen  Erörterungen  über  die 
geschichtliche  Umwandlung  der  Geburts-  in  Berufsstände  mit  grossem  Nutzen  und 
hohem  Interesse  lesen.  Ebenso  liegt  die  Sache  bei  der  zweiten  Gelegenheitsschrift 
G.s,  welche  sich  mit  der  Mililär vorläge  von  1892  beschäftigt  und  dabei  einen 
mahnenden  Rückblick  auf  die  verwandte  Situation  der  Periode  des  Verfassungs- 
Konflikts  von  1862—66  wirft.  Beide  Schriften  stehen  jedenfalls  turmhoch  über 
den  ephemeren  Erzeugnissen  der  Tageslitteratur,  welche  diese  Fragen  behandeln.  — 
Für  die  Beurteilung  der  socialen  Zustände  unserer  Zeit  bilden  die  Ueber- 
sichten  der  Staats-  und  Volkswirtschaften  von  Hirsch471),  von  denen  jetzt  der  fünfte 
Jahrgang  erschienen  ist,  eine  quellenmässige  Grundlage.  Zur  Geschichte  der  social- 
politischen  Ideen  liegen  einige  kleinere  Abhandlungen  und  Untersuchungen  vor,  von 
denen  wir  nur  diejenigen  erwähnen,  welche  eine  mehr  als  ephemere  Bedeutung 
haben.  —  Die  vortreffliche,  zugleich  socialpolitische  und  historische  Studie  Riehls47'2) 
über  die  Naturgeschichte  des  Volkes  als  Grundlage  einer  deutschen  Socialpolitik, 
welche  als  ein  Muster  derartiger  Darstellungen  bezeichnet  werden  kann,  und  deren 
Vorzüge  von  allen  Seiten  von  jeher  anerkannt  sind,  ist  eine  neue,  die  neunte,  Auflage 
erschienen,  die  ebenso  wie  die  früheren  mit  liebevoller  Versenkung  in  die  Eigenart 
des  deutschen  Volkes  und  seine  engeren  und  weiteren  socialen  Verbände  geschrieben  ist. 

—  Im  Anschluss  an  das  Otto  von  Sperbersche  Buch  „Die  socialpolitischen  Ideen 
Alexander  Herzens"  giebt  von  Meysenbug473)  persönliche  Erinnerungen  an  den 
Socialpolitiker  Herzen,  mit  dem  er  in  nahem  persönlichem  Verkehr  und  in  lebhaftem 
Briefwechsel  stand.  —  Für  die  Geschichte  des  Socialismus  und  Kommunismus  in 
Deutschland,  über  die  jetzt  eine  bibliopraphische  Uebersicht  von  Stamm h am mer474) 

Gegenw.  B.,  Wilhelmi.  179  S.  M.  3,00.  |LHZ.  72,  S.185JI  —  466)  J.  B.  Meyer,  Vaterlandsliebe,  Parteigeist  u.  Weltbürgertum 
im  dtsch.  Reich.  (=DZSF.N.  108.)  Hamburg,  Verlagsanst.  54  S.  M.  1,00.  (Vgl.  JBL.  1893  I  4:614.)  —  467)  H.  Frhr.  Lang  werth 
v.  Simmern,  Aus  d.  Mappe  e.  verstorbenen  Freundes.  II.  Staat  u.  Kirche.    B.,  Behr.    IX,  570  S.     M.  7,50.     |[Geg.  43,  S.  31.]| 

-  468)  Friedr.  Lange,  V.  dtsch.  Reiche  z.  dtsch.  Vaterlande.  Mit  Nachtr.:  Z.  Reichstagswahl  1893.  11.-14.  Taus. 
B.,  Lüstenöder.  15,  4  S.  M.  0,20.  —  469)  R.  v.  Gneist,  D.  nat.  Rechtsidee  v.  d.  Standen  u.  d.  preuss.  Dreiklassenwahl- 
system. E.  soc.-hist.  Studie.  B.,  Springer.  272  S.  M.  4,00.  |[C.  Rö ssler:  Post  N.  131/4.] |  —  470)  id.,  D.  Militärvorlage 
von  1892  u.  d.  preuss.  Verfassungskonflikt  v.  1862-66.  ebda,  144  S.  M.  2,40.  J[LCB1.  1893,  S.  644.]|  —  471)  H.  Hirsch, 
Uebersichten  d.  Staats-  u.  Volkswirtschaften,  e.  Kult.-  u.  Wirtschaftsgesch.  d.  Gegenw.  Jahrg.  V.  B.,  Haude  &  Spener.  1898. 
252  S.  M.  4,00.  —  472)  W.  H.  Riehl,  D.  Naturgesch.  d.  Volkes  als  Grundlage  e.  dtsch.  Social-Politik.  1.  Bd.  Land  u.  Leute. 
9.  Aufl.  St.,  Cotta.  XIV,  398  S.  M.  5,00.  -  473)  M.  v.  Meysenbug,  Erinnerungen  an  Alex.  Herzen:  NFPr.  N.  10804,5, 
10811/2.    —    474)  J.   v.  Stammhammer,    Bibliogr.    d.    Socialismus    u.    Kommunismus.     Jena,    Fischer.     303  S.     M.  10,00.    — 


G.Winter,  Allgemeines  des  18./19.  Jahrhunderts:  Politische  Geschichte.  IV  1  b  :  474-484 

erschienen  ist,  sind  im  letzten  Grunde  nur  einige  wenige  hervorragende  Denker  von 
entscheidender  und  daher  historischer  Bedeutung  gewesen:  für  die  gemässigteren 
und  nationaler  gearteten  Richtungen  Friedrich  Albert  Lange  und  Ferdinand  Lassalle, 
für  die  innerhalb  der  Socialdemokratie  immer  mehr  zur  ausschliesslichen  Herrschaft 
gelangte  extreme  und  interationale,  immer  mehr  einem  starren  Dogmatismus  anheim- 
fallende Richtung  Karl  Marx,  von  dessen  Ideen  thatsächlich  die  gesamte  moderne 
Socialdemokratie  so  gut  wie  ausschliesslich  zehrt,  ohne  irgend  welche  erheblich  neue 
Gedanken  zu  dessen  grossem  Systeme  hinzuzufügen.  —  Für  die  Geschichte  des  Socialis- 
mus,  von  der  jetzt  eine  gleichsam  parteioffizielle  Darstellung  mit  dem  Buche  von 
Bernstein  und  Kautsky475)  zu  erscheinen  begonnen  hat,  sind  daher  nur  die 
genannten  Männer  von  wirklicher  historischer  Bedeutung,  während  die  modernen 
Führer  nur  die  Rolle  der  Agitatoren  und  praktischen  Organisatoren  der  Arbeiter- 
schaft spielen.  Für  eine  historische  Würdigung  der  socialistischen  Bewegung, 
soweit  es  sich  nicht  um  deren  Parteientwicklung  handelt,  worüber  geschichtliche 
Darstellungen  in  jüngster  Zeit  nicht  erschienen  sind,  kann  es  sich  also  nur  um  eine 
Darstellung  jener  theoretischen  Begründer  des  modernen  Socialismus  handeln.  — 

Dem  hervorragenden  Philosophen  und  Socialpolitiker  Friedrich  Albert 
Lange,  dem  Vf.  der  grundlegenden  „Geschichte  des  Materialismus",  ist  eine  glänzend 
und  mit  warmer  Herzensteilnahme  geschriebene  Biographie  von  Ellissen476)  ge- 
widmet worden.  Der  Vf.  steht  im  wesentlichen  auf  demselben  Standpunkte  wie 
Lange  und  war  daher  besonders  befähigt,  sich  in  die  tiefste  Wesenheit  dieser  eigen- 
artigen Natur  zu  versenken.  Das  zeigt  sich  namentlich  in  der  der  Biographie 
folgenden  Würdigung  und  Kritik  der  Werke  Langes,  wo  der  Vf.  bei  aller  Wahrung 
der  eigenen  geistigen  Selbständigkeit  den  Ideen  Langes,  die  doch  von  denen  der 
heutigen  vulgären  Socialdemokratie  sehr  verschieden  waren,  völlig  gerecht  wird  und 
zugleich  die  gegen  dieselben  erhobenen  Einwände  anderer  Schriftsteller  eingehend 
kritisiert.  Doch  hätte  man  speciell  in  Bezug  auf  Langes  Hauptwerk  eine  sorgfältigere 
Analyse  seiner  Bedeutung  erwarten  sollen,  durch  die  allein  sich  ein  wirklich 
zutreffendes  Bild  von  der  fundamentalen  und  dauernden  Wichtigkeit  dieses  Werkes 
hätte  geben  lassen,  die  auch  für  den  unzweifelhaft  ist,  der  die  gesamte  Welt- 
anschauung Langes  nicht  teilt.   — 

Um  die  Herausgabe  der  Schriften  Ferd.  Lassalles  und  der  Quellen  zu  seiner 
Lebensgeschichte  hat  sich  die  heutige  socialdemokratische  Parteileitung,  obwohl  sie 
sich  in  bewusstem  und  grundsätzlichem  Gegensatz  zu  dem  Lassalleschen,  auf 
nationaler  Grundlage  ruhenden  allgemeinen  Arbeitervereine  entwickelt  hat,  doch 
unzweifelhafte  Verdienste  erworben.  Von  Lassalles  Reden  sind  mehrere  weitere 
Hefte  erschienen477),  von  den  ausgewählten  Reden  und  Schriften  liegen  bereits 
3  Bände  vor478-479).  Auch  der  stenographische  Bericht  über  die  strafgerichtliche 
Verhandlung  gegen  Lassalle  vor  der  4.  Deputation  des  Stadtgerichts  zu  Berlin  am 
16.  Jan.  1863  wegen  eines  im  Handwerkerverein  der  Oranienburger  Vorstadt 
gehaltenen  Vortrags480)  sowie  die  offiziellen  Verhandlungen  des  gegen  Lassalle  vor 
dem  Staatsgerichtshofe  geführten  Hochverratsprozesses  wegen  seiner  Broschüre  „An 
die  Arbeiter  Berlins"481)  sind  durch  die  Parteileitung  der  Socialdemokratie  neu 
herausgegeben  worden.  —  Von  darstellenden  Arbeiten  und  Würdigungen  Lassalles 
erwähnen  wir  neben  der  vortrefflichen  knappen  Charakteristik  von  Diehl482)  vor 
allem  die  neue,  sehr  willkommene  Auflage  des  Brandes  sehen483)  Charakterbildes  von 
Lassalle,  welches  wohl  die  geistvollste  Charakteristik  der  gesamten  Persönlichkeit 
und  des  wissenschaftlichen  und  agitatorischen  Schaffens  Lassalles  enthält,  und  zwar  unter 
gerechter,  wennauch  bisweilen  etwas  panegyrischer  Hervorhebung  der  epochemachenden 
Verdienste  seiner  wissenschaftlichen  Leistungen  und  unter  offener,  aber  nicht  selten  zu 
milder  Betonung  der  Schwächen  seines  Wesens  und  öffentlichen  Wirkens  sowie  der 
Lücken  in  seinem  wissenschaftlich-socialen  System.  —  Der  letzteren  kritischen  Aufgabe 
ist  eine  Abhandlung  von  Gustav  Mayer484)  gewidmet,  in  welcher  zunächst  die 
nationalökonomischen  Ansichten  Lassalles,  die  zu  einem  System  der  Nationalökonomie 
auszuarbeiten  diesem  nicht  vergönnt  war,  aus  seinen  Agitationsschriften,  und  zwar 
möglichst  im  Wortlaute  der  einzelnen  Stellen  zusammengestellt  werden,  woran  dann 
eine    Kritik    vom    heutigen   Stande   der    Forschung   aus    geknüpft   wird.     Von    der 


475)  E.  Bernstein  u.  K.  Kautsky,  D.  Vorläufer  d.  neueren  Socialismus.  1.-9.  Heft.  (=  D.  Gesch.  d.  Social ism.  in  Einzel- 
darstell.  Bd.  1.)  St.,  Dietz.  S.  1-288.  M.  1,80.  —  476)  0.  A.  Ellissen,  F.  A.  Lange.  E.  Lebensbeschreibung.  Wohlfeile 
(Titel-)  Ausg.  L.,  Baedeker.  VL  271  S.  M.  2,50.  —  477)  F.  Lassalle,  Reden.  46.-50.  Heft.  B.,  „Vorwärts".  IV,  u.  S.  625-859. 
äM.  1,00.  —  478)  id.,  Ausgew.  Reden  u.  Schriften.  3  Bde.  L.,  Pfau.  1893.  527,  469,  551  8.  M.  11,00.  —  479)  id.,  D.  Feste,  d.  Presse 
u.  d.  Frankf.  Abgeordnetentag.  Drei  Symptome  d.  öffentl.  Geistes.  Rede.  ebda.  52  S.  M.  0,25.  —  480)  id.,  D.  Lassallesche 
Kriminalprozess.  2.  Heft:  D.  mündl.  Verhandlung  nach  d.  Stenograph.  Bericht  3.  Heft:  D.  Urteil  1.  Instanz  mit  krit.  Randnoten 
z.  Zweck  d.  Appellations-Rechtfertigung,  ebda.  128  S.  M.  0,50.  —  481)  D.  Hochverratsprozess  wider  F.  Lassalle  vor  d. 
Staats-Gerichts-Hofe  zu  Berlin  am  12.  März  1864.  Nach  d.  stenogr.  Bericht,  ebda.  88  S.  M.  0,40.  —  482)  K.  Diehl, 
F.  Lassalle:  Handwörterb.  d.  Staatswissensch.  4,  S.  965-70.  —  483)  G.  Brandes,  F.  Lassalle.  E.  litt.  Charakterbild.  3.  Aufl. 
L.,  Barsdorf.     VII,  190  S.     Mit  Bild.     M.  2,50.    —    484)  Gust.  Mayer,  Lassalle  als  Socialökonom.     B.,  Mayer  &  Müller.     IV, 


I V  1  c :  485-489 IV 1  c :  i-2  F.Muncker,  Allgemeines  des  18./ 19.  Jahrhunderts:  Memoiren  usw. 

Bedeutung  Lassalles  für  die  sociale  Bewegung-  unserer  Zeit  giebt  der  Vf.  ein 
lebendiges,  in  der  Hauptsache  zutreffendes  Bild  und  hebt  namentlich  die  Unterschiede, 
die  ihn  von  der  heutigen  Socialdemokratie  trennen,  treffend  hervor.  Seine  Kritik 
der  Hauptlehren  Lassalles,  namentlich  der  vom  ehernen  Lohngesetz485)  und  seiner 
Forderung  von  Produktiv-Associationen  mit  Staatskredit,  ist  lebhaft  und  eingehend, 
wenn  auch  bei  weitem  nicht  erschöpfend  und  oft  zu  sehr  abhängig  von  den  Gegnern 
Lassalles,  die  vor  ihm  das  Wort  ergriffen  haben.486)  — 

Ueber  Karl  Marx  ist  ausser  der  kurzen  Charakteristik  Engels487)  nur  eine 
Abhandlung  von  Weryho488)  erschienen,  die  aber  nicht  den  Socialpolitiker,  sondern 
den  Philosophen  Marx  behandelt.  Mit  Recht  betont  der  Vf.,  dass  die  ökonomischen 
Theorien  von  Marx  ohne  Klarheit  über  die  philosophischen  Grundansichten,  von  denen 
dieser  tiefe  sociologische  Denker  ausgegangen  ist,  gar  nicht  zu  verstehen  sind,  dass 
man  sich  aber  mit  dieser  Seite  seiner  Gedankenarbeit  bisher  wenig  beschäftigt  habe. 
Der  Vf.  untersucht  daher  die  genetische  Entstehung  der  materialistischen  Geschichts- 
auffassung, welche  den  ökonomischen  Theorien  von  Marx  zu  Grunde  liegt,  freilich 
nicht  in  völlig  erschöpfender  und  genügend  kritischer  Art,  aber  doch  unter 
richtiger  Hervorhebung  der  bezeichnendsten  Stellen  aus  seinen  Werken  und  der 
wichtigsten  Momente  der  Kritik.489)  Für  die  weitere  Entwicklung  der  Social- 
demokratie und  besonders  ihrer  theoretischen  Begründung  wird  dann  namentlich 
die  Herausgabe  des  dritten  Bandes  von  Marx  „Kapital"  von  entscheidender  Bedeutung 
werden.  — 


c)  Memoiren,  Tagebücher  und  Briefwechsel. 

Franz  Muncker. 

Fürstliche  Personen  N.  1.  —  Hof-  und  Staatsbeamte  aus  der  unmittelbaren  Umgebung  fürstlicher  Personen  N.  10. 
—  Sonstige  Staatsmänner  und  Beamte  N.  16a.  —  Kriegsleute  N.  28.  —  Dichter  und  Dichterinnen:  Wieland  N.  40;  Gleim  und 
Ileinse  N.  41;  Lenz  N.  42;  Dorothea  Veit  N.  43;  Hoffmann  von  Fallersleben  N.  44;  Fontane  N.  49;  Roquette  N.  50;  Nissel 
N.  51;  Dahn  N.  52.  —  Musiker  und  Musikkritiker  N.  55.  —  Bildende  Künstler  und  Kunstschriftsteller  N.  62.  —  Historiker 
N.  67.  —  Philologen  N.  71.  —  Theologen  N.  77.  —  Naturforscher  N.  88.  —  Journalisten  N.  94.  —  Ihrem  Berufe  nach  un- 
bestimmte Verfasser  N.  96.  — 

Was  im  J.  1894  von  Memoiren  und  Briefen  fürstlicher  Personen  ver- 
öffentlicht wurde,  ist  zum  grössten  Teile  wichtiger  für  die  französische  als  für  die 
deutsche  Litteraturgeschichte.  Bernbeck')  setzt  die  Arbeiten  Rankes  und  Droysens 
über  die  Glaubwürdigkeit  der  Memoiren  der  Markgräfin  von  Bayreuth  fort. 
Er  untersucht  das  Hs. -Verhältnis  des  zuerst  1810  unvollständig  in  deutscher 
Sprache,  dann  vollständiger  im  Urtext  erschienenen  Werkes,  zeigt  so  die  mit  den 
Jahren  zunehmende  Verbitterung  der  Vf.  und  beleuchtet  die  geringe  Zuverlässigkeit 
ihrer  Mitteilungen  an  einzelnen  Abschnitten  ihres  Werkes,  besonders  an  ihrer  Dar- 
stellung der  verschiedenen  Pläne  und  Verhandlungen  wegen  ihrer  eigenen  Verheiratung 
und  der  ihres  Bruders,  des  Kronprinzen  Friedrich  (IL).  —  Mit  der  Markgräfin  von 
Bayreuth  und  namentlich  mit  ihrem  Bruder  war  die  Herzogin  Luise  Dorothee  von 
Gotha  befreundet,  deren  Briefe  an  Voltaire,  99  an  der  Zahl,  Haase2)  diplomatisch 
genau  nach  den  in  der  Herzogl.  Bibliothek  zu  Gotha  befindlichen  Urschriften  heraus- 
gegeben hat,  nachdem  die  Briefe  Voltaires  an  sie  (136  Nummern)  bereits  wiederholt 
in  dessen  Werken  (besonders  in  der  Ausgabe  Molands)  abgedruckt  worden  sind. 
Die  Korrespondenz  reicht  von  1751 — 67  und  berührt  allerlei  Erscheinungen  der 
gleichzeitigen  französischen  Litteratur.  Vor  allem  bekundet  Luise  Dorothee  hohe 
Bewunderung  für  Voltaire  und  innige  Teilnahme  an  seinen  Schicksalen;  1753  bemühte 
sie  sich  angelegentlich,  ihn  mit  Friedrich  IL  wieder  auszusöhnen.  Aber  auch  Rousseau 
und  den  Encyklopädisten  bringt  sie  richtiges  Verständnis  entgegen.  Die  deutsche 
Litteratur  wird  mit  keiner  Silbe  erwähnt.  Dagegen  berichtet  die  Herzogin  manches 
Bemerkenswerte  über  politische  Ereignisse,  namentlich  während  des  7  jährigen  Krieges, 
auch  über  das  Testament,  das  Herzog  Ernst  August  Konstantin  von  Weimar,  der 
Vater  Karl  Augusts,  hinterliess  und  über  dessen  Vollstreckung  (Brief  vom  16.  Sept.  1758). 
Der  Herausgeber  steuert  neben  kurzen,  erläuternden  Anmerkungen  eine  dankenswerte 


138  S.  M.  2,40.  -  485)  X  W.  Jockusch,  Ueber  Lasalles  ehernes  Lohngesetz  Diss.  Heidelberg.  1893.  46  S.  —  486)  X 
L.  Büchner,  Meine  Begegnung  mit  F.  Lassalle.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Sozialdemokrat.  Beweg,  in  Deutschland.  Nebst  5  Briefen 
L.a.  B.,  Hertz  &  Süssenguth.  IV,  38  S.  M.  0,80.  —  487)  X  F-  Engels,  H.  K.  Marx:  Handwörterb.  d.  Staatswissensch.  4, 
S.  1130/3.  —  488)  L.  Weryho,  Marx  als  Philosoph.  Diss.  Bern  u.  L.,  Siebert.  52  S.  M.  1,50.  —  489)  X  J-  B-  Mehler, 
D.  socialdemokrat.  Poesie.     Vortr.     Augsburg,  Huttier.     15  S.     M.  0,10.  — 

1)  (III  1:151.)  (Auch  als  Giessener  Diss.  teilweise  erschienen  unter  d.  Titel:  Z.  Kritik  d.  Denkwürdig- 
keiten d.  Markgräfin  Friederike  Sophie  Wilhelraine  v  Bayreuth  33  S.  8°.)  —  2)  Gust.  Haase,  D.  Briefe  d.  Her- 
zogin  Luise   Dorothee   v.   Sachsen-Gotha   an  Voltaire:   ASNS.  91,   S.  405-26;   92,   S.  1-38,    145-64,   367-410.    (Vgl.  JBL.  1893 


F.   Muncker,    Allgemeines   des   18./19.  Jahrhunderts:    Memoiren  usw.      IV  lc:3-is 

Charakteristik  Luise  Dorotheens  mit  Rücksicht  auf  mehrere  durch  ihre  Briefe  nahe 
gelegte  Fragen  bei.3)  —  Die  Briefe  ihres  Sohnes  August  (gest.  am  28.  Sept.  1806) 
an  Wieland  gab  Seuffert  in  einem  mir  unzugänglichen  Privatdruck  zum  70.  Geburtstag 
F.  X.  Wegeies  heraus,  über  den  Geiger4)  berichtet.  Während  die  bisher  bekannten 
Briefe  des  Prinzen  an  Herder  und  Goethe  fast  ausschliesslich  litterarischen  Interessen 
dienen  und  zwar  trotz  der  ganz  französischen  Bildung,  die  ihr  Vf.  erhalten  hatte, 
auch  für  die  Entwicklung  unseres  deutschen  Geisteswesens  die  regste  Aufmerksamkeit 
beweisen,  beziehen  sich  seine  Briefe  an  Wieland,  dessen  Antworten  leider  fehlen, 
mehr  auf  politische  Verhältnisse:  die  französische  Revolution,  die  Wieland  in  mehreren 
Aufsätzen  des  „Deutschen  Merkur"  besprach,  bildet  ihren  vornehmlichen  Inhalt.  Mit 
heiterer  Ironie  betrachtet  Prinz  August,  bald  ernsthaft,  bald  nur  zum  Schein  zustimmend, 
die  Urteile  des  befreundeten  Dichters,  seine  anfängliche  Verteidigung  des  „guten" 
Königs  Ludwig  XVI.  gegen  die  Nationalversammlung,  seine  spätere,  gerechtere 
Würdigung  dieser  letzteren,  seine  Voraussage  der  napoleonischen  Militärherrschaft, 
an  die  er  aber  nicht  glauben  wollte.  Den  Jakobinern  und  den  sonstigen  entschlossenen 
Revolutionsmännern  bewahrte  er  lange  die  wärmste  Teilnahme,  auch  noch  nachdem 
ihre  Greuelthaten  ihnen  in  Deutschland  fast  alle  Sympathie  geraubt  hatten ;  gegen 
eine  Einmischung  fremder  Mächte  in  die  französischen  Verhältnisse  erklärte  er  sich 
durchaus.5-7")  —  Nur  den  Lebensschicksalen  und  dichterischen  Werken  ihres  Adressaten 
wendet  Erzherzogin  Sophie,  die  Mutter  des  Kaisers  Franz  Joseph,  in  ihren  (nur  teil- 
weise veröffentlichten)  Briefen  an  0.  von  Redwitz8)  liebevolle  Aufmerksamkeit  zu. 
Von  der  übrigen  deutschen  Litteratur  ist  darin  nicht  die  Rede.  Aber  schön  offenbart 
sich  in  ihnen  die  liebenswürdige  Persönlichkeit,  besonders  der  herzliche  Familiensinn 
und  die  innige,  glaubensstarke  Frömmigkeit  der  Vf.  Der  ungenannte  Herausgeber 
teilt  auch  von  dem  Erzherzog  Ferdinand  Maximilian,  dem  späteren  Kaiser  von 
Mexiko,  einen  Brief  an  Redwitz  vom  1.  Dec.  1856  mit:  der  Prinz  dankt  darin  dem 
Dichter  für  den  „Thomas  Morus",  namentlich  für  den  „starken  Glaubensgeist,  der 
durch  das  erhabene  Werk  weht".9)  — 

Nicht  viel  ergebnisreicher  für  die  deutsche  Literaturgeschichte  sind  die  an 
sich  z.  T.  recht  interessanten  Memoiren  von  Hof-  und  Staatsbeamten  aus  der 
unmittelbaren  Umgebung  fürstlicher  Personen.  In  einer  etwas  verwirrten 
Skizze  sucht  Friedmann10)  die  Denkwürdigkeiten  der  Baronin  von  Oberkirch,  der 
u.  a.  1776  Goethe  seine  „Claudine  von  Villa  Bella",  Wieland  seinen  „Merkur"  sandte, 
zu  charakterisieren,  namentlich  die  darin  enthaltene  Schilderung  des  französischen 
Hofes  unmittelbar  vor  dem  Ausbruch  der  Revolution.  —  Mitten  in  die  letzten  Phasen 
der  Revolution  und  in  die  Geschichte  des  aus  ihr  sich  entwickelnden  napoleonischen 
Kaisertums  führen  uns  die  Memoiren  des  kaiserlichen  Geheimsekretärs  Meneval, 
deren  objektiv-historischer  Wert  zwar  durch  die  entschiedene  Parteinahme  des  Vf.  für 
alle  Thaten  und  Bestrebungen  Napoleons  manche  Einbusse  erleidet,  die  aber  gleich- 
wohl eine  Fülle  belehrender  Einzelheiten  über  den  persönlichen  Charakter,  das 
Privatleben  und  das  staatsmännische  Wirken  des  französischen  Herrschers  enthalten. 
Sie  sind  von  einem  Enkel  des  Vf.,  Joseph-Ernest  de  Meneval11),  veröffentlicht.  Auf 
die  deutsche  Litteratur  nehmen  nur  wenige  Zeilen  Bezug.  Ausdrücklich  bemerkt 
Meneval,  dass  sein  Kaiser  nach  der  Schlacht  von  Jena  1806  in  Weimar  der  Herzogin 
„avec  courtoisie"  begegnet  sei,  obgleich  Karl  August  ein  feindliches  Korps  befehligte, 
und  angeordnet  habe,  „dass  dieses  neue  Athen,  der  Sitz  der  ersten  Schriftsteller 
Deutschlands,  geschont  werde".  Ebenso  berichtet  er  gelegentlich  des  Erfurter  Fürsten- 
kongresses 1808,  Napoleon  habe  grosses  Verlangen  gehabt,  Goethe  und  Wieland 
kennen  zu  lernen;  die  mit  grösster  Auszeichnung  empfangenen  Dichter  hätten  aber 
auch  die  Vorstellung,  die  er  sich  von  ihrem  Verdienste  gemacht,  durchaus  gerecht- 
fertigt und  ihm  in  der  langen  Unterredung,  deren  er  sie  würdigte,  „hohe  Achtung 
für  ihr  Talent  und  ihren  Charakter"  eingeflösst.12)  —  Vom  Ende  des  vorigen  Jh.  bis 
1876  reicht  das  liebenswürdig  erzählende  Buch,  das  Luise  von  Kobell13)  nach 
Briefen  ihrer  Vorfahren,  besonders  ihres  Urgrossvaters,  und  nach  eigenen  Erinnerungen 


IV  lc:12.)  —  3)  X  (14:46.)  —  4)  L.  Geiger,  E.  dtsch.  Prinz  u.  d.  franz.  Bevolut.:  NatZg.  N.  4.  —  5)  X  W. 
v.  Metzsch-Schilbach,  Briefw.  e.  dtsch.  Fürsten  mit  e.  jungen  Künstlerin  (JBL.  1893  IV  1  c  :  13).  |[LCB1.  S.  472/3;  DWBl. 
S.203/4;VossZg.  N.248.]|  —  6)  X  0-V  lb:140.)  |[P.  Bailleu:  DLZ.  S.  1199-200.]|  —  7)  Ed.  Wert  heimer,  Erzherz.  Kainers  Beise 
durch  Ungarn  (1810).  Nach  dessen  ungedr.  Tagebuch :  UngB.  S.  1-39.  (Für  d.Litteraturgesch.  ganz  ergebnislos.)  —  7a)XK°edde- 
ritz,  L.  Trost,  König  Ludwig  I.V.Bayern  (JBL.  1891  17  1:244):  MHL  22,  S.87/8.  —  8)  0.  v  Bedwitz  in  Oesterreich.  (Briefe 
d.  Erzherzogin  Sophie  an  Bedwitz.):  NFPr.  N.  10832.  —  9)  OX  Carmen  Sylva,  La  servitude  de  Pelesch,  conte  autobiogr. 
Trad  de  l'allemand  par  L.  BachelinetJ.  Brun  avec  une  introd.  et  un  comment.  (=  Bibl.  contemp.)  Paris,  Lemerre.  173  S.  Fr.3,50. 
—  10)  A.  Friedmann,  D.  Memoiren  d.  Frau  v.  Oberkirch:  Zeitgeist  N.  3.  (Auch  Didask.  N.  32.)  —  II)  J.-E.  de  Meneval, 
Memoires  pour  servir  ä  l'hist.  de  Napoleon  1er  depuis  1802  jusqu'ä  1815,  par  le  baron  Claude-Francois  de  Meneval.  Ed. 
entierement  refondue.  Ouvrage  complete  par  des  doc.  ined.,  publie  par  les  soins  de  son  petit-flls.  3  vols.  Paris,  Dentu. 
XIII,  486  S.;  560,  634  S.  Fr.  22,50.  —  12)  X  C9  Jahre  am  preuss.  Hofe.  Aus  d.  Erinnerungen  d.  Oberhofmeisterin  Sophie  Marie 
Gräfin  v.  Voss.  Mit  e.  Portr.  u.  e.  Stammtaf.  6.  Aufl.  L.,  Duncker  &  Humblot.  440  S.  M.  6,00.  (1.  Aufl.  schon  1876 
erschienen.)  — 13)  (14: 360;  IV lb: 410.)  |[K.Th.Heigel:  DLZ.S.400/3;  Th.H.Pantenius:  Daheim30,  S.582/3;  Didask. N. 71/2; 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (4)11 


IV  lc:  13-ie     F.  Muncker,    Allgemeines   des    18./19.  Jahrhunderts:    Memoiren  usw. 

und  Tagebuchblättern  zusammengestellt  hat.  Grosse  neue  Aufschlüsse  über  die 
politische  und  litterarische  Entwicklung  Bayerns  bietet  es  zwar  nicht;  aber  höchst 
dankenswert  ergänzt  es  unser  bisheriges  Wissen  durch  so  und  so  viele  schätzbare 
Einzelheiten  und  bringt  namentlich  manche  sehr  merkwürdige  kulturgeschichtliche 
Details  bei.  Zunächst  tritt  jener  Urgrossvater  der  Vf.  bedeutsam  hervor,  der  treffliche 
Pfälzer  Maler  Ferdinand  Kobell  (gest.  1799  als  Galeriedirektor  zu  Nymphenburg  bei 
München),  dessen  künstlerische  Verdienste  und  menschliche  Vorzüge  Sophie  von  la 
Roche  pries,  dessen  „goldesgleiche"  Werke  aber  auch  Goethe,  wie  Hei  gel  sorgsam 
zur  Vervollständigung  seiner  Charakteristik  nachträgt,  aufs  höchste  bewunderte, 
lörmlich  als  Kanon  der  Schönheit  betrachtete  und  eifrig  sammelte.  Auch  in  seinen 
Briefen,  die  namentlich  auf  das  Treiben  der  französischen  Emigranten  in  den  Rhein- 
landen ein  neues,  nicht  eben  vorteilhaftes  Licht  werfen,  erscheint  Ferd.  von  Kobell 
als  geradsinniger,  streng  sittlich  denkender,  dabei  die  Anforderungen  des  praktischen 
Lebens  wohl  beachtender  Biedermann.  In  der  folgenden  Darstellung  berührt  die  Vf. 
auch  die  gelehrten  und  künstlerischen  Bestrebungen  unter  Max  Joseph  und  Ludwig  L, 
von  dem  sie  mehrere,  bereits  bekannte  Gedichte  ihrer  Erzählung  einflicht.  Doch  steht 
hier  zunächst  unter  den  Künsten  die  Musik  voran :  Bei  dem  Hoforganisten  Kalcher 
studierte  der  junge  K.  M.  von  Weber;  als  Komponist  von  Messen  und  Symphonien 
that  sich  Abt  Vogler,  als  Komponist  von  Messen,  Requiems,  Motetten  und  Opern 
Peter  von  Winter  unter  den  Münchener  Musikern  hervor.  Zur  gleichen  Zeit  etwa 
brach  sich  der  klassische  Geschmack,  den  Friedrich  Thiersch  im  Unterricht  pflegte, 
in  der  Litteratur  und  bildenden  Kunst  trotz  dem  Spotte  Westenrieders  und  Prangerls, 
des  letzten  bayerischen  Hofnarren,  allmählich  Bahn.  An  die  gastlichen  Abende  bei 
Thiersch,  wo  der  junge  Ludwig  Steub  durch  seinen  originellen  Humor  glänzte, 
erinnert  sich  Luise  von  Kobell  noch  aus  der  eigenen  Jugendzeit.  Ebenso  schildert 
sie,  die  in  den  jüngsten  Jahren  veröffentlichten  Berichte  Dahns,  von  Völderndorffs 
und  anderer  mannigfach  ergänzend,  die  Geselligkeit  im  Hause  Liebigs,  Dingelstedts, 
Bluntschlis,  in  dem  ihres  eigenen  Vaters  Franz  von  Kobell,  ferner  die  Tafelrunde  bei 
Herzog  Max,  das  Treiben  in  der  1837  gestifteten  Gesellschaft  der  „Zwanglosen",  den 
häuslichen  Verkehr  bei  den  durch  Maximilian  IL  nach  München  berufenen  Gelehrten 
und  Dichtern  überhaupt.  Zu  den  meisten  von  ihnen  besass  oder  besitzt  sie  freund- 
schaftliche Beziehungen,  so  zu  Redwitz,  Geibel,  Lingg,  Heyse,  Hertz,  Dahn.  Nament- 
lich stand  sie  mit  Scheffel  in  herzlichem  Verkehr.  Der  Dichter  wurde  bald  nach 
seiner  Uebersiedlung  nach  München  1856  mit  ihr  durch  ihren  späteren  Gatten  August 
von  Eisenhart  bekannt  und  blieb  ihr  dauernd  befreundet.  Die  Briefe,  die  sie  von 
ihm  mitteilt,  gehören  zu  den  innigsten  und  gemütvollsten,  die  wir  von  ihm  besitzen. 
An  äusserlichen  Daten  sind  sie,  wie  die  meisten  Briefe  Scheffels,  nicht  reich ;  aber 
auf  ihren  rein  menschlichen  Gehalt  hin  betrachtet,  berühren  sie  den  Leser  ausser- 
ordentlich wohlthuend.  Sie  reichen  von  1857—64;  dazu  kommt  noch  ein  Nachzügler 
von  1870.  Die  ersten  Briefe  zeugen  noch  von  der  bitteren  Trauer  des  Dichters  um 
den  Verlust  seiner  Schwester  Marie;  die  folgenden  geben  gelegentliche  Aufschlüsse 
über  die  Entstehung  der  „Bergpsalmen"  und  des  unvollendet  gebliebenen  „Meister 
Konrad."  Auch  über  das  Verhältnis  Ludwigs  IL  zu  Richard  Wagner  macht  die  Vf. 
ein  paar  kurze,  im  einzelnen  nicht  durchweg  genaue  Andeutungen,  die  übrigens 
nichts  Neues  darbieten.  —  Gleich  Luise  von  Kobell  teilt  der  ungenannte  Vf.14)  von 
Memoiren  aus  den  J.  1855—64  zahlreiche  anekdotenhafte  Züge  von  deutschen  und 
ausländischen  Fürsten,  Hof-  und  Staatsmännern  mit,  zu  denen  er  als  Reisebegleiter 
eines  deutschen  Prinzen  in  Beziehung  kam.  Am  anziehendsten  ist  wohl  seine  Schilderung 
Bismarcks  im  persönlichen,  amtlichen  und  geselligen  Verkehr;  der  Vf.  arbeitete  unter 
ihm  von  1855  bis  zum  Febr.  1857  als  Gesandtschaftsattache  in  Frankfurt,  traf  auch 
nach  Jahren  mit  dem  inzwischen  an  die  Spitze  des  preussischen  Ministeriums 
Berufenen  wieder  zusammen.  Auch  mit  Künstlern  und  Gelehrten  kam  er  in  mannig- 
fache, meist  flüchtige  Berührung,  so  mit  dem  alten  A.  von  Humboldt,  mit  Verdi, 
Meyerbeer,  Anton  Rubinstein;  direkte  Beziehungen  zu  deutschen  Dichtern  scheint  er 
dagegen  nicht  gehabt  zu  haben.  —  Von  solchen  berichten  naturgemäss  auch  die  von 
Gust.  von  Wilmowski15)  herausgegebenen  „Feldbriefe"  K.  von  Wilmowskis  von 
1870 — 71  nichts;  dagegen  enthalten  sie  viele  kleine,  meist  persönlich  sehr  liebens- 
würdige Züge  aus  dem  Charakterbilde  Kaiser  Wilhelms  L,  dem  Wilmowski  (1817  —  93) 
vom  Nov.  1869  bis  zu  seinem  Tode  als  Kabinetschef  unmittelbar  nahe  stand.  15a~16)  — 


BerlBörsUour.  N.  22.JI  —  14)..- dw...,  Kap.  aus  e.  bewegten  Leben  1855-64.  L.,  Hirzel.  III,  238  S.  M.  3,60.  —  15)  Gust- 
v.  Wilmowski,  K.  v.  Wilmowski,  Feldbriefe  1870-71.  Nebst  biogr.  Mitteil.  Breslau,  Trewendt.  106  S.  M.  2,00.  |[Didask. 
N.  101  (aus  d.  NFPr.  abgedr'.).]j  (Vorher  abgedr.  in  DR.  1,  S.  1-19,  145-63,  278-9J.)  —  15a)  X  Pri  n  z  Bernhard  v.  Sachsen- 
Weimar,  Erinnerungen  v.  meiner  Reise  um  d.  Welt  1887—88:  DR.  2,  S.  116-24,  223-31,  359-68;  3,  S.  104-17,  225-34,  363,7. 
(Frisch  u.  unterhaltend  geschrieben,  bes.  anregend  d.  Schilderung  nordafrikan.  u.  ostind.  Verhältnisse;  litterargesch.  ergebnislos.) 
—  16)  O  X  Aus  d.  Leben  König  Karls  v.  Rumänion.  Aufzeichnungen  o.  Augenzeugen.  2  Bde.  St.,  Cotta.  XLII,  379  S.;  IV,  485  S. 
M.  16,00.     |[G.  Winter:   BLU.  S.  358,9  (rühmt  d.  Reichhaltigkeit   u.  Zuverlässigkeit  dieser  Anfzeichn.).J|     (Vgl.  JBL.  1892   IV 


F.  Muncker,    Allgemeines   des    18./19.  Jahrhunderts:    Memoiren  usw.     IV  1  c  :  i6a-i7 

Unter  den  sonstigen  Staatsmännern  und  Staatsbeamten  kommt  für  die 
JBL.  auch  diesmal  W.  von  Humboldt  vor  allen  anderen  in  Betracht.16'1)  Aus  seinem 
Nachlass  gab  Leitzmann17)  das  Tagebuch  seiner  Reise  nach  Norddeutschland  vom 
J.  1796  mit  reichhaltigen,  genau  erläuternden  Anmerkungen  heraus:  ein  wertvolles 
Dokument  zur  geistigen  Entwicklungsgeschichte  seines  Vf.  sowie  zur  Kenntnis  des 
künstlerischen  und  gelehrten  Lebens,  überhaupt  der  kulturellen  Verhältnisse  Deutsch- 
lands vor  hundert  Jahren.  Humboldt  hat  ein  offenes,  scharf  blickendes  Auge  für  alles, 
was  ihm  unterwegs  begegnet.  Land  und  Leute  schildert  er,  wenn  auch  oft  nur  mit 
rasch  skizzierenden  Strichen,  doch  gleich  sorgsam  und  gleich  treffend.  Die  Be- 
spannungsweise der  Pferde,  die  innere  Struktur  einer  Windschneidemühle,  der 
Schiffsbau,  die  Strassenverhältnisse  und  ähnliche  Fragen  beschäftigen  ihn  ebenso 
ernsthaft  wie  die  Betrachtung  einer  Bibliothek  oder  Kunstsammlung  oder  wie  der 
Besuch  bei  einem  namhaften  Gelehrten  und  einem  weitberühmten  Dichter.  Ausführlicher 
beschreibt  er  Stettin,  Greifswald,  Stralsund,  die  Insel  Rügen,  Rostock,  Lübeck,  Hamburg 
und  Umgebung,  kürzer  die  dazwischen  liegenden  Reisestationen.  Schön  spricht  sich 
sein  Sinn  für  grosse  Landschaftsnatur  auf  Rügen  aus.  Der  Anblick  des  Meeres  von 
dieser  Insel  aus  ist  ihm  „einer  der  wenigen,  die  eigentliche  Epoche  in  dem  Geraüte 
machen,  der  erste  dieser  Art  seit  den  Schneegebirgen  und  Gletschern  der  Schweiz". 
Nur  bedauert  er,  dass  die  Grösse  und  wilde  Furchtbarkeit  der*  Natur  sich  beständig 
mindere,  wie  die  steilaufragenden  Felsen  bei  Stubbenkammer  nach  und  nach  ab- 
bröckeln, und  dass  so  auch  die  Seele  mit  der  Zeit  weniger  empfänglich  für  neue, 
grosse  und  staunenerregende  Gegenstände  werde.  Von  litterariscb  bedeutenderen 
Personen  besucht  er  u.  a.  Kosegarten,  den  Pfarrer  in  Altenkirchen  auf  Rügen,  dessen 
an  Sonderbarkeiten  reiches  Aussehen  und  Benehmen  er  mit  kühler  Besonnenheit, 
aber  nicht  unliebenswürdig  beurteilt.  Kosegartens  Aeusseres  erinnnert  ihn  auf  Augen- 
blicke, aber  auch  nur  auf  Augenblicke  an  Schiller.  Deutlich  erkennt  Humboldt  an 
ihm  das  Gepräge  des  Genies;  auch  traut  er  ihm  ein  feines  und  zartes  Gefühl  für  das 
Schöne  zu.  Aber  Geschmack  und  Beurteilungskraft  vermisst  er  gänzlich  an  ihm,  und 
seinen  Erzählungen  von  einem  übermächtigen  Naturdrange,  der  ihn  widerstandslos 
zur  Poesie  treibe,  setzt  er  stillen  Zweifel  entgegen.  Auch  Kosegartens  blinde  Be- 
wunderung für  Jean  Paul,  den  „Blutsfreund  seines  Herzens",  stimmt  ihn  mit  Recht 
bedenklich.  Eingehend  schildert  Humboldt  den  Charakter  und  die  künstlerischen 
Anschauungen  von  J.  H.  Voss,  wie  sie  sich  ihm  in  wiederholten  Gesprächen  zu  Eutin 
erschlossen.  Die  einseitige  Vorliebe  des  trefflichen  Homerübersetzers  für  die  antike 
Kunst  erscheint  hier  als  das  überall  den  Ausschlag  gebende  Moment  in  seinem 
Denken  und  Empfinden.  Vortrefflichkeit  erkannte  Voss  nach  Humboldts  Bericht  nur 
in  der  Uebereinstimmung  mit  dem  homerischen  Charakter;  alle  Eigentümlichkeiten 
der  modernen  Dichter,  in  denen  er  doch  hinwiederum  grosse  Kenntnisse  verriet,  er- 
klärte er  als  fehlerhaft.  So  zeigte  er  sich  mit  Schillers  Gedichten  „nur  sehr  be- 
dingungsweise und  eigentlich  gar  nicht  zufrieden,"  tadelte  speciell  das  „Lied  an  die 
Freude",  die  „Götter  Griechenlands",  die  „Würde  der  Frauen",  aber  nicht  minder  den 
„Werther"  und  den  „Wilhelm  Meister".  Ausgezeichnet  ist  eine  Bemerkung  F.  H. 
Jacobis,  die  Humboldt  bei  dieser  Gelegenheit  anführt:  Voss  versuche  immer  das 
deutsche  Gedicht,  das  er  prüfen  wolle,  ins  Griechische  oder  Lateinische  zu  übersetzen, 
und  was  diese  Probe  nicht  aushalte,  müsse  irgend  eine  Art  der  Barbarei  an  sich 
tragen.  Dieselbe  Parteilichkeit  offenbarte  sich  dem  jungen  skeptischen  Beobachter 
in  dem  Urteil  Vossens  über  den  von  ihm  mit  dem  emsigsten  Fleisse  studierten 
Versbau.  „Er  giebt  schlechterdings  keinen  anderen  Hexameter  zu  als  den  homerischen ; 
an  Schiller  und  Goethe  tadelt  er  die  Vernachlässigung  des  Versbaues  sehr.  Sie 
machen  höchstens  fehlerfreie,  nie  gute  und  leicht  sich  bewegende  Hexameter."  Die 
peinliche  Sorgfalt,  die  Voss  bei  eigenen  Gedichten  und  bei  der  Beurteilung  fremder 
der  metrischen  Form  widmet,  bringt  Humboldt  treffend  in  einen  inneren  Zusammen- 
hang mit  dem  Streben  nach  einem  „schlechterdings  reinen  und  vollkommenen"  Aus- 
druck des  Gedankens  durch  die  Sprache  des  Dichters.  Er  erkennt  auch  die  Gefahr, 
die  in  der  Uebertreibung  dieser  an  sich  richtigen  Tendenz  liegt,  und  täuscht  sich 
auch  darüber  nicht,  dass  Voss,  indem  er  das  lebendigste  und  anschaulichste  Darstellen 
des  Gedankens  fordert,  unempfänglich  für  dasjenige  wird,  was  einer  solchen  lebendigen 
Anschaulichkeit  nicht  fähig  ist,  also  für  Gedichte  philosophischen  oder  sentimentalischen 
Inhalts.  Richtig  bemerkt  Humboldt,  dass  Voss  durch  seine  künstlerische  Natur  selbst 
zum  Uebersetzen  getrieben  werde;  als  seinen  ersten  Grundsatz  dabei  bezeichnet  er, 
so  zu  übertragen,  „als  ob  zu  Homers  Zeit  Deutsch  und  nicht  Griechisch  gesprochen 
wTorden  sei".     Auch  die  „tiefen  Sprachforschungen"  des  tüchtigen  Philologen,  der  aber 


lb:95;  s  o.  IV  lb:377.)  —  16a)  X  A. Leitzmann,  Briefe  v.  W.  v.  Humboldt  an  F.  H.  Jacobi  (JBL.  1893  1V1c:20).  |[G.  Witko  wski: 
LBIGBPh.  15,  S.  1102;  A.  Chuquet:  BCr.  37,  B.  289-90.]|  —  17)  id.,  Tagebnch  W.  v.  Humboldts  v.  seiner  Beise  nach  Nord- 
deutschland   im    3.  1796.     (=    Quellenschriften    z.   neueren   dtsch.    Litt.-    u.   Geistesgesch.    her.   v.   A.   Leitzmann,     Bd.  3.) 

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IV  lc:  17-20     F.   Muncker,    Allgemeines  des    18./19.   Jahrhunderts:    Memoiren  usw. 

von  grammatischen  Einzelheiten  und  ähnlichem  Kleinkram  im  Gespräch  nichts  wissen 
wolle,  hebt  Humboldt  hervor,  desgleichen  seine  persönliche  Liebe  zum  Plattdeutschen, 
das  er  auch  in  seiner  Familie  beständig  spreche.  Dann  berichtet  er  über  seine  Ge- 
wohnheit, beständig  zu  feilen  und  umzuarbeiten,  und  erklärt  daraus  seine  Ansichten 
über  den  Ursprung  von  „Ilias"  und  „Odyssee",  die  zu  denen  von  F.  A.  Wolf  im 
schroffen  Widerspruche  stünden.  Aufrichtig  rühmt  er  den  festen,  offenen,  manchmal 
nur  zu  geraden,  aber  im  Grunde  herzlichen  und  liebenswürdigen  Charakter  des 
Menschen  Voss,  seinen  reinen  Eifer  für  die  Sache,  der  auf  keinen  Widerspruch  oder 
Tadel  achte,  seinen  unermüdlichen  Fleiss,  sein  reizbares  Gefühl  für  Wahrheit,  seinen 
ausschliesslich  für  das  unmittelbar  Natürliche,  für  das  ursprünglich  Menschliche 
empfänglichen  Sinn.  Einfachheit  und  langsame  Ruhe  erscheint  ihm  als  der  erste 
Eindruck  der  ganzen  Vossischen  Persönlichkeit;  eine  sonderbare  Mischung  von  Be- 
scheidenheit und  Selbstvertrauen  nimmt  er  in  ihr  wahr,  starke  Kraft  auf  einem  eng 
beschränkten  Pfade.  Am  meisten  beklagt  er  seinen  auffallenden  Mangel  an  Philosophie, 
und  bei  einer  Vergleichung  zwischen  ihm  und  Goethe  meint  er  einen  unvorteilhaften 
Einfluss  des  deutschen  Charakters  auf  Vossens  Natur  zu  bemerken.  Kürzer  charak- 
terisiert Humboldt  den  ihm  durchaus  unsympathischen  Joh.  G.  Schlosser,  Goethes 
Schwager,  ferner  den  Grafen  Chrn.  von  Stolberg,  Iffland,  den  er  in  einem  eigenen, 
höchst  mittelmässigen  Stücke  vortrefflich  spielen  sah,  den  liebenswürdigen  Claudius, 
der  aber  bereits  von  seiner  launigen  Originalität  viel  verloren  hatte,  Franz  von 
Baader  mit  seinen  höchst  anregenden,  aber  auch  oft  paradoxen,  naturphilosophischen 
Ideen,  F.  H.  Jacobi  mit  seinem  ernstlichen,  mühevollen  Streben  nach  Wahrheit  und 
den  edlen,  grossen  Grundzügen  seines  ganzen  Wesens,  die  nur  hie  und  da  ins  Eitle 
ausarteten,  wie  denn  auch  der  Ausdruck  seiner  Empfindungen  bisweilen  etwas  Fremd- 
artiges, Unnatürliches  an  sich  habe.  In  der  Familie  Reimarus  sagt  ihm  Lessings 
einstige  Freundin  Elise  fast  am  wenigsten  zu :  sie  „hat  gewiss  einen  recht  richtigen 
Verstand  und  vielerlei  Kenntnisse,  aber  zu  wenig  Eigentümlichkeit  in  ihren  Urteilen, 
um  interessant  zu  sein ;  sie  sagt  immer  ein  %oiv6v  enos."  Etwas  länger  verweilt  Humboldt 
wieder  bei  der  Charakteristik  Klopstocks,  dessen  nie  ruhende  Lebhaftigkeit,  un- 
verkennbare Gutmütigkeit  und  unleugbare  Eitelkeit  er  sehr  anschaulich  schildert.  Alle 
kleinen  Schwächendes  alten  Dichters,  der  damals  längst  jeden  lebendigen  Zusammenhang 
mit  der  fortschreitenden  jüngeren  Litteratur  eingebüsst  hatte,  zeigen  sich  dem  scharf- 
sichtigen Besucher;  aber  durch  sie  hindurch  erkennt  er  immer  noch  jenes  Feuer  und 
jene  Begeisterung,  die  die  ehemalige  Grösse  Klopstocks  ausmachten.  Die  Phantasie 
und  zwar  eine  durchaus  musikalische,  immer  auf  die  Empfindung  bezogene  Phantasie, 
findet  der  Freund  Schillers  schlechterdings  alleinherrschend  in  Klopstock.  Hoch 
preist  er  seine  Kunst  der  Deklamation,  urteilt  mit  berechtigter  Strenge  über  ver- 
schiedene seiner  neuesten  Oden  und  teilt  mehrere  Aussprüche  des  alten  Herrn  über 
jüngere  Dichter  und  Forscher  mit,  die  im  einzelnen  uns  allerlei  Neues  bringen.  So 
hören  wir  (entgegen  der  bisher  geltenden  Anschauung),  dass  Klopstock  in  der 
homerischen  Frage  durchaus  der  Meinung  Wolfs  beitrat  und  sie  noch  durch  neue 
Beweise  zu  stützen  suchte.  Ueber  die  Launenhaftigkeit  seiner  übrigen  Urteile  klagt 
schon  Humboldt :  „Goethes  neueste  Sachen  verwirft  er  durchaus.  Schiller  ist  ihm 
verhasst.  Die  ästhetischen  Briefe  wären  nonsense,  seine  Prätensionen  fürchterlich.  .  .  . 
Beide  verstehen  die  deutsche  Sprache  schlechterdings  nicht,  doch  Goethe  mehr. 
Wieland  versteht  sie,  aber  nur  nach  Gefühl,  nicht  durch  Untersuchung.  Voss  hat 
sie  studiert.  Nur  ist  er  mit  seinen  Neuerungen  durchaus  unzufrieden;  wer  den 
Homer  übersetze,  müsse,  wenn  er  sich  natürlich  gehen  lasse,  immer  kürzer  als  das 
Original  werden."  Ausserdem  berichtet  Humboldt  noch  über  Begegnungen  mit  zahl- 
reichen Gelehrten,  die  er  unterwegs  aufsuchte;  in  Hamburg  lernte  er  auch  Dumouriez 
und  mehrere  sonstige  politisch  und  gesellschaftlich  hervorragende  Personen  kennen, 
die  er  alle  kurz  skizziert.18"19)  —  In  der  gleichen  Sammlung,  die  dieses  Reise- 
tagebuch enthält,  veröffentlichte  Haym20)  Humboldts  Briefe  an  Nicolovius,  seinen 
Mitarbeiter  und  Nachfolger  im  preussischen  Kultusministerium.  Es  sind  27  Nummern, 
vom  25.  März  1809  bis  zum  5.  Febr.  1835  geschrieben,  in  der  Hauptsache  amtlichen 
Inhalts,  doch  keineswegs  im  Geschäftstone  gehalten,  sondern  im  besten  Sinne 
Freundesbriefe.  Die  wichtigste  Rolle  spielen  in  ihnen  die  Fragen,  die  mit  der 
Gründung  der  Berliner  Universität  eng  zusammenhängen,  dann  mehrfache  Berufungen 
an  die  verschiedenen  preussischen  Hochschulen,  wobei  sich  Humboldt  gelegentlich 
auf  das  günstige  Urteil  Goethes  und  seines  Sohnes  über  einen  Jenenser  Professor 
bezieht,  die  Einführung  der  Pestalozzischen  Methode  in    eine    Königsberger   Schule, 


Weimar,  Felber.  X,  163  S.  M.  3,00.  —  18)  X  A.  Laquiante,  G.  de  Humboldt  et  Caroline  de  Humboldt  (JBL.  1893  IV  1  c :  21). 
|[A.  Leitzmann:  Euph.  1,  S.  409-13  (tadelt  d.  unwissenschaftl.  Herausg.  in  ungenauer  franz.  Uebersetz.,  berichtigt  mehrere 
Fehler d.  Anm.  L.s.);  VossZg.  N.  46;  DRs.  81,  S.  157/8.] |  —  19)  X  H.  Meisner,  Briefe  an  Johanna  Motherby  (JBL.  1893  IV  lc:22). 
|[WIDM.  75,  S.  783;  DRs.  81,  S.  157.]|  -  20)  R.  Haym,  Briefe  v.  Wilh.  v.  Humboldt  an  G.  H.  L.  Nicolovius.  Mit  2  Anh. 
(=  N.  17,  Bd.  1.)    B.,  Felber.    XI,  140  S.    M.  3,00.    |[A.  Leitzmann:  Euph.  1,  S.  647/9;  Max  Koch:  DWB1.  7,  S.  468;  -n-; 


F.  Muncker,   Allgemeines   des    18./19.   Jahrhunderts:    Memoiren   usw.     IV  lc  :  21-23 

die  sich  aber  nicht  so  glänzend  bewährte,  wie  er  und  Nicolovius  zuerst  hofften,  und 
ähnliche  Sorgen  des  Staatsmanns,  der  sich  die  Besserung  des  preussischen  Unterrichts- 
wesens auch  dann  noch  sehr  ernst  angelegen  sein  Hess,  als  er  nicht  mehr  zu  seiner 
Leitung  amtlich  berufen  war.  Die  alles  klar  und  parteilos  erwägende  Besonnenheit 
des  Briefstellers  offenbart  sich  dabei  auf  jeder  Seite,  nicht  minder  aber  sein  edel- 
sinniger Charakter,  seine  treue  Anhänglichkeit  an  alte  Freunde  (so  besonders  in 
seiner  teilnehmenden  Fürsorge  für  den  Rektor  K.  D.  llgen  von  Schulpforta,  der  sich 
durch  kleinliche  Eitelkeit  eine  starke  Blosse  gegeben  hatte).  Unmittelbar  auf  unsere 
schöne  Litteratur  bezieht  sich  nur  wenig  in  diesen  Briefen:  ein  paar  Worte  vom 
10.  Aug.  1816  über  die  Verdeutschung  des  Aeschyle'ischen  „Agamemnon",  die 
Humboldt  dem  Freunde  sendet,  und  eine  Abwehr  des  hämischen  Artikels  der 
„Evangelischen  Kirchenzeitung"  über  den  Briefwechsel  Schillers  und  Goethes  (am 
20.  Febr.  1830),  obwohl  auch  Humboldt  selbst  meint,  viele  Stellen  in  diesem  Brief- 
wechsel hätte  er  nie  so  hinschreiben  oder  überhaupt  so  denken  mögen,  noch  mehr  hätten 
wenigstens  nicht  gedruckt  werden  sollen.  Als  Anhang  sind  zunächst  7  Jugendbriefe 
Humboldts  an  einen  jüdischen  Freund,  den  damaligen  Studenten  und  späteren  Arzt 
Beer,  beigefügt.  Sie  zeigen  vor  allem,  wie  ihr  Vf.  zuerst  noch  ganz  in  Wolffisch- 
Mendelssohnschen  Anschauungen  befangen  ist,  allmählich  aber  während  seiner 
Universitätsjahre  sich  von  dieser  formalistischen  Begriffsphilosophie  losmacht  und 
schon  von  Kants  Kritizismus  einen  bedeutenden  Eindruck  erhält.  Ein  zweiter,  von 
Leitzmann  beigesteuerter  Anhang  enthält  8  Briefe  Humboldts  an  Achim  von 
Arnim  und  F.  A.  Wolf  aus  den  J.  1809  und  10.  Sie  drehen  sich  grossenteils 
um  Berufungen  an  die  neue  Berliner  Universität  und  andere  preussische  Lehr- 
anstalten, bekunden  aber  auch,  wie  ernst  und  gross  Humboldt  sein  Amt  auf- 
fasste,  wie  er  mit  Hintansetzung  seiner  Person  und  selbst  der  eigenen  Meinung 
nur  der  Sache  dienen  wollte  und  mit  der  Förderung  der  Wissenschaften  zugleich 
eine  Hebung  des  ganzen  Unterrichtsministeriums,  dem  er  vorstand,  erstrebte.21)  — 
Rein  politische  Angelegenheiten  behandelt  der  von  Justus  von  Grüner22) 
nunmehr  nach  dem  Wortlaute  mitgeteilte  Briefwechsel  zwischen  dem  Freiherrn  von 
Stein  und  dem  russischen  Staatsrat  Grüner  vom  J.  1812.  Doch  wird  Arndts  „Geist 
der  Zeit"  als  treffliches  Agitationsmittel  gegen  Napoleon  mehrfach  erwähnt.22»"220)  — 
Nur  wenig  enthalten  für  den  Litterarhistoriker  auch  die  Erinnerungen  des  ehemaligen 
westpreussischen  Oberpräsidenten  A.  Ernst  von  Ernsthausen23)  (1827  —  94), 
ein  Buch,  das  ein  vielfach  merkwürdiges,  auch  mit  den  Reichsgeschicken  oft  eng 
verknüpftes  Leben  darstellt  und  von  ernster,  tüchtiger  Auffassung  des  preussischen 
Beamten berufes  auf  jeder  Seite  zeugt.  Der  Vater  des  Vf.  (1782—1847)  hatte  dichterische 
Neigungen  und  Anlagen  und  schrieb  im  Anfang  unseres  Jh.  mehrere  Lustspiele,  die 
in  Taschenbüchern  gedruckt,  auch  bisweilen  aufgeführt  wurden,  darunter  (gemein- 
schaftlich mit  einem  anderen  Vf.)  eine  Posse  „Leonardo  der  Geächtete"  mit  An- 
spielungen auf  Koblenzer  Verhältnisse,  die  ihm  eine  amtliche  Massregelung*  zuzogen. 
Später  erschien  von  ihm  auch  eine  Satire  „Lebenslauf  des  Rheins  oder  Tecole  des  rois, 
von  ihm  selbst  erzählt",  1843  endlich  Aphorismen  unter  dem  Titel  „ —  —  — " 
(=  Gedankenstriche).  Der  Vf.  der  „Erinnerungen"  selbst  schildert  von  litterarischen 
Persönlichkeiten  besonders  Kinkel  nach  seinem  Wirken  in  den  demokratisch- 
revolutionären Kreisen  Bonns  1848.  Er  erkennt  die  edle  Natur,  die  persönliche  Gut- 
mütigkeit und  die  hinreissende  Beredsamkeit  Kinkels  an,  findet  aber  seine  Begabung 
vielfach  überschätzt  und  vermisst  bei  ihm  parlamentarische  Gewandtheit,  scharfes 
Urteil,  hinreichende  politische  und  geschichtliche  Kenntnisse.  Später  rühmt  E.  ge- 
legentlich seiner  eigenen  Amtsthätigkeit  im  Elsass  (1871 — 79)  das  zwischen  den 
nationalen  Gegensätzen  vermittelnde  Wirken  L.  Spachs  (1800 — 79),  der  an  der  Spitze 
der  „Litterarischen  Gesellschaft"  in  Strassburg  stand  und  namentlich  durch  Vorträge 
über  deutsche  Litteratur  dem  deutschen  Geist  im  neuen  Reichslande  Bahn  brach. 
Mehr  als  von  Litteratur  ist  von  Musik  die  Rede.  Der  Vf.  bekennt  sich  als  begeisterten 
Verehrer  Beethovens  und  hauptsächlich  Mozarts  und  sucht  sich  seine  „instinktive 
Abneigung"  gegen  R.  Wagners  Werke  theoretisch  zu  erklären  durch  eine  freilich 
nicht  sehr  tief  greifende,  aber  glücklich  an  Lessings  „Laokoon"  anknüpfende  und 
zunächst  dessen  Lehren  richtig  fortsetzende  Untersuchung  über  das  Verhältnis  von 
Poesie  und  Musik  in  der  Oper.  Von  vornherein  überzeugt,  dass  Mozart  der  un- 
übertreffliche Gipfel   in    der  Entwicklung  des  musikalischen  Dramas    sei,    macht   er 

LCBl.  S.  1407;  A.  C:  RCr.  38,  S.  420/l.]|  —  21)  X  Gabriele  v.  Bülow,  Tochter  W.  v.  Humboldts  (JBL.  1893  IV  lc:23; 
s.  o.  IVlb:237).  i[E.  Forster:  DWB1.  7,  S.  4403;  VossZg.  N.  52;  Bich.  George:  Bär  20,  S.  71 2.  BOß,  93/5, 
116/8,  127-30,  1513;  E.  Hildebrand:  ÖLB1.  3,  S.  2045:  Frau  1,  S.  490:  Ad.  Stern:  Grenzb.  3,  S.  447-57  (liebevoll).]|  — 
22)  Just.  v.  Grnner,  D.  Korresp.  zwischen  Stein  n.  Grüner  im  J.  1812:  KBGV.  42,  S.  67-61,  63,8.  -  22a)  X  id--  Denk- 
würdigkeiten ans  d.  Leben  L.  v.  Gerlachs  (JBL.  1891  IV  1:168):  MHL  22,  S.  8387.  —  22b)  X  Briefw.  zwischen  Gerlach 
u.  Bismarck:  Grenzb.  1,  S.  1567.  —  22o)  X  H-  v-  Poschinger,  Erinnerungen  aus  d.  Leben  v.  H.  V.  v.  Unruh:  DK.  2,  S.  52-66, 
186-96,  304-16;  3,  S.  41-52,  184-93,  317-29;  4,  S.  104-20,  215-22,  3636.  (Sehr  aufschlussreich  für  d.  polit.  Gesch  Preussens  v. 
1848-71,  aber  litterargesch.  ergebnislos.)  —   23)  A.  E.  v.  Ernsthausen,  Erinnerungen  e.  preuss.  Beamten.    Bielefeld  u.  L., 


IV  1  c  :  24-27      F.  Muncker,    Allgemeines  des    18./19.  Jahrhunderts:    Memoiren  usw. 

vor  den  kühnen  Konsequenzen,  die  Wagner  bei  seinem  Verlangen  nach  einer  Ver- 
schmelzung der  beiden,  mit  ihren  stärksten  Mitteln  wirkenden  Schwesterkünste  zog, 
ängstlich  Halt  und  fordert  gegenseitige  Beschränkung  der  Poesie  wie  der  Musik  in 
seinem  Ideal  der  Oper.24"25)  —  Nur  vorübergehend  war  der  Naturforscher  Graf 
Alex.  Keyserling  (1815—91)  als  Staatsbeamter  thätig,  so  namentlich  als  Kurator  der 
Universität  Dorpat,  die  er  1862 — 69  im  deutschen  Sinne  leitete,  für  ihre  wissen- 
schaftliche Förderung  erfolgreich  bemüht.  Die  Absicht  seines  Jugendfreundes 
Bismarck,  ihn  1879  an  die  Spitze  des  preussischen  Kultusministeriums  zu  berufen, 
scheiterte  an  verschiedenen  Hindernissen.  Seine  von  Helene  von  Taube26)  ver- 
öffentlichten Tagebuchblätter,  reich  an  religiös  und  philosophisch  bedeutsamen  Ge- 
danken, beweisen  die  höchste  Verehrung  für  Kants  Lehre,  in  der  Keyserling  auf- 
erzogen war  und  von  der  er  bei  seinen  eigenen  Spekulationen  regelmässig  ausging. 
In  einer  geistreichen  Parallele  deckt  er  die  „Verwandtschaft  zwischen  den  grossen 
Denkern  Pascal  und  Kant"  auf.  Auch  berichtet  er  gelegentlich  von  den  Beziehungen 
seiner  Vorfahren  zu  dem  Neubegründer  der  Philosophie.  Kant  war  bis  1755  in 
Rautenburg  Hauslehrer  bei  einem  Grafen  Keyserling,  wahrscheinlich  einige  Jahre 
lang.  Er  erzog  hier  den  Grossvater  des  Vf.  zunächst  bis  zu  dessen  achtem  Jahre, 
um  ihn  später  an  der  Königsberger  Universität  wieder  unter  seinen  Schülern  zu 
sehen.  Aber  auch  die  junge  Mutter  dieses  Zöglings,  Karoline  Charlotte  geb.  Gräfin 
Truchsess,  muss  der  Philosophie  lebhafte  Teilnahme  zugewandt  haben;  ihr  Brief- 
wechsel dürfte  für  die  Entwicklungsgeschichte  des  jungen  Kant  von  Bedeutung  sein. 
Von  deutscher  Poesie  ist  in  den  Tagebuchblättern  Keyserlings  wenig  die  Rede. 
Schillers  „Mädchen  aus  der  Fremde"  deutet  der  Vf.  als  „die  Trägerin  des  fröhlichen 
Herzens".  Den  „Tannhäuser"  von  Julius  Wolff  preist  er  als  ein  Meisterwerk,  das 
an  Ausgeglichenheit  der  Sprache  und  Komposition  Scheffels  poetische  Erzählungen 
übertreffe.  Auch  über  den  „mit  patriotischem  Herzblut  geschriebenen"  Roman  „Die 
von  Keiles"  von  Th.  H.  Pantenius,  dessen  Tragik  ihn  an  die  „Nibelungen"  erinnert, 
urteilt  er  im  ganzen  recht  günstig.  Schöne  Worte  spricht  er  über  eine  hs.  Sanunlung 
eines  Cyklus  von  Gedichten  der  Carmen  Sylva  unter  dem  Titel  „Geschichte  einer 
Dichtertraumseele",  zu  denen  er  selbst  der  fürstlichen  Vf.  vor  Jahren  mannigfache 
Anregung  gab.  —  Auch  die  von  Friedrich  von  Bernhardi27)  heraus- 
gegebenen Memoiren  Theodor  von  Bernhardis,  deren  zweiter  und  dritter  Teil 
die  J.  1834—60  umfassen,  schildern  ihren  Vf.  noch  nicht  in  seinem  eigentlich 
diplomatischen  Wirken,  wohl  aber  im  regen  Verkehr  mit  vielen  der  massgebendsten 
politischen  Persönlichkeiten  in  Deutschland  und  speciell  in  Preussen.  Ungemein 
aufschlussreich  für  die  politische  Geschichtsforschung,  spenden  sie  doch  auch  zur 
Mehrung  unserer  literarhistorischen  Kenntnisse  manche  Beiträge,  die  freilich  teil- 
weise mit  Vorsicht  aufzunehmen  sind.  Bernhardi  suchte  nach  seiner  Rückkehr  aus 
Russland  1851  und  52  mehrmals  seinen  Oheim  L.  Tieck  auf,  der  ihm  nun  wohlwollend 
entgegenkam,  aber  auch  vor  ihm  seinem  Aerger  über  die  damalige  preussische 
Politik,  über  die  Schwäche  des  Königs,  über  den  „pietistischen  Unfug"  Luft  machte 
und  sich  gegen  ihn  über  Dichtung  und  Dichter  rückhaltlos,  doch  meistens  recht 
greisenhaft  äusserte.  Von  Goethes  Werken  liess  er  nur  „Götz"  und  „Werther"  gelten. 
Im  „Faust"  schien  ihm  zu  dem  grossartigen  Anfang  und  zu  der  Scene  des  Erdgeists 
der  weitere  Verlauf  nicht  zu  passen;  die  Gemeinschaft  Fausts  mit  Mephisto  und  die 
Liebe  zu  dem  einfachen  Gretchen  dünkte  den  Alten  unbegreiflich;  im  zweiten  Teil 
sah  er  nichts  als  verachtenswerte  Willkür  und  Laune.  Verständnis  für  das  Theater 
sprach  er  Goethe  überhaupt  ab.  Er  beklagte,  dass  der  junge  Dichter  an  den  kleinen 
Weimarer  Hof  gekommen  und  nicht  Bürger  von  Frankfurt  geblieben  sei:  „dann  wäre 
etwas  aus  ihm  geworden,  was  eine  Parallele  mit  Shakespeare  bilden  könnte!"  Dann 
wieder  warf  er  ihm  vor,  dass  er  die  Frankfurter  Mundart  nie  losgeworden  sei.  Auch 
dass  Goethe  nicht  in  alle  Ewigkeit  fortführ,  naiv  zu  dichten  wie  in  der  Jugend,  dass 
er  dem  Einflüsse  der  Antike  sich  hingab,  verzieh  ihm  Tieck  nicht.  Seine  eigentliche 
Ueberzeugung  von  der  Poesie,  in  der  Bernhardi  die  ganze  wesenlose  Hohlheit  des 
romantischen  Treibens  erkennt,  sprach  Tieck    1852  mit   den  Worten    aus:    „An    dem 


Velhagen  &  Klasing.  V,  432  S.  M.  8,00.  I[A.  Bartels:  Didask.  N.  276.JI  -  24)  X  (IV  lb:462.)  (Schildert  anschaulich  d. 
Gefängniswesen  im  Reichsland;  für  Litteraturgesch.  ganz  unergiebig,  auch  mit  recht  sonderbaren  socialpolit.  Anschauungen: 
am  sog.  Kulturkampf  sind  nach  d.  Ansicht  d.  Vf.  bloss  d.  Juden  schuld;  d.  gröbste  Fehler  d  preuss.  Diplomatie  war,  dass  man 
1860  d.  „Krämerrepublik"  Hamburg  nicht  in  Preussen  einverleibte  usw.)  —  25)  X  A.  Egger  Kitter  v.  Möllwald,  Aus  d. 
Märztagen  1848  in  Klagenfurt.  Tagebuchskizzen  e.  Studierenden  am  Lyceuro  in  Klagenfurt,  luitget. :  Carinthia  1,  S.  170/8. 
(Aus  d.  Tagebuch  d.  späteren  Advokaten  F.  Kohlmayr,  über  d.  österr.  Revolut.,  ohne  litterargesch.  Beziehungen.)  — 
26)  Helene  v.  Taube,  Aus  d.  Tagebuchbll.  d.  Grafen  Alex.  Keyserling.  Philosoph. -relig.  Gedanken  mit  einzelnen 
Zusätzen  aus  Briefen  Her.  v.  seiner  Tochter.  Mit  e.  Lebensskizze,  verf.  v.  Graf  Leo  Keyserling,  St.,  Cottn.  XL,  290  S. 
M.  6,00.  -  27)  [F.  v.  BernhardiJ  Aus  d.  Leben  Theodor  v.  Bernhardis.  IL  T.:  Unter  Nikolaus  I.  u.  Friedrich  Wilhelm  IV. 
Briefe  u.  Tagebuchbll.  aus  d.  J.  1834-57.  Mit  e.  Bild.  Bernhardis.  III.  T.:  D.  Anfänge  d.  neuen  Aera.  Tagebuchbll.  aus  d. 
Zeit  d.  Stellvertretung  n.  Regentschaft  d.  Prinzen  v.  Preussen.  L ,  Hirzel.  1893-94.  368  8.;  XVII,  349  S.  M.  14,00.  |[DRs.  78, 
S.  473/4;  Th.  Schiemann:  DLZ.  S.  783/5;  BerlBörsCour.  N.  10;   G.  Winter:  BLU.  S.  357/8;  TglRs".  N.  176;  FrBlw.  N.  39, 


F.  Muncker,    Allgemeines    des    18./19.   Jahrhunderts:    Memoiren    usw.     IV  lc.27 

Streben,  sich  von  der  Bedeutung"  der  Dinge  Rechenschaft  zu  geben,  ist  Goethe  zu 
Grunde  gegangen!"  Auch  über  Schiller  äusserte  er  sich  nur  tadelnd,  namentlich  über 
Schillers  „wahnsinnige"  Ansicht,  dass  die  Shakespeareschen  Schauspiele  einen  Chor 
haben  müssten;  Tieck  erblickte  in  dem  Humor  des  Engländers,  in  seiner  Ironie, 
seinem  Verweisen  auf  die  Wirklichkeit  weit  mehr  als  einen  Chor.  Von  Wielands 
Schriften  nahm  der  schwer  zu  befriedigende  Alte  den  „Idris"  wegen  seines  phantastischen 
Charakters  in  Schutz.  Von  Voss,  seinem  geistigen  Antipoden,  sprach  er  stets  mit 
Verachtung  und  Ingrimm.  Mehr  Wahrheit  lag  in  seiner  Behauptung,  dass  Novalis 
und  Schleiermacher  nicht  recht  zusammengepasst  hätten,  da  diesem  etwas  von  der 
Aufklärung  der  früheren  Zeit  anklebte,  während  jener  „ein  christliches  gläubiges 
Gemüt"  gewesen  sei.  Vor  allem  verhielt  sich  Tieck  nunmehr  ablehnend  gegen  eine 
tiefere  historische  Auffassung  der  Poesie;  zu  einem  wirklichen  litterar-  oder  sagen- 
geschichtlichen Verständnis  der  homerischen  Dichtungen,  des  Nibelungenliedes  oder 
auch  nur  der  Grimmschen  Märchen  und  deutschen  Sagen  hatte  er  es  nach  dem  Urteil 
seines  Neffen  nicht  gebracht.  Das  Gespräch  über  J.  Grimm  lehnte  er  ab,  da  diese  Art 
Gelehrsamkeit,  diese  Pedanterie  ihm  immer  etwas  Fremdes  gewesen  sei.  Für  ihn  g-ebe  es 
keine  alte  oder  neue,  sondern  nur  gute  und  schlechte  Poesie.  Diese  und  ähnliche  Aus- 
sprüche bestimmen  Bernhardi  nur  noch  entschiedener  zur  Abkehr  von  den  Romantikern, 
die  es  nach  seiner  Meinung  doch  niemals  weiter  als  bis  zum  Phantasieren  ohne  strenge 
Folgerichtigkeit,  ohne  energisch  eingeschlagene  Richtung  nach  einem  bestimmten 
Ziele  brachten.  An  Tieck  insbesondere  vermisst  er  trotz  dessen  massenhafter  Lektüre 
wirkliche,  in  der  Jugend  erworbene  Kenntnisse  und  ernsthafte  Vorstudien  zu  seinen 
Werken,  wie  sie  etwa  Goethe  machte.  „Er  hat  das  Leben  als  einen  wesenlosen  Traum 
behandelt.  Er  ist  überall  beim  blossen  Genuss  stehengeblieben."  Bei  wiederholtem 
längerem  Aufenthalt  in  Weimar  wird  Bernhardi  mit  Eckermann,  Kräuter  und  anderen, 
die  noch  Goethe  nahe  gestanden  hatten,  bekannt.  Aber  was  er  von  ihnen  hört,  geht 
meist  über  unerquicklichen,  wohl  auch  nur  halbwahren  Klatsch  über  Goethes  Sohn 
und  Schwiegertochter  nicht  hinaus.  Dass  nirgends  in  Deutschland  das  Dasein  Goethes 
und  Schillers  so  wenig  nachgewirkt  habe  wie  in  Weimar,  klagt  ihm  auch  Joukowsky. 
Zu  dem  neuen  Aufschwung  aber,  den  die  Ilmstadt  um  1850  im  deutschen  Kunstleben 
nahm,  kann  Bernhardi  kein  Verhältnis  gewinnen.  Liszt  ist  ihm  persönlich  äusserst 
unsympathisch;  nur  ausnahmsweise  und  widerwillig  spendet  er  ihm  einmal,  nachdem 
er  ihn  dirigieren  und  spielen  hören,  unbedingten  Beifall.  Von  seinem  Geist  und 
Charakter  jedoch  weiss  er  nur  vorurteilsvoll  und  im  verkleinernden  Tone  zu  reden; 
über  Liszts  Verhältnis  zur  Fürstin  Wittgenstein  kramt  er  allerlei  widerlichen  Klatsch 
aus,  der  selbst,  wenn  ein  Teil  davon  auf  Wahrheit  beruhen  sollte,  besser  ungedruckt 
geblieben  wäre.  Flüchtig  streift  er  Stahrs  Beziehungen  zu  Fanny  Lewald  und  schildert 
die  geckenhafte  Eitelkeit  des  Fürsten  Pückler-Muskau  („eine  höchst  alberne  Karikatur") 
sowie  die  Gefährlichkeit  seiner  egoistisch-frivolen  Lebensanschauung.  Wagners 
„Lohengrin",  für  den  man  in  Weimar  schwärmt,  missfällt  ihm  schon  darum,  weil  die 
Schwanrittersage  ursprünglich  heidnisch  und  ihre  Verbindung  mit  dem  —  von  Haus 
aus  ja  auch  nicht  christlichen  —  Gral,  ihre  christlich-mystische  Umdichtung,  ganz 
willkürlich  sei!!  Dagegen  konstatiert  er  mit  einer  gewissen  Freude  die  Begeisterung, 
mit  der  damals  in  Weimar  sogar  Frauen  und  Gymnasiasten  altdeutsche  Litteratur, 
ja  selbst  das  „Eddawesen"  studierten  Behaglicher  fühlte  er  sich  im  Kreise  des 
Herzogs  Ernst  IL  August  von  Koburg-Gotha.  Hier  wurde  er  1858  mit  G.  Freytag 
und  B.  Auerbach  persönlich  befreundet,  nachdem  ihm  schon  das  dichterische  Talent 
und  die  politische  Tendenz  in  „Soll  und  Haben"  sowie  das  neben  dem  revolutionären 
Element  und  der  Parteiunwahrheit  in  den  „Schwarzwälder  Dorfgeschichten"  hervor- 
tretende Talent  ein  günstiges  Vorurteil  für  beide  Vf.  eingeflösst  hatte.  Mit  Freytag 
fühlte  er  sich  eins  in  seiner  preussischen  Gesinnung  und  seinem  Verlangen  nach 
deutscher  Einheit;  aber  er  wusste  auch  die  Klage  des  Dichters  zu  würdigen,  dass 
Preussen  oft  die  kleinen  Staaten,  die  es  an  sich  heranziehen  sollte,  geradezu  zurück- 
stosse  und  ob  ihrer  Kleinstaaterei  verspotte.  Auerbachs  Liebenswürdigkeit  nahm 
ihn  nicht  minder  ein,  obgleich  er  zu  erkennen  glaubte,  dass  Auerbach,  und  zwar 
nicht  selten  mit  Erfolg,  darauf  ausgehe,  glänzende  Dinge  zu  sagen.  Beide  begegneten 
sich  in  Klagen  über  den  gesunkenen  Zustand  der  deutschen  Litteratur.  Wunderte 
sich  dann  Bernhardi,  dass  man  von  Gutzkow,  Hebbel,  Prutz  und  ihren  Genossen 
ernsthaft  rede,  „als  wäre  das,  was  sie  zu  Tage  fördern,  wirklich  eine  Litteratur",  so 
meinte  Auerbach,  diese  Leute  wüssten  alle  recht  wohl,  dass  ihr  ganzer  Ruhm  künstlich 
gemacht  und  in  der  That  nichts  dahinter  sei.  Ebenso  übertrieben  wie  dieses  Urteil 
ist,  was  Bernhardi  über  Goethes  unfruchtbares  Bemühen,  das  abstrakte  Ideal  in  der 
Kunst  zur  Geltung  zu  bringen,  und  über  seine  und  Schillers  gemeinsame  theatralische 
Bestrebungen  sagt,  die  von  jedem  wirklichen  Verständnis  des  Dramas  und  dramatischer 
Darstellung  immer  hoffnungsloser  abgeführt  und  schliesslich  zum  Allertraurigsten, 
zu  Uebersetzungen  aus  Voltaire  und  Racine,  hingeleitet  hätten.  — 


IV  lc:  28-40     F.  Muncker,    Allgemeines  des    18./19.  Jahrhunderts:    Memoiren  usw. 

Zu  den  Kriegsleuten  hinüber  führt  der  durch  G.  Kellers  „Züricher 
Novellen"  unsterblich  gewordene  schweizerische  Oberst  und  Landvogt  Salomon 
Landolt,  von  dem  Pestalozzi28)  mehrere  Briefe  veröffentlicht.  Den  sonderbaren, 
derblustigen  Humor  des  originellen  Mannes,  den  Keller  so  köstlich  schildert,  weisen 
darunter  besonders  zwei  Briefe  von  1817  auf,  an  die  Nichte  des  Schreibenden,  Jung- 
frau Margarete  Landolt,  gerichtet.29-30)  —  Dankenswert  ist  die  Herausgabe  der  Briefe 
Gneisenaus  an  seinen  Jugendfreund  J.  B.  Siegling  durch  Pick31)  mit  mannigfachen 
Beilagen,  darunter  zwei  Briefen  von  Karoline  von  Humboldt.  Aufschlussreich  für 
die  Kenntnis  des  Lebens  und  Charakters  Gneisenaus,  liefern  sie  für  die  Literatur- 
geschichte freilich  ausser  der  Vermutung,  dass  dieser  im  Mai  1803  zu  Erfurt  auch 
mit  Schiller  bekannt  geworden  sein  dürfte,  kein  Ergebnis.  —  Eine  prächtige  Gabe 
ist  uns  in  Moltkes  nunmehr  vollständig  und  unverkürzt  veröffentlichten  Briefen  an 
seine  Braut  und  Frau  und  an  andere  Anverwandte  beschert,  von  Kürschner32) 
herausgegeben  und  mit  Einleitung  und  reichhaltigem  Register  versehen,  von  Moltkes 
Neffen  Henry  von  Burt  mit  kurz  erläuternden  Anmerkungen  begleitet.  Es  sind 
über  400  Briefe  aus  den  J.  1841—90,  namentlich  während  der  ersten  drei  Jahr- 
zehnte so  zahlreich  und  ausführlich,  dass  sie  eine  ziemlich  vollständige  Lebens- 
beschreibung ihres  Vf.  darbieten.  Und  zwar  eine  Lebensbeschreibung  von  unver- 
gleichlichem subjektivem  Reiz.  Die  herzliche  Liebenswürdigkeit,  die  sittliche  Tüchtig- 
keit, die  Klarheit  und  heitere  Ruhe  in  dem  ganzen  Wesen  Moltkes  prägt  sich  dem 
Leser  vielleicht  nirgends  so  deutlich  ein  wie  in  diesen  Briefen.  Ihre  Lektüre  ist  ein 
Genuss  für  Geist  und  Herz  und  gewährt  auch  ganz  besonders  dem  künstlerischen 
Sinne  reiche  Anregung,  obgleich  naturgemäss  von  Kunst  und  Poesie  wenig  darin  die 
Rede  ist.  Hie  und  da  flicht  Moltke  ein  Citat  aus  Goethe,  einmal  auch  aus  Herders 
„Cid"  oder  aus  Uhland  und  anderen  Dichtern  ein.  Von  Theateraufführungen  berichtet 
er  öfters  in  aller  Kürze  und  leiht  bei  einer  solchen  Gelegenheit  auch  1841  seiner 
Bewunderung  für  die  „Antigone"  etwas  reichlicher  bemessene  Worte.  Einmal  trägt 
er  (am  1.  Dec.  1841)  seiner  Braut  sogar  eine  kleine  Novelle,  wahrscheinlich  von 
eigener  Erfindung,  vor,  die  anekdotenhaft-abenteuerlich  das  Leben  Paganinis  aus- 
schmückt und  in  ihrer  Art  etwas  an  die  Geschichten  E.  T.  A.  Hoffmanns  erinnert, 
auch  gleich  diesen  der  Begeisterung  über  das  virtuose  Spiel  eines  Künstlers  ihren 
Ursprung  verdankt,  aber  einfacher  und  gesunder  gehalten  ist,  sich  bei  aller  Kühnheit 
der  Erdichtung  doch  mehr  an  die  Wirklichkeit  anlehnt.  —  In  keiner  Weise  reichen 
an  diese  köstliche  Briefsammlung  die  übrigen  Memoirenwerke  aus  Soldatenkreisen33-38) 
heran;  für  die  deutsche  Literaturgeschichte  liefern  sie  so  gut  wie  keine  Ausbeute.  — 

Unter  den  Dichtern  und  Dichterinnen 39)  steht  diesmal  W  i  e  1  a  n  d 
voran,  von  dem  Hassencamp40)  hundert,  grossenteils  französisch  geschriebene,  aus 
den  J.  1750  (oder  1751)  bis  89  stammende  Briefe,  meistens  von  sehr  beträchtlichem 
Umfange,  veröffentlicht.  Für  die  Erkenntnis  von  Wielands  äusserer  Lebensgeschichte 
und  von  seiner  Charakterentwicklung,  seinen  Herzensirrungen,  seinen  philosophisch- 
moralischen Anschauungen,  besonders  während  der  Biberacher  und  Erfurter  Periode, 
sind  diese  Briefe  ungemein  wichtig.  Das  Bild,  das  sie  uns  von  dem  Menschen 
Wieland  zeigen,  ist  freilich  in  mehr  als  einer  Hinsicht  abstossend:  kleinliche  Züge 
machen  sich  darin  überall  bemerkbar;  begehrliche  Sinnlichkeit,  Unbeständigkeit, 
verächtliche  Schwäche  und  sittliche  Haltlosigkeit  und  zugleich  herzlos  berechnendes 
Haschen  nach  dem  äusserlichen  Vorteil  bestimmten  während  einer  Reihe  von  Jahren  die 
Handlungen  des  Dichters,  stürzen  ihn  in  schwere  Schuld  und  bringen  namentlich  über 
ein  armes  Wesen,  das  seiner  Lust  zum  Opfer  fällt,  bitteres  Leid,  das  der  Frevler  in 

42;Th.  H.Pantenius:  Daheim  30,  S.  140/2; -in-:  LZgl».N.5]|  (Vgl.  JBL.  1893 IV  lc  :  47;  s.o.IY  lb:230).  —  28)  F.O.Pestalozzi, 
Briefe  d.  Landvogts  Sal.  Landolt  ans  d.  J.  1814-17:  ZürcherTb.  17,  S.  47-61.  —  29)  X  A-  Maag,  Erinnerungen  d.  Obersten 
Job.  Landolt  v.  Zürich  ans  d.  J.  1807-15,  nach  seinem  Tageb.  her.  IL  T.:  D.  J.  1811-15:  ib.  S.  144-221.  (Fortsetz,  zu  JBL. 
1893  IV  lc:50.)  —  30)  O  X  F.  W.  Junghans,  D.  amerik.  Feldzug  d.  Hessen  nach  d.  Tageb.  d.  Grenadiers  Joh.  Reuber 
v.  Niedervellmar  (1776-83):  Hessenland  S.  155/7,  167/8,  183/6,  31S,9.  —  31)  A.Pick,  Briefe  N.  y.  Gneisenaus  an  Dr.  Joh.  Blas. 
Siegling,  Prof.  d.  Mathem.  in  Erfurt:  MVGErfurt.  16,  S.  23-110.—  32)  [J.  Kürschner  u.  H.  v.  Burt,]  H.  v.  Moltkes  Briefe 
an  seine  Braut  u.  Frau  u.  an  andere  Anverwandte.  Mit  e.  Einl.  n.  e.  ausführt.  Namen-  u.  Sachreg.  2  Bde.  Mit  2  Bildern  u. 
e.  Faksimile.  St.,  Dtsch.  Verlagsanst.  XII,  359  S.;  III,  408  S.  M.  10,00.  |[?:  ÖLB1.  3,  S.  331;  Th.  H.  Panten  ins:  Daheim  30, 
S.  582J|  —  33)  X  F.  Betz,  Aus  d.  Erlebnissen  u.  Erinnerungen  e.  alten  Offiziers.  Karlsruhe,  Reiff.  IV,  266  S.  M.  2,0O. 
(Darin  manche  Beitrr.  z.  bad.  Kulturgesch.  u.  bes.  z.  Kriegsgesch.  v.  1870—71;  auch  e.  Ber.  über  e.  Taktlosigkeit  d.  Dramatikers 
Frhrn.  v.  Auffenberg  in  seiner  Karlsruher  Hofstellung  u.  über  sein  sonderbares  Testament.)  —  34)  OX  R-  Wille,  Vor  30  J. 
Lose  Tagebuchbll.  aus  d.  Feldzug  gegen  Dänemark.  B.,  Siegismund.  283  S.  M.  6,00.  —  35)  X  D-  v-  Gerhardt 
|[=  Gern.  v.  Amyntor],  D.  Skizzenbuch  meines  Lebens.  LT.  2.  Aufl.  Mit  Bild.  Breslau,  Schles.  Buchdr.  306  S.  M.  4,00. 
[VelhKlasMh.  1,  S.  124/6.J|  (Vgl.  JBL.  1893  IVlc:64.)  —  36)  X  L-  ▼■  Reuss,  Begebnisse  u.  Erlebnisse  im  dtsch.-franz. 
Kriege  1870—71.  Vom  Beginn  d.  Kriegs  bis  z.  Friedensschluss  u.  d.  Rüokkehr  in  d.  Heimat.  Landsberg  a.  L.,  G.  Verza. 
V,  126  S.  M.  2,00.  (Tagebuchart.  Ber.  in  frischer  Darstell,  reich  an  anschaulichen  kleinen  Zügen.)  —  37)  O  X  B.  Arke, 
Im  Felde.  Kriegserinnerungen  e.  Freiwilligen  vom  Grenadierreg.  König  Friedrich  IL  (3.  Ostpreuss.)  N.  4.  Mit  Abbild.  B., 
Mittler.  78  S.  M.  1,00.  —  38)  OXHRittervFödransPerK'  *°  J-  in  d-  österr.  Armee.  Erinnerungen  e.  österr.  Offiziers 
v.  seinem  Eintritte  in  d.  Armee  bis  z.  Gegen w.  1854-94.  Aus  d.  Gedächtnisse  erz.  1.  Bd.  Vom  Okt.  1854  bis  April  1866. 
Dresden,  Beyer.  VIII,  271  S.  M.  4,00.  —  39)  X  B.  Seuffert,  K.  Schüddekopf,  Briefe  v.  u.  an  J.  N.  Götz  (JBL.  1893  IV 
lc:65):  DLZ.  S.  1261/2.  (Lobend.)  —  40)  R.  Hassencamp,  Neue  Briefe  Chrph.  Mart.  Wielands,  vornehmlich  an  Sophie  v.  la 
Roche.     St.,  Cotta.    XXXII,  296  S.    M.  6,00.     |[M.  K(och):  LCB1.  S.  284/5  (charakterisiert  knrz  u.  scharf  d.  wenig  vorteilhafte 


F.  Muncker,    Allgemeines    des    18./19.   Jahrhunderts:    Memoiren    usw.      IV  1  c  :  40 

keiner  Weise  zu  sühnen  sich  bemüht.  Aber,  so  widerlich  manches  ist,  was  wir  aus 
diesen  Briefen  erfahren,  sie  fördern  doch  durchweg"  unser  Verständnis  von  dem  Wesen 
und  demgemäss  mittelbar  auch  von  den  Werken  Wielands,  berichtigen  und  ergänzen 
Seite  für  Seite  unsere  vorher  oft  ungenauen,  oft  unvollständigen  Vorstellungen.  Im 
einzelnen  decken  sie  das  Liebesverhältnis  zu  Bibi  auf  (JBL.  1892  IV  3: 25),  berichten 
von  seinem  Prozess  wegen  der  durch  die  katholische  Partei  ihm  streitig  gemachten 
Kanzleidirektorstelle  in  Biberach,  dann  von  seinen  verschiedenen  Heiratsgedanken, 
bis  er  sich  aus  rein  materiellen  Gründen  ohne  jede  richtige  Neigung  mit  einem 
Mädchen  vermählt,  das  er  selbst,  als  geistig  ungebildet  und  kindisch-naiv,  nichts 
weniger  als  schmeichelhaft  schildert  und  erst  nach  und  nach  in  der  Ehe  lieb  ge- 
winnen lernt.  Einen  tiefen  Einblick  gewähren  die  Briefe  in  Wielands  freundschaft- 
liches Verhältnis  zu  den  Familien  des  Grafen  Stadion  und  seines  treuen  Schützlings 
von  La  Roche.  Und  hier  zeigen  sich  erfreulichere  Seiten  im  Charakter  des  Dichters. 
Treue  Anhänglichkeit  wahrt  er  der  Jugendfreundin  Sophie  von  La  Roche,  auch  in 
der  Zeit,  da  er  selbst  als  Sachwalter  Biberachs  in  einem  Streit  zwischen  der  Stadt 
und  dem  Grafen  den  Verkehr  in  Warthausen  meiden  muss.  Aber  so  sehr  er  sich 
auch  in  den  geistig  anregenden  Kreis  Stadions  zurück  sehnt,  so  vergiebt  er  doch  bei 
den  Versöhnungsversuchen  seinem  männlichen  Stolze,  den  der  Graf  schwer  gekränkt 
hat,  nicht  das  Mindeste.  Sophiens  Sohn  Fritz  nimmt  er  in  Erfurt  zu  sich  in  Pension 
und  überwacht  seine  Erziehung,  kann  aber  bald  nur  Schlimmes  von  dem  Leichtsinn 
und  den  langsamen  Fortschritten  des  nicht  unbegabten  Knaben  an  die  Eltern  berichten. 
Eine  Reise  im  Frühling  1771  nach  Coblenz  zum  Besuch  des  nun  hierher  über- 
gesiedelten La  Roche  gewährt  ihm  einige  Wochen  ungetrübter,  von  ihm  über- 
schwenglich gepriesener  Freude.  Mit  Rat  und  That  steht  er  den  Freunden,  wo  er 
kann,  auch  in  der  Ferne  zur  Seite;  namentlich  äussert  er  sich  mehrfach  als 
litterarischer  Freund  über  Sophiens  Erzählungen,  ausführlich  besonders  im  Mai  1767 
über  den  Erstling  unter  ihnen,  eine  „Anecdote  Silesienne",  für  die  er  im  Taumel 
seines  Entzückens  gern  alles  hingeben  möchte,  was  er  selbst  je  geschrieben.  Reichlich 
vergilt  ihm  aber  die  Freundin  all  diese  Teilnahme.  Wie  sie  in  seinen  Herzenswirren 
zu  Biberach  ihm  eine  treue  Beraterin  und  aufopfernde  Helferin  ist,  so  wird  sie  seiner 
Frau  eine  gütige  Führerin,  der  zu  danken  er  Brief  auf  Brief  neue  Gelegenheit  findet. 
Ihr  darf  er  hernach  alles  vorklagen,  was  ihm  den  Aufenthalt  in  Erfurt  so  bald  ver- 
leidet, besonders  die  Ränke  seiner  unduldsamen.  Kollegen,  unter  denen  fast  nur 
Riedel  ihm  auf  die  Dauer  freundschaftlich  nahe  bleibt ;  und  selbst  von  ihm  schreibt 
er  ärgerlich  im  Jan.  1771 :  „C'est  ce  Riedel,  qui  se  Charge  de  tout,  qui  promet  tout 
et  ne  tient  rien."  Und  Sophie  begegnet  bereitwillig  seinem  Wunsche  nach  einer 
neuen  Aenderung  seiner  Stellung;  Wieland  muss  ihr  einmal  seine  feste  Ueberzeugung 
ausdrücken,  dass  an  der  Universität  Leipzig,  an  die  La  Roche  ihn  zu  empfehlen 
hoffte,  für  ihn  kein  Platz  zu  finden  sei.  Ebenso  nimmt  sie  an  seinen,  durch 
F.  H.  Jacobi  genährten,  trügerischen  Hoffnungen  auf  eine  Berufung  an  den  Darm- 
städter Hof  lebhaften  Anteil,  und  noch,  nachdem  er  seine  pädagogische  Aufgabe  bei 
dem  Prinzen  Karl  August  von  Weimar  gelöst  hat,  denkt  sie  an  die  Begründung  einer 
Art  von  akademischer  Schule  in  Neuwied,  an  der  der  Jugendfreund  in  ihrer  nächsten 
Nähe  einen  neuen  Wirkungskreis  finden  soll.  Ueber  Wielands  dichterische  Werke 
enthalten  die  Briefe  wenig  direkte  Mitteilungen.  Den  zweiten  Teil  des  „Don  Sylvio" 
in  Gesellschaft  vorzulesen,  erklärt  der  Vf.  selbst,  indem  er  auf  die  Geschichte  der 
Feen  im  Märchen  vom  Prinzen  Biribinker  verweist,  für  unmöglich,  obgleich  er  den 
verfänglichen  Inhalt  als  „assez  dröle"  rühmt  (16.  Febr.  1764).  Am  2.  Mai  1767  freut 
er  sich  des  schönen  Wachstums  seines  „Idris" ;  die  fünf  Gesänge  (über  500  Strophen), 
die  davon  fertig  vorlägen,  bezeichnet  er  als  nahezu  die  Hälfte  des  über  allen  Vergleich 
bizarren  Gedichts.  Ziemlich  geringschätzig  spricht  er  am  8.  Jan.  1770  von  seinem 
„Diogenes"  als  von  einer  Bagatelle,  auf  die  er  sehr  wenig  Zeit  verwendet  habe,  und 
an  der  die  hübschen  Vignetten  das  Beste  seien.  Dagegen  kündigt  er  am  30.  Sept.  1770 
die  „Grazien",  deren  Titelkupfer  er  vorläufig  in  heller  Freude  übersendet,  lobend  als 
„filles  de  mon  esprit  et  de  mon  coeur"  an.  Auch  noch  im  folgenden  Briefe  bekennt 
er  seine  besondere  Liebe  zu  diesem  Werke,  von  dem  er  hofft,  dass  es  ihn  mit  dem 
geistreichen  Teile  der  grossen  Welt  auf  guten  Fuss  stellen  werde.  Später  (1785) 
beklagt  er  sich  einmal  bitter  über  die  ganz  unbefriedigende  Behandlung,  die  Graf 
Tressan  in  der  „Bibliotheque  des  romans"  seinem  „Neuen  Amadis"  angedeihen  liess, 
und  überhaupt  über  die  französischen  Uebersetzer  seiner  Werke;  nur  Dorat  als  Nach- 
bildner seiner  moralischen  Erzählung  „Selim  und  Selima"  mache  eine  rühmliche 
Ausnahme.  Beziehungen  zur  übrigen  deutschen  Litteratur  ergeben  sich  aus  diesen 
neuen  Briefen  nur  sehr  spärlich.  Am  bedeutendsten  darunter  ist  ein  (aus  ander- 
weitigen Briefen  schon  bekannter)  heftiger  Zorneserguss  Wielands  auf  J.  B.  Michaelis 
wegen  seiner  gegen  Spalding  gerichteten,  auch  J.  G.  Jacobi  kompromittierenden 
Epistel  „An  den  Herrn  Kanonikus  Gleim"  (8.  Sept.  1771);    im    vollen  Gegensatze  zu 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschiohte.    V.  (4)12 


IV  lc:  40-42      F.  Muncker,    Allgemeines   des    18./19.  Jahrhunderts:    Memoiren  usw. 

F.  H.  Jacobi,  der  die  „ganze  Piece  von  Michaelis"  zu  Wielands  Erstaunen  und  bitterem 
Verdruss  vortrefflich  fand,  tobte  dieser,  der  offenbar  von  den  unvermeidlichen  Folgen 
des  Pasquills  Gefahr  für  die  gesamte  sinnlich-freiere  Poesie  Deutschlands  fürchtete, 
mit  den  gröbsten  Schimpfworten  gegen  die  „hündische  Unverschämtheit  des  nichts- 
würdigen Witzlings"  und  verschonte  auch  „die  mehr  als  kindische  Unbesonnenheit 
dieses  alten  Wickelkindes  Gleim"  nicht,  „der  aus  läppischer  Gutherzigkeit  einen  jeden 
Versmacher,  der  nichts  zu  fressen  hat,  an  seinen  Busen  drückt".  Das  Französisch, 
in  dem  die  meisten  Briefe  abgefasst  sind,  ist  oft  ziemlich  flüssig  und  nicht  ungewandt, 
wenn  auch  reich  an  Germanismen  und  an  grammatikalischen  Fehlern,  die  der  Heraus- 
geber grösstenteils,  doch  keineswegs  immer,  angemerkt  hat.  Die  litterargeschichtlich 
wichtigeren  Ergebnisse  der  Briefsammlung  stellt  er  sorgfältig  in  der  ausführlichen 
Vorrede  zusammen.  — 

Auch  für  die  Geschichte  Wielands  mannigfach  ergiebig  ist  der  Briefwechsel 
zwischen  seinem  zeitweiligen  Schüler  und  Schützling  Heinse  und  Gleim,  dessen 
erste  Hälfte,  85  Briefe  vom  18.  Nov.  1770  bis  zum  19.  Febr.  1775  reichend,  Schüdde- 
kopf41)  nunmehr  vollständig  und  mit  gewohnter  Sorgfalt  nach  den  Originalen  her- 
ausgegeben hat,  nachdem  der  grössere  Teil  dieser  Briefe  seit  Jahrzehnten  bereits  in 
ungenauen  Abdrücken  und  zwar  in  verschiedene  Werke  zerstreut  vorliegt.  Sch.s 
vortreffliche  Anmerkungen  und  Nachträge  aus  anderen  Briefen  Heinses,  Wielands, 
Gleims  und  seiner  Freunde  erhöhen  die  wissenschaftliche  Brauchbarkeit  der  neuen 
Ausgabe  noch  um  ein  Beträchtliches.  Heinses  Lebensgeschichte,  die  Entwicklung 
seines  Charakters,  sein  Verhältnis  zu  Wieland;  dem  „göttlichen  Mann",  in  dessen 
neuesten  Dichtungen  er  begeistert  geradezu  lebt,  während  er  sich  doch  allmählich 
über  die  inneren  Widersprüche  im  sittlich-geistigen  Wesen  des  Bewunderten  allerlei 
ketzerische  Gedanken  macht,  seine  dankbare  Ergebenheit  gegen  den  im  Wohlthun 
unermüdlichen  „Grazienheiligen"  Gleim,  seine  Beziehungen  zu  dem  Hauptmann 
Günther  von  Liebenstein  während  ihrer  gemeinsamen  Reise  an  den  Rhein  und  nach 
Franken  1771 — 72,  sein  Zusammenleben  mit  Gleim  in  Halberstadt,  seine  Hauslehrer- 
thätigkeit  in  der  Familie  von  Massow,  seine  Uebersiedlung  nach  Düsseldorf  zu 
J.  G.  Jacobi  und  Mitarbeit  an  dessen  „Iris"  —  alles  dies  und  manches  andere  tritt  in 
jenen  Briefen  in  eine  helle,  teilweise  neue  Beleuchtung.  Wir  erhalten  bedeutsame 
Aufschlüsse  über  persönliche  Begegnungen  Heinses  mit  Uz  und  namentlich  mit  Goethe, 
Nachrichten  über  seine  litterarischen  Pläne  und  deren  Ausführung,  besonders  über 
seine  Uebersetzungen  aus  Petron  und  Dorat,  seine  ersten  Versuche  in  Sinngedichten 
und  Stanzen,  sein  „Lai'dion"  und  seine  biographischen  Arbeiten  zu  Tasso  und  Petrarca. 
Wir  verfolgen  in  Gleims  Briefen  und  Heinses,  auch  den  Dichtungen  seines  Gönners 
unbedingt  huldigenden,  Antworten  das  allmähliche  Entstehen  des  „Halladat"  und  die 
Bemühungen  der  Halberstädter  Freunde  um  poetische  Uebersetzungen  aus  den  Minne- 
singern. Wir  hören  von  Gleim  wie  von  Heinse  charakteristische  Urteile  über  Klop- 
stocks  „Gelehrtenrepublik",  über  die  Werke  Wielands,  Herders,  des  jungen  Goethe  und 
der  übrigen  Stürmer,  über  Ramler  und  Spalding  nach  ihrer  Entzweiung  mit  dem 
Halberstädter  Freunde,  aber  auch  über  Boccaccio  und  den  schwärmerisch  verehrten 
Metastasio ;  besonders  äussert  sich  Gleim  in  einem  schon  durch  die  unfreiwillige  Nach- 
bildung der  Geniesprache  höchst  bezeichnenden  Briefe  ausgiebig  über  den  „Werther". 
Auch  übe?  die  litterarischen  Verhältnisse,  die  Riedel  in  Wien  antraf,  über  die  aus- 
zeichnenden Aufmerksamkeiten,  mit  denen  Herzogin  Anna  Amalie  Wieland  begegnete, 
vernehmen  wir  allerlei  Beachtenswertes.  Der  Inhalt  der  Briefe  im  einzelnen  ist  zwar 
eben  so  wenig  stets  erfreulich  wie  der  oft  burschikos  freche,  oft  witzig  tändelnde, 
oft  überschwengliche  Ton,  den  Heinse,  und  der  ungesund  empfindsame,  oft  schwäch- 
lich klagende  Ton,  den  Gleim  anschlägt;  aber  gerade  dieses  Kleinliche  und  Unerquick- 
liche in  Form  und  Inhalt  dient  dazu,  unseren  Einblick  in  das  ausartende  Treiben 
der  Spätanakreontik  zu  vertiefen.  — 

Den  grössten  Gegensatz  zu  dieser  von  der  strengsten  philologischen  Gewissen- 
haftigkeit zeugenden  Ausgabe  bildet  die  Sammlung  von  Briefen  von,  an  und  über 
Lenz,  die  Waldmann42)  veröffentlicht.  An  sich  wäre  ja  eine  solche  Zusammen- 
stellung des  weitverstreuten,  wenn  auch  meist  schon  gedruckten  Materials  nur  dankens- 
wert; auch,  dass  der  Herausgeber  einige  des  Neudrucks  vor  allem  würdige  Briefe 
übersehen  hat,  soll  ihm  nicht  allzu  schwer  vorgeworfen  werden:  wohl  aber  verdient 
die  wissenschaftlich  durchaus  ungenügende  Art  seiner  Herausgabe,  die  Beschränkung 
des  Abdrucks  auf  „die  signifikanten  Stellen  des  Briefwechsels",  den  herbsten  Tadel. 
Mit  einer  solchen  Sammlung  von  blossen  Brieffragmenten  ist  weder  dem  wissen- 
schaftlichen Forscher  gedient,  der  nun  doch  die  vollständigen  Briefe  in  den  früheren 
Veröffentlichungen  nachschlagen  muss,  noch  dem  nichtfachmännischen  Freund  unserer 


Bild  Wielands,  d.  diese  Briefe  zeigen) ;  NFPr.  N.  10716.]|  —  41)  K.  Schüddekopf,  Briefw.  zwischen  Gleim  u.  Heinse,  her.  1.  Hälfte. 
(=  N.  17,   Bd.  2.)    Weimar,   Felber.    XVI,   267  S.    M.  5,00.   —    42)  F.  Waldmann,   Lenz  in    Briefen.    Zarich,  M.  v.  Stern. 


F.  Muncker,    Allgemeines  des    18./19.  Jahrhunderts:    Memoiren  usw.     IV  lc  :  42-44 

Litteratur,  der  aus  diesen  abgerissenen  Fetzen  unmöglich  sich  ein  lebensvolles  Bild 
von  Lenzens  Persönlichkeit  zusammensetzen  kann.  Höchstens  gewinnt  man  daraus 
einen  halbwegs  bequemen  Ueberblick  über  seine  äusseren  Lebensschicksale.  Von 
den  Briefen,  die  W.  zum  ersten  Male  mitteilt,  fesseln  die  aus  dem  Lavaterarchiv  in 
Zürich  und  aus  der  Stadtbibliothek  in  Riga  vornehmlich  unsere  Aufmerksamkeit. 
Wir  sehen,  mit  welcher  Teilnahme  und  Sorge  die  Familie  des  Dichters  sein  persönliches 
Treiben  und  seine  Schriftstellerei  beobachtete,  wie  misstrauisch  seine  Brüder  zuerst  Goethes 
Einfluss  auf  Lenz  betrachteten,  wie  sie  klagten,  Goethe  habe  mit  seiner  neuen,  freien 
Sprache  Lenz  verdorben,  der  nun  nach  Goethes  Beispiel  auch  seinem  Genie  den  Zügel 
schiessen  lasse.  Später,  als  es  galt,  den  Erkrankten  von  Emmendingen  abzuholen 
und  in  die  Heimat  zu  bringen  (Ende  1778),  berieten  seine  Brüder  eine  Zeit  lang  den 
Gedanken,  ihn  zunächst  noch  in  Jena  Jurisprudenz  studieren  zu  lassen.  Ueber 
Lenzens  schriftstellerische  Werke  enthalten  besonders  Boies  Briefe  an  ihn  manchen 
beachtenswerten  neuen  Aufschluss.  Sie  beziehen  sich  z.  T.  auf  seine  Beiträge  zum 
„Deutschen  Museum",  hauptsächlich  aber  auf  den  vor  der  Veröffentlichung  wieder 
vernichteten  Druck  seiner  Satire  „Die  Wolken"  und  auf  den  mehrmals  veränderten 
Druck  der  „Verteidigung  des  Herrn  W.  gegen  die  Wolken".  Am  11.  April  1776 
berichtet  dabei  Boie,  der  Verleger  Weygand  habe  ihm  vor  einigen  Tagen  Goethes 
„Anekdoten  zu  Werthers  Freuden"  für  das  „Deutsche  Museum"  geschickt;  er  habe 
die  Hs.  aber  zurückgesandt,  „weil  ich  sie  seinet-  und  meinetwegen  nicht  drucken 
lassen  möchte";  überdies  seien  die  „Freuden  Werthers"  längst  vergessen  und  eine 
Erwiderung  darauf  verspätet.  Ein  treffendes  Urteil  über  Lenzens  ganzes  Wesen  fällt 
Lavater  in  zwei  Briefen  an  W7ieland  vom  10.  Juli  und  9.  Aug.  1776.  Ohne  im 
geringsten  an  dem  edlen  Grundcharakter  des  jüngeren  Dichters  zu  zweifeln,  beklagt 
er  doch,  dass  er  ohne  einen  ihn  stets  beratenden  Freund  „ewig  zu  unersetzbaren 
Beeinträchtigungen  anderer  verdammt  sein"  werde.  „Er  hat  zu  wenig  Vernunft,  zu 
wilde  Stosskraft,  um  jemals  ein  ganzer  Dichter  zu  werden.  Sonst  Genie,  wie  wenige  — 
aber  Wielands  Philosophie  und  Grazie  fehlt  ihm  zu  augenscheinlich."  Auch  über 
Zimmermann,  Kaufmann,  Schlosser,  über  Lavater  selbst  und  andere  dem  Sturm  und 
Drang  nahe  stehende  Männer  enthalten  die  hier  zuerst  veröffentlichten  Briefe  manche 
schätzbare  Einzelheit.  — 

Auch  nur  eine  Auslese  von  Briefstellen,  aber  eine  nach  wissenschaftlichen 
Rücksichten  angelegte  Auslese  giebt  Jonas43),  indem  er  aus  den  Briefen,  die 
Dorothea  Veit  von  Jena  aus  1799  und  1800  ah  Schleiermacher  schrieb,  mehrere 
beim  Drucke  bisher  weggelassenen  Urteile  über  Karoline  Schlegel  mitteilt.  Begeistert 
preist  Dorothea  zuerst  den  Geist  und  die  Liebenswürdigkeit  der  merkwürdigen  Frau 
und  schildert  eingehend  ihr  äusseres  Wesen,  ihr  Gebahren  im  Haus  und  in  der 
Gesellschaft ;  später  werden  Dorotheas  Aeusserungen  bitterer  und  bitterer,  aber  zugleich, 
wie  der  Herausgeber  mit  Recht  bemerkt,  augenscheinlich  unbilliger.  Aus  diesen 
späteren  Briefen,  die  schon  mehrfach  in  die  Bezirke  des  Klatsches  abschweifen,  bringt 
J.  übrigens  nur  wenige  Stellen  bei.  — 

Von  vorn  herein  verzichtet  Gersten  berg44)  auf  philologische  Genauigkeit 
bei  seiner  verkürzten  Ausgabe  der  Selbstbiographie  Hoffmanns  von  Fallersleben. 
Um  das  über  Gebühr  weitschweifige  Buch  einem  grösseren  Leserkreise  zugänglich 
zu  machen,  streicht  er  aus  seinem  Neudrucke  die  vom  Vf.  in  die  Darstellung  ein- 
geschobenen Briefe,  Aktenstücke,  Zeitungsartikel,  Gedichte,  ferner  die  Angaben  über 
das  Leben  und  die  Werke  anderer  Personen,  die  Schilderungen  rein  geschichtlicher 
oder  geographischer  Art  ganz  weg  oder  beschränkt  sie  auf  ein  Minimum.  Vor  allem 
aber  ergänzt  er  die  von  Hoffmann  mit  seinem  Eintritt  in  die  Bibliothek  von  Corvey 
(Frühling  1860)  abgebrochene  Biographie  in  ausführlicher,  pietätvoller  Darstellung, 
die  aber  in  der  Hauptsache  auf  die  Persönlichkeit  Hoffmanns  beschränkt  bleibt.  In 
das  öffentliche  litterarische  Leben  griff  dieser  ja  auch  nach  1860  kaum  mehr  ein, 
obgleich  auch  er  1870  wieder  auflebte  und  noch  manches  kampfesfreudige  Lied  für 
das  deutsche  Heer  und  für  das  neue  Reich  dichtete.  G.  flicht  mehrere  Stellen  aus 
Briefen  Hoffmanns  ein,  teils  von  rein  persönlichem,  teils  auch  von  geschäftlich- 
bibliothekarischem  oder  wissenschaftlich-germanistischem  Inhalt.  Namentlich  berichtet 
er  über  den  Verkehr  des  alten  Dichters  mit  dem  Musiker  Hans  Michel  Schletterer, 
den  Germanisten  Joseph  Maria  Wagner  und  Franz  Pfeiffer,  mit  Freiligrath,  Strodt- 
mann,  Rittershaus,  Julius  Wolff,  mit  einzelnen  Verlegern  und  anderen  Bekannten. 
An  dem  Dichter  Hoffmann  hebt  er  besonders  die  vaterländische  Gesinnung  und 
den  echt  volksmässigen  Charakter  hervor,  seine  Vertiefung  in  das  Seelenleben 
des  Volkes  bei  allem,  was  er  forschend  oder  schaffend  leistete,  in  diesem  Punkte  mit 


VII,  114  S.  M.  7,00.  IfLCBl.  S.  441,2;  A.  Sau  e  r:  DLZ.  S.  1645:6  (beklagt  d.  unkrit.  n.  unvollst.  Herausg.]|  -  43)  F.  Jonas,  Aus 
Briefen  v.  Dorothea  Veit  an  Schleiermacher:  Euph.  1,  S.  608-12.  —  44)  H.  Gerstenberg,  Hoffmanns  v.  Fallersleben  ges. 
Werke.    Bd.  7  u.  8:  Mein  Leben.    V.  Hoffmann  v.  Fallerssleben.    B.,  Fontane.    X,  424  S.;  VIII,  429  S.    M.  6,00.    |[H.  Meisner: 

(4)12* 


IV  lc:  44-so     F.  Muncker,    Allgemeines   des   18./19.  Jahrhunderts:    Memoiren   usw. 

Uhland  am  nächsten  verwandt.  Mehrere  Nachträge  bringen  Vorarbeiten  Hoffmanns 
zu  seiner  Biographie  ans  Licht,  dann  verschollene  Jugendgedichte,  tagebuchartige 
Aufzeichnungen  hauptsächlich  über  einzelne  Liebesneigungen,  durch  die  manches 
Dunkel  in  seiner  reichhaltigen  Liebesdichtung  aufgeklärt  wird,  ungedruckte  Briefe, 
in  denen  er  namentlich  J.  M.  Wagner  zu  einer  Geschichte  der  germanischen  Philologie 
aufzumuntern  sucht,  bis  ihn  R.  von  Raumers  Lösung  dieser  Aufgabe  völlig  befriedigt. 
Alles,  was  in  solcher  Weise  der  Herausgeber  aus  dem  Nachlasse  Hoffmanns  hervor- 
gezogen hat,  verdient  unseren  Dank,  sollte  auch  dann  und  wann  eine  kleine  Ueber- 
schätzung  des  biederen,  aber  künstlerisch  nicht  eben  musterhaften  Dichters  mit  unter- 
laufen.45"48)  - 

Ein  kleines  Meisterstück  autobiographischer  Darstellung,  für  den  Vf.  in  jeder 
Zeile  charakteristisch,  liefert  Fontane49)  mit  der  Schilderung  seiner  Kinderzeit  in 
Neu-Ruppin  und  Swinemünde,  bis  er,  etwas  über  zwölf  Jahre  alt,  in  die  Quarta  des 
Ruppiner  Gymnasiums  aufgenommen  wurde.  Der  Meister  anschaulichster  Klein- 
malerei, der  liebevoll-sorgsame  Porträtist,  der  kein  Fältchen  oder  Härchen  übersieht, 
der  leidenschaftslose,  alles  Für  und  Wider  stets  sorgfältig  abwägende,  möglichst  ruhige 
und  doch  niemals  kühle  Beobachter,  der  immer  anmutig  unterhaltende  Künstler  im 
humoristischen  Geplauder  offenbart  sich  in  der  dichterisch  reichhaltigen  Erzählung, 
vor  allem  aber  der  liebenswürdige,  bescheidene,  einfache,  allem  falschen  Pathos  und 
aller  Unnatur  abholde  Charakter  des  Erzählers  selbst.  Eine  Prachtleistung,  wie  sie 
glücklicher  kaum  gelingen  konnte,  ist  das  Bild  von  F.s  Vater,  der  fast  noch  mehr 
als  der  Sohn  im  Mittelpunkte  der  autobiographischen  Geschichte  steht.  Kindliche 
Pietät,  nichts  verhehlende  Wahrhaftigkeit  und  der  köstlichste  Humor  vereinigen  sich 
auf  entzückende  Weise  in  dieser  unübertrefflichen  Charakteristik.  Etwas  kürzer,  doch 
nicht  minder  treffend,  schildert  der  Vf.  das  Wesen  und  Walten  seiner  Mutter  und 
skizziert  sonst  die  wichtigsten  Persönlichkeiten,  die  in  seinem  Kinderleben  eine  Rolle 
spielten.  Von  eigenen  Beziehungen  zur  Litteratur  kann  F.  hier  noch  kaum  reden. 
Die  Balladen  Schillers  lernte  er  schon  als  Kind  fleissig  und  mit  inniger  Liebe  aus- 
wendig; dazu  kamen  nach  1830  besonders  einige  Gedichte  von  Lenau,  Mosen,  Holtei 
und  anderen,  die  sich  auf  den  Polenaufstand  bezogen  oder  damit  in  Zusammenhang 
gebracht  werden  konnten.  In  der  Nähe  des  Knaben  zu  Swinemünde  lebte  Christian 
Friedrich  Scherenberg,  mit  dem  seine  Eltern  freundliche  Beziehungen  hatten;  der 
kleine  F.  jedoch  scheint  damals  auf  den  patriotischen  Dichter  noch  nicht  aufmerksam 
geworden  zu  sein ;  die  Schwelle  seines  Hauses  wenigstens  überschritt  er  kaum  je, 
weil  der  alte  Scherenberg,  der  Vater  des  Dichters,  schon  schwer  krank  war.  Den 
tiefsten  Eindruck  machte  auf  ihn,  was  er  von  den  griechischen  Freiheitskämpfen  — 
zunächst  durch  farbige  Bilderbogen  — ,  dann  was  er,  der  seit  dem  Sommer  1830  die 
Zeitung  lesen,  ja  meist  vorlesen  durfte,  von  der  Eroberung  Algiers  durch  die  Fran- 
zosen und  von  der  Erhebung  der  Polen  erfuhr.  — 

Von  dem  künstlerischen  Reize,  durch  den  Fontanes  Darstellung  fesselt,  besitzt 
die  Selbstbiographie  Roquettes50)  nur  ein  bescheiden  Teil.  Es  ist  ein  sehr  gut 
gemeintes,  vielfach  lehrreiches  Buch,  schlicht  und  ruhig  geschrieben,  frei  von  jeglicher 
Selbstüberschätzung  und  Aufdringlichkeit,  das  Werk  eines  herzlich  guten,  liebens- 
würdigen Vf.;  aber  man  vermisst  eine  bedeutende  Individualität,  überhaupt  geistige 
Tiefe  und  kraftvoll  fesselnden  Vortrag:  vieles  ist  unbestimmt,  farblos  und  eintönig 
ausgefallen.  Ein  etwas  oberflächlicher  Optimismus  macht  sich  öfters  bemerkbar. 
Aus  ihm  erklärt  sich  teilweise  auch  die  ablehnende  Haltung  R.s  gegen  die  Philosophie 
überhaupt  und  besonders  gegen  die  Lehre  Schopenhauers.  Freilich  geht  er  dabei 
weit  über  das  berechtigte  Mass  hinaus  und  behauptet  sogar,  die  Philosophie  wirke 
überhaupt  auf  das  dichterische  Schaffen  nicht  produktiv,  sondern  nur  erdrückend  und 
auflösend,  vollends  aber  lege  sich  die  Schopenhauersche  „Spitalatmosphäre"  mit  dem 
endlosen  Jammer  um  das  irdische  Dasein  erstickend  auf  jede  schöpferische  Kraft 
und  habe  nur  Krankheitserscheinungen  in  der  Kunst  verschuldet.  Wie  viel  des 
Besten  in  unserer  Litteratur  und  Kunst,    von  Hallers  philosophischen  Gedichten  an, 


DLZ.  S.  1575/6;  A.  Bartels:  Didask.  N.  75.]|  —  45)  X  M  Zschommler,  Erinnerungen  an  J.  Mosen  (JBL.  1893  IV  lc:73). 
ITA.  S(aner):  Enph.  1,  S.  829;  Grenzt.  1,  S.  270/l.]|  —  46)  X  The<>  Schücking,  Briefe  v.  Annette  v.  Droste-Hülshoff  u.  Levin 
Schücking  (JBL.  1893  IV  lc:74;  IV  2b:81.)  |[A.  E.  Schönbach:  ÖLB1.  3,  S,  171/2  (versucht  vortrefflich,  aus  d.  Briefen 
neue  Züge  z.  Charakteristik  Annettens  zu  gewinnen);  M.  L.:  NatZg.  N.  210;  LCB1.  S.  1300;  Th.  H.  Pantenius:  Daheim  30, 
S.  295,6;  Br.:  WeserZg.  N.  17147. ]|  —  47)  X  H.  Hüffer,  Aus  d.  Briefwechsel  Alex.  Kaufmanns:  AHVN.  58,  S.  207/8.  (Hebt 
aus  d,  Nachl.  d.  lhein.  Dichters  A.  Kaufmann  einige  an  ihn  gerichtete  Briefe  Freiligraths,  Ernst  v.  Schillers  u.  des  rhein. 
Litteraten  Joh.  Bapt.  Bousseau  hervor,  sämtl.  unbedeutend;  vgl.  JBL.  1893  IV  2b  :  108.)  —  48)  X  G.  Schenk,  F.  v.  Bodonstedt. 
E.  Dichterleben  (Vgl.  JBL.  1893  IV  1  c  :  88} :  LCB1.  S.  602.  (ablehnend.)  —  49)  Th.  Fontane,  Meine  Kinderjahre.  Autobiogr. 
Roman.  B.,  Fontane.  VII,  321  S.  M.  4,00.  |[Erich  Schmidt:  DLZ.  S.  310/1  (rühmt  d.  v.  Rhetorik  u.  Reflexion  freien 
Flauderton  d.  sachlich  einfachen  Darstellung  u.  d.  stets  taktvollen  Humor);  S.  S.:  NatZg.  N.  27;  M.  Necker:  NFPr.  N.  10575; 
Th.  H.  Pantenius:  Daheim  30,  S.  296  (alle  Besprechungen  höchst  lobend).]1  —  50)  O.  Roquette,  Siebzig  J.  Gesch.  meines 
Lebens.  2  Bde.  Darmstadt,  Bergslrässer.  336,  293  S.  M.  8.00.  |[LCB1.  S.  485/6;  A.  Sauer:  DLZ.  S.  151/2;  F.  Seh.:  ÖLBl.  3, 
S.  526  (lässt  R.  vornehml.  nur  als  gewandten  Weltmann,  weniger  als  Dichter  gelten);  P.  Seliger:  NatZg.  N.  169;  -m.: 
Nation«.  11,  g.  662;  KontMschr.  S.  1C012:  Grcnzb.  1,  S.  629-32  (im  ganzen  anerkennend);  F.  Katt:  BurschenschBll.  8,  S.  307-10.]| 


F.   Muncker,    Allgemeines    des    18./19.   Jahrhunderts:    Memoiren   usw.      IV   1  c  :  50 

wird  durch  dieses  ganz  schiefe  Urteil  getroffen,  Schillers  reifste  Schöpfungen  und 
Richard  Wagners  grösste  Werke  in  erster  Reihe!  Ueber  die  letzteren,  wie  über  die 
ganze  neuere  musikalisch-dramatische  Bewegung  spricht  sich  R.  übrigens  sonst  höchst 
vorsichtig  und  allgemein  aus,  ohne  ein  bestimmtes  Urteil  zu  wagen,  ebenso  über  die 
allerneueste  Gährung  in  der  deutschen  Litteratur.  Behaglich  scheint  ihm  weder  die 
eine  noch  die  andere  zu  sein;  der  liebenswürdig-bescheidene  Mann  will  aber  mit 
seiner  Meinung  niemand  verletzen  und  schweigt  darum  lieber.  Ueber  das  Verhältnis 
des  Dichters  zur  Wirklichkeit  äussert  er  sich  zwar  gelegentlich;  doch  kann  auch 
hier  das,  was  er  auf  Grund  eigener  Erfahrung  sagt,  kaum  irgend  jemandem  Anlass 
zur  Bestreitung  geben.  Er  betont,  dass  wirklich  vorgefallene  Geschichten  für  ihn 
immer  nur  das  Rohmaterial  waren,  das  gänzlich  umgeschmolzen  werden  musste,  um 
zu  etwas  poetisch  Tauglichem  zu  werden,  dass  aber  andererseits  fast  alles,  was  er 
dichterisch  erzählt  habe,  durch  den  Verkehr  mit  der  Welt  veranlasst  oder  angeregt  worden 
sei.  Ueber  die  Art  seiner  künstlerischen  Umgestaltung  des  Wirklichen  im  einzelnen 
giebt  er  manchen  erwünschten  Aufschluss.  Ueberhaupt  berichtet  er  sorgfältig  über 
die  Entstehung  und  Aufnahme  seiner  zahlreichen  Dichtungen,  von  denen  mehrere 
bis  in  seine  Studentenjahre  zurückreichen  (so  ausser  „Waldmeisters  Brautfahrt" 
namentlich  auch  „Gevatter  Tod").  Dankenswert  ist  vor  allem  die  reichhaltige  Aus- 
kunft über  viele  poetische  Werke,  die  R.  bald  nach  ihrer  Vollendung  selbst  wieder 
vernichtete.  Auch  mehrere  Dramen,  die  das  eine  und  andere  Mal,  selbst  mit  Beifall, 
aufgeführt  worden  waren,  befanden  sich  darunter.  Seinen  Dramen  wendet  der  Auto- 
biograph eine  besonders  liebevolle  Aufmerksamkeit  zu,  vielleicht  gerade,  weil  ihm  auf 
diesem  Gebiete  dauernde  Erfolge  nicht  beschert  waren;  doch  wird  er  auch  hier  im 
Urteil  über  eigene  Leistungen  niemals  unbescheiden.  Mit  Recht  beklagt  er,  dass 
der  dramatische  Dichter,  besonders  an  unseren  Hofbühnen,  durch  allerlei  politische 
und  kirchliche  Rücksichten  eingeengt  sei;  R.  selbst  hatte  besonders  bei  seinem 
Schauspiel  „Die  Protestanten  in  Salzburg"  unter  diesem  Missstande  zu  leiden.  Mit 
litterarischen  Persönlichkeiten  kam  er  während  seines  mannigfach  bewegten  Lebens 
oft  in  regen  Verkehr;  er  nennt  deren  eine  grosse  Anzahl,  charakterisiert  aber  ver- 
hältnismässig wenige  genauer,  darunter  einige,  die  noch  einer  älteren  Generation 
angehörten,  wie  den  groben  Sonderling  Bogumil  Goltz,  der  zu  allgemeiner  Erheiterung 
die  lustigsten  Lügengeschichten  vortrug,  H.  Th.  Rötscher,  dem  R.  den  ersten  nach- 
drücklichen Hinweis  auf  Goethe  verdankt,  Gervinus,  Schlosser  und  Häusser  als  Docenten 
in  Heidelberg,  Varnhagen  von  Ense,  Robert  Prutz,  der  in  Halle  R.s  hauptsächlicher 
Lehrer  wurde,  ohne  jedoch  mit  seiner  tendenziösen  Auffassung  der  Litteratur  immer 
seine  Zustimmung  zu  erlangen,  Gutzkow,  dessen  persönliche  Unliebenswürdigkeit 
und  kleinliche  Gehässigkeit  ihn  abstiessen,  den  bereits  schwer  kranken  Otto  Ludwig, 
zu  dem  er  trotz  aller  Bewunderung  seines  Talentes  keine  rechte  Fühlung  gewann, 
den  plumpen,  groben,  jeder  Lebensart  baren,  aber  gemütlichen  Hoff  mann  von 
Fallersieben,  der  stets  über  die  Gesellschaft  brummte  und  doch  als  guter  Gesell- 
schafter gern  gesehen  war,  den  vornehmen,  von  allem  litterarischen  Kleintreiben 
freien  Grafen  Wolf  von  Baudissin,  den  für  die  Romantik  und  besonders  für  Tiecks 
Komödien  begeisterten  Koberstein,  Liszt,  für  den  R.  auf  Wunsch  des  Grossherzogs 
von  Weimar  den  Text  zur  „Heiligen  Elisabeth",  auch  zu  einer  nie  komponierten 
Zigeuneroper  schrieb,  endlich  den  schwer  zu  behandelnden,  für  die  meisten  unnah- 
baren D.  F.  Strauss,  dem  R.  trotz  allen  seinen  Eigenheiten  ein  liebevolles  Andenken 
bewahrt  und  aufrichtige  Bewunderung  auch  für  seine  letzten,  vielfach  getadelten 
Werke  und  für  seine  lyrischen  Gedichte  spendet.  Unter  den  näheren  Altersgenossen 
des  Vf.  treten  B.  Auerbach,  Fr.  Eggers,  W.  Lübke  und  Heyse  und  ihr  Freundes- 
kreis in  Berlin,  Dresden,  Zürich  und  München  hervor,  darunter  Endrulat,  Franz 
Kugler,  Fontane,  Wilbrandt,  Julius  Grosse,  dessen  leidenschaftliche  Begeisterung, 
gewaltig  ausgreifende  Phantasie  und  unglaubliche  Leichtigkeit  des  Hervorbringens  R. 
aufrichtig  bewundert,  Klaus  Groth,  Tempeltey,  auch  Gottfried  Keller,  Semper,  Billroth, 
Köchly,  Hertz,  Laistner,  Graf  Schack  und  viele  andere.  Roquettes  eigene  dichterische 
Anfänge  reichen  bis  etwa  in  sein  15.  Lebensjahr  hinauf.  Sinn  für  Kunst  und  Poesie 
war  schon  bei  seinen  Eltern  in  hohem  Grade  vorhanden:  der  Vater  war  nicht  nur 
bei  einem  Liebhabertheater  sehr  thätig,  sondern  schrieb  auch  —  im  engen  Anschluss 
an  seinen  Lieblingsdichter  Jean  Paul  —  einen  (nie  gedruckten)  Roman  „Arion"; 
die  Mutter  pflegte  die  Musik  leidenschaftlich  und  versuchte  sich  auch  mit  gutem 
Geschick  in  gereimten  und  reimlosen  Versen.  So  wurde  R.  schon  als  Kind  in  seinem 
kleinen  Geburtsort  Krotoschin  und  dann  in  Gnesen  und  Frankfurt  a.  0.  mit  den 
Dichtungen  Schillers  und  einzelner  Romantiker  (besonders  Fouques),  später  mit  denen 
Goethes,  Shakespeares,  Scotts  usw.  bekannt.  Als  Student  in  Berlin,  Heidelberg  und 
Halle  erkor  er  sich  Geschichte  und  besonders  Litteratur-  und  Kunstgeschichte  zur 
Berufswissenschaft.  Die  neueren  deutschen  Dichter  waren  ihm  damals  schon  zum 
allergrössten    Teile   durch    Lektüre   vertraut   geworden.     Von  ihnen  liess   er  neben 


IV  1  c :  50-51  P.   Muncker,    Allgemeines    des    18./19.   Jahrhunderts;   Memoiren  usw. 

den  Dramen  Gutzkows  und  Laubes  die  Tendenzpoesie  der  vierziger  J.  in  der  Haupt- 
sache gelten;  Heines  Cynismus  aber  stiess  ihn  ab.  Von  den  Romantikern  blieben 
namentlich  Novalis  und  Brentano  ihm  innerlich  fremd;  Eichendorff  zog  ihn  an. 
Einen  tiefen  Eindruck  machten  Auerbachs  Volksgeschichten  auf  ihn  und  seine 
Studienfreunde.  Von  Heyses  frühreifer  Meisterschaft  im  Technischen  der  Poesie  lernte 
auch  er.  Feindselig  stellte  er  sich  gegen  die  katholische  Tendenzdichtung  von  Red- 
witz. Im  grossen  und  ganzen  scheinen  sich  auch  während  seiner  späteren  Lebens- 
jahre in  Berlin,  Dresden  und  Darmstadt  diese  seine  Anschauungen  wenig  geändert 
zu  haben.  Sein  Urteil  wandelte  sich  noch  hie  und  da,  wo  neuere,  selbst  in  der  Ent- 
wicklung begriffene  künstlerische  Erscheinungen  ihm  entgegentraten ;  auch  den  eigenen 
dichterischen  Leistungen  gegenüber  blieb  es  nicht  starr  für  alle  Zeit  auf  demselben 
Punkte  stehen;  doch  über  ältere  Persönlichkeiten  und  Werke  unserer  Litteratur 
dachte  er  mit  siebzig  Jahren  meistens  nicht  viel  anders  als  mit  fünfundzwanzig. 
Diese  frühzeitige  Begrenzung  seiner  inneren  Entwicklung  zusammen  mit  der  Armut 
seines  späteren  Lebens  an  bedeutenden  äusseren  Erfahrungen  macht  auch  namentlich 
die  zweite  Hälfte  der  autobiographischen  Darstellung  uninteressant  und  eintönig.  Wir 
erfahren  manche  dankenswerte  kleine  Einzelheit,  die  aber  das  uns  von  früher  schon 
bekannte  Bild  R.s  in  keiner  Weise  verändert  und  um  keine  wesentlichen  Züge 
bereichert.  — 

Eine  völlig  neue  Erkenntnis  wird  uns  dagegen  aus  den  Memoiren  des  ver- 
dienten, aber  Zeit  seines  Lebens  nicht  nach  Gebühr  geschätzten  Wiener  Dramatikers 
Franz  Nissel  (1831—93)  zu  teil,  durch  deren  Herausgabe  die  Schwester  des  Ver- 
storbenen, Karoline  Nissel51),  uns  zum  höchsten  Danke  verpflichtet.  Ein  von 
tiefster  Tragik  erfülltes  Dichterleben,  von  dem  bis  dahin  eben  nur  einige  Aeusserlich- 
keiten  lückenhaft  bekannt  waren,  wird  hier  mit  rückhaltloser  Offenheit  vor  uns  ent- 
schleiert. Unverhüllt  zeigt  sich  uns  in  seinen  Bekenntnissen  ein  keineswegs  heroischer, 
aber  durchaus  edler  und  vornehmer  Mensch,  durch  Unglück  aller  Art  oft  gebeugt 
und  schon  in  seiner  ersten  gedeihlichen  Entwicklung  gehemmt,  zu  zart  und  schwach, 
um  den  Kampf  mit  äusseren  Hindernissen  und  Gegnern  siegreich  zu  bestehen,  auch 
zu  nachsichtig  gegen  die  wirklichen  oder  vermeintlichen  Mängel  seiner  Begabung, 
aber  stets  treu  in  seinem  Eifer  für  die  höchsten  Besitztümer  des  menschlichen  Geistes, 
in  der  Bewährung  reiner,  echter  Humanität,  stets  unserer  wärmsten  Teilnahme  würdig, 
auch  wo  wir  etwa  seinen  politischen,  socialen  oder  religiösen  Ansichten  nicht  voll- 
kommen beistimmen  sollten.  Seit  1889  mit  der  Ausarbeitung  seiner  Lebensgeschichte 
beschäftigt,  konnte  Nissel  selbst  noch  seine  Jugendzeit  bis  1849  in  wahrhaft  künst- 
lerischer Darstellung  abgerundet  schildern,  die  Knabenjahre  vornehmlich  in  Linz 
und  Lemberg,  den  Uebergang  zum  reiferen  Jünglingsalter  in  Wien,  wo  sein  Vater, 
als  Schauspieler  unter  dem  Namen  Joseph  Korner  ehrenvoll  bekannt,  1844  in  den 
Verband  des  Burgtheaters  trat.  Die  Erzählung,  mehrfach  durch  weit  ausgesponnene, 
bis  dicht  an  die  Gegenwart  heran  greifende  Reflexionen  unterbrochen,  zeichnet  sich 
durch  Klarheit,  lebensvolle  Ausführlichkeit  und  Wärme  aus  und  entrollt  geschicht- 
lich wertvolle  Bilder  vom  österreichischen  Schulleben  in  den  vierziger  J.,  namentlich 
aber  auch  ein  beachtenswertes  Gemälde  der  Wiener  Revolution,  die  Nissel  als  ein 
seine  Erinnerungen  und  Aufzeichnungen  von  damals  gewissenhaft  verwertender 
Augenzeuge  schildert.  Den  dichterischen  Vf.  der  Selbstbiographie  verrät  vor  allem  die 
einheitliche,  tragische  Stimmung,  der  schmerzlich  grollende  Ton,  der  durch  die  ganze 
Darstellung  hindurch  klingt.  Dabei  giebt  sich  Nissel  aufrichtige,  erfolgreiche  Mühe, 
den  Inhalt  so  objektiv  wie  möglich  zu  gestalten ;  er  will  sich  und  sein  tief  unglück- 
liches Leben  nicht  rechtfertigen,  indem  er  die  Schuld  vollständig  auf  andere  abwälzt; 
er  will  nur  erklären,  wie  und  warum  alles  so  traurig  gekommen  ist.  Auch  in  den 
Tagebuchblättern  und  Briefen  (besonders  an  seine  Familie,  auch  an  den  ihm  befreundeten 
Pariser  Astronomen  Moritz  Löwy),  aus  denen  seine  Schwester  den  zweiten  Teil  seiner 
Lebensgeschichte  mit  rührender  Pietät  zusammenstellte,  entschuldigt  oder  beschönigt 
Nissel  sein  eigenes  Thun  und  Lassen  mit  keiner  Silbe.  Er  macht  selbst  die  „Schwäche 
und  Inkonsequenz"  seines  Wesens  für  sein  Schicksal  mit  verantwortlich,  wenn  er 
auch  diese  Schwäche  zum  grössten  Teil  aus  seiner  physischen  Konstitution  und  aus 
den  äusseren  Verhältnissen  erklären  zu  dürfen  meint.  Auch  weiss  er  recht  wohl,  dass 
er  im  journalistischen  Beruf  am  ersten  einen  Schutz  gegen  die  Not,  die  sein  Leben 
so  lange  und  so  bitter  bedrohte,  finden  würde.  Aber  wiederholt  versichert  er  auch, 
dass  er  „ein  Journalist  im  gewöhnlichen  Sinne"  nicht  zu  sein  vermöge,  dass  er  über- 
haupt, wie  sein  Naturell  einmal  sei,  einem  Amte  nicht  vorstehen,  eine  bestimmte 
Verpflichtung   nicht   übernehmen    könne.    Jeder    derartige   Versuch  würde   ihn  ins 


(Vgl.  JBL.  1893  IV  lc:93.)—  51)  Mein  Leben.  Selbstbiogr.,  Tagebuchbll.  u.  Briefe  v.  F.  Nissel.  Ans  a.  Nachl.  her.  v.  seiner 
Schwester  Karoline  Nissel.  Mit  d.  Bildn.  d.  Dichters.  St.,  Cotta.  V,  310  S.  M.  5,00.  |[VossZgH.  N.  38;  M.  Necker: 
NFPr.  N.  10692  (betont  n.  a.  Nisseis  Frühreife,  aber  dann  stockende  weitere  Entwicklung  u.  sucht  Laube  gegen  d.  Vorwurf  zu 


F.  Muncker,  Allgemeines  des   18./19.  Jahrhunderts:  Memoiren  usw.     IV  1  c  =  51-53 

Irrenhaus  führen ;  nur  als  freier  Schriftsteller  könne  er  leben  und  wirken.     In  dieser 
Nachgiebigkeit  "Nissels  gegen  sein  Naturell,  das  zu  zwingen  er  weder  den  Mut  noch 
die  Kraft   besass,  liegt  zweifellos  seine  Schuld ;    die  tiefere  Ursache  der  Erfolglosig- 
keit  seiner  meisten  Bestrebungen  ist,    wie  die  Memoiren    deutlich  zeigen,    ohne  es 
gerade  mit  nackten  Worten  auszusprechen,  in  den  kläglichen  politischen  Verhältnissen 
Oesterreichs   zu    suchen,    die    den    Dichter,    seine  Entwicklung  und  seine  Wirkung, 
überall  einengten.     Innig  liebte  er  seine  Heimat,   nur  in  ihr  fühlte  er  sich  wohl;  in 
ihr  aber  hatte  er  unter  der  Censur  und  dem  ganzen  pfäftisch-reaktionären  Druck  bis 
weit   in    seine'  besten   Mannesjahre '  hinein  zu  leiden,   und  zwar  doppelt  schwer  zu 
leiden,  weil  ihn  seine  heisse  Freiheitsliebe,  sein  sehnsüchtiges  Streben  nach  Wahrheit, 
nach  fortschreitender  geistiger  und  sittlicher  Vervollkommnung  der  Menschheit  schon 
seit  den   Märztagen  von  1848  zum  Gesinnungsgenossen  der  entschiedensten  Revolu- 
tionäre machte.     Aber   auch  gegen  die  persönliche  Ungunst  der  massgebenden  litte- 
rarischen Autoritäten  in  Wien  hatte  Nissel  zu  kämpfen  —  ein  Kampf,  in  dem  seine 
zahme  Natur  unmöglich  siegen  konnte.     Seine  dramatische  Begabung  war  nicht  die 
eines  bahnbrechenden  Genies;  nur  ein  durchaus  epigonenhaftes  Talent  war  ihm  ver- 
liehen,   ein  frühreifes  Talent  zugleich,   das  aber  während  der  vier  Jahrzehnte  seines 
dichterischen  Schaffens  sich  nur  sehr  wenig  weiter  entwickelte.     Dazu  wusste  er  sich 
bisweilen  den  bestehenden  Formen  der  Litteratur  nur  schwer  zu  fügen;  obwohl  ihm 
der   Plan  und   Entwurf  seiner  Dramen  stets   die  relativ  geringsten  Schwierigkeiten 
bereitete  und  die  Bühnentechnik  ihm  schon  als  Knaben  geläutig  war,  so  glaubte  er 
doch  nach  und  nach  sich  überzeugen  zu  müssen,  dass  seine  Geistesrichtung   sich  in 
dem  entarteten  Theater  seiner  Zeit  nicht  völlig  entfalten  könne,  sondern  nach  anderen, 
freieren  Formen  um  jeden  Preis  ringen  müsse  (1864).     Auch  diese  Einsicht,  wie  nicht 
minder   die   Notwendigkeit,  dennoch  den  Launen   der  Intendanten,  Schauspieler  und 
Zuschauer  bis  zu  einem  gewissen  Grade  nachzugeben,  lähmte  zeitweise  seine  Schaffens- 
kraft.    Was    er  nun  aber  unter  all  diesen  und  anderen  erschwerenden  Umständen 
dichtete,  überragte  trotz  seinen  unbestreitbaren  Mängeln  doch  das  Meiste,  was  neben 
ihm    in  der   dramatischen  Litteratur  Oesterreichs   geleistet  wurde,  so   weit,  dass   es 
wahrhaftig  eine  bessere  Aufnahme  verdient   hätte.     Dass    sich   insbesondere  Laube, 
dessen  eigene  Dramen  an  poetischem  Werte  doch  sicherlich  nicht  über  denen  Nissels 
stehen,  als  Theaterdirektor  schwer  gegen  den  jüngeren  Dichter  versündigt  hat,  geht 
aus  den  Memoiren  des  letzteren  mit  unumstösslicher  Gewissheit  hervor.     Nicht  nur 
die  meisten,  sondern  darunter  gerade  auch  die  besten  Stücke  Nissels,  wie  den  „Königs- 
richter",   lehnte  er  überhaupt   ab;   die  wenigen,   denen  er  die  unter  seiner  Leitung 
stehende   Bühne  nicht   völlig  verschloss,  darunter  „Perseus  von  Makedonien"    und 
die    im     Grunde    auch    gegen    seinen    Willen    aufgeführte    „Agnes     von    Meran", 
suchte  er  wenigstens   in  keiner  Weise  auf  der  Bühne  zu  halten.    Schritt  für  Schritt 
beobachten    wir    in   Nissels    Memoiren    dieses    vergebliche,    von   Drama   zu    Drama 
sich  erneuernde  Ringen  um  Geltung  und  Anerkennung.     Wie  wir  einen  tiefen  Ein- 
blick in  die  Entstehungsgeschichte  der  von  ihm  vollendeten  Stücke  (am  genauesten 
in   die    der  „Agnes")  erhalten,    so  erfahren  wir  auch  von  zahlreichen  dramatischen 
Plänen  und  Fragmenten,  die  schliesslich  aus  dem  oder  jenem  Grunde  wieder  beiseite 
gelegt   wurden.     Von    litterarischen    Einflüssen    hebt  Nissel   selbst   die   Einwirkung 
Eugen  Sues   auf  seine  socialen  Anschauungen  hervor;  für  die  Stoff  wähl  bei  seinen 
ersten  Dramen  (z.  B.  bei  „Perseus")  wurde  ihm  Rottecks  Weltgeschichte  wichtig,  die 
er  im  Knabenalter  etwa  1845  las;  bald  darnach  machte  ihm  die  Lektüre  des  ganzen 
Shakespeare  (in  deutscher,  teilweise  schlechter  Uebersetzung)  einen  überwältigenden 
Eindruck.      Seine    Freiheitsbegeisterung    nährte   sich    an    der   politischen   Tendenz- 
dichtung der  vierziger  Jahre;  vor  allem   liebte  und  bewunderte  er  die  „Albigenser" 
Lenaus,  mit  dem  er  sich  überhaupt  trotz  seiner  ganz  andersartigen  Begabung  geistig  ver- 
wandt fühlte.    Die  gleiche  Bewunderung  flösste  ihm  1858  Kinkels  Trauerspiel  „Nimrod" 
ein.     Wieder  etwa  ein  Jahrzehnt  später  bekennt  er  sich  als  warmen,  wenn  auch  nicht 
überall    unbedingt   lobenden  Verehrer   Hamerlings,    noch    bevor   er  (im  Nov.  1867) 
persönlich  mit  ihm  bekannt  und  befreundet  wird.     Weniger  günstig  fallen  gelegent- 
liche Urteile  über  Bauernfeld  und  Benedix  aus.     Hebbel  trat  auch  dem  jungen  Nissel, 
als  er  ihn   mit  seinem  Freunde  und  Mitarbeiter  an  seinen  ersten  Stücken  Sigmund 
Schlesinger   besuchte,'  mit  dem  ihm   eigenen   masslosen  Selbstbewusstsein  entgegen. 
Dagegen  erwies   sich  der  sonst  nicht  eben   wegen    seines    Charakters  zu  rühmende 
Saphir  stets  freundlich  gegen  den  jungen,  des  Schutzes  bedürftigen  Dramatiker.     Auch 
zu  Gutzkow  ergaben  sich  1859  während  eines  mehrtägigen  Aufenthalts  Nissels  in  Dresden 
freundliche  Beziehungen,  ebenso  besonders  später  naturgemäss  zu  verschiedenen  öster- 
reichischen Schriftstellern.  — 

In  jeder  Hinsicht  unbedeutend  erscheint  neben  diesem  gehaltreichen,  ernsten 
Buche  Felix  Dahns52"53)  wortreiches  Geplauder  zur  Fortsetzung  seiner  nun  schon 

verteidigen,  dass  er  am  Unglück  Nissels  schuld  sei.)]|  —  52)  F.  Dahn,  Erinnerungen.    4.  Buch.     Würzburg-Sedan-Königsberg 


IV  lc:  53-57     F.  Muncker,    Allgemeines  des   18./19.  Jahrhunderts:    Memoiren  usw. 

beim  vierten  Bande  angelangten  „Erinnerungen".  In  derselben  Manier  wie  sein 
früheres  Leben  (JBL.  1890  IV  1:59;  1891  IV  1:198;  1893  IV  lc:90)  schildert  er 
jetzt  die  Jahre,  die  er  in  Würzburg  seit  1863  als  ausserordentlicher,  seit  1865  als 
ordentlicher  Professor  verbrachte,  seine  Kollegen  an  der  Hochschule,  seine  Zuhörer 
und  Freunde.  Einige  Kapitel  widmet  er  dem  Krieg  von  1866,  weit  über  die  Hälfte 
seines  Buches  aber  dem  Feldzug  von  1870,  den  er  bis  gegen  die  Mitte  des  Sept.  als 
Mitglied  einer  Sanitätskolonne  mitmachte.  Dabei  erzählt  er  mancherlei  drollige, 
schliesslich  bei  Gelegenheit  der  Schlacht  von  Sedan  auch  mehrere  ernste  und  schauer- 
erregende Einzelzüge.  Die  Litteraturgeschichte  im  engeren  Sinne  gewinnt  aus  diesem 
Bande  weniger  als  aus  den  früheren  Teilen  seiner  „Erinnerungen".  D.  berichtet  fast 
nur  von  wissenschaftlichen,  sehr  wenig  von  poetischen  Arbeiten  aus  den  Würzburger 
Jahren.  In  dieser  Zeit  stockte  zuerst  die  Dichtung  bei  ihm  ganz  und  gar.  Aber 
seit  1867—68,  als  er  durch  Vermittlung  Alex.  Kaufmanns  seine  jetzige  Frau  Therese 
geb.  Freiin  von  Droste-Hülshoff,  eine  Nichte  Annettens,  kennen  lernte,  kam  eine  wahre 
Hochflut  dichterischen  Schaffenseifers  über  ihn.  WTas  er  wirklich  als  Dichter  ist,  ist 
er  nach  seinem  eigenen  Urteil  erst  seit  1868  geworden.  Neben  verschiedenen  lyrischen 
Ergüssen,  deren  er  manche  auch  unmittelbar  dem  Texte,  seiner  Selbstbiographie 
einfügt,  erwähnt  er  insbesondere  das  Drama  „König  Roderich",  dessen  vollständiger 
Entwurf  noch  vor  das  J.  1870  fällt.  —  Viel  liebenswürdiger  und  gehaltreicher  als  diese 
weitschweifige  Selbstbiographie  ist  ein  kleiner  Aufsatz  Dahns53il),  der  in  aller  Kürze 
den  Inhalt  der  vier  Bände  seiner  Lebensbeschreibung  zusammenfasse  Dabei  sind 
mit  grossem  Geschick  und  möglichst  anspruchslos  alle  wichtigeren  Anregungen  ver- 
zeichnet, die  D.  als  Dichter  und  wissenschaftlicher  Schriftsteller  von  verschiedenen 
Seiten  empfangen  hat ;  ebenso  treten,  obgleich  nur  mit  wenigen  Strichen  skizziert,  die 
Persönlichkeiten,  die  auf  ihn  als  Menschen  bedeutenden  Einfluss  ausübten,  scharf 
hervor.54)  — 

Unter  den  Musikern55)  steht  den  Dichtern  Richard  Wagner  am  nächsten, 
von  dem  La  Mara56)  eine  Anzahl  umfangreicher  Briefe  an  seinen  Dresdener  Freund, 
den  an  der  revolutionären  Bewegung  von  1848 — 49  in  hervorragender  Weise  beteiligten 
Musikdirektor  Aug.  Röckel  (1814 — 76),  mitteilt.  Sie  gehören  zu  den  bedeutendsten 
Schriftstücken,  die  in  den  letzten  Jahren  überhaupt  aus  der  Feder  Wagners  veröffentlicht 
worden  sind.  Sie  fallen  zum  grössten  Teil  in  die  fünfziger  J.  und  lassen  uns 
tief  in  die  philosophischen  und  ästhetischen  Anschauungen  Wagners  blicken,  aus 
denen  die  Kunstschriften  und  dramatischen  Dichtungen  dieser  Periode  hervorgegangen 
sind.  Namentlich  giebt  uns  ein  umfang-  und  gehaltreicher  Brief  vom  Jan.  1854 
ungemein  erwünschte  Aufschlüsse  über  die  Grundideen,  die  der  „Ring  des  Nibelungen" 
nach  der  Absicht  des  Dichters  ausdrücken  sollte,  über  die  Bedeutung  der  einzelnen 
Charaktere  und  der  wichtigsten  Handlungsmomente  in  der  Tetralogie.  Dann  nehmen 
wir  den  ungeheuren  Eindruck  wahr,  den  das  Studium  der  Schopenhauerschen 
Philosophie  auf  Wagner  machte.  Im  Aug.  1856,  als  er  dem  Freunde  schon  den  Plan 
des  „Tristan"  und  der  „Sieger"  ankündigen  konnte,  versicherte  er  ihm,  nun  erst 
verstehe  er  mit  Hilfe  Schopenhauers,  „der  mir  die  mit  meinen  Anschauungen 
vollkommen  kongruierenden  Begriffe  lieferte",  seine  eigenen  Kunstwerke  wirklich, 
d.  h.  er  erfasse  sie  nun  auch  mit  dem  Begriffe  und  verdeutliche  sie  seiner  Vernunft. 
Nur  weil  Schopenhauers  Lehre  seiner  eigenen  innersten  Anschauung  vollkommen 
entsprach,  wandte  sich  Wagner  so  schnell  und  so  unbedingt  ihr  zu.  Seit  dem 
„Fliegenden  Holländer",  also  seitdem  er  aus  seiner  inneren  Anschauung  heraus 
künstlerisch  schuf,  hatte  er  Entsagung,  Verneinung  des  Willens  dargestellt,  am 
meisten  im  „Ring".  Und  doch  hatte  er  gerade  in  derselben  Zeit  sich  als  philosophischer 
Denker  eine  hellenistisch-optimistische  Welt  aufgebaut,  die  zu  den  Anschauungen,  die 
er  in  seinen  Dramen  unwillkürlich  mit  innerer  Notwendigkeit  ausdrückte,  im  Wider- 
spruche stand.  Die  Bekehrung  zu  Schopenhauers  Philosophie  beseitigte  diesen 
Zwiespalt  für  immer.  Von  dichterischen  Freunden  Wagners  in  der  Schweiz  wird  in 
den  Briefen  an  Röckel  namentlich  Herwegh  genannt ;  Wagner  rühmt  u.  a.  sein  gründ- 
liches Naturstudium,  dessen  Ergebnisse  auch  ihm  zu  Gute  kämen.  —  Unbedeutender 
sind  die  21  echten  Briefe  Wagners  an  Ferd.  Praeger,  die  Chamberlain57)  genau 
nach  den  Hss.  veröffentlichte,  um  so  neuerdings  —  und  zwar  mit  unumstösslicher 
Gewissheit  —  zu  erhärten,  dass  die  von  Praeger  selbst  in  seinem  Werke  über  Wagner 
abgedruckten  Briefe  des  letzteren  teils  unverantwortlich  entstellt,  teils  ganz  willkürlich 

(1863-88).  1.  Abt.  (1863-70).  Mit  2  Karten.  L.,  Breitkopf  &  Härtel.  612  S.  M.  10,00.  |[M.  Necker:  NFPr.  N.  10601 
(über  d.  3  ersten  Bände  d.  Werkes,  rühmt  d.  Jean-Paulisierenden  Humor  [?J  d.  Darstellung,  erklärt  D.s  dichterische  Beliebt- 
heit aus  seiner  naiven  Lebens- u.  Selbstfreude);  -e.:  N.&S.  71,  S.  427/8  (lobend);  R.  George:  Bär  20,  S.  495.] |  —  53)  X  '*»i 
Würzburger  Erinnerungen:  DDichtung.  15,  S.  29-32.  (Blosser  Abdr.  d.  ersten  Seit3n  d.  in  N.  52  yerz.  Werkes.)  —  53a)  id., 
G0  Jahre:  Gartenlaube  S.  90/2.  —  54)  X  G.  Ebers,  Gesch.  meines  Lebens  (JBL  1893  IV  lc :  91).  |[Sch-r.:  ÖLB1.  3,  S.  125/6; 
M.  Necker:  NFPr.  N.  10575  (über  Gebühr  schroff).] |  —  55)  OX  W.  F.  Alexander  and  G.  Grove,  Mendelssohns  selected 
letters.  London,  Sonnenschein.  12°.  Sh.  2/6.  —  56)  La  Mara,  R.  Wagners  Briefe  an  Aug.  Roeckel.  L„  Breitkopf  &  Härtel. 
VIII,   84  S.     M.  2,75.     |[LCB1.   S.  1637;    H.  v.  Wolzogen:    BayreuthBll.   17,   S.   296-312.] |    —   57)  H.  St.  Chamberlain, 


F.  Muncker,    Allgemeines  des   18./19.  Jahrhunderts:    Memoiren  usw.     IV  lc  :  ss-59 

erdichtet,  samt  und  sonders  also,  wie  das  ganze  von  Irrtümern  und  Unsinnigkeiten 
strotzende  Buch,  ohne  jegiichen  historischen  Wert  sind.  Die  echten  Briefe  Wagners 
an  Praeger  beziehen  sich  meistens  auf  persönliche  Angelegenheiten,  die  im  Zusammen- 
hange mit  Wagners  Konzertreise  nach  London  (1855)  stehen;  künstlerisch  wichtig* 
ist  eine  Aeusserung  vom  März  1856  über  den  leidenschaftlichen  Eifer,  mit  dem  Wagner 
die  Partitur  der  „Walküre"  zum  Abschluss  brachte,  und  über  das  furchtbar  An- 
greifende dieser  Arbeit,  bei  der  es  galt,  einen  „Superlativ  von  Leid,  Schmerz  und 
Verzweiflung"  musikalisch  auszudrücken.  Die  Briefe  von  1870  und  71  deuten  auf 
das  neu  begründete  häusliche  Glück  Wagners  und  auf  seine  erfolgreichen  ersten  Be- 
strebungen zur  Begründung  des  Bayreuther  Unternehmens  mit  kurzen  Worten  hin. 
—  Auch  in  den  von  La  Mara58)  gut  herausgegebenen  drei  Bänden  von  Liszts 
Briefen  an  verschiedene  Freunde  und  Freundinnen,  so  an  Czerny,  Schumann  und 
Frau,  Franz  Brendel,  Louis  Köhler,  Breitkopf  und  Härtel,  Eduard  Liszt  (den  Stief- 
oheim des  Künstlers),  Reinecke,  Peter  Cornelius,  eine  ungenannte  belgische  Freundin 
und  viele  andere,  spielt  R.  Wagner  und  seine  Sache  eine  hervorragende  Rolle.  Liszts 
klare  Erkenntnis  von  der  geschichtlichen  Bedeutung  Wagners  und  sein  steter  Eifer, 
ihn  in  jeder  Weise  zu  unterstützen,  bekundet  sich  auch  in  diesen  Briefen  überall. 
Begeistert  preist  er  ihn  als  eine  neue  und  glänzende  Erscheinung  in  der  Kunst, 
als  „ein  so  schädelspaltendes  (trepantique)  Genie,  wie  es  für  dieses  Land  passt", 
rühmt  einzelne  Dramen  Wagners  als  „unglaubliche  vollendete  Wunderwerke",  die 
„Nibelungen"  insbesondere  als  die  erhabenste  Offenbarung  der  Kunst  und  fasst 
gelegentlich  sein  Urteil  in  den  Freudenruf  zusammen:  „Ich  lobe  meinen  Gott,  dass 
er  einen  solchen  Menschen  geschaffen."  Die  gleiche  Hilfsbereitschaft  beweist  Liszt 
aber  auch  anderen  wirklich  künstlerischen  Persönlichkeiten,  so  Schumann,  mit  dem 
ihn  u.  a.  auch  die  gemeinsame  Verehrung  Goethes  und  Byrons  verband,  Cornelius, 
Robert  Franz.  Ueberhaupt  tritt  Liszts  wahrhaft  grosse,  vornehme  Natur  überall  in 
diesen  Briefen  hervor,  auch  da,  wo  sein  Urteil  nicht  das  Richtige  trifft,  wie  in  den 
Aeusserungen  über  Napoleon  III.  Zugleich  zeigt  sich  aufs  deutlichste  seine  internationale 
Stellung  im  gesamten  europäischen  Kultur-  und  Kunstleben.  Damit  hängt  zusammen, 
dass  ein  grosser  Teil  der  Briefe  französisch  geschrieben  ist;  ja  Liszt  wiederholt 
mehrmals  die  Versicherung,  er  könne  sich  nur  im  Französischen  bequem  ausdrücken, 
während  er  sich  mit  seiner  hinkenden  deutschen  Syntax  kläglich  abmühen  müsse. 
Erst  seit  1853  und  besonders  seit  54  mehren  sich  zusehends  die  deutschen  Briefe  — 
auch  dies  in  unzweifelhafter  Verbindung  mit  seinem  Eintreten  für  die  auf  eine  echt 
nationale  Kunst  abzielende  Wagnerbewegung  in  Deutschland.  Die  Briefe  an  die 
belgische  Freundin,  die  von  1855 — 86  reichen  und  einen  ganz  besonderen  Reiz  haben, 
da  sie  auch  über  persönliche  Fragen,  ja  über  Herzensangelegenheiten  vertraulichen 
Aufschluss  gewähren,  sind  der  Adressatin  zu  Liebe  ganz  französisch  abgefasst. 
Gläubigste  Religiosität  in  streng  katholischem  Sinne,  aber  ohne  jede  Spur  von 
Intoleranz,  mit  einem  Anflug  von  mystischer  Schwärmerei,  spricht  namentlich  aus 
den  Briefen  seit  1862.  Im  Vordergrunde  stehen  natürlich  musikalische  Interessen 
und  Persönlichkeiten.  An  deutsche  Dichter  sind  nur  einige  unbedeutende  Briefe 
gerichtet,  so  an  Grillparzer,  an  Hoffmann  von  Fallersleben,  Hebbel  (mit  einem  weg- 
werfenden Urteil  über  den  Dramatiker  A.  Rost),  an  Bodenstedt;  wichtiger  sind  die 
Briefe  an  Cornelius.  Mehrfach  ist  die  Rede  von  persönlichen  oder  litterarischen  Be- 
ziehungen Liszts  zu  Bauernfeld,  Saphir,  Hoffmann  von  Fallersleben,  Dingelstedt, 
Gutzkow,  Meissner,  dessen  Erinnerungen  an  Heine  ihm  Worte  des  aufrichtigen  Beifalls 
entlocken,  zu  Stahr,  Vischer,  Hettner,  Liebig,  Kaulbach,  Hauenschild,  Griepenkerl, 
Geibel,  Heyse,  Scheffel,  Roquette,  dessen  „Heilige  Elisabeth"  er  wegen  ihrer  Brauch- 
barkeit für  seine  eigenen  musikalischen  Absichten  ungemein  lobt,  zu  Redwitz,  Hack- 
länder und  anderen  Männern  der  Litteratur  und  Kunst.  Gelegentliche  Citate  verweisen 
auf  Kant,  Schopenhauer,  auf  Frau  von  Stael  und  gleichzeitige  oder  spätere  französische 
Autoren,  auf  Schiller,  auch  auf  Grabbe,  dessen  Gegenüberstellung  von  Faust  und  Don 
Juan  scherzhaft  erwähnt  wird,  A.  Grün,  Lenau  usw.  Einmal  spricht  Liszt  von  dem 
ergreifenden  Eindruck,  den  eine  Stelle  des  „Werther"  beim  ersten  Lesen  1830  auf 
ihn  machte.  Ein  andermal  (1856)  teilt  er  die  geistreiche,  wenn  auch  nicht  über- 
zeugende, der  Goetheschen  Erklärung  entgegengesetzte  Auffassung  des  Hamlet  mit, 
durch  die  ihn  der  Schauspieler  Dawison  bestochen  hat.  Volle  Vertrautheit  mit  den 
grossen  Werken  der  Weltliteratur  und  selbständiges,  geistvolles  Erfassen  derselben 
bekundet  sich  so  allerorten  in  diesen  Briefen.  —  Eine  ähnliche  Stellung  zur  neueren 
Litteraturgeschichte  nehmen  die  von  Pohl59)  herausgegebenen  36  Briefe  ein,  in 
denen  Hans  von  Bülow  sich  gegen    diesen    treuen  Freund    und  Gesinnungsgenossen 


E.  Wagners  Briefe  an  F.  Praeger.     Nebst  e.  Nachtr.:  BayreuthBll.  17,  S.  1-29.  —   58)  La  Mara,  F.  Liszts  Briefe  ges.  u.  her. 
Bd.:  V.  Paris  bis  Rom.     2.  Bd.:  V.  Rom  bis  ans  Ende.    3.  Bd.:  Briefe  an  e.  Freundin.    L.,  Breitkopf  &  Härtel.    XII,  399  S. ; 
XII,  421  S.;  VI,  223  S.    M.  16,00.    |[WIDM.  75,  S.  141.]|  -  59)  B.  Pohl,  H.  t.  Bülows  Briefe  an  B.  Pohl:  FrB.  5,  S.  447-75, 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (4)13 


IV  lc:59-eoF.  Muncker,    Allgemeines    des    18./19.    Jahrhunderts:    Memoiren   usw. 

rückhaltlos  ausspricht.  Die  meisten  dieser  Briefe  gehören  den  J.  1853—69  an  und 
geben  uns  intime  Einblicke  in  die  damalige  Wagner-  und  Lisztbewegung,  in  der 
Bülow  als  Schüler,  Vorkämpfer  und  persönlicher  Freund  Wagners  wie  Liszts  eine 
entscheidende  Rolle  mit  spielte.  Das  Neue,  das  wir  dabei  von  den  persönlichen 
Verhältnissen  und  künstlerischen  Absichten  und  Leistungen  Wagners  erfahren, 
beschränkt  sich  zwar  auf  beachtenswerte  Einzelheiten,  die  das  bisher  bekannte 
Gesamtbild  nicht  wesentlich  verändern  können;  die  Veröffentlichung  verdient  aber 
dennoch  unseren  aufrichtigen  Dank,  da  auch  sie  Bülows  grossen,  edlen  Charakter 
aufs  neue  beleuchtet,  seine  leidenschaftliche  Hingabe  an  einen  bedeutenden  Zweck 
bis  zur  Verleugnung  der  eigenen  Individualität,  was  er  zu  Stunden  dann  selbst  fast 
schmerzlich  empfindet.  Aeusserlich  bezeichnend  für  den  Vf.  ist  der  geistreich-witzige, 
oft  stark  nervöse,  skizzenhafte  und  springende  Ton  der  Darstellung.  Mehrfach  ist 
von  P.s  dichterischen  Versuchen  die  Rede,  besonders  von  seinem  zu  Weimar  1856 
aufgeführten  Tendenzlustspiel  „Musikalische  Leiden"  und  von  dem  Text,  den  er  für 
Bülow  zu  einer  Oper  „Merlin"  schreiben  sollte.  Von  litterarischen  Persönlichkeiten 
wird  Gottfried  Keller  nebst  dem  Kreise  Herweghs  genannt,  wo  Bülow  beim  Besuche 
Wagners  in  Zürich  1857  sich  behaglich  fühlte.  Weniger  ehrenvoll  lauten  einzelne 
Aeusserungen  über  Gutzkow.  Dass  Arnold  Schloenbach  1853  Liszt  und  Gutzkow 
als  Dioskuren  zusammengestellt  hatte,  brandmarkt  der  eifernde  Schüler  des  ersteren 
als  eine  „schandbare  Eselei".  Der  leidenschaftlichste  Zorn  ergiesst  sich  auf  Eduard 
Devrient  wegen  seines  prätentiösen  und  stellenweise  perfiden  Nekrologs  auf  Ludwig 
Schnorr  von  Carolsfeld,  auch  auf  Meissner  wegen  eines  Feuilletons  vom  Frühling 
1865.  Oft  beschränken  sich  aber  Bülows  derartige  Aeusserungen  über  Dichter  und 
Schriftsteller  nur  auf  kurze,  prickelnde  Andeutungen.  —  Den  schroffsten  Gegensatz 
zu  der  von  Liszt  und  Bülow  verfochtenen  Entwicklung  im  musikalisch-dramatischen 
Kunstleben  der  letzten  Jahrzehnte  vertritt  der  Musikkritiker  Hanslick60)  im 
zweiten  Bande  seiner  Selbstbiographie,  der,  abgesehen  von  der  flüssigen  Darstellungs- 
weise, wenig  von  den  Vorzügen  des  ersten  Bandes  aufweist.  Der  selbstbewusste 
Kritiker,  der  sich  bald  nörgelnd,  bald  gönnerhaft  anerkennend  bemüht,  seine  Ueber- 
legenheit  gegenüber  den  allermeisten  künstlerischen  und  geistigen  Erscheinungen  zu 
zeigen,  tritt  auf  allen  Seiten  hervor;  der  geschichtlich-objektive  Betrachter  ist  fast 
durchweg  verschwunden.  Aufrichtig  —  weniger  aufrichtig  wäre  vermutlich  auch 
hier  aufrichtiger  —  legt  H.  am  Schlüsse  das  Bekenntnis  seiner  absoluten  Vorliebe 
für  das  „gute  Neue"  ab.  Dabei  versichert  er  u.  a.,  für  Dickens,  Gottfr.  Keller,  Heyse, 
Daudet  und  Turgenjew  gebe  er  die  gesamte  Belletristik  des  17.  und  18.  Jh.  (also 
wohl  auch  „Werther"  und  „Wilhelm  Meister")  hin,  und  lieber  würde  er  die  Werke 
Palestrinas  als  die  Mendelssohns  verbrennen  sehen.  Erweckt  eine  solche  Bemerkung 
berechtigten  Zweifel  an  dem  geschichtlichen  Sinn  und  Verständnis  des  Vf.,  so  flössen 
uns  andere  Aeusserungen  starkes  Bedenken  gegen  seine  geschichtliche  Gewissen- 
haftigkeit und  Wahrheitsliebe  ein.  Seine  Darstellung  leidet  hie  und  da  unter  Un- 
genau igkeiten,  die  mit  etwas  gutem  Willen  leicht  zu  berichtigen  gewesen  wären.  Am 
meisten  ist  dies  der  Fall,  wo  H.  von  R.  Wagners  Persönlichkeit  und  Werken  spricht. 
Dass  er  an  Wagners  künstlerischem  Schaffen  vom  „Lohengrin"  an  keinen  rechten 
Geschmack  mehr  findet  und  nur  dann  und  wann,  besonders  in  den  „Meistersingern", 
gewisse  Einzelheiten  gelten  lässt,  darüber  wird  ihm  niemand,  der  fremde  Meinungen 
achtet,  einen  sittlichen  Vorwurf  machen;  auch  gegen  seinen  Tadel  der  lächerlichen 
und  kindisch-kleinlichen  Art,  in  der  sich  mitunter  die  Begeisterung  einzelner 
Wagnerianer  äussert,  wäre  nichts  einzuwenden,  wenn  sich  dieser  Tadel  wirklich  nur 
über  die  Ausartungen  ergösse.  Sicher  ist  aber  der  dünkelhaft-frivole  Ton  zu  verwerfen, 
mit  dem  H.  von  Wagner  redet,  noch  mehr  der  niedrige  Klatsch,  den  er  seinem 
persönlichen  Wesen  und  Treiben  anzuhängen  sucht,  zumal  da  diese  Klatschnachrichten 
teilweise  schlecht  mit  der  Wahrheit  bestehen.  Bezeichnend  dafür  ist,  dass  H.  das 
von  nachgewiesenen  Fälschungen  strotzende  Buch  Praegers  als  das  getreueste 
Porträt  von  Wagners  Charakter  bezeichnet.  H.  verwahrt  sich  gegen  eine  persönliche 
Auffassung  seiner  Kritik  Wagners  und  liefert  doch  in  der  Darstellung  selbst  wiederholt 
den  unumstösslichen  Beweis,  wie  sehr  er  durch  persönliche  Berührungen  und 
Erfahrungen  sich  in  seinem  Urteil  über  den  Künstler  und  seine  Werke  bestimmen 
lässt.  Im  einzelnen  kramt  er  besonders  viel  Thörichtes  über  die  Bayreuther  Fest- 
spiele von  1876  aus,  bei  denen  er  in  Bodenstedt,  Paul  Lindau  und  noch  einigen 
ganz  wenigen  Freunden  würdige  Gesinnungsgenossen  fand,  die  sich  den  Triumph 
der  neuen  deutschen  dramatischen  Kunst  mit  innerem  Aerger  beschauten.  Den 
„Parsifal"  vergleicht  er  in  aller  Geschwindigkeit  ein  wenig  mit  dem  zweiten  Teil  des 
„Faust"  und  benutzt  dabei  den  Anlass,  um  sowohl  über  diesen  wie  über  jenen  einiges 

578-94,  783-801.  |[NFPr.  N.  10673  (blosser  Ausz.  aus  wenigen  Briefen.)]|  —  60)  Ed.  Hanslick,  Ans  meinem  Leben.  2.  Bd. 
B.,  Allg.  Ver.  für  dtsch.  Litt.  111,  369  S.  M.  5,00.  l[M.  Necker:  NFPr.  N.  10886  (kindisch  verhimmelnd:  „Hanslick  ist  nicht 
weniger  unsterblich  als  R.  Wagner...  zwei  ebenbürtige  Grössen  stehen  einander  gegenüber"  !!jj|     (Vgl.  JBL.   1893  IV  lc:157; 


F.  Muncker,    Allgemeines   des   18./19.  Jahrhunderts:    Memoiren  usw.     IV  lc  :  eo-cs 

Schiefe  zu  sagen.     Zu  seiner  Hilfe  citiert  er   einmal  eine   recht  unglückliche  Kritik 

G.  Freytags  über  Wagner,  dann  einige  gelegentliche  absprechende  Aeusserungen 
Laubes,  Hopfens  und  G.  Kellers,  denen  er  überdies  noch  ein  paar  glänzende  Namen 
deutscher  Dichter  und  Gelehrter  beifügt,  verschweigt  aber,  dass  dieselben  Männer 
bei  anderen  Gelegenheiten  sich  viel  günstiger  über  Wagner  oder  seine  Werke  aus- 
gesprochen haben.  Viel  freundlicher  behandelt  er  die  übrigen  Komponisten,  mit 
denen  ihn  sein  Leben  zusammen  führte,  vor  allem  Brahms,  der  ihm  ein  persönlicher 
Freund  geworden  ist,  aber  auch  Auber,  Rossini,  Verdi,  Offenbach  usw.,  ja  selbst 
Berlioz,  über  den  namentlich  ein  dem  Buche  mit  Recht  eingewobener  langer  Brief 
von  Stephen  Heller  an  Hanslick  (vom  1.  Febr.  1879)  Aufschluss  giebt,  und  Liszt. 
Freilich  spricht  er  auch  über  sie  wie  über  andere  Bekannte  bisweilen  mit  einer 
gewissen  wohlwollenden  Herablassung.  Selbst  gegenüber  einem  ihm  aufrichtig  be- 
freundeten Gelehrten  vom  Range  Wilhelm  Scherers  behält  Hanslick  diese  überlegene 
Miene  bei.  Schon  als  Studenten  lernte  er  den  jungen  Germanisten  kennen  und 
bewunderte  seine  „fast  unheimliche  Gelehrsamkeit",  fand  aber,  dass  Scherer  sie  bei 
jedem  passenden  und  unpassenden  Anlasse  unermüdlich  auskrame.  So  habe  z.  B.  ein 
Wort  über  eine  Aufführung  des  „Nathan"  im  Burgtheater  den  Jüngling  verleitet, 
alle  möglichen  Jahreszahlen  zu  citieren,  die  „Lessingausgaben  von  Danzel  und 
Gurauer"  und  die  „Lessingbiographien  von  Stahr  und  Dünzer"  zu  vergleichen  und 
zu  berichtigen.  Ausser  den  zwei  orthographischen  Schnitzern  in  den  Eigennamen  ist 
an  diesem  Satze  nur  die  Kleinigkeit  noch  falsch,  dass  bekanntlich  Danzel  und  Guhrauer 
keine  Ausgaben,  sondern  mit  einander  nur  eine  einzige  Biographie  Lessings  ge- 
schrieben haben,  und  dass  Düntzers  „Leben  Lessings"  erst  1882  erschienen  ist,  als 
Scherer  längst  nicht  mehr  Student  und  auch  nicht  mehr  in  Wien  war.  Von  deutschen 
Dichtern  nennt  Hanslick  nur  wenige  und  meist  mit  kurzen  Worten.  So  erzählt  er 
von  Bauernfeld  eine  unbedeutende  Anekdote,  von  Meissner  eine  nette  Aeusserung- 
über  eine  Pianistin.  Hübsch  charakterisiert  er  Auerbach,  dessen  Vorliebe  für  Mozart 
und  besonders  die  „Zauberflöte"  er  hervorhebt;  freundlich  schildert  er  Laube  und 
Dingelstedt;  flüchtiger  erwähnt  er  Rodenberg,  Putlitz,  Spielhagen,  Stettenheim  und 
Jos.  von  Weilen.  Mit  warmer  Freundesliebe  spricht  er  von  dem  berühmten  Chirurgen 
Theodor  Billroth.  Als  Anhang  seiner  Selbstbiographie  teilt  er  eine  Auswahl  aus 
Billroths  Briefen  an  ihn  mit,  die  er  vorher  grösstenteils  schon  in  der  Neuen  Freien 
Presse,  doch  in  weniger  sorgfältiger  Ordnung,  veröffentlicht  hat61).  Ob  alle  diese 
Briefe  zur  Mehrung  von  Billroths  Ruhm  beitragen  dürften,  mag  man  billig  bezweifeln. 
Ein  in  jeder  Hinsicht  hoch  bedeutender,  auch  für  allgemein  wissenschaftliche, 
philosophische  und  künstlerische  Studien  ungemein  empfänglicher  Geist  offenbart 
sich  fast  überall  in  ihnen;  die  sittliche  Durchbildung  des  Charakters  ist  nicht  so 
durchaus  ersichtlich.  Dazu  schimpft  der  Vf.  zu  oft  und  in  einem  zu  rohen  Tone. 
Seinen  Ausdrücken  über  Nietzsche  wird  auch  der,  der  von  der  „Götzendämmerung", 
die  Billroths  besonderen  Zorn  erregte,  nichts  wissen  will,  seine  Billigung  versagen 
müssen,  ebenso  wie  man  kaum  dem  allgemeinen  Verdammungsurteil,  das  der  grosse 
Mediziner  über  Ibsen  und  Zola  fällt,  beistimmen  wird.  Den  gröbsten  Wutausbruch 
ruft  bei  Billroth  die  Dichtung  des  „Parsifal"  hervor;  bei  der  „Walküre"  hingegen 
sucht  er  wenigstens  dem  grossen  Wollen  Wagners  gerecht  zu  werden  und  die  dramatisch- 
und  musikalisch-technischen  Gründe  aufzuspüren,  warum  er  kein  diesem  WTollen 
ebenbürtiges  Gelingen  beim  Anhören  und  Schauen  des  Werkes  wahrnehmen  kann. 
Dieser  vornehmere,  würdigere  Ton  der  Kritik  hält  jedoch  nicht  lange  an;  später, 
wenn  er  seinen  Zorn  über  Nietzsche  ergiesst,  nennt  er  alles,  was  ihm  an  diesem 
impotent  und  widerlich  erscheint,  regelmässig  „ganz  Wagnerisch"!  Eine  sonderbare, 
nicht  richtig  formulierte  Aeusserung,  die  aber  doch  ein  Gran  Wahrheit  enthält,  findet 
sich  in  diesen  Briefen  einmal  über  Goethe:  im  Leben  sei  er  wohl  meist  Clavigo, 
Egoist,  gewesen,  und  darum  sei  er  auch  so  alt  und  ein  Goethe  geworden;  nur  in 
seiner  Phantasie  sei  er  ein  Werther  gewesen.  Denselben  Gegensatz  zwischen 
Phantasiemenschen  und  realen  Menschen  will  Billroth  auch  sonst  oft  bei  Künstlern 
angetroffen  haben;  das  Beispiel  der  dramatischen  Sängerin  Johanna  Jachmann- 
Wagner  jedoch,  das  er  anführt,  beruht  auf  einem  ganz  unrichtigen  Urteil.  — 

Memoiren  bildender  Künstler  und  Kunstschriftstell  er  sind  diesmal 
nur  in  kärglicher  Anzahl  erschienen62-64).  Pietsch65)  setzt  in  der  alten,  liebens- 
würdig-einfachen, herzlich- warmen  Weise  seine  Erinnerungen  fort  und  schildert  seine 
künstlerische,  besonders  aber  seine   stets   zunehmende   kunstkritische   Thätigkeit   in 

s.  auch  DRs.  80,  S.  33-55)  —  61)  id..  Ans  Briefen  v.  Billroth.  I-VI:  NFPr.  N.  10675,  10685,  106901,  10694,  10701.  — 
62)  X  H-  Richter,  L.  Richter,  Lebenserinnerungen  e.  dtseh.  Malers.  Selbstbiogr.,  nebst  Tagebuchniederschriften  n.  Briefen. 
8.  Aufl.  2  Bde.  I. :  Lehenserinnerungen  mit  ergänz.  Nachtrr.  IL:  Auszüge  aus  seinen  Jngendtagebüchern.  Frankfurt  a.  M., 
Alt.  XIII,  349,  72  S  ;  233  S.  M.  7,00.  —  63)  O  X  Jn'-  Grosse.  E.  J.  Hähneis  litt.  Reliquien.  Im  Auftr.  d.  Hinterbliebenen 
gesichtet  u.  her.  nebst  e.  Charakterbild  d.  Meisters  als  Einl.  B.,  Grote.  1893.  356  S.  M.  5,00.  J[H.  A.  Lier:  Kunstchr.  5, 
S.  369-70  (durchaus  absprechend).]!  (Vgl.  JBL.  1893  I  11:21.)  —  64)  X  H-  A-  Lier,  E.  Max  v.  Wachstein,  82  Jahre  (JBL. 
1893  IV  lc:150):  Knnstchr.  5,  8,3701.  —  65)  L.  Pietsch,  Wie  ich  Schriftsteller  geworden  bin.     2.  Bd.:  Erinnerungen  aus 

(4)13* 


IV  lc -.05-66  F.   Muncker,    Allgemeines    des    18./19.    Jahrhunderts:    Memoiren    usw. 

Berlin  von  1860 — 66,  sowie  seine  in  diese  Zeit  fallenden  Reisen  nach  Paris,  Baden- 
Baden  und  der  Schweiz,  dem  Elsass,  Mecklenburg-  und  Vorpommern  zu  Studien- 
zwecken oder  zum  Besuch  von  Freunden,  unter  denen  Turgenjew  und  Pauline  Viardot 
nebst  ihren  Schülerinnen  in  erster  Reihe  stehen.  So  entwirft  er  anmutige  Charakter- 
bilder von  verschiedenen  Sängerinnen  italienischer  Schule,  die  auf  den  damaligen 
Bühnen  eine  grosse  Rolle  spielten,  und  von  zahlreichen  französischen  und  deutschen  Malern 
und  Bildhauern,  mit  denen  er  mehr  oder  minder  vertraulich  verkehrte.  Unter  ihnen  treten 
Gr.  Dore,  G.  Gleyre  (sein  Lehrer  in  Paris),  Reinh.  Begas,  A.  Böcklin,  A.  Menzel, 
Ed.  Magnus,  der  ihn  mehr  und  mehr  zur  Schriftstellerei  hinüberzudrängen  suchte, 
L.  Knaus  und  mehrere  andere  hervor.  Von  deutschen  Dichtern  war  besonders  Storm 
mit  P.  befreundet;  mehrmals  verbrachte  dieser  frohe  Ferien wochen  bei  Storm  und 
dessen  Freunde,  dem  Landrat  Alex,  von  Wussow,  in  Heiligenstadt  im  Eichsfelde. 
Anschaulich  schildert  er  die  Gegend  und  den  Bekanntenkreis,  in  dem  Storm  hier 
lebte,  dann  den  Dichter  selbst  in  seiner  Familie  und  im  Amte,  durch  das  er  sich 
auch  poetisch  in  mancher  Weise  gefördert  sah,  sein  Behagen  in  dem  weltabgeschiedenen 
Städtchen  und  zugleich  seine  Sehnsucht  nach  der  Heimat,  deren  scheinbare  Preis- 
gebung an  Dänemark  er  auf  das  schmerzlichste  empfand.  Von  Lieblingsautoren 
Storms,  aus  denen  er  gern  vorlas,  nennt  P.  den  auch  von  ihm  innig  geliebten 
Mörike,  Tieck,  Eichendorff  und  Reuter ;  auch  teilte  er  seinen  Zuhörern  gern  un- 
heimliche deutsche  oder  englische  Gespenstergeschichten  mit.  Bei  einer  späteren 
Begegnung  mit  P.  zu  Baden-Baden  1865  kam  Storm  auch  mit  Turgenjew  in  freund- 
schaftlich nahe  Berührung.  Neben  Storm  zählte  P.  Julian  Schmidt,  der  ihn  als 
Schriftsteller  mannigfach  förderte,  Hermann  Kletke,  der  ihn  zur  Mitarbeit  an  der 
„Vossischen  Zeitung"  bestimmte,  und  Luise  Mühlbach,  die  ihn  zur  ersten  Sammlung 
seiner  ausgewählten  Aufsätze  („Aus  Welt  und  Kunst",  1866)  aufmunterte,  zu  seinen 
intimeren  litterarischen  Bekannten,  ferner  G.  Freytag,  A.  Stahr  und  Frau,  B.  Auerbach, 
dessen  herzliche  Güte,  liebenswürdige  Wärme,  naiv-harmlose  Eitelkeit,  glänzende 
Gabe  zu  erzählen  und  blendende  Sentenzen  zu  bilden  er  hübsch  schildert,  und  endlich 
den  Dichter  der  geliebten  und  von  ihm  illustrierten  „Stromtid",  Fritz  Reuter,  dem 
er  brieflich  und  bald  darauf  auch  persönlich  bei  mehreren  Besuchen  Eisenachs  nahe 
trat.  Auch  die  Themata  zu  seinen  sonstigen  grösseren  Zeichnungen  nahm  P.  mit 
Vorliebe  aus  der  deutschen  Literaturgeschichte  .des  18.  und  19.  Jh.,  besonders  aus 
dem  Leben  Goethes  und  Schillers,  und  sah  sich  dadurch  wiederholt  zu  genauerem, 
unmittelbarem  Studium  der  Orte,  in  denen  unsere  grössten  Dichter  länger  weilten, 
und  ihrer  persönlichen  Lebensverhältnisse  getrieben.  —  Einen  ähnlichen  Weg  wie 
P.  wandelte  Pecht66);  auch  er  wandte  sich  erst  spät  von  der  Malerei  endgültig  zur 
Kunstkritik.  Die  Geschichte  seines  Lebens  zeigt  uns  keinen  bedeutenden  Menschen 
und  keinen  grossen  Künstler;  wir  begegnen  auch  in  seinen  kritischen  Aeusserungen 
manchen  Irrtümern,  Sonderbarkeiten  und  namentlich  engsinnig-nationalen  Vorurteilen. 
Aber  wir  lernen  einen  grundehrlichen,  durchaus  gutmütigen  und  viel  erfahrenen 
Mann  kennen,  der  in  unserer  Litteratur  wohlbewandert  und  mit  sehr  vielen  unserer 
neueren  Dichter  persönlich  bekannt  geworden  ist.  Sein  Urteil  über  diese  wie  über- 
haupt über  geistig  bedeutende  Männer  ist  freilich  durchweg  mit  Vorsicht  aufzunehmen. 
So  schildert  er  gleich  die  ersten  Geistesführer  unseres  Volkes,  die  er,  kaum  zwanzig 
Jahre  alt,  an  der  Münchener  Universität  flüchtig  aus  je  einem  Vortrage  kennen  lernte, 
Schelling  und  Görres,  als  geradezu  abschreckend.  Auf  der  Bühne  entzückte  ihn  um 
jene  Zeit  (1833 — 35)  Esslair;  auch  sah  er  Raimund  in  einigen  seiner  eigenen  Stücke 
auftreten.  Später  wurde  er  mit  Tieck,  Mosen,  Tromlitz,  G.Kühne,  Rotteck,  Semper, 
Mendelssohn-Bartholdy,  Schumann  und  seiner  Frau,  Wilhelmine  Schröder-Devrient, 
Steub  und  Fr.  Lentner,  Moritz  Hartmann,  Meissner,  Julius  Fröbel,  der  Gräfin  Hahn- 
Hahn,  Eduard  Devrient,  0.  Ludwig,  Dingelstedt,  Betty  Paoli,  Scheffel  u.  a.  bekannt, 
von  denen  er  aber  nur  die  allerwenigsten  in  seinen  „Lebenserinnerungen"  bestimmter 
charakterisiert.  Laube,  mit  dem  er  in  Leipzig  (1838)  und  bald  danach  wieder  in  Paris 
zusammentraf,  zog  ihn  durch  seine  mannhaft  biedere  Art  an;  doch  glaubt  P.  in  ihm 
weit  mehr  politischen  Instinkt  als  dichterische  Gestaltungskraft  zu  erkennen;  die 
Poesie,  meint  er,  sei  der  „etwas  blechernen  Empfindung"  Laubes  zeitlebens  fremd 
geblieben.  Auch  noch  viel  später,  als  er  Laube  am  Ende  seiner  Thätigkeit  am 
Burgtheater  wiedersah,  empfing  er  von  seiner  „soldatischen  Derbheit"  den  Eindruck 
eines  kommandierenden  Generals,  nicht  eines  Dichters.  Weit  unsympathischer  ist 
ihm  Gutzkow,  den  er  etwa  zehn  Jahre  danach  in  Dresden  kennen  lernte:  er  schildert 
ihn  als  unterhaltend,  aber  vom  glühendsten  Ehrgeiz  verzehrt,  als  entschiedenen 
Gegensatz  zu  dem  offenen,  freien,  charaktervollen  Geibel.     An  Auerbach  rühmt  er  die 


d.  sechziger  J.  Mit  Bild.  B,  Fontane.  430  S.  M.  6,00.  |[WIDM.  75,  S  140/1.]|  (Vgl.  JBL.  1893  IV  1  c  :  147.)  —  66)  (I  4:468.) 
|[LCB1.  S.  1897/8;  H.  Br.:  Hessenlund  S.  288;  BerlBörbCoui-,  N.  468;  A.  F.:  WeserZg.  N.  17184  (betont  namentl.  d.  Vorzüge  d. 
WerVes);  M.  Necker:  HFPr.  N.  10818  (hebt  d.  Schwächen  d.  Buches  übertrieben  schroff  hervor);  Ad.  Rosenberg:  Grenzb.  4, 


F.    Muncker,    Allgemeines    des    18./19.    Jahrhunderts:    Memoiren    usw.     IV  lc  •.  66 

treuherzige,  echt  deutsche  Gesinnung" ;  in  G.  Freytag  erkennt  er  schon  1845  den  be- 
deutendsten unter  all  den  jungen  Schriftstellern,  bei  dem  Takt  und  Anspruchslosigkeit 
sich  mit  einer  milden  Ueberlegenheit  und  Reife  des  Urteils  paarten.  Aber  den  durch  den 
Selbstmord  seiner  Frau  berühmt  gewordenen  H.  Stieglitz,  dem  er  1847  auf  einer 
oberitalienischen  Reise  begegnet,  nennt  er  einen  vollkommenen  Komödianten,  der 
sich  selbst  tragiere.  Gut  schildert  P.  die  äussere  Erscheinung  Heines  (1839)  und 
seine  Unterhaltung  im  Freundeskreis,  wie  er  fast  nie  zusammenhängend  sprach, 
aber  unendlich  drollige  Bemerkungen  in  das  Gespräch  der  anderen  warf,  zumal  wenn 
er  durch  Widerspruch  gereizt  wurde.  „Auch  brachte  er  offenbar  immer  schon  einige 
kostbare  Witze  fertig*  mit  und  leitete  die  Unterhaltung  dann  so,  dass  er  sie  wirksam 
anbringen  konnte."  P.,  damals  ein  begeisterter  Bewunderer  Heines,  wurde  von  ihm 
selbst  über  die  Mühe  belehrt,  die  ihm  das  Ausfeilen  seiner  Verse  verursachte,  lernte 
aber  auch  seine  Verachtung  der  übrigen  deutschen  Dichter  ausser  Goethe,  ja  des 
deutschen  Volkes  überhaupt  und  seine  Vorliebe  für  die  Franzosen  kennen.  Heute, 
da  er  den  einst  angestaunten  Dichter  durch  eine  leichthin  antisemitisch  gefärbte 
Brille  betrachtet,  findet  er,  dass  Heine  durchaus  der  Sklave  seines  Talentes  war,  das 
selbst  aber  nur  ätzend  und  zerstörend  wirkte.  Am  nächsten  kam  P.  1839  während 
des  Pariser  Aufenthaltes,  der  ihn  mit  Heine  zusammenführte,  dem  jungen  Richard 
Wagner,  dem  er  ein  Freund  fürs  Leben  und  ein  allzeit  treuer  Anhänger  seiner  Kunst 
blieb.  In  den  kummervollen  Pariser  Jahren  stand  vornehmlich  er  mit  dem  Maler 
Kietz  und  dem  Kaufmann  Brix  dem  lange  erfolglos  ringenden  Künstler  zur  Seite. 
Aus  ihnen  berichten  P.s  Memoiren  denn  auch  manche  beachtenswerte,  bisher  un- 
bekannte Scene.  Stark  betont  der  Vf.  das  nie  entmutigte  Selbstvertrauen  Wagners, 
seine  zähe  Ausdauer  trotz  den  kleinlichsten  Bedrängnissen,  in  denen  er  stak,  seine 
über  jeden  Misserfolg  sich  rasch  erhebende  geistige  Elastizität,  die  Vornehmheit 
seines  Denkens  und  Empfindens,  seine  persönliche  Liebenswürdigkeit,  die  sich  auch 
in  der  Heftigkeit  des  Zornes  nicht  völlig  verleugnete,  die  Unabhängigkeit  und 
Schärfe  seines  Urteils,  überhaupt  den  Reichtum  seines  Geistes,  der  sogar  einem 
Heine  imponierte,  endlich  sein  bewundernswertes  Talent  zur  Improvisation  in 
humoristisch-satirischen  Knüttelversen,  hinter  denen  an  treffender  Kraft  und  witziger 
Schärfe  auch  die  metrisch  besseren  Improvisationen  Geibels  weit  zurückblieben.  Auch 
später,  in  Dresden  und  in  München,  wo  P.  seit  1854  wohnte,  traf  er  wieder  mit 
Wagner  zusammen.  Mehr  und  mehr  sah  er  nun  den  excentrischen  Feuergeist  in 
ihm,  den  keine  Schwierigkeit  schreckte;  im  praktischen  Leben,  besonders  in  Geld- 
angelegenheiten, schildert  er  ihn  stets  gleichmässig  unerfahren,  daher  auch  stets  von 
anderen  ausgebeutet.  Und  immer  wieder  rühmt  er  seine  Tapferkeit  und  Vornehmheit 
der  Gesinnung,  seine  Herzensgüte,  sein  Wohlwollen  gegen  seine  Diener,  den  be- 
geisternden Eindruck,  den  er  durchweg  auf  Künstler,  Musiker  und  Sänger  machte. 
Persönlich  fühlt  sich  P.,  der  in  der  zweiten  Hälfte  seines  Buches  den  vieles  besser 
wissenden  Kritiker  und  überlegenen  Beobachter  mehr  herauskehrt,  unbehaglich 
berührt  von  der  aufregenden,  vulkanartigen  Natur  Wagners,  der  er  in  merkwürdiger 
Verkennung  ihrer  Grundeigenschaft  alle  Naivetät  abspricht.  Noch  viel  weniger  will 
er  von  dem  „scharfkantigen"  Wesen  des  durch  Wagner  nach  München  gezogenen 
Bülow  wissen.  Was  er  aus  der  Münchener  Zeit  von  einzelnen  Thatsachen  aus 
Wagners  Leben  berichtet,  ist  teilweise  irrig,  das  sonst  nicht  Bestätigte  also  nicht  un- 
bedingt glaubwürdig.  An  einer  unbefangenen  Auffassung  mancher  Ereignisse  hindert 
den  Vf.  sein  Vorurteil,  es  sei  nicht  gut,  wenn  der  Künstler  mit  dem  König  Hand  in 
Hand  gehe.  Um  die  Richtigkeit  seiner  Meinung  zu  beweisen,  grübelt  er  ver- 
schiedene angebliche  Rücksichtslosigkeiten  Ludwigs  II.  gegen  Wagner  heraus  und  be- 
hauptet, dass  dieser  ganz  sicher  keinen  guten  Einfluss  auf  den  nach  einer  phan- 
tastischen Traumwelt  sich  sehnenden  Fürsten  ausgeübt  habe,  muss  dann  aber  doch 
zugestehen,  dass  der  vor  Patriotismus  förmlich  glühende  Wagner  wenigstens  1870 
„höchst  wohlthätig"  auf  König  Ludwig  einwirkte,  der  gerade  damals  seinen  künst- 
lerischen Freund  mehrmals  in  Triebschen  besuchte.  Aber  auch  bei  den  durch 
Maximilian  II.  nach  München  berufenen  Dichtern  schätzt  P.  den  Verkehr  zwischen 
König  und  Künstler  möglichst  gering.  Diese  Dichter  selbst  taugten  nach  seiner 
Meinung  als  Norddeutsche  meistens  nicht  in  die  bayerische  Hauptstadt;  P.  selbst  kam 
denn  auch  nur  mit  wenigen  von  ihnen  in  ein  näheres  Verhältnis,  am  ersten  mit 
Scheffel,  den  er  ausdrücklich  gegen  die  „Beschuldigung  der  Liebe  zum  Trunk"  ver- 
teidigt. Geibel  und  Dingelstedt  waren  ihm  bei  seinem  Eintritt  in  München  schon 
keine  Fremden  mehr;  zu  ihnen  gesellten  sich  nun  der  offene  und  behaglich- 
humoristische, aber  selbstgefällige  Bodenstedt,  Lingg  mit  seinem  stillen  und  anspruchs- 
losen, träumerischen  und  weitabgewandten  Wesen,  das  P.  der  „vornehm  kühlen 
Art"  des  international  gebildeten  Heyse  weit  vorzog,  ferner  J.  Grosse,  Schack,  Leut- 
hold,  Kobell  und  Hermann  Schmid.  Auf  gelegentlichen  Reisen  wurde  P.  auch  mit 
Mörike  bekannt,  dessen  Liebenswürdigkeit  und  eminentes   Erzählertalent   er   gleich- 


IV  1  c  :  67-68     F.  Muncker,    Allgemeines    des    18./19.  Jahrhunderts:   Memoiren  usw. 

massig1  rühmt,  dann  mit  Gervinus,  an  dem  er  den  „Professorendünkel"  besser  als  an 
jedem  anderen  beobachtet  haben  will,  mit  G.  Keller,  den  er  bieder,  von  einer  stolzen 
und  oft  rauhen  Mannhaftigkeit,  aber  äusserlich  trocken  und  herb  findet,  mit  A.  Fitger 
usw.  D.  F.  Strauss  besuchte  den  Vf.  wiederholt  in  München  und  hinterliess  ihm 
nicht  nur  einen  ungemein  bedeutenden,  sondern  auch  tief  humanen  und  wohlthuenden 
Eindruck.  — 

Gleich  den  norddeutschen  Dichtern,  deren  Verpflanzung  nach  Bayern  Pecht 
beklagt,  fand  der  Historiker67)  Gregorovius67a)  zuletzt  in  München  eine  neue 
Heimat.  Wie  schwer  er  sich  freilich  an  sie  gewöhnte,  er,  der  den  italienischen 
Himmel  und  das  Leben  in  der  ewigen  Stadt  so  viele  Jahre  lang  genossen  hatte,  das 
zeigen  u.  a.  seine  Briefe  an  den  preussischen  Gesandten  in  Rom  und  späteren  Staats- 
sekretär Hermann  von  Thile,  die  von  Petersdorff68)  sorgfältig  herausgegeben 
hat.  Sie  bilden  eine  schätzenswerte  Ergänzung  zu  den  „Römischen  Tagebüchern" 
desselben  Vf.,  ja  sie  gewähren  vielleicht  stellenweise  unmittelbarere  Einblicke  in  seine 
wechselnden  Stimmungen  und  Gemütsregungen.  Rückhaltlos  spricht  sich  Gregorovius 
gegen  den  Freund  über  seine  Pläne  und  Arbeiten,  über  seine  Schicksale,  seine 
politischen,  religiösen,  litterarischen  Ansichten,  seine  Bekannten  aus.  Er  gesteht  ihm 
seinen  Wunsch,  dass  Italien  frei  und  einig  werde;  aber  mit  dem  Gedanken  einer 
königlichen  Residenzstadt  Rom  kann  er  sich  lange  nicht  vertraut  machen.  Ebenso 
erfüllt  ihn,  auch  in  der  Ferne,  die  Zukunft  Deutschlands  mit  Unruhe;  im  Dec.  1863 
sehnt  er  sich  nach  einem  Manne,  der,  wie  der  alte  Fritz,  die  Dinge  ohne  viel  zu 
fackeln  und  am  Recht  zu  deuteln,  beim  Kragen  nehme,  auf  dass  das  Vaterland  bald 
gross  und  herrlich  dastehe.  Tief  pessimistisch  fühlt  er  sich  durch  .die  Betrachtung 
gestimmt,  wie  der  Mensch  schafft,  wie  er  selbst  aus  dem  Zusammenstoppeln  von 
tausend  Notizen,  Fragmenten  und  Scherben  „einen  Schatten  und  ein  Ungefähr  von 
Wirklichkeit"  zu  stände  bringt;  selbst  ein  göttergleicher  Mensch  wie  Dante  habe 
geklagt,  dass  ihn  sein  Dichten  für  lange  Jahre  abgemagert  habe.  Doch  stört  ihm 
solche  Erwägung  nicht  die  Lust  und  den  Mut  zur  Arbeit.  Auch  zu  dichterischen 
Plänen  regt  ihn  sein  grosses  historisches  Werk  an,  lässt  dann  aber  die  frucht- 
verheissenden  poetischen  Keime  nur  selten  zur  Reife  kommen.  So  drängt  die  ge- 
schichtliche Arbeit  allerlei  „lyrische  Spielereien"  Jahre  lang  zurück.  Von  einem 
Drama  „Otto  III."  schreibt  Gregorovius  1859  zwei  Akte  nieder,  hält  jedoch  dann 
inne,  stutzig  über  die  epische  Breite,  in  die  er  bei  der  Ausführung  des  Entwurfs 
geraten  ist,  auch  von  dem  Charakter  Ottos  nicht  recht  befriedigt,  während  der  des 
Crescentius  ihm  dramatisch  völlig  klar  und  bestimmt  erscheint.  Selten  sind  in  den 
Briefen  genauere  Urteile  über  ältere  Dichter  und  Schriftsteller.  Anspielungen  oder 
Citate  weisen  auf  Goethe,  Novalis  usw.;  gegen  Rousseau  spricht  Gregorovius  direkten 
Widerwillen  aus,  während  er  Voltaire  als  den  besseren  von  beiden  gelten  lässt. 
Mit  hoher  Begeisterung  redet  er  von  Ranke;  aber  als  seinen  erklärten  Liebling  unter 
allen  Geschichtsschreibern  bezeichnet  er  Herodot.  Reiseberichte  hat  er  von  Kindheit 
an  immer  mit  besonderer  Leidenschaft  gelesen;  so  fesseln  ihn  auch  noch  in  späteren 
Jahren  vornehmlich  Stanleys  Schilderungen  seiner  afrikanischen  Entdeckungsfahrten. 
Wagners  „Tannhäuser"  macht  zuerst  keinen  Eindruck  auf  ihn;  der  Bayreuther 
Festspiele  gedenkt  er  aber  1886  ehrenvoll,  und  bei  dieser  Gelegenheit  entlockt  ihm 
Liszts  „olympischer  Tod"  das  Urteil:  „Ich  kannte  Liszt  von  Rom  her;  er  war  eine 
souveräne  Natur  und  von  einem  durch  geniale  Attraktionskraft  erzeugten  so  grossen 
Weitbezuge,  wie  ihn  selten  eine  Privatperson  gehabt  hat."  Unter  den  gleichzeitigen 
Dichtern  war  Gregorovius  am  nächsten  mit  Schack  befreundet;  seit  1862  berichtet 
er  ziemlich  regelmässig  über  ihn,  sein  einsames  und  melancholisches  Leben  „in  einer 
gemalten  Klause"  und  sein  poetisches  Schaffen.  Wiederholt  bewundert  er  die  Seelen- 
grösse,  mit  der  Schack  seine  Erblindung  und  die  übrigen  Leiden  seines  Alters  trug: 
„Keine  Klage  noch  missmütige  oder  misanthropische  Aufwallung  wird  laut."  Darum 
gönnt  ihm  Gregorovius  erst  recht  den  „sehr  schönen  Spätsommer  seines  litterarischen 
Lebens",  den  steigenden  Ruhm,  den  er  auch  als  Dichter  in  seinen  letzten  Jahren 
erntete.  Seine  überreiche  poetische  Thätigkeit  gerade  in  diesen  letzten  Jahren  ver- 
folgt er  mit  der  Teilname  des  Freundes;  er  möchte  sie  freilich  „fast  eine  Hypertrophie" 
nennen,  „weniger  der  poetischen  Ader  als  einer  virtuosen  Versifikation".  Aber  wie 
sehr  er  auch  stets  die  Meisterschaft  der  Rhythmen  und  der  Diktion  in  den  Dichtungen 
Schacks  vor  allem  betont,  so  denkt  er  darum  von  seinem  positiven  Verdienst  nicht 
geringer  und  hebt  gelegentlich  die  echt  poetischen  Stellen  im  „Heliodor"  oder  das 
dramatisch  Wirksame  der  „Walpurga",  das  Anerkennenswerte  der  „Pisaner"  trotz 
aller  Mängel  des  Stücks  hervor.     Dass  Schack  bei  seinem  einsiedlerischen,  „schatten- 

S.  261,8.]!  —  67)  X  CL,  A.  v.  Arneth,  Aus  meinem  Leben  (JBL.  1893  IV  lc:140):  DR.  1,  S.  395.  (Zurückhaltend  lobend.)  — 
67 a)XF-  Gregorovius,  Rom.  Tagebücher  (JBL.  1893  IVlc:145):  NZ^t.  121,  S.  825/7  (ganz  thöricht).  —  68)  H.  v.  Petersdorff, 
Briefe  v.  F.  Gregorovius  an  d.  Staatssekret.  H.  v.  Thile.  Mit  e.  Bild.  B.,  Gebr.  Paetel.  VIII,  264  S.  M.  6,00.  |[-n-:  LCB1.  S.  1878/9: 
M.  Koch:  DWB1.  7,  S.  698-600;  KonsMschr.  S.  1224/6;  AkBll.  9,  S.  229;  NatZg.  N.538;  A.  Beilesheim:  LHandw.  33,  S.  720/1. J| 


F.  Muncker,    Allgemeines  des   18./19.  Jahrhunderts:    Memoiren  usw.     IV  lc:  68-73 

haften  Dasein  ohne  alle  Bezüge  zu  den  Lebensquellen  der  Menschheit"  überhaupt  eine 
solche  dichterische  Thätigkeit  entfalten  konnte,  das  erscheint  dem  Freunde  als  ein 
psychologisches  Rätsel.  Doch  verhehlt  er  sich  dabei  nicht,  dass  Schacks  Produktionen 
alle  den  Stempel  des  Akademischen  an  sich  tragen,  dass  seine  Menschen  an  die  Retorte 
erinnern.  Seine  Unfähigkeit,  von  den  Personen,  denen  er  im  Leben  nahe  gekommen 
ist,  ein  Porträt  zu  zeichnen,  rügt  er  auch  nebst  einigen  herben  Urteilen  (besonders 
über  Hegel)  und  gewissen  „pathologischen  Idiosynkrasien,  welche  aus  dem  Ueberstrom 
des  Empfindungslebens  herstammen",  an  den  Memoiren  Schacks.  Aber  schon  dass 
dieser  trotz  seiner  schweren  Krankheit  die  Kraft  hatte,  diese  Memoiren  zu  diktieren, 
bewundert  Gregorovius  mit  Recht.  Das  Werk  als  Ganzes  aber  zählt  er  zum  Schönsten, 
was  seit  lange  in  Deutschland  erschienen  ist;  er  sieht  darin  fast  eine  Literatur- 
geschichte der  neuesten  Zeit,  immer  aber  „einen  feingeschliffenen  Spiegel,  worin  sich 
die  Beobachtungen  eines  Menschen  reflektieren,  der  nicht  nur  von  der  Geburt  an 
durch  das  Glück  begünstigt  war,  sondern  durch  eigene  Anlage  und  rastlose  Arbeit 
die  Höhe  humaner  Bildung  erstiegen  hat".69)  —  Dürftig  ist  dagegen  die  Auswahl 
aus  den  Briefen  von  Gregorovius  an  seinen  Freund  Friedrich  Althaus  und  an  seinen 
Lehrer  Karl  Rosenkranz,  die  Friedr.  Althaus  und  Jacob son69a)  mitteilen.  Das 
geistvoll-liebenswürdige  Wesen  des  Vf.,  dessen  Blick  für  alles  wahrhaft  Beachtens- 
werte im  Leben  und  in  der  Kunst  geöffnet  war,  und  seine  weltgeschichtliche  Bildung 
offenbaren  sich  auch  in  diesen  Briefen,  die  von  1842  bis  79  reichen;  was  sich  aus 
ihnen  für  die  Litteraturgeschichte  ergiebt,  ist  jedoch  geringfügig.  Gelegentlich  finden 
sich  kurze  Andeutungen  über  Gregorovius  grosses  Lebenswerk,  über  seine  litterar- 
geschichtlichen  Arbeiten  und  dichterischen  Versuche.  Mit  besonderer  Zufriedenheit 
äussert  er  sich  über  die  Verse  in  seinem  „Euphorion",  die  er  leichter  und  melodischer 
als  die  Platens  findet.  Wenig  fühlt  er  sich  zu  Leopardi,  desto  mehr  zu  Meli  hin- 
gezogen. Sehr  rühmlich  urteilt  er  1873  über  die  „edle,  männliche  und  echte  Natur" 
von  Gervinus  und  über  seine  bleibenden  Verdienste,  durch  die  „die  Schuld  seiner 
Abirrung  von  der  Realität  unserer  deutschen  Gegenwart"  reichlich  aufgehoben 
würde.70)    — 

Unter  den  Philologen71-71»)  steht  diesmal  Karl  Benedikt  Hase  voran,  dessen 
Briefe  von  seiner  Wanderung  nach  Frankreich  und  den  ersten,  teilweise  in  bitterer 
Not  zu  Paris  verbrachten  Monaten  (1801 — 2)  Heine72)  mit  einer  kurzen  biographischen 
Einleitung  herausgegeben  hat.  Diese  Briefe,  meist  an  den  Jugendfreund  Wilh.  Erd- 
mann (später  General  in  Russland)  gerichtet,  sind  fesselnd  geschrieben  und  durch 
ihre  anschauliche  Schilderung  von  Land  und  Leuten  kulturgeschichtlich  sehr 
interessant.  Für  den  Literarhistoriker  ist  die  darin  betonte  Unbekanntschaft  auch 
der  gebildetsten  Pariser  mit  der  gleichzeitigen  deutschen  Dichtung  beachtenswert. 
Hase  klagt  1801,  dass  man  in  Paris  höchstens  Gessner,  Uz,  Hagedorn,  Geliert  und 
Zachariä,  auch  einige  Uebersetzungen  aus  Goethes  Werken,  aber  nichts  von  Schiller 
und  selbst  bei  den  Buchhändlern  nichts  von  Wieland  kenne.  Das  Jahr  darauf  hielt 
Friedrich  Schlegel  in  Paris  Vorträge  über  die  neueste  deutsche  Litteratur,  die  auch 
Hase  besuchte.  Doch  berichtet  er  weder  vom  Inhalt  dieser  Vorlesungen  noch  von 
Schlegel  selbst  Genaueres.  —  Verschiedene  Veröffentlichungen  unterrichten  uns  über 
die  Begründer  der  romanischen  und  germanischen  Sprachwissenschaft.  Zum  hundertsten 
Geburtstag  von  Friedrich  Diez  teilt  Förster73)  den  Briefwechsel  zwischen  Diez  und 
dem  Theologen,  späteren  Bibliothekssekretär  in  Darmstadt  Karl  Ebenau  (1795— 1843) 
mit,  so  weit  er  sich  nicht  bloss  auf  rein  persönliche  Angelegenheiten  ohne  irgend  welche 
geschichtliche  Bedeutung  bezieht.  Die  meisten  dieser  Briefe  fallen  in  die  J.  1815 — 25 
und  beleuchten  das  innere  Geistes-  und  Gemütsleben  des  jungen  Romanisten  zu  einer 
Zeit,  aus  der  wir  bisher  nicht  viel  mehr  als  seine  äusserlichsten  Schicksale  kannten. 
Viel  romantische  Schwärmerei  waltet  noch  in  diesen  Briefen,  obgleich  Diez  selbst 
später  die  Blätter,  die  seine  überschwänglichsten  Herzensergüsse  enthielten,  beseitigt 
hat.  Auch  die  Poesie  der  Romantiker  steht  den  Freunden  vor  allem  nahe:  mit 
einem  Hymnus  auf  die  „fromme,  liebevolle,  heilige  Genoveva"  Tiecks  beginnt  der 
erste,  uns  erhaltene  Brief  Ebenaus  an  Diez.  Noch  tiefer  und  mächtiger  fühlen  sich 
beide  Jünglinge  jedoch  von  Goethe  angezogen.  Aus  seinen  Werken  citieren  sie  mit 
Vorliebe;  ihn  und  Jean  Paul  preist  Diez  1817  als  das  Zwillingsgestirn,  dessen  baldiges 
Scheiden  von  der  Erde  er  fürchtet,  zu  dem  er  daher  (Frühling  1818)  pilgert,  um  sich 
von  ihm  „weihen  zu  lassen".     Warme  Bewunderung  und  Liebe    drücken  die   Briefe 


-  69)  X  G.  G.  Gervinus,  Leben  (JBL.  1893 IV  1  c  :  137;  vgl.  I  2:18).  |[LCB1.  S.  1693  4  (abertrieben  schroff);  Th.  H.  Pantenius: 
Daheim  30,  S.  425  (oberflächlich  u  ungerecht) ;  C.  W. :  Tägl  Rs».  N.  37 ;  A.  B  a  1  d  a  m  u  s :  NJbbPh.  150,  S.  542  4  ( lobend ).]  |  -  69  a)  F  r  i  e  d  r. 
Althaus  u  M.  Jacobson,  Ungedr.  Briefe  v.  F.  Gregorovius:  DB.  2,  S.  241-55,  348-59.  —  70)  O  X  °-  Kraus,  Aus  H.  Leos 
gesch.  Monatsberichten  u.  Briefen:  KonsMschr.  S.  1-26,  113-36,  225-45,  449-64,  561-73,  673-86,  785-803,  897-910,  1009-20,  1121-39. 

—  71)  O  X  A-  Ludwich,  Ausgew.  Briefe  v.  u.  an  Chr.  A.  Lobeck  u.  K.  Lehrs,  nebst  Tagebuchnot.,  1802-78.  2  Tle.  L„ 
Duncker  &  Humblot.  XU,  1049  S.  M.  16,00.  —  71a)  X  R-  Foss,  Briefwechsel  d.  Bruder  J.  Gg.  Maller  u.  Jon.  v.  Maller 
(JBL.  1893  IV  lc:133):  MHL.  22,  S.  72/3.  -  72)  (I  4:469.)  —  73)  (I  2:20.)  |[LCB1.  S.  361.]|  -  74)  (I  2:26.)  —  75)  (I  2:13.) 


IV  lc:  74-78     F.  Muncker,    Allgemeines    des    18./19.  Jahrhunderts:    Memoiren  usw. 

für  Diezens  Lehrer  und  späteren  Kollegen  Welcker  aus;  von  sonstigen,  litterarisch 
bedeutenderen  Jugendgefährten  der  beiden  Freunde  wird  namentlich  A.  A.  Folien 
genannt.  —  Auschliesslicher  werden  Fragen  der  romanischen  Philologie  in  dem  von 
Ad.  Tobler74)  herausgegebenen  Briefwechsel  zwischen  Moritz  Haupt  und  Diez  be- 
handelt. Haupts  Studien  über  alte  französische  Volkslieder  bilden  den  Anlass  und 
zunächst  den  wichtigsten  Inhalt  der  Korrespondenz,  in  der  aber  auch  die  Teilnahme, 
die  Diez  der  älteren  deutschen  Litteratur  entgegenbrachte,  sich  deutlich  offenbart. 
Gelegentlich  wird  dabei  auf  die  —  auch  anderwärts  schon  bekannte  —  französische 
Quelle  von  Goethes  Gedicht  „Der  Müllerin  Verrat"  hingewiesen.  —  Ebenso  haben  die 
von  Weinhold75)  mitgeteilten  Briefe  Lachmanns  an  seinen  Jugendfreund  Clemenz 
Klenze  (1795—1838)  keine  nähere  Beziehung  zur  neueren  deutschen  Litteratur  im 
engeren  Sinne.  Sie  bieten  aber  manche  schätzenswerte  Ergänzung  unseres  bisherigen 
Wissens  über  Lachmanns  Leben;  besonders  treten  die  Ereignisse,  welche  seiner 
(schon  1823  erwarteten)  Berufung  an  die  Berliner  Universität  vorausgingen  und 
schliesslich  (1825)  zu  ihr  führten,  in  ein  neues  Licht.  Von  treuer  herzlicher  Liebe 
zu  Klenze,  ebenso  von  einer  immer  fester  werdenden,  verehrungsvollen  Freundschaft 
für  Schleiermacher  zeugen  zahlreiche  Briefe.  Von  Lachmanns  wissenschaftlichen 
Arbeiten  und  Ansichten  handeln  vorwiegend  drei  Briefe  an  B.  G.  Niebuhr,  die  W. 
denen  an  Klenze  beifügt;  ein  Schreiben  an  Simrock  endlich  enthält  Worte  aufrichtigen 
Lobes  für  dessen  Dichtung  „Wieland  der  Schmied".  —  Frisch  und  spannend  erzählt 
der  Aegyptologe  Heinrich  Brugsch76)  die  Geschichte  seines  Lebens.  Von 
litterarisch  bedeutenden  Persönlichkeiten  fühlt  er  sich  namentlich  A.  von  Hum- 
boldt verpflichtet,  der  ihm  in  gewissem  Sinne  den  Weg  erst  bahnte-  zu  allem,  was 
er  später  geworden  ist.  Freundschaftlich  verkehrte  Humboldt  bis  an  seinen  Tod  mit 
dem  jungen  Forscher.  Unter  den  wenigen  neuen  Einzelheiten,  die  B.  von  ihm  berichtet, 
befindet  sich  eine  (nicht  recht  glaubliche)  Anekdote,  die  Humboldt  von  einem 
dilettantischen  Theaterversuch  Schillers  in  Rudolstadt  erzählte.  Nach  Humboldt  wurde 
besonders  Fürst  Pückler  ein  Gönner  des  Vf.  Von  jüngeren  Dichtern,  mit  denen 
Brugsch  auf  Lebenszeit  befreundet  oder  nur  vorübergehend  bekannt  wurde,  nennt 
er  Bodenstedt,  Heyse,  Geibel,  Fontane.  Charakteristisch  sind  seine  Mitteilungen  über 
Luise  Mühlbach,  die  zweimal  nach  einander  mehrere  Monate  in  Kairo  auf  Kosten  des 
Vicekönigs  lebte,  um  dann  ein  banales,  ganz  wertloses  Buch  über  Aegypten  zu 
schreiben.  — 

Zu  den  Theologen  leitet  ein  inhaltreicher  Vortrag  von  Bezold77)  über,  der 
die  Anfänge  der  Selbstbiographie  beleuchtet.  Nach  dürftigen  Ansätzen  bei  antiken 
Schriftstellern,  die  aber  zur  Darstellung  ihrer  inneren  Entwicklung,  der  eigentlichen 
Hauptaufgabe  der  Selbstbiographie,  nicht  wohl  gelangten,  und  ebenso  in  den  ältesten 
christlichen  Romanen  erschien  das  erste  Meisterwerk  der  Selbstschilderung  in  den 
„Confessiones"  des  heiligen  Augustinus.  Einen  weiteren  Versuch  machte  nach  langer 
Pause  im  zehnten  Jh.  der  Mönch  Ratherius,  dessen  rücksichtslose  Zergliederung 
seines  Charakters  und  seiner  Schicksale  doch  schon  der  Form  nach  keine  wirkliche 
Selbstbiographie  ist.  Ihm  folgte  der  bayerische  Mönch  Otloh,  der  in  seinem 
stürmischen  Inneren  den  ganzen  Jammer  des  Mönchtums  durchmachte  und  diese 
Geschichte  seelischer  Selbstpeinigungen  und  überirdischer  Eingriffe  wiederholt  in 
Versen  und  in  Prosa  darstellte.  Eine  bewusste  Nachahmung  des  von  Otloh  vielleicht 
nicht  gekannten  Augustinus,  auch  in  stilistischer  Hinsicht,  versuchte  der  französische 
Abt  Guibert  von  Nogent  (gest.  1124);  bei  ihm  mischen  sich  schon  weltliche  An- 
schauungen und  Tendenzen  mit  der  rücksichtslosen  mönchischen  Askese.  Mächtig 
über  die  mönchische  Einseitigkeit  seines  Zeitalters  wächst  aber  Peter  Abälard 
(gest.  1142)  in  seiner  „Historia  calamitatum"  empor,  kein  grosser  Mensch,  aber  ein 
Aristokrat  des  Geistes,  um  den  bereits  eine  Ahnung  von  humanistischer  Luft  weht. 
Dazu  kommen  die  Ansätze  zur  Selbstbiographie  in  den  Schriften  von  visionären 
Frauen  wie  Hildegard  von  Bingen  und  Elisabeth  von  Schönau,  ferner  bei  den 
deutschen  Mystikern,  so  bei  Suso,  dessen  Lebenserinnerungen  seine  geistliche  Tochter 
Elsbeth  Stagel  aufschrieb,  bei  Heinrich  von  Nördlingen  und  Rulman  Merswin.  Endlich 
tritt  auch  die  Selbstbiographie  aus  der  ausschliesslich  religiösen  Zeit  in  eine  neue 
Epoche  mit  Dantes  „Vita  nuova"  und  Petrarcas  Epistel  an  die  Nachwelt.  —  Mitten 
in  den  kritisch-ästhetischen  Kampf  um  die  Mitte  des  vorigen  Jh.  führen  die  von 
Bächtold78)  veröffentlichten  neun  Briefe  des  Zürichers  Joh.  Georg  Schulthess 
(1724  —  1804)  oder  Schuldheiss,  wie  er  sich  selbst  meistens  unterschreibt,  an  Bodmer 
aus  den  J.  1749 — 52,  sicherlich  nur  ein  geringer  Teil  der  Briefe,  die  der  junge 
Theologe  während  seiner  Bildungsreise  nach  Norddeutschland  1749—50  und  während 

—  76)  H.  Brugsch,  Mein  Leben  u.  mein  Wandern.  B.,  Allg.  Ver.  für  dtsch.  Litt.  VI,  396  S.  M.  6,00.  |[K.  v.  Thfaler]: 
NFPr.  N.  10680;  M.  Hertz:  SchlZg.  N.  807,  840;  KonsMschr.  S.  885/6;  Fran  1,  S.  626.]  1  (Vgl.  JBL  1893  IV  lc:  132.)  - 
77)  F.  v.  Beznld,  Uober  d.  Anfänge  d.  Selbstbiogr.  u.  ihre  Entwicklung  im  MA.  Prorektoratsrede.  Erlangen  (Th.  Blaesing). 
1893.     4°.    24  S.     M.  0,80.    —   78)   J    Bächtold,    Briefe   v.    J.    G.    Schulthess    an    Bodmer:    ZürcherTb.    17,   S.   1-46.    — 


F.  Muncker,    Allgemeines    des  18./19.  Jahrhunderts:   Memoiren  usw.     IV  lc  :  78-79 

der  nächsten  Schweizer  Jahre,  bis  er  1752  Pfarrer  zu  Stettfurt  im  Thurgau  (später 
zu  Mönchaltorf)  wurde,  an  den  Altmeister  der  Züricher  Litteratur  schrieb.  Schuldheiss 
zeigt  sich  in  diesen  Briefen  als  liebenswürdiger  Charakter,  zugleich  als  aufmerksamer, 
mitunter  scharfsichtiger  Beobachter.  Fleissig  berichtet  er  über  die  litterarischen 
Persönlichkeiten,  die  er  unterwegs  aufsuchte.  Er  klagt,  dass  er  in  Dresden  trotz 
aller  Bemühungen  weder  Rost  noch  Liscow  habe  kennen  lernen,  schildert  Gellerts 
sittsam  stilles,  doch  „mit  Scherz  und  Satire  haushälterisch  untermischtes"  Wesen, 
Rabeners  „lebhaften,  heiteren  und  liebreichen  Charakter",  verschweigt  auch  nicht  die 
Bedenken  der  Beiden  über  Klopstocks  „Messias",  der  ihrer  Meinung  nach  zu  frühe 
für  den  noch  ungebildeten  Geschmack  der  Deutschen  erschienen  .ist.  Ernesti  rühmt 
ihm  das  Klopstocksche  Epos,  Christ  will  von  deutschen  Dichtungen  nichts  hören. 
Klopstocks  Vetter  Joh.  Chr.  Schmidt  (von  B.  mit  Konrad  Arnold  Schmid  verwechselt) 
bekennt  dem  Züricher  Gaste  schon,  dass  das  von  ihm  geplante  Gedicht  vom  Welt- 
gericht seine  Kräfte  übersteige.  Pastor  Lange  in  Laublingen  steigert  die  Erwartungen 
auf  seine  Uebersetzung  des  Horaz  ungemein  hoch,  da  er  dem  ihn  besuchenden 
Schuldheiss  versichert,  jeder  Gedanke,  jede  Wendung,  jeder  noch  so  kleine  Zug  des 
Originals  solle  in  seiner  ganzen  Stärke,  Ebenmass,  Schwung  und  Geschmeidigkeit 
wiedergegeben  werden.  Aber  nicht  erst  einige  Wochen  später,  als  Schuldheiss  mit 
Ramler  und  dessen  horazischen  Studien  näher  bekannt  wird,  zweifelt  er  an  der 
Zuverlässigkeit  dieser  Verheissungen  Langes;  von  allem  Anfang  an  scheint  ihn  die 
Zuversichtlich keit  des  Laubimger  Pastors,  der  sich  mit  allerlei  Plänen  trug  (zu  einem 
Epos  „Moses",  einem  komischen  Heldengedicht  „Die  Kirchenmusik",  einer  Universal- 
satire „Das  Gespenst"  usw.),  bedenklich  gestimmt  zu  haben.  In  Crellwitz  besucht 
er  Cramer,  dessen  £>uchtbarkeit  er  bewundert,  und  Adolf  Schlegel,  den  er  als  treff- 
lichen Recitator  und.  liebenswürdigen  Gesellschafter,  endlich  als  „Poeten  von  ganzem 
Herzen,  von  ganzer  Seele"  rühmt.  Bodmers  strenge  Kritik  des  „Schutzgeistes"  führt 
zu  einem  langen  Disput  zwischen  Schuldheiss  und  den  beiden  Freunden.  In  Berlin 
findet  der  junge  Schweizer  Gelegenheit,  Ramler,  „Kleists  und  Gleims  bevollmächtigten 
Kritikus",  bei  seiner  Putz-  und  Vermehrungsarbeit  am  „Frühling"  zu  beobachten. 
Auch  auf  Lessings  Schriften  wird  er  aufmerksam,  doch  nicht  auf  ihn  selbst;  so  er- 
kundigt er  sich  bei  Bodmer  nach  dem  Namen  des  Vf.  der  anonym  von  Lessing  und 
Mylius  herausgegebenen  „Theatralischen  Beiträge".  Verkleinernde  Anekdoten  erzählt 
er  von  Gottsched,  besonders  von  seiner  Wiener  Reise.  Als  höchstes  Ziel  der  eigenen 
Wanderfahrt  betrachtet  Schuldheiss  die  persönliche  Bekanntschaft  Klopstocks  und 
und  nähere  Einsicht  in  sein  Epos.  Endlich  wird  ihm  beim  Besuche  Gleims  in 
Halberstadt  dieser  Wunsch  erfüllt  (Frühling  1750);  bald  darauf  trifft  er  wieder  in 
Braunschweig  mit  Klopstock  zusammen,  und  endlich  tritt  er  mit  ihm  und  Sulzer 
gemeinsam  im  Sommer  1750  die  Rückreise  nach  Zürich  an,  um  auch  hier  zu  den  treu 
ausharrenden  Freunden  des  Messiasdichters  (in  seinem  Zwiste  mit  Bodmer)  zu  ge- 
hören. Neben  den  persönlichen  Nachrichten  über  die  norddeutschen  Schriftsteller 
finden  sich  in  den  Briefen  von  Schuldheiss  auch  mannigfache  Mitteilungen  über 
reimlose  oder  gereimte  Poesie,  über  Gedichte  der  Anhänger  Bodmers  und  Klopstocks, 
über  die  von  Sulzer  und  Ramler  herausgegebenen  „Kritischen  Nachrichten"  und 
namentlich  über  den  von  Schuldheiss  und  Sulzer  besorgten  Druck  der  ersten  Gesänge 
des  „Noah"  und  ihre  Aufnahme  bei  Freund  und  Feind.  —  Weniger  unmittelbar 
greift  in  die  Geschichte  der  deutschen  Dichtung  der  nunmehr  von  Funck79)  möglichst 
vollständig  veröffentlichte  Briefwechsel  zwischen  Hamann  und  Lavater  ein.  Desto 
überzeugender  tritt  uns  aus  dieser  Korrespondenz  die  innere  Verwandtschaft  der 
beiden  Briefsteller,  namentlich  auch  das  stürmerische  Element  in  Lavaters  Wesen 
entgegen.  Auch  sein  unvergleichlich  geschäftiges  Leben  stellt  sich  uns  in  der 
brieflichen  Schilderung  höchst  anschaulich  dar.  Lavaters  und  Hamanns  Schriften 
werden  der  Reihe  nach,  meistens  kurz,  besprochen,  besonders  Lavaters  „Pontius 
Pilatus"  und  „Jesus  Messias",  dessen  dritten  Band  der  Vf.  selbst  seine  süsseste 
Arbeit  auf  Erden  nennt,  und  Hamanns  „Golgatha  und  Scheblimini".  Auch  auf 
Kants  Werke,  an  deren  Lektüre  Lavater  zögernd  herangeht,  und  Hamanns  vorläufig 
noch  un gedruckte  Gegenschrift  deuten  verschiedene  Briefe  hin.  1784  berichtet  der 
Magus  im  Norden  vom  Studium  Spinozas,  wobei  ihm  „die  exemplarische  Massigkeit, 
Enthaltsamkeit,  Emsigkeit  und  Genügsamkeit  dieses  ausserordentlichen  Mannes" 
einen  lebhaften  Eindruck  machte.  Später  weist  er  den  Freund  auf  F.  H.  Jacobis 
Schrift  über  Spinoza  hin.  Dass  er  sich  wiederholt  als  litterarischen  Gegner  Mendels- 
sohns fühlt,  hindert  ihn  keineswegs,  sein  freundschaftliches  Empfinden  für  diesen 
als  Menschen  mehrfach  aufrichtig  zu  versichern,  und  Lavater  nimmt  dem  jüdischen 
Philosophen  gegenüber  eine  ähnliche  Stellung  ein.  Sonst  erwähnen  Hamanns  Briefe 
gelegentlich  Hippel,  doch  nur  als  persönlichen  Freund  des  Vf.,  nicht  als  Schriftsteller, 


79)  H.  Funck,  Briefw.  zwischen  Hamann  u.  Lavater:  AltprMschr.  31,  S.  95-147.    IfBLChrSchw.  2t,  S.  S2.]|     (Auch  im  Sonder- 
Jahre «berichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschiohte.     V.  (4)14 


IV  lc:  so-90     F.   Muncker,    Allgemeines    des    18./19.  Jahrhunderts:    Memoiren    usw. 

und  besonders  Herder,  von  dem  sich  Hamann  auch  in  allen  seinen  Schwachheiten 
gekannt  weiss.  Mit  Bedauern  über  so  manche  Lücke  liest  der  Königsberger  Todfeind 
der  platten  Aufklärung  Lessings  theologischen  Nachlass,  mit  immer  steigender 
Rührung  zweimal  Jung-Stillings  Jugendgeschichte.80"81)  —  Einige  von  streng 
konservativem,  fast  reaktionärem  Geiste  zeugende  Briefe  des  evangelischen  Bischofs 
Rulemann  Friedr.  Eylert82)  an  seinen  ehemaligen  Lehrer,  den  in  den  „Xenienu  ver- 
spotteten Kantianer  L.  H.  Jakob,  aus  den  J.  1818 — 19  sind  für  die  Literatur- 
geschichte nahezu  ergebnislos.83)  —  Für  sie  liefern  auch  Thikötters84)  „Jugend- 
erinnerungen" nur  wenig  Ausbeute,  sonst  ein  vortreffliches  Buch,  das  die  edle, 
liebenswürdige  Humanität  und  Toleranz  seines  Vf.  Seite  für  Seite  bekundet  und 
durch  die  Milde  der  Gesinnung  ebenso  wie  durch  die  anschauliche  Frische  der  Dar- 
stellung den  Leser  gewinnt.  Aus  seinen  Kinderjahren  teilt  Th.,  dessen  eigener 
poetischer  Sinn  am  Studium  deutscher  und  antiker  Dichter,  besonders  auch  an  der 
reichen  Litteratur  deutscher  Volkslieder  sich  bildete,  mehrere  Kinderreime  und  alte 
volkstümliche  Strophen  mit,  die  bei  gewissen  Gebräuchen  und  Gelegenheiten  in 
seinem  heimatlichen  Wupperthale  gesungen  wurden.  Bei  der  Schilderung  seiner 
Studentenjahre  in  Bonn  charakterisiert  er  ausführlich  seine  Universitätslehrer,  neben 
den  Theologen  auch  den  alten  Arndt,  bei  dem  er  vergleichende  Völkergeschichte 
Europas  hörte.  Weniger  der  wissenschaftliche  Gehalt  als  der  persönliche  Reiz,  der 
in  dieser  Vorlesung  oder  richtiger  Erzählung  des  greisen  Dichters  lag,  fesselte  die 
Zuhörer.  „Gerade  das  Selbsterlebte  und  Geschaute  war  das  Interessante,  besonders 
die  Charakteristik  der  europäischen  Völker-  und  Stammestypen."  Dann  und  wann 
flicht  Th.  eigene  Gedichte  seiner  Darstellung  ein;  am  Schlüsse  fügt-  er  eine  hübsche 
Anzahl  lateinischer  und  deutscher  Hymnen  und  Gelegenheitsgedichte,  namentlich  auf 
Bismarck,  bei.  —  Eine  ebenso  liebenswürdige  Gabe  bietet  Fromme  l85"86)  mit  einer 
neuen  Sammlung  gut  erzählter  frommer  Novellen  und  anschaulicher  Schilderungen 
aus  seinem  Berufsleben;  besonderen  Reiz  und  Wert  haben  darunter  die  Erinnerungen 
an  Kaiser  Wilhelm  I.  während  seines  alljährlichen  Aufenthaltes  in  Gastein.  Für  die 
litterargeschichtliche  Forschung  kommt  in'-dem  hübschen  Buche  höchstens  ein  Nachruf 
auf  Karl  Gerok  in  Betracht.  —  Ein  derberes,  volkstümlich-humoristisches  Gepräge 
zeigen  die  nunmehr  in  vermehrter  Auflage  erschienenen  Erzählungen  des  katholischen 
Geistlichen  Hansjakob87)  aus  seiner  Gymnasiasten-,  Studenten-  und  Examinanden  zeit 
in  Rastatt,  Freiburg  i.  B.  und  Karlsruhe,  eine  frische,  gesunde  und  erfreuliche 
Lektüre,  wenn  auch  einzelne  Bemerkungen  des  Vf.  den  Widerspruch  des  Lesers 
herauszufordern  geeignet  sind.  Von  Beziehungen  zur  neueren  deutschen  Litteratur 
berichtet  H.  aus  jenen  Jugendjahren  nichts;  gelegentlich  bezeichnet  er  Eichendorff 
als  den  ihm  sympathischesten  deutschen  Lyriker.  Mehrmals  beruft  er  sich  auf  Schopen- 
hauer, den  „scharfsinnigsten  und  geistreichsten  unserer  neueren  Philosophen",  den 
einzigen,  dessen  gründlichem  Studium  er  sich  mit  Eifer  und  Liebe  zuwandte.87 a)  — 
Unter  den  deutschen  Naturforschern  hat  G.  Forster  wieder  durch 
Leitzmanns88-89)  Verdienst  sorgfältige  Beachtung  in  litterargeschichtlichen  Kreisen  ge- 
funden. Von  seinen  Briefen  an  Christian  Gottlob  Heyne  ist  eine  weitere  stattliche 
Anzahl  (aus  den  J.  1785 — 90)  silbengetreu  veröffentlicht  worden.  Ungemein  wichtig 
für  die  genaue  Kenntnis  von  Forsters  Leben  und  Wirken,  namentlich  reich  an  Auf- 
schlüssen über  seinen  Charakter  und  seine  häuslichen  Verhältnisse,  enthalten  diese 
Briefe  doch  für  die  eigentliche  Litteraturgeschichte  ausser  vereinzelten,  unbedeutenden 
Erwähnungen  Knigges,  Zimmermanns,  Lichtenbergs,  Kants,  W.  von  Humboldts, 
Ifflands  und  anderer  Autoren  so  viel  wie  nichts.  —  Von  Forsters  grösstem  Schüler, 
A.  von  Humboldt,  teilt  von  Trost90)  zehn  Briefe  an  König  Maximilian  II.  aus  den 
J.  1846 — 59  nach  den  Originalen  im  kgl.  bayerischen  Hausarchive  mit.  Maximilian 
wurde  schon  1830  bei  einem  Besuche  in  Potsdam  mit  Humboldt  bekannt.  Der 
Wissensdurst  des  bayerischen  Kronprinzen  fand  stets  Befriedigung,  sein  edler  Wille 


abdr.  erschienen:  Königsberg,  Druck  v.  R.  Leopold,  53  Seiten;  nicht  im  Handel.)  —  80)  O  X^T^a'  is>  Jong-Stilling  in 
Basel  verboten.  Kirchengesch.  Mitteil.:  BaslerJb.  14,  S.  79-105.  —  81)  O  X  Otto  Gerland,  Aus  d.  Tagebuch  e.  hess.  Feld- 
predigers im  amerik.  Krieg:  Hessenland  S.  726,  87-91.  —  82)  Briefe  vom  Bischof  Eylert:  DWB1.  S.  453/5.  —  83)  X  K- 
v.  Hase,  Ideale  u.  Irrtümer.  Jugenderinnerungen.  5.  Abdr.  Mit  1  Bild.  L.,  Breitkopf  &  Härtel.  IX,  230  S.  M.  4,00.  — 
84)  [Jul.  Thikötter],  Jugenderinnerungen  e.  dtsch.  Theologen.  Bremen,  Hainsius  Nachf.  VI,  278  S.  M.  4,00.  |[H.  Holtz- 
mann:  DLZ.  S.  1274/5;  G.  Kr.:  LCB1.  S.  1483/4;  0.  Henke:  WeserZg.  N.  17035  (sehr  lobend);  J.  Meinhol  d:  ThLBl.  17, 
S.  243;  O.  Veeck:  DPB1.  27,  S.  232;  F.  Kattenbusoh:  DEB11.  19,  S.  7005;  Grenzb.  4,  S.  590/l.]|  -  85)  E.  Frommel, 
Nachtschmetterlinge.  Mit  d.  Bild.  d.  Vf.  (=  Ges.  Schriften.  Erzählungen  für  d.  Volk,  Aufsätze  u.  Vortrr.  mannigfachen 
Inhalts  in  e.  fortlaufenden  Reihe  v.  Bändchen.  Bd.  10.)  B.,  Wiegandt  &  Grieben.  X,  226  S.  M  2,50.  (Bis  1895  in  3  Aufl. 
erschienen.)  —  86)  X  J-  Hans,  id.,  Aus  Lenz  u.  Herbst  (JBL  1893  IV  lc:108):  ThLZ.  19,  S.  355  (lobend).  —  87)  H.  Hans- 
jakob, Aus  meiner  Studienzeit.  Erinnerungen.  2.  verb.  u.  verm.  Aufl.  Heidelberg,  Weiss.  VII,  326  S.  M.  3,60.  |[Stuhlen: 
COIRW.  22,  S.  257.1|  —  87a)  XW»tdlullJM  d'  Ioh  im  Zeitstrome  (Lebenserinnerungen):  Grenzb.  3,  S.  318-28,  350-61,  405-15; 
4,  S.  366-73,  494-504.  (Litterargesch.  unergiebig;  behandelt  d.  Jugendzeit  e.  spät.  kath.  Geistl.  aus  Schlesien.)  —88)  X-^.  Leitz- 
mann,  Ungedr.  Briefe  G.  Forsters.  IV.  An  Chrn.  G.  Heyne.  2.  T.  1785-90:  ASNS.  92,  S.241-304.  (Forts,  zu  JBL.  1893  IV1  c  :  115.)  — 
89)  X  id'.  Briefe  u.  Tagebücher  G.  Forsters  (TBL.  1893  IV  lc  :  114).  |rR.  Fürst:  Euph.  1,  S.  400/3  (sachkundig);  A.  Chuquet: 
RCr.  37,  S.  289-90.]  |   —  90)  L.  v.  Trost,  Briefe  Alex.  v.  Humboldt  an  König  Maximilian  II.:  NPPr.  N.  10795/6.  —  91)  XEGer" 


F.  Muncker,    Allgemeines  des    18./19.  Jahrhunderts:    Memoiren  usw.     IV  lc  :  9i-9ä 

und  sein  hohes  Streben  vollste  Anerkennung"  bei  dem  universellen  Gelehrten,  und 
Humboldts  geistvolle  Pflege  der  Naturwissenschaften,  ihre  Durchdringung-  und  Ver- 
bindung mit  einem  ästhetisch-poetischen  Elemente,  war  hinwiederum  dem  jungen 
Prinzen  höchst  sympathisch.  So  regte  er  einen  Briefwechsel  an,  in  welchem  gelegentlich 
zwar  auch  politische  Fragen  gestreift,  hauptsächlich  aber  die  Unterstützung  der 
Wissenschaften  in  Bayern  und  die  Förderung  würdiger  Gelehrter  und  Künstler  er- 
örtert wurden.  Die  liebenswürdige,  den  glänzen  Umkreis  der  Wissenschaften  stets  im 
Auge  behaltende  und  für  ihre  gedeihliche  Entwicklung  emsig  besorgte  Persönlichkeit 
Humboldts  offenbart  sich  auch  in  diesen  Briefen.  Unter  den  von  ihm  Empfohlenen 
ist  auch  Johannes  Minckwitz,  von  ihm  wiederholt  als  Uebersetzer  aus  dem  klassischen 
Altertum,  als  rhythmischer  Künstler  überschwenglich  gepriesen.  Die  Sammlung  von 
Sonetten  seines  Bruders  Wilhelm  überreicht  Humboldt  1853  dem  Könige  mit  der 
Bemerkung,  diese  Sonette  hätten  zwar  nicht  die  Reinheit  der  Sprache  und  Vollendung 
der  Form  wie  Wilhelms  Uebersetzungen  aus  Pindar  und  Aeschylos,  seien  aber  desto 
merkwürdiger  durch  den  Inhalt,  durch  den  Reichtum  aus  der  Welt  der  Gedanken 
und  der  Gefühle;  sie  flössen  aus  derselben  Quelle  wie  die  „Briefe  an  eine 
Freundin".fll_92a)  —  Zwei  schöne  Briefe  A.  von  Humboldts  voll  hoher  Anerkennung 
der  physiologischen  Verdienste  Jakob  Moleschotts  sind  in  den  von  Elsa  Moleschott93) 
herausgegebenen  „Lebenserinnerungen"  ihres  Vaters  mitgeteilt.  Es  ist  ein  liebens- 
würdiges, inhalt-  und  lehrreiches  Buch,  auch  für  den  Literarhistoriker  anregend  auf 
Schritt  und  Tritt,  da  Möleschott  von  frühester  Jug-end  an  regen  Sinn  für  Poesie 
besass  und  zeitlebens  viel  und  innig  mit  Dichtern  und  Künstlern  verkehrte. 
Aus  Holland  gebürtig,  las  er  als  kleiner  Knabe  zunächst  die  Kindergedichte 
des  Hieronymus  van  Alphen,  denen  er  noch  in  seiner  Selbstbiographie  eine 
feinsinnige  Charakteristik  widmet,  dann  in  etwas  reiferem  Alter  andere  holländische, 
bald  aber  auch  französische,  deutsche,  englische  und  antik-klassische  Dichter.  Und 
zwar  wurde  sein  Blick  auf  die  wirklich  grossen  Autoren  der  verschiedenen  Völker 
und  durch  einen  günstigen  Zufall  so  gelenkt,  dass  sich  der  Genuss  des  litterarischen 
Studiums  bei  ihm  stets  steigerte.  Er  wurde  zuerst  mit  Corneille  und  Racine,  hernach 
erst  mit  Schiller  und  Goethe  und  noch  später  mit  Shakespeare  bekannt;  sie  alle  aber 
las  er  in  der  Originalsprache.  Besonders  auf  dem  Gymnasium  zu  Kleve,  wo  er  antike 
Autoren  gründlich  kennen  und  für  die  Dauer  seines  Lebens  begeistert  lieben  lernte, 
vertiefte  er  sich  in  diese  Lektüre.  Namentlich  rühmt  er  die  Vorzüge  der  „Braut  von 
Korinth",  in  der  er  die  vollendetste  Ballade  der  Welt  erblickt.  Ungemein  tiefen  Ein- 
druck machte  ihm  die  erste  Bekanntschaft  mit  Shakespeare;  in  den  Geist  des  englischen 
Dramatikers  Hess  er  sich  durch  keinen  Geringeren  als  Goethe  einführen.  Die  emsige, 
gründliche  Beschäftigung  mit  deutschen  und  fremden  Dichtern  pflegte  er  aber  auch 
als  Student  zu  Heidelberg  und  während  seines  ganzen  folgenden  Lebens  ununter- 
brochen. Wissenschaftliche,  besonders  philosophische  Studien  traten  bald  dazu. 
Hegel,  dann  Vischer  und  D.  F.  Strauss,  die  er  beide  1842  auch  persönlich  kennen 
lernte,  später  namentlich  Georg  Forster,  auf  den  er  durch  Gervinus  aufmerksam  wurde, 
um  ihm,  dem  „Naturforscher  des  Volkes",  für  immer  ein  treuer,  dankbarer  Bewunderer 
zu  bleiben,  und  Ludwig  Feuerbach,  dessen  religionsphilosophische  Anschauungen  er 
sich  vollständig  aneignete,  verteidigte  und  nach  mancher  Seite  hin  weiter  auszuführen 
strebte,  wurden  ihm  Lieblingsschriftsteller,  bei  denen  er  Anregung,  auch  Trost  und 
Erbauung  in  schweren  Stunden  suchte.  Er  selbst  nennt  als  die  Geister,  denen  er 
„für  mittelbar  und  unmittelbar  erwiesenen  Einfluss"  besonders  dankbar  sein  müsse, 
neben  mehreren  speciellen  Fachgenossen  Goethe,  Beethoven,  Spinoza,  Forster,  L.  Feuer- 
bach, den  charakterfesten  F.  Ch.  Schlosser  und  Hettner.  Zu  dem  Historiker  Schlosser 
wurde  Moleschott  in  Heidelberg  durch  Carriere  geführt,  der  sich  freundlich  des 
Jünglings  annahm.  Auch  mit  dem  damaligen  Privatdocenten  Heinrich  Bernhard 
Oppenheim  machte  ihn  Carriere  bekannt;  Oppenheim  aber  wies  ihn  u.  a.  auf 
die  Schriften  Bettinas  von  Arnim  hin,  deren  unklare  Ueberschwenglichkeit  und  doch 
zugleich  herzlich  wohlthuende  Gefühlsseligkeit  die  Selbstbiographie  Moleschotts  hübsch 
charakterisiert.  Hettner  lernte  der  Vf.  erst  später  kennen,  als  sie  sich  bereits  beide 
an  der  Heidelberger  Hochschule  habilitiert  hatten.  Durch  Hettner  wurde  sein  Sinn 
für  bildende  Kunst  geläutert,  durch  ihn  wurde  er  auf  die  Werke  Heinses  verwiesen, 
durch  ihn  wurde  er  persönlich  mit  Auerbach,  den  er  freilich  schon  von  seiner 
Studentenzeit  her  kannte,  mit  A.  Meissner  und  G.  Keller  zusammengeführt.  In  die 
Heidelberger  Docentenzeit  fiel  auch  Moleschotts  Verheiratung  mit  der  dichterisch  be- 
gabten Sophie  Strecker  aus  Mainz  (1849),  die  sich  hernach  vornehmlich  als  Ueber- 
setzerin  aus  dem  Französischen,  Englischen  und  Italienischen   mit  Glück  versuchte; 

land,  Just.  Carriere,  Berzelius  u.  Liel)ig  (JBL.  1S93  IV  lc:117):  DLZ.  S.  342.  —  92)  X  w-  T-  Siemens,  Lebenserinnerungen. 
4.  Aufl.  (Wohlf.  Volksausg.)  Mit  d.  Bild.  d.  Vf.  in  Kupferätzung.  B.,  Springer.  298  S.  M.  2,00.  (Vgl.  JBL.  1393  IV  lc:  119.) 
—  92a)  X  id-.  Personal  recollections  (vgl.  JBL.  1S93  IV  lc:120):  Ath.  1,  S.  151.  —  93)  Elsa  Moleschott,  J.  Moleschott, 
Für  nieine  Freunde.     Lebenserinnerungen.     Giessen,  Roth.     III,  326  S.     M.  6,50.     |[m.  k.:    FrBlw.  N.  347  (begeistert  lobend).]| 


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IV  lc:  93-06     F.  Muncker,    Allgemeines    des    18./19.  Jahrhunderts:    Memoiren  usw. 

einige  Gelegenheitsgedichte  von  ihr  teilt  die  Selbstbiographie  mit.  In  dem  jungen 
Hauswesen  war  1853  vor  allem  Wilhelmine  Schröder- Devrient  ein  gern  gesehener 
Gast.  Moleschott  schildert  kurz  und-  schön  die  Vortrefflichkeit  ihres  Spiels  und 
Gesangs,  ebenso  das  klassisch  ergreifende,  durchaus  massvolle  und  edle  Spiel  der 
Rachel,  ausführlicher  die  Leistungen  Dawisons  auf  der  Bühne  (besonders  als  Mephisto- 
pheles  und  Hamlet).  In  Zürich,  wohin  Moleschott  1856  berufen  wurde,  schloss  er 
namentlich  mit  G.  Semper,  der  ihm  nach  seinem  eigenen  Bekenntnis  immer  Ehrfurcht 
einflösste,  ihn  immer  „beseelte  und  begeisterte",  und  mit  Herwegh  Freundschaft. 
An  dem  Dichter  rühmt  er  die  geistige  Vielseitigkeit,  die  jedoch  keineswegs  mit  Ober- 
flächlichkeit des  Wissens  verbunden  gewesen  sei,  ferner  die  Freiheit  von  „Fach- 
schranken", die  beständige  Vermittlung  zwischen  Kunst  und  Wissenschaft,  die  Gabe 
einer  geistreich  anregenden  Unterhaltung,  in  der  er  aber  jede  störende  oder  gar  ver- 
letzende Heftigkeit  rechtzeitig  zu  dämpfen  wusste.  Mit  hoher  Verehrung  spricht  der 
Vf.  von  Liszt,  den  er  gleichfalls  in  Zürich  kennen  lernte,  und  von  G.  Keller,  in  dem 
er  den  Menschen  noch  höher  schätzt  als  den  Dichter.  Er  betont,  dass  bei  Keller  die 
Wahrheit  über  die  Dichtung  überwog,  mitunter  bis  zur  Trockenheit.  Am  meisten 
befriedigen  ihn  Kellers  lyrische  Jugendergüsse.  „Später  schlägt  ihm  oft  der  Zweifel 
in  den  Nacken.  Der  Kunstrichter  passt  immer  dem  Künstler  auf  urfd  verhindert  ihn, 
ein  Kunstwerk  ruhig  mit  künstlerischer  Unmittelbarkeit  abzuspinnen,  und  deshalb 
ist  mit  wenigen  Ausnahmen  der  Anfang  seiner  Erzählungen  das  Schönste."  Unter 
diese  Ausnahmen  rechnet  Moleschott  vor  allem  die  auch '  von  ihm  hochgerühmte 
Erzählung  „Romeo  und  Julia  auf  dem  Dorfe",  auf  deren  Schluss  er  sich,  wie  es 
scheint,  missverständlicher  Weise  einen  gewissen  Einfluss  zuschreibt.-  Auch  mit  zahl- 
reichen anderen  Schriftstellern  wurde  der  Vf.  in  Zürich  bekannt,  so  mit  Varnhagen, 
den  ihm  Keller  zuführte,  mit  Adolf  Stahr  und  Fanny  Lewald,  mit  G.  H.  Lewes  und 
George  Eliot,  mit  Fr.  de  Sanctis,  dem  er  neben  Frau  Herwegh  vor  allem  seine  Kennt- 
nisse in  der  italienischen  Litteratur  verdankte.  Ihnen  allen  und  vielen  anderen,  mit 
denen  sich  nur  flüchtige  Berührungen  ergaben,  spendet  er  ein  kurzes,  fast  immer 
liebevolles  Wort.  Kurz  vor  der  Berufung  Moleschotts  nach  Italien  (1861)  bricht  das 
schöne,  reiche  Buch  ab.  — 

Aus  den  Memoiren  von  Journalisten,  die  hier  in  Betracht  kommen,  zieht 
die  Kulturgeschichte,  auch  die  politisch-historische  Forschung  grösseren  Nutzen  als 
die  Literaturgeschichte  im  engeren  Sinne.  Die  Aufzeichnungen  aus  dem  Leben  eines 
Wiener  Journalisten94),  vorläufig  bis  1868  reichend,  sind  aufschlussreich  für  die 
innere  Geschichte  Oesterreichs  und  enthalten  manchen  Beitrag  zur  Charakteristik  der 
Persönlichkeiten,  die  leitend  in  diese  innere  Entwicklung  des  Staatswesens  eingriffen. 
Auch  zur  Geschichte  der  Wiener  Presse,  die  noch  unter  dem  Ministerium  Schmerling 
1862 — 64  gewissen  Verfolgungen  ausgesetzt  war,  bringen  die  anonymen  Memoiren 
manches  Beachtenswerte  bei.  Von  dichterisch  thätigen  Autoren  wird  Hackländer,  dem 
der  Vf.  1848  als  Berichterstatter  für  ein  Wiener  Blatt  vom  italienischen  Kriegsschau- 
platz begegnete ,  erwähnt  und  wegen  seines  liebenswürdigen  Entgegenkommens 
gerühmt.  —  Ebenso  bieten  die  Memoiren  des  langjährigen  Chefredakteurs  der  St.  Peters- 
burger deutschen  Zeitung,  Friedrich  Meyer  von  Waldeck95),  sehr  viel  Interessantes 
und  Belehrendes  über  Russlands  politisch-sociale  Entwicklung  von  etwa  1852—80, 
u.  a.  auch  in  einem  Nekrolog  auf  den  1877  verstorbenen  russischen  Dichter  Nikolai 
Alexejewitsch  Nekrassow  einen  schätzenswerten  Beitrag  zur  russischen  Litteratur- 
geschichte.   Die  Geschichte  der  deutschen  Dichtung  wird  darin  nirgends  gestreift.  — 

Geraume  Zeit  auch  als  Redakteur,  ausserdem  aber  noch  in  so  vielen  anderen 
Stellungen,  dass  man  ihn  den  ihrem  Berufe  nach  unbestimmten  Verfassern 
beizählen  darf,  wirkte  der  Italiener  Giuseppe  Acerbi(  1773 — 1846),  dessen  Aufzeichnungen 
über  Klopstock,  aus  Hamburger  Besuchen  vor  und  nach  einer  Nordlandsreise  im  Aug. 
1798  und  im  Nov.  und  Dec.  1800  stammend,  erst  jetzt  und  zwar  in  deutscher  Ueber- 
tragung  veröffentlicht  wurden96).  WTas  Acerbi  über  Klopstocks  Aeusseres,  über  sein 
Benehmen,  seine  Selbstgefälligkeit  bemerkt,  auch  was  er  von  den  Ansichten  des  greisen 
Dichters  über  deutsche  Metrik,  über  den  Vorzug  Homers  vor  Vergil,  über  die  Dar- 
stellung der  Leidenschaften  mitteilt,  ist  in  der  Hauptsache  schon  anderweitig  bekannt, 
wenngleich  meistens  auch  hier  neu  und  glücklich  gefasst.  Dankenswert  sind  mehrere 
Angaben  über  Klopstocks  Einfluss  auf  die  italienische  Litteratur,  besonders  auf  V.Monti. 
Auch  der  deutsche  Dichter  war,  als  Acerbi  ihn  besuchte,  kein  Fremdling  mehr  in 
italienischer  Sprache  und  Dichtung.  Er  bewies  das  namentlich,  indem  er  zusammen 
mit  seinem  Gaste  Abschnitte  des  „Messias"  las  und  mit  Zignos  italienischer  Ueber- 
setzung  verglich.  Manche  sprachlich  und  ästhetisch  bedeutsame  Bemerkung  über 
seine  Dichtung  wusste  er  an  diese  Lektüre  zu  knüpfen.     Rückhaltlos  scharf  sprach 

—  94)  Dreissig  J.  aus  d.  Leben  e.  Journalisten.  Erinnerungen  u.  Aufzeichnungen  von  *„*.  I.  Bd.  Wien,  Holder.  V,  283  S. 
M.  4,00.  |[J.  A.  v.  Helfert:  ÖLB1.  3,  S.  681/2  (sehr  lobend).]|  -  95)  F.  Meyer  v.  Waldeck,  Unter  d.  russ.  Scepter.  Aus 
d.  Erinnerungen  e.  dtsch.  Publizisten.     Heidelborg,  Winter.    VI11,  313  S.    M.  7,00.    |[-n-:  LC151.  S.  630,1  ]|  —  96)  Aus  Klop- 


A d. Stern, Allgemeines d.l8./19. Jh.:  Die dtsch.Litteraturu.d. Ausland.  IVlc:96-io3  IVld.i 

er  sich  gegen  Acerbi  über  andere  deutsche  Dichter  aus,  sehr  zutreffend  über  Gessner, 
Voss,  Jean  Paul  und  noch  einige  Autoren  zweiten  Ranges.  Ebenso  anerkennenswert 
ist  sein  Urteil  über  Voltaire.  Unter  seinen  Nebenbuhlern  auf  dem  deutschen  Parnasse 
stellte  er  Wieland  am  höchsten,  im  ganzen  entschieden  über  Goethe.  Zwar  fand  er 
Goethe  „mehr  gemacht  für  die  grossen  Leidenschaften",  die  er  indessen  manchmal 
verfehle,  und  Wieland  nur  für  die  Leidenschaften  zweiter  Ordnung  begabt;  diese  aber 
behandle  er  mit  angeborener  Leichtigkeit,  und  auch  in  seinen  scherzhaften  Epen  wisse 
er  sich  bisweilen  zur  Höhe  des  ernsten  heroischen  Stils  zu  erheben.  Klopstock 
rühmte  Wielands  fruchtbare  Phantasie,  seine  blühende  Ausdrucksweise;  er  fand  ihn 
gleich  massiger  und  in  der  Sprache  gefälliger  und  geschickter  als  Goethe.  Sogar 
seine  Weitschweifigkeit  schien  ihm  durch  die  Anmut  seiner  Darstellung  entschuldigt. 
Nur  seine  Uebersetzungen  aus  Horaz  verurteilte  er  vollständig  im  Hinblick  auf  seine 
eigenen,  nach  ganz  anderen  Grundsätzen  unternommenen  Verdeutschungs versuche. 
Dagegen  sah  er  im  „Aristipp"  ein  Meisterwerk,  lobte  den  „Agathon",  zog  aber  den 
„Diogenes"  allen  anderen  Romanen  und  den  „Oberon"  den  übrigen  heroisch-komischen 
Dichtungen  Wielands  vor.  Goethes  bestes  Werk  schien  ihm  der  „Werther"  zu  sein. 
Die  „Laune  des  Verliebten"  dünkte  ihn  „ganz  und  gar  miserabel",  die  Elegien  voller 
noch  schlimmerer  Sünden  wider  die  Sprache.  In  der  „Iphigenie"  sah  er  nur  eine 
oft  gesuchte  und  sprachlich  gezwungene,  im  ganzen  ungriechische  Nachahmung  der 
antiken  Tragödie;  den  „Tasso"  fand  er  sehr  ungleich  trotz  vieler  einzelner  Schönheiten; 
in  den  „Propyläen"  entdeckte  er  nur  ganz  gewöhnliche  Sachen  und  abgedroschene 
Gedanken.  Noch  bitterer  urteilte  er  über  Schiller.  Ihn  fand  er  so  ungleich,  oft  klein 
und  platt,  geschmacklos,  trivial,  eingebildet  und  anmassend,  dass  er  nichts  mehr  von 
ihm  zu  lesen  versicherte.  Am  meisten  tadelte  er  das  „Lied  an  die  Freude"  und  die 
Vergilübersetzung  in  Stanzen.  Die  „Räuber"  nannte  er  „schlecht,  ohne  Plan,  ohne 
Führung";  auch  im  „Don  Carlos"  vermisste  er  den  festen  Zusammenhang  und  klaren 
Aufbau;  besser  gemacht  schien  ihm  der  „Fiesco"  als  Ganzes,  obgleich  er  nicht  so 
viele  starke  Stellen  darin  bemerkte  wie  im  „Don  Carlos".  —  Einige  andere  Memoiren- 
werke, deren  Wert,  wie  es  scheint,  hauptsächlich  in  kulturgeschichtlichen  Schilderungen 
beruht,  blieben  mir  unzugänglich97-103).  — 


d)  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland. 

Adolf  Stern. 

Allgemeines  N.  1.  —  Frankreich:  Deutsche  Litteratur  in  Frankreich:  Allgemeines  N.  2;  Gesamt' 
darstellnng  N.  3;  Essays  N.  4;  Kotzebue,  Platen,  G.  Hauptmann  N.  5.  —  Französische  Litteratur  in  Deutschland:  Allgemeines 
N.  10:  einzelne  Gestalten:  J.  ChapelainN.  13;  Moliere  N.  14;  Kant  und  J.  J.  Rousseau,  ~A.  Ohenier,  Frau  von  Stael  N.  17;  Lecomte 
de  Lisle,  Krieg  von  1870—71  N.  20.  —  England  (englische  Litteratur  in  Deutschland):  Shakespeare:  Hamlet  N.  22;  Timon 
von  Athen,  Coriolan  N.  30;  Troilus  und  Cressida,  Julius  Caesar,  Falstaff,  „Shakespeares  düstere  Periode"  N.  33;  Frauen- 
gestalten N.  37;  poetischer  Ausdruck  (Wortspiel,  Tagelied,  Beteuerungen)  N.  38;  Schreibweise  des  Namens  N.  41 ;  Shakespeare- 
schriften N.  42;  Shakespeare-Bacon-Streit  N.  49.  —  Percy,  Milton  und  Klopstock,  Elizabeth  Bowe  N.  58;  W.  Wicherley 
und  Chr.  F.  Weisse,  Goldsmith,  H.  Fielding  N.  61.  —  Spanien:  Grillparzer  und  Lope  de  Vega  N.  64.  —  Niederlande: 
Vlämische  Litteratur  N.  65;  Holland  N.  66.  —  Slavische  Litteraturen:  Bussland  N.  68;  Böhmen  N.  70;  Bulgarien 
N.  72.  —  Ungarn  N.  73.  —  L  i  t  au  en  N.  74.  — 

Die  Möglichkeit  einer  wirklich  vollständigen  und  erschöpfenden  Uebersicht 
aller  Beziehungen  der  deutschen  Litteratur  zum  Auslande  verringert  sich  —  das  möchte 
ich  im  allgemeinen  hier  bemerken  —  trotz  des  gesteigerten  Verkehrs  und  der  ver- 
mannigfachten  äusseren  Hülfsmittel,  von  Jahr  zu  Jahr.  Lässt  sich  die  ebenso  in  die 
Breite  als  in  die  Tiefe  gehende  deutsche  Thätigkeit  für  Kenntnis  und  Erkenntnis 
fremder  Litteratur,  die  Masse  dessen,  was  auf  diesem  Felde  ausgegraben,  zu  Tag 
gefördert,  erläutert  und  verglichen  wird,  noch  einigermassen  überschauen,  so  steht 
es  schon  anders  mit  dem,  was  im  Ausland  —  man  darf  jetzt  sagen  in  allen  euro- 
päischen Litteraturen  —  jahraus  jahrein  für  Erfassung  und  Ergründung  deutscher 
Dichtung  und  deutscher  Literaturwissenschaft  geschieht.  Und  doch  würde  die  voll- 
ständige Kenntnisnahme  auch  von  diesen  Bestrebungen  immer  noch  leichter  möglich 


Stocks  letzten  Jahren.  Aufzeichnungen  e.  Italieners:  DBs.  79,  S.  55-73.  —  97)  O  X  F-  ?-  Stenglin,  Briefe  aus  d.  Franzosen- 
zeit: VossZgB.  N.  40.  —  98)  OX  Joh.  Jacobus,  Humorist.  Memoiren  e.  alten  Frankfurters.  2.  Aufl.  Frankfurt  a.  M.,  Baist. 
269  S.  M.  2,40.  |[E.:  DidasV.  N.  296  (ruhrat  d.  Buch  als  vortreffl.,  kulturgesch.  u.  mundartl.  wertvolle  Schilderung  Frankfurts 
etwa  in  d.  J.  1S30—  66).]|  —  99)  O  X  Vor  50  J.  Aus  d.  Erinnerungen  e.  alten  Dresdners  (Mor.  Heger).  Mit  e.  Lebensbild 
d.  Vf.  1.  Heft.  Dresden,  Höckner.  IV,  115  S.  M.  1,00.  (Aus  d.  Dresdner  Nachr.  abgedr.)  —  100)  O  X  B.  Roy,  Kind, 
Jüngling,  Mann.  Selbsterlebtes  aus  Kriegs-  u.  Friedenszeiten  (1840—71).  In  kleinen  Kulturbildern  für  Jung  u.  Alt  gesch. 
B.,  Liebel.  XVI,  363  S.  M.  3,50.  —  101)  O  X  °-  Schulenburg,  Aus  d.  Tageb.  e.  alten  Burschenschafters:  BurschenschBll.  8, 
S.  285-95.  —  102)  O  X  E-  i'ltes  livländ.  Tageb.:  BaltMschr.  41,  S.  129-33.  —  103)  OX  Briefe  d.  Baronesse  Edith  v.  Bahden 
an  G.  Berkholz  aus  Italien  u.  Deutschland:  ib.  S.  14-34,  105-21.  — 


IVld:i-ia  Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jh.:  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland. 

sein,  als  die  Einsieht  in  die  Hauptsache:  in  die  halb  unsichtbaren,  unablässigen  Ein- 
wirkungen deutscher  Phantasie  und  deutschen  Geistesleben  auf  fremde  Litteraturen. 
Der  genauen  Betrachtung  des  Verlaufs  und  der  sicheren  Abschätzung  des  bleibenden 
Wertes  solcher  Einwirkungen  stellen  sich  fast  unüberwindliche  Schwierigkeiten  ent- 
gegen, und  wer  sich  dies  ehrlich  eingesteht,  kommt  wohl  in  Versuchung  das  zu  unter- 
schätzen, was  sich  zählen,  wägen  und  messen  lässt.  Zuletzt  kann  dennoch  die  treue  und 
sorgfältige  Sammlung  und  Sichtung  auch  unzulänglichen  Materials  immerhin  Resultate 
ergeben,  die  für  die  tiefere  Erkenntnis  der  Wechselwirkungen  zwischen  deutscher 
Litteratur  und  fremden  Litteraturen  von  Wichtigkeit  sind.  Dass  der  Löwenanteil  an 
solchen  Resultaten  noch  immer  dem  deutschen  Fleiss  und  Forschertrieb  gehören, 
die  den  grössten  wie  den  untergeordnetsten,  aber  in  irgend  einer  Weise  aus  der 
Masse  aufragenden  Erscheinungen  fremder  Litteraturen  unverminderten  Anteil  widmen, 
braucht  kaum  gesagt  zu  werden.  Und  dass  jener  Fleiss  noch  immer  tausendfach 
geteilt  und  zu  Zeiten  bedenklich  vereinzelt  am  Werk  ist,  dass  aus  der  Fülle  hierher 
gehöriger  Studien  und  Specialdarsfellungen  nur  wenige  Arbeilen  auftauchen,  die  als 
energische  Versuche  zu  grösserer  Zusammenfassung  gelten  können  oder  wenigstens 
von  einer  bedeutenden  Einzelerscheinung  als  Mittelpunkt  berechtigte  Rück-  wie  Aus- 
blicke auf  weitere  Entwicklungen  eröffnen,  das  wird  nachgerade  auch  zum  Gemein- 
platz. Zwei  Werke  die  dem  Wunsche  nach  grösseren  allgemeinen  Gesichtspunkten 
vollkommen  entsprechen,  aber  ihrer  Entstehung  nach  nicht  ins  J.  1894,  sondern  in 
die  J.  1855  und  1860  gehören,  Hettners  „Geschichte  der  englischen  Litteratur  von  der 
Wiederherstellung  des  Königtums  bis  in  die  zweite  Hälfte  des  18.  Jh."  und  des- 
selben Historikers  „Geschichte  der  französischen  Litteratur  im  18.  Jh."  sind  gleichzeitig 
mit  der  Bearbeitung  der  deutschen  Teile  des  Gesamtwerkes  (s.  o.  IV  la  :  2)  von 
Brandl1)  und  Morfla)  in  fünfter  Auflage  durchgesehen  und  in  gewissen  Grenzen 
neu  bearbeitet  worden.  B.,  der  die  Vorzüge  der  Hettnerschen  Litteraturbetrachtung, 
die  das  Zusammenarbeiten  der  abendländischen  Völker  sowie  den  Zusammenhang 
der  neueren  Poesie  mit  der  Naturwissenschaft  und  Philosophie  kräftig  hervorhebt, 
namentlich  in  dem  England  behandelnden  Bande  besonders  frisch  und  wirksam 
findet,  hat  sich  laut  seiner  Vorrede  auf  die  Berichtigung  kleiner  Mängel  und  die 
Ausmerzung  manches  Veralteten  beschränkt.  „Den  meisten  Anlass  zu  Besserungen 
boten  die  Inhaltsangaben  und  die  Lebensnachrichten,  die  gerade  in  jünster  Zeit 
durch  Leslie  Stephens  und  Leos  Neuausg-abe  des  „Dictionary  of  national  biography" 
vielfach  gesichtet  und  bereichert  wurden".  Wo  wirklich  Anschauungen  und  Urteile 
Hettners  durch  die  Thatsachen  der  Forschung  widerlegt  und  überwunden  sind,  hat 
B.  einzelne  tiefere  Eingriffe  nicht  gescheut.  "Wenn  er  aber  sagt:  „Leid  thut  es  mir 
das  Buch  ziehen  lassen  zu  müssen,  ohne  eine  Erwähnung  von  Henrick,  Jeremy, 
Taylor,  Bunyan  und  anderen  religiösen  Schriftstellern  des  ausgehenden  17.  Jh.,  die 
zum  Relief  ihrer  Zeit  gehören  und  den  wärmeren  volkstümlicheren  Richtungen  des 
18.  Jh.  mit  stiller  Geschäftigkeit  den  Weg  bahnten.  Ein  eingeschaltetes  Kapitel  über 
sie  hätte  jedoch  den  Rahmen  des  Buches  gesprengt",  so  darf  man  hinzufügen :  ein 
solches  Kapitel  hätte  auch  der  Auffassung  und  Anschauung  Hettners  Gewalt  an- 
gethan.  Zum  Wesen  seiner  Bildung  gehörte  die  unbedingte  Abneigung  gegen  alles, 
was  ihm  als  religiöse  Reaktion  galt,  und  nur  widerstrebend  würde  er  sich  zur  An- 
erkennung des  befreienden  Einflusses  des  Vf.  von  „Des  Pilgrims  Reise"  und  anderer 
geistesverwandter  Schriftsteller  entschlossen  haben.  B.  hat  daher  vollkommen 
Recht,  wenn  er  meint:  „Hettner  wollte  eine  Geschichte  der  Aufklärungslitteratur 
schreiben.  Er  hat  dies  in  Motto  und  Einleitung  betont  und  auch  praktisch  durch- 
geführt: kaum  gelangt  er  über  die  Periode  der  Aufklärung  hinaus  in  die  der  Ro- 
mantik, so  eilt  er  mit  Riesenschritten  dem  Ende  zu.  Was  er  so  einheitlich  gestaltet 
hat,  muss  bewahrt  bleiben,  soll  das  Bessere  nicht  zum  Feinde  des  Guten  werden". 
Auch  der  Bearbeiter  der  fünften  Auflage  des  französischen  Teiles  hat  vor  der  gleichen 
Schwierigkeit  gestanden,  auch  für  ihn  hat  es  sich  darum  gehandelt,  die  Ergebnisse 
der  neueren  Forschung  in  den  Rahmen  des  Buches  einzufügen  und  an  den  Urteilen 
nicht  zu  rühren,  wenn  nicht  ihre  thatsächlichen  Grundlagen  seither  andere  geworden 
waren.  Die  Frage,  was  als  Thatsache  zu  gelten  habe,  ist  natürlich  nicht  immer,  aber 
in  zahlreichen  Fällen,  eine  Frage  des  Taktes,  allen  Ansprüchen  an  Form  und  Mass 
zu  genügen  vermag  manchmal,  auch  der  Taktvollste  nicht.  Die  Fülle  der  Schwierig- 
keiten, die  sich  ergiebt,  wrenn  ein  Zweiter  mit  völlig  anderer  Individualität  und 
Bildung,  mit  grundverschiedenen  Voraussetzungen  und  Zielen  in  das  Werk  eines 
Verstorbenen  eingreifen  soll,  weist  M.  sehr  zutreffend  in  seiner.  Vorrede  am  Falle 
Montesquieu  nach.  Er  hält  die  Auffassung  Hettners,  der  in  Montesquieu  den  Mann 
der  politischen  Reform  sieht,  für  irrtümlich,  schlägt  den  politischen  Freisinn  Montes- 


1)  H.  Hettner,  Gesch.  d.  engl.  Litt,  von  d.  Wiederherstellung  d.  Königtums  bis  in  d.  2.  Hälfte  d.  18.  Jh.  1660—1770. 
(=  Litt.-Gesch.  d.  18.  Jh.     1.  T.)    Brannschweig,  Vieweg.    XIV,  50S  S.    M.  9,00.    (Besorgt  v.  A.  Brandl.)  —  la)  id.,  Gesch. 


Ad.  Stern,  Allgemeines  dos  18./l9.Jh.:  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland.  IVld:ia-2 

quieus  minder  hoch  an  als  dessen  Grabe  objektiver  Darstellung  fremder  politischer 
Einrichtungen.  Er  hält  es  für  wahrscheinlich,  dass  die  neuere  Forschung  Hettner 
in  seiner  Meinung  schwankend  gemacht  haben  würde,  „aber  welchen  Weg  würde 
sein  Urteil  dabei  genommen  haben?"  Die  Proteusnatur  der  politischen  Schrift- 
stellerei  Monte  squieus  giebt  den  verschiedensten  und  widersprechendsten  Auslegungen 
ein  augenscheinliches  Recht.  Bei  dieser  Unsicherheit  scheute  es  der  Bearbeiter,  an 
Hettners  Auffassung  selbst  da  zu  rühren,  wo  die  „Thatsachen"  ihm  ein  Recht  dazu 
gaben.  Unseres  Bedünkens  ist  es  kein  Unglück,  dass  die  Sätze,  nach  denen  der 
Republikaner  der  persischen  Briefe  ein  englischer  Whig  und  der  Begründer  der 
konstitutionellen  Staatslehre  geworden  ist,  stehen  geblieben  sind.  In  erster  Linie 
steht  die  geistige  Integrität  eines  in  sich  geschlossenen  und  überhaupt  zu  wissen- 
schaftlicher Reife  gediehenen  Werkes.  Die  völlige  Umarbeitung  der  Kapitel  über 
La  Mettrie  und  Fr.  Melchior  Grimm  mag  in  den  neueren  Forschungen  wohl  be- 
gründet sein.  Doch  wenn  es  auch  eine  Fabel  wäre,  dass  La  Mettrie  an  einer 
Pastete  gestorben  sei,  und  wenn  Hettner  die  ganze  Reihe  der  Schriften  dieses 
Materialisten  gekannt  und  gewürdigt  hätte,  so  fragt  sich  noch  sehr,  ob  er  sein 
Urteil  wesentlich  geändert  haben  würde.  Zuletzt  gesteht  doch  auch  M.  zu,  dass  La 
Mettrie  mit  grosser  Leichtigkeit  der  Arbeit  grosse  Leichtfertigkeit  der  Lebens- 
führung verband,  meint  freilich,  Diderot  und  andere  spätere  Aufklärer  hätten  grossen 
Eifer  gezeigt,  den  „Prügeljungen  der  Aufklärungsphilosophie",  den  kompromittierten 
Vorgänger,  von  ihren  Rockschössen  abzuschütteln.  Die  ausführlichere  und  ein- 
gehendere Biographie  und  Charakteristik  Fr.  M.  Grimms  stellt  die  Anschuldigungen 
J.  J.  Rousseaus  gegen  Grimm  als  nicht  so  unbegründet  hin,  wie  dies  Hettner  gethan, 
behandelt  dafür  dessen  diplomatische  Stellungen  ohne  die  Geringschätzung,  der 
Hettner  noch  in  der  vierten  Auflage  Ausdruck  gegeben  hat,  und  kommt  zu  dem 
Schlussurteil,  dass  Grimm  ein  litterarisches  Talent  ohne  inneren  Beruf  gewesen  sei 
„ein  reiches  Talent,  dem  um  zur  vollen  Fruchtbarkeit  zu  gelangen,  die  Wärme  des 
Glaubens  an  eine  grosse  Aufgabe  fehlte.  Seiner  litterarischen  Arbeit  hat  Grimm 
nur  mit  derjenigen  Hingebung  gelebt,  welche  ein  geschäftlicher  Betrieb  verlangte, 
und  er  zögerte  nicht  sie  fallen  zu  lassen,  sobald  er  ihrer  nicht  mehr  bedurfte".  Die 
lange  Reihe  der  verbesserten  und  genauer  belegten  Einzelheiten,  sowohl  in  der 
französischen  wie  in  der  englischen  Literaturgeschichte  können  hier  natürlich  nicht 
aufgezählt  werden,  auf  alle  Fälle  sind  auch  die.  beiden  Bände  der  ausländischen 
Litteratur  —  in  dem  französischen  Teil  behandelt  Hettner  bekanntlich  die  Wirkungen 
der  Aufklärung  auch  in  der  italienischen  und  spanischen  Litteratur  —  durch  die 
Neuausg'abe  und  Neubearbeitung  Verdientermassen  wieder  in  den  Vordergrund  des 
Interesses  gerückt  worden.  — 

Das  gegenwärtige  Verhältnis  der  Litteraturen  Deutschlands  und  Frankreichs 
zu  einander  ist  insofern  höchst  eigentümlich,  als  eine  jüngere  Schule  von 
Poeten  und  Kritikern  auf  französischem  Boden  die  der  Politik  entstammte  Ab- 
neigung gegen  deutsches  Leben  und  deutschen  Geist  zu  überwinden  trachtet,  während 
bei  uns  in  Deutschland  die  alten  Anklagen  wider  Franzosennachahmung  und 
Franzosenanbetung  jüngerer  Naturalisten  und  Symbolisten  nicht  verstummen  wollen 
und  können.  Hätte  freilich  Zola  Recht,  der  über  die  Stellung  der  deutschen 
Litteratur  in  Frankreich  und  die  Neigung  seiner  Landsleute  zu  den  germanischen 
Litteraturen  im  allgemeinen  ziemlich  skeptisch  denkt  und  über  den  Zug  der 
neuesten  französischen  Litteraturbewegung  sich  einem  Berichterstatter  der  FZg.2) 
gegenüber  ausführlich  ausgespochen  hat,  so  wäre  die  Bewegung  zu  Gunsten  der 
deutschen  Litteratur,  die  sich  in  der  französischen  Litteratur  geltend  macht,  nichts 
als  ein  Vorstoss  der  jungen  Litteratur,  welche  zur  Macht  kommen  will  gegen  die 
alte,  welche  an  der  Regierung  (au  pouvoir)  ist.  „Die  Jungen  wollen  Raum  haben 
und  die  Alten  sollen  fort.  In  ihrem  Kampfe  rufen  sie  das  Ausland  zu  Hilfe.  Und 
in  ihrem  blutdürstigen  Eifer  sehen  sie  dabei  nicht,  dass  jene  Ideen,  die  sie  mit  so 
grossem  Lärm  aus  dem  Auslande  herangeschleppt  bringen,  ganz  einfach  unsere 
eigenen  Ideen  sind  —  Blüten  unseres  eigenen  Geistes,  im  schönen  Lande  Frankreich 
entsprossen.  Ich  spreche  hier  ohne  jeden  Chauvinismus  und  konstatiere  nur  die 
Thatsachen.  In  all  den  ausländischen  Dichtern,  die  als  Neuerer  gepriesen  werden, 
liegen  die  französischen  Einflüsse  zu  Tage.  Die  grossen  Geister,  welche  draussen 
die  Litteratur  reformieren,  was  thun  sie  anders  als  dasjenige,  was  unsere  Litteratur- 
reformatoren  um  das  J.  1848  gethan?  In  allem,  was  sich  jetzt  in  der  ausländischen 
Litteratur  begiebt,  sehe  ich  den  direkten  Einfluss  jener  französischen  Litteraturepoche 
wieder.  Tolstoi,  den  ich  für  den  genialsten  unter  allen  Modernen  halte,  ist  bei  ihren 
Dichtern  und  Denkern  in  die  Schule  gegangen.  Die  Ideen  der  Frauenemanzipation, 
welche    Ibsen    verkündet,    sind    auf    George  Sand  zurückzuführen.  (?)  Von   Gerhart 


d.  franz.  Litt,  im  18.  Jh.     (=  N.  1,  2.  T.)     ebda.     XI,  601  S.     M.  10,50.     (Besorgt  v.  H.  Morf.)    —    2)    Zola  über  Hauptmann 


IVld:2-3  Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./19.Jh.:  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland. 

Hauptmann   endlich   mag"  man   mir  noch    so    sehr   sagen,  dass    er  in    einem   weit- 
entlegenen  schlesischen  Gebirgswinkel  lebe,  abgeschieden  von  aller  menschlichen  Ge- 
meinschaft, —  ich  bin  doch  überzeugt,  dass  auch  in  seine  Einsiedelei  die  französischen 
Einflüsse  gedrungen  sind."  Wenn  Zola  im  weiteren  Verlauf  dieser   Unterredung  den 
diktatorischen  Anspruch,  dass  die  gesamte  germanische   (oder  wie  er  will  nordische) 
Litteratur    ihre    Ideen    und   Bestrebungen   von  Frankreich  her  empfangen  habe,  mit 
dem    Zugeständnis   einschränkt,   dass   die  Dichter  des  Nordens  die  von  ihnen  über- 
nommenen  französischen   Ideen   mit   ihrem    Geiste    durchsetzt  und  zu  Werken  um- 
gestaltet  hätten,    die    den   Stempel   ihrer  Eigenart  tragen,   wenn    er   an  der  Ueber- 
zeugung   festhält,  dass  die   Litteratur  in   jeder  Entwicklung   zum    wirklichen  Leben 
zurückkehren  und,  selbst  wenn  sie  vielleicht  einen  weiteren  Ausblick  ins  Gebiet  des 
Unbekannten  („une  Ouvertüre   plus  large  vers  Tinconnu")  erlangen  und  hier  neue 
ungeheuere   Länderstrecken    entdecken    sollte,   immer   den  Zusammenhang  mit  dem 
Leben    aufrecht   erhalten    werde    („denn  alle  Kunst  muss  vom  Leben  kommen  und 
zum  Leben  gehen"),  so  kann    man  dies   alles  gelten  lassen,  ohne  den  Grundirrtum 
zu  teilen,  von  dem  der  grosse  französische  Erzähler,  ein  guter  Teil  der  hinter  jeder 
Sensation  dreinjagenden  Tageskritik  und  leider  auch   eine  Richtung  der  Literatur- 
geschichte ergriffen  sind.  Dass   es  an  blöder  Nachahmung  und  Nachbildung  fremder 
Muster  in   keiner  Litteratur  und  am  wenigsten  in  unserer  deutschen  fehlt,  wer  ver- 
sucht es  zu  leugnen?  dass  dabei  die  gelesensten  und  gepriesensten  Pariser  Schrift- 
steller nur  allzu  oft  und   wahllos  zu  Vorbildern  gedient  haben,  wer  wüsste  es  nicht? 
Und    dennoch    ist    alle    wirkliche    und    bleibende    Entwicklung   niemals   von   dieser 
Nachbildung  abhängig  und  mit  ihr  identisch,   dennoch  beruhen  die  nachweisbaren 
Uebereinstimmungen  der  Probleme,  der  Erfindungen  und  der  Charaktere  zu  einem 
eben  so  grossen  und  jedenfalls  zum  wichtigsten  Teile  viel  mehr  auf  gleichartigen  Lebens- 
strömungen und  Lebenserscheinungen  als    auf  litterarischen  Einwirkung-en.     Wenn 
sich  daher  Zola  bemüht,    auch    die  völlig  selbständigen,  der  frischesten  Wirklichkeit 
entsprungenen  „nordischen"  Schöpfungen"  auf  französische  Ideen  und  Bücher  zurück- 
zuführen, so   urteilt  er  ganz  in  leidigem  Einklang  mit  der  Litteraturanschauung,  die 
überhaupt  von  keiner  Einwirkung  des  Lebens,  sondern  nur  von  Einwirkungen    der 
Bücher  auf  die  Dichter  weiss,  so  schlägt  er  seinem  eigenen  Bekenntnis,  dass  alle  Kunst 
vom  Leben  kommen  und  zum  Leben  gehen  muss,  ins  Gesicht.     Dazu  tritt  auch  bei 
dieser   vielerörterten    Unterredung    wieder    an  den  Tag,  dass  für   eine   gewisse  An- 
schauung  die    eigentliche  Entwicklung  der  Litteratur  lediglich  an  die  Aufsehen  er- 
regenden und  erfolgreichen  Erscheinungen  gebunden  bleibt,  was  jeder  echt  litterar- 
historischen  Auffassung   gerade   zuwiderläuft.     Ins  Konkrete  übersetzt  fordert  jene 
Anschauung,    dass    die   Literaturgeschichte  und  Litteraturkritik  sich  um  Kotzebue, 
aber  nicht  um  Hölderlin,  um  Zacharias  Werner,  aber  nicht  um  Heinrich  von  Kleist, 
um  Müllner,  aber  nicht  um  Grillparzer  bekümmern  soll.    Ist  der  Unsinn  solcher  Forder- 
ung handgreiflich,  so  wird  er  nicht  verständlicher  und  berechtigter,  wo  es  sich  um 
neuere  und  neueste  Erscheinungen  handelt.     Schlimm  genug,  dass  der  grösste  Teil 
der  Tageskritik   in  seinem  Aktualitätsdünkel  alles  sachliche  Urteil  verloren  hat;  die 
Litteraturgeschichte  wenigstens   sollte  sich  hüten,   sich  auf  diesen  Weg  drängen  zu 
lassen  und  die  Bedeutung  der  Erscheinungen  nach  der  Stärke  des  jeweiligen  Lärms, 
den  sie  erregen,  zu  messen.    Die  kaum  gewonnene  Beziehung  der  Litteraturgeschichte 
zur  Litteratur  der  Gegenwart  kann  gar  nicht  ärger  gefährdet  werden,  als  dadurch,  dass 
man  solchen  Interwievs  und  solchen  Offenbarungen,  wie  sie  Zola  für  geboten  erachtet 
hat,  grosses  Gewicht  beilegt.  —  Meissners  im  vergangenen  Jahre  eingehend  charakte- 
risiertes Buch  über  den  Einfluss  des  deutschen  Geistes  auf  die  französische  Litteratur 
(JBL.  1893  IV  ld:  1)    hat   noch  mehrfache  Würdigung   gefunden,    die    am  Gesamt- 
urteil nichts  änderte. 2a)  — 

Dass  neben  der  tendenziösen  Lobpreisung  deutscher  Litteratur  auch  deren 
wirkliche  Pflege  erstrebt  wird,  ihre  Geltung  in  Frankreich  im  Wachsen  ist,  hat 
die  deutsch  geschriebene,  aber  ausschliesslich  für  Franzosen  bestimmte  kurze  Ge- 
samtdarstellung der  deutschen  Litteratur  von  Parmentier3)  bewiesen.  In 
fünfzehn  Kapiteln  versucht  Parmentier  eine  Uebersicht  des  Entwicklungsganges 
der  deutschen  Litteratur  zu  geben,  bei  der  er  zwar,  wie  die  Vorrede  einräumt,  die 
deutschen  Literarhistoriker  (namentlich  Vilmar)  stark  geplündert  (pille)  hat,  aber  die 
nichtsdestoweniger  ein  energisches  Bemühen  zeigt,  der  Eigenart  des  deutschen  Geistes 
und  der  rühmlichen  Vielseitigkeit  der  deutschen  Litteratur  gerecht  zu  werden. 
Misst  man  die  Kenntnis  der  deutschen  Dichter  und  Prosaiker  und  die  Einsicht  in  den 
Entwicklungsgang  unserer  Litteratur  an  dem,  was  noch  vor  ein  paar  Jahrzehnten 
üblich  und  durchschnittlich  war,  so  muss  man  den  Fortschritt  erkennen.  Im  einzelnen 


u.  d.  Zug  z.  fremden  Litt.:  FZg.  N.  42.  —  2al  X  WIDM.  75,  S.  ß56;  Polybiblk  70,  S.  347,8;  N&S.  70,  S.  274.  -  3)  J.  Par- 
mentier,   Kurze   Gesch.   d.   dtsch.   Litt.   t.    e.  Franzosen.    Paris,    Laisney.    VII,  361  S.     |[LCB1.  S.  930;  DLZ.  S.  758/9.JI  — 


Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jh.:  Die  deutsche  Litteratur  und  dasAusland.  IV  ld:3 

ist  natürlich  manche  Unklarheit  und  Unbestimmtheit  zu  rügen,  und  obschon  P.  die 
deutsche  Sprache  beherrscht,  zwingt  ihn  doch  gelegentlich  die  Vorsicht  zu  schwankendem 
Ausdruck,  der  französisch  präziser  und  eindringlicher  lauten  würde.  Ein  ander  Mal 
wieder  sind  die  Sätze  des  Vf.  allzu  bestimmt,  so  wenn  er  an  Otfrieds  „Krist"  die  Be- 
merkung anreiht,  das  Gedicht  sei  als  Sprachquelle  unschätzbar;  die  Grundregeln  der 
deutschen  Verslehre  könnten  nur  aus  ihm  geschöpft  werden;  es  sei  „das  massgebende 
Reimwerk  aller  folgenden  Jhh."  Das  Nibelungenlied  erfährt  eine  ausführlichere 
Würdigung,  in  der  doch  kaum  angedeutet  wird,  dass  das  gewaltige  Gedicht  aus 
einem  seit  einem  Jahrtausend  fortströmendem  Sagenborn  geschöpft  ist,  auch  die 
Charakteristik  des  Gegensatzes  zwischen  Volksdichtung  und  Kunstdichtung  ist  mehr 
als  dürftig,  der  Vergleich  von  Wolframs  Parzivalepos  mit  Goethes  Faust  („Wolframs 
Epos  hat  vor  Goethes  Faust  den  Vorzug,  dass  es  im  vollen  Bewustsein  der  christ- 
lichen Wahrheit  dem  Leser  einen  befriedigenden  Abschluss  bietet,  während  Goethes 
F'aust  das  Bild  einer  Zeit  ist,  die  suchte,  aber  nicht  fand")  durchaus  fragwürdig.  Das 
Urteil  über  die  ritterliche  Minnepoesie  lautet  kurz  dahin,  dass,  wenn  die  Minnegefühle 
und  Gesänge  nicht  etwas  Gemachtes  und  Erlogenes  waren,  sie  geradezu  unsittlich 
und  verwerflich  gewesen  seien.  Dabei  ist  dem  Vf.  doch  Walther  von  der  Vogelweide 
einer  der  ausgezeichnetsten  Minnesänger,  wenn  nicht  der  ausgezeichnetste  von  allen, 
und  Deutschland  hat  „vor  Goethe  keinen  Lyriker  besessen,  der  sich  mit  Walther 
vergleichen  lässt".  S.  83  gedenkt  P.  zweier  Gedichte,  die  sich  an  die  mittelalterliche 
Blütezeit  deutscher  Litteratur  anschliessen :  der  Bescheidenheit  des  Freidank  und  — 
der  Tiersage.  Er  meint  natürlich  den  „Reinecke  Fuchs"  in  allen  seinen  Gestaltungen, 
hat  aber  durch  irgend  ein  wunderliches  Missverständnis  die  Gattungsbezeichnung 
des  Gedichts  für  den  Titel  genommen  Von  Hans  Sachs  wird  (S.  124)  behauptet,  dass 
er  ein  glückliches  Talent  für  naivkomische  Erzählungen  und  Komödien  besessen 
habe,  nur  schade,  dass  er  „zur  Sprachverbesserung  nicht  den  geringsten  Anlauf 
nahm;  sein  Versbau  ist  unerträglich  hart  und  ohrenzerreissend".  Burkard  Waldis 
Fabel  „Vom  Bauern  und  dem  Gott  Herkules"  erinnert  stark  an  Lafontaines  „Charretier 
embourbe".  Wenn  schon  verglichen  werden  soll,  müsste  es  doch  eher  umgekehrt 
heissen,  dass  Lafontaine  an  Burkard  Waldis  erinnere.  S.  145  erfahren  wir  zum  ersten 
Male,  dass  die  blutigen  Stücke  des  Jakob  Ayrer  und  der  englischen  Komödianten 
unter  dem  Namen  „Mordspektakel"  bekannt  waren.  Von  den  Mitarbeitern  der 
Bremer  Beiträge  glaubt  P.,  dass  sie  einen  besonderen  Bund,  „den  Leipziger  Dichter- 
verein", gebildet  hätten.  Ueber  die  Mitglieder  des  Göttinger  Hainbundes  scheint  der 
Vf.  schlecht  unterrichtet;  er  meint,  dass  sich  an  den  Hainbund  drei  besonders  be- 
kannte Liederdichter  angeschlossen  hätten:  Fr.  Leop.  Graf  zu  Stolberg,  Hölty  und 
Claudius.  Der  Ausdruck  „angeschlossen"  ist  sehr  unbestimmt,  meint  P.  damit  die 
Mitgliedschaft,  so  ist  dies  bekanntlich  für  M.  Claudius  falsch,  hält  er  das  Verhältnis 
der  drei  zum  Hain  für  ein  blosses  Nahestehen  wie"  bei  Bürger,  so  trifft  es  wieder  für 
Stolberg  und  Hölty  nicht  zu,  die  eben  Mitglieder  und  zwar  sehr  wichtige  Mitglieder 
des  Dichterbundes  waren.  Unglaublich  kläglich  fällt  das  Kapitel  über  Goethe  aus, 
in  dem  Buche  eines  modernen  Franzosen  nehmen  sich  die  Warnungen  vor  Wilhelm 
Meister,  den  nur  gereifte,  sittlich  starke  Leser  zur  Hand  nehmen  sollen,  und  vor  den 
Wahlverwandtschaften,  die  „stellenweise  noch  anstössiger  als  selbst  Wilhelm  Meisters 
Lehrjahre  sind",  geradezu  komisch  aus.  S.  228  wird  behauptet,  dass  Hölderlin 
auch  im  Wahnsinn  herrliche,  formvollendete  Gedichte  geschaffen  habe.  Eine  sehr 
merkwürdige  Einleitung  geht  dem  Abschnitt  „Die  Sänger  der  Befreiungskriege  und 
der  schwäbische  Dichterkreis"  voraus:  „Nach  den  Feldzügen  von  1806  und  1809  war 
der  Mut  der  Deutschen  gebrochen.  Aber  der  Druck  der  Fremdherrschaft  erweckte 
doch  die  Sehnsucht  nach  Freiheit.  Man  war  überzeugt,  dass  bei  der  Macht  Frank- 
reichs und  der  Schwäche  der  deutschen  Nation  diese  nur  durch  Hülfe  von  oben  und 
durch  kräftige  Erhebung  des  Volkes  zu  gewinnen  war.  Fichte  und  Görres  rüttelten 
das  Volk  aus  seiner  Erschlaffung  auf.  Letzterer  entzündete  die  Begeisterung  in 
Palast  und  Hütte.  Mehr  und  mehr  erwachte  das  patriotische  Gefühl,  und  als  die 
Heere  Napoleons  in  Russland  untergegangen  waren,  erschienen  Dichter,  die  durch 
ihre  Lieder  und  teilweise  auch  durch  ihre  Thaten  das  Volk  zur  Befreiung  des  Vater- 
landes aufriefen."  Offenbar  hat  der  Vf.  etwas  von  der  flammenden  Beredsamkeit  des 
„Rheinischen  Merkur"  gehört  und  vergisst,  dass  Görres  bis  zum  Jan.  1814  Bürger 
des  französischen  Kaiserreichs  war  und  sich  wohl  zu  hüten  hatte,  1813  oder  gar  vorher 
die  deutsche  Begeisterung  in  Palast  und  Hütte  zu  entzünden.  Im  übrigen  meint  P.,  dass  es 
vom  Standpunkte  eines  Franzosen  aus  eine  gewisse  Ueberwindung  koste,  den  über- 
sprudelnden patriotischen  Gefühlen  der  Dichter  der  Befreiungskriege  gerecht  zu 
werden,  beschuldigt  diese  Dichter  mancher  Auswüchse  und  ungerechter  Urteile  gegen 
die  Franzosen,  giebt  aber  freundlich  zu  bedenken,  dass  das  deutsche  Volk  für  seine 
Existenz  kämpfte,  und  die  Dichter  in  ihren  Kampfgesängen  nicht  für  unerlaubt  hielten, 
den  Feind  zu    verunglimpfen.     „Würden  wir  Franzosen    bei   einer    ähnlichen  Unter- 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.     V.  (4)15 


IV  ld  -.4-9  Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./ 19.  Jh.:  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland. 

drückung  anders  verfahren?"  Hoffmann  von  Fallersleben  hält  P.  für  den  grössten 
Lyriker  der  neueren  deutschen  Litteratur;  von  Hebbel  glaubt  er,  dass  er  „zum 
Oesterreicher  geworden"  sei,  von  neueren  Dichtern  rühmt  er  Freytag,  findet  aber,  dass 
sogar  auch  dessen  Werke  „mancherlei  Ansti5ssiges  über  Glauben  und  Sitte  enthalten", 
Georg  Ebers,  dem  er  das  zweideutig-e  Kompliment  spendet,  dass  „seine  Werke  auf 
den  Familientisch  gelegt  werden  dürfen",  Scheffel,  Bodenstedt  und  Gottfried  Keller; 
von  Otto  Ludwig,  Th.  Storm  weiss  er  offenbar  nichts,  zählt  aber  dafür  noch  einzelne 
ihm  zufällig  bekannt  gewordene  Namen  auf.  Es  sieht  ja  wunderlich  aus,  wenn  ganz 
am  Schlüsse  der  Geschichte  der  deutschen  Litteratur  von  dem  alten  Aug.  Lewald, 
von  Simrock,  ja  von  Luise  Brachmann  und  Luise  Hensel  die  Rede  ist.  Auch  an  ein 
paar  Prachtgallizismen  fehlt  es  nicht,  der  Vf.  erzählt  seinen  Landsleuten  alles  Ernstes, 
dass  den  Deutschen  gegenwärtig  Schillers  „Teil"  als  ein  antideutsches  Drama  gilt, 
er  berichtet,  dass  Holteis  Mantellied  scherzhafter  Weise  von  Menschen,  besonders  von 
alten  Jungfern  gebraucht  werde  und  dass,  wenn  jemand  bei  uns  das  dreissigste 
Lebensjahr  zurückgelegt  hat,  er  mit  den  Versen  „Schier  dreissig  Jahre  bist  du  alt, 
hast  manchen  Sturm  erlebt"  angesungen  zu  werden  pflegt.  Trotz  alledem  muss  P.s 
rühmliches  Bemühen,  Klarheit  über  und  stärkere  Teilnahme  für  die  deutsche  Litteratur 
zu  schaffen,  entschieden  anerkannt  werden.  — 

Nur  gelegentlich  streift  in  seinen  gesammelten  Essays  zur  zeitgenössischen 
Litteratur  Pelissier4)  gerade  die  deutsche  Litteratur,  obschon  er  ein  Bewusstsein 
von  den  wichtigen  Einwirkungen  germanischen  Geistes  auf  Frankreich,  namentlich 
in  der  Studie  über  die  Würdigung  Shakespeares  in  seinem  Vaterlande,  an  den  Tag 
legt.  Neben  den  ausschliesslich  der  französischen  Litteratur  angehörigen  kritischen 
Erörterungen  über  Octave  Feuillet,  Zolas  „L'argent"  und  Bourget,  über  Jul.  Weiss 
und  Brunetiere,  sind  die  beiden  Studien  über  den  modernen  Pessimismus  und  die 
litterarische  Bewegung  der  Gegenwart,  mit  hoffnungsreichem  Ausblick  in  das  20.  Jh., 
von  allgemeiner  Bedeutung.  Die  lichtvolle  und  geschmackvolle  Darstellung  fesselt 
selbst  da,  wo  unsere  deutsche  Auffassung  notwendigerweise  eine  andere  sein  muss; 
denn  von  der  Vorstellung,  dass  die  französische  Litteratur  den  massgebenden  Mittel- 
punkt der  litterarischen  Bewegung  und  Entwicklung  für  alle  Zeiten  abgeben  werde, 
kommt  auch  ein  so  feiner  Kopf  und  kenntnisreicher  Literarhistoriker  wie  P.  nur  bis 
zu  einem  gewissen,  leicht  erkennbaren  Punkte  los.  — 

Der  eingehenden  und  stellenweise  zu  enthusiastischen  Schrift  Rabanys  über 
Kotzebue  (JBL.  1893  IV  1  d  :  15),  die  seit  dem  vorjährigen  Bericht  noch  manche 
Würdigung  erfahren  hat5),  schliesst  sich  im  Berichtsjahre  die  Schrift  Bessons6)  über 
P  1  a  t  e  n  an.  Ausgezeichnet  durch  ihre  Kenntniss  der  deutschen  Romantik  und  ein 
sympathisches  Verständnis  für  den  Formenadel  der  Platenschen  Dichtung,  auf  sehr 
eingehende  Studien  über  Platens  Leben,  seine  Reisen  und  seine  künstlerischen  An- 
schauungen gestützt,  ist  B  s  Schrift  wohl  die  bisher  gründlichste  Würdigung  des 
Dichters,  dessen  Vorzüge  und  vornehme  Persönlichkeit  der  Franzose  fein  zu  erkennen 
und  zu  analysieren  vermag,  während  er  den  Mangel  starker  Lebenseindrücke  und 
unmittelbarer  Lebensfülle  in  Platens  Poesie  nicht  empfindet.  Bei  den  Studien  Rabanys 
und  B.s  wird  zur  Gewissheit,  dass  eine  Gruppe  französischer  Gelehrter  vollen 
Ernst  mit  dem  Eindringen  in  deutschen  Geist  und  deutsches  Wesen  macht.  Doch 
gilt  dieser  Ernst  vorzugsweise  den  weiter  zurückliegenden  Erscheinungen  der  deutschen 
Litteratur,  während  die  unzweifelhafte  Annäherung,  die  auf  litterarischem  Gebiet 
zwischen  Deutschland  und  Frankreich  stattfindet,  und  der  mehrfache  Berichte  deutscher 
Beobachter  und  Beurteiler  gewidmet  wurden,  so  wenig  wie  ein  vager  Enthusiasmus 
der  Einzelnen  für  bestimmte  Gestalten  und  Schöpfungen  der  neuesten  deutschen  Litteratur 
zu  einer  wahren  Würdigung  dieser  Männer  und  Werke  verhilft.  —  Unzweifelhaft  hat 
von  neueren  deutschen  Dichtern7)  Gerhart  Hauptmann  zur  Zeit  die  stärkste 
Teilnahme  in  Frankreich  erweckt;  die  Aufführungen  der  „Weber"  in  Paris  und 
Brüssel8),  die  Darstellung  einer  Uebersetzung  des  „Hannele"  am  Theätre  libre,  das 
Verbot  der  Aufführung  des  Schauspiels  „Einsame  Menschen",  das  die  Gesellschaft 
L'Oeuvre  aufführen  wollte,  unmittelbar  vor  der  Generalprobe,  ein  Verbot,  das  zu 
einer  Interpellation  des  Herrn  Vigue  d'Octon  in  der  französischen  Kammer  führte, 
alles  erweist,  dass  die  Teilnahme  das  Verständnis  weit  übertraf.  Ganz  abgesehen  von 
Zola,  der  in  der  oben  besprochenen  Unterredung  den  „Webern"  einiges  Gute  zu- 
gestand, „Hannele"  aber  eine  Feerie  niedriger  Art  nannte,  die  man  sich  höchstens 
noch  im  Melodram  gefallen  lassen  könne,  verwahrten  sich  Kritiker  wie  Jules  Lemaitre, 
der  „Hannele"  einen  „Traum  in  Bildern,  kaum  in  Dialogform  gebracht"  nennt, 
Jean  Jullien,  der  den  Eindruck  „furchtbar  peinlich",  „mehr  physisch  als  psychisch"  und 


4)  G.  Pelissier,  Essais  de  litt,  contemp.  (JBL.  1S93  I  1  :  132):  LCB1.  S.  283.  —  5)  X  A..  v.  Weilen:  DLZ.  S.  51/2;  M.  KfochJ: 
LCB1.  S.  522/3.  -  6)  P.  Besson,  Phten.  Etüde  biogr.  et  litt.  Paris,  Leroux.  107  S.  —  7)  X  Dtsch.  Litt,  im  Aus- 
lände:   FrB.  5,    S.  194/6.    -    8)   X    Nachklänge    d.  Aufführung    d.  „Weber"  in  Brüssel:    Bühne  u.  Leben  2,  S.  534/5.  —  9)  H. 


Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jh.:  Die  deutsche  Li  tteratur  und  das  Ausland.  IV  ld:9-ie 

die  ganze  Dichtung  „zu  wenig  geträumt"  nennt,  im  ganzen  dieselben  Männer,  die  für 
die  „Weber"  enthusiastisch  eingetreten  waren,  gegen  die  Wendung,  die  Hauptmanns 
Entwicklung  genommen  hat.  Albert9)  hat  über  diese  Dinge  aus  Paris  berichtet.  — 
Betrachten  wir  umgekehrt,  was  zur  Würdigung  und  tieferen  Erkenntnis 
französischer  Litteratur  auf  deutschem  Boden  geschehen  ist,  so  wird 
man  mindestens  eine  gleich  rege  Thätigkeit  und  ein  gleich  vielseitiges  Bestreben  zur 
tieferen  Vertrautheit  mit  Vergangenheit  und  Gegenwart  der  französischen  Litteratur 
zugestehen  müssen.  Ganz  im  Gegensatz  zu  Zola,  der  das  Bedürfnis  fühlt,  die  selb- 
ständigsten Lebensäusserungen  fremder  und  namentlich  germanischer  Litteraturen  als 
Absenker  französischer  Ideen  zu  charakterisieren,  im  Gegensatz  zu  der  schroffen  Ein- 
seitigkeit, mit  der  die  französische  akademische  Kritik  an  der  Boileauschen  Doktrin 
festhält,  laut  welcher  nur  der  Antike  ein  legitimer  Einfluss  auf  französische  Poesie 
und  Kunst  zusteht,  bemüht  sich  die  deutsche  Litteraturforschung  nach  Kräften  die 
Wechselwirkungen  beider  Litteraturen  zu  erkennen  und  die  Einflüsse  hervor- 
ragender französischer  Denker  und  Dichter  auf  die  unseren  nach  Kräften  vor- 
urteilslos darzustellen.  In  die  Reihe  hier  einschlägiger  Arbeiten  gehören  vor 
allem  die  von  allgemeinen  Gesichtspunkten  ausgehenden  Abhandlungen 
von  Bartels  10),  „Die  fremden  Einflüsse  in  der  deutschen  Litteratur",  die  von 
Brausewetter11)  über  „Die  französischen  Gesellschaftsdramen  und  ihren  Einfluss 
auf  die  deutsche  dramatische  Litteratur",  dahin  vor  allem  die  Studie  von  St  ein  hausen  12) 
„Die  Anfänge  des  französischen  Litteratureinflusses  auf  Deutschland".  Wenn  die 
erste  dieser  Studien  schon  über  die  französischen  Einflüsse  in  der  deutschen  mittel- 
alterlichen höfischen  und  Minnepoesie  sich  dahin  vernehmen  lässt,  man  solle  aufrichtig 
sein  und  sich  frag'en,  ob  die  Kultur  der  Minnezeit  in  Deutschland  ohne  den  französischen 
Einfluss  denkbar,  und  wenn  nicht,  ob  sie  seinetwegen  verwerflich  sei,  und  hinzufügt, 
es  sei  schwerlich  gute  Sitte  seinen  Lehrmeister,  wenn  er  seine  Pflicht  gethan  hat, 
zum  Dank  durchzuprügeln,  wenn  B.  erklärt:  „dass  Wolfram  von  Eschenbach  ein  viel 
grösserer  Dichter  war,  als  Chrestien  de  Troyes,  will  ich  gern  glauben,  aber  dass 
auch  dieser  und  seinesgleichen  in  die  deutsche  Literaturgeschichte  gehören,  scheint 
mir  ausgemacht",  so  schlägt  er  damit  den  Grundton  an,  der  alle  diese  deutschen 
Studien  und  Untersuchungen  durchdringt.  Man  ist  offenbar  mehr  geneigt  die  Vorteile, 
die  zu  verschiedenen  Zeiten  die  Entwicklung  der  deutschen  Litteratur  von  der  Wechsel- 
wirkung mit  der  französischen  gehabt  hat,  möglichst  hoch  in  Anschlag  zu  bringen, 
als  im  Gegenteil  die  schweren  Uebelstände,  die  in  verschiedenen  Perioden  mit  dem 
französischen  Einfluss  eingetreten  sind,  und  die  zur  Stunde  wiederum  nicht  als  zurück- 
liegende historische  Thatsachen  betrachtet  werden  dürfen,  zu  stark  und  entschieden 
zu  betonen.  — 

Eine  andere  Gruppe  deutscher  Forschungen  und  Darstellungen  behandelt 
einzelne  Gestalten  und  Erscheinungen  der  französischen  Litteratur,  die  in  der 
Geschichte  dieser  Litteratur,  völlig'  abgesehen  von  ihren  Beziehungen  oder  Nicht- 
beziehungen  zu  Deutschland,  unbestrittene  oder  wenigstens  zu  verfechtende  Bedeutung 
haben.  Sie  erstrecken  sich  vom  17.  bis  zum  19.  Jh.,  und  der  Vortritt  gebührt  hier 
der  biographisch-kritischen  Studie  über  Jean  Chapelain  von  M  ü  h  1  a  n  13).  Der 
vielgefeierte  und  späterhin  vielverhöhnte  Dichter  des  Hotel  Rambouillet,  der  erste 
moderne  Verherrlicher  der  Jungfrau  von  Orleans,  wird  hier  nach  der  Seite  seines 
menschlichen  Wertes,  seiner  allgemeinen  litterarischen  Verdienste  geschildert,  die 
allerdings  die  Mängel  seiner  poetischen  Versuche  und  die  klaffenden  Risse  zwischen 
Anspruch  und  Leistung  auch  in  der  objektiven  historischen  Würdigung  nicht 
decken  können.  Die  Forschungen  M.s  sind  sehr  gründlich,  aber  ein  wesentlich 
anderes  Bild  Chapelains,  als  Lotheissen  in  kurzen  Zügen  im  neunten  Kapitel  des  ersten 
Bandes  seiner  Geschichte  der  französischen  Litteratur  im  17.  Jh.  entworfen  hat,  ergeben 
sie  nicht.  — 

Ueber  M  o  1  i  e  r  e  ist  im  Berichtsjahre  weniger  hervorgetreten  als  sonst  üblich, 
selbst  die  interessanten  Studien  Franklins14)  über  das  Leben  von  Paris  in  ver- 
gangenen Jhh.,  die  neben  anderem  so  glänzende  Rechtfertigungen  der  angeblich  über- 
triebenen Angriffe  des  Komödiendichters  auf  die  Zunft  der  Aerzte  enthalten,  sind 
nach  dieser  Richtung  nicht  beachtet  worden.  —  Fuldas  Moliere-Bearbeitung  (JBL. 
1892  IV  ld:l/2;  4:95;  1893  IV  ld:22)  erfuhr  wachsende  Verbreitung  und  erneute 
Besprechung15).  —  Duschinskys16)  Studie  über  den  Misanthrop  gehört,  weil  in 
französischer  Sprache  geschrieben,  im  strengeren  Sinne  nicht  einmal  hierher,  mag 
aber  erwähnt  sein.  — 

Vom  Jh.  des  Klassizismus  bis  zur  Revolution  ist  ein  gewaltiger  Sprung.     Hier 

Albert,  Pariser  Brief:  FrB.  5,  S.  80/2.  -  10)  A  d.  Bartels,  Nat.  Dichtung :  Grenzb.  2,  S.  18-27,  70-S2,  164-72.  —  11)  E.  Brause- 
wetter, D.  franz.  Gesellschaftsdraraen  u.  ihr  Einfluss  auf  d.  dtsch.  dramat.  Litt.:  Bühne  u.  Leben  2,  S.  355/6,370.  —  12)  (I  4:86; 
III  1:207.)  —  13)  A.  Mühlan,  J.  Chapelain.  Biogr.-krit.  Studie.  Diss.  Strassburg  i.  E.  30  S.  —  14)  A.  Franklin,  La  vie  privee 
d'antrefois.     Paris,  Plön,  Nourrit  &  Cie.  VII,  328  S.    Fr.  3,50.  —  15)  X  WIDM.  75,  S.  780.    —    16)  W.  Duschin sky,   Sur  le 

(4)15* 


IV  ld:  17-19  A  d.  Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jh.:  Die  deutsche  Litteratur  und  dasAusland. 

begegnen  uns  zunächst  eine  Untersuchung  über  Kants  Stellung  zu  J.  J.  Rousseau 
von  Menn17),  ferner  „Cheni  er- Studien"  von  Hartmann17a)  und  zwei  Aufsätze 
über  Frau  von  S  tael.  —  Der  Zeit  nach  geht  Geigers18)  kurzer  Bericht  über  Frau 
von  Staels  Aufenthalt  in  Berlin  1804  voran.  Dieser  Aufenthalt  folgte  bekanntlich  der 
längeren  Gastrolle  auf  dem  Fusse,  die  die  Autorin  der  „Delphine"  und  „Corinne", 
von  welchen  Romanen  damals  nur  der  erste  erschienen  war,  im  Winter  von  1803 
auf  1804  in  Weimar  gegeben  hatte,  und  er  wurde  insofern  bedeutsam  für  die  grosse 
Schriftstellerin,  als  er  ihre  nähere  Bekanntschaft  mit  A.  W.  Schlegel  herbei- 
führte, eine  Bekanntschaft  übrigens,  die  durch  einige  Zeilen  Goethes  an  Schlegel 
eingeleitet  und  vermittelt  wurde,  —  Zeilen,  die  Goethe  um  so  lieber  schrieb,  als  er  sich 
damit  Dank  von  beiden  Teilen  verdiente,  wo  sich  alles  von  selbst  gegeben  hätte. 
Noch  interessanter  als  die  Berliner  Erlebnisse  der  Stael  war  ihr  erster  Aufenthalt 
in  Wien  von  Ende  1807  bis  tief  ins  J.  1808  hinein.  —  Zur  Charakteristik  der  Zeit 
teilt  Wertheimer  19)  in  dem  inhaltreichen  Bericht  über  Frau  von  Stael  in  Wien  mit, 
dass  sie,  die  Napoleon  I.  durch  seine  volle  Ungnade,  ja  seinen  ausgesprochenen  Hass 
auszeichnete,  und  die  schliesslich  vor  ihm  durch  halb  Europa  flüchtete,  den  kaiser- 
lichen Hofstellen  als  eine  Spionin  Napoleons  verdächtigt  war.  Man  berief  sich  darauf, 
dass  sie  nicht  das  erste  Weib  sei,  das  der  Imperator  zu  geheimen  Sendungen  gebrauche 
und  dass  ihre  „Abschaffung"  aus  Frankreich  vielleicht  nur  ein  Vorwand  sei,  um  den 
wahren  Zweck  ihres  Aufenthalts  zu  verdecken.  Die  vornehme  und  geistig  hervor- 
ragende Gesellschaft  Wiens  teilte  diesen  am  Vorabend  der  österreichischen  Erhebung 
von  1809  vernichtenden  Verdacht  so  wenig,  dass  Frau  von  Stael  eine  mehr  als 
zuvorkommende  Aufnahme,  fand  und  sog'ar  im  stände  war,  einen  Einfluss  zu  gewinnen, 
der  dem  geistigen  Leben  Wiens  und  der  deutschen  Litteratur  mittelbar  zu  gute  kam. 
A.  W.  Schlegel  hatte  seine  vielberühmten  Vorlesungen  über  dramatische  Kunst  und 
Litteratur  entworfen  und  wünschte  sie  in  Wien  öffentlich  zu  halten.  Kaiser  Franz, 
sich  selbst  getreu,  witterte  hinter  diesem  Vorhaben  des  protestantischen  Schriftstellers 
allerlei  Unheil  für  die  Ruhe  der  K.  K.  Staaten  und  entschied,  dass  Schlegel  in  keinem 
Falle  die  Erlaubnis  zur  Abhaltung  der  besagten  Vorlesungen  zu  erteilen  sei.  Aber 
Madame  de  Stael  war  nicht  gewohnt,  eine  Sache,  für  die  sie  sich,  aus  welchem  Grunde 
immer,  interessierte,  ohne  weiteres  fallen  zu  lassen.  Sie  bestürmte  ihre  einflussreichsten 
Freunde,  und  den  Bemühungen  des  Konferenzministers  Grafen  Rotenhan  sowie  des  Barons 
Sommerau  gelang  es  wirklich,  den  Kaiser  umzustimmen,  wobei.man  sich  freilich  nicht  bloss 
auf  die  auswärtige  Celebrität  Schlegels  und  seiner  Beschützerin  Frau  von  Stael, 
sondern  auch  auf  die  Sympathien  Schlegels  für  die  katholische  Religion  berief  und 
von  vornherein  versicherte,  dass  religiöse  Gegenstände  ausser  aller  Berührung  mit 
Schlegels  Vorlesungen  ständen,  wenn  sie  aber  dennoch  vorkommen  sollten,  von 
Schlegel  gewiss  mit  besonderer  Achtung  behandelt  werden  würden.  Der  Erfolg  der 
Vorlesungen,  die  im  wesentlichen  vor  einem  Auditorium  von  Fürsten  und  Grafen 
und  deren  Frauen,  jedenfalls  vor  dem  elegantesten  Publikum  Wiens  gehalten  wurden, 
war  ein  ausserordentlicher.  „Es  herrschte  bei  den  Vorträgen  eine  Stille  und  gespannte 
Aufmerksamkeit,  die  Damen  betrugen  sich  so  ruhig,  bescheiden  und  artig,  dass  kein 
Prediger  in  der  Kirche  sie  sich  anders  wünschen  könnte".  Auch  für  einen  anderen 
Freund,  den  Historiker  Sismondi,  der  in  Wien  nationalökonomische  Pläne  verfolgte 
und  ein  Mittel  entdeckt  zu  haben  glaubte,  Oesterreich  von  der  Last  der  Bankozettel 
zu  befreien,  suchte  die  Stael  das  Interesse  der  vornehmen  Kreise  Wiens  zu  erwecken. 
Trotzdem  berichtete  sie  an  Benjamin  Constant,  dass  es  an  geistiger  Regsamkeit  und 
geistigem  Leben  in  der  glänzenden  Kaiserstadt  fehle,  die  ausserordentliche  Gutherzig- 
keit und  die  Feinheit  der  Manieren  konnte  sie,  die  nach  Schillers  Charakteristik  die 
Entschiedenheit  und  geistreiche  Lebhaftigkeit  selbst  war,  und  deren  Zungenfertigkeit 
den  mit  ihr  Sprechenden  zwange  sich  ganz  in  ein  Gehörorgan  zu  verwandeln,  um  ihr 
folgen  zu  können,  für  den  Mangel  an  „Geist  in  der  Konversation"  nicht  entschädigen. 
Sie  gab  ihrem  Missbehagen  hierüber  in  ihrem  Buche  über  Deutschland  so  unum- 
wunden Ausdruck,  dass  sie  damit  nun  wieder  ihre  früheren  Gönner  reizte,  wie 
denn  u.  a.  der  Staatsminister  Graf  Karl  Zinzendorf,  mit  dem  sie  1808  viel  ver- 
kehrt hatte,  sich  über  das  berühmte  Buch  dahin  vernehmen  Hess,  es  sei,  „das  Werk 
einer  Unwissenden,  geschrieben  für  Unwissende",  und  Frau  von  Stael  habe,  ohne 
die  Sachen  tiefer  zu  ergründen,  über  Wien  durchaus  „ä  la  Francaise"  g-eurteilt.  Ihr 
zweiter  Aufenthalt  in  Wien  im  J.  1812,  wo  sie  wiederum  mit  A.  W.  Schlegel  und 
mit  dem  jungen  Rocca  verweilte,  mit  dem  sie  inzwischen  die  bekannte  geheime  Ehe 
eingegangen  war,  gestaltete  sich  teils  durch  die  Nachwirkungen  ihres  Buches,  teils 
durch    die    politische    Situation   höchst   unerfreulich.     Frau  von    Stael  war  vor  dem 


„Misanthrope"  de  Moliere.  Progr.  Wien.  1899.  22  S.  —  17)  M.  Menn,  I.  Kants  Stellung  zu  J.  J.  Rousseau.  Diss.  Frei- 
burg i.  B.  49  S.  —  17a)  K.  A.  M.  Hartmann,  Chemer- Studien.  Progr.  Leipzig.  60  S.  |[RCr.  37,  S.  480.]|  —  18)  L. 
Geiger,  Frau  v.  Stael  in  Berlin.  1804:  Euph.  1,  S.  382,4.  —  19)  Ed.  Wertheimer,  Madame  de  Stael  in  Wien:  NFPr.  N.  10  684. 


Ad. Stern,  Allgemeines  des  18./ 19.  Jh. :  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland.  I V  1  d :  20-23 

Zorn  Napoleons  aus  Coppet  entilohen,  sie  hoffte  nur  in  Kussland  und  in  Schweden 
noch  Sicherheit  zu  finden.  Oesterreich  war  mit  Napoleon  verbündet  und  daher  kein  Zu- 
fluchtsort mehr  für  sie,  man  strebte  sich  ihrer  bald  zu  entledigen  und  machte  ihr 
Passscherereien  der  hässlichsten  Art,  bei  denen  vor  allem  eine  gewisse  Kleinlichkeit 
und  Doppelzüngigkeit  in  die  Augen  fällt.  W.  weisst  nach,  dass  Frau  von  Stael  irrte, 
wenn  sie  die  Schuld  dieser  Dinge  dem  Grafen  Lazansky,  dem  Gouverneur  von 
Mähren,  ausschliesslich  zuschob  und  Metternich  freisprach,  während  gerade  von 
Metternich  die  Befehle  ausgegangen  waren,  Rocca,  dem  Begleiter  der  Stael,  die  Reise 
durch  Galizien  zu  verwehren.  — 

Zur  neuesten  Geschichte  der  französischen  Litteratur  gehört  die  Studie  über 
Leconte  de  Lisle,  das  Haupt  der  Parnassiens,  von  Vogt'zu).  Sein  Auftreten  fiel 
noch  in  die  vierziger  Jahre,  seine  eigentliche  Wirksamkeit  und  Wirkung  aber  begann 
erst  unter  dem  zweiten  Kaiserreich.  —  Eine  umfassende  und  interessante  Arbeit  war 
ferner  die  Untersuchung,  die  über  die  Wirkung  und  Wiederspiegelung  des  Krieges 
von  1870  —  7  1  in  der  französischen Novellistik  und Romanlitteratur  von  Koschwitz21) 
angestellt  wurde.  Zu  ihrer  vollsten  Bedeutung  würde  die  gründliche  Arbeit  erst 
gekommen  sein,  wenn  der  Vf.  andererseits  auch  die  Auffassung  und  Schilderung  des 
Krieges  in  der  deutschen  Erzählungslitteratur  hereingezogen  und  zu  einem  Vergleich 
der  grundverschiedenen  Rückerinnerung  beider  Völker  an  den  Krieg  und  der  beider- 
seits herrschenden  Stimmungen  der  Poeten  gesteigert  hätte.  Doch  auch  so,  wie  sie 
erscheint,  ist  sie  ein  hochinteressanter  Beitrag  zur  Psychologie  des  Völkerlebens  und 
des  allmächtigen  Druckes,  den  ein  herrschendes  Vorurteil,  ein  allverbreiteter  Hass 
auf  die  Litteratur  ausüben.  K.  verfolgt  die  Lebensäusserungen  dieses  Vorurteils  und 
dieses  Hasses  durch  die  Jugendlitteratur,  die  alltägliche  Belletristik  und  die  eigent- 
lich poetischen  Erzeugnisse  hindurch.  „Geschichtliche  Vorgänge  und  in  sie  hinein  verlegte 
erdachte  Thaten  gaben  den  Grundstoff  der  Erzählungen;  die  selbstempfangenen  Kriegs- 
eindrücke, die  in  Frankreich  üblich  gewordene  Gesamtauffassung  der  Kriegsereignisse 
und  ihrer  Ursachen,  vielfach  insbesondere  der  Gedanke  an  spätere  Wiedervergeltung 
bestimmten  Ton  und  Tendenz,  die  künstlerische  Ausführung  blieb  von  den  Anlagen 
der  Vf.  oder  von  der  Beschaffenheit  des  gesuchten  Leserkreises  abhängig".  Doch 
geht  aus  den  höchst  sorgfältigen  und  bei  aller  Knappheit  erschöpfenden  Berichten 
über  eine  Reihe  von  Einzelleistungen,  und  obschon  sich  naturgemäss  „die  absichts- 
losesten und  wahrsten  Darstellungen  in  den  Erzählungen  der  hervorragenderen 
Schriftsteller"  finden,  unwidersprechlich  hervor,  dass  sich  beinahe  keine  französische 
Kriegserzählung  über  die  verzerrte  Darstellung  des  Feindes,  die  von  der  allgemeinen 
Stimmung  erwartete  und  geforderte  Karikatur  alles  deutschen  Wesens  und  Lebens 
erhebt,  wie  denn  selbst  Zola,  der  in  seiner  „Debäcle"  in  erbarmungsloser  Wirklich- 
keitsschilderung seine  Landsleute  wahrlich  nicht  schont,  nur  verzeichnete  und,  soweit 
sie  wahr  sind,  weder  typische,  noch  lebendige  Gestalten  von  Deutschen  zu  zeichnen 
vermocht  hat.  Dass  noch  immer  ein  ungeheurer  Abstand  zwischen  dem  redlichen 
Künstlerwillen,  die  Dinge  und  Menschen  deutlich  zu  sehen  und  wiederzugeben,  und 
der  Leichtfertigkeit  besteht,  die  sich  alle  Fabeln  der  gehässigen  blague  zu  Effektzwecken 
aneignet,  belegt  K.s  Untersuchung  in  jedem  Abschnitt.  Sein  Buch  zerfällt  in  zwei  Haupt- 
teile: im  ersten  gelangen  die  Novellen,  im  anderen  die  Romane  zur  Besprechung;  die 
Novellen  teilt  er  wieder  in  „Helden-  und  Racheerzählungen"  (mit  den  Unterabschnitten 
„Heldenkinder",  „Heldenväter",  „Heldenfrauen",  „Helden  im  kräftigen  Mannesalter"), 
„Satirische  Schilderungen  französicher  Verhältnisse"  („Naturalistische  Erzählungen", 
„Realistische  Erzählungen",  „Phantastische  und  rein  satirische  Erzählungen"),  „Spott- 
erzählungen auf  Deutsche  und  Wiedervergeltungsphantasien",  „Tendenzlose  Kriegs- 
bilder und  Stillleben"  („Kampf-  und  Lagererzählungen",  „Stillleben").  Die  Romane 
charakterisiert  K.  unter  den  Ueberschriften :  „Romane  mit  Kriegsepisoden",  „Frei- 
schärlerromane",  „Spottromane  mit  deutschen  Helden", „Spionenromane",  „Empfindsame 
Romane,  und  Idyllen",  „Schlachtenromane",  „Krieg  im  Frieden".  Die  hervorragendsten 
Romane,  die  die  Rückerinnerung  an  das  Schrecken sjahr  in  Frankreich  gezeitigt  hat, 
sind  auch  nach  K.s  Erörterungen  Erckmann  -  Chatrians  „Brigadier  Friedrich", 
A.  Daudets  „Robert  Helmont",  Zolas  „Zusammenbruch"  und  endlich  Francois  Coppees 
„Idylle  während  der  Belagerung",  letztere  ganz  tendenzlos,  ohne  jede  Schilderung  des 
Landesfeindes,  lediglich  eine  während  der  Schreckenstage  des  Krieges  emporblühende 
Liebe  eines  jungen  Parisers  und  einer  Pariserin  schildernd,  in  der  nach  K.s  Urteil 
„die  Ereignisse  des  Krieges  im  wesentlichen  nur  dazu  dienen,  um  Kontrastwirkungen 
zwischen  dem  Unglück  der  Gesamtheit  und  dem  Liebesg-lück  eines  Einzelnen  hervor- 
zubringen und  die  Selbstsucht  der  Liebe  dadurch  um  so  deutlicher  zu  kennzeichnen."  — 

In  den  gegenseitigen  Beziehungen  der  französischen  und  deutschen  Litteratur, 
demgemäss  auch  der  Litteraturgeschichte  fehlt  ein  fester  Mittelpunkt,  wie  er,   sobald 


—  20)  F.  Vogt,  Leconte  de  Lisle:  NatZg.  N.  436.   -     21)  (IV  lb  :  357.)  —  22-23)  X  p-  Wüloker:   AngliaB.  4,  S.  11/2;  M. 


IV  ld:  22-25o  Ad.  Stern,Allgemeinesdesl8./19.  Jh. :i)iedeutscheLitteraturund  das  Ausland. 

unsere  Uebersicht  sich  unserem  Verhältnis  zu  England  und  der  Erforschung  des 
Einflusses  der   englischen  Litteratur   auf   Deutschland   zuwendet,    in 
Shakespeare  ein  für  allemal  gegeben  ist.     Trotz  Carlyle  und  seiner  Nachfahren 
haben  die  Engländer  an  keinem  deutschen  Dichter,  auch  an  Goethe  nicht,  ein  gleiches 
Besitzrecht  gewonnen,  wie  die  Deutschen  seit  Schlegels  Uebersetzung  und  den  Kritikern 
der  Romantik  an  dem  grössten  germanischen  Dramatiker.     Und  wenn  der  unerquick- 
liche  Streit,   ob  Shakespeare,    der  Dichter,  je  gelebt  und  geschaffen  habe,    in  diesem 
Augenblick  auch  bei   uns  heftiger    als   je    entbrennt,    v/enn    leider    auch    die    ernste 
Wissenschaft  und  die  im  wahrenGenuss  des  Dichters  vertiefte  Ueberzeugung  von  dem 
selbständigen  Dichtergenius    und   der  künstlerischen  Eigengrösse   Shakespeares,    die 
man  in  ein  Annex  wissenschaftlicher  Grösse  verwandeln  möchte,  den  wunderlichsten 
Hypothesen    und    einer   geistreich   spielenden  Willkür    und    Umsturzsucht   Rede   zu 
stehen   haben,    so   ändert    dies  doch  nichts  an  der  Thatsache,    dass  die  dramatischen 
Dichtungen  Shakespeares  durch  Uebertragung,  Darstellung  und  fortgesetztes  Studium, 
ja,    wie    der   Shakespearerealist    und    andere    wollen,    durch    Ueberschätzung    und 
Hypertrophie  der  ästhetischen  Betrachtung,  uns  unmittelbar  gehören  und,  gleich  den 
grössten  Schöpfungen  unserer  eigenen  Dichter,    alle  Adern  unserer  Bildung  durch- 
ziehen.    Selbst  wenn  das  Unmögliche  geschehen,   ein   modischer  Irrtum   siegen,  die 
gesamten  Schöpfungen  eines  grossen  Dichters  dem  Ruhme  eines  Philosophen  zugelegt 
werden  sollten,  dessen  Anschauungen  von  der  Poesie  denen  des  Dramatikers  diametral 
entgegengesetzt  waren,  so  würde  dies  an  der  Wirkung  der  poetischen  Werke  wenig 
ändern,  und  darum  muss   es   erlaubt  sein  die  ganze  Reihe  der  Schriften,  Aufsätze, 
Untersuchungen  und  Erläuterungen  über  und  zu  Shakespeare,    die  auch  im  J.  1894 
in  Deutschland  veröffentlicht  worden  sind,  der  brennenden  Tagesfrage  voraufgehen  zu 
lassen.     „Hamlet"  wird  ja  Hamlet  und  „Macbeth"  Macbeth  bleiben,    wie  man  am 
Ende  auch  den  Dichter  dieser  gewaltigen  Werke  taufen  mag.     Im  Vordergrund  der 
vorjährigen    Uebersicht    über   die   deutschen    Shakespearekommentare    standen    eine 
Reihe  von  Arbeiten  über  Hamlet,  auf  den  wir  uns  bekanntlich  neben  dem  allgemeinen 
Besitztitel    an    Shakespeare    noch    einen    besonderen  Anspruch    vorbehalten    haben. 
Loenings  Werk  (JBL.  1893  IV  ld :  62)  hat  noch  eine  Reihe  weiterer  Besprechungen 
erfahren22-23),    die,    zustimmend    wie    ablehnend,    doch    überall    die    Bedeutung    der 
Loeningschen  Auffassung  anerkennen.  —  Erweitern  sich  doch  einzelne  der  Berichte 
von  der  Recension  zur  selbständigen  Abhandlung,  wie  He  b  1  e  r  s24)  „Hamletfrage"; 
und  damit  treffen  sie  wieder  auf  andere  Auffassungen  und  Erläuterungen.  —  Freilich 
darf  man  sich  die  Gefahr  nicht  verhehlen,  dass  die  neuesten,  weit  auseinandergehenden 
Versuche  in  das  letzte  tiefgründige  Geheimnis  des  Hamletcharakters  und  der  Tragödie 
einzudringen,  die  Zuversicht  des  Laienpublikums,  bei  der  Litteratur  Wissenschaft  sichere 
Aufklärung  zu  gewinnen,  stark  ins  Wanken  gebracht  haben.  Je  lebhafter  man  aller- 
seits bemüht  ist,  den  Streit  diametral  entgegengesetzter  Anschauungen  zur  Kenntnis 
weiter  Kreise  der  Shakespearefreunde  zu  bringen,  je   einfacher  und  volkstümlicher 
der  polemische  Ausdruck  wird,  um  so  misslicherer  erscheint  es,  gewisse  Angelegen- 
heiten vor  einem  grossen  Publikum  zu  erörtern,  namentlich  wenn  sich  dabei  persön- 
liche Gereiztheiten  zum  Schaden  der  Sache  kundgeben.    Dass  die  Auffassung,    die 
Loening  vertritt,  sich  mit  der,  die  Türck25"250)  in  einer  Reihe  von  Hamletschriften 
dargelegt  hat,  in  keiner  W'eise  deckt,  dass  T.  ein  ganz  anderes  und  fraglos  gewichtigeres 
Motiv  des  Nichthandeins  und  Zauderns  bei  Hamlet  zu  erweisen  sucht,   ist  mehr  als 
hinreichend  erörtert  worden.     Was  T.  in  seinen  früheren  Schriften  auseinandergesetzt, 
erscheint   in   zwei  Streitschriften   gegen  Kuno  Fischer    in  Heidelberg   rekapituliert. 
Die  Hamlettragödie  ist  nach  T.  die  Tragödie  des  Idealismus,  der  Held  ein  ideal  ge- 
richteter,   genial  beanlagter  Mensch,    der    den  Entwicklungsgang   aller   wahrhaften 
Genies  durchmacht,  der  „nur  das  Unglück  hat,  dass  gerade  zu  einer  Zeit,  in  der  seine 
Thatkraft  bis  auf  vereinzelte,  nur  auf  äusseren  unmittelbaren  Anstoss  erfolgende  Aus- 
brüche  infolge    einer   in    seiner    inneren    Entwicklung    eingetretenen  Krisis    völlig 
gehemmt  und  so  zu  sagen  nach  innen  zurückgedämmt  ist,  Dinge  an  ihn  herantreten, 
denen  er  sich  sonst  völlig  gewachsen  zeigen  würde,   die  aber  jetzt  für  ihn,   da  sie 
ihn  gerade  in  diesem  Zustande  einer  sein  ganzes  Sinnen  und  Trachten  in  Anspruch 
nehmenden   inneren  Krisis    treffen,    äusserst  verhängnisvoll  werden".    Weil  Hamlet 
schon  vor  der  Erscheinung  des  Geistes  seine  ganze  ideale  Weltanschauung  mit  einem 
Stoss  über  den  Haufen  geworfen  sieht,  weil  die  Erfahrungen,  die  er  nach  dem  Tode 
seines  Vaters  gemacht  hat,  ihm  die  Freude  und  Lust  an  dieser  Welt  und  am  Leben 
selbst  genommen  haben,  weil  er  die  Lockungen  der  Welt  hinter  sich  hat,  ist  er  auch 


Koch:  EnglSt.  19,  S.  125-31;  C.  H.  Herford:  Ac.  46,  S.  44/5.  —  24)  K.  Heb ler,  D.  Hamletfrage  mit  bes.  Beziehung  auf 
R.  Loening,  D.  Hamlettragödie  Shakespeares:  Euph.  1,  S.  237-67,  491-519.  —  25)  H.  Türck,  D.  Uebereinstimmung  v.  Kuno 
Fischers  u.  H.  Türcks  Hamleterklärung.  Jena,  Mauke.  VI,  76  S.  M.  1,20.  |[DLZg.  S.  1527;  R.  Wulckow:  BerlTBl. 
N.  364. ]|  —  25a)  id.,  I).  Hamletproblem  vor  Gericht:  EZg.  K.  149.  —  25b)  id.,  Kuno  Fischers  krit.  Methode.  E.  Antw.  auf 
seinen  Artikel    „D.  Türcksche    Hamlet"    in  AZgU.     Jena,    Mauke.    VIII,  32  S.     M.  0,60.    —    25  0)  id.,  Meine  Erfahrungen  mit 


Ad.Stern,  Allgemeinesdesl8./19. Jh. :DiedeutscheLitteraturunddas Ausland.  VI  1  d:26-27a 

zu  der  von  ihm  geforderten  Rache  nicht  eigentlich  befähigt.  —  Mit  dieser  Auffassung 
traf  eine  von  Kuno  Fischer26-27)  gegebene  kurze  Darstellung  des  Hamlet- 
problems,  die  sich  an  einen  Aufsatz  über  Loenings  Buch  anreihte,  insoweit 
ganz  unzweifelhaft  zusammen,  als  auch  F.  sich  gegen  Loenings  Anschauung  wendete, 
dass  sich  Hamlet  einfach  von  seinem  Temperament  beherrschen  und  treiben  lasse, 
als  auch  er  betont,  dass  die  Temperamente  das  Tempo  des  Lebens,  nicht  dessen  Thema 
sind,  dass  der  Genius  zwar  auch  seine  Wurzeln  im  Naturell,  aber  nicht  im  Temperament 
habe,  als  auch  F.  überzeugt  ist,  dass  dieselben  Motive,  die  die  Rachelust  entzünden 
sollen,  die  Lebenslust  bei  Hamlet  auslöschen.  „Alle  Rache  ist  hinfällig,  wenn  der 
Rächer  von  der  Welt  und  dem  Menschen  so  wie  Hamlet  denkt:  Was  ist  mir  diese 
Quintessenz  von  Staub".  Bei  solcher  Uebereinstimmung  im  Hauptpunkt  würde  sich 
F.  sicher  nichts  vergeben  haben,  wenn  er  der  von  ihm  früher  anerkannten  Thätigkeit 
des  jüngeren  Aesthetikers  ein  Wort  gewidmet  und  die  Punkte  betont  hätte,  in  denen 
sich  Türcks  Auffassung  des  Problems  fruchtbar  und  vor  allem  entwicklungsfähig  erweist.  — 
Da  dies  nicht  geschehen  war,  fühlte  sich  Türck27a)  verletzt  und  versuchte  nun 
seinerseits  in  einer  Flugschrift  den  Nachweis  zu  führen,  dass  Fischers  ganze  Erklärung 
lediglich  eine  Frucht  von  Ideen  sei,  die  seinen  eigenen,  Türcks,  Schriften  entstammen.  Sein 
Angriff  gipfelte  in  dem  Satze:  „Nimmt  man  alles  zusammen,  so  klingen  K.  Fischers 
Ausführungen  fast  wie  eine  geistvolle,  etwas  feuilletonistisch  gehaltene  Wiedergabe 
meiner  in  'Hamlet  ein  Genie'  und  'Das  psychologische  Problem  in  der  Hamlet-Tragödie* 
niedergelegten  Hamleterklärung".  Mit  diesem  Satze  betritt  er  den  gefährlichen  Boden 
des  Streites  um  die  Priorität  einer  Anschauung,  eine  Priorität,  von  der  K.  Fischer 
seinerseits  behauptet,  dass  sie  ein  Hirngespinst  sei,  dass  seine  eigene  Auffassung  des 
Hamlet  lange  vor  T.s  Schriften  festgestanden  habe,  worauf  denn  auch  der  erste  Brief 
Fischers  an  T.,  in  dem  er  sagt,  er  habe  T.s  Schrift  „Hamlet  ein  Genie"  mit  grösstem 
Interesse  und  in  einigen  der  wesentlichsten  Punkte  mit  entschiedener  Beistimmung 
gelesen,  hinzudeuten  scheint.  Dem  Anspruch  T.s,  dass  sich  Fischer  seine  Schriften 
so  zu  eigen  gemacht  habe,  dass,  abgesehen  von  einzelnen  Stellen,  in  denen  Fischers 
Erklärung  der  Tragödie  von  der  seinigen  abweiche,  dessen  in  AZg.B  dargebotenen 
Ausführungen  über  Hamlet  ganz  wie  eine  abgeschwächte  Wiedergabe  seiner  vor 
sechs  und  vier  Jahren  veröffentlichten  Ideen  klängen,  setzt  der  Heidelberger  Historiker 
der  Philosophie  die  schroffe  Erklärung  entgegen:  „Und  die  grundlegenden  Ideen? 
Diese  bestehen  zunächst  darin,  dass  Hamlet  ein  Genie  sei,  dass  er  nach  dem  Tode 
des  Vaters  und  der  Heirat  der  Mutter  die  Lust  an  der  Welt,  die  Freude  am  Leben 
verloren  habe  und  nun  bis  zu  einem  Grade  verdüstert  und  pessimistisch  gestimmt 
sei,  der  seine  Gedanken  auf  Tod  und  Selbstmord  richte,  seine  Thatkraft  lähme  und 
in  der  Erfüllung  der  ihm  auferlegten  Rachepflicht  hemme;  der  Grund  dieser  Hemmung 
liege  also  nicht  in  dem  Mangel  an  Thatkraft  und  sinnlicher  Heldenstärke,  wie  Goethe 
gewollt  habe,  sondern  in  Hamlets  Geistes-  und  Gemütsart.  Bis  hierher  ist  nichts 
gesagt,  nichts  enthüllt,  das  nicht  jedem,  der  den  Text  der  Tragödie  mit  offenen 
Augen  liest,  von  selbst  einleuchtet."  Gegenüber  dieser  Behauptung,  die  denn  doch 
cum  grano  salis  hingenommen  werden  muss,  ist  es  T.  leicht  gemacht,  zu  erweisen, 
dass  ganze  Reihen  von  Erklärern  das  Genie  und  die  pessimistische  Grundstimmung 
in  Hamlet  eben  nicht  erkannt  haben.  Aber  freilich  wird  damit  durchaus  nicht  erwiesen, 
dass  Fischer  nicht  auch  völlig  selbständig  und  ohne  jede  Beihülfe  und  Anregung  T.s 
zu  seiner  Anschauung  gelangt  sein  könne,  es  ist  hundertmal  erprobt,  dass  zu  ge- 
wissen Zeiten  gewisse  Ideenassociationen  in  der  Luft  liegen  und  gleichzeitig  an 
vielen  Stellen  stattfinden.  Wenn  nun  in  diesen  Fällen  immer  wieder  erbittert  und 
ohne  jeden  Blick  auf  die  herrschende  Zeitstr-ömung  um  die  Priorität,  um  das 
individuelle  Eigentumsrecht  an  einer  Erkenntnis,  zu  der  allgemeine  ethische  und 
ästhetische  Bewegungen  der  Zeit  viele  Geister  gleichmässig  hindrängen,  gekämpft 
wird,  so  mischen  sich  auf  beiden  Seiten  Stimmungen  ein,  die  der  sachlichen  Behand- 
lung gefährlich  werden  müssen.  Weder  an  dem  herben  Ton,  in  dem  K.  Fischer  die 
Ansprüche  T.s  zurückgewiesen,  noch  an  des  letzteren  weiter  den  Kampf  fortführenden 
Streitschriften  lässt  sich  Freude  gewinnen.  Und  wie  immer  in  diesen  Fällen  reisst  die 
Kampfstimmung  über  die  Linie  der  eigentlichen  Streitfrage  weit  hinaus,  T.s  zweite 
Schrift  (S.  o.  N.  25a)  spricht  von  Uebereinstimmungen  Fischers  und  T.s  auch  da, 
wo  doch  höchstens  von  Uebereinstimmung  beider  mit  früheren  Erklärern  und 
Kritikern  die  Rede  sein  kann.  Die  Ansprüche  auf  die  Ehre  der  ersten  Erforschung  oder 
kritischen  Erkenntnis  sind  in  dem  Masse  reizbarer  und  schroffer  geworden,  in  dem  das 
Gebiet  völlig  neuer  gewichtiger  Thatsachen,  wirklich  zum  ersten  Male  ausgesprochener 
Anschauungen  sich  mehr  und  mehr  verengert  hat.  Ist  leider  nicht  daran  zu  zweifeln, 
dass  einzelne   wissenschaftliche  Kreise  eine   besondere  Freude  an  Kontroversen  wie 


Kuno  Fischer:    BayerKur.  N.  1S9-90.     (Auch  als  Separatabdr.)    —    26)    Kuno    Fischer,    E.  neues  Werk    über  Hamlet    u.  d. 
Hamletproblem:  AZgB.  N.  43,9,  5t.  —  27)  id.,  D.  Türcksche  Hamlet:  ib.  15.  Mai    —  27a)  (=  N.  25.)   —  28)  E.  Traumann, 


t  V 1  d :  28-32  A  d.  S  t  e  r  n ,  Allgemeines  des  18./1 9.  Jh. :  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland. 

den  in  Rede  stehenden  empfinden,  so  erscheint  der  Zweifel  um  so  berechtigter,  dass 
sie  der  Wissenschaft  im  höheren  Sinne  zum  Gewinn  gereichen  werden.  —  Im  Zusammen- 
hang mit  diesem  Hamletstreite  steht  ein  polemischer  Aufsatz  Traumanns28),  der 
in  leidenschaftlichem  Tone  für  K.  Fischer  Partei  ergreift  und  die  Herausforderungen 
der  Türckschen  Schrift  „K.  Fischers  kritische  Methode"  mit  verdoppelter  Gering- 
schätzung der  Türckschen  Leistungen  heimzahlt.  Des  gleichen  Vf.  Studie  „Hamlet 
die  Tragödie  des  Menschengeistes"  kann  wohl  bestätigen,  dass  sich  T.  mit  dem  ob- 
sch webenden  Problem  befasst  hat,  nicht  aber,  dass  er  wohlthut,  Türck  jede  Fähigkeit 
und  jedes  Verdienst  abzusprechen.  Die  Prioritätsansprüche  des  letzteren  bekämpft 
er  mit  der  Behauptung,  dass  dieser  die  Anschauung  vom  Umschlage  der  Welt- 
anschauung Hamlets  selbst  auf  A.  Döring  zurückgeführt  habe,  und  dass  die  Ansicht, 
wonach  in  Hamlet  ein  Genie  im  engeren  Sinne  verkörpert  werde,  längst  vor  Türck 
von  F.  Th.  Vischer  ausgesprochen  Worden  sei.  Darauf  erwidert  nun  Türck  freilich 
wieder,  dass  er  doch  von  Döring  sehr  Wesentlich  abweiche  und  seine  Auffassung 
des  Genies  als  einer  eigenartigen  objektiven  Richtung  des  Geistes  himmelweit  verschieden 
von  F.  Th.  Vischers  Genie  sei.  In  Summa  tritt  bei  jeder  Einzelheit  dieses  Streites  die  ganze 
Misslichkeit  solcher  Prioritätskämpfe  entscheidend  hervor,  an  denen  das  Peinlichste 
ist,  dass  sie  überhaupt  nicht  abgeschlossen,  sondern  je  nach  der  subjektiven  Anlage, 
Einsicht  und  Stimmung  der  Kämpfer  und  der  Nachlebenden  jederzeit  erneuert  werden 
können.  —  Der  Vortrag  des  Schauspielers  Gregori29)  „Shakespeares  Hamlet  im 
Lichte  einer  neuen  Darstellung"  gründet  sich  durchaus  auf  Türcks  frühere  Schriften.  — 
Eine  Reihe  von  Aufsätzen  sind  durch  die  Bearbeitung  des  „T  imon  von 
Athen"  von  B  u  1 1  h  a  u  p  t30)  hervorgerufen  worden.  Der  umfassendste  davon,  der 
Herrn.  Conrads31)  befasst  sich  nicht  nur  eingehend  mit  der  theatralischen  Ein- 
richtung B.s,  sondern  vor  allem  mit  der  merkwürdigen  Timontragödie  selbst.  Andere, 
wie  K  e  r  r  beschränken  sich  auf  eine  Abwägung  der  Verdienste  und  Mängel  von  B.s 
x\rbeit.  —  Eine  Studie  „Ueber  den  politischen  Konflikt  in  Shakespeares  Coriolan"  von 
Curtius32),geht  von  der  Anschauung  aus,  dass  es  erlaubt  sein  müsse,  den  Gedankeninhalt 
der  geschichtlichen  Dramen  Shakespeares,  die  wir  als  Geschichte,  wie  sie  sich  dem  Auge 
des  Dichters  darstellt,  würdigen  sollen,  abgesehen  von  ihrem  ästhetischen  Werte  ins 
Auge  zu  fassen  und  nach  den  Ansichten  des  Dichters  über  die  grossen  Fragen  des 
nationalen  und  politischen  Lebens  zu  forschen.  C.  sieht  die  chronikalischen  Dramen 
des  Dichters  trotz  aller  entgegenstehenden  Bedenken  als  ein  einzigartiges  Gesamt- 
werk nationaler  und  patriotischer  Poesie  an,  dessen  Grundthema  in  den  Schlussworten 
des  Dramas  „König  Johann"  gegeben  sei.  Im  Gegensatz  dazu  behandeln  die  römischen 
Dramen  ein  Thema  allgemeinster  Natur,  das  jedes  Volk  und  jede  Zeit  angeht:  Das 
Recht  des  Herrschers.  Es  ist  das  Problem  der  Freiheit  in  umgekehrter  Gestalt. 
Einem  Dichter,  der  die  Welt  und  den  Menschen  so  genau  kennt,  wi,e  Shakespeare, 
der  keine  Illusionen  hat  über  die  Unschuld,  Kindlichkeit  und  Verträglichkeit  des 
durch  keine  Fesseln  der  Gesetze  beleidigten  Menschen,  einem  solchen  realistischen 
Dichter  liegt  die  Betrachtung  dieser  Frage  aus  dem  Gesichtspunkte  des  Herrschers 
näher.  Darum  sind  Julius  Cäsar  und  Coriolan  vornehm,  aristokratisch,  durchaus 
politisch  gedacht.  Coriolan  ist  die  Tragödie  des  Helden,  der  dem  Neide  erliegt;  der 
Dichter  zeigt,  wie  Held  und  Volk  zusammen  gehören,  und  wie  deshalb  der  Sturz  des 
Helden  im  Grunde  die  eigene  Tragödie  des  Volkes  ist,  das  sich  nicht  selbst  regieren 
kann  und  um  seines  eigenen  Besten  willen  beherrscht  werden  muss.  Für  Coriolan 
ist  die  Macht  und  Grösse  Roms  mehr  wert  als  das  Glück  und  Leben  des  Einzelnen, 
und  er  fordert  diese  Hingabe  an  das  Gemeinwesen,  zu  der  er  selbst  bereit  ist,  auch 
von  seinen  Mitbürgern.  Keine  andere  Person  des  Dramas  ist  ihm  in  dieser  Erhabenheit 
der  Staatsgesinnung  gleich,  und  gerade  hierin  besteht  die  erschütternde  Tragik  seines 
Falles.  Aber  allerdings  ist  Coriolans  Persönlichkeit  ein  menschlich  fehlerhaftes  Gefäss 
der  Idee,  die  er  vertritt,  seine  Fehler,  Fehler  des  Temperaments  und  der  socialen 
Verhältnisse,  bilden  die  Handhabe,  durch  welche  seine  ethisch  tief  unter  ihm  stehenden 
Gegner  seinen  Sturz  herbeiführen  können.  Es  ist  der  offenbare  Defekt  in  der  Be- 
gabung Coriolans,  dass  er  ausschliesslich  Politiker  ist  und  den  berechtigten  wirt- 
schaftlichen Forderungen  des  römischen  Volkes  kein  Gehör  schenkt.  Der  Schluss 
des  Coriolan  erscheint  darum  „so  hoffnungslos  traurig  wie  der  keiner  anderen  Tragödie 
Shakespeares",  weil  der  Held  einem  Geist  der  Niedertracht  gegenübersteht,  der  die 
Existenz  echter  Grösse  leugnet,  zu  einer  ganzen  Weltanschauung  der  Kleinheit  und 
Mittelmässigkeit  entwickelt  ist.  Der  Held,  dessen  Aufsteigen  den  Himmel  erhellt  wie 
Glanz  der  Morgensonne,  muss  durch  seine  eigenen  Fehler  dem  Neide  den  begierig 
gesuchten  Anlass  zu  offenem  Kampfe  geben.    Durch  die  Reibung  des  Kampfes  werden 

H.  Türck  d.  „Hamletkommentator"  gegen  K.  Fischer:!  AZgli.  N.  147.  —  29)  F.  Gregori,  Shakespeares  Hamlet  im  Lichte  e. 
neueren  DarsteU.  Vortr.  Barmen,  Stcinhorn  *  Co.  24  S.  M.  0,60.  —  30)  H,  Bnlthaupt,  Timon  v.  Athen.  Oldenburg, 
Schulzosche  Hofbuchh.  M.  1,60.  |[H.  Kraeger:  BLU.  S.  828;  J.  Edgar:  DBühneng.  23,  S.  185/6;  K.  Kerr:  ML  68,  S.  848/9; 
BDRS.  61,  S.  629.]|   -    31)  H.  Conrad,  Shakespeare-Bulthaupts  Timon:  JbDShakespeareGes.  30,  S.  110-47.  —  32)  F.  Curtius, 


Ad.  St  er  n,  Allgemeines  des  18./ 19.  Jh.:  Die  deutsche  Li  Ueratur  und  das  Ausland.  IV  ld:33-39 

jene  Fehler  nicht  gebessert,  sondern  verschärft,  und  durch  dieses  Zusammenwirken 
des  Fehlerhaften  in  der  Person  des  Helden  mit  der  Bosheit,  die  ihm  gegen  üb  ersteht, 
wird  sein  Sturz  herbeigeführt.  „Trockene  Moralisten  mögen  mit  dem  Behagen  des 
musterhaften  Buchhalters  feststellen,  dass  die  Rechnung  von  Schuld  und  Schicksal 
schliesslich  glatt  aufgeht.  Dem  wahrhaft  menschlichen  Empfinden  offenbart  sich 
gerade  hierin  die  Tragik  der  Geschichte."  — 

"Während  Em.  Starke  über„Troilus  und  Cressida"  handelt  —  P.  Lange33) 
hat  davon  berichtet — ,  Kreutzberg34)  über  Brutus  in  „Julius  Cäsar",  M.  Lange35) 
über  „Das  Urbild  des  Falstaff"  sich  verbreitet,  rückt  Brandes36)  mit  der  Studie 
„Shakespeares  düstere  Periode"  der  Gesamterscheinung  des  Dichters  und 
den  allgemeinen  Fragen,  die  uns  bei  dieser  beschäftigen,  schon  wieder  beträcht- 
lich näher.  — 

Einen  umfassenden  Versuch,  Shakespeares  Frauengestalten  sämtlich  zu 
behandeln  und  aus  der  charakteristischen  Verschiedenheit  der  Typen  in  drei 
Schaffensperioden  des  Dichters  Rückschlüsse  auf  das  Leben  des  Dichters  zu  machen, 
unternahm  Lew  es37).  Das  Buch  scheint  mehr  für  Leserinnen  als  für  Leser  bestimmt, 
wogegen  nichts  zu  erinnern  wäre,  wenn  der  Vf.  unter  der  Herrschaft  des  Wunsches, 
durch  eine  gewisse  leichte  Anmut  der  Darstellung  das  Interesse  der  Leserinnen  zu 
erwecken,  die  kritische  Schärfe  und  Bestimmtheit  nicht  gar  zu  sehr  vermissen  Hesse. 
Namentlich  in  seiner  Einleitung  erkennt  man,  dass  er  über  eine  Reihe  der  wichtigsten 
Fragen  mit  sich  selbst  noch  nicht  zum  Abschluss  gekommen  ist.  Seine  Charakteristik 
und  Deutung  einzelner  Frauengestalten  des  Dichters  geht  zu  sehr  ins  Weichliche. 
Wer  wird  in  Desdemona  ein  Vögelchen  sehen,  das  „das  Nest  verlassen  hat,  ehe  es 
fliegen  konnte",  wer  die  vom  Vf.  gegebene  Schilderung  der  Cordelia  im  König  Lear  als 
eine  erschöpfende  betrachten.  Eine  fein  nachempfindende  Vertiefung  in  die  Frauen- 
charaktere des  Dichters  und  der  Reiz  lebendiger  Darstellung  könnten  für  manche 
Mängel  entschädigen,  aber  bei  L.  erscheinen  auch  diese  Vorzüge  nur  fragmentarisch 
entwickelt.  — 

Eine  kleine  Gruppe  neuer  Abhandhingen  knüpft  nicht  an  bestimmte  Gestalten  der 
Dramen  oder  einzelne  Perioden  der  dichterischen  Entwicklung  Shakespeares,  sondern 
an  bestimmte  Eigentümlichkeiten  seines  poetischen  Ausdrucks,  seiner  Sprachbehand- 
lung an.  Wurths38)  Specialuntersuchung  über  den  Gebrauch  des  Wortspiels  bei 
Shakespeare  sucht  festzustellen,  inwieweit  der  Dichter  in  der  Verwendung  dieses 
Kunstmittels  Schüler  seiner  Vorgänger  und  Zeitgenossen  gewesen,  inwieweit  er 
künstlerisch  selbständig  vorgegangen  sei,  und  will  die  Betrachtung  derShakespeareschen 
Wortspiele  aus  den  37  Dramen  und  sämtlichen  Gedichten  „für  die  Erkenntnis  und 
Theorie  der  Sprachkunstwerke  überhaupt"  verwerten.  Der  Vf.  legt  dem  Wortspiel 
als  Mittel  der  charakterisierenden  Kunst  infolge  seiner  sehr  gründlichen  Unter- 
suchung, bei  der  er  neben  zahlreichen  Ab-  und  Unterarten  fünf  Hauptgruppen  der 
eigentlichen  Wertspiele  und  neben  diesen  noch  Laut-  oder  Klangspiele,  und  zusammen- 
gesetzte und  Gruppenspiele  (Wortgefechte)  unterschieden  wissen  will,  zu  grosse  Be- 
deutung bei,  er  findet,  dass  dem  Wortspiele  nicht  nur  Witz,  sondern  auch  Gemüt  zu 
eigen  sei,  wodurch  es  zum  Ausdrucksmittel  des  echtesten  Humors  werde  und  sich 
jeder  Seelenbewegung  anpasse.  Darum  findet  es  auch  in  der  ernstesten  Scene  seinen 
Platz.  „König  Richard  II.  giesst  in  seine  Spiele  die  herbste  Bitterkeit,  in  der  höchsten 
Verzweiflung,  im  Zustande  der  grössten  Trostlosigkeit  beginnt  Gaunt  über  sich  selbst 
zu  witzeln.  Desdemona  und  Jago  helfen  sich  mit  dem  Wortspiel  momentan  über 
Unangenehmes  hinweg;  im  Lear  erhöht  es  durch  seine  Ironie  und  den  Kontrast  die 
Tragik  des  Ganzen.  An  anderer  Stelle  rückt  es  uns  die  Feindseligkeit  zweier  Rivalen 
vor  Augen  (Richard  und  Bolingbroke,  Hamlet  und  der  König).  Shakespeare  hat  das 
Wertspiel  nicht  unbedacht  eingestreut,  es  ist  mit  Ueberlegung  am  richtigen  Orte 
verwendet  und  der  richtigen  Person  zugeteilt.  Auch  die  Einkleidung  und  Umgebung 
des  Spiels  ist  nicht  zufällig.  Jede  Person  spielt  mit  der  ihr  charakteristischen  Art, 
und  nicht  jede  Person  ist  überhaupt  für  das  Spiel  geeignet.  In  „Liebes  Leid  und  Lust" 
sind  die  Spiele  Moths  im  Vergleich  zu  denen  des  Gecken  Armado  geradezu  reizend. 
In  Coriolan  trägt  Menenius  fast  alle  Spiele,  nur  Coriolan  selbst  gebraucht  zuweilen 
eines,  um  darin  seinen  hochmütigen  Spott  über  das  Volk  auszugiessen."  W.  hofft  die 
Untersuchung  der  Wortspiele  auch  als  Hülfsmittel  für  die  Datierung  der  Stücke,  als 
Mittel  der  Textkritik  verwerten  zu  können.    Den  historischen  Teil  seiner  Untersuchung 


Ueber  d.  polit.  Konflikt  in  Shakespeares  „Coriolan":  DRs.  80.  S.  397-411.  -  33)  E.  Stäche,  D.  Verhältn.  v.  Shakespeares 
Troilus  u.  Cressida  zu  Chaucers  gleichnamigem  Gedicht.  Progr.  Nordhausen.  1893.  4°.  14  S.  |[P.  Lange:  AngliaB.  4, 
S.  264/5.] |  -  34)  P.  Kreutzberg,  Brutus  in  Shakespeares  Julius  Cäsar:  COIRW.  22.  S.  399-400.  -  35)  M.  Lange,  D.  Ur- 
bild d.  Falstaff:  VossZgB.  K.  34.  —  36)  G.  Brandes,  Shakespeares  düstere  Periode:  Zukunft  9,  S.  25-30,  83'8.  —  37)  L. 
Lew  es,  Shakespeares  Frauengestalten.  St.,  Krabbe.  1893  XVI,  409  S.  M.  5,00.  |[ÖLB1.  3,S  48;  R.  Fried  rieh:  AngliaB.  4, 
S.  262/4;  A.  Schröer:  DWB1.  7,  S.  2278;  JbDShakespeareG.  30,  S.  29-30,3046;  E.  v.  Sallwürck:  BLTJ.  S.  179.]|  — 
38)  L.  Wurth,  D.Wortspiel  bei  Shakespeare.  Progr.  d.  k.  k.  Staatsrealscb.  im  VII.  Bez.  Wien.  36  S.  —  39)  L.  Fränkel, 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteratnrgeschichte.     V.  ("  i) J_6 


I V  1  d :  40-49  Ad.  Stern,  Allgemeines  des  18./ 19.  Jh. :  Die  deutsehe  Litteratur  und  das  Ausland. 

über  das  Verhältnis  Shakespeares  zu  den  Zeitgenossen,  zur  Gesellschaft  und  Ge- 
schmacksrichtung- seiner  Zeit,  vor  allem  sein  Verhältnis  zu  Lyly  und  dem  Euphuismus 
bleibt  der  Vf.  aus  Raumgründen  zunächst  schuldig,  doch  hebt  er  hervor,  dass 
Shakespeare  Lylys  Dramenstil  weit  mehr  verdanke  als  dessen  Stile  im  Euphues. 
„Wie  im  übrigen  ist  Shakespeare  auch  hinsichtlich  des  Wortspiels  ein  Schüler  der 
Gesellschaft  und  der  Dichter  seiner  Zeit,  und  wie  auf  anderen  Gebieten  hat  er  auch 
hier  seine  Zeitgenossen  überflügelt."  —  Einen  Beitrag  zur  vergleichenden  Literatur- 
geschichte der  germanischen  Völker  gab  Fränkel39)  .  in  seinem  Werke  über 
Shakespeare  und  das  Tagelied.  Die  Untersuchung  des  Vf.  knüpft  an  die  fünfte 
Scene  des  dritten  Aktes  von  Romeo  und  Julia  an  und  betont  die  Verwandtschaft 
dieser  Scene  mit  den  Tageliedern  der  mittelhochdeutschen  Lyrik.  Da  die  englische 
litteratur  so  wenig  wie  die  italienische,  aus  der  der  Stoff  herstammt,  ein  entsprechendes 
Vorbild  aufzuweisen  hat,  so  folgert  F.,  dass  Shakespeare  die  englische  Poesie 
durch  ein  aus  dem  allgemeinen  Schatz  germanischer  Naturanschauung  und  Dichtung 
entnommenes  Gut  bereichert  hat.  Das  deutsche  Tagelied  hat  seinen  Weg  nach  Holland 
gefunden  und  dies  legt  die  alte  Frage,  ob  Shakespeare  je  nach  Holland  oder  Deutsch- 
land selbst  gelangt  sei,  sowie  die  Frage  nach  seinem  Verhältnis  zu  deutschen  Geistes- 
produkten überhaupt  wiederum  nahe.  —  H.  Hoffmanns40)  Dissertation  über  die  Be- 
teuerungen in  Shakespeares  Dramen  gehört  gleichfalls  in  die  grosse  Reihe  der 
Untersuchungen,  durch  die  man  den  britischen  Dichter  mehr  und  mehr  zu  unserem 
Eigentum  zu  machen  trachtet.  — 

Einen  in  gewissem  Sinne  unheimlichen  Eindruck  erweckt  es  freilich,  dass 
trotz  aller  Studien  und  kritischen  Bemühungen  auch  die  kleinste  Shakespearefrage 
so  wenig  zum  Abschluss  gelangen  will,  wie  nach  einem  Goetheschen  Bilde  Wachs 
gerinnen  kann,  so  lange  es  beim  Feuer  steht.  Selbst  über  die  Schreibweise  des 
Namens:  Shakespeare  oder  Shakspeare  (Shakspere)  werden  ja  noch  Erörterungen 
angestellt  und  Meinungen  ausgetauscht41)  und  alles  natürlich  mit  der  deutschen 
Leidenschaftlichkeit,  die  im  Andersmeinenden  immer  einen  Gegner  und  meist  einen 
Ignoranten  sieht.  — 

Die  Gruppe  der  im  Vorjahr  erschienenen  deutschen  Shakespeareschriften, 
sowohl  die  Vorträge  ten  Brinks42),  als  die  Biog-raphie  und  Charakteristik  Brandls43), 
die  Essays  Oech  elhäusers44)  und  Hauffens45)  zusammenfassende  Arbeit  über  Shake- 
speare in  Deutschland  haben,  wie  billig,  noch  eine  lange  Reihe  von  Würdigungen  (ge- 
legentlich natürlich  auch  von  Angriffen  und  Herabsetzungen)  erfahren.  —  Dieser  Gruppe 
schliesst  sich  im  Berichtsjahr  der  Vortrag  von  Marx46)  über  den  dichterischen  Ent- 
wicklungsgang Shakespeares  an,  der  nicht  eigentlich  Neues  enthält  und  sich  selbst 
als  einen  Versuch  bezeichnet,  wie  wir  uns  die  dichterische  Entwicklung  Shakespeares 
vorstellen  können.  —  Das  gleiche  Thema  wie  Hauffen  (s.  o.  N.  45),  nur  knapper 
und  unvollständiger,  behandelt  unter  gleichem  Titel  Michel47),  dessen  Arbeit 
„Shakespeare  in  Deutschland"  durch  den  dreissigsten  Jahrestag  der  Begründung  der 
deutschen  Shakespearegesellschaft  veranlasst  wurde.  —  Sehr  wertvoll  sind  zwei  kleine 
Arbeiten  Frenz  eis48"48")  „Die  Persönlichkeit  Shakespeares"  und  „Shakespeare  auf  der 
deutschen  Bühne",  die  teilweise  an  die  obengenannten  Schriften,  namentlich  Brandls 
und  Oechelhäusers,  anknüpfen,  aber  mit  der  feinen  Sicherheit  und  dem  scharfen 
Blick  des  genannten  Kritikers  gerade  die  Punkte  herausheben,  auf  die  die  Laien- 
bildung jetzt  vor  allem  hingewiesen  ist,  dass  Shakespeares  Dichtung  Gipfel  eines  sich 
langsam  erhebenden  Plateaus  ist,  dass  sein  Künstlertum  um  so  leuchtender  hervortritt, 
je  vertrauter  wir  mit  dem  Wesen  seiner  Zeit,  mit  den  Verdiensten  seiner  Vorgänger 
und  Zeitgenossen  werden.  Die  erhöhte  Thätigkeit  der  deutschen  Bühne  und  der  Auf- 
schwung, der  seit  den  Meiningern  unzweifelhaft  stattgefunden  hat,  ist  nach  F.s  Ueber- 
zeugung  vor  allem  Shakespeare  zu  Gute.gekommen:  „für  ihn  sind  die  letzten  zwanzig 
Jahre  eine  Art  Auferstehung  in  Deutschland  gewesen."  — 

Die  grosse  Sensation,  ohne  die  es  auf  keinem,  auch  auf  wissenschaft- 
lichem Gebiet  mehr  abgeht,  war  freilich  im  J.  1894  nicht  sowohl  eine  Auferstehung 
als   eine   vermeintlich    endgiltige  Bestattung    des   Dichters    Shakespeare.      Bei    dem 


ShaVespeare  u.  d.  Tagelied.  E.  Beitr.  z.  vergleich.  Litt.-Gesch.  d.  german.  Völker.  Hannover,  Helwing.  1893.  V,  132  S. 
M.  3,00.  (Vgl.  JBL.  1893  I  10:38.)  —  40)  H.  Hoff  mann,  Ueher  d.  Beteuerungen  in  Shakespeares  Dramen.  Diss.  Halle  a.  S. 
52  S.  —  41)  Shakespeare  oder  Shakspeare:  FZg.  N.  120.  —  42)  B.  ten  Brinks  Shakespeare  (JBL.  1393  I  2  :  45;  IV  1  d  :  60). 
|[L.  Proescholdt:  AngliaB.4,  S  233/4;  A.  Schröer:  BnglSt.  19,  S.  273;  LCB1.  S.  433/4;  R.Walker:  JbDShakespeareG.  29-30, 
S.  246/8;  ib.  S.  306/7.]|  —  43)  A.  Brandl,  Shakespere.  (=  Geisteshelden  her.  v.  A.  Bettelhe  i  m.  N.  6.)  B.,  E.  Hofmann  &  Co. 
VIII,  232  8.  M.  4,50.  |[DR.  80,  S.  158;  W.  Bolin:  Zeitgeist  N.  44;  F.  A.  Leo:  JbDShakespeareG.  29-30,  S.  299-301.]|  - 
44)  W.  Oechelhäuser,  Shakespereana.  B.,  Springer.  V,  251  S.  M.  6,00.  [L.  Proescholdt:  Anglia".  4,  S.  68;  Grenzb.  2, 
S.  620/1;  LCB1.  S.  1775/6;  F.  A.  Leo:  JbDShakespeareG.  29-30,  S.  297/8.]|  —  45)  A.  Hauffen,  Shakespeare  in  Deutschland. 
(JBL.  1893  III  4:6a;  IV  ld:59;  4:25)  |[NorddAZg.  N.  241;  JbDShakespeareG.  29-30,  S.  309-10.] |  —  46)  Th.  Marx,  D. 
dichterische  Entwicklungsgang  Shakespeares.  (=  SGWV.  N.  211.)  Hamburg,  Verlagsanst.  27  S.  M.  0,60.  —  47)  Fr.  Michel, 
Shakespeare  in  Deutschland.  Z.  30.  Jährest,  d.  Begrfind.  d.  dtsch.  Shakespeareges.:  FZg.  N.  110.  —  48)  K.  Frenzel,  D.Per- 
sönlichkeit Shakespeares:  NatZg.  N.  418,  420.   -   48a)  id.,  Shakespeare  auf  d.  dtsch.  Bühne:  ib.  N.  113.  —  49)  E.  Bormann, 


Ad. Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jh.:  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland.  IV  ld  :  49 

Shakespeare-Bacon-Streit  erhielten  die  Amerikaner  und  Engländer,  die  seit  einer 
Reihe    von  Jahrzehnten    die    Autorschaft    Shakespeares    in    Zweifel    zogen    und    den 
Schlüssel  zu    dem    grossen  Geheimnis  suchten,    wer  Shakespeares  Dramen    gedichtet 
habe,  in  Bormann49)  einen  besser  als  sein  Vorgänger  Graf  Vitzthum  ausgerüsteten 
deutschen  Bundesgenossen,    der    in    einem  verlockend  ausgestatteten    und  ersichtlich 
mit  grossem  wissenschaftlichen  Apparat  versehenen  Grossoktavbande  das  „Shakespeare- 
Geheimnis"  der  Welt    zu    enthüllen  und  zu  deuten  unternahm.     Wenn   es   ungehörig 
war,  den  liebenswürdigen  Lyriker  und  humoristischen  Dialektdichter  an  seine  leichtere 
Thätigkeit  zu  erinnern  und  eine  nur  allzuernst  gemeinte  wissenschaftliche  Arbeit  von 
vornherein  zu  unterschätzen,    weil   ihr  Vf.  sich  nicht  zuvor  durch    ein  Dutzend  Vor- 
arbeiten für  die  Beschäftigung  mit  Shakespeare  und  Bacon  legitimiert  hatte,  wenn  B. 
sich  mit  allem  Recht  darauf  berufen  konnte,    dass  er  sich  mit  Shakespeares  Dramen 
so  gut  als  mit  Bacons  Schriften  eingehend  vertraut  gemacht  habe,  ehe  er  daran  ging 
zu  erweisen,  dass  Francis  Bacon  die  grosse  Ergänzung  seines  unvollendeten  wissen- 
schaftlichen Werkes  vorläufig  in  dichterischen  Produktionen  „dramatisch-parabolischer 
Poesie,  die  in  verhüllter  Form  die  Geheimnisse  der  Wissenschaft  dem  Zuschauer  als 
gegenwärtig  vor  die  Augen  führt",  hinterlassen  habe,    so   forderte  doch    die  Gewalt- 
samkeit   der   Konjekturen,    die    gänzliche  Verachtung    alles    Einfachen    und    Nächst- 
liegenden,   mit   der  B.  seine  Baconhypothese   zu  stützen    suchte,   die  Unterschätzung 
des  in  Shakespeares  Dramen  pulsierenden  Lebens  und  die  leidenschaftlich  einseitige 
Zurückführung  lebensvoller  Gestalten  auf  naturwissenschaftliche  Begriffe   und  philo- 
sophische Abstraktionen  den  härtesten  Widerspruch   aller    heraus,    die    sich   ein   un- 
mittelbares Gefühl    für  Bedingungen,    Wesen    und  Wert    lebendiger   Poesie    erhalten 
haben.  Die  ganze  Beweisführung  Bs,  obschon  sie  mit  allem  Aufwand  eifrigen  Studiums 
und  scharfsinniger  Deutungslust  vor  die  Oeffentlichkeit  trat,  scheitert  schon  an  ihrer 
ersten  Voraussetzung,  dass  „die  Mehrzahl  der  Gebildeten  allezeit  einen  Widerspruch 
empfunden   habe  zwischen   der  Gedankentiefe,   Gedankenfülle    und  Gedankenmannig- 
faltigkeit der  Shakespeareschen  Dichtungen  und  der  Person  dessen,  der  sie  geschaffen 
haben  soll."     Die  einfache  Thatsache,  dass  wir  leider    wenig   von  Shakespeares    per- 
sönlichem Leben   wissen,  dass  er,    gleich    fast  allen    anderen   dramatischen  Dichtern 
seiner  Zeit  und  seines  Landes,  keinen  liebevollen  Biographen  gefunden  hat  und  seine 
menschliche  Gestalt  hinter  seinen  gewaltigen  Werken  fast  verschwindet,  muss  jederzeit 
erst   in    eine    willkürliche    und    auf  den    unsichersten    Ueberlieferungen    beruhende 
Charakteristik  des  „ungebildeten  Shakespeare"  umgewandelt  werden, um   den  „Wider- 
spruch"   herzustellen.      Die    „mangelhafte    Schulbildung"    Shakespeares,    das    Haupt- 
argument für  die  Unmöglichkeit,   dass  der  Schauspieler  aus  Stratford  diese  Wunder- 
werke geschaffen  haben  könne,  ist  für  uns  Deutsche  ein  armseliger  Beweis  angesichts 
der  einfachen  Wahrheit,  dass  nicht  weniger   als   vier  unserer  grössten   dramatischen 
Dichter  des  19.  Jh.,  Heinrich  von  Kleist,  Fr.  Hebbel,  Otto  Ludwig  und  L.  Anzengruber, 
ihre  mangelhafte  Schulbildung  durch  eine  Selbstbildung  wett  zu  machen  hatten,  deren 
Eigenart  und  Wege   hinreichenden  Aufschluss   über  die   verschiedenen  Möglichkeiten 
gaben,  die  in  solchem  Falle  eintreten.     Eine  ganze  Reihe  anderer  „Beweise",  die  B. 
beibringt,    um    die   störrisch    zweifelnde  Welt  zu   überzeugen,    dass   Bacons  „Magna 
Instauratio"  aus  zwei  Hälften  bestehe,  von  denen  die  eine,  unter  Bacons  eigenem  Namen 
in   wissenschaftlicher  Prosa,    die  andere    poetisch-parabolisch   unter  dem  Pseudonym 
William  Shakespeare  geschrieben  sei,  tragen  zum  allergrössten  Teile  ein  solches  Ge- 
präge von  Künstelei,  von  Ueberschätzung  nichts  beweisender  Satz-,  Wort-  und  Silben- 
übereinstimmungen, von  Aufbauschung  zufällig  unerklärter  oder  im  Dunkel  liegender 
kleiner   Umstände,    von   absichtlicher  Nichtberücksichtigung   gewichtiger   gegen    die 
Bacontheorie  sprechender  Zeugnisse,  dass  reichlich  Arbeit  für  ein  halbes  Dutzend  und 
mehr    widerlegender  Bücher    vorhanden  ist.     Da    es  dem  Vf.    nicht    einmal    genügt, 
dass   Bacon,   unter   gänzlicher  Verhüllung   und  Verschweigung  seiner  Thaten   auch 
für  die  Nachwelt,    die  Dramen  Shakespeares  geschrieben  haben  soll,    dass  er   damit 
zum  Range  der  grössten  Dichter    emporrücken  würde,   sondern    ausserdem   bewiesen 
werden  soll,    dass   Bacon    sich   über  alle  Dichter    der  Welt  durch   die  Gewalt    einer 
parabolischen  Poesie  emporschwingt,  einer  Poesie,  in  der,  während  es  sich  eigentlich 
um  die  Geschichte  der  Zwischenformen,  die  Lehre  vom  Schall,  um  die  Theorie  von  den 
Spirits,  um  die  ratio,  die  kritische  Vernunft,  um  die  Aggregatzustände  von  fest,  flüssig 
und  gasförmig,  um  Medizin,  Kosmetik,  Athletik  und  Verjüngungslehre,  um  die  Lehre 
von  den  Licht-  und  Leuchtstoffen,  um  die  „Lehre  von  den  Geschäften"  handelt,  nebenbei 
und  durch   den   blossen  Gebrauch   dichterischer  Sprache  wunderbare,    phantasievolle 
Handlungen    und    Gestalten    entstehen,    die  wir    für  Caliban    und   Ariel,    für  Horatio 
(ratio),  für  Hamlet  (Medizin!),   Ophelia  (Kosmetik!)  und  Laertes  (Athletik!),  für  Lear 


D.  Shakespeare-Geheimnis.     L.,  Selbstverl.     XII,  344  S.     M.  20,00.     |[A.  Brandl:    ÖLB1.  3,    S.  5235;  DBühneng.  23,  S.  525/6; 
H.  Stühmke:    Geg.  46,    S.  117-21:    I,CB1    S.  824  6:    D.  Hielt':    Kritik  1.    S.  446  8:    E.  Bransewetter:    Bühne  n.  Leben  2, 

(4)16* 


IV 1  d.  50  6i  A  d.  St  er  n,  Allgemeines  des  18./19.  Jh.:  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland. 

und  Cordelia  halten,  nicht  sollen  aber  können,  so  muss  man  sich  fragen,  welch  eigen- 
tümlicher Zug  der  Zeit  in  Büchern  wie  „Das  Shakespeare-Geheimnis"  zu  Tage  tritt. 
Dem  Vf.  vielleicht  unbewusst,  hat  das  Verlangen  nach  einer  neuen,  nie  erhörten,  die 
Ueberlieferung  zerstörenden,  die  bildungssatte  Gleichgiltigkeit  des  lebenden  Ge- 
schlechts stark  aufrüttelnden  Offenbarung,  ein  Verlangen,  das  uns  vielleicht  morgen 
den  Beweis  beschert,  dass  Rafael  nicht  gelebt,  oder  wenn  doch  gelebt,  seine  Fresken  im  Va- 
tikan nie  gemalt  und  irgend  einen  „na"  oder  ,,ni"  um  seinen  Nachruhm  betrogen, 
dass  der  kunstsinnige  und  hochbegabte  Erzherzog  Rudolf  unter  dem  Namen  des 
stümpernden  und  tauben  Brodmusikers  Beethoven  seine  unsterblichen  Kompositionen 
der  Welt  übergeben  habe,  starken  Anteil  an  dieser  Art  Enthüllungen.  Haben  wir 
doch  wenige  Jahre  vor  B.  in  „Sphinx  locuta  est"  den  Beweis  erdulden  müssen,  dass 
es  Goethe  um  nichts  weniger  als  um  Gestalten  wie  Faust  nnd  Wagner,  wie  Mephi- 
stopheles,  wie  Gretchen  und  Marthe,  sondern  um  philosophische  Deduktionen  zu  thun 
war  ("JBL.  1892  IV  8a :  70).  Doch  blosse  bewusste  oder  unbewusste  Sensations- 
sucht leistet  schwerlich  eine  Arbeit,  wie  die  des  B. sehen  Buches  unter  allen  Umständen 
eine  ist.  Die  unserer  Zeit  eigentümliche  Ueberschätzung  der  wissenschaftlichen  Er- 
kenntnis, die  Unterschätzung  der  schöpferischen  Phantasie,  die  Gewohnheit  überall 
Zusammenhänge,  Beziehungen,  Abhängigkeiten  zu  sehen  und  in  seltsamen  Gegen- 
satz zu  ihr  das  Bedürfnis  nach  einem  universalen  Genius,  in  dem  alle  Schranken 
und  Besonderheiten  menschlicher  Begabung  aufgehoben  sind,  sie  alle  haben  zusammen- 
gewirkt, die  Ueberzeugung  B.s  zu  reifen  und  sie  soweit  wissenschaftlich  zu  stützen, 
dass  sich  die  Kritik  wohl  oder  übel  mit  ihr  auseinandersetzen  muss.  —  Eigentliche 
Verfechter  seiner  Theorie  hat  der  Vf.  des  Shakespearegeheimnisses  nur  wenige  ge- 
funden; am  entschiedensten  trat  Niemann50)  für  ihn  ein,  dem  sich  von  Gottschall51), 
H.  Weber52)  bis  auf  einen  gewissen  Punkt  anschlössen;  mit  Bewunderung  zweifelnd 
verhielten  sich  von  S'allwürk53)  und  Bulthau  pt54);  zu  entschiedener  Abweisung 
aller  Voraussetzungen,  Untersuchungen  und  vermeintlichen  Beweisführungen  B.s  ge- 
diehen, gleich  Böhtlingk  55),  Genee56)undBartels57)  in  ihren  längeren  Widerlegungen 
die  meisten  Besprechungen.  Eine  wirklich  entscheidende  und  die  Frage  ein-  für 
allemal  erledigende  Widerlegung  kann  nur  dann  erwartet  werden,  wenn  erstens  die 
völlige  Unvereinbarkeit  der  Grundanschauungen,  Lebensrichtungen,  Erfahrungen  und 
Ziele,  der  wissenschaftlichen  und  aesthetischen  Eigenart  Bacons  mit  den  innersten 
Wurzeln,  dem  Wesen  der  Shakespeareschen  Dramatik  überzeugend  nachgewiesen, 
wenn  die  ganze  Theorie,  nach  der  die  Poesie  nur  „ein  Traum  der  Wissenschaft", 
der  poetische  Genius  nur  eine  Maske  des  philosophischen  Genius  sein  soll,  bis  in 
ihre  letzten  Schlupfwinkel  hinein  verfolgt,  wenn  der  sehr  wohl  mögliche  Einfluss, 
den  der  grosse  Denker  Bacon  auf  den  grossen  Dichter  Shakespeare  gehabt  haben 
kann,  genau  untersucht,  wenn  vor  allen  Dingen  die  Erörterung  auf  eine  Basis  ge- 
stellt wird,  bei  der  die  gierige  Sensationslust  der  Tagespresse,  der  alle  ernsten  Fragen 
gleichgütig  und  nur  die  augenblicklichen  Ueberraschungen  von  Wert  sind,  ihre 
Rechnung  nicht  mehr  findet.  — 

In  die  vorshakespearesche  Zeit  der  englischen  Litteratur  weisen  uns  diesmal 
nur  die  Besprechungen  zurück,  die  über  Schröers  im  vorigen  Bericht  gewürdigte 
Neuausgabe  der  Percy  sehen  Reliques  of  ancient  english  poetry  (JBL.  1893  IV  ld  :  57) 
noch  erschienen  sind58).  —  Aus  der  nachshakespeareschen  Zeit  begegnen  wir  zu- 
nächst wieder  Milton,  den  Hübler59)  in  längerer  Abhandlung  mit  Klopstock, 
natürlich  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  „Verlorenen  Paradieses"  und  des 
„Messias",  vergleicht.    —    Der  Zeit   nach    folgt    eine  interessante  Studie  Vetters60) 

S.  333/4;  KZg.  N.  468.]1  —  50)  A.  Niemann,  D.  Shakespeare  Geheimnis:  Grenzb.  2,  S.  302-14.  —  51)  B,  v.  Gottschall, 
Shakespeare  u.  Bacon:  DR.  3,  S.  296-309.  (Vgl.  auch  SchlesZg.  N.  531.)  (Dass  Bacon  irgend  e.  Arteil  an  einzelnen  Dramen 
Shakespeares  hat,  ist  durch  Bormanns  Untersuchungen  wahrscheinlicher  geworden,  als  es  früher  war.)  —  52)  H.  Weber, 
D.  Shakespeare-Geheimnis:  Dichterheira  14,  S.4669.  (D.Verdienst  hat  sich  Bormann  erworben,  d.  Baconhypnthese  e.  systemat. 
wissensch.  Begründung  gegeben  zu  haben.  Nun  haben  wir  e.  Vf.,  d.  wir  kennen;  wir  kennen  sein  Leben,  seine  Thätigkeit  in 
d.  Wissensch.,  in  d.  Politik.  Tausend  u.  tausend  Fäden  spielen  v.  d.  Dramen  Shakespeares  zu  d.  philos.  Werken  Bacons 
hinüber.  Es  wird  Aufgabe  e.  neuen  Wissensch.  sein,  alle  diese  Fäden  aufzudecken.  Vielleicht  werden  sich  nicht  nur  zwischen 
Bacon  u.  Shakespeare,  sondern  auch  zwischen  Kunst  u.  Wissensch.  neue  Berührungsquellen  ergeben.)  —  53)  E.  v.  Sallwürk, 
Shakespeare-Bacon:  BLU.  2,  8.  465/9.  —  54)  H.  Bulthaupt,  D.  Shakespeare-Geheimnis:  WeserZg.  N.  17055.  (Jedenfalls 
scheinen  d.  „äusseren  Gründe"  bislang  noch  immer  viel  nachdrücklicher  für  Bormann  zu  sprechen  als  d.  inneren,  auf  d.  er 
so  viel  Gewicht  legt  u.  d.  z.  T.  so  völlig  versagen,  dass  er  sich  nicht  wandern  darf,  wenn  man  d.  ganzen  Baconfrage  gegen- 
über seine  Zweifel  nicht  so  leicht  fahren  lässt.)  —  55)  A.  Böhtlingk,  Z.  Baco-Manie:  AZg".  N.  196/7.  —56)  R.  Gonee,  Noch 
einmal  Bacon  u.  Shakespeare:  NatZg.  N.  470.  (Wir  haben  mit  d.  Dramen  Shakespeares  und  d.  darin  waltenden  Geiste  auch  d. 
Autor  selbst  unter  seinem  richtigen  Namen  verehren  u.  lieben  gelernt.  Dieser  Dichter  ist  uns  als  d.  Inbegriff  d.  höchsten 
u.  wahrsten  Empfindungen,  als  unvergleichlicher  Kenner  d.  menschlichen  Herzens,  wie  als  Vertreter  d.  Weltweisheit  u.  d. 
Sittlichkeitsgesetze  überliefert  worden.  Für  mein  Gefühl  ist  es  nicht  gleichgültig,  ob  man  e.  solche  grosse  Persönlichkeit,  wie 
es  d.  Schauspieler  Shakespeare  war,  beseitigen  will,  um  e.  anderen,  d.  unmöglich  d.  Dichter  sein  kann,  an  seine  Stelle  zu 
setzen.)  —  57)  Ad.  Bartels,  Shakespeare  u.  Bacon:  Didask.  N.  210/2.  (Man  kann  Bormanns  Buch  als  d.  zusammenfassende 
Hauptwerk  d.  Theorie  bezeichnen.  Auf  d.  kühnen  Annahme  e.  dramat.-parabol.  Poesie  beruht  d.  ganze  Hypothesenwerk  Bor- 
manns, d.  „gedichtete  Wissensch."  ist  sein  drittes  Wprt.  B.  weist  auch  darauf  hin,  dass  Bormann  Spenser,  d.  etwa  d.  Baconschem 
Begriffe  parabol.  Poesie  annähernd  entsprochen  hat,  gar  nicht  nennt.)  —  58)  X  ^  Fränkel:  EnglSt.  19,  S.  423/3;  ZVVolksk.  4, 
S.  96/7.  —  59)  F.  Hübler,  Milton  u.  Klopstock,  mit  bes.  Berücksicht.  d.  „Paradise  lost"  u.  d.  „Messias".  LT.  Progr.  Reichen- 
berg i.  B.     54  S.    —    60)  Th.  Vetter,  D.  göttliche  Rowe.     Progr.     Zürich   (Fr.  Schulthess).     20  S.    —    61)    H.  Hart  mann, 


Ad.Stern,Allgemeinesdesl8./19.  Jh.:  Diedeutsche  Litteratur  und  das  Ausland.  VI  ld:  62-64 

über  eine  am  11.  Sept.  1674  als  Elizabeth  Singer  zu  Ilchester  in  Somerset  geborene, 
als  Mrs.  Elizabeth  Rowe  am  20.  Febr.  verstorbene  englische  Dichterin,  die  ihrer 
Zeit  mit  einem  halben  Dutzend  umfangreicher  Elegien  als  „die  g'öttliche  Rowe"  ge- 
feiert, als  der  Ruhm  ihres  Geschlechts  und  ihres  Zeitalters  gepriesen  wurde  und 
heute  in  England  so  gründlich  vergessen  ist,  dass  selbst  die  umfangreichsten  Nach- 
schlagewerke für  ihren  Namen  keinen  Raum  erübrigen  können.  V.,  der  sie 
zunächst  als  eine  Nachfolgerin  Miltons  charakterisiert,  aber  an  ihren  moralischen 
und  unterhaltenden  Briefen  eine  gewisse  Selbständigkeit  nachweist,  sie  nicht  bloss 
für  die  Sittengeschichte,  wie  sie  in  den  Augen  der  Frommen  jener  Zeit  sich  dar- 
stellte, sondern  für  die  Geschichte  der  englischen  Prosadichtung  wertvoll  findet  und 
ihre  Briefe  zu  den  Grundlagen  rechnet,  auf  denen  Richardson  seinen  Familienroman  in 
Briefen  aufbauen  konnte,  weist  auch  einen  vorübergehenden  Einfluss  der  Dichterin 
auf  die  deutsche  Litteratur  des  vorigen  Jh.  nach.  — 

Das  Thema  von  den  englischen  Einflüssen  in  der  deutschen  Litteratur  be- 
handelt auch  ein  Vortrag  über  William  Wicherley  und  Chrn.  Felix  Weisse, 
den  Hart  mann61)  auf  der  42.  Philologen  Versammlung  zu  Wien  hielt,  und  der  zu 
zeigen  unternimmt,  dass  der  deutsche  Dichter  des  18.  Jh.  das  gewonnene  fremde  Gut, 
nicht  ungeschickt  umgemünzt,  in  neuer  Prägung  unter  seine  Volksgenossen  gebracht  hat. 
—  Die  Wirkungen  von  Oliver  Goldsmiths  „Landprediger  von  Wakeneid"  in  Deutsch- 
land behandelt  Ziegert6'2).  Sie  entziehen  sich  in  ihrer  Mannigfaltigkeit  und  un- 
ablässigen Wiederholung  der  statistischen  Berechnung  und  reichen  teilweise  bis  in 
die  neueste  Zeit,  jedenfalls  bis  zu  Berth.  Auerbach  herab.  —  Eine  sehr  gründliche 
Studie  wird  Henry  Fieldings,  des  Romandichters,  vergessenen  dramatischen  Werken 
von  Lindner63)  gewidmet.  Eine  vollständige  Analyse  seiner  Dramen,  eine  Erörterung 
seiner  Theorie  des  Komischen,  seiner  Art  Dramen  zu  dichten,  eine  Darlegung  der 
Gründe  für  die  Vernachlässigung  von  Fieldings  Stücken  gegenüber  seinen  Romanen, 
eine  Untersuchung  und  Nachweisung  der  Quellen  seiner  Dramen  belehren  in  er- 
schöpfender Art  über  die  dramatische  Poesie  Fieldings.  Aber  freilich  entschlägt 
man  sich  der  Frage  nicht,  welches  Resultat  die  hier  aufgewandte  Mühe  haben  kann, 
da  selbst  der  „Tum  Jones"  des  Dichters  kaum  noch  von  einem  und  dem  anderen  zur 
Hand  genommen  wird.  Es  sei  hier  angefügt,  dass  ich  die  nicht  allzu  zahlreichen 
Arbeiten  über  deutsche  Litteratur,  die  in  England  hervorgetreten  sind,  ebenso  wie 
den  Bericht  über  die  Wechselwirkung  zwischen  deutscher  und  italienischer  Litteratur 
bis  zum  nächsten  Berichtsjahr  verspare,  mit  dem  vereint  sich  grössere  geschlossene 
Gruppen  ergeben  werden.  — 

Ueber  die  Beziehungen  Deutschlands  zu  Spanien,  die  Nachwirkungen  der 
grossen  Blütezeit  spanischer  Dichtung  auch  in  der  deutschen  Litteratur  hat  der  eifrige 
und  unermüdliche  Erforscher  aller  dieser  Zusammenhänge  und  geistigen  Einflüsse 
Farinelli64)  eine  neue  und  interessante  umfassende  Studie  veröffentlicht,  die  das 
Verhältnis  Grillparzers  zu  Lope  de  Vega  eingehend  bespricht.  Im  Anschluss 
an  seine  früheren  Arbeiten  über  die  Wechselwirkungen  spanischer  und  deutscher 
Litteratur  (JBL.  1892  IV  1  d  :  29)  nimmt  F.  in  der  Einleitung  zu  diesem  Buche 
auf  die  verhältnismässig  dürftige  Kenntnis  Bezug,  die  man  bis  zu  den  zwanziger 
Jahren  unseres  Jh.  deutscherseits  von  Lope  de  Vega  und  seinen  Dramen  hatte. 
„Ein  Band  der  Comedias  Lope  de  Vegas  war  bis  zu  Lessings  Zeit  und  noch  später 
eine  grosse  Seltenheit  in  Deutschland.  Wagte  ein  deutscher  Gelehrter  irgend  ein 
Urteil  über  Lope  zu  äussern,  so  gab  er  nur  einen  Abklatsch  aus  französischen 
Büchern  oder  schrieb  vom  Hörensagen,  niemals  nach  eigener  Anschauung."  Auch 
nach  Lessing,  der,  ob  er  nun  Lope  im  Original  oder  aus  französischen  Uebertragungen 
und  Berichten  kennen  lernte,  jedenfalls  den  genialen  Instinkt  besass,  die  Eigenart 
und  Natur  des  spanischen  Dichters  zu  erkennen,  dauerte  es  geraume  Zeit  bis  einzelne 
dem  grossen  spanischen  Realisten  gerecht  wurden.  F.  meint,  die  Romantiker  hätten 
„mit  ihrer  einseitigen,  unvernünftigen  Verehrung  Calderons  ein  falsches  Licht  auf 
Lope  geworfen",  und  erinnert  daran,  dass  Fr.  Schlegels  hartes  und  auf  entschiedener 
Unkenntnis  der  Dramen  Lopes  beruhendes  Urteil  über  den  Vielschreiber  und  Im- 
provisator, „der  noch  auf  der  niedrigsten  Stufe  der  dramatischen  Kunst  stand  und  bei 
dem  sich  Oberflächlichkeit  und  Künstelei  paarten",  den  Grundton  für  die  kritische 
Stimmung  abgegeben,  dass  nur  Tieck,  der  mehr  von  Lope  kannte,  verständiger 
geurteilt  habe.  So  war  es  Grillparzer  vorbehalten,  „den  Deutschen  das  Genie  Lopes 
zu  offenbaren",  o bschon  sein  kritisches  Werk  über  Lope  sich  auf  die  aus  seinem 
Nachlass  veröffentlichten  fragmentarischen  Studien  über  Lope  de  Vegas  dramatische 
Dichtungen  beschränkte,  die  „doch  in  jeder  Zeile  den  grossen  Bühnendichter  und 
Bühnentechniker  verraten."     Lope  „wurde  Grillparzers  leitender  Stern";    er   las  ihn 

William  Wicherley  u.  Chrn.  Fei.  Weisse.  Z.  Einfluss  d.  engl.  Litt,  auf  d.  dtsch.  d.  18.  Jh.  (=11:  86a,  S.  406-20.)  —  62)  M. 
Ziegert,  Goldsmiths  Landprediger  in  Deutschland:  BFDH.  10,  8.  509-25.  —  63)  F.  Lindner,  Henry  Fieldings  dramat. 
Werke.     Litt.  Stndie.     L.,  Dresden,  C.  A.  Koch.     186  S.     M.  4,20.    -    64)  A.  F  a  r  i  n  e  1 1  i ,   Grillparzer  u.  Lope  de  Vega.     B., 


I V 1  d :  65-67  A  d.  S  t  e  r  n ,  Allgemeines  des  18./1 9.  J  h. :  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland. 

wieder  und  wieder,  um  „den  Weg1  der  Natur  bei  der  Gestaltung1  seiner  eigenen 
Dramen  innezuhalten."  Wenn  nun  weiterhin  F.  die  Dramen  Grillparzers  in  ihrem 
Verhältnis  zu  Lopes  Comedias  untersucht,  die  Einwirkungen  des  Spaniers  auf  Grill- 
parzers Anschauungen  und  Kunstübung  nachweist,  die  eingehendsten  Vergleiche  im 
allgemeinen  und  zwischen  Grillparzers  „Weh'  dem  der  lügt"  und  Lopes  „Despertar 
ä  quien  duerme",  zwischen  Grillparzers  „Libussa"  und  Lopes  „König  Bamba"  und 
dessen  „Quinta  de  Florencia",  schliesslich  zwischen  Grillparzers  „Jüdin  von  Toledo"  und 
Lopes  „Las  Paces  de  los  Reyes"  anstellt,  so  mag  er  wohl  im  einzelnen  Er- 
findungen und  kleinen  Motiven  Lopes  zu  viel  Gewicht  beilegen,  im  ganzen  weist 
er  überzeugend  nach,  dass  Grillparzer  von  Lope  unendlich  viel  gelernt  und 
sich  vor  allem  an  dem  energischen  Wirklichkeitssinn  und  der  Phantasie- 
fülle des  Spaniers  gestärkt  habe.  Da  F.  nun  weder  den  tiefen  Unterschied 
zwischen  germanischer  und  romanischer  Natur  und  Kunst  je  vergisst,  noch  die 
(Jrundverschiedenheit  der  Anlagen  und  der  Zeiten  bei  seiner  Untersuchung  ausser 
Augen  lässt,  so  mag  er  mit  Recht  am  Schlüsse  sagen,  dass  das  Bündnis,  das  der 
grösste  Dichter  Oesterreichs  mit  dem  grössten  Dichter  Spaniens  geschlossen  habe, 
ein  fruchtbringendes,  segensvolles  gewesen  sei,  mag  er  überzeugt  sein,  dass  Grillparzer 
am  schönsten  gezeigt  habe,  wie  man  aus  dem  Studium  der  Spanier  Begeisterung, 
Anregung  zum  eigenen  Schaffen  schöpfen  kann,  ohne  die  nationale  deutsche  Eigenart 
darum  einzubüssen,  wie  man  „die  Spanier  bewundern  und  doch  in  ganz  anderem 
Sinne  dichten  kann  als  sie".  Die  volle  Selbständigkeit  beider  Dichter  hat  er  schon 
zuvor  darin  gefunden,  dass  der  Grundzug  der  Dichtung  Grillparzers  das  Tragische, 
der  Grundzug  der  Dramatik  Lopes  das  Komische  sei.  Schränkt  F..  diese  Erkennt- 
nis mit  der  Bemerkung  wieder  ein,  dass  sich  weder  eine  tiefe,  furchtbare,  gewaltige 
Tragik  bei  dem  ersten,  noch  eine  tolllustige,  ausgelassene  Komik  bei  dem  zweiten 
linde,  dass  bei  Grillpanzer  humoristische  Züge  in  der  Entfaltung  tragischer  Charak- 
tere mitspielen,  dass  umgekehrt  Lope  seine  humoristischen,  frischen  Gestalten  mit- 
unter mit  tragischen  Zügen  ausgestattet  habe,  so  täuscht  er  sich  weder  über  die 
Kluft,  die  die  Charaktere  und  Weltanschauungen  beider  Dichter  scheidet,  noch  über 
den  Abstand,  der  die  Werke  des  grüblerischen,  langsam  und  mit  gewissenhafter  Kunst 
schaffenden  Deutschen  von  der  im  Rausch  der  Phantasie  und  im  hastigsten  Tempo,  mit 
planloser  Leichtigkeit  immerfort  hervorbringenden  Fruchtbarkeit  des  Vf.  von  tausend 
spanischen  Komödien  trennt.  Was  aber  F.  nicht  genügend  erwogen  und  in  An- 
schlag gebracht  hat,  ist  das:  ob  die  Vorliebe  Grillparzers  für  Lope,  das  unablässige 
Sichversenken  in  die  Welt  gerade  dieses  Dichters,  dem  deutschen  Dramatiker  neben 
manchem  Gewinn  nicht  auch  Hemmnisse  und  Verluste  gebracht,  ob  sie  Grillparzers 
Neigung,  die  Wirklichkeit  gerade  nur  in  dem  Lichte  zu  sehen,  in  der  sie  dem  poe- 
tischen Spanier  erschienen  war,  nicht  bis  zu  einem  für  seine  unmittelbare,  frischeste 
Wirkung  verhängnisvollen  Punkte  gesteigert  habe.  F.  polemisiert  gelegentlich  geg'en 
Laube,  Bulthaupt  usw.,  die  über  den  Einfluss  der  Spanier  und  des  Spaniers  auf 
Grillparzer  anders  dachten,  als  er  selbst,  ohne  diese  Andersdenkenden  recht  eigentlich 
widerlegen  zu  können.   — 

Die  beiden  niederländischen  Litteraturen,die  vlämische  wie  die  holländische, 
die  das  uralte  Verhältnis,  in  dem  sie  zur  deutschen  Litteratur  stehen,  weder  verleugnen 
wollen  noch  können,  sollten  uns  gleich  nahe  stehen.  Doch  hat  das  frischere  Leben, 
das  in  der  mit  Franzosen-  und  Wallonentum  ringenden  vlämischen  Poesie  waltet, 
zur  Folge  gehabt,  dass  die  deutsche  Teilnahme  an  den  Neuerscheinungen  und  Strömungen 
dieser  Poesie  sich  lebendiger  und  werkthätiger  zeigt  als  an  der  holländischen 
Litteratur.  Der  Teilnahme,  die  sich  in  Uebersetzungen,  Abhandlungen  und  Kritiken 
für  P.  de  Mont  (wie  früher  für  H.  Conscience,  Ledeganck  und  van  Ryswyck)  kund- 
gegeben, folgt  jetzt  der  Versuch,  auch  dem  Dichter  und  Kritiker  Prudens  van  Duyse 
aus  Termonde  (1804—59)  eine  gewisse  Geltung  zu  sichern65).  Er  wird  als  einer 
der  originellsten,  fruchtbarsten  und  einflussreichsten  Vertreter  der  vlämischen  Bewegung 
bezeichnet,  dessen  lyrische  Gedichte  „Nazomer",  das  elegische  Gedicht  „Natalia"  und 
die  epische  Dichtung  „Jacob  van  Artefelde"  ebenso  wie  seine  Erneuerung  von 
„Reinaard  de  Vos"  ihn  den  Klassikern  der  vlämischen  Litteratur  anreihen.  — 

In  Holland  scheint  in  den  letzten  Jahren  ein  stärkeres  Interesse  als  früher 
für  die  deutsche  Litteratur  der  Gegenwart  erwacht  zu  sein.  Namentlich  die  Zeitschrift  Ned- 
Spect.  zieht  die  neuesten  Werke  Carmen  Sylvas,  Ossip  Schubins,  zieht  Sudermanns 
„Heimat"  und  „Jolanthes  Hochzeit"  vor  ihr  Forum66),  beurteilt  auch  die  von  A.  van 
Dissel67)  herstammende  niederländische  Uebertragung  von  Hamerlings  „Ahasver  in 
Rom"  ausserordentlich  günstig.  — 

Die    sla  vi  sehen    Litteraturen    treten    seit    ihrer   jüngsten    Entwicklung 


Felber.     XI,    333  S.     Mit  2  Bildn.     M.  2.60.    -    65)    Th.,    E.  vläm.  Dichter    (Prudens  v.  Duyse):    MiinchNN.  1893,  N.  397.  — 
66)  NedSpect.  S.  167,  100,  179-80,  280.    —    67)    A.    van    Dissel,  'P.  Hamerling,    Ahasveros  in  Ro»te,  in  hed  nederlandsch 


Ad.Stern,  Allgemeines  des  18./19.  Jh. :  Die  deutsche  Litteratur  und  das  Ausland.  IV1  d:68-74 

immer    energischer   in   den    Kreis    der    Weltlitteratur    hinein,    deren   Erscheinungen 
deutscher   Wissenstrieb    und    deutsche    Empfänglichkeit    mit   Anteil   begleitet.     Zur 
russischen  Litteratur  leitet  ein  Vortrag  über,  den  Löwenfeld68)   über  „Deutsche 
Einflüsse  in  der  russischen  Litteratur"  gehalten  hat;  ihm  reiht  sich  eine  Studie  von  . 
Karpeles69)  über  Alexei  Plestjeschew  an.  — 

Zur  böhmischen  (tschechischen)  Litteratur  wird  der  Blick  durch  die  von 
Adler70)  veranstaltete  Uebertragung  der  Gedichte  von  Jaroslav  Vrchlicky  gelenkt, 
den  der  LTebersetzer  mit  Recht  als  die  hervorragendste  poetische  Erscheinung  der 
czechischen  Litteratur  bezeichnet.  1853  zu  Laun  geboren  und  gegenwärtig  Professor 
für  moderne  Litteratur  an  der  czechischen  Universität  zu  Prag,  hat  Vrchlicky  seit 
1875  nicht  weniger  als  33  Sammlungen  von  Gedichten,  dazu  eine  Reihe  von  drama- 
tischen Werken  und  endlich  eine  Reihe  von  Uebertragungen  veröffentlicht.  Aus  der 
deutschen  Litteratur  übersetzte  er  neben  zahlreichen  Gedichten  von  H.Lingg,  Freiligrath, 
F.  A.  von  Schack,  Hamerling,  Mörike,  K.  F.  Meyer,  vor  allem  Schillers  Teil  und  beide 
Teile  des  Goetheschen  Faust.  W7enn  es  uns  nicht  gesagt  und  selbst  durch  die  Ueber- 
tragung der  kleinen  Sammlung  lyrischer  Gedichte  des  böhmischen  Poeten  erwiesen 
würde,  so  könnten  wir  erraten,  dass  an  diesem  Ueberreichtum  der  lyrischen  Pro- 
duktion die  Reflexion  einen  so  starken  Anteil  hat  wie  die  unmittelbare  Stimmung. 
Seine  Poesie  stand,  wie  der  Herausgeber  berichtet,  im  Beginn  unter  dem  Einfluss 
der  Franzosen,  namentlich  Victor  Hugos  und  Leconte  de  Lisles.  Später  machte  sich 
der  Einfluss  Leopardis  geltend.  Erst  seit  seinem  Mannesalter  scheint  der  Dichter  zu 
der  Klarheit  und  Einfachheit  des  Stils  und  der  Unmittelbarkeit  des  Ausdrucks  gelangt 
zu  sein,  die  in  seinen  besten  Gedichten  fesseln.  Eigentümlich  schön  ist  u.  a.  das  Gedicht 
„Faustulus."  —  An  die  Uebertragung'en  Adlers  knüpft  der  Aufsatz  von  Teuber71) 
an,  der  der  Eigenart  des  Böhmen,  seiner  Phantasiefrische  und  seinem  geistigen 
Schwünge  gerecht  zu  werden  trachtet.  — 

Ueber  die  deutsche  Litteratur  in  Bulgarien,  ihre  Geltung,  ihren  Einfluss, 
berichtete  Strauss72),  und  es  erweist  sich  auch  in  diesem  südslavischen  Lande, 
dass  der  Zug,  der  die  slavischen  Geister  zum  Bündnis  mit  den  Franzosen  zieht, 
wenigstens  nicht  allmächtig  ist.  — 

Ueber  ein  Jh.  ungarischer  (magyarischer)  Litteraturentwicklung  verbreitet 
sich  eine  an  Seh  wickers  Geschichte  der  ungarischen  Litteratur  anknüpfende,  in  ein- 
zelnen Gesichtspunkten  selbständige  Studie  Ziehens73).  Der  Vf.  betont  im  Eingange 
die  Verwandtschaft  zwischen  der  neuitalienischen  und  der  ungarischen  Litteratur, 
in  denen  beiden  der  Kampf  um  die  nationale  Existenz  die  Haupttriebkraft  war. 
„Wem  es  von  Wert  ist  zu  erkennen,  wie  bei  dem  Kampfe  um  nationales  Dasein  die 
Litteratur  ihre  bedeutungsvolle  Rolle  spielt,  der  wird  schwerlich  ein  typischeres 
Beispiel  finden  als  die  magyarische  Litteratur."  Eben  darum  hat  aber  auch  nach 
Z.  die  neueste  Lyrik  wie  die  neueste  litterarische  Produktion  überhaupt  mit  dem 
Streben  nach  dem  nun  erreichten  Ziele  der  nationalen  Selbständigkeit  eine  ihrer 
mächtigsten  Triebfedern  verloren 73a).  — 

Selbst  einen  verlorenen  Aussenposten  indogermanischen  Geisteslebens  wie 
Litauen  versucht  unsere  Litteraturwissenschaft  im  Auge  zu  behalten.  Die  Abhandlung 
über  litauische  Schriftsteller  des  19.  Jh.,  die  Woeter74)  mit  Proben  aus  der  neueren 
litauischen  Dichtung  giebt,  erweist  wenigstens,  dass  trotz  des  stärker  gewordenen 
Nationalgefühls  unser  alter  Drang,  in  aller  Welt  zu  Hause  zu  sein  und  aller  Welt 
Gerechtig-keit  widerfahren  zu  lassen,  noch  immer  mächtig  genug  ist,  auch  wo  er 
sich  nicht  eben  sonderlich  ergiebig  zeigt.  — 


metrisch  bewerkt.  Helder,  C.  de  Boer  jr.  193  S.  M.  3,10.  |[NedSpect.  S.  173-SO  ]|  —  68)  R.  Löwenfeld,  Dtsch.  Einflüsse  in 
d.  russ.  Litt  Kef.:  ML.  63,  S.  790.  —  69)  G.  Karpeles,  Alexei  Plestjeschew:  NatZg.  N.  8.  —  70)  J.  V  r  c  h  1  i  ck  y ,  Ge- 
dichte. Ausgew.  u.  übers,  v.  Fr.  Adler.  Mit  e.  Einleit.  (=  ÜB.  N.  343^2.)  L.,  Reclam.  216  S.  M.  0,40.  —  71)  D.  Teuber, 
E.  Czeche  in  d.  Weltlitt.:  FrBlw.  N.  96.  —  72)  A  d.  S  t  r  au  s  s  ,  D.  dtsch.  Litt,  in  Bulgarien:  ZVLR.  7,  S.  475/8.  —  73)  J. 
Ziehen,  100  J.  ungar.  Litt.-Entwickl. :  BFDH.  9,  S.  339-50.  —  73  a)  X  N.  E.  V  e  n  d  e ,  Goethe  mint  nerelö.  Progr. 
Budapest.     1893.     12  S.    -    74)  E.  Woeter,  Litauische  Schriftsteller  d.    19.   Jh.:    MLLG.    3,    S.    100-21,  260-312,  451-65.   - 


IV  2a:  i-io     A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des   18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen. 

IV,  2 

Lyrik, 
a)  Von  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  bis  zu  den  Freiheitskriegen. 

August  Sauer. 

Sammelwerke  N.  1.  —  Historische  Lieder  N.  3.  —  Volkstümliche  Lieder  N.  15.  —  Studentenlieder  N.  21.  —  Ge- 
legenheitsgedichte N.  25.  —  Hagedorn  N.  29.  —  Geliert  N.  31.  —  Chrn.  L.  Taddel  N.  32.  —  Chrph.  E.  Suppius  N.  33.  — 
Gleim  N.  34.  —  J.  N.  Götz  N.  45.  —  Uz  N.  47.  —  Ad.  Aug.  H.  von  Kismarck  N.  49.  —  Karschin  N.  50.  —  Klopstock  N.  52. 
—  Bardische  Lyrik  N.  59.  —  J.  B.  Premlechner  N.  61.  —  Göttinger  Dichterbund:  Musenalmanach  N.  62;  Hölty  N.  63;  Miller 
N.  65;  Chrn.  und  Fr.  L.  Stolberg  N.  66;  Joh.  Gottfr.  Seebach  N.  69.  —  Joh.  Hinr.  Thomsen  N.  70.  —  Claudius  N.  71.  — 
Bürger  N.  73.  —  Lenz  N.  125.  —  Schnbart  N.  128.  —  J.  Chr.  Fr.  Haug  N.  131.  —  Elisa  von  der  Recke  N.  132.  —  J. 
von  Salis  N.  133.  —  Hebel  N.  134  —  Freiheitskriege:  Arndt  N.  138;  Körner  N.  143;  Schenkendorf  N.  154;  Anonymes 
Gedicht  N.  156.  —  Joh.  Ant.  Sulzer,  G.  Fr.  Treitschke,  K.  B.  Trinius  N.  160.  — 

Auch  in  diesem  J.  fehlt  es  an  zusammenfassenden  Arbeiten  über  "die  Lyrik 
dieses  Zeitraums.  In  seinem  Sammelwerke  „Deutsche  Geschichte  in  Liedern 
deutscher  Dichter"  führt  Tetzner1)  einen  guten  Gedanken  ziemlich  einseitig  durch. 
Die  Gedichte  sind  ihm  nach  seiner  Vorbemerkung  nicht  Quelle,  sondern  verklärendes 
Bild  einer  geschichtlichen  Thatsache;  aufgenommen  sind  nur  neuhochdeutsche  Gedichte; 
ausgeschlossen  habe  er  solche  Gedichte,  die  nichts  als  seichte  Umreimereien  ober- 
flächlich erfasster  geschichtlicher  Ereignisse  sind,  so  manches  Bekannte  von  Kopisch, 
Simrock,  Vogl;  aufgenommen  seien  an  erster  Stelle  solche  Schöpfungen,  deren  Dichter 
ihren  Stoff  kulturgeschichtlich  durchdrungen  und  ihn  von  der  Höhe  der  betreffenden 
Zeit  aus  mit  dichterischer  Begeisterung  erfasst  und  dargestellt  haben.  Daher  er- 
scheinen am  häufigsten  die  Namen:  F.  Dahn,  H.  von  Lingg  und  A.  Moser.  Wäre 
ein  Verzeichnis  der  Dichter  beigegeben  und  wäre  die  Entstehungszeit  der  einzelnen 
Gedichte  öfter  beigesetzt,  so  Hessen  sich  lehrreiche  Betrachtungen  an  die  Auswahl 
anschliessen;  es  fällt  auf,  wie  wenig  unsere  Klassiker  vertreten  sind,  wie  spät  das 
frühe  Mittelalter,  die  Völkerwanderung  usw.  in  unsere  Dichtung  eindringt.  Aber 
eine  Auswahl  geschichtlicher  Gedichte,  in  der  nichts  von  Gleim  und  Kl.  Groth,  nichts 
über  Laudon  und  Radetzky  vorkommt,  in  der  kein  einziges  Tirolerlied  aus  den 
J.  1796—97  Aufnahme  gefunden  hat,  giebt  für  solche  Betrachtungen  eine  ungenügende 
Grundlage  ab.  Der  Dichter  des  Liedes  „Wir  hatten  gebauet"  A.  Binzer  ist  2,  S.  247  in 
„Biinzer"  entstellt.2)  — 

An  diese  Mischsammlung  von  falschen  und  echten  historischen  Liedern 
seien  jene  echten  angereiht,  die  im  Berichtsjahre  neu  veröffentlicht  wurden.  Bloos3) 
teilt  ein  Soldatenlied  von  Joh.  Chrph.  Rohr  aus  dem  J.  1758  mit,  das  eine  Episode  aus 
dem  siebenjährigen  Krieg,  ein  kleines  Gefecht  zwischen  Truppen  der  Observations- 
armee  in  Westfalen  und  Franzosen  bei  Lüdenscheid,  besingt.  —  Aus  derselben  Zeit 
stammt  der  Text  zu  einer  „Maria  Theresia-Hymne"4),  die  von  einem  österreichischen 
Offizier  herrühren  und  dessen  Ms.  in  die  Hände  einer  preussischen  Offiziersfamilie 
gekommen  sein  soll.  —  Treichel5)  macht  Mitteilung  über  ein  Friedensband  mit 
Versen  auf  den  Frieden  von  Hubertusburg  (1763).  —  Prümers6)  druckt  ein  Lied 
der  württembergischen  Auswanderer  im  J.  1781  aus  den  Württembergischen  Viertel- 
jahrsheften für  Landesgeschichte  1892  zu  lokalgeschichtlichen  Zwecken  ab:  „Ein 
Polnisch  Lied",  eine  Aufforderung  zur  Auswanderung  „in  das  Polnisch  Canaan,  wo 
man  Honig  gnug  trifft  an!"  —  Distel7"8)  teilt  eine  Ode  an  den  Kurfürsten  August  III. 
von  Sachsen  aus  dem  J.  1788  mit,  Text  und  Melodie  von  Magister  Chrn.  Gotth. 
Lommatsch  (geb.  7.  Dec.  1735  zu  Lippen  bei  Meissen,  seit  1780  Superintendent  in 
Eckartsberga  bei  Merseburg).  —  Zu  dem  100jährigen  Jubiläum  der  preussischen 
Nationalhymne9)  wurde  das  „Heil  dir  im  Siegeskranz"  nach  dem  Schumacherschen 
Druck  in  der  Spenerschen  Zeitung  N.  151  vom  17.  Dec.  1793  und  nach  dessen  revi- 
dierter Ausgabe  von  1801  abgedruckt  und  dabei  hervorgehoben,  es  sei  bisher  noch 
nicht  genügend  beachtet,  dass  es  das  erste  deutsche  Lied  sei,  in  welchem  die  durch 
die  französische  Revolution  geltend  gewordene  Anschauungsweise  von  der  Bedeutung 
des  Volkes  dem  Fürsten  gegenüber  ihren  Ausdruck  gefunden  habe.  —  Die  Annahme 
dieses  Anonymus,  dass  Schumacher  der  Vf.  der  Preussenhymne  sei,  berichtigt  von 
Zobeltitz  l0),   indem   er   zugleich  den   ursprünglichen  Text  von  H.  Harries  aus  dem 


1)  (I  1:62;  IV  2b:  2.)  --  2)  O  Kate  Freiligrath- Kroecker,  Century  of  german  lyries.  Transl.  London, 
Ward  &  D.  12°.  Sh.  3,0.  —  3)  G.  Bloos,  Soldatenlied  v.  1758:  BQNiederrh.  7,  S.  411/4.  -  4)  E.  Maria  Theresia-Hymne: 
MusRs.  9,  N.  5.  —  5)  H-  Treichel:  ZEthn.  26,  S.  SS.  —  6)  It-  Prümors,  Lied  d.  Württemberg.  Auswanderer  im  J.  1781: 
ZHGPosen.  9,  S.  420,2.  —  7)  Th.  Distel,  Zu  „Alt-Sachsen  u.  Thüringen^  d.  bist.  Militärkonzerte  d.  kgl.  Musikdir.  A.  Boettge 
in  Karlsruhe:  DresdAnz.  N.  141  (vgl.  auch  N.  142).  —  8)  id.,  Hymnus  mit  Odo  an  d.  Kurfürsten  August  III.  zu  Sachsen: 
MliMusikgcsch.  26,    S.  101/4.     -    9)    Z.  100J.  Jnbtl.  d.  prenss.  Nationalhymne.     (Z.  17.  Dec.  1893):    Daheim».  30,  N.  11.  —  10) 


A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen.     IV  2a  :  11-25 

Flensburger  Wochenblatt  vom  27.  Jan.  1790  dem  Schumacherschen  von  1793  gegen- 
überstellt und  auf  den  100.  Geburtstag  von  Bernhard  Thiersch,  dem  Dichter  des 
Preussenliedes  („Ich  bin  ein  Preusse!"),  hinweist.  —  Dem  Ursprung  einer  anderen 
Nachdichtung  des  God  save  the  king,  der  Sachsenhymne  „Den  König  segne  Gott", 
die  in  den  landläufigen  Schulliederheften  fälschlich  Aug.  Mahlmann  zugeschrieben 
wird,  geht  Otto  Richter11)  nach.  Als  Dichter  wird  Georg  Karl  Alex.  Richter 
(geb.  zu  Dresden  17.  Jan.  1760,  gest.  2.  Apr.  1806)  angenommen;  zwar  fehlt  die  Hymne 
in  der  von  Theodor  Hell  1807  herausgegebenen  Auswahl  seiner  Gedichte,  auch  ist 
Sachsen  erst  nach  Richters  Tode  zum  Königreich  ausgerufen  worden,  sicher  aber  ist, 
dass  das  Gedicht  schon  vor  der  ersten  öffentlichen  Aufführung  in  Dresden  anlässlich 
der  Rückkehr  des  Königs  Friedrich  August  aus  der  Gefangenschaft  im  Juni  1815 
und  vor  dem  damals  erfolgten  ersten  Druck  bekannt  gewesen  ist  und  über  andere 
ähnliche  Gedichte  den  Sieg  davon  getragen  hat.  —  Dithmar12)  druckt  ein  patrio- 
tisch-hessisches Lied  aus  der  Zeit  der  westfälischen  Fremdherrschaft  „Das  deutsche 
Herz"  ab.  —  Von  dem  Spottvers  „Bonapart  ist  nimmer  stolz"  führt  Englert13)  eine 
Fassung  aus  dem  Egerlande  nach  Firmenich  „Germaniens  Völkerstimmen"  3  (1854), 
S.  609  und  eine  andere  aus  Tepl  nach  Hruschka  und  Toischer,  Deutsche  Volkslieder  aus 
Böhmen  (Prag  1891)  S.  81,  an  und  weist  auf  eine  dritte  ebendort  erwähnte  Fassung 
aus  Niederösterreich  hin,  die  im  „Liederbuch  für  die  Deutschen  in  Oesterreich"  heraus- 
gegeben vom  deutschen  Klub  in  Wien  (Wien  1884),  S.  63  gedruckt  ist.  u)  — 

VonFriedlaenders  l5)  höchst  aufschlussreichem  Vortrag  „Das  deutsche  volks- 
tümliche Lied  1700—1800"  liegt  bis  jetzt  nur  ein  kurzer  Auszug  vor.  —  Fried- 
laender  16_n)  und  Wustmann18)  besprechen  die  verschiedenen  Fassungen  des  Liedes 
vom  Kanapee  (erster  Druck  1740) l9).  —  Letz20)  teilt  aus  dem  Ingweiler  Stadtarchiv 
ein  Küferlied  des  herrschaftlichen  hanau-lichtenbergischem  Hofküfers  von  Ing-weiler 
aus  der  Mitte  des  18.  Jh.  mit.  — 

Einen  wichtigen  Beitrag'  zur  Geschichte  des  deutschen  Studentenliedes 
macht  die  Jubiläumsschrift21)  des  „deutschen  Abends  in  Halle"  allgemein  zugänglich: 
die  Sammlung  „Studentenlieder.  Aus  den  hinterlassenen  Papieren  eines  unglücklichen 
Philosophen  Florido  genannt,  gesammlet  und  verbessert  von  C.  W.  K[indleben]  1781." 
In  vier  Gruppen:  Trink-  und  Kommerschlieder,  Allgemeine  Lieder  vermischten  Inhalts, 
Kreutz-  und  Trostlieder,  Abschiedslieder,  vereinigt  die  Sammlung  Gedichte  von  Bürger, 
Clausius,  Döhnert,  Gleim,  Grossmann,  Günther,  Hagedorn,  Jacobi,  Kindleben,  Rokett 
und  Uz  mit  älteren  von  Kindleben  veränderten  Gedichten,  wie  dem  Gaudeamus  igitur 
und  dem  sogenannten  „Landesvater".  In  der  Vorrede  entschuldigt  Kindleben  den 
Titel  und  das  ganze  Unternehmen;  dem  dummen  und  albernen  Zeug,  welches  in  den 
meisten  Studentenliedern  enthalten  sei,  über  das  er  sich  schon  in  seinen  Universitäts- 
jahren geärgert  habe,  wolle  er  bessere  und  reinere  Lieder  entgegen  setzen,  weil  aber 
hin  und  wieder  in  den  alten  Kommerschliedern  ganz  gute  Gedanken  enthalten  gewesen 
seien,  habe  er  die  besten  ausgesucht  und  sie  zum  Teil  abgekürzt,  zum  Teil  verbessert,  alles 
was  den  Wohlstand  und  die  guten  Sitten  oder  auch  nur  ein  an  eine  reinfliessende 
Poesie  gewohntes  Ohr  beleidige,  habe  er  daraus  zu  entfernen  gesucht.  Nichtsdesto- 
weniger entspann  sich  über  diese  Sammlung'  ein  Streit  zwischen  dem  Prorektor  der 
Universität  Halle  und  der  philosophischen  Fakultät,  welche  von  Friedrich  dem  Grossen 
zu  Ungunsten  Kindlebens  entschieden  wurde;  er  billigte  das  Verbot  und  nennt  das 
Buch  die  elendeste  Scharteke,  die  die  Sprache  des  niedrigsten  Studentenpöbels  ent- 
halte (S.  117).  Burdachs  lehrreiche  Einleitung  zu  dem  Neudruck  enthält  neben  der 
aktenmässigen  Geschichte  dieses  Censur Streites  eine  Biographie  Kindlebens,  giebt 
einen  Ueberblick  über  die  Entwicklung  unseres  volkstümlichen  Liedes,  in  die  Kind- 
leben entscheidend  eingriff,  eine  Würdigung  des  Gesangbuches  selbst  und  einige  An- 
deutungen über  die  Art  der  von  ihm  an  den  älteren  Liedern  vorgenommenen  Ver- 
änderungen. „Weitere  Untersuchungen  der  Geschichte  des  deutschen  Studentenliedes 
wird  hier  Kindlebens  Verdienst  und  Verfehlen  genauer  abzuwägen  haben"  (S.  XXXII). 22) 
—  Aus  studentischen  Kreisen  stammen  Lieder,  Satiren  und  Epigramme,  die  während 
des  in  Goethes  Studienzeit  fallenden  Leipziger  Studentenaufruhrs  von  1768  die 
Gemüter  erregten  und  erheiterten.  Mehreres  davon  teilt  Witkowski23)  mit,  so  ein 
„Siegeslied"  im  Ton  des  preussischen  Grenadiers.  —  Ausführlicher    handelt  darüber 


H.  v.  Z  o  b  e  1 1  i  t  z ,  D.  preuss.  Nationalhymne  u.  d.  Prenssenlied :  ib.  S.  47S.  (Vgl.  ib.  S.  5S8.)  —  IDOttoRichter,  Ursprung  d.  Sachsen- 
hymne: DresdGBll.  3,  S.  147,8.  —12)  G.  T  h.  Dithmar:  Hessenlands,  S.  98.  —  13)  A.  Englert,  Zu  d.  Spottvers  „Bonapart  ist 
nimmer  stolz".  (Vgl.  ZDü.  5,  S.  285  u.  7,  S.  271):  ZDU.  8,  S.  201.  —  14)  O  H.  Merkens,  2  polit.  Volkslieder:  Urqnell  5, 
S.    237/8.    —    15)    Max    Friedlaender,    D.    dtsch.    volkstüml.    Lied    1700-1800.     Vortr.    in    GDL.      Ref.:    VossZg. 

4.  Jan.  —  16)  (I  10:51,  53.)  —  17)  Mas  Friedlaender.  D.  Lied  vom  Kanapee:  VjsMusikwissensch.  10,  S.  203-15.  (Vgl. 
I  10:53.)   —  18)  [G.  Wustmann?],  D.Lied  v.  Kanapee:  Grenzb.  2,  S.  573,4.  —  19)  O  D.  Lied  v.  Crambarabuli :  BurschenschBU.  8, 

5.  310/2.  -  20)  K.  Letz,  Z.  Gesch.  v.  Ingweiler.  Mitteilungen.  1.  Küferlied  d.  herrschaftl.  hanan-lichtenberg.  llofküfers  v. 
Ingweiler:  JbGElsLothr.  10,  S.  62,3.  —  21)  (I  4  :  49;  7  :  80;  12:169.)  —  22)  X  ▼•  Strauch,  Ueber  d.  Dr.  med.  K.  G.  Neu- 
mann (e.  geb.  Geracr,  d.  Dichter  d.  Studentenliedes  nVom  hoh'n  Olymp  herab'',  d.  derselbe  im  J.  1793  in  Jena  verfasst  haben 
soll).     Ref.:    JBVogtländAV.    N.  61/4.    —    23)    (IV  8b:  26.)    —    24)  (IV  la  :  31;  8b  :  27.)    —    25)    E.  Lange,    Greifswalder 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.     V.  (4)1  (ja 


IV  2a  :  26-33    A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen. 

nach  Druckschriften  und  hs.  Aufzeichnungen  Günther24),  der  u.  a.  ein  Triumph- 
lied der  Mesen  [=  Stadtmeisen  =  Stadtsoldaten]  in  Alexandrinern,  eine  Art  Toten- 
gespräch in  Wielandscher  Manier,  anführt.  Alles  recht  derb  und  ausgelassen,  aber 
witzig  und  lustig.  G.  bespricht  auch  ältere  Angriffe  von  Leipziger  Professoren  auf 
das  Theater  in  den  40er  und  60er  Jahren  und  teilt  auch  hier  Verse  mit  („Man  mag 
uns  das  Theater  nehmen"),  worin  ein  Dichter  der  studentischen  Opposition  nicht  ganz 
ohne  Geist  das  Motiv  der  beschränkten  Theaterfreiheit  aufgriff  und  in  eigener  Sache 
die  Aufgabe  der  zum  Schweigen  verurteilten  Muse  des  Lustspiels  übernahm,  die 
Verkehrtheiten  der  Gegner  zu  karikieren  und  zu  verspotten.  — 

Vereinzelte  Gelegenheitsgedichte  kamen  zu  Tage.  Aus  dem  Kreise  der 
Greifswalder  Professoren  teilt  Dang'e25)  mit:  Proben  eines  Trauergedichtes  von  Joh. 
Franz  von  Palthen  aus  dem  J.  1750,  eines  ebensolchen  von  Joh.  Friedr.  Schinkell  auf 
seinen  Grossvater,  den  Stralsunder  Syndikus  Joh.  Joach.  Tielke  (1756),  eines  Geburts- 
tagsgedichtes  für  den  Theologen  Joh.  Ernst  Schubert  von  unbekanntem  Vf.  und  eines 
Gedichtes  „Blumen  auf  Rehfelds  Grab  gelegt"  von  K.  A.  R.  (1794).  —  Unter  den  von 
Dietz26)  mitgeteilten  Gelegenheitsgedichten  aus  dem  Goethe-Textorschen  Familien- 
kreise befinden  sich  auch  mehrere  aus  der  2.  Hälfte  des  18.  Jh.:  ein  Joh.  Georg 
Schlosser  zugeschriebenes  „Der  Hochzeit-Dichter.  Eine  Erzählung  bey  Gelegenheit 
des  Textor-  und  Möllerischen  Vermählungs- Festes.  Frankfurt  am  Mayn,  gedruckt 
mit  Scheperschen  Schriften,  im  Monat  Febr.  1766"  (nach  dem  Muster  der  Gersten- 
bergschen  Tändeleyen  Vers  und  Prosa  gemischt);  der  Anfang  eines  Gedichtes  von 
des  Bräutigams  Schwester  und  Schwager  „Von  dem  Ursprung  und  Gebrauch  der 
Hochzeitsgedichte"  zur  Hochzeit  von  Cornelia  Goethe  1.  Nov.  1773  (von  H.  P.  Schlosser?) 
und  zu  demselben  Feste:  „A.n  das  Schlosser  und  Goetheische  Brautpaar  von  Ihrem 
treuesten  Freund  und  Onkel  Textor  1773."  —  Aus  einem  ganz  anderen  Kulturgebiete 
stammen  die  von  Seraphim27)  mit  dem  Briefwechsel  der  Siebenbürgischen  Familie 
von  Heydendorff  veröffentlichten  Gedichte,  ausser  einem  von  Michael  von  Heyden- 
dorff  d.  Ae.  verfasstem  „Abendlied"  (S.  76)  lauter  Gelegenheitsgedichte:  S.  118  Sinn- 
gedichte auf  Kaiser  Joseph  während  seiner  Anwesenheit  in  Siebenbürgen  im  J.  1773; 
S.  128:  „Bei  der  Beerdigung  des  selig  verstorbenen  Tit.  Herrn  Bürger-Meister  Daniel 
Konrad  von  Heydendorff  abgesungene  Arien  und  Lieder"  von  dem  Stadtkantor  in 
Mediasch  Sim.  Brantsch  1777;  S.  140  Gratulationsgedicht  eines  stud.  theol.  Mart.  Richter 
in  Tübingen  an  Michael  von  Heydendorff  d.  Ae.  in  Form  eines  Altars,  „auf  welchem 
Holzscheite  aufgeschichtet  sind,  aus  denen  eine  Flamme  emporlodert"  1778;  S.  157 
ein  Gratulationsgedicht  eines  jungen  Heydendorff  aus  dem  J.  1780. 28)  — 

Wir  gehen  aus  dem  Kreis  der  Dilettanten  zu  den  Kunstdichtern  über. 
Meinhold 29)  stellt  in  einer  verdienstlichen  Arbeit  Hagedorns  Gedanken  von  sittlicher 
und  geistiger  Bildung  übersichtlich  zusammen;  von  seinem  Erzieherberuf  überzeugt, 
will  Hagedorn  die  Mitwelt  zu  einer  höheren  Bildungsstufe  emporheben,  aus  päda- 
gogischen Gründen  gab  er  seinen  Gedichten  viele,  teilweise  recht  ausführliche  An- 
merkungen bei;  er  ist  einer  der  ersten,  an  dem  der  philanthropische  Zug  der  Zeit 
deutlich  hervortritt;  dagegen  schenkt  er  der  Frauenbildung  noch  keine  Aufmerksam- 
keit, wie  denn  die  Frauen  in  seiner  Lyrik  eine  untergeordnete  Rolle  spielen;  sein 
Bildungsideal  lässt  sich  dahin  zusammenfassen,  dass  er  die  Entwicklung  des  von 
äusseren  Zielen  nicht  beeinflussten  inneren  Menschentums  zum  obersten  Grundsatz 
der  Bildung  erhob;  in  dem  Kampf  gegen  das  Modewesen,  gegen  Stutzer  und  Schwätzer, 
gegen  Unnatur  und  Ueberkultur  zeige  sich  das  Ringen  und  Drängen  nach  Natürlich- 
keit, das  einer  der  charakteristischen  Züge  in  Hagedorns  Dichtung  sei,  in  dem  Kampf 
gegen  Wort-  und  Büchergelehrte  sein  Streben  nach  geistiger  Freiheit  und  Selb- 
ständigkeit. Leider  wird  aber  in  der  ganzen  Arbeit  zu  wenig  nach  den  Quellen  dieser 
Ansichten  geforscht  und  der  mitten  in  Leben  und  Tradition  stehende  Dichter 
von  seiner  Umgebung,  seinen  Freunden  und  Lehrern,  seinen  englischen  Vorbildern, 
seinen  satirischen  Vorläufern  viel  zu  sehr  isoliert.30-30*)  — 

Als  neuer  Beweis  für  die  Beliebtheit  von  Gellerts  Fabeln  und  Erzählungen 
dürfen  wir  den  von  Kirchhoff31)  skizzierten  Prozess  zwischen  dem  Buchhändler 
Joh.  Wendler  in  Leipzig  und  Joh.  Chrph.  Posch  in  Ansbach  wegen  Illustrationen  zu 
denselben  im  J.  1764  auffassen.32)  — 

In  der  ADB.33)  wird  der  Rostocker  Konsistorialdirektor  Chrn.  Ludw.  Taddel 
(1706—75)  als  Dichter  des  verbreiteten  Osterliedes  „Höllenzwinger,  nimm  die  Palmen" 

Professoren  in  d.  Samml.  d.  Vitae  Pomeranorum:  BaltSt.  44,  S.  40/2.  —  26)  (IV  8b  :  35a.)  —  27)  J.  W.  Seraphim, 
Ans  d.  Briefen  d.  Familie  v.  Heydendorflf(1737  -1853):  AVSbnbgL.  25,  Heft  1  u.  2  (=  XVI,  564  S.).  —  28)  O  F.  Blanckmeister, 
D.  Pfarrer  v.  Lockwitz,  Chrn.  Gerber,  Erbauungsschriftsteller  u.  Liederdichter.  Lebensbild  e.  Landpfarrers  aus  Speners  Schule. 
(=  Ans  d.  kirchl.  Leben  d.  Sachsenlandes.  Kulturbilder  aus  4  Jhh.  N.  11/2.)  L,  Fr.  Richter.  32  S.  M.  0,60.  —  29)  F.  L. 
Meinhold,  Hagedorns  Gedanken  v.  sittlicher  u.  geistiger  Bildung.  Diss.  Leipzig (E.  Gräfe).  42  S.  M.  1,00.  —  30)  O  G.  Bon  di,  D. 
Verhältnis  v.  Hallers  philos.  Gedichten  z.  Philos.  seiner  Zeit.  L.,  Fock.  40  S.  M.  0,90.  (Vgl.  JBL.  1891 IV  6 :  la.)  -30a)XRScnlösser< 
Z.  Biogr.  d.  Frhrn.  v.  Creuz:  ZVLB.  6,  S.  134/5.  (Vgl.  dazu  JBL.  1890  IV  6  :  20;  8.  auch  u.  IV  5  :  6.)  —  31)  (I  3  :  429.)  —  32)  O 
(IV  5:2.)  —  33)  I.  n.,  Chrn.  Ludw.  Taddel:  ADB.  37,  S.  341.  —  34)  A.  Schumann,  Christi.  Euseb.  Suppius:  ib.  S.  782/5.  - 


A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen.     IV  2a  :  35-42 

und  vier  anderer  geistlicher  Lieder  aus  dem  J.  1744  nach  Kochs  Geschichte  des 
Kirchenliedes  kurz  charakterisiert.  — 

Ebendaselbst  widmet  Schumann34)  dem  verschollenen  Oden-  und  Idyllen- 
dichter Chrph.  Euseb.  Suppius  eine  ausführliche  Darstellung-.  Geb.  13.  März  1709  in 
Naundorf  bei  Reideburg  (Rgbz.  Merseburg),  studierte  Suppius  in  Halle  und  Leipzig,  wurde 
Sekretär  des  gothaischen  Generallieutenants  Joh.  Wilh.  von  Seebach,  1738  Konrektor 
in  Ilfeld,  1754  Amtskommissarius  auf  Tenneberg,  1758  Amtsadjunkt,  dann  Amtmann 
in  Gräfentonna  bei  Langensalza.  Ueber  1761  können  wir  ihn  nicht  verfolgen,  sein 
Todesjahr  ist  unbekannt.  Er  beginnt  als  Dichter  1738;  sein  Hauptwerk:  „Der  Insels- 
berg'1 erschien  1745;  seine  übrigen  Dichtungen  verzeichnet  Seh.  mit  bibliographischer 
Genauigkeit;  er  stellt  auch  fest,  dass  Suppius  nicht  dem  Gottschedschen  Kreise  angehöre, 
sondern  mehr  zu  den  Zürchern  neige;  im  übrigen  geht  aber  die  Charakteristik  nicht 
tief:  Nicht  ohne  theoretische  Einsicht  in  das  Wesen  der  Dichtkunst  und  als  aus- 
übender Poet  nicht  ohne  Schwung,  habe  Suppius  doch  nach  dem  Ausdrucke  eines 
Götting'er  Kritikers  manchmal  „ein  wenig  zu  viel  die  Sprache  der  Gewohnheit  bei- 
behalten", d.  h.  er  sei  öfter  der  ungeschminktesten  Prosa  verfallen,  ja  auch  dem 
Ungeschmack,  dem  blühenden  Unsinn,  an  dem  die  Zeit  überreich  war.  Im  Hinblick 
darauf  nenne  ihn  Fr.  Jacobs  nicht  ganz  mit  Unrecht  „einen  vaterländischen  Vers- 
macher, der  so  von  Poesie  durchdrungen  war,  dass  er  sogar  die  Titel  seiner  Ge- 
legenheitsgedichte reimte."  — 

Ueber  Gleim  liegt  der  Anfang  einer  bis  1771  reichenden  biographischen 
Darstellung  von  Pawel35)  vor,  die  der  Vf.  als  „eine  auf  die  Jugend  Bezug  nehmende 
Auswahl  aus  einer  grösseren  Arbeit"  bezeichnet.  Eine  zusammenfassende  Charakteristik 
wird  nicht  gegeben,  dagegen  wird  im  einzelnen  aus  ungedrucktem  Material  manches 
vorgebracht.  Das  hs.  Fragment  einer  Selbstbiographie  wird  benutzt,  eine  hs.  Gedicht- 
sammlung „Blumen  auf  Gräber"  1788,  woraus  ein  Gedicht  „Auf  dem  Kirchhofe  bey 
Halle"  mitgeteilt  wird;  aus  dem  ("inzwischen  von  Schüddekopf  publizierten)  Brief- 
wechsel mit  Götz,  aus  dem  Briefwechsel  mit  Jacobi  und  Knebel  finden  sich  Stellen 
ausgehoben;  S.  33/4  Gedichte  von  Knebel  (1766,  1769)  mit  Gleims  Verbesserungen. 
Einige  Korrekturen  aus  dem  Original  des  Briefes  von  Gleim  an  Lessing,  27.  Aug. 
1759,  ergänzen  Redlichs  Sammlung.  —  Der  Brief  von  Rabener  an  Gleim,  Mühldorf 
2(i.  Sept.  1750,  den  Pawel36)  als  ungedruckt  mitteilt,  hat  sich  leider,  wie  Schüddekopf 
inzwischen  nachgewiesen,  hat,  als  bereits  gedruckt  herausgestellt  (Litt.  Conversations- 
blatt  1823,  N.  30  ed.  Körte).  —  Ein  Bruchstück  des  Briefes  von  Wieland  an  Gleim 
vom  10.  März  1755  über  das  theologische  Wörterbuch  teilt  Eug.  Wolff37)  mit.  — 
Gran i er38)  zog  einen  Brief  Gleims  an  Nicolai  vom  J.  1789  über  Friedrich  den 
Grossen  ans  Tageslicht,  aus  dem  hervorgeht,  dass  dieser  eine  Geldsumme,  die  er  als 
Kronprinz  aufgenommen,  als  König  zurückgezahlt  habe.  —  Scherer39)  benutzt  in 
seinem  Lebensabrisse  Karl  Matthäis  einige  Stellen  aus  dessen  Briefwechsel  mit  Gleim 
(1794).  —  Wichtiger  ist  der  von  Pawel40)  nunmehr  vollständig  veröffentlichte  Brief- 
wechsel zwischen  Gleim  und  Boie  von  1767 — 81,  der  an  anderer  Stelle  ausführlicher 
gewürdigt  wird.  —  Ebenso  ist  der  von  Schüddekopf41)  vervollständigt  und  ver- 
bessert herausgegebene  Briefwechsel  zwischen  Gleim  und  Heinse  hier  nicht  in  Bezug 
auf  seine  allgemeine  litterarhistorische  Bedeutung  zu  würdigen.  Hervorzuheben  ist 
hier:  Heinses  enthusiastischer  Brief  10.  Juli  1772  über  Gleims  Lieder  für  das  Volk; 
Heinses  Berichte  über  sein  Gespräch  mit  Uz  (2.  Aug.  und  1.  Sept.  1772,  S.  85,  95); 
Gleims  Gedicht:  Der  Frauentanz  nach  Lirich  von  Lichtenstein,  das  in  den  Gedichten 
nach  den  Minnesingern  1773  fehlt  (21.  März  1773,  S.  128);  N.  45-66,  Briefe  über 
Gleims  Halladat,  das  er  Heinse  surenweise  im  Ms.  zusandte,  aus  dem  Juni — Sept. 
1773,  wichtig  für  die  Entstehung  dieses  Werkes,  das  dann  für  den  Druck  stark  um- 
gearbeitet wurde  (über  die  Aufnahme  dieser  Dichtung  vgi.  S.  176  Gleims  Brief  vom 

4.  Juni  1774);  Dec.  1773  ist  von  einer  sonst  unbekannten  Kantate  Gleims,  wie  es 
scheint  über  den  Text  vom  verlorenen  Sohn,  die  Rede;  S.  205  über  Ramlers  Blumen- 
lese; S.  207,  Gleim  19.  Febr.  1775  über  „die  goldnen  Sprüche  des  Pythagoras":  ,,Er, 
der  Grieche  [Heinse],  wird  mit  seinen  Falkenaugen  gleich  ersehen,  dass  diese  goldnen 
Sprüche  seines  Landsmanns  unter  der  Hand  seines  deutschen  Nachbeters  silberne 
geworden  sind,  wirds  dem  Nachbeter  nicht  zu  gute  halten,  dass  er  aus  zweyen  Worten 
ihrer  Zehne  gemacht  hat,  und  aus  einem  Heiden  einen  Christen,  wirds  eben  nicht 
missbilligen,  dass  der  Nachbeter,  um  dem  Griechen  das  Anselm  eines  alten  Weisen 
zu  geben,  der  alten  körnigten  Luthersprache  sich  hat  bedienen  wollen,  wirds  aber 
sogleich  finden,  dass  er  nur  gewollt  hat,  und  also,  dieses  alles  wohl  erwogen,  können 
die  goldnen  Sprüche  dem  Geliebten  Vergnügen  machen?";  S.  228  Ungedruckter  Brief 

35)  J.  Pawel,    J.  L.  Gleim,    d.  Freund    u.  d.  Dichter    d.  Jugend.    Aus    hs.  Quellen   dargest.     I.  T.     Progr.     Wien.    40  S.  — 

36)  (IV  5:9.)    —    37)    (I  7:17;    III  5:72;    S.  295.)    —   38)   H.  Granier,    Vortr.  geh.  am    13.  Dec.  1893.     Ref.:   FBPG.  72, 

5.  271.  -  39)  (IV  8b:  17,  53;  8c:  19;  S.  238/9.)  —  40)  J.  Pawel,  Boies  ungedr.  Briefwechsel  mit  Gleim:  ZDPh.  27, 
S.  364-84,  507-33.    —    41)  (IV  lc:  41.)    —    42)  R.  Hildebrand,    E.  Stückchen  ultramont.  Litt.-Gesch. :    ZDO.  8,  S.  217/9.   - 

(4)16  a* 


IV  2a  :  4r?-so    A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen. 

von  Gleim  an  Michaelis  und  dessen  Antwort  1772;  S.  232  Brief  von  Uz  an  Gleim 
26.  Dec.  1780  über  Heinses  Besuch  bei  Uz  und  über  die  Petronübersetzung;  S.  246/7 
Gleims  Rundschreiben,  durch  welches  er  die  Halberstädter  Dichterfreunde  (Georg 
Jacobi,  Klamer  Schmidt,  Heinse  und  seinen  Neffen,  den  Lehnssekretär  W.  Gleim)  zur 
Teilnahme  an  der  Büchse  aufforderte  8.  Jan.  1774,  mit  deren  Antworten,  ferner  Gleims 
Brief  an  Friedr.  von  Köpken;  ebenclort  der  Nachweis,  wie  schlecht  der  Abdruck  der 
Gedichte  aus  der  Büchse  bei  Pröhle  (Lessing',  Wieland,  Heinse)  sei;  S.  255/6  ein  Epi- 
gramm Gleims  aus  der  Büchse:  „Als  der  Vf.  von  seinen  Reisen  zurück  kam.1'  Was 
für  Heinses  Entwicklung  als  Lyriker  aus  dieser  Briefsammlung  von  Wichtigkeit  ist, 
kann  hier  um  so  weniger  zusammengestellt  werden,  als  die  dem  Briefwechsel  bei- 
liegenden Gedichte  Heinses  der  Mehrzahl  nach  erst  im  Anhange  zu  der  zweiten  Hälfte 
des  Werkes  abgedruckt  werden  sollen.  —  Hildebrand42)  knüpft  eine  Polemik  gegen 
Seb.  Brunners  falsche  Bewertung  und  Auffassung  des  religiösen  Geistes  in  der  Dichtung 
des  18.  Jh.  an  dessen  Urteil  über  Gleims  Halladat  in  den  „Hau-  und  Bausteinen"  an. 
Das  von  Brunner  lächerlich  gemachte  Bild  von  der  Erde,  die  als  Tropfen  am  Welten- 
eimer schwebt,  stamme  aus  Klopstocks  Ode  „Die  Frühlingsfeier"  1759.  Gleims  Kapitel 
„Gott"  sei  ein  schwungvoller  Hymnus  aus  Klopstocks  Schule  ohne  Gelehrsamkeit, 
mit  dem  Ausblick  auf  die  Weiten  der  Unendlichkeit,  wie  es  damals  den  höheren 
Seelen  Labsal  gewesen  sei.  Zudem  sei  damals  das  Verständnis  des  Himmels  mit 
seinem  wunderbaren  Leben  eigentlich  erst  erschlossen  worden  durch  Newtons  Ent- 
deckungen, in  der  Gesellschaft  aber  sei  eine  Empfänglichkeit,  ja  ein  Bedürfnis  nach 
solchem  Aufschwung  vorhanden  gewesen,  still  vorbereitet  durch  die  sittliche  Ver- 
sumpfung, unter  der  ganz  Europa  litt.  —  Daran  anknüpfend  weist  Di  eck43)  darauf 
hin,  dass  der  Tropfen  am  Eimer  aus  Luthers  Uebersetzung  von  Jesaia  40,15  stamme 
und  sucht  in  das  Verständnis  des  bildlichen  Ausdruckes  tiefer  einzudringen.  —  In 
Weiterführung  dieser  Gedanken  hebt  Hildebrand44)  hervor,  dass  Luther  aus  Ver- 
sehen übersetzt  habe  „Tropfen  in  Eimer"  und  fragt  nun:  „Woher  hatte  Klopstock 
sein  ,am'?  War  er  im  hebräischen  Urtext  so  zu  Hause,  dass  er  Luther  berichtigen 
konnte?  Oder  gab  ihm  seine  Kunst  und  Gewöhnung,  die  Dinge  in  einfacher  Grösse 
zu  schauen,  das  Rechte  ein?     Ich  möchte  das  zweite  für  richtig  halten."  — 

Schüddekopfs  Ausgabe  der  Gedichte  und  Briefe  von  Joh.  N.  Götz  (JBL. 
1893  IV  2a:  18/9)  hat  neue  Besprechungen  erfahren45).  —  Waniek46)  meint,  die  Be- 
rechtigung des  Herausgebers,  die  Fassung  der  vorliegenden  Gedichte  als  die 
„ursprüngliche"  zu  bezeichnen,  müsse  so  lange  bestritten  werden,  als  uns  nicht  der 
vollständige  kritische  Apparat  zur  Verfügung  stehe.  Zunächst  sei,  abgesehen  davon, 
dass  die  letzten  acht  Stücke  so  gut  wie  gar  keine  Handhabe  für  eine  chronologische 
Bestimmung  böten,  von  dem  uns  bekannten  Zeitpunkte  der  Uebersendung  der  Mss. 
an  Gleim  umsoweniger  ein  sicherer  Schluss  auf  die  Zeit  der  Entstehung  der  einzelnen 
Gedichte  gestattet,  als  gerade  diese  Dichter  ihre  Poeme  oft  jahrelang  gefeilt  hätten; 
überdies  sei  der  leicht  arbeitende  Götz  selbst  fremden  Einflüssen  sehr  zugänglich 
gewesen;  teilweise  seien  diese  Texte  also  Umarbeitungen,  so  N.  15  die  Ode  auf  den 
Burgunderwein;  wenn  man  diesen  mit  dem  älteren,  allerdings  höchst  unzuverlässigen 
Anakreon  von  1 746  vergleiche,  so  finde  man,  wie  der  Dichter  nach  grösserer  Sprach- 
reinigkeit,  nach  klarerem  Zusammenhang  und  nach  konkreterer  Anschauung  gerungen 
habe.  W.  tadelt  den  zu  weit  gehenden  Konservatismus  in  der  Textbehandlung,  be- 
anstandet dann  aber  doch  wieder  die  durchgängige  Ersetzung  der  Umlaute  und 
zwei  Textänderungen  49J0  und  188,  bekämpft  Schüddekopfs  Vermutung,  dass  die  „Ver- 
suche eines  Wormsers"  auf  Einzeldrucke  zurückgehen,  und  versucht  endlich  Ramlers 
Korrektorthätigkeit  zu  verteidigen;  er  habe  nicht  nur  sprachliche  und  metrische 
Unebenheiten  getilgt,  sondern  manches  schärfer  und  nachdrücklicher  gefasst,  ja  stellen- 
weise sogar  eine  poetische  Gesamtwirkung  erzielt,  wo  Götz  nur  einen  Gedanken  an 
den  anderen  gereimt  hatte.  — 

Sauers  Ausgabe  der  Gedichte  von  Uz  ist  nachträglich  durch  Leitzmann47) 
besprochen  worden.  —  Prem48)  teilt  aus  Fritz  von  Steins  hs.  gebliebener  Beschreibung 
einer  „Reise  nach  Franken  im  Herbst  1791"  eine  liebevolle  Charakteristik  des  alten 
Uz  mit.  — 

Schüddekopf49)  weist  in  der  Familie  des  Fürsten  Bismarck  einen  Adam 
Aug.  Heinr.  von  Bismarck  (1739—1813)  als  Dichter  nach,  den  Blum  und  Ramler 
in  die  Litteratur  einführten,  und  teilt  einen  Brief  an  Ramler  (Rathenow  24.  Dec.  1770) 
und  vier  Gedichte  von  ihm  mit.  — 

Die  bekannten  Verseleien  der  Anna  Luise  Karschin50)  wurden  durch  die  Ver- 


43)  Dieck,  Bemerkungen  zu  Hildebrands  Aufsatz:  E.  Stückchen  ultramont.  Litt.-Gesch.  (s.  N.  42):  ib.  S.  412/3.  -  44)  B. 
Hildebrand,  Noch  einmal  d.  Tropfen  am  Eimer:  ib.  S.  601/2.  —  45)  X  Max  c-  p-  Schmidt:  ASNS.  92,  S.  190/1.  —  46) 
G.  Waniek:  ADA.  20.  S.  271/4.  -  47)  A.  Leitzmann,  A.  Sauer,  J.  P.  üz  (JBL.  1890  IV  2:3):  LBIGRPh.  15,  S.  7,8.  — 
48)  S.  M.  Prem,  E.  Besuch  v.  Fritz  v.  Stein  bei  Uz:  ZVLR.  7,  S.  477/8.  -  49)  K.  Schüddekopf,  E.  Bismarck  als  Dichter: 
Bismarck  Jb.  1,  S.  484-92.  —  50)  [K.  E.  Pranzos],  Bunte  Reihe.   Ungedr.  Briefen.  Gedichte  d.  Anna  Luise  Karschin,'  E.  Glück- 


A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen.     IV  2a  :  51-62 

Öffentlichimg'  eines  Glückwunschschreibens  in  Reimen  vom  18.  Apr.  1778  ganz  über- 
flüssiger Weise  vermehrt.5')  — 

Einen  Lehrer  Klopstocks,  den  späteren  Superintendenten  Chrph. Haymann,der 
von  1738—48  in  Pforta  Lehrer  und  Seelsorger  war,  schildert  Markus52),  indem  er 
die  Anregungen  /um  Messias  auf  ihn  zurückführt  und  ihm  eine  wichtige  Stelle  in 
Klopstocks  Entwicklungsgang  zuweist.53)  —  Funck54)  weist  aus  Briefen  Riedels  an 
Hofrat  Ring  nach,  dass  Gluck  wirklich,  wie  Ring  in  seinem  Memoire  erzählt,  zwei- 
mal mit  Klopstock  am  badischen  Hofe  zusammengetroffen  sei,  im  Spätherbst  1774 
und  im  März  1775.  —  Imelmanns  Ausgabe  der  Oden  wurde  von  Haehnel55)  be- 
sprochen. —  Koch56)  widmet  der  Ode  „Der  Lehrling  der  Griechen"  einen  umfang- 
reichen Aufsatz.  Die  Odenkommentare  werden  zusammengestellt.  Die  Frage  über  die 
Entstehungszeit  bleibt  offen:  „Das  Erstgeburtsrecht  des  , Lehrlings'  steht  .  .  .  keines- 
wegs unzweifelhaft  fest.  Die  Frage  wäre  wohl  aufzuwerfen,  ob  nicht  eine  grössere 
Wahrscheinlichkeit  dafür  spricht,  dass  der  junge  Dichter  seine  Nachahmung  der 
antiken  Sylbenmasse  mit  einer  unveränderten  Herübernahme,  als  dass  er  sie  mit  einer 
so  kühn  selbständigen,  die  Schwierigkeit  in  nichts  verringernden  Umstellung  des 
zweiten  asklepiadeischen  begonnen  habe  .  .  .  Ueber  die  Entstehungszeit  des  „Lehrlings" 
kann  eine  metrische  Untersuchung,  für  die  uns  ja  nur  der  Wortlaut  von  1771  zu 
Gebote  steht,  nichts  entscheiden,  wohl  aber  möchte  man  aus  der  bei  Klopstock  in 
solchem  Masse  ganz  beispiellosen  Abhängigkeit  von  Horaz  den  Alters vorrang  des 
,Lehrlings'  folgern."  Diese  Abhängigkeit  stellt  K.  zuerst  im  allg'emeinen,  dann  im 
einzelnen  fest,  wobei  auch  ältere  und  neuere  Horazübersetzungen  herangezogen  werden. 
Der  ausführliche  Kommentar  verfolgt  auch  die  Geschichte  einzelner  Motive,  so  die 
der  Taube  Anakreons  in  der  deutschen  Litteratur,  die  Verdammung  des  auf  seinen 
vergänglichen  blutigen  Lorbeeren  stolzen  Eroberers  usw.  und  ergänzt  die  bisherigen 
Beobachtungen  über  Klopstocks  Stil;  S.  92  über  den  Komparativ  in  Klopstocks  Oden. 
—  In  einem  Nachtrag  zu  dieser  Abhandlung  setzt  sich  Koch57)  mit  der  von  ihm 
übersehenen,  von  Sauer  (Euph.  1,  S.  427)  herangezogenen  Schrift  von  H.O.Hamann 
über  den  Lehrling  der  Griechen  (Gumbinnen  1843)  auseinander.  —  In  seinen  kritischen 
Beiträgen  zur  Geschichte  der  Dichtersprache  Klopstocks  liefert  Petri58)  eine  aus- 
gezeichnete, Würfl  ergänzende  Materialsammlung,  wobei  er  von  den  richtigen  Ge- 
sichtspunkten ausgeht,  dass  zunächst  die  Entwicklung  der  Klopstockschen  Dichter- 
sprache an  der  Hand  der  Varianten  festzustellen-  sei,  dass  überall  die  Vorläufer 
Klopstocks:  Pietsch,  Gottsched,  Brocke?,  Haller,  Pyra,  zum  Vergleiche  heranzuziehen 
seien,  und  dass  es  im  Anschluss  an  Klopstocks  Abhandlung  „Von  der  Sprache  der 
Poesie"  zunächst  auf  die  Wahl  der  Wörter,  dann  auf  deren  Verwendung  ankomme. 
Nach  diesen  Gesichtspunkten  legt  er  seine  Sammlungen  über  das  Verbum,  das 
Substantivum  und  teilweise  über  das  Adjektivum  vor;  die  Fortsetzung  über  Pronomina 
und  Partikeln,  sowie  der  zweite  Teil  über  die  Wirkung  und  Geltung  der  Dichter- 
sprache Klopstocks  soll  folgen.  Wir  bedürfen  solcher  Untersuchungen  dringend  als 
unbedingt  notwendiger  Vorarbeiten  für  eine  Geschichte  des  deutschen  Stils.  — 

Ehrmanns  Buch  über  die  bardische  Lyrik  (JBL.  1893  IV  2a  :  28)  wurde 
im  Berichtsjahre  noch  von  Sauer59)  und  Walzel60)  besprochen.  — 

In  die  Nähe  der  Wiener  Barden,  eines  Denis  usw.,  führt  uns  der  von  Nieder- 
egger61)  eingehend  behandelte  österreichische  Jesuit  J.  B.  Premlechner  (1731 — 89), 
der  neben  zahlreichen  lateinischen  Gedichten  auch  fünf  deutsche  verfasste,  eine 
Ode  auf  den  Vorhang  im  alcäischen  Versmasse  und  vier  Fabeln  in  Lichtwer-Gellertscher 
Manier,  darunter  eine  in  Prosa.  — 

Mit  dem  Neudruck  des  Göttin ger  Musenalmanachs  auf  1770  beginnt 
Redlich62)  die  Veröffentlichung  einer  grösseren  Reihe  dieser  Almanache,  die  durch 
eine  Geschichte  derselben  abgeschlossen  werden  soll.  Der  sorgfältig  revidierte  Neu- 
druck enthält  auch  die  angehängte  Nachricht  gegen  den  Leipziger,  eigentlich  Erfurter 
Konkurrenzalmanach  (S.  100/3),  die  in  den  meisten  Exemplaren  des  Musenalmanachs 
fehlt.     Da  der  Originaldruck  noch  kein  Inhaltsverzeichnis  hat  wie  die  späteren  Bände, 


wnnschbrief  in  Reimen,  18.  Apr.  1778:  DDichtung.  16,  S.  296-300.  —  51)  X  A.  Gedike,  D.  roärk.  Dichterin  Anna  Luise 
Harsch,  geb.  Dürbach,  „D.  Karschin-'  in  d.  Prov.  Posen.  Nach  e.  Vortr.,  geh.  in  d.  Sitzung  d.  hist.  Ges.  zu  Posen  am  12.  Dec. 
1893.  Ref.:  ZHGPosen.  9,  S.  181-90.  —  52)  P.  Markus,  Lebensläufe  verdienter  Meissner.  3.  Superintendent  Chrph.  Hay- 
mann  (1709—83):  MVGMeissen  3,  S.  455-64  —  53)  X  M.  Morold,  Klopstock  in  Zürich.  Lyr.  Drama.  Musik  v.  J.  Reiter. 
Klagenfurt,  (Wien,  K.  Lest).  V,  51  S.  M.  1,20.  —  54)  H.  Funck,  Glucks  zweimaliges  Zusammentreffen  mit  Klopstock  am 
Hofe  Karl  Friedrichs  v.  Baden  1774  u.  75:  Knph.  1,  S.  790  2.  -  55)  K.  Haehnel,  J.  Imelraann,  Klopstocks  Oden  (JBL.  1891 
I  7 :  43) :  Gy  mn.  1 2,  S.  55/6.  -  56)  M.  K  o  c  h ,  D.  Lehrling  d.  Griechen  :  ZDU.  8  (Ergänzungsheft),  S.  70-92.  —  57)  id.,  Nachtr.  zu  Klopstocks 
Lehrling  d.  Griechen:  8,  S.  705  6  —  58)  F.  Petri,  Krit.  Beitrr.  z.  Gesch.  d.  Dichtersprache  Klopstocks  Greifswald  (H.  Jaeger). 
84  S.  M.  2,00.  (Thesen:  I.  E.  Vergleichung  d.  Fannyoden  mit  d.  Cidlioden  lässt  deutlich  d.  Unterschied  d.  Empfindungen  er- 
kennen, aus  denen  beide  hervorgegangen  sind.  II.  D.  dichterische  Ausdrucksweise  d.  jungen  Klopstock  zeigt  vielfach  Anklänge 
an  Vergils  Aeneis.  III.  Mehrere  Xenien  sind  nur  als  glückliche  Einfälle  aufzufassen,  d.  d.  in  d.  Ueberschriften  genannten 
litterarischen  Erscheinungen  durchaus  nicht  gerecht  werden.)  —  59)  X  A-.  Sauer-  ÖLB1.  3.  S.  45  6.  —  60)  X  O-  Walzel: 
ZOG.  45,  S.  925/7.  —  61)  A.  Niederegger,  Joh.  B.  Premlechner  u.  seine  Lucubrationes.  E.  Stud.  z.  Litt. -Gesch.  aus  d.  Zeiten 
Maria  Theresias.    Progr.  d.  Staatsgymn.  K:ilksburg  bei  Wien.    56  S.  —  62)  Göttinger' Mnsenalm.  auf  1770.   Her.  v.  C.  Redlich. 


IV  2a  •.  63-92    A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen. 

so  hat  R.  selbst  ein  Register  beigefügt,  in  dem  die  Chiffern,  sowie  die  früheren  und 
späteren  Drucke  der  Gedichte  nachgewiesen  sind.  — 

Die  bisher  gänzlich  ungenügenden  Nachrichten  über  Höltys  Laura  ergänzt 
Nöldeke63)  in  glücklicherweise.  Er  setzt  die  erste  Begegnung  mit  Laura  sehr  früh 
an,  Mai  1764,  in  das  16.  Lebensjahr  des  Dichters;  er  stellt  die  an  Laura  gerichteten 
Gedichte  zusammen  (in  dem  Gedicht  „An  die  Apfelbäume"  erblickt  N.  das  Urbild 
von  Matthissons  „Adelaide")  und  sucht  die  ihnen  zu  Grunde  liegenden  Thatsachen 
zu  konstruieren.  Laura  ist  danach  die  Tochter  des  damals  an  der  Marktkirche  zu 
Hannover  angestellten  Pastors  Laurentius  Hagemann  (1692 — 1762)  und  ist  am  15.  März 
1729  geboren;  sie  wäre  also  um  19  Jahre  älter  gewesen  als  der  Dichter.  Ihre  Schwester 
Lucie  Juliane,  Gemahlin  des  Amtmanns  zu  Mariensee  Joach.  Kasp.  Meister,  starb 
im  37.  Lebensjahre  am  23.  Dec.  1768.  Auch  die  im  Briefe  an  Boie  sen.  2./4.  Mai  1775 
erwähnte  13jährige  Schwestertochter  Lauras  ist  nachgewiesen,  geb.  29.  Nov.  1762.  — 
Hoenig64)  hat  Höltys  bisher  ungedruckte  burleske  Romanze  von  Hero  und  Leander 
„Schon  ehmals  sang  der  Leyermann  Musaeus  die  Geschichte"  aus  dem  Nachlasse  von 
J.  H.  Voss  mitgeteilt.  — 

Kraegers65)  im  vorigen  Berichtsjahr  besprochene  Abhandlung  über  Millers 
Lyrik  erscheint  jetzt  mit  geringen  Verbesserungen  als  Mittelstück  einer  abschliessen- 
den Monographie  über  diesen  Dichter,  für  die  der  Vf.  auch  Auszüge  aus  dem  Miller- 
Vossischen  Briefwechsel,  Millers  Beiträge  zu  den  Bundesbüchern,  für  das  Mündener 
Abenteuer  und  Millers  Verhältnis  zu  Charlotte  von  Einem  deren  autobiographische 
Aufzeichnungen  verwenden  durfte.  So  kann  er  mit  sorgfältiger  Benutzung  aller 
Quellen  Millers  Biographie  endgiltig  feststellen;  an  die  Charakteristik  der  Romane 
schliesst  sich  eine  kulturhistorisch  richtige  eingehende  Analyse  der  Empfindsamkeit. 
Eine  Beilage  enthält  den  Vergleich  der  1.  und  2.  Auflage  des  Siegwart.  — 

Keipers  Buch  über  F.  L.  Stolbergs  Jugendpoesie  (JBL.  1893  IV  2  a :  38) 
hat  im  Berichtsjahr  Chuquet66)  gewürdigt.  —  Keiper67)  konnte  zwei  sich  er- 
gänzende wichtige  Briefe  der  Brüder  Stolberg  an  Gerstenberg  (Lausanne  16.  Okt.  und 
Schleswig  21.  Jan.  1776)  veröffentlichen,  welche  eine  glänzende  Schilderung  der  ganzen 
Schweizerreise  enthalten,  alle  von  ihnen  berührten  Orte  aufführen,  alle  Freunde,  die 
sie  g-esprochen,  namhaft  machen,  und  auch  für  die  Dichtungen  Friedrich  Leopolds 
(Der  Felsenstrom,  Freiheitsgesang)  aufschlussreich  sind.  —  Zwei  Altersbriefe  Friedrich 
Leopold  Stolbergs  an  Niebuhr  sind  aus  des  letzteren  Nachlass  zu  Tage  gekommen68). 
In  dem  ersten,  Sondermühlen  Mai  1817,  lehnt  er  die  Teilnahme  an  der  von  katholischer 
Seite  geplanten  Revision  der  Lutherschen  Bibelübersetzung,  so  warm  er  diesen  Plan 
auch  begrüsst,  ab.  In  dem  zweiten  Briefe  (ebenda,  20.  März  1819)  sind  Aeusserungen 
über  den  Geist  der  Zeit  und  der  neuen  Litteratur  das  Hervorstechendste.  — 

Schlösser69)  bringt  über  einen  der  stummen  Genossen  des  Göttinger  Bundes, 
über  den  wir  bisher  wenig  wussten,  über  Joh.  Gottfr.  Seebach  aus  Gotha,  aus  un- 
gedrucktem Material  neue  Daten  bei.  Er  ist  am  13.  Okt.  1764  in  Göttingen  inskribiert 
als  Studierender  der  Rechte,  nachdem  er  vorher  in  Jena  studiert  hatte.  Sein  Name 
fehlt  aber  merkwürdigerweise  in  den  Jenen ser  Matrikeln  ebenso  wie  in  den  Gothaer 
Kirchenbüchern.  Bis  ins  J.  1769  hinein  war  er  in  Göttingen;  Nov.  1769  aber  nicht 
mehr.  Er  scheint  dann  Erzieher  in  der  Familie  von  Oertzen  im  Mecklenburgischen 
gewesen  zu  sein,  Mai  1772  kam  er  mit  seinem  Zögling  wieder  nach  Göttingen.  Aus 
einem  Briefe  Boies  an  Gott  er  erhalten  wir  Nachrichten  über  seinen  1773  erfolgten 
Tod,  an  dem  eine  unglückliche  Liebe  Mitursache  gewesen  ist.  — 

Carstens70)  behandelt  in  knapper  Zusammenfassung  die  bekannten  Lebens- 
umstände des  von  den  Göttingem  geförderten  Bauerndichters  Joh.  Hinr.  Thomsen 
(1749-77).  - 

Stockmayers  Vortrag  über  Claudius  (JBL.  1893  IV  2a  :  43)  wird  von  Mendel- 
son71)  angezeigt.72)  — 

Ueber  Bürger  ist  aus  Anlass  seines  hundertjährigen  Todestages  der  gewohnte 
Jubiläumssegen   niedergegangen.     Aus    der  Masse    der  Artikel73"93),    deren  Quellen 

(=  DLD.  N.  49-50.)  L.,  Göschen.  2  Bll.,  110  S.  M.  2,50.  —  63)  W.  Nöldeke,  Laura,  e.  Höltystud.:  ZDU.  8,  S.  220-35.  — 
64)  (I  11:3.)  —  65)  (IV  3:41.)  —  66)  X  A-  Chfuquet]:  KCr.  37,  S.  252/3.  —  67)  W.  Keiper,  2  Geniebriefe  aus  d. 
Schweiz  vom  J.  1775:  N&S.  7(>,  S.  222-34.  —  68)  (IV  5:354.)  —  69)  K.  Schloesser,  Seebach:  ZDÜ.  8 (Ergänzungsheft),  S.  195/9.  -  70) 
C.  E  Carstens,  Joh.  Hinr.  Thomsen :  ADB.  33,  S.  114/5.  —  71)  X  ThLB.  17,  S.  243.  -  72)  O  H.  Grosse,  Goldkörner  christl. 
Weisheit  vom  Wandsbecker  Boten:  DB11EÜ».  21,  S.  23.  -  73)  X  Z.  lOOj.  Todest.  Bürgers:  BerlBörsCour.  N.  262.  -  74)  X 
G.  A.  Bürger:  Gartenlaube  S.  407/8.  -  75)  X  L  Berg,  G.  A.  Bürger:  FZg.  N.  156.  —  76)  X  E-  Blürael,  G.  A.  Bürger. 
E.  Gedenkbl.  z.  8.  Juni:  MansfelderHll.  8,  S.  140/8.  -77)  X  J-  Duboo,  G.  A.  Bürger:  InternatLB.  1,  S.  122/3, 135/6.  —  78)  X  ?■ 
Düsel,  G.  A.  Bürger:  Grenzb.  2,  S.  449-58,  510/5,  541-50.  —  79)  X  p  — 1>  ö-  A-  Bürger  z.  8.  Juni:  WeserZg.  N.  17070. 
Bremen.  —  80)  X  L-  H.,  G.  A.  Bürger:  ÜL&M.  72,  S.  742.3.  —  81)  X  A.  v.  Hanstein,  D.  Dichter  d.  „Lenore":  Didask. 
N.  131.  -82)XH  Hart,  G.A.Bürger:  TglRs».  N.  131/2.  —  83)  X  F-  Hassl  wander,  G.  A.  Bürger:  AKünstlerSchriftstellerZg.  7, 
N.  10.  —  84)  X  B-  Heilborn,  G.  A.  Bürger:  Nation«.  11,  S.  526/8.  -  85)  X  p-  L--  Za  Bürgers  lOOj.  Todest.:  FränkKur. 
N.  285,  287.  —  86)  X  B-  Opitz,  Zu  G.  A.  Bürgers  Gedächtnis:  BLU.  S.  353/6.  -  87)  X  F-  Poppenberg,  Bürger:  ML.  63, 
N.  22.  —  88)  X  B-  Prölss,  G.  A.  Bürger:  LZg«.  N.  68.  —  89)  X  P-  R&hle,  G.  A.  Bürger:  Quollwasser  18,  S.  553/4.  (V. 
frömmelndem  Standpunkt.  Es  wird  Schiller  vollständig  Hecht  gegeben.)  -  90)  X  F  Runkel,  G.  A.  Bürger:  BerlTBl.  N.  284. 
—  91)  X  J-  Sahr,  Z.  Gedächtn.  G.  A.  Bürgers:  ZADSprV.  9,  N.  7/8.   -    92)  X  Ph-  Stein,  D.  Lenoren-Dichter :  Sammler^. 


A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen.     IV  2a  :  93-100 

nachzuweisen  in  den  meisten  Fällen  ebenso  leicht  wie  nutzlos  wäre,  sind  ein  paar, 
durch  den  Versuch,  neues  biographisches  Material,  wenn  auch  in  geringem  Umfange 
beizubringen,  beachtenswert.  Der  um  Bürger  mannigfach  verdiente  Pro  hie94)  schliesst 
seine  lokalgeschichtlichen  Forschungen  durch  Mitteilungen  über  die  Predigerfamilie 
Kutzbach  in  Pansfelde  ab;  den  Stoff  der  Ballade  „Des  Pfarrers  Tochter  zu  Tauben- 
hain", dessen  habhaft  geworden  zu  sein  P.  so  oft  gemeint  hatte,  glaubt  er  nun  auf 
Vorfälle  in  dieser  Familie  zurückleiten  zu  können,  die  sich  urkundlich  in  den  Kirchen- 
büchern nachweisen  lassen;  sicherlich  ein  ebenso  vergebliches  und  überflüssiges  Be- 
mühen, wie  es  überflüssig  ist,  für  den  Siegesjubel  in  der  Lenore  eine  Bestätigung 
in  zeitgenössischen  Aufzeichnungen  aufzusuchen.  Mit  welchem  Recht  P.  einen  kleinen 
Prosaaufsatz  „Der  Tod  des  Lehrers"  („in  dem  bei  Pierer  erschienenen  Apelschen 
Lesebuche")  für  Bürger  in  Anspruch  nimmt,  lässt  sich  nicht  beurteilen.  —  Möller95) 
betrachtet  Bürgers  Briefwechsel  vom  kulturhistorischen  Standpunkt,  hebt  die  Be- 
ziehungen zu  Lübeckern  wie  Tensdorpff  (Tesdorff?)  und  Ratthey  (Ratjen?)  hervor 
und  stellt  die  Aussprache  des  Namens  Boie  =  Boje  fest.  Freilich  scheint  die  Be- 
zeichnung einer  anima  Candida  für  Bürger  nicht  gerade  die  richtige  zu  sein.  —  In  einer 
Reihe  anderer  Artikel  wird  Bürger  mit  den  heutigen  Realisten  verglichen,  so  von 
J.  E.  von  Grotthus96),  von  Berg97),  der  Bürger  gegen  Schillers  Vorwurf  der 
niedrigen,  gemeinsinnlichen  Natur  in  Schutz  nimmt.  „Die  Keuschheit  in  der  Sinn- 
lichkeit, die  Verehrung  im  Genuss  hat  kaum  ein  Dichter  schöner  und  edler  geschildert, 
wie  überhaupt  das  ganze  Hochgefühl  einer  kräftigen  männlichen  Erotik  in  diesen 
Liedern  herrlich  zum  Ausdrucke  kommt,  in  denen  die  Wahrheit  stolz  und  energisch 
zu  Worte  ringt  und  eine  übermütige  Lebensfreude  und  überschwengliche  Dankbarkeit 
aufjubelt  ...  Er  empfindet  hier  ganz  modern,  wie  auch  in  dem  Pochen  auf  seine 
Individualität."  —  Der  Vergleich  mit  den  Modernen  bildet  auch  den  Grundakkord  in 
Schienthers98)  Essay,  einem  der  selbständigsten  und  glänzendsten,  die  wir  über 
Bürger  besitzen.  Völlig  frei  von  Vorurteilen  tritt  Seh.  an  Bürger  heran  und  giebt 
den  Menschen  so  wenig  preis  wie  den  Dichter.  Mit  voller  Beherrschung  des  brief- 
lichen und  kulturhistorischen  Materials  schildert  er  Bürger  im  Kampf  ums  Dasein, 
im  Kampf  um  die  Liebe.  Mit  wenigen  Strichen  entwirft  er  scharfe  Charakteristiken 
der  Frauen,  die  in  sein  Leben  eingriffen,  zeichnet  er  die  robuste  Mutter,  die  ätherische 
Hofrätin  Listn,  die  sanft  resignierte  Dorette,  die  blonde  Molly  mit  ihren  Vergissmein- 
nichtaugen,  die  braune  treulose  Hexe  Elise.  Er  sucht  die  modernen  Empfindungen 
und  Motive  in  Bürgers  Lyrik  auf  und  hört  aus  einem  Gedichte  wie  „Das  Mädel,  das 
ich  meine""  die  schlichteste  Volksweise  bewundernd  heraus.  Aber  auch  für  die  ihm 
weniger  sympathischen  lyrischen  Schöpfungen  findet  er  warme  Worte  der  Anerkennung: 
„Das  Hohelied  ist  nicht  das  Feurigste,  auch  nicht  das  Mächtigste,  was  Bürger  ge- 
schaffen hat,  aber  es  ist  sein  erhabenstes  Lied.  Der  Realist  verwirklicht  hier  sein 
Ideal,  indem  er  die  Verklärte  als  eine  Lebende  feiert,  frei  von  allen  Schlacken  des 
Irdischen  und  doch  ein  wandelndes  Menschenbild.  In  die  Sonettendichtung  tritt 
man  ein  wie  in  ein  Mausoleum.  Molly  liegt  in  marmorner  Schönheit  da.  Alles  was 
einst  lebendig  war,  scheint  wieder  aufzuleben,  und  doch  ist  Todeskälte  drüber  hin- 
gebreitet. Die  Wehklage  um  ihren  Verlust  fasst  sich  in  verhaltene  Trauer,  dem  ernsten 
Auge  fehlen  schon  die  Thränen.  Nie  sind  dem  feiervollen  Schweigen  in  Todesnähe 
schönere  Worte  gegeben  als  hier."  Der  dritte  Abschnitt  „Bürger  im  Kampfe  um  die 
Kunst"  enthält  eine  Darlegung  von  Bürgers  poetischer  Ueberzeugung,  einen  Vergleich 
mit  den  modernen  Realisten,  vor  allem  aber  eine  Rettung  Bürgers  gegen  Schillers 
Kritik.  Er  fasst  diese  mit  Recht  als  eine  Selbstbefreiung  auf;  er  erklärt  Schillers 
geringes  Verständnis  für  die  Molly lieder  aus  Schillers  Mangel  an  lyrischem  Talent 
und  bestreitet  der  Reihe  nach  die  von  Schiller  angewandten  Grundsätze.  Er  erklärt 
Bürgers  Spottgedicht  „Der  Vogel  Urselbst"  für  eine  der  glücklichsten  litterarischen 
Revanchen,  die  wir  besitzen,  die  den  niedergetretenen  Dichter  noch  einmal  aufrecht 
dastehen  zeigt  in  der  ganzen  Vollendung  seiner  poetischen  Formen  und  seines  selb- 
ständigen Geschmacksbewusstseins.  Er  fasst  die  Balladen  mit  Gervinus  als  Beweise 
von  Bürgers  grossem  dramatischen  Talent  auf  und  misst  seine  Uebersetzerthätigkeit 
an  der  Schillers  ab.  In  der  Gegenüberstellung  von  Bürgere  und  Schillers  Macbeth 
gipfelt  Sch.s  pointenreicher  Essay :  „Bei  Bürger  Wucht,  bei  Schiller  Glanz ;  bei  Bürger 
Naturlaute,  bei  Schiller  fliessende  Rede;  bei  Bürger  charakteristischer  Ausdruck,  bei 
Schiller  schöner  Stil;  bei  Bürger  stählerne  Prosa,  bei  Schüler  silberne  Verse;  bei 
Bürger  Individuen,  bei  Schiller  Typen;  bei  Bürger  Kerle  und  Weiber,  bei  Schiller 
Herren  und  selbst  im  Hexenbrodem  Damen;  bei  Bürger  Brachfeld,  aus  dem  der  Duft 
der  Erde  steigt,  bei  Schiller  geeggtes  Land,  auf  dem  Himmelssonne  scheint;  bei  Bürger 


N.  68.  —  93)  X  Th.  Uhle,  G.  A.  Bürger:  SchlesZg.  N.  393.  —  94)  H.  Pröhle,  G  A.  Bürger:  Vom  Fels  z.  Meer  2,  S.  309-14.  — 
95)  C.  Möller,  Zu  Bürgers  100 j.  Todest.:  NatZg.  N.  346.  348.  —  96)  J.  E.  Frhr.  v.  Grotthuss,  G.  A.  Bürger:  Daheim  30, 
S.  5558.  -  97)  (=  N.  75.)    —    98)  P.  Schienther,   G.  A.  Bürger:  VossZgB.  N.  234,  26.    -    99)  X  (IV  9:52.)  —  100)  X 


IV  2a:  loi-ni    A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen. 

Shakespeare,  bei  Schiller  Schiller."  Indem  er  Schillers  mächtigen  Einfluss  auf  die 
weitere  Entwicklung  der  deutschen  Litteratur  bedauert,  erhofft  er  Grosses  von  dem 
Wechsel  im  Herrscheramte  des  Geistes  und  schliesst  mit  der  Prophezeiung:  „Und 
wohin  unsere  junge  Zukunftskunst  mit  allen  ihren  Kräften  streben  und  steuern  mag, 
irgendwo  wird  ihr  der  Geist  Bürgers  erscheinen."99"100)  —  Gegenüber  dieser  Apotheose 
durch  den  Journalisten  hat  sich  die  zünftige  Litteraturforschung  damit  begnügt,  'aus 
Anlass  der  Gedenkfeier  einiges  neues  Material  zur  genaueren  Kenntnis  von  Bürgers 
Leben  und  Streben  zusammen  zu  tragen.  In  Sauers  Euphorion  wird  eine  Reihe  von 
ungedruckten  Briefen  zu  einem  Erinnerungskranze  vereinigt.  H  o  e  n  ig 10 ')  legt  einen  Brief 
Bürgers  an  Rothmann  vor  (31.  Okt.  1777)  in  Angelegenheit  des  jungen  Georg  Leonhart 
und  verfolgt  in  den  Erläuterungen  dazu  Bürgers  Verhältnis  zur  Familie  Leonhart 
sowie  dessen  Beziehungen  zu  Rothmann.  —  Aus  Bürgers  Briefen  an  Dieterich  teilt 
Sauer102)  zur  Ergänzung  der  Strodtmannschen  Sammlung  umfangreiche  Auszüge  aus 
den  J.  1778—87  mit,  welche  den  ungezwungenen  Verkehr  Bürgers  mit  seinem  Ver- 
leger durch  manche  köstliche  Wendung  illustrieren  und  ein  höchst  anschauliches 
Bild  von  seinem  Leben  und  Treiben  geben.  Die  N.  1—5  beziehen  sich  auf  die 
Sammlung  der  Gedichte  vom  J.  1778,  die  N.  6—8  auf  den  Musenalmanach  für  1779; 
die  Sorge  um  den  Almanach  bildet  auch  in  den  späteren  Jahren  den  Hauptinhalt  der 
Briefe.  N.  11  (1781)  zeigt  ihn  mit  der  Uebersetzung  von  „Tausend  und  eine  Nacht" 
und  der  Bearbeitung  der  Froschmäuseier  beschäftigt,  N.  17  (2.  Jan.  1784)  mit  der  hexa- 
metrischen Bearbeitung  der  Ilias.  Einzelne  Gedichte  werden  gelegentlich  erwähnt.  — 
A.  von  Weilen103)  steuert  ebenfalls  einen  Brief  an  Dieterich  (8.  Sept.  1783),  den 
Musenalmanach  für  17S9  betreffend,  und  einen  Zettel  an  Ratschky  (1781)  bei.  —  Der 
von  Seuffert104)  mitgeteilte  und  erläuterte  Brief  an  Wieland  vom  20.  Apr.  1789  ist 
das  Geleitschreiben  zu  der  zweiten  Ausgabe  der  Gedichte  und  in  seinem  schmeichlerischen 
Flehen  um  eine  lobende  Besprechung  im  Merkur  für  Bürgers  damalige  Stimmung  ungemein 
bezeichnend:  „Ein  Lob  von  Ihnen  ist  noch  das  Einzige,  weswegen  es  der  Mühe  wert 
ist,  ein  deutscher  Dichter  zu  seyn".  —  Zwei  von  Sauer105)  veröffentlichte  Briefe 
aus  dem  J.  1792  schliessen  die  Reihe  ab.  Der  zweite  an  Heyne  gerichtete  ist  ein 
trauriges  Zeugnis  für  Bürgers  klägliche  Lage  in  Göttingen  und  betrifft  den  Widerruf 
eines  ihm  zugeschriebenen  Epigramms.  Auch  der  erste,  den  Sohn  seiner  Schwester 
Friederike  aus  erster  Ehe,  Karl  Müller,  betreffend,  dürfte  an  Heyne  gerichtet  sein.  — 
Schall 106)  will  die  Beziehungen  Bürgers  zu  Schwaben  übersichtlich  zusammenstellen: 
1.  Bürger  und  J.M.Miller  (S.  112:  Familienregisterauszug  aus  den  Ulmer  Kirchen- 
büchern. Lebensdaten  Millers,  seiner  drei  Frauen  und  seiner  vier  Kinder  zweiter 
Ehe).  2.  Bürger  und  die  württembergische  Hofratsfamilie  (Listn).  3.  Bürger  und  das 
Schwabenmädchen  (S.  117  Eintrag  aus  dem  Ehebuche  der  Stadt  Stuttgart;  S.  119  Elise 
Hahns  Geburtsdatum  nach  dem  Taufbuch  19.  Nov.  1769).  4.  Bürger  und  sein  Kritiker 
Schiller.  107~1,0a)  —  Griesebachs  in)  Ausgabe  der  Werke  Bürgers  ist  in  fünfter  ver- 
mehrter und  verbesserter  Auflage  erschienen.  Aus  dem  dünnen  Bändchen,  das  1872 
ausgegeben  wurde  und  seitdem  ii>  drei  unveränderten  Auflagen  erschienen  war,  ist 
jetzt  ein  starker  Band  geworden,  der  momentan  die  handlichste  Ausgabe  der  Werke 
Bürgers  sein  dürfte.  In  der  umfangreichen,  völlig  neu  bearbeiteten  biographischen 
Einleitung  verzichtet  G.  zu  Gunsten  aktenmässiger  Genauigkeit  auf  eine  lesbare  Dar- 
stellung. Die  Gedichte  enthalten  alles  Wertvolle  und  Abgeschlossene  in  drei  Büchern 
chronologisch  geordnet:  1.  Balladen  und  Romanzen;  2.  Lieder  an  Molly;  3.  Sprüche 
und  vermischte  Gedichte.  Die  Ueberschrift  des  zweiten  Buches  ist  nicht  glücklich 
gewählt,  obgleich  G.  S.  36  sein  Verfahren  damit  zu  rechtfertigen  sucht,  dass  Bürger 
selbst  in  der  Ausgabe  letzter  Hand  auch  solche  Gedichte,  die  lange  vor  seiner 
Bekanntschaft  mit  Molly  entstanden  waren,  durch  Einfügung  ihres  Namens  nachträg- 
lich auf  sie  bezogen  habe.  Ein  Anhang  zum  dritten  Buch  umfasst  „Bearbeitungen 
fremder  Gedichte":  Die  Nachtfeier  der  Venus,  Zechlied,  Das  Dörfchen,  Die  beiden 
Liebenden  und  die  beiden  Franckeschen  Gedichte:  Erinnerung  im  Abendthale, 
Liebeslied  an  die  Schönste.  Dem  Text  der  Gedichte  liegt  die  Ausgabe  von  1789  zu 
Grunde.  Gelegentlich  wird  auf  die  ersten  Drucke  zurückgegriffen;  Bürgers  späteren 
Aenderungen  gegenüber  verhält  sich  G.  eklektisch.  Eine  zweite  Abteilung  enthält 
die  Prosaschriften  Bürgers.  Hierin  liegt  der  bedeutendste  Fortschritt  und  der  wissen- 
schaftliche Wert  dieser  Auflage.  Während  nämlich  die  früheren  Auflagen  nur  die 
Fragmente  über  Volkspoesie  („Aus  Daniel  Wunderlichs  Buche"),  die  Uebersetzungen 

A.  Bock,  Goethe  u.  Barger:  Zeitgeist  N.  24.  —  101)  B.  Hoenig,  E.  Brief  Borgers  an  Rothmann:  Eaph.  1,  S.  309-14.  —  102) 
A.  Sauer,  Auszöge  aus  Bürgers  Briefen  an  Dieterich:  ib.  S.  214-331.  —  103)  A.  v.  Weilen,  2  Briefe  v.  Bürger:  ib.  S.  332/3. 
—  104)  B.  Seuffert,  E.  Brief  Bürgers  an  Wieland:  ib  S  3334.  —  105)  A.  Sauer,  2  Briefe  Bürgers  aus  d.  J.  1792:  ib. 
S.  334,7.  —  106)  J.  Schall,  G.  A.  Bürger  u.  seine  Beziehungen  zu  Schwaben:  BBSW.  S.  111-23.  -  107)  O  Th.  Mehring, 
G.  Bürgers  Beziehungen  zu  Hamburg:  DBühneng.  23, S.  193  5.  —  108)  X  Erinnerung  an  Bürgers  Wittwe:  BerlBörsConr.  N.  270. 
(Aus  d.  OsnabrückZg.)  —  109)  X  z  Denkm.  für  G.  A.  Bürger:  VossZg.  N.  262.  -  110)  X  E-  Grabstein  für  G.  A.  Bürger: 
DLZ.  S.  377.  —  110a)  X  Litt.  Parodien:  NZ»t.  12»,  S.  353/6.  (Verstiegene  Kritik  d.  Aufrufes  für  e.  Bargerdenkmal.)  -  111) 
G.  A.  Bürgers  Werke    her.    v.    Ed.    Grisebach.     Mit    e.    biogr.    Einl.    u.    bibliogr    Anh.,    5.    verm     u.    verb.  Aufl.     B.,  Grote- 


A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen.    IV  2a  :  112-116 

aus  Ossian  und  die  Vorreden  zu  den  Gedichten  enthalten  hatten,  wird  uns  hier  eine 
nahezu  erschöpfende  Sammluuo-  von  Bürgers  kleineren   prosaischen  Schriften,  Vor- 
reden, Recensionen  und  Fragmenten  geboten.  —  In  einer  lehrreichen  Recension  von 
von  A.  E.  Bergers  Ausgabe  der  Bürgerschen  Gedichte  tadelt  Schüddekopf112)  die 
rasch  aufeinander  folgenden  Ausgaben  der  Gedichte   Bürgers,  von   denen    keine,   da 
Bürgers  Nachlass  seit  Strodtinann  unzugänglich  ist,  die  abschliessende  Gestalt  bringe; 
er    stellt    das    Neue    in    Bergers    Ausgabe   zusammen   und    rügt,    dass    die    beiden 
Fassungen  des  Gespräches  „Advokaten  verdien  st"  als  Ganzes  hintereinander  abgedruckt 
worden    sind;    er   fördert   die  Untersuchung   über    Bürgers    Umarbeitungen  fremder 
Gedichte,  indem  er  zu  dem  Gedichte  J.  von  Dörings  (Sauer,  N.  261)  der  Bürgerschen 
Umarbeitung'  das  Original  nach  einem  Einzeldruck  „An  einen  Säugling.    Wolfenbüttel 
im  Jenner  1778"  gegenüberstellt;  er  druckt  endlich  ein  bisher  unbekanntes  Bürgersches 
Jugendg*edicht   aus    den  „Göttingischen   gelehrten  Beyträgen   zum  Nutzen  und  Ver- 
gnügen" 1768  Stück  21   ab:  „Lais  und  Demosthenes.    Eine  Erzehlung"  unterzeichnet 
„J.  A.  Bürger".     Trotz    dieser   Unterschrift   hält   Seh.  Gottfried  August   für  den   Vf.. 
„Klotzischer  Einfluss  spricht  aus  Wahl  und  Behandlung  des  Stoffes,   die  derbsinnliche 
Schilderung-,    der  Hinweis  auf  Zeus  sprechen  für  Bürger.     Die  freien  Jamben,  die 
Mehrreime  kehren  in  einem  anderen  Jugendgedichte    „Mein  Amor"  wieder;    für  fast 
alle  Reime  .  .  .  lassen  sich  Beispiele  in  anderen  Gedichten  finden  .  .  .  Wir  werden  also 
die    Erzählung    als    erstes   gedrucktes    Gedicht    Bürgers    aufnehmen    dürfen."113)  — 
A.  W.  Schlegels  Recension  über  Bürgers  Gedichtsammlung*  1789  in  den  Götting.  Gel. 
Anzeigen    vom   9.  Juli  1789   und    desselben  Aufsatz  „Ueber  Bürgers  Hohes  Lied"  im 
Neuen  deutschen  Museum  Febr.  und  März  1790  liess  Minor114-115)  zum  Jubiläum  neu 
abdrucken.  —  Zu  den  bisherigen  Erklärungen  Bürgerscher  Gedichte  brachte  Hoenig116) 
zahlreiche  und  wichtige  Nachträge  und  Zusätze  in  bunter  Reihenfolge  vor:  1.  Nacht- 
feier der  Venus.    In  Gleims  Nachlass  befindet  sich  eine  Hs.  dieses  Gedichtes,  welche 
uns   den   beiden    ersten  Drucken    gegenüber   (im   Deutschen  Museum   1773   und   im 
Göttinger    Musenalmanach    auf    1774)    die    früheste    und    wahrste    Gestalt    aufweist. 
2.  Aenderungen  und  chronologische  Ordnung  der  Jug*endgedichte  in  der  ersten  Aus- 
gabe vom  J.  1778.     Bürgers  von  den  neueren  Herausgebern  mehrfach  angezweifelte 
Datierung  ist  oftmals  richtig  für  die  Zeit   der  Konzeption  und  der  ersten  Strophen, 
wenn  auch  nicht  für  die  Zeit  des  Abschlusses.    Der  „Bauer  an  seinen  Fürsten"  gehöre 
ins  J.  1773,  denn  das   Gedicht  verdanke  der   Begeisterung  für  Goethes  Götz  seinen 
Ursprung;  ebenso  sei  Bürgers  Datierung  des  Gedichtes  „Lust  am  Liebchen"  zu  recht- 
fertigen; die  Gedichte:  Adeline,  Huldigungslied,  Das  harte  Mädchen,  An  den  Traum- 
gott, An  die  Hoffnung,  werden  als  eine  Art  Cyklus  ins  J.  1770  verlegt,  und  es  wird 
das  Erlebte  darin  nachgewiesen.    Beim  Huldigungslied  sucht  H.   überdies  mit  Hilfe 
des  Briefwechsels  zur  ersten  Fassung*  vorzudringen  und  diese  gegenüber  der  späteren 
Umarbeitung  zu  charakterisieren.     3.  Minnelieder:  Die   erste  Bekanntschaft  Bürgers 
mit  den  Minnesängern  fällt  in  den  Aug.  und  Sept.  1769;  das  erste  Minnelied  ist  „Das 
Winterlied"  aus  dem  Beginn  1772;  von  dem  Gedicht  „Der  Minnesinger"  aus  dem  Früh- 
jahr 1772   hat   sich   die    erste  Fassung   in    Gleims   Nachlass   erhalten,    die    einzelne 
Minnestrophe  (Sauer  S.  316)  verlegt  H.  in  den  Frühling*  1774,  in  die  Zeit  des  Braut- 
standes  mit  Dorette.     4.  Lieder  an  Molly.      Datierungsversuche.      5.  Balladen.     Bei 
der  Lenore    habe  Bürger   das  Volkslied  nicht  gekannt;    die  englische  Ballade  vom 
Suffolk  miracle,  die  man  mit  der  Lenore  verglichen  hat,  und  die  H.  deswegen  ab- 
druckt,  gehöre   einem  anderen  Sagenkreise    an.      Lenardo   und  Blandine    ist   durch 
Eschenburgs    „Beiträge   zur    altdeutschen  Litteratur"   im   Februarheft  des  Deutschen 
Museums  1776  beeinflusst,  wo  Konrads  von  Würzburg  Engelhart  auszugsweise  mit- 
geteilt ist.     „Der  Kaiser  und  der  Abt"  und  „Die  Entführung"   werden  mit  der  eng- 
lischen Quelle  verglichen.     Das  Lied  vom  braven  Mann  ist  die  Rede,  die  Bürger  am 
Johannisfeste  des  J.  1777  (24.  Juni)  in  der  Loge  zum  goldenen  Zirkel  in  Göttingen 
zur  Verherrlichung  einer  maurerischen  Gutthat  gehalten  hat.  „Es  ist  zu  diesem  Zweck  ge- 
dichtet, nicht  etwa  blos  benutzt";   daraus  erklärt  sich  auch  der  rhetorische  Charakter 
des  Liedes.     „Sankt  Stephan"  wurde  auf  Pfennigers  Aufforderung  für  dessen  „christ- 
liches Magazin"  im  April  1777  entworfen  und  begonnen;  im  „Wilden  Jäger"  sind  die 
sagenhaften  Motive  zusammengeflossen  mit  den  freiheitlichen  Tendenzen  des  Sturms 
und  Drangs,  mit  Anregungen  aus  den  Bauern-  und  Zigeunerscenen   des  „Götz  von 
Berlichingen"  und  aus  Goeckingks  Satire  „Parforcejagd"  (Göttinger  Musenalemanach 
auf  1777).     In  „Des  Pfarrers  Tochter  von  Taubenhain"  vereinigen   sich  Motive    des 
Volksliedes  und  der  englischen  Ballade  mit  solchen  der  zeitgenössischen   Dramatik 
und  Lyrik  (Buchholz   „Bettina"  im  Deutschen  Museum  Sept.  1777),  sowie  der  „Rede 


LXXYin,  504  S.  M.  2,00.  —  112)  K.  Schüddekopf,  A.  E.  Berger,  Bürgers  Gedichte  (JBL.  1892  IV  2:25):  ADA.  20,  S.  66  9. 
—  113)  X  G-  A-  Bürger,  Ausgew.  Gedichte.  L.,  W.  Fiedler.  16°.  158  S.  M.  1,20.  -  114)  J.  Minor,  2  Recensionen  Bürgerscher 
Dichtungen  t.  A.  W.  Schlegel:  ZOG.  45,  S.  585-612.  —  115)  id.,  2  Recensionen  d.  Bürgerschen  „Hohen  Liedes"  v.  A.  W.  Schlegel : 
ib.  S.  872.  —  116)  B.  Hoenig,  Nuchtrr.  n.  Znsätze  zu  d.  bisherigen  Erklärungen  Bürgerscher  Gedichte:  ZDPh.  26,  S.  493-540. 
Jahresberichte  für  nenere  deutsche  Literaturgeschichte.    Y.  (4)16  b 


IV  2a :  H7-132    A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  den  Freiheitskriegen. 

einer  Kindermörderin"  von  Sturz.  6.  Nachricht  von  priapischen  Gedichten  (deren 
Ms.  verloren  ist).  7.  Redaktion  des  Göttinger  Musenalmanachs.  Bürgers  Feile  ist 
auch  an  mehreren  Gedichten  des  Almanachs  auf  1780  („Lydia"  von  Meyer,  „Endy- 
mion"  nach  dem  Tassoni)  zu  erkennen.  Im  Anhang1  dazu  giebt  H.  chronologische 
Mitteilungen  über  Bürgers  rednerische  Thätigkeit  in  der  Göttinger  Loge.  —  Der 
„Nachtfeier  der  Venus"  widmet  Hoenig117)  eine  eigene  sehr  eingehende,  aber  viel  zu 
weitschweifige  Abhandlung,  in  der  die  Entstehung  des  Biirgerschen  Gedientes,  sein  Ver- 
hältnis zu  dem  lateinischen  Original  und  zu  den  drei  französischen  Uebersetzern,  und 
das  Verhältnis  der  fünf  Umarbeitungen  untereinander  erschöpfend  untersucht  wird. 
Der  zweite  Teil  dieser  Abhandlung  betrachtet  Schillers  „Triumph  der  Liebe"  als  eine 
Nachahmung  Bürgers,  zugleich  aber  als  eine  bewusste  Reaktion,  als  einen  beabsich- 
tigten Gegensatz  zu  dem  Biirgerschen  Gedicht,  enthält  einen  ausführlichen  Kommentar 
zu   dem  Schillerschen  Jugendgedicht  und  bringt  einen  Vergleich  beider  Dichtungen. 

—  Ein  anderer  knapperer  Essay  Hoenigs118)  würdigt  Bürgers  Verdienste  um  die 
deutsche  Kunstballade  im  allgemeinen.  —  Zur  Stoffgeschichte  mehrerer  Balladen 
haben  Timm119),  Schischmänov120),  Sozonovic121)  und  Dörfler122)  Einzelnes, 
meist  aus  fremden  Litteraturen,  beigebracht.  —  Zu  einer  Würdigung  Bürgers  als 
Lehrer  der  deutschen  Sprache  macht  Sahr123)  einige  verdienstliche  Anläufe,  lässt 
dabei  aber  die  wichtigsten  Quellen,  Bürgers  Lehrbücher  der  Aesthetik  und  des 
deutschen  Stils,  aus  äusseren,  nicht  zu  billigenden  Gründen  bei  Seite  und  verzichtet 
darauf,  Bürgers  Ansichten  auf  die  von  anderen  empfangenen  Anregungen  zurück- 
zuführen.   Er  wünscht  eine  kritische  Gesamtausgabe  von  Bürgers  Prosaschriften. 124)  — 

Waldmanns125)  Sammlung  der  Briefe  von  Lenz  wird  an  anderer  Stelle 
gewürdigt." —  Desgleichen  Winklers126)  Aufsatz  „Goethe  und  Lenz"  und  Falcks127) 
Untersuchung  der  Sesenheimer  Lieder  auf  Grund  des  Jerzembskyschen  Lenz- 
Nachlasses.  — 

Von  Schubart  wurde  ein  Brief128)  an  seine  Gattin  bekannt:  Hohenasperg, 
30.  Aug.  1785  über  die  Veranstaltung  seiner  Gedichtausgabe  und  über  deren  Er- 
trägnis. —  Solgers129)  Broschüre  (JBL.  1893  IV  2a  :  58)  wurde  nachträglich  besprochen. 

—  Beck130)  Hess  ein  anonymes,  wahrscheinlich  in  Augsburg  erschienenes  Schmäh- 
gedicht auf  Schubarts  Gefangennahme  neu  drucken:  „Ecce!  Schubart  von  Ala,  der 
Erzvogel  im  Mausen  auf  dem  Asperg  Im  Herzogthum  Würtemberg  auf  seinen  glücklich- 
als  triumphirlichen  Einfluge  daselbsten  deutsch-kronickmässig  herausgegeben  worden 
mit  Genehmhaltung  seiner  hohen  Gönnern.  KRONIKBERG  gedruckt  mit  neuen 
Schriften,  1777."  - 

Von  J.  Chr.  Fr.  Haug  wurde  ein  gereimter  Scherzbrief  an  seinen  Schwager, 
Stuttgart  11.  Jan.  1786,  gedruckt131).  — 

Otto  Richter132)  veröffentlicht  ein  sehr  interessantes  Tagebuch  der  Elisa 
von  der  Recke  über  ihren, Aufenthalt  in  Dresden,  wo  sie  den  ganzen  Mai  1790  in 
glücklichem  Beisammensein  mit  dem  von  ihr  geliebten  Grafen  Karl  von  Gessler  zu- 
brachte. Erwähnt  werden:  Blankenburg,  Nicolai,  der  alte  Forster,  Naumann.  Her- 
vorzuheben ist  die  Beschreibung  einer  Reise  durch  die  sächsische  Schweiz,  welcher 
Name  hier  zum  ersten  Mal  belegt  ist,  mit  Körner  und  Gessler.  Ferner  die  Schilderung 
einer  bewegten  Scene  an  dem  Vorabend  von  Elisas  Geburtstag  (19.  Mai)  auf  Körners 
Weinberg.  Erinnerungen  an  Gespräche  mit  Sophie  und  Fritz  Stolberg  sechs  Jahre 
vorher  über  die  Unsterblichkeit  und  das  Wiedererkennen  unserer  Geliebten  nach  dem 
Tode  (auch  eine  Nachschrift  über  Stolberg  vom  23.  Juni  1823),  an  die  Bekanntschaft 
mit  Gessler  ein  Jahr  vorher.  Während  eines  zweiten  Ausfluges  in  die  sächsische 
Schweiz  las  Gessler  in  einer  der  schauerlichsten  Grotten  des  Lohmerthales  Schillers 
„Resignation"  mit  hoher  Begeisterung  vor,  woran  sich  ein  Streit  über  die  Tendenz 
dieses  Gedichtes  schloss.  „Man  forderte  mein  Urteil,  und  ich  sagte  —  mit  schmerz- 
haftem Grausen  habe  dies  poetisch  schöne  Gedicht  mich  erfüllt;  ich  könnte  Schillern 
nur  dann  die  so  tief  eindringenden  Zweifel  über  Unsterblichkeit  verzeihen,  wann  er 
nur  sein  hinreissendes  Dichtertalent  dazu  anwenden  würde,  diese  Zweifel  mit  eben 
der  Kraft  der  Sprache  philosophisch  zu  widerlegen.    Die  Gesellschaft  sagte  einstimmig 

—  das  kann  er  nicht,  das  kann  kein  Philosoph  in  Prosa  —  schmerzhaft  g-erührt  rief 
ich  aus:  dann  hätte  Schiller  seine  Resignation  verbrennen  müssen,  ehe  er  nur  irgend 


—  117)  (IV  9:  77.)  —  118)  B.  Hoenig,  G.  A.  Bürger  u.  d.  dtsch.  Kunstballade:  DDichtung.  16,  S.  123/7.  —  119)  B.  Thiraro, 
Bürgers  Lenore  u.  ihr  Verhältnis  z.  dtsch.  Volkssage.  (=12:  12,  S.  155-72.)  —  120)  J.  D.  Schischmänov,  D.  Lenoren- 
stoff  in  d.  baigar.  Volkspoesie:  IndogerraF.  4,  S.  412-48.  —  121)  O  Sozonovic,  Bürgers  Lenore  u.  d.  ihr  verwandten 
Snjets  in  d.  europ.  u.  russ.  Volkspoesie.  (=  Lenora  Bürgera  i  rodst  vennyje  jej  süzeti  v  narodnoj  poeziji  jevropejskoj  i  russkoj.) 
Warschau.  1893.  (Weitere  Angaben  unerreichbar;  vgl.  IndogermF.  4,  S.  414.)  -  122)  (1 11 :33.)  —  123)  J.  Sah  r,  G\  A.Bürger  als  Lehrer 
d.  dtsch. Sprache :  ZDÜ.  8  (Ergänzungsheft), S.  310-54.  - 124)  X  Bürger  gegen  d.  Juristendeutsch :  Grenzb. 2,  S. 476/7.  — 125) (IV 1  o : 42.) 

—  126)  M.  Winkler,  Goethe  and  Lenz:  Studies  and  notes  in  philology  and  litt.  (Harvard-Univ.)  Bd.  2.  (Weitere  Angaben  un- 
erreichbar.) —  127)  (IV  8c:  20.)  —  128)  (=N.  50.)  —  129)  X  C.:  Ges.  S.  1383.  -  130)  P.  Beck,  E.  Pamphlet  wider  Schubart: 
Alemannia  22,  S.  56-63.  —  131)  (=  N.  50.)  —  132)  Otto  Richter,  Elisa  v.  d.  Hecke  im  Wonnemonat  d.  J.  1790.   Mitteilungen 


A.  Sauer,  Lyrik:  Von  der  Mitte  des  18.  Jh.  bis  zu  deu  Freiheitskriegen.    IV  2a:  133-152 

einer  Seele  seine  finstre  Ansicht  mitteilte;  denn  wer  den  Glauben  an  Unsterblichkeit 
untergräbt,  befördert  die  Immoralität  der  Menschen."  — 

Rössler133)  besprach  nachträglich  das  Buch  von  S.  X.  von  Salis-Soglio  „Die 
Convertiten  der  Familie  von  Salis  (JBL.  1893  IV  2a  :  74).  — 

Giehnes134)  verdienstliche  Studien  über  Hebel  wurden  nach  Willomitzers135) 
Referat  zuerst  in  der  Deutschen  Vierteljahrsschrift  1858  (3.  Heft)  gedruckt.  —  In 
Willomitzers  Schrift  „Die  Sprache  und  die  Technik  der  Darstellung  in  J.  P.  Hebels 
rheinländischem  Hausfreund  (JBL.  1891  I  8  :  28;  IV  3  :  50)  vermisst  Menge136)  einen 
Hinweis  auf  Alban  Stolz. ,37)  — 

Freiheitskriege.  Von  Meisners138)  Ausgabe  der  Werke  Arndts  ist  der  3.  und 
4.Band,die  Gedichte  enthaltend,  erschienen.  —  Wassmannsdorf139)  veröffentlichte  zwei 
Briefe  Arndts  aus  den  J.  1842—60;  Brandis140)  sieben  Briefe  Arndts  an  Christian  Aug. 
Brandis,  Philosophieprofessorin  Bonn,  aus  Frankfurt  1848— 49;  herrliche  Briefe  voll  des 
sicheren  Vertrauens  auf  Deutschlands  hohen  Beruf  und  zukünftige  Grösse,  aber  auch  voll 
wütender  Worte  g'egen  Deutschlands  Verderber  und  Verblender.  —  Den  Versuch  einer 
Gesamtdarstellung  von  Arndts  Leben  machte  Thiele141)  in  einem  für  das  grössere 
Publikum  berechneten  Werke.  Er  will  nicht  so  sehr  den  Dichter  charakterisieren 
als  vielmehr  zeigen,  dass  Arndt  ein  halbes  Jh.  hindurch  seine  ganze  geistige  und 
sittliche  Persönlichkeit  für  sein  Vaterland  eingesetzt  habe,  dass  er  durch  seine  Thätig- 
keit  als  Geschichtsforscher,  als  akademischer  Lehrer,  als  politischer  Schriftsteller  und 
auch  als  Dichter  ebenso  sehr  wie  durch  seine  Gesinnung  als  Deutscher  und  als  Christ 
für  sein  Vaterland  gewirkt,  gekämpft  und  gelitten  hat.  Mit  anerkennenswertem  Fleiss 
hat  Th.  die  grossen  Massen  der  Arndtschen  Schriften  gelesen  und  analysiert  auch  die 
seltenen  und  verschollenen,  so  dass  er  das  Verzeichnis  der  Schriften  Arndts  in  Goedekes 
Grundriss  vermehren  konnte;  sogar  der  Nordische  Kontrolleur  aus  dem  J.  1808  bis 
1809  war  ihm  zugänglich;  er  sucht  die  einzelnen  Schriften  auch  ganz  richtig  in  den 
Lebensgang  Arndts  einzugliedern; .  er  hat  das  briefliche  Material  geschickt  verwertet 
und  in  dankenswerter  Weise  vermehrt;  er  erzählt  schlicht,  einfach,  ohne  Phrase  und 
ohne  Uebertreibung";  es  ist  dem  Vf.  aber  nicht  gelungen,  über  die  mitgeteilten  Einzel; 
heiten  hinaus  zu  einer  grossen  einheitlichen  Gesamtauffassung  vorzudringen;  alles 
eigentlich  Litterarhistorische  tritt  zurück;  Arndts  schriftstellerische  Entwicklung  und 
seine  Stellung-  in  der  deutschen  Litteratur  darzustellen,  bleibt  noch  immer  eine  wichtige 
und  dankbare  Aufgabe. 142)  — 

Zimmers143)  Ausgabe  von  Körners144)  Werken  und  Peschels145)  Ausgabe 
seines  Tagesbuches  (JBL.  1893  IV  2a  :  99—100)  erfahren  weitere  Besprechungen,  ne-u") 

—  Zimmers148)  biographische  Einleitung  wurde  neuerdings  in  Mev&rs  Volksbüchern 
abgedruckt.  —  Peschel149)  gab  für  weitere  Kreise  eine  Uebersicht  über  das  Körner- 
Archiv,  teüte  Briefe  und  Gedichte  von  Theodors  Vater  mit,  gewährte  Proben  von  Theodors 
deutschen  und  französichen  Jugendgedichten  und  stellte  ein  Verzeichnis  seiner 
ungedruckten  Dramen  und  Opern  auf.  —  Einen  belanglosen  Brief  von  Chrn.  Gottfr. 
Körner  an  J.  G.  Scheffner  aus  dem  J.  1815  hat  Kramer150)  veröffentlicht,  während 
Blanckmeister151)  authentische  Nachrichten  über  die  Vorfahren  Th.  Körners  bei- 
bring*t.  Der  älteste  nachweisbare  Vorfahre  ist  der  Leipziger  Bierschröter  Johann  (oder 
Hans)  Körner  1651—1702;  dessen  jüngerer  Sohn  Joh.  Chrph.  (1688—1736),  Privatdocent 
an  der  Theologischen  Fakultät  der  Universität  Leipzig,  Kollaborator  und  später  Diaconus 
an  der  Stadtkirche  in  Weimar,  war  mit  der  Tochter  des  Leipziger  Theologieprofessors 
Gottfried  Olearius  verheirathet.  Von  ihren  fünf  Kindern  war  der  älteste  Joh.  Gottfr. 
Körner  (geb.  1726  zu  Weimar,  Theologieprofessor  in  Leipzig,  gest.  4.  Jan.  1785)  mit 
der  Leipzig-er  Kaufmannstochter  Sophie  Margarethe  Stirner  verheiratet.  Deren  einziger 
Sohn  war  Chrn.  Gottfr.,  der  Vater  Theodors.  —  Als  ein  Erzeugnis  ärgster  Buchmacherei 
muss  eine  kleine  Schrift  Hohenfelds152)  „Körners  Ideale"  bezeichnet  werden,  die 
die  Empfehlung*  Linggs  nicht  im  mindesten  verdient.  Erwähnenswert  daraus  sind 
nur  die  Reproduktionen  zweier  Bilder:  Die  Herzogin  Anna  Dorothea  von  Kurland 
nach  einer  im  Körnermuseum  zu  Dresden  befindlichen  Silberstiftzeichnung  auf  Perga- 

aas    ihrem    Tagebuche:    DresdGBH.    3,     S.    105-13.    —    133)    A.    Kessler:    LRs.    20,    S.    96/7.     —    134)     (IV   3:52.) 

—  135)  F.  Willomitzer,  F.  Giehne,  Studien  über  J.  P.  Hebel.  (=  N.  134):  Euph.  1,  S.  417.  —  136)  X  K.  Menge:  ZDU.  8, 
S.  708,9.  —  137)  X  J-  F.  Hebel,  Alemann.  Gedichte  im  allemann.  Orig.-Text.  Mit  Bildern  nach  Zeichnungen  v.  L.  Richter. 
3.  Aufl.  L.,  Wigand.  VUI,  232  S.  M.  4,00.  —  138)  O  E.  M.  Arndt,  Werte,  1.  einheitl.  Ausg.  seiner  Hauptschriften.  Bearb.  v. 
H.  Meiuner.  3.  u.  4.  Bd.  Gedichte.  Vollständ.  Samml.  1.  u.  2.  T.  L.,  K.  F.  Pfau.  342,  310  S.  a  M.  3,00.  |[A.  Ohorn: 
Dichterheim  14,  B.  515/6;  G.  Morgenstern:  Ges.  S.  963.] |  —  139)  O  K.  Wassmannsdorf,  2  Briefe  E.  M.  Arndts  aus  d. 
J.  1842—60:  MschrTurnwesen.  13,  N.  2.  —  140)  (IV  5:564.)  —  141)  (IV  5:563.)  |[ThLB.  17,  S.  243;  R.  Geerds:  DLZ. 
S.  586/9  (vermisst  d.  Benutzung  d.  Briefe  Arndts  an  Bunsen  u.  an  Johanna  Motherby);  R.  Georg:  Bär  20,  S.  327.] |  —  142)  X 
E.  M.  Arndt:  TglRsB.  N.  197.  —  143)  X  LCB1.  S.  1378,9.  —  144)  X  Th.  Körner,  Leier  u.  Schwert.  (=  Allg.  Volksbibl. 
N.  23.)  Neusalza,  Oeser.  48  S.  M.  0,10.  —  145)  A.  Sauer:  DLZ.  S.  9045.  —  146)  X  O.  Harnack,  Th.  Körners  Kriegs- 
lieder: PrJbb.  77,  S.  370/1.  —  147)  X  Unbek.  Verse  v.  Th.  Körner:  FZg.  N.  212.  (Aus  Peschel  [=  N.  145]  abgedr.)  —  148) 
H.  Zimmer,  Th.  Körners  Leben  u.  Werke.  (=  Meyers  Volksbücher  N.  1039.)  L.,  Bibliogr.  Inst.  16°.  44  S.  M.  0,10.  — 
149)  X  w-  E-  Peschel,  Handschriftliches  ans  d.  Körnermus.  zu  Dresden:  WestöstlRs.  N.  1.  —  150)  Gottl.  Krause,  E. 
Brief  Chrn.  Gottfr.  Körners:  ZVLR.  7,  S.  217-20.  —  151)  F.  Blanckmeister,  Th.  Körners  Vorfahren:  DresdGBH.  3,  S.  U2  4. 

—  152)  H.  Hohen feld,  Körners  Ideale.    Dtsch.  Frauengestalten  aus  d.  Dichters  Leben  u.  Liedern.    Mit  6  111.  u.  e.  Begleit- 

(4)  16  b* 


IV  2a:  153-162  IV  2b:i  4    J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart. 

ment  von  F.  üarbes  und  Antonie  Adamberger  als  Emilia  Galotti  nach  einem  Gemälde 
im  Besitz  ihres  Sohnes  Alfred  Ritter  von  Arneth. 153)  — 

Zwar  nicht  zu  einer  „Lebensbeschreibung"  Schenkendorfs,  wohl  aber  zu 
einer  Geschichte  seiner  Familie  veröffentlicht  Knaake154)  neue  Beiträge,  die  einer 
genaueren  Auswahl  bedurft  hätten.  Die  Familie  stammt  aus  der  Neumark  und  lässt 
sich  bis  auf  den  Urgrossvater  des  Dichters  zurück  verfolgen.  Schon  im  Anfang  des 
18.  Jh.  lebte  ein  Karl  Oswald  von  Schenkendorff  in  Tilsit.  Des  Dichters  Vater,  der 
Kriegsrat  Georg  Heinrich  von  Schenkendorf,  charakterisiert  sich  selbst  in  einem  be- 
merkenswerten Schreiben  (25.  Okt.  1798)  als  einen  energischen,  thätigen,  frommen 
Mann,  der  über  der  Bewirtschaftung  seines  Gutes  die  philosophische  Lektüre  und  die 
Bibel  nicht  vergisst  („die  Hypochondrie  kenne  ich  nur  dem  Namen  nach;  das  sicherste 
Mittel,  sie  zu  verbannen,  ist  Thätigkeit").  Die  Geschichte  dieses  Gutes  und  der  Nieder- 
gang des  Familienvermögens  wird  bis  zum  Tode  der  Mutter  des  Dichters  (10.  Nov. 
1830)  verfolgt.  —  Sprenger155)  hat  dem  Texte  der  Schenkendorfschen  Gedichte 
die  ihm  bisher  versagte  Aufmerksamkeit  gewidmet.  Die  zahlreichen  neueren  Aus- 
gaben sind  alle  unveränderte  Abdrucke  von  A.  Hagens  Ausgabe  (St.,  Cotta;  1862); 
diese  ist  im  ganzen  sorgfältig  angelegt,  bietet  auch  hin  und  wieder  eine  treffliche 
Verbesserung.  Eine  Kollationierung'  dieser  Ausgabe  mit  dem  Text  in  „Max  von  Schenken- 
dorfs Poetischem  Nachlass"  (Berlin  1832)  und  den  übrigen  ersten  Drucken  beweist 
aber,  dass  Hagen  doch  an  manchen  Stellen  willkürlich  verfahren  ist.  — 

Unter  den  Beilagen  zu  den  Briefen  Gneisenaus  an  Prof.  Joh.  Blas.  Siegling 
in  Erfurt  teilt  Pick156)  auch  ein  anonymes  Gedicht  aus  den  Freiheitskriegen  mit: 
„Abendfeyer.  Zur  Todesfeyer  des  Oberjägers  Ernst  Siegling  von  Seinen  trauernden 
Freunden,  B.  G.  H.  L.  R.  S.  Gestorben  den  ruhmvollen  Tod  für's  Vaterland,  bev 
Crepi,  am  28.  Juny  1815."  157~,5())  — 

In  der  ADB.  wurden  1893  und  1894  drei  Schriftsteller  besprochen,  die  wir 
hier  in  chronologischer  Reihenfolge  anfügen.  Reusch160)  bringt  auf  Grund  von 
Mitteilungen  aus  Freiburg  und  Konstanz  die  wichtig-sten  Daten  aus  dem  Leben  des 
katholischen  Schriftstellers  Joh.  Ant.  Sulzer  (1752 — 1828)  bei,  dessen  „Gedichte" 
1792  erschienen  sind.  —  Mendheim161)  verzeichnet  das  Notwendigste  über  Georg 
Friedr.  Treitschke  (1776— 1842),  ohne  den  Versuch  einer  Charakteristik  zumachen. 
In  seinen  Gedichtsammlungen  (1817  und  1841)  hätten  die  romantischen  Einflüsse 
leicht  nachgewiesen  werden  können.  —  Stieda162)  macht  uns  mit  dem  kais.  russischen 
Leibarzt  Karl  Bernh.  Trinius  (geb.  zu  Eisleben  1778;  gest.  zu  Petersburg  1844) 
bekannt,  dessen  in  Zeitschriften  gedruckte  Gedichte  erst  nach  seinem  Tode  von  zwei 
Freunden  gesammelt  wurden  (Berlin  1848).  Ein  kritisches  Urteil  über  diese  Gedichte 
lehnt  St.  ab.  — 

b)  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart. 

Julius  Elias. 

Allgemeines  N.  1.  —  Schwaben  N.  5.  —  Charlotte  Stieglitz  N.  21.  —  Mich.  Beer  und  Ed.  von  Schenlc  N.  22.  — 
Platen  N.  23.  —  Aug.  Kopisch  N.  26.  —  F.  Rückert  N.  27.    -  F.  von  Bodenstedt  N.  32.  —  Annette  von  D.oste -Hülshoff  N.  37. 

—  F.  Freiligrath  N.  39.  -  G.  Herwegh  N.  44.  —  Hoffmann  von  Fallersleben  N.  46.  —  E.  Geibel  N.  51.  —  Alex.  Kaufmann 
N.  55.  -  G.  Kinkel  N.  57.  -  L.  Giesebrecht  N.  57  a.  —  K.  J.  Ph.  Spitta  und  K.  Gerok  N.  58.  -  Ad.  Graf  von  Schack  N.  64.  — 
Lokalforschung:  Mark  Brandenburg  N.  76.  —  Anhalt  N.  82.  —  Sachsen  N.  83.  —  Hessen  N.  84.  —  Rheinlande  und  Westfalen 
N.  88.  —  Baden  N.  91.  —  Elsass  N.  92.  —  Bayern  N.  107.  —  Oesterreich:  Allgemeines  N.  111;  J.  G.  Fellinger  N.  117; 
J.  B.  Deinhardstein  N.  119;  Grillparzer  N.  124;  N.  Lenau  N.  129;  F.  Hebbel  N.  153;  A.  Grün  N.  156;  A.  Tschabuschnigg 
N.  161  ;  L.  A.  Frankl  N.  163;  K.  G.  von  Leitner  N.  166;  J.  Mauthner  N.  168;  R.  Hamerling  N.  169;  Frauen  N.  174;  H.  Rollett 
N.  182;  F.  von  Saar  N.  193;  M.  Albert  N. 187;  A.  Graf  von  Wickenburg  N.  188;  A.  von  Goldschmidt  N.  190;  R.  Lothar  N.  191; 
„jüngstes  Wien«  N.  192;  Dialektdichtung N.  193;  Tirol:  Allgemeines  N.  199,  I.  Zingerle  N.  203,  Ad.  Pichler  N.  204,  J.  von  Schnell 
N.  208,  H.  von  Vintler  N.  209,  H.  von  Gilm  N.  213.  —  Schweiz:  Allgemeines  N.  214;  K.  R.  Tanner  N.  216;  H.  Leuthold 
N.  217;  K.  F.  Meyer  N.  220;  O.  Sutermeister  N.221;  F.  Oeser  N.  222;  F.  Hemmerli  N.  223;  J.  Winteler  N.  224.  —  Luxemburg 
N.  225.  —  Baltische  Lande  N.  226.  —  J.  V.  von  Scheffel  (Josephine  Scheffel)  N.  239.  —  F.  Th.  Vischer  N.  256.  —  Th.  Storm 
N.  258.  —  L.  Eichrodt  N.  259.  —  F.  Gregorovius  N.  264.  -  K.  Werder  N.  265.  —  K.  Stauffer-Bern  N.  266.  —  Nachgelassene 
Dichtungen:  E.  Dorer  N.  267;  F.  Nietzsche  N.  268;  T.  Ullrich  N.  269;  Kaiser  Wilhelm  I.  N.  270;  Graf  Moltke  N.  271;  Ver- 
schiedene N.  273.  —  Dialektdichtung:  F.  Reuter  N.  284;  Kl.  Groth  N.  286;  F.  von  Kobell  N.  291;  K.  Stieler  N.  293;  Nik. 
Sturm.  Anny  Schäfer  N.  295;  F.  Stoltze  N.  297;  M.  Bück  N.  300;  A.  Sailer,  C.  Weitzmann  N.  304;  W.  Borneraann,  J.  Jürs, 
J.  Brinckmann  N.  306;  H.  Köselitz  N.  309.  —  Zeitgenössische  Dichtung:  Allgemeines  N.  310;  ältere  Gruppen  N.  333;  jüngere 
Gruppen  N.  374;  Frauen  N.  397.  —  Sozialistische  Tendenzdichtung  N.  407.  —  Einzelne  Gedichte  und  Lieder  N.  415.  —  Geist- 
liche Dichtung  N.  450.  —  Uebersetzungen  N.  454.  —  Sammlungen  N.  457.   — 

Eine  Handvoll  Briefe,  von  Franzos1)  dargeboten,  leitet  die  wenigen  Beiträge 
allgemeiner  Art  ein,  die  das  Berichtsjahr  1894  ergeben  hat.    Sie  sind  im  wesentlichen 

wort  v.  H.  Lingg.  München,  Verl.  d.  „Allg.  Kunstchr."  48  S.  M.  1,25.  —  153)  X  B-  Rogge,  Th.  Körner,  E.  Sänger  u.  e. 
Held:  Gymn.  12,  S.  651.  —  154)  E.  Knaake,  Neue  Beitrr.  zu  e.  Lebensbeschreibung  M.  v.  Schenkendorfs:    MLLG.  4,  S.  1-15. 

—  155)  R.  Sprenger,  Zu  Max  v.  Schenkendnrfs  Gedichten:  ZDPh.  27,  S.  211,5.  —  156)  (IV  1  c  :  31.)  —  157)  X  Gedichte 
e.  jungen  Wehrmanns  d.  Befreiungskriege:  Ferd.  v.  Pfisters:  BurschenschBll.  8,  S.  92,3,  137/9.  —  158)  X  H-  Müller-Bohm, 
2  Dichter  d.  Befreiungskriege:  Bär  20,  S.  103/5.  —  159)  X  &  anonymes  Lied  ans  d.  Zeit  d.  Fremdherrschaft:  Hessenland  8, 
S.  98.—  160)  F.  H.  Reusch,  J.  A.  Sulzer:  ADB.  37,  S.  150/1.  -  161)  M.  Mendheim,  G.  Fr.  Treitzsohke  (so!):  ib.  33,  S.  558. 

—  162)  L.  Stieda,  K.  B.  Trinius:  ib.  S.  619-21.  — 

1)  (IV  2a:  50.)  -  2)  (IV2a:l.)  —  3)  P.  J.  Thiel,  Gedichte  u.  Gedachte:  Zuschauer  1,  S.  15/8.  —  4)K.Preser, 


J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart.     IV  2b  :  5-8 

aus  Wiener  Sammlungen  geflossen  und  charakterisieren  Deinhardstein,  Helmina  von 
Chezy,  Karl  Beck,  ferner  Georg  Herwegh  nicht  übel.  Ein  gereimtes  Schreiben  Joh. 
Christoph  Friedrich  Haugs,  das  eine  Käsesenduno*  ganz  witzig  begleitet,  fällt  in  eine 
frühere  Zeit.  Josef  von  Hormayr  entpuppt  sich  als  Beschützer  aufkommender  Talente; 
er  „schenkt"  Deinhardstein  den  Stoff  zu  einer  Ballade.  Helmina  von  Chezy,  die 
merkwürdig  bewegliche  Frau,  erscheint  bei  dem  neuen  Direktor  des  Burgtheaters  als 
Bittstellerin  für  ihren  Sohn  Wilhelm,  der  Dramen  verbricht;  es  kommt  ihr  g'ar  nicht 
darauf  an,  Deinhardstein  mit  Goethe  zu  vergieichen.  Ein  anderer  Brief  lässt  trübe 
Schatten  fallen  auf  das  melancholische  Lebensende  der  Dichterin.  Herwegh  stellt  1866, 
aus  seinem  schweizerischen  Asyle,  Beck  journalistische  Dienste  für  Politik  und  Feuille- 
ton in  Aussicht.  Zwei  Briefe  Becks  endlich  erzählen  lebhaft  von  deutschem  Poeten- 
elend. —  Tetzner2)  bringt  aus  Gedichten,  die  sich  über  das  ganze  19.  Jh.  ver- 
teilen und  auch  vor  den  ödesten  Reimereien  nicht  Halt  machen,  eine  Geschichte 
Deutschlands  zusammen.  Er  beginnt  mit  der  teutonischen  Urzeit  und  endet,  nach 
gut  gegliederten  Kapiteln,  bei  den  kolonialen  Bemühungen  der  neuen  Reichsregierung. 
T.  will  nicht  stofflichem  Interesse  gedient  haben ;  seiner  patriotischen  Empfindung  war, 
so  sagt  er,  das  einzelne  Gedicht  niemals  Geschichtsquelle,  vielmehr  Glorifikation  der 
historischen  Thatsache.  Unter  den  historisierenden  Lyrikern  standen  seinem  Herzen 
Dahn,  Lingg  und  Moser  am  nächsten.  —  In  Thiels3)  Aufsatz  „Gedichte  und  'Ge- 
dachte'" ist  von  der  Geschichte  der  Lyrik  nicht  viel  die  Rede.  Er  verurteilt  die  Re- 
flexionspoesie  und  will  nur  von  Naturanschauung  etwas  wissen.  Die  Tendenzdichtung 
ist  ihm  verhasst:  Die  Revolutionslieder  von  1848  ebenso  sehr  wie  heute  der  gereimte 
Socialismus  Karl  Henckells.  —  Ebenso  heftig  lässt  sich  Preser4)  in  einer  Buchkritik 
über  die  dürre  gereimte  Prosa  aus,  die  sich  in  der  neuzeitigen  Litteratur  für  Lyrik 
ausgeben  möchte.  — 

In  seinem  Buche  über  des  persönlichsten  und  intimsten  Schwaben- 
lyrikers  Hauspoesie5),  einer,  wenigstens  stofflich,  sehr  interessanten  Veröffent- 
lichung' (s.  JBL.  1895  IV  2b),  erörtert  Krauss6)  geschickt  die  Frage,  warum  Eduard 
Mörike  die  politische  Lyrik  nicht  gepflegt  habe,  da  er  doch  im  sublimen  wie 
im  gewöhnlichen  Sinne  ein  Geleg'enheitsdichter,  ein  künstlerischer  Objektivierer  der 
eigenen  Lebenserfahrungen  gewesen  sei.  Er  findet  den  Grund  in  Mörikes  überaus 
zarter  Seelenverfassung,  die  vor  der  dichterischen  Gestaltung  der  höchsten  Gefühle  — 
Liebe  zur  Mutter,  Liebe  zum  Vaterlande  —  ängstlich  zurückbebte.  Auf  der  anderen 
Seite  aber  beweist  K.  aus  Briefen  Mörikes  an  seinen  Lebensfreund,  den  Pfarrer 
Wühelm  Hartlaub,  dass  der  Mensch  Mörike  keineswegs  stumpf  gewesen  sei  gegen 
die  grossen  politischen  Ereignisse,  deren  Zeuge  er  während  eines  langen  Daseins 
sein  durfte.  Er  hat  Partei  ergriffen,  doch  auf  seine  Weise:  in  seinem  Innern,  still, 
gerecht  abwägend.  Nach  aussen  hin  tönte  sein  Wort  nicht,  aber  dem  Freunde  ver- 
traute er  sich  ganz  an.  Das  J.  1848  findet  ihn  auf  der  Seite  des  Volkes,  doch  für 
Georg-  Herweghs  tragikomische  Niederlage  hat  er  nur  Worte  schneidenden  Hohnes. 
Als  wackerer  Schwab  hasst  er  zunächst  Preussen;  aber,  da  ihm  Preussens  Sendung 
aufdämmert,  versöhnt  er  sich  gemach  mit  seiner  antiborussischen  Empfindung.  Die 
Gründung  des  neuen  deutschen  Reiches  erfüllt  auch  seine  Jugendträume;  sie  findet 
ihn  als  guten  deutschen  Patrioten.7)  —  Krauss8)  bringt  für  den  Briefwechsel  zwischen 
Schwind  und  Mörike  (JBL.  1890  IV  2  :  81),  der  bekanntlich,  soweit  die  Briefe 
Mörikes  in  Betracht  kommen,  mehr  als  lückenhaft  ist,  einige  Ergänzungen  aus 
dem  Briefcorpus  des  Freundes  Hartlaub,  das  in  fünf  umfangreichen  und  kaum  be- 
nützten Bänden  die  königliche  öffentliche  Bibliothek  in  Stuttgart  besitzt.  Dort 
findet  sich  in  Abschrift  ein  vollständiges  Schreiben  Mörikes  an  Schwind  (also  das 
sechste,  das  uns  überhaupt  bekannt  ist)  und  ein  Rest  brieflicher  Andeutungen  über 
sein  Verhältnis  zu  Schwind.  Jener  Brief,  vom  18.  Juli  1888,  sollte  Schwinds  Be- 
denken zerstreuen,  Mörike  habe  nur  so  lange  geschwiegen  (nach  Schwinds  Brief  vom 
28.  Mai),  weil  er  etwa  mit  den  Blättern  zur  „schönen  Lau"  unzufrieden  wäre.  Er  geht 
nun  die  Stücke  enthusiastisch  durch  und  giebt  die  „simplen  Beifalläusserungen" 
wieder,  die  in  seinem  Familienkreise  bei  der  Betrachtung  der  Zeichnungen  laut 
geworden.  Aus  den  Notizen,  die  zumeist  von  Besuchen  Schwinds  handeln,  ist  etwa 
noch  anzumerken  erstens  die  Thatsache,  dass  es  Mörike  gewesen,  der  die  Korre- 
spondenz mit  Schwind  suchte  und  anbahnte,  sodann  das  folgende  Stückchen  Charak- 
teristik: „Er  (Schwind)  ist  allerdings  ein  unruhiger  Gast,  der  einen  auch  ziemlich  in 
Atem  hält.  In  seinem  Wesen  liegt  eine  gewisse  Gewaltthätiglieit,  vor  welcher  die 
meisten  wohl  scheu  zurückweichen.     Das  Genialische  an  einem  Menschen  aber  hab 


Fides.  E.  Essay  ans  d.  Dichterwalde :  Hcssenland  7,  S.  85/7.  (Anknüpfend  an  e.  Epos  A.  Weidenra  iniers.)  —  5)  R-  Krauss,  E.  Mörike  als 
Gelegenheitsdichtor.  Aus  seinem  alltägl.  Leben.  Mit  zahlr.  erstmals  gedr.  Gedichten  Mörikes  u.  Zeichnungen  v.  seiner  Hand. 
St.,  Dtsch.  Verl.-Anst.  1895.  XI,  188  S.  M.  3,00.  :[H.  Meisner:  DLZ.  S.  1646/7;  DRs.  81,  S.  476;  DR.  4,  S.  378;  Grenzb.  4, 
S.  89-90;  SchwäbKron.  N.  228;  TglRs«.  N.  248'9.J|  —  6)  id.,  Ed.  Mörike  u.  d.  Politik:  Euph.  1,  S.  129-36.  —  7)  X  Ed.  Mörike 
xx.  d.  Politik:  BerlTBl.  N.  413.    (Nach  N.  6;  dazu  auch  Didask.  N.  192.)  —  8)  R.  Krauss,  Z.  Brief*,  zwischen  Schwind  u.  Mörike: 


IV  2b  :  9-20    J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart. 

ich  nicht  so  leicht  wie  bei  ihm  gefunden."  —  Eine  geistliche  Feder9)  beschreibt, 
nach  bekannten  Quellen,  humoristisch  Mörikes  Pfarridyll  in  Cleversulzbach,  sein 
zwischen  Seelsorgerpflichten,  die  er  warmen  und  mildthätigen  Herzens  erfüllte,  und 
Dichterträumen  friedlich  geteiltes  Leben.  —  Krauss10),  der  jüngste,  keineswegs 
von  Ueberschätzung  freie  Sachwalter  des  Schwabenparnasses,  beschäftigt  sich 
enthusiastisch  mit  dem  Grafen  Alexander  von  Württemberg.  Aber  es  gelingt  auch 
ihm  nicht,  uns  das  Bild  einer  ursprünglichen  dichterischen  Persönlichkeit  zu  ver- 
mitteln, trotzdem  er  die  Worte  nicht  spart.  Graf  Alexander  ging  in  den  Spuren 
Lenaus,  und  seine  Vorliebe  für  das  unerschrockene  Lebensgefühl  des  Mittelalters  hat 
sich  an  romantischen  Vorbildern  gestärkt.  Anlass  zur  Erinnerung  bot  der  50.  Todes- 
tag des  Grafen,  und  bei  dieser  Gelegenheit  sei  erwähnt,  dass  die  Firma  Reclam  eine 
Gesamtausgabe  seiner  Schriften  schon  früher  besorgt  hat  (Uß.  N.  1481/3). J1)  —  Als  vor 
Jahr  und  Tag  das  Urbild  der  „schönen  Müllerin",  die  greise  Hedwig  von  Olfers, 
starb,  und  ihre  nachgelassenen  Poesien  an  das  Licht  kamen  (JBL.  1893  IV  2b:  22)  da 
stieg  auch  die  reizende  und  liebe  Erscheinung  Wilhelm  Müllers  wieder  besonders 
lebhaft  im  Andenken  der  Zeitgenossen  herauf.  Zu  seinem  hundertjährigen  Geburts- 
tag nun  hat  Curt  Müller12)  eine  populäre  Gesamtausgabe  der  Gedichte  und  Epi- 
gramme hergestellt,  deren  Anordnung  und  Textgestaltung  pietätvoll  auf  die  ersten, 
von  Müller  selbst  besorgten  Editionen  sich  gründet;  u.  a.  sind  die  Gedichte  aus  den 
hinterlassenen  Papieren  eines  reisenden  Waldhornisten  so  wiederholt  worden,  wie 
der  Dichter  sie  gab.  Biographie  und  Charakteristik  aber  lassen  einiges  zu  wünschen 
übrig.  —  Nicht  viel  besser  gedieh  freilich  die  Mehrzahl  der  Gelegenheitsartikel13), 
die  dem  volksmässigen  Lyriker  gewidmet  sind;  mit  aller  Oberflächlichkeit  wird 
Schwab  benutzt:  Worte,  die  das  Wesen  des  Mannes  berühren,  findet  eigentlich 
nur  WTelti14)  in  einem  graziösen  Artikel  —  und  Grazie,  Frische,  Lieblichkeit  ent- 
sprechen Müllers  Natur.  Auf  den  Flügeln  freundlicher  Musik  wird  sein  Nachruhm 
durch  die  Welt,  in  die  Zukunft  getragen.  Er  war  kein  grosser,  aber  ein  echter  Poet, 
der  am  farbigen  Abglanz  das  Leben  erkannte  und  festhielt;  in  der  Romantik  war  er 
vielleicht  die  gesundeste  Erscheinung,  das  Bild  blühender,  goldener  Jugendkraft. 
Die  naive  Ausdrucksweise  des  deutschen  Volksliedes  ward  ihm  zur  natürlichen 
Sprache;  es  reinigte  und  vereinfachte  seine  Empfindung.  Die  „Müllerlieder"  seiner 
ersten  und  die  „Griechenlieder"  seiner  letzten  Epoche  nehmen  die  echte  Kunst 
in  ihre  Mitte:  Spiel  und  Masken  dort  und  gereimter  Gedankenschwung  hier. 
Tiefe  und  Inbrunst  des  Gefühls  war  Müllers  Sache  nicht;  Gott  und  Liebesleiden- 
schaft blieben  aus  seinem  dichterischen  Anschauungskreise  gebannt.  Doch  Welt- 
freudigkeit strömte  aus  seiner  lebendigen  Phantasie.  —  Sehr  ansprechend  schildert 
Heilborn15)  das  Jünglinghafte  im  Dasein  und  Dichten  Müllers,  während  Geiger16) 
über  dem  Dichter  auch  den  Gelehrten  Müller  nicht  vergisst.  —  Ein  Anonymus17) 
hört  aus  den  Freiheit  heischenden  Melodien  der  „Griechenlieder"  den  Grundton  des 
geistigen  Kampfes  gegen  die  damals  in  Deutschland  herrschende  Reaktion;  auf  diese 
Weise  gilt  ihm  Müller  als  ein  Vorläufer  der  politischen  Lyriker,  die  die  nächsten  Jahr- 
zehnte hervorbringen.  —  Luise  und  Wilhelm  Hensels  Schwester  Wilhelmine  starb 
am  2.  Dec.  1893,  zweiundneunzig  Jahr  alt,  vergessen  und  verschollen  in  Berlin; 
an  die  litterarischen  Beziehungen  ihrer  Jugend,  an  ihre  schlichten  Poesien  erinnert 
Emma  Rex18);  ihre  Kreise  waren  die  Kreise  Wilhelm  Müllers.  —  Einen  Schwaben, 
Karl  Schmidlin,  der  in  der  grossen  Zeit  mit. Grund  übersehen  wurde,  zieht  Weller19) 
aus  der  Dunkelheit  hervor.  Allein  sein  Enthusiasmus  für  Schmidleins  litterarische 
Leistungen  überzeugt  nicht.  Als  Mensch  war  der  Wangener  Pfarrer  gewiss  sehr 
liebenswert;  seine  Lyrik  ist  herkömmlich.  1844  schrieb  er  ein  „Weberlied",  das 
Hilfe  heischt  für  die  Not  der  Armen  und  über  Württembergs  Grenzen  hinaus  bekannt 
geworden  ist.  —  Einen  jüngeren  Bauernpoeten,  der  aber  nichts  weniger  als  ein 
Naturdichter  ist,  schildert  Krauss 19a):  Christian  Wagner  aus  Warmbronn  (geb.  am 
5.  Aug.  1835;  seine  erste  Sammlung-  erschien  verhältnismässig  spät,  1885).  Das 
bischen  naive  dichterische  Empfindung  scheint  eine  unglückliche  Halbbildung'  in  Wagner 
verschüttet  zu  haben;  seine  Specialität,  die  „Blumengedichte"  —  entstanden  aus  dem 
intensiver!  Verkehr  mit  der  freien  Gottesnatur  — ,  nimmt  sich  noch  am  erfreulichsten  aus: 
Die  Genesis  der  Blumengattungen,  der  bescheidenen  wie  der  stolzen,  wird  nicht 
ohne  Phantasie  und  Schwung  des  Ausdrucks  geschildert.20)  — 

BLU.  S.  145/8.  —  9)  E.  Mörikes  Pfarrhaus:  Pfarrhaus  10,  S.  93/4.  —  10)  E.  Krauss,  Graf  Alexander  v.  Württemberg:  BLU. 
S.  417-20.  —  11)  X  Th.  Kerner,  Alexander  Graf  V.Württemberg:  ÜL&M.  71,  S.  119.  -  12)  Curt  Müller,  Wilh.  Müller,  Ge- 
dichte. Mit  biogr.  Einl.  u.  Vorw.  (=  ÜB.  N.  8261/4.)  L.,Eeclam.  352  S.  M.  0,80.  —  13) X  I*  Fränkel:  LZg"  N.  120;  A.  Kohut: 
N&S.  76,  S.  235-50;  E.  Opitz:  BLÜ.  S.  625/8;  ÜL4M.  72,  S.  1054/5;  NorddAZg.  N.  470;  SchwäbKron».  N.  234;  SohlesZg.  N.  702; 
BerlBörsCour.  N.  470;  E.  Plöhn:  DDichterheim.  14,8.499-501;  F.  Wernicke:  Didask.  N.  235.  —14)  II.  Welti,  Wilh.  Müller: 
VossZgß.  N.  40.  —  15)  E.  Heilborn,  Wilh.  Müller:  ML.  63,  S.  1249-51.  —  16)  L.  Geiger,  Wilh.  Müller:  FZg.  N.  278.  —  17) 
s.,  /.Erinnerung  an  Wilh.  Müller:  WeserZg.  N.  17  225/6.  —  18)  Emma  Eex,  Wilhelmine  Hensel:  Quellwasser  18,  S.  345/6.  — 
19)  K.  Weller,  D.  Dichter  K.  Schmidlin:  BBSW.  S.  170/9.   -  19a)  E.  Krauss,  Chrn.  Wagner:  AZg».  1893,  N.  171.  -  20)  X 


J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart.    IV  2b  :  21-23 

Charlotte  Stieglitz  und  ihr  selbstgewähltes  Schicksal  lässt  die  Geschichts- 
schreiber und  Literarhistoriker  nicht  zur  Ruhe  gelangen.  Gegen  Treitschke,  der 
Charlottes  Selbstmord  nicht  aus  dem  Altruismus,  sondern  aus  dem  Egoismus  zu  er- 
klären versucht  hatte,  führt  Geiger21)  neues  Material  ins  Feld:  einen  göttlich  groben 
Brief  Theodor  Mundts,  der  den  eiteln  und  empfindlichen  Charakter  des  Heinrich 
Stieglitz  ohne  jede  Rücksicht  blossstellt.  Es  handelte  sich  um  die  Herausgabe  der 
sittlich -psychologischen  Erläuterungs-  und  Rechtfertigungsschrift  „Charlotte  Stieglitz. 
Ein  Denkmal",  die  allein  „ein  freies  Werk"  der  „Pietät"  Mundts  war.  Der  Vf., 
im  Besitze  eines  ausgiebigen,  von  Stieglitz  hergeliehenen  hs.  Materiales,  hatte  Char- 
lottes Gatten  die  erste  Hälfte  des  fertigen  Ms.  zur  An-  und  Durchsicht  übermittelt. 
In  diesem  Ms.  nun  hatte  Stieglitz  durch  Streichen,  Auskratzen,  Aendern,  Nuancieren 
in  einer  Weise  gewütet,  dass  Mundt  alle  seine  Absichten,  die  auf  die  Feststellung  der 
reinen  Wahrheit  zielten,  über  den  Haufen  geworfen  sah.  Stieglitz  fühlte  sehr  wohl, 
dass  er  in  der  Schrift  keine  beneidenswerte  Rolle  spiele,  als  der  Schwächling, 
der  durch  eine  ungeheure  Opferthat  zu  einem  „neuen  Menschen"  umgeschaffen  werden 
soll.  Auf  diesen  neuen  Menschen  in  Stieglitz  eben  hatte  Mundt  gerechnet,  dessen 
Seele  von  der  grossen  und  schönen  Aufgabe  ganz  erfüllt  war.  Er  hatte  sich  inso- 
fern arg'  getäuscht,  als  Stieglitz  sein  eigenes  Bild  stark  idealisiert  wünschte  vor  der 
Oeffentlichkeit,  während  Mundt  sagte:  Die  Oeffentlichkeit  verlangt  ehrliche  Aufschlüsse. 
Vor  allem  war  es  Stieglitz  unlieb,  dass  auf  sein  und  Charlottens  Geschlechtsleben 
helle  Lichter  fielen.  Aber  die  Erörterung  gerade  dieses  Punktes  hielt  Mundt  für  un- 
erlässlich,  mit  Fug.  Der  Brief  bestätigt,  dass  Stieglitz  kein  ganzer  Mann  war,  und 
verstärkt  ein  sehr  wichtiges  Motiv.  Mundt  setzte  seinen  Wülen  durch.  G.  hat  gewiss 
ein  bedeutendes  Zeugnis  zur  Entstehungsgeschichte  des  Mundtschen  „Denkmals" 
herbeigeschafft;  warum  aber  gerade  dieser  Brief  die  absolute  „Wahrheit"  über 
Charlotte  Stieglitz  enthalten  soll,  das  ist  nicht  recht  zu  begreifen.  Die  seelischen 
Motive  so  ungeheurer  Thaten  bewegen  sich  nicht  in  Einer  Richtung  nur.  Aus  ganz 
heterogenen  Gefühlen  mischt  sich  oft  der  Entschluss:  Die  Gründe,  in  ihrer  Viel- 
seitigkeit, werden  zu  ahnen,  allenfalls  zu  deuten,  nicht  aber  zu  stabilieren  sein  wie  ein 
Felsen  von  Erz.  Warum  sollte  Charlotte  das,  was  sie  für  Stieglitz  gethan,  nicht 
zugleich  für  sich  selbst  haben  thun  können?  Neben  der  Opfergesinnung,  der  Liebe 
zu  ihrem  Gatten,  könnten  es  recht  wohl  auch  der  Kleinmut,  die  bittere  Entdeckung,  sie 
sei  in  dieser  Ehe  die  Enttäuschte,  gewesen  sein,  die  den  Entschluss  in  ihr  förderten, 
zum  Dolche  zu  greifen.  Vielleicht  enthalten  die  Anschauungen  Treitschkes  und 
Mundts  doch  nicht  so  unvereinbare  Gegensätze,  wie  man  bisher  angenommen  hat. 
Der  Brief  von  Regis  über  Stieglitz  (JBL.  1893  IV2b:30)  rückt  in  eine  neue  Beleuchtung: 
Er  enthielt  u.  a.  die  unglaublichsten  Invektiven  gegen  Mundt.  Kein  Zweifel,  dass  Stieg- 
litz selbst  diese  Abneigung  dem  Kindergemüte  des  ^Regis  eingeimpft  hat.  — 

Mitteilungen  aus  einem  Briefwechsel  Michael  Beers  und  Eduard  von 
Schenks  (JBL.  1893  IV  2b:  32)  setzt  Manz22)  fort.  Sie  betreffen  zumeist  Beers 
dramatische  Arbeiten  und  Verkehr  mit  der  Bühne  (s.  JBL.  1895  IV  4).  Die  Lyrik 
streift  nur  die  Erwähnung  eines  „Gedichts  auf  das  Riesengebirge"  (Werke  S.  387  ff.) 
und  Beers  Stellung  zu  Platen.  Sie  finden  sich  bei  Schelling,  und  der  „unnahbare" 
Platen  erschliesst  sich  ihm  in  einer  Kontroverse  über  Poesie  und  Politik.  Platen  fährt 
mit  Beer  nach  Haus  und  liest  ihm  seine  Polenlieder  in  bester  Stimmung  vor.  „Ich  sehe 
dich  lächeln",  so  schreibt  Beer  weiter  an  den  reaktionär  gesinnten  Freund,  „denn 
du  glaubst  an  die  Milde  des  moskowitischen  Philipps  und  an  die  Milde  seines  Alba 
in  Warschau.  Der  ungläubige  Platen  aber  lässt  in  seinen  Elegien  einem  herzzer- 
reissenden  Jammer  über  das  Schicksal  des  armen  geknechteten  Volkes  freien  Lauf, 
dem  nur  zwischen  der  russischen  Peitsche  zu  Hause  oder  dem  hilflosen  Elend  der 
Fremde  die  Wahl  bleibt"  (München,  4.  Febr.  1833).  — 

Dem  Centennarium  Platen s  voraus  eilt  eine  sehr  umfangreiche  Studie 
des  Grenobler  Litteraturprofessors  Besson23),  der  so  eifrig-  bemüht  ist,  seinen 
Landsleuten  die  deutsche  Dichtung  näher  zu  führen.  In  seiner  Arbeit  über 
Platen  wagt  er  den  Wettstreit  mit  deutscher  Forschung;  ja  er  fühlt  sich  den 
deutschen  Forschern  gegenüber  in  der  Rolle  eines  „Retters":  Er  fordert  voll  aner- 
kennende Gerechtigkeit  für  Platen,  der  in  seinem  Vaterlande  noch  immer  zu  den  ver- 
schmähten Grössen  gehöre.  Er  ist  stolz  darauf,  die  grösste  und  am  weitesten  aus- 
greifende Studie  über  den  Dichter  geschrieben  zu  haben.  Dabei  verzichtet  er  auf 
alles  gelehrte  Beiwerk,  und  er  beherrscht  doch  als  Forscher  die  ansehnlichsten  Stoff- 
massen: Die  tiefer  gehenden  Exkurse  in  die  romantische  Dichtung,  in  die  Geschichte 
des  Sonetts,  in  das  Verhältnis  deutscher  Poesie  zur  morgenländischen  bezeugen  es 
reichlich.     Es  war  sein  Ziel,   vor  allem  ein  lesbares  Buch  zu  schreiben.     Man  folgt 


A.  Sauer,  R.  Krauss,  Fr.  Notters  Gedichte  (JBL.  1894  IV  2b:  17):  DLZ.  S.  790,1.  (Lobt  d.  geschickte  Anordnung;  betont  im 
übrigen  mit  Recht  Notters  starke  Abhängigkeit  v.  d.  grösseren  Schwaben.)  —  21)  L.  Geiger,  D.  Wahrheit  über  Charlotte 
Stieglitz:  Geg.  46,  S.  151/2.  —   22)  G.  Manz,  Mich.  Beer  u.  Ed.  v.  Schenlc:  N*S.  76,  S.  42-54.  —  23)  P.  Besson,  Platen.     Et, 


IV  2b  :  24-26     J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart. 

seinen  Versuchen,  Platens  widerspruchsvolle  Persönlichkeit  zu  erklären  und  den  innersten 
Menschen  hervorzukehren,  seiner  psychologischen  Methode,  nicht  bloss  aus  den  Dich- 
tungen die  Natur  des  Individuums  abzuleiten,  auch  in  die  Interpretation  der  Dichtung-en 
die  Natur  des  Individuums  gleichsam  hineinzuschreiben,  seinen  geschmackvollen  Ana- 
lysen der  Werke  überhaupt  mit  gespannter  Teilnahme.  Rein  sachlich  mag*  das  meiste 
bekannt  sein,  was  er  giebt;  wie  er  es  giebt,  das  aber  ist  neu.  Aus  seiner  frischen  Be- 
geisterung für  Platen  springt  ein  leichtes  Feuer  auf  den  Leser  über,  mag  er  sonst  sie  teilen 
oder  nicht.  Der  Stoff  ist  auf  sieben  Kapitel  verteilt:  Leben  und  Charakter;  die  Jugend- 
werke; die  Ghaseln;  die  Sonette;  die  Oden  und  die  Polenlieder;  die  Eklogen,  Idyllen, 
Hymnen,  Epigramme  und  das  komische  Epos;  das  Theater.  Im  einzelnen  wäre  hervor- 
zuheben das,  was  B.  über  den  Wandel  in  Platens  religiösen  Anschauungen,  über 
seinen  Patriotismus  und  Napoleonhass,  über  seine  Freiheitsideen,  über  seine  Abneigung 
gegen  die  Menge,  über  seine  anziehende  und  abstossende  Liebesempfindung',  vor  allem 
aber  über  sein  latent-melancholisches  Naturgefühl  sagt.  Im  Resume  stellt  sich  B.s  Auf- 
fassung so:  Die  Einheit  in  Platens  Existenz  macht  der  wachsende  Hass  gegen 
das  Vulgäre,  die  immer  exklusiver  sich  gestaltende  Vorliebe  für  die  feinsten  rein 
litterarischen  Qualitäten  aus.  Er  beginnt  mit  Volksliedartigem  und  schwelgt  im  Patriotis- 
mus. Dann  mischen  sich  in  den  ursprünglichen  Ton  die  Accente  der  romantischen 
Ironie.  Der  Poet  wird  ihm  ein  aussergewöhnliches  Wesen,  geschieden  von  der  Masse 
der  Sterblichen.  So  wird  er  ein  Schüler  der  Romantik:  Eingeborner  Stolz,  ge- 
steigertes Selbstgefühl  befestigen  in  ihm  diese  Theorie  der  systematischen  Verachtung. 
Er  trennt  sich  aber  an  der  Stelle  von  den  Romantikern,  wo  ihre  taumelnde  Anbetung 
der  Einbildungskraft,  der  Inspiration  und  ihre  Verneinung  der  litterarischen  Form 
beginnen.  Das  hohe  Künstlertum  der  Alten  geht  ihm  auf.  Aus  der  leitenden  Idee: 
„Die  Kunst  soll  nicht  die  Dienerin  der  Menge  sein"  entsteht  ihm  die  schwelgerische 
Liebe  für  das  Schöne  und  Erhabene,  der  Abscheu  gegen  das  Mittelmässige,  Hässliche, 
Halbe.  So  wird  Platen,  der  Freiheit  liebende  Aristokrat,  ein  Schüler  der  Alten.  So 
flieht  er  Deutschland,  so  wird  Italien  das  Land  seiner  Sehnsucht.  Bei  den  Alten 
findet  er  sein  Ideal  einer  absoluten  Schönheit  verwirklicht.  Der  pindarische  Hymnus 
erscheint  ihm  als  der  Gipfel  aller  dichterischen  Kunst.  Es  ersteht  der  vielseitige 
Meister  der  Form,  als  den  man  ihn  anstaunen  muss.  So  stellt  sich  in  ihm  die  ge- 
sunde Reaktion  gegen  die  germanische  Formverachtung-  und  Formv^'nachlässig-ung' 
dar.  Die  deutsche  Sprache  wird  seiner  Kunst  das  geschmeidigste  Instrument.  Seinem 
flüssigen  und  klaren  Ausdruck  haftet  keine  Spur  des  Zwanges  an.  B.  lässt  deutlich 
genug  erkennen,  warum  Platen  gerade  einem  französischen  Naturell  wert  und  teuer 
werden  musste.  —  Platens  Nachlass  hat  in  München  Düsel24)  auf  ung'edruckte 
Poesien  hin  durchgesehen.  Er  hat  eine  Reihe  Distichen  aufgefunden,  unter  denen 
ein  geistvolles  Epigramm  auf  Napoleon,  sowie  ein  Zeugnis  von  seinem  Goethekultus 
bemerkenswert  sind;  ferner  sind  vorhanden  eine  reizende  Huldigung  für  Rückert  in 
Sonettenform  und  recht  seichte  Reflexionsreimereien  auf  ein  vergangenes  Jugend- 
ideal.    Die    Kleinigkeiten  stammen  aus  der  Zeit  von  1818  bis  24.25)  — 

Uebrigens  mehren  sich  die  Dokumente,  dass  Platen  in  seiner  italienischen 
Zeit  doch  nicht  so  ganz  unnahbar  und  menschenfeindlich  gewesen  sei,  wie  man  an- 
zunehmen geneigt  ist.  In  dem  Briefwechsel  des  Maler-Poeten  August  Kopisch, 
der  Jessen26)  vorgelegen  hat,  finden  sich  dafür  neue  Belege.  Aus  der  Korrespon- 
denz Platens  mit  dem  Grafen  Friedrich  Fugger  war  manches  darüber  bekannt,  aber 
jetzt  erst  erfährt  man  aus  Kopischs  Briefen  (Platens  Schreiben  sind  noch  nicht  gedruckt), 
wie  ehrlich,  tief,  rückhaltlos  und  fruchtbar  diese  Freundschaft  gewesen  ist,  die  zwar  nur  ein 
persönliches  Zusammenleben  von  drei  Monaten  aufweist,  in  geistigem  Sinne  aber  ein  Leben 
überdauerte.  Die  Briefe  befinden  sich  im  Besitze  der  Romanschriftstellerin  Clarissa 
Lohde,  der  Witwe  Karl  Boettichers,  der  diese  Dokumente  bei  der  Herausgabe  des 
Kopischwerkes  wegen  ihres  allzu  persönlichen  Inhaltes  unbenutzt  gelassen  hatte. 
Die  italienischen  Wanderbriefe  des  Künstlers  an  die  Mutter  in  Breslau  sind  frisch 
und  schwungreich,  wenngleich  nicht  ohne  eine  naive  Eitelkeit  geschrieben,  die  beson- 
ders seine  ersten  Erfolge  bei  dem  kunstbegeisterten  Kronprinzen  Friedrich  Wilhelm 
anstacheln.  Auf  seine  vielseitigen  dichterischen  Pläne,  auf  seine  Improvisationsgabe, 
auf  seine  malerischen  Leistungen  werfen  die  an  Platen  gerichteten  Briefe  allerlei 
interessante  Lichter;  er  kennt  die  Grenzen  seiner  Kunst  oder  Künste;  er  ehrt  in 
Platen  die  überragende  Natur,  aber  lässt  es  sich  auch  nicht  nehmen,  über  Platens  Ab- 
sonderlichkeiten dann  und  wann  ein  ehrliches  Wort  zu  sagen  oder  ehrliche  Aeusserungen 
anderer  Freunde  zu  hinterbringen;  er  macht  ihn  zum  Mitwisser  seiner  Herzensnöte, 
seiner  materiell  oft  schwierigen  Lebenslage,  seiner  körperlichen  Leiden,  seiner  Hoff- 
nungen und  Fehlschläge,  bis  durch  die  Gunst  des  preussischen  Thronfolgers  in  seiner 


biogr.  et  litt.:  AnnFLBordeaux.  S.  188-288.  (Auch  als  Sonderdr.;  vgl.  IV  Id :  6.)  —  24)  [F.  Düsel,]  A.  Graf  v.  Platen,  Gedichte. 
(Ungedr.  Naohl.) :  DDichtung.  15,  S.  8,  89, 163.  —  25)  X  0.  Hellinghaus,  E.  Hellmath,  Beitrr.  z.  lyr.  Technik  Platens  (JBL.  1893 
IV  2b:  38):  Gymn.  12,  8.543.  -  26)  0.  Jessen,  Kopisch  in  Italien:  Bär  20,  S.  394/7,  40S-10,  415  9,  428-30,  439-42,  451/4,  463/5, 


J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart,     IV  2b  :  27-37 

Existenz  die  grosse  glückliche  Wendung  eintritt.  Kopischs  Briefe  sind  von  schöner, 
malerischer  Anschaulichkeit,  seine  Charakteristiken  der  Künstlerwelt,  die  ihn  um- 
giebt,  oft  eindrucksvoll,  zumal  die  Schilderung  seines  fürstlichen  Gönners  von 
treffender  Sachlichkeit.  Hier  und  dort  anekdotischer  Litteratenklatsch:  Raupach  sagt, 
Platens  Verse  seien  Sekundanerarbeit,  worauf  ein  Ironiker  ihm  entgegnet:  „Das  wäre 
ja  prächtig;  da  dürfte  man  sich  ja  nur  an  eine  Schulthür  stellen,  so  könnte  man  die 
Dichter  greifen  bei  den  Füssen  wie  die  Hammel".  Ferner  schöne  Gedanken  über 
Lyrik,  eingehende  Verbesserungsvorschläge  zur  Odentechnik,  endlich  ein  vollständiger 
Entwurf  zu  einer  Komödie  in  aristophanischer  Form.  — 

Aeltere  Erscheinungen  über  Friedr.  Rückert  fanden  Besprechungen27).  — 
Seine  schwierige  Arbeit,  aus  Rückerts  Nachlass  die  Uebertragungen  aus  dem  Persischen 
zu  heben  und  sie  in  der  Anordnung  der  Originale  zu  bieten,  setzt  Bayer28"30)  un- 
ermüdlich fort;  ihm  ist  streckenweise  auch  eine  kaum  zu  bewältigende  Entzifferungs- 
thätigkeit  zugefallen.  Im  Berichtsjahre  legt  er  zwei  Publikationen  vor:  Die  politischen 
Gedichte  Saadis  und  die  umfangreiche  Fortsetzung  von  Firdosis  Königsbuch  (Schah- 
nahme:  Sage  XV— XIX;  vgl.  JBL.  1890  IV  2:117;  3 :  83\  Bei  der  Beurteilung 
dieser  wertvollen  Nachbildungen  —  die  freier  sind  bei  Saadi  als  bei  Firdosi  —  wird 
das  letzte  Wort  allemal  der  Orientalist  haben.  Aber  der  Literarhistoriker  wird  gern 
feststellen,  dass  im  sprachlichen  und  dichterischen  Ausdruck  hier  von  Rückert  Vieles 
und  Gutes  geleistet  worden  sei;  dass  unsere  Dichtung,  zumal  ihr  germanischer  Teil, 
durch  den  Aufschluss  eines  neuen  Gebietes  orientalischer  Poesie,  nicht  unwesentliche 
Bereicherung  erfahren  hat;  dass  insbesondere  in  der  Firdosi- Verdeutschung  Schack 
in  der  äusserlichen  Geschmeidigkeit  der  Form  Rückert  zwar  übertrifft,  Rückert  aber  in 
der  Sprache  weit  persönlicher,  innerlich  kräftiger  als  Schack  ist.  Einen  Teil  semer  Ueber- 
tragung  hatte  Rückert  direkt  in  ein  Exemplar  von  Schacks  Werk  eingetragen,  das  B.  auf 
diese  Weise  als  Quelle  dienen  musste.  Das  Rückertsche  Ms.  der  14.  Sage  ist  übrigens 
verloren  gegangen.  Von  Saadis  politischen  Gedichten,  die  nun  dem  „Diwan"  (JBL. 
1893  IV  2b:  44)  gesondert  folgen,  kommt  der  erste,  allgemeine  Weisheiten  enthaltende 
Teil  unserem  Geschmacke  noch  am  nächsten.  In  der  gelehrten  Einleitung  setzt  B. 
sehr  hübsch  die  Geistes-  und  Gefühlsverwandtschaft  des  alten  Saadi  und  Rückerts 
auseinander;  beide  neigen  dem  Lehrhaften  zu  und  pflegen  mit  innerer  Be- 
friedigung die  didaktisch -moralische  Poesie.  Am  anderen  Ende  ihres  dichterischen 
Interesses  steht  die  Liebe.  Die  Geschichte  der  deutschen  Saadi -Uebersetzungen,  von 
Ochsenbach  bis  Rückert,  fasst  B.  knapp  zusammen.  Das  Ms.  stammt  wahrscheinlich 
aus  den  40er  Jahren;  B.s  ausführliche  Anmerkungen,  die  die  historischen  Verhält- 
nisse und  Personen  in  Saadis  Epoche  zu  erläutern  suchen,  beruhen  teilweise  auf 
Rückerts  Vorarbeiten.  —  Aus  Saadis  „Gulistän",  einem  gleich  dem  Koran  weitver- 
breiteten Volksbuche,  in  dem  sich  Anekdoten,  Geschichtsdarstellungen,  Erzählungen 
mit  klugen  Sprüchen  und  witzigen  Exempeln  mischen,  hat  Rückert  —  ebenfalls  während 
der  40er  Jahre  —  die  Verse  herausgezogen  und  übersetzt;  Bayer31)  hob  sie  aus  dem 
hs.  Schatze  und  drückt  auch  die  zugehörigen  sachlichen  Erläuterungen  Rückerts  ab.  — 

Neben  Rückert,  populärer  als  er,  doch  in  seinem  Schatten,  steht  Friedr.  von 
Bodenstedt32).  Es  erschienen  neue,  an  „Editlam"  gerichtete  Briefe33-34)  aus  seinem 
Nachlass,  die  litterarisch  recht  belanglos  sind  und  menschlich  den  Schreiber  als  eitlen, 
auf  Huldigungen  und  Auszeichnungen  erpichten  Mann  zeigten.  Sie  sind  während 
der  englischen  Reise  geschrieben,  die  Bodenstedt  Frühjahr  und  Sommer  1859 
zum  Zwecke  seiner  Shakespearestudien  unternahm.  Er  schildert  das  Zigeunerwesen 
und  den  lebhaften  Haushalt  Alex.  Herzens  sehr  nett.  Ueber  Freiligrath:  Er  „macht 
den  Eindruck  eines  grundehrlichen,  anspruchslosen  und  vortrefflichen  Menschen, 
dessen  revolutionäre  Üeberschwenglichkeiten  gar  nicht  in  Einklang  zu  bringen  sind 
mit  seinem  übrigen  Wesen".  Ein  schwacher  Menschenkenner,  hält  Bodenstedt  Freilig- 
raths  Frau  für  „die  Hauptquelle  seiner  revolutionären  Einflüsse".  —  Wiesbaden  hat 
sein  Bodenstedtdenkmal35-36)  erhalten,  eine  Bronzebüste,  von  Berwald  nach  Photo- 
graphien und  einer  Totenmaske  herkömmlich  modelliert.  — 

Annette  von  Droste-Hülshoffs  Briefwechsel37)  mit  Levin  Schücking 
(JBL.  1893  IV  2b  :  81;  s.  u.  IV 3: 472)  ist  von  der  Kritik  im  wesentlichen  freudig  begrüsst 


475  7,487-90.  —  27)  X  0.  Hellinghaus,  F.  Reuter,  D.  Erlanger  Freunde  F.  Rückert  u.  J.Kopp.  —  O.Arndt.  F.  Rückert.  — 

E.  Herford,  F.  Rückert  u.  seine  Bedeut.  als  Jugenddichter  (JBL.  1393  IV  2b  :  39-41):  Gymn.  12,  S.  543/4.  —  28)  E.  A.  B  a y  e r ,  Firdosis 
Königsbuch  (Schahname)  übers,  v.  F.  Rückert.  Aus  d.  Nachl.  her.  IL  Sage  XV-XIX.  B.,  G.  Reimer.  X,  590  S.  M.  8,00.  —  29) 
id.,  Aus  Saadis  Diwan  (JBL.  1893  IV  2b  :  44).  |[0.  Mann:  DLZ.  S.  16068:  Grenzb.  I,  S.  110/2.]|  —  30)  id.,  Saadis 
polit.  Gedichte  übers,  v.  F.  Rückert.  Auf  Grund  d.  Nachl.  her.  u.  mit  ausführl.  Einl.  über  Saadis  Leben  u.  Werke  vers. 
B.,  Mayer  &  Müller.  V,  178  S.  M.  3,60.  |rP.  H  — n:  LCB1.  S.  560;  O.  Harnack:  PrJbb.  76.  S.  543  4]  |  —  31)  id.,  F.  Rückert, 
Verse  aus  d.  Gulistän:    ZVLR.  7,  S.  67-85.    —    32)  X  Des  memoire»:  Bodenstedt:  BURS.  62,  S.  180/7.  —   33)  X  G-  Schenck, 

F.  v.  Bodenstedt.  E.  Dichterleben  (JBL.  1893  IVlc:88;  2a:70).  |[K.  Jentsch:  FZg.  N.  9;  LCB1.  S.  602;  KonsMschr.  S.  663; 
R.George:  Bär  20,  S.  279.]|  —  34)  Brief  F.  Bodenstedts,  an  seine  Gattin  gerichtet:  WIDM.  75,  S.  115-37.  —  35)  X  K.  S  t  e  1 1  e  r, 

D.  Bodenstedtdenkm.  in  Wiesbaden:  ÜL&M.  72,  S.  594.  —  36)  X  D-  Bodenstedtdenkm.  in  Wiesbaden:  IllZg.  102,  S.  472.  —  37)  X 

E.  Heilborn:  Nation».  11,  S.  167/9;  W.  Kreiten:  StML.  47,  S.  66-86,  190-210;  F.  Jostes:  LRs.  20,  S.  193/5;  Betty  Paoli: 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (4)16  C 


IV  2b  :  38-46     J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart. 

worden  nnd  hat  auch  zu  feinsinnigen  Charakteristiken  gedient.  Wer  Kreitens  Art  kennt, 
an  dem  sittlichen  und  religiösen  Verhalten  der  Droste  parteiisch  herumzumäkeln,  der  wird 
sich  nicht  darüber  wundern,  wie  er  hier  die  sogenannten  Interessen  der  Familie  vertritt, 
einer  Familie,  die  ihren  grossen  Spross  nie  verstanden  hat  oder  nie  verstehen  wollte. 
K.  erhebt  rührende  Klagen  über  die  Ehrlichkeit  Theo  Schückings,  der  Gefühle  nicht 
geschont  und  die  Briefe  ohne  Retouche  so  veröffentlicht  habe,  wTie  sie  vorlagen. 
Der  Entstellungen  hat  man  endlich  genug:  Das  wahre  Bild  der  Dichterin  zu  verlangen, 
dazu  hat  das  deutsche  Volk  ein  Recht.  In  der  langen,  ledernen  Analyse  K.s  bekommt 
Levin  Schücking  Fusstritte,  wo  es  nur  irgend  angeht.  —  Von  Budde38)  sind  zwei 
Aufsätze  nachzutragen,  die  einerseits  eine  Reihe  sehr  geistreicher  und  gewiss  auch 
grösstenteils  zutreffender  Konjekturen  zum  „Geistlichen  Jahr"  enthalten,  andererseits 
Anregungen  zur  Untersuchung  der  erstaunlich  mannigfaltigen  Strophenformen  bieten.  — 

Der  Kronenwirt  zu  Assmanshausen,  Jos.  Hufnagl,  hat  Ferdinand  Freilig- 
rath,  der  in  dem  berühmten  Gasthofe  1844  sein  Glaubensbekenntnis  vollendete,  ein 
Denkmal  gestiftet,  an  dessen  Enthüllungstage  allerlei  Reminiscenzen39-41)  wachgerufen 
wurden.  Emil  Rittershaus  41it~41b)  beschrieb  in  seiner  Festrede,  wie  der  Geist  des 
Rheines  in  dem  Dichter  das  entschiedene  Freiheitsgefühl  entbunden  hat;  Karl  Stelter 
würdigte  den  populären  Deutschen  in  Freiligrath.  —  Ein  Wiesbadener  Rentner,  Wilh. 
Aufermann,  hat  Fischbach42)  erzählt,  das  Lied:  „0  lieb,  so  lang  du  lieben  kannst" 
sei  1841  im  „Bentheimer  Hof"  zu  Limburg  an  der  Lenne  (Westfalen)  als  eine  Art 
Versöhnungsgabe  für  Ludw.  Eibers  aus  Barmen  entstanden,  den  Freiligrath  in  der 
Weinlaune  durch  ein  rasch  hingeworfenes  Wort  beleidigt  hatte.  —  Auch  Freiligrath 
kannte  die  Autographen  plage43).  — 

Ein  Anonymus44)  sucht  Georg  Herwegh  von  dem  Vorwurf  der  persön- 
lichen Feigheit  zu  entlasten,  der  ihm  als  militärischem  Führer  der  deutschen  Legion 
angehängt  worden.  Er  macht  es  in  der  That  glaubhaft,  dass  Herwegh,  der  zunächst 
immer  nur  als  politischer  Geist  der  Unternehmung  gewirkt,  nur  durch  die  traurige 
Macht  der  Umstände  in  eine  soldatische  Stellung  gedrängt  worden  und  auch  hier 
sich  nicht  so  benommen  habe,  wie  der  Spott  ihm  nachsagt.  Er  entzog  sich  mit 
seiner  tapferen  Frau  bei  Dossenbach  solange  der  persönlichen  Rettung,  als  es  anging, 
und  ergriff  erst  die  Flucht  nach  Rheinfelden,  als  er  versprengt  worden,  —  und  zwar 
unter  grausamen  Gefahren,  nicht  „verborgen  unter  dem  Spritzleder  einer  Kalesche", 
wie  es  höhnisch  hiess,  jeden  Augenblick  gewärtig  von  den  Württembergern  ergriffen 
und  füsiliert  zu  werden.  Seine  endliche  Errettung  war  so  abenteuerlich,  wie  die 
ganze  Expedition  abenteuerlich  war.  Auf  jeden  Fall  hat  es  dem  Ehepaar  nicht  an 
persönlichem  Mute  gefehlt.45)  — 

Die  Gesamtausgabe  der  Werke  Hoffmanns  von  Fallersleben,  die 
Gerstenberg46)  seit  1890  besorgte  (JBL.  1890  IV  2:209;  1892  IV  2:146;  1893 
IV  2  b  :  97),  liegt  mit  den  zwei  Bänden  „Mein  Leben"  nunmehr  fertig  vor  und  kann 
nicht  anders  als  warm  empfohlen  werden  der  Wissenschaft  zur  Benutzung,  den  Freunden 
deutscher  Lyrik  zum  Studium  und  Genüsse.  Das  Bild  dieses  wahrhaft  deutschen, 
aus  einem  warmen  Gefühlsleben  heraus  kindlich  schaffenden,  freien  Sängers  steht 
nun  bis  auf  den  letzten  Zug  vollendet  vor  uns.  Durch  die  reichliche  Beisteuer  der 
Gelegensheitsgedichte  und  Improvisationen,  die  der  sechste  Band  wohlgeordnet  und, 
da  es  sich  zumeist  um  Zeitdokumente  handelt,  auch  zuverlässig  kommentiert  enthält, 
empfängt  man  von  seinem  liebenswürdigen  menschlichen  Charakter  einen  erheblich  ver- 
stärkten Eindruck.  Das  Gelegenheitsgedicht  bekam  durch  Hoffmanns  Trinksprüche  eine 
ganz  neue  persönliche  Form;  ihm  war  es  wie  wenigen  verliehen,  den  Grundton  einer  fest- 
lich erhöhten  Stunde  künstlerisch  weiter  klingen  zu  lassen.  Der  Trieb  nach  Gesellig- 
keit lag  in  seinem  Wesen,  das  sonst  mit  den  Menschen,  zumal  mit  den  offiziellen  Menschen, 
nicht  gerade  sanft  umsprang.  Aber  es  musste  ein  sehr  vertrauter  und  angeregter 
Kreis  sein,  wo  Hoffmann  sich  zum  reimbeschwingten  Worte  meldete.  Von  den 
vier  Epochen,  die  G.  in  der  Gelegenheitsdichtung  feststellt  (Jugend-  und  Mannesjahre 
1820—42;  Wanderjahre  1843—54;  Reifere  Mannesjahre  1854—60;  Alter  [Schloss  Cor- 
vey]  1860 — 74),  ist  darum  die  dritte  auch  die  bei  weitem  fruchtbarste:  die  Weimarer 
Zeit.  Es  hat  ein  dreiteiliges  Ms.  bestanden,  in  das  Hoffmann  für  die  Fürstin  Wittgen- 
stein die  Trinksprüche  jener  Tage  eintrug:  Das  Hausbuch,  die  Reimchronik  der 
Altenburg,  dieser  Künstler  veste  Neu -Weimars.  Nur  ein  Band  davon  war  noch  auf- 
zufinden, aber  aus  anderen  Quellen  stand  G.  so  viel  Material  zur  Verfügung,  dass 
gar   nicht    einmal    alles   aufgearbeitet    werden    konnte.      Ueberhaupt    darf   man    die 


AZgB.  N.  25;  KonsMschr.  S. 663/4;  WIDM.  76,  S.  253.  —  38)  K.  B  u  d  d  e,  Z.  „Geistl.  Jahr«  d.  Annette  v.  Droste-Hülshoff:  AZgB.  1892, 
N.  33/4.  —  39)  X  Zn  Assmannshansen  in  d.  Krön.  (Freiligrath- Erinnerungen):  Sammler*.  K.  61.  —40)  X  Th.  Gesky,  Freiligrath- 
Gedenkfeier:  ÜL*M.72,  S.742.  —  41)  X  id.,  Freiligrathdenltm.  in  Assmannshansen:  ib.  —  41a)X  B.S.,  &  Bittershans:  ib.  71,  S.  512.  — 
41b)  X  E-  Ritterhaus:  Gartenlaube  S.  220.  (Vgl.  auch  Vom  Fels  z.  Meer  2,  S.  14/5.)  —  42)  F.  Fischbach,  „0  lieb,  so  lang  Dn  lieben 
kannst":  ib.  S. 86.  —  43)  Zwei  ungedr.  Gedichte  Freiligraths  u. Geibels:  BerlTBl.  N.  45.  —  44)  Herwegh  n.  d.  Pariser  dtsoh. Legion : 
NZSt.121,  8.540/4,573/6,606/8,637-40.  —  45)  X  G.A.Frhr.  v.Maltitz.  Z.lOOj.Geburtst.:  VossZg.N.313.  -  46)  (IV  lc:44.)  |[Grenzb.2, 


J.  Elias,  Lyrik :  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart.     IV  2b  :  47-52 

Mässigung  G.s  rühmen,  der  es  in  der  Hand  hatte,  die  vorausbestimmte  Zahl  von  acht 
Bänden  zu  überschreiten,  aber  aus  der  Gesamtausgabe  Hoffmanns  Epigramme  und 
Sprüche,  dialektische  Dichtungen  und  Uebersetzungen  lieber  fallen  Hess,  ehe  er  das  Werk 
überlastete  und  dadurch  schwerer  geniessbar  machte.  Der  Gelehrte  Hoffmann  hielt 
sich  nicht  zu  den  Gelehrten;  er  teilte  seine  Lebensfreuden  weit  lieber  mit  den 
Meistern  der  Dichtung,  Musik,  bildenden  Kunst,  des  Theaters,  die  in  Weimar  an- 
sässig waren  oder  als  Gäste  erschienen.  Er  unterstützte  mit  seinem  ganzen  deutschen 
Enthusiasmus  die  neue  Richtung  der  Musik:  Franz  Liszt  war  sein  Herzensfreund; 
er  begrüsst  Berlioz  mit  feierlichen  Worten  in  des  Meisters  Muttersprache;  Richard 
Wagner  weiss  er  anzusingen,  auch  Anton  Rubinstein  und  Ferd.  Hiller;  er  begrüsst 
die  Interpretenkunst  Hans  von  Bülows;  mit  Rührung  liest  man  heute  die  kecken  Verse, 
mit  denen  er,  der  alte  Kämpe  der  Freiheit,  für  den  beleidigten  Peter  Cornelius  stritt. 
Dann  ziehen  die  starken  Persönlichkeiten  Genellis,  F.  Prellers,  Rietschels  durch 
seine  fröhlichen  Gesänge;  vor  dem  Reformatorengeist  Dingelstedts  hat  er  tiefe  Ach- 
tung, und  Bogumil  Dawisons  stürmisches  Genie  entlockt  ihm  einen  feurigen  Hymnus. 
Er  lässt  die  grossen  Gedenktage  deutscher  Kunst-  und  Geistesgeschichte  nicht  unbe- 
achtet vorübergehen:  für  Dürer  wie  für  Schiller,  für  Luther  wie  für  Goethe,  für  Lessing 
wie  für  Uhland  findet  er  ein  charakteristisches  Wort.  Das  neue  deutsche  Reich  feiert  er  in 
den  grossen  Begründern  Kaiser  Wilhelm  I.  und  Moltke.  Kurz:  Hoffmanns  inneres 
wie  äusseres  Erleben  zieht  sich  wie  eine  glänzende  Spur  durch  diesen  sechsten 
Band:  Er  bildet  die  poetische  Ergänzung  zu  der  abschliessenden  Prosabiographie 
des  siebenten  und  achten  Bandes.  In  seiner  Charakteristik  dieser  Schlussteile  hat 
Franz  Muncker  bereits  angedeutet,  dass  bei  der  Kontaminationsarbeit  G.s  etwas 
Wesentliches  nicht  fortgefallen  ist,  dagegen  das  Nachtragstück  mit  seinen  Funden 
und  Quellennachweisen  wiederum  eine  Vermehrung,  wenn  auch  nicht  innere  Bereiche- 
rung', unserer  Kenntnis  bringe.  Aus  den  Nachträgen  ist  die  Eingabe  des  Hamburger 
Pastors  Hirsche  an  den  Fürsten  Bismarck  bemerkenswert  (28.  Mai  1871),  des  Inhalts, 
der  Fürst  möge  den  greisen  Dichter,  der  allzeit  ein  guter  Patriot  gewesen  sei,  voll- 
ständig rehabilitieren  als  Professor  mit  dem  ganzen  Gehalte.  Seitens  des  Kultus- 
ministers Mühler  wird  zwar  Hoffmanns  „vorwurfsfreie  Haltung"  seit  1848  anerkannt, 
der  Antrag  selbst  aber  mit  Rücksicht  auf  sein  hohes  Alter  abgelehnt.  In  denselben 
Nachträgen  finden  sich  reichliche  Aufschlüsse  über  Hoffmanns  zärtliche  Neigungen, 
seine  Herzenskämpfe  und  Freundschaften  mit  Frauen:  Aus  der  Jugendzeit  tritt  Hen- 
riette von  Schwachenberg  hervor;  dann  Karoline  Gertrud  von  Meusebach  (JBL.  1893 
IV  2b:  99),  Davida  von  Thümen  und  mit  ihr  Hoffmanns  unglückliche  Verlobung, 
Leocadia  von  Nimptsch,  die  dem  Buch  der  Lieder  den  seelischen  Gehalt  gab,  Elvira 
Detroit,  die  so  besonnen  Hoffmanns  Leidenschaftlichkeit  abwehrte,  und  endlich  Johanna 
Kapp,  die  angebetete  Heldin  der  Johannalieder.  Kleinere  Exkurse  über  die  Ge- 
schichte des  Jägerliedes,  über  den  Charakter  von  Turnliederbüchern,  Mitteilungen 
über  bewusste  und  unbewusste  Fälschungen  Hoffmannscher  Lieder,  sowie  über  den 
Wert  der  Anonymität  in  den  politischen  Tendenzdichtungen,  verdanken  dem  rast- 
losen Sammelfleisse  G.s  ihre  Veröffentlichung.47"50)  — 

Die  1877  erschienenen  Vorträge  Carl  Leimbachs  über  Emanuel  Geibel 
hat  Trippenbach51)  zu  einer  populären  Biographie  erweitert.  Ein  „Verehrer"  des 
Dichters,  nicht  ein  kritischer  Kopf  hat  sie  verfasst;  ohne  ein  selbständiges  Urteil, 
nimmt  er  den  Poeten  bedingungslos  hin  und  wagt  auch  nicht  einen  schwachen 
Versuch,  historisch  und  ästhetisch  Geibels  Stellung  in  der  deutschen  Litteratur  zu 
bestimmen.  In  seinem  „Bildhauer  des  Hadrian",  in  einer  gelegentlichenAeusserung(S.325) 
hat  Geibel  selbst  es  viel  ehrlicher  und  präziser  gethan.  Das  Buch  kommt  also  wissen- 
schaftlich gar  nicht  in  Betracht,  es  sei  denn,  dass  der  erschöpfende  bibliographische 
Anhang,  der  sich  auf  eine  fortzusetzende  Geibelsammlung  T.s  stützt,  einem  künftigen 
wirklichen  Biographen  dienen  könnte.  Seinem  Hauptzwecke  aber,  Geibels  Andenken  in 
weiteren  Kreisen  wach  zu  erhalten,  wird  das  Buch  ganz  gut  dienen.  Ein  unbe- 
kannter Brief  an  Holtei  (S.  102),  ein  ungedrucktes,  wahrscheinlich  an  Alma  von  Firks 
gerichtetes  Gedicht  (S.  105)  werden  im  Texte  mitgeteilt.  —  Geibels  Vater,  Johannes,  hat 
durch  seinen  Schwiegersohn,  den  Pfarrer  Lindenberg 52),  auf  nur  44  kleinen 
Seiten  eine  erschöpfende  Würdigung  erfahren.  Mit  feinem  Takte  hat  der  Vf.  immer 
den  Dichter  im  Auge  behalten,  während  er  über  den  Dichtervater  sammelte  und 
schrieb.  Das  Büchlein  bietet  den  Extrakt  aus  einem  starken  hs.  Nachlass,  der  auch 
poetische  Dinge,   15  ungedruckte  geistliche  Lieder  des  Pastors  Geibel  (S.  31/5),  Ge- 

S.  286;  N*S.  70,  S.  273 ;  A.  Schi  ossär:  BLTJ.  S.  429;  P.  Seliger:  NatZg.  N.  263 :  Bär  20,  S.  315.]  —  47)XE  a.  H  ö  b  e  r  ,  Ausd. 
Leben  Hoffmanns  v.  Fallersleben :  LZg,!.  N.  101.  (Nach  N.  46.)  —  48)  X  A  d.  Gründler,  Hoffmann  v.  Fallersleben :  Quellwasser  18, 
S.  119-20.  (Nach  N.  46.)  —  49)  X  &•  Seh.,  Hoffmann  v.  Fallersleben  u.  seine  Beziehungen  zu  Schwaben:  SchwäbKron.  N.  144. 
(E.  knappe  Lokalleistong  auf  Grund  t.  N.  46.)  -  50)  X  Denkm.  Hoffmanns  v.  Fallersleben  auf  Helgoland:  IllZg.  102,  S.  228.  (E. 
Sturm  hätte  fast  d.  Denkmal  vernichtet;  d.  Einwohner  retteten  es  mit  knapper  Not  in  d.  Konversationshaus.)  —  51)  M.  T  r  i  p  p  e  n- 
bach,  C.  Leimbach,  E.  Geibels  Leben,  Werke  u.  Bedeut.  für  d.  dtsoh.  Volk.  2.  Aufl.  sehr  verm.  u.  umgearb.  Wolfenbüttel, 
Zwissler.    VI,  344  S.    Mit  8  Illustr.    M.  5,00.     |[LZgB.  N.  141  J|  —  52)  Lindenberg,  Geibels  Vater  (JBL.  1893  IV  2b  :  105). 

(4)16  C* 


IV  2b:  53-62     J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart. 

burtstagsverse  des  jugendlichen  Sohnes  (S.  36  ff.)  sowie  einen  stattliehen  Briefwechsel 
zwischen  Vater  und  Sohn  (S.  37 — 43)  enthält.  Ein  milder  Diener  Gottes,  ein  geliebter  und 
gesuchter  Seelsorger,  ein  ernster  und  mutiger  Mann  tritt  vor  uns  hin,  dem  in  den 
Hauptzügen  seines  geistigen  und  menschlichen  Charakters  Emanuel  Geibel  völlig  gleicht. 
Man  findet  im  Denken  und  Fühlen  des  Johannes  vorbereitet  des  Sohnes  unmittel- 
baren Gottesglauben,  seinen  starken  nationalen  Sinn,  die  Liebe  für  die  schöne,  runde 
Kunstform.  Johannes  Geibels  ganze  religiöse  und  geistige  Entwicklung  wird  ein- 
gehend und  treffend  auf  die  Einflüsse  F.  H.  Jacobis  zurückgeführt.  Das  Verhältnis 
zwischen  Vater  und  Sohn  war  auf  innere  Ueberein Stimmung  gegründet  und  äusser- 
lich  von  keinem  Schatten  verdunkelt:  Johannes  Geibel  hätte  sein  begabtestes  Kind 
gern  als  Theologen,  gern  in  einem  festen  bürgerlichen  Berufe  gesehen,  aber  er 
liess,  ohne  jeden  Vorwurf,  den  Sohn  die  Wege  gehen,  die  sein  persönlicher  Genius 
ihn  führte.  —  Bärwinkel53)  betrachtet  Geibel  als  den  Verteidiger  von  Thron 
und  Altar.54)  — In  witzigen  Gelegenheitsreimen 54a)  vergleicht  Geibel  den  Rheindampfer 
mit  Pluto,  dem  Gott  der  Hölle,  der  als  Proserpinen  die  schönsten  Ladies  entführt.  — 

In  einem  freundschaftlich -warmen  Nachrufe,  der  wahrscheinlich  Fränkel 
(JBL.  1893  IV  2b:  108)  als  Quelle  gedient  hat,  stellt  Hüff  er55-56)  die  Lebensdaten 
des  bescheidenen,  sanften  Rheinlandpoeten  Alexander  Kaufmann  f geb.  zu 
Bonn  14.  Mai  1817)  fest.  Er  schildert  indessen  mehr  den  Gelehrten  und  Sagen- 
sammler, als  den  Dichter  Kaufmann;  er  traut  ihm  eine  wirkliche  Kulturgeschichte 
des  Mittelalters  zu  und  berichtet  u.  a.  über  die  Existenz  eines  gutgeordneten  Brief- 
wechsels, der  für  die  Zeit-  und  Litteraturgeschichte  unseres  Jh.  eine  Fundgrube  sei, 
und  über  das  Ms.  eines  kulturhistorischen  Wörterbuches.  — 

Von  Kaufmann  auch,  dem  Freunde  Gottfried  Kinkels,  ist  die  Rede 
sowie  von  Geibel,  Simrock  und  Ernst  Ackermann  in  den  Erinnerungen  Johanna 
Kinkels57),  die  das  J.  1849,  für  die  brave  Frau  ein  Schreckensjahr,  betreffen. 
Ihr  Mann  entreisst  sich  ihr,  kämpft  im  badischen  Revolutionsheere,  wird  bei  Durlach 
angeschossen  und  gefangen,  sitzt  in  Karlsruhe  und  später  in  Rastatt  Monate  lang,  ein 
Todesurteil  erwartend,  um  dann  zu  lebenslänglichem  Zuchthaus  verurteilt  zu  werden.  Die 
ganze  furchtbare  Gesetzesprozedur  hat  die  Frau,  immer  in  der  Nähe  ihres  Gatten, 
und  doch  fern  von  ihm  mitgemacht.  Sie  schreibt  Bittschriften  über  Bittschriften, 
läuft  von  Generälen  zu  Generälen,  um  die  Stimmungen  zu  erforschen,  leidet  schwer  unter 
der  Fahrigkeit  und  Rohheit  der  eben  wieder  zu  staatlicher  Autorität  gelangten  Be- 
hörden, bei  denen  sie  als  die  Verführerin  Kinkels  fälschlich  denunziert  wird,  und 
wird  zwischen  Hoffnung  und  Verzweiflung-  traurig  hin  und  hergeworfen.  Aus  ihrer 
kräftigen  und  schwungvollen  Schilderung  der  eigenen  Leiden  treten  Kinkels  Persön- 
lichkeit und  sein  Schicksal  lebendig  hervor;  er  ist  ein  grosses  Kind,  das  blind  und 
stürmisch  seinen  Idealen  folgt.  Eine  knappe  Abschweifung  führt  uns  das  Rosenfest 
der  Bonner  Poetengruppe  vor.  — 

Einen  Säkularartikel  über  Ludwig  Giesebrecht,  den  Oheim  des 
berühmten  Historikers,  veröffentlicht  K  ern 57a)  auf  Grund  seiner  Giesebrecht-Bio- 
graphie  vom  J.  1875.  Der  Lyriker  Giesebrecht  lebt  fort  als  Mitarbeiter  und  Herzens- 
freund des  genialen  Tonsetzers  Karl  Löwe.  Die  stürmischen  politischen  Zeiten,  die 
er  mit  erlebte,  fanden  in  seiner  Poesie  einen  nationalliberalen  Niederschlag.  — 

K.  J.  P  h.  S  p  i  1 1  a  s  „Psalter  und  Harfe"  erscheint  fortdauernd  in  neuen 
billigen  Volksausgaben 58).  —  Dass  in  Karl  Gerok  eine  im  weiteren  Sinne  päda- 
gogische Natur  steckte,  wird  keinem  zweifelhaft  sein;  naiv  aber  ist  es,  ihn  in  der 
Weise  zum  „Schulmann"  zu  stempeln,  wie  es  von  S  chm  e  i  s  s  e  r59)  in  ziemlich 
schwülstigem  Stile  geschieht.  Hier  wird  ein  Naturbild,  dort  Lebensbeobachtung,  bald 
ein  patriotisches  Wort,  bald  ein  geschichtlicher  Gegenstand,  bald  eine  allgemeine 
Wahrheit  oder  fromme  Empfindung  aus  den  Poesien  herausgegriffen  und  dabei  ge- 
sagt, das  muss  auf  den  Sinn  und  das  Herz  des  Kindes  und  zwar  so  und  nicht  anders 
wirken.  Auf  diese  Art  wird  man  aus  jedem  Dichter  einen  „Schulmann"  hervorziehen 
können.  —  Frommel60)  berichtet  über  seine  persönlichen  Begegnungen  mit  Gerok 
und  druckt  auch  einige  Gelegenheitsverse  ab.  „Ihn  kennen  und  lieben  war  Eines; 
und  wer  ihn  nicht  liebte,  der  kannte  ihn  nicht."61-63)  — 


Lübeck,  Lüboke  &  Hartmann.  1893.  44  S.  M.  0,50.  |[TglRsH.  N.  13.]  |  —  53)  B  ä  r  w  i  n  k  e  1 ,  E.  Geibel :  DEBU.  19,  S.  176-204.  — 
54)  X  P.  Pg.,  B.  Geibel.  B.  Gedenkbl.  z.  6.  April:  LZgB.  N.  41.  —  54  a)  (=N.43.)  —  55)  H.  Haff  er,  Alex.  Kaufmann: 
AnnHVNiederrh.  56,  S.  195-204.  —  56)  X  (IV  lo:47.)  f  Bekräftigt  Hüffers  in N. 55  ausgesprochene  Ansicht  v.  d.  Wiohtigkeit  d.  Kauf- 
mannschen  Briefw.  durch  einige  Beispiele.)  —  57)  Johanna  Kinkel,  Erinnerungsbild  DK.  2,  S.  81-99,  200/9,  337-47;  3, 
S. 74-86,  203-12,  341-59.  —  57a)  F.  Kern,  L.  Giesebrecht:  VossZg».  1893,  N.  27/8.  —  58)  X  K.  J.  Ph.  Spitta,  Psalter  u.  Harfe. 
Geistl.  Lieder.  (=  Meyers  Volksbücher  N.  1017/8.)  L.,  Bibliogr.  Inst.  150  S.  M.  0,20.  -  59)  R.  S  o  h  m  e  i  s  s  e  r ,  K.  Gerok  als 
Schulmann,  nachgewiesen  aus  seinen  Dichtungen.  (L.,  Haacke.)  1892.  37  S.  M.0,50.  |[H.  G  r  o  s  s  e  :  DB11ETJB.  21,  S.  47.] 
(Vgl.  JBL.  1892 1 10 :  77.)  —  60)  E.  F  r  o  m  m  e  1 ,  E.  rote  Rose  auf  Geroks  Grab.  (=  IV  1  o  :  85,  S.  187-203.)  -  61)  X  K-  Gerok,  E.  Lebens- 
bild (JBL.  1893  IV  2b:  119).  |[ÖLB1.  3,  S.  142/3;  DB11EUB.  21,  S.  178;  KonsMscbr.  1893,  S.  583/4.]|  —  62)  X  Gust.  Gerok,  In  treuer 
Hut.  Fromme  Lieder  für  d. Lebensreise.  8.  Aufl.  Halle  a.S.,Gesenius.  1893.  XVI,  256 S.  Mit24Lichtdr.-Bi!d.  M.9,00.  [Geg. 46,8.365,6.]! 


j.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart.     IV  2b  :  63-69 

.Im  neunundsiebzigsten  Lebensjahre  starb  zu  Rom,  in  der  Stadt,  die  er  vor  allen 
anderen  liebte,  am  14.  April  1894  Adolf  Friedrich  Graf  von  Schack.  Unter  den  zahl- 
reichen Nekrologen64),  die  in  der  Tagespresse  und  in  Zeitschriften  sein  Tod  hervor- 
rief, ist  an  erster  Stelle  Zabels  ruhig  abwägende  Studie  zu  nennen.  Sie  legt  den 
Nachdruck  auf  die  kritischen  Arbeiten,  literarhistorischen  Werke  und  Uebersetzungen 
und  sucht  zu  begründen,  warum  Schack  als  selbständiger  Dichter  unpopulär  bleiben 
musste.  Ein  äusserlicher  Grund:  Schack  war  zuerst  als  Litterator,  nicht  als  Dichter 
vor  das  Publikum  getreten,  und  an  dieser  Marke  erkannte  es  ihn  zwanzig  Jahre  lang. 
Als  er  dann  nach  ewigem  Feilen  und  Zögern  mit  seinen  Poesien  hervorkam,  da  war 
eigentlich  seine  Zeit  schon  vorüber.  .Dann  ein  innerer,  künstlerischer  Grund:  Schack 
war,  obwohl  er  in  die  Lyrik  den  Schwerpunkt  seines  Schaffens  verlegte,  doch  nicht 
ein  reiner  Lyriker.  Ode,  Hymne,  Ballade,  Romanze  entsprechen  mehr  seiner  Natur 
als  das  schlichte  Lied.  Er  war  zu  gelehrt,  zu  philosophisch  gestimmt,  zu  sehr  von 
weiten  und  breiten  Litteraturkenntnissen  durchtränkt;  für  das  Natur-  und  Geschichts- 
bild hatte  er  hohe,  imposante  Eindrücke,  überragende  und  stolze  Persönlichkeiten 
nötig.  Auch  Karpeles  vertritt  im  wesentlichen  diesen  Standpunkt;  ihm  sind  der 
menschliche  Charakter  Schacks  und  in.  seiner  Lyrik  mehr  die  Gesinnung  sympathisch. 
R.  von  Gottschall  indessen  nimmt  in  einer  langen  seichten  Litteraturbetrachtung 
den  glänzen  Mann  und  Poeten  lobend  so  hin,  wie  er  ist;  nur  der  Dramatiker  kommt 
ihm  nicht  ganz  geheuer  vor.  Die  InternatLB.  bringen  eine  genaue  Bibliographie 
von  Schacks  Werken.  —  Eine  zweite  Gruppe  der  Nachrufe  64:l)  beruht  auf  persönlichen 
Erinnerungen.  Fuldas  feiner  Aufsatz  ist  vielfach  nachgedrukt  worden.  Der  Alte 
und  der  Junge  hielten,  kurz  vor  Schacks  Ende,  eine  gründliche  Aussprache.  F. 
schildert  die  bedürfnislose  Lebensführung,  das  geradezu  ärmliche  Interieur  des  Greises, 
seine  trübselige  Arbeit  an  einer  für  den  Blinden  konstruierten  Schreibmaschine.  Er 
schildert  die  naive  Eitelkeit  des  Grafen:  wie  er  sich  freuen  konnte  über  die  Zustim- 
mung irgend  eines  unbedeutenden  Lesers;  wie  er  der  Litteratur  unserer  Zeit  völlig 
fremd  gegenüberstand  und  mit  solcher  feurigen  Parteinahme  von  Platens  Streit  mit 
Heine  sprach,  als  ob  es  sich  um  eine  Tagesfrage  handle;  wie  er  aber  in 
allen  politischen  Dingen  ein  modemer  Mensch  geblieben  war.  Seine  Dichtung  charak- 
terisiert F.  treffend:  Kulturpoesie,  nicht  Naturpoesie.  „Kein  grösserer  Gegensatz  als 
zwischen  ihm  und  seinem  genialen  engeren  Landsmann,  dem  Naturburschen  Fritz 
Reuter.  Die  „Stromtid"  konnte  nur  ein  Mecklenburger  schreiben;  die  „Nächte  des 
Orients"  hat  ein  Weltbürger  verfasst,  Reuter  war  ein  Gestalter,  Schack  nur  ein 
Former."  Ueberall  steht  seine  eigene  liebenswerte  Persönlichkeit;  redet  sie  im  „eigenen 
Auftrage",  so  wird  es  interessant;  sollen  die  Figuren  für  sich  selbst  zeugen,  so  wird 
Schacks  Kunst  hinfällig.  In  seiner  Blindheit  Hess  er  sich  mit  Vorliebe  zu  den  stolzen, 
ehrwürdigen  Stätten  führen,  an  denen  sich  einst  seine  gesunden  Augen  ergötzt.  F. 
sah  Schack  zum  letzten  Male  im  Kolosseum.  Da  sass  der  Graf  in  der  milden  Sonne 
und  träumte.  „Und  ich  wusste  mir",  so  schliesst  F.,  „für  den  deutschen  Idealismus, 
für  die  wunderbaren  Vorzüge  und  liebenswürdigen  Mängel  der  Edelsten  unseres 
Volkes  keine  rührendere  Veranschaulichung  als  den  alten  blinden  Sänger  im  Kolos- 
seum." Winckler,  der  Sekretär  Schacks,  berichtet  über  die  letzten  Lebenstage  und 
den  Tod.  —  Die  Briefe  von  Bodenstedt,  Gregorovius,  Hamerling,  Kinkel,  die  Bernh. 
Stern65)  mitteilt,  fliessen  über  von  Nachsicht  und  Wohlwollen  gegen  die  Poesie  des 
Grafen.  Johannes  Scherr  aber  wünscht  offenherzig  dem  Dichter  mehr  Fühlung'  mit 
der  Gegenwart.  —  Schack66)  hat  die  deutsche  Litteratur  kurz  vor  seinem  Hinscheiden  noch 
mit  einer  Sammlung  von  Episteln  und  Elegien,  einem  Werke  von  durchaus  persönlichem 
Charakter,  beschenkt,  das  sich  über  viele  Jahrzehnte  seines  Lebens  erstreckt.  Er  wählt  statt 
des  Distichons  einen  modernen  Strophenbau  und  den  Reim ;  die  Epistel  hält  er  im  Geiste 
humoristisch,  aber  auch  der  Elegie  verleiht  er  heitere  Töne.  In  seiner  Trauer  um 
Gregorovius  und  Bodenstedt  freilich  erfüllt  er  die  Form  der  Elegie  mit  schwermütig 
ergreifender  Empfindung.  Muncker67)  weist  in  seiner  Kritik  sehr  anschaulich  auf 
die  tiefen  Lebensspuren  hin,  die  das  Buch  durchziehen.  —  Halling68)  sucht  Schacks 
Gedichte  auf  dem  Schulwege,  nicht  ohne  Geschicklichkeit,  zu  popularisieren.69"70)  — 
In  zwei  Bänden  legt  Schack  noch  frische  Proben71)  seiner  ausserordentlichen  Ueber- 

63)  X  G.  Mezger,  H.  Stadelmann:  ADB.  35.  S.  358-60.  (Antikisierendes  u.  Geistliches:  1868;  verkehrt  mit  Geibel,  Kerner, 
Scheffel,  Groth.)  —  64)  E.  Zabel:  NatZg.  N.  240,  246;  Bernh.  Stern:  BerlTBl.  N.  190;  Leo  Berg:  Zuschauer  1,  S.  412/9; 
R.  v.  Gottschall:  N&S.  70,  S.  90-107;  G.  Karpeles:  Geg.  45,  S.  273-80;  B.  Münz:  Montag R.  N.  212;  H.  H[ar]t:  TglRsB. 
N.  88;  id.:  FränkKur.  N.  212;  Gf.  v.  K.:  BerlTBl.  N.  212;  A.  Grot:  PrBl^.  N.  105;  Presse  N.  105;  DAdelsbl.  12,  S.  309-10; 
BaltMschr.  41,  S.  4325;  DDichtung.  16,  S.  78-80;  Gartenlaube  S.  324;  Yom  Fels  z.  Meer  2,  S.  22;  ÜL&M.  72,  S.  635;  L. 
Salonion:  IllZg.  102,  S.  447/3;  InternatLB.  N.  4.-  64a)  L.  Fulda:  YossZg».  N.  17;  K.  Telmann:  FZg.  N.  123;  Bernh. 
Stern:  Zeitgeist  N.  19;  id.:  FrBIW.  N.  125;  G.  Winckler:  ÜL&M.  72,  S.  100S/4;  G.  K.:  BerlBörsCour.  N.  193;  Luise  Hitz: 
FrauenZg.  N.  16;  FZg.  N.  211.  —  65)  Bernh.  Stern,  Briefe  an  Ad.  Fr.  Schack:  Zeitgeist  N.  22.  —  66)  A.  F.  Graf  v.  Schack, 
Episteln  u.  Elegien.  St.,  Cotta.  1893.  VIII,  233  S.  M.  3,00.  |[R.  Friedrich:  BLU.  S.  407/3;  N&S.  68,  S.  412.]|  — 
67)  F.  Muncker,  Neue  Gedichte  d.  Grafen  Schack:  AZgö.  1893,  N.  271.  —  68)  K.  Halling,  Ad.  Graf  v.  Schack,  Gedichte. 
Für  Schule  u.  Haus  ausgew.  u.  erläut.  2.  Aufl.  Dresden,  Ehlermann.  XV,  204  S.  M.  1,30.  |[F.  Muncker:  BBG.  30,  S.  26/7.]| 
—  69)  X   Ad-    Er-   Graf  y.  Schack,   Beste    Gedichte.    Nach   d.   Dicht,   eig.  Angaben.    (=    Unsere  Dichter   in  Wort  u.  Bild.) 


IV  2b  :  70-89     J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart. 

setzungskunst  vor,  seiner  Fähigkeit,  feinfühlig  in  fremder  Dichternatur  aufzugehen. 
Er  pflückt,  als  rüstiger  Wanderer  in  der  Weltliteratur,  in  den  alten  und  neuen 
Dichtergärten  fast  aller  Kulturnationen.  72~75)  — 

Lokal  forschung.76)  Einen  Sänger  ihres  Waldes  verlor  dieMarkBranden- 
burg  in  Friedrich  Brunold77),  der  eigentlich  August  Ferdinand  Meyer  hiess,  am 
27.  Febr.  1894.  Er  war  am  19.  Nov.  1811  im  pommerschen  Pyritz  geboren  und 
hatte  sich  durch  missliche  äussere  Verhältnisse  in  den  niederen  Schuldienst  zwingen 
lassen.  Seine  glücklichste  Zeit  verbrachte  er  anfangs  der  dreissiger  Jahre  in  Berlin, 
wo  er  u.  a.  mit  dem  Freiherrn  von  Gaudy,  F.  von  Sallet,  Willibald  Alexis  freundschaft- 
lich verkehrte.  Sonst  aber  lebte  er,  von  wenigen  gekannt,  in  ländlichen  Winkeln, 
zuletzt  im  uckermärkischen  Joachimsthal.  Er  war  eine  schlichte,  ganz  in  sich  ge- 
kehrte Natur;  die  Leidenschaft  war  ihm  fremd  geblieben.  Im  Stimmungsliede,  im 
Landschaftsbilde  lag  seine  Hauptkraft.  Von  seinen  Romanzen  ist  das  „Grab  auf  der 
Heide"  lange  volksliedartig  durch  die  Welt  gezogen,  in  drei  verschiedenen  Kom- 
positionen, ohne  dass  man  den  Namen  des  Vf.  gekannt  hätte.  —  Um  Brunolds  Nachruhm  hat 
sich  jetzt  George78)  sehr  verdient  gemacht,  indem  er  u.  a.  die  Stiftung  eines  Denk- 
mals anregte.79)  —  Auch  Stock80)  beklagt,  dass  man  über  der  Musik  immer  den  Namen 
des  Dichters  vergessen  habe;  auch  er  sieht  in  der  gemütvollen  ästhetischen  Natur- 
betrachtung das  Wesen  der  Brunoldschen  Lyrik.81)  — 

Aus  „anhaltischem  Golde"  hat  Arminius82)  eine  Anzahl  Anekdoten  in 
Gedächtnismünzen  umzuprägen  versucht;  er  kommt  u.a.,  als  aufmerksamer  Literatur- 
historiker, auf  Ludwig-  von  Anhalt  und  Wilhelm  Müller  zu  sprechen.  — 

Das  fünfzigjährige  Dienstjubiläum  des  Königs  von  Sachsen  als  Soldat  und 
Heeresführer  gab  Pilz83)  Anlass,  die  Kriegsthaten  dieses  Monarchen  im  Liede  zu 
sammeln;  KnÖtel  hat  schlechte  Illustrationen  dazu  geliefert.  — 

Männer  und  Frauen,  die  in  Hessen  Verse  machen,  hat  Traudt84-85)  zur 
Stiftung  eines  „Dichterbuches"  geladen.  Neben  Dilettanten  findet  sich  da  und  dort 
eine  künstlerische  Persönlichkeit,  z.  B.  Carl  Preser,  Julius  Rodenberg,  Elisabeth 
Mentzel;  die  Balladen  Ludwig  Mohrs  leiden  zwar  in  der  Komposition  an  Ungeschick- 
lichkeiten und  unnötig-en  Breiten,  im  Ausdruck  aber  zeigen  sie  eine  gewisse  Sprach- 
gewalt. Joh.  Lewalter,  der  bekannte  Sammler,  sucht  einen  volksmässigen  Ton,  und  die 
Schwälmer  Mundart  hat  in  Kurt  Nuhn  einen  Humoristen  gefunden,  der  sie  nicht  ohne 
Glück  litteraturfähig  zu  machen  strebt.  —  Den  im  Wetterauer  Dialekt  dichtenden 
Drastiker  Paul  Geibel,  einen  Tierarzt,  der  in  seinem  Beruf  auf  vertraulichen 
Verkehr  mit  einem  sonderbar  kernigen,  witzigen  und  tüchtigen  Bauernschlage  an- 
gewiesen war,  sucht  mit  Wärme  Runkel86J  den  Norddeutschen  näherzuführen.  — 
Förster87)  glaubt  das  bescheidene  Epigonentalent  Karl  Schäfers,  der,  als  eines 
Schneiders  Sohn,  aus  dem  hessischen  Odenwald  stammt,  dadurch  am  besten  den  Zeit- 
genossen empfehlen  zu  können,  dass  er  ihn  in  Gegensatz  zur  modernen  Litteratur 
bringt.  Von  Schäfers  lyrischen  Büchern  haben  die  „Heiderosen"  die  meiste  Ver- 
breitung gefunden.  — 

Unter  die  Lyriker  der  Rheinlande  versetzt  ein  Bericht  Run k eis88)  über 
eine  Veröffentlichung  der  gesamten  Amaryllislieder  von  Ad.  Schults,  der  in  der  Reihe 
der  Wupperthaler  Dichter  —  C.  Siebel,  H.  Oelbermann,  W.  Langewische,  E.  Rittershaus, 
K.  Stelter  —  wohl  der  begabteste  und  persönlichste  war  (Elberfelder  Litt.  Unter- 
haltungsbl.  1893,  N.  12/3).  Dieser  Cyklus,  der  1858  im  „Damenalmanach"  sehr  unvoll- 
ständig abgedruckt  wurde,  ist  von  „Amaryllis"  selbst,  einer  würdigen  Greisin,  einem 
Mittelsmann,  Herrn  W.  Bloem,  übergeben  worden;  er  ist  das  poetische  Zeugnis 
eines  zarten  und  schmerzlichen  Liebeskonflikts,  in  den  Schults  als  reifer  Mann  sich 
plötzlich  gestellt  sah  trotz  der  Verehrung  für  die  eigene,  ihm  in  ganz  jungen  Jahren 
angetraute  Gattin.    Der  „Dichter"  in  ihm  brachte  dem  „Menschen"  Frieden.    Er  über- 


L.,  Claussner.  16  S.  Mit  Bildn.  M.  0,60.  —  70)  X  HU  Beste  Uebersetzungen.  Nach  d.  Dicht,  eig.  Ang.  ebda.  32  S. 
Mit  Bildn.  M.  1,00.  --  71)  id.,  Anthologie  abendländ.  u.  morgenländ.  Dichtungen  in  dtsch.  Nachbildungen.  2  Bde.  St.,  Cotta. 
1893.  XX,  346  S.;  VI,  335  S.  M.  10,00.  |[A.  Schroeter:  BLÜ.  1893,  S.  205/6;  DRs.  76,  S.  159;  P  h.  Ott:  BBQ.  30,  3.  115; 
Middendorf:  DPBl.  27,  S.  162/5,  170/1;  K.  Bienenstein:  DDichterheim.  14,  S.  342/6, j  1  —  72)  X  <*•  Voss,  Graf 
Schack  als  Kunstsammler:  TglRsB.  N.  92/3.  —  73)  X  I*  Schackothek  et  le  comte  de  Schack:  BURS.  62,  S.  620/2.  —  74)  X  F- 
Brummer,  K.  Ch.  Tenner:  ADB.  37,  S.  567/8.  (1791-1866;  aus  d.  Rheinpfalz.  Grossherzogl.  hess.  Beamter.  Seine  Gedichte 
1870  ges.  Bedeutende  Komponisten  haben  sie  benutzt.)  —  75)  X  E-  Reinick,  Geschichten,  Märchen  und  Lieder.  Für  d.  Jugend 
ges.  Dichtungen.  Mit  Farbendr.-lllustr.  gez.  v.  O.  Woite.  2.  Aufl.  L.,  Drewitz  Nachf.  1893.  IV,  220  S.  M.  4,50.  —  76)  X 
O.E.Carstens,  Hinrich  Hieronym.  Sommer:  ADB.  34,  S.  602/3.  („Nordischer  Hans  Sachs"  [1804-61];  Glaubenslieder,  yoll 
herrenhuterischen  Geistes,  erst  1885  her.)  -  77)  X  Rieh.  George,  F.  Brunold:  Bär  20,  S.  146,  555.  —  78)  id.,  F. 
Brunold,  e.  mark.  Dichter:  ib.  S.  549-55,  560/1.  —  79)  X  E-  Roeder,  Fr.  Brunold  (=  Zwei  Dichterveteranen):  BMJ.  1892, 
S.  498-500.  —  80)  M.  Stock,  F.  Brunold,  e.  mark.  Dichter:  NatZg".  1892,  N.  13.  —  81)  D.  Grab  auf  d.  Heide.  E.  Liedes 
50j.  Jubil.:  ÜL&M.  1892,  S.  504.  —  82)  W.  Arminius,  Aus  anhaltischem  Golde.  Vaterland.  Dichtungen  u.  Balladen.  Dessau, 
Baumann.  1893.  72  S.  M.  1,00.  -  83)  H  Pilz,  König  Alberts  Ruhmesbahn.  Vaterland.  Dichtungen.  111.  v.  R.  Knötel. 
L.,  Meissner  &  Buch.  1893.  20  S.  M.  1,25.  —  84)  X  Portrr.  u.  Biographien  d.  hess.  Dichter  V.  Traudt  u.  L.  Mohr:  Hessen- 
land 6,  S.  278.  —  85)  V.  Traudt,  Hess.  Diohterbuch.  Rauschenberg,  Selbstverl.  XII,  246  S.  M.  3,50.  |[Hessenland  8,  S.  330.]| 
-  86)  F.  Rnnkel,  E.  hess.  Dichter  (P.  Geibel):  BerlTBl.  1893,  N.  138.  —  87)  Karl  Förster,  E.  Dichter  d.  Odenwaldes 
(K.  Schäfer):  Didask.  1892,  N.  175.  —  88)  F.  R[unkel],  „E.  Wupperthaler"  (Ad.  Schults):  BerlTBl.  1893,  N.  212.  —  89)  M. 


J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart.    IV  2b  :  90-97 

wand.  —  Mendheini89)  giebt  nur  das  Urteil  Goedekes  über  die  am  Rhein  zwar 
nicht  geborene,  aber  dort  wurzelnde  Sängerin  des  Rheins,  Adelheid  von  Stolterfoth, 
wieder.  —  Eine  westfälische  Anthologie90)  ist  an  anderer  Stelle  genügend  ge- 
würdigt worden.  — 

Nach  Baden  führt  eine  knappe,  doch  völlig  ausreichende  Biographie  des 
Lahrer  Poeten  Friedrich  Gessler,  die  Bartels91)  in  einem  erweiterten  Vortrage 
bietet.  Der  bescheidene  Mann,  der  als  ein  Lahrer  Bauemsohn  am  14.  Nov.  1844  ge- 
boren, in  semer  Vaterstadt  Kaufmann  wurde,  es  blieb  als  Leiter  einer  Reichsbank- 
stelle und  eines  lokalen  Bankvereins  und  am  1.  Jan.  1891,  eine  Berühmtheit  Mittel- 
badens, starb,  hat  in  wenigen  einfachen  Sätzen  selbst  einen  Abriss  seines  ruhigen 
Lebenslaufes  gegeben  (S.  117/9).  In  seiner  Frühzeit  ist  er  ein  Verehrer  des  Sturms 
und  Drangs,  besonders  Goethes,  dann  Riickerts  gewesen,  und  in  seinen  reifen  Mannes- 
jahren Hess  er  Scheffels  Dichtung  auf  sich  wirken.  Schon  in  den  60  er  Jahren  ward  er 
dadurch  bekannt,  dass  er  unterstützt  von  Hugo  Oelbermann  (s.  N.  88),  aus  roman- 
tischer Teünahme  für  das  Schicksal  Friederikes  von  Sesenheim,  das  Grab  der  Freun- 
din Goethes  entdeckte,  es  mit  einem  Denkstein  schmückte  imd  viele  deutsche  Dichter 
veranlasste,  sich  auch  an  einem  litterar ischen  Denkmal,  dem  „Friederikenalbum", 
zu  beteiligen.  Gessler  schrieb  ein  Stiirmerdrama  „Reinhold  Lenz"  und  eine  „Kassandra" 
im  Stile  der  Goetheschen  Iphigenie;  ferner  drei  Epen,  von  denen  „Diether  und 
Walheide"  und  „  Hohengeroldseck"  der  durch  Scheffels  „Ekkehard"  inaugurierten 
Richtung,  und  der  humoristische  „Röhrle  von  Hafner -Neuhausen"  dem  Geiste  Vischers 
folgen.  Ein  viertes  episches  Werk  „Romeias.  der  Riese  von  Villingen"  ist  nicht  mehr 
abgeschlossen  worden.  Die  „Sonette  eines  Feldsoldaten",  die  im  Kriege  1870—71 
entstanden  sind,  haben  Gesslers  Namen  zuerst  über  Baden  hinausgetragen.  In  Form 
und  Gedankenrichtung  knüpfen  sie  an  Rückerts  geharnischte  Sonette  an;  der  Stoff- 
kreis ist  ziemlich  weit  gezogen,  er  erstreckt  sich  auch  auf  geschichtliche  Reminiscenzen. 
In  ernster,  rauher  Wirklichkeit  zum  Manne  geworden,  klärt  und  mildert 
Gessler  das  verworrene  Pathos  der  Jugendzeit.  Zwischen  „Markt"  und  „Musenberg" 
gestellt,  bildete  er  allmählich  in  seinem  litterarischen  Schaffen  ein  Element  nachdenk- 
licher Verständigkeit  heraus,  das  ihn  zwar  vor  dem  CJeberschwang  behütete,  aber  auch 
seinen  lyrischen  Leistungen  einen  sehr  starken  philosophischen  Beigeschmack  gab. 
Unter  seinen  litterarischen  Beziehungen  sind  die  Freundschaften  mit  Herwegh, 
J.  G.  Fischer,  Eichrodt,  Freiligrath,  Ludwig  Auerbach,  Wilhelm  Jensen  erwähnenswert.  — 

Im  Elsas s  halten  die  Stöbers  und  die  letzten  Säulen  des  Strassburger 
Meistersingertums  das  litterarische  Interesse  wach.  Für  das  Fortleben  von  Ehren- 
fried, August  und  Adolf  Stöber  hat  Martin92-93)  sehr  viel  gethan.  In  vier  Biogra- 
phien giebt  er  die  treffliche  Geschichte  einer  um  den  Kulturfortschritt  seiner  engeren 
Heimat  verdienten,  auch  unter  der  Fremdherrschaft  durch  und  durch  deutsch  gesmnten 
Familie.  Ehrenfried,  in  französischer  Bildung-  gross  geworden  und  ein  Meister 
temperamentvoller  Formen,  wendet  sich  unter  dem  Einfluss  seines  Freundes  Hebel 
der  Dialektdichtung  zu,  die  auch  sein  Sohn  Adolf  mit  vieler  Liebe  gepflegt  hat. 
Während  M.  in  August  Stöber  vornehmlich  den  Altertumsforscher  würdigt,  findet  er 
schwungvollere  Worte  für  Adolf  den  Lyriker,  der  am  8.  Nov.  1892  im  Alter  von 
82  Jahren  gestorben  ist.  Als  Theologe  von  einer  versöhnlichen  Anschauung,  als 
Politiker  dem  neuen  Regimente  zugethan  und  ein  scharfer  Gegner  der  Elsässischen 
Liga  hat  Adolf  in  den  Reichslanden  eine  Ehrenstellung  behauptet.  Als  Dichter  hat  er 
sich  an  Uhland  gebildet;  sein  poetischer  Ausdruck  ist  nicht  stark  und  reich,  dafür 
aber  schlicht,  klar,  volksmässig,  wahr.  Seine  dichterischen  Vorstellungen  bewegen 
sich  in  der  Familie,  in  der  Naturumgebung,  in  einer  Religion  des  Herzens;  Geschichte, 
Sage  und  Legende  werfen  ihm  mannichläche  Stoffe  ab;  er  besingt  die  Herrlichkeit 
der  deutschen  Dichtung  und  Sprache.  Seine  Poesien94)  wurden  1845  zum  ersten  Male 
gesammelt.  M.  giebt  eine  sehr  genaue  Bibliographie  seines  Schaffens.  Zu  Ad.  Stöbers 
letzten  Arbeiten  g-ehören  eine  Bearbeitung  des  Hildebrantliedes  und  eine  geschicht- 
liche Schnurre  im  elsässischen  Volkston95).  —  Auch  Bräutigam96)  feiert  Ad.  Stöber 
als  den  Mann,  der  während  schwieriger  Zeiten  in  Denken  und  Fühlen,  in  Handeln  und 
Dichten  deutsch  blieb.  —  Hierin  sind  nicht  minder  einig  die  Tagesblätter97),  die  bei 
seinem  Tode  Nekrologe  brachten.  Die  AZg.  findet,  dass  der  evangelische  Theolog 
Stöber  auch  als  Dichter  „gepredigt"  habe.  Am  19.  Jan.  1893  brachte  die  StrassbPost. 
einen  Aufruf  zur  Errichtung  eines  gemeinsamen  Denkmals  für   diese    „patriotische 


Mendheim,  Wilhelmine  Julie  Adelheid  v.  Stolterfoth:  ADB.  36,  S.  414/5.  —  90)  (IV  la  :  12.)  —  91)  A.  Barte  ls,  F.  Gessler. 
Sein    Lehen    u.    seine    Werke.      Lahr,    Schanenhurg.    1892.    12°.     130  S.     Mit    Bildn.    M.  1,50.     |[SchwäbKron.    1892,   8.  Apr.]| 

—  92)  E.  Martin,  Ehrenfried,  Aug.  u.  Ad.  Stoeber:  ADB.  36,  S.  267-72.  —  93)  id..  Ad.  Stoeber:  JbGElsLothr.  9,  S.  129-47.  - 
94)  X  A.d.  Stoeber,  Gedichte.  2.  Aufl.  Strassburg  i.  E.,  Heitz.  1893.  12°.  XV,  231  S.  Mit  Bildn.  M.  3,50.  —  95)  id.,  D.  Hilde 
brandslied.  In  freier  Nachbildung.  —  Meisenloderstreich  gegen  d.  Franzosenkönig  anno  1551  (Mnndartl.):  JbGElsLothr.  8,  S.  226-31. 

—  96)  L.  Bräutigam,  D.  treueste  Hüter  d.  dtsch.  Sprache  im  Elsass:  ZDü.  7,  S.  647-50.  —  97)  X  AZg».  1892,  N.  268; 
StrassbPost.  1892:  N.  313/4,  1893:  N.  19;  F.  Runkel:  BerlTBl.  1892,  N.  575;  Post  1892,  23.  Nov.    (Vgl.  JBL.  1892  IV  3:86.) 


IV  2b:98-m     J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart. 

Dichterfamilie".98)  —  Nachdem  er  am  2.  Febr.  —  von  der  Strassburger  Presse  (vgl. 
StrassbPost.  N.  33)  begrüsst  —  seinen  89.  Geburtstag  gefeiert  hatte,  ist  der  Drechsler- 
meister Daniel  Hirtz  am  20.  April  1893  gestorben,  der  in  der  zweiten  Hälfte  dieses  Jh. 
durch  die  Begründung  einer  Art  Meistersingerschule99)  gegen  die  antideutschen  Mass- 
nahmen der  elsässischen  Regierung  manifestiert  hatte  mit  gleichgesinnten  Genossen.  — 
Neben  Hirtz  standen  in  den  letzten  Jahren  noch  der  Korbwarenfabrikant  Christian 
Hackenschmidt  und  der  Fabrikbesitzer  Alphons  Pick.  Klatte100)  widmet  ihnen 
freundliche  Würdigungen.  Ihr  Leben  verfloss  gleichmässig  zwischen  reger  Tages- 
arbeit und  abendlicher  Dichtermusse;  Pick  konnte  seinem  Lande  in  früheren  Jahren 
auch  als  Politiker  dienen.  Sie  waren  Romantiker,  übrigens  die  Poeten  der  elsässischen 
Lebensfreude  und  Wanderlust.  Hirtz  ist  in  der  Trias  der  begabteste  gewesen;  aber 
ohne  seine  gut  deutsche  Gesinnung  würde  auch  er  kaum  auf  Nachruhm  Anspruch 
haben:  Sein  „Münsterjubelfest",  ein  Gedicht,  das  den  Strassburger  Dom  als  Wahr- 
zeichen treuen  Deutschtums  feiert,  fand  im  Jubiläumsjahre  1893  lauten  Widerhall.  — 
Ein  Anonymus101)  wiederholt  im  wesentlichen  Klattes  Angaben;  Hirtz  fand  Aner- 
kennung bei  Uhland,  Körner,  Zschokke,  und  Helmina  von  Chezy  schwärmte  ihn 
in  bekannter  Exaltiertheit  an.102-103)  —  In  einem  Plauderstündchen104)  erzählte  Hirtz, 
wie  Uhland  Ende  der  40er  Jahre  in  seine  Werkstatt  trat:  Er  habe  nicht  so  griess- 
grämig- düster  geblickt,  wie  die  Porträts  ihn  schildern;  er  trug  langes,  wallendes 
Haar  und  sah  aus  wie  „ein  Schulmeister,  der  in  Vakanz  über  Land  geht".  Beson- 
deren W7ert  legte  Hirtz  auf  seine  Mitarbeiterschaft  an  Brauns  französischer  Schiller- 
übersetzung. —  Ein  Geburtstagsartikel 105)  schildert  Pick  als  gesunden  derben  Humo- 
risten, dem  oft  ein  moralisches  Zöpfchen  nicht  fehlt.  Er  hat  eine  Utopie  „1975" 
verfasst,  Longfellows  Gedichte  frei  bearbeitet  und  sich  um  elsässische  Lexikographie  ver- 
dient gemacht.106)  — 

In  Bayern,  zu  Nürnberg,  lebt  der  „Blumenorden"107)  wieder  auf.  Was  er 
an  literarhistorischen  Arbeiten  leistete,  ist  bereits  angemerkt  worden.  Die  Sammlung 
lyrischer  Dichtungen,  die  dem  2.  Bande  (S.  225—90)  angefügt  ist,  macht  durchaus 
den  Eindruck  des  gebildeten  Dilettantismus;  eine  gewisse  äussere  Formenglätte  und 
Formenmannigfaltigkeit  entschädigt  nicht  für  den  Mangel  dichterischer  Phantasie. 
Wilh.  Beckhs  Sonette  auf  das  Ehrenmitglied  Scheffel  und  das  Schweinfurter  Rückert- 
denkmal  sind  erwähnenswert.  H.  Pfeilschmidts  Gelegenheitsparodien  auf  Walther 
von  der  Vogelweide,  Hans  Sachs,  Harsdörffer,  Goethe,  Jean  Paul,  Heine  usw.  sind 
nicht  ohne  Witz.  —  Kreowski108)  beschäftigt  sich  mit  der  militärischen  Dichtung 
Bayerns,  indem  er  zunächst  ein  1854  erschienenes  Heft  Soldatenlieder  wieder 
ausgräbt  und  analysiert.  Die  Dichter  sind  Hauptmann  Karl  Waldemar  Neumann  und 
Oberst  Heinrich  von  Reder.  108a~109)  Neumann  (gest.  7.  Febr.  1888),  der  übrigens 
sich  auch  der  Regensburger  Lokalforschung  lebhaft  angenommen,  suchte  vornehmlich 
im  Volkston  die  burschikose  Seite  des  Soldatenberufes  zu  fassen,  während  Reder, 
dessen  erste  besondere  Gedichtsammlung  von  1859  K.  hinzuzieht,  die  eigentlich  an- 
schauende, über  eine  gewisse  stürmische  Verskraft  gebietende  Dichternatur  ist.  Auch 
den  Soldatengeist  vergangener  Zeiten  schildert  Reder  echt  und  feurig.  — 
Seine  menschliche  Persönlichkeit  wird  von  Morgenstern109)  charakterisiert.  — 
Reder  hat  1861  die  Gedichte  eines  jungverstorbenen  Kameraden,  des  Oberlieutenants 
Georg  Betzel,  herausgegeben,  dessen  Lebensschicksal  psychologisch  sehr  merkwürdig 
war.  Er  endete  am  Allerseelentage  1858  freiwillig,  ohne  dass  man  eine  äussere  Ur- 
sache für  diesen  Entschluss  hätte  finden  können.  Kreowski110)  teilt  in  einer  hüb- 
schen Studie  über  den  künstlerisch  empfindenden  Offizier,  in  dessen  Poesien  Lenauscher 
Geist  herrscht,  melancholische  Stücke  aus  einem  Tagebuche  mit,  überdies  ein  bisher  unge- 
drucktes Gedicht  Reders,  das  die  Ansicht  vertrauter  Freunde  über  Betzels  Gemüts- 
zustand wiedergiebt:  In  der  menschlichen  Natur  lag  auch  hier  das  Geschick  begründet: 
„Freier  Geist  und  enge  Mauern,  Kraft  zur  That  und  Zwang  zur  Leere."  Reder 
beschäftigt  sich  übrigens  mit  einem  Werke  über  bayerische  Soldatendichter.  — 

Oesterreich.  Mehrere  Veröffentlichungen  allgemeiner  Art  die  nach  den 
Landesteilen  der  Monarchie  sich  ordnen  lassen,  sind  zunächst  zu  nennen.  Zu  wohl- 
thätigem  Zwecke  veröffentlicht  Schlögl111)  ein  sehr  buntes  Sammelwerk  Wiener 
Lyriker  und  Prosaisten,  in  dem  freilich  die  jüngere  Generation  ganz  fehlt.  Gelegenheits- 
verse der  Baronin  Ebner -Eschenbach  an  den  Grafen  Heussenstamm  und  zwei  Balladen 


—  98)  X  A.  S.,  E.  Stöberdenkm.  in  Strassburg:  BerlTBl.  N.  170.  —  99)  X  T°ni  Kellen,  Elsäss.  Meistersinger:  ML.  63, 
S.  1644/9.  —  100)  A.  Klatte,  D.  drei  letzten  Meistersänger  v.  Strassburg  (Chrn.  Haclcenschraidt,  D.  Hirtz,  Alph.  Pick): 
Gartenlaube  1893,  S.  156-60.  —  101)  L.,  D.  Hirtz.    Nachruf:  AZgB.  1893,  N.  97.  -  102)  X  D-  Hirtz:  StrassbPost.  1893,  N.  33, 110. 

—  103)  O  X  D.  Hirtz:  MfinchNN.  1893,  N.  184.  —  104)  E.  Stündchen  bei  D.  Hirtz:  StrassbPost.  1892,  N.  302.  —  105)  Z. 
85.  Geburtstag  e.  elsäss.  Dichters  (A.  Pick):  ib.  N.  155.  —  106)  O  X  0-V  la  '•  15.)  —  107)  Altes  und  Neues  aus  d.  Pegnes.  Blumen- 
orden (JBL.  1893  III  5:3).  Nürnberg,  Schräg.  1893.  VI,  293  S.  M.  3,00.  |[DDichtung.  15,  S.  103/4.JI  —  108)  E.  Kreowski , 
Zwei  bayer.  Soldatenliederdichter:  Sammler*.  1892,  N.  50.  -  108a)  X  F.  Hähnel,  H.  v.  Reder:  NLB11.  1,  S.  63/4.  —  109) 
G.Morgenstern,  H.  v.  Reder:  Ges.  S.  630/3.  —  110)  E.  Kreowski,  G.  Betzel.   E.  Erinnerungsbl.:  Sammler*.  1893,   N.  155/6. 

—  111)  Wiener  Liebesgaben.  Z.  Besten  d.  Wiener  Rettungsges.  Mit  e.  Vorw.  v.  F.  Schlögl  u.  Beitrr.  v.  M.  Bro einer,  V.  Chia- 


J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart.     IV  2b  :  112-119 

Frankls  wären  für  unser  Kapitel  herauszuheben.  —  Schlossars112)  steiermärkische 
Literaturgeschichte  des  19.  Jh.  hat  im  wesentlichen  nur  den  Wert  einer  Material- 
und  Notizensammlung*;  die  Darstellung  ist  trocken,  das  Urteil  nicht  kritisch  genug', 
es  fehlt  die  Fähigkeit,  das  Wesen  der  Dichter  innerlich  zu  erfassen.  Andererseits  mag  man 
darin  ein  Verdienst  Sch.s  erblicken,  einzelne  vergessene  Namen  wieder  ans  Licht  ge- 
bracht und  durch  genauere  Untersuchung  ihres  Lebens-  und  Entwicklungsganges 
der  Wissenschaft  gerettet  zu  haben.  Er  hat,  wie  bei  Schröckinger,  Hammer- Purg'- 
stall,  Kollmann,  das  weit  verstreute  litterarische  Material  sammeln  müssen;  er  hat  den 
Nachlass  Karl  Gottfried  von  Leitners  und  Faust  Pachlers,  ferner  für  Anastasius  Grün 
neue  Briefquellen  benutzen  dürfen,  sie  freilich  recht  oberflächlich  benutzt.  Man  erfährt 
einiges  Neue  über  dichtende  Vorfahren  Anastasius  Grüns,  über  einen  litterarisch  be- 
gabten Verwandten  Leitners,  Alois  von  Leitner,  ferner  über  den  Aufenthalt  Ludwig 
Bonapartes  in  Graz,  der  unter  dem  Namen  eines  Grafen  St.  Leu  dort  litterarisch  Hof 
hielt  und  selbst  Romane  schrieb.  Die  eigene  Lyrik  Hammer- Purgstalls  wird,  in  Proben, 
gemustert,  der  Einwirkungen  des  begabten  Julius  Schneller  auf  das  jüngere  Geschlecht 
der  Schröckinger,  Anton  Prokesch  und  Faust  Pachler  wird  gedacht.  Auch  Karl 
Schröckingers  Hinterlassenschaft  kann  reiche  Ausbeute  zur  Geschichte  der  nach- 
klassischen Dichtung*  gewähren.  Ueber  den  Freiheitssänger  Joh.  Gg.  Fellinger  und 
Ignaz  Kollmann,  der  in  seiner  Zeitschrift  „Der  Aufmerksame"  für  das  schriftstellernde 
Steiermark  den  Mittelpunkt  schuf,  führt  Seh.  seine  Darstellung  zu  Anton  Prokesch, 
der  als  Nachahmer  Körners  beg*ann  und,  seinem  Sterne  Goethe  folgend,  im  Ideale 
einer  Weltliteratur  schwelgte.  Geister  drittenRanges  waren  der  fruchtbare  Rud.  Gust.Puff 
und  der  Schulmann  J.  A.  Suppantschitsch.  Bei  dem  aus  Wien  zugewanderten  Joh. 
G.  Seidl  verweilt  Seh.  verhältnismässig  lange,  besonders  bei  dessen  „Bifolien",  ohne 
dem  Charakterbilde  einen  neuen  Zug  verleihen  können.  Dagegen  erfährt  man  in 
dem  Kapitel,  das  Leitner  gewidmet  ist,  vieles  Anziehende  über  Anastasius  Grüns 
ausserordentliche  Teilnahme  an  der  geistigen  Arbeit  dieses  persönlichsten  und  be- 
deutendsten unter  den  steiermärkischen  Poeten.  Leitner,  der  behutsam  und  zaghaft 
Schaffende,  war  der  Kritik  mehr  als  zugänglich,  vielleicht  gerade  deshalb,  weil  er  an 
Lob  und  Anerkennung*  nicht  gewöhnt  war.  Grün  schreibt  am  21.  Okt.  1855  nach 
einer  ganzen  Reihe  von  Bedenken:  ,,  .  .  .  Und  so  brauche  ich  Ihnen  nur  kurz  anzu- 
deuten, dass  die  Tiefe  und  Wahrheit,  die  Reinheit  und  Wärme  Ihrer  poetischen  Em- 
pfindung, die  edle  Einfachheit  und  Gediegenheit  der  Formen,  die  schwung-  und  zu- 
gleich massvolle  Beweglichkeit  Ihrer  Phantasie,  die  markige  Gestaltungsfähigkeit  und 
volkstümliche  Ausdrucksweise  mich  neuerdings  entzückt  und  hingerissen  haben." 
Auf  Leitners  letzte  Schöpfungen,  die  noch  ungehoben  ruhen  und  keineswegs  eine 
nachlassende  Kraft  verraten,  fallen  psychologisch  merkwürdige  Lichter;  Stücke  von 
visionärem  Charakter  werden  wörtlich  abgedruckt  Das  Kapitel  von  Grüns  An- 
regungen wird  später  noch  einmal  aufgenommen.  Lehrreich  sind  die  Notizen  über 
Jak.  Dirnbock,  den  Vf.  des  Steiermarkliedes  „Hoch  vom  Dachstein  an" ;  seine  anderen 
Dichtungen  sind  ebensowenig  wie  Vinc.  Zusners  Naturschilderungen  populär  ge- 
worden. Auch  für  Pachler,  den  Herausgeber  der  Werke  Friedrich  Halms,  eine  philo- 
sophisch angeregte  Poetennatur,  fordert  Seh.  ein  stärkeres  Interesse.  Aus  seinen  Mss. 
sind  zartempfundene  Verse  über  Pachlers  Verhältnis  zur  Mutter  und  Gattin  mitgeteilt. 
Das  letzte  Drittel  des  Buches  füllen  Schilderungen  Rob.  Hamerlings,  Peter  Roseggers 
und  der  jüngsten  Generation  aus.  —  Das  Prager  Dichterbuch  von  Teweles113)  und 
eine  Anthologie114-115)  aus  Mähren,  die  Kirsch  und  Stoklaska116)  vorlegen,  kenn- 
zeichnen sich  als  poetische  Manifestationen  des  unterdrückten  Deutschtums.  In  der 
böhmischen  Sammlung  sind  die  wirklichen  Begabungen  in  weitaus  grösserer  Anzahl 
vertreten;  ein  unbekanntes,  sehr  erquickliches  Talent  ist  Hugo  Salus,  ein  Prager  Arzt, 
dem  aus  dem  Weltlauf  überall  die  Poesie,  der  Schmerzen  wie  der  Freude,  entgegen- 
strömt. — 

Die  Freiheitsdichtung,  die  Natur-  und  Liebespoesie  des  vergessenen  Joh. 
Georg  Fellinger  (vgl.  N.  112),  analysiert  Pucsko117)  mit  lokalpatriotischem 
Schwünge.118)  — 

In  einem  Sonett119),    das   er   am    28.  Aug.  1830  beim  Abschied    von   Berlin 


vucci,  Ada  Christen.  Wien,  Merlin.  1892.  VI,  272  S.  M.  3,50.  —  112)  A.  Schlossar,  100  J.  dtsch.  Dichtung  in  Steiermark 
(JBL.  1893  IV  la:33).  (=  Oesterr.  Bibl.  her.  v.  A.  Hg.  2.  Bd.)  Wien,  Graeser.  1893.  XI,  193  S.  Mit  10  Abbild.  M.  2,00. 
|[K.  Friedrich:  BMJ.  S.  84/5.JI  —  113'  H.  Teweles,  Prager  Dichterbuch.  Prag,  Ehrlich.  1892.  VII,  252  S.  M.  3,00. 
|[E.  Kuh:  NWienTBl.  1893,  N.  344;  ß.  Friedrich:  BLU.  S.  215;6.]|  —  114)  X  A.John,  E.  nation.  Anthologie  d.  Deutschen  in 
Böhmen:  20.  Jh.  2,  S.  564/8.  —  115)  X  Ed.  Albert,  Poesie  aus  Böhmen.  Fremde  u.  eigene  Uebersetz.  aus  d.  Böhm.  Wien, 
Holder.  1892.  VI,  295  S.  M.  3,20.  |[DDichtung.  16,  S.  273/4  (nicht  ohne  Tadel).lj  (Czech.  Poesie;  A.  ist  Prof.  d.  Chirurgie 
in  Wien.)  —  116)  P.  Kirsch  u.  O.  Stoklaska,  Dtsch.  Dichterbuch  aus  Mähren.  Brunn,  Rohrer.  1893.  12°.  X,  202  S. 
Mit  1  Bildn.  M.  5,00.  —  U7)  A.  Pucsko,  E.  vergessener  yaterländ.  Poet.  Litt.  Studie:  Heimgarten  16,  S.  287-92.  — 
118)  X  A.  v.  Weilen,  F.  X.  Told:  ADB.  38,  S.  413/5.  (1792-1849;  seine  Gediehte,  zumeist  Nachahmungen  d.  Körnerschen 
Kriegslyrik,  ganz  unbedeutend.  Vgl.  JBL.  1895  IV  4.)  —  119)  0.  P.,  E.  ungedr.  Gedicht  J.  B.  Deinhardsteins  über  Berlin: 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (4)16d 


IV  2b  :  120-139    J.  Elias,  Lyrik:  Von.  den][Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart. 

niederschrieb,  singt  J.  B.  Deinhardstein  dem  ,, Herrschersitz  borussischer  Cäsaren" 
einen  überschwenglichen  Hymnus.120-123)  — 

Die  drei  ersten  Bände  der  abschliessenden  Grillparzer-Ausgabe  Sauers124) 
enthalten  die  gesamte  Lyrik;  es  waren  im  wesentlichen  für  S.  die  Anlage  der  Jubi- 
läumsausgabe (JBL.  1892  IV  2  :  167;  12  :  131)  und  die  hier  befolgten  kritischen 
Grundsätze  massgebend.  In  einer  Vorbemerkung  überblickt  S.  die  Entstehungs- 
geschichte aller  Editionen  der  Gedichte,  wobei  er  auch  seine  Methode  noch  einmal 
scharf  beleuchtet.  —  Wanieks125)  vergleichende  Studie  und  Freybes126)  moralistische 
Schrift  betreffen  in  der  Hauptsache  den  Dramatiker  Grülparzer.  Das  Psychelied  im 
Fragment  „Spartakus"  erinnert  W.  an  das  Schicksalslied  der  Iphigenie  (S.  76),  und 
überdies  weist  er  einzelne  Niederschläge  aus  Goethes  Gedichten  nach  (S.  97/8).  F. 
zieht  da,  wo  er  Grülparzer  als  den  Dichter  der  Geschichte,  der  letzten  Dinge  schildert, 
auch  den  politischen  Lyriker  heran.  —  Necker127)  analysiert  die  wundervolle 
Charakteristik,  die  Grülparzer  dem  „Weisen  in  der  That",  seinem  Ernst  von  Feuchters- 
ieben, in  Hebbels  bekannter  Ausgabe  schrieb;  er  citiert  für  diese  seltene  Kamerad- 
schaft allerlei  Gelegenheitsverse  aus  Grülparzer  wie  aus  Feuchtersieben.  —  Ein 
gemessenes  Freundschaftsverhältnis  zwischen  dem  Wiener  und  dem  Grazer  Dichter 
bezeugt  ein  Brief128)  Grülparzers  an  K.  Gottfr.  von  Leitner  vom  21.  März  1832,  worin 
Grülparzer  anerkennend  sich  für  Leitners  Gedichtsammlung  bedankt  und  in  einer 
dramaturgischen  Angelegenheit  seine  Hufe  zusagt.  — 

Die  neuere  Litteratur  über  Nik.  Lenau  fliesst  breit,  nicht  tief.  Witt129)  sieht, 
in  seiner  populären  Darstellung,  den  tiefen  seelischen  Leidenszug  in  Lenaus  Leben  und 
Charakter  als  naturgegeben  und  naturnotwendig  an.  —  L.  von  Sacher-Masoch130) 
schmückt  ältere  romantische  Ueberlieferungen  aus  Lenaus  Jugend  novellistisch  aus.  — 
„Erinnerungen"131)  an  Lenau  werden  aus  einem  Buche  geschöpft,  das  im  6.  Bande 
der  JBL.  zur  Besprechung  gelangt.  —  Einen  Sieg  Lenaus  über  Metternichs  Censur 
erzählt  Werner132)  nach  Emma  Niendorfs  „Lenau  in  Schwaben".133)  —  L.  A.  Frankls 
Buch  „Lenau  und  Sophie  Loewenthal"  (JBL.  1892  IV  2 :  172)  ist  in  zahlreichen  Recen- 
sionen134)  ausgeschöpft  worden.  Herauszuheben  ist  Minors  geschmackvolle  Charak- 
teristik, die  dem  Liebesverhältnis  psychologisch  nachgeht  und  in  einer  einleuchtenden 
Gegenüberstellung  der  Lenaubriefe  und  der  Briefe  Goethes  an  Frau  von  Stein  gipfelt. 
Roustan,  der  sich  in  der  Forschung  über  Lenau  gut  unterrichtet  zeigt  und  in  philo- 
logisch-technischer Hinsicht  an  Frankls  Werk  viel  zu  tadeln  findet,  schildert  trefflich 
in  Lenaus  Neigung  die  Entwicklung  von  seelischer  zu  irdischer  Liebe.135"136)  — 
Griot 137)  schreibt  über  Lenaus  schwärmerische  Beziehungen  zu  der  Sängerin  Karoline 
Ünger  und  seinen  plötzlichen  Bruch,  der  dem  Einfluss  Sophie  Löwenthals  zugeschrieben 
wird.  —  Einen  Brief  Lenaus  (Herbst  1830)  an  Nanette  Wolf,  die  musikbegabte 
Schulmeisterstochter  zu  Orth  am  Gmundener  See,  druckt  die  NFPr. 138)  ab.  Lenau 
hatte  während  einer  Sommerfrische,  die  Schurz  und  der  Dichter  Schleifer  mit  ihm 
teilten,  in  der  Familie  des  Mädchens  verkehrt  und  wahrscheinlich  eine  zärtliche  Zu- 
neigung zu  der  schönen  Sängerin  nicht  verbergen  können.  Der  Vater  verbot  Nanette 
den  Umgang.  In  dem  Briefe  schwelgt  Lenau  noch  in  den  frohen  Erinnerungen; 
auch  auf  seine  geliebte  Musik  bringt  er  die  Sprache,  indem  er  eine  Parallele 
zwischen  Franz  Schubert  und  Zumsteeg  zieht,  die  einem  sehr  persönlichen  Geschmack 
entspringt:  „Schubert  scheint  mir  mehr  unserem  Schiller  zu  gleichen,  dessen  be- 
stechende Sprache,  herrlicher  Prunk  und  überraschender  Gedanke  schon  von  ferne 
locken,  während  Zumsteeg  ein  Goethe  ist,  dessen  Schöpfungen  einfach  sind  und,  ich 
möchte  sagen  unbekümmert  um  den  Effekt,  den  sie  machen  werden,  in  sich  selbst 
versunken,  nur  den  wahren  Empfinder  in  ihre  göttlichen  Tiefen  blicken  lassen."  —  An 
den  eben  erwähnten  Leopold  Matthias  Schleifer,  einen  Sänger  und  heldenhaften 
Charakter,  erinnert  Grefe139).  Schleifer,  der  in  den  napoleonischen  Kriegen  glühende 
Freiheitslieder  schrieb  und  damals  als  „die  österreichische  Lerche"  galt,  ist  heute  ein  ver- 

BerlTBl.  N.  312.  —  120)  X  A.  S.,  Job.  L.  Stoll:  ADß.  36,  S.  404.  (1778-1815.)  —  121)  X  -*..  Kohut,  J.  Ch.  Frhr.  v.  Zedlitz 
Gedichte  (JBL.  1893  IV  2a:  95).  (=  ÜB.  N.  3141/2.)  L.,  Reclarn.  232  S.  M.  0,80.  —  122)  X  L-  Fränkel,  M.  Graf  v. 
Strachwitz:  ABB.  36,  S.  4S0/3.    —    123)  X    A.  Schlossar,    Joh.  Ant.  Suppantschitsch:  ib.  37,  S.  164.    (1788—1833.)    —   124) 

F.  Grülparzer,    Werke.     5.  Ausg.     (JBL.    1893   IV  4:200.)     Bd.  1-3.     St.,    Cotta.     1893.     264,    240,    251  S.    ä   M.  1,00.    —    125) 

G.  Wnniek,  Grülparzer  unter  Goethes  Einfluss.  (=  Xenia  Austriaca.  Festschrift  d.  österr.  Mittelschulen  z.  42.  Vers,  dtsch. 
Philol.  u.  Schulmänner  in  Wien.  II.  Abt.  Dtsch.  Sprache  u.  Litt.  [Wien,  Gerold.  1893.  99  S.  M.  1,00 J,  S.  65-99.)  —  126) 
A.  Freybe,  D.  eth.  Gehalt  in  Grülparzers  Werken  (JBL.  1893  IV  4 :  205).  Gütersloh,  Bertelsmann.  1893.  39  S.  M.  0,80. 
—  127)  M.  Neck  er,  E.  Frhr.  v.  Feuchtersieben,  d.  Freund  Grülparzers:  JbGrülparzerG.  3,  S.  61-93.  (Vgl.  JBL.  1893  IV 
4:211.)  —  128)  Grülparzerbriefe  an  K.  G.  v.  Leitner  u.  A.  Grün.  (Her.  t.  F.  Ilwof  u.  L.  A.  Frankl):  ib.  4,  S.  337-42.  — 
129)  A.Witt,  Lenaus  Leben  u.  Charakter.  Marburg,  Ehrhardt.  1893.  29  S.  M.  0,50.  —  130)  L.  v.  Sacher-Masoch,  Aus 
Lenaus  Knabenzeit:  Geg.  43,  S.  23/5.  —  131)  Erinnerungen  an  N.  Lenau:  NWienTBl.  1893,  N.  240/1.  (Aus  Th.  Kerner,  D. 
Kernerhaus  u.  seine  Gäste.)  —  132)  C.  Werner,  Vor  50  J.  (E.  Censurstückchen):  Montags  R.  1893,  N.  23.  —  133)  X  F-  K> 
N.  Lenau:  BurschenschBll.  7,  S.  14/6.  —  134)  J.Minor:  ADA.  18,  S.  276-91;  WIDM.  71,  S.  423,4;  F.  Prosch:  ÖLB1.  2,  S.  495/6; 
L.Salomon:  IHZg.  S.529;  L.Roustan:  RCr.  33,  S.  157.  —  135)  X  J.  E.  Frhr.  y.  Grotthuss,  N.  Lenau  u.  Sophie  Löwenthal: 
VelhKlasMh.  1892:  1,  S. 721,3.  —  136) X  Elise  v.  Hohenhausen,  Emüie  Reinbeck  u.  Lenau.  (=  Berühmte  Freundschaften) : 
Zeitgeist  1893,  N.  3.  —  137)  K.  Griot:  E.  Freundin  Lenaus:  DDichterheim.  14,  S.  162/4.  —  138)  E.  Brief  Lenaus :  NFPr.  N.  10484. 
(Auch  Didask.  1893,  N.  257.)  —  139.)  A.  G  r  e f  e ,  E.  vergess.  Dichter  u.  dessen  Beziehungen  zu  Lenau :  ib.  N.  105Ö2.    (L.  M.  Schleifer.,) 


J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  (lagen wart.     IV  2b  :  140-157 

gessener  Mann.  Durch  sein  Gedicht  auf  die  Schlacht  bei  Leipzig-  war  Anton  Schurz  auf  ihn 
aufmerksam  geworden.  Er  führte  ihm  nach  Sirning  seinen  Schwager  zu.  In  dem 
vorliegenden  Briefe  spricht  sich  eine  starke  Freundesempfindung  aus;  u.  a.  äussert 
sich  Lenau  als  Mensch  und  Dichter  über  Politik.  Die  Beziehungen  zwischen  Lenau 
und  dem  Gmundener  Bergrat  währten  ungetrübt  bis  zu  Schleifers  Tode  (26.  Sept. 
1842).140-143) —  Die  Franzosen  schätzen  Lenau.  Die  Uebersetzung  Descreux144)  kenne 
ich  nur  aus  dem  Lobe,  das  sie  bei  der  französischen  Kritik  gefunden.  Die  Verse  sind  in 
eine  saubere,  schwungreiche  Prosa  aufgelöst;  von  den  Dramen  wird  nur  der  „Faust" 
geboten.  D.  hat  über  100  Seiten  der  Fränkischen  Erinnerungen  mit  übertragen.  — 
Lothar  Koch145),  Rosenburg146),  Sprenger147)  und  Puls148j  diskutieren  über 
Nichtigkeiten.  —  Below  149)  deutet  einen  Roman  F.  Kürnbergers  „Der  Amerikamüde" 
(in  ÜB.  N.  2611/5)  auf  die  Amerikafahrt  Lenaus;  Moorfeld,  der  Held,  sei  Lenau  selbst. 
Das  Buch  ist  voll  der  grossartigsten  Pläne  für  die  Zukunft  des  Deutschtums,  für  die 
unumschränkte  Weiterentwicklung  eines  freien  Menschentums:  Amerika  ist  die  Krone 
des  Menschheitsbaumes,  das  Deutschtum  die  Zukunft  für  Amerika.  B.  meint,  es  sei 
Aufgabe  der  Litterarhistorie,  zu  ergründen,  zu  wem  Lenau  so  von  seinem  Schicksale 
und  seinen  Ideen  gesprochen,  dass  Kümberger  daraus  seinenRoman  schaffen  konnte.  Wie 
mir  B.  in  einem  Privatbriefe  mitteilt,  hat  Kürnberger  selbst,  auf  Anfragen  hin,  die 
Verantwortlichkeit  für  die  geschichtliche  Treue  der  in  seinem  Roman  erzählten  Er- 
eignisse abgelehnt  und  nur  zugestanden,  dass  er  die  interessante  Epoche  aus  Lenaus 
Leben  verwandt  habe.  Wer  den  Roman  kennt,  wird  gleich  mir  der  Ansicht  sein,  dass 
mit  dieser  Auskunft  des  Vf.  sich  die  Forschung  begnügen  kann.151"152)  — 

Friedr.  Hebbels  Gedichte  sind  in  verschiedenen  neuen  Ausgaben153)  er- 
schienen, unter  denen  die  Sammlung  von  Friedr.  Brandes  154)  insofern  einen  gewissen 
literarhistorischen  Wert  behauptet,  als  die  Ausgabe  letzter  Hand  von  1857  zwar  als 
Grundlage  beibehalten  ist,  doch  aus  den  Editionen  von  1842  und  48  die  Stücke 
(S.  244—  87,  288 — 98)  hineingezogen  sind,  die  Hebbel  1857  unterdrückt  hat.  In  einer 
ersten  Nachlese  (S.  207 — 42)  sind  die  Jugendgedichte  von  1829—33  zusammengestellt, 
und  am  Schlüsse  (S.  305—361)  sind  die  nach  1857  entstandenen  lyrischen  Stücke 
gruppiert  worden.  Ein  Gedient  „Noch  ist  Polen  nicht  verloren"  aus  dem  J.  1853 
wird  wieder  abgedruckt  (S.  299— 304). 155)  — 

Ueber  Anastasius  Grün  veröffentlicht  Seuffert156)  eine  massvolle  und 
aufrichtige  Betrachtung.  Im  Gegensatz  zu  Lenau,  .der  ins  Innenleben  gebannt,  ist 
Grün  aufs  Aussenleben  gestellt  —  als  ein  romantischer  Poet  „praktischen  Charakters". 
Grün  war  nicht  Dichter  „durch  und  durch".  In  seinen  Poesien  war  ein  starkes  ge- 
dankenhaftes  und  rednerisches  Element.  Er  war  „Gesinnungsdichter"  selbst  da,  wo 
er  die  Vergangenheit  schilderte.  Kaiser  Max  war  sein  Ideal  als  der  Held  einer 
grossen  Zeit :  in  der  Gegenwart  aber  lebt  ein  träges,  verschlafenes  Geschlecht,  dessen 
Fluch  die  Gleichgültigkeit  ist.  Grün  möchte  durch  diesen  Fürstenspiegel  die  Re- 
volution „von  oben"  erwecken;  später  aber  schreitet  er  zur  Revolution  „von  unten" 
vor:  Jetzt  sieht  er  die  Schuld  bei  den  Herrschenden,  redet  er  vom  biederen,  treuen 
Volke.  In  den  „Spaziergängen  eines  Wiener  Poeten"  geht  er  an  Unlands  Seite. 
Er  will  Recht,  Licht,  Freiheit.  Ein  anderer  Marquis  Posa  bittet  er  Franz :  „Frei  das 
Wort,  frei  der  Gedanke".  Er  kämpft  gegen  Pfaffen,  Mauth,  Censur,  Spähertum.  Als 
Beispiele  der  alten,  guten  Zeit  wählt  er:  den  Ungarkönig  Stephan,  Maria  Theresia, 
Kaiser  Joseph.  In  seinen  Anklagen  gegen  die  Regierung  ist  er  ein  Volkstribun,  ein 
Satiriker,  entwickelt  er  einen  sehr  scharfen  Witz.  Als  Schüler  ühlands  und  als 
echter  Romantiker  war  er  der  Ballade  zugethan.  In  seinen  Liedern  ist  ein  Schuss 
Heines.  Als  alter  Mann  noch,  wie  als  Jüngling,  hegte  er  den  Glauben  an  die  Freiheit, 
an  das  grosse  deutsche  Vaterland;  im  „Pfaffen  vom  Kahlenberg"  blickt  der  politische 
Kämpfer  hervor.  Grün  war  ein  Freund  der  Natur,  war  durchdrungen  vom  Heimats- 
gefühle:  „Seine  Dichtkunst  hat  sein  inneres  und  äusseres  Leben  begleitet  und  ge- 
schmückt, hat  ihm  Trost  gespendet  und  Mut  verliehen.  An  alten  Beispielen  hat  er 
seine  Lebensideale  gestärkt,  in  ihnen  sie  verkörpert ;  auch  im  unmittelbaren  Ergüsse 
seines  Denkens  und  Fühlens  hat  er  sie  bekannt,  sich  und  Anderen  ausgestaltet."  — 
L.  von  Sacher-Masoch157)  dagegen  kramt  nichtige  Erinnerungen  aus.    Er  machte 

—  140)  X  N.  Lenaus  sämtl.  Werke  in  4  Bdn.  (=  Cottasche  Volksbibl.  Bd.  11/4.)  St.,  Uotta.  1893.  12".  216,  200,  227,  196  S.  M.  2,00. 

—  141)  id.,  Gedichte.  Mit  e.  biogr.  Einl.  v.  A.  Grün.  2  Tle.  in  1  Bd.  ebda.  1893.  240,  207  S.  Mit  Portr.  M.  2,00.  —  142)  X  id-. 
Werke.  4  Bde.  (Neue  Ausg.)  Gütersloh,  Bertelsmann.  1893.  VI,  380,  132,  103,  104  S.  M.  3,00.  —  143)  id.,  Ausgew.  Ge- 
dichte. L.,  Fiedler.  1892.  16°.  164  S.  M.  0,90.  —  144)  O  id.,  Poemes  et  poesies  trad.  par  V.  Descreux.  Paris,  Savine. 
1892.  CV,  258  S.  |[E.  Faguet:  RPL.  1892:  1,  S.  533;  Polybiblk  67,  S.  242/3.JI  —  145)  Lothar  Koch,  Zu  Lenaus  „Werbung": 
ZDU.  6,  S  52  3.  —  146)  H.  Rosenburg,  Zu  Lenaus  „Werbung":  ib.  S.  841.  —  147)  R-  Sprenger,  Zu  Lenaus  „Werbung":  ib.  7, 
S.  425/6.  —  148)  A.  Puls,  Zu  Lenaus  „Werbung":  ib.  S.  629-31.  —  149)  X  K.  Griot,  Lenaus  Humor:  Zeitgeist  N.  14.  —  150) 
E.  Below,  E.  Vermächtnis  Lenaus  an  d.  Deutschen:  Grenzb.  1893:  1,  S.  139-43.  —  151)  X  A-  Schlossar,  Joh.  Senn: 
ADB.  34,  S.  33,4.  —  152)  X  A.  S.,  Jos.  Streiter:  ib.  36,  S.  567/8.  —  153)  X  *"•  Hebbel,  Ausgew.  Gedichte.  (=  Meyers  Volks- 
b&cher  N.  1030,2.)  L.,  Bibliogr.  Inst.  172  S.  M.  0,20.  —  154)  id.,  Gedichte.  Her.  v.  F.  B  r  a  n  d  e  s.  (=  ÜB.  N.  3231/4.)  L., 
Reclam.  432  S.  Mit  Bildn.  M.  1,20.  —  155)  X  id-  Gedichte.  Ausw.  (=  Bibl.  d.  Ges.-Litt.  d.  In-  u.  Ausl.  N.  727,9.)  Halle  a.  S., 
Hendel.    VIII,  264  S.    M.  1,50.   —   156)  B.  Seuffert,   A.  Grün:   DRs.  71,  S.  375-90.    —   157)  L.  v.  Sacher-Masoch,  Er- 

(4)16  d* 


IV  2b  -.  158-204    J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart; 

1859  Grüns  Bekanntschaft  in  einem  Buchladen.  Gegen  die  neuere  Litteratur,  Kunst, 
Musik  verhält  der  alternde  Dichter  sich  ablehnend:  Die  Tannhäuser-Ouverture  ist 
ihm  Katzenmusik,  Frey  tags  „Soll  und  Haben"  der  Uebergang  zu  Prosa  und  Nüchtern- 
heit, Gallaits  Geschichtsmalerei  der  Sieg  des  Hässlichen.158"160)  — 

Ueber  Adolf  von  Tschabuschnigg  giebt  Fränkel161)  das  nötig-e  bio- 
graphische Material.  Der  kärntnerische  Dichter  neigt  zur  Reflexion;  er  findet 
ironische  Töne  in  der  Art  Heines;  er  schlägt  politische  Themata  an,  doch  ohne  Partei- 
sucht; in  der  Ballade  bevorzugt  er  streitbare  Kriegshelden.162)  — 

Unter  dem  Drucke  gewisser  Verhältnisse,  über  die  im  Vorwort  Rechenschaft 
gegeben  ist,  sehe  ich  mich  gezwungen,  die  Darstellung  an  dieser  Stelle  ab- 
zubrechen und  nur  einen  Notbericht  zu  liefern,  um  wenigstens  den  bibliographischen 
Apparat  noch  in  diesem  Bande  unterzubringen.  Der  Text  wird  nachträglich  im 
sechsten  Band,  unter  einfachem  Hinweis  auf  die  Fussnoten  zum  Abdruck  gelangen. 
—  Unter  den  österreichischen  Lyrikern  sind  Ludwig  August  ITrankl163"165), 
der  am  12.  März  1894  gestorben  ist,  der  steirische  Sänger  Karl  Gottfr.  von 
Leitner166-167)  mit  Würdigungen  und  Studien,  sodann  J.  Mauthner168)  mit  einer 
Ausgabe  seiner  Gedichte  und  Rob.  Hamerling169-173)  mit  einer  Reihe  von  Ver- 
öffentlichungen bedacht  worden.  — 

Zahlreich  sind  in  Oesterreich  die.  dichtenden  Frauen:  Die  geniale  Marie 
von  Ebner-Eschenbach174-175)  gab  Parabeln,  Märchen,  Gedichte,  teilweise  wiederholt 
heraus;  Betty  Paoli176)  starb  am  5.  Juli  1894,  fast  achtzig  Jahre  alt;  Ada 
Christen177),  Hedwig  Wolf178),  Helene  Friedländer179)  werden  in  ihrer  Eigenart  ge- 
schildert; an  die  „Neuen  Gedichte"  Angelicas  von  Hörmann180"181)- werden  kritische 
und  ästhetische  Betrachtungen  geknüpft.  — 

Zu  den  Dichtern  einer  älteren  Generation  gehören  Herrn.  Rollet182), 
Ferdinand  von  Saar183  186),  Mich.  Albert187)  und  Albr.  Graf  von  Wicken- 
burg188); in  A.  von  Goldschmidt190),  Rud.  Lothar191)  und  einem  „jüngsten 
Wien"192)  bethätigt  sich  ein  moderneres  Geschlecht.  — 

Ein  Abschnitt  zur  Dialektdichtung193-19*)  leitet  hinüber  nach  Tirol199'202), 
das  wegen  seines  allgemeinen  litterarischen  Lebens  schon  ein  besonderes  Kapitel 
verdient;     von    einzelnen    Persönlichkeiten     erscheinen    Ignaz    von    Zingerle203), 


innerungen  an  A.  Grün:  Geg.  44,  S.  102/5,  119-21.  —  158)  O  X  X  ^  *■  Frankl,  Briefw.  zwischen  Schmerling  u.  A.  Grün: 
NFPr.  1393,  18.  Juni.  —  159)  X  A.  Grün,  Spaziergänge  e.  Wiener  Poeten.  2.  Aufl.  mit  Anm.  (=  Dtsch.-österr.  Nat.-Bibl.  her. 
v.  H.  G.  L.  Weichelt.  N.  28.)  Wien,  Weichelt.  1893.  37  S.  M.  0,20.  —  160)  X  A.  Grün,  E.  Märchen  aus  Franzensbad: 
LJb.  3,  S.  25/7.  —  161)  L.  Fränkel,  A.  v.  Tschabuschnigg:  ADB.  38,  S.  695/7.  —  162)  X  A.  s-  Jos-  Samuel  Tauber:  ib.  37, 
S.  423.  (1822—79;  verkehrt  in  Paris  mit  Heine  und  Moritz  Hartmann.  Gedichte  1847,  1860,  1864  und  1877.  Formale  Be- 
gabung. Fein  in  d.  Spruchpoesie.)  —  163)  J.  Herzfelder:  MünchNN.  1892,  N.  53:  E.  Roeder:  BLÜ.  1892,  S.  498-500;  K. 
v.  Thaler:  NFPr.  N.  9138;  id.:  ib.  N.  10615;  E.  Kuh:  NWienTBl.  N.  70;  Presse  N.  70;  FrBIW.  N.  70/1;  BerlTßl.  N.  131; 
BerlBörsCour.  N.  120.  —  164)  R.  M.  Werner,  L.  A.  Frankl:  ÖÜR.  16,  S.  165-85.  -  165)  Ueber  L.  A.  Frankls  Gedicht 
„D.  Universität":  BerlTßl.  N.  135.  —  166)  F.  Ilwof,  K.G.Ritter  v.Leitner:  MHVSteiermark.  41,  S.  175-222.  |[A.  Schlossar: 
BLU.  1893,  S.  790.]|  —  167)  A.  Schlossar,  J.  G.  Seidl  u.  K.  G.  v.  Leitner:  ZOG.  44,  S.  865-90.  —  168)  J.  Mauthner, 
Gedichte.  B.,  Haack.  1891.  128  S.  M.  2,20.  |[A.  B  rieger:  BLU.  1891,  S.  374/5;  E.  R.:  BohemiaB.  1891,  N.  110.]  |  (Ygl. 
JBL.  1892  IV  2:191.)  —  169)  R.  Schweichel,  R.  Hamerlings  Leben  u.  Dichtungen:  NZ»*.  II1,  8.  673-S0,  707-12.  —  170) 
L.  v.  Sacher-Masoch,  Erinnerungen  an  R.  Hamerling:  Geg.  42,  S.  230/3.  (Vgl.  JBL,  1892  IV  3:137.)  —  171)  J.  Allram, 
Aus  d.  Heimat  Hamerlings.  D.  Manen  d.  Dichters  gewidm.  Bilder  aus  d.  Waldviertel.  2.  Aufl.  Wien,  Hartlebcn.  1893. 
80  S.  Mit  5  Abbild,  u.  1  Fucs.  M.  1,20.  —  172)  R-  Hamerling,  Letzte  Grüsse  aus  Stiftinghaus.  Lyr.  Nachl.  Her.  v. 
O.Linke.  Hamburg,  Verlagsanst.  1893.  XV,  264  S.  M.  4,00.  —  173)  A.  Schlossar,  Aus  Hamerlings  Nachl.:  BLU. 
S.  301/2.  -  174)  Marie  v.  Ebner-Eschenbach,  Parabeln,  Märchen  u.  Gedichte.  1.-2.  Aufl.  B.,  Paetel.  1892.  12°. 
VI,  182  S.  M.  4,00.  |[P.  V.  Szczepauski:  VelhagenKlasMh.  1893:  2,  S.  554/5.J)  (Vgl.  JBL.  1892  IV  3:217;  5:12;  s.  auch 
JBL.  1891  IV  6:27.)  —  175)  id.,  Aphorismen.  4.  Aufl.  Parabeln,  Märchen  u.  Gedichte.  3.  Aufl.  (=  Ges.  Schriften.  Bd.  1.) 
ebda.  1893.  219  S.  Mit  Bildn.  M.  3,50.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  3:  218.)  —  176)  i  d. :  NFPr.  N.  10744;  H.  L  o  r  m :  AZgU.  N.  167; 
id.:  NWienTBl.  N.  192;  ÜL*M.  72,  S.  874;  FrBlw.  N.  183;  H.  Grasberger:  WienZg.  N.  166;  Hugo  Klein:  Presse 
N.  183;  A.  von  Weilen:  MontagR.  N.  37.  -  177)  M.  Necker,  Ada  Christen:  AZg1!.  1893,  N.  30.  —  178)  H.  M.  Truxa, 
Hedwig  Wolf.  E.  litt.  Frauengestalt  Oesterreichs.  Mit  1  Portr.,  1  Abbild,  u.  5  Novellen  aus  d.  Nachl.  Wien,  Selbstverl. 
(Waschhausg.  1).  81  S.  M.  1,00.  —  179)  Helene  Friedländer.  E.  Denkmal.  Wien,  Frick.  1892.  123  S.  Mit  2  Lichtdr. 
M.  3,00.  |[P.  L.:  N&S.  64.  S.  273;  Nation15.  10,  S.  64.] |  —  180)  Angelica  v.  Hörmann,  Neue  Gedichte.  L.,  Liebeskind. 
1893.  16».  VII,  208  S.  M.  3,00.  |  [O.Ernst:  ML.  62,  S.  798;  Grenzb.  1893:2,  S.  513/6.]  |  —  181)  R.  M.  We  r  n  e  r  ,  Angelica 
v.  Hörmann:  ÖUR.  14,  S.  13S-42.  —  182)  L.  Katscher,  Herrn.  Rolletts  Leben  u.  Werke.  Festschr.  d.  Stadt  Baden  zu 
seinem  75.  Geburtst.  Wien,  Perles.  47  S.  Mit  Bildn.  M.  0,80.  —  183)  D.  heimatl.  Dichter  F.  v.  Saar  z.  60.  Geburtst. 
Her.  vom  Ver.  für  dtsch.  Litt.  „Ostarrichi."  Geleitet  v.  V.  F  e  1  g  e  1  -  F  e  1  d  e  g  g  u.  W.  A.  Hammer.  Wien  (L.,  Schaumbur  g- 
Fleischer).     Fol.     7  S.     Mit  Bildn.     M.  0,50.    —    184!    H.  Frhr.  v.  Jaden,    Alt- Wien  u.  sein  Poet:    Alt-Wien  2,  S.  199-200. 

—  185)  K.  v.  Thal  er,  F.  v.  Saar  u.  seine  Wiener  Elegien:  Geg.  43,  S.  218,9.  —  186)  A.  Bettelheim:  AZgH.  1893, 
N.  226;  H.  Glücksmann:  Presse  1893,  N.  270.  —  187)  K.  Pröll,  Mich.  Albert:  Kai.  aller  Deutschen  S.  151/3.  —  188) 
Albr.  Graf  von  Wickenburg:  WienZg.  N.  243.  —  189)  Wiener  Lieder:  NWienTBl.  N.  284.  —  190)  A.  v.  Goldschraidt:  BerlTBl.  1893, 
N.  21.  —  191)  M.  Wundtke,  R.  Lothar:  Geg.  43,  S.  73/5.  —  192)  K.  Kraus,  Vom  jüngsten  Wien:  Zuschauer  1,  S.  128-31. 

—  193)  L.  v.  Hörraann,  Biogr.-krit.  Beitrr.  z.  österr.  Dialektlitt.  Dresden,  Pierson.  III,  78  S.  M.  1,00.  —  194)  E.  Keiter, 
Oberösterr.  Dialektdichter:  FrBIW.  1893,  N.  326.  —  195)  M.  E.  Burokhard,  D.  oberösterr.  Dialektdichtung.  Vortr.  Ref.: 
Presse  N.  23.  —  196)  A.  Sohl  ossär,  F.  Stelzhamer:  ADB.  36,  S.  37,9.  —  197)  A.  Hämmerle,  D.  Vorarlb.  Dialekt- 
dichter Casp.  Hagen.  Progr.  Brixen.  24  S.  —  198)  H.  Dieter,  Aug.  R.tdnitzky,  D.  „Fink  v.  Mattsee",  Nestor  d.  österr. 
Dialektdichter  u.  Zweitältester  d.  österr.  Besten  überhaupt.  Vortr.  (Aus  d.  SalzbZg.)  1.-3.  Aufl.  Salzburg,  Dieter.  1893. 
15  S.   Mit   Bildn.     M.    0,40.    —    199)   Ad.   Pich  ler,   Dialektpoesie   in   Tirol.      E.   Nachtr.:    ZVVolksk.    4,    S.    331/2.    — 

200)  id.,    Z.     neueren     dtsch.     Dichtung     in     Tirol:     ÖUR.     13,     S.     154-80,     255-69.       (Vgl.     JBL.     1892    IV   4:123.)    — 

201)  Geistiges  Leben  in  Tirol:    ÖUR.  13,    S.  79-80.  —  202)  Frida   Schanz,    Tiroler   Lyrik:    VelhKlasMh.  1893:  2,  S.  442,6. 

—  203)  S.  M.  Prem.  Vom  alten  Naz:  TirolerGrenzb«.  1892,  N.  47-50.  —  204)  X  K-  Pröll,  Ad.  Piohler:  Kai.  aller  Deutschen 


J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart.    IV  2b  :  205-258 

Ad.  Pichler204'207),  der  verdiente  Poet  und  Forscher  Josef  von  Schnell208), 
Hans  von  Vintler209"212)  und  der  weiche  Herrn,  von  Gilm213)  in  der 
Forschung.  — 

Die  Lyriker  der  Schweiz,  für  die  zwei  allgemeine  Sammlungen214213) 
zu  verzeichnen  sind,  treten  diesmal  zahlreicher  als  sonst  hervor216);  Heinrich 
Leuthold217-219)  und  Konr.  Ferd.  Meyer220)  beanspruchen  freilich  das  Haupt- 
interesse; daneben  aber  kommen  auch  Otto  Sutermeister221),  Friedr.  Oeser222), 
Felix  Hemmerli223)  und  Jost  Winteler224),  ein  neuer  Mann,  zur  Geltung.  — 

Während  über  die  deutsche  Dichtung  in  Luxemburg225)  nicht  eben  viel 
zu  sagen  ist,  erregt  das  litterarische  Leben  der  baltischen  Lande  schon  des- 
halb bei  uns  eine  so  starke  Teilnahme,  weil  es  den  Verzweiflungskampf  des  Deutsch- 
tums darstellt.  Auf  die  Sammlung  des  Freiherrn  Jeannot  von  Grotthuss 226)  und 
Johansons227)  ist  von  vielen  Seiten  kritisch228"231)  hingewiesen  worden;  aber 
Dichter  wie  W.  Smets232),  J.  von  Sivers233),  K.  W.  von  Stern234),  K.  von  Fircks 235), 
J.  Mickwitz236),  Maurice  R.  von  Stern237)  erhielten  auch  besondere  Charakteristiken.  — 

Stark  und  stärker  schwillt,  auch  nach  der  Seite  der  Lyrik  hin,  die  Litteratur 
über  Joseph  Viktor  von  Scheffel  an.  Es  erscheinen  Jahrbücher239"240),  neue 
Forschungen,  Miscellen,  Reminiscenzen  über  sein  Leben241"248),  nachträgliche  Samm- 
lungen seiner  Gedichte249250),  Notizen  über  einzelne  seiner  Lieder251^253);  Scheffels 
Mutter  Josephine254"255)  wird  als  Dichterin  entdeckt.  — 

Zu  Friedrich  Theodor  V ischers  genialer  Erscheinung  bringen  die 
„Allotria"256"257)  manchen  neuen,  kräftigen  Zug;  Th.  Storni258)  findet  Eingang  in  die 
ADB;  die  Werke  eines  Humoristen,  der  nur  in  respektvoller  Entfernung  von  Vischer 


S.  32/3. —  205)  F.  Schnürer,  S.  M.  Prera,  Ad.  Pichler.  Z.  70.  Gebnrtst.  Kufstein,  Lippott.  18S9.  43  S.  M.  0,50.  ÖLB1.  1,  S.93.  — 
206)  E.  H.  Greinz,  Ad.  Pichlers  Memoiren:  Geg.  42,  S.  329-31.  —  207)  A.  J.  Weltner,  Zu  Karoline  Pichlers  50.  Todest.: 
FrBIW.  1893,  N.  187.  —  208)  S.  M.  Prem,  J.  v.  Schnell,  e.  tirol.  Dichter  u.  Orient  reisender.  Nach  Briefen  n.  Tagebüchern 
dargest.  Innsbruck,  Wagner.  1892.  116  S.  M.  1,50.  (Nur  in  ISO  Exerapl.  gedr.)  —  209)  H.  v.  Vintler,  Gedichte.  Mit  d.  Bildn. 
d.  Vf.  in  Photograv.  u.  d.  Facs.  seiner  Hs.     L.,   Liebeskind.     1892.     12°.     XIII,   215  S.     M.  3.00.     (Vgl.  JBL.  1892  IV  2:213b.) 

—  210)  H.  Sander,  H.  v.  Vintler,  e.  Dichter  aus  Tirol.  Innsbruck,  Wagner.  1892.  12°.  42  S.  M.  0,50.  —  211)  K.  Wein- 
sold,  H.  t.  Vintler:  DR.  172,  S.  124,6.  —  212)  E.  Gnad,  H.  v.  Vintler:  Heimgarten  16,  S.  589-93.  —  213)  H.  v.  Gilm, 
Gedichte.  L.,  Liebeskind.  12°.  XVI,  248  S.  N.  1,50.  ffOttokar  Lorenz:  Presse  N.  280;  Geg.  46,  S.  47.]|  —  214)  E.  Heller, 
Sänger  aus  Helvetiens  Gauen.  Album  dtsch. -Schweiz.  Dichtungen  d.  Gegenw.  Aus  Orig.-Beitrr.  zusammengest.  Neue  Volks- 
Ausg.     Aarau,   Sauerländer.     1892.     XII,   324  S.     M.   2,80.     (Vgl.  JBL.  1892   IV   2 :  214.)    —    215)   D.  Schweizerland   im    Liede. 

E.  Anth.  Zusammengest.  v.  H.  Bothmer.  (=  Bibl.  d.  Gesamtlitt.  d.  In-  n.  Auslandes  N.  6368.)  Halle  a.  S.,  Hendel. 
1893.  VI,  190  S.  M.  2,00.  —  216)  X  D.  Jacoby,  K.  K.  Tanner:  ADB.  37,  S.  383,5.  -  217)  Ad.  W.  Ernst,  H.  Leuthold.  E. 
Dichterportr.  Mit  ungedr.  Gedichten  u.  Briefen  u.  d.  Bildn.  Leutholds  nach  e.  Gemälde  v.  F.  v.  Lenbach.  2.  Aufl.  Hamburg, 
Kloss.      1893.     VIIL    163    S.     M.    2,50.      |[N&8.     67,    S.    272;    Ges.    1892,    S.   1522;     A.     Schroeter:    BLU.    1892,   S.    21:J4; 

F.  V(etter):  SchwRs.  1893:1,  S.  739-42;  HarabCorr«.  1892,  N.  5.]|  (Vgl.  JBL.  1892  IV  2:215.)  —  218)  E.  Kreowski,  H. 
Leuthold  in  München:  MünchNN.  1893,  N.  30.  —  219)  W.  Bormann,  H.  Leuthold  u.  d.  dichterische  Fornibegriff:  AZgB.  1893, 
N.  196.  —  220)  K.  Geiser.  D.  Hauptmann  Daxelhofer.  (Dichtung  u.  Wahrheit.):  BundB.  1892,  N.  4/6.  —  221)  Rob.  Weber, 
Otto  Sutermeister.  Gedichte.  (=  Schweiz.  Nationalbibl.  N.  30.)  Aarau,  Sanerländer.  V,  73  S.  M.  1,40.  —  222»  Un  poete 
Suisse:  BURS.  53,  S.  395  7.  —  223)  A.  Schneider,  Felix  Hemmerli:  ZürcherTb.  S.  106-43.  —  224)  J.  Mähly,  E.  philos. 
Dichter  (Jost  Winteler):  Geg.  41,  S.  313/4.  —  225)  Toni  Kellen,  Luxemb.  Dichter:  ML.  63,  S.  9048.  —  226)  (IV  la:10.) 
ITAkBll.  8,  S.  241/2;  O.  v.  Uechtritz:  DAdelsbl.  1893,  S.  974/6;  id.:  ib.  1894,  S.  967S;  M.  Koch:  DldBl.  7,  S.  153  4: 
H.  Stumcke,  Zuschauer  1,  S.  4S01;  SchlesZg.  N.  84;  O.  Harnack:  PrJbb.  75,  S.  534/6;  LCB1.  S.  157/8;  R.  Friedrich: 
BLU.  S.  21S9;  Geg.  46,  S.  223;  KonsMschr.  S.  329-30.  —  227)  (IV  1  a :  11.)  |[Ges.  S.  260/1;  A.  Schroeter:  BLU.  S.  89; 
H.  Stümcke:  Zuschauer  1,  S.  481.]|  —  228)  G.  v.  Glasenapp,  Neuere  Lyrik  in  balt.  Landen:  BaltMschr.  40,  S.  172-81.  — 
229)  Balt.  Anthologien:  Grenzb.  3,  S.  124/S.  —  230)  E.  Peschkau,  Deutsches  aus  Russland:  SchorerFamBl.  15,  S.  88-90.  — 
231)  H.  v.  Petersdorff,  Balt.  Dichtertum:  AkBll.  8,  S.  2413.  —  232)  F.  Haagen,  W.  Smets:  ADB.  34,  S.  482/7.  —  233) 
Ar.  Buchholtz,  J.  v.  Sivers:  ib.  S.  4368.  —  234)  F.  Brummer,  K.  W.  v.  Stern:  ib.  36,  S.  107/8.  —  235)  Dr.  S.,  K.  Frhr. 
v.  Fircks:  PrJbb.  75,  S.  455-73.  —  236)  L.  P[ietsch],  E.  balt.  Dichter.  (J.  Mickwitz):  SchlesZg.  1892,  N.  814.  —  237) 
H.    Wilhelmi,  M.  R.  v.  Stsrn,  e.  socialdera.  Dichter.     Vortr.     (Aus  MschrlnnMiss.)     Gütersloh,  Bertelsmann.     26  S.     M.  0,30. 

—  238)  G.  t.  Glasenapp,  M.  R.  v.  Stern  u.  V.  v.  Andrejanoff:  BaltMschr.  41,  S.  700-36.  —  239)  Nicht  rasten  u.  nicht  rosten! 
Jb.  d.  Scheffelhundes.  Her.  v.  J.  St oe ekle  u.  A.  Breitner.  St.,  Bonz.  1892-94.  XII,  162  S.;  XI,  274  S. ;  XIV,  329  S.  Mit 
Abbild,  ä  M.  3,00.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  2:  227.)  —  240)  In  honorem  Josephi  Victoris  Scheffe-1.  Publikationen  für  Freunde  d. 
schönen  Wissensch.  Her.  vom  Scheffelbunde  in  Oesterr.  Geleitet  v.  A.  Jarosch.  St.,  Süddtsch.  Verl. -Inst.  1893.  VIII,  89  S. 
Mit  Abbild.  M.  3,00.  —  241)  Scheffels  richtiger  Vorname:  BurschenschBll.  7,  S.  102.  —  242)  X  J-  V.  Scheffel,  seine  Frau  u. 
sein  Verleger:  Geg.  46,  S.  223.  (Zuschrift  d.  Firma  Ad.  Bonz  &  Co.:  Scheffel  habe  mit  Ad.  Bonz  stets  in  freundschaftl.  Ver- 
hältnis gestanden.  Nicht  über  den  „Trompeter",  vielmehr  über  den  „Ekkehard"  habe  er,  und  zwar  mit  Otto  Janke,  verlagsrechtlicbe 
Prozesse  geführt  [vgl.  ib.  S.  1837J.)  —  243)  M.  Treutier,  2  ungedr.  Briefe  V.  v  Scheffels:  MünchNN.  1893,  N.  4S9.  (Aus 
d.  PfälzKur.)  —  244)  V.  Abee,  Im  Spätherbst  auf  d.  Hohentwiel.  E.  Erinner,  an  V.  v.  Scheffel.  D.  Bedeutung  d.  Ortsnamens 
Crengeldanz.  Witten  (Cassel,  E.  Huhn).  1893.  6  S.  M.  0,30.  —  245)  F.  Uhlbach,  Scheffel  in  Berlin:  Bär.  20,  S.  5,7.  (Vgl. 
BerlBörsCour.  N.  6.)  —  246)  G.  Zernin,  Generalarzt  v.  Beck  u.  d.  Dichter  Scheffel:  NorddAZg.  KT.  450,  452.    (Vgl.  IV  3:215/6.) 

—  247)  D.  Scheffeldenkm.  u.  d.  Scheffelfeier  in  Karlsruhe:  StrassbPost.  1892,  N.  323.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  3:  159.)  —  248)  Z. 
Erinner,  an  Scheffel:  Presse  N.  191.  —  249)  J.  V.  v.  Scheffel,  Episteln.  St.,  Bonz.  1892.  12°.  V,  334  S.  Mit  Lichtdr.-Bildn. 
M.  3,60.  |[M.  Necker:  BLU.  1892,  S.  419-20;  A.  Schöne:  DLZ.  1892,  S.  1473/5;  Nation8.  9,  S.  596;  Grenzb.  513,  S.  576; 
ÖLB1.  2,  8.  532/3  ]|  (Vgl.  JBL  1892  IV  3:152.)  -  250)  ia.,  Aus  Heimat  u.  Fremde.  Lieder  u.  Gedichte,  ebda.  1891.  12°. 
XII,  182  S.  Mit  Bildn.  M.  4,00.  |[A.  Schöne:  DLZ.  1892,  S.  1473,5;  M.  Koch:  SchlesZg.  1892,  N.  103;  J.  Schwering: 
KZg.  1892,  N.  664;  F.  L.:  FränkKur.  1892,  N.  504.]|  (Vgl.  JBL.  1892  IV  2:237a-240;  IV  3 :  188.)  —  251)  Z.  heiigen  Veit  vom 
Staffelstein:  Vom  Fels  z.  Meer  2,  S.  16.  —  252)  D.  Gemeinde  Gabelbach.  E.  Gedicht  v.  J.  V.  v.  Scheffel:  BBSW.  1892 
S.  122/3.  —  253)  A.  Trinius,  D.  Gemeinde  Gabelbach:  VelhKlasMh.  1,  S.  217-30.  —  254)  Brinzinger,  D.  Mutter  J.  V. 
v.  Scheffels.     Vortr.:   AZgB.  1393,  N.  325.   —   255)  Josephine  Scheffel,  Gedichte.     St.,  Bonz.     1891.     12°.     IX,   158  S.     M.  4,00. 

TA.  Schöne:  DLZ.  1892,  S.  1473/5;  Grenzb.  51  \  S.  88;  M.Koch:  SchlesZg.  1892,  N.  103;  J.  Schwering:  KZg.  189?! 
N.  66411  —  256)  F.  Th.  Vischer,  Allotria.  Her.  v.  R.  Visoher.  St.,  Bonz.  1892.  XX,  486  S.  M.  6,00.  |[DRs.  71,  S.  158;' 
Nation».  9,  S.  232;  Yom  Fels  z.  M.  1892:  2,  8.  337;  L.  Müllner:  ÖLB1.  1,  S.  422/5.]|    (Vgl.  JBL.  1892  IV  2:239-40;  5:177.) 

—  257)  J.  G.  Oswald,  Fr.  Th.  Vischer  als  Lyriker:  Zuschauer  2,  8.  158-65.  —  258)  Erich  Schmidt,  Th.  Storm:  ADB.  36, 


IV  2b:  259-315    J.  E 1  i  a  s ,  Lyrik :  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart. 

genannt  werden  darf,  Ludwig  Eichrodts259262),  sind  in  zwei  Bänden  gesammelt 
worden.263)  — 

Sehr  ergiebig  ist  die  Litteratur  der  Nachlasssammlungen:  Es  sind  hier  die 
Namen  Ferd.  Gregorovius264),  Karl  Werder265),  Karl  Stauffer-Bern266), 
Edmund  Dorer267),  Friedr.  Nietzsche268),  Titus  Ullrich269)  anzumerken;  aus 
der  Feder  Kaiser  Wilhelms  I.270)  und  des  Grafen  Moltke271"272)  stammen  ver- 
einzelte lyrische  Versuche;  eine  besondere  Gruppe  umfasst  verschiedene  spät  ent- 
deckte Poeten273-282)  dritten  und  vierten  Ranges.283)  — 

In  der  Geschichte  unserer  Dialektdichtung  gehören  die  prachtvollen  Ge- 
stalten Fritz  Reuters284-285)  und  Klaus  Groths286-290)  dem  Norden  an;  Bayern  be- 
sitzt seine  Franz  von  Kobell291"292)  und  Karl  Stiel  er293-294),  zu  ihnen  gesellen  sich 
Nik.  Sturm295)  und  Anny  Schäfer296);  es  gediehen  in  Frankfurt  a.  M.  Friedrich 
Stoltze297"299),  in  Oberschwaben  Mich.  Bück300'303),  sodann  Seb.  Sailer304)  und 
C.  Weitzmann305);  als  plattdeutsche  Poeten  schliessen  sich  noch  W.  Bornemann306), 
H.  Jürs307),  J.  Brinckmann308)  und  der  Schlesier  H.  Köselitz309)  an.  — 

Es  folgt  ein  Kapitel  über  die  zeitgenössische  Dichtung,  das  an  Material 
überreich  ist.  In  einen  allgemeinen310-332)  Teil  gehören  Sammlungen  und  umfassen- 
dere Betrachtungen  über  bestimmte  Richtungen  und  leitende  Ideen.  — 

S.  448-56.  -  259)  L.  Eichrodt,  Ges.  Dichtungen.  2  Bde.  St.  Bonz.  1892.  VIII.  440  EL;  512  S.  M.  5,00.  |[Grenzb.  52', 
S.  584/7]. |  (Vgl.  JBL.  1892  IV  2:240.)  —  260)  O.,  L.  Eichrodt:  MünchNN.  1S92,  N.  102.  -  261)  L.  Eichrodt:  SchwäbKron. 
1892,  2.  Febr.  —  262)  Aufruf  z.  Errichtung  e.  Grabdenkm.  für  L.  Eichrodt:  BurschenschBll.  7,  S.  35/6.  -  263)  X  p-  Brummer, 
H.  Steinhener:  ADB.  35,  S.  725/6.  (1819-89;  e.  Koblenzer;  erste  Gedichte  1860.)  —  264)  F.  Gregorovius,  Gedichte.  Her.  v. 
A.  F.  Graf  v.  Schack.  L.,  Brockhaus.  1892.  12°.  XXXI,  192  S.  M.  4,00.  |rA.  W.  Ernst:  Geg.  41.  S.  200/2.] |  (Vgl.  JBL. 
1892  IV  2:  312a.)  —  265)  K.  Werder,  Gedichte.  Her.  v.  O.  Gildemeister.  B.,  Fontane  &  Cd.  XVI,  245  S.  M.  4,00. 
||Th.  Wolff:  Zeitgeist  N.  45.] I  —  266)  O.  Brahm,  K.  Stauffer-Bern.  Sein  Leben.  Seine  Briefe.  Seine  Gedichte.  (JBL.  1893 
I  11:16.)  L..  Göschen.  1892.  XIII,  340  S.  M.  4,50.  —  267)  E.  Dorer,  Lyr.  Gedichte,  Fastnachtsspiele,  Uebersetz.  Her.  v. 
A.  F.  Graf  v.  Schack.     (=  Nachgel.  Schriften  Bd.  1.)    Dresden,  Ehlermann.    1893.    XX,  728  S.    M,  4,00.    |  [LCB1.  S.  1110/1.]| 

-  268)  F.  Nietzsche,  Gedichte  u.  Epigramme:  Zukunft  6,  S.  614/5.    —    269)  Gedichte  v.  Titus  Ullrich:  NAS.  66,  S.  221/8. 

—  270)  E.  Gedicht  Kaiser  Wilhelms:  DAdelsbl,  10,  S.  885.  -  271)  G.  Karpeles,  Moltke  als  Dichter:  Geg.  44,  S.  278-81.  — 
272)  X  D.  Sanders,    Moltke    als    Dichter:    ZDS.  8.  S.  2/4.     (Wertlose    sprachl.  Bemerk,    zu    Karpeles,    Moltke    als    Dichter 
[N.  271].)    —    273)   0.  Sievers,    Gedichte.     Aus    d.    Nachl.   d.  Dichters.     Her.    v.    dessen  Witwe.     (Mit   Bildn.)     Braunschweig, 
Goeritz.     1891.     XXIV,  124  S.     M.  2,70.     (Vgl.  JBL.  1892   IV  2:302;  5:170.)    —    274)  0.  Baisch,  Lieder  n.  Sinnsprüche.     Aus 
seinem  Nachl.  her.     Mit   Portr.   d.  Dichters,    Federzeichnungen    u.    Radierungen    v.   H.  Baisch.     St,    Dtsch.  Verlagsanst.     1893. 
4°.     152  S.     M.  10,00.     |[G. :  WIDM,  75,  S.  784  ]|    —    275)  Betty  Titze,  Aug.  Meixner,  Gedichte.     Nach  seinem  Tode  ges.  u. 
her.  v.  seiner  Schwester.     Freiwaldau,  Betty  Titze.     295,  XI  S.     M.  4,50.    —    276)  F.  Seibt,   Lyr.  Nachl.     Her.  u.  eingel.  v.  E. 
R.  Seibt.     Nene  (Titel-)  Aufl.     Dresden,    Heinrich.     XIX,    110   S.     M.   2,00.     (1.  Ann.    1888.)    —    277)   H.   v.  Samson,    G.  EL 
Kirchenpauer:  BaltMschr.  38,   S.  359-413,  421-40  (vgl.  JBL.  1891  I  5:421;    1892  IV  2:308).    —    278)   H.  Weismann,   Gedichte. 
Mit  biogr.  Einl.  nach  d.  Vf.  Tode   her.  v.  H.  Bulle.     (Mit  Bildn.)    Frankfurt  a.  M..  Diesterweg.     1891.     VIII,  211  S.     M.  3,00. 
|[Didask.  N.  251.]!      (Vgl.   JBL.  1892   IV   2:300/1.)    —    279)    P.   Walter,    Gedichte.     Aus    d.   Nachl.   e.  Verstorbenen.     Ges.   v. 
Karoline  Walter.    Troppau.  Zenker.     1893.    12°.    V1I1,  87  S.    M.  2,00.  —  280)  W.  Tennert,  Gedichte  e.  schlichten  Mannes. 
Ausgew.,   mit    e.  Einl.  versehen    n.  her.  v.  E.  Böhme.     Jena,    Neuenhalin.     1892.     XVI,  59  S.     M.   1,00.    (T.  war   früher  Rats- 
wachtmeister in  Jena.)  —    281)  D.  Andenken  Schäfflers.     E.  Biogr.  d.  Verewigten  u.  Samml.  d.  v.  ihm  hinterlass.  Gedichte  u. 
Gelegenheitsschriften.     Würzburg,  Kressner.     1893.     16°.     171  S.     Mit  Bildn.     M.  4,00.    -    282)  Frida  Schwab,  Fata  Morgana. 
Dichtungen  her.  v.  W.  Arent.     München.  Pössl.     1893.     X,  160  S.     M.  2,00.    —    283)    X    H.  Hoffmann-Donner:    Gartenlaube 
S.  707.  —  284)  E.  ungedr.  Gedicht  F.  Reuters:  BerlTBl.  1892,  N.  41.    —    285)    A.  Brückner,    Rede  bei  d.  Enthüllungsfeier 
d.  Reuterdenkm.    zu    Neubrandenburg.     Neubrandenburg,    Brünslow.     1893.     16  S.     Mit    Bildn.     M.  0,30.    —    286)  (IV  3  :  257.) 
irDRs.    75,    S.    156;     ML.    61,     S.   852;    BLU.  1893,     S.  393;     HainbCorr.    1893,    N.  31;     Karl    Werner:    AZgB.    N.  92;     id.: 
WienerZg.     5.  Febr.;     N&S.  65,    S.  136;    C.  S.:    DR.  51-,  S.  393/4;     H.  Krumm:     KielerZg.  N.  15253,    15255;    Georg   Hoff- 
mann:    NatZg.    N.    57;     Didask.    N.    55;    WZg.    N.    16 535.] |     —     287)    K.    Eggers,    Kl.    Groth:    Zukunft    4,    S.    557-65.    - 
288)    Eng.    Wolff,     Kl.    Groth:     Geg.   43,     S.   245/8.     —     289)     Kl.    Groth,    Lebenserinnernngen    (JBL.    1892    IV  2  :  263/4): 
WIDM.  72,  S.  142.   -  290)  Eugen  Wolff,  Neues  v.  Kl.  Groth:  Geg.  45,  S.  250.  —  291)  Irene  Ollendorf,  Z.  Erinner,  an 
F.  v.  Kobell.     Z.  Münchner  Kobellabend:  AZgB.  1893,  N.  104.    -    292)  L.  Heller,  E.  Sonntagskind:  FränkKur.  N.  311.  (Franz 
v.  Kobell.)    —    293)  F.  Muncker,  K.  Stieler:  ADB.  36,  S.  196-201.   —   294)  K.  Stieler,  Münchens  Gruss.     (Ungedr.  Nachl.): 
DDichtung.  15,  S.  284.   -  295)  H.  Holland,  Nik.  Sturm:  ADB.  37,  S.  45/3.  —  296)  F.  Violet,  E.  oberbayer.  Volksdichterin: 
VossZgü.  1893,  N.  46.    —    297)    F.  Stoltze,    Ges.  Werke    in  4  Bdn.     Mit  d.  Bildn.  d.  Dichters  u.  Abbild,  seines  Geburtshauses 
„Z.  Rebstock"  (nach  Zeichnung  v.  0.  Lindheimer),  seines  Wohnhauses  am  Grüneburgweg  u.  d.  Stoltze-Plätzchens  bei  Königstein. 
(Her.  v.O.  Hört  h.)     Frankfurt  a.  M.,  H.Keller.    1892.    VII,  375  S.:  104  S.;  V,  379  S.;  XVI,  367  S.  M.  12,00.  ^SchwäbKron.  1892, 
26.  Febr.]|     (Gedichte  in  Bd.  1-2.     Vgl.  JBL.  1892  IV  2:245.;  3:92.)    —     298)  0.  Hörth,    F.  Stoltze:    ADB.  36,  S.  415/9.  — 
299)  L.  v.  Sacher-Masoch,    F.  Stoltze:    Geg.  41,  S.  376/9.     -    300)   A.  Holder,    M.  Bück  u.  seine  kulturgesch.  Dialekt- 
dichtung: Alemannia  21,  S.  1/5.  —  301)  id  ,  D.  schriftstell.  Thätigkeit  Dr.  M.   Bucks:  ib.  S.5-12.  —  302)  P.  Beck,  E.  Buck- 
Reliquie:  ib.  S.  12/3.    —    303)   Th.  Ebner,    M.  Bück:    AZg«.  1893,  N.  105.    -  304)  Seb.  Sailer,    Säratl.  Schriften  in  schwäb. 
Dialekte.     4.  Ausg.    mit  Wörterb.    u.  Einl.  v.  K.  D.  Hassler.     111.    v.    G.  Heyberger.     Ulm,    Ebner.     1893.     12°.     XVI,  271  S. 
M.  1,80.    —    305)  C.  Weitzmann,    Sämtl.  Gedichte    in    schwäb.  Mundart.     Vollständigste  Ausg.     9.  Aufl.     Mit  e.  Anh.     Strass- 
burg  i.  E.,    Druckerei  u.  Verlagsanst.     1892.     16°.     IV,  200,  X  S.     M.  1,00.    —    306)  H.  Pröhle,  W.  Bornemann:  WIDM.  73, 
S.  855/7.    —    307)  H.  Jürs,    Plattdtsch.  Schriften.     1.  Bd.     Hamburg,  Kramer.     1893.     160  S.     M.  2,00.    -    308)   A.  Dan,  J. 
Brinckmanns  Lyrik:  BLU.  1893,  S.  385/8.   -    309)  Aeltore  Gedichte.     3.  Aufl.  besorgt  \T  H.  Köselitz.     (=  Alte  u.  neue  Ge- 
dichte   n.    Geschichten    in    erzgebirgischer   Mundart.     1.  Heft.)     Annaberg,    Graser.     1892.     12°.     M.  0,50.    —    310)    Cottascher 
Musenalm.    für    d.    J.  1893-95.     Her.    v.    O.Braun.     St.,    Cotta.     1S92-94.     12°.     312    S.;    VIII,    296    S.;    294  S.     ä  M.  6,00. 
j[L(udwig)    G(eiger):    Nation«.  9,    S.  216;    DRs.  73,    S.  469-70;    ML.    61,    S.   831/2;    R.  Weltrioh:    AZgB.  1892,    N.  272  ; 
SchwäbKron.  1892,  24.  Nov.;  Grenzb.  52»,  S.82/4;    DRs.  81,  S.  476;  Gartenlanbe  S.  839-40;    E.  Heilborn:    ML.  63,  S.  1625/6; 
A.  Schlossar:  BLU.  S.  794/5-11     (Vgl.  JBL.  1892  IV  la:8;    1893  IV  la:  17;    s.  o.  IV  la:  14.)    —    311)  Mod.  Musenalm.  auf 
d.  J.  1893-94.    2  Bde.    München,  Dr.  E.  Albert  A  Co.    1893.  XII,  403  S.;    XI,  317  S.  M.7,00;   M.  6,00.  |[WIDM.  75,  S.267/8,  653; 
Th.    v.    Sosnosky:    DR.  3,    S.  117/9;    R.    Friedrich:    BLU.    S.  216/8;    Bär   20,    S.  110;    K.    Kraus:    Zusohauer  1,    S.  336; 
PrJbb.  75,   S.  532/4.]|     (Vgl.  JBL.  1893  IV  1  a  :  18.)    —   312)    A.  Fitger,   Neue  Bremer  Beitrr.    (Vgl.  JBL   1892  IV  la:10.) 
Bremen  (Rühle  A  Schlenker).     1892.     12°.    IV,  114  S.     M.  1,50.     IfWeserZg.  N.  16305.]|    —    313)    Gedichte  aus  d.  Afranischen 
Musenalm.  v.  1843  —  93,  ausgew.  u.  z.  350j.  Jubelfeier  d.  kgl.  Landes-  u.  Fürstenschule  her.  v.  d.  gegenw.  Mitgliedern  d.  afran. 
Dichterkränzchens.     Meissen    (L.    Mosche).     1893.     VII,    88   S.     M.  1,40.     —    314)    E.  Loewenthal,    Internat.    Säkularalbum 
als  Gruss   d.  Dichter   u.  Denker  d.  19.  an   d.  d.  20.  Jh.  Dtsch.,  österr.  u.  Schweiz.  Schriftsteller.     B.,  Siegismund.    1892.    Lex. 
VIII,  125  S.     M.  3,00.    KSaturdayR.  74,  S.  148;  DDichtung.  15,  S.  32.]|  -  315)  H.  Kiehne.  Hausbuch  dtsch.  Lyrik.     Vjs.  für 


J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart.     IV  2b  :  3ie-3S4 

Zu  einer  älteren  Grup  pe  treten  P.  Hevse333-334),  H.  Kruse335),  F.  Dahn336"337), 
W.  Jordan338),  F.  Spielhagen339-340),  K.  H.  Keck341),  der  Marschendichter  H.  All- 
mers342-348), A  Moser349  35°),  H.  Lorm35*),  E.  Scherenberg  352"354),  H.Seidel355),  Karl 
Müller356),  Franz  Bonn357),  sodann  Martin  Greif358),  H.  Bulthaupt359),  A.  Fitger360), 
Hans  Hoffmann 361"363),  Jul.  Sturm364  366),  W.  Beyschlag367)  und  Friedrich  Adler368) 
zusammen.369)  — 

DenUebergang  zur  jüngeren  Gruppe  der  Modernen  und  Modernsten  weisen 
Prinz  Emil  von  Schönaich-Carolath370),  E.  von  Wildenbruch 371_373),  Ludw.  Fulda374), 
K.  Spitteler375),  der  Bildhauer  G.  Eberlein376),  J.  J.  David377),  Leop.  Jacoby378). 
Auf  vorgerücktem  Posten  dann  stehen:  Detlev  von  Liliencron  379"382^  Herrn.  Conradi383), 

dtsch.  Dichtkunst  u.  Kritik.  10.  Bd.  4  Hfte.  Nordhausen,  Selbstverl.  32°.  a  2  Bogen.  M.  6.40  —  316)  id.,  D.  dtsch. 
Lyriker  d.  Gegenw.  E.  Samml.  mit  Qnellenang.  u.  litt.  Begleitwort.  1.  Bd.  ebda.  32°.  72  S.  M  2.00.  —  317)  Herbstblätter. 
Skizzen  n.  Festgedichte  z.  60.  Geburtst.  M.  Heinzeis.  Mit  Beitrr.  v.  P.  Barsch,  H.  Banch,  C.  Biberfeld  usw.  Im  Auftr.  d. 
Breslaner  Dichterschule  ges.  v.  C.  Biberfeld.  Breslau  (J.  Max).  1893.  16  S.  Mit  Bildn.  u.  1  Abbild.  M.  0,75.  -  318) 
Dtsch.  Lyrik  v.  1891.  Ges.  u.  her.  v.  C.  G.  Bruno,  F.  Montanus,  F.  Servaes.  St.,  Union.  1892.  VII  327  S.  M.  3,50. 
liNationB.  10,  S.  64;  BLTJ.  1S92,  S.  710;  A.  Koste  r:  HambCorr.  1892,  N.  394.H  —  819)  Menschl.  Tragödie.  Gedichtbuch  d. 
Gegenw.  v.  M.  Apfelstaedt,  A.  Garde,  H.  Löns,  P.  Merwin,  V.  Traudt  n.  J.  Vanselow.  Dresden,  Pierson.  1893. 
VII,  «8  S.  M.  2,00.  |[A.  Brieger:  BLTJ.  1893.  S.  508/9.]|  —  320)  Symphonie.  E.  Gedichtbuch  v.  C.  Busse,  F.  Evers,  G.  E. 
Geilfus,  V.  Hardung,  J.  Vanselow.  Her.  v.  F.  Evers.  München,  Pössl.  1892.  199  S.  M.  4,00.  —  321)  Mod.  Lyrik.  E. 
Samml.  zeitgenöss.  Dichtungen.  Her.  v.  L.  Berg  n.  W.  Lilienthal.  B.,  Waldau.  1892.  X,  366  S.  M.  6,00.  |[A. 
Brieger:  BLTJ.  1893,  S.  28;9.]|  (Vgl.  JBL.  1892  IV  la:9.)  —  322)  E.  Kap.  v.  dtsch.  Lyrik:  Grenzb.  52  \  81/9,  479-85;  53*, 
S.  217-34.  —  323)  A.  Biese,  Mod.  Lyrik:  Didask.  1S92,  N.  2501.  —  324)  M.  Schwann,  „Gedanken  u.  Herzblut."  E.  krit. 
Gang  durch  d.  Lager  d.  Modernen:  FZg.  1S93.  N.  66.  —  325)  Otto  Ernst,  Verse:  ML.  63,  S.  15-21,  107-11.  —  326)  A. 
Biese.  TJeber  Lyrik  u.  neuere  dtsch.  Lyriker:  Post  N.  317,  3201.  —  327)  E.  Ziel,  Neue  Poesie:  FZg.  1893,  N.  204,  239.  — 
328)  H.  Schacht,  Mod.  Lyrik.  E.  Beitr.  z.  Beurteilung  mod.  Litteraturströmungen:  Geg.  43.  S.  379-81.  —  329)  H.  E. 
Wach  ler,  Mod.  Lyrik:  20.  Jh.  1893:  2,  S.  94/5.  —  330)  R.  Weit  brecht,  Aus  unerschöpflichem  Born:  BLTJ.  S.  516-20, 
533/8.  —  331)  H.  Kraeger,  Neue  Lyrik:  BLTJ.  S.  604/6.  —  332)  E.  G.  Steude,  Einige  Blüten  d.  „mod."  Lyrik •-  BG1.  15, 
S.  357/9.  —  333)  P.  Heyse,  Gedichte.  5.  Aufl.  B.,  Besser.  1893.  XIV,  544  S.  Mit  Bildn.  M.  3,60.  —  334)  Cinq  veterans 
de  la  poesie:  H.  Lingg,  W.  Jensen.  Ad.  Grimminger,  K.  Stelter,  Louise  Otto:  BTJRS.  63,  S  410  5.  -  335)  H.  Kruse,  Gedichte.  L„ 
Hirzel.  1892.  VI,  151  S.  M.  2.00.  |[H.  Düntzer:  AZgB.  1892,  1.  Apr.;  k.  b.:  Didask.  1892,  N.  208.]|  -  336)  F.  Dahn, 
Gedichte.     4.  u.  5.  Samml.    L,  Breitkopf  &  Härtel.  1892.  XII,  554  S.;  VIII.  119  S.  M.  10,00.  ![A.  Brieger:  BLU.  1893.  S.  521/2.)  | 

—  337)  M.  Koch,  Bemerkungen  zu  F.  Dahns  Samml.  Vaterland.  Gedichte:  DWB1.  6.  S.  237/9.  —  338)  W.  Jordan,  Letzte 
Lieder.  Frankfurt  a.  M.,  W.  Jordan.  1892.  12°.  241  S.  M.  3,00.  IrSchwäbKron.  1S92,  20.  Dec.]|  (Vgl.  JBL.  1892  IV  2:  422.) 
— -  339)  F.  Spielhagen,  Gedichte.  L..  Staackmann.  1892.  12°.  VII.  253  S.  M.  3,75.  |[P.  Lindau:  64,  S.  115-23; 
F.  Lemmermayer:  BLTJ.  1892,  S.  167/8;  Erich  Schmidt:  ML.  61,  S.  85;  A.  W.  Ernst:  Geg.  41,  S.  200/2.]|  —  340)  X 
Th.  Me bring.  R.  Gottschall  in  Hamburg:  DBühneng.  1893,  S.  349.  (G.s  Lied  v.  d.  Flasche,  zu  Hamburg  entstanden,  wo  er 
1847—48  Dramaturg  war,  wurde  in  A.  Probsts  Komposition  vom  Kellermeister  in  Lortzings  „TJndine"  gesungen.)  —  341)  K.  H. 
Keck,  Gedenkbuch  e.  Snhleswig-Holsteiners  aus  5  Jahrzehnten.  Gedichte.  IT.  Politisches.  Gotha,  Perthes.  1891.  VIII,  199  S. 
M.  2,40.  |[KonsMschr.  1893,  S.  666,7;  ThLB.  17.  S.  244.H  (Vgl.  JBL.  1892  IV  2:  153b.)  —  342)  L.  Bräutigam,  D.  Marschen- 
dichter H.  Allmers     Sein  Leben  u.  seine  Schriften.     E.  Festgabe  zu  seinem  70.  Geburtst.  am  11.  Febr.  1891.  Oldenburg,  Schulze. 

1891.  45  S.  Mit  Bildn.  M.  0,75.  IpLZ.  1892,  S.  1300.1  (Vgl.  JBL.  1892  IV  2  :  268.)  —  343)  D.  Rustringer  Heimatsbnnd 
(11.  Allmers):  SchwäbMerk.  1892,  13.  Mai.    -  344)  H.  Allmers,  Sämtl.  Werke.  I.-IV.    (In  2  Doppelbdn.)    Oldenburg,  Schulze. 

1892.  VIII,  459  S.;  VII,  470  S.     M.  10,00.     IfPrJbb.  71,  S.  525/6.]|  —   345)  id..  Sämtl.  Werke.  V.  Dichtungen.    3.  Aufl.    ebda. 

1893.  VIII,  239  S.  M.  2,50.  —  346)  id.,  Dichtungen.  3.  Aufl.  ebda.  1892.  VIII,  239  S.  M.  3,00.  —  347)  id.,  Mein  Lied 
v.  d.  Rudelsburg:  BnrschenschBll.  8,  S.  82/3.  —  348)  Brief  u.  Gedicht  v.  H.  Allmers:  JbGesEmden.  10.  S.  159-61.  -  349)  A. 
Moser,  Ans  d.  Mansarde.  Neue  Gedichte.  5.  Samml.  Bremen,  Heinsius.  1893.  V,  297  S.  M.  3,00.  |[Geg.  43,  S.  255; 
0.  Ernst:  ML.  62.  S.  798;  M.  Schneidewin:  NatZg.  1S93,  N.  525;  E.  Roeder:  Didask.  1893,  N.  279;  H.  Conrad: 
DWB1.  6.  S.  357;  G.  Morgenstern:  Ges.  S.  259-60.11  —  350)  W.  Bormann,  A.  Moser:  AZgB.  1893.  N.  260,  262,265.  — 
351)  H.  Lorm,  Gedichte.  7.  verm.  Aufl.  Dresden,  Minden.  400  S.  M.  5,00.  |[F.  Lemmermayer:  BLTJ.  S.  481/3.  —  352) 
E.  Scherenberg.   Gedichte.     3„    stark  verm.  Aufl.     Ges.-Ausg.     L.,   Keils  Nachf.     1892.     ISP.     XII,   387  S.    M.  6,00.     |[BLTJ. 

1892,  S.  623;  R.  Weitbrecht:  BLU.  1393,  S.  250;  TglRs.  1892,  23.  Dac;  Grenzb.  521.  S.  878;  A.  B(artels):  Didask. 
1S92.  N.  284;  H.  Conrad:  DWB1.  6,  S.  358/9.]|  —  353)  id..  Gedichte.     Ges.-Ausg.     5.  Aufl.    ebda.    12°.    XV,  434  S.     M.  6,00. 

—  354)  X  Friedr.  Hofmann:  BurschenschBll.  7,  S.  11/4.—  355)  H.  Seidel,  Neues  Glockenspiel.  Ges.  Gedichte.  2.  Samml. 
(=  Ges.  Schriften,  11.  Bd.)  L,  Liebeskind.  1892.  16°.  XI.  277  S.  M.  3,00.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  3:195).  —  356)  Karl 
Müller:  Didask.  1893,  N.  98.  —  357)  F.  Bonn,  Für  Herz  u.  Haus.  Regensburg,  Habbel.  1892.  12».  VI,  318  S.  Mit  Bildn. 
M.  5,00.  —  258)  S.  M.  Prem,  M.  Greif.  Versuch  e.  Gesch.  seines  Lebens  u.  Dichtens  mit  bes.  Rücksicht  auf  seine  Dramen 
u.  seine  Stellung  in  d.  dtsch.  Litt.  L.,  Renger.  1892.  204  S.  Mit  Bildn.  M.  3.00.  irGeg.  43.  S.  79;  0.  Lyon:  ZDU.  7, 
S.  75/7:  K.  Eis  Schill:  ÖLB1.  2,  S.  75/6;  J.  E.  W.:  ÖUR.  14,  S.  430/1:  WZg.  N.  16538;  A.  John:  LJb.  3,  S.  82  J|  (Vgl. 
JBL.  1892  IV  4:84.)  —  359)  J.  F.  Lahmann,  H.  Bulthaupt:  WZg.  N.  16483.  —  360)  W.  Sommer,  Etwas  für 
Herrn  Fitger:  DPßl.  27,  S  391  2.  —  361)  Hans  Hof  f  mann,  Vom  Lebenswege.  Gedifhte.  L,  Liebeskind.    1893.  XII,  393  S.  M.  6,60. 

—  362)  P.  Siech,  E.  Selbstbiogr.  in  lyr.  Gedichten  (Hans  Hoffmann):  VelhKlasMh.  1893:  1,  S.  657-63.  —  363)  M.  Necker, 
Neues  v.  Hans  Hoffmann :  AZgB.  1892.  N  300.  364)  J.Sturm,  Neue  lyr.  Gedichte.  L,  Janssen.  12°.  VIII.  200  S. 
M.  4,00.  I[BLU.  S.  168-70.]|  —  365)  id.,  Kinderlieder.  Nürnberg,  „Kindergartenlaube«.  1893.  4°.  VIII,  117  S.  Mit 
färb.  Bildern.  M.  5,00.  |[ZDU.  8,  S.  86.]|  —  366)  X  Ä-  Sturm,  Dtsch.  Liederbuch.  2.  verm.  u.  veränd.  Aufl.  v.  Pereat 
tristitia.  Gedichte.  D.  neueren  Dichtungen.  6  Bd.  L.,Jacobsen.  XVI,  163  St.  M.  4,00.  irGeg.  46,  S.  366.H  —  367)  W.  Bey  schlag, 
Blütenstranss  vom  Lebenswege.    Ges.  Gedichte.    Halle  a    S.,  Strien.    1893.    12°.    150  S.    M.  3.00.     ||"H.  A.  Lier:  BLU.  S.  285.]| 

—  368)  F.  Adler.  Gedichte.  B.,  Fontane.  1892.  VIII,  230  S.  M.  3,00.  |[B.  Rüttenauer:  BLU.  1893,  S.  428-30.]!  — 
369)  X  Ja»  Edgar,    Emil  Claar:    DBühneng.  23,  S.  171/2.    —    370)    C.Busse:    Prinz  Emil   v.  Schönaich-Carolath :    Zeitgeist 

1893,  N.  5.  —  371)  E.  v.  Wildenbruch,  Lieder  u.  Balladen.  6.  Aufl.  B.,  Freund  &  Jeckel.  1893.  XVI,  328  S.  Mit  Portr. 
u.  Facs.  M.  4.00.  —  372)  X  W.  A.  Jordan,  Dichtungen.  2.  gesicht.  u.  verm.  Aufl.  Weimar,  Zuckschwerdt.  1893.  12°. 
175  S.  M.  3,50.  irGeg.  44,  S.  414.]  (Dass.  in  3.  Aufl.  u.  wohlfeilerer  Ausg.  [175  S.J  M.  1,80;  Improvisator.)  —  373)  X 
Philipp  Graf  Eulenburg:  DWB1.  7,  S.  610/1.  (TJeber  Graf  E.'s  „Skaldengesänge",  Braunschweig,  Westermann.  1892.  4°.  VII, 
100  S.  Mit  Illustr.  M.  20,00.)  —  374)  L.Fulda,  Sinngedichte.  2.  Aufl.  St,  Cotta.  1893.  16».  175  S.  M.  2.00.  |[Otto 
Ernst:  Zuschauer  1,  S.  384/5;  L.  Beer:  Nation»  11,  S.  202.]l  —  375)  8.,  K.  Spitteler:  AZgB.  i893i  N.  42.  _  37g)  G.  Eber- 
lein, Aus  e.  Bildners  Seelenleben  (JBL.  1893  I  11:378;  12:105a).  B.,  Schultz-Engelhard.  1892.  Fol.  62  S.  Mit  Abbild. 
M.  50,00.  —  377)  J.  J.  David,  Gedichte.     Dresden,  Minden.    1892.    12°.    VIII,  128  S.     M.  2,00.     |[NorddAZgB.  1892,  13.  Jan.]| 

—  378)  R.  Schweichel,  Leopold  Jacobys  „Deutsche  Lieder  aus  Italien":  NZSt.  10»,  S.  7728.  (München,  Pössl.  1891.  158  S. 
M.  1,80.)    —    379)  0.  J.  Bierbaum,    Frhr.  D.  v.  Liliencron.     (=  D.  mod.  Litt,  in  Einzeldarst.     Bd.  5.)     L.,   Friedrich.     1892. 

III  S.     M.  1,00.     |IW1DM.  73,   S.  717.J      Dass.    später    wieder    abgedr.   in    Gesamtbd.    2   dess.   Unternehmens;    vgl.   JBL    1891 

IV  3:237.)  —  380)  F.  Oppenheimer,  D.  v.  Liliencron:  VossZgB.  N.  41/2.  —  381)  G.  Falke,  E.  ungehaltener  Vortr.:  ML.  63, 
S.  1033-42.  -  382)  D.  v.  Liliencron,  Neue  Gedichte.  L.,  Friedrich.  1893.  VIII,  248  S.  M.  4,00.  |[WIDM.  S.  782;  Ges. 
S.  770-88;  N&S.   70,  S.  41ö.]|    -J383)   A.  Bartels,   H.  gConradi.    ;E.    Erinnerungebl.:    Didask.    1893,  |N.   66.    —   384)  Th. 


IV  2b  •.  385-458    J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart. 

Rieh.  Dehmel384"385),  Carl  Busse386-381),  Otto  Ernst388),  W.  Walloth389),  Otto  Jul.  Bier- 
baum390"391), Jul.  Petri392)  und  eine  Dichterschar  geringeren  Grades.393-396)  — 

Die  Frauenlyrik397)  der  neuesten  Zeit  ist  für  sich  zu  betrachten.  Carmen 
Sylva398400),  Johanna  Ambrosius401),  Frida  Schanz 402),  Alberta  von  Puttkamer403"404) 
und  Maria  Janitschek  405~406)  rufen  das  ästhetische  Urteil  auf.  — 

Es  folgt  ein  Kapitel  über  socialistische  Tendenzdichtung,  in  das 
Sammlungen  von  Arbeiterlyrik407'412)  und  Schilderungen  einzelner  Vf.,  wie  Karl 
Henckell413)  und  Johannes  Wedde414),  gehören.  — 

Das  Volks-  und  Studentenlied  wird  nur  insoweit  betrachtet,  als  einzelne 
Lieder415-449)  im  19.  Jh.  ein  besonderes  literarhistorisches  Schicksal  hatten.  — 

Auch  die  geistliche450-453)  Lyrik  findet  nur  insofern  Berücksichtigung, 
als  es  sich  um  neuere  Dichter  handelt  oder  ältere  Motive  in  moderner  Umdichtung 
erscheinen.  — 

Ein  Abschnitt  U  e  b  e  r  s  e  tz  u n  g  e  n  454-456j  beschäftigt  sich  mit  den  Bestrebungen 
neuester  Lateiner.  — 

Die  schwere  Masse    der  Gedichtsammlungen   lässt  sich  stofflich  ordnen: 


v.  Sosnosky,  R.  Dehmel:  DR.  3,  S.  371/2.  —  385)  R.  Dehmel,  Erlösungen.  E.  Seelenwandlung  in  Gedichten  u.  Sprüchen. 
L.,  Göschen.  1892.  V11I,  210  S.  M.  3,00.  |[M.  Carriere:  AZg".  1S92,  9.  Jan.JI  —  386)  P.Schlenther,  C.  Busse:  VossZgB.  1893, 
N.  52.  (üeher  d.  2.  veränd.  Aufl.  d.  Gedichte  [Grossenhain,  Baumert  u.  Ronge.  VIII,  164  S.  M.  2,00];  vgl.  auch  WIDM.  76,  S.  252.)  — 
387)  A.  Kerr,  E.Dichter:  Nation«.  10,  S.  154/5.  -  388)  F.  Mehring,  Otto  Ernst:  NZSt.  12»,  S.  377/9.  —  389)  G.Ludwigs, 
W.  Walloth.  L.,  Friedrich.  1893.  103  S.  M.  1,50.  (Vgl.  JBL.  1891  IV  3:233,  235/8;  1892  IV  3:221.)  -  390)  A.  Holz, 
E.  neuer  Lyriker:  ML.  61,  S.  375,6.  —  391)  H.  Schmidkunz.  „Erlebte  Gedichte"  (O.  J.  Bierbaum).  (B.,  Isslcib.  1892.  VIII, 
217  S.  M.  4,50.)  —  392)  A.  Kerr,  Julius  Petri:  ML.  63,  S.  1494/5.  —  393)  L.  Scharf,  Lieder  e.  Menschen.  München, 
Dr.  Albert  &  Co.  1892.  112  S.  M.  3,00.  |[0.  J.  Bierbaum:  FrB.  1893:  1,  S.  197-200;  Otto  Ernst:  ML.  62,  S.  799.  (Mit 
Bildn.)  —  394)  L.  Berg,  Esoterische  Lyrik:  Zuschauer  1,  S.  238-90.  —  395)  A.  Stoessel,  Auch  e.  Dichter  [K.  Pudor.] : 
Geg.  42,  S.  109-11.  —396)  A.  Schaf heitlin,  Letzte  Gedichte.  Nebst  Anh.:  Mod.  Verehrer.  Satire.  B.,  Rosenbaum  &  Hart. 
1892.  VII,  352  S.  M.  4,00.  |fR.  Weitbrecbt:  BLU.  S.  732/3;  N&S.  68,  S.  275.]|  (Dazu  als  Nachtr.:  D.  Geisterkampf, 
ebda.    VII.  119  S.     M.  1,50.)   —  397)  K.  B[orinski?J,  Dichtende  Frauen:    Grenz.  523,  S.  507-19.  (Vgl.  JBL.  1893  IV  2b:  25). 

—  398)  Carmen  Sylva.  Poesie  di  una  regina.  1.  versione  dal  tedesco  d  G.  R.  di  S.  Con  faesimile  di  lettera  autografa  e  di 
un  ritratto  di  S.  M.  la  regina  di  Rumania  Milano,  Hoepli.  12°.  179  S.  Con  ritratto  e  due  tavole.  —  399)  R.  Lovera, 
Carmen  Sylva  en  Roumanie.  Conference.  Brescia,  Selbstverl.  1893.  16  S.  M.  0,75.  —  400)  J.  W.  Wylie,  Carmen  Sylva  and 
her  latest  poem:  Beifords  Monthly  1892,  Febr.  —  401)  K.  Schrattenthal,  E.  Yolksdichterin:  Gartenlaube  S.  647/8.  (1.  Ausg. 
d.  Gedichte  v.  Johanna  Ambrosius  erschien  1895.)  —  402)  B.  W.  Zell,  Frida  Soyaux-Schanz:  ÜL&M.  71,  S.  502/3.  —  403) 
Alberta  v.  Puttkammer.  Offenbarungen.  Dichtungen.  St.,  Cotta.  VIII,  162  S.  M,  4,00.  |[L.  Berg:  Zuschauer  2,  S.  322 ; 
R.  Weitbrecht,  BLU.  S.  731/2;  Frau  1,  S.  758.]|  —  404)  J.  V.  Widmann,  E.Dichterin  d.  Leidenschaft:  NationB.  11,  S.  556/9. 

—  405)  A.  Dresdner,  Maria  Janitschek:  ML.  62,  S.  297-300.  —  405a)  L.  Berg,  E.  Symbolistin:  Zeitgeist  N.  19.  —  406) 
L.  Beer,  Maria  Janitschek:  DDichtnng  15,  S.  219-22.  —  407)  Dtsch.  Arbeiter-Dichtung.  E.  Ausw.  Lieder  u.  Gedichte  dtsch. 
Proletarier.  Bd.  1-5.  St.,  Dietz.  1892.  12°.  VIII,  200  S.;  VI,  192  S.;  VIII,  160  S.;  X,  174  S.;  XII,  160  8.  ä  M.  1,00.  |[Kw.  6,  S.  212/3  ; 
A.  Friedrich:  Geg.  46,  S.  329-30]  -  408)  L.  Berg,  D.  soc.  Frage  in  d.  Lyrik.  Zu  e.  Vortr.  W.  Bölsches:  ML  61,  S.  16. 
--  409)  Litt,  revolutionnaire:  BURS.  64,  S.  177/8.  —  410)  Proletarierdichter  u.  Proletarierlieder:  Grenzb.  522,  S.  27-35, 
67-76.  —  411)  Hanno  Ernst,  Socialist.  Dichter:  Geg.  46,  S.  25/6.  —  412)  E.  Beilot,  Poetes  et  chansonniers  socialistes. 
Paris,  Le  Roy.  1893.  96  S.  Fr.  2.00.  —  413)  Buch  d.  Freiheit.  Ges.  u.  her.  v.  K.  Henckell.  2  Bde.  B.,  Verl.  d.  „Vorwärts". 
XVI,  603  S.  M.  3,50.  —  414)  J.  Wedde,  Ges.  Werke.  L:  Persönliches  (Gedichte).  Hamburg,  Grüning.  LIII,  497  S.  M.  4,50. 
|[R.  Weitbrecht:  BLU.  S.  733/4;  Geg.  46,  S.  350.71  —  415)  D.  Verunstaltung  dtsch.  Lieder:  Grenzb.  524,  S.  316-24. 
(Vgl.  JBL.  1893  IV  2b:2)  —  416)  X  k  Geiger.  Berl.  Gedichte  (JBL.  1890  IV  1:78).  |[B.  Seuffert:  DLZ.  1892,  S.  331/2; 
Grenzb.  523,  S.  47/8  ]|  -  417)  Soldatenlied  v.  1758:  BGNiederrh.  7,  S.  441/4.  —  418)  R.  Sprenger,  Zu  d.  Liede  „Im 
Himmel  sitzt  d.  alte  Fritz":.  ZDU.  6,  S.  56/7.  -  419)  X  J.  Mähly,  D.  Entsteh,  d.  Marseillaise:  Didask.  1892,  N.  231. 
(Wiederholt  aus  d.  BaslerNachr.  d.  Erzähl,  d.  Frau  v.  Dietrich  in  d.  Briefe  an  ihren  Bruder  Peter  Ochs  in  Basel 
u.  aus  „Les  Annales"  Rougets  de  Vlsle  eigene  romantisch  gefärbte  Darstell,  über  d.  Entsteh,  d.  Marseillaise;  vgl.  JBL.  1892 
1  9:42/3.)  -  420)  0.  Glöde,  Ueber  e.  Napoleon- Vaterunser:  ZDU.  6,  S.  357/8.  —  421)  R.  Faust,  Zu  e.  Lied  aus  d.  Frei- 
heitskriegen: ib.  S.  844/5.  —  422)  id.,  E.  Gedicht  über  sieben  Kriegstage  in  Wismar  aus  d.  J.  1813:  ib.  S.  5712.  — 
423)  H.  C.  Kellner,  Z.  Frage  d.  dtsch.  Nationalhymnus:  LZgB.  N.  125.  (Vgl.  IV  2a:9-10.)  —  424)  H.  Pröhle,  Bernh. 
Thiersch:  ADB.  38,  S.  4/6.  (Vf.  d.  Preussenliedes.)  -  425)  id.,  D.  Preussenlied.  Vortr.  in  GDL  :  DLZ.  1892,  S.  1377.  — 
426)  L.  Liehner,  E.  dtsch.  Nationallied  u.  sein  Vf.:  KZEU.  61,  S.  409-13.  —  427)  0.  M.  M.,  „Was  ist  d.  Deutschen  Vater- 
land": Daheim  29,  N.  7.  —  428)  H.  Pröhle,  K.  h\  H.  Strass  (0.  v.  Deppen):  ADB.  36,  S.  501/2.  —  429)  E.  Wasserziehe  r, 
Schleswig-Holstein  meerumschlungen:  ZDU.  6,  S.  785.  —  430)  „Schleswig-Holstein  meerumschlungen":  Bär  20,  S.  219.  —  431) 
E.  Ausmarsch  aus  Sachsenhausen  am  Palmsonntag:  Didask:  1S92,  N.  86.   —    432)  R.  G.,  Studentenlieder:  NatZg.  1892,  N.  437. 

—  433)  M.  Friedländer,  Ueber  dtsch.  Studentenlieder.  Vortr.  in  GDL.:  DLZ.  1892,  S.  512/4.  (Vgl.  JBL.  1892  I  9:44.)  — 
434)  D.  A.  v.  Binzer:  BurschenschBll.  7,  S.  130,  157/8,  189.  —  435)  X  Ed.  Marshall,  „Gaudeamus  igitur":  NQ.  5,  S.  503. 
(Ueber  e.  griech.  Uebersetz.  v.  Dr.  Gelbe.)  —  436)  Gaudeamus  igitur:  ZDS.  6,  S.  379-80.  —  437)  A.  Kopp,  Gaudeamus  igitur: 
BurschenschBll.  7,  S.  242/4,  267-70.  —  438)  D.  Lied  v.  d.  Lore  am  Thore:  Didask.  1892,  N.  82.    (Dass.  SchwäbMerk.  1892,  7.  April.) 

—  439)  D.  Lied  „Tacitus  u.  d.  alten  Deutschen":  BurschenschBll.  6,  S.  245/6.  —  440)  F.  H.  Löscher,  D.  Fürst  v.  Thorn:  ib. 
8.  121/4,  145-50.  —  441)  L.  Fränkel,  „Doktor  Eisenbart":  ZKultG.  2,  S.  492/4.  (Dazu  Burkhardt:  ib.  3,  S.  133/5.)  — 
442)  Doktor  Eisenbart:  Gartenlaube  S.  612.  —  443)  „Studio  auf  e.  Reis'":  BurschenschBll.  7,  S.  297.  —  444)  Ed.  Sack, 
Noch  einmal  d.  Lied  „Studio  auf  e.  Reis":  ib.  8,  S.  331/2.  —  445)  A.  Kopp,  Etwas  über  d.  Lied:  „0  du  lieber  Augustin":  ib. 
S.  298-300.  —  446)  R.  Sprenger,  Zu  e.  Litteraturscherz:  ZDU.  6,  S.  575.  —  447)  D.  Weberlied  v.  1844:  Volksbühne  1,  N.  7. 
(Dass.  ib.  2,  N.  4).  —  448)  Adolf  Schulze,  Unser  schönstes  Weihnachtslied:  SchorersFamilienbl.  1893,  S.  812/3.  -  449)  A. 
Jeitteles,  Lied,  gen.  „D.  raenschl.  Leben  e.  Traum":  ZDPh.  25.  S.  544/6.  —  450)  L.  de  Marees,  Lieder  nach  Heinr.  Müllers 
geistl.  Erquickstnnden.  Cottbus,  Gotthold-Expedition.  1893.  71  S.  M.  0,30.  |[L.  S.:  ThLBl.  14,  S.  550.]|  —  451)  G.  Grupp, 
Ed.  Eggerts  Dichtungen:  HPB11.  111,  S.  848-54.  —  452)  E.  Siering,  Heinr.  Overhage,  Geistl.  Blumengarten.  Relig.  Lieder 
u.  Gedichte  (aus  d.  Nachl.).  Bd.  1-3.  Frankfurt  a.  M.,  Foesser.  12".  XII,  104  S.;  IX,  164  S.;  VIII,  155  S.  ä  M.  2,40. 
(Enth. :  1.  D.  Kirchenjahr.  2.  Marienklänge,  Engels-  u.  Patronsgesänge  u.  geistl.  Anmutungen;  3.  Legenden  u.  Geschichten.)  — 
453)  L.  v.  Heemstede,  Neuere  kath.  Dichtungen:  LRs.  19,  S.  289-96.  —  454)  F.  Strehlke,  Dtsch.  Lieder  in  lat.  Uebersetz. 
2.  Aufl.  B,  Bibliogr.  Inst.  VITI,  85  S.  M.  1,00.  |[BerlTBl.  N.  348.] |  —  455)  (IV  5:442.)  |[N&S.  76,  S.  430.]|  —  456)  F. 
Ulrich,  Carmina  academica.  E.  Ausw.  d.  beliebtesten  dtsch.  Kommerslieder,  ins  Lat.  übertr.  Dresden,  Reissner.  16°,  III, 
63  S.  M.  1,00.  |[H.  Ziemer:  ZGymn.  28,  S.  800;  F.  Härder:  WSKPh.  11,  S.  1426/7.]|  —  457)  K.  Kinzel,  Gedichte  d. 
1».  Jh.  ges.,  litterargesch.  geordnet  u.  mit  Einl.  versehen.  Halle  a.  S.,  Waisenhaus.  1893.  XIV,  264  S.  M.  2,00.  |[Rob. 
Schneider:  COIRW.  22,  S.  307.]|  —  458)  Ausw.  dtsoh.  Gedichte  u.  Lieder.    Zusammengest.  vom   Lehrerkolleg   d.    Gymn.   u. 


J.  Elias,  Lyrik:  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart.    IV  2b:  459-521 

Schule  und  Haus457-462);  Natur463-465);  Kaiser,  Reich  und  Vaterlandsliebe466-474); 
Feste   und  Frömmigkeit475-480);    Liebe481-482);    Prachtwerke   für   die  Familie483496); 

Realgymn.  zu  Minden  (JBL.  1893  I  7 :  106).  Minden,  Köhler.  1893.  63  8.  M.  0,50.  —  459)  X  K-  Er be,  Loreley.  E.  Samml. 
v.  Liedern  n.  Gesängen.  Z.  Gebrauche  d.  oberen  Klassen  höh.  Mädchenschulen.  Hildburghausen,  Gadow  u.  Sohn.  1893. 
212  S  M.  0,80.  |[L.  Rudolph:  COIRW.  22,  S.  443/4.] |  -  460)  X  Dtsch.  Balladenbuch.  Mit  Holzsoh.  u.  Zeichn.  v.  A.  Ehrhardt, 
Th.  v.  Oer,  H.  Plüddemann,  L.  Richter  u.  C.  Schurig.  7.  (Titel-)  Aufl.  L.,  Wigand.  189-'.  VIII,  352  S.  M.  7,50.  (Letzte  Aufl.  1876.)  - 
461)  J.  Pawlecki,  Dichterstimraen  aus  d.  dtsch.  Lehrerwelt.  Hamburg,  Verlagsanst.  1892.  VII,  384,  VIU  S.  M.  4,50. 
|[DB11EÜB.  21,  S.  47,8.]|  —  462)  id.,  Dichterstimmen  aus  d.  dtsch.  Lehrerwelt.  2.  Aufl.  Langensalza,  Schulbuchhandl.  1893. 
XVIII,  576  S.    M.  6,00.    —    463)    R-    Eckart,    D.  dtsch.    Ströme   in   ausgew.    Schilderungen   dtsch.    Dichter.    Gera,    Bauch. 

1891.  16°.  194  S.  M.  2,00.  —  464)  id.,  Lieder  u.  Bilder  vom  dtsch.  Meer.  2.  Aufl.  Breslau,  Schles.  Verl.-Anst.  1893. 
436  S.  M.  5,00.  |[DDichtung.  16,  S.  201/2.]|  —  465)  X  J-  Ciaassen,  Schöpfnngsharfe.  Stimmen  d.  Natur  in  erles.  Dichtungen 
ges.  n.  gesichtet.  St.,  Steinkopf.  1892.  12°.  463  S.  M.  3,50.  —  466)  P.  Grotowsky,  D.  grosse  Kaiser  im  dtsch.  Lied. 
E.  Gedenkbuch  für  Schule  u.  Haus.  Neue  (Titel-)Ausg.  Giessen,  Krebs.  XVI,  221  S.  M.  1,50.  (1.  Ausg.  1892.)  —  467)  H. 
Schillmann,  Gesch.  d.  neuen  dtsch.  Reiches  in  Gedichten.  E.  Gedenkbuch  für  Schule  u.  Haus.  Nach  d.  Quellen  ausgew. 
u.  zusammenge8t.  B.,  W.  u.  S.  Löwenthal.  XV,  517  S.  Mit  5  Bildn.  M.  4,50.  —  468)  X  0.  Köhler,  Neue  u.  neueste  dtsch. 
Kaiserlieder.  E.  Samml.  v.  Gedichten  z.  Feier  v.  Kaisers  Geburtstag  u.  anderen  Gedenktagen,  für  Schulzwecke  veranst. 
Halle  a.  S.,  Mühlmann.  1892.  VI,  162  S.  M.  1,60.  |[E.  Boesser:  PaedA.  35,  S.  565/6.] |  —  469)  X  Dichterklänge  aus 
Deutschlands  grosser  Zeit.  Patriot.  Dichtungen  z.  Feier  d.  nat.  Gedenktage  in  Schulen  u.  Ver.  3.  Aufl.  Langensalza, 
Beyer  &  Söhne.  1893.  12°.  XII,  212  S.  M.  1,20.  —  470)  XF-  Otto,  Hohenzollern.  Vaterland.  Dichtungen  für  Schule  u. 
Haus  ausgew.  B.,  Besser.  1893.  VIII,  176  S.  M.  1,20.  —  471)  X  K-  Seitz,  Dtsch.  Kaiserlieder.  Z.  Gebr.  bei  Feierlichkeiten. 
(Partitur.)  Quedlinburg,  Ch.  F.  Vieweg.  1893.  48  S.  M.  0,75.  —  472)  F.  Lindner,  Vaterland.  Gedichtbuch.  E.  Samml. 
auserles.  dtsch.  Gedichte.  B.,  Mittler  &  Sohn.  1893.  XXIII,  360  S.  M.  3,00.  |[Geg.  43,  S.  303.]|  —  473)  X  E-  Brünnert, 
Ausw.  dtsch.  Gedichte.     Mit  bes.  Berücksicht.  patriot.  u.  gesch.  Gedichte.     3.  Aufl.     Rudolstadt,  Müller.     XII,  152  S.     M.  1,00. 

—  474)  L.  Katscher,  Friedensstimmen.  Antholog.  eingel.  v.  Bert  ha  t.  Sattner  u.  Kon  r.  Ferd.  Meyer.  L.,  Wartig. 
399  S.  M.  6,00.  |pWBl.  7,  S.  624;  A.  v.  Majerszky :  DDichterheim.  14,  S.  588/9.] |  —  475)  XI"  Freud  u.  Leid.  E.  Blumen- 
strauss  relig.  Gedichte.  Her.  v.  d.  Diakonissenanst.  Bethesda.  St.,  Christi.  Verl.-Haus.  12°.  VIII,  152  S.  M.  2,00.  —  476) 
K.  Ludwig,  70  d.  schönsten  Weihnachtslieder  u.  Kirchengebete  Für  d.  Schule  ansgew.  15.  Tausend.  Neuwied,  Heuser. 
1893.  12°.  IV,  48  S.  Mit  2  Bild.  M.  0,25.  —  477)  X  K.  Wagner,  Weihnachten.  D.  beliebtesten  Weihnachtslieder  u.  e.  Fest- 
spiel. Für  Schule  u.  Haus.  Bielefeld,  Helmich.  1893.  24  S.  M.  0,35.  —  478)  X  Bertha  Mathe,  Mein  liebstes  Gebet. 
Beitrr.  edler  Männer  u.  Frauen  d.  Gegenw.,  besteh,  in  Gebeten,  Liedern,  Dichtungen,  Predigten,  Betrachtungen,  Bibel-,  Kern- 
u.  Wahlsprüchen,  Aphorismen  usw.  für  alle  Lagen  d.  Lebens.  St.,  Schwabacher.  1893.  12°.  XII,  322  S.  M.  5,00.  —  479) 
Elise  P  o  1  k  o ,  Unser  Glauben,  Lieben,  Hoffen.  Fromme  u.  ernste  Lieder  u.  Verse  neuerer  u.  neuester  Dichter.  Mit  Illustr. 
2.  (Titel-)Aufl.  Hannover,  Ost.  1892.  12°.  VII,  288  S.  M.  3,00.  (1.  Aufl.  1891.)  —  480)  X  Heil.  Bande.  Ehe  u.  Familie, 
Vaterland  u.  Kirche.     E.  Blütenstrauss  ans  d.  Garten  d.  heil.  Schrift  u.  d.  christl.  Dichtung  gepflückt.     St.,  Greiner  &  Pfeiffer. 

1892.  12°.  VIII,  379  S.  M.  4,50.  —  481)  H.  Grothe-Harkänyi,  Lieder  vom  Kuss.  E  Buch  dtsch.  Liebeslyrik  aus  klass. 
u.  mod.  Zeit.  L.,  M.  Erhardt.  1893.  VIII,  187  S.  M.  3,00.  —  482)  D.  Buch  vom  Kusse  u.  vom  Küssen.  E.  Samml.  d. 
schönsten  Gedichte  über  d.  Kuss  u.  d.  Küssen  klass.  u.  zeitgenöss.  Dichter.  2.  Aufl.  L.,  Malende.  1893.  12°.  96  S. 
M.  2,50.  —  483)  X  p-  Lohmann,  Pantheon  dtsch.  Dichter.  14.  Aufl.  L.,  Fock.  12°.  314  S.  M.  4,00.  —  484) X  H-  Schramm, 
Dichteralbum.  Mit  Illustr.  v.  W.  Winck.  B.,  Aug.  Schnitze.  XVI,  400 S.  M.  5,00.  -  485)  X  Frida  Schanz,  Lieder  d.  Lebens. 
Ausgew.  Gedichte  u.  Sprüche  dtsch.  Dichter.  Mit  Illustr.  7.  Aufl.  L.,  Cavael.  12°.  189  S.  M.  12,00.  —  486)  X  Paul  ine 
Schanz,  Für  Herz  u.  Haas.  E.  Samml.  unserer  schönsten  Lyrik.  Mit  Illustr.  3.  Aufl.  ebda.  264  S.  M.  6,00.  —  487) 
Jungbrunnen.  E.  Samml.  v.  Dichtungen  ernsteren  u.  heiteren  Inh.  aus  alter  u.  neuer  Zeit  z.  Vortr.  in  christl.  Ver.  1.-3.  Heft. 
Dresden  (0.  Hackebeil).  1893.  48  S.  M:  0,60.  —  488)  X  L-  Bund,  Lieder  d.  Heimat.  E.  Samml.  d.  vorzügl.  Dichtungen  im 
Bilderschmucke  dtsch.  Kunst.  9.  Aufl.  L.,  Baedeker.  1892.  4°.  VIII,  239  S.  M.  7,00.  —  489)  X  Clara  Braun,  D.  Rose 
Erwachen.  Lieder  dtseh.  Dichter.  Mit  Illustr.  St.,  Greiner  &  Pfeiffer.  1893.  152  S.  M.  6,50.  —  490)  X  Blüten  dtsch.  Kunst 
u.  Dichtung.  L.,  Meissner  &  Buch.  1893.  4°.  48  S.  Mit  färb.  Abbild.  M.  5,00.  —  491)  X  ß-  Claussner,  Unsere  Dichter  in 
Wort  u.  Bild.  2.  Bd.  L.,  Claussner.  1893.  280  S.  Mit  Portrr.  M.  3,00.  (1.  Bd.:  1891.  234  S.  M.  2,00.)  —  492)  X  p-  Brandt, 
Poet.  Hausschatz  für  d.  dtsch.  Volk.     Mit  zwei  Festspielen  als  Anh.     Gütersloh,  Bertelsmann.    1892.    12°.  VIII,  398  S.  M.  2,50. 

—  493)  X  E.  Zimmer,   Sang  u.  Klang.   Kleine  Lieder  v.  dtsch.  Dichtern.    Mit  Illustr.    2.  Aufl.    Quedlinburg,    Ch.  F.  Vieweg. 

1893.  4°.  107  S.  M.  4,00.  —  494)  C.  A.  v.  Nida,  Liederperlen.  E.  Samml.  d.  schönsten  Lieder  u.  Gesänge.  Reutlingen 
(Ensslin  &  Laiblin).  1893.  16°.  96  S.  M.  0,30.  —  495)  X  A.  S.  Fischer,  Poet.  Schatzkästlein.  Gedichte  u.  Lieder  für  Haus, 
Kindergarten  u.  Schule.  Nebst  Einl.  v.  S.  Heller.  Wien,  Holder.  1893.  XXII,  229  S.  M.  3,00.  —  496)  X  F-  Bouffier, 
Dichtergrüsse  in  Freud  u.  Leid  am  eigenen  Herd.  L.,  Ruhl.  1892.  XXIV,  475  S.  M.  6,00.  —  497)  K.  Schrattenthal, 
D.  dtsch.  Frauenlyrik  unserer  Tage.  Mitgabe  für  Frauen  u.  Töchter  gebild.  Stände.  L.  u.  Kindelbrück,  K.  Naumburg.  1893. 
166  S.  Mit  6  Lichtdr.-Bildn.  M.  6,00.  —  498)  X  A-  Brede,  Liederkranz  für  dtsch.  Mädchen.  Ausgew.  Lieder.  Kassel, 
Kuprions  Nachf.  1893.  VI,  178  S.;  Anh.:  IV,  63  S.  M.  1,60.  —  499)  X  Blüten  u.  Perlen  dtsch.  Dichtung.  Für  Frauen  ausgew. 
u.  v.  Frauenhand.  30.,  völlig  neu  bearb.  Aufl.  Mit  Illustr.  v.  F.  Leeke  u.  J.  G.  Füllhaas.  Halle  a.  S.,  Gesenius.  1892.  Lex. 
VII,  160  S.  M.  10,00.  irN&S.  63,  S.  411;  DRs.  73,  S.  470.]|  —  500)  X  R-  ▼•  Beizig,  Frauen-Liebe  u. -Leben.  E.  Blütenstrauss 
dtsch.  Dichtung,  für  Deutschlands  Frauen  u.  Jungfrauen  gewunden.     4.  Aufl.     L.,   Amelang.     1892.     16°.     IV,  128  S.     M.  2,50. 

—  501)  X  Heimatlieder,  e.  Album  neuerer  dtsch.  Lyrik  ausgew.  v.  Frauenhand.  Mit  zahlr.  Illustr.  sowie  acht  färb.  Vollbild.  L., 
Cavael.  1892.  12°.  112  S.  M.  2,00.  —  502)  X  Ad.  Böttger,  Lieb  u.  Leben.  Dichtergrüsse  an  Deutschlands  Frauen.  3.  Aufl. 
bes.  v.  M.  Bern.  Halle  a.  S.,  Gesenius.  1892.  12°.  III,  308  S.  M.  2,00.  —  503)  X  Dichtersang  u.  Herzensklang.  E.  Strauss 
schönster  Blüten   neuerer   dtsch.  Lyrik,  geb.  v.  Frauenhand.     Mit  Illustr.    L,  Fiedler.    1893.    16°.    207  S.     M.  3,00.  —  504)  X 

D.  Buch  d.  Braut.  Samml.  lyr.  Gedichte  im  Garten  neuerer  dtsch.  Dicht.  Mit  Illustr.  9.  Aufl.  L.,  Gräbner.  XV,  493  S.  M.  9,00. — 
505)XK-  Heimerstein,  Kling  hinaus:  Westentaschen-Liederb.  Mülheim  a.  d.  R.,  Bagel.  32°.  123  S.  M.  0,40.  —  506)  Taschen- 
liederbuch. Enth.  255  Lieder.  Halberstadt,  Ernst.  16°.  VIII,  268  S.   M.  0,60.  —  507)  X  U  5:393.)  —  508)  X  Touristen-Liederbuch. 

E.  Samml.  v.  200  d.  besten,  neuosten  u.  älteren  Wander-,  Trink-  u.  Volkslieder.  Zusammengest.  v.  Mitgliedern  d.  niederhess. 
Touristen- Ver.  (Sekt.  Kassel).  Kassel,  Deichmann.  1893.  12°.  XU,  163  S.  M.  0,50.  -  509)  X  K.  Heimerstein,  Dtsch. 
Sang  u.  Klang.  D.  neuesten  u.  beliebtesten  Lieder  für  alle  Gesellschaftskreise.  2.  Aufl.  Mülheim  a.  d.  R.,  Bagel.  12°.  IV, 
155  S.  M.  1,00.  —  510)  X  A.  Sturm,  Liederbnch  für  d.  gesell.  Vereinigungen  dtsch.  Lehrer.  Goldberg  i.  Schi.  (Breslau, 
Priebatsch).  12°.  IV,  143  S.  M.  0,75.  —  511)  X  A.  Gasch,  Dtsch.  Bachdrucker-Liederbuch.  Ausgew.  Lieder  über  d.  Buch- 
druckerkunst. Nebst  e.  allg.  Teile.  L.,  R.  Härtel.  12°.  VIII,  224  S.  M.  1,00.  -  512)  X  C  A.  v.  Nida,  Neues  Liederbuch  für 
Artilleristen.  Reutlingen  (Ensslin  &  Laiblin).  1893.  16°.  128  S.  M.  0,35.  |[AMZg.  1893,  N.  66.]|  —  513)  X  Kaufmann. 
Kommersbuch.  Liederbuch  für  Kaufleute  u.  kaufmänn.  Ver.  Frankfurt  a.  M.,  Mahlau  &  Waldschmidt.  1893.  VUI,  152  S. 
M.  0,90.  —  514)  X  Eroh  u.  Frei!  Liederbuch,  zusammengest.  u.  her.  vom  akad.  Turnbund.  2.  Aufl.  B.,  Meidinger.  1893.  12*. 
XI,  272  S.  M.  1,60.  —  515)  X  Seemanns-Liederbuch.  E.  Samml.  d.  neuesten  u.  beliebtesten  Seemanns-  u.  Fischerlieder.  Mül- 
heim a.  d.  R.,  Bagel.  1893.  16°.  128  S.  M.  0,30.  -  516)  X  Liederbuch  für  Berg-  u.  Hüttenleute.  6.  Aufl.  Essen,  Baedeker. 
XIV,  147  S.  Mit  Titelbild.  M.  1,20.  —  517)  X  Feuer-Zeug-Taschenliederb.  für  d.  Zeug-  u.  Feuerwerkspersonal  d.  dtsch.  Armee 
u.  Marine.  5.  Aufl.  Spandau,  Neugebauer.  16°.  VIII,  265  S.  M.  1,00.  —  518)  X  0.  Muenzer,  Kommersbuch  für  Landwirte. 
Neusalz  a.  0.  (H.  Voigt).  1893.  12°.  III,  299  S.  M.  3,00.  —  519)  X  id-.  D-  Landwirts  Liederbuch,  ebda.  1893.  12".  V, 
282  S.  M.  2,75.  —  520)  X  Feuerwehr- Liederbuch.  E.  Samml.  d.  neuesten  n.  beliebtesten  Feuerwehrlieder.  Mülheim  a.  d.  R., 
B;igel.  1893.  16°.  128  S.  M.  0.30.  -  521)  X  Hausburg  ( Hauptmann),  Halali!  D.  dtsch.  Jägers  Liederbuch.  Nach 
d.  v.  verschied.  Forstbeamten  u.  Jägern  gelief.  Material  ges.  u.  zusammengest.  ebda.  1S93.  16°.  II,  206;  13  S.  Mit  Kaiser- 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (4)16  e 


IV  2  b  :  522-538    J.  E 1  i  a  s ,  Lyrik :  Von  den  Freiheitskriegen  bis  zur  Gegenwart. 

Jungfrau  und  Frau497-504);    Liederbücher  einzelner  Stände  und  Berufszweige505-528); 
Gnoniisches,  Citatensammlungen,  Albumblätter529-536);  Deklamationsstücke537"538).  -- 


bildn.  M.  1,50.  —  522)  X  Liederbuch  für  Radfahrer.  Her.  v.  Bicyole-Klub  Ellwangen  (Württemberg).  10.  Aufl.  Ellwangen 
(L.  Eossberg).  1893.  12°.  XVI,  263  S.  M.  1,70.  —  523)  X  3vl\.  Hirschberg,  Kl.  Kommersbuch  für  Radfahrer.  Wachwitz- 
Dresden,  Geissler.  12°.  40  S.  M.  0,60.  —  524)  X  Patriot.  Taschenliederbuch  für  Krieger-  u.  Militärver.  zusammengest.  vom 
Stedinger  Kriegerver.  zu  Berne.  Berne  (B.  Bessin).  1893.  16°.  261  S.  M.  0,50.  —  525)  X  Buchfink-Lieder.  Ges.  z.  25j.  Stiftungs- 
feste d.  Ver.  Wien  (R.  Mohr).  12°.  119  S.  M.  1,00.  —  526)  Liederbuch  für  Mitglieder  d.  Gesellenver.  10.  Aufl.  St.  (J.  Roth). 
16°.  VIII,  129  S.  M.  0,40.  —  527)  X  M.  Schmitz,  Vaterland.  Gedichte,  Deklamationen  u.  Lieder  z.  Gebr.  für  kath.  Gesellen- 
ver. (.—  Gott  segne  d.  ehrbare  Handwerk!  IV.)  Paderborn,  Schöningh.  1892.  152  S.  M.  1,00.  —  528)  X  Dtsch.-soc.  Lieder- 
buch. 60  d.  beliebtesten  Lieder,  zusammengest.  vom  dtsch.-soc.  Keformver.  zu  Leipzig.  L.,  Fritsch.  1893.  16°.  49, 
II  S.  M.  0,20.  —  529)  Franz-Voneisen,  Albumbll.,  Stammbuchverse  u.  Sprüche.  (=  ÜB.  N.  2960.)  L.,  Reclam.  1893. 
96  S.  M.  0,20.  —  530)  X^lise  Polko,  Unsere  Kinder.  Poet.  Gedanken  u.  Herzensworte  dtsch.  u.  ausländ.  Dichter.  St., 
Greiner  &  Pfeiffer.  1892.  12°.  V,  232  S.  Mit  7  Illustr.  in  Lichtdr.  M.  4,00.  —  531)  X  Charlotte  Schmid,  D.  Hauses 
Freud  u.  Leid.  E.  Samml.  v.  Liedern  u.  Citaten.  Nürnberg,  Stroefer.  4°.  160  S.  Mit  Illustr.  M.  3,00.  —  532)Xs<>phie 
Verena,  Gedankenvoll.  Aussprüche  v.  Dichtern  u.  Denkern.  2.  Aufl.  B.,  H.  W.  Müller.  1892.  12°.  VII,  232  S.  Mit 
Illustr.  M.  3,00.—  533)  X  H.  Bouffier,  Lebensweisheit  in  Dichterworten.  Als  e.  Führer  in  d.  Lebens  labyrinthisch  irrem 
Lauf.  L.,  Ruhl.  1892.  12°.  VIII,  185  S.  M.  2,00.  —  534)  X  Worte  fürs  Leben.  Lebensweisheit  u.  Lebenstrost  in  Dichter- 
mund. Mit  Illustr.  5.  Aufl.  L.,  Haberland.  1893.  12°.  204  S.  M.  3,00.  —  535)  Album-  u.  Gedenksprüche.  E.  Aehren- 
lese  d.  besten  u.  passendsten  Stammbuch-Inschriften  in  Poesie  u.  Prosa,  ausgew.  aus  d.  Weltlitt.  Nebst  e.  Anh. :  Aphorismen  u. 
Sentenzen.  Wien,  Daberkow.  1893.  12°.  III,  344  S.  M.  2,70.  -  536)  X  Elise  Roth,  Was  soll  ich  meiner  Freundin  ins 
Album  schreiben?  Neue  Samml.  v.  Album-Inschriften.  St.,  Schwabacher.  1893.  12°.  VII,  91  S.  M.  1,80.  -  537)  X  dg» 
Wohlbrück,  Vortragsmappe.  Halle  a.  S.,  Gesenius.  1892.  VI,  290  S.  M.  2,40.  —  538)  X  E-  Heinrichs,  Deutschlands 
Dichterhort.     Gedichtsamml.  z.  Deklamieren.     Hannover,  Manz  &  Lange.     VI,  326  S.     M.  2,00.  — 


R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.    1893,  1891.        IV  3:i 

IV,  3 

Epos.    1893,  1894. 

Richard  Rosenbaum. 

Allgemeines:  Bibliographische  Sammelwerke  N.  1;  znr  Entstehungsgeschichte  des  modernen  Romans  N.  6; 
Romangrnppen  N.  12;  Sammlungen  N.  19.  —  Aeltere  Zeit:  Schönaich  N.  22.  —  Klopstock  N.  23.  —  Komisches  Epos: 
ZachariäN.  32;  Thümrael  N.  35.  —  Jeannette  Philippine  Le  Clerc  N.  39.  —  R.E.Raspe  N.  40.  —  Miller  N.  41.  —  A.  M.  Sprick- 
mann  N.  42.  —  J.  H.  Voss  N.  43.  —  Claudius  und  Hebel  N.  51.  —  Fr.  K.  von  Moser  N.  56.  —  K.  Ph.  Moritz  N.  57.  — 
Rochlitz  N.  53.  —  Wieland  N.  59;  Heinse  N.  74;  H.  W.  Broxterraann  N.  77  a;  A.  G.  Meissner  N.  78;  Jean  Paul  N.  80.  — 
Tiedge  N.  89.  —  Fr.  J.  Ph.  von  Suckow  N.  92;  Fr.  von  Sydow  N.  93.  —  H.  von  Kleist  und  Fr.  Hebbel  N.  95.  —  Romantische 
Schriftsteller:  Tieek,  W.  Alexis,  Gaudy,  Immermann,  J.  Fr.  Kind,  H.  Steffens  N.  98;  J.  Mosen  N.  111.  —  Jugend-  und 
Volksschriftsteller:  Musäus,  Gust.  Schwab,  Niebuhr,  Nieritz,  R.  Reinick,  Chrph.  von  Schmid  N.  113;  A.  G.  Eberhard  N.  177; 
K.  Stöber  N.  179.  —  Neuere  Zeit:  Dorfgeschichte:  B.  Anerbach  N.  183;  Anzengruber  N.  1S8.  —  Historische  Romane:  A.  R. 
Spindler,  L.  F.  Stolle,  L.  Storch,  F.  W.  L.  Tarnowski  N.  190;  Dahn,  Ebers  N.  195;  Ad.  Glaser  N.  207;  Gust.  Freytag  N.  208; 
J.  V.  von  Scheffel  N.  215.  -  Fr.  W.  Weber  N.  220;  Jul.  Wolff  N.  229.  —  Dialektdichtungen:  Allgemeines  N.  231;  Fritz 
Reuter  N.  232;  Kl.  Groth  N.  257;  John  Brinckmann  N.  259;  H.  Jürs  N.  260;  A.  Dähr  N.  261;  H.  Biuch,  H.  Köselitz  N.  266.  — 
Der  Norden  Deutschlands:  G.  K.  0.  von  Struensee,  R.  G.  M.  Springer,  H.  Ch.  Steinhart,  J.  D.  H.  Temme  N.  268;  Oskar 
Justinus,  R.  Waldmüller  N.  272;  Rud.  Lindau  N.  274;  Paul  Lindau  N.  276:  Heinr.  Seidel  N.  277;  W.  Jensen,  J.  Stinde  N.  233; 
0.  Roquette  N.  288;  Fontane  N.  297;  Spielhagen  N.  304;  Wildenbruch  N.  SOS;  Th.  Storm  N.  310:  Chrn.  F.  Strackerjan,  F.  A. 
Strubberg  N.  312.  —  Schwaben:  K.  Chrn.  L.  Starklof  N.  317;  Chrn.  Wagner,  0.  Müller  N.  318;  W.  Raabe  N.  323.  —  Münchener 
Dichterkreis:  W.  Hertz  N.  32S;  L.  Steub  N.  329;  Graf  Schack  N.  330;  P.  Heyse  N.  332;  A.  Wilbrandt  N.  339;  M.  G.  Conrad 
N.  340;  H.  Hopfen  N.  340a.  —  Schweiz:  H.  Zschokke  N.  341 ;  Rod.  Töpffer  N.355;  S.il.  Tobler  N.  357;  J.  A.  Sprecher  von  Bernegg 
N.  358;  Jer.  Gotthelf  N.  359;  Gottfr.  Keller  N.  367;  K.  F.  Meyer  N.  388.  -  Oesterreich:  Ch.  Sealsfield  N.  393;  Adalb.  Stifter 
N.  404;  Ed.  Pokorny  N.  412;  M.  Reich  N.  413;  G.  Helm,  Braun  von  Braunthal  N.  414;  E.  Straube  N/415;  R.  Haraerling  N.  416; 
P.  K.  Rosegger  N.  434;  M.  Stichelberger  N.  455;  F.  Schlögl  N.  456;  F.  von  Saar  N.  457;  F.  Kürnberger  N.  463;  R.  Baum- 
bach N.  466;  M.  Jökai  N.  468.  —  Frauen:  Gräfin  Hahn-Hahn  N.  471;  Annette  von  Droste-Hülshoff  N.  472;  Luise  von  Francois 
N.  474;  Marie  Nathusius  N.  484;  Fanny  Lewald-Stahr,  Franziska  von  Stengel,  Lucie  Henriette  von  Suhr,  Wilhelmihe  von  Sydow, 
Fanny  von  Tarnow,  Franziska  von  Tauffkirchen,  Anna  Antonie  von  Thaler  N.  491;  Carmen  Sylva  N.  499;  Ossip  Schubin  N.  502; 
Bertha  von  Suttner  N.  505;  Marie  von  Ebner-Eschenbach  N.  508;  von  der  Marlitt  bis  zu  Ad.  Meinhardt  N.  514.  —  Moderne 
Richtung:  Sammelbncji  N.  550;  H.  Tovote,  G.  von  Ompteda  N.  551;  H.  Sndermann  N.  553;  L.  Fulda  N.  559;  G.  Hauptmann 
N.  560;  M.  Nordau  N.  561a;  H.  Bahr  N.  564;  Produktion  in  den  letzen  Jahren  N.  566.  — 

Unter  den  allgemeinen  Darstellungen  über  die  Epik  unseres  Zeitraumes 
füllt  das  bibliographische  Sammelwerk  von  Goedeke1)  wie  gebührend  die  erste, 
diesmal  aber  auch  einzige  Stelle.  In  seiner  Gesamtheit  hat  der  fünfte  Band  schon 
mehrfache  Würdigung  von  uns  erfahren.  In  die  Bearbeitung  des  10.  Kapitels  teilte 
sich  Goetze  mit  K.  Müller-Fraureuth,  während  der  §  274,  epische  Dichtungen 
im  engeren  Sinne  umfassend,  vom  Herausgeber  unter  Mitwirkung  H.  Petrichs  an 
die  Grenze  der  erstrebten  Vollständigkeit  herangeführt  wurde.  Wie  wenig  sich  das 
WTollen  mit  dem  Können  eines  Einzelnen  deckt,  zeigt  A.  Sauer  in  seinen  Berichtigungen 
zum  Artikel  Kosegarten,  denen  hier  einige  Ergänzungen  des  Referenten  aus  dem  ihm 
nahegelegenen  Gebiete  des  komischen  Epos  sich  anschliessen  mögen.  Es  fehlen  in 
den  entsprechenden  Abschnitten  gänzlich  die  Namen:  C.  Bistorius,  J.  A.  Brennecke, 
W.G.Fischer,  Ign.  von  Krasicki,  der  Anhalt-Bernburgische  Legationsrat;  Meier,  der 
Vf.  der  Grenadiriade  oder  Gustaviade;  C.  H.  Müller,  Wr.  Schilling,  Stengel,  der  Dichter 
des  neuen  Froschmäuslers,  u.  a.  mit  ihren  einschlägigen  Erzeugnissen.  Von  selbständig 
erschienenen  Dichtungen  der  Art,  deren  Vf.  unbekannt  sind,  seien  genannt: 
Alurokriomachie,  oder  das  Gefecht  des  Widders  an  der  Elbe  mit  der  Katze  an  der 
Leine,  Leinathen  1793;  Der  Kommersen  zu  Lauchstädt  1790;  Poetisch-komische  Bauern- 
hochzeit, Potsdam  1781;  Der  Spötter  oder  Zytherens  Sieg  1793;  Der  angehende 
Student,  Magdeburg  1767;  Das  Lindenauische  Treffen  bei  Leipzig,  1777;  Die 
Gegenrevolution,  Strassburg  1792;  Junker  Anton,  Weissenfeis  1788;  Kordon  der 
Heiligen  um  den  Bettelsack,  Rom  1790;  Die  frikassierte  Nachtmütze,  Leipzig  1776; 
Die  Froschiade,  Nimwegen  und  Wesel  1787;  Mercur  der  Männerkrämer,  Wien  1781. 
Anderes  Hierhergehörige  dürften  die  nächsten  Hefte  bringen,  da  es  in  der  alten 
Ausgabe  des  Grundrisses  verzeichnet  ist.  Vielleicht  wäre  es  doch  richtiger  ge- 
wesen, bei  einer  Neubearbeitung  dieser  Teile  nicht  mehr  so  zäh  an  der  ge- 
gebenen Disposition  Goedekes  festzuhalten.  Dadurch  wräre  Zusammengehöriges 
nicht  so  häufig  getrennt  worden  und  an  verschiedenen  Stellen  zu  suchen,  Avie  es  jetzt 
bespielsweise  mit  den  burlesken  Gedichten  der  Fall  ist,  die  teils  mitten  zwischen  den 
ernsten  Epen,  teils  unter  die  satirischen  Schriften  versprengt  sind.  Wie  in  den 
früheren  Bänden,  so  findet  man  auch  hier  Wiederholungen  ohne  Verweisung,  so 
S.  453  N.  34  gleichlautend  mit  S.  552  N.  29.  Den  Namen  Woellner  wieder  sucht  man 
vergebens  im  Register.     S.  203  (y)  ist  die  gleiche  Schrift  voll  citiert  wie  S.  545,  18. 


1)  K.  Goedeke,  Grundriss  z.  Gesch.  d.  dtsch.  Dichtung.  Aus  d.  Quellen.  2„  ganz  neu  bearb.  Aufl.  Nach  d. 
Tode  d.  Vf.  in  Verbind,  mit  D.  Jacoby,  K.  Jasti,  M.  Koch,  K.  Müller-Fraureuth,  F.  Muncker,  K.  Chrn.  Redlich, 
A.  Sauer,  B.  Suphan,  K.  Vorländer  u.  A.  v.  Weilen  fortgef.  v.  E.  Goetze.  5.  Bd.  V.  7j.  bis  z.  Weltkriege.  2.  Abt. 
Dresden,    Ehlermann.     1893.     VIII,  565  S.     M.  7,40      |[A.   Sauer:    Euph.   1,    S.  139-44.]!     (Vgl.  JBL.  1893   IV  la:2;    2a  :  1; 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (4)16« 


IV  3  :  2-io        R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.    1893,  1894. 

Dort  ist  zweimal  die  Schreibung-  des  Autornamens  „Crantz",  hier  „Cranz";  wer  hat 
nun  Recht?  Das  S.  453,  27  aufgeführte  Gedicht  scheint  doch  wohl  nur  ein  besonderer 
Druck  der  auf  S.  503,  70  citierten  Schrift  zu  sein?2-5)  — 

Zur  Entstehungsgeschichte  des  modernen  Romans  bringt  Landaus6) 
Analyse  von  Richardsons  und  Fieldings  Romanen,  die  letzteren  im  Anschluss  an 
Austin  Dobsens  jüngste  Biographie,  nichts  Neues,  was  wir  nicht  aus  Erich  Schmidts 
„Richardson,  Rousseau  und  Goethe"  schon  wüssten.  —  Viel  instruktiver,  prägnanter 
und  von  Sachkenntnis  und  Verständnis  zeugend  ist  Robertsons7)  Artikel  über  den 
gleichen  Gegenstand.  R.  fasst  die  englischen  Einflüsse  auf  Deutschland  richtig  und 
klar  zusammen,  wird  Gellerts  Stellung  als  Richardsons  Propheten  gerecht,  weist 
Hermes  und  Sophie  La  Roche  den  geziemenden  Platz  an,  deutet  auf  Musaeus  als  den 
ersten  Opponenten  gegen  die  Richardson-Gellertsche  Richtung  im  Sinne  der  Fieldingschen 
Anfänge  und  gewinnt  dadurch  den  weitesten  Raum  für  die  Würdigung  Wielands. 
Obgleich  Wieland  den  Engländern  viel  verdankt,  so  hat  er  sich  dennoch  von  der 
moralisierenden  Richtung  zu  emancipieren  verstanden.  Als  der  richtige  Mann  am 
richtigen  Platze,  dessen  Gegenwart  dringend  bedurft  wurde,  wich  er  ebenso  geschickt 
der  Rousseauschen  Einseitigkeit  aus.  Don  Sylvio  ersteht  als  ein  Wesen  von  Fleisch 
und  Blut  zwischen  den  Puppen  moralischer  und  unmoralischer  Verbohrtheit.  Das 
J.  1764  bedeutet  danach  den  Beginn  einer  neuen  Epoche  in  der  Entwicklung  der 
nationalen  Epik,  eine  Wahrheit,  die  schon  Lessing  deutlich  zum  Bewusstsein  kam 
beim  Erscheinen  des  Agathon.  In  der  psychologischen  Vertiefung  dieses  Romans 
endlich  steckt  das  längst  erkannte  Geheimnis  von  Wielands  bahnbrechender  Wirkung, 
von  hier  aus  führen  die  Fäden  zu  Goethes  Meisterschaft,  bei  dessen  Anfängen  die 
Untersuchung  abbricht.8"9)  —  Im  Beginn  unseres  Jh.  etwa  setzt  Gerschmann10)  ein. 
Eine  ausgebreitete  Kenntnis  der  einschlägigen  Litteratur  Englands,  Frankreichs  und 
Russlands  steht  ihm  zu  Gebote,  er  versteht  zu  lesen  und  zu  urteilen  und  nicht  zum 
letzten  treffend  darzustellen.  In  einem  einleitenden  Abschnitte  zieht  G.  gegen  jede 
theoretische  Poetik  zu  Felde  und  setzt  aus  guten  Gründen  an  die  Stelle  des  Aestheti- 
sierens  die  ungezwungene  Beobachtung  der  Wirkung  und  das  empirisch-analytische 
Suchen  nach  deren  Gründen.  Mag  dieser  Standpunkt  unwidersprochen  bleiben: 
denn  die  Ergebnisse  der  folgenden  Kapitel  sind  positiv.  An  die  Namen  Swift  und 
Defoe  wird  der  „moderne  Realismus"  (Im  ganz  prägnanten  Sinne  für  den  verschärften 
Realismus  der  letzten  Jahrzehnte  gebraucht)  angeknüpft,  d.  h.  „die  Kunst  durch 
kluge  und  kühne  Verwendung  äusserer  Mittel  die  volle  Illusion  der  Wirklichkeit 
hervorzurufen",  und  diesem  der  Realismus  „höherer  Art",  das  Ausgehen  auf  „die 
Wahrheit  vom  Menschen",  gegenübergestellt.  Scott,  Dickens,  Thackeray  und  der 
Amerikaner  Poe  werden  mit  feinen,  aber  scharfen  Strichen  charakterisiert.  Auf 
Thackeray  führt  G.  die  „neue  Art  des  Sehens"  bei  den  Epikern  zurück,  das  durch- 
dringende „Sehen  mit  unbestechlich  klaren  Augen  bis  an  das  Ziel  der  unerbittlichen 
Wahrheit  einer  Weltanschauung".  Diesen  Vorzug  insbesondere  neben  anderen 
rühmenswerten  Eigentümlichkeiten  lernen  wir  an  Russlands  Grössen  Gogol,  Turgenjew, 
Tolstoi  und  Dostojewski  unter  G.s  gewandter  Führung  gebührend  schätzen.  Es  genügt 
aber  keineswegs  in  ähnlicher  Weise  sich  aus  Frankreichs  Romanschriftstellern  bloss  zwei 
herauszugreifen,  und  seien  es  auch  die  bemerkenswertesten,  um  an  ihnen  die  Fülle 
der  Erscheinungen  zu  studieren.  Zola  und  Maupassant  haben  gewiss  das  Recht,  als 
Typen  für  eine  Reihe  von  Namen  aufgeführt  zu  werden,  aber  sie  allein  repräsentieren 
denn  doch  den  modernen  französischen  Roman  nicht.  G.  sieht  im  französischen 
Realismus  eine  Steigerung  gegenüber  dem  der  Engländer  und  Russen,  die  inhaltlich 
wie  technisch  einem  berechtigten  Individualismus  zustrebt.  Es  entging  ihm  auch 
nicht,  wie  nah  an  die  Grenze  der  Manieriertheit  solch  ein  zugespitztes  Individualisieren 
selbst  die  Besten  geführt  hat;  er  hätte  es  nur  noch  deutlicher  aussprechen  müssen. 
Ganz  im  Gegensatz  zu  diesen  immerhin  recht  zulänglichen  Studien  wirken  die  Aus- 
lassungen des  letzten  Abschnittes,  der  dem  deutschen  Roman  gewidmet  ist,  geradezu 
verblüffend.  Es  ist  eine  Serie  von  Schmähartikeln  gegen  die  Romanschriftsteller 
Sudermann  und  Tovote,  erweitert  zu  einem  Feldzug  gegen  den  ganzen  Sudermann, 
der  dadurch  gewissermassen  zum  ersten  Vertreter  deutscher  Dichtung  gegen  seinen 


9:1;  vgl.  auch  IV  la:  1.)  —  2)  X  P-  Morrillot,  Le  romin  en  France  depuis  1610  jnsqu'ä  nos  jours.  Lectures  et 
esquisses.  Paris,  G.  Masson.  1892.  XI,  612  S.  |[E.  Koschwitz:  DLZ.  1893,  S.  876/7.]!  (Kann  als  Muster  für  e.  Chrestomathie 
empfohlen  werden.)  —  3)  O  W.  A.  Griswold,  A  descriptive  list  of  internat.  novels.  Cambridge,  Mass.,  Griswold.  111, 
164,  11  S.  D.  0,75.  —  4)  X  l'6  C.  D'J***,  Bibliogr.  des  ouvrages  relatifs  ä  Vamour,  aux  femmes  au  mariage,  et  des  lirres 
facetieux,  pantagrueliques,  scatologiques,  satyriques  etc.  etc.  4.  ed.  par  J.  Leraonnyer.  Tome  I.  Fase.  1/5.  Paris,  Lemonnyer 
(Ch.  Gilliet).  1893.  VIII,  928  S.  -  5)  X  Nederlandsche  Letterlcunde.  Pop.  Prozaschrijvers  der  XVII.  en  XVIII.  eeuw.  Amsterdam, 
F.  Muller  &  Co.  1893.  8,  148  S.  —  6)  M.  Landau,  Z.  Entstehnngsgesch.  d.  mod.  realist.  Romans:  Presse  N.  211/2.  —  7) 
J.  G.  Robertson,  The  beginnings  of  the  german  novel:  WestmR.  142,  S.  183-95.  —  8)  X  E-  Schwan,  D.  Anfänge  d.  mod. 
Romans.  E.  Vortr.:  PrJbb.  70,  S.  309-23.  (Ueber  d.  Urspr.  d.  Wortes  „Roman"  u.  d.  Entwiclcl.  d.  Gattung  bis  z.  Renaissance- 
zeit.) -  9)  X  B.  Lothar,  V.  dtsch.  Roman:  NFPr.  21.  Dec.  1893.  —  10)  H.  Gerschmann,  Studien  Ober  d.  mod.  Roman. 
Progr.  d.  Realgymn.     Königsberg  i.  P.     120  S.     M.  2,00.     |f0.  Harnaclc:  PrJbb.  78,  S.  519-20;    J.  Petri:  ML.  63,  S.  1146/7; 


R.  Rosen  bäum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.    1893,  1894.  IV  3  :  n-ie 

Willen  gestempelt  wird.  So  reizend  das  Hervortreten  persönlichster  Anschauungen 
und  urteile  in  den  vorangehenden  Kapiteln  den  Fluss  der  Untersuchung-  unterbrach, 
so  widrig  wirkt  dieser  Einzelkampf,  als  Einzelkampf  von  der  hohen  Warte  der  Wissen- 
schaftlichkeit auf  einen  ruhigen,  wenn  auch  nicht  ganz  unschuldigen  Spaziergänger, 
für  den  wir  Sudermann  halten.  Ein  Historiker  des  deutschen  Romans  aber,  der  auf 
Treitschkes  Spuren  wandeln  möchte,  wird  entschieden  fehl  gehen,  wenn  er  in  Sieben- 
meilenstiefeln auftritt.  Wer  die  Namen  Fontane  und  Anzengruber  und  Marie  von 
Ebner-Eschenbach,  sei  es  auch  nur  in  einer  Studie  über  den  Roman,  gar  nicht  nennt, 
hat  den  Anspruch  verwirkt,  als  warnender  Eckart  gehört  zu  werden.  Alexis,  Keller, 
Freytag,  Spielhagen,  Dahn  auf  nicht  ganz  zwei  Druckseiten  abzufertigen,  gegen 
Sudermann  und  Tovote  dagegen  zwanzig  Seiten  hindurch  zu  Felde  zu  ziehen,  ist  ein 
weit  grösseres  Missverhältnis  als  das,  worin  Deutschland  nach  G.s  Meinung  den  anderen 
Nationen  so  sehr  nachstehen  soll,  so  dass  deshalb  Anlass  zu  einer  Jeremiade  wäre 
wegen  „beschämender  Dürftigkeit".  —  Vollends  beschämend  dürftig  plaudert  Eck- 
stein11) über  moderne  Romanhelden.  Der  Standpunkt,  dass  Künstler  und  Offiziere 
vor  allem  „konfliktfähig"  sind,  ist  zum  mindesten  recht  unmodern  ausgedrückt,  aber 
noch  glücklicher  als  die  Folgerung,  dass  demnach  der  Gelehrte  im  Gegensatz  zu 
jenen  beiden  „von  verständigen  Mädchen  stark  als  Gatte  begehrt"  werde.  — 

Die  Einzel forschung  hat  sich  mehrfach  in  den  letzten  Jahren  mit  Roman- 
gruppen beschäftigt.  Schultheiss12)  beobachtet  den  Schelmenroman  früherer  Jhh. 
und  deckt  einige  der  Verbindungsfäden  auf,  die  sich  von  dort  aus  zum  Sitten-  und 
Familienroman  der  Engländer  schlingen  (S.  41),  schliesst  aber  ausdrücklich  gerade 
den  ganzen  Heerbann  des  Simplicissimus  aus  (S.  56).  Unbewiesen  bleibt  die  Schluss- 
bemerkung, dass  Zolas  Naturalismus  in  der  Novela  picaresca  seine  Ahnfrau  zu  ver- 
ehren habe.  —  Kleinwächters13)  in  den  JBL.  bisher  unbesprochenes  Buch  aus  dem 
J.  1891  verdient  unsere  Aufmerksamkeit  insofern,  als  der  Vf.  von  einem  ganz  anderen 
Gebiete  her  und  zu  anderen  Zwecken  eine  Sichtung'  der  einschlägigen  Litteratur  vor- 
nimmt. Er  ist  Rechtslehrer  und  sucht  die  staatsrechtlichen  Theoreme  des  Kommunis- 
mus und  des  Socialismus  in  ihren  litterarischen  Wurzeln  blosszulegen.  Für  Hallers 
„Usong",  „Alfred",  „Fabius  und  Cato"  hat  der  Vf.  (S.  14)  nur  die  knappe  Charakteristik 
„langweilig  und  unbedeutend";  anderes,  nach  Meinung  eines  Literaturhistorikers  Er- 
wähnenswerte findet  man  nicht  einmal  genannt.  Steins  Besprechung  des  Buches  tröstet 
uns  über  die  Zurücksetzung  durch  eine  vernichtende  Kritik  selbst  des  sachlichen  Teiles.  — 
Kronenbergs  14)specielle  Studie  über  die  poetischen  Utopien  in  ihrem  hierher  gehörigen 
Teile  nennt  uns  den  ersten  „Rückblick",  das  Werk  eines  französischen  Aufklärers  aus 
dem  J.  1772  unter  dem  Titel  „L'an  2440",  das  der  Rousseauschen  rückläufigen' Be- 
wunderung des  Naturzustandes  schon  einen  aufbauenden  Positivismus  entgegenzusetzen 
weiss.  Der  Losung  des  18.  Jh.  „den  Staat  rückwärts  zu  revidieren  bis  zum  Aus- 
gangspunkt" tritt  die  kühnere  Parole  des  19.  entgegen.  Man  proklamierte  die  völlige 
Allmacht  des  Staates,  verwies  nachdrücklich  auf  die  fortdauernde  Steigerung  und 
Ausnützung  der  modernen  kulturellen  Machtmittel  und  verliess  also  das  Gebiet  der 
Utopie  durch  die  Verbindung  mit  den  wissenschaftlichen  und  technischen  Errungen- 
schaften. Auf  diesem  Untergrunde  erheben  sich  die  socialistischen  Gebäude  von 
Saint  Simon  und  Cabet  bis  auf  Fourier,  Louis  Blanc  und  die  der  deutschen  Nach- 
ahmer bis  auf  Theodor  Hertzkas  „£>eiland".15)  —  An  Müller-Fraureuths 16) 
Untersuchung  über  die  Ritter-  und  Räuberromane  durfte  man  mit  hohen  Erwartungen 
herantreten.  Leider  sind  sie  gründlich  getäuscht  worden.  Dem  Bearbeiter  des  biblio- 
graphischen Materials  für  diese  Gruppe  von  Litteraturerzeugnissen  in  Goedekes 
Grundriss  hätte  es  nicht  schwer  fallen  können,  nach  dem  Muster  des  allgemein  an- 
erkannten Buches  von  Brahm  über  die  Ritterromane  seinen  Stoff  zu  ergründen  und 
zu  erschöpfen.  Statt  dessen  schliesst  sich  M.-F.  in  allzu  engherziger  Weise  an  Appels 
Monographie  aus  dem  Schlüsse  der  sechziger  Jahre  an  (vgl.  R.  Fürst:  Euph.  3, 
S.  540/9)  und  beherzigt  Goedekes  Lehre,  wie  es  Appel  hätte  besser  machen  sollen*, 
auf  unstatthaft  genaue  Art.  Denn  der  Hinweis  auf  die  Hülfe  der  Litteraturzeitungen 
gilt  doch  nur  für  den  Neubearbeiter,  nicht  für  seine  Leser.  Eine  genaue  Angabe  des 
Inhalts  von  einzelnen  Romanen  Wächters  und  Cramers  und  Spiessens  und  Vulpius 
und  Rambachs  und  dazu  die  aufgewärmte  Anzeigensuppe  aus  verborgenen  Zeit- 
schriften, die  für  die  Ankündigung  dergleichen  Produkte  noch  ein  W7ort  und  ein 
Plätzchen   übrig  hatten,    sind  wahrlich   kein  Ersatz   für  eine  fördernde,    geschweige 


M.  Necker:  NFPr.  N.  10823.]|  —  11)  E.  Eckstein,  Mod.  Romanhelden:  Salonfenillet.  1,  N.  1.  (In  vielen  Zeitungen  abgedr.) 
—  12)  A.  Schultheiss,  D.  Schelmenroman  d.  Spanier  u.  seine  Nachbildungen.  (=  SGWV.  N.  165.)  Hamburg,  Verlagsanst. 
1893.  62  S.  M.  0,50.  (Vgl.  JBL.  1893  II  3  :  39;  III  3  :  14.)  —  13)  F.  Kl  ein  wacht  er,  D.  Staatsromane.  E.  Beitr.  z.  Lehre 
v.  Kommunismus  u.  Socialismus.  Wien,  Breitenstein.  1891.  152  S.  M.  3,00.  [L  Stein:  AGPhilos.  6,  8.  436/9 J)  —  14)  M. 
Kronenberg,  Polit.  Utopien:  VossZg".  1893,  N.  14/5.  —  15)  O  X  Schlaraffia  politica.  Gesch.  d.  Dichtungen  vom  besten 
Staate.  L.,  Grunow.  1892.  V,  318  S.  M.  2,00.  (Vgl.  JBL.  1892  I  4  :  403;  IV  5  :  282;  1S93  II  3  :  12.)  —  16)  K.  Müller- 
Fraureuth,  D.  Ritter-  u.  Räuberromane.     E.  Beitr.  s.  Bildnngsgesch.  d.  dtsch.  Volkes.  Halle  a.  S.,  Niemeyer.    112  S.  M  2,«0. 

(4)16«* 


IV  3:17-19       R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.    1893,  1894. 

denn  abschliessende  Untersuchung-,  die  als  „Beitrag-  zur  Bildungsgeschichte  des 
deutschen  Volkes'1  genommen  zu  werden  beansprucht.  Der  allgemein  einleitende 
Abschnitt  über  die  Entwicklung  der  Romangattung  orientiert  übrigens  knapp  und 
hübsch  über  die  verschiedenen  litter  arischen  Zuflüsse  des  In-  und  Auslandes,  die  sich 
zu  dem  breiten  Strome  der  Ritter-  und  Räuberromane  zusammenfanden:  Vom  älteren 
Ritter-  und  Schelmen-  und  Abenteurerroman  führt  die  Brücke  zu  den  Gefilden 
Richardsonscher  Saat  in  Deutschland.  Mit  kühnem  Sprunge  setzt  sich  der  Vf.  nach 
Nennung  einiger  Autoren  historischer  Romane  an  die  reich  gedeckte  Tafel,  die  seiner 
harrt.  Leonhard  Wächter  gilt  auch  M.-F.  als  der  Vater  des  eigentlichen  Ritter- 
romans. Der  Seitenblick,  der  bei  dieser  Gelegenheit  auf  Goethe  und  seinen  Götz 
geworfen  wird,  ist  so  scheu,  dass  eine  Citierung  des  Brahmschen  Buches  an  dieser 
Stelle  jedenfalls  gehaltreicher  gewesen  wäre.  Nicht  viel  besser  ergeht  es  Schiller 
mit  seinen  „Räubern",  aus  denen  der  Vf.  das  Ideal  für  die  Helden  der  Cramer  und 
Spiess  ableitet.  Für  die  sich  angliedernde  Geistergeschichte  hätte  zu  dem  an  sich 
wichtigen  Hinblick  auf  die  emporwuchernde  Reaktion  gegen  die  Aufklärung,  ein 
Hinweis  auf  die  im  Leben  und  Schrifttum  sich  breit  machenden  geheimen  Gesell- 
schaften mannigfachster  Art  ergänzend  hinzutreten  sollen.  Die  letzte  Epoche,  der 
Räuberroman  auf  italienischem  Boden  spielend,  knüpft  an  Zschokkes  Abällino  an. 
Rinaldo  Rinaldini  heisst  der  Hügel,  an  dessen  Ausläufer  sich  noch  heutzutage  manch 
verborgenes  Thälchen  angliedert.  Es  soll  nicht  verschwiegen  werden,  dass  manche 
interessante  Einzelheit  aus  der  vorliegenden  Schrift  Erwähnung  verdiente,  manche 
'  Aufstellung  den  Widerspruch,  manche  Unterlassung  eine  Fragestellung  herausforderte. 
Am  bezeichnendsten  ist  die  auf  S.  103  gegebene  Statistik,  aus  der  erhellt,  wie  fleissige 
Leser  die  behandelte  Litteraturgattung  noch  an  unseren  Grosseltern  hatte.  M.-F.  zählt 
vor  den  Freiheitskriegen  260,  nach  ihnen  620  solcher  Werke.  Eine  einzige  Leih- 
bibliothek in  Leipig  soll  nach  seiner  Angabe  im  J.  1836  unter  6100  Romanen  etwa 
1700  Ritter-  und  Räuberromane  geborgen  haben.  Und  die  Zahl  der  Autoren  am 
Ende  des  vorigen  Jh.  erreichte  gar  die  beträchtliche  Höhe  von  267.  darunter  natürlich 
die  grössten  Vielschreiber,  die  in  dem  Streben  wetteiferten,  es  einander  in  dick- 
leibigen, (nicht  „beleibten",  wie  M.-F.  S.  27  schreibt)  Bänden  zuvorzuthun.  Das 
Geburtsjahr  des  Wortes  „Burgverliess"  soll  das  J.  1787  sein.  Wächter  hat  das  in 
seiner  niederdeutschen  Heimat  halbverschollene  Wort  „Verliess"  sich  angeeignet, 
um  für  den  Ort  seiner  schrecklichsten  Schreckensscenen  eine  wirksame  Bezeichnung 
zu  haben,  die  mit  dem  dumpfen  „Burg"  zusammengesetzt  den  peinlichen  Eindruck 
vermehrte  und  sich  recht  altertümlich  ausnahm  (S.  16,  29).  Es  klingt  recht  unwahr- 
scheinlich, wenn  behauptet  wird,  A.  G.  Meissner  habe  den  Dialog  in  den  historischen 
Roman  eingeführt  (S.  26);  in  so  strikter  Form  wird  sich  der  Gedanke  kaum  an  eine 
einzelne  Person  knüpfen  lassen:  dialogische  Partien  im  Epos  sind  so  alt  wie  Homer 
und  Herodot.  Beachtung  verdient  die  Bemerkung,  dass  Zschokke  in  dem  Roman 
„Die  schwarzen  Brüder"  unter  die  Urväter  eines  Bellamy  ging  (S.  73).  Die  Ver- 
mutung auf  S.  79,  dass  das  bekannte  Rinaldini-Lied  von  Vulpius  „In  des  Waldes 
finstern  Gründen"  auf  eine  spanische  Romanze  zurückgehe,  wäre  einer  genaueren 
Untersuchung  wert.  Schliesslich  noch  die  Frage,  warum  die  süddeutschen  Schrift- 
steller, die  an  Zahl  und  Fruchtbarkeit  den  mittel-  und  norddeutschen  gewiss  nicht 
nachstanden,  so  wenig  in  den  Vordergrund  treten?  Einer  erneuten  Durcharbeitung 
des  von  M.-F.  gestellten  Themas  ist  also  durch  sein  Buch  der  Weg  keineswegs  ver- 
legt, -r-  Heines  Buch  über. den  Roman  von  1774—78  (JBL.  1892  IV  3:29)  erfuhr 
durchaus  ablehnende  Besprechungen 17).  Man  findet  es  misslungen  in  der  Begrenzung 
des  behandelten  Stoffes  ebensowohl  wie  in  der  Fragestellung  und  Durchführung.  — 
Donners18)  Dissertation  ist  an  anderer  Stelle  zur  Genüge  behandelt  worden,  so  dass 
eine  Anführung  in  unserem  Zusammenhange  genügen  mag.  — 

Die  Sammlung  der  lyrischen  und  epischen  Dichter  der  klassischen  Periode 
'von  Mendheim11')  hat  an  anderer  Stelle  schon  im  Vorjahre  eine  genaue  Würdigung 
erfahren.  Der  Titel  darf  nicht  zu  dem  Glauben  verleiten,  als  ob  das  Epos  auch  nur 
irgendwie  die  ihm  gebührende  Beachtung  fände.  Das  lag  allerdings  mehr  an  dem 
ganzen  Plane  der  DNL.  und  an  der  dem  Herausgeber  vorgezeichneten  Anlage  der 
Sammlung,  die  Dichter  um  lokale  Mittelpunkte  zu  scharen,  wofür  die  vorwiegend 
lyrischen  Musenalmanache  sich  besonders  eigneten.  Daher  hält  der  Titel  nicht,  was 
er  verspricht,  und  der  Herausgeber  nicht,  was  er  ankündigt:  er  wolle  die  Dichter 
in  ihren  charakteristischen  Dichtungen  vorführen.  Die  epischen  Talente  kommen 
viel  zu  kurz,  wenn  sie  nach  ihren  lyrischen  Erzeugnissen  beurteilt  werden  müssen. 
Hierbei  sprach  aber  der  zur  Verfügung  gestellte  Raum  ein  ernstes  Wort  mit.  M.  hat 
jedoch  schon  in  der  Einleitung  die  Betrachtung  der  epischen  Dichtung  ungleich  be- 


—  17)  X    A.  Sauer:  DLZ.  1893,  S.  393/5;  Grenzb.  1893:  4,    S.  143;    A.  Br.:    LCB1.  1893,  S.  568/9;    Q.:    DR.  1893:  2,  S.  272; 
LBIGRPh.  14,  S.  184.  —  18)  (IV  8d  :  35.)  -  19)  M.  Mendheiro,  Lyriker  u.  Epiker  d.  Mass.  Periode.  T.  1/3.  (JBL.  1893  IV  2  a  :  2/4.) 


R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.    1893,  1894.     IV  3  ■.  20-22 

dacht,  wenn  wir  auch  stillschweigend  mit  ihm  annehmen,  dass  es  sich  ihm  bloss  um 
die  Versepik  handelt.  Die  Entwicklung  des  ernsten  Epos  aus  der  heiteren  Epopöe,  also  mit 
anderen  Worten,  Klopstocks  Messias  „auf  dem  Umwege  der  poetischen  Erzählung  und  der 
Idylle1'  entstehen  zu  lassen,  heisst  die  Geschichte  auf  den  Kopf  stellen  (S.  19).  Klopstocks 
Abschiedsrede  vom  Wesen  und  Beruf  des  epischen  Dichters  lässt  diesen  Gang  der 
Dinge  wenigstens  nicht  ahnen.  Es  glaubt  dies  dem  Herausgeber  aber  ebenso  wenig 
jemand  wie  die  Behauptung  (S.  XXIII),  in  der  klssischen  Zeit  habe  man  unter  Epen 
nur  in  epischer  Form  ausgeführte  Idyllen  verstanden.  Gegenbeweis  unnötig;  ein 
Blick  in  jedes  beliebige  Kompendium  der  deutschen  Litteraturgeschichte  lehrt  anderes. 
Im  einzelnen  möchte  ich  zu  der  von  A.  Sauer  (JBL.  1893  IV  2a:  2/4)  schon  unter- 
nommenen Rettung  des  Dichters  E.  Chrph.  Bindemann  noch  beifügen,  dass  ausser  den 
von  Herrn.  Petrich  in  seinem  Stargarder  Programm  (1878)  behandelten  Werken  auf 
Bindemanns  Namen  in  älteren  Geschichtswerken  der  Litteratur  (z.  B.  Ebeling,  Ge- 
schichte der  komischen  Litteratur  3,  S.  60),  auch  ein  Gedicht  unter  dem  Titel  „Stutz- 
bart, ein  satirisches  Sittengemälde,  Breslau  1787"  geht,  abgesehen  von  der  ihm 
zugeschriebenen  Bearbeitung1  und  Uebersetzung  der  Voltaireschen  Pucelle,  für  die 
Petrich  (a.  a.  O.  S.  2)  nur  eine  kurze  Anmerkung  hat,  die  gegen  die  Autorschaft 
Bindemaans  bloss  „die  erloschene  Spur  in  der  Familienüberlieferung"  anführt.  —  Die 
Balladensammlung  von  Fogowitz20)  ist  anspruchslos,  versammelt  das  Bekannteste 
von  Schiller  bis  Fontane,  was  in  Schule  und  Leben  an  wirkungsvollen  Balladen 
unterkommt.  Ausser  Bürgers  Lenore  und  Herders  „Edward"  vermisst  man  nichts, 
was  zum  Bedeutendsten  zu  zählen  ist.  Etwa  80  Gedichte  von  vier  Dutzend  Dichtern 
fordern  ihr  harmloses  Publikum  auf,  sie  zu  geniessen.  WTenige  Anmerkungen 
erläutern  fremde  Namen  und  abliegende  Thatsachen.  Acht  grausame  Illustrationen 
scheinen  den  Zweck  zu  haben,  den  schaudernden  Leser  zu  erheitern.21)  — 

AeltereZeit.  Den  „gekrönten  Dichter"  Schönaich  behandelt  Ad.  Stern22) 
in  einem  abgerundeten  Essay.  Es  ist  rührend  zu  hören,  wie  kümmerlich  dieser  einst 
vielgeschmähte  und  vielberufene  Mann  unter  dem  Joch  eines  harten  und  geizigen 
Vaters  sein  Lebtage  zu  schmachten  hatte,  bis  er,  vergessen,  erblindet,  mit  dem  zwei- 
deutigen Geschenk  eines  selten  hohen  Alters  beladen,  von  einer  Welt  Abschied 
nahm,  die  den  Schmerz  um  eines  Schiller  Tod  schon  mehrere  Jahre  lang  trug.  Es 
ist  keine  litterarische  Rettung,  die  St.  ihm  widmet,  aber  es  ist  eine  Rechtfertigung 
und  Erklärung,  wenn  an  der  Hand  geschriebener  und  gedruckter  Quellen  nach- 
gewiesen wird,  wie  der  durch  und  durch  bescheidene  Freiherr  fast  gegen  seinen 
Willen  von  Gottsched  in  die  Situation  gedrängt  wurde,  in  der  er  uns  heute  noch 
lächerlich  erscheint.  Aus  einer  Art  Langeweile  und  einer  gewissen  Neigung  ver- 
suchte er  dem  Vaterland  nach  seiner  Verabschiedung  vom  Militär  durch  Reime  nach 
dem  Rezept  von  Gottscheds  „Dichtkunst"  zu  „dienen"  und  hatte  das  Unglück,  mit 
seinem  patriotischen  Elaborat  vor  den  Leipziger  Kampfhahn  in  einem  Zeitpunkte  zu 
treten,  da  dieser  nicht  bloss  Hülfstruppen,  sondern  geradezu  einen  „lebendigen  Erweis" 
für  die  allein  selig  machende  Wirkung  seiner  kritischen  Grundsätze  unter  allen  Um- 
ständen brauchte.  Das  büsste  denn  auch  Schönaich  für  Mit-  und  Nachwelt  hart  genug 
mit  dem  ihm  aufgedrängten  lächerlichen  Lorbeer,  den  für  den  abwesenden  Poeten 
ein  Freiherr  von  Seckendorff  sich  auf  die  Puderperrücke  drücken  lassen  musste,  da 
es  dem  Herrn  Baron  nach  eigenem  Geständnis  an  der  nötigen  Ausstattung  fehlte,  um 
in  persona  vor  den  Blicken  des  neugierigen  Leipzig  mit  Ehren  bestehen  zu  können; 
denn  er  hatte  ungefähr  acht  Wochen  zuvor  „ein  Kleidchen  bekommen,  das  der  Pfeffer- 
krämer in  Leipzig  des  Sonntags  besser  hat".  Von  seinen  Dichtungen  ist  ja  nicht 
viel  Rühmens  zu  machen;  dass  aber  der  Leipziger  Aristarch,  dem  sich  der  Neophyt 
mit  Haut  und  Haaren  im  voraus  ergeben  hatte,  der  an  sich  bescheidenen  Phantasie 
des  Dichters  die  wenigen  Schwungfedern  noch  beschnitt  und  alles  ausrupfte,  was  in 
Bildern  und  Beschreibungen  den  Verdacht  schillernden  Farbenreizes  erregte,  zeugt 
ebenso  sehr  für  die  Unselbständigkeit  des  Gemassregelten,  wie  es  unser  Mitleid  für 
den  armen  Sancho  Pansa  erweckt.  St.  versetzt  uns  mitten  in  das  Gewoge  des 
heftigsten  Kampfes  zwischen  Leipziger  und  Schweizer  Geschmack  und  belehrt  uns 
welche  Rolle  der  geschobene  und  vorgeschobene  Schönaich  darin  und  dabei  spielte. 
Von  Interesse  ist  die  Richtigstellung  einer  Angabe  bei  Goedeke  3,  S.  363,  gelegent- 
lich der  Behandlung  der  von  Schönaich  ausgegangenen  Streitschriften,  dass  nicht 
der  Meissner  Arzt  Chrph.  Karl  Reichel  Schönaichs  Mitarbeiter  und  der  Vf.  des 
satirischen  Heldengedichts  „Bodmerias"  ist,  vielmehr  ein  J.  G.  Reichel,  der  in  den 
ersten  fünfziger  J.  als  Kandidat  in  Schönaichs  Nähe  lebte  und  1757  als  Bibliothekar 


(=DNL.  135.  Bd., Abt.  13.)  St.,  Union.  1893.  XXXI,  428  S.;  459,  430  S.  ä.M.2,50.  (JBL.  1893  IV  2  a:  2,4.)  -  20)  A.  H.  Fogowitz, 
Balladenschatz.  D.  besten  u.  beliebtesten  Erzählungsgedichte.  Für  d.  Jag.  zusammengest.,  neu  durchges.  u.  mit  vielen  Anra, 
vers.  Mit  8  Illustr.  v.  G.  A.  Kloss.  (=  ÜB.  fär  d.  Jugend  N.  312  5.)  ebda.  1893.  239  S.  M.  0,80.  —  21)  X  D-  besten 
Romane  d.  Weltlitt.  Neue  Ausgaben  (mit  Abbild.).  3.  Serie.  Bd.  9-12.  Teschen,  Prochaska.  1893.  16°.  198,  188,  192,  134  S. 
ä  M.  0,50.    —    22)  Ad.  Stern,   E.  gekrönter  Dichter.    (Chrph.  O.  v.  Schönaich.)    (=  Beitrr.   z.  Litt.-Gesch.  d.  17.  u.  18.  Jh. 


IV  3:23-26      R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  1893,  1894. 

und  Professor  der  deutschen  Sprache  an  die  neugegründete  Universität  nach  Moskau 
ging.  Es  ist  derselbe  Mann,  der  kurz  nachher  durch  Klatschereien  und  Anklagen 
Schönaichs  Ansehen  bei  Gottsched  zu  untergraben  versuchte  (S.  125,  Anm.  6).  Was 
der  Artikel  sonst  an  Einzelheiten  bringt,  vervollständigt  nur  die  Kenntnis  des  an- 
gedeuteten Bildes.  Eine  kurze  Familiengeschichte  derer  von  Schönaich,  ein  Ueber- 
blick  über  die  Thätigkeit  unseres  Dichters  mit  Ausschluss  seiner  dramatischen  Ver- 
suche, die  Unfähigkeit  des  Mannes,  sich  auch  nur  von  der  Zuchtrute  seiner  gnädigen 
Frau  Mama  zu  emanzipieren,  die  schon  angedeutete  Schwäche  gegenüber  Gottscheds 
unablässigem  Drängen  zur  Verflachung  und  Nüchternheit  und  schliesslich  ein  be- 
greiflicher Mangel  an  politischer  Gesinnungstüchtigkeit.  Neu  aufgefundenes  Material 
stand  St.  nicht  zu  Gebote.  — 

Welch  andere  Luft  weht  uns  aus  den  Dokumenten  zu  Klopstocks  Leben23) 
entgegen,  die  Heinemann24)  veröffentlicht.  Aus  den  Schätzen  von  Rud.  Brockhaus 
in  Leipzig  druckt  H.  einen  Brief  Klopstocks  an  seine  Braut  Meta  vom  29.  Okt.  1752 
mit  einer  Fortsetzung  vom  31.  Okt.  aus  Kopenhagen  ab,  der  schon  1821  durch 
C.  A.  H.  Clodius  teilweise,  aber  inkorrekt  zugänglich  gemacht  worden  war.  Der 
Dichter  erzählt,  dass  er  den  Sonntag  zu  Hause  zugebracht  habe,  um  fleissig  an  seinem 
Messias  zu  arbeiten,  und  wie  sehr  er  Young  verehre,  den  er  sich  zum  Genius  aus- 
erwählt habe.  Und  das  alles  in  einer  Sprache,  die  in  jeder  Zeile  den  Messiasdichter 
verrät.  Die  Huldigungen  an  die  entfernte  Geliebte  sind  durchsetzt  von  dem  Be- 
freienden, das  wir  an  den  Cidli-Liedern  bewundern.  „Seine  Seele  denkt  die  Geliebte 
mit  all  ihren  Gedanken",  ja  sie  denkt  noch  weiter  in  die  Zukunft  hinaus,  das  er- 
träumte Glück  und  die  erhoffte  Seligkeit  der  dauernden  Verbindung  vorweg'  nehmend, 
wenn  sie  der  Braut  von  reichem  Kindersegen  vorphantasiert.  Es  ist  der  Stil  der  Oden 
durch  und  durch,  der  des  Dichters  Sein  in  jener  Zeit  derart  erfüllte,  dass  er  auch  im 
Traume  dieser  Sphäre  nicht  entging.  Und  so  „zerküsst"  er  denn  auch  ein  Stück 
Band,  weil  es  über  Metas  kleinem  Porträt  „verbreitet"  gewesen  ist,  und  erzählt  einen 
Traum,  ganz  in  das  Schäferkostüm  der  Zeit  gekleidet,  wie  die  Geliebte  ihn  nicht  weg- 
lassen will  aus  ihrem  Closet  —  so  nannte  sie  im  Traum  ihr  Zimmer;  —  es  ist  die 
Situation,  an  die  sich  die  gegen  Ende  des  J.  1753  gedichtete  Ode  „Das  Rosenband" 
eng  anschliesst,  jenes  bedeutende  Gedicht,  bei  dem  man  sich  an  Goethesche  Lyrik 
erinnert  fühlt.  „Ich  bin,  meine  Klopstockin,  dein  Klopstock",  so  schliesst  das  hoch- 
interessante Schreiben,  dessen  Antwort  wir  aus  Clodius  Sammlung  (1,  S.  145)  schon 
kennen.  Ein  Brief  Metas  an  Charlotte  Kramer  in  Quedlinburg,  die  Gattin  Jon.  Andr. 
Kramers,  eine  jüngere  Schwester  der  „göttlichen  Radikin",  aus  Hamburg  vom  2.  Jan. 
1754  datiert,  verrät  das  überaus  zarte  und  empfindsame  Verhältnis,  das  zwischen  dem 
Brautpaare  Klopstock  herrschte.  Die  Hausfrau  berichtet  über  Kleider  und  klagt  über 
die  Dienstbotenmisere,  wünscht  sich  und  ihrer  Freundin,  ganz  im  Tone  Klopstocks  und 
im  Sinne  der  Zeit,  in  dieser  Neu  Jahrsgratulation  viele  Kinder,  ein  Wunsch,  der 
tragische  Stimmung  erweckt  im  Hinblick  auf  der  Schreiberin  späteres  Schicksal. 
Von  Kramers  Berufung  als  Oberhofprediger  nach  Kopenhagen  ist  die  Rede,  nach  der 
„Beiträgerinsel",  wie  Meta  bezeichnend  Dänemark  nennt,  mit  Rücksicht  darauf,  dass 
ausser  Klopstock,  J.  E.  Schlegel  und  Giseke  nunmehr  auch  Kramer  dort  ein  neues 
Vaterland  finden  werde.  Vom  Standpunkte  der  Kulturgeschichte  aus  bemerkenswert  ist 
die  Andeutung,  dass  Meta  alle  Ringe  und  Juwelen  ablegen  wolle,  „wenn  die  Trauer 
aus  ist  in  ihrem  Hause".  Sie  beklagt  nämlich  den  Tod  einer  Tante  und  eines 
Schwagers,  die  an  einem  Tage  gestorben  sind.  Die  Briefe  sind  mit  genauer  Sach- 
kenntnis von  H.  behandelt,  alle  Anspielungen  erläutert,  so  dass  zu  wünschen  wäre, 
er  möchte  die  noch  ungedruckten  Briefe  Metas,  von  denen  er  Kenntnis  verrät,  vor- 
legen. —  Schröter25),  ein  Lehrer  in  Dankerode  a.  H.,  hat  aus  Archivalien  eine 
Reihe  irriger  Angaben  über  Klopstocks  Familie  und  ihm  nahestehende  Personen  und 
Verhältnisse  zu  berichtigen  vermocht.  Seine  sorgsame  Kleinforschung  sei  den  Klop- 
stockbiographen  zu  gelegentlicher  Berücksichtigung  empfohlen.25 a)  —  Hübler26)  hat 
mit  grossem  Fleiss,  aber  in  tadelnswerter  Weitschweifigkeit  Klopstock  neben  Milton 
gestellt.  Ob  man  dazu  so  weit  ausholen  muss,  ja  darf,  wie  der  Vf.  tlmt,  bezweifle 
ich ;  denn  es  standen  ihm  keine  neuen  Quellen  zu  Gebote,  er  hat  sich  nur  auf  ge- 
drucktes und  allgemein  bekanntes  Material  gestützt,  und  hatte  deshalb  auch  nicht  nötig, 
in  einer  Einleitung  zu  der  Einleitung  auseinanderzusetzen,  wie  und  wozu  man  Literatur- 
geschichte studiert,  bevor  er  auf  die  allgemeinen  politischen  und  litterarischen  Zustände 
Englands  im  17.  und  Deutschlands  im  18.  Jh.  hinwies.  Der  beiden  Dichter  Lebensgang 
(S.  12— 58) einmal  David  Masson,  das  andere  Mal  Muncker  in  extenso  nachzuerzählen,  war 


[L,  B.  Bichter.  VII,  323  S.  M.  7,50J,  S.  (55-127.)  (Vgl.  JBU  1S93  III  3:  17;  IV  la:27;  s.  auch  o.  IV  1  :i :  26.)  -  23)  X 
(IV  lb:13,  S.  3213.)  —  24)  K.  Heinemann,  Aus  Klopstocks  Bräntigamszeit:  BLU.  1S93,  S.  113/6.  —  25)  0.  Schröter, 
Klopstockstätten  in  d.  Grafsch.  Mansfeld:  MansfelderBll.  6,  8.  176-87.  —  25a)  O  (IV  ld:60.)  —  26)  F.  Hübler,  Milton 
u.  Klopstock.     Mit  l>es.  Berücksichtig,  d.  „Par.idise  lost"  n.  d.  „Messias".     T.  12.     Progr.  d.  Staatsmittelschule.     Reichenberg. 


R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.    1893,  1894.    IV  3  :  27-28 

ebenso  überflüssig',  wie  gar  die  zum  Ueberdruss  noch  angehängte  Auseinandersetzung 
(S.  58—78)  über  „Persönliches  und  Charakter  der  beiden  Dichter",    wobei  —  wohl- 
gemerkt —  im  ganzen  ersten  Teile  der  Untersuchung  nichts  anderes  als  dies  zu  unter- 
suchen vorlag  und  ohne  ein  neues  Ergebnis  auch  behandelt  wurde.    Und  das  eigent- 
liche Thema  der  Vergleichung  ist  derart  geistlos  und  äusserlich  kompiliert,    dass  H. 
sich  mit  seiner  eigenen  Meinung  nicht  hervorwagt,  wenn  seine  Gewährsmänner  nicht 
übereinstimmen.     Thut  er  es  einmal,  so  geschieht  es  in  einer  Anmerkung  unter  dem 
Strich,  so  dass  wir  recht  gespannt  sind,  was  denn  eigentlich  für  Offenbarungen  dem 
Schluss  dieser  langatmigen  Programmserie  vorbehalten  sind.  —  Von  hohen  ästhetischen 
Gesichtspunkten  geht  Zumbini27)   an    den  gleichen  Stoff  heran.     Er  erweitert  seine 
Frage  durch  die  Rücksicht  auf  Tasso  und  hat  gar  ein  leichtes  Spiel,  für  seine  Nation 
den  Sieg  einzuheimsen.     Dabei  ist  er  nicht  ungerecht  gegen   die  Ausländer,  erkennt 
den  hohen  Wert  und  die  unvergleichlichen  Schönheiten  des  Verlorenen  Paradieses  und 
des  Messias  im  einzelnen  und  in  der  Bedeutung  für  die  betreffende  Nationallitteratur 
an,  aber  er  nimmt   nur    einen    zu  modernen  Standpunkt  ein    und    versäumt    es,    die 
grössten  Mängel  historisch  zu  begreifen.     „La  natura  dell1   azione   e   la  mancanza  di 
lotta    hanno    dunque    impedito,    che    il   ,Messia'    conseguisse    i   maggiori    pregi    dell' 
epopea."     Und  warum  das?    Weil  Klopstock  zu  orthodox  am  Glauben    festhält,    und 
das   Wertmass    in    der  Formel    verschlossen    liegt:    die    religiöse   Wirkung    in    einer 
modernen  Epopöe  steht  im  umgekehrten  Verhältnis  zu  der  künstlerischen.     Es  fehlt 
der    deutschen    Dichtung    daran,    was    die   des  Engländers    schon    im    höheren  Grad 
auszeichnet,  worin  aber  auch  sie  nicht  an  die  der  Italiener  heranreicht,  „che  il  paradiso 
dantesco  e  piü  umano  e  piü  storico,  che  non  quelli  dei  due  poeti  stranieri".    Und  die 
zwei  Vorzüge  Dantes,    ich   möchte    sagen:    der  Erdgeruch   und    die    grössere  Wahr- 
scheinlichkeit seiner  Dichtung,  werden  von  Z.  im  „Messias"   und  im  „Paradise  lost" 
aufgesucht,  aber  nur  in  verschiedenen,  geringeren  Mengen  vorgefunden.    Von  diesem 
Prinzip  aus  betrachtet,   steht  unsere  Messiade  auch  dem  Verlorenen  Paradiese  nach, 
denn   das   rein  Aetherische  und  Himmlische  bietet  keinen  Platz  für  das  „gigantesco, 
e,  direi,  ü  miltoniano".      Und  es  dürfte  schwer  sein,    diese  Argumente  Z.s  zu  wider- 
legen.    Seine  Wegweiser  waren  Robert  Boxberger  in  der  Hempelschen  Ausgabe  der 
Werke  Klopstocks  und  die  Uebersetzungsversuche  von  A.  Maffei,  dessen  bedeutendes 
Bruchstück  aus  dem  2.  Gesänge  des  „Messias"  seit  1821  bereits  bekannt  ist.    —   Die 
Sprache    Klopstocks    untersucht   Petri28)    eingehend   und    ergebnisreich.      Er   hatte 
darin  allerdings  schon  bedeutende  Vorgänger.     Sein  Streben  war  es  nun,  die  Ergeb- 
nisse der  Forschung  zu  prüfen  und  zusammenzufassen.     So  hat  er  denn  häufig  Ge- 
legenheit  gehabt,    gegen   Chr.    Würfels    wohlbekannte    Progamine    zu   polemisieren. 
P.  hat  sich  eingehend  mit  den  Werken    der  Vorgänger  Klopstocks    beschäftig!,  und 
berücksichtigt  stets  bei  passender  Gelegenheit  die  Dichtungen  von  Pietsch,  Gottsched, 
Brockes,  Haller,  Pyra  usw.     Auch  die  theoretischen  Spätlinge  Klopstockscher  Sprach- 
beobachtung werden  herbeigezogen  und  in  Einklang  gebracht  mit  den  Aenderungen, 
die  der  Gereiftere  den  mit  steter  Sorgfalt  durchkorrigierten  Ausgaben  späterer  Hand 
angedeihen  Hess.     So  bietet  denn  die  vorliegende  Untersuchung  bei   den    einzelnen 
behandelten  Wortarten  (Verbum,  Substantivum  und  Adjektivum)  zuerst  je  ein  allge- 
meines Kapitel,  das  auf  die  angestrebte  Veredlung  des  Ausdruckes  hinweist,  dann  im 
besonderen  die  Beobachtungen,  die  in  des  Dichters  Eigentümlichkeit  wurzeln,    „seine 
Sprache  nach  Möglichkeit  auszuzeichnen  und  von  der  gewöhnlichen  [ergänze :  Dichter- 
sprache] zu  unterscheiden,  ein  Bestreben,  welches  ihn  überall,  wo  es  möglich  ist,  das 
Ungewöhnlichere  wählen  lässt".    Und  so  wählt  er  denn,  wie  wir  wissen,  das  einfache 
Wort  statt  des   zusammengesetzten,    bevorzugt  umgekehrt,    wenn   auch   seltener,  das 
Kompositum    vor   dem    Simplex,    strebt   in    seinen   Zusammensetzungen   nicht   bloss 
Originalität,   sondern  auch  Sinnfälligkeit  der  Form  und  des  Inhalts  an  und  füllt  sich 
und  seinen  Epigonen  auf  diese  Art  die  Speicher   während   der   fetten  Jahre    seines 
Schaffens  in  ungekannter  und  ungeahnter  Mannigfaltigkeit  und  Güte  der  Vorräte.    Dass 
die  hungrige  Nation  nicht  alles  aufzehrte,  sondern  g-ar  vieles  hinfaulen  Hess,  ist  be- 
kannt.    Und  die  Ergebnisse  dieser  Forschungen,  weitaus  anziehender,  neuer  und  be- 
deutender, verspricht  P.  in  dem  zweiten  Teüe  seiner  Preisarbeit,  über  die  Wirkung 
und  Geltung  der  Dichtersprache  Klopstocks,  der  die  fehlende  Untersuchung  über  den 
Gebrauch  des  Pronomens,  besonders  des  Artikels  und  der  Partikeln,  als  Schluss  der 
vorliegenden  vorangehen  werden.    Manchmal,  scheint  es,  hat  der  Vf.  zu  wenig  Rück- 
sicht genommen  bei  der  Erklärung  grammatischer  Erscheinungen  auf   ihre  Gründe. 
So  kann  doch  niemand  leugnen,  dass  jede  hexametrische  Dichtung  dem  Participium 
präsentis    eine  Stellung  einräumen  muss,    die    dem    deutschen  Sprachgeist   und    -ge- 
brauch nicht  gerade  ganz  gemäss  ist.    Den  Einfluss  der  klassischen  Sprachen  möchte 

1893—84.  78,  54  S.  |[W.  Saliger:  Gymn.  12,  S.  S29.]|  —  27)  B.  Zumbini,  II  „Messia"  del  Klopstock.  (=  Studi  di  lett. 
straniere  [Firenze,  Le  Monnier.  1893.  16°.  VII,  264  S.  L.  2,00],  S.  97-127.)  (Vgl.  JBL.  1893  IVld:77;  5:417;  6:23: 
8a  :  28;  8o  :  30.)  —  28)  F.  Petri,    Krit.  Beitrr.  ss.  Gesch.  d.  Dichtersprache  Klopstocks.     Diss.     Gieifswald  (Jäger).    84  S.  — 


IV  3:29-32       R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhnnderts.   1893,  1894. 

ich  hier  erst  in  zweiter  Linie  betonen,  während  er  in  der  Odendichtung,  [namentlich 
der  Jugendzeit,  unabweislich  sich  aufdrängt  und  demgemäss  auch  Berücksichtigung 
erheischt.  Man  darf  ja  ruhig  sagen,  dass  beim  Studium  der  Varianten  einer  Dichtung 
selten  Ein  Grund  für  die  Veränderung  als  der  einzig  massgebende  sich  zu  erkennen 
giebt  und  deshalb  dürfte  es  angemessen  sein,  die  einzelnen  Veränderungen  unter  den 
verschiedenen  Rubriken  vorsichtig  zu  buchen  oder  wenigstens  anzumerken.  Wenn 
man  P.s  Sorgfalt  traut,  so  wollte  er  durch  die  Menge  oder  geringe  Zahl  der  heraus- 
gehobenen Beispiele  auch  auf  die  Quantität  der  Fälle  hingewiesen  haben;  er  hat  sich 
ausdrücklich  nicht  darüber  ausgesprochen,  und  es  wäre  gut,  wenn  er  diese  statistischen 
Angaben  in  seinem  nachzutragendem  Resume  zum  vollen  Ausdruck  brächte.  Die 
von  ihm  eingerichteten  Rubriken  erschöpfen  übrigens  den  Stoff  nicht,  sie  lassen  eine 
Reihe  Eigentümlichkeiten,  z.  B.  die  über  die  Verkleinerungsworte  bei  den  Substan- 
tiven, über  die  Bevorzugung  älterer  Wortformen,  über  die  Weise  der  Zusammen- 
setzung (warum  z.  B.  gränzlos,  aber:  thränenlos,  satzungslos,  wolkenlos?)  usw.  un- 
beachtet, wogegen  eine  Fülle  syntaktischer  Erscheinungen  an  verschiedenen  Stellen 
zur  Sprache  kommt,  die,  unter  einen  Hut  g-ebracht,  das  Bild  von  Klopstocks  Sprach- 
gebrauch ungemein  beleben  würde  (der  innere  Akkusativ,  der  absolute  Genitiv,  der 
absolute  Komparativ  usw.;  es  scheint  überhaupt,  dass  P.  aus  nicht  genannten 
Gründen  unseren  üblichen  Terminis  mit  Absicht  aus  dem  Wege  ging').  All  das 
Gesagte  soll  P.s  andere  Verdienste  nicht  schmälern.  Er  deckt  z.  B.  zum  ersten  Mal 
den  merkwürdigen  Gegensatz  auf,  der  zwischen  Pietsch,  Gottsched  und  Pyra  einer- 
seits und  dem  jungen  Klopstock  andererseits  besteht.  Jene  verwenden  mit  Vorliebe 
Zusammensetzungen  des  Participii  praeteriti  mit  Substantiven  (z.  B,  angsterfüllt,  erz- 
bewehrt), dieser  aber  bedient  sich  solcher  Formen  in  grösserer  Zahl  erst  in  den  1755 
erschienenen  Messiasgesängen  und  da  noch  mit  einer  gewissen  Stetigkeit  in  den 
einzelnen  Bestandteilen,  das  Substantivum  „Gott-"  und  die  Partizipien  „-belastet"  und 
„-erfüllt"  bevorzugend.  Ebenso  merkwürdig-  ist  die  Beobachtung,  dass  Klopstock  mit 
zunehmendem  Alter  den  Gebrauch  der  Interjektionen  in  ganz  unerwartetem  Masse 
einschränkte,  was  bei  einem  so  pathetischen  Dichter  durchaus  überraschen  muss. 
Wir  lernen,  dass  der  Dichter  die  im  jugendlichen  Uebereifer  verwendeten  Plural- 
formen von  Substantiven  später  in  vielen  Italien  durch  den  Singular  ersetzte;  nament- 
lich der  Neudruck  des  Messias  von  1780  soll  in  dieser  Beziehung-  ein  ganz  ver- 
ändertes Aussehen  zeigen.  Es  drängt  sich  uns  schliesslich  der  Gedanke  auf,  ob  P. 
nicht  das  sorgsam  gesammelte  Material  zu  einem  Wörterbuche  Klopstocks  verarbeiten 
wollte,  wodurch  er  praktisch  eine  specielle  Antwort  gäbe  auf  die  zumal  in  letzter 
Zeit  erfolgten  mannigfaltig-en  Anregungen  in  der  Frage  eines  grossen  deutschen  Wörter- 
buches. Der  schelmische  Doppelsinn,  der  in  der  Bildung  „verunsinnlichen"  (S.  54) 
hegt,  scheint  P.  entgangen  zu  sein.  —  Zur  Darstellungsform  des  „Messias"  ergreift 
Creizenach29)  das  Wort.  Er  bestreitet  die  von  Hamel  aufgestellte  Behauptung,  der 
sich  Muncker  und  Minor  angeschlossen  haben :  „Klopstock  habe  schon  lange  vor  seiner 
Beschäftigung  mit  der  altgermanischen  Poesie  durch  Bodmers  Uebersetzung  von 
Miltons  Verlorenem  Paradiese  und  durch  eine  Stelle  in  einem  Aufsatze  Bodmers  über 
Miltons  Schreibart  das  Kunstmittel  der  Alliteration  kennen  gelernt."  Wir  glauben  mit 
C,  dass  es  sich  bei  den  in  Rede  stehenden  Gleichklängen  um  blossen  Zufall  handle, 
und  so  bleibt  es  denn  dabei,  dass  Klopstock  erst  nach  1765  die  Alliteration  als  ein 
beabsichtigtes  Kunstmittel  in  seine  Dichtung  einführte.30)  —  Munckers31)  Einleitung 
zur  Cottaschen  Ausgabe  verdient  einen  erneuten  Hinweis.  — 

Die  Hauptvertreter  des  komischen  Epos  fanden  auch  diesmal  Beachtung. 
Zimmers32)  Buch  über  Zachariä  hat  weiter  nur  Tadel  erfahren.  Zu  den  früheren 
negierenden  Besprechungen  treten  Rosenbaums  Hinweisungen  auf  jene  Werke,  die 
für  eine  unparteiische  Theorie  der  Dichtungsart  zu  berücksichtigen  gewesen  wären, 
deren  Quintessenz  in  der  Definition  gipfelt:  „Das  komische  Heldengedicht  ist  eine 
Species  des  heroischen,  die  völlig  nach  den  Regeln  der  Gattung  eingerichtet,  den 
Widerspruch  zwischen  Form  und  Inhalt  vornehmlich  in  die  Parodierung  der  ernsten 
Epopöe  verlegt  und  die  ihrer  Bezeichnung  durch  die  Würzen  stark  aufgetragenen 
Scherzes  und  augenfälligen  Wortwitzes  gerecht  zu  werden  sucht."  Diese  theoretische 
Grundlage  war  an  einer  Reihe  von  Dichtungen  zu  erweisen,  die  vor  dem  „Renom- 
misten" liegen:  Pyras  „Bibliotartarus",  Rosts  „Tänzerin"  und  „Vorspiel"  und  die 
in  Prosa  abgefassten  Epen  „Der  Dichterkrieg",  „Das  Meisterspiel  im  Lomber"  und 
„Der  Dieb"  aus  den  „Belustigungen  des  Verstandes  und  Witzes".  Wie  die  litterar- 
historische  Würdigung  bei  Zimmer  zu  kurz  kommt,  so  mangelt  die  noch  wichtigere 
Beleuchtung    der   kulturgeschichtlichen    Seiten    aus    ihren    historischen    Grundlagen 

29)  W.  Creizenach,  Xlliteratinn  in  Klopstocks  Messias?:  Enph.  1,  S.  745/7.  —  30)  O  F.  Rosiger,  Ueber  Klopstocks 
Naturbeschreibung.  Progr.  Heidolberg.  4°.  7  S.  —  31)  Klopstocks  ges.  Werke  in  4  Bd.  Mit  e.  Einl.  v.  F.  Muncker. 
St.,  Cotta.  272,  312,  228,  203  8.  ä  M.  4,00.  (D.  bekannte  Ausg.  mit  M.s  orientierender  Einl.,  deren  knappe  Andeutungen  in 
seiner  Klopstnokbiogr.  breitere  Ausführung  erfahren  haben.)    —     32)  (IV  5:10.)     |(R.  Rosenbauni:   AHA.  19,  S.  257-64. ]|   — 


R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.    1893,  1894.     IV  3  i  33-41 

heraus.  —  Rosen  bäum33)  versuchte  in  einem  Vortrag-  über  den  gleichen  Gegenstand 
diese  Züge  herauszuarbeiten  und  deutete  auf  das  verloren  gegangene  Lustspiel  „Das 
Gespräche  im  Reiche  der  Toten"  als  den  eigentlichen  Kern  der  Handlung,  soweit 
sie  den  Gegensatz  zwischen  dem  fein  geglätteten  Leipziger  Studententum  und  dem 
widerhaarigen  Renommistentum  Jenas  zu  charakterisieren  strebt.  —  Schlösser34) 
beansprucht  für  Zachariä  den  Ehrenplatz  unter  den  „Vorkämpfern  des  fünffüssigen 
Jambus".  Technische  Schwierigkeiten  schreckten  den  Dichter  ab,  den  begonnenen 
Versuch  einer  Uebersetzung  von  Miltons  Verlorenem  Paradies  in  fünffüssigen  Jamben 
fortzusetzen.  Die  erhaltenen  etwa  150  Verse  sind  unsere  ältesten  fünffüssigen  Jamben. 
Sie  fallen  vor  das  J.  1760  und  zeigen  in  manchen  Stücken  auch  ein  anderes  Gepräge 
als  die  aus  der  Cortezdichtung  (1766)  bekannten.  Alle  Verse  sind  von  regelmässiger 
Länge,  zu  Anfang  des  Verses  treten  aber  Trochäen  häufiger  als  später  auf.  Auf- 
fallend ist  die  Behandlung  des  Versausganges.  Während  später  der  männliche  Aus- 
gang1 herrschend  ist,  begegnet  man  hier  zum  guten  Dritteil  auch  dem  weiblichen. 
Die  letzten  Jamben  Zachariäs  in  der  Dichtung-  „Tayti"  (1777)  weichen  von  dem  im 
„Cortez"  geübten  Gebrauch  nur  in  Kleinigkeiten  ab.  Einige  Verse  zeigen  unregil- 
mässige  Läng*e,  die  rhythmischen  Perioden  sind  minder  umfangreich ;  zwei  bei  Dannehl 
nicht  verzeichnete  Fälle  des  Enjambements  werden  nachgewiesen:  die  Trennung  des 
Partizips  vom  Hülfsverb  und  von  seiner  näheren  Bestimmung.  Die  von  Zarncke  so 
genannte  „Brechung  des  Rhythmus"  dagegen  ist  von  einer  Kühnheit  und  in  einem 
Umfange  benutzt,  die  ihresgleichen  vor  Lessing  nicht  haben.  — 

Auch  Thümmels  Verdienste  um  das  komische  Heldengedicht  gewannen 
durch  Rosenbaums35)  kritische  Ausgabe  der  „Wilhelmine"  erneute  Anerkennung. 
Aus  einem  bisher  ungedruckten  Briefe  Thümmels  an  Weise  (Coburg,  19.  Jan.  1764) 
zeigt  sich,  mit  welcher  Aufmerksamkeit  der  junge  Dichter  Zachariäs  Produktion  ver- 
folgte, und  worin  er  es  dem  Dichter  der  „Lagosiade"  und  der  „Hercynia"  —  denn 
auch  letztere  zählte  man  merkwürdiger  WTeise  zu  den  komischen  Epopöen  —  zuvor 
thun  wollte.  Weisses  Verdienst  um  die  erste  Gestalt  des  Werkchens,  in  der  es  uns 
vorgelegt  wird,  Uzens  Einfluss  auf  die  entschiedenen  Aendarungen  in  der  zweiten 
und  den  folgenden  Ausgaben  finden  in  den  Lesarten  ihren  Ausdruck  und  in  der  Ein- 
leitung die  nötige  Beleuchtung.  S.  IX,  Z.  8  muss  es  natürlich  1765  statt  1766  heissen; 
Dieselbe  Aenderung  ist  vorzunehmen  S.  45,  Z.  21;  S.  28,  Z.  12  lies:  „sein"  statt 
„seine";  S.  51,  Z.  29  lies:  DF  statt  E;  S.  53,  Z.  1  lies  29  statt  27.  —  Rosenbaum36) 
gab  auch  einen  Lebensabriss  des  Dichters,  der  uns  in  Thümmel  den  Pfadsucher  einer 
neuen'  Richtung  zeitgenössischer  Epik  erkennen  lässt.  Der  Pfadfinder  wurde  Wieland, 
dessen  „Comische  Erzählungen"  (1765)  erst  die  neue  Weise  deutlich  inaugurierten. 
Fast  die  gleiche  Bedeutung  spricht  R.  dem  Dichter  auf  Grund  der  Originalität  seiner 
Reisebeschreibung  auf  dem  Gebiete  des  Romans  zu.  Von  der  Anklage  der  Frivolität 
ist  Thümmel  aber  nicht  ganz  freizusprechen.37"38)'  — 

Die  Reisebeschreibungen  des  vorigen  Jh.  harren  überhaupt  noch  einer  einheit- 
lichen Untersuchung.  Aus  einem  hs.  Reisebericht,  der  örtlich  und  zeitlich  mit  dem 
Thümmels  fast  zusammenfällt,  macht  Gerland39)  sparsame  Mitteilungen.  Die  Vf., 
Jeannette  Philippine  Le  Clerc,  der  bekannten  hessischen  Architektenfamilie 
Da  Ry  entstammend,  machte  in  den  J.  1773—75  mit  ihrem  Gatten  von  Cassel 
aus  eine  Reise  bis  an  den  Fuss  der  Pyrenäen.  Die  Frau  hat  viel  gesehen,  gut 
beobachtet  und  kann  das  Gesehene  auch  fliessend,  ohne  jedes  Pathos  wiedergeben. 
Ihre  einfachen,  wahrheitsgetreuen  Mitteilungen  eigneten  sich  vorzüglich  zum  Wahr- 
heitsmesser zahlreicher  anderer  Beschreibungen.  — 

Nach  Cassel  deutet  auch  die  letzte  ehrliche  Spur  des  zumDiebe  gewordenen  Rud. 
Erich  Raspe.  Eine  kurze  Lebensbeschreibung  dieses  Strebers  benutzt  Scher  er40)  zur 
Verbesserung  einiger  irrigen  Daten.  Unter  Raspes  mannigfachen  Beziehungen  zu  den 
verschiedensten  Zeitgenossen  verfolgt  er  die  zur  Karschin  auf  Grund  bisher  un- 
gedruckter Briefe.  Diese  Beziehungen  drehen  sich,  wie  bei  der  Karschin  allgemein 
bekannt  und  nicht  anders  zu  erwarten,  nur  um  Geld,  Einnahmen,  Pensionen  oder 
„Ersatz  für  die  Kosten",  unter  welch  euphemistischem  Titel  bestellte  und  gelieferte 
Preisgedichte  von  ihr  in  Rechnung  gesetzt  werden.  — 

Mitten  in  die  Blütezeit  der  Empfindsamkeit  versetzt  uns  die  ausgezeichnete 
Monographie  über  Miller,  die  Kraeger41)  geliefert   hat.     Gründliche  Kenntnis  des 


33)  R.  Rosenbaum,  Ueber  Zachariäs  Renommisten.  Vortr.  geh.  in  GDL.  Mai  1893.  (JBL.  1893  IV  5  :  12.)  Ref.:  VossZg.  1893, 
N.  247.  (S.  auch  DLZ.  1893,  S.  13701.)  —  34)  (I  8:29.)  -  35)  (IV  5:12.)  |[M.  C.  P.  Schmidt:  ASNS.  93,  S.  343/4;  VossZg. 
N.  298;  LZgB.  N.  59;  A.  C(huquet):  RCr.  36,  S.  319-20.]|  —  36)  (IV  5  :  11.)  —  37)  X  (IV  5  :  13.)  (V.  ihm  stammen  d. 
auch  noch  bei  Goedeke2  4,  S.  212  d.  Dichter  M.  A.  v.  Thümmel  zugeschriebenen  „Aphorismen  aus  d.  Erfahrungen  e.  Sieben- 
u.  Siebzigjährigen.")  —  38)  X  (IV  5  :  14.)  —  39)  0.  Gerland,  Jeannette  Philippine  Le  Clerc,  Auch  e.  Reise  ins  mittägige 
Frankreich:  Hessenland  8,  S.  280/1,  290/3,  320/2;  9,  S.  2/4.  —  40)  C.  Scherer,  Rud.  Erich  Raspe  u.  seine  Beziehungen  zu 
Anna  Luise  Karschin.  Nach  zumeist  ungedr.  Briefen:  VLG.  6,  S.  371-409.  (JBL.  1893  IV  2a:  22.)  —  41)  H.  Kraeger,  Joh. 
M.  Miller.  E.  Beitr.  z.  Gesch.  d.  Empfindsamkeit.  Bremen.  M.  Heinsius  Nachfl.  1893.  X,  165  S.  M.  2,80.  |[0.  Harnack: 
PrJbb.  77,  S.  369-70;  M.  K(och):  LCB1.  1893,  S.  1715;  Grenzb.  1893:  4,  S.  96;  DRs.  77,  S.319:  H.  Bnlthaupt:  BLÜ.  S.  Sl ,3 ; 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.     V.  (4)16/? 


IV  3:42-44       R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./ 19.  Jahrhunderts.   1893,  1894. 

zugänglichen  Materials,  der  bisherigen  Forschungen,  die  vollständige  Beherrschung 
der  zeitgenössischen  Litteratur  im  weitesten  Umkreis  und  eine  vorzügliche  philologische 
Schulung  führten  den  Vf.  zu  einer  höchst  anerkennenswerten  Selbstzucht,  die  man 
Erstlingswerken  nicht  gerade  häufig'  wird  nachrühmen  dürfen.  So  haftet  denn  K.s 
Blick  nicht  an  Kleinlichem,  wenn  er  auch  das  Kleinste  berücksichtigt.  Von  Miller 
ist  er  ausgegangen,  zu  ihm  kehrt  er  immer  wieder  zurück,  aber  im  Mittelpunkt  der 
Erörterungen  steht  dennoch  der  weite  Kreis  der  Empfindsamkeitsschwärmer  des 
vorigen  Jh.  als  ein  Ganzes.  So  kann  man  es  denn  nur  billigen,  wenn  K.  statt  einer 
eingehenden  Charakteristik  der  Millerschen  Gedichte  die  lyrischen  Bestrebungen  des 
Hains  zergliedert  und  erklärt.  Das  Bauern-  und  Gesellschaftslied,  die  revolutionäre 
Lyrik  und  ganz  im  speciellen  der  Minnegesang  und  die  Nonnenlieder  in  ihren  Vor- 
bildern, ihrer  Wirkung  und  Nachwirkung  werden  in  typischen  Analysen  einer  zu- 
sammenfassenden Besprechung'  unterzogen.  Und  so  findet  auf  diesen  Grundlagen 
die  Vorführung  des  Siegwartromans  mit  seiner  Sippe  sorgsam  vorbereitete  Leser. 
In  ein  achtsam  gepflegtes  Milieu  gestellt,  ergötzt  man  sich  an  den  längst  abgestorbenen 
Auswüchsen  einer  durch  Goethes  Werther  wohlbekannten  und  durch  die  Thränen 
ganzer  Generationen  längst  abgewaschenen  Stimmungsseuche,  und  bleibt  sich  dank 
der  Ironie  des  Vf.  in  der  Darstellung  immer  bewusst,  dass  die  nährende  Feuchtigkeit, 
die  den  Lebensbaum  unserer  klassischen  Dichtung  wässerte,  auch  aus  jenem  Brünn- 
lein  entquoll,  in  dem  sich  die  Zähren  jenes  weichen  Jahrzehnts  sammelten.  Sie 
schadeten  nicht;  denn  sie  waren  salzlos.  Die  Gegenüberstellung'  Werthers  und  Sieg- 
warts  (S.  105/6)  im  Anfang  dieses  Kapitels  hat  K.  ohne  Ueberschätzung  seines  Stoffes 
und  Helden  mit  anerkennenswerter  Unparteilichkeit  vollzogen;  diese.  Charakteristik 
spricht  deutlich  und  klar,  wie  hoch  der  Roman  Millers  einzuschätzen  ist,  und  recht- 
fertigt es  wiederum,  dass  der  Vf.  auch  diesen  zweiten  Hauptteil  seiner  Untersuchung 
zu  einer  allgemeinen  Ausschau  über  die  Motive  der  Empfindsamkeitsdichtung  in 
grossen  Zügen  erweitert.  Die  Liebe  im  Leben  und  Dichten  betrachtet  er  kurz  in 
ihren  wesentlichen  Enuntiationen  bis  zum  Mitleid  für  die  Tierwelt  herab ;  dem  Land- 
leben und  der  Mondsghwärmerei  ist  ein  eigenes  Kapitel  gewidmet,  dem  anhangsweise 
ein  Wort  über  Kinder  folgt.  Der  weite  Begriff  der  Freundschaft  rückt  auf  die  ihm 
eigentümliche  bedeutungsvolle  Höhe,  die  selbst  von  dem  sentimentalen  Behag'en  am 
Leiden,  an  Krankheit  und  Tod  nicht  übertroffen  wird.  K.  durfte  für  die  Zwecke 
seiner  Untersuchung  die  Bundesbücher  der  Göttinger  einsehen,  aus  denen  er  für  die 
Lyrik  39  bisher  ungedruckte  Gedichte  und  manche  aufschlussreiche  Variante  sich 
zu  Nutze  machte.  Auszüge  aus  dem  Miller- Vossischen  Briefwechsel  fanden  reichlich 
Verwertung,  namentlich  halfen  sie  das  Lebensbild  Millers  abrunden,  das  K.  seiner 
Untersuchung  vorangeschickt  hat.  Die  Kritik  hat  das  Buch  aufs  freundlichste 
begrüsst,  obwohl  da  und  dort  berechtigte  Ausstellungen  in  Kleinigkeiten  angemerkt 
wurden.  Die  Beilage  sei  noch  rühmlich  hervorgehoben,  die  auf  drei  Druckseiten 
zusammenfasst,  wodurch  sich  die  zweite  Auflage  des  Siegwart  von  der  ersten  in 
wesentlichen  Stücken  unterscheidet.  Eine  derartige  Verwertung  der  Varianten  muss 
auch  jeden  unzünftigen  Leser  des  Buches  erfreuen  und  belehren.  — 

Nicht  allein  durch  die  Empfindsamkeit,  sondern  auch  durch  die  gemeinsame 
Verehrung  für  Millers  „Entzücken",  Lotte  von  Einem,  gebührt  hier  dem  Dichter, 
Juristen  und  Historiker  A.  M.  Sprickmann  ein  Plätzchen,  das  ihm  Erich  Schmidt42) 
neuerdings  anweist.  Was  er  uns  auf  anderen  Gebieten  gilt,  ist  hier  schon  be- 
sprochen worden.  Im  Epischen  gehört  er  zu  den  Nachahmern  von  Leisewitzens 
Monodramen,  insofern  als  er  „die  Novellette  ins  halbschürige  Dramolett"  hinüberzog. 
Von  seinen  „Kloster-Dichtungen"  sei  nicht  viel  Rühmens  gemacht.  In  seine  letzten 
Lebensjahre  fällt  noch  seine  „väterliche"  Beziehung  zur  Dichterin  Droste-Hülshoff.  — 

Zu  des  Haingenossen  J  oh.  Hein r.  Voss  Lebensschicksalen  und  Aufenthalt  in 
Otterndorf  entnimmt  Höls eher43)  förderliche  Mitteilungen  einem  in  den  JBL.  schon  be- 
handelten Programm  von  L.  Kükelhan.  —  Aus  zwei  Briefen  des  Eutiner  Rektors 
an  den  „lieben,  feurigen,  jugendlichen  Greis"  in  Halberstadt,  die  Pawel44)  heraus- 
gab (vom  24.  Juni  1784  und  28.  Apr.  1785),  lernen  wir  Gleim  als  seinen  Berater 
auch  in  buchhändlerischen  Angelegenheiten  und  in  Fragen  der  technischen  Aus- 
gestaltung seiner  Werke  kennen.  Voss  bereitete  gerade  eine  Sammlung  seiner 
dichterischen  WTerke  vor,  zu  der  er  sich,  wje  in  jenen  Zeiten  häufig,  nur  des  Nach- 
drucks wegen  entschlossen  hatte.  Gerstenbergs  neues  „Drama  mit  Chören"  wird 
erwähnt;  g-emeint  ist:  „Minona  oder  die  Angelsachsen".  Die  Fertigkeit  der  Brüder 
Stolberg  in  der  Dramenfabrikation  ist  Gegenstand  einer  tadelnden  Bemerkung. 
Vollends  unzufrieden    ist  aber  Voss    mit  Klopstocks   „Hermann  und  Segest"  und  mit 


C.  S.:  DR.  4,  S.  127;  Gymn.  12,  S.  95;  StML.  S.  232;  A.  Ch(uquet):  ECr.  36,  S.  2ö3.]|  (JBL.  1893  IV  2a:35.)  —  42)  Erich 
Schmidt,  A.  M.  Sprickmann:  ADB.  35,  S.  305-13.  (JBL.  1893  IV  4:12.)  —  43)  L.  Hol  seh  er,  Zu  J.  H.  Voss  Leben: 
ASNS.  90,  S.  343/4.    (Vgl.  JBL.  1892   1  10:280.)    -    44)   J.  Pawel,   2  Briefe   y.  J.  H.  Voss   an  Gleim:  VLG.  6,  S.  133/6.  — 


R.-  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.    1893,  1894.     IV  3  :  45-58 

der  zunehmenden  Verschleierung-  des  Sinnes  in  den  Oden  jener  Epoche.  Voss 
glaubte  der  Einzige  zu  sein,  dem  es  gelingen  sollte,  nicht  durch  die  Auslegekunst, 
sondern  durch  Gespräche  mitKlopstock  hinter  den  wahren  Sinn  kommen  zu  können; 
aber  weit  gefehlt!  Warum  sagt  der  Herausgeber  nicht  mit  einem  Wort,  welche  Ode 
gerade  getroffen  sein  sollte?  —  Eskuche45J  hat  wenig  Glück  mit  seiner  Gegenüber- 
stellung der  Idyllen  „Luise"  und  „Hermann  und  Dorothea".  Ebenso  kühn  wie 
ungeschickt  ist  der  Gedanke,  von  diesen  beiden  Dichtungen  her  die  Gesetze  der 
Idylle  gegenüber  dem  Epos  abzugrenzen.  Der  Misserfolg  der  „litterarischen  Plauderei" 
zeigt,  wohin  das  führt.46"48)—  Ein  Anonymus4")  giebt  in  grossen  Zügen  eine  Entwicklung 
des  Dichters  als  Uebersetzers  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Entstehung  und 
Bedeutung  der  Homerübertragung.50)  — 

Eine  Parallele  zwischen  dem  den  Göttingern  nahestehenden  Claudius  und 
dem  von  Voss  in  metrischer  Beziehung  insbesondere  beeinflussten  Hebel  zieht 
Kuhn51)  in  einer  etwas  zu  populär  gehaltenen  Auseinandersetzung.  Er  legt  haupt- 
sächlich pädagogischen  Wert  auf  die  Bekanntschaft  mit  der  volkstümlichen  Litteratur. 
Beide  Dichter  gelten  ihm  in  unserer  Zeit  für  diejenigen,  die  „die  bewusste  Absicht 
hatten,  mit  ihren  Schriften  aufs  Volk  im  grossen  und  ganzen  ohne  Unterschied  des 
Bildungsgrades  anregend  und  sittlich  veredelnd  zu  wirken".  Aus  dieser  Gleichheit 
der  Bestrebung'  lässt  sich  wieder  manch  eine  Beziehung  in  der  Wahl  des  Stoffes, 
der  Grundgedanken  und  der  Stimmungen  sowie  der  Ausführung  ableiten.  Gerade 
in  Hinsicht  auf  den  letzten  Punkt  aber  treten  umgekehrt  die  bemerkbarsten  Unter- 
schiede zu  Tage.  In  Bezug  auf  Sprache,  Stil  und  Darstellungsweise  prägt  sich  nicht 
bloss  die  Stammesverschiedenheit  beider  Dichter,  sondern  auch  der  geänderte  Zeitgeist, 
der  sie  umgiebt,  am  deutlichsten  aus.  —  Giehnes52)  neugedruckte  Studien  über 
Hebel  sind  durch  eine  Menge  Forschungen  im  einzelnen  lange  überholt.  Aber  das 
Anekdotenhafte  darin,  die  Frische  des  persönlichen  Verkehrs  mit  Hebel  selbst  und 
die  Intimität  des  Stiles  wecken  gewisse  Erinnerungen  an  die  Art  Hebelscher  Kunst 
im  Leser  und  verbieten  es,  an  den  veralteten  Ton  mit  kritischer  Schärfe  heran- 
zutreten.53-55)  — 

Das  Andenken  an  Friedrich  Karl  von  Mosers  politische  Maximen  erneuert 
R.  M.  Meyer56).  Ueber  die  Gegensätze,  die  in  Mosers  Wirksamkeit  verquickt  sind, 
belehrt  schon  der  zutreffende  Titel:  „Ein  frommer  Demokrat."  Denn  in  religiösen 
Fragen  ist  Moser  ein  starrer  Verteidiger  konservativer  Anschauungen;  von  ihm  soll 
auch  das  modern  klingende  Wort  „Pressfrechheit"  zum  ersten  Male  gebraucht  worden 
sein.  In  seinen  staatsrechtlichen  Auseinandersetzungen  hingegen  spricht  er  keck 
und  kühn  dem  Absolutismus  jede  Berechtigung  ab,  ja  er  greift  darin  fast  der  Ent- 
wicklung der  heutigen  Zustände  vor.  Er  nahm  die  Züge  seiner  Gemälde  einfach 
von  den  leicht  erkennbaren  Modellen  herüber  und  war  also  m  der  Kunst  der  „in- 
direkten Charakteristik"  ein  aufmerksamer  Schüler  der  Franzosen  und  ein  bedeutungs- 
voller Vorgänger  der  Publizisten  des  jungen  Deutschland.  — 

Die  wirkungsvolle  Thätigkeit  von  Karl  Philipp  Moritz  als  Journalist  und 
Aesthetiker  fasst  Isolani57)  an  der  Hand  längst  bekannter  Darstellungen  zusammen. 
Er  stellt  in  den  Vordergrund  jene  Nachrichten,  die  Moritzens  Einfluss  auf  das  geistige 
Leben  Berlins  zur  Zeit  seiner  Wirksamkeit  in  der  Vossischen  Zeitungsredaktion 
gewidmet  sind.  — 

Rochlitze ns  hierher  gehörige  epische  Erzeugnisse  thut  Ad.  Stern58)  mit 
dem  kurzen  Worte  „veraltet"  ab.  Aber  er  entschädigt  auf  den  anderen  Gebieten  des 
bedeutungsvollen  und  ausgebreiteten  Wirkens  jenes  Mannes  und  ehrt  sein  Andenken 
durch  die  innige  Verflechtung  seiner  Produktion  mit  Goethes  gleichgerichteten  Be- 
strebungen auf  die  Kunst,  im  besonderen  auf  die  Musikwissenschaft.  Der  Schwer- 
punkt dieser  Studie  liegt  in  den  aufschlüssle ichen  Briefen  des  letzten  Teiles,  die  dem  Leben 
und  Schaffen  des  bisher  zu  wenig  Beachteten  eine  wohlthuende  Rundung  geben;  sie 
werden  hier  zum  ersten  Male  vorgelegt.  Rochlitz  in  seinem  Verhältnis  zu  Bötticher 
und  Rochlitz  als  Planet    um  die  Sonne  Goethe    kreisend,    beides  ehrenreiche  Kapitel 


45)  (IV  3d:7.)  —  46)  X  Job.  Heinr.  Voss,  Luise  n.  Idyllen.  (=  Cottasche  Volksbibliothek  N.  46.)  St.,  Cotta.  197  S.  Mit 
Bildn.  M.  0,50.  —  47)  X  id.,  Luise.  E.  ländl.  Gedicht  in  3  Idyllen.  L.,  Fiedler.  16».  196  S.  M.  1,20.  —  48)  X  (I  6  :  85.) 
—  49)  — i  -,  E.  Homerjubil.:  SchlesZg.  N.  54.  —  50)  X  J-  H-  Voss,  Homers  Odyssee.  Schulansg.  bearb.  v.  K.  Holder- 
mann.  3.  Aufl.  (=  Meisterwerke  d.  dtsch.  Litt,  in  neuerer  Ausw.  für  höh.  Lehranst.,  her.  v.  K.  Holdermann,  L.  Sevin, 
M.  Evers  u.  V.  TJellner.  3.  Bd.)  B.,  Reuther  &  Reichard.  12».  163  S.  Mit  Bildn.  M.  0,80.  —  51)  K.  Kuhn,  Claudius 
u.Hebel.  Zwei  Schriftsteller  für  d.  dtsch.  Volk:  NB11EU.23,  S.  78-108.  —  52)  F.  Giehne,  Stadien  über  J.  P.  Hebel  (rheinländ. 
Hausfreund).  Unveränd.  Abdr.  aus  d.  Herrn  Vf.  „Skizzen  u.  Studien".  Würzburg,  Stuber.  54  S.  M.  1,00.  (Zuerst  im  Oktober- 
heft 1858  d.  Cottaschen  DVjs.,  dann  in  d.  „Skizzen  u.  Studien".  Würzburg    1382.)    —    53)    X    Tn-   Längin,    F.  Willomitzer, 

D.  Sprache  u.  d.  Technik  d.  Darstellung  in  J.  P.  Hebels  rheinländ.  Hausfreund.  JB.  d.  Oberrealsch.  Wien.  1891.  (JBL.  1892 
IV  3:50;  I  8:28):  Alemannia  22,  S.  93,4.  (Sehr  anerkennend.)  —  54)  X  J  p-  Hebel,  Kleine  Geschichten  aus  d.  Schatz- 
kästlein d.  rheinländ.  Hausfreundes.  L.,  Gressner  &  Schramm.  71  S.  M.  0,60.  —  55)  X  id.,  D.  rheinländ.  Hausfreundes 
ausgew.  Erzählungen.     Mit  5  Bild.  v.  H.  Lüders.     Reutlingen,    Ensslin  &  Laiblin.    12°.    144  S.    M.  0,60.  —  56)  R.  M.  Meyer, 

E.  frommer  Demokrat:  VossZg".  1893,  N.  24.  (JBL.  1893  IV  5:532.)  —  57)  E.  Isolani,  E.  Journalist  u.  Aesthetiker  d.  18.  Jh. 
Z.  100J.  Todest.  v.  K.  Ph.  Moritz:  ib.  N.  293.     (JBL.  1893  IV  5:410.)   -  58)  Ad.  Stern,  F.  Rochlitz.   (=  N.  22,  S.  175-236.) 

(4)16/9* 


IV  3:59  60       R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.   1893,  1894. 

aus  dem  Leben  des  charakterstarken  und  vielwissenden  Mannes,  dem  ein  glückliches 
Familienleben,  ein  Alter  voll  Anerkennung"  vergalt,  was  er  in  stiller  Zurückgezogenheit 
zum  gemeinen  Besten  geleistet  hatte.  In  den  neu  veröffentlichten  Briefen  sehen  wir 
ihn  auch  an  der  Arbeit,  Goethes  litterarischen  Nachlass  zu  sichten.  Und  das  thut 
er  mit  liebevoller  Hingebung.  — 

Kehren  wir  uns  Wieland  und  seiner  Schule  zu,  so  erfreut  in  erster  Reihe 
die  wertvolle  Gabe  Hasse ncamps59),  deren  Vorgeschmack  uns  der  Vf.  in  einer 
früherenVeröffentlichung(JBL.  1892  IV  3:25)  bereits  geboten  hatte.  Den  dort  angezogenen 
Dokumenten  reihen  sich  hier  viele  andere  gleichwertig  an.  Nur  einige  wenige  der 
jetzt  veröffentlichten  Briefe  waren  schon  früher,  aber  unvollkommen,  ediert  worden. 
An  einer  anderen  Stelle  dieses  Bandes  ist  ausführlich  gewürdigt  worden,  wie  diese 
Briefe  einen  Einblick  in  die  privaten  Verhältnisse  des  jungen  Dichters  gewähren, 
.  welch  eine  Unsumme  litterarisch  und  kulturhistorisch  wichtigen  Materials  für  die 
Lebensgeschichte  des  Dichters  einerseits,  für  die  der  Hauptadressatin,  Sophie 
von  La  Roche,  andererseits  darin  verborgen  liegt.  Wielands  Liebesverhältnisse,  von 
den  ersten  Beziehungen  zu  Sophie  von  La  Roche  an,  finden  darin  eine  vertraute 
und  eingehende  Besprechung.  Einen  geradezu  bemerkenswerten  Gegensatz  zu  dem 
hohen  Fluge  seiner  Phantasie  bildet  die  nüchterne  und  trockene  Art,  in  der  sich  der 
einst  so  leicht  entzündliche  Jüngling  seine  Ehegefährtin  auswählt.  Und  es  berührt 
geradezu  peinlich,  zu  lesen,  wie  Wieland  die  damals  kaum  neunjährige  Maximiliane 
sich  zur  zukünftigen  Gattin  erhandeln  möchte  von  ihrer  Mutter,  derselben  Frau,  die 
er  als  leidenschaftlicher  Bursche  von  18  Jahren  mit  Bräutigamsgelübden  umschwärmt 
hatte,  und  in  einer  Zeit,  in  welche  die  unliebsame  Affaire  mit  „Bibi"  (Christine  Vogel) 
noch  —  sollte  man  meinen  —  ihre  ernst  stimmenden  Schatten  warf.  W7as  an  Einzel- 
heiten für  Wielands  eigene  Produktion,  an  Daten  wie  an  Thatsachen,  in  diesen 
vertraulichsten  der  Mitteilungen  unseres  Dichters  sich  findet,  das  kann  eine  Auf- 
zählung an  diesem  Orte  naturgemäss  nicht  erschöpfen.  Ein  Brief  an  den  Grafen  Görtz 
vom  17.  Juni  1772  lässt  uns  mitten  in  die  Verhandlungen  blicken,  die  Wieland  mit 
dem  Weimarer  Hof  führte:  „II  est  digne",  so  heisst  es  von  Karl  August  in  diesem 
Briefe,  „d'avoir  des  amis  comme  Vous  et  moi,  il  merite  tous  nos  soins;  il  a  1'äme 
vraiment  elevee;  il  est  fait  pour  sentir  le  vrai  Beau,  pour  aimer  la  Vertu,  pour 
preferer  ses  devoirs  ä  des  plaisirs  frivoles,  pour  s'attacher  au  solide,  pour  distinguer 
les  faux  du  reel,  pour  ecouter  la  raison  et  pour  sentir  le  prix  du  vrai  merite"  (N.  97). 
Der  Dichter  verrät  den  Einfluss,  den  Shakespeare  auf  ihn  hat,  dessen  Uebersetzung 
ihn  gerade  beschäftigt  (N.  25,  29,  38);  wir  erfahren  so  manches  interessante  Detail 
über  seine  eigenen  Werke  (N.  32  über  Agathon),  von  seinem  Interesse  für  deren 
Beurteilungen  und  Uebersetzungen.  Denn  gerade  der  vertrauliche  Ton  der  Kor- 
respondenz hat  die  früheren  Benutzer  dieser  Briefschaften  veranlasst,  von  einer  Ver- 
öffentlichung seinerzeit  abzusehen.  Die  Briefe  sind  fast  alle  französisch  abgefasst; 
denn  für  französisches  Wesen  und  französische  Sprache  hat  Wieland  um  jene  Zeit 
noch  eine  ganz  offen  bekannte  Vorliebe.  Klassisch  ist  seine  Ausdrucksweise  in  dieser 
Sprache  allerdings  nicht.  Ausser  an  Sophie  von  La  Roche  bringt  die  Sammlung  nur 
noch  einen  Brief  an  Sophiens  Freundin,  Frau  Götschen,  drei  an  Hofrat  von  La  Roche, 
je  einen  an  den  Dechanten  Dumeiz  in  Frankfurt  a.  0.  und  an  den  Kurfürsten  Clemens 
Wenzeslaus  von  Trier.  Auch  ein  Brief  des  Freiherrn  von  Groschlag  an  Wieland  ist 
der  Sammlung  einverleibt.  Der  Zeit  nach  bestimmt  sind  zwei  Briefe  an  Sophie  aus 
der  Zeit  vor  dem  Biberacher  Aufenthalt  Wielands,  63  aus  der  Biberacher  Zeit  (davon 
fallen  39  in  die  Zeit  vor  der  Verheiratung,  der  Rest  für  die  Folgezeit),  31  in  die 
Erfurter  Periode  und  je  einer  in  die  J.  1775,  1785  und  1789.  Nicht  ganz  aufgeklärt 
ist  die  in  einem  Schreiben  vom  29.  Okt.  1764  gemachte  Andeutung  von  einer  „Lettre 
ä  Frobenius",  die  Wieland  damals  zu  drucken  vorgiebt  (N.  35).  H.  vermutet,  dass 
es  sich  um  den  berühmten  Baseler  Buchdrucker  Johann  Froben,  einen  Freund  des 
grossen  Erasmus,  handle.  Wir  erfahren  nur,  dass  ein  solcher  Brief  von  Frobenius 
an  Wieland  in  Druck  gegeben  war;  ob  es  sich  aber  um  einen  fingierten  Brief 
Wielands  an  Frobenius  oder  den  Neudruck  eines  Briefes  eines  Zeitgenossen  an  den 
Baseler  Drucker  handelte,  wird  wohl  immer  unentschieden  bleiben.  S.  XXIX— XXXIII 
vermerkt  H.  noch  kurze  Inhaltsangaben  der  nicht  abgedruckten  24  Briefe,  die  ihm 
vorgelegen  hatten.  Seine  Gabe  verdient  vollste  Anerkennung,  die  ihm  die  Kritik 
auch  nicht  vorenthalten  hat.  —  Poppenberg59a)  entnahm  dieser  Ausgabe  vornehmlich 
die  pikanteren  Episoden  zu  einem  recht  geschmackvoll  bearbeiteten  Artikel  über 
Wielands  Lieben.  —  Maler  Müllers  Brief  an  Wieland  vom  29.  Juni  1778,  aus  den 
Schätzen  des  Germanischen  Nationalmuseums  in  Nürnberg  durch  Rud.  Schmidt60) 
veröffentlicht,  bringt  die  thatsächlichen  Belege  für  das,    was  Seuffert  hinsichtlich  des 


—   59)   (IV  lc:40.)     |[K.    Friedrich:   BLU.   S.  261/2;   N&S.  70,   S.  134.]|    —   59a)    F.   Poppenberg,    Wielands  Lieben: 
Nation".  11,  S.  382/5.  (Ueber  N.  59.)  —  60)  Rnd.  Schmidt,  E.  Brief  v.  Maler  Müller  an  Wieland:  MGNM.  1893,  S.  13/9.  — 


R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.    1893,  1894.     IV  3  ■  61-61 

Verhältnisses  beider  Dichter  aus  anderen  Dokumenten  richtig-  mutmasste.  Müller 
dankt  für  die  ihm  durch  Wieland  erwirkte  Pension  und  berührt  eine  Reihe  von  Be- 
ziehungen, die  Wieland  bei  seinem  Mannheimer  Besuche  angeknüpft  hatte.  Müller 
weist  es  in  einer  Nachschrift  zu  dem  Briefe  mit  tiefer  Entrüstung  zurück,  dass 
Jakob  Meyers  Schauspiel  „Der  Sturm  von  Boxberg"  (1777  erschienen)  sich  mit 
Goethes  Götz  vergleichen  lasse.  —  Ein  durch  Erich  Schmidt61)  veröffentlichter 
Brief  Blumenbachs  an  Heyne  vom  4.  Mai  1783  sagt:  „Wieland  schien  mir  daher  in 
seiner  (d.  i.  Goethes)  Gegenwart  eine  etwas-  abstechende,  nicht  sehr  vorteil- 
hafte Figur  zu  machen.  Sie  duzen  sich  zwar  und  sind  herzlich  gute  Freunde, 
aber  man  spürt  doch  Goethes  Superiorität."  —  Als  besorgt  liebendes  Familien- 
oberhaupt, Friedensfreund  und  —  im  Gegensatz  zu  seiner  Jugendgesinnung 
—  als  ein  guter  Patriot  entdeckt  sich  Wieland  in  einem  Brieffragment62), 
das  wahrscheinlich  an  den  Gatten  seiner  drittjüngsten  Tochter,  Heinrich  Gessner, 
den  Sohn  des  Idyllendichters  Salomon,  von  Osmanstädt  aus  um  die  Mitte  des 
März  1800  geschrieben  sein  dürfte.  Trotz  des  Ernstes  der  Lage,  den  die  Kriegs- 
stürme brachten,  verlässt  ihn  der  Humor  auch  da  nicht.  —  Einen  wichtigen  Beitrag 
zu  Wielands  Leben  lieferte  Weizsäcker63).  Er  fand  damit  allgemeine  Anerkennung. 
Schon  der  Titel  weist  auf  Zarnckes  ähnliche  Arbeit  für  Goethe  als  Muster  hin.  Oel- 
gemälde,  Büsten,  Stiche,  Zeichnungen  und  Silhouetten  Wielands  sind  zusammen- 
getragen, beschrieben  und  nach  ihrer  Entstehung  geordnet.  Die  Sammlung  zieht 
einige  Inedita  ans  Tageslicht,  stellt  manche  irrige  Behauptung  über  bekannte  Bildnisse 
richtig.  Das  grösste  Interesse  beansprucht  das  älteste  Porträt,  das  nach  W.  in  die 
Zeit  von  Wielands  Aufenthalt  in  der  Schweiz,  etwa  m  das  J.  1754  oder  55  zu  setzen 
ist.  Die  Heinrich  Meyer  zugeschriebene  Zeichnung  für  Maria  Paulo wna  (1805)  wird 
als  Rehberg  zugehörig  nachgewiesen.  Den  Litteraturforscher  mag  am  meisten  die 
Reproduktion  eines  von  Friedrich  Füger  herrührenden  Miniaturbildes  (1770)  an- 
sprechen, weil  es  das  Bildnis  ist,  nach  dem  Geyser  seinen  Stich  anfertigte,  jenen 
Wielandkopf,  an  dem  die  Haingenossen  ihre  feierliche  Wut  am  2.  Juli  1773  aus- 
liessen.  —  Ein  schönes  Thema  hat  sich  Thalmayr64)  gewählt.  Es  wird  aber  mehr 
frommen,  wenn  wir  sagen,  was  er  wollte,  als  was  er  gethan  hat.  Er  hatte  die  Ab- 
sicht, die  Eigentümlichkeiten  des  Wielandschen  Sprachgebrauchs  übersichtlich  und 
wohlgeordnet  zusammenzustellen.  Wie  gesagt,  sehr  löblich.  Doch  dazu  gehört  viel 
mehr  als  die  blosse  Kenntnis  der  Forschung  bis  zum  J.  1877.  Dazu  gehört  auch 
mehr  als  die  Berücksichtigung  der  drei  Dichtungen  Oberon,  Musarion  und  Agathon 
g-anz  promiscue  durcheinander  und  einfach  nach  der  43  bändigen  Ausgabe  von  1818,  die 
bei  Doli  in  Wien  erschienen !  Mag  auch  Th.  seine  Auswahl  für  besonders  geschickt 
und  glücklich  halten,  da  er  sie  wohl  begründet  damit,  dass  darin  „des  Dichters 
Originalschreibweise  (!)  beibehalten  ist".  Wir  denken  anders  darüber  und  würden 
auch  niemals  eine  derartige  Studie  mit  der  Untersuchung  der  Orthographie  beginnen. 
Das  bischen  Mittelhochdeutsch,  das  bei  jeder  unpassenden  Gelegenheit  aufgetischt  wird, 
entschädigt  nicht  für  die  augenfälligen  Mängel  der  notwendigsten  Kenntnisse  anderer 
Art.  An  mustergiltigen  Arbeiten  auf  diesem  Gebiete  aus  neuerer  Zeit  leiden  wir 
wahrhaftig  nicht  gerade  Mangel.  —  Besser  steht  es  um  die  litterargeschichtliche  Er- 
forschung einzelner  Werke  Wielands.  Seuffert65)  greift  die  höfischen  Dichtungen 
unter  einem  gemeinsamen  Gesichtspunkt  zusammen.  Jene  Poesien,  die  Wieland  für 
den  Hof,  für  die  Weimarer  Fürstlichkeiten  und  Festlichkeiten  geschrieben  hat,  werden 
einer  gemeinsamen  Betrachtung  unterzogen.  1.  Das  Prosatrauerspiel  „Clementina 
von  Poretto",  eigentlich  nur  ein  dialogisiertes  Romanfragment,  das  von  der  Acker- 
mannschen  Truppe  1760  und  72  aufgeführt  worden  war.  Wieland  bot  das  Stück  dem 
herzoglichen  Theater  noch  vor  seiner  endgültigen  Berufung  nach  Weimar  an.  S. 
weiss  nicht,  ob  es  zur  Aufführung  kam.  2.  Das  heroisch-komische  Ballet  „Idris  und 
Zenide",  1772  entworfen,  nach  bekanntem  Inhalt.  Der  fünfte  Gesang  des  Epos  bildete 
die  Grundlage  des  Ballets.  Aus  dessen  kurz  und  äusserlich  abgeschlossener  Hand- 
lung lassen  sich  keine  Rückschlüsse  für  die  Fortsetzung  des  auf  10  Gesänge  ver- 
anschlagten Heldengedichts  ziehen.  Die  Anregung  dazu  geht  auf  das  Pygmalionmotiv 
zurück,  das  durch  Bodmers  Erzählung,  Ramlers  Kantate  und  Rousseaus  Scene  lyrique 
ihm  nahe  geführt  worden  ist.  Die  Reihe  der  Pygmaliondichtungen  Hesse  sich  leicht 
ergänzen.  Ich  erinnere  nur  an  die  in  Goethes  Leipziger  Zeit  vielberühmte  Romanze 
Schiebelers  gleichen  Namens,  auf  die  zum  Beispiel  auch  in  der  Epistel  an  Friderike 
Oeser  angespielt  wird.  3.  „Aurora",  ein  Singspiel  in  einem  Aufzug,  für  den  Geburts- 
tag der  Herzogin  1772.  Wieland  wollte  damit  ein  Singspiel  „im  Geschmacke  der 
Alten,  wiewohl  mit  einigen  seinen  Zeiten  angemessenen  Modifikationen  versuchen". 


61)  (IV  la:33.)  (Vgl.  auch  JBL.  1893  IV  9  :  12.)  —  62)  E.  Brief  Wielands:  Didask.  1893,  N.  134.  (Aus  NZürichZg.)  —  63) 
P.  Weizsäcker,  D.Bildnisse  Wielands.  (Aus  WurttVjh.)  (JBL.  1893  I  11  :  77.)  St.,  Kohlhammer.  1892.  52  S.  Mit  11  Abbild, 
u.  2  LichtdrucMaf.  M.  1,50.  |[DLZ.  1893,  S.  220;  LCB1.  1893,  S.  1355/6;  BLU.  1893,  S.  462;  G.  E.:  NatZg.  1893,  N.  573.]|  — 
64)  (I  7:26.)  —  65)  B.  Seuffert,  Wiclands  höfische  Dichtungen:  Euph.  1,  S.  520-40,  697-717.   (Teilweise  veränd.  Abdr.  aus 


IV  3:66-77       R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.    1893,  1894. 

In  die  gleiche  Richtung-  gehört  auch  die  1772  entstandene  „Alceste",  in  der  er  „die 
Kunst  Metastasios  und  Euripides"  glaubte  vereinigt  und  beide  „verbessert  zu  haben". 
4.  Das  lyrische  Drama  „Die  Wahl  des  Herkules".  Bei  Michaelis,  Eschenburg  und 
Metastasio  findet  man  ähnliches.  Der  moralische  Endzweck  „beengte  die  Auffassung, 
so  auch  die  dramatische  Führung  der  Fabel".  5.  „Zweierlei  Götterglück",  ein  Gratu- 
lationsgedicht, das  den  typischen  Stil  der  Glück wunschgedichte  in  der  Folgezeit  zeigt. 
Aus  dem  freundschaftlichen  Verhältnis  zur  Herzogin  hervorgegangen,  redet  es  die 
Gönnerin  zum  ersten  Male  öffentlich  als  Olympia  an.  „Aus  nichts  wird  eine  bunte 
Welt  hervorgezaubert",  sagt  S.  und  legt  als  Probe  dessen  den  neugedruckten  Glück- 
wunsch des  Dichters  zum  J.  1783  vor  und  bespricht  auch  noch  andere  hierher 
gehörige  Dichtungen,  die  ausser  der  gleichen  Absicht  nichts  Zusammengehöriges 
bieten.  —  Eine  ähnliche  Einzelstudie  widmet  Singer66)  dem  „Geron".  Er  untersucht 
die  Komposition  des  Gedichtes  und  das  Verhältnis  zu  den  Quellen.  S.s  Aufsatz  be- 
rührt sich  vielfach  mit  Ransohoffs  Forschung  (JBL.  1890  IV  8 :  16)  und  kommt  auch 
zu  ähnlichen  Ergebnissen.  Er  geht  darüber  hinaus  durch  die  Untersuchung  der 
archaistischen  deutschen  Formen,  die  in  einem  alphabetischen  Verzeichnis  vorg'elegt 
und  an  Adelungs  Kodifikation  gemessen  werden,  soweit  das  damals  im  Erscheinen 
begriffene  Wörterbuch  Adelungs  bei  Abschluss  der  ersten  Fassung  (1777)  in  Betracht 
kommen  durfte.  Wielands  theoretische  Ansichten  über  die  Verwendung  solcher 
Formen  gelangen  im  Zusammenhang'  zum  Ausdruck.  —  Seufferts  wichtige  Be- 
sprechung der  Hirzelschen67)  Ausgabe  von  Wielands  Geschichte  der  Gelahrtheit  trägt 
eine  gründliche  Quellenuntersuchung  nach.  Er  zeigt,  dass  in  erster  Reihe  Chrph. 
Aug.  Heumanns  Conspectus  reipublicae  litterariae  sive  via  ad  Historiam  litterariam 
iuventuti  studiosae  aperta  (zuerst  Hannover  1718,  später  mehrfach  aufgelegt)  sowohl 
in  der  ganzen  Anlage  wie  auch  in  der  Bearbeitung'  der  einzelnen  Teile  unleugbare 
Verwandtschaft  mit  W'ielands  Geschichte  habe.  Dadurch  wird  auch  Wielands  eigener 
Besitz  an  seiner  Schrift  und  die  Abhängigkeit  von  den  übrigen  verzeichneten  Quellen 
leichter  erkennbar  und  abschätzbar.  Wielands  Verdienst  formuliert  dann  S.  dahin, 
dass  er  weniger  Gelehrsamkeit  auftischte  als  seine  Quelle;  statt  blosser  Namen  g'ab 
er  vollere,  wrenn  auch  selten  lebendige  und  oft  einseitige  Bilder  der  Personen,  ge- 
legentlich sogar  gelang  ihm  eine  Gruppierung.  Die  Geschichte  der  Gelahrtheit  dürfe 
also  keineswegs  als  eine  leichtfertige  Kompilation  aufgefasst  werden,  habe  vielmehr 
als  ein  Werk  des  Fleisses  und  der  Ueberlegung  zu  gelten.  —  Auch  Herchners68) 
Buch  wurde  noch  besprochen.69-70)  —  Munckers71)  Einleitung  zur  Cottaschen  Aus- 
wahl aus  den  Werken  sei  hier  wiederholt  rühmend  hervorgehoben.72-73)  — 

Bedeutend  bereichert  hat  unsere  Kenntnis  über  das  Verhältnis  Wielands  zu 
Heinse  die  Publikation  Heinemannns74),  der  den  wichtigen  sogenannten  „Brief 
mit  den  Stanzen"  vorlegt.  Er  stammt  aus  dem  Dec.  1773  und  macht  uns  vertraut 
mit  der  selbstbewussten  Art  Heinses  über  seine  eigenen  Erzeugnisse  zu  denken. 
Heinse  charakterisiert  den  Bau  seiner  Stanzen  und  vergleicht  ihn  mit  dem  der 
Wielandschen.  ICr  übersendet  dem  „guten  weisen  Oberpriester  der  Grazien  und  des 
Apollo"  die  42  Stanzen  „ganz  heiss  aus  der  Seele",  wie  er  sie  an  seinem  Klavier 
sich  ersungen  hat.  Wir  lernen  daraus  die  erste  Fassung  der  vielbesprochenen,  auch 
von  Goethe  hochgerühmten  Ottaverime  kennen,  die  anhangsweise  der  „Laidion"  bei- 
gegeben waren.  Der  Abdruck  ist  nicht  bloss  der  Vollständigkeit  halber,  sondern  auch 
der  Varianten  wegen  bemerkenswert.  Das  Schreiben  klärt  auch  manche  Anspielung' 
in  bekannten  Briefen  auf.  Heinse  entschuldigt  sich  ferner  wegen  der  Andeutungen 
auf  Wielands  Person  in  den  Anmerkungen  der  Petronübersetzung  und  schiebt  alle 
Schuld  dem  abenteuernden  Herrn  von  Liebenstein  zu,  wie  auch  schon  aus  dem 
einzigen  Briefe  Heinses  an  Wieland,  den  wir  bisher  kannten  (Jan.  1774),  hervorging. 
—  Seuffert75)  sah  sich  veranlasst,  diese  Veröffentlichung  durch  drei  weitere  Briefe 
Heinses  an  Wieland  zu  ergänzen.  Der  erste  der  Briefe  vom  8.  Dec.  1773  rechtfertigt 
Wielands  Abneigung  gegen  den  hochfahrenden  Jüngling,  der  von  seinen  Arbeiten 
und  Plänen  in  recht  selbstbewusster  Weise  spricht.  Ueber  seinen  Verkehr  mit  der 
Frau  von  Massow  und  deren  Familie,  seine  Absicht  über  die  epische  Dichtkunst  der 
Italiener  in  Briefen  an  diese  Frau  zu  schreiben,  ferner  auch  wieder  über  seine 
eigentümliche  Auffassung   und  Behandlung   der   Stanze   und    über   seinen  Plan   der 


d.  als  Ms.  gedr.  Festschr.  „Z.  8.  Okt.  1892";  Tgl.  JBL.  1892  IV  3:20.)  —  66)  L.  Singer,  Ueber  Wielands  Geron.  E.  litt.- 
gesch.  Untersuch.:  ZDrh.  25,  S.  220-52.  -  67)  L  Hirzel,  Gesch.  d.  Gelehrtheit  (JBL.  1891  IV  3:29).  |[B.  Seuffert:  ADA.  20. 
S.  52-66;  A.  C(huquet):  KCr.  36,  S.  419.]|  —  68)  X  L'  Hölscher,  H.  Herchner,  D.  Cyropädie  in  Wielands  Werken 
(JBL.  1892  IV  3:23):  ASNS.  90,  S.  343.  -  69)  X  H.  Henkel,  Z.  Neuesten  aus  Plundersweilern.  V.  203ff.:  GJh.  14,  S.  275. 
(JBL.  1893  IV  8e:20.)  —  70)  X  B.  Sprenger,  Engl.  Anklänge  in  Wielands  Oberon:  EnglSt.  19,  S.  469.  —  71)  Wielands 
ge.s.  Werke  in  6  Bd.:  Mit  e.  Einl.  von  F.  Muncker.  St.,  Ootta.  1598  S.  M.  6,00.  (D.  bekannte  Ausg.  mit  d.  trefflichen 
Einl.  Munckers,  d.  sich  gut  liest  u.  auf  engem  Baum  viel  bietet.)  —  72)  X  id.,  Oberon.  Mit  e.  Einl.  v.  F.  Muncker.  ebda. 
263  S.  Mit  Portr.  M.  1,00.  (Selbstand.  Ausg.  v.  Bd.  1  d.  eben  genannten  Edition.)  —  73)  X  id-,  Dass-  (=  Oottasche  Volks- 
bibl.  N.  47.)  ebda.  209  S.  Mit  Bildn.  M.  0,50.  —  74)  K.  Heine  mann,  Briefe  Heinses  an  Wieland:  VLG.  6,  S.  212-23.  — 
75)   B.   Seuffert,    Briefe    Heinses   an  Wieland:   ib.    S.  223-51.    —    76)    (IV  lc:41.)    —   77)    K.  3.  Neumann,   E.  Gestalt 


R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.   1893,  1894.     IV  3  :  77a-7s 

Gründung-  einer  Ritterakademie  lässt  er  sich  vernehmen.  In  dem  zweiten  Briefe 
(Düsseldorf,  27.  Jan.  1775)  reicht  er  dem  «'rollenden  Meister  die  Hand  zur  Versöhnung 
und  scheint  ihn  thatsächlich  in  dem  letzten  der  Briefe  (Düsseldorf,  12.  April  1775) 
durch  die  herrlichen  Worte  über  Agathon  und  Musarion  auch  versöhnt  zu  haben. 
Diese  Urteile  Heinses  bilden  noch  heute  den  Grundzug  dessen,  was  wir  über  die 
genannten  Dichtungen  zu  sagen  haben.  —  lieber  Schüddekopfs76)  auch  hierher 
gehörige  Arbeit  ist  an  anderer  Stelle  schon  Ausreichendes  gesagt  worden.  —  Neu- 
mann7") gelangt  mit  seiner  Deutung  des  „Demetri  von  Scio"  aus  dem  „Ardinghello" 
kaum  bis  an  die  Grenze  der  Wahrscheinlichkeit,  wenn  er  einen  gewissen  Vernazza, 
„griechischen  Scrittore  der  Vaticana",  von  dem  auch  bei  Winckelmann  die  Rede  ist, 
zum  Prototyp  der  Figur  machen  will.  Die  wichtigsten  Nachforschungen  darüber 
blieben  erfolglos.  — 

Ein  anderer  Schüler  Wielands,  der  jungverstorbene  H.  W.  Broxtermann 
aus  Osnabrück  (1771 — 1800),  ist  von  Riehemann77'1)  recht  überschätzt  worden.  Die 
Jugendarbeiten  des  von  Wieland  nur  zur  Aneiferung  übermässig-  Gelobten  dürfte 
auch  R.s  Wiederbelebungsversuch  nicht  erwecken  können.  Dem  lokalen  Interesse 
allerdings  ist  durch  die  Monographie  und  den  Abdruck  eines  grösseren  epischen 
Fragments  sowie  die  aufgefundenen  14  Briefe  aus  den  letzten  Lebensjahren  des  nicht 
talentlosen  Schriftstellers  sicherlich  ein  guter  Dienst  geleistet  worden.  — 

Derjenige  Schriftsteller,  der  Wielands  Schwächen  am  deutlichsten  zu  Markte 
trug,  Aug\  Gottl.  Meissner,  hat  seinen  Biog-raphen  in  Fürst78)  gefunden,  der 
dem  eitlen  Professor  ein  Denkmal  setzte,  dergleichen  er  sich  nur  in  Stunden  höchster 
Selbsteingenommenheit  hätte  träumen  lassen.  Was  an  gedrucktem  und  ungedrucktem 
Material  erreichbar  war,  hat  F.  an  sich  gebracht  und  ausgenützt.  So  gelang"  es  ihm, 
ein  unzweideutiges  Bild  von  dem  Leben  und  Charakter  des  zweideutigen  Lebens- 
künstlers zu  entwerfen,  das  der  Literaturgeschichte  genügen  wird.  Die  gleiche 
Sorgfalt  hat  F.  auf  die  Vorführung  der  Werke  verwandt.  Jede  einzelne  der  zahl- 
reichen Schriften  Meissners  wird  anatomisch  zergliedert:  die  Keime  ihrer  Enstehung", 
eine  übersichtliche  Inhaltsangabe,  die  Stoffgeschichte,  die  Darstellung  und  ihre  Auf- 
nahme bei  dem  zeitgenössischen  Publikum  und  der  Kritik;  ja  bis  in  die  Uebersetzungen 
hinaus  sucht  der  Vf.  durch  Vollständigkeit  der  Angaben  dieses  Thema  zu  erschöpfen. 
Ein  Vergleich  der  Resultate  F.s  mit  den  Notizen  in  der  Neubearbeitung  des 
Goedekeschen  Grundrisses  bringt  schon  den  Erweis,  dass  es  unmöglich  ist,  hier  jede 
Neuigkeit  zu  verzeichnen.  Der  biographische  Teil,  am  meisten  durch  ungedruckte 
Briefe  gefördert,  erweitert  sich  mit  Recht  zu  einer  Darstellung  der  Zeit-  und  Geistes- 
strömungen, die  während  der  Wirksamkeit  Meissners  an  der  Prager  Universität  dort 
und  im  ganzen  Lande  herrschten,  und  hat  berechtigten  Anspruch  auf  das 
hervorragende  Interesse  der  Lokalforschung,  wenn  auch  die  allgemeine  Ge- 
schichte deutschen  Schrifttums  daran  nicht  wird  vorbeigehen  dürfen.  Ungleich 
wichtiger  und  weiter  ausgreifend  sind  die  Forschungen  zu  der  vielseitigen 
Thätigkeit  des  Romanschreibers,  der  sich  auf  den  verschiedensten  Gebieten 
der  Gattung  versucht  hat  und  den  Erfolg  bei  Lebzeiten  einheimsen  durfte,  den  seine 
keineswegs  talentlosen  Erzeugnisse  ihm  einbrachten.  Seine  „Bianca  Capello"  und 
sein  „Alcibiades"  dürften  noch  heute  gelegentlich  nicht  in  den  letzten  Reihen 
provinzieller  Leihbibliotheken  aufgestellt  sein.  Und  der  Name  „Skizzen-Meissner"  ist 
offenbar  ein  Beweis,  dass  der  Grossvater  noch  nicht  ganz  vergessen  war,  als  der 
Name  des  Enkels  litterarisch  von  ihm  gesondert  werden  sollte.  Auf  dramatischem 
Gebiete  überwiegen  die  Uebersetzungen  Meissners  die  Originalarbeiten.  Unter  den 
Gedichten  nehmen  die  Fabeln  durch  ihre  Zahl  eine  Sonderstellung  ein ;  es  ist  auch 
hier  meist  fremde  Anregung,  der  Meissner,  wie  so  oft,  nur  wenig  vom  Eigenen  hinzu- 
that.  Merkwürdig  bleibt  während  seiner  Reifezeit  die  fortwährende  Betonung  seines 
Gegensatzes  zu  Wieland,  gegen  dessen  Meisterschaft  er  sich  unablässig  sperrte,  wohl 
aus  dem  innersten  Gefühl  heraus,  dass  er  von  dem  Muster  nicht  ungestraft  zu  weit 
weglenken  durfte.  Diese  Wahrheit  verdross  ihn;  darum  leugnete  er  sie  vor  sich 
selbst.  Durch  aufschlussreiche  Anmerkungen  und  zwei  gute  Inhaltsverzeichnisse  hat 
F.  die  Brauchbarkeit  seines  Buches  erhöht.  Aber  wenig  Zustimmung  dürfte  er  zu 
der  ganz  musivischen  Darstellungsart  finden.  Für  eine  Monographie  eignet  sich 
dieses  Zerhacken  des  Stoffes  in  Teile,  Teilchen  und  Teile  von  Teilchen  durchaus  nicht, 
aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  sie  kein  Nachschlagebuch  ist  oder  wenigstens  für 
die  zeitgenössischen  Leser  sein  will.  Wer  aber  auf  Leser  reflektiert,  darf  die  Mühe 
einer  geschmackvollen  Darstellung  nicht  scheuen.  Eine  andere  Frage  kann  bei  dieser 
Gelegenheit  auch  nicht  unterdrückt  werden:  ob  es  statthaft  ist,  über  Schriftsteller 
dritten  und  tieferen  Ranges  Bücher  solchen  Umfanges  abzufassen.     Nicht   bloss  die 

aus  Heinses  Ardinghfillo:  AZgB.  N.  91.  —  77a)  J.  Ri ehe  man  n,  D.  Dichtungen  d.  Osnabrüclter  Dichters  Broxtermann.  Mit 
Portr.:  MVGOsnabrück.  17,  S.  71-164.  |[8tML.  47,  S.  232.JI  (Auch  als  Sonderabdr.)  —  78)  (IVla:41.)  |[A.  v.  Weilen: 
ZOG.  45,    S.  1115/7;    LCB1.    S.  1147/8;    L.  G(eiger):    NatZg.    N.  356;    E.  Morgenstern:    Ges.  S.  693;  M.  Neclcer:  NFPr. 


IV  3:79-ss       R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./ 19.  Jahrhunderts.   1893,  1894. 

Verleger,  sondern  auch  die  der  Wissenschaft  Beflissenen  sollen  hierauf  antworten 
und  zuvor  berücksichtigen,  wie  kurz  das  menschliche  Leben  doch  ist.  P.s  Verdienst 
in  Ehren.  Aber  ein  zusammenfassender  Auszug  aus  diesem  Buche  gäbe  die  Ergebnisse 
seiner  fleissigen  Forschung  wirksamer  wieder  als  die  lang'en  wörtlichen  Kritikauszüge 
aus  den  Zeitschriften  jener  Epoche.  In  dem  angedeuteten  Sinne  haben  sich  auch  die 
Recensenten  ausgesprochen,  in  erster  Reihe  von  Weilen,  der  noch  auf  unbenutztes 
Material  auf  der  Wiener  Hofbibliothek  aufmerksam  macht.  Auch  uns  scheint  es,  dass 
sich  Einflüsse  des  Meissnerschen  „Johann  von  Schwaben"  auf  Schillers  „Don  Carlos" 
und  „Wilhelm  Teil"  nachweisen  lassen.  Nicht  ausgeschöpft  dürften  ferner  die  Ein- 
flüsse Meissners  auf  die  czechische  Litteratur  sein;  dafür  mangelt  es  wohl  an  den 
Vorarbeiten.  Zu  S.  175:  Ein  ähnlicher  Stoff  wie  der  in  den  „Spiessruthen"  behandelte 
liegt  A.  von  Thümmels  Roman  „Ferdinand"  zu  Grunde;  zu  S.  122:  Auch  von  Joach. 
H.  Campe  soll  eine  Uebersetzung  der  Bianca  Capello  von  Sanseverino  (Berlin  1776) 
erschienen  sein  (vergl.  C.  G.  W.  Schiller,  Braunschweigs  schöne  Litteratur  usw. 
Wolfenbüttel  1845,  S.  186). 79)  — 

Nerrlichs  älteres  Werk  über  Jean  Paul  hat  noch  in  Muncker80)  einen 
wohlwollenden  Kritiker  gefunden.  Er  lobt  die  Gründlichkeit  Nerrlichs ,  seine  Be- 
herrschung des  weitschweifigen  Materials,  die  anziehende  Darstellung  und  Korrekt- 
heit des  Vf.  Der  heftigen  Polemik  gegen  alles,  was  Theologie  und  Philosophie  heisst, 
geht  er  mit  Recht  aus  dem  Wege.  Prinzipielle  Verwahrung  legt  er  aber  ein  gegen 
den  bekannten  Trotz  des  Biographen,  die  philologische  Methode  durchaus  zu  dis- 
kreditieren. Mit  überlegener  Sachkenntnis  deckt  M.  alle  daraus  entspringenden 
Mängel  des  Buches  auf  und  schützt  sich  gegen  den  Vorwurf  der  Voreingenommen- 
heit durch  die  Aufstellung  eines  umfangreichen  Fragenregisters,  einer  positiven  Kritik, 
die  dem  subjektiven  Aesthetisieren  gegenüber  die  historische  Entwicklung'  ausspielt.  — 
Kleine  Züge  Jean  Paulscher  Eigenart,  namentlich  seine  Beliebtheit  bei  den  Zeitgenossen, 
bewahrt  ein  Brief  Sophie  Brentanos  an  Henriette  von  Arnstein,  von  Erich  Schmidt81) 
mitgeteilt,  und  die  Veröffentlichung  einer  anonymen  Memoirenschreiberin82).  — 
Geiger83)  nennt  den  Brief  Jean  Pauls,  worin  er  voll  Ueberschwangs  und  unnatür- 
licher Schwärmerei  seinen  ersten  Besuch  bei  Wieland  ankündigt  (Weimar,  18.  Juni 
1796),  treffend  eine  ^Visitenkarte".84)  —  R.  von  Koeber85)  hat  bewiesen,  dass  sich 
aus  Jean  Pauls  „Vorschule",  „Levana",  „Kampaner  Thal"  und  „Seiina"  nur  ein  dürf- 
tiger Beitrag  zu  des  Dichters  psychologischen  Ansichten  zusammenstellen  lässt.  — 
Die  Schwächen  der  Koeber  sehen  Citatensammlung  haben  Jos.  Müller86)  angeregt, 
in  einer  Konkurrenzschrift  das  gleiche  Thema  zu  vertiefen  und  zu  erweitern.  Aber 
seine  Skizze  ist  zu  sehr  von  dem  Geiste  jener  Einseitigkeit  durch  webt,  die  in  M.s 
Hauptwerk  sogleich  zur  Besprechung  gelangen  soll,  als  dass  es  möglich  wäre,  in 
wenigen  Worten  sich  mit  ihr  auseinanderzusetzen.  —  Jos.  Müller87)  hat  es  nämlich  unter- 
nommen, von  einem  ganz  eigentümlichen  Standpunkt  aus  über  die  Gegenwart  in 
ihrer  Gesamtheit  Gericht  zu  halten  und,  weil  sie  ihm  keine  „wahre  Religion"  zu 
haben  scheint,  ihr  ein  durchaus  verdammendes  Urteil  entgegen  zu  donnern.  Er 
brauchte  einen  litterarischen  Helden,  der  die  jeremiadenhaft  beklagten  Ideale,  deren 
unsere  Zeit  aus  purer  Irreligiosität  verlustig  gegangen  sein  soll,  in  sich  vereinte,  um 
der  Gegenwart  die  Schwere  ihres  Verbrechens  deutlich  vor  Augen  zu  führen.  Da 
verfiel  er  auf  Jean  Paul.  Er  ist  wohl  nicht  vergessen,  aber  wird  nicht  mehr  gelesen, 
dachte  er,  und  eine  Auffrischung  in  anderem  als  Nerrlichschem  Sinne  kann  ja  nicht 
schaden.  Und  schliesslich  darf  auch  noch  ein  anderer  als  „Rembrandt  als  Erzieher" 
seine  Wirkung  auf  die  Zeitgenossen  üben.  In  einem  furchtbaren  Wälzer  von  weit 
mehr  als  einem  Alphabet  sang  er  also  dem  im  Leben  so  bescheidenen  Humoristen 
einen  Paneg'yrikus,  der  die  Mitwelt  auffordert,  zu  werden  wie  Jean  Paul  war.  Jean 
Paul  als  Mensch,  als  Philosoph,  als  Moralphilosoph  im  besonderen,  sein  Optimismus, 
seine  Religion,  seine  Pädagogik,  alles,  alles  wurzelt  nur  in  dem  unnennbaren  Einen, 
das  die  Schlussbetrachtung  in  wuchtigem  Predigtstil  die  „wahre  Religion"  nennt. 
Mit  wenigen  Worten  ist  hier  ein  Ausgleich  undenkbar,  wo  es  sich  um  ein  verbohrtes 
System  von  Grundanschauungen  handelt.  Verwahrung  möchten  wir  nur  im  voraus 
dagegen  einlegen,  dass  wir  dem  grossen  Humoristen  von  seinem  Ruhmestitel  auch 
nur  ein  Strichelchen  wegdisputieren  wollten,  und  dann  die  Frage  stellen:  Wie  kommt 
es  denn  doch,  dass  M.  in  dem  etwas  mager  geratenen  Abschnitt  „Jean  Paul  als 
Dichter"  trotz  aller  verherrlichenden  Subjektivität,  die  in  dem  ganzen  Werke  tyran- 


N.  10 749.] I  —  79)  X  B-  Fürst,  E.  Prager  Prof.  vor  100  J.:  Bohemia«.  1893,  N.  346,  348/9.  (Ausz.  aus  e.  Kap.  v.  N.  78.)  — 
80)  F.  Munclter,  P.  Nerrlich,  J.  Paul  (JBL.  1890  IV  3:33):  ADA.  20,  S.  182-92.  —  81)  (-  N.  61.)  —  82)  J.  Paul  in 
Stuttgart:  Didask.  N.  48.  —  83)  L.  Geiger,  J.  Pauls  Anmeldung  bei  Wieland:  BLU.  1893,  S.  369-70.  -  84)  X  J  P»uls 
Tochter:  DDichtung.  14,  S.  100/1,  123,4.  —  85)  R.  v.  Koeber,  J.  Pauls  Seelenlehre.  E.  Beitr.  z.  öesoh.  d.  Psychol. 
(=  Schriften  d.  Ges.  für  psychol.  Forsch.  Heft  5  [L„  Abel.  1893.  V,  37,  176  S.  M.  7,00],  S.  515-51.)  ||L.  Weiss:  BLU.  1893, 
S.  536.]|  (Auch  selbständ.  pagin.)  —  86)  Job.  Muller,  D.  Seelenlehre  J.  Pauls.  München,  H.  Lüneburg.  33  S.  M.  1,00. 
-  87)  (IV  5:  15.)    |[Grenzb.  3,  S.  187-90;  Geg.  45,  S.  271;  P.  Nerrlich:  BLU.  S.  291/3.]|  -    88)  X  Sinnsprüche  v.  J.  Paul 


R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.   1893,  1894.     IV  3  :  89-iosa 

nisch  herrscht,  sich  nicht  enthalten  kann,  Mangel  für  Mangel  an  den  Dichtwerken 
des  grossen  Bayreuthers  aufzudecken?  M.  führt  den  nie  bestrittenen  Beweis,  dass 
allen  Produktionen  Jean  Pauls  „der  Stempel  der  Büchergelehrsamkeit  beim  Mangel 
lebendiger  Anschauungen  in  Kunst  und  Natur"  aufgedrückt  ist  (S.  370),  ja  er  gesteht, 
dass  bei  aller  Originalität  und  allem  Geislesreichtum  Jean  Pauls  Erzählungsart  „in 
längerer  Darlegung  oft  ungeniessbar"  ist  (S.  37);  und  doch  möchte  er  die  kranke 
Gegenwart  zwingen,  durch  „Ungeniessbares"  zu  gesunden.  Wäre  es  nicht  grausam, 
so  wäre  es  ein  Widerspruch  zu  nennen.88)  — 

Zu  Tiedges  Leben  und  Werken  hat  Mendheim89-90)  nichts  Belangreiches 
beizutragen  gewusst.91)  — 

Zweier  hierher  gehörigen  Freiheitskämpfer  Gedächtnis  ist  erneuert  worden. 
Fr.  Joach.  Phil,  von  Suckow  (1789—1854)  verdankt  Häckermann92)  einen 
kurzen  Artikel  über  sein  Leben  und  seine  schriftstellerischen  Thaten,  unter  denen 
die  Begründung  einer  Wochenschrift  „Sundine.  Litterarisches  Organ  für  die  geistigen 
Bedürfnisse  für  Stadt  Stralsund  und  Gebiet"  (1827)  im  Verein  mit  Lappe  die  grösste 
ist.     Suckow  ging  1833  als  Philhellene  nach  Griechenland.  — 

Fr.  von  Sydow  (1780  -  1845),  von  Mendheim93)  bedacht,  war  eine  Zeit  lang 
Redakteur  des  Sondershausener  Unterhaltungsblattes.  Grössere  Bedeutung  denn  als 
Erzähler  erhielt  er  als  Gatte  der  Wilhelmine  von  Sydow.94)  — 

Auch  H.  von  Kleists95"96)  und  Fr.  Hebbels97)  sei  an  dieser  Stelle  ge- 
dacht. — 

Hinter  den  lückenhaften  Zaun  der  Bezeichnung  „Romantische  Schriftsteller" 
setzen  wir  im  Folgenden  alle  jene  Gestalten,  die  zwischen  der  Zeit  der  Klassiker 
und  des  jungen  Deutschland  ihre  Wirksamkeit  entfaltet  haben.  Für  Tieck  hat 
Roetteken98)  die  schon  früher  behandelte  Gleichstellung'  des  Charakters  der  Haupt- 
person im  „Sternbald"  mit  dem  Dichter  nicht  einmal  recht  wahrscheinlich  zu  machen 
vermocht."-101)  — Willibald  Alexis  Leben  erzählte  Katt102).  — Ein  Brief  Gaudys103) 
aus  Rom,  52.  April  1839,  an  seinen  Verleger  Georg  Hirzel,enthält  die  Klage  um  Chamisso 
einerseits,  andererseits  über  den  geringen  Absatz  seiner  Dichtungen.  Die  biographischen 
Einzelheiten  aus  seinem  römischen  Aufenthalt  werfen  auf  ihn  ein  schöneres  Licht  als 
die  merkwürdige  Bitte  um  eine  „Idee  zu  einer  grösseren  Arbeit,  die  er  in  Deutschland 
beginnen  könnte".104)  —  Die  Ausgabe  der  Werke  Immermanns  durch  Koch  ist  von 
Sohns105)  mit  ungeteiltem  Lobe  angezeigt  worden.  —  Recht  glücklich  scheint  uns 
der  Versuch  von  Schultes's 106),  in  Zeitgenossen  Immermanns  die  Modelle  für  die 
Hauptfiguren  der  „Epigonen"  aufzuspüren.  Hermann  hat,  entschieden  vieles  vom  Dichter 
selbst,  Johanna  gleicht  der  Gräfin  Elise  von  Ahlefeldt  in  der  lebhaften  und  leicht 
entzündlichen  Phantasie,  durch  den  romantischen  Hang  mit  dem  Dasein  zu  spielen, 
ebenso  in  der  Begeisterung  für  das  Vaterland.  Der  Charakter  des  Kammerrates 
Wilhelmi  trägt  wiederum  Züge  des  Dichters.  Der  Fabrikherr  hat  in  dem  Magde- 
burger Kaufmannsgenie  Gottlob  Nathusius  ein  Vorbild.  Medons  Schicksale  deuten 
auf  die  Lebensverhältnisse  Varnhagens,  seine  politische  Eigenart  geht  auf  das  Ver- 
halten des  Jenaer  Privatdocenten  Karl  Folien  zurück;  der  Name  Medon  scheint  aus 
demon  umgewandelt  zu  sein.  Ebenso  wahrscheinlich  ist  es,  dass  der  Kriminalrichter 
vieles  von  E.  T.  A.  Hoffmann  angenommen  hat  usw.  Aber  auch  die  Zeitverhältnisse 
haben  in  bedeutenden  Stücken  Aehnlichkeit  mit  den  im  Roman  geschilderten:  Die 
Epoche  mit  ihren  geheimen  Bünden,  den  politischen  Irrungen  und  Wirrungen  giebt 
in  manchen  Einzelheiten  Anlass  zur  Hindeutung  auf  zeitgenössische  Vorgänge  und 
Ereignisse.  Namentlich  die  Berliner  Kunstsalons  mussten  sich  manche  Ironisierung, 
ja  Karikatur  g-efallen  lassen.  Die  köstliche  und  flotte  Darstellung  Sch.s  verdient 
eigens  hervorgehoben  zu  werden. 107_108a)  —  Dem  Textdichter  des  „Freischütz",   Joh. 


mit  Erklärungen:  Quellwasser  18,  S.  29-30,  44/5,  60,  77,  91,2,  109,  124,  140,  173,  188,  204,  220,  236,  253,  269,  285,  300,  317, 
332.  349,  365,  381,  397,  429,  445,  461,  477,  493.  —  89-90)  M.  Mendheim,  Ch.  A.  Tiedge:  ADB.  38,  S.  281/5.  -  91)  X  *• 
rnstkuchen:  NatZg.  1893,  N.  80.  —  92)  A.  Häckermann,  -  Fr.  .T.  Ph.  v.  Suckow:  ADB.  37,  S.  110,1.  —  93)  M.  Mend- 
heim, F.  r.  Sydow:  ib.  S.  280/1.  —  94)  X  Tn-  Körner,  4  Erzählungen.  (D.  Harfe;  Hans  Heilings  Felsen;  D.  Tauben;  D. 
Rosen.)  L.,  Gressner  &  Schramm.  12°.  52  S.  M.  0,50.  —  95)  X  H  ▼•  Kleist,  Mich.  Kohlhaas.  E.  Erz.  (=  Allg.  Volksbibl. 
N.  12/3.)  Neusalza,  Oeser.  104  S.  M.  0,20.  —  96)  X  id->  Mich.  Kohlhaas:  Texte  allem.,  publie  avec  une  notice  litt.,  nne 
analyse  et  des  notes  par  M.  L.  Koch.  Paris,  Hachette  &  Co.  16°.  XVI,  172  S.  Fr.  1,00.  —  97)  X  Fr-  Hebbel,  Mutter  u. 
Kind.  E.  Gedicht  in  7  Gesängen.  (=  Meyers  Volksbücher  N.  1033.)  L.,  Bibliogr.  Inst.  16°.  76  S.  M.  0,10.  —  98)  H. 
Roetteken,  D.  Charaktere  in  Tiecks  Roman  „Franz  Sternbalds  Wanderungen"  (JBL.  1893  IV  10:42):  ZVLR.  6,  S.  188-242. 
—  99)  X  Friedr.  Baron  de  la  Motte-Fouque,  Undine.  Erzählung.  L.,  Gressner  &  Schramm.  12°.  64  S.  M.  0,50.  —  100)  X 
Jos.  Frhr.  v.  Eichendorff.  Aus  d.  Leben  e.  Taugenichts.  Nov.  L.,  Fiedler.  16".  158  S.  M.  1,20.  —  101)  X  id  •  D-  Marmor- 
bild. Nov.  In  stenogr.  Schrift  übertr.  n.  autogr.  v.  Hans  Herget.  (=:  Reuters  Bibl.  für  Gabelsbergersche  Stenogr.  Bd.  27.) 
Dresden,  Reuter.  12°.  47  S.  M.  0,75.  (Vgl.  I  3:  U.)  —  102)  F.  Katt,  W.  Alexis:  BurschenschBll.  8,  S.  131/3.  -  103)  E. 
Brief  Gaudys:  DDichtung.  15,  S.  77/9.  -  104)  X  F-  Frhr.  v.  Gaudy,  Venetian.  Novellen.  L.,  Gressner  &  Schramm.  12°.  60  S. 
M.  0,50.  —  105)  Sohns,  M.  Koch,  Iramermanns  Werke  [=  DNL.  Bd.  115J:  COIRW.  21,  S.  381.  —  106)  F.  Schultess, 
Zeitgesch.  u.  Zeitgenossen  in  Immermanns  Epigonen:  PrJbb  73,  S.  212-38.  -  107)  X  K.  Immermann,  D.  Oberhof.  (=  Cottasche 
Volksbibl.  N.  45.)  St.,  Cotta.  12°.  296  8.  M.  0,50.  —  108)  X  D  Oberhof.  Aus  Immermanns  Münchhausen.  Klassikerausg. 
111.  v.  B.  Vautier.  5.  Aufl.  Hamburg,  Verlagsanst.  272  S.  M  1,00.  —  108  a)  X  Aventures  du  baron  de  Münchhausen.  Trad. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (4)16y 


IV  3:109-135    R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  1893,  1894. 

Friedr.  Kind,  widmet  Stein109)  ein  Erinnerungsblatt  anlässlich  seines  50.  Todes- 
tages (gest.  1843).  Der  Literaturgeschichte  steht  er  durch  seine  Thätigkeit  in  der 
Leitung  der  „Dresdener  Abendzeitung"  näher  als  durch  die  vergessene  Reihe  seiner 
Novellenbände.  —  Die  Jugendschicksale  eines  als  Romandichters  ebenso  Vergessenen, 
Heinr.  Steffens,  giebt  Marie  Krummacher110)  aus  dessen  selten  gelesener  zehn- 
bändigen Selbstbiographie  wieder.  Steffens  war  ein  Freund  Schellings  und  Schleier- 
machers. Der  fünfzehnjährige  Norweger  will  durch  die  Lektüre  des  Goetheschen  Faust- 
fragments eine  völlige  Wandlung  seiner  religiösen  Anschauungen  in  sich  verspürt 
haben.    Erst  in  hohem  Alter  wandte  er  sich  dem  Romane  zu.  — 

Späte  Töne  der  Romantik  klingen  bekanntlich  auch  leise  durch  Julius 
Mosens  erste  epische  Versuche  durch.  Zschommler111)  führt  die  von  Mosens 
Sohne  Reinhard  nach  dem  Ms.  durchkorrigierten  „Erinnerungen"  des  Dichters,  die 
wir  aus  den  Drucken  von  1863  und  1880  bereits  kennen,  weiter.  Er  wiederholt 
anfangs  die  vom  Poeten  erzählten  Jugendeindrücke,  bloss  um  eine  Reihe  urkundlicher 
Belege  in  die  Darstellung  mitverflechten  zu  können.  Weitabliegende  Familien- 
geschichte wird  im  trockenen  Registerstil  vorgeleiert,  gelegentlich  auch  durch  ein 
Dokument  erwiesen,  dass  Mosen  in  seinen  „Erinnerungen"  geirrt  habe  oder  aus 
poetischen  Gründen  von  der  nakten  Wahrheit  abgewichen  sei;  aber  alles  unwesentlich, 
vieles  überflüssig,  das  meiste  nur  von  lokalem  Interesse  eingegeben  und  darauf  be- 
rechnet. Z.  führt  die  Lebensgeschichte  Mosens  in  unregelmässigem  Tempo,  je  nach- 
dem seine  Quellen  reichlicher  oder  spärlicher  fliessen,  bis  zu  des  22jährigen  Dichters 
italienischer  Reise  (1825)  und  bricht  ab  mit  der  Frage  an  seine  Leser,  ob  ihnen  eine 
Fortsetzung  erwünscht  sei.  Wenn  wir  auch  darauf  antworten  dürfen,  dann:  Aller- 
dings, aber  anders  als  in  diesem  Versuch.  Die  belangreichste  Einzelheit  aus  Mosens 
Studienjahren  ist  der  Brief  vom  19.  Dec.  1822  an  die  Eltern,  worin  ausführlich  der 
Jenaer  Studentenaufruhr  aus  jener  Zeit  von  einem  Augenzeugen  und  einem  in  die 
Verhältnisse  eingeweihten,  wenn  auch  nicht  ganz  objektiven  Zeitgenossen  ausführlich 
geschildert  wird.  Für  die  Jenaer  Studentengeschichte  aus  jenen  Tagen  ist  manches 
aus  dieser  Fortführung  der  „Erinnerungen"  zu  holen.  Für  Mosens  litterarische 
Thätigkeit  ist  daraus  aber  nichts  zu  schöpfen,  abgesehen  von  wenigen  Bemerkungen 
über  tastende  Jugendversuche  des  Gymnasiasten.  —  Was  Katt112)  über  des  Dichters 
Leben  und  Wirken  zu  sagen  weiss,  war  längst  bekannt.  Entschiedene  Zurückweisung 
verdient  aber  der  Bombast  und  Schwulst,  in  dem  der  an  undeutschen  Wendungen 
überreiche  Artikel  sich  bläht.  — 

Aus  der  grossen  Gruppe  der  Jugend-  und  Volksschriftsteller  hat  sich 
für  Musäus  ein  Beitrag  von  Ad.  Stern113)  eingefunden,  der  liebevoll  den  Liebe- 
vollen in  seinem  Leben  und  Schaffen  begleitet.  Eine  lebhafte  Schilderung  des 
vorgoetheschen  Weimar  macht  den  Vf.  und  uns  oft  vergessen,  dass  es  sich  bloss  um 
den  Hintergrund  handelt,  vor  dem  Musäus  zu  erscheinen  hat.  Am  genauesten  und 
anziehendsten  wird  die  Schilderung  des  stillen  und  manchmal  wieder  gar  regen 
Treibens  im  Garten  des  Vf.  der  „Volksmährchen  der  Deutschen",  viel  gründlicher  als 
dies  in  einem  anonymen  Zeitungsartikel114)  geschehen  ist.115-120)  —  Wie  Musäus  ein- 
schlägige Erzeugnisse  ständig  wieder  gedruckt  werden,  so  erscheint  auch  eine  un- 
ablässige Folge  mannigfaltigster  Ausgaben  für  die  Jugend  berechneter  Werke  von 
Gust.    Schwab12'-126),    Niebuh r127"129),    Nieritz130-131),    Reinick 132"135)   usw., 


nouv.  par  Th.  Gautier  fils.  111.  par  G.  Dore.  Nouv.  ed.  Paris,  Jouvet  &  Cie.  4°.  VII,  231  S.  —  109)  Ph.  Stein,  Vom  Freischütz- 
dichter.  E.  Erinnerungsbl.  z.  25.  Juni:  FeuilletZg.  1893,  N.  468.  (Abgedr.  u.  a.  in:  Didask.  1893,  N.  147.)  —  110)  Marie 
Krummacher,  H.  Steffens.  Lesefrüchto  aus  „Was  ich  erlebte":  COIRW.  21,  S.  721-41.  —  111)  J.  Mosen,  Erinnerungen. 
Fortgef.,  erläut.  u.  her.  v.  M.  Zschommler.  Nebst  e.  Vorw.  v.  R.  Mosen.  Plauen,  Neupert.  1893.  IV,  163  S. 
M.  1,50.  (JBL.  1893  IV  1  c  :  73.)  —  112)  F.  Katt,  J.  Mosen:  BnrschenschP.il.  7,  S.  210/3.  —  113)  Ad.  Stern,  Joh.  Karl 
Aug.  Musäus.  (=  N.  22,  S.  129-74.)  —  114)  C.  R.,  D.  Märchendichter  Musäus  u.  sein  Garten:  LZgB.  N.  155.  —  115)  X 
J.  K.  A.  Musäus,  Libussa;  D.  Nymphe  d.  Brunnens.  2  Märchen.  L.,  Gressner  &  Schramm.  92  S.  M.  0,60.  —  116)  X  E. 
Scherling,  D.  3  Rolandsknappen;  Waidewuths  Ring.  Nach  Musäus  bearb.  L.,  Werther.  12°.  63  S.  M.  0,25.  —  117)  X 
F.  Günther,  Rübezahl.  Nach  Musäus  u.  a.  her.  ebda.  12°.  63  S.  M.0,25.  —  118)  X  Musäus,  2  Legenden  v.  Rübezahl,  d. 
Berggeist.  L.,  Gressner  &  Schramm.  12°.  46  S.  M.  0,50.  —  119)  X  i<*.,  D.  Schatzgräber.  E.  Märchen,  ebda.  12°.  55  S. 
M.  0,50.  —  120)  X  T.  Carlyle,  Tales  by  Musaeus,  Tieck  and  Richter.  Transl.  2  vols.  London,  Chapmann.  Sh.  2/6.  — 
121)  X  G.  Schwab,  D.  gehörnte  Siegfried.  D.  schöne  Magelone.  Für  d.  Jug.  wiedererz.  L.,  Gressner  &  Schramm.  12°.  82  S. 
M.  0,60.  -  122)  X  F.  Günther,  D.  Schildbürger.  Nach  G.  Schwab  erz.  L.,  Werther.  12°.  64  S.  M.0,25.  —  123)  X  E. 
Scherling,  D.  schöne  Melusine.  Nach  G.  Schwab  erz.  ebda.  12°.  64  S.  M.0,25.  —  124)  X  H.  v-  Wegern,  Genovefa; 
Hirlanda.  G.  Schwab  nacherz.  ebda.  12°.  64  S.  M.0,25. —  125)  X  0.  Winter,  D.  Schloss  in  d.  Höhle  Xa  Xa  nach  G.  Schwab 
erz.  ebda.  12°.  63  S.  M.  0,25.  —  126)  X  id-*  D-  gehörnte  Siegfried.  Nach  G.  Schwab  erz.  ebda.  12°.  64  S.  M.0,25.— 
127)  X  B-  G-  Niebuhr,  Hist.  Erzählungen  ans  d.  röm.  Gesch.  Für  d.  reifere  Jug.  L.,  Gressner  &  Schramm.  12°.  68  S.  M.  0,60. 
—  128)  X  W-i  Griech.  Heroengesch.,  seinem  Sohne  erz.  ebda.  12".  48  S.  M.  0,50.  —  129)  X  &i  Stories  of  greek  heroes, 
with  notes  by  H.  S.  Heresf  ord  -  W  ebb.  London,  Rivington.  12°.  Sh.  2.  —  130)  X  Gr.  Nieritz,  Ausgew.  Erzählungen  für 
d.  Jugend.  11.,  18.,  19.,  23.  Bd.  (mit  je  1  Titelbild).  L.,  Oehmigke.  12°.  90,  102,  112,  96  S.  ä  M.  0,75.  —  131)  X  >"*-. 
Menzikoff,  a  Story,  trans.  by  L.  H.  Kerr.  London,  Rel.  Tract.  Soc.  Sh.  1/6.  —  132)  X  K>  Reinick,  Geschichten,  Märchen  u. 
Lieder.  Für  d.  Jug.  ges.  Dichtungen.  Mit  Farbendr.-Ill.  gez.  v.  0.  Woite.  2.  Aufl.  L.,  0.  Drewitz  Nachf.  IV,  220  S. 
M.  4,50.  —  133)  X  id.,  Lieder  u.  Erzählungen.  Neu  her.  v.  D.  Theden.  (=  ÜB.  für  d.  Jugend  N.  327/8.)  St.,  Union.  144  S. 
M.  0,40.  —    134)  X  id-.  Ausgew.  Märchen.    L.,  Gressner  &  Schramm.     12°.    78  S.    M.  0,60.  —  135)  X  Reinicks  short  stories. 


R.  Rosenbauin,  Epos  des  18.19.  Jahrhunderts.    1893,  1894.     IV  3  :  136-iss 

unter  denen  wiederum  die  Beliebtheit  Chrph.  von  Schmids  136~169)  namentlich  im 
Ausland  im  steten  Wachsen  begriffen  zu  sein  scheint,  wahrscheinlich  mehr  wegen 
des  einfachen,  klaren  Stils  als  wegen  des  oft  allzu  anspruchslosen  Inhalts.  Es  muss 
den  Anmerkungen  überlassen  bleiben,  darüber  eine  übersichtliche  Rechenschaft  ab- 
zulegen.170-176) — 

Auch  A.  G.  Eberhards  Idylle  „Hannchen  und  die  Küchlein",  deren  sich  die 
Schule  bemächtigt  hat,  finde  hier  ein  Plätzchen,  zumal  es  B liedner177)  für  die 
„schulische"  Besprechung  so  geeignet  findet.178)  — 

Dem  beliebten  Volkserzähler  K.  Stöber  (1796—1865)  hat  Brummer179) 
einige  Worte  gewidmet.180"182)  — 

Neuere  Zeit.  Die  Dorfgeschichte  in  ihrem  Hauptvertreter  Berth. 
Auerbach  wird  von  Katt183)  oberflächlich  behandelt.  Er  schliesst  sich  dabei  vor- 
nehmlich an  E.  Zabels  Skizze  (1882)  an  und  vermisst  bei  aller  Anerkennung  bloss 
den  Humor  in  den  hierher  gehörigen  Dichtungen.  K.  charakterisiert  auch  die  übrigen 
Schöpfungen  Auerbachs  und  kann  sich  in  dem  Tadel  der  dramatischen  nicht  genug 
thun.  Der  Dichter  hat  aber  gerade  damals  noch  selbst  gegen  die  erhobenen  An- 
schuldigungen in  den  posthumen  „Dramatischen  Eindrücken"  184)  glänzend  sich  ver- 
teidigen können.185"187)  — 

Auch  Anzengrubers  Gesamtbild  wird  durch  die  neueste  Gabe  Bettelheims 
und  Chiavaccis188)  nicht  verschoben.  Die  genannten  Herausgeber  haben  im  Auf- 
trage des  Anzengruber-Kuratoriums  die  bisher  nicht  in  Buchform  erschienenen,  aus 
den  letzten  Lebensjahren  des  Dichters  stammenden   Dorfgänge,    Kalendergeschichten 


by  J.  Colville.  London,  Sonnenschein.  Sh.  1,6.  —  136)  X  Chr.  v.  Schniid,  D.  Weihnachtsabend.  D.  Ostereier.  2  Erz.  L., 
Gressner  &  Schramm.  12°.  96  S.  M.  0,75.  —  137)  X  id*  D-  Feuersbrunst.  D  hölzerne  Kreuz.  2  Erz.  für  d.  1.  Jugend. 
St.,  Bardtenschläger.     12°.     72  S.     M.  0,50.   -    138)  X  id->  D-  Lämmchen.     E.  Erz.  für  d.  1.  Jug     obda.     12°.     72  S.     M.  0,50. 

—  139)  X  Regensburger  Zehnpfennigbibl.  für  d.  kath.  Volk  u.  d.  christl.  Jug.  N.  5-18.  Regensburg  u.  München,  Nationale 
Verlagsanst.     12°.     ä  M.  0,10.  (Enth.  20  Erz.  v.  Chrph.  v.  Schmid  u.  4  v.  W.  Bamberger;  d.  Heft  durchschnittlich  zu  4  Bogen.) 

—  140)  X  Chrph.  Schmid,  D.  Weihnachtsabend.  E.  Erz.  St.,  Gundert.  12°.  64  S.  M.  0,20.  -  141)  X  id-,  D.  Ostereier. 
E.  Erz.  ebda.  12".  48  S.  M.  0,20.  —  142)  X  id-<  Pauline,  d.  Kinderfreundin.  E.  Erz.  ebda.  12°.  64  S.  M.0,20.  —  143) X 
id.,  Wie  Heinrich  v.  Eichenfels  z.  Erkenntnis  Gottes  kam.  E  Erz.  ebda.  12°.  47  S.  M.  0,20.  —  144)  X  id-  150  kurze  Er- 
zählungen für  d.  Jug.  Neue  Ausg.  m.  e.  Vorw.  v.  Fr.  Braun.  (2.  Aufl.)  ebda.  12°.  144  S.  M.  0,75.  —  145)  X  id  *  D- 
gute  Fridolin  u.  d.  böse  Dietrich.  E.  lehrreiche  Gesch.  für  Eltern  u.  Kinder.  Neue  Ausg.  (2.  Aufl.)  ebda.  12*.  168  S. 
M.  0,75.  —  146)  X  id  <  Ausgew.  Kinderschrr.  Neue  Ausg.  mit  e.  Vorw.  v.  Fr.  Braun.  15  Bde.  2.  Aufl.  ebda.  12°.  176, 
163,  144,  143,  168,  144,  160,  163,  124,  136,  140,  123  S.  mit  je  1  Titelbild,  ä  M.  1,00.  -  147)  X  ld->  Ludwig,  d.  kleine  Aus- 
wanderer.    Blüten,  d.  blühenden  Alter  gewidm.     Neue  Ausg.   mit  e.  Vorw.  v,  F.  Braun.     2.  Aufl.     ebda.     12°.     104  S.    M.  0,50. 

—  148)  X  id<  Ausgew.  Erzählungen.  5  kurze  Er-/,  für  d.  Jugend  v.  W.  Werther.  (=  Universalbibl.  für  d.  Jug.  N-  326.) 
St.,  Union.  64  S.  M.  0,20.  —  149)  X  id>  Genovefa.  Erz.  In  neuer  Bearb.  her.  v.  11.  Weber.  (=  Jugendfreude.  Ausgew. 
Jugendschriften  her.  v.  M.  Weber.  1.  Serie,  4.  Bd.)  Frankfurt  a.  M.,  Foesser  Nachf.  IV,  93  S.  Mit  3  Taf.  M.  1,25.  — 
150)  X  'd-'  Genoveva.  E.  d.  schönsten  u.  rührendsten  Gesch.  d.  Altertums,  neu  erzählt  für  alle  guten  Menschen,  bes.  für 
Mütter  u.  Kinder.  (=  Meyers  Volksbücher  N.  977/3.)  L.  u.  Wien,  Bibliogr.  Inst.  16°.  122  S.  M.  0,20.  —  151  i  X  id  *  Le 
Rosier,  suivi  de:  la  Mouche.  Trad.  de  l'allemand  par  L.  Friedel.  Tours,  Marne  &  Fils.  1892.  12°.  107  S.  Avec  grav.  — 
152)  X  MU  La  croix  de  Dois-  S»d.  <ie  l'all.  par  L.  Friedel.  ebda.  4891.  12°.  107  S.  Avec  grav.  —  153)  X  **i  La 
Chartrense.  Trad.  de  l'all.  par  L.  Friedel.  ebda.  1892.  12°.  107  S.  Avec  grav.  —  154)  X  id->  Le  serin,  suivi  de  La 
chapelle  de  la  foret.  Trad.  de  l'all.  par  L.  Friedel.  ebda.  1892.  12°.  107  S.  Avec  grav.  —  155)  X  id-  Eustache,  episode 
des  premiers  temps  du  christianisme.  Trad.  de  l'all.  par  L.  Friedel.  ebda.  1892.  12°.  103  S.  Avec  grav.  —  156)  X  "*•< 
Sept  nouveaux  contes  pour  les  enfants.  Trad.  de  l'all.  par  L.  Friedel.  ebda.  1892.  12°.  107  S.  Avec  grav.  —  157)  X 
id.,  Theophile,  le  petit  eremite.  Trad.  de  l'all.  par  L.  Friedel.  16.  ed.  ebda.  1892.  12".  107  S.  Avec  grav.—  158)  X  id-> 
La  famille  chretienne,  suivie  de  nouvelles  historiettes.  Trad.  de  l'all.  par  L.  Friedel.  15.  ed.  ebda.  1892.  12°.  107  S. 
Avec  grav.  —  159)  X  id  •  Le  rossignol,  suivi  de  Deux  freres.  Trad.  de  l'all.  par  L.  Friedel.  ebda.  1892.  12°.  107  S. 
Avec  grav.  —  160)  X  *<!•>  Le  Petit  ramoneur.  Paris,  Inipr.  Lievens.  4°.  11  S.  -  161)  X  Le  Myosotiss,  suivi  de:  Hist.  d'un 
gros  bou,  L'anneau  magique.  Trad.  et  imite  de  Schmid.  Limoges,  Ardant  &  Co.  32°.  64  S.  Avec  grav.  —  162)  X  Les 
dangers  de  l'etnurderie.  Trad.  et  imite  du  chanoine  Schmid.  ebda.  12°.  107  S.  Avec  grav.  —  163)  X  Oeuvres  du  chanoine 
Schmid.  Contes.  Trad.  nouv.  ebda.  210  S.  Avec  grav.  —  164)  X  LTgnorance  et  ses  inconveniants.  '  Trad.  et  imite  du 
chanoine  Schmid.  ebda.  12°.  108  S.  Avec  grav.  —  165)  X  id->  Irlanda,  contessa  di  Bretagna.  Milano,  P.  Carrara.  16°. 
92  S.  —  166)  X  id-  Altri  cento  racconti  pei  fanciulli.  ebda.  16°.  126  S.  — 167)  X  id-i  H  rosaio:  racconto  dedicato  all'adoloscenza. 
ebda.  16°.  94  S.  —  168)  X  id-<  Le  uova  di  pasqua.  (=  Bibl.  pei  fanciulli  N.  34 )  ebda.  90  S.  Con  tavola.  —  169)  X 
id.,  I  due  fratelli.  (=  ebda.  N.  38.)  ebda.  91  S.  Con  tavola.  —  170-71)  X  Contes  allemands  du  temps  passe.  Extr.  des 
recueils  des  freres  Grimm  et  de  Simrock,  Bechstein,  Franz  Hoffmann,  Musaeus,  Tieck,  Schwab,  Winter  etc.  Avec  la  legende 
de  Lorely.  Trad.  par  Felix  Frank  et  K.  Alsleben  et  precedes  d'nne  introd.  par  M.  Ed.  Laboulaye.  3.  ed.  Paris, 
Perrin  &  Co.     1892.     XI,  473  S.    —  172)  X  Arnold,  Fritz  auf  d.  Lande.     (=  Elementary  texts.)     London,  Rivington,     Sh.  3  6. 

—  173)  X  K-  F.  Becker,  Ulysses  u.  d.  Kyklop,  by  W.  S.  Lyon  ebda.  Sh.0,9.  —  174)  X  Franz  Hoffraann,  Heute  mir,  morgen 
dir.  With  notes  by  J.  H.  Mau  de.  Oxford,  Wareh.  Sh.  2,00.  —  175)  X  H.  W.  v.  Riehl,  D.  vierzehn  Nothelfer,  by  R.  E. 
Macnaghten,  London,  Sonnenschein.  Sh.  1,60.  —  176)  X  J-  Trojan,  Struwelpeter  jun.,  transl.  froin  the  german.  London, 
Jarrold.  Sh.  1/6.  —  177)  A.  Bliedner,  A.  G.  Eberhards  Hannchen  u.  d.  Küchlein,  her.  v.  M.  Jahn  (JBL.  1893  I  7  :  S7): 
PädStud.  15,  S.  117/9.  —  178)  X  A.  G.  Eberhard,  Hannchen  u.  d.  Küchlein.  E.  Idylle.  (=  Meyers  Volksbücher  N.  979-80.) 
L.,  Bibliogr.  Inst.  16°.  95  S.  M.  0,20.  -  179)  Fr.  Brummer,  K.  Stöber:  ADB.  36,  S.  274  5.  —  180)  X  F.  Frommel,  Ges. 
Schrr.  Erzählungen  für  d.  Volk  Aufsätze  u.  Vortrr.  mannigf.  Inh.  in  e.  fortlauf.  Reihe  v.  Bdchn.  10.  Bdch.  Nachtschmetter- 
linge. B.,  Wiegandt  &  Grieben.  VIII,  227  S.  Mit  Bild.  M.  2,50.  —  181)  X  Maxim.  Schmidt,  Volkserzählungen.  Gesamt- 
ausg.    In  12  Bdn.     München,  Seitz  &  Schauer.  1893-94.  135,    160,  168,  224,  216,  138,  240,  178,  174,  196,  224,  220  S.   ä  M.  2,50. 

—  182)  X  J-  Steck,  D.  Tharerwirt,  e.  Tiroler  Held  v.  J.  1S09.  Gesch.  Erz.  (=  Tiroler  Volksbücher  1.  Bd.)  Inns- 
bruck, Wagner.  1892.  V,270S.  M.  1,60.  -  183)  F.  Katt,  B.  Auerbach:  BurschenschBH.  7,  S.  44/6.  -  184)  X  F-  Engel,  Auerbachs 
dramat.  Eindrücke  (JBL.  1893  IV  3:314):  Zeitgeist  1893,  N.  14  5  —  185)  X  B-  Auerbachs  Schriften.  Volksansg.  1.-60.  Lfg. 
St.,  Cotta.     ä  3  Bogen,     ä  M.  0,25.    —    186)  X  id>  L*  seconde  mere.     Trad.  de  l'all.  par  B.  Meyer.     Paris,  Gedalge.     270  S. 

—  187)  X  ld>  La  Alle  aux  pieds  nus,  nouvelle.  Imite  de  l'all,  avec  de  l'autorisation  de  l'auteur,  par  J.  Gourdault. 
3.  ed.  Paris,  Hachette  &  Co.  207  S.  (Mit  72  Grav.  v.  B.  Vautier  )  Fr  2,00—  188)  [A.  Bettelheim  u.  V.  Chiavacci], 
Letzte  Dorfgänge,  Kalendergeschichten  u.  Skizzen  aus  d.  Nachl.  v.  L.  Anzengruber.  St.,  Cotta.  VIII,  487  S.  M.  5,00.  |[DRs.  81, 
S.  319;    L.  G(eiger):    Nation«.  11,  S.  646:    E.  Heilborn:    Geg.  45.  S.  343/4:    N.SS.  70,  S.  135;    Th.  v.  Sosnosky:   DR.  4, 

(4)16/* 


IV  3  :  188a- 208  R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.    1893,  1894. 

und  Skizzen  gesammelt  vorgelegt.  Diese  Handlungsweise  entsprach  den  Absichten 
des  Dichters,  der  die  Drucke  und  Mss.  zu  diesem  Zwecke  selbst  zurechtgelegt  hatte. 
Die  Herausgeber  sind  dadurch  gegen  den  Vorwurf  geschützt,  dass  manches  Minder- 
wertige ans  Tageslicht  kam,  wozu  in  erster  Reihe  die  drei  „Mären  aus  alter  Zeit" 
zu  rechnen  sind.  In  diesem  Sattel  war  der  feine  Charakteristiker  nicht  gerecht. 188a_18!l)  — 

Den  Reigen  der  Vf.  historischer  Romane  eröffne  A.  R.  Karl  Spindler, 
dem  Fränkel190)  eine  Charakteristik  widmet.  F.  schliesst  sich  an  Goedekes  bekannte 
Verhimmelung  an  und  motiviert  sie  gleichfalls  durch  den  Hinweis  auf  die  bedeutenden 
Zeitbilder  mit  dem  politischen,  fast  modern  gezeichneten  Hintergrund.  Spindlers 
Roman  „Der  Bastard"  (1826)  gilt  auch  F.  für  eines  seiner  bedeutendsten  Werke.  Auf 
der  Höhe  seines  Schaffens  zeige  ihn  „Der  Jude"  (1827),  ein  Sittenbild  aus  dem  15.  Jh., 
wo  auch  die  Charakteristik  am  meisten  in  die  Tiefe  gehe.  Spindler  war  einer  der 
fruchtbarsten,  auch  vielgelesensten  Schriftsteller  der  30er  und  40er  Jahre.  Es  fehlte 
ihm  aber  an  Ruhe  und  Selbstzucht,  um  seine  bedeutenden  Anlagen  richtig  zu  ver- 
werten.101) —  L.  F.  Stolles  Wirksamkeit  wird  gleichfalls  von  Fränkel l!)2),  allerdings 
recht  abschätzig  beurteilt.  Mehr  als  seine  Romane  machten  ihn  die  Zeitschriften 
bekannt,  die  er  begründete  und  redigierte,  namentlich  die  „Gartenlaube",  die  ur- 
sprünglich als  Beilage  erschienen  ist,  jedoch  bald  zu  einem  verbreiteten  Organ  heran- 
wuchs. (Unter  einer  „ausgedehnten"  Zeitschrift  denkt  sich  F.  wohl  eine  weitver- 
breitete ?).— Auch  L.  Storch  widmet  Fränkel193)  seine  Feder.  Er  findet,  dass  die 
Anfänge  Storchs  romantische  Uranlage  verraten;  das  Stoffliche  und  Abenteuerliche 
waltet  bei  ihm  vor.  Dafür,  dass  Storch  auch  in  seiner  späteren  Produktion  die  Tra- 
ditionen der  Romantik  in  gewissem  Sinne  fortsetzt,  hat  F.  einen  deutlichen  Beleg  in 
dessen  Uebersetzung  aus  dem  Französischen  des  Keratry  „Friedrich  Styndall  oder 
die  verhängnisvollen  Jahre"  1828,  die  sämtlichen  Biographen  bisher  entgangen  war, 
gefunden.  —  F.  W.  L.  Tarnowski  wird  von  Brummer194)  mehr  als  Mensch  denn 
als  Schriftsteller  gerühmt.  — 

Dahns195)  „Erinnerungen"  sind  an  anderer  Stelle  genügend  gewürdigt 
worden.196  197)  —  In  gleicher  Weise  genüge  für  Ebers198)  Selbstbiographie199"200) 
der  Hinweis  auf  eine  andere  Besprechung  dieser  JBL.201  206)  — 

Adolf  Glaser  widmet  Fokke207)  liebevolle  Aufmerksamkeit.  „Herz- 
erquickende Treuherzigkeit  und  Einfalt"  rühmt  er  besonders  an  seinen  historischen 
Romanen  und  lobt  es,  dass  dabei  die  höchsten  Probleme  der  Menschheit  dennoch 
einen  würdigen  Ausdruck  finden.  Er  ergeht  sich  des  weiteren  im  Anschlüsse  daran 
in  allgemeinen  Betrachtungen  über  diese  Romanspecies,  wobei  er  sich  vielfach  mit 
Julian  Schmidts  Aeusserungen  über  den  gleichen  Gegenstand  berührt.  Und  als  Folge 
dieser  Betrachtungen  spielt  er  Glasers  Tendenzlosigkeit  in  politischer  Beziehung  gegen 
Gustav  Freytags  Zweckmässigkeit  als  bedeutenden  Vorzug  aus.  — 

Gustav  Frey  tag  selbst,  das  hervorragendste  Talent  in  dieser  Gruppe,  ist  durch 
Roth208)  einsichtig  und  gerecht  vor  einem  Zuhörerkreise  von  Schülern  charakterisiert 
worden.  Gerade  vor  einem  solchen  Publikum  ist  der  einleitende  Kanonendonner  gegen  die 
moderne  Richtung  der  Litteratur  zum  mindesten  ein  gefährlich  Spiel,  besonders  wenn  der 
Vortragende  sich  genötigt  sieht,  von  den  sogenannten  „Verirrungen",  die  er  auf- 
zuzählen vergessen  hat,  zu  den  „unbestreitbaren  Verdiensten"  sich  zu  wenden,  um 
seinem  Helden  ein  Ehrenplätzchen  in  dem  verpönten  Bannkreis  anzuweisen.  Die  kurze 
Skizze  von  Freytags  Lebensgang  nennt  mit  Recht  Walter  Scott  und  Dickens  unter 
denen,  die  am  nachhaltigsten  auf  den  Dichter  gewirkt  haben.  Unbestreitbar  liegt 
auch  Freytags  Stärke  in  der  Meisterschaft  des  Stils,  die  R.  mit  wenigen  gedrungenen 
Worten  scharf  hervorhebt.     Für  den  grossen  Erfolg   des  Romans    „Soll  und  Haben" 


S.  377;  M.  Necker:  NFPr.  N.  10671.]!  —  188a)  X  A-  Müller-G nttenbrunn,  L.  Anzengruber.  (—  Im  Jh.  Grillparzers. 
Litt.-  u.  Lebensbilder  aus  Oesterreich  [JBL.  1893  IV  4:270],  S.  150-89.)  (Betrachtet  vornehml.  d.  dramat.  Arbeiten;  für  d. 
erzählenden  Werke  fällt  nichts  ab.)  —  189)  X  L-  Anzengruber,  D.  Schandfleck.  E.  Dorfgesch.  3.  Aufl.  (=  Anzengrubers 
Dorfromane.     1.  Bd.)     L.,  Breitkopf  &  Härtel.     422  S.     M.  3,50.    —   190)  L.  Fränkel,    A.  R.  K.  Spindler:  ADB.  35,  S.  200/2. 

—  191)  X  K-  Spindler,  D.  Bastard.  B.  dtsch.  Sittengesch.  aus  d.  Zeitalter  Kaiser  Rudolfs  II.  4  Tle.  St.,  Malcomes.  12°. 
254,  264,  233,  193  S.     M.  3,00.    —    192)  L.  Fränkel,  L.  F.  Stolle:  ADB.  36,  S.  786/8.    —    193)  id..   L.  Storch:  ib.  S.  439-42. 

—  194)  F.  Brummer,  Fr.  W.  Ladisl.  Tarnowski:  ib.  37,  S.  402.  —  195)  (IV  lc:523.)  —  196)  X  F.  Dabn,  Julian  d.  Ab- 
trünnige. Gesch.  Roman  in  3  Bd.  L.,  Breitkopf  &  Härtel.  1893.  284,  489,  603  S.  M.  21,00.  |[Grenzb.  1,  S.  495-504;  1.  h.: 
DDichtung.  15,  S.  127;  O.  J.:  N&S.  67,  S.  135/6;  W.  Kreiten:  StML.  46,  S.  285-302,  413-40.]|  -  197)  X  Wolfgang,  F. 
Dahn,  Julianus  de  Afvallige:  NedSpect.  S.  41/3.  —  198)  (IV  lo:912.)  |[DDichtung.  13,  S.  104,  179-80;  WIDM.  76,  S.  124/5; 
LCB1.  1893,  S.  1759;  C.  Ziegler:  DB11EUB.  21,  S.  2;  H.  Klein:  Presse  1893,  N.  93.]|  -  199)  X  id.,  Aus  meiner  Kindheit: 
DDichtung.  13,  S.  98-103.  (E.  Bruchstück  aus  N.  198.)  —  200)  X  Th-  Vernaleken,  D.  Lebensgesch  d.  G.  Ebers  mit 
Rucks,  auf  d.  Fröbelsche  Anst.  in  Keilhau:  Paed.  15,  S.  387/8.  (Ebenfalls  e.  Bruchstück  aus  N.  198,  S.  193 ff.)  —  201)  X 
G.  Ebers,  Ges.  Weike.  1.-44.  Lfg.  St.,  Verl.-Anst.  ä  5  Bogen,  ä  M.  0,60.  |[DRs.  77,  S.  475;  L.  Frey  tag:  COIRW.  21, 
S.  499,  22,  S.  235/6;  Qucllwasser  18,  S.  826.] I  —  202)  X  id-.  Ira  Schraiedefeuer.  Roman  aus  d.  alten  Nürnberg.  2  Bde. 
St.,  Dtsch.  Verl.-Anst.  304,  307  S.  M.  10,00.  —  203)  X  id.,  Kleopatra.  Hist.  Roman.  9.,  neu  durchges.  Aufl. 
ebda.  X,  272  S.  M.  8,00.  |[L.  Frey  tag:  COIRW.  22,  S.  235/6;  BURS.  61,  S.  628/9.]  j  -  204)  X  id.,  Cleopatra,  a 
Romnnce.  Transl.  by  Mary  J.  Safford.  2  vol.  London,  Low.  Sh.  6.  —  205)  X  Wolf  gang:  Über  N.  203:  NedSpect. 
S.  177  8.  —  206)  X  id-  Per  "spora.  From  the  german  by  Clara  Bell.  2  vol.  18°.  London,  Low.  Sh.  4.  -  207)  A. 
Fokke,    Hist.  Romane:    Geg.  46,  S.  41/3.   —   208)    K.  Roth,    G.  Freytag.    Rede,   geh.  1894  ira  kgl.  Realgymn.  in  Stuttgart: 


R,  Rosenbaura,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  1893,  1894.     IV  8:209-220 

wird  neben  den  Zeitumständen  auch  ein  innerer  Grund  betont,  nämlich  die  persön- 
lichen Vorzüge  des  Dichters,  die  in  seinem  Gemüt  und  der  davon  gefärbten  Auf- 
fassung' des  Lebens  wurzeln.  Der  Einklang-  Freytagscher  Theorie  und  Praxis  in 
Bezug  auf  das  Kunstgesetz  ist  zu  Unrecht  in  Gegensatz  gestellt  zu  Spielhagens 
etwas  schärfer  formulierter  Kunstübung  und  müsste  erst  bewiesen  werden,  um  recht 
glaubhaft  zu  sein.  Niemand  zweifelt,  dass  auch  Frevtag  sich  oft  an  Modelle  hielt, 
um  seine  Figuren  mit  realem  Leben  zu  füllen.  Wir  stimmen  jedoch  mit  R.  darin  voll 
überein,  dass  es  ein  ungerechter  Vorwurf  gegen  Freytags  „Ahnen"  ist,  als  habe  er  zu 
viel  antiquarische  Gelehrsamkeit  hinein  verflochten.  —  Statt  der  Charakteristik  begnügt 
sich  Weber209)  mit  weitläufigen  Citaten  aus  Freytags  Werken  und  Anführung  von 
O.  von  Leixners  Worten.  Ihm  gilt  Kunz  von  der  Rosen  als  Schlüssel  zu  Freytags 
sämtlichen  Charakteren;  und  Kunz  von  der  Rosen  wieder  als  geschichtliche  Ver- 
tiefung des  idealen  Typus.  Also  hie  Idealismus,  hie  Realismus!  In  der  Würdigung 
des  Dichters  aber,  namentlich  seiner  epischen  Schöpfungen,  weichen  W.s  Ergebnisse 
von  denen  Roths  nicht  ab.  W.  nennt  „Soll  und  Haben"  ganz  treffend  eine  „Stadt- 
geschichte" im  Hinblick  auf  den  weiten  Boden,  den  vor  1855  die  Dorfgeschichte  ge- 
wonnen hatte,  ja  er  hat  seine  Begeisterung  für  den  Idealismus  eines  Kunz  von  der 
Rosen  schon  vergessen  und  preist  nun  auch  den  Sieg  des  Realismus,  den  dieser 
Roman  Freytags  entschieden  habe.  —  Sprenger210)  hat  im  2.  Bande,  1.  Abteilung  der 
„Bilder  aus  der  deutschen  Vergangenheit"  einen  Uebersetzungsfehler  Freytags  ent- 
deckt: statt  „Thorgeld  für  das  Höllenfeuer"  soll  es  richtig  heissen  „Abhülfe  gegen 
das  Höllenfeuer".211)  —  Bartels212)  wehrt  sich  mit  Recht  dagegen,  dass  Conrad 
Alberti  seinen  Börsenroman  „Schröter  u.  Cie."  als  eine  Fortsetzung*  von  Freytags 
„Soll  und  Haben"  angesehen  wissen  möchte.  Eine  ausführliche  Inhaltsangabe  be- 
kräftigt diese  Abwehr.213"214)  — 

Nahe  Verwandtschaft  mit  Freytags  Epen  in  ungebundener  Sprache  zeigen 
stofflich  auch  die  einiger  anderen  Dichter,  in  erster  Reihe  J.  V.  von  Scheffels. 
So  verfolgt  Zernin215)  des  Dichters  Besuche  auf  der  WTartburg,  die  für  Scheffel  und 
seinen  poetischen  Beruf  eine  Art  symbolischen  Heiligtums  bedeutete,  und  kennzeichnet 
das  nahe  Verhältnis,  in  das  er  zu  dem  langjährigen  Kommandanten  der  Festung, 
Bernhard  von  Arnswald,  getreten  war.  Ihn  charakterisiert  Z.  mit  Hilfe  von  Auf- 
zeichnungen des  Nachfolgers  eines  Bruders  des  Genannten.  Bernhard  von  Arnswald 
stand  als  jung'er  Offizier  dem  Grossherzog*  Karl  August  von  Weimar  gegenüber,  der 
wieder  Goethe  auf  das  Zeichentalent  des  Autodidakten  aufmerksam  machte.  Seit 
1840  war  er  Schlosshauptmann  auf  der  Wartburg.  Kleine  poetische  Erinnerungen 
an  Scheffels  Verkehr  und  Freundschaft  mit  ihm  werden  wachgerufen.  Z.  gedenkt 
bei  Gelegenheit  des  vorletzten  Besuches  Scheffels  im  Thüringer  Land  (Sept.  1873) 
eines  Festspieles  unter  dem  Titel  „Der  Brautwillkomm  auf  der  Wartburg  im  Sep- 
tember 1873",  das  anlässlich  der  „Hochg-ezitsnachfeier"  des  Erbgrossherzogs  zur  Dar- 
stellung- kam.  Darin  treten  der  Reihe  nach  auf:  Frau  Aventiure,  der  getreue  Ekkard, 
König  Etzel,  Chrimhüde,  Landgraf  Hermann  mit  den  sieben  Meistersingern,  die 
heilige  Elisabeth  und  zum  Schluss  Luther  als  Junker  Georg",  der  den  Segen  über  das 
junge  Fürstenpaar  spricht.  Dieses  Festgedicht  ist  bloss  seinerzeit  in  der  Eisenacher 
Zeitung  veröffentlicht  worden,  fehlt  also  in  allen  Sammlungen  der  Scheffeischen  Ge- 
dichte.216) —  Artaria217)  zeichnet  das  Bild  der  Herzogin  Hedwig  von  Schwaben  nach 
Scheffels  Quelle  und  bringt  den  historischen  Charakter  mit  dem  dichterischen  in 
Einklang.  Die  herben  Züge  der  geschichtlichen  Hedwig  soll  Scheffel  demnach  nicht 
gefälscht,  sondern  nur  verklärt  haben.  Wenn  auch  nichts  darüber  überliefert  ist,  so 
steht  die  dichterische  Figur  in  keinem  unvereinbaren  Gegensatz  zu  dem  Original, 
dem  die  poetischen  Empfindungen  gar  wohl  zuzutrauen  sind.  Stärkere  Eingriffe 
in  die  geschichtlichen  Thatsachen  hat  sich  der  Dichter  allerdings  bei  Ekkehard  selbst 
gestattet.  Die  St.  Galler  Chronik  weiss  nur  von  einem  durch  körperliche  Schönheit 
ausgezeichneten  Pförtner  zu  erzählen,  den  Scheffel  noch  mit  vielen  anderen  Gaben 
des  Himmels  und  der  Erde  ausgestattet  hat.218-219)  — 

Aus  der  Hochflut  von  Aufsätzen  grösseren  und  kleineren  Umfanges  über  den 
Dichter  von  „Dreizehnlinden",  Fr.  W.  Weber,  verdient  einzig  Keiters220)  Studie  Be- 
achtung.   An    der  Hand    der   Werke    Webers   lernen   wir   das   Leben,    die    Lebens- 


BBSW.  N.  14/5.  —  209)  Ludw.  Weber,  G.  Frey  tag,  e.  soc.  u.  kulturhist.  Dichter.  Vortr.  (=  Samml.  theol.  u.  soc.  Reden 
u.  Abhandl.  IV.  Serie,  3.  Lfg.)  L„  Wallmann.  1893.  32  S.  M.  0,40.  |[LZgB.  N.  109.]|  -  210)  R.  Sprenger,  Za  G.  Freytags 
„Bildern  aus  d.  dtsch.  Vergangenheit1*:  ZDÜ.  7,  S.  5023.  —  211)  X  K-  Landraann,  Zu  G.  Freytags  „Ahnen":  ib.  S.  271.  — 
212)  Ad.  Bartels,  E.  Forts,  v.  G.  Freytags  „Soll  u.  Haben«:  Didask.  1S93,  N.  195.  -  213)  X  G-  Freytag,  Soll  u.  Haben. 
For  Scheel  use  by  Hanby  Crump.  London,  Whittacker.  12°.  Sh.  2,6.  —  214)  X  ><•■>  Erhebung  Preussens.  By  Siepman. 
London,  Rivington.  Sh.  2.  —  215)  G  Zernin,  J  V  v.  Scheffel  auf  d.  Wartburg:  Didask.  N.  33.  -  216)  id.,  J.  V.  v.  Scheffel 
in  Rom:  SaramlerA.  1893,  N.  107.  (Aus  d.  NorddAZg.)  —  217)  R  Artaria,  Herzogin  Hedwig,  d  Heldin  des  „Ekkehard": 
Gartenlaube  S.  364/5.  —  218)  X  Jungdeutschland  3,  S.  30.  —  219)  X  The  trumpeter.  By  J.  V.  v.  Scheffel.  Transl.  by 
Jessie  Beck  and  Lonise  Lorimer.  With  introd.  by  Th.  Martin.  London,  Blackwoods.  Sh.  36.  [Ac.  44,  S.  149.]|  — 
220)  H.  Keiter,  Fr.  S.  Weber,  D.  Dichter  v.  „Dreizehnlinden".     E.  Stud.     4.,  verm.  u.  verb.  Aufl.    Mit  e.  Portr.    Paderborn, 


IV  8:221-23-2    R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./ 19.  Jahrhunderts.    1893,  1894. 

auffassung  und  die  weitgesteckten  Ziele  des  greisen  Dichters  auf  den  ver- 
schiedensten Gebieten  seiner  Wirksamkeit  kennen  und  schätzen.  In  die  Worte  „Bete 
und  arbeite"  könnte  man  diese  aufschlussreichen  Kapitel  kurz  fassen.  Mag'  man  auch 
politisch  anders  denken  als  der  Centrumsabgeordnete  Weber  und  sein  Gefolgsmann 
und  Biograph  K.,  so  gesteht  man  dem  erfahrenen  Manne  gerne  das  Recht  zu,  über 
die  Mitwelt  von  hoher  Warte  aus  zu  urteilen,  in  Sprüchen,  die  oft  den  Xenien  unserer 
Klassiker  nahekommen  (S.  17).  Es  ist  recht  bemerkenswert,  dass  der  erste  Plan  zu 
dem  weitverbreiteten  Epos  thatsächlich  erst  in  das  J.  1874  oder  75  fällt,  da  der 
Dichter  schon  das  sechzigste  Lebensjahr  überschritten  hatte.  Ein  Brief  Webers  an 
den  Gymnasialdirektor  Werneke  in  Montabaur  giebt  darüber  sicheren  Aufschluss 
(S.  10).  Weiss  man  die  manchmal  übertriebenen  Lobpreisungen  K.s  auf  das  richtige 
Mass  herabzumindern,  so  erhält  man  eine  durchsichtige  Analyse  des  Hauptwerkes, 
seiner  äusseren  und  inneren  Schönheiten.  Weber  zeigt  sich  auch  als  Meister  in  der 
Komposition,  im  geschlossenen  Aufbau  und  in  der  streng  einheitlichen  Durchführung' 
der  Handlung  (S.  51  —  56).  Die  Andeutungen  K.s  über  die  Stilmittel  sind  allerdings 
etwas  kärglich  (S.  56—60)  und  hätten  füglich  auf  Kosten  der  angehängten  Moral- 
predigt an  die  junge  Dichtergeneration,  sich  an  Weber  „zu  bilden",  ausgedehnt 
werden  können.  Dieses  Zöpfchen  (S.  61/4),  offenbar  nur  zur  Füllung  des  letzten 
Bogens  berechnet,  nimmt  sich  recht  verwunderlich  aus :  „Unsere  jungen  Dichter 
sollten  immer  zu  'Dreizehnlinden'  zurückkehren  und  an  dem  herrlichen  Werke  die 
Gesetze  der  Dichtkunst  studieren,  die  immer  dieselben  sind,  und  von  Weber  mit  dem 
Instinkt  des  Dichters  und  dem  feinen  Takt  des  Künstlers  befolgt  sind." — Hoebers221) 
Festschrift  kenne  ich  bloss  aus  der  tadelnden  Recension  der  KonsMschr.,  die  mit 
Recht  hervorhebt,  dass  eine  Paraphrase  poetischer  Werke  in  Prosa  keine  litterar- 
historische  Würdigung  ist;  dazu  kommt  der  reklamehafte  Ton,  in  dem  geradezu 
katholische  Propaganda  mit  der  Dichtung  getrieben  wird  und  das  Hineinziehen 
fremder  Elemente  zu  gleichem  Zwecke.  —  Vielfach  einseitig,  zum  grössten  Teil  im 
Lob  überschwenglich  ist  die  übrige  Serie  von  Festartikeln,  die  alle  mit  bekannten 
Daten  arbeiten.222"226)  —  B rieger227)  allein  betrachtet  Webers  neuestes  Epos  „Goliath" 
ganz  sachlich.  Er  findet  die  Darstellungsform  ganz  und  gar  an  die  Art  der  Ein- 
schachtelung  der  Romantiker  gemahnend.  Der  Dichter  giebt  eine  Rahmenerzählung, 
in  der  er  selbst  in  Beziehung  zu  den  handelnden  Personen  tritt.  Das  Epos  hat  be- 
kanntlich mit  dem  biblischen  Helden  nichts  zu  schaffen.  Vielmehr  geht  der  Stoff  auf 
eine  norwegische  Geschichte  zurück,  die  der  Maler  Magnus  dem  Dichter  erzählte. 
„Goliath"  ist  ein  Hoheslied  der  Entsagung  über  das  Grab  hinaus,  dessen  Haupt- 
figuren weniger  unsere  Sympathie  als  unsere  bewundernde  Ehrfurcht  wecken.228)  — 

Ein  anderer  Dichter,  der  nach  seinen  Stoffen  gern  in  die  deutsche  Vorzeit 
greift,  Julius  Wolff229),  erzählt  die  Geschichte  seines  Erstlingswerks  „Till  Eulen- 
spiegel redivivus".  Was  er  aus  seiner  zartesten  und  zarten  Jugend  bei  der  Gelegen- 
heit verrät,  bleibe  dem  Biographen  zur  Verwertung  vorbehalten.  Volkstümliche  Sagen 
und  Heldengestalten  zogen  ihn  besonders  an,  vorzüglich  Till  Eulenspiegel  und  der 
Rattenfänger  von  Hameln.  Er  wählte  vorerst  den  ersteren  zum  Helden  seines  Ge- 
sanges und  —  schrieb  darauf  los,  ohne  Plan,  ohne  Fabel  und  Handlung,  was  ihm  ge- 
rade einfiel.  Das  ist  karger  Verrat  an  den  Geheimnissen  seiner  Werkstatt.  —  Richtig 
und  dankenswert  ist  Sprengers230)  Lesefrucht,  dass  ein  Vers  im  12.  Abenteuer 
der  „Lurlei"  auf  eine  Bemerkung  Unlands  in  seinen  „Hoch-  und  Niederdeutschen 
Volksliedern"  zurückgehe.  — 

Wenden  wir  uns  vor  einer  landschaftlichen  Durchstreifung  des  Gebietes  den 
Dialektdichtungen  zu,  so  gebührt  vorerst  ein  kurzes  Wort  den  allgemeinen 
Betrachtungen  Möllers231),  der  zu  erweisen  sucht,  dass  die  Zeit  der  poetischen 
Hegemonie  des  Dialekts  in  Deutschland  vorüber  ist.  Nur  der  Ueberdruss  an  der 
hoffnungslos  gewordenen  Politik  habe  den  Dialekt  in  den  fünfziger  Jahren  begünstigt, 
und  dieser  Strömung  verdankten  grosse  Talente  ihre  plötzlichen  Wirkungen.  Doch 
muss  auch  M.  gestehen,  das  wirkliche  Volkspoesie  in  der  „Dialektsprache" (?)  auch 
in  ganz  besonderen  Fällen  entstehen  könne.  Seine  Untersuchung  stützt  sich  aber  auf 
ganz  subjektive  Geschmacksurteile  und  ist  deshalb  mehr  anregend  als  ergebnisreich.  — 

Fritz  Reuter  lässt  Möller  voll  gelten.  In  ihm  feiert  auch  Doenges232)  den 
grössten  deutschen  Humoristen,  nicht  so  sehr  wegen  der  entschiedenen  Naturwahrheit 


Schöningh.  64  S.  M.  0,60.  —  221)  O  K.  Hoeber,  Fr.  W.  Weber.  Sein  Leben  n.  seine  Diebtungen.  Mit  Portr.  u.  Fncs. 
ebda.  108  S.  M.  1,00.  |[R.  König:  Daheim  N.  30;  O.  K.:  KonsMschr.  S.  77S.]|  -  222)  X  L.  Wattendorff ,  Fr.  W.  Weber: 
KZEU.  43,  S.  289-301,  337-51  —  223)  X  <*•  Kreyenberg,  Fr.  W.  Wober,  D.  Dichter  v.  „Dreizehnlinden":  VelhlvlasMh.  1893  : 
2,  S.  456-64.  —  224)  X  *'•  W.  Weber,  D.  Dichtor  d.  Epos  „Droizehnlindon«:  ÜLftM.  72,  S.  062.  -  225)  X  *■■  Fr.,  Fr. 
W.  Weber:  IllZg.  102,  S.  399.  —  226)  X  h  Ledebnr,  Fr.  W.  Weber:  Quelhvasser  18,  S.  507,8.  —  227)  Ad.  B  rieger, 
F.  W.  Weber,  Goliath  (JBL.  1892  IV  3:  147):  Bliü.  1S93,  S.  219-20.  -  228)  X  F-  w-  Weber,  Deklamationen  u.  Lieder  zu  d. 
Dreizehnlinden-Aufführ.  Festspiel  in  7  Bildern.  In  Musik  gos.  v.  A.  v.  Arndts.  Crefeld,  (Ilolfmann  &  van  Acken).  1393.  34  S. 
M.  0,30.  -  229)  Jul.  Wolff,  Mein  Erstling  „Till  Eulenspiegel  redivivus":  DDichtnng.  18, 8. 229-32.  -  230)  R.Sprenger, 
Zu  Jul.   Wolfts  Lurlei:  ZD1I.  8,  8.  124.    -  231)  C.  Möller,  Z.  dtsch.  Dialoktlitt.  i  NatZg.  1893,  N.  727.  —  232)  W.  D  o  e  ng  e  s, 


R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.   1893,  1894.     IV  3  :  233-255 

seiner  Gestalten  als  aus  der  Erkenntnis  heraus,  dass  echter  rechter  Humor  nur  der 
ist,  bei  dem  „Schmerz  und  Scherz  sich  zu  einem  Ganzen  mischen".  An  „Onkel 
Bräsig"  wird  das  gezeigt.  Und  so  erscheint  denn  D.  der  „immerirte  Entspekter"  als 
die  eigentliche  Hauptgestalt,  als  der  „humoristische  Held"  des  Romans  „Ut  mine 
Stromtid".  „Den  grössten  Vorbildern  humoristischer  Gestalten  g'iebt  sie  nichts  nach 
und  darf  sich  kühnlich  neben  einen  Falstaff  und  Don  Quixote  stellen".  —  Neue  Er- 
innerungen von  und  an  Fritz  Reuter  bringt  wiederum  Gaedertz233).  Am  2.  Aug. 
1858  soll  in  Rostock  „eine  Originalposse  mit  Gesang  in  drei  Wetten"  unter  dem 
Titel  „Das  ist  ja  der  August!  oder  Küssen  und  Wetten"  über  die  Bretter  gegangen 
sein.  Das  Ms.  ist  verloren,  die  Urteile  darüber  sind  wenig  lobend.  Interessanter  ist  der 
launige  Brief  über  das  Lustspiel  „Die  drei  Langhälse",  desgleichen  ein  anderer,  der 
auch  nur  Ergänzungen  zu  G.s  Reuterreliquien  und  -Studien  bringt.  In  einem  Brief 
an  den  Buchhändler  Erhardt  Quandt  in  Leipzig  erklärt  Reuter  „olle  Kamellen"  als 
„alte  Geschichten,  die  einem  nicht  mehr  recht  schmecken  wollen,  weil  ihnen  das 
Aroma  der  Neuheit  fehlt,  etwa  ebenso  wie  bei  den  Meidiuger-Anekdoten",  und  der 
Witz  des  Ausdruckes  liege  darin,  dass  alte  Kamillen  auch  keine  Wirkungen  mehr 
ausüben  (21.  April  1863).  Recht  ernste  Töne  schlägt  Reuter  in  Briefen  an  Rieh. 
Schröder  an,  den  späteren  berühmten  Rechtslehrer.  Wir  hören  vom  Fortgang  seiner 
Arbeiten,  von  Familienereignissen  und  lernen  ausführlich  des  Dichters  Beziehungen 
zu  dem  schon  genannten  Leipziger  Verleger  kennen,  seinem  „lieben  Quandting'". 
Einzelheiten  über  den  Badeaufenthalt  in  Laubbach  bei  Koblenz,  sein  Unmut  über 
Glagaus  Schrift  (1865),  sein  Verhältnis  zum  Direktor  Ad.  Teilkampf  in  Hannover  usw. 
werden  berührt.  Reuter  wünscht  sich  in  seiner  idyllischen  Ruhe  gelegentlich  bloss, 
„dass  der  liebe  Gott  nur  mit  seinem  Segen  von  Korrespondenz  und  Verehrerinnen 
einhalten  wolle".  Das  Verhältnis  zu  seinen  engeren  Landsleuten  wird  durch  Be- 
merkungen über  seine  letzte  Reise  in  die  Heimat  näher  beleuchtet.  Die  offene  Aus- 
sprache über  die  politischen  Ereignisse  in  Briefen  an  den  Oberst  E.  von  Conrady 
erfährt  durch  G.s  Publikationen  eine  wesentliche  Bereicherung.  —  Glöde234)  erkennt 
in  dem  Glasermeister  Kitte  Risch  (aus  einer  Skizze  Reuters:  Meine  Vaterstadt  Staven- 
hagen)  einen  Jugendgespielen  des  Dichters  wieder.  —  Glöde235)  giebt  auch  den 
Inhalt  einer  Unterredung  Reuters  mit  einem  mecklenburgischen  Landprediger  wieder, 
worin  Reuter  „Kein  Hüsung"  für  sein  bedeutendstes  Werk  erklärt  haben  soll,  weil 
am  meisten  Handlung  darin  wäre!  236-237)  —  j)je  Gaedertzschen  Erinnerungen  veran- 
anlassten  einen  Anonymus238),  einen  Brief  Reuters  vom  14.  Apr.  1875  zu  veröffentlichen, 
worin  der  Dichter  selbst  gesteht,  dass  ihm  „bei  gänzlichem  Mangel  an  Bühnenkenntnis 
die  Begabung  für  das  dramatische  Gebiet"  abzugehen  scheine.  —  Zwei  neue  Briefe239) 
an  Luise  Reuter  (1851  und  54)  werfen  auf  das  seltene  Verhältnis  der  Liebenden,  be- 
ziehungsweise jungen  Gatten  kein  neues  Licht.  —  Was  Luise  ihrem  Fritz  war,  das 
kam  weiteren  Kreisen  erst  recht  zum  Bewusstsein  durch  die  zahllosen  Nachrufe  in 
der  Presse  und  in  Zeitschriften,  worunter  Burchards240)  knappe  Angaben  den  Vor- 
zug vor  den  übrigen  verdienen.241-246)  —  Das  Reuterhaus  in  Eisenach  ist  mehrfach 
beschrieben  worden.  Arendt247)  erhob  öffentlich  Protest  dagegen,  dass  die  nunmehr 
der  Schillerstiftung  gehörige  Villa  vermietet  werde,  weil  dies  den  Absichten  der  Erb- 
lasserin widerspreche.248-249)  —  Die  Reuterdenkmäler  in  Neubrandenburg  und  in 
Chicago  wurden  beschrieben  und  in  Abbildungen  weiteren  Kreisen  vorgeführt250-251). 
—  Die  Rede  Brückners252)  bei  der  Enthüllungsfeier  des  Denkmals  in  der  Heimat 
liegt  im  Druck  vor  und  ist  wegen  ihrer  Mässigung  trotz  der  selbstverständlichen 
hohen  Verehrung  für  den  grössten  Dichter  Mecklenburgs  alles  Lobes  wert.  —  Zu 
Reuters  „Stromtid"'  I,  2.  Kap.  führt  Glöde253)  eine  Analogie  aus  dem  Schildbürger- 
buch an.  —  Glöde254)  beharrt  gegenüber  Hofmeisters  Ableitung  des  Namens  Triddel- 
fitz  (von  dem  Ortsnamen  Trittelwitz  bei  Demin)  auf  seiner  Deutung  des  Familien- 
namens Triddelvisse.  —  Sprenger255)  hat  wohl  nicht  erwiesen,  aber  scheint  auf 
einer   richtigen  Fährte  zu   sein    mit   der  Vermutung-,    dass  Charakterzüge  aus   den 


Z.  20.  Wiederkehr  d.  Todestages  F.  Renters:  LZgB.  N.  82.  —  233)  K.  Th.  Gaedertz,  Neue  Erinnerungen  v.  u.  an  F. 
Reuter:  VossZg.  N.  288,  290,  294,  296,  300,  304.  —  234)  0.  Glöde,  E.  Jugendgespiele  F.  Reuters.  ZDU.  8,  S.  79.  —  235) 
id.,  F.  Reuter  u.  e.  mecklenburg.  Landprediger.  E.  Unterredung  aus  d.  70er  J.:  ib.  7,  S.  4934.  —  236)  O  F.  Mararoth, 
Pellico  n.  Reuter:  FZg.  1893,  N.  234.  —  237)  X  F-  Katt,  F.  Reuter:  BurschenschBll.  8,  S.  1879.  (Nur  e.  Ausz.  bek.  Daten.) 
—  238)  E.  Brief  t.  F.  Reuter  u.  seiner  Luise:  VossZg.  N.  320.  —  239)  2  Briefe  Reuters  an  seine  Frau  nach  d.  „MagdZg." : 
BerlBörsCour.  N.  272.  —  240)  G.  Burchard,  Louise  Reuter:  FZg.  N.  164.  —  241)  X  A.  Grefe,  F.  Reuter  u.  sein 
„Luising":  NFPr.  N.  10736.  —  242)  X  *■  Reuters  Witwe:  BerlBörsCour.  N.  268.  —  243)  X  F«iu  Luise  Reuter:  BerlTBl. 
N.  289.  —  244)  X  Erinnerungen  an  Luise  Renter:  ib.  N.  306.  —  245)  X  A-  Trinius,  E.  Gedenkbl.  für  Luise  Reuter: 
ÜL&M.  72,  S.  822,4.  —  246)  X  A.  Rö  m  e  r ,  F.  Reuters  Luise:  IllZg.  102,  8.  703.  —  247)  O.  Arendt,  D.  Schillerstift,  n.  d. 
Reuterhaus:  DWB1.  7,  S.  336.  —  248)  X  D-  Haus  Fritz  Reuters:  Gartenlaube  S.  4834.  (Mit  Abbilds  -  249)  X  0-  S.,  D. 
Villa  Reuter  bei  Eisenach:  Quellwasser  18,  S.  747  8,  765.  (Mit  Bild.)  —  250)  X  D.  Reuterdenkmal  in  Neubrandenbnrg: 
BurschenschBll.  7,  S.  298.  —  251)  X  M.  S  c  h  ü  s  s  1  e  r,  D.  Fritz  Reuternenkm.  für  Chicago;  IllZg.  100,  S.  305.  —  252)  A. 
Brückner,  Rede  bei  d.  Entbüllungsfeier  d.  F.  Reuterdenkm.  zu  Neubrandenburg  am  29.  Mai  1893.  Neubrandenburg, 
Brünslow.  1893.  16  S.  M.  0,30.  —  253)  0.  Glöde,  Zu  F.  Reuters  „Ut  mine  Stromtid":  ZDU.  7,  S.  268.  —  254)  id.,  Noch 
einmal  zu  Fritz  Triddelfitz:  ib.  S.  6312.  -  255)  R.  Sprenger,  Zu  F.  Reuters  Dörchläuchting:  .IbVNiederdSpr.  17, S. 88-90. 


IV  3-.25C-274    R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.    1893,  1894. 

„Briefen  Friedrichs  des  Grossen  an  seinen  Vater",  und  zwar  der  Auszug-,  den  Th.  Carlyle 
in  seiner  History  of  Frederik  II.  of  Prussia  aus  dem  Briefe  des  Kronprinzen  an 
seinen  Vater  vom  26.  Okt.  1736  gemacht  hat,  für  Reuters  „Dörchläuchting"  von  Ein- 
fluss  gewesen  seien,  namentlich  für  gewisse  humoristische  Anspielungen.  Nicht  mit 
einem  Worte  aber  ist  dargethan,  warum  die  englischen  Auszüge  und  nicht  das  deutsche 
Original,  das  doch  in  Berlin  1838  erschienen  ist,  von  Sp.  in  Anspruch  genommen 
werden.  Gleichfalls  möglich,  aber  unerwiesen  bleibt  die  Hindeutung,  dass  der  Zug  von 
der  Flucht  der  verwitweten  Fürstin  nach  Greifswald  aus  Paul  Heyses  Schauspiel 
„Hans  Lange"  (1866)  erborgt  sei.256)  — 

Für  Klaus  Groth  sind  nur  einige  Besprechungen  nachzutragen257  258).  — 
Für  die  Werke  John  Brinckmanns259),  die  in  einer  neuen  Edition  vor- 
liegen, macht  sich  ein  reges  Interesse  bemerkbar.  Die  Verlagshandlung  hat  sich 
entschlossen,  diese  Ausgabe  durch  eine  dem  Hochdeutschen  angepasste  Schreibweise, 
ähnlich  wie  in  Reuters  Werken,  und  durch  beigefügte  Worterklärungen  unter  dem 
Text  auch  den  mit  dem  Plattdeutschen  minder  Vertrauten  näher  zu  bringen,  und 
der  Erfolg  der  grösseren  Verbreitung  bleibt  auch  nicht  aus.  Es  ist  merkwürdig 
genug,  dass  die  humorvollen  Geistesprodukte  dieses  nicht  unebenbürtigen  Lands- 
mannes Reuters  so  spät  noch  und  so  schwer  um  ihre  Würdigung  zu  ringen  haben.  — 
Der  siebente  Band  von  Heinrich  Jürs260)  „Plattdeutschen  Humoresken" 
wird  diesen  Kampf  gar  nicht  erst  aufnehmen  wollen.  Der  Vf.  scheint  sich  auf  seinen 
heimischen  Kreis  zu  beschränken.  — 

An  Aug.  Dührs261)  Homerübersetzung,  die  gleichfalls  durch  den  Vf.  der 
Schrift  „Rembrandt  als  Erzieher"  angeregt  worden  ist,  hat  sich  eine  Polemik  um  den 
Wert  oder  Unwert  des  niederdeutschen  Sprachzweiges  angeschlossen,  in  die  einzugreifen 
nicht  unseres  Amtes  ist,  zumal  sie  nicht  ganz  frei  von  persönlichen  Motiven  zu  sein 
scheint.     Ein  Hauptrufer  im  Streit  ist  Glöde262-265).    — 

In  schlesischer  Mundart  trat  Herin.  Bauch266),  in  erzgebirgischer  Heinr. 
Köselitz267)  vor  die  Oeffentlichkeit.  — 

Für  den  Norden  Deutschlands  hat  vor  allem  die  ADB.  manchen  Beitrag 
gebracht.  G.  K.  0.  von  Struensee,  bekannter  unter  dem  Namen  Gustav  vom  See 
(1803—75),  ist  von  Jeep268)  zum  ersten  Male  zusammenfassend  betrachtet  worden. 
Bulwer  ist  sein  Vorbild.  J.  weist  ihm  in  der  Romanlitteratur  des  19.  Jh.  einen  Platz 
neben  Heinr.  König,  Mügge  und  Hackländer  an.  -  Den  Berliner  Belletristen  R.  G. 
M.  Springer  (1816—85)  betrachtet  Fränkel269)  in  seiner  Vielseitigkeit.  Der  Ge- 
schichtsschreiber der  „Klassischen  Stätten"  ist  dem  Litterarhistoriker  bekannter  als 
der  Vf.  von  Berliner  Skizzen,  Jugendschriften,  historischen  und  Künstler-Romanen.  — 
Nur  lokales  Interesse  gebührt  H.  Ch.  Steinhart  (1763—1810),  der  als  Nachahmer 
Jean  Pauls  und  Benzel-Sternaus  seine  Stoffe  aus  der  Altmark  holte,  wie  Brandes270) 
zeigt.  —  Volkssagen  aus  der  Altmark  hat  auch  J.  D.  H.  Temme  (1798—1881)  ge- 
sammelt, dem  Brummer271)  ein  reiches  juristisches  Wissen  nachrühmt.  Temme  hat 
davon  in  mehr  als  150  Bänden,  Kriminalromanen,  ein  stattliches  Andenken  hinter- 
lassen.  — 

Aus  dem  umfänglichen  litterarischen  Nachlasse  des  in  Berlin  naturalisierten 
Breslauers  Oskar  Justinus  (1839—93)  veröffentlicht  Pröll272)  kleine  Proben.  In 
der  kurzen  Einleitung  werden  des  Dichters  Leben,  Charakter  und  poetische  Anlage 
berührt  und  für  die  „plauderselige  Sprache  seines  Herzenshumors"  das  treffende 
WTort  vom  „deutschen  Heimlachen"  gefunden.  Die  vorliegende  Sammlung  zeigt 
Justinus  als  einen  der  sorgsamsten  und  hingebung-svollsten  Beobachter  des  Klein- 
lebens, als  den  ihn  P.  in  erster  Reihe  feiert.  —  Um  der  in  ähnlicher  Weise  eng- 
begrenzten Begabung  Rob.  W7aldmüllers  gerecht  zu  werden,  prägt  Necker273)  für 
ihn   und   seinesgleichen    eine    eigene    Bezeichnung    „Bildungsdichter",    worunter    er 

—  256)  X  0  Glöde,  F.  Sahlmann  u.  F.  Reuter,  e.  Reuteranekdote:  ZDÜ.  7,  S.  767,8.  -  257)  X  Kl.  Groth,  Ges.  Werke. 
4  Bde.  Kiel,  Lipsius  &  Tischer.  1892.  XX,  204  S.;  VI,  350  S.;  VI,  361  S.;  VIII,  352  S.  M.  10,00.  |[0.  Harnuck:  PrJbb.  71, 
S.  525;  G.:  LCBI.  1893,  S.  1397;  £:  DRs.  75,  S.  156.]|  -  258)  X  G.,  Kl.  Groth,  Lebenserinnerungen  (JBL.  1892  IV  2:263/4): 
LCB1.  1893,  S.  1397.  —  259)  J.  Brinckmann,  Ausgew.  Plattdtsch.  Erzählungen.  1.  Bd.  Kaspar- Ohm  u.  ick.  5  Aufl.  2.  Bd. 
Kleinere  Erz.  (Voss  un  Swinegel.  Höger  up.  Mottche  Spinkns  un  de  Pelz.  De  General-Reeder.  Peter  Lurenz  bi  Abukir.) 
3.  Aufl.  Rostock,  Werther.  1893.  12".  VI,  374  S  ;  VIII,  360  S.  M.  6,00.  |rA.  Dau:  BLU.  S.  113,5;  id.:  Geg.  44,  S.  296/8; 
A.  Rüde:  DBllEU».  21,  S.  45/6;  L.  Frey  tag:  COIRW.  22,  S.  693.]|  -  260)  H.  J  5  r  s  ,  Plattdtsch  Schrr.  7.  Bd.  Plattdtscb. 
Humoresken  z  Vorlesen  in  Vereinen  u.  gesell.  Kreisen.  Hamburg,  Krämer.  1893.  183  S.  M.  2,00.  —  261)  A.  Dühr,  E. 
niederdtsch.  Homerübersetz.:  ZDU.  7,  S.  180-93.  (JBL  1893  I  8:18.)  —  262)  X  °-  Glöde,  E  niederdtsch.  Homerübersetz.: 
ASNS.  91,  S.  293/7.  —  263)  X  »d.,  Noch  einmal  A.  Dührs  niederdtsch.  Homerübersetz  :  ib.  92,  S.  192/7.  -  264)  X  >  d-  -  Zu 
d.  niederdtsch.  Homerübersetz.  v.  A.  Dühr:  ZDU.  8,  S.  2613.    —    265)  X  >  <*  .    Z.  niederdtsch.  Litt,  im  19.  Jh.:  ib.  S.  584-90. 

—  266)  H.  Bauch,  Humorist.  Erzählungen  in  schles.  Mundart  1.  u.  2.  Bdch.  (2.,  verm.  Aufl.  I.  Quietschvergnügt. 
Sohnoken.  II.  Huch  de  Schläsing!  Schnoken.)  Breslau,  Goerlich.  IV,  156  S.;  IV,  154  S.  a  M.  1,25.  —  267)  H.  Köselitz, 
Verwerrts  Volk.  Humoresken.  Gedichte  u  Geschichten  in  er/.gebirg.  Mundart.  11.  Heft.  Annaberg,  Graser.  1893.  12°.  56  S. 
M.  0,30.  —  268)  E.  Joep,  G.  K.  0  v.  Struensee:  ADB.  36,  S.  645/7.  —  269)  L.  Fränkel,  R.  G.  M.  Springer:  ib.  35, 
S.  319-21.    -  270)  Fr.  Brandes,  H.  Ch.  Steinhart:  ib.  S.  710/1.    -  271)  Fr.  Brummer,  J.  D.  H.  Temme:  ib.  37,  S.  558-60. 

—  272)  0.  Justinus,  Häusl.  Bilderbogen.  (Aus  d.  litt.  Nachl.)  Her.  v.  K.  Pröll.  Breslau,  Schles.  Buchdr.  XIII,  311  8. 
M.  4,00.  -  273)  M.  Necker,  E.  Bildungsdichtcr:    ML.  02,  S.  525/6.    -•■   274)    R.  Lindau,    Ges.  Romane  u.  Novellen.    5.  Bd. 


lt.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.   1893,1894.     IV  3  :  874-afe 

jene  Schriftsteller  versteht,  die  nur  Bilduno-,  aber  keine  Natur,  keine  Leidenschaft, 
keine  Persönlichkeit  zeigen.  Ihr  deutlichstes  Kennzeichen  soll  es  sein,  dass  sie  sich 
im  Anfang-,  meist  mit  ihrer  Erstlingsarbeit,  ganz  ausgeben,  um  in  der  Folge  nur  von 
dem  einmal  erworbenen  Ruhme  zu  zehren.  Diesen  Bildung-sdichtern  schreibt  er  die 
Schuld  an  dem  historischen  Romane  zu,  gegen  dessen  Bestand  er  eifert.  Die  Dichter 
dieses  Schlages  schreiben  ,, poetische  Surrogate,  wo  es  gilt  in  die  Tiefe  der  mensch- 
lichen Seele  zu  tauchen".     Und  als  solch  einer  gilt  ihm  Waldmüller.  — 

Ganz  im  Gegensatz  dazu  wird  Rud.  Lindau  anlässlich  des  Erscheinens 
seiner  „Gesammelten  Romane  und  Novellen"274)  von  Necker  als  ein  Mann  von  um- 
fassender Welt-  und  Menschenkenntnis  gepriesen  und  darin  der  Grund  gesucht  für 
Lindaus  Meisterschaft  in  der  Zeichnung  excentrischer  Charaktere.  Denn,  so  folgert 
N.,  diese  Neigung  für  Weltmüdigkeit  und  elegische  Betrachtungsweise  steht  in  ur- 
sächlichem Zusammenhange  mit  der  Welterfahrenheit  des  weitgereisten  Dichters. 
Aber  den  Humor  als  Gegenmittel  vermisst  man  an  seinen  Figuren  fast  durchaus. 
Bemerkenswert  ist  ferner,  dass  in  den  wenigen  Novellen,  die  auf  deutschem  Boden 
spielen,  die  Heimat  immer  als  etwas  Enges  und  Beengendes  empfunden  wird.  Auch 
das  mag  auf  die  langjährige  Abwesenheit  von  Deutschland  und  die  Gewohnheit,  in 
der  Fremde  zu  leben,  zurückzuführen  sein.  So  erscheint  denn  Rudolf  Lindau,  wesent- 
lich ein  Sittenmaler  und  Realist,  meist  als  ein  vornehmer  Skeptiker,  wenn  man  ihn 
nur  nach  seinen  Werken   und   den  darin  vertretenen  Anschauungen  beurteilt. 275)  — 

Paul  Lindaus  „Hängendes  Moos"  hat  eine  Uebersetzung  ins  Niederländische 
erfahren276),  aber  dort  nur  den  Eindruck  eines  „aangename  tijdkorter"  hervorgerufen.  — 

Humor  bis  zur  Drolligkeit  entfaltet  Heinr.  Seidel277)  in  dem  neuesten 
Bande  seiner  „Gesammelten  Schriften"278),  worin  der  Dichter  Anekdote  an  Anekdote 
reiht,  aus  deren  Summe  sich  das  Lebensbild  des  Schöpfers  von  „Leberecht  Hühnchen" 
ergiebt.  Ohne  Effekthascherei  und  Bildungswut,  ganz  wie  wir  es  von  dem  ruhigen 
Erzähler  gewöhnt  sind,  entrollt  er  eigenartig  seinen  Werdegang  vor  uns,  bescheidene 
Anfänge  an  rühmlichere  Erfolge  reihend.  Voll  traulicher  Pietät  gedenkt  er  seiner 
Vorfahren,  den  Stammbaum  bis  auf  Hermes  den  Biedermann  zurückführend,  der 
„Sophiens  Reise  von  Memel  nach  Sachsen"  beschrieben  hat.  Die  Jugendjahre  in 
Perlin  (1842—52)  zeigen  insofern  ein  eigenes  Gepräge,  als  der  kleine  Heinrich  neben 
natürlicher  Kindlichkeit  doch  auch  einen  Hang  zum  einsiedlerischen  Leben  zeigt 
und  die  einsamen  Stunden  durch  gierige  Lektüre  verkürzt.  Auf  Robert  Reinicks 
köstliches  ABC-Buch  führt  er  seine  Neigung  zum  "Märchen  zurück,  und  er  giebt  dem 
Literarhistoriker  direkte  Fingerzeige,  wo  die  Quellen  seiner  „Schwimmenden  Insel" 
und  „Erika"  zu  finden  sind.  Auch  eine  fabulierende  Tante  Therese  aus  Wittenburg 
wird  beschuldigt,  das  Phantastische  in  dem  Kinde  gross  gezogen  zu  haben.  Ihrer 
Weise  ist  in  der  Erzählung  „Der  schwarze  See"  ein  Denkmal  gesetzt,  In  der  folgen- 
den Schweriner  Gymnasiastenzeit  findet  manche  ergötzliche  Schnurre  ihr  Plätzchen. 
Ein  reger  Sammeleifer  des  Knaben  bildete  die  Brücke  zu  einer  intimeren  Kenntnis 
der  Natur,  als  sie  in  dem  Alter  für  gewöhnlich  Platz  hat.  Die  ersten  litterarischen 
Regungen  des  Quartaners  fallen  in  das  Gebiet  des  Humoristisch-Satirischen,  sozusagen 
eines  Klassen-Kladderadatsch,  der  aus  alten  Jahrgängen  komischer  und  burlesker 
Schriften  seine  Hauptnahrung-  sog.  Am  meisten  begeisterten  die  Knabenseele  Uhland, 
Heine  und  Andersen  unter  den  Deutschen,  Cooper,  Walter  Scott  und  Bulwer  unter 
den  Ausländern,  alles  natürlich  in  Uebersetzungen,  dazu  Gil  Blas,  Don  Quixote, 
Immermanns  Münchhausen,  E.  T.  A.  Hoffmann,  Tristram  Shandy,  Gullivers  Reisen, 
später  erst  Goethe,  merkwürdiger  Weise  nur  in  geringem  Masse  Schiller.  Uhland  war 
und  blieb  der  Hauptanreger.  In  Hannover  verbrauste  Seidel  seine  Studentenjahre  als 
Hörer  des  dortigen  Polytechnikums  (1860—62).  In  diese  Zeit  fallen  nur  einige  Lieder 
und  Gedichte,  wohl  aber  auch  die  Anfänge  einer  Erzählung,  in  der  Seidels  Freund 
und  Verbindungsbruder  Karl  Hohn  eine  entscheidende  Rolle  spielen  sollte.  Karl 
Hohn  ist  also  nach  des  Dichters  eigenem  Bekenntnis  das  Urbild  des  Leberecht 
Hühnchen  (S.  220/4).  Das  praktische  Leben  führte  den  jungen  Ingenieur  nach  Güstrow, 
wohin  Karl  Hohn  dem  Freunde  gefolgt  war,  um  zwei  Jahre  lang  zu  bleiben  (1863—64). 
Seidel  selbst  blieb  aber  noch  bis  zum  Herbst  1866  in  seiner  alten  Stellung.  Um 
jene  Zeit  ging  er  nach  Berlin,  um  seine  Studien  auf  der  Gewerbeakademie  fortzusetzen 
Hier  erweiterte  sich  sein  litterarischer  Bekanntenkreis  ungemein.  Friedrich  Eggers 
führte  ihn  in  den  litterarischen  Sonntagsverein  „Tunnel  über  der  Spree"  ein,  der  am 
3.  Dec.  1827  von  M.  G.  Saphir  und  dem  Schauspieler  Lemm  nach  dem  Vorbilde  der 
Ludlamshöhle  in  Wien  als  eine  Art  Ulkverein  begründe!  worden  war  (S.  262 — 71); 
Seidel  bringt  recht  interessante  Mitteilungen  darüber.     Im  Herbst  1868    veriiess    der 


Reisegefährten.  6.  Bd.  Zwei  Seelen;  D.Gast.  B.,  Fontane  *  Co.  378,  392  S.  M.  3,00.  |[M.  Necker:  NFPr.  N.  10802; 
S.  S.:  NatZg.  N.  266.]|  —  275)  X  id--  Liebesheiraten.  Eoman.  ebda.  201  S.  M.  3,00.  —  276;  P-  Lindau,  Hängendes  Moos: 
NedSpect.  S.  391.  -  277)  X  H-  Seidel,  Ges.  Schrr.  11.  Bd.  Neues  Glockenspiel.  (2.  Samml.  d.  Gedichte.)  12.  Bd.  Berliner 
Skizzen.  L,  Liebeskind.  1893.  XI,  277  S.;  VII,  304  S.  M.  6,00.  |LPresseB.  1893,  N.  283.]  |  —  278)  id.,  Ges.  Schrr.  13.  Bd. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V,  (4)16 w 


IV  3:279  310    R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.   1893,  1894. 

Kunstgewerbeschüler  die  Anstalt  und  trat  in  die  Wöhlertsche  Fabrik  in  der  Chaussee- 
strasse in  Berlin  ein.  Bis  dahin  hatte  er  noch  keines  seiner  Werke  für  den  Druck 
reifen  lassen,  aber  der  Erfolg1  förderte  nachher  rasch  eines  nach  dem  anderen.  Die 
Frische,  mit  der  all  dies  erzählt  wird,  sichert  dem  Dichter  einen  ersten  Platz  unter 
den  zahlreichen  und  namhaften  Autobiographen  der  letzten  Jahre.279"282)  — 

Auch  die  Seidel  wahlverwandten  Poeten  Wilh.  Jensen283"286)  und  Jul. 
Stinde287)  sind  mit  neuen  Schöpfungen  auf  den  Markt  getreten,  deren  Würdigung, 
selten  gerecht,  meist  nach  dem  Parteistandpunkt  der  einzelnen  Zeitschriften  im  Kampfe 
für  oder  gegen  das  Neue  zum  Ausdrucke  gelangt.283-287)  — 

Um  so  wohlthuender  wirkt  es  zu  sehen,  wie  das  Parteigezänke  verstummt, 
wenn  es  gilt,  einen  wirklich  Bedeutenden  zu  feiern.  Otto  Roquette  beging  im  J.  1894 
seinen  70.  Geburtstag.  Allerorten  erschienen  Festartikel288"295),  die  in  erster  Reihe 
dem  Sänger  von  „Waldmeisters  Brautfahrt"  galten.  Die  schönste  Gabe  brachte  der 
Dichter  selbst296)  mit  der  Darstellung  seines  Lebens  und  Wirkens,  worüber  schon 
an  anderer  Stelle  zur  Genüge  gehandelt  worden  ist.  — 

In  dem  Konzert  von  Selbstbiographien  hat  Fontanes297)  Stimme  in  dem 
Roman  über  seine  Kinderjahre  das  grösste  Entzücken  hervorgerufen.  Leider  müssen 
wir  es  uns  mit  Rücksicht  auf  den  Raum  versagen,  auch  darauf  hier  näher  einzugehen, 
da  ein  anderer  Artikel  der  JBL.  sich  die  köstlichsten  Enthüllungen  schon  zu  Nutze 
gemacht  hat.298"299)  —  Die  gleiche  Laune  bricht  sich  Bahn,  wenn  der  Dichter  die 
Geschichte  seines  Erstlingswerkes  zum  Besten  giebt300).  Es  ist  gleichsam  seine 
erste  „Wanderung  durch  die  Mark  Brandenburg".  Ein  deutscher  Aufsatz  war  es,  für 
den  er  sich  eine  Episode  aus  der  Schlacht  bei  Grossbeeren  auswählte,  um  sie  in  An- 
klängen an  „Die  nächtliche  Heerschau"  von  Zedlitz,  recht  phantastisch  ausgeschmückt, 
seinem  gestrengen  Lehrer  Phil.  Wackernagel  vorzulegen.  Und  es  gelang.  Er  errang 
die  Censur:  recht  gut,  das  erste  und  einzige  Mal,  wie  er  selbstbewusst  hervorhebt.  — 
Was  Pantenius301)  an  jedem  einzelnen  Romane  des  Dichters  zu  nörgeln  hat, 
lässt  sich  auf  Wert  und  Güte  am  besten  danach  bemessen,  wenn  man  das  Facit  der 
Betrachtung  ins  Auge  fasst:  Es  soll  Fontane  der  „Naturlaut"  fehlen,  d.  h.  die  Leiden- 
schaft, die  aus  dem  Herzen  des  Dichters  unmittelbar  in  das  des  Lesers  überströmt 
und  ihn  mit  sich  fortreisst!  Ob  das  nicht  auch  an  dem  Leser  liegen  mag,  wenigstens 
manchmal?302-303)  — 

Dahaben  FriedrichSpielhagens  ältere  und  neuere  W'erke  billiger  denkende 
Leser  und  Beurteiler  gefunden304"307).  — 

Mit  Ernst  von  Wildenbruch  aber  als  Romancier  geht  Haese308)  scharf  ins 
Gericht.  Inkonsequenz  der  Charakterschilderung',  Vergewaltigung  der  Psychologie,  abge- 
schmackte Theatralik  und  pathetische  Drapierung  sind  solch  eine  Blütenlese  von  Vor- 
würfen, die  ihm  vorgehalten  werden. 309)  — 

Erfrischend  wirkt  dagegen  die  Erscheinung  Theodor  Stör  ms,  die  Erich 
Schmidt310),  mit  echter  Begeisterung  erfüllt,  vor  uns  hinzaubert.  Storm,  der  Er- 
zähler, begann  mit  feinen,  ein  kleines  Stillleben  vergegenwärtigenden  Situationsstücken. 
Mit  Chodowiecki  soll  ihm  der  andächtige  Sinn  für  das  Detail  gemeinsam  sein.  Gar 
bald  überwand    er  aber  die  farbenreiche  Märchensymbolik   seiner  Anfänge,   um  zu 


V.  Perlin  nach  Berlin.  Aus  meinem  Leben,  ebda.  16".  V,  216  S.  M.  3,00.  \[sa:  DRs.  77,  S.  15S.]|  —  279)  X  M-  Necker, 
Leberecht  Hühnchen:  NFPr.  N.  10712.  —  280)  X'^,  H.  Seidel:  BLU.  S.  433/5.  —  281)  X  O-  K-.  Norddtsch.  Erzähler: 
KonsMschr.  S.  3334.  —  282)  X  8-  Opitz,  Norddtsch.  Erzähler:  BLU.  S.  505/6.  —  283)  X  Neues  v.  W.  Jensen:  Grenzb.  2, 
S.  411/5.  —  284)  X  !•  h.  Neues  v.  Wilh.  Jensen:  DDichtung.  15,  S.  125,6.  —  285)  X  M.  Haese,  Etwas  über  Jensen: 
ML.  62,  S.  106/8.  —  286)  X  C'mq  veterans  de  la  poesie:  H.  Lingg,  W.  Jensen,  Griiurainger,  Stelter,  Louise  Otto:  BURS.  63, 
8.  410/5.  —  287)  X  0.  K.,  Norddtsch.  Erzähler.  (W.  Jensen,  H.  Seidel  u.  J.  Stinde;  vgl.  auch  R.  Opitz:  BLU.  S.  505/6)  : 
KonsMschr.  S.  333  4.  —  288)  X  L  Fränkel,  Zu  0.  Roquettes  70.  Geburtst.:  ZDU.  8,  S.  387-94.  —  289)  X  Ella  Mensch, 
O.  Roquette.  Z.  70.  Geburtst.  d.  Dichters:  Geg.  45,  S.  262/4.  -  290)  X  W.  H.,  0.  Roquette.  Zu  d.  Dichters  70.  Geburtst. 
(19.  Apr.):  AkBll.  9,  S.  13/4.  —  291)  X  °.  Roquette:  Vom  Fels  z.  Meer  2,  8.  17/8.  -  292)  X  M.  A.,  O.  Roquette.  E.  Ge- 
denkbl.  zu  seinem  70.  Geburtst.:  Gartenlaube  S.  267/8.  —  293)  X  L-  H.,  O.  Roquette:  ÜL&M.  72,  S.  582.  —  294)  X  L- 
Salomon,  Zu  0.  Roquettes  70.  Geburtst:  IllZg.  102,  S.391.  —  295)  X  Zu  0.  Roquettes  70.  Geburtst.:  BerlßörsCour.  N.  180. 

—  296)  (IVlc:50.)  |[M.  Necker:  Euph.  1,  S.  173,8;  P.  v.  S  z  c  z  e  p  a  ft  s  ki:  VelhKlasMh.  2.  S.  126;  M.  Necker: 
BLU.  S.  748/9 ;  DDichtung.  16,  S.  52/6,  99-104, 174/9,  199-200;  C.  Haeberlin:  DWB1.  7,  S.  83/4;  MünchNN.  1893,  N.  571;  Qu.: 
DR.  1,  S.  271/2;  F.  Dernburg:  BerlTBl.  1893,  N.  615.]|  —  297)  (IV  1  c  :  49.)  |[Erich  Schmidt:  PrJbb.  76,  S.  162/3 
(=  DLZ.  S.  310/1;;  M.  Neck  er:  BLU.  S.  193/5;  E.  Heilborn:  Nation«.  11,  S.  352,4;  0.  K.:  KonsMschr.  S.  3J8/9;  E. 
Müller-Holm:  Zuschauer  1,  S.  224/5;  P.  v.  Szczepafiski:  VelhKlasMh.  2,  S.  125/6;  BÜRS.  62,  S.  130/7;  P. 
S(chlenther):  VossZg».  1893,  N.  51;  T  h.  Wolff:  BerlTBl.  1893,  N.  638.  (Alle  durchaus  anerkennend.)J|  -  298)  X 
Th.  Fontane,  Meine  Schülerjahre:  DDichtung.  15,  S.  136-40,  159-63.  (Abdr.  e.  Kap.  aus  N.  297.)  —  299)  X  i  d. ,  Mein 
alter  Vater:  ML.  62,  S.  761/5.  (E.  Kap.  aus  N.  297.)  —  300)  id.,  D.  Schlachtfeld  v.  Gross-Beeren.  (=  D.  Gesoh.  d.  Erstlings- 
werkes): DDichtung.  16,  S.  60/1.  -  301)  Th  H.  Pantenius,  Th.  Fontane:  VelhKlasMh.  1893:  2,  S.  648-56.  —  302)  X 
W.  Paetow,  Th.  Fontane,  Frau  Jenny  Treibel:  FrB.  1893:  1,  S.  109-12.  —  303)  X  Th.  Fontane,  Schach  v.  Wnthenow. 
Erzähl,  aus  d.  Zeit  d.  Regiments  Gensdarmes.  3.  Aufl.  B.,  Fontane  &  Co.  242  S.  M.  3,00.  —  304)  X  c-  Ziegler,  F.  Spiel- 
hagcn,  Finder  u.  Erfinder  (vgl.  JBL.  1890  IV  1  :58):  DBUEUB.  21,  S.  1/2.  -  305)  X  F.  Spielhagens  ausgew.  Romane.  (1.  Serie. 
2.  Aufl.  1.-61.  Lfg.  L.,  Staackmann.  623,  772,  488,  400,  564,  550,  620,  377,  460  S.  ä  M.  0,30):  BLU.  1893,  S.  111.  -  306)  X 
id.,  Sonntagskind.  (Roman.  3  Bde.  2.  Aufl.  L,  Staackmann.  259,  225,  379  S.  M.  10,00.)  |[Th.  v.  S(osnosky):  DR.  2, 
S.  258/9;  W.  K.:  DWB1.  0,  S.  371/2.]|  —  307)  X  F.  Poppenberg,  F.  Spielhagens  „Stumme  des  Himmels":  ML.  63,  S,  1537-40. 

—  308)  M.  Haese,  Wildenbruch  als  Romancier:  ib.  62,  S.  201/4.  —  309)  X  E-  T-  Wildenbruch,  „Schwesterseeleu.  (Roman. 
2.  Aufl.    St.,  Cotta.    467  S.    M.4,00.)   |[F.  Poppenberg:  ML.  63,  S.  1420/2;  M.  Brociner:  WienTBl.  N.  299.]|   —  310)  Erich 


R  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.    1893,1894.     IV  ä  :  311-326 

vollen  Motiven  und  abgerundeter  Komposition  sich  durchzuringen,  bis  schliesslich 
der  dämonische  „Schimmelreiter"  als  letzter  Herold  des  friesischen  Strand-  und  See- 
dichters in  die  Lande  zog.311)  — 

Das  bewegte  Leben  des  Oldenburger  Lokalpoeten  Chrn.  F.  Strackerjan 
(1777—1848),  der  unter  dem  Namen  Friedr.  Stillleben  als  Novellendichter  auftrat,  hat 
Mutzenbecher312)  skizziert.  —  Ein  in  noch  viel  höherem  Masse  tioIvt^otios  &vfa  ver- 
dient F.  A.  Strubberg  (1808  —  89)  genannt  zu  werden,  dessen  Kreuz-  und  Querzüge 
in  alter  und  neuer  Welt  Fränkel313)  verfolgt.  Die  Früchte  dieses  Wanderlebens 
liegen  nun  in  fast  50  Bänden  Jagd-  und  Reiseabenteuern  vor,  einer  Zwittergattung 
zwischen  dem  echten  Roman  und  der  völkerkundlichen  Studie.  3,3a~313b)  — 

Schwaben314-316)  ist  die  Heimat  des  in  oldenburgischen  Staatsdiensten  ver- 
wendeten K.  Chrn.  L.  Starklof  (1789  —  1850),  von  dem  Mutzenbecher317)  den 
Anteil  an  der  Begründung  und  Leitung  des  grossherzoglichen  Theaters  in  Oldenburg 
rühmt.  Sein  Roman  „Arnim  Galoor"  und  seine  einzige  Novelle  „Sirene,  eine  Schlösser- 
und Höhlengeschichte1'  dienen  vorzüglich  heimischen  Interessen.  — 

Ueber  des  Bauerndichters  Chrn.  Wagner  ersten  grösseren  Versuch,  eine 
historische  Erzählung,  die  im  Feuilleton  der  Leonberger  Glems-  und  Würmgauzeitung 
zuerst  erschien,  hat  Krauss318)  nur  spärliche  Andeutungen  gegeben.  —  Bloss 
Zeitungen  haben  von  dem  Heimgang  Otto  Müllers  (gest.  1894)  Kenntnis  genommen. 
Salomon31ü)  überblickt  das  glückliche  Leben  und  die  reiche  Produktion  des 
Dichters  in  einem  anziehenden  Artikel  und  erinnert  an  die  Reihe  biographischer 
Romane,  die  den  Literarhistoriker  aus  mehr  als  einem  Grunde  anziehen:  „Bürger", 
„Charlotte  Ackermann"  und  „Der  Stadtschultheiss  von  Frankfurt".  S.  nennt  ihn  mit 
Recht  einen  der  gedankenreichsten  und  gemütvollsten  unter  den  neueren  deutschen  Er- 
zählern, wiewohl  sein  Name  heute  doch  nur  einem  kleinen  Kreise  bekannt  ist.320"322)  — 

Innige  Freundschaft  verband  Otto  Müller  mit  Wilh.  Raabe,  der  seit  1862 
in  Stuttgart  lebte323).  Dessen  40jährige  Schriftstellerlaufbahn  durchmisst  Gerber324) 
mit  hastigen  Schritten,  hier  und  dort  ein  Blümchen  vom  üppig-en  Raine  der  Dichter- 
wiese pflückend.  Alle  haben  sie  nur  Duft  für  ihn,  und  der  gebundene  Strauss  vollends 
entzückt  Auge  und  Herz  des  Geniessenden.  Und  fragt  er  sich  gar  einmal,  aus  der 
Verzückung  erwachend,  woher  all  dieser  Zauber,  so  ruft  er,  sich  selbst  zur  Antwort 
gebend,  emphatisch:  Eben  von  dem  Zauber.  —  Da  hat  es  ein  Anonymus325)  besser 
verstanden,  einen  Blick  in  des  Dichters  Wesenheit  zu  thun.  Er  löst  die  Perlenschnur 
der  dichterischen  Effekte  und  reiht  das  Gleichartige  zum  Gleichartigen.  Und  wir 
lernen  die  Eig-enart  dieses  Schriftstellers  kennen,  seine  hohe  Lebensanschauung,  den 
Tropfen  „Kinderromantik",  der  ihr  beigemengt  ist,  und  finden  es  erklärlich,  dass  nicht 
alle  Welt  von  seinen  Schöpfungen  entzückt  ist.  Raabe  liebt  es  nämlich,  seine  Ge- 
stalten in  ihrer  Redeweise  zu  sehr  mit  eigenem  Geiste  zu  füllen,  nämlich  „tiefweise 
und  sentenziös".  Meister  ist  er  hinwiederum  in  der  Art,  seine  Figuren  durch  den 
Briefstil  zu  individualisieren.  Darin  soll  es  ihm  keiner  gieich  thun  können.  Und 
was  viele  als  Schwächen  betrachten,  die  breite  Stimmungsmalerei,  die  zahlreichen 
Reflexionen,  ganz  besonders  aber  die  gedehnten  und  häufigen  Wiederholungen  in  dem 
Einzelnen  und  in  ganzen  Gebilden,  das  ist  bei  Raabe  bewusste  und  gewollte  Eigen- 
art, der  gegenüber  man  erst  das  Recht  hat,  seinen  Beifall  oder  sein  Missfallen  zu 
äussern.  Raabe  ist  unberührt  geblieben  von  den  sich  ändernden  ästhetischen  An- 
schauungen über  das  dichterische  Ideal.  Die  Grundschicht  seines  Schaffens,  „Die 
Chronik  der  Sperlingsgasse",  ist  sachlich  und  fachlich  mit  seinem  letzten  Werke 
„Kloster  Lugau"  wesensgleich,  ob  sich  der  Gegenstand  der  Dichtung  an  Ereignisse 
vergangener  Jhh.  anschliesst,  oder  ob  modernes  Leben  und  Fühlen  zur  Darstellung 
gelangen  sollen.  Technisch  ist  ein  Vorzug  zu  bemerken,  insofern  das  eigentliche  Roman- 
hafte, das  in  den  ersten  Büchern  noch  eine  grosse  Rolle  spielte,  später  ziemlich  be- 
seitigt wurde.  Auch  durch  die  taktvolle  Beherrschung  und  Beimischung  des  Humors 
hat  der  Dichter  stets  durchaus  einen  Fortschritt  zum  Bessern  bekundet.  Aber  alles 
in  allem:  er  bleibt  eine  eigensinnige  und  gerade  dadurch  vielleicht  am  meisten  reiz- 
volle Gestalt  unter  seinen  Brüdern  in  Apoll,  die  nicht  bloss  Traum  und  Historie,  Ver- 
gangenheit  und  Gegenwart   toll   durcheinander  würfelt,    wie  er  selbst  sagt,  sondern 


Schmidt,  Th.  Storm:  ADB.  36,  S.  448-56.  —  311)  X  Th-  Storm:  DDichtung.  15,  S.  79,  127.  —  312)  A.  Mutzonbecher, 
Chrn.  Fr.  Strackerjan:  ADB.  36,  S.  486/7.  —  313)  L.  Frank  el,  F.  A.  Strubberg:  ib.  S.  630/5.  —  313a)  X  O.  Harnack, 
H.  Allmers  sämtl.  Werke.  (Bd.  1/2,  3/4,  5.  Oldenburg,  Schulze.  1891-93.  VIII,  459  S.;  VII,  470  S  ;  VII,  339  S.  M.  12,50): 
PrJbb.  71,  S.  5256.  —  313b)  X  ll-  Allmers,  Aus  längst  u.  jüngst  vergangener  Zeit.  Oldenburg,  Schuhe.  279  S.  M.  3,00. 
(Ist  zugl.  d.  6.  Bd.  seiner  „Sämtl.  Werke".)  -  314)  X  (IV  10  :  129.)  -  315)  X  (IV  10  :  137.)  —  316)  X  Ed.  Mörikes  „Mozart 
auf  d.  Reise  nach  Prag":  DDichtung.  15,  S.  180.  —  317)  A.  Mutzenbecher,  K.  Chrn.  L.  Starklof:  ADB.  33,  S.  4967.  — 
318)  Rud.  Krauss,  Chrn.  Wagner,  e.  ländlicher  Dichter  Schwabens:  AZg".  1893,  N.  171.  —  319)  Lndw.  Salomon,  Otto 
Müller:  WeserZg.  N.  17138.  —  320)  X  Otto  Müller:  SchwäbKron.  N.  182.  —  321)  X  Otto  Müller:  FZg.  N.  220.  —  322)  X 
Otto  Müller:  ÜLAM.  72,  S.  963.  —  323)  X  W.  Raabe  u.  Otto  Müller:  FZg.  N.  228.  (Auch  abgedr.  in:  Jnngdentschland  4, 
S.  55.)  -  324)  P.  Gerber,  W.  Riabe.  40  J.  Schriftsteller:  Didask.  N.  2639.  —  325)  S.  S.,  W.  Raabe:  PZg.  N.  91.  —  326)  X 

(4)165* 


IV  3  :  32<j-340d    R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./1 9.  Jahrhunderts.   1893,  1894. 

auch  den  Ehrgeiz  hat,  nord-  und  süddeutsches  Wesen  in  sich  und  durch  sich  zu 
vereinen.326'327)  — 

Ein  Schwabe  von  Geburt,  aber  mit  dem  Münchener  Dichterkreis  ganz 
verwachsen  ist  Willi.  Hertz.  Ihm  wird  Bormann328)  durch  Aufzählung-  seiner 
dichterischen  Werke  und  wissenschaftlichen  Erfolge  nur  ganz  äusserlich  gerecht, 
Bei  den  Um-  und  Nachdichtungen  stellt  er  die  mittelalterlichen  Epen  neben  die  roman- 
tische Kunst  des  Modernen  und  zeigt,  in  welcher  Art  das  Heidnische  eine  Umwandlung 
und  Vertiefung  durch  das  Christentum  erfahren  hat.  Die  Vorzüge  von  Hertzens 
eigenen  Dichtungen  hat  B.  nur  kurz  angedeutet.  Eine  rasche  Uebersicht  über  des 
Dichters  Lebens  und  Bildungsgang  leitet  die  Studie  ein.  — 

DieBedeutung  Ludw.Steubs(1812— 88)  hat  Heigel329)  kurz  klargelegt.  Steubs 
Werke  gelten  als  reiche  Fundgrube  für  die  Kenntnis  des  geistigen  Lebens  in  Bayern 
und  in  Tirol  und  werden  ihre  Schätzung  neben  vielen  anderen  Vorzügen,  insbesondere 
dem  diskreten,  unaufdringlichen  Humor,  der  mit  leiser  Ironie  fein  übertüncht  ist, 
dauernd  danken.  Bittere  Erfahrungen  haben  bei  Steub  einen  selbstquälerischen 
Pessimismus  gezeitigt,  den  er  wohl  von  seinen  Werken,  nicht  aber  von  seinem  Leben 
ganz  fernzuhalten  vermochte.  — 

Graf  Schack330)  zeigt  sich  in  den  ersten  zwei  Bänden  seiner  „Vermischten 
Schriften"  als  der  wohlbekannte  Kenner  der  WTeltlitteratur. 331)  — 

Dem  vornehmsten  Erotiker  Deutschlands,  Paul  Heyse,  spürt  Laura  Mar- 
holm332)  in  echt  weiblicher  und  feinfühliger  Art  seine  geheimsten  Kunstgriffe 
nach.  Die  Noblesse  der  Seele  in  erotischen  Dingen  ist  das  kleinste  Kompliment,  das 
dem  Dichter  gemacht  wird.  Es  gilt  ihr  als  das  Grundaxiom  seiner  Lebensauffassung 
und  damit  zugleich  als  dasjenige  Moment,  auf  das  Heyse  eine  ganze  Litteratur  auf- 
gebaut hat.  Nur  um  „durchseelte,  verinnerlichte  Geschlechtlichkeit"  handelt  es  sich 
ihm.  Und  er  erzielt  diese  Erfolge  durch  die  psychologische  Aufdeckung  der  geheimen 
Reize  der  Liebe,  den  Hinweis,  dass  „es  in  jeder  individualisierten  Persönlichkeit  mit 
keuscher  Lebenskraft  einen  centralen  Punkt  giebt,  bei  dessen  Berührung  der  ganze 
Mensch  turmhoch  über  seine  Umgebung  emporschnellt,  während  sich  eben  dadurch 
alles  für  ihn  in  eine  neue  Perspektive  rückt".  Von  dem  also  Beeinflussten  geht  auf 
den  anderen  Teil  die  gleiche  Wirkung  über  oder  sie  bleibt  aus.  Dazu  kommt  nun 
noch  Heyses  Fatalismus,  „jene  stolze  Demut  einer  tiefen  Einsicht,  die  weiss:  In  letzter 
Instanz  und  in  den  höchsten  Dingen  haben  wir  nichts  in  unserer  Hand".  Diese  drei 
Grundlinien  bildeten  den  Gesichtswinkel,  unter  dem  Heyse  die  Frauen  betrachte. 
Und  weil  er  richtig  betrachtet,  eindringt  in  die  weibliche  Psyche,  darum  ist  er  der 
„erste  Bahnbrecher  auf  diesem  delikaten  und  verborgenen  Gebiet  der  Beziehungen 
zwischen  Mann  und  Weib  gewesen",  das  zu  bebauen  zum  grössten  Teil  noch  die 
Aufgabe  der  Zukunft  sein  soll.333"338)  — 

Diese  Tiefe  der  psychologischen  Begründung  ist  das  wesentlichste  Moment, 
das  Ad.  Wilbrandt  mit  dem  Münchener  Kreise  gemein  hat.  Seinem  neuesten  Roman 
„Der  Dornenweg"  wird  dieser  Vorzug  gleichfalls  nachgerühmt339).  — 

M.  G.  Conrad,  den  Flügelmann  der  Münchener,  preist  Stümcke340)  in 
einem  von  Bewunderung  durchtränkten  Essay  als  Vorkämpfer  der  „Moderne".  Die 
gezeichneten  Grundlinien  seines  Wesens  und  Schaffens  sollen  nur  dazu  dienen,  die 
Lektüre  seiner  WTerke  anzuregen.  — 

Eine  eigenartige  Stellung  behauptet  Hans  Hop fen  mit  seinem  neuesten  Roman 
„Glänzendes  Elend" 34üit340b).  Er  nimmt  darin  entschieden  und  offen  Stellung 
gegen  die  gegenwärtigen  litterarischen  Zustände  Deutschlands  und  wettert  gegen  die 
Forderung  der  Modernen,  die  Wrahrheit  sei  das  erste  Postulat  einer  echten  Kunst. 340c) 
—  Hopfen340d)  selbst  erzählt  in  amüsanter  und  höchst  instruktiver  WTeise  über  seine 
litterarischen  Anfänge,  seine  Beziehungen  zum  Münchener  Dichterkreis  und  dessen 
Vereinigung  „Das    Krokodil",    worin   seine   Freundschaft  mit  Geibel,  Lingg,  Halm, 


Pf.  L.,  Zu  Ehren  W.  Raabes:  ib.  N  283.  —  327)  X  w-  Raabe:  ib.  N.  316.  —  328)  W.  Bor  mann,  W.  Hertz.  E.  Uebersch:iu 
seines  Lebens  u.  Dichtens:  N&S.  68,  S.  36-54.  —  329)  K.  Th.  Heigel,  L.  Steub:  ADB.  36,  S.  135-40.  —  330)  (IV  5:460; 
dazu  Bd.  2.  V,  333  S.  M.  5,00.)  |[M.  Hertz:  SchlesZg.  N.  840.]|  —  331)  X  Ad-  Fr-  Graf  v.  Schack,  Aus  d.  Chronik  d.  Klosters 
Gandersheim:  DDichtung.  15,  S.  9-11,  40/2.  (E.  ep.  Gedicht.)  —  332)  Laura  Mar  ho  Im.  P.  Heyse  als  Liebesschilderer: 
VossZgR.  N.  21/2.  -  333)  X  P  Heyse,  Ges.  Werke.  Neue  Serie.  12.-14.  Bd.  (=  Ges.  Werke  22.-24.  Bd.)  Bd.  12  u.  13: 
Novellen  11.  u.  12.  Bd.;  Bd.  14:  D.  Roman  d.  Stiftsdame.  9.  Aufl.  B.,  Besser.  363,  349,  275  S.  ä  M.  3,60.  —  334)  X  id-. 
Zwei  Gefangene.  Novelle.  In  Stenograph.  Schrift  übertr.  u.  autograph.  v.  Ad.  Schöttner.  (—  Reuters  Bibl.  für  Gabelsberger 
Stenogr.  Bd.  29.)  Dresden,  W.  Reuter.  79  S.  M.  1,40.  (Vgl.  I  3  :  11.)  —  335)  X  idi  Deux  prisonniers.  (=  Chefs  d'oeuvre 
du  siecle  ill.  N.  56.)  Paris,  Libr.  illustree.  16ft.  96  S.  Fr.  0,50.  —  336)  X  id.,  Two  prisoners,  a  novel.  London,  Simpkin. 
Sh.  1.  —  337)  X  id.,  Aus  d.  Vorbergen.  Novellen.  (B.,  Besser.  1893.  V,  369  S.  M.  5,00):  DRs.  75,  S.  156.  —  338 1  X 
K.  Fr[enzel],  Gespenster:  NatZg.  N.  301,  303.  (Ankündig,  v.  P.  Heyses  „In  d.  Geisterstunde  u.  andere  Spukgeschichten" 
[B.,  Besser.  V,  262  S.  M.  4.00J.)  —  339)  X  Ad.  Wilbrandt,  D.  Dornenweg.  Roman.  (St.,  Cotta.  318  S.  M.  3,50.)  J[E.  Hoil- 
born:  Nation«  11,  S.  397/8;  Frau  1,  S.  758.]|  —  340)  H.  Stümcke,  M.  G.  Conrad.  E.  litt.  Skizze.  Bremen,  Kühtmann. 
1893.  15  S.  M.  0,30.  (Sonderabdr.  aus  d.  NLBli.  1893,  N.  10/1.)  —  340a)  X  H.  Conrad,  H.  Hopfen,  Glänzendes  Elend. 
(3  Bde.  B.,  Gebr.  Paetel.  240,  258,  229  S.  M.  14,00):  DWB1.  7,  S.  322/4.  —  340b)  X  B  Rüttenauer,  E.  neuer  Kampf- 
roman: BLU.  S.  65/8.  -  340c)  X  0.  Vorbeck,  Altes  u.  Neues  v.  H.  Hopfen:  DDichtung.  13,  S.  276.  —  340d)  H.  Hopfen, 


R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.    1893,1894.     IV  8:841-838 

Scheffel,  Bodenstedt,  Grosse,  Wilh.  Hertz,  Heigel,  Lemcke  usw.  zum  schönsten  Aus- 
drucke kommt.  — 

Die  Schweiz  hat  ihren  Adoptivsohn  Heini*.  Zschokke  durch  ein  würdiges 
Denkmal  in  Aarau  geehrt.  Wernly341)  hat  die  rühmliche  That  in  einer  Festschrift 
auf  echt  volkstümliche  Weise  begründet.  In  schwungvollen  Worten  hat  er  das 
Lebensbild  des  „Vater  Zschokke"  seinen  Landsleuten  vorgeführt,  sie  an  die  Bitternisse 
des  Kindes,  an  die  mangelhafte  Erziehung  des  Knaben,  an  die  Lehr-  und  Wander- 
jahre des  Jünglings  erinnert  und  mit  dem  schwunghaften  Pathos  eines  Kanzelredners 
die  Verdienste  des  Mannes  um  seine  neue  Heimat  gepriesen.  Schon  aus  den  Be- 
drängnissen der  Jugend  leitet  W.  den  willensstarken  und  trotzigen  Zug  des  Politikers, 
jene  Selbständigkeit  und  Entschlossenheit  ab,  mit  der  er  sich  später  seinen  eigen- 
tümlichen Weg  durchs  Leben  bahnte.  Alle  Zweige  der  weitausgreifenden  Thätigkeit 
des  edlen  Mannes,  sein  reiches  Wirken  als  Staatsmann  und  Volksfreund,  als  Ordner 
und  Friedensstifter,  als  Schöpfer  gemeinnütziger  Werke,  als  Forscher  in  den  Wandel- 
gängen der  Geschichte  werden  mehr  gestreift,  denn  dargethan.  In  diesem  Rahmen 
ist  nur  ein  geringer  Raum  der  schriftstellerischen  Fruchtbarkeit  gegönnt  (S.  38—46). 
Im  Vordergrunde  stehen  wieder  die  geschichtlichen  Erinnerungen,  die  populären 
Zeitschriften  und  die  didaktischen  Volksschriften.  W.  nimmt  bescheidener  Weise  für 
seinen  Helden  keine  besonderen  Verdienste  auf  rein  litterarischem  Gebiete  in  Anspruch. 
Schöne  Worte  über  die  „Stunden  der  Andacht"  krönen  dieses  Ehrentempelchen.  Im 
Anhang  (S.  56—65)  ist  eine  Geschichte  des  Denkmals  beigefügt,  das  vom  Bildhauer 
Lanz  modelliert  und  unter  seiner  Aufsicht  in  Erz  gegossen  wurde.  Eine  gelungene 
Abbildung  des  Denkmals  ziert  die  Festschrift.342  343)  —  Auf  lauter  Vermutungen 
stützt  Haller344)  seine  Vermutung,  dass  nicht  Zschokke,  sondern  der  Konventual  des 
Stiftes  St.  Blasien,  Georg  Viktor  Keller,  der  Vf.  der  „Stunden  der  Andacht"  sei.  Der 
anonyme  Herausgeber  des  WTerkchens  „G.  V.  Kellers  Nachlass"  will  von  einem  Ge- 
ständnisse Kellers  wissen,  dahin- lautend,  dass  er  „der  Vf.  von  mehreren  in  diesem 
Buche  (Stunden  der  Andacht)  befindlichen  Aufsätzen"  sei.  Warum  nimmt  dieser 
Anonymus  dann  gleich  an,  dass  alles  von  Keller  sei,  und  warum  stellt  er  anonym, 
ohne  weitere  Beweise,  diese  Vermutungen  auf?  —  Einzelne  Werke  Zschokkes  liegen 
in  mehrfachen  Neudrucken  vor.345-354).  — 

Die  Jugendzeit  und  das  erste  Auftreten  Rod.  Töpffers  behandelt  Wolters- 
dorff355)  ganz  kurz.  Seine  Untersuchung  bricht  bei  den  „Genfer  Novellen",  dem 
uns  am  meisten  interessierenden  Kapitel,  ab.  Denn  gerade  mit  dieser  Dichtung  wurde 
der  französische  Poet  durch  Zschokke  in  die  deutsche  Litteratur  eingeführt,  Von 
Toepffers  Kunstübung  als  Karikaturenzeichner,  ist  nur  beiläufig  die  Rede.  Für  uns 
ist  also  Glöckners356)  Schrift,  die  noch  eine  lobende  Anzeige  erfahren  hat,  trotz  dieser 
Konkurrenzarbeit  von  grösserer  Wichtigkeit  wregen  der  Ausführlichkeit  des  Materials, 
der  besseren  Zusammenfassung  und  schärferen  Prägnanz  des  Inhalts.  — 

Für  Dichtkunst  und  Malerei  war  auch  schon  als  Knabe  Sal.  Tob  1  er  (1794—1875) 
begeistert.  Baechtold357)  rühmt  an  seinem  Epos  „Die  Enkel  Winkelrieds"  (1837)  die 
pathetische,  bilderreiche  Sprache,  spricht  von  Plänen  zu  einem  „Zwingli",  „Gustav 
Adolf"  und  „Nikiaus  von  Flüe".  Das  ausgeführte  Heldengedicht  „Columbus"  (1846) 
in  regelmässigen  Oktaven  steht  dem  erstgenannten  Gedicht  in  der  Beherrschung  der 
Sprache,  der  Verskunst  nach  und  hält  auch  inhaltlich  keinen  Vergleich  damit  aus,  was 
ja  nur  begreiflich  ist,  wenn  man  bedenkt,  dass  der  Sohn  der  Berge  das  Meer  und  die 
Tropengegenden  aus  eigener  Anschauung  nie  kennen  gelernt  hat.  — 

Gleich  Tobler  ist  J.  A.  Sprecher  von  Bernegg  (1819—82)  der  Spross  einer 
bekannten  Schweizer  Familie.  Brummer358)  hat  die  publizistische  Thätigkeit  des 
weitgereisten  und  sprachkundigen  Mannes  aus  der  harten  Lebensschulung  in  seiner 
Jugend  entwickelt  und  die  belletristischen  Versuche  seines  Alters  daran  gereiht.  Den 
zwei  historischen  Romanen,  die  wir  von  ihm  besitzen,  mangelt  es  an  durchgreifender 
Gestaltungskraft,  während  die  Einzelschilderungen  des  Reizes  nicht  entbehren.  — 


D.  Gesch  d.  Erstlingswerkes.  Wie  ich  anfing  u.  wie  ich  in  d.  Litt,  kam:  ib.  16,  S.  81/6,  105-10.  —  341)  R.  Wernly,  Vater 
H.  Zschokke.  E.  Lebens-  u.  Charakterbild.  Festschrift  auf  d.  Tag  d.  Enthüllung  seines  Denkm.  in  Aarau.  Her.  im  Auftr.  d. 
Denkm.-Komit.  Aarau,  Sauerländer  &  Co.  67  S.  Mit  3  Taf.  M.  1,20.  —  342)  X  M.,  D.  Zschokkedenkm.  in  Aaran:  ÜL&M.72, 
S.  914.  -  343)  X  D-  Zschokkedenkm.  in  Aaran:  Daheim«.  30,  N.  47.  —  344)  E.  A.  Hai ler,  „D.  Stunden  d.  Andacht"  v. 
Zschokke?:  KathSchwBll.  9,  8.  262  4.  —  345)  X  H.  Zschokkes  ausgew.  Werke.  3.  u.  4.  Bd.  (=  Cottasche  Volksbibl.  N.  41/2.) 
St.,  Cotta.     240,  224  S.     ä  M.  0,50.  —  346)  X  •<*-,  Ausgew.  Werke.     4  Bde.     B.,  Wiener.     12°.     383,  400,  400,  399  S.    M.  5,00. 

—  347)  X  ia*  D-  Abenteuer  d.  Neujahrsnacht.  L.,  Gressner  &  Schramm.  12°.  64  S.  M.  0,50.  —  348)  X  id-'  D-  Goldmacher- 
dorf. Erz.  Reutlingen,  Ensslin  &  Laiblin.  12°.  136  S.  M.  0,60.  —  349)  X  ia-*  Addrich  im  Moos.  Erz.  Aarau,  Saner- 
länder &  Co.  12°.  423  S.  M.  0,90.  —  350)  X  ><*..  Alamontade.  Erz.  ebda.  12».  186  S.  M.  0,75.  -  351)  X  id-  ©•  Flüchtling 
im  Jura.  Erz.  ebda.  12°.  146  S.  M.  0,50.  —  352)  X  id.,  D.  Freihof  v.  Aarau.  Erz.  ebda.  12°,  391  S.  M.  0,90.  -  353)  X 
id.,  Florette  oder:  D.  erste  Liebe  Heinrichs  IV.  Erz.  (=  Bibl.  für  Alle  N.  8.)  Basel,  Koehler.  32  S.  M.  0,15.  —  354)  X 
id.,    D.    Abenteuer    d.    Neujahrsnacht.     D.    blaue  Wunder.     (=  Allg.  Volksbibl.    N.  23.)     Nensalza,    Oeser.     80  S.     M.  0,20.  — 

—  355)  H.  Woltersdorff,  Essai  snr  la  vie  et  les  oeuvres  de  Rod.  Töpffer.  I.  Progr.  d.  Realgymn.  Magdeburg,  (Baensch). 
4°.  22  S.  (Vgl.  JBL.  1893  I  11  :  324.)  -  356)  X  J-  Sarrazin,  G.  Glöckner,  R.  Töpffer  (JBL.  1891  IV  3:96):  LBIGRPh.  14, 
S.  106/7.    —    357)  J.  Baechtold,    Sal.  Tobler:   ADB.  38,  S.  394/5.    —    358)  F.  Brummer,  Job.  Andr.  Sprecher  v.  Bernegg; 


IV  3:359-307    R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.   1893,  1894. 

In  das  ureigenste  Gebiet  lokalkantonlicher  Poesie  geleiten  Jerem.  Gotthelfs 
biderbe  Bauernromane.  Was  Saitschik359)  auf  Grund  eindringlicher  Kenntnis  und 
stammverwandter  Nachempfindung  in  den  allgemeinen  Teilen  seiner  Abhandlung  über 
Gotthelf  sagt,  ist  uns  durch  Kellers  Essay  in  grossen  Zügen  schon  vermittelt  worden. 
Wie  die  Biederkeit  in  Grobheit  und  der  Ernst  in  Moralpredigt  bei  ihm  oft  ausartet, 
wie  eigensinnig  und  eigenmächtig  der  Volksschriftsteller  seine  Wege  wandelt,  ohne 
auf  die  ästhetischen  Gesetze  von  Komposition,  Beschränkung,  Sprache  und  Stil  zu 
achten,  das  bringt  S.  dem  Nichtschweizer  näher  durch  eine  sorgsame  Analyse  des 
Stammescharakters  und  der  Standeseigentümlichkeiten  solcher  Leute,  die  in  Gotthelfs 
breit  angelegten  Epen  als  handelnde  Personen  auftreten.  Streng  auf  realistischem 
Boden  fussend,  ein  Widerkämpfer  des  Spieles  der  Phantasie  kann  sich  die  markige 
Gestalt  des  ländlichen  Predigers  und  Dichters  einer  Art  biblischer  Erhabenheit  nicht 
erwehren.  Und  was  er  sagt  und  schildert,  das  kommt  aus  seinem  Innersten.  Er  hat 
es  gesehen  oder  in  sich  gefühlt.  Aus  dieser  Enge  des  Individualismus  fliessen  die 
Vorzüge,  aber  auch  die  Hauptfehler  des  Dichters.  Der  Bauernboden,  auf  dem  er 
steht,  und  die  kleinen  Verhältnisse,  in  denen  er  lebt  und  dichtet,  sind  ihm  Massstab 
für  jegliches  Seiende.  Ihm  gebührt  in  der  Weltliteratur  ein  Ehrenplatz  unter  den 
Schilderern  des  Bauernlebens;  denn  er  ist  ein  Kolonisator  unter  den  Vf.  moderner 
Dorfgeschichten.  Wenn  wir  ihn  auch  nicht  mit  S.  den  bedeutendsten  Schöpfer 
dieser  Gattung  nennen  wollen,  so  stimmen  wir  doch  darin  überein,  dass  er  der  originellste 
und  tiefste  Schilderer  der  „Dörperheit"  ist.  „Uli  der  Pächter"  ist  das  grossartigste 
Werk  Gotthelfs  und  der  beschränkte,  einfältige  und  eigensinnige  Knecht  Uli  gewiss 
seine  vollendetste  Gestalt,  ebenso  wie  Frau  Vreneli  der  gelungenste  unter  den  Frauen- 
charakteren ist.  —  Die  kleineren  Erzählungen  hat  Saitschik  nur  ganz  kurz,  fast  etwas 
ablehnend  berührt;  Freytag360)  lobt  mit  Recht  die  Fassung  der  Tellsage,  die  uns  in 
Gotthelfs  Erzählung  „Der  Knabe  des  Teil"  menschlich  nahe  gebracht  worden  ist.  Der 
Reichtum  an  schweizerischen  Idiotismen  wird  jedoch  der  Verbreitung  von  Gotthelfs 
Werken  immer  ein  Hindernis  sein.  —  Von  dem  grossen  lokalen  Interesse,  das  man 
ihnen  entgegenbringt,  zeugen  die  zahlreichen  Ausgaben  der  Werke  und  einzelnen 
Erzählungen.361"366)  — 

Recht  in  den  Brennpunkt  litterarischer  Betrachtung  trat  in  den  Berichtsjahren 
Gottfried  Keller  durch  die  zwei  ersten  Bände  seiner  von  Baechtold 367) 
besorgten  Biographie.  B.  hat  den  Intentionen  des  Dichters  am  besten  zu  entsprechen 
geglaubt,  wenn  er  den  Bildungsgang  des  langjährigen  Bekannten  von  Dokument  zu 
Dokument  mit  wenigen  verbindenden  Worten  geleitete,  als  Literarhistoriker  sich 
hinter  der  Rückwand  der  Bühne  haltend.  Er  nahm  sich  darin  das  einfache  Buch 
zum  Muster,  das  einst  Unlands  Witwe  ihrem  Gatten  gewidmet  hat.  Und  so  entfaltet 
sich  durch  die  Publikation  sorgsam  gehüteter  Schätze  mit  einem  Male  die  ganze  Welt 
vor  uns,  aus  der  das  Kind  seine  reichen  Anlagen  schöpft,  die  der  Jüngling  in  eigener 
Gedankenarbeit  gross  zieht  und  der  Mann  mit  fester  Erkenntnis  bebaut.  In  wunder- 
samem Aufstieg  geht  es  über  der  Erde  Freuden  und  Schmerzen  aus  der  geliebten 
Heimat  in  das  ungewisse  Elend,  ungewiss  ob  der  materiellen  Nöte  wie  der  bangen 
Zweifel,  welchem  Beruf  der  Münchner  Malerschüler  eigentlich  vom  Schicksal  be- 
stimmt sei.  Die  geheimsten  Falten  des  zerwühlten  Herzens  liegen  aufgedeckt  vor 
dem  staunenden  Leser,  der  bisher  nur  gewohnt  war,  die  glänzenden  Gaben  des  hohen 
Talents  bewundernd  hinzunehmen.  Von  keinem  Dichter  unserer  Zeit  wussten  wir 
weniger  als  von  dem  Spätgereiften,  der  nur  kärglich  über  sich  Aufschluss  gab,  seit 
man  sich  allgemein  für  ihn  zu  interessieren  begonnen  hatte.  Und  über  keinen  wissen 
wir  nun  mehr,  seit  das  Füllhorn  der  Darbietungen  über  uns  ausgeschüttet  worden 
ist.  Es  ist  unmöglich  anzudeuten,  welches  Urbar  sich  den  Blicken  des  Forschers 
aufthut.  Darum  lieber  eine  bescheidene  Inhaltsangabe,  die  sich  schematisch  der 
Publikation  B.s  anschliesst.  Der  erste  Band  behandelt  die  Zeit  von  1819  -50.  Die 
in  Zürich  verbrachte  Jugendepoche  bis  1839  lehrt  uns  die  Familie,  die  Erziehung, 
die  Schuljahre  und  die  ersten  Freundschaften  Kellers  kennen  und  holt  aus  den  Tiefen 
der  Verborgenheit  die  dilettantischen  Versuche  des  Knaben   auf  zwei  Kunstgebieten, 

ib.  35,  S.  284/5.  —  359)  (IV  la:43.)  —  360)  Jer.  Gotthelf,  D.  Knabe  a.  Teil.  Bearb.  v.  G.  Klee.  2.  Aufl.  (=  Jugend-  u. 
Volksbibl.  N.  113.  St.,  Steinkopf.  141  S.  M.  0,75.)  |[L.  Freitag:  COIRW.  22,  S.  706.]|  —  361)  X  ><*.,  Ausgew.  Werke.  111. 
Prachtausg.  Nach  d.  Originaltexte  neu  her.  v.  0.  Suttermeister.  Vorw.  v.  K.  Schenk.  M  200  Illustr.  v.  A.  Anker, 
H.  Bachmann,  W.  Vigier.  1.-3.  Lfg.  München,  C.  Rupprecht  in  Komm.  VI,  240  S.  ä  M.  1,20.  (Kompl.  in  etwa  22  Lfgn.)  - 
362)  X  Wh  Ausgew.  Werke  in  4  Bdn.  (=  Cottasche  Volksbibl.  N.  27-30.)  St.,  Cotta.  12°.  286,  315,  255,  204  S.  ä  M.  0,50. 
—  363)  X  id.,  Wie  Uli  d.  Knecht  glücklich  wird.  3.  Aufl.  Nach  d.  1.  Originalausg.  2  Tle.  (=  Schw Volksbibl.  N.  1.)  Bern, 
A.  Siebert.  412  S.  M.  2,00.  -  364)  X  id.,  Uli  d.  Pächter.  B.  Erz.  3.  Aufl.  2.  Abt.  (=  ib.  N.  2.)  346  S.  M.  2,00.  — 
365)  X  id.,  D.  Harzer  Hans.  E.  Dorfgesch.  L.,  Gressner  *  Schramm.  12°.  52  S.  M.  0,50.  -  366)  X  >d-,  D-  Sonntag  d. 
Grossvaters.  Erz.  ebda.  12°.  52  S.  M.  0,50.  —  367)  J-  Baechtold,  Gottfr.  Kellers  Leben.  Seine  Briefe  u.  Tagebücher. 
2  Bde.  (1819-50,  1850-61.)  B.,  Besser.  1893-94.  VII,  460  8.;  VII,  544  S.  Mit  Bild.  M.6,00;  M.  8,00.  |[e.  a.  (Erioh  Schm  idt): 
DRs.  81,  S.  475/6;  A.  Sauer:  DLZ.  S.  1387-90;  M.  Necker:  BLÜ.  S.  1/4;  BURS.  63,  S.  416,7;  J.  V.  Widmann:  Nation1*.  11. 
S.  334/8,  571/3;  SchwRs.  1893:  2,  S.  738;  H.  F.:  SchwäbKron.  N.  16;  M.  Necker:  NFPr.  N.  10635;  S.  Schott:  AZg».  1893, 
N.  301;  Br.:  WeserZg.  N.  17008/9,  17209;  r.:  TglRs".  1893,  N.  293,5;  1894,  N.  163,4;  Geg.  45,  S.  351 ;  O.  Brabra:  FZg.N.Öl.|| 


R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.    1893,  1894.     IV  S.twsia 

der  Malerei  und  Schriftstellerei,  hervor.  Mehr  als  es  naturgemäss  hier  geschehen 
konnte,  beschränkt  sich  B.  im  Folgenden  darauf,  als  „Vor-  und  Zwischenredner", 
zumeist  aber  in  rein  sachlichen  Anmerkungen  unter  dem  Text  und  im  Anhang, 
Personen  und  Orte  durch  thatsächliche  Angaben  näher  zu  bestimmen.  Der  zweite 
Abschnitt  (Mai  1840  bis  Nov.  42)  ist  den  Lehrjahren  auf  der  Münchner  Akademie 
gewidmet.  Durch  den  erneuten  Aufenthalt  in  der  Heimat  (bis  Okt.  1848),  mit  die 
wichtigste  Phase  in  Kellers  Leben,  weil  in  jener  Zeit  die  endgiltige  Entscheidung 
für  die  Dichterlaufbahn  fiel,  geleiten  uns  köstliche  Tagebuchaufzeichnungen,  herrliche 
Briefe  an  bedeutende  Zeitgenossen,  ein  originelles  Traumbuch.  Die  Heidelberger 
Universitätszeit  (Okt.  1848  bis  Apr.  50)  bringt  u.  a.  Licht  in  die  herzlichen  Beziehungen 
zu  Herrn.  Hettner  und  zu  der  hochbegabten  Tochter  des  Hofrats  Christian  Kapp, 
Johanna,  der  einstigen  Flamme  Hoffmanns  von  Fallersleben.  Mit  einem  Wort,  es  ist. 
das  ganze  Erdreich  aufgewühlt,  in  dem  die  zartesten  Fäserchen  des  „Grünen  Heinrich" 
wurzeln.  Alle  Personen  der  Dichtung,  alle  Geschehnisse,  alle  Orte  kehren  in 
Urphänomenen  zurück,  und  es  wird  lehrreich  und  ergötzlich  zugleich  sein,  die 
realistische  Dichtung  an  den  realen  Vorgängen  messen  zu  dürfen.  Und  gerade  wegen 
des  Reichtums,  den  wir  an  Kellers  Geist  und  Phantasie  bewundern,  wegen  der  Viel- 
seitigkeit seiner  Bestrebungen  ist  dieser  erste  Band  der  wertvollere;  denn  er  läset 
die  gewordene  Vielheit  uns  als  eine  Schritt  für  Schritt  werdende  erkennen  und  zwar 
in  einem  Zickzack  von  Tragik  und  Humor,  der  des  echten  Künstlers  eigenste  Himmels- 
gabe ist.  Dieses  Aufjauchzen  wechselt  mit  dem  Aufstöhnen  auch  noch  in  der  Berliner 
Zeit  Kellere,  die  den  2.  Band  eröffnet  (Apr.  1850  bis  Dec.  55).  Für  diese  Periode 
stand  dem  Herausgeber  ein  Schatz  von  Briefen  an  F.  Freiligrath,  Wilh.  Baumgarten, 
vornehmlich  aber  an  H.  Hettner  zur  Verfügung,  dessen  feinsinnige  Bemerkungen 
dem  Dichter  eine  bevorzugte  Stelle  in  der  Geschichte  der  Aesthetik  und  Geisteswissen- 
schaft überhaupt  sichern  Keller  entpuppt  sich  darin  direkt  als  „der"  Mitarbeiter  an 
Hettners  Buch  über  das  moderne  Drama,  dem  die  besten  Ideen  ihren  Ursprung 
danken.  Wieviel  bei  diesen  Briefwechseln  noch  abfällt  für  die  Erklärung  und  Deu- 
tung von  Kellers  eigenen  Werken  und  für  seine  Charakteristik  als  Mensch,  Politiker, 
Denker  und  Künstler  lässt  sich  wieder  nur  durch  eine  Hindeutung  auf  den  dar- 
gebotenen Reichtum  vermerken.  Für  die  folgenden  sechs  J.  (1855—61),  die  Keller 
neuerdings  in  seiner  Heimat  verbrachte,  bis  zu  seiner  Ernennung  zum  Staatsschreiber, 
machen  gleichfalls  die  Briefe  an  Freunde  den  Hauptinhalt  für  die  Darstellung  aus. 
Der  Freundeskreis  wird  natürlich  immer  weiter;  die  Urteile  werden  immer  reifer:  sie  er- 
strecken sich  auf  ein  stets  sich  vergrösserndes  Gebiet  menschlicher  und  künstlerischer 
Anteilnahme.  B.  hat  seine  Aufgabe  auf  das  beate  gelöst,  mögen  auch  einzelne  Nörgler 
jetzt,  da  die  zwei  Bände  ihnen  vorliegen  und  in  so  rascher  und  dabei  gründlicher 
Verarbeitung  vorgelegt  sind,  mit  einer  Weioheit  herausrücken,  die  den  Stadt vätern 
eignet,  „wenn  sie  vom  Rathaus  gehen".  Im  allg-emeinen  ist  dem  Herausgeber  alle 
erdenkliche  Anerkennung  geworden;  durch  Ergänzungen  oder  Berichtigungen  im 
einzelnen,  die  fast  jede  der  grösseren  Recensionen  bringt,  soll  ihm  nur  der  Dank 
für  die  herrliche  Gabe  geboten  werden.368)  —  Ausdrücklich  genannt  zu  werden  ver- 
dient Pniowers369)  Aufsatz,  der  es  sich  zur  Aufgabe  gemacht  hat,  die  poetischen 
Bekenntnisse  Kellers  im  „Grünen  Heinrich"  an  den  realen  Zeugnissen  zu  messen. 
P.  hat  nur  in  einigen  Punkten  probeweise  angedeutet,  in  welcher  Art  der  Dichter 
das  Erlebte  künstlerisch  gesteigert  hat.  Treffliche  Bemerkungen  über  den  Lyriker 
Keller  werden  uns  geboten.  —  Was  im  übrigen  zu  Kellers  Lebensgeschichte  in  die 
Oeffentlichkeit  getreten  ist,  muss  als  verschwindend  gering  bezeichnet  werden  gegen- 
über der  angedeuteten  Fülle  in  Baechtolds  Biographie.  Es  soll  hier  nur  ganz  zu- 
sammenfassend als  Ergänzung-  vermerkt  werden.  Brenn ings  37°)  Buch  (JBL.  1892 
IV  3:108)  ist  noch  mehrfach  zustimmend  besprochen  worden.  —  Auch  Freys371) 
„Erinnerungen",  die  durch  den  Hauch  des  Persönlichen  sich  auszeichneten,  haben 
ihre  Erweiterungen  für  die  zweite  Auflage  zum  grössten  Teil  aus  Baechtolds  Ver- 
öffentlichung gezogen.  Dem  Bändchen  ist  ein  nach  einer  Photographie  hergestelltes 
Bildnis  des  Dichters  aus  seinen  besten  Mannesjahren  beigegeben.  Die  Baumgartner- 
schen  Kompositionen  der  Lieder  „An  mein  Vaterland"  und  „Auf  der  Ufenau",  deren 
Originale  im  Besitze  der  Frau  Pfäfflin-Baumgartner  sind,  sind  als  Facsimiles  bei- 
geheftet. —  Ganz  persönlicher  Art  sind  die  Erinnerungen  eines  anonymen372)  Malers 
aus  dem  „achtbaren  Norden",  der  aus  Begeisterung  für  den  „Grünen  Heinrich"  sich 
schriftlich  an  Keller  wandte  und  dem  Dichter  Vorschläge  für  eine  Umarbeitung  unter- 
breitete.    Er  giebt  den  Inhalt  der  Unterredungen  wieder,  die  er  mit  Keller  bei  seinen 


(Schon  in  3.  Aufl.  erschienen.)  —  368)  X  id.,  Gottfr.  Keller  in  Heidelberg  u.  Berlin  (1848-55).  Nach  d.  Briefen  mitget.: 
DRs.  77,  S.  35-62;  78,  S.  194-224,  348-78.  (Als  Gaumenreiz  aus  N.  367  im  voraus  dargeboten.)  —  369)  0.  Pniower,  Gottfr. 
Kellers  Jugend:  VossZgB.  N.  8-10.  —  370)  X  D-  Jacoby:  DLZ.  1893,  S.  83/5;  WIDM.  73,  S.  717.  —  371)  A.  Frey,  Erinnerungen 
an  G.  Keller.  2.  Aufl.  Mit  G.  Kellers  Bild  u.  2  Facs.  Kompositionen  Baumgartners.  L.,  H.  Hassel.  1893.  VII,  184  S.  M.3,00. 
(Vgl.  JBL.  1891  IV  3:1423.)    —    372)  W.  P„    Erinnerungen  an  G.  Keller:    Geg.  43,  S.  389-91.    —    373)  M.  B.  v.  Stern,    E. 


IV  3:373380     R.  Ro senbau in ,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.    1893,  1894. 

wiederholten  Besuchen  pflegte.  Der  Vermittlung-  dieses  Mannes  sollen  wir  es  danken, 
dass  Keller  mit  Storm  in  einen  Briefaustausch  trat.  Neben  persönlichen  und  sach- 
lichen Beobachtungen  veröffentlicht  der  Anonymus  auch  seinen  Briefwechsel  mit  dem 
Dichter.  Am  bemerkenswertesten  ist  die  Stelle,  worin  Keller  seinem  Korrespondenten 
dankt,  „dass  die  Judith  im  . ,retouchierten  Heinrich"  noch  jung1  genug-  auftritt,  nicht 
als  Matrone".  Sein  letzter  Besuch  bei  dem  kranken  Dichter  fällt  in  den  Apr.  1890. 
Die  Mitteilungen  sind  von  Anfang  bis  zu  Ende  überaus  interessant.  —  M.R.  von  Stern  s373) 
Interview  des  Dichters  in  Bezug  auf  seine  Stellung  zur  Socialdemokratie  birgt  nur 
eine  deutliche  Wiederholung  des  aus  allen  Werken  hervorleuchtenden  Axioms:  „Das 
höchste  Recht  ist  die  Macht  der  Persönlichkeit."  —  Ein  derartiges  prosaisches  Aus- 
fragen ist  zum  mindesten  ebenso  kleinlich,  wie  die  wörtliche  Herübernahme  einer 
Stelle  aus  dem  „Grünen  Heinrich"  zur  Lösung-  einer  theologischen  Schulfrage374).  — 
Verhältnismässig  gering  ist  dem  Interesse  an  der  Biographie  und  dem  Bildungsgang- 
Kellers  gegenüber  der  ästhetische  Anteil  an  seinen  Werken.  Der  von  Baechtold375"376) 
veröffentlichte  Nachlass  fand  in  den  Berichtsjahren  noch  immer  einen  enthusiastischen 
Wiederhall  in  den  Litteraturzeitungen  und  in  der  Presse.  Mehr  denn  anderswo  musste 
sich  bei  dieser  Gelegenheit  jedermann  nehmend  und  wiedergebend  verhalten.  Die 
Nachlassschriften  konnten  bereits  in  fünfter  Auflage  erscheinen.  —  Von  gründlicher 
Kenntnis  und  umfassendem  Verständnis  für  Kellers  Dichterphysiognomie  ist  Sait- 
schiks377)  Untersuchung  getragen.  Wie  in  seinem  Essay  über  Gotthelf  schickt  S. 
auch  diesmal  einen  Abschnitt  von  zusammenfassender  Würdigung'  voraus,  dem  sich 
synthetisch  die  Beweise,  aus  den  einzelnen  Werken  gezogen,  nicht  ohne  ermüdende 
Wiederholungen,  anreihen.  S.  hat  Kellers  Grundeig-entümlichkeiten-  richtig  und  in 
der  Tiefe  des  Wesens  erfasst  und  glücklich  Kellers  Pantheismus  mit  Gotthelfs 
Individualismus  konfrontiert.  Aus  diesem  Prinzip  heraus  gelang  ihm  auch  die  Deu- 
tung von  Kellers  Charakteristik.  Keller,  ein  Demokrat  in  des  Wortes  bester  Deutung-, 
ist  hingestellt  als  selbständige  und  erziehende  Erscheinung.  Er  musste  eindringlich 
auf  seinem  ureigensten  Schaffensgebiet,  der  psychologisch-humoristischen  Novelle, 
verfolgt  und  begriffen  werden.  Das  hat  S.  auch  von  einer  entsprechenden  Höhe  der 
Gesichtspunkte  aus  gethan  und  sich  jeder  kleinlichen  Kritik  dabei  enthalten,  wenn 
er  auch  nicht  blind  verhimmelnd  den  Spuren  des  Genius  nachging.  Umsichtige 
Kenntnis  fremder  Litteraturen  berechtigte  S.  zu  einer  Bewertung  des  Kellerschen 
Humors,  der  „objektiv,  selbstbewusst,  frei  von  jeder  Befangenheit,  zur  abgeklärten 
Weltanschauung  wird"  und  deshalb  des  Kranzes  wert  ist,  den  die  Welt  dem  Dichter- 
haupt erst  flechten  wird.  Es  ist  auch  eine  ganz  richtige  Beobachtung  S.s,  dass  Keller, 
einer  der  am  meisten  realistischen  Erzähler,  sich  von  der  Manier  nicht  lossagen  konnte, 
seine  Phantasie  von  ganz  seltsamen  Ausgangspunkten  her  die  Lebenswahrheit  an  das 
Licht  ziehen  zu  lassen  (S.  174/5);  aber  das  ist  eben  auch  ein  Stück  seiner  Originalität. 
Als  Novellist  verschmilzt  er  in  seinem  Talente  den  romantischen  Zug  mit  dem 
rationalistischen  in  einer  unnachahmlich  organischen  Weise  (S.  202).  Er  hat  darin 
seine  Zeit  begriffen  und  die  Zeit  glücklicherweise  auch  ihn  bei  Lebzeiten.  Kellers 
Lyrik  glaubt  S.  am  besten  durch  das  Wort  „biedere  Aufrichtigkeit  des  Gefühls"  kenn- 
zeichnen zu  dürfen  und  den  Hauptmangel  seiner  geschichtlichen  Novellen  sehr  selt- 
sam damit  begründen  zu  müssen,  dass  die  geschichtliche  Wirklichkeit  keine  humo- 
ristische Behandlung  zulasse.  —  Die  Leidensgeschichte  des  „Grünen  Heinrich"  hat 
sich  Runkel378)  aus  den  Darbietungen  der  letzten  Jahre  herausgeschält,  um  in 
einer  Apotheose  Baechtolds  seine  Bewunderung  für  den  Dichter  und  den  Biographen 
auszugiessen,  während  ein  Anonymus379)  des  Herausgebers  Standpunkt  vollständig  miss- 
versteht, indem  er  Baechtold  tadelt,  dass  er  sich  entgehen  liess,  „die  erfindende,  belebende 
und  steigernde  Kraft"  schärfer  zu  betonen,  die  der  Dichter  seinem  ersten  Roman 
gegenüber  bethätigt  hat.  Diesen  Fehler  teilweise  gut  zu  machen  strebt  sein  Versuch  an. 
Und  sein  Ergebnis:  Es  giebt  im  „Grünen  Heinrich"  mindestens  ebensoviel  Abweichungen 
von  der  Wirklichkeit  wie  Uebereinstimmungen  mit  ihr,  hat  keinen  Anspruch  auf 
Originalität.  Das  Wettern  gegen  die  übliche  Litteraturbetrachtung'  steht  mit  der  eigenen 
Thätigkeit  des  Anonymus  aber  keineswegs  im  Gegensatz.  Sollte  er  vermeinen,  hinter 
Kellers  Aussprüchen  über  die  „Totengräber"  sich  verschanzen  zu  können,  so  sei  er 
doch  wieder  daran  erinnert,  dass  derselbe  Keller  eine  Geschichte  der  poetischen 
Motive  als  wünschenswerte  Aufgabe  der  Litterarhistorie    zuwies.  —  Von  ferne  rührt 


Besuch  bei  G.  Keller:  SchwRs.  1893:  2,  S.  500,2.  (Abgedr.  aus  M.  R.  v.  Sterns  LBullSchweiz.  1892-93,  N.  12;  wiederholt 
nachgedr.,  so  in:  DidasV.  1893,  N.  271;  DPB1.  26,  S.  380/1;  NFPr.  1893,  11.  Nov.)  —  374)  Gr.,  G.  Keller  üb.  d.  Katechism.: 
DB11EU.  20,  S.  98.  (Abdr.  e.  Stelle  aus  d.  „Grünen  Heinrich".  3.  Aufl.  1,  S.  122  ff.  Z.  schwebenden  Frage  d.  Katechism. - 
Unterr.)  —  375-376)  J.  Baechtold,  G.  Kellers  Nachgelass.  Schrr.  u.  Dichtungen  (JBL.  1892  IV  3:106).  |[A.  Sauer:  DLZ.  1893, 
S.  504/6:  —s.:  LCB1.  1893,  S.  761/3;  Erich  Schmidt:  DRs.  77,  S  472/3;  M.  Neck  er:  8^.1893,8.2,4;  —  n  -:  DDichtung.  13, 
S.  149-51;  Grenzb.  1893:  1,  S.  42/5;  F.  V(etter):  SchwRs  1893:  1,  8.  92/4;  Geg.  45,  S.  351;  J.  V.  Widmann:  Nation«  10, 
S.  178-81;  Kw.  6,  S.  83/4;  K.  HenoVell:  NZ^t.  113,  g.  655-60;  O.  Pniower:  VossZgB.  1893,  N.  19;  Br.:  WeserZg.  1893, 
N.  16738;  F.  Arnim:  WienTBl.  1893,  N.  217;  Rud.  Lothar:  NFPr.  1893,  21.  Mai.]|  —  377)  (==  N.  359,  S.  83-203.)  —  378)  F. 
RnnVel,  D.  grüne  Heinrich:  Zeitgeist  N.  27.    —    379)  G.  Kellers  grüner  Heinrich:   Grenzb.  3,  S.  33  40.    —    380)  F.  Wich- 


R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./ 19.  Jahrhunderts.    1893,1894.     IV  3  •.  381-389 

an  ein  ähnliches  Ziel  im  engsten  Rahmen  die  zusammenfassende  Behandlung"  der 
Fraueng-estalten  Kellers  durch  Wichmann380).  Eine  richtige  Beobachtung  scheint 
es  zu  sein,  dass  zwischen  der  äusseren  Beschreibung  und  dem  Abbild  des  inneren 
Lebens  das  Lachen  steht,  eine  Eigentümlichkeit  Kellerscher  Charakteristik,  die  aber 
so  mannigfaltig  ausgedeutet  wird  und  mühelos  ausgedeutet  werden  kann,  dass  das 
gewonnene  Destillat  von  Erkenntnis  im  Augenblick  mit  dem  Satz  von  zu  Boden  ge- 
fallenem Untersuchungsstoff  eine  unlösliche  und  nur  zu  natürliche  Verbindung  eingeht. 
An  der  Eigenart  des  Dichters  und  seiner  Themata  liegt  es,  dass  er  fast  ausnahmslos 
deutsche  Frauen  schildert,  und  sein  Realismus  ist  das  bedeutendste  Hindernis  roman- 
hafter Liebeserklärungen.  Tiefer  gründet  die  Bemerkung  W.s,  dass  Kellers  Frauen 
im  Verhältnis  zu  den  Männern  vielfach  „als  den  Mann  provozierend"  sich  zeigen. 
Doch  auch  dabei  scheint  weniger  eine  allgemeine  Auffassung  von  dem  Wesen  des 
Weibes  als  meistens  ein  technischer  Kunstgriff  die  Ursache  zu  sein,  namentlich  dort,  wo 
der  Humor  zu  seinem  Rechte  kommen  soll.  —  Eine  Art  zeichnerischen  Kommentars 
zum  „Grünen  Heinrich"  ist  das  Neujahrsblatt  der  Züricher  Stadtbibliothek  vom  J.  1894, 
das  fünf  Zeichnungen  Kellers  aus  seiner  reiferen  Malerzeit  reproduziert,  dazu  ein 
Oelgemälde  von  Tschudis  und  die  Leemannsche  Radierung  von  Kellers  Porträt  uns 
vor  Augen  führt.  Der  beigefügte  Text  von  Brun381)  erklärt  ausdrücklich,  dass  die 
Reproduktionen  nicht  des  künstlerischen  Wertes  halber,  sondern  bloss  aus  Pietät  für 
den  Dichter  weiteren  Kreisen  geboten  werden.  B.  schildert  die  Künstlerlaufbahn 
Heinrich  Lees  und  misst  an  ihr  diejenige  Gottfried  Kellers,  immer  betonend,  dass  der 
künstlerische  Wert  seiner  Hinterlassenschaft  an  sich  geringfügig  und  unbedeutend  sei 
und  nur  für  die  Auffassung  des  Dichters  von  förderndem  Nutzen  sein  werde.  Er 
schliesst  sich  dabei  eng  an  die  bekannten  Publikationen  an.  Zu  dem  Zwecke  leichterer 
Uebersicht  fügt  B.  ein  Verzeichnis  des  künstlerischen  Nachlasses  des  Dichters  an  nach 
dem  Katalog,  der  bei  Gelegenheit  der  Kellerausstellung  im  Sommer  1893  veröffentlicht 
wurde,  und  ergänzt  es.  Des  weiteren  sind  dann  noch  einige  kleine  Aufsätze  Kellers, 
die  in  dem  Anhange  zu  den  nachgelassenen  Schriften  und  Dichtungen  bereits  ver- 
zeichnet vorliegen,  von  B.  abgedruckt  worden.  Sie  bieten  die  Handhabe  zu  einem 
Urteil  über  Keller  als  Kunstkritiker,  das  weitaus  günstiger  ausfällt  als  das  über 
Keller  den  Malerschüler.  —  H.  E.  von  Berlepschs 382)  Schrift  über  den  gleichen 
Gegenstand  war  mir  unzugänglich.383)  —  Die  Gottfried  Keller-Ausstellung  selbst  haben 
B  o  lza384)  und  Frey385)  besprochen,  über  die  Gottfried  Keller-Stiftung386)  ging  eine 
gleichlautende  Notiz  durch  die  Zeitungen.387)  — 

Mit  Gotthelfs  und  Kellers  Auftreten  begann  für  die  schweizerische  Litteratur 
eine  neuePeriode,  die  durch  Konr.Ferd.Mey  er  s  Wirksamkeit  eine  seltene  Ausgestaltung 
nach  einer  neuen  Seite  hin  erfahren  hat.  Saitschik388)  ist  in  der  schon  oben  an- 
gedeuteten Weise  auch  den  Spuren  dieses  Genius  nachgegangen  und  hat  eine  Analyse 
seines  Werkes  gegeben,  die  an  Prägnanz  und  Ergründung  die  schon  besprochenen 
übertrifft.  Es  ist  ihm  gelungen,  die  dichterische  Physigonomie  Meyers  auf  eine,  wenn 
auch  umständliche,  so  doch  zutreffende  Formel  zu  bringen,  die  in  allem  Wesentlichen 
den  Kern  der  ausschweifenden  Charakteristik  birgt.  Sie  vertrete  hierselbst  die 
Stelle  einer  weitschichtigen  Umschreibung:  „Die  verworrenen  Seelenvorgänge,  die 
dunkle  Grenze,  welche  das  Bewusste  von  dem  Unbewussten  scheidet,  die  Ursprünge 
einer  in  ihren  Ergebnissen  klaren  That,  die  ihren  Weg  durch  die  Winkelgänge  eines 
starken  und  leidenschaftlich  erregten  Willens  bahnt,  der  Zwiespalt  der  Seele,  die  Ent- 
stehung und  Wirkung  des  Dämonischen  und  Schrankenlosen,  die  Natur  des  Traumes, 
der  Vision  und  des  religiösen  Empfindens,  —  nicht  auf  der  sonnigen  Oberfläche, 
sondern  aus  der  gestaltlosen  Tiefe  schöpft  Meyer  Motive,  Handlung  und  inneren 
Reiz  seiner  Werke,  über  die  sein  bildnerisches  Vermögen  eine  Fülle  von  Gestalten  und 
I^ormen  ausgiesst"  (S.  317).  Wunderbar  abgegrenzt  gegen  seiner  berühmten  Lands- 
leute Talente  ist  darin  die  Eigenart  des  jüng-eren  Genossen,  der  Kreis  seiner  Fähig- 
keiten sorglich  umzirkelt  und  für  den  kühneren  Blick  auch  die  Grenze  gedeutet,  über 
die  hinaus  der  Vorzug  sich  in  Schwäche  wandelt.  S.  hat  hier  mehr  als  in  den  anderen 
Aufsätzen  auch  darauf  Bedacht  genommen,  die  fremden  Einflüsse  aufzudecken,  denen 
sich  Meyer  nicht  immer  ganz  entziehen  konnte.  „Die  altertümlichen  Wendungen,  der 
robuste  Klang,  die  eigenartigen,  von  einem  naiven  Zug  getragenen  Gleichnisse  sind 
in  ihrem  Grundton  gleichsam  Keller  abgelauscht."  S.  ist  auch  der  Entwicklung  von 
Meyers  Sprachkunst  eindringlicher  nachgegangen  und  hat  schon  bei  seiner  Lyrik  auf 


mann,  G.  Kellers  Frauengestalten:  DDichterheim.  14,  S  218-21,2425,2627.  -  381)  C.  Brun,  G.  Keller  als  Maler.  (=Njbl.. 
her.  v.  d.  Stadtbibl.  in  Zürich  auf  d.  J.  1894.)  Zürich,  Faesi  &  Beer  (B.,  Besser  in  Komm.).  4°.  31  S.  Mit  Bild.  u.  6  Taf. 
M.  3,00.  —  382)  O  H.  E.  t.  Berlepsch,  G.  Keller  als  Maler.  Nach  seinen  Erzählungen,  seinen  Briefen  u.  d.  künstler. 
Nachl.  dargest.  L.,  Seemann.  Y,  152  S.  Mit  Abbild,  u.  4  Taf.  M.  2,75.  -  383)  X  <*■  Kellers  Malerzcit:  BerlTBl.  1893, 
N.  428.  —  384)  Bolza,  G.  Keller- Ausstell,  in  Zürich:  ML.  62,  S.  471.  —  385)  Ad.  Frey,  G.  Keller- Reliquien:  DRs.  76, 
S.  4Ö6/8.  -  386)  G.  Keller-Stiftung:  BerlTBl.  1893,  N.  194.  —  387)  X  G-  Keller,  Sieben  Legenden.  5.  Aufl.  B.,  Besser. 
12°  V,  133  S.  M.  3.C0.  —  388)  (=  N.  359,  S.  205-317.)  —  389)  C.  F.  Meyer,  Angela  Borgia.  Tradnz.  di  Maria  Poli- 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    Y.  (4)1 6  £ 


IV  3:390-402    R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.  1893,  1894. 

den  wesentlichen  Zug1,  eine  gewisse  „bildhauerische  Starrheit"  der  Phantasie  und  die 
aus  dem  Gesagten  sich  ergebende  wehmütige  Resignation  mit  Nachdruck  hingedeutet. 
Er  ist  dem  Hinweis    auf  die  Schwächen  der  Komposition  nicht  ausgewichen  und  hat 
andererseits  durch  deutliche  Fingerzeige  über  die  reichhaltige  Handlung,  den  Stil  und 
die  „gemeisselte  Schönheit"  der  Sprache  Bericht  erstattet.    S.  findet,  dass  der  Dichter, 
je  weiter   er   schreitet,   desto   mehr   an  Vollendung  gewinnt,  und  ergeht  sich  in  einer 
bewundernden  Auseinandersetzung  über  die   letzten  drei  Novellen,  die  sämtlich  auf 
italienischem  Boden  spielen.  —  Dies  mag  auch  der  vornehmste  Grund  dafür  sein,  dass 
die  Italiener  schon  im  J.  1888  „Die  Hochzeit  des   Mönchs",    1889  „Die  Versuchung 
des  Pescara"    in  Uebersetzungen  von  P.  Valabrega   willkommen  hiessen,    denen  sich 
im  Berichtsjahre  die  würdig  ausgestattete  Verdeutschung  der  „Angela  Borgia"  durch 
Maria   Poli-Hardmeyer 389)    anreiht.    —    Für    die    Beurteilung    der   eigenartigen 
Bündnergeschichte   „Jürg   Jenatsch"   ist  durch   Haffters390)   ganz   aus  den  Quellen 
gezogenes  und  anziehend  geschriebenes  Werk,  das  von  berufenen  Historikern  äusserst 
lobend   besprochen    wurde,    dem   Litteraturforscher  eine   zuverlässige  Handhabe    zur 
Vergleichung    geboten.    —    Bisher    hat    nur    Haug391)    den    Versuch  gemacht,   das 
neue  Material  zu  verwerten.     H,    der   zu  Unrecht  darüber  staunt,  dass  Haffter  den 
Namen  K.  F.  Meyers    in   seinem    Quellenwerk    auch   nicht   einmal  erwähnt,   bezeugt 
nunmehr    den   Scharfsinn,    mit    dem    der    Dichter    in  den  Zeitgeist  eingedrungen  sei 
und   preist    die  Anschaulichkeit,   mit   der  er  die  politischen  Verhältnisse   in  lebens- 
vollen  und  lebenswahren  Zügen  zu  fesselnder  Darstellung  verarbeitete.     Es  ist  nur 
begreiflich,    dass  der  Held  der  Bündner  Wirren  unter  der  Lupe  des  Historikers  be- 
trachtet,  viel  von  dem  Idealismus  verliert,   den  ihm  des  Dichters  Neigung  eingeflösst 
hat.     In  den  Hauptcharaktereigenschaften    aber  ist  Jenatsch  hier  wie  dort  „ein  Mann 
voll    unerschöpflicher    Geisteskraft,    voll    glühender    Leidenschaft,    zielb&wusst    und 
energisch,   tapfer   und   gewandt,    trotzig  und  gewaltthätig".     Der  eigentliche  Ansporn 
alles    Thuns    ist    auch   bei    dem  historischen    Helden    die  Vaterlandsliebe.     Die  Ab- 
weichungen in  den  Einzelheiten  entziehen  sich  hier  der  Wiedergabe.    Selbstverständ- 
lich ist  das  Ende  des  Bündner  Prädikanten  in  Wirklichkeit  auch  ein  anderes  als  der 
in  der  Dichtung  wohl  motivierte  Untergang.    Im  grossen  Ganzen  aber  verschiebt  sich 
durch  die  historische  Forschung   das  Bild  des  Freiheitshelden  nicht  bedeutend  von 
dem,  das  der  Dichter  aus  künstlerischer  Intuition  von  ihm  entworfen  hat.  — Friedr. 
Meyer392)  vergleicht   Richard  Voss  Trauerspiel    „Jürg  Jenatsch"  mit  der  epischen 
Darstellung  K.  F.  Meyers.  — 

Oesterreich.  Die  Feier  des  100.  Geburtstages  von  Charles  Sealsfield 
(Karl  Postel)  (1793—1864)  hat  vornehmlich  in  der  Presse  Anlass  zu  Festartikeln 393"399) 
gegeben,  die  mir  fast  alle  unzugänglich  blieben.  —  Was  an  selbsländigen  Publikationen 
bekannt  wurde,  ist  aber  ganz  unzulänglich.  So  hat  Meister  40°)  ein,  ich  möchte  sagen, 
antidiluvianisch  anmutendes  Elaborat  von  Anekdoten  und  Dokumenten,  verbrämt  mit 
lobhudelnden  Phrasen,  in  die  Welt  gesetzt,  dem  nur  in  einem  Punkte  Beachtung 
geschenkt  werden  kann.  M.  bemerkt,  dass  ein  Lieblingsplätzchen  in  der  Heimat  des 
Dichters  den  Namen  „Siegelfeld"  führe  —  allerdings  nur  in  der  Katastralmappe  des 
Bezirkes!  —  und  stellt  die  Vermutung  auf,  dass  Postel  in  pietätvoller  Erinnerung 
daran  sich  den  Namen  Sealsfield  beigelegt  habe  (S.  5/6).  Das  ganze  Schriftchen 
trägt  in  allen  Zügen  den  Stempel  des  Dilettantismus  zur  Schau.  —  Leider  ist  der 
Vf.  einer  gutgemeinten  Dissertation  des  Deutschen  nicht  so  weit  mächtig,  um  auch 
nur  entfernt  dem  Ziele  nahe  zu  kommen,  das  er  sich  steckte.  Der  Amerikaner 
Faust401)  setzt  uns  eine  Stiluntersuchung  über  Sealsfields  Werke  vor,  an  der 
nur  der  Wille  zu  loben  ist.  Ich  vermeide  es  deshalb,  ihm  eine  langatmige  Vorlesung 
darüber  zu  halten,  welches  die  tausend  Dinge  sind,  die  dazu  gehören,  da  ihm  schon 
das  erste,  die  Kenntnis  der  Sprache,  so  ganz  abgeht.  Zuverlässiger  ist  sein  Schluss- 
abschnitt, der  den  Einfluss  des  mährischen  Dichters  auf  die  amerikanische  Litteratur 
behandelt,  falls  man  von  litterarischem  Einfluss  bei  Plagiaten  reden  darf.  F.  weist 
nämlich  nach,  dass  die  amerikanischen  Novellisten  Kapt.  Mayne  Reid,  W.  G.  Simms 
und  Helen  Jackson  einzelne  Partien  aus  Sealsfields  Werken  einfach  wörtlich  in  ihre 
Schriften  herübergenommen  haben.    —    Dankenswert  ist  Fausts402)  Publikation   von 

Hardraeyer.  Milano,  Hoepli.  1893.  249  S.  L.  3,50.  —  390)  E.  Haffter,  G.  Jenatsch.  E.  Boitr.  z.  Gesch.  d.  Bündner 
Wirren.  Davos,  Richter.  XIX,  552  S.  M.  5,00.  |[  — ch-  :  LCB1.  S.  1759;  Th.  v.  Liebenau:  KathSchwBll.  9,  S.  593,4.]!  — 
391)  Ed.  Haug,  J.  Jenatsch  in  d.  Gesch.  u.  Poesie:  BLU.  S.  401/3.  —  392)  Friedr.  Mey  er,  „J.  Jenatsch",  Trauersp.  in 
5  A.,  nach  K.  F.  Meyers  gleichnam.  Roman  v.  R.  Voss:  SchwRs  1893:  1,  S.  373-83  —  393)  O  X  L-  Smolle,  Ch.  Sealsfield: 
NFPr.  1893,  3.  März.  -  394)  X  R-  Karpeles,  Ch.  Sealsfield.  Z.  100.  Jährest,  seiner  Geburt:  WienTBl.  1893,  N.  62.  -  395)  X 
A.  Siez  nie,  Ch.  Sealsfield.  E.  Erinnerungsbild  z.  3.  März  1893:  DZg.  N.  7608.  —  396)  X  A-  Smital,  E  berühmter  Mahrer. 
(Ch.  Sealsfield):  NWienTBl.  1893,  N.  62.  —  397)  X  O.  Meister,  Ch.  Sealsfield:  WZg.  1893,  8.  März.  —  398)  X  A.  Smital, 
I».  „Unbekannte"  in  d.  dtsch.  Litt.  Gedenkbl.  zu  Ch.  Sealsfields  Geburtst  :  FZg.  1893,  N.  60/1.  -  399)  X  An£-  Weiss,  E. 
Amerikaner  über  Ch.  Sealsfield:  WZg.  1893,  2.  Juli.  —  400)  0.  Meister,  Erinnerungen  an  Sealsfield-Postel.  Anlässl.  d. 
100.  Jährest,  seiner  Geburt,  v.  briefl.  u.  mündl.  Mitteil.  v.  persönl.  Bekannten  n.  Verwandten  d.  Dichters  bearb.  Wien,  Gräser. 
1892.  VIII,  40  S.  M.  0,80.  —  401)  A.  B.  Faust,  Ch.  Sealsfield  (C.  Postel),  Materials  for  a  biogr.;  a  study  of  his  style;  his 
influence    upon   amerienn    litt.     Diss.     Baltimore    (Friedenwald   &    Co.).    1892.    53   S.     —    402)   id.,   ünpublish.   letters    of 


R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.    1893,  1894.     IV  3  :  403-413 

43  Briefen  des  Dichters,  wovon  25  hier  zum  ersten  Male  erscheinen.  Die  übrigen 
sind  in  unvollständiger  Fassung*  schon  gedruckt  gewesen,  hier  nun  diplomatisch 
genau  wiedergegeben.  Die  ersten  20  Briefe  an  seine  Freundin  Elise  Meyer  in  Schaff- 
hausen liegen  aber  nur  in  Auszügen  vor,  die  die  Adressatin  daraus  gemacht  hat.  Die 
Originale  sind  von  der  Besitzerin  vernichtet  worden.  Die  Briefe  entstammen  den 
letzten  fünf  Lebensjahren  des  Dichters  und  zeigen  auch  in  diesen  spärlichen  Resten 
den  scharfen  Blick  des  amerikanischen  Bürgers  in  den  politischen  Ereignissen  Europas. 
So  schreibt  er  am  2.  Apr.  1860:  „Seit  ich  das  deutsche  Parlament  in  Frankfurt  tagen 
gehört  habe,  erwarte  ich  wenig  mehr  von  Deutschland  als  höchstens  Recensionen. 
Da  sind  sie  Meister  —  im  Kritisieren  nämlich."  Und  zwei  Jahre  später  spricht  er 
es  mit  vollster  Zuversicht  aus,  dass  „Deutschland  trotz  Apathie  und  Phlegma  einer 
Umgestaltung  entgegengeht,  und  das  schliesslich  Preussen  berufen  ist,  an  die  Spitze 
desselben  zu  kommen".  Die  Bemerkungen  über  die  zeitgenössische  Litteratur  zeigen 
ihn  selbst  gleichfalls  als  besseren  Kritiker  denn  als  Dichter.  Was  er  über  Gutzkow, 
die  Brüder  Humboldt,  Hackländer,  Jeremias  Gotthelf  usw.  sagt,  ist  ein  Beweis  seiner 
umfassenden  Lektüre  und  seines  eindringenden  Verständnisses.  Ohne  höhere  Bedeutung 
sind  dagegen  die  übrigen  Briefe  an  die  Schwester  der  Schaff  hausener  Freundin, 
Marie  Meyer,  und  an  Heinrich  Ehrhard,  den  Verleger  seiner  Werke.  Die  einen 
berühren  häusliche,  die  anderen  geschäftliche  Fragen.  Der  Abdruck  ist  in  Anbetracht 
des  fremdländischen  Herausgebers  ziemlich  korrekt.403)  —  Müller-Rastatt403*)  feiert 
Sealsfield  als  den  „ersten  deutschen  Vertreter  des  exotischen  Romans,  den  er  über 
das  Niveau,  auf  das  seine  Vorgänger  in  Frankreich  und  England,  Bernardin  de 
St.  Pierre  und  J.  F.  Cooper,  ihn  gestellt  hatten,  weit  hinausgehoben  und  zum  Kultur- 
roman ausgebildet  hat."  — 

Ein  Vergleich  mitAdalb.  Stifters  Schaffen,  den  Müller-Rastatt404)  in  dem 
gleichen  Artikel  durchführt,  gipfelt  in  der  Gemeinsamkeit  eines  Vorzuges  und  eines 
Mangels,  ganz  abgesehen  von  der  sonstigen  Verschiedenheit  beider  Individualitäten, 
die  jede  Vergleichung  ausschliesst.  Sealstieid  und  Stifter,  beide  verschmähen  es,  sich 
den  hergebrachten  Gesetzen  der  Komposition  zu  fügen,  sie  sind  formlos  wie  kaum 
ein  anderer  Schriftsteller  ihrer  Zeit.  Beide  haben  ein  hervorragendes  Verdienst  um 
die  psychologische  Kleinmalerei,  die  bei  dem  einen  beim  Individuellen  stehen  bleibt, 
während  der  andere  sie  vermöge  seiner  umfassenden  Kenntnis  von  Ländern  und 
Völkern,  ins  Typische,  Rassenhafte  zu  steigern  vermochte.  Aus  diesem  Unterschiede 
lassen  sich  schliesslich  die  Eigenheiten  in  Sprache  und  Stü  und  technischer  Klein- 
arbeit enträtseln.  —  Schlossar405)  hat  sich  einen  breiten  Raum  für  Stifters  Leben 
und  Werke  gegönnt,  aber  ihn  doch  nur  mit  bekannten  oder  oberflächlichen  Be- 
merkungen gefüllt.  —  F.  Neumanns406)  Beitrag  zu  Stifters  Biographie,  eine  Ver- 
quickung von  Anekdotischem,  Jugendhistörchen,  Dokumenten  und  Urteilen  Fremder 
über  des  Dichters  Werke,  scheint  sein  Schwergewicht  in  den  formelhaften  Briefen 
gekrönter  Häupter  oder  ihrer  Beauftragten  an  die  Witwe  des  Dichters  zu  haben. 
Wenn  nur  die  Einkleidung  wenigstens  nicht  so  offiziös -zeitungshaft  wäre.407"409)  — 
Eine  richtige  Einschätzung  des  Stifterschen  Talentes  ist  Neuberg410)  gelungen. 
Vielleicht  ist  es  nicht  ganz  glücklich,  heute  noch  einen  Dichter  an  dem  Massstab  der 
Grundsätze  des  „Laokoon"  zu  messen;  wenigstens  will  es  nicht  viel  bedeuten,  wenn 
es  nachzuweisen  gelingt,  dass  er  sie  beachtet  hat.  Die  „Studien"  sind  gewiss  das 
beste  W^erk  Stifters  trotz  der  nicht  wegzuleugnenden  Schwäche,  dass  sie  einer  be- 
deutsameren psychologischen  Vertiefung  entbehren.  Stifters  Stärke  liegt  eben  auf 
einem  anderen  Gebiete,  das  N.  richtig  in  die  Worte  fasst:  „Die  Grossartigkeit  der 
Natur  hat  er  tief  studiert,  die  Grossartigkeit  der  Menschenseele  aber  nicht."  Und 
die  Versuche,  sich  der  Eigenart  Jean  Pauls  zu  nähern,  schlugen  nun  vollends  fehl; 
denn  es  gebrach  ihm  so  durchaus  an  Humor.411)  — 

Daran  hatte  Ed.  Pokorny,  ein  ganz  vergessener  Landsmann  Stifters,  eigent- 
lich Ueberfluss.  Seine  Begabung  liegt,  wie  ein  Anonymus412)  durch  den  Neudruck 
reichlicher  Proben  ausführt,  schon  auf  dem  Grenzgebiete  des  Grotesken  und  Paro- 
distischen.  Lange  vor  Bret  Hartes  „Condensierten  Romanen"  hat  schon  Pokorny  seine 
Vorliebe  für  übermütig  phantastische  Komik  in  der  Parodierung  französischer  Sen- 
sationsromane eines  Eugene  Sue  einerseits,  in  der  Verspottung  „widerlicher  Blau- 
strumpf-Optimistlerei"  andererseits  bethätigt.  Und  darum  sind  nicht  bloss  seine  Stoffe, 
sondern  ist  auch  seine  Manier  veraltet,  und  es  besteht  keine  Aussicht,  ihn,  auch  nur  als 


Ch.  Sealsfield:  Publ.  of  the  mod.  lang,  assoc.  of  America  9,  S.  343-402.  (Auch  als  Separatabdr.)  —  403)  X  A-  Weiss,  War 
Sealsfield  e. Mörder?:  WienTBl  1893,  N.  193.  —  403a)  K.  MMler-Rastatt,  Ch.  Sealsfield  u.  A.  Stifter:  BLU.  1893.  S.  81/3. 

—  404)  (=  N.  403a.)  -  405)  A.  Schlossar,  A.  Stifter:  ADB.  36,  S.  218-23.  —  406)  F.  Neumann,  A.  Stifter.  Beitrr.  zu 
seiner  Biogr.     Progr.  d.  Realsch.     Pilsen.     1893.     33  S.  —  407)  X  J-  J    Am  mann,    Friedberg  u.  A.  Stifter:  DZgW.  N.  7593. 

—  408)  X  A.  Schlossar,  Z.  25.  Jährest,  d.  Todes  A.  Stifters:  WZg.  1893,  1,2.  Febr.  —  409)  X  Za  A.  Stifters  Todest. : 
FrBlW.  1893,  N.  25.  —  410)  A.  Neuberg,  A.  Stifter  u.  seine  „Studien":  LZg".  N.  64.  —  411)  X  Brigitta.  Not.  v.  A.Stifter 
in  stenogr.  Schrift  übertr.  u. autogr.  v.  Hans  Herget.  (=  Reuters  Bibl.  für  Gabelsberger  Stenogr.  N.  23.)  Dresden,  W.  Reuter. 
61  S    M.  1,00.  (Vgl.  I  3:  11.)    -  412)  E.  deutschböhra.  Humorist:  Bohemia  1893,  N.  328,  3345,  350.  —   413)  M.  Reich,  Ausgew. 

(4)16  £* 


IV  3:413-416    R  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.   1893,  1894. 

Lokalschriftsteller  gefasst,  zu  beleben.  Seine  Eigentümlichkeiten  zeigen  eine  nahe 
Verwandtschaft  mit  den  litterarischen  Anfängen  Fritz  Mauthners.  Leider  hat  der 
Anonymus  die  im  ersten  Artikel  versprochenen  biographischen  Daten  für  Pokorny  in 
der  Folge  nicht  beigebracht.    - 

Vielleicht  nimmt  sich  seiner  auch  einmal  die  „Gesellschaft  zur  Förderung 
deutscher  Wissenschaft,  Kunst  und  Litteratur  in  Böhmen"  an,  die  eine  „Bibliothek 
deutscher  Schriftsteller  aus  Böhmen"  begründet  hat,  worin  nach  einem  weitgefassten 
Programm  die  litterarischen  Denkmäler  Deutschböhmens  nach  und  nach  zum  erneuten 
Abdruck  gelangen  sollen,  um  „die  nationalen  Errungenschaften  dieses  Stammes  in 
das  allgemeine  Bewusstsein  zu  rufen."  Der  erste  Band  dieser  Bibliothek  brachte 
Moritz  Reichs  ausgewählte  Werke,  deren  Herausgabe  Fürst413)  anvertraut  wrar. 
F.  hat  sich  seiner  Aufgabe  mit  treffsicherer  Hand  entledigt.  In  dem  biographischen 
Teil  der  Einleitung  (S.  1—32)  zeichnet  er  das  Milieu,  aus  dem  Reich  hervorging,  den 
Kreis  lokaler  Schriftsteller,  der  sich  um  die  Mitte  unseres"  Jh.  in  Prag  versammelte, 
und  das  eitle  Ringen  des  sehr  begabten  Jünglings,  sich  eine  Existenz  als  Schriftsteller 
zu  gründen.  Reich  hat  in  jungen  Jahren,  körperlich  und  geistig  schwer  leidend, 
seinem  Leben  ein  Ende  gemacht  (1857;  bei  F.  S.  30  der  Druckfehler  1859).  Der 
Frühreife  seines  Geistes  verdankte  er  einen  gewissen  Abschluss  seiner  philosophisch- 
religiösen und  socialpolitischen  Anschauungen,  aber  zu  einer  Reife  litterarischen 
Könnens  hat  er  es  begreiflicherweise  nicht  gebracht.  F.  stand  Reichs  Nachlass  und 
Briefwechsel  zur  Verfügung,  und  in  Verbindung  mit  den  gedruckten  Werken 
Reichs,  die  einzeln  meist  in  österreichischen  Zeitungen  und  Zeitschriften  erschienen, 
hat  er  ein  Charakterbild  des  Dichters  entworfen,  das  man  als  abschliessend  be- 
zeichnen darf  (S.  33 — 45).  Reichs  Gedichte  „kranken  an  einer  wirren  und  zügel- 
losen Phantasie,  vielen  fehlt  die  Fähigkeit,  den  aufgenommenen  Gedanken  auch 
konsequent  und  pointiert  bis  zu  Ende  zu  führen."  Auf  dem  epischen  Gebiet,  dem 
Hauptfelde  Reichs,  liegt  der  Schwerpunkt  seiner  Thätigkeit  in  der  liebevollen  Be- 
schäftigung1 mit  der  Heimat.  Seine  Dorfgeschichten  stehen  weniger  unter  dem 
Einflüsse  Jeremias  Gotthelfs  als  unter  dem  Ranks,  des  Erzählers  der  „Geschichten 
aus  dem  Böhmerwalde".  Minder  gut  sind  seine  Novellen,  deren  Wirkung  vornehm- 
lich ein  Mangel  an  Knappheit,  Einheit  oder  Wahrscheinlichkeit  Abbruch  thut.  W7as 
wir  endlich  über  das  nachgelassene  Romanfragment  „Friedel"  und  die  Tragödie 
„Saul  und  David"  erfahren,  genügt,  um  mit  dem  Herausgeber  zufrieden  zu  sein,  dass 
er  von  einem  Abdruck  Abstand  nahm.  F.  hat  vielmehr  neben  den  bereits  gedruckten 
epischen  Werken  Reichs,  die  er  in  Novellen,  Nachtstücke  und  Humoresken  gliedert, 
nur  bei  den  „Gedichten"  von  dem  ungedruckten  Nachlass  grösseren  Gebrauch 
gemacht.  Die  von  Alfred  Meissner  ein  Jahr  nach  Reichs  Tode  herausgegebene 
Sammlung  „An  der  Grenze"  ist  natürlich  unberücksichtigt  g-eblieben.  Knappe  An- 
merkungen geben  über  die  Hilfsmittel  F.s  Rechenschaft.  Die  Bibliog-raphie  erfährt 
zum  Schluss  noch  eine  dankenswerte  Ergänzung  durch  die  Angabe  der  Fund-  und 
Druckorte  kleinerer  Erzählungen  und  Feuilletons  von  Reich.  — 

Zweier  vergessener  Schriftsteller  von  ganz  lokaler  Bedeutung,  der  Egerländer 
Georg  Helm  und  Braun  von  Braunthal,  gedenkt  John414),  von  einem  sogenannten 
„nationalen"  Standpunkt  aus  sie  betrachtend.   — 

Einen  engeren  Landsmann  Sealsfields,  den  Novellisten  Em.  Straube,  hat 
Brummer415)  kurz  behandelt.  — 

Rob.  Hamerlings  Leben  und  Dichtungen  zu  charakterisieren,  hat  sich 
Schweichel416)  vorgenommen.  Den  Lebensgang1  hat  er  in  grossen  Zügen  recht 
äusserlich  geschildert,  bei  der  Besprechung  der  Werke  ist  er  aber  mehr  in  die  Tiefe 
gegangen.  Den  Grundgedanken  der  epischen  Dichtungen  hat  er  mit  grosser  Genauig- 
keit enthüllt  und  daraus  den  Kern  von  Hamerlings  Lebensphilosopbie  entwickelt. 
Schade,  dass  er  nicht  etwas  genauer  auf  des  Dichters  philosophischen  Nachlass  „Die 
Atomistik  des  Willens"  wenigstens  vergleichungsweise  eingegangen  ist.  Seh.  steht 
nicht  blind  bewundernd  dem  Lebenswerke  des  Mannes  gegenüber,  der  in  farben- 
prächtigem Gewände  den  Gram  und  das  Siechtum  seines  Lebens  den  vom  Pesthauch 
des  Pessimismus  eingegebenen  Motiven  anvertraut  hat,  sondern  er  deutet  richtig 
Hamerlings  Schaffen  als  „die  vernichtende  Kritik  an  der  modernen  Gesellschaft  und 
ihrer  Gesittung"  und  zollt  der  hochragenden  Phantasie  des  Dichters  vermöge  ihres 
unerschöpflichen  Reichtums  die  gebührende  Bewunderung.  Ebenso  kennt  er  wie 
der  Dichter  selbst  die  Schwächen  seiner  Dramen,  die  nicht  für  das  Licht  der  Lampen 
geschaffen  sind ;  er  tadelt  mit  Recht  den  Mangel  an  Straffheit  in  der  Komposition  des 
Romans  „Aspasia",   dessen   einzelne  Teile  als  solche  im  hohen  Grade  bewundert  zu 


Werte.  Her.  y.  R.  Fürst  (=  Bibl.  dtsch.  Schriftsteller  ans  Böhmen.  Her.  im  Anftr.  d.  Ges.  z.  Ford,  dtsch.  Wissensch., 
Kunst  u.  Litt,  in  Böhmen.  N.  1.)  Prag,  Tempslcy.  XV,  285  S.  Mit  Portr.  M.  2,00.  —  414)  [Alois]  Jfohjn,  Vergessene 
Egerländer  Schriftsteller.  Z.  Erinn.  an  0.  Keim  u.  Braun  v.  Braunthal:  LJb.  4,  S.  54/9.  -  415)  Fr.  Brummer,  Em.  Straube : 
AD».  37,    S.  3334.    -     416)    K.  Schweichel,    R    Hamerlings  Leben   n.  Dichtungen:    NZ8t.  U1,    S.  673-80,  707-12,  735-44.  — 


R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.   1893,  1894.     IV  3:417-434 

werden  verdienen,  und  lässt  Hamerling  den  Lyriker  nur  als  einen  „der  glänzendsten 
Vertreter  der  philosophischen  Dichtung"  gelten,  deren  Töne  in  Oesterreich  zuerst 
Lenau  angeschlagen  hat.  —  Panegyrischer  ist  schon  Müller-Guttenbrunns4nJ 
kurze  Studie  g-ehalten,  die  den  Dichter  als  einen  Seher  der  Zukunft  preist,  in  dem 
man  einst  einen  nationalen  Heros  feiern  werde;  denn  „urgewaltig'  und  einzig  sind  die 
Töne,  die  er  anzuschlagen  vermochte,  wenn  er  sein  Volk  besang*."  Den  hohen  Grad 
von  Ingrimm  der  Satire,  die  im  „Homunculus"  herrscht,  wird  niemand  bestreiten,  aber 
ob  ihn  jedermann  gutheissen  wird,  ist  eine  andere  Frage,  auch  nur  vom  ästhetischen 
Standpunkt  aus.  Ganz  müssig  wäre  es  schliesslich  zu  fragen,  ob  es  nicht  vielleicht 
doch  noch  einen  Deutscheren  als  den  sogenannten  „deutschesten"  Dichter  Hamerling 
gegeben  hat  oder  giebt.  —  Nur  mit  Widerwillen  vermerken  wir  hier  der  Vollständig- 
keit halber  Brukners418)  Tendenzschrift,  die  sich  mit  Brosamen  vom  Tische  des 
Vf.  von  „Rembrandt  als  Erzieher"  genährt  hat.  Wer  sich  so  mit  den  bunten  Flicken 
einer  zusammengerafften  Belesenheit  auf  ein  selbstgebautes  Thrönchen  schwingt, 
den  lässt  man  am  besten  die  Kehle  sich  heiser  schreien  mit  seinen  wüsten  Unflätig- 
keiten und  seinem  mystischen  Verehrungsgewinsel.  Hat  doch  das  Königlein  vergessen, 
seinen  Bettelsack  abzulegen.  Und  vollends  unfördersam  bleibt  ihm,  sich  anzuklammern 
an  den  Altar  der  Freundschaft,  an  dem  einst  Hamerling  und  sein  Vater  gestanden 
hatten.  Die  paar  freundlichen  Worte,  die  der  überlebende  Dichter  an  ihn  gerichtet 
hat,  scheinen  ihn  so  ganz  verwirrt  zu  haben,  dass  er,  sie  der  Mitwelt  darbietend,  sich 
berechtigt  glaubt,  gleich  als  Richter  über  alles  und  jedes  sein  Urteil  abgeben  zu 
müssen.  —  Aus  den  fünf  Briefen  Hamerlings  an  Moritz  Schleifer419)  verrät  sich  des 
Dichters  wahrer  Anteil  an  einem  im  Stillen  vergrabenen  Talent.  Schleifer  (1817—77) 
war  der  Sohn  des  als  Freund  Lenaus  bekannten  Dichters  Leopold  Schleifer  und  ver- 
brachte sein  Leben  als  Justizbeamter.  Als  engerer  Landsmann  wendet  er  sich  in 
schon  vorgerückten  Jahren  an  Hamerling  mit  der  Bitte  um  Beurteilung  seiner  hs. 
übersandten  Dichtungen.  Der  Dichter  antwortet  mit  klaren  und  einsichtigen  Be- 
sprechungen, geht  dem  bescheidenen  Manne  mit  Ratschlägen  an  die  Hand,  wie  er 
seine  Mss.  am  besten  verwerten  könne,  und  tröstet  ihn  schliesslich  mit  der  Aussicht, 
sie  einmal  in  einem  „Alpenländischen  Dichterbuche",  das  er  damals  (1870)  plante, 
zu  verwenden.  Adolf  Pichler  hat  eine  Auswahl  aus  den  Sonetten  und  Balladen 
Schleifers  im  Herbst  1878  veranstaltet.  Für  Hamerling  kommt  neben  Persönlichem 
sein  in  diesen  Briefen  oft  wiederholtes  Interesse  für  die  Volks-  und  Kunstpoesie  der 
österreichischen  Alpenländer  vornehmlich  in  Betracht.  —  Ueber  sein  Verhältnis  zur 
Musik  und  zu  Musikern  redet  der  Dichter  in  einem  Briefe  vom  6.  Febr.  1888, 
dessen  Adressat  unbekannt  ist420).  —  Aus  einer  Zeitungsreplik  und  -duplik421-423) 
erhellt,  dass  die  eigentliche  Schreibung  des  Namens  „Hammerling"  lautet,  die  der 
Dichter  eigenmächtig  später  fallen  Hess.424-425)  —  Tebbe426)  hat  die  in  seiner 
Münsterländischen  Heimat  spielende  Dichtung  Hanierlings  „Der  König  von  Sion"  mit 
der  historischen  Quelle  verglichen,  das  ist  mit  Hermann  von  Kerssenbroicks  Geschichte 
der  Wiedertäufer.  In  der  Charakteristik  der  Hauptpersonen  (Jan  von  Leyden,  Divara 
und  Krechting)  ist  der  Dichter  vollständig  von  der  Ueber  lieferung  abgewichen,  die 
Nebenpersonen  hingegen  sind  den  Originalen  getreuer  dargestellt.  —  Aus  Hamerling-s 
Nachlass  traten  ein  Bändchen  Gedichte427)  und  eines  mit  kleineren  Erzählungen428)  in 
die  Oeffentlichkeit,  von  denen  das  erstere  als  eine  willkommene  Ergänzung  zu  des 
Dichters  politischer  Ueberzeugung,  das  letztere  zu  seiner  Kunst,  anspruchslos  und 
natürlich  kleine  Begebenheiten  wiederzuerzählen,  zu  begrüssen  ist.  Die  sieben  Er- 
zählungen haben  keinen  tieferen  Gehalt;  sie  sind  nach  venetianischen  Lokalsagen  frei 
bearbeitet.429)  —  Die' illustrierte  Ausgabe  von  „Amor  und  Psyche"430)  konnte  schon 
in  9.  Auflage  erscheinen.431)  —  Ueber  das  von  H.  Brandstetter  ausgeführte  Denkmal 
brachten  die  Zeitungen  manche  Nachricht.432-433)  — 

Peter  Roseggers  „Persönliche  Erinnerungen  an  Robert  Hamerling"  hat 
Speier434)in  einem  Vortrage  gewürdigt.  Gleich  Hamerlings  eig'enen  Bekenntnissen  in  den 
„Stationen   meiner  Lebenspilgerschaft"    findet    er   sie  „ausgezeichnet  durch  eine  un- 


417)  A.  Müller-Gnttenbrnnn,  K.  Hamerling.  (=  Im  Jh.  Grillparzers.  [JBL.  1S93  IV  la:32],  S.  137-49.)  —  418)  B. 
Brukn  er,  Hamerling  als  Erzieher.  Hamburg,  Verlagsanst.  1893.  VIII,  135  S.  M.  2,00.  |[LCB1.  1393,  S.  1200:  Stühlen: 
COIRW.  21,  S.  300 1.]|  —  419)  M.  N.,  Briefe  t.  E.  Hamerling:  AZg».  1893,  N.  71.  —  420)  E.  Brief  K.  Hamerlings: 
DDichtung.  14,  S.  103.  —  421)  X  Hamerling  oder  Bamraerling?:  AZgB.  1893,  N.  132.  —  422)  X  %■  Schrauf,  R.  Hamerling  : 
ib.  N.  134.  —  423)  X  Nochmals  Hamerling:  ib.  N.  139.  -  424)  X  *•  Allrara,  D.  junge  Hamerling  im  Waldviertel:  DZgW. 
N.  7600.  —  425)  X  id.,  Hamerlings  letzte  Heimfahrt:  ib.  N.  7736.  —  426)  H.  Tebbe,  Hamerlings  Dichtung  „D.  König  v  Sion" 
u.  ihre  gesch.  Grundlage.  Progr.  Münster.  1893.  4°.  20  S.  |[L.  Hölscher:  ASNS.  92,  S.  234;  O.  Hellinghaus:  Gymn.  12, 
S.  544.JI  —  427)  X  J.  Allram,  Letzte  Grüsse  aus  Stiftinghaus:  NWienTBl.  N.  76.  (Ueber  R.  Hamerling:  vgl.  dazu  WIDM.  76, 
S.  252;  NFPr.  1893,  26.  Okt.)  —  428)  R.  Hamerling,  Was  man  sich  in  Venedig  erzählt.  (Nach  ital.  Quellen.  Hamburg, 
Verlagsanst.  96  S.  M.  2,00.)  |[0.  Harnack:  PrJbb.  78,  S.  3278;  WIDM.  76  S.  252;  NFFr.  1893,  26.  Okt.]|  -  429)  X  '<*•- 
D.  Raub  d.  Venezianerinnen.  Nachgelass.  Ms.  (=  N.  428,  S.  11/6):  DZgW.  1893,  N.  7826.  —  430)  X  ^.,  Amor  u.  Psyche.  E. 
Dicht,  in  6  Ges.  111.  v.  P.  Thumann.  9.  Aufl.  (Neue  bill.  Ausg.)  L.,  Titze.  4".  142  S.  Mit  Textabbild,  u.  8  Lichtdr.  M.  12,00. 
—  431)  X  (IV  ld:67.)  -  432)  X  *•  Allrani,  D.  Hamerlingdenkm.  im  niederösterr.  Waldviertel:  IllZg.  101,  S.  159.  — 
433)  X    id  .    D.  Hamerlingdenkm.  im  Waldviertel:    Lokalanz.  (Presse)  1S93,    N.  192.    —    434)    M.  Speier,    P.  K.  Roseggers 


IV  3:435-456    K.  Rosenbaum,  Epos  des  18./ 19.  Jahrhunderts.    1893,  1894. 

geschminkte  Wiedergabe  des  Thatsächlichen,  durch  das  Vermeiden  geistreich-gespreizten 
Stiles  und  berechneter  Ziererei."  —  Den  gleichen  Dienst  hat  dem  Dichter  Rosegger 
eine  bunte  Schar  von  Verehrern  zu  seinem  50.  Geburtstag  geleistet.  Fast  jede 
belletristische  Zeitschrift  und  bedeutendere  Tageszeitung  brachte  einen  Festartikel,  der 
auf  die  Vorzüge  des  beliebten  Erzählers  mehr  oder  minder  gründlich  einging;  in 
allen  wird  die  schlichte  Natürlichkeit  als  der  Kern  seiner  Dichternatur  bezeichnet, 
die  Urquelle  seiner  Kraft  neben  der  Begabung  in  der  Beschränkung  auf  das  Heimat- 
liche aufgezeigt;  aber  eine  literarhistorische  Würdigung  war  von  diesen  Seiten  auch 
nicht  zu  erwarten.  Hervorhebung  verdient  bloss  der  Vortrag  Groschs435),  eines 
Duisburger  Lehrers,  der  selbst  als  Volks-  und  Jugendschriftsteller  in  seiner  Thüringer 
Heimat  und  seinem  jetzigen  niederrheinischen  Aufenthaltsort  bekannt  ist.  —  Gelungen 
und  gediegen  ist  die  Festgabe436)  der  Verlagsbuchhandlung  „Leykam"  in  Graz,  die 
eine  Menge  persönlicher  Erinnerungen  aus  der  ersten  litterarischen  Zeit  Roseggers 
vereinigt.  Neben  Adalb.  Swoboda  und  Rudolf  Falb  kommen  auch  F.  Dawidowsky,  der 
damalige  Direktor  der  Grazer  Handelsakademie,  und  Sacher-Masoch  zu  Worte.  Eine 
bunte  Reihe  trefflicher  Illustrationen  ziert  das  Buch.437"445)  —  Die  reichsten  und 
schönsten  Bekenntnisse  flössen  uns  wie  immer  vom  Gefeierten  selbst  zu.  Rosegger446) 
enthüllt  uns  bisher  unbekannte  Proben  der  von  ihm  selbst  und  für  sich  selbst  ge- 
schriebenen „Sonntagsblätter",  die  von  Gottergebenheit  und  Beobachtung  fremder 
äusserer  und  innerer  Vorgänge  überströmen.  Für  Humor  ist  in  diesen  ernsten  Be- 
trachtungen kein  Platz.  Drollig  tritt  der  Humor  schon  in  den  zwei  Bänden  „Meine 
Gedanken"  zu  Tage,  Aufzeichnungen,  die  am  16.  Mai  1864  beginnen,  deren  Publikum 
eine  einzige  befreundete  Person  ausmachte.  Eigentümlich  ist  es,  dass  der  Vf.  sich  im 
Feuilleton  seiner  Zeitung  schon  autobiographisch  zu  betrachten  begann.  —  An  diese 
Enthüllungen  reiht  sich  das  Memoirenwerk  „Gute  Kameraden"447),  das  hier  schon 
früher  besprochen  wurde,  woraus  die  interessanten  Mitteilungen  über  Anzengruber, 
Anastasius  Grün,  Berth.  Auerbach,  Friedr.  Schlögl,  F.  Kürnberger,  Rudolf  Falb  und 
die  Schauspielerin  Josefine  Gallmeyer  hervorzuheben  sind.  —  Recht  persönlich 
in  der  gewohnten  Art  schildert  der  Dichter  heimatliche  und  fremde  Erlebnisse  und 
Eindrücke  in  44  zu  einem  Buche  zusammengefassten  Aufsätzen448).  —  Seine  Werke 
erfreuen  sich  einer  ungeteilt  freundlichen  Aufnahme449  45'2).  —  Wie  wenig  Kenntnis 
die  Kirchliche  Monatsschrift453)  von  Roseggers  Leben  und  seinen  Schriften  hat, 
beweist  nicht  blos  der  Umstand,  dass  sie  ihn  zu  einem  Oberösterreicher  stempelt, 
sondern  an  einen  Wagen  mit  Zola  spannt,  um  mit  dieser  Biga  über  modernen  Ma- 
terialismus zu  triumphieren.454)  — 

Einen  Roseggers  Bildungsgang  ähnlichen  Weg,  vom  Buchbinder  zum 
Novellisten,  hat  der  Tiroler M.  Stichelberger  (1841— 91)  zurückgelegt.  Schlosser455) 
hat  die  Erinnerung  an  ihn  aufgefrischt.  — 

In  Oesterreichs  Herz,  in  Wiener  Blut  und  Luft,  leiten  uns  die  sauber  und 
geschmackvoll  gesammelten  Werke  Friedr.  Schlögls,  die  Lemmermeyer456)  mit 
einem  instruktiven  Vorwort  über  des  Dichters  Leben  und  Streben  ausgestattet  "hat. 
Die  drei  Bände  sind  echte  Kulturbilder  aus  dem  Volksleben  der  alten  Käiserstadt  an 
der  Donau.  Es  gehörte  zu  den  letzten  Plänen  des  im  J.  1892  verstorbenen  Schrift- 
stellers, dem  ein  trauriges  Erdenlos  beschieden  war,  seine  Werke  so  vorzulegen,  wie 
sie  nunmehr  aus  den  Händen  des  Herausgebers  hervorgegangen  sind.  Die  Einteilung 
in  „Wiener  Blut",  „Wiener  Luft"  und  „Wienerisches"  geht  auf  Schlögls  eigenen  Willen 
zurück.  Unverändert  und  unverkürzt,  wie  sie  der  Dichter  selbst  in  den  J.  1872, 
1875  und  1882  der  Lesewelt  vorlegte,  so  erscheinen  sie  hier   wieder.     Es  sind  nur 


persönl.  Erinnerungen  anjt.  Hamerling:  BFDH.  9,  S.  277-83.  —  435)  H.  Grosch,  Rosegger  als  Volkserzieher.  (=  Samml. 
paed.  Vortrr.  her.  v.  W.  Meyer- Mark  au.  6.  Bd.,  4.  Heft.)  Bielefeld,  Helmich.  1893.  17  S.  M.  0,50.  |[F.  Engel: 
BerlTBl.  1893,  N.383;  Didask.  1893,  N.  179  (ahgedr.  ans  d.  BerlBörsCour.)]|  —  436)  Gedenkschr.  an  d.  50.  Geburtst.  P  Roseggers. 
Her.  t.  d.  Verlagsbuchh.  „Leykam".  Graz,  Leykam.  1893.  111  S.  Mit  15  Hl.  M.  2,00.  JA.  Schlossar:  BLU.  S.  534/5.J| 
—  437)  X  E.  Heilborn,  P.  K.  Rosegger.  Zu  seinem  50.  Geburtst.:  Nation15.  10,  S.  670/3.  -  438)  X  H.  Kienzl,  P.  K. 
Rosegger:  Geg.  44,  S.  149-50.  —  439)  X  Ph  Stein,  P.  K.  Rosegger.  E.  Glückwunsch  z.  31.  Juli  1893:  PeuilletZg.  1893, 
N.  473.  (Abgedr.  u.  a.  Sammler *.  1S93,  N.  90.)  —  440)  X  F-  Siking,  A.  Prasch  u.  Rosegger:  FrauenZg.  1893,  K.  4.  (Bnr. 
über  e.  Festvortr.  d.  Mannheimer  Hoftheaterintendanten  über  Roseggers  Entwicklungsgang.)  —  441)  X  H.  V.,  Zu  Roseggers 
50.  Geburtst.:  NorddAZg.  1893,  N.  354.  —  442)  X  F-  Engel,  D.  50j.  Rosegger:  BerlTBl.  1893,  N.  333.  -  443)  X  L-  Salonion, 
P.  K.  Rosegger:  IllZg.  101,  S.  129-30.  --  444)  X  Rosegger:  Jungdeutschland  3,  S.  40/1.  -  445)  X  Medaille  /..  Erinn.  an  d. 
Feier  d.  50.  Geburtst.  Roseggers:  IllZg.  103,  S.  634.  —  446)  P.  K.  Rosegger,  Meine  litt.  Flegeljahre:  ML.  62,  S.  14/5,  27-30.  — 
447)  X  H.  Klein,  Rosegger  u.  seine  Freunde:  Lokalanz.  (Presse)  1893,  N.  83.  (Besprech.  d.  Buches  „Gute  Kameraden" 
[JBL.  1893  IV  lc:86J.)  —  448)  X  F-  K.  Rosegger,  Spaziergänge  in  d.  Heimat.  Nebst  e.  Anh.:  Ausflüge  in  d.  Fremde.  Wien, 
Budapest  u.  L.,  Hartleben.  VII,  432  S  M.  4,00.  |[A.  Schlossar:  BLU.  S.  531/4;  G.  G.:  COIRW.  22,  S.  636.J|  —  449)  X 
G  — n,  Neues  v.  Rosegger:  NatZg.  1893,  N.  225.  (Besprech.  v.  „Allerlei  Menschliches".)  —  450)  X  p-  K.  Roseggers  Schriften. 
Volksausg.  (In  100  Lfgn.)  1/8.  Lfg.  Wien,  Hartleben.  384  S.;  S.  1-96.  ä  M.  0,35.  —  451)  X  id.,  Peter  Mayr,  d.  Wirt  an 
d.  Mahr.  (=  N.  450,  S.  1-96):  Lokalanz.  (Presse)  1893,  N.  304.  —  452 1  X  E-  Bu(5h  für  u.  v.  Rosegger:  Presse  N.  164.  —  453) 
Monatsumschau:  Zola  u.  Rosegger,  2  Zeugen  wider  d.  Materialismus:  KM.  12,  S.  730/3.  —  454)  X  D-  Roseggerhetze :  Didask. 
N.  91.  (Aus:  NZürchZg.;  verteidigt  d.  Dichter  gegen  d.  Anschuldigung  d.  Ignoranz,  Unaufrichtigkeit,  Doppelzüngigkeit,  d. 
Antisemitismus  usw.  wegen  seines  Votums  in  d.  Hoinedenkmal-Frage.)  —  455)  A.  Schlossar,  M.  Stichelberger:  ADB.  36, 
S.  165/6.  -■  456)  F.  Lemmermeyer,  Fr.  Schlögl,  Ges.  Schriften.  Kleine  Kulturbilder  aus  d.  alten  Kaiserstadt  an  d.  Donau. 
3  Bde.     I.  Wiener  Blut  (mit  Bildn.);  II.  Wiener  Lust;  III.  Wienerisches.     Wien,  Hartleben.     1893.    VIII,  356  S.;  VIII,  359  S.; 


R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./ 19.  Jahrhunderts.    1893,  1894.     IV  3  •.  457-4S4 

leise  Verschiebungen  in  der  Anordnung-  der  Aufsätze  aus  technischen  Gründen  nötig 
gewesen. 

Der  Wiederkehr  von  F.  von  Saars  60.  Geburtstag  verdanken  wir  eine  Reihe 
von  Festartikeln,  die  vielfach  an  seine  neuesten  Werke  sich  angliedern,  lieber  den 
Rahmen  der  Huldigungen  hinaus  geht  Rü  ttenauers457)  Würdigung.458"462)  — 

.  F.  Kürnbergers  nachgelassene  Novellen  hat  Lauser463)  herausgegeben, 
und  Opitz  hat  im  Anschluss  an  deren  lobende  Besprechung  die  Grenzen  des  Talentes 
Kürnbergers,  vielleicht  ein  wenig  zu  weit,  gezogen464"465).  — 

Der  seit  langen  Jahren  in  Triest  ansässige  Thüringer  Rud.  Baumbach466) 
erzählt  seine  Anfänge.  Der  Stoff  zur  Alpensage  „Zlatorog"  wurde  ihm  von  dem 
Triester  Professor  Wilh.  Urbas  vermittelt,  der  damals  an  einer  Landeskunde  des 
Herzogtums  Krain  arbeitete.  Die  Sage  handelt  von  dem  weissen  goldgekrönten  Gems- 
bock, der  das  Alpenparadies  der  weissen  Frau  (Rojenice)  bewacht  und  schliesslich 
zerstört.  Der  Schauplatz  der  Sag'e  ist  Triglaw  (Terglow),  der  höchste  Punkt  der 
Julischen  Alpen.  Das  Gedicht  entstand  1874 — 75  in  dem  Krainer  Bad  Veldes.  Baum- 
bach selbst  dankt  die  weite  Verbreitung  der  Dichtung  dem  Umstände,  dass  Josef 
Lewin sky  sie  in  sein  Vorleseprogramm  aufnahm.  —  Zupitza467)  hat  in  drei  Vor- 
trägen die  Ergebnisse  seiner  Forschung  nach  den  Quellen  einiger  Stücke  aus  Baum- 
bachs „Abenteuern  und  Schwänken"  zum  besten  gegeben,  worüber  an  anderer  Stelle 
der  JBL.  ausführlicher  berichtet  wird.  — 

Auch  der  ungarische  Dichter  Maurus  Jökai  finde  hier  ein  Plätzchen468"470). 

Die  Frauen  auf  unserem  Gebiete  der  Litteratur  sind  produktiver,  als  die 
Geschichte  davon  Notiz  nimmt.  Der  Gräfin  Hahn-Hahn  hatAlinda  Jacoby471) 
ein  novellistisches  Lebensbild  gewidmet,  das  richtiger  ein  Andachtsbuch  genannt  zu 
werden  verdiente.  In  einem  Streite  der  Künstler  mit  den  Historikern  dürfte  es  ihr 
ergehen,   wie  der  Fledermaus  im  Kampfe  der  Vögel  mit  den  vierfüssigen  Tieren.  — 

Wesentliche  Mitteilungen  über  die  Briefe  der  Annette  von  Droste-Hüls- 
hoff  an  ihren  langjährigen  Freund  Levin  Schücking,  von  Theo  Schücking472) 
voll  Pietät  herausgegeben,  sind  an  anderen  Stellen  schon  früher  gemacht  worden. 
Wir  lernen  daraus  mehr  das  warme  Herz  und  den  liebenswürdigen  Humor  der 
uns  heute  so  ehrwürdig  erscheinenden  Dame  als  die  geniale  Künstlerin  kennen.473)  — 

Gleich  anziehend  in  ihren  menschlichen  Eigenschaften  ist  Luise  von  Fr  angois 
gewesen.  Ihr  Tod  rief  eine  Flut  von  Nekrologen  hervor,  unter  denen  die  von  Hart- 
wig474), Marie  von  Ebner-Eschenbach475"476),  Ellinger477),  Poppenberg478) 
und  P.  von  Szczepaiiski479)  jeder  in  seiner  Art  Treffliches  bieten,  teils  durch  persön- 
liche Erinnerungen,  teils  durch  eine  feinfühlige  Analyse  der  Werke  sich  auszeichnend.  — 
Auf  ihnen  allen  fusst  die  Monographie  von  Hedwig  Bender480),  die  mit  liebevoller 
Versenkung  in  das  Studium  der  Lebensgeschichte  und  Schriften  ihrer  Heldin  ein 
knappes  und  dabei  vorzügliches  Schriftchen  geliefert  hat.  Das  herrliche  und  herzliche 
Wesen  des  alten  Fräuleins,  ihre  freundschaftlichen  Beziehungen  zu  Gustav  Freytag, 
Marie  von  Ebner-Eschenbach  und  Konrad  Ferdinand  Meyer  allein  schon  sichern  der 
Vf.  der  „Letzten  Reckenburgerin"  ein  Plätzchen  in  der  Literaturgeschichte.481-483)  — 

Eine  bescheidene  Freundin  der  Werke  der  Marie  Nathusius  hat  sich  der 
Mühe  unterzogen,  die  umfangreiche  Lebensbeschreibung,  die  wir  von  ihr  besitzen,  auf 
ein  handlicheres  Mass  herabzumindern484).  Sie  stützt  sich  dabei  vornehmlich  auf  das 
grössere  Werk  und  flicht  nur  seltener  Eigenes  ein.    Im  übrigen  lag  es  in  ihrer  Absicht, 


VIII,  376  S.  M.  9,00.  |[F.  Schnürer:  ÖLB1.  2,  S.  727;  A.  Schloss.ir:  BLTJ.  S.  334  5.J  -  457)  B.  Rüttenauer,  F.  v.  Saar: 
BLU.  1S93,  S.  769-72.  —  458)  X  R-  Lothar,  F.  v.  Saar:  NFPr.  1893,  30.  Sept  —  459)  X  <*•  Schoenaich,  F.  y.  Saar. 
Z.  60.  Geburtst, :  WienTBl  1893,N  270.  -460)  X  F-  Zweybrück,  F.  v.  Saar:  FrB!*v.  i893i  jj.  270.  -  461)  X  H  Glücks- 
mann, F.  v.  Saar.  Zu  seinem  60.  Geburtst.:  Lokalanz.  (Presse)  1893,  N.  271.  _  4ß2)  X  K-  Pröll,  F.  v.  Saar  als  Novellist 
n.  Lyriker:  NatZg.  1893,  N.  27.  —  463)  F.  Kürnberger,  Novellen.  Aus  d.  Nachl.  d.  Dichters  her.  v.  W.  Lauser.  St.,  Dtsch. 
Verlagsanst,  1893.  V,  315  S.  M.  4,00.  |[R.  Opitz:  BLÜ.  1893,  S.  451/4.]|  —  464)  X  M.  Necker,  Wiener  Erzähler:  NFPr. 
N.  10671.  (Bespr.  Anzengrubers  Nachl.,  d.  Gräfin  Christiane  Thun  „Märchen  u.  Erzählungen11  u.  d.  „Novellenbucha  aus  d.  Nachl. 
F.  Nisseis  u.  Alexander  Schindlers  [Jul.  v.  d.  Traun].)  —  465)  X  A.  Stoessel,  Wiener  Erzähler:  Geg.  45,  S.  168-70.  (Fr. 
Schlögl,  V.  Chiavacci,  Ed.  Pötzl  u  P.  Schönthan  werden  besprochen.)  —  466)  R.  Baurabach,  Mein  Erstlingswerk:  Zlatorog: 
DDichtung.  16,  S.  2323.  —  467)  (I  11  :  32.)  —  468)  X  Jökais  Leben:  UngR.  14,  3.  123/7.  (Ausz.  aus  d.  Festschr.  d.  Petöfiges., 
her.  v.  L.Nevy.)  —  469)  X  Jökaijubil.:  ib.  S.  101-23.  (Nach  d.  Ber.  d.  „Pester  Lloyd"  v.  7.  Jan.  1894.)  -  470)  X  *>• 100000  Gulden 
M.  Jökais:  FZg.  N.  343.  (Nach  d.  Pester  Lloyd.)  —  471)  Alinda  Jacoby,  Ida  Gräfin  Hahn-Hahn.  Novellist.  Lebensbild. 
Mit  Bild.     Mainz,  F.  Kirchheim.  224  S.  M.  3,00.  |[S.  Ch.:  Kath.  2,  S.  3802;  StML.  47,  S.  621/2;  H.  Keiter:  LIIw.  33.  S.  360/l.]| 

—  472)  Briefe  v.  Annette  v.  Droste-Hülshoff  u.  L.  Schücking,  her.  v.  Theo  Schücking.  L.,  Grunow.  1893.  XI,  362  S.  M.4,00. 
|[Betty  Paoli:  AZg«.  N.  25;  Th.  Wolff:  Zeitgeist  1893,  N.  48.] |  (JBL.  1893  IV  lc:74;  2b:  81.)  —  473)  X  Annette 
v.  Droste-Hülshoff,  D.  Spiritus  familiaris  d.  Rosstäuschers.  D.  Hospiz  auf  d.  Grossen  St.  Bernhardt.  D.  Arztes  Vermächtnis. 
Mit  Einl.  v.  F.  Lemmermeyer.  (=  Volksbibl.  für  Kunst  u.  Wissensch.,  her.  v.  R.  Bergner.  N.  11.  Abt.  für  Lyrik  u. 
Epik.     Heft  3.1     L.,  Brückner.  .12°.  102  S.  M.  0,30.  —  474)  O.  Hartwig,  Z.  Erinn.  an  Luise  v.  Francois:    DRs.  77,  S.  456-61. 

—  475)  Marie  v.  Ebner-Eschenbach,  Luise  v.  Francois.  ErinnerungsMl. :  VelhKlasMh.  1893-94:  2,  S.  18-30.  —  476) 
id.,  Luise  v.  Francois:  NFPr.  N.  10597.  —  477)  G.  Ellinger,  Luise  v.  Francois:  Nation11. 11,  S.  59-61.  —  478)  F.  Poppen- 
berg, D.  letzte  Reckenburgerin:  ML.  62,  S.  644/5.  —  479)  P.  v.  Szczepanski,  Luise  v.  Francois:  Daheim  1893,  N.  30.  — 
480)  Hedwig  Bender,  Luise  v.  Francois.  (=  SGWV.  N.  208.)  Hamburg,  Verlagsanst.  36  S.  M.  0,80.  —  481)  X  Clotilde 
v.  Schwartzkoppen,  Luise  v.  Francois:  Vom  Fels  z.  Meer  2,  S.  193/8.  —  482)  X  Emma  Lauter-Richter,  Luise 
v.  Francois:  ÜL&M.  71,  S.  98.  —  483)  X  Luise  v.  Francois:  IllZg.  101,  S.  453.  —  484)  Marie  Nathusius.     E.  Lebensbild.     In 


IV  3:485-513    R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./19.  Jahrhunderts.   1893,  1894. 

mehr  die  Frau,  Mutter  und  gottergebene  Christin  als  die  Schriftstellerin  zu  schildern, 
und  deshalb  fiel  das  bezügliche  13.  Kapitel  unendlich  mager  und  unergiebig  aus.  Das 
Ganze  will,  wie  ein  Recensent  richtig  bemerkt,  mehr  ein  Beitrag  zur  Geschichte  des 
deutschen  Pfarrhauses  als  zur  deutschen  Literaturgeschichte  sein.  Die  frommen  Er- 
zählungen haben  noch  immer  ein  grosses  Publikum,  wie  man  aus  den  zahlreichen 
Drucken  ersieht.485  49°)  — 

Der  ADB.  verdanken  wir  eine  Reihe  ausführlicherer  oder  kürzerer  Charak- 
teristiken, deren  Ausführlichkeit  allerdings  nicht  immer  im  richtigen  Verhältnis  zu 
der  Bedeutung  der  behandelten  Person  steht.  Es  wurde  dargestellt  Fanny  Lewald- 
Stahr  durch  Henriette  Gold  Schmidt491"492)  in  einem  wenig  anziehenden  Artikel, 
an  dem  ein  gewisser  Atavismus  des  Stiles  sich  unangenehm  bemerkbar  macht, 
Franziska  von  Stengel  durch  Brummer493),  Lucie  Henriette  von  Suhr  durch 
Carstens494),  Wilhelmine  von  Sydow  durch  Mendheim495),  Fanny  von  Tarnow 
und  Franziska  von  Tauffkirchen  ebenfalls  durch  Mendheim496  497)  und  die 
Oesterreicherin  Anna  Antonie  von  Thal  er  durch  Sauer498).  — 

Aus  Pierre  Lotis  Aufzeichnungen  über  seine  Verehrerin  und  Uebersetzerin 
Carmen  Sylva  giebt  Marie  von  Glaser499)  einen  schmalen  Auszug.  Auch  hier 
ist  es  mehr  das  Ewig -Weibliche  als  das  Geniale,  das  den  Gegenstand  der  Darstellung 
bildet.  —  Die  Werke  der  Dichterin  auf  dem  Throne  erwerben  sich  durch  üebersetzungen 
immer  mehr  Freunde  in  fremden  Ländern500-501).  — 

An  den  englisch  sprechenden  Romanlesern  hat  auch  Ossip  Schubin  ein 
anhänglicheres  Publikum  als  an  ihren  Landsleuten.  Die  Kritik  allerdings  geht  mit 
ihr  strenger  ins  Gericht,  wie  eine  Besprechung  ihrer  Gesamtwirksamkeit  in  der 
WestmR.  zeigt502"503).  —  Sie  selbst  hat  in  einem  wunderlichen,  naiven  Artikel504) 
sich  Rechenschaft  über  ihre  himmlische  Sendung  gegeben.  — 

Diesen  Dienst  hat  Bertha  von  Suttner  zu  ihrem  50.  Geburtstage  Glücks- 
mann505) mit  mehr  Berechtigung  und  in  glücklicherer  Fassung  erwiesen.  G.  schildert 
die  Jugendzeit  der  in  Prag  geborenen  Komtesse  Kinsky,  die  mütterlicherseits  mit 
der  Dichterfamilie  Körner  verwandt  ist,  ihren  Bildungsgang  und  die  wesentlichen 
Grundgedanken  ihrer  litterarischen  Bestrebungen,  die  nicht  einzig  nach  dem  tenden- 
ziösen Buche  „Die  Waffen  nieder"  beurteilt  werden  dürfen506"'507).  — 

Diesen  Rang  aber  gesteht  man  einer  anderen  Landsmännin,  Marie  von 
Ebner-Eschenbach,  anstandslos  zu.  Ihre  gesammelten  Werke508)  wurden  in  Nord 
und  Süd  mit  einem  wahren  Enthusiasmus  willkommen  geheissen,  mit  einer  Begeisterung, 
die  sich  nur  mit  der  vergleichen  lässt,  die  in  neuerer  Zeit  Gottfried  Keller  entgegen- 
rauschte. Der  würdigen  Dame,  die  wir  nun  auch  in  effigie  aus  dem  der  Gesamtaus- 
gabe beigegenen  Bildnisse  kennen  lernen,  schallte  nur  ein  einstimmiger  Ruf  der  Be-r 
wunderung  entgegen,  als  ihr  letztes  Werk  in  die  Oeffentlichkeit  kam,  die  Erzählung 
„Glaubenslos?"509).  —  Im  Anschluss  an  diese  Publikationen  zeichnete  die  unter  dem 
Namen  Julius  Kehlheim510)  schreibende  Landsmännin  der  Frau  von  Ebner  ein 
Miniaturbildchen  von  der  Dichterin,  das  ihr  in  allen  Zügen  gerecht  wird.  —  Auch 
Beer510a)  hat  mit  glücklichem  Verständnis  die  „feine  gütevolle  Ebnersche  Ironie" 
mit  Lupe  und  Pincette  untersucht.511"513)  — 


neuer  Darstell,  v.  E.  G.  M.  e.  Vorw.  v.  M.  v.  Nathusius.  Gotha,  Perthes.  VI,  226  S.  Mit  Portr.  M.  4,00.  j[Ad.  Schroeter: 
BLU.  S.  293,4;  W.  Baur:  Pfarrhaus  10,  S.  79.]j  —  485)  X  id.,  D.  Botenfrau.  D.  Kassette.  D.  Sonntag,  e.  Schule  d.  Himmels. 
Wo  wächst  der  Glücksbaum?  4  Erz.  2.  Aufl.  Herborn,  Nass.  Kolportagever.  12'.  179  S.  M.  0,60.  -  486)  X  id.,  Wj  wächst 
d.  Glücksbaum?  E.  Erz.  2.  Aufl.  ebda.  12".  71  S.  M.  0,25.  -  487)  X  id ,  D.  Botenfrau.  E.  Erz.  2.  Aufl.  ebda.  12°. 
55  S.  M.  0,20.  —  488)  X  id-,  Tagebuch  e.  armen  Fräuleins.  (=  111.  Jngendbibl.  her  v.  Th.  Weylen.  6.  Bdch.)  Hamburg 
u.  B.,  Bruer  &  Co.  92  S.  M.  0,25.  —  489)  X  id.,  Martha,  d.  Stiefmutter.  Marie.  2  Dorfgesch.  Bearb.  t.  Ad.  Martin. 
L.,  Werther.  12°.  62  S.  M.  0,75.  —  490)  X  D-  Babkerott.  V.  Marie  Nathusius,  bearb.  v.  H.  v.  Wegern.  ebda. 
12°.  48  S.  M.  0.75.  —  491)  Henriette  Goldschmidt,  Fanny  Lewald-Stahr:  ADB.  35,  S.  406-11.  -  492)  X  Fanny 
Lewald,  The  mask  of  beauty.     Transl.  by  Mary  M.  Pleasants.     111.    New- York,  R.  Bonners  Sons.  16°.     IV,  340  S.  Doli.  1,00. 

—  493)  F.  Brummer,  Franziska  v.  Stengel:  ADB.36.S.48.  —  494)  C.  E.  Carstens,  Lucie  Henriette  v.Sahr:  ib.  37,  S.  139. 

-  495)  M.  Mendheim,  Wil'.clmine  Friederike  Karoline  v.  Sydow:  ib.  S.  282.  —  496)  id.,  Fanny  Tarnow:  ib.  S.  399-402.  - 
497)  id.,  Franziska  Gräfin  v.  Tauffkirchen  Engelburg:  ib.  S.  453.  —  498)  A.  S[auer],  Anna  Antonie  Thaler:  ib.  S.  644.  — 
499)  Marie  v.  Glaser,  D.  Verbannte.  (Pierre  Loti  über  Carmen  Sylva):  FrauenZg  N.  13.  —  500)  X  Carmen  Sylva,  La 
servitude  de  Pelesch,  conte  autobiograph.  Trad.  de  l'all.  par  L.  Bachelin  et  J.  Brun  avec  une  introd.  et  un  comment. 
(=  Bibl.  contemp.)  Paris,  Lemerre.  173  S.  Fr.  3,50.  -  501)  X  Carmen  Sylva,  Da  due  sfere.  Romanzo.  Trad.  autor.  di 
L.  Cerrachini  ed  E.  Tafel.  Firenze,  G.  Civelli.  4".  185  S.  L.  4,00.  —  502)  The  novels  of  Ossip  Schubin.  ( JBL.  1893 
IV  ld:53):  WestmR.  140,  S.  653-61.  —  503IX  Ossip  Schubin,  Leafless  spring,  a  novel,  from  the  German  by  Mary  J.  S  äff  o  rd. 
Philadelphia.  12°.  Sh.  6.  —  504)  id.,  Mein  Erstling:  „Niklas  Z.u:  DDichtung.  15,  B.  12/3.  —  505)  H.  Glücksmann,  Bertha 
v.  Suttner.  Zu  ihrem  Geburtst.:  Presse  1893,  N.  157.  —  506)  X  P-  Robran,  Bertha  v.  Suttner:  Frau  1,  S.  653/8.  —  507)  X 
Bertha  v.  Suttner,  Lay  down  your  arms.  Autobiogr.  2.  ed.  London,  Longman.  Sh.  16.  —  508)  Marie  v.  Ebner-Eschen- 
bach, Ges.  Schriften.  1.-6.  Bd.  (Auoh  in  Lfg.)  B.,  Gebr.  Paetel.  1893.  219,  405,  408,  483,  307,  294  S.  Mit  Bild.  M.  21,00.  irKrich 
Schmidt:  DRs.  77,  S.  155/7;  K.  Pröll:  DWB1.  S.  132;  K.  J.:  N&S.  67,  S.  415;  P.  v.  Szcz.epai.ski:  VelhKlasMh.  1893:  1, 
S.  474/5;  WIDM.  73,  S.  570;  J.  R.:  LZg«.  1893,  N.  123.]|  (Vgl.  JBL.  1892  IV  3:218.)  -  509)  X  id..  Glaubenslos?  Erz.  ebda. 
1893.  221  S.  M.  3,00.  |[M.  Necker:  BLU.  1893,  S.  737-40;  Geg.  45,  S.  271;  11.  L  :  Frau  1,  S.344;  M  Necker:  NFPr.  1893, 
3.  Nov.;  z.  k.  1.:  Lokalanz.  (Presse)  1893,  N.  283.JI  —  510)  J  Kehl  heim,  Marie  v.  Ebner-Eschenbach.  E.  litt.  Stud.: 
Bohemia  1893,  N.  71.  —  510a)  L.  Beer,  E.  iron.  Schriftstellerin:  Nation«.  11,  S.  8153/6.  —  511)  X  M»rie  v.  Ebner-Eschen- 
bach, Lotti,  d.  Uhrmacherin.  Erz.  3.  Aufl.  B.,  Gebr.  Paetel.  217  S.  M.  4,00.  —  512)  X  id  >  Two  Countesses.  Transl.  by 
Mrs.  Waugh.     London,  Unwin.     Sh.  1/6.   —    513)  X  id-,  Bozena:  racconto.     Traduz.  di  E.  Tafel  e  L.  Ceracchini.  Firenze. 


R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./ 19.  Jahrhunderts.    1893,  1894.     IV  3  :  5i4-56ia 

Was  sonst  noch  an  epischer  Litteratur  von  Frauen  produziert  oder  vom 
Publikum  begehrt  wird,  von  der  Marlitt  bis  zu  der  hinter  dem  Pseudonym 
Adalbert  Meinhardt  sich  verbergenden  Jüngsten  mag  aus  der  Zusammenstellung 
der  entsprechenden  Bibliographie  in  den  Anmerkungen  ersehen  werden514"549).  — 

Eine  zusammenfassende  Darstellung  der  modernen  Richtung  ist  von  keiner 
Seite  versucht  worden.  Im  folgenden  soll  auch  mehr  durch  eine  Zusammentragung 
des  Materials  als  durch  weitläufige  Beschreibung  ein  Ueberblick  über  die  Lage  ge- 
geben werden.  Das  „Sammelbuch  moderner  Prosadichtung",  das  Flaischlen550)  unter 
dem  Titel  „Neuland"  herausgab,  begegnete  recht  geteilter  Aufnahme.  Es  ist  vor 
allem  ganz  unmöglich,  auf  so  beschränktem  Räume  den  einzelnen  Elementen  zu 
gewähren,  dass  sie  sich  frei  entfalten.  Durch  eine  ad  hoc  verfasste  Skizze  wird 
niemand  sein  Licht  ganz  leuchten  lassen  können.  — 

Der  Vergötterung  Heinz  Tovotes  durch  Schettler551),  der  uns  sogar  schon 
Citate  aus  den  Briefen  des  Dichters  darbietet,  tritt  Harlan552)  mit  Ueberlegenheit  und 
Ironie  entgegen,  die  ganze  Sorglosigkeit  und  monotone  Wiederholung  ihrer  selbst  an 
den  Modernen  hervorhebend.  Auch  Ompteda  wird  bei  dieser  Gelegenheit  wacker 
durchgehechelt.  — 

Hermann  Sudermann  als  Erzähler  erscheint  Poppenberg553)  als  die  Ver- 
einigung des  Besten,  was  war  und  was  ist.  Denn  er  schreibt  ihm  die  Vorzüge  der  alten 
Schule  insgesamt  zu  und  erhebt  sie  durch  den  Hinweis  auf  die  „eminent  plastisch-drama- 
tische Technik"  auf  das  Piedestal  des  Ungeahnten.  Der  Grundsatz  dürfte  nicht  allgemeine 
Anerkennung  finden,  dass  in  der  modernen  Epik  das  Erzählen  durch  das  Darstellen 
abgelöst  werden  solle,  schon  aus  dem  Grunde  nicht,  weil  die  ohnehin  fliessende  Grenze 
bei  extremer  Beachtung  dieses  Axioms  schliesslich  ganz  verwischt  würde.554-558)  — 

Ludwig  Fulda  als  Novellist  muss  sich  von  Necker559)  recht  väterliche 
Ratschläge  erteilen  lassen,  die  darin  gipfeln,  er  möge  seine  Finger  von  der  modernen 
Art  lassen;  dazu  sei  er  nicht  veranlagt.  — 

Eine  ähnliche  Tendenz  durchzieht  die  Auseinandersetzungen,  in  denen  Ger- 
hart Hauptmann  als  Erzähler  von  Keinpe560)  behandelt  wird.  K.  findet  so  gar  nichts 
ausgesprochen  Modernes  in  Hauptmanns  Novellen,  dass  er  nicht  übel  Lust  hat,  ihn 
von  einer  weiteren  Gemeinschaft   mit   seinen  Gesinnungsgenossen    zu  warnen.561)  — 

Max  Nordaus  Weizen  beginnt  auf  fremden  Fluren  zu  blühen.  Besonders 
der   französische  Uebersetzer    seiner  „Gefühlskomödie"   nimmt   ihn   als  Fleisch    von 


Le  Monnier.  16°.  278  S.  L.  2,50.  —  514)  X  Elise  Marlitt,  Romane.  2.  Aufl.  In  Lfgn.  L.,  Keil,  ä  3-4  Bogen,  ä  M.  0,30.  — 
515)  X  Marie  Sophie  Schwartz,  Romane.  111.  Ausg.  In  Lfgn.  Wien,  Bondy.  ä  3-4  Bogen,  ä  M.  0,40.  —  516)  X  Karoline 
Pionier,  Ausgew.  Erz.  Her.  v.  A.  Petersdorf.  4  Bde.  B.,  J.  Gnadenfeld  &  Co.  12°.  XXIII,  252  S.;  III,  217  S.;  111,261  S.; 
III,  278  S.  je  M.  2,50.  —  517)  X  id.,  D.  schwarze  Fritz.  Novelle.  D.  Badeaufenthalt.  Erz.  in  Briefen.  (=  Allg.  Volksbibl. 
N.  27/9.)  Neusalza,  Oeser.  56,  74  S.  M.  0,30.  -  518)  X  »•  K.,  Karoline  Pichler:  WienTBI.  1893,  N.  186.  —  519)  X  Elise 
Werners  ges.  Romane  n.  Novellen.  111.  Ausg.  In  75  Lfgn.  L„  Keil,  ä  3-4  Bogen,  ä  M.  0,40.  —  520)  X  eaa-,  Fiamme, 
racconto.  Trad.  dal  tedesco  della  sign.  Gio vanna  Denti.  4.  ed.  (=  Bibl.  amena  ad  una  lira  il  volume  N.  390.)  Mailand, 
Frat.  Treves.  328  S.  L.  1,00.  —  521)  X  Marie  v.  Olfers,  Erz.  Weimar,  Felber.  1893.  III,  421  S.  M.  6,00.  |[R.  Friedrich: 
BLU.  1893,  S.  759;  H.  Keiter:  LHw.  33,  S.  360,1;  K.  Fr.:  NatZg.  1893,  N.  151.]|  -  522)  X  Ottilie  Wildermuths  ges.  Werke. 
Her.  v.  ihrer  Tochter  Adelheid  Wildermut h.  111.  v.  F.  Bergen.  In  Lfgn.  St.,  Union.  1893.  ä  3  Bogen,  ä  M.  0,40. 
|[E.  N.:  ThLBl.  14,  S.  256;  H.  E.  v.  B.:  AZgB.  1893,  N.  294;  Quell wasser  18,  S.  826.]  [  —  523)  X  W.  Heiraburg,  Ges. 
Romane  u.  Novellen.  Mit  111.  In  Lfgn.  L,  E.  Keils  Nchf.  ä  3-4  Bogen,  ä  M.  0,40.  —  524)  X  MU  •*■  f^tal  misunderstanding 
and  other  stories.  Transl.  New-York,  Worthington.  Doli.  1,25.  —  525) X Gods  will.  By  Ilse  Frapan.  Transl.  by  Helen  A.  Macdonell. 
London,  Fisher  Unwin.  1893.  Sh.  1/6.  |[J.  Stanley  Little:  Ac.  44,  S.  436.]]  —  526)  X  E.  D.,  Erzählerinnen.  (Ilse  Frapan, 
Klara  Eysell,  Olga  Wohlbrück) :  DDichtnng.  15,  S.  151/2.  —  527)  X  Elise  Polko.  (Z.  Feier  ihres  70.  Geburtst. ) :  VossZg.  1892, 
N.  51.  —  528)  X  Wa  Boy-Ed,  „E.  Kind".  L„  Reissner.  1893.  122  S.  M.  2,00.  |[K.  Pro  11:  DWB1.  6,  S.  132.] |  —  529)  X 
Anna  Emmorich-Müller,  E.  dtsch.  Dichterheim:  NorddAZgB.  1893,  N.  30/1.  (üeber  Luise  Mahlbach.)  —  530)  X  E-  Luise 
Mühlbach- Erinn. :  Didask.  1893,  N.  212.  —  531)  X  E.  Brummer,  Margareta  Spörlin:  ADB.  35,  S.  277.  —  532)  X  Eckert 
(Pfarrer  u.  Rektor),  E.  evang.  Volksschriftstellerin  (Johanna  Spyri):  DEKZ.  7,  S.  343-50,  363/4.  —  533)  X  M-  Neck  er,  Ada 
Christen:  AZgB.  1893,  N.  30.  —  534)  X  Emmy  v.  Dincklage:  FrauenZg.  N.  1.  (Abdr.  aus  Ad.  Briegers  Kritik  in  BLU.)  — 
535)  X  Jiüe  Ludwig:  Gartenlaube  S.  772.  —  536)  X  E.  Mauthner,  Sara  Kainz-Hutzler:  NationB.  10,  S.  606/8.  —  537)  X 
Emma  Wutke- Biller:  IllZg.  100,  S.  324.  —  538)  X  Emilie  Ringseis,  D.  Königin  Lied.  (JBL.  1892  IV  3:  148):  HPB11.  112. 
S.  619-21.  —  539)  X  Luise  Westkirch,  6  Novellen  aus  d.  Alltagsleben:  Rauch.  (B.,  Alex.  Duncker.  1893.  276  S.  M.  3,00): 
DWB1.6,  S.  132.  —  540)  X  Th.  v.  Sosnosky,  E.  Marriot:  BLU.  S.  116,8.  —  541)  X  ß-  Steiner,  Mod.  Dichtung:  FrauenZg. 
N.  6.  (Abdr.  aus  d.  LMerkur.)  —  542)  X  Ueber  Luise  Otto:  BURS.  63,  S.  414/5.  —  543)  X  Alma  Croissant-Rust : 
FrauenZg.  N.  1.  —  544)  X  Etwas  Erzählungslitt. :  Anna  Croissant-Rnst,  Feierabend  n.  andere  Münchener  Geschichten.  München, 
Dr.  E.  Albert.  146  S.  M.  2,00.  |[Ed.  Bernstein:  NZ^t.  112,  S#  268-70.] |  —  545)  X  Louisa  Pichler,  Daughter  of  Rorae,  a 
romance  of  the  fatherland.  L.,  Digby  &  L.  Sh.  3/6.  (Luise  Pichler  ist  d.  Pseudonym  für  Luise  Zeller.)  —  546)  X  Otto 
Vorbeck,  Erzählerinnen:  Frieda  v.  Bnlow,  Goswina  v.  Berlepsch,  S.  Melnec  (=  Clementine  Böttger),  Ulrich  Frank  (=  Ulla 
Wolff):  DDichtnng.  14,  S.  179-80.  —  547)  X  E.  Roeder,  Litt.  Streifzüge.  IV.:  Ossip  Schubin,  Bertha  v.  Suttner,  Frieda  Nier, 
Joachim  v.  Dürow,  Margarethe  Marie  v.  Oertzen,  Ida  Boy-Ed:  Didask.  N.  200.  —  548)  X  H-  Conrad,  Ad.  Meinhardt:  NatZg. 
N.  80.  —  549)  X  Ad.  Meinhardt,  „Heinz  Kirchner".  Aus  d.  Briefen  e.  Mutter  an  ihre  Mutter.  B.,  Gebr.  Paetel.  1893.  178  S. 
M.  3,00.  |[Frau  1,  S.  345.]|  —  550)  (IV  la:16.)  ([KonsMschr.  S.  665,6.]|  -  551)  P.  Schettler,  H.  Tovote:  Ges.  1893, 
S.  290/5.  —  552)  W.  Harlan,  2  Realisten  (Ompteda  u.  Tovote):  ib.  S.  764,9.  —  553)  F.  Poppenberg,  Sndermanns 
Roman:  ML.  63,  S.  1601/6.  -  554)  X  Sudermann  als  Erzähler:  WZg.  1893,  23.  Jan.  —  555)  X  H-  Sudermann,  Es  war.  St., 
Cotta.  582  S.  M.  5,00.  |[NWienTBl.  N.  328.][  -  556)  X  The  wish  by  H.  Sudermann.  Transl.  by  Miss  Lily  Henkel.  London,  Fisher 
Unwin.  Sh.  6.  |[W.  Sharp:  Ac.  46,  S.  608.] |  —  557)  X  VV.  Sudermann,  La  fata  del  dolore;  romanzo  trad.  da  E.  Tafel  e 
L.  Cerracchini.  Mailand,  M.  Kantorowicz.  277  S.  L.  1,00.  —  558)  X  L-  Wolfgang,  H.  Sudermann:  NedSpect.  S.  178. 
—  559)  M.  Necker,  L.  Fulda  als  Novellist:  BLU.  S.  49-51.  —  560.)  W.  Kempe,  G.  Hauptmann  als  Novellist:  DWB1.  7, 
S.  10/2.  —  561)  X  E.  B.,  2  Novellen  G.  Hauptmanns:  NZSt.  ni,  s.  107-12.  —  561a)  X  M-  Nordau,  Comedie  du  sentiment. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (4)16? 


IV  3  :  56U-616    R.  Rosenbaum,  Epos  des  18./ 19.  Jahrhunderts.    1893,  1894. 

seinem  Fleische  für  seine  Landsleute  in  einer  grossspurigen  Einleitung  in  An- 
spruch561a"563).  — 

Setzt  sich  für  Herrn.  Bahr  „und  seine  Bücherei"  Hollaender564)  mit  bestem 
Können  ein,  ihn  einfach  für  ein  Original  erklärend,  so  bietet  Karl  Kraus565)  all  sein 
Können  auf,  um  uns  Bahr  „überwinden"  zu  helfen;  der  Ton  allerdings,  in  dem  er 
sich  abmüht,  dürfte  ihm  wenig  Beifall  bei  vornehm  denkenden  Litteraten  einbringen.  — 

Auf  die  gewaltige  Produktion  im  Bereiche  der  epischen  Dichtung  gerade 
in  den  letzten  Jahren  und  deren  parteiliche  Kritik  sei  durch  die  folgenden  Noten 
hingewiesen.566-616)  — 


Trad.  de  l'alleroand  avec  une  lettre-pref.  par  A.  Dietrich.  Paris,  Westhauser.  1892.  LIII,  345  S.  Fr.  3,50.  —  562)  X 
id.,  La  coruinedia  del  sentimento,  romanzo  trad.  da  Camillo  Antona-Trarersi.  Mailand,  Max  Kantorowicz.  21S  S.  L.  3,50. 
—  563)  X  id..  Analisi  d'anime:  novelle.  ebda.  16".  208  S.  L.  2,00.  —  564)  F.  Hollaender,  V.  H.  Bahr  u.  seiner  Bücherei : 
FrB.  41,  S.  82/9.  —  565)  K.  Kraus,  Z.  Ueberwindung  d.  H.  Bahr:  Ges.  1893,  S.  627-36.  —  566)  X  D-  m<>d-  Litt,  in  biogr. 
Einzeldarstell.  2  Bde.  Mit  je  3  Bild.  1.  K.  Frenzel,  A.  Glaser,  H.  Heiberg.  2.  K.  Bleibtreu,  D.  v.  Liliencron,  W.  Walloth. 
L.,  W.  Friedrieb.  IU,  55,  58,  80  S.;  III,  121,  111,  103  S.  M.  2,00.  (Vgl.  JBL.  1891  IV  3:233,  235/8;  1892  IV  3:221.)  - 
567)  X  V-  Romanmarkt  u.  d.  Noyellenbörse :  Grenzb.  4,  S.  127-35,269-77,461-72.  —  568)  X  E-  Roeder,  Litt.  Streifzüge.  III.: 
Didask.  N.  89.  —  569)  X  Ed.  Bernstein,  Etwas  Erzählungslitt.  (G.  H.  Schneideck,  Im  Osten  Berlins.  G.  Landauer,  D. 
Todesprediger.  Franz  Wolff,  Welke  Blätter):  NZSt.  fl«  S.  260-70.  —  570)  X  E.  Servaes,  Dtsch.  Erzählungskunst.  E.  Jahres- 
schau: ML.  62,  S.  716-20,  731/5.  —  571)  X  E.  Poppenberg  u.  E.  Heilborn,  2  Generationen  im  Roman:  ib.  63,  S.  1192/9, 
1223,8.  —  572)  X  H-  Conrad,  Neue  erzählende  Dichtungen:  DWB1.  6,  S.  330/2.  —  573)  X  R-  v-  Gottschall,  Neue  Romane: 
AZgB.  1893,  N.  26.  —  574)  X  L-  Salomon,  Neuere  dtsch.  Erzähler:  IUZg.  100,  S.  176/7.  —  575)  X  p-  v-  Szczepanski, 
Neues  v.  Büchortisch:  VelhKlasMh.  1892—93:  1,  S.  123  7.  —  576)  X  id.,  Neues  v.  Büchertisch:  ib.  1893-94:  1,  S.  121/6.  — 
577)  X  K-  v-  Thaler,  Neue  Romane  u.  Novellen:  NFPr.  1893,  13.  u.  15.  Apr.  —  578)  X  id.,  Neue  Romane  u.  Novellen:  ib. 
1.  Juli.  —  579)  X  Recent  german  fiction:  Blackwoods  Mag.  149,  S.  45-71.  (Behandelt:  Ebers,  Voss,  Ebner-Eschenbach, 
Bauer,  Franzos,  Hillern,  Wyl.)  —  580)  X  Dass.:  ib.  153,  S.  87-108.  (Behandelt:  Heyse,  Hauptmann  usw.)  —  581)  X  L-  van 
Heemstede  [Leo  TepeJ,  Neuere  kath.  Dichtungen:  LRs.  20,  8.14.  —  582)  X  H.  Reiter,  Neue  ep.  Dichtungen:  LHw.  33, 
S.  114/9.  (A.  Schäle,  J.  Seeber,  K.  Macke.)  —  583)  X  Dagobert  v.  Amyntor  (Gerh.  v.  Amyntor),  D.  Skizzenbnch  meines 
Lebens.  1.  T.  (JBL.  1893  IV  1  c  :  64.)  |[Z.:  AMZg.  68,  S.233;  Ad.  Bartels:  Didask.  1893,  N.207;  J.  K(astan):  BerlTBl.  1893, 
N.  331.]|  —  584)  X  Herr  K-  Bleibtreu  als  Abschreiber:  Grenzb.  53:  1,  S.  153/4.  —  585)  X  K-  Domanig,  Kleine  Erz.  Mit 
Zeichnungen  v.  Ph.  Schumacher.  Innsbruck,  Wagner.  1893.  131  S.  M.  2,00.  |[Kath.  1,  S.  575.]|  —  586)  X  A-  Dove,  Caracosa. 
Ilist.  Roman  aus  d.  13.  Jh.  2  Bde.  St.,  Cotta.  399,  380  S.  M.  10,00.  |[Ed.  Lange:  BLU.  S.  195/8;  G.  Egelhaaf:  DWB1.  7, 
S.  347/8.]|  —  587)  X  E.  Eckstein,  Lisa  Toscanella.  Novelle.  In  stenogr.  Schrift  übertr.  u.  autogr.  v.  Ad.  Schöttner. 
(=  Reuters  Bibl.  für  Gabelsberger  Stenogr.  Bd.  24.)  Dresden,  W.  Reuter.  49  S.  M.  0,90.  (Vgl.  I  3  :  11.)  —  588)  X  id., 
Monk  of  the  Aventine.  Transl.  by  Helen  Hunt-Johnsso n.  Boston,  Roberts  Broth.  II,  196  S.  Sh.  4,6.  —  589)  X  Ed. 
Engel,  I  and  It  and  other  stories.  Autor,  transl.  by  C.  B.  London,  Norgate  &  Co.  75  S.  Sh.  1.  —  590)  X  0.  S[chultz], 
G.  Engel.  (D.  Hungerdorf.  Novelle.  [2.  Aufl.  B.,  Bibliogr.  Bur.  102  S.  M.  1,00];  Zauberin  Circe.  Berliner  Liebesroman. 
[5.  Aufl.  ebda.  276  S.  M.  3,00]):  Quellwasser  18,  S.  750.  —  591)  X  G.  Falke:  Ges.  1893,  S.  570/3.  —  592)  XE.  Gerstaecker, 
Euch  for  himself.  London,  Routledge.  Sh.  2.  —  593)  X  E.  W.  Hackländer,  Caserne  alleraande.  (=  Chefs  d'oeuvre  du  siecle 
ill.  N.  57.)  Paris,  libr.  111.  1893.  16°.  96  S.  Avec  grav.  Fr.  0,50.  —  594)  X  ••  h»  E.  Volksdichter  (H.  Hansjakob) : 
DDichtung.  13,  S.  226/7.  -  595)  X  H-  Heibergs  ges.  Werke.  In  80  Lfgn.  L.,  W.  Friedrich,  ä  3  Bogen,  ä  M.  0,40.  |[0.  W. : 
N&S.  71,  S.  291.]]  —  596)  X  M.  Hobrecht,  Luther  auf  d.  Wartburg  1530.  Frankfurt  a.  M.,  Mahlau  &  Waldschmidt.  1893. 
54  S.  M.  1,75.  |[0.  Harnack:  PrJbb.  74,  S.  552/3.] |  —  597)  X  Ad.  Bartels,  Bücher  u.  Menschen.  21.  Heinr.  Hoffmann- 
Donner:  Didask.  N.  229-30.  —  598)  X  A.  W.  Ernst,  G.  Kastropp:  Geg.  42,  S.  121/3.  —  599)  X  E.  Gr.,  D.  Trauerspiel  d. 
Romanciers:  FrBlW.  1893,  N.  45.  (Meissner  u.  Hederich.)  —  600)  X  °-  Harnack,  H.  Kruse,  D.  kleine  Odyssee.  E.  Seegesch. 
L.,  Hirzel.  1892.  VII,  149  S.  M.  2,00.  ||PrJbb.74,  S.  551/2.]]  —  601)  X  0.  Lyon,  Erzählungen.  (=  Modern  german  series.) 
London,  Rivington.  Sh.  0/9.  —  602)  X  L.  Ewers,  Mauthner  als  Romancier:  ML.  63,  S.  1473-80.  —  603)  X  E.  Neubürger, 
J.  J.  Mohr:  Didask.  N.  25.  —  604)  X  F.  SerVaes,  W.  v.  Polenz:  ML.  62,  S.  377  9.  —  605)  X  Briefe  v.  0.  v.  Redwitz, 
mitget.  v.  K.  v.  Thaler:  AZgB.  N.  25/7.  —  606)  X  A.  Baron  Roberts,  Lou.  From  the  German  by  Jessie  Haynes.  (^Inter- 
national library.)  London,  Heinemann.  Sh.  2,6.  —  607)  X  J-  H.  Mackay,  D.  Anarchisten.  B.,  Harnisch  &  Co.  1893. 
XVI,  285  S.  M.  2,00.  |[0.  Harnack:  PrJbb.  74,  S.  553,4;  Grenzb.  4,  S.  95/6.]|  —  608)  X  H.  Schaumbergers  ges.  Werke. 
9.  Bd.  Aus  d.  Mappe  d.  Verstorbenen.  Kleinere  Erzählungen,  Aufsätze  u.  Briefe.  3.  Aufl.  Wolfenbüttel,  Zwissler. 
HI,  206  S.  M.  2,00.  —  609)  X  Prince  Schönaich-Carolath,  Melting  snows.  Transl.  by  Margaret  Symonds.  London, 
Niramo.  Sh.  5.  |[W.  Sharp:  Ac.  46,  S.  508.]|  -  610)  X  S.  Seh.,  K.  Spitteler:  AZgB.  1893^  fl.  42.  —  611)  X  L-  Beer, 
E.  dtsch.  Novellist  —  e.  ital.  Novellistin  (R.  Stratz  u.  Mathilde  Serao):  Nation15.  11,  S.  139-41.  —  612)  X  Paris  u.  Berlin 
als  litt.  Hauptstädte.  (D.  „Roman  Parisien"  u.  d.  „Berliner  Roman"  in  ihrer  gesch.  Entwickl.):  StrassbPost.  1893,  N.  242.  —  613)  X 
Th.  v.  Sosnosky ,  K.  Torresani:  BLU.  S.  161  3.  —  614)  X  °-  Weddigens  ges.  Werke.  4.  Bd.  Epische  u.  dramat.  Dichtungen.  2.  Aufl. 
Wiesbaden,  Bechtold  &  Co.  VII,  392  S.  M.  4,00.  —  615)  X  E.  Wiehert,  La  servante  de  Grita.  Trad.  du  lithuauien  par  Louis  de 
Hessem.  (Petite  bibl.  nniv.)  Paris,  Fayard.  1892.  160  S.  —  616)  X  E  Poppenberg,  E.  tragikom.  Roman  (E.  v.  Wolzogen) : 
Nation!*.  11,  S.  4967.  - 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  : 1-2 

IV,  4 

Drama. 

Alexander  von  Weilen. 

[Der  Bericht  über  die  Erscheinungen  des  Jahres  1894  wird  im  sechsten  Bande 
nachgeliefert.! 


IV»  5 

Didaktik. 

Richard  M.  Meyer. 

Didaktische  Litteratur:  Gottsched  N.  1.  —  Geliert  N.  2.  —  Haller  N.  6.  -  Creuz,  Chr.  J.  Sucro,  Rabener 
N.  7.  —  Zachariä,  Thümmel  N.  10.  —  Jean  Paul  N.  15.  —  Popularphilosophen:  H.  S.  Reiraarus,  J.  Moser  N.  18.  — 
Forster  N.  22.  —  Lichtenberg  N.  28.  —  Joh.  Jos.  Sucro  N.  31.  —  Mendelssohn,  Nicolai  N.  32.  —  J.  G.  Pfranger  N.  36.  — 
J.  Tandler  N.  38.  —  H.  Lorni  N.  40.  —  Eug.  Dühring,  H.W.  Riehl  N.  42.  —  L.  Büchner,  E.  Haeckel  N.49.  —  Seitenströmungen, 
Kultur  der  Zukunft  N.  60.  —  Uebergang  zur  Philosophie:  Graf  Keyserling  N.  65.  —  R.  Hamerling  N.  67.  —  Philosophie: 
Einleitung,  Geschichte  der  Philosophie  N.  68.  —  Kant  N.  83.  —  J.  F.  J.  Tafel  N.  109.  —  Fichte  N.  110.  —  Joh.  Josua  Stutzmann 
H,  114.  —  Schelling  N.  115. —  Hegel  N.  118.  —  G.  F.  Thaulow  N.  125.  —  F.  H.  Jacobi  N.  127.  —  K.  Chr.  F.  Krause  N.  129.  — 
Herbart  N.  133.  —  Schopenhauer  N.  138.  —  E.  von  Hartmann,  Ph.  Mainlaender,  K.  Peters  N.  151.  —  Nietzsche  N.  153.  —  L.  Fetterbach, 
J.  Frohschammer,  K.  L.  Michelet,  M.  Carriere,  Rob.  Zimmermann,  M.  Laz  irus,  Kuno  Fischer  N.  182.  —  F.  Trenlelenburg,  K.  Ch.  Planck, 
G.  Teichmöller,  H.  Lotze,  R.  Steiner,  Gust.  Engel,  B.  Wille,  Philosophie  der  Gegenwart  N.  200.  —  Philosophische  Specialgebiete: 
Logik,  Psychologie  N.  215;  Aesthetik  N.  226:  Moralwissenschaft,  Ethik,  Religionsphilosophie  N.  228;  Geschichtsphilosophic 
N.  238a.  —  Theologie:  Aufgaben  in  der  Gegenwart  N.  239.  —  Lavater  N.  240.  —  Lavaterscher  Kreis :  J.  G.  Malier,  J.  J.  Stolz,  Bengel, 
Mich.  Hahn  N  240c.  —  J.  A.  Tafinger,  H.  Thiersch N.  244.  -  A. F.  W.  Sack,  W.  A.  Teller,  Hengstenberg,  Tholack,  F.  H.  R.  von  Frank,  D.  R. 
F.  Grau  N.  246.  —  Schleiermacher  N.  262.  —  K.  L.  A.  Sy dow,  F.  Sander,  Mich.  Banmgarten  N.  267.  -  G.  D.  Teutsch  N.  271.  —  F.  S.  G.  Sack, 
Leop.  Schnitze,  L.  K.  Möller  N.  275.  —  Prediger  N.  285   —  Historische  Richtung:  F.  Ch.  Baur,  F.  D.  Strauss  N.  307;  A.  Ritschi  N.  320. 

—  Reformierte  Theologen:  K.  J.  Sudhoff,  Krafft  N.  338.  —  F.  L.  von  Bamberg,  Dominikus,  F.  von  Schreiber,  J.  Thaler  N.  340.  — 
Katholische  Theologen:  J.  A.  Möhler,  A.  Theiner,  F.  Hettinger  N.  350.  —  Jüdische  Theologen  N.  353.  —  Historiker: 
Niebuhr  N.  354.  —  K.  von  Schlözer,  F.  Wilken,  Ranke,  Döllinger,  Moramsen  N.  356.  —  F.  GregoroviusN.  366.  —  A.  von  Gutschmid, 
R.  Pauli  N.  369.  —  Politische  Historiker:  S.  Sugenheim,  J.Janssen  N.  371;  Treitschke,  H.  Banmgarten,  W.  Maurenbrecher  N.  374. 

—  A.  Kluckhohn  N.  380.  —  Lokalhistoriker  N.  381.  —Philologie:  „Dogma  vom  klassischen  Altertum"  N.397.  —  Chr.  A.  Lobeck, 
K.  Lehrs  N.  398.  —  A.  Nauck,  H.  Sauppe,  W.  S.  Teuffei  N.  399.  —  Archäologen :  Brunn,  Curtius,  G.  L.  F.  Tafel  N.  401a.  —  Orientalisten : 
Dillmann,  L  Zunz,  H.  Brugsch  N.  410.  —  D.  Massraann,  A.  Zeune,  A.  Essenwein,  B.  ten  Brink  N.  422.  —  Romanisten:  F.  Diez,  Karoline 
Michaelis  N.  426.  —  Uebersetzer :  Joh.  und  G.  Chr.  Tobler,  G.  Thudichum,  E.  Eckstein,  R.  Genee  N  439.  — Kunstlehreund-kritik 
N. 445. —  Entferntere  Disciplinen:  Juristen  (A.  F.  J.  Thibaut,  Ad  Exner)  N.  471;  Nationalökonomen  N.  474;  Statistik  und 
Mathematik  in  der  Anwendung  N.  487;  AerzteN.489;  Physik  (Helmholtz,  H.  Hertz)  N.  503;  Anthropologie,  Ethnographie,  Botanik, 
Astronomie,  Stenographie  N.  518.  —  Journali  sten:  J.  Moser,  L.  Wekhrlin  N.  525.  —  Moralische  Wochenschriften  N.  530.  — 
II.  P.Sturz,  J.D.  Symanski.M.  Eisner,  österreichische  Journalisten  N.  531.  —  D.  Spitzer  N.  540.  —  Satiriker,  Humoristen, 
„Pamphletschreiberei"  N.  545.  —  Politiker:  Uebersichten  N.  551.  —  Einzelne  (E.  M.  Arndt)  N.  560.  —  Agitatoren: 
J.  J.Sturz,  K.  Marx,  F.  Lassalle,  A.  von  Thadden-Trieglaff,  Lothur  Bucher  N.  567.  —  Parlamentarier:  R.  v.  Bennigsen,  L.  Bam- 
berger, Graf  Caprivi,  F.  W.  Weber,  F.  Schmeykal  N.  582.  -  W.  von  Humboldt  N.  599.  -  Paedagogen  N.  606.  —  Zeitkritik 
und  Volkserziehung:  J.  G.  Hamann,  J.  Moser  N.  621.  —  F.L.Jahn  N.  627.  —  P.  de  Lagirde  N.  634.  —  V.  Hehn,  H.  Grimm 
N.  639.  —  M.  Stirner  N.  650.  —  B.Wille  N.  651.  —  Friedensbewegung,  religiöse  und   ethische  Bewegung  N.  655. — 

In  der  Behandlung'  der  Didaktik  des  am  meisten  didaktischen  Zeitraums 
der  Weltliteratur  lässt  sich  als  Grundzug  auch  diesmal  eine  entschiedene  Begünstigung 
der  Ethik  feststellen,  wobei  die  auf  Ausbüdung  einer  persönlichen  Vollkommenheit 
gerichteten  Tendenzen  vor  denen  der  socialen  und  allgemeinen  Ethik  den  Vorzug 
erhalten.  Ueberall  wird  mehr  die  Theorie  beachtet  als  die  Praxis,  und  Scherers  Ideal 
einer  empirischen  Ethik  scheint  den  Augen  völlig  entschwunden  zu  sein;  wenigstens 
fehlt  es  ganz  an  Monographien  in  dieser  Richtung,  und  die  Psychologie  so  interessanter 
Gestalten  wie  Geliert  oder  Porster  wird  über  ihrer  rein  litterarischen  Würdigung  ver- 
nachlässigt. An  Gottsched  ist  freilich  keine  Psychologie  zu  studieren.  Dennoch 
hat  Eug.  Wolff1)  in  seiner,  sonst  fast  nur  Kleinigkeiten  nachtragenden  Recension 
des  Buches  von  Reicke  eine  genauere  Würdigung  der  geistigen  Physiognomie  des 
Mannes  (S.  75)  vermisst;  er  selbst  sucht  durch  Andeutungen  über  Gottscheds  Familie 
und  Mitteilungen  aus  seiner  Umgebung  dies  Ziel  zu  fördern.  — 

Viel  feinere  und  ernstere  Probleme  als  der  vierschrötige  Orthodoxe  der  Auf- 
klärung bietet  Geliert  der  historischen  Auffassung  mit  seiner  Mischung  von  säch- 
sischem Pietismus  und  französierendem  Weltton.  Frenzel2)  hat  sein  religiöses  Wirken 
einer  sehr  sorgfältig  disponierten  Untersuchung  unterzogen,  deren  Hauptwert  in  den 
mit  grossem  Fleisse  ausgezogenen  Briefstellen  liegt.  Doch  ist  auch  die  Darstellung 
von  Gellerts  theologischer  Stellung  und  besonders  die  seiner  vielseitigen  pädagogischen 


1)  (III  5:75.)    |[Eug.  Wolff:    LBIGRPh.  15,  S.  78-80.]|   —   2)   K.  0.  Frenzel,    Ueber    Gellerts  relig.  Wirken. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (4)17 


IV  5  :  3-9  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18. /19.  Jahrhunderts. 

Wirkung-  nicht  ohne  Verdienst.  Nachdem  F.  (S.  16)  sehr  gut  ausgeführt,  wie  Geliert 
die  theologischen  Richtungen  seiner  Zeit  in  sich  ohne  rechte  Vermittlung  neben 
einander  hergehen  lässt  und  jede  feste  Formulierung  vermeidet  —  „man  hat  den 
Eindruck  förmlicher  Dogmenflucht"  (S.  17)  —  begegnet  es  ihm  aber  doch,  den  dog- 
matischen Inhalt  seiner  Werke  zu  überschätzen.  Tritt  uns  wirklich  ausdrücklich 
christliche  Ethik  entgegen,  wenn  Amynt  lieber  die  grösste  Dürftigkeit  erduldet  als 
sich  durch  falsches  Zeugnis  bereichert  (S.  38)?  Ich  sehe  nicht,  was  Mendelssohn  oder 
Diderot  anderes  gelehrt  haben  würden.  Nur  wo  Geliert  geistliche  Dichtung  giebt,  sucht  er 
streng  orthodox  zu  sein,  so  in  dem  „Christ",  bei  dessen  hypochondrischer  Herstellung' 
und  Durchprüfung  (S.  37)  man  an  Tasso  denken  muss,  wie  sich  auch  sonst  merkwürdige 
Berührungen  zwischen  dem  Leipziger  Professor  und  dem  Höfling  von  Ferrara  zeigen. 
Aber  in  solchen  Fällen  ist  mehr  die  Gewissenhaftigkeit  des  Lehrers,  der  seinen 
Schülern  nichts  Unerlaubtes  vorsetzen  will,  als  seine  eigene  Strenggläubigkeit  wirksam; 
wie  weit  er  sich  von  der  sonst  entfernen  konnte,  zeigt  auch  nach  des  Vf.  Urteü  die 
„Schwedische  Gräfin"  (S.  40).  Die  Hauptwirkung  lag  denn  auch  nicht  sowohl  in 
Gellerts  Bekenntnistreue,  als  in  seiner  ganzen  Erscheinung  (S.  33),  in  seiner  persön- 
lichen Fürsorge  für  die,  die  ihm  näher  getreten  waren  (ein  lehrreiches  Beispiel  seiner 
andauernden  Bemühung  S.  45),  in  seiner  Specialität  der  brieflichen  Seelsorge  (S.  53/4). 
Hervorzuheben  wäre  noch  gewesen,  wie  Gellerts  Betonung  der  Gleichheit  aller  guten 
Menschen  bei  den  zaghaften  und  gedrückten  unteren  Kreisen  zündete;  F.  selbst  bemerkt 
mit  Recht,  wie  die  Fabeln  alle  Stände  heranziehen  (S.  38)  —  nicht  ohne  Absicht. 
So  waren  denn  nicht  bloss  seine  äusseren  Erfolge  (S.  46/7),  sondern  auch  die  rein 
moralischen  (S.  57/8)  bedeutend,  und  manchen  Renommisten  mag  .die  Sanftmut  des 
Dulders  (S.  35)  bekehrt  haben  (S.  59);  bei  etwas  härteren  Gemütern  waren  die  Be- 
denken Goethes  und  seines  Gewährsmannes  (ib.)  doch  wohl  begreiflich.  Beweisen 
doch  schon  die  auf  Gellerts  Namen  erfundenen  Fälschungen  (S.  65),  wie  leicht  die 
Leser  zu  rühren  waren;  und  nur  ganz  leise  erst  wagte  die  Kritik  nach  seinem  Tode 
(S.  68)  sich  hören  zu  lassen.  Auch  F.  in  seinem  abschliessenden  Urteil  (S.  70)  lässt 
sich  den  wirklichen  Geliert  noch  vielfach  durch  die  blosse  Idealfigur  seiner  Anhänger 
verdecken,  obwohl  der  redlich  und  schmerzvoll  strebende  Kämpfer  auch  der  Literatur- 
geschichte mehr  wert  sein  sollte  als  hundert,  die  nie  gefehlt  haben.  —  Schullerus3) 
hat  in  einem  gut  geschriebenen  Volksbüchlein  den  praeceptor  Germaniae  viel  un- 
befangener angeschaut.  Wie  er  den  Mut  betont,  mit  dem  der  schwächliche  Mann 
offene  Anklagen  zu  erheben  wagt  (S.  14),  so  tadelt  er  auch,  sogar  übertreibend,  die 
Einkleidung  als  „meist  misslungen,  oft  unverantwortlich  platt  und  roh,  verständlich 
nur  aus  seiner  Zeit,  welche  durch  die  Flut  von  Gelegenheitsgedichten  an  die  aben- 
teuerlichsten und  albernsten  Einkleidungen  gewöhnt  war"  (S.  18).4)  Die  kulturhistorische 
Bedeutung  Gellerts,  z.  B.  in  seiner  Zeichnung  der  Frauen  (S.  17,  24)  und  der  Armen 
(S.  29)  wird  mit  Recht  angemerkt;  nur  was  dem  Kind  seiner  Zeit  von  Frivolität  an- 
haftete, wird  (S.  19)  auch  hier  zu  sehr  weggeläugnet.  Der  jüngere  Geliert,  den  man 
dem  gereiften  gegenüber  leicht  übersieht,  wird  mit  geschickter  Benutzung  einer 
Schilderung  aus  dem  „Jüngling"  (S.  9)  anschaulich  porträtiert,  der  Stil  der  Fabeln' 
(S.  13)  gut  charakterisiert.  Ueberall  verdient  das  Werkchen  das  Lob,  das  auch 
K  ö  s  t  e  r  ihm  zu  teil  werden  lässt,  ebenso  wie  der  von  Seh.  früher  veranstalteten 
Auswahl5),  in  der  er  nur  eine  Probe  von  Gellerts  Drama  vermisst.  — 

Ungünstig  und,  wie  uns  scheint,  zu  ungünstig'  wurde  Widmanns6)  Buch  über 
Ha  11  er  von  Fürst  besprochen.  Wenn  er  die  Einleitung'  tadelt,  in  der  er  „eine 
Zusammenfassung  der  prägnantesten  Gruppen  der  Staatsromane"  (S.  614)  allerdings 
erwarten  durfte,  oder  für  den  Grad  der  Unabhängigkeit  Hallers  von  seinen  Quellen 
genauere  Angaben  wünscht  (S.  616),  kann  man  ihm  recht  geben;  dass  er  aber  Engels 
„Fürstenspiegel"  anders  nennen  würde,  als  Widmann  ihn  genannt  hat  (S.  617),  das 
war  nicht  der  Mühe  wert  in  einer  Recension  hervorzuheben,  die  für  die  Vorzüge  von 
Widmanns  Buch  keinen  Raum  hat.  — 

Von  anderen  Lehrdichtern  sind  Creuz  durch  Bion7),  Ch.  J.  Sucro  durch 
Pröhle8)  behandelt  worden.  Der  letztgenannte  Sprössling  einer  didaktischen  Muster- 
familie, der  noch  die  Theologen  Christophorus  und  Johann  Georg  Sucro  sowie  der 
Popularphilosoph  Johann  Josias  (s.  u.  N.  31)  angehören  (welch  letzterer  übrigens 
auch  selbst  Lehrgedichte  geschrieben  hat),  verfasste  1748  einen  „Herbst"  und  eine 
„Landlust",  deren  Verhältnis  zu  Thomson  und  Kleist  P.  nicht  feststellen    konnte,    da 


Bautzen,  Eeichel.  73  S.  M.  1,20.  irLZgR.  24.  Doc.)  (Dass.  als  Leipz.  Diss.)  —  3)  A.  Schullerus,  Gellerts  Leben  u.  Werke. 
(=  Meyers  Volksbücher  N.  1020.)  L.,  Bibliogr.  Inst.  44  S.  M.  0,10.  |[L.  Gorel:  Zuschauer  2,  S.  129-30.]|  —  4)  X  A.  Leitz- 
mann,  H.  Handwerck,  Stud.  über  Gellerts  Fabelnstil  (JBL.  1891  IV  6:2;  1892  IV  5:  lc):  LBIGRPh.  15,  S.  60.  -  5l  X  *■ 
Schullerus,  Gellerts  Dichtungen  (JBL.  1891  IV  6:3/4;  1892  IV  5:2;  1893  IV  5  :  5).  |[DDichtung.  15,  S.  180;  A.  Köster: 
ADA.  20,  S.  88.]|  —  6)  M.  Widraann,  A.  v.  Hallers  Staatsroraane  (JBL.  1893  IV  5:2).  ([R.  Fürst:  Euph.  1,  S.  614/8;  LCB1. 
S.  729;  Eich.  Friedrich:  BLTJ.  S.  260/1.] |  —  7)  U.  Bion,  Beitrr.  z.  Kenntn.  d.  Lebens  u.  d.  Schriften  d.  Diohters  Fr.  K. 
Kas.  t.  Creuz.    T.  1  u.  II.    Diss.    München.    48  S.   —   8)  (III  5:82.)  —  9)  J.  Pawel,  E.  ungedr.  Brief  Rabeners  an  Gleira : 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  10-22 

sie  auf  der  Berliner  Bibliothek  fehlen;  daneben  war  er  Gelegenheitsdichter  aus  Not 
und  Satiriker  aus  Neigung.  —  Er  leitet  uns  zu  dem  typischen  Satiriker  der  Zeit  über, 
zu  Rabener,  von  dem  Pawel9)  einen  ungedruckten  Brief  vom  Apr.  1747  an  Gleim 
zum  Abdruck  bringt,  der  über  das  Weggehen  aller  seiner  Leipziger  Freunde  beweglich 
klagt.  „Noch  vor  zehn  Jahren  hatte  ich  alle  meine  Freunde  in  Leipzig  um  mich. 
Jezo  fehlen  mir  Gärtner,  Ebert,  Zachariä,  Giesecke,  Klopstock,  Schmidt,  der  ältere 
Schlegel,  Cramer  und  alle  diese,  die  noch  leben,  sind  in  Niedersachsen.  Ich  habe 
es  nur  Gellerts  seinem  verdorbenen  Magen  zu  danken,  dass  er  in  Leipzig  bleibt  und 
sich  nicht  nach  Braunschweig  wagt.  Spannen  sie  uns  auch  etwa  Schlegeln  ("gemeint 
ist  Johann  Adolf)  noch  ab,  so  werde  ich  bei  meiner  Einsamkeit  auf  den  verzweifelten 
Einfall  kommen,  mich  zu  hängen,  oder,  welches  noch  widernatürlicher  ist,  ein 
Gottschedianer  zu  werden."  — 

Zimmers10)  Zachariä  wurde  von  Petzet  und  Schloesser  besprochen;  letzterer 
findet  an  der  Arbeit  ausser  in  der  Ausgabe  des  „Renommisten"  keine  grosse  Förderung. 
—  Rosenbaums  n-14)  Artikel  über  Thümmel  wird  dagegen  als  abschliessend  be- 
zeichnet werden  können.  Auf  eine  knappe  Biographie  folgt  die  Würdigung  des 
Autors,  wobei  R.  auf  den  bestimmenden  Einfluss  Mosers  (S.  173)  hinweist.  Ueber 
die  Lascivität  in  den  „Reisen"  urteilt  der  Biograph  ebenso  gerecht  wie  über  die 
„wertvollen  Dokumente  echt  dichterischer  Begeisterung  und  Bekenntnisse  ernsten, 
zielbewussten  Schaffens"  in  Thümmels  berühmtestem  Werke  (S.  175).  R.  hätte  viel- 
leicht erwähnen  können,  dass  der  „etwas  plumpe  Scherz,  einem  Mädchen  von  einem 
Ritter  statt  der  Blattern  die  Liebe  einimpfen  zu  lassen"  (S.  175)  nur  auf  der  Aus- 
führung des  Titels  zum  fünften  Bilde  der  Neuen  Heloise  Rousseaus  beruht,  welches 
„L'inoculation  de  l'amour"  unterschrieben  ist;  und  er  hat  in  seiner  Charakteristik 
gerade  dieses  Gedichts  sich  etwas  zu  sehr  von  dem  blumenreichen  Stil  der  Zeit 
anstecken  lassen.  Dafür  vermehrt  er  sein  um  Kenntnis  und  Auffassung  des  Dichters 
der  „Wilhelmine"  erworbenes  Verdienst  noch  durch  einen  musterhaften  Druck  der 
ersten  Ausgabe  sowie  durch  biographische  Nachrichten  über  den  Bruder  und  den 
Stiefsohn  Moritz  Augusts  von  Thümmel,  die  beide  seine  didaktische  Neigung  teilen, 
der  ältere  in  beachtenswerten  Aphorismen,  der  jüngere  durch  einen  schwachen  Er- 
ziehungsroman. Ueber  einen  vierten  „Dichter"  dieses  Namens,  Hans  Adolf,  den  1851 
in  Kassel  gestorbenen  Oberhofmarschall,  bringt  R.  leider  keine  Nachricht,  und  doch 
hätte  dieser  Hofpoet  mit  seinem  „Schatten  kühler  Denkungsart"  und  „des  Lebens 
Unverstand"  (die  beide  ihm  wenigstens  Büchner  geflügelte  Worte  [18.  Aufl.,  S.  208] 
zuschreibt)  die  von  Moritz  August  zu  August  Wilhelm  herabführende  Stufenleiter 
so  wirksam  abschliessen  können.   — 

Jean  Paul  hat  in  Joseph  Müllers15)  unkritischem  Lobewerk  eine 
Verhimmelung  erfahren,  hinter  der  Nerrlichs  Enthusiasmus  (JBL.  1890  IV  3 :  33) 
beschämt  zurückbleibt.  An  dem  Schriftsteller  gesteht  er  noch  gewisse  Schwächen 
zu, Unfähigkeit  zur  Charakterdarstellung,  zu  fester  Form,  Unsicherheit  des  Geschmacks; 
der  Mensch  aber  ist  ihm  ganz  „durchsichtiger  Cherub",  und  der  „breite  Erdenbengel", 
den  sein  Bewunderer  Vischer  in  dem  hübschen  Gedicht  auf  Jean  Paul  damit  un- 
trennbar verbunden  sah,  wird  von  M.  völlig  verflüchtigt.  Das  liegt  auch  zum  Teil 
an  der  unhistorischen  Auffassung,  die  nirgends  fragt,  was  dem  Helden  eigen  oder 
mit  Lehrern  und  Zeitgenossen  gemein  ist ;  die  Hauptschuld  aber  trägt  eine  leiden- 
schaftliche Parteilichkeit,  die  denn  auch  auf  jeden  Gegner  mit  den  verwerflichsten 
Waffen  einhackt  (Schleiermacher  S.  107,  F.  Th.  Lange  S.  144,  Gervinus  „ein  kritischer 
Aasgeier"  S.  379,  der  Spinozismus  „die  elendeste  Form  religiösen  Empfindens"  S.  426). 
So  bleibt  das  Buch  schliesslich  eine  systematisch  angeordnete  Anthologie  aus  Jean  Paul 
mit  störenden  Randnoten  des  Sammlers.16)  —  Immerhin  durchdringt  das  Buch  ein 
aufrichtiger  Ernst,  den  man  in  Kohuts17)  neuestem  Fabrikat  so  sehr  wie  jede 
andere  gute  Eigenschaft  vermisst.  — 

An  der  Spitze  der  deutschen  Popularphilosophen  stehtHermann  Samuel 
R  eimar  us ,  merk  würdig  durch  seine  posthumen  Beziehungen  zu  Männern  wie  Lessing  und 
Strauss,  in  seinem  Charakter  wie  in  seiner  Schriftstellerei  ein  Prototyp  der  Aufklärungs- 
periode; als  solches  zeichnet  ihn  Geiger18)  in  einem  Säkularartikel  19_2°).  —  Auch 
Justus  Moser,  der  inmitten  der  Aufklärung  so  vielfach  die  Reaktion  andeutet,  ist 
in  einem  Zeitungsaufsatz21)  gefeiert  worden;  eine  kritische  Würdigung  seiner  ganzen 
Persönlichkeit  lässt  immer  noch  auf  sich  warten.  — 

Euph.  1,  S.  788-90.  —  10)  H.  Zimmer.  Zachariae  (JBL.  1893  in  5  :  3S;  IV  3  :  6;  5  :  lb).  |[E.  Petzet:  ZVLB.  7,  S.  2424; 
B.  Schlösser:  LBIGRPh.  15,  S.  150,1.]|  —  11)  R.  Bosenbaum,  M.  A.  v.  Thümmel:  ADB.  38,  S.  1717.  —  12)  id.,  M.  A. 
t.  Thümmel,  Wilhelraine.  Abdr.  d.  1.  Ausg.  (1764).  (==  DLD.  N.  48.)  St.,  Göschen.  XII,  54  S.  M.  1,20.  —  13)  id.,  H.  W. 
v.  Thümmel:  ADB.  37,  S.  176,7.  —  14)  id.,  A.  W.  v.  Thümmel:  ib.  S.  177.  —  15)  Jos.  Müller,  Jean  Paul  u.  seine  Bedeut. 
für  d.  Gegenw.  München,  Lüneburg.  436  S.  M.  9,00.  |[B.  M.  Meyer:  ML.  63,  N.  42.]|  —  16)  X  Je»n  Paul:  HPB1L  114, 
S.  624.  (Nach  N.  15.)  —  17)  (IV  la:27.)  |[E.  M.  Meyer:  ML.  63,  S.  861;  Chrn.  Morgenstern:  Zuschauer  2,  S.  91.]|  — 
18)  L.  Geiger,  H.  S.  Reimarus.  (Z.  200.  Geburtst.):  PZg.  N.  354.  —  19)  X  E.  1).,  H.  S.  Beimarus:  SchwäbKron.  N.  300.  — 
20)  X  J-.  Z.  Erinn.  an  H.  S.  Beimarus:  VossZg.  N.  598.    —   21)  D.,  Just.  Moser:   NatZg.  N.  10,  18.    —   22)  (IV  1c  :  88h.)  — 

(4)17* 


IV  5:23-34  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Dagegen  ist  Forster,  Gelehrter,  Popularphilosoph  und  Politiker  wie  Moser, 
im  Berichtsjahr  vielfach  wissenschaftlich  behandelt  worden.  Leitzmann22)  hat  seine 
Brief  Veröffentlichungen  fortgesetzt.  Sein  Vortrag  über  Forster23)  wurde  von  Chuquet, 
seine  Ausgabe  der  Briefe  und  Tagebücher24)  sowie  die  von  ihm  veranstaltete  Aus- 
wahl aus  Forsters  Schriften25)  wurden  vielfach  besprochen  und  als  Ausgangspunkt 
für  weitere  Ausführungen  benutzt.  R.  M.  Meyer  begann  die  Briefe  und  Tagebücher 
mit  dem  daraus  entstandenen  Meisterwerk  der  „Ansichten  vom  Niederrhein"  in  den 
Hauptpunkten  zu  vergleichen.  —  Westenberger 26)  hat  Forster  zum  hundertsten 
Todestag  ein  etwas  deklamatorisches,  sonst  aber  zur  Orientierung  ganz  geeignetes 
Gedenkblatt  gewidmet,  Guglia27)  über  seinen  Aufenthalt  in  Oesterreich  geschrieben.  — 

Das  vortreffliche  Buch  Laucherts  über  die  schriftstellerische  Thätigkeit 
Lichtenbergs28)  fand  verdiente  Anerkennung29);  nur  tadelt  Seuffert  die  Druck- 
einrichtung und  die  Einteilung  nach  Gattungen  und  giebt  dabei  die  befremdende 
Ansicht  zum  besten,  Lichtenbergs  Name  gehöre  mehr  in  die  Geschichte  der  Philo- 
sophie als  in  die  der  schönen  Litteratur,  „obwohl  seine  Urteile  über  die  Göttinger 
Dichter  einen  guten  Kern  haben,  obwohl  seine  Sprache  und  sein  Stil  auf  Selbständig- 
keit und  Abhängigkeit  von  ausländischen  Vorbildern  untersucht  werden  müssen". 
Mir  scheint  im  Gegenteil,  dass  dieser  Meister  deutscher  Prosa  in  der  „schönen 
Litteratur"  einen  viel  bedeutenderen  Platz  einnimmt,  als  man  ihm  gemeiniglich  anweist; 
und  wenn  S.  uns  auf  Lichtenbergs  philosophische  Schriften  hinweist,  so  ist  an  seine 
Reisebriefe,  seine  humoristischen  und  vor  allem  seine  polemischen  Aufsätze  zu  erinnern, 
die  alle  die  Geschichte  der  Litteratur  weit  mehr  angehen  als  die  der  Philosophie. 
So  gut  die  Franzosen  La  Rochefoucauld  zu  ihren  Klassikern  rechnen,  und  wir 
selbst  Schopenhauers  litterarische  Bedeutung  anerkennen,  ist  auch  Lichtenberg  in  die 
erste  Reihe  unserer  „kleinen  Klassiker"  zu  stellen.  —  Auch  Seufferts  Recension  von 
Wilbrandts  Auslese30)  wird  dem  Schriftsteller  nicht  gerecht,  während  er  über  den 
Herausgeber  etwa  die  Ansicht  des  Referenten  ausspricht.  — 

Der  Popularphilosoph  J  o  h.  Jos.  S  u  c  r  o  ist  von  Pröhie31)  gleichsam  neu 
entdeckt  worden,  ohne  dass  dieser  doch  über  die  Persönlichkeit  viel  Sicheres  hätte 
feststellen  können.  Mit  seinem  „Epiktet"  soll  er  „einige  Anregungen  für  Wielands 
spätere  leichte  Behandlung  von  Stoffen  aus  dem  Gebiete  der  römisch-griechischen 
Philosophie  und  Geschichte"  gegeben  haben.  Ausser  Lehrgedichten  und  populär- 
philosophischen Schriften  hinterliess  er  eine  Dankpredigt,  die  an  Gedanken  in 
Jahns  Volkstum  erinnern  soll. 

Von  Moses  Mendelssohn  wird  eine  Anekdote  erzählt32);  eine  Erlanger 
Dissertation  von  Sander33)  behandelt  seine  Religionsphilosophie.  —  Dass  Friedrich 
Nicolai  nicht  immer  der  mürrische  Alte  war,  als  der  er  nun  fortlebt,  hat  man  oft  übersehen; 
A  1 1  e  n  k  r  ü  ge  r  s34)  tüchtige  Abhandlung  verdient  deshalb  doppelten  Dank.  Der 
leider  bald  nach  Fertigstellung  seiner  Dissertation  verstorbene  Vf.  hat  mit  Fleiss  und 
Glück  Nicolais  brieflichen  Nachlass  durchsucht  und  dabei  auch  u.  a.  Jugend- 
arbeiten ein  „episch-didaktisches  Gedicht  in  unmöglichen  Hexametern  zum  Preise 
Klopstocks"  (wie  Witkowski  sich  ausdrückt)  entdeckt,  welches  durch  Pyras 
„Tempel  der  wahren  Dichtkunst"  angeregt  war,  und  „Freundschaftliche  Briefe"  die 
A.  dem  Muster  Gellerts,  W.  richtiger  dem  der  „Freundschaftlichen  Briefe"  Gleims 
von  1746  zuschiebt.  Dazu  kommt  die  „Untersuchung,  ob  Milton  sein  Verlorenes 
Paradies  aus  neuen  lateinischen  Schriftstellern  ausgeschrieben  habe",  die  Nicolai  als 
Erstlingsschrift  1753  selbst  herausgab.  Das  Gedicht  hatte  sein  Bruder  Samuel  Gottlob, 
die  Briefe  sein  Freund  Patzke  veröffentlicht.  Diese  Schriften  werden  nun  in  licht- 
voller Analyse  vorgeführt  (der  Milton  S.  2,  32/3;  das  Gedicht  S.  29—30;  die  Briefe 
S.  38/9)  und  kurz  kommentiert.  Mit  Kapitel  III  „Briefe  über  den  itzigen 
Zustand  der  schönen  Wissenschaften  in  Deutschland"  steuert  A.  dann  schon  in  Nicolais 
Reifezeit  hinüber,  wobei  er  (S.  61)  eine  direkte  Mitarbeit  Lessings  an  den  Briefen 
verneint.  Kapitel  IV.  bespricht  die  „Bibliothek  der  schönen  Wissenschaften  und 
freyen  Künste",  wobei  speciell  Nicolais  vielbesprochene  „Abhandlung  am  Trauerspiele" 
(S.  68/9)  durchgenommen  wird.     In  echt  historischer  Weise  nimmt  A.  seinen  Stand- 


23)  (IV  lc:88.)  (Vgl.  auch  JBL.  1893  IV  5:31.)  —  24)  (IV  lo:89.)  |[Grenzb.  1,  S.  354-63;  A.  Sauer:  DLZ.  S.  11012; 
R.  M.  Meyer:  ADA.  20,  S.  311/7.]  1  —  25)  G.  Forster,  Ausgew.  kleine  Schriften.  Her.  v.  A.  Leitzmann.  (=  DLD.  N.  46/7.) 
L.,  Göschen.  XX,  165  S.  M.  3,00.  |[M.  K(och):  LCB1.  S.  1219-20;  Max  C.  P.  Schmidt:  ASNS.  93,  S.344/6;  BLU.S.4467; 
LZg».  N.  82;  VossZg.  N.  298;  A.  C(huquet):  ECr.  38,  S.  319-20.]|  —  26)  G.  Westenberger,  G.  Forster,  e.  Gedenkhl.  zu 
seinem  100.  Todest.:  LZg«.  N.  4.  —  27)  E.  Guglia,  G.  Forster  in  Oesterr.:  WienZg.  N.  718.  —  28)  X  Liepmannsohns  Autogr.- 
Kat.  (u.  a.  Briefe  v.  Schopenhauer,  Lichtenberg  usw.):  BerlBörsCour.  N.  314.  —  29)  F.  Lauchert,  G.  Chr.  Lichtenbergs  schrift- 
stellerische Thätigkeit  in  chronologischer  Uebersicht  (JBL.  1893  IV  5:26/9).  |[Bich.  Friedrich:  BLTJ.  S.  663;  A.  Sauer: 
DLZ.  S.  303/4;  B.  Seuffert:  Euph.  1,  S  1635  ]|  —  30)  A.  Wilbrandt,  Lichtenbergs  ausgew.  Schriften  (JBL.  1893  IV  5:24). 
|[B.  Seuffert:  DLZ.  S.  3634;  Euph.  1,  S.  165/7.J  —  31)  (III  5:84.)  -  32)  X  P-  Clauswitz,  Wie  Moses  Mendelssohn  v. 
d.  Einquartierung  befreit  wurde:  MVGBerlin.  S.  120  1.  —  33)  D.  Sander,  D.  Keligionsphilos.  M.  Mendelssohns.  Diss.  Er- 
langen. 65  S.  —  34)  E.  Altenkrüger,  F.  Nicolais  Jugendschriften.  B.,  C.  Heymann.  VII,  113  S.  M.  2,00.  |[R.  M.Meyer: 
ML.  63,  S.  1497/8;    G.  Morgenstern:    Ges.  S.  963;  LZg».  N.  146;    G.  Witkowski:  ZDPh.  28,  S.  407/8.JI     (Daraus  T.  1  als 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  35-3? 

punkt  nicht  in  der  Gegenwart,  sondern  vergleicht  das  kritische  Organ  Nicolais  mit 
zeitgenössischen  Journalen,  denen  gegenüber  es  einen  unzweifelhaften  Fortschritt 
bedeutet  (S.  71).  Er  verteidigt  auch  Lessing  gegen  den  Vorwurf,  dass  er  die  „Bibliothek" 
absichtlich  im  Stich  gelassen  habe  (S.  75),  und  sieht  hier  nur  einen  neuen  Fall  von 
Lessings  leichter  Art  zu  versprechen.  In  einer  Uebersicht  der  Mitarbeiter  (S.  76/7) 
widerlegt  A.  (S.  78)  die  Behauptung  Breitmaiers,  Nicolai  habe  nur  wenige  Artikel 
geliefert :  von  ihm  sind  35  unter  63  Aufsätzen !  Sie  sind  in  der  Regel  ziemlich  milde 
('S.  86),  aber  sie  ermüden  durch  ihre  Länge  (S.  87).  „Nicolais  Technik  beim  Recen- 
sieren  geht  nicht  dahin,  den  Inhalt  des  Werkes  als  bekannt  vorauszusetzen  oder  mit 
wenigen  Strichen  knapp  zu  skizzieren  und  dann  über  Form  und  Stoff  Raisonnements 
anzustellen.  Er  sucht  den  ganzen  Inhalt  des  Buches  Seite  für  Seite  breit  nachzu- 
erzählen" (S.  59).  Urteile  über  die  Bibliothek  (S.  51/2:  „Sie  werden  unser  Addison 
sein",  prophezeit  Ewald)  leiten  zu  Kapitel  V.  „Anteil  an  den  Briefen,  die  neueste 
Litteratur  betreffend"  über,  von  denen  Nicolai  etwas  mehr  als  ein  Fünftel  von 
335  Nummern  (S.  98)  verfasst  hat.  Er  spricht  sich  hier  auch  über  die  Pflichten 
eines  Recensenten  (im  243.  Briefe)  aus.  „Er  hält  es  nicht  nur  für  ein  Recht  des 
Kunstrichters,  sondern  für  seine  unabweisbare  Pflicht,  gegen  die  Mode  der  „seichten 
Afterhöflichkeit"  aufzutreten,  bei  der  Beurteilung  einer  Schrift  durch  die  sociale 
Stellung  des  Vf.  sich  nicht  den  Meisterstab  aus  den  Händen  winden  zu  lassen  und 
jeder  Würde  ungescheut  zu  widersprechen.  Wie  in  anderen  Ländern,  die  sich  des 
Vorzuges  einer  politischen  und  litterarischen  Hauptstadt  erfreuten,  in  den  Gesell- 
schaften ein  jeder  freimütig  und  ungeheuchelt  rede,  ebenso  müsse  in  Deutschland 
geschrieben  werden.  Es  sei  die  Pflicht  eines  aufrichtigen,  es  mit  der  Litteratur 
ehrlich  meinenden  Kritikers,  die  Wahrheit  frei  heraus  zu  sagen.  Es  entstände  in 
der  Provinz  ein  schiefes  Bild  von  dem  litterarischen  Leben,  wenn  nichts  bedeutende 
Worte  an  die  Stelle  freimütiger  Beurteilungen  träten  und  mittelmässige  Schriften  in 
den  Himmel  gehoben  würden.  Seine  Meinung  sei  nicht  etwa  die  allein  massgebende 
und  richtige;  er  habe  lediglich  die  Absicht,  den  denkenden  Leser  „auf  weitere  Aus- 
sichten zu  führen",  ohne  ihm  durch  Komplimente  Staub  in  die  Augen  zu  streuen"  (S.  39). 
Auch  er  gab  nicht  Regeln  und  Abgeschlossenes,  sondern  nur  „fermenta  cognitionis."  — 
Ellin gers35)  Ausgabe  der  „Briefe  über  den  itzigen  Zustand  der  schönen  Wissen- 
schaften in  Deutschland"  hat  allgemeinen  Dank  geerntet,  und  Witkowski  hebt  mit 
Recht  hervor,  wie  die  Einleitung  Altenkrügers  Schrift  ergänzt.  Sie  beleuchtet  das 
Verhältnis  Nicolais  zu  den  litterarischen  Parteien  seiner  Zeit  und  weist  in  der  „Samm- 
lung vermischter  Briefe"  des  Prof.  Joh.  Chr.  Stockhausen  in  Helmstädt  (S.  131) 
einen  Vorgänger  für  Nicolais  Scheidung  zwischen  „Messias"  und  „Noah"  nach, 
während  in  den  Ausführungen  über  die  französische  Vorherrschaft  Nicolai  selbst  als 
Vorläufer  Lessings  erscheint  (S.  X).  Dieser  hat  aber  sonst  auf  die  Briefe  übermächtig 
eingewirkt  (^S.  XI);  eine  direkte  Mitarbeit  aber  bestreitet  auch  E.)  Eine  Anzahl  von 
Bemerkungen  (S.  XV)  hebt  vortrefflich  das  der  Erklärung  Bedürftige  hervor;  dann 
folgt  (S.  XXV)  ein  Textbericht  mit  interessanten  Ausführungen  über  die  Interpunktion 
Nicolais  und  seiner  Zeitgenossen  (S.  XXVI).  — 

Neben  Lessings  intimsten  Mitarbeitern  ist  einer  seiner  Gegner  behandelt 
worden:  J.  G.  Pfranger,  der  Autor  des  „Mönchs  vom  Libanon."  Albrecht36"37) 
hat  ihm  eine  sorgfältige  und  ergebnisreiche  Abhandlung  gewidmet.  Er  schickt  eine 
Lebensgeschichte  des  Hofpredigers  von  Meiningen  voraus  und  bestimmt  dabei  seine 
dogmatische  Stellung  als  eine  ähnlich  gemischte,  wie  wir  die  Gellerts  finden:  „Als 
Theolog  gehörte  Pfrang'er,  der  Schüler  Walchs,  zu  denjenigen  Männern,  welche,  frei 
von  den  Verirrungen  und  Einseitigkeiten  der  orthodoxen,  pietistischen  und  rationa- 
listischen Schulen,  die  Vorzüge  der  drei  in  sich  vereinten:  lutherische  Recht- 
gläubigkeit und  freisinnige  Forschung,  Gelehrsamkeit  und  religiöse  Innigkeit, 
entschiedenes  Bekenntnis  und  schonende  Milde  gegen  anders  Denkende.  So 
erklärt  sich  seine  Vorliebe  für  des  Wandsbecker  Boten  heüige  Einfalt  und 
für  Herders  Schriften  mit  ihrer  Begeisterung  für  die  erhabene  Poesie  der  Bibel, 
so  sein  Wohlgefallen  an  Döderleins  Dogmatik  mit  ihrem  Supranaturalismus, 
so  seine  Beschäftigung  mit  der  Kantschen  Philosophie  und  ihrem  auf  Moral 
basierenden  Inhalte"  (S.  7).  Diesem  Standpunkt  entspricht  denn  auch  der  des  „Mönchs 
vom  Libanon",  den  A.  (S.9— 10)  analysiert,  bespricht  (die  Veränderungen  der  zweiten 
Auflage  S.  13)  und  würdigt  (S.  14).  Aehnlich  wie  Wackernagel  in  seinem  bekannten 
Vortrag  findet  Pfranger  Lessings  Zeichnung  der  drei  Religions Vertreter  ungerecht 
und  schildert  deshalb  in  seinem  Mönch  einen  rechten  Christen  (S.  16)  nach  seiner 
Auffassung  und  nicht   ohne  Züge  von  seinem  eigenen  Wesen  (S.  14).     Er  bekämpft 

Berl.  Diss.  49  S.)  —  35)  Nicolai,  Briefe  üb.  d.  jetz.  Zustand  d.  schön.  Wissensch.  in  Dentschld.  1755.  Her.  v.  G.  Ellinger. 
(=  Berliner  Neudrr.  Her.  t.  L.  Geiger  u.  G.  Ellinger.  3.  Serie,  2.  Bd.)  B.,  Paetel.  XXVUI,  153  S.  M.  5,00.  ||Rich. 
Friedrich:  BLU.  S.  599-600;  G.  Witkowski:  ZDPh.  28,  S.  408;  LZgB.  N.  62;  M.  C.  P.  Schmidt:  ASNS.  93,  S.3423.]|  — 
36-37)    H.  Albrecht,   J.    G.   Pfranger.      Sein    Leben   u.   seine  Werke.    Progr.     Wismar   (L.,  Fock).    4°.    28  S.    M.  1,00.  — 


IV  5:38-41  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

ausserdem  Leasings  Stellung-  gegen  die  Wunder  und  die  Moral  der  Ringfabel  (S.  15), 

alles    in    massvoller,    aber     auch    unpoetischer    Weise.     Gelegentlich    parodiert    er 

Lessings  Art:  „Und  wenn  ich  irrte,  wäre  Der  Irrtum  minder  wichtig;  wenn  ich  dich 

Betrüge,  der  Betrug  nicht  halb  so  gross."  IstPfranger  also  einmal  gegenLessing  polemisch- 

parodistisch  in  die  Schranken  getreten,  so  spricht  ihm  dagegen  A.  mit  guten  Gründen 

die   Stella-Parodie    ab,    welche    zuerst   Riemer    in   voreiligster  Deutung  Goethescher 

Xenien,  dann  ihm  folgend  alle  späteren  Pfranger  zugeschoben   haben  (S.  24/5).     An 

Parodie  grenzt  hingegen  die  Art,   wie  der  Hofprediger  alte  Kirchenlieder  und  sogar 

Luthers  Hauptlied  modernisierte  (S.  20),  so  verständige  Grundsätze  er  auch  „lieber 

Veränderung  alter  Lieder1'  ausgesprochen  hat  (S.  19);  A.  verdient  besonderen  Dank 

für    die    Mitteilung  dieser  charakteristischen   Leitsätze.     Als   noch  heute  anwendbar 

lassen  sich  mit  A.  mehrere  bezeichnen,  besonders  auch  der  vierte:  „Die  gleichgültigen 

Zwischensätze    und    überhaupt    alle   notwendigen   Veränderungen   drücke   in    einer 

solchen  Sprache  aus,  die  noch  dem  Genio  des  Lutherischen  Zeitalters  angemessen  ist. 

Was  nach  unserer   neuen  Sprache  synonym  ist,  das  ist  es  nicht  immer  im  16.  Jh. 

Z.   E.    „Tugend"    für   „gute   Werke"    würde    schon   zu  modern  klingen.     Es  gehört 

hierzu  oft  Verleugnung  des  Zeitmässig-Schönen."  Und  der  neunte  zeigt  seine  Theorie,  wie 

A.  mit  Recht  bemerkt,  im   Gegensatz  zu    der  rationalistischen  Verflachung  des  alten 

Liedes,    (der   doch  seine  Praxis  entsprach):    „Aendere  keinen  Gedanken  um  neuerer 

Meinungen    willen    und  trage   kein  Bedenken,  mit  Luther  und  der  Bibel    das   Kind 

bei  seinem  rechten  Namen  zu  nennen,  den  Teufel  Teufel  und  die  Hölle  Hölle  etc. 

Die  geschmeidigeren  Ausdrücke  sind  nicht  der  Stempel  von  Luthers  Geist,"    Auch 

in    Gedichten    in    altdeutschem    Stil  (S.  20/1)   hat   sich    der   im  Umformen   freudige 

Pfranger   versucht;    von   ihnen    giebt  A.  leider  keine  Probe.    Dagegen  verweilt  er 

ausführlich  bei  Pfrangers   Verhältnis  zu  Reinwald  und  Schiller   (S.  17)  und  glaubt, 

dass    diese   Beziehungen  auf  den  Don   Carlos  eingewirkt  haben,  der  ja  von  Nathan 

besonders    nach    der    ersten   Konzeption  mannigfach   beeinflusst    wurde   (S.  18).     So 

ist    der    einfache    Theolog    zu    unseren    drei    führenden    Klassikern    in    Beziehung 

gekommen.  — 

Den  Uebergang  von  diesen  Popularphilosophen  der  encyklopädistischen 
Zeit38)  zu  denen  unserer  Tage  bildet  ein  Mann  wie  J.  Tandler;  seine  Biographie 
ist,  wie  die  meisten  neueren  Artikel  der  ADB.,  von  Frank el39)  geschrieben.  Ein 
österreichischer  Verwaltungsbeamter  von  typischer  Langlebigkeit  (1807—91)  hat 
neben  Gedichten,  die  nach  der  Versicherung  F.s  „sinnige  Gedankenperlen  und 
duftige  Liederblüten"  (S.  369)  durchziehen,  „unzählige  Essays  über  theorethisch- 
philosophische  und  ästhetische  Fragen"  geschrieben,  unter  denen  F.  „Ueber  das  Reale 
und  Ideale,"  „Ueber  wenig  beachtete  Arten  der  Dichtkunst,"  „Ueber  das  Volks- 
tümliche" nennt.  Auch  hat  er  sich  durch  die  Herausgabe  von  Briefen  Goethes, 
Jean  Pauls,  Humboldts,  Tiecks,  Lenaus,  Freiligraths  mit  biographischen  und  kultur- 
historischen Erläuterungen  verdient  gemacht  (S.  370).  — 

Zwei  Aufgaben  scheinen  der  Populärphilosophie  vorzugsweise  gestellt: 
philosophische  Grundstimmungen  zum  Gebrauch  breiterer  Massen  —  und  zur  in- 
dividuellen Nutzung  zu  verarbeiten.  Der  zweiten,  aus  dem  als  allgemein  richtig  An- 
erkannten Schlussfolgerungen  für  die  eigene  Lebenseinrichtung  zu  ziehen,  genügen 
die  Schriften  zweier  sehr  verschiedener  Männer,  die  doch  den  Ruhm  teilen,  durch 
Blindheit  und  Bedrängnis  hindurch  ihre  Lebensanschauung  heroisch  gehalten  zu 
haben.  Hieronymus  Lorm40)  hat  eine  Religion  des  „grundlosen  Optimismus"  in 
zwei  „Beiträgen  zur  Lebensphilosophie"  neu  vorgetragen.  Der  liebenswürdige  Auf- 
satz über  die  „Muse  des  Glücks"  legt  wieder  Zeugnis  ab  von  der  inneren  Freudigkeit 
als  philosophisch  unwiderlegbarer  Thatsache:  „Und  wenn  der  am  tiefsten  denkende, 
der  überzeugendste  Pessimist  dieses  Jh.,  der  Philosoph  Schopenhauer,  das  Glück 
nur  als  die  Abwesenheit  des  Unglücks  auffasst,  dem  Glück  also  gar  keine  positive 
Bedeutung,  sondern  einzig  und  allein  eine  Existenz  als  Negation  zuschreibt,  so  pro- 
testiert die  Muse  des  Glückes  nur,  indem  sie  sich  für  die  positive  Wirklichkeit  ihres 
Daseins  auf  die  geschichtlich  gewordene  innere  Freudigkeit  beruft,  von  welcher 
praktische  Lebensphilosophen  und  Märtyrer  aller  Art  mitten  im  Unglück,  Elend 
und  Untergang  erfüllt  waren.  Die  Feinde  des  Pessimismus  können  alle  Freunde  des 
Optimismus  siegreich  widerlegen,  vermögen  aber  doch  den  letzteren  selbst,  den 
Optimismus  ohne  Grund,  nicht  aus  der  Welt  zu  schaffen  (S.19).40a)  Wie  dies  Zeugnis 
eines  Veteranen  wichtig  ist  für  den  Geist,  der  mit  dem  schwächlichen  Quietismus 
des  Weltschmerzes  brach,  so  zeigt  in  seinem  Zorn  auf  philosophische  und  politische 
„Fortschrittspfaffen"  (S.  22)   sich   die  Fortdauer    einer  jetzt   leider  wieder  modernen 


38)  X  J-  Wychgram,  Voltaire:  BLU.  S.  721/4.  —  39)  L.  Fränkel,  J.  Tandler:  ADB.  37,  S.  365-70.  —  40)  H.  Lorm,  D. 
Muse  d.  Glücks  u.  mod.  Einsamkeit.  2  Beitrr.  z.  Lebensphilos.  2.  Aufl.  Dresden,  H.  Minden.  1893.  12°.  78  S.  M.  1,00. 
(Vgl.  JBL.  1893  IV  5:75.)  —  40  a)  X  F.  Lemmermayer,  D.  grundlose  Optimismus:  BLU.  S.  801/3.  —  41)  X  F.  R.,  H.  Lorm 


Et  M.  Meyer,  Didaktik  des  L8./19.  Jahrhunderts.  IV  ö  ■.  42-ss 

Skepsis.  (Stammt  aber  der  charakteristische  Ausspruch  „Tout  comprendre  c'est  tout 
pardonner"  wirklich  von  Chamfort  S.  31  und  nicht  von  Frau  von  Stael  [vgl.  Büch- 
mann 18.  Aufl.,  S.  238]?).  Der  zweite  Aufsatz,  „Moderne  Einsamkeit",  nimmt  (S.  39 
usw.)  Zimmermanns  Buch  zum  Ausgangspunkt  und  sucht  die  Verschiedenheit  da- 
maliger und  jetziger  Weltflucht  klarzulegen.41)  — 

Eugen  Dühring42)  hat  sein  popularphilosophisches  Werk  über  den 
Wert  des  Lebens  in  neuer  Auflage  erscheinen  lassen,  diese  Bibel  eiuer  tapfer  modernen 
Weltanschauung,  in  der  seltsame  Konzessionen  an  guten  und  schlechten  Zeitgeschmack 
so  wenig  wie  in  anderen  Religionsbüchern  fehlen.  Und  vielfach  macht  sich  eine 
religiöse  Strömung,  wenn  auch  in  konfessionsloser  Form,  bemerkbar.  —  H.  W.  Ri  eh  l43) 
hat  sein  liebenswürdiges  neues  Buch  gleich  „Religiöse  Studien  eines  Weltkindes" 
betitelt.  Es  ist  der  klare  und  geschickte  Ausdruck  jener  neuesten  Restaurations- 
stimmung, die  in  immer  weiteren  Kreisen  der  Orthodoxie  des  Straussschen  Neuen 
Glaubens  gefolgt  ist.  Auch  er  knüpft  an  ein  eigenes  Erlebnis  an,  an  die  Ueberwindung 
eines  schmerzenvollen  Jahres  des  Augenleidens,  und  ist  geneigt,  die  neue  Strömung 
damit  zu  parallelisieren.  Doch  ist  er  weit  davon  entfernt,  dogmatische  Strenge  an 
Stelle  der  religiösen  Skepsis  zu  setzen;  sein  Glaube  ist  auch  wieder  eklektisch  wie 
der  Gellerts  und  Pfrangers.  Charakteristisch  für  seinen  Standpunkt  einer  indi- 
vidualistischen Auffassung  feststehender  Sätze  sind  besonders  die  Betrachtungen  über 
das  Vaterunser  (S.  141).  Weltfreudigen  Glauben  (S.  154/5)  predigt  R.  und  nimmt 
so  trotz  aller  kirchlichen  Sympathien  (S.  273/4)  thatsächlich  in  der  Nähe  der  Lorm 
und  Dühring  seine  Stellung.  Auch  in  politisch- socialer  Hinsicht  ist  er  gemässigter 
Fortschrittler,  der  die  Ungleichheit  der  Menschen  und  die  Not  für  notwendig  hält, 
ebenso  aber  auch  den  Kampf  Aller  gegen  beide  (S.  193).  Seine  alte  Abneigung 
gegen  den  modernen  Staat,  die  er  mit  Zeitgenossen  wie  Lothar  Bucher  teilt,  klingt 
auch  in  diesem  Buche  (S.  252/3)  nach,  doch  milder.  Er  ist  entschiedener  Anhänger 
der  Civilehe  (S.  256),  aber  er  findet  ihre  Verbindung-  mit  der  kirchlichen  Trauung 
„eines  Denkers  am  würdigsten"  (S.  265).  Der  Schlussabschnitt  erzählt  in  zwei 
Kapiteln  mit  echt  Riehlschem  Chiasmus  „Warum  ich  Theologie  studierte"  und  „Warum 
ich  kein  Geistlicher  wurde"  (S.  391/2);  er  ist  es  doch  geworden,  nur  freilich  Theolog 
eines  höchst  individuellen,  historisch- kritischen  Christentums.  „Die  Religion  drängt 
zu  grossen  Gemeinschaften  und  hat  solche  zu  allen  Zeiten  gegründet  oder  doch 
gefestet,  ja  sie  drängt  zuletzt  zu  einer  Gemeinschaft  der  Menschheit,  dass  ein  Hirt 
und  eine  Herde  sei.  Und  doch  hat  stets  nur  diejenige  Religion  einen  Wert  für  uns, 
welche  unsere  eigenste  persönlichste  Religion  ist"  (S.  269).  —  Positiver  und  moderner 
sind  von  Leixners44)  neu  aufgelegte  Laienpredigten  für  das  deutsche  Haus,  denen 
wir  christliche  Laienpredigten  45_46)  anschliessen.  —  Von  ein  paar  verwandten  Werken 
erschienen  Besprechungen47-48)  im  Berichtsjahr.  — 

Trotz  aller  reaktionären  Stimmen  (die  übrigens  oft  genug  ein  gut  Teil  fort- 
schrittlichen Geistes  enthalten)  dauert  auch  die  ältere,  auf  naturwissenschaftlich- 
materialistischer  Grundlage  aufgebaute  Popularphilosophie  fort.  Von  ihren  beiden 
Häuptern  hat  im  Berichtsjahr  L.  Büchner  den  70.,  E.  Ha  ecke  1  den  60.  Geburtstag  ge- 
feiert. Büchner  ward  von  Achelis49)  auf  den  Rest  von  Spekulation,  der  auch  in 
seinem  Materialismus  bleibt,  geaicht 50),  während  E  IIa  Mensch51)  von  einem  Stündchen 
in  seiner  Nähe  erzählt.  —  Im  ganzen  ist  diese  Richtung  trotz  fortdauernder  Pro- 
paganda52) durch  die  Haeckelsche  abgelöst,  in  der  ein  starker  Zusatz  entwicklungs- 
geschichtlicher Spekulation  den  charakteristischen  Zug  ausmacht.  Bö  Ische53)  schreibt 
in  begeisterter  Anhängerschaft  einen  ausgezeichneten  Rückblick  auf  Haeckels  Ent- 
wicklung und  Leistung54);  rhetorischer  noch  und  mit  geringerer  Sachkenntnis  be- 
singt ihn  von  Hanstein55)  in  Prosa  55a~55b);  während  Hamann56)  seinen  nicht 
allzu  rühmlichen  Kampf  gegen  die  Person  fortsetzt 56a),  erobern  die  Werke  England57-58). 

u.  d.  Frau:  BerlTBl.  N.  265.  —  42)  E.  Dühring,  D.  Wert  d.  Lebens.  E.  Denkerbetracht,  im  Sinne  heroischer 
Lebensauffais.  5.  Aufl.  L.,  Reisland.  XU,  409  S.  M.  6,00.  —  43)  W.  H.  Riehl,  Relig.  Studien  e.  Weltkindes.  1.  u.  2.  Aufl. 
St.,  Cotta.  IV,  472  S.  M.  6,00.  |[Grenzb.  4,  S.  65-76.J|  —  44)  0.  v.  L  e  i  x  n  e  r  ,  Laienpredigten  für  d.  dtsch. 
Haus.  Ungehaltene  Reden  e.  Ungehaltenen.  1.-12.  Taus.  B.,  Ver.  d.  Bücherfreunde  (H.  Storm).  IV,  252  S.  M.  4,60.  |[M. 
v.  Stern:  DDichterheim.  14,  S.  587.] |  —  45)  X  H-  Oeser,  D.  Herrn  Archemoros  Gedanken  über  Irrende,  Suchende  u.  Selbst- 
gewisse. 2.  Aufl.  Basel,  Reich.  1893.  127  S.  M.  1,80.  |[DEB11.  19,  S.  560/4.]|  —  46)  X  W.  Tangermann,  Natur  u.  Geist 
Spekula!  Erörterungen  z.  Erläut.  u.  Erweit,  kosmolog.  u.  anthropol.  Begriffe.  Gotha,  Perthes.  XVI,  94  S.  M.  1,60.  |[L.  Weis: 
BLU.  8.  491.])  -  47)  X  p-  G.  Heims,  Lebensfragen.  Gedanken  über  allerlei  Alltägliches.  1.  Reihe.  Kiel,  Eokardt.  1893. 
12°.  V,  81  S.  M.  1,80.  |[W1DM.  76,  S.  768.] |  —  48)  X  A..  Brodbeck,  D.  Welt  d.  Irrtums  (JBL.  1893  I  4  :  570;  IV  5  :  55): 
WIDM.  76,  S.  380.  —  49)  Th.  Achelis,  Zu  L.  Büchners  70.  Geburtst.:  NatZg.  N.  197,  199.  —  50)  X  z-  Beurteil.  Büchners: 
StML.  46,  S.  578-80.  -  51)  Ella  Mensch,  E.  Stündchen  bei  L.  Büchner:  Zeitgeist  N.  13.  -  52)  X  ß-  Habs,  D.  La  Mettrie 
d.  19.  Jh.:  DWB1.  7,  S.  127,9.  —  53)  W.  Bölsche,  E.  Haeckel,  Z.  60.  Geburtst:  FrB.  5,  S.  113-21.  —  54)  X  L.  H.,  E.  Haeckel : 
ÜL&M.  71,  S.  402.  —  55)  A.  v.  Hanstein,  Darwins  Statthalter  in  Deutschland.  Z.  60.  Wiederkehr  v.  E.  Haeckels  Geburtst: 
SammlerA.  N.  20. —55a)  X  A.  H.  Brasch,  E.  Haeckels  Monismus.  Bonn,  Strauss.  1892.  46  8.  M.  1,60.  |[A.  Wernicke:  DLZ. 
S.  333/4.]|  —  55  b)  X  K-  Lasswitz,  E.  Haeckel,  D.Monismus  als  Band  zwischen  Religion  u  Wissensch.  (JBL.  1893  IV  5:49-50): 
DLZ.  S.  1110/2.  —  56)  O.  Hamann,  Prof.  E.  Haeckel  in  Jena  u.  seine  Kampfesweise.  E.  Erwiderung.  Göttingen,  Pepmüller. 
1893.  VI,  55  S.  M.  1,20.  |[ThLBl.  15,  S.  59.] j  —  56a)  E.  Dennert,  Hamann  contra  Haeckel:  BG1.  15,  S.  159-65.  —  57)  X 
E.  Haeckel,  Monism  and  modern  science.    Transl.  by  J.  Gil Christ    London,  A.  u.  C.  Black.    Sh.  1  6.  —  58)  X  id.,  Confession 


IV  5  :  59-C.7  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./10.  Jahrhunderts. 

—  Ernst59)  veranstaltet  mit  Beleg-steilen  aus  allen  möglichen  Vorläufern  oder 
Anhängern  der  modernen  Weltanschauung-  ein  geschmackloses  Freidenkerbrevier.  — 

Seitwärts  gehen  allerlei  spiritualistische  Strömungen60).  Schon  sucht 
man  aus  allerlei  Ansätzen  die  Religion  und  Kultur  der  Zukunft  zu  erkennen,  bald 
auf  christlicher  Grundlage61),  bald  auf  der  so  verschiedenartiger  Söhne  unserer  Zeit 
wie  Tolstoi  und  Nietzsche62).  Allgemeinere  Betrachtungen  über  die  jüngste  Epoche 
der  Kultur63)  und  über  das  neue  Jh.64)  scheinen  wenig  zu  fördern,  sie  könnten  es 
nur,  wenn  ihre  Autoren  hoch  genug  ständen,  um  die  Strömungen  zu  übersehen,  von 
denen  sie  beherrscht  werden.  Der  Popularphilosophie  misslingt  im  allgemeinen  das 
Prophezeien  so  gründlich  wie  der  eigentlichen  Philosophie.  — 

Den  Uebergang  zur  Philosophie  selbst  bildet  für  uns  diesmal  die  in- 
teressante Figur  des  Grafen  Keyserling65),  der  selbst  in  streng  wissenschaftlicher 
Weise  Kants  Kritik  des  Raum-  und  Zeitbegriffs  weiter  geführt  hat,  hauptsächlich 
aber  ein  langes  Leben  mit  einsamen  popularphilosophischen  Studien  und  Auf- 
zeichnungen erfüllt  hat.  Der  Geist  einer  früheren  Zeit  (und  viele  werden  meinen 
einer  besseren)  spricht  aus  seinen  liebenswürdigen  und  wertvollen  Tagebuchblättern, 
die  seine  Tochter,  Freifrau  Helene  von  Taube66)  herausgegeben  hat.  Der  be- 
rühmte Geolog  (geb.  1815,  gest.  1891)  gehörte  noch  zu  jenen  Männern,  die  den  Be- 
griff einer  Aristokratie  im  höchsten  Sinne  fassten  und  für  ihre  Gedanken  so  gut  wie 
für  ihre  Person  nur  die  „beste  Gesellschaft1'  duldeten.,  In  seinem  Interesse  für  die 
Philosophie,  das  freilich  noch  durch  Familienbeziehungen  gesteigert  wurde  —  Kant 
war  bei  einem  Vorfahren  Keyserlings  Hauslehrer  (S.  68)  — ,  in  seiner  warmherzigen 
Toleranz  (S.  171/2),  in  seiner  freien  und  unbefangenen  Stellung  zum  Christentum 
(z.  B.  S.  185)  würde  er  wohl  jedes  Jahr  mehr  sich  „ein  Verstorbener"  scheinen 
müssen  (S.  170).  Gestalten  wie  Th.  von  Bernhardi,  der  ebenfalls  den  Ostseeprovinzen 
angehört,  oder  Jenny  von  Gustedt-Pappenheim  repräsentieren  einen  ähnlichen  Typus, 
natürlich  nicht  ohne  grosse  Verschiedenheiten.  Die  Geschichte,  Bernhardis  Lieblings- 
studium, ist  ihm  „ein  zu  flüssiges  Element"  (S.  273);  selbst  seine  Weltanschauung 
ist  auf  sein  naturwissenschaftliches  Sondergebiet,  die  Paläontologie,  begründet 
(S.  261).  Er  ist  ein  Optimist,  wie  die  Männer  der  Aufklärung,  und  preist  die 
Heiterkeit  des  Herzens  (S.  275)  mit  schönen  Worten;  aber  gleichzeitig  ist  in  ihm  ein 
gutes  Gran  Skepsis,  das  ihn  (S.  246)  Begeisterung  als  ein  schlimmes  Omen  ansehen 
lässt.  Er  bekennt  sich  zu  der  Religion  der  Naturforscher  (S.  52/3),  aber  er  besitzt 
über  die  „positiven  Religionen"  eine  tiefere  Einsicht  als  die  Pädagogen  seiner  Jugend: 
tiefgehend  hebt  er  hervor,  dass  man  in  die  Definitionen  der  Religion  den  socialen 
Charakter  aufzunehmen  versäumt  (S.  3),  und  sieht  den  Grund,  der  die  monotheistischen 
Religionen  mehr  als  Buddhismus,  Parsismus  usw.  unduldsam  macht,  in  der  Gottes- 
vorstellung selbst  (S.  213).  Ihn  selbst  hat  zeitlebens  das  Thema  der  Religion  und 
des  Aberglaubens  (S.  271)  beschäftigt;  Pascal  (S.  13,  198)  und  die  Atheisten  (S.  12), 
die  Frage  des  Kultus  (S.  23)  und  der  Universalreligion  (S.  24)  traten  in  den  Kreis 
seiner  Betrachtungen.  Die  Unsterblichkeitsidee  hat  er  früh  abgethan;  sie  ist  ihm 
(S.  86)  eine  Aufgabe  der  Kunst,  nicht  ein  Problem  der  Wissenschaft,  und  an  die 
Ueberredungsversuche  ihrer  Anhänger  hat  er  wohl  auch  gedacht,  als  er  Religion, 
Medizin  und  Pädagogik  für  die  drei  fruchtbarsten  Felder  des  Charlatanismus  er- 
klärte (S.  4,  vgl.  S.  276).  Sein  eigenes  Glaubensbekenntnis  (S.  69,  193  usw.)  sucht  er 
dennoch  mit  den  zehn  Geboten  durch  Modernisierung  derselben  (S.  205/6),  wie  sie 
uns  auch  sonst  schon  begegnet  ist,  in  Ueberein Stimmung  zu  bringen,  gerade  wie  er 
ein  andermal  die  Darwinsche  „Auslese"  (S.  225)  als  Ablösung  der  Gottesidee  be- 
zeichnet. Wir  sehen  den  Naturforscher  aus  der  Atmosphäre  der  physikotheologischen 
Beweise,  die  er  einst  selbst  vermehren  wollte  (S.  201),  herauswachsen  und  (S.  248) 
geistreich  über  die  „Entgötterung  der  Natur"  sprechen.  Ein  Lieblingsproblem  der 
Aufklärungszeit,  die  Frage  nach  dem  Recht  des  Selbstmordes  (S.  214/5),  beantwortet 
er  ganz  modern  vom  socialen  Standpunkte  aus.  Dagegen  hat  der  Jugendfreund  und 
Bewunderer  Bismarcks  sich  nicht  zu  dessen  Socialpolitik  bekennen  wollen  (S.  233/4), 
so  sehr  er  sonst  dessen  Fall  beklagt  (S.  227).  Höchst  interessant  ist  übrigens,  was 
er  (S.  125)  über  Bismarcks  Verhalten  zur  Religion  mitteilt:  „Den  Vortrab  meiner 
Zweifel,  der  sich  zu  weit  hinauswagt,  rufe  ich  zurück",  so  antwortete  mir  Bismarck, 
als  er  Gesandter  war,    auf  die  Frage,    wie   er  seinen  radikalen  Unglauben  jüngerer 

of  faith  of  a  man  of  sciences.  Uebers.  v.  J.  Gil  Christ,  ebda.  Sh.  1/6.  —  59)  F.  Ernst,  Freidenkerbrevier.  Bamberg,  Handelsdr. 
272  ?.  M.  1,50.  —  60)  X  C.  du  Prel,  L'enigma  uroano.  Introd.  allo  studio  delle  scienze  psichiche.  Trad.  dal  tedesco,  col 
consenso  dell'autore,  con  prefaz.  di  A.  Bofferio.  Milano,  Galli  di  C.  Chiesa  e  F.  Guindani.  IV,  213  S.  L.  3,00.  —  61)  X 
K.  A.  Geib-Gross-Rohrheim,  D.  Relig.  d.  kommenden  Zeit:  Jungdeutschland  4,  S.  27,9.  —  62)  X  J-  Poruck,  D.  Relig. 
d.  Zukunft.  E.  Stud.  z.  Prüf.  d.  Ideen  d.  Graf.  L.  Tolstoi  u.  F.  Nietzsches.  B.,  Gottheiner.  24  S.  M.  1,00.  —  63)  X  F. 
Toula,  Streiflichter  auf  d.  jüngste  Epoche  d.  Kultur.  Inaugurationsrede,  geh.  am  14.  Okt.  1893.  Wien  (Selbstverl.).  1893. 
24  S.  (Nicht  im  Handel.)  —  64 1  X  D  nene  Jn-  Philos.  Stud.  r.  e.  Unbekannten.  L.,  Friedrich.  158  S.  M.  3,00.  |[L.  Weiss: 
BLU.  S.  490/l.]|  —  65)  A.  Graf  Keyserling,  Einige  Worte  über  Raum  u.  Zeit.  Aus  d.  Tagebuchbll.  (s.  N.  66).  St.,  Cotta. 
31  S.    M.  0,80.  —  66)  (IT  lo:26.)  —  67)  X  A-  GanBer,  R.  Hamerlings  Atomistik  d.  Willens:  ÖUR.  16,  S.  285-314.  —  68) 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  1S./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  es-83 

Jahre  los  geworden  sei!"  Von  diesem  „radikalen  Unglauben  jüngerer  Tage"  hatten 
die  Biographen  Bismarcks  bisher  kaum  etwas  zu  erzählen  gewagt.  Die  Art  der  Ueber- 
windung  vergleicht  Keyserling  selbst  mit  der,  die  Stein  anwandte:  „Die  Zweifel  werden 
nicht  bekämpft  und  besiegt,  aber  still  gemacht  durch  heroischen  Willen  ...  In  den 
Stürmen  dieser  Welt,  den  Anfeindungen  der  Feinde  gegenüber,  Liebe  zu  seinem 
Volke,  Zuversicht  zu  einer  gegen  alle  zeitliche  Beunruhigung  festen  Position  zu 
bewahren  —  dazu  genügen  die  vagen  Vorstellungen  besser  als  die  schlechte  Wirk- 
lichkeit, auf  die  sich  die  menschliche  Forschung  beschränkt  sieht.  Sie  verleihen 
Weihe  dem  Gefühl  und  fortreissende  Poesie  dem  Ausdruck."  So  ungefähr  ist  die 
Gesinnung  dieser  tief  sittlichen  Männer  grosser  Politik  in  religiöser  Beziehung. 
Zu  den  Lieblingsgebieten  der  Aufklärung  gehört  auch  die  Pädagogik,  mit  der  Keyserling 
(S.  252/3)  sich  angelegentlich  beschäftigte.  Er  polemisiert  gegen  die  „Burschikosität" 
(S.  256),  nimmt  Stellung  zu  unserer  Schulreform  (S.  258/9)  wie  zu  der  Frage  der 
Volkserziehung-,  in  der  er  (S.  243/4)  wie  Goethe  den  Begriff  der  Ehrfurcht  in  den 
Vordergrund  stellt.  Aber  dieser  Mann  eines  Kantschen  Lebens  hat  auch  für  die 
„Schöngeistigkeit"  (S.  259)  etwas  übrig,  so  viel,  dass  er  sogar  J.  Wolff  loben  kann 
(S.  269);  und  seine  Verehrung  für  Bismarck  macht  ihn  nicht  zum  Verteidiger  der 
Reaktion  ('S.  241).  An  Bernhardis  Anfeindung  der  Romantik  erinnert  nichts;  sie 
liegt  ihm  fern,  und  höchstens  in  dem  Scherz,  den  berüchtigten  „Strickstrumpf'  in 
die  klassischen  Sprachen  zu  übersetzen  (S.  257),  mag  ein  leiser  Nachklang  aus  der 
Zeit  Tiecks  gehört  werden.  Auch  die  Neuromantik  des  „Reinbrandt  als  Erzieher" 
(er  schreibt  S.  271  das  Buch  Bewer  zu)  lehnt  er  scharf  ab,  freut  sich  dagegen  (auch 
aus  persönlichen  Gründen)  an  Carmen  Sylva  (S.  288).  Macaulay  fasst  er  (S.  269) 
originell  als  einen  „Volkshistoriker  in  der  Art  Homers"  auf,  was  in  vieler  Hinsicht 
zutrifft,  citiert  Bismarcks  Wort,  Lasker  sei  ein  ciceronisierender  Cato  gewesen  (S.  274), 
und  preist  den  Generalpostmeister  Stephan,  der  vielleicht  über  alle  Mitmenschen 
Heilig-sprechung  verdient  habe  (S.  283).  So  sehen  wir  denn  diesen  prächtigen 
Typus  der  vielgescholtenen  Aufklärung  inmitten  einer  sie  verläumdenden  Zeit  mit 
der  modernen  Devise  zusammentreffen:  „Die  Gegenwart  steht  unter  dem  Zeichen  des 
Verkehrs",  und  glauben,  in  dieser  auf  ihren  Fortschritt  über  die  Aufklärung  heraus 
so  stolzen  Zeit  könne  noch  sehr  gut  einer  von  Keyserling  lernen,  den  die  schlichte 
Biographie  aus  der  Feder  seines  Sohnes  mit  Recht  einen  Weisen  nennen  darf.  — 

Eine  ähnliche  Zwischenstellung  zwischen  eigentlicher  Philosophie  und  Populär- 
philosophie nimmt  Rob.  Hamerling  ein,  dessen  „Atomistik  des  Willens"  immer 
noch  verspätete  Besprechungen  findet67).  — 

In  das  Gebiet  der  strengen  Philosophie  führt  uns  die  in  dritter  Auflage 
erschienene  Einleitung  von  Paulsen68)  herüber,  während  B  r  a  i  g 69)  die  Frage 
der  Freiheit  der  philosophischen  Forschung,  diese  wichtigste  Vorfrage,  vom  katholischen 
Standpunkt  aus  beantwortet  (S.  38  über  die  doppelte  Erkenntnisordnung;  das  Vatikanische 
Konzil  und  die  Forschung  S.  37/8;  Kant,  Hermes  S.  40).  —  Den  grossen  Werken 
zur  Geschichte  der  Philosophie  von  Windelband70),  Bergmann71),  Ueberweg- 
Heinze72)  und  den  Büchern  von  Drews73)  und  Lotze74),  die  erst  mit  Kant  einsetzen, 
sowie  der  Geschichte  der  neueren  Philosophie  von  Falkenberg75)  schliessen  sich  die 
kürzeren  Grundrisse  von  Stöckl76)  und  Fränkel77)  an.  Das  letztgenannte 
Repetitorium  zeichnet  sich  durch  Reichhaltigkeit  und  knappe  klare  Definitionen  aus; 
in  den  Angaben  bleibt  er  natürlich  von  seinen  Gewährsmännern  abhängig.  —  Braschs 
berüchtigtes  Buch 78)  hat  weitere  Verurteilung  geerntet.79)  —  Einem  berühmten  Geschichts- 
schreiber der  Philosophie,  Tennemann,  widmete  Liebmann80)  eine  kurze  Biographie, 
während  der  noch  unter  uns  weilende  Zeller  von  B rasch81),  Saul82_82a)  und 
Kirchner82b)  zum  80.  Geburtstag  begrüsst  wurde,  wobei  B.  noch  besonders  auf 
Zellers  Staats-  und  religionsphilosophische  Schriften  hinwies.  — 

Für  die  Entwicklung  Kants,  über   deren  Kontinuität  Höffding83)  handelt, 


F.  Paulsen,  Einleit.  in  d.  Philos.  3.  Aufl.  B.,  Besser.  XVI,  444  S.  M.  4,50.  |[A.  Biese:  NJbbPh.  150,  S.  47-61  „(Auf- 
blühen d.  Philos.");  M.  Offner:  LKs.  20,  S.  124/7:  B.  Scheudel:  COIRW.  22,  S.  245;  WIDM.  76,  S.  3S9.J|  (Vgl.  JBL  1892 
IV  5  :  2S.)  —  69)  B.  Braig,  D.  Freiheit  d.  philos.  Forschung  in  krit.  u.  Christi.  Fassung.  Antrittsrede.  Freiburg  i.  B.,  Herder. 
XU,  64  S.  M.0,60.  —  70)  W.  Windelband,  Gesch.  d.  alten  Philos.  2.  Sorgfalt,  durchges.  Aufl.  (=  Handb.  d.  klass.  Altertums- 
Wissensch.  in  systemat.  Darstellg.  5.  Bd.,  1.  Abt.)  München,  Beck.  VIII,  313  S.  M.  5,50.  |[WIDM.  75,  S.  397,8.]|  —  71)  X  J- 
Bergmann,  Gesch.  d.  Philos.  (J  BL.  1892  IV  5  :  32;  1893  IV  5  :  89.)  |[DR.  4,  S.  125  6;  N*S.  69,  S.  134.]|  —  72)  X  F.  Ueberweg, 
Grundr.  d.  Gesch.  d.  Philos.  1.  T.  D.  Altertum.  8.  Aufl.  bearb.  u.  her.  v.  M.  Heinze.  B.,  Mittler.  IX,  390  S.  M.  6,00.  — 
73)  XA.  Drews,  D.dtsch.  Spekulation  seit  Kant  (JBL.  1893  IV  5:  102).   |fJ.  Volkelt:  DLZ.  S.  1029-31;  WIDM.  75,  S.  269-70.JI 

—  74)  X  H-  Lotze,  Gesch.  d.  dtsch.  Philos.  seit  Kant.  Diktate  aus  d.  Vorlesungen.  2.  Aufl.  L.,  Hirzel.  104  S.  M.  1,80.  — 
75)  C.  Ludwig,  B.  Falkenberg,  Gesch.  d.  neueren  Philos.  (JBL.  1892  IV  5:31;  1893  IV  5:90):  Kath.  2,  S.  77-81.  —  76)  A. 
Stöckl,  Grundr.  d.  Gesch.  d.  Philos.  E.  Ausz.  aus  d.  „Lehrbuche  d.  Philos."  dess.  Vf.  Mainz,  Kirchheim.  XII,  296  S.  M4,00. 
|[S.  Huber:  LHw.  33,  S.  716  7.]|  —  77)  J.  Fränkel,  Kurzes  Repetit.  d.  Gesch.  d.  Philos.    Wien,  Breitenstein.    112  S.   M.  1,35. 

—  78)X  M.  Brasch,  Leipz.  Philosophen  (JBL.  1893  IV  5:105).  |[LCB1.  S.  768,9;  E.  Neumann:  BLÜ.  S.  712,3;  L.  Busse: 
DLZ.  S.  1095,6.]|  —  79)  L.  Kabus,  Z.  Gesch.  d.  Philos.:  ThLBl.  15,  S.  25  8, 577-80.  —  80)  0.  Liebmann,  W.  G.  Tennemann : 
ADB.  37,  S.  566,7.  —  81)  M.  Brasch,  Z.  80.  Geburtst.  Ed.  Zellers:  NatZg.  N.  44.  —  82)  D.  Saul,  Ed.  Zeller:  DBs.  78, 
S.  303/8.  -  82a)  id.,  Ed.  Zeller:  ÜL&M.  71,  S.  274.  -82b)  F.  Kirchner,  Zu  Ed.  Zellers  80.  Geburtst. :  IllZg.  102,  S.  64.  —  83) 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschiohte.     V.  (4)1$ 


IV  5  :  84-87  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

waren  Tetens  „Philosophische  Versuche  über  die  menschliche  Natur"  wichtig-,  die 
Li ep mann84)  in  einer  Biographie  des  nordischen  Denkers  analysiert.  —  Reicke85) 
setzt  seine  Mitteilungen  aus  Kants  Nachlass  fort.  —  Die  Wichtigkeit  der  vielbesprochenen 
Schrift  von  Fromm86)  über  Kant  und  die  preussische  Censur  geht  über  das  specielle 
Interesse  hinaus,  das  die  Schicksale  des  grossen  Philosophen  einflössen.  Nach  einer 
allerdings  recht  sehr  summarischen  Geschichte  der  Censur  von  Phrynichus  bis  auf 
Friedrich  den  Grossen  charakterisiert  F.  das  hervorragendste  Organ  des  alten  Berlin, 
die  Gedike-Biestersche  Monatsschrift  (S.  12/3)  und  hat  dabei  von  der  Intoleranz  der 
Aufklärer  gegen  die  Katholiken  (S.  15)  ein  merkwürdiges  Beispiel  zu  erzählen.  Es 
folgt  dann  (S.  18/9)  die  Geschichte  des  Wöllnerschen  Religionsedikts,  das  in  so 
charakteristischer  Weise  durch  einen  Angriff  des  „betriegerischen  und  intriganten 
Pfafen"  auf  den  vortrefflichen  Minister  Zedlitz  inauguriert  wurde,  den  Wöllner  als 
„Christusläugner"  denunziert  (S.  19).  Nach  Einsetzung  der  Censoren  Hermes  und 
Hühner  geht  die  erste  Zusendung  Kants  an  die  Monatsschrift  durch,  „da  doch  nur 
tiefdenkende  Gelehrte  die  Kantschen  Schriften  lesen"  (S.  24),  die  zweite  Abhandlung 
„von  dem  Kampfe  des  guten  Prinzips  mit  dem  bösen  um  die  Herrschaft  über  den 
Menschen"  wird  zurückgewiesen,  „da  es  ganz  in  die  eigentlich  biblische  Theologie 
eingreife".  Vf.  vermutet  (im  Gegensatze  zu  Dilthey:  AGPhilos.  3,  S.  418/9),  dass  ein 
Aufsatz  der  Monatsschrift  „Ueber  die  Pflicht  der  Ergebung  in  Zeiten,  wann  die  Wahr- 
heit verfolgt  wird"  die  Censoren  erbittert  haben  möge.  „Hier  beginnt"  (ich  citiere 
Vorländers  ausgezeichnete  Analyse)  „die  Benutzung  der  Akten  des  Berliner 
Geheimen  Staatsarchives  seitens  des  Vf.  Veröffentlicht  werden,  teilweise,  zum  ersten 
Male:  die  Beschwerde  Biesters  an  Hermes  (im  Auszug),  die  Antwort  des  letzteren 
(im  Wortlaut)  und  —  zum  grossen  Teile  wörtlich  —  das  besonders  lesenswerte,  frei- 
mütige Immediatgesuch  Biesters  an  den  König.  Zu  Anfang  seines  Gesuches  hatte 
Biester  Bezug  genommen  auf  die  erst  wenige  Jahre  vorher  erfolgte  Königliche  An- 
erkennung des  greisen  Philosophen,  die  mit  der  Gewährung  einer  jährlichen  Extra- 
zulage von  220  Thalern  verbunden  war.  F.  teilt  hier  (S.  28/9,  Anm.  3)  zum  ersten 
Mal  aus  den  Akten  des  Kgl.  Ober-Schulkollegiums  das  Dankschreiben  Kants  vom 
27.  März  1789  an  den  König  mit.  Interessant  ist  ferner  die  von  F.  hervorgehobene, 
bisher  unseres  Wissens  noch  wenig  bemerkte  Thatsache,  dass  das  Staatsministerium 
noch  zu  Anfang  des  J.  1792  sich  gegen  eine  zu  strenge  Handhabung  der  Censur,  als 
unnötig,  ausgesprochen  hatte,  dann  aber  durch  eine  höchst  ungnädige  Kabinetsordre 
des  durch  die  französische  Revolution  in  Schrecken  gesetzten  Monarchen,  der  den 
Ministern  den  Vorwurf  machte,  „es  scheine,  als  ob  sie  den  Aufklärern  das  Wort  reden 
wollten",  rasch  umgestimmt  worden  war.  So  wurde  denn  am  2.  Juli  1792  vom  Plenum 
des  Staatsrats  das  Druckverbot  der  Kantschen  Abhandlung  aufrecht  erhalten."  (Ob 
V.,  der  plenum  concilii  Status  wie  eben  übersetzt,  oder  F.,  der  es  S.  37  mit  „Plenum 
der  Etatsminister"  wiedergiebt,  im  Recht  ist,  weiss  ich  nicht.)  Die  „Aufklärer  rächen 
sich  durch  einen  Aufsatz  über  „Unbekannte  Gesetze";  Kant  aber  erweiterte  seine  Ab- 
handlung zu  der  „Religion  innerhalb  der  Grenzen  der  blossen  Vernunft".  Das 
Ministerium  schritt  zu  weiteren  Massnahmen  fort,  verbot  der  Spenerschen  Zeitung  die 
theologischen  Artikel  und  Recensionen  (S.  43),  untersagte  Nicolais  Allgemeine  Deutsche 
Bibliothek  (S.  44)  und  schritt  gegen  Kants  Kollegen  Hasse  in  Königsberg  ein  (S.  45), 
bis  es  sich  endlich  am  30.  Sept.  1794  zu  der  berüchtigten  Kabinetsordre  an  Kant  selbst 
(S.  48)  aufschwang.  Wie  er  darauf  antwortete,  ist  weltbekannt.  Leider  schliesst  F. 
die  dankenswerte  Abhandlung  mit  einigen  Schlussbemerkungen,  gegen  die  V.  (ad  S.  406) 
mit  Recht  Einspruch  erhebt,  wie  denn  überhaupt  seine  ganze  Haltung  ein  weit  gehendes 
Bestreben  zeigt,  auch  den  „Aufklärern"  neben  ihren  nicht  zu  rettenden  Verfolgern 
einen  Teil  der  Schuld  zuzuschieben.  Es  folgen  (S.  53/4)  „kleinere  Beiträge  zur 
Lebensgeschichte  Kants".  Entgegen  der  Behauptung,  Kant  habe  nie  in  seinem  Leben 
um  etwas  für  sich  gebeten  oder  nachgesucht,  wird  sein  Gesuch  vom  24.  Okt.  1765 
an  den  König  und  vom  29.  Okt.  1765  an  den  Minister  um  ein  Unterbibliothekariat 
in  Königsberg  (samt  der  Befürwortung  des  letzteren)  abgedruckt;  Kant,  der  bis  dahin 
keinerlei  Gehalt  bezogen  hatte  (S.  59),  wird  mit  62  Thalern  Besoldung  angestellt,  legt 
aber  nach  Erlangung  des  Ordinariats  die  Stelle  nieder.  Der  zweite  Beitrag  weist 
nach,  mit  welchen  Vorlesungen  und  welchen  Zuhörerzahlen  Kant  seine  Lehrthätigkeit 
abschloss  (1796  Sommersemester  Logik  vor  40  Zuhörern  öffentlich,  physische  Geographie 
vor  23  privatim);  der  letzte  berichtet  über  Kants  Gehaltsverhältnisse.  —  Kleinere 
Aufsätze   knüpfen   an  Fromms  Buch   an87)  oder   erzählen   von  Kants    persönlichem 


H.  Höffding,  D.  Kontinuität  im  philos.  Entwicklungsgänge  Kants:  AGPhilos.  7,  S.  173-92,  876-402,  449-85.  —  84)  0. 
Liepmann,  Joh.  Nik.  Tetens:  ADB.  37,  S.  588-90.  —  85)  R.  Reicke,  Lose  Bll.  aus  Kants  Nachl.  (Forts.):  AltprMschr.  31, 
S.  573-677.  (Vgl.  JBL.  1895  IV  5:129.)  —  86)  E.  Fromm,  J.Kant  u.  d.  preuss.  Censur.  Nebst  kleineren  Beitrr.  z.  Lebensgesch. 
Kants.  Nach  d.  Akten  im  kgl.  Geh.  Staatsarch.  zu  Berlin.  Hamburg  u.  L.,  Voss.  V,  64  S.  M.  2,00.  |[C.  Spannagel: 
FBPG.  7,  S.  620;  L.  Geiger:  Nation".  11,  S.  697/8;  K.  Vorländer:  Euph.  1,  S.  403/9;  Bär  20,  S.  315.]!  -  87)  X  B.  Bern- 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  ss-m 

Umgang88).  —  Wernic k es 8;|)  Schrift  mit  einer  allmählich  abgenutzten  Titelschablone 
disputiert  hauptsächlich  mit  Vaihingers  Kantkommentar90).  Von  allgemeinerem  Interesse 
sind  die  Ausführungen  über  Kants  Sprache  (S.  13),  z.  B.  betr.  das  Wort  „Objekt1', 
wobei  ich  an  ähnliche  Untersuchungen  Lehmanns  zum  Wortgebrauch  Schopenhauers 
(s.  u.  N.  140)  erinnere.  Wie  der  Schluss  (S.  33)  auf  das  Dreigestim  Kant,  Goethe, 
Schiller  verweist,  so  finden  sich  auch  in  der  Abhandlung  öfters  Beziehungen  auf  beide 
Dichter  (ebenso  S.  33  Anm.  auf  Lessing  usw.),  wobei  wir  die  Deutung  des  Seismos 
in  der  klassischen  Walpurgisnacht  auf  den  aus  der  Tiefe  herausdringenden  Kant 
(im  Gegensatz  zu  dem  Generalissimus  Schütz!  S.  12)  nicht  so  billigen  können  wie  die 
warme  Anerkennung  von  Heinrich  von  Steins  Büchlein  (S.  32  Anm.).  —  Eine  Flut 
von  Einzeluntersuchungen  zu  Kants  Erkenntnistheorie91-92),  Ethik93"95),  Pädagogik98), 
Religionsphilosophie97-98),  Aesthetik99)  werden  durch  Arnoidts100)  „Kritische  Exkurse 
im  Gebiet  der  Kantforschung"  vervollständigt.101)  —  Dann  folgen  wieder  Vergleichungen 
mit  anderen  Denkern.  Die  Trias  Herder,  Kant,  Goethe  stellt  Kühnem a'nn102-103)  zu- 
sammen.—  Reinitz104)  betrachtet  Schillers  Gedankendichtung  in  ihrem  Verhältnis 
zur  Lehre  Kants.  —  Speciellere  Zusammenstellungen  Kants  mit  anderen  Philosophen 
bringen  Wreschner105),  Rosenthal106)  und  Radulescu-Motru 107).  Der  letztere 
setzt  die  Entwicklung  des  Kausalitätsbegriffs  bei  Kant  in  sehr  lehrreicher  Art  aus- 
einander. „Bei  seinem  ersten  Auftreten  steht  Kant  völlig  unter  dem  Einflüsse  der 
Newtonschen  Physik;  ihm  genügen  für  die  Erklärung  der  Welt  die  mathematisch  be- 
stätigten mechanischen  Gesetze  einerseits,  die  Annahme  eines  Gottes  andererseits"  (S.  529). 
Dann  kommt  Humes  Einfluss  (S.  532 J,  schon  in  dem  „Versuch  den  Begriff  der 
negativen  Grössen  in  die  Weltweisheit  einzuführen"  (1763)  deutlich  sichtbar;  aber  hier 
stellt  Kant  noch  keine  eigene  Theorie  auf  (S.  535).  Nach  einem  Blick  auf  die  Lage  der 
biologischen  Wissenschaften  um  jene  Zeit  (S.  537/8)  geraten  wir  dann  über  die  „Träume 
eines  Geistersehers"  (1766),  in  denen  sich  die  neue  Tendenz  deutlich  ankündigt 
(S.  539— 40),  in  die  kritische  Periode  (S.  541/2),  deren  Urteil  der  Vf.  durch  Vergleiche 
mit  Newton  (S. 549),  Laplace  (S.  567)  usw.  erleuchtet  und  kritisiert.  Der  rekapitulierende 
Rückblick  ist  noch  durch  einige  Bemerkungen  über  die  richtige  Methode,  Kants 
Philosophie  nach  ihrer  geschichtlichen  Entwicklung  und  in  ihrer  Bedeutung 
für  die  Geschichte  der  Philosophie  überhaupt  verständlich  zu  machen  (S.  596), 
wichtig.  — 

Spielen  die  „Träume  eines  Geistersehers".108)  auch  in  dieser  Schrift  eine  be- 
sondere Rolle,  so  wurden  sie  für  einen  anderen  Philosophen  der  allerwichtigste  Gegen- 
stand des  Interesses:  für  den  Swedenborgianer  J.F.  J.Tafel,  dessen  Leben  Spitta109)  be- 
schrieben hat,  Tafel  polemisierte  gegen  jene  Schrift  Kants  und  suchte  einen  Brief, 
in  dem  der  Weise  von  Königsberg  sich  über  den  schwedischen  Theosophen  günstig 
äusserte,  als  nach  den  „Träumen"  verfasst  zu  erweisen,  was  Sp.  nicht  zugiebt.  — 

Die  drei  kanonischen  Nachfolger  Kants  sind  in  den  uns  zugegangenen 
Schriften  diesmal  verhältnismässig  spärlich  vertreten;  Schopenhauer  und  besonders 
Nietzsche  nehmen  jedes  Jahr  ausschliesslicher  das  Interesse  der  Philosophiehistoriker 
in  Anspruch.  An  Ficht  es  Reden  über  die  Bestimmung  der  Gelehrten  entwickelt 
Carriere 110)  seine  Geistesentwicklung,  während  Fri  cke  ni)  die  Reden  an  die  deutsche 
Nation  nach  ihrem  Verhältnis  zur  Gegenwart  bespricht.112)  —  Schneider113)  handelt 
über  Fichte  als  Socialpolitiker.     Er  gliedert  die  Arbeit  in  drei  Teile:  Fichtes  Social- 


feld,  Ans  d.  Zeit  d.  Religionsedikte :  Zeitgeist  N.  21.  (Anknüpfend  an  N.  86.)  —  88)  X  E-  W.  Rolls,  Kant  n.  seine  Tisch- 
genossen: ÜL&M.  72,  S.  554.  (Vgl.  dazu  JBL.  1893  IV  5:107/8.)  -  89)  A.  Wernicke,  Kant  n.  kein  Ende?  Progr. 
Braunschweig.  4°.  36  S.  |[E.  Adickes:  DLZ.  S.  löll/2.]|  —  90)  X  L-  Rabus,  H.  Vaihinger,  Komment,  z.  Kants  Kritik  d. 
reinen  Vernunft  (JBL.  1893  IV  5:127):  ThLBl.  15,  S.  557/9.  —  91)  X  E-  ▼■  Hartmann,  Kants  Erkenntnistheorie  (JBL.  1893 
IV  5:109):  LCB1.  S.  172/4.  —  92)  X  T.  Pesch,  Kant  et  la  science  moderne.  Trad.  de  l'all.  par  M.  Lequieu.  Paris, 
Lethielleux.     284  S.   —  93)  X  M-  Limbourg,  Kants  kateg.  Imperativ.     Wien,  (St.  Norbertus).     16  S.    M.  0,30.    (AusJbLeoG.) 

—  94)  X  A-  Verriele,  La  morale  de  Kant  et  la  theorie  du  peche  philos.:  APC.  30,  S.  543-65.  —  95)  X  P-  W.  Poerster, 
D.  Entwicklungsgang  d.  Kantschen  Ethik  bis  z.  Kritik  d.  reinen  Vernunft.  B.,  Mayer  &  Müller.  III,  106  S.  M.  2,00.  —  96)  X 
I.  Kant,  La  pedagogia.  Proeraio  e  traduzione  del  prof.  A.  Valdardini.  Torino,  stamp.  reale  della  ditta  G.  B.  ParaWa&Co. 
16".  104  S.  L.  1,50.  —  97)  X  c-  v-  P 1  o  t  &  o  w,  Ans  Kants  krit.  Religionslehren.  Diss.  Königsberg,  (W.  Koch). 
70  S.  M.  1,20.  —  98)  X  G-  Eberhard,  D.  Cosmogonie  v.  Kant.  Diss.  Wien  (Friok).  1893.  4°.  XXXIV  S.  M.  2,40. 
|[LCB1.  S.  1212/3.JJ  —  99)  X  E-  Grundmann,  D.  Entwicklung  d.  Aesthetik  Kants.  Mit  bes.  Rucks,  auf  einige  bisher  un- 
beachtete Quellen.  Diss.  Leizig.  1893.  72  S.  —  100)  E.  Amol  dt,  Krit.  Exkurse  im  Gebiete  d.  Kantforsch.  (Aus  AltprMschr.) 
Königsberg,   F.  Beyer.    XIII,  652  S.     M.  12,00.   —  101)  X  <*•  Wegner,  Kantlex.  (JBL.  1893  IV  5  :  128) :  WIDM.  76,  S.  639-40. 

—  102-103)  E.  Kühnemann,  Herder,  Kant,  Goethe:  PrJbb.  77,  S.  343-68.  (Vgl.  IV  7  :  19.)  —  104)  E.  Reinitz,  Schillers 
Gedankendichtung  in  ihr.  Verhältn.  z.  Lehre  Kants.  Progr.  Ratibor.  4°.  18  S.  (Vgl.  IV  9:58.)  —  105)  A.  Wreschner,  E. 
Platner  u.  Kants  Kritik  d.  reinen  Vernunft  (JBL.  1891  IV  6:40).  |[L.  Weis:  BLU.  S.  221/2;  E.  Adickes:  DLZ.  S.  427/8; 
LCB1.  S.  507/S.JI  —  106)  L.  Rosenthal,  S.  Maimons  Versuch  über  d.  Transcentalphilos.  in  seinem  Verhältn.  zu  Kants  trans- 
scendent.  Aesthetik  u.  Analytik.  Diss.  Halle  a.  S.  1893.  36  S.  (Vgl.  JBL.  1893  IV  5  :  124.)  —  107)  Const.  Radulescu- 
Motru,    Z.  Entwickl.  v.  Kants  Theorie  d.  Naturkausalität  H.  (Schluss):    PhilosSt.  9,  S.  528-606.     (Vgl.  JBL.  1893  IV  5:  114.) 

—  108)  X  Chrn.  Wirth,  P.  v.  Lind,  Kants  myst.  Weltanschauung  (JBL.  1892  IV  5:43):  BBG.  30,  S.  464.  —109)  H.  Spitta , 
J.  F.  J.  Tafel :  ADB.  37,  S.  346,8.  —  110)  M.  Carriere,  Fichtes  Geistesentwicklung  in  d.  Reden  über  d.  Bestimmung  d.  Gelehrten. 
Jena  1794,  Erlangen  1805,  Berlin  1811.  München,  Franz.  IV,  70  S.  M.  1,20.  (Ans  SBAkMünchen.)  —  111)  W.  Fricke,  Fichtes 
Reden  an  d.  dtsch.  Nation  u.  ihr  Verhältn.  z.  Gegenw. :  AkBll.  8,  S.  16/8.  (Vgl.  JBL.  1893  IV  5  :  498.)  —  112)  X  J-  G.  Fiohte : 
BurschenschBll.   8,    S.   34/6.    —    113)    F.    Sohneider,    J.    G.   Fichte    als    Socialpolitiker.      Hallei  a.  S.,   Kaemmerer  &  Co, 

(4)18* 


IV  5  :  114-117  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Philosophie (S.  9ff.);  Fichtes  Soeialpolitik  (S.  32 ff.); Fichte  und  der  deutsche  Socialismus 
(S.  56).  Die  Einleitung  lässt  Fichte,  schwerlich  zutreffend,  das  Ende  des  Rationalismus 
in  Deutschland  bezeichnen:  an  der  Wende  des  Jh.  gehe  er  vom  Rationalismus  zum 
Pantheismus  über  —  eine  Entwicklung1,  die  mit  dem  arg"  übertreibend  geschilderten 
Umschwung  von  Friedrich  dem  Grossen  zu  Friedrich  Wilhelm  IL  (S.  3)  parallelisiert 
wird.  Eine  Reaktion  gegen  den  Rationalismus,  die  Religion  des  aufgeklärten  Despo- 
tismus, bezeichnet  auch  der  seit  dem  „Testament  des  Abbe  Meslier"  auftretende 
Socialismus;  und  diesen  vertritt  Fichte  als  der  Erste  auf  deutschem  Boden  (S.  9). 
Er  steht  dabei  auf  den  Schultern  Rousseaus  und  Kants  (S.  14);  Montesquieu  regt  ihn 
vielfach  zum  Widerspruch  an,  ,,weil  er  ein  zu  schroffer  theoretischer  Kopf  war,  um 
sich  wie  der  grosse  Franzose  mit  dem  praktischen  Leben  verständigen  zu  können", 
giebt  ihm  aber  doch  die  Prinzipien  der  Volkssouveränität  und  des  Gleichgewichts 
der  öffentlichen  Gewalten  an  die  Hand  (S.  16).  Es  folgt  eine  übersichtliche  Darstellung 
der  Lehre  Fichtes  von  Staat  und  Volk  (S.  18),  öffentlichen  Gewalten,  Ehe,  Erziehung, 
Zweck  des  Staates  (S.  23),  der  durch  einen  Blick  auf  seine  Geschichtsphilosophie 
(S.  24/5)  ergänzt  wird.  Fichtes  Staatsidee  charakterisiert  sich  als  eine  der  rationalistischen 
W.  von  Humboldts  völlig  entgegengesetzte  (S.  30):  „Fichtes  Staat  hat  freilich  noch 
das  Aussehen  eines  Rechtsstaates;  es  ist  aber  eben  nur  noch  die  Form,  deren  Kern 
die  organische  Auffassung  unter  der  Idee  der  Kultur  zur  Sittlichkeit  ist."  Ich 
möchte  einwenden,  dass  der  Gegensatz  zwischen  Fichte  und  Humboldt  vielmehr  der 
zwischen  Kollektivismus  und  Individualismus  ist;  setzt  man  in  Sch.s  Formel  nur  zu 
der  „Idee  der  Kultur  zur  Sittlichkeit"  die  Worte  „des  einzelnen"  hinzu,  so  möchte 
Humboldts  Ideal  bezeichnet  sein,  das  mindestens  so  stark  wie  das  Fichtes  von  der 
Feindschaft  gegen  die  rationalistische  Staatsidee  beherrscht  und  getragen  wird.  Der 
zweite  Abschnitt  —  der  (S.  32)  in  seltsamer  Weise  den  ersten  wie  eine  selbständige 
Schrift  citiert  —  geht  von  dem  uralten  Gegensatz  zwischen  Liberalismus,  bezw. 
Anarchismus  und  Socialismus  (ib.)  aus.  Im  Durchgangspunkt  der  Strömungen, 
Rationalismus  und  Reaktion,  Bourgeoisie  und  Arbeiterklasse,  steht  Fichte  1800  mit 
seinem  „Geschlossenen  Handelsstaat"  (S.  36);  dies  merkwürdige  Buch  wird  denn  nun 
ausführlich  analysiert.  Der  Vf.  urteilt,  dass  Fichte  hier  aus  individualistischer  Grund- 
lage zum  Staatszwang  gelangt,  weil  er  die  Idee  der  Sittlichkeit  in  den  Vordergrund 
stellt  (S.  57),  und  dass  er  auf  diese  Weise,  ein  Weltenstürmer  wie  die  französische 
Revolution,  wie  sie  durch  Schrankenlosigkeit  in  den  Despotismus  umschlage  (S.  58). 
Socialistisch  ist  Fichtes  Auffassung  des  Eigentums  (S.  63)  und  Proudhon  hat  die 
Methode  seiner  Wissenschaftslehre  auf  die  socialen  Probleme  nur  zu  übertragen 
brauchen  (S.  65).  Die  deutschen  Socialisten  stehen  durchweg  Fichte  nahe:  Weitling 
('S.  66),  Mario  (S.  68),  Dühring  (S.  69,  —  den  ich  freilich  so  wenig-  wie  Proudhon  als 
Socialisten  bezeichnen  würde),  Rodbertus  (S.  70),  Lassalle  (S.  73),  Marx  (S.  74).  Trotz- 
dem habe  Fichtes  „Geschlossener  Handelsstaat"  keinen  direkten  Einfluss  gehabt  (S.  75), 
wobei  der  Vf.  zwar  Lassalle  erwähnt,  der  Fichte  in  seiner  socialistisch en  Bedeutung 
wieder  hervorgehoben  habe,  die  merkwürdige  wissenschaftliche  Nachfolge  aber  in 
Thünens  „Isoliertem  Staat"  verschweigt;  freilich  ist  dies  Buch  ein  rechnerisches  und 
kein  politisch-ethisches.  Ein  Schlusswort  nimmt  nochmals  Fichte  für  den  Socialismus 
in  Anspruch,  Utopist  sei  er  freilich,  aber  nicht  mehr  als  St.  Simon  oder  Fourier 
(S.  75).  Das  anregende  Buch  könnte  die  Probleme,  die  es  anrührt,  wohl  tiefer  an- 
fassen; nicht  einmal  der  Anarchismus  wird,  trotz  gelegentlicher  Bezugnahme  (S.  57,  74) 
scharf  von  den  ihm  nächst  verwandten  Bewegungen  geschieden.  Auch  ist  die  Sprache 
ungelenk  und  oft  fehlerhaft.  „Das  Naturrecht  gehört  zunächst  hierher.  Eines  der 
besonders  charakteristischen  Produkte  des  Rationalismus,  war  ihm  die  Aufgabe  ge- 
worden, den  Geist  desselben  auch  in  das  rechtliche  und  politische  Leben  der  Staaten 
einzuführen"  (S.  4).  „Auch  weder  Chr.  Wolff  scheidet  rein  Recht  und  Moral,  noch 
selbst  Kant"  (S.  9).  Der  Vf.  hätte  wohl  auch  mehr  Litteratur  heranziehen  und  aus 
den  benutzten  Schriften  mehr  Stellen  genau  citieren  können.  Aber  dafür  ist  die 
nüchterne  Art,  wie  er  berichtet  und  argumentiert,  gerade  auf  diesem  Boden  sehr  zu 
loben,  wo  einem  sonst  bei  jedem  Schritt  glühende  Phrasenflammen  entgegen- 
schlagen. — 

Einen  Schüler  Fichtes  und  Schellings,  Joh.  Josua  Stutzmann, 
schildert  Falkenberg114);  er  leidet  „an  zu  starker  Konstruktionslust"  (S.  81) 
und  arbeitet  mit  tausendjährigen  Perioden  der  Weltgeschichte  in  Görres  Art.  — 

Er  leitet  zu  Schell ing  über,  dem  mehrere  populäre  Aufsätze115)  gewidmet 
werden.  An  dem  von  Ullrich116)  ist  die  Schilderung  der  Persönlichkeit  (S.  257) 
das  Beste;  die  rhetorisch  übertreibende  Darstellung  seiner  „grossen  That"  (S.  261) 
entbehrt  der  Klarheit,  die  seiner  Wirkung  der  Richtigkeit.  —  Kuno  Fischers117) 


111,  80  S.     M.  1,20.     |[Bär  20,  S.  423.]|    —    114)    E.  Falkenberg,    J.  Job.  Stutzmann:  ADB.  37,  S.  81/2.  -  115)  X    E.  Leh- 
mann, F.  W.  J.  Schelling:  BLU.  S.  705/8.  —  116)  T.  Ullrich,    Schelling.    (=  I  9  :  20,  S.  257-64.)  —  117)  KunoFischer, 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./10.  Jahrhunderts.  IV  5  :  ns-rä 

grundlegendes  Werk  erschien  in   der   neuen   Gesamtausgabe  seiner  „Geschichte  der 
neueren  Philisophie."  — 

Von  Hegel  wurden  uns  diesmal  bezeichnender  Weise  verschiedene  englische 
ITebersetzungen118-120)  angezeigt  samt  Einleitung  von  W  a  1 1  a  c  e  121)  und  Würdigung 
von  S  e  t  h  o  n  s  m),  deutsche  Aufsätze  aber  nur  über  die  neu  entdeckte  „Kritik  der 
Verfassung  Deutschlands.1'  Guglia123)  hebt  hervor,  wie  die  Einfachheit  und 
Klarheit  der  Sprache,  die  sich  gelegentlich  zu  markiger  Schönheit  erhebt,  von  der 
späteren  Dunkelheit  Hegels  absticht,  vergleicht  die  Schrift  mit  den  „Betrachtungen 
über  den  Einfluss  der  deutschen  Reichsverfassung  auf  das  Nationalglück  der  Deutschen" 
von  1792,  die  W.  Wenck  Kant  zuschreibt,  und  tadelt  an  der  Ausgabe  die  stilistischen 
Aenderungen  sowie  den  Mangel  einer  orientierenden  Einleitung  und  erläuternder 
Anmerkungen.  —  Kronenberg 124)  sucht  Hegels  ganze  politische  Jugendentwicklung 
als  eine  wesentlich  freiheitlich  gerichtete  zu  erweisen,  wie  sie  sich  aus  dem  Druck 
der  württembergischen  Verhältnisse  mit  Notwendigkeit  auch  bei  seinen  Genossen 
ergab,  und  betont,  dass  auch  später  Hegel  der  Reaktionär  nicht  war,  für  den  man 
ihn  gewöhnlich  nimmt.  — 

Heg-els  Anhänger  G.  F.  T  hau  low,  den  Carstens125)  würdigt,  ist  mehr  durch 
das  von  ihm  in  Kiel  gestiftete  Museum  als  durch  seine  philosophische  Thätigkeit 
berühmt;  anders  Arnold  Rüge,  von  dem  ein  ungedruckter  Brief  an  Johannes 
Schulze  abgedruckt  wird126),  höchst  interessant  durch  das  naive  Selbstlob  wie  durch 
die  heftige  Ablehnung  von  Erdmanns  „wahrhaft  russischer  Verarbeitung  der  Hegelschen 
Philosophie."  Er  enthält  auch  die  Ankündig-ung  der  Hallischen  Jahrbücher,  durch 
die  Rüge  der  gelehrten  Journalistik  zu  ihrer  notwendigen  Fortbildung  verhelfen 
wollte.  — 

Von  den  Männern,  die  neben  der  grossen  Reihe  Kant-Fichte-Schelling- 
Hegel  lebten,  hat  F.  H.  Jacobi  in  einem  populären  Aufsatz  von  Montanus127) 
und  in  einem  ausführlichen  Werk  von  L  e  vy-B  r  ü  h  1 128)  Würdigung  gefunden. 
Das  Buch  des  französischen  Gelehrten  bildet  einen  Bestandteil  jener  „Bibliotheque  de 
Philosophie  contemporaine,"  durch  die  der  rührige  Verlag  von  Felix  Alcan  sich  um 
die  Verbreitung  philosophischer  Ideen  nicht  bloss  in  Frankreich  so  grosse  Verdienste 
erworben  hat.  Eine  geistreiche  Einleitung  handelt  eigentlich  mehr  von  Kant  und  der 
Frage  der  Quellen  der  Moral  als  von  Jacobi;  der  Vf.  zeigt  sich  nicht  nur  mit  den 
gelehrten  Vertretern  der  herrschenden  Anschauungen,  sondern  auch  mit  den  in  breiteren 
Kreisen  herrschenden  Meinungen  wohl  vertraut  und  erklärt  sich  mit  einem  warmen 
Wort  zu  Gunsten  der  freien  Forschung  auf  dem  Gebiet  der  Ethik,  die  gegenwärtig 
nicht  nur  von  Machthabern,  sondern  auch  von  der  neu  erwachten  Gefühlsreaktion  bedroht 
wird.  Der  Lebensabriss  —  in  dem  (S.  2)  Johann  Georg  doch  etwas  zu  schlecht 
fortkommt  —  geht  auf  die  beiden  Romane  ziemlich  ausführlich  ein  und  charakterisiert 
(S.  23)  Allwill  als  „personnage  dejä  romantique,  öu  du  moins  plus  que  romanesque: 
enigmatique,  fatal,  et  byronien  avant  Byron.  Reconnaissez  en  lui,  par  avance,  une  de  ces 
natures  problematiques,  dont  Ja  nombreuse  posterite  peuplera  le  roman  allemand  au 
19e  siecle."  Den  Hauptteil  bildet  dann  eine  klar  disponierte  und  klar  durchgeführte 
Analyse  der  Philosophie  Jacobis,  in  der  überall  die  Romane  und  die  Briefe  —  auch 
die  neueren  Veröffentlichungen  —  herangezogen  werden,  und  in  der  nirgends  ein 
orientierender  Umblick  auf  die  Stellung  der  Zeitgenossen  fehlt  —  wohl  unbedingt 
die  vorzüglichste  Darstellung  der  Philosophie  Jacobis.  Gern  nimmt  der  Vf.  auch  auf 
seinen  grössten  Freund  Bezug  und  sieht  z.  B.  in  dem  Gespräch  Mephistos  mit  dem  Schüler 
(S.  217)  ein  Echo  der  Unterhaltungen  zwischen  Goethe  und  Jacobi.  DerSchluss  (S.240  ff.) 
betont  Jacobis  Mystizismus  vielleicht  ein  wenig  zu  stark,  erklärt  die  nicht  systematische 
F'orm,  in  der  seine  Lehre  auftritt  (S.  255),  in  geistreicher  Weise  und  hebt  hervor,  wie 
gerade  durch  ihren  persönlichen  Charakter  diese  Philosophie  allgemeine  Bedeutung 
gewinnt  (S.  262).  Die  französische  Philosophie  hat  mit  diesem  Buch  dem  Verehrer 
der  französischen  Popularphilosophen  (S.  33),  dem  Geistesverwandten  Pascals  (S.  262) 
ihren  Dank  in  würdiger  Weise  abg-estattet.  Nur  —  kann  „Aufklärung"  nicht  besser 
übersetzt  werden  als  „Philosophie  des  lumieres"  (S.  29  ff.)  und  „Sturm  und  Drang" 
nicht  anders  als  „Periode  d'Orage  et  Assaut"  (S.  43)?  — 

Von    K.    Chr.    Fr.  «Krause  werden   aus  dem  Nachlass  von  Mucke129) 


Gesch.  d.  neueren  Philos.  Nene  Gesamtausg.  6.  Bd.,  1.  Hälfte.  1.  F.  W.  }.  Schelling.  1.  Buch:  Schellings  Leben  u.  Schriften. 
2.  Buch:  Schellings  Lehre.  2.  Aufl..  1.  Hälfte.  Heidelberg,  Winter.  400  S.  M.  10,00.  |fDEKZB.  8,  S.  85. ]|  —  118)  X  w- 
Wallace,  Hegels  philosophy  of  raind  with  5  introductory  essays.  Oxford,  Warch.  Sh.  10,6.  |[Ath.  2.  S.  4489.JI  —  119)  X 
id.,  The  logic  of  Hegel.  Oxford,  Clarendon  Press.  1892.  439  S.  Sh.  10/6.  |[l)ublinR.  115,  S.  224;7.]|  —  120)  X  Hegels 
lectures  on  the  hist.  of  philos.  Vol.  2.  London,  Spon.  Sh.  12/6.  —  121)  W.  Wallace,  Prolegomena  to  Hegels  philosophy 
and  logic,  2.  ed.  Oxford,  Warehouse.  Sh.  10/6.  —  122)  Set  ho  n,  Hegelianism  and  its  critics  („Mind"):  XV.  45,  S.  101. —  123)  E. 
Guglia,  Hegel,  Kritd.  Verfassung  Deutschlands.  Her.  v.  G.  Mollat  (JBL  1893  IV  5:131):  Euph.  1,  S.  413  6.  —  124)  M.  Kronen- 
berg, Hegels  polit  Jugendentwicklung:  VossZg'*.  u.  18,9.  —  125)  C.  E.  Carstens,  G.  F.  Thaulow:  ADB.  37,  S.  659-60.  — 
126)  E.  Brief  A.  Buges  an  Johannes  Schulze:  NatZg.  N.  59.  —  127)  C.  Montaniis,  Z.  Erinn.  an  F.  H.  Jacobi:  FZg.  N.  65.  — 
128)  L.  Levy-Brühl,    La  philos.  de  Jacobi.     (=  Bibl.  de  philos.  conterap.)     Paris,    F.  Alcan.     Fr.  5,00.  —  129)  K.  Chrn.  F. 


IV  5  :  130-139  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

herausgegeben  die  Vorlesungen  über  Naturrecht  oder  Philosophie  des  Rechtes  und 
des  Staates,  und  von  Vetter130)  die  Aphorismen  zur  geschichtswissenschaftlichen 
Erdkunde;  ferner  von  Hohlfeld  und  Wünsche131)  in  einer  „vom  Vf.  selbst 
berichtigten  und  aus  seinem  hs.  Nachlasse  stark  vermehrten  Auflage"  die  Anleitung 
zur  Naturphilosophie.  Mit  deutscher  Litteratur  oder  auch  nur  deutscher  Sprache 
haben  auch  diese  Schriften  wenig  zu  thun  (S.  252  „als  Urtochter  Gottes,  d.  i.  als 
Urinwesen  des  Wesens";  S.  253  „Urwesen  ist  allein  in  sich  urvollweseninwach); 
höchstens  könnte  die  Naturphilosophie  zur  Bereicherung  unserer  Verdeutschungs- 
wörterbücher benutzt  werden  (Planet  Rundumsonner  S.  262,  Planeten  und  Kometen 
Umsonner  S.  152;  chemisch  und  dynamisch  ersetzt  durch  mellig  und  allkraftlich 
S.  264,  vgl.  allgemein  die  Verdeutschungen  zur  Chemie  S.  250/1).  Charakteristisch 
für  die  allegorischen  Spielereien  der  Naturphilosophie,  aber  auch  für  die  romantische 
Sehnsucht  der  Brentano  und  Bettina  nach  Kindeseinfalt  ist  etwa  folgende  Stelle: 
„Sömmeringii  Icones  embryonum  humanorum  zeigen  die  leichenähnliche  Ruhe,  Ver- 
klärung, liebliche  Unschuld  im  Ansehen  und  in  der  Lage  des  Menschenkeimlings, 
tiefsinnigen  Ernst.  (Sage  der  Brahmanen  im  Vupnekhat)  Werdet  wie  die  Kinder!  Diese 
Forderung  kehrt  in  höherem  Sinne  hier  wieder"  (S.  136).  Da  haben  wir  in  diesem 
Embryo  alles  beisammen :  Allegorie  und  Naturwissenschaft,  Indien  wie  bei  Schopen- 
hauer und  Poesie  des  Lallens  wie  in  Brentanos  Märchen  (oder  in  Blacks  gleichzeitigen 
Songs  of  innocence),  Umdeutung  des  Christentums  (heisst  es  denn  in  der  Bibel, 
man  solle  in  der  Mutter  Leib  zurückkehren?)  und  Sehnsucht  nach  der  Ruhe  eines 
Kirchhofs,  wie  sie  dann  die  Heilig-e  Allianz  auch  brachte.  War  doch  deren 
Grundidee  von  Krauses  „Menschheitsbund"  gar  nicht  so  weit  entfernt.132)    — 

Arbeiten  für  Krause  noch  immer  unermüdliche  Anhänger,  so  ist  bei 
Herbart 133)  die  Polemik  der  Gegner  eifrig  am  Werk.  Kühn134)  greift  ihn  vom 
christlich-religiösen  Standpunkt  an,  erkennt  aber  neben  anderem  den  idealen  Hauch 
an,  der  durch  das  Ganze  wehe  (S.  68) ;  Ostermann 135)  aber  gelangt  in  der  zweiten 
Auflage  seiner  Streitschrift  zu  dem  Ergebnis,  dass  die  Herbartsche  Pädagogik  1.  in 
ihren  Grundzügen  verfehlt  sei,  2.  sofern  sie  sich  der  Wahrheit  nähert,  ihren  psycho- 
logischen Voraussetzungen  untreu  werde  und  3.  auch  abgesehen  davon  mit  allerlei 
Widersprüchen  und  Unklarheiten  behaftet  sei  (S.  224).  —  Einen  treuen,  aber  wenig 
erfolgreichen  Schüler  Herbarts,  G.  F.  Taute,  hat  Rein136)  geschildert.137)    — 

Stehen  diese  Männer  noch  wesentlich  im  Kampf  der  Parteien,  so  hat  dagegen 
für  Schopenhauer  die  historische  Betrachtung  und  Gerechtigkeit  sich  allmählich 
durchgerungen,  für  den  Menschen138)  wie  für  den  Philosophen.  Wohl  begegnen 
uns  auch  jetzt  noch  Fanatiker  wie  Schemann  und  Schwärmer  wie  Hans  Herrig,  aber 
die  objektivere  Würdigung  der  Kuno  Fischer  und  Rudolf  Lehmann  übertönt  ihr  Rufen  wie 
das  schon  länger  heiser  gewordene  seiner  wilden  Vernichter.  Aus  dem  Nachlasse 
K.  B  ä  h  r  s  hat  Schemann 139)  Gespräche  und  Briefwechsel  mit  Schopenhauer 
herausgegeben,  wobei  er  es  seltsamer  Weise  für  selbstverständlich  hielt,  „erstlich 
eine  Anzahl  von  B.  selbst  beabsichtigter  und  durch  Randbemerkungen  an  die  Hand 
gegebener  Aenderungen  vorzunehmen  sowie  einzelne  Lücken  möglichst  in  seinem 
Sinne  auszufüllen;  sodann  offenbare  Versehen  und  den  Gesamteindruck  störende 
stilistische  Mängel  zu  beseitigen,  die  B.  persönlich  vor  der  Drucklegung  zweifellos 
berichtigt  haben  würde"  (S.  VI).  Die  Gespräche  selbst  bringen  nicht  eben  viel 
Unbekanntes,  aber  doch  für  bekannte  Urteile  Schopenhauers  charakteristische  neue 
Belege,  so  für  seine  verständnislose  Verwerfung  des  gotischen  Stils  (S.  33),  für  die 
scharfe  Verurteilung  Büchners  (S.  64).  Anschaulich  führt  B.  die  Freude  des 
Philosophen  über  den  ersten  Orang-Utang,  der  ihm  zu  Gesicht  kam  (S.  33),  oder  seine 
Recitation  aus  „Künstlers  Erde  wallen"  (S.  42)  vor.  Charakteristisch  sind  Sch.s 
Worte,  als  B.  die  Art  und  Weise,  wie  Asher  für  ihn  warb,  missbilligt  hatte:  „Liebes 
Kind,  lassen  Sie  doch  jeden  nach  seiner  Weise  für  mich  Proselyten  machen"  (S.  50); 
und  bezeichnend  für  die  Demut  all  dieser  Jünger  ist  es,  wie  B.  nicht  nur  das  ganz 
in  der  Ordnung  findet,  dass  Schopenhauer  ihm  gegenüber  „seine  Rangstellung  im 
Rang  der  Geister"  behauptet  (S.  30),  sondern  auch  das,  dass  er  die  Goethes  (S.  51) 
nicht  respektierte.  Dass  B.  sich  auch  notierte,  wenn  Schopenhauer  einen  Sprach- 
fehler in  dem  Titel  „Der  Zauberer  von  Rom"  (statt:  aus  Rom)  entdeckt  haben  will  (S.  41), 


Krause,  Vorlesungen  über  Naturrecht  od.  Philos.  d.  Rechts  u.  d.  Staates.  Hs.  Vorlesungsheft  d.  Vf.  Her.  v.  R.  Mucke.  L. 
u.  B.,  Felber.  XII,  281  S.  M.  5,00.  —  130)  id.,  Aphorismen  z.  geschichtswissensch.  Erdkunde,  nebst  e.  Karte.  Aus  d.  hs. 
Nachl.  d.  Vf.  her.  v.  R.  Vetter,  ebda.  VII,  73  S.  M.  1,60.  —  131)  id.,  Anleit.  z.  Naturphilos.  2.  Aufl.  Her.  v.  P.  Hohl- 
feld  u.  A.  Wünsohe.  ebda.  XI,  281  S.  M.  5,00.  —  132)  X  E-  Reis,  C.  P.  Chr.  Krause  als  Philos.  u.  Freimaurer.  Wien, 
Eisenstein  &  Cie.  14  S.  M.  0,60.  —  133)  X  H.  Steinthal,  D.  Philos.  J.  F.  Herbart:  DB11EU.  21,  S.  69-72.  -  134)  V. 
Kühn,  Prakt.  Ideen  Herbarts.  Unsere  Darstell,  u.  Kritik.  Diss.  L.,  (Fook).  69  S.  —  135)  W.  Osterraann,  D.  hauptsächl. 
Irrtümer  d.  Herbartschen  Psycholog,  u.  ihre  päd.  Konsequenzen.  2.  Aufl.  Oldenburg  u.  L ,  A.  Schwartz.  IV,  246  S.  M.  4,00. 
—  136)  W.  Rein,  G.  F.  Taute:  ADB.  37,  S.  474/6.  —  137)  X  O.  Flügel,  D.  Religionsphilos.  in  d.  Schule  Herbirts: 
DB11EU.  21,  S.  309-12,  317-20,  325/9.  —  138)  X  M.  Brahn,  Schopenhauer  als  Mensch:  Geg.  46,  S.  121/4.  —  139)  K.  Bahr, 
Gespräche   u.    Briefw.   mit   A.  Schopenhauer.    Aus   d.   Nachl.    her.    y.   L.  Schemann.    L.,   Brockhaus.     XVI,  99  S.     M.  2,50. 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5:uo 

dünkt  uns  etwas  Wustmannisch  (Goethedenkmal  S.  34;  Wieland  S.  37;  Bimsen  S.  39; 
Goethe  und  B.s  Vater  S.  87).  Im  ganzen  zeigt  uns  das  Buch  Schopenhauers  rätsel- 
hafte Pei'sönlichkeit  sehr  anschaulich,  lässt  sie  aber  rätselhaft.  —  Das  Problem 
Schopenhauer  hat  Rudolf  Lehmann 140)  in  seinem  „Beitrag  zur  Psychologie  der 
Metaphysik"  unzweifelhaft  gefördert.  Durch  das  Werk  Kuno  Fischers  hat  er  mit 
Recht  das  psychologische  Rätsel  der  Schopenhauerschen  Philosophie  noch  nicht  für 
gelöst  halten  können,  wie  er  in  guter  Kritik  (S.  4/5)  darlegt.  L.  selbst  erneuert  in 
geistreicher  Weise  die  wohl  schon  ältere  Idee,  den  Frankfurter  Philosophen  und  sein 
ganzes  Wesen  wie  auch  seine  Philosophie  als  ein  Mischprodukt  von  Aufklärung  und 
Romantik  (S.  46/7)  aufzufassen.  Diese  beiden  Richtungen  stellen  sich  schon  in  den  Eltern 
dar  (S.  56)  und  blicken  nicht  minder  deutlich  hinter  dem  Doppelprädikat  der  Welt 
als  Wille  und  Vorstellung  (S.  59)  hervor:  „Die  Lehre  Schopenhauers  von  der  Welt 
als  Vorstellung  ist  ebenso  entschieden  vom  Rationalismus  beeinflusst,  wie  seine 
Willenslehre  von  der  Romantik."  L.  analysiert  nun  diese  beiden  „Mütter"  der 
Schopenhauerschen  Philosophie  und  findet  für  seine  Mystik  den  Schlüssel  in  der 
Romantik,  die  im  Gefühls-  und  Triebleben  des  Menschen  die  Auflösung  des  Rätsels 
der  Welt  sucht  (S.  60),  während  Schopenhauers  Morallehre  in  der  Aufklärung 
wurzelt,  die  (wie  L.  sehr  richtig  ausführt)  ihre  Anschauungen  in  moralphilosophischer 
wie  in  religiöser  Beziehung  im  wesentlichen  durch  Abstraktion  und  Abschwächung 
aus  der  christlichen  Ueberlieferung  bildet  (S.  92).  Während  daher  Schopenhauer  in  der 
christlich  religiösen  Wendung  des  Pessimismus  mit  Tieck  übereinstimmt,  von  dem  L. 
(S.  74)  ein  paar  schlagend  „moderne"  Mitleidsworte  zu  den  „Enterbten"  aushebt, 
gerät  er  doch  im  Ganzen  zu  ihrer  ästhetischen  Weltanschauung  ('S.  95)  in  heftigen 
Widerspruch  und  setzt  im  Sinne  des  Christentums  und  der  Aufklärung  ihrem 
romantischen  Pessimismus  den  moralischen,  den  Entrüstungspessimismus  entgegen 
(S.  103).  Er  kommt  in  dieser  Strömung  sogar  dicht  an  das  am  meisten  anti rationalistische 
Dogma  des  Christentums,  an  die  Erbsünde  (S.  106),  heran  und  berührt  sich  dann 
auf  diesem  Umweg  wieder  mit  der  Willenslehre  des  Erzromantikers  Schelling  (S.  109). 
Ueberhaupt  hätte  es  hervorgehoben  werden  dürfen,  dass  bei  keinem  der  Philosophen 
nach  Kant  eins  von  beiden  Elementen  ganz  fehlt:  für  Hegel  hat  namentlich  Haym 
analoge  Mischungsverhältnisse  nachgewiesen,  wenn  auch  das  Bedeutendste  in  diesem 
Mann,  der  Begriff  der  immanenten  Entwicklung,  der  Romantik  so  gut  wie  dem 
Christentum  abgeht.  Deshalb  steht  auch  gerade  hier  Schopenhauer  zu  ihm  in  aller- 
schroffstem  Gegensatz  (S.  63).  Gesteigert  wurde  dieser  ferner,  was  L.  nicht  hervor- 
hebt, durch  Hegels  Optimismus,  der  aus  der  Aufklärung  stammt;  denn  diese  trägt  (S.  73) 
im  wesentlichen  einen  optimistischen  Charakter,  sogar  bei  Voltaire,  der  allerdings  (ib.) 
gelegentlich  pessimistische  Stimmungen  zeigt  und  gegen  die  Uebertreibungen  des 
Leibniz-Wolffschen  Optimismus  die  scharfe  Waffe  seines  Spottes  wendet,  im  Grunde 
aber  doch  von  dem  stetigen  Fortschritt  zum  Besseren  überzeugt  ist.  Auch  zu 
Goethe  bringt  der  schroffe  Moralismus  seinen  Verehrer  Schopenhauer  in  Gegensatz, 
wie  sich  besonders  bei  der  Lehre  vom  Kunstgenuss  als  willenlosem  Anschauen 
zeigt  (S.  116);  freilich  bietet  doch  Goethes  Lehre,  dass  man  sich  der  Natur  ganz 
ergeben,  sie  mit  Zurückdrängung  aller  Temperamente  rein  aufnehmen  solle,  und 
seine  verwandten  Ausführungen  über  die  Aufnahme  von  Kunstwerken  mehr  Berührungen 
mit  Schopenhauers  Doktrin,  als  aus  L.s  Worten  hervorgeht.  Schopenhauers  Bedeutung 
liegt  gerade  in  der  „Uebertragung  der  religiösen,  speciell  der  christlichen  Moral 
auf  den  Monismus"  (S.  121).  Das  letzte  Kapitel  behandelt  lehrreich  die 
Methode  Schopenhauers  und  zeigt  die  Wirkungen  jenes  Dualismus  sowie  die 
unbewussten  Kunstgriffe,  mit  denen  er  sie  auszustatten  sucht:  Umwandlung  des 
kontradiktorischen  Gegensatzes  in  den  konträren  (S.  150),  Verwandlung  der  Negation 
in  eine  Position  (S.  156),  Umformung  des  Begriffs  der  „Objektivation"  (S.  188).  — 
Mit  Recht  kann  L.  seinen  Untersuchungen  (deren  Ergebnisse  er  S.  199—200  knapp 
l-ekapituliert)  allgemeinere  Bedeutung  zuschreiben.  „Was  diese  Elemente  zusammen- 
hält, ihnen  Leben  einhaucht,  sie  zu  einem  „organischen"  Ganzen  verbindet,  ist  ein 
starkes,  aber  rein  gefühlsmässiges  Erfassen  der  Welt  als  einer  Einheit,  der  eine 
moralische  Ordnung  der  Dinge  zu  Grunde  liegt.  Seine  eigentümliche  Färbung 
erhält  das  so  entstehende  metaphysische  Gebilde  durch  die  persönliche  Eigenart 
seines  Schöpfers,  seine  besonderen  Ausgestaltungen  durch  den  Einfluss  der  grossen 
Zeitströmungen,  die  sich  in  ihm  wiederspiegeln  ....  Aber  auch  in  allen  anderen 
metaphysischen  Systemen  würde  eine  kritische  Analyse  dieselben  Elemente  als 
wesentlich  aufweisen  können  wie  bei  Schopenhauer,  wenn  sie  gleich  nicht  immer  so  offen 
zu  Tage  treten;  und  eine  Geschichte  der  Metaphysik,  in  diesem  Sinne  geschrieben, 
würde  vermutlich  nur  wenige  andere  Faktoren  als  gleich  wichtig  und  wirksam  zu 
berücksichtigen    haben.     Somit    eröffnet    uns    die    Analyse    der    Schopenhauerschen 

|[Geg.  46,  S.  326,9.];    —   HO)  Kud.  Lehmann,    Schopenhauer.    E.  Beitr.  z.  Psycholog,  d.  Metaphys.    B„  Weidmann.    200  8, 


IV  5-.H1-149  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Philosophie  einen  Einblick  in  das  Wesen  des  metaphysischen  Denkens  überhaupt, 
sie  wird  zu  einem  typischen  Beitrag"  zur  Psychologie  der  Metaphysik  (S.  193).  Im 
einzelnen  haben  wir  nur  noch  weniges  anzumerken.  Dass  L.  sich  Windelbands 
Paradoxon  anschliesst,  Fr.  Schlegels  Theorie  enthalte  mehr  ein  Missverständnis  als 
eine  absichtliche  Umdeutung  Schillerscher  und  Fichtescher  Gedanken  (S.  54/5),  hat 
uns  gewundert.  Wenn  Schopenhauer  Systeme  verspottet,  ,, welche  von  einer  Art 
Ekstase  oder  Hellsehen  ausgehen",  und  dennoch  selbst  an  das  Hineinragen  der  meta- 
physischen Welt  in  die  empirische  glaubt  (S.  68),  so  kann  ich  darin  keinen  Wider- 
spruch sehen:  sobald  das  Hellsehen  als  wirklich  anerkannt  wird,  darf  es  doch  für 
die  rationale  Bearbeitung  der  Wirklichkeit  benutzt  werden,  ohne  dass  der  geister- 
gläubige Empiriker  deshalb  schon  sein  System  auf  eine  Ekstase  zu  gründen 
brauchte.  Für  Schopenhauers  Opposition  gegen  die  ästhetische  Weltanschauung  (S.  95) 
möchte  ich  an  Kierkegaards  klassisches  ,. Entweder—  Oder"  erinnern.  —  Die  Bedeutung 
von  Lehmanns  Buch  besonders  hinsichtlich  seiner  historischen  Einordnung  und 
hinsichtlich  der  psychologischen  Ableitung  seines  Systems  hebt  ein  anonymer 
Zeitungsartikel  hervor141).  —  Ebenso  betont  Kronenberg'142)  im  Anschluss  an  die 
Besprechung  der  „Schopenhauer-Briefe"  143)  und  des  Werkes  von  Kuno  Fischer144), 
dass  die  historische  Würdigung  und  Einordnung  des  Frankfurter  Philosophen  endlich 
erreicht  sei.  Er  schliesst  mit  den  Worten:  vergessen  werde  Schopenhauer  nie 
wieder  werden;  und  so  dürfen  wir  uns  trösten,  wenn  man  für  sein  Denkmal  in 
Frankfurt  a.  M.145_145b)  wie  mit  Absicht  einen  abgelegenen  Platz  ausgesucht  hat.146)  — 
Wichtiger  als  solche  Bilder  in  Stein  und  Erz  sind  freilich  gute  Ausgaben.  Eine 
neue  Schopenhauerausgabe,  die  Cotta  in  zwölf  Bänden  veranstaltet,  leitet  Stein  er147) 
mit  einer  knappen  Biographie  und  Würdigung  ein.  Was  Schopenhauer  von  seinen 
Vorgängern  entnahm,  wird  scharf  und  klar  hervorgehoben  und  dabei  Fichtes  Anteil 
weit  über  die  gewöhnliche  Meinung  veranschlagt.  Um  so  mehr  befremdet  es,  wenn 
St.  (S.  12)  den  Philosophen  von  Frankfurt  aus  der  grossen  Kette  der  sich  ablösenden 
Systembauer  herauslösen  will,  weil  die  Ideen  dieser  anderen  Denker  Glieder  einer 
fortlaufenden  Entwicklung'sreihe  seien,  während  die  Fragen,  die  Schopenhauer  durch 
seine  Erlebnisse  g-estellt  werden,  ein  durchaus  individuelles  und  oft  von  Zufällig- 
keiten abhängiges  Gepräge  hätten.  Gewiss  ist  ja  zuzugeben,  dass  persönliche  Eigen- 
heiten und  selbst  Grillen  an  dem  System  des  romantischen  Pessimismus  stärker 
mitbauen  als  an  dem  des  kategorischen  Imperativs  oder  der  im  Dreischritt  einher- 
gehenden Vernunft;  dennoch  bleibt  nach  St.s  eigenen  Darlegungen  der  eigentliche 
Grundgedanke  Schopenhauers  eine  Folgerung  aus  den  Vordersätzen  seiner  Vorgänger. 
Und  dann :  ist  nicht  dies  selbst,  dass  in  ein  philosophisches  System  das  selbstherrliche 
Individuum  mit  so  viel  gebieterischer  Eigenart  eindrang,  eine  Folge  aus  der  schritt- 
weise sich  steigernden  Verehrung  des  Philosophen  für  das  Genie,  für  den  „Einzelnen"? 
Von  Kants  unbedingter  militärischer  Unterordnung  des  Einzelnen  unter  den  göttlichen 
Heeresbefehl  —  welch  ein  Weg  bis  zu  Fichtes  Verherrlichung  des  weltschaffenden 
Ich  !  Und  findet  man  nicht  bei  den  dichterischen  Zeitgenossen  Schopenhauers  den 
„Exotismus"  und  „Dilettantismus,"  den  Kultus  des  Genies  und  der  Askese  motiviert 
und  vorbereitet?  Wie  sollten  sie  es  nicht  bei  den  Philosophen  sein!  Im  übrigen 
ist  St.s  Analyse  des  Hauptwerks  meisterhaft,  wogegen  er  den  Paralipomenis  nicht 
gerecht  wird.  In  der  Frage  der  Textbehandlung  nimmt  er  (S.  31)  die  Partei  des 
(besonders  auch  von  Kuno  Fischer)  so  viel  gescholtenen  Frauenstädt;  die  Anordnung 
richtet  sich  nach  der  Reihenfolge,  in  der  Schopenhauer  seine  Werke  gelesen  haben 
wollte.  Die  auf  Gwinner  und  Kuno  Fischer  sich  beschränkende  Bibliographie 
ist  doch  wohl  etwas  zu  asketisch  knapp  gehalten.  —  Als  Zeugnis  für  Schopenhauers 
p]influss  liegt  eine  französische  Uebersetzung  vor148);  beredter  noch  sprechen  Herrigs 
feurige  Aufsätze,  die  durchweg  schon  gedruckt  waren,  nun  aber  erst  durch  Grisebachs 149) 
Bemühung  bequem  zugänglich  sind.  Der  erste  spricht  über  R.  Wagner  in  seinem 
Verhältnis  zur  Musiklehre  Schopenhauers:  „Wagner  als  aufrichtiger  Künstler  konnte 
überhaupt  sich  die  Schopenhauersche  Kunstdoktrin  nicht  aneignen,  sondern  musste 
sich  einzig1  auf  den  genialen  Einblick  des  Philosophen  in  das  WTesen  der  Musik  be- 
schränken, der  ja  noch  dazu  seine  Theorien  so  glänzend  bestätigte.  In  den  Entzückungen 
der  Musik  liegt  eine  schlagende  Widerlegung  des  Schopenhauerschen  Pessi- 
mismus,   ein   glänzender  Beweis  gegen  dessen  Ansichten  vom  Werte  der  Liebe  .  .  . 


M.  4,00.  |[L.  Weis:  BLU.  S..489-90.]|  —  141)  E.,  Schopenhauer  im  Lichte  d.  neueren  Gesc  h.-Beschreibung:  NatZg.  N.  354. 
—  142)  M.  Kronenberg,  Schopenhauer  in  M»t.  Beleuchtung:  Nation".  11,  S.  211/5.  —  143)  X  L.  Schemann,  Schopenhauer- 
Briefe  (JBL.  1893  IV  lc  :  94;  5  :  152/3).  |[DRs.  78,  S.  158;  VossZg».  N.  42.]|  -  144)  X  C.  Rössler,  Kuno  Fischer,  Schopen- 
hauer (JBL.  1893  IV  5:  151):  PrJbb.  75,  S.  401-25.  —  145)  X  D.  Schopenhnuer-Denkro.  in  Frankfurt  a.  M.:  FZg.  N.  123.  — 
145a)  X  D.  Schopenhauer-Denkm.  u.  sein  Schöpfer:  ÜL&M.  72,  S.  694/5. —  145b)  X  üne  statue  de  Schopenhauer:  BURS.  62, 
S.  179-80.  —  146)  X  H.  Schmidt kunz,  Z.  Geburtst.  Schopenhauers:  Zuschauer  1.  S.  163-71.  —  147)  A.  Schopenhauer, 
Sämtl.  Werke  in  12  Bdn.  Mit  Einl.  v.  K.  Steiner.  1.  Bd.  (=  Cottasche  Bibl.  d  Weltlitt.  Bd  241.)  St.,  Cotta.  191  S. 
Mit  Bildn.  M.  1,00.  —  148)  X  Mi  Le  fondement  de  la  inorale.  Trad.  de  l'allem.  par  A.  Burdeau.  5.  ed.  Paris,  Alcan. 
VIII,  193  S.    —   149)    H.  Herrig,    Ges.  Aufsätze    über    Schopenhauer.     Her.  v.  E.  Grisebach.     (=  ÜB.  N   8187.)     L.,  Reclam. 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  150-159 

Zu  existieren  ist  nicht  so  schlimm,  wie  Schopenhauer  meint"  (S.  37).  Auch 
der  zweite  Aufsatz  ist  keineswegs  ganz  orthodox  schopenhauerisch:  in  dem  Kapitel 
über  die  Geschlechtsliebe,  das  Schopenhauer  eine  Perle  nannte,  sieht  Herrig 
(S.  63)  nichts  Neues:  er  führe  nur  aus,  was  Novalis  kurz  und  zart  ausdrückt, 
wenn  er  das  Kind  die  sichtbar  gewordene  Liebe  der  Eltern  nannte.  Ueberhaupt 
polemisiert  Herrig  gegen  Schopenhauers  Härte  mehrfach,  sieht  aber  doch  seine 
Meinungen  durch  den  Darwinismus  wesentlich  bestätigt.  Der  dritte  Aufsatz  rühmt 
Bahnsen  (S.  77)  und  ironisiert  Ed.  von  Hartmann  (S.  73);  der  letzte  sucht  Schopen- 
hauer ebenso  durch  den  Nachweis  seines  latenten  Christentums  zu  stützen  wie  der 
zweite  durch  den  seines  unbewussten  Darwinismus.  Das  alles  ist  in  einem  merk- 
würdig ungepflegten  Stil  aus  dem  Handgelenk  hingeworfen.  Exaltierte  Ueber- 
treibungen  durchziehen  das  ganze  Büchlein:  „In  Lohengrins  einzigem  Ausruf:  Elsa, 
ich  liebe  dich!  steht  mehr  Liebe  als  in  der  ganzen  Tragödie  von  Romeo  und  Julia" 
(S.  36).  Die  Logik  ist  eine  unerlaubt  eilige.  Zu  Schopenhauers  Willenslehre  be- 
merkt Herrig  z.  B.  (S.  49) :  „Schon  Spinoza  hatte  gesagt,  der  geworfene  Stein  werde, 
falls  er  plötzlich  denken  könne,  vermeinen,  er  habe  fliegen  wollen".  In  aller  Harm- 
losigkeit wird  also  hier  zu  Gunsten  von  Schopenhauers  „Willen  in  der  Natur"  ein 
Satz  angeführt,  der  gerade  alles  Wollen  für  Illusion  erklärt.  Auch  bei  der  Ver- 
gleichung  der  Lehren  Schopenhauers  mit  Christentum,  Darwinismus,  Wagnerscher 
Kunst  stösst  überall  dieselbe  hastige  Art  ab,  x\ehnlichkeit  abzulesen,  ohne  der  Unter- 
schiede im  geringsten  acht  zu  haben.  Und  trotz  alledem  ziehen  die  Aufsätze  an 
als  der  warme  Ausdruck  einer  leidenschaftlichen,  religiös  zu  nennenden  Hingebung 
an  den  Denker,  den  G.  einmal  den  Buddha  unserer  Zeit  genannt  hat.  —  Das  gleiche 
Thema  wie  Herrigs  letzter  Aufsatz  behandelt  W.  Schmidt150)  in  Buchform.  Er 
stellt  systematisch  die  Lehren  Schopenhauers  und  des  Christentums  (S.  14  ff.)  zu- 
sammen, nachdem  er  zuvor  Schopenhauers  Anschauungen  von  der  Religion  im  all- 
gemeinen (S.  4)  und  vom  Problem  der  Philosophie  (S.  11)  erörtert  hat.  Jedesmal 
werden  dann  am  Schluss  die  Uebereinstimmungs-  und  Differenzpunkte  zusammen- 
gestellt, Auf  diese  Weise  wird  eine  gründlichere  Vergleichung  angebahnt,  die 
gerade  jenen  gefährlichen  Ueberschätzungen  der  Uebereinstimmungen  entgegen 
arbeiten  soll;  denn  Deussens  Behauptung,  die  Schopenhauersche  Philosophie  sei  „ein 
regeneriertes,  geläutertes  und  auf  unanfechtbarer  wissenschaftlicher  Grundlage  auf- 
gebautes Christentum"  hat  den  Anlass  zu  dieser  Schrift  gegeben  (S.  3).  Ihr  Ergebnis 
ist,  dass  Eduard  von  Hartmanns  Urteü  zutreffend  sei:  „In  der  Religionsphilosophie 
steht  Schopenhauer  ganz  auf  indischem  Boden  und  erkennt  das  Christentum  gerade 
nur  insoweit  an,  als  es  in  den  mönchisch-asketischen  Erscheinungen  seiner  katholischen 
Vergangenheit  indische  Vorbilder  wiederholt.  Für  eine  positive  Würdigung  des 
Judentums  und  des  Protestantismus  mangelt  Schopenhauer  jeder  Sinn"  (S.  47).  Der 
Grund  dazu  liege  in  Schopenhauers  Ablehnung  der  Geschichte,  ohne  die  eine  zu- 
treffende Würdigung  der  Religionen  nicht  möglich  ist.   — 

Ed.  von  Hartmann  wird  von  Kurt151)  einer  wesentlich  polemisch  gehaltenen 
Kritik  unterworfen,  die  besonders  seine  religiösen  Vorstellungen  trifft  und  die 
mystische  Gnadenlehre  (S.  49)  seiner  Philosophie  verwirft.  —  Im  übrigen  scheint  der 
reine  Pessimismus  überwunden  152-155^  mit  welcher  Begeisterung  auch  SusannaRubin- 
stein156)  den  Mann  feiert,  den  sie  neben  Schopenhauer  und  Hartmann  als  den  dritten 
grossen  Propheten  des  Weltschmerzes  ansieht :  Ph.  Mainländer.  Die  Dedikation :  „Der 
Erinnerung  an  meinen  Vater,  meinen  leuchtenden  Stern  im  grauen  WTeltennichts" 
giebt  in  jeder  Hinsicht  den  Grundton  an  für  die  müde  graue  Analyse,  in  der  ein 
paar  Herzensworte  der  begeisterten  Pessimistin  die  einzigen  leuchtenden  Sterne  sind. 
Nur  etwa  die  Sätze  über  Mainländers  Lehre  vom  Humor  (S.  57)  heben  sich  durch 
lebhaftere  Sprache  ab.  Dazu  ist  das  Buch  an  Druckfehlern  überreich  (z.  B.  Tutwa 
„Dies  bist  du"  S.  85;  die  hübsche  Parallele  der  Mad.  Guion  mit  —  Marie  Bashkirtseff 
S.  105  Anm.  enthält  in  jedem  zweiten  Wort  einen  Druckfehler);  aber  „Einzelnschicksal" 
(S.  87)  ist,  fürchte  ich,  kein  Druckfehler.  —  Einen  anderen,  neueren  Jünger  Schopen- 
hauers, Karl  Peters  den  Kolonialpolitiker,  charakterisiert  Brasch157).  — 

Aber  die  Hochflut  steigt  unter  dem  Namen  Nietzsches  heran.  Leider 
sind  es  grossenteils  kleine  Artikelchen,  die  über  Nietzsches  Eigenart  mit  oft  unzu- 
reichenden Mitteln  ^s-is^  urteilen  oder  vom  Standpunkt  irgend  einer  kulturgeschicht- 


115  S.  M.  0,20.  |[L.  Berg:  Zuschauer  1.  S.  482.]|  —  150)  W.  Schmidt,  Schopenhauer  in  seinem  Verhältn.  zu  d.  Grund- 
ideen d.  Christentums.  Diss.  Erlangen,  (Blaesius).  52  S.  |[ßud.  Lehmann:  DLZ.  S  709:  ThLBl.  15,  S.  443  ||  -  151)  N. 
Kurt,  Wahrheit  u.  Dichtung  in  d.  Hauptlehren  E.  v.  Hartraanns.  L.,  (F.  Fleischer).  88  S.  M.  1,25.  —  152-153)  X  J« 
Friedländer  u.  M.  Berendt,  D.  Pessimismus  im  Lichte  e.  höh.  Weltauffass.  B.,  S.  Gerstraann.  III,  111  S.  M.  2,00. 
|[DR.  4,  S.  379;  WIDM.  75,  S.  142.]|  —  154-155)  X  ß-  M  Wenley,  Aspects  of  pessimism  (Hartmann).  London,  Blackwoods. 
Sh.  6.  |fAlfr.  W.  Benn:  Ac.  46,  S.  416.] j  —  156)  SusannaKubinstein,  E.  individualist.  Pessimist.  Beitr.  s.  Würdig. 
Ph.  Mainländers.  L.,  Edelmann.  V,  116  S.  M.  2,40.  !(Rnd.  Lehmann:  DLZ.  S.  899.] |  —  157)  M.  Brasch,  Schopenhauer 
u.  K.  Peters:  VossZg».  N.  41.  —  158)  X  O.  Immisch,  F.  Nietzsche:  BLÜ.  S.  641/4,  657-60.  —  159)  X  J-  ▼•  Ludassy,  F. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    Y.  ( 4)  19 


IV  5:160-177  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

liehen160),  ethnographischen161),  religiösen ,62)  Anschauung  aus  einseitig  alles  über- 
sehen, was  nicht  in  ihre  Richtlinie  fällt.  Steins  Streitschrift  wurde  vielfach 
zustimmend  besprochen163),  Türcks164)  unwürdige  Schmähschrift  erlebte  eine  neue 
Titelauflage,  Weigands  wertvoller  Essay  ward  von  Jodl165)  kritisiert166-168).  — 
Charakteristisch  für  das  journalistische  Unwesen,  das  aus  oberflächlichem  Anlesen 
über  einen  Mann  herredet,  von  dem  auch  seine  ernsthaften  Gegner  nicht  bezweifeln, 
dass  er  ein  tiefes  Problem  ist,  scheint  mir  eine  Artikelreihe  in  der  „Sphinx". 
Hübbe-Schleiden169)  richtet  unter  dem  geschmackvollen  Titel  „Nietzsche,  Grün- 
Deutschlands  Verführer"  eine  Kapuzinerpredigt  gegen  dies  „fratzenhafte  Zerrbild 
aller  Theosophie,  d.  i.  alles  Idealismus  in  der  Wissenschaft  und  im  religiösen  Em- 
pfinden". —  Von  ihm  belehrt  lobt  Göhring170)  die  Tendenz  in  Naumanns  Drama 
„Ikarus",  das  den  „Titanenknaben"  Nietzsche  ad  absurdum  führen  wolle.  —  Dann 
sucht  von  Schack171)  den  Menschen  Nietzsche  zu  retten,  giebt  aber  den  Philosophen 
im  wesentlichen  preis,  worauf  Hübbe-Schleiden  mit  einer  letzten  Kanzelvermahnung 
abschliesst.  Von  irgend  welchem  Verständnis  für  die  historischen  oder  psycho- 
logischen Bedingungen  Nietzsches  ist  nirgends  die  Rede-,  es  steigt  keinem  der  Herren 
auch  nur  der  Gedanke  auf,  dass  so  etwas  nötig  sei.  Man  nimmt  ein  paar  Beleg- 
stellen, macht  Ausrufungszeichen  dazu  und  erzielt  so  mit  den  gleichen  Mitteln  den 
gleichen  Erfolg,  den  die  schlimmste  Abart  theologischer  Polemik  mit  Citaten  aus 
katholischen  oder  protestantischen  Erbauungsschriften,  aus  dem  Talmud  oder  der 
Encyklopädie  erzielt  hat.  Und  man  glaubt  „wissenschaftlich",  jedenfalls  aber  redlich 
vorgegangen  zu  sein!  So  operiert  man  denn  auch  mit  Urteilen  berühmter  Leute 
über  Nietzsche 172)  oder  glaubt,  wie  Mauthner173)  in  einem  an  Stein  und  Lou  Salome 
(s.  u.  N.  175)  anknüpfenden  Aufsatze,  mit  einem  wohlfeilen  Akibawort  alles  abthun 
zu  können.  —  Wie  wohlthuend  berührt  dagegen  die  liebevolle  Erinnerung,  die 
Lanzky174)  seinem  Freunde  bewahrt,  wenn  auch  sein  Bericht  kaum  Neues  bringt 
und  das  Alte  mit  stark  unnietzscheanischer  Rührseligkeit  vorträgt!  —  Aber 
nur  Eine  Schrift  über  Nietzsche  aus  dem  Berichtjahr  kann  bedeutend  heissen:  die 
von  Lou  Andreas- Salome175).  Wie  Lanzky  hat  die  Vf.  mit  dem  Philosophen 
längere  Zeit  in  angeregtem  „Zusammenphilosophieren"  zugebracht,  der  Dritte  im 
Bunde  war  Ree,  der  Vf.  der  „Entstehung  des  Gewissens"  und  der  auf  Nietzsche 
einflussreicheren  Schrift  „Der  Ursprung  der  moralischen  Empfindungen"  —  zwei 
Bücher,  die  auf  streng  empirischem  Wege  im  Sinne  Spencers  und  seiner  Genossen  die 
Grundlegung  einer  historischen  Ethik  versuchen  und  neuerdings  in  dem  wertvollen 
Werk  von  Elsenhaus176)  (bes.  S.  218/9),  eine  verständnisvolle,  wenn  auch  ab- 
lehnende Besprechung  gefunden  haben.  Es  ist  wohl  möglich,  dass  die  Vf.  unter 
der  Nachwirkung'  dieser  persönlichen  Beziehungen  den  Einfluss  Rees  auf  Nietzsche 
(SJ98/9,  140/1)  überschätzt,  (eine  Vergleichung  beider  Philosophen  S.  114/5);  eine 
starke  Berührung  wird  durch  Nietzsches  Abschiedsworte  in  der  „Fröhlichen  Wissen- 
schaft" (S.  142  Anm.)  immerhin  bezeugt.  Das  Werk  zeichnet  sich  aus  durch  eine 
tiefe  Kenntnis  der  Schriften  Nietzsches  und  den  ernsthaften  Versuch,  die  Einheit  von 
Mensch  und  Denker  in  ihrer  Entwicklung  nachzuweisen.  Mag  dabei  immerhin 
häufig  eine  nicht  angenehm  wirkende  Uebergescheitheit  mitsprechen  und  gelegentlich, 
was  schlimmer  ist,  etwas  Phrase  unterlaufen,  wie  bei  der  übertriebenen  Scheidung 
der  früheren  und  späteren  Schriften  (S.  90)  —  es  wird  doch  unzweifelhaft  das  Ver- 
ständnis in  sehr  vielen  Punkten  den  bisherigen  Darstellungen  gegenüber  gefördert, 
so  viel  auch  noch  der  bestunterrichteten  Berichterstatterin  und  Biographin,  der  Schwester 
Nietzsches,  zu  berichtigen  übrig  bleiben  wird.  Dass  durch  die  Darstellung'  der  Ent- 
wicklung Nietzsches  ein  zu  stark  pathologischer  Eindruck  hervorgerufen  und  das, 
was  in  ihm  unverändert  blieb,  unterschätzt  wird,  wollen  wir  auch  nicht  bestreiten; 
schliesslich  aber  ist  jede  Entwicklung  ein  Tiad-os,  doppelt  bei  einer  so  leidenschaftlichen 
Denkernatur;  und  die  stete  „Werdelust"  ist  doch  das  Dauerndste  in  Nietzsche.  Die 
treffenden  Worte  über  das  „typische  Erlebnis"  (S.  31)  geben  das  Leitmotiv  ab  für 
die  gelegentlich   nur   etwa  zu   schematisch   dargestellten  Umwandlungen   seiner  An- 


Nietzsche: FrBlW  N.  146.  -  160)  X  A.1.  Tille,  Nietzsche  als  Ethiker  d.  Entwicklung:  Zukunft  9,  S.  268-78.  —  161)  XTh- 
Achelis,  F.  Nietzsche:  WIDM.  76,  S.  97-112.  —  162)  X  Nietzsche  u.  kein  Ende:  StML.  46,  S.  119-22.  —  163)  X  L.  Stein, 
Nietzsches  Weltanschauung  n.  ihre  Gefahren  (JBL.  1893  I  12:379-80;  IV  5:  183/4).  |[G.  Glogan:  ThLZ.  19,  S.  281/2;  LCB1. 
S.  388;  WIDM.  76,  S.  638;  J.  Steinmeyer:  Ges.  S.  250/3  (rStein  gegen  Nietzsohe").]|  —  164)  H.  Türck,  Fr.  Nietzsche  u. 
seine  philos.  Irrwege.  Neue  (Titel-)Ausg.  Jena,  Mauke.  72  S.  M.  1,00.  (1.  Ausg.  1891.)  —  165)  F.  Jodl,  W.  Weigand, 
Nietzsche  (JBL.  1893  I  12:381;  IV  5:192):  DLZ.  S.  614/5.  —  166)  X  Max  Meyer,  Z.  Charakteristik  Nietzsches:  Zeitgeist 
N.  30.  —  167)  X  c-  Dohany,  F  Nietzsches  Geistesleben:  Geg  .45,  S.  278-80  —  168)  X  Sophus,  V  F.Nietzsche:  BerlTBl. 
N.  531.  —  169)  W.  Hübbe-Sohleiden,  Nietzsche,  Grün-Deutschlands  Verführer.  Vortr.:  Sphinx  18,  S  421-34.  —  170)  H. 
Göhring,  D.  „Uebermensch11  als  Bühnenspuk:  ib.  19,  S.  130,5.  —  171)  D.  Th.  v.  Schack,  Nietzsche  —  ein  Doppelgesicht?: 
ib.  S.  102/8.  —  172)  X  Billroth  über  Nietzsche:  DAdelsbl.  S.  449.  -  173)  F.  Mauthner,  F.  Nietzsche:  Nation».  11,  S.  5824. 
—  17.4)  P.  Lanzky,  F.  Nietzsche:  Sphinx  18,  S.  333-40.  —  175)  LouAndreas-Salome,  F.  Nietzsche  in  seinen  Werken. 
Wien,  Konegen.  V,  263  S.  Mit  2  Bildn.  u.  3  Faks.  v.  Briefen.  M.  6,00.  |[LCB1.  S.  1756/7;  G.  Hof  milier:  Ges.  S.  970.]|  — 
176)  Th.  Elsenhaus,  Wesen  u.  Entstehung  d.  Gewissens.     L,  Engelmann.    XVIII,  334  S.    M.  7,00.    —   177)  W.  Bölsche, 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  ns-isi 

schauungen  (drei  Perioden  in  Nietzsches  Auffassung-  der  Historie  S.  69;  vier  leitende 
Gedanken  und  ihre  Umformung'  S.  74/5;    drei  Entwicklungsstufen  seiner  Erkenntnis- 
theorie wie  seiner  Morallehre  und  Aesthetik  S.  157),    die    allerdings   zuweilen    über- 
spannt werden:    in  Bezug  auf  die  Beurteilung  Napoleons  z.  B.  (S.  188)  scheinen  mir 
die  angeführten   Belege    keineswegs    so   grosse  Schwankungen   zu   beweisen,    wenn 
auch  im  allgemeinen  ein  Wechsel   in  Nietzsches  Stellung   zum    Geniekultus  (S.  107) 
unverkennbar  ist.  —  Mit  Nachdruck  hebt  die  Vf.  das  Kunstbedürfnis  Nietzsches  her- 
vor;   der  Mann,    der    aus  Ritschis  philosophischer  Schulung  kam  (S.  50),    die  gegen 
den  Kunstwert  der  behandelten  Gegenstände  fast  absichtlich  sich  verhärtete,  ist  wohl 
zu  einem  „Jenseits  von  Gut  und  Böse",    zu  einem  „Jenseits  von  Wahr  und  Falsch", 
nie  aber  zu  einem  „Jenseits  von  Schön  und  Hässlich"  gelangt  und  findet  den  Ueber- 
menschen  nur   als  Kunstwerk  des  Menschen  möglich  und  begreiflich  (S.  208).     Der 
Deutung  dieser  Centralidee  gilt  der  bedeutsamste  Teil  des  Buches,    obwohl  auch  die 
Ausführungen  über  Nietzsche  Erkenntnistheorie  (S.  156/7)  und  Willenstheorie  (S.  180) 
wichtig  sind.     Treffend  wendet   die  Vf.  sich  (S.  201)  gegen    eins   der  häufigsten  und 
schlimmsten  Missverständnisse  Nietzsches:  „Man  darf  den  Weg,  den  Nietzsche  zur  Er- 
reichung seines  Idealzieles  wählt,  nicht  mit  diesem  Ziele  selbst  verwechseln;  er  betrachtet 
die  Herrschaft  der  „furchtbaren  Instinkte"  nur  als  ein- Mittel,  dessen  er  für  den  höchsten 
Endzweck   bedarf.     Ganz   mit  Unrecht  und  in  grobem  Missverständnis    ist   ihm  vor- 
geworfen worden,  sein  „Uebermensch"  trage  statt  der  Züge  eines  Jesus  die  eines  Cesare 
Borgia  oder  sonst  eines  lasterhaften  Unmenschen.     In  Wahrheit  ist  der  „Unmensch" 
dem  „Uebermenschen"  nicht  Vorbild,   sondern  nur   Sockel;    er  stellt  sozusagen    den 
unbehauenen  Granitblock  dar,  der  gefordert  wird,  um  auf  demselben  eine  Götterstatue 
aufzurichten.     Und  diese  Götterstatue  des  Uebermenschen-Ideals  ist  in  Art  und  Wesen 
nicht  nur  von  ihm  verschieden,  sondern  ihm  geradezu  eiitg*egengesetzt".     Nietzsches 
eigene  Persönlichkeit  hatte  vor  jener  grundfalschen  Auffassung  schützen  sollen!     Und 
wie  diese  sich  nun  in  seiner  Philosophie   abspiegelt,    vor   allem   in   der   grandiosen 
Schöpfung  des  Zarathustra  (S.  212,  234),  das  wird  mit  feinem  Verständnis  (bes.  S.  236) 
gezeigt.  Von  einer  „ungeheueren  Vergöttlichung  des  Schöpfer-Philosophen"  (S.  231), 
die  durch  Deussens  „System  des  Vedänta"  gefördert  sem  soll  (S.  242  Anm.),    würde 
ich  freilich  doch  nicht  sprechen;  dazu  hat  Zarathustra  zu  gute  litterarische  Vorstufen 
hinter  sich  in  all  jenen  Experimenten,    neue  Bibeln   zu    schaffen,    von  La  Mennais 
„Paroles    d'un  Croyant"  bis  zu  F.  Th.  Vischers  Pfahlbaukatechismus.     Persönlich    an 
ihm  ist  freilich  das  Bedürfnis  der  eigenen  Selbsterlösung  (S.  213),    aber  wie  viel  an 
Zarathustra  aus  dem  allgemeinen  Ideal  des  Religionsstifters  und  Weltbeglückers  er- 
wachsen ist,    sollte   nicht    übersehen    werden.     Wie    sich   dann  Nietzsches  Schicksal 
vollzog,  wie  die  Lehre  von  der  Wiederkunft  aller  Dinge  (S.  220/1)  ihn  bezwingt,  nach- 
dem er  ihr  schon  genaht  war,  das  liest  sich  fast  wie  ein  Roman.     Prophetisch  hatte 
er  früh  gemeint:  „In  jedem  Fall  könnte  der  Kreis  wahrscheinlicher  sein  als  der  Still- 
stand" (S.  49);  prophetisch  war  auch  seine  Liebhaberei  für  Traum  und  Traumdeutung 
(S.  243).     Der  Kreis  schloss  sich  ab;    das  träumerische  Kind    kehrte    wieder    an    die 
Stelle  des  so  hoch  g-ewachsenen  Mannes.     Aber  noch  sein  Ende  zeugt,   wie  der  er- 
greifende Abschied  (S.  251/2)  ausführt,  für  seine  Bedeutung:  „Und  die  Blindheit  des 
Blinden    und    sein  Suchen  und  Tappen  soll  noch  von  der  Macht  der  Sonne  zeugen, 
in  die  er  schaute."    Diese  Schlussworte  beweisen  allein  schon,  dass  die  Vf.  viel  von 
ihrem  Heiden  begriff;    alles,  das  behaupten  wir  nicht.     Aber  wie  schön  bespricht  sie 
insbesondere  die    „Morgenröte"   (S.  130).     Wie   treffend   sind   ihre  Worte    über   das 
Aphoristische  bei  Nietzsche  (S.  154),  über  seine  Auffassung  des  Tragischen  (S.  217), 
über  seine  Art  der  Selbstbefreiung  von  Einflüssen  (S.  257).     So  war  sie  der  Freund- 
schaft wohl  nicht  unwert,  als  deren  Dokumente  sie  einige  schöne  Briefe  Nietzsches,  teil- 
weise inFacsimile-Nachbildung,und  zehn  höchst  geistreiche  Aphorismen  zum  Stil  (S.  125) 
mitteüt:  „Das  Erste,  was  not  thut,  ist  Leben:  der  Stil  soll  leben."     „Vorsicht  vor  der 
Periode!"     „Der  Takt   des  guten  Prosaikers  in  der  Wahl  seiner  Mittel  besteht  darin, 
dicht  an  die  Poesie  heranzutreten,  aber  niemals  zu  ihr  überzutreten."  —  An  das  Buch 
der  Frau  Lou   und   an  Weigands  „Friedrich  Nietzsche"  knüpft   Bö  Ische177)    seine 
geistreiche  und  sympathische  Rhapsodie  an,  die  Darwin  gegen  Nietzsche  ausspielt  und  in 
seiner  Empörung  gegen  die  dennoch  siegreichen  Naturwissenschaften  einen  typischenFall 
sehen  will.178)  —  Andere  haben  aus  dem  wichtigen  Buch  nur  den  Bruch  mit  Wagner 
(N.  175,  S.  81)  herausgeklaubt179).  —  Ein  Aufsatz  über  Emerson  und  Nietzsche,   von 
Federn180),  blieb  uns  unzugänglich.  —  Während  des  schreitet  das  Monumentalwerk 
der    grossen   Nietzscheausgabe   rüstig   vorwärts;    doch   zwingt   die   buchhändlerische 
Datierung-  uns,  die  Besprechung  aufzuschieben.    Einzelne  Stücke  werden  in  Zeitschriften 
veröffentlicht181).  — 

D.  Geheimn.  F.  Nietzsches:  FrB.  5,  S.  1026-33.  —  178)  X  G.  v.  Glasenapp,  F.  Nietzsche,  d.  Philos.  d.  Gegenw. :  BaltMschr.  41, 
8;  313-31,  457-73.  —  179)  X  *■  Nietzsches  Abfall  v.  R.  Wagner:  Didask.  N.  88.  —  180)  K.  Federn,  R.  W.  Emerson  n.  F. 
Nietzsche:  NFPr.  N.  10732.    —    181)  F.  Nietzsche,    Ueber  d.  Zukunft  unserer  Bildungsanst.:   ML.  63,  S.  l-ll,  47-50,  65-70, 

4(19)* 


IV  5:182-212  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Während  sonst  die  Epigonen  der  klassischen  Philosophie  ziemlich  spärlich 
mit  Untersuchungen  bedacht  wurden,  L.  Fe u erb  ach  nur  mit  einer  Dissertation  über 
das  Wesen  des  Christentums  von  Turban182),  sind  die  Toten  und  die  Jubilare  der 
letzten  beiden  Jahre  reichlich  besprochen  worden:  J.  Frohschammer183"186), 
K.  L.  Michelet 18,J),  M.  Carr  iere 188)  haben  durch  ihren  Tod  ein  abgestorbenes  Interesse 
wieder  belebt,  während  der  70.  Geburtstag  von  Robert  Zimmermann189"190), 
Moritz  Lazarus191-193)  und  besonders  Kuno  Fischer  noch  ein  lebendiges  Interesse 
antraf.  Der  Geschichtsschreiber  der  neueren  Philosophie  hat  es  am  glücklichsten  ge- 
troffen :  neben  dem  von  warmer  Dankbarkeit,  aber  auch  von  wirklicher  Charakteristik 
getragenen  Artikel  Ran s oho f  f  s  194),  der  besonders  Fischers  Stil  gut  zeichnet,  begrüsst 
ihn196"196)  ein  herzliches  Dankgedicht  von  Fulda197),  das  allerdings  ein  bischen  nach 
Festkommers  schmeckt.  —  Dagegen  hat  sich  aber  auch  gerade  im  Berichtsjahr  der 
ärgerliche  Streit  mit  Türck198"199)  entsponnen,  der  als  ein  Beitrag  zur  Geschichte 
des  Philosophen  nicht  ganz  verschwiegen  werden  darf.  Türck  beschuldigt  Fischer 
des  Plagiats  an  seiner  Hamleterklärung.  Von  Plagiat  wird  man  doch  wohl  nicht 
reden  dürfen,  da  Fischer  sich  augenscheinlich  der  Eindrücke  nicht  mehr  bewusst  war, 
die  er  bei  der  Lektüre  von  T.s  Buch  empfing;  dass  er  aber  von  diesem  Anregungen 
und  Belehrungen  empfing,  scheint  durch  sein  eigenes  Zeugnis  mehr  noch  als  durch 
T.s  Nachweise  dargethan.  Ob  dabei,  wie  mir  von  anderer  Seite  mitgeteilt  wurde,  das 
eigentliche  Apercu  von  dritter,  beiden  feindlicher  Seite  stammt,  nämlich  von  Nietzsche, 
oder  nicht,  das  thut  nichts  zur  Sache,  da  Fischers  Lektüre  von  T.s  Buch  unmittelbar 
vor  den  eigenen  Hamletschriften  feststeht.  T.  hätte  wohl  zunächst  nicht  solchen 
Lärm  zu  erheben  brauchen;  dass  dann  aber,  als  er  sein  Eigentum  reklamierte,  Fischer 
ihn  völlig  totzuschlagen  und  das  anfangs  gelobte  Buch  als  gänzlich  wertlos  darzustellen 
suchte,  das  war  auch  nicht  eben  schön.  Und  dass  Fischers  Polemik  mit  dem  „Peru- 
balsam" und  der  „Inschrift  auf  dem  griechischen  Tempel"  vornehm  war,  werden  auch 
nur  seine  Getreu esten  finden.  Seine  Erbitterung  ist  erklärlich;  dem  durch  massloses 
Selbstlob  verwöhnten  Forscher  klingen  Wahrheiten  unangenehmer  Art  unerhört,  und 
T.s  Vortrag  macht  sie  nicht  annehmbarer;  gerechtfertigt  wird  Fischer  dadurch  nicht. 
Sein  Opfer  aber  möge  durch  das  ihm  widerfahrene  Missgeschick  nicht  übermütig 
werden,  sondern  hierin  eine  gerechte  Strafe  für  seine  Versündigung  an  Nietzsche 
sehen.  — 

Von  den  übrigen  Männern,  die  zwischen  der  klassischen  Periode  und  der 
Gegenwärt  die  Fackel  der  Philosophie  weiter  reichten,  ist  ausser  F.  Trendelenburg, 
der  als  Historiker  der  Philosophie  mehr  als  durch  seine  logischen  Untersuchungen 
dauernde  Bedeutung  beansprucht  —  Richter200)  hat  sein  Lebensbild  entworfen  — 
K.  Ch.  Planck  zu  nennen,  den  ein  anonymer  Artikel  bespricht201).  —  Eucken202) 
hatden  „Antievolutionisten"  G.  Teichmüller  ohne  Sympathie  besprochen,  Ca  spar  i203) 
und  A  c  h  eli  s204)  H.  Lotze  mit  warmem  Anteil.205)  Der  Mikrokosmos  erlebte  eine 
englische  Uebersetzung206).  —  Von  den  Jüngsten  ward  Rud.  Steiner  vielfach 
kritisiert207),  Gustav  Engels  Entwurf  einer  ontologischen  Begründung  des  Sein- 
sollenden durch  einen  Anonymus208),  der  ihn  als  uneigentlichen  Hegelianer 
charakterisiert.  —  B.  Wi  1 1  e  s208a)  Buch  gehört  mehr  zur  Volkserziehung  als  zur  eigent- 
lichen Philosophie.  —  Wiederholt  hat  man  versucht,  eine  Philosophie  der 
Gegenwart  zu  schreiben.  Eucken209)  sucht  die  Grundbegriffe  unserer  Zeit  fest- 
zustellen. —  Sein  Werk  und  Paulsens  Einleitung  in  die  Philosophie  bedeuten  für 
Biese210)  ein  Aufblühen  der  Philosophie,  während  Wähle211"212)    ihr  Ende   sieht 

97-103,  129-34,  161,6,  268-75,  399-406.  -  182)  T.  Turban,  D.  Wesen  d.  Christentums  v.  L.  Feuerbach.     Diss.    Leipzig.    71  S. 

—  183)  X  J-  Frohschammer,  System  d.  Philos.  im  Umriss  (JBL.  1893  IV  5:222):  DR.  1,  S.  1434.  —  184)  X  L.  Weis,  B. 
Münz,  J.  Frohschammer,  d.  Philos.  d.  Weltphantasie :  BLU.  S.  779-30  —  185)  X  M-  Glossner,  D.  Philos.  d.  h.  Thomas  v. 
Aquin:  JbPSTh.  7,  S.  129-42,  301-25.  (Gegen  Frohschammer.)  —  186)  X  Michelet  u.  Frohschammer:  PolybibU'.  70,  S.  175  6. 
(Nekrol  )  -  187)  X  K.  L.  Michelet:  ML.  63,  S.  51/2  —  188)  X  M.  Carriere,  Relig.  Reden  u.  Betrachtungen  (JBL.  1893 
IV  5:224).  |[B.  Härtung:  ThLZ.  19.  S.  520;  ThLB.  17,  S  97/8;  WIDM.  76,  S.  639.]|  —  189)  X  B-  Münz,  Zu  R.  Zimmer- 
manns 70.  Geburtst.:  MontugsR.  N.  44.  -  190)  X  R-  Zimmermann:  WienerZg.  N.  251.  —  191)  X  ^  Brasch,  D.  Begründer 
d  Völkerpsychol.  E  Stud  zu  M.  Lazarus  70.  Gdburtst.:  N&S  70,  S  339-51.  —  192)  X  G.  Karpeles,  M.Lazarus.  Z.  70.  Ge- 
burtst :  BerlTBl.  N.  468.  —  193)  X  B  Münz,  Zu  M.  Lazarus  70  Geburtst.:  NatZg.  N.  516.  —  194)  G.  Ransohoff,  Kuno 
Fischer  z.  70.  Geburtst.:  FZg.  N.  202  —  195)  X  Kun0  Fischer:  ÜLAM.  72,  S.  883.  —  196)  X  Kuno  Fischer:  BnrschensohBll.  8, 
S.  239-40    —  197)  L.  Fulda,  An  Kuno  Fischer  (z.  70.  Geburtst.):  Didask.  N.  171.  -  198)  (IV  ld:25.)  -  199)  (IV  ld:25b.) 

—  200)  A.  Richter,  F.  Trendelenburg:  ADB.  38,  S.  569-72.  —  201)  K.  C.  Planck:  Grenzb.  4,  S.  630/1.  —  202)  R.  Eucken, 
G.  Teichmüller:  ADB  37,  S.  5434.  —  203)  O.  Caspari,  H.  Lotze  in  seiner  Stellung  zu  d.  durch  Kant  begründ.  neuesten 
Gesch.  d.  Philos.  u.  d.  philos.  Aufg.  d.  Gegenw.  E.  krit.-hist.  Stud.  2.  Aufl.  Breslau,  Trewendt.  VII,  160  S.  M.  4,00.  — 
204)  Th.  Achelis,  Z.  Andenken  H.  Lotzes:  NatZg.  N.  316,  319.  —  205)  X  G.  Vorbrodt,  Prinzipien  d.  Ethik  u.  Religions- 
philos.  Lotzes.  2.  (Titel-)Ausg.  Dessau,  Kahle.  1892.  VII,  186  S.  M.  3,00.  |[KonsMschr.  S.  326/7  ]|  —  206)  X  H-  Lotze, 
Microcosmus,  transl  by  Elisabeth  Hamilton  and  E.  E.  Constance  Jones.  4.  ed.  2  vols.  London,  Simpkin.  Sh.  24.  — 
207)  K.  Stei  n  e  r ,  D.  Philos.  d.  Freiheit.  Grundzüge  e.  mod.  Weltanschauung.  Weimar,  Felber,.  111,242  S.  M.4,00.  IfLCBl.  S.  1363/4 ;  P. 
Barth:  BLU.  S.436  7;  A.  Drews:  45,  S.  264/7;  WIDM.  76,  S.  5)2.]|  (Vgl.  auch  JBL.  1893  IV  5  :  204.)  -  208)  Gust.  Engel,  Entwurf 
e.  ontolog.  Begründ.  d.  Seinsollenden.  B.,  Besser.  VII,  212  S.  M.  4,60.  |[l)idask.  N.  I00.]|  —  208a)  (8.  u.  N.  651.)  -  209)  B. 
Eucken,  D.  Grundbegriffe  d.  Gegenw.  (JBL.  1892  I  4:842):  WIDM.  75,  8.  399.  —  210)  A.  Biese,  E.  Aufblühen  d.  Philos.: 
NJbbPh.  150,  S.  47-61.  (S.  o.  N.  68  u.  209.)  -  211)  R.  Wähle,  D.  Ganze  d.  Philos.  u.  ihr  Ende.  Ihre  Vermächtnisse  an  d.  Theol., 
Physiol.,  Aesth.  u.  Staatspäd.     Wien,  Braunmüller.     XXIII,  539  S.    Mit  60  Holzsohn.    M    10,00.  —  212)  id.,  Gesch.  Ueberblick 


tl.  M.  Meyer,  Didaktik,  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  213-225 

und  sie  ihre  Habe  an  Theologie,  Physiologie,  Aesthetik  und  Staatspädagogik  vermachen 
lässt.  —  Hochegger213)  handelt  über  die  Bedeutung,  die  der  Philosoph  der  Gegen- 
wart für  die  Pädagogik  habe,  während  Uphues214)  die  Richtungen  der  psychologischen 
Forschung  der  Gegenwart  überblickt.  — 

Uamit  kommen  wir  schon  zu  den  philosophischen  Specialgebieten.215) 
Die  grossen  Werke  zur  Logik  von  Sigwart216),  das  von  Wu  n  d  t , 2n) 
über  dessen  zweite  Auflage  Schuppe  berichtet,  sowie  das  kleinere  von  Lipps218) 
stehen  uns  am  fernsten.  —  Näher  rückt  schon  die  Psychologie  an  die  Literatur- 
geschichte heran211'),  bei  der  wir  wieder  auch  den  berühmten  Namen  Lotzes220) 
und  Wundts221)  begegnen.222)  Drews223)  handelt  über  die  deutsche  Psychologie 
des  vorigen  Jh.  —  Von  Leibniz  bis  Kant  reicht  der  erste  Band  von  Dessoirs 224) 
Geschichte  der  neueren  deutschen  Psychologie.  Das  geistreiche  und  gelehrte  Buch 
will  eine  Geschichte  der  deutschen  Psychologie  und  nicht  der  deutschen  Psychologen 
schreiben  (S.  X),  wie  Windelband  eine  Geschichte  der  Philosophie  und  nicht  der 
Philosophen  geben  wollte.  Der  Schwierigkeiten  dieses  Planes  ist  D.  sich  wohl  bewusst. 
„Gewiss,  es  liegt  ein  ungeheurer  Begriffsrealismus  darin,  eine  wissenschaftliche  Gesamt- 
anschauung als  geschichtliche  Erscheinung  zu  schildern,  die  niemals  in  dem  Kopfe 
eines  Menschen  bestanden  hat.  Aber  studieren  wir  denn  Geschichte,  um  ein  Bilder- 
buch von  einzelnen  Leuten  zu  erhalten?"  (S.  132.)  Da  indessen  eine  Psychologie 
ohne  Psychologen  nicht  existiert  (S.  X),  so  ist  doch  auch  D.  genötigt,  die  Gesamt- 
anschauung durch  Zusammenlegen  zahlreicher  Aussagen  zu  erhalten.  Er  hätte  sogar 
in  der  Abstraktion  von  den  Einzelpersönlichkeiten  der  Psychologen  noch  erheblich 
weiter  gehen  können,  wenn  er  ausser  der  Fachliteratur  (zu  der  hier  auch  die 
medizinische  S.  351/2  gehört)  die  „schöne  Litteratur"  herangezogen  hätte,  um  aus  den 
von  Romanschriftstellern  und  Historikern  als  selbstverständlich  vorausgesetzten  psycho- 
logischen Anschauungen  die  wirkliche  Durchschnittspsychologie  herauszulesen.  „Die 
Psychologie",  sagt  Simmel  in  seinen  tief  greifenden  „Problemen  der  Geschichtsphilosophie1' 
(JBL.  1892  IV  1  b  :  1;  1893  I  1:1;  S.  33),  „ist  das  Apriori  der  Geschichtswissenschaft. 
Die  Aufgabe  der  Erkenntnistheorie  ihr  gegenüber  ist:  die  Feststellung  der  Regeln, 
nach  denen  aus  den  äusserlichen  Dokumenten  und  Ueberlieferungen  auf  psychische 
Vorgänge  geschlossen  wird,  sowie  derjenigen,  welche  zur  Herstellung  eines  verständ- 
lichen Zusammenhangs  zwischen  den  letzteren  genügen."  In  derselben  Weise  lässt 
sich  aber  auch  aus  der  Praxis  der  Schriftsteller  ihre  Ansicht  von  den  verborgenen 
psychischen  Vorgängen  erschliessen.  Ich  erinnere  nur  an  Goethes  „roman  experimental", 
die  „Wahlverwandtschaften",  oder  an  die  Lehre  von  der  Unveränderlichkeit  des 
„Charakters",  die  bei  Ibsen  so  streng  festgehalten  wird  wie  bei  Schopenhauer.  Doch 
ist  D.s  Werk  auch  ohne  dies  lehrreich  genug  und  bietet  für  den  Zwang  einer  ganze 
Epochen  beherrschenden  Lehrmeinung  anschauliche  Beispiele  in  Fülle.  Er  hat  das 
massenhafte  Material  mit  Bienenfleiss  ausgeschöpft  und  beschränkt  sich  dabei  nirgends 
auf  trockene  Referate,  sondern  sucht  überall  auf  der  Grundlage  der  herrschenden 
Schulmeinung  die  Individualitäten  zu  charakterisieren.  So  liefert  er  denn  zahlreiche 
Charakterbilder  von  Psychologen  oder  die  Psychologie  wenigstens  streifenden  Forschern, 
wie  Kästner  und  Reimarus  (S.  81),  Garve  (S.  85),  Feder,  dem  Gegner  Rousseaus 
(S.  88),  dem  Lehrdichter  Creuz  (S.  95),  Abbt  (S.  100,  374),  Iselin,  Spalding  (S.  103), 
Lambert  (S.  107),  Tetens  (S.  120).  Witzig  sind  seine  Worte  über  Formey  (S.  75): 
„Er  würde  bei  nötiger  Müsse  alle  vorhandenen  Bücher  noch  einmal  geschrieben 
haben";  ich  kenne  wohl  auch  Namen  aus  der  Gegenwart,  die  damit  charakterisiert 
sind.  Ob  dagegen  Sulzer  wirklich  „nicht  nur  der  Geburt,  sondern  auch  seiner  Natur 
nach"  ein  Schweizer  war  (S.  83),  das  lässt  sich  bezweifeln;  mir  wenigstens  kommt  er 
neben  Zimmermann  oder  Lavater  ganz  kosmopolitisch  vor.  Ueberhaupt  hat  sich  D. 
gelegentlich  zu  überflüssigem  Würzen  des  Stils  verleiten  lassen;  die  Wendung  von 
„dem  märchenhaften  Schema":  t„es  war  einmal  ein  Mann,  der  hat  dies  gesagt  .  .und 
dann  ein  anderer,  der  hat  das  gesagt"'  (S.  IX)  passt  nicht  zu  dem  Ernst  der  sonstigen 


über  d.  Entwickl.  d.  Philos.  bis  zu  ihrer  letzten  Phase.  E.  Leitfad.  für  allg.  Gebildete  u.  Studierende  d.  Hoch-  u.  Mittelsch. 
ebda.  IV.  66  S.  M.  1,40.  —  213)  R.  Hochegger,  D.  Bedeutung  d.  Philos.  d.  Gegenw.  u.  d.  Päd.  (=  Päd.  Zeit-  u.  Streit- 
fragen. Her.  v.  Johannes  Meyer.  N.  32/4.)  Gotha,  E.  Behrend.  132  S.  M.  1,80.  |[L.  Rudolph:  COIRW.  22,  S.  622/4.]|  — 
214)  G.  K. Uphues,  Ueber  d.  verschied.  Richtungen  d.  psychol.  Forschung  d.  Gegenw.  Vortr.  11 S.  (Nicht  im  Handel.)  |[R  Hochegger: 
MhComeniusG.  3,  S.  272,4.J|  —  215)  X  M.  Glossner,  H.  Schmidkunz,  Gegen  d.  Materialismus,  Gemeinfassl.  Flugschrr.  (JBL. 
1892  I  11:18.  50):  JbPSTh.  7,  S.  115/7.  -  216)  Uhph.  Sigwart,  Logik.  2.  Bd.  d.  Methodenlehre.  2.  durchges.  u.  erweit. 
Aufl.  Freiburg  i.  B.,  Mohr.  1893.  VIII,  778  S.  M.  16,00.  [DR  3,  S.  127.]|  —  217)  W.  Wnndt,  Logik.  E.  Untersuch,  d. 
Prinzipien  d.  Erkenntnis  u.  d.  Methoden  wissensch.  Forschung.  2  Bde.  1.  Bd.  Erkenntnislehre.  2.  umgearb.  Aufl.  St.,  Enke. 
1893.  XIH,  651  S.  M.  15,00.  |[W.  Schuppe:  GGA.  S.  178— 212.j|  —  218)  Th.  Lipps,  Grundzüge  d.  Logik.  Hamburg.  Voss. 
1893.  VIII,  233  S.  M.  3,00.  |[DR  4,  S.  253,4.]!  —  219)  X  H-  Baumgartner,  Psychol.  oder  Seelenlehre.  Mit  bes.  Berück- 
sicht.  d.  Schulpraxis  für  Lehrer  u.  Erzieher.  3.  umgearb.  Aufl.  Freiburg  i.  B  ,  Herder.  1893.  VIII.  132  S.  M.  1,20.  |[StML.  47, 
S.478/9.]|  —  220)  H.  Lotze,  Grundzüge  d.  Psychol.  Diktate  aus  d.  Vorlesungen.  5.  Aufl.  L.,  Hirzel.  95  S.  M.  1,70.  —  221) 
W.  Wundt,  Human  and  animal  psychol.,  transl.  by  Creighton  and  Titchener.  London,  Sonnenschein.  Sh.  15.  —  222)  X 
F.  Runkel,  Geistige  Gesundheit  u.  geistige  Störung:  Zeitgeist  22.  (Anknüpfend  an  W.  Hirsch:  „Genie  u.  Entartung".) 
—  223)  A.  Drews,  D.  dtsch.  Psychol.  d.  vorig.  Jh.:  PrJbb.  77,  S.  557-64.  -  224)  (III  1 :  185;  5:54.)  —  225)  A.  Biese,  D, 


IV  5:226-237  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Haltung'  und  eine  gezierte  Apostrophe,  wie  „steigen  wir  für  einen  Augenblick  in  das 
fruchtbare  Bathos  der  Durchschnittsphilosophie  hinab"  (S.  343)  noch  weniger.  Von 
geringerer  Bedeutung-  sind  kleine  Irrtümer,  wie  wenn  von  der  Hellen  (S.  400)  „van 
Hell"  genannt  wird  oder  Anton  Joseph  Pernetty  der  Sohn  von  Jacques  Pernetty 
heisst  (8.  396);  er  war  sein  Vetter  und  Jacques  war  Kanonikus  (Biographie  universelle 
32,  S.  506).  D.  gliedert  so,  dass  er  zunächst  die  einzelnen  Psychologen  der  älteren 
Epoche  bespricht:  Leibniz,  Wolff  und  ihre  Nachfolger  (S.lff.);  dann  die  allgemeine 
Entwicklung  der  deutschen  Psychologie  von  1750—80  (S.  47 ff.);  drittens  das  so  bedingte 
System  der  Psychologie  (Grundprobleme,  Tierpsychologie,  Vermögenslehre,  Vorstellungs-, 
Gefühls-,  Willensvermögen,  Associationspsychologie,  S.  132 ff.);  endlich  die  Wirkungen 
dieser  Psychologie  (Beziehungen  zur  Erkenntnistheorie;  zur  Aesthetik;  zur  Medizin; 
zu  Moral  und  Recht;  zur  Pädagogik;  zur  Lebensauffassung,  und  schliesslich,  mit 
etwas  paradoxer  Ueberschrift:  Beziehungen  zu  Kant,  S.  31 3  ff).  In  dem  zweiten  Ab- 
schnitt heben  wir  noch  besonders  den  Absatz  über  den  „kulturhistorischen  Hintergrund" 
(S.  59 ff.)  hervor,  in  dem  auch  über  Sprache  und  Stil  (S.  60)  geistvoll  gehandelt  wird 
(„esprit";  „sentimental"  und  seine  Verneinungen  S.  60/1),  sowie  (S.  64ff.)  über 
Journalistik  und  Universitäten;  beiläufig  wird  dabei  zu  Goethes  Epigramm  von  dem 
bellenden  Hund  (S.  70)  eine  schlagende  Parallele  aus  den  Briefen  Friedrichs  des 
Grossen  an  Voltaire  angeführt.  Nächstdem  ist  für  uns  der  vierte  Abschnitt  von 
Wichtigkeit  und  hier  wieder  namentlich  der  Teil,  der  über  das  Verhältnis  zur  Aesthetik 
handelt  (Gottsched  S.  328,  Mendelssohn,  Lessing,  Herder  S.  324,  345/6,  Goethe  S.  329, 
Moritz  S.  332,  Schiller  S.  320;  über  den  Begriff  des  „Genies"  S.  338/9).  Von  all- 
gemeinerem Interesse  sind  auch  die  Ausführungen  zur  Pädagogik  (S.-  381  ff.)  und  das 
vorzüglich  geschriebene,  in  grossen  Zügen  skizzierende  Kapitel  über  die  durch  diese 
Psychologie  bedingte  Lebensauffassung  (S.  389  ff.),  sowie  die  Erwähnungen  von  Fries 
(S.  348),  Blumenbach  (S.  361),  Lavater  (S.  395),  Lichtenberg  (S.  398).  Lessings  Worte 
über  Gespenster  (S.  403)  möchten  wir  nicht,  wie  D.,  als  ein  ernstliches  Zeugnis  für 
seine  Anschauung  anführen.  Ueberall  anregend,  weil  überall  selbst  voll  Anteils  führt 
uns  D.  so  von  Leibniz  zu  Kant  an  zahllosen  Stationen  und  Aussichtspunkten  vorüber, 
bis  er  endlich  die  Wurzeln  der  „letzten  grossen  Weltanschauung,  die  eine  gegen- 
wärtige Geschichtsschreibung  als  abgeschlossen  zu  überblicken  vermag,  der  pantheisti- 
schen  Metaphysik"  (S.  407),  erreicht  hat  und  schliesslich  in  einem  „Zusammen- 
fassenden Rückblick"  (S.  425  ff.)  seine  Kritik  der  ganzen  Entwicklung  geben  kann, 
einer  Entwicklung,  die  so  moderne  Begriffe  wie  den  der  physiologischen  Psychologie 
(ohne  das  Wort  zu  besitzen)  schon  vorausnahm  (S.  359)  und  die  doch  als  Ganzes 
mehr  einen  Abfall  von  Leibniz  als  einen  Fortschritt  bedeutet.  —  In  die  Psychologie 
fällt  auch  Bieses225)  mehrfach  besprochener  Nachweis  der  unvermeidlichen  Metapher- 
bildung. — 

Für  die  Aesthetik  liegt  uns  diesmal  nur  eine  historische  Studie  von 
L  a  s  s  w  i  t  z2'-6  227)  vor.  Er  weist  für  Fechners  „Aesthetik  von  unten"  und  insbesondere 
für  ihr  Associationsprincip  auf  Vorgänger  wie  Home  (den  schon  Dilthey  in  diesem 
Sinne  genannt  hat)  und  Lotze  hin  und  begrenzt  zum  Schlüsse  das  Gebiet  der  über- 
schätzten induktiven  Aesthetik:  „Sie  kann  auf  ihre  statistische  Weise  stets  nur  für 
eine  beschränkte  Anzahl  von  Personen,  für  bestimmte  Kreise  der  Gesellschaft  oder 
der  nationalen  Zusammenhörigkeit,  für  begrenzte  Zeitepochen  die  Gesetze  des 
Geschmacks  feststellen.  Aber  niemals  kann  sie  durch  psychologische  Untersuchung 
die  Erkenntnis  gewinnen,  worin  die  allgemein  giltige  Bedingung  dafür  liegt,  dass 
etwas  gefällt.  Sie  kann  nur  entdecken,  was  gefällt  und  woraus  es  sich  im  einzelnen 
zusammensetzt;  dagegen  fehlt  ihr  jedes  Mittel,  die  Einheit  zu  definieren,  die  es 
bewirkt,  dass  jene  Einzelheiten  zu  jener  besonderen  Art  des  Gefühls  verschmelzen, 
welche  schön  heisst"  (S.  542).  — 

Auch  für  die  Moralwissenschaft  und  Ethik  erhielten  wir  neben 
Besprechungen  über  Simmeis  bedeutsame  „Einleitung"228),  über  Paulsens  Ethik229) 
und  Cathreins  Moralphilosophie  23°)  eine  historische  Studie  über  die  Moralphilosophie  von 
Thomasius  Schüler  Andreas  Rüdiger,  verfasst  von  Carls231-232).  —  Ueber  die  neuere 
individualistische  Ethik  schrieb  Biese233).  —  Aus  dem  Gebiet  der  mit  der  Moral- 
philosophie eng  verwandten  Religionsphilosophie,  die  im  Berichtsjahre  durch 
Arbeiten  von  oder  über  Krause 234),  Lotze 235),   Pfleidere  r 236)  und  N  a  t  o  r  p 23T) 

Philos.  d.  Metaphorischen  (JBL.  1893  I  12:107;  IV  5:233).  |[L.  Spreer:  Zöymn.  28,  364/5;  Grenzb.  1,  S.  318-20.JI  —  226-227) 
K.  Lasswitz,  Fechners  „Aesthetik  v.  unten":  Nation!».  11,  S.  589-42.  —  228)  X  ö.  Simmel,  Einleit.  in  d.  Moralwissensch. 
(JBL.  1893  IV  5:244).  |[WIDM.  76,  S  767/8;  VossZgB.  ll.]|  _  229)  X  F-  Paulsen,  System  d.  Ethik  (JBL.  1893  IV  5:240). 
|[W.  Schneid  er:  LKs.  20,  S.  216,8;  P.Barth :  BLD.  S.  435,6;  W.  Windelband:  DWB1.  7,  S.  107/8.JI  -  230)  X  F-  Schindler, 
V.  Cathrein,  Moralphilos.  (JBL.  1893  IV  5:243):  ÖLB1.  3,  S.  6/7.  —  231-232)  W.  Carls,  A.  Rüdigers  Moralphil.  (=:  Abhh.  z. 
Philos.  u,  ihr.  Gesch.  Her.  v.  B.  Erdmann,  2.  Heft.)  Halle  a.  S.,  Niemeyer.  51  S.  M.  1,20.  (Davon  T.  1  als  Hallenser 
Dias.  ebda.  32  S.)  —  233)  A.  Biese,  D.  „souveräne"  Individuum  u.  d.  Moral:  DWßl.  7,  S.  489-90.  —  234)  L.  Rabus, 
K.  Chrn.  F.  Krause,  Z.  Religionsphilos.  (JBL.  1893  IV  5:144):  ThLBl.  15,  S.  606/7.  —  235)  H.  Lotze,  Grundzüge  d.  Religions- 
philos.  Diktate  ans  d.  Vorlesungen.  3.  Aufl.  L.,  Hirzel.  98  S.  M.  1,70.  —  236)  0.  Pfleiderer,  Philosophy  of  religion 
(Gifford-Lectures),  2  vols.    London,  Blackwoods.    Sh.  15.   —    237)  P.  Natorp,   Religion  innerhalb  d.  Gtenzen  d.  Humanität. 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  238-238a 

vertreten  ist,  bildet  ebenfalls  —  charakteristisch  genug  —  eine  Geschichtsdarstellung 
den  weitaus  wichtigsten  Beitra»-.  —  P  f  le  ider  er  s238)  „Geschichte  der  Religions- 
philosophie" lässt  bei  aller  Gelehrsamkeit  und  bei  aller  Klarheit  der  Darstellung-  doch 
jenen  grossen  Ueberblick  vermissen,  den  gerade  auf  einem  so  schwierigen  Gebiet 
der  Leser  von  dem  Vf.  zu  fordern  ein  Recht  hat.  In  guten  Analysen,  die  allerdings 
des  Vf.  Kritik  oft  störend  unterbricht,  statt  erst  nach  Vorführung  des  Ganzen  ein- 
zusetzen, werden  die  wichtigsten  Vertreter  der  Religionsphilosophie  auf  protestantischem 
Boden  vorgeführt;  dagegen  fehlt  nicht  nur  die  offizielle  katholische  Religionsphilosophie 
ganz,  sondern  auch  von  ihren  ausser-  oder  antikirchlichen  Trägern  werden  fast  nur 
Baader  und  Frohschammer  sowie  ein  paar  fast  ausnahmslos  zur  deutschen 
Phüosophie  in  Beziehung  stehende  Ausländer  betrachtet.  Während  Christian  Wolff 
und  die  Aufklärung  wie  auch  der  englische  Deismus  eigene  Abschnitte  erhalten, 
wird  der  folgenreichen  Spekulation  Voltaires  und  der  Encyklopädisten  mit  keinem 
Wort  gedacht.  Geringer  ist  die  Unterlassung',  dass  Lichtenberg,  der  auf  Schopen- 
hauer und  Feuerbach  so  stark  gewirkt  hat,  ignoriert  wird,  während  sonst  P.  gerade 
die  Religionsphilosophie  deutscher  Schriftsteller  mit  Liebe  und  Eifer  analysiert. 
Wir  werden  in  jener  grossen  Einseitigkeit,  die  von  dem  Atheismus  lieber  Notiz  nimmt 
als  von  der  katholischen  Orthodoxie,  das  Vorurteil  des  Theologen  nicht  verkennen,  der 
(S.  266)  die  harten  Worte  ausspricht,  die  katholisierende  Neigung  habe  bei  den 
Schlegel  in  Fehlem  des  Herzens  und  Charakters  ihre  tiefere  Wurzel  gehabt.  So 
spricht  er  denn  auch  über  Novalis  „Christenheit"  (S.  262)  mit  einer  Schärfe,  die  diesem 
Dichtertraum  gegenüber  wenig  angebracht  ist;  oder  er  sucht  den  „Faust"  auf  die 
beiden  Grundbegriffe  der  „Sünde"  und  „Gnade"  zu  bringen  (S.  258),  obwohl  Goethe 
der  kirchliche  Begriff  der  Sünde  fast  ganz  fremd  war  und  der  der  „Gnade"  bei  ihm 
mindestens  eine  sehr  individuelle  Umgestaltung  erfahren  hat.  Ich  weiss  auch  nicht, 
auf  welche  Stelle  die  Behauptung  geht,  Goethe  habe  im  Kreuz,  „welches  ihm  während 
der  naturalistischen  Anwandlungen  seiner  italienischen  Reise  so  fatal  war",  später  das 
Symbol  der  christlichen  Idee  schätzen  gelernt;  der  bekannte  Vers  des  „Divan"  bekennt 
jedenfalls  keine  Aenderung  in  Goethes  Stellung  zu  diesem  Symbol.  Man  bemerkt 
aber  auch  sonst  bei  P.  eine  geringe  Gabe,  fremden  Standpunkten  gerecht  zu  werden; 
und  wenn  er  (S.  497  Anm.)  über  die  Polemik  der  Herbartschen  Religionsphilosophen 
mit  den  allerstrengsten  Worten  aburteilt,  so  hätte  er  wohl  selbst  über  Stirner  und 
Nietzsche  (S.  455)  ohne  Vermengung  des  wissenschaftlichen  mit  dem  moralischen 
Werturteil  sprechen  dürfen  —  um  so  mehr  als  ei*  selbst,  was  für  uns  sehr  wichtig' 
ist,  in  der  protestantischen  Theologie  verwandte  Strömungen  aufdeckt,  den  Ritschlianer 
Hermann  mit  Nietzsche  (S.  486)  und  seinen  Parteigenossen  Bender  (S.  491/2)  mit 
Feuerbach  vergleicht.  Wo  dagegen  seine  Sympathie  beteiligt  ist,  da  weiss  er  vor- 
trefflich zu  deuten;  denn  nur  die  Liebe  macht  sehend.  So  wird  Schleiermacher  (S.  297) 
in  glänzender  Weise  auf  seine  Elemente  zurückgeführt  und  (S.  259)  lehrreich  mit 
Novalis  verglichen.  Was  gegen  die  Definition  des  religiösen  Bewusstseins  als 
Abhängigkeitsgefühls  (S.  315)  eingewandt  wird,  scheint  freilich  kaum  stichhaltig. 
Ist  der  türkische  Fatalismus  wirklich  nur  „Furcht  vor  überlegener  Macht"?  Zahllose 
Legenden  und  Gedichte  scheinen  doch  zu  bezeugen,  dass  er  viel  eher  eine  wahrhaft 
fromme  Ergebung  in  eine  überlegene  Weisheit  ist.  Aber  Schleiermachers  Definition 
kann  natürlich  nur  als  die  allerdings  höchst  charakteristische  Umschreibung  des  in 
seiner  Zeit  und  seinen  Kreisen  mächtigen  religiösen  Bewusstseins  gelten  —  ein 
Standpunkt,  den  P.  leider  nirgends  einnimmt.  Sogar  ein  so  ungemein  historisches 
Produkt  wie  Fichtes  „Grundzüge  des  gegenwärtigen  Zeitalters"  wird  (S.  279)  lediglich 
in  die  Entwicklung  der  Fichteschen  Religionsphilosophie  aufgenommen  ohne  jede 
Rücksicht  auf  die  äusseren  Momente,  die  zur  Entstehung  mitwirkten.  Neue  Aufschlüsse 
erhalten  wir,  soweit  ich  darüber  urteilen  kann,  nicht  allzuhäufig,  was  vielleicht  P.s 
Beschränkung  auf  die  allerbekannteste  Litteratur  über  seine  Gegenstände  mit  zur 
Ursache  hat;  für  Lessing  wird  z.  B.  (S.  132)  nicht  einmal  Erich  Schmidt  citiert, 
geschweige  denn  speciellere  Untersuchungen;  Karl  Schwarz  elegante,  aber  nicht 
allzutief  eindringende  Schrift  über  Lessing  als  Theologen  soll  genügen.  Beachtens- 
wert sind  dagegen  die  Ausführungen  über  Jacobi  (bes.  S.  224),  Baader  (S.  362), 
Ritschi  (S.  481)  und  namentlich  Hamann  (bes.  S.  195).  Die  Forschung  ist  durch  ein 
Durcheinanderschieben  von  chronologischer  und  systematischer  Anordnung  ein  wenig 
erschwert;  Fries  kommt  (S.  468)  ziemlich  unerwartet  nach  F.  D.  Strauss  usw.  Man 
wird  aber  doch  gut  thun,  für  jeden  einzelnen  Autor,  den  man  hinsichtlich  seiner 
Weltanschauung  zu  beurteilen  hat,  P.s  übersichtliche  Referate  zu  vergleichen.  — 

Wiederum   mit  der  Religionsphilosophie  hängt,  gerade  im  Sinne  Pfleiderers, 
des  Verehrers  von  Chr.  F.  Baur,  die  Geschichtsphilosophie  eng  zusammen 238a). 

E.  Kap.  z.  Grundlegung  d.  Socialpäd.  Freiburg  i.  B.,  Mohr.  VIII,  119  S.  M.  1,50.  |[ThLBl.  15,  S.  572, 3.]  |-  238)  0.  Pfleiderer, 
Gesch.  d.  KeligionsphiloB.  v.  Spinoza  bis  auf  d.  Gegenw.  3.  Aufl.  B.,  Reimer.  1993.  XVI,  712  S.  M.  10,50.  |[Polybibl''.  70, 
S.  141;  H.  v.  Lenk:  COIRW.  22,  S.  734  7.  -  238  a)  X  F-  Tön  nies,  Neuere  Philos.  d.  Gesch.:  Hegel,  Marx,  Comte:  AGPhilos.  7, 


IV  5  :  238b-240a         R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Einen  Beitrag  zur  praktischen  Geschichtsphilosophie  bildet  der  für  die  Schule  gut 
berechnete  Ueberblick  über  die  Wirkungen  der  Seeschiffahrt  auf  die  Umgestaltung- 
der  Zeiten,  den  B  r  ä  g  e  1  m  a  n  n 238b)  geschrieben  hat.  —  Auch  S  o  d  e  u  r  s238n)  Unter- 
suchung der  Staatsidee  Kants  und  Hegels  kann  man  hierhin  weisen.  — 

Moralphilosophie,  Religionsphilosophie,  Geschichtsphilosophie  gehören  alle 
drei  schon  der  Theologie  fast  so  sehr  an  wie  der  Philosophie.  In  einer  sehr 
interessanten  Rede  beleuchtet  der  Berner  Rektor  Michaud239)  die  Aufgaben 
der  Theologie  in  der  Gegenwart.  Mit  Entschiedenheit  verlangt  er,  dass  sie 
wissenschaftlich  sei  (S.  14/5),  und  sucht  auch  zu  zeigen,  wie  sie  dies  zu  thun  habe 
(S.  25/6):  sie  soll  sein  objektiv  (S.  31),  exakt  (S.  32),  rational,  wenn  auch  nicht 
rationalistisch  (S.  33),  soll  von  den  wirklichen  Fortschritten  der  Wissenschaft  Kenntnis 
nehmen  (S.  34)  und  schliesslich  noch  eklektischen,  vergleichenden  und  progressiven 
Charakter  tragen  (S.  40).  Bei  solcher  Stellung  könne  es  der  Theologie  nicht  an 
Aussichten  fehlen,  da  der  Andrang  zu  ihrem  Studium 239a)  überall  zunehme;  und  jetzt 
schon  sei  ihr  Einfluss  grösser,  als  man  meine.  „Si  La  Bruyere,  vers  la  fin  du 
17e  siecle,  n'a  pas  eu  de  la  peine  ä  decouvrir  de  Fatheisme  sous  les  dehors  de  la  piete 
officielle,  peut-etre  ne  nous  serait  il  pas  difficile  de  decouvrir  dans  le  pretendu 
atbeisme  d'aujourd'hui  une  religion  qui  s'ignore,  et  dans  l'indifference  qu'on  affecte  pour 
la  theologie  une  sollicitude  secrete,  une  inquietude  meine,  pour  les  problemes 
qu'etudie  la  theologie"  (S.  10).239b~239?)  — 

Den    einflussreichsten    Theologen    unserer    klassischen    Periode,    Lavater, 
schildert   Hedwig  Waser240)    nach   Hegners   Aufzeichnungen.     Das    ausgezeichnete 
Buch   hält   aber  viel    mehr,  als    es  verspricht.     Vor   allem   ist   die  Vf.  selbst   in  das 
Wesen  ihrer  beiden  Helden,  Hegner  und  Lavater,  tief  eingedrungen.     Ausgezeichnet 
charakterisiert   sie  Lavaters  Talent   der  Anempfindung  (S.  9)   und  seine  Neigung  zu 
einer  gewissen  Schauspielerei  (S.  20):     „Er   hat   sich  verschiedene  Kostüme  zurecht- 
gelegt,   z.    B.   Lavater   als   Bürgerheld,    Lavater   als   Glaubenskämpfer,    Lavater   als 
Prophet,  Lavater  als  unschuldig  Verfolgter  usw.;  und  in  diese  schlüpft  er  dann  hin- 
ein, je  nach  Gelegenheit  und  Neigung".     Von  Betrug  und  Heuchelei  dabei  zu  reden, 
verbietet    schon   Lavaters   unerschöpfliche    Kindlichkeit   (S.  18/9),     wie   dieser   denn 
selbst  einmal  in  einem  ungedruckten  Briefe  ausruft:  „0  du  liebliche,  um  deiner  Fehler 
willen,  deines  Herkommens  willen  misskannte  Kinderseele  —  welch  ein  Segen  bist  du 
für  das  Kind  Lavater"  (S.  41);  wobei  allerdings  die  misskannte  Kinderseele  einem  Be- 
trüger angehörte,  vor  dem  Lavaters  Freunde  ihn  mit  Gefahr  ihrer  Freundschaft  ver- 
geblich warnten  (S.  40),  und   der  Ausruf  des  „Kindes"  etwas   an  die  bedenklich  be- 
wusste   Naivetät  der  Bettinas   und  Walpurgas  erinnert 240u).    All   diese   Eigenschaften 
trugen  zu  Lavaters  berückender  Liebenswürdigkeit  bei  (S.  58,  99);    aber  sie  machten 
ihn    auch   gefährlich.     Hart   und    aus    der  Empfindung   eines  Bruchs  heraus  charak- 
terisiert Hegner   selbst    dies  Doppelgesicht  Lavaters.     „Ich  komme  täglich    mehr  von 
Lavater  weg,    weil   ich   zwar  viel  Witz  und  Geist,    aber   auch  nichts  als  das  an  ihm 
wahrnehme  und  [von  hieran,  bezeichnend  genug,  Geheimschrift!]    mir  hingegen  sein 
intellektueller   und   moralischer  Charakter   immer  zweideutiger  wird.     Ich   habe  den 
grossen  Mann  zu  lange  im  Schlafrock  gesehen,   um   ihn   noch   für   gross  zu  halten. 
Er  will  herrschen  und  ich  will  nicht  beherrscht  sein.     Er   ist   die  Liebenswürdigkeit 
selbst,  wenn  er  gewinnen  will,  aber  sobald  er  gewonnen  hat,  wehe  dir,  wenn  du  ver- 
trauliche Freundschaft  von   ihm    erwartest.     Die  Sprache  der  zutraulichen  Gleichheit 
erwidert  er  dir  mit  Kälte  des  Todes,  und  wenn  deine  Rede  etwas  anders  als  Schmeichelei 
und  Bewunderung   ist,    so   spricht   er   mit  jemand  anders.     Ich  könnte  ganze  Seiten 
darüber  anfüllen,  aber  ich  würde  grausam  verfolgt  werden,    wenn  es  bekannt  würde, 
und   ich  will  freundschaftlich   aus    dem  Hause  scheiden"  (S.  58).     In    der  That   liegt 
der  ganze  Gegensatz    beider  Naturen   in  jenem    einen  Satz   ausgedrückt:     „Er   will 
herrschen,    und   ich   will   nicht   beherrscht   sein".      Hegners    eigene    Beobachtungen 
(S.  64)  zeigen  seinen  „trocknen  Geradsinn  und  Blick,   der  hell  sieht,  einfach  ist,    tief 
geht"  (S.  26),  zeigen  sein  Bedürfnis  nach  Unabhängigkeit  in  jedem  Sinn.     Früh  warf 
Lavaters  „Raffinement"  (S.  43)    einen  Schatten   zwischen   sie   und  bedrohte  das  Ver- 
hältnis, das  zunächst  Lavater   als  bezaubernden  Gesellschafter  (S.  50/1),    Hegner   als 
liebenswürdigen  Improvisator  (leoninische  Verse  S.  44)  zeigt.    Als  dann  irgend  eine  Takt- 
losigkeit Lavaters  den  wirklichen  Bruch  zur  Folge  hat  (S.  55/6),  verliert  Hegner  doch 
nie  völlig  das  alte  Interesse,    obwohl  Lavaters  Tod  ihn  merkwürdig  kalt  lässt  (S.  62). 


S.  486-515.  —  238b)  B.  Brägelmann,  D.  Seeschifffahrt.  D.  v.  d.  MA.  z.  Neuzeit  überleitenden  Ereignisse,  betracht.  in  ihren 
weiter  umgestaltend.  Wirkungen.  Progr.  d.  Gymn.  Vechta  (Fauvel).  69  S.  —  2380)  G  Sodeur,  Vergleichende  Untersuch, 
d.  Staatsidee  Kants  u.  Hegels.  Diss.  Erlangen.  1893.  68  S.  (Vgl.  JBL.  1893  IV  5 :  123 )  —  239)  E.  Michaud,  La  theologie 
et  le  temps  present.  Discours.  Bern  (Francke  &  Co.).  1893.  44  S.  M.  0,90.  —  239a)  X  P.  Luther,  Briefe  an  e.  jung.  Theol. 
E.Wegweiser  für  d.  theol.  Studium.  B.,  Speyer  &  Peters.  29  S.  M.  0,50.  -  239  b)  X  Z.  Gesoh.  d.  protest.  Theol. :  HPB11.  114, 
S.  394/6.  -  239c)  X  J-  Kunze,  Z.  Gesch.  d.  neueren  Theol.:  ThLBl.  15,  S.  377-80.  —  240)  Hedwig  Waser,  J.  K.  Lavater 
nach  Ulr.  Hegners  hs.  Aufzeichn.  u.  Beitrr.  z.  nähern  Kenntn.  Lavaters     Zürich,  A.  Müller.    V,  120  S.    M.  2,50.    —    240  a)  X 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  240b-24ß 

Und  weder  die  Verschiedenheit  der  Charaktere  noch  die  Entfremdung-  hindert  ihn, 
später  über  den  früheren  Freund  billig  und  verständnisvoll  zu  urteilen;  die  Ver- 
schiedenheit fördert  ihn  darin  eher,  wie  die  Vf.  (S.  65)  bemerkt.  Wir  sehen  nach 
ihrem  Bericht  (S.  68/9)  die  wichtigen  „Beiträge  zur  nähern  Kenntnis  und  wahren 
Darstellung  Lavaters"  entstehen  und  verfolgen  ihre  Aufnahme  (S.  76/7;  „der  Ber- 
linismus war  Lavater  nie  günstig'1,  bemerkt  Hegner  zu  den  Berliner  Kecensionen). 
Der  treffliche  David  Hess  schlägt  mit  seinen  vorzüglichen  Charakteristiken  des 
Buches  (S.  80  Anm.,  S.  93)  alle  anderen  Besprechungen.  Die  Vf.  selbst  stellt,  um 
Hegners  Zuverlässigkeit  zu  prüfen  (S.  82/3),  eine  genaue  Tabelle  über  Goethes  Briefe 
an  Lavater  nach  den  Ausgaben  von  Hegner  und  Hirzel  und  der  Weimarer  auf 
(S.  85/6),  wobei  sie  auch  auf  Hegners  Verhältnis  zu  Goethe  zu  sprechen  kommt  und 
ein  merkwürdiges  Anekdoton  (S.  89)  mitteilt:  „In  seinen  alten  Tagen  mahnt  Goethe 
mich  oft  an  den  Polonius  von  Shakespeare.  Es  ist  noch  Methode  in  seiner  ver- 
rochenen  [sie]  Geistigkeit.  In  seiner  Jugend  war  er  Hamlet,  im  Alter  gravitätisch, 
steif,  wie  jener  alte  Staatsmann.  Warum?  Weil  er  sich  jung  zu  sehr  über  die 
Poloniusse  lustig  gemacht,  zur  Strafe!"  Ueberhaupt  konnte  die  Vf.  aus  ungedruckten 
Quellen  (die  sie  S.  22  Anm.  verzeichnet)  zahlreiche  interessante  Mitteilungen  geben, 
z.  B.  riegners  Urteile  über  Zimmermann  und  Lenz  (S.  23  Anm.).  Ihre  eigene  geist- 
reiche Darstellung  sticht  von  dem  vielen  Hübschen,  was  sie  uns  übermittelt,  weniger 
ab,  als  es  in  literarhistorischen  Werken  leider  so  oft  der  Fall  ist;  es  gelingen  ihr 
so  glückliche  Wendungen  wie  die,  Lavater,  der  nah  an  Herder  zu  rücken  und  von 
Klopstock  zu  entfernen  wäre  (S.  2/3),  sei  „ein  Nachahmer  Klopstocks,  aber  ein  un- 
freiwilliger Nachahmer'1;  sie  umschreibt  Goethes  Worte,  wer  den  Vf.  selber  nicht 
kenne  und  hebe,  werde  mit  Lavaters  WTerken  nichts  zu  machen  wissen:  „Das  will 
wohl,  weniger  schonend  ausgedrückt,  nicht  viel  anderes  heissen  als:  Lavaters  Per- 
sönlichkeit gelte  ihm  für  eine  stete  lebendige  Entschuldigung  seiner  Werke"  (S.  1), 
und  sie  prägt  so  allerliebste  Worte  wie  „Seelenreinlichkeit"  (S.  13).  Leider  giebt  sie 
die  durchgedachte  Ordnung,  mit  der  sie  noch  (S.  92/3)  über  Hegners  Darstellung 
Lavaters  und  deren  Fortschritt  über  ältere  Charakteristiken  (S.  94/5)  urteilt,  am 
Schluss  auf,  um  nach  der  Seitenzahl  von  Hegners  Buch  Einzelheiten  anzumerken, 
die  an  sich  allerdings  noch  immer  interessant  sind:  über  Lavaters  „Freundinnen" 
(S.  98),  seinen  Glauben  (S.  103)  und  seine  „Seelenfischerei"  (S.  105),  über  Lavater  als 
Redner  (S.  107),  seine  Lebendigkeit  (ib.),  Vielthätigkeit  und  Zeitgeiz  (S.  108),  Recht- 
haberei (S.  108),  Sorglosigkeit  in  Geldsachen  (S.  109).  Mangel  an  physischem  Mut 
(ib.),  zu  seiner  Phüosophie  (S.  113)  und  Poesie  (ib.).  Zu  der  Physiognomik  (S.  110/1) 
hat  sie  in  einigen  Punkten  von  der  Hellen  zu  berichtigen  (S.  9  Anm.).  —  Auch 
Steig2401»)  stimmt  mit  diesem  nicht  in  allen  Punkten  genau  überein  (S.  545),  indem 
er  bei  den  Raphaeltexten  annimmt,  Lavater  habe  eigene  und  Goethesche  Antworten 
in  einander  gearbeitet.  Sonst  gilt  seine  Untersuchung  dem  Verhältnis  Herders  zur 
Physiognomik:  seiner  Anzeige,  in  der  er  besondere  Beziehungen  zu  Goethe  (S.  544) 
glücklich  nachweist,  seiner  Mitarbeit  (S.  546/7)  und  seinem  Urteil  über  die  eigene 
Silhouette  in  den  „Fragmenten"  (S.  547).  — 

Aus  dem  Lavaterschen  Kreise  wird  J.  G.  Müller  von  Haug240c)  ge- 
schildert; aber  auch  der  Rationalist  J.  J.  Stolz,  über  den  Iken241)  handelt,  war  ein 
„Lavaterschüler".  —  Näher  als  er  steht  freilich  der  schwärmerischen  Art  Lavaters 
ein  Mystiker  wie  Bengel24la),  und  Mich.  Hahn,  den  Staudenmeyer242)  po- 
lemisch schildert,  ist  sogar  selbst  zu  dem  „als  reformierter  Schöngeist  und  physio- 
gnomischer  Schwärmer  bekannten  Lavater"  (wie  unser  orthodoxer  Vf.  sich  S.  53 
ausdrückt)  gepilgert,  ehe  er  sich  ganz  als  Prophet  aufthat.  Das  Buch  enthält  übrigens 
zwar  massive  Scheltworte  gegen  J.  Böhme  (S.  14)  und  das  Erzlügenbuch,  den 
Talmud  (S.  153  Anm.),  gegen  Papst  und  Swedenborg  (S.  152)  usw.,  aber  nichts,  was 
zum  Verständnis  des  schwäbischen  Separatismus  dienlich  wäre.243)  — 

Einen  orthodoxen  Zeitgenossen  der  württembergischen  Mystiker  schüdert 
Tschackert244)  in  J.  A.  Tafinger,  einen  Geistesgenossen  in  dem  berühmten  Irvin- 
gianer  H.  Thiersch  dagegen  W.  von  Pechmann245),  der  an  den  Schriften  des 
Biographen  von  F.  Thiersch,  seinem  Vater,  und  des  Gegners  von  Baur  die  hohe  Schön- 
heit der  Form  lobt  (S.  21).  — 

Jener  „Berlinismus",  der  Lavater  und  der  Schwärmerei  nicht  zugethan  war, 

Gust.  A.  Müller,  J.  K.  Lavater  als  Selbstporträtist:  FZg.  N.  22.  (Nach  neuem  Material.)  —  240b)  R  Steig,  Herders  Ver- 
hältnis zu  Lavaters  Physiogn.  Fragmenten:  Euph.  1,  S.  540-57.  —  240 0)  E.  Hang,  Aus  d.  Lavaterschen  Kreise.  I. 
J.  G.  Möller  als  Lavaterschüler  in  Zürich.  Progr.  Schaff  hausen,  (C.  Schoch).  IV,  69  S.  M.  1,60.  |[LCB1.  S.  1573;  R.  Fried- 
rich: BLU.  S.  662]|  —241)  J.  F.  Iken;,  Joh.  Jak.  Stolz:  ADB.  37,  S.  764,5.  —  241a)  E.  Nestle,  Bengel  als  Gelehrter.  E. 
Bild  für  unsere  Tage.  Mit  neuen  Mitteil,  aus  seinem  hs.  Nachl.  (Aus  „Marginalien  u.  Materialien.")  Tübingen,  Hecken- 
hauer. 143  S.  M.  3,00.  |[A.  Socin:  ThStK.  67,  S.  818,9;  C.  F.  Arnold:  ThLB.  17,  S.  1978.JI  —  242)  H.  Staudenmeyer, 
Mich.  Hahn.  Sein  Leben  u.  seine  Lehre  im  Lichte  d.  göttl.  Wortes.  Wilferdingen,  Selbstverl.  (Karlsruhe,  Reiff).  1893.  II, 
169  S.  M.  1,50.  (Vgl.  JBL.  1893  III  6:36.)  —  243)  X  H.  Gundert,  e.  sohwäb.  Gottesmann  (1814-93):  Pfairhaus  14,  S.  4.  — 
244)  P.  Tschackert,  J.  A.  Tafinger:  ADB.  37,  S.  351.  —  245)  W.  v.  Pechmann,  H.  Thiersch:  ib.  38.  S.  17-22.  —  246) 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgesohichte.    V.  (4)^0 


IV  5:247-272  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

stammt  schon  aus  der  Zeit  des  älteren  Aug.  Fr.  W.  Sack,  den  Lommatzsch246) 
ausführlich  bespricht,  und  findet  in  dem  von  Tsc  hacke rt247) gew ürdi gten  W.  A  b r.  T e  1 1  e  r 
einen  geradezu  klassischen  Vertreter.  Er  ist  auf  drei  Monate  suspendiert  worden, 
weil  er  unter  dem  Regiment  Wöllners248)  sich  für  den  Zopf -Schulz  aussprach; 
während  dieser  Zeit  ging  sein  Gehalt  an  das  Irrenhaus.  —  Nach  den  schweren  Er- 
schütterungen der  napoleonischen  Zeit249  251)  ist  diese  Richtung  dann  fast  ver- 
schwunden; an  ihrer  Stelle  finden  wir,  gerade  auch  in  Berlin,  zwei  entgegengesetzte 
Strömungen,  die  aber  beide  auf  Vertiefung  der  Religion  ausgehen:  die  orthodoxe, 
die  sie  aus  der  Tradition,  und  die  individualistische,  die  sie  aus  der  persönlichen 
Erfahrung  heraus  vertiefen  will,  dem  alten  Pietismus  verwandt,  aber  ungleich.  Ein 
paar  Hauptvertreter  der  neulutherischen  Orthodoxie  werden  uns  vorgeführt  in 
E.  W.  Hengstenberg252),  F.  Tholuck  (an  dem  freilich  Frank253)  Mangel  an 
systematischem  Talent  und  daher  an  dogmatischer  Festigkeit,  Einfluss  Schleiermachers 
und  sogar  Verwandtschaft  mit  den  Rationalisten  nachweist),  F.  H.  R.  von  Franck254-257), 
dessen  „Geschichte  und  Kritik  der  neueren  Theologie"  eben  aus  dem^Nachlass 
erschienen  ist258),  D.  R.  F.  Grau259-261),  der  aus  inniger^, Verehrung  heraus  über 
Hamann  und  Vilmar  geschrieben  hat  (s.  u.  N.  259,  S.  9  —  10).  — 

Zu  der  anderen  Linie  kommen  wir,  wenn  wir  von  Schleier  m  ach  er262"263) 
ausgehen,  dessen  Einfluss  wir  freilich  auch  bei  dem  orthodox  -  pietistischen  Tholuck 
trafen.  Eine  Auswahl  aus  seinen  Predigten,  Reden  und  Briefen  veranstaltete 
Stage264)  für  die  „Religiöse  Volksbibliothek".  —  Speciell  über  Schleiermachers 
Pädagogik  handelte  Diebow265),  während  Uhlhorn266)  über  seine  Kritik  der  bis- 
herigen Sittenlehre  schrieb.  — 

Aus  Schleiermachers  Schule  stammt  K.  L.  A.  Sy  d  o  w ,  dessen  charaktervolles  Bild 
Schwalb267)  für  die  ADB.  beisteuerte.  —  Wie  er,  hat  F.Sander,  den  ein  Verwandter 
schüdert268),  auch  am  politischen  Leben  als  massvoller  Liberaler  lebhaft  Anteil  ge- 
nommen; er  war  ein  Freund  und  Verteidiger  der  Göttinger  Sieben.  —  Noch  weiter 
links  stand  als  Politiker  Mich.  Baumgarten,  der  orthodoxe  Lutheraner,  den 
Verfolgungen  in  das  gegnerische  Lager  drängten;  Werckshag-en269)  erzählt  von 
dem  Schüler  Harms  und  Hengstenbergs  (S.  5),  von  dem  Opfer  Kliefoths,  der  in 
einem  offiziellen  Gutachten  schrieb:  „Hier  leidet  das  Wort  Luthers  eine  Anwendung: 
schämen  müssen  sich  solche,  welche  wie  Hunde  und  Säue  aus  dem  Evangelium 
nichts  entnehmen  als  eine  träge,  schädliche  und  schändliche  Freiheit  des  Fleisches" 
—  weil  Baumgarten  den  Krieg  in  Schleswig-Holstein  verteidigt  hatte !  (S.  11 ;  wie  derselbe 
Kliefoth  sich  aber  selbst  zu  Luther  stellte,  zeigt  das  Citat  S.  9 ;  Baumgartens  Stellung 
zur  Kirchenfrage  S.  20:  er  will  die  Kirche  auf  die  volksmässige  Gemeinde  aufbauen, 
etwa  wie  die  Missourier).  —  Unschuldig  und  unverdient  ward  Baumgarten  so  mit  dem 
von  Bertheau270)  geschilderten  Freund  Joh.  Gottwerth  Müllers,  J.  Thiess,  der  wie 
er  seine  Döcentenlaufbahn  in  Kiel  begonnen  hatte,  durch  das  Schicksal  der  Amts- 
entsetzung verbunden.  — 

Kirchliche  und  mannhafte  politische  Thätigkeit  verband  auch  G.  D.  Teutsch, 
der  treffliche,  vielgefeierte  Hort  des  Deutschtums  in  Siebenbürgen271).  Die  Denkschrift 
des  Vereins  für  siebenbürgische  Landeskunde272)  bemerkt,  wie  der  auch  als  Historiker 
verdiente  Theolog  sich  von  dem  gesuchten  Ton  der  Schweizergeschichte  Zschokkes 
(S.  18)  zu  Ranke,  Macaulay  und  Tacitus  (S.  47,  freilich  eine  wundersame  Trias!)  herüber- 


S.  Lommatzsch,  A.  Fr.  W.  Sack:  ib.  37,  S.  295-307.  —  247)  P.  Tschackert,  W.  Abr.  Teller:  ib.,  S.  556,8.  —  248)  X 
Fr.  Schlegelmich,  E.  kurmärk.  Pfarrhaus  in  Döberitz.  D.  Geburtsstätte  Wöllners:  Pfarrhaus  10,  S.  1203.  -  249)  X  *•  F- 
Iken,  D.  Wirksamkeit  v.  Pastor  Dulon  in  Bremen  (1848-52).  (Aus:  BremerKirchenbl.)  Bremen,  Heinsius.  IV,  48  S.  M.  0,60. 
—  250)  X  W.  Baur,  Gesch.-  u.  Lebensbilder  aus  d.  Erneuerung  d.  relig.  Lebens  in  d.  dtsch.  Befreiungskriegen.  2  Bde. 
5.  Aufl.     Hamburg,  Rauhes  Haus.     1893.     XVI,  352  S.;  III,  388  S.     M.  8,00.     |[Pfarrhaus  10,   S.  16.]|    —    251)   X   O    Natorp, 

B.  Chr.  L.  Natorp,  Oberkonsistorialrat  u.  Yicegeneralsuperintendent  zu  Münster.  Lebens-  u.  Zeitbild  aus  d.  Gesch.  d.  Nieder- 
ganges u.  d.  Wiederaufrichtung  Preussens  in   d.  1.  Hälfte   dieses   Jh.     Essen,    Baedeker.     VII,    259   S.      M.    2  40.     —   252)    X 

C.  Slage,  Charakterbilder  aus  d.  Gesch.  d.  neuen  Theol.  (N.  IV:  E.  W.  Hengstenberg.):  Zeitgeist  N.  20.  —  253)  G.  Frank, 
F.  Tholuck:  ADB.  33,  S.  55/9.  -  254)  X  0-  Buchruoker,  Z.  Gedächtn.  D.  v.  Franks:  NKZ.  5,  S.  177-82.  -  255-256)  \ 
R.  Seeberg,  Z.  Erinnerung  an  F.  H.  K.  v.  Franck:  Pfarrhaus  10,  S.  97-100.  j[ThLB.  17,  S.  198.]|  —  257;  X  Löber,  Aus 
d.  Lehen  d.  D.  v.  Franck:  NKZ.  5,  S.  353-75.  —  258)  F.  H.  R.  v.  Franck,  Gusch.  u.  Kritik  d.  neueren  Theol.,  insbes.  d. 
systemat.  seit  Schleiermacher.  Aus  d.  Nachl.  d.  Vf.  her.  v.  P.  Schaarschrnidt.  L.,  Deichert.  VI,  350  S.  M.  5,60. 
|[DEKZB.  8,  S.  53/8.]|  -  259)  X  0.  Zöckler,  D  R.  F.  Grau:  BG1.  14,  S.  317.  (Vgl.  JBL.  1893  IV  5:273;  auch  Separatabdr. 
Gütersloh,  Bertelsmann.  1893.  16  S.  Mit  Bild.  M.  0,40.)  —  260)  X  O.  8.,  R.  E.  Grau:  Qnellwasser  18,  S.  204.  —  261)  X 
C  W.  v.  K  ü  gel  gen,  R.  Grau,  e.  akad.  Zeuge  d.  luther.  Kirche.  E.  kurze  Schild,  seines  Lebens  u.  Wirkens.  München,  Beck. 
19  S.  M.  0,40.  |[A.  G.  S.  Josephson:  ThLB.  17,  8.  22.]|  —  262)  X  B.  Becker,  Schleiermacher  u.  d.  Brfidergemeine : 
MhComeniusG.  3,  S.  45-77.  —  263)  X  Todt,  Schleiermacher  als  Rätseldichter:  Pfarrhaus  10,  S.  30.  —  264)  C.  Stage, 
Schleiermacher.  E.  Ausw.  ans  seinen  Predigten,  Beden  u.  Briefen.  (=  Relig.  Volksbibl.  Her.  v.  C.  Werckshagen.  N.  5.) 
B.,  Bibliogr.  Bur.  1893.  IV,  95  S.  M.  0,50.  (Vgl.  JBL.  1893  IV  5:260.)  —  265)  P.  Diebow,  D.  Päd.  Schleierraachers  im 
Zusammenh.  mit  seiner  Philos.  u.  d  Bildungsbestrebungen  seiner  Zeit.  Diss.  Halle  a.  S.  1893.  31  S.  (Vgl.  JBL.  1893  IV 
5:4S3.)  —  266)  O.  Uhlhorn,  Schleiermachers  Entwurf  e.  Kritik  d.  bisher.  Sittenlehre.  Dargest.  u.  nach  reinen  Ergebnissen 
untersucht.  L.,  Fock.  IV,  82  8  M.  1,80.  -  267)  M.  Schwalb,  K.  L.  A.  Sydow:  ADB.  37,  S.  275/9.  —  268)  F.  Sander, 
F.  Ph.  Sander:  ib.,  S.  318;9.  —  269)  C.  Werckshagen,  Mich.  Baumgarten,  e.  theol.  Charakter  für  unsere  Zeit.  Vortr.  B., 
Wiegandt.  26  8.  M.  0,60.  —  270)  0.  Bertheau,  J.  Thiess  (1762-1810):  ADB.  38,  S.  22/6.  —  271)  X  F.  Teutsch,  Denk- 
rede auf  G.  D.  Teutsch,  her.  v.  Ver.-Ausschuss:  AVSbnbgL.  26,  S.  293-412.  -  272)  X  id>  Bischof  G.  D.  Teutsch.  Her.  v.  Aus- 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  1S./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  273-301 

steuerte,  und  wie  der  Greis  noch  die  Selbstbiographien  seiner  Freunde  Gr.Freytag,  Uerok, 
Arneth,  Ranke,  Hase  mit  warmem  Anteil  lesen  konnte  (S.  56);  ihm  selbst  hat  wohl 
ein  Sohn273)  in  der  von  ihm  viel  bereicherten  ADB.  das  Denkmal  gesetzt.274)  — 

Teutsch  führt  uns  über  zu  den  Männern  des  protestantischen  Kirch enregiments. 
Den  jüngeren  F.  S.  G.  S  a  c  k  ,  der  neben  Borowsky  zuerst  von  Friedrich  Wilhelm  III. 
mit  dem  Bischofstitel  ausgezeichnet  wurde,  charakterisiert  Lommatzsc  h275)  besonders 
nach  seinem  Verhältnis  zu  Schleiermacher,  an  dessen  Reden  über  die  Religion  er 
alles  vermisste,  was  man  bisher  für  Religion  gehalten  (S.  311),  obwohl  er  selbst  ein 
freidenkender  Mann  war  und  ein  thatkräftiger  Gegner  Wöliners  (S.  312).  In  der 
Vorbereitung  der  Union  spielte  Sack  eine  grosse  Rolle  und  geriet  auch  hier  mit 
Schleiermacher  in  Konflikt  (S.  314).  —  Die  Generalsuperintendenten  Leop. 
Schultze276"279)  und  Ludw.  Karl  Möller2*0-282)  gehörten  dagegen  der  preussischen 
Orthodoxie  an.283"284)  - 

Wichtiger  ist  für  die  Litteraturgeschichte  eine  Gruppe  berühmter  Prediger285). 
Christophorus  und  Jon.  Georg  Sucro  hat  Pröhle286"287)  neu  entdeckt.  Der  erste 
genoss  einen  grossen  Ruf  durch  seine  pietistischen  Leichenpredigten,  deren  eine  er 
einem  Vorbesitzer  von  W.  von  Humboldts  Gut  Burg-Oerner  gewidmet  hat,  während 
ein  Vorfahr  Immermanns  ihn  selbst  besang;  Johann  Georg  hat  Dankespredigten 
über  Ereignisse  des  siebenjährigen  Krieges  hinterlassen.  —  Chrph.  Chrn.  Sturm 
eröffnet  nach  Tschackert288)  die  Reihe  jener  „Natur prediger'1,  die  sich  von  dem 
religiös-dogmatischen  Gehalt  entfernten,  dagegen  der  Betrachtung  der  Natur  einen 
breiten  Spielraum  gönnten;  er  war  Hauptpastor  in  Hamburg,  wo  ja  auch  der  typische 
weltliche  Vertreter  dieser  Richtung,  Brockes,  lebte.  —  Der  dritte  Sack,  ein  Freund 
von  Niebuhr,  Eichhorn  und  besonders  Arndt,  hat  die  Freiheitskriege  als  Feldprediger 
mitgemacht;  nach  Lommatzsch289)  stand  er  als  Pädagog  unter  dem  Einfluss  seines 
Vaters,  sonst  aber  mehr  unter  dem  von  dessen  Antipoden  Schleiermacher  (S.  316).  — 
F.  Theremins  Predigten  werden,  wie  Marie  Sydow290)  bezeugt,  noch  heute  viel  gelesen; 
er  hat  auch  theoretisch  viel  über  die  „Tugend  der  Beredsamkeit1'  gedacht  und  ge- 
handelt.291"293)—Mehrere  Predigtsammlungen  und  Ausgaben  verwandter  Schriften294"296) 
sind  uns  so  wenig  wie  A.  Bitzius  nachgelassene  Predigten297)  zugegangen.  —  Sein 
Name  führt  uns  zu  den  auch  schriftstellerisch  (oder  wie  Geiz  er298"299)  literarhistorisch) 
thätigen  Theologen  über:  0.  von  Sydow,  von  dem  Mendheim300)  einen  „Tankred" 
verzeichnet,  K.  H.  Caspari301~303),  dessen  populäre  Erbauungsgeschichten  die  „Er- 
innerungsblätter an  seine  Gedenkfeier"  analysieren,  endlich  journalistisch  thätige 
Geistliche,  wie  Schlosser304)  und  Schrempf305  306).  — 

Die  historische  Richtung  der  Theologie  feiert  Pfleiderer307)  in  einer 
fast  nur  F.  Ch.  Baur308)  geltenden  Rektoratsrede.  —  Von  ihr  gingen  zwei  Ströme  aus:  der 
radikale,  den  F.  D.  Strauss  vertritt309-313),  und  der  vermittelnde  Hases314"315).  — 
Der  einflussreiche  Abt  von  Riddagshausen,  H.  Thiele-,  war  nach  Zimmermann316)  be- 
sonders von  Hase  beeinflusst.  —  Auch  Thiele  ist,  wie  Tschackert317)  ausführt,  eine 


schösse  d.  VSbnbgL.  Hermannstadt,  Krafft.  71  S.  M.  0,80.  —  273)  id.,  G.  D.  Teutsch:  ADB.  37,  S.  613-28.  -  274)  X  G. 
D.  Teutsch,  Predigten  u.  Reden.  Her.  v.  F.  Teutsch.  L.,  Breitkopf  &  Härtel.  VIII,  304  S.  M.  6,00.  j[H.  Riemann:  DLZ. 
S.  1380/1;  LCB1.  S.  1585/6.JI  —  275)  S.  Lommatzsch,  F.  S.  G.  Sack:  ADB.  37,  S.  307-15.  —  276)  X  W.  Baur,  Lebensbild 
d.  weil.  1.  Generalsup.  d.  Prov.  Sachsen  L.  Schultze.  Magdeburg,  Baensch.  55  S.  M.  1,20.  —  277)  X  ß-  Kögel,  Leopold 
Schultze:  Quellwasser  18,  S.  316.  (Nachruf.)  —  278)  X  Rathmann,  Z.  Erinn.  an  d.  Generalsuperint.  Leop.  Schultze  (1827—93): 
Pfarrhaus  lu,  S.  38-41.  —  279)  X  W.  Baur,  Leopold  Schultze  ^1827 -93):  KM.  13,  S.  353-92.  -  280)  X  Ludwig  Karl  Möller  : 
Pfarrhaus  10,  S.  56/8.  (Generalsuperint.  v.  Sachsen,  1816-93.)  281)  XThs°hott,  Generalsuperint.  L.  K.  Möller:  DEB11.  19, 
S.  46-59.  —  282)  X  z-  Gedächtn.  an  L.  K  Möller.  Rede.  Magdeburg,  Heinrichshof en.  15  S.  M.  0,30  —  283)  X  B-  Fromm el, 
Z.  Erinn.  an  W.  Fr.  Gess:  NChristoterpe.  S.  1/5.  —  284)  X  &  Gedächtn.  d.  Herrn  W.  Rogge,  Generalsuperint.  Altenburg, 
(Bonde).  22  S.  M.  0,60.  —  285)  X  D-  Predigt  d.  Kirche.  Klassikerbibl.  d.  christl.  Predigtlitt.  Mit  einleit.  Monographien. 
Her.  v.  G.  Leonhardi,  Bd.  24/7.  L.,  F.Richter.  XLII,  110  S.;  XXIII,  154  S.;  LV1,  128  S.;  XXXI,  149  S.  ä  M.  1,60.  (Enthält 
Predigten  v.  Joh.  Brenz,  Massillon,  Joh.  Arndt,  Joh.  Hus.)  —  286)  (III  5;81.)  —  287)  (UI  5:83.)  -  288)  P.  Tschackert, 
Chr.  Chrn.  Sturm;  ADB.  37,  S.  4/5.  —  289)  B.  Lommatzsch,  F.  F.  A.  Sack:  ib.,  S.  315/9.  —  290)  Marie  Sydow, 
F.  Theremin:  ib.  S.  724/7.  —  291)  X  Alls  d-  Werkstatt  e.  berühmten  Predigers:  Pfarrhaus  10,  S.  23/4.  (F.  V.  Reinhard.)  — 
292)  X  P.  Müllensiefen,  Prediger  J.  Müllensiefen:  DEB11.  19,  S.  158-75.  —  293)  X  G-  Menken,  Schriften,  7  Bde.  N. 
(Titel- )Ausg.  Bremen,  E.  C.  Müller.  514,  434,  483,  512,  472,  411,  338  S.  M.  14,60.  -  294)  X  O.  Funcke,  Ges.  Schriften. 
Volksausg.  52.  -  69.  (Schluss-)Lfg.  (=16.  Bd.,  S.  33-299;  17-20  Bd.  225;  312;  283  S.)  ebda,  ä  Lfg.  M.  0,40.  |[ThLB.  17,  S.  185/8.JI 
—  295)  X  Ad.  Strecker,  Ges.  Predigten.  BilligeAusg.  l.Lfg.  B.,Buchh.d.Stadtmission.  S.l-48.  aM.0,30.  |[ThLB.  17,  S.  201/2  J|  — 
296)  X  H.  Kieser,  Evangelisches  u.  Vaterländisches  aus  d.  Wartburgstadt.  E.  Samml.  v.  Reden,  Predigten  u.  Vortrr.  Jena, 
Mauke.  VL  231  S.  M.  2,80.  |[B.  Kühn:  ThLZ.  19,  S.  522/3.]|  —  297)  X  A-  Bitzius,  Predigten.  3.  u.  5.  Bd.  aus  d.  Nachl. 
her.  Bern,  Schmid,  Franke  &  Cie.  VIII,  395  S.;  VII,  392  S.  ä  M.  3,50.  |[D.  Haus:  ThLZ.  19,  S.  352/4.JI  —  298)  X  *• 
Curtius,  H.  Geizer.  Gotha,  Perthes.  57  S.  M.  1,00  ||ThLB.  17,  S.  220/1  .J |  —  299)  X  H.  Geizer,  Z.  6.  Nov.  1894: 
DWB1.  7.  S.  530,2.  —  300)  M.  Mendheim,  F.  B.  O.  v.  Sydow:  ADB.  37,  S.  281/2.  —  301)  X  K.  Caspari,  E.  Lebensbild. 
Erinnerungsbll.  an  seine  Gedenkfeier  zu  Sommerhausen  i.  Fr.  am  10.  Juni.  St.,  Steinkopf.  70  S.  Mit  1  Abbild,  u.  1  Facs. 
M.  0,60.  —  302)  X  ß-  B-.  K.  H.  Caspari:  ThLBl.  15,  S.  478/9.  —  303)  X  W.  Busch,  K.  H.  Caspari:  ib.  17,  S.  197.  — 
304)  X  H.  Funck,  Schlossers  Cirkularkorrespondenz:  ZGORh.  9,  S.  325/6.  —  305)  X  «Die  Wahrheit"?:  AELKZ.  26,  S.  1112,3. 
(Ref  über  Chrph.  Schrempfs  Zeitschr.)  -  306)  X  E.  L.,  D.  Kirchenzeitung  vor  25  J.:  ib.  S.  959-68.  —  307)  (I  1:4.)  — 
308)  X  F-  Sander,  F.  Lücke  u.  F.  Ch.  Baur:  ThStK.  67,  S.  782-91.  —  309-310)  X  C.  Stage,  Charakterbilder  aus  d.  Gesch. 
d.  neueren  Theol.  (N.  III:  D.  F.  Strauss):  Zeitgeist  N.  19.  —  311)  X  E.  Kandidatenpredigt  v.  D.  F.  Strauss:  DPB1.  27,  S.  281/2.  — 
312)  X  *i  D-  Strauss  u.  Just.  Kerner:  ib.  S.  44.  —  313)  X  3-  T-  Beck,  D.  neue  u.  d.  alte  Glaube.  Rede.  N.  Abdr.  Gütersloh, 
Bertelsmann.  1893.  23  S.  M.  0,40.  —  314)  X  K.  ▼•  Hase<  Werke  (JBL.  1892  IV  le:  266;  5:  118-22;  1893  11  1  :  24):  WIDM.  75, 
S.  143.  -   315)  X  D-  Humor  in  Hases  Kirchengesch.:  DPB1. 27,  S.  76.  —  316)  P.  Zimmermann,  H.  Thiele:  ADB.  37,  S.  750 4. 

(4)20* 


IV  5:317-342  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderte. 

vermittelnde,  eklektische  Natur.  —  In  die  Vorgeschichte  jener  historischen  Richtung', 
zu  der  Kirch engeschichte  älteren  Stils,  führt  der  Name  von  K.  L.  Tetsch,  der  eine  kur- 
ländische  Kirchengeschichte  schrieb318),  und  noch  J.  Thilo 3I9)  scheint  mit  diesen  älteren 
Meistern  die  Entfernung  von  „den  brennenden  Tagesfragen"  zu  teilen  (S.  40).  — 

Nach  Schleiermacher,  nach  Baur  hat  als  dritter  A.  Ritschi  wirkungsvoll  in  die 
Entwicklung  der  neueren  protestantischen  Theologie  eingegriffen.  Vielfache  Unter- 
suchungen320), Darstellungen321"322),  Würdigungen323),  Bekämpfungen  zeugen  von  ihrer 
Bedeutung.  Aus  Glages324)  Streitschrift  haben  wir  nur  die  Auseinandersetzungen 
über  Ritschis  Verhältnis  zu  Leasings  „Erziehung  des  Menschengeschlechts"  (S.  45) 
und  über  die  Methode  seiner  Geschichtsforschung  (S.  46/7)  herauszuheben.  —  Eine 
Anzahl  von  Aufsätzen  Ritschis  hat  sein  Sohn  zu  einer  wertvollen  Sammlung  vereinigt325). 
Ungedruckt  war  davon  nur  der  scharf  polemische  „Herr  Dr.  Hengsten berg  und  die 
Union",  der  nach  sorgfältiger  Darlegung  der  Politik  des  berühmten  orthodoxen  Kirchen- 
fürsten mit  den  Worten  schliesst:  „Das  sind  die  Mittel,  mit  welchen  Dr.  Hengstenberg 
damals  den  Unionszweck  und  die  bestehende  Union  nicht  offen  und  ehrlich  bekämpfte, 
wie  es  andere  thaten,  sondern  unter  dem  Schein,  diese  Gegner  abzuwehren,  an  diese 
verraten  hat."  Die  anderen  Aufsätze  fallen  teils  zeitlich  nicht  in  das  Gebiet  unseres 
Referats  (wie  die  über  die  Entstehung  der  lutherischen  Kirche,  S.  170  und  S.  218), 
teils  behandeln  sie  streng  theologische  Fachfragen  (über  den  gegenwärtigen  Stand 
der  Kritik  der  synoptischen  Evangelien  S.  1;  die  Begründung  des  Kirchenrechtes 
im  evangelischen  Begriff  von  der  Kirche  S.  100)  oder  beides  trifft  zusammen  (über 
die  Begriffe:  sichtbare  und  unsichtbare  Kirche,  S.  68,  mit  ausführlicher  Analyse  der 
Lehrmeinungen,  besonders  Melanchthons  und  Zwingiis.)  Auch  der. bedeutende  Auf- 
satz über  die  Methode  der  älteren  Dogmengeschichte  (S.  147)  schliesst  an  eine  Be- 
sprechung des  „Grundrisses"  von  Nitzsch  mehr  eine  theoretische  Auseinandersetzung 
über  Gliederung  und  Ordnung  dieser  Disziplin  als  eine  Kritik  ihrer  Vertreter  in 
unserem  Jh.,  die  allerdings  (S.  167)  gestreift  werden.  Sehr  interessant  ist  dagegen 
auch  für  weitere  Kreise  der  letzte  Beitrag,  über  die  beiden  Prinzipien  des  Protestantismus 
(S.  234):  der  Nachweis,  wie  jung  die  hergebrachte  scharfe  Formulierung  dieser  beiden 
Prinzipien  ist,  die  wir  nun  schon  für  alt  angestammt  hielten  (und  gegen  die  Lagarde 
so  leidenschaftlich  anfocht),  hat  methodologische  Wichtigkeit  auch  für  andere  Lehrfächer: 
man  sieht,  wie  das  Bedürfnis  nach  scharfer  Aufteilung  überall  die  Thatsachen  ver- 
gewaltigt. —  Der  Siegeszug  der  Ritschlschen  Schule326)  hat  selbst  den  alten  Hauptsitz 
Hases  und  seiner  Anhänger327"328)  erreicht.  —  Während  dessen  aber  macht  sich  bereits 
innerhalb  der  protestantischen  Kirche  Deutschlands  eine  neue,  vierte  Hauptströmung 
geltend329):  die  christlich-sociale  Bewegung,  die  weder  in  die  persönliche  Glaubens- 
thätigkeit,  wie  Schleiermacher,  noch  in  das  objektive  Dogma,  wie  die  Orthodoxie,  noch 
in  die  historische  Durcharbeitung,  wie  Baur,  das  Schwergewicht  legt,  die  es  vielmehr 
in  der  Wiedererweckung'  der  Caritas  findet330"332).  Daneben  fehlt  es  natürlich  auch 
heute  nicht  an  mancherlei  Individualitäten  und  Schattierungen  ausserhalb  der 
Schulen.333"336)  —  Beyschlags 337)  Wirkung  geht  bis  nach  England  herüber.  — 

Aus  der  reformierten  Theologie  gab  Dechent338)  das  Lebensbild  von  K.  J. 
Sudhoff.  —  Pfarrer  Kr  äfft,  von  dem  Hänchen339)  erzählt,  war  mit  K.  von  Raumer 
und  Kanne  (S.  81)  befreundet.  — 

Von  einer  einigen  christlich-deutschen  Kirche,  wie  Weddigen340)  sie  fordert, 
einer  „dogmenfreien  Kirche,  in  der  sich  die  scheinbar  unüberbrückbaren  Gegen- 
sätze von  Katholizismus  und  Protestantismus  zu  innerer,  reiner  Harmonie  auflösen" 
(S.  23),    sind   wir  doch  wohl  noch  recht  weit  entfernt341"342),  weiter  vielleicht,    als  in 

—  317)  P.  Tschackert,  K.  G.  W.  Theile:  ib.  S.  672/3.  -  318)  X  V.  Diederichs,  K.  L.  Tetsch:  ib.  S.  592,3.  —  319)  X 
P.  Tsohackert,  Joh.  Thilo:  ib.  38,  S.  40/2.  —  320)  X  H.  Schoen,  Les  origines  hist.  de  la  theol.  de  Ritschi. 
1893.  158  S.  |[G.  Knauer:  ThLBl.  15,  S.  102/4;  M.  Vern.es:  RCr.  37,  S.  119-20.]  —  321)  X  *•  Mielke,  D.  System 
A.  Ritschis  dargest.,  nicht  kritisiert.  Bonn,  Marcus.  60  S.  M.  1,20.  —  322)  X  Th.  Granderath,  Religion  u.  Christentum 
nach  Ritschi:  StML.  46,  S.  145-56,  254-68.  —323)  X  K-  w-  Feyerabend,  D.  Bedeut.  d.  Theol.  v.  A.  Ritschi  f&r  d.  Gegenw. 
(=   Mitteilungen  u.  Nachrichten  d.  evang.  Kirche    in  Russland.)     Riga,    Uoerschelmann.     24  S.     M.  0,20.     |[ThLB.  17,  S.  199.)| 

—  324)  M.  Glage,  D.  Grundfehler  d.  Kitschischen  Theol.  l.T.  Kritikversuch  aus  d.  formalen  Principien  d.  Ritschlschen  Theol. 
Kiel,  Eckardt.  1893.  65  S.  M.  1,20.  —  325)  A.  Ritschi,  Ges.  Aufsätze.  Freiburg  i.  B.  u.  L.,  J.  C.  B.  Mohr.  1893.  VI,  247  S. 
M.  8,00.  |[K.  Sallmann:  BLU.  S.  155/6;  H.  H.  Wendt:  ThLZ.  19,  S.  345/6;  H.  Holtzmann:  DLZ.  S.  483,4.] |  -  326)  X 
D.  Eroberung  d.  theol.  Fakultäten  durch  d.  Ritschlsche  Schule:  AELKZ.  26,  S.  1225/8.  —  327)  X  Ecke,  R.  M.  Lipsius: 
KM.  13,  S.  798-817.  —  328)  X  G.  Richter  u.  Nippold,  R.  A.  Lipsius  (JBL.  1893  IV  5  :  268):  ThLBl.  15,  S.  584/5.  —  329)  X 
Kirchenideale  d.  Gegenw.:  DPB1.  27,  S.  2/6.  —  330)  X  Ch.  Correvon,  Lettre  d'Allemagne.  Le  pasteur  Naumann:  RChr.  2, 
S.  457  8.  —  331)  X  la-i  Lettre  d'Allemagne.  Mr.  Schenk  ä  Frankfurt.  Un  auto-plaidoyer  de  M.  Naumann:  ib.  1,  S.  313/5.  — 
332)  X  id-,  Le  mouvement  sooialiste-chretien  en  Allemagne:  ib.  S.  210,7.  —  333)  X  (IV  lc  :  84.)  334)  X  D.  Erdmann, 
Z.  Gedächtn.  Chr.  H.  Schmidts  in  Breslau:  Pfarrhaus  10,  S.  81/7.  —  335)  X  G-  Weitprecht,  Herrn.  Schmidt  (Breslau): 
NKZ.  S.  510-34.  —  336)  X  E-  Schreck,  Christfr.  A.  Thilo:  DB11EU.  21,  S.  216.  —  337)  X  W.  Beyschlag,  New  Testament. 
Theology.  Teaching  of  Jesus  and  primitive  christianity.  2  vol.  London,  Simpkin.  Sh.  18.  —  338)  H.  Dechent,  K.  J.  Sud- 
hoff:  ADB.  37,  S.  127/9.  —  339)  Ph.  E.  Haenohen,  Kurze  Gesch.  d.  deutsch-reformierten  Gemeinde  Erlangen.  Erlangen, 
Junge.  1893.  108  S.  M.  1,20.  —  340)  O.  Weddigen,  E.  einiges  Christentum  u.  eine  einige  christl.  dtsch.  Kirche.  B., 
Rüger.  1893.  32  S.  M.  1,00.  —  341)  X  (F.  Pesch],  Christ  od.  Antichrist.  Beitrr.  z.  Abwehr  geg.  Angriffe  auf  d.  relig. 
Wahrheit  v.  Gottlieb.  2.  Bd.  D.  Krach  v.  Wittenberg.  Blicke  auf  d.  relig.  Wirren  d.  Gegenw.  2.  Ausg.  B.,  Germania.  686  S. 
M.  4,50.  —  342)  X  M-  Weitbrecht,  Angriff  u.  Abwehr.    Z.  Gesch.  d.  konfess.  Polemik  im  19.  Jh.    4.    D.  Schwesterkirche. 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  TV  5  :  ais-syi 

den  Tagen,  in  denen  Franz  Ludwig"  von  Bamberg343-344)  die  deutsche  Kirchen- 
verfassung gegen  Rom  und  den  Kaiser  verteidigte,  oder  als  Dominicus,  Dalbergs 
Freund,  mit  Goethe,  Fichte,  den  Humboldts  (S.  11)  befreundet  war.  Pick345)  giebt 
auch  aus  einem  Brief  Dalbergs  an  den  Plessing  der  „Harzreise"  eine  interessante 
Selbstcharakteristik  mit:  „Mehr  tugendfreund  als  tugendhaft;  zu  schwach,  um  Stütze 
der  Rechtschaffenen  zu  sein,  bestrebe  ich  mich  das  wenige  Gute  zu  thun  und  anderen 
zu  erweisen,  das  mir  Dinge  und  Umstände  erlauben"  (S.  10).  Er  zeigt  uns,  wie 
Schillers  Antrittsvorlesung  auf  den  Erfurter  Professor  wirkte  (S.  12/3),  und  weist  uns 
in  dessen  Verkehr  späterhin  Arndt  und  Schenkendorf  nach  (S.  36).  —  Fr.  von 
Schreiber,  der  Erzbischof  von  Bamberg,  auf  den  Pfister346)  eine  Lobschrift  verfasste, 
hat  selbst  gedichtet,  die  mitgeteilten  Proben  sind  aber  durchaus  unbedeutend.  — 
Ein  besserer  Dichter  war  der  Tiroler  Benediktiner  J.  Thaler,  über  den  Lier347) 
berichtet.348"349)  — 

Eine  Reihe  gelehrter  katholischer  Theologen  bildet  denSchluss  dieserGruppe: 
J.A.Möhler,  Hases  berühmter  Gegner,  über  denFriedrich350)schrieb,Aug.Theiner, 
dessen  Schicksale  von  Schulte351)  schilderte,  und  F.  Hetting-er352),  der  mit  Hergen- 
roether  zusammen  bei  der  Vorbereitung  des  Vatikanischen  Konzils  thätig*  war.  Dieser 
Prälat  und  Würzburger  Professor  hat  zwei  starke  Bände  von  Reisebildern  hinterlassen, 
die  für  die  Stellung  des  Ultramontanismus  zu  unserer  klassischen  Litteratur  und  zu 
der  protestantischen  Bildung  nur  zu  bezeichnend  sind.  Wenn  er  (2,  S.  385)  von  „den 
bekannten  Schmutzgedichten"  spricht,  „in  denen  sich  einige  der  Heroen  unserer 
klassischen  Litteratur  einst  zu  überbieten  gesucht  hatten",  so  wundert  man  sich  nicht, 
ihn  an  anderer  Stelle,  wo  er  über  die  deutsche  Litteratur  der  Gegenwart  spricht,  klag'en 
zu  hören:  „Eine  rohe  pöbelhafte  Sprache  hält  man  für  Geradheit  und  Entschiedenheit" 
(2,  S.  442).  WTer  erklärt,  der  Professor  der  Theologie  Steinmeyer  habe  „in  einem 
besonders  schamlosen  Augenblick"  sich  nicht  „entblödet",  einen  nationalen  Klerus 
nach  dem  Muster  des  russischen  zu  fordern  (1,  S.  23),  der  hat  schwerlich  Recht,  un- 
aufhörlich über  die  Angriffe  gegen  den  katholischen  Klerus  zu  klagen  und  selbst  für 
den  Reiniger  des  Salzburger  Landes,  Firmian  (2,  S.  28),  Indemnität  zu  fordern.  Wer 
die  Goetheschen  Frauenbilder  „mit  ihrer  koketten  Geistreichthuerei  und  verbuhlten 
Gottlosigkeit"  (2,  S.  351)  verwirft,  würde  natürlich  einem  Auerbach  (2,  S.  429)  oder 
gar  einem  Heine  (2,  S.  431)  erst  recht  nicht  gerecht  werden  können,  auch  wenn  nicht 
seine  Abneigung  gegen  das  Judentum  (2,  S.  121/2^  596  usw.)  mitspräche.  Dass  er 
von  Bunsens  „Lügensystem"  (1,  S.  13)  spricht,  finden  wir  verzeihlich,  kaum  aber, 
wie  er  (2,  S.  387/8)  eine  satirische  Schilderung  von  protestantischer  Kirche  und  Predigt 
als  typisches  Bild  giebt  oder  gar  (2,  S.  402)  den  Protestanten  einfach  das  Beten  ab- 
spricht. Und  dabei  rühmt  er  es  wiederholt,  dass  in  katholischen  Ländern  jeder 
protestantische  Geistliche  gegrüsst  werde.  Er  ist  auch  sonst  in  vielen  Dingen  ganz 
liberal:  über  Frauenbildung  spricht  er  (2,  S.  298)  freier  als  viele  Erzliberalen,  über 
die  Reform  des  Kirchengesangs  (2,  S.  322/3)  toleranter  als  Riehl;  aber  für  die 
protestantische  Theologie  und  ihre  inneren  Kämpfe  hat  er  (2,  S.  67)  nur  bitteren  Hohn, 
und  von  Eduard  von  Hartmann  entwirft  er  (2,  S.  195)  eine  die  Grenzen  der  Wahr- 
haftigkeit überspringende  Karikatur.  Mit  Anteil  schildert  er  dagegen  Beda  Weber, 
den  „Kapuziner  der  Paulskirche"  (2,  S.  104,  144)  und  andere  Tiroler  Celebritäten 
(2,  S.  256);  nur  Fallmerayer  (2,  S.  106)  ist  ihm  nicht  sympathisch.  Ausführlicherzählt 
er  (2,  S.  404/5)  von  Alban  Stolz,  dem  vortrefflichen  katholischen  Volkspredig^er,  wie 
er  vor  den  „Schreibern"  flieht,  d.  h.  der  liberalen  Presse  (der  2,  S.  42/3  ihre  Sprach- 
sünden vorgehalten  werden),  wie  sein  Humor  beschaffen  war  —  der  natürlich  bei  dieser 
Gelegenheit  (wie  von  Lagarde)  allen  Juden  ausser  dem  Propheten  Elia  (2,  S.  431) 
abgesprochen  wird.  Aber  wenn  es  Humor  war,  als  der  hl.  Laurentius  auf  dem  Roste 
zu  seinen  Peinigern  sprach:  „Nun  ist  der  Braten  fertig,  nehmet  und  esset"  (ib.),  so 
sehe  ich  nicht,  wie  man  vielen  Worten  Heines  auf  seinem  Marterbett  dies  Prädikat 
versagen  will.  Ich  weise  noch  auf  Hettingers  puristische  Lehre  über  christliche  Kunst 
(1,  S.  343/4;  2,  S.  473/4)  hin  und  hebe  einen  Ausspruch  hervor,  den  Savigny  (1,  S.  372) 
zu  ihm  that:  „Sie  wissen  nicht,  wie  leichtsinnig  die  Diplomaten  ihr  Handwerk  treiben"; 
auf  den  „geriebenen  Cavour"  (1,  S.  353)  passt  dies  Wort  des  preussischen  Ministers 
freilich  nicht.  Die  Einleitung  giebt  ein  ganz  gutes  Bild  der  um  1830  allgemein 
herrschenden  Meinungen  über  Hegel,  Baader,  Fichte  usw.  (S.  5  ff .) ;  das  Ganze  gewährt, 


(=  Flugschrr.  d.  Evang.  Bundes  Heft  901  [8.  Reihe,  N.  6/7].)  L.,  Braun.  27  S.  M.  0,20.  —  343-344)  X  Fr.  Leitschuh, 
Fr.  L.  v.  Erthal,  Fürstbisch,  v.  Bamberg  u.  Wür/.hnrg,  Herz.  v.  Franken.  E.  Charakterbild,  nach  d.  Quellen  bearb.  Bamberg, 
Buchner.  IV.  256  •*.  Mit  10  Vollbild.  M.  3,00.  |[A.  Ehrhard:  LRs.  20,  S.  199-200;  G.  Bossert:  ThLBl.  15,  S.  309-10.]| 
—  345)  (IV  la:32.)  |[BLU.  S  479.JI  —  346)  M.  Pfister,  Fr.  v.  Schreiber.  Bamberg,  Franke.  1893.  57  S.  M.  0,50.  — 
347)  H.  A.  Lier,  Jos.  Thaler:  ADB.  37,  S.  64">.  —  348)  X  P-  Beck,  M.  Thoman:  ib.38,S.  66  7.  (Kath.  Missionar  1722-1805.) 
-  349)  X  K-  Zehrt,  Eichsfeldische  Kirchengesch.  d.  19.  Jh.:  StLM.  46,  S.  565.  —  350)  J.  Friedrich,  J.  A.  Möhler,  d. 
Symboliker.  E.  Beitr.  zu  sein  Leben  u.  sein.  Lehre  aus  seinen  eigenen  u.  anderen  ungedr.  Papieren  München,  Beck.  V,  139  S. 
M.  2,00.  —  351)  A.  v.  Schulte,  Aug.  Theiner:  ADB.  37,  S.  6747.   -  352)  F.  Hettinger,  Aus  Welt  u.  Kirche.  1.  Bd.:  Rom 


IV  5:353-356  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

fürchte  ich,  ein  gutes  Bild  der  in  bestimmten  Kreisen  jetzt  über  alles,  was  nicht  ultra- 
montan ist,  herrschenden  Meinungen.  — 

Ein  Gedenkblatt  für  einen  jüdischen  Theologen,  den  Rabbiner  Mich. 
Sachs,  der  1848  den  jüdischen  Märzgefallenen  die  Totenpredigt  hielt,  schrieb 
Schüs  sler353).  — 

Haben  wir  bei  den  Theologen  schon  oft  die  Geschichte  gestreift,  so  begegnet 
uns  auf  der  anderen  Seite,  wenn  wir  zu  den  Historikern  übergehen,  in  N  i  e  b  u  h  r 
ein  Mann  von  tiefstem  religiösen  Ernst  und  fast  priesterlicher  Haltung.  Die  Briefe, 
die  aus  seinem  Nachlass  veröffentlicht  werden354),  zeigen  fast  durchweg  in  typischer 
Weise  die  moralische  Hypochondrie  unserer  besten  Gelehrten.  Boeckh  schreibt,  seit 
den  Freiheitskriegen  sei  ein  ganz  erbärmliches  Brotstudium  eingerissen  (S.  3),  und 
erklärt  die  Berliner  Akademie  der  Wissenschaften  für  eine  Leiche,  die  auch  Hufelands 
Magnetismus  nicht  aufwecken  werde  (S.  2);  Schelling  klagt  (S.  23)  über  die  Akademien 
in  ganz  Deutschland:  „Wir  finden  in  ihnen  selten  oder  gar  nicht  den  Geist  der 
Nation,  sondern  eher  einen  Lokal-  oder  sonst  auf  andere  Art  beschränkten  Geist. 
Vielleicht  wäre  auch  bei  der  Verfassung  Deutschlands  überhaupt  diejenige  Akademie 
die  beste,  welche  nicht  an  einem  Orte  beisammen,  sondern  ihre  Mitglieder  durch 
das  ganze  gemeinsame  Vaterland  zerstreut  hätte";  und  mitten  aus  dem  Krieg  heraus, 
nach  der  Katzbach  schreibt  Eichhorn355):  „Mein  Aufenthalt  ist  reich  an  grossen  Er- 
fahrungen und  durch  die  Teilnahme  und  das  Gefühl  einer  gewonnenen  Schlacht,  das 
in  einer  allgemeinen  Begeisterung  des  Heeres  sich  aussprach,  nicht  ohne  grossen 
Genuss  gewesen.  Seh  ich  aber  auf  die  Selbstsucht  und  das  Zurückziehen  eines  von 
dem  anderen  um  kleinlicher  Rücksichten  des  Ranges  und  Standes- willen,  auf  den 
gänzlichen  Mangel  an  Kameradschaftlichkeit,  so  wandelt  mich  ein  Fieberfrost  an. 
Die  allgemeine  Not  macht  uns  alle,  die  für  die  gute  Sache  streiten,  zu  Brüdern,  die 
Freude,  die  ohnehin  für  Liebe  und  Neigung  so  empfänglich  macht,  vollends  aber 
errungene  Vorteile  für  eine  Sache,  die  jeden  als  die  höchste  angehen  soll,  muss, 
denkt  man,  überall  Hand  in  Hand  und  Brust  an  Brust  legen;  und  von  all  diesem 
keine  Spur"  (S.  10).  Stolberg  klagt  1819  über  die  zügellose  Licenz,  vorzüglich  in 
Zeitungen  (S.  34).  Melancholisch  berichtet  auch  Boeckh  über  das  Corpus  Inscriptionum 
Graecarum  (S.  4),  W.  von  Humboldt  (S.  17)  über  seine  eigene  Arbeitsart:  „Ich  gehöre 
weder  zu  denen,  die  schnell  arbeiten,  noch  zu  denen,  bei  welchen  sich  leicht  etwas 
in  kleinem  und  doch  gehaltvollem  Umfang  gestaltet";  doch  tadelt  er  auch  an  Niebuhrs 
Werke  (S.  19)  freimütig  die  Form  und  fühlt  seine  eigene  Bedeutung',  wenn  er  (S.  14) 
schreibt:  „Es  ist  seit  mehr  als  20  Jahren  eine  meiner  Lieblingsideen  gewesen,  dem 
vergleichenden  Sprachstudium,  das  bisher  auf  eine  höchst  oberflächliche,  unphilosophische 
und  verkehrte  Art  behandelt  worden  ist,  eine  bessere  Gestalt  zu  geben."  Sehr 
interessant  ist  Schleiermachers  Bericht  über  F.  G.  Jacobi  (S.  26  ff.):  „Jacobis  Tod  wird 
Sie  auch  bewegt  haben,  wie  er  mir  immer  noch  im  Gemüte  liegt.  Es  ist  mir  nun 
doppelt  erfreulich,  dass  ich  noch  im  vorigen  Jahre  seine  Bekanntschaft  machen 
konnte.  Solche  durchaus  edle  und  schöne  Naturen  sind  leider  selten  genug;  ja  ich 
kann  ehrlich  sagen:  auch  Schwächen,  die  sonst  selbst  Freunde  und  Verehrer  von 
ihm  zugestanden,  sind  mir  nicht  sichtbar  g-eworden,  ohnerachtet  die  Gelegenheit 
dazu  nicht  fehlte.  Das  mildernde  Alter  muss  sie  hinweggenommen  haben.  Mir  ist 
ein  vollkommen  reiner  Eindruck  von  dem  herrlichen  Manne  geblieben,  und  auch  das 
befriedigende  Gefühl,  dass  er  mich  persönlich  lieb  gewonnen  hat.  Mich  betrübt  aber, 
dass  er  nun  eines  so  zufälligen  Todes  gestorben  ist.  Ist  man  erst  so  alt  geworden, 
so  scheint  mir  auch  billig,  dass  man  an  der  reinen  Notwendigkeit  der  erschöpften 
Lebenskraft  sterbe.  Mir  war  der  Gedanke  gekommen  und  ziemlich  fest  geworden, 
ihm  meine  Dogmatik,  an  der  ich  jetzt  schreibe,  zuzueignen,  dadurch  unserem  Ver- 
hältnis ein  kleines  Denkmal  zu  setzen  und  zugleich  nach  meinem  Vermögen  Jacobis 
eigentliches  Verhältnis  zum  Christentum  ins  Licht  zu  stellen.  Ich  will  nicht  wünschen, 
dass  dieser  gescheiterte  Entwurf  ein  böses  .Vorzeichen  werde  für  das  Werk  selbst, 
Wie  wird  es  nun  mit  der  unvollendeten  Ausgabe  von  Jacobis  Werken  werden? 
wahrscheinlich  wird  Rot  sie  übernehmen  und  dadurch  ihre  Freundschaft  verewigen. 
Bald  ist  nun  jenes  Geschlecht  auch  ganz  ausgestorben  —  sehen  wir  ein  neues  heran- 
wachsen zum  Ersatz?  Für  die  Gelehrsamkeit  ist  mir  nicht  bange,  aber  die  Philosophie 
und  die  Poesie  scheinen  wenig  ausgezeichnete  Jünger  unter  den  Jüngeren  zu  haben. 
Darum  pflegen  Sie  nur  desto  mehr  die  bildende  Kunst  der  Deutschen  in  Rom  und 
sehen,  dass  sie  nicht  ganz  den  freien  protestantischen  Boden  verlasse."  Nicht  minder 
tolerant  schreibt  Stolberg  über  einen  Freund  seiner  Anschauungen,  wenn  er  rühmt: 
„Keine  mir  bekannte  Uebersetzung  ist  auch  nur  von  fern  mit  der  Lutherschen  an 


u.  Italien;  2.  Bd.:  Deutschland  u.  Frankreich.  3.  Aufl.  Freiburg  i.  B.,  Herder.  1893.  VIII,  711  S.  M.  7,00.  —  353)  M. 
SchQssler,  Mich.  Sachs:  ÜL&M.  71,  8.  108.  —  354)  Mitteil,  aus  d.  Litt.-Arch.  in  Berlin.  Briefe  aus  B.  G.  Niebuhrs  Nachl.  1. 
B.  Litt.-Arch.-Ges.     1893.     41  8.     (Nicht  im  Handel.)  —  355)  X  D.,  Niebuhr  als  Landsturramann:  Bär  20,  8.  398.  -  356)  B. 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5:357-367 

Kraft,  Adel,  Einfalt  und  Treue  zu  vergleichen.     Die  Lesung  der  Lutherschen  Bibel 
ist,  sowohl  in  Absicht  auf  Erbauung"  als  auf  jede  Art  geistiger  Bildung-,  das  kräftigste 
Mittel.     Denn  .  .  .  Luther  hat  ihren    Sinn  ganz  erfasst;  dahingegen  alle   nach    der 
Vulgata    gemachten    Dolmetschungen    gleich    ihr    die     Bibel     entgeisten"    (S.    29). 
Wessenberg  dagegen  schilt  er  (S.  3:3)  lebhaft.     Tieck  schreibt  anmutig  über  romantische 
Poesie   und   will   (S.  38)    die   altdeutschen  Dichter   zur  Erklärung  Chaucers  benutzt 
wissen.    Niebuhr  selbst  bleibt  hier  im  Hintergrund,  aber  aus  jedem  Briefe  klingt  die 
Verehrung  für  diesen  nur  leider  allzusehr  rückwärts  gewandten  Propheten  wieder.  — 
Diplomat  und  Historiker  zugleich  wie  Niebuhr  war  K.  von  Schloezer, 
des  berühmteren  Geschichtsforschers  Nachkomme,    den  Gebhardt356)  in  letzterer 
Eigenschaft  würdigt.  —  lieber  Niebuhrs  Zeitgenossen  F.  W  i  1  k  e  n  ,  den  Historiker  der 
Kreuzzüge,  Schlossers  Vorgänger  in  Heidelberg,  schrieb  Stoll357).  —  L.  von  Ranke358-359) 
verbindet  dann  jene  Epoche  fast  noch  mit  der  Gegenwart;  von  Ke  u  ssler360)  teilt 
von  ihm  einen  ungedruckten  Brief  mit.  —  Auch  über  I.  vonDÖllinger  dauert  noch  die 
Diskussion  der  Gegner361)  und  Freunde362"363)  fort.  — Ward  er  durch  sein  eigentlichstes 
Arbeitsgebiet   in   den   politischen   Kampf  gezogen,    so    trug'   das   streitbare    Naturell 
Th.  M  o  m  ms  ens364)  die  politischen  Gegensätze  unserer  Tage  in  die  Geschichte  Roms 
hinein.     Den  grossen  Juristen  feiert  Landsberg  365),  indem  er  geistreich  die  antike 
Anschauung  von  dem  „ewigen  Recht"  der  modernen  Gesetzfabrikation  gegenüberstellt.  — 
Auch  Ferd.  Gregorovius  ist  eine  entschieden  politisch  gerichtete  Natur;  hat 
er  doch  als  Anhänger  des  Socialismus  beg'onnen.     Seine  Briefe  an  den  Staatssekretär 
H.  von  Thiele,  die  von  P  et  e  rs  d  orf  f366)  mit  einer  knappen  Einleitung  versehen 
hat,  zeigen  denn  auch  ein  lebhaftes  politisches  Interesse,  das  freilich  von  manchem 
anderen  gekreuzt  wird.     Charakteristisch    schreibt    er   (S.  50)   über   Niebuhr:    „Sein 
mächtiger   und    positiver  Verstand    zieht   mich  so  stark  an,  wie  mich  das  verstimmte 
Wesen  ohne  jede  Spur  griechischer  Heiterkeit  wieder  abstösst.     Man  sieht  aber  wohl, 
dass    die  Schärfe    eines   eminent   kritischen  Blicks  bisweilen  so  tief  dringt,    wie  die 
ursprüngliche  Anschauung  einer  Goetheschen  Natur  dringen  kann.     Wie  sind  doch 
diejenigen  Menschen  bevorzugt,  welche   aus  der  grossen  Bewegung"  des  18.  Jh.  her- 
stammen und  in  ihrer  reifenden  Jugend  die  Völkerschicksale  der  napoleonischen  Epoche 
durchlebt   haben.     Es    ist    ein    ungesucht   tiefer,    menschlicher  Gehalt  in  ihnen,  ein 
gediegeneres  Metall  offenbar,    als  es  heutiges  Tages  angetroffen  wird."    Man  sieht, 
Gregorovius  klagt  über  das  Aussterben  der  Zeitgenossen  Niebuhrs  so  beweglich  wie 
Schleiermacher  über  das  von  Jacobis  Altersgenossen ;  und  mit  seiner  Sehnsucht  malt 
sich  jeder  selbst.     Nicht  minder  charakteristisch  durch  den  Gegensatz  ist  Gregorovius 
Urteil   über  Reumont   (S.  130):    „Alles   was   Reumont   schreibt,    ist   gediegen  durch 
Wissen   und  Gedächtniskraft,    aber  die   Muse  hat  ihn  niemals  angelächelt,  und  froh 
seiner  staunenswürdigen   Kenntnis  aller  Kunstthatsachen  der  WTelt  hat  er  nicht  die 
geringste  Ahnung  von  der  künstlerischen  Gruppierung  eines  Stoffes.     Darum  verfallen 
alle  seine  Werke  naturgemäss  der  papiemen  Unsterblichkeit  in  Bibliotheken"  (vgl. 
über  Reumont  S.   69,  157  usw.).     Bei   Ranke  ist  ihm  immer  zu  Mute  wie  in  einem 
anatomischen  Theater  (S.  124,  vgl.  noch  S.  100,  121,  156,  165,  174,  176,  223),  wogegen 
Schliemann    (S.  124)    schon    wegen    des    Gegensatzes    gegen    die    „Neidhälse"    von 
Professoren  ihm  sympathisch  ist.     Selbst  an  den  deutschen  Politikern  verstimmt  ihn 
die  Unliebenswürdigkeit  (S.  162),  an  H.  Grimm,  der  mit  ihm  gegen  die  „Zerstörung 
Roms"  kämpft,  bedauert  er  die  „cruele  Invective"  (S.  171),  und  Berlin  erscheint  ihm 
1860    so    öde,    ungeschichtlich,    unmonumental,    nüchtern,    dass  er  es  sich  nicht  als 
Hauptstadt   des   künftigen    deutschen    Reichs    denken   kann  (S.  29);    dagegen    1887: 
„Ich    glaube,    dass  Berlin    schon  heute  das  schönste  Städtebild  der  modernen  Welt 
ist"  (S.  192).     Doch  erkennt  er  später  freudig  an:    „Alles  strebt  jetzt  auch  bei  uns 
nach  Veredelung  der  Form"  (S.  179).     König  Ludwig  IL   scheint  ihm  „ein  Gemisch 
von  Lohengrin  und  Caligula"   (S.  176),  und  Wagners  Tannhäuser  ergreift  ihn   nicht 
(S.  32);  aber  Novalis  citiert  er  aus  inniger  Vertrautheit  (S.  35)  und  für  Kaulbach  hat 
er  im  Gegensatz  zu  Schack  (S.  200)  etwas  übrig.     Ueberall  steht  er  zu  der  „bezopften 
Zunft"  (S.  217)  in  Feindschaft;  die  „unnötige  hässliche  Judenfrage"  ärgert  ihn  (S.  119), 
aber   herzlich   beklagt  er  „die  beiden  guten  Menschen,  die  so  bescheiden  auf  dem 
Throne  des  schönsten  Landes  der  Erde  sitzen."     Anmut  der  Form  ist  ihm  überall 
Bedürfnis,  bei  Gelehrten  wie  bei  Fürsten,  bei  Städten  wie  bei  Kunstwerken;  Prätention, 
Hochmut,  absichtliche   Isolierung  ist  ihm  in  allen  Gestalten  zuwider:  er  ist  doch  ein 


Gebhardt,  Kurd  v.  Schlözer  als  Geschichtsschreiber :  N«S.  70,  S.  383-98.  —  357)  A.  S t o  11 ,  üeber  d. Historiker  F.  Wilken.  Progr.  d. 
Gymn.  Cassel.  34  S.  i[F.  v.  Weech:  ZGORh.  9,  S.  526.]|  —  358)  X  (H  6:1.)  —  359)  X  K.  Brsg.,  E.  Guglia,  Ranke  (JBL  1893 
IV  5:299):  LCB1.  S.  714/5.  (S.  auch  o.  IV  lb:l.)  —  360)  F.  v.  Keussler,  E.  ungedr.  Brief  L.  v.  Rankes:  BaltMschr.  41, 
S.  62/4.  —  361)  X  E-  Michael,  Döllinger  (JBL.  1892  IV  5  :  142):  StML.  46,  S.  103.  —  362)  X  Döllingers  Adresses: 
SaturdayR.  78,  S.  460/1.  -  363)  X  C.  Wagner,  Döllinger:  RChr.  1,  S.  386/9.  -  364)  X  Th.  Momrasen,  Hist.  of  Rom,  transl. 
by  W.  P.  Jackson.  New  ed.  Vol.  I.  London,  Bentley.  Sh.  7,6.  -  365)  E.  Landsberg,  Th.  Mommsen:  Nation«.  11,  S.  86/7. 
-  366)  (IV  lc:68.)     |[R.  M.  Meyer:  ML.  63,  S.  1498.11    -    367)  X  F-  Gregorovius  in  seinen  Briefen:  Geg.  46,  S.  245,9.  — 


IV  5:368-377  R.  M.  Mey er,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Sprössling  jener  Epoche,  deren  Tod  er  beklagt.  Zahlreiche  andere  Urteile  lässt  das 
vortreffliche  Register  mit  Leichtigkeit  auffinden.367)  —  Ullrich368)  leitet  eine  trockene 
Analyse  von  Gregorovius  Schriften  durch  einen  langweiligen  Bericht  über  dessen 
Leben  vor  der  Uebersiedelung  nach  Rom  und  über  ihr  dortiges  Zusammensein  ein.  — 

So  wenig  wie  Gregorovius  haben  A.  vonGutschmi  d369)  oder  R.  P  a  u  1  i370) 
ihr  politisches  Interesse  verleugnet;  aber  ihr  eigentliches  Arbeitsgebiet  lag  von  dem 
Boden  der  aktuellen  Meinungskämpfe  entfernt.  — 

Mit  S.  Sugenheim  dagegen,  über  den  J  ung371)  schrieb,  kommen  wir  zu 
der  Gruppe  der  eigentlichen  „politischen  Historiker":  alle  seine  gelehrten 
Arbeiten  waren  der  Bekämpfung  des  Ultramontanismus  und  der  Förderung  des 
Liberalismus  gewidmet.  —  Seinen  späteren  mächtigen  Gegner  J.  J  a  n  s  s  e  n372)  schilderte 
Pastor373).  — 

Wie  Janssen  wird  H.  von  Treitschke374)  auch  nach  dem  Tode  im  politischen 
Kampfe  bleiben,  in  dem  der  Lebende  sich  am  wohlsten  fühlte.375)  —  Kurze  Zeit  ging 
ihm  ein  Mann  im  Tode  voraus,  der  nach  langjährigem  Zusammengehen  sein  wirk- 
samster Gegner  wurde:  H.  Baumgarten,  den  Haym376)  mit  gewohnter  Meisterschaft 
geschildert  hat.  Seine  historischen  und  politischen  Reden  hat  sein  Schüler  Erich 
Marcks377)  herausgegeben,  eine  höchst  dankenswerte  Gabe.  Er  steuerte  auch  eine 
Einleitung  bei,  die  durch  Klarheit  der  Darstellung  und  ehrlichen  Anteil  erfreut,  so 
sehr  man  auch  merkt,  dass  M.s  Seele  auf  Treitschkes  Seite  steht.  Daher  auch  die 
befremdende  Erscheinung,  dass  M.  sich  seitenlang  abmüht,  Baumgartens  Verstimmung 
in  seinem  Alter  wie  ein  Rätsel  zu  erklären  —  eine  Haltung,  die  man  bei  einem 
„politischen  Historiker'1  kaum  verstände,  begriffe  man  nicht,  wie  rasch  dem  Historiker 
der  Politiker  über  den  Kopf  wächst.  So  fragt  denn  auch  M.  mit  der  ganzen  Naivetät 
des  Parteigängers:  wie  konnte  eigentlich  ein  politisch  denkender  Mann  unzufrieden 
sein,  während  unsere  Parteigenossen  am  Ruder  waren?  und  trotz  aller  mildernden 
Umstände  (S.  CVI)  ist  er  doch  wohl  im  Grunde  geneigt,  den  Konflikt  mit  Treitschke 
(S.  CXIII)  auf  die  frühe  Rauflust  Baumgartens  (S.  IX.)  zu  schieben.  Er  giebt  wohl 
(S.  CXIII)  Treitschke  nicht  allein  Recht,  aber  er  sieht  doch  in  der  neuen  Wendung 
der  Zollpolitik  (S.  CX.)  einfach  „die  zweite,  die  materielle  Fundierung  der  Reichs- 
einheit", so  dass  die  Gegner  des  Schutzzolls  so  ungefähr  als  „Reichsfeinde"  beleuchtet 
werden.  Aber  gerade  weil  Baumgarten  durchaus  zu  jener  glänzenden  Gruppe  der 
politischen  Historiker  gehört,  die  M.  (S.  LXXIX)  charakterisiert,  gerade  weil  Rankes 
Art,  wenn  er  sich  ihr  auch  näherte,  ihn  nie  ganz  eroberte,  ihm  fast  nur  durch 
Sybels  politische  Anfärbung  hindurch  zugänglich  ward  (S.  LXXXI),  gerade  weil 
etwas  von  Herders  Leidenschaft  und  Predigerbegeisterung  ihm  diesen  Propheten 
besonders  wert  machte  (S.  LXXXVIII),  gerade  deshalb  hätte  der  Schüler  Dahlmanns 
(S.  XIV)  und  Kampfgenosse  E.  M.  Arndts  (von  welch  letzterem  uns  S.  XXVI  ein  paar 
köstliche  Briefe  geschenkt  werden)  ein  Recht  darauf  gehabt,  auch  in  dieser  Sammlung  als 
Kämpfer  gezeigt  zu  werden.  Nicht  bloss,  weü  die  Unterdrückung  der  Streitschriften 
gegen  Treitschke  —  dessen  Antworten  doch  jede  neue  Auflage  der  Deutschen 
Geschichte  neu  druckt  —  ihn  als  Besiegten  erscheinen  lässt,  sondern  vor  allem  auch 
weil  sie  für  Baumgarten  so  besonders  charakteristisch  sind,  hätte  man  sie,  wie 
Alfred  Stern  bemerkt,  in  der  Auswahl  nicht  fehlen  lassen  dürfen.  Man  begreift 
ja  leicht  die  Rücksichten,  die  Varrentrapp  in  seiner  Auslese  leiteten;  ganz  billigen 
kann  man  sie  hier  nicht.  Für  den  Litterarhistoriker  sind  unter  diesen  Aufsätzen 
die  beiden  über  Lessing  und  Herder  (S.  217  ff.,  339  ff.)  die  wichtigsten.  Der  erste 
stellt  die  Streitfrage,  ob  Lessing  ein  eifriger  Patriot  gewesen  sei,  recht  und  entscheidet 
sie  dahin,  dass, er  es  gar  nicht  habe  sein  können;  er  vergleicht  seine  Arbeit  „für 
unsere  geistige  Befreiung  und  Stählung"  (S.  235)  mit  Klopstocks  unklarer  Romantik 
(S.  230)  und  mit  J.  Mosers  Wirksamkeit,  (S.  231/2),  wobei  die  freilich  übertreibenden 
Worte  fallen,  der  Schriftsteller  Moser  sei  nur  der  untergeordnete  Gehülfe  des  Staats- 
mannes Moser  gewesen.  Scharf  spricht  Baumgarten  dagegen  wider  den  Kosmo- 
politismus unserer  klassischen  Periode  (S.  82,  291)  und  wird  hier  W.  von  Humboldt 
so  wenig  gerecht  wie  den  Wolfram  von  Eschenbach  und  Friedrich  von  Hausen  mit  der  selt- 
samen Behauptung,  schon  zur  Zeit  der  Hohenstaufen  habe  unseren  bedeutendsten  Köpfen 
das  männliche  Handeln  wenig  gegolten  neben  dem  Leben  in  zarten  Empfindungen 
und  hohen  Gedanken  (S.  76).  Der  Aufsatz  über  Herder  und  J.  G.  Müller  schildert 
mit  tiefem  Verständnis  Herders  Alter  und  mit  gerechtem  Abwägen  seine  Entfremdung 
von  Goethe;  nicht  ganz  gerecht  hat  M.  diesen  Aufsatz  eine  Art  prophetische 
Vordeutung    von    Baumgartens    Verhältnis    zu    Treitschke   genannt.     Herders    Urteil 


368)  T.  Ullrich,  F.  Gregorovius  u.  seine  Schriften  aus  Italien.  (=19:20,  S.  226-56.)  —  369)  X  E.  Schurer,  A. 
v.  Gutschmid,  Kleine  Schriften.  Her.  v.  F.  Ruhl  (3ß\,.  1892  IV  5:153):  ThLZ.  19,  S.  65/7.  —  370)  X  P-  Rftthling,  R.  Pauli: 
ÜLftM.  71,  S.  87  -  371)  R-  Jung,  S.  Sugenheim:  ADB.  37,  S.  136/8.  -  372)  X  (n  "'*•)  -  373)  (IV  1  b  :  4.)  —  374)  X 
II.  t.  TreitschVe:  BurschenschBll.  8,  S.  213/5.  —  375)  X  H-  v-  Treitschke,  D.  dtsch.  Ordensland  Preussen.  Ed.  by  W.  L.  Ly  on. 
London,  Rivingston,  Percival  *  Co.  1893.  Sh.  2.  fAth.  1,  S,443.J|  -376)  R  Haym,  H.  Baumgarten :  PrJbb.  76,  S.  193-213.  -377) 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  378-385 

über  Wilhelm  Meister  macht  er  sich  (S.  380)  entschlossen  zu  eigen  und  gegen 
Gervinus  auf  einem  Lesefehler  beruhende  Behauptung,  Herder  habe  den  Patriotismus 
abgelehnt  (S.  384  Anm.),  nünmt  er  diesen  (S.  381/2)  in  Schutz.  Die  anderen  Artikel 
sind  meisterhafte  politische  Berichtschriften.  Er  sieht  die  Schwäche  des  deutschen 
Liberalismus  darin,  dass  er  die  wissenschaftliche  Methode  in  die  politische  Praxis 
überträgt  (S.  152),  klagt  über  die  historische  Schule,  die  mit  der  ganzen  „eigen- 
sinnigen Innerlichkeit  unserer  protestantischen  Väter"  der  Nation  fast  den  Verzicht 
auf  das  nationale  Dasein  zumute  (S.  270),  sieht  aber  eine  Hauptschuld  an  all  dem 
in  der  kläglichen  Politik  der  kleinen  lutherischen  Fürsten  (S.  77,  264).  Einen  aus- 
gezeichneten deutschen  Journalisten,  K.  Brater,  feiert  ein  Nekrolog  (S.  236/7)  und 
eine  andere  Trauerrede,  auf  Kaiser  Friedrich,  hat  im  Gegensatz  zu  jenen  älteren 
Klagen  schon  über  zu  viel  Politik  in  Deutschland  zu  klagen,  zu  fürchten,  dass  man 
auch  bei  uns  die  Parteifarbe  in  wissenschaftliche  Forschungen  und  Darstellungen 
tragen  werde  (S.  524).  —  Kann  man  die  Furcht  unberechtigt  schelten,  wenn  man  an 
Treitschke  denkt  oder  auch  an  seine  Schüler,  wie  den  immerhin  noch  g*emässigten 
W.  Maurenbrecher378"379)?  — 

Aus  dem  Nachlass  A.  Kluckhohns  haben  sein  Freund  Heigel  und  sein 
Schüler  Wrede380)  eine  Auslese  von  Vorträgen  und  Aufsätzen  veranstaltet.  Die 
sechs  ersten  schildern  hervorragende  Gestalten  der  preussischen  Geschichte,  ohne 
an  dem  Bild  der  Königin  Luise,  des  Freiherm  vom  Stein,  Scharnhorsts,  Blüchers, 
Gneisenaus  und  Clausewitz  neue  Seiten  zu  entwickeln.  Der  fünfte  Aufsatz:  „Ueberdie 
Jesuiten  in  Bayern  mit  besonderer  Rücksicht  auf  ihre  Lehrfähigkeit",  behandelt  ein 
unserem  Zeitraum  nicht  angehöriges  Thema  mit  entschiedener,  aber  wohl  berechtigter 
Polemik  gegen  die  herkömmlich  gerühmten  „grossen  Verdienste"  der  Jesuitenschulen. 
Der  achte  führt  den  Reformator  des  bayerischen  Unterrichts,  den  berühmten  Jesuiten- 
gegner Adam  von  Ickstadt,  anschaulich  vor  und  bildet  mit  dem  nächsten 
das  Schwergewicht  der  Sammlung.  In  diesem  neunten  Vortrag'  wird  der  Illuminaten- 
orden besprochen;  Weishaupt  erscheint  in  sehr  ungünstigem  Lichte,  doch  wrerden 
seine  bedenklichen  Praktiken  der  Jesuitenschule  Schuld  gegeben.  Knigge  kommt 
vielleicht  etwas  zu  gut  fort.  Der  ganze  Artikel  ist  in  hohem  Grade  lehrreich  für 
die  Art,  wie  jede  Reaktion  sich  der  sie  hervorrufenden  Aktion  anähnlicht:  die 
Illuminaten  den  Jesuiten,  wie  die  Gegenreformation  der  Reformation  ein  entstelltes 
Gegenbild  liefert.  Endlich  folgen  vier  Erinnerungen  an  hervorragende  Historiker: 
der  schöne  Artikel  über  Häusser  aus  der  ADB.,  ein  etwas  kühl  gratulierender  und 
referierender  Aufsatz  zu  Rankes  neunzigstem  Geburtstag,  neben  dem  der  herzlich 
warme  Nachruf  an  Waitz  um  so  freundlicher  wirkt,  und  endlich,  in  noch  gesteigerter 
Intimität,  ein  anmutiges  Lebensbild  des  diesen  dreien  freilich  nicht  gewachsenen 
Weizsäcker.  Die  Schlussworte,  zugleich  die  des  Bandes,  klingen  gleichzeitig  wie 
eine  oratio  pro  domo  des  trefflichen  Historikers,  dem  grosse  Werke  und  Popularität 
nicht  gegönnt  waren:  „Sein  Name  aber  wird  dauern,  solange  es  eine  Geschichts- 
wissenschaft giebt,  und  noch  mit  Ehren  genannt  werden,  wenn  manche  seiner  Fach- 
g'enossen,  die  sich  heute  eines  weiten  Leserkreises  rühmen  können,  längst  der  Ver- 
gessenheit anheimgefallen  sein  werden.  Oder  sollte  je  der  Tag  kommen,  wo  man 
gering  denken  könnte  von  einem  Manne,  der  mit  einer  seltenen  Begabung"  eine  noch 
seltenere  Hingebung  an  den  Beruf  des  Forschers  verband  und,  jeden  leicht  errungenen 
Erfolg  des  Tages  verschmähend,  unbeirrt  durch  Lob  und  Tadel,  nur  in  grund- 
legenden Leistungen  sein  Genüge  fand?  Es  wäre  das  Ende  unserer  Wissenschaft".  — 

Wir  kommen  zu  dem  stattlichen  Heer  der  Lokalhistoriker.  Die  Schweiz 
ist  durch  Tillier  und  von  Wyss  vertreten.  Den  ersteren,  Landammann  von  Bern  und 
Vf.  mehrerer  Werke  über  schweizerische  Geschichte,  neben  denen  seine  „Geschichte  der 
europäischen  Menschheit  im  Mittelalter"  nicht  in  Betracht  kommt,  schilderte  Blösch381); 
dem  ausgezeichneten  neueren  Meister  helvetischer  Geschichtskunde,  der  auch  für 
die  ADB.  so  viel  gethan  hat,  stifteten  Schweizer  und  Escher382)  sowie  andere383) 
Nachrufe.  —  Von  hier  wenden  wir  uns  nach  einem  anderen  Centrallande  lokaler 
Geschichtsschreibung,  nach  Oesterreich.  Jos.  Lutzer  schrieb  nach  Schumann384) 
eine  „Geschichte  des  transalpinischen  Daciens",  war  Josefin  er  und  suchte  in  der 
Schweiz  Bodmer,  Lavater,  Gessner,  Iselin  (S.  152)  auf.  —  Tartarotti  ist  nach 
Reuschs385)  Bericht  ebenfalls  ein  Mann  der  Aufklärung,  den  seine  Polemik  gegen  den 
Hexenverfolger  del  Rio  um  ein  christliches  BegTäbnis  brachte;  er  hat  sich  sonst  um 
die   Kirchengeschichte    von    Trient   verdient   gemacht.    —    Auch  Tangl   begann   mit 


(IV  lb:3.)  |[LCB1  S.  713/4;  ZGORh.  9,  S.  191/2;  FBPG.  7,  S.  289-90]j  —  378)  X  E.  Gess,  G.  Wolff,  W.  Maurenbrecher 
(JBU  1893  IV  5:329):  DLZ.  S.  439-40.  —  379)  X  A-  Kleinschraidt,  Dtsch.  Historiker:  IllZg.  102,  S.  526.  —  380)  A. 
Kluckhohn,  Vortrr.  u.  Aufsätze.  Her.  v.  K.  Th.  Hei  gel  u.  Ad.  Wrede.  München  u.  L.,  Oldenbourg.  IV,  509  S.  M.  6,50. 
—  381)  E.  Blösch,  J.  A.  Tillier,  Landamman  v.  Bern  u.  Geschichtsschrei  bor  1792:  ADB.  38,  S.  310  3.  —  382)  P-  Sohweizer 
u.  H.  Escher,  G.  ▼.  Wyss.  2  Nekrol.  Zürich,  Fäsi  &  Beer.  IV.  70  S.  M.  1,60.  (Mit  Bild.)  -  383)  X  ö-  '■  Wyss,  Nekrol.: 
AnzSchwG.  S.  13.  —  384)  A.  Schumann,  F.  J.  Sulzer:  ADB.  37,  3.151/3.  —  385)  F.  H.  Reusen,  G.  Tartarotti :  ib.  S.  402  4. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschiohte.    Y.  (4)21 


IV  5:386-397  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Kirchengeschichte,  später  wandte  er  sich,  wie  von  Krones386)  sagt,  „der  genealogisch- 
historischen  Erforschung  der  Vergangenheit  Innerösterreichs  zu";  und  auch  er  ward 
von  dem  bildungsfeindlichen  Geiste  der  österreichischen  Regierung  bedrückt.  —  Viel- 
seitiger war  Tschischka,  von  dessen  Verdiensten  um  das  österreichische  Volkslied, 
um  die  Geschichte  Wiens  und  die  Kunstgeschichte  Oesterreichs  Weiss38")  berichtet. 
—  Bayerns  Vorzeit  schilderte  Trautmann  am  liebsten  im  Gewand  der  historischen 
Novelle  oder  des  historischen  Romans.  Schon  vor  26  J.  hat  R.  Prutz  in  seiner 
„Deutschen  Litteratur  der  Gegenwart"  (1,  S.  161)  den  altbayerischen  Poeten,  den  er 
höchlich  lobt,  vor  übermässiger  Produktion  gewarnt;  der  hat  aber  unermüdlich  weiter 
erzählt  und  den  Ton  behaglichen  Humors  durch  ein  langes  Leben  festgehalten. 
Seine  politisch  -  religiöse  Stellung  charakterisiert  Brummer388)  mit  überflüssigen 
Fremdworten:  „Der  Violation  steht  er  ebenso  fern  wie  dem  Zelotismus,  und  dies  hat 
ihm  die  Leser  in  den  verschiedensten  Lagern  geneigt  gemacht"  (S.  517).  —  Wie 
München  ist  Frankfurt  ein  alter  Sitz  des  Lokalpatriotismus,  dem  auch  Thomas,  der 
Schwiegersohn  Willemers  und  Mariannens,  sein  Interesse  für  die  Frankfurter  Annalen 
verdankte;  Jung389)  rühmt  den  Freund  der  Grimm  und  der  Boisseree  und  Böhmers: 
„Thomas  war  ein  edler,  trefflicher  Mensch;  in  seinen  politischen  Anschauungen  am 
Alten  hängend,  ein  entschiedener  Feind  der  jungdeutschen  Bewegung,  in  den 
religiösen  Ansichten  ein  überzeugter  Anhänger  des  lutherischen  Bekenntnisses,  aber 
frei  von  konfessioneller  Engherzigkeit"  (S.  92).  —  Lieber  einen  noch  bekannteren 
Geschichtsschreiber  Frankfurts,  G.  Ludw.  Kriegk,  der  sich  besonders  auch  um  die  Vor- 
geschichte und  die  Anfänge  Goethes  verdient  gemacht  hat,  schrieb  Froning390),  der 
dazu  einen  Band  der  hs.  Selbstbiographie  Kriegks  benutzen  durfte. .  Hervorgehoben 
werden  seine  historischen  Arbeiten,  seine  Bearbeitung  der  Schlosserschen  Welt- 
geschichte nnd  seine  Thätigkeit  am  Frankfurter  historischen  Archiv,  woraus  mehrere 
Geschichtswerke  erwuchsen.  —  Teuthorn  schrieb  nach  Kretzschmar390a)  „den  ersten 
Versuch  einer  quellenmässigen  Bearbeitung  der  hessischen  Geschichte",  und  Teich- 
mann nach  Chrn.  Meyer391)  eine  noch  heute  schätzbare  Beschreibung  des  Klosters 
Himmelcron  nebst  Lebensbeschreibung  Georg  Friedrich  Karls  von  Bayreuth;  die 
beiden  Sudendorf  würdigt  Ja  nicke392  393)  als  Specialforscher  für  die  Geschichte 
Braunschweigs  und  Osnabrücks;  Tiaden  arbeitete  über  die  Gelehrt  engeschichte  Ost- 
frieslands, wie  P.  Wagner394)  meldet395),  und  R.  von  Toll,  der  sich  vom  Dragoner- 
obristen  zum  Kenner  und  Bearbeiter  der  est-  und  livländischen  Landesgeschichte 
entwickelte,  wird  von  Biene  mann396)  der  Nachwelt  vorgestellt.  — 

Wie  Geschichte  und  Philologie  sich  zu  einander  verhalten,  ist  eine  gerade 
neuerdings  wieder  viel  erwogene  Frage.  Boeckh,  Usener  usw.  haben  sie  vom  phi- 
lologischen Standpunkt  aus  beantwortet;  Nerrlich397)  versucht  vom  philosophischen 
aus  an  sie  heranzutreten.  Seiner  Schrift  „Das  Dogma  vom  klassischen  Altertum  in 
seiner  geschichtlichen  Entwicklung"  hat  er  als  Motto  die  Worte  von  D.  Fr.  Strauss 
vorgesetzt:  „Die  wahre  Kritik  des  Dogma  ist  seine  Geschichte".  Um  so  mehr  hätte 
man  erwarten  dürfen,  dass  er  wirklich  eine  Geschichte  dieses  Dogmas  gegeben  hätte, 
statt  in  chronologischer  Folge  (die  freilich  ein  häufiges  Vor-  und  Zurückgreifen  auf 
Lieblinge  wie  Jean  Paul  unterbricht)  Auszüge  aus  den  Schriften  zahlreicher  Autoren 
zu  bringen,  obendrein  ohne  genauere  Citate,  so  dass  man  sich  nicht  einmal  über  die 
specielleren  psychologischen  Motive  jeder  Aussage  orientieren  kann.  Welch  eine 
glänzende  Aufgabe  wäre  es  gewesen,  zu  zeigen,  wie  die  Stellung  jeder  Zeit  zur 
Antike  mit  den  aktuellen  Interessen  zusammenhängt  (am  deutlichsten  in  der  Epoche 
Reuchlins  und  Melanchthons),  und  wie  deshalb  Kunst  und  Litteratur  das  Dogma 
oder  seine  Bekämpfung  ebenso  gut  fördern,  wie  sie  selbst  ihre  Nahrung  aus  der 
herrschenden  Auffassung  ziehen.  Aber  der  Autor,  der  unbesonnen  genug  noch 
immer  (S.  390)  von  Rankes  und  Scherers  Ideenhass  spricht  (während  gerade  jetzt 
Lamprecht  Ranke  wegen  seiner  Ideenlehre  angreift!),  ist  selbst  von  einem  bis  zum 
Fanatismus  gehenden  Hass  gegen  jede  Idee  erfüllt,  die  nicht  Hegel  oder  den  „weit- 
befreienden  Hallischen  Jahrbüchern"  (S.  303)  angehörten.  Perrault,  der  allerdings 
zuerst  den  Bann  der  einseitigen  Verehrung  der  Antike  brach,  ist  ihm  (S.  155)  ein 
Mann,  zu  dessen  Höhe  noch  unsere  Gegenwart  mit  Staunen  emporblicken  muss;  bei 
den  Humanisten  müssen  dagegen  (S.  153)  sogar  die  Charakterfehler  mit  ihrer  Ver- 
ehrung  der   Antike   in  Zusammenhang    gebracht   werden!     Genau   ebenso    einseitig 


—  386)  F.  v.  Krones,  Hartmann  Tangl:  ib.  S.  370/1.  -  387)  K.  Weiss,  F.  Tschischka:  ib.  38, S.  726/8.  —  388)  F.  Brfl  mme  r, 
F.  Trautmann:  ib.  »S.  516/8.  —  389l  E.  Jung,  J.  G.  Chrn.  Thoraas:  ib.  S.  91/3.  —  390)  K.  Froning,  G.  Ludw.  Kriegk,  e. 
dtsch.  Gelehrtenleben.  Progr.  d.  Humboldtschule  N.  69.  Frankfurt  a.  M.  4°.  11  S.  —  390a)  H.  Kretzschmar,  G.  Fr. 
Teuthorn:  ADB.  37,  S.  616.  —  391)  Chrn.  Meyer,  J.  E.  Teichraann:  ib.  S.  541/2.  —  392)  K.  Janicke,  H.  F.  G.  J.  Suden- 
dorf: ib.  S.  117/9.  -  393)  id.,  Jul.  Sudendorf:  ib.  S.  119.  —  394)  P.  Wagner,  E.  Tiaden:  ib.  38,  S.  240.  —  395)  X  M. 
Toeppen,  D.  Elbinger  Geschichtsschreiber  u.  Geschichtsforscher  in  krit.  Uebers.  dargest. :  ZWestprGV.  32,  S.  1-200.  (Auch 
Separat :  Danzig,  Bertling.  VIII,  200  S.  M. 3,00:  vgl.  .TBL.  189314:318.)-  396) F.  Bienemann,  B.  v.  Toll:  ADB. 38,  S. 416-21.  -  397) 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  TV  5:398-399 

verfährt  N.  in  der  Kritik  der  Aussagen  bei  den  von  ihm  citierten  Gewährsmännern: 
Krumbacher,  der  G.  Freytag'  und  G.  Keller  als  Repräsentanten  des  modernen  Natura- 
lismus in  einem  Atem  mit  Flaubert  und  Zola,  Dostojewsky  und  Tolstoi  nennt,  verliert 
dadurch  für  N.  das  Recht,  über  unsere  Gegenwart  zu  urteilen  (S.  342),  während 
Köchly  (S.  348)  ungestraft  neben  Schiller,  Goethe,  Ranke  —  Gutzkow  als  Meister  im 
deutschen  Ausdruck  anführen  darf!  Denn  Krumbacher  ist  Parteigänger,  Köchly 
wenigstens  teilweise  Gegner  des  „Dogmas".  Und  Güssfeldts  Aufsätze  über  die  Er- 
ziehung der  deutschen  Jugend  sind  für  N.  (S.  367)  eine  Morgenröte!  Er  hätte  gut 
gethan,  zu  bedenken,  wie  ein  so  leidenschaftlicher  Verfechter  des  Deutschtums  gleich 
Lagarde  über  diese  —  nim,  nennen  wir  es  mild  —  genialen  Improvisationen  ge- 
urteilt  hat.  Wir  wiederholen  es:  eine  Geschichte  des  Dogmas  hat  N.  nicht  geschrieben: 
dazu  fehlt  es  ihm  allzusehr  auch  schon  an  dem  guten  Willen  der  Objektivität,  und 
wohl  auch  an  dem  Vermögen,  grössere  Strömungen  zu  erfassen  und  zu  begreifen. 
Aber  er  hat  doch  die  historische  Stellung  einzelner  Pädagogen,  wie  besonders  die 
Trapps  (S.  230),  auch  Herbarts  (S.  251),  vortrefflich  beleuchtet  und  die  ausserordent- 
liche Wirkung,  die  Mommsens  Römische  Geschichte  auf  den  blinden  Kultus  des 
Römertums  geübt  hat  (S.  349),  geistreich  hervorg-ehoben.  Auch  was  er  gegen  Useners 
Deutung  der  Philologie  als  Pionier  der  Geschichtswissenschaft  (S.  461)  und  Vahlens 
verwandte  Erklärung  (S.  362)  einwendet,  scheint  mir  im  wesentlichen  treffend.  Die 
Thesen,  in  die  das  Buch  (S.  399)  ausläuft,  gehören  wesentlich  der  Gymnasial- 
pädagogik an ;  wir  haben  hier  nur  unser  Bedenken  über  das  Verlangen,  dass  der 
Religionsunterricht  den  Mittelpunkt  der  ganzen  Erziehung  bilden  soll,  und  unsere 
Zustimmung  zu  dem  Wunsch  stärkerer  Vertretung  der  Unterrichtstechniker  in  den 
Centralbehörden  auszusprechen.  — 

So  recht  in  die  Kreise,  die  Nerrlich  aus  blindem  Vorurteil  heraus  schilt,  führt 
uns  die  prächtige  Sammlung  der  Briefe  von  und  an  Chr.  A.  Lob  eck  und  K.  Lehrs,  die 
Ludwich398)  mit  ebenso  grossem  Fleiss  wie  Geschick  besorgt  hat.  Man  muss  da 
Lehrs  Worte  über  Grotes  Biographie  von  seiner  Frau  citieren:  „Nichts  ist  schwerer, 
wie  ich  bei  dieser  Gelegenheit  gesehen,  als  die  Anzeige  eines  solchen  Buches,  nämlich 
viel  zusammengesetzt  aus  Tagebüchern,  Briefen  u.  dgl.  Es  ist  alles  so  interessant 
und  das  Ganze  so  vielseitig,  dass  man  eigentlich  immer  das  Gefühl  hat,  eines  ist  so 
wichtig  und  interessant  als  das  andere,  und  man  müsste  alles  abschreiben"  (S.  921). 
Man  muss  dies  Citat  gleich  durch  ein  zweites  ergänzen,  das  seine  Worte  über  den 
Briefwechsel  Goethes  mit  den  Humboldt  enthält:  „Da  kann  man  wieder  unter  ideal 
gestimmten  und  geist-  und  gemütreichen  Männern  idealer  Zeit  atmen  und  mitfühlen 
und  mitdenken"  (S.  977).  Und  was  für  Männer  sind  es!  Man  lese  nur  die  Briefe 
von  G.  Herrmann  (S.  408),  J.  Grimm  (S.  459)  und  Boeckh  (S.  607)  an  Lobeck,  von 
M.  Haupt  (S.  623)  und  F.  Ritschi  (S.  672)  an  Lehrs,  um  den  Anredenden  wie  den 
Angeredeten  zu  verehren.  Wie  charakterisieren  sich  überhaupt  diese  Männer  in  ihren 
Briefen!  Zuerst  die  alte  Garde:  J.  H.  Voss,  der  an  Lobeck  schreibt:  „Wenige  fand 
ich  auf  meinem  erfahrung'sreichen  Wege  durch  dies  sogenannte  Leben,  welchen  Wahr- 
haftigkeit im  grossen  und  kleinen  heilig  war,  so  heilig  wie  meinem  Schutzheiligen 
Lessing",  und  der  an  Wieland  diese  entschlossene  Geradheit  vermisst  (S.  46,  vgl.  8.26,31); 
sein  Verehrer  Paulus,  der  über  seine  Stellung  in  Heidelberg  berichtet  (S.  216),  der 
Burggraf  von  Schoen,  der  über  die  Gegenwart  sehr  strenge  (S.  542)  und  über  Leonidas 
so  geringschätzig  wie  Schloezer  oder  Karl  Vogt  urteilt  (S.  569).  Dann  kommt  die 
Phalanx  der  glänzenden  Philologen  selbst :  G.  Herrmann  (bes.  S.  27,  144),  Aug.  Meineke 
und  vor  allem  Lachmann  und  Ritschi.  Lachmann  charakterisiert  sich  selbst  in  einem 
prächtigen  Brief  (S.  319):  „Lieber  Gott,  wir  finden  auch  nicht  eben  alles  schön:  aber 
was  kann  man  denn  an  Energie  und  frischem  Leben  erwarten  in  einem  30jährigen 
Frieden,  in  dem  die  jungen  Kräfte  sich  zu  hochmütiger  Unnatur  geschraubt  haben? 
(Dieselbe  Klage  über  den  langen  Frieden,  die  etwa  gleichzeitig  —  um  1842  —  H.  Leo, 
Strachwitz  usw.  anstimmten!)  Muss  man  sich  da  nicht  freuen,  wenn  einem  hier  und 
da,  was  doch  auch  vorkommt,  ein  frischer  Junge  begegnet,  ein  einfacher  .  .  .  und 
zuweilen  auch  ein  gescheiter?  Ich  habe  daran  meine  Freude,  schimpfe  mich  aus  über 
Dummheit  und  Hochmut  und  mache  meine  Sachen  wie  sie  mir  gemäss  sind:  was 
schadet  es,  wenn  man  jetzt  geschmäht  oder  verschmäht  wird?  Was  man  gut  gemacht 
hat,  wird  schon  noch  einmal  gelten:  und  was  nicht  taugt,  hole  der  Teufel  jetzt  oder 
dann."  Da  sehen  wir  in  dem  so  oft  als  hart  Gescholtenen  ganz  den  Menschen  vor 
uns,  den  H.  Jacobi  schildert:  „mildherzig,  weich  und  voll  Liebe,  ohne  Rückhalt,  frei- 
gebig' mit  den  Gaben  seines  Wissens  wie  seines  Geistes"  (S.  556).  Lachmanns  Briefe 
sind  auch  sachlich  besonders  wertvoll:  hier  sind  jene  grossen  Auseinandersetzungen 
über  Nibelungen  und  Homer,  Volksepos  und  Sage  (S.  173,  183/4),  die  seine  eigentlichen 
Abhandlungen  so  schön  ergänzen,  und  aus  denen  eine  berühmte  Stelle  (S.  184)  jedem 


(I  1:26.)    HO.  Willmann:    ÖLB1.  3,  S.  550,5:  R.  Lehmann:  WSKPh.  11,   S.  1346/9.J!    -    398)   (IV  lc:71.)    —    399)  Th. 

(4)21* 


IV  5  •.  399  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Germanisten  aus  Müllenhoffs  „Geschichte  der  Nibelungen  Not"  bekannt  ist.  Aber 
auch  was  er  über  die  Zeitverhältnisse  sagt  (S.  320),  über  die  Verschlechterung"  seines 
Verhältnisses  zu  den  Studenten  (S.  430),  über  den  kümmerlichen  Besuch  der  Vorlesungen, 
die  unsere  grössten  Bahnbrecher  über  deutsche  Philologie  hielten  (S.  441),  über  die 
Darmstädter  Philologenversammlung,  ist  durch  Form  und  Inhalt  gleich  interessant. 
Dann  rückt  allmählich  eine  neue  Generation  auf:  Meinekes  Schwiegersohn  Horkel,  der 
ganz  prächtige  Briefe  von  unwiderstehlicher  Liebenswürdigkeit  schreibt  (S.  450  ff., 
484  ff.),  Nauck,  Lagarde,  der  sich  (S.  488)  im  steifsten  Dedikationsstil  einführt, 
und  M.  Bernays,  der  (S.  754)  die  „vornehmsten  Ergebnisse  vieljähriger  Unter- 
suchungen" anzeigt.  Das  Hauptinteresse  dieses  Kreises  büdet  selbstverständlich 
die  Philologie,  und  es  liesse  sich,  besonders  aus  den  Briefen  von  Lehrs  und  Lachmann, 
eine  kleine  Methodologie  zusammenstellen  (Lachmann  über  die  Gefahr  der  kleinen 
Beobachtungen  S.  183;  Lehrs  über  Umarbeitungen  S.  103;  die  berühmten  Zehngebote 
des  Philologen  S.  866,  907),  noch  leichter  aber  eine  leidlich  vollständige  Galerie  von 
philologischen  Charakterköpfen  (Lehrs  über  Bemhardy  S.  219;  über  Welcker  S.  415 
und  seinen  Stü  S.  260,  656;  über  Boeckh.S.  439;  Lachmann  S.  555  und  sehr  wichtig  S.  688; 
über  G.  Herrmann  S.  516;  über  C.  F.  Herrmann  S.  613;  über  Mommsens  Geschichte 
sehr  charakteristisch  S.  615;  über  F.  A.  Wolf  S.  664,  Kirchhoff  S.  670,  Döderlein  S.  682, 
Nauck  S.  696/7,  Bekker  S.  705,  Westphal  S.  742,  Bergk  S.  769,  M.  Haupt  S.  805, 
Meineke  sehr  anschaulich  und  warm  [S.  835]  G.  Curtius  S.  841  —  bitter,  weil  Lehrs 
den  „Boppen  und  Pötten"  abhold  war  S.  655  und  den  „Sanskritschwindel"  S.  871 
geringschätzte;  doch  aber  nicht  so,  dass  er  nicht  später  im  Gegensatz  zu  Haupt  eine 
linguistische  Professur  in  Berlin  gewollt  hätte  — ;  über  Leutsch  S.  869,  Preller  S.  874, 
Müller-Strübing  S.  930,  Gutschmid  S.  986;  ganz  ungerecht  über  MüUenhoff  S.  911; 
Bekker  über  O.  Müller  S.  223,  ähnlich  G.  Herrmann  S.  292;  Hase  über  Littre  S.  274; 
Ritschi  über  Welcker  S.  301,  entzückt  von  Mommsens  Römischer  Geschichte  S.  614, 
über  C.  F.  Herrmann  S.  619;  Lachmann  überKöchly  S.  431;  Meineke  über  Nägelsbach 
S.  449,  über  die  „neueren  Kritiker"  S.  701;  Spengel  über  Vahlen  S.  1005  usw.). 
Natürlich  schliessen  sich  auch  Urteile  über  Männer  anderer  Berufskreise  an:  J.  Voigt 
nennt  (S.  359)  Zschokke  eine  „äusserlich  widerliche  Gestalt",  Lehrs  schwärmt  für  den 
Physiker  Franz  Neumann:  „eigentlich  noch  der  einzige  aus  der  alten  Zeit  idealerer 
Bildung  —  es  ist  ausserordentlich,  was  das  vermittelt  —  und  zugleich  wissenschaftlicher 
Vollgediegenheit"  (S.  641);  Ritschi  wird  dem  Universitätskurator  von  Rehfues,  dem 
Autor  des  „Scipio  Cicala",  schwerlich  gerecht  (S.  474),  weniger  noch  Lehrs  dem 
Justischen  Winckelmann  (S.  918).  Aber  schon  das  Gebiet  der  Phüologie  —  wie  weit 
nehmen  es  diese  Männer!  ob  Köchly  über  griechische  Religion  spricht  (S.  639)  oder 
Zarncke  über  deutsche  Metrik  (S.  722/3,  738;  Heinse  als  Mittelglied  zwischen  dem 
italienischen  Vers  und  Goethe  S.  739)  oder  Julian  Schmidt  seine  Ansichten  über  die 
deutsche  Litteratur  entwickelt  (S.  559 ff.,  574 ff.),  Gutzkow  verurteilt  (S.  559)  und  sein 
Verhältnis  zu  Hegel  bestimmt  (S.  586),  —  immer  finden  sie  an  Lehrs  einen  aufmerksamen 
Zuhörer.  Der  ist  freilich  der  Vielseitigste  von  allen.  Plato  und  Goethe  sind  sein 
Doppelgestirn  (S.  438;  für  Goethe  vgl.  727,  848  usw.),  aber  er  liest  auch  mit  Anteil 
französische  Tragödien  (S.  503)  und  Epen  (S.  163),  Sannazar  (S.  77)  und  die  Lusiaden 
(S.  166);  Hesperus  ist  ihm  „ein  Beireisisches  Kabinet:  kostbar,  witzig,  verschiedenartig, 
aber  toll,  maschinenhaft,  unheimlich";  Tieck  macht  ihm  (S.  227)  persönlich  einen  be- 
deutenden Eindruck;  bei  Strauss  sieht  er  in  seiner  Verkenn ung  der  Einzigkeit  vieler 
Teile  der  Bibel  (S.  893)  einen  Mangel  des  Gemüts  (vgl.  S.  1024  usw.).  Ueberhaupt 
ist  derselbe  Mann,  der  einmal  ausruft:  „Ach  was  war  so  ein  griechischer  Gott  für  ein 
glücklicher  Mensch!"  (S.  572),  ein  warmer  Verehrer  des  Christentums  (S.  330),  und 
Friedländers  liebevolle  Biographie  in  der  ADB.  dürfte  in  diesem  Punkt  ihm  doch 
unrecht  thun.  Und  wenn  er  (1853)  wie  ein  Moderner  klagt:  „Das  ist  ja  unsere  moderne 
Qual:  wir  sollen  die  disparatesten  Welten  begreifen  — "  (S.  583,  vgl.  S.  261  über  den 
Dilettantismus),  so  sieht  man  nicht,  dass  es  ihm  wirklich  Qual  gewesen  sei,  neben 
Thukydides  und  Horaz  Wilbrandt  (S.  744),  Scheffel  (S.  758),  Lazarus  (S.  782),  Vischer 
(S.  783),  Heyse  (S.  983)  und  sogar  die  Marlitt  (S.  787)  zu  lesen.  Besonders  interessiert 
ihn  auch  deutsche  Literaturgeschichte  (Danzel  S.  984);  er  verfolgt  die  Aufführungen 
des  zweiten  Faust  (S.  982  Anm.)  und  korrespondiert  mit  Julian  Schmidt.  Mit  diesem 
verbindet  ihn  auch  das  zweite  Hauptinteresse  der  ganzen  Gemeinschaft:  die  Politik. 
Nicht  bloss  Schoen  und  Köchly  sind  eifrige  Politiker;  auch  Lobeck  (S.  346),  Lachmann 
(S.  320),  Giesebrecht  (S.  720)  und  vor  allem  wieder  Lehrs  (S.  327;  Bismarck  und  Stein 
S.  824;  lebhafte  Parteinahme  an  dem  grossen  Kriege,  die  ihn  mit  einem  Freund  entzweit 
S.  825/6,  dabei  aber  Sympathie  für  die  Idee  des  ewigen  Friedens  S.  831  usw.).  In 
der  Kunst  schwärmt  er  für  Cornelius  und  Beethoven  und  verwirft  den  Lohengrin 
(S.  648)  so  gut  wie  „die  Bestialitäten  von  Begas"  (S.  991).  Auch  sonst  ist  er  wohl 
etwas  laudator  temporis  acti  (S.  841)  und  trotz  seinem  „Hintergrund  von  Optimismus" 
(S.  830)   zweifelt   er   an  dem  Fortschritt  in   der  Weltgeschichte  (S.  676)  und  meint  er 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5:899-422 

skeptisch,  Zufriedenheit  und  Glück  des  Menschen  hänge  eigentlich  von  der  Beschaffenheit 
seines  Sofas  ab  (S.  691).  Ueberall  muss  man  wiederholen,  was  er  (S.  555)  an  Martin 
Hertz  über  Lachmann  schreibt:  welch  eine  hohe  Gabe  des  Schicksals  es  genannt  werden 
muss,  in  die  belebende  Sphäre  eines  so  ausserordentlichen  Mannes  geführt  worden 
zu  sein.  Fast  all  diese  reichen  Briefe  sind  gleichzeitig  auch  in  der  Form  kleine 
Meisterwerke,  vor  allem  die  von  Horkel  an  Lehrs  und  von  Lehrs  an  Klara  Naumann 
(über  Berlin  S.  348/9,  den  Rigi  S.  381,  Phüologen Versammlung  S.  399,  das  Musik- 
fest S.  571  usw.).  Eine  besondere  Eig-enheit  bilden  die  gelungenen  Neubildungen: 
„Seifenblasigkeit"  (S.  219)  „druckerschwärzlich"  (S.  469),  „herumgeschniepelt"  (S.  471), 
„Strümpfestopferei"  (S.  488),  „Naturverschneitheitu  (S.  543),  „überverschönt"  (S.  761), 
„Mitdernasedaraufstossung"  (S.  846),  „antischlafmützig"  (S.  881)  usw.  Mit  Einem  Wort 
—  wo  Lehrs  packt,  da  ists  interessant.  Ich  kenne  ausser  den  Grimmschen  keinen 
neueren  philologischen  Briefwechsel,  der  diesem  zu  vergleichen  wäre.  — 

Einen  Schüler  und  Korrespondenten  von  Lehrs,  A.  Nauck,  schildert  in  etwas 
geziertem  Stil  mit  den  altmodischen  Scherzen  der  eingeschobenen  griechischen  Ehren- 
worte usw.  Zielinski399).  Von  allgemeinerem  Interesse  ist  Naucks  Urteü  über 
Wüamowitz  (S.  25/6),  sowie  einig-e  methodologische  Aussprüche:  „Cobets  Bestreben, 
überall  eine  stereotype  Gleichmässigkeit  der  Form  wie  der  Ausdrucksweise  herzu- 
stellen, führt,  in  Verbmdung  mit  seiner  Kurzsichtigkeit  und  Willkür,  zu  einer  voll- 
ständigen Phantasterei"  (S.  19  Anm.);  „die  Erbfeinde  der  Kritik  sind  die  alten 
Korrektoren"  (S.  23  Anm.;  über  die  preussische  Schulreform  S.  29;  Nauck  als  Lehrer 
S.29ff.,  als  Kritikers.  32  ff.).  —  Lot  hholz400)  schrieb  über  H.  Sauppe,  Koldewey401) 
über  W.  S.  Teuffei;  beide  haben  (der  Tübinger  Professor  zwar  nur  im  Anfang  seiner 
Lehrthätigkeit)  auch  der  deutschen  Litteratur  Interesse  und  Arbeit  zugewandt.  — 

Den  Archäologen401")  H.Brunn  muss  leider  schon  einNachruf,  von  B.Sau  er402), 
feiern;  E.  Curtius  weilte  im  Berichtsjahre  noch  arbeits-  und  lebensfreudig  unter  uns, 
und  jubelnder  Zuruf  grüsste  den  edlen  Mann403"404),  den  besonders  Milchhöfer406) 
in  seiner  Gesamtthätigkeit406)  würdigte,  an  seinem  80.  Geburtstage,  während  ein 
hübscher  anonymer  Artikel407)  die  poetische  Persönlichkeit  in  den  Vordergrund  stellt, 
dies  Musterbild  des  deutschen  Idealismus.  —  In  diesem  Lichte  zeigt  ihn  be- 
sonders auch  die  Festnummer  des  DWBL,  in  der  Geizer408)  mit  einer  schönen 
Charakteristik  mehrere  Reden  von  Curtius  einleitet.  —  G.  L.  F.  Tafel,  der  Lehrer 
Teuffels,  wird  von  Karl  Neumann409)  Pionier  der  byzantinischen  Studien  in  Deutsch- 
land genannt;  alte  Beziehungen  der  Universität  Tübingen  und  das  Aufsehen,  das 
Fallmerayer  erregt  hatte,  werden  als  mitwirkende  Momente  (S.  343)  aufgedeckt; 
Falhnerayer  hat  ihm  denn  auch  einen  glänzenden  Nachruf  gewidmet  (S.  345).  — 

Von  den  Orientalisten,  zu  denen  er  überleitet,  hat  Dillmann  einen 
anonymen  Nekrologisten410)  gefunden,  während  Geiger411"412)  und  Petuchowski413) 
Beiträge  zu  L.  Zunz  Lebensgeschichte  lieferten.  G.  feiert  ihn  auch  als  deutschen 
Schriftsteller,  vielleicht  etwas  zu  sehr;  doch  mag  dieser  Ueberschwang  die  entgegen- 
gesetzte Ungerechtigkeit  Lagardes  ausgleichen.414)  —  Aber  der  eigentliche  Held  des 
Tages  war  H.  Brugsch.  Eben  hatte  er  seine  Autobiographie415)  vollendet416),  deren 
Eingang-  ein  höchst  anschauliches  Bild  des  vormärzlichen  Berlin  giebt  (der  Komiker 
Beckmann  S.  13),  während  er  über  seine  Studienzeit  kürzer  weggeht  (Lepsius  S.  46/7, 
AI.  von  Humboldt  S.  50ff.,  76 ff.;  Bodenstedt  S.  70;  Stamm,  der  Zeitreformer,  eine  höchst 
merkwürdige  Erscheinung  S.  70/1).  Mit  Behagen  schildert  er  dann  seine  weiteren 
Wanderungen  und  Begegnungen  (Lassalle  S.  230  ff.),  mit  ironischem  Lächeln  die 
Göttinger  Zeit  (S.  265  ff.)  und  blickt  schliesslich  mit  gemischten  Empfindungen  auf  ein 
Leben  zurück,  dessen  Ertrag  vielleicht  und  dessen  Erfolg  gewiss  den  hoffnungsreichen 
Anfängen  nicht  entsprach.  Die  Nachrufe417"420)  können  nicht  umhin,  dem  genialen 
Mann  einen  guten  Teil  der  Schuld  zuzuschieben,  besonders  Zabel421),  der  das  aus 
Berlinertum  und  Orient  gemischte  Wesen  des  zum  Pascha  aufgestiegenen  Unteroffiziers- 
sohnes nicht  übel  charakterisiert.  — 

Wenigstens   hat  Brugsch  für  seine  philologische  Thätigkeit  nicht  nur  Spott 


Zielinski,  Aug.  Nauck.  B..  Calvary.  65  S.  M.  2,00.  —  400)  G.  Lothholz,  H.  Sauppe:  NJbbPh.  150,  S.  299-304.  — 
401)  F.  Koldewey,  W.  S.  Teuffei:  ADB.  37,  S.  611,5. —  401a)  X  K-  Obser,  H.  Dübi,  Zwei  vergessene  Berner  Gelehrte  aus 
d.  18.  Jh.  (JBL.  1893  IV  5:358):  ZGORh.  9,  S.  186/7.  —  402)  B.  Sauer,  Z.  Erinn.  an  H.  Brunn:  Post  N.  219.  —  403)  X 
G.  Klitscher,  E.  Curtius:  VossZg»  N.  35.  —  404)  X  z-  80-  Geburtst.  v.  E.  Curtius:  BerlBörsCour.  N.  410.  —  405)  A. 
Milchhöfer,  E.  Curtius:  DBs.  80,  S.  388-96.  —  406)  X  E.  Curtius,  Ges.  Abhandl.  2  Bd.  B.,  Besser.  XU,  562  S.  Mit 
15  Abbild,  u.  9  Taf.  M.  12,00.  |[Ac.  45,  S.  435;  ib.  46,  S.  333/4;  F.  Kühl:  WSKPh.  11,  S.  8336.JI  —  407j  K.,  E.  Curtius: 
WeserZg.  N.  17156,  17159.—  408)  H.  Geizer,  E.  Curtius.  Erinnerungsbl  z  Feier  seines  50j.  Lehrthätigkeit  an  d.  Uni?.  6.  Nov.  B., 
Walther.  4°.  16  S.  M.  0,40.  |[DWB1.  7,  S.  530.]|  -  409)  Karl  Neumann,  G.  L.  F.  Tafel:  ADB.  37,  S.  342  6.  —  410)  X 
T.  K.  C,  Dillmann.  Nekrol.:  Ac.  46,  S.  33.  —  411)  L.  Geiger,  Aus  L.  Zunz  Leben:  VossZg.  N.  168.  —  412)  id.,  L.  Zunz: 
FZg.  N.  220  (Z.  100.  Geburtst.)  —  413)  M.  Petuchowski,  Aus  Zunz  Leben:  VossZg.  N.  172.  (Bemerk  z.  N.  411.)  —  414)  X 
P.  Oetter,  Festgruss  an  B.  v.  Roth:  LBs.  20,  S.  259-60.  -  415)  X  tfV  lc:76.)  (Vgl.  auch  JBL.  1393  IV  lc:  132.)  —  416)  X 
H.  Brugsch,  Erinnerungen  an  A.  Mariette:  DBs.  81,  S.  223-332.  —  417)  X  Nachruf  auf  H.  Bragsch:  BerlBörsCour.  N.  424. 
—  418)  X  K-  B-.  H.  Brugsch:  Post  N.  252.  —  419)  X  O.  Schultze,  H.  Brugsch- Pascha:  Quellwasser  18,  8.  824/5.  —  420)  X 
Brugsch-Pascha:  Ath.  2,  S.  361.  —  421)  E.  Zabel,  H.  Brugsch:  NatZg.  N,  508,  510.  —  422)  A.  Mühlhausen,  D.  Massmann 


IV  5:423-447  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

geerntet,  wie  der  von  Mühlhaus  e  n422)  gerettete  D.  Massmann  und  wie  A.  Z  e  un  e , 
der  es  freilich  nicht  besser  verdiente,  als  der  „Zigeunerzeunedeutschberlinerei" 
Platens  ein  komisches  Ingrediens  mehr  zu  verleihen.423)  —  Dem  deutschen  Archäologen 
A.  Essenwein  setzt  Wattenbach424)  ein  Denkmal,  während  Edw.  Schroeder425)  dem 
bedeutendsten  Meister  englischer  Philologie  in  Deutschland,  B.  ten  Brink,  durch 
seine  ruhmvolle  Laufbahn  folgt,  um  mit  den  Worten  zu  schliessen:  „Hinter  einem 
glänzenden  Philologenharnisch  schlug  hier  ein  echtes  Poetenherz."  — 

Auch  in  dem  Romanisten  Fr.  Diez  lebte  ein  Dichter  neben  dem 
Philologen,  und  Breymann 426)  teilt  in  seiner  Festrede  Proben  seiner  ernsten  und 
humoristischen  Poesie  mit,  die  ihn  freilich  dem  sonst  vielfach  vergleichbaren  Schmeller 
auf  diesem  Boden  nicht  gewachsen  zeigt.  —  Viel  drängt  die  Festrede  von  B  e  h  r  e  n  s427) 
auf  engem  Raum  zusammen:  eine  Vorgeschichte  der  romanischen  Philologie  (S.  14  ff.), 
Nachrichten  über  Diez  theologischen  Grossvater  (S.  26),  ein  höchst  charakteristisches 
Stammbuchblatt  des  wilden  Folien  für  den  gleichfalls  zu  den  „Schwarzen"  gehörigen 
Diez  (S.  5),  Akten  über  die  Begründung  der  ersten  Professur  für  romanische  Philologie 
(S.  20  ff.),  Briefe  und  Tagebuchaufzeichnungen  (S.  35  ff.)  und  eine  knappe  aber 
treffende  Würdigung  von  Diez  Bedeutung  (S.  17,  22).  —  Andere  Reliquien 
von  Diez  veröffentlichten  Forste  r428)  und  Tobler  «•-«() ,  der  ihm  auch 
einen  schönen  Panegyrikus  widmete.  —  Auch.  Stengel432)  hielt  ihm  eine 
Denkrede,  teilt  dabei  (S.  331  Anm.)  die  Gratulationsschrift  der  Akademie  zu  Diez 
SOjährigem  Doktorjubiläum  mit  und  verzeichnete  andere  ihm  gewidmete  Feste  und 
Schriften,  berichtet  auch  über  Diez  Gehaltsverhältnisse  (S.  336  Anm.)  und  teilt  lesens- 
werte Briefe  mit.  —  0.  Schultz433),  E  u  g.  Ritter434),  Biadene435),  der 
W.  Förster  übersetzt,  und  S  t  o  d  d  a  r  d436)  verherrlichen  den  Meister  in  vier  Sprachen; 
ausführlicher  erzählt  Sachs437)  von  ihm.  —  Eine  Schülerin  von  Diez,  die  aus- 
gezeichnete Romanistin  Karoline  Michaelis,  wird  von  Helene  Lange 438) 
als  Beispiel  deutscher  Frauenbildung  aufgestellt.  — 

Diez  war  auch  ein  vortrefflicher  Uebersetzer  und  bringt  uns  zu  Litteratur- 
vermittlern  wie  Job.  T  o  b  1  e  r ,  der  Thomson,  und  seinem  Sohne  J.  Chr.  Tobler, 
der  griechische  Dichtungen  übertragen,  ausserdem  die  erste  wichtige  Biographie  Lavaters 
geschrieben  hat;  Ba  e  c  h  to  1  d439-440)  handelt  über  beide.  —  G.  Thudichum, 
der  Sophoklesübersetzer,  war  wie  Diez  ein  Schüler  und  Freund  Welckers,  „von 
Jugend  auf  Anhänger  konstitutioneller  Freiheit  und  nationaler  Einigung,"  wie  sein 
Biograph  Fr.  Thudichum441)  sagt,  freiwilliger  Jäger  wie  Diez  und  Lachmann, 
und  Verehrer  Herders,  Luthers  und  Schleiermachers,  in  dem  er  (S.  136)  den  „grössten 
Mann  der  Zeit"  erblickte.  —  Eckstein  s442)  lateinische  Nachbüdungen  von  Gedichten 
Goethes,  Heines,  Lenaus,  Anast.  Grüns,  deutscher  Volkslieder  im  Mass  des  Originals  er- 
wähnen wir  hier  wegen  ihres  gröblichen  Verstosses  gegen  Wilamowitz  Uebersetzungs- 
lehre,  und  seltsam  genug  klingt  es  ja:  „Si  nunquam  caldis  lacriinis  Rigasti  coenam 
nee  profundus  Edisti  noctu  gemitus  —  Ignoras  deos  iraeundos!"  (S.  14).  Da  könnte 
Goethe  wahrlich  „wundersam"  sein  Lied  in  fremder  Sprache  vernehmen!  Oder  gar 
„Ueber  allen  Wipfeln"  (S.  11),  wogegen  das  Heideröslein  (S.  7)  und  auch  Lenaus 
„Auf  dem  Teich,  dem  regungslosen"  (S.  31)  uns  nicht  missfallen  haben.343)  —  Ueber 
Rud.  Gene  e,  den  Uebersetzer  von  Hans  Sachs,  handelt  ein  namenloser  Aufsatz444).  — 

Wir  streiften  mit  der  Frage  der  Uebersetzungsstile  schon  das  Gebiet  der 
Kunstlehre  und-kritik,  an  dessen  Schwelle  uns  das  wichtige,  an  neuen 
Antworten  und  neuen  Fragen  reiche  Buch  von  Grosse 445)  über  die  Anfänge  der 
Kunst  empfängt,  das  wir  an  dieser  Stelle  nur  zu  nennen  haben  (das  Ziel  der  Kunst- 
wissenschaft S.  1;  der  Weg  der  Kunstwissenschaft  S.  8;  die  Poesie  S.  222;  sociale 
und  individuale  Bedeutung  der  Kunst  S.  291).  —  In  die  Anfänge  der  deutschen 
Kunstwissenschaft  treten  wir  dagegen  ein,  wenn  wir  mit  Lieb  mann446) 
J.  G.  Sulzer  betrachten.  Dieser  meint,  Sulzer  habe  den  jungen  Originalgenies 
einer  dem  Streit  zwischen  Gottsched  und  den  Schweizern  durchaus  entwachsenen 
Litteraturperiode  nicht  imponieren  können,  führt  Herders  und  Goethes  Urteil  an  und 

H.Heines  u.  d.  hist.:  KonsMschr.  S.  S51-61.  —  423)  X  J-  Freudenberg,  A.  Zeune:  TglRs.B.  N.  174.  —  424)  W.  Wattenbach, 
Nachruf  an  A.  Essenwein:  AGNM.  S.  32/6.  —  425)  (I  2  :  39.)  —  426)  (I  2  :  24.)  j[L.  Fränkel:  ASNS.  1893,  S.  19316;  A.  Jeanroy: 
RCr.  38,  S.  169-70.]|  —  427)  (I  2:21.)  -  428)  (I  2:20;  IV  lc:73.)  |[A.  Jeanroy:  RCr.  38,  S.  169-70;  LCB1.  S.  561.]|  — 
429)  (12  :  26;  IV  lc:  74)  —  430)  A.  Tobler,  Diez-Reliquien:  ALNS.  92,  S.  129-44.  -  431)  id.,  F.  Diez.  Vortr.  in  d.  Ges.  für  neuere 
Sprachen  (Berlin)  Referat:  ib.  93,  S.  154/5.  —  432)  (12  :  22.)  —  433)  (12  :  82.) —  434)  Eug.  Ritter,  Le  centenaire  de  Diez.  Discours 
suivi  de  lettres  adressees  ä  V.  Duret  par  Roumanille.  Geneire,  Georg ä  Cie.  117  S.  j[E.  Koschwitz:  LBIGRPh.  15, S. 398/9;  RCr. 38, 
S.  302, 4.] |  —  435)  Wendelino  Förster,  Nel  primo  centenario  dalla  nascita  di  F.  Diez.  Discorso  letto  nell' aula  magna  dell' universitä 
Bonn  il  3.  marzo.  Trad.  dal  tedesco  per  cura  di  L.  Biadene.  Roma,  Raponi  e  Co.  15  S.  (Vgl.  I  2 :  19.)  —  436)  F.  H.  Stoddard  , 
The  founder  of  romance  philol.  (Diez):  MLN.  9,  S.  251/4.  (Dazu  E.  Matzice:  ib.  S.  383/4.)  —  437)  (I  2  :  23.J  —  438)  Helene 
Lange,  E.  dtsch.  Frau  u.  Gelehrte  (Karoline  Michaelis):  Frau  1,  S.  718-22.  -  439)  J.  Baechtold,  J.  Tobler:  ADB.  38,  S.  393. 
—  440)  id.,  G.  Ch.  Tobler:  ib.  S.  392.  —  441)  Fr.  Thudiohum,  G.  Thudichum:  ib.  S.  136/8.  —  442)  E.  Eckstein,  Lyra 
germano-latina.  Dresden,  Reisser.  50  S.  M.  1,00.  —  443)  X  K.  Busse,  Neue  Uebersetzungslitt. :  Zuschauer  2,  S.  570/2.  — 
444)  R.  Genee:  Bühne  u.  Leben  2,  S.  686/7.  —  445)  E.  Grosse,  D.  Anfänge  d.  Kunst.  Freiburg  i.  B.  u.  L.,  Mohr.  301  S. 
M.  6,00.  —  446)  O.  Lieb  mann,  J.  G.  Sulzer:  ADB.  37,  S.  144/7.  —  447)  X  V.  Valentin,  Th.  Ziegler,  F.  Th.  Visoher  (JBL. 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  448-470 

lässt  Sulzers  Ruhm  und  Einfluss  unerklärt,  seine  so  überaus  charakteristischen 
„Unterredungen  über  die  Schönheiten  der  Natur"  fast  unbesprochen.  —  Die  neuere 
Aesthetik447)  wird  durch  Köstlin448)  würdig-  vertreten,  dessen  Werk  in  seiner  Viel- 
seitigkeit ein  anonymer  Verehrer  würdig  charakterisiert;  uns  ist  Köstlin  auch  als 
Herausgeber  Hölderlins  wert.  —  Die  Gruppe  der  Kritiker  wird  durch  den  unbedeutenden 
Titus  Ullrich449)  eröffnet450),  dem  sich  in  scharfem  Gegensatz  zu  seiner  milden  Breite 
L.  Pfau  anschliesst,  dessen  Tod  zahlreiche  Nekrologe  hervorrief451"457)  und  einige 
dankenswertere  Mitteilungen  aus  persönlicher  Bekanntschaft458459).  —  Andere  Schrift- 
steller, die  nur  gelegentlich  das  Amt  des  Kritikers  ausgefüllt  haben,  fanden  inhalts- 
vollere Besprechungen:  F.  A.  von  Schack  durch  Harnack460),  seine  Ausgabe 
von  Dorers  Schriften  durch  Koch  und  Sauer461).  —  Ein  Lebensbild  Dorers 
von  Pasch 462)  ist  uns  nicht  zugegangen.  —  Wieder  zu  diesen  Verehrern  der  alten 
Kunst  stehen  die  Modernen  im  Gegensatz :  W  e  i  g  a  n  d  463),  der  in  seinen  geistreichen 
Essays  Aphorismen  „Zur  Psychologie  des  19.  Jh."  ausstreut  (S.  225  ff.)  und  dabei 
W.  von  Humboldt  (S.  230/1)  in  seiner  Stellung  gegenüber  Goethe  (S.  231),  Rousseau 
(S.  232),  Grillparzer  (S.  233)  charakterisiert,  den  Grafen  Schack  (S.  315/6)  mit  den 
Männern  des  ancien  regime  vergleicht,  die,  „ohne  Individuen  im  modernen  Sinne 
des  Wortes  zu  sein,"  sich  durch  die  Kunst  der  Mitteilung  ein  Verdienst  erwerben. 
W.  macht  aber  auch  über  die  veränderte  Stellung  des  Dichters  überhaupt  (S.  302) 
gute  Bemerkungen.  Der  grösste  Teil  des  Buches  ist  der  französischen  Litteratur 
gewidmet:  Balzac,  Amiel,  den  Goncourts,  Flaubert,  Zola;  vielfach  kommt  der  Vf. 
auf  Rousseau  zu  sprechen,  den  er  (S.  89)  den  Typus  des  unwissenschaftlichen 
Menschen  nennt.  Schade,  dass  das  beachtenswerte  Buch  auf  elendem  Papier  schlecht 
gedruckt  und  dann  noch  schlecht  geheftet  ist.  —  Noch  viel  moderner,  aber  auch 
gesuchter,  viel  ärmer  an  Kenntnissen  und  Geist  ist  das  vielgenannte  Buch 
Ola  H  a  n  s  s  o  ns464).  —  Gelegentliche  Kritik  übte  K.  A.  Suckow,  als  er,  nach 
Brumme  r  s465)  Bericht,  „Byrons  Manfred,  ein  Beitrag  zur  Kritik  der  gegenwärtigen 
deutschen  dramatischen  Kunst  und  Poesie"  (1839)  schrieb,  „worin  er  nachweist, 
dass  das  deutsche  Theater  durch  den  Missbrauch  der  Musik  gesunken  sei  und  sich 
wieder  durch  Musik  heben  müsse";  und  Niemann466),  wenn  er  in  seiner  satirisch- 
elegischen Künstlergeschichte  „Lorbeer"  die  Art,  wie  man  heute  litterarische  Erfolge 
erntet,  und  die  weibliche  Schriftstellerei,  die  Familienzeitungen  und  die  Kritik  der 
„Vorliebnehmenden"  witzig  karikiert.  —  L.  von  Führich,  der  Sohn  des  Malers,  hat  ein 
paar  Essays  über  Kunst  und  einige  Gedichte  hinterlassen  (über  L.  Richter  S.  41/2), 
die  H.  v  o  n  Wörndle467)  mit  Biographie  herausgab;  ein  frommer  Katholik  und 
Verehrer  von  Phillips  und  Arndts,  dem  Juristen  (S.  XIV),  spricht  liebenswürdig 
über  liebenswürdige  Dinge,  ohne  grösseres  Interesse  zu  erregen;  höchstens  sei  die 
Bibliothek  seiner  Lieblingsautoren  (S.  XXVII)  angemerkt,  in  der  neben  ultramontanen 
Autoren  nur  Humoristen  wie  Reuter  und  Stieler  Platz  finden.  —  Ludwig  Pietsch, 
der  Kunstkritiker  und  Historiker  der  Berliner  „Gesellschaft",  hat  durch  seine  Lebens- 
erinnerungen auch  einen  litterarischen  Platz  erworben;  Schiff468)  bespricht  dies 
Buch  mit  herzlichem  Lob  und  rühmt  den  weiten  Blick,  der  Pietsch  auch  ihm  fern- 
liegende Individualitaten  wie  Maupassant  „entdecken"  und  würdigen  Hess.  —  Den 
grossen  dänischen  Kritiker  endlich,  der  durch  seine  Schriften  und  durch  seine 
Wirkung  fast  der  deutschen  Litteratur  angehört,  haben  Necke  r469)  und  Land  au470) 
in  Zeitungsartikeln  neuerdings  gewürdigt.  — 

Kommen  wir  von  den  der  Literaturgeschichte  am  nächsten  stehenden 
Disciplin  en  zu  den  entfernteren  der  universitas  litterarum,  so  finden  wir 
an  dem  grossen  Juristen  A.  F.  J.  Thibaut  den  besten  Ueberleiter,  weil  er  durch 
seine  berühmte  Schrift  über  die  „Reinheit  der  Tonkunst",  ein  Vorläufer  W.  H.  Riehls 
und   ein  Nachfolger  Heinses  im  Kampf  für  Palestrina  und  seine  Genossen,    auch  in 


I  12:23;  IV  5:410a):  DWB1.  7,  S.  504.  —  448)  R.  Seh.,  K.  R.  Köstlin:  SohwäbKron.  N.  88.  (Ausführt.  Nachr.)  —  449)  X 
(19:20.)  |[VossZg.  N.  534;  BerlTBl.  N.  552.]|  —  450)  X  P-  K.,  B,  v.  Gottschall:  BurschenschBll.  8,  S.  16  8.  — 
451)  X  L-  Pfau:  BerlTBl.  N.  187.  —  452)  X  J-  Herzfelder,  L.  Plan:  MünchNNachr.  N.  175.  -  453)  X  L.  Pfau: 
SchwäbKron.  N.  85.  —  454)  X  0.  Hörth,  L.  Pfau:  FZg.  N.  104.  -  455)  X  L-  pfau:  NWienTBl.  N.  107.  -  456)  X 
L.  Pfau:  VomFelsz.Meer.  2,  S.  22.  —  457)  X  L  Pfau:  ÜLsM.  72,  S.  635.  —  458)  X  Persönl.  Erinnerungen  an  L.  Pfau: 
FZg.  N.  228.  —  459)  X  B-  <*.,  Persönl.  Erinnerungen  an  L.  Pfau:  Geg.  45,  S.  375/8.  —  460)  A.  Graf  v.  Schack, 
Perspektiven.    Vera.  Schriften.     1.   Bd.    St.,  Dtsch.  Verlagsanst.    V,  312   S.   M.  5,00.  |[0.  Harnack:   PrJbb.  78,  S.   518/9.J| 

—  461)  id.,  E.  Dorers  nachgel.  Schriften  (JBL.  1893  IV  ld:88;  4:170;  8a  :  89.)  |[A.  Sauer:  DLZ.  S.  6(50/1;  1£.  Koch- 
ZVLR.  7,  S.  92,9.]|  —  462)  K.  Pasch,  E.  Dorer,  Lehens-  u.  Charakterbild.  Wien,  Austria.  47  S.  M.  1,00.  (Im  Auftr.  d. 
Leo-Ges.  Mit  Bild.)  —  463)  W.  Weigand,  Essays  (Voltaire;  Bousseau;  Taine  u.  Sainte-Beuve:  z.  Psychol.  d.  Dekadence ; 
z.  Psychol.  d.  19.  Jh.)     Neue  (Titel-)Ausg     (JBL    1892  IV  la  :15;  1893  I  1  :  120.)     München,  Lukaschik.     323  S.     M.  4,50.  — 

464)  Ola  Hansson,  Seher  u.  Deuter  (E.  Poe;  W.  M.  Garschin;  M.  Stirner;  P.  Bourget;  A.  Böoklin  )  B.,  Rosenbaum  &  Hart. 
VII,  168  S.     M   3,00.      [WIDM.  75,  S.  782,3;    B    Waiden:    WienZg.  N.  41 ;    A    Friedmann:    DDichterheim.  14,  S.  159.] |  — 

465)  F.  Brummer,  K.  Ad.  Suckow:  ADB.  37,  S.  107.  —  466)  A.  Niemann,  Lorbeer.  Erzählung.  L.,  Grunow.  146  S. 
M.  2,00.  —  467)  L.  Bitter  t.  Fuhrich,  Ausgew.  Schriften.  Im  Einvernehmen  mit  d.  Familie  her.  u.  mit  einleit.  Biogr.  verf. 
v.  H.  t.  Wörndle.     St.,  J.  Roth.     XXXVII,  87  S.     Mit  Bild.     M.  2,00.     |[UPB11.  113,   S.  79-80.],     (Vgl.  JBL.  1893  111:  298.) 

—  468)  E.  Schiff,  L.  Pietsch:  NFPr.  N.  10900.    (Vgl.  I  9:21.)   —   469)  M.  Necker,   G.  Brandes:  ib.  N.  10563.    —    470) 


IV  5:471-485  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

der  Kunstkritik  eine  bedeutsame  Stellung-  einnimmt.  In  dem  Augenblick,  in  dem 
Thibaut  durch  die  Annahme  eines  einheitlichen  Bürgerlichen  Gesetzbuches  (wie  sein 
trefflicher  Biograph  Landsberg471)  hervorhebt)  einen  endgiltigen  Sieg  über 
Savigny  davonträgt  (S.  741),  ist  er  dem  grossen  Publikum  in  seinem  Vaterlande 
höchstens  durch  Heines  Scherze  über  Tibaldo  bekannt;  so  wenig  gedenken  wir  der 
Vorarbeiter  unserer  grössten  Fortschritte!  Dabei  ist  der  Schüler  Kants,  der  Freund 
Niebuhrs,  der  Gegner  Savignys  auch  als  Schriftsteller  interessant,  wie  ihn  L.  (S.  743) 
charakterisiert,  und  wie  seine  beiden  populären  Schriften  ihn  zeigen.  Und  es  ist 
wirklich  derselbe  Mann,  den  L.  als  Vorläufer  Iherings472)  und  seines  Programms 
„Durch  das  römische  Recht  über  das  römische  Recht  hinaus"  (S.  742)  feiert,  und  der 
in  der  „Reinheit  der  Tonkunst"  durch  die  alte  Kirchenmusik  über  sie  hinausgelangen 
will;  der  gegen  Savignys  hochmütige  Verachtung  der  französischen  Rechtsschöpfung 
und  gegen  den  Chauvinismus  in  der  Tonkunst  („Reinheit  derTonkunst"  S.  170)kämpft;  der 
das  historisch  gewordene  nicht  einfach  als  unabänderliche  Notwendigkeit  ansah,  wo 
es  sich  um  Rechtsfragen  handelte,  und  der  Klopstocks  Text  zu  Pergolese  (S.  178) 
als  verwässert  und  geziert  verwirft,  obwohl  Klopstocks  Weichheit  sich  historisch 
erklären  lässt.  —  Ein  ganzer  Mann  in  Theorie  und  Praxis  steht  auch  Ad.  E  x n  e  r  vor 
uns,  dem  sein  berühmter  Kollege  Unger473)  einen  Nachruf  schrieb  voll  warmen 
Gefühls,  aber  nicht  ohne  an  Exners  berühmtester  populärer  That,  der  Rede  „lieber 
politische  Bildung"  (S.  7/8),  Kritik  zu  üben.  — 

Wenn  der  Jurisprudenz  die  Politik  allezeit  an  der  Hand  lag,  so  hat  die 
Nationalökonomie  sich  zur  „politischen  Oekonomie"  erst  entwickeln  müssen. 
John 474),  der  den  „hervorragendsten  Vertreter  der  aufkeimenden  Socialwissen- 
schaft  des  vorigen  Jh."  bespricht,  hat  den  einfachen  stillen  Lebenslauf  eines 
Theologen  zu  erzählen,  der  nach  Chr.  Wolfs  Worten  (S.  192)  zuerst  „die  Wahr- 
scheinlichkeitstheorien zum  Gebrauch  im  menschlichen  Leben"  verwertete  und  bis 
auf  Laplace  und  Quetelet  (S.  193)  ausgebeutet  werden  konnte,  der  auch  Malthus 
Theorie  (S.  188)  vorwegnahm:  aber  eine  praktische  Agitation  auf  seine  Lehren  zu 
stellen  wie  Malthus  oder  Quetelet,  das  wäre  Süssmilch  nie  eingefallen.  —  Friedrich  List 
bezeichnet  vielleicht  diesen  üebergang  zum  praktischen  Politiker  am  deutlichsten; 
von  ihm  erzählt  The  ob.  Kerner4'5).  —  Rümelin476)  ist  dann  schon  als  Politiker 
mehr  denn  in  seinem  Berufsfach  hervorgetreten.  Neben  jenen  Schwaben,  die  mit 
träumerischer  Phantasie  sich  über  Welt  und  Wirklichkeit  hinwegphilosophierteu, 
fehlte  nie  ein  kräftig  die  Dinge  angreifendes  Geschlecht,  weniger  genial  vielleicht, 
aber  nicht  weniger  verdienstvoll.  Wie  Unland  neben  Schelling  steht  und  Strauss 
neben  Mörike,  so  hat  der  wackere  Kanzler  von  Tübingen  neben  den  allzu  doktrinären 
Grossdeutschen  gestanden,  fest  auf  die  erreichbaren  Ziele  gerichtet.  Ein  Anhänger 
Preussens  in  der  Politik,  ein  Prediger  verständigen  Masses  gegenüber  einer  himmelnden 
Shakespearomanie,  ward  der  Philosoph  zum  Statistiker,  ohne  je  in  Zahlen  unter- 
zugehen. Der  nachgelassene  Band  seiner  Reden  und  Aufsätze  zeigt  wieder  den 
praktischen  und  sachlichen  Mann,  der  den  verwickeltsten  Fragen,  der  Lehre  vom 
Gewissen,  von  den  Arten  und  Stufen  der  Intelligenz,  von  Gesellschaft  und  Gesellschafts- 
lehre, vom  Zufall  handliche  Angriffspunkte  abzugewinnen  weiss,  der  mit  nüchterner 
Ruhe,  aber  doch  nicht  ohne  Wärme  seinen  König  Friedrich  von  Württemberg  gegen 
Treitschkes  Angriffe  verteidigt  und  selbst  in  der  ihm  so  fernen,  weichen  Natur  eines 
Justinus  Kerner  den  festen  Kern  herausfühlt.  Am  geringsten  scheint  uns  der  Aufsatz 
über  den  württembergischen  Volkscharakter,  weil  allzu  statistisch.  Vertiefung  in  so 
charakteristische  Persönlichkeiten  wie  Uhland  und  Vischer  hätte  hier  lebendiger 
belehrt  als  lange  Namenreihen.  Doch  bleibt  dem  würdigen  Vertreter  dieses  Volks- 
charakters unser  Dank,  dass  wir  selbst  dieser  Reihe  berühmter  Württemberger  seinen 
Namen  beifügen  als  den  eines  trefflichen  Gelehrten,  eines  ausgezeichneten  Meisters 
akademischer  Rede,  eines  echtdeutschen  Mannes!  —  Von  Politikern  wie  List,  Rümelin, 
Marx477)  unterscheidet  sich  wieder  Röscher478"483)  durch  seine  kühle  Objektivität; 
er  hat  eine  „Politik"  zu  schreiben  versucht,  wie  ein  anderer  Meteorologie  oder  Physik 
behandelt.  Unter  den  zahllosen  Nekrologen  auf  den  berühmtesten  Nationalökonomen 
seiner  Zeit,  die  aber  unsere  Zeit  nicht  mehr  ist,  heben  wir  den  von  Brentano 484) 
hervor:    wie  Röscher  einer  blossen   „Lehre,    wie    die   einzelnen  reich  werden,"  erst 


S.  R.  Landau,  G.  Brandes  Selbstbekenntnisse:  WienTBl.  N.  158.  -  471)  E.Landsberg,  A.  F.  J.  Thibaut:  ADB.  37,  S.  737-44. 

—  472)  X  R-  ▼•  Ihering,  Extr.  de  la  notice  necrologique,  publiee  pur  A.  Merkel.  (JBL.  1893  IV  5  :  437  a.)  Trad.  par  M.  H. 
Girardin.    Paris,  Thorin  &  Als.     19  S.    (Aus  RGD.)   —    473)  J.  Unger,  Ad.  Exner.    Nachruf.   Wien,  Holder.    13  S.  M.  0,40. 

—  474)  V.  John,  J.  P.  Sfissmilch:  ADB.  37,  S.  188-95.  —  475)  Th.  Kerner,  F.  Liszt:  ÜL&M.  71,  S.  39.  —  476) 
(I  7:167.)  —  477)  X  J-  Stern,  D.  „hist.  Materialismus"  u.  d.  „Theorie  d.  Mehrwerts"  t.  K.  Marx.  E.  popul.  Darstell. 
(=  Samml.  gesellschaftswissensch.  Aufsätze  her.  v.  Ed.  Fuohs.  N.  6.)  München,  Ernst.  31  S.  M.  0,30.  —  478)  X  w-  Rosoher : 
AkBll.  9,  S.  77.  —  479)  X  K-  Bücher,  W.  Röscher:  PrJbb.  77,  S.  104-23.  —  480)  X  Alb.  Sohaeffle,  W.  Röscher:  Zu- 
kunft 8,  S.  25/9.  —  481)  X  W.  Röscher:  ÜL&M.  72,  S.  783.  —  482)  XO.  Lorenz,  W.  Röscher:  ML.  63,  S.  769-75.  -  483)  X 
W.  Röscher:    Gartenlaube  S.  428.    —   484)    L.  Brentano,  W.  Röscher:    NatZg.   N.  252.    —   485)   Th.  Barth,  W.  Röscher: 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  •.  486-513 

wieder  eine  wirkliche  Nationalökonomie  entgegenstellte,  wie  der  1842  erschienene 
Grundriss  zu  Vorlesungen  über  die  Staatswirtschaft  nach  geschichtlicher  Methode, 
die  bedeutendste  That  des  so  lange  Thätigen  gewesen,  indem  sie  für  alle,  die  nach 
ihm  kamen,  die  dauernde  Richtschnur  aufstellte,  das  zeigt  seine  Bedeutung  —  und 
ihre  Grenzen.  —  Den  milden  Kritiker  und  wohlwollenden  Richter,  der  in  seiner 
sanften  Lehrhaftigkeit  an  Leipzigs  typische  Berühmtheit,  an  Geliert,  erinnert,  •  dem 
auch  seine  aufgeklärte  Religiosität  verwandt  war,  rühmt  auch  Barth  4S5),  der  ihn 
übrigens  dem  Liberalismus  näher  rückt,  als  man  sonst  zu  thun  pflegt.486)  — 
Kanner486»)  glaubt  es  dagegen  seiner  Verehrung  für  Marx  schuldig  zu  sein,  dass 
er  von  Roschers  Verdiensten  überhaupt  nichts  übrig  lässt  und  ihm  sogar  die  Methode 
im  wissenschaftlichen  Sinne  abspricht.  — 

Anwendungen  aus  der  Statistik  und  Mathematik  auf  Gebiete  des 
wirklichen  Lebens  bildeten  auch  den  Hauptruhm  F.  Th.  Fechners,  dessen  Biographie 
von  Kuntze  noch  mehrfach  besprochen  ward487).  Schneider  jauchzt  (S.  370)  der 
Forderung  einer  Christianisierung  der  Philosophie,  wie  Kuntze  sie  erhebt,  zu,  will 
sie  aber  natürlich  katholisch  verstanden  wissen  und  polemisiert  (S.  372/3)  gegen  jede 
protestantische  Anschauung  des  Vf.  —  Eine  gänzlich  anders  geartete  Verbindung 
von  Mathematik  und  praktischen  Lebensforderungen  stellt  ein  Techniker  dar,  wie  der 
um  die  elektrische  Telegraphie  verdiente  Zetzsche,  dem  Voretzsch488)  eine  warme 
Denkrede  hielt:  der  junge  Mathematiker  ward  schon  1849  durch  ein  Programm  eines 
Lehrers  auf  die  Bahn  «denkt,  die  er  dann  fast  50  Jahre  lan»'  mit  grossem  Erfolge 
beschritt  (S.  6/7).  — 

Zwischen  den  Berufen  des  praktischen  Lebens  und  der  Wissenschaft  steht 
auch  die  Kunst  des  Arztes.  Schumann489)  berichtet  von  der  Arztfamihe  Sulzer, 
deren  Begründer  sich  um  die  Einführung  der  Blatternimpfung  mit  Erfolg  bemühte, 
während  der  Sohn  Friedrich  Gabriel  ausser  Fachschriften  auch  Beiträge  zu  Nicolais 
Bibliothek  lieferte.  Er  und  sein  Bruder  erlebten  eine  Periode  der  Robinson- 
schwärmerei, traten  auf  Gotters  Liebhaberbühne  auf,  und  der  ältere  sollte  den  Götz 
übernehmen,  als  Goethe  sein  Drama  Gotter  mit  der  berühmten  Epistel  übersandt 
hatte.  Der  jüngere  Bruder  war  ein  wanderlustiger  Kaufmann,  die  Schwester,  die 
Reichard  Hebte,  wirkte  auf  der  Bühne  mit.490)  —  Volkmann,  der  in  Halle  ein  Denk- 
mal erhielt491),  gehört  der  deutschen  Litteratur  auch  als  Dichter  und  Märchenerzähler 
an.  —  Hyrtl492-494)  besass  wenigstens  auf  seinem  Gebiet  „eine  geradezu  klassische 
Begabung,  das  Wort  als  Redner  und  Schriftsteller  zu  meistern".  Schiff495)  betont, 
dass  der  künstlerische  und  der  historische  Zug  (S.  642)  den  „Fürsten  der  Anatomen'1  zu 
dem  machten,  was  er  war,  und  schildert  anschaulich  die  magische  Erscheinung  der 
hageren  Gestalt  im  schwarzen  Talar,  mit  schmalem,  bartlosem  Gesicht,  wie  auch  seine 
vormärzlichen  Kollegen  Skoda  und  Oppolzer  keinen  Bart  trugen  (S.  641).  —  Billroth 
dagegen,  dessen  Unersetzlichkeit  so  viele  beklagten'496-499),  ist  ein  durchaus  moderner 
Mensch  gewesen,  voll  vielseitigen  Interesses,  besonders  auch  an  der  Musik,  wobei 
er  den  antiwagnerischen  Standpunkt  seines  Freundes  Hanslick500)  teilte500*). 
Sonnenburg501)  würdigt  den  Gelehrten  und  den  genialen  Chirurgen.  —  Fliess502) 
schrieb  über  Aug.  Hirsch,  den  Geschichtsschreiber  der  medizinischen  Wissenschaften 
in  Deutschland.  — 

Von  der  Medizin  zur  Physik  ging  der  Weg  Helmholtz503"511),  des  Grössten 
unter   den  Toten    des  Jahres.     Während  Engelmann512)    in   ihm    eine  Vereiniguno- 
von  Forschern  und   Denkern   ersten  Ranges   sieht,    wie    sie  vielleicht   noch   nie    in 
einer   Person    da   war,    durfte    ein    schöner  Zeitungsartikel513)    ihn    eine  Goethesche 
Natur  nennen.     E.s  meisterhafte  Rede  würdigt  auch  den  Künstler  in  Helmholtz  (S.  16) 
und  besonders  auch   den  Beherrscher  der  Sprache:     „Besseres  Deutsch  ist  nicht  ge- 
schrieben worden.     Helmholtz  Sprache  ist  von  vollendeter,  edelster  Natürlichkeit,  von 
ruhigstem  Flusse    und  gleichmässigem  Wohllaut.     Er   liebt   die   kurze  gerade  Rede- 
Nation«.  11,  S.  535.   —   486)  X  L.  Brentano,  Hours,  wages  and  production,  transl.  by  Mrs.  Arnold.   London,  Sonnenschein 
Sh.  2  6.    -   486a)    H.  Kanner,    W.  Röscher:  FZg.  N.  161. —487)  X  *•  &  Kintze,   G.  Th.  Fechner    (JBh.  1892    I  11  ■  14a- 
IV  5:200).     |[C.  M.  Schneider:   JbPSTh.  8,   S.  3702;    WIDM.  75,  S.  395]     -    488)   M.  Voretzsch,   Z.  Erinn.  an   K.  Ed. 
Zetzsche   (gest.  18.  Apr.).     Vortr.  in  d.  natnrforsch.  Ges.  d.  Osterlandes.     Altenburg,  (St.  Geibel   *  Co  )     24   S     M    0  60     (Ans 
MOsterland.  Bd.  6.)    -    489)  A.  Schumann,   J.  K.  Sulzer:  ADB.  37,   S.  147-50.    -    490)  X  Aus  Moleschotts  Erinnerungen: 
Geg.  46,    S.  2647.  —    491)  X   D-  Volkmann-Denkm.  in  Halle  a.  S.:  VFelsz.Meer.  2,   S.  40.    —   492)  X  Ed    Sokal     J    Hyrtl- 
Geg.  46,  S.  86,7.  -  493)  X  J-  Hyrtl:  Gartenlaube  S.  548.  -  494)  X  J-  Hyrtl:  ÜL&M.  72,  S.  919.  -  495)  E.  Schiff    J  Hyrtl- 
Nation«.  11,  S.  6402.  -  496)  X  Th.  Billroth:  ÜL*M.  71,  S.  460.  -  497)  X  Th.  Billroth:  Presse  N.  36.  -  498)  X  Th    Bill- 
roth:  IllZg.  102,  S.  159-60.-499)  X  Billroth:  Pfarrhaus  10.  S. 47/8.    -    500)  X  E.  Hanslir.k,   2  Briefe  Billroths:  BerlTBl 
N.261.  (AnsNFPr.[VI  lc:61];  ygl.  dazu  I  8 :  17;.  10:  4.)  -  500a)  X  Th.  Billroth,  üeber  Nietzsche  u.  Ibsen :  DBQhneng  23 
S.  228.    —    501)  E.  Sonnenburg,   Z.  Andenken  an   TL  Billroth:   Nation«.  11,   S.   301/2.    —   502)  W.   Fliess     Aug   Hirsch 
Nekrol.:  ib.  S.  272)3.   -    503)  X  H.  v.  Helmholtz:  Post  N.  247     -    504)  X  B.  Georg,  H.  v.  Helmholtz:  Bär  20,  S.  468.  - 
505)  X  H.  v.  Helmholtz;  KZEü.  43,  S.  478,9.    -  506)  X  Helmholtz:  AkBU.  9.  S.  141.  -  507)  X  Helmholtz:  BÜBS.  64,  S  171/4 
508)  X  L-  H.,  H.  y.  Helmholtz:  ÜL&M.  71,  S.  1053  4.    -   509)  X  Helmholtz:  Zukunft  9,  S.  16.  —   510)  X  A.  W.  Rücker 
H.  v.  Helmholtz:  FortnR.  56,  S.  651-60.  -    511)  XJ-  S.  Shedlock,  Helmholtz:  Ac.  46,  S.  199.   -   512)  Th.  Engelmann' 
Gedächtnisrede  auf  H.  v.  Helmholtz.    L.,  Engelmann.    34  S.    lt.  0,60.    j[Gids.  11,  S.  110, 3]|  -   513)  H.  Helmholtz:  WeserZg] 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (4")22 


IV  5  :  514-532  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

weise,  verschmäht  prunkvolle  Worte  und  den  häufigen  Gebrauch  von  Bildern  und 
erhebt  sich  doch,  wo  es  der  Gegenstand  mit  sich  bringt,  zu  poetischer  Wärme  des 
Ausdrucks.  Immer  steht  ihm,  wo  er  es  braucht,  in  ungesuchtester  Weise  ein 
passendes  Dichterwort  zu  Gebote,  wie  denn  —  trotz  Cicero  und  Vergil  —  ein  gutes 
Stück  klassischer  Litteratur  alter  und  neuer  Zeit  in  seinem,  wie  ich  glaube,  von  ihm 
selbst  unterschätzten  Gedächtnisse  fortlebte.  Goethe  nimmt  wie  begreiflich  in  dieser 
Beziehung  einen  Ehrenplatz  ein"  (S.  19).  Er  schildert  auch  Helmholtz  Erscheinung  und 
Haltung,  seine  Art  zu  sprechen  und  zu  schweigen  (S.  29)  und  seine  Lehrtätig- 
keit (S.  32)  sehr  anschaulich.  —  Die  Persönlichkeit,  den  Menschen  stellt  auch 
Rodenberg514)  in  den  Vordergrund,  während  Schiff515)  den  „grössten  deutschen 
Denker  der  Gegenwart",  „den  representative  man  derjenigen  Wissenschaft,  die  unserem 
Jh.  die  Signatur  gegeben  hat"  (S.  735),  bei  der  Arbeit  zeigt.  —  Noch  sei  der  durch 
Selbständigkeit  hervorragende  Aufsatz  von  Steiner516)  hier  genannt.  —  Helmholtz 
berühmtestem  Schüler,  H.  Hertz,  war  es  vergönnt517),  unmittelbar  von  dem  höchsten 
Triumph  seiner  Forschung  in  die  Ruhe  einzugehen51711).  — 

Von  der  Medizin  ist  auch  die  Anthropologie518)  ausgegangen,  der  zahl- 
reiche Plülfswissenschaften  dienen,  die  Ethnographie  (von  deren  dilettantischem 
Vertreter  Buchta  Hevesi519)  ein  packendes  Büd  entwirft)  so  gut  wie  die  vergleichende 
Religionswissenschaft520).  Die  Botanik521)  ihrerseits  dient  auch  wieder  der  Medizin 
und,  so  gut  wie  die  Astronomie522),  der  praktischen  Landwirtschaft,  deren 
Reformator  Thaer  Leisewitz523)  schildert.  Er  war  selbst  von  der  Medizin  herge- 
kommen. Den  bekannten  sonderbaren  Anspruch  Thaers  auf  Lessings  „Erziehung 
des  Menschengeschlechts"  erwähnt  der  Biograph  gar  nicht.  —  An  F.  Stolze,  den 
Stenographen,  erinnerte  Specht524).  — 

Etwas  Stenographie  steckt  in  aller  journalistischen  Thätigkeit.  Wenn  man 
J.  Moser,  über  den  Duboc525"525")  und  Runkel526)  schrieben,  mit  anderen  Volks- 
pädagogen seiner  Zeit  vergleicht,  so  erscheint  der  gründliche  Forscher  wirklich 
schon  fast  als  Feuilletonist.527)  —  Und  gar  Ludw.  Wekhrlin,  dessen  von  Böhm 
geschriebene  Biographie  von  Heigel  rühmend  besprochen  wird528);  Rem  er529) 
machte  einen  guten  Auszug.  — 

Wie  steif  und  altmodisch  wirken  neben  diesen  individuellen  Journalisten 
die  unpersönlichen  Wochenschriften  alten  Stils!  Oskar  Lehmann530)  betrachtet  die 
deutschen  moralischen  Wochenschriften  des  18.  Jh.  als  pädagogische  Reform- 
schriften. In  etwas  undurchsichtiger  Anordnung  (die  denn  auch  einige  Wieder- 
holungen verschuldet)  giebt  er  charakteristische  Stellen  aus  zahlreichen  von  diesen 
gedruckten  Pädagogen,  die  ja  sonst  kaum  noch  anders  als  aus  dumpfer  Tradition  be- 
kannt sind.  Die  dankenswerten  Auszüge  zeigen  manches  in  neuer  Beleuchtung. 
Man  erstaunt,  wie  modern  die  alten  Herren  über  Frauenbildung  dachten  (S.  50/1), 
wie  sie  auch  sonst  als  Vorläufer  späterer  Richtungen  erscheinen:  sehr  früh,  lange 
vor  Fröbel,  sorgt  man  für  Uebungsspiele  der  Kinder  (S.  67),  und  ebenso  betont  man 
den  Wert  der  Leibesübungen  (S.  69)  lange  vor  Jahn.  Und  das  zu  einer  Zeit,  in 
der  der  Betrieb  der  Muttersprache  im  Unterricht  noch  eine  neue  Forderung  war 
(S.  58).  Gelegentlich  beurteilt  freilich  auch  L.  die  Wochenschriften  zu  modern:  man 
kann  doch  kaum  sagen,  dass  durch  den  Hinweis  auf  das  vorbildliche  Leben  und 
Wirken  bedeutender  Männer  und  Frauen  und  durch  Darbietung  biographischer  Ge- 
schichtsbilder schon  die  Wichtigkeit  der  Kulturgeschichte  betont  Wurde  (S.  62).  Im 
allgemeinen  charakterisiert  der  Vf.  die  Wochenschriften  als  moralisch  -  patriotische 
Wochenschriften  (S.  72  ff.)  und  schildert  sehr  gut  Geliert  (S.  76)  als  den  Gipfel  der 
durch  sie  vertretenen  Bewegung.  Welche  Autoren  sonst  als  verwandt  galten,  lehrt 
das  interessante  Verzeichnis  der  in  den  Wochenschriften  zur  Lektüre  empfohlenen 
Bücher  (S.  70).  - 

Näher  noch  als  Moser  und  Wekhrlin  tritt  H.  P.  Sturz  dem  Typus  des 
modernen  Journalisten,  weil  ihm  sowohl  die  würdige  sesshafte  Gravität  des  einen 
als  auch  die  unruhige  Hast  des  anderen  abgeht.  Sein  Biograph  Koch531)  berück- 
sichtigt in  der  Lebenserzählung  wie  in  der  litterarischen  Würdigung  das  seit  seiner 


N.  17166.  —  514)  J.  R[odenberg],  H.  v.  Helmholtz:  DRs.  81,  S.  129-31.  -  515)  E.  Schiff,  H.  v.  Helmholtz,  Nation».  11, 
S.  7359.  —  516)  R.  Steiner,  H.  v.  Helmholtz:  ML.  63,  S.  1160/3.  —  517)  X  L-  H.,  H.  Hertz:  ÜL&M.  71,  S.  382.  —  517a)  X 
Helmholtz  über  Hertz:  FZg.  1.  Aug.  -  518)  XH.  Hütter,  H.Schaaf  hausen:  AH  VN.  56,  S.  189-94.  —  519)  L.  H[eves]i,  R.  Buchta: 
FrBIW.  N.  212.  —  520)  X  Th.  Achelis,  D.  vergleichende  Religionswissensch.  (JBL.  1893  I  4:14):  BBG.  30,  S.  177.  —  521)  X 
F.  W.  E.  Roth,  O.  Brunfels:  ZOO  Rh.  9,  S.  286-320.  (Theol.;  Vater  d.  neueren  Botanik.)  —  522)  X  W.  Foerster,  Ueber  d. 
Zusammenwirken  v.  Bessel,  Encke  u.  A.  v.  Humboldt:  DR.  4,  S.  94-104.  —  523)  C.  Leisewitz,  A.  Thaer:  ADB.  37,  S.  636-43. 
—  524)  F.  Specht,  F.  Stolze:  VossZg.  20.  Okt.  —  525)  J.  Duboc,  J.  Moser:  DWB1.  7,  S.  8-10.  —  525a)  id.,  J.  Moser: 
N&S.  68,  S.  56-66.  —  526)  F.  Runkel,  E.  Feuilletonist  vor  100  J.  Z.  100J.  Todestage  J.  Mosers:  BerlTBl.  N.  12.  —  527)  X 
F.  Poppenberg.  D.  erste  dtsch.  Feuilletonist:  Geg.  45,  S.  185,-7.  —  428)  X  G.Böhm,  Ludwig  Wekhrlin  (JBL.  1893  1  4:134; 
IV  6:513).  |[C:  DR.  1,  S.  594;  Euph.  1,  S.  160;  WIDM.  75,  S.  656;  C.  Heigel:  DLZ.  S.  1361.JI  —  529)  P.  Remer,  L. 
Wekhrlin:  VossZgB.  N.  6.  —  530)  Osk.  Lehmann,  D.  dtsch.  moral.  Wochenschrr.  d.  18.  Jh.  (JBL.  I  6:250;  III  5:49;  IV 
5:503).    L.,  R.  Richter.     1893.    86  S.    M.  1,35.   -    531)  M.  Koch,  H.  P.  Sturz:  ADB.  87,  S.  59-61.   -   532)  K.  Lohmeyer, 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5:533-543 

früheren  Schrift  über  den  merkwürdigen  Mann,  der  mit  Lessing  und  mit  Klopstock, 
mit  Merck  und  Angelika  Kauffmann  gleichzeitig'  befreundet  sein  konnte,  erschienene 
Material  und  hebt  Sturz  Verdienste  nach  einer  knappen  Charakteristik  seiner  Eigen- 
art (S.  61)  gut  heraus,  wobei  er  ihm  mit  seinen  darmstädtischen  Landsleuten  Lichten- 
berg und  Merck  vergleicht.  —  Lohmeyer532;  meldet,  dass  die  Zeitschriften,  an 
denen  der  Königsberger  J.  D.  Symanski  mitarbeitete,  mit  solchem  Erfolg  verboten 
wurden,  dass  kein  einziges  Exemplar  aufzutreiben  war.  —  Auch  M.  Eisner,  der 
lange  Zeit  in  Breslau  als  Redakteur  und  Stadtverordneter  gewirkt  hat,  kam  mit  der 
Regierung  in  Konflikt  und  verlebte  auf  Silberberg  eine  „Festungstid"533).  —  Stärker 
als  die  preussischen  sind  im  Berichtsjahr  die  österreichischen  Journalisten  ver- 
treten, zumal  die  Wiener.534)  Fränkel535)  führt  in  dem  Ungarn  Karl  A.  von  Terzky  den 
Redakteur  einer  1848  erscheinenden  „Wiener  Gassenzeitung"  an,  die  „in  ultra- 
revolutionärem und  meistens  überaus  gemeinem  Stil"  gegen  jede  Ordnung  hetzte. 
Für  den  in  schwere  Bedrängnis  Geratenen  interessierte  sich  J.  V.  Scheffel  und  gab 
über  ein  unbekanntes  Werk  des  Mannes  ein  interessantes  Urteil  ab  (S.  581).  — 
Ganz  anders  machen  Gestalten  wie  R.  Valdek  und  F.  Schlögl  der  Journalistik  Ehre. 
Ein  Anonymus536)  schildert  den  ersten  als  edle,  unabhängige  Persönlichkeit,  be- 
richtet von  seinem  Urteil  über  Goethe,  Grillparzer,  Gerh.  Hauptmann  und  zählt  seine 
litterarischen  Freunde  auf.  —  Fr.  Schlögl537)  wird  von  Bartels538)  gewürdigt;  er 
rühmt  die  Reichhaltigkeit  seiner  Schriften  und  nennt  ihn  den  Klassiker  unter  den 
Lokalredakteuren,  vergleicht  ihn  auch  —  warumnicht?  — mit  J.  Moser.  —  Rosegger539) 
hat  ihn  (wie  Kürnberger,  Anzengruber,  Auerbach,  Stelzhamer  usw.)  in  seinen  „Guten 
Kameraden"  so  anschaulich  porträtiert,  dass  wir  uns  über  Bartels  Phrasen 
trösten  können.  — 

Am  meisten  ward  Wiens  bekanntester  Journalist  besprochen.  Einer  letzten 
Sammlung  der  „Wiener  Spaziergänge"  hat  Kalb  eck540)  eine  Biographie  und 
kritische  Würdigung  Daniel  Spitzers  vorausgesandt.  Allzu  kritisch  ist  die 
Charakteristik  freilich  nicht  ausgefallen,  die  auch  mit  ihrem  nachlässigen  und  un- 
gepflegten Stil  („sanglante  Angriffe"  S.  XVIII)  dem  sorgfältigen  Stilisten  nicht  ge- 
nügend Ehre  erweist.  Aber  sie  legt  doch  die  Muster  des  Wiener  Feuilletonisten 
ganz  sauber  zusammen  (vollständig  finden  sie  sich  in  seiner  kleinen  Bibliothek, 
S.  XVII) :  Sterne,  Junius,  Lichtenberg,  Lessing,  Heine  und  einige  andere.  Es  ist 
anzumerken,  dass  Spitzer  im  Gegensatz  zu  Heine  von  den  Satirikern  germanischen 
Ursprungs  stärker  als  von  denen  Frankreichs  beeinflusst  wurde.  Mit  dieser  Beobachtung 
ist  freilich  zur  Charakteristik  seines  Humors  erst  wenig  g-eschehen,  und  K.  thut  trotz 
der  guten  Proben  (S.  XXVI)  nicht  viel  mehr;  aus  der  Analyse,  die  einst  Paul  Lindau 
gab  (jetzt  auch  in  seinen  Gesammelten  Aufsätzen  S.  195/6),  ist  für  die  Eigenart  seiner  Technik 
ungleich  mehr  zu  lernen.  Von  Wert  sind  dagegen  die  Mitteilungen  über  Spitzers 
Arbeitsweise  (S.  XXXIX),  die  ihn  als  einen  Anhänger  der  gut  modernen  Zettel- 
technik und  Mosaikfabrikation  zeigen.  Auch  wird  er  in  seinem  Verhältnis  zur 
positiven  Politik  (S.  XIX)  ganz  richtig  beurteilt.  Das  Wichtigste  in  K.s  Einleitung 
ist  indessen  die  Würdigung  und  „Rettung"  des  Menschen,  der  als  Ehrenmann,  als 
ernster  Vertreter  seiner  inneren  Ueberzeugung,  als  im  Grunde  weiche  und  liebens- 
würdige Natur  (S.  XLIII,  XXXVIII,  bes.  S.  XIV)  geschildert  wird,  und  in  dem  — 
nur  für  den  oberflächlichsten  Betrachter  befremdend  —  sogar  ein  kleiner  Lyriker 
auftaucht.  Den  Versuch  dagegen,  auch  den  Epiker  Spitzer  zu  retten  (S.  XXXV), 
halten  wir  für  misslungen;  die  beiden  „Novellen"  sind  und  bleiben  bedauernswerte 
Mischungen  von  nicht  allzu  witziger  Lüsternheit  mit  noch  weniger  gelungener  Satire. 
Was  man  Thümmels  Harmlosigkeit  noch  zu  gut  halten  mochte,  wird  unerlaubt,  wenn 
es  als  Kampfes waffe  im  politischen  Tagesstreit  gelten  soll;  und  um  eine  mittelalter- 
liche Verhöhnung  des  (politischen  oder  ästhetischen)  Gegners  als  gefoppten  Ehemanns 
erträglich  zu  machen,  besass  Spitzer  doch  zu  wenig  von  der  saftigen  Heiterfrechheit 
der  Rabelais  und  Fischart.  —  Sammlung  und  Biographie  fanden  begeisterte  Zu- 
stimmung, am  übertriebensten  bei  Frieberger 541);  F  r  e  n  z  e  1 542)  knüpfte  eine 
weitschweifige  Vorgeschichte  der  deutschen  Satire  an,  charakterisierte  aber  Kalbecks 
Buch  richtiger:  „Durch  die  Wärme  des  Lobes  noch  mehr  als  durch  die  Schärfe  der 
Charakteristik  anziehend",  und  ergänzt  diese  durch  Betonung  des  Oesterr eichischen 
und  „Gesellschaftsfähigen"  in  Spitzer.542a)  —  G.  von  Freiberg543)  verteidigt  die  beiden 


J.  D.  Syroanski:  ib.  S.  288  —  533)  E.  Veteran  d.  Journalistik:  FZg.  N.  220.  -  534)  X  E.  Zenker.  Gesch.  d.  Wiener 
Journalistik  während  d.  J.  1848  (JBL.  1893  IV  5:504).  |[J.  Minor:  ÖLB1.  3,  S.  207/8;  0.  F.  Walzel:  ADA.  20,  S.  192/5.]|  — 
535)  L.  Fränkel,  K.  A.  v.  Terzky  :  ADB.  37,  S.  579-82.  —  536)  B.  M.,  K.  Valdek:  FrBlw.  N.  273.  —  537)  X  F-  Schlögls  ges.  Schriften 
(JBL.  1893  I  4:465):  W1DM.  75,  S.  527,8.  —  538)  A.  Bartels,  Bücher  u.  Menschen.  18.  F.  Schlögls  ges.  Schriften:  Didask. 
N.  115. —539)  P.  K.  Eosegge  r.  Gute  Kameraden  (JBL.  IV  lc:86;  4:269).  Wien,  Pest,  L.,  Hartleben.  1893.  VI,  223  S. 
M.  3,40.  —  540)  M.  Kalbeck,  Dan.  Spitzers  letzte  Wiener  Spaziergänge.  Mit  e.  Charakteristik  seines  Lebens  u.  seiner 
Schriften.  Wien,  Litt.  Ges.  XLV,  310  S.  M.  4,20.  —  541)  G.  Frieberger,  D.  Spitzer:  MontagR.  N.  26.  —  542)  K. 
Fr[enzel],   E.  dtsch.  Satiriker   (D.  Spitzer):   NatZg.   N.  374.   —   542a)   X   <ß.   u.  N.  546.)    —   543)    A.  v.   Freiberg 

(4)22* 


IV  5:544-559  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Novellen,  missbilligt  aber  Spitzers  Spott  über  Hamerlings  Homunculus.544)  Im  ganzen 
hat  man  nicht  den  Eindruck,  als  habe  Kalbecks  Veröffentlichung  das  Verständnis  für 
Spitzer  wesentlich  gefördert:  Blütenlesen  mit  ein  paar  Begleitphrasen  konnten  schon 
früher  gegeben  werden.  — 

Harmloser  war  die  Satire  Bonns,  des  „von  Miris" 545),  der  „Fliegenden 
Blätter".  —  Eine  eingehende  Vergleichung  des  Münchener  Humoristen  mit  dem 
Wiener  Satiriker  wäre  lehrreicher  als  Kohuts546)  ganzes  wertloses  und  auch  im 
„Dichterheim"  gerühmtes  Buch,  das  mit  oberflächlichen  Angaben  und  schiefen  Epithetis 
übersät  ist  und  nicht  einmal  in  der  Auswahl  der  Proben  Geschick  zeigt.  —  Bier- 
bäum547)  wählt  dagegen  zur  Illustration  moderner  Pamphletschreiberei  ein 
paar  nur  zu  charakteristische  Stellen  aus  Münchener  Flugblättern,  die  den  Wert  von 
Wekerles  Worten  über  den  Wert  des  Journalismus548)  erschüttern  könnten,  ständen 
nicht  glücklicherweise  dem  Thersites  auch  hier  tapfere  Kämpfer  in  Fülle  gegen- 
über.549'550) — 

Sie  geleiten  uns  in  das  Feld  der  Politik.  Ueber  verschiedene  Versuche,  es 
in  wissenschaftlicher  Weise  übersichtlich  zu  umspannen551"554),  liegen  Recensionen 
vor;  Einzelbeiträge  aus  Socialwissenschaft  und  Politik555-557)  fehlen  natürlich  nicht. 
Dahin  gehört  auch  die  Monographie  von  Jacobo wski558)  über  den  christlichen 
Staat,  Lehrreich  ist  sie  immerhin,  weil  sie  in  leidlicher  Disposition  eine  Unmasse 
von  Citaten  vorbringt,  und  ein  gutes  Inhaltsverzeichnis  es  ermöglicht,  diese  aufzu- 
suchen und  so  Aussprüche  von  Fr.  von  Baader,.  Baumgarten,  Bebel,  Blumenbach,  Böckh, 
Börne,  Brunner,  Dahn,  Daumer,  Döllinger,  Dühring,  von  Egidy,  Eichhorn,  Falk, 
Fichte,  Garve,  von  Gerlach,  Goethe,  Häckel,  L.  von  Haller,  Harnack,  Hebbel,  Hegel, 
Hehn,  Heine,  Herder,  Hergenröther,  Hutter,  Ihering,  Kaftan,  Kahnis,  von  Ketteier, 
Fr.  von  Krüdener,  Lagarde,  Lassalle,  Lessing,  Lichtenberg,  Lorenz,  Luther,  Mendels- 
sohn, Moltke,  Naumann,  Neander,  Nietzsche,  Pfleiderer,  Radenhausen,  Rickert,  Scheffel, 
Schiller,  Schleiermacher,  Schopenhauer,  Sohm,  Stahl,  Thiersch,  von  Treitschke, 
Ad.  Wagner,  Wundt  usw.  gefunden  werden  können.  Ich  bin  aber  doch  nicht  der  Meinung, 
dass  das  Buch  viel  leiste.  Der  Hauptteil,  vom  christlichen  Staat,  sucht  in  fünf 
Büchern  (Staat  und  Kirche  S.  3;  Zur  Psychologie  des  chritlichen  Staates  S.  35; 
Institutionen  des  christlichen  Staates  S.  61;  Religion  und  Konfession  S.  405;  Der 
christliche  Staat  der  Geschichte,  S.  127)  die  Inkonsequenzen  zu  verzeichnen,  die 
Lehre  und  Praxis  des  christlichen  Staates  notwendig  hervorbringen.  Der  zweite,  von 
der  Zukunft  des  christlichen  Staates,  betrachtet  den  nationalen  (S.  174),  socialistischen 
(S.  187)  und  ethischen  Staat  (S.  193)  sowie  die  freie  Gemeinschaft  (S.  206)  mit  ent- 
schiedener Hinneigung  zur  Bildung  kleiner,  freier  Gemeinschaften  (S.  211),  wie  sie 
auch  Wille  und  noch  klarer  der  Vf.  des  Büchleins  „Vom  Baum  der  Erkenntnis" 
(s.  u.  N.  653)  anstreben.  Es  ist  doch  aber  immerhin  billig,  den  historischen  Er- 
scheinungen alle  Schattenseiten  vorzuhalten,  die  nun  einmal  jede  Verwirklichung  einer 
Idee  mit  sich  bringt,  und  dagegen  ein  Zukunftsbild  auszuspielen,  dem  man  freilich 
noch  keine  üblen  Erfahrungen  nachsagen  kann.  Auch  verhält  sich  J.  gegen  alle 
religiös  gefärbten  Staatsformen  viel  mehr  polemisch  als  historisch,  und  Kap.  V, 
welches  das  Schwergewicht  in  sich  bergen  sollte,  ist  am  dürftigsten  ausgefallen;  man 
vermisst  sogar  die  berühmteste  Durchführung  der  christlichen  Staatsidee,  den  von 
Gothein  so  vorzüglich  gezeichneten  Staat  der  Jesuiten  in  Paraguay.  Wärme  des 
Herzens  und  scharfe  Gliederungen  wird  man  dem  Buch  dagegen  nicht  absprechen 
können.  —  In  letzterem  Punkt  wird  es  noch  überboten  von  einer  ausgezeichneten 
sociologischen  Monographie,  die  dagegen  ganz  und  gar  mit  kühler  Objektivität  fort- 
schreitet: von  S  im  m  eis559)  Studie  über  sociale  Differenzierung,  die  wir  noch  nachträglich 
hier  anzeigen,  weil  sie  als  Muster  streng  logischer,  methodischer  Forschung  gegen- 
über den  täglich  mehr  beliebten  dilettantischen  Arbeiten  dieser  Art  immer  wertvoller 
wird.  Nach  einer  Einleitung  „Zur  Erkenntnistheorie  der  Socialwissenschaft"  beschreibt 
S.  in  meisterhafter  Beherrschung  des  Stoffes,  wie  aus  der  Kollektivverantwortlichkeit 
(S.  21  ff.)  sich  allmählich  die  Gruppe  als  Träger  der  Verantwortlichkeit  heraus- 
differenziert, dann  die  Person,  zuletzt  gleichsam  ein  Teil  der  Person,  und  wie  dann 
scheinbar    der   kollektivistische  Standpunkt    wiederkehrt;    er   schüdert  (S.  45  ff.)    die 


(Pinelli),  Vom  Wiener  Spaziergänger  (D.  Spitzer):  SchlesZg.  N.  534.  -  544)  X  H.,  D.  Spitzers  Nachl  :  FrBlw.  N.  168.  — 
545)  X  Z.  Erinn.  an  F.  Bonn:  MünchNN.  N.  312.  -  546)  (IV  la:27.)  —  547)  0.  J.  Bierbaum,  Mod.  Pamphletschreiberei: 
FrB.  5,  S.  61-71.  -  548)  X  Ministerpräsident  Wekerle  über  d.  Journalismus:  FZg.  N.  318.  —  549)  X  (IV  1  c :  94.)  —  550)  X 
A.  Müller-Palm,  Z.  50j.  Jubil.  d.  NTB1.  in  Stuttgart  (24.  Deo.  1843-93).  E.  Festsohr.  St.,  Dtsch.  Verlagsanst.  75  S. 
Mit  4  Holzschn.  u.  genauer  Nachbild,  d.  1.  ursprüugl.  Nummer  d.  Bl.  M.  1,00.  —  551)  X  G.  Ratzenhofer,  Wesen  u.  Zweck 
d.  Politik  (JBL.  1893  IV  5 :  445) :  LCB1.  S.  556/7.  -  552)  X  L-  Gumplowicz,  Politische  Wissensch. :  BLU.  S.  164/5.  - 
553)  X  Karl  Fischer,  Grundzüge  e.  Socialpäd.  u.  Socialpolitik.  Eisenach,  Wilokens.  1892.  VIII,  429  S.  M.  5,00. 
IfDWBl.  7,  S.  108.JI  —  554)  X  (I  4:470)  —  555)  X  Utopisches:  Grenzb.  3,  S.  277/8.  —  556)  X  K.  Jentsch,  E.  v.  Hartmann 
über  d.  soc.  Fragen:  ib.  S.  628-30.  —  557)  X  H.  Eckener,  Soc.-philos.  Briefe:  Kritik  1,  S.  363-74,  497-506.  —  558)  L. 
Jacobowski,  D.  christliche  Staat  u.  seine  Zukunft.  B.,  Duncker.  XII,  228  S.  M.  4,00.  —  559)  ö.  S  i  m  m  e  1 ,  Ueber  soc. 
Differenzierung.  (=  Staats- u.  socialwissensch.  Forsch.  Her.  v.  G.  Schmoller.    Bd.  10,  Heft  1.)    L.,  Duncker  &  Humblot.    VII, 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5:560-566 

Ausdehnung"  der  Gruppe  und  die  Ausbildung  der  Individualität,  bestimmt  (S.  70  ff.) 
das  sociale  Niveau,  erwägt  (S.  100  ff.)  die  Kreuzung  socialer  Kreise  und  wägt  bei 
Besprechung  der  Differenzierung  überhaupt  (S.  117  ff.)  das  mögliche  und  erspriessliche 
Mass  der  Ausbildung  von  Individualitäten  ab  —  Themata,  die  in  der  Zeit  Nietzsches 
und  in  der  Epoche  des  Militarismus  und  Socialismus  vom  allgemeinsten  Interesse  sind.  — 
Kommen  wir  zu  den  einzelnen  politischen  Persönlichkeiten  selbst,  so  erinnert 
eine  Gestalt  wie  F.  W.  von  Taube  daran,  dass  der  Anteil  nicht  privilegierter  Personen  an 
der  Politik  erst  durch  Abenteurer  von  zweifelhaftem  Aussehen  erobert  werden  musste.  Der 
Privatsekretär  des  kaiserlichen  Botschafters  in  London  schreibt,  wie  ein  Pseudonymus560) 
erzählt,  plötzlich  einen  Brief  nach  Brüssel  über  die  politischen  Verhältnisse  und 
kommt  dadurch  in  den  Verdacht,  ein  „meineidiger  Verräter"  zu  sein,  nimmt  aber 
doch  ein  sehr  friedliches  Ende  als  Mitarbeiter  in  Busch ings  Magazin.  —  Ganz  anders  ver- 
lief der  Eingriff  in  die  aktive  Politik,  den  ein  Menschenalter  später  Eulogius  Schneider 
wagte.  Seine  Biographie,  von  Ehrhard561)  geschrieben,  hat  besonders  durch  die 
höchst  charakteristischen  Proben  aus  den  Gedichten  (S.  6,  32,  55,  74,  80),  Predigten 
(S.  19,  39,  101)  und  Reden  (S.  68,  82,  111,  115)  des  revolutionären  Mönchs 
Interesse.  Er  bekennt  sich  zur  Naturreligion  von  der  Kanzel  herab  (S.  47)  wie  als 
Redakteur  (S.  59),  er  erklärt  den  Stifter  des  Christentums  für  seinen  Parteigenossen: 
„Der  Sanskülotte  Jesus  weissagte  einst  — "  (S.  92);  wir  glauben  Weitling  zu  hören, 
dessen  „Evangelium  eines  armen  Sünders"  Fuchs562)  soeben  mit  einer,  die  Brände 
der  Pariser  Kommune  als  Morgenrot  feiernden,  Einleitung  neu  herausgegeben  hat. 
Auch  „Meister  Jesus  Sirach  war  ein  ehrlicher  Sanskülotte"  (S.  99)  —  man  sieht,  das 
Talent  der  retrospektiven  Proselytenmacherei  hatte  der  Mönch  nicht  verlernt.  Für 
den  „Politiker"  ist  neben  anderen  Aufsätzen  (S.  86,  89)  besonders  die  Ansprache  des 
Bürgermeisters  von  Hagenau  charakteristisch,  ein  jakobinischer  Hirtenbrief,  in  dem 
Predigt-  und  Schreckenston  sich  mischen.  Ganz  dieselbe  Verbindung  zeigen  die 
Namen,  die  bei  der  Umtaufung  der  Strassburger  Gassen  (S.  169 — 70)  gewählt  werden: 
„Faubourg  des  Jacobins"  und  „Rue  du  Bonheur",  „Rue  Qa  ira"  und  „Rue  de  la  Philo- 
sophie" (die  alte  Münstergasse!).  Von  auswärtigen  Beziehungen  sind  nur  ein  Besuch 
Laukhards  (S.  158)  und  ein  Brief  an  Nicolai  (S.  180)  anzumerken.  —  Es  ist  fast 
schmerzlich,  von  diesem  Gesellen  zu  E.  M.  Arndt  gehen  zu  müssen563),  den  die  von 
K.  G.  Brandis564)  herausgegebenen  Briefe  aus  dem  Frankfurter  Parlament  an 
Chr.  Aug.  Brandis  wieder  ganz  als  den  Alten  zeigen.  Neben  politischen  Stimmungs- 
bildern enthalten  sie  politische  Porträts:  R,  Blum,  die  beiden  Simon,  Radowitz  („ge- 
schickt, aber  kein  Herz,  wovon  der  Deutsche  doch  immer  ein  tüchtiges  Stück,  seis 
gut,  seis  bös,  haben  will"),  Beckerath,  Vincke,  Dahlmann  („kann  auf  der  Tribüne  kein 
P~uhrer,  überhaupt  kein  Führer  sein,  weil  ihm  die  unmittelbare  Gewandtheit  und 
Rede  fehlt"),  von  Rothenhan,  Heckscher,  von  Widenbrugk,  Gagern  (S.  121).  Er  ist 
sehr  heftig  gegen  die  „Rothen"  und  man  begreift  das:  „denn  das  Weltschicksal  und  das 
Glück  und  Unglück  unserer  Kinder  und  Enkel  hängt  daran,  und  nach  der  Art  und 
den  Grundsätzen,  die  der  Tag  und  Rüge  und  Robert  Blum  und  Kinkel  den  Armen 
und  Mühseligen  predigen,  würde  die  Herrlichkeit  Europas  mit  all  ihrer  Bildung, 
Kunst  und  "Wissenschaft  zuletzt  unter  den  wilden  Fäusten  der  Proletarier  vergehen 
müssen"  (S.  123);  aber  die  Erschiessung  Blums  scheint  ihm  eine  grosse  Dummheit 
(S.  127).  —  Tritt  hier  mehr  das  konservative  Element  in  Arndt  hervor,  so  zeigt  ein 
charakteristischer  Brief565)  an  Mohnike,  den  verdienstvollen  Lessingforscher,  die  liberale 
Seite.  Er  ist  in  dem  Augenblick  der  Suspension  vom  Amt  geschrieben  und  warnt  den 
Stralsunder  vor  Uebersiedelung  an  den  Rhein.  „Was  du  von  den  Rügenschen 
Junkern  klagst  und  von  der  Junkerei,  die  alles  Edlere  bei  uns  so  lange  gehemmt 
hat,  wer  kennt  das  besser  als  ich?  Diese  Art  bleibt  die  unverbesserliche";  Spiel- 
hagens  Romane,  in  denen  der  pommersche  Junker  eine  stehende  Rolle  hat,  zeugen 
davon.  —  In  mannigfacher  Hinsicht  steht  J.  K.  B.  Stüve,  der  würdige  Nachfolger 
Mosers,  Arndt  nahe;  und  wie  tief  jener  von  unseren  „Gemeinde-Anarchisten"  wie 
Jacobowski  gelegte  Standpunkt  seine  Wurzeln  senkt,  beweist  eine  von  G.  Stüve566) 
citierte  Aeusserung  seines  Vorfahren:  eine  tüchtige  Gemeindeverfassung  sei  wichtiger 
als  eine  Repräsentation  (S.  85).  — 

Die  praktische,  antidoktrinäre  Anschauung,  die  auch  hierin  sich  geltend 
macht,  wie  in  der  ganzen  Art  der  niedersächsischen  Staatsmänner  von  Moser  bis 
Miquel,  kündigt  schon  den  Umschwung  von  der  politischen  zur  socialen  Agitation 
an.      Ein    Mann    wie   J.    J.    Sturz,    Herweghs    Schwiegervater,     dem    Schramm- 


147  S.  M.  3,60.  —  560)  v.  Ath,  F.  W.  v.  Taube:  ADB.  37,  S.  420/2.  -  561)  L.  Ehrhard,  Eulog.  Schneider,  sein  Leben 
u.  seine  Schriften.  Strassburg  i.  E..  Herder.  XVI,  223  S.  M.  1,60.  —  562)  W.  W  e  i  1 1  i  n  g  ,  D.  Evang.  e.  armen  Sünders. 
2.  Aufl.  (=  Samml.  gesellschaftswissensch.  Aufsätze  her.  v.  Ed.  Fuchs.  N.  4/5.)  München,  Ernst  102  S.  M.  0,80.  —  563)  X 
E.  Thiele,  E.  M.  Arndt.  Sein  Lpben  u.  Arbeiten  für  Deutschlands  Freiheit,  Ehre,  Einheit  u.  Grösse.  Gütersloh,  Bertels- 
mann. VII,  210  S.  M.  2,40.  |[A.  Schroeter:  BLÜ.  S.297;  KonsMschr.  S.  177/8.]|  —  564)  K.  G.  Brandis,  Briefe  von  E. 
M.  Arndt  aus  d.  FranM.  Parlament:  DBs.  81,  S.  117-28.   —  565)  E.  Brief  E.  M.  Arndts:  Didask.  N.  135.     -   566)  G.  Stüve, 


IV  5  :  567-590  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

Macdonald567)  eine  warme  Denkrede  für  die  ADB.  schrieb,  hielt  sich  von  der  land- 
läufigen Politik  ganz  fern,  arbeitete  aber  als  unermüdlicher  Agitator  gegen  Sklaverei 
und  Kulihandel,  gegen  die  Ausbeutung  der  Auswanderer  und  die  Not  der  Strand- 
bewohner, gegen  die  Tierquälerei  und  setzte  alle  Deklamationen  Rousseaus  und  seiner 
Anhänger  in  wirksame  Thätigkeit  um.  —  Marx56s~569)  und  Lassalle570)  wenden 
dann  diese  Agitation  aufs  Inland.  —  Lassalles  persönliche  Berührungen  mit  Bülow571) 
und  Büchner572)  zeigen  ihn  von  keiner  neuen  Seite  —  Neu  ist  es  dagegen,  dass 
die  sociale  Agitation  mit  aller  Entschiedenheit  vom  geistlichen  Boden  aus  gepredigt573) 
und  mit  höchst  konservativen  Anschauungen  verbunden  wird.574)  —  Und  doch  war 
natürlich  auch  das  vorbereitet.  Adolf  von  Thad  den-Trieglaff,  für  dessen  über- 
strömende Originalität  die  vulgäre  Demokratie  Rache  nahm,  indem  sie  ihn  zur  lächer- 
lichen Persönlichkeit  stempelte,  und  den  der  Konservativismus  von  heute  geflissentlich 
ignoriert,  weil  Thaddens  edler  und  goldechter  Charakter  ihn  beschämt,  war  schon  vor 
1848  christlich-social  im  vornehmsten  Sinne  des  viel  gemissbrauchten  Wortes.  Berner575) 
ist  ihm  auch  nicht  gerecht  geworden,  weil  er  den  Schwiegervater  Moritz  von  Blancken- 
burgs,  den  väterlichen  Freund  Bismarcks,  den  von  Schleiermacher  zu  Huschke  in 
folgerichtiger  Entwicklung  übergehenden  Feind  der  Union,  lediglich  vom  Standpunkt 
der  konservativen  Partei  und  protestantischen  Kirchenorthodoxie  aus  beurteilt; 
wer  jedoch  das  Buch  der  Fürstin  Reuss  über  den  bizarren,  aber  geistreichen  Redner, 
den  strengen,  aber  durchaus  wohlthätigen  Gutsherrn,  den  frommen  aber  heiteren 
Menschen  gelesen  hat,  der  weiss,  dass  es  auch  im  19.  Jh.  noch  Heilige  geben  kann 
und  innerhalb  der  lutherischen  Konfession  Männer,  die  neben  Filippo  Neri  stehen 
können.  Gerade  in  unserer  Zeit  der  agrarischen  und  antisemitischen  Bewegungen 
sollte  man  z.  B.  lesen,  was  Thadden  einst  über  den  „Güterschacher"  der  Adeligen 
schrieb,  und  man  würde  manches  verstehen,  was  heute  nicht  verstanden  werden  will.  — 
Auchauf  Lothar  Bucher576"577),  einen  anderen  Bahnbrecher  der  socialen  Bewegung 
unserer  Tage,  passt  keine  enge  Parteischablone.578"579)  Der  viel  besprochenen  Aus- 
gabe seiner  kleinen  Schriften580)  schliesst  sich  ein  unveränderter  Neudruck  seines 
„Parlamentarismus  wie  er  ist"  an581),  jenes  denkwürdigen  Buches,  das  seiner  Zeit  an 
Stelle  des  in  den  liberalen  deutschen  Kreisen  verbreiteten  Lichtbildes  zwar  kein 
treffendes  Ebenbild  der  englischen  politischen  Zustände  setzte,  wohl  aber  doch  eine 
Reihe  von  Berichtigungen,  die  dann  Gneist  und  Holtzendorff  zu  ihrem  neuen  Bilde 
des  politischen  Lebens  in  England  führten.  Das  einseitige,  doch  geistvolle  Buch  ist 
aber  auch  durch  Gneists  Forschungen  nicht  entbehrlich  geworden,  weil  es  dessen 
Darstellung  der  Gesetze  durch  die  gerade  für  die  Briten  so  wichtige  Schilderung  des 
Gebrauchs  ergänzt  —  einseitig,  wie  gesagt,  aber  auch  heute  noch  gerade  um  seiner 
Einseitigkeit  willen  als  Gegengewicht  gegen  landläufige  Vergötterungen  englischen 
politischen  Lebens  unschätzbar.  — 

Bucher  hat  an  dem  politischen  und  parlamentarischen  Kampf  Deutschlands 
nach  1848  nicht  mehr  als  Redner582)  Teilgenommen;  Rud.  von  Bennigsen  dagegen, 
der  vielgefeierte  Führer  des  Nationalvereins  und  der  nationalliberalen  Partei583"588), 
hat  als  Typus  des  guten  Durchschnittsredners  eine  bleibende  Bedeutung,  als  Politiker 
vielleicht  keine  viel  grössere.  Barth589)  bezeichnet  ihn  zwar  als  den  liberalsten 
Mann  seiner  Fraktion;  aber  diese  Stellung  würde  aus  ihm  noch  immer  keinen 
politischen  Charakterkopf  machen,  wie  innerhalb  derselben  Partei  Lasker  und  Bamberger, 
Volk  und  Treitschke,  Petri  und  Jung,  Löwe-Calbe  und  Miquel  es  waren.  —  Und  weil 
doch  eben  die  Persönlichkeit  mehr  den  Redner  ausmacht  als  die  harmonische  Ver- 
einigung vortrefflicher  Eigenschaften,  die  in  Bennigsen  auch  seine  Gegner  anerkennen, 
deshalb  ist  Lu  dw.  Bamberger590)  auch  als  Redner  so  sehr  viel  interessanter.  Kommen 
nun  gar  zwei  so  ausgeprägtelndividualitäten  aufeinander,  wie  Bamberger  und  Treitschke, 
so  gewinnt  die  Begegnung  für  den  Literarhistoriker  ein  fast  dramatisches  Interesse. 


J.  K.  B.  Stüve:  ADB.  37,  S.  84-94.  -  567)  H.  Sehr  amm-Macdonald,  Joh.  Jak.  Sturz:  ib.  S.  61/9.  -  568)  X  M-  G. 
Conrad,  Z.  Kenntnis  d.  Marxismus:  Ges.  S.  6S9.  —  569)  X  J-  Stern,  D.  hist.  Materialismus  u.  d.  Theorie  d.  „Mehrwerts" 
(=  Samml  gesellschaftswissensch.  Aufsätze.  Her  v.  E.  F  u  c  h  s  N.  6.)  München,  Ernst.  31  S.  M.  0,30.  —  570)  X  Gast. 
Mayer,  Lasalle  als  Socialökonom.  Diss.  Basel.  138  S.  |[BerlTBl.  N.  328;  NZ.  122,  S.  180/3.]]  -  571)  X  (I  10:229.)  — 
572)  L.  Büchner,  Meine  Begegnung  mit  F.  Lasalle:  NZ.  12*,  S.  153  4.  —  573)  X  F-  Naumann,  Soc  Briefe  an  reiche 
Leute.  Göttingen,  Vandenhoeck  &  Ruprecht.  58  S.  M.  1,00.  |[K.  S  c  h  n  e  i  d  t :  Kritik  1,  S.  477/8.]  |  —  574)  X  E.  echter 
Socialaristokrat  (C.  v.  Massow):  Grenzb.  4,  S.  423/9.  —  575)  E.  Bern  er,  Ad.  v.  Thadden-Trieglaff:  ADB.  37,  S.  (»34/5.  — 
576)  X  !>•,  Lothar  Bucher:  Bär  20,  S.  170.  —  577)  X  (IV  1  b :  293.)  |[Helfert:  ÖLB1.  3,  S.  457/8;  Grenzb.  2,  S.  2S5  9.]| 
(Vgl.  auch  DR.  1,  S.  70-84,  200-17,  329-48.)  —  578)  X  K.  B  1  i  n  d ,  Auch  e.  Erinnerung  an  L.  Bucher:  DR.  2,  S.  1969.  — 
579)  X  Wie  es  L.  Bucher  eigentlich  gemeint  hat:  Grenzb.  4,  S.  55-65.  —  580)  X  (IV  1  b :  291.)  |[KBGV.  42,  S.  22;  M.  G. 
Conrad:  Ges  2,  S.  833/4;  AkBll.  8,  S.  226:  DRs.  78,  S.  474/5.]|  -  581)  (IV  1  b :  292.)  —  582)  X  Th.  Fluthe,  Dtsch. 
Reden  (JBL.  1893  IV  5:605;  s.  auch  o.  IV  lb:191).  |[KBGV.  42,  S.40/1;  Sr:  AkBll.  8,  S.  147/9;  H.  Löschhorn:  MHL.  22, 
S.  246,7;  O.  Kaemmel:  NJbbPh.  150,  S.  340/3;  0.  Lyon:  ZDÜ.  8,  S,  779-82;  Geg.  45,  S.  415.]|  -  583)  X  (IV  lb:313.) 
HKonsMschr.  S.  778]|  -  584)  X  K-  Sturmhoefel,  R.  v.  Bennigsen:  BLÜ.  S.  529-31.  —  585)  X  J-  S.,  R.  v.  Bennigsen: 
ÜL&M.  72,  S.  815.  —  586)  X  M-  Jänecke,  R.  v.  Bennigsen:  DWB1.  7,  S.  326,7.  —  587)  X  L  Salomon,  R.  v.  Bennigsen : 
IllZg.  103,  S.  12.  —  588)  X  F-  Boettcher,  R.  v.  Bennigsen:  N&S.  70,  S.  36-51.  —  589)  Th.  B  art  h  ,  R.  v.  Bennigsen: 
Nation".   11,    S.  593.    —    590)  (IV  la:25.)     ||RCr.  37,   S.  479:    O.  Hartwig:  DRs.  80,   S.  470,5;    F.  Dernburg:   BerlTBl. 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  591-594 

Deshalb  ist  in  B.s  „Charakteristiken"  —  die  ihren  Titel  wohl  von  Erich  Schmidts 
berühmtem  Buch  entlehnt  haben  —  der  Aufsatz  über  Treitschke  unzweifelhaft  der 
interessanteste.  Zwei  tapfere  und  ehrliche  Patrioten,  zwei  opferbereite  Politiker,  zwei 
Männer  von  ungewöhnlicher  Begabung',  Geist  und  Wissen,  sind  aus  demselben  Lager, 
dem  der  „kleindeutschen"  Preussenfreunde,  ausgegangen,  um  sich  in  äusserster 
Gegnerschaft  wiederzufinden.  Der  aus  seiner  führenden  Stellung  im  Parlament  ver- 
drängte glänzende  Essayist  fühlt  sich  durch  jedes  Wort,  das  der  brillante  Redner  an 
der  Spitze  einer  immer  stärkeren  Anhängerschaft  spricht,  beleidigt  und  herausgefordert, 
der  Liberale  durch  den  zum  Konservativismus  Bekehrten,  der  Süddeutsche  durch  den 
auf  Süddeutschland  spöttisch  herabsehenden  Norddeutschen,  der  Mann  mit  der  kosmo- 
politischen Ader  durch  den  feurigen  Chauvinisten,  der  Jude  durch  den  Antisemiten. 
Es  ist  daher  nur  natürlich,  dass  B.s  Kritik  im  ganzen  ungerecht,  schief  und  schroff 
ist,  so  oft  er  im  einzelnen  Recht  hat.  Gewiss  ist  es  verletzend,  wenn  Treitschke  „in 
seiner  Vornehmheit  an  dem  Schicksal  der  wegen  burschenschaftlicher  Spielereien 
mit  grausamen  Strafen  belegten  Opfer  nichts  zu  beklagen  weiss  als  das  'zwecklose 
Einerlei  des  Gefängnislebens,  in  welchem  so  viele  junge  Männer  verkamen'"  (S.  188) 
—  derselbe  Treitschke,  der  in  seinen  Vaterländischen  Gedichten  (S.  75)  für  die  Ver- 
zweiflung ungerechter  Haft  so  heisse  Worte  gefunden :  O  wilder  Verzweiflung  grause 
Lust,  Wenn  stumpf  vor  Leid  die  matte  Brust  Dem  kühnen  Hoffen  erstorben!  Gewiss 
ist  die  Art,  wie  Treitschke  die  edle  Rahel  durch  ein  aufgefangenes  Schimpfwort  Arnold 
Ruges  misshandelt  (S.  204),  wahrhaft  empörend;  die  Urteile  über  Heine  (S.  206)  und 
über  die  den  Juden  und  dem  Orient  mangelnde  Trinkpoesie  (S.  207 )  sind  sicherlich 
verkehrt,  die  Kritik  über  Strauss  ist  von  Th.  Ziegler  ( S.  198)  gewiss  mit  Recht  ver- 
urteilt worden.  Aber  das  alles  ändert  nichts  an  der  Thatsache,  dass  von  Treitschkes 
Gesamtleistung  B.  in  „grimmig  verzerrender  Manier"  (S.  176)  ein  Bild  entwirft,  dass 
Treitschkes  Portraits  von  liberalen  Staatsmännern  an  Ungerechtigkeit  nichts  nachgiebt. 
Kann  man  Treitschke  gründlicher  verkennen,  als  indem  man  ihm  ('S.  182/3)  Freude 
am  Paradoxen  zuschreibt?  Nein:  niemandem  war  mehr  als  diesem  leidenschaftlichen 
Volksredner  jedes  Wort,  das  er  sprach,  eine  selbstverständliche  Wahrheit.  Der  kampf- 
lustige Mann,  dem  zu  der  germanischen  Streitlust  noch  ein  Erbteil  von  slavischem 
Fanatismus  im  Blut  sass,  hat  wahrhaftig  niemandem  damit  imponieren  wollen,  wenn 
er  Friedrich  Wilhelm  III.  zu  einem  Heros  machte  ('S.  182);  ihm  war  es  damit  so  Ernst, 
wie  Boswell  mit  seinem  Johnsonkultus.  Aus  einer  grossen  Gesamtanschauung  heraus  sah 
er  die  Dinge  an,  von  ihr  so  durchdrungen,  dass  er  oft  genug  das  Urteil  über  einzelne 
Gestalten  und  Dinge  aus  dem  vorgefassten  Gesamtbild  entlehnte,  statt  es  durch  Special- 
kritik zu  gewinnen;  deshalb  konnten  Ziegler,  Baumgarten,  Nerrlich,  Prölss,  Bamberger 
ihm  die  bedenklichsten  Irrtümer  und  die  beleidigendsten  litterarischen  oder  historischen 
Justizmorde  nachweisen,  deshalb  bleibt  aber  auch  das  ganze  WTerk  ein  unvergängliches 
Zeugnis  nicht  bloss  für  die  grosse  Individualität  des  Autors,  sondern  auch  für  die 
Geschichtsauffassung  einer  ganzen  Epoche.  Der  Mann,  der  1857  in  seinen  „Studien" 
(S.  49)  über  das  kleinliche  Elend  der  Zeit  geklagt  hatte  und  damals  in  den  Ruf  aus- 
brach: „Süss  war  dein  Loos,  Kamerad!  du  konntest  hassen!",  hat  gewiss  später 
niemanden  mehr  um  den  Besitz  dieser  Kunst  zu  beneiden  gehabt;  aber  B.  schreibt 
über  ihn  nicht  so,  dass  er  ihm  dies  Talent  vorwerfen  dürfte.  Freilich  aber  verstanden 
auch  beide  zu  lieben.  Wie  warm  ist  B.s  Denkrede  auf  Lasker  (S.  87),  den  uner- 
müdlichen Vorarbeiter  der  Reichseinheit,  den  nicht  einmal  jetzt  sein  Verdienst  um 
das  Bürgerliche  Gesetzbuch  aus  dem  Bann  der  allgemeinen  Verkennung  löst:  hat  er 
doch  (S.  99)  mit  Miquel  den  Antrag  auf  Ausarbeitung  eines  gemeinsamen  deutschen 
Rechts  gestellt.  Wie  herzlich  und  schön  sind  die  knappen  Nachrufe  auf  Moriz  Hart- 
mann (S.  41)  und  F.  Kapp  (S.  127)  und  der  ausführliche  auf  K.  Hillebrand  (S.  137)! 
wie  tritt  aus  den  Besprechungen  von  Hombergers  Essays  (S.  227)  oder  Laskers  Brief- 
wechsel (S.  117),  aus  der  Gratulation  an  Gildemeister  (S.  308)  oder  dem  Bericht  über 
Soetbeer  (S.  251)  das  Bild  der  Persönlichkeiten,  liebevoll  gezeichnet,  hervor!  Der 
kleine  Aufsatz  „In  Ferienstimmung"  (S.  213)  —  neben  dem  Essay  über  Napoleon  III. 
(S.  49)  wohl  die  Perle  der  Sammlung  -  enthält  eine  ganze  Galerie  solcher  Portraits : 
Blanckenburg,  Wagener,  Mallinckrodt591),  Ewald,  Lasker,  K.  Braun,  Hoverbeck, 
Windthorst  und  andere.  Nirgends  fehlt  ein  neues  Apercu,  das  uns  bekannte  Gestalten 
in  neuem  Licht  zeigt,  nirgends  auch  —  selbst  bei  den  heftigsten  Gegnern  nicht  — 
das  Wohlwollen,  von  dem  nur  dem  Historiker  des  werdenden  Reiches  jedes  Gran 
versagt  wurde.  —  Besonders  bringt  Bamberger  es  auch(S.  255)  dem  Reichskanzler  von 
Caprivi  entgegen,  dessen  Reden  mit  einer  kurzen  aber  guten  Einleitung  von 
Arndt592)  herausgegeben  wurden  —  nicht  bloss  ein  wichtiges  Denkmal  jenes  kurzen 
Interims,  sondern  auch  durch  den  rhetorischen  Wert  mancher  Rede  (S.  49  ff.,  bes.  S.  51, 


N.  276 ;  C.  M  o  n  t  a  n  u  s :  VZg.  N.  210. ]|  —  591)  X  O.  Pfülf,  M.  v.  Mallinckrodt  (JBL  1892  IV  lb :  141 ;  5 :  272 ;  1893 IV  5  :  600) :  MHL.  22, 
S.  96.  -  592)  (IV  1  b  :  376.)  -  593)  X  K.  We  i  t  b  r  e  c  h  t ,  F.  W.  Weber :  BMJ.  S.  420, 1.  -  594)  X  -e-  An  F.  W.Weber :  Tgl RsB.N.  81  - 


IV  5  :  595-600  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

57;  S.95ff.,  bes.  8.  108,  S.  113 ff.,  141  ff.,  240 ff.,  245 ff.;  die  Emser  Depesche  S.  249  bis 
303  usw.)  von  litterarischer  Bedeutung1.  Ueberall  ein  einfacher,  sachlicher  Ton,  dem 
aber  kräftige  Accente  und  helle  Akkorde  nicht  fehlen;  nichts  Hinreissendes,  aber  viel 
Ueberzeugendes.  —  F.  W.  Weber,  der  ultrainontane  Dichter503-5"5),  eine  sympathische 
Persönlichkeit,  ein  wirkliches  Talent,  hat  als  Politiker  keine  Rolle  gespielt,  sein  Name 
schmückte  nur  den  Platz,  den  er  eben  gerade  ausfüllte.596)  —  Um  so  bedeutsamer 
hat  F.  Schmeykal  gewirkt,  der  hochverdiente  Führer  der  Deutschböhmen,  dem 
Bendel597)  ein  Denkmal  setzte,  warm  und  dankbar,  wie  es  dem  seltenen  Manne 
zukam.598"598»)  — 

Politiker  und  Volkserzieher  zugleich  sind  die  grossen  Männer  der  Universitäts- 
pflege599), vor  allem  ihr  berühmtester:  W.  von  Humboldt.  Wertvolle  Gaben  aus 
seinem  Nachlass  brachte  auch  dies  Jahr.  Das  Tagebuch,  das  Leitzmann600)  mit 
guten  Anmerkungen  herausgab,  zeigt  ihn  uns  auf  einer  Studienreise  nach  dem 
Norden.  Alles  interessiert  ihn;  von  den  Städten  nimmt  er  genaue  Bilder  auf 
(Stettin  S.  5,  Greifswald  S.  16,  Anblick  von  Stralsund  S.  21,  Rostock  S.  54, 
Kirche  in  Dobberan  S.  59,  Lübeck  S.  63,  Eutin  S.  66,  Plöner  Schloss 
S.  80,  Hamburg  S.  111),  er  studiert  das  Verhältnis  der  socialen  Klassen  (wieder 
über  den  Rügenschen  Adel,  wie  Arndt,  S.  48,  52),  sammelt  Schriftbenennungen 
(S.  7,  11)  und  notiert  jedesmal  den  Geldkurs.  Aber  vor  allem  sind  es  doch  die 
Menschen,  die  sein  „proper  study"  ausmachen.  In  der  Regel  zwar  klagt  er,  die 
Bekanntschaften  seien  nicht  interessant,  mindestens  nicht  in  der  Unterhaltung;  findet 
er  aber  solche,  die  seinen  Anteil  erwecken  —  wie  weiss  er  sie  auszuforschen !  Ein 
wahres  Prachtstück  ist  die  Untersuchung  von  J.  H.  Voss  (S.  68/9) :  •  wie  er  um  dies 
Studienobjekt  herumgeht,  Beobachtungen  sammelt  über  seine  Poetik  (S.  67),  Metrik 
(S.  68),  seine  Sprachphilosophie  (8.  74)  und  seinen  Charakter  (ib.),  seine  Art  zu 
reden  (S.  75)  und  zu  kritisieren  (S.  76),  wie  er  dann  von  Zeit  zu  Zeit  innehält  und 
vergleicht:  „Schon  aus  dem  bisherigen  sieht  man,  was  Voss  eigentlich  fordert.  Das 
vollkommenste,  lebendigste  und  anschaulichste  Darstellen  des  Gedankens,  sowohl  in 
seinen  Umrissen  als  in  seiner  Stärke;  und  das  buchstäblichste  und  genaueste  An- 
passen der  Formen  der  Sprache  an  denselben.  Sein  Fehler  in  der  ersteren,  an  sich 
gewiss  trefflichen  Tendenz  ist,  dass  er  für  dasjenige  unempfänglich  wird,  was  einer 
solchen  lebendigen  Anschaulichkeit  nicht  fähig  ist.  So  geht  es  ihm  bei  Gedichten 
philosophischen  oder  sentimentalen  Inhalts,  also  fast  durchaus  bei  den  Neueren. 
Sein  Fehler  in  der  zweiten,  an  sich  auch  vollkommen  richtigen  Forderung  ist  bloss 
darin,  zu  weit  und  bis  zum  Extrem  zu  gehen.  Dieser  doppelte  Fehler  scheint  aus 
der  Einseitigkeit  zu  entspringen,  die  ihn  selbst  für  viele  fremde  Eigentümlichkeiten 
unempfänglich,  und  ausserdem  macht,  dass  er  auch  bei  anderen  voraussetzt,  dass  sie 
nur  auf  demselben  Wege  als  er,  zu  irgend  einem  Ziele,  z.  B.  zum  Verständnis  der 
Alten,  gelangen  können.  Wieviel  ihm  jene  Anschaulichkeit  ist,  dafür  dient  auch  das 
zum  Beweise,  dass  er  die  Alten  weder  in  ihrer  Sprache,  noch  in  ihren  Verfassungen 
und  Sitten  eher  zu  verstehen,  d.  h.  hier  eigentlich  zu  empfinden  behauptet,  als  bis 
er  sie  in  unsere  Sprache  und  unsere  Sitten  übersetzt  hat.  Bei  der  Syrakusanerin 
in  Theokrits  Adoniazusen  z.  B.  sagt  er,  denkt  er  sich  eine  Hamburgerin,  aber  er 
entfernt  nun  von  dieser,  was  ihr  als  solcher  eigentümlich  ist.  Ein  lebendiges  und 
gegenwärtiges  Bild  muss  also  seine  Seele  erst  in  die  Empfindung  der  Wirklichkeit 
versetzen.  So  scheint  ihm  das  Uebersetzen  durch  seine  Natur  selbst  aufgegeben, 
und  sehr  tief  in  ihm  zu  liegen.  Sein  erster  Grundsatz  des  Uebersetzens  ist  so  zu 
übersetzen,  als  ob  zu  Homers  Zeit  Deutsch  und  nicht  Griechisch  gesprochen  worden 
sei".  „Von  Charakter  und  in  seinem  Betragen  ist  er  mir  überaus  liebenswürdig  er- 
schienen. Er  ist  in  hohem  Grade  herzlich  und  freundschaftlich  und  durchaus  offen 
und  gerade,  vielleicht  mag  er  dies  manchmal  sogar  übertreiben.  Aber  er  ist  nichts 
weniger  als  eigentlich  derb,  vielmehr  sehr  fein  und  zart.  Hierin  macht  man  sich 
gewöhnlich  eine  sehr  falsche  Vorstellung  von  ihm"  (S.  78).  Ueber  seine  Art  zu 
arbeiten  und  umzuarbeiten  (S.  75):  „Dasjenige,  was  in  ihm  herrscht,  ist  offenbar  ein 
reizbares  und  tiefes  Gefühl  für  Wahrheit  und  Natur.  Nur  das,  was  unmittelbar 
natürlich  ist,  das  ursprünglich  Menschlichste  und  Einfachste,  macht  eine  starke 
Wirkung  auf  ihn.  Die  mehr  raffinierte  Empfindung  und  das  eigentlich  Sentimentale 
sind  nicht  für  ihn  gemacht.  Nicht  bloss  aber  der  Stoff,  auch  nur  die  Form  der 
Natur  hat  grosse  Macht  über  ihn.  Ueberall  sucht  er  das  Anschauliche,  Wirkliche, 
Lebendige.     Daher   ist   er    der  systematischen  Philosophie   und    der  Metaphysik,  ob- 


595)  X  J-  Loewenberg,  F.  W.  Weber:  Zuschauer  2,  S.  351/8.  —  596)  X  H-  Lahrssen,  Unter  d.  roten  Fahne.  BU.  aus 
d.  Tageb.  e  Volksschullehrers  im  J.  151  (1943).  1.-3.  Taus.  L.,  Hobbing.  12°.  233  S.  M.  1,00.  |[ThLB.  17,  S.  158.JI  —  597)  J. 
Bendel,  F.  Schmeykal.  Prag,  (Härpfer).  16  S.  M.  0,20.  -  598)  X  G.  T-  Reutern,  E.  Lebensbild,  dargest.  v.  seinen  Kindern 
u.  als  Ms.  gedr.  z.  100J.  Gedächtnisfeier  seines  Geburtst.  St.  Petersburg  (B.,  Puttkamer  *  Mühlbrecht).  VI,  176  S.  M.  10,00.  — 
598a)  X  Baron  v.  Falken  egg,  Pnlit.  Schriften.  B.,  BMI.  IV,  332  S.  M.  3,00.  |[Gea.  2,  S.  83411  -  599)  X  F.  P  au  1  s  e  n  , 
1).  dtsch.  Univ.  als  Unterrichtsimst.  u.  als  Werkstätte  d.  wissensch.  Forschung:   DRs.  80,    S.  341-67.    —    600)  (IV  lc:17.)    — 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  601-1102 

gleich  er  sich    hütet   davon    zu  reden,  eigentlich   feind.    Was    nicht   in    der  Sprache 
der  Menschen   ausgedrückt    werden    kann,    sagte   er   mir    einmal,    kann    nicht,   wahr 
seyn.     Daher  verlangt   er   die  Vollkommenheit  des  Ausdrucks  in  Prosa  und  Poesie, 
und  daher  entstehen  seine  scheinbaren  Ketzereien  hierin.     Bei  dieser  Gemütsstimmung 
kann    er  nun  nicht  anders,    als  nur  eine  kleine  Extension  haben,    —    und    dies    ist 
auch  wirklich  sein  Fall.     Dafür   aber   wird    er    durch  Intension  entschädigt.     Er   ist 
den  Alten  sehr  ähnlich,  und  sollte  es,    dieser  Schilderung  nach,  auch  Goethen  seyn. 
Aber  er  unterscheidet  sich  von  beiden  dadurch,    dass  mehr  Gefühl    als  Phantasie  in 
ihm  herrschend  sind,  dass  er  mehr  auf  den  Stoff  zugleich  sieht,   und  nicht  von  dem 
Interesse    an    der   blossen    Gestalt,    an    dem  Wechsel   und    der   Mannigfaltigkeit   der 
äusseren  Welt   so   idealisch   geleitet  wird".     Diesem  Juwel  von  empirischer  Psycho- 
logie,   am   lebenden  Objekt   geübt,    kommt   das  Studium  Klopstocks    (S.  95  4/6.)    am 
nächsten.    Auch  hier  erscheinen  zuerst  die  Geständnisse,  sehr  wichtig  besonders  die 
über  seine  Art  zu  dichten  (ganz  entgegengesetzt  der  Art  von  Voss,   bei   dem    „de  la 
forme  nait  l'idee"  S.  71,  geht  Klopstock  ganz  von    dem  Inhalt  aus  S.  96)    und  seine 
Urteile  über  Goethe  und  Schiller  (S.  96) ;  dann  folgt  wieder  Humboldts  Zusammenfassung : 
„Die  offenbar  am  meisten  ins  Auge  fallenden  Seiten  an  Klopstock  sind  seine  ausser- 
ordentliche,   petillierende  und   nie  ruhende  Lebhaftigkeit,    seine  unverkennbare  Gut- 
mütigkeit,   und  seine,    man  kann  es  sich  nicht  verläugnen,  überaus    grosse  Eitelkeit, 
die    aber    in    diesem  Alter  verzeihlicher    ist    und    bei  dieser  Gutmütigkeit  manchmal 
naiv   wird.     Die  Phantasie    ist  schlechterdings    herrschend    und    alleinherrschend    in 
ihm,    und  wenn    man    ihn  selbst   sieht,    so  erkennt   man    erst    recht,   wie    wahr    ihn 
Schiller  geschildert  hat.     Denn  sie  ist  durchaus  musikalisch  in  ihm,    immer  auf  die 
Empfindung  bezogen.     Von  der  Natur  ausser  sich  nimmt   er  schlechterdings  nur  die 
Anlässe  zu  Empfindungen  her,  er  hat  ganz  und  gar  keinen  auffassenden  Blick,  und 
alles  setzt  ihn  in  Unruhe  und  Enthusiasmus.     Daher  ist  er   im  Gespräch  nur  soweit 
interessant,    als   er   sich    selbst'  zeigt,    er   hört   den  andern  nicht,    er  eilt  immer  dem 
voraus,  was  man  sagen  will,    und    es    ist  nicht  möglich    mit  ihm    zu  einem  Resultate 
zu  kommen.     Sieht   man   ihn  lang,    so  macht   ihn   sein  Alter  auch  geschwätzig    und 
langweilig.     Aber  eben  darum,  weil  er  von  allem  so  schnell  ergriffen  wird,    weil   es 
nicht  ein  vorübergehendes  Feuer  der  Einbildungskraft  ist,  was  nur  auflodert,  sondern 
immer  die  Wärme  eines  wahren  Gefühls  zugleich  erregt  wird,    ist   er    auch    so    an- 
ziehend,   und  oft  rührend.     Ich  hörte  ihn  viele  seiner  neueren  Oden  lesen".     Andere 
wichtige  Aufnahmen  sind  die  von  Jacobi  und  seiner  Familie  (S.   108  ff.),  von  F.  von 
Baader  (S.  101),    Dumouriez    (S.  105)   und   Reinhard  (S.  92;  Reinhard   über  Gentz 
S.  93);    nicht    so  gelungen    die  von  Schlosser  (S.  78;    Schlossers  politische  Meinung 
ib.)  und  Kosegarten  (S.  30);  flüchtiger  die  Notizen  über  Hennings  (S.  81),  Chr.  Stol- 
berg  und  Familie  (S.  84),    die   Familie   Reimarus   (S.  90).     Eine  Theatervorstellung 
mit  Iffland    und  Beck  (S.  90)   erregt    so   gut    sein'  Interesse   wie  Voss  seltsame  An- 
sichten   über  die  Grundbegriffe    aller  Sprachen  (S.  74);    Nationalcharakter  (S.  106/9) 
und  Nationalphysiognomie  (S.  107)  bleiben  aber  doch  das  Hauptaugenmerk.     L.  trägt 
interessante  Zeugnisse  über  Kosegartens  Art  zu  dichten  (S.  129)  und  über  Humboldts 
briefliche  Urteile  über  Voss  (S.   136/7.)  hinzu;  bei  Dobberan,  wo  Humboldt  die  grob- 
mittelalterliche Art    mit    dem  Heiligen    zu  spielen  abstösst  (S.  59),  hätte  der  Heraus- 
geber vielleicht  ('S.  133)  erwähnen  mögen,  dass  Deutschlands  ältestes  Seebad  der  An- 
regung Lichtenberg's    seine   Entstehung   verdankt.    —    Litterarisch   sind   Humboldts 
Briefe  an   Nicolovius,    die   kein  Geringerer   als   Haym601)  veröffentlichte,    noch    be- 
deutender, wenn  sie  auch  nicht  so  wie  das  Tagebuch  die  „innere  Form"  von  Humboldts 
Geist  aufdecken.     Sie    dienen  vielmehr,    wie    H.  (S.  VIII)    schön  sagt,    dazu,    „seine 
eigenartige  Persönlichkeit,    wenn   nicht   durch    neue    Züge    verständlicher,    so    doch 
durch  die  Wiederkehr  der  wohlbekannten  —  wie   ein  bedeutendes  Gesicht  bei  einer 
neuen  Aufnahme    —    anschaulicher    zu    machen".     Es  handelt  sich    um  die  geistige 
Wiedergeburt  Preussens    nach  Jena,    um    die  Organisation    der  geistigen  Wehrkraft, 
vermöge  deren  Humboldt  neben  Scharnhorst  tritt.     Er  klag-t,  dass  er  „um  Hardenberg 
in    den   ersten  Posten    keinen  Menschen    von  wahrem  Kopf  sehe"  (S.  25),    hält   ins- 
besondere Schuckmann,    um    den    doch  Goethe  sich  so  bemüht  hatte,    seinem  Posten 
keineswegs    gewachsen    (S.   36  usw.)    und   fordert    deshalb    ein    gut    organisiertes 
Kollegialministerium  (S.  37):     „Bei   allem  Regime   ist   das    erste    und  wichtigste  die 
Form ;    das   zweite   die    Personen ;    das    dritte    das    einzelne    Handeln".     Der    ganze 
Brief   16    (S.  36/7),    der    diese    charakteristische    Stelle    enthält,     ist    überhaupt    für 
Humboldts  Urteil   über  Preussen   von   der  grössten  Wichtigkeit.     Daneben    kommen 
der  Bund    (S.  42),     die    katholischen    Angelegenheiten    (S.  49),    de  Wette    und    die 
Evangelische  Kirchenzeitung  (S.  50)  zur  Diskussion  und  vor  allem  natürlich  gelehrte 
Personalia:  die  Akademie  der  Wissenschaften  (S.  10),    Oken,  Schömann  und  Thibaut 


601)  (IV  lc:20.)    |[A.  Schröter:  BLU.  S.  758;  O.  Harnaclt:  PrJbb.  78,  S.  521  2.]  |  -   602)  B.  Gebhardt,  Wilh.  v.  Hum- 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (4)23 


IV  5:602-621  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

(S.  15),  Vater  und  sein  „Herumtreiben  in  barbarischen  Sprachen"  (S.  29—30),  Kohlrausch 
(S.  30),  Ilgen  und  der  verhängnisvolle  Druckfehler  (S.  33),  Koreff  (S.  48).  An  der 
„siechenden  Berliner  Universität"  (S.  26)  ist  Humboldt  geneigt  zu  verzweifeln:  „Ich 
sehe  wie  Sie,  dass  die  Berlinische  Universität  mehr  noch  als  untergeht"  (S.  36),  und 
resigniert  kehrt  er  zu  seinem  Agamemnon  (S.  38)  zurück.  Ein  erster  Anhang  bringt 
(S.  90/1.)  Jugendbriefe  Humboldts  an  seinen  Freund  Beer,  die  ihn  mitten  in  philo- 
sophischen Grübeleien  zeigen  (Mendelssohn  S.  97;  Darjes  S.  105;  Kant  schreibe 
nicht  dunkel  S.  110;  Fleiss  der  Göttinger  Studenten  S.  69;  Alexander  schreibt  in 
hebräischer  Kurrentschrift  S.  114).  Der  zweite  Anhang  (S.  120  ff.)  enthält  acht  Briefe 
Humboldts  aus  den  J.  1809—10  an  Achim  von  Arnim  (S.  120,  128),  an  F.  A.  Wolf 
(S.  121,  129—30:  Süvern  S.  123;  Fichte,  Tralles  S.  124).  H.s  Anmerkungen  berichten 
(S.  61)  über  Zeller  und  die  Pestalozzische  Methode  in  Preussen,  worüber  inzwischen 
Dilthey  im  Artikel  „Süvern"  der  ADB.  so  lehrreich  gehandelt  hat  (S.  61),  über 
Humboldts  philosophisches  Studium  (S.  112/3);  Leitzmanns  Anzeige  fügt  dazu  noch 
einige  Nachweise  hinzu.  Hier  haben  wir  den  grossen  Volkspädagogen,  der  (S.  6) 
von  sich  selbst  bezeugt:  „Ich  habe  nur  zwei  Rücksichten.  Die  erste  ist  ein  Postulat 
in  weiland  Kantischem  Sinne.  Um  auch  nur  für  den  Augenblick  mit  Wirksamkeit 
handeln  zu  können,  muss  man  annehmen,  das  Wirken  sei  für  die  Ewigkeit.  Die 
zweite  ist  etwas  solider.  Erziehung  ist  Sache  der  Nation,  und  bereiten  wir,  (was 
aber  nur  mit  grosser  Behutsamkeit  geschehen  muss)  vor,  dass  wir  der  Kräfte  des 
Staats  mehr  entraten  können,  und  die  Nation  mehr  in  unser  Interesse  ziehen,  so 
können  wir,  was  uns  anvertraut  ist,  auch  unter  manchen  Stürmen  erhalten,  und 
brauchen  es,  selbst  im  Fall  des  äussersten  Unglücks,  nur  anderen  Händen  zu  über- 
geben. Denn  dass  wir  persönlich  uns  unter  keiner  Bedingung  vom  Staate  trennen 
würden,  versteht  sich  von  selbst".  —  Aber  neben  dem  Volkspädagogen  stehen,  zwei 
seiner  Elemente  selbständig  entfaltend,  der  Diplomat  und  der  Aesthetiker.  Jenen 
zeigt  ein  Vortrag  von  Gebhardt602-603),  diesen  eine  Veröffentlichung  Leitz- 
manns604): er  bringt  den  wichtigen  Aufsatz  zum  Abdruck,  in  dem  Humboldt  Frau 
von  Stael  einen  französischen  Auszug  des  ästhetischen  Versuchs  über  Hermann  und 
Dorothea  giebt. 605)  —  Ansprachen,  die  W.  von  Humboldt  im  „Verein  der  Kunst- 
freunde im  preussischen  Staat"  hielt,  giebt  ein  Zeitungsartikel 605a)  wieder.  — 

Auch  als  eigentliche  Pädagogen  werden  uns  eine  ganze  Reihe  hervor- 
ragender Männer  vorgeführt:  Jean  Paul  von  Konrad  Fischer606),  Schopenhauer 
von  R  e  g  e  n  e  r  607),  E.  M.  Arndt  von  Keferstein  608),  F.  A.  Lange 609)  von 
E  lliss  en 6l0_6n),  —  Pädagog  ganz  und  gar  war  Chrn.  G.  Salzmann,  dessen 
Krebsbüchlein  abermals  eine  populäre  Ausgabe  erlebt  hat;  in  seinen  Anmerkungen, 
die  dem  Bedürfnis  genügen,  weist  S  c  h  r  e  c  k612)  auch  diesem  von  der  Phantasie  doch 
wahrlich  nicht  irregeleiteten  Autor  einen  der  bekannten  „Widersprüche  in  der  Kunst- 
dichtung" nach:  er  nennt  dasselbe  Mädchen  erst  „Kordelchen",  dann  „Luischen" 
(S.  169  Anm.).613-613a)  —  Als  „Anweisung  zu  einer  unvernünftigen  Erziehung  der 
Kinder"  würde  mancher  wohl  auch  des  älteren  Witte  Erziehungsbericht  angesehen 
haben,  Fr.  Ukert  z.  B.,  der  nach  Geigers614)  Mitteilung  spöttisch  an  Böttiger 
über  den  „argen  Bettler"  von  Vater  und  das  „Wunderkind"  von  Sohn  schreibt;  der 
letztere  Ausdruck  scheint  damals  noch  neu  und  ungebräuchlich.  —  Böttigers 
eigene  Berufungsgeschichte  erzählt  ebenfalls  Geiger615)  und  zeigt  dabei  den  Herrn 
Ubique  in  dem  ganzen  Glanz  seines  listenreichen  Umherspürens  und  Vorteilchen- 
machens.  —  Der  Schleswiger  C.  Chrn.  Tadey,  von  dem  Carsten  s616)  berichtet,  und  der 
Gothaer  A.  M.  Schulze,  nach  Schumann617)  ein  Schüler  W.  Heys,  zeichnen  sich 
dagegen  durch  eine  eifrige  und  vielseitige  Schulthätigkeit  aus,  die  durch  litterarische 
Bestrebungen  ergänzt  wurde.618619)  —  Ob  man  den  Vf.  des  Struwelpeter,  den 
P  o  p  p  enb  e  r  g620"620a)   warmherzig  bespricht,   den  Pädagogen  zuzählen  darf,  wird 

boldt  als  Gesandter  in  Wien  (1810—13).  Vortr.  Referat:  SBHGBerlin.  (an  MHL.  22),  S.  2/3.  (Vgl.  auch  VossZg.  N.  128.)  — 
603)  X  w-  v-  Humboldt  als  Gesandter  in  Wien:  Didask.  N.  63.  —  604)  A.  Leitzmann,  E.  vergess.  franz.  Aufsatz  W.  v.  Hum- 
boldts: ZVLE.  7,  S.  268-91.  —  605)  X  E-  Nostitz-Rieneck,  B.  Episode  aus  d.  Leben  d.  Grafen  Leo  Thun.  Graz,  Styria. 
28  S.  M.  0,45.  —  605a)  D.  Ver.  d.  Kunstfreunde  im  Preuss.  Staat:  VossZg.  26.  Juli.  —  606)  Kon r.  Fischer,  J.  Paul. 
1.  T.  Leben  u.  Lehren  Jean  Pauls.  Levana,  1.  Abt.  2.  Aufl.  (=  Klassiker  d.  Paed.  Her.  v.  G.  Fröhlich.  N.  9.)  Langen- 
salza, Schulbuchh.  316  S.  M.  3,30.  —  607)  Fr.  Regen  er,  Schopenhauers  Ansichten  üb.  Erziehung.  (=  PZSF.  N.38  [Bd.  7, 
Heft  3].)  Wiesbaden,  Behrend.  40  S.  M.  0,60.  —  608)  H.  Keferstein,  E.  M.  Arndt  als  Päd.  Langensalza,  Beyer  &  Söhne. 
62  S.  M.  0,75.  —  609)  X  F-  A-  Lange,  Ueber  d.  Zusaramenh.  d.  Erziehungssysteme  mit  d.  herrschenden  Weltanschauungen 
verschiedener  Zeitalter:  MhCoraeniusG.  3,  S.  107-27.  -  610)  O.  A.  Ellisen,  F.  A.  Lange  als  Päd.  u.  Philos.:  ib.  S.  210-27. 
(Vgl.  IV  lb:476.)  —  611)  X  R-  Hochegger,  D.  Bedeutung  d.  Philos.  d.  Gegenw.  für  d.  Päd.  (=  PZSF.  N.  32/4.)  Gotha 
(Wiesbaden,  E.  Behrend).  132  S.  M.  1,80.  |[E.  v.  Sallwürk:  DBllEU»  21,  S.  38.J|  —  612)  Chr.  G.  Salzmann,  Krebsbttchlein 
od.  Anweiff.  zu  e.  Unvernunft.  Erzählung  d.  Kinder.  Her.  mit  Einl.  u.  Anrn  v.  E.  Schre'ck.  (=  ÜB.  N.  3251/2).  L.,  Reclam.  12°.  171  S. 
M.  0,40.  —  613)  X  K-  Markscheffel,  Berth.  Sigismund.  Sein  Leben  u.  Scharfen  als  Arzt,  Päd.,  Dichter  u.  Volksschrift- 
steller. Progr.  Weimar.  54  S.  —  613a)  X  L-  Fränkel,  B.  Sigismund:  ZDÜ.  8,  S.  551.  —  614)  L.  Geiger,  E.  zeitgenöss. 
Stimme  über  d.  Wunderkind  Witte:  Euph.  1,  S.  386.  —  615)  id.,  Böttigers  Berufung  nach  Berlin:  ib.  S.  350-65.  —  616)  C.  E. 
Carstens,  C.  Chrn.  Tadey:  ADB.  37,  S  341/2.  —  617)  A.  Schumann,  Ad.  M.  Schulze:  ib.  S.  325/8.  —  618)  X  F-  Röm- 
held,  C  Jul.  Römheld.  E.  Lebensbeschreib.  St.,  Greiner  &  Pfeiffer.  VI,  94  S.  M.  1,20.  (Mit  Bildn.  u.  einigen  Beigaben 
aus  d.  litt.  Hinterlassensch.)  —  619)  X  (1  2:12.)  —  620)  F.  Poppenberg,  Struwelpeters  Vater:  ML.  63,  S.  1240/1.  — 
620a)  X  O.,  D.  „Struwelpeter''-Hoffmann:  FB1W.  n.  261.    —    621)  L.  Jenzig,  Adam  als  Erzieher:    DPB1.  27,  S.  218-20.   — 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5  :  622-631 

manchem  zweifelhaft  sein;  ich  bleibe  bei  der,,  philiströsen"  alten  Anschauung-  und 
halte  ihn  für  einen  Verderber,  zwar  nicht  des  kindlichen  Gemütes,  wohl  aber  des 
kindlichen  Geschmacks.  — 

Ein  Volkserzieher  ist  er  jedenfalls  nicht  geworden;  „Reinbrandt  als  Erzieher" 
hätte  sonst  der  herrschenden  Formlosigkeit  noch  heftiger  seinen  Schönheitskultus 
entgegensetzen  müssen.  Für  ihn  fehlt  auch  diesmal  unter  den  Vertretern  von 
Zeitkritik  und  Volkserziehung  nicht  ein  Nachfolger:  J  e  n  z  i  g 621);  ob 
aber  in  seinem  „Adam  als  Erzieher"  unter  den  vielen  satirischen  Anspielungen  sich 
ein  ernster  Gedanke  verbirgt,  konnten  wir  nicht  ergründen.  Vielleicht  ist  es  auch 
parodistisch  gemeint,  wenn  er  (S.  18)  von  der  „Ueberlieferung  Mosi"  und  (S.  23/4) 
von  „Carthesius"  spricht;  ich  weiss  es  nicht,  und  vielleicht  lohnt  es  sich  gar  nicht, 
es  zu  untersuchen.  —  Schon  unseren  ersten  Volkserziehern  ging  es  so,  dass  sie  es  oft 
schwer  machten,  Ernst  und  Spott  zu  scheiden.  Aus  Hamanns  Schriften622),  meinte 
Lichtenberg,  werde  die  Nachwelt  vielleicht  allerlei  herauslesen,  woran  der  gute  Mann 
nie  gedacht  habe.  —  Justus  Moser,  auf  den  wir  hier  zurückkommen  müssen, 
hat  sich  durch  die  klare  feste  Einheit  seines  ganzen  —  von  einem  Anonymus623) 
nicht  schlecht  beleuchteten  —  Wesens  vor  Missverständnissen  leidlich  ge- 
schützt.624"626) — 

F.L.Jahn  ist  in  solchen  Miss  Verständnissen  fast  untergegangen.  Schult- 
heiss627)  hat  in  seinem  sehr  verdienstlichen  Werk  das  Bild  des  Turnvaters  wieder  er- 
hoben und  in  seiner  Entwicklung  vorgeführt.  Vielleicht  vernachlässigt  er  es  etwas  zu 
sehr,  ihn  aus  dem  ganzen  breiten  Boden  der  Zeit  hervorwachsen  zu  lassen,  stellt  ihn  nicht 
historisch  genug  mit  verwandten  Erscheinungen  zusammen;  es  bleibt  doch  aber  auch  in 
dieser  Hinsicht  ein  bedeutender  Fortschritt.  Er  erzählt  von  Jahns  Jugend  und  trägt 
kein  Bedenken,  seinem  Helden  aus  der  Führung  eines  falschen  Namens  einen  sittlichen 
Vorwurf  zu  machen  (S.  21).  Dann  analysiert  er  g-eschichtlich  Jahns  erstes  Schriftchen 
in  seinem  preussischen  Staatsgefühl  (S.  23)  und  zeigt  die  hohe  Vorstellung  auf,  die 
Jahn  von  Würde  und  Wichtigkeit  der  hochdeutschen  Schriftsprache  hatte  (S.  33);  in 
der  Verehrung  der  uralten  Mutter-  und  Heldensprache  ruft  er  zuweilen  die  Erinnerung 
an  den  Enthusiasmus  der  Sprachgesellschaften  wach.  Der  Tug'endbund  wird  (S.  38) 
verteidigt,  der  doch  H.  von  Kleists  Spott  in  der  „Hermannsschlacht"  nicht  so  ganz 
abschütteln  kann,  so  trefflich  er  gedacht  war.  Dann  wird  (S.  45  ff.)  das  Buch  über 
das  deutsche  Volkstum  in  ausgezeichneter  Analyse  mit  Recht  als  „der  Schlüssel  zu 
Jahns  Wesen  und  geschichtlicher  Bedeutung"  aufgefasst.  Unrichtig  ist  es,  wenn  hier 
zuerst  der  Gedanke  der  Völkerpsychologie  gefunden  wird  (S.  60),  den  nach  Vico  und 
Montesquieu  vor  allem  W.  von  Humboldt  so  bestimmt  erfasst,  den  Herder  so  eifrig 
vorg-edeutet  hatte;  gut  wird  dagegen  Jahns  Verhältnis  zu  Fichtes  Reden  (S.  69)  klar 
gelegt.  Die  Wirkung  des  Büchleins  wird  (S.  70/1)  in  ein  paar  Strichen  skizziert;  dann 
eilt  der  Vf.  zu  Jahns  berühmtestem  Werk.  Wohl  ist  der  „Turnvater"  keineswegs  der 
erste,  der  die  Einführung  von  körperlichen  Uebungen  in  den  öffentlichen  Unterricht 
forderte  (S.  81),  aber  er  hat  einen  g-anz  neuen  Geist,  eine  ganz  neue  Bedeutsamkeit 
in  diese  Gymnastik  gelegt  (S.  101/2).  Wie  über  die  Wirksamkeit  der  Freischaren  (S.  85), 
zu  deren  Anregern  Jahn  gehörte  (S.  83),  so  gehen  freilich  auch  über  die  Wirkung 
der  Turnübungen  die  Meinungen  auseinander;  der  hohe  moralische  Ertrag  beider 
Einrichtungen  ist  doch  ernstlich  nicht  zu  bezweifeln.  Wunderliches  lief  bei  Jahn 
leicht  mit  unter,  in  der  Schriftstellerei  freilich  vor  allem :  die  „Runenblätter"  bleiben 
ein  „Grillenspiel"  (S.  90).  Aber  wie  gesund  Jahns  Auffassung  war,  der  Turn- 
unterricht solle  neben  dem  Schulunterricht  als  selbständige  Schulung  stehen  (S.  104/5), 
wie  sehr  er  einem  Bedürfnis  der  Zeit  entgegenkam,  das  sich  heut  erneut  (S.  109), 
das  zeigen  die  vielen  Klagen  über  körperlichen  Verfall  und  Entartung  in  der  Gegen- 
wart.628"630) Auch  seine  Abneigung  gegen  die  Fremdwörter  (S.  111)  ist  wieder 
modern,  und  mancher  Chauvinist  würde  sich  auch  mit  der  „Hamme"  gegen  Frankreich 
(S..  116)  befreunden.  Damals  aber,  als  Jahn  die  Turnfreude  gegen  den  sentimentalen 
Genuss  der  Schicksalstragödie  (S.  121)  ausspielte,  mussten  Goethe,  Arndt,  sogar  das 
Ministerium  in  Preussen  über  die  Bedenken  wegsehen,  die  Jahn  selbst  erweckte 
durch  eine  seltsame  Mischung  von  Humor  (S.  117)  und  geschraubtem  Pathos;  bis 
dann  mit  Steffens  Kampf  gegen  Passow  (S.  124/5)  der  Umschlag  eintrat,  der  Sieg  der 
Restauration  über  die  Freiheitskämpfer,  zu  denen  doch  Steffens  selbst  gehört  hatte. 
Nun  kam  rasch  der  Sturz  vom  tarpejischen  Felsen:  die  Objektivität  des  Referenten, 


622)  X  ?•  Demmler,  J.  G.  Hamann.  Aussprüche  ans  seinen  Schriften  ges.:  NB11EU.  23,  S.  12-38.  —  623)  D.,  J.  Moser: 
NatZg.  N.  18.  —  624)  X  L.  Berg,  J.  Moser:  VossZg«.  N.  1/3.  -  625)  X  ▼•  Bryk,  J.  Moser:  ÜL&M.  71,  S.  343.  — 
626i  X  Edm.  Lange,  J.  Moser:  BLU.  S.  209-13.  —  627)  F.  G.  Schultheiss,  F.  L.Jahn:  Sein  Leben  u.  seine  Bedeutung. 
(=  Geisteshelden.  Her.  v.  A.  Bettelheira.  7.  Bd.)  B.,  E.  Hofmann  &  Co.  VII,  198  S.  M.  2,00.  I[L.  R.  Leder:  Presse 
N.  139;  WeserZg.  N.  17072.]|  —  628)  X  M.  Nordau,  Entartung  (JBL.  1893  I  12:389-96;  IV  5:633,6).  [F.  Jodl:  DLZ. 
S.  13813;  QR.  178,  S.  1-30  J|  —  629)  X  id  >  Degönerescence.  Trad.  par  Aug.  Dietrich.  2  Vol.  Paris,  Alcan. 
Fr.  7,50;  10,00.  —  630)  X  »•  Franceschini,    M.  Nordau  in  d.  Klemme:    NWienTBl  N.  248    -  631)  X  K-  Sturmhoefel, 

(4)23* 


IV  5:632-634  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

E.  Th.  A.  Hoffmanns  (S.  142),  konnte  Jahn  nicht  vor  der  Wut  der  Demagogen  hetze 
retten,  und  was  man  in  seiner  Natur  nur  von  Fehlern  finden  konnte  —  wenig-  war 
es  nicht  (S.  147)  — ,  das  ward  ihm  nun  zum  Verhängnis.  „Seine  ganze  Art,  der 
Ueberschuss  körperlicher  und  geistiger  Energie,  das  Vorwiegen  des  Willens  über 
Verstand  und  Phantasie  führte  ihn  darauf  hin,  in  einem  praktischen  Leben  sich  zur 
Geltung  zu  bringen.  Das  Turnwesen  beweist  seine  Fähigkeit  zu  organisieren,  zu 
leiten,  zu  herrschen  —  aber  es  galt  doch  ihm  selbst  nur  als  Vorbild  eines  öffentlichen 
Lebens  im  grossen.  Erst  ein  freies  politisches  Gemeinwesen,  wie  es  Jahn  stets 
forderte,  hätte  ihm  den  rechten  Platz  gewähren  können;  Naturgaben,  Erziehung, 
Erfahrungen  stempelten  ihn  zu  einem  politischen  Agitator,  zu  einem  Volksredner — , 
aber  dieser  sein  eigentlicher  Beruf  konnte  in  dem  damaligen  Preussen  nur  in  einzelnen 
Proben  sich  zeigen"  (ib.).  Nun  gar  in  Gefangenschaft,  unter  Aufsicht!  „Das  Still- 
sitzen fiel  ihm  schwer"  (S.  152).  Endlich  kommt  denn  auch  die  Befreiung;  für  sein 
Turnen  geht  ein  günstiger  Stern  auf  (S.  165/6),  und  nach  seinem  Tode  sollte  es  sich 
zeigen,  wie  reiche  Saat  er  ausgesät  hatte  (S.  175/6).  So  schreitet  die  Erzählung  zu 
tröstlichem  Ende  fort,  einfach,  nicht  zu  apologetisch,  und  nur  durch  den  Zwang  der 
Motti  vor  jedem  Kapitel  zuweilen  (wie  bei  dem  wenig  passenden  Chat  S.  162;  S.  13 
und  23  wird  Goethe  ungenau  citiert)  aus  der  rechten  Bahn  gelenkt.  In  den 
Anmerkungen  erörtert  Seh.  (S.  192)  die  Frage  der  drei  Farben;  aus  der  Turnfehde  giebt 
er  (S.  194)  ein  paar  charakteristische  Proben.  Wohlunterrichtet  ist  er  durchaus, 
seines  Gegenstandes  voll,  dabei  ohne  Fanatismus;  und  so  wird  sein  Buch  hoffentlich 
leisten,  was  die  Vorgänger  .nicht  konnten:  den  wirklichen  Menschen  Jahn  statt  der 
Idealfigur  oder  des  Zerrbildes  seinen  lieben  Deutschen  nahe  bringen. 63,_632)  —  Eine 
einzelne  Episode  aus  Jahns  Leben  erzählten  die  Schönburgischen  Geschichtsblätter633): 
wie  er  der  Einweihung  eines  Turnplatzes  in  Waidenburg  beiwohnt.  Von  einer  An- 
sprache Jahns  wird  (S.  31)  ohne  genauere  Angaben  berichtet.  — 

Zu  einer  ganz  anderen  Natur  gelangen  wir  jetzt.  Auch  P.  de  Lagarde  hat 
Anfeindung  eher  herausgefordert  als  gescheut  und  vermieden;  eine  geringe  aber 
begeisterte  Zahl  von  Anhängern  bilden  seine  Leibgarde,  sogar  gegen  jede  Kritik. 
Ist  so  schon  das  Urteil  über  ihn  selbst  erschwert,  weil  das  Uebermass  der  Ver- 
götterung provociert,  so  wird  es  doppelt  schwierig,  über  seine  Biographie  zu  reden. 
Schwer  und  peinlich  ist  es,  als  kühler  Referent  über  ein  Buch  urteilen  zu  sollen, 
dass  so  ganz  aus  warmer  Liebe  hervorgeflossen  ist  wie  die  von  Anna  deLagarde 634) 
geschriebenen  Erinnerungen  aus  dem  Leben  ihres  Gatten.  Glücklicherweise  habe  ich 
über  das  Schriftchen  selbst  wenig  anderes  zu  sagen,  als  dass  es  eben  die  schlicht  und 
liebevoll  veranstaltete  Gedenkschrift  der  treuen  Lebensgefährtin  Lagardes  ist,  an- 
spruchslos und  durch  mannigfache  Mitteilungen  aus  Briefen  und  Erinnerungen  höchst 
dankenswert  (Lagarde  über  das  Beten  S.  21;  über  die  „Lumpentheologie"  S.  33;  „die 
schäbige  Reformation  des  16.  Jh."  S.  28;  Ewald  S.  22;  Joh.  Schulze  S.  59;  Fiesko 
„zeigt  den  sonst  so  viel  mit  hohlen  Phrasen  arbeitenden  Schiller  als  Kenner 
menschlichen  Herzens  und  unmenschlich-menschlicher  Politik"  S.  43;  Hamlet  und 
Byrons  Sardanapal  ib.;  Lagarde  als  Lehrer  S.  51;  seine  körperliche  Kraft  S.  53: 
„Wenn  ich  einen  üblen  Ausgang  der  Kraftproben  besorgte,  z.  B.  als  er  einmal  zwei 
riesengrosse  Schränke  ganz  allein  von  einer  Wand  nach  der  andern  umstellte,  dann 
fertigte  er  mich,  ganz  unangestrengt,  damit  ab,  man  müsse  nur  den  Schwerpunkt 
treffen").  Aber  nur  natürlich  ist  es,  dass  ich  mit  der  unbedingten  Bewunderung 
nicht  übereinstimmen  kann,  doppelt  begreiflich  bei  einer  Kampfnatur  wie  Lagarde, 
deren  Verteidigung  oft  genug  nur  auf  Kosten  anderer  durchzuführen  ist.  So  würde 
ich  den  bekannten  Brief  an  Napoleon  III.  (S.  97/8)  unerwähnt  lassen,  wenn  die  Vf. 
nicht  zur  Rechtfertigung  Lagardes  die  Briefe  Mommsens  und  Sybels  (S.  98)  heran- 
gezogen hätte.  Thatsächlich  liegt  die  Sache  aber  da  ganz  anders:  die  beiden  Historiker 
hatten  dem  Kaiser  Dank  abzustatten,  bei  Lagarde  war  das  in  keiner  Weise  der  Fall; 
und  sie  baten  um  nichts,  er  aber  —  um  einen  Orden.  Erklärt  man  das  (S.  99)  für  eine 
Jugendthorheit  ohne  Bedeutung,  so  lassen  wir  das  gern  gelten,  müssen  aber  doch  fragen, 
wie  Lagarde  bei  einem  anderen  Briefsteller  geurteilt  hätte.  Er  betont  selbst  zwar  mit  allem 
Nachdruck,  man  dürfe  nur  auf  das  Ganze,  nicht  auf  Einzelheiten  sehen,  wenn  man  Menschen 
beurteilen  wolle  (S.  123);  er  selbst  hat  aber  in  seiner  Polemik  niemals  Bedenken  ge- 
tragen, aus  Einzelheiten  jeder  Art  weit  gehende  Schlüsse  auf  den  Charakter  zu  ziehen. 
In  welch  mindestens  sonderbarer  Weise  hat  er  sogar  (z.  B.  in  „Aus  dem  deutschen 
Gelehrtenleben")  Kleinigkeiten  aus  vertraulicher  Unterhaltung  oder  Korrespondenz 
noch  nach  Jahren  zur  Begründung  von  strengen  Gesamturteilen  verwandt!  Freilich 
fällt  dies  mit  vielen  anderen  Erscheinungen  unter  eine  grosse  Rubrik:  es  gehört  zu 
Lagardes  unglaublichem  Mangel  an  Selbstkenntnis.     Es  ist  ihm   nie  eingefallen,  zu 


P.  L.  Jahn:  BLU.  S.  449-52.  —  632)  X  K.  Frost,  Vater  Jahn:  NorddAZg.  N.  269.    —    633)  Turnvater  Jahn  in  Waidenburg. 
(Naeh  Aufzeichn.  v.  Zeitgenossen):  SchönburgGBll.  1,  S.  26.    —    634)   Anna  de  Lagarde,    Paul  de  Lagarde.     Erinnerungen 


H.  Mi  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts.  IV  5:635-647 

untersuchen,  ob  denn  Er  den  an  alle  Welt  gestellten  Forderungen  genüge;  darin  ist 
er  durchaus  Theologe.  Er  verlangt  immer  wieder  mit  schönen,  beredten  und  tiefen 
Worten  Kaum  für  Persönlichkeit,  für  Individualität  (S.  2b,  32,  41,  bes.  S.  29);  aber 
nie  hat  er  einer  fremden  Persönlichkeit  gerecht  zu  werden  verstanden.  Der  Gelehrte, 
der  in  seiner  Kritik  so  streng  ist,  erlaubt  sich  persönliche  Anfeindung  bis  nahe  an 
die  Grenze  der  Verleumdung  auf  den  unsichersten  Grundlagen.  Hierfür  giebt  gerade 
der  Fall  Koediger  (S.  128/9),  den  die  Vf.  zu  seiner  Entlastung  anführt,  einen  bezeichnenden 
Beleg.  Lagarde  hat  einfach  angenommen,  ein  Gutachten  müsse  von  dem  Orientalisten 
Koediger  verlässt  sein;  er  hat  dafür  schlechterdings  keinen  Anhalt  als  seine  Ver- 
mutung. Nun  weist  der  Sohn  Koedigers  ihm  nach,  dass  er  geirrt  hat;  Lagarde  er- 
klärt dies  denn  auch  öffentlich,  fügt  aber,  durchaus  unberechtigt,  die  Behauptung 
hinzu,  er  habe  dem  Professor  ohne  seine  Schuld  Unrecht  gethan  (S.  129),  und  betont 
dabei  in  irreführender  Weise,   dass  ihn  ein  offizielles  Aktenstück  dazu  verführt  habe 

—  ein  offizielles  Aktenstück  allerdings,  das  er  doch  aber  in  rein  privater  und  un- 
offizieller Weise  interpretierte,  das  ihm  zu  der  von  ihm  geäusserten  Autorschafts- 
vermutung durchaus  keine  offizielle  Berechtigung  bot!  Dennoch  ist  an  Lagardes 
gutem  Glauben  auch  hier  nicht  am  geringsten  zu  zweifeln,  er  hatte  von  sich  so  oft 
die  treffendsten  Ansichten  über  solche  Fragen  gehört,  dass  er  sich  unbedingt  auch 
die  richtige  Praxis  zutraute,  wie  gute  Kunsttheoretiker  meinen,  ihre  Bilder  müssten 
doch  jedenfalls  gut  gemalt  sein.  Die  tiefe,  fast  kindliche  Naivetät,  die  in  solchen 
Widersprüchen  hervortritt,  gewinnt  uns  schliesslich  aber  mehr  für  den  Mann,  als 
diese  selbst  uns  verletzen.  Der  übertriebene  Kultus,  den  man  auch  an  sein  frisches 
Grab,  wie  an  das  von  F.  Th.  Vischer  und  anderer  bannen  wollte,  wird  solche  Schwächen 
hochmütig  bestreiten;  die  milde  Liebe  seiner  Biographin  durfte  sie  übersehen.  An 
Vischer  erinnert  Lagarde  übrigens  auch,  wenn  er  unverhohlen  (S.  44)  einige  Barbarei 
wünscht  und  damit  in  die  Kette  jener  Aussprüche  einmündet,  deren  bekanntester 
Heinrich  Leos  Wunsch  nach  einem  rechtschaffenen  Kriege  ist.  Und  diesem  selben 
Geist  ist  gleich  darauf  (S.  45)  die  zarteste  der  Künste,  die  Musik,  mehr  noch  als  die 
Gelehrsamkeit!  Ganz  sentimental  schildert  er  (S.  95)  das  alte  Wetzlar.  Man  glaube 
nicht,  dass  eine  ursprünglich  weiche  Natur  nur  durch  Berufungsgeschichten  (S.  33, 
62/3;  S.  83)  verbittert  worden  sei  —  denn  die  Verbitterung  ist  (trotz  S.  139)  wohl 
doch  nicht  ganz  bei  einem  Manne  zu  bestreiten,  der  Deutschland  nahe  daran  sieht, 
ins  Nichts  zu  versinken  (S.  135).  Jene  Missgeschicke  waren  hart,  obwohl  schliesslich 
noch  Grössere  als  Lagarde  ebenso  schlimm  oder  schlimmer  gefahren  sind:  ich  nenne 
nur  Lagardes  Lieblinge  Moltke  und  Jakob  Grimm.  Aber  sie  wurden  doch  durch 
grosse  und  frühe  wissenschaftliche  Erfolge  g*emildert,  und  durch  persönliche  Tröstungen, 
wie  sie  nicht  jedem  unbeförderten  Gelehrten  zu  teil  wurden.  Auch  dass  der  schwere 
Druck  des  pietistischen  Vaters  alles  verschuldet  haben  soll,  scheint  uns  eine  Erklärung, 
die  das  angeborene  Naturel  Lagardes  zu  gering  einschätzt.  Er  gehört  zu  den  vielen, 
die  einen  unbefriedigten  Ehrgeiz  für  die  sichere  Bürgschaft  eines  von  der  Welt  unter- 
drückten Herrschertalents  halten,  und  war  hart,  wo  man  an  diese  Saite  rührte;  er 
gehörte  zu  den  wenigen,  die  die  Menschen  mit  wahrer  Leidenschaft  liebten,  und 
wechselte  im  Urteil  über  die  Menschheit,  über  die  deutsche  Nation  vor  allem  mit 
echter  Leidenschaft  zwischen  liebender  Verkennung  und  tiefstem  Erfassen.  Dass  sein 
Ringen  nicht  unbelohnt  blieb,  mochte  auch  sein  wissenschaftliches  Lebensziel  nicht 
erreicht,  sein  politisches  ganz  verfehlt  werden,  das  beweist  dies  Buch:  wir  sehen 
hier,  dass  sein  schönes  Gebet  erhört  ward:  „Lieber  Gott,  gieb  uns  Menschenblumen, 
Rosen  so  gut  wie  Disteln,  auch"  etwas  Sonnenschein  und  blaue  Luft  von  oben  und 
aus  der  Zukunft  zu  trinken"  (S.  29).  —  Neben  diesem  Buche  verschwindet,  was  andere 
zur  Biographie635"636)  oder  zur  Beurteilung  Lagardes63")  schrieben.638)  — 

Mit  V.  Hehn  ist  es  nicht  viel  anders.  Einer  schreibt  einen  Auszug  aus 
Schiemanns639)  Lebensbild640),  mehrere  aus  Anlass  dieses  Buches  Betrachtungen 
über  ihn641"644),  Steig645)  und  Rieh.  M.  Meyer646)  suchen  die  grossen  Linien  in 
seiner  Entwicklung  auf  —  aber  was  will  das  schliesslich  alles  besagen,  sobald  ein 
neues  Buch  von  dem  alten  Meister  selbst  erscheint.  Die  Reisebilder  aus  Frankreich 
und  Italien647)  waren  ja  schon  stückweise  in  der  AZgB.  erschienen,  und  in  dieser 
Form  hatten  wir  sie  schon  besprochen;  nun  aber,  da  sie  als  geschlossenes  Buch  vor- 
liegen, wirken  sie  thatsächlich  wie  eine  neue  Erscheinung.  Hinzugekommen  ist  aus 
Hehns  Papieren  eine  glänzende  „Geschichte  Italiens  in  Deutschland,  d.  h.  der  Meinungen 

ans  seinem  Leben.  Göttingen,  Dieterichsche  Uniy.-Bnchh.  191  S.  M.  2,00.  |[AkBll.  9,  S.  229.JJ  —  635)  X  —  r~.  Paul  de 
Lagarde,  Einiges  aus  seinem  Leben:  TglRsB.  N.  214.  —  636)  X  P-  Cauer,  P.  de  Lagarde,  Erinnerungen.  (S.  o.  N.  634): 
DWB1.  7,  S.  551.  —  637)  X  Chrn.  Gross,  Paul  de  Lagarde  u.  d.  Eelig.  d.  Zukunft:  DEBU.  19,  S.  229-58.  —  638)  X  P- de 
Lagarde,  Dtsch.  Schriften.  2.  Reihe,  Heft  4  (JBL.  1893  1  1:158):  BLU.  S.  637,8.  —  639)  (I  2:36.)  |IH.  Grimm:  DLZ. 
S.  940/2;  LCB1.  S.  1244/5.JI  —  640)  Aus  d.  Leben  V.  Hehns:  KYZg.  N  468.  —  641)  X  K.  Frost,  V.  Hehn:  NorddAZg.  N .327. 

—  642)  X  0-  Immisch,  V.  Hehn:  BLU.  S.  609-12.  —  643)  X  V.  Hehn:  VomFels  z.  Meer  2,  S.  46.  —  644)  X  M.  Haber- 
landt,  V.  Hehn:  WienZg.  N.  146,7.  —  645)  B.  Steig,  V.  Hehn:  NatZg.  N.  612.  -  646)  B.  M.  Meyer,  V.  Hehn:  ML.  63, 
&  1480,3.  —  647)  Y.  Hehn,   Beisebilder   ans    Italien   u.  Frankreich.     St.,  Cotta.     XX,  372  8.    M.  5,00.     [BaltMschr.  41,  S.  582/8; 


IV  5  :  648-651  R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderts. 

der  Deutschen  über  Italien"  ('S.  V):  Italien  und  Shakespeare  als  deutsche  National- 
idole (S.  VI),  Ursachen  dieser  „heiligen  Lüge"  (S.  VII),  dieser  „absoluten  Anbetung- 
Italiens"  (S.  VIII),  Firmen  der  Italomanie  (S.  IX),  Wilh.  Müller  als  Typus  (S.  XIII), 
Umschwung-  (S.  XIX).  Seh.  selbst  vergleicht  diese  älteren  Reisebilder  (S.  VI,  XIX) 
einsichtig  mit  dem  späteren  Werk  über  Italien;  ich  muss  gestehen,  dass  das  Buch, 
das  er  uns  neu  geschenkt  hat,  mir  lieber  ist  als  jener  etwas  gezwungene  Kodex 
paradigmatischer  Vorbewunderung  Italiens.648)  —  Die  Begeisterung  für  Italien  und 
die  Antike,  für  Goethe  und  Bismarck  teilt  mit  Hehn  ein  ihm  sonst  nicht  allzu  sym- 
pathischer anderer  Vertreter  der  ästhetischen  Nationalerziehung:  H.  Grimm,  den  ein 
Landsmann  Emersons,  Stearns,  in  begeisterten  Worten  als  Propheten  des  deutschen 
Idealismus  und  der  neuen,  germanischen  Kulturepoche  feiert649).  — 

Trat  schon  in  diesen  Männern:  Lagarde,  Hehn,  H.  Grimm,  der  Gegensatz 
gegen  die  „Menge"  und  die  idola  fori  stark  hervor,  so  sind  sie  doch  alle,  jeder  in 
seiner  Art,  Heroenverehrer  und  durch  diese  Form  des  Ahnenkultus  von  den  radikalen 
Au  tonomisten  getrennt.  Deren  schroffster  Typus  ist  M.  Stirn  er,  von  Ola  Hansson650) 
glücklich  zum  Heros  der  Heroenfeinde  gemacht.  H.  charakterisiert  nur  ausschliesslich 
sich  selbst  mit  dem  Geständnis,  es  werde  einem  schwer,  Stirner  und  Nietzsche  aus- 
einanderzuhalten (S.  94).  Wo  er  Stirners  Buch  (S.  94 ff.)  in  ausführlicher  Analyse 
wiedergiebt,  referiert  er  nicht  schlecht;  wo  er  (S.  119)  sämtliche  Aphorismen  Nietzsche 
auf  einen  einzigen  Tropfen  Quintessenz  —  das  egoistische  Prinzip  —  auspressen  will, 
da  zeigt  sich  der  Hypermoderne  als  atavistischer  Definitionsanbeter.  So  geht  es  mit 
ihm  überall:  er  ist  ein  altmodischer  Populärphilosoph,  der  den  Mantel  nach  dem 
neuesten  Winde  hängt  und  das  Rosenöl  der  „wesentlichen  Charakterzüge"  aus  einer 
voll  lebenden  Persönlichkeit  nach  gut  scholastischer  Methode  aus  Nietzsche  auspresst, 
wie  Hegelianer  es  aus  Goethe  oder  Napoleon  heraus  gedrückt  haben.  Ueberhaupt  ist 
eine  bewegliche  Natur  für  ihn  unfassbar;  den  starren  Stirner,  der  sich  auf  Ein  Apercu 
vereidigt,  versteht  er  nicht  schlecht,  den  „Metaphysiker  des  Anarchismus"  (welche 
Definition  freilich  auf  buddhistische  Philosophen  noch  viel  besser  passen  würde).  Und 
weil  Stirner  sich  mit  dem  breiten  Auseinanderlegen  Einer  Idee  begnügt  hat,  so  hatte 
er  es  leicht,  friedlich  zu  sein  und  der  „schmerzlosen  Entwicklung"  der  neuen  Welt 
(wie  H.  auf  S.  136  meint)  im  voraus  zuzustimmen:  die  Frage  der  Verwirklichung  lag  ja 
überhaupt  schon  ausserhalb  seines  Horizonts.  — 

Die  Vorstellung,  als  müsse  ein  „Anarchist"  ein  blutdürstiges  Ungeheuer 
sein,  kann  nichts  besser  widerlegen  als  Bruno  Willes651)  „Philosophie  der  Be- 
freiung". Es  sind  gutmütige  Träumereien  einer  kindlichen  Natur,  die  alle  Zweifel 
an  einer  besseren  Methode  der  Erziehung  dadurch  zu  widerlegen  glaubt,  dass  sie 
(S.  106  ff.)  in  einem  —  Zukunftsbild  aus  dem  22.  Jh.  die  Angaben  über  „blühende 
Gesundheit"  oder  glänzende  Kenntnisse  in  Sperrschrift  druckt.  Wer  kann  den 
Argumenten  eines  Mannes  widerstehen,  der  unter  den  günstigen  Wirkungen  der 
amerikanischen  Freiheit  dies  anführt :  „Schon  die  Kinder  entwickeln  diese  Tugenden, 
so  springen  sie  zuweilen  spielend  auf  den  sausenden  Eisenbahnzug  und  wieder  ab" 
(S.  237).  Ist  dieser  modern-idyllische  Zug  nicht  allein  eine  zwingende  Ueberredung 
zum  amerikanischen  Glück?  Dieselbe  entwaffnende  Harmlosigkeit  aber,  die  in  der- 
gleichen Kleinigkeiten  hervortritt,  beherrscht  das  ganze  Buch.  Sie  zeigt  sich  in  der 
rührenden  Kritiklosigkeit,  der  Bahr  (S.  248)  ein  virtuoser  Psycholog,  Mackay  (S.  375) 
ein  Schriftsteller  von  „blendender  Dialektik"  und  der  „Buddhistische  Katechismus" 
(S.  126  usw.)  eine  zuverlässige  Quelle  ist.  Sie  zeigt  sich  in  der  Unbefangenheit, 
mit  der  Spinoza  oder  Tolstoi  (S.  31),  Nietzsche  und  Laotse  (S.  188),  J.  Moser  (S.  188) 
und  Heinse  (S.  199)  neben  den  unerträglichsten  Agitationsschmökern  citiert  werden 
wie  Gleiche  neben  Gleichen ;  der  „Lichtgeist  Wekhrlin"  (S.  203)  vertrüge  trotz  seinen 
Vorzügen  solche  Gesellschaft  schon  eher.  Sie  zeigt  sich  in  dem  rührenden  Ver- 
trauen, mit  dem  W\  glaubt,  bei  einem  „allgemeinen  Drängen  der  Ackerbauer  nach 
den  fruchtbarsten  Ländereien,  der  Bergleute  nach  den  ergiebigsten  Bergwerken" 
(S.  379)  werde  sich  der  Streit  glatt  durch  eine  vernünftige  Vereinbarung  schlichten 
lassen.  Diese  Harmlosigkeit  macht  das  Buch  freilich  aber  auch  so  flach,  wie  es  ist. 
Kein  Gedanke  wird  ausgedacht,  kein  Begriff  vertieft.  „Mein  Ziel  ist  der  freie  Ver- 
nunftmensch" (S.  11,  vgl.  S.  28,  39)  —  als  ob  nicht  z.  B.  Christentum  und  Aufklärung 
und  Socialdemokratie  ebenfalls  „die  wahre  Freiheit"  und  „die  wahre  Vernunft"  auf 
ihr  Programm  setzen  könnten!  „Absolute  Gewaltlosigkeit"  wird  zwar  (S.  112/3) 
verworfen,  wie  aber  die  Freiheit  der  Zukunft  gehütet  werden  soll,  darüber  macht 
WT.  sich  noch  viel  weniger  als  französische  Anarchisten  (wie  Jean  Grave  in  seiner 
„Societe   future")    eine  Vorstellung.     In    der  Stimmung,   aus    der  das   Buch   hervor- 


Grenzl).  2,  S.  429-31;  H.  Grimm:  DRs.  80,  S.  155/6.] |  —  648)  X  L-  Friedländer,  V.  Hehn,  Kulturpflanzen  u.  Haustiere. 
6.  Aufl.  (JBL.  1893  1  4:13):  DRs.  81,  S.  314/6.  —  649)  E.  Amerikaner  übor  H.  Grimm:  DRs.  78,  S.  155,7.  —  650)  0. 
Hansson,  M.  Stirner.    (=  TS.  464,  S.  91-136.)  —  651)  B.  Wille,  Philosophie  d.  Befreiung  durch  d.  reine  Mittel.    Beitrr.  z, 


R.  M.  Meyer,  Didaktik  des  18./19.  Jahrhunderte.  IV  5:652-654 

gewachsen   ist,    kann   man   ja    viel  Berechtigtes   finden:    dass    die  „Gesetzesseuche" 
(S.  237)  eingedämmt  werden  muss,  dass  die  Socialdemokratie  (S.  299—300)  nur  eine 
neue   Form   der  Gewaltherrschaft    anstrebt,    dass    die    „Ethischen  Gesellschaften"    in 
ihren  Predigern  leicht  ein  intolerantes  Pfaffentum  entwickeln  können  (S.  258/9),  —  das  alles 
wird  man  leicht  billigen;  aber  wer  den  Individualismus  predigen  will  (S.  40  Anm.j, 
der  muss  doch  etwas  mehr  Individualität  besitzen  als  dieser  wohlwollende,  breit  und 
oft    geschmacklos    („Ströme    unsichtbaren    Blutes    vergiesst    er    tagtäglich"    S.  206) 
predigende  Landpastor  anarchistischer  Konfession. 652)  —  Etwa  denselben  Standpunkt 
eines   idyllischen  Anarchismus  vertritt   mit   mehr    Geist   das   merkwürdige  Büchlein 
„Vom  Baume    der  Erkenntnis"653).     Wer    nur    die  zahlreichen,    hübsch    und    einfach 
erzählten  Geschichtchen,  besonders  des  VII.  Abschnittes  (Lebensphilosophie  und  Um- 
gangsregeln S.  327  ff.)  liest,  der  würde  einfach  glauben,  eine  zeitgemässe  Erneuerung 
von    des   alten   J.  J.  Engel    „Philosophen   für   die    Welt"    vor   sich    zu   haben;     die 
Schilderung  des  Gymnasialdirektors  und  seiner  Frau   (S.  426  ff.),    oder    die  von  dem 
zu  gut  verheirateten  Pastor  (S.  414)  oder  gar  die  Grossstadtidylle  (S.  447)  sind  ganz 
in    seinem  Geschmack.     Und    dann   tönt   plötzlich   in  leidenschaftlichen  Apostrophen 
(S.  319)  oder  direkten  Reminiscenzen  (S.  315)    die   Sprache  La  Mennais  herein!     La 
Mennais  und  J.  J.  Engel!    Eine  wunderbare  Mischung,    die  man  aber  begreift,  wenn 
man  das  entscheidende  Losungswort  des  Anonymus  hört :  „Zurück  in  den  Bedürfnissen!" 
(S.  320).     Oder,   wie  er  es    altvaterisch    erläutert:     „Drei    Dinge    das    wichtigste    auf 
Erden    sind:    Ein    eigenes  Heim,    ein    braves  Weib    und    ein   guter  Imbiss  auf  dem 
Tische"  (S.  55).  Wie  Rousseau  will    er    eine  Zurückentwicklung,   und  der  Anarchist 
berührt  sich  in  dieser  Forderung   mit  dem  Hochtoiy:     während   ein  Socialdemokrat 
wie  Lux 654)  nicht  nftide  wird,  gerade  in  der  Entwicklung  der  grossen  Städte  den  Triumph 
der  modernen  Entwicklung  zu  sehen  (Lux,  S.  124/5),  wiederholt   unser  anarchistischer 
Anonymus    das    Feldgeschrei    des    Bismarck    von    1848,    Lagardes    und    ihrer    hoch- 
konservativen Genossen:  „Vernichtung  der  grossen  Städte"  (S.  459)!     Und  wie  man 
hier  sieht,    dass  der  sanfte  Moralprediger,    der    so  witzig  und  hübsch  über    die  Ehe 
spricht  (S.  395  ff. ;  über  das  von  Jacobsen  in  Frau  Fönss,  von   C.  Busse  in  den  „Jugend- 
stürmen" behandelte  Problem    der  zweiten  Ehe  S.  408)    und  so   nett  altmodisch   den 
Weihnachtstisch    von    1619    gegen     den    von    1891    ausspielt    (S.    190),    auch   recht 
stürmisch  sein  kann,    wenn  eben  statt  des  Philosophen  für  die  Welt  der  „Gläubige" 
seine  Worte  spricht,    so    hören  wir   ihn  denn  auch,  ganz  radikal  Todesstrafen  gegen 
seine    „Volksfeinde"    aussprechen    (S.  127).     Er    will    die    Aufhebung    des    Staates 
(S.  135);  wie  die  englischen  Independenten  oder  die  amerikanischen  „Missourier"  in 
kirchlicher,    will  er  in  v/eltlicher  Hinsicht    die  Gemeinde  zum  alleinigen  Träger   der 
Ordnung   machen:     „Die  regierende  Gewalt   muss   in    die  Gemeinde  verlegt  werden, 
dass   jedes  Mitglied    seine  Angelegenheiten   selbst  besorgen  kann.    Das  natürlichste 
Recht   geht   dir  verloren,    wenn   du   nicht   fort   und   fort  Gebrauch    davon    machst" 
(S.  137)  —  womit  an  die  wichtigste  aller  politischen  Systemfragen,  die  der  Vertretung, 
gerührt  wird.    Im  Grunde  geht  aber  der  Vf.  über  den  Gemeinde  -  Anarchismus  noch 
hinaus   und  kommt  zu  Stirners  Individualchaos:    „Was    mir  gesund  ist,  das  thu  ich. 
Was    mir  nicht  gesund    ist,    das  unterlasse   ich.    Das   ist    mein  Gesetz,    mein  Gebot. 
Das  Gesetz   bin  Ich.     Der  Staat   bin   Ich.     Die  höchste  Autorität   bin   Ich"    (S.  328). 
So  auch  in  moralischer  Hinsicht:     „Es  fragte  einer:     Muss  ich  immer  die  Wahrheit 
sagen?    Du  kannst  ungestraft  vor  den  Leuten  lügen,    aber  nicht  ungestraft  vor   dir 
selber"  (S.  304).     Dennoch  wird  diese  unbedingte  Autonomie  des  Individuums  durch 
altruistische  Rücksichten  eingeschränkt:   „Du  darfst  nichts  besitzen,  was  ein  anderer 
nicht  auch  hat"  (S.  288).    Es   gilt  doch  also  nicht  unbedingt,    dass    der  Mensch   für 
sich  und  nicht  für  andere  da  ist  (S.  48) !  oder  dass  es,  wie  Vf.  einmal  gut  Sumerisch 
sagt,  „nichts  mehrgiebt"  (S.  138).    Es  giebt  sogar  eine  künftige  Religion  (S.  274  ff.), 
in  der  Gott  einen  gewissen  Platz  behält  (S.  322) ;  es  giebt  eine  zukünftige  Gesellschafts- 
ordnung nach  dem  „Tag   der  Erkenntnis"  (S.  468)  und  eine  Kunst  der  Zukunft,   zu 
der   in  Heinses  Ton    (S.  387)    aufgerufen  wird.     Aber  Nationalitäten    giebt   es    dann 
nicht  mehr  (S.  139,  470);    der  Individualismus   hört  eben    bei    der  Einzelperson   auf 
und  gestattet    der  Kollektivpersönlichkeit  nicht  mehr,    sich  geltend   zu  machen.     Bei 
solchem  Radikalismus    kann    der  Vf.    natürlich   über  Egidy   und   Frau  von  Suttner 
(S.  355)  nur   wohlwollend   lächeln;     der  Socialismus   ist  ihm  eine  neue  Verkleidung 
des  alten  Wahns  (S.  141).     Und  dieser  Hypermoderne  schwärmt  dann  wieder  für  die 
einfachen  Geburtshäuser  Schillers,  Goethes,  Fichtes,  Jean  Pauls,  für  Mozarts,  Beethovens, 
Luthers  Zimmer  (S.  57),    verwirft    den  Pessimismus    als  Schwäche  (S.  364)  und  Zola 
und  Ibsen  als  Geistesroues  (S.  356).     Das  Buch,    dessen  Vf.    wohl   ein  Arzt  (S.  256) 


Päd.  d.  Menschengeschlechts.  B.,  S.  Fischer.  VIF,  399  S.  M.  5,00.  |[VossZg"  N.  30;  P.  Barth:  BLU.  S.  436'7.]|  —  652)  X 
Schriften  v.  Anarchisten  (Mackay  —  B.  Wille):  Grenzb.  4,  S.  95  6.  —  653)  V.  Baume  d.  Erkenntnis.  Verbotene  Früchte  e. 
freien  Geistes.    Basel,   Schweiz.  Verl.-Dr.    16°.    VIII,  471  S.    M.  4,50.    —    654)   U.   Lux,   Et.   Gäbet   u.   d.  Ikarische  Kon»- 


IV  5:655-672     IV  6:1-2  Erich  Schmidt,  Lessing. 

aus  der  Schweiz  (S.  461)  oder  aus  Bayern  (S.  457)  ist,  der  Helmholtz  Adelserhebung 
(S.  88)  ironisiert  und  Schopenhauer  überwunden  hat  (S.  237,  250,  261,  356,  466), 
bildet  ein  so  charakteristisches  Symptom  einer  bestimmten,  seit  einiger  Zeit  sich 
stärker  hervordrängenden  G  eistesrichtung,  wie  mir  noch  keins  vorgekommen.  Von 
der  modernen  Kultur  übersättigt  wie  Rousseau,  aber  ohne  sein  Pathos,  sind  diese 
Männer  kulturhistorische  Eklektiker,  die  mit  der  Sitteneinfalt  des  Urchristentums 
die  Geistesbildung  Fichtes  und  mit  einem  radikalen  Weltbürgertum  im  Sinne  der 
französischen  Revolution  das  stille  deutsche  Heim  Ludwig  Richters  vereinigen  möchten. 
Das  Werkchen,  dem  Tolstoi  das  Motto  schenkte,  und  das  danach  in  Deutschland 
nicht  gedruckt  werden  konnte,  bietet  nichts  desto  weniger  für  den  Geistesstand  der 
besten  Kreise  gerade  des  deutschen  Volkes,  für  ihre  Zeitkritik  und  die  Ideale  ihrer 
Volkserziehung  ein  für  den  Kulturhistoriker  unschätzbares  Dokument.  — 

Die  gleiche  idyllische  Stimmung,  dieselbe  Feindschaft  gegen  den  modernen 
Staat  mit  seinem  Militarismus  findet  man  auch  in  jener,  von  unserem  Anarchisten  so 
gutmütig  belächelten  Friedensbewegung655-656);  die  gleiche  Stimmung,  dieselbe 
Feindschaft  gegen  die  moderne  Kirche  mit  ihrer  religiösen  Polemik  in  Egidys 
Anhängerschaft657-660),  die  er  ja  gleichfalls  mit  der  der  Frau  von  Suttner  zusammen- 
stellt.661-662)  Aehnliche  Stimmungen  trafen  wir  bei  Riehl,  bei  Lehrs;  es  fehlen  da- 
neben freilich  auch  nicht  sogar  theologische  Rektorreden663),  die  den  Krieg  begeistert 
als  den  Vater  aller  guten  Dinge  feiern.  —  Den  bestimmtesten  Ausdruck  findet  diese 
ganze  Strömung  aber  in  der  „Ethischen  Bewegung",  die  Krieg  und  Klassenhass, 
staatliche  und  kirchliche  Engherzigkeit  auf  dem  Wege  der  Erziehung  beseitigen 
möchte.  Ihr  Kulturideal  beschreibt  Jo dl664),  der  es  historisch  auf  Kant  (S.  3)  zurück- 
leitet und  die  Entwicklung  von  Nordamerika  her665)  vorführt, •  um  zum  Schlüsse 
(S.  18)  die  Uebereinstimmung  mit  Kant  nochmals  zu  betonen.  Ueber  ihre  Organi- 
sation666) und  ihre  Erziehungsaufgaben  handeln  andere  Aufsätze;  wieder  andere  be- 
urteilen die  ganze  Bewegung667-669),  —  oder  einzelne  Erscheinungen  derselben670), 
meist  in  ziemlich  skeptischer  Weise,  aber  ohne  die  edeln  Absichten  zu  verkennen671). 
Ihrem  Hauptvertreter  in  Deutschland,  G.  von  Gizycki,  hat  Bolin672)  ein  Denkmal  ge- 
setzt und  auf  sein  Grab  die  Fahne  der  Hoffnung  gepflanzt.  Und  ist  es  nicht  an 
sich  schon  ein  erfreuliches  Zeichen,  dass  die  ethische  Verbesserung  als  solche  wieder 
von  grossen  Vereinigungen  auf  die  Fahne  geschrieben  wird?  und  nicht  ein  charak- 
teristisches, dass  wir  mit  der  Belehrung  der  Menge  durch  den  einzelnen  Didaktiker 
anfingen  und  mit  dem  zur  Ausbildung  des  eigenen  Selbst  vereinigten  Bund 
schliessen  können?  — 


IV,  6 

Lessing. 

Erich  Schmidt. 


Ausgaben  N.  1.  —  Briefe  N.  3.  —  Leben  N.  5.  —  Voltaire  N.  9.  —  Dramen  N.  10.  —  Antike  N.  27.  —  Laokoon 
N.  28.  —  „Tod"  N.  30.  —  Dramaturgie  N.  31.  —  Psychologie  N.  36.  —  Thtologie  N.  38.  —  Ernst  und  Falk  N.  40.  — 
Politik  N.  41.  — 

Ausgaben.  Lachmann  an  Lehrs1),  3.  April  1838:  „Bin  ich  nicht 
ein  Narr  gewesen,  dass  ich  mir  den  Lessing  habe  aufladen  lassen?  Hab'  ich  aber 
auch  wissen  können,  dass  die  Texte  so  niederträchtig'  schlecht  sind."  Wieviel  nachzu- 
bessern blieb,  zeigt  wiederum  Munckers2)  zehnter  Band,  der  zunächst  die  zweite  Hälfte 
der  Hamburgischen  Dramaturgie  bringt,  mit  sehr  konservativer,  bisweilen  zu  behutsamer 


munismus.  St.,  Dietz.  XII,  294  S.  M.  1,60.  -  655)  X  G.  Stoy,  Weltfrieden:  Kritik  1,  S.  588-94.  —  656)  X  B-  Grellin  g, 
Krieg  d.  Kriege:  ib.  S.  133/6.  —  657)  X  M.  v.  Egidy,  Leitworte.  B.,  Vereinig,  z.  Verbreit.  Egidy scher  Gedanken.  12°. 
13  S.  M.  0,10.  |[BBG.  30,  S.  177/8,  443;  Grenzb.  I,  S.  424-34.|J  -  658)  X  D-  „Volksschrift",  „Einiges  Christentum"  v.  Egidy: 
AELKZ.  26,  S.  132/3.  —  659)  X  M.  v.  Egidy,  Vorurteil  —  Ideal:  Zuschauer  2,  S.  443/9.  —  660)  X  H.  Schmidkunz, 
Egidys  Fortschritte:  ib.  S.  167-74.  —  661)  X  °-  v-  Leixner,  Laienpredigten  fär  d.  dtsch.  Haus.  Ungehaltene  Reden  e. 
Ungehaltenen.  B.,  Ver.  d.  Bücherfreunde.  IV,  252  S.  M.  4,00.  |[KonsMschr.  S.  1217/9;  A.  Schroeter:  BLU.  S.  612/4.JJ  — 
662)  X  M.  Carriere,  Relig.  Reden  u.  Betrachtungen  für  d.  dtsch.  Volk  v.  e.  dtsch.  Philos.  3.  verm.  Aufl.  L,  Brockhaus. 
1893.  XXVII,  365  8.  M.  7,00.  |[R.  Weitbrecht:  BLU.  S.  382/3.JJ  —  663)  X  (I  1  :  *•)  —  664)  F.  Jodl,  Was  heisst  eth. 
Kultur?  (=  SGV.  N.  191.)  Prag,  (Uaerpfer).  18  S.  M.  0,30.  -  665)  X  W.  Wendlandt,  Eth.  Kultur  auf  deutsch-allg. 
Grundlage:  AkBll.  8,  S  118-21.  -  666)  X  F.  Jodl,  Eth.  Kultur  u.  soc.  Organisation:  MDGesEthKult.  S.  29-42.  —  667)  X 
E.  Urteil  über  d.  eth.  Ges.:  DPB1.  27,  S.  107/8.  —  668)  X  D-  etn-  Bewegung:  Grenzb.  1,  S.  61/9.  —  669)  X  D-  eth-  Bewegung: 
FrB.  5,  S.  1058-64.  —  670)  X^urn-  Morgenstern,  D.  Eisenacher  Zusammenkunft  z.  Förderung  d.  eth.  Bewegung:  Zu- 
schauer 2,  S.  185/7.  —  671)  X  Jnl.  Schiller,  D.  Sittlichkeitsbewegungen  in  Deutschland:  BG1.  15,  S.  285-94.  —  672) 
W.  Bolin,  G.  v.  Gizycki:  VossZg.  6.  Okt.  — 

1)  (IV  lc:71;  1,  S.  252.)  —   2)  F.  M  u  n  c  k  e  r ,   G.  E.  Lessings  sämtl.  Schriften.    Her.  v.  K.  Lachmann.    3.  aufs 


Erich  Schmidt,  Lessing.  iV  6  i  :j-io 

Textbehandlung'  (S.  31,  41,  109,  217,  aber  81)  und  sorgfältiger  Korrektur  der  fehlerhaften 
spanischen  Citate  unter  Farinellis  Beistand.  Dann  nach  Meusels  Apollodor  die  bereits 
von  Schöne  und  Blümner  gut  revidierten  Antiquarischen  Briefe,  wo  mir  die  Not- 
wendigkeit einer  späten  Variantengruppe  fraglich  ist  und  über  das  italienische  Ripp- 
papier Genaueres  zu  sagen  wäre,  da  es  ein  paar  hs.  Entwürfe  ganz  oder  teilweise 
datieren  hüft:  Schlaftrunk,  Matrone,  G.  Cooper.  Vom  deutschen  Noverre  nur  der 
Titel.  S.  223  aus  der  Hainburgischen  Neuen  Zeitung  die  sehr  dürftige,  mit  einem 
langen  Citat  beschwerte  Anzeige  der  Oden  Ramlers,  die  Lessingen  gewiss  so  fremd 
ist  wie  die  ihm  von  Weilen  zugewiesene,  aber  von  Muncker  gleich  mir  abgesprochene 
Kritik  Hausens.  Die  Notiz  (S.  225)  über  das  Amtsjubiläum  J.  G.  Lessings  mag  ein 
gefälliger  Bekannter  des  Sohnes  verfasst  haben.  —  Von  Ausgaben  ohne  neue  wissen- 
schaftliche Recensio  und  von  einheimischen  oder  ausländischen  Einzeldrucken  für  die 
Schule,  denen  keine  beachtenswerten  Erläuterungen  beigefügt  sind,  sehe  ich  grund- 
sätzlich ab.  — 

Briefe.  An  Heyne,  23.  Okt.  1778  über  Hamburg,  Bibliothekarisches, 
Whistons  Primitive  Christianity ;  mit  trefflichen  Noten  von  Michels3).  —  Ein  Göttinger 
Bücherzettel  vom  8.  März  1777  wurde  bei  A.  Cohn  in  Berlin  am  21.  Mai  versteigert3").  — 
Von  der  Korrespondenz  mit  Eva  gab  Dorf  fei4)  einen  billigen  Nachdruck.  — 

Leben.  Mehrmgs  Buch  vom  Vorjahr  fand  allerlei  feuilletonistische  Nach- 
klänge, die  festzuhalten  unnütz  ist.  Für  die  Hamburgische  Zeit  muss  natürlich  der 
an  anderer  Stelle  zu  würdigende  zweite  Band  von  Litzmanns5)  „Schröder"  besonders 
berücksichtigt  werden;  auch  S.  213,  237  zu  späteren  Jahren.  —  Ein  Brief  Gleims  an 
Gerstenberg6),  15.  Febr.  1767  (nicht  1762,  wie  im  Katalog  S.  11  steht),  wurde  am 
21.  Mai  bei  A.  Cohn  in  Berlin  versteigert:  „Im  vorigen  Sommer  war  Lessing  ein 
Paar  Tage  bei  mir,  und  da  priess  er  mir  zuerst  die  Merkwürdigkeiten1.  Neulich 
war  er  in  Hamburg,  vor  ein  Paar  Tagen  gab  er  von  seiner  vorseyenden  Nieder- 
lassung in  Hamburg  mir  die  erste  Nachricht.  Eine  Schande  für  unsere  Berliner 
Patrioten,  dass  sie  diesen  fürtrefflichen  Mann  auch  des  Landes  verweisen!  Denn 
zuverlässig  nicht  der  König,  der  einmahl  kein  deutsch  kann,  sondern  diese  Patrioten 
sind  Schuld,  dass  er  nicht  bleibt."  —  Aus  einem  wohlbekannten  kleinen  Vortrag 
von  1878  über  die  Guelferbytana,  ihr  Wachstum,  ihre  Leiter,  ihre  Einrichtungen  hat 
0.  von  Heinemann  7),  der  Berufenste,  ein  neues,  auch  für  Laien  gut  lesbares 
Buch  gemacht,  Lessings  Amtsführung  kritisch  würdigend,  mit  lebhafter  Polemik 
gegen  Stahr  und  dem  Schein,  als  seien  alle  Biographen  so  befangen  wie  dieser. 
Wozu  schreibt  man  denn,  wenn  die  Nächstbetedigten  es  ignorieren!  S.  104  eine 
Abbildung  der  alten  Rotunde  und  des  Lessinghauses.  —  In  einem  hübschen  Feuilleton 
bespricht  Förster8),  Thomsons  Brief  vom  8.  Dec.  1773  wiederholend,  die  erst 
1781  am  kaufmännischen  Schützenhaus  des  Breslauer  Zwingers  angebrachte,  neuer- 
dings mit  dem  Gebäude  zerstörte  Inschrift  „Mercurio  telis  certanti",  deren  Lessing-sche 
Herkunft  allerdings  mehr  als  zweifelhaft  ist.  — 

Köster9)  wies  nach,  dass  Stück  15  der  von  mir  1892  neugedruckten 
V  o  1 1  a  i  r  e  -  Uebersetzung  schon  1751  in  Gottscheds  „Neuestem"  erschienen  ist;  und 
zwar  rührt  der  1.  Teil  im  Aprilheft  von  Lessing-  her,  der  2.  im  Maiheft  von  einem 
anderen  Dolmetsch.  Ob  er  wirklich  1751  einen  Beitrag  an  Gottsched  zu  schicken  sich 
überwand  und  dann  auf  eigenmächtige  Aenderungen  des  Leipzigers  hin  abbrach, 
oder  ob  Durchsteckereien  und  Zufälle  im  Spiel  waren,  ist  unklar.  Albrecht  würde 
natürlich  ein  Plagiat  erblickt  haben.  — 

Dramen.  Ueber  den  Thränenerfolg  der  Sara  vergleiche  man  noch 
Gleims10)  Brief  vom  2.  Dec.  1755.  —  Philo tas:  Litzmann11)  bespricht  eine  erfolg- 
lose Reprise  mit  Betty  Reimers.  —  Horoskop :  Spruch  und  Vatermord  wollte  Erich 
Schmidt12)  in  einem  kurzen  Vortrag  auf  der  Wiener  Philologenversammlung  1893 
von  dem  „Mathematicus"  des  Hddebertus  Turonensis  (s.  nun  Cloetta  1,  S.  114; 
Creizenach  1,  S.  43)  ableiten,  doch  erwies  Creizenach13)  sofort  die  4.  Declamatio 
Quintilians  als  gemeinsame,  in  Lessings  Orakel  wörtlich  benutzte  Quelle.  —  Minna: 
Ueber  die  Bühne,  Ackermann  als  Werner,  schrieb  Li  tz  mann14).  —  Emüia:  Für  die 
Scene  II  6  giebt  C.  von  K  lenze  15),  für  die  Lösung  ein  Aufsatz  aus  dem  Nachlass 


neue  durchges.  u.  verm.  Aufl.  Bd.  10.  Stuttgart,  Göschen.  XI,  438  S.  M.  4,50.  (Vgl.  JBL.  1893  IV  6 : 1.)  —  3)  V.  Michels, 
E.  Brief  Lessings  an  Heyne:  Euph.  1,  S.  305y9.  —  3a>  (I  3:38.)  —  4)  E.  Dorf  fei,  Briefw.  zwischen  Lessing  u.  Eva  König. 
Mit  Einl.  u.  Anm.  2  Bde.  (=  Cottasche  Bibl.  d.  Weltlitt.  N,  256,  258.)  St.,  Cotta.  210,  194  S.  Mit  Bildn.  M.  2,00.  —  5)  B. 
Litzroann,  F.  L.  Schröder.  E.  Beitr.  z.  dtsch.  Litt.-  u.  Theatergesch.  2.  T.  Mit  4  Portrr.  in  Heliograv.  Hamburg,  Voss. 
XII,  313  S.  M.  8,00.  —  6)  (I  3:38.)  —  7)  (I  3:274.)  |[P.  Z(immermann):  BräunschwAnz.  N.  210.  ||  —  8)  R  Förster, 
„Mercurio  telis  certante":  ScblesZg.  N.  234.  —  9)  A.  Köster,  Lessing  u.  Gottsched:  Euph.  1,  S.  64-71.  —  10)  (IV  lc:30, 
S.  49;  vgl.  auch  S.  78:  Götz  errät  Lessing  als  Urheber  von  Litteraturbriefen.)  —  11)  (=:  K.  5,  S.  285.)  —  12)  Erioh 
Schmidt,  Zu  Lessings  „Horoscop."  (=  I  8:86a,  S.  370.)  (Vgl.  F.  Detter:  ZDPh.  26,  S.  400.)  —  13)  W.  Creizenach: 
ZDPh.  27,  S.  110.  -  14)  (=  N.  5,  passim.)  —  15)  C.  v.  K  lenze,  Emilia  Galotti  II  6:  MLN.  9,  S.  427-31.  —  16)  A.  Kober- 
stein,  Ueber  d.  befriedigenden  Schluss  e.  Tragödie  mit  bes.  Bezieh,  auf  Stücke  v.  Lessing,  Schiller,  Goethe  u.  Shakespeare 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschiohte.    V.  (4)24 


IV  6  :  ißa-30  Erich  Schmidt,  Lessing. 

August  Kobersteins  16j  keine  neuen  Gesichtspunkte.  —  Niemeyer 16a)  stellt  in  anspruchs- 
loser Weise  die  bekannten  Aeusserungen  der  Berliner,  Herders  usw.  zusammen.  — 
Den  scheinbaren  Widerspruch,  dass  Emilia  dem  Prinzen  sie  wisse  nicht  was  geant- 
wortet haben  will,  dieser  aber  ihr  völliges  Schweigen  hervorhebt,  erörterte  schroff 
Schöne17)  mit  Hinweisen  auf  Inkongruenzen  in  der  Ilias  und  bei  Dionysius 
(Coriolan).  -  lieber  die  Bühne  handelt  Litzmann 18).  —  Gottfried  Kellers, 
in  der  autobiographischen  Skizze  (Kl.  Schriften)  drollig  erwähnte,  knabenhafte  Nach- 
ahmung erörterte  B  a  e  c  h  t  o  1  d  1!,j :  „Der  Freund"  1837.  —  Nathan :  G.  Paris  Legende 
de  Saladin  (JBL.  1893  IV  6:24)  besprach  Tobler20).  —  R.  Köhlers0-1)  Bemerkungen 
über  die  der  Parabel  verwandten  Gedichte  Schubarts  und  Vossens  gingen  mit  Nach- 
trägen in  seine  Aufsätze  ein.  —  Genaue  Erörterungen  über  die  Caesur  der  Blank- 
verse brachte  die  Korrespondenz2^  zwischen  Zarncke  und  Lehrs,  in  Zusammenhang 
mit  der  bekannten  Studie  des  ersteren.  —  J.  G.  Pfranger  fand  in  Albrecht23)  einen 
pietätvollen  Darsteller,  der  den  „Mönch"  breit  analysiert,  geistliche  Lieder  mitteilt 
und  zeigt,  dass  „vom  Libanon  der  heilige  Mann"  mit  der  Stellaparodie,  jenem 
groben  6.  Akte,  gar  nichts  zu  schaffen  hat.  —  Düntzer24)  erfreut  sich  einer  neuen 
Auflage.  —  In  der  bis  zum  Ueberdruss  von  links  und  rechts  abgehandelten  Judenfrage 
zeigt  sich  Dominicus25)  weit  unbefangener  als  der  Rhetor  B  rasch26)  mit 
seinem  Hymnus  auf  Moses-Nathan.  — 

Die  gewichtigste  Gabe  ist  Kont  s27)  Buch  über  Lessings  Verhältnis  zur 
Antike,  dem  ein  2.  Band  folgen  wird,  nicht  durch  neue  geistreiche  Beleuchtung 
der  oft  behandelten  Probleme,  sondern  durch  sorgsame  klare  Einzelforschung.  Wir 
können  seinen  Leitsatz  über  Lessing  „II  connatt  l'antiquite  en  erudit"  auf  ihn  selbst 
übertragen.  Er  ist  gut  unterrichtet,  beherrscht  das  antiquarische  Rüstzeug  und 
zeigt  sich  auch  mit  der  deutschen  Lessinglitteratur  wohl  vertraut.  Das  1.  Kapitel, 
über  die  klassischen  Studien  im  18.  Jh.,  bringt  uns  wenig  und  schweift  auch  über 
den  Zweck  hinaus.  Die  folgende  Disposition,  streng  nach  Gattungen,  hat  neben 
manchem  Vorteil  auch  Schäden  für  die  historische  Entwicklung  und  die  Totalität. 
So  kommen  hier  nur  die  auf  Poesie  bezüglichen  Teile  des  Laokoon  zur  Sprache,  aber 
von  den  bildenden  Künsten  ist  noch  gar  nicht  die  Rede.  Nirgends  auch  wird 
Lessings  Beschäftigung  mit  der  Fabel  in  den  Gang  seiner  ästhetisch-historischen 
Studien  und  seines  dichterischen  Schaffens  eingegliedert.  Durchweg  zeigt  sich  K.  in 
der  Analyse  der  Forschungen  Lessings  glücklicher  als  in  der  Kritik  des  Poeten. 
Immer  spricht  ein  Bekenner  der  klassischen  Bildung-,  der  die  Grundfragen  lessingisch 
beantwortet,  ohne  auf  ein  eigenes  Urteil  zu  verzichten.  Das  2.  Kapitel  über  das 
Drama,  bisweilen  mit  langen  Auszügen  belastet,  geht  der  Reihe  nach  die  Komiker 
und  Tragiker  durch,  stets  im  Hinblick  auf  den  heutigen  Stand  der  Wissenschaft,  und 
legt  u.  a.  einsichtig  dar,  was  den  Verehrer  des  Plautus  und  des  Sophokles  von 
Aischylos  und  Aristophanes  fern  hielt,  sein  Urteil  über  Seneca,  seine  fliessenden 
Ansichten  über  Euripides  bestimmte.  Er  verfolgt  dann  an  der  Hand  der  Dramaturgie 
Lessings  Stellung  zur  aristotelischen  Poetik,  z.  B.  einsichtig  die  Uebersetzung  und 
Ausdeutung  der  Definition  des  Trauerspiels  erörternd.  Die  plautinischen  Versuche 
werden  etwas  kahl  abgethan,  und  wir  vermissen  eine  Charakteristik  des  Modernen 
in  tragischen  Entwürfen  wie  Kleonnis,  Alkibiades,  Spartakus.  Das  3.  Kapitel  über 
das  Epos  gilt  vor  allem  den  Homerstudien  im  Laokoon,  der  Kühle  gegen  Vergil 
und  pflichtet  gläubiger,  als  heute  Brauch  ist,  den  Gesetzen  Lessings  bei.  Das  4.  ist 
der  Lyrik  gewidmet,  scharf  gegen  die  „Kleinigkeiten"  und  Oden,  aber  zu  register- 
mässig  in  der  Würdigung  und  ohne  eingehendes  Quellenstudium,  die  Anakreontik 
überhaupt  mehr  streifend  als,  wie  schon  W.  Schlegel  es  vortrefflich  gethan,  von  der 
hellenistischen  Nippespoesie  aus  charakterisierend;  dagegen  erweist  sich  K.  als 
geschulter  Führer  im  Bereiche  der  „Rettungen  des  Horaz."  Wer  sich  ernstlicher 
mit  Lessing  beschäftigt,  wird  dieses  solide  Werk  zu  seinem  Gewinn  studieren,  das 
ein  neues  Zeugnis  dafür  ablegt,  welche  ernste  Pflege  die  deutsche  Litteratur  in 
Frankreich  geniesst.  — 

Zu  empfehlen  ist  Valentins28)  knapp  eingeleitete,  zweckmässig  illustrierte 
Ausgabe  des  Laokoon.  —  In  beliebter  Schulweise  misst  Becker29)  einen 
Abschnitt  des  Reinecke  an  Lessings  Grundsatz.  — 

A.  von  Sanden30)  sucht  die  Abhandlung  über  den  Tod  seinen  Primanern 

ZDU.  8,  S.  441-64.  —  16a)  Ed.  Nienieyer,  Beleuchtungen  d.  Trauersp.  „Emilia  Galotti":  COIRW.  22,  S.  68-80,  201/4.  — 
17)  A.  Schöne,  Zu  Lessings  „Emilia  Galotti" :  ZDPh.  26,  S.  229-35.  —  18)  (=  N.  5,  S.  218-20.)  -  19)  J.  ß  a  e  c  h  t  o  1  d  ,  Gottfr. 
Kellers  Lehen.  Seine  Briefe  u.  Tagebücher.  2  Bde.  1819-61.  B.,  Hertz.  VII,  460  S.;  VII,  544  S.  M.  14,00.  (Vgl.  1,  S.  14.) 
—  20)  Ad.  To bl  er:  ASNS.  93,  S.  164/6.  -  2i)  (15:1,  S.  73/5.)  —  22)  UV  lc  :  71 ;  2,  S.  723-39.)  -  23)  (IV  5:36/7.)  —  24)  H.  D  ü n  t  i e r , 
Lessings  Nathan  d.  Weise.  4.  Aufl.  (=  Erläuterungen  z.  d.  dtsch.  Klassikern.  N.  34/5.  L.,  Wartig.  12°.  343  S.  M.  2,00.  —  25)  J. 
Dominicus,  Lessings  Stellung  z.  Judentum.  Dresden,  Glöss.  39  S.  M.  1,00.  —  26)  M.  B  rasch,  Zwei  Freunde.  Vortr. 
geh.  am  Todest.  Lessings  im  Ver.  für  jüd.  Gesch.  u.  Litt.  L.,  Weigert.  16  S.  M.  0,50.  —  27)  J.  Kont,  Lessing  et  l'antiquite. 
Et.  sur  l'hellenisme  et  la  critique  dogmatiqne  en  Allemugne  au  XVIII.  sieclo.  Tome  I.  Paris,  Leroux.  VII,  214  S. 
|[H.  Blümner:  DLZ.  S.  1609.]|  —  28)  (I  6:57.)  —  29)  T  h.  Becker,  Lessings  Laokoon  u.  d.  Kleinode  in  Reineke  Fuchs: 
ZDU.  8,  S.  571/7.   —   30)  A.  v.  Sanden,  Lessings  Abhandl.   Wie  d.  Alten  d.  Tod  gebildet.    Analysiert  u.  erweit.    Progr. 


E.  Naumann,  Herder.  IV  6:31-42     IV  7  :  l-s 

zu  ersehliessen  durch  eine  gegen  den  älteren  Abdruck  in  den  ZDTT.  (1,  S.  484/8) 
erweiterte  Analyse,  Hinweise  auf  Herder,  Auszüge  aus  Roberts  „Thanatos",  lose 
Bemerkungen  über  antike  Vorstellungen  vom  Nachleben ;  im  Anhang  Sprachliches.  — 

Schilling31)  verbittet  sich  jede  nicht  vom  rein  pädagogischen  Standpunkt 
aus  gegebene  Kritik  seines  langatmigen  Vademecum  zur  Dramaturgie  —  ich 
behalte  also  meine  Skrupel  für  mich  und  bezeichne  rasch  weitergehend  Leons32) 
,, Populäres  Hand-  und  Nachschlagebuch  für  Bühnenschriftsteller,  Schauspieler,  Kritiker 
und  Laien"  als  ein  Gemengsei  von  Excerpten,  das  keinem  frommt.  —  Aeusserst 
abgeschmackt  ist  die  Rederei,  die  Rost33)  den  Dramaturgen  in  der  Kneipe  verüben 
lässt.  —  Auf  Litzmanns34)  „Schröder"  sei  nochmals  mit  allem  Nachdruck  hin- 
gewiesen. —  Hartmanns  Abhandlung  über  Merope  im  italienischen  und  französischen 
Drama  hat  Koschwitz35)  streng  recensiert.  — 

Reiche  Anregungen  für  die  Psychologie  Lessings,  Mendelssohns, 
Jerusalems  bietet  Dessoir36)  an  manchen  Stellen  seines  Buches:  über  die  aus 
Lust  und  Unlust  gemischten  Gefühle  (S.  345  Mitleid;  vgl.  Dessoirs37)  Recension 
des  Sommerschen  Buches  [JBL.  1892  I  11:2]),  die  Zusammenhänge  des  Psychischen 
und  des  Physischen  (Huarte,  Home,  Burke);  S.  325  über  das  psychophysische 
Problem  im  3.  Stück  der  Dramaturgie  (Zorn),  die  Reizlehre  des  Laokoon;  S.  403 
über  die  Stelle  von  den  Gespenstern  im  11.  Stück  der  Dramaturgie;  S.  146,  175  ff., 
300  zu  den  Fragen  des  Determinismus,  der  Psychometrie,  der  Metempsychose; 
S.  81,  193  —  Tierpsychologie  —  Reimarus,  dem  übrigens  am  22.  Dec.  als  dem 
200.  Geburtstage  manche  populäre  Artikel  gewidmet  wurden.     (Vgl.  IV  5  :  18— 20.)  — 

Theologie:  Zahlreiche  teils  positive,  teils  aufklärungsfrohe  Anzeigen 
von  Erich  Schmidts  (JBL.  1893  IV  6  :  38)  Neudruck 38)  der  Streitschriften  Goezes. 
—  F.  W.  Robertsons  Vorrede  zu  einer  Uebersetzung  der  „Erziehung"  hat  Charlotte 
Broicher39)  in  ihrer  trefflichen  Bearbeitung  des  Brookeschen  Werkes  ver- 
deutscht. — 

Zu  „Ernst  und  Falk"  ist  jetzt  Boos40)  zu  studieren.  — 

Den  Politiker  Lessing  findet  man  in  einer  aus  dem  J.  1867  stammenden  Rede 
Baumgartens41)  einfach,  klug,  mit  Sympathien  sogar  für  das  Weltbürgertum 
gewürdigt:  S.  217  ff.  „War  Lessing  ein  eifriger  Patriot?"42)  — 


IV,7 

Herder. 

Ernst  Naumann. 


Feier  zum  150.  Geburtstage  N.  1.  —  Geistesleben:  Einzelheiten  N.  8;  biologische  Forschung  N.  22;  Deutschtum 
N.  24.  -  Sprache  N.  25.  —  Werke   N.  27.  - 

Eine  glänzende  Feier1"7)  hat  die  Stadt  Mohrungen  dem  Andenken  Herders 
zu  dessen  150.  Geburtstage  bereitet.  Eine  die  ganze  Bevölkerung  der  Stadt, 
Behörden,  Schulen,  Gewerke,  Vereine  umfassende  Festversammlung  stellte  sich  am 
25.  Aug.  vor  dem  Herderhause  (JBL.  1890  IV  10:1;  1893  IV  7:1/2)  auf,  welches 
jetzt  durch  eine  Tafel  mit  der  Inschrift  geschmückt  ist:  „J.  G.  von  Herder  ist  in 
diesem  Hause  geboren  am  25.  Aug.  1744,  er  starb  als  Präsident  des  Oberconsistorii  zu 
Weimar  am  18.  Dec.  1803.  Ihm,  dem  gediegenen  Schriftsteller,  Dichter,  Philosophen 
und  Orientalisten,  zum  Andenken  und  der  Jugend  in  Mohrungen  zur  Nacheiferung." 
Vor  dem  in  einem  gegenüberliegenden  Garten  stehenden  Herderdenkmal  (Bronze- 
büste von  W.  Wolff),  einer  Stiftung  von  Verehrern  des  Dichters,  die  bei  Gelegenheit 

Posen  (Merzbach).  4°.  28  S.  M.  1,00.  —  31)  G.  Schilling,  Dramaturg.  Propädeutik  im  Anschl.  an  Lessings  „Hamb. 
Dramat."  für  d.  Unterr.  in  Gymn.-Prima  bearb.  I.  Progr.  Züllichau.  4°.  41  S.  —  32)  V.  L  e  o  n  ,  Dramaturg.  Brevier.  E. 
popul.  Hand-  u.  Nachschlagebuch  für  Bühnenschriftsteller,  Schauspieler,  Kritiker  u.  Laien.  2.  Aufl.  München,  RubinTerl.  12° 
VIII,  136  S.  M.  0,60.  —  33)  B.  Rost,  Ekhof  u.  Lessing:  LZgB.  N.  103.  -  34)  (=  N.  5.)  —  35)  E.  Koschwitz 
Gottfr.  Hartmann,  Merope  im  ital.  u.  franz.  Drama.  (=  Münch.  Beitrr.  z.  roman.  u.  engl.  Philologie  N.  4.  Erlangen  u.  L., 
Deichert.  1892.  VIII,  96  S.  M.  2,00):  DLZ.  S.  14.  —  36)  (III  5:54.)  —  37)  M.  Dessoir:  VWPh.  18,  S.  249-59.  — 
38)  X  L.  Geiger:  HambCorr»  N.  7;  V.  Schnitze:  ThLB.  17,  S.  30;  M.  J.  C.  S  chm  id  t :  ASNS.  92,  S.  S.  421/2;  A. 
Chfuquet]:  RCr.  37,  S.  213/4;  W.  Walther:  ThLBl.  15,  S.  272 :  B  Seuffert:  DLZ.  S.  973/5;  Fr.  K  au  f  f  m  an  n: 
ThLZ.  19,  S.  641/2 ;  F.  Poppenberg:  Nation».  11,  S.  61,2  ;  G.  E[llingerJ:  NatZg.  N.  59.  —  39)CharlotteBroicher, 
St.  A.  Brooke,  F.  W.  Robertson.  Frei  bearb.  Mit  e.  Vorw.  v.  E.  F  r  o  m  m  e  1.  2.  gänzl.  neu  gearb.  Anfl.  Gotha,  Perthes. 
XXVI,  520  S.  Mit  Bildn.  M.  7,00.  —  40)  (I  4:93.)  -  41)  H.  Baumgarten,  War  Lessing  e.  eifriger  Patriot?  (1867.) 
(=  IV  lb:3,  S.  217-35.)  —  42)  X  (I  3:156.)  — 

1)  X  Mohrunger  KreisZg.  N.  101.  —  2)  X  KönigsbHartungZg.  N.  200.  —  3)  X  AltprZg.  N.  200.  —  4)  X  DanzZg. 
N.  20912.    —   5)   X    Osteroder  Kreis-  u.  Anzeigebl.  N.  100.   -    6)  X  VossZg.  N.  397.    —   7)  X  TglRs.  N.  204.   —   8)  X  H. 

(4)24* 


IV  7  :  9-ie  E.  Naumann,  Horder. 

der  Säkularfeier  1844  angeregt  wurde,  hielt  Rektor  Fleischer  die  Festrede.  Er  skizzierte 
zunächst  den  Entwicklungsgang  Herders,  soweit  Mohrungen  daran  Anteil  hat  und 
verteidigte  ihn  gegen  den  Vorwurf,  dass  er  seine  Vaterstadt  bald  vergessen  habe. 
Wie  Herder  sich  noch  in  späteren  Jahren  des  Pfarrers  Willamovius  erinnerte,  so 
habe  er  auch  oft  der  lieblichen  Naturschönheiten  seiner  Heimat  gedacht,  z.  B.  des 
Paradieserwäldchens  und  des  Mohrungsees,  die  nunmehr  der  Kultur  haben  weichen 
müssen;  auf  den  Mohrungsee  bezieht  sich  sein  Gedicht:  Flieht  ihr  meine  Jugend- 
träume. Nach  einer  Würdigung  von  Herders  Legenden  —  „Der  gerettete  Jüngling1' 
wird  durch  einen  Volksschüler  deklamiert  — ,  werden  Herders  Verdienste  um  die  Volks- 
poesie, die  Bedeutung  der  „Ideenu,  seine  Stellung  als  Priester  der  Humanität  und 
seine  deutsche  Gesinnung  hervorgehoben.  Die  Stadtverwaltung  hat  der  Grossen 
Kirchenstrasse,  in  der  Herders  Geburtshaus  liegt,  den  Namen  Herderstrasse  gegeben. 
Eine  Enkelin  Herders,  die  Gattin  des  Ophthalmologen  Professor  Kuhnt  aus  Königs- 
berg wohnte  der  Feier  bei,  Rigaer  Herderfreunde  nahmen  durch  Glückwunschschreiben 
teil.  Der  zweite  Festtag,  zugleich  Stiftungsfest  des  evangelischen  Jünglings  Vereins, 
der  seinen  Sitz  im  Herderhause  aufgeschlagen  hat,  galt  Herder  als  Geistlichem  und 
Seelsorger.  Nach  der  Festandacht  in  der  alten  Mohrunger  Kirche,  in  der  schon  der 
jugendliche  Herder  Gottes  Wort  gehört  hat,  entrollte  wieder  vor  dem  Herderdenkmal 
Prediger  Bowien  Herders  Lebensbild  als  Muster  für  deutsche  christliche  evangelische 
Jünglinge  und  Männer  und  zeichnete  ihn  als  Altmeister  der  Vereinsbestrebungen, 
mit  denen  thatsächlich  der  Dichter  des  „geretteten  Jünglings'1  manche  Beziehungen 
hat.  Ein  anderer  geistlicher  Redner  knüpfte  Betrachtungen  an  den  Ausspruch  in  den 
Ideen,  dass  das  Jünglingsalter  die  Jugendblüte  am  Baume  des  Menschengeschlechts 
bedeute.  — 

Jener  Festtag  hat  zahlreiche  Abhandlungen,  Herders  Geistesleben  in 
Einzelheiten  betreffend,  hervorgerufen,  in  denen  teilweise  an  Altbekanntes  nur  erinnert 
ist8"10),  teilweise  aber  auch  Herders  Wirken  unter  fruchtbare  Gesichtspunkte  gerückt 
wird.  Ohne  tiefere  Kenntnis  der  Probleme  wird  Herders  Lebensgang  von  A.  von 
Winterfeld11)  und  einem  Ungenannten1'2)  kurz  überschaut,  mit  etwas  weiterem  Blicke 
wreist  Stein13)  auf  die  Hauptrichtungen  in  Herders  wissenschaftlicher  und  dichtender 
Thätigkeit  hin,  er  kennt  das  Doppelwesen  in  ihm,  in  dem  sich  Geistlicher  und  Dichter 
vereinen,  und  weiss  darauf  Herders  Abkehr  von  Schiller  und  Goethe  im  Sinne 
Kühnemanns  zu  begründen;  er  schliesst  mit  der  Anerkennung,  dass  ein  gutes  Stück 
unserer  Entwicklung  auf  Herders  Schaffen  und  Ideen  beruht.  —  Beck14)  kommt  zu 
dem  Ergebnis,  Herder  habe  befruchtend  und  lebhaft  anregend  gewirkt,  aber  das 
siegreiche  Ausführen  anderen  überlassen  und  versäumt,  seinen  eigenen  Werken  den 
Stempel  der  Vollendung  zu  geben,  so  dass  er  leicht  durch  dürftigere  Geister  in  den 
Hintergrund  gedrängt  wurde,  und  sich  die  Erkenntnis  seiner  tief  gehenden  Bedeutung 
für  unser  geistiges  Leben  erst  spät  Bahn  brach.  —  Ein  frisches  Bild,  das  Herder  in 
seiner  Jugendkraft,  in  der  ersten  Fülle  und  Blüte  seiner  Gaben,  den  fröhlich  Strebenden, 
in  Entwürfen  und  Aussichten  Schwelgenden  darstellen  soll,  entwirft  Suphan15)  den 
Mitarbeitern  der  Herderausgabe  mit  den  lebhaften  Farben,  mit  denen  Herder  selbst 
seine  Wanderjahre  geschildert.  Die  mächtig  bewegenden  Eindrücke  der  Seereise  mit 
ihren  Gefahren  und  Anregungen,  den  kühnen  Plänen  zur  eigenen  Bildung,  zu  refor- 
matorischer Arbeit  in  Riga  und  Livland,  den  kurzen  Aufenthalt  Herders  in  Paris, 
seine  Rückkehr  über  Hamburg  bis  Strassburg,  seine  Begegnung'  mit  Lessing  und 
mit  Goethe  würdigt  S.  als  Anlässe  weit  reichender  Wirkungen  und  im  Sinne  einer 
Reisecharakteristik,  nicht  einer  Reisegeschichte;  er  zeigt  alles  Grosse,  das  der  jugend- 
liche Herder  zu  leisten  verspricht  „im  Anbruch  und  Aufglanz,  alle  Kräfte  in  un- 
gehemmter Entfaltung".  —  In  mehreren  Aufsätzen  beschäftigt  sich  Kühnemann16) 
mit  einzelnen  Epochen  aus  Herders  Leben.  Er  führt  in  die  engen  Verhältnisse  von 
Herders  Vaterhaus  und  Heimatsort,  schildert  seine  rauhe  Schulzeit,  die  ungesunde 
Atmosphäre,  die  Herder  bei  dem  Diakonus  Trescho  atmete,  und  leitet  aus  der  Armut 
und  Knechtung  des  bildungsbedürftigen,  innerer  Arbeit  sich  wTeihenden,  poetisch 
empfindenden  Knaben  den  Grund  seiner  späteren  Reizbarkeit  ab;  „der  verschwiegene 
Groll  gegen  Trescho  bildete  für  ähnliche  Verhältnisse  seine  Seele  vor."  Es  gilt  auch 
als  eine  Folge  seiner  unerquicklichen  Lage,  dass  in  Herders  „Anschauungen  nicht 
der  formende  und  bildende  Trieb  arbeitete,  sie  auszuprägen  zum  klaren  Bewusstsein 
seines  gesamten  Lebens."  Weil  ihm  so  die  künstlerische  Vollendung  abging,  band 
er    die  Poesie   an   moralisierende  Anschauungen   fest.    Als    er,    durch  Schwarzerloh 


Göldner,  Z.  150.  Geburtst.  Herders:  AkBll.  9,  S.  129-30.  —  9)  X  K.  Kiesewetter,  J.  G.  v.  Herder:  ÜL&M.  72,  S.  954/5. 
—  10)  X  z  150J-  Geburtst.  Herders:  BerlBörsCour.  N.  396.  —  11)  A  v.  Winterfeld,  J.  G.  t.  Herder.  Zu  seinem  150.  Ge- 
burtst.: IllZg.  103,  S.  190/1.  (Vgl.  anch  SchwäbKron.  N.  198.)  —  12)  P.  F.,  J.  G.  v.  Herder.  Z.  25.  Aug.:  LZgB.  N.  101  — 
13)  Ph.  Stein.  Z.  Gedächtnis  Herders:  SammlerA.  N.  101.  (Vgl.  auch  FrBIW.  N.  230.)  —  14)  M.  Beck,  Zu  Herders  150  j.  Ge- 
burtst.: NorddAZg.  N.  395.  —  15)  B.  Suphan,  Aus  Herders  Frühzeit.  Zu  seinem  150.  Geburtst.  (Sonderabdr.  aus  WeimarZg.) 
Weimar,  Böhlau.     27  S.     M.  0,50.     |[VossZg.  N.  397]|    —    16)  E.  Kühnemann,    Herders  Kindheit:    W1DM.  75,  S.  776-80.  — 


E.  Naumann,  Herder.  IV  7  i  u-22 

erlöst,  das  Studium  der  Medizin  nicht  fortsetzen  konnte,  vollbrachte  er  durch  seinen 
selbständigen  Uebergang  zur  Theologie  „eine  tapfere,  eine  stolze  That  —  ging  er 
weiter  auf  diesem  Wege,  so  mochte  aus  dem  schüchternen,  feinem  Geiste  ein  sein 
selbst  gewisser  Charakter  werden."-  Sein  Dränger  wird  von  T  seh  ackert17)  als 
ein  zwischen  Pietismus  und  Aufklärung  sich  in  subjektiven  Stimmungen  bewegender 
Schriftsteller  geschildert,  Herder  that  ihm  Frondienste,  erlernte  aber  bei  dem  viel- 
schreibenden Manne,  der  Beziehungen  mit  Vertretern  der  Litteratur  pflegte,  die  Griffe 
des  litterarischen  Handwerkes.  Das  Verzeichnis  von  Treschos  Schriften  wird  durch 
den  Nachweis  der  „Sterbebibel  oder  die  Kunst,  selig  und  fröhlich  zu  sterben"  (Königs- 
berg 1762,  3  Teile;  2.  Aufl.  1767)  und  der  „Kunst,  glücklich  zu  leben,  als  Wochen- 
schrift zur  Erbauung  abgefasst  (Königsberg  1765)"  vervollständigt.18)  —  Als  eine 
Epoche  aus  Herders  Seelengeschichte  behandelt  Kühnemann  ,!)),  anknüpfend  an 
die  Ideen,  dessen  Stellung  zu  Kant  und  Goethe.  Der  Gegensatz  zwischen  Herders 
und  Kants  Art,  die  Welt  zu  betrachten,  zwischen  ihren  wissenschaftlichen  Methoden 
und  den  letzten  Zielen  ihres  Denkens  wird  aus  Inhalt  und  Anlage  der  Ideen  und  der 
Kantschen  Recensionen  derselben  abgeleitet.  Herder  ruhte  aus  in  der  wohligen  Em- 
pfindung der  geschauten  Bilder,  in  denen  ihm  Natur  und  Menschenseele,  Völker  und 
Kulturen  sich  belebten.  Das  Erkenntnisinteresse  hat  sich  noch  nicht  in  sich  selbst 
gereinigt,  es  ist  ein  Stück  des  religiösen  Glaubens;  in  allen  Gebilden  des  Lebens 
schaute  Herder  den  sich  offenbarenden  Gott,  unter  dem  Namen  Gottes  schliesst  er 
sich  ab  gegen  die  harten,  unablässig  weiter  dringenden  Fragen  der  Erkenntnis. 
Kant  wurde  bewegt  durch  das  Streben  der  Begriffe  selbst;  die  Summe  seiner  Arbeit 
bestand  darin,  das  Verhältnis  des  Geistes  zur  Welt  festzustellen.  Hinter  seinen 
Kritiken  der  Ideen  tauchte  eine  andere  Wreltauffassung  empor:  das  Ideal  der  Freiheit,  wie 
Kant  es  nimmt,  welches  die  gesamte  Menschheit  in  ihren  Strebungen  umfasst,  die 
Kantsche  Idee  der  Geschichte,  als  eines  Problems,  das  im  methodischen  Fortgang 
der  Erkenntnis  sich  in  seinen  Zusammenhängen  erleuchtet.  Diesen  Gegner  vermochte 
Herders  ärgerliche  Abwehr  nicht  zu  beseitigen,  ein  Gefühl  zehrenden  Grolls  senkte 
sich  in  seine  Seele.  Aber  auch  Goethe,  so  nahe  er  sich  in  seiner  Vorstellungsart 
Herdern  fühlte,  so  fern  stand  er  ihm  doch  in  den  Grundfragen  des  Denkens;  das 
Denken  wird  ihm  selbst  gegenständlich,  aus  dem  Anschauen  sich  entwickelnd,  mit 
dem  Anschauen  eins;  es  besteht  ein  wahres  Wechselverhältnis  von  Welt  und  Geist. 
Bei  Herder  sind  Gegenstand  und  Persönlichkeit  eins  in  der  Stärke  seines  Gefühls, 
eine  andere  Meinung  wird  zum  Angriff  auf  die  eigene.  Der  Gegensatz  zeigt  sich 
klar  in  Herders  Annahme  der  unsichtbaren  geistigen  Kräfte,  welche  sich  in  den  Er- 
scheinungen der  Natur  offenbaren.  Goethe  lässt  das  Innere  der  Natur  ebenso  wenig 
gelten  wie  Kant;  er  stellt  den  Geist  auf  sich  selbst.  Den  tiefsten  Grund  des  Unter- 
schieds trifft  die  Thatsache,  dass  Goethe  Dichter  ist;  er  verwirklicht  nach  K.  der 
Anlage  nach  das  Verhältnis  von  gegenständlichem  Denken  und  Stil.  Die  Parallele 
wird  weitergeführt  von  der  Erfassung  der  Welt  bis  hindurch  zur  persönlichen  Stellung 
im  Getriebe  des  Daseins  und  in  der  beiderseitigen  Freundschaft:  der  alte  Schüler, 
jetzt  Herders  bester  Freund,  steht  treu  an  seiner  Seite,  aber  sein  Leben  kehrt  sich 
schon  im  Grunde  von  dem  Freunde  fort.  —  Herders  politisches  Denken  entwickelt 
Kühnemann20)  an  dem  Verhältnis  der  Humanitätsbriefe  zur  französischen  Revolution, 
üertlich  fern  dem  Schauplatze  der  Heldenthaten  des  grossen  Friedrich,  die  Lessing 
und  Goethe  erfüllten,  bildete  Herder  seine  politischen  Ansichten  an  dem  Bürgersinn 
Rigas  und  der  Fürstengestalt  Peters  des  Grossen;  sein  Urteil  bewegte  sich  in  Ab- 
straktionen; diese  abstrakten  Ideen  schienen  ihm  Gestalt  zu  gewinnen  in  der  Revolution. 
Deshalb  begrüsste  er  sie  mit  Teilnahme,  so  dass  er  selbst  der  kleinen  Monarchie,  in 
der  er  lebte,  unbequem  zu  werden  Gefahr  lief.  In  den  „humanistischen  Briefen" 
fasste  er  schnell  und  kräftig  zusammen,  was  er  über  die  Revolution  im  Staat  und 
zugleich  über  die  Revolution  der  Philosophie  durch  die  Kantsche  Schule  zu  sagen 
hatte,  aber  die  grauenvollen  Ereignisse  in  Frankreich  überholten  die  Veröffentlichung 
seiner  Schrift,  und  während  sie  liegen  blieb,  strömten  ihm  alle  die  litterarischen  und 
moralischen  Interessen  zu,  die  er  pflegte;  sie  fanden  in  seinem  Humanitätsbegriff 
willige  Aufnahme  und  so  gingen  denn  statt  aus  der  praktischen  Bethätigung  des 
Weltmanns  vom  Studiertisch  des  deutschen  Gelehrten  die  Briefe  zu  Beförderung  der 
Humanität  von  1793—97  hinaus  in  die  Welt,  K.  fasst  sie  bekanntlich  (JBL.  1892  IV 
7 :  16)  als  Zeichen  sinkender  Kraft.  Selbst  die  meisterhaften  Stücke  litterarischer 
Betrachtung  erscheinen  ihm  nur  als  ein  Ruhen  in  der  Vergangenheit  und  bei  alten 
Lieblingsgedanken,  als  Stimmungsbilder,  ohne  neuen  Aufschwung,  ohne  energische 
Feststellung  der  Grundbegriffe  eines  humanen  Völkerrechts.  Auch  hier  heisst  es 
wieder:  „Er  stand  für  sich."  —  Den  „Christlichen  Schriften"  lässt  Kühnemann21) 

17)  P.  Tsch altert,  Seb.  Trescho:  ADB.  38,  8.  574  5.  —  18)  O  X  X  G .  Letlau,  Joh.  G.  Hamann  als  Geistesverwandter  d. 
Comenius:  MhComeniusG.  2,  S.  201-13.  —  19)  (IV  5:1023.)  —  20)  E.  Kühnemann,  D.  franz.  Revolution  u.  Herder.  (Briefe 
zu  Beförderung  d.  Humanität):    Zeitgeist  N.  32.    —    21)    id.,    Herder   u.  d.  dtsch.  Klassiker:    VossZgB.  N.  31/3.    —    22)  Eng. 


IV  7  :  22  E.  Naumann,  Herder. 

volle  Anerkennung  zu  teil  werden.  Er  zeichnet  Schillers  Eintritt  in  das  geistige 
Leben  Weimars,  sein  Ziel,  das  Ideal  des  reinen  Menschen  in  seiner  Erkenntnis  auf- 
zubauen, und  als  eine  von  den  Früchten  dieses  Strebens  die  „anschauende  Erkenntnis" 
Goethes.  Dieser  wiederum  erfuhr  durch  Schiller  eine  Bereicherung'  seines  Wesens 
mit  der  Einsicht,  dass  allem  wirklichen  Erkennen  philosophische  Begriffe  zu  Grunde 
liegen.  Schiller  trat  mit  den  Briefen  über  die  ästhetische  Erziehung  des  Menschen 
in  schroffen  Gegensatz  zu  Herders  Humanitätsbriefen,  er  stand  auf  dem  Boden  der 
Kantschen  Philosophie.  K.  sieht  in  den  ästhetischen  Briefen  und  den  Humanitäts- 
briefen Dokumente  der  neuen  und  der  älteren  Generation,  er  lässt  Kant  sich  mit 
Schiller  und  Goethe  zu  einem  Dreibunde  zusammenschliessen.  Noch  hielten  die  beiden 
letzteren  zu  Herder,  im  ersten  Jahrgang  der  Hören  (1795)  waren  sie  mit  ihm  glücklich 
vereint.  Aber  die  Trennung  von  Schiller  bahnte  sich  in  Herders  Aufsatz  „Iduna, 
oder  der  Apfel  der  Verjüngung"  (1796)  an,  Schillers  künstlerisch  schaffende  Natur 
empfand  in  ihm  eine  widerstreitende  Lebensrichtung.  Dazu  das  aufsteigende  Zer- 
würfnis mit  Goethe  und  dem  Herzog  um  leidige  Geldnot,  Selbsttäuschung  im  Herder- 
schen  Hause.  Der  Bruch  mit  den  Dichtern  vollzog  sich  in  der  7.  und  8.  Sammlung 
der  Humanitätsbriefe,  in  deren  Abschnitten  über  deutsche  Litteratur  Schiller  kaum 
erwähnt  und  Goethe  unbillig  beurteilt  wurde.  „Das  ermattende  Leben,  das  die  Welt 
bleiben  will,  gegen  die  schaffende  Kraft,  in  der  eine  neue  Welt  erscheint,  das  ist  der 
Gegensatz  Herders  gegen  Schiller  und  Goethe."  Der  Groll  gegen  Kant  spricht  aus 
der  „Metakritik  zur  Kritik  der  reinen  Vernunft"  und  aus  der  „Kalligone";  siezeigen 
die  Schwäche  des  eigenen  philosophischen  Standpunkts;  ein  abgejagter  Geist,  dem 
kein  neuer  Gedanke  mehr  kommt.  „Er  war  von  je  der  Mensch,  der  eine  Welt  sein 
musste  aus  seinem  Gefühl,  aber  nicht  auswuchs  in  wahrer  Freiheit  und  sich  nicht 
gründete  in  der  schöpferischen  Bewegung  der  Zeit."  — 

Gegen  Kühnemanns 22)  biologische  Forschungen  über  Herders 
Persönlichkeit  (JBL.  1893  IV  7:11)  macht  E  u  g.  Wolff  geltend,  dass  wenn  auch 
Kant  der  grössere  Gelehrte,  Forscher,  Kritiker  ist,  doch  Herder  sich  als  der  grössere 
Künstler,  als  schöpferischer  Geist  zeigt;  Kant  steigt  durch  Einzeluntersuchung'  zum 
Gesamtbild  auf,  Herder  schaut  intuitiv  auf  das  Ganze  hinab;  Herders  Lebenswerk 
besteht  in  der  Ueberwindung  des  Kant-Lessingschen  Forschergeistes  durch  geniale 
Tiefe.  Ob  die  rein  psychologische  Biographie  überall  anwendbar  sei,  oder  ob  nicht 
ohne  Rücksicht  auf  die  Persönlichkeit  die  einfache  Darstellung  von  Lösungen 
gewisser  Probleme  für  die  Wissenschaft  erspriesslich  sei,  wird  von  einem  Recensenten 
bezweifelt;  derselbe  wünscht  zugleich  schlichtere  Form  der  Darstellung.  Kauff- 
m  a  n  n  citiert  Dilthey  für  Kühnemanns  Satz,  der  Gedanke  des  Schriftstellers  muss  in 
Erlebnisse  der  Persönlichkeit  innerhalb  der  Gesamtkultur  umgesetzt  werden.  Er 
erkennt  in  Kühnemanns  Schrift  nur  den  Ausdruck  der  persönlichen  Auffassung  des 
Vf.,  weist  dessen  Urteil  über  Haym  mit  Nachdruck  zurück  und  zeigt,  dass  Kühne- 
mann uns  keineswegs  in  der  Erkenntnis  Herders  über  das  Bild  hinausgeführt, 
welches  der  Historiker  Haym  endgültig  und  meisterhaft  festgelegt  hat;  Herders 
künstlerische  Grossthat  in  der  Entwicklung'  des  Stils  ist  nicht  zur  Geltung  gekommen, 
die  Phantasiethätigkeit  hat  nicht  gebührenden  Raum  gefunden;  die  Herbeiziehung 
socialer  Verhältnisse  zur  Erklärung  des  g-eistigen  Verfalls  widerspreche  dem  Begriff 
der  Biologie.  Ablehnend  urteilt  auch  Seuffert.  Er  ist  mit  Kühnemann  einver- 
standen, dass  die  Philosophie  wie  die  Poesie  jeweilig  Darstellung  des  Geistes, 
des  Lebens  der  Persönlichkeit,  der  Zeit  ist,  dass  der  Gedanke  kein  abgesondertes 
Dasein  in  der  Welt  hat,  sondern  nur  als  Blüte  der  Persönlichkeit  existiert,  jedes 
Werk  also  nur  aus  der  besonderen  Art  und  Lage  des  Schöpfers  völlig'  verstanden 
wird,  aber  die  dadurch  geforderte  individualisierende  Geschichte  bleibt  Ideal.  Kühne- 
mann macht  wiederum  aus  dem  Gedanken  selbst  die  zur  That  gewordene  Per- 
sönlichkeit und  verleiht  ihm  insofern  doch  eine  Sonderexistenz.  Für  die  Durch- 
führung seiner  Wissenschaftslehre  ist  Herder  dem  Vf.  lediglich  ein  geeignetes 
Beispiel;  ob  Herders  Individualität  nicht  durch  fremde  Einflüsse  g'ehemmt  oder  um- 
gebildet wurde,  darauf  nimmt  er  zu  wenig  Rücksicht;  S.  ist  nicht  der  Ansicht,  dass 
jedes  Individuum  sich  in  seiner  gegebenen  Eigenart  unbedingt  auslebe,  ein  Individuum 
könne  auch  einmal  etwas  wollen,  was  seiner  Individualität  entgegen  sei.  „Den  'Ideen' 
Lebenskraft  und  wissenschaftliche  Sittlichkeit  abzusprechen  ist  historisch  und 
psychologisch  ungerecht  und  unsinnig,  sowie  es  eine  krankhafte  Beschränkung  des 
Sehfeldes  bedeutet,  die  Metakritik  als  eine  rauhe,  hässliche,  misstönende  Dichtung  zu 
verurteilen.  Was  nützt  die  Grundüberzeugung  von  dem  einzigen  Wert  des  Individuums, 
wenn  sie  diesem  nicht  einmal  einräumt,  dass  dasjenige,  was  es  nach  seinem  besten 
Vermögen  geleistet  hat,  eine  sittliche  That  auch  dann  war,  wenn  das  Vermögen 
nicht  ausreichte  oder  auch  die  Lage  nicht  geeignet  war  zu  dem,  was  eine  andere 
Individualität  mit  oder  ohne  Recht  —  das  ist  noch  fraglich  —  für  das  Wahrere  hält." 
An  Kühnemanns  Stil   tadelt  S.  Schwulst,    übelangebrachte  Rhetorik,    Dunkelheit  und 


E.  Naumann,  Herder.  IV  7  :  98-91 

Unverständlichkeit;  er  bildet  schliesslich  für  Kühnemann  einen  Satz  um,  den  dieser 
über  Herder  schreibt:  In  schwindelnder  Höhe  schwebt  Kühnemann  als  der  prophetische 
Künder  und  Kündiger  reiner  Erkenntnis.  —  Naumann23)  sieht  in  Kühnemanns 
Urteil  über  die  „Ideen"  (JBL.  1892  IV  7  :  15/6)  eine  gewisse  Einseitigkeit,  er  verlangt 
zur  Ergänzung'  eine  sachliche  Untersuchung,  welche  Früchte  die  „Ideen",  sei  es  dass 
sie  zum  Widerspruch  und  genauer  Feststellung  reizten,  sei  es  dass  sie,  weiter  ver- 
folgt und  umgebildet,  neue  Probleme  schufen,  in  dem  Jh.  gezeitigt  haben,  da  die 
Methode  geschichtlicher,  geographischer  und  naturwissenschaftlicher  Forschung  fest- 
gestellt wurde.  Die  „rückschauenden  Enkel"  würden  dann  über  gelegentliche 
Andeutungen  hinaus  den  Gedankenzusammenhang  verfolgen  können,  der  zwischen 
jenem  Werke  und  zahlreichen  Einzeluntersuchung*en  späterer  Zeit  besteht;  sie  müsster. 
auch  in  Betracht  ziehen,  welche  allgemeinen  Grundsätze  für  die  Bearbeitung*  der 
Weltgeschichte  vor  Herder  bereits  aufgestellt  waren.  So  würde  eine  Frage  beant- 
wortet werden,  wie  sie  Herder  ähnlich  im  „Denkmal  Winckelmanns"  gelöst  hat,  an 
welchem  Punkte  er  die  von  ihm  bearbeitete  Wissenschaft  vorgefunden  und  an  welchem 
er  sie  verlassen  hat.  Diese  der  Herderschen  Forsch ungs weise  entsprechende  Frage- 
stellung hätte  den  geschichtlichen  Zusammenhang  der  Ideen  mit  Vergangenheit  und 
Gegenwart  hergestellt.  — 

Die  Gültigkeit  eines  Herderschen  Ausspruches:  „Die  meisten  seiner  Aufsätze, 
weil  sie  deutsche  Dinge  betreffen,  lesen  sich,  als  ob  sie  heute  geschrieben  wären", 
für  Herder  selbst  stellt  Matthias24)  in  helles  Licht;  er  geht  die  Werke  durch  und 
weist  die  Gedanken  nach,  die  deutschtümlichen,  „deutschnationalen",  W^ert  haben. 
Schon  die  Fragmente  enthalten  einen  Preis  der  deutschen  Sprache,  einen  Sehnsuchts- 
schrei nach  deutschen  Originalen,  sie  befreien  nicht  nur  vom  französischen,  sondern 
auch  vom  Vorwiegen  antiker  Muster  und  verweisen  die  Deutschen  auf  ihr  Volkstum. 
Der  Unterschied  von  Natur-  und  Kunstdichtung,  die  Forderung  einer  analytisch- 
historischen  Aesthetik  in  den  kritischen  Wäldern  gehört  eben  dahin;  nicht  minder 
der  Hinweis  auf  den  Germanen  Shakespeare  in  den  Blättern  von  deutscher  Art  und 
Kunst.  Goethe  lernte  von  ihm,  dass  Dichtung-  etwas  wirklich  Erlebtes  und  Empfundenes 
darstellen  müsse,  dass  die  wahre  Poesie  nicht  eine  Naturkraft  und  der  Dichter  nicht 
bloss  Dolmetscher  sei.  Beim  Vergleich  englischer  und  deutscher  Dichtung  klagt  er, 
dass  wir  die  gemeinsame  Volksmeinung  und  Sage  nicht  benutzt  haben,  dass  wir 
den  Zusammenhang  unserer  Litteratur  mit  der  Vergangenheit  zerrissen,  dass  der 
deutsche  Geist  ein  Mietlingsgeist  g-eworden  sei;  ihm  ist  es  kein  Zweifel,  dass  Abdrücke 
von  edler  Sitte,  Tugend  und  Sprache  in  der  Seele  des  Volkes  noch  verborgen  liegen. 
In  diesem  Zusammenhange  gab  Herder  die  Volkslieder  heraus,  wurde  er  Bürgers 
Dichtungen  gerecht.  Seine  zweite  Epoche  ästhetischer  Schriftstellerei  steht  unter  dem 
Zeichen  der  Abkehr  von  dem  Weimarer  Zweigestirn  und  von  Kant.  Gegen  Schiller 
weist  M.  auf  die  Herderschen  Sätze  hin:  Die  Poesie  soll  frei  bleiben  vom  politischen 
Parteistreit,  als  eine  Stimme  der  Zeit,  und  wandelbar  dem  Geiste  der  Zeit  folgen;  das 
Wort  des  Dichters  muss  vor  allem  ein  Laut  des  Wunsches  und  Strebens  der  Nation, 
ein  Hauch  und  Nachklang  des  Zeitgeistes  sein.  Herders  Verlangen,  die  deutsche 
Mythologie  wieder  belebt  zu  sehen,  weist  auf  Richard  Wagner  hin.  In  der  Besprechung 
der  Schulreden  hat  M.  selbst  einen  unsicheren  Standpunkt;  im  ganzen  ist  er  bemüht, 
den  Unterschied  zwischen  dem  jugendlichen  Ideal pädago gen  und  dem  praktischen 
Schulmanne  als  möglichst  gross  hinzustellen.  Er  geht  noch  auf  Herders  philosophische 
Schriften  und  religiöse  Richtung  ein.  In  „Auch  eine  Philosophie  der  Geschichte  der 
Menschheit"  tritt  dieser  für  das  Mittelalter  als  eine  Zeit  warmen  Empfindens  und 
thatkräftigen  Handelns  aller  einzelnen  Glieder  der  Menschheit  ein.  Auch  in  der 
Auffassung  des  Christentums  während  der  Weimarer  Zeit,  in  dem  Warnen  vor 
Unduldsamkeit  der  Konfession  zeigt  sich  der  Patriot ;  in  den  Ideen  tritt  er,  besonders 
im  Abschnitt  über  Deutschland,  mit  dem  Bedauern  hervor,  dass  Deutschland  statt  in 
seinem  Staate  eine  germanische  Kirche  zu  haben,  ein  Staat  in  der  allgemeinen 
Kirche  wurde.  In  den  Humanitätsbriefen  findet  sich  die  Idee  einer  festen  Vereinigung 
aller  Deutschen  zu  einer  grossen  Gemeinschaft,  wozu  Deutschland  und  Oesterreich 
eine  schützende  festländische  Macht  bilden  müssten.  Er  predigt  Vaterlandsliebe, 
Im-m  rundet  auf  der  nahen  Verwandtschaft  der  Volksgenossen,  auf  der  gesetzmässigen 
Freiheit  und  Sicherheit,  die  wir  dem  Vaterlande  danken.  Auch  die  Stellung  Herders 
zur  Judenfrage  entwickelt  M.  aus  dem  bekannten  Abschnitt  der  „Adrastea".  — 

Herders  Sprache  verlangt  Grimm25)  in  einem  besonderen  Wörterbuch 
dargestellt  zu  sehen,  aus  dem  die  Sprachwandlungen,  sein  Einfluss  auf  Goethe  und 
andere   sich  erkennen  lassen;     G.  denkt   sich  dieses  Wörterbuch    neben    einer  Reihe 


Wolff:  DLZ.  S.  76/7;  B.  Seuffert:  ib.  S.  1330/4;  Fr.  Kauffmann:  ThLZ.  19,  S  642,4:  W1DM.  75,  S.  272.  -  23)  E.  Nau- 
mann: Euph.  1,  S.  815,8.  —  24)  Th.  Matthias,  J.  G.  Herder.  E.  Beitr.  zu  seiner  Würdigung  im  Lichte  neuer  Deutsch- 
bewegnng:  TglRgB.  N.  28-30,  334.  —   25)  (I  2:8.)  -  26)  (I  2:9.)    —    27)  O  X  X  Heinr.  Meyer,  Herders  Werke.     1.  T. 


IV  7:28-31  E.  Naumann,  Herder. 

ähnlicher  als  Vorarbeit  zu  einem  grossen  akademischen  Wörterbuche  der  deutschen 
Sprache.  —  Otto  Hoff  mann26)  zeigt,  dass  Herders  Wortschatz  in  dem  Grimmschen 
Wörterbuch  unzureichend  dargestellt  ist;  auch  in  den  neuesten  Heften  sind  noch  Be- 
lege über  Herder  aus  dem  alten  Campe  entnommen.  Ueber  600  Wörter  Herders 
fehlen  bei  Grimm,  zu  anderen  liefert  Herder  treffliche  Belegstellen,  bei  Hunderten 
von  Wörtern,  die  er  gebraucht,  ja  vielleicht  geschmiedet,  hätte  er  als  Autorität  ge- 
nannt werden  müssen;  die  Geschichte  vieler  Wörter,  die  bei  Grimm  vor  Herder  ab- 
bricht, konnte  bis  auf  ihn  fortgeführt  werden;  die  Wandlungen  seiner  Sprechweise, 
Vorliebe  für  einzelne  Ausdrücke,  Wortbildungen,  WTortgruppen,  grammatische  Eigen- 
tümlichkeiten, bedürfen,  wie  H.  an  zahlreichen  Beispielen  zeigt,  der  Darstellung.  — 
Von  Herders  Werken27)  haben  mehrere  eingehende  Bearbeitungen  er- 
fahren28). Die  Sammlung  der  Volkslieder  hat  Heinr.  Meyer29)  in  der  Weise 
umgestaltet,  dass  er  von  der  Anordnung  der  Vulgata  und  Redlichs  absehend  zu  den 
von  Herder  selbst  zusammengestellten  Liedern  alles  hinzunahm,  was  für  beide  Aus- 
gaben ursprünglich  bestimmt  war  und  mit  Erweiterung  des  Rahmens,  den  Herders 
„Skizze"  andeutete,  in  einer  umfangreichen  Sammlung  von  sieben  Büchern  einen 
Einblick  in  Herders  Gesamtthätigkeit  auf  diesem  Gebiete  eröffnete.  Die  einzelnen 
Lieder  sind  mit  reichen  litterarischen  Nachweisungen  ausgestattet,  eine  wertvolle 
Einleitung  unterrichtet  über  die  Geschichte  der  Beschäftigung  mit  dem  Volksliede 
vor  und  bei  Herder.  Den  Titel  seiner  Ausgabe:  „Stimme  der  Völker"  begründet 
der  Herausgeber  mit  der  Stelle  der  Adrastea,  wo  Herder  „eine  palingenesierte 
Sammlung  solcher  Gesänge  als  eine  lebendige  Stimme  der  Völker"  bezeichnet.30)  -■ 
Den  Cid  giebt  Naumann31)  heraus.  Er  sucht  in  einer  übersichtlich  gegliederten 
Einleitung  den  reichen  geschichtlichen  und  litterarischen  Stoff  zu  einem  abgerundeten 
Ganzen  zu  gestalten  und  richtet  sein  Augenmerk  besonders  auf  Herders  persönliches 
Verhältnis  zu  seinem  Helden.  Die  Vorstellung  kann  nach  Köhlers  und  anderer 
Forschungen  nicht  mehr  aufrecht  gehalten  werden,  dass  Herder  die  spanische 
Dichtung  in  wesentlichen  Stücken  nach  deutschem  Geiste  umgeformt  habe;  noch 
viel  weniger  ist  Cid  eine  freie  Verkörperung  von  Herders  Humanitätsideal.  Herder 
hat  nur  den  letzten  Strich  an  der  Arbeit  gethan,  die  mit  den  ältesten  spanischen 
Volksgesängen  bereits  begann  und  den  Cid  zu  einem  idealen  Nationalhelden  der 
Spanier  machte.  Herder  brauchte  in  den  Stoff  nicht  erst  die  Grundsätze  der  Menschen- 
liebe hineinzutragen  oder  ihm  persönliche  Empfindungen  beizumischen,  er  fand  in 
der  Ueberlieferung  bereits  einen  Helden  vor,  der  seinem  Begriffe  von  Sittlichkeit 
entsprach  (S.  14),  einen  Helden,  der  sich  thatsächlich  unter  den  gegebenen  Ver- 
hältnissen seines  Volkes  und  seiner  Zeit  als  ein  Musterbild  menschlicher  Tugenden 
bewährt  (S.  3).  In  des  Cid  Sorge  für  die  Seinen,  dem  Gefühl  abnehmender  Kraft, 
den  bangen  Todesahnungen  fand  Herder  Empfindungen  vorgebildet,  die  ihn  selbst 
während  der  Abfassungszeit  lebhaft  bewegten.  In  dem  geschichtlichen  Cid  weist  N. 
mancherlei  Züge  nach,  die  an  Wallenstein  erinnern  (S.  7).  Die  Entstehungsgeschichte 
der  Herderschen  Dichtung  ist  eingehend  dargelegt,  auch  das  Verhältnis  des  Romanzen- 
epos zu  Herders  Ansichten  von  epischer  Dichtung  wird  berücksichtigt,  hervor- 
stechende Eigentümlichkeiten  des  Versbaues  werden  besprochen.  Die  Wörter 
Bannung,  Ehrerstattung,  Eisenstimme,  Gramgedanke,  Lustgesang,  Lusthall,  pflicht- 
verbundner,  Samtgehall  hat  Herder  neu  geprägt.  Der  Text  ist  unverkürzt  auf 
Grundlage  der  kritischen  Ausgabe  besorgt,  weicht  aber  in  den  Lesarten:  dem,  wer 
11,17;  verletzte  15,91;  unsrer  beider  Reich'  17,15  dem  von  Herder  durchgesehenen 
Texte  der  Adrastea  mit  Lambel  fogend  von  Redlich  ab;  abweichend  von  demselben 
schreibt  N.  ferner:  Layn  15,  6;  von  Hofe  16,  37;  seinen  48,  12;  den  60,  11 ;  ein'  68,  75;  er 
ändert  aber  mit  ihm  die  Anordnung  der  Vulgata  29,61.  Die  Anmerkungen,  auf  den 
geringsten  Umfang  beschränkt,  gehen  auf  Geschichtliches,  Sprachliches,  auf  Herders 
Vorlagen  und  epischen  Stil  nach  Bedürfnis  ein  und  verweisen  auch  einigemal  auf 
angrenzende  Vorstellungskreise  Herders.  Um  der  sittlich  ästhetischen  Behandlung 
des  Stoffes  vorzuarbeiten,  ist  in  den  Anmerkungen  der  Inhalt  jedesmal  mehrerer  zu 
einer  Gruppe  vereinigter  Romanzen  zusammengefasst.  — 

1.  Abt.  Herders  Leben.  Mit  Bildn.  (=  DNL.  N.  207.)  St.,  Union.  1893.  LXI1I,  506  S.  M.  250.  -  28)  O  X  X  &  Steig, 
Zu  Herders  Schriften:  MhCoroeniusG.  3,  S.  253/8.  —  29)  Heinr.  Meyer,  Herders  Werke.  1.  T.  2.  Abt.  Stimme  d.  Völker. 
Volkslieder  nebst  untermischten  anderen  Stücken.  (=  DNL.  N  205.)  St.,  Union  1893.  LXXXVII,  547  S.  M.  2,50.  ([E. 
Naumann:  Euph.  2,  S.  660  l.J[  —  30)  X  Arn.  Schröer,  Percys  Reliques  of  Anciont  English  Poetry  nach  d.  ersten  Ausg. 
v.  1765  mit  d.  Varianten  d.  späteren  Originalausg.  II.  Hälfte,  mit  Einl.  u.  Reg.  Weimar,  Felber.  1893.  S.  525-1136.  M:  11,00. 
|fj.  Zfupitzal:  ASNS.  92,  S.  989]|  (Ausserdem  XXVIII  S.  statt  Titels  u.  vorläufigen  Vorw.  d.  I.Hälfte.)  —  31)  E.  Nau- 
mann, J.  G.  Herder,  D.  Cid.  Gesch.  d.  Don  Ruy  Diaz,  Grafen  v.  Bivar.  Nach  span.  Romanzen.  Her.  u.  erläut.  (=  Samml. 
Göschen  N.  36.)     L..  Göschen.     12".     181  S.     M.  0,80.   - 


'   V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  ,     IV  8a.  1-11 

IT,  8 

Goethe, 
a)  Allgemeines. 

Veit  Valentin. 

Bilder  und  Denkmäler  N.  1.  —  Erinnerungsstätten  N.  19.  —  Vereine  N.  25.  —  Feiern  N.  32.  —  Neues  Goethe- 
nmseum  N.  36.  —  Musilc  N.  37.  —  Bildkunst  N.  41.  —  Religion  N.  42.  —  Kunstanschauungen  N.  46.  —  Naturwissenschaft 
N.  49.  —  Sprache,  Metrik  N.  58.  —  Graphologie  N  65.  —  Ausgabe  der  Werke  N.  66.  —  Goethelitteratnr  N.  74.  —  Stellung 
in  der  Weltliteratur:  England  N.  77;  Frankreich  N.  85:  Italien  N.  89;  Amerika  N.  92;  Böhmen  N.  93;  Japan  N.  94;  China 
N.  95;  Verhältnis  zur  Antike  N.  96.  —  Totenschau  N.  99.  — 

Bilder  und  Denkmäler.  Eine  neue  und  zugleich  bedeutende  Schöpfung 
von  Goethes  Ebenbild  trat  mit  der  von  Karl  Rumpf  aus  Frankfurt  a.  M.  geschaffenen 
Büste  am  Goethetage  zu  Weimar  zum  ersten  Male  vor  einen  grösseren  Kreis  Sach- 
kundiger. Die  Entstehung'  und  die  Tendenz  des  Werkes  sowie  seine  Quellen  schildert 
Valentin1).  Auf  Grund  der  Weisserschen,  über  das  Leben  genommenen  Maske  und 
mit  Benutzung  alles  zur  Verfügung  stehenden  zeitgenössischen  Materiales  giebt  Rumpf 
in  höherem  Grade  den  wirklichen  Goethe,  als  es  die  von  Goethes  Zeitgenossen  ge- 
schaffenen Porträts  thun.  Diese  haben  unter  grösserer  oder  geringerer  Anlehnung 
an  die  wirkliche  Erscheinung  meist  eine  bestimmte  ideale  Auffassung  gegeben,  die 
mehr  zeigt,  wie  Goethe  nach  der  Auffassung  des  besonderen  Künstlers  hätte  sein 
müssen,  als  wie  er  wirklich  war.  Rumpf  geht  von  der  schlichten  Thatsächlichkeit 
aus,  erfüllt  aber  zugleich  die  Anforderung,  die  Goethe  an  den  Porträtkünstler  stellt: 
„Geist,  Leben  und  Liebe  muss  ja  ohnedem  der  Künstler  hineinstiften".  —  Eine 
phototypische  Nachbildung  dieser  Büste,  die  Goethe  als  etwa  am  Ende  seiner  fünfziger 
Jahre  stehend  darstellt,  ist  erschienen2).  —  In  des  Künstlers  Atelier  wurde  die  Büste 
in  Verbindung  mit  den  von  ihm  gleichfalls  neugeschaffenen  Büsten  von  Goethes  Vater 
und  Mutter  ausgestellt3).  —  Ueber  die  von  Schadow  geschaffene  Büste  giebt  Geiger4) 
einige  Mitteilungen  aus  Briefen  Schadows :  es  geht  hieraus  hervor,  dass  seine  Marmor- 
büste Goethes  im  Sept.  1823  noch  nicht  fertig  war.  ■  Die  bisherigen  Angaben,  die  sie 
in  das  J.  1816—17  verlegten,  sind  somit  falsch.  —  Eine  eingehende  Schilderung  von 
Goetheporträts  im  Anschluss  an  die  Zarnckesche  Sammlung  giebt  E.  Lehmann5) 
und  illustriert  sie  mit  einer  grossen  Zahl  von  Holzschnitten  nach  Silhouetten,  Büsten, 
Zeichnungen  und  Bildern.  Für  L.  handelt  es  sich  bei  seiner  Untersuchung  „um  die 
wichtige  Form  des  Umrisses,  um  die  genaue  Modellierung,  die  nicht  beschrieben, 
sondern  nur  gezeichnet  und  gebildet  werden  kann",  sodann  „um  den  geistigen  und 
seelisch  wahren,  den  ganzen  Menschen  erfassenden  Ausdruck".  Ein  Mittel  dazu 
bietet  ihm  die  in  den  Besitz  der  Stadt  Leipzig  übergegangene  Zarnckesche  Sammlung, 
die  an  1400  Bildnisse  Goethes  enthält:  sie  ist  nach  den  Orginalen  geordnet,  an  die  sich 
ihre  Nachbildungen  und  Abkömmlinge,  oft  30  bis  40,  anschliessen.  Ausser  diesen 
Gemälden,  Stichen  und  Schattenrissen  enthält  sie  noch  die  Abgüsse  der  Büsten, 
Statuetten  und  Medaillons,  sodass  für  L.s  Zweck  reichliches  Material  vorhanden  ist.  L. 
hebt  in  trefflichem  Ueberblick  und  gutem  Urteil  das  am  meisten  Charakteristische  heraus. 
—  Ein  K.  M.  Kraus  zugeschriebenes  Goetheporträt  sowie  eine  italienische  Landschaft 
nach  Goethes  eigener  Zeichnung  veröffentlicht  in  Nachbildung  zum  ersten  Male 
Prem6).  —  Eine  Gedenktafel  mit  den  Köpfen  von  Goethe  und  Merck  wurde  in 
Arheilgen  am  Gasthaus  „Zum  weissen  Ross"  angebracht:  dort  habe  Merck  gewohnt 
und  hätte  seine  Druckerei  gehabt,  in  der  Götz  von  Berlichingen  gedruckt  worden 
sei7"8).  —  Dem  gegenüber  weist  Schenk  zu  Schweinsberg9)  nach,  dass  Merck 
das  Haus  „Zum  weissen  Ross"  überhaupt  nie  besessen  hat,  sondern  das  Nachbarhaus, 
den  „Freihof",  der  aber  heute  nicht  mehr  steht,  und  dass  Mercks  Besitz  in  Arheilgen 
erst  seit  1789  datiert,  —  eine  Zeit,  in  der,  wenn  überhaupt  Merck  dort  eine  Druckerei 
besessen  oder  mitbesessen  hat,  von  einem  Drucke  des  Goetheschen  Götz  dort  nicht 
mehr  die  Rede  sein  kann.  Die  Tafel  ist  somit  im  Widerspruch  mit  den  Thatsachen 
angebracht.  —  Die  im  Aug.  1846  dem  „Goethestein"  in  der  Nähe  von  Hasslach 
bei  Asch  in  Böhmen  eingefügte  Gedenktafel  wurde  in  Syenit  erneuert  und  zu  Goethes 
Geburtstag  enthüllt10).  —  Die  Entstehung   des  Goethedenkmals  in  Frankfurt  a.  M. 


1)  V.  Valentin.  E.  neue  Goethebüste:  WeimarZg.  N.  112.  —  2)  X  id.,  Dass.:  IllZg.  103,  S.  763.  —  3)  X  s*r-. 
Neue  Büsten  d.  Familie  Goethe :  FrankfJourn.  N.  177.  —  4)  L.  Geiger,  Z.  Goethebildnis-Kunde:  GJb.  15.  S.  297/8.  —  5)  E.  Leh- 
mann, Goethes  Bildnisse  u.  d.  Zarnckesche  Samml.:  ZBK.  5,  S.  249-58,  276-85.  —  6)  S.  M.  Prem,  Goethe.  2.  Aufl.  L.,  Fock. 
474  S.  Mit  54  Abbild.  M.  5,00.  |[K.  J.  Schrföer):  LCB1.  S.  564/6.]|  —  7-8)  X  Arheilgen:  FrankfNuchr.  N.  78.  (Aus  d. 
NHessVolksbl.)  —  9)  G.  Frhr.  Schenk  zu  Schweinsborg,  D.  ehemal.  fürstl.  Hofgut  zu  Arheilgen:  QBlIHVHessen.  1, 
S.  476-82.  —  10)  X  Goethe-Gedenktaf  :  FZg.  N.  252.  —  11)  E.  v.  Mollwald,  Wie  d.  erste  Goethedenkra.  in  Deutschland  za 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (,-*)25 


IV  8a  :  n-24  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  • 

schildert  von  Mollwald11)  auf  Grund  der  Akten  von  dem  ersten  Gedanken,  dem 
Dichter  ein  Denkmal  zu  setzen,  der  überhaupt  zum  ersten  Male  und  noch  zu  Leb- 
zeiten Goethes  in  seiner  Vaterstadt  schon  1819  auftauchte,  bis  zur  glücklichen 
Vollendung  1844.  Der  zuerst  geplante  Entwurf,  ein  auf  hohem  Sockel  aufragender 
Tempel  auf  der  vor  dem  Untermainquai  liegenden  Maininsel,  wird  nach  dem  im 
„Rheinischen  Taschenbuch"  1822  veröffentlichten  Bilde  mitgeteilt.  Goethe  selbst 
zog  die  Aufstellung  im  Zusammenhange  mit  der  damals  neu  geplanten  Bibliothek  vor, 
in  der  später  seine  Statue  von  Marchesi  aufgestellt  wurde.  Das  öffentliche  Standbild 
von  Schwanthaler  fand  seine  Aufstellung  jedoch  nicht  auf  dem  Rossmarkt,  wie  es 
bei  M.  stets  falsch  heisst,  sondern  in  der  an  den  Rossmarkt  stossenden  „Allee",  die 
seit  der  Aufstellung  des  Denkmals  den  Namen  „Goetheplatz"  trägt.  Auch  erhielt 
Schwanthaler  nicht  ein  Honorar  von  5000  Gulden:  er  arbeitete  zu  Ehren  Goethes 
und  seiner  Vaterstadt  unentgeltlich.  Die  Summe  von  5000  Gulden  war  vielmehr  ein 
Ehrengeschenk,  von  dem  der  Künstler  sofort  einen  Teil  den  Armen  der  Stadt  spendete. 
Der  Rat  ernannte  ihn  hierauf  zum  Ehrenbürger  der  Stadt.  (JBL.  1892  IV  9a  :  91.)  — 
Viel  weniger  erfreulich  ist  der  weitere  Verlauf  der  Geschichte  des  Wiener  Goethe- 
denkmals, der  sich  zu  einem  Streit  zwischen  Helm  er  und  Tilgner  zuspitzte.  Tilgners 
Entwurf  entsprach  nicht  den  für  den  Wettbewerb  gestellten  äusseren  Bedingungen, 
wurde  vom  Komitee  daher  zurückgewiesen,  und  der  nun  einzige  Bewerber  Helmer 
erhielt  den  Preis  und  den  Auftrag.  Die  Bemühungen  für  den  einen  oder  den  anderen 
Künstler  führten  zu  Agitationen  und  Gehässigkeiten,  die  die  Interessenten  in  den 
unten  genannten  Blättern  weiter  verfolgen  können12"16).  Inzwischen  macht  Helmers 
Arbeit  Fortschritte:  er  hat  das  Modell  in  etwas  mehr  als  iji  Lebensgrösse  ge- 
arbeitet17). —  Ulrike  von  Levetzow  hat  ein  aus  dem  J.  1822  oder  1823  herrührendes 
feingemaltes  Miniaturporträt  von  sich  dem  Grossherzog  von  Sachsen  zugeschickt,  der 
dies  ebenso  anmutige  wie  wertvolle  Geschenk  dem  Goethe-Nationalmuseum  über- 
wiesen hat,  worüber  Geiger  18)  berichtet.  — 

Von  den  Erinnerungsstätten  ist  das  Goethehaus  zu  Frankfurt  in  dem  Jahre, 
über  welches  die  Goethehaus-Kommission  berichtet19)  (Okt.  1892— Okt.  93)  weiter 
sorgfältig  erhalten  worden.  Es  hat  eine  bedeutende  Entlastung  dadurch  gefunden, 
dass  mit  Unterstützung  der  städtischen  Behörden  in  unmittelbarer  Nähe  ausgedehnte 
Räumlichkeiten  gemietet  und  auf  lange  Zeit  hinaus  gesichert  werden  konnten,  in  die 
die  Geschäfts-  und  die  Sitzungsräume  verlegt  wurden :  Lesezimmer,  Sitzungszimmer 
für  die  Verwaltung,  Sitzungszimmer  für  die  Fachabteilungen.  Eine  endgültige  Ent- 
lastung kann  jedoch  erst  gewonnen  werden,  wenn  auch  die  Bibliothek  des  Hochstiftes 
aus  dem  Goethehause  entfernt  werden  kann:  zu  diesem  Zwecke  soll  auf  dem  an  das 
Goethehaus  anstossenden,  vom  Hochstift  mit  Unterstützung  der  städtischen  Behörde 
gekauften  Grundstück  ein  Bibliotheksgebäude  errichtet  werden.  Für  den  Neubau  ist 
bereits  ein  sechstes  Projekt  ausgearbeitet  worden.  —  Am  18.  Okt.  1814  fuhr  Goethe 
mit  Herrn  von  Willemer  und  dessen  Frau  Marianne  in  das  Weinberghäuschen  auf  dem 
Hühnerweg  in  Sachsenhausen.  Von  dem  Balkon  aus  sah  Goethe  die  zum  ersten  Male 
auf  den  Höhen  des  Taunus  aufflammenden  Feuerzeichen  des  Befreiungsfestes.  Dies 
Häuschen  mit  seinem  vieleckigen  Türmchen,  dem  Zimmer  und  dem  Balkon  in  Ver- 
bindung mit  der  Nachbildung  eines  Porträts  der  Marianne  hat  Hermann  Junker  ge- 
zeichnet und  veröffentlicht20):  es  ist  die  Hoffnung  da,  dass  diese  Erinnerungsstätte 
erhalten  bleibt.  —  Das  Goethehaus  zu  Weimar,  das  Goethe-Nationalmuseum,  hat 
nach  Rulands21)  Bericht  wertvolle  Geschenke  zu  verzeichnen:  das  schon  genannte 
Miniaturbild  Ulrikens  von  Levetzow  (s.  o.  N.  18)  und  Landschaften  von  Goethes  Hand, 
ein  Geschenk  des  Freiherrn  von  Egloffstein  auf  Beucha;  ferner  eine  von  Hermann 
Junker  gemalte  treffliche  Kopie  des  Collinsschen  Bildes  Goethes  im  Goethehaus  zu 
Frankfurt  (JBL.  1893  IV  8a  :  1/3).  Von  der  Goethegesellschaft  wurden  dem  Museum 
geschenkt  ein  Gipsabguss  der  Rumpfschen  Goethebüste  (s.  o.  N.  1)  sowie  sechs  für 
Medaillen  bestimmte  Zeichnungen  des  Medailleurs  F.  H.  Brandt  (1826)  von  Goethe, 
Karl  August  und  der  Herzogin  Luise.22)  —  Haar  haus23)  setzt  seine  Reiseskizzen, 
mit  denen  er  Goethes  Spuren  in  Italien  nachgeht,  weiter  fort.  —  Farinelli24)  schildert 
Goethes  Beziehungen  zum  Lago  maggiore,  besonders  stellt  er  die  in  beiden  Teilen 
des  Wilhelm  Meister  auf  diese  Oertlichkeit  bezüglichen  Stellen  zusammen:  Mignons 
Heimat  verlegt  er  dorthin.  — 


stände  kam:  ChWGV.  8,  S.  5-10.  (Vgl.  auch  GJb.  17,  S.  1-13  [JBL.  1896  IV  8a].)  — 12)  XK-  ▼•  Vfincenti],  D.  Goethedenkm.: 
AZg.  N.  160.  (Für  Helmer;  vgl.  dazu  ib.  N.  161,  163.)  —  13)  X  A-  H«,  D-  Konkurrenz  um  d.  Wiener  Goethedenkm.:  FZg. 
N.  148.  (Für  Tilgner;  vgl.  auch  ib.  N.  121,  154/5,  163.)  —  14)  X  H.,  Tilgners  Goethedenkru. :  FrBIW.  N.  143.  —  15)  X  H. 
Wittmann,  Vom  Wiener  Goethedenkm. :  NFPr.  N.  10709.  —  16)  X  Fr.  Stern,  D.  Wiener  Goethedenkm.:  NTBIW.  N.  141.  — 
17)  X  Kunstchr.  S.  313.  —  18)  L.  G[eiger],  Aus  d.  Goethemus.:  FZg.  N.  9.  —  19)  BFDH.  10,  S.  99-100.  —  20)  X 
Gartenlaube  S.  308.  (Dazu  Abbild.  8.  293.)  —  21)  C.  Ruland,  D.  Goethe-Nationalmus.:  JBGoetheGes.  (=  GJb.  15,  Anh.)  9, 
S.  12/3.  —  22)  X  FZK-  N.  197.  —  23)  J.  R.  Haarhaus,  Auf  Goethes  Spuren  in  Italien:  LZg«  N.  7,  25,  32,  40,  56,  02,  66, 
68,  84,  93,  104,  115.    (S.  u.  IV  8b:  29.)    —    24)   A.  Farinelli,   Goethe  e  il  Lago  Maggiore.    Bellinzona,    C.  Colombi.    31  S. 


V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  IV  8a  •.  25-30 

Vereine.  Das  Freie  Deutsche  Hochstift  giebt  in  seinem  10.  JB. 
Rechenschaft  über  seine  allgemeine  Thätigkeit  vom  1.  Okt.  1892  bis  zum  30.  Sept.  1893: 
die  Berichte  aus  der  Akademischen  Abteilung  umfassen  dagegen  die  Zeit  vom  1.  Mai 
1893  bis  zum  30.  April  189425).  Die  satzungsgemäss  zu  feiernden  Festtage  brachten 
an  Goethes  Geburtstag  die  Festrede  von  R.  Steiner:  „Goethes  Naturanschauung  gemäss 
den  neuesten  Veröffentlichungen  des  Goethearchivs"  (s.  u.  N.  51)  und  zu  Schillers 
Geburtstag  die  Festrede  von  Veit  Valentin:  „Das  künstlerische  Hauptproblem  in 
Schillers  Jungfrau  von  Orleans"  (vgl.  IV  9:  151).  Ferner  hielt  O.  Heuer  einen  Vortrag 
zur  Erläuterung  der  Faustausstellung  (JBL.  1893  IV  8a:  44;  II  3:37;  III  3 : 8; 
IV  4:308;  8e:55):  Faust  in  der  Geschichte,  Sage  und  Dichtung  (s.  o.  II  3:42).  Zur 
Erinnerung  an  den  dreissigjährigen  Todestag  Friedrich  Hebbels  hielt  Fritz  Lemmer- 
mayer  einen  Festvortrag:  Friedrich  Hebbel  als  nationaler  Dichter  (JBL.  1895  IV  4), 
der  eine  Ergänzung  in  den  „Litterarischen  Mitteilungen"  durch  Elisabeth  Mentzel  in 
dem  Aufsatz  fand:  „Friedrich  und  Christine  Hebbel.  Mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Briefe  des  Diehters  an  seine  Gattin",  sowie  durch  Mitteilung  von  Phototypien  des 
Ehepaares  nach  den  im  Besitze  des  Hochstiftes  befindlichen  Porträts  von  Rahl. 
Die  „Litterarischen  Mitteilungen"  bringen  ferner  Ausführungen  von  A.  Dietz  über 
Gelegenheitsgedichte  aus  dem  Goethe-Textorschen  Familienkreise:  sie  beginnen  mit 
Dichtungen  des  Stadtsyndikus  Johann  Wolfgang  Textor  aus  den  J.  1691—98: 
„Er  ist  derjenige  Vorfahre  Goethes,  der  dichterische  Veranlagung-  und  Interessen 
gehabt  und  in  dieser  Hinsicht  einigen  Namen  besessen  hat."  „Die  Gedichte  sind 
durchweg  in  Latein  abgefasst  und  zeichnen  sich  durch  eine  wohlthuende  Kürze  aus" 
(JBL.  1893  IV  8a:  32).  Interessant  ist  die  Mitteilung  über  Textors  zweite  Ehe,  durch 
die  er  mit  zahlreichen  bekannten  Adelsgeschlechtern  verschwägert  wurde,  was  für  die 
sociale  Stellung  der  Familie  Textor  von  Bedeutung  ist.  Hervorzuheben  ist  eine  Be- 
grüssung  Johann  Kaspar  Goethes  bei  seiner  Promotion  in  Giessen  (30.  Dec.  1738):  es 
wird  hier  eine  Charakteristik  des  jungen  strebsamen  Gelehrten  gegeben,  die  freund- 
liches Licht  über  die  durch  die  letzten  Lebensjahre  unbillig  verdunkelte  Gestalt  von 
Goethes  Vater  wirft.  Das  Hochzeitsfest  Textor-Moeller  (N.  VIII)  gab  u.  a.  Ver- 
anlassung zu  der  letzten  hier  mitgeteilten  Dichtung  aus  dem  J.  1766,  die  D.  auf  Johann 
Georg  Schlosser  zurückführt:  sie  zeichnet  sich  vor  den  anderen  durch  Selbständigkeit 
der  Auffassung  und  eine  gewisse  Pikanterie  aus.  Den  Schluss  macht  ein  vom  Oheim 
Textor  bei  der  Hochzeit  Schlosser-Cornelia  gewidmetes  Gedicht.  Ferner  giebt  O.  Heuer 
zwei  Aufsätze  zur  Bibliographie  des  Spiesschen  Faustbuches  (s.  o.  I  3  :  154;  II  3:41), 
M.  Ziegert  schildert  Goldsmiths  Landprediger  in  Deutschland  (s.  0.  IV  1  d :  62)  und 
Max  Koch  setzt  seine  Berichte  über  die  neuere  Goethe-  und  Schiilerlitteratur  fort 
(s.  u.  N.  89).  —  Für  die  Goethegesellschaft  berichtet  Ruland26)  über  das  J.  1893, 
den  Verlauf  der  Generalversammlung  mit  ihren  Vorträgen  von  Lorenz  (JBL.  1893 
IV  8a:  91;  8b:17)27)  und  Suphan  über  „Das  Buch  der  Xenien  in  seiner  ursprüng- 
lichen Gestalt  von  1796"  und  die  diese  Gestalt  gebende  Goethegesellschaftsschrift 
für  1893  (JBL.  1893  IV  6:41;  8a  :34a;  8c:  20;  9:56).  R.  berichtet  ferner  über 
den  Stand  der  Gesellschaft,  ihre  Mitgliederzahl  und  finanzielle  Lage,  die  Bibliothek 
der  Goethegesellschaft  und  ihre  Vermehrung  durch  Ankäufe  und  Geschenke.  — 
S  u  p  h  a  n 28)  berichtet  über  das  Goethe-  und  Schiller-Archiv.  Die  Erweiterung  seines 
Inhaltes  über  die  klassische  Zeit  hinaus  wurde  besonders  durch  die  Zuwendung  des 
Restes  von  Hebbels  Nachlass,  der  nun  vollständig  im  Archiv  sich  befindet,  sowie  durch 
hinzugekommene  Hss.  Immermanns  gefördert.  Herdersche  Familienpapiere  und  ein  Teil 
von  Georg  Forsters  Nachlass  wurden  geschenkt.  Aus  der  Sammlung  des  Grafen 
Paar  wurden  55  Nummern  von  dem  Grossherzog  erworben  und  dem  Archiv  zu- 
gewiesen (Hss.  von  Goethe,  Schiller,  Klopstock,  Geliert,  Herder,  Lenz,  Lavater, 
von  Schenkendorf,  Platen,  Chamisso  usw.,  desgleichen  das  Verzeichnis  der  Oeuvres 
poetiques  de  Goethe,  s.  u.  N.  75,  Gedichte  Körners).  Das  Schillerarchiv  erhielt  von 
seinem  Stifter  mehrere  auf  Schloss  Greifenstein  verbliebene  Reste  zugewendet.  Sonstige 
einzelne  Gaben  von  Hss.  sowohl  wie  von  Büchern  und  Drucken  werden  einzeln  auf- 
geführt. —  Als  9.  Band  ihrer  „Schriften"  hat  die  Goethegesellschaft  in  erfreulicher 
Erweiterung  ihrer  Thätigkeit  „Schillers  Demetrius.  Nach  den  Hss.  des  Goethe-  und 
Schillerarchivs  herausgegeben  von  Gustav  Kettner"  veröffentlicht  (s.  u.  IV  9  :  170a)29).  — 
Der  Wiener  Goetheverein  berichtet  über  seine  Thätigkeit  in  seiner  „Chronik":  der 
Streit  über  das  zu  errichtende  Goethedenkmal  und  die  damit  verbundene  und  ge- 
scheiterte Agitation  im  Goetheverein  veranlasste  den  bisherigen  Herausgeber  der 
Chronik,   K.  J.  Schröer30),    seine  Thätigkeit  einzustellen.  —  Der  Zwickauer  Goethe- 


|[M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  492/4.J!  (S.  u.  IV  8b:  30.)  —  25)  Berichte  d.  Freien  Dtsch.  Hochstifts.  Bd.  10.  Frankfurt  a.  M., 
Gebr.  Knaner.  66*  u.  547  S.  M.  6,00.  (Zu  bezieben  durch  d.  Kanzlei  d.  FDH.  Mitglieder  erhalten  d.  „Berichte"  kostenfrei 
zugesendet.)  —  26)  (=  N.  21,  S.  3,7.)  —  27)  X  LCB1.  S.  1001.  —  28)  X  B.  Suphan,  JBGoetheGes.  (=  GJb.  15,  Anh.)  9, 
S.  4,  7-12.  —  29)  X  öeg.  46,  S.  255.  —30)  Chronik  d.  Wiener  Goethever.  Her.  v.  K.  J.  Schröer.  8.  Jahrg.  12  Nummern.  Wien, 

(4)25* 


IV  (Sa:  31-42  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines. 

verein   veröffentlicht  „Mitteilungen",    die   als   Beiblatt   zum  Zwickauer  Tageblatt   er- 
scheinen; Kellner31)  redigiert  sie.  — 

Besondere  Feiern  veranstalteten:  Die  Goethegesellschaft32)  bei  Gelegenheit 
ihrer  Generalversammlung:  es  sprach  Paul  Heyse  über  Goethes  Dramen  in  ihrem 
Verhältnis  zur  heutigen  Bühne  (s.  u.  IV  8e:6)  —  an  sie  schloss  sich  die  von  der 
Weimarer  Künstlerschaft  veranstaltete  Aufführung  von  Goethes  „Fischerin"  in  Tie- 
furt  an33)  — ;  ferner  das  Freie  Deutsche  Hochstift:  es  sprach  an  Goethes  Geburtstag 
E.  Goetze  über  Goethe  und  Hans  Sachs  (s.  u.  IV  8b :  41),  und  an  Schillers  Geburts- 
tag F.  Muncker  über  die  Begründung  des  Freundschaftsbundes  zwischen  Schiller  und 
Goethe  im  Hinblick  auf  die  gleichzeitige  deutsche  Litteratur:  diese  Vorträge  werden 
im  nächsten  Jahrgang  der  Hochstiftsberichte  erscheinen.  —  Bei  einer  Goethefeier  auf 
dem  Brenner  brachte  Weinhold34)  den  Trinkspruch  in  Versen  aus.  —  Der  Wiener 
Goetheverein  beging  feierlich  den  Todestag:  den  Festvortrag  hielt  von  Lützow35) 
über  „Denkmalstatuen  aus  alter  und  neuer  Zeit".  — 

Ein  neues  Goethemuseum  ist  durch  die  Schenkung  B.  Elischers  in 
Budapest  entstanden.  Es  enthält  zunächst  des  Stifters  eigene  wertvolle  Goethe- 
sammlung36). — 

Musik.  Goethes  Verhältnis  zu  Beethoven  behandelt  Koegel37),  indem  er 
Altbekanntes  und  Neues  übersichtlich  zusammenstellt.  Er  legt  dar,  wie  sich  Goethe 
von  Beethovens  Persönlichkeit  abgestossen  fühlen  konnte:  der  tiefere  Grund  liegt 
jedoch  darin,  dass  Goethe  in  der  Geschmacksrichtung,  in  der  er  aufgewachsen  war, 
verblieb  und  die  neue  freie  Entfaltung  der  Musik,  die  sich  von  dem  Wort  löste  und 
ihm  gegenüber  selbständig  auftrat,  als  etwas  Unsympathisches  empfand.  Je  grösser 
und  eigenartiger  sich  Beethoven  entwickelte,  um  so  breiter  ward  diese  Kluft,  so  dass 
Goethe  sich  Beethoven  ganz  entfremdet  fühlte,  und  dieser  auch  keinen  Drang  empfand, 
für  ihn  einzutreten,  wo  es  gegen  sein  Gefühl  ging.  K.  freilich  verwirft  Goethes  un- 
grossmütiges  Schweigen  auf  Beethovens  Widmung  und  Bitte  und  tadelt  es  offen.  In 
seiner  Beurteilung  Goethes,  er  sei  für  die  Musik  von  allen  Künsten  am  wenigsten 
begabt  gewesen,  geht  K.  zu  weit,  da  er  übersieht,  dass  das  Zurückbleiben  Goethes  in 
der  Musik  auf  einem  anderen  Grunde  beruht;  es  entspricht  genau  dem  Zurückbleiben 
Goethes  in  seiner  Beurteilung  von  Werken  der  Bildkunst,  indem  er  seine  Vorliebe 
für  die  schwächliche  Kunst  des  18.  Jh.  den  neuen  Bestrebungen  gegenüber  nie  auf- 
gegeben hat.  —  Was  Beethoven  plante,  Goethes  Faust  mit  Musik  auszustatten,  hat 
bekanntlich  Fürst  Radziwül  ausgeführt:  Goethes  Beziehungen  zu  ihm  stellt  Bock38) 
aus  den  Briefen  Goethes  und  Zelters  zusammen  und  knüpft  daran  eine  selbständige 
Kritik  der  Musik  Radziwills:  „Es  bleibt  Radziwills  unvergängliches  Verdienst,  den 
ersten  kräftigen  Impuls  zur  Darstellung  des  „Faust"  gegeben  und  das  Interesse  eines 
bedeutenden  Kreises  für  unsere  grösste  nationale  Dichtung  geweckt  zu  haben".  — 
Ueber  neuere  Kompositionen  Goethescher  Lieder  von  Hugo  Wolf  urteilt  Schalk39),  es 
sei  diesem  Künstler  „vorbehalten  geblieben,  den  Stil  einer  würdigen  musikalischen 
Behandlung  für  manche  der  erhabensten  Dichtungen  Goethes  aufzufinden":  es  werden 
als  Beispiele  hierfür  besonders  die  Kompositionen  der  Lieder  aus  dem  „Westöstlichen 
Divan",  sodann  von  „Anakreons  Grab",  „Kophtisches  Lied"  und  „Phänomen"  an- 
geführt. —  Eine  Reihe  von  sonstigen  Kompositionen  führt  Geigers40)  Bibliographie 
des  GJb.  auf.  — 

Bildkunst.  Eine  eigene  liebenswürdige  Schöpfung  Goethes  veröffentlicht 
in  guter  Nachbildung  das  GJb.:  die  anmutige  Gestalt  der  auf  einem  Sofa  einge- 
schlafenen  Christiane.    Nähere  Mitteilungen  dazu  giebt  Ruland41).  — 

Eine  sorgfältige  Untersuchung  über  Goethes  Stellung  zur  Religion  giebt 
Filtsch42)  in  der  Neubearbeitung  seiner  1879  in  Zillers  „Jahrbuch  für  wissenschaft- 
liche Pädagogik"  erschienenen  Arbeit,  seiner  Doktordissertation.  Jetzt  zeichnet  er  auf 
Grund  vertiefter  Einsicht  ein  umfassenderes  Bild  der  Entwicklung  Goethes  nach 
religiöser  Richtung.  Soweit  es  sich  um  den  Nachweis  von  Goethes  Christentum 
handelt,  kommt  F.  natürlich  auch  nicht  weiter  als  andere:  wohl  aber  spricht  er  das 
notwendige  Ergebnis  klar  und  scharf  aus:  „Alle  diejenigen,  die  den  Glauben  an  den 

Goethever.  4°.  48  S.  M.  4,00.  |[H.  Grimm:  DLZ.  S.  204/6.] |  —  31)  H.  C.  Kellner,  Mitteilungen  aus  a.  Goethever.  zu 
Zwickau.  (==  Boibl.  z.  Zwickauer  Tagebl.  N.  4/5.)  —  32)  X  °-  Neumann-Hof  er:  BerlTBl.  "N.  246,  252;  L.  Geiger:  ib. 
N.  258;  P.  Sfchlenther]:  VossZg.  N.  236;  L.  St[ettenheim] :  VolksZg.  N.  204;  V.  Valentin:  DWB1.  7,  S.  261/3; 
Alex.  Meyer:  Nation".  11,  S.  513/4;  E.  Zweig:  NFPr.  N.  10699;  M.  Osborn:  Münch  NN.  N.  231,  234.  -  33)X  M.  Hasse,  D. 
Aufführung  v.  Goethes  „Fischerin"  im  Park  zu  Tiefurt:  Gartenlaube  S.  401/2.  —  34)  B.  W[  ein  hold],  D.  Goethefest  auf  d. 
Brenner  1894  d.  28.  Aug.:  ChWGV.  8,  S.  21.  -  35)  X  &•  s-  13-  —  36)  B.  Elischers  Goethes  amml.  in  Budapest:  AZg".  N.  129. 
—  37)  R.  Koegel,  Goethe  u.  Beethoven.  (=  I  2:50,  S.  191-223.)  |[M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  441/2.]|  (S.  u.  IV  8b:  55.)  — 
38)  A.  Bock,  Goethe  u.  Fürst  Radziwill:  AZg". N.  252.  —  39)  J.Schalk,  ChWGV  8,  S.  12, 13/5.  (Vgl.  BayreuthTaschenkal.  1893, 
S.  188.)  —  40)  \h.  Geiger]:  GJb.  15,  S.  361/2.  —  41)  C.  Ruland:  ib.  S.  III-IV.  |[M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  467.JI  —  42) 
Eng.  Filtsch,  Goethes  relig.  Entwickl.  E.  Beitr.  zu  seiner  inneren  Lebensgesch.  Gotha,  Perthes.  VII,  366  S.  M.  5,00. 
|[M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  422/6;  K.  Heinemann:  BLU.  S.  228/9;  R.  M.  Meyer:  Euph.  I,  S.  622/5  (verwerfend);  DEKZB  7, 
S.  21;    J.  Minor:  DLZ.  S.  267/8;    G.  Glogau:  ThLZ.  19,  S.  499-500;    K.  J.  Schröer:   LCB1.  S.  797/8;    KonsMschr.  S.  554/5; 


V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  IV  Sa:43-43a 

Wortlaut  des  zweiten  Glaubensartikels  zum  untrüglichen  und  notwendigen  Merkmal 
des  echten  Christen  machen,  werden  nicht  anders  können  als  zu  thun,  was  Lavater 
von  seinem  Standpunkt  that,  ihm  den  Christennamen  abzusprechen.  Andere,  die 
nicht  darin  das  Entscheidende  sahen,  dass  man  diese  oder  jene  dogmatisch-historische 
Darstellung  des  Christusbildes  oder  diese  oder  jene  dogmatische  Formel  für  den  Aus- 
druck der  absoluten  Wahrheit  halte,  sondern  vielmehr  darin,  dass  man  je  mehr  desto 
besser  den  Geist  Christi  in  sich  trage  und  in  Gesinnung  und  Leben  diejenigen  Züge 
sich  ausprägen  lasse,  in  denen  Christus  selbst  das  Wesen  seiner  Religion  ausgesprochen, 
werden  wahrscheinlich  ganz  anders  urteilen.  Denn  dahin  spitzt  sich  die  Frage  zu, 
ob  der  Glaube  an  ein  geschichtliches  Faktum  oder  eine  dogmatische  Theorie  das 
Anrecht  auf  den  Christennamen  gebe  oder  die  Teilnahme  an  dem  Himmelreich,  das 
Christus  in  Wort  und  Leben  dargestellt  hat".  Man  muss  aber  ausserdem  noch  er- 
kennen, dass  die  Voraussetzung  zu  Goethes  dichterischem  Geiste  gerade  der  Mangel 
einer  einschränkenden  dogmatischen  Annahme  ist,  und  dass  deshalb  die  konfessionelle 
Frage,  die  gewöhnlich,  auch  bei  F.,  in  die  Untersuchung  hineingezogen  wird,  von 
vornherein  ausgeschlossen  bleiben  muss.  Die  Bedeutung  von  F.s  Buch  liegt  daher 
nicht  in  dieser  Erkenntnis,  sondern  nach  einer  anderen  Seite.  Goethes  Leben  ist  so 
reich  und  mannigfaltig,  dass  es  wohl  gerechtfertigt  erscheint,  wenn  eine  einzelne  Seite 
seiner  Entwicklung  herausgegriffen  und  in  ihrer  historischen  Gestaltung  aufgewiesen 
wird.  Ein  solches  „Leben  Goethes"  unter  dem  Gesichtspunkte  der  religiösen  Ent- 
wicklung hat  F.  unter  Heranziehung  reichen  Materials,  besonders  der  Briefe,  der 
Gespräche,  aber  auch  der  W'erke  gegeben.  Er  beurteilt  ferner  die  Werke  nach 
diesem  Gesichtspunkt,  er  zieht  das  praktische  Leben  Goethes  mit  heran.  Er  lässt 
mit  vollem  Bewusstsein  diese  „litterargeschichtlich-biographische  und  die  religiös- 
praktische Betrachtung"  in  den  Vordergrund  treten,  während  die  historisch-theologische, 
die  die  Stellung  Goethes  zu  den  Problemen  und  Systemen  der  Theologie  und  für  die 
kirchlichen  Gemeinschaften  zu  behandeln  hat,  zurücktritt.  Demgemäss  verfolgt  F. 
die  religiöse  Entwicklung  Goethes  nach  den  biographischen  Abschnitten:  1.  Der 
Knabe;  2.  Der  Jüngling;  3.  Theologische  Arbeiten;  4.  In  Sturm  und  Drang;  5.  Das 
erste  Jahrzehnt  in  Weimar;  ti.  Innere  Ausgestaltung  des  Dichters  und  Denkers  unter 
den  Eindrücken  der  italienischen  Reise;  7.  Begreifen  und  Gestalten  im  Bunde  mit 
Schiller;  8.  Not-  und  Kriegsjahre;  9.  Der  Weise  von  Weimar;  10.  Rückblick  und 
Ueberblick.  Das  Urteil  ist  von  dem  Bestreben  nach  ganz  unparteiischer  Gerechtigkeit 
erfüllt.  So  wenig  der  Diener  der  Kirche  sich  scheut,  die  Dinge  bei  dem  Namen  zu 
nennen,  welcher  ihnen  von  streng  kirchlichem  Standpunkt  aus  zukommt,  so  wenig 
lässt  er  sich  von  diesem  dazu  hinreissen,  den  humanen  Standpunkt  der  Beurteilung 
beiseite  zu  setzen :  es  berührt  vielmehr  sehr  wohlthuend,  wie  er  hier  ein  edles  Mass 
hält,  so  dass  seine  Beurteilungsweise  den  Charakter  vornehmer  Gesinnung  trägt.  Es 
erscheint  dies  besonders  bei  Goethes  Beziehungen  zu  den  Frauen.  Bei  der  Beurteilung 
der  Werke  hält  sich  F.  nicht  frei  von  dem  Bestreben,  die  von  ihm  vertretene  Seite 
auch  da  zu  finden,  wo  eine  unbefangene  Betrachtung  nichts  von  ihr  sehen  wird,  so 
wenn  Orestes  in  der  Kraft  des  gläubigen  Gebetes  den  Aufschwung  zum  Himmel  finden 
soll  und  wenn  er  angeblich  im  Bewusstsein,  durch  den  Glauben  gerechtfertigt  zu  sein, 
auf  die  Aneignung  des  „Götterbildes"  verzichtet!  Ebenso  wenig  kann  bei  Faust  die 
Rede  davon  sein,  dass  „dem  Glauben"  die  in  der  That  sich  bewährende  Gesinnung 
gleichgestellt  würde,  und  dass  die  Gnade  dem  Glauben  entgegenkäme:  das  trotz  der 
Verwendung  der  christlich-mythologischen  Gestaltung  des  Purgatoriums  durchaus 
Unkirchliche,  und  zwar  ebensowohl  protestantischer  wie  katholischer  Auffassung 
Widersprechende  der  Goetheschen  Darstellung  ist  dies,  dass  Fausts  Seele  trotz  dem 
gänzlichen  Mangel  des  Glaubens  und  der  guten  Werke  allein  durch  das  sich  immer 
bemühende  Streben  nach  einem  höchsten  Ziele  die  Erlösung  findet.  Viel  freier  und 
zutreffender  urteilt  F.  einzelnen  Aussprüchen  Goethes  gegenüber:  er  sucht  die  Augen- 
blickseingebungen von  dem  Ausdruck  tiefgehender  Ueberzeugung  zu  unterscheiden 
und  weiss  Scherz  und  Ernst  sehr  wohl  zu  trennen.  Der  überall  hervortretenden  Wärme 
in  der  Behandlung  seines  Gegenstandes  fühlt  man  es  wohl  nach,  dass  das  Buch  einer 
eigenen  Lebenserfahrung  entsprungen  ist.  F.  sagt  selbst  darüber:  „Mir  hat  der  grosse 
Dichtergenius  eine  zerschlagene  Welt  wieder  aufbauen  helfen".  Und  doppelt  begreiflich, 
dieser  Thatsache  und  der  praktischen  Thätigkeit  des  Vf.  gegenüber,  ist  sein  Wunsch 
dabei  zu  helfen,  Vorurteile  zu  zerstreuen  und  recht  viele  andere  im  Bestreben  zu 
unterstützen,  „aus  den  Nebeln  des  Zweifels  auf  den  Weg  des  Glaubens  und  zu  der 
einen  Quelle  alles  Heiles,  zu  dem  Heiland  und  seinem  Evangelium,  zurückzugelangen". 
Gar  manchen  wird  Goethe  dafür  als  etwas  seltsamer  Mittelsmann  erscheinen,  und 
gerade  in  diesem  Bestreben  wird  der  Grund  für  viele  Einseitigkeiten  liegen: 
sie  verhindern  nicht,  dass  das  Buch  für  die  Goetheerkenntnis  fördernd  ist.  So  ist 
es     auch    ziemlich    allgemein    anerkannt    worden  43~43bJ.  —  In   starkem   Gegensatz 

DAdelsbl.   S.  392. j |   —  43)  X  K.  Trost,  Goethe  als  Christ:  NorddAZg.  N.  197.  —  43a)  X  Ch-  Schrempf,  Goethe  über  all- 


IV  8a:43b-5i  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines. 

zu  Filtschs  Darstellung-  steht  die  Auffassung  von  Port  ig44).  Nach  ihm  ist  Goethe,  wie 
er  der  Vertreter  des  unbewussten  Geistes  auf  dem  Gebiete  der  Poesie  ist,  auch  der 
Vertreter  eines  „idealen  Katholizismus"  auf  ästhetisch-religiösem  Gebiete.  Ihm  ■  ent- 
spricht die  Schelling-Hegelsche  Philosophie  als  die  spätere  und  darum  reichere  Aus- 
gestaltung des  philosophischen  Urprinzips,  des  Glaubens  an  das  Vorhandensein  einer 
einzigen  Ursubstanz  mit  ihren  Funktionen.  So  ist  Goethe  der  glänzendste  dichterische 
Vertreter  eines  geisterfüllten  Pantheismus:  ob  man  diese  geistige  Grundrichtung 
idealen  Katholizismus  oder  antike  Weltanschauung  oder  Spinozismus44*)  nennt,  das 
ändert  am  Wesen  der  Sache  nur  wenig,  denn  alle  diese  Begriffe  bezeichnen  nur  Unter- 
schiede des  Grades  oder  der  Form.  Es  ist  klar,  dass  ein  solcher  idealer  Katholizismus 
sich  nicht  innerhalb  der  straffen  Organisation  der  specifisch  römischen  Kirche  als 
das  Lebenswerk  eines  grossen  Mannes  durchsetzen  kann:  hieraus  wird  es  begreiflich, 
dass  Goethe  das  römische  Pfaffentum  bald  lächerlich,  bald  abscheulich  findet.  Der 
specifisch  römische  Katholizismus  oder  Ultramontanismus  ist  eine  Verdrehung  des 
Christentums,  mit  der  kein  Friedensschluss,  sondern  nur  ein  geistiger  Kampf  auf 
Leben  und  Tod  geboten  ist.  Allein  Goethes  Stellung  zu  den  einzelnen  kirchlichen 
Bekenntnissen  kommt  hier  erst  in  zweiter  Linie  in  Betracht:  in  erster  Linie  handelt 
es  sich  um  das  unbewusste  Christentum,  von  dessen  religiösem  Grundprinzip  Goethe 
vollständig  durchdrungen  ist;  diese  in  seinen  Werke  hervortretende  Grundanschauung 
ist  daher  nachzuweisen.  P.  erklärt  hierbei  aus  dem  Walten  des  unbewussten  Geistes 
die  Grösse  des  reinen  Schaffens  Goethes,  aber  auch  seine  Schwäche  in  der  Ver- 
himmelung  des  Weibes,  das  seinem  innersten  Wesen  nach  dem  W7alten  des  un- 
bewussten Geistes  näher  steht  als  der  Mann.  So  hat  der  Meister  in  der  Darstellung 
des  weiblichen  Elements  fast  nur  empfindsame  und  willenlose  Männer  geschaffen, 
während  ihm  die  Darstellung  wirklicher  Helden  und  Heldinnen  versagt  geblieben  ist. 
Die  Einzel durchführung  der  Charakteristik  der  wichtigsten  dichterischen  Gestaltungen 
Goethes  beruht  auf  diesen  Voraussetzungen  und  erhält  von  ihnen  ihre  Farbe,  die 
sich  besonders  bei  Iphigenie  und  der  Erscheinung  der  Himmelskönigin  am  Schlüsse 
der  Faustdichtung  kaum  als  echt  erweisen  wird,  so  richtig  der  allgemeine  Grundsatz 
des  Auftretens  gegen  die  ungesunde  und  unwahre  Verhimmelung  des  Weibes 
als  solchen  ist.  —  Ueber  Heinzelmanns  Buch  (JBL  1893  IV  8a  :  72)  berichtet 
Koch45).  — 

Mehrfach  erscheint  das  Bestreben,  Goethes  Anschauung  über  Kunst 
weiteren  Kreisen  verständlich  zu  machen:  so  haben  es  von  Berger46)  und 
Jentsch47)  gethan,  ersterer  im  Anschluss  an  Goethes  Aufsatz  über  „Einfache  Nach- 
ahmung, Manier  und  Stil",  letzterer  durch  Zusammenstellung  von  Sätzen  aus  Bd.  36 
und  38  (Ausgabe  1.  H),  nicht  ohne  Naturalismus  bald  in  richtiger  Bedeutung,  bald 
irrtümlich  im  Sinne  von  Realismus  zu  gebrauchen.48)  — 

Naturwissenschaft.  Als  Botaniker  wird  Goethe  von  Kronfeld  49)  gewürdigt, 
der  von  dem  Satz  ausgeht,  dass  Goethes  Name  in  der  Geschichte  der  Botanik  stets 
dankbar  genannt  werden  wird.  Er  schildert  im  Anschluss  an  Goethes  Aufsatz  „Geschichte 
meines  botanischen  Studiums",  wie  der  Entwicklungsgang  des  genialen  Forschers 
in  einem  speciellen  Wissensgebiet  sich  vollzog,  wie  er  zur  Erkenntnis  der  Um- 
wandlung des  Blattes  zu  Organen  eigenartiger  Beschaffenheit  und  Verrichtung,  d.  h. 
zur  Lehre  von  der  Metamorphose  kam.  Da  Goethe  von  den  Arten  der  Metamorphose, 
der  regelmässigen  oder  fortschreitenden,  der  unregelmässigen  oder  rückschreitenden, 
und  endlich  der  zufälligen  oder  monströsen,  dieser  letzteren  nicht  weiter  gedenkt,  so 
bespricht  K.  diese  in  erster  Linie.  Mit  Entschiedenheit  wendet  er  sich  gegen  die 
Erörterungen  spekulativer  Natur  und  schliesst  sich  dem  Urteil  von  Julius  Sachs  an, 
damit  sei  man  in  die  tiefsten  Tiefen  der  Mystik  geführt.  K.  weist  es  zurück,  dass 
Goethe  für  den  Entdecker  der  Thatsachen  gehalten  werden  dürfe,  dass  Coniferen- 
keimlinge  trotz  Abschluss  des  Lichtes  ergrünen  können,  erklärt  aber  Goethe  als  Vor- 
läufer Darwins  in  der  Erkenntnis,  dass  es  insektenfressende  Pflanzen  giebt.50)  — 
Steiner51)  dagegen  findet  die  Grösse  Goethes  auf  dem  Gebiete  der  Naturwissenschaft 
gerade  darin,  dass  seine  naturwissenschaftlichen  Ideen  von  philosophischem  Geiste 
getragen  sind :  Goethe  konnte  seiner  Natur  nach  weder  einseitig  Philosoph  noch 
einseitig  Beobachter  sein.     Aber  gerade  dadurch,  dass  Goethe  diese  beiden  Seiten  in 


zustrenge  Religionsmoral:  Wahrheit  2,  S.  107-11.  —  43b)XGoethe  u.  d.  Juden:  DSocBll.  N.  299.  —  44)  G.  Portig,  Schiller 
in  seinem  Verhältnis  z.  Freundschaft  u.  Liehe  sowie  in  seinem  Verhältnis  zu  Goethe.  Hamburg  u.  L.,  Voss.  XVI,  775  S. 
M.  14,00.  |[M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  413-22;  Eug.  Wolff:  HamhCorr.  N.  377,  410.]|  (S.  u.  IV  8b  :  33;  9:4.)  —  44a)  X  W. 
Dilthey,  Aus  d.  Zeit  d.  Spinozastudien  Goethes:  AGPhilos.  7,  S.  317-41.  —  45)  M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  2589.  —  46)  A. 
v.  Berger,  Ueber  Goethes  Ansicht  v.  d.  Kunst:  MontagB.  N.  20.  —  47)  K.  Jentsch,  Goethe  über  d.  Naturalismus  in  d. 
Kunst:  FZg.  N.  291.  —  48)  X  G.  A.  Meyer,  Ueber  Goethes  Kunstschriften.  Vortr.  geh.  in  KunstgeschGes.  Referat:  VossZg. 
N.  510.  —  49)  M.  Kronfeld,  Bei  Mutter  Grün.  Wien,  Martin.  VIII,  124  S.  M.  2,00.  -  50)  X  H.  C.  Kellner,  Goethes 
Dichtung  „D.  Metamorphose  d.  Pflanze":  MGoetheVZwiclcau.  N.  4.  —  51)  R.  Steiner,  Goethes  Naturunschauung  gemäss  d. 
neuesten  Veröffentlichungen    d.  Goethenroh.    Z.    Feier  y.   Goethes   Geburtst.    1893:    BFDH.  10,   S.  1*-18*.    (S.   o.   N.  25.)    — 


V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  IV  8a  :  52-55 

sich  vereinigt,  steht  er  im  Gegensatz  zu  den  heutigen  Physikern :  die  Fragen,  die  die 
moderne  Naturwissenschaft  nicht  beantworten  kann,  sind  genau  jene,  deren  Lösung 
Goethe  in  einer  Weise  unternimmt,  von  der  man  heute  nichts  wissen  will.  St.  weist 
nach,  dass  Goethes  naturwissenschaftliche  Methode  jeder  Kritik  gewachsen  ist,  und 
dass  er  im  Verfolge  seiner  naturphilosophischen  Ideen  eine  Reihe  von  Einzel- 
entdeckungen gemacht  hat,  welche  die  heutige  Wissenschaft,  wenn  auch  in  weiter 
ausgebildeter  Gestalt,  für  wichtige  Teile  der  Naturkenntnis  halten  muss.  Aber  die 
wahre  Bedeutung  Goethes  liegt  nicht  in  diesen  Einzelentdeckungen,  sondern  darin, 
dass  er  durch  seine  Art  die  Dinge  anzusehen,  zu  ganz  neuen  leitenden  Gesichts- 
punkten der  Naturerkenntnis  kam.  Goethe  hat  durch  seine  Anschauungsweise  die 
grosse  Scheidewand  zwischen  lebloser  und  belebter  Natur  vernichtet,  ja  er  hat  die 
Lehre  von  den  Organismen  erst  zum  Range  einer  Wissenschaft  erhoben.  Das  „natur- 
wissenschaftliche Zeitalter"  hat  jedoch  das  Band  zwischen  Erfahrung  und  Philosophie 
zerrissen.  Allein  das  Bedürfnis  nach  einer  philosophischen  Vertiefung  unseres  Wissens 
erhebt  sich  vielfach:  „Möge  man  sich  zur  rechten  Zeit  daran  erinnern,  dass  es  einen 
Weg  von  der  Naturwissenschaft  zur  Philosophie  giebt,  und  dass  dieser  in  Goethes 
Schriften  vorgezeichnet  ist."  Goethe  hat  zwar  nicht  in  zusammenhängender  Weise 
sein  System  dargestellt:  dass  er  aber  ein  solches  gehabt  hat,  liess  sich  schon  früher 
schliessen  und  lässt  sich  jetzt  nachweisen:  die  Bände  6  —  12  der  zweiten  Abteilung 
der  Weimarer  Goetheausgabe  bilden  ein  vollständiges,  systematisch  geordnetes 
Ganzes  von  Goethes  morphologischen  und  allgemein-naturwissenschaftlichen  Ideen.  — 
Von  den  in  dieser  Reihe  noch  fehlenden  Bänden  8,  10  und  12  sind  8  und  10  fertig 
geworden.  Band  8,  von  Kalischer62)  bearbeitet  (unter  redaktioneller  Mitwirkung 
von  B.  Suphan),  enthält  die  zweite  Hälfte  der  Geschichte  der  Farbenlehre  von  der 
sechsten  Abteilung  an  und  entspricht  somit  dem  54.  Band  der  Ausgrabe  1.  H.  Kurze 
Betrachtungen  über  die  in  der  Geschichte  der  Farbenlehre  genannten  Autoren,  die 
bei  der  Bearbeitung  des  Werkes  verwendet  worden  sind,  ohne  dass  sich  der  Wortlaut 
feststellen  Hesse,  sowie  frühere,  mehr  oder  weniger  fragmentarische  Bearbeitungen 
einzelner  Partien  sind  bereits  diesem  Bande  als  Paralipomena  beigegeben  worden, 
um  den  noch  in  Aussicht  stehenden  Band  der  Paralipomena   überhaupt  zu  entlasten. 

—  Band  10,  von  Steiner53)  (unter  Beteiligung  von  B.  Suphan  als  Redaktor) 
bearbeitet,  gehört  mit  Band  9  aufs  engste  zusammen.  In  diesen  wurde  alles  ver- 
wiesen, was  sich  zu  einem  systematischen  Ganzen  zusammenschloss  und  Goethes 
geologische  Anschauungen  im  allgemeinen  charakterisierte;  der  10.  Band  dagegen 
bringt  das,  was  auf  induktivem  Wege  von  Einzelobjekten  gewonnen  worden  ist, 
also  alle  Aufsätze,  in  denen  unmittelbar  auf  Grund  der  Erfahrung  der  Prinzipien 
und  der  Terminologie  der  von  Goethe  im  Gegensatz  zu  dem  Atomismus  vertretene 
Dynamismus  in  der  Geologie  formuliert  wird.  Der  Band  gliedert  sich  in  drei  Haupt- 
teile: 1.  Mineralogische  und  geologische  Grundbegriffe;  2.  Grundgesetze  des  Wirkens 
in  der  unorganischen  Natur  von  der  Krystallisation  angefangen  bis  zur  Bildung- 
ganzer  Gebirgsformen ;  3.  Darstellung-en  über  geologische  Objekte  und  Phänomene 
unter  bestimmten  örtlichen  Verhältnissen.  Das  hierein  sich  nicht  Fügende  ist  anhangs- 
weise in  den  Schluss  des  Bandes  gestellt  worden.  Dahin  gehört  besonders  der  Aufsatz 
über  geologische  Methoden  :  er  zeigt,  wie  Goethe  sich  die  deduktive  und  die  induk- 
tive Methode  einheitlich  in  einer  höheren  Naturansicht  aufgehend  denkt.  Mehr  als  die 
Hälfte  ist  bisher  ungedruckt. 53a)  —  Einen  Ueberblick  über  Goethe  als  Naturforscher 
giebt  Rieh.  M.  Meyer54).  Ergeht  dabei  von  dem  Gedanken  aus,  dass  Goethes  wissen- 
schaftliche Thätigkeit  und  vor  allem  sein  Anteil  an  der  Naturforschung  nur  aus  der 
Erkenntnis  seiner  dichterischen  Eigenart,  seiner  dichterischen  Entwicklung  voll  ver- 
ständlich wird,  und  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dass  wir  in  Goethe,  wohin  er  auch  das 
sonnenhafte  Auge  wende,  immer  den  einen  künstlerisch  anschauenden,  weise  ordnenden, 
tiefsinnig  deutenden  Geist  voll  Liebe  und  Wahrheit  erkennen.  Eine  solche  Be- 
trachtung ist  in  dem  Ganzen  durchaus  berechtigt,  aus  welchem  dieser  Aufsatz  nur 
ein  Teil  ist:  er  gehört  in  R.  M.  Meyers  Goethebiographie  (JBL.  1895  IV  8b)  und 
findet  daher  auch   in  deren  Zusammenhang  seine  Beurteilung  wie  seine  Berechtigung. 

—  Vom  fachmännischen  Standpunkt  aus  giebt  Wünsche55)  einen  guten  Ueberblick 
über  Goethes  naturwissenschaftliche  Thätigkeit,  um  „der  weitverbreiteten  Ansicht  ent- 
gegenzutreten, dass  sich  Goethe  bloss  gelegentlich  und  nebenbei  mit  den  Natur- 
wissenschaften beschäftigt  habe  und  dass  er  seine  naturwissenschaftlichen  Entdeckungen 
nur  glücklichen  Zufällen  verdanke."  Seine  klaren,  vom  Haschen  nach  Geistreichig- 
keiten  freien,  auch  nicht  durch  die  Methode  der  gegenseitigen  Beleuchtung  mit  dem 
Scheine  von  Wissenschaftlichkeit  ausstaffierten,  sondern  auf  wirklicher  Kenntnis  der 
Naturwissenschaft  und  der  Goetheschen  Arbeiten  auf  diesem  Gebiete  beruhenden  Dar- 


52)  (=  N.  66.)    —    53)  (ib.)    —    53a)    X    S.  Günther,    D.  Kammerbühl.     E.  vulkanische    Stnd. :    LJb.  5,    S.  42-61.    —    54) 
B.  M.  Meyer,  Goethe  als  Naturforscher:  Euph.  1,  S.  26-46.  —  55)  0.  Wünsche,   Goethe  als  Naturfreund  n.  Naturforscher. 


IV  Sa  :  56-62  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines. 

legungen  sind  trefflich  geeignet,  den  vom  Vf.  beabsichtigten  Zweck  zu  erreichen.  —  Das 
in  neuerer  Zeit  besonders  beliebte  Thema  von  Goethes  Beziehungen  zur  Elektrizität, 
die  er  als  „Weltseele"  glaubte  ansprechen  zu  können,  ist  von  Baurat  Kareis56)  in 
Wien  behandelt  worden:  Goethe  hat  die  ganze  Entwicklung  dieses  Zweiges  der 
Physik  von  Franklin  bis  Faraday  mit  thätiger  Teilnahme  begleitet.  —  Im  Zusammen- 
hange mit  Goethes  Studium  der  Geologie  stehen  seine  geographischen  Beobachtungen : 
er  hat  seine  Ansichten  über  Länder  und  Völker,  ihre  Vorzüge  und  Mängel  nicht  im 
Zusammenhang  überliefert;  dagegen  finden  sie  sich  an  zerstreuten  Stellen  seiner 
Werke,  in  Briefen  und  mündlichen,  von  anderen  niedergeschriebenen  Aeusserungen 
ausgesprochen.  —  Diese  Stellen  zu  sammeln  und  nach  bestimmten  Gesichtspunkten 
zu  ordnen,  hat  Becker57)  unternommen  und  fleissig  durchgeführt.  Er  geht  von 
der  Beobachtung  der  Länder  und  Völker  aus,  behandelt  sodann  die  Kunst  zu  reisen, 
Goethes  Vorliebe  für  bildliche  Darstellungen  geographischer  Verhältnisse,  seine  Be- 
merkungen zum  geographischen  Unterricht,  über  Entwicklung  und  Herkunft  des 
Menschengeschlechts.  Er  geht  sodann  den  Bemerkungen  Goethes  über  Deutschland 
nach,  die  sehr  ergiebig  sind:  das  deutsche  Volk,  besonders  in  politischer  Hinsicht, 
in  seiner  Neigung,  alles  Ausländische  zu  würdigen,  in  seinen  Kunstleistungen,  in 
seinen  Charakterunterschieden  je  nach  den  landschaftlichen  Verhältnissen,  in  der 
Gliederung  der  Stände,  in  der  äusseren  Erscheinung.  Die  deutsche  Sprache  wird  behandelt, 
sodann  werden  die  einzelnen  Landschaften  und  Städte  charakterisiert,  besonders  das 
Rheinland  mit  Frankfurt,  Kursachsen  mit  Leipzig,  Elsass  mit  Strassburg,  Thüringen 
mit  Weimar  und  Jena,  Norddeutschland  mit  Preussen  und  Berlin,  Schlesien  mit 
Breslau,  Süddeutschland,  besonders  Schwaben  und  Franken,  endlich  Bayern  mit 
München  :  den  Schluss  bildet  Goethes  grossartiger  Ausblick  im  Anschluss  an  den 
Donau-Mainkanal  auf  „den  Durchstich  der  Landenge  von  Panama,  den  Kanal  von 
Suez"  und  zwar  „im  Besitze  der  Engländer."  Eine  solche  Zusammenstellung  bietet 
bequemes  Material :  für  die  Verwendung  wird  freilich  der  Zusammenhang,  in  dem 
die  ausgehobene  Stelle  steht,  zu  beachten  sein.  Jetzt  erscheinen  die  Urteile  als  ab- 
solute, während  sie  vielfach  nur  von  der  Stimmung  des  Augenblicks  eingegeben 
sind  und  mit  Goethes  Willen  nie  anders  als  relativ  gültige  betrachtet  werden  dürften. 
Es  hätte  bereits  hier  bei  der  Zusammenstellung  eine  Sichtung  vorgenommen  werden 
müssen,  um  auch  nur  den  Schein  von  Gleichwertigkeit  zu  vermeiden:  Die  Arbeit 
hätte  dann  den  Charakter  einer  Untersuchung  gewonnen,  während  sie  jetzt  nur  eine 
dankenswerte  Sammlung  ist.  — 

Die  Sprache  Goethes  wird  von  Knauth58)  behandelt,  und  zwar  im  Zu- 
sammenhang mit  seinem  Stil,  so  wie  beide  in  Goethes  Alter  hervortreten.  K.  rechnet 
diese  Epoche  Goethes  etwa  von  der  Mitte  des  J.  1814,  sicher  von  1815  an.  Er  schliesst 
sich  in  der  Anlage  an  Olbrich59)  an  (JBL.  1891  I  8:27;  IV  9a:  115;  1892  IV  8a:  91). 
Er  unterscheidet  in  der  Wortform  Altertümliches  und  Mundartliches;  im  Wortgebrauch 
behandelt  er  Kürze  des  Ausdrucks,  den  freieren  Gebrauch  des  Genetivs  und  des 
Dativs,  die  Freiheit  im  Gebrauch  der  Adjektiva,  besonders  in  der  Komparation,  den 
Gebrauch  des  Verbalsubstantivs  sowie  Wortbildung,  Auflösung  der  Komposita,  Hen- 
diadyoin,  Geminatio,  Wortstellung.  Als  Hauptmerkmale  des  Altersstiles  Goethes  be- 
zeichnet K.  die  epigrammatische  Kürze  des  Ausdrucks  bei  gleichzeitigem  Wachstum 
des  Vorstellungsinhalts,  die  Richtung  auf  die  Sache,  die  Vorliebe  für  das  Unge- 
wöhnliche, die  Aufnahme  neuer  Elemente  aus  der  Antike,  aus  modernen  Sprachen,  aus 
Mundarten,  eine  dem  Geist  der  deutschen  Sprache  mit  geringen  Ausnahmen  entsprechende 
eigene  sprachschöpferische  Thätigkeit  und  endlich  eine  im  Vergleich  mit  den  beiden 
früheren  Epochen  noch  ausgeprägtere  Neigung  zum  Symbolischen  und  Didaktischen. 
In  sehr  erfreulicher  Art  wird  der  Nachweis  geliefert,  dass  nicht  wie  die  landläufige 
und  immer  wieder  nachgesprochene  Auffassung  es  will,  die  Ausdrucksweise  des 
alten  Goethe  auf  Verknöcherung  und  Manieriertheit,  sondern  auf  guten  sachlichen 
Gründen  beruht,  dass  besonders  der  Hinweis  auf  das  Vorwalten  eines  „Typus"  falsch 
ist,  der  Hauptgrund  der  gedrängten  Redeweise  vielmehr  gerade  in  dem  lebhaften 
Bestreben  nach  Individualisierung  liegt :  je  grösser  die  Ideenrichtung,  je  knapper  der 
Raum,  ihn  behaglich  zum  Ausdruck  zu  bringen  ist,  um  so  kürzer  und  anschaulicher 
gestaltet  sich  der  mit  Entschiedenheit  und  klarem  Bewusstsein  zusammengepresste 
Ausdruck.  Besonders  der  Sprache  des  zweiten  Teiles  des  Faust  kommt  die  Dar- 
stellung mit  ihren  Erläuterungen  und  der  Zurückführung  des  Ausdrucks  auf  den 
wahren  Grund  der  Entstehung  sehr  zu  gute.  —  Von  Georg  Schmidts  Clavigo  (JBL. 
1893  IV  8a :  107;  8e:  23)  bezweifelt  Koch60)  der  Ausführung  des  Vf.  gegenüber  mit 
Recht,  ob  gerade  dieses  Werk  sich  zur  Grundlage  einer  grösseren  sprachlichenlUnter- 

Zwickau,  Gebr.  Thost.  30  S.  M.  0,50.T(Sonderabdr.  ans  JBVNaturkZwickan.  1892.)  —  56)  J.  Kar  eis,  Goethe  u.  d.  Elektri- 
zitätslehre: ChWGV.  8,  S.  19.  —  57)  H.  Becker,  Goethe  als  Geograph.  Progr.  d.  Margaretenschule.  Berlin  (Gaertner).  30  S. 
—  "58)  (I  7":  25.)  |[M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  505;  K.  Heinemann:  BLU.  S.  229-30.])  (Preis  M.  1,60.)  —  59)  X  A.  Köster: 
LBlGRlh.  15,  S.  8-10.    —    60)  X<  M-  Koch:jBFDH.  10,  S.  229-30.    —    61)   K.  Heinemann:    BLU.  S.  22.    —   62)  (I  8:27; 


V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  IV  8a:6i-63a 

suchung  eignet:  die  Wahl  möchte  indessen  schon  berechtigt  sein,  wenn  die  Untersuchung 
nur  von  dem  richtigen  Gesichtspunkt  aus  durchgeführt  worden  wäre.  —  Heinemann61) 
erklärt  sich  mit  Entschiedenheit  gegen  die  von  Schmidt  angewandte  Behandlung,  die 
geeignet  sei,  „die  Goethephilologie  in  Verruf  zu  bringen.'1  —  Die  Frage  nach  der 
metrischen  Gestaltung  der  Sprache  Goethes,  soweit  es  sich  um  die  Anwendung*  antiker 
Metren,  besonders  des  Trimeters,  handelt,  nimmt  Nie  jähr62)  auf,  zunächst  ohne  Harnacks 
Untersuchung*  (JBL.  1892  IV  8a:  99;  8e:3)  zu  kennen  und  zugleich  mit  anderer 
Begründung.  Harnack  suchte  die  Umgestaltung  des  Trimeters,  besonders  in  der 
Helenadichtung,  aus  dem  bewussten  Bestreben  nach  grösserer  Abwechselung  zu  er- 
klären, wozu  Valentin  den  weiteren  Grund  hinzufügte,  dass  es  sich  nach  der  sprach- 
lichen Seite  hin  wesentlich  um  Entfernung  unbetonter  Silben  aus  Stellen  des  Vers- 
tones handelt.  N.  findet  die  Begründung  in  dem  mit  vollem  Bewusstsein  verfolgten 
Bestreben,  dem  antiken  Vorbild  ganz  zu  folgen.  In  der  Wirkimg  fallen  diese  Be- 
strebungen zusammen,  so  dass  die  Frage  bleibt,  ob  die  beiden  ersten  Gründe  in  dem 
Anschluss  an  die  Antike  das  Mittel  gefunden  haben,  oder  ob  der  Anschluss  an  die 
Antike  der  Ausgangspunkt  war,  der  alsdann  befreiend  auf  die  Sprache  und  die  Form 
gewirkt  hätte.  Das  jedenfalls  thatsächlich  vorhandene  Wachstum  des  Anschlusses 
an  die  Antike  weist  N.  sehr  eingehend  nach:  hiernach  schloss  sich  Goethe  zunächst 
an  die  Humboldtsche  Uebersetzung  des  Aeschylos  an,  nahm  aber  später  Euripides 
zum  Vorbild.  Wichtig  für  die  Fragte  ist  der  von  N.  mit  vollem  Recht  betonte  Punkt, 
dass  bei  diesen  metrischen  Aenderungen  die  Sprache  selbst  gewonnen  hat.  Wo  dies 
nicht  nachweisbar  zu  sein  scheint,  zieht  N.  einseitig  den  Rhythmus  heran:  hier  hegt 
die  Schwäche  seiner  Begründung.  Wenn  „Seid  mir  gegrüsst,  der  ehrnen  Pforte 
Flügel  ihr"  geändert  wird  in  „Gegrüsset  seid  mh',  der  ehrnen  Pforte  Flügel  ihr", 
so  ist  es  falsch,  hier  nur  eine  grundsätzlich  um  des  Rhythmus  willen  eingetretene 
Aenderung  anzunehmen:  in  der  ersten  Fassung*  steht  „mir"  an  hochbetonter 
Stelle  und  erhält  dadurch  eine  Inhaltsbedeutung  die  ihm  nicht  zukommt,  da  von 
einem  Gegensatz  zu  jemand  anderem  nicht  die  Rede  ist.  Um  diesen  Verstoss  gegen 
den  Sinn  zu  vermeiden,  erfolgt  die  Aenderung  mit  Hilfe  der  inzwischen  kennengelernten 
freieren  Form  des  antiken  Verses,  wodurch  in  erster  Linie  die  Sprache  zu  ihrem  Rechte 
kommt:  sie  muss  die  genau  entsprechende  Trägerin  des  Sinns  sein.  Für  die  Ent- 
wicklung des  Trimeters  bei  Goethe  nimmt  N.  im  Gegensatz  zu  Minor,  der  zwei 
Perioden  aufstellt:  1800 — 8  und  1825  —  30,  richtiger  drei  Perioden  an:  1800—2, 
1807 — 8,  1825 — 30.  —  Gleichfalls  an  die  „Helena"  anschliessend  und  mit  be- 
sonderer Rücksicht  auf  sie  in  den  beiden  Bearbeitungen  giebtVogt63)  seine  metrische 
Untersuchung  über  die  Hebung  des  schwachen  e.  Goethe  hat  sich  von  der  Ver- 
wendung des  unbetonten  e  in  den  Reimen  ganz  frei  gehalten.  Im  reimlosen  Vers- 
ausgang und  im  Versinneren  gestattet  er  sich  die  Hebung  des  schwachen  e  bald 
seltener,  bald  häufiger  und  vermeidet  sogar  den  Hiatus  dabei  nicht  immer,  im  Ver- 
sende geht  er  von  dem  freieren  Gebrauch  in  der  Iphigenie  zum  strengeren  im 
Tasso  und  in  der  Umarbeitung*  der  Claudine  von  Villabella  fort  und  wird  wieder 
freier  in  der  Natürlichen  Tochter;  in  der  Bearbeitung  von  Shakespeares  Romeo  und 
Julia  nähert  er  sich  wieder  der  Behandlung  im  Tasso.  Im  Trimeter  gestattet  er  sich 
unbedenklich  die  Hebung  des  unbetonten  e  in  der  ersten  Fassung  der  Helena,  be- 
seitigt sie  aber  bei  der  Umarbeitung,  die  darauf  ausging,  die  betonten  e  aus  dem 
Versinnern  zu  entfernen,  während  sie  ihn  am  Versende  nicht  stören.  Die  grosse 
Zahl  der  Aenderungen  bringt  V.  geradezu  zu  der  Annahme,  die  Beseitigung  des  be- 
tonten schwachen  e  sei  für  Goethe  der  eigentliche  Anlass  zu  der  Umarbeitung  der  ersten 
Gestalt  der  Helena  gewesen.  Daneben  weist  V.  darauf  hin,  dass  diese  metrische  Umge- 
staltung durch  allmähliche  strengere  Regelung  seines  Trimeters,  durch  die  Beschränkung 
der  betonten  Kürzen  auf  das  Versende,  durch  ihre  Vermeidung  im  Versinneren  durch 
Einmischung  von  Anapästen  die  Folge  einer  bewussten  Annäherung  an  das  antike  Vorbild 
gewesen  sei  und  mit  einer  stärker  antikisierenden  Färbung  des  Stiles  Hand  in  Hand  geht. 
Jedenfalls  zeigt  sich  in  der  von  V.  angestellten  Untersuchung,  wie  Goethe  sich  sicher  von 
seinem  feinen  Formgefühl  leiten  lassen  konnte  und  wie  er,  ohne  die  historische 
Entwicklung  theoretisch  zu  beherrschen  oder  auch  nur  zu  kennen,  doch  den  richtigen 
Weg  einschlug,  der  sich  objektiv  als  das  Ende  einer  langen,  von  V.  bis  auf  Otfried 
zurückgeführten  Entwicklung  darstellt.  —  Henkel 63a)  verfolgt  die  rednerischen 
Mittel,  die  Goethe  für  seine  satirischen  Zwecke  verwendete:  Den  Witz,  der  sich  in 
Wort  und  Bild  vollzieht,  die  Parodie  und  die  Travestie,  die  Karikatur  und  die  Ironie. 
In  der  Einzelcharakterisierung  hebt  er  das  Entscheidende  an  Beispielen  aus  Goethes 
Dichtungen  hervor.  Zum  Schlüsse  weist  er  darauf  hin,  wie  Goethe  seinen  Spott 
nicht  nur  gegen  andere  gerichtet  hat,  sondern  auch  gegen  sich  selbst:  es  wurde  ihm 
dies  möglich  „durch  die  herrliche  Gabe  des  Humors,  der  uns  über   die  Gegenstände 


IV  8e:124;  bes.  S.  93-103.)  —    63)   (I  8:23.)     |[M.  Koch:   BFDH.  10,   S.  506.11    —    63a)    H.    Henkel,    Goethe   als   satir.- 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (4)26 


IV  8a  :  64-72  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines. 

erhebt  und  die  Welt  der  Verirrungen  und  der  Verwirrungen  (auch  der  eigenen)  mit 
leidenschaftsloser  Heiterkeit  betrachten  lässt":  nur  wo  das  Ungeheure  ihm  gegenüber 
stand,  wie  bei  der  französischen  Revolution,  oder  wo  es  einen  schonungslosen  Ver- 
nichtungszug galt,  wie  im  Xenienkampf,  fand  der  Humor  keinen  Raum,  sich  zu  ent- 
falten. Wo  es  aber  möglich  war,  auch  dem  Gemeinen  und  Hässlichen  eine  dem  Auge 
wohlthuende  Beleuchtung  zu  geben,  da  waltet  bei  ihm  der  Geist  des  echten  Humors.  — 
Eine  energische  Aeusserung  gegen  die  übertriebene  Ablehnung  von  Fremdwörtern, 
den  „pedantischen  Purismus,  der  auch  den  Ersatz  sucht,  wo  wir  umschreiben  müssen, 
während  der  Nachbar  ein  entscheidendes  Wort  hat,"  findet  sich  in  den  von  Suphan64) 
aus  den  Schätzen  des  Archivs  veröffentlichten  Gedankenspänen  Goethes.  — 

Auch  als  Begründer  der  Graphologie  wird  Goethe  bezeichnet:  Preyer65) 
erkennt  zwar  an,  dass  „sein  aus  der  Hs.  geschöpftes  Urteil  über  den  Charakter  eines 
Menschen  ihn  selten  getäuscht"  habe,  aber  Goethe  hat  kein  System,  keine  Methode 
aufgestellt.   — 

Goethes  Werke  in  der  Weimarer  Ausgabe  sind  um  neun  Bände  weiter- 
geschritten66),  von  denen  vier  auf  die  I.  Abteilung,  zwei  auf  die  IL  Abteilung  (Natur- 
wissenschaft), einer  auf  Abteilung  III  (Tagebücher)  und  zwei  auf  Abteilung  IV  (Briefe) 
fallen.  —  Zu  den  Tag-  und  Jahresheften  erscheinen  Erläuterungen,  die  von 
W.  von  Biedermann67)  in  der  ihm  eigenen  sorgfältigen,  von  specialsten  Kennt- 
nissen unterstützten  W'eise  ausgeführt  werden.  Sie  schliessen  sich  zunächst  an  die 
Weimarer  Ausgabe  an:  vier  Specialregister  ermöglichen  es  jedoch,  dass  sie  zu  sämt- 
lichen Ausgaben  von  Goethes  Werken  benutzt  werden  können.  Die  das  Buch  nach 
allen  Richtungen  hin  brauchbar  machenden  sonstigen  Register  geben  die  Absätze 
der  Tag-  und  Jahreshefte  nach  ihrer  Jahres-Zusammengehörigkeit,  Goethes  Dichtungen, 
Schriften  und  dergleichen  in  den  Tag-  und  Jahresheften  und  biographischen  Einzel- 
heiten, Sachregister,  geographisches  Register,  Personenregister  (mit  biographischen 
Erläuterungen),  Uebersicht  der  Absätze  der  Tag-  und  Jahreshefte  nach  den  Folge- 
nummern, den  Seiten  und  Zeilen  der  Weimarer  Ausgabe  sowie  den  Anfangsworten. 
—  Auch  die  anderen  Ausgaben  von  Goethes  W'erk  sind  fortgesetzt  worden:  Düntzer 
und  Steiner68),  Goedeke69),  ebenso  die  illustrierte  Ausgabe  von  Düntzer70),  sowie 
die  ausgewählten  Werke  in  acht  Bänden71).  —  Von  einer  älteren  Ausgabe  der  Werke: 
„Goethes  Werke.  Original-Ausgabe.  Wien  1816.  Bey  Chr.  Kaulfuss  und  C.  Arm- 
bruster (von  Band  19  an:  In  Carl  Armbrusters  Buchhandlung.)  Stuttgart.  In  der 
J.  G.  Cottaschen  Buchhandlung.  Gedruckt  bei  Anton  Strauss",  die  bisher  so  wenig* 
Geltung  hatte,  dass  der  Redaktor  der  „Wahlverwandtschaften"  in  der  Weimarer 
Ausgabe  den  Herausgeber  M.  von  Waldberg  veranlasste,  die  Lesarten  dieser  Ausgabe 
nicht  zu  berücksichtigen,  hat  Seuffert72)  selbst  nachträglich  den  Wert  erkannt  und 
dies  öffentlich  erklärt  und  berichtigt.  S.  legt  das  Verhältnis  dieser  Ausgabe  zu  der 
Cottaschen  in  der  Weise  dar,  dass  er  zu  dem  Schlüsse  kommt,  beide  Ausgaben 
müssten    auf  derselben  Druckvorlaare    beruhen.     S.    verwendet    diese  Erkenntnis  in 


humorist.  Dichter:  ZVLR.  7,  S.  206-15.  —  64)  B.  Suphan,  Gedankenspäne.  V.  Goethe:  GJb.  15,  S.  8-17.  (Bes.  S.  10.)  — 
65)  (I  3:40.)  —  66)  Goethes  Werke.  Her.  im  Auftr.  d.  Grossherzogin  Sophie  v.  Sachsen.  Weimar,  Böhlau.  I.  Abt.,  13. Bd., 
l.Abt.  Paläophron  u.  Neoterpe,  Vorspiel  1807:  Was  wir  bringen,  B3rliner  Prolog  1821;  Nachspiel  zu  Ifflands  Hagestolzen  usw.; 
Theaterreden;  Götz  v.  Berlichingen,  für  d.  Bühne  bearb.  Her.  v.  R.  M.  Werner,  A.  Fresenius,  J.  Wähle,  W.  Creizenach, 
A.  Sauer.  Redaktor:  B.  Suphan.  III,  360  S.  M.  2,80.  (S.  u.  IV  8e:  1;  Lesarten  folgen  erst  im  13.  Bd.,  2.  Abt.);  16.  Bd. 
Prolog  z.  Puppenspiel,  Jahrmarktsfest,  D.  Neueste  v.  Plundersweilern,  Epimenides  her.  v.  W.  Fielitz;  Pater  Brey,  Satyros 
her.  v.  R.  Heinzel;  Bahrdt,  Parabeln,  Legenden,  H.  Sachsens  poet.  Sendung  her.  v.  G.  Roethe;  Mieding,  Künstlers  Erden- 
wallen u.  Apotheose  her.  v.  D.  Jacobi;  Epilog  z.  Glocke,  Maskenzug  1818  her.  v.  Edw.  Schröder  u.  J.  Wähle;  Karls- 
bader Gedichte  her.  v.  R.  M.  Werner;  Requiem  her.  v.  J.  Wähle;  Anhang:  Schillers  Todtenfeyer,  Cantate  z.  Reformations- 
jubiläum her.  v.  B.  Suphan.  Redaktor:  Erich  Schmidt.  111,579  S.  mit  1  Lichtdruckbild.  M.  4,50.  (S.  u.  IV8c:4; 
8e:2);  17.  Bd.  D.  Triumph  d.  Empfindsamkeit  her.  v.  M.  Roediger;  D.  Vögel  her.  v.  W.  Arndt;  D.  Gross-Kophta,  D. 
Bürgergeneral  her.  v.  E.  Elster.  Redaktor:  C.  Redlich.  III,  400  S.  M.  3,00.  (S.  u.  IV  8e:3);  24.  Bd.  Wilhelm  Meisters 
Wanderjahre.  1.  T.  Her.  v.  E.Joseph.  Redaktor:  C.  Redlich.  IV,  380  S.  M.  3,00.  (S.  u.  IV  8d  :  1);  IL  Abt.  Natur- 
wissensch.  Schriften.  4.  Bd.  Z.  Farbenlehre.  Hist.  T.  n.  Her.  v.  S.  Kali  scher.  VIII,  512  S.  Mit  17  Bildertaf.  M.  6,30. 
(3.  o.  N.  52);  10.  Bd.  Mineralogie  u.  Geologie.  2.  T.  Her.  v.  R.  Steiner.  VIII,  282  S.  M.  3,00.  (S.  o.  N.  53);  III.  Abt. 
Tagebücher.  6.  Bd.  1817—18.  Her.  v.  F.  Heitmüller  u.  J.  Wähle.  VI,  322  S.  u.  Anhang  (Nachtr.  zu  III.  Abt.,  2.  Bd., 
S.  314.  [Tagebuch  1800]  4  S.)  M.  3,40.  (S.  u.  IV  8b  :  1);  IV.  Abt.  Briefe.  15.  Bd.  1800-1801.  Her.  v.  E.  v.  d.  Hellen. 
XIII,  369  S.  M.  4,00;  16.  Bd.  1802-1803.  Her.  v.  E.  v.  d.  Hellen.  XIV,  500  S.  M.  5,20.  (S.  u.  IV  8b  :  2.)  |[K.  Heine- 
mann: BLU-  S.  230/1  (über  I.  Abt.,  5.  Bd.;  II,  11;  III,  5;  IV,  13/4),  S.  725/6  (über  I,  16/7;  II,  4,  10;  IV,  15);  L.  Geiger: 
AZg».  N.  22/3  (über  Briefe  u.  Tageb.);  M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  481  (über  Briefe),  S.  4S3/5  (über  naturwissensch.  Schriften); 
H.  Düntzer:  ZDPh.  26,  S.  255-64,  431  (über  I  4,  11/2,  20,  35;  IV,  10/1);  PrJbb.  75,  S.  529-32;  A.  Bielschowsky:  ML.  63, 
S.  1013;  NedSpect.  S.  385/6.]|  —  67)  W.  v.  Biedermann,  Erläuterungen  zu  d.  Tag-  u.  Jahresheften  v.  Goethe.  (=  Er- 
läuterungen zu  Goethes  Werken  Bd.  35/6.)  L.,  F.  W.  v.  Biedermann.  VIII,  365  S.  M.  5,00.  |[M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  475  6 ; 
K.  Heinemann:  BLU.  S.  231.]|  —  68)  Goethes  Werke.  Her.  v.  H.  Düntzer  u.  R.  Steiner.  17.-20.  T.:  Wahrheit  u. 
Dichtung,  1.-4.  T.;  36.  T.:  Gesch.  d.  Farbenlehre.  (=  DNL.  Lfg.  826/7,  830/2,  837,9.)  St.,  Union.  XLV1II,  264  S.;  312,  331, 
128  S.;  S.  1-240.  ä  Lfg.  M.  0,50.  |[M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  476/7;  Kunstgewerbebl.  5,  S.  10  (über  T.  28:  Benvenuto  Cellini).J| 
(S.  u.  IV  8b:  23.)  —  69)  K.  Goedeke,  Goethes  sämtl.  Werke  in  36  Bdn.  Mit  Einl.  Bd.  10/8.  St.,  Cotta.  XVI,  478  S.; 
XII,  343  S.;  XV,  350  S.;  XII,  379  S.;  IV,  135  S.;  IV,  363  S.;  XVI,  305  S.;  XVII,  367  S.;  VI,  460  S.  a  Bd.  M.  1,10.  |[DRs.  80, 
S.  159;  81,  S.  476;  LCB1.  S.  407.] |  —  70)  H.  Düntzer,  Goethes  Werke.  111.  v.  ersten  dtsch.  Künstlern  (in  90  Lfg.).  4.  Aufl. 
Lfg.  7-22.  (1.  Bd.  LH  S.  u.  S.  177-460;  2.  Bd.  S.  1-104  mit  1  Bild  u.  1  Lichtdr.)  St..  Dtsch.  Verl.-Anst.  ä  Lfg.  M.  0,50. 
|[VossZg.  N.  184.JI  —  71)  Goethes  ausgew.  Werke  in  8  Bdn.  L.,  Knaur.  VIII,  439  S.;  VI,  384  S.;  m,381S.;  III,  479  S.;  389  S.; 
III,  428  S.;   III,  367  S.;   446  S.)    -    72)   B.  Seuffert,    Goethes  Erzählung  „D.  guten  Weiber«:  GJb.  15,  S.  148-77.    (S.  bes. 


V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines.  IV  8a  :  "Jä-sä 

seiner  sorgfältigen  philologischen  Untersuchung  über  den  Text  von  Goethes  Erzählung 
„Die  guten  Weiber".  —  Die  Entstehung  dieser  Ausgabe,  die  Herstellung  der  Druck- 
vorlagen, die  für  diese  gestellte  Bedingung,  dass  sie  Ms.  sein  müsse,  wenn  die 
Ausgabe  vor  Nachdruck  in  Oesterreich  geschützt  werden  solle,  die  klugen  Mani- 
pulationen Armbrusters  und  Cottas,  um  zu  diesem  Ziele  zu  gelangen,  schildert  ein 
Aufsatz,  der  sich  auf  die  von  Armbruster  an  Cotta  gerichteten  Briefe  stützt  und  somit 
authentisches  Material  bietet'3).  Die  Schwierigkeiten,  die  im  Kampfe  für  die  Her- 
stellung dieser  Ausgabe  dem  Buchhändler  erwuchsen,  berechtigen  den  Vf.  seinen  Auf- 
satz mit  der  Bemerkung-  zu  schliessen:  Die  Geschichte  der  Wiener  Ausgabe  „reiht  sich 
einer  langen  Kette  von  Befreiungskämpfen  ein,  deren  Früchte  wir  heute  gemessen".  — 

Ueber  die  Goethe  betreffende  Litteratur  des  J.  1893  giebt  Geiger74)  im 
GJb.  eine  umfassende  Uebersicht,  diesmal  noch  mit  häufigen  Inhaltsangaben  oder  kurz 
orientierenden  Urteilen  versehen.  —  Eine  eigene  Aufstellung  seiner  dichterischen 
Werke,  die  Goethe  für  den  Grafen  von  St.  Leu  gemacht  hat,  ist  aus  Privatbesitz 
in  Rom  durch  den  Grossherzog*  von  Sachsen  angekauft  und  dem  Goethearchive 
überwiesen  worden:  Suphan75)  hat  sie  in  g-enauer  Wiedergabe  veröffentlicht.  —  Die 
Beziehungen  Goethes  zu  dem  Bruder  Napoleons,  die  zu  dieser  Aufstellung  geführt 
haben,  hat  Suphan76)  in  einer  besonderen  Abhandlung-  dargestellt.  — 

Goethes  Stellung  in  der  Weltlitteratur  hat  besonders  in  England 
einen  seltsamen  Kampf  zu  kämpfen.  Es  wirken  immer  noch  alte  Vorurteile  nach,  und 
es  scheint  fast,  als  ob  immer  noch  kleinliche  Gesichtspunkte  den  grösseren  Teil  der 
Nation  Goethe  gegenüber  beherrschen.  Einen  deutlichen  Einblick  gewährt  ein  Auf- 
satz von  Sänger77),  den  dieser  im  Anschluss  an  Seeley78)  geschrieben  hat.  Er 
schildert  zunächst  Goethe  in  Carlyles  Auffassung,  dessen  Geist  von  seinen  Lands- 
leuten als  „goethisch"  bezeichnet  wird,  während  ihn  deutsche  Kritiker  als  den 
führenden  Geist  seiner  Volksgenossen  ansehen.  Nach  Carlyle  erscheint  Goethe  am 
Ende  seiner  Entwicklung  als  ein  Riesencharakter,  mild,  gütig  und  ruhig  zugleich; 
er  ist  der  Starke  und  Positive,  gegenüber  den  Voltaires  und  Diderots,  die  stets  ver- 
neinen. Dabei  muss  man  von  einzelnen,  namentlich  älteren  ungeduldigen  (nur?)  Be- 
merkungen des  unruhigen  Kopfes  absehen,  da  es  auf  die  Gesamtauffassung  ankommt. 
Von  anderen  englischen  Kritikern  ist  erst  Matthew  Arnold  wieder  wichtig,  der  sich 
jedoch  von  dem  Franzosen  Scherer  beeinflussen  lässt:  S.  urteilt  hier  zu  milde 
(JBL.  1892  IV  8a:  110.).  Goethe  ist  für  Arnold  der  grösste  aller  modernen  Dichter, 
weil  er,  im  Besitze  einer  sehr  beträchtlichen  Anlage  für  Poesie,  zugleich  durch  die 
Weite,  die  Tiefe  und  den  Reichtum  seiner  Kritik  des  Lebens  der  weitgrösste  moderne 
Mensch  ist.  In  dem  Lehrhaften  seiner  Poesie  liegt  der  Wert,  den  sie  als  Poesie 
allein  nicht  hat.  S.  bewundert  Goethe  zwar  als  Künstler  und  als  Weisen:  dennoch 
legt  auch  er  den  Nachdruck  auf  Goethes  Beruf  als  Erzieher  seines  Volkes,  wobei  er 
es  für  notwendig  erachtet,  heute,  mehr  als  sechzig  Jahre  nach  Goethes  Tod,  ihn  von 
dem  Vorwurf  der  Immoralität  und  der  sündigen  Bevorwortung  einer  rein  ästhetischen 
Kultur  zu  säubern.  —  Und  Benn79)  behauptet,  dass  Goethe  die  ersten  Schritte 
keine  Anstrengung  kosten:  sobald  er  sich  aber  bemüht,  die  Erwartungen  der  ersten 
Erfolge  einzulösen,  bricht  er  zusammen.  Clavigo,  Stella,  die  Natürliche  Tochter,  der 
zweite  Ted  des  Faust,  die  „glücklicherweise"  Fragment  gebliebene  Achilleis,  die 
späteren  Abschnitte  von  Wilhelm  Meisters  Lehrjahren,  die  ganzen  Wanderjahre,  die 
Wahlverwandtschaften,  die  missglückte  Farbenlehre  sind  eine  Reihe  von  Nieder- 
lagen nach  der  glänzenden  Reihe  von  Triumphen,  die  der  jugendliche  Dichter  im 
Fluge  eiTungen.  S.  hat  sehr  recht,  wenn  er  nach  diesen  Ausführungen  sein  Urteil 
dahin  zusammenfasst,  dass,  wenn  ein  Bildner  des  englischen  litterarischen  Geschmacks 
von  Goethe  so  sprechen  darf,  der  Geist,  in  dem  Goethe  lebte  und  dichtete,  in  England 
noch  lange  nicht  begriffen  ist.  —  Ein  anderes  Bild  von  Goethes  Schätzung  in  Eng- 
land geben  wenigstens  teilweise  die  Transactions80-81)  der  englischen  Goethe-Society 
(JBL.  1893  IV  8a:  37;  143/8):  hier  sind  es  besonders  die  Mitglieder  deutscher  Ab- 
stammung, die  ein  tieferes  Verständnis  haben  und  vermitteln.  Dass  ein  Bericht- 
erstatter, der  sich  mit  Goethelitteratur  beschäftigt,  erst  aus  einem  englischen  Aufsatz 
der  Transactions  über  Faust  von  der  „Existenz  eines  litterarischen  Kuriosums", 
nämlich  von  Louviers  Sphinx  locuta  est,  erfährt  und  diese  Entdeckung  freudig  mitteilt, 
ist  freilich  selbst  ein  Kuriosum.  —  Eine  gute  Zusammenstellung  neuester  englischer 
Goethelitteratur  hat  Breul82)  gegeben.  —  Eine  Einwirkung  Goethes  auf  Bulwer 
sucht  Goldhan83)   nachzuweisen,   und   zwar  des  WTerther  auf  Bulwers   „Falkland", 

S.  166.)  —  73)  Armbruster  u.  d.  Wiener  Goethe-Ausg. :  AZgB.  N.  17.  —  74)  L.  Geiger,  Bibliographie:  GJb.  15,  S.  313-62.— 
75)  B.  Suphan,  Onvrages  poet.  de  Goethe:  ib.  S.  17/9.  —  76)  id.,  Goethe  u.  d.  Graf  v.  St.  Leu:  ib.  S.  111,6.  |[M.  Koch: 
BFDH.  10,  S.  451,2.];  —  77)  S.  Saenger,  Vom  englischen  Goethe:  FZg.  N.  266.  —  78)  J.  P.  Seeley,  Goethe  reyiewed  after 
sixty  years.  (=  Tauchnitz-Ed.  N.  2964.)  L.,  Tauchnitz.  253  S.  M.  1,60.  |[M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  460,2;  M.  Krummacher: 
EnglSt.  19,  S.  279-81;  Ath.  1,  S.  44;  SaturdayR.  77,  S.  27.]|  —  79)  A.W.  Benn:  Ac.45,  S.  469-70.—  80)  XM-  Krummac  her: 
EnglSt.  S.  279-87;  L.  Geiger:  Nation«.  11,  S.  216.  —  81)  X  Goethe  in  England:  NFPr.  N.  10 605.  -  82)  K.  Bronl,  Z.  Unterr. 
d.  Engländer  in  d.  dtsch.  Spr.  u.  Litt.:   ZDU.  8,   S.  155-72.    —   83)   A.  H.  Goldhan,    Ueber    d.   Einwirkung   d.  Goetheschen 

(4)26* 


IV  8a  =  84-93  V.  Valentin,  Goethe:  Allgemeines. 

Wilhelm  Meisters  besonders  auf  „Ernst  Maltravers".  —  Sinzheimer84)  will  durch 
eine  Analyse  des  persönlichen  und  des  litterarischen  Verhältnisses  zwischen  Goethe  und 
Byron  „in  das  Wesen,  die  Aehnlichkeiten  und  Unähnlichkeiten  ihrer  Dichtung-  und 
Lebensauffassung-  näher  eindringen,  um  gerade  dadurch  den  richtigen  Standpunkt  für 
eine  vergleichende  litteraturgeschichtliche  Skizze  zu  gewinnen,  die  nicht  nur  am  ge- 
gebenen Stoff  haftet,  sondern  auch  die  Entwicklung  der  ganzen  Poesie  der  letzten 
grossen  Epoche  ins  Auge  fasst."  S.  bestreitet  die  Abhängigkeit  des  Manfred  vom 
Faust,  sucht  eine  solche  aber  für  das  Fragment  „the  transformed  deformed"  fest- 
zustellen. Er  sucht  die  erlebten  Grundlagen  im  „Manfred"  nachzuweisen  und  giebt 
einen  Vergleich  zwischen  Erscheinungen  in  Goethes  und  Byrons  Leben,  indem  er  in 
recht  gewagter  Parallelisierung  Goethes  Verhältnis  zu  Frau  von  Stein  mit  dem  Byrons 
zu  der  Gräfin  Guiccioli,  Goethes  Flucht  nach  Italien  mit  Byrons  Abreise  nach 
Griechenland  zusammenstellt.  Daneben  betont  er  aber  auch  den  Gegensatz  der  beiden 
Dichter  in  „Lebensanschauung  und  Poesie."  — 

Auch  in  Frankreich  ist  das  Verständnis  gering,  wie  es  zwei  neuere 
Literaturgeschichten  zeigen,  von  denen  die  erste  einen  Abriss  der  Weltlitteratur 
giebt:  Bouchet85),  und  die  andere  eine  Geschichte  der  deutschen  Litteratur  versucht: 
Parmentier86).  —  In  einem  Vortrag  im  Wiener  Goetheverein  führt  de  Laplane87) 
als  Gründe  dafür,  dass  Goethe  keine  breitere  und  tiefere  Wirkung  in  Frankreich  aus- 
übe, besonders  die  Thatsache  an,  dass  die  Franzosen  als  Menschen  der  That  und  der 
Leidenschaft  solche  Leute  vorzögen,  „qui  ne  revent  pas,  qui  se  disputent,  qui  crient, 
qui  touchent  aux  questions  du  jour  et  qui  se  remuent  perpetuellement",  Leute  wie 
die  Panurge,  Sganarelle,  Gil  Blas,  Figaro;  ferner  störe  die  Franzosen  Goethes 
Pantheismus  und  endlich  behandle  Goethe  für  das  französische  Gefühl  in  seinen 
Dichtungen  die  Frauen  nicht  zart  genug:  seine  wunderbarste  Schöpfung,  das  arme 
Gretchen,  zermalme  Goethe  gar  zu  erbarmungslos;  da  gingen  die  Franzosen  nicht 
mehr  mit.  In  der  That  sei  auf  einem  Provinzialtheater  der  Faust  durch  des  Helden 
Heirat  mit  Gretchen  geschlossen  worden !  —  Wie  Goethe  seinerseits  französische  Ein- 
flüsse in  sich  verarbeitet  hat,  schildert  Bock88),  indem  er  Goethes  Gedanken  über 
Voltaire  zusammenstellt.  Am  entscheidendsten  wirkte  auf  der  deutschen  Bühne 
Goethes  Uebertragung  des  Mahomet  und  dessen  Einstudierung  in  Weimar:  der  Ver- 
deutschung des  Voltaireschen  „Mahomet"  durch  Goethe  gebührt  der  Dank,  dass  seit 
dieser  Zeit  das  Versdrama  auf  der  deutschen  Bühne  wieder  zu  Recht  und  Ehren  ge- 
kommen ist.  — 

Ueber  Goethes  Einwirkungen  auf  Italien  berichtet  ausführlich  Koch89), 
im  Anschluss  an  Bulle90),  dessen  Darstellung  der  italienischen  Litteraturentwicklung 
eine  Grundlage  für  die  Würdigung  von  Goethes  Aufsätzen  und  persönlichen  Be- 
ziehungen in  Italien  bietet:  es  kommen  besonders  die  zu  Monti  und  zu  Manzoni  zur 
Sprache,  sodann  aber  Goethes  Einfluss  auf  Ugo  Foscolos  „Ultime  lettere  di  Jacopo 
Ortis".  —  An  Bulles  Darlegung  hierüber  schliesst  Zschech91)  eine  eingehende  Unter- 
suchung der  ganzen  Sachlage  an,  wobei  die  Angaben  im  GJb.  1887  bei  der  ersten 
Veröffentlichung  von  Ugo  Foscolos  Brief  an  Goethe  sowie  die  von  italienischen 
Forschern  berichtigt  werden.  Z.  weist  als  unmittelbare  Vorlage  Foscolos  Muzzis 
Uebersetzung  der  Wertherie  von  Pierre  Perin  und  eine  französische  Wertherdichtung 
„Lettres  de  deux  amants,  habitants  de  Lyon",  nach,  die  ihrerseits  wieder  zu  Werther 
zurückführen.  — 

Goethes  Beziehungen  zu  Amerika,  wie  sie  in  seinen  Werken  und  den 
Gesprächen  sich  äussern,  bespricht  Koch92).  Von  der  gegenwärtigen  eifrigen  Be- 
schäftigung mit  Goethe  erwähnt  er  die  1894—  95  an  der  University  of  Chicago  gehaltenen 
Vorträge.  — 

Das  Buch  von  Kraus93):  Goethe  und  Böhmen  (JBL  1893  IV  8a:  160)  be- 
urteilt Rosen  bäum  im  Widerspruch  mit  früherer  Kritik:  „Einzig  beachtenswert  ist 
der  Teil  des  letzten  Abschnitts,  der  über  das  Gedicht  'Das  Sträusschen'  handelt"  — : 
geniale  Herstellung  Goethes  neu  bewiesen  durch  Masaryk.  Was  über  Goethes  Be- 
suche in  Böhmen,  seine  dortigen  Freunde  und  Bekannte  gesagt  ist,  geht  nicht  über 
das  hinaus,  was  Hlawacek-Russ,  Pröcke,  Bratranek  usw\  in  deutscher  Sprache  gesagt 
haben.  Der  zweite  Teil  des  Buches  wird  Goethes  Einfluss  auf  die  czechische 
Litteratur  behandeln.  — 


Werthers  u.  Wilhelm  Meisters  auf  d.  Entwicklung  Ed.  Bulwers.  Diss.  Leipzig.  (Halle  a.  S.,  Karras.)  103  S.  |[M.  Koch: 
BFDH.  10,  S.  206/7.J|  (Sonderabdr.  aus  Anglia  16,  S.  267-369;  s.  u.  IV  8d:29.)  —  84)  S.  Sinzheimer,  Goethe  u.  Byron. 
E.  Darstell,  d.  persönl.  n.  litt.  Verhältn.  mit  bes.  Berücksioht.  d.  „Faust"  u.  „Manfred".  Diss.  Heidelberg.  84  S.  (S.  u. 
IV  8b: 61;  8e  :  96.)  —  85)  E.  Bouchet,  Prec.  des  litt,  etrang.  anciennes  et  mod.  (=  Bibl.  d'educat.  et  de  recreat.)  Paris, 
Hetzel  &  Cie.  V,  430  S.  Fr.  7,50.  —  86 )  (IV  1  d  :  3.)  —  87)  V  i  c  o  m  t  e  d  e  L  a  p  1  a  n  e ,  üeber  Goethe.  Vortr.  geh.  im  Wiener  Goethever. 
Referat:  ChWGV.  8,  S.  17/8.  |[TglRs.  N.  85.]|  (Auch  in  NFPr.  abgedr.)  —  88)  A.  Bock,  Goethes  Gedanken  über  Voltaire: 
SchlesZg.  N.  816.  —  89)  M.  Koch,  Neuere  Goethe-  u.  Schillerlitt.  IX.:  BFDH.  10,  S.  413-508.  (S.  bes.  S.  495/7.)  -  90)  O. 
Bulle,  D.  ital.  Einheitsidee  in  ihrer  litt.  Entwicklung  v.  Parini  bis  Manzoni.  B.,  Hüttig.  1893.  XII,  345  S.  M.  6,00.  — 
91)  F.  Zschech,  Ugo  Foscolos  Brief  an  Goethe  (Mailand  15.  Jan.  1802  [vgl.  GJb.  8,  S.  8]).  Progr.  d.  Realschule  am  Eil- 
beckerwege.   Hamburg.    4°.    26  S.    M.  2,50.    (S.  u.  IV  8b:  18.)  —    92)  M.  Koch.    (=  N.  89,  S.  489.)  —  93)  X  R-  Rosen- 


K.  Heinemann,  Goethes  Leben.  IV8a:94-ios    IV8b:i 

In  Japan  wird  jetzt  Goethes  Werther  in  einer  Uebersetzung  von  Professor 
Mari,  der  in  Deutschland  studiert  hat,  gelesen:  das  Buch  hat  den  Titel:  Werther  ken 
Kanashimi.     Der  Absatz  ist  ein  ungewöhnlich  grosser94).  — 

Einen  lang  andauernden  und  in  Absätzen  stark  hervortretenden  Einfluss  des 
Schrifttums  Chinas  auf  Goethe  schildert  von  Biedermann95).  Zunächst  muss  es 
überraschen,  dass  das  ceremoniell  verknöcherte  Chinesentum  auf  den  Dichter  be- 
fruchtend eingewirkt  haben  soll,  dessen  grösste  Wirkung  auf  seine  eigene  Litteratur 
die  Befreiung  von  chinesenhaftem  Regelzwang  gewesen  ist.  Allein  in  China  ruft 
eben  dieser  Zwang  eine  mächtige  Gegenwirkung  hervor:  gerade  das  Durchbrechen 
solcher  Verhältnisse,  die  von  der  Natur  geschaffen  sind,  aber  äusserlich  unterdrückt 
werden,  bildet  einen  Hauptinhalt  der  chinesischen  Dichtung,  und  dieser  Zug  ist  es, 
der  Goethe  gefesselt  und  immer  aufs  neue  wieder  zur  chinesischen  Litteratur  zurück- 
geführt hat.  Nach  B.  hat  Goethe  sogar  wiederholt  Anregungen  zu  Dichtungen  von 
dort  erhalten,  die  er  dann  in  europäische  Verhältnisse  übertragen  hat:  so  sei  es  bei 
Elpenor  gewesen,  so  sei  es  auch  bei  der  Novelle  „Der  Mann  von  fünfzig  Jahren".  B. 
führt  alle  die  Beziehungen  mit  genauem  Nachweise  vor,  desgleichen  die  Dichtungen, 
die  in  unmittelbarem  oder  in  mittelbarem  Zusammenhang  mit  China  stehen :  So  nimmt 
unter  den  weltliterarischen  Beziehungen  Goethes  China  eine  ganz  besonders  hervor- 
ragende Stellung  ein.  Interessant  ist  auch  der  Hinweis  darauf,  dass  die  englische 
Gartenkunst,  die  eine  Befreiung  vom  italienischen  und  vom  französischen  Gartenstil 
brachte,  geschaffen  wurde,  als  die  Schilderungen  chinesischer  Gärten  mit  ihrer  Dar- 
stellung natürlicher  Landschaften  allgemeine  Aufmerksamkeit  erregt  hatten:  Goethe 
macht  sich  in  seinen  Dichtungen  über  die  kindische  Spielerei  der  gekünstelten 
chinesischen  Landschaftsgartenkunst  lustig,  in  der  Wirklichkeit  aber  hielt  er  sich  an 
diese  befreiende  Seite  und  „schuf  im  Park  zu  Weimar  eine  Landschaftsgartenanlage 
grossartigsten  Stiles  im  Geiste  der  chinesischen  Kunst".  — 

Böhms  Untersuchung96)  über  Goethes  Verhältnis  zur  Antike  (JBL. 
1892  IV  8a:  114;  1893  IV  8a:  165),  Bronners97)  „Goethes  römische  Elegien  und  ihre 
Quellen"  (JBL.  1893  IV  8a  :  166)  und  Schreyers98)  „Das  Fortleben  homerischer  Ge- 
stalten" fJBL.  1893  IV  8a  :  564)  werden  weiter  besprochen.  — 

Totenschau.  Von  Verstorbenen,  die  mit  Goethe  durch  ihre  Studien  in 
Beziehung  gestanden  haben  und  denen  Nachrufe  gewidmet  worden  sind,  müssen  ver- 
zeichnet werden:  Helmholtz99'102),  Robert  Keil103),  Graf  von  Schack104),  Philipp 
Spitta105),  Reinhold  Köhler106),  Rudolf  Hildebrand107);  ferner  Otto  Devrient,  Karl 
Köstlin,  Franz  Kern:  über  diese  werden  Nachrufe  für  das  GJb.  vorbereitet.  —  Auch 
einer  trefflichen  Frau  Gedächtnis  soll  hier  aufgezeichnet  werden,  da  sie  in  ihren 
Dichtungen  gern  den  Einfluss  Goethes  auf  sich  wirken  liess:  Louise  Marie  von 
Francois108)  (gest.  1893).  — 


b)  Leben. 

Karl  Heinemann. 

Quellen:  Tagebücher  N.  1.  —  Briefe  Goethes  N.  2.  —  Briefe  an  Goethe  N.  13.  —  Briefe  über  Goethe 
N.  19.  —  Gespräche  N.  22.  —  Autobiographische  Schriften  N.  23.  —  Darstellungen:  Biographien  N.  31.  —  Be- 
ziehungen zu  anderen  Personen:  Franengestalten  H.  34;  Vorfihren  und  Eltern  K.  35;  Hans  Sachs  N.  40;  Schiller  N.  42; 
Friederike  N.  44;  Lili  N.  49;  Frau  von  Stein  N.  50;  Karl  Augnst  N  52;  K.  Matthäi  N.  53;  Magdalena  Pfenninger  N.  54; 
Beethoven  N.  55;  Voss,  H.  Steffens,  Bürger  N.  56:  Kaiserin  Maria  Ludovika  N.  59;  König  Ludwig  von  Holland  (Graf  St.  Leu) 
N.  60;  Byron  N.  61.  —  Aufenthalt  in  Tennstädt  N.  62;  in  Karlsbad  N.  63.  — 

Quellen.  Unter  den  vier  Abteilungen  der  Weimarer  Goetheausgabe  ist 
wohl  keine  mit  so  grosser  Spannung  von  den  Goetheforschern  erwartet  worden  wie 
die  der  Tagebücher.  Und  diese  Erwartung  ist  auch  nicht  getäuscht  worden.  Erst 
jetzt  haben  wir  einen  klaren  und  deutlichen  Einblick  in  die  Entstehung  und  das  all- 
mähliche Heranreifen  vieler  Werke  Goethes  gewonnen,  erst  jetzt  in  seine  bewunderungs- 
würdige, ohne  Ermatten  fortschreitende  grossartige  Thätigkeit,  von  der  er  selbst  in 
einem  jüngst  bekannt  gewordenen  Brief  an  den  Prinzen  August  von  Gotha  vom 
3.  Jan.  1800  sagt:    „Die  vielen  Fäden  der  Wissenschaft,    Künste  nnd  Geschäfte,    die 

bäum:  DLZ.  S.  7756;  LCB1.  S.  124/5.  -  94)  X  FZg.  N.  161.  —  95)  W.  v.  Biedermann,  Goethe  u.  d.  Schrifttum  Chinas: 
ZVLR,  7,  S.  383-401.  —  96)  X  M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  234;  F.  Prosch:  ZOG.  45,  S.  277.  -  97)  X  W.  Koch:  BFDH.  10, 
S.233.  —  98)  X  M.  Koch:  BFDH.  10,  S.234:  H.Morsch:  WSKPh.  11,  S.  1260,1;  LCB1.  S.91.  —  99)  X  W.  König,  Helmholtz: 
FZg.  N.  257.  —  100)  X  Helmholtz:  AZg".  N.  208.  (Vgl.  Helmhollz  u.  Hertz:  ib.  N.  173.)  —  101)  X  Gedächtnisfeier  für  H.  Helm- 
holtz in  Berlin  mit  Festrede  W.  v.  Bezolds:  ib.  N.  290.  -  102)  X  A-  Koch,  Helmholtz  in  Heidelberg:  FZg.  N.  362.  —103)  X 
AZgB.  N.  63.  -  104)  X  FZg.  N.  104.  -  105)  X  AZg«.  N.  89;  FrankfJourn.  N.  177.  -  106)  X  AZg«.  N.  256.  -  107)  X  ib- 
N.  252.  —  108)  X  GJb.  15,  S.  302  3.  - 


IV  8b  :  1-3  K.  Heinemann,  Goethes  Leben. 

ich  in  meinen  früheren  Zeiten  angeknüpft  habe,  laufen  nun  immer  enger  zusammen, 
so  dass  es  meiner  ganzen  Ordnungsgewohnheit  bedarf,  damit  kein  Gewirre  entstehe." 
Wer  immer  das  Goethesche  Leben  in  seinen  Einzelheiten  und  die  Entstehung  seiner 
Werke  verfolgen  will,  wird  stets  zu  den  Tagebüchern  als  der  authentischen  Quelle 
zurückgreifen  müssen,  aber  wer  nicht  als  Forscher,  sondern  als  Freund  und  Verehrer 
an  den  Dichter  herantritt,  dem  wird  die  Lektüre  dieser  kurzen,  oft  einsilbigen  Auf- 
zeichnungen kaum  förderlich,  geschweige  denn  genussreich  sein,  obgleich  die  Heraus- 
geber in  opferfreudiger,  von  eingehendster  Kenntnis  unterstützter  Arbeit  sich  alle 
mögliche  Mühe  gegeben  haben,  diesen  Notizen  auch  für  den  Laien  Leben  ein- 
zuhauchen. Da  nun  unser  Beitrag  sich  weniger  an  die  Goetheforscher  als  an  die 
grosse  Zahl  der  Goethefreunde  wendet,  so  werden  wir  uns  auch  mit  einem  kurzen 
Bericht  zu  begnügen  haben.  Der  in  unserem  Berichtsjahre  erschienene  6.  Band  der 
Tagebücher  umfasst  die  J.  1817 — 18.  Die  Herausgeber  Heitmüller  und  Wähle1) 
haben  sich  in  der  Hauptsache  so  in  die  grosse  Arbeit  geteilt,  dass  der  erstere  den 
Text  bearbeitete,  W.  die  kritischen  und  erläuternden  Angaben  übernahm.  In  dem 
Aeusseren  tritt  mit  dem  21.  März  1817  insofern  eine  Aenderung  ein,  als  die  Ein- 
tragungen nicht  mehr  in  den  Gothaischen  Schreibkalender,  sondern  in  ein  besonderes 
Heft  gemacht  werden,  so  dass  das  Tagebuch  nun  eine  aktenmässige  Gestalt  in  Folio 
erhält,  „auf  der  rechten  Hälfte  der  gebrochenen  Blätter  stehen  die  Akta  und  Er- 
lebnisse des  Tages,  auf  der  linken  die  Expeditionen,  Briefe  usw."  Wir  würden 
dieser  Aenderung  nicht  gedenken,  wenn  uns  nicht  Suphan  versicherte,  dass  sie  nicht 
ohne  Einfluss  auf  den  Inhalt  geblieben  sei.  „Goethe  hat  sich  späterhin  dann  und 
wann  freier  ergangen  in  Bericht  und  Beschreibung  und  seine  Diktate  nehmen  oft 
die  Farbe  des  Persönlichen,  frisch  Erlebten  an."  In  den  Tages-  und  Jahresheften 
von  1817  erzählt  Goethe  von  seinem  Besuche  der  Ruine  in  Paulinzelle  an  seinem 
Geburtstage,  „den  er  immer  gerne  im  Stillen  feierte,"  als  von  einem  besonderen  Er- 
lebnis. Er  begann  damals  ein  Schema  zu  einem  grösseren  Aufsatz  über  Paulinzelle 
zu  schreiben.  Dieses  Schema  hat  sich  in  einer  Kräuterschen  Abschrift  erhalten  und 
ist  von  den  Herausgebern  (auf  S.  300/2)  abgedruckt  worden.  Als  Anhang  ist  ein 
Nachtrag  zu  Band  2,  S.  314  beigegeben  worden,  der  eine  Lücke  des  Tagebuchs  aus- 
füllt. Er  ist  überschrieben:  „1800  Kurzgefasstes  Tagebuch  von  dem  was  bei  des 
Herrn  Professor  Gentz  hiesigem  Aufenthalt  geschehen."  Es  handelt  sich  um  die 
Thätigkeit  des  preussischen  Oberbauinspektors  Gentz  beim  Bau  des  neuen  Schlosses 
in  Weimar.  — 

Die  Ausgabe  der  Briefe  Goethes2)  ist  um  zwei  Bände,  die  die  J.  1800 
bis  1803  umfassen,  gewachsen.  Die  Bedeutung  dieses  Teiles  IV  der  Weimarer  Aus- 
gabe erhellt  schon  aus  der  Thatsache,  dass  von  den  633  in  diesen  beiden  Bänden 
abgedruckten  Briefen  256  zum  ersten  Male  oder  zuerst  in  vollständiger  Weise  ver- 
öffentlicht werden.  Unter  den  an  Goethe  persönlich  nahestehende  Personen  gerichteten 
Briefen  nehmen  wieder  die  an  Christiane  den  ersten  Rang  ein.  Sie  sind  aus  Leipzig, 
Jena,  Göttingen,  Pyrmont  geschrieben  und  zeigen  denselben  herzlichen  Ton,  der  schon 
aus  den  Briefen  der  vorhergehenden  Jahre  bekannt  ist.  Wenn  Christiane  in  Lauch- 
städt  ist,  muss  sie  täglich  an  Goethe  schreiben,  ja  sogar  für  ihn  ein  Tagebuch  über 
alle  Erlebnisse  führen.  Von  der  Zärtlichkeit  der  Beziehungen  zeugt  unter  vielen 
anderen  die  Briefstelle:  „Schicke  mir  mit  nächster  Gelegenheit  Deine  letzten,  neuen 
schon  durchgetanzten  Schuhe,  von  denen  Du  mir  schreibst,  dass  ich  nur  wieder 
etwas  von  Dir  habe  und  an  mein  Herz  drücken  kann."  Von  anderen  Adressaten 
sind  besonders  hervorzuheben:  F.  A.  Wolf,  Hackert,  Sömmering,  der  Arzt  Nikolaus 
Meyer,  der  Freund  Christianens  Rochlitz,  Wolzogen,  Cotta,  Eichstädt,  W.  Schlegel, 
Reichardt,  Niethammer,  Schelling,  Hegel.  Der  Inhalt  der  Briefe  dreht  sich  ausser 
um  Goethes  Werke  besonders  um  das  Theater  in  Weimar  und  Lauchstädt,  den  Schloss- 
bau, die  Preisaufgabe,  geschäftliche  Beziehungen  zu  Cotta,  das  Landgut  Rossla  und 
um  die  Universität  in  Jena  und  die  Jenaische  Litteraturzeitung.  Der  Herausgeber 
von  der  Hellen  sagt  mit  Recht  von  den  Briefen,  die  die  Universität  Jena  angehen: 
„Die  hierauf  bezüglichen  Urkunden  im  Text  wie  in  den  Anmerkungen,  spiegeln  ein 
richtiges  Stück  deutscher  Kulturgeschichte  und  zeigen  einmal  in  einem  besonders 
deutlichen  Falle,  dass  hierin,  über  Goethe  hinaus,  ein  Hauptwert  der  Gesamtausgabe 
seiner  Briefe  liegt."  Bis  nach  Russland,  Frankreich  und  Italien  reichen  die  Fäden 
der  Goetheschen  Beziehungen  und  der  Kreis  seines  Wirkens.  Dem  französischen 
Uebersetzer  von  Hermann  und  Dorothea,  Bitaube  in  Paris,  schreibt  er  folgende  wichtigen 
Worte:  „Wenn  es  rühmlich  für  einen  Schriftsteller  ist  von  fremden  Nationen  gekannt 
zu  sein,  so  ist  es,  dünkt  mich,  noch  ehrenvoller,  von  Männern  geschätzt  zu  werden, 
weiche  die  Muster  kennen,  nach  denen  er  sich  zu  bilden  gesucht  hat.  Sie  haben, 
würdiger  Mann,  mein  Gedicht  der  Uebersetzung  nicht  unwert  geachtet,  nachdem  Sie, 

1)  (IV  8a:  66.)    —   2)  (ib.)    —   3)   Goethes   Briefe.    Mit  Einl.    u.    erklär.  Anra.  her.  v.  A.  Voigt.    Lfg.  1-6.     L., 


K.  Heinemann,  Goethes  Leben.  IV  8b-.3a-n 

in  früherer  Zeit  ihr  Gefühl  für  unsere  Lehrer,  die  Griechen,  und  für  den  Reiz 
patriarchalischer  Sitten  durch  Übersetzung*  und  eigene  Arbeit  an  den  Tag  gelegt 
hatten."  Dem  englischen  Oebersetzer  desselben  Werkes,  Holcroft,  teilt  er  seine 
Meinung  über  die  beste  Art  der  Uebersetzung  mit.  „Man  kann,  wie  es  mir  scheint, 
nach  zweierlei  Maximen  übersetzen,  einmal  wenn  man  seiner  Nation  den  reinen 
Begriff  eines  fremden  Autors  überliefern,  fremde  Zustände  derselben  anschaulich 
machen  will,  wobei  man  sich  denn  genau  an  das  Original  bindet;  man  kann  aber 
auch  ein  solches  fremdes  Werk  als  eine  Art  Stoff  behandeln,  indem  man  es,  nach 
eigenen  Empfindungen  und  Ueberzeugungen,  dergestalt  verändert,  dass  es  unserer 
Nation  näher  gebracht  und  von  ihr  gleichsam  als  ein  Originalwerk  aufgenommen 
werden  könne.  Ich  ergreife  vielleicht",  so  schliesst  der  Brief,  „irgend  eine  Gelegen- 
heit über  die  vier,  nunmehr  vor  mir  liegenden,  Ueb ersetz ungen  meines  Gedichtes 
öffentlich  meine  Gedanken  zu  sagen."  Dem  Kurator  der  Universität  Charkow,  Grafen 
Potocki,  sandte  auf  dessen  Bitte  Goethe  im  Nov.  1803  ein  ausführliches  Gutachten 
über  die  Besetzung  einiger  Lehrstühle  durch  deutsche  Gelehrte.  —  Dass  bei  den 
Ausgaben  der  Briefe  die  Antworten  der  Adressaten  fehlen  und  die  erläuternden  An- 
merkungen nur  kurz  und  knapp  gehalten  sein  können,  ist  ein  schon  oft  beklagter,  aber 
nicht  zu  beseitigender  Uebelstand  Ihm  abzuhelfen  hat  Voigt3)  versucht  in  einer  neuen 
Ausgabe,  von  der  nur  sechs  Lieferungen  erschienen  sind.  Wir  sind  ihr  schon  bei  ihrem 
Erscheinen  mit  Misstrauen  begegnet.  Der  Herausgeber  versprach  sämtliche  Briefe  (mit 
Ausnahme  der  rein  geschäftlichen  und  der  Billets),  Erläuterungen  zu  ihnen  und  die 
wichtigsten  Briefe  an  Goethe  in  5  Bänden  zu  bringen.  Das  Unmögliche  des  Vorhabens 
scheinen  Herausgeber  und  Verleger  noch  bei  Zeiten  eingesehen  zu  haben.  —  Auch  an 
anderen  Stellen  sind  hisher  unbekannte  Briefe  Goethes  veröffentlicht  worden,  so  2  Briefe  an 
Hirt3a),  die  wir  aber  lieber  mit  den  Briefen  von  Hirt  an  Goethe  zusammen  besprechen 
wollen.  -  In  einem  Nachtrag  teilt  Suphan4)  einen  Brief  Goethes  an  Barbara  Schulthess 
mit,  der  in  noch  nicht  geordneten  Konzepten  des  Goethearchivs  entdeckt  ist;  ein 
erfreulicher  Fund,  da  wir  bisher  nur  einen  einzigen  (GJb.  13,  S.  19—20)  veröffent- 
lichten Brief  Goethes  an  Bäbe  besassen;  er  ist  nach  S.s  unanfechtbarem  Nachweis 
in  Stäfa  am  9.  Okt.  1797  geschrieben  und  berichtet  in  seinem  Anfang  von  der  glück- 
lich vollbrachten  Reise  durch  Uri,  Unterwaiden  und  Zug.  An  der  soeben  genannten 
Stelle  hatte  S.  in  einem  schönen  Aufsatze  die  Beziehungen  des  Dichters  zu  Bäbe 
Schulthess  ausführlich  behandelt  und  beleuchtet .  (GJb.  13,  S.  149—62)  und  für  die 
Zeit,  in  welcher  der  nun  bekannt  gewordene  Brief  fällt,  eine  Missstimmung  zwischen 
Goethe  und  Bäbe  nachgewiesen  und  diese  darauf  zurückzuführen  versucht,  „dass  der 
häusliche  Bund  mit  Christiane  eine  Absage  aller  jener  Seelenbünde  zur  Folge  hatte, 
die  sich  auf  der  zarten  Grenze  zwischen  Liebe  und  Freundschaft  zu  halten  suchten". 
Der  Hauch  einer  ähnlichen  Seelenstimmung  liegt  auch  auf  diesem  Briefe:  „Ich  hoffe, 
dass  uns  eine  gute  Stunde  zusammenführen  soll,  denn  ich  will  nur  gestehen,  dass 
ich  auch  wegen  Deiner  letzten  Aeusserung  nicht  ganz  Deiner  Meinung  bin.  Bei 
meinem  Alter  und  meiner  Sinnesart  kenne  ich  nur  Worte  und  That,  wodurch  der 
Mensch  sich  dem  Menschen  offenbaren  kann,  das  sogenannte  beredte  Schweigen  habe 
ich  schon  lange  der  lieben  und  verliebten  Jugend  anheimgestellt,"  —  Ausserdem  ist 
noch  ein  kurzer  Brief  an  das  Harvard-Colleg5)  zu  Cambridge  in  Massachusetts  zu 
erwähnen  vom  11.  Aug.  1819,  der  eine  Sendung  Goethescher  Werke  begleitet.  — 
Daneben  haben  Briefe  Goethes  mitgeteüt:  Rollet6  6a)  einen  unbedeutenden  Brief  an  Prof. 
Batsch,  einen  an  Vuk.  Karadschitsch,  den  serbischen  Philologen,  vom  20.  Dec.  1823, 
in  dem  sich  Goethe  für  eine  Uebersetzung  schöner  serbischer  Lieder  und  Grammatik 
und  Lexikon  bedankt  (der  Brief  steht  aber  schon  bei  Strehlke),  Pick7)  einige  aller- 
dings ganz  unbedeutende  auf  Weinankauf  sich  beziehende  Briefe  oder  vielmehr 
Bestellungen  Goethes  an  Ramann  in  Erfurt,  ferner  Franzos8)  in  seiner  „Deutschen 
Dichtung"  ein  kleines  undatiertes  Billet  Goethes  an  Karl  August,  ein  anderes 
vom  2.  Dec.  1831  (Adressat  unbekannt),  einen  Brief  von  dem  Dichter  Steg- 
macher an  Goethe  sowie  einen  vom  Konsistorialrat  Mosengeil  in  Meiningen  vom 
19.  Sept.  1820,  der  ein  Urteil  Goethes  über  eine  Dichtung  Mosengeils  enthält.  — 
Schliesslich  hat  Gust.  A.  Müller8»)  einen  Brief  an  Hirt  veröffentlicht,  der  bei 
dem  Bericht  über  Goethes  und  Hirts  Briefwechsel  weiter  unten  angeführt  werden 
wird.  —  Eine  ganze  Reihe  bisher  ungedruckter  Briefe  Goethes  verdanken  wir 
Geiger9),  der  10  Briefe  an  Schadow  veröffentlicht  hat.  Er  schickt  einige  Be- 
merkungen über  das  Verhältnis  Goethes  zu  Schadow  voraus.  Eine  missbilligende 
Notiz  Goethes    über  Berliner  Künstler   hatte  einen  Protest  Schadows  hervorgerufen. 

Pfau.  S.  1-330 .  ä  M.  0,50.  |[DAdelsbl.  S.  947;  AkBll.  9,  S.  268/9.1;  -  3  a)  (S.  n.  N.  15.)  —4)  B.Suphan,  E.  Brief  Goethes  an  Barbara 
Schulthess:  GJb.  15,  S.  247/8.  —  5)  L.  Frank el,  Goethes  Verbind,  mit  Amerika:  ib.  S.  283.  —  6 )  H.  Rollet,  E.  Brief 
Goethes  an  Prof.  Batsch:  ChWGV.  8,  S.  4.  —  6a)  id.,  E.  Brief  Goethes  an  Vuk.  Karadschitsch:  FZg.  N.  277,  280.  —  7)  A. 
Pick,  Nachlese  zu  Goethes  Briefen  an  Ramann:  AAnzErfurt  14.,  17.  Nor.  —  8)  K.  E.  F  ranz  o  s,  Briefe  v.  u.  an  Goethe: 
DDichtung.  15,  S.  29-30.  —  8a)  (S.  u.  N.  16.)  —  9)  (l  9:254.)   -   10)  Goethe  u.  Gerhardt  v.  Reutern:  AZg«.  N.  259.  -  Hj 


IV  8b  :  12-15  K.  Heinemann,  Goethes  Leben. 

Trotz  eines  Besuches  Schadows  in  Weimar  wollte  sich  ein  annehmbares  Verhältnis  nicht 
gestalten,  bis  beide  Männer  durch  das  Blücherdenkmal  für  Rostock,  das  Schadow 
ausführen  sollte,  zu  näherem  Verkehr  kamen,  da  Goethe  um  seinen  Rat  gebeten 
worden  war.  Der  Briefwechsel  beginnt  mit  dem  25.  Okt.  1815  und  schliesst  mit  dem 
27.  Okt.  1819.  Das  Thema  ist  in  der  Hauptsache  das  Blücherdenkmal,  dem  sich 
einige  andere  Kunstthemata  anfügen.  —  Zwei  Briefe  von  Goethe,  der  eine  an 
Gerhardt  von  Reutern10)  vom  3.  Juni  1829  und  der  andere  an  dessen  Gattin  vom 
11.  Juli  1831,  sind  veröffentlicht  worden  in  der  Schrift  G.  von  Reutern  (St.  Peters- 
burg 1894)  und  danach  in  der  AZgB.  abgedruckt.  In  dem  einen  Briefe  spricht  Goethe 
seinen  Dank  für  künstlerische  Gaben  des  Malers  aus,  in  dem  anderen  erkundigt  er 
sich  nach  dem  kranken  Gatten  und  sendet  eine  von  Reutern  ihm  übermittelte  Arabeske 
mit  dem  von  ihm  selbst  eingeschriebenen  Gedicht:  „Gebildeten  fürwahr  genug  usw." 
zurück.  —  In  dem  Briefwechsel  Goethes  mit  dem  Buchhändler  Sander,  dem  Verleger 
Kotzebues,  bringt  Geiger11)  einiges  Neue  herbei,  was  beweist,  dass  die  Beziehungen 
Goethes  zu  Sander  und  dessen  Frau  doch  lebhafter  gewesen,  als  man  bisher  an- 
nahm. —  Eine  neue  Ausgabe  der  Briefe  Goethes  an  Frau  von  Stein  hat  der  Cottasche 
Verlag  veranstaltet.  Die  Einleitung  rührt  von  Heinemann12)  her.  Die  Ausgabe 
enthält  auch  das  Tagebuch  aus  Italien.  — 

Von  den  Briefen  an  Goethe  bringt  das  GJb.  eine  grosse  Anzahl. 
Erstlich  sind  zu  nennen  sieben  Briefe  von  dem  Philosophen  Fichte,  die  Steiner13) 
herausgegeben  hat;  sie  stammen  aus  dem  J.  1794,  also  gleich  aus  der  ersten 
Zeit  der  Wirksamkeit  des  grossen  Gelehrten  an  der  Universität  Jena.  Fichte  wendet 
sich  in  den  Briefen  an  Goethe  um  Schutz  gegen  die  Kabalen  seiner  Kollegen.  Es 
handelt  sich  in  den  ersten  Briefen  um  Verleumdungen,  die  über  Fichtes  Kolleg: 
Moral  für  Gelehrte,  ausgestreut  worden  waren.  Die  energische  Art  des  Auftretens 
Fichtes  und  sein  Entschluss,  das  Kolleg  drucken  zu  lassen,  gewannen  ihm  Goethes  und 
des  Herzogs  Schutz.  In  demselben  J.  kam  es  zu  einer  zweiten  Misshelligkeit,  von 
der  der  7.  Brief  vom  19.  Nov.  handelt.  Da  die  Stunden  in  den  Wochentagen  völlig 
besetzt  waren,  hielt  Fichte  ein  Kolleg  am  Sonntage  von  9 — 10  Uhr  ab.  Die  Geist- 
lichen beschwerten  sich  deswegen,  und  Fichte  verteidigt  sich  in  diesem  Schreiben  an 
Goethe,  indem  er  darauf  hinwies,  „dass  es  darauf  abgesehen  wäre,  das  Kolleg  über- 
haupt zu  verbieten."  Der  Herzog  entschied,  dass  Fichte  wohl  am  Sonntag  lesen  dürfe, 
aber  nur  eine  Stunde  nach  dem  Nachmittagsgottesdienst.  —  Die  Beziehungen  Goethes 
zu  dem  Philologen  F.  A.  Wolf  hat  bekanntlich  Bernays  in  einer  vortrefflichen  Schrift 
erschöpfend  behandelt.  Geiger14)  hat  nun  acht  Briefe  Wolfs  aus  den  J.  1807 — 17 
veröffentlicht  und  damit  zwar  nichts,  was  die  Bernayssche  Schrift  in  wesentlichen 
Punkten  korrigierte,  aber  doch  einen  hübschen  Beitrag  zu  dem,  was  schon  bekannt 
war,  gebracht.  Wir  heben  hervor:  Die  Erwähnung  des  Besuches  Schopenhauers, 
der  von  Goethe  an  Wolf  geschickt  worden  war,  den  Begleitbrief  zu  der  Uebersendung 
der  Goethe  gewidmeten  Darstellung  der  Altertumswissenschaft  im  ersten  Hefte  des 
Wolfschen  „Museums",  dessen  freudige  Aufnahme  uns  durch  Goethes  Brief  vom  Dec.  1807 
(Bernays  S.  112)  bekannt  ist;  der  Versuch  Wolfs,  Goethes  Einfluss  für  seine  Berufung 
an  Heynes  Stelle  nach  Göttingen  zu  gewinnen  (1.  Jan.  1813)  usw.  Die  eingehenden 
Anmerkungen  G.s  fassen  das  Wesentliche  in  dem  Verkehr  der  beiden  Männer  zu- 
sammen und  bringen  in  einem  Nachtrage  kleinere,  nicht  unwichtige  Nova;  besonders 
ist  hervorzuheben  der  Bericht  Böttigers  über  ein  Biedermanns  Spürkraft  entgangenes 
Gespräch  zwischen  Goethe,  Wolf,  Wieland  und  Böttiger  vom  28.  Mai  1795.  Das  Ge- 
spräch dreht  sich  um  die  Scenerie  und  Dekoration  des  antiken  Theaters,  metrische 
Erörterungen  über  den  Reim  und  seine  Herkunft  und  über  die  Plaidoyers  der  Advo- 
katen in  Venedig,  eine  Erzählung,  die  aus  der  Italienischen  Reise  bekannt  ist,  und  eine 
Ergänzung  zu  Goethes  Bericht  in  der  Italienischen  Reise  Molimenti  30.  Apr.  1787  bildet 
(nicht  Girgenti  26.  Apr.  1787,  wie  der  Herausgeber  meint).  Zugleich  mit  diesen  Auf- 
zeichnungen hat  sich  in  der  Dresdener  Bibliothek  ein  Blatt  erhalten,  das  die  Ueber- 
schrift  trägt:  Goethes  Blicke  über  die  Sache  (die  von  Wolf  angeregte  homerische 
Frage).  G.  hat  das  Blatt  nicht  abgedruckt,  weil  es  bereits  früher  von  W.  Peters 
(JBL.  1890  IV  6  :  54)  veröffentlicht  worden  ist.  Es  erhellt  aus  dem  Inhalt,  dass  Goethe 
damals  der  Wolfschen  Hypothese  durchaus  feindlich  gegenüber  stand,  „er  polemisiert 
als  Dichter  gegen  das  beillose  Beginnen  des  Kritikers."  —  Auf  die  Wolfschen  Briefe 
folgt  im  GJb.  die  ebenfalls  von  Geiger15)  mitgeteilte  Korrespondenz  Goethes  mit 
dem  Kunstgelehrten  und  Schriftsteller  Aloys  Hirt,  der  aus  Goethes  Italienischer  Reise 
wohl  bekannt  ist.  Die  Korrespondenz  besteht  aus  4  Briefen  Goethes  und  7  Hirts. 
Sie  bringen  zwar  nichts  Bedeutendes  und  Neues,  aber  doch  einen  guten  Beleg  dafür, 

L.  G[eiger],  Z.  Sander-Goetheschen  Briefw.:  GJb.  15,  S.  285/6.  |[ZDS.  8,  S.  71/6.]|  —  12)  K  Heinemann,  Goethes 
Briefe  an  Frau  v.  Stein,  nebst  d.  Tageb.  aus  Italien.  Mit  Einl.  Bd.  1/3.  (=  Cottasche  Bibl.  d.  Weltlitt.)  St.,  Cotta. 
200,  236,  195  S.  ä  M.  1,00.  —  13)  E.  Steiner,  7  Briefe  v.  Fichte  an  Goethe:  GJb.  15,  S.  30-41,  49-52.  —  14)  L.  Geiger, 
8  Briefe  F.  A.  Wolfs  an  Goethe:  ib.  S.  54-68,  81-96.    —   15)  id.,   6  Briefe  A.  Hirts  an  Goethe,  4  Briefe  Goethes  an  Hirt:  ib. 


K.  Heinemann,  Goethes  Leben.  IV  8b  ■.  16-21 

dass  die  Beziehungen  beider  Männer,  trotzdem  sie  ihre  beiderseitigen  ästhetischen 
Anschaungen  wiederholt  bekämpft  haben,  während  der  45  Jahre  ihrer  Bekanntschaft 
nicht  ernstlich  getrübt  worden  sind.  Die  beiden  gegen  Hirt  gerichteten  Aufsätze 
Goethes  sind  bekanntlich  der  „Ueber  Laokoon"  und  „Der  Sammler  und  die  Seinigen", 
in  dem  der  „Charakteristiker"  die  Anschauungen  Hirts  vorträgt.  Eine  bisher  un- 
bekannt gewesene  Antwort  Hirts  auf  Goethes  Laokoonaufsatz  teilt  G.  in  den  An- 
merkungen mit.  Sie  ist  in  demselben  Ton  gehalten  wie  die  Aeusserung  beider 
Männer  über  die  streitigen  Punkte  in  den  nun  bekannt  gewordenen  Briefen:  „Ich 
will",  schreibt  u.  a.  Hirt,  „mit  der  Ruhe  desjenigen,  der  bloss  streitet  um  sich  zu  unter- 
richten, Ihr  Endurteil  abwarten",  und  Goethe  antwortet,  dass  es  ihm  weniger  darum  zu 
thun  sei,  andere  von  der  Giltigkeit  seiner  Gedanken  zu  überzeugen,  als  vielmehr  ihre 
eigene  Denkkraft  in  Thätigkeit  zu  setzen.  Die  grosse  Verehrung  Hirts  für  Goethe 
spricht  sich  auch  in  der  Freude  aus,  mit  der  er  dem  Dichter  die  auf  seinen  Vor- 
schlag geschehene  Ernennung  Goethes  zum  Mitgliede  der  Königl.  Preussischen 
Akademie  der  Wissenschaft  (3.  Aug.  1806)  meldet.  Das  Diplom  ist  in  dem  Goethe- 
archiv in  Weimar  noch  vorhanden  und  ist  von  G.  in  den  Anmerkungen  abgedruckt 
worden.  Die  Bemerkung  G.s,  dass  diese  Ernennung-  Goethes  bisher  unbekannt  ge- 
wesen, beruht  auf  einem  Irrtum  (vgl.  Düntzer,  Goethes  Leben  1883,  S.  548).  —  Der 
Dankbrief  Goethes  an  Hirt  ist  von  Gust.  A.  Müller16)  unter  ihm  angebotenen  Auto- 
graphen gefunden  worden,  er  ist  datiert  vom  3.  Nov.  1806.  Wir  citieren  daraus 
folgende  interessante  Stelle:  „Gerade  in  einem  solchen  Augenblick  (Herbst  1806)  ist 
es  ein  schöner  Trost,  wenn  man  aufs  neue  überzeugt  wird,  dass  nichts  in  der  Welt 
beständiger  ist,  als  frühe  auf  Wissenschaft  und  Kunst  und  gründliche  Thätigkeit  ge- 
gründete Verhältnisse."  Es  folgt  darauf  der  Dank  für  Hirts  Bemühungen  und  die 
Anfrage,  an  wen  das  offizielle  Dankschreiben  zu  richten  sei.  Dann  geht  Goethe  auf 
Hirts  Aufsätze  ein  mit  der  schönen  Schlusswendung:  „Lassen  Sie  uns  in  diesem 
kritischen  Momente  treu  wie  immer  zusammenhalten  und  wo  möglich  noch  eifriger 
wirken.  Was  echt  ist,  muss  sich  eben  in  einem  solchen  Läuterfeuer  bewähren."  — 
Drei  Briefe  Matthäis,  des  Erziehers  von  dem  Sohne  der  Gräfin  Branconi,  hat  Seh  er  er17) 
in  seinem  Aufsatze  über  diesen  Mann  veröffentlicht.  In  dem  ersten  Briefe  vom  J. 
1794  berichtet  Matthäi  über  den  Tod  des  jungen  Grafen  Forstenburg,  in  dem  zweiten 
vom  9.  Aug.  1796,  dem  einige  Zeilen  wenige  Tag'e  später  angefügt  sind,  verabschiedet 
er  sich  nach  einem  Besuch  in  Weimar;  in  dem  dritten,  vom  Sept.  1796,  bittet  er  für 
seine  Reise  mit  dem  Prinzen  Holstein-Augustenburg  nach  Italien  um  einige  Winke, 
Aufträge  und  Adressen.  —  Ug'o  Foscolos  Brief  an  Goethe,  über  den  Zetsch18)  eine 
Programmabhandlung  geschrieben  hat,  ist  bereits  gedruckt  (GJb.  8,  S.  8).  — 

Aus  den  hs.  erhaltenen  Aeusserungen  bedeutender  Männer  und  Briefe  über 
Goethe  haben  wir  der  Schrift  Waldmanns19)  zu  gedenken.  In  seiner  Sammlung 
von  Briefen  an  und  über  Lenz  finden  wir  einige  Aeusserungen  über  Goethe.  So  heisst 
es  in  einem  Briefe  seines  Bruders  an  den  Vater  Lenz  in  Riga  vom  12.  Juni  1875, 
dass  der  Modegeschmack  und  das  Beispiel  seines  Freundes  Goethe  „ihn  hinreissen, 
seinem  Genie  die  Züg*el  schiessen  zu  lassen,  ohne  die  wilden  Reben  zu  beschneiden 
oder  die  gar  zu  nötige  Politur  anzuwenden,  wodurch  den  Schwachen  Aergernis  erspart 
würde",  während  Lavater  in  einem  Brief  vom  17.  Apr.  1776  von  Goethe  sagt,  dass  er 
„immer  mit  seinen  guten  Gedanken  für  Freunde  mit  liebenswürdiger  Schnelle  vor- 
laufe". —  Ausserdem  ist  nur  noch  eine  Mitteilung*  zu  geben  und  auch  diese  gehört 
eigentlich  zum  J.  1893.  Es  ist  die  Mitteilung  zweier  Tagebuchblätter  von  Grülparzer, 
die  Geiger20)  aus  dem  Grülparzer  Jb.  ins  GJb.  übernommen  hat.  Der  öster- 
reichische Dichter  schreibt  in  seinem  Tagebuch  vom  20.  und  23.  Juni  1810,  dass  ihn 
zuerst  Schüler  ganz  in  Beschlag  genommen  hätte,  und  dass  ihm  Goethes  Schriften 
minderwertig  vorg*ekommen  wären.  Aber  der  Werther  und  der  Faust  hätten  eine  so 
starke  Wirkung  ausgeübt,  dass  sich  das  Verhältnis  beinahe  umgekehrt  hätte.  In  der 
Zeit,  der  die  Tagebuchblätter  entstammen,  erweckten  Goethes  Werke  weniger  Grill- 
parzers  Beifall  während  der  Lektüre,  als  „wenn  er  in  der  Folge  die  Büder  aus  den- 
selben vorübergleiten  lasse,"  während  es  ihm  mit  Schiller  gerade  umgekehrt  g*ehe.  — 
Im  Anschluss  hieran  heben  wir  ein  Gespräch  Grillparzers21)  mit  Robert  Zimmermann 
vom  6.  Jan.  1866  hervor,  worin  er  von  einem  Besuch  bei  Goethe  (Sept.  1826)  be- 
richtet, „Mit  der  Poesie  war's  damals  bei  ihm  schon  aus,  aber  die  Poeten  komman- 
diren,  das  wollt'  er  noch  immer.  Sie  sollten  dichten  wie  er  wollte,  aber  nicht  wie 
ihnen  der  Schnabel  gewachsen   war.     Ich  hatte  grossen  Respekt  vor  ihm,  aber  bei 

aller  Verehrung,  befehlen  liess  ich  mir  nicht  von  ihm Auf  Lord  Byron  hielt 

er  grosse  Stücke;  möglich,  weil  er  ein  Engländer,  ein  Lord,  und  weü  er  auch  über- 


S.  «8-81,  96-108.  —  16)  Gast.  A.  Mülle  r,  Goethe  u.  d.  Berliner  Akad.  d.  Wissensch. :  FZg.  N.  343.  —  17)  K.  Seh  er  er,  K. 
Matthäi:   GJb.  15,  S.  216-44.    (S.  u.  N.  53:  d.  Briefe  S.  2403.)    —    18)  (IV  8a:91.)    —    19)  (IV  lc  :  42.)  —  20)  L.  Geiger, 
Grülparzer  über  Goethe:   GJb.  15,  S.  2S4  6.    (Vg\.  auch  JbGrillparzerGes.  3,  S.  207,8.)    —   21)  JbGrillparzerGes.  4,    S.  346;  — 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V.  (4)^7 


IV  8b  :  22-28  K.  Heinemann,  Goethes  Leben. 

dies  wirklich  ein  grosser  Dichter  war;  da  sollten  nun  die  Deutschen  ihm's  nach- 
machen!   Das  war  sein  drittes  Wort!"  — 

Goethes  Gespräche  mit  Eckermann  sind  durch  von  der  Linden22)  neu 
herausgegeben  worden ;  doch  hat  mir  diese  Ausgabe  nicht  vorgelegen.  —  Das  Gespräch 
Goethes  mit  Napoleon  war  in  den  letzten  Jahren  infolge  der  Veröffentlichungen  der 
Memoiren  Talleyrands  Gegenstand  lebhafter  Erörterungen  geworden.  Das  Ent- 
scheidende darüber  hatte  Lorenz  in  seinem  Buche  über  Goethes  politische  Lehrjahre 
(JBL.  1893  IV  8a:  91)  gesprochen;  indem  er  Widersprüche  Talleyrands  aufdeckte,  die 
seinen  Bericht  als  unglaubwürdig  erscheinen  Hessen.  Denselben  Eindruck  gewinnen 
wir  durch  die  Veröffentlichung  der  von  Fr.  von  Müller  für  Talleyrand  aufgesetzten 
Berichte.  Der  Herausgeber  Suphan22'1)  hat  auf  Grund  sorgiältiger  Untersuchungen 
den  Beweis  geführt,  dass  Talleyrands  Bericht  auf  diesem  Müllerschen  „Memoire"  be- 
ruht. Da  nun  Müller  selbst  nicht  bei  der  Unterredung  Goethes  mit  Napoleon 
zugegen  gewesen  ist,  und  durch  Lorenz  unwiderleglich  bewiesen  ist,  dass  Talleyrands 
Behauptung,  er  habe  durch  Goethes  eigene  Aeusserungen  sich  über  die  Genauigkeit 
seiner  Angaben  orientiert,  auf  Unwahrheit  beruht,  so  wird  man  den  Talleyrandschen 
Ausführungen  berechtigtes  Misstrauen  entgegenbringen  müssen.  In  dem  Talleyrand- 
schen Bericht  fehlt  jede  Mitteilung  über  das  berühmte  Werthergespräch:  das  ist  um 
so  auffallender,  als  Müllers  Memoire  ausdrücklich  das  Thema  erwähnt  und  die  Be- 
hauptung Napoleons  überliefert,  „qu'il  disait  avoir  lu  sept  fois".  S.  erklärt  das  damit,  dass 
Talleyrand  mit  dem  Wertherthema  nichts  anzufangen  gewusst  habe.  „In  dieser  Seele 
hat  das  litterarisch  Bedeutende  keine  Wohnung  gehabt".  — 

Die  grosse  neue  Ausgabe  von  Dichtung  und  Wahrheit,  um  auf  die  auto- 
biographischen Schriften  Goethes  zu  kommen,  in  der  DNL.  ist  von  Düntzer23) 
mit  gewohnter  Akribie  besorgt  worden.  Wir  werden  uns  im  nächsten  JB.  mit  ihr 
ausführlich  zu  beschäftigen  haben.  —  Auszüge  aus  Dichtung  und  Wahrheit  zur 
Uebersetzung  ins  Französische  hat  Schmitt24)  mit  französischen  Noten  heraus- 
gegeben. —  Einige  Beiträge  zu  den  Erläuterungen  zu  Dichtung  und  Wahrheit 
hat  das  GJb.  gebracht.  So  hat  Heidenheimer25)  festgestellt,  dass  der  Name  des 
Frankfurter  Dechanten,  mit  dem  der  junge  Goethe  viel  verkehrt  hat,  Dr.  Du  Meiz 
gelautet  hat.  —  Der  von  Goethe  am  Schlüsse  seines  Berichtes  von  1768  über  die 
Leipziger  Zeit  erwähnte  Studentenkrawall  ist  durch  Witkowski26)  zum  Gegenstande 
einer  genauen  Untersuchung  gemacht  worden,  bei  der  bisher  unbenutzte  Quellen: 
die  Akten  im  Ratsarchiv,  zwei  Konvolute  mit  Anschlägen  der  Studenten  am  schwarzen 
Brett,  Gutachten  der  Professoren,  endlich  eine  kleine  Druckschrift  „Der  Musen- 
krieg" (Leipzig  1768)  als  Unterlage  dienten.  —  Ueber  denselben  Gegenstand  hat 
Günther27)  gehandelt.  Indem  er  seiner  Darstellung  (N.  3)  einen  zeitgenössischen, 
auf  der  Leipziger  Universitätsbibliothek  hs.  erhaltenen  Bericht  und  die  Akten  des 
Dresdener  Hauptstaatsarchivs  zu  Grunde  gelegt  hat,  kommt  er  zu  einer  nicht  un- 
wesentlich abweichenden  Auffassung.  G.  nimmt  die  Studenten  gegen  die  Darstellung 
der  Quellen  der  erstgenannten  Schrift,  in  der  diese  recht  schlecht  wegkommen,  in  Schutz 
und  zeigt,  dass  sowohl  ihre  Forderungen  nicht  ohne  Berechtigung  und  ihre  Haltung 
durchaus  nicht  „roh  und  unreif  war".  Neu  und  interessant  ist  der  Zusammenhang,  den 
G.  zwischen  dem  Studentenkrawall  und  den  Leipziger  Theaterverhältnissen  feststellt. 
Eine  Hauptbeschwerde  der  Studenten  richtete  sich  gegen  das  von  Professoren  der 
Universität  angeregte  Theaterverbot,  nach  dem  an  fünf  Tagen  der  Woche  nicht  gespielt 
werden  durfte.  Die  Folge  der  Niederlage  der  Studenten  war  die  Aufrechterhaltung- 
dieses  Verbots,  wodurch  die  treffliche  Kochsche  Schauspielertruppe  veranlasst  wurde, 
Leipzig  zu  verlassen.  —  Ueber  Goethes  ersten  Besuch  bei  Professor  Höpfner  besitzen 
wir  bekanntlich  drei  verschiedene  Berichte.  Bock27a)  teilt  den  bisher  weniger  be- 
kannten, der  von  der  Gattin  Höpfners  herrührt,  mit  und  berichtet  ausführlich  über  das 
Verhältnis  beider  Männer,  das  im  J.  1775  plötzlich  einen  Riss  erhielt.  Wenigstens 
zeigt  sich  in  diesem  J.  eine  merkwürdige  Verstimmung  und  Abneigung  Höpfners 
gegen  Goethe,  während  dieser  durchaus  nichts  von  einer  Aenderung  seiner  Gesinnung 
sich  merken  Hess  und  Höpfner  sogar  für  die  Universität  Jena  zu  gewinnen  suchte.  — 
Eine  andere  autobiographische  Schrift  Goethes,  die  Campagne  in  Frankreich,  hat 
durch  Schmitt28)  in  der  Sammlung  „Classiques  allemands"  eine  Ausgabe  mit 
französischen  Erläuterungen  uud  Anmerkungen  für  den  französischen  Unterricht  er- 
fahren. —  Der  höchst  verdienstlichen  Aufgabe,    eine   genaue   und    erschöpfende   Er- 


22)  J.  P.  Eckermanns  Gespräche  mit  Goethe  in  d.  letzten  Jahren  seines  Lebens.  Mit  Einl.,  Anm.,  Namen-  u.  Sachreg.  her.  v. 
A.  v.  d.  Linden.  3  Tle.  in  1  Bd.  L.,  Barsdorf.  IV,  188  S.;  172,  206  S.  M.3,60.  —  22a)  B.  Suphan,  Napoleons  Unter- 
haltung mit  Goethe  u.  Wieland,  n.  Fr.  v.  Möllers  Memoire  darüber:  GJb.  15,  S.  20-30.  —  23)  (IV  8a:  68.)  -  24)  L.  Schmitt, 
Goethe.  Extraits  de  l'Autobiogr.  de  Goethe.  Pr6c.  de  2  notices  et  annotes.  3.  ed.  Paris,  Delagrave.  1893.  VIII,  76  S.  — 
25)  H.  Heidenheimer,  Du  Meiz,  „D.  Dechant":  GJb.  15,  S.  282/3.  —  26)  G.  Witkowski,  0.  Leipziger  Studenten- 
aufruhr v.  1768:  ib.  S.  206-16.  —  27)  (IV  la:  31.)  —  27a)  A.  Bock,  Goethe  u.  Prof.  Höpfner  (1743-93):  DR.  4,  S.  232-40. 
—  28)  L.  Schmitt,  Campagne  de  France.    Avec   notices  et  notes.    5.  ed.  (=  Cours  super,  de  langue  allemande.     Classe  de 


K.  Heinemann,  Goethes  Leben.  IV  8b  :  29-32 

läuterung  zu  der  Italienischen  Reise  zu  geben,  hat  sich  Haarhaus29)  mit  grossem 
Eifer  und  gleichem  Geschick  unterzogen.  Er  hat  unter  dem  Titel:  Auf  Goethes  Spuren 
im  Süden,  eine  Reihe  von  Aufsätzen  in  der  LZgB.  erscheinen  lassen,  von  denen  13  in 
unser  Berichtsjahr  fallen.  Wir  können  diesem  gut  ausgerüsteten  Kommentar  der 
Goetheschen  italienischen  Reise  uneingeschränktes  Lob  spenden.  Der  Vf.  spricht  überall 
aus  eigener  Anschauung,  auf  Grund  eingehender  Studien  und  grosser  Sachkenntnis. 
Wir  wollen  unser  Urteil  über  den  Wert  der  Arbeit  dahin  zusammenfassen,  dass  es 
jedem  Goethefreunde,  der  Italien  besucht,  viel  Belehrung,  Rat,  Freude  und  Genuss 
bereiten  wird.  Nur  möchten  wir  davon  abraten,  diese  erste  Veröffentlichung  in  der 
LZgB.  zu  benutzen.  Der  Vf.  hat  unterdessen  seine  Aufsätze  in  Buchform  (Leipzig, 
Naumann)  erscheinen  lassen  und  hier  die  Mängel,  die  dem  ersten  Abdruck  anhafteten, 
beseitigt.  —  Eine  kleine  Arbeit,  die  sich  mit  Goethes  Rückreise  aus  Italien  beschäftigt, 
die  uns  aber  nicht  vorgelegen  hat,  von  Farinelli30),  sei  im  Anschluss  an  Haarhaus 
Arbeit  erwähnt.  — 

Darstellungen.  Die  Flut  der  Goethebiographien,  die  sich  in 
den  letzten  Jahren  über  uns  ergossen,  hat  zwar  in  unserem  Berichtsjahr  schon  be- 
gonnen, aber  die  leidige  Gewohnheit  der  Verleger,  ihre  Bücher  voraus  zu  datieren, 
zwingt  uns,  den  Erstling  der  Biographien,  R.  M.  Meyers  Werk,  für  den  nächsten 
Bericht  zu  verschieben.  Dagegen  haben  wir  zweier  Werke  zu  gedenken,  die 
sich  mit  dem  jungen  Goethe  eingehend  und  zusammenfassend  beschäftigen.  Das 
ist  einmal  Siegmar  Schuhes31)  Buch  (JBL.  1893  IV  8b:  27),  von  dem  die 
letzten  drei  Lieferungen  erst  im  Berichtsjahre  erschienen  sind.  Im  betreff  unseres  Urteils 
verweisen  wir  auf  unseren  vorjährigen  Bericht,  dem  wir  nur  hinzuzufügen  haben,  dass 
die  letzte  Lieferung  sich  von  den  ersten  durch  grössere  Sorgfalt  unterscheidet;  aber 
auch  sie  wimmelt  noch  von  Druckfehlern,  Flüchtigkeiten  und  groben  Sprachschnitzern, 
und  zeigt  eine  so  geringe  Kenntnis  des  Goetheschen  Lebens  und  der  in  dem  Buch 
behandelten  Zeit,  eine  so  geringe  Fähigkeit  zur  Ausführung  der  Aufgabe,  dass 
das  Werk  nicht  ernst  aufgefasst  werden  kann.  Da  wir  in  der  Hauptsache  von  den 
Schriften  zu  sprechen  haben,  durch  die  das  Goethestudium  eine  Förderung  erfahren 
hat,  so  haben  wir  auf  Sch.s  jungen  Goethe  schon  zu  viel  Zeit  und  Raum  verwendet.  — 
Ein  wirklich  bedeutendes  und  höchst  wertvolles  Buch  verdanken  wir  Weis senf eis32). 
Er  hat  die  Absicht,  „das  Wichtigste  von  dem,  was  in  den  letzten  Jahrzehnten  über 
den  jungen  Goethe  und  den  Sturm  und  Drang  in  Zeitschriften,  Sammlungen  und  Auf- 
sätzen, Einleitungen  zu  Ausgaben,  Monographien  zerstreut  liegt,  zusammenzufassen." 
Für  die  Goethewissenschaft  ist  diese  zusammenfassende  Arbeit  sehr  wertvoll,  da  die 
grosse  Rührigkeit  der  Forscher  gerade  auf  diesem  Gebiet  eine  Beherrschung  der 
gesamten  Literatur  dem  Einzelnen  fast  unmöglich  macht.  Auch  ist  das  Bild  der 
Goetheschen  Entwicklung,  das  W.  auf  Grund  genauester  Kenntnis  und  eingehender 
Studien  entwirft,  zutreffend  und  anschaulich.  Als  ganz  besonders  gelungenen  Abschnitt 
heben  wir  den  über  Herders  Einfluss  auf  Goethe  in  Strassburg  hervor,  der  trotz  der 
grossen  Konkurrenz  auf  diesem  Gebiet  höchst  wertvoll  ist  und  vortrefflich  zwischen 
den  extremen  Anschauungen  vermittelt.  Die  ersten  Phasen  von  Sturm  und  Drang  bei 
Goethe  werden  schon  in  der  Frankfurter  Zeit  nachgewiesen  und  in  den  Leipziger 
Liedern  und  Dramen  aufgedeckt.  In  der  Schilderung  der  Frankfurter  Zeit  werden 
besonders  die  nach  zwei  entgegengesetzten  Seiten  wirkenden  Eindrücke  hervor- 
gehoben, einmal  die  Schulung  und  Aufklärung  des  Verstandes  und  weiter  die  Pflege 
und  Aeusserung  des  Gemüts,  des  Gefühls,  der  Phantasie.  „In  dem  Erwachen  der 
pessimistischen  Unzufriedenheit  auch  mit  sich  selbst,  in  dem  Erstarken  der  Sturm- 
und Drangstimmung  liegt  die  Bedeutung  des  Aufenthalts  in  Leipzig."  Das  Leben  in 
Leipzig  wird  höchst  anschaulich  und  unter  geschickter  Benutzung  der  neueren 
Quellen  geschildert,  die  Leidenschaftlichkeit  des  Verhältnisses  zu  Käthchen  wird  mit 
Recht  hervorgehoben.  Die  Quintessenz  des  Ganzen  bietet  das  Kapitel  über  den  Götz, 
das  die  Tendenzen  von  Sturm  und  Drang  —  Individualismus,  Freiheitstendenz, 
nationale  Tendenz,  das  Geniale,  Gefühlvolle,  den  Gefühls-  und  Kraftstil  —  in  diesem 
Drama  nachweist,  den  Spuren  des  Selbsterlebten  und  der  litterarischen  Einflüsse  genau 
folgt  und  die  Umarbeitung  sehr  richtig  auf  die  zwei  Haupttendenzen,  Mässigung  der 
leidenschaftlichen  Geniestimmung  und  Streben  nach  grösserer  Naturwahrheit,  zurück- 
führt. Nur  darin  stimmen  wir  mit  W.  nicht  überein,  dass  die  Idee  von  Sturm  und 
Drang  nicht  von  Herder  angeregt  und  veranlasst  worden,  sondern  schon  vor  Strassburg 
in  Goethe  wirklich  lebendig  gewesen  sei.  Da  aber  W.  an  einer  Stelle,  in  dem 
prächtigen  Kapitel  über  Herder,  ausdrücklich  sagt,  dass  Goethe  durch  Herder  für 
Sturm-  und  Drangelemente,  die    er  in  sich  fühlt,  die  Begründung,  Bekräftigung  und 


troisieme.)  Paris,  Delagrave.  VIII,  64  S.  -  29)  (IV  8a:  23.)  —  30)  (IV  8a:  24.)  —  31)  Siegmar  Schulze,  D.  junge 
Goethe.  E.  Bild  seiner  inneren  Entwickl.  (1749-75).  Halle  a.  «.,  Kämmerer.  IV,  VII,  79  S.;  80,  102  S.:  V,  74  S.; 
57,  80  u.  80  S.    M.  8,50.  —  32)  R.  Weissenf  eis,  Goethe  in  Sturm  und  Drang.    1.  Bd.    Halle  a.  S.,  Niemeyer.    XV, 519 S. 

(4)27* 


IV  8b:  33-36  K.  Heinemann,  Goethes  Leben. 

Rechtfertigung-  erhielt,  d.  h.  doch  wohl,  dass  die  in  ihm  schlummernden  Gefühle  und 
Anschauungen  erst  durch  Herder  zu  wahrem  Leben  erweckt  worden  sind,  so  scheint 
mir  der  Streit  recht  müssig.  Wir  müssen  uns  hier  mit  diesen  kurzen  Andeutungen 
begnügen.  Das  eigentliche  Ergebnis  der  Forschungen  W.s  ist  an  anderer  Stelle  zu 
besprechen.  Das  äussere  Leben  Goethes,  von  dem  hier  allein  zu  reden  ist,  wird 
von  W.  nur  gestreift  und  nur  soweit  berührt,  als  es  die  innere  Entwicklung  bestimmt 
hat.  —  Ausser  den  genannten  Schriften  haben  wir  noch  einige  hervorzuheben,  in 
denen  hin  und  wieder  auf  Goethes  Leben  Bezug  genommen  wird.  Zu  diesen 
gehört  das  umfangreiche  Werk  von  Portig33),  über  dessen  Wert  und  Bedeutung 
an  anderer  Stelle  die  Rede  sein  wird.  Hier  sei  nur  erwähnt,  dass  der  Vf.  Goethe 
gegenüber  einen  einseitigen  missgünstigen  und  zwar  den  orthodox-protestantischen 
Standpunkt  einnimmt.  Zur  Bekräftigung  unseres  Urteils  machen  wir  auf  die  Stelle 
(S.  604)  aufmerksam,  wo  der  Schluss  der  Wahlverwandtschaften  mit  einem  Seitenhieb 
auf  die  katholische  Kirche  eine  grobsinnliche  Vergötterung  eines  schuldbeladenen 
Weibes  genannt  wird,  oder  die  Stelle  (S.  599),  wo  „von  den  teils  offenen  teils  verborgenen 
Beziehungen,  welche  sich  in  Goethes  berühmten  Werken  zum  Katholizismus  finden, 
gesprochen  wird".  „Hier  liegt,"  meint  P.,  „eine  Gefahr  für  unser  Volk,  wenn  ihm 
nicht  die  Augen  geöffnet  werden",  oder  auf  sein  Urteil  über  Gretchen,  die  sittlich 
angefault  genannt  wird.  Das  Stärkste  aber  leistet  P.  auf  Seite  137,  —  eine  Stelle, 
die  schon  Hamack  im  ADA.  gebührend  an  den  Pranger  gestellt  hat.  Hier  wird  ein 
Brief  Körners  an  Schiller  vom  1.  Dec.  1797  citiert,  nach  dem  Goethe  ein  Mädchen 
von  Rom  nach  der  Schweiz  mitgenommen  habe.  Wenn  man  die  Stelle  in  dem  Brief- 
wechsel zwischen  Schiller  und  Körner  nachschlägt  (ed.  Goedeke  2,  S.  276),  so  findet 
man,  dass  an  der  genannten  Stelle  gar  nicht  von  Goethe,  sondern  von  dem  preussischen 
Gesandten  Grafen  Gessler  in  Dresden,  die  Rede  ist.  Geradezu  köstlich  ist  die  Be- 
merkung, die  P.  seinem  Citate  aus  dem  J.  1797  beifügt:  Das  hier  genannte  Mädchen 
ist  nicht  einerlei  mit  der  sogenannten  „schönen  Mailänderin",  welche  Goethe 
fesselte.  Welche  Kenntnis  von  Goethes  Leben  muss  wohl  P.  bei  seinen  Lesern 
voraussetzen !  — 

Beziehungen  zu  anderen  Personen.  Auf  einem  gleich  hohen 
Standpunkte  wie  das  Buch  Portigs  steht  das  von  Lewes34):  Goethes  Frauen- 
gestalten. Es  ist  ein  zum  grossen  Teil  aus  Citaten  von  „dem  berühmten  Stahr" 
oder  ähnlichen  Quellen  zusammengestoppeltes  Werk,  das  wir  hier  nur  anführen,  um 
davor  zu  warnen.  Das  Buch  ist  überflüssig,  weil  das  Gute  darin  nicht  neu  und 
verfehlt,  weil  das  Neue  in  ihm  schlecht  ist.  Zur  Orientierung  unserer  Leser  fügen 
wir  den  Schluss  des  Kapitels  Friederike  hinzu,  der,  wie  Lewes  angiebt,  auf  Prutz 
zurückgeht:  „Dem  Manne  ist  dafür  (für  die  Untreue  gegen  Friederike)  auch  niemals 
die  Hand  eines  edeln,  reinen  Weibes  zu  teil  geworden,  er  hat  nie  das  Glück  des  häus- 
lichen Herdes  gekannt,  eine  Maitresse  waltete  in  seinem  Hause,  der  er  nur  nachträglich, 
halb  aus  Mitleid,  halb  aus  Scham,  das  Almosen  seines  Namens  zuwarf,  der  einzige 
Sohn  aber,  der  ihm  aus  diesem  wüsten  Verhältnis  übriggeblieben  war,  ein  Sohn,  den 
die  Lorbeeren  seines  Vaters  erdrückt  und  unglücklich  gemacht  hatten,  ging  vor  ihm 
in  die  Gruft."  „So  sind,"  fügt  L.  zur  Bekräftigung  hinzu,  „die  Thränen  der  Sesen- 
heimer  Friederike  gerächt  worden".  — 

Des  Dichters  Vorfahren  und  Eltern,  das  Geschlecht  der  Goethes  und 
Textors  behandelt  in  einem  besonderen  Buche  Düntzer35).  Nachdem  er  in  einer 
Reihe  von  Aufsätzen  im  J.  1888  eine  umfassende  Studie  über  das  Geschlecht  Textor 
veröffentlicht  hatte,  hat  er  nun  dem  Geschlecht  Goethe  dieselbe  Sorgfalt  und  Forschung 
angedeihen  lassen.  Beide  Aufsätze  zusammen  bilden  den  Inhalt  des  vorliegenden 
Buches:  „Goethes  Stammbäume."  Nachdem  er  die  Etymologie  des  Stammes  berührt 
—  er  hält  an  der  Erklärung  Göte  =  Taufpate  fest  —  und  die  Schreibweise  „Goethe" 
als  die  richtige  schon  heim  Grossvater  Friedrich  Georg,  bei  Frau  Rat,  die  sich 
Goethein  nannte,  und  bei  dem  Knaben  Wolfgang  in  seinem  Schönschriftenheft  von 
1757  nachgewiesen  hat,  bespricht  er  eingehend  die  Geschichte  von  Hans  Christian  Goethe. 
Das  Kapitel:  Das  Geschlecht  Goethe,  behandelt  nur  Friedrich  Georg  Goethe  und 
Johann  Kaspar  Goethe,  das  Kapitel:  Das  Geschlecht  Textor,  ausser  dem,  was  die 
Ueberschrift  angiebt,  auch  noch  die  Nachkommenschaft  Goethes,  so  dass  man  Alma 
von  Goethe  beim  Geschlecht  Textor  zu  suchen  hat.  —  Im  Anschluss  hieran  erwähnen 
wir,  dass  Dietz35a)  eine  Reihe  Gelegenheitsgedichte,  die  zu  Ehren  Goethescher  Vor- 
fahren und  Verwandten  gedichtet  worden  waren,  veröffentlicht  hat,  darunter  ein 
Gedicht  auf  Goethes  Vater,  das  einige  Mitteilungen  über  die  Jugend  des  Herrn 
Rat  bringt,  und  vier  Gedichte  zur  Hochzeit  Corneliens  am  1.  Nov.  1773.  —  In  der 
ADB.  ist  eine    kurze  Biographie  über  Johann   Wolfgang  Textor  von  Dietz36)   und 

M.  10,00.  -  33)  (IV  8a:  44;  9:4.)  —  34)  L.  Lewes,  Goethes  Frauengestalten.  St.,  Krabbe.  XU,  471  S.  M.  5,00.  |[BLU. 
S.  724.J|  —  35)  H.  Dftntzer,  Goethes  Stammbäume.  E.  genealog.  Darstell.  Gotha,  Perthes.  VII,  168  S.  M.  3,00.  —  35  a) 
A.  Dietz,   Gelegenheitsgedichte   aus   d.  Goethe-Textorschen    Familienkreise:    BFDH.  10,   S.  69-82.    —   36)  id.,  Joh.  Wolfg. 


K.  Heinemann,  Goethes  Leben.  IV  8b  :  37-45 

über  Johann  Textor  von  Sauer37)  erschienen.  —  Von  Heinemanns  Buch  „Goethes 
Mutter'1  in  4.  Auflage  (JBL.  1893  IV  8b  :  28)  sind  mehrere  Recensionen38),  ausserdem 
ist  über  die  Briefe  der  Frau  Rat  ein  besonderer  Artikel  von  A.  Schmidt39)  heraus- 
gegeben werden,  der  die  Bedeutung  der  Briefe  für  Goethes  Werke  ausführlich  darlegt; 
besonders  gilt  das  für  Herrmann  und  Dorothea :  „Aus  Goethes  Teilnahme  für  die 
Ereignisse  im  Sommer  1796  erklärt  sich  die  Versetzung  der  Idylle  in  die  Gegenwart; 
diese  Teilnahme  gründet  sich  auf  die  Besorgnis  Goethes  für  seine  Mutter."  — 

Zwei  Jubiläen,  die  in  das  J.  1894  fielen  und  eine  grosse  Zahl  von  Schriften 
und  Artikeln  hervorgebracht  haben,  müssen  in  unserem  Bericht  erwähnt  werden,  da 
in  den  Festschriften  wiederholt  auf  Goethes  Leben  Beziehung  genommen  worden  ist. 
Es  ist  der  400.  Geburtstag  des  Hans  Sachs  und  die  100.  Wiederkehr  des  Tages,  an 
dem  Goethes  und  Schillers  inniger  Verkehr  begann.  In  seinem  Büchlein:  „Hans 
Sachs,  Humanitätszeit  und  Gegenwart"  hat  Suphan40-40*)  einen  am  11.  Nov.  1894  in 
Weimar  gehaltenen  Festvortrag  abgedruckt  und  ihm  den  Wielandschen  Aufsatz  aus 
dem  Aprilheft  des  Merkur  von  1776  vorangeschickt,  Unter  dem  Titel  des  Vortrages 
verbirgt  sich  als  eigentliches  Thema  eine  feinsinnige  geistreiche  Parallele  zwischen 
beiden  Dichtem.  Sehr  hübsch  wird  die  Vorliebe  Goethes  für  Hans  Sachs  erläutert 
und  begründet,  sowie  die  Bedeutung  des  Goetheschen  Gedichts :  Hans  Sachsens  poetische 
Sendung,  für  die  Belebung'  der  Hans  Sachsforschung  und  sein  Interesse  für  den 
prächtigen  Menschen  und  Dichter  nachgewiesen.  — Die  Abhängigkeit  der  Goetheschen 
Sprache  in  der  letzten  Frankfurter  und  der  ersten  Weimarer  Zeit  von  Hans  Sachs  ist 
das  Hauptthema  des  Vortrages  von  Goetze41).  Aber  auch  er  streift  nur  das  Aehnliche 
und  Verwandte  in  dem  Leben  beider  Dichter.  Er  kommt  zu  demselben  Ergebnis  wie 
Suphan;  dass  bei  Goethes  Hinneigung  zu  Hans  Sachs  ein  geheimes  Verwandtschafts- 
gefühl mit  im  Spiele  war.  Er  erinnert  an  ein  Zeugnis,  das  Goethe  selbst  dafür 
ausgestellt  hat:  Als  er  in  Rom  seine  Schriften  für  die  erste  Gesamtausgabe  ordnete, 
bestimmte  er,  dass  die  Gedichte  „Hans  Sachsens  poetische  Sendung",  und  „Auf  Miedings 
Tod"  an  den  Schluss  gestellt  werden  sollten  mit  der  Begründung,  dass,  falls  er  stürbe, 
die  beiden  Gedichte  statt  Personalien  und  Parentation  gelten  könnten.  — 

Das  zweite  Jubiläum,  das  des  Goethe- Schi  Her  sehen  Bundes,  hat  wie  natürlich 
eine  Unzahl  Festartikel  hervorgerufen,  die  mehr  oder  weniger  Altes  und  Bekanntes 
wiederholten.  Selbständigen  Wert  hat  der  Artikel  Minors42),  besonders  deshalb, 
weil  er  vortrefflich  die  innere  Notwendigkeit  der  Vereinigung  beider  Männer  aus  der 
allmählichen  Ausgleichung1  der  Gegensätze  und  der  allmählichen  Annäherung  Schillers 
an  Goethes  Standpunkt  nachweist.  Auf  diese  Dinge  einzugehen  ist  hier  nicht  der 
Ort,  aber  wohl  interessiert  uns  die  Frage,  wann  die  berühmte  Begegnung  der  beiden 
Männer  in  der  Naturforscher-Gesellschaft  in  Jena  stattgefunden  hat.  Leider  kann 
auch  M.  diese  Frage  nicht  bestimmt  beantworten.  Sicher  hat  sie  vor  dem  13.  Juni  1794, 
dem  Tag'e  der  Einladung  Goethes  zur  Mitarbeit  an  den  Hören  seitens  Schillers, 
stattgefunden,  ebenso  sicher  nach  Mitte  Mai;  denn  um  diese  Zeit  kehrte  Schiller  aus 
Schwaben  nach  Weimar  zurück.  Von  einer  Anwesenheit  Goethes  in  Jena  in  dieser 
Zeit  ist  aber  nichts  bekannt.  Das  Tagebuch  lässt  uns  ganz  im  Stich,  auch  die  „Nachrichten 
von  dem  Fortgange  der  Naturforscher-Gesellschaft  zu  Jena"  1794  enthalten  nichts 
über  die  monatlichen  Versammlungen  42a-42e).  —  Eine  schöne  Gabe  zu  dem 
Goethe-Schillerjubiläum  hat  Suphan43)  dargebracht.  Er  hat  den  Versuch  gemacht, 
dem  Torso  des  Goetheschen  Gedichts  „Schillers  Totenfeier"  (s.  o.  IV  8a :  66),  an- 
scheinend zusammenhanglosen  und  unverstänlichen  Notizen,  Leben  einzuhauchen. 
Mit  Scharfsinn  und  durch  geistreiche  Kombinationen  hat  er  den  Plan  Goethes  zu 
dem  Gedicht,  das  eine  würdige  Erinnerungsfeier  auf  seinen  grossen  Freund  werden 
sollte,  aus  den  Andeutungen  herauszuschälen  verstanden.  — 

Ueber  die  in  den  letzten  Jahren  so  üppig  aufgeschossene  Friederiken- 
litteratur  haben  wir  im  letzten  Bande  (JBL.  1893  IV  8a  :  29—35)  ausführlich  gesprochen, 
so  dass  wir  über  die  Nachzügler  des  J.  1894  uns  kurz  fassen  können,  zumal  unsere 
früher  dargelegte  Meinung  in  dem  Streite  durch  sie  nicht  geändert  worden  ist. 
Gust.  A.  Müller44-45)  hat  in  zwei  Schriften  den  leidigen  Streit  wieder  aufgenommen. 

Textor  (Goethes  Grossvater):  ADB.  37,  S.  630,2.  —  37)  M.  Sauer,  Joh.  Textor:  ib.  S.  632.  —  38)  X  D.  J  a  c  o  b  y :  ADA.  20, 
S.  275-81 ;  DEKZ».  8,  S.  21  2.  —  39)  A.  S  c  h  m  i  d  t ,  D.  Briefe  v.  Goethes  Mutter  an  ihren  Sohn  als  Quellen  zu  seinen 
Werken:  ZDPh.  26,  S.  375-99.  —  40)  B.  Suphan,  Hans  Sachs,  Humanitätszeit  u.  Gegenw.     Weimar,  Böhlau.    68  S.  M.  1,00. 

—  40  a)  (II  4b  :64.)  —  41)  (II  4b:  102.)  —  42)  J.Minor,  Z.  Jubil.  d.  Bundes  zwischen  Goethe  u.  Schiller.  Gesch. 
ihrer  Beziehungen  bis  1794:  PrJbb.  77,  S.  1-60.  (Vgl.  IV  9 : 9.)  —  42a)  X  W.  Doenges,  D.  Geburtst.  d.  Goethe- 
Schillerschen  Freundschaft:  LZgB.  N.  100.  (Vgl.  IV  9:8.)  —  42b)  X  ?•  Zunk,  Schiller  u.  Goethe.  B.  Säkularfeier  an  d. 
Beginn  ihres  Freundschaftsbündnisses  im  Sommer  1794:  PragTBl.  20.  Sept.  —  42 C)  X  B.  y.  Gottschall,  D.  Dichter- 
dioskuren  in  Weimar:  SchlesZg.  N.  324.  (Vgl.  IV  9:5.)  —  42d)  X  D.  Beginn  d.  Briefw.  zwischen  Schiller  u.  Goethe  Juni  1794 : 
NorddAZgB.  N.  33.    (Vgl.  IV  9  :  28.)  —  42e)  X  Goethe  u.  Schiller  im  Bande  mit  Cotta:  SchwäbKron.  N.  291.   (Vgl.  IV  9  :  16.) 

—  43)  (IV8e:C6;  9:11.)  —  44)  Gust.  A.  Maller,  Sesenheim,  wie  es  ist  u,  d.  Streit  über  Friederike  Brion,  Goethes  Jugendlieb.  E. 
Beitr.  zu  friedl.  Einigung.  Mit  Titelbild  u.  mehreren  Abbild,  in  Lichtdr.  nach  Skizzen  v.  M.  Feurer.  Bühl,  Konkordia.  125  S. 
M.  6,00.     |[Geg.  45,  S.  175;  F.  Hirsch:  MHL.  22,  S.  464;  LCB1.  S.  484/5;  DLZ.  S.  1454;  BLU.  S.  724;  Euph.  1,  S.  818-23.] | 

—  45)  id.,   Urkundl.  Forschungen   zu    Goethes  Sesenheimer  Idylle    u.  Friederikens  Jugendgesetz     Auf  Grund    d.  Sesenheimer 


IV  8b  :  46-5i  K.  Heinemann,  Goethes  Leben. 

Er  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dass  zwar  von  einer  Versöhnung-  Friederikens  durch 
Goethe  oder  den  Pfarrer  Reinhold  nicht  die  Rede  sein  kann,  dass  aber  der  bewusste, 
in  das  Findelhaus  zu  Strassburg  gebrachte  Knabe  Friedrich  Blumenhold  wahrscheinlich 
ein  Sohn  Friederikens  gewesen  ist.  Wir  verweisen  statt  jeder  Antwort  auf  die  früheren 
Berichte  über  das  Froitzheimsche  Buch  (JBL.  1892  IV  8b:  44;  1893  IV  8b:  29-35) 
und  bemerken  noch,  dass  diese  Annahme,  selbst  wenn  sie  wahr  sein  sollte,  mit  der 
Goetheforschung  garnichts  zu  thun  hat.  Im  übrigen  hat  M.  sich  um  die  Erforschung 
der  Sesenheimer  Idylle  grosses  Verdienst  erworben.  Wir  verdanken  den  beiden 
Schriften  manchen  guten  Fund  und  manches  liebliche  Bild.  Freilich  ist  M.  in 
seinem  Eifer  zu  weit  gegangen.  W^enn  er  sogar  dem  Lehrer  Friederikens,  dem 
alten  Ochsenwirt,  dem  Barbier  und  den  Festen,  Hochzeiten  und  Taufen  zu  Goethes 
Zeiten  besondere  Kapitel  widmet  und  gar  alle  Taufen  von  1761—68,  bei  denen  die 
Töchter  Brions  Paten  gewesen  sind,  aufzählt,  so  fordert  er  berechtigten  Spott 
heraus;  und  davor  sollte  man  sich  hüten  in  einer  Zeit,  die,  wenn  auch  meist  mit 
Unrecht,  sich  über  den  Goethekleinkram  lustig  macht.  —  Dass  Gust.  A.  Müller46)  in 
Sesenheim  ein  kleines  Goethemuseum  errichtet  hat,  wird  unseren  Lesern  bekannt 
sein.  Seine  genaue  Kenntnis  hat  er  nun  auch  anderen  zur  Verfügung  gestellt  durch 
die  Herausgabe  eines  Führers  durch  Sesenheim  und  Umgebung,  der  in  den  Kapiteln: 
Sesenheim,  Geschichte  des  Ortes,  Rundgang  durch  Sesenheim,  Umgebung  von 
Sesenheim  alles  das  enthält,  was  der  Besucher  des  Platzes,  soweit  er  ihn  als  Goethe- 
freund aufsucht,  erfahren  will.  M.  hofft  wohl  mit  Recht,  dass  von  nun  an  kein 
Verehrer  Goethes  und  Friederikens  Sesenheim  ganz  unbefriedigt  verlassen  wird.  — 
Dazu  sei  bemerkt,  dass  die  Pietät  dem  Grabe  Oliviens 47),  der  Schwester  Friederikens, 
Maria  Salome  in  Meissenheim,  zu  gute  gekommen  ist.  Es  ist  mit  einem  Gitter  um- 
schlossen, frisch  hergerichtet  und  mit  einer  Syenitplatte  geschmückt  worden,  die 
ausser  dem  Namen  die  Verse  aufweist:  „Wer  einem  Dichter  hold  begegnet,  dess 
Name  bleibt  fortan  gesegnet."  —  Das  Programm  von  Metz48):  Nochmals  die  Ge- 
schichte in  Sesenheim,  macht  schon  darum  einen  erfreulichen  Eindruck,  weil  es 
auf  die  hässlichen  Verleumdungen  Friederikens  gar  nicht  eingeht.  M.  hat  es  sich 
zur  Aufgabe  gemacht,  der  Darstellung  Goethes,  bei  der  ja  künstliche  Motive  vor- 
walten, die  nachweisbar  geschichtliche  Thatsache  gegenüber  zu  halten  oder  mit 
anderen  Worten  Dichtung  und  Wahrheit  zu  sondern.  Danach  haben  wir  sechs  Be- 
suche Goethes  in  Sesenheim  anzunehmen.  Der  erste  mit  Weyland  am  13. und  14.  Okt.  1770 
(Sonnabend  und  Sonntag);  der  zweite  Anfang  Nov.  1770;  der  dritte  Weihnachten  1770. 
Mit  dem  vierten  (zweite  Hälfte  des  Febr.  1771)  beginnt  die  Blütezeit  der  Liebe  bis 
zum  fünften  Besuch  in  der  ersten  Woche  des  Mai.  Darauf  folgt  der  fünfwöchige 
Aufenthalt  zu  Pfingsten  (vom  19.  Mai  an),  in  dem  die  Peripetie  eintritt.  Für 
den  Besuch  der  Familie  Brion  wird  der  Winter  wahrscheinlich  gemacht.  Wenn  auch 
M.  nicht  alle  seine  Behauptungen  hat  streng  beweisen  können,  so  wird  sich  doch 
gegen  die  Datierung  der  ersten  drei  und  des  letzten  Besuches  wenig'  sagen  lassen. 
Auch  in  der  Auffassung  des  Verhältnisses,  die  in  den  Schlussworten  sich  äussert: 
„Schuldig  ist  Goethe  geworden  nicht  dadurch,  dass  er  Friederiken  verliess,  sondern 
dadurch,  dass  er  sich  in  diese  Liebe  zu  tief  einliess,"  scheint  uns  M.  auf  der  richtigen 
Fährte  zu  sein.  — 

Eine  hübsche  Zusammenfassung  der  Schicksale  Lilis  giebt  der  zweite  Anhang 
zu  der  neuen  Auflage  des  bekannten  Buches  vom  Grafen  Dürkheim:  Lilis  Bild.  Die 
neue  Auflage  ist  von  Bielschowsky 49)  besorgt  worden.  B.  meint,  dass  Lili  noch  im 
J.  1776  an  der  Hoffnung  festgehalten  habe,  Goethe  werde  zu  ihr  zurückkehren, 
und  Goethes  bekannte  Dichtung  von  Stella  gab  ihr  dazu  Berechtigung.  Die  Familie 
habe  deshalb  starke  Mittel  angewendet,  um  Lili  in  eine  neue  Verlobung  zu  drängen, 
worauf  Goethes  Brief  vom  10.  Apr.  1776  an  Johanna  Fahimer  hindeute.  Selbst- 
verständlich hat  B.  den  erst  1892  bekannt  gewordenen  Brief  Goethes  an  Lili  vom 
14.  Dec.  1807,  in  dem  Goethe  seine  Freude  darüber  ausspricht,  einige  Zeilen 
von  „Ihrer  lieben  Hand  zu  sehen,  die  ich  tausendmal  küsse  in  Erinnerung  jener 
Tage,  die  ich  unter  die  glücklichsten  meines  Lebens  zähle",  abgedruckt,  auch  die 
schönen  Mitteilungen  Bäbes  über  Lili  (S.  162),  von  denen  wir  im  vorigen  Bericht 
erzählt  haben.  — 

Frau  von  Stein,  das  beliebte  Thema,  ist  diesmal  weniger  behandelt  worden. 
Nur  in  dem  Aufsatze  Büchners50)  „Erlebtes  im  Tasso"  ist  von  ihr  die  Rede.  —  Ein 


Gemeindearch.  Mit  e.  korrigierten  Kopie  u.  e.  Wiedergabe  d.  Falckschen  Friederikenportr.,  sowie  5  Beigaben,  ebda.  XV, 
146  S.  M.  3,50.  |[LCB1.  S.  1069-70;  BLÜ.  S.  724.]  |  —  46)  id.,  Führer  durch  Sesenheim  u.  Umgeb.  E.Wegweiser  zu  Goethes 
Liebesidylle.  Strassburg  (Selbstverl.).  31  8.  M.  0,80.  —  47)  Oliviens  Grab:  FZg.  17.  .Fuli.  —  48)  A.  Metz,  Nochmals  d. 
Gesch.  in  Sesenheim.  E.  Stud.  Progr.  d.  Johannenm.  Hamburg.  4°.  33  S.  M.  2,50.  —  49)  Graf  F.  E.  v.  Dörckheim,  Lilis 
Bild,  gesch.  entworfen.  2.  verra.  Aufl.  v.  A.  Bielschowsky.  Mit  Photogr.  u.  e.  Auslese  aus  Lilis  Briefw.  München, 
Beck.  1893.  XIII,  165  8.  M.  3,00.  |[KonsMschr.  S.  336;  BLÜ.  S.  22;  Euph.  1,  S.  169-72;  VelhKlasMh.  2,  S.  122/3;  N&S.  69, 
S.  135.]|  —  50)  W.  Buchner,  Selbsterlebtes  in  Goethes  Tasso:  GJb.  15,  8.  178-86.  (Vgl.  IV  8e  :  58.)  —  51)  W.S  c  h  w  ar  z, 


K.  Heinemann,  Goethes  Leben.  IV  8b  :  51-58 

bisher  unbekanntes  Bild  nach  dem  in  der  Sammlung*  von  Daliwitz  in  Berlin  befind- 
lichen Gemälde  von  K.  Imhoff  hat  Schwarz51)  veröffentlicht.  — 

Des  fürstlichen  Freundes  Goethes,  Karl  Aug'usts,  Thätigkeit  als  Soldat  und 
Regimentschef  hat  eine  ausführliche  Schilderung  erfahren  in  der  Schrift  von  P.  von 
Bojanowski52),  die  selbstverständlich  vielfach  Goethe  und  seine  Campagne  in 
Frankreich  berührt.  Uns  interessiert  hier,  dass  das  Urteü  Goethes  über  seines  Herzogs 
militärische  Tüchtigkeit  durchaus  bestätiget  wird.  Das  wird  besonders  klar  aus  den 
militärischen  Denkschriften  Karl  Augusts,  mit  denen  uns  B.  bekannt  macht.  Auch 
Karl  Augusts  Verurteilung  des  Potsdamer  Gamaschendienstes,  seine  Wertschätzung 
der  Leistungen  der  Provinzialtruppen  und  seine  freimütige  Beurteilung  der  vom 
Könige  angeordneten  Avancements  der  Offiziere  verraten  den  offenen  freien  Blick 
und  die  Selbständigkeit  seiner  Anschauung.  Was  der  Herzog  über  die  Art  der  Kriegs- 
führung in  der  Campagne  erzählt,  ist  die  heute  allgemein  geltende  Meinung.  — 

Eine  ausführliche  Biographie  Karl  Matthäis  hat  Scher  er53)  veröffentlicht. 
Matthäi  ist  als  Hofmeister  des  Sohnes  der  Gräfin  Branconi  öfters  mit  Goethe  zu- 
sammen gekommen.  Dass  er  deshalb  einen  grossen  biographischen  Artikel  im  GJb. 
verdiene,  könnte  man  bezweifeln.  Wir  erfahren,  dass  er  zwar  zur  gleichen  Zeit  mit 
Goethe  in  Leipzig  studiert  hatte,  dass  aber  Beziehungen  zwischen  beiden  sich  nicht 
nachweisen  lassen.  Im  Juli  1776  überbrachte  Matthäi  Goethe  einen  Brief  von  Kestner, 
ein  Jahr  später  nahm  er  die  Stellung  bei  der  Gräfin  Branconi  an,  von  daher  rührt 
der  etwas  spärliche  Verkehr.  Ueber  die  Briefe  Matthäis  zu  Goethe  ist  oben  berichtet 
worden.  — 

Zu  dem  reichen  Kranze  Goethescher  Frauengestalten  hat  Bielschowskys54) 
Entdeckung  eine  neue  hinzugefügt,  wenn  anders  sein  Berichterstatter  Dr.  Treichler, 
Arzt  in  Stäfa,  Beglaubigtes  erzählt  hat.  Danach  hat  Goethe  während  seines  Auf- 
enthaltes in  Stäfa  1797  ein  damals  I5V2  Jahr  altes  Mädchen  Magdalena  Pfenninger 
kennen  gelernt  und  ihr  sein  Interesse  zugewendet.  Nach  der  Erzählung  des  später 
an  den  Kantonrat  Schulthess  verheirateten  Mädchens,  das  Dr.  Treichler  noch  gekannt 
hat,  soll  sich  zwischen  Goethe  und  Magdalena  ein  Briefwechsel  entsponnen  haben. 
Die  Briefe  sind  jedoch  verloren  gegangen.  — 

Ueber  Goethes  Beziehungen  zu  Beethoven  handelt  Kögel55)  in  der  Fest- 
schrift zur  Hildebrandfeier.  Darin  giebt  er  einen  kurzen  Ueberblick  über  die 
Beziehungen  der  beiden  grossen  Männer  zu  einander.  Es  hat  etwas  Rührendes  zu 
sehen,  wie  der  erste  Komponist  Deutschlands  bemüht  ist,  die  Achtung  und  Gunst  des 
ersten  Dichters  zu  erringen,  und  wie  er  trotz  Ablehnung  und  kühler  Behandlung  in 
seiner  Verehrung  beharrt.  Die  „ungebändigte  Persönlichkeit"  Beethovens  und  Goethes 
vornehm  zurückhaltendes  Wesen  waren  nicht  für  einander  geschaffen.  Die  durch 
Bettinens  Feuereifer  herbeigeführte  Zusammenkunft  beider  musste  eher  entfremden 
als  vereinigen.  Bezeichnend  sind  die  Worte,  die'  Goethe  Varnhagen  gegenüber  von 
ihm  gebrauchte:  „Seine  unglückliche  Taubheit  ist  seiner  angeborenen  Wildheit  nur 
zu  günstig  uud  macht  ihn  für  solche,  deren  Liebe  er  nicht  schon  vertraut,  fast  un- 
gesellig." Mag  die  Abneigung*  gegen  die  Person  Beethovens  die  Schuld  tragen  oder 
Goethes  mangelnde  musikalische  Begabung,  jedenfalls  hat  sich  Goethe  nie  für 
Beethovens  Musik,  auch  nicht  für  dessen  Kompositionen  seiner  Gedichte,  erwärmt. 
Er  ging  sogar  in  der  Abneigung  so  weit,  dass  er  nicht  bloss  die  Zusendung  der 
Komposition  zu  „Meeresstille  und  glückliche  Fahrt",  sondern  auch  Beethovens  in 
rührenden  Worten  ausgesprochene,  von  der  Not  erzwungene  Bitte  ohne  Antwort  Hess. 
Die  Bevorzugung  der  Kompositionen  Zelters  und  anderer  kleiner  Geister  vor  denen 
Beethovens  lässt  sich  gewiss  daraus  erklären,  dass  Zelter,  Reichardt,  Kayser  sich 
völlig  den  Intentionen  des  Dichters  anschlössen,  Beethoven  und  Schubert  aber  neben 
der  Dichtung  ein  zweites,  musikalisches  Kunstwerk  schufen,  das  an  Schönheit  und 
Kunst  der  Dichtung  gleichwertig  und  nicht  immer  im  Anschluss  an  die. Dichtung, 
vielleicht  sogar  im  Widerspruch  mit  der  Empfindung  und  Absicht  des  Dichters  ent- 
standen war.  Daraus  erklärt  sich  freilich  noch  immer  nicht  die  schroffe  Abweisung 
des  Menschen  Beethoven.  Bettinens  bekannte  Erzählung  von  Beethovens  ungezogener 
Opposition  gegen  Goethes  hofmännische  Haltung  der  kaiserlichen  Familie  gegenüber 
wird  auf  etwas  Thatsächliches  zurückzuführen  sein.  Etwas  Aehnliches  muss  sich 
ereignet  haben,  weil  Goethes  Benehmen  sonst  unverständlich  wäre.  — 

Die  Bezielmngen  Goethes  zu  Heinrich  Voss,  dem  älteren  und  dem  jüngeren, 
behandelt  Bock56"57)  in  ansprechender  Art,  ebenso  die  zu  Henrik  Steffens.  Der 
letztere  Artikel  verdient  ein  längeres  Leben,  als  Zeitungsartikeln  beschieden  zu  sein 
pflegt,  da  er  einiges  weniger  Bekannte  aus  Steffens  Memoiren  herbeibringt.  —  Bock58) 
berichtet  auch  über  das  oft  behandelte  Thema:  Goethe  und  Bürger.  — 


E.  interessantes  Portr.:  WIDM.  75,  S.  249-51.  (Frau  t.  Stein.)  —  52)  (IV  1  b  :  438.)  |[H.  Grimm:  DLZ.  S.  1044/5.]|  — 
53)  (=  N.  17)  — 54)  A.  Bielschnwsky,  Goethe  u.  Magdalena  Pfenninger:  GJb.  15,  S.  2834.  —  55)  (IV  8a:  37.)  —  56) 
A.  Bock,  Goethe  u.  Heinr.  Voss:  FZg.  N.  237.   —    57)  id.,  Goethe  u.  Henrik  Steffens:  SchlesZg.  N.  600.  —  58)  id.,  Goethe 


TV  8b:  59-63    IV  8c:i-2  0.  Pniower,  Goethes  Lyrik. 

In  der  Zeit  von  1810—13  war  Goethe  bekanntlich  jeden  Sommer  in  den 
böhmischen  Bädern  Karlsbad  oder  Teplitz.  Unter  den  vielen  Bekanntschaften,  die 
er  hier  anknüpfte,  war  die  vornehmste  die  der  Kaiserin  Maria  Ludovika  von 
Oesterreich.  Ueber  diese  Beziehungen  wird  ausführlich  gehandelt  in  dem  Buche  von 
Guglia59)  nach  einem  Vortrag-,  den  der  Vf.  im  Vorjahre  hatte  drucken  lassen 
(JBL.   1893  IV  8a:  45).  — 

Noch  ein  anderes  gekröntes  Haupt  wurde  in  Teplitz  mit  Goethe  bekannt.  Es 
war  der  König  Ludwig  von  Holland,  der  sich  unter  dem  Namen  eines  „Grafen 
St.  Leu"  in  Teplitz  aufhielt  und  hier  Goethes  Wandnachbar  war.  Das  GJb.  brachte 
ein  Verzeichnis  der  Ouvrages  poetiques  de  Goethe,  das  der  Dichter  im  Aug.  1823 
für  den  Grafen  St.  Leu  niedergeschrieben  hat.  Im  Anschluss  hieran  hat  Suphan60) 
die  Beziehungen  Goethes  zu  dem  damaligen  Könige  von  Holland  ausführlich  be- 
handelt. Kurz  vor  ihm,  als  Goethe  den  König,  kennen  lernte,  „hatte  der  grundedle 
Mann  allem  äusserlichen  Gepränge  entsagt  und  trachtete  nun  sein  sittliches  Zart- 
gefühl, seine  Neigmng  zu  ästhetischen  Arbeiten  im  Privatstande  ungehindert  weiter 
zu  entwickeln".  Ueber  diese  erste  Begegnung  hat  Falk  in  seinem  bekannten  Büch- 
lein „Goetne  aus  näherem  persönlichen  Umgang  dargestellt"  (1832,  S.  163)  ausführ- 
lich berichtet.  Noch  einmal  führte  die  Kur  den  Grafen  St.  Leu  und  Goethe  zusammen; 
es  war  1822  in  Marienbad.  Das  Tagebuch  verzeichnet  eine  Anzahl  Gespräche 
von  den  beiden,  deren  Hauptinhalt  sich  um  die  Frage  dreht:  Quelles  sont  les 
difficultes  qui  s'opposent  ä  Fintroduction  du  rhythme  des  Grecs  et  des  Latins  dans 
la  poesie  francaise,  worüber  der  Graf  1814  eine  Schrift  der  Akademie  eingereicht 
hatte.  Am  14.  Aug.  1822  sandle  Goethe  Ottilien  einige  Gedichte,  die  auf  ihn  einen 
wahrhaft  elegischen  Effekt  gemacht  hatten.  S.  fügt  einige  bisher  unbekannt  gewesene 
Zeilen  Goethes  über  einen  Roman  des  Grafen:  „Marie"  (Amsterdam  1812)  hinzu,  über 
den  Goethe  Knebel  gegenüber  sich  mit  den  Worten  ausgesprochen  hat:  „Marie  des 
Königs  von  Holland  habe  ich  mit  viel  Anteil  gelesen;  seine  schöne  Seele  verbreitet 
sich  durch  das  Ganze  und  über  das  Ganze."  — 

Ueber  Goethe  und  Byron  hat  Sinzheimer61)  eine  Dissertation  geschrieben. 
S.  behandelt  zuerst  die  persönlichen  Beziehungen,  citiert  die  gegenseitigen  Be- 
urteilungen und  bespricht  das  litterarische  Verhältnis  der  beiden  Dichter.  Er 
weist  nach,  dass  der  Einfluss  des  Faust  auf  Manfred  sehr  gering  ist,  dass  dagegen 
„The  transformed  deformed"  sehr  abhängig  vom  Faust  ist.  — 

Von  Goethes  Aufenthalt  in  Tennstädt,  dem  kleinen  Thüringer  Badeort, 
schreibt  Gutbier62);  ausser  dem  bei  Biedermann  bereits  abg*edruckten  Bericht  über 
das  Gespräch  Goethes  und  Krug  von  Niddas  giebt  er  eine  ausführliche  Schilderung 
des  Badelebens  und  der  Thätigkeit  Goethes  während  seines  Aufenthaltes.  — 

Aus  der  Karlsbader  Zeit  von  1811  hat  Karpeles63)  die  Episode  Goethes 
mit  dem  Wirt  zum  roten  Ochsen  in  Schlaggenwald  aus  den  Tagebüchern  (4,  S.  397) 
wieder  abgedruckt.  — 


c)  Lyrik. 

Otto  Pniower. 

Pseudogoethesche  Gedichte  N.  1.  —  Ein  neuer  Fund  N.  3.  —  Ausgaben  N.  4.  —  Zusammenfassende  Be- 
trachtungen N.  7.  —  Einzellitteratur :  Leipziger  Lieder  N.  18.  —  Strassburger  Zeit  N.  20.  —  Frankfurter  Zeit  (Mahomets  Ge- 
sang) N.  23  —  Weimarer  Zeit:  Epiphanias  N.  25;  Erlkönig  N.  26-,  Sänger  N.  27;  Ilmenau  N.  28;  Das  Göttliche  N.  32;  Zueignung 
N.  33;  Xenien  N.  34;  Musen  und  Grazien  in  der  Mark  N.  39;  „War  nicht  das  Auge  sonnenhaft"  N.  41;  „Alles  in  der  Welt 
lässt  sich  ertragen"  N.  42;  Epilog  zu  Schillers  Glocke  N.  43;  Die  wandelnde  Glocke  N.  45;  West-östlicher  Divan  N.  46;  Stamm- 
bucheintrag: „Als  kleinen  Knaben  hab'  ich  dich  gesehn"  N.  47;  „Nenne  niemand,  nur  verschone"  N.  48;  Marienbader  Elegie 
N.  49;  Chinesisch-deutsche  Jahres-  und  Tageszeiten  N.  50;  letzte  Verse  N.  51.  — 

Pseudogoethesche  Gedichte.  Vor  vier  Jahren  (JBL.  1890  IVllc:3) 
war  von  einem  Liede  „Wenn  ich  still  und  einsam  weine"  die  Rede,  dessen  Ver- 
fasserschaft Goethe,  gleich  darauf  jedoch  Siegmund  von  Seckendorff  zugeschrieben 
wurde.  Gründe  für  dessen  Autorschaft  wurden  damals  nicht  angeführt.  Jetzt  stellt 
sich  heraus,  dass  das  Gedicht  sich  auch  in  Goethes  Nachlass  in  einem  geschriebenen 
Hefte  fand,  das  Liederkompositionen  Seckendorffs    enthält.     Suphan1),   der   dieses 


u.  Bürger:  Zeitgeist  N.  24.  —  59)  A.  Guglia,  Kaiserin  Maria  Ludovika  v.  Oesterreich  1787  —  1816.  Nach  ungedr.  Briefen. 
Wien,  Gräser.  XI,  186  S.  Mit  6  Abbild.  M.  2,00.  -  60)  (IV  8a  :  76.)  —  61)  (IV  8a  :  84;  8e  :  96.)  —  62)  M.  Gu  t  b  i  e  r , 
D.  Tennstädter  Badesaison  im  J.  1816:  NordhäuserCour1*.  N.  32/4.  —  63)  G.  Karpeles,  Goethe  u.  d.  Wirt  z.  roten  Ochsen 
im  .Schlaggenwald:    Frankflntelligenzbl.  21.  Aug.     (Vgl.  A.  John:  Bote  aus  d.  Egerthal  N.  75.)  — 

1)  B.  Suphan,   „Wenn   ich   still  u.  einsam  weine":   GJb.  15,   S.  265/7.    —    2)   Herrn.    Schrader:   MADSpr.  5, 


0.  Pniower,  Goethes  Lyrik.  IV  80  =  2-8 

Heft  beschreibt  und  bespricht,  schliesst  aus  seinem  Titel,  dass  von  Seckendorff  auch 
die  Texte  zu  den  Melodien  herrühren.  —  Ebenso  wenig-  wie  dieses  Lied  Goethes 
Eigentum  ist,  gehört  ihm  das  von  Hermann  Schrader2)  ihm  von  neuem  vin- 
dicierte  und  als  wenig  bekannt  mitgeteilte  Gedicht  „Britisch,  Gallisch  und  Italisch  usw." 
an.     Sein  Vf.  ist  J.  D.  Gries  (Hempel  3,  S.  398).  — 

Als  wirklicher  Zuwachs  zur  Goetheschen  Lyrik  in  dem  weiten  Sinne,  in  dem 
wir  hier  den  Begriff  nehmen,  ist  uns  dagegen  ein  neuer  Fund  durch  eine  Ver- 
öffentlichung Redlichs3)  bescheert  worden:  Skizzen  zur  „Dritten  Epistel",  von 
denen  uns  bisher  nur  ein  paar  Verse  bekannt  waren.  Doch  ist  der  Gewinn  nicht  eben 
beträchtlich.  Was  vorliegt,  sind  abgerissene  Stücke,  lückenhaft,  voll  von  Gedanken- 
sprüngen und  schwer  deutbar.  So  viel  sieht  man:  handelt  es  sich  in  der  zweiten 
Epistel  um  die  Erziehung  der  Mädchen  und  die  Frage,  welche  Lektüre  für  sie  die 
geeignetste  sei,  so  sollte  in  der  dritten  von  den  Knaben  gesprochen  werden  und  der 
für  sie  passendsten  Geistesnahrung.  Es  scheint,  dass  ähnlich  wie  es  für  die  Mädchen 
dort  geschieht,  der  Dichter  auch  hier  für  sie  als  beste  Lehrmeister  das  Leben  und 
die  That  hinzustellen  und  der  Litteratur  erst  den  zweiten  Platz  einzuräumen  ge- 
dachte. — 

Von  Ausgaben  Goethescher  Gedichte  muss  hier  der  16.  Band  der  Weimarer 
Edition4)  erwähnt  werden.  Er  enthält  die  „Parabeln",  die  „Legende"  (Jesus  und 
St.  Peter),  „Hans  Sachsens  poetische  Sendung",  „Auf  Miedings  Tod",  den  „Epilog 
zu  Schillers  Glocke"  und  die  „Karlsbader  Gedichte".  Dem  Grundsatz  der  Ausgabe 
entsprechend  werden  immer  die  endgültigen  Fassungen  abgedruckt,  während  der 
Apparat  über  die  älteren  Gestalten  Auskunft  giebt.  Wesentlich  neues  für  die  Text- 
g'eschichte  der  in  Betracht  kommenden  Gedichte  ergab  die  kritische  Durchprüfung 
des  Materials  nicht.  Beim  „Epilog  zu  Schillers  Glocke"  konnte  die  Originalhs.  der 
ersten  Fassung  benutzt  werden ;  in  die  Arbeit  an  der  Herstellung  der  dritten  gewährt 
ein  eigenhändig  beschriebener  Streifen  Einblick.  Für  die  Karlsbader  Gedichte  lag* 
ebenfalls  zum  Teil  hs.  Material  vor.  —  Den  von  mir  schon  früher  (JBL.  1891 
IV  9c  :  6)  erwähnten  vierten  Band  der  Weimarer  Ausgabe  zeigt  Düntzer5)  an.  Auch 
er  muss  sich,  da  ihm  der  Lesartenapparat  fehlt,  darauf  beschränken,  seinen  Inhalt 
zu  skizzieren.  Drei  ihm  unbekannte  Gedichte,  die  also,  das  kann  man  getrost  be- 
haupten, bis  dahin  ungedruckt  waren,  hebt  er  durch  Abdruck  hervor.  Es  sind  Stoss- 
seufzer  an  Frau  von  Stein  aus  dem  Sommer  und. Herbst  1776,  die  dem  Dichter  die 
Sehnsucht  nach  der  entfernten  Geliebten  entlockt  hat.  —  Erdmann6)  bespricht  die 
von  mir  ebenfalls  früher  gewürdigte  Auswahl  von  Goethes  Gedichten,  die  L.  Blume 
besorgt  hat  (JBL.  1892  I V  8  c :  12),  anerkennend,  stellt  aber  seiner  Periodisierung 
eine  eigene,  differenziertere  gegenüber,  die  mir  nicht  übel  gelungen  scheint.  — 

Erfreulich  ist  es,  dass  dieses  Mal  über  eine  grössere  Zahl  von  solchen 
Arbeiten  zu  berichten  ist,  deren  Autoren  des  Dichters  ganze  lyrische  Thätigkeit  oder 
wenigstens  eine  grössere  Reihe  seiner  Schöpfungen  zusammenfassend  be- 
trachten. Auch  brechen  sich  augenscheinlich  neue  Anschauungen  Bahn,  neu 
wenigstens  insofern,  als  sie  theoretisch  zwar  ausgesprochen  waren  (JBL.  189 1  I V  9  0  :  1), 
auf  Goethe  aber  bisher  keine  oder  nur  geringe  Anwendung  fanden.  Besonders  wird 
dem  Verhältnis  von  Rhythmus  zum  Stoff  endlich  die  so  nötige  Beachtung  geschenkt. 
Unter  diesen  zusammenfassenden  Arbeiten  muss  der  von  Richard  M.  Meyer7)  ver- 
fassten  Biographie,  die  als  Ganzes  erst  im  nächsten  Jahre  zur  Besprechung  gelangt,  vorweg 
gedacht  werden.  Freilich  hat  gerade  Goethes  Lyrik  der  vorgeschriebenen  Oekonomie 
des  Buches  am  meisten  Opfer  bringen  und  sich  eine  recht  stiefmütterliche  Behandlung 
gefallen  lassen  müssen.  Doch  fehlt  es  nicht  an  einer  Menge  feiner  und  geistreicher 
Bemerkungen  auch  über  sie.  Näher  darauf  einzugehen  verbietet  auch  uns  die 
Oekonomie  dieses  Berichts.  Wir  müssen  uns  begnügen,  auf  das  Register  zu  ver- 
weisen, in  das  jedes  in  dem  Werk  besprochene  Gedient  aufgenommen  ist.  —  Wenn 
Sieg  mar  Seh  ultze  s8)  Buch  hier  ebenso  kurz  abgethan  wird,  dann  geschieht  es 
wahrlich  nicht,  um  ihm  die  Ehre  zu  erweisen,  der  Meyerschen  Biographie  gleich- 
gestellt zu  werden,  sondern  weil  seine  Art  und  sein  Wert  schon  im  vorigen  Bericht 
hinreichend  charakterisiert  wurden  (JBL.  1893  IV  8c:  7).  Die  diesmal  in  Betracht 
kommenden  Hefte  ergeben  eine  womöglich  noch  geringere  Ausbeute  für  Goethes 
Lyrik.  Nur  um  unserer  Referentenpflicht  zu  genügen,  und  weil  dem  Buch  kein 
Register  beigegeben  ist,  bemerken  wir,  dass  Heft  5,  S.  14/5  von  Bürgers  Einfluss 
auf  Goethes  Balladen  und  Liebeslieder  die  Rede  ist,  S.  17/8  sein  Pindarstudium  und 
dessen  Wirkung,  S.  2 1  die  lyrische  Sprache  und  das  Gedicht  „Sprache",  S.  29—30  f.  die 
Entwicklung  der  Naturempfindung  des  Dichters,  S.  54  die  Fabel  „Adler  und  Taube" 


8.  108/9.   —    3)  K.  Chrn.  Redlich,    Skizzen  z.  3.  Epistel  v.  Goethe:  GJb.  15,  S.  3/7.  —    4)  (IV  8a  :  66;  1.  Abt.,  16.  Bd)  — 
5)  H.  Düntzer:  ZDPh.  26,  S.  255/6.  —  6)  0.  Erdmann:  ib.  S.  277-80.  —  7)  B.  M.  Meyer,  Goethe.    Preisgekrönte  Arbeit. 
(=  Geisteshelden.    Her.  v.  A.  Bettelheim.  Bd.  13/5.)  B.,  E.  Hofmann  &  Co.  1895.  XXXII,  628  S.  M.  7,20.  —  8)  (IV  8b:  31.) 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (4)28 


IV  8c  :  9-w  O.  Pniower,  Goethes  Lyrik. 

und  ihre  Bedeutung"  in  Goethes  Entwicklungsgang;  besprochen  werden.  Heft  6, 
S.  27/8  beschäftigt  sich  mit  „Künstlers  Morgenlied",  S.  62/3  handelt  nichtssagend  von 
„Mahomets  Gesang".  —  „Gern  verlass  ich  diese  Hütte"  und  schreite  zu  dem  tüchtigen, 
festen  Haus,  das  Bauer9)  errichtet  hat.  Sieben  Gedichte  Goethes:  den  „Wanderer", 
den  „Gesang  der  Geister  über  den  Wassern",  „Prometheus",  „Ganymed",  „Mignon", 
„König  in  Thule"  und  „An  den  Mond"  erläutert  er  nach  ihrem  Gedankengang  in 
wahrhaft  musterhafter  Art.  Er  beklagt  mit  Recht,  dass  bei  der  üblichen  Gedicht- 
erklärung die  Interpreten  entweder,  ohne  jeden  Zusammenhang  mit  den  Einzelheiten 
der  Dichtung  selbst,  mehr  oder  minder  zutreffende  Paraphrasen  bringen  oder  von 
Vers  zu  Vers  vorschreitend  sich  mit  der  Erklärung  einzelner  Stellen  begnügen,  wo- 
bei gerade  das  Wichtigste,  der  innere  Zusammenhang  des  Gedichtes,  unberücksichtigt 
bleibt.  Im  Gegensatz  dazu  legt  er  das  Hauptton  darauf,  den  fortlaufenden  Ge- 
dankengang in  strengem  Anschluss  an  die  Dichtung  selbst  zu  entwickeln.  Er 
befleissigt  sich  dabei  der  äussersten  Knappheit,  folgt  aber  dennoch  dem  Dichter  bis 
in  das  feinste  Geäder  seiner  Schöpfung.  Zugleich  sind  es  keine  kalten  Inhaltsangaben, 
die  er  bietet,  sondern  vom  Standpunkt  des  Gedichtes  aus  erfasste  Analysen,  denen 
darum  auch  von  der  Stimmung  des  jeweiligen  Werkes  allemal  ein  Hauch  verliehen 
ist.  Wie  er  die  dichterischen  Voraussetzungen  streng  im  Auge  behält,  so  gelingt  es 
ihm,  die  poetischen  Intentionen,  auch  die  verborgensten,  mit  feinem  Spürsinn  auf- 
zudecken und  die  künstlerischen  Wirkungen  zu  erklären.  Auf  die  Motivenfolge 
achtet  er  nicht  minder  scharf,  wodurch  auch  auf  die  Gedankenproduktion  des  Dichters  ein 
Licht  fällt.  Sprünge  im  Zusammenhang  weiss  er  durch  anschmiegende  Nachempfindung 
zu  vermitteln.  Auch  dem  charakteristischen  Gepräge  der  Sprachform,  wendet  er  seine 
Aufmerksamkeit  zu  :  rhetorische  Syntax,  Rhythmus,  Tonmalerei,  kurz  äussere  und  innere 
Redeform  werden  berücksichtigt.  Kein  Wunder,  dass  er  so  in  Bezug  auf  seinen  Endzweck: 
die  Darlegung  des  dichterischen  Gehaltes  der  Schöpfungen,  ungewöhnlich  weit  vor- 
dringt. Gelegentlich,  wie  beim  „König1  in  Thule",  geht  er  im  Aufspüren  der  Wirkung 
für  mein  Gefühl  zu  weit,  wie  er  auch  in  der  Beurteilung  des  Verhältnisses  von 
Vokalklang  zum  Inhalt  eine  meines  Erachtens  zu  feine  Witterung  beweist.  Doch 
schadet  das  nicht.  Besser  man  übertreibt,  als  dass  man,  wie  das  immer  wieder  zu 
beobachten  ist,  an  derartigen  Problemen  achtlos  vorübergeht.  Am  besten  gelungen 
ist  die  Analyse  des  „Gesanges  der  Geister  über  den  Wassern",  wo  jeder  Nachklang 
der  Stimmung  des  Dichters  gefühlt  und  besonders  schön  die  innere  Form  des  Liedes 
aus  dem  Eindruck  des  Erlebnisses,  der  durch  den  Anblick  des  Wasserfalles  erzeugten 
Stimmung,  abgeleitet  ist.  Am  wenigsten  geglückt  scheint  mir  die  Behandlung  des 
Gedichtes  „An  den  Mond".  —  „Der  Gesang  der  Geister"  ist  ebenso  wie  „Ganymed" 
auch  Gegenstand  der  Betrachtung  in  den  Abschnitten,  die  aus  Victor  Hehns  Vor- 
lesungen über  Goethe  von  Schiemann10)  veröffentlicht  sind  und  die  neben  diesen 
beiden  Liedern  noch  die  „Seefahrt",  die  „Harzreise  im  Winter"  „Meine  Göttin",  „Die 
Grenzen  der  Menschheit"  und  das  „Göttliche"  behandeln.  Die  Vergleichung  fällt 
nicht  zu  Gunsten  Hehns  aus,  obwohl  dieser  doch  wahrlich  kein  Stümper  war.  Die 
Billigkeit  gebietet  freilich  zu  berücksichtigen,  dass  seine  Niederschriften  ursprünglich 
nicht  zum  Druck  bestimmt  waren,  und  dass  er  sich  eine  andere  Aufgabe  stellte  als 
Bauer.  Weder  folgt  er  dem  Gedankengange  mit  derselben  Strenge  wie  dieser,  noch 
sucht  er  die  lyrische  Wirkung  der  Gedichte  zu  erschöpfen.  Er  begnügt  sich  mit 
einer  ungefähren  Charakteristik  und  achtet  mehr  auf  den  geistigen  als  den 
künstlerischen  Gehalt  der  Lieder.  Dass  er  dabei  feines  und  intimes  Eindringen  in 
die  Art  der  Gedichte  nicht  vermissen  lässt,  dass  es  auch  an  glänzenden  Beobachtungen 
nicht  fehlt,  ist  bei  ihm  selbstverständlich.  Auffallend  ist,  dass  die  Ode  „Meine  Göttin" 
nur  in  geringem  Masse  Hehns  Beifall  fand.  —  Die  Fruchtbarkeit  der  Betrachtungs- 
weise Bauers  und  Hehns  wird  einem  besonders  klar,  wenn  man  sie  an  den  Aus- 
führungen misst,  die  Dembowski11)  in  dem  Schlussabschnitt  seiner  „Goethe  und 
Günther"  überschriebenen  Studien  mehreren  Gedichten  wie  „Willkommen  und  Ab- 
schied", „Mailied",  „Wanderers  Sturmlied"  und  anderen  von  ihm  nur  gestreiften  zu 
teil  werden  lässt.  Hatte  Hehn  vornehmlich  den  geistigen  Gehalt  der  Dichtungen  im 
Auge,  so  heftet  D.  seinen  Blick  auf  den  ethischen.  Er  kommt  aber  innerhalb  dieser 
Begrenzung  über  den  Gegensatz  von  Sinnlichkeit  und  Freiheit  nicht  hinaus.  Ein 
irgendwie  greifbares  Resultat  vermag  ich  diesen,  die  Sonne  der  Goetheschen  Lyrik 
wie  mit  einem  nebelhaften  Gewoge  verhüllenden  Deduktionen,  nicht  abzugewinnen, 
geschweige  dass  sie  mir  einen  Fortschritt  in  der  Erkenntnis  zu  bezeichnen  scheinen. 
Doch  sind  diese  Betrachtungen  nur  Zugaben  zu  D.s  eigentlicher  Darbietung:  einer 
Würdigung  der  Beziehungen  Goethes  zu  Günther.  D.  nimmt  in  der  Einleitung  einen 
hohen  Flug.     Er   spricht  sich  über  das  Verhältnis  der  Ethik   zur  lyrischen  Poesie 


—  9)  F.  Bauer,  7  Gedichte  Goethes,  nach  ihrem  Gedankengange  erläut. :  ZOG.  45,  S.  704-20, 969-78.  —  10)  (IV  8 e  :  76,  S.  117-29.)  — 
11)  (1112:36.)  — 12)H.Henkel,  Goethe  als  sat.-humorist.  Dichter  (s.  u.  IV  8e  :  8):  ZVLB.  7,  &  206-15.  -  13)  (I  8  :  24.)  — 14)  X  K. 


0.  Pniower,  Goethes  Lyrik.  IV  8c  :  15-is 

aus  sowie  über  die  Hilfe,  die  sie  sich  gegenseitig1  in  Bezug  auf  die  Erkenntnis  der 
menschlichen  Seele  zu  leisten  vermögen.  Die  Berechtigung  der  Gegenüberstellung 
der  beiden  Dichter  leitet  er  aus  der  Aehnlichkeit  ihrer  Individualitäten,  ihrer  „innig 
verwandten  ursprünglichen  Anlage"  her.  Dabei  verfolgt  er  den  Zweck,  darzuthun, 
dass  der  ältere  die  höchste  Stufe  der  Poesie  nicht  zu  erklimmen  vermochte,  weil  er 
in  der  Sinnenempfindung  stecken  blieb,  dass  Goethe  sie  aber  erreichte,  weil  bei  ihm 
zu  der  unentbehrlichen  Grundlage  eines  grossen  Dichters:  der  starken  Sinnlichkeit, 
der  ethische  Gehalt  hinzutrat.  Er  geht  aber  auch  konkreteren  Zielen  nach  und  fasst 
Goethes  inneres  Verhältnis  zu  dem  Vorgänger  ins  Auge,  indem  er  einen  „Günther" 
überschrie benen  Abschnitt,  der  seine  Poesie  charakterisiert,  einem  „Goethe  und  Günther" 
betitelten  folgen  lässt,  worin  er  die  Einwirkung-  des  Aelteren  auf  den  Jüngeren 
aufzuzeigen  sucht.  „Goethes  Jugendlyrik",  meint  er,  „ist  so  innerlich  und  innig  mit 
Günthers  Dichtungen  verwandt,  dass  wir  von  den  zwei  Möglichkeiten  zur  Erklärung 
dieser  Verwandtschaft  —  zufällige  Uebereinstimmung  der  Anlage  und  Goethe  wohl- 
bewusster  Einfluss  —  nach  Goethes  Vertrautheit  mit  dem  Dichter  und  seiner  liebe- 
vollen Anerkennung  uns  an  die  zweite  in  gleichem  Grade  halten  müssen  wie  an  die 
erste.  Günther  ist  dem  jungen  Goethe  ein  Wegweiser  geworden,  wie  im  Leben  durch 
seine  Schwächen  und  sein  Geschick,  so  im  Dichten  durch  seine  Schwächen  ebenso 
wie  durch  seinen  Wert".  Leider  steht  aber  der  vom  Vf.  für  diese  Behauptung*  ge- 
führte Beweis  auf  sehr  schwachen  Füssen.  Die  paar  Aehnlichkeiten,  die  er  ausfindig* 
gemacht  hat,  sind  nicht  von  der  Art,  dass  die  Annahme  eines  direkten  Zusammen- 
hanges zwischen  ihnen  erforderlich  ist.  Es  sind  Uebereinstimmungen,  die  sich  auf 
ein  kurzes  Bild,  ja  ein  einziges  Wort  oder  eine  nicht  einmal  charakteristische  Satzfüg'ung 
beschränken.  Dazu  leidet  die  Gegenüberstellung  durchweg  an  dem  methodischen 
Fehler,  dass  nicht  beachtet  wird,  ob  die  Anklänge  nur  zwischen  Günther  und  Goethe 
bestehen,  oder  ob  ,es  sich  nicht  um  der  Poesie  des  18.  Jh.  geläufige  Motive  und 
Eigentümlichkeiten  handelt,  die  bei  den  zeitlich  zwischen  beiden  stehenden  Dichtern 
häufig  begegnen.  Von  dem  „rosenfarbenen  Frühlingswetter"  in  „Willkommen  und 
Abschied",  das  D.  auf  Günther  zurückführt,  ist  das  z.  B.  leicht  nachzuweisen.  —  In 
zwei  kleineren  Aufsätzen  fallen  gleichsam  Seitenblicke  auf  Goethes  Lyrik.  An  den 
einen,  der  ihn  als  satirisch-humoristischen  Dichter  betrachtet,  muss  hier  erinnert 
werden,  weil  sein  Vf.,  Henkel12),  die  Beispiele  für  seine  nicht  eben  tief  gehenden 
Beobachtungen  natürlich  auch  aus  der  Lyrik  wählt.  Liefern  doch  die  „Zahmen 
Xenien",  die  „Invektiven",  die  unter  den  Rubriken  „Epigrammatisch"  und  „Parabolisch" 
vereinigten  Gedichte  u.  a.  die  reichsten  Belege  für  die  satirisch-humoristische  Seite 
der  Goetheschen  Dichternatur.  Einige  Worte  mehr  verwendet  H.  in  dem  von  der 
„Ironie"  handelnden  Abschnitt  über  den  „Deutschen  Parnass"  und  „Musen  und 
Grazien  in  der  Mark",  ohne  indessen  Neues  darüber  zu  sagen.  —  Der  andere  Aufsatz, 
von  Hildebrand13),  der  metrische  Eigentümlichkeiten  zur  Sprache  bringt,  ist  nicht 
auf  Goethe  beschränkt,  bietet  aber  vielfach  aus  seiner  Lyrik  Beispiele  und  giebt  auf 
diese  Weise  für  sie  einige  Fingerzeige.  Namentlich  wird  am  „Erlkönig"  der  Wechsel 
von  Jambus  und  Daktylus,  oder  wie  man  nach  H.  sagen  muss,  vom  schreitenden  und 
hüpfenden  Rhythmus  aufgezeigt  und  seine  künstlerische  Bedeutung,  d.  h.  das  Ver- 
hältnis des  Versbaues  zum  Inhalt,  besprochen.  Goethes  freies  Verfahren  wird  in  seiner 
Entstehung  auf  den  Einfluss  seines  Vorbildes,  des  Liedes  von  Erlkönigs  Tochter  in 
Herders  Volksliedern,  zurückgeführt,  wie  überhaupt  die  Befreiung  vom  Banne  des 
eintönig  regelmässigen  Verses  in  der  Lyrik,  die  wir  bei  ihm  und  anderen  Dichtern 
finden,  der  Einwirkung  des  Volksliedes  gut  geschrieben  wird.14-17)  — 

In  der  Einzellitte ratur,  der  wir  uns  nun  zuwenden  und  die  wir 
wiederum  am  chronologischen  Faden  aufreihen,  begegnen  uns  zunächst  die  zahl- 
reichen Anzeigen  und  Recensionen,  die  Adolf  Stracks  im  letzten  Bericht  besprochenes, 
den  Leipziger  Liedern  gewidmetes  Buch  (JBL.  1893  IV  8c:  9)  hervorgerufen 
hat18).  Erwähnt  zu  werden  verdienen  die  von  Düntzer,  Minor  und  Werner 
verfassten.  D.s  Kritik  ist  rein  negativ.  M.  wendet  sich  gegen  die  von  Strack 
gewählte  Form  des  Kommentars,  statt  dessen  er  eine  zusammenfassende,  darstellende 
Bearbeitung  gewünscht  hätte.  Auch  sonst  äussert  er  in  methodischer  Hinsicht 
Bedenken,  bei  deren  Aussprache  er  prinzipiell  beachtenswerte  Bemerkungen  über 
den  Wert  von  Parallelen  macht.  Das  Verdienst  des  Buches  erblickt  er  in  seinen 
lexikographischen  Nachweisen.  Als  einen  Grundfehler  betrachtet  er,  dass  Strack  den 
spielenden  Charakter  der  Lieder  zu  wenig-  betont  und  in  ihnen  zu  viel  Erlebtes 
sucht.  Zu  den  einzelnen  Gedichten  giebt  er  mannigfache  Bericht! g*ungen.  W.  unter- 
Lorenz, Klopstocks  n.  Goethes  Lyrik  (JBL.  1893  I  7:44;  IV  8c:  8):  Gymn.  12,  S.  29.  —  15)  X  J-  Schaller,  Hugo  Wolfs 
Goethelieder:  ChWGV.8,  S.  12,5.  (Abgedr.  ans  Bayreuther  Taschenkai.  1893,  S.  188-90.)  —  16)  X  K-  Haehnel,  J.  Heuwes, 
Ausgew.  Balladen  Goethes  u.  Schillers  (JBL.  1893  I  7:66):  Gymn.  12,  S.  495.  —  17)  X  w-  Toischer,  Goethes  Gedichte 
(JBL.  1S93  I  7  :  65;  IV  8e  :  3):  LCB1.  S.  191.  —  18)  X  H.  Düntzer:  Euph.  1,  S.  391-400;  J.  Minor:  GGA.  S.  651,9;  R.  M. 
Werner:  ADA.  20,  S.  353-65;  A.  Sauer:  DLZ.  S.  461,2;    A.  Ch[uquetJ:  RCr.  38,  S.  314/5;    K.  Heinemann:  BLU.  S.  21; 

4(28)* 


IV  8c  :  19-24  0.  Pniower,  Goethes  Lyrik. 

zieht  die  Behauptungen  Stracks  in  betreff  der  Häufigkeit  gewisser  charakteristischer 
Wendungen  einer  Nachprüfung  und  schränkt  sie  nicht  unwesentlich  ein.  Auch  der 
Datierung  der  Gedichte  wendet  er  seine  Aufmerksamkeit  zu,  um  die  Bestimmungen 
des  Vf.  bald  zu  berichtigen,  bald  ihnen  beizupflichten.  Zum  Schluss  spendet  er  einen 
kleinen  Beitrag  zur  Leipziger  Mondpoesie  Goethes.  —  Mit  der  Leipziger  Zeit  des 
Dichters  und  den  ihr  angehörenden  kleinen  poetischen  Versuchen  beschäftigt  sich  auch 
S  eher  er  s  19)  Aufsatz  über  Karl  Matthaei,  den  viel  beneideten  Sekretär  der  schönen 
und  geistvollen  Frau  von  Branconi.  Durch  seine  Ausführungen  erfährt  unsere 
Kenntnis  jener  Epoche  „manche  zwar  kleine,  doch  erwünschte  Ergänzung  und 
Bereicherung."  Den  damals  entstandenen,  aber  nicht  erhaltenen  satirischen  Prolog 
Goethes  zum  Medon  des  Clodius,  den  wir  nur  aus  dem  Bericht  des  Dichters  in 
Dichtung  und  Wahrheit  kennen  (Weimarer  Ausg.  27,  S.  141),  sucht  er  chronologisch 
genau  zu  fixieren  (S.  225),  wobei  er  zu  ziemlich  derselben  Zeitbestimmung  (Ende 
Aug.  1767)  gelangt,  die  schon  Max  Herrmann  (GJb.  11,  S.  192/3)  gefunden  hatte. 
Auch  Goethes  Gedicht  „An  Demoiselle  Schmehling"  (Weimarer  Ausg.  4,  S.  298) 
datiert  Seh.  und  weist  es  in  den  Mai  desselben  Jahres.  Doch  hat  es  damit  eine 
besondere  Bewandtnis.  Goethe  hatte  es  auf  die  Aufforderung  des  Kapellmeisters 
Hummel  zum  82.  Geburtstage  der  Madame  Mara,  geb.  Schmehling,  der  am 
23.  Febr.  1831  stattfand,  zusammen  mit  Versen  eingesandt,  die  ihren  „sangreichen 
Ehrenweg"  preisend  und  in  einer  neckischen  Weise  ihn,  den  Sänger,  mit  ihr  paralleli- 
sierend,  auf  die  Gefühle  hinwiesen,  die  ihn  bei  diesem  ihr  gesandten  Grusse  bewegten. 
Dabei  setzte  er  zum  ersten  Gedicht  „Leipzig"  mit  dem  (übrigens  falschen)  Datum  1771. 
Ich  meine  nun,  dass  diese  Verse  gar  nicht  jener  Frühzeit  angehören;  sondern  sie  der 
Antithese  zu  Liebe  poetisch  fingieren.  Denn  unverkennbar  zeigen  sie  die  Alters- 
sprache des  Dichters.  — 

Die  Friederikenlieder,  die  uns  in  die  Strassburger  Zeit  des  Dichters 
führen,  reizen  immer  wieder  das  Interesse  der  Forscher.  Mit  den  Gedichten  ins- 
gesamt beschäftigt  sich  der  Lenz-Enthusiast  F  a  1  c  k 20).  Er  rollt  noch  einmal 
die  ganze  Frage  auf,  wie  viel  von  den  in  Hirzels  „Jungem  Goethe"  unserem  Dichter 
zugeschriebenen  Liedern  ihm  gehören,  und  welche  Lenzen  zuzusprechen  sind.  Er 
zeigt  zunächst,  dass  Heinrich  Kruse  nicht  Goethes  Originalblätter  in  Händen  gehabt 
hat,  sondern  von  den  Geschwistern  Brion  hergestellte  Abschriften.  Die  Originale 
sind  1820  aus  Europa  verschwunden.  Er  bemerkt  ferner  ganz  richtig,  dass  die  über 
N.  5  (bei  Hirzel)  stehenden  Worte  „Als  ich  in  Saarbrücken",  nicht  von  Goethe 
herrühren  können,  sondern  von  Friederike  niedergeschrieben  wurden.  Die  Abschrift, 
über  die  er  dann  Auskunft  giebt,  stammt  von  Mich.  Jerzembsky,  der,  Seelsorger  und 
Freund  Lenzens  in  Moskau,  sie  aus  dessen  Nachlass  nahm.  Sie  enthält  ausser  den 
beiden  schon  von  jeher  Lenzen  zugeschriebenen  N.  4  und  5  noch  N.  3,  so  dass 
danach  Bielschowsky  berechtigt  war,  sie  Goethen  abzusprechen  (JBL.  1891  IV  9c:  19). 
Die  Abschrift  macht  allerdings  nicht  den  Eindruck  grosser  Zuverlässigkeit,  indem 
sie  ein  offenbar  einheitliches  Gedicht  (N.  4)  in  drei  für  sich  bestehende  trennt, 
wodurch  sich  F.  bestimmen  lässt,  immer  von  drei  Gedichten  zu  sprechen.  Dagegen 
vermag  auch  er  die  beiden  Nummern,  die  nach  Bielschowsky  noch  Lenz  zufallen 
sollen,  ihm  nicht  zu  vindizieren.  Die  eigene  Hypothese,  wonach  N.  1  „Erwache 
Friederike"  eine  Mischung  zweier  von  verschiedenen  Vf.  herrührender  Bestandteile 
ist,  kann  nicht  ernst  genommen  werden.  Ebenso  wenig,  wenn  F.  das  Gedicht  „Herz, 
mein  Herz,  was  soll  das  geben"  in  die  Gruppe  der  Friederikenlieder  reiht  und  im 
Jan.  1771  gedichtet  sein  lässt.  —  Dem  „Heidenröslein"  allein  gilt  Stümckes21) 
Aufsatz.  Gestützt  auf  eine  genaue  Kenntnis  der  einschlägigen  Litteratur  rekapituliert 
er  die  oft  behandelte  Streitfrage,  ob  das  Lied  eine  Dichtung  Goethes  oder  ein  von 
ihm  übernommenes  Volkslied  sei.  Mit  guten  Gründen  verficht  er  den  von  Erich 
Schmidt  vertretenen  Standpunkt  (JBL.  1891  IV  9c:  22),  dass  das  Lied  von  Goethe 
nach  Aelst  gedichtet  ist,  und  dass  „Die  Blüte.  Ein  Kinderlied"  eine  Kontrafaktur 
Herders  sei.  —  Eine  einzelne  Lesart  des  Gedichts  bespricht  Minor  22),  der  durch 
eine  Erwägung  zu  erweisen  sucht,  dass  der  Vers,  den  die  von  Herder  in  den  Blättern 
von  deutscher  Art  und  Kunst  mitgeteilte  Fassung  in  der  letzten  Strophe  bietet :  „Aber 
er  vergass  danach"  verdruckt  sei  für:  „es  vergass  danach."  Die  Erwägung  scheint 
mir  nicht  beweiskräftig,  wohl  aber  erfordert  der  Sinn  unbedingt  die  schon  von 
Dunger  (Arch.  für  Litt.-Gesch.  10,  S.  197)  erwogene  Aenderung,  wenngleich  das 
Lied  dadurch  eine  fast  cynische  Pointe  erhält.  ■— 

Von  den  Gedichten  der  Frankfurter  Zeit  (1771—75)  fand  nur 
„Mahomets    Gesang"    Beachtung.     Imelmann23)    weist   auf  Stellen   bei  Bossuet 

LCBl.  S.  190/1.  —  19)  (IV  8b:  17,  53.)  -20)  P.  Th.  Falck,  D.  Jerzembskysche  Abschrift  d.  Sesenheimer  Lieder  d.  Dichters 
Lenz  «.  d.  Echtheit  n.  Chronol.  d.  Sesenheimer  Lieder  (v.  Goethe  u.  Lenz)  nach  A.  Bielschowsky  auf  Grund  d.  Jerzembskyschen 
Lenz-Nachl.  krit.  beleucht. :  Aus  deutscher  Brust  1,  S.  8-12,26/8.  —  21)  H.  Stümcke,  Goethes  Heidenröslein:  ZDS.  8,  S.  226-38. 
-  22)  J.  Minor,  Heidenröslein:  Euph.  1,  S.  607.  —  23)  J.  Imelmann,   Zu  Mahomets  Gesang:    GJb.  15,  S.  270/1.  —  24)  J. 


0.  Pniower,  Goethes  Lyrik.  IV  8c  :  25-31 

(1687)  und  Malherbe  (1606)  hin,  in  denen  in  ähnlicher  Weise  wie  in  dem  Goetheschen 
Gedicht  das  Leben  eines  Helden  mit  dem  Laufe  eines  Flusses  verglichen  wird. 
Unverkennbar  erscheinen  gleiche  Motive  hier  und  dort.  Doch  macht  I.  direkten 
Zusammenhang  nicht  geltend.  Er  sieht  in  dem  Zusammentreffen  zufällige  Gedanken- 
begegnungen, die  als  „Varianten  der  menschlichen  Phantasie"  psychologisch  lehrreich 
sind.  —  Wie  leicht  in  der  That  Dichter  unabhängig  von  einander  das  gleiche  Motiv 
ergreifen  konnten,  lehrt  eine  Miscelle  Minors24),  der  aus  dem  Augustheft  des 
Teutschen  Merkurs  vom  J.  1774  ein  deutliches  Gegenstück  zu  Goethes,  im  Göttinger 
Musenalmanach  von  1774  erschienenem  Gedicht  reproduziert.  — 

Eine  recht  bunte  Reihe  bilden  die  von  der  Forschung  berücksichtigten 
Gedichte,  deren  Entstehung  in  die  Weimarer  Zeit  fällt.  Zu  dem  prächtigen, 
humorvollen  Scherzstück  „Epiphanias",  das  an  ein  bekanntes,  am  Dreikönigsabend 
gesungenes  Lied  anknüpft,  citiert  Sprenger25)  eine  Stelle  aus  einem  noch  im  J.  1803 
lebendigen  Gesang,  die  mit  dem  in  der  ersten  Strophe  bei  Goethe  behandelten  Motiv 
Verwandtschaft  zeigt.  — 

Eine  eingehendere  Betrachtung  widmet  Klahre26)  dem  „Erlkönig".  Nach 
einem  Ueberblick  über  die  dichterische  Verwertung,  die  die  Elfenwelt  bei  Goethe 
überhaupt  gefunden  hat,  und  nach  einer  kurzen  Besprechung  des  Verhältnisses  der 
Ballade  zur  Quelle  zeigt  er  ihre  Gliederung  auf.  Den  Schwerpunkt  seiner  Aus- 
führungen bildet  die  Darlegung  der  vom  Dichter  angewendeten  künstlerischen  Mittel. 
Besondere  Aufmerksamkeit  schenkt  er  der  rhythmischen  Wirkung,  indem  er  das 
Verhältnis  des  Versmasses  zum  Inhalt  bespricht.  Wie  Hildebrand  in  dem  schon 
angeführten  Aufsatz  (s.  o.  N.  13)  kommt  es  ihm  dabei  hauptsächlich  auf  die  Er- 
klärung des  Wechsels  zwischen  Jambus  und  Anapäst  an.  Er  zeigt,  wie  er  durch  den 
Gehalt  der  Worte,  durch  die  Stimmung  bedingt  ist,  und  wie  der  Rhythmus  im  Dienste 
des  poetischen  Ausdrucks  steht.  Auch  darauf,  wie  bei  der  Versinnlichung  Allitteration 
und  äussere  Tonmalerei  mitwirken,  weist  er,  wenn  auch  flüchtig,  hin.  „Um  die 
ganze  Innigkeit  der  wechselseitigen  Umschlingung  von  Form  und  Gedanken  in 
diesem  Gedicht  recht  fühlbar  zu  machen",  streift  K.  zum  Schluss  mit  einem  raschen 
Blick  die  Bemühungen,  es  in  fremde  Sprachen  zu  übersetzen.  — 

Ein  ähnliches  Schnitzelchen  wie  zu  „Epiphanias"  verdanken  wir  Sprenger27) 
für  den  „Sänger".  Zu  V.  29  „Ich  singe,  wie  der  Vogel  singt"  usw.  führt  er  eine 
Parallele  aus  Konrad  von  Würzburgs  Trojanerkrieg  an.  — 

Von  jeher  hat  das  Gedicht  „Ilmenau"28)  das  Interesse  der  Forscher  erregt. 
Sein  starker  persönlicher  Gehalt,  sein  mystisches  Schwanken  zwischen  Wirklichkeit 
und  Traum,  die  merkwürdige  Doppelexistenz  des  Dichters  in  ihm,  die  lebensvolle 
und  doch  in  der  Dämmerung  der  Unbestimmtheit  schwebende  Darstellung  der  Um- 
gebung des  Fürsten,  die  vornehm -offenherzige  Charakteristik  Karl  Augusts  selbst, 
alles  das  macht  diese  Vorliebe  erklärlich.  Auch  dieses  Mal  verzeichnen  wir  wieder 
drei  Beiträge  zu  ihm.  Imelmann29)  vergleicht  das  Gedicht  mit  den  um  etliche 
Jahre  älteren  Geburtstagsversen  Wielands  an  Anna  Amalia  (Hempel  Bd.  12,  S.  252) 
und  findet  in  Vers,  Sprache  und  Situation  beider  kaum  verkennbare  Aehnlichkeit. 
Doch  kann  es  sich  auf  jeden  Fall  nur  um  Anklang  einiger  Motive  handeln.  — 
Gassner30)  vergleicht  es  mit  Schillers  Spaziergang,  der  sich  ihm  in  dem  dreiteiligen 
Aufbau  (Betrachtung  der  Natur,  Vision  und  Rückkehr  zum  Tagesbewusstsein)  in 
der  That  ähnlich  erweist.  G.  findet  aber  auch  in  der  „lyrischen  Klangfarbe"  und 
der  „poetischen  Wirkung"  Uebereinstimmung,  wohin  ich  ihm  nicht  zu  folgen  vermag. 
Weiter  macht  er  etwas  obenhin  auf  die  Unterschiede  aufmerksam  die  beide  Dichter 
bei  der  Vermittlung  der  Uebergänge  aus  der  Eingangssituation  zur  Vision  und  aus 
dieser  zum  Erwachen  bewähren.  —  Hildebrand31)  entwickelt  eine  neue  Ansicht 
über  die  Entstehung  des  Gedichtes.  Er  setzt  bei  den  Worten  V.  22  „(Die  Träume) 
locken  alte  Reime"  ein,  nimmt  das  Wort  „alt"  im  gewöhnlichsten  Sinn,  so  dass  er 
unter  alten  Reimen  „früher  Gedichtetes"  versteht  und  wird  so  zu  der  Annahme  ge- 
führt, dass  es,  so  wie  wir  es  kennen,  nicht  aus  einem  Guss  entstanden  und  zum 
Geburtstag  des  Herzogs  (am  3.  Sept.  1783)  verfasst  ist,  sondern  dass  damals  die  Ein- 
leitung (bis  V.  20)  und  der  Schluss  (von  V.  156  an)  gedichtet  und  an  ein  älteres 
Stück,  das  die  nächtliche  Scene  behandelte,  angefügt  wurden.  Den  Beweis  für  diesen 
interessanten  Einfall  ist  er  uns  freilich  so  ziemlich  schuldig  geblieben.  Seine  Aus- 
führungen, wonach  sich  in  Goethes  Verhältnis  zum  Herzog  zwischen  1782—83  ein  Um- 
schwung vollzog,  insofern  seine  pessimistische  Meinung  von  der  Entwicklung  seines 
fürstlichen  Freundes  in  dieser  Zeit  einer  hoffnungsvolleren  Auffassung  wich,  und  dass 
das  Gedicht  in  dem  alten  eingeschobenen  Teile  jene   düstere  Ansicht,    in  der  hinzu- 

Minor,  E.  Gegenstück  zu  Mahomets  Gesang:  Euph.  1,  S.  606.  —  25)  R.  Sprenger,  Zu  Goethes  Sterndreherlied:  ZDU.  8, 
S.  78.  —  26)  R.  Klahre,  D.  Erlkönig:  ZDS.  8,  S.  241/6,  301/7.  —  27)  R.  Sprenger.  Zu  Goethes  Sänger:  ZDU.  8,  S.  130. 
—  28)  X  0.  Hellinghaus,  W.  Fielitz,  E.  Untersuch,  zu  Goethes  Gedicht  Ilmenau  (JBL.  1893  IV  8c  :  16):  Gymn.  12, 
S.  542.  —  29)  J.  Imelmann,  Zu  Goethes  Mahomet  u.  Ilmenau:  GJb.  15,  S.  271.  —  30)  (IV  9  :  75.)  —  31)  R.  Hildebrand, 


IV  8c:32  0.  Pniower,  Goethes  Lyrik. 

gefügten  Einleitung-  und  dem  Schluss  hingegen  diese  zuversichtliche  Ueberzeugung 
spiegelt,  diese  Ausführungen  genügen  doch  wohl  kaum,  die  Annahme  der  Uneinheit- 
lichkeit  zu  rechtfertigen.  Auch  eine  Datierung  der  eingeschobenen  Partie  ver- 
sucht H.,  indem  er  sie  zu  der  Stelle  eines  für  sich  wieder  nicht  datierbaren  Briefes 
in  Beziehung  setzt,  ohne  zu  irgend  einem  festen  Anhalt  zu  kommen.  So  glaube  ich 
nicht,  dass  seine  geistreiche  Hypothese  Anklang  finden  wird.  Sollte  es  übrigens 
möglich  sein,  dass  ein  Dichter  in  dem  Werke  selbst  in  dieser  Weise  eine  Kon- 
tamination eingestehe,  wie  es  der  Fall  wäre,  wenn  H.  recht  hätte?  Ich  für  meinen 
Teil  ziehe  es  bis  auf  weiteres  vor,  in  Bezug  auf  das  „alt"  bei  der  „ungefähren  Auf- 
fassung" zu  bleiben  und  es  als  „altgewohnt"  zu  nehmen.  Der  Aufsatz  enthält 
noch  hübsche  Betrachtungen  über  Goethes  Verhältnis  zu  Karl  August,  über  den 
Begriff  des  Dichters  im  vorigen  Jh.  und  seine  Stellung  zu  Fürsten  und  über  Klopstocks 
bekannte  Einmischung,  auf  die  H.  ein  dem  Dichter  günstigeres  Licht  fallen  lässt,  als 
gemeinhin  geschieht.  Zum  Schluss  wird  die  Gegend,  die  Goethe  im  Gedicht  im 
Auge  hat,  genau  bestimmt.  — 

Eine  gewisse  Verwandtschaft  zwischen  „Ilmenau"  und  dem  Gedicht  „Das 
Göttliche"  ist  nicht  zu  verkennen.  Beide  zeigen  den  Dichter  am  Ende  des  Kampfes, 
den  er  gegen  sich  selbst,  gegen  die  überschäumende  Jugendkraft  zu  führen  hatte, 
als  glücklichen  Sieger.  In  beiden  spricht  sich  der  Goethe  eigene  pädagogisch- 
menschliche Trieb  aus,  der  ihn  dazu  drängte,  auf  die  ethische  Ausbildung  seiner 
Umgebung  wie  der  ganzen  Welt  bedacht  zu  sein.  Auch  zum  „Göttlichen"  kehrt  die 
Forschung  wieder  und  wieder  zurück.  Besonders  sucht  man  seine  Entstehung  zeit- 
lich zu  bestimmen.  Auch  für  Vogel32)  ist  dieses  Moment  Ausgangs-  und  Endpunkt 
der  Betrachtung,  die  aber  zugleich  den  anderen  an  die  Ode  sich  knüpfenden  Fragen  nach 
ihrem  geistigen  Gehalt,  nach  ihrer  Stellung  in  der  Gruppe  verwandter  Gedichte  usw. 
nicht  aus  dem  Wege  geht.  V.  beginnt  mit  der  Prüfung  einer  ganz  hypothetischen, 
von  einigen  aber  zur  chronologischen  Fixierung  benutzten  Beziehung  der  Ode  auf 
eine  Briefstelle  aus  dem  J.  1775,  hält  sie  aber  mit  Recht  für  unbegründet  (vgl.  dazu 
GJb.  9,  S.  293  und  ZDPh.  23,  S.  312/4).  Er  wirft  dann  einen  vergleichenden 
Blick  auf  12  den  J.  1772—80  angehörende  Oden,  die  er  kurz  charakterisiert  und  in 
zwei  deutlich  geschiedene  Gruppen  teilt,  mit  der  „Harzreise",  und  dem  „Gesang  der 
Geister  über  den  Wassern"  als  Uebergängen  und  Mittelgliedern.  Er  weist  auf  die 
Verwandtschaft  des  Gedichtes  mit  dem  „Meine  Göttin"  betitelten  hin,  das  sicher 
datiert  —  Sept.  1780  —  einen  Anhaltspunkt  für  die  chronologische  Bestimmung 
dieses  zeitlich  angeblich  schwankenden  gewährt.  In  beiden  wird  der  Vorzug  der 
Menschen  vor  allen  anderen  Kreaturen  betont.  In  beiden  auch,  wie  in  dem  dritten, 
den  „Grenzen  der  Menschheit",  waltet  das  Streben  des  Dichters,  „in  das  Chaos  seiner 
Gedanken-  und  Stimmungswelt  durch  das  Ziehen  fester  Grenzen  eine  gewisse 
Ordnung  zu  bringen".  So  bilden  die  drei  eine  Gruppe  von  Gedichten,  deren 
Charakter  sich  von  dem  der  älteren,  der  Sturm-  und  Drangperiode  angehörenden, 
deutlich  abhebt.  Besonders  gut  zeigt  V.  den  Unterschied  der  Weltanschauung  in 
den  „Grenzen  der  Menschheit"  von  der  in  „Wanderers  Sturmlied"  oder  im  Prometheus- 
monolog wirksamen.  Auch  den  religiösen  Gehalt  der  Ode  bespricht  er,  doch  etwas 
zahm,  indem  er  sagt,  dass  der,  wie  mir  scheint,  klar  genug  ausgedrückte  Gedanke, 
„dass  die  Unsterblichen,  die  wir  verehren,  nur  wie  Reflexe  erscheinen,  die  von  der 
Menschenwelt  in  die  jenseitige  geworfen  werden",  nicht  eigentlich  so  gemeint  ist. 
Warum  hat  es  der  Dichter  dann  gesagt?  Meiner  Ansicht  nach  ist  der  Gedanke 
durchaus  so  gemeint  wie  er  ausgesprochen  ist  (JBL.  1892  IV  8c:23~).  Auf  Grund 
äusserer  Indicien  und  einer  kurzen  Betrachtung  von  Goethes  Auffassung  seiner 
dienstlichen  Stellung  kommt  V.  zu  dem  Ergebnis,  dass  das  Gedicht  in  das  J.  1782  zu 
setzen  sei,  ohne  übrigens  dieser  bestimmten  Datierung  allzuviel  Wert  beizumessen. 
Und  gewiss  gehört  es  der  Zeit  von  etwa  1780  bis  Nov.  1783,  da  sie  im  Tiefurter 
Journal  erschien,  an.  Ja,  es  ist  mir  nicht  verständlich,  warum  man  sich  nicht  mit 
Düntzer  anzunehmen  begnügt,  dass  sie,  wogegen  nichts  spricht,  eben  in  jener  Zeit, 
da  sie  zuerst  bekannt  wurde,  gedichtet  ist.  Sicher  muss  man  sie  wegen  des 
Vorwaltens  des  Ethischen  dieser  Weimarer  Epoche  zuweisen.  Darin  ändert  auch 
nichts  —  welches  Moment  V.  übersieht  — ,  dass  wie  die  „Grenzen  der  Menschheit" 
nach  seinem  Ausdruck  eine  Palinodie  des  Prometheusmonologes  sind,  so  das  „Göttliche" 
als  eine  Palinodie  der  „Grenzen  der  Menschheit"  oder  umgekehrt  diese  Ode  als  eine 
Palinodie  von  jener  aufgefasst  werden  kann,  woraus  man  auf  einen  grösseren  zeit- 
lichen Abstand  der  beiden  Gedichte  schliessen  könnte.  Sie  gehören  trotzdem  beide 
derselben  Gedankensphäre  an  und  werden  chronologisch  nicht  allzuweit  auseinander 
stehen.  Denn  wenn  im  „Göttlichen"  der  Titanismus  auch  vorhanden  ist,  so  erscheint 
er  in  einem  anderen  Lichte  als  in  den  Gedichten  der  Frankfurter  Epoche.  Er  wird 
mehr  wie  eine  gedankliche  Form  gehandhabt  und  ist  jedenfalls  ethisch  überwunden.  — 

Zn  d.  Gedichte  Ilmenau:  GJb.  15,  S.  140/7.  —  32)  Th.  Vogel,  Z.  Datierung  v.  Goethes  Ode  „D.  Göttliche" :  ZDU.  8,  S. 433-41. 


0.  Pniower,  Goethes  Lyrik.  IV  8c  :  33-43 

Wie  „Ilmenau"  und  „das  Göttliche"  verwandt  sind,  ebenso  verbinden  diese 
Ode  Fäden  mit  der  „Zueignung",  deren  unmittelbarer  Vorläufer  nach  Loeper  das 
Gedicht  „Ilmenau"  ist.  Zum  Eingang  der  „Zueignung"  weist  Goldbeck33)  auf 
eine  Parallele  hin,  die  er  im  Beginne  des,  einer  Idylle  des  Ausonius  nachgebildeten, 
Gedichtes  „Des  Roses"  vom  französischen  Renaissancepoeten  Bonaventure  Des  Periers 
findet.  Darüber,  dass  Goethe  dessen  Lyrik  gekannt  hat,  wissen  wir  nichts,  und 
dieser  Anklang  beweist  es  sicher  auch  nicht.  — 

Von  der  „Zueignung"  zu  den  Xenien  des  J.  1796"  ist  nicht  nur  zeitlich 
ein  grosser  Schritt.  Und  doch  verbindet  auch  diese  so  verschieden  gearteten 
Schöpfungen  der  gemeinsame  Zug,  dass  sie  beide  Programme  des  Dichters  sind,  dass 
sie  beide  die  Frage  seiner  Stellung  zur  Kunst  behandeln.  Die  im  vorigen  Bericht 
besprochene  neue,  von  Erich  Schmidt  und  Suphan  besorgte  Ausgabe  der  Xenien 
(JBL.  1893  IV  8c :  20)  hat  eine  grosse  Zahl  Anzeigen  und  eingehenderer  Besprechungen 
gezeitigt34).  Erich  Schmidt35  36)  selbst  hat  einige  berichtigende  Nachträge  dazu 
veröffentlicht.  Auch  ist  jetzt  ein  Referat  seines  auf  der  Philologenversammlung  in 
Wien  gehaltenen  Vortrages,  in  dem  er  zuerst  einem  weiteren  Kreise  von  dem  schönen 
Funde  des  grossen  Xenienms.  Mitteilung  machte,  erschienen.  Mir  aber  sei  es 
gestattet,  hier  einen  mir  im  letzten  Bericht  entschlüpften  Fehler  zu  korrigieren.  Ich 
hätte  nicht  sagen  sollen,  dass  diejenigen  „Xenien"  und  „Distichen  aus  dem  Almanach", 
die  weder  im  grossen  Korpus  stehen  noch  von  Boas-Maltzahn  publiziert  sind,  von 
Schiller  während  der  Redaktionsthätigkeit  oder  kurz  vorher  verfasst  sind.  Schon 
das  in  der  Ausgabe  die  N.  800  tragende,  unzweifelhaft  von  Goethe  verfasste,  wider- 
legt diese  Behauptung,  nicht  weniger  die  N.  785,  787,  798  usw.37"38)  — 

In  derselben  Zeit,  in  der  Goethe  an  den  Xenien  schuf,  verfasste  er  die 
köstliche,  von  derselben  Gesinnung,  auf  der  jene  ruhen,  eingegebene  Parodie  ,,M  u  s  e  n 
und  Grazien  in  der  Mar k".  Zu  der  Stelle  dieses  Gedichtes  (V.  47/8)  „gestern 
Abend  War  doch  Vetter  Michel  da"  zieht  Sprenger39)  ein  mit  diesen  Worten 
beginnendes  Tanzverschen  heran,  dessen  er  sich  aus  seiner  Kindheit  entsinnt,  und 
wirft  die  Frage  auf,  ob  Goethe  hier  nicht  auf  den  Anfang  eines  älteren  Liedes 
anspiele.  Ein  Blick  in  Düntzers  Kommentar  hätte  ihm  gezeigt,  dass  er  wieder 
einmal  voreilig  war.  Der  Einfall  ist  nicht  neu,  und  die  an  den  Anklang  sich  knüpfende 
Frage  kann  nur  noch  die  sein,  ob  (wie  Düntzer  meint)  das  Volkslied  aus  dem 
Goetheschen  Gedicht  geflossen  ist,  oder  ob  dieser  bei  seinen  Worten  jenes  bewusst 
oder  unbewusst  im  Sinne  hatte.40)  — 

Den  Gedanken  des  schönen  und  tiefsinnigen,  1810  in  der  Einleitung  |zur 
Farbenlehre  zuerst  gedruckten,  aber  schon  1805  verfassten  (GJb.  15,  S.  139)  Spruches 
„War1  nicht  das  Auge  sonnenhaft"  verfolgt  E.  0.  von  Lippmann41) 
von  Plotinus,  aus  dem  ihn  Goethe  unmittelbar  geschöpft  hat,  rückwärts  bis  zu  Plato 
und  seinen  Vorgängern  und  meint,  dass  er  ihn  schon  beim  Studium  dieses  Philo- 
sophen aufgefallen  sein  müsse  und  durch  spätere  Erinnerung  wieder  lebendig 
geworden  sei.  Um  diese  Annahme  zu  erhärten,  weist  er  auf  den  tiefgehenden,  von 
Goethe  selbst  anerkannten  Einfluss  des  griechischen  Denkers  hin,  dessen  Nachwirken 
er  im  „Wilhelm  Meister"  und  „Faust"  wahrzunehmen  glaubt.  Ich  möchte  hinzufügen, 
dass  der  Gedanke  auch   der  ältesten   germanischen  Kosmogonie  eigentümlich  ist.  — 

E.  O.  von  Lippmann42)  gesellt  auch,  wie  ich  hier  vorweg  nehmen  will, 
zu  den  schon  bekannten  vorgoetheschen  Belegen  des  Spruches:  „Alles  in  der 
Welt  lässt  sich  ertragen",  dessen  poetische  Formulierung  auf  einer  ganz 
geringen  Aenderung  eines  alten  Sprichwortes  beruht,  einen  neuen  aus  Luther.  Gerade 
aus  ihm  hatte  schon  Loeper  einen  herangezogen.  — 

Zu  den  Stanzen  „Epilog  zu  Schillers  Glocke"  liefert  Düntzer43) 
einen  Kommentar  ganz  in  der  Art  seiner  vielbenutzten,  ebenso  verdienstvollen  wie 
zum  Widerspruch  reizenden  Erläuterungen,  in  denen  das  Gedicht  nicht  behandelt  ist. 
Er  fusst  auf  dem  neuen,  die  Geschichte  des  Textes  bereichernden  Material,  von  dem 
wir  oben  (s.  N.  4)  sprachen,  und  berücksichtigt  die  vielfachen  Wandlungen,  die  das 
Gedicht  erfuhr,  bis  es  die  Gestalt  bekam,  die  wir  aus  der  Ausgabe  letzter  Hand 
kennen.  Eine  Analyse  ist  bekanntlich  nicht  seine  Sache,  er  giebt  ein  Gemisch  von 
Paraphrasierung  und  auf  äussere  Sinndeutung  gerichteter  Kommentierung,  wobei  er 
die  vielfachen  Erklärungen  des  stellenweise  recht  dunklen  und  in  den  verschiedenen 

—  33)  E.  Goldbeck,  Z.  Gedicht  Zueignung:  GJb.  15,  S.  269.  —  34)  X  (IV  9:60;  dazu  noch  F.  Jostes:  LRs.  20,  S.  22/3; 
K.  Heinemann:  BLU.  S.  22/3;  DDichtung.  15,  S.  101/2;  A.V.Weilen:  VossZg».  N.  2/3 ;  Grenzb.  1,  S.  511/2;  K.  J.  Schfröejr: 
LCB1.  S.  250.)  —  35)  Erich  Schmidt,  Zu  d.  Xenien:  Enph.  1,  S.  78-80.  —  36)  (IV  9:59.)  —  37)  X  J-  Tröger,  Rektor 
Manso  im  Xenienkampfe  (JBL.  1893  IV  8a:  130;  8c  :  21).  |[0.  F.  Walzel:  ZOG.  45,  S.  632/4;  0.  Hellinghaus:  Gymn.  12, 
S.  542.]|  —  38)  X  A.  Koste r,  J.  Kassewitz,  Darlegung  d.  dichterisch  Technik  v.  Goethes  „Alexis  n.  Dora"  (JBL.  1893 
IV  8c:  24):  ADA.  20,  S.  406.  —  39)  R.  Sprenger,  Zu  Goethes  Musen  u.  Grazien  in  d.  Mark:  ZD  U.  8,  S.  79.  —  40)  X  H- 
C.  Kellner,  D.  Matamorphose  d.  Pflanze:  MGoetheVZwickau.  4,  S.  25.  (Inhaltsang.    unter  Anlehnung  an  Düntzers  Komment.) 

—  41)  E.  0.  v.  Lippmann,  Zu  „War  nicht  d.  Auge  sonnenhaft  usw.":  GJb.  15,  S.  267/8.  —  42)  id.,  Zu  „Alles  in  d.  Welt 
lässt  sich  ertragen  usw.":  ib.  S.  268/9.    —   43)    H.  Düntzer,    Goethes  Epilog   zu  Schillers  Glocke:   ZDPh.  26,  S.  81-105.  — 


IV  8c  .44-49  0.  Pniower,  Goethes  Lyrik. 

Phasen  leider  nicht  verbesserten  Gedichtes  Revue  passieren  lässt.  Schröers,  Loepers, 
Kerns  Auffassungen  bekämpft  er,  freilich  nicht  immer  mit  Erfolg.  —  Hauptsächlich 
aber  setzt  er  sich  mit  Kettner44)  auseinander,  der,  was  wir  seiner  Zeit  übersehen 
haben  und  darum  dieses  Mal  nachholen,  die  Stelle  V.  22/3  und  die  noch  schwierigere 
V.  41/6  interpretiert  hat.  Das  letzte  Wort  scheint  mir  auch  hier  noch  nicht  gesprochen 
zu  sein.  — 

Origineller  und  ergiebiger  als  diese  Erläuterung  ist  diejenige,  die  wir  Vogel45) 
über  die  Ballade  „Die  wandelnde  Glocke"  verdanken.  Er  giebt  das  Protokoll 
einer  unter  mehreren  Mitgliedern  eines  Seminars  stattgehabten  Besprechung  des  Ge- 
dichts, bei  der  es  sich  „um  die  nächste  Wort-  und  Sinnerklärung,  die  sprach-  und 
sachanalytische  Methode"  handelt.  Dieser  interessante  Austausch  der  Meinungen 
vieler  hat  zur  Folge  gehabt,  dass  auch  die  kleinen  Nuancen  des  Ausdrucks  zur 
Geltung  kommen.  Den  Entscheidungen,  die  der  Vorsitzende  dieses  Kreises  gegen- 
über den  mannigfachen,  bald  feinen  und  scharfsinnigen,  bald  gesuchten  oder  miss- 
lungenen  Ansichten  getroffen  hat,  pflichtet  man  gerne  bei.  Sie  lassen  einen  tüchtigen, 
ästhetisch  geschulten  Interpreten  erkennen,  der  den  Blick  gleichmässig  auf  das 
Einzelne  wie  auf  das  Ganze  gerichtet  hält.  Gut  ist  V.  12  („Als  lief  es  aus  der 
Schule")  gegenüber  den  hergebrachten  Deutungen  erklärt.  Dagegen  wird  über  das 
sprachlich  bemerkenswerte  „richtig"  V.  21  zu  flüchtig  hinweggegangen.  — 

Zum  West-östlichen  Divan  liegt  dieses  Mal  nur  ein  ganz  kleiner  Beitrag 
vor.  R.  von  Payer46)  ergänzt  und  berichtigt  seinen  bereits  früher  (JBL.  1892 
IV  8c:  37)  besprochenen  Aufsatz,  indem  er  über  eine  ihm  damals  unbekannt  ge- 
bliebene Uebersetzung  der  Sammlung  Nesihet-ul-Muluk  Mitteilung  macht  und  daraus 
die  in  dem  „Neuere,  Neueste"  betitelten  Abschnitt  der  „Noten  und  Abhandlungen" 
wiederkehrenden  Aphorismen  citiert.  Bemerkenswert  ist  seine  Angabe,  dass  das 
WTerk,  das  die  Uebersetzung  enthält:  „Voyages  du  Chevalier  Chardin  en  Perse  et 
autres  lieux  d'Orient,"  für  den  Divan  eine  der  wichtigsten  Quellen  Goethes  bildete.  — 

Zwei  andere  kleine  Beiträge  beschäftigen  sich  mit  den  Voraussetzungen  zu 
Gelegenheitsverschen.  Den  wahren  Adressaten  des  Stammbucheintrags:  „Als 
kleinen  Knaben  hab  ich  dich  gesehen  usw."  teilt  Redlich47)  mit.  Es  war 
nicht,  wie  man  bisher  allgemein  annahm,  Knebels  Sohn,  sondern  Hegels  natürlicher 
Sprössling.  Eine  eigenhändige,  im  Archiv  befindliche  Niederschrift  des  Gedichtes 
erweist  das  ebenso  wie  das  noch  erhaltene  Stammbuch  selbst.  — 

Steig48)  kommentiert  das  erst  durch  die  Weimarer  Ausgabe  (5.  Bd.,  1.  Abt., 
S.  200)  bekannt  gewordene  „Zahme  Xenion":  „Nenne  Niemand!  nur  verschone"usw., 
das  von  neuem  den  Anteil  beweist,  den  Goethe  an  der  Wiedererweckung'  des  deutschen 
Altertums  nahm,  deren  Zeuge  er  war.  St.  bringt  die  Entstehung  der  Invektive  mit 
der  Kenntnisnahme  des  Dichters  von  W.  E.  Schubarths  Schrift  „Zur  Beurteilung 
Goethes"  in  Verbindung  und  mit  dem  persönlichen  Verkehr,  der  sich  zwischen  ihm 
und  seinem  Interpreten  bildete,  und  gewinnt  dadurch  die  Bestimmung  der  Entstehungs- 
zeit der  Verse:  Herbst  1820.  — 

Goethes  letzte  und  erschütterndste  lyrische  Liebesbeichte,  die  Marienbader 
Elegie,  hat  ein  Aufsatz  zum  Gegenstand,  dessen  Vf.  kein  geringerer  als  D.  Fr.  Strauss49) 
ist.  Er  enthält  mehr  als  der  Untertitel  verspricht,  insofern  die  Elegie  selbst  zwar 
zum  Mittelpunkt  der  Behandlung  gemacht  ist,  zugleich  aber,  wenn  auch  kurz,  die 
mit  ihr  zur  „Trilogie  der  Leidenschaft"  verbundenen  Gedichte  „An  Werther"  und 
„Aussöhnung"  besprochen  werden.  Daneben  berücksichtigt  Strauss  auch  die  während 
des  Verkehrs  mit  Ulrike  von  Levetzow  entstandenen  und  von  Gedanken  an  sie  er- 
füllten Lyrika  (Weim.  Ausg.  4,  S.  28—31).  Dennoch  ist,  was  uns  geboten  wird,  nicht 
eben  viel.  Strauss  erzählt  die  inzwischen  allgemein  bekannt  gewordenen,  genetischen 
Voraussetzungen  der  Elegie  und  entwirft  von  ihr  eine  kurze  Charakteristik,  die  im 
wesentlichen  auf  den  von  Eckermann  über  sie  gesagten,  allerdings  treffenden  Worten 
und  Goethes  eigener,  den  Kern  ihres  Wesens  kennzeichnender  Bemerkung  beruht.  Sie 
geben  ihm  ein  Schlagwort  an  die  Hand,  womit  die  Eigenart  des  Gedichtes  zwar 
richtig  bestimmt,  aber  doch  nur  ungefähr  umschrieben  wird.  Er  sagt :  „Die  Abfassung 
noch  mitten  in  der  Leidenschaft,  welche  überdies  mit  halb  leidenschaftlicher,  halb 
künstlerischer  Willkür  isoliert  und  gesteigert  wird,  auf  der  einen,  und,  was  wir  hinzu- 
denken müssen,  das  hohe  Greisenalter  des  Dichters  auf  der  anderen  Seite:  in  diesen 
beiden  Momenten,  die  zusammen  im  Kontraste  stehen  und  doch  zum  Teil  in  ihren 
Wirkungen  zusammentreffen,  haben  wir  die  Eigentümlichkeit  unserer  Elegie."  Dies 
führt  er  im  einzelnen  aus,  worauf  eine  von  Strophe  zu  Strophe  schreitende,  rasch  zu- 
sammenfassende Analyse  folgt.  — 

44)  G.  Kettner,  Krit.-Exegetisches  zu  Schiller  u.  Goethe:  NJbbPh.  144,  S.  615/8.  (Vgl.  JBL.  1892  IV  So:  29a;  8e:35;  9:39.) 

—  45)  0.  Vogel,  D.  wandelnde  Glocke  v.  Goethe:  ZDU.8,  S.  69-76.— 46)  R.  v.  Payer,  Z.  westöstl.  Divan:  ChWGV.  8,  S.  15/6. 

—  47)  K.  Chrn.  Redlich,  D.  wahre  Adressat  e.  Goetheschen  Gedichts:  GJb.  15,  S.  265.  —  48)  R.  Steig,  Goethe  u.  d. 
Brüder  Grimm:  ib.  S.  287/8.  —  49)  D.  F.  Strauss,  Ungedrucktes  ausd.Nachl.  Zu  Goethes  Elegie  (v.  Marienbad) :  DR.  1,  S.  228-35. 


G.  Witkowski,  Goethes  Epos.         IV  8c  :  50-53    IV8d:i-7 

Auf  die  oben  schon  besprochene  Abhandlung-  W.  von  B  i  edermanns50) 
kommen  wir  hier  zurück,  weil  sie  auf  den  merkwürdigen  Cyklus  von  Gedichten, 
die  „Chinesisch-Deutschen  Jahres-  und  Tageszeiten"  ein  Licht  fallen  lässt. 
S.  391  hebt  er  hervor,  dass  für  einzelne  Züge  von  ihnen  die  Benutzung  der  von 
Remusat  herausgegebenen  Contes  chinoises,  die  Goethe  1827  las,  sichtbar  ist,  dass 
aber,  wie  er  früher  schön  gezeigt  hat,  als  die  Hauptquelle  der  Lieder,  als  dasjenige 
Werk,  das  dem  Dichter  die  Anregung  zu  ihnen  gab,  das  „Geschichte  vom  Blumen- 
papier" betitelte  Epos  anzusehen  sei.  — 

Das  letzte,  was  Goethe  überhaupt  gedichtet  hat,  war  ein  Vierzeiler,  der 
erst  im  J.  1849  unter  der  Aufschrift  „Bürgerpflicht"  veröffentlicht  worden  ist.  Steig51) 
macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  am  6.  März  1832  verfassten  Verse  ein  Stammbuch- 
eintrag für  Sigismund  von  Arnim,  den  Sohn  Ludwig  Achims,  waren.  Von  ihnen 
gab  es  jedenfalls  noch  eine  zweite  Niederschrift,  von  der  auch  St.  spricht.  Sie  mag 
dieselbe  sein  —  oder  gab  es  noch  eine  dritte?  — ,  nach  der,  einer  Zeitungsnotiz 
zufolge,  Hörn52)  ein  Faksimile  veröffentlicht,  das  in  der  FZg.53)  nachgebildet  ist. 
In  einer  späteren  Nummer  derselben  Zeitung  wird  bemerkt,  was  in  allen  Kommentaren 
steht,  dass  der  Spruch  an  bekannte  Verse  Luthers  anknüpft.  — 


d)  Epos. 

Georg  Witkowski. 

Hermann  und  Dorothea  N.  1.  —  Werther  N.  22.  —  Wilhelm  Meister  N.  33.  —  Reineke  Fachs  N.  38.  -   Märchen 
N.  39.  —  Die  guten  Weiher  N.  40.  —  Novelle  N.  41.  —  Wahlverwandtschaften  N.  42.  — 

Wie  stets  beschäftigt  sich  auch  dieses  Jahr1-3)  mit  „Hermann  undDorothea" 
der  grösste  Teil  der  neu  erschienenen  Arbeiten  auf  unserem  Gebiete.  A.  Schmidt4) 
widerlegt  die  Ansicht  von  Cholevius,  dass  Goethe  sich  gleich  nach  der  Rückkehr 
von  der  Belagerung  von  Mainz  mit  Entwurf  und  Ausbildung  des  Gedichts  befasst 
habe,  durch  die  Thatsachen,  dass  seine  Produktion  erst  1796  für  das  idyllische  Epos 
reif  geworden  ist,  und  dass  Vossens  „Luise"  erst  1795  vollständig  erschien.  Ausser- 
dem beweisen  auch  Tagebücher  und  Briefe,  dass  damals  noch  nicht  von  einer  so  be- 
deutenden Konzeption,  wie  sie  das  ausgeführte  bürgerliche  Epos  darstellt,  die  Rede 
sein  konnte.  Der  Aug.  und  Sept.  1796  war  die  Geburtszeit  der  Dichtung;  die  gleich- 
zeitigen politischen  Ereignisse,  deren  Verlauf  Seh.  schildert,  wirkten  bestimmend  ein, 
indem  die  Angriffe  der  Franzosen  des  Dichters  eigene  Ruhe  zu  gefährden  drohten. 
Aber  weit  mehr  als  er  selbst  war  seine  Mutter  in  Gefahr,  da  Frankfurt  beschossen 
wurde,  und  die  lebendigen  Schilderungen  in  ihren  Briefen  haben  nach  Seh.  Goethe 
als  Quelle  für  sein  Gedicht  gedient,  wie  er  ja  selbst  zugiebt,  dass  er  sie  in  der 
Löwenwirtin  gezeichnet  hat.  Daraus  sollen  sich  nun  die  zahlreichen  Parallelen  er- 
klären, die  zwischen  den  Briefen  der  Frau  Rat  und  der  Dichtung  bestehen,  und  die 
Seh.  oft  etwas  gewaltsam  festzustellen  sucht.  Ganz  verfehlt  ist  die  Hypothese,  Frau 
Aja  habe,  als  sie  den  Brief  vom  23.  Sept.  1797  an  Christiane  schrieb,  „Hermann  und 
Dorothea"  schon  gekannt,  geradezu  thöricht  sind  die  daraus  gezogenen  Folgerungen, 
zumal  die,  dass  Goethe  bei  der  Schöpfung  Dorotheas  Christiane  im  Auge  gehabt  habe. 
Ebenso  falsch  ist  es,  wenn  Seh.  in  dem  Wirte  Züge  von  Goethes  Vater  entdecken 
will.  Er  muss  selbst  die  völlige  Verschiedenheit  beider  Gestalten  zugeben  und  kommt 
schliesslich  auf  die  abgeschmackte  Idee,  dass  auch  für  den  Wirt  die  Mutter  das  Modell  ge- 
wesen sei,  und  dass  bei  dem  Wirtshause  Goethen  das  Haus  am  Rossmarkte  in 
Frankfurt  vorgeschwebt  habe,  wo  sie  seit  1795  wohnte.5"6)  —  Eskuche7)  vergleicht 
Vossens  „Luise"  mit  „Hermann  und  Dorothea".  Goethe  hat  von  Voss  gelernt,  dass 
man  deutsches  Kleinleben  in  homerischer  Form  behandeln  könne;  aber  er  erhebt 
sich  zum  Epischen,  während  Voss  kein  wirkliches  Epos  zu  schaffen  vermag.  Das 
zeigt  sieh  auch  in  der  Art,  wie  beide  dasselbe  Thema,  die  Verbindung  eines  Mannes 
mit  einem  Mädchen  behandeln.    Voss  versteht  nicht  zu  charakterisieren;  selbst  Luise 


—  50)  (IV  8a:  95.)    —   51)  R.  Steig,   Z.  Weimarer  Ausg.    I.  AM.    5.  Bd.,  1.  T.,  S.  153:  GJb.  15,  S.  272.    -    52)   M.  Hörn, 
Onuitgegeven  gedichten  van  Goethe:  De  Portefeuille  7.  Apr.  —  53)  FZg.  N.  101/2.  — 

1)  X  X  (IV  8a:  66.)  (Ohne  Lesarten:  also  Besprech.  d.  krit.  Verfahrens  erst  später  möglich.)  —  2)XM-Koch, 
H.  Schreyer,  D.  Fortleben  homerischer  Gestalten  (JBL.  1893  IV  8d  :  1):  BFDH.  10,  S.  234.  —  3)  O  X  Goethe,  Oeuvres.  Trad. 
nouv.  par  J.  Porchat.  Les  Annees  de  Voyage  de  Wilhelm  Meister;  Entretiens  d'emigres  allemands;  les  Bonnes  Femnies; 
Nouvelle.  Paris,  Hachette  &  Co.  390  S.  Fr.  6,00.  —  4)  (IV  8b:  39.)  —  5)  X  V.  Hehn,  Ueber  Goethes  Hermann  u.  Dorothea 
(JBL.  1893  IV  8d:4).  |[H.  F.  Müller:  ZGymn.  28,  S.  754/5;  Grenzb.  1,  S.  215/6;  VossZg.  N.  434 ;  F.  Muncker:  AZg».  N.  74 ; 
K.  Heinemaun:  BLU.  S.  23;  A.  v.  Weilen:  ZOG.  45,  S.  521/9;  LCB1.  S.  1851/2;  M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  234,7.]!  —  6)  X 
Blasel,  C.  Gruber,  D.  Salzb.  Emigranten  (1893  IV  8d:7):  Gymn.  12,  S.  210/1.  —  7)  G.  Eskuche,  Z.  Gesch.  d.  dtsch. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.     V.  (4)29 


IV  8d  :  8-34  G.  Witkowski,  Goethes  Epos. 

ist  ihm  nicht  gelungen,  und  ebenso  steht  sein  Pfarrer  weit  unter  dem  Goethes.  Die 
Sprache  wird  bei  dem  Vorgänger  durch  die  schwere  homerische  Rüstung  erdrückt, 
während  Goethes  Gedicht  sie  leicht  und  anmutig  trägt.  —  Knapp8)  ist  durch  den 
Unterricht  veranlasst  worden,  sich  wieder  einmal  mit  „Hermann  und  Dorothea"  zu 
beschäftigen,  und  plaudert  nun  über  Leben  und  Bildung,  Quelle  und  Ausgestaltung 
des  Stoffes,  lobt  es,  dass  das  Motiv  des  Mahlschatzes  am  Schlüsse  fallen  gelassen  ist, 
tadelt  mit  Recht  die  wenig  passenden  Musennamen  und  charakterisiert  gut  die 
einzelnen  Gesänge.  —  Hirt9)  berichtet  an  Goethe  über  die  Aufnahme  von  „Hermann 
und  Dorothea"  in  der  Berliner  Gesellschaft:  Vorlesung  durch  David  Friedländer, 
Erklärung  durch  Bothe  und  Süvern.  —  Die  trockene  Nacherzählung  Stoffels10) 
wird  von  dürftigen  Exkursen  begleitet,  unter  denen  der  einzige  umfangreiche,  über 
die  Pädagogik  Goethes  in  „Hermann  und  Dorothea"  schon  früher  erschienen  war. i  1_18)  — 
Nach  Widmann19)  ist  das  Altmühl  im  Oettingischen,  wohin  die  Quelle  den  Vorfall 
verlegt,  Altmühldorf  bei  Oetting  am  Inn  in  Oberbayern,  das  früher  salzburgisch  war. 
Bei  dem  ersten  Bräutigam  Dorotheas  hat  Goethe  an  den  Mainzer  Adam  Lux  gedacht, 
bei  ihrer  hochherzigen  That  (VI,  105 ff.)  hatte  er  sicher  eine  Mainzerin  im  Sinne  (siehe 
Belagerung  von  Mainz  unter  dem  26.  Juli).  —  Sprenger20)  erklärt  überflüssiger 
Weise  die  Verse  IV,  19ff.  —  E.  Meyer21)  behauptet  mit  Recht  gegen  Düntzer,  dass 
das  Relativum  IX,  224  sich  auf  „Glück"  bezieht.    — 

Max  J.  Friedländer22)  teilt  das  begeisterte  Urteil  des  Kupferstechers  Wille 
über  den  „Werther"  mit.23  26)  —  Geiger27)  berichtet  über  eine  1792  in  Paris  auf- 
geführte Wertheroper  von  Dejaure  und  Kreutzer  nach  Archenholz  (siehe  jedoch 
GJb.  8,  S.  220). 28)  —  Goldhan29)  untersucht  sorgtältig  die  Wirkung  der  beiden 
ersten  Goetheschen  Romane  auf  Bulwer.  Schon  1827  im  Falkland  ist  er,  der  begeisterte 
Verehrer  Goethes,  unverkennbar  vom  „Werther"  in  Stoff,  Stimmung  und  Komposition 
beeinflusst.  Am  tiefsten  unter  Goethes  Werken  hat  aber  „Wilhelm  Meister"  auf 
Bulwer  eingewirkt.  G.  stellt  dessen  Aeusserungen  über  diesen  Roman  zusammen, 
die  1830  beginnen,  und  zeigt  insbesondere,  wie  Bulwer  aus  ihm  die  Idee  des  psycho- 
logischen Romans  ableitet.  Zumal  für  den  „Pelham"  ist  „Meister"  das  Vorbild  gewesen, 
ebenso  für  den  „Ernest  Maltravers",  „Alice"  und  „Godolphin".  Goethe  giebt  Bulwer 
die  Richtung  auf  psychologische  Vertiefung  und  trägt  am  meisten  dazu  bei,  seine 
Lebensanschauung  zu  klären.30)  —  In  japanischer  Uebersetzung 3 L)  erschien  der 
„Werther"  in  der  belletristischen  Wochenschrift  Shigarami  Zoshi.  —  Zschech32) 
weist  die  Unwahrheit  der  Angaben  Ugo  Foscolos  über  die  Entstehung  seiner  „Ultime 
lettere"  in  dem  Brief  an  Bartholdi  vom  22.  Sept.  1808  und  in  der  Vorbemerkung  zur 
Ausgabe  von  1816  schlagend  nach.  Foscolos  Behauptung,  er  habe  den  „Werther" 
erst  beim  Abschluss  seiner  Arbeit  benutzt,  wird  schon  dadurch  widerlegt,  dass  bereits 
in  der  ersten  Fassung  Ortis  am  Ende  des  ersten  Teils  der  Geliebten  ein  Exemplar 
des  deutschen  Romans  schenkt;  den  letzten  Beweis  dagegen  aber  liefert  der  (GJb.  8, 
S.  8  mitgeteilte)  Brief  des  Vf.  an  Goethe.  Ausserdem  kannte  Foscolo  die  beiden  Werther- 
nachahmungen Perrins  „Wertherie"  (1791)  und  Leonards  „Lettres  de  deux  amants, 
habitants  de  Lyon"  (1783)  und  liess  sich  zumal  von  der  zweiten  stark  beeinflussen. 
Z.  hebt  jedoch  hervor,  dass  die  Anlehnung  an  fremde  Muster,  zu  denen  auch  Sterne 
hinzutritt,  belanglos  sei  gegenüber  dem  neuen,  politischen  Elemente,  durch  dessen 
Einführung  in  den  Roman  sich  Foscolo  das  grösste  patriotische  Verdienst  erwarb.  — 

Als  Quelle  für  die  Ehrenbezeigungen  in  der  pädagogischen  Provinz  von 
„Wilhelm  Meisters  Wanderjahren"33)  vermutet  W.  von  Biedermann33»)  das 
chinesische  Ceremoniell  und  verweist  namentlich  auf  du  Halde  (2,  S.  303).  Auch  für  das 
Zartgefühl    des    Mädchens    im    Schlussabschnitt   des    „Mannes    von   fünfzig   Jahren" 


Idyllendichtung.  E.  Stunde  Litt.  Progr.  Siegen.  27  S.  —  8)  P.  Knapp,  Plauderei  über  Goethes  „Hermann  u.  Dorothea": 
BBSW.  S.  256-62,  275-82.  -  9)  (IV  8b  :  15,  S.  69.)  —  10)  (I  6  :  47.)  -  11)  X  (I  6  =  75.)  —  12)  O  X  Goethe,  Hermann  et 
Dorothee.  Texte  allem,  publie  avec  un  avant-propos,  des  sommaires  et  des  notes  explicatives  par  B.  Levy.  Nouv.  ed.  Paris, 
Hachette.  16°.  IV,  115  S.  M.  0,80.  —  13)  X  W.  v.  Goethe,  Hermann  u.  Dorothea.  (=  Allg.  Volksbibl.  N.  32/3.)  Neusalza, 
Oeser.  66  S.  M.  0,20.  —  14)  X  M-,  Hermann  u.  Dorothea.  Mit  11  Vollbild.  (=  111.  Volksausg.  klass.  Meisterwerke.) 
B.,  Litteraturver.  „Minerva".  60  S.  M.  0,50.  —  15)  O  X  HU  Hermann  u.  Dorothea.  Mit  8  Lichtdr.  nach  d.  Bildern  v. 
A.  Frhr.  v.  Ramberg  u.  mit  Ornamentstücken  v.  F.  Baurogarten.  10.  Aufl.  B.,  Grote.  XVI,  84  S.  M.  2,50.  —  16)  O  X  id., 
Hermann  u.  Dorothea.  Mit  9  Lichtdr.- Vollb.  v.  E.  Klein.  St.,  Greiner  &  Pfeiffer.  III,  120  S.  M.  5,50.  —  17)  X  UU  Hermann 
et  Dorothee.  Poeme  en  IX  chants  trad.  par  Bit  au  be.  (—  Bibl.  Nat.)  Paris,  Berthier.  16°.  123  S.  M.  0,20.  —  18)  O  X 
id.,  Hermann  et  Dorothee.  Illustr.  de  Marold.  Paris,  Dentu.  32".  221  S.  M.  1,60.  —  19)  S.  P.  Widmann,  Z.  Sacherklärung 
v.  „Hermann  u.  Dorothea":  Gymn.  12,  S.  855-60.  —  20)  R.  Sprenger,  Zu  Goethes  „Hermann  u.  Dorothea":  ZDU.  8,  S.  125. 
—  21)  E.  Meyer,  Zu  Goethes  „Hermann  u.  Dorothea"  IX,  224:  ib.  S.  135/6.  —  22)  Max  J.  Friedlander,  J.  G.  Wille  über 
Werther:  GJb.  15,  8.275/6.  —  23)  X  F-  Wichmann,  E.  Besuch  d.  Wertherstätten:  DDichterheim.  14,  S.  320.  —  24)  X  Eu£- 
Wolff,  Bll.  aus  d.  Werther-Kreis  (JBL.  1893  IV  8d:  19).  |[A.  Köster:  ADA.  20,  S.  281/5;  M.  Koch:  BFDH.  10.  S.  224;  S. 
M.  Prem:  Euph.  1,  S.  167/8.]|  —  25)  O  X  Goethe,  D.  Leiden  d.  jungen  Werther.  Diamant-Ausg.  Mit  Illustr.  v.  F.  Skarbina. 
B.,  Grote.  16°.  168  S.  M.  2,00.  —  26)  X  A.  E.  M.,  Bilder  zu  Goethes  „Werther":  ChWGV.  9,  S.  18/9.  -  27)  L.  Gfeiger], 
Zu  „Goethe  u.  Frankreich":  GJb.  15,  S.  289.  (Vgl.  IV8e:31.)  —  28)  O  X  Goethe,  Werther.  Paris,  Fayard.  160  S.  -  29) 
(IV  8a:  83.)  (Gleichzeitig  in  Anglia  16,  S.  267-369.)  —  30)  O  X  Werther  at  Covent-Garden:  SaturdayR.  77,  S.  635/6.  — 
31)  Werthers  Leiden  im  Japanischen:  BerlTBl.  N.  206.  (Vgl.  auch:  TglRsB.  N.  95  u.  VossZg.  N.  190.)  —  32)  (IV  8a:  91; 
8b  :  18  )  |[M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  496.]|   -  33)  X  (»•  <>.  N.  1.)  -  33a)  (IV  8a  :  95;  8e  :  36.)  -  34)  (IV  8a  :  24;  8b  :  30.)  - 


G.  Witkowski,  Goethes  Drama.        IV  8d  :  35-42    IV8e:i-4 

glaubt  er  in  einer  chinesischen  Dichtung-,  dem  Roman  Hao  kiu  tschuen,  mit  dem  sich 
Goethe  seit  den  achtziger  Jahren  wiederholt  und  eindringlich  beschäftigt  hat,  das 
Vorbild  zu  erkennen.34-36)  — R.  M.  Meyer37)  erwähnt,  dass  Stockfleths  „Kunst-  und 
tugendgezierte  Macarie"  in  keinem  Zusammenhang  mit  der  Goetheschen  Gestalt 
gleichen  Namens  steht.  — 

Im  „Reineke  Fuchs"  bewährt  sich  nach  Becker38)  die  Gesetzgebung  des 
„Laokoon"  in  der  Schilderung  der  Kleinode,  die  Reineke  dem  König  gesandt  zu 
haben  vorgiebt.  — 

Ein  Grenzbotenaufsatz39)  über  das  Märchen  am  Schlüsse  der  „Unter- 
haltungen deutscher  Ausgewanderten"  wiederholt  Baumgarts  Deutung,  deren  poli- 
tischer Teil  mit  Hilfe  der  Schrift  von  Ottokar  Lorenz  noch  verstärkt  wird.  — 

„Die  guten  Weiber"  werden  von  Seuffert40)  in  einem  Aufsatz  von  hoher 
wissenschaftlicher  Bedeutung,  den  wir  nur  lieber  an  einer  anderen  Stelle  gesehen  hätten, 
aufs  gründlichste  behandelt.  Er  erzählt  Anlass  und  Inhalt  des  Dialogs,  untersucht 
die  Herkunft  der  eingeschobenen  Erzählungen,  unter  denen  er  die  des  Sinclair,  wie 
alle  früheren,  auf  Frau  von  Stein  deutet,  die  dritte  Seytons  von  der  Pächterin  auf 
eine  gemeinsame  Quelle  mit  Destouches  „Verschwender"  zurückführt.  Den  Titel  „La 
bonne  femme"  fand  Goethe  im  Juliheft  1775  der  „Bibliotheque  universelle  des 
Romans",  ebenda  im  Oktoberheft,  wo  auch  die  Geschichte  von  Brantömes  Grossmutter 
stand,  drei  Hundegeschichten.  Die  Erzählung  Armidoros  von  Ferrand  und  Cardano 
hat  sicher  ein  litterarisches  Vorbild;  aber  es  bleibt  noch  zu  entdecken,  was  auch  des- 
halb interessant  wäre,  weil  wir,  wie  S.  behauptet,  hier  die  erste  Vorstufe  zu  den 
„Wahlverwandtschaften"  erkennen.  Sodann  erörtert  S.  sehr  eingehend  die  Text- 
geschichte der  „guten  Weiber"  und  gelangt  an  ihrer  Hand  zu  dem  für  die  Gesamt- 
geschichte des  Goetheschen  Textes  wichtigen  Ergebnis,  dass  in  ihr  auch  der  bisher 
fast  unbeachteten  Wiener  Ausgabe  B1  eine  massgebende  Stelle  gebührt.  — 

Lichtenheld41)  weist  die  Erfüllung  aller  Anforderungen  der  epischen 
Technik  in  der  Novelle  nach.  — 

Zu  *  den  Nachweisungen  Büchmanns  über  das  Wort  „Es  giebt  für  den 
Kammerdiener  keinen  Helden"  in  den  „Wahlverwandtschaften"  (Weim.  Ausg.  20, 
S.  262)  fügt  Geiger42)  hinzu,  dass  Goethe  den  Spruch  entweder  aus  den  Briefen 
des  Fräuleins  Ai'sse  (1787,  1788  und  1805  erschienen)  oder  aus  Kotzebues  „Biene" 
(1809)  entnommen  habe;  im  zweiten  Falle  müsste  es  freilich  nachträglich  eingefügt 
sein.  — 


e)  Drama. 

Georg  Witkowski. 

Allgemeines  N.  1.  —  Die  Laune  des  Verliebten  N.  11.  —  Götz  von  Berlichingen  N.  12.  —  Satyros  N.  24.  — 
Clavigo  N.  25.  —  Stella  N.  30.  —  Der  Falke  N.  32.  —  Die  Fischerin  N.  34.  —  Elpenor  N.  36.  —  Egraont  N.  37.  —  Iphigenie 
N.  44.  —  Torquato  Tusso  N.  56.  —  Der  Grosskophta  N.  62.  —  Die  natürliche  Tochter  N.  65.  —  Schillers  Toten- 
feier N.  66.  —  Des  Epimenides  Erwachen  N.  67.  —  Faust:  Allgemeines  N.  68;  Urfaust  N.  108;  Erster  Teil  N.  110;  Zweiter 
Teil  N.  119.  - 

Allgemeines.  Im  Berichtsjahre  erschienen  in  der  Weimarer  Ausgrabe  nicht 
weniger  als  drei  Bände,  die  dramatische  Werke  Goethes  enthalten.  Von  ihnen  ist 
die  erste  Abteilung  des  13.  Bandes1),  im  allgemeinen  der  zweiten  Hälfte  des 
11.  Bandes  von  C  entsprechend,  erst  nach  dem  Erscheinen  der  zweiten  Abteilung  zu 
betrachten,  da  erst  diese  die  Lesarten  enthalten  wird.  —  Der  16.  Band2)  (Redaktor: 
Erich  Schmidt)  deckt  sich  in  der  Hauptsache  mit  C  13,  nur  vermehrt  durch  den 
Maskenzug  von  1818,  das  Requiem  für  den  Fürsten  von  Ligne  sowie  die  ungedruckten 
Entwürfe  zu  „Schillers  Totenfeier"  und  der  Kantate  zum  Reformationsjubiläum.  In 
den  Lesarten  erscheint  das  pantomimische  Ballett  von  1782  und  die  Quadrille  ita- 
lienischer Tänzer  und  Tänzerinnen  zum  16.  Febr.  1810,  die  schon  von  Düntzer  Goethe 
zugeschrieben  worden  war.  Es  ist  zu  bedauern,  dass  der  buntscheckige  Bestand  von 
C  13  mit  unnötiger  Pietät  erhalten  wurde.     Welcher  Leser,  dem  die  Anordnung  von 


35)  X  3-  O.  E.  Donner,  D.  Einfluss  Wilhelm  Meisters  (JBL.  1893  IV  8d  :  32).  |[J.  Minor:  DLZ.  S.  7435;  M.  Koch:  BFDH.  10, 
S.  260  2;  A.  Sauer:  ÖLB1.  3,  S.  397/8.] |  —  36)  O  X  Goethe,  William  Meisters  apprenticeship  and  trayels  by  T.  Carlyle. 
3  vols.  London,  Chapman.  M.  2,60.  —  37)  B.  M.  Meyer,  Stockfleths  a.  Goethes  Macarie:  GJb.  15,  S.  272  4.  -  38)  T  h. 
Becker,  l.essings  Laokoon  u.  d.  Kleinode  in  Reineke  Fuchs:  ZDU.  8,  S.  5717.  —  39)  Goethes  Lilienmärchen:  Grenzb.  1, 
S.  31-41.  -  40)  B.  Seuffert,  Goethes  Erzählung  „D.  guten  Weiber":  GJb.  15,  S.  148-77.  |[M.  Kooh:  BFDH.  10,  S.  456.]| 
—  41)  A.  Lichtenheld,  Z.  epischen  Technik  u.  zu  Goethes  „Novelle":  ZDU.  8,  S.  471/6.  —  42)  L.  G[eiger],  Es  giebt  für 
d.  Kammerdiener  keinen  Helden:  Enph.  1,  S.  792.  — 

1)  (IV  8a:  66.)  —  2)  (ib.)    -    3)  (ib.)   —  4)  X  H.  Düntzer,    Weim.  Goethe-Ausg.,  Abt.  1,  Bd.  4,   11/2,   20,    35: 

(4)29* 


IV  8e  :  5-i2  G.  Witkowski,  Goethes  Drama. 

C  nicht  genau  gegenwärtig  ist,  wird  „Parabeln",  „Legende",  „Hans  Sachsens  poetische 
Sendung",  „Auf  Miedings  Tod",  „Geheimnisse",  die  Karlsbader  Gedichte  von  1810  hier 
suchen?  —  Der  17. Band3)  (Redaktor:  Karl  Chrn.  Redlich)  giebt  genau  C  14  wieder.4)  — 
Das  Leipziger  Stadttheater5)  veranstaltete  vom  24.  Mai  bis  6.  Juni  einen  sogenannten 
Goethecyklus  in  acht  Abenden,  der  aber  weder  durch  historische  Reihenfolge,  noch 
durch  annähernde  Vollständigkeit  ein  Bild  von  dem  Dramatiker  Goethe  zu  geben 
suchte.  Auch  sind  die  Kräfte  dieser  Bühne  für  ein  solches  Unternehmen  fast  durch- 
gängig unzureichend.  —  In  seinem  interessanten,  freilich  vielfach  zum  Widerspruch 
herausfordernden  Vortrag  stellt  Heyse6)  zuerst  die  Thatsache  fest,  dass  Goethe 
seltener  als  Schiller,  Shakespeare  und  Lessing  noch  auf  deutschen  Bühnen,  auch 
auf  ideal  geleiteten,  erscheint.  Nur  bei  bestimmten  Anlässen  werden  „Iphigenie", 
„Tasso",  „Egmont",  „Götz",  „Clavigo",  „Geschwister"  aufgeführt;  „Faust"  nimmt 
eine  besondere  Stellung  ein,  indem  allen  anderen  vorgeworfen  wird,  sie  seien  nicht 
bühnenwirksam.  Allerdings  sind  sie  nicht  auf  den  Durchschnittsgeschmack  der  Menge 
berechnet,  und  das  kann  ihnen  nur  zum  Ruhme  gereichen.  Aber  wie  steht  es 
um  ihren  Bühnenwert,  gemessen  an  einem  zuverlässigeren  Massstabe?  Die  „Laune 
des  Verliebten"  und  die  „Mitschuldigen"  zeigen,  dass  Goethe  sich  die  französische 
Technik  zu  eigen  gemacht  hat.  Dem  „Götz"  fehlt  die  Darstellung  der  psychologischen 
Prozesse,  der  inneren  Kämpfe ;  fragmentarische  Stimmungsbilder  sind  lose  verknüpft, 
wichtige  Momente  der  Handlung  fehlen  oder  sind  hinter  die  Scene  verlegt.  Goethe 
ist  in  das  eigentliche  Geheimnis  der  Shakespeareschen  Kunst  nicht  eingedrungen  und 
in  „Clavigo",  „Stella",  den  „Geschwistern"  wendet  er  sich  wieder  völlig  von  ihr  ab. 
Im  „Egmont"  kehrt  er  zu  der  unvollkommenen  Bühnenform  des  „Götz"  zurück,  wenn 
auch  die  Behandlung  breiter  geworden  und  die  äussere  Anlehnung  an  Shakespeare 
verschwunden  ist.  Erst  im  vierten  Akte  entbrennt  der  Kampf;  aber  es  ist  nur  ein 
Scheingefecht,  da  Egmonts  Schicksal  bereits  feststeht,  und  ebenso  fehlt  dem  fünften 
Akte  die  innere  Spannung.  Das  Stück  ist  für  Leser  geschrieben,  nicht  für  Zuschauer. 
Am  meisten  beherrscht  Goethe  die  dramatische  Technik  in  „Iphigenie"  und  „Tasso". 
Aber  unsere  Schauspieler  wissen  sich  in  dem  Stil  dieser  Dramen  nicht  zurecht- 
zufinden, und  die  Stoffe  stehen  uns  nach  dem  blinden  Vorurteü  der  Gegenwart  zu 
fern.  Das  gilt  noch  mehr  als  von  „Iphigenie"  von  „Tasso",  und  es  wäre  eher  denkbar, 
dass  das  Stück  in  einem  künstlerisch  hochgebildeten  Dilettantenkreise  rein  zur  An- 
schauung kommen  könnte  als  durch  Berufsschauspieler.  Später  hat  Goethe  der 
deutschen  Bühne  nichts  mehr  geschenkt,  was  als  wertvolle  Bereicherung  unserer  dra- 
matischen Habe  zu  betrachten  wäre.  Das  ist  ein  psychologisches  Rätsel,  am  uner- 
klärlichsten die  Gestaltung  der  „Natürlichen  Tochter",  deren  Handlung  mehr  peinlich 
als  tragisch  berührt.  Die  Sprache  ist  manieriert ;  man  hört  aus  den  meisten  Reden  den 
Dichter  heraus,  der  nur  personifizierte  Begriffe  in  Aktion  setzen  will.  Die  ewige 
Wirkung  des  ersten  Teils  des  „Faust"  wird  vor  allem  durch  die  Naturgewalt  gesichert, 
mit  der  die  Gestalten  vor  uns  hintreten.  Sie  sind  Individuen  ebenso  wie  Götz,  Adel- 
heid, Georg,  Egmont  und  Klärchen,  Clavigo,  Marianne,  Iphigenie  und  Tasso,  die  des- 
halb ewig  auf  der  Bühne  fortleben  werden.  Dagegen  sind  die  Versuche,  ihr  den 
zweiten  Teil  des  „Faust"  zu  gewinnen,  sämtlich  verloren.  —  Witkowski7)  stellt  die 
Notizen  über  ungedruckte  poetische  Dramen  zusammen,  die  Reichards  Theaterkalender 
von  1775 — 86  brachte.  —  Der  grosse  Aufsatz  Henkels8)  über  die  satirischen 
Dichtungen  Goethes  in  dramatischer  Form  enthält  im  Verhältnis  zu  seinem  Umfang 
sehr  wenig  Wertvolles.  In  der  Hauptsache  giebt  er  trockene,  zwecklose  Nacherzählung, 
zweifelhafte  Deutungen  im  „Jahrmarktsfest"  und  „Neuesten  von  Plunders w eilern"  als 
Thatsachen,  vom  „Faust"  nur  Walpurgisnacht  (der  Autor  V.  4088—91  soll  Wieland 
sein!)  und  Walpureisnachtstraum,  Fastnachtsspiele  ohne  Erörterung  der  Beziehung  zu 
Hans  Sachs.9"10)  — 

Für  die  „Laune  des  Verliebten"  glaubt  A.  von  Weilen11)  eine  Quelle  in 
Levesques  „Reves  dAristobule"  (1761  in  Paris,  1762  in  Karlsruhe  erschienen)  vermuten 
zu  dürfen.  Aber  er  bedenkt  nicht,  dass  der  durch  Eifersucht  sich  selbst  quälende 
Schäfer  ein  alter  Gegenstand  der  gesamten  Schäferdichtung  ist.  — 

Eine  gute  Quellenuntersuchung  zum  „Götz  von  Berlichingen",  von  Pall- 
mann12),  entwickelt  die  verworrenen  Rechtszustände  Südwestdeutschlands  um  das 
J.  1512,  um  so  für  die  gerechte  Beurteilung  Berlichingens  eine  Grundlage  zu  gewinnen. 


ZDPh.  26,  S.  255-64,  431.  —  5)  Leipz.  Stadttheater.  Direktion:  Max  Staegemann.  Statist.  Rückblick  anf  d.  Zeit  vom 
1.  Juli  1893  bis  30.  Juni  1894.  (S.  4.)  -  6)  P.  Heyse,  Goethes  Dramen  in  ihrem  Verhältnis  z.  heutigen  Bühne. 
Rede,  geh.  in  d.  Generalvers.  d.  Goethe-Ges.  zu  Weimar  d.  17.  Mai  1894:  DRs.  80,  S.  14-32.  |[M.  Koch:  BPDH.  10, 
S.  507;  BerlBörsCour.  N.  226;  Didask.  N.  117;  MGoetheVZwickau.  N.  5 ;  AZgB.  N.  120.]|  —  7)  G.  Witkowski,  Notizen  über 
Goethesche  Dramen  aus  Reichards  Theaterkai.:  GJb.  15,  S.  262/3.  —  8)  H.  Henkel,  Goethes  sat.-humorist.  Dichtungen  dramat. 
Form:  ASNS.  92,  S.  30J-4-';  93,  S.  69-110.  -  9)  X  A.  Röster,  C.  Olbrich,  Goethes  Sprache  u.  d.  Antike  (JBL.  1891  IV  9e  :  4): 
LGRPh.  15,  S.  8-10.  —  10)  X  Blase  1,  H.  Landwehr,  Dicht.  Gestalten  in  hist.  Treue  (JBL.  1893  IV  8e  :  2):  Gymn.  12, 
S.  56/8.    —   U)   A.  v.  Weilen,   Zu  Goethes  J,Laune  d.  Verliebten":    Euph.  1,  S.  604/5.    —   12)    (U  1  :  62.)     |[VossZg.  N.  170; 


G.  Witkowski,  Goethes  Drama."  IV  8e  :  13-32 

P.  kennzeichnet  das  ungerechte  und  hinterlistige  Verfahren  des  schwäbischen  Bundes 
gegen  Götz  und  legt  die  Reform  versuche  Maximilians  und  Karls  V.  dar.  Er  weist 
nach,  dass  die  Urteile  über  die  Raubritter,  ausgehend  von  ihren  Gegnern,  Fürsten  und 
Städten,  zum  grössten  Teile  parteiisch  gefärbt  sind,  und  stellt  die  Fehden  Berlichingens 
als  teils  berechtigt,  teils  entschuldbar  hin.  Sein  Leben  und  Treiben  wird  nach  der 
Selbstbiographie  übersichtlich  und  klar  geschildert  mit  stetem  Verweis  auf  Goethes 
Benutzung  und  Umbildung  des  historischen  Berichts.  Aus  der  Darstellung  ergiebt 
sich,  dass  die  politischen  Bestrebungen  Götzens  und  der  übrigen  freien  Ritter  Frankens 
und  Schwabens  historisch  völlig-  berechtigt  waren,  weil  sie  nur  mediatisieren  wollten. 
In  ihnen  lag  die  wahre  Zukunft  Deutschlands,  und  Goethe  hat  sie  mit  seinem 
dichterischen  Instinkt  ganz  richtig  erkannt  und  beurteilt.  So  ist  sein  Götz  keine 
Phantasiegestalt,  sondern  der  wirkliche  historische  Götz,  ein  vorbildlicher  National- 
held. —  Lahmann  13J  sieht  als  Quelle  der  Adelheidtragödie  die  Ballade  von  der 
Frau  von  Weissenburg  an.  Der  Name  Weissenburg  soll  auf  Weisslingen  hingeführt 
haben,  das  Mittelglied  bildet  der  Knappe  Georg  von  Gaislingen  in  Götzens  Lebens- 
beschreibung. L.  erinnert  auch  an  die  Ballade  vom  Herren  und  der  Magd,  die  den 
Schluss  für  den  „Clavigo"  hergab. t4"16)  —  Englert17)  verweist  auf  ein  Sprich- 
wort in  Scheibles  Schaltjahr  (4,  S.  177),  das  die  glückliche  Bedeutung  der  Begegnung 
mit  einem  Wolfe  ausdrückt.  —  Düntzer18)  polemisiert  gegen  Scholte-Nollens  (JBL. 
1893  IV8e:10)  gewiss  zutreffende  Hypothese  über  Goethes  erstes  Erfassen  des  Götz- 
themas, wenn  er  auch  gleich  Nollen  erst  Bekanntschaft  mit  Pistorius  in  Strassburg  an- 
nimmt. D.s  beständiges  Streben,  dem  Dichter  Irrtümer  nachzuweisen,  führt  ihn  zu 
ganz  unbegründeten  Behauptungen,  so  z.  B.,  dass  die  breite  Behandlung  der  Adelheid- 
episode nicht,  wie  Goethe  angiebt,  von  seiner  wachsenden  Liebe  zu  der  Gestalt  her- 
rühre, sondern  dass  sie  in  der  ursprünglichen  Anlage  des  Ganzen  lag.  Die  zweite 
Bearbeitung  hat  nach  D.  an  dramatischem  Leben  bedeutend  gewonnen.1 9~23)  — 

Ein  wichtiges  Zeugnis  für  die  Deutung  des  „Satyro  s"  auf  Herder  enthält 
der  von  Schüddekop  f24)  herausgegebene  Brief  Heinses  an  Gleim  vom  17.  Mai  1774, 
in  dem  es  heisst,  Goethe  habe  ein  Drama  gegen  Herder  geschrieben.  — 

In  einem  populären  Aufsatz  über  den  „Clavigo"  giebt  Erich  Schmidt25) 
mit  historischer  Kritik  und  stetem  Hinblick  auf  Goethes  Drama  den  Inhalt  des 
Memoire  von  Beaumarchais  wieder,  teilt  eine  interessante  Aeusserung  des  gealterten 
Clavijo  über  das  Schauspiel  aus  Rists  Lebenserinnerungen  mit,  und  meint,  Goethe 
habe  den  wirren  Historienstil  des  „Götz"  öffentlich  widerrufen  und  zeigen  wollen,  was 
er  technisch  an  „Emilia  Galotti"  gelernt  hatte.  Seh.  deckt  litterarische  und  „seelische" 
Wurzeln  des  Dramas  auf,  bespricht  die  moderne  Stimmungsanalyse  der  Exposition, 
und  weist  das  Hereintragen  der  veralteten  Forderung  einer  tragischen  Schuld  ab. 
In  Carlos  ist  der  Typus  des  Bühnenbösewichts  überwunden  durch  eine  neue  freie 
Gestaltung.  Am  Schluss  löst  der  Jugendstil  Goethes  die  strenge  Form  der  früheren 
Teile  ab.  —  Dasselbe  Thema  behandelt  ein  Vortrag  von  Stephens26)  (mit  Be- 
nutzung von  Schmidts  Arbeit?),  ohne  etwas  Eigenes  vorzubringen.27"28)  —  Prem29) 
erwähnt,   dass  „Clavigo"  in  Salzburg  schon  am  24.  Nov.  1775  aufgeführt  wurde.  — 

Neben  den  von  Scherer  nachgewiesenen  Vorbildern  der  „Stell  a"  sieht  von 
Jan30)  ein  weiteres  in  Luise  von  Ziegler.  Sie  verzehrte  sich,  als  Goethe  sie  1772 
kennen  lernte,  in  einsamer  Trauer  um  ihren  Geliebten,  den  Livländer  von  Reutern, 
umgab  sich  wie  Stella  mit  Tieren,  schwärmte  wie  sie.  Karoline  Flachsland  wünschte 
eine  Heirat  zwischen  ihr  und  Goethe.  Das  ist  alles  nicht  genügend,  um  uns  von 
der  Richtigkeit  der  Ansicht  J.s  zu  überzeugen.  —  Geiger31)  druckt  aus  Archenholz 
Minerva  eine  Notiz  über  die  Pariser  Aufführung  einer  Oper  nach  Goethes  „Stella" 
ab ;  auch  eine  Fortsetzung  davon  erschien  mit  Beifall  auf  der  Bühne  (siehe  Süpfle, 
Kultureinfluss  II  1,  S.  61).  — 

Die  Novelle    vom   Falken    steht   nach  Minor32)   in   polnischer  Version, 

M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  498.] |  —  13)  J.  F.  Lahmann,  D.  Quelle  d.  Adelheidtrag,  in  Goethes  Götz:  Geg.  45,  S.  267.  - 
14)  X  E  Mummenhoff,  J.  Kamann,  D.  Fehde  d.  Götz  v.  Berlichingen  (JBL.  1893  IV  8e  :8):  MVGNürnberg.  10,  S.  289-95. 
—  15)  X  0.  Hellinghaus,  A.  Huther,  Goethes  Götz  v.  Berlichingen  u.  Shakespeares  hist.  Dramen  (JBL.  1893  IV  8e:ö): 
Gymn.  12,  S.  511.  —  16)  X  K-  H.  Heidt,  Goethes  älteste  Bearbeit.  d.  Götz  v.  Berlichingen  (JBL.  1893  IV  8e  :  6).  |[M.  Koch: 
BFDH.  10,  S.  225;  0.  Hellinghaus:  Gymn.  12,  S.  542.] |  —  17)  A.  Englert,  D.  Wolf  als  günstiges  Vorzeichen:  ZDU.  8, 
S.  131.  (Vgl.  JBL.  1891  IV  9e:18.)  —  18)  H.  Düntzer,  Goethes  Götz  v.  Berlichingen  erläut.  5.,  neu  durchges.  u.  verm. 
Aufl.  (=  Erläuterungen  zu  d.  dtsch.  Klass.  Bd.  11.)  L„  Wartig.  IV,  182  S.  M.  1,00.  —  19)  X  (*  6  :  680  —  20)  O  X  K- 
Fischer,  Goethe,  Götz  v.  Berlichingen.  (=  Schulausg.  dtsch.  Klass.  N.  11.)  Trier,  Stephanus.  143  S.  M.  0,70.  —  21)  X 
W.  v.  Goethe,  Götz  v.  Berlichingen.  Schausp.  Mit  3  Tonbild.  u.  11  Abbild,  im  Text.  B.,  Litt.-Ver.  Minerva.  54  S.  M.  0,50.  — 
22)  X  K-  Drescher,  F.  Winter  u.  E.  Kilian,  Z.  Bühnengesch.  d.  Götz  v.  Berlichingen  (JBL.  1891  IV  9e  :  16):  LGRPh.  15, 
S.  253/4.  —  23)  X  M-  Koch,  J.  Scholte-Nollen,  Goethes  Götz  v.  Berlichingen  auf  d.  Bühne  (JBL.  1893  IV  8e  :  10):  BFDH.  10, 
S.  225/8.  —  24)  (IV  lc:4l,  S.  172,5.)  —  25)  Erich  Schmidt,  Clavijo,  Beaumarchais,  Goethe:  Vom  Fels  z.  Meer  1,  S.  309-15. 
|[K.  Heinemann:  BLÜ.  S.  21/2.]|  -  26)  T.  A.  Stephens,  The  date,  forme  and  sources  of  Goethes  Clavigo  (Manchester  Goethe- 
Soc):  Ac.  45,  S.  152.  —  27)  X  A.  Sauer,  E.  Söffe,  D.  erlebten  u.  litt.  Grundlagen  v.  Goethes  Clavigo  (JBL.  1890  IV  11  e  :  13): 
ÖLB1.  3,  S.  269-70.  —  28)  X  Georg  Schmidt,  Clavigo  (JBL.  1S93  IV  8e  :  23).  |[M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  229-30; 
A.  Sauer:  ÖLB1.  8,  S.  269-70;  K.  Heinemann:  BLU.  S.  22.]|  -  29)  S.  M.  Prem,  Goethe.  (JBL.  1893  IV  8b:  26; 
S.  122.)  —  30)   F.  v.  Jan,  E.  Modell   zu    Goethes   Stella:    Euph.  1,   S.  557-64.    -    31)  (IV  8d:27.)   —  32)   J.  Minor,   D. 


IV  8 e  ■.  33-58  *G.  Witkowski,  Goethes  Drama. 

die  Anschütz33)   (JBL.    1892  IV  8e:41)  nicht  erwähnt,    in    den  Erzählungen  Lucian 
Simienskis  unter  dem  Titel  „Das  Reh  als  Eheprokurator".  — 

Am  18.  Mai  wurde  „Die  F  i  s  c  h  e  r  i  n"  bei  Gelegenheit  eines  Künstlerfestes 
im  Parke  zu  Tiefurt  in  genau  derselben  Weise  wie  einst  am  28.  Juli  1782  zur  Auf- 
führung gebracht  und  wirkte  ebenso  begeisternd  wie  damals34"35).  — 

W.  vonBiedermann36)  erörtert  von  neuem  das  Verhältnis  des  „E 1  p  e  n  o  r" 
zu  der  vermuteten  chinesischen  Quelle.  — 

In  seiner  Schulausgabe  des  „E  g  m  o  n  t",  die  sich  durch  sehr  knappe  Bei- 
gaben auszeichnet,  liefert  Büchner37)  zu  Weim.  Ausg.  279,8  die  gute  Konjektur, 
dass  „Geht!"  statt  „Gut"  zu  lesen  sei.38  40)  —  H  o  f  e  r  e  r41)  erklärt  die  Redensart  „das 
ist  eine  andere  Art  von  Krebsen"  (Weim.  Ausg.  245,  17)  aus  dem  sprichwörtlichen 
Gebrauch.  —  B  u  r  g  hau  s  er42)  will  Weim.  Ausg.  259,12  lesen:  „den  Sinn,  aus- 
zudenken (so  auch  H1),  zu  befehlen"  usw.43)  — 

Primer44)  beweist  gegen  Kern,  dass  die  Heilung  des  Orest  in  der 
„I  p  h  i  g  e  n  i  e"  menschlich  durchaus  motiviert  und  psychologisch  klar  begründet 
ist.  Die  Heilung  beginnt  mit  der  Hoffnung  auf  den  Tod  am  Altar  der  taurischen 
Göttin.  Pylades  sucht  den  Freund  unermüdlich  aufzurichten  und  baut  auf  das 
Götterwort,  das  ihnen  Rettung  verspricht.  Er  belebt  Orests  Selbstvertrauen,  er  leugnet, 
dass  der  Fluch  sich  vom  Vater  auf  den  Sohn  vererbe.  Iphigenie  beweist  Orest  ihre 
Teilnahme  und  verurteilt  seine  That  nicht,  durch  deren  Erzählung  seine  Seele  sich 
beruhigt.  Er  ist  bereit,  seine  Schuld  durch  den  Tod  zu  sühnen.  Die  Entdeckung 
der  wunderbaren  Errettung  der  Schwester  muss  auch  ihm  die  Hoffnung  geben,  dass 
die  Götter  seinen  Tod  nicht  wollen.  Zum  letzten  Male  packt  ihn  .der  Wahn;  der 
folgende  Traum  leitet  die  völlige  Genesung  ein,  die  sich  dann  als  dauernd  erweist. 
Im  Gegensatz  zu  der  griechischen  Auffassung  erfolgt  so  die  Heilung  des  Orest  bei 
Goethe  durch  die  eigene  sittliche  Kraft  des  Schuldigen.45)  —  Düntzer46)  streitet 
gegen  Morsch  und  besonders  gegen  Erich  Schmidt  und  H.  Grimm,  weil  sie  den 
„offenbaren  Unsinn"  in  der  bekannten  Aeusserung  Goethes  gegen  Riemer  über  die 
Entstehung  des  vierten  Aktes  zu  verteidigen  wagen.  Von  Kuno  Fischer  vollends,  der  auf 
seine  Einfälle  mehr  giebt  als  auf  den  Thatbestand,  darf  man,  nach  D.,  keine  Genauigkeit 
verlangen.  —  Die  Schulausgabe  der  „Iphigenie"  von  Valentin47)  zeichnet  sich 
aus  durch  das  gänzliche  Fehlen  der  Anmerkungen  und  eine  treffliche  knappe  Ein- 
leitung, in  der  V.  die  Voraussetzungen,  das  künstlerische  Problem,  die  dramatische 
Gestaltung  und  den  Aufbau  der  Dichtung  feinsinnig,  gründlich  und  dabei  doch  leicht 
fasslich  darlegt.  —  Im  Gegensatz  zu  dieser  Ausgabe  bietet  die  von  Pölzl48)  teils 
(in  der  Einleitung)  zu  wenig,  teils  eine  Fülle  von  ganz  Ueberflüssigem  in  den  An- 
merkungen.49-50) —  Clara  es51)  Ausgabe  für  höhere  französische  Schulen  giebt  sehr 
sorgfältige  Sach-  und  Worterklärungen,  auch  mit  Heranziehung  der  älteren  Fassungen, 
und  bezeichnet  genau  die  betonten  Längen  und  Kürzen.  Er  vergleicht  in  der  Ein- 
leitung Goethe  mit  Euripides :  der  Gang  der  Handlung  soll  bei  beiden  fast  derselbe 
sein,  Iphigeniens  Gefühle  seien  für  eine  Griechin  zu  erhaben  und  zart;  sie  sei  deshalb 
weniger  dramatisch  als  die  Heldin  des  Euripides.52"53)  —  Keck54)  begründet  die 
Konjektur  „dass  seine  Seele  fest  der  Wunsch  ergriffen  hat"  (V.  186 f.)  mit  dem  land- 
läufigen Sprachgebrauch  und  insbesondere  dem  des  Dichters.  Die  Form  „den"  mag  auf 
einem  Hörfehler  des  Schreibers  beruhen.  —  Imelmann55)  schliesst  aus  der  Be- 
zeichnung von  Delphi  als  „Felsen- Insel"  (V.  1609),  dass  Goethe  Delphos,  wie  er 
ursprünglich  schrieb,  mit  Delos  verwechselte  und  damit  einem  bekannten  volks- 
tümlichen Irrtum,  der  sich  schon  auf  einer  Karte  von  1662  findet,  anheimfiel.  — 

Zum  350.  Geburtstag  Torquato  Tassos  schildert  von  Hanstein56)  in 
spielendem  Feuilletonstil   oberflächlich   das  Leben  des  Dichters.57)  —  Büchner58) 


Falke:  Euph.  1,  S.  607.  —  33)  X  H-  Ullrich:  ZVLR.  7,  S.  480/1.  —  34)  X  M.  Hasse,  D.  Auffuhr,  t.  Goethes  „Fischerin" 
im  Park  zu  Tiefurt.  Mit  Abbild.:  Gartenlaube  S.  402.  —  35)  X  H.  v.  Basedow,  Goethes  Fischerin:  DBühneng.  S.  161,2.— 
36)  (IV  8d:33.)  —  37)  (I  6:73.)  -  38)  X  W.  v.  Goethe,  Egmont,  Trauerspiel.  (—  Allg.  Volksbibl.  N.  30/1.)  Neusalza, 
Oeser.  90  S.  M.  0,20.  —  39)  O  X  ia"  Egmont.  Her.  v.  G.  Bött icher.  Neue  Ausg.  (=  Velhagen  &  Klasings  dtsch.  Schul- 
ausg.  N.  2.)  L.  u.  Bielefeld,  Velhagen  &  Klasing.  12°.  XII,  100  S.  M.  0,50.  -  40)  O  X  id.,  Egmont.  Her.  v.  F.  Vollmer. 
L.,  Bredt.  113  S.  M.  1,00.  —  41)  M.  Hoferer,  D.  ist  e.  andere  Art  v.  Krebsen:  ZDU.  8,  S.  850.  —  42)  G.  Burghauser, 
Zu  Goethes  Egmont:  ZOG.  45,  S.  106/7.  —  43;  X  Anna  Swanwick,  Egmont  by  Goethe  transl.  With  introd.  and  memoir. 
London,  Bell  &  Sons.  XII,  90  S.  M.  1,00.  —  44)  P.  Primer,  D.  Heilung  d.  Orest  in  Goethes  Iphigenie  auf  Tauris.  Progr. 
Frankfurt  a.  M.  4°.  20  S.  |[M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  499.JI  —  45)  X  0-  Sieroka,  D.  sittl.  Grundlagen  d.  Herrschertums 
nach  Goethes  „Iphigenie  auf  Tauris".  Rede  z.  Einweih.  d.  Wandgemäldes  in  d.  Aula  am  Geburtst.  d.  Kaisers.  Progr.  Alien- 
stein. 4°.  8  S.  |[M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  499.J|  —  46)  H.  Düntzer,  Goethes  Iphigenie  auf  Tauris  erläutert.  6.,  neu 
durchges.  u.  verm.  Aufl.  (=  Erläuterungen  zu  d.  dtsch.  Klass.  Bd.  14.)  L.,  Wartig.  IV,  191  S.  M.  1,00.  |[H.  C. 
Kellner:  LZg».  N.  88.]|  —  47)  (I  6:69.)  -  48)  (I  6:70.)  -  49)  O  X  (I  6:72.)  -  50)  O  X  (I  6:71.)  -  51)  E.  Clarac, 
Iphigenie  auf  Tauris.  Iphigenie  en  Tauride,  Trag,  de  Goethe,  annot.  et  comment.  Paris,  Colin  &  Cie.  141  S.  —  52)  O  X 
Goethe,  Iphigenie  en  Tauride.  Nouv.  ed.,  publ.  avec  une  notice  et  des  notes  en  franc.  par  L.  Schmitt.  4.  ed.  Paris,  Delagrave. 
IV,  104  S.  —  53)  X  Anna  Swanwick,  Goethe,  Ipliigenia  in  Tauris  transl.  London,  Bell  &  Sons.  XII,  79  S.  M.  1,00.  — 
54)  K.  H.  Keck,  Konjektur  z.  Iphigenie:  ZADSprV.  9,  S.  125.  —  55)  J.  Imelmann.  Ueber  Goethes  Iphigenie.  Vortr.  in  GDL. 
Referat:  VossZg.  1895,  N.  1.  —  56)  A.  v.  Hanstein,  Torquato  Tasso:  Didask.  N.  58.  —  57)  O  X  A-  Agreotti,  Torquato 
Tasso  a  Sorrento.  Idillio  in  un  atto.  Napoli,  Tip.  della  Universitä.  1893.  (Nähere  Angaben  uneri  eichbar.  j  |[NAnt.50, S.533/4.J|  —  58)  W. 


G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  IV  8e  :  59-69 

widerspricht  der  Auffassung-  Kuno  Fischers,  dass  das  Verhältnis  Goethes  zur  Dichtung 
des  „Tasso"  in  den  Stadien  nach  1781  ein  rein  künstlerisches  gewesen  sei.  Vielmehr 
spiegeln  diese  seine  Beziehungen  zu  Frau  von  Stein  in  den  folgenden  Jahren  deutlich 
wieder.  Auch  in  Goethes  Leben  zerstört  die  sinnliche  Leidenschaft  des  Mannes,  die 
die  Frau  nicht  zu  erwidern  vermag,  das  Freundschaftsband.  Das  ist  vielleicht 
richtig;  keineswegs  aber  ist  der  Schluss  B.s  berechtigt,  dass  Goethe  im  „Tasso"  die 
Wahrheit  predigen  wollte,  platonische  Liebe  sei  unnatürlich  und  müsse  zu  einer 
Katastrophe  führen.  Kuno  Fischers  Annahme,  dass  der  Schluss  die  befreienden  Folgen 
der  italienischen  Reise  poetisch  verkläre,  ist  nach  B.  falsch.  Nicht  aus  künstlerischen 
Absichten,  sondern  aus  Misstrauen  und  g-ekränkter  Empfindlichkeit  geht  Tasso 
nach  Rom.  Der  Ausgang  soll  kein  glücklicher  sein.  Tasso  schwebt  in  der  furcht- 
baren Gefahr  der  geistigen  Umnachtung  und  Goethe  hat  die  späteren  trüben  Schicksale 
des  Helden,  dem  historischen  Verlauf  sich  anschliessend,  auch  im  Drama  angedeutet. 
Die  Versuchung,  ein  versöhnliches  Ende  anzunehmen,  entspringt  aus  dem  begreif- 
lichen Unbehagen,  das  die  deprimierende  Vorstellung  des  künftigen  kranken  Tasso 
hervorruft.  —  Schneider59)  sieht  in  den  Worten  der  Prinzessin  V,  1670 — 81  eine 
schöne  Parallele  zum  sokratischen  Daimonion.  Aber  die  Prinzessin  erklärt  die  Ent- 
stehung der  warnenden  Stimme,  während  Sokrates  sie  für  unmittelbare  göttliche 
Eingebung  hielt.  —  Toews60)  benutzt  Goethes  Drama  nur,  um  daraus  Belege  für 
seine  rein  grammatikalischen  Untersuchungen  zu  entnehmen.61)  — 

Den  Plan  zu  einer  Operndichtung,  der  Grundlage  des  späteren  „Gross- 
kophta",  hat  Goethe  nach  Elster62)  schon  auf  der  italienischen  Reise,  vermutlich 
bald  nach  dem  Besuche  bei  Cagliostros  Verwandten,  entworfen.  Es  ist  das  Singspiel 
„Die  Mystifizierten",  dessen  Fragmente  sich  im  Goethearchiv  entgegen  Riemers 
früherer  Mitteilung  vorgefunden  haben.  Der  erste  Plan  enthält  bereits  alle  Haupt- 
scenen  des  späteren  Grosskophta;  er  ist  in  Italien  geschrieben,  in  italienischer  Sprache. 
Die  Marquise  erscheint  darin  unter  dem  Namen  Courville,  der  Domherr  als  Abbate, 
der  Graf  als  Rostro,  die  Nichte  als  Innocenza.  Unwahrscheinlich  ist  es,  dass  Goethe 
bei  der  Figur  des  Ritters  besonders  an  Elise  von  der  Recke  gedacht  haben  soll.  Ein 
zweites  Scenar  enthält  bereits  Angaben  über  die  musikalische  Einkleidung.  Die  aus- 
geführten Stellen  zeig-en,  dass  der  Dichter  je  nach  der  Stimmung  an  verschiedenen 
Scenen  arbeitete.  E.  ordnet  die  Fragmente  nach  dem  zweiten  Scenar  und  giebt  sein 
Urteil  dahin  ab,  dass  die  Operndichtung  an  ästhetischem  Werte  über  dem  Lustspiel 
stehe.  Leider  hat  E.  sich  die  beiden  Aeusserungen  Goethes  über  den  Plan  (an  Kayser 
14.  Aug.  1787  und  Hempel  25,  S.  172)  entgehen  lassen,  und  so  sind  die  meisten  seiner 
darauf  bezüglichen  Konjekturen  teils  falsch,  teils  überflüssig.  —  Ernst  Schulz63) 
schildert  das  Treiben  Cagliostros,  sein  Auftreten  als  Grosskophta,  seine  Wirkung  auf 
die  Zeitgenossen  sowie  seine  Beziehungen  zur  Gräfin  Lamotte  und  giebt  so  einen 
Beitrag  zum  Verständnis  des  Goetheschen  Lustspiels.  —  Ein  Anonymus64)  liefert  eine 
neue  klare  Darstellung  des  Halsbandprozesses.  — 

Der  früher  bereits  bekannte  Brief  Ficht  es65)  an  Schiller  über  die  Aufnahme 
der  „Natürlichen  Tochter"  in  Berlin  erscheint  in  stark  abweichender  Gestalt. 
Bemerkenswert  ist  vor  allem,  dass  Schadow  als  Organisator  des  Misserfolges  ge- 
nannt wird.  — 

Die  neu  entdeckten  Entwürfe  zu  „Schillers  Totenfeier"  in  dramatischer 
Form  ergänzt  Suphan66)  durch  ein  nachträglich  aufgefundenes,  aber  teilweise  schon 
(siehe  Hempel  11,  S.  237)  gedrucktes  Blatt  und  entwickelt  Inhalt  und  Gang  der 
Handlung,  mit  sicherem  Blick,  die  oft  verwischten  Linien  des  Planes  fester  ziehend 
und  mit  Farben  füllend,  aber  auch  vorsichtig  verzichtend,  wo,  wie  bei  der  Er- 
scheinung, der  sichere  Boden  hätte  verlassen  werden  müssen,  um  zu  weiteren  Er- 
gebnissen zu  gelangen.  — 

Morsch67)  trägt  zu  seinem  Aufsatz  über  „Des  Epimenides  Erwachen" 
(JBL.  1893  IV  8e  :  52)  einiges  nach :  weitere  Belege  für  Goethes  patriotische  Gesinnung 
und  die  Nachricht,  dass  der  Schlusschor  in  Felix  Mottl  einen  würdigen  Komponisten 
gefunden  hat.  — 

Die  letzten  Stadien  der  Faustforschung  sucht  Witkowski68)  im  allge- 
meinen in  einer  zusammenfassenden  Besprechung  der  neueren  Faustschriften  zu  kenn- 
zeichnen.    Er   meint,    dass    die   philologische  Periode   jetzt   in   der  Hauptsache    ab- 


B ächner.  Selbsterlebtes  in  Goethes  „Tasso":  GJb.  15,  S.  178-86.  |[M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  455.] |  —  59)  G.  Schneider, 
E.  Parallele  zu  d.  sokrat.  Daimonion  bei  Goethe:  ZOG.  45,  S.  204/5.  —  60)  P-  Toews,  Ueber  d.  Verbum  in  Goethes  Tasso. 
Dias.  Heidelberg  (Hörning).  45  S.  M.  1,00.  —  61)  X  A-  Köster,  P.  Kern,  Torquato  Tasso  (JBL.  1893  IV  8e:39):  ADA.  20, 
S.  365-82.  —  62)  E.  Elster,  Ueber  e.  ungedr.  Operndichtnng  Goethes.  (=  I  2  :  50,  S.  277-90.)  |[M.  Koch:  BFDH.  10, 
S.  500.] |  —  63)  Ernst  Schnlz,  Cagliostro  n.  Konsorten:  NAS.  68,  S.  67-75.  —  64)  G.  S.,  E.  berühmter  Prozess:  AZgB. 
S.  297,8,  300.  --  65)  Fichte  an  Schiller.  18.  Aug.  1803:  GJb.  15,  S.  43/8.  —  66)  B.  Suphan,  Z.  zehnten  Nov.:  DBs.  81, 
S.274-93  |[F.D.:FZg.N.316.]|  (Vgl.IV  8b:43;  9:11.)  —  67)K.Morsch,ZuGoethesFestspiel:  „D.  Epimenides  Erwachen".  Nachtr.: 
GJb.  15,  S.  263/4.  --  68)  G.  Witkowski,  Neue  Faustschriften:  Eur.h.  1,  S.  625-47.  —  69)  X  [O-  Heuer],  Ausstell,  v.  Hss.,  Druck  - 


IV  8e  :  70-83  G.  Witkowski,  Goethes  Drama. 

geschlossen  sei,  und  dass  eine  neue  begonnen  habe,  deren  Aufgabe  es  sein  muss,  die 
philosophischen  und  ästhetischen  Methoden,  wie  sie  vor  Scherers  mächtiger  Ein- 
wirkung herrschten,  in  strengerer  Weise  als  früher  und  in  engster  Verbindung  mit 
der  Textgeschichte  fortzuführen.69"71)  —  Die  oberflächliche  Schrift  Novers72)  sieht 
in  Fausts  Treiben  im  zweiten  Teile  die  Thätigkeit  des  Dichters  als  weimarischer 
Minister  abgespiegelt.  Der  ganze  „Faust"  ist  ihm  eine  Illustration  der  menschlichen 
Thätigkeit  im  Sinne  der  drei  Grundideen  des  Wahren,  Schönen  und  Guten.73"75)  — 
Die  von  Schiemann76)  mitgeteilte  Einleitung  Hehns  zu  seinen  Faustvorlesungen 
entwickelt  die  Fülle  der  Gesichtspunkte,  unter  denen  das  grosse  Werk  zu  betrachten 
ist,  bespricht  dann  unter  dem  Titel  „Intermezzo"  die  Frage,  worin  die  Dunkelheit  des 
Gedichts  beruhe,  mustert  die  Schar  der  früheren  philosophischen  Erklärer,  hebt  den 
Mangel  an  Stileinheit,  die  Widersprüche  und  Lücken  hervor.  —  Dasselbe  Ziel  wie 
Baumgart  (JBL.  1893  IV  8e:64)77),  die  Einheit  der  gesamten  Faustdichtung  nach- 
zuweisen, setzt  sich  Valentin78)  in  seinem  trefflichen,  von  allen  Seiten  mit  Beifall 
begrüssten  Buche.  Aber  während  Baumgart  nur  die  Einheit  der  präexistierenden 
Idee  anerkennt,  will  V.  die  künstlerische  Einheit  des  grossen  Werkes  aufdecken,  den 
letzten  Plan  von  1797  aus  ihm  herausschälen.  Er  entwickelt  die  Voraussetzungen,  die 
sich  aus  dem  Stoffe  ergeben,  gliedert  die  Handlung  in  drei  Teile,  einen  vorbereitenden 
im  Himmel  und  auf  Erden  bis  zum  Abschluss  des  Vertrages,  einen  ausleitenden, 
beginnend  mit  der  Lossagung  von  der  Magie  und  dem  Tode  Fausts,  und  zwischen 
beiden  die  Haupthandlung,  die  in  einer  Anzahl  von  Episoden  Fausts  Versuche,  sich 
Befriedigung  zu  verschaffen,  darstellt.  Er  nimmt  sechs  solche  Episoden  an,  jede  mit 
einer  „Vorbereitung";  in  den  ersten  drei  bis  zum  Flammenzauber  am  Kaiserhofe 
wächst  der  Einfluss  des  Mephistopheles,  vom  Gange  zu  den  Müttern  an  sinkt  er.  Die 
Stellung  der  Peripetie  ist  hier  unseres  Erachtens  zu  Gunsten  der  Symmetrie  ver- 
schoben; sie  liegt  in  Wahrheit  am  Beginn  des  zweiten  Teils.  Auch  die  Mittel,  mit 
denen  die  beiden  Walpurgisnächte  in  die  eigentliche  Handlung  von  V.  eingegliedert 
werden,  können  wir  nicht  billigen,  zumal  erscheint  die  angenommene  Identität  von 
Homunculus  und  Helena  willkürlich  konstruiert;  aber  im  ganzen  ist  V.  seiner  Auf- 
gabe besser  als  irgend  ein  Vorgänger  gerecht  geworden  und  hat  die  richtige  Würdigung 
des  künstlerischen  Wertes  des  „Faust"  beträchtlich  gefördert.79"80)  —  Erich 
Schmidts81)  Anzeige  der  beiden  Faustschriften  Strehlkes  (JBL.  1891  IV  9e:  89-90) 
geht  über  den  Rahmen  einer  kritischen  Betrachtung  hinaus.  Als  erster  Herausgeber 
der  Paralipomena  musste  er  die  Verballhornung  seiner  so  mühsamen  wie  erfolgreichen 
Arbeit  unangenehm  empfinden ;  er  trägt  eine  Fülle  von  Besserungen  des  Strehlkeschen 
Textes,  neue  Begründungen  und  hier  und  da  auch  Berichtigungen  der  Weimarer 
Lesarten  zusammen.  Noch  weit  umfangreicher  ist  die  Besprechung  des  Faustwörter- 
buchs geraten.  Sie  ergänzt  es  nach  allen  Seiten  hin,  ohne  damit  Vollständigkeit  anzu- 
streben. Ein  Exkurs  am  Schlüsse  bringt  gegen  die  Verwertung  der  starken  Plural- 
formen des  Adjektivums  nach  dem  bestimmenden  Artikel  usw.,  der  schwachen  Formen 
„Jammerecken",  „Leichen"  und  des  mitteldeutschen  Plurals  „Jungens"  für  frühe  Ent- 
stehung überzeugende  Beweise.  Ebensowenig  Beweiskraft  besitzen  zahlreichere 
synkopierte  und  apokopierte  Formen  oder  einzelne  Worte  wie  „Menschheit"  und 
„quellen".  —  F.  G.  H.  Hoffmann82)  teilt  zum  Glück  an  der  Spitze  seiner  Arbeit  ihre 
Ergebnisse  mit.  Der  erste  Teil  des  „Faust"  umfasst  die  Zeit  vom  J.  1400  bis  1521, 
die  drei  ersten  Akte  des  zweiten  zeichnen  dieselbe  Periode,  nur  objektiver.  Der 
Fortschritt  Fausts  beginnt  im  vierten  Aufzug.  Es  folgt:  „Kennzeichnung  Fausts  nach 
seinem  geistigen  Besitze  im  Augenblicke  seines  Todes  und  damit  Charakterisierung 
unserer  Zeit  mit  ihrer  Verirrung  und  Verwirrung  und  Not.  Schluss:  Kennzeichnung 
Fausts  als  eines  guten  Narren,  des  Gedichtes  als  einer  Tragödie  der  Irrungen".83-87)  — 


werken  usw.  z.  Faustsage  (JBL.  1893  IV  8e  :  55).  |[M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  223/4;  A.  Bielschowsky :  ML.  63,  S.  1402/3; 
L.  Fränkel:  ASNS.  92,  S.  71/2.]l  —  70)  X  c-  Kiesewetter,  Faust  in  d.  Gesch.  (JBL.  1893  IV  8e  :  61).  |[L.  Fränkel: 
ASNS.  92,  S.  180/1;  K.:  TglRsB.  N.  23.]]  —  71)  X  A-  Sauer,  C.  Küchler,  D.  Faustsage  (JBL.  1893  IV  8e:56)):  DLZ.  S.  1385/7. 
—  72)  (I  11  :  21;  II  3  :  38.)  [R.  M.  Meyer:  ML.  63,  S.  1404;  Bär  20,  S.  483;  Ad.  Schröter:  BLU.  S.  757.]|  -  73)  O  X 
Goethe  and  Marlowe,  Faust  and  Faustus.  New  ed.  London,  Taylor.  Sh.  1.  —  74)  O  X  H.  Morley,  C.  Mario we,  Faustus 
and  Goethes  Faust.  12.  ed.  London,  Routledge.  Sh.  1.  —  75)  O  X  Sanchez  y  Moguel,  Calderon  et  Goethe  ou  le  Faust 
et  le  Magicien  prodigieux.  Trad.  en  franc.  par  J.  G.  Magnabal.  Paris,  Leroux.  XXVI,  207  S.  Fr.  3,50.  —  76)  Th.  Schiemann, 
Aus  V.  Hehns  Vorlesungen  über  Goethe:  GJb.  15,  S.  129-39.  —  77)  X  »•  Witkowski:  Euph.  1,  S.  641/3;  B.  T.  Straeter: 
AltprMschr.  31,  S.  184/9;  Bär  20,  S.459;  A.Köster:  ADA.  20,  S.  167-74;  A.  Bielscho  wsky:  ML.  63,  S.  1403/4;  E.  Elster: 
BLU.  S.  579-82;  A.  Sauer:  DLZ.  S.  1385/7;  O.  HarnacV:  PrJbb.  75,  S.  87-96.  —  78)  V.Valentin,  Goethes  Faustdichtung 
in  ihrer  künstler.  Einheit  dargest.  Weimar,  Felber.  VIII,  309  S.  M.  5,40.  |[M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  215;  Th.  Ziegler: 
AZgB.  N.  13;  M.  Schneidewin:  HannCour.  9.  März;  R.  Steiner:  WoiraZg.  N.  67;  V.  Z.:  TglRs".  N.  24;  W.  v.  Bieder- 
mann: LZgB.  N.  106;  F.  Muncker:  DVVB1.  S.  309-10;  A.  Sauer:  DLZ.  S.  1385/7;  0.  F.  Walzel:  VossZg».  N.  39-40; 
E.  Elster:  BLU.  S.  677/8;  G.  Witkowski:  Euph.  1,  S.  643/7;  Didask.  N.  64;  LCB1.  S.  249-50;  O.  Harnaok:  PrJbb.  77, 
S.  S67/8.JI  —  79)  X  K.  J.  Schröer,  Faust  (JBL.  1892  IV  8e  :  55).  |[G.  Witkowski:  Euph.  1,  S.  626-30;  VossZg.  N.  304.]|  — 
80)XG.  Witkowski,  Kuno  Fischer,  Goethes  Faust  (JBL  1893  IV  8e:63):  Euph.  1,  S.  636-640.  —  81)  Erich  Schmidt: 
ADAj.20,  S.  285-311;  0.  F.  Walzel:  ZOG.  45,  S.  538-42.  -  82)  F.  G.  H.  Hoffmann,  D.  Gerippe  v.  Goethes  Faust,  e. 
Zeichnung  unseres  gesch.  Entwicklungsganges  nach  seinem  inneren  Werte.  I.-IV.  Frankfurt  a.  M.,  Knauer.  129  S.  M.  2,50. 
|[Ad.  Schröter:   BLU.  S.  757;  M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  501. ]|    —    83)   X   P-  ^.  Louvier,   Goethe    als  Kabbaiist   (JBL.  1392 


G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  IV  8e  :  s4-98 

Die  Eigenschaften,  die  die  Bezeichnung-  von  Goethes  „Paust"  als  weltliche  Bibel 
rechtfertigen,  sind  nach  Lahnor88):  der  echt  volkstümliche  Stoff,  die  Bedeutung-  als 
gewaltigste  Geistesäusserung  und  grossartigste  Dichtung  der  Sturm-  und  Drangperiode, 
das  rein  menschliche  Thema  von  Sünde  und  Schuld,  Läuterung  und  Rettung.  Als 
das  Lebenswerk  Goethes  ist  der  Faust  der  Spiegel  seines  Daseins  und  des  Menschen- 
lebens überhaupt.  Besonders  durch  die  Anlehnung  an  die  Sprache  der  Bibel  und 
den  volkstümlichen  Wortschatz  wird  Goethes  Sprache  im  „Faust"  dem  Volke  näher 
gebracht.  Das  belegt  L.  mit  zahlreichen  gut  gewählten  Beispielen  und  legt  zum 
Schlüsse  die  Lebensweisheit  dar,  die  Goethe  uns  im  Faust  predigt.  Freilich  spricht 
der  Dichter  nur  die  Grundsätze  vieler  Weltmenschen  aus,  sein  Held  erreicht  nicht 
die  letzte  Läuterungsstufe,  die  des  christlichen  Glaubens.  —  Auf  ähnlichem  Standpunkt 
steht  ein  anonymer  evangelischer  Geistlicher89),  der  im  „Faust"  den  Ausdruck  der 
fordernden  Epoche  sieht,  die  verlange,  dass  die  Wahrheit  erlebt  werden  müsse.  Das 
Wort  „Am  farbigen  Abglanz  haben  wir  das  Leben"  wird  in  dem  Sinne  erklärt,  dass 
wir  nicht  zur  vollen  Erkenntnis  der  Wahrheit  kommen,  wohl  aber  unter  dem  Einr 
fluss  der  Segenskräfte,  die  von  der  für  uns  unergründlichen  Wahrheit  ausgehen,  da- 
hin gelangen  können,  nach  dem  Gleichnis  des  Regenbogens  Freude  um  uns  zu  ver- 
breiten. Faust  kehrt  der  Sonne  den  Rücken;  es  ist  ihm  nicht  mehr  um  Erkenntnis 
der  Wahrheit  zu  thun;  ihm  fehlt  für  seinen  eigenen  Fortschritt  die  heiligende  Kraft 
des  Lichts  von  oben.  Johannes  dag-egen  hat  das  Licht  gefunden,  die  Wahrheit  er- 
lebt; er  sieht  nicht  den  farbigen  Abglanz,  sondern  Licht  vom  ewig-en  Lichte.  —  Der 
Schluss  des  „Faust",  der  den  Helden  Befriedigung  in  der  Hallucination  eines  Ge- 
wimmels von  Arbeitern  finden  lässt,  bezeichnet,  nach  Kniepfs90)  Ansicht,  die  Besiegung 
des  Dichters  durch  den  modernen  Pessimismus  und  Fatalismus.  Die  grosse  Kultur 
der  Ideale,  die  durch  die  „Göttliche  Komödie"  eingeleitet  wurde,  wird  durch  das 
Faustgedicht  abgeschlossen,  sie  hat  sich  erschöpft;  ihr  letzter  moralischer  Halt  ist  die 
Arbeit.  Fausts  Worte  „Nur  der  verdient  sich  Freiheit  wie  das  Leben,  der  täglich  sie 
erobern  muss"  bedeuten  dasselbe  wie  der  spiessbürgerliche  Spruch  „Wer  nicht  arbeitet, 
soll  auch  nicht  essen".  Damit  geht  K.  auf  allg-emeine  socialpolitische  Betrachtungen  über.91) 
—  Durch  Vergleichung  mit  dem  sonstigen  Sprachgebrauch  bringt  es  Fresenius92)  zur 
völligen  Gewissheit,  dass  die  Worte  „von  vorne  herein  klar",  die  Goethe  mit  Bezug 
auf  die  Konzeption  des  Faust  am  17.  März  1832  an  Humboldt  richtete,  durchaus  im 
lokalen,  nicht  im  temporalen  Sinne  aufzufassen  sind.  Zu  den  angeführten  Stellen 
wäre  noch  Weim.  Ausg.  28,  S.  199  Z.  9—10  hinzuzufügen.  —  Bock93)  schildert  die 
Entstehung  der  Radziwillschen  Faustmusik,  erörtert  die  Bedeutung  der  für  sie  von 
Goethe  hinzugedichteten  Verse  und  ihre  Einkleidung  durch  den  Tonsetzer.  „Zwei 
Teufelchen  und  Amor"  bezeichnet  er  irrig  als  Paralipomenon  zum  zweiten  Teil.  B. 
verfolgt  historisch  das  unternehmen  der  ersten  Faustaufführung  am  preussischen 
Hofe  vom  24.  Mai  1820,  bei  der  nur  ein  Teil  von  Radziwüls  Musik  vorhanden  war. 
Er  arbeitete  fast  bis  zu  seinem  Tode  (7.  April  1833)  daran  fort  und  brachte  sie  glück- 
lich zu  Ende;  ihre  erste  Aufführung  durch  die  Singakademie  fand  am  26.  Okt.  1835 
statt,  B.  sucht  zum  Schlüsse  der  Komposition  gegenüber  den  widersprechenden 
Urteilen  der  Zeitgenossen  gerecht  zu  werden  und  erklärt  sie  für  die  Arbeit  eines 
geistvollen  Dilettanten,  der  Gedanken  Haydns,  Mozarts  und  Webers  reproduzierte.  — 
Unbescheid94)  sucht  die  Behandlung  des  Faust  im  Schulunterricht,  die  erst  durch 
Valentins  Buch  möglich  geworden  sei,  durch  eine  Inhaltsangabe  desselben  zu  er- 
leichtern. —  Auf  derselben  Grundlage  steht  Hähnel95).  Er  fordert  noch  eine 
Schulausgabe  des  Faust  mit  „angemessenen"  Aenderungen  und  Strichen,  die  sich 
nach  seinem  beachtenswerten  Vorschlag  an  die  der  Bühne  anschliessen  sollen.  Seine 
Anleitung  zur  Besprechung  des  ersten  Teils  im  Unterricht  erscheint»  in  der  That  ge- 
eignet, den  Schüler,  so  weit  es  sein  Verständnis  erlaubt,  in  die  grosse  Dichtung  einzu- 
führen. —  Sinzheimer96)  wiederholt  den  alten  Irrtum  der  ursprünglichen  Konzeption 
des  ganzen  Faust  (vgl.  N.  92)  und  leitet  daraus  das  Recht  ab,  Byrons  „Manfred"  von 
dem  damals  noch  gar  nicht  vorhandenen  zweiten  Teil  abhängen  zu  lassen.  Der  Ein- 
fluss  des  Faust  auf  ihn  war  hauptsächlich  formal;  daneben  berühren    sich   beide    in 


IV  8a:  69).  |[W.  v.  Biedermann:  LZgB.  N.  119;  J.  Wackernell:  ÜLB1.  3,  S.  270  J|  (Polemik  Louviers  gegen  Snlzbachs 
[JBL.  1892  IV  8a:  69]  Kritik  u.  Erwid.  d.  letzteren:  BFDH.  10,  S.  87-91.)  —  84)  X  °-  L-  ümfried,  Goethe,  d.  dtsch.  Prophet 
(.TBL.  1893  IV  8e:68).  |[L.  Fränkel:  NFPr.  N.  10555;  R.  Schaefer:  Didask.  N.  207,  S.  857,8;  O.  Harnack:  ADA.  20, 
S.  88/9;  A.  Sauer:  DLZ.  S.  1385/7.]  i  -  85  )X  L-  Fränkel,  K.Schmidt,  Gedanken  über  Goethes  Faust  (JBL.  1S92  IV  8  e  :  59) : 
NFPr.  N.  10555.  —  86)  X  M-  Koch,  O.  v.  Seh.,  D.  Erotische  im  2.  T.  d.  Goetheschen  Faust  (JBL.  1893  IV  8e:104): 
BFDH.  10,  S.  223.  —  87)  X  J  Minor,  B.  Richter,  Z.  Lösung  d.  Faustproblems  (JBL.  1892  IV  8e  :  58):  DLZ.  S.  492/4.  — 
88)  H.  Lahnor,  Goethes  Faust  als  weltliche  Bibel  betrachtet.  Progr.  Wolfenbüttel.  4".  35  S.  |[M.  Koch:  BFDH.  10, 
S.  504.] |  —  89)  V.  Goethes  Faust  z.  Evang.  d.  Johannes:  AELKZ.  27,  S.  798-S01,  823/6,  847/9.  —  90)  A.  Kniepf,  Doktor  Faust 
u.  d.  mod.  Socialpolitiker:  Ges.  S.  1204  9.  —  91)  O  X  '■  Baumann,  E.  freimütiges  Wort  über  d.  Wertschätzung  d.  Goetheschen 
Faust:  Wahrheit  S.  47-54.  —  92)  A.  Fresenius,  Goethe  über  d.  Konzeption  d.  Faust:  GJb.  15,  S.  251,5.  —  93)  A.  Bock, 
Goethe  u.  Fürst  Radziwill:  AZgB.  N.  252.  —  94)  X  (I  6:^4.)  |[M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  503.]|  —  95)  (I  6 :  13.)  |[M.  Koch: 
BFDH.  10,  S.  Ö03.J|  —  96)  (IV  8a:84;  8b  :  61.)  —  97)  R.  Sprenger,  Zu  Goethes  Faust:  ZDPh.26,  S.  141.—  98)  J.  Hatton, 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litte raturgeschichte.    V.  (4)30 


IV  8e:  99-ii6  G.  Witkowski,  Goethes  Drama. 

dem  Hereinspielen  der  Geisterwelt.  Im  übrigen  sind  die  Einflüsse  der  griechischen 
Tragödie,  der  Alpenwelt  und  der  englischen  Romantik,  zumal  Walpoles,  in  „Manfred" 
vorwiegend.  Auch  „Kain"  weist  faustische  Anklänge  auf;  aber  die  Verherrlichung 
Lucifers,  der  allerdings  manches  von  Mephisto  geerbt  hat,  steht  zu  Goethes  Auf- 
fassung des  Bösen  in  Widerspruch.  Weit  mehr  Goethesche  Einflüsse  zeigt  das 
Fragment  „The  transformed  deformed",  das  schon  in  der  ersten  Gestalt  von  Shelley  als 
eine  schlechte  Nachahmung  des  „Faust"  bezeichnet  wurde.  Der  Teufel  stammt  hier 
von  Mephisto  ab;  auch  der  Held,  Arnold,  ist  dem  Faust  verwandt.  —  Sprenger97) 
erklärt  „grünen"  (V.  310)  gegen  Schröer  mit  „grün  werden",  „Graus"  (V.  7802)  als 
„Grauen  erregend".  —  Die  in  London  zuerst  am  18.  Dec.  1885  aufgeführte  Bearbeitung 
Irvings  wurde  bei  der  Wiederaufnahme  in  veränderter  Form  am  14.  April  mit  gleichem 
Beifall  begrüsst.  Hattons98J  illustrierter  Bericht  zeigt,  dass  das  ernste  Element  immer 
mehr  gegenüber  dem  Zauberwesen  zurückgetreten  ist.99)  —  Auch  das  Empire-Theater  in 
London  brachte  ein  neues  Faustballett,  damit  die  andauernde  Beliebtheit  des; Stoffes 
in  England  bezeugend.100-107)  — 

Der  Urfaust  erschien  von  neuem  mit  sehr  erweiterter  Einleitung  des 
Herausgebers  Erich  Schmidt108).  Die  beiden  umfangreichsten  Vermehrungen  be- 
stehen aus  der  Rede  vom  Münchener  Philologentage  (JBL.  1891  IV9e:75),  die  sehr 
geschickt  mit  dem  Früheren  verschmolzen  ist,  und  dem  überzeugenden  Beweis  für 
späte  Entstehung  der  Scene  vor  dem  Thor.  Aber  auch  der  alte  Bestand  der  Ein- 
leitung ist  aufs  gründlichste  revidiert,  ebenso  der  Text.109)  — 

Die  wichtigsten  Fragen  zur  Entstehungsgeschichte  und  Auffassung  des 
ersten  Teils  behandelt  von  Biedermann110)  unter  einem  wenig  bezeichnenden 
Titel.  ö  soll  den  Titanismus  verherrlichen,  muss  aber  aus  der  alten  Fabel  Be- 
schwörung und  Mitwirkung  des  Satans  übernehmen.  Mit  der  Beschwörung  findet  sich 
Goethe  durch  die  Erdgeistscene  ab,  die  Verbindung  Fausts  mit  Mephisto  bleibt  offen. 
Dieser  ist  hier  der  christliche  Teufel,  wie  „Auerbachs  Keller"  und  „Landstrasse"  be- 
weisen, daneben  aber  der  alttestamentliche  Versucher,  und  die  beiden  Gestalten  wechseln 
auch  noch  in  der  endgültigen  Fassung  von  1808,  nicht  zu  Folge  verschiedener  Pläne, 
sondern  aus  einer  gewissen  Lässigkeit  Goethes.  Dass  Mephistopheles  nach  einem 
älteren  Plane  Sendung  des  Erdgeists  gewesen  sei,  ist  nach  B.  „wunderliche  Faselei". 
Vom  Erdgeiste  erhofft  Faust  nur  Erweiterung  seines  Wissens;  als  ihm  diese  versagt 
wird,  ist  der  Erdgeist  für  ihn  vollständig  abgethan.  Jede  Verbindung  zwischen  Erd- 
geist und  Mephistopheles  ist  wegen  des  Gegensatzes  ihres  Wesens  ausgeschlossen. 
Der  Monolog  „Erhabener  Geist"  ist  nicht  an  den  Erdgeist  gerichtet  (dessen  Bereich 
ist  zudem  viel  zu  beschränkt  für  diese  Bezeichnung),  er  steht  vielmehr  in  enger  Be- 
ziehung zum  Prolog  im  Himmel  und  knüpft  wie  dieser  an  das  Buch  Hiob  an.  Nur 
Gott  kann  der  Geist  sein,  der  Faust  sein  Angesicht  im  Feuer  zugewendet  hat.  B. 
weist  weitere  Anklänge  an  das  Alte  Testament  nach  und  betont  den  Widerspruch 
des  Kampfes  um  Fausts  Seele  am  Schlüsse  der  Dichtung  mit  dem  Prolog  im 
Himmel.111)  —  Steig11'2)  stellt  V.  4117  mit  Zinkgrefs  Emblema  eines  hasenjagenden 
Hundes  und  der  Inschrift  „agitas,  agitaris  at  ipse"  zusammen.  —  Cutting113)  will  die 
Interpunktion  in  V.  718/9  so  regeln,  dass  er  vor  Und  ein  Komma  setzt,  um  die  kon- 
ditionale Bedeutung  (=  wenn  auch)  hervorzuheben,  und  das  Komma  vor  war'  streicht. 
Beide  Vorschläge  sind  durchaus  begründet  und  mit  Unrecht  wendet  Hewett114)  da- 
gegen ein,  dass  alle  rechtmässigen  Ausgaben  die  Weimarer  Lesart  haben,  die  deshalb 
als  massgebend  angesehen  werden  müsse.  Die  von  C.  vorgeschlagene  Interpunktion 
brachte  zuerst  ein  Nachdruck  von  1810.  —  Koch115)  macht  darauf  aufmerksam,  dass 
vor  Goethe  schon  Schink  in  seiner  dramatischen  Faustphantasie  (Berlin  1804)  Faust 
mit  Mephisto  ein  Bündnis  auf  Bedingungen  schliessen  lässt.  —  Tille116)  weist,  in 
einem  1756  zu  Frankfurt  a.  M.  erschienenen  Buche  „Alchimistisch  Siebengestirn"  ein 
Versgespräch   nach,   das   in   der  Form    der  zweihebigen  Verse  mit  der  Hexenküche 


The    Lyceum-Faust.     With  illustr.     Repr.   frora   ArtJourn.     London,    Virtue  &  Co.     4°.     32   S.     Sh.    1.     |[Ath.   1,    S.   518.]| 

—  99)  O  X  Faust  at  the  Lyceura:  SaturdayR.  77,  S.  416/7.  —  100)  O  X  Goethe,  Paust.  Transl.  by  J.  Auster.  Illustr. 
by  B.  Mason.  London,  Taylor.  Sh.  10/6.  —  101)  O  X  id-  Paust.  Frora  the  german  by  J.  Auster;  With.  introd.  by 
H.  Morley.  New-York,  G.  Routledge  and  Sons.  Doli.  0,75.  -  102)  X  G-  Witkowski,  Calv.  Thoraas,  Goethes  Faust  ed. 
(JBL.  1892  IV  8e  :  56):  Euph.  S.  630/6.  —  103)  X  Anna  Swanwick,  The  first  part  of  Goethes  Faust  [JBL.  1893  IV  8e  :  82): 
Ac.  45,  S.  79-80.  -  104)  X  F.  Sabatier,  Le  Faust  de  Goethe  (JBL.  1893  IV  8e:80):  DRs.  81,  S.  157.  —  105)  O  X  Justus, 
Fausts  Sohn.  E.  dramat.  Epos  in  drei  Tln.  1.  T.  Dresden,  Pierson.  132  S.  M.  1,50.  —  106)  O  X  H-  Hang°'  Faust  u.  Prometheus. 
E.  Dicht.  Wien,  Hartleben.  12°.  VII,  99  S.  M.  2,25.  —  107)  X  Sturm fe der  [Ernst  Raupach?],  E.  neuer  Faust.  Z.  Karnevals- 
feier d.  Hallenser  „Lumpia".     Frei  nach  Goethes  Faust.  (—  Dtsch.  Festspielhalle  N.  24.)  Erfurt,  Bartholomäus.    31  S.   M.  0,75. 

—  108)  Erich  Schmidt,  Goethes  Faust  in  ursprüngl.  Gestalt  nach  d.  Göohhausenschen  Abschrift  her.  3.  Abdr.  mit  sehr 
erweit.  Einl.  Weimar,  Böhlau.  LXXVI,  110  S.  M.  2,00.  —  109)  X  J-  Collin,  Untersuch,  aber  Goethes  Faust  (JBL.  1892 
IV  8e:89;  1893  IV  8e:88).  |[M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  220/3;  A.  Sauer:  DLZ.  S.  1385/7.JI  -  HO)  W.  Frhr.  v.  Bieder- 
mann, D.  Aeussere  v.  Goethes  „Faust,  Erster  T.":  Euph.  1,  S.  337-50.  —  111)  O  X  E-  Graniohstätten.  Erklärung  d. 
ersten  Faustmonologs:  ChWGV.  8,  S.  19.  —  112)  R.  Steig,  Zu  „Faust"  Weim.  Ausg.  14,  S.  207:  GJb.  15,  S.  258/9.  -  113) 
S.  W.  Cutting,  Note  to  Goethes  Faust  t.  719:  MLN.  9,  S.  98/9.  -  114)  W.  T.  Hewett,  The  text  of  Faust  v.  718f:  ib. 
S.  197/9.   —   115)  M.  Koch,   Neuere  Goethe-  u.  Schillerlitt.:   BFDH.  10,  S.  218.   —   116)  AI.  Tille,   Zu  d.  Hexeneinmaleins 


G.  Witkowski,  Goethes  Drama.  IV  8e  :  117-123 

übereinstimmt.  Auch  die  Mischung'  von  Sinn  und  Unsinn  ist  ähnlich  und  so  mag 
in  der  That  das  Büchlein  für  Goethe  eine  Vorlage  gewesen  sein.  —  In  seiner  Schrift 
über  die  Walpurgisnacht  sucht  Witkowski117)  zuerst  die  Entstehungszeit  und  den 
Anlass  zur  Dichtung  der  Scene  darzuthun;  seine  Behauptung,  dass  sie  erst 
frühestens  1797  konzipiert  sei,  hat  bei  der  Kritik  mehrfach  Widerspruch  gefunden. 
Sodann  giebt  er  eine  Uebersicnt  der  Quellen,  soweit  sie  sich  aus  den  Paralipomenis, 
deren  Text  in  dem  Anhang  gegenüber  der  Weimarer  Ausgabe  an  mehreren  Stellen  ver- 
bessert ist,  dem  Tagebuch  Goethes  und  den  Ausleihbüchern  der  Weimarer  Bibliothek 
feststellen  lassen  und  sucht  den  Aufbau  der  früher  geplanten  Walpurgisnacht  zu 
rekonstruieren,  wobei  er  zu  dem  Ergebnis  gelangt,  dass  sie  ursprünglich  statt  einer 
lose  eingefügten  Episode  eines  der  wichtigsten  Glieder  in  der  Handlung  des  Dramas 
bedeuten  sollte.  Das  Intermezzo  hält  er  für  einen  die  Einheit  störenden  Bestandteil.  — 
Düsel118)  skizziert  die  Geschichte  der  Kerkerscene  mit  Hinblick  auf  Wagners 
„Kindermörderin".  Er  hält  sie  in  U  als  Kunstwerk,  auch  vom  Standpunkt  des  Sturms 
und  Dranges,  für  unfertig;  sie  war  seiner  irrtümlichen  Ansicht  nach  ein  Gemisch 
von  Vers  und  Prosa,  das  nicht  befriedigen  konnte  und  deshalb  umgeschaffen  werden 
musste.  An  der  Handlung  und  dem  Gedankeninhalt  ist  dabei  wenig  oder  gar  nichts 
verändert  worden;  auch  das  „Gerettet!"  bestätigt  nur  die  Gewissheit,  die  schon 
Gretchens  Gebet  giebt.  Aber  die  Stimmung  ist  wesentlich  verschieden:  das  Peinigende 
und  Marternde  verschwindet  durch  die  Kunst  der  zweiten  Fassung.  Der  Reim,  dessen 
Zwang  freilich  an  einzelnen  Stellen  charakteristische  Schönheiten  verwischt,  hat  zahl- 
reiche neue  Reize  bewirkt,  durch  die  namentlich  Gretchen  gewinnt,  was  D.  feinsinnig 
nachweist.  Durch  den  Rhythmus  wird  die  Sprache  voller,  bilderreicher,  andererseits 
hat  der  Dichter  Ueberflüssiges  gestrichen,  scenische  Anweisungen  in  Verse  umgesetzt, 
und  zumal  der  Höhepunkt  der  Scene  hat  bedeutend  gewonnen,  indem  die  Umwandlung 
Gretchens  nicht  so  hastig  erfolgt,  alle  Uebergänge  ihrer  Vorstellungen  und  Gefühle 
klarer  dargelegt  werden.  — 

Die  in  sententiöser  Form  ausgesprochenen  Gedanken  des  zweiten  Teils 
stellt  Lorentz119)  zusammen.  Er  ordnet  sie  unter  die  Rubriken  Staat  und 
Regierung  —  Alte  und  neue  Generation  (vorzüglich  in  der  Wissenschaft)  —  Frauen. 
Schönheit.  Liebe  —  Allgemein-Menschliches  a)  Menschenwohl  und -wehe;  b) Mensch- 
liches Streben  und  Ringen  (Faustisches).  Der  verbindende  Text  L.s  ist  zum  grössten 
Teil  entbehrlich,  da  er  nur  den  Inhalt  von  Goethes  Versen  umschreibt.  —  Die  erste 
Scene  des  zweiten  Teils  bildet  nach  Sehr  ad  er120)  den  notwendigen  Uebergang 
von  der  abgethanen  Lebensanschauung  Fausts  zu  einer  neu  eröffneten.  Auf  die 
Sturm-  und  Drangperiode  der  eigenen  Willkür  folgt  jetzt  besonnene  Thätigkeit, 
mutiges  pflichttreues  Handeln,  Einordnung  in  fertige  Weltzustände  und  Mitarbeit 
an  der  fortschreitenden  Entwicklung  der  Menschheit.  Die  im  ersten  Teile  gestellten 
Aufgaben  finden  erst  hier  ihre  Erfüllung,  in  der  grossen  Welt  arbeitet  sich  Faust 
zur  Erhebung  durch  und  zur  Erhöhung  und  Erlösung  empor.  —  Den  Mummenschanz 
erklärt  Schrader121)  in  der  Absicht,  die  Verbindung  der  einzelnen  Gruppen  und  den 
Zusammenhang  mit  der  ganzen  Dichtung  nachzuweisen,  als  Fausts  (und  Goethes) 
politisches  Glaubensbekenntnis.  Seine  grosse  Forderung  ist  die  sittliche  Erneuerung  des 
Staatslebens.  Seh.  interpretiert  die  einzelnen  Auftritte,  ohne  sich  über  das  Niveau  land- 
läufiger „Erläuterungen"  zu  erheben.  Im  Knaben  Lenker  sieht  er  entgegen  der 
Aeusserung  Goethes  zu  Eckermann  höchstens  eine  untergeordnete  Vorstufe  des 
Euphorion,  da  er  die  Gelegenheits-  und  Gesellschaftspoesie  vertrete,  während  Euphorion 
das  Erzeugnis  der  Verschmelzung  der  klassischen  und  romantischen  Poesie  sei, 
die  erst  im  dritten  Akte  vollzogen  werde.  Auch  widerspreche  das,  was  der  Knabe 
Lenker  sagt,  durchaus  dem  für  Euphorion  massgebenden  Vorbilde  des  Lord  Byron.  — 
Zur  Erklärung  von  V.  4979—80  verweist  von  Lippmann 122)  auf  eine  im 
Germanischen  Museum  befindliche  Zeichnung,  die  er  reproduziert,  und  legt  an  der 
Hand  der  Quellen  die  Geschichte  der  Alraunwurzel  und  des  an  sie  geknüpften  Aber- 
glaubens dar.  —  Deckers123)  Abhandlung  über  die  griechische  Helena  entbehrt 
zwar  der  direkten  Beziehung  auf  Goethe,  ist  aber  nicht  unwichtig  für  die  Erkenntnis 
des  mythischen  Kerns  und  seiner  antiken  Einkleidungen,  von  denen  Goethes  Ge- 
staltung ausging.  —  Nach  Niejahrs 124)  gründlichem  Aufsatz  gewährt  der  für 
Dichtung  und  WTahrheit  bestimmte  Plan  des  zweiten  Teils  ein  im  ganzen  zutreffendes 


n.  d.  Versen  d.  Tiere  in  d.  r Hexenküche":  GJb.  15,  S.  257  8.  —  117)  G.  Witkowski,  D.  Walpurgisnacht  im  erten  T.  v. 
Goethes  Faust.  L.,  F.  W.  v.  Biedermann.  VI,  88  S.  M.  2,00.  j[Rich.  M.  Meyer:  VossZg«.  N.  36;  H.  C.  Kellner:  LZg». 
N.  85;  W.  v.  Biedermann:  ib.  N.  166;  VossZg.  N.  592;  0.  Pniower:  Euph.  1,  S.  8248;  M.  Koch:  BFDH.  10,  S.  500/3; 
F.  Muncker:  AZgB.  N.  179;  E.  Elster:  BLU.  S.  678-80;  R.  v.  Gottschall:  LeipzTBl.  24.  Jnni;  H.  L.  Kellner: 
MGoetheVZwickau.  N.  5.]|  —  118)  F.  Düsel,  D.  Kerkerscene  in  Goethes  Faust:  ZDS.  7,  S.  408-15,  457-65.  (Vgl.  ib.  8,  S.75;7.) 
—  119)  P.  Lorentz,  Lebensweisheit  im  2.  T.  d.  Goetheschen  Faust:  PrJbb.  75,  S.  264-320.  —  120)  K.  Schrader,  D.I. Scene 
im  2.  T.  d.  Faust:  ZDS.  8,  S.  22-30.  —  121)  id.,  D.  Mummenschanz  im  zweiten  Faust:  ib.  S.81-90.  — 122)  E.  0.  v.  Lippmann, 
Ueber    e.     naturwissensch.     Aberglauben.      Halle     a.    S.,     Niemeyer.      14    S.      Mit    1    Fig.      M.    0,50.     —     123)     (I    11  :  1.) 

(4)30* 


IV  8e  :  124-125    IV"  9  :  1-4  A.  Köster,  Schiller. 

Bild  der  ersten  Konzeption  der  „Helena",  die  im  Ton  und  Geist  der  ältesten  Faust- 
dichtung gehalten  war.  1800  unterliegt  Goethe  der  Versuchung,  sich  als  griechischer 
Tragiker  zu  erproben,  und  zumal  die  Einleitung  wird  völlig  umgewandelt,  um  alle 
naturalistischen  Schlacken  auszuscheiden,  wie  die  Skizzen  Par.  84  und  162  beweisen, 
von  denen  die  letztere  vor  das  J.  1800  (gegen  Erich  Schmidt)  zu  setzen  ist.  In 
beiden  finden  wir  noch  den  magischen  Ring  des  Urplans,  und  es  fehlt  das  Motiv  der 
Opferung,  das  in  Par.  163/5  hinzutritt.  In  der  Ausführung  schloss  sich  Goethe 
anfangs  dem  Aeschylus  (Agamemnon,  Eumeniden)  an,  das  Hauptmotiv  der  drohenden 
Hinrichtung  entnahm  er  den  „Troerinnen"  des  Euripides.  Wie  in  dessen  „Orest"  bleibt 
Menelaos  nach  der  Landung  zunächst  in  Nauplia  zurück.  Die  Einführung  des 
Trimeters  entsprach  der  grösseren  Annäherung  an  die  Antike ;  das  unmittelbare  Muster 
dafür  war  Humboldts  „Agamemnon,"  zumal  in  betreff  der  Auflösungen.  Dagegen 
suchte  Goethe  bei  der  Wiederaufnahme  der  Arbeit  1825  sich  möglichst  eng  an  die 
Form  des  altgriechischen  Trimeters  anzuschliessen  und  zugleich  die  Eigentümlichkeiten 
der  deutschen  Sprache  zu  schonen.  Dasselbe  Prinzip  weist  N.  bei  den  übrigen  in 
der  „Helena"  nachgeahmten  antiken  Versmassen  auf.  In  der  Anwendung  der  Be- 
sonderheiten des  griechischen  Bühnenwesens  geht  Goethe  zu  weit.  Er  bekleidet  die 
Schauspieler  mit  Maske  und  Kothurn;  er  will  die  Helena  von  zwei  Künstlerinnen  dar- 
stellen lassen ;  die  Handlung  muss  wie  bei  den  Griechen  stets  im  Freien  spielen,  und 
infolgedessen  wird  die  Liebesscene  zwischen  Faust  und  Helena  zu  einer  sehr  ge- 
wagten. Immer  sind  nur  drei  Schauspieler  auf  der  Bühne.  Ebenso  bezeichnend  für 
das  Schwinden  der  ursprünglichen  Kunst  ist  die  Verachtung  der  Wahrscheinlichkeit: 
der  Chor  fällt  bei  dem  Trauergesang  auf  Byron  ganz  aus  der  Rolle,-  Mephisto  redet 
das  Publikum  direkt  an.  Im  ganzen  zeugt  die  Entstehungsgeschichte  der  „Helena" 
mit  ihrem  Zurückdrängen  des  Dramatischen  zu  Gunsten  des  Büdlichen,  dem  Ab- 
schleifen des  Charakteristischen,  dem  Fallenlassen  oder  Ineinanderfliessen  der  Motive 
von  dem  sinkenden  Vermögen  der  Meisterhand,  die  sie  schuf.  —  Minor 125)  wül  in 
der  Lesart  zu  V.  5192/5  (Weim.  Ausg.  152,  S.  17)  Psellus  statt  Phillus  lesen.  — 


IV,  9 

Schiller. 

Albert  Köster. 

Biographisches:  Allgemeines  N.  1.  —  Berühmte  Stätten  TT.  13.  —  Zeitgenossen  N.  23.  —  Briefe  TT.  28.  — 
Werke:  Gesamtausgaben  TT.  38.  —  Prosaschriften  TT.  41.  —  Gedichte:  Gruppen  TT.  54;  einzelne  Gedichte:  Gang  nach  dem 
Eisenhammer  TT.  68,  Glocke  TT.  69,  Götter  Griechenlands  TT.  74,  Spaziergang  N.  75,  Triumph  der  Liebe  TT.  77,  Vergil&bersetzungen 
TT.  78.  —  Dramen:  Allgemeines  TT.  79;  Räuber  N.  84;  Kabale  und  Liebe  TT.  86;  Don  Carlos  N.  88;  Wallenstein  N.  90;  Maria 
Stuart  TT.  102;  Jungfrau  von  Orleans  TT.  111;  Braut  von  Messina  TT.  153;  Wilhelm  Teil  N.  159;  Bühnenbearbeitungen  und 
TTachlass  TT.  169.  —  Verschiedenes  TT.  177.  — 

Nach  Jahren  lebhafter  Produktion  ist  es  in  der  Schillerlitteratur  ein  wenig 
stiller  geworden.  Mit  den  drei  angefangenen  biographischen  Darstellungen1-3) 
allgemeiner  Art  sucht  die  Kritik  ins  Reine  zu  kommen,  während  als  Vorbereitung 
zu  künftigen  Leistungen  das  J.  1894  im  ganzen  nur  Monographien  gebracht  hat. 
Ein  seltsames  Opus  hat  uns  Portig4)  beschert.  Wer  heute  gegen  800  Seiten  über 
unsere  Klassiker  schreiben  will,  der  muss  uns  Gewichtiges  zu  sagen  haben.  Das 
ist  nun  freilich  bei  P.  durchaus  nicht  der  Fall,  wie  sehr  er  auch  den  Mund  voll  nimmt 
und  sich  als  neuen'  Propheten  hinstellt.  Mehr  als  das  halbe  Buch  ist  einfach  mit 
Schere  und  Kleister  verfertigt;  alle  einschlägigen  Briefstellen  sind  über  viele  hundert 
Seiten  hin  wörtlich  abgedruckt,  gelegentlich  mit  der  Begründung,  P.  müsse  sie  der 
Vergessenheit  entreissen.  Wer  hat  sie  denn  vergessen?  Wer  soll  überhaupt  diese 
ermüdende,  unverarbeitete  Materialsammlung,  diesen  Wälzer  voll  monotonen  Vortrags 
lesen  ?  Das  Buch  beschäftigt  sich,  obwohl  Schiller  im  Mittelpunkt  steht,  doch  ebenso 
sehr  mit  Goethe.  Auf  S.  9  spricht  P.  einen  Satz  aus,  der  gleich  das  Leitmotiv  für 
sein  ganzes  Werk  abgiebt:     „Wir  sollen  weder  Schiller  noch  Goethe  für  sich  allein 


|[M.    Koch:     BFDH.    10,     S.    504. J i     —     124)    (I    8:27;     IV   8a  :  62.)     -     125)    J.    Minor,     Zu     Faust    IL:     Enph.    1, 
S.    606/7.    — 

1)  X  E-  Elster,  J.  Minor,  Schiller  (JBL.  1890  IV  12:  1):  ADA.  20,  S.383-98.  —  2)  X  A.  Chuquet,  O.  Brahm, 
Schiller  (JBL.  1892  IV  9:8):  BCr.  35,  S.  224  5.  —  3)  X  A.  Stein,  Schillers  Jugendleben  (JBL.  1893  IV  9:5).  |[BBG.  30, 
S.  316;  BLU.  S.  78/9;  Sohns:  COIEW.  22,  S.  575.]|  —  4)  G.  Portig,  Schiller  in  seinem  Verhältnis  z.  Freundschaft  n. 
Liebe,  sowie  in  seinem  inneren  Verhältnis  zu  Goethe.  Hamburg  u.  L.,  Voss.  XVI,  775  S.  M.  16,00.  |[F.  Schnedermann: 
ThLBl.  15,  S.  634,6;  KonsMschr.  S.  887/8;  E.  Wolter:  DLZ.  S.  1036/8;  K.  J.  Sohr.:  LCB1.  S.  861/3;  LZg».  N.  59;  F.  Kunkel: 


A.  Köster,  Schiller.  IV  9:4 

nehmen,  sondern  jeden  immer  nur  im  Hinblick  auf  den  anderen  und  in  Gemeinschaft 
mit  dem  anderen."  Ich  glaube,  jeder  der  beiden  Dichter,  die  so  sehr  nach  „Persönlichkeit" 
rangen,  würde  sich  solch  ein  Ineinanderarbeiten  zweier  Individualitäten  schönstens 
verbitten.  Einerlei,  P.  hat  es  einmal  gethan,  und  wir  müssen  uns  damit  abfinden. 
Wie  er  aus  allem  den  Plan  der  Vorsehung-  herauserkennen  will,  wie  er  z.  B.  aus 
dem  Zusammentreffen  von  Luthers  und  Schillers  Geburtstag  auf  urvorbedachte,  weise 
Absicht  schliesst,  so  sucht  er  auch  die  Doppelexistenz  Goethes  und  Schillers  philo- 
sophisch zu  deuten  als  den  menschgewordenen  Gegensatz  von  Natur  und  Freiheit. 
Er  sieht  die  beiden  Dichter  nicht  etwa  nur  unter  dem  Bilde  eines  Doppelgestirns, 
das  seine  vorher  bestimmte  Bahn  durchzieht,  sondern  er  will  geradezu  beweisen,  dass 
jenes  für  die  Sterne  geltende  Weltgesetz  der  Ellipse  thatsächlich  identisch  sei  mit 
dem  Gesetz  des  Goethe -Schillerschen  Bundes  und  zahlreicher  anderer  urbildlicher 
Freundschaften.  Ueberall  in  der  Menschheitsgeschichte  findet  er  das  Gesetz  des 
Gegensatzes  wieder,  d.  h.  überall  sieht  er,  dass  starke  Individualitäten  sich  paarweis 
zu  höheren  Einheiten  gegensätzlich  ergänzen.  Das  wird  gleich  im  ersten  Kapitel 
andeutend  vorweggenommen  mit  einem  beständigen  Pendeln  zwischen  begriffsmässigem, 
philosophischem  Denken  und  mystisch-unklarem,  verzücktem  Schauen.  Hundert  Ein- 
wände tauchen  gleich  beim  Leser  auf,  z.  B.  wo  denn  bei  P.s  Auffassung  alle  die 
grossen  Einsamen  bleiben,  die  doch  keinen  „Gegensatz"  hatten,  ein  Mohammed,  ein 
Napoleon  usw.  Aber  man  drängt  die  Bedenken  zurück  und  harrt  der  Beweisführung, 
für  die  noch  700  Seiten  vorgesehen  sind.  Da  wächst  jedoch  die  Enttäuschung  von 
Seite  zu  Seite;  der  Schritt  in  die  Praxis  misslingt  P.  völlig.  Abgesehen  von  jenem 
eben  angedeuteten  Hauptgedanken,  der  aus  dem  Schutt  von  Kleinkram  von  Zeit  zu  Zeit 
wieder  aufblickt,  hat  das  Buch  nichts,  was  ihm  eine  eigene  Physiognomie  geben  könnte; 
P.  versteht  weder  Menschen,  noch  Ereignisse,  noch  Kunstwerke  irgendwie  lebhaft  zu 
charakterisieren,  hie  und  da  findet  sich  einiges  Gute,  z.  B.  die  prinzipiellen  Vorbe- 
merkungen über  Goethes  und  Schillers  Liebesleben  (S.  352  ff.),  die  Betonung,  dass  in 
Schiller  Dichter  und  Philosoph  eins  seien  (S.  284  ff.),  aber  dann  wieder  in  den 
biographisch-psychologischen  Ausführungen  grosse  Breite  ohne  alle  Tiefe.  Wie  wenig 
sind  diese  Männer  und  Frauen  angeschaut,  denen  Schiller  seine  Freundschaft  und 
Liebe  schenkt!  Körner  ist  auf  S.  104  „seinem  grossen  Freunde  geistig  völlig  eben- 
bürtig", dagegen  auf  S.  167  „doch  nur  ein  Satellit  neben  der  Sonne  Schillers."  Und 
dann  ist  diese  ganze  Freundschaft  sich  doch  nicht,  durch  21  Jahre  hin  immer  gleich 
geblieben,  sondern  hat  ihr  Crescendo  und  ihr  langes,  lang-es  Decrescendo  gehabt. 
Die  Vorgeschichte  des  Bundes  mit  Goethe  ist  kümmerlich  aus  Briefstellen  zusammen- 
geklebt, Charlotte  von  Kalb  annähernd  richtig,  aber  ohne  jedes  Mitempfinden  ge- 
schildert, Karoline  von  Beulwitz  ebenso  wie  die  madonnenhafte  Charlotte  von  Lengefeld 
in  vielen  Zügen  verzeichnet.  Ueberhaupt  stellt  P.  meistens  die  ihm  sympathischen 
Personen  in  die  günstigste,  unsj'mpathische  Menschen  dagegen  (auch  Goethe)  in  die 
denkbar  ungünstigste  Beleuchtung  und  lässt  sie  ein-  für  allemal  darin  stehen.  Was 
dabei  für  die  Psychologie  herauskommt,  kann  man  sich  ausmalen.  Eins  ist  an  dem 
Buche  zu  rühmen:  Konsequenz  in  den  Folgerungen;  aber  was  ist  damit  erreicht, 
wenn  die  Prämissen  willkürlich  sind.  Ich  wenigstens  kann  in  P.s  Voraussetzungen 
keine  gesicherte  geschichtliche  Grundlage  sehen.  Da  soll  historisch  der  Gemüt- Wille 
die  Oberherrschaft  erlangt  haben  über  die  Vernunft-Phantasie;  Christus,  Augustin, 
Luther,  Kant,  Schiller  verbürgen  nach  P.  diese  Thatsache.  Ja,  aber  die  blosse 
Existenz  Goethes  beweist  doch,  dass  der  Sieg  gar  nicht  so  bedingungslos  ist.  P.  jedoch 
verkündet  ihn  mit  diktatorischer  Sicherheit,  denn  er  braucht  ihn  (S.  477  ff.)  für  seine 
Wertbestimmung  Schillers  gegenüber  Goethe.  Und  nun  wieder  diese  Wertbestimmung 
in  ihren  Einzelheiten!  Wie  willkürlich  ist  das  alles!  Da  sollen  die  grösseren  Kunst- 
formen immer  unbesehen  wertvoller  sein,  als  die  kleinen,  die  Arie  wertvoller  als  das 
Lied,  die  Gedankenlyrik  a  priori  wertvoller  als  die  Gefühlslyrik,  weil  in  jenen  Be- 
gabung und  Wille,  in  diesen  nur  die  künstlerische  Begabung  wirke.  Das  ist  doch 
alles  völlig  unbeweisbar,  kann  aber,  wenn  P.s  unerquickliche  Selbstgerechtigkeit  es 
voraussetzt,  dazu  dienen,  Schiller  hoch  über  Goethe  zu  erheben.  Und  das  ist  ja  P.s 
Ziel.  Er  arbeitet  bei  diesem  Bemühen  auch  noch  mit  einer  ganzen  Reihe  sehr 
zweifelhafter  „Weltgesetze",  z.  B.  dass  stets  bei  zunehmender  Quantität  die  Qualität 
abnehme.  Vollends  verlieren  wir  allen  Boden,  sobald  die  Vergleichung  Goethes 
mit  Schiller  und  die  Abschätzung  im  einzelnen  vor  sich  geht.  Wenn  jemand  eins 
von  Schillers  Laura-Liedern  über  die  ganze  Goethesche  Liebeslyrik  setzen  kann, 
wenn  er  Schillers  „Jungfrau  von  Orleans"  hoch  über  Goethes  „Faust"  und  Shakespeares 
„Hamlet"  schätzt,  wenn  er  noch  heutigen  Tages  sich  nach  einer  passenden  Ehehälfte 
für  Goethe  umschaut,  wenn  er  Goethes  Briefe  an  Frau  von  Stein  in  Bausch  und 
Bogen  tief  unter  Schillers  Briefe  an  Lotte  stellt,  wenn  er  schliesslich  (S.  455/6)  aus- 
gesuchte Gemeinheiten  über  Goethe  aussprengt,  bloss  weil  er  in  dem  Körnerbrief  vom 
1.  Dec.  1797  noch  immer  das  Gesslersche  Abenteuer  dem  Weimarer  Dichter  in  die  Schuhe 


IV  9:  5-16  A.  Köster,  Schiller. 

schiebt,  dann  hört  jede  Verständigung  auf.  Vorübergehend  hat  P.s  Buch  von  sich  reden 
gemacht;  von  Gottschall5)  hat  es  gepriesen;  ein  Zeitungskrieg  mit  Eugen  Wolff6) 
hat  sich  abgespielt.  Aber  dann  ist  es  sehr  schnell  still  geworden.  —  Will  man  sehen,  wie 
viel  Portig  an  psychologischer  Analyse  schuldig  bleibt,  so  halte  man  neben  seinen  Ab- 
schnitt über  die  langsame  gegenseitige  Annäherung  Goethes  und  Schillers7-8 )  einen  Auf- 
satz von  Minor9),  der  vielleicht  schon  ein  Ausschnitt  aus  dem  dritten  Bande  des  grossen 
Schillerwerkes  ist.  Man  kennt  die  Eigenart  M.s;  er  kann  von  dem,  was  er  erforscht 
und  gesammelt  hat,  nichts  zurückhalten.  Und  in  seinen  grösseren,  nicht  polemischen 
Arbeiten,  die  man  mit  einem  von  Jahr  zu  Jahr  steigenden  Vertrauen  begrüssen  darf, 
erfreut  er  besonders  durch  die  Masse  und  Feinheit  des  Details.  Langsame  Werdeprozesse, 
stilles  Keimen  im  Verborgenen  vermag  er  mit  dem  steten  Gleichmass  seines  Stiles 
am  besten  zu  schildern.  Darum  ist  er  in  der  hier  behandelten  Episode  aus  Schillers 
Leben  gerade  der  rechte  Darsteller.  Auf  jeder  Seite  weiss  er  selbst  dem  Kundigen 
noch  einen  kleinen  Wink  zu  geben,  eine  Briefstelle  eigenartig  zu  beleuchten.  Wie 
der  Unterschied  des  Alters  und  Temperaments  sich  bei  beiden  Dichtern  mit  den 
Jahren  ausglich,  wie  aus  langer  Gleichgültigkeit,  falschen  Gerüchten,  übereifrigem 
Missdeuten,  geflissentlichem  Meiden,  endlich  doch  ein  Bündnis  hervorging,  entwickelt 
M.,  so  weit  das  Material  ausreicht,  lückenlos.  Mit  grösster  Unbefangenheit  erläutert 
er  besonders  Schillers  Briefe  aus  dem  letzten  Jahre  vor  seiner  Berufung  nach  Jena. 
Alle  Missdeutung  durch  Herman  Grimm  oder  andere  ist  damit  hoffentlich  für  immer 
aus  der  Welt  geschafft.  Wir  sehen  wieder  Schiller,  nicht  den  Elenden,  den  man 
aus  ihm  hat  machen  wollen;  und  solchem  Gewinn  gegenüber  verschlägt  es  wenig, 
dass  nun  M.  seinerseits  beinahe  alles  Verdienst  an  der  Aussöhnung  Schiller  zuerkennt. 
Von  einem  Jubiläumsartikel  im  hergebrachten  Sinne  hat  M.s  Aufsatz  nichts  an  sich; 
der  Autor  tritt  zurück,  sobald  er  die  Thatsachen  hat  reden  lassen.  —  Sonst  beschäftigen 
sich  mit  dem  Dichter  noch  zwei  kleinere  Mitteilungen.  Wie  oft  ist  eifersüchtig  Klage 
erhoben  worden,  z.  B.  noch  von  Portig  in  seinem  vorhin  besprochenen  Buche,  dass 
Goethe  bei  dem  Tode10)  seines  grossen  Freundes  zu  sehr  mit  seiner  Trauer  zurück- 
gehalten und  keinen  Trauerpomp  im  Theater  veranstaltet  habe.  Diese  Vorwürfe 
sind  nun  wohl  gegenstandslos  geworden,  seitdem  Suphan11)  im  16.  Bande  der 
Weimarer  Goetheausgabe  des  Dichters  Entwurf  zu  Schillers  Totenfeier  herausgegeben 
und  in  einem  besonderen  Aufsatz,  der  an  anderer  Stelle  besprochen  wird,  gewürdigt 
hat.  —  Was  Schillers  Aeusseres  anlangt,  so  ist  dies  nach  dem  Urteil  des  Wiener 
Klinikers  Prof.  Nothnagel  von  keinem  anatomisch  richtiger  dargestellt  worden  als 
von  Rietschel  in  Weimar12).  Die  vornübergeneigte  Haltung,  die  „schiefen  Schultern" 
und  „Flügelschulterblätter"  sind  charakteristische  Merkmale  brustkranker  Menschen.  — 
Berühmte  Stätten  in  Schwaben  und  Sachsen  hat  man  auch  diesmal  auf- 
gesucht, um  biographische  Einzelheiten  daran  anzuknüpfen.  Auf  eine  Anfrage 
Ernst  Müllers13)  hat  ein  Anonymus14)  archivalisch  beglaubigte  Nachrichten  über 
Schillers  Wohnungen  in  Ludwigsburg  veröffentlicht.  Dreimal  hat  sich  der  Dichter 
dort  aufgehalten.  Wo  die  Eltern  1762—64  gewohnt  haben,  ist  nicht  mehr  zu  ermitteln. 
In  den  J.  1766 — 75  logierten  sie  zuerst  bei  dem  Buchdrucker  Cotta,  d.  h.  in  dem  jetzt 
mit  N.  26  bezeichneten,  ehemaligen  von  Röderschen  Hause  in  der  Stuttgarter  Strasse, 
in  dessen  Garten  der  alte  Schiller  seine  erste  Baumschule  angelegt  hat.  Die 
Wohnung  liess  sich  ermitteln  aus  der  Beschreibung  jener  glänzenden  Illumination, 
die  am  11.  Juli  1767  bei  der  Rückkehr  des  Herzogs  aus  Venedig  veranstaltet  wurde, 
und  bei  der  wohl  auch  Schiller  in  den  Reihen  der  Schuljugend  stand.  Aber  noch 
während  dieses  zweiten  Aufenthaltes  zog  die  Familie,  wie  Christophine  berichtet,  zu 
Freunden,  d.  h.  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  zu  dem  Leibchirurgus  Reichenbach, 
dem  Vater  der  Ludovike  Simanowitz,  der  im  sogenannten  Hahnschen  Hause  in  der 
hinteren  Schlossstrasse  wohnte.  Nebenher  berichtigt  der  Vf.  kleine  Irrtümer,  die 
durch  viele  Schillerbiographien  gewandert  sind:  er  meint,  Schiller  müsse  bei  dem 
Ludwigsburger  Garnisonspfarrer  M.  Olnhausen  eingesegnet  worden  sein,  während  bei 
dem  Special  Zilling  neben  wenigen  anderen  sein  Freund  Elwert  konfirmiert  wurde. 
Aus  naheliegenden  Gründen  hält  daher  der  Vf.  auch  das  oft  erzählte  gemeinsame 
Erlebnis  Schillers  und  Elwerts  bei  Hartneck  und  Neckarweihingen  für  unbeglaubigt. 
Bei  dem  Ludwigsburger  Aufenthalt  von  1793—94  wohnte  Schiller,  nachdem  er  viel- 
leicht vorübergehend  bei  von  Hoven  abgestiegen  war,  im  Hause  des  Bäckers  Fischer, 
jetzt  Wilhelm s-(früher  Post-)Strasse  N.  17.  —  Die  Angabe  wird  bestätigt  durch 
Minor15),  der  auch  über  die  Stuttgarter  Schillerwohnungen,  das  Zimmer  in  der  Alt- 

Zeitgeist  N.  43;  VossZg.  N.  568;  H.  Unbescheid:  ZDU.  8,  S.  602/4.]|  (Vgl.  IV  8a:  44;  8b:  33.)  —  5)  (IV  8b  :42c.)  — 
6)  Eug.  Wolff,  Schiller- Vergötterung  u.  Goethe-Verketzernng:  HambCorr.  N.  347.  (Replik  u.  Duplik  im  HarabCorr».  N.  11.) 
—  7)  X  ß-  M.  Meyer,  Z.  Jubil.  d.  B&ndnisses  zwischen  Goethe  u.  Schiller:  VossZgB.  N.  296.  -  8)  X  (IV  8b  :42a;  vgl. 
auch  8b  :42b.)  —  9)  (IV  8b  :  42.)  -  10)  X  Schillers  Begräbnis:  Didask.  N.  154.  (Gutzkows  Toast  aus  d.  J.  1854  auf  d.  „Un- 
bekannten", d.  Schillers  Sarge  folgte.)  —  11)  (IV  8b  :  43;  8e:  66.)  —  12)  Ueber  Schillers  Schultern:  VossZg.  N.  582.  —  13) 
Ernst  H[  filier],  Schillers  Wohnung  in  Ludwigsburg  im  J.  1793—94:  SchwäbKron.  N.  38.  —  14)  0.  S.,  Schillers  Wohnungen 
in  Ludwigsburg:  ib.  N.  67.    —    15)  J.  Minor,    Schillerhäuser  in  Stuttgart  u.  Ludwigsburg:    ÜL&M.  72,  S.  562/3.    —    16)  X 


A.  Köster,  Schiller.  IV  9  ■  17-31 

Stadt,  das  der  Dichter  in  seiner  Jugend  mit  Lieutenant  Kapf  teilte,  und  das  Garten- 
haus von  1794,  die  bekannten  Angaben  zusammenstellt.  —  Gleichfalls  nach 
Schwaben16)  führt  uns  der  Aufsatz  von  Pfister17).  Bekanntlich  räumte  der  Nach- 
folger Karl  Eugens  schonungslos  mit  vielen  Institutionen  und  Personen  auf,  die  uns 
aus  Schillers  Jugend  vertraut  sind,  und  die  dieser  sogar  1793—94  noch  in  der  Heimat 
vorfand:  bei  dem  Bibliothekar  Petersen,  der  gleich  im  Anfang  der  Regierung  Ludwig 
Eugens  in  Ungnade  fiel,  gaben  die  Trunksucht  und  seine  demokratische  Gesinnung 
den  Vorwand  ab,  ihn  des  Landes  zu  verweisen.  Die  Herzogin  Franziska,  die  Karl 
Eugen  sehr  reich  im  Testament  bedacht  hatte,  wurde  mit  60000  Gulden  abgefunden; 
ein  Wagen,  den  sie  besonders  liebte,  weil  er  sie  an  die  Zeiten  des  Glanzes  erinnerte, 
wurde  ihr  auf  ihre  Bitte  überlassen.  Die  Karlsakademie  aber,  an  der  schon  Karl 
Eugen  das  Interesse  verloren  hatte,  hob  der  Nachfolger  auf;  sie  -  verursachte  zu  viele 
Kosten  und  bildete,  wie  er  meinte,  nur  Vielwisser  und  Schwätzer.  —  An  Schillers 
Aufenthalt  in  Gohlis  knüpfen  sich  mehrere  Aufsätze  von  Distel18)  und  Semmig19"21), 
die  halb  oder  ganz  vergessene  Dinge  wieder  wachrufen.  Bis  ans  Ende  der  dreissiger 
Jahre  galt  nämlich  eine  ganz  gemeine  Schnapsbude  in  Gohlis,  in  der  sich  noch  oben- 
drein eine  Mordthat  abgespielt  hatte,  für  das  Schillerhaus.  Und  erst  anknüpfend  an 
die  politisch-agitatorischen  Bemühungen  von  Beck,  Ortlepp,  Robert  Blum,  Wuttke  usw., 
in  denen  Schillerkultus  und  Herweghbegeisterung  sich  fast  untrennbar  ver- 
banden, fanden  im  J.  1841  Nachforschungen  und  Zeugenvernehmungen  statt,  durch 
die  das  echte  Schillerhaus  nachgewiesen  wurde.  Zugleich  gewann  damals  die  schon 
früher  verbreitete  Sage  neues  Leben,  die  unmittelbare  Anregung  zu  dem  „Lied  an 
die  Freude"  sei  der  Selbstmordversuch  eines  verzweifelten  Studenten  in  Gohlis  ge- 
wesen, bei  dem  Schiller  rettend  eingesprungen  sei.  S.  erinnert  daran,  dass  er  diese 
Anekdote  dramatisiert  habe,  und  dass  sein  Stück  1852  und  später  in  Leipzig,  Danzig  usw. 
zur  Aufführung  gekommen  sei.  —  Noch  einmal  ergreift  Distel22)  zu  Schillers 
sächsischem  Aufenthalt  das  Wort,  im  Interesse  der  Wahrheit,  oder  auch  nur  der 
Wahrscheinlichkeit  der  umlaufenden  Erzählungen.  Dass  das  Volk  an  die  Stätte,  die 
ein  guter  Mensch  betrat,  allerlei  Lokalsagen  knüpft,  ist  sein  gutes  Recht,  Aber  die 
Einwohnerschaft,  und  mehr  noch  der  Wirt  des  Schillergartens  in  Loschwitz,  scheint 
dabei  allzu  kühn  vorzugehen:  die  Linde,  die  übrigens  lange  vor  1785  gestanden 
haben  muss,  kann  wie  jede  andere  Linde  nicht  gut  an  Schillers  Geburtstag  gepflanzt 
sein;  die  Gustel  von  Blasewitz  ist  nie  der  Tugendengel  gewesen,  zu  dem  die 
Loschwitzer  sie  gern  stempeln  möchten;  zu  der  Entstehungsgeschichte  endlich  und  dem 
Wortlaut  des  „Waschweibergedichts"  teilt  D.  die  ihm  erreichbaren  Varianten  mit.  — 

Sehr  gern  wenden  sich  die  Biographen  neuerdings  den  Zeitgenossen23) 
und  Angehörigen24"26)  Schillers  zu.  Ruht  doch  in  den  Dichterarchiven  von  Weimar 
und  Marbach  noch  manches  Stück  der  Familienkorrespondenz  Schillers.  Mitteilungen 
daraus  wird  jeder  gewiss  willkommen  heissen.  '  Aber  mehr  als  anderswo  mussten 
hier  die  Herausgeber  ihr  Zartgefühl  befragen,  sonst  stehen  uns  noch  weitere  Publi- 
kationen bevor,  wie  die  von  Ernst  Müller27)  über  Schillers  Mutter.  Selbst  wenn 
man  die  gute  Absicht  des  Vf.  anerkennt,  muss  man  doch  wünschen,  er  hätte 
dem  Begehren  seines  Verlegers  nicht  nachgegeben  Ein  liebevoll  geschriebenes 
Büchlein  von  30  bis  40  Seiten,  dem  ein  gewählter  Bilderschmuck  gewiss  zum  Vorteil 
gereicht  hätte,  könnte  alles  vereinigen,  was  wir  über  Schillers  Mutter  wissen.  Ehr- 
würdig und  in  all  ihrer  Liebe  zu  dem  grossen  Sohne  würde  sie  uns  da  entgegen- 
treten. In  M.s  Buch  dagegen,  bei  einer  Ausdehnung  von  mehr  als  200  Seiten,  steht 
die  schlichte  Frau  so  verloren  da,  so  erdrückt  in  anspruchsvoller  Umgebung.  Und 
noch  öfter  als  Heinemann  seine  Frau  Aja,  verliert  M.  die  Frau  Hauptmännin  aus  den 
Augen.  Unter  den  mitgeteilten  Briefen  ist  einiges  Interessante  (z.  B.  S.  88ff.  und 
160 ff.).  Ob  die  Lesung  immer  richtig  ist,  kann  ich  nicht  beurteilen;  auf  S.  144,  Z.  29 
muss  es  wohl  „Scham"  statt  „Schein"  heissen.  — 

Die  Ausgabe  der  Schillerschen  Brie  f  e28-30)  von  Jonas31)  schreitet  gleich- 

(IV  8b:42e.)  —  17)  A.  Pfister,  Ans  d.  Tagen  d.  Herzogs  Ludwig  Eugen  v.  Württemberg.  Aufzeichnungen:  WürttVjh.  3, 
S.  135-74.  —  18)  Th.  Distel,  1841  gerichtlich  abgegeb.  Zengenaussagen  über  Schiller  in  Gohlis  (1785c  LeipzTBI.  N.  482. 
—  19)  H.  Semmig,  Schiller  in  Gohlis:  ib.  N.  490.  (D.  Vf.  kündigt  auch  e.  Abhandl.  aus  seiner  Feder  über  Schillers  „Lied 
an  d.  Freude"  an.)  —  20)  id.,  Z.  Gesch.  d.  Entsteh,  d.  Schillerkultus  in  Gohlis:  ib.  N.  513.  —  21)  id.,  Schiller  —  Gohlis  — 
Ortlepp.  Berichtigung  —  Mahnung:  ib.  N.  582.  —  22)  Th.  D[istel],  Zu  Schillers  Aufenthalt  in  Loschwitz  usw.  1785  ff. : 
DresdAnz.  N.  202.  (Dazu  e.  kleine  Ergänz,  über  d.  Grab  d.  Gustel  v.  Blasewitz:  ib.  N.  205.)  —  23)  X  f.  Walter,  Joh. 
Mich.  Boek  (gest.  18.  Juli  1793):  FZg.  N.  197.  —  24)  X  J.  Wychgram,  Christophine  Schiller.  Mit  d.  Bildnis  u.  drei 
Originalzeichnungen  d.  Schwester  Schillers:  Daheim  30,  S.  444  6.  —  25)  X  Nanette,  Schillers  Schwester:  Didask.  N.  74. 
(Notiz  v.  H.  Semmig,  d.  demnächst  e.  Wallfahrt  zu  d.  Gräbern  d.  Familie  Schiller  beschreiben  will.)  —  26)  X  K.  Schmidt, 
Schillers  Sohn  Ernst  (JBL.  1893  IV  9:21).  |[H.  Unbescheid:  ZDU.  8,  S.  618/9;  A.  Sauer:  DLZ.  S.  1515/7;  DRs.  75, 
S.  157;  KVZg.  N.  468;  P.  Seliger:  NatZg.  N.  207;  LZgB.  N.  36;  P.  v.  Szepaiiski:  VelhKlasMh.  2,  S.  1223;  h.:  DR.  3, 
S.  126/7;  F.  Jostes:  LRs.  20,  S.  604;  StML.  46,  S.  320.]|  —  27)  Ernst  Müller,  Schillers  Mutter.  E.  Lebensbild.  L., 
Seemann.  VIII,  208  S.  M.  4,00.  |[LZg".  N.  77;  Geg.  46,  S.  349;  D.:  NatZg.  N.  398,  402;  -rf.:  TglRsB.  N.  169;  R.  Seh.: 
SchwäbKron.  N.  204;  Frau  1,  S.  69;  H.  Unbescheid:  ZDU.  8,  S.  619.]|  -  28)  X  (IV  8b  :  42d.)  —  29)  X  D-  Sanders, 
Z.  4.  Bd.  d.  Briefw.  zwischen  Schiller  u.  Goethe:  ZDS.  8,  S.  71/6.  (Sprachl.  Bemerk,  ohne  hist.  Wert.)  —  30)  X  K.  J. 
Sehr  —  r.,  F.  Muncker,  Schillers  Briefwechsel  mit  W.  v.  Humboldt  (JBL.  1893  IV  9:24):   LCB1.  S.  286.    —   31)  F.  Jonas, 


IV  9:32-35  A.  Köster,  Schiller. 

massig-  vor;  möchte  das  schöne  Unternehmen  doch  auch  den  äusseren  Erfolg  erringen, 
den  es  verdient.  Im  Mai  1894  ist  der  vierte  Band  abgeschlossen  worden,  der  in  den 
Nummern  735—1053  die  Zeit  vom  1.  Sept.  1794  bis  28.  Juni  1796  umfasst.  Die  An- 
merkungen unterrichten  wieder  knapp  und  zuverlässig  über  die  der  Korrespondenz 
zu  Grunde  liegenden  Ereignisse,  besonders  über  alles,  was  die  Redaktion  der  Hören 
angeht.  Nachahmenswert  ist,  dass  J.  nicht  nur  die  gesicherten  Thatsachen  mitteilt, 
sondern  auch  durch  Fragestellung  die  Aufmerksamkeit  auf  noch  unentschiedene 
Dinge  lenkt.  An  Einzelheiten  hebe  ich  hervor:  zu  N.  764  teilt  J.  den  Vorschlag 
Böttigers  zu  einem  Ballet  „Die  Ilmgrotte"  mit,  das  er  für  den  Geburtstag  der  Herzogin 
Luise  bestimmte;  zu  N.  887  werden  mehrere  Tabulae  votivae  zusammengestellt  mit 
dem  Konzept  des  Briefes  an  Fichte  vom  3.  Aug.  1795;  zu  N.  937  regt  J.  eine  Unter- 
suchung an,  wie  weit  Schiller  in  seiner  Jugend  den  Homer  gekannt  habe;  zu  N.  989 
versucht  er  das  Xenion  N.  140  nicht  auf  die  Karlsbader  Quellen,  sondern  auf  sämt- 
liche Gesundbrunnen  in  Deutschland  zu  deuten.  (S.  452,  Z.  2  wird  wohl  unter 
„Verschlag"  der  Bretterverschlag,  die  Kiste,  gemeint  sein,  in  die  die  Bücher  ein- 
gepackt werden  sollten.)  Zum  ersten  Mal  gedruckt  sind  die  Briefe:  N.  814  (fast  ganz) 
an  Ferd.  Huber,  Jena  19.  Febr.  1795:  Schiller  rät  dem  Jugendfreunde,  nur  dann  an 
die  Lektüre  Kants  zu  gehen,  wenn  ihm  dafür  Jahre  zur  Verfügung  stehen ;  er  bringt 
zugleich  eine  für  das  Studium  geeignete  Reihenfolge  der  Kantschen  Schriften  in 
Vorschlag.  Seine  eigene  Stellung  und  Selbständigkeit  gegenüber  dem  Königsberger 
Weltweisen  wird  bekräftigt.  N.  824  vermutlich  an  den  Verleger  Härtung  in  Königs- 
berg, Jena  2.  März  1795:  Schiller  bittet  den  Adressaten,  Sendungen  an  Kant  vermitteln 
zu  wollen.  N.  942  an  Gottlob  Voigt,  Jena  1.  Nov.  1795:  er  empfiehlt  einen  jungen 
Mann,  der  sich  als  Docent  an  der  Universität  niederlassen  möchte.  N.  991  ist  identisch 
mit  dem  von  Hirzel  (s.  u.  N.  32)  publizierten  Briefe,  zeigt  aber  auffällig  viele  Varianten 
von  dem  Text  des  „Euphorion".  An  manchen  Schillerbriefen  möchte  J.  mit  gutem 
Grund  das  Datum  ändern:  N.  801  an  den  Herzog  von  Augustenburg  26.  Jan.  1795 
statt  20.  Jan.;  N.  864  an  Matthisson  13.  Juni  1795  statt  18.  Juni;  N.  895  an  Goethe 
21.  Aug.  1795  statt  22.  Aug.;  ergänzt  hat  J.  das  Datum  (21.  AugL  1795)  zu  dem  Brief 
an  Cotta  N.  894.  Auch  die  Sammlung  der  Briefe  an  Schiller  hat  J.  vermehrt:  Zu 
N.  884  druckt  er  einen  Brief  von  Kosegarten  (4.  Aug.  1795)  ab,  worin  dieser  Schiller 
von  einem  Volkslied  aus  Jütland  Mitteilung  macht;  zu  N.  1021  einen  Brief  von  dem- 
selben (14.  März  1796):  Kosegarten  sendet  einige  seiner  Gedichte  und  spricht  besonnen 
über  den  allzu  grossen  Ernst  der  Hören ;  zu  N.  1029  ein  Billet  von  Knebel  (17.  April 
1796)  über  eine  Notiz  für  die  Hören,  die  Properzelegien  betreffend;  zu  N.  877  werden 
Briefe  von  Archenholz  an  Schiller  erwähnt,  aber  nicht  gedruckt.  —  Jener  eben 
(s.  o.  N.  31)  erwähnte  Brief,  den  Hirzel32)  veröffentlicht  hat,  ist  an  Schillers 
Jugendfreund  Friedrich  Haug  von  Jena  aus  am  18.  Jan.  1796  gerichtet  und  kennzeichnet 
sich  als  Begleitschreiben  zu  einem  Exemplar  des  Musenalmanachs  für  1796,  zu  dem 
auch  Haug  beigesteuert  hatte.  —  Sonst  ist  nur  wenig  zu  verzeichnen.  Ein  Brief  von 
Schiller33)  an  den  Historiker  K.  W.  F.  von  Funk,  Jena  13.  Febr.  1791,  handelt  von  dem 
„Robert  Guiskard"  Funks  und  spricht  sich  sehr  unbefangen  über  Schillers  eigene  ge- 
schichtliche Arbeiten  aus.  In  einem  Schreiben  an  Göschen  aus  dem  Folgejahr,  datiert 
„Mainz  d.  10.  März  1792",  äussert  sich  Huber,  der  einstige  Freund,  sehr  hässlich  über 
Schiller,  der  aus  den  hinlänglich  bekannten  Gründen  die  Korrespondenz  mit  ihm 
abgebrochen  hatte.  —  Der  Titel  eines  Aufsatzes  von  Geiger34)  kann  leicht  irre 
führen.  Es  handelt  sich  darin  lediglich  um  die  Drucklegung  der  Schiller-Körnerschen 
Briefe  und  die  unerfreulichen  Verhandlungen,  die  über  Honorar,  Nachdruck,  An- 
sprüche der  Erben  usw.  geführt  wurden.  —  Die  Briefpublikationen  aus  dem  Kreise 
derer,  die  Schiller  nahe  standen,  hat  Krauss35)  nunmehr  beendet.  Oft  gewähren  die 
Schätze  des  Marbacher  Schillerhauses  nur  bessere  Lesarten  und  Ergänzungen  zu 
älteren  Drucken.  So  erfahren  die  Briefe  Charlottens  an  Schillers  Angehörige  (Charlotte 
von  Schiller  und  ihre  Freunde  1,  S.  332 ff.)  durch  K.  umfängliche  Berichtigungen; 
ein  schöner  Brief  der  künstlerisch  feinfühligen  Frau  an  die  Gattin  des  Bildhauers 
Dannecker  (Weimar,  12.  Okt.  1820)  schliesst  sich  an  und  weiht  uns  in  viele  Stuttgarter 
Beziehungen  ein.  Karl  von  Schiller,  des  Dichters  Sohn,  ist  mit  einem  Schreiben  an 
seine  Tante  Luise  Frankh  (7.  Juli  1826)  vertreten,  worin  er  den  Tod  seiner  Mutter 
mitteilt;  Emilie  von  Gleichen-Russwurm  schreibt  in  den  J.  1856—65  aus  ihren 
literarhistorischen  Arbeiten  heraus  an  ihren  Vetter  Kühner  in  Möckmühl,  den 
Schwiegersohn  der  Luise  Frankh.  Wenig  Interesse  haben  die  kurzen  Billets  der 
Herzöge  Louis  Eugen  und  Friedrich  Eugen  an  den  alten  Schiller.     Dagegen   ist  zu 

Schillers  Briefe.  Her.  u.  mit  Anm.  vers.  Krit.  Gesamtausg.  (JBL.  1893  IV  9  :  22.)  4.  Bd.  St.,  Dtsch.  Verl.-Anst.  564  S. 
M.  3,00.  |[J.  E.  Wackemell:  ÖLB1.  3,  S.  15;  AkBll.  8,  S.  185;  9,  S.  33,  113;  Quellwasser  18,  S.  142,  734;  — hr.:  DR.  2, 
S.  130/1;  VossZg.  N.  350;  BLU.  S.  30;  BLChrSchw.  24,  S.  192;  KonsMschr.  S.  103  4;  Gymn.  12,  S.  651.] |  —  32)  L.  Hirzel , 
E.  Brief  Schillers:  Euph.  1,  S.  136.  —  33)  Neues  v.  u.  über  Schiller:  DDichtung.  16,  S.  149-50.  —  34)  L.  Geiger,  Z.  Gesch. 
d.  Schiller-Körnerschen  Briefw.:  AZg]i.  N.  251.  —  35)  R.  Krauss,  Neues  v.  Schiller  u.  vom  Marbacher  Schillerhaus:  BBSW. 


A.  Köster,  Schiller.  IV  9  ■.  36-50 

beachten,  dass  von  den  Danneckerschen  Briefen,  die  im  Litterarischen  Nachlass  der 
Frau  Karoline  von  Wolzogen  (1,  S.  473  ff.)  sehr  ungenau  gedruckt  sind,  die  Originale 
in  Marbach  liegen.  Den  Schluss  macht  die  Anzeige  von  Schillers  Tod,  die  Wilhelm 
von  Wolzogen  an  den  Pfarrer  Frankh  schickte,  13.  Mai  1805.  —  Der  interessante 
Brief  von  Schillers  Vater  (Solitüde,  28.  Juli  1795),  den  Ernst  Müller36)  aus  den 
Schätzen  des  Weimarer  Dichterarchivs  mitteilte,  ist  ganz  aus  der  Drangsal  der  letzten 
Lebenstage  des  Alten  heraus  geschrieben:  der  Verleger  Michaelis  in  Neustrelitz 
sendet  weder  Honorar  noch  Freiexemplare,  auf  der  Solitüde  besteht  das  Spital  noch 
fort,  der  Hof  hält  sich  natürlich  fern,  die  Feinde  hausen  im  Land,  die  Teurung  dauert 
an;  aber  der  tapfere  Obristwachtmeister  verliert  den  Mut  nicht  und  hofft  auf  bessere 
Zeiten.  Auf  dieses  Schreiben  des  Vaters  erfolgte  der  Brief  Schillers  an  Cotta  (bei 
Jonas  N.  883);  Bezug  nehmen  auch  die  Briefe  N.  893  und  894.  —  Endlich  hat 
Ernst  Müller37)  noch  zwei  Briefe  der  früh  verstorbenen  jüngsten  Schwester 
Schillers  an  ihre  Mutter  aus  dem  Marbacher  Archiv  hervorgezogen;  sie  zeigen  uns 
das  frische  muntere  Mädchen  in  einem  grossen  Kreise  befreundeter  Familien  und 
vergegenwärtigen  uns  dadurch  das  Ansehen,  das  die  Schillersche  Familie  genoss.  — 

Die  Cottasche  Gesamtausgabe38)  von  Schillers  Werken  ist  nun  vollendet 
und  zeigt,  wie  schon  im  vorigen  Jahrgang  betont  war,  grosse  Sorgfalt.  Die 
Bände  10—16  enthalten  die  Prosaschriften,  eine  Nachlese  zu  den  Gedichten  und  den 
Nachlass.  Unter  die  Recensionen  sind  jetzt  auch  die  von  Minor  wieder  ans  Licht  ge- 
zogenen Arbeiten  aus  der  Stuttgarter  Zeit  aufgenommen,  unter  die  Lyrica  ausser  den 
Gedichten  der  Anthologie  auch  der  Wechselg'esang  zwischen  Leontes  und  Delia  und 
die  neu  aufgefundenen  Xenien.  Viel  Pietät  ist  dem  Nachlass  zugewandt;  so  weit  es 
möglich  war,  sind  die  Kettnerschen  Studien  benutzt  worden,  für  den  Demetrius 
natürlich  noch  nicht.  —  Was-  uns  über  das  kgl.  sächsische  Privileg  für  Schillers 
Werke39)  von  Distel40)  mitgeteilt  wird  —  es  sind  nur  Daten,  nicht  der  Wortlaut 
selbst  — ,  ergänzt  die  Angaben  Schmidts  in  seinem  Buche  über  Schillers  Sohn  Ernst 
(JBL.  1893  IV  9  :  21).  — 

Bei  der  Untersuchung  von  Schillers  Prosaschriften41)  wendet  sich  stets 
das  Hauptinteresse  den  philosophischen  Arbeiten42-47)  zu.  Brasch48)  scheint  mir 
den  jungen  Schiller  als  Philosophen  zu  unterschätzen.  Eklektiker  war  er  ja,  und 
auch  nur  Düettant.  Aber  darin,  wie  er  auf  seine  Art  die  Elemente  seines  Eklektizismus 
zu  einer  wirklichen  Anschauung  des  Weltenplanes  abrundete  und  diese  Anschauung 
bald  im  wissenschaftlichen  Essay,  bald  wieder  in  schwärmerischen  Dichtungen  mit 
fester  Ueberzeugung  kundzugeben  wusste,  darin  zeigt  sich  doch  von  früher  Jugend 
an  eine  gleich  starke  Begabung  für  die  Philosophie  wie  für  die  Dichtung.  Mittel- 
baren Einfluss  von  Leibniz  erkennt  B.  an;  unmittelbare  Einwirkung  von  Plato  oder 
Spinoza  leugnet  er  dagegen  mit  guten  Gründen.  —  Mehr  mit  Schillers  Philosophie 
unter  dem  Einfluss  Kants  beschäftigt  sich  Berg  er49).  Es  ist  bei  diesem  Buche 
einiges  in  Dunkel  gehüllt.  Zunächst:  Wo  und  von  wem  ist  es  mit  was  für  einem 
Preise  gekrönt  worden?  Sodann:  Warum  ist  es  erst  1894  erschienen,  da  es  doch  schon 
1889  fertig  abgeschlossen  war  und  zu  seinem  Schaden  die  wichtige  Litterat ur  der 
neunziger  Jahre  unberücksichtigt  gelassen  hat?  Es  sind  auch  einige  methodische  Aus- 
stellungen zu  machen,  besonders  in  den  Anfangspartien,  wo  u.  a.  die  von 
Oemler  gefälschten  Briefe  Schillers  an  Karl  Moser  noch  als  historische  Quelle 
benutzt  werden.  Aber  nichtsdestoweniger  ist  das  schlank  und  klar  geschriebene, 
dabei  aber  gar  nicht  oberflächliche  Buch  zur  Einführung  in  Schillers  ästhetische 
Anschauungen  recht  zu  empfehlen;  es  dringt  nicht  so  tief  wie  z.  B.  das  Werk  von 
Gneisse50)  (JBL.  1893  IV  9:38),  ist  dafür  aber  auch  nicht  so  dunkel  und  schwer- 
fällig. Es  hält,  was  sein  Titel  verspricht,  und  führt  die  allmähliche  Ausbildung  der 
Schillerschen  Aesthetik,  besonders  sein  Ringen  um  die  Ergründung  des  objektiven 
Charakters  des  Schönen,  dem  Leser  vor.  An  diesem  letzten  Punkte  tritt  B.  in 
Gegensatz  zu  Harnack,  dessen  Ansicht  bekanntlich  die  ist,  dass  Schiller  sich  in  der 


S.  14-25.  (Korrekturen  auf  S.  64.)  —  36)  E.  Maller,  E.  Brief  v.  Schillers  Vater:  ZVLR.  7,  S.  2167.  —  37)  id..  Zwei 
Briefe  v.  Nanette  Schiller.  Ans  d.  Marbacher  Schillerarch. :  SchwäbKronu.  N.  246.  —  38)  Schillers  säratl.  Werke  in  16  Bdn. 
(JBL.  1893  IV  9:  29.)  Mit  Einl.  v.  K.  Goedeke.  Bd.  10-16.  St.,  Cotta.  VIII,  230  S.;  264  S.;  XII,  364  S.;  VUI,  248  S.: 
265  S.;  VIII,  427  S.;  X,  451  S.  a  M.  1,50.  |[(>:  DIU.  80,  S.  159;  81,  S.475.]|  —  39)  X  F.  Muncker,  E.  neue  Schillerausg. : 
AZgB.  N.  279.  —  40)  Th.  D[iste]l,  Z.  kgl.  "sächs.  Privilege  ffir  Schillers  Werke:  DresdAnz.  N.  117.  —  41)  X  Schiller,  Gesch. 
d.  Abfalls  d.  vereinigten  Niederlande  v.  d.  span.  Segierung.  (=  Meyers  Volksbücher  N.  1064/8.)  L,  Bibliogr.  Inst.  329  S. 
M.  0,50.  —  42)  X  id.,  Morceaux  choisis,  publies  avec  des  notices  et  des  notes  en  fr  an  9.  par  B.  Levy.  Nouv.  ed.  (  =  Class. 
allem.)  Paris,  Hachette.  XXIII,  547  S.  Fr.  3,00  —  43)  X  M  Brasch,  Schiller  als  Mediziner.  Z.  9.  Mai,  d.  90.  Todest. 
d.  Dichters:  LeipzTBl.  N.228.  —  44)  X  E.  Kiihnemann,  D.  Kantischen  Stud.  Schillers.  (Diss.  Marburg.  18S9.  38  S.):  VossZgB.  N.  47.  — 
45) XE  Mont:irgis,L,Esthetiqne  de  Schiller  (JBL.  1892 IV 9: 35).  j[Lonchamps:  PolybiblL.  70,  S.47/8;  A.  Köster:  DLZ.  S.617;9.]| 
—  46)  X  G.  Heine,  D.  Verhältnis  d.  Aesthetik  z.  Ethik  bei  Schiller.  Cöthen,  Klvers  (Sohettlersche  Buchh.).  56  S.  M.  0,80. 
(Auch  als  Leipz.  Diss.)  —  47)  O  X  O-  Jäger,  Schillers  „Hören*  vom  Spiel  u.  d.  erste  Spielkongress  in  Berlin:  ZTurnen- 
Jugendspiel.  N.  4  7.  —  48)  M.  Brasch,  üeber  Schillers  Jugendphilosophie  I.,  II.  E.  Stud.  z.  10.  Nov.:  LeipzTBIB.  N.  573, 
575.  —  49)  K.  Berger,  D.  Entwickl.  v.  Schillers  Aesthetik.  Gekr.  Preisschrift  Weimar,  Böhlau.  IV,  325  S.  M.  4,00. 
|[R.  Friedrich:  BLÜ.  S.  199-200;  Ebf  :  LCB1.  S.  523;  H.  Unbesoheid:  ZDÜ.  8,  S.  604;7.J|  —  50)  X  WIDM.  75,  S.  272; 
Jahresberichte  ffir  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (4)31 


IV  9:51-69  A.  Köster,  Schiller. 

Arbeit  am  Kallias  vergeblich  bemüht  habe,  zur  Ergänzung  von  Kants  Lehre  jenen 
objektiven  Charakter  des  Schönen  festzustellen,  und  deshalb  in  den  ästhetischen 
Briefen  wieder  neben  Kant  stehe  in  der  Erkenntnis  des  subjektiven  Charakters  des 
Schönen.  Diesen  Rückzug  Schillers  giebt  B.  nicht  zu.  —  Zur  Würdigung  Schillers 
in  der  Gegenwart  hat  ausser  Litzmann51)  auch  Berg52)  einen  kleinen  Beitrag  ge- 
liefert, indem  er  die  Bürgerrecension  des  Dichters  von  neuem  beleuchtet  und  zu 
dem  Schluss  kommt:  Schiller  hat  Bürger  überhaupt  nicht  verstanden,  sonst  würde  er 
so  ungerecht  und  hochmütig  nicht  haben  sprechen  können.  Bürger,  der  mit  Lenz, 
Grabbe,  Hoffmann  und  Heine  das  Schicksal  teilt,  vom  Philister  wegen  seiner  Moral- 
losigkeit  gerichtet  zu  werden,  ist  in  Wahrheit  ein  viel  besserer  Erzieher  als  Schiller, 
weil  er  des  Volkes  echte  Sprache  redet  und  ausserdem  als  Dichter  rhythmisch  viel 
feiner  fühlt  als  Schiller.  Jene  ganze  Auseinandersetzung  zwischen  Jena  und  Göttingen 
ist  nach  B.s  Meinung  noch  heute  aktuell  als  ein  erster  Kampf  zwischen  Idealismus  und 
Realismus.53)  — 

Bei  Betrachtung  der  Gedichte54"65)  stelle  ich  zwei  Aufsätze  voran,  die  ganze 
Gruppen  von  Gedichten  ins  Auge  fassen.  Rehorns66)  Abhandlung  ist  nur  ein 
Referat  über  einen  Vortrag;  das  muss  ihre  trockene  Form  entschuldigen.  Im  einzelnen 
bringt  R.  lehrreiche  Belege  dafür,  wie  eng  sich  Schiller  in  der  „Würde  der  Frauen" 
und  verwandten  gleichzeitigen  Gedichten  an  Humboldts  Horenaufsätze  „Ueber  den 
Geschlechtsunterschied  und  dessen  Einfluss  auf  die  organische  Natur"  und  „Ueber 
die  männliche  und  weibliche  Form"  anschliesst.  Bis  zu  der  etwas  dispositionslosen 
Anordnung  des  Stoffes  hin  lässt  sich  die  Verwandtschaft  erkennen;  und  keiner  hat 
das  klarer  gesehen  als  Humboldt  selbst,  der  bei  dieser  Gelegenheit  wieder  an  Schiller 
die  grosse  Kunst  rühmt,  den  Gedanken  und  Empfindungen  vieler  die  unvergängliche 
poetische  Form  zu  geben.  —  Was  Röhricht67)  mitteüt,  sind  nicht  eigentlich  „Be- 
merkungen zu  Schillerschen  Balladen",  denn  die  Tauchersagen,  die  er  aus  Gervasius 
von  Tilbury,  Salimbene  und  Franciscus  Pipinus  anführt,  hat  Schiller  gewiss  nicht 
gekannt;  die  kleinen  Notizen  über  die  Rhodische  Drachensage  und  den  „Gang  nach 
dem  Eisenhammer"  sind  ohne  Belang.  — 

Ueber  einzelne  Gedichte  sind  mit  gutem  Erfolge  Untersuchungen  angestellt 
worden.  Eickhoff68)  verweist  zum  „Gang  nach  dem  Eisenhammer"  auf  Hirsch- 
bergs Geschichte  der  Grafschaft  Moers  (1893,  S.  50 ff.),  wo  von  Johann,  dem  Sohne 
des  Stifters  der  Linie  Moers-Sarwerden,  erzählt  wird,  er  sei  ein  rachsüchtiger  Herr 
gewesen,  habe  sich  in  französischen  Urkunden  Graf  von  Saverne  genannt,  und  seine 
zweite  Gemahlin  habe  Kunigunde  geheissen.  Das  stimmt  allerdings  auffallend  zu 
Schillers  Ballade,  in  der  dann  „Savern"  die  Französierung  nicht  von  Zabern,  sondern 
von  Sarwerden  ist.  — 

Nach  etwas  exaltierter  Polemik  gegen  frühere  Erläuterer  des  „Liedes  von 
der  Glocke"  (GÖtzinger,  Viehoff,  Düntzer  und  selbst  W.  von  Humboldt)  trägt 
Wenzig69)  eine  neue  Deutung  des  Gedichts  vor,  von  der  man  rühmen  muss,  dass 
sie  aus  einem  Gusse  ist  und  in  den  Grundzügen  das  Richtige  trifft.  W.  erkennt,  dass 
Schiller  unter  dem  Symbol  des  Glockengusses  und  in  der  Reihe  der  bürgerlichen 
Scenen,  die  er  entrollt,  drei  verschiedene  Formen  des  menschlichen  Zusammenlebens 
schüdert:  den  Familienbund,  die  staatliche  Organisation  und  eine  Gesellschaftsform 
der  Zukunft,  die  Vereinigung  der  Menschen  zu  einer  liebenden  Gemeinde.  Ob  sich 
der  Dichter  das  genau  so  begrifflich  klar  entwickelt  hat,  wie  es  hinterdrein  der 
Kommentator  thut,  mag  dahingestellt  sein;  in  Einzelheiten  kann  man  noch  immer  eine 
andere  Meinung  haben  als  W.  Vor  allem  überträgt  er  ohne  weiteres  den  Sprach- 
gebrauch des  ausgehenden  neunzehnten  Jh.  auf  das  achtzehnte.  Dadurch  ent- 
stehen arge  Missdeutungen.  Die  ganzen  wSeiten  10  und  11  sind  Unsinn,  weil  W. 
in  V.  93  und  101  das  Wort  „Wahn"  als  „Täuschung"  fasst,  während  es  nach  Schülers 

VossZgB.  n.  6;  Ehf.:  LCB1.  S.  74/5;  F.  Mnncker:  BBG.  30,  S.  278-80.]|  -  51)  B.  Litzmann,  Was  bedeutet  Schiller  für  d. 
Litt.  d.  Gegenw.?:  DR.  4,  S.  196-205.  —  52)  Leo  Berg,  Bürger  ti.  Schiller:  Zuschauer  1,  S.  507-12.  -  53)  X  '■  Schall, 
G.  A.  Burger  u.  seine  Beziehungen  zu  Schwaben  IV.  Bürger  u.  sein  Kritiker  Schiller:  BBSW.  S.  121/3.  (Enth.  für  Schiller 
nichts  Neues.)  —  54)  X  Schillers  Gedichte.  Mit  Einl.  Illustr.  Ausg.  (=  Illustr.  Volksausg.  klass.  Meisterwerke.)  B.,  Minerva. 
VI,  164  S.  M.  1,50.  (Unzuverlässiger  Text,  schwache  Illnstr.)  —  55)  X  id-,  Gedichte.  (=  Allg.  Volks-Bibl.  N.  349.)  Neu- 
salza  i.  S.,  Oeser.  V,  40  S.;  101  S.;  II,  169  S.  M.  1,15.  (Preiswürdige  Ausstatt.)  —  56)  X  s-  M-  Prem,  Schullitt.:  ÖÜK.  16, 
S.  133/7.  (Enth.  e.  Rettung  Düntzers.)  —  57)  X  Schiller,  Poesies  lyriques.  Avec  notices  et  notes  par  L  Schmitt.  6.  ed. 
Cours  snp.  Paris,  Delagrave.  VIII,  53  S.  —  58)  X  (IV  5  :  104.)  (E.  rechter  Sekandaneraufsatz.)  -  59)  X  Erich  Schmidt, 
Ueber  d.  Xenienhss.  (=  I  1:86a,  S.  95,6.)  (Ist  inzwischen  durch  d.  Xenienausg.  überholt. )  —  60)  X  Erich  Schmidt  u.  B.  Suphan, 
Xenien  1796  (JBL.  1893  IV  9  :  56)  |[Schmitt-Cassel:  Gymn.  12,  S.  599-610;  Ernst  Mfüller]:  BBSW.  S.  95  ii;  W. 
K[awerauJ:  MagdZg.  1893,  N.  566;  A.  Chuquet:  RCr.  37,  S.  254.]|  —  61)  X  E  Grosse.  D.  Künstler  v.  Schiller  (JBL.  1890 
IV  12  :  81):  Gymn.  12,  S.  96  —  62)  X  B.  Rothe,  D.  Ideal  u.  d.  Leben  (Schiller).  E.  päd.  Arbeit.  Progr.  d.  1.  Bürgersch.  zu 
Eisleben.  Eisleben  (Schneider)  4°.  7  S.  —  63)  X  W.Stein,  Mitteil,  übor  d.  Namen  Moros  u.  Dämon:  PraxisKathVolkssch.  3,  8.7. 
(Schöpft  nur  aus  Goedekes  hist.-krit.  Ausg.  u.  d.  Sedez-Ausg.  v.  Schillers  Gedichten,  her.  v.  Meyer  1845.)  —  64)  X  F- 
Kugler,  Zu  Schillers  Kampf  mit  d.  Drachen:  ZDU.  8,  S.  704/5.  —  65)  X  D-  Sanders,  Zu  Schillers  Gedicht  „D.  dtsch. 
Muse":  ZDS.  7,  S.  219-22.  —  66)  F.  Rehorn,  W.  v.  Humboldts  Aufsätze  über  d.  Unterschied  d.  Geschlechter  u.  ihr  Einfluss 
auf  d.  Lyrik  Schillers:  BFDH  10,  S.  362-74.  —  67)  R-  Röhricht,  Bemerk,  zu  Schillerschen  Balladen:  ZDPh.  26,  S.  105/7.  — 
68)  K.  Eickhoff  [Sprechzimmer  3J:  ZDU.  8,  S.  851.    —    69)  K.  Wenzig,    D.  Gedankenzusammenh.  in  Schillers  „Lied  ?.  d. 


A.  Köster,  Schiller.  IV  9  ■  70-78 

Sprachgebrauch  hier  „das  blosse  Wähnen"  im  Gegensatz  zum  Wissen  bedeutet,  so 
wie  Richard  Wagner  das  Wort  noch  brauchte,  als  er  seiner  Bayreuther  Villa  den 
Namen  gab.  Aus  derartigen  Missdeutungen  sieht  man,  wie  weit  wir  schon  von  der 
Ausdrucksweise  des  18.  Jh.  entfernt  sind,  und  wie  dringend  nötig  uns  ein  Hülfsmittel 
ist,  das  uns  den  Sprachgebrauch  unserer  Klassiker  festlegt;  kommt  ein  grösserer 
Thesaurus  noch  nicht  zu  stände,  so  könnte  die  gemeinsame  Arbeit  einiger  Gelehrter 
vielleicht  vorläufig  ein  Hülfsbuch  in  kleinerem  Umfange  schaffen.  —  Das  Motto  der 
Schillerschen  „Glocke"  wird  nach  Sprengers70)  Vermutung  der  Dichter  aus  Lichten- 
bergs Aufsatz  über  „Glockentaufe"  (Göttinger  Taschenkai.  für  1782,  S.  26 — 39)  ge- 
wonnen haben.  7,~73)  — 

So  ziemlich  das  Unerhörteste  an  Interpretation  eines  Schillerschen  Gedichts 
leistet  sich  Schneide win74)  bei  Gelegenheit  der  „Götter  Griechenlands".  WTer 
in  der  Kunst  des  Missverstehens  so  weit  selbst  den  Grafen  Stolberg  übertrumpft,  wer 
in  der  sehnsüchtigen  Elegie  nichts  als  den  Preis  des  Polytheismus  findet  und  wer 
dabei  so  von  allen  Musen  verlassen  ist,  für  den  hat  allerdings  Schiller  nicht  g'elitten. 
Damit  erledigt  sich  zugleich  Sch.s  Frage,  ob  man  das  Gedicht  in  der  Schule 
behandeln  solle:  Wenn  der  Lehrer  es  kann,  g-ewiss  gern;  sonst  lieber  nicht. 
Dem  schönheitsdürstenden  Jüngling  sollte  man  die  „Götter  Griechenlands"  nicht 
vorenthalten.  — 

Zwei  kleine  Aufsätze  von  Gassner75-76)  über  Schillers  „Spaziergang" 
haben  nur  bescheidenen  Wert.  Kann  die  mitgeteilte  Disposition  vielleicht  Schülern 
das  Verständnis  erleichtern,  so  ist  der  Vergleich  mit  Goethes  „Ilmenau"  nur  geeignet, 
Verwürung  anzurichten.  Das  Motiv  der  Wanderung,  an  die  sich  eine  Vision  an- 
schliesst,  ist  weit  verbreitet;  in  allem  aber,  was  jenseits  dieser  Einkleidung  liegt, 
ähneln  sich  die  beiden  Gedichte  gar  nicht.  — 

Hoenig77)  hat  einem  Jugendgedicht  Schillers,  dem  „Triumph  der  Liebe", 
einen  fördernden  Aufsatz  gewidmet.  Bekanntlich  hat  Schiller  selbst  zug-estanden, 
er  habe  das  Gedicht  „auf  Veranlassung  der  Nachtfeyer  der  Venus  von  Bürger  ge- 
schrieben." H.  stellte  sich  daher  die  Aufgabe,  Schillers  Leistung  mit  dem  Bürgerseben 
Vorbild  und  dieses  wieder  mit  dem  lateinischen  Pervigilium  Veneris  zu  vergleichen. 
So  ist  eine  zweiteilige  Abhandlung  entstanden,  in  deren  erstem  Abschnitt  H.  eingehend 
darlegt,  wie  Bürger  sich  philologisch  den  lateinischen  Text  gestaltete,  um  ihn  dann 
sinn-  und  wortgetreu  zu  übersetzen,  wie  er  aber  durch  seine  etwas  brutale  Eigenart 
gar  nicht  zum  Uebersetzen  geschaffen  war  und  daher  trotz  seinem  Bemühen,  antik 
zu  sein,  in  diesem  Gedicht  doch  immer  ein  redseliger  Anakreontiker  des  18.  Jh. 
blieb.  Bei  dem  Vergleich  mit  den  späteren  Ueberarbeitungen  der  „Nachtfeier"  stellt 
sich  obendrein  heraus,  dass  Bürger  mit  immer  grösserer  Einseitigkeit  die  Form,  und 
nur  die  äussere  Form,  peinlich  verbesserte,  säuberte,  polierte.  Er  suchte  seinen 
Versen  (in  diesem  Punkt  ein  Vorläufer  der  Romantiker)  ganz  abgesehen  von  ihrem 
Inhalt  eine  rein  musikalische  Wirkung  zu  verleihen  und  erlag  dabei  leider  der  Gefahr, 
von  einer  Redaktion  zur  anderen  die  Eigenart  des  Gedichtes  immer  mehr  zu  ver- 
nichten. Lernt  man  nun  so  die  Bürgersche  „Nachtfeier"  kennen,  dann  erscheint 
Schillers  „Triumph  der  Liebe"  durchaus  nicht  als  eine  Nachahmung,  sondern  fast 
als  eine  Palinodie.  H.  zeigt  mit  Sorgfalt,  dass  schon  das  Motiv  der  Venushymne 
in  der  Anthologie  ganz  Schillerisch  ist,  dass  hier  die  Leidenschaft  frei  und  wild 
mit  der  Form  schaltet,  dass  mythologische  Einkleidung  dem  Dichter  nur  Mittel 
zum  Zweck  ist,  dass  er  stets  nur  das  Ganze,  die  entzückte  Verherrlichung  der  höchst 
vergeistigten  Liebe  im  Auge  hat  und  daher  in  Einzelheiten  oft  unklar  ist,  während 
Bürger  gerade  auf  das  Detail  sein  Augenmerk  richtet  und  darüber  die  Logik  des 
Ganzen  ausser  Acht  lässt.  Nur  wo  einmal  in  kleinen  Nebenmotiven  Schiller  mit 
seinem  Vorgänger  übereinstimmt,  da  stellt  sich  ungewollt  auch  wörtlicher  Zusammen- 
klang mit  Bürgers  brünstiger  „Nachtfeier"  ein.  — 

Endlich  hat  Neuhöffer78)  Schillers  Vergilübersetzungen  untersucht 
und  ist  dabei  zu  dem  bekannten  Resultat  gekommen,  dass  den  Dichter  das  gewählte 
Metrum,  die  Stanze,  die  er  sehr  frei  behandelt,'  zu  vielen  Auslassungen  und  Er- 
weiterungen verleitet  habe.  Das  lässt  sich  durch  eine  Zusammenstellung  der  Ver- 
änderungen am  lateinischen  Text  leicht  erweisen;  und  eben  diese  Musterung  einzelner 

Glocke".  Progr.  d.  König-Wilhelms-Gymn.  Breslau  (Gutsmann).  4°.  19  S.  —  70)  R.  Sprenger,  Zu  Schillers  Glocke:  ZDU.  8, 
S.  131.  —  71)  X  (I  U  :  &*•)  (E.  ziemlich  willkürlich  zusammengest.  Antholog.;  Schillers  „Lied  v.  d.  Glocke"  macht  in  d.  Rubrik 
„Verschiedene  Glockenstimmen"  d.  Anf.t  —  72)  X  B.  Rein,  Anschauungstaf.  für  d.  Glockenguss,  unter  bes.  Berücksioht. 
v.  Schillers  Lied  v.  d.  Glocke.  Gotha,  Perthes.  4°.  4  S.  Text.  M.  3,00.  |[BBG.  30,  S.  446;  KonsMsehr.  S.  671/2.JI  -  73)  X 
D.  Lied  v.  neuen  Civilprozess.  (Frei  nach  Schiller.)  V.  e.  Juristen.  (=  Festschrift  d.  dtsch.  Juristenver.  in  Prag.)  Prag, 
Ehrlich  (Knauer).  4  S.  Fl.  0,15.  (Parodie  auf  d.  Lied  v.  d.  Glocke.)  —  74)  M.  Schneidewin,  E.  zusammenfassende  Be- 
handl.  d.  Schillerschen  Gedichtes  „D  Götter  Griechenlands":  ZDU.  8,  S.  252  7.  —  75)  J.  Gassner,  Schillers  „Spaziergang" 
u.  Goethes  Gedicht  „Ilmenau":  ib.  S.  235  7.  —  76)  id.,  Z.  Disposition  d.  „Spazierganges"  v.  Schiller:  ib.  S.  242/4.  —  77)  B. 
Hoenig,  G.  A.  Bürgers  Nachtfeier  d.  Venus  u.  Schillers  Triumph  d.  Liebe  in  ihrem  Verhältnis  zu  d.  lat.  Pervigilium 
Veneris:  NJbbPh.  150,  S.  177-92,  223-31,  321-32.    —   78)  R.  Neuhöffer,   Schiller  als  Uebersetzer  Vergils.    Progr.  d.  Gymn. 

(4)31* 


IV  9:79-88  A.  Köster,  Schiller. 

Stellen  verleiht  der  Abhandlung"  Wert.  Man  kann  hier  Belege  finden,  wie  frei  und 
selbständig-,  selbst  bei  engem  Anschluss  an  ein  Original,  Schiller  sich  seine  antike 
Idealwelt  ausmalte.  Auch  künftige  Forscher  greifen  gewiss  noch  einmal  zu  diesen 
bequem  dargebotenen  Materialien.  Aber  der  ganze  Geist,  in  dem  die  Monographie 
von  N.  verfasst  ist,  fordert  zum  Widerspruch  auf.  Man  muss  Schillers  Uebersetzung 
nicht  wie  ein  Schulexercitium  censieren;  solch  ein  Fest  für  den  Blaustift,  bei  dem 
der  Magister  immer  nur  an  einzelnen  Stellen  haftet,  immer  nur  nörgelt,  dagegen 
für  den  Gesamteindruck  des  Gedichts  und  für  die  Gesamtabsicht  des  Dichters  keinen 
Blick  hat,  solch  ein  Fest  durfte  selbst  ein  Lessing  sich  doch  nur  bereiten,  als  er 
noch  sehr  jung  war.  Unsere  Ansprüche  an  eine  kritische  Untersuchung  sind  heute 
grösser.  Wir  erwarten  bei  der  Würdigung  einer  poetischen  Uebersetzung  vergangener 
Tage  die  Beantwortung  zweier  Fragen :  Was  hat  hier  der  Poet  für  alle  Zeiten,  und 
was  hat  der  Uebersetzer,  der  Gelehrte  für  seine  Zeit  geleistet?  Stüuntersuchungen 
im  weitesten  Sinne  werden  die  Grundlage  zur  Beantwortung  bilden,  dann  kann  im 
ersten  Fall  das  ästhetische,  im  zweiten  Fall  das  historische  Urteil  sich  mit  Zuversicht 
hervorwagen.     Bei  N.  fehlt  beides;   über  blosse  Statistik  kommt   er  nicht   hinaus.  — 

An  die  Spitze  der  Betrachtung  von  Schillers  Dramen79"81)  stelle  ich  ein 
Programm  von  Kettner82),  das  unter  der  allgemeinen  Ueberschrift  „Schiller- 
studien" eine  Reihe  von  selbständigen  Aufsätzen  enthält,  die  an  den  geeigneten 
Stellen  einzureihen  sind.  Die  Sammlung  wird  eröffnet  durch  einen  Datierungs- 
versuch der  drei  Dramenverzeichnisse,  die  wir  von  Schillers  Hand  besitzen.  Das 
grösste  unter  ihnen,  das  im  Facsimile  dem  Schillerschen  Kalender  beigegeben  ist, 
setzt  K.  in  den  Sommer  1802,  wie  ich  glaube,  mit  Unrecht.  Die  Hs  verrät  zu  deutlich, 
dass  dies  Register  gar  nicht  in  einem  Zuge  hingeschrieben  ist.  Besonders  auf  der 
ersten  Seite  zeigt  jeder  einzelne  Dramentitel  eine  besondere  Beeinflussung  der  Hs. 
Ich  glaube,  dass  die  Niederschrift  dieser  drei  Seiten  sich  über  viele  Jahre  hinzieht, 
von  1797  bis  1804;  auch  aus  der  Reihenfolge  der  Titel,  die  der  Dichter  in  grossen 
Zwischenräumen  sich  notierte,  wird  noch  manches  zu  schliessen  sein.  Richtig  scheint 
mir  die  Datierung  der  beiden  anderen  Verzeichnisse.  Das  eine  (bester  Druck  jetzt: 
Schillers  Nachlass,  her.  von  Kettner  2,  S.  95  Anm.  2)  setzt  K.  in  das  Frühjahr  1804, 
das  andere  (ib.  S.  80,  Z.  -20  ff.)  in  die  Zeit  vom  Okt.  1797  bis  März  1799. 
Die  erste  Zeile  darin  („Der  Genius.  Das  Kind")  deutet  K.  als  den  frühesten  Doppel- 
titel der  „Kinder  des  Hauses".  —  Eine  Ausgrabung  ist  anzu schliessen.  Man  hat 
Koberstein 83)  keinen  besonderen  Dienst  erwiesen,  indem  man  einen  Aufsatz  vom 
J.  1838,  den  der  Vf.  nie  der  Veröffentlichung  oder  auch  nur  der  Ueberarbeitung  für 
wert  erachtete,  ans  Licht  zog.  K.  betrachtet  sehr  einseitig  und  ohne  Zusammenhang 
mit  dem  ganzen  Bau  der  Stücke  den  Schluss  einer  Reihe  von  Tragödien.  Seine 
Fragestellung  ist  stets  die:  Was  bleibt  von  Menschen  und  menschlichen  Verhältnissen 
am  Schluss  des  Stückes  übrig,  das  uns  über  den  miterlebten  Zusammenbruch  aller 
Grösse,  Schönheit  und  Herrlichkeit  trösten  könnte?  Bei  einer  solchen  Betrachtung, 
die  von  falschen  Prämissen  ausgeht,  wundern  wir  uns  natürlich  nicht,  dass  ein 
ganz  unerwartetes  Resultat  zu  Tage  tritt,  nämlich:  jenes  Schicksal,  das  den  Menschen 
erhebt,  indem  es  ihn  zermalmt,  haben  nur  Shakespeare  und  Goethe  darstellen  können, 
während  Lessing  und  Schiller  (wenn  wir  die  „Jungfrau  von  Orleans"  ausnehmen) 
die  Forderung  nie  erfüllt  haben.  — 

Wenden  wir  uns  den  einzelnen  Dramen  zu !  Eine  kleine  Krähwinkeliade 
erzählt  uns  Struck84).  Die  Väter  der  Stadt  Stralsund  hatten  so  grosse  Besorgnis, 
es  möchten  durch  eine  Aufführung  der  „Räuber"85)  die  guten  Sitten  der  Bürger 
gefährdet  werden,  dass  sie  dem  Prinzipal  Tilly,  als  er  1783  das  Stück  spielen  lassen 
wollte,  in  letzter  Stunde  die  Erlaubnis  dazu  verweigerten.  Und  dieses  Verbot  blieb 
trotz  aller  Proteste  des  Publikums,  ja  selbst  trotz  eines  Theaterskandals  im  J.  1794 
bis  ans  Ende  des  Jh.  bestehen.  Erst  dem  Direktor  Doebbelin  gelang  es,  am  15.  Dec.  1799 
eine  Räuberaufführung  in  Stralsund  zu  stände  zu  bringen.  — 

Unter  dem  Sondertitel  „Die  Komposition  von  Kabale  und  Liebe"86)  hat 
K  e  1 1  n  er 87)  die  Einheitlichkeit  des  Stückes  erörtert.  Aeusserlich  ist  sie  so  unangreifbar, 
wie  nur  je  bei  Schiller.  K.  verlegt  die  drei  ersten  Akte  auf  einen  Tag,  den  vierten 
und  fünften  Akt  auf  den  nächstfolgenden.  Für  diese  Ansetzung  spricht  das  ganze 
Gefüge  der  Handlung;  und  nur  die  eine  Stelle  „Wir  haben  gestern  den  Präsidenten 

Warendorf,  (Schnell).  1893.  4°.  41  S.  —  79)  X  L.  Bellermann,  Schillers  Dramen  (JBL.  1891  IV  10:87):  Gyran.  12, 
S.  423/4.  —  80)  X  F.,  H.  Landwehr,  Dichterische  Gestalten  in  gesch.  Treue  (JBL.  1893  IVla:5;  9:84):  LCB1. 
S.  564.  —  81)  X  H.  Knispel,  Schillers  Dramen  auf  d.  Grossherzogl.  Hoftheater  in  Darmstadt.  Theatergesch.  Rückblick  z. 
Schiller-Cyklus.  Darmstadt,  (Zernin).  51  S.  M.  0,75.  —  82)  G.  Kettner,  Schillerstudien.  Progr.  Pforta.  (Naumburg  a.S., 
Sieling.)  4°.  54  S.  --  83)  (IV  6:16.)  —  84)  F.  Struok,  D.  Verbot  d.  Rauberaufführungen  in  Stralsund:  StralsundZg. 
N.  89.  —  85)  O  X  F.  v-  Schiller,  The  Robbers.  Transl.  into  English  by  E.  S  t.  P  ea  r  s  o  n.  (=  German  class.  plays  N.  9.) 
Dresden,  Pierson.  1S93.  110  S.  M.  1,00.  —  86)  X  J.  Minor,  D.  2.  Aufführung  v.  Kabale  u.  Liebe  in  Frankfurt  a.  M.: 
Enph.  1,  S.  608.  (Korrigiert  d.  v.  E.  Mentzel  als  „Sonntag,  d.  2.  Mai  1784"  angegebene  Datum  d.  2.  Aufführung  in  „Montag, 
d.  3.  Mai".    Sonntags  wurde   in  Frankfurt    nicht   gespielt.)    —    87)    (=  N.  82.)    —   88)   J.   Herzog,   D.  Prinz  y.  Asturien. 


A.  Köster,  Schiller.  IV  9  :  89-101 

im  Haus  gehabt  ....  morgen  hat  der  Major  den  Dienst",  nur  diese  Stelle,  auf  die 
gestützt  Bellermann  die  Handlung  über  drei  Tage  verteilt,  scheint  zu  widerstreiten. 
Aber  selbst  diese  Worte  weiss  K.  zu  verteidigen.  Ist  somit  an  der  äusseren  Kontinuität 
der  Handlung  nichts  auszusetzen,  so  ist  dagegen  die  innere  Einheit  um  so  stärker 
verletzt.  K.  weist,  wie  andere  Forscher  vor  ihm,  darauf  hin,  dass  mit  dem  dritten 
Akt  eine  neue  Intrigue  beginnt;  er  erörtert  vor  allem  genauer  als  seine  Vorgänger 
die  Stellung  der  Lady  im  Drama.  Die  Inkongruenzen  sind  ja  deutlich.  K.  zerlegt 
die  beiden  Auftritte  der  Lady  in  vier  Halbscenen  und  glaubt  noch  erkennen  zu  können, 
dass  von  diesen  ursprünglich  die  erste  und  vierte  an  einander  schlössen  und  die 
Katastrophe  der  Maitresse  bis  zu  ihrer  demütigen  Entsagung  vorführten,  „die  Tragödie 
eines  weiblichen  Karl  Moor",  die  vielleicht  nach  Lessingscher  Technik  eine  Episode 
des  vierten  Aufzuges  gebildet  hat.  Die  jetzigen  Widersprüche,  die  mangelhafte  Ein- 
gliederung der  Milfordscenen  sind  erst  ein  Resultat  der  späteren  Umarbeitung,  bei 
der  Schiller  vielleicht  allzu  sehr  den  Forderungen  der  Mannheimer  Bühne  und  ihres 
Intendanten  nachgab  und  aus  der  Partie  der  Lady  eine  grosse  Paraderolle  für  Madame 
Rennschüb  machte.  — 

Es  gewährt  ein  lebhaftes  Interesse,  mit  Schillers  „Don  Carlos"  den  „Prinzen 
von  Asturien"  von  de  Enciso  zu  vergleichen,  den  Herzog88)  für  die  deutsche  Bühne 
bearbeitet  hat.  In  manchen  Punkten  berührt  sich  dies  Drama,  das  sich,  wie  neuere 
Forschung  zeigt,  eng  an  die  Geschichte  hält,  mit  dem  mittleren  der  drei  Pläne 
Schillers.  Alles  dreht  sich  um  den  Konflikt  zwischen  Vater  und  Sohn.  Im 
einzelnen  aber  den  Zusammenhang  beider  Tragödien  nachzuweisen,  ist  an  der  Hand 
von  H.s  Werk  unmöglich,  weil  man  nicht  erkennen  kann,  ob  sich  der  „Bearbeiter" 
stark  von  Schiller  hat  beeinflussen  lassen.  Der  „Prinz  von  Asturien",  so  wie  ihn 
H.  uns  bietet,  zeigt  in  der  Scene,  in  der  Carlos  seinen  Beichtvater  fragt,  ob  die  Kirche 
für  Vatermord  Vergebung  bieten  könne,  starke  Anklänge  an  das  deutsche  Drama. 
Aber  wir  wissen  nicht,  auf  wessen  Rechnung  sie  zu  setzen  sind.89)  — 

Einige  Blätter  mit  Notizen  über  den  „Wallen  st  ein"90-97)  haben  sich  im 
Nachlass98)  von  D.  F.  Strauss  gefunden;  sie  enthalten  Aphorismen,  die  für  den  Autor 
interessant,  für  die  Interpretation  nicht  besonders  fördernd  sind,  teils  paradox  (die 
Gestirne,  an  die  Wallenstein  glaubt,  und  von  denen  schon  der  Prolog  redet,  sollen 
nur  „der  poetische  Ausdruck  für  den  Drang  des  Lebens"  sein),  teils  längst  widerlegt 
(Wallensteins  Schwanken,  Charakter  des  Oktavio).  Obwohl  Strauss  sich  selbst  die  Un- 
befangenheit nimmt  durch  ein  Spähen  nach  der  Idee  und  Moral  des  Stückes,  so  ent- 
hält doch  seine  Skizze  manche  knappe  anregende  Einzelbemerkung:  Wallenstein  wird 
als  eine  Mischung  von  Macbeth  und  Hamlet  aufgefasst,  von  Ehrgeiz  und  Bedenklich- 
keit; die  Gräfin  Terzky  ist  dagegen  das  ganz,  was  er  nur  halb  ist,  und  zeigt  sich 
ihm  deshalb  in  der  grossen  Ueberredungsscene  weit  überlegen.  Auffällig,  wenn  nicht 
gar  auf  Irrtum  beruhend,  ist  die  Mitteilung,  Strauss  habe  in  den  dreissiger  Jahren  in 
Berlin  den  Wallenstein  so  abgeteilt  gesehen,  dass  noch  der  ganze  jetzige  erste  Akt 
von  „Wallensteins  Tod"  zu  den  „Piccolomini"  gehörte.  Kann  das  noch  Ifflandsche 
Tradition  sein  ?  —  An  Einzelbemerkungen  zu  dem  Gedicht  ist  nur  eine  der  Miscellen 
zu  verzeichnen,  wie  sie  Sprenger99)  jährlich  dutzendweise  in  die  Welt  schickt:  in 
„Wallensteins  Lager"  V.  856  seien  die  Worte  „unmittelbarer  und  freyer"  attributive, 
nicht  substantivierte  Adjektive  und  daher  nicht  mit  grossen  Anfangsbuchstaben  zu 
schreiben.  —  Zur  Vor-  und  Nachgeschichte  des  Dramas  haben  wir  je  einen  Beitrag. 
Von  den  Wallensteindramen,  die  Vetter100)  mustert  und  die  an  anderer  Stelle  zu 
besprechen  sind,  hat  nur  eines,  das  Stück  von  Nicolaus  Vernulaeus,  ein  paar  An- 
klänge an  Schillers  Tragödie.  Ob  aber  nun  diese  üebereinstimmungen  zufällig  sind, 
oder  ob  wirklich  Schiller  seinen  Vorgänger  benutzt  hat,  bleibt  fraglich;  V.  hat  weder 
das  eine  noch  das  andere  beweisen  können.  —  Unter  den  Nachahmungen  des 
„WTallenstein"  hat  kurze  Zeit  das  Stück  von  Benjamin  Constant  von  sich  reden  ge- 
macht; aber  wenn  auch  in  Frankreich  die  erste  und  einzige  Auflage  schnell  ver- 
griffen war  und  gute  Freunde  deshalb  von  einem  Erfolg  des  Dichtere  redeten,  in 
Deutschland  kann  man  doch  heute  wie  vor  neunzig  Jahren  nur  lächeln  über  das 
kümmerliche  Opus.     Dennoch  ist  uns    eine  Abhandlung   wie    die   von    Glauser101) 

Tranersp.  in  3  Aufz.  d.  Don  Ximenes  de  Enciso.  Für  d.  dtsch.  Bühne  bearb.  Wien,  Frick.  VUI,  118  S.  ML  2,80.  |[M.  Kal- 
beck: NWienTBl.  N.  44;  G.  F  r  u  b  e  r  g  e  r  :  WienTBl.  N.  168;  RPL.  1,  S.  32.]|  -  89)  X  0.  P  f  u  1  f ,  D.  Gesch.  e.  unglückl. 
Fürstensohnes:  StML.  47,  S.  136-61,  294-324,  383-413,  544-70.  (Gesch.  d.  Don  Carlos  mit  Benutzung  v.  Büdingers  [JBL.  1891 
IV  10:73]  Publikation.)  -  90)  O  X  *■  ▼•  Schiller,  Wallenstein.  Her.  t.  W.  H.  Carruth.  New-York,  Holt*  Co.  79,  220  S. 
Doli.  1,00.  —  91)  X  id..  Wallenstein.  Trilogie  avec  notices  et  notes  par  L.  Schmitt.  5.  ed.  (  =  Cours  sup.)  Paris,  Delagrave. 
VUI,  71  S.  -  92)  X  K.  Breul,  Schillers  „Wallenstein":  ModLanguages.  1,  S.  12/4,  29-30.  (E.  Bibliogr.,  d.  d.  dtsch.  Forscher 
nichts  Neues  bietet.)  —  93)  X  '■  Riedl,  Schillers  Wallenstein  als  trag.  Charakter.  Progr.  Laibach.  64  S.  —  94)  X 
M.Miller,  Schillers  Wallenstein.  Trier,  Stephanus.  1893.  292  S.  M.  1,20.  |  [A.Jonas :  ZGymn.  28,8. 370,  l.j;  —  95)  X  (m  *  S*J-)  — 
96)  X  W-  Henke,  Litt.  Miscellen:  AZgB.  N.  242.  ^Schillers  Thekla:  e.  Kettung.)  -  97)  X  <>•  Hellinghaus,  J.  Imel- 
mann,  Herder  u.  Schillers  Wallenstein  (JBL.  1893  IV  7:8;  9:  92):  Gymn.  12,  S.  542.  —  98)  Ungedrucktes  aus  d.  Nachlasse 
v.  D.  F.  Strauss:  DR.  2,  S.  103-10.  -  99)  R.  Sprenger,  Zu  Schillers  „Wallensteins  Lager*:  ZDU.  8,  S.  125.  -  100) 
(I  11  :24;  III  4:8.)  —    101)  C.  Glauser,  Le  Wallenstein  de  Benjamin  Constant  (mit  e.  Tab.).     Progr.  städt.  höh.  Uandelssch. 


IV  9:io2-no  A.  Köster,  Schiller. 

willkommen,  weil  sie  einmal  in  geschickter  Darstellung-  und  auch  mit  Hülfe  zweier 
Tabellen  den  Grad  der  Abhängigkeit  des  „Wallstein"  vom  „Wallenstein"  feststellt. 
Constant  wählte  gerade  dieses  Stück,  weil  er  es  für  die  nationalste  deutsche  Tragödie 
hielt  und  weil  er,  wie  Schiller  selbst,  gewisse  Analogien  zwischen  dem  Friedländer 
und  Napoleon  fand.  Die  Vorsätze  für  seine  Umdichtung,  die  er  in  der  Vorrede  aus- 
sprach, sind  gewiss  zu  billigen;  die  dramatische  Kraft  Constants  aber  war  gering. 
Er  hatte  die  ausgesprochene  Absicht,  soweit  es  nötig  war,  das  deutsche  Stück  der 
französischen  Bühne  anzupassen,  um  es  in  Paris  spielen  lassen  zu  können.  Blosses 
Uebersetzen  war  dabei  unmöglich.  Da  er  kein  Genie  war,  das  neue  Bahnen  finden 
konnte,  so-  rettete  er  von  Weimarer  Eindrücken,  was  ihm  effektvoll  schien,  kürzte  die 
wohlberechnete  Schillersche  Scenenfolge,  strich  das  Personal  auf  fünf  Haupt-  und 
sechs  Nebenpersonen  zusammen  (wobei  Oktavio  und  Max  zu  Gallas  und  Alfred 
wurden)  und  folgte  im  übrigen  den  klassischen  französischen  Bühnentraditionen, 
indem  er  Passionen  an  Stelle  wirklicher  Charaktere  setzte,  Einheit  von  Ort  und  Zeit 
durchführte  und  daher  die  Handlung  lächerlich  überstürzte.  Ganz  wegfallen  musste 
Wallensteins  Lager,  das  Bankett  bei  Terzky  und  alles,  was  mit  Wallensteins  astro- 
logischem Glauben  zusammenhängt.  Von  dem  Lokalkolorit,  um  das  sich  Schiller  so 
sehr  gemüht  hat,  ist  bei  Constant  nichts  zu  spüren.  Nur  hie  und  da  hat  er  passende 
Schillersche  Verse  als  Flicken  auf  seinen  löcherigen  Bettlermantel  gesetzt.  Zwei 
Irrtümer  in  der  Abhandlung  G.s  wollen  wir  dem  Nichtdeutschen  verzeihen:  seine 
Ansicht,  dass  die  echte  Tragödie  nur  in  der  Gunst  des  Hofes  blühen  könne,  und  dass 
Schillers  Wallenstein  (S.  9)  im  J.  1615  spiele.  — 

Die  Dramen  Schillers,  deren  Reihe  mit  „Maria  Stuart-"102"108)  beginnt, 
unterwirft  Gaudig109J  einer  eingehenden  Betrachtung.  Sein  unbefangenes  Urteil  ist 
erfreulich;  durch  Gustav  Frey  tags  „Technik  des  Dramas"  mit  ihrem  Schematismus 
oder  auch  durch  die  Vergleichung  mit  Shakespeare  ist  früher  das  Urteil  über 
Schillers  Dramen  oft  ungünstig  beeinflusst  worden.  Diese  Gefahr  hat  G.  glücklich 
vermieden.  Jedem  Drama  ist  eine  besondere  Abhandlung  gewidmet,  die  mit  kleinen 
Variationen  stets  die  Abschnitte  enthält:  Geschichte  der  Abfassung;  der  Dichter  und 
sein  Stoff;  die  geschichtlichen  Voraussetzungen  und  Quellen;  der  Gang  der  Handlung. 
G.  kennt  alles  Wichtige  aus  der  einschlägigen  Litteratur  und  hat  es  frei  verarbeitet; 
besonders  Bellermann  hat  ihm  gute  Dienste  geleistet.  Dabei  bleibt  nur  zu  bedauern, 
dass  G.  zu  viel  des  Guten  mitteilt.  Das  Buch  ist  unnötig  aufgeschwellt.  Auch  ist 
es  immer  ein  missliches  Unternehmen,  zugleich  für  die  Schule  und  für  das  Haus  zu 
schreiben;  ich  glaube  wenigstens  nicht,  dass  der  Hausvater,  der  G.s  Buch  in  die  Hand 
nehmen  soll,  sich  gern  auf  jeder  Seite  als  „Schüler"  behandeln  lässt.  Am  wenigsten 
gelungen  ist  die  Analyse  der  Stücke.  Scene  für  Scene  wird  betrachtet,  Aufbau  und 
Bedeutung  für  den  Fortschritt  der  Handlung  festgestellt;  dazwischen  aber  mischt  G. 
Einzelerläuterungen  ein,  und  sogar  Nachträge  zu  den  historischen  Voraussetzungen. 
Zwar  suchen  dann  Ueberblicke  über  die  einzelnen  Akte  und  schliesslich  ein  Rück- 
blick über  das  ganze  Stück  in  die  unübersichtlich  gewordene  Masse  wieder  Klarheit 
zu  bringen.  Aber  es  ist  zu  spät;  das  Ganze  bleibt  verworren.  Man  kann  eben  eine 
Analyse,  die  wirklich  diesen  Namen  beanspruchen  darf  und  die  also  des  Dichters 
Absichten  und  seine  Technik,  sowie  die  Beziehung  aller  Teile  des  Kunstwerks  zum 
Ganzen  erklärt,  nicht  sorgfältig  genug  von  allen  fremden  Bestandteilen  freihalten. 
Eine  Analyse,  die  wortreicher  ist  als  die  Dichtung  selbst,  trägt  zum  Verständnis  kaum 
noch  bei.  Nimmt  man  sich  jedoch  die  Mühe,  die  Darlegungen  G.s  für  eigenen  Gebrauch 
wieder  zum  Bude  zu  konzentrieren,  so  bietet  das  Buch  manche  Belehrung.  Zum 
Nachschlagebuch  eignet  es  sich  nicht,  weil  ein  Register  fehlt.  —  Ueber  den  früher 
so  gern  durch  kurzsichtige  Erklärer  verbreiteten  Irrtum,  der  dann  von  überempfind- 
samen Bühnenkünstlerinnen  noch  verstärkt  wurde,  als  habe  Schiller  in  seiner  Maria 
Stuart  trotz  dem  Wortlaut  der  Dichtung  eine  unschuldig  Leidende  darstellen  wollen, 
über  diesen  Irrtum  sind  wir  wohl  endgültig  hinaus.  Die  Quintessenz  der  Motivierung 
des  Dramas  liegt  in  den  Worten  „Gott  würdigt  mich,  durch  diesen  unverdienten  Tod 
die  frühe  schwere  Blutschuld  abzubüssen".  Und  wenn  der  Dichter  der  Geschichte 
auch  Zugeständnisse  hat  machen  müssen,  so  erkennen  doch  die  Historiker,  besonders 
seit  den  Bresslauschen  Untersuchungen  über  die  Kassettenbriefe,  die  sichere  geschicht- 
liche Divination  Schillers  mehr  und  mehr  an.  Sehr  verständnisvoll  spricht  sich 
darüber  Michael110)  in  einer  populären  Studie  aus.  — 

Aussig.  56  S.  —  102)  O  X  A.  Bhoades.  F.  v.  Schiller,  Maria  Stuart.  Boston,  Heath  &  Co.  24,  232  S.  Doli.  0,65.  —  103)  O  X 
F.  v.  Schiller,  Mary  Stuart.  (=  Mod.  translations.)  London,  Bell.  Sh.  1.  —  104)  X  id ,  Marie  Stuart.  (=  Bibl.  litt,  des 
ocoles  et  des  familles.)  Paris,  Gautier.  36  S.  Fr.  0,10.  (Prosa-Ü9bers.  d.  wichtigsten  Scenen  d.  Dramas.)  —  105)  X  W., 
Marie  Stuart.  Extr,  relies  par  des  analyses.  Avec  notes  et  notices  par  L.  Schmitt.  5.  ed.  (=  Class.  allem.  Les  auteurs 
du  progr.)  Paris,  Delagrare.  V,  66  S.  —  106)  X  ia  *  Marie  Stuart.  Tragödie  Texte  allem,  prec.  d'une  analyse  litt,  de 
Mme.  de  Stael  et  publitt  avec  des  notes  explicatives  par  Th.  Fix.  Nouv.  ed.  (=  Class.  allem.)  Paris,  Hachette.  X,  212  S. 
Fr.  1,50.  —  107)  X  G-  Storm,  Maria  Stuart.  Uebers.  v.  P.  Witt  mann.  Mönchen.  Mehrlich.  264  S.  Mit  Abbild,  u.  Taf. 
M.  5,00.  |[H.  Funck:  LRs.  30,  S.  90/1;  K.:  StML.  46,  S.  319-20;  H.  S.:  Ges.  S.  969;  LCB1.  S.  1135.J]  —  108)  X  J-  Engel, 
M.  Philippson,   Hist.  du  regne  de  Maria  Stuart   (JBL.  1893  1Y  9:  103):   MHL.  22,   S.  309-11.    —    109)  (I  6:40.)    —    HO)  W. 


A.  Köster,  Schiller.  IV  9  i  111-140 

Indem  er  Schillers  „Jungfrau  von  Orleans"111-149)  gegen  die  Angriffe 
der  „unverständigen  Kritik"  in  Schutz  nimmt,  hat  Baumgart150)  doch  wohl  nicht 
den  Kern  der  Vorwürfe,  die  gegen  das  Drama  erhoben  werden,  getroffen,  trotz  seines 
diktatorischen  Tons  und  seiner  vielen  Unterstreichungen.  Nicht  die  Berechtigung' 
des  Wunders  in  der  Kunst  überhaupt  oder  in  dieser  Tragödie  im  speciellen  gilt  es 
nachzuweisen.  Die  steht  über  allem  Zweifel.  Die  Frage  ist  vielmehr,  ob  Schiller  die 
rechten  künstlerischen  Mittel  zu  Gebote  standen,  um  in  diesem  Falle  das  Wunder 
überzeugend  zu  machen.  Und  da  sage  ich  mit  vielen  „Nein".  Des  Dichters  Absicht 
ist  klar  und  herrlich;  aber  das  visionäre  Mädchen  leibhaft  in  Fleisch  und  Blut  hin- 
zustellen, ist  ihm  nun  einmal  nicht  gelungen.  Diese  Jungfrau  ergreift  nur  manch- 
mal unbewusst  das  Rechte,  oft  handelt  sie  ganz  bewusst  nach  Motiven;  ihre  Entschlüsse 
sind  abwechselnd  durch  Hellsehen  und  durch  begriffliches  Denken  veranlasst.  Sie 
weiss  ihre  eigenen  Gefühle  so  klar  zu  analysieren,  dass  es  schwer  hält,  an  ihren 
blinden  Gehorsam  zu  glauben.  Wo  nun  vollends  B.  an  das  Deuten  der  tragischen 
Handlung  kommt,  da  kann  man  ihm  unmöglich  folgen.  Ist  das  etwa  die  Aufgabe 
des  Interpreten  einer  Dichtung-,  dass  er  das  bunte  phantasievolle  Bild  verflüchtigt  zu 
einer  windigen  „Idee"?  Von  dem  ganzen  reichen  Schicksal  der  Jungfrau  bleibt  bei 
B.  nichts  übrig,  als:  es  ist  der  typische  Entwicklungsgang  eines  Idealisten.  —  Da  ist 
Valentin151)  dem  Dichter  doch  viel  mehr  gerecht  geworden;  er  operiert  doch 
wenigstens  stets  mit  jener  ganzen  Welt  des  schönen  Scheins,  die  Schiller  die  Haupt- 
sache ist;  ihm  sind  die  Menschen  doch  eben  auch  Menschen,  nicht  blosse  Symbole. 
Aber  auch  er  ist  auf  einem  Wege,  den  viele  schon  zu  ihrem  Schaden  betreten  haben. 
Gewiss  hat  V.  darin  recht,  dass  die  „Jungfrau  von  Orleans"  und  der  „Kampf  mit  dem 
Drachen"  sich  in  einem  Problem  berühren,  nämlich  in  dem  der  Ueberhebung  und 
Selbstgerechtigkeit  des  Christen  und  seiner  Läuterung  zum  freiwilligen  Gehorsam, 
zur  Demut.  Aber  das  ist  doch  in  diesem  Drama  nur  ein  Motiv  neben  anderen  — ,  nicht 
das  einzige;  ja,  schon  indem  man  es  zum  Hauptproblem  erhebt,  muss  man  hier 
einen  Teil  der  Handlung  über  Gebühr  in  den  Vordergrund  schieben,  dort  einen 
anderen  gewaltsam  zurückdrängen.  Man  sieht  an  V.s  sonst  so  hübschem  Vortrag 
wieder,  wie  gefährlich  es  ist,  ein  grosses  Kunstwerk  auf  eine  einzige  Formel  bringen 
zu  wollen.  —  Eine  kleine  Notiz  möge  bei  diesem  Drama  den  Schluss  machen: 
Johannas  Abschied  von  der  Heimat  am  Ende  des  Vorspiels,  den  Düntzer  in  seinen 
Erläuterungen  mit  dem  Abschied  des  Philoktet  bei  Sophokles  zusammengestellt  hat, 
möchte  Eng ler t152)  lieber  vergleichen  mit  der  ersten  Idylle  des  Theokrit:  Scheide- 
gruss  des  Hirten  Daphnis.  — 

Michael,  D.  Schuld  Maria  Stuarts:  N&S.  71,  S.  92-108.  —  111)  X  *•  ▼•  Schiller,  D.  Jungfrau  v.  Orleans.  Mit  10  Illustr. 
(=  m.  Volksausg.  Mass.  Meisterwerke.)  B.,  Litt.-Ver.  „Minerva".  60  S.  M.  0,50.  —  112)  X  •*■«  Jeanne  d'Arc.  Texte  all., 
publie  avec  un  argument  analytique,  une  notice  litt.,  des  eclaircisseraents  et  des  notes  par  Edm.  Bailly.  5  ed.  (=  Class. 
allemands )  Paris,  Uachette.  LH,  276  S.  Fr.  2,50.  —  113)  X  id.,  Jeanne  d;Arc.  Ed.  class.  du  texte  alleraand  avec  introd.  et 
comment.  par  E.  Henry.  Paris,  Belin.  XXXIII,  333  S.  —  114)  X  «••»  Jeanne  d'Arc.  Ed.  class.,  prec.  d'une  notice  litt,  par 
M.  E.  Hallberg.  (=  Coli,  des  aut.  all.  prescrits  pour  les  classes  et  les  examens  du  baccalaureat.)  Paris,  Delalain.  XX, 
196  S.  Fr.  1,25.  —  115)  X  M-<  Joanne  d'Arc.  Extr.  relies  par  des  analyses.  Avec  notes  et  notices  par  L.  Schmitt.  5.  ed. 
(:=  Cours  sup.  de  langae  allemande.  Les  auteurs  du  progr.)  Paris,  Delagrave.  V,  57  S.  -  116)  X  >^.,  Jeanne  d'Arc. 
Trad.  franc.  par  Ad.  Regnier.  Nouv.  ed.  Paris,  Hichette.  VIII,  179  S.  Fr.  3,00.  —  117)  O  X  id-  The  Maid  of  Orleans. 
(=  Mod.  translations.)  London,  Bell.  Sh.  1.  -  118)  X  A..  Cfhuquet],  Ueber  N.  113:  RCr.  37,  S.  389.  (D.  reichhaltige  — 
vielleicht  zu  reichhaltige  —  Komm,  wird  mit  Ausnahme  einiger  gewagter  Etymologien  sehr  gerühmt.)  —  119)  X  E.  Elster, 
F.  Ullsperger,  d.  schwarze  Ritter  (JBL.  1890  IV  12:129):  ADA.  20,  S.  204/5.  -  120)  X  Les  pofctes  de  Jeanne  d'Arc.  (=  Nouv. 
bibl.  pop.  N.  404.)  Paris,  Gautier.  36  S.  Fr.  0,10.  —  121)  X  '•  Barbier,  Jeanne  d'Arc.  Drame  en  cinq  actes,  en  vers, 
avec  choeurs.  Ed.  spec.  pour  la  jeunesse.  Avec  une  lettre  de  Jules  Barbier.  Musique  de  Ch.  Gounod.  Dauxierae  mille. 
Paris,  Bricon.  108  S.  (Diese  Bearbeit.  für  d.  Jugend  rührt  v.  H.  Darbelit,  Priester  d.  Diöcese  v.  Bayonne,  her.)—  122)  X 
id.,  Jeanne  d'Arc.  Drame-opera  et  5  actes  et  en  vers.  Musique  de  Ch.  Gounod.  Theme  et  Biographie.  St.-Etienne,  Theolier. 
16  S.  —  123)  X  E.  Magnin,  A  Jeanne  d'Arc  liberatrice,  ode  symphonique.  Paroles  de  Vie  et  J.  Barbier.  Orleans,  Michau. 
16  S.  —  124)  X  Abbe  Rivet,  Ode  symphonique  ä  Jeanne  d'Arc,  liberatrice,  par  E.  Magnin,  paroles  de  Vie  et  Barbier, 
executee  dans  la  cathedrale  d'Orleans.  Les  7  et  8  raai  1894.  Orleans,  Herlnison.  25  S.  —  125)  X  k.  Gaillard, 
Jeanne  d'Arc,  drame  hist.  en  7  actes,  d'apres  les  pieces  de  Barbier,  Baju,  Chauffour  et  les  histoires  de  Jeanne.  Grovy,  Roux. 
60  S.  —  126)  X  Jehan  Gr'eech,  Jeanne  d'Arc.  Drame  en  cinq  actes.  Avec  choeurs  et  Couplets.  Paris,  Bricon.  95  S. 
—  127)  X  Th.  d'Orleans,  Jeanne  d'Arc.  Drame.  Vanves,  Imp.  franciscaine  missionaire.  62  S.  —  128)  X  V.\.  Delaporte, 
La  revanche  de  Jeanne  d'Arc  (17  Juin  1434),  drame  hist.  en  qnatre  actes,  en  vers.  3.  ed.  Paris,  Retaux.  IX,  121  S.  — 
129)  X  P-  &  S.,  Le  Martyre  de  la  venerable  Jeanne  d'Arc,  brülee  par  les  Anglais  en  1431,  recit  en  vers,  suivi  de  notes  et 
documents  se  rapportant  ä  ce  grand  drame  hist.  Carcassonne,  Bonafous.  36  S. . —  130)  X  A..  Rochette,  La  vocation  de 
Jeanne  d'Arc  (vers).  (=:  Extr.  de  l'Univ.  cath.)  Lille,  Vitte.  8  S.  -  131  »X  Touchet,  Panegyrique  de  Jeanne  d'Arc  prononce 
dans  la  metropole  de  Besancon  le  8  mai  1894.  Besancon,  Jacquin.  20  S.  —  132)  X  E.  Legros,  Panegyrique  de  la  venerable 
Jeanne  d'Arc,  prononce  ä  l'occasion  du  pelerinage  annuel  et  de  l'inauguration  du  groupe  monumental  ä  la  Basilique  de 
Domremy  le  30  mai  1894.  Saint-Die,  Humbert.  21  S.  —  133)  X  T.  Delmont,  Panegyrique  de  Jeanne  d'Arc,  preche  le 
ö  juin  1894,  dans  l'eglise  Saint-Pierre  de  Montbrison.  Montbrison,  Brassert.  50  S.  —  134)  X  Geay,  Dien  dans  Jeanne 
d'Arc.  Panegyrique  de  Jeanne  d'Arc,  prononce  le  30.  mai  1894,  dans  la  cathedrale  Saint-Jean.  Paris,  Selbstverl.  29  S.  — 
135)  X  J-  Lemann,  Jeanne  d'Arc  conservatrice  du  coeur  de  la  France,  panegyrique  prononce  dans  la  cathedrale  d'Aix,  le 
8  mai  1894.  Paris,  Lecoffre.  30  S.  —  136)  X  Feuillette,  Panegyrique  de  Jeanne  d'Arc  prononce  ä  Notre-Dame  pour 
l'introd.  de  sa  cause  de  beatification,  le  27  avril  1894.  Paris,  Quelquejeu.  67  S.  (Aus  dieser  Rede  sind  auch  Auszüge  er- 
schienen in  Paris  bei  Le  Boucher.)  —  137)  X  Raynal,  Panegyrique  de  Jeanne  d'Arc,  prononce  le  8  mai  1884,  en  l'eglise 
Notre-Dame-des-Jacobins,  ä  Agen.  Agen,  Laniy.  18  S.  —  138)  X  Gaffre,  Jeanne  d'Arc,  discours  patriot,  prononce  ä 
l'hippodrome  de  Lille  le  29  avril  1894.  Lille,  Berges.  47  S.  —  139)  X  F.  Descostes,  Jeanne  d'Arc  et  la  jeunesse  franc., 
discours  prononce  le  10  juin  1894.  Chambery.  Imp.  savoisienne.  29  S.  —  140)  X  Brettes,  La  France  du  XX.  siecle  et 
Jeanne*  d'Arc,   discours    prononce  dans  la  basilique   du  Sacre-Coeur   de  Montmartre,   le  8  mai  1894.    Paris,   Schneider.    47  S. 


IV  9  •.  ui-166  A.  Köster,  Schiller. 

An  die  Anregung  zur  „Braut  von  Messina" t5315,7),  die  Schiller  nach 
Kettners158)  Meinung  aus  Beaumont  und  Fletchers  Drama  „A  King  and  no  King" 
gewonnen  haben  soll,  vermag-  ich  nicht  zu  glauben.  Gekannt  freilich  hat  Schiller 
das  Stück,  da  sein  Freund  Huber  es  1785  unter  dem  Titel  „Ethelwolf  oder  der  König 
kein  König"  bearbeitet  hatte.  — 

Unter  den  Dramen  Schillers  bleibt  trotz  aller  Ausstellungen  der  Kritik 
„Wilhelm  Teil"159"164)  doch  der  Liebling  des  Volkes,  besonders  auch  in  der 
Schweiz,  wo  jetzt  genau  an  der  Stelle,  an  der  der  sagenhafte  Apfelschuss  statt- 
gefunden haben  soll,  das  Telldenkmal 165)  von  R.  Kissling  errichtet  worden  ist,  neben 
dem  Turm,  der  an  Stelle  der  ehemaligen  Linde  auf  dem  Altdorfer  Rathausplatz  steht. 
Als  eine  Gestalt  voll  männlichen  Ernstes  blickt  dieser  Teil  von  einem  Felsen  herab, 
an  dessen  Seitenflächen  auf  Bronzereliefs  der  Apfelschuss,  der  Sprung  aus  dem 
Herrenschiff,  der  Tod  Gesslers  und  Teils  Ende  dargestellt  sind.  —  Sehr  lehrreich  ist 
ein  Aufsatz  von  Roethe166)  für  jeden,  der  nicht  falsche  Folgerungen  daraus  zieht 
und  der  nicht  ängstlich  jeden  Nachweis  von  Anregungen  und  Entlehnungen  flieht, 
weil  er  ihn  für  identisch  hält  mit  Zweifeln  an  des  Dichters  Originalität.  R.  geht 
davon  aus,  dass  Schillers  „Teil"  merkwürdig  viele  epische  und  didaktische  Elemente 
enthalte,  und  dass  diese  auffallende  Thatsache  noch  nicht  hinreichend  erklärt  sei.  Und 
um  das  Resultat  vorauszunehmen,  so  leitet  R.  die  Erscheinung  her  aus  der  starken 
Benutzung  schweizerischer  Telldramen,  die  Schiller  mit  einer  gewissen  Ehrfurcht  be- 
trachtet und  deren  didaktische  Züge  er  wohl  für  echte  Volkstümlichkeit  angesehen 
hat.  Zugleich  erklärt  sich  durch  diesen  Nachweis  auch  manche  Ungeschicklichkeit 
im  Aufbau  von  Schillers  Drama,  vor  allem  die  Rivalität  zweier  gleich  wichtiger 
Haupthandlungen.  Denn  auch  das  ist  ältere  Tradition :  das  Telldrama  einzurahmen 
durch  die  Geschichte  der  Eidgenossenschaft.  Die  Schweizerspiele,  die  R.  mustert, 
haben  nicht  alle  gleich  stark  auf  Schiller  gewirkt.  Das  alte  Urner  Spiel  hat  er  sicher, 
und  zwar  schon  beim  Beginn  seiner  Arbeit  gekannt,  denn  die  Weimarer  Bibliothek 
besass  es  in  einer  Ausgabe  von  1698;  ob  ihm  auch  das  Ruefsche  Spiel,  das  in 
manchen  Partien  nur  eine  Erneuerung  jenes  älteren  ist,  zugänglich  war,  bleibt  frag- 
lich. Jedenfalls  steht  von  diesen  Stücken  des  16.  Jh.  das  Urner  Spiel  Schiller  näher 
als  das  Ruefsche.  Die  Anregungen  aus  dieser  Sphäre  sind:  der  Aufbau  der  Melchthal- 
scene,  der  lange  Geschichtsvortrag  Stauffachers  und  die  Wiederholung  des  Eides 
durch  den  Chor  auf  dem  Rütli,  dann  vor  allem  die  Konzentration  der  Apfelschuss- 
scene,  und  endlich  manche  charakteristische  Wendungen  des  Dialogs,  darunter  die 
letzten  Drohungen  Gesslers.  Die  der  Zeit  nach  folgenden  französischen  Tragödien 
des  18.  Jh.,  den  „Grisler"  von  Samuel  Henzi  und  dessen  Umgestaltung,  sowie  den 
„Guillaume  Teil"  von  Lemierre  scheint  Schiller  nicht  gekannt  zu  haben.  Alle  Ueber- 
einstimmungen  werden  durch  Mittelspersonen  oder  durch  Zufall  veranlasst  sein.  Der 
erste  Dramatiker,  der  Teils  That  nicht  mehr  unbestritten  als  rühmlich  feiert,  sondern 
sie  bereits  gegen  Zweifler  rechtfertigen  muss,  ist  Bodmer.  Seine  „Schweizerischen 
Schauspiele"  und  seinen  „Hass  der  Tyranney"  hat  Schiller  gelesen;  beweisend  ist 
der  von  Bodmer  eingeführte  Name  Hedwig  für  Teils  Frau.  Aber  auch  der  Dialog 
bietet  manche  Anklänge;  die  grundlegenden  Charakterzüge  zu  einem  Rudenz  erkennt 
man  bei  Bodmer;  vor  allem  teilen  verwandte  Scenen  bei  Bodmer  und  Schiller  die 
gleiche  Stimmung,  leider  auch  bisweilen  die  gleiche  Lehrhaftigkeit.  J.  J.  Zimmer- 
manns „Wilhelm  Teil"  von  1777  ist  ohne  Belang.    Dagegen  waren  Schiller  die  beiden 


—  141)  X  H.  Eony,  Jeanne  d'Arc,  Discours  prononce  ä  la  distribution  des  prix  de  l'ecole  libre,  ä  Södan  (2  aoüt  1894). 
Sedan,  Laroche.  16  S.  —  142)  X  Abb6  Pihan,  Jeanne  d'Arc,  imitatrice  de  Notre-Seigneur  Jesus-Christ  dans  sa  vie  sainte 
et  sa  passion  glorieuse,  discours  prononce  le  30  mai  1894  dans  l'eglise  Saint-Denis  de  la  Chapelle  ä  Paris.  Paris,  Selbstverl. 
30  S.  —  143)  X  Vallee,    Jeanne  d'Arc.     Discours  prononce  dans  l'eglise    du  Crotoy,   le  12  aoüt  1894.     Paris,     Belin.     74  S. 

—  144)  X  M.  Sepet,  Ouvrages  recents  sur  Jeanne  d'Arc:  Polybibl1'.  70,  S.  403-18.  (48  Werke  werden  mit  kurzen  Bemerk, 
bedacht.)  —  145)  X  H.  Walion,  Jeanne  d'Arc.  Ed.  abreg.  de  l'ouvrage  couronne  en  1860  par  l'Acad.  franc.  7.  ed. 
(=  Biographies  nat.  Litt,  pop.)  Paris,  Hachette.  XI,  300  S.  Fr.  1,00.  —  146)  X  Homburg.  D.  Jungfrau  v.  Orleans: 
B61.  15,  S.  325-47.  (D.  kleine  Biogr.  ist  v.  Schillers  Drama  stark  beeinflusst.)  -  147)  X  F-  p  Huber,  D.  Heiligsprechung 
d.  Jungfrau  v.  Orleans:  VossZgB.  N.  7.  —  148)  X  Ch-  Thomassin,  D.  heilige  Jeanne  d'Arc:  FrB.  5,  S.  573/7.  —  149)  X 
Quis?,  Jeanne  d'Arc  e.  Heilige?  Skept.  Stud-  gelegentl.  d.  Kanonisationsprozesses.  München,  Poessl.  VIII,  147  S.  M.  3,00. 
|[B.  Mahrenholtz:  MHL  22,  S.  177-80;  P.  Hille:  Sphinx  18,  S.  78.]|  —  150)  H.  Baumgart,  Schillers  Jungfrau  y.  Or- 
leans: Euph.  1,  S.  110-24.  —  151)  V.  Valentin,  Z.  Feier  v.  Schillers  Geburtst.  D.  künstler.  Hauptproblem  in  Schillers 
„Jungfrau  t.  Orleans*:  BFDH.  10,  S.  19*-38*.  —  152)  A.  Englert,  Zu  Schillers  „Jungfrau  v.  Orleans",  Prol.,  4.  Auftr.: 
ZDTJ.  8,  S.  703.  -  153)  X  F-  v-  Schiller,  D.  Braut  v.  Messina.  E.  Trauersp.  mit  Chören.  (Miniaturansg  )  L,  Reclam.  16°. 
89  S.  M.  0,60.  —  154)  X  'd.,  D'e  Braut  v.  Messina.  (=  111.  Volksausg.  v.  klass.  Meisterwerken.)  B.,  Litt.  Ver  „Minerva".  48  S. 
M.  0,30.  —  155)  X  (!  6  :  Bä.)  —  156)  X  (!  6 :  44- )  (Wünscht,  dass  durch  e.  vergleich.  Betracht,  d.  Motive  verwandter 
Dichtungen  d.  dtsch.  Unterr.  in  d.  Schule  vertieft  werde.)  —  157)  X  A.  Köster,  J.  B.  Gerlinger,  D.  griech.  Elemente  in 
Schillers  Braut  v.  Messina  (JBL.  1893  IV  9:127)-  DLZ.  S.  436.  —  158)  (=  N.  82.)  —  159)  X  (I  6:81.)  —  160)  X  P- 
v.  Schiller,  Wilhelm  Teil.  Schausp.  Mit  12  Illustr.  (=  111.  Volksausg.  klass.  Meisterwerke.)  B.,  Litt.-Ver.  „Minerva".  54  S. 
M.  0,50.  —  161)  X  id.,  Guillaume  Teil.  Avec  notices  et  notes  par  L.  Schmitt.  6.  ed.  (=  Cours  sup.  de  langue  allemande. 
Les  auteurs  du  programme.)  Paris,  Delagrave.  X,  69  S.  •-  162)  X  >d-,  Guillaume  Teil.  Texte  all.,  public«  avec  une  introd., 
une  analyse  litt,  et  des  notes  grarara.,  bist,  et  geograph.  par  Th.  Fix.  Paris,  Hachette.  XXIV,  239  S.  Fr.  1,50.  — 
163)  O  X 'd,  William  Teil,  (  =  Mod.  translations.)  London,  Bell.  Sh.  1.  -  164)  X  E.  Elster,  K.  Breul,  Wilhelm  Teil  (JBL.  1890 
IV  12:133):  ADA.  20,  S.  91/2.   -  165)  Telldenkmal  in  Altdorf:  Gartenlaube  S.  611/2.  —  166)  G.  Boethe,  D.  dramat.  Quellen 


A.  Kost  er,  Schiller.  IV  9  =  107-174 

Teildramen  Ambühls  vertraut,  sowohl  der  matte  „Wilhem  Teil"  von  1792,  den  bereits 
J.  Keller  als  Quelle  erwiesen  hatte,  als  auch  der  ältere  zerfahrene  „Schweizerbund" 
von  1779.  Bei  diesem  Stück  ist  schon  das  Personen  Verzeichnis  beweisend,  mehr  aber 
noch  die  Verteilung-  des  Stoffes  auf  die  fünf  Akte  und  einzelne  Stellen  des  Dialogs. 
Ein  Schlusswort  R.s  wägt  sorgsam  Nutzen  und  Schaden  dieser  dramatischen  Quellen 
gegen  einander  ab:  der  echten  volkstümlichen  Tradition  dankt  Schiller  manche  grosse 
Wirkung,  dagegen  viel  Uebles  auch  jener  didaktischen  Tendenz,  die  er  fälschlich  für 
Volkstümlichkeit  hielt.  An  Einzelheiten  aus  dem  anregenden  Aufsatz  hebe  ich  noch 
hervor,  dass  R.  Meissners  „Johann  von  Schwaben"  für  die  Parricidascene  stärker 
heranzieht,  als  es  Brahm  (ZDA.  27,  S.  299 ff.)  gethan.  Die  merkwürdigen  Ueberein- 
stimmungen  zwischen  Veit  Weber  und  Schiller  beruhen  vielleicht  darauf,  dass  Weber 
gerüchtweise  von  Schillers  „Teil"  gehört  hatte.  Endlich  stellt  R.  (S.  237/9)  zur  Er- 
wägung, ob  nicht  Fr.  Schlegels  „Alarkos"  auf  Schiller  sowohl  wie  auf  Goethe  ein- 
gewirkt habe:  auf  den  einen,  als  sich  (ohne  Zweifel  unter  Einfluss  der  jungen  Romantik) 
in  seiner  Seele  der  Teil  so  stark  individualistisch  ausbildete,  auf  den  anderen,  als  er 
Fausts  Fluch  (V.  1583 — 1606)  dichtete.  —  Zwei  unbedeutende  Kleinigkeiten  sind  noch 
anzumerken.  Die  Frage  nach  der  Bedeutung  Parricidas,  die  bei  jeder  Lektüre  des 
„Teil"  sich  wieder  einstellt,  beantwortet  Sc  ho  epke167)  dahin,  dass  Teil  kein  frevler 
Meuchelmörder  sei,  sondern  in  Notwehr  handle,  und  dass  die  Erscheinung  des  Herzogs 
von  Schwaben  nicht  etwa  eine  unsittliche  That  beschönigen,  sondern  vielmehr  jeden, 
der  etwa  geneigt  wäre,  sich  über  die  sittliche  Berechtigung  der  That  Teils  zu  täuschen, 
von  dieser  Täuschung  befreien  solle.  Sicher  lag  dergleichen  in  Schillers  Absicht; 
aber  das  Grauenhafte  des  Zwanges  zu  Teils  Notwehr  bleibt  doch  bestehen.  —  Gegen 
die  Hoffmannsche  Erklärung  des  Verses  1990  im  „Teil"  (JBL.  1892  IV  9 :  136)  wendet 
sich  nun  auch  E.  Meyer168);  er  setzt  die  Worte  „Du  rettest  [ja]  alle"  =  „Du  bist 
ja  der  Retter  aller  Bedrängten"  und  sieht  darin  eine  Reminiscenz  an  Luc.  23,  35ff.  — 
Das  Interesse  für  die  Bühnenbearbeitungen169"170)  und  den  Nachlass 
Schillers  ist  noch  rege.  Zur  Herausgabe  des  Nachlasses  hat  sich,  wie  in  den  früheren 
Jahrgängen  der  JBL.  gezeigt  ist,  Kettner170a)  mit  grosser  Sorgfalt  vorbereitet.  Es 
konnte  daher  den  Mitgliedern  der  Goethegesellschaft  kaum  ein  willkommneres 
Jahresgeschenk  zu  teil  werden  als  seine  Demetriusausgabe.  Alles,  was  von  dieser 
gewaltigen  Dichtung  an  Vorstudien,  Entwürfen  und  Fragmenten  erhalten  ist,  hat  K. 
vereinigt,  gesichtet  und  mit  erläuternden  Beigaben,  Einleitung  und  Lesarten,  ver- 
sehen. So  sei  ihm  denn  für  seine  Mühe  und  Entsagung  hier  der  freudigste  Dank 
gesagt.  Wir  haben  in  dieser  Ausgabe,  was  wir  brauchen;  aber  wir  werden  sie  nicht 
als  toten  Besitz  hinnehmen,  sondern  immer  neue  Erkenntnis  von  des  Dichters  Eigenart 
aus  ihr  erarbeiten.  Wie  den  Weinberg  in  der  Fabel  wollen  wir  die  Demetriusausgabe 
ansehen;  „Grabt  nur",  die  Mahnung  ergeht  an  uns  alle.  Bei  solcher  Arbeit  wird 
dann  freilich  an  K.s  Leistung  manches  zu  bessern  sein.  Darüber  wird  sich  niemand 
wundern,  der  die  Schwierigkeiten  einer  solchen  Edition  kennt.  Aber  hier  ist  nicht 
der  Ort  dafür;  ich  persönlich  werde  im  ADA.  Gelegenheit  haben,  Verbesserung's- 
vorschläge  und  Ansichten  über  des  Dichters  Arbeitsweise  vorzutragen.  Hier  genüge 
es,  anzuerkennen,  dass  K.  in  der  Einleitung  die  Quellenfrage,  wenn  nicht  ans  Ziel 
gebracht,  so  doch  wesentlich  gefördert  hat,  und  dass  er  bei  dem  Bemühen,  das 
Schillersche  Drama  im  Bilde  erstehen  zu  lassen,  die  rechte  Mitte  hält  zwischen  allzu 
kühnem  Schwung  der  Phantasie  und  allzu  ängstlicher  Reserve.  Bei  dem  Abdruck 
der  Fragmente  selbst  macht  K.  ohne  jede  Voreingenommenheit  den  Weg,  den 
der  Poet  gegangen,  rückwärts,  d.  h.  er  stellt  an  die  Spitze  die  vollendeten 
Bruchstücke  des  Dramas,  lässt  dann  die  Skizzen  und  Entwürfe,  die  ihnen  und 
den  unvollendeten  Teilen  zur  Grundlage  dienten,  folgen  und  schliesst  die  Reihe 
mit  dem,  was  für  Schiller  der  Ausgang  war,  mit  den  Vorstudien  und  Kollektaneen. 
—  Zu  welchem  Zweck  über  den  „Demetrius"  171"173)  Stein174)  eine  gar 
so  lange  Abhandlung  geschrieben  hat,  ist  nicht  recht  klar.  Mindestens  der 
erste  Teil,  das  Programm  von  1891,  könnte  gänzlich  fehlen;  denn  es  bringt  nur 
Auszüge  aus  Schillers  Nachlass  nach  Goedeke.  Anzuerkennen  ist  dabei,  dass 
St.  kräftiger  als  es  sonst  geschieht,  betont,  die  Entdeckung  von  des  Demetrius 
unedler  Herkunft  müsse  dem  ersten  Zusammentreffen  mit  Marfa  vorangehen.  Die 
im  zweiten  Teil  aneinandergereihten  Inhaltsangaben  der  sämtlichen  Fortsetzungen 
des  Schillerschen  Fragmentes  können  vielleicht  denen,  die  diese  Dramen  selbst  nicht 

d.  Schillerschen  „Teil".  (=  I  2  :  50,  S.  224-76.)  —  167)  0.  Schoepke,  Zn  Schillers  „Wilhelm  Teil":  ZDÜ.  8,  S.  263  5. 
(Vgl.  ib.  S.  704/5.)  -  168)  E.  Meyer,  Zu  Schillers  Teil  III,  3:  ib.  S.  135.  —  169)  X  E.  Elster,  A.  Köster,  Schiller  als 
Dramaturg  (JBL.  1891 IV  10:  117):  ADA.  20,  S.  174-82.  —  170)  X  F.*  Schiller,  Oncle  et  ne?eu.  (D.Neffe  als  Onkel.)  Publ.et  annot.par 
Alex.  Pey.  4.  ed.  Paris,  Delagrave.  68  8.  —  170a)  G.Kettner,  Schillers  Demetrius.  Nach  d.  Hss.  d.  Goethe  u.  Schiller- Arch.  her. 
(  =  Schriftend.Goethe-Ges.  Bd.  9.)  Weimar,  Goetheges.  (Boehlau).  LXX,  312  S.  (Nur  für  Mitgl.  d.  Ges.)  —  171)  X  J-  Herzfelder, 
Schillers  Demetrius:  MünchNN.  N. 560.  (Enth. manche  grobe  Fehler.)  —  172)  XR-  Franz,  Gesichtspunkte  U.Materialien  z. Behandl.  t. 
Schillers  Demetrius  (Schluss).  (JBL.  1893  IX  9  :  144):  Gymn.  12,  S.  29-30.  -  173)  O  X  X  (I  H  •  23.)  —  174)  A.  Stein,  Schillers 
Demetriusfragment  u.  seine  Fortsetz.  Progr.  d.  Gewerbeschule.  Mülhausen  (Bader).  1891  u.  1894.  4°.  23,  26  S.  i[L.  Hölscher; 

Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.     V.  (4)32 


IV  9  :  175-194  A.  Köster,  Schiller. 

kennen,  einigen  Nutzen  gewähren.  —  Der  „Polizey"  175)  hat  Kettner176)  eine  hübsche 
Studie  gewidmet,  die  vieles  an  Stettenheims  Arbeit  vertieft.  K.  verfolgt  zuerst 
Schillers  Bekanntschaft  mit  moderner  französischer  Belletristik,  sein  Interesse  für 
Saintfoix,  für  Mercier,  für  Paris.  Wolzogen,  W.  von  Humboldt,  bezw.  Campe,  und 
Friedrich  Schulz  bringen  dem  Dichter  fernere  Nachrichten  über  französische  Zustände; 
die  Zeiten,  als  Schiller  den  Moniteur  las  und  über  den  Prozess  des  Königs  ein 
Memoire  schreiben  wollte,  ziehen  vorüber;  die  spätere  Lektüre  wird  schnell  gemustert. 
So  stand  denn  das  grossstädtische  Leben  Schiller  klar  vor  der  Seele.  Welche  Lockung 
nun, dieses  Leben  im  Bilde  festzuhalten  !  Auf  diesem  Wege  kommt  K.  zu  der  Erklärung, 
wie  gerade  Schiller,  der  doch  in  den  Xenien  darüber  gespottet  hatte,  wie  das  bürger- 
liche Drama  mit  Pranger  und  Galgen  arbeitete,  sich  entschloss,  selbst  ein  Polizeistück 
zu  entwerfen,  aber  eins,  das  in  Paris  spielte,  wo  Schiller  der  Polizei  eine  Rolle 
zuerteilen  wollte,  wie  sie  in  den  Ritterromanen  der  achtziger  Jahren  die  heilige 
Vehme,  die  unheimliche  furchtbare  Macht  im  Verborgenen,  gehabt  hatte.  Dazu  gab 
der  Pitavai  neue  Anregung.  Aber  künstlerisch  reif  wurde  das  alles  erst  durch  die 
Beschäftigung  mit  der  antiken  Tragödie.  Neben  dem  Stofflichen  der  Polizei-Intrigue 
hat  gerade  ein  formales  Interesse  Schiller  gereizt  die  Technik  des  Oedipusdramas,  die 
Enthüllung  eines  alten  Verbrechens.  Durch  solche  künstlerische  Form  konnte 
der  anfangs  ziemlich  niedrige  Stoff  in  die  höhere  Sphäre  reiner  Tragik  gehoben 
werden.  Zugleich  aber  trat  es  Schiller  früh  schon  ins  Bewusstsein,  dass,  wenn  er 
diesem  Tragödienstoff  das  Grausen  und  alle  Grösse  nehme,  gar  leicht  hier  die  Welt 
der  Komödie  sich  aufthue.  Und  so  sind  neben  einander  jene  zwei  Entwürfe  ent- 
standen, die  K.  kurz  skizziert,  indem  er  damit  gleich  einen  Kommentar  zu  seiner 
inzwischen  erschienenen  Ausgabe  der  Fragmente  giebt.  Gescheitert  ist  Schiller  sicher 
deshalb,  weil  er  hier  nicht  eine  geschlossene  Fabel  als  erste  Anregung  vorfand, 
sondern  in  das  ihm  vorschwebende  Bild  der  Pariser  Welt  eine  frei  erfundene  Handlung 
erst  hineinkomponieren  musste.  Und  das  war  immer  Schillers  schwache  Seite.  Die 
weiteren  Beiträge  in  K.s  Programm  sind  nur  kleinere  Miscellen.  Zum  Entwürfe  der 
„Prinzessin  von  Celle",  die  Schiller  zweimal  mit  einem  charakteristischen  Schreib- 
fehler als  Prinzessin  von  Kleve  bezeichnet,  stellt  K.  die  Möglichkeit  fest,  dass  die 
„Princesse  de  Cleves"  der  Madame  de  la  Fayette  eingewirkt  habe,  die  Schiller  wohl 
auch  schon  zur  Zeit  der  Carlosdichtung  bekannt  war.  Die  „Verschwörung  gegen 
Venedig",  die  sich  unter  den  Dramentiteln  bei  Schiller  verzeichnet  findet,  möchte 
K.  nicht  auf  jene  „Conjuration  des  Espagnols  contre  la  republique  de  Venise"  von 
St.-Real  deuten,  mit  der  sich  Otway  und  Huber  abgequält  haben,  sondern  er  möchte 
dahinter  das  tragische  Ende  des  Dogen  Marino  Falieri  suchen.  Schliesslich  wird 
man  die  Bemerkungen  über  die  Abschriften,  die  Charlotte  von  den  Maltheserfragmenten 
machte,  zu  der  Kettnerschen  Ausgabe  dieser  Entwürfe  heranzuziehen  haben. 

Eine  Rubrik  „Verschiedenes"  177  m)  kann  ich  mir  diesmal  ersparen,  denn 
es  ist  nichts  Bleibendes  dafür  vorhanden.  Aber  ein  Wort  zum  Abschied  möchte  ich 
sagen.  Es  sollten  doch  die  JBL.  nicht  nur  über  einzelne  Jahre,  sondern  von  Zeit 
zu  Zeit  auch  über  grössere  Zeiträume  einen  Rückblick  halten.  Gewiss  würde  das 
der  Wissenschaft  Nutzen  bringen.  Ein  Lustrum  liegt  jetzt  hinter  uns,  für  die  Schiller- 
litteratur  eine  ergebnisreiche  Zeit.  Eine  Reihe  von  Werken,  die  dauernd  eine  Grund- 
lage des  Studiums  bleiben  müssen,  ist  in  dem  halben  Jahrzehnt  erschienen.  Aber  die 
Freude  über  diese  wenigen  auserlesenen  Arbeiten  muss  einem  geheimen  Grauen 
weichen,  wenn  man  sich  vergegenwärtigt,    dass    die  Schillerlitteratur   in    dieser  Zeit 

ASUS.  91,  S.  118.]!  —  175)  X  G-  Kettner,  L.  Stettenheim,  Schillers  Fragment  „D.  Polizey*  (JBL.  1893  IV  9:  143 1 :  Enph.  1, 
S.  172/3.  (Erkennt  d.  Quellemmtersuch.  St.s  an,  stellt  aber  im  übrigen  manche  abweichende  Ansichten  auf,  d.  in  seinen 
„Schillerstud."  weiter  ausgeführt  sind.)  —  176)  (=  N.  82.)  —  177)  X  F.  Schnedermann,  Biblische  Anklänge  bei  Schiller. 
(=:  I  1  :  69,  S.  190/5.)  (Nichts  Neues  auf  d.  5  Seiten.)  —  178)  X  Burggraf,  Schiller  u.  d.  Christentum.  Vortr.  Referat: 
DPB1.  27,  S.  30/2.  (Nicht  neu,  aber  v.  erfreulicher  Unbefangenheit.)  -  179)  X  X  p  v-  Boltenstern,  Schillers  Vergil- 
studien.  I.  Progr.  Köslin.  4°.  23  S.  |[H.  TJnbescheid:  ZDU.  8,  S.  608.]|  (Wird  erst  besprochen,  wenn  d.  Stud.  abgeschlossen 
ist.)  —  180)  X  Heine  u.  Schiller  zermalmt:  FZg.  N.  163.  (Notiz  über  thörichte  litterarhist.  Vortrr.  e.  gewissen  E.  Mauer- 
hof in  Barmen.)  —  181)  X  0-  Jäger,  Zu  Schillers  Gedächtnis  (Wotzlar,  10.  Nov.  1859).  a)  Im  Gymnasium,  b)  Auf  d.  Markt- 
platz. (=  Pro  domo.  Beden  [B.,  Seehagen.  VI,  410  S.  M.6,00],  S.  3-10.)  -  182)  X  K  Knortz,  Schiller  in  Amerika:  InternatLB.  N.  27. 
(Ganz  nnzulängl.  Bibliogr.  älterer  amerik.  Schillerausg.)  — 183)  X  F.  H  i  r  s  c  h ,  Wie  Schiller  bezahlt  wurde.  Auch  e.  Beitr.  z.  Tantiemen- 
frage: VossZg.  N.  386.  (Zusammenstell,  d.  Honorare,  d.  Schiller  v.  Bühnen  u.  Verlegern  erhielt.)  —  184)  X  '•  Wychgram,  Neue 
Schillerlitt.:  BLÜ.  S.  403/5.  —  185)  X  M.  Koch,  Neuere  Goethe-  u.  Schillerlitt.:  BFDH.  10,  S.  211-74,  413-508.  -  186)  X  H.  Un- 
be scheid,  Schillerlitt.  1893-94:  ZDU.  8,  S.  602-21.  (D.  wichtigsten  dieser  Besprechungen  habe  ich  an  d.  ihnen  zukommenden 
Stellen  eingereiht.)  --  187)  X  H,  Zu  Schillers  Aussprache  d.  Deutschen:  ZDU.  8,  S.  547/9.  (Belege  aus  Genasts  „Tagebuch 
e.  alten  Schauspielers"  dafür,  dass  Schiller  bis  an  sein  Ende  geschwäbelt  habe.)  —  188)  X  &  Petersen,  Zu  Schiller:  ib. 
S.  545/7.  (Ueber  Schillers  Fähigkeit,  mangelnde  Anschauung  durch  Lektüre  zu  ersetzen.)  —  189)  X  "~  K>  Schiller  u.  d.  Kom- 
position seiner  „Ideale"  (v.  Naumann):  NMusZg.  N.  5.  —  190)  X  A.  W.  G[ottschalg],  Einiges  über  F.  v.  Schillers 
Beziehnngen  z.  Musik:  CBHnBtrumentalmusik.  N.  15.  —  191)  X  Schillerpreis:  Gartenlaube  S.  100.  (Kurze  Notiz  über  frühere 
Preisverteilungen  u.  über  d.  Nichtbestätigung  bei  Fuldas  „Talisman".)  —  192  >  X  Aus  unserem  Citatenschatz:  Schiller  über 
d.  Schillerpreis:  Nation».  11,  S.  225.  (Citat  aus  Schillers  Abhandl.  „Ueber  d.  Pathetische".)  —  193)  X  D-  Helden  d.  Schiller- 
preises: NZS».  i2l,  S.  449-52.  —  194)  X  °-  Arendt,  Sohillerstiftung  u.  Eeuterhans:  DWB1.  7,  S.  3336.  (Es  sei  e.  Schmach, 
d.  Reuterhaus  zu  vermieten  u.  sich  nicht  lieber  an  d.  Opfermut  d.  dtsoh.  Volkes  zu  wenden,  am  d.  Mittel  zu  d.  Asyl  für  alte 
u.  sieche  Dichter  aufzubringen.)  — 


0.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  10  •.  1-4 

schlecht  gezählt  800  Publikationen  umfasst  hat.  Rechnet  man  davon  nun  auch  etwa 
100  minderwertige  Ausgaben  ab,  so  bleibt  doch  eine  entsetzliche  Ueberproduktion. 
Hoffentlich  wird  bald  eine  Ebbe  eintreten.  Den  Vf.  von  landläufigen  „Festartikeln" 
wird  man  ja  nicht  wehren  können;  aber  denen,  die  nicht  über  den  Stand  der  jetzigen 
Forschung  orientiert  sind,  ist  dringend  abzuraten,  mit  prätentiösen  Untersuchungen 
aufzutreten.  Gerade  für  GymnasialprogTamme  sind  so  wundervolle  Aufgaben  mehr 
provinziellen  Charakters  zu  lösen,  dass  man  sich  erstaunt  fragt,  warum  denn  immer 
wieder  Schiller  zu  einer  Abhandlung  herhalten  muss,  die  ja  doch  nach  kurzer  Zeit 
in  den  Papierkorb  wandert.  Ferner  sollte  vor  allem  die  abscheuliche  Miscellen- 
wirtschaft  aufhören.  Jeder  kleine  Einfall  giebt  da  einen  Artikel  ab,  und  einzelne 
Zeitschriften  fristen  ihr  halbes  Dasein  von  solchen  Abfällen.  Es  ist  zu  wünschen, 
dass  die  Schillerlitteratur  in  Zukunft  an  Breite  verliere,  aber  an  Tiefe  zunehme. 
Denn  wenn  man  Unberufene  auch  fernhalten  muss,  grosse  Aufgaben  sind  nichts- 
destoweniger auch  hier  noch  zu  lösen.  — 


IV,  10 

Romantik. 

Oskar  F.  Walzel. 

Allgemeines:  Darstellungen  N.  1:  Romantik  and  Wissenschaft  N.  4;  Romantiker  nnd  Klassiker  N.  5:  Hebbels 
Verhältnis  zur  Romantik  N.  6.  —  Schlegelscher  Kreis:  A.  W.  Schlegel  N.  8;  F.  Schlegel  N.  13;  Karoline  und  Dorothea 
N.  14;  Tieck  N.  15;  Dorothea  Tieck  N.  26;  Novalis  N.  27;  Schelling  N.  30.  —  Hölderlin  N.  34.  -  Heidelberger  Kreis: 
Arnim  und  Brentano  N.  41;  Bettina  N.  58;  Karoline  von  Günderode  N.  61.  —  Norddeutsche  Romantik:  Z.  Werner  N.68; 
Chamisso  N.  74;  E.  T.  A.  Hoffmann  N.  82;  Ernst  Schulze  N.  93.  —  Schwäbische  Romantik:  ühland  N.  94;  Kerner 
N.  113;  Hauff  N.  125.   — 

Der  deutschen  Romantik  ist  eine  im  engsten  Rahmen  gehaltene,  aber  das 
Wesentliche  glücklich  herausarbeitende  allgemeine  Darstellung  durch  Martin1) 
zuteil  geworden.  Der  §  166  seiner  Fortsetzung  von  Wackernagels  Litteraturgeschichte 
ist  überschrieben :  Die  romantische  Schule  und  die  Philosophie  des  Idealismus ,  und 
befasst  sich  mit  Fichte,  Schelling,  A.  W.  Schlegel,  dem  sein  Schüler  Gries  beigefügt 
ist,  F.  Schlegel  und  Bopp ,  Schleiermacher,  Novalis,  Albertini,  Tieck,  Solger, 
Wackenroder,  Steffens,  Rumohr.  In  §  167  wird  die  jüngere  Romantik  und  die  Be- 
gründung der  deutschen  Altertumswissenschaft  zusammengefasst,  also  Brentano  mit 
Luise  Hensel,  Görres,  Arnim,  Bettina,  SavignyyJ.  und  W.  Grimm,  Lachmann,  von 
der  Hagen,  Schmeller,  Unland,  Lassberg.  Die  schwäbischen  Romantiker  erscheinen 
in  §  172,  während  Werner  §  168  unter  den  Vertretern  des  phantastischen  Dramas, 
Fouque  und  Schulze  in  dem  der  erzählenden  Dichtung  gewidmeten  §  170,  Eichen- 
dorff  und  Chamisso  erst  in  §  174  unter  den  Norddeutschen  auftreten.  Die  in  den 
Anmerkungen  angeführte  Litteratur  giebt  eine  geschickte  Auswahl,  überlässt  jeden 
Anspruch  auf  Vollständigkeit  der  zweiten  Auflage  von  Goedekes  Grundriss,  führt 
aber  nicht  immer  die  wissenschaftlich  brauchbarsten  unter  den  neueren  Textdrucken 
an.2)  —  Der  5.  Band  von  Treitschkes3)  Werke  hat  nur  mehr  an  wenigen  Stellen 
mit  Späterscheinungen  der  Romantik  sich  befassen  können.  Tiecks  letzter  Berliner 
Aufenthalt  (S.  220)  und  Schellings  Berliner  Kathederwirksamkeit  (S.  227),  dann  das 
Erscheinen  von  Tiecks  Vittoria  Accorambona  (S.  383),  endlich  Görres  Tod  (S.  661) 
waren  zu  berichten  und  zu  würdigen.  Das  Kölner  Domfest  wird  ausdrücklich  als 
Nachklang  romantischer  Kunst-  und  Glaubensbemühungen  in  Anspruch  genommen 
(S.  172  ff).  — 

Gegenüber  den  kleinlichen,  kurzsichtigen  und  unhistorischen  Ang-riffen,  in 
denen  sich  Fachgenossen  voll  zweckloser  Erbitterung  gegen  die  Romantik  wenden, 
berühren  wohlthuend  die  Worte,  die  ein  Theologe  vom  Range  Nitzschs4),  Ver- 
treter eines  auf  dem  Felde  protestantischer  Theologie  vollwichtigen  Namens,  zu 
Gunsten  der  Romantik  und  ihrer  Einwirkung  auf  die  Wissenschaften, 
namentlich  auch  auf  die  Theologie,  spricht.  Ohne  im  wesentlichen  Neues  vorzubringen, 
im  Gegenteil  ausdrücklich  auf  Hayms  grundlegendes  Werk  sich  berufend,  fasst 
N.  in  knappster  Form  seine  These  zusammen:  Die  Romantiker  wollten  das  Ideal 
unserer  grössten  Klassiker  der  vulgären  Aufklärung  gegenüber  aufrecht  erhalten, 
indem  sie  der  einseitigen  Verstandesbildung  die  vereinten  Kräfte  des  Menschen  gegen- 


1)  (I  1  :  46.)  —  2)  X  G-  Brandes,  D.  romant.  Schule  in  Deutschland.  Uebers.  u.  eingel.  v.  A.  Strodtmann. 
4.  verm.  Aufl.  (=  Hauptströmungen  d.  Litt.  d.  19.  Jh.  Bd.  2.)  L.,  Barsdorf.  317  S.  M.  4,50.  (Leider  sehr  schlecht  ge- 
druckt.) —  3)  (IV  la:6;  1  b :  195.)  —  4)  F.  Nitzsch,  D.  romant.  Schule  u.  ihre  Einwirkung  auf  d.  Wissenschaften,  namentl. 

(4)32* 


IV  10:5-13  0.  F.  Walzel,  Romantik. 

überstellten,  der  vulgären  Regel  das  souveräne  Genie,  dem  Konventionellen  die 
Natur.  Den  mächtig  fördernden  Einfluss  der  Romantik  auf  die  historischen  Wissen- 
schaften, auf  Jurisprudenz  und  Ethik  rasch  überblickend,  verweilt  N.  endlich  des 
längeren  bei  den  Verdiensten,  die  Schleiermacher  sich  um  die  Theologie  er- 
worben hat.  Er  hat  gelehrt,  Religion  und  Theologie  zu  unterscheiden,  die  Religion 
als  etwas  unmittelbar  Lebendiges  und  Unreflektiertes  anzuerkennen  und  doch  auf 
theologischem  Gebiete  wissenschaftlicher  Kritik  und  Systematik  zu  huldigen.  Wenn 
Schleiermacher  in  dieser  Richtung  der  Aufklärungskritik  sich  anschliesst,  so  hat  er 
doch  im  Gegensatz  zu  ihr  die  Person  Christi  neben  seiner  Lehre  wieder  in  den 
Vordergrund  gestellt.  Wie  Schleiermacher  erwarb  sich  auch  de  Wette  Verdienste 
um  die  Würdigung  religiöser  Vorstellungen.  Durch  diese  Romantiker  hat  man  ge- 
lernt, Sinn  zu  haben  für  das  Individuelle  in  der  Auffassung  der  Kirchengeschichte; 
eine  Erfassung,  wie  sie  Hase  in  seinem  „Franz  von  Assisi"  giebt,  ist  erst  durch  die 
Romantik  möglich  geworden.   — 

Harnack5)  hingegen  macht  einen  wohl  vergeblichen  Versuch,  sich  der 
Einwürfe  zu  erwehren,  die  Minor  und,  an  diesen  sich  anschliessend,  Walzel  gegen 
seine  Auffassung  des  inneren  Verhältnisses  der  Romantiker  zu  den  Klassikern 
Goethe  und  Schiller  vorgebracht  hatten  (JBL.  1892  IV  10  :  2/4;  ADA.  20,  S.  70/5). 
H.  möchte,  ohne  mit  einem  Worte  der  eigentlichen  Kernpunkte  zu  gedenken,  aus 
Bernhardis  im  Vorjahre  hier  ausführlich  gewürdigten  Mitteilungen  (JBL.  1893 
IV  10  :  39)  herauslesen,  dass  die  Romantik  den  beiden  Klassikern  fremd  und  ver- 
ständnislos gegenüber  gestanden.  Thatsächlich  ergeben  auch  seine  Citate  nur, 
dass  der  alternde  Tieck  auf  Schiller  und  Goethe  wenig  gut  zu  sprechen  war;  das 
hatte  auch  vor  Bernhard!  niemand  bezweifelt.  Wie  nahe  indessen  die  Schlegel  den 
Klassikern  gekommen  sind,  wie  wenig  selbst  Schiller  verschmähte,  bei  den  Roman- 
tikern eine  Anleihe  zu  machen,  das  hat  ein  von  H.  übersehener  Aufsatz  Walzeis 
schon  im  Vorjahre  neuerlich  klargestellt  (JBL.  1893  IV  10  :  12).  — 

Weniger  subjektiv  gedenkt  der  Romantik  eine  Studie  C  o  1 1  i  n  s  6),  die 
Hebbels  Verhältnis  zur  Weltanschauung  der  Romantik  erwägt.  In  den  ein- 
leitenden Bemerkungen  wird  die  romantische  Weltanschauung  knapp  charakterisiert, 
ihr  Subjektivismus  erörtert.  Die  Romantik  sei  in  ihrem  Bestreben,  die  Gottheit 
wieder  in  ihre  Rechte  einzusetzen,  zuletzt  zu  einer  völligen  Vernichtung  aller  eigent- 
lichen Menschennatur  gekommen.  Hebbel  versuche  dann  von  neuem,  das  roman- 
tische Problem  zu  lösen ,  Göttliches  und  Menschliches  in  Beziehung  zu  setzen. 
C.  zeigt  dann  im  einzelnen  auf,  wo  Hebbel  sich  in  dieser  Bemühung  mit  der 
Romantik  berühre,  und  wo  er  von  ihr  abweiche.7)  — 

Dem  Schlegelschen  Kreise  ist  im  Berichtjahre  keine  grössere 
Arbeit  gewidmet  worden.  Unsere  Kenntnis  der  Aesthetik  A.  W.  S  chlegels  wird  wenig 
gefördert  durch  das  schwächliche  Büchlein  von  P  i  c  h  t  o  s 8).  Der  Vf.  beklagt 
(S.  31),  dass  die  Berliner  Vorlesungen  von  1801—4  nur  durch  Hayms  Analyse  uns 
bekannt  sind!  Auch  im  übrigen  fehlt  ihm  jegliche  nähere  Kenntnis  der  einschlägigen 
Litteratur.  Wären  ihm  indes  auch  nur  die  wichtigsten  Grundlagen  für  eine  Studie 
über  W.  Schlegels  Aesthetik  bekannt  gewesen,  er  hätte  doch  durch  seine  äusserlich 
chronologische  Aneinanderreihung  Schlegelscher  Ideen  nie  etwas  Greifbares  erzielt, 
mag  er  immer  einige  Belesenheit  in  philosophischer  Litteratur  zu  gelegentlichem 
Aufputz  verwerten  können.  —  Poppenberg9)  überblickt  Schlegels  polemische 
Epigramme  und  möchte  durch  ihre  Kommentierung  einen  Wunsch  ihres  Vf. 
erfüllen.  Er  erklärt  kenntnisreich,  aber  nicht  erschöpfend.  Ausführlich  werden 
nur  die  Invektiven  gegen  Merkel,  Goethe  und  Schiller  besprochen,  die  partielle  Be- 
rechtigung der  gegen  den  letztgenannten  gerichteten  aber  nicht  erwogen.  In  Bausch 
und  Bogen  thut  er  die  übrigen  ab.  Die  in  der  „Ehrenpforte"  enthaltenen  Epi- 
gramme wurden  nicht  berücksichtigt.  Den  Reim  Merkel:  Ferkel  hat  Goethe  —  wie 
P.  zeigt  —  aus  dem  Schlegel-Tieckschen  Sonett  in  seinen  Neuen  Alkinoos  über- 
nommen. —  E.  Meyer10)  möchte  im  Gegensatze  zu  May  (JBL.  1892  IV  10 :  25)  die 
letzte  Strophe  des  „Arion"  von  Schlegel  nicht  Arion,  sondern  Periandern  zuweisen, 
ohne  freilich  May11)  in  seiner  Ansicht  irre  zu  machen.  —  Guglia12)  verwertet 
A.  W.  Schlegels  Schilderung  der  Hochzeit  vom  Kaiser  Franz  und  Kaiserin  Maria 
Ludovika  in  seiner  Biographie  der  genannten  und  giebt  reiches  Material  zur 
Kommentierung.  — 

Von  der  „Oesterreichischen  Zeitung",  die  F.  Schlegel  vom  24.  Juni  bis  zum 


d.  Theol.:  PrJbb.  75,  S.  321-36.  —  5)  0.  Harnack,  E.  Beitr.  z.  dtsch.  Romantik:  DWB1.  7,  S.  406/8.  -  6)  J.  Colli  n,  D 
Weltanschauung  d.  Bomantik  u.  Fr.  Hebbel:  Grenzb.  1,  S.  141-52,  244-57.  (Vgl.  JBL.  1895  IV  4.)  —  7)  X  J-  0-  E.  Donner, 
D.  Einfluss  W.  Meisters  auf  d.  Koman  d.  Romantiker  (JBL.  1893  IV  8d  :  32;  10  :  13):  öymn.  12.  S.  96.  —  8)  N.  M.  Pich  tos, 
D.  Aesthetik  A.  W.  v.  Schlegels  in  ihrer  gesch.  Entwickl.  B.,  C.  Vogt.  108  S.  M.  1,80.  |[R.  Friedrich:  BLU.  S.  598.]|  — 
9)  F.  Poppenberg,  Romant.  Xenien:  VossZg«.  N.  46/7.  —  10)  E.  Meyer,  Zu  Schlegels  Arion:  ZDU.  8,  S  131/5.  -  11)  0. 
May,  Noch  einmal  zu  Schlegels  Arion:  ib.  S.  410/1.  —  12  j  (IV  lb:386;  8b  :  59.)   -   13)  0.  F.  Walzel,  E.V.  Zenker,  Gesch. 


0.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  10  •.  u-34 

16.  Dec.  1809  herausgegeben  hat,  berichtet  Walzel13);  er  fügt  einige  Notizen  über 
F.  Schlegels  Redakteurthätigkeit  in  Oesterreich  hinzu.  — 

Aus  bisher  unveröffentlichten  Stellen  der  Briefe  Dorotheas  an  Schleier- 
macher  teilt  Jonas14)  eine  hübsche,  sympathisch  gehaltene  Schilderung  der  äusseren 
Persönlichkeit  Karolinens  und  des  ersten  Zusammenlebens  beider  Frauen  in 
Jena  (Herbst  1799)  mit.  Weitere  Briefstellen  bezeugen,  wie  rasch  Dorotheas 
günstiges  Urteil  ins  Gegenteil  umgeschlagen  ist.  Diskret  führt  J.  nur  wenige  Be- 
lege an,  die  natürlich  auch  Karolinens  Beziehungen  zu  Schelling  berühren.  — 

Ein  grosszügiges  Bild  von  T  i  e  c  k  s  Persönlichkeit  für  die  ADB.  zu  ent- 
werfen, hat  Bernhardi15)  leider  nicht  verstanden.  Sein  umfangreicher  Artikel 
setzt  sich  aus  einer  verwirrenden,  endlosen  Reihe  von  Titeln  und  bibliographischen 
Notizen  zusammen,  denen  eine  erkleckliche  Anzahl  von  Briefstellen  aus  romantischen 
Kreisen  angefügt  ist.  Von  einer  tiefer  begründeten  Würdigung  des  Mannes  oder 
seiner  einzelnen  Schriften  ist  keine  Rede.  Auch  das  Biographische  ist  summarisch 
genug  abgethan.  Immerhin  wird  der  Forscher  die  von  B.  angehäuften  Notizen  mit 
Gewinn  ausbeuten  können,  werden  diese  Notizen  einem  künftigen  Darsteller  will- 
kommenes Material  sein.  —  In  huldigenden  Stanzen  schildert  S  c  h  a  c  k 16)  sein  persön- 
liches Verhältnis  und  sein  Zusammensein  mit  dem  greisen  Tieck.17-25)  — 

Für  Dorothea  Tieck  hat  Bernhardi26)  auf  engem  Räume  Erfreulicheres 
geleistet  als  für  ihren  Vater.  Nach  ihren  Briefen  an  Uechtritz  wusste  er  das  Tragische 
ihres  Daseins  anziehend  zur  Geltung  zu  bringen.  — 

Die  Bedeutung,  die  der  Begriff  „sich  einfühlen"  für  Novalis27-'28)  habe, 
suchte  Ziegler29)  im  grösseren  Zusammenhange  zu  ergründen.   — 

Den  greisen  Schelling  schilderte  TitusUllrich30)  hübsch  aus  eigener 
Anschauung  anlässlich  der  fünfzigsten  Wiederkehr  seines  Todestages.  In  über- 
sichtlicher Zusammenfassung  teilt  U.  das  Wesentlichste  der  Schellingschen  Philosophie 
mit  und  feiert  panegyrisch  seine  grosse  That,  dass  er  dem  Realismus  sein  positives 
Recht  eingeräumt  habe.  —  Schärfer  urteilte  Lehmann31);  anknüpfend  an  die 
zweite  Auflage  von  Kuno  Fischers32)  Schelling,  möchte  er  das  Urteil  Fischers 
in  ungünstigem  Sinne  einschränken.33)  — 

Als  Hold  erlin  forscher  an  dieser  Stelle  schon  mehrfach  genannt,  hat 
Mülle r- Rastatt34)  eine  fleissig  gearbeitete,  dem  Dichter  jedoch  wenig  kongenial 
geratene  Biographie  geliefert.  Dreizehn  im  Anhange  mitgeteilte,  dem  auf  der 
Stuttgarter  Bibliothek  verwahrten  Nachlasse  Hölderlins  entstammende  Gedichte, 
wenn  auch  nicht  durchaus  ungedruckt,  so  doch  hier  zum  ersten  Male  bequem  zu- 
gänglich, verleihen  dem  Büchlein  seinen  Hauptwert.  Das  rein  Lebensgeschichtliche, 
durch  umfängliche  Citate  aus  Hölderlins  Korrespondenz  erhellt,  steht  im  Vorder- 
grunde; vorsichtig  und  behutsam,  gelegentlich  allerdings  gegen  Litzmann  polemisierend 
(S.  57,  97,  99),  umgeht  M.-R.  gern  die  Fragezeichen  von  Hölderlins  Existenz. 
Hölderlin  ist  ihm  kein  „blutleerer  Heiliger"  (S.  34),  aber  seine  Beziehungen  zu 
Diotima  werden  ins  Allerplatonischeste  hinübergespielt  (S.  79).  Litzmann  bezweifle 
mit  Unrecht  Jügels  Bericht  über  die  gewaltsame  Lösung  seiner  Beziehungen  zum 
Hause  Gontard.  Die  Katastrophe  von  Bordeaux  wird  mit  relativ  geringfügigen  Ent- 
täuschungen motiviert  (S.  142);  hier,  wie  in  der  ausführlichen  Beschreibung  von 
Hölderlins  Wahnsinn  vermisst  man  die  unumgänglich  nötige  psychiatrische  Termino- 
logie. Wozu  wird  immer  wieder  (freilich,  ohne  dass  auch  hier  das  Wort  erschiene) 
auf  neur asthenische  Momente  in  Hölderlins  Leben  hingewiesen,  wenn  die  Hauptfrage 
nicht  erledigt  ist,  ob  sein  Wahnsinn  erworben  oder  angeboren  war?  Jeder  Psychiater 
könnte  die  Frage  nach  dem  vorliegenden  Materiale  beantworten.  Einzelheiten  sind 
gut  herausgearbeitet:  der  gerade  für  Hölderlins  Charakter  ungünstige  Einfluss  der 
Klosterschule  (S.  11),  der  traurige  Zustand  des  Tübinger  Stifts  (S.  21),  die  innere 
Unmöglichkeit,  Priester  zu  werden  (S.  49),  die  zersplitternde  Arbeit  der  auf  Walters- 


d.  Wiener  Journalistik  (JBL.  1392  I  4  :  168;  IV  lb  :  147;  5  :  227):  ADA.  37,  S.  79-85.  —  14)  (IV  lc  :  43.)  —  15)  W.  Bern- 
hardi, L  Tieck:  ADB.  38,  S.  251-76.  -  16)  A.  F.  Graf  v.  Schade,  Episteln  u  Elegien.  St.,  Cotta.  VOI,  233  S.  M.  3.00.  — 
17-18)  X  A.  Sauer,  H.  Prodnigg.  Ueber  Tiecks  Sternbald  (JBL.  1892  IV  10:30):  ÖLB1.  3,  S.  397  8.  —  19)  X  B.  Steiner, 
L.  Tieck  u  d.  Volksbücher  (JBL.  1893  II  3:12a;  HI  3  :1;IV  10:41).  |[B.  Friedrich:  BLU.  S.  261;  G.  Klee:Euph.  1,  S.  413  ; 
M.  K(och):  LCB1.  S.  486.]  |  —  20)XPSzczepafiski,  L.  Tieck,  Werke  her.  r.  G.  Klee  (JBL.  1892  IV  10:27):  VelhKlasMh.  1, 
S.  475.  —  21)  X  G-  Klee,  Zu  E.  Kades  Besprechung  meiner  Tieckausg.  (JBL.  1893  IV  10  :  37):  ZDU.  8,  S.  77/8.  (Kleine  Nachtrr.  u. 
Berichtigungen.)  —  22)  X  ia-i  Tiecks  Leben  u.  Werke.  (=  Meyers  Volksbücher  N.  1028/9.)  L.,  Bibliogr.  Inst.  16°.  95  S. 
M.  0.20.  |[LZgB.  N.  69.]I  (Erweit.  u.  verb.  Abdr.  aus  N.  20.)  —  23)  X  L  Tieck,  D.  Geheimnisvolle.  Novelle.  (=  ebda. 
N.  1097/8.)  103 S.  M.0,20.  —  24)  X  *■  Bolte,  Mucedorus  (JBL.  1893  IV  10:35).  |[R.  Czerny:  ÖLB1.  3,  S.  702;  B.  Hoenig: 
ADA.  20,  S.  317-20.JI  —  25)  X  T-  Carlyle,  Tales  by  Musaeus,  Tieck  and  Richter.  Transl.  2  vol.  London,  Chapmann.  Sh.  2/6. 
—  26)  W.  Bernhardi,  Dorothea  Tieck:  ADB  38,  S.  2+6  7.  —  27)  X  J-  Bing,  Novalis  (JBL  1893  IV  10:47).  |[Grenzb.  1, 
8.  6578;  PrJbb.  75,  S.  378j9:  R.  Friedrich:  BLU.  S.  263;  M.  KfochJ:  LCB1.  S.  361  2.]|  —  28)  X  E.  Höber,  Novalis  (F. 
v.  Hardenberg).     Zu  seinem  Todest. :  LZgi».  N.  36.     tSchwächl.  Ausz    aus  d.  Buche  Bings.)    —    29)   Th.  Ziegler,    Z.  Genesis 

e.  ästhet.  Begriffs:  ZVLR.  7,  S.  113-20  -  30)  (IV  5  :  116.)  —  31)  (IV  5  :  115.)  —  32)  (IV  5  :  117.)  -  33)  X  (IV  8b  :  57.)  - 
34)  K.  Müller- Kastatt,  F.  Hölderlin.  Sein  Leben  u.  sein  Dichten.  Mit  e.  Anh.  ungedr.  Gedichte  Hölderlins.  Bremen, 
Hampe.    183  S.    M.  3,00.    ][G.  Morgenstern:  Ges.  S.  962;  TglBsB.  N.  65;  R.  Friedrich:  BLU.  S.  262;  M.  K(och):  LCB1, 


IV  10  :  35-41  O.  F.  Walzel,  Romantik. 

hausen  folgenden  Epoche  (S.  66),  Hölderlins  Beziehungen  zum  landgräflichen  Hofe 
zu  Homburg  (S.  102),  sein  allmähliches  Verschlossen  werden  (S.  118),  seine  endgültige 
Abkehr  von  der  Philosophie  und  seine  religiösen  Wandlungen  fS.  120).  Die  Freunde 
und  Vorbilder:  Neuffer,  Magen  au,  Stäudlin,  Schelling,  Hegel,  Heinse,  sind  gut 
charakterisiert,  ebenso  seine  Beziehungen  zu  Schiller.  Die  Dichtung,  insbesondere 
die  Lyrik  Hölderlins  dient  leider  der  Biographie  zum  Substrat,  während  das  umgekehrte 
Verhältnis  wünschenswert  wäre.  Dass  seine  schwäbische  Heimat  ihm  echtes  Natur- 
gefühl leiht,  ist  beiläufig  erwähnt,  aber  nicht  weiter  verwertet  (S.  4).  Zwei  Epochen 
der  Schillernachahmung  werden,  freilich  mit  einzelnen  Unrichtigkeiten,  festgestellt 
(S.  39 ff.);  dass  Diotima  ihn  zur  lyrischen  Selbstbefreiung  leitete,  haben  andere  schon 
besser  dargethan.  lieber  Hyperion  (S.  57,  111),  Empedokles  (S.  107  ff.),  dann  über 
den  geplanten  Gustav  Adolf  erfahren  wir  nichts  Neues ;  die  Gedichte  der  absteigenden 
Entwicklungszeit  sind  auf  mehrere  Phasen  verteilt  (S.  121,  127,  133,  145).  Die 
Schlussbetrachtung  ergeht  sich  in  einem  durchaus  verfehlten  Vergleiche  Hölderlins 
und  der  Romantiker.  Ist  er  wirklich  populärer  als  Tieck?  Von  den  Recensenten  des 
Buches  stimmt  Koch  mit  M.-R.  für  den  Jügel-Varnhagenschen  Bericht  und  gegen 
Litzmann.  —  Busse35)  aber  möchte  neben  Schiller  auch  Novalis,  fWackenroder  und 
Jean  Paul  zum  Vergleiche  herangezogen  sehen.  Einen  Ausdruck  Hölderlins  ver- 
wertend, vergleicht  er  diesen  „siechen  Schwächling"  in  seiner  Sehnsucht  nach  dem 
Grossen  und  Starken  mit  Jacobsens  Niels  Lyhne.  —  Feinsinnig,  in  den  biographischen 
Fragen  vorsichtig,  in  der  Erörterung  der  litterarhistorischen  Probleme  den  intimen 
Kenner  der  Zeit  bewährend,  zeichnet  Sauer36)  für  populäre  Zwecke  ein  Bild  Hölderlins, 
das  sich  im  wesentlichen  mit  Wilbrandts  Auffassung  deckt.  S.  sieht  in  Hölderlin  einen 
Klassiker;  er  lehnt  jede  Verwandtschaft  mit  der  Romantik  ab.  Goethes  freie  Rhythmen, 
durch  die  erste  echte  Sammlung  seiner  Gedichte  von  1789  Hölderlin  nahegerückt, 
befreien  ihn  von  den  beengenden  Fesseln  Schillerscher  Reimstrophentechnik.  1796—98 
steht  er  auf  der  Höhe,  von  jeder  Nachahmerschaft  befreit.  In  den  patriotischen 
Sängen  Hölderlins  töne  etwas  von  der  machtvollen  Rhetorik  Arndts  und  Schenkendorfs, 
von  dem  heroischen  Opfermute  Körners.37"40) 

Heidelberger  Kreis.  Unsere  ganze  Erkenntnis  Arnims  und  Brentanos 
ist  auf  eine  neue  Grundlage  versetzt  worden  durch  ein  Buch,  das  in  gleicher 
Weise  durch  überraschende  Fülle  neuen  Materials,  wie  durch  sorgsam  umsichtige 
Verarbeitung  sich  auszeichnet.  Steig41)  erschliesst  mit  Herman  Grimms  Unter- 
stützung zum  ersten  Male  den  Zutritt  zu  den  Papieren  des  Arnimschen  Familienarchivs 
und  giebt,  die  reichen  Schätze  der  kgl.  Bibliothek  zu  Berlin  dazu  verwertend,  ein 
abgerundetes,  beinahe  erschöpfendes  Bild  der  Beziehungen  Arnims  und  Brentanos. 
Er  begnügt  sich  nicht,  das  gesamte  ihm  zugängliche  Material  hinzuwerfen ;  in  sorg- 
fältiger, vertrauenswürdiger  Auswahl  sucht  er  das  litterarhistorisch  und  menschlich 
Wichtige  heraus  und  ordnet  es  einer  knappen,  aber  an  mannigfachen  Forschungs- 
ergebnissen reichen  Darstellung  ein.  Während  andere  Briefwechseleditoren,  den 
Kommentar  unter  den  Text  verweisend,  sich  meist  auf  kurze  biographische  und 
bibliographische  Notizen  beschränken,  konnte  St.  die  einzelnen  Persönlichkeiten,  um 
die  sich  die  Briefe  drehen,  plastisch  hinstellen,  konnte  insbesondere  bei  den  Dichtungen 
und  Schöpfungen  der  beiden  Korrespondenten  länger  verweilen.  Dort  liegen  ein- 
dringliche archivalische  Studien  zu  Grunde,  denen  die  Berichtigung  mehrerer  Daten 
entkeimte,  hier  schreitet  St.  zur  Analyse  oft  schwer  zugänglicher  Büchlein  vor.  Wer 
sich  mit  Arnim  oder  Brentano  beschäftigt,  wird  dieser  St.schen  Analysen  nicht  ent- 
raten  können,  die  bei  aller  Kürze,  das  Bibliographische  in  Anhangsform  abthuend, 
wichtige  neue  Aufklärungen  geben,  Masken  lüften,  Quellen  oder  erlebte  Züge  nach- 
weisen (S.  7,  29:  Hollin;  S.  9:  Ehenschmiede;  S.  19:  Godwi;  S.  26:  Ponce;  S.  36: 
Ariel,  zu  dessen  Vorbildern  Schiller  und  Matthisson  erhoben  werden;  S.  57:  lustige 
Musikanten;  S.  131:  Rosenkranzromanzen;  S.  158  wird  die  Autorschaft  der  von  Sophie 
Mereau  herausgegebenen  „Spanischen  und  italienischen  Novellen"  [Penig  1804—6], 
überzeugend  Brentano  zugewiesen,  vgl.  S.  356;  S.  228:  Goldfaden;  S.  286:  Dolores,  usw.). 
Insbesondere  ist  eine  wissenschaftliche  Erforschung  der  Lyrik  beider  erst  jetzt  möglich 
geworden,  da  durch  den  Briefwechsel  und  durch  St.s  Zuthaten  Chronologie,  Anlass 
und  teilweise  auch  Vorbild  festgestellt  ist.  Schier  unmöglich  ist  es,  Einzelheiten 
hier  anzuführen,  da  man,  von  verschiedenster  Seite  an  das  Buch  herantretend,  immer 
Wichtiges  und  Neues  antreffen  wird;  nicht  nur  der  Historiker  der  Romantik,  auch 
der  Volksliedforscher,  dann  der  Psycholog,  sie  alle  werden  aus  dem  Buche  zu  lernen 


S.  798;  DLZ.  S.  1142.] |  —  35)  K.  Busse,  Neue  Beitrr.  z.  Litt.-Gesch. :  VössZgB.  N.  22.  —  36)  A.  Sauer,  F.  Hölderlin. 
(=  SGV.  N.  189.)  Prag,  Haase.  20  S.  Fl.  0,15.  |[D.  Jacoby:  DLZ.  S.  1134/5-11  -  37)  X  »*•-  F-  Hölderlin  in  Frankfurt: 
Didask.  N.  164  (Abdr.  d.  S.  8-15  v.  d.  Vortr.  N.  36.)  -  38)  X  Hölderlin  in  Hamburg:  FZg.  N.  37.  (Notizen  über  Lokales.) 
—  39)  X  C.  C.  T,  B.  Litzmann,  Hölderlins  Leben  (JBL.  1890  IV  13  :  30):  Frau  8.  626.  —  40)  X  K.  Pröll,  Einsamer  Wipfel- 
sang (F.  Hölderlin):  Kai.  aller  Deutschen  S.  201/6.  —  41)  B.  Steig,  A.  v.  Arnim  u.  Ol.  Brentano.  (=  A.  v.  Arnim  u.  die  ihm 
nahestanden.     Her.  v.  II.  Grimm  u.  R.  Steig.     I.  Bd.)     St.,  Cotta.    IX,  376  8.     Mit  2  Bild.    M.  7,00.    |[SohwäbKron.  N.  127 ; 


0.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  10-.« 

haben.  Hier  nur  das  Wichtigste:  Die  ersten  sechs  Kapitel  geben  eine  zum  Teil 
urkundlicher  Forschung-  entnommene  Darstellung  des  Jugendlebens  beider,  ihrer 
Vorfahren  und  ihrer  nächsten  Verwandten  (vgl.  z.  B.  S.  12  eine  hübsche  Stilprobe 
der  jungen  Schwester  Brentanos,  Sophie),  sie  geleiten  die  beiden  Freunde  an  den 
Rhein,  Arnim  dann  in  die  Schweiz  und  nach  Frankreich,  Brentano  nach  Düsseldorf. 
Schon  früh  zeigen  sich  die  Interessen,  denen  ihre  Hauptarbeiten  huldigen  (Arnims 
Vorliebe  für  Volksmärchen  und  Volkslieder:  S.  24;  Brentano  mit  älterer  deutscher 
Poesie  beschäftigt:  S.  29);  im  J.  1802  bereits  ist  Arnim  sich  über  das  Programm 
seiner  gesamten  schriftstellerischen  Thätigkeit  klar  (S.  38),  während  er  sich  erst 
1803  zur  Dichterlaufbahn  entschliesst  (S.  64).  Das  7.  Kapitel  giebt  uns  endlich  aus- 
führliche Aufschlüsse  über  Brentanos  Beziehungen  zu  Sophie  Mereau;  hier  insbe- 
sonders  hat  sorgfältige  Forschung  manches  Dunkel  erhellt,  manche  irrige  Behauptung 
verschwinden  gemacht.  Schritt  für  Schritt  lassen  sich  jetzt  die  Umwege  und  die  Irr- 
pfade verfolgen,  auf  denen  Brentano  der  einzigen  Frau  nahe  gekommen  ist,  die  ihn 
zu  energischem  Zusammenfassen  hätte  anhalten  können  (über  Sophie  und  ihren  und 
Brentanos  Sohn  Achim  vgl.  auch  S.  111,  121,  123,  insbes.  S.  294).  In  den  Kapiteln  8 
und  9,  die  Arnim  nach  England,  Brentano  nach  Berlin  verfolgen,  bereitet  sich  ihr 
folgenreichstes  Unternehmen,  das  Wunderhorn,  vor.  Diese  Abschnitte,  dann  die  dem 
Wunderhorn  selbst  gewidmeten  Kapitel  10  und  14  (auch  die  dazwischenliegenden 
11 — 13  sind  zu  berücksichtigen),  lassen  nicht  nur  die  Entstehung  des  Werkes  von 
Schritt  zu  Schritt  verfolgen,  sie  werfen  auch  auf  den  persönlichen  Anteil  der  Heraus- 
geber, auf  die  Echtheitsfrage  ganz  neue  Lichter.  St.  musste  sich  dem  erdrückenden 
Materiale  gegenüber  mit  Sichtung  und  Kommentierung  begnügen;  hier  aber  haben 
vor  allem  neue  Untersuchungen  einzusetzen.  Jetzt  erst  kann  man  aus  authentischen 
Dokumenten  erkennen,  welche  Zwecke  die  beiden  Herausgeber  mit  der  Volkslieder- 
sammlung verbanden,  warum  sie  dem  gesammelten  echten  Materiale  so  viel  des 
Eigenen  beigaben.  Gerade  für  eine  Entstehungeschichte  dieser  „Ipsefakten"  ist  St.s 
Buch  schier  unerschöpflich.  Arnim,  der  schon  frühe  Volklieder  weiterdichtet  (S.  37), 
hält  von  Anfang  an  das  Prinzip  fest,  nicht  eine  philologische  Textausgabe  von  Volks- 
liedern, sondern  ein  wohlfeiles  Volkliederbuch  für  jedermann  zu  schaffen  (S.  132). 
Brentano  schwankt  und  möchte  Arnim  gelegentlich  zu  treuerem  Festhalten  am  über- 
lieferten Texte  bewegen;  schliesslich  freuen  sich  aber  beide,  wenn  gewiegte  Volks- 
liedkenner, wie  Elwert,  ihre  Ipsefakta  für  echt  nehmen  (S.  146,  157,  172/3,  229, 
231,  235).  Thöricht  wäre  es,  ihnen  diese  Freude  zum  Vorwurf  zu  machen;  auch  Goethe 
war  mit  jenen  Ipsefakten  ganz  einverstanden  (S.  152,  160,  163,  169);  seine  Urteile  werden 
von  den  beiden  Freunden  gebucht,  ebenso  wie  die  anderer  Zeitgenossen  (Docen  S.  160, 
Runge  S.  161,  Fr.  Schlegel  S.  163,  Varnhagen  S.  184  usw.).  St.  fügt  auch  die 
wichtigsten,  auf  die  Veröffentlichung  des  WTunderhorns  bezüglichen  buchhändlerischen 
Anzeigen  ein  (S.  150,  178).  Das  11.  und  12. 'Kapitel  erstreckt  sich  über  Arnims 
Aufenthalt  in  der  Heimat  (1806)  und  in  Göttingen.  Wichtige  Nachrichten  über  Tiecks 
Aufenthalt  in  Heidelberg  lassen  sich  den  Briefen  Brentanos  entnehmen  (S.  192,  233); 
sehr  interessant  ist  die  von  St.  in  vollem  Umfange  wiedergegebene  Sammlung 
preussischer  Kriegslieder,  die  Arnim  für  die  Soldaten  des  napoleonischen  Krieges 
drucken  liess  (S.  196).  Auch  an  ihr  kann  man  seine  Behandlungs weise  von  Volks- 
liedern studieren.  Kapitel  13  ist  der  Unglückszeit  gewidmet;  sie  hat  auch  in  Arnims 
Leben  eingegriffen;  bei  Jena  fielen  zehn  Vertreter  seines  Namens  (S.  208).  In 
Kapitel  14  gesellt  sich  die  „Trösteinsamkeit"  zum  Wunderhorn.  Fortab  gehen  die 
Wege  beider  Freunde  auseinander;  Kapitel  15  zeigt  Arnim  in  Berlin,  während 
Brentano  in  Landshut  an  den  Folgen  seiner  übereilten  Verbindung  mit  Auguste 
Busmann  komisch  und  zwiespältig  genug  leidet.  Kapitel  16  umspannt  die  Zeit  bis 
zu  den  Freiheitskriegen,  Kapitel  17  die  J.  von  1813—15.  Wie  bald  dann  der  äussere 
Verkehr,  nicht  der  Freundschaftsbund  sein  Ende  genommen,  erhellt  aus  der  That- 
sache,  dass  St.  nur  mehr  für  ein  kleines,  „Ausklänge"  überschriebenes  Schluss- 
kapitelchen  Stoff  übrig  behielt.  In  dieser  allerknappsten  Inhaltsangabe  ist  ein 
Moment  noch  nicht  berücksichtigt,  das  dem  Briefwechsel  einen  ganz  eigenen 
Charakter  leiht:  Die  Fülle  literarhistorisch  hochinteressanter  kritischer  Urteile,  die 
oft  auf  die  litterarische  Stellung  beider  Freunde  ein  ganz  neues  Licht  werfen: 
Voran  divinatorisch  tiefe  Aeusserungen  Brentanos  über  den  Dichter  Arnim  (S.  266/7); 
dann  neben  scharfen  Urteilen  über  Schiller  („Die  Braut  von  Messina"  wird  „alarkisch" 
genannt  S.  70,  vgl.  Fr.  Schlegel  an  Wilhelm  S.  520;  Teil  S.  115)  nicht  minder 
scharfe  Worte  über  romantische  Genossen,  die  man  wohl  als  nächste  Verwandte  der 
beiden  Freunde  fassen  möchte,  so  insbesondere  über  Tieck  und  über  seinen  Oktavian 
(S.  72,  96,  115ff.;  über  Tiecks  Rother  S.  251).  Mit  erstaunlichem  Unverständnis  wird 
über  Novalis  immer  wieder  abgeurteilt  (S.  41,  51,  insbes.  S.  128).  Gehässig  klingt, 
was  über  Fr.  Schlegel  vorgebracht  wird  (S.  59,  67,  273,  299);  Dorothea  (S.  18)  und 
Rahel  werden  fast  immer  mit  antijüdischer  Witzelei  genannt.    Varnhagen,  dem  Bettina 


IV  10:42-55  0.  F.  Walzel,  Romantik. 

die  jetzt  von  St.  veröffentlichten  Papiere  vertrauensvoll,  aber  auch  mit  merkwürdiger 
Naivetät  in  die  Hand  gegeben  hatte,  schnitt  denn  auch  rücksichtslos  heraus,  was  ihm 
nicht  passte  (vgl.  insbes.  S.  295,  298).  Görres  Deutsche  Volksbücher  werden  nicht 
besser  behandelt  (S.  221)  als  Büschings  und  von  der  Hagens  Volkslieder  (S.  220). 
Seckendorf  dient  nur  der  Ironie  (S.  279).  Dagegen  wird  niemand  ein  jugendlich 
überspanntes  Lob  Vermehrens  ernst  nehmen  (S.  27).  Das  Verhältnis  zu  Reichardt 
bleibt  sich  nicht  immer  gleich  ('S.  114,  134,  276).  Ferner:  Z.  Werner  S.  212,  fein- 
sinnig über  den  Dialog  H.  von  Kleists  S.  344,  über  Aug.  Winkelmann  S.  175. 
Reiche  Urteile  über  Gelesenes  fehlen  nicht.  Schelmuffsky,  der  Liebling  beider,  klingt 
immer  wieder  an.  Bemerkenswert  ist  das  Interesse  für  Klinger  (S.  161,  212),  eine 
gelegentliche  Aeusserung  über  Greflinger  (S.  133)  oder  über  Luther  (S.  141).  Von 
altdeutscher  Litteratur,  inbesondere  von  deutschem  Folklore  ist  viel  die  Rede  (S.  106 
verhimmelt  Brentano  die  mittelhochdeutschen  Tristandichtungen ;  S.  24  Musäus;  S.  95  über 
Scotts  Minstrelsy,  S.  128  über  Otmars  „Volkssagen",  S.  211  über  Benedi cte  Naubert). 
Theoretische  Diskussionen  sind  verhältnismässig  selten  (S.  237  spricht  Arnim  von 
Rhythmik  des  Volksliedes).  Eine  innige  Hoch  Schätzung  Goethes  durchzieht  das 
ganze  Werk.  —  Die  Anzeigen  des  Steigschen  Buches  machen  im  ganzen  einen  wenig  er- 
freulichen, unwissenschaftlichen  Eindruck.  Während  selbst  Carriere42)  sich  nur 
begnügt,  eine  ziemlich  oberflächliche  Inhaltsangabe  mit  nicht  immer  glücklich  ge- 
wählten Citaten  zu  verbrämen,  während  einige  längst  Bekanntes  heraussuchen  und 
das  wirklich  Neue  und  Interessante  übersehen,  gefallen  sich  andere  in  einer  völlig 
unzeitgemässen  Bekämpfung'  der  beiden  Romantiker.  Beinahe  möchte  man  die  fast 
durchgehende  Behauptung,  dass  Romantik  und  Arnim  und  Brentano  längst  vergessen 
seien,  bezweifeln,  wenn  man  diese  Erscheinungen  mit  einer  nur  bei  der  Beurteilung 
zeitgenössischer  Tendenzen  üblichen  Schärfe  bestritten  sieht.  —  Mit  vollem  Rechte  hat 
denn  auch  ein  moderner  Litteraturbewegung  geneigter  Recensent,  Poppenberg43), 
die  aktuelle  Bedeutung  des  Buches  hervorgehoben  und  neben  einer  glücklichen 
Gegenüberstellung  der  „drei  Lieben  des  tollen  Clemens"  (Sophie  Mereau,  Auguste 
Busmann,  Bettina),  dann  neben  richtigen  Bemerkungen  über  Arnims  und  Brentanos 
Verhältnis  zum  deutschen  Vaterlande  an  gut  gewählten  Belegen  feinsinnig  den  Nach- 
weis geführt,  dass  gerade  in  den  Briefen  beider  Freunde  Keime  moderner  Stimmungs- 
poesie, Ansätze  zu  einer  neuen  Art  der  Naturbetrachtung  anzutreffen  seien.  Jene 
anderen  aber  möchten  am  liebsten  Arnim  und  vor  allem  Brentano  mit  ihren  eigenen 
Waffen  annihilieren.  Vertreter  der  Wissenschaft  sollten  zu  zeigen  versuchen,  was  aus 
dem  Buche  zu  lernen  ist;  dilettantenhaft  aber  mutet  es  an,  wenn  sie  eine  unzweifel- 
haft reiche  wissenschaftliche  Gabe  vor  dem  grossen  Publikum  entwerten  wollen,  in- 
dem sie  auf  einzelne  Missurteile  der  beiden  Romantiker  hinweisen.  Von  solchem 
Gesichtspunkte  aus  halten  auch  die  Briefwechsel  unserer  Klassiker,  hält  ins- 
besondere der  Briefwechsel  Schillers  und  Körners  nicht  Stich.44-47)  —  In  wohl- 
thätigem  Gegensatz  zu  solchen  Invektiven  steht  eine  aus  dem  vollen  geschöpfte 
Sammlung  Grimmscher48)  Apercus,  die  dem  Steigschen  Buche  zur  Begleiterin 
dienen  soll.  Aus  intimster  Kenntnis  heraus  führt  G.  seinen  Leser  in  die 
Familie  Brentano  ein,  stellt  den  unbeständigen,  völlig  dem  Momente  hingegebenen, 
halb  italienischen,  katholischen  Brentano  und  den,  Protestantismus,  Deutschheit  und 
preussischen  Adel  mit  Bewusstsein  repräsentierenden  Arnim  einander  gegenüber,  ver- 
gleicht feinsinnig  den  Briefstil  der  beiden  mit  dem  des  18.  Jh.,  kontrastiert  Goethe-Schiller 
und  Arnim-Brentano  und  erhofft  für  das  20.  Jh.  eine  neue  Erfassung  des  Gesamt- 
begriffs der  Romantik,  die  heute  in  einzelne  Individualitäten  zu  zerfallen  scheint.  — 
Briefe  W.  von  Humboldts  an  Arnim,  Savignys  Berufung  nach  Berlin  betreffend,  teilt 
Haym49)mit;  sie  entstammen  den  J.  1809  und  10  (S.  120,  128,  130).50"51)  —  Ein  un- 
gedruckter Beitrag  Brentanos  zur  Trösteinsamkeit,  der  „Brief  einer  Apfelhüterin",  den 
Brentano  später  in  seinem  „Philister"  verwertet  hat,  und  dessen  Steigs52)  Buch 
(1,  S.  251,  253)  gedenkt,  wurde  von  ihm  selbst  zum  Abdruck  gebracht.  Brentano 
macht  Recensionen  der  Leipziger  Litteraturzeitung  lächerlich,  indem  er  neben  ihre 
Kraftstellen  ähnlich  klingende  Citate  aus  Erdmann  Uhsens  „Wohlinformierten  Poeten" 
abdruckt.53"55)  —  Leider  nur  das  erste  Kapitel  einer  vielversprechenden  Arbeit  über 


R.  Wulkow:  Zeitgeist  N.  20;  N&S.  76,  S.  153;  R.  Friedrich:  BLÜ.  S.  599.] |  -  42)  M.  Carriere,  A.  v.  Arnim  u.  Ol.  Bren- 
tano: AZg1'.  N.  155.  —  43)  F.  Poppenberg,  Zwei  Romantiker:  Nation15.  11,  S.  584/6.  —  44)  X  IJ-  Geiger,  Arnim  u.  Bren- 
tano: FZg.  N.  149.  —  45)  X  R-  M-  Meyer,  Arnim  u.  Brentano:  ML.  63,  S.  1291/5.  —  46)  X  p-  Seliger,  A.  v.  Arnim: 
NatZg.  N.  364,  366  —  47)  X  p-  Violet,  A.  v.  Arnim  u.  Cl.  Brentano.  (Nach  ihren  Briefen):  VossZg«.  N.  34/5.  —  48)  H. 
Grimm,  A.  v.  Arnims  Briefw.  mit  Cl.  Brentano:  DRs.  79,  S.  194-206.  —  49)  (IV  lc:20;  5:601.)  -  50)  X  (I  5:298.) 
|[LZgB.  N.  84.11  —  51)  X  L-  A.  v.  Arnim,  Unbek.  Aufsätze  u.  Gedichte  (,IBL.  1892  IV  10  :  39;  1893  IV  10  :  61):  DDichtung.  15, 
S.  152.  —  52)  B.  Steig,  E.  ungedr.  Beitr.  Cl.  Brentanos  zu  Arnims  Trösteinsamkeit:  Eaph.  1,  S.  124,8.  —  53)  O  X  Aus  d- 
Liepmannsolmschen  Autogr.-Kat.:  BerlBörsCour.  N  430.  (Briefe  v.  Cl.  Brentano.)  —  54)  X  Cl.  Brentano,  Chronika  e.  fahrenden 
Schülers.  Fortges.  u.  vollend.  v.  A.  v.  d.  Elbe.  7.  Aufl.  Heidelberg,  Winter.  12°.  III,  268  S.  M.  5,00.  —  55)  X  D-  bittere 
Leiden  unseres  Herrn  Jesu  Christi.  Nach  d.  Gesichten  d.  Dienerin  Gottes  A.  Katharina  Emmerich,  aufgez.  v.  Cl.  Brentano. 
Nach  d.  4.  Aufl.  d.  v.  P.  Schmöger  her.  Lebens  u.  Leidens  Jesu  Christi  v.  P.  Wiggermann.  Regensburg,  Pastet.   Vin,  375  S. 


0.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  10  :  66-ei 

Brentanos  Jugenddichtungen  liegt  in  Kempners56)  Dissertation  vor.  Nach  ein 
paar  raschen  Bemerkungen  über  die  in  Klingemanns  Memnon  veröffentlichten 
Dichtungen  sucht  K.  den  Ideengehalt  des  „Godwi"  auszuschöpfen.  Er  stellt  die 
„vollblütige  hedonistische  Weltanschauung"  des  Buches  fest,  deren  Grundlagen  ethische 
und  sociale  Willkür,  ausschliessliche  Berücksichtigung  individueller  Anlagen,  An- 
betung des  Genusses,  vor  allem  der  Sinnlichkeit,  sind.  Diese  Weltanschauung  leitet 
K.,  sorgfältig  das  Individuelle  jedes  der  Vorbilder  heraushebend,  von  Heinse,  von 
Tiecks  Lovell  und  von  seinem  zahmeren  Sternbald,  von  der  Lucinde  und  endlich  von 
den  ethischen  Programmpunkten  des  Athenäums  her.  Das  Athenäum  wirkt  auf 
Brentano  auch  in  kunstphüosophischen  Auseinandersetzungen  anregend;  Kunst- 
gespräche auf  dem  Gebiete  der  Malerei  und  Plastik  sind  wiederum  durch  Heinse  und 
Tieck,  dann  durch  die  romantischen  Gemäldedichtungen  vorbereitet.  Für  alle  diese 
Anregungen  empfänglich,  erweist  sich  Brentano  doch  als  stärkstes  Temperament 
unter  den  damaligen  Romantikern;  er  weiss  der  Rede  sein  Siegel  aufzudrücken,  und 
nicht  nur  äusserlich  hat  er  sich  jene  Tendenzen  angeeignet.  Ja,  bei  aller  Ueber- 
einstiinmung-  mit  der  romantischen  Parteidoktrin  hat  er  noch  Gelegenheit  gefunden, 
in  den  gedanklichen  Elementen  des  Godwi  einen  guten  Teil  seines  widerspruchs- 
reichen Wesens  zur  Geltung'  kommen  zu  lassen.57)  — 

Bettinas  Geburtsjahr  dürfte  nach  Geigers58)  Ausführungen  doch  das 
J.  1788  sein;  Steigs  Annahme  1785  (JBL.  1892  IV  10:52)  scheint  weniger  be- 
gründet. —  Geiger59)  veröffentlicht  auch  aus  einem  ungedruckten  Briefe  Tiecks 
an  Böttiger  vom  J.  1835  ein  scharfes  Urteil  über  die  Glaubwürdigkeit  des  Brief- 
wechsels mit  einem  Kinde  und  über  Bettina  selbst. 60)  — 

Wichtiges,  auf  Karoline  von  Günderode  bezügliches  Material  hat 
Geiger61)  zu  Frankfurt  a.  M.  in  Privatbesitz  gefunden.  Er  hat  es  in  zusammen- 
hängender Darstellung  mitgeteilt.  Geistige  und  freundschaftliche  Beziehungen,  dann 
einige  wenige  Momente  ihres  Lebens  treten  in  neues  Licht.  Herder  und  ins- 
besondere Jean  Paul  sind  von  Jugend  auf  ihre  Lieblinge  (S.  10).  Savigny  ver- 
mittelt ihr  das  romantisch-abfällige  Urteil  über  Schiller  (S.  34,  43;  vgl.  S.  74).  Die 
Briefe  des  jungen  Ehemanns  Savigny,  munter,  unbefangen,  aber  herzlich  seicht, 
spielen  zwischen  Freundschaft  und  Liebe.  (Die  von  ihm  S.  32  erwähnten  „Veillees 
du  chateau"  haben  Frau  von  Genlis  zur  Autorin.)  Aufrichtig  und,  obwohl  weiblich 
feinfühlig,  doch  scharf  Karolinens  dichterische  Schwächen  treffend,  kritisiert  ihre 
Jugendfreundin  Lisette  Nees  von  Esenbeck  die  Poesien  der  Günderode  (S.  54  ff.), 
deutet  auf  ihre  geringe  Kenntnis  der  Grundgesetze  der  Sprache  und  warnt  sie  vor 
Originalitätssucht.  Lisettens  eigenes  Märchen  „Die  Geschichte  von  dem  armen 
Klausner"  (S.  49  ff.)  ist  freilich  ein  ganz  schulgerechtes  romantisches  Exercitium 
mit  Karfunkelstein  und  blauer  Blume.  Sie  empfiehlt  der  Freundin  Tieck,  die  beiden 
Schlegel,  insbesondere  Friedrich,  Goethe  und  Novalis  zu  lesen;  ihr  Gatte  Nees  fügt 
Schelling  hinzu  (S.  66).  Anknüpfend  an  Lisettens  Kritik  spricht  G.  einige  Worte 
über  die  Dichtungen  der  Günderode  (S.  69  ff.),  findet  ihre  Lyrik  und  einzelne  ihrer 
Prosastücke  bedeutsam,  ihre  Dramen,  die  zweimal  das  Motiv  verbrecherischer  Ge- 
schwisterliebe behandeln,  unbedeutend,  gedenkt  auch  der  gleichzeitigen  Besprechungen 
ihrer  Arbeiten.  Literarhistorisch  wertvoller  als  die  Briefe  Savignys  und  Lisettens 
sind  die  mitgeteilten  Schreiben  Clemens  Brentanos.  Er  preist  (freilich,  wie  G. 
S.  117  meint,  unaufrichtig)  die  Poesien  der  Adressatin,  möchte  ihr  gern  einen  Teil 
des'unendlichen  Stoffes  abtreten,  der  ihm  täglich  zuwächst  (S.  94),  findet  hübsche 
Worte  für  das  Glück  seiner  Ehe  mit  Sophie  Mereau  (S.  91,  98),  für  seine  Be- 
wunderung Heinses  (S.  112)  und  Goethes  (S.  99).  Sein  vorletzter  Brief  (S.  108) 
gefällt  sich  in  mystisch- schmerzlichen  Wollustakkorden.  Ein  vorsichtig  zurück- 
haltendes Antwortschreiben  Karolinens  (S.  114),  von  Bettina  verwertet,  kommt 
hinzu.  Bettinas  Briefe  (S.  123  ff.)  selbst  gehören  zu  den  herzerfrischendsten,  die  sie 
uns  geschenkt  hat;  sie  bestätigen  (S.  160,  164)  den  Bericht,  den  sie  von  ihrer 
ersten  Bekanntschaft  mit  Goethes  Mutter  gegeben  hat.  G.  benützte  die  Gelegenheit, 
mit  scharfen  Ausfällen  gegen  R.  Steig  Bettinas  Büchern  Glaubwürdigkeit  abzusprechen, 
mindestens  einen  Mittelweg  zwischen  Steig  (JBL.  1892  IV  10 :  52)  und  den  schärfsten 
Gegnern  der  historischen  Quellenschriftstellerin  Bettina  zu  empfehlen.  Karolinens 
Beziehungen  zu  Creuzer,  ihre  phantastischen  Pläne  eines  gemeinsamen  Lebens,  endlich 
ihr  Selbstmord  kommen  nach  mehr  oder  minder  authentischen  Quellen  zur  Dar- 
stellung (S.  168  ff.),  unter  denen  Clemens  Brentanos  Brief  an  Arnim  (bei  Steig  S.  190) 


Mit  Abbild.  M.  2,20.  —  56)  A.  Kempner  (=  Kerr),  Cl.  Brentanos  Jugenddichtungen.  (Abschn.  1:  D.  Ideengehalt  d.  Godwi.) 
Diss.  Halle  a.  S.  33  S.  —  57)  X  G.  E.  Bart  hei,  Brentano-Anekdoten:  Quell  wasser  18,  S.  2814,  297,8,  314,6,  329-30.  — 
58)  [L.  Geiger],  Wann  ist  Bettina  geboren?:  FZg.  N.  165.  (Nach  d.  AZg.  Vgl.  auch  FranenZg.  N.  21.)  —  59)  id.,  B. 
Urteil  ober  Bettinas  Briefw.:  GJb.  15,  S.  296  7.  —  60)  X  Bettina  v.  Arnim,  Dies  Buch  gehört  d.  König.  I.  T.  D.  Erinnerung 
abgelauschte  Gespräche  u.  Erzählungen.  Dresden,  Jaenicke.  142  S.  M.  1,00.  —  61)  L.  Geiger,  Karoline  y.  Günderode  u. 
Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V.  (4)33 


TV  10  :  62-82  O.  F.  Walzel,  Romantik. 

eine  Hauptrolle  spielt.  Leider  ist,  wie  von  berufenster  Seite  gezeigt  wurde,  das 
Material  nicht  mit  der  nötigen  Sorgfalt  und  insbesondere  nicht  mit  der  unerlässlichen 
Detailkenntnis  bearbeitet  .worden  (vgl.  JBL.  1895). 62)  —  Geiger63-64)  selbst  hat 
sein  Buch  unter  seinen  mächtigen  journalistischen  Schutz  genommen  und  schon  vor 
der  Veröffentlichung  die  wichtigsten  Resultate  in  zwei  Feuilletons  mitgeteilt,  deren 
erstes  die  Dichterin  würdigt,  deren  zweites  ihr  Leben  und  jene  oben  angeführten 
Briefe  analysiert,  ohne  über  die  Grenzen  der  Buchpublikation  hinauszugehen.  In 
Nachtragsform  berichtet  er  endlich,  dass  die  bisher  unbekannten  Briefe  Creuzers  an 
die  Günderode  in  den  Besitz  der  Heidelberger  Bibliothek  gelangt  sind,  jedoch  erst 
•nach  50  Jahren  veröffentlicht  werden  dürfen.  (Sie  haben  jedoch  seitdem  in  Erwin 
Rohde  ihren  Herausgeber  gefunden.)  —  Ellinge rs65)  Besprechung  von  Geigers  Buch 
stimmt  dem  Herausgeber  in  allem  bei,  auch  in  der  Polemik  gegen  Steig,  und  bietet 
eine  sorgfältige,  verständnisvolle  Analyse.66-67)  — 

Von  norddeutscher  Romantik  ist  zu  berichten,  dass  ein  Stammbuch- 
blatt Zach.  Werners68)  vom  11.  Mai  1816,  an  J.  L.  Deinhardstein  gerichtet,  zum  ersten 
Male  abgedruckt  wurde.  Es  setzt  sich  zusammen  aus  einem  Sonett,  „Ordnung  des 
Heils"  überschrieben,  und  aus  ein  paar  Worten  in  Prosa,  die  zu  Thaten,  nicht  zu 
Liedern  auffordern.69-73)  — 

Deutungen  von  Schlemihls  Schattenverlust  stellen  sich,  so  wenig  Neues  auf 
diesem  Sondergebiete  der  Chamissokritik  zu  sagen  ist,  immer  wieder  ein. 
Seh  rader74)  erneuert  die  Ausführungen  seines  nicht  näher  citierten  Zeitungsartikels 
und  setzt  zunächst  fest,  dass  Schlemihl  des  Dichters  eigenes  Ebenbild  sei.  Der 
Schatten  aber  ist  nach  Seh.  „kurz  und  bündig  die  Ehre  vor  den- Menschen  oder 
was  man  sonst  auch  den  guten  Namen  nennt".  Ein  Blick  in  die  Uebersicht  der 
Schlemihldeutungen,  die  Walzel  (DNL.  148,  S.  LVII)  giebt,  belehrt,  dass  Seh.  aus- 
gefahrene Wege  wandelt.75)  —  Eine  populär  gedachte  Schilderung  des  Botanikers 
Chamisso  giebt  Kronfeld76).  Neue  Daten  sind  nicht  beigebracht;  Du  Bois -Rey- 
monds  Studie  wird  nach  keiner  Richtung  erweitert.  —  Ein  Porträt  des  Lieutnants 
von  Chamisso  in  der  Uniform  des  Regiments  von  Goetze  wurde  nach  einer  Lithographie 
neu  zum  Abdruck  gebracht77),  die  aus  dem  Besitze  des  1894  verstorbenen  letzten 
und  ältesten  Sohnes  Chamissos  stammt.78-81)  — 

Ueber  E.  T.  A.  Hoffmann  hat  Ellinger82),  der  sich  schon  mehrfach  als 
feinsinnigen  Kenner  des  Dichters  bewährt  hat  (JBL.  1890  IV  3  :  49),  ein  sympathisches 
Buch  geschrieben.  Seine  Auffassung  der  Persönlichkeit  Hoffmanns  ist  allerdings 
manchem  Einwände  begegnet.  So  treffsicher  er  die  gegensätzlichen  Züge  im  Charakter 
des  Dichters  aus  den  Eigenheiten  seiner  ostpreussischen  Heimat  entwickelt  (S.  2  ff.), 
dem  Menschen  nimmt  er  seine  bezeichnendsten  Merkmale  durch  eine  stark  idealisierende 
Schilderung.  War  Hoffmann  in  Posen  wirklich  nur  ein  Prinz  Heinz  unter  falstaffischen 
Genossen  (S.  24/5)?  Ist  es  nötig,  aus  dürftigen  Zeugnissen  seine  Vaterlandsliebe 
wahrscheinlich  zu  machen  (S.  58)  ?  Wäre  er  uns  weniger  wert,  wenn  er  wirklich 
eitel  gewesen  ist  (S.  93)?  Auch  die  Beziehungen  zu  seiner  späteren  Gattin  Micheline 
Rorer  (S.  19  ff.,  198),  dann  zur  Bamberger  Julia  (S.  61)  dürfte  E.  weniger  vom 
Standpunkte  einer  Rettung  fassen.  Das  Kapitel  über  Hoffmanns  Persönlichkeit 
(S.  91  ff.)  ist  denn  auch  etwas  mager  ausgefallen.  Um  so  lehrreicher  handelt  E.  von 
den  dichterischen  Eigenheiten  Hoffmanns  (S.  171  ff.).  Seine  älteren  Beobachtungen 
weiter  ausgestaltend,  zeigt  er  neuerlich  die  eigentümliche  Mischung  realistischen 
Schauens  und  ausgesprochener  Neigung  zum  Wunderbaren  auf.  G.  H.  Schubert 
ist  auf  diesem  Felde  Hoffmanns  wichtigster  Gewährsmann.  E.  legt  dar,  wie  Hoffmann 
Stimmung  und  Spannung  zu  erwecken  weiss;  als  Stimmungsmittel  dient  ihm  auch 
die  Rahmenerzählung.     Hoffmanns  Neig-ung-,    Farben,    Töne   und   Düfte   zu    mischen 


ihre  Freunde.  St.,  Dtsch.  Verl.-Anst.  193  S.  Mit  Bild.  M.  3,50.  |[LZgB.  N.  143;  DR.  4,  S.  378.]|  —  62)  X  id-.  Neues  v. 
Bettina  Arnim:  NFPr.  N.  10791.  (Abdr.  d.  Briefes  Bettinas  an  d.  Günderode  v.  Apr.  1S06  [N.  61,  S.  159ff.J  mit  ausführl.  Binl.) 

—  63)  id.,  E.  Frankfurter  Dichterin  z.  Zeit  d.  Romantik:  FZg.  N.  249,  254.    —    64)  id.,  Nochmals  d.  Günderode:  ib.  N.  266. 

—  65)  G.  E[  Hing  er],  Z.  Gesch.  d.  dtsch.  Romantik:  NatZg.  N.  668,  671.  —  66)  X  k  Geiger,  Mitteilungen  über  Briefe 
Goethes  an  d.  Günderode.  Vortr.  geh.  in  GDL.  Ref.:  VossZg.  N.  259.  —  67)  X  Karoline  v.  Günderode:  BerlTBl.  N.  273. 
(Kurze  Notiz  über  d.  hs.  Nachl.)  —  68)  Bunte  Reihe.  Ungedr.  Briefe  u.  Gedichte:  DDichtung.  16,  S.  299.  —  69)  X  P-  Poppen- 
berg, Z.  Werner  (JBL.  1893  IV  10:68).  |[A.  Schroeter:  BLU.  S.  296/7;  LCB1.  S.  1066/7.]|  —  70)  X  E.  Rowe,  Z.  Werner 
in  Berlin  1805/7:  Bär  20,  S.  372/4.  -  71)  X  **•  Baron  de  la  Motte  Fouque,  Sintram  u.  seine  Gefährten.  E.  norddtsoh.  Erzähl, 
nach  A.  Dürer.  (Titelausg.  d.  7.  Bd.  d.  ausgew.  Werke.)  Braunschweig,  Schwetschke.  12".  192  S.  M.  2,00.  —  72)  X  id- 
Undine.  E.  Erzählung.  L.,  Fiedler.  16°.  143  S.  M.  1,20.  —  73)  X  M-.  Undine.  Trad.  de  J.  Thorel.  Illustr.  de  Marold 
et  Nittis.    Paris,  Dentu.  233  S.  Fr.  2,00.  —  74)  H.  Schrader,  Chamissos  Peter  Schlemihl  u.  sein  Schatten:  ZDS.  7, S.  201-10. 

—  75)  X  O.  Hellinghaus,  J.  Schapler,  Chamissos  Peter  Schlemihl  (JBL.  1892  IV  10:63):  Gymn.  12,  S.  642/3.  —  76) 
(IV  8  a :  49,  S.  81, 6.)  —  77)  R.  K.,  Lieutnant  v.  Chamisso :  Daheim  N.  30.  -  78)  X  Ad.  v.  Chamisso,  Peter  Schlemihl.  111.  v.  H.  Looschen.  (=111. 
Elzevier-Ausg.  Bd.  1.)  L.,  Seemann.  16°.  V,  149  S.  M.  2,00.  —  79)  X  id.,  Ausgew.  Gedichte.  L.,  Fiedler.  16°.  238  S. 
M.  1,50.  —  80)  X  Ad.  Schöttner,  Ausgew.  Gedichte  v.  A.  v.  Chamisso.  In  stenogr.  Schrift  übertr.  u.  autograph. 
(=  Reuters  Bibl.  für  Gabelsbergor  Stenogr.  Bd.  22.)  Dresden,  Reuter.  55  S.  M.  0,90.  (Vgl.  I  8:11.)  —  81)  X  A.  v. 
Chamisso,  Frauen-Liebe  u.  Leben.  E.  Lieder-Cyklus.  111.  t.  E.  Klein  u.  R.  E.  Kepler.  St.,  Greiner  &  Pfeiffer.  9  Bilder, 
16  Bll.  Text.    M.  6,50.    —    82)   G.  Ellinger,   E.  T.  A.  Hoffmann.    Sein  Leben   u.  seine  Werke.    Hamburg  u.  L.,  Voss.    XII, 


0.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  10  :  83-85 

und  die  Verbindung"  solcher  verschiedenen  Sinneseindrücke  stilistisch  zu  verwerten, 
hätte  an  Petrichs  reiche  Sammlung-  verwandter  romantischer  Bestrebungen  an- 
geknüpft werden  können  (S.  174).  Den  bleibendsten  Wert  schreibt  E.  jenen  Dichtungen 
zu,  die  der  Zeit  Hoffmanns  angehören.  In  ihnen  kommt  seine  Beobachtungsgabe  am 
besten  zur  Geltung;  insbesondere  Berlin  hat  so  durch  ihn  einen  poetischen  Zauber 
gewonnen  (S.  111).  Hoffmanns  eigene  Persönlichkeit  tritt  aus  gleichem  Grunde  fast 
in  allen  Dichtungen  auf  (Erlebtes:  insbes.  in  Klein  Zaches  S.  11,  im  Majorat 
S.  17,  117,  im  Spielerglück  S.  142;  Hoffmann  als  Vorbild  seines  Salvator  Rosa 
S.  143).  In  einzelnen  wird  den  Quellen  der  Dichtungen  Hoffmanns  nachgegangen, 
das  jeweilige  Vorbild  aufgezeigt.  Diderot- Goethes  Rameau  hat  Hoffmanns  Dialog-, 
technik  beeinflusst  (S.  80,  127).  Novalis  und  Wackenroder,  dann  Tiecks  Sternbald 
und  sein  gestiefelter  Kater  wirken  nach  (S.  33/4,  78  ff.,  130,  147).  Als  eins  der 
ältesten  Vorbilder  erscheint  neben  Schillers  Geisterseher  der  „Genius"  von  Grosse 
(S.  15).  Das  Motiv  der  Doppelgänger  wird  in  Fouques  „Zauberring"  aufgedeckt 
(S.  119).  Jean  Paul  möchte  E.  nur  für  Hoffmanns  Anfänge  in  Anspruch  nehmen 
(S.  VII,  16,  39);  er  und  Arnim  (S.  125)  scheinen  doch  mehr  auf  Hoffmann  gewirkt 
zu  haben,  als  E.  annimmt.  Auch  Chamissos  „Schlemihl"  (vgl.  S.  104)  wäre  häufiger 
heranzuziehen  gewesen,  so  beim  goldenen  Topf  und  insbesondere  als  gegensätzliches 
Vorbild  des  Klein  Zaches.  Feinsinnig  wird  Callot  nahegebracht  (S.  75).  [Jeber  die 
grösseren  Dichtungen  Hoffmanns  hörte  man  gerne  mehr.  Gut  aufgezeigt  wird,  wie 
die  Gestalt  Cardillacs  in  Hoffmann  sich  entwickelt  hat  (S.  139),  doch  der  Kater 
Murr,  in  dem  E.  Hoffmanns  reifste  Dichtung  erblickt,  kommt,  zumal  nach  der 
Seite  seiner  Technik,  zu  kurz.  Unmittelbar  nach  dem  Ausbruche  der  Krankheit 
Hoffmanns  stellt  E.  ein  Erlahmen  seiner  dichterischen  Kraft  fest  (S.  163);  nur  wenig 
Erfreuliches  glückt  ihm  noch,  so  die  „Datura  fastuosa",  die  Haimatochare,  über  deren 
Autorschaft  E.  wie  Walzel  denkt  (S.  226).  Dem  Musiker  und' Musikkritiker  Hoffmann 
ist  E.  gerecht  geworden  wie  kein  anderer.  Sorgsam  und  bis  ins  kleinste  werden 
seine  Kompositionen  analysiert,  ihre  Vorbilder  aufgezeigt  (Mozart  S.  26,  30,  53, 
Gluck  S.  46,  Beethoven  S.  65).  Der  Komposition  von  Fouques  Undine  ist  ein  be- 
sonderes Kapitel  gewidmet,  ihr  Einfluss  auf  Lortzings  Vertonung  wahrscheinlich 
gemacht  (S.  105,  111,  189—90).  E.  verwertet  den  gesamten  musikalischen  Nachlass 
Hotfmanns  (S.  V).  Der  Musikkritiker  Hoffmann  erscheint  in  den  Anmerkungen  mit 
dem  bisher  unbeachteten  Aufsatze  über  alte  und  neue  Kirchenmusik  ('S.  201  ff.);  seine 
Urteile  über  Mozarts  Don  Juan  (S.  84)  und  über  Webers  „Freischütz"  (S.  153) 
werden  streng  und  unparteiisch  geprüft.  Ueber  die  Untersuchung  gegen  Hoffmann 
in  Sachen  Jahn-Kamptz  konnte  E.  nichts  Urkundliches  zu  Gesicht  bekommen  und 
musste  Wellmers  Bericht  auf  guten  Glauben  übernehmen  (S.  VI,  156  ff.).  Ueber 
Hoffmanns  Freunde  urteilt  E.  sehr  scharf  (Hitzig  S.  35,  124,  W'erner  S.  40,  Kunz 
S.  62,  die  Dresdener  Wasserdichter  S.  86,  Contessa  S.  128).  Nur  Koreff  (S.  128)  und 
Devrient  (S.  125)  erscheinen  in  besserem  Lichte.  Ausführlich  wird  zuletzt  der 
dichterischen  und  musikalischen  Nachwirkung  gedacht.  Heine,  Chamisso,  Grabbe, 
Alexis,  Gaudy,  Hauff,  Hebbel,  Otto  Ludwig,  Gottfr.  Keller,  Storm,  nicht  aber  der 
Kongenialste  unter  den  Lebenden,  Theodor  Fontane,  sind  dort  Lortzing  und  Marschner, 
Schumann,  Wagner  und  Offenbach  hier  in  Anspruch  genommen.  Ueber  Hoffmanns 
Wirkung  auf  Frankreich  wäre  eine  eindringlichere  Studie,  in  der  Art  von  Betz 
Buche  über  Heine  und  Frankreich,  noch  zuschreiben.83-84)  —  H.  von  Wolzogen85) 
setzte  seine  umfangreiche  Studie  über  Hoffmann  im  Berichtsjahre  fort,  ohne  sie  zum 
Abschlüsse  zu  führen.  Unmittelbaren  Gewinn  wird  die  Wissenschaft  aus  ihr  nicht 
ziehen  können.  Der  Vf.  wendet  sich  auch  nicht  an  sie,  noch  weniger  an  ein  nur 
populärer  Darstellung  zugängliches  Publikum.  In  romantisch  unklarer,  mehr  an- 
deutender als  ausdeutender  Form  schreibt  er  über  den  Romantiker  für  einen  aller- 
engsten  Kreis,  der  sich  als  berufener  Nachfolger  romantischer  Kunst  fühlt.  Das 
Mystische  und  Musikalische  in  Hoffmanns  Erscheinung  gelangt  zu  einseitiger,  fast 
übertreibender  Darlegung;  zur  Interpretation  wird  alles  Magische  herangeholt,  das 
in  den  romantischen  Strömungen  mit  unterläuft;  dass  gelegentlich  der  magische  An- 
strich nur  die  Folge  eines  unklaren  und  verworrenen  Spiels  mit  nicht  ganz  durch- 
dachten Vorstellungen  ist,  bemerkt  W.  freilich  nicht,  dessen  Stil  gerade  nach  dieser 
nicht  immer  erquicklichen  Seite  romantischer  terminologischer  Wortwitze  rüstig  weiter- 
schreitet. Im  ganzen  bleibt  sein  Aufsatz  ein  interessantes  Dokument  für  die  Art  und 
Weise,  in  der  Schüler  Richard  Wagners  geistige  Erscheinungen  erfassen,  die  als  Vor- 
läufer des  Meisters  in  Anspruch  genommen  werden.  In  dem  Probleme  „E.  T.  A.  Hoffmann 
und  Richard  Wagner"  bleibt  ihr  Hauptinteresse  dem  Zweitgenannten  gewahrt.  Ihn  besser 
zu  erkennen,  hat  W.  seine  Arbeit  geschrieben,  nicht  zur  tieferen  Erfassung  Hoffmanns. 


230  S.    M.  5,00.    |[Geg.  46,  S.  350.]|    —   83)   X    L.  Geiger,   E.  T.  A.  Hoffmann:   NatZg.  N.  544.    —   84)   X   K.  Busse,  E. 
E.  T.    A.    Hoffmann-Bioirr.:    VossZgB.    N.    50.    —    85)    H.  v.  Wolzogen,    E.  T.  A.  Hoffraiinn.     II.  T.     (JBL.  1893  IV  10:94): 

(4)33* 


IV  10:86-102  O.  F.  Walzel,  Romantik. 

—  Neben  Ellinger  bietet  die  allerdings  schon  vom  Sept.  1892  datierte,  Einleitung*, 
die  Lautenbacher86)  seiner  vierbändigen  Auswahl  Hoffmannscher  Schriften  voraus- 
sendet, nichts  Neues.  Die  mit  unnötiger  Breite  vorgetragenen  Angriffe  gegen  Litteratur- und 
Musikhistorik,  die  allerdings  bis  vor  kurzem  mit  Hoffmann  sich  wenig  beschäftigt  hatten, 
sind  durch  Ellingers  Buch  nichtig  geworden.  L.  giebt  eine  ausführliche  Biographie, 
er  sucht  Hoffmanns  Gestalt  innerlich  und  äusserlich  festzulegen,  zerbricht  sich  un- 
nötig den  Kopf  über  Hoffmanns  Religiosität,  weiss  aber  von  dem  Musiker  und  von 
dem  Dichter  nur  sehr  wenig  Erspriessliches  zu  sagen.87-89)  —  Einen  Brief  Hoff manns 
an  einen  Musikverleger  (Berlin,  27.  Sept.  1807)  bringt  die  „Deutsche  Dichtung"  90)  zum 
ersten  Male.91"92)  — 

Die  an  sich  schon  sehr  breit  geratenen  Mitteilungen  über  Ernst  Schulzes 
Verhältnis  zu  Cäcilie  Tychsen  (JBL.  1891  IV  11:84;  1892  IV  10:78)  finden  eine 
noch  weit  breitere  Fortsetzung  in  zwölf  umfangreichen  Artikeln93),  die  nach  dem 
Tagebuche  des  Dichters  und  nach  mannigfachem  ungedruckten  Briefmaterial  seine 
Beziehungen  zu  Adelheid  Tychsen  erörtern.  Sympathischer  wird  Schulze  auch  jetzt 
nicht.  Das  am  Totenbette  der  Schwester  angesponnene  Liebesgeplänkel  mit  Adelheid 
spiegelt  sich  ähnlich  wie  die  spätere  Phase  der  Liebe  zu  Cäcilie  in  Schulzes  Selbst- 
betrachtungen. Von  der  Frivolität,  mit  der  Schulze  anfangs  über  Cäcilie  geurteilt 
hatte,  ist  weniger  zu  spüren.  Diesmal  scheint  er  von  Anfang  an  ernster  gefesselt 
zu  sein.  In  unerquicklicher  Redseligkeit  kommentiert  er  jedes  Wort  und  noch  mehr 
jede  noch  so  unbedeutende  Handlung  Adelheids  und  schliesst  heute  auf  Liebe, 
morgen  auf  Abneigung,  in  ewigem  Wechsel.  In  Wirklichkeit  spielt  Adelheid  zwischen 
Schulze  und  seinem  Freunde  Wening  eine  recht  ungeschickte  Rolle,  Sie  kokettiert 
mit  dem  jungen  Dichter,  lässt  gelegentlich  ein  paar  Worte  von  Liebesgram  einfliessen, 
ist  aber  thatsächlich  mit  Wening  verlobt.  Wening  wiederum,  selbst  anderweitig  ge- 
bunden, hütet  sich  wohl,  dem  Freunde  oder  der  Braut  die  Augen  zu  öffnen,  und 
lässt  diese  zuletzt  sitzen.  Schulze  endlich  nimmt  den  Schmerz  verschmähter  Liebe 
ins  Grab  hinüber.  Durchaus  ungesunde,  haltlose,  schiefe  Verhältnisse,  qualvoll 
aufrecht  erhalten  durch  die  Unaufrichtigkeit  der  einen,  die  Schwäche  der  anderen. 
Auch  Schulzes  Beteiligung  am  Befreiungskriege,  dann  zeitweilige  Reisen  retten  ihn 
nicht  aus  seinen  seelischen  Konflikten.  Wenn  man  Schulze  endlich  und  endgültig 
von  Adelheid  getrennt  glaubt,  weiss  er  doch  immer  wieder  anzuknüpfen.  Erst  am 
Rande  des  Grabes  ist  er  befreit,  kann  Adelheid  mit  Ruhe  sprechen  und  erklärt  dem 
Bruder,  er  wolle,  auch  wenn  er  durch  ein  Wunder  genesen  sollte,  nie  wieder  nach 
Göttingen  zurückkehren.  Im  ganzen  bringt  die  Veröffentlichung  der  Tagebuchblätter 
und  Briefe  der  Literaturgeschichte  wenig  Gewinn,  und  nur  ein  feiner,  ge- 
schulter Psychologe  wird  das  Material  förderlich  und  aufklärend  benutzen  können.  — 

Innerhalb  des  Umkreises  der  schwäbischen  Romantik  spielt  die 
U  h  1  a  n  d  litteratur  des  Berichtsjahres  nicht  jene  Rolle,  die  ihr  durch  die  zahlreichen 
neuen  Ausgaben  der  jüngsten  Zeit  in  früheren  Berichten  zu  teil  wurde.  Hirzel94) 
druckt  zwei  Briefe  Uhlands  vom  21.  Okt.  1824,  die  beide  nach  Bern  gerichtet  sind 
und  um  Zusendung  von  mittelhochdeutschen  Hss.  bitten.  Ein  erschöpfender  Kommentar  ist 
zugefügt,  der  jedoch  die  Notwendigkeit  der  ganzen  Veröffentlichung  nicht,  nach- 
weist.95"101) —  Ein  umso  willkommeneres  Geschenk  ist  die  billige  und  handliche  Aus- 
gabe von  Uhlands  Volksliedersammlung,  die  Herrn.  Fischer102)  bündig  und  treffsicher 
einleitet.  Zwei  Bände  umfassen  die  Texte  der  Volkslieder;  der  dritte  bietet  die  „Ab- 
handlung über  die  deutschen  Volkslieder",  der  vierte  die  Anmerkungen  zu  dieser 
Abhandlung.  Nicht  aufgenommen  wurden  die  von  Holland  im  vierten  Bande  der 
„Schriften"  abgedruckten  Anmerkungen  zu  den  Volksliedern.  Die  Einleitung 
orientiert  über  den  Begriff  des  Volkliedes,  thut  einen  raschen  historischen  Ueberblick, 
würdigt  Herders  einschlägige  Bemühungen  und  charakterisiert  nicht  ganz  richtig 
das  „Wunderhorn".     Uhlands    auf  das    deutsche   Volkslied   gerichtete   Bemühungen 


BayreuthBll.  17,  S.  62-72.  —  86)  E.  T.  A.  Hoffmann,  Ausgew.  Werte  in  4  Bon.  Mit  Einl.  v.  J.  Lantenbacher.  (=  Cottasche 
Bibl.  d.  Weltlitt.  N.  236,  238,  240,  242.)  St.,  Cotta.  294,  236,  234,  333  S.  ä  M.  1,00.  |[VossZg.  N.  168:  O.  W. :  N&S.  76, 
S.  153.JI  —  87)  X  id-,  Ausgew.  Werte  in  6  Bdn.  (=  ebda.  N.  33/9.)  2J0,  206,  204,  324,  247,  263  S.  a  M.  0,50.  —  88)  X 
id.,  Mademoiselle  de  Scndery,  chronique  du  temps  de  Louis  XV.  (=  Petite  bibl.  diaraant  N.  37.)   Paris,  Boulanger.  127  S.  Fr.  0,60. 

—  89)Xia-*  Le  vieux  magister.  Adaption  par  Delauney  du  Dessen.  Tours,  Manie  &  Als.  159  S.  —  90)  (=  N.  68,  S.  299-300.) 

—  91) X  Ed.  Höber,  Eichendorffs  Jugenddichtungen  (JBL.  1893  IV  10:104).  |[R.  Friedrioh:  BLU.  S.  598;  H.  Meisner: 
DLZ.  S.  1484/5.]|  —  92)  X  '■  v-  Eichendorff,  Aus  d.  Leben  e.  Taugenichts.  111.  v.  H.  Looschen.  (=  111.  Elzevier-Ausg.  Bd.  7.) 
L.,  Seemann.  16°.  204  S.  M.  2,00.  -  93)  E.  Schulze  u.  Adelheid  Tychsen:  DDichtung.  16,  S.  28-32,  47-52,  68-78,  92/9, 
115-23,  142/9,  165-73,  194/9,  217-26,  240/8,  265-75.  —  94)  L.  Hirzel,  2  Briefe  v.  ühland:  ADA.  20,  S.  92/5.  —  95)  X  L- 
Uhlands  Werte  ed.  L.  Fränlcel  (JBL.  1893  IV  10:106).  |[LCB1.  S.  1541/2;  F.  S.  K(ranss):  NFPr.  N.  10625  (stark  übertrieb. 
Lob).]|  —  96)  X  L-  Pränkel,  L.  Uhlands  Leben  u.  Werte.  (=  Meyers  Volksbücher  N.  1038.)  L.  u.  Wien,  Bibliogr.  Inst. 
60  S.  M.  0,10.  (Abdr.  d.  Einl.  v.  N.  95.)  —  97)  X  R-  Friedrich,  L.  Uhland,  Ges.  Werke  her.  v.  F.  Brandes  (JBL.  1893 
IV  10:107):  BLU.  S.  85/6.  —  98)  X  fc  Uhland,  Gedichte  (JBL.  1892  IV  10:85):  DDichtung.  15,  S.  180.  -  99)  X  HU  Gedichte. 
Mit  e.  Einl.    111.  Ausg.  (==  Litt.-Werke  d.  Ver.  „Minerva"  N.  51.)    B.,  (S.  Gerstmann).     160  S.    M.  2,00.  —  100)  X  0-  6 t  87/8.) 

—  101)  X  R-  Richter,  L.  Uhland,  Ernst  Herz.  v.  Schwaben.  (=  Velhagen  &  Elasings  Samml.  dtsch.  Schulausg.  N.  64.) 
Bielefeld,  Velhagen  &  Klasing.    XVI,  80  S.    M.  0,50.  —   102)  L.  Uhland,  Alte  hoch-  u.  niederdtsch.  Volkslieder  mit  Abhandl. 


0.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  10  :  103-114 

bekommen  ihren  Platz  in  seiner  wissenschaftlichen  Thätigkeit  angewiesen.  Seine 
vorsichtige  Gelehrtenart,  die  ihm  nicht  gestattet,  mündlicher  Ueberlieferung  schranken- 
los zu  trauen,  wird  gewürdigt.  Kein  Gegenstand  älterer  deutscher  Litteratur  konnte 
ihm  besser  zusagen,  als  das  Volkslied;  ging  er  doch  immer  auf  das  Objektive, 
Zuständliche  aus.  So  blieb  denn  auch  sein  objektives  Bild  von  dem  Wesen  des 
deutschen  Volkssangs  unberührt  von  der  Einseitigkeit  wissenschaftlicher  Theoreme 
und  vermied  glücklich  die  Irrwege,  die  auch  Jakob  Grimms  Ansicht  vom  Volkslied 
gelegentlich  wandelte.103)  —  Ein  teilweise  nach  eigenen  Erlebnissen  entworfenes,  wohl- 
erwogenes Bild  Uhlands  zeichnet  ein  älterer,  jetzt  neu  gedruckter  Vortrag  Jägers  104). 
Ohne  der  inzwischen  vorgeschrittenen  Erkenntnis  wesentlich  Neues  zu  bieten,  gewinnt 
er  den  Leser  durch  reiche  Lokalfarbe.  Nur  intime  Kenntnis  württembergischer 
Verhältnisse  konnte  den  Gegensatz  Uhlands  und  seines  Königs  Wilhelm  so  scharf 
herausarbeiten  (S.  319— 20).  Treffend  charakterisiert  ist  der  Redner  Unland  (S.  321). 
Energisch  wendet  J.  sich  gegen  die  Annahme  einer  schwäbischen  „Dichterschule" 
(S.  326);  Schematisierungswut  habe  das  Wort  geschaffen.  Beiläufig  wird  Schillers 
„Leidenschaft  für  die  verwitwete  Hauptmann  Vischer  (Laura)"  ins  Gebiet  der  Fabel 
verwiesen  (S.  3181).105-106)  —  Krickau107)  hält  es  für  notwendig,  neuerdings  den 
dramatischen  Wert  von  Uhlands  Herzog-  Ernst  zu  prüfen  und  zum  so  und  so  vielten 
Male  nachzuweisen,  dass  die  Schwäche  der  Tragödie  in  dem  Mangel  an  dramatischem 
Leben  liege:  Der  Konflikt  in  der  Brust  Ernsts  ist  nicht  ausführlich  begründet  und 
allmählich  gesteigert.  Die  Schilderung  des  Seelenkampfes  in  der  Brust  Giselas  bietet 
keinen  Ersatz:  er  ist  rein  lyrischer  Natur  und  zieht  unser  Interesse  obendrein  von 
dem  Helden  ab.  Derselbe  Fehler,  dass  der  Held  zu  wenig  im  Vordergründe  unserer 
Teilnahme  steht,  wiederhole  sich  noch  stärker  in  Ludwig  dem  Bayer.  Noch  mehr  als 
in  dem  fertigen  Drama  zeige  sich  der  Mangel  eigentlichen  Interesses  im  Entwurf 
des  Herzog  Ernst.  Gegen  den  Entwurf  gehalten,  ist  die  Handlung  des  Dramas  ein- 
facher und  folgerichtiger  geworden,  zuweilen  ist  sie  mit  den  Charaktereigenschaften 
der  Personen  in  besseren  Einklang  gebracht,  wie  auch  einzelne  Charaktere  reicher 
und  sorgfältiger  ausgearbeitet  sind.  —  Sprenger 108)  fragt,  ob  die  im  Herzog 
Ernst  IV,  2,  V.  1568  angedeuteten  Vorstellungen  auf  mittelalterlicher  Naturgeschichte 
beruhen.  Er  selbst  hat  das  Problem  nicht  ergründen  können.  —  Fränkel109) 
möchte  wissen,  an  welche  Stelle  Shakespeares  oder  Schillers  Uhland  in  Ludwig  dem 
Bayer  III,  3,  V.  969—71  sich  anlehne.  —  Sprenger110)  interpretiert  die  Worte 
von  Uhlands  Graf  Eberhard  „Das  Fähnlein  ist  verloren"  mit  der  Wendung  „Die 
Rottenschar  ist  völlig  geschlagen";  von  einer  in  Verlust  geratenen  Fahne  sei  die 
Rede  nicht.111)  —  Endlich  meint  Sprenger112),  dass  „Krone"  in  Uhlands  Volks- 
liedern (III,  3,  229)  Kronleuchter  bedeute;  Uhland  selbst  scheint  den  Ausdruck  nicht 
verstanden  zu  haben.  — 

Der  Mensch  Justinus  Kerner  wird  uns  in  anziehendster  Art  nahe- 
gebracht durch  ein  Buch,  das  sein  Sohn  Theobald  Kerne  r113)  dem  Kernerhause 
zu  Weinsberg  widmet.  Anspruchslose  Skizzen  führen  den  Wirt  und  die  Wirtin,  das 
wackere  Rickele,  sein  Heim  und  die  schier  unübersehbare  Fülle  interessanter  Per- 
sönlichkeiten vor,  die  im  Kernerhause  zu  Gaste  waren.  Die  Kern  er  eigentümliche 
Mischung  von  gemütlicher  Behaglichkeit  und  mystisch  Spukhaftem  kommt 
immer  wieder  zum  Durchbruch,  für  die  tiefere  Erkenntnis  Kerners  fällt  eine  Menge 
kleiner,  intim  charakterisierender  Züge  ab;  und  in  seiner  Umgebung,  teils  dem 
Wesen  des  Mannes  sich  schmiegsam  anschliessend,  teils  in  schwächerem  oder  stärkerem 
Gegensatz  zu  seinen  mystischen  Tendenzen,  erscheinen  die  Vertreter  der  sogenannten 
schwäbischen  Schule,  dann  schwäbische  Denker  wie  Strauss  und  Vischer,  jüngere 
Dichterfreunde  wie  Freiligrath,  Geibel,  Mosen,  Auerbach,  neben  ihnen  ein  Mesmer, 
endlich  fürstliche  Personen  wie  Herzog  Max  und  Prinz  Adalbert  von  Bayern  und, 
zu  ihnen  überleitend,  der  Dichter  Graf  Alexander  von  Württemberg-.  Von  Roman- 
tikern sind  zu  nennen:  Uhland,  Schwab  und  Mayer  (S.  169— 70)  hübsche  Reminiscenzen 
aus  der  Werdezeit,  ein  paar  amüsante  Uhlandanekdoten),  Helmina  von  Chezy  und 
ihr  Sohn  (S.  242),  Emma  Niendorf  (S.  302).1,3a)    Lenau  nimmt  einen  breiten  Raum 


u.  Anraerk.  3.  Aufl.  Mit  Einl.  v.  Herrn.  Fischer.  (=  Cottasche  Bibl.  d.  Weltlitt.)  St.,  Cotta.  346,  320,  30S,  260  S. 
M.  4,00.  —  103)  X  E  Tingeschrieb.  Buch  Uhlands:  BerlTBl.  N.  408.  (Aus  e.  Briefe  Uhlands  an  Fouqne.)  —  104)  (=  IV  9: 181, 
S.  313-30.)  —  105)  X  E.  Nägele,  Beitrr.  zu  Uhland  (JBL.  1893  IV  10:125).  |[0.  Hellinghaus:  Gymn.  12,  S.  542;  Fr. 
Speyer:  ASNS.  93,  S.  450/1;  H.  F[ischerJ:  LCB1.  S.  286.] |  —  106)  O  A.  Holder,  Z.  Rettung  u.  z.  Verstände  Uhlands: 
DPB1.  27,  S.  85  6.  —  107)  K.  Krickau,  Ueber  d.  drarnat.  Wert  v.  Uhlands  Ernst,  Herzog  r.  Schwaben.  Progr.  d. 
Progymn.  Hofgeismar,  (L.  Keseberg).  4°.  22  S.  —  108)  R.  Sprenger,  Zu  e.  Stelle  in  Uhlands  Herzog  Ernst:  ZDU.  8, 
S.  129.  —  109)  L.  Fränkel,  Anfrage  zu  Uhlands  „Ludwig  d.  Bayera  III,  3:  ib.  S.  541.  —  110)  B.  Sprenger,  Zu 
Uhlands  Graf  Eberhard  d.  Rauschebart:  ib.  S.  542/3.  —  111)  O  X  *"■  Menzel,  Droben  stehet  d.  Kapelle.  Randglossen  zu 
d.  Gedichte  Uhlands:  Pfarrhaus  10,  S.  129-34.  —  112)  R.  Sprenger,  Zu  Uhlands  Volksliedern:  ZDU.  8,  S.  131.  —  113)  T  h. 
Kern  er,  D.  Kernerhaus  u.  seine  Gäste.  Mit  d.  Bildi.  u.  e.  Facs.  Just.  Kerners  nebst  anderen  Portrr.  u.  111.  St.,  Dtsch. 
Verl.-Anst.  VII,  376  S.  M.  4,00.  |[Geg.  44,  S.  414;  LZgB.  N.  292;  N&S.  69,  S.  410/1;  M.  G.  Conrad:  Ges.  S.  964;  DRs.  78, 
S.  477.11    —    113 a)  X  F-  Brummer,  Emma  y.  Suckow:  ADB.  37,  S.  109-10.    —    114)  R.  Steig,  Aus  d.  Kernerhause:  NatZg. 


IV  10:115-125  O.  F.  Walzel,  Romantik. 

ein  (S.  126,  vgl.  S.  7).  Auch  den  Geisteskranken,  den  Besessenen,  den  Somnambulen, 
zumal  der  Seherin  von  Prevorst  sind  einige  Kapitelchen  gewidmet  (S.  92).  Ver- 
schiedene Briefe  an  Kerner  geben  eine  Kostprobe  der  von  dem  Herausgeber  ange- 
kündigten Edition  des  gesamten  Kernerschen  Briefschatzes.  Fast  durchweg'  sind 
Bildnisse  beigefügt,  einige  andere  Illustrationen  versinnbildlichen  die  Kernerstätten. 
S.  375  ein  Verzeichnis  der  im  Buchhandel  erschienenen  Schriften  Kemers.  —  Die  An- 
zeigen Steigs114)  und  Poppenbergs115)  haben  den  intimen  Reiz  des  Buches  glücklich 
nachempfunden.  Sehr  richtig  weist  P.  auf  die  reichen  Mittel  zu  psychologischer 
Charakteristik  hin,  die  das  Buch  enthält,  das  einen  tieferen  Einblick  in  das 
wesentliche  Detail  von  Kerners  Leben  gestattet  als  irgend  eine  andere  Biographie 
des  Mannes.  —  Vom  spiritistischen  Standpunkte  und  zu  spiritistischen  Zwecken 
bespricht  Delius116)  das  „Kernerhaus".  —  Zu  einer  in  ihrer  gedrängten  Fülle  er- 
schöpfenden Charakteristik  Kerners  hat  Erich  Schmidt117)  das  „Kemerhaus" 
verwertet.  Das  „Bilderbuch  aus  der  Knabenzeit"  glücklich  ausnützend,  arbeitet  er 
das  Schwäbische  an  Kerner  heraus,  leitet  aus  erblicher  Belastung  seinen  Hang  fürs 
Gruselige  ab,  scheidet  in  scharfer  Charakteristik  zwischen  Unlands  und  Kerners 
Wesen,  giebt  in  solchem  Zusammenhang  eine  treffsichere  Beschreibung  seiner  Dichter- 
art, insbesondere  seiner  Lyrik,  und  entwickelt  schliesslich  an  einer  Menge  glücklich 
gewählter  Züge  den  reichen  Inhalt  des  Kernerbuches.  —  Neben  der  Familienchronik 
des  Kernerhauses  wird  man  immer  noch  gerne  den  knappen,  wohlabgewogenen, 
Kerner  als  Menschen,  als  Gelehrten  und  als  Dichter  ergründenden  Aufsatz  Rümelins118) 
von  1862  lesen.  Aus  dem  gesellig  behaglichen  Treiben  des  „Kernerhauses"  scheint 
in  Rümelins  Darstellung  der  Mensch  Kerner  etwas  gar  zu  trübe  in  die  Welt  zu 
blicken ;  seiner  Begabung  zur  Freundschaft  ist  R.  um  so  mehr  gerecht  geworden,  fein 
aber  bemerkt  er,  dass  dieser  Freundschaftsbegabung  der  psychologische  Tiefblick 
Kerners  nicht  ebenbürtig  war,  im  Leben  und  in 'seiner  Dichtung  (S.  316).  Ohne  Vor- 
eingenommenheit offenbart  R.  den  vorsichtigen,  nichts  weniger  als  genial  rasch  zu- 
greifenden Arzt.  Für  die  strengwissenschaftliche,  romantische  Stilkünste  meidende 
Form  seiner  theoretischen  Schriften  wird  energisch  eingetreten.  Schon  seine  Be- 
schreibung des  Wildbades  lässt  von  der  Technik  der  gleichzeitigen  Reiseschatten 
nichts  spüren;  die  ins  Mystische  schlagenden  Schriften  Kerners,  insbesondere  sein 
Buch  über  die  Seherin  von  Prevorst,  begnügen  sich  erst  recht  mit  nichts  weniger 
als  subjektiv  gefärbten  Referaten.  Erst  Eschenmeyer  brachte  in  Kerners  objektive 
Darlegung  einen  mystisch-deutenden  Zug  (S.  348,  352).  Hübsch  zeigt  R.,  wie  Kerner 
vom  Speciellsten  gern  zu  höheren  Fragen  fortschreitet:  wenn  er  vom  Wurstgift 
handelt,  scheut  er  vor  socialen  Forderungen,  vor  Aeusserungen  judenfreundlicher 
Toleranz  nicht  zurück,  er,  der  als  echter  Romantiker  aus  protestantischer  Mitte  den  Formen 
des  Katholizismus  zuneigte  (S.  333,  360).  Für  den  Dichter  Kerner  fällt  nicht  viel 
ab.  Seine  Reiseschatten  werden  mit  raschem  Lobe  abgethan  (S.  326);  den  „Bären- 
häuter" lehnt  R.  ab  (S.  362).  Die  Jugendlyrik  klopstöckelt  nach  Conz  Vorgang 
(S.  312),  dann  aber  schliesst  sich  Kerner  nicht  der  Schillerschen  Muse,  sondern  dem 
Wunderhorn  an  (S.  319).  Origineller  und  vielseitiger  an  Geist,  von  sensitiverer 
Natur,  als  Uhland  (S.  342)  feilt  er  zu  wenig  an  seinen  Schöpfungen,  behält  aber  bis 
ins  höchste  Alter  seine  dichterische  Frische  und  besingt  das  treue  Rickele  als  Gatte 
häufiger  denn  als  Bräutigam  (S.  340,  369).  Die  Herausgabe  der  „Seherin  von 
Prevorst"  scheint  nach  R.  auch  in  Kemers  Leben  eine  wichtige  Epoche  zu  bedeuten 
('S.  353).  —  Zwei  naiv  herzliche  Briefe  Kerners  an  König  Ludwig  I.  von  Bayern  druckte 
von  Trost119)  nach  den  Originalen  (aus  dem  kgl.  geheimen  Hausarchiv  zu  München) 
ab.  Den  31.  Okt.  1854  beklagte  Kerner  den  Tod  der  Gemahlin  Ludwig  L,  der  Königin 
Therese;  er  bringt  die  Aehnlichkeit  des  Schmerzes  Ludwigs  mit  dem  Leid  des  vor 
kurzem  Verwitweten  ergreifend  zum  Ausdruck.  Der  Brief  von  12.  März  1856  soll 
Kerners  Schrift  über  Mesmer  dem  König  empfehlen  und  entwirft  aus  warmer  Ueber- 
zeugung  ein  anziehendes  Bild  Mesmers,  der  „weder  ein  Mann  der  Phantasie  noch  ein 
Charlatan"  gewesen  sei.120-124)  — 

Eine  Charakteristik  Hauffs  trat  aus  dem  Nachlasse  Wechslers125)  zu 
Tage.  Frisch  hingeworfen,  von  einer  lebendigen  Anschauung  erfüllt,  spendet  sie 
neben  einer  Menge  von  Werturteilen  einige  beherzigenswerte  Beobachtungen.  W. 
findet  in  Hauffs  Dichterart  ein  graziöses  Gemisch  von  kecker  Altklugheit,  selbständiger 
Anempfindung  und  nimmersatter  Schöpferlust.     Hauff  sei  das  Prototyp  des  Talents, 


N.  185.  —  115)  F.  Poppenberg,  Kerner-Interienrs:  NationB.  11,  S  244/6.  —  116)  L.  Delius,  E.  Erinnerungsbl.  an  J.  Kerner: 
Sphinx  18,  S.  141/6.  —  117)  Erich  Schmidt,  J.  Kerner:  ML.  63,  S.  41/7.  —  118)  (I  7:167;  IV  5:476;  S.  303-74.)  — 
119)  L.  v.  Trost,  E.  Erinnerung  an  J.  Kerner:  SchwäbKron«.  28.  Juli.  —  120)  X  E-.  D-  F-  Strauss  u.  J.  Kerner:  DPB1.  27, 
8.  44.  —  121)  X  G.  Schwab,  Sagen  d.  klass.  Altertums.  I.-III.  L.,  Gressner  &  Schramm.  12°.  79,  83,  104  S.  ä  M.  0,60.  — 
122)  X  >d .  Kleine  Sagen  d.  Altertums,  ebda.  12°.  92  S.  M.  0,60.  —  123)  X  id--  D-  schönsten  Sagen  d.  klass.  Altertums 
nach  seinen  Dichtern  u.  Erzählern.  (=  Bibl.  d.  Ges.-Litt.  d.  In-  u.  Ausl.  N.  746-55.)  Halle  a.  S.,  Hendel.  VIII,  414  S.;  IV, 
404  S.     Mit  2  Taf.     M.  3,50.    —    124)    X    Pfarrhaus  Gomaringen:    Pfarrhaus  10,    S.  46/7.    -    125)   E.  Wechsler,  W.  Hauff: 


0.  F.  Walzel,  Romantik.  IV  10  s  120-140 

das  sorglos  und  gewandt  über  Schwierigkeiten  weghüpfe,  die  dem  Genie  qualvolle 
Stunden  bereiten.  Seine  andauernde  Beliebtheit  erklärt  W.  aus  der  Thatsache,  dass 
Hauff  auf  dem  geistigen  Niveau  der  Mittelschicht  des  deutschen  Lesepublikums  stehe. 
Er  sei  der  Dichter  des  philiströsen  Bürgertums,  aber  er  habe  verstanden,  Philistrosität 
mit  romantischen  Arabesken  zu  umranken.  Die  Märchen,  in  denen  Hauff  sein  Bestes 
gegeben  habe,  vergleicht  W.  mit  den  höher  stehenden  Dichtungen  Andersens  und  mit 
den  Wielandisch  zugerichteten  von  Musäus.  Als  Novellist  sei  er  Anempfinder.  Die 
einzelnen  Novellen  kritisierend,  bezeichnet  W.  als  Hauffs  Steckenpferd  Satire  gegen 
litterarisches  Cliquenwesen.  Er  macht  aus  inneren  Gründen  wahrscheinlich,  dass 
Hauff  seinen  Mann  im  Monde  bona  fide  nach  Claurenschem  Muster  gearbeitet  habe, 
wie  er  sich  ein  andermal  an  Tieck  oder  E.  T.  A.  Hoffmann  anlehnte.  Die  „Säng'erin", 
die  Hauff  niemals  als  satirische  Nachahmung  ausgegeben  habe,  bewege  sich  ja 
gleichfalls  in  Claurenschen  Bahnen.  Ueber  das  Verhältnis  der  Memoiren  des  Satan 
zu  Hoffmann  wäre  mehr  zu  sagen  gewesen.  Den  Lichtenstein  kritisiert  W.  scharf, 
nennt  ihn  aber  doch  ein  „jugendschönes  Werk".  Hauff,  meinte  er,  wollte  unbewusst 
eine  Rittergeschichte  schreiben,  die,  hätte  er  sie  als  Knabe  gelesen,  ihm  Thränen 
der  Begeisterung  entlockt  hätte.  Die  geringe  Glätte  seiner  lyrischen  Gaben  wird  zuletzt 
zum  Brauche  der  schwäbischen  Schule  in  Gegensatz  gebracht.126-140)  — 


IV,  11 

Das  junge  Deutschland. 

Ernst  Elster. 

[Der  Bericht  über  die  Erscheinungen  des  Jahres  1894  wird  im  sechsten  Bande 
nachgeliefert.] 


WIDM.  76,  S.  695-708.  —  126)  X  M.  Mendheim,  Hauffs  Leben  u.  Werte.  (=  Meyers  VolVsbücher  K.  1019.)  L.  u.  Wien, 
Bibliogr.  Inst.  16°.  57  S.  M.  0,10.  |[Zuschauer  2,  S.  129-30.]|  (Einleit.  v.  JBL.  1892  IV  10:  115.)  —  127)  X  E-  Wechsler, 
E.  neue  Hauffausgabe:  NatZg.  N.  239.  (Besprech.  v.  C.  Flaischlens  Ausg.:  JBL.  1891  IV  3:93.)  —  128) X  W.  Hauff,  Märchen. 
Fürth,  Löwensohn.  320  S.  Mit  Bild.  M.  2,50.  —  129)  X  ia  •>  D-  Karawane.  Märchen.  (=  Allg.  Volksbibl.  N.  40,1.)  Neu- 
salza  i.  S.,  Oeser.  104  S.  M.  0,20.  —  130)  X  id.,  Caravan.  (=  Mod.  translations.)  London,  Bell.  Sh.  1.  —  131)  X  id., 
The  inn  in  the  Spessart,  transl.  by  S.  Mendel,  ebda.  Sh.  1.  —  132)  X  id..  Lichtenstein.  E.  romant.  Sage.  (=  Allg. 
Volksbibl.  N.  4-11.)  Neusalza  i.  S.,  Oeser.  372  S.  M.  0,80.  —  133-134)  X  id..  Lichtenstein.  Bd.  1-3.  (=  Die  besten  Romane 
d.  Weltlitt.  Neue  Ausg.  Serie  III,  Bd.  13/4.)  Teschen,  Prochaska.  16°.  134,  193,  100  S.  ä  M.  0,50.  —  135)  X  H*  Lichten- 
stein. Roman  hist.  Avec  notices  et  notes  par  L.  Schmitt.  5.  ed.  (=:  Cours  sup.  de  langue  allem.  Les  auteurs  du  programme.) 
Paris,  Delagrave.  VIU,  65  S.  —  136)  X  id-,  D.  letzten  Ritter  v.  Marienburg;  D.  Bettlerin  v.  Pont  des  Arts;  D.  Sängerin. 
(=  Allg.  Volksbibl.  N.  18-22.)  Neusalza  i.  S.,  Herrn.  Oeser.  68,  114  u.  56  S.  M.  0,50.  (3  Tle.  in  1  Bd.)  — 137)  X  id.,  Othello. 
Novelle.  (=  ebda.  N.  47.)  47  S.  M.  0,10.  —  138)  X  id>  Jnd  Süss;  D.  Bild  d.  Kaisers.  (=:  ebda.  N.  14/7.)  174  S.  M.  0,40. 
(2  T.  in  1  Bd.)  —  139)  X  id-,  Phantasien  im  Bremer  Ratskeller.  E.  Herbstgeschenk  für  Freunde  d.  Weins.  (=  ebda.  N.  54.) 
52  S.  M.  0,10.  —  140)  X  id-,  Phantasien  im  Bremer  Ratskeller.  111.  v.  A.  Niemeyer.  (=  III.  Elzevier-Ausg.  Bd.  3.)  L., 
Seemann.     16°.     135  S.     M.  2,00.  — 


Autorenregister. 


Abafl,  L.     14:  96. 

Abee,  V.     IV  2  b  :  244. 

Achelis,  Th.     IV  5  :  49,  161,  204. 

Achenbach,  H.  v.     14:  341. 

Ackermann,  K.     13: 169. 

Adam,  K.    I  4  :  129:  II  1  :  151;  III  2  :  2. 

Adaniek,  E.    I  5  :  411. 

Adams,  G.     14:  7. 

Adeline,  F.    13: 125. 

Adickes,  E.     IV  5  :  89,  105. 

Adler,  F.    IV  1  d  :  70;   2  b  :  363. 

—  G.    I  10  :  22. 
Advielle,  V.     13:  281, 
Agreotti,  A.     IV  8e  :  57. 
Ahlbeim,  A.     16:  16. 
Ahlwardt,  W.     13:  18. 
Ahn,  F.    I  3  :  92,  416. 
Ahrens,  U.     I  12  :  185. 
Albers,  B.     14:  401,2. 

—  J.     I  4  :  344. 
Albert,  Ed.     IV  2b:  116. 

—  H,    IV  1  d  :  9. 

—  M.     II  7  :  24. 

—  P.     II  1  :  105. 

—  K.     III  1:175a;  5:12. 
Albertz,  E.     II  6  :  144. 
Albrecht,  A.     17:  223;  II  6  :  91. 

—  G.     I  4:4(54a;    5:90;    111:124; 
III  2  :  12. 

—  K.     IV  5  :  36/7 ;  6  :  23. 
Aldenhoven,  C.     19:  22,  58,  160. 
Aldrich,  S.  J.    I  3  :  55. 
Alexander,  W.  F.    I  10  :  115;  IV  1  c  :  55. 
Alexejew,  W.     IV  1  b  :  273. 

Alhard  v.  Drach,  C.     19:  455. 
Allers,  O.W.     IV  1  b  :  279. 
Allgeyer,  S.     19:  276. 
Allmers,  II.    IV  2b: 344/7;    3:313b. 
Allram,  J.     IV  2b  :  171;  3  :  424,5,  427, 

4323. 
Aisleben,  K.     IV  3  :  170/1. 
Altenkrager,  E.     IV  5  :  34. 
Althaus,  F.     IV  lc  :  69a. 
Altkirch,  E.     19:  315. 
Araalfl,  G.     I  11  :5  a. 
Ambrassat,  A.     II  6  :  96. 
Amelung,  K.     II  6  :  183. 
Amerlan,  F.     II  4b:  41. 
Amersbach,  K.     15:5. 
Ammann,  J.  J.     IV  3  :  407. 
Amsel,  G.    I  7  :  216. 
Amyntor,   Gerhard  t.,    s.    Dagobert   v. 

Gerhardt. 
Andersson.  A.     II  5  :  29. 
Andrä,  J.     15:  150. 

—  E.     17:  169. 
Andrea,  E.     14:  178. 
Andreas-Salome,  Lou.     IV  5  :  175. 
Andrian,  F.  v.     15:  127. 
Andrich,  S.     I  10  :  249. 

Anster,  J.     IV  8e  :  100. 
Antona-Traversi,  C.    IV  3  :  562. 
Apfelstaedt,  M.     IV  2b  :  319. 
Arber,  E.     13:  386. 
Arend,  M.     I  10  :  14. 
Arendt,  K.    I  4:445a. 

—  0.     IV  3:247;  9:  194. 
Arent,  W.     IV  2  b  :  282. 
Aresin-Fatton,  J.  M.  R.     II  1  :  64. 
Arke,  B.     IV  lb:  341;   lc:37. 


Arminias,  W.     IV  2  b  -.82. 
Arndt,  A.     II  6  :  151. 

—  R.     IV  lb:376;  5:592. 

—  W.  III  1:129,  134,  136;  IV  8a:  52 3, 
66;  8b:  1,  2;  8d  :  1;  Se  :  12. 

Arneth,  A.  Ritter  v.     IV  lb  :  5,  390. 
Arnheim,  F.    III  1  :  145;  IV  lb  :47,  77. 
Arnim,  F.     IV  3  :  375/6. 
Arnold,  Mrs.     IV  5  :  486. 

—  C.  F.     IV  5  :  241  a. 

—  F.     II  6  :  265. 

—  Th.  J.  J.     13  :  112. 
Arnoldt,  E.     IV  5  :  100. 

—  R.     I  12  :  183. 

Artaria,  R.    I  4 :  137  a,  433  a ;  I V  3  :  217. 
Asmus,  F.     15:  394. 
Ath,  F.  W.  v.     IV  5  :  560. 
Atz,  K.     19:  164,  373. 
Aufleger,  0.     I  9  :  128  9. 
Aufsberg,  Th.     I  5  :  169. 
Avenarius,  F.    I  9  :  280,  326/7,  345. 
Averdunk,  H.     I  4:338. 

Baasch,  E.     I  4 :  213:  IV  lb  :  464. 

Bacciocco,  F.  A.     IV  1  b  :  90. 

Bach,  M.     I  4  :  43a;   9  :  167,  1S4,  452; 

II  1  :  130. 
Bache,  Constance.     I  10  :  186. 
Bachelin,  L.     IV  3  :  500. 
Bachmann,  A.     II  1  :  3,  107. 
Baechtold,    J.      III  5  :  78:    IV  1  c  :  78; 

3  :  357,  367, 8,  375  6;  5  -.439-40;  6  :  19. 
Back,  S.     14:  424. 
Baecker,  P.     I  1  :  27. 
Baege,  W.     III  1  :  28. 
Bähring,  G.     IV  1  b  :  233. 
Baer,  J.     13:  119;  4:226. 
Bärwinkel,  R.     II  6  :  180. 
Bäumker,  W.     I  10  :  76. 
Bahder,  K.  v.     17:  102. 
Bahlmann,    P.     13:147,    149;    4:33; 

6  :40:    II  3  :  59;    5:11,   32;    6:43, 

270;  7  :  17. 
Bahlsen,  L.     I  4  :  524;  11  :  49. 
Bahr,  H.     14:  426. 
Bailleu,  P.     IV  lb  :  76;  lc  :  6. 
Bailly,  Edm.     IV  9:112. 
Baldamus,   A.     I  2  :  18;    III  1  :  2;    IV 

1  c  :  69. 
Baldi,  A.     16:  92,3. 
Ballhorn,  F.     13:  128. 
Bamberger,   L.      11:14;     4:28;     IV 

la:25;  lb:318;  5:590. 
Barack,  K.     II  3  :  29. 
Barbier,  J.     IV  9  :  121/2. 
Bardachzi,  F.     II  4b  :  47. 
BaTewicz,  W.     1  11  :  55. 
Baring-Gould,  S.     15:  219. 
Bartels,   Ad.     19:1;    II  4b:  12;    IV 
lc  :  23,  44;  ld  :  10,  57;  2b  :  91,  352, 

383:  3  :  212,  583,  597;  5  :  533. 

—  P.     I  4:200a. 

—  W.     16:  142. 

Barth,  P.     IV  5  :  207,  229. 

—  Th.    IV  1  a  :  25;  5  :  485,  589. 
Barthel,  G.  E.     IV  10  :  57. 
Bartold,  W.     IV   1  b  :  457. 
Bartholomaeus,  W.     16:  97-100. 
Basedow,  H.  v.     IV  8  e  :  35. 
Bassermann,  11.     I  12  :  60. 


Batka,  R.     I  10  :  2,  64. 
Bauch,  G.     I  9:  209;  II  7  :  40. 

—  H.     IV  3  :  266. 
Bauer,  A.     17:  114. 

—  F.     IV  8  c  :  9. 

—  G.     I  6  :  52. 

—  H.     III  1  :  37. 

—  L.     16:  12,  18,  87/8 ;  IV  10  :  100. 

—  Marianne.     I  5:71a. 
Baumann,  F.     14:  356. 

—  Fr.  L.     IV  1  b  :  432. 

—  J.    IV  8e:91. 
Baumbach,  K.     13:  412. 

—  R.     IV  3  :  466. 
Baumeister,  A.     I  12  :  50. 
Baumgärtel,  M.     13:  464. 
Baumgart,  A.     15:  96. 

—  II.     IV  9  :  150. 
Baumgarten,  F.     14:  404. 

—  H.     II  1  :  48;  IV  6  :  41. 

—  M.  t.     14:  454. 
Baumgartner,  A.     II  1  :  77  a;    II  6  :  3. 

—  H.    IV  5  :  219. 
-E.    17:  140. 

Baur,  J.  F.     IV  lb:126. 

—  W.     IV  lb  :  144;  3:484;  5:250,  276, 
279 

Bayer.     I  4  :  236. 

—  E.    I  4:41. 

—  E.  A.    IV  2b:  28,  30,1. 

—  J.     I  1:75;  10:175. 
Beamish,  J.  S.     II  6  :  115. 
Bechstein,  R.     I  7  : 3  4 ;  II  4  b  :  67. 
Beck,  J.     I  4:361. 

—  Jessie.     IV  3 :  219. 

—  J.  T.    IV  5  :  313. 

—  M.    III  5:15;  IV  7:14. 

—  P.     IV  2a:130;  2b:302;  5:348. 

—  R.     III  5  :  51/2. 

Becker,  Benno.     1  9 :  16,  60,  285. 

—  Bernh.     IV  5:262. 

—  H.     IV  8a: 57. 

—  K.  Th.     I  12  :  239. 

—  Th.  I6:4;7:160;  IV  6  :  29;  8d  :  33. 

—  W.     II  5  :  44. 

Beer,  A.     I  4 :  164;  IV  lb:87/9. 

—  L.     IV  2  b  :374,  406;  3:510a,  611. 
Begas,  R.     I  9:44. 

Behaghel,  0.     17:36,113,201. 
Behr,  E.    I  5  :  89;  II  6  :  168. 
Behrends-Wirth,  R.     IV  lb:353 
Behrens,  D.     I  2  :  21 ;  IV  5  :  427. 
Beissel,  St.     13: 26. 
Bell,  Clara.    IV  3 :  206. 
Bella,  E.     I  3:126. 
Bellardi,  P.    IV  lb:151. 
Beilesheim,    A.      II    1:17,    76;    5:16; 

III  1:36;  IV  lc:63. 
Bellot,  E.  IV  2b:  412. 
Below,  E.     IV  2  b  :  150. 

—  G.  v.     I  4  :  50,  151 ;  II  1  :  132. 
Beizig,  R.  v.    IV  2b:  500. 
Benda,  A.     15:  339. 

Bendel,  T.    IV  5  :  597. 
Bender,  Hedwig.     IV  3  :  480. 

—  M.     I  12  :  2. 

—  0.     17:  112. 

Bendixen,  R.     II  6  :  150;  III  1  :  45. 
Benedikt,  E.    I  3  :  431. 
Benedix,  K.     18:9. 


Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.     V. 


(4)34 


Autorenregister. 


Benkard,  Chrn.     IV  1  a  :  44. 

Benn,  A.  W.     IV  8a  :  79. 

Benndorf,  K.     I  10  :  87. 

Berbig,  F.     14:  74;  12  :  181. 

Berdrow,  H.     14:  102. 

Berendt,  M.     IV  5  :  152/3. 

Berg,  L.  I  1  :  35;  4  :  113;  IV  la:  21; 
2a  :  75,  97,  99;  2b  :  64,  321,  394,  403, 
405,  408;  5:  149,  624;  9:52. 

—  M.  v.     IV  1  b  :  342. 
Bergemann,  P.     I  12  :  6. 
Berger,  A.     II  6  :  112. 

—  A.  Frhr.  v.     19:  257;  IV  8a:  46. 

—  A.  E.     II  1  :  56;  2  :  36;  6  !  120. 

—  K.     IV  9  :  49. 

—  L.     I  4:265;  IV  1  b  :  316/7. 

—  Rud.     1  9  :  293. 

—  8.    13:  25. 
Berges,  Ph.     13:  255. 
Bergfeldt,  Tb.     IV  1  b  :  338,9. 
Berghoeffer,  Ch.     I  3  :  299. 
Bergner,  E.     IV  3  :  473. 
Beringer,  0.     III  5  :  5/6. 
Berkowicz,  M.     15:  391. 
Berlepsch,  H.  E  v.    19:  280;  IV  3  :  382. 
Berlit,  G.     I  2:52,  55;  12:93. 

Bern,  M.     IV  2  b  :  502. 

Bernbeck,  K.     III  1 :  151 ;  IV  1  c  :  1. 

Berner,  E.     IV  5  :  575. 

—  K.     III  1 :  148. 

Bernfeld,  S.     1  1 :  36;  IV  5  :87. 
Bernhard!,  F.  v.     IV  1  c :  27. 

—  W.     I  9:307;  IV  10:15,  26. 
Bernhardt,  J.     17: 39-40. 
Bemouilli,  A.     II  6:8. 
Bernow,  L.     I  5:  155. 

Bernstein,  E.    IV  1  b  :  475 ;  3  :  544,  569. 

—  M.     13: 425. 

Bertheau,  C.     I  12  :  10;    II  6  :  218;  7  : 

35;  IV  5:270. 
Berthold,  A.     IV  lb:204. 

—  G.    II  1  :  104. 

Bess,   B.    116:139,  205,6;   1115:31. 
Bessern,  P.     IV  ld  :  6;  2b  :  23. 
Bettelheim,    A.      I  4  :  467 ;    III  5  :  55 ; 

IV  ld:43;  2b:186;  3:188;  5:627; 

8c:7. 
Betz,  E.     IV  1  c  :  33. 
Beyer,  C.     IV  1  b  :  444. 

—  J.     I  10:158. 

—  Th.     I  12  :  191. 
Beyl,  J.     13:  220. 

Bey schlag,  W.     IV  2b:  367. 
Bezold,  F.  v.     II  1 :  147 ;  IV  1  c  :  77. 

—  G.  v.     19:  127,  389. 
Biadene,  L.     IV  5  :  435. 
Biagie,  G.     13:  257. 
Biberfeld,  C.     IV  2b:  317. 

Bie,  0.     19:5,  426 ;    10:9,  31,  57,  63, 

135,  166,  185. 
Biedermann,   F.  v.     13: 406/7 ;    III  1 : 

157. 

—  K.  14:2,  83,  186,  212,  266;  IV 
1  b  :  12. 

—  W.  v.  IV  8a  :  67,  95;  8c:  50;  8d: 
33a;  8e  :  36,  78,  83,  110,  117. 

Biegeleisen,  W.     15:  188. 
Bielschowsky,    A.      IVlb:410;     8a: 

52/3,  66;  8b  :  12,  49,  54;  8e:69  77. 
Bienemann,    F.      14:185;    1111:156: 

IV  5 :  396. 
Bienenstein,  K.     I  3  :  241;  IV  2b  :  71. 
Bierbaum,    0.    J.      I    9:331,    338;    IV 

2b: 379;  5:547. 
Bierwirth,  C.  H.    I  7  :  36. 
Biese,  A.    I  4  :  120  a ;  I V  2  b  :  323,  326 ; 

5 :  68,  210,  225,  233. 
Biesendahl,  K.     IV  lb:422. 
Bigelow,  P.     IV   1  b  :  367. 
Billroth,  Th.    I  8  :  17 ;  10  :  4;  IV  5  :  500a. 
Biltz,  K.     I  4 :  292 ;  5  :  260 ;  11 :  12. 
Binder,  F.     II  5:23. 
Binding,  K.     IV  lb:224. 
Binswanger,  R.     I  9:310. 
Binz,  G.     II  4a:  30;  5:35. 
Bion,  U.     IV  5 :  7. 
Birlinger,  A.     17:  73. 
Bischoff,  Th.   I  7  :  15 ;  III  1  :  191 ;  2  :  22 ; 

5:3. 
Bitaube.     IV  8d:17. 
Bitzius,  A.     IV  5  :  297. 
Black,  W.     III  3  : 4. 
Blanckmeister,  F.    I  12:  145;  111  1 :  38; 

IV  2a:  28.  151. 
Blasel.     111  1:34;  IV  8d:6;  8e:10. 
Blatz,  F.     17:  103. 
Blau,  A.     13:  218. 
Bleeck,  L.    II  6:241. 


Bleibtreu,  K.     IV  1  b  :  170,  182. 

Bleisteiner,  G.     I  10:47. 

Bliedner,  A.    IV  3  :  177. 

Blind,  K.     IV  5:575. 

Blösch,  E.     III  5:87;  IV  5:  3S1. 

Bloete,  J.  F.  D.    I  11:11. 

Blondel,  G.     II  1:40. 

Bloos,  G.     IV  3:3. 

Bios,  W.     IV  lb:8. 

Blümel,  E.     IV  2a:  76. 

Blümlein,  C.     1  5  :  315;  II  2  :  42. 

Blümner,    H.       I    7  :32;     IV    lb  :  265; 

6:27. 
Blum,  H.     IV  1  b  :  243/4,  267. 
Blumenstengel,  K.     19: 173. 
Blumenthal,  H.     I  3:413. 
Blumschein,  G.     17:6. 
Bobe,  L.    III  1:133. 
Bock,  A.    IV  2a:  100;  8a:  38,  88;  8b: 

27a,  56/8;  8e:93;  10:33. 

—  F.     II  6  :  159 

Boclcenheimer,  K.  G.     IV  1  b  :  108. 
Bode,  W.    I  4:514;  9:429. 
Bodewig,  K.     III  1:21,  84. 
Boeck,  C.  v.  d.     IV  lb  :  150,  247. 
Bock,  R.     19: 14. 

Böckler,  0.    II  1 : 1. 

Böheim,  W.     I  9:460,  464;  II  1:66 

Böhm,  G.     19:  284. 

—  J.     I  4  :  36. 

—  M.     I  12 :  96. 

—  0.     I  6  :  38. 
Böhme,  E.     IV  2  b  :  280. 

—  J.     15: 299. 

—  F.  M.     I  10  :  38  ;  II  2  :  39. 
--  R.     1  2:58;  7:21/2. 
Böhtlingk,  A.     IV  1  d  :  55. 
Bölsche,  W.     IV  5:  53, -177. 
Bömer,  A.     II  7  •  16. 
Boenisch,  P.     14:  174a. 
Börckel,  A.     I  4  :  46;  IV  1  c  :  3. 
Boesch,  H.     1    4:27a,   51a,  244,  253a, 

263;  5:81.  355;   9:450/2;   II  1:114; 

4b:  37:  III  1:29;  5:7. 
Boesser,  E.     IV  2b:  468. 
Bötführ,  H.  J.     II  6  :  230. 
Boettcher,  F.     IV  5  :  555. 
Böttger,  L.     I  9  :  147. 
Bötticher,  Ad.     I  9:149. 

—  G.     18:7;  II  6:83;  IV  8e:39. 

—  P.     II  6  :  229. 
Bofferio,  A.    IV  5  :  60. 
Boguslawski,  A    v.     IV  lb:169 
Bojanowsky,    P.   v.     I    3:162;    4:466; 

IV  lb:438;  8b:  52. 

Bolhoevener,  K.     I  3:194 

Bolin,  W.  III  5:55;  IV  ld:43;  5:672. 

Boll,  F.     II  4b:  53. 

Bolte,  J.  I  5:1,  295,  316/7,  319,  329; 
11:29-31,  46;  II  2:31/5,  37,  41a, 
49-50,  62;  3:16,  19,  30;  4a:  28,  31, 
34;  4b:  80/1;  5:9,  67,  103,  106,  122; 
7:30,  38;  III  2:3,  6;  3:2. 

Boltenstern,  P.  v.     IV  9  :  179. 

Bolza.     IV  3  :  3S4. 

Bondi,  G.     IV  2a:  30. 

Bone,  K.     16:  125. 

Bonghi,  R.     II:  33. 

Bonn,  F.     IV  2b  :  357. 

Bonnafie,  Edm.     II  5  :  100. 

Bonnard,  A.     II  6  :  246. 

Bonnell,  W.     14:  285. 

Bookmaker.     I  3  :  14^,  317. 

Boos,  H.     I  4  :  93 ;  IV  6  :  40 

Borgius,  E.     1  12  :  20. 

Borinski,  K.  I  4  :  85 ;  8  :  33 ;  III  1 :  206 ; 
2  :37;  5:2;  IV  2b  :  397. 

Borkowsky,  E.     14:  314. 

Bormann,  E.     IV  1  d  :  49. 

—  W.     IV  2b  :  219,  350;  3  :  328. 
Bornhak,  F.     IV  1  b  :  431. 
Borostyäny.  F.  v.     I  10  :  273. 
Borowsky,  M.     13:  310. 
Borrmann,  R.     19:  233,  236,  432. 
Bosquet,  E.     13:  470. 

Bosse,  F.     I  12  :  225. 

Bossert,  G.  1  4:412;  II  1:32,  35; 
5  :  5,  27;  6  :  5,  58,  64,  110,  112,  173, 
192,  197,  203,  263,  272;  IV  5  :  343/4. 

Bothmer,  II.     IV  2b:  215. 

Bouchet,  E.     IV  8a  :  85. 

Bouffier,  F.     IV  2b:  496,  533. 

Bouraliere,  De  la,  M.  A.     13:  71. 

Bowes,  R,     13:  180. 

Boy,  J.     1  3  :  372. 

—  M.     II  6  :  135. 

—  P.     II  2  :  2. 
Boyle,  R.    I  8:28 d. 


Brägelmann,  B.     IV  5  :  238b. 
Bräutigam,  L.     IV  2  b  :  96,  342. 
Brahm,  0.     IV  2  b  :  266. 
Brahn,  M.     IV  5  :  138. 
Braig,  C.     IV  5  :  69. 
Brand,  A.     I  12  :  190. 

—  W.  F.     13:  251. 
Brandenburg,  E.     II  1  :  35,  39. 
Brandes,  Fr.     IV  3  :  270. 

—  G.     I  4:113;  IV  la:3,  21;  lb:94, 
483;  ld:36;  10:2. 

Brandi,  Th.     II  l  :  109. 
Brandis,  E.     15:  427. 

—  K.  G.     IV  2a:  141;  5:569. 
Brandi,  A.     I  11  :  40;  IV  1  d :  1,  43,  49. 
Brandt,  P.     IV  2  b  :  492. 

—  S.     I  12  :  66. 
Brandstetter,  F.  L.     13:  174. 

—  R.     II  4  :  38. 
Branky,  T.     17:  212. 
Brascli,  A.  H.     IV  5  :  55  a. 

—  M.    1   10  :  229;  IV  5  :  81,   157,   191, 
571;  6:26;  9:43,  48. 

Brassington,  W.     13:  472. 
Braun,  A.     19:  16. 

—  Clara.     IV  2  b  :  489. 

—  F.    IV  3  :  144,  146/7. 

—  3.    13:  152;  II  4b  :67a. 

—  0.    IV   la:  14;   2b:  310. 

—  Th.    I  12  :  123 
Braungart,  R.     14:  246. 
Brauns,  U.     14:  312. 
Braunsberger,  0.     II  1  :  7,  14;  5:  16. 
Brausowettar,  E.    IV  1  d  :  II,  49. 
Brecher,  A.     II  6  :  14. 
Breckwoldt,  ,T.     14:  308. 

Brede,  A.     IV  2b:  498. 

Bredl,  8.     I  12  :  147. 

Breest,  E.     II  6  :  58. 

Breitner,  A.     IV  2b:  239. 

Bremer,  0.     17:  43. 

Brendicke,  II.     14:  294;   HI  1  :  140. 

Brenner,  0.     I  7  :  38,  64,  70,  109,  150; 

III  4  :  21. 
Brentano,  h     I  4  :  189;  IV  5  :  484. 
Brettes.     IV  9  :  140. 
Breul,  K.     IV  8  a  :  82;   9  :  92. 
Breyer,  E.     I  12  :  33. 
Breymann,  H.     I  2  :  24;  IV  5  :  426. 
Breysig,  K.     III  1  :  129,  132,  138,  146, 

171,  173. 
Brieger,  A.    IV  2  b  :  168,  319,  321,  336; 

3  :  227. 

—  Th.     I  4  :  509;  II  6  :  118,  119. 
Brinckmann,  J.     19:  443. 
Brinkmann,  Ad.     14:  221. 
Brinzinger.     IV  2  b  :  254. 
Brociner,  M.     IV  2  b  :  111;  3  :  309. 
Brockhaus,  H.     14:6. 

Brode,  R.     III  1  :  140;  IV  1  b  :  2. 
Bröcker,  K.     14:  91. 

—  M.  v.    19:  80. 
Broemel,  M.     14:  472. 
Broicker,  Charlotte.     IV  6  :  39. 
Browne,  G.     15:  219-20. 
Brückner,  A.     IV  2  b  :  285. 
Bruder,  P.    I  12  :  205. 
Brudnick,  K.     II  6  :  94. 
Brückner,  A.     IV  3  :  252. 
Brummer,   F.     I  12  :  182;    IV   2  b  :  74, 

234,  263;  3:  179,  194,  271,  35S,  415, 
493,  531;  5  :  388,  465;  10  :  113a. 

Brünnert,  E.     IV  2  b  :  473. 

Bruinier,  J.  W.     III  4  :  26. 

Brun,  C.     I  9:281;  IV  3  :  381. 

—  J.     IV  1  c  :  9 ;  3  :  500. 
Brunco,  W.     II  4  a  :  5. 
Brunei,  G.     13:  22. 
Brunk,  A.     15:  346. 
Brunner,  A.     I  6  :  67;  7  :  203. 

—  Seb      IV   1  b  :  378. 
Bruno,  CG.     IV  2  b  :  318. 
Bruns,  J.     12:  15. 
Brunschvicg,  L.     III  5  :  56. 
Brugi,  B.     II  1  :  121. 

Brugsch,  H.     IV  lc:76;  5:415/6. 

Brukner,  B.     IV  3 :  418. 

Bry,  J.  T.  u.  J.  J.  de.    13: 129. 

Bryk,  v.     IV  5  :  625. 

Bucher,  B.     IV  1  b  :  290. 

Buchholtz,  Ar.     IV  2  b  :  233. 

—  H.    15: 257. 
Buchholz,  G.     IV  lb:383. 
Buchner,  W.     I  6  :  73;    9:82;    IV  lb: 

165  6,  300,1;  8e:37. 
Buchrucker,  0.     IV  5:254. 
Buchwald,  G.    1  3  :  356;  12  :  158;  II  1: 

122;  6:53,  65,  85,  153,  180. 


Autorenregister. 


Buchwald,  G.  v.     IV  lb:458. 
Budde,  K.     I  9:115;  IV  2b:3S. 
Bücher,  K.     I  4:166  0a;  IV  0:479. 
Büchner,  L.     IV  lb:486:  5:572. 

—  W.    IV  8h:  50:  8e:5S 
Bückmann,  L.     I  8:31. 
Bülau,  F.     I  4:465. 
liülow,  G.  v.     II  7:30. 

—  W.  v.     IV  lh:272. 
Bünlter,  J.  B.    I  5  :  362;  9 -.369. 
Büttner  Pfänner  zu  Thal,  F.    I  9  :  151. 
Buhlers.     I  4:  133 

Bulle,  H.     IV  2b:  278. 

—  0.     IV  8a:  90. 

Bnlthaupt.   II.     I  10:255;    IV  ld:30, 

54;  3:41. 
Band,  L.     IV  2b:  438. 
Bunge,  R.     IV  lb:  119 
Bnrchard,  G.    II  4b:  7,  111;  IV  3:240. 
Burckhard,  M.  E.     IV  2b:  195. 
Burckhardt,  D.     I  9:191. 

Biedermann,  Th.     II  6:234. 

Werthmann,  D.     19:  259. 

Burdach,  K.  17:13,80;  8:37;  12:169. 

Burdeau,  A.     IV  5  :  14S. 

Burg,  .1.     III  1 :  79. 

Burgerstein,  A.     14:  330. 

Burggraf,  J.     IV  9:  178. 

Burghauser,    G.      16:74:    7:170;    IV 

8e:42. 
Burkhardt.     IV  2  b  :  441. 

—  C.  A.  H.    II  1 : 129;  6  :  55,  174. 

—  G.     III  5 :  37. 

—  .1.     14: 43. 

—  0.     I  4:  167;  II  6:181. 
Burt,  H.  v.     IV  lb:296;  1  c  :  32. 
Busch.     I  4:254  a. 

—  R.    I  2:33;  4:514. 

—  W.     IV  5:303. 
Buschmann,  .1.     I  6:61/2;  12:204. 
Buss,  G.     I  9:436. 

Busse,    C.      IV2b:370;     5:443;     10: 
35,  84. 

—  K.     11:7. 

—  L.     IV  5 :  7S. 

Bussler,  L.     110:  81,  207,  230,  250. 

—  W.     IV  lb:10. 

Calliano,  C.    15: 158. 

Cantor,  M.     II  5  :  51. 

Caprivi,  Leo  Graf  v.     IV  5  :  592. 

Cardauns,  H.     III  1  :  SO  1. 

Carducci,  G.     II  1  :  7S.  ' 

Carlander,  CM.     I  3  :  316,  352. 

Carls,  W.     III  5  :  71;  IV  5  :  231/2. 

Carlson,  E.     III  1  :  155. 

Carlyle,  Th.     IV  3  :  120;  8d  :  36. 

Carmen  Sylva.     IV  lc:9. 

Caro,  J.     14:  143. 

Carriere,  M.  I  8  : 1 ;  IV  2  b :  385 ;  10 :  42. 

Carruth,  W.  H.     IV  9  :  90. 

Carstanjen,  F.     19:1. 

Carstens,   C.  E.     I  12:90;   II  6:216; 

1115:19;  IV  2a  :  70;  2b  :  76;  3  :  494; 

5  :  125,  616. 

—  A.    15:  328. 

Cartellieri,  A.     I  3  :  20;  IV  1  b  :  145. 
Cartier,  A.     I  3:81. 
Cascorbi,  P.     I  5  :  402;  7  :  209. 
Caspari,  K.  H.     II  6  :  100. 

—  0.     IV  5  :  203. 

Cauer,  P.     1  6  :  9 ;  IV  5  :  636. 
Cerracchini,  L.     IV  3  :  501,  513,  557. 
Cesca,  G.     III  5  :  60. 
Challier  de  Grandchamps,  P.    13:426. 
Chamberlain,   H.   St.     I  10:134/5,   142, 

155,  181;  IV  lc:  57. 
Chatelain,  E.    13:1. 
Chiavacci,  V.     IV  2b  :  111;  3  :  188. 
Chmelarz,  E.     19:  203. 
Chop  (Charles),  M.     I  10  :  188. 
Christ,  K.     14:  351. 
Christen,  Ada.     IV  2  b  :  111. 
Chuquet,  A.    I  3:30g;    IN  4:34,    14, 

24,  29;    IV  lc  :  16a,  88:  2a:  66;  3: 

35,  41,  67;    5  :  25;    6  :  38;    9  :  2,  60, 

118. 
Ciaassen,  J.     IV  2b  :  465. 
Clages,  II.     18:  28. 
Clarac,  E.     IV  8e  :  51. 
Claretie,  L.     13:  182. 
Clark,  J.  W.     13:  266. 
Clauss,  J.     19:  143. 
Clegg,  J.     13:  389. 
Giemen,  P.     I  2  :  59 ;  9  :  143,  371. 
Cloetta,  W.     I  11  :  10. 
Clouston,  W.  A.     13:  146. 
Claudin,  A.     13:  72/4 a. 


Claussner,  R.     IV  2b  :  491. 
Clauswitz,  P.     14:  287,  293;  IV  5  :  32. 
Cobden-Sanderson,  T.  J.     13:  477. 
Cock,  de.     15:  304. 
Cohansen,  K.  A.  v.     14:  229. 
Cohn,  A.     13:  163. 
Cohrs,  F.     II  6  :  85,  163. 
Colville.  J.     IV  3  :  135. 
Collin,  J.     I  3:434;  IV  10:6. 
Conrad,  II.     IV  ld  :  31;  2  b  :  349,  352; 
3  :340  a,   548,  572. 

—  J.     I  12  :  105. 

—  M.  G.     I  1  :  84;  3  :  425;  9  :  27;    IV 
5:568,  580;  10:  113. 

Conway,  W.     19:  169. 

Correvon,    Ch.    III  1  :  40;  IV  5  :  330/2. 

Coyecque,  E.     13:  76. 

Crampe,  R.     16:  73. 

irane,  L.     15:  223. 

Cranstoun,  J.     II  5  :  109. 

Creighton,  M.     II  1 :  7;  IV  5  :  221. 

Creizenach,  W.    II  4a  :  21,  24;  6  :  108; 

III  4  :  26;  IV  3  :  29 :  0  :  13  ;  8 a :  52,3, 
66;  8b:  1/2;  8d  :  1;  8e  :  1/2. 

Cremer.     I  12:233. 
Culpieux-Jamin.     I  3  :  43. 
Cuno,  F.  W.     II  6  :  249-50,  254. 
Cunow,  II.     11:  11. 
Curtius,  C.    I  3  :  307. 

—  E.     IV  5:406. 

—  F.     IV  1  d  :  32 ;  5  :  298. 
Curzon,  H.  de.     19:  92. 
Cuthell,  E.  E.     I  10  :  178. 
Cutting,  S.  VV.     IV  Se  :  113. 
Czerny,  A.     II  6  :  192. 

—  R.     IV  10  :  24. 
Czygan,  P.     IV  lb:  135,6. 

»adelsen,  H.  v.     16:  105/7. 

Daelen,  Ed.     I  9:304. 

Dahlmann,  G.     III  5  :  30. 

Dahms,  G.     14: 494. 

Dahn,    F.       IV    lb:306;     lc  :523a; 

2b:  336;  3:195. 
Damköhler,  E.     II  5: 129;  6  :  108. 
Dammann,  A.     I  6:116. 
Daraus,  R.     IV  1  b  :  404. 
Daniels,  E.     IV  1  b  :  70. 
Darbeut,  II.     IV  9:121. 
Dan,  A.     III  3  :  9 ;  IV  2  b  :  30S ;  3  :  259. 
Daubenspeck,  II.     17: 215. 
David,  J.  J.     IV  2b:  377. 
Dechent,  II.     IV  5:338. 
Decker,  F.     I  11:1;  IV  8e:123. 
Decleve,  J.    I  10:78. 
Dehio,  G.     19: 54. 

—  J.  W.     14:  253. 
Dehrael.  R.     IV  2b:  385. 

Dehn,  P.      I  3  :  409 ;  5  :  255 ;  IV  1  a :  9. 
Deininger,  W.     19: 158. 
Delalain,  P.     13:  381. 
Delaporte,  P.  V.     IV  9  :  128. 
Delbrück,  II.     I  8:15;  IV  1  b  :  64,  161, 

163,  374,5. 
Delisle,  L.     13:  49,  95. 
Delhis,  L.     IV  10:  116. 
Delmont,  T.     IV  9:133. 
Delvigne,  A.     II  5  : 4. 
Dembowski,  J.     III  2  :  36;  IV  Sc  :  11. 
Demmler,  P.     IV  5 :  022. 
Dennert,  E.     IV  5:  50  a. 
Dernburg,  F.     IV  3  :  290;  5  :  590 
Dersch,  0.    1  12  :  219. 
Descostes,  F.     IV  9  :  139. 
Descreux,  V.    IV  2b:  144. 
Dessoir,  M.   I  6  :  145;  III  1 :  1S5 ;  5  :  54; 

IV  5:224;  6:36/7. 
Destouches,  E.  v.     I  4:362;  10:77. 
Detter,    F.      I   1:86a;    5:283;    8:12; 

10:51;  IV  6:12. 
Dettmer,  II.     II  6  :  269. 
Detzel,  II.     13: 120. 
Heye,  R.    17: 30. 
Diebow.  P.    IV  5:265. 
Dieck,  H.     I  1  :  31;  IV  2a  :  43. 
Dieckmann,  II.  J.     III  5  :  13. 
Diederichs,  V.     IV  5:318. 
Diehl,  K.     IV  1  b  :  482. 
Dielitz,  Th.     I  4  :  42. 
Diels,  H.     I  5:330;  II  2:60. 
Diemar,  H.    II  1  :3;  III  1  :  98,  100. 
Dierauer,  J.     III  1 :  127. 
Dieter,  H.     IV  2  b  :  198. 
Dietrich,  A.     IV  3 :  561  a ;  5  :  029. 

—  R.     III  1:41. 

Dietz,  A.     IV  2a:26;  Sb:35a6. 

—  E.     III  1:42;  IV  1  b :  209,  218. 

—  H.     I  1:49;  IV  9a:  9. 


Dilthey,  W.     II  6:161;   III  5:1;    IV 

8  a :  47  a. 
Dinger,  II.     I  10 :  142. 
Dirksen,  C.     15:  344. 
Dissel,  A.  van.     IV  ld:  67;  3:431. 
Disselhoff,  .T.    I  9:171,  266;  II  6:202; 

IV  lb:235/6. 
Disselnkötter,  II.     IV  lb:42. 
Distel,  Th.     IV  2a:  7 3;   9:18,    22,40. 
Dithmar,  G.  Th.     IV  2a:  12. 
Dittmar,    M.     I  4  :  181 ;    II  5  :  62  ;    III 

1  *  93    188 

Dittrich,  M.     IV  lb:433. 

Dobson,  A.     19: 172. 

Dodever,  v.    I  9:383. 

Döderlein,  F.     14: 365. 

Doenges,  W.    IV  3  :  232 ;  8  b  :  42  a ;  9  :  8. 

Dörffel,  E.     IV  6:4. 

Dörfler,    A.    F.      111:33;    112:712; 

IV  2a:  122. 
Döring,  0.     I  9:190;  II  1:143 
Dörpfeld,  F.  VV.     I  12:801. 
Dohany,  C.     IV  5  :  167. 
Dolleris,  A.     13: 379. 
Domeior,  H.     I  4:237. 
Dominicus,  J.     IV  6:25. 
Donalies,  H.     IV  1  b  :  69. 
Donat,  K.  v.     IV  1  b  :  303. 
Donner,  J.  0.  E      IV  3 :  18. 
Donti,  Giovanna.     IV  3 :  520. 
Doren,  A.     14:  210 
Dorn,  C.     14: 275. 
Dowrtiel,  J.     I  6  :  10  1. 
Drenckhahn,  0.     I  4:72. 
Drescher,  K.     II    4a:  10,  14;   4b:  11/2, 

14,  72  3,  76;  III  4:3,  14;    IV  4:29; 

8e:22. 
Dresdner,  A.     IV  2b:  405. 
Dressel,  K.     I  3:320. 
Drews,  A.     IV  5:207,  223. 

-  P.     II  5  :  15. 
Drexler,  K.    19: 155. 
Dreyer,  M.     15: 13. 
Drönewolf,  0.     I  10  :  171. 
Droysen,  G.     II  1 :  30 ;  III  1  :  13. 
Drygalski,  A.  v.     IV  lb:68. 

Duboc,    J.      IV    lb:203;     2a:  77;    5: 

525/5  a. 
Du  Bois-Reymond,  E.     19:  37. 
Du  Cane,  H.  A.,  Le  Baron.     IV  1  b  :  140. 
Duden,  K.     I  7  :  219. 
Dühr,  A.     IV  3  :  261. 
Dühring,  E.     IV  5  :  42. 
Dührsen,  W.     14: 108. 
Dümmler,  F.     IV  1  b  :  3SO. 
Düning,  A.     I  4:318;   III  1:23a,  84. 
Düntzer,  H.      IV  2b:  335;    6:24;    Sa: 

52,3,  66,  08,  70;  8b:  1  2,  23,  35;  Sc: 

5,  18,  43;  8e:4,  18,  40. 
Düsel.F.    I  5:398;  IV  2a  :  78;  2b  :  24; 

8e:118. 
Dussel,  H.     I  5:77. 
Dullo,  G.    IV  lb:217. 
Du  Moulin-Eckart,  R.     IV  lb:409. 
Duncker,  C.  v.    III  1 :  123. 
Dunger,  H.     I  5:320;  7:174. 
Durmayer,  J.     16: 144. 
Durrieu,  P.     13:  25,  27. 
Duschinsky,  W.     IV   1  d  :  16. 
Dutczynski,  A.  J.  R.  v.     I  8:16. 
Dvorak,  M.     HI  1:112. 
Dziatzko,  K.      I  3:48,    94,    100/4,    300, 

315,  427;  II  4a:  2;  7:3. 
Kberhard,  G.     I  10  :  255;  IV  5  :  18. 
Ehering,  E.    I  8  :  30;  III  4  :  12. 
Eberlein,  G.     IV  2  b  :  376. 
Ebers,  G.     IV  3  :  198/9. 
Eberstein,  A.  Frhr.  v.     IV  lb  :  401. 
Ebner,  A.     II  5  :  16. 

—  Th.     IV  2b:  303. 
Ebner-Eschenbach,  Marie  v.      IV  2  b  : 

174/6;  IV  3  :  475/6. 
Eck,  S.     I  4:  185;  III  1  :  199. 
Eckart,  R.    I  1  :  63;  4  :  134,  456;  5  :  379, 

395;  IV  2b:  463/4. 

—  Th.     I  4:311,  316;  5:  189. 
Ecke,  A.     14:  498  a. 

-  C.     IV  5  :  327. 
Eckener,  II.     IV  5  :  557. 
Eckert.  A.     I  4  :  264;  IV  3  :  532. 
Eckstein,  E.     15:400;   7:1413,   171; 

IV  2b:  455;  3:  II;  5:442. 
Edel,  A.     16:  67. 
Edgar,     J.       14:  227;     IV    Id:30; 

2  b  :  369. 

Egelhaaf,  G.     II  1  :  47,  55;  IV  3  :  586. 

Eger.     I  5  :  364. 

Egger,  A.,  Ritter  v.  Möllwald.  IV  1  c  :  25 

(4)34* 


Autorenregis  ter . 


101, 

35; 


476; 


IV  3  :  529. 
16. 


Eggers,  K.    IV  2  b  :  287. 
Egidy,  M.  v.     IV  5  :  657,  659. 
Ehrenberg,  F.    I  12  ;  115. 

—  H.  13:269;  4:38;  9:143,  146, 
456;  II  1:54. 

—  K.     I  9  :  30. 

—  R.     IV  1  b  :  464. 

Ehrenthal,  M.  v.  I  4  :  203;  9  :  463. 
Ehrhard,  A.  I  10  :  168;  IV  5  :  343/4. 

—  L.  IV  5  :  561. 

Ehrismann,  G.     I  7  :  13 ;  II  6  :  108. 
Ehrlich,  B.     I  10  :  17/8,  242. 
Eichler,  F.    13:  259. 
Eickhoff,  P.     II  2  :  18. 

—  R.    IV  9  I  68. 
Eid,  L.     II  1  :  119. 
Eigl,  J.     I  9  :  368. 
Einig,  P.    II  6  :  150  a. 
Eisel,  R.     15:  239. 
Eiselen,  F.     19:  238. 
Eisenberg,  L.     I  10  :  263. 
Eisenhart,  A.  v.    II 5  :  66, 72 ;  III  5  :  47/8. 
Eisenmann,  E.     13:  435. 

Eisschill.  K.     IV  2b:  358. 
Eitner,  R.     I  10  :  22;  II  2:82. 
Eitzen,  F.  W.    17  :  190/1 
Elias,  J.     I  1  :  86 ;  9  :  283,  440. 
Ellinger,   G.      15:2,   253;    II  5: 

110,  116;  III  4:  27;  IV  3:  477;  5 

6:38;  10:65,  82. 
Ellis,  W.  A.     I  10  :  130. 
Ellissen,  0.  A.    I4:310a;IVlb 

5  :  610. 
Elm,  H.     IV  1  b  :  434. 
Eloesser,  A.    III  4  :  12. 
Elpons,  P.  v.     IV  1  b  :  329. 
Elsenhaus,  Th.     IV  5  :  176. 
Eiste,  Emil.     I  8  :  28  b. 
Elster,    E.       I     1  :  18;      IV    8  a  :  52/3, 

66;    8b:  1/2;    8e  :  1/2,  62,  77/8,117; 

9  :  1,  119,  164,  169. 
Elze,  Th.    13:  91,  148  a:  II  6  :  38,  190; 
Emier,  J.    II  1  :  43. 
Emmerich  -  Müller,    Anna 
Enders,  L.    II  6  :  57,  85. 
Endl,  F.     I  4:407;  III  4 
Endres,  K.     IV  1  b  :  328. 
Engel,  F.     IV  3  :  184,   435,  442. 

—  G.     I  10  :  103,  233. 

—  J.    IV  9  :  108. 

—  K.     I  11  :  14. 
Engelmann,  Th.     IV  5  :  512. 
Engels,  F.     I  4  :  471 ;  IV  1  b  :  487. 

—  M.     I  9  :  91. 
Engl,  J.  E.     I  10  :  99. 
Engler,  A.     16:  86. 

Englert,  A.  I  5  :  278,  309,  323/4,  326, 
331,  333,  336,  353/4,  390,  436;  7  :  151 ; 
11  :  34;  II  2  :  60,  61  a,  68,  78;  3 :  32, 
36;  5:20,  94,  97;  IV  2  a :  13;  88  : 
17;  9  :152. 

Erb,  W.     14:  499. 

Erbe,  K.     I  7  :  59;  IV  2  b  :  459. 

Erdmann,  B.     III  5  :  71;  IV  5  :  231/2. 

—  Chr.  Fr.  D.  I  12  :  9 ;  II  6:182; 
IV  5  :  334. 

tt      T7"  199 

—  o!    I  2:14;  7:  114;  IV  8c  :  6. 
Erdmannsdörffer,   B.     III  1  :  131,    143; 

5:36;  IV  1  b  :  18,  427. 
Erichson,  A.     I  12 :  156;  II  6  :  238. 
Ermisch,  H.     19:  118. 
Ernst,  A.    I  10  :  156. 

—  Ad.  W.  IV  2  b  :  217,  264,  339;  IV 
3  :  598. 

—  F.     IV  5  :  59. 

—  Hanno.    IV  2b  :  411. 

—  Otto.  IV  2b :  180,  325,  349,  374, 
393 

—  Paul.     I  9  :  342. 
Ernsthausen,  A.  v.    IV  1  c  :  23. 
Ertel,  P.    I  10  :  61. 

Escher,  H.    II  6  :  232;  IV  5  :  382. 
Eskuche,  G.    IV  3  :  45;  8d  :  7. 
Estermann,  M.    I  4  :  30  a,  228. 
Euoken,  R.     I  1  :  8:  IV  5:202. 
Evers,  F.    IV  2  b  :  320. 

—  Max.  I  3  :  394/5;  II  6  :  79;  IV  3  : 
50. 

Ewald,  (Amtsgerichtsrat).     I  4  :  414. 

—  0.     I  1  :  94. 
Ewers,  L.     IV  3  :  602. 
Ewert,  M.    I  11  :  4. 
Exner,  M.    IV  1  b  :  132. 
Eye,  A.  v.     14:  24. 
d'Eylac.     I  3  :  287/8,  383. 
Eynatten,    Carola  Freiin  v.    I   5  :  151. 
Eyssenhardt,  T.    I  3  :  308,  419 


Faber,  K.  W.     II  2  :  77. 
Fabian,  E.     14:  138. 
Fabricius,  F.     14:  99. 

—  W.     I  12  :  161. 
Fäh,  F.     II  3  :  45. 
Fäulhammer,  A.     IV  1  b  :  99. 
Faguet,   E.     II    1  :  89;   III  1:209;   IV 

2b  :  144. 
Falck,  P.  Th.     IV  2a  :  127;  8c  :  20. 
Falckenheiner,  W.     III  1  :  154. 
Falk,  F.     I  12  :  232:   II  1  :  53,   58,  93; 

5:17;  6:19-20,  34,  41,  192. 

—  J.     II  5  :  11. 
Falke,  G.     IV  2b  :  381. 

—  J.  v.     I  4:28a:  9  :  385,  447. 
Falkenberg,  R.     III   5  :  57;   IV  5  :  114. 
Falkenegg,  Baron  v.    IV  5:598  a. 
Farinelli,A.  IVld:64;  8a:  24;  8b:30: 

8d:34. 
Fasola,  C.     III  3  :  10. 
Faulmann,  K.     II:  40a. 
Faust,  A.  ß.     IV  3  :  401/2. 

—  R.  IV  2b:  421. 
Fauth,  A.  IV  lb  :  102. 
Fay,  F.  R.     II  6  :  69. 

Fechner,  H.     I  12  :  75:  IV  lb  :  27. 

Feddersen,  M.     19:  33. 

Federn,  C.     IV  6  :  180. 

Fehleisen,  E     IV  1  b  :  324. 

Feilberg,  G.     I  5  :  148,  264. 

Feld,  0.    I  9  :  320. 

Feldegg,  F.  v.     19:  388 

Feldmann,  M.    IV  lb:  175. 

Felgel- Feldegg,  V.     IV  2b  :  183. 

Fellin,  A.     I  9  :  290. 

Felsberg,  0.     I  7  :  91. 

Ferber,  H.    14:  176. 

Ferrai,  L.  A.     II  1  :  78. 

Ferrero,  G.     14:  493. 

Feuillette.    IV  9  :  186. 

Fey,  C.    II  6  :  149-50. 

Feyerabend,  Jh.  W.     IV  5  :  323. 

Fiedler,  F.    I  10  :  151. 

Fiehn,  W.     I  6  :  108/9. 

Fielitz,  W.     IV  8a  :  52/3,  66;  8b  :  1/2; 

8c:  4;  8d  :  1;  8e  :  1/2. 
Fievens-Gavaert,  H.     19:  182. 
Fijalek,  J.     II  6  :  62. 
Filtsch,  Eng.     IV  8  a  :  42. 
Fink,  E.     I  4  :  194. 

Firmenich-Richartz,  Ed.    I  9:161,212. 
Fischbach,  F     IV  2b  :  42. 
Fischer,  A.  S.     IV  2b  :  495. 

—  E.     III  1  :  142. 

—  G.     III  1  :  23,  43,  84. 

—  Ileinr.     I  3  :  449;   IV  10  :  102,    105. 

—  K.    IV  5  :  553,  606;  8a  :  20;  10  :  32. 

—  Kuno.     IV  ld:26/7;  5:  117. 

—  L.     IV  1  b  :  98. 

—  L.  H.     16:  132. 

—  W.     14:  195. 
Fitger,  A.     IV  2b  :  312. 
Fitte,  S.     III  1  :  130. 
Fix,  Th.     IV  9  :  106,  162. 
Flaischlen,  C.     IV  1  a  :  16;  3  :  550. 
Fläthe,  Th.     IV  1  b  :  191 ;  5  :  582. 
Fleischer,  0.     I  10  :  95. 
Fletcher,  W.  Y.     13:  475. 
Fliess,  W.     IV  5  :  502. 

Flint,  W.     13:  319. 

Flohr,  0.    18:  30. 

Flothow,  C.  v.     IV  5  :  97. 

Flügel,  0.    IV  5  :  137. 

Fock,  G.     I  3  :  167,  201. 

Födransperg,  H.  Ritter  v.     IV  1  c  :  38. 

Foerster,  E.     14:  223a,  347. 

—  Ed.     I  12:89. 

—  F.  W.    IV  5  :  95. 

—  K.     IV  2b: 87. 

—  R.     IV  6  : 8. 

—  W.    I  2:19-20;   IV  lc:73;  5:428, 
522. 

Fogowitz,  A.  H.     IV  3  :  20. 

Fokke,  A.     IV  3 :  207. 

Fontane,  Th.  IV  1  c  :  49 ;  3  :  297,  299-300, 

303. 
Forrer,  R.     I  3  :  51 ;  9  :  462. 
Forst,  H.     14: 216. 
Forster,  E.     IV  lc:21. 

—  J.  M.     IV  lb:414. 

—  Helene  v.     I  4:490. 
Foss,  E.     I  4:34. 

—  R.    I  6:117,  120;  II  1:  125;  4:39; 
6:39;  IV  Ic:71  a. 

Fournel,  V.     1  3  :  239. 
Foy,  K.     I  8:15. 
Fränkel,  J.     IV  5 :  77. 

—  L.     I  2: 1/2;    5:9,  32,  50,  175,  243, 


259,  276,  408,  437;  7  :  148;  11  :  4,  13, 
26,38/9;  II  2:70a;  3:34,39;  4a: 
22;  5:88,98,126;  7:9,39:  1112:30; 
IV  ld:39,  58;  2b:  13.  122,  161,441; 
3:190,  192/3,  269,  288,  313;  5:39, 
426,  535,  613a;  8b  :5;  8e  :  69-70,  84; 
10:96.  103. 

Frahm,  L.     15: 86. 

Franceschini,  R     IV  5:630. 

Franck,  H.     1  7  :  132. 

Frank,  F.     IV  3  :  170/1. 

—  G.    IV  5  :  253. 

Franke,  C.     I   2:3;    5:338;    7:90;    II 

2 :  38  a. 
Frankfurter,  S.     I  12  :  67. 
Frankl.  L.  A.     IV  2b:  128,  158. 
Frankl-Grün,  A.     I  4:434. 
Franklin,  A.     IV  1  d :  14. 
Frantz,  E.     I  9:87/8. 
Franz,  AI.     19: 153. 

—  R.     I  6:41,  139. 
Franzen,  A.     16: 141. 
Franziszi,  F.     I  5:75,  304. 
Franzos,  K.  E.    IV  la:20;  2a:  50,  129 

131;  2b:  1;  8b:  8. 
Franz- Voneisen.     IV  2b:  529. 
Fraustadt,  F.     II  5:76. 
Fredericq,  P.     15:  294. 
Frege,  F.  CA.     IV  1  b  :  86. 
Freiberg,  A.  v.     IV  5  :  543. 
Freiligrath-Kroecker,  Kate.    IV  2a:  2. 
Frennsdorf,  F.     II  2  :  53. 
Frensdorff,  F.     III    1:176;    5:66;    IV 

lb:21. 
Frenzel,    K.      II   4b  :  12;     IV  la  :  7; 

ld:48/8a;  3:338;  5:542. 

—  K.  0.     IV  2a:  31;    5:2. 

—  R.    I  10  :  30. 

Fresenius,  A.  IV  8a:  52/3,  66;  8b:  1/2; 

8d:  1;   8e  :  1/2,  92. 
Freudenberg,  J.     IV  5  :  423. 
Freuler,  B.     15:  97. 
Freund,  B.     IV  lb  :  315. 

—  W.  G.     II  6  :  253. 
Frey,  A.     IV  3  :  371,  385. 

—  C.     I  12  :  130. 

—  E.     IV  1  b  :  215. 

—  S.     III  5  :  65. 

Freybe,  A.    15:  39, 91, 351 ;  II  5  :  68-70; 

6:219;  IV  2b  :  127. 
Freyert,  Fr.     II  4b  :  30. 
Frey  tag,  L.    15:  32,  115,  152,  163,  168, 

230,   363;    6:42;    7:71;    II    2:22; 

IV  3  :  201,  203,  259,  360. 
Frick,  0.     16:  40. 
Fricke,  W.     IV  5  :  111. 
Friebe,  M.     I  4  :  71;  12:  195. 
Frieberger,  G.     IV  5  :  541. 
Friedberg,  E.     II  6  :  203. 
Friedel,  E.     II  3  :  9/9a. 

—  L.     IV  3  :  151/9. 
Friedländer,  E.     14: 62. 

—  J.    IV  5  :  152/3. 

—  h.     IV  5:648. 

—  Max  I  10:45,  51/3;  II  2:55;  IV 
2a:  15/7;  2'b  :  433. 

—  Max  F.     19:  110,  197/8. 

—  M.  J.     IV  8d:  22. 
Friedmann,  A.     IV  lc  :  10;  5  :  464. 
Friedrich,  A.     IV  2  b  :  407. 

—  J.    IV  5  :  350. 

—  R.  12:  18,  41;  II  4a  :  24;  4b  :  12, 
36;  III  3:8;  4:17;  5:76;  IV  la:5, 
21;  ld:37;  2b:  66,  112/3,  226, 
311;  3:59,  521;  5:6,  29,  35,  240a; 
9  :  49;    10  :  8,    19,  27,  34,  41,  91,  97. 

—  S.     II  6  :  141. 
Fries,  G.     II  4  :  26. 

—  W.     I  12  :  28. 

Frimmel,   Th.  v.     19:  188/9,   208,  214, 

407. 
Frischauf,  E.     15:  68,  70/1. 
Fritsch,  G.     19:  34,  36. 
— -  K.  E.  T.  0.     19:  357,  374,  378. 

—  V.  v.     I  11:52. 
Fritschel,  S.     II  6  :  162. 
Fritz.     II  5  :  61. 

—  G.     I  3:451. 
Fritze,  A.     112:  189. 
Froehde,  0.     1  1  :  25. 

Froehlich,  G.     I  12  :  230;  IV  5  :  606. 
Fröhliger,  M.     13:  9. 
Frohnhäuser,  L.     III  1  :  85. 
Fromm,  E.     IV  5  :  86. 
Frommel.     E.      IV    lb:349;     lc:85; 

2b  :60;  5:283;  6:39. 
Froning,  R.     IV  5  :  390. 
Fronmüller-Lindau,  W.     I  10  :  84. 


Autorenregister. 


78/9, 


64a; 


lb:6, 
:304; 


Frossard,  F.     14:  352  a. 
Frost,  K.     IV  5  :  632,  641. 
Froude,  J.  A.     II  7  :  22. 
Fruberger,  G.     IV  9  :  88. 
Fuchs,  Ed.     IV  5  :  477,  562,  569. 

—  G.     19:  340,  343  4. 

—  J.    I  10  :  41. 
g      I  5  *  129 

Fürst,  R.    IV  1  a  :  41 ;  1  c  :  89;  3 

413;  5:6. 
Fugger,  E.  Graf  v.     14:  443. 
Fuhse,  F.     II  1  :  142. 
Fuld,  L.    I  5  :  100. 
Fulda,     L.       I    4:512;     IV    2b 

5  :  197. 
Fuller-Mailland,  J.  A.     I  10  :  36. 
Fumagalli,  G.     13:  257. 
Funck,  A.     IV  1  b  :  127. 

—  H.     I   4:144:     10:9S;     IV 
428/9;     lc  :  79;      2a  :  54; 
9  :  107. 

Funcke,  0.  IV  5  :  294. 
Funk,  F.  X.  v.  II  5  :  78. 

—  G.  I  12  :  44. 
Funke,  A.  16:  76,  80. 


Gade,  Dagmar.     I  10  :  197. 

Gaedechens,  C.     14: 258. 

Gaedertz,  K.  Th.    II  4a  :  22:  III  4  :  18; 

IV  lb:52/3;  3:233. 
Gaffre.     IV  9  :  138. 
Gagliardi,  E.     IV  lb:370. 
Gaidoz,  H.     I  5  : 1 ;  II  5  :  98. 
Gaillard,  L.     IV  9 :  125. 
Gairao,  C.  P.     I  3:25S. 
Gall,  P.     IV  1  b :  82. 
Galland,  J.     IV  1  b  :  320. 
Galle,  Fr.     II  5:87. 
Galli,  R.     I  3:98. 
Gander,  C.    15:  84,  197. 
Gänsen,  J.     I  12  :  40/1. 
Ganser,  A.     IV  5  :j67. 
Garbelli,  F.     I  3:311. 
Gardi,  A.     IV  2b:  319. 
Gardiner,  A.     I  5  :  221. 
Gareis,  K.     I  12  :  135. 
Garlepp,  Br.     IV  1  b  :  310/1. 
Gasch,  A.     IV  2b:  511. 
Gass,  J.     II  6  :  12. 
Gassner,  J.,     IV  8  c  :  30;   9  :  75/6. 
Gatty,  C.  T.     I  10 :  173. 
Gaudig,  H     I  6  :  40;  IV  9  :  109. 
Gauthier,  J.     13:  344. 
Gautier,  Th.     IV  3:108  a. 
Geay.     IV  9  :  134. 

Gebauer,  H.     I  4  :  163 ;  IV  1  b  :  437  a. 
Gebeschus,  J.     I  10:24. 
Gebhardt,  B.     I   1 :  55;   IV  1  b  :  5,  147, 

195.  239,  403;  5:356,  602. 

—  H.     14: 328. 

—  0.  v.  I  3  :  25. 
Gedike,  A.     IV  2a:  51. 
Geering,  Th.  I  4:193  a. 
Geffcken,  H.     II  6  :  176;  IV  lb  :  465. 
Gehmlich,    E.      I   5:41;     12:34,    208; 

II  4:7. 

Geib-Gross-Rohrheira,  K.  A.    IV  5:61. 

Geich.     I  4:151. 

Geiger,  L.  13:159,  229;  9:253/4 
12: 74, 99, 110;  II 1 :  89, 137 ;  IV  la :  18 
29;  lb:35,  41,  137,  442;  lc:4 
ld:18;  2b:  16,  21,  310;  3:78,  83 
188;  5 :  18,  35,  86,  411/2,  614/5 :  6 :  38 
8  a  :  4,  18,  32,  40,  52/3,  66,  74,  80 
8b:  1/2,  3a,  9.  11,  14,5,  20;  8d:27 
42;  8e:31;  9:34;  10:44,  55,  58 
61-64,  66,  83. 

Geiser,  K.     IV  2  b :  220. 

Geissberger,  J.     19: 458. 

Geissler,  F.  Ad.     II  4b:  105. 

Geldern-Crispendorf,  C.  v.  I  5:311; 
II  2 :  63. 

Gemss.     I  7  :  156. 

Genee,  R.  II  1 :  85;  4b  :  2, 12,  39,  110; 
IV  1  d  :  56. 

Genth.     I  5  :  122. 

Georg,  C.     13: 196. 

George,  R.  14:295;  III  1:17,  86, 
187;  IV  lb:308;  lc:21,52;  2a:141; 
2b:  33,  77/8;  5:504. 

Gerber,  P.     IV  3  :  324. 

Gerbert,  C.    14: 168. 

Gerhardt,  D.  v.     IV  1  c  :  35. 

Gerland,  E.     IV  lc:91. 

—  0.  I  4:128,  458;  IV  lb:453; 
lc:81;  3:39. 

Germann,  W.     II  6  :  195. 
Gerok,  Gust.     IV  2b:  62. 


Gerok,  K.    III  1  :44. 

Gerschmann,  H.     IV  3 :  10. 

Gerstenberg,  H.     IV  lc  :44;  2b:  46. 

Gesky,  Th.     IV  2b: 40/1. 

Gess,  F.     14:63;    12:144;   116:10; 

IV  5  :  378. 
Gesterding,  K.     I  12  i  103. 
Giehne,  F.     IV  2  a  :  134 ;  3  :  52. 
Gierds,  R.     IV  2a:  141. 
Giese,  A.     14:  522. 
Gilchrist,  J.     IV  5:57  8. 
Gildemeister,  0.     IV  2b:  265. 
Gillhoff,  J.     I  3  :  134 ;  5 :  43,  380/1,  384 ; 

7  :  155,  181,  198. 

—  L.     14:  122. 
Gillischewski,  .T.     I  10:49. 
Gindely,  A.     II  1  :  42;  III  1 :  159. 
Giradin,  M.  H.     IV  5  :  472. 
Girgensohn,  J.     II  1:68. 

Girg,  A.    13:3. 
Gizycki,  G.  v.     15:  226. 

—  Lily  t.     I  5:226;  IV  lb: 439. 
Glage,  M.    IV  5 :  324. 
Glasenapp,  C.  Fr.     I  10  :  139. 

—  G.  v.     IV  2  b  :  228,  238 ;  5 :  178. 
Glaser,  A.     I  4:433. 

—  E.     I  5:47. 

—  Marie  v.     IV  3  :  499. 
Glauser,  Ch.    III  1 :  30;  IV  9  :  101. 
Glöde,  H.    I  4:300  a. 

—  0.  I  2:60;  3:133;  4:175a;  5:85, 
88,  120,  246,  337,  432;  7:41/2,  154, 
225;  11:8;  II  2:66;  3:33;  1113:9; 
4  :  7 ;  IV  2 b  :  420,  422 ;  3  :  2345,  253/4, 
256,  262  5. 

Gloel,  H.    17:  75,   123. 
Glogan,  G.    IV  5  :  163. 
Glossner,  M.     IV  5  :  185,  215. 
Glücksmann,  H.  IV  2  b  :  186;  3  :  461, 505. 
Gmelin,  A.     I  9  :  166. 

—  L.     19: 433. 
Gnad,  E     IV  2b: 212. 
Gneist,  R.  v.     IV  lb:469-70. 
Goebel,  F.     II  3:8;  III  3:3. 

—  J.     I  2  :  46. 

Goedeke,  K.     I  1:43a;  IV  3:1. 
Goedel.  G.     I  7:195  a. 
Goeken,  Ida.     IV  1  b  :  198. 
Göring,  H.     I  3  :  40,  45;  IV  5: 170. 
Goeler    v.    Ravensburg,    Fr.    Frhr.      I 

9:85. 
Goette,  R.     14: 118. 
Goetze,  E.     111:27;    112:26:    3:22; 

4a:  10;   4b :  1,  3,  6,  57,  77,  102;   IV 

3:1;  8b:  41. 
Goldbaum,  W.     I  3:228. 
Goldbeck,  E.     IV  8c:  33. 
Goldberg,  P.     I  4:79;  12:236. 
Goldberger,  Ph.     I  5:69. 
Goldhan,  A.  H.     IV  8a:  83;  8d  :  29. 
Goldschmidt,  Henriette.     IV  3  :  491. 

—  M.    I  4:90. 

—  P.     IV  1  b  :  12,  143,  160,  288. 
Golling,  J.     19: 170. 

Golther,    W.      15:33,   415;    6:56;    II 

4b:  70. 
Gorel,  L.     IV  5:3. 
Gothein,  E.     I  4  :  193a;  IV  lb  :430. 
Gotthold,  C.     III  1 :  22,  84. 
Gottschalg,  A.  W.     IV  9 :  190. 
Gottschall,  R.  v.    II  4b  :  29;  IV  ld  :  51 ; 

2b:64;  8b:42c;  8e:117;  9:5. 
Gonrdault,  J.     IV  3  :  187. 
Gracklauer,  0.     I  3:247. 
Gradl,  H.      I  5:25;    7:65;    II  6:188; 

III  1  :  160. 
Graef,  H.    I  7:14;  III  5:11. 
Graesel,  A.     I  3:262. 
Graf,  A.     I  II :  9. 

—  E.     18:2. 

—  H.     I  11:45;  III  4  :  7 

—  M.     I  10 :  60. 
Graffunder.  P.     15: 137. 
Grand-Carteret,  J.    I  3:81,  121/3,  138, 

240,  285. 
Granderath,  Th.    IV  5  :  322. 
Granichstätten,  E.    IV  8e:lll. 
Granier,  H.     1  4  :  254;  IV  2a:  37. 
Grasberger,  H.    IV  2b:  176. 
Grassunder,  P.    II  4  :  18. 
Granert,  H.     I  4:192;    III  1:12S;    IV 

lb  :416b. 
Graul,  R.     19:  78/9,  242,  248,  333,  335, 

422/3. 
Gr'eech,  Jehan.     IV  9  :  126. 
Grefe,  A.    IV  2b:  139:  3:241. 
Gregori,  F.    IV  1  d  :  29. 
Greif,  M.     II  4  b  :  109. 


445. 

97;  12  :235;  II  2:  1; 

59. 


522. 


Greiffenhagen,  W.    13:  279. 

Greinz,  RH.    15:  290,  303 ;  II  2  :  58/9; 

IV  2b:  206. 
Grellet,  J.    13:  351. 
Grelling,  R.     I  3  :  425;  IV  5  :  656. 
Gresse,  Rnd.     IV  la:  2. 
Grethlein.  K      13:  219. 
Gretor,  W.     19:  240. 
Greve,  F.  J.     14:  401. 
Grimm,  F.     13:  32. 

—  H.  12:8:5:  200a,  228:  9:9;  II 
1:  I;  IV  la:30;  5:  639;  7  :  25; 
8a:  30;  8b  :  52;  10:41,  48. 

—  0.     I  12  :  87. 
Grimme,  H.  F.     II  6  :  236. 
Griot,  K.     IV  2b:  137,  149. 
Grisebach,  E.      I  3  :  282;    IV  2a  :  111; 

5  :  149. 
Griswold,  W.  A.     IV  3  :  3. 
Gritzner,  M.     14:  450/50a. 
Grobbel,  T.    IV  lb:  171. 
Grodtczinsky,  N.     I  4  :  511. 
Gröber,  G.    15:4. 
Groene,  J.     I  11  :  44. 
Grössler,  H.     II  5  :  28. 
Groos,  K.     II  5  :  57. 
Grosch,  H.     IV  3  :  435. 
Gross,  Chrn.    IV  5  :  637. 

—  J.     14:  340. 
Grosse,  E     IV  5 

—  H.    17:33:9 
IV  2a:  72:  2b 

—  Jul.     IV  1  c  :  63. 
Grosser,  R.     I  12  :  184 
Grot,  A.     IV  2  b  :  64. 
Groth,  E.     I  1  :  17:  4 
Grothe-Harkänyi.   H.     IV  2b:  481. 
Grotowsky,  P.  IV  1  b  :  250, 277 ;  2  b :  466. 
Grotthuss,  J.  E.  v.    IV  1  a  :  10;  2  a  :  96: 

2  b  :  135,  226. 
Grove,  G.     I  10  :  115;  IV  lc  :  55. 
Growoll,  A.     13:  466. 
Gruber,  Chrn.     I  4  :  359;  II  3  :  49:  III 

1:180;  IV  1  b  :  22. 
Gruel,  L.     I  3  :  470. 
Grünberg,  K.     14:  174. 

—  P.     III  5  :  35. 
Gründler,  Ad.     IV  2  b  :  48. 
Grünhagen,  C.    I  4  :  188,  215;  III  5  :  43. 
Grundmann,  R.     IV  5  :  99. 

Grüner,  Just.  v.     IVlc:22/2a. 

Grunzel,  J.     14:  100. 

Grupp,  G.     14:  10;  9:  273;  116:  192; 

IV  2b:  451. 
Güldner,  H.     IV  7  : 8. 
Günther,  E.     IV  lb:112. 

—  F.     IV  3:  117,  122. 

—  G.    19: 169. 

—  0.  112:126;  1111:210;  5:77;  IV 
la:31;  2a:24;  8b:27. 

—  R.     IV  lb-.lll. 

—  S.     II  5:48/9,  52;  IV  8a :53a. 
Guglia,  E.     IV  1  b  :  1,  95,  113,  212,  386; 

5:27,  123;  8b  :59;  10:12. 
Guhrauer,  H.     I  9:346. 
Guibert,  L.    I  3:74b. 
Gumplowicz,  L.     IV  5  :  552. 
Guraprecht,  0.     I  10  :  193. 
Gundert,  E.     I  12 :  94,  227. 
Gundlach,  M.     IV  1  b  :  43. 
Gurlitt,  C.     19:2,    10,  57,   61/2,   102, 

124,5,  232,  325,  364a,  380,  390. 
Gustav,  Leop.     I  9:262. 
Gutbier,  H.    I  4  :  323. 

—  M.     IV  8b:  62. 
Gutersohn.    IV  lb:31. 

Gutjahr,  E.  A.    II  4b  :  105,6;  III  1  :  45. 

Haack,  Fr.     19: 132. 
Haagen,  F.     IV  2b:  232. 
Haarhaus,  J.  R.     IV  8b:  23,  29. 
Haas,  A.     15: 107. 

—  Wilh.     I  3  :  173. 
Haase,  E.     I  5:80.  249. 

—  G.     IV  lb:443;  lc:2. 

—  K.     15:  278,  327,  334,  361,  393. 
Haasler,  E.     I  9  :  197. 
Haberkom.     I  7  :  179. 

Haberl,  F.  X.     I  10 :  3,  68,  76,  86. 

Haberlandt,  M.     I  5  :  21;  IV  5:  644. 

Habs,  R.     14:  245 ;  IV  5 :  52. 

Hach,  E.     14: 248. 

Hackel,  H.     I  12  :  210. 

Haeberlin,  C.     13: 142,  282,  321 ;    IV 

3 :  296 
Haebfer,  K.     13:  83. 
Haeck,  D.     IV,  ld:49. 
Häckermann,  A.     IV  3:92. 


Autorenregister. 


Häfker,  H.     19: 2R. 
Hähnel,  F.  IV  2b:  108  a. 

—  K.  I  6:13,  45;  IV  2a: 56;  8c: 
16;  8e:95. 

Hämmerte,  A.     IV  2b  :  197. 
Haenchen.  Ph.  E.     IV  5  :  339. 
Haendcke,  E.     17:2. 
Huendke,  B.     19: 159,  204. 
Hänselmann,  L.     I  4 -318  h. 
Haese,  M.     IV  3  :  285,  308. 
Haeussner,  ,T.     I  12  :  64. 
Haffter,  E.     IV  3  :  390. 
Hager,  Gg.     19:  130,  225/6. 
Hahn,  A.     I  10  :  276. 
Halbfass,  W.     14: 37. 
Hallberg,  M.  E     IV  9:114. 
Haller,  E.  A.     IV  3:344. 
Halling,  K.     I  6:  89:  IV  2b:  68 
Hallwich,  H.     III  1:31 
Halter,  Ed.     I  1 :  60  ;  II  5 :  77. 
Halwas,  A.    19:  237. 
Hamann,  0.     IV  5 :  56 
Hamberger.  .Tos.     IV  1  b  :  128. 
Hamilton,  Elisabeth.     IV  5:206. 

—  W.     13:  296. 
Hamm,  A.     II  6  :  97. 
Hammer,  W.     I  5:422. 

—  W.  A.     IV  2b:  183. 
Hammerich,  A.     I  10:33. 
Hammerle,  A.  J.     I  12 :  149. 
Hampe,  Th.  I  4  :  50  a ;  II  2  :  24 ;  4  b  :  59, 

94;  5:117. 
Hanby  Crnmp.     IV  3  :  213. 
Hanebnth,  K.     I  11:20. 
Hango,  H.     IV  8  e  :  106. 
Hann,  F.  G.     I  3:33;  9:152,  168. 
Hans,  J.     IV  1  c:86. 
Hansen,  G    v.     II  2  :  46. 

—  .1.     I  3:36c/6d;  II  1:15/6. 
Hansjakob.  H.     IV  1  c  :  87. 
Hanslick,  E.     I  10  :  4,  22,  185,  231,  272: 

IV  lc:60/l. 

Hansson,  Ola.     IV  5  :  464,  650. 

Hanstein,  A.  v.  I  12  :  112;  II  4b  :  19; 
IV  2a  :81;  5:55:  8o:56. 

Harbutt-Dawson,  W.     14: 272. 

Hardegg,  ,T.  v.     IV  lb  :  328. 

Harden,  M.     I  10  :  172,  202. 

Härder,  F.     IV  2b: 456. 

Harlan,  W.     IV  3:552. 

HaTless,  W.     III  5  :  23. 

Harnack,  0.  II:  23,  65,  67 ;  9  :  13;  IV 
Ia:2:  lb:  230,  357;  2a:  146;  2b: 
30,  226;  3:10,  41,  257,  313a,  428, 
596,  600,  607 ;  5  :  460,  601 ;  8  e  :  77/8, 
84/5;  10:5. 

Harrisse,  H.     13:  150. 

Hart,  H.     IV  2a:  82. 

—  J.     I  1:40;  II  4b:  31. 
Hartel,  W.  v.     I  12  :  68. 
Hartfelder,  K.  I  12:57;  II  5:50;  6:166: 

7:8,  15. 
Hartmann,  A.     I   5:82;    II   2:17,    23; 
4  b  :  63,  82,  97 :  III  4  :  2. 

—  F.     I  7:114,  206;   II  1:94;  6:279. 

—  G.     IV  6:35. 

—  H.     I  5:48;  IV  1  d  :  61. 

-J     I  4:183,  353a;  IV  lb:  100. 

—  J.  v.     IV  1  b  :  334. 

—  K   A.  M.     IV  ld:17a. 

—  0.     I  7  :  64. 

—  R.  J.     I  10:85. 
Härtung,  B.     IV  5  :  155. 

Hartwig,  0.     I  3:36,  252;  12:  104;  IV 

3:474;  5:590. 
Harzen-Müller,  A.  N.     III  1  :  104. 
Hasbach,  W.     I  4:166  a. 
Hase,  K.  v.     IV  1  c  :  83. 

—  0.  v.     I  3:111,  114/5,  361,371,438. 
Hashagen,  F.     II  6:211. 

Hasse,  M.     IV  8a:  33;  8e:34. 
Hasselt,  W.  v.     IV  11»:  148. 
Hassencamp,  R.     IV  1  c  :  40;  3  :  59. 
Hassler,  K.  D.     IV  2b:  304. 
nasslwander,  F.    IV  2a: 83. 
Hatton,  J.     IV  8  e  :  98. 
Haueis,  E.     II  3  :  26;  4b:  8. 
Hannen,  A.     15:  20,  269,  271,  275,  283; 

II  2:38;  3:37;  5:94/5. 
Haug,    Ed.     IV    la   :  43;    3:391;    5: 

240  c. 
Haupt,  II.     112:  58. 
Hauptmann,    F.      14:  109,    122,    339, 

418 ;  II  1  :  50. 
Haus,  D.     IV  5  :  297. 
Ilausburg,   (Hauptmann).     IV  2b:  521. 
Hauser,  Oh.     15:  168. 
Havers,  J.     16:  50/1. 


Hawelka,  E.     I  4  :  107. 
Haym,  E.     IV  1  c  :  20;  5  :  376;  10:49. 
Haynes,  Jessie.     IV  3  :  606. 
Hazlitt,  W.  C.     13:  294,  333. 
Hebert,  M.     I  10  :  154. 
Hehler,  K.     IV  1  d  :  24. 
Hechtenberg,  A.     JI  6  :  157. 
Heemstede.  L.  v.     IV  2  b  :  453 :  3  :  581. 
Heer,  G,     II  5:71. 

—  J.  C.    14:  271. 
Hehn,  V.     IV  5  :  647 
Heiberg,  H.     14:  307. 
Heidemann,  J.     I  3  :  62;  II  1  :  101 :  III 

5:28. 
Heiden,  M.     19:  473. 
Heidenheimer,  EL     IV  Sb:  25. 
Heigel,  K.   Th.     I  1:71:    4:192;    III 

1:128;    IV  lb  :  130,   416b;    lc:13; 

3:329;  5  :  380,  528. 

—  K.  v.     IV  lb:411. 
Heigl,  F.     I  4:139;  5:140. 
Heilborn,  E.     IV   2a:  84;    2b:  15,  37, 

310;  3:  188,  297,  339,  437,  571. 
Heilbut,  E.  s.  Hermann  Helferich 
Heilig,  0.    15:  98,   332,  396,  416;   7  : 

76;  II  2:74. 
Heim,  J.     13:  444 
II  ei  mann.  F.  C.     13  :36  c. 
Heimbucher,  M.     I  10  :  29. 
Heims,  P.  G.     IV  5  :  47. 
Hein,  W.     15:  38. 
Heine,  G.    IV  9  :  46. 

—  0.     14:  469;  IV  1  C  :  72. 
Heineck,  H.     II  5  :  28. 
Heinecke,  H.     16:  97-100. 
Heinemann,  K.     I  3  :  204;   IV  1  a  :  31 ; 

3  :  24,  74;  8  a  :  42,  52/3,  58,  61,  67/8; 
8b:  12;   8c:34;8d:5;   8e:25,  28. 

—  0.  v.     13:  274;  IV  6  :  6. 
Heinisch,  H.     I  12  :  176  7. 
Heinke,  F.     IV  1  b  :  366. 
Heinrich.     I  10  :  140. 

—  E.     IV  1  b  :  167. 
Heinrichs,  A.     IV  1  b  :  362. 

-    E.     16:  129;  IV  2b:  538. 
Heintz,  A.     I  10  :  131,  164. 
Heintze.  A.     17:  209. 
Heinze,  H.     I  6  :  33,  35. 

—  M.     IV  5  :  72. 

Heinzel,  E.     IV  8a  :  52/3,  66;  8b  :  1/2. 
Heise,  K.     19:  148. 
Heitmann,  A.     I  4:522  a. 
Heitmüller,  F.    III  4  :  24;  IV  3a  :  52/3, 

66;  8b  :  1/2. 
Heitz,  P.    I  3:110,  114/5;  9:414/6. 
Heibig,  J.     I  5  :  418. 
Helby.  J.     I  9  :  92. 
Held,  K.     I  10  :  27. 
Helferich,  Hermann.     19:1,   23,    40/1, 

48,  313. 
Helfert,  J.  A.  Frhr.    v.     I   3:36a;   5: 

277;  IV  lc:94;  5:577. 
Hell,  Th.     15:  27. 
Hellen,  E.  v.  d.     IV  8a  :  52/3,  66;  8b  : 

1/2. 
Heller,  E.    IV  2b:  214. 

—  L.     IV  2b:  292. 

—  S.     IV  2b:  495. 

Hellinghaus,  0.  II  4b  :  101;  III  2:8, 
31;  3:  7;  4:  11;  IV  2b:  25,  27;  3: 
426;  8c:  28,  37;  8e  :  15/6;  9:97; 
10  :  75,  105. 

Hellmann,  G.     II  5  :  48. 

Hellwig,  P.     16:  110. 

Helmer,  G.     13:  136. 

Heimerstein,  K.    IV  2  b  :  505,  509. 

Helmken,  F.  Th.     19:  145. 

Helmrich,  V.     14:  256. 

Henckell,  K.     IV  2b  :  413  ;  3  :  375/6. 

Hendley,  Th.  H.     13:  478. 

Hengstenberg,  Fr.     14:  276. 

Henke,  0.     IV  1  c  :  84. 

—  W.     IV  9  :  96 

Henkel,  H.  IV  3  :  69;  8a:  63a;  8c  : 
12;  8e:8. 

—  Lily.     IV  3  :556. 

Henne  am  Rhyn,  0.     14:  94,  413. 
Hennig,  C.  E.     I  10  :  148. 
Henrich- Wilhelmi,  Hedwig.     I  4:480. 
Henrici,  E.     I  6  :  120;  9  :  373 a/3  b. 
Henry,  E.     IV  9  :  113. 
Hensel,  S      1  12  :  78. 
Heraeus,  M.     14:  66. 
Heresford-Webb,  H.  S.     IV  3  :  129. 
Herford,  C.  H.    IV  1  d  :  22/3. 

—  E.     I  4  :  23. 
Hergel,  C.     14:  475. 
Herget,  H.     IV  3  :  101. 


Hermann,  A.     15:  135. 

—  A.  v.     I  10  :  267. 

—  E.  14:111;  6  :  110,  142;  II  4  b:  112; 
IV  1  a  :  4. 

—  Fr.     19:  63. 

—  Th.     I  12  :  85. 
Herrenschneider,  E.  A.     14:  348. 
Herrmann,  M.   II  4b:  12,  78,  86;  6:166; 

7:4,  8,  23. 

—  0.     IV  1  b  :  24  a,  51/2,  64,  78. 
Hertel,  G.     14:  44,   317;   12  :  132;  III 

1  :  24,  84. 
Hertz,  M.   I  12 :  136 ;  IV  1  c  :  76;  3  :  330. 
Hertzberg,  G.     I  4  :  58;  12  :  106/9. 
Herzfelder,  J.  IV  2b:  163;  5:452;  9:  171. 
Herzog,  J.     IV  9  :  88. 
Hesse,  M.     I  10  :  92. 
Hessel,  K.     16:  126. 
Hessem,  L.  de.     IV  3  :  615. 
Hettinger,  F.     IV  5  :  352. 
Hettler,  A.     13:  248. 
Hetzenauer,  M.     14:  405. 
Heuer,  0.     13:  l.:4;  11 :  22;  II  3  :  41/2. 
Heuser,  E.     14:  371. 
Heusler,  A.     I  7:4,  58;  8:4,  13. 
Heuwes,  J.    I  6:  68;  IV  8  e:  19. 
Hevesi,  L.     II  4b  :  17,   52;   IV  la:28. 
Hewett,  W.  T.     IV  8e  :  114. 
Heyck,  E.     I  4  :  48;    12  :  159;  III  1:9 
Heyd,  H.     I  12  :  228. 

—  W.     II  3  :  54 
Heyden,  A.  v.     19:  35,  39. 
Heydenreicb,  E.     14:  197. 

Heyne,  M.     17:  34,  80,  126;   II  6  :  74. 
Heyse,  P.     IV  2b  :  333;  8e  :  6. 
Hicke,  W.     II  6  :  1S8. 
Hidber.     I  5  :  244. 
Hiersemann,  K.  W.     13:  118. 
Hildebrand,  E.     IV  lc:21. 

—  Fr.     14:  372. 

—  Mart.     I  1  :  83. 

—  E.    I  1  :30;  5:322;  7:96:  8:14,21, 
24/6;  IV2a:42,  44;  8c:13,  31. 

Hildenbrand,  F.  J.     I  12  :  175. 
Hille,  Fr.    14:  458  a. 

—  P.     IV  9  :  149. 
Hiller,  F.  v.    IV  1  b  :  185. 
Himmel8toss,  M.     17:  78. 
Hinke,  0.     14:  324. 
Hintze,  0.     14:  193. 
Hipler,  F.     II  6  :  31. 

Hippe,  M.     I  3  :  29;  III  2  :  25;    3:11; 

5  :80. 
Hirn,  J.     II  1  :  145. 
Hirsch,  F.     I  4  :  67 ;    III    1  :  129,   141, 

171,  173,  ISO,  200;  IV  8b:  44:  9:183. 

—  H.     IV  lb  :471. 

—  P.     13:7. 

Hirschberg,  Jul.     IV  2b  :  523. 
Hirschfeld,  G.     IV  1  b  :  295. 

—  R.    I  10:  211;  10:269. 

—  L.  v.     IV  1  b  :  188. 
Hirt,  A.     IV  8d  :  9. 

—  F.     13:  221. 

—  H.    II  3  :  10. 

—  P.     16:  110. 
Hirth,  H.     I  9  :  16,  64. 

Hirzel,  L.     IV  la  :  1 :  9  :  32;  10  :  94. 

His,  E.     19:  193. 

Historicus.     I  9  :  192. 

Hitz,  Luise.     I  4  :  4S0a;  IV  2b: 64,4a. 

HlaväC,  F.     I  10  :  190. 

Hobson,  J.     14:  473. 

Hoche,  E.     112:  86. 

Hochegger,    E.      I   3:334;    9:12;    IV 

5  :  213/4,  611. 
Hochhuth.     II  6:82  a. 
Hochstetter,  J.    II  3  :  28. 
Hoddick,  F.     I  1  :  92. 
Höber,  Ed.     IV  2b:  47;  10:28. 

—  K.     IV  3  :  221. 
Höfer.     I  5  :  433. 

—  A.     I  7  :  48. 
nöffding,  H.     IV  5  :  83. 
Höfler,  M.     15:  54,   118,  146. 
Höhn,  W.     HO:  196. 
Hölscher,  D.    I   4  :  110. 

—  L.     I   8:30a;    IV    3:43,    6S,    426; 
9  :  174. 

—  U.    I  4 
Hoenig,  B. 

116/8;  9:7' 

—  F.     IV  lb 
Hönnicke,  B. 


259. 

I   11  :  3;    IV  2a:  64,    101, 
77;  10:  24. 
149,   332/3. 
I  5  :  265. 

Hoensbroeck,  Paul  Graf.     I  4  :  412. 
Hörmann,  Angelica  v.     IV  2b:  180. 
—  L.   v.     I   4:268;    5:73,    307,    356; 
IV  2b:  193. 


Autorenregister. 


Hörth,  O.     IV  2b  :  297  8;  5  :  454. 
Hoferer,    M.      I    5  :  370;    6  :  72;     IV 

Se  :4t,  49. 
Hoffheinz,  W.     I  10  :  39. 
Hoffmann,  F.     14: 417. 

-  F.  G    H.     IV  8e:82. 

-  Georg.     1  4  :  522:  VI  2b  :  2S6. 

—  Hans.     IV  2b  :  361. 

—  H.     I  7:209;  IV  ld:  40. 

—  K.     116:  89. 

—  M.     16:  145. 

—  0.    I  2  :  9;  5  :  150;  IV  7  :  26. 

—  W.     I  10  :  147. 

Krager,  E.     17:  63;  8  :  19-20. 

Hoffmeister,  H.  W.     I  12  :  37. 
lloffs,  F.  van.     I  7  :  205. 
Hofmann,  Alb.     1  9  :  358,  369. 

—  K.     IV  2  :  34. 

—  M.     I  12  :  199. 

—  R.     II  6:  173;  III  1:  117. 
Hofmeister,    Ad.     I   12:7;    II   6:220; 

III  4:  la;  IV  1  b  :  158. 
Hofmiller,  J.    I  10 :  260,  277 :  IV  5  :  175. 
Hofstede  de  Groot,  C.     19:  208. 
Hohenfeld,  II.     IV  2a:  152. 
Hohenhausen,  Elise  v.     IV  2  b  :  136. 
Hohlfeld,  P.     IV  5 :  131. 
Hohnerlein,  M.     13: 224. 

Holder,    A.       I    7:36;    IV   2b:  300/1; 

IV  10:106 
Holdermann.  K.     IV  3  :  50. 
Hollaender,  Ale.     II  1  :  46. 

—  F.     IV  3:564. 

Holland,  U.    I  9  :  295,  393:  IV  2b  :  295. 
Hollweclt,  J.     II  1:120;  6:47. 
Holstein,  H.    I  12  :  186;  II  4a  :  1,  35/6; 

7:9-10;  III  4:  1. 
Holthof,  L.     II  4  b  :  24. 
Holtze,    F.      I   3:177;    4:105,6,    149; 

9:260;  113:02:  6:226,7;  Uli  :  179. 
Holtzraann,     H.      I    4:500;    II    6:69; 

IV  lc:84;  5  :325. 
Holz,  A.    IV  2b:  390. 
Holzbock,    A.      II    4b:  59;    III    1  :  26; 

IV  9 :  95. 
Holzer,  Jos.     I  12:212. 
Holzhausen,  K.     I  4:291. 
Hopfen,  H.     IV  3:340d. 
Hoppe,  F.  A.     II  6  :  52. 
Horciota,  A.     1  12:211;   II  6:187. 
Hörn.     I  12:84. 

—  A.     14: 273. 

—  E.     13: 131,  166  ;  12  :  153,  155. 

—  M.     IV  Sa:  52. 

—  P.     14: 273. 

—  W.  V.     I  5:171. 
Hornburg.     IV  9  :  146. 
Hörne,  H.  P.     13:  473. 
Horner,  E.     IV  1  b  :  46. 
Horst,  A.  H.    19: 112. 

—  K.   Frhr.  v.  d.     14:  335. 
Hör witz,  M.     I  7  :  177. 
Hosäns,  W.     I  12:39. 
Hottenroth,  Fr.     14:  227/7 a. 
Hotz,  R.     14: 395. 
Houssaye,  H.     I  3:420. 
Hovorka,  J.     13:  377. 
Hruschka,  A.     I  5:32. 
Huber,  Aug.     III  1 :  121. 

—  F.  P.     IV  9  :  147. 

—  S.     I  9  :  85 ;  IV  5  :  76. 
Hübbe-Schleiden,  W.     IV  5  :  169. 
Hübler,  F.     IV  ld  :  59;  3  :  26. 
Hiibschmann,  W.     18: 15. 

Hüffer,  H.    IV  lb  :  77;   lc:  47;  2b  :  55,6. 
Hülter,  C.     IV  las  12;  2b:  90. 
Harbin,  J.    II  1 :  105. 
Hütter,  H.     IV  5:518. 
Hullraann,  K.     I  7:193. 
Hultgren,  F.  K.     I  12  :  16. 
Hundt,  F.     15:  170. 
Hunger,  F.  W.     16  :  102. 
Hunt-Johnson,  Helen.     IV  3  :  588. 
Hunziker,  J.     I  12:38. 

—  0.     I  12  :  240. 
Huth,  H.     I  6  :  131. 
Hutter,  J.     15:  76. 
Hutzelmann,  Chrn.     I  4:368. 
Huyssen,  G.     IV  lb:350.  * 
Hymmen,  v.     IV  lb:ll». 

Ichenhäuser,  Eliza.     I  4:496  a. 

Iken,  J.  F.     IV  5  :  241,  249. 

Ilg,    Alb.       I    9  :  222/4;     IV   2b  :  112; 

8a:  13. 
Ilgen,  Th.     IV  1  b  :  141,  143. 
Ilwof,  F.     I  5  :  65;  IV  2b  :  128,   166. 
Imbert,  H.     I  10  :  271. 


Imelmann,  J.     I  6  :  30;  IV  8c  :  23,  29; 

8  e  :  55. 
Imme.     I  5  :  414. 

Immich.  M.    111:34;   IV  1  b  :  62,  64,  71. 
Immisch,  0.     IV  5  :  158,  642. 
Ingwer,  J.     13:  425  iL 
Ipsen,  P.  L.     17:  120. 
Irmer,  G.     III  1  :  16. 
Isenbeck,  J.     IV  1  b  :  38. 
Isolani,  E.     14:  136;  IV  3:57. 
Israel,  A.     I  3 :  160;  II  6  :  56. 
Isleib,  S.     II  6:171. 
Ives,  F.  E.     13: 461. 
Iwanowius,  11.     I  4:  153. 

Jackson,  W.  P.     IV  5  :  364. 

Jacob,  F.     I  3:60;  5:145;  III  4:13. 

—  G.     I  4:329;  5:417. 

—  K.     III  1 :  190. 
Jacobowski,  L.     IV  5  :  558. 

Jacobs,  Ed.  I  4:84,  247,  321;  10:90; 
II  6 :  258. 

—  P.     14: 336. 
Jacobsohn,  M.     IV  lc  :69a. 
Jacobus,  Joh.     IV  1  c  :  98. 
Jacoby,  Alb.     I  12  :  140. 

—  Alinda-.     IV  3:471. 

—  D.  I  4:89;  IV  2b:216;  3:1,  370; 
8a  :  52/3,  66;  8b  :  1  2,  38;  8c  :  4; 
8d:l;   10:36. 

Jadart,  H.     I  3:  78  Sa. 

Jaden,  H.  Frhr.  v.     IV  2b  :  184. 

Jäger,    0.     III    1:1:     IV    1  b :  9,     192; 

9 :  47,  181 ;  10 :  104 
Jahns,  M.     IV  lb:305. 
Jänecke,  M.     IV  5  :  586. 
Jaennicke,  F.     19: 446. 
Jaensch,  Th.     I  4  :  526. 
Jagie,  V.     13:  90. 
Jahn,  A.     110: 162. 
Jahnke,  H.     II  4  b  :  33. 
Jakobi,  Fr.     IV  2b:  216. 
Jaksch,  A.  v.     I  4:138a;   5:  143. 
James,  A.  VV.     I  7:9;  II  4b: 87. 
Jan,  F.     IV  8e:30. 

—  J.  t.     18:2. 

Janicke,    K.      II    6:214;     IVlb:157; 

5 :  392/3. 
Jansen,  F.  G.     I  10  :  120. 

—  K.     IV  1  b  :  134,  407. 
Jarosch,  A.     IV  2b:  240. 
Jastrow,  J.     I  1  :  88. 
Jeanroy,  A.     IV  5  :  426,  428. 
Jeep,  E.     IV  3:268. 
Jehle,  Fr.    II  6  :  72. 

Jeitteles,  A.     I  7  :  111 :  IV  2  b  :  449. 
Jokelfalussy,  J      I  4  :391. 
Jellinghaus,  H.     II  5  :  63. 
Jent,  J.     17: 66. 
Jentsch,  H.     I  4:88. 

—  K.  n  5:73/4;  IV  lb:203:  2b:33; 
5:556;  8a:  47. 

Jenzig,  L.     IV  5  :  621. 
Jessen,  0.     IV  2  b -.26. 

—  P.    I  3  :  117 ;  9  :  334,  427,  444. 
Jetter,  P.     I  4:66a. 

Jiriczek,  0.     I  5:6,  18. 

Joachimsohn,  P.   1 3 :  268 ;  II  3 :  48 ;  5 :  65. 

Jockusch,  W.     IV  lb:485. 

Jodl,  F.     III  5  :  55 ;  IV  5  :  165,  628,  664, 

666. 
Johanson,  IL     IV  la:ll. 
John,  A.     I  1:59a;  4:387;  IV  2b:  114, 

358;  3:414;  8b:63. 

—  V.     IV  5  :  474. 

Jonas,  F.  IV  lc:  43:  9:31,  94;  10:14. 
Jones,  E.  E.  Constance   IV  5  :  206. 
Jonetz,  A.  I  4:281. 

—  G.  v.  19:  123. 
Jordan,  M.  19: 401. 

—  R.  III  1  :  46. 

—  W.  IV  2b:  338. 

—  W.  A.     IV  2b:  372. 
Jordell,  D.    I  3:211. 
Joseph,  D      I  9:232. 

—  E.  IV  8b:  12.  52  3,  66;  8d  :  1; 
Sekl,  33 

Jostphson,   IL      II  4b:  13;    IV  5:261. 
Joss,  V.     I  10:113;  II  4b:  20. 
Jostes,  F.    I  7  :  130:  II  6  :  66;  III  3  :  8 ; 

IV  2b:37:  8c: 34;  9:26 
Jürges,  P.     13: 101. 
Jürs,  H.     IV  2  b -.307;  3:260. 
Jung,  R.     14: 333a;  IV  5  :  371,  389. 
Junge,  Fr.     II:  52. 
Junghans,   F.   W.      IV  1  b :  81 :    1  c  :  30. 
Jureczeck,  J.     I  9:107. 
Justus.     IV  8e:  105. 


Kade.  E.     14: 278. 

—  0.     1  10:26. 

—  R.     I  3:64;  12:14. 

Kaemmel,    0.     II  1:2;   III    1:2/3;    IV 

lb:436;  5:682. 
Kämmerer,  L      19: 190,  318. 
Kaftan,  Th.     II  6  :  87 
Kahl,  W.     I  4  :  130 ;  IV  1  b  :  252. 
Kaindl,  R     I  6:  181. 
Kaiser,  P.     III   1  :  47  9. 

—  R.     15:  240. 
Kaisser,  B.     I  12:238. 

Kalbeck,  M.  110:104:  IV  5  :  540;  9:  88. 
Kalff,  G.     III  4:30/1. 
Kalischer,  A.  C.     I  10:13,  105. 

—  S.     IV  8a:  52  3,  66;  8b:  12. 
Kaiweit,  P.     14: 45. 
Kamann,  J.     II   1  :  144. 
Kamphausen,  A.     II  6  :  69. 
Kanner,   11.     IV  5  :4S6a. 
Kanngiesser,  0.     IV  lb:321. 
Kapferer,  J.   A.     II  2  :  58. 
Kappes,  K.     I  12:215. 
Kareis,  J.     IV  8a:  56 

Karell,  L.     I  10:63. 
Karpeles,  G.     13:  275;  4  :  2s9;  IV  1  d  : 
69;  2b:64,  271  :  5:  192:  8b:63. 

—  K.     IV  3  :  394. 
Kassel,  A.     15:  30. 
Kastan,  J.     IV  3:583. 
Katona,  L.     I  5  :  33 

Katscher,  L.     1 V  1  b  :  93 ;  2  b  :  182,  474. 
Katt,  F.     IV  lc:50;   3:102,    112,  237. 
Kattenbach,  F.     IV  1  c  :  84. 
Katzenstein,  L.     19:  952. 
Kaufmann,    F.     1  7:4,   65;    IV   6:3S; 

7:22. 
Kaufmann,  D.     I  4:437;  III  1  :  1S2. 

—  G.     I  3:165;  12:  165. 

Kautsky,  K.  I  3  :22G:  4:476;  11  1  :22: 

IV  lb:475. 
Kautzsch,  Rud.     I  3:30/1. 
Kawerau,  G.    II  1  :  139 ;  3  :  43 ;  5 :  6,  98; 

6:51,    57,   85a,    173,    197,   224,  244: 

7:9;  III  1:172. 
-    W.    1  12:113,  119;  112:4;  4a:  27, 

29;    5:84,    104,   110,   112,  115,6;    6: 

212/3;  IV  9:60. 
Kayser,  F.     II  6:18;  7:42. 
Keane,  H.  A.     17: 104. 
Keck,  K.  H.     IV  2b:  341;  8e  :  54. 
Keferstein,  IL     IV  5:  608. 
Kehlheim,  J.     IV  3  :  510. 
Kehrbach,  K.     I  12:49,  65,  72,  76,  157, 
Kehrein,  V.     I  6:113 
Keidel,  G.  C.     15:  241. 
Keintzel,  G.     17: 68. 
Keinz,  F.     II  2  :  25;  3:3;  4b  :  83. 
Keiper,  VV      IV  lb:2S9;  2a:  67. 
Keiter,  B.     IV  2b:  194. 

—  IL   I  1  :  90;  IV  3  :  220,  471,  521,  582. 
Kekule,  St.     I  4:447. 

Kelber,  L.     II  6:114 
Kellen,  Toni.     IV  2b  :  99,  225. 
Keller,  L.     I  3:59;    II  1:2U:    4b:  92: 
6:  275;  III  5:53. 

—  0.     110:  25. 

Kellner,  H.  C.  II  4b:  15,  65;  IV  2b: 
423;  8a:31,  50;  8c:40;  8e:46,  117. 

Kemke,  J.     I  3  :  92. 

Keiupe,  VV.     IV  3  :  560. 

Kempner,  A.  IV  ld  :  30;  2b  :  387, 
392;  10  :  56. 

Kenner,  Fr.     I  9  :  107. 

Kerausch,  J.     1 V  1  b  :  129. 

Kern,  F.     IV  2  b  :57  a. 

Kerner,  Th.  IV  2b:ll;  5:475;  10: 
113. 

Kerr,  A.,  b.  A.  Kempner. 

—  L.  H.     IV  3  :  131. 
Kerschbauraer,  A.     14:  187. 
Kessel,  K.  v.     III  1  :  135 

Kettner,  G.     IV  8c  :  44;  9  :  82,  87,  158, 

1756. 
Keuffer,  M. 
Keussen,  IL 
Keussler,  F. 


I  3 :  19. 
II  1  :  70. 

v.     IV  5  :  360. 
Keyserling,  A.  Graf.   IV  1  c  :  26;  5  :  65. 
Keysscr,  Ad.     I  3  :  36  c. 
Khull,  F.     I  7  :  183,  224. 
Kiefer,  L.    14:  350. 
Kiehne,  H.     IV  2  b  :  315,6. 
Kienzl,  H.     IV  3  :  438. 
Kiepert,  A.     IV   lb:313;  5:583. 
Kieser,  H.     IV  5  :  296. 
Kiesewetter,  K.     II  1  :  100:  IV  7  :  9. 
Kiesow,  K.     I  11  :  48. 
Kilian,  E.     1U  4  :  17. 


Autorenreffister. 


Kingsley,  Ch.     II  5  :  3. 

Kinkel,  Johanna.     IV  2b  :  57. 

Kinzel,  K.     I  8  :  7;  II  4b  :  34;  IV  2b  : 

457. 
Kirchbach,  W.     I  4  :  326  ;  8  :  34. 
Kirchberg,  Tli.     I  7  :  135. 
Kirchhoff,  A.    I  3:357-60,  362/3,  428/9; 

4:359;  IV  2a:  30. 
Kirchner,  F.     IV  5  :  82  b. 
Kirsch,  P.     IV  2b:  115. 
Kisch,  G.  0.     17:  69. 
Kissel,  C.    13:  350;  4  :  451. 
Kitton,  F.  G.     13  :  460. 
Kiy,  V.    I  6:37;  II  4b:  11,  27. 
Klahre,  R.     IV  8  c  :  26. 
Klaiber,  K.  H.     17:8. 
Klapper,  M.    I  5  :  180. 
Klatte,  A.     IV  2b:  100. 
Klee,  G.     II  3  :  17;  III  3  : 1;  IV  3:  360; 

10  :  16,  19,  21/2. 
Kleemann,  S.     III  3  :  16. 
Klein,  A.     13:  44. 

—  H.     IV  2b  :  176;  3  :  198,  447. 

—  M.     19:7. 
Kleinecke,  R.     I  10  :  262. 
Kleinknecht,  A.     II  4  :  15. 
Kleinschmidt,  A.     IV  lb  :  141;  5  :  379. 
Kleinwächter,  E.     II  6  :  242. 

—  F.     IV  3  :  13. 

Kleist,  B.  v.     IV  1  b  :  309. 

Klemm,  A.     I  9  :  218/9,  398. 

Klemperer,  W.     14:  427. 

Klenze,  C.  v.     IV  6  :  15. 

Klimesch,  M.     II  3  :  51. 

Klitscher,  G.     II  4b  :  35;  IV  5  :  403. 

Kloeppel,  P.    13:  414. 

Klotz,  H.     II  3  :  57. 

Kluckhuhn,  A.     II  6  :  102;  III  1  :  7. 

Kluge,  F.     I  5  :  133;  7  :  35,  89,  180, 

—  J.     II  3  :  40. 
Klnssmann,  R.     13:  168. 
Knaake,  E.     IV  2a  :  154. 
Knabe,  K.    I  12  :  221. 
Knackfnss,  H.     I  9  :  181. 
Knapp,  G.  F.     1  4  :  173,  2Li7. 

—  P.     IV  8d:8. 

—  T.     14:  175. 
Knappe,  P.     19;  239. 
Knauer,  G.     IV  5  :  320. 
Knauth,  P.     I  7  :  25;  8:  28  c. 
Kneller,  A.     II  6  :  67. 
Knibbe,  M.     II  1  :  134. 
Kniebe,  H.     14:  342. 
Kniepf,  A.     IV  8e  :  90 
Knipping,  V.     II  1  :  45. 
Knispel,  H.     IV  9  :  81. 

Knod,  G.     I  12  :  59;  II  5  :  24;  7  :  14. 
Knöpfler.  A.     II:  6. 

—  J.     1  12  :  71. 
Knötel,  R.     14:  156. 
Knoop,  0.     I  5  :  94,  185. 
Knortz,  K.     IV  9  :  182 
Knossala,  A.     16:  103. 
Knothe,  H.     I  4  :  80,   110  a. 

Kobell,   Louise    v.      I   4  :  360;    9  :  45; 

IV  lb:410;  1  c  :  13. 
Kober,  J.  B.     IV  lb:412. 
Koch,  A.    I  12  :  175;  IV  8a:  102. 

—  D.     15:1. 

—  E.     19:  14a. 

—  F.     I  6  :  5;  9  :  180. 

—  J.     I  3:275;  7  :  187. 

—  K.     14:  523. 

—  L.     IV  2b:  145. 

—  M.  I  1  :86;  10:170;  11:  40;  II  4  b 
49;  III  4  :  9;  5  :  76;  IV  l  c  :  20,  40 
68;  ld:5,  22/3;  2a:56/7;  2b  :  226 
250,  255,  337;  3:1,  41,  90;  5:25,  461 
531;  8a  :  24,  37,  41/2,  44,5,  52/3,  58 
60,  63,  66/8,  83,  89,  92,  97/8;  8  b 
1/2;  8d  :  2,  24,  35;  8e  :  0,  12,  16,  23 
28,  58,  62,  69,  78,  86,  88,  94/5,  109 
115,  117,  123;  9  :  185;  10  :  19,  27,  34 

Kochendörffer,  K.     113:1. 
Koeber,  R.  v.     IV  3:85. 
Koedderitz.     III  1:1,  143;   IV  lc:7a 
Kögel,  R.     IV  5:277;  8a:  37;   8b:  55 
Köhler,  G.     I  4:275  a. 

—  K.     I  4:509;  III  1:171. 

—  0.     IV  2b:  468. 

—  R.  I  5:378;  11 :  35;  IV  6  :  21. 

—  Rieh.     I  4  : 1  a. 

—  W.     II  6  :  140. 
Köhncke,  H.     I  12:246. 
Koehne,  C.     II  1  :  22. 

König,  F.  W.     I  4:47;  12:168. 

—  R.     II  6:117;  IV  3:221. 

—  W.     I  6:42,3;  IV  8a:  99. 


Könnecke,  G.     I  3  :  63;   II  4b  :  65;    III 

1 :  38 
Koppen,  F.  v.     IV  1  b  :  270,  302,  435. 

—  W.     II  4a:  6;  4b  :86a. 
Köselitz,  H.    IV  2b:  309;  3:267. 
Köster,    A.      IV    2b:  318;    5:5;    6:9; 

8a:59;    8c:38;    8d:24;    8e:9,   61, 
77;  9:45,  157. 
Köstlin,  H.  A.     II  6  :  237. 

—  J.     II  6:129. 
Kötschau,  K.     19: 169. 
Kofel,  H.     I  3:467;  9:471. 
Kogler,  Ter.     I  3 :  136. 

Kohl,  II.     IV  1  b  :  254,  256,  263/4. 

Kohn,  S.     14: 423. 

Kohrs,  H.     I  7:34;  II  6:41. 

Kohut,  A.      I  10:19,  121;    IV  la:27; 

1  b  :  83,  283 ;  2  b  :  13,  121 ;  5  :  17,  542  a, 

546. 
Kolb,  Chr.     II  5  :  123. 
Kolbe,  J.     II  6  :  93. 
Kolberg  J.    II  1  :  54. 
Kolde,  Th.      II   1:139;    6:4,    60/1,63, 

137 ;  III  5  :  37. 
Koldewey,    F.      I    12:8,    47,    52,    178, 

216 ;  II  7  :  32,  37 ;  IV  5 :  401. 
Kollmann,  P.     IV  1  b  :  459. 
Konemann,  R.     14:  496  a. 
Kont,  J.     IV  6 :  27. 
Kopal,  G.     14:  302. 
Kopp,  A.     III   2:28,    33;    IV  2b:  437, 

445. 
Koppmann,  K.     12:61;    4:252a;    12: 

148;  II  3:60;  6:221. 
Korner,  E.     1  3:50. 
Kornmüller,  U.     I  10:68. 
Korsmann,  B.     14: 218. 
Korth,  L.     I  3:36 e;  4:409,  442. 
Kortzfleisch,  v.     IV  1  b  :  156. 
Koschwitz,  Ed.     IV    lb:357;    ld:21; 

3:2;  5:434;  6:35 
Koser,  R.    14: 154,  180;   IV  1  b  :  27/7  a, 

45,  49  a,  56/7,  146. 
Kossmann,  B.     19: 366. 
Kothe,  B.     I  10:23. 

—  J.     19: 459. 

—  W.    I  10  :  40. 

Kraeger,  H.     IV  ld:30;    2a:  65;    2b: 

331;  3:41. 
Krämer,  H.     IV  1  b  :  279. 
Krafft,  K.     14: 39. 
Kraft,  G.     1  6:44;  IV  9:156. 
Kralik,  R.     15: 277. 
Krallinger,  H.     I  12  :  229. 

—  J.   B.     16:  75,    31;     IV    8d  :11; 
9 :  159. 

Krantz,  F.     IV  1  b  :  436. 
Krass,  M.     I  12:226. 
Kratochvil,  V.     I  3:36  h. 
Kraus,  E.     13:  207 ;  III  4  :  27. 

—  F.  X.     II  6 :  32. 

—  K.     IV  2b:192;  3:565. 

—  0.     I  3:410;  IV  lc:70. 

—  V.  v.     II  1 : 4. 
Krause,  Gottl.     IV  2a:  150. 

-  K.     II  7  :  29. 

—  L.    I  9:428. 

—  R.     I  5  :  57. 

Krauske,  0.   I  4  :  148;  111  1 :  146/7,  153; 

5:42;  IV  1  b  :  49,  85. 
Krauss,  F.  S.     I  II :  40;  IV  10  :  95. 

—  G.     I  4:249a. 

-  N.     IV  2b:  311. 

—  R.     I   2:40;    12:11;    II  7:21;    IV 
2b:6,  8,  10,  19a;  3:318;  9:35. 

-8.     15: 348. 

Kraut,  Marie  v.     IV  lb:179. 

Krebs,  C.    I  10  :  32,  34,  58,  76 ;  II  1 :  57 ; 

III  4:4. 

Kreiten,  W.     I  11  :  16;    IV  2b:  37;    3: 

196. 
Kreowski,  E.    IV  lb:108,  110;  2b:  218. 
Kress,  G.  v.     II  1 :  91. 
Kretschmann,  H.    16: 29. 
Kretschmer,  P.     I  7:113. 
Kretzschmar,  II.      13:5;    10:43,    88; 

IV  5:390  a. 

—  J.     II  6  :  208. 
Kreutzberg,  P.     IV  1  d  :  34. 
Kreyczi,  F.     19: 230. 
Kreyenberg,  G.     IV  1  b  :  155 ;  3  :  223. 
Krickau,  K.     IV  10  :  107. 
Kriegsmann,  G.     II:  16. 

Kriele,  M.    I  4:267. 
Krönig,  F.    II  2:69. 
Krohn,  Camilla.   I  10 :  278;  IV  1  b  :  398. 
Kronenberg,    M.     III   5:61;   IV  3:14; 
5  :  124,  142. 


Krones,    F.   v.     I    4:460;    II    1:150; 

IV  5 :  386. 
Kronfeld,    M.       I    5  :  116;    IV   8a  : 49; 

10  :  76. 
Kronsbein,  Tr.     13:8. 
Krüger,  G.     16: 136. 

—  CA.     IV  1  b  :  359. 

—  R.     I  1 :  79. 
Kruhl,  A.     19:  66. 
Krumm,  II.     IV  2  b  :  286. 
Krumbach,  C.     I  6:3,  94. 
Krummacher.  M.  1 6  :  132;  IV  8a : 78, 80. 

—  Marie.     IV  3:110. 
Krupka,  A.    14: 286. 
Krusch,  B.     14: 150. 
Kruse,  H.     IV  2b:  335. 
Kruske,  R.     II  6  :  276. 
Kubin,  F.     I  7  :  158. 
Kügelgen,  C.  W.  v.     IV  5  :  261. 
Kühn,  B.     IV  5 :  296. 

—  K.     II  6  :  98. 

—  V.     IV  5  :  134. 
Kühnel,  P.    15:  426. 
Kühnemann,    E.      IV    5:102/3;    7:16, 

19-21. 
Kükelhaus,  Th.     II  1  :  80. 
Küntzel,  G.     III  1  :  103 ;  IV  1  b  :  174. 
Küppers,  B.     16:  50. 
Kürschner,    J.      I   1:89;    IV    lb:296; 

1  c  :  32. 
Küster,  A.     I  4:177. 
Kufferath,  M.     I  10:166. 
Kugler,  A.     II  2:81. 

—  F.  15:  302;  IV  9  :  64. 
Kuh,  E.  IV  2b:  63,  113. 
Kuhau,  F.  X.     I  10  :  107. 

Kühl,  J.   14:337:  12  :  207;  IV  lb  :  406. 
Kuhn,  A.     I  9  :  76. 

—  F.     13: 218. 

—  K.     IV  3  :  51. 

Kukula,  R.     I  3  :  325;  II  7  :  2  a. 
Kulckmann.    I  5  :  347. 
Kummer,  lv.  F.     16: 134. 
Kunert,  F.     I  9:67,  315. 
Kuntze,  F.     1  6:75,  92/3;  7  :  149. 
Kunze,  K.     I  4  :  208;  II  1 :  126. 
Kupka,  P.     I  7:44;  8:28a. 
Kurs,  V.     IV  lb:174. 
Kurt,  N.     IV  5:151. 
Kurz,  F.     IV  lb:221. 
Kurze,  F.     II  1:8. 
Kvacsala,  J.     III  1  :  166. 
Kymniel,  N.     I  3  :  175. 

L.aboulaye,  Ed.     IV  3:170/1. 

Lackner.     II  6  :  95. 

Lackowitz,  W.     IV  lb:348. 

Ladewig,  P.     19:  46. 

Längin,  Th.     I  3  :  20 ;  IV  3  :  53. 

Lagarde,  Anna  de.     IV  5  :  634. 

Lahmann,   J.    F.      IV  2b:  359;   8e:13. 

Lahnor,  II.     IV  8  e  :  88. 

Lahrssen,  H.     IV  5  :  596. 

Laing,  F.  A.     13: 146. 

La   Mara.       I    10:35,    132,    185;    IV 

lc:56,  58. 
Lambel,  IL    I  5:270;  6:63. 
Lamey,  F.     13:  20. 
Lammers,  Mathilde.     I  4  :  491. 
Lamparter.     III  5  :  24. 
Lampel,  J.     13:4. 
Lampert,  F.     II  1:98. 
Lamprecht,  K.     I  1  :  51;  4  :  11/2;  II 1 :  1. 
Landau,  3.     II  4  b  :  32. 

—  M.    I  5:  187;  11:9,  40;  IV  3:6. 

—  S.  R.     IV  5  :  470. 
Landi,  8.     I  3  :  137. 
Landmann,  K.     IV  3:211. 
Landsberg,  E.     I  4:463;  III  5:63;  IV 

5  :  365,  471. 

—  0.     III  5  :  62. 
Landsberger,  J.     I  3:65,  364. 
Landsteiner.  K.     15: 272. 
Landwehr,  H.    II  6 :  224;  III  1  :  12,  139, 

171;  III  2:  14/5;  5:26/8. 
Lang,  P.     I  10:  114;  II  6:113 
Lange,  Edm.     II  1:60:    III  1:16;   IV 

2a:2ö;  3:586;  5:  626. 

—  K     II  6:89;  IV  lb:46S. 

—  Helene.    I  4  :  486 ;  10 :  257 ;  IV  5  :  438. 

—  B.  0.    13:  57. 

—  Jul.     I  9:261. 

—  K.     I  3  :  269;  9  :  456:  II  1  :  142. 

—  Konr.     I  9  :  103,  174. 

—  Kurd.     I  9 :  1,  9. 

—  Max.     II  5:53;  IV  ld:35. 

—  P.     IV  1  d  :  33. 

—  R.     I  5:364;  10:75. 


Autorenregister. 


Langenbruch,  W.     I  3:46/7. 
Langguth,   A.     II  6:146;    IV  1  b  :  372. 
Langwerth    v.    Simraero,    II.,    Frhr.   r. 

IV  lb:467. 
Lanzky,  P.     IV  5 :  174 
Laplane,  Yicointe  de.     IV  8a:  87. 
Larisoh,  B.     I  12  :  202. 
Laschitzer,  S.     15:  274. 
Lasswitz,  K.    II  1  :  97 ;  IV  5  :  226/7,  556. 
Lutirencie,  L.  de  la.     I  10 :  170. 
Lauser,  W.     IV  3:463. 
Lautenbacher,  J.     IV  10:86. 
Lauter-Richter,  Emma.     IV  3:482. 
Laverrenz,  V.     14: 296. 
Lechner,  K.     I  11 :  18. 
Ledebur,  L.    IV  3:226. 
Leder,  L.  R.    IV  5  :  627. 
Ledos,  E.  G.     13:  257. 
Lee,  H.     II  6  :  131. 
Le  Fevre-Deutuier,  J.     II:  72. 
Legros,  E.     IV  9  :  132. 
Lehfeldt,  P.     19: 176. 
Lehmann,  Ernst    19:51/2,  59,  255,  321 ; 

IV  5:115;  8a:  5;  10:31. 

—  M.     IV  Ib:58,  91. 

—  Osk.     IV  5  :  530. 

—  Otto.     I  3  :  26. 

—  R.   16: 140;  IV  5  :  140,  150,  156,  397. 
Lehmensick,  P.     15: 266. 

Lehnert,  R.     II  1:25. 
Lehrs,  K.     IV  5  :  398. 

—  M.     19:  413,  449. 
Leibig,  O.     IV  1  b  :  345. 
Leicht,  A.     II  1 :  136. 
Leighton,  Sir  Frederic.    I  9  :  47. 
Leimbach,  K.     16:  138. 
Leinung,  W.     15: 195. 
Leipold,  E.     I  8:7. 
Leisewitz,  C.     IV  5 :  523. 

Lei  st,  F.     II  4a:  23. 
Leite,  R.    I  6:  114. 
Leithäuser,  G.    I  9  :  90. 

—  J.     I  7  :  74,  86. 

Leitschuh,   F.    I   3:276;    IYlb:416; 

5  :  343/4. 
Leitzmann,  A.    I  7  :  4;  II  3  : 1;  III  2  : 1 ; 

IV  la  :  34;     lc  :  16a/8,     20,     88a; 

2a: 47;  5:4,  22/5,  600,  604: 
Leixner,    O.  v.     1  1:41,  78;   IV  5 :  44. 
Lemann,  J.     IV  9  :  135. 
Lemcke,  H.     I  4:75;    12:193. 

—  P.     IV  lb:424. 
Lemke,  E.     15: 123. 
Lemmen,  A.     I  4:78;  12:231. 
Lemmermayer,    F.      IV   2b:339,    351; 

3:456,  473;  5:40  a. 
Lemonnyer,  J.     IV  3:4. 
Lempertz,  H.     I  3:138  b. 
Lenbach,  F.  v.     19:  45. 
Lenk,  H.     II  1  :  37;    6  :  158;  IV  5  :  238. 
Lentner,  F.     15: 279. 
Lenz,  H.     14: 428. 

—  M.     II  6:138;  7:19;   III  1:77;  IV 
lb:120. 

Leo,  F.  A.     IV  1  d  :  43/4. 

Leon,  V.     IV  6  :  32. 

Leonhard,  L.     14: 401. 

Leonhardi,  G.     IV  5 :  285. 

Lequien,  M.     IV  5:92. 

Le  Sondier,  H.     13: 465. 

Ussing,  J.     19:9,  430,  443. 

Lessmann,  0.     I  10 :  15,    35,    125,    183, 

235,  263. 
Letourneau,  Ch.     I  1  :  48. 
Lettau,  G.     IV  7  :  18. 
Lettow-Vorbeck,  0.  v.     IV  1  b  :  115. 
Letz,  K.     IV  2a:  20. 
Leuchtenberger,  G.     16: 32. 
Levin,  J.     19: 34. 
Levy,  B.     IV  8d:12;  9:42. 
Levy-Bruhl,  L.     IV  5  :  128. 
Lewalter,   J.     I   5:313/4;    10:44;     II 

2 :  40/1. 
Lewes,  L.     IV  ld:37;  8b: 39. 
Leyen,  F.  v.  d.    I  2: 54. 
Lhote,  A.     I  3:75. 

Lichtenheld,   A.     II  4:32;    IV  8d:41. 
Lichtwark,  A.     I  9:435,   438/9. 
Liebe,  G.     14: 10,    101,   124,  127,  155, 

252;  II  1:116,  128. 
Liebenau,  Th.  v.    III  1 :  108 ;  IV  3  :  390. 
Liebermann,  B.     IV  1  b  :  154. 
Liebmann,  0.     III  5:58,  74;   IV  5:80, 

446. 
Liebeskind,  A.  G.     13: 187. 

—  H.    I  6:28. 
Liebknecht,  W.     I  7  :  188. 
Liehner,  L.     IV  2b: 426. 


Liepmann,  0.     IV  5  :  84. 

Lier,  H.  A.  I  9:1,  34,  50,  94,  207, 
227/8,  250,  258,  298,  302,3,  306,  406, 
409,  419;  III  2  :  21;  4  :  20,  23;  5:38; 
IV  1  c  :  63/4 ;  2  b  :  367 ;  5 :  347. 

—  L.     IV  lb:442,  452. 
Lilie,  M.     I  5:280;   III  1:33. 
Liliencron,  D.  v.     IV  2b: 382. 

—  R.  v.     II  3  :  53. 
Lilienthal,  W.     IV  2b  :  321. 
Limbach,  H.     II  5  :  125. 
Limbourg,  M.     IV  5:93. 
Lind,  P.  v.     III  5  :  54. 

Lindau,  P.     1  4  :  146a;  8  :  22;  10  :  111; 

IV  2b  :339. 
Lindecke,  K.     16:  139. 
Linden,  A.  v.     IV  8b:  22. 
Lindenberg.     IV  2b: 52. 

—  P.     I  4:282/3. 
Lindenborn,  A.     II  6:252. 
Linder,  F.     15: 161. 

Lindner,  F.     IV  ld:63;  2b: 472. 

—  Th.     I  1:50:  II  1:6. 
Lingg,  EL     IV  2a:  152. 
Linhoff,  M.     17: 192. 
Linke,  0.     IV  2b:  172. 
Linnig,  Fr.     I  6:121/2;  7:97. 
Linsenmeyer,  A.     II  5  :  19. 
Lippe,  Graf.     IV  1  b  :  64. 
Lippert,  J.     14: 503. 

Lippmann,  E.  0.  v.  IV  8c  :  41/2; 
8e:  122. 

—  F.     I  3:116;  9:104. 
Lippold,  A.     14:  325. 
Lipps,  Th.     IV  5  :  218. 
Lipsius,  G.  11.     13:  405. 
List,  C.     19: 453. 
Littig,  F.     14: 18. 

Litzmann,  B.     IV  6:5,   11,  14,  18,  34; 

9 :  51. 
Lobeck,  Chr.  A.     IV  5  :  398. 
Lochner  v.  HSttenbach,  0.  Frhr.     I  9 : 

135,  163,  180,  183,  229. 
Löber.     IV  5  :  257. 
Löhner,  R.     16:2;  7:114. 
Löhrer.     I  6:90. 
Löns,  H.     IV  2b:  319. 
Loesche,  G.     II  5:98;  6:2,  184,6,271. 
Löscher,  F.  H.     IV  2b:  440. 
Löschhorn,  H.  I  3:  4;  II  6  :  212;7  :  10; 

III  2:32;    IV  lb:437b;  5:582. 
Löwen,  E.     I  10:265. 
Löwenberg,  J.     II  5:59:  IV  5:595. 
Löwenfeld,  R.    IV  ld:68. 
Loewenthal,  E.     IV  2  b  :  314. 
Löwisoh,  M.     14: 518. 
Loewy,  S.    I  10  :  263. 
Lohmann,  P.     IV  2  b  :  483. 
Lohmeyer,  E.     I  3:132;  4:21a. 

—  K.     I  12:79:  III  5:76. 

—  Th.     I  5:424  5;  IV  5:532. 
Lombroso,  C.     14: 425. 
Lomraatzsch,  S.     III  5:33;   IV  5:246, 

275,  289. 
Lomraer,  F.     I  4:367. 
Lonchamps.     IV  9  :  45. 
Lorck,  C.  B.     13: 437,  439,  464/5. 
Lorenz,  0.    IV  1  b  :  75;  2b  :  213;  5  :  482. 

—  P.     IV  8e:119. 

Lorentzen,  Th.      110:489;    IU   1:88, 

110/1. 
Lorhner,  Louise.     IV  3  :  219. 
Lorm,  H.     I    1:76;    IV  2b  :  125,    176, 

351 ;  5  :  40. 
Lorrenz,  L.  B.     II  6  :  124. 
Lortz,  M.     14: 349. 
Losch,  Fr.    I  5:377. 
Loserth,  J.     111:23/4;    2:19-20;    3: 

50;  6:271,  273/3a;  III  1:8,  167. 
Lothar,  R.    IV  3  :  9,  375/6,  458. 
Lothholz,  G.     IV  5:400. 
Lotze,  H.     IV  5 :  220,  235. 
Lovera,  R.     IV  2b:  399. 
Ludassy,  J.  v.     IV  5:159. 
Ludorff,  A.     19: 146. 
Ludwich,  A.     IV  1  c  :  71 ;  5  :  398;  6 : 1 , 

22. 
Ludwig,  C.    IV  5 :  75. 

—  K.     IV  2b: 476. 

—  Th.  II  3  :  47. 
Ludwigs,  G.     IV  2  b  :  389. 
Lübke,  W.     I  9  :  75. 
Lütholz,  F.     I  J2-.42. 
Lüttich,  Fr.    I  10 :  143. 

Lützow,    C.  v.      I  9:29,  75,   294,   339, 

377,  399. 
Lurion,  R.  de.    I  3 :  344 . 
Luthardt,  E.     I  10  :  124;  II  6  :  146. 


Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V. 


Luther,  P.    IV  6 :  239  a. 

Luthmer,  F.     19: 437. 

Lutolf,  K.     II  6 :  50. 

Lutsch,  IL     19: 121. 

Lux,  II.     IV  5  :  654. 

Lyon,    0.     I  1:69;    2:43,   47;    5:338, 

364;    6:1,    142;    7:13,    107;    8:3; 

II  4b:44;  IV  2b:  358;   5:582. 

—  W.  8.    IV  3:173;  5:375. 

Maag,  A.    IV  1  b  :  186;  1  o  :  29. 

Macaulay,  Dr.     II  6  :  130. 

Mc.  Clumpha,  Ch.  F.     II  1  :  90. 

Macdonell,  Helen  A.    IV  3  :  525. 

Mack,  H.     I  4:213a;  III  1:90. 

Mackel,  E..    I  4:17;  5:400,  407. 

Mackie,  John  B.     I  3:249. 

Mackowsky,  H.     I  9  :  2Ö4;  IV  1  b  :  40. 

Macnaghten,  R    E.     IV  3  :  175. 

Mäder,  R.     II  6  :  86. 

Mähly,  J.    IV  2b:  419,  224. 

Mährle,  F.     I  6:19. 

Mämpel,  K.     I  12:19. 

Maertens,  H.     I  9:359  a. 

Maser,  J.    13:  443. 

Magnabal,  S.  G.     IV  8e:75. 

Magnin,  E.    IV  9  :  123. 

Mahrenholtz,  R.    III  1 :  125;  IV  9  :  149. 

Mahrt,  C.     I  4:307  a. 

Mai,  E.     IV  1  b  :  213,  218. 

Mair,  A.     15:  279. 

—  S.     15:  435. 
Majer,  E.     I  4:354  a. 
Majersky,  Ad.  v.     IV  2b  :  474. 
Majunke,  P.     II  6  :  125/8. 
Maler,  A.  r.     19:  273. 
Malmström,  0.     III  1  :  145. 
Malo,  H.     II  6  :  106. 
Mararoth,  F.     IV  3  :  236. 
Mandel,  R.    15:  56. 
Mangold,  F.     I  12  :  88. 
Manke,  W.     I  4  :  485. 
Manlik,  M.     16:  60. 

Mann,  F.     I  3  :  331;  6  :  21;    12  :  35. 

—  G.     I  12  :  30. 

—  Mathilde.     I  9  :  261. 
Manns,  P.     II  1  :  29. 
Mannteuffel,  G.  v.     15:  319. 
Manz,  G.     IV  2  b  :  22. 
Marabini,  E.     I  3  :  138  a;  4  :  198. 
March,  0.     I  9  :  363. 

Marcks,  E.    I  3  :  36m;  IV  lb  :  3;  5  :377. 
Marees,  L.  de.     IV  2b  :  450. 
Marguillier,  A.     19:  167  a. 
Marholm,  Laura.     I  4  :  495 ;  IV  3  :  332. 
Markgraf,  H.     14:  152,  279;  III  2  :  29. 

—  R.    14:  431. 
Markhauser.    I  4  :  8;  IV  lb  :  9. 
Markscheffel,  K.    IV  5  :  613. 
Markus,  P.     IV  2  a  :  52. 
Marmorek,  0.     19:  369. 
Marnet,  W.     13:  10. 
Maronier,  J.  H.     II  3  :  43. 
Marquez,  0.     14:  251  a. 
Marr,  Elisabeth.     I  10 :  228. 
Marschalk,   M.     I  10:224. 
Marshall,  Ed.     IV  2b:  435. 

—  W.     1  5:119. 
Martens,  K.     I   12  :  234. 
Martin,  Ad.     IV  3:489-90. 

—  E.     I  1 :  46;  7  :  5,  55,  79;  II  4b :  95; 
5:81/2;  IV  2b:  92/3;  10:1. 

—  Th.     IV  3:219. 
Martus,  H.     I  12 :  220. 
Marx,  Th.     IV  ld:46. 
Matha-Wastl,  J.  de.     112:213. 
Mathe,  Bertha.     IV  2b: 478. 
Mathi,  J.     16: 17. 

Matthes.     I  4:73;  12:198. 
Matthias,  C.     I  5:365. 

—  E.     I  5:1;  12:196;  II  7:11,  25. 

—  Th.     I   6:5/6,    17,    41,    48;    7:117; 
IV  7 :  24. 

Matthis,  G.     II  6  :  243. 
Matthys,  Emma.     I  5  :  340. 
Mätyäs,  L.    I  5  :  134;  II  2  :  13. 
Matzke,  E.     IV  5:436. 
Maude,  J.  H.    IV  3 :  174. 
Mauerhof,  E.     IV  9  :  180. 
Mauke,  W.     I  10 :  62,  177,  285. 
Maul,  J.     13: 469. 
Maurer.  J.    III  1:36;   IV  lb:125. 
Mauthner,  F.     IV  3:536;  5:173. 

—  J.     IV  2b:  168. 
Max,  Joh.    I  9 :  287. 
May,  M.     17:  133. 

—  0.    IV  11:11. 
Maydorn,  B.     15: 403. 

(4)35 


Autorenregister. 


Mayer,  Ant.     I  3  :  366. 

—  Fr.    14: 374. 

—  Gnst.     IV  1  b  :  484 ;  5  :  570. 

—  Jos.     I  12:70. 
Mayr,  M.     II  7:20. 

—  Mich.    II  3  :  52. 

—  S.     I  4:56;  5:325;  7:147. 

Deissinger,  K.     III  1:197;  5:46. 

Mazzoni,  G      II  1:78. 
Medung,  0.     15: 114. 
Mehler,  J.  B.     IV  la:  8  ;  lh:  489. 
Mehlis,  C      14:  373. 
Mehring,  F.     I  1  :  10,  51 ;  4  :  11 :  III  1  : 
83;  IV  la:3;  2b  :  388. 

—  8.     I  8:11. 

—  Th.     1  3:308;  7:  186;  IV  2a:  107; 
2b:  340 

Meiche,  A.    15: 179. 

Meidinger,  G.     14:  352. 

Meier.  John.     I  4:49a;   5:296;  7:54, 

81;  12:170;  II  2:45;  5:102;  6:108. 
Meinardus,  0.     III  1 :  129,  137. 
Meinecke,  F.     IV  1  b  :  3,  173,  257. 
Meinhold,  F.  L.     III   2:39;    5:88;  IV 

2  a :  29. 

—  J.     IV  1  c  :  84. 

Meisner,  H.     I  3  :  36:  IV  lo  :  44;  2a  : 

138;  2b:  5;    10:91 
Meissner,    F.    H.     I  9:312,    316/7. 

—  R.     12:6. 
Meister,  F.     IV  1  b  :  364. 

—  J.    II  7  :  9. 

—  0.     IV  3 :  397,  400. 
Meixner,  A.     16: 133. 
Melcher,  E.  E.     I  1:53;  I  4:297. 
Melchior.     I  4:406. 

Meli,  A.     II  1 :  30. 
Menuik,  F.     14:  205. 
Mendel,  Ch.     I  3  :  22. 

—  S.  IV  10  :  131. 

Mendheim,    M.     IV    2a  :  161 ;    2b  :  89; 

3:19,   89-90,    93,495/7:  5:300;    10: 

126. 
Meneval,  J.-E.  de.     IV  1  c  :  11. 
Menge,  K.     I  7  :  27,  214;  IV  2a :  136. 
Monges,  H.     15: 391,  430/1 ;  7  :  213 
Menken,  G.     IV  5  :  293. 
Menn,  M.     IV  ld:17. 
Mensch,  Ella.     IV  3:  289;  5  :  51. 
Mensing,  0.     II  6  :  109. 
Menzel,  P.     IV  10  :  111. 
Merckle,  K.     19: 263. 
Merkel,  J.    I  10:3. 
Merkens,  H.    I  5:79,  385;  112:70;  IV 

2a:  14. 
Merkle,  J.     IV  lb: 419-21. 

—  S.     I  4  :  10. 
Merlo,  J.  J.     I  9:92. 
Mertens,  W.     13: 14. 
Merwin,  P.     IV  2b:  319. 
Merz,  J.     19: 466. 
Mestorf,  J.    I  5  :  55/6. 
Metz,  A.     IV  8b:  48. 

—  H.     II  1 :  59. 
Metzger,  E.    14:  5. 
Meurer,  M.     19: 434. 
Mewius,  F.    III  1 :  155. 
Meyer,  Alex.     IV  8a: 32. 

—  Alfr.  Gotth.     I  9  :  94,  328. 

—  B.    IV  3:186. 

—  Chrn.     I  4:159;   III  5:22;  IV  lb: 
44;  5:391. 


9:168;  10:10. 
:452. 


:392. 


—  E.     IV  8d:21; 

—  Erich.     IV  1  b  : 

—  E.  H.     15:  75. 

—  F.     I  4:295a. 

—  Fl.     16:  95. 

—  Friedr.     IV  3  : 

—  G.     17: 113. 

—  G.  A.    IV  8a:  48. 

—  H.     IV  lb:  74. 

—  Heinr.     IV  7  :  27,  29. 

—  Joh.     I  1 :  54. 

—  Jul.     II  6:204. 

—  J.  B.    IV  1  b :  466. 

—  K.     I  3:103;  II  5:118. 

—  Konr.  Ferd.     IV  2b:  474. 

—  L.     I  3 :  42 ;  4 :  123. 

—  Max.     I  1:74;  IV  5:166. 

—  Paul.    III  5: 44/5  b. 

—  Eaph.     I  7:105. 

—  R.  M.  I  1:86;  5:191;  7:25,  216; 
8:  1/2,  30;  9:360;  IV  la:20;  3: 
56;  5  :  15,  17,  24,  34,  43,  366,  646; 
IV  8a  :  42,  54;  Sc  :  7;  8d  :  37;  8e  : 
72,  117;  9:7;  10:45. 

—  W.     II  6  :  167. 

—  Wilh.     I  9  :  28. 


Meyer-Altona,  E.     19: 141. 

—  v.  Waldeck,  F.    IV  1  c  :  95. 
Meysenbug,  M.  v.     IV  1  b  :  473. 
Mezger,  G.     IV  2b:  63. 
Michael,  E.    II  4  a  :  37. 

—  W.     IV  lb:427;  9:110. 
Michaud,  E.     IV  5  :  239. 
Michel,  E.     19: 324. 

—  Fr.    IV  1  d  :  47. 

Michels,    V.      II  4b  :  91;    6  :  196a/7a; 

7:9;  IV  6:3. 
Middendorf.     IV  2b:  71. 
Mielke,  G.     IV  5  :  321. 

—  R.     I  4:516. 
Miklau,  J.     III  1:  126. 
Milchhöfer,  A.     IV  5  :  405. 
Milchsack,  G.     13:  305. 
Miller,  M.     IV  9:94. 

Minor,  J.  I  1 :  96;  5  :  263;  8:1;  II  4b:  50; 

IV  2a:114/5;  2b:  134;  5:534;  8a:42; 

8b  :  42;  8c  :  18,  22,  24;  8d  :35;  8e:32, 

87,  125;  9:9,  15,  86. 
Mirbt,  K.     I  12  :  129. 
Mischke,  0.     II  6:92. 
Modeon,  H.     19: 454. 
Möller,     C.       III   1  :  50;     IV   la  :  37; 

2a:  95;  3:231. 
Mörath,  A.    I  4:211. 
Moser,  A.     IV  2  b  :  349. 
Mogavero,  G.     I  10 :  7. 
Mogk,  E.     15:  93. 
Mohr,  L.     15:  368. 
Mokrauer-Mainö,  0.     IV  lb:446. 
Moldenhauer,  F.     IV  lb  :  191. 
Moleschott,  Elsa.     IV  lc:93. 
Moll,  A.     14: 145. 
Mollat,  G.     IV  lb:114,  193. 
Mollwald,  E.  v.     IV  8a:  11. 
Molsdorf,  W.     13:  104. 
Moltesen,  L.  J.     III  5  :  30. 
Montaille.     I  4  :  225. 
Monod,  G.     1  1:13;  IV  lb:140. 
Montanus,  C.     IV  5  :  127,  590. 

—  E.     II  4a:  3. 

—  F.     IV  2b: 318. 
Moos,  P.     I  10:  12. 

Morel,  G.     I  11  :  54 ;  IV  9  :  71. 

—  L.     13: 457. 
Morf,  H.     IV  1  d  :  2. 
Morgenstern,  Chrn.     IV  5  :  17,  670. 

—  E.     IV  3:78. 

—  G.      IV    lb:109;    2a:138;    5:34; 
10:34 

Morley,  H.     IV  8e:74,  101. 
Morold,  M.     IV  2  a  :  53. 
Morrillot,  P.     IV  3  :  2. 
Morris,  W.  O'C.     IV  lb:304. 
Morsch,  H.     IV  8  a :  98 ;  8  e  :  67. 
Mose,  H.     I  4:379;  5:159. 
Mosen,  R.     IV  3  :  111. 
Moser,  F.     I  9:475. 

—  P.    III  1 :  51. 
Moszkowski,  A.     I  10  :  237,  264. 
Mucke,  R.    IV  5  :  129. 
Mühlan,  A.     IV  I  d  :  13. 
Mühlbrecht,  0.     13: 183,  209. 
Mühlen,  A.     IV  lb:122. 
Mühlhausen,  A.     IV  5:422.   . 
Mülinen,  W.  v.    14: 396. 
Müllenbach,  E.     14: 513. 
Müllensiefen,  P.     IV  5  :  292. 
Müller,  A.     112:128. 

—  Aug.     I  9  :  159. 

—  C.     1  5:  139;  7:12. 

—  Curt.     IV  2b:  12. 

—  E.     I  4:54;  II  6:58. 

—  Ernst.     IV  9 :  13,  27,  36/7,  60. 

—  G.     I  12:82;  IV  lb:354. 

—  Georg.      14:162;    12:91,    146;    II 
6:175,  179. 

—  Gust.  A.     IV  5:240a;   8b  :8a,   16, 
44/6. 

—  Hans.    IV  lb:425. 

—  Herrn.  Alex.     1  9  :  77. 

—  H.  F.     IV  8  d :  5. 

—  Jos.     IV  3:86/7;  5:15. 

—  L,     I  5:52;  IV  1  b  :  220. 

—  N.     II  1:141;  6:17. 

—  P.     14: 479. 

—  Rieh.    I  8 :  U ;  II  1 :  113. 

—  Rud.     I  9  :  156. 

—  Wilh.     IV  lb:14. 

—  Willi.     I  3:144. 

Bohn,  II.     IV  lb:153;  2a:  158. 

Frauenstein,  G.     I  12:241. 

Fraureuth,  K.    IV  3  : 1,  16. 

Guttenbrunn,  A.     IV  3  :  188  a,  417. 

—  -Holm,  E.    IV  3  :  297. 


Müller- Palm,  Ad.   13:  232 ;  IV  5 :  550. 

Rastatt,    K.     IV  3:403a/4;  10:34. 

Müllner,  L.    IV  2b:  256. 

Mülverstedt,  G.  v.     I  4:165. 

Münscher,  F.     14: 331. 

Münz,  B.     IV  2b:  64;  5:  189,  193. 

Muenzer,  0.     IV  2b:  518/9. 

Muff,  Chr.     I  6:116,  119. 

Mugnier,  F.     I  3:28. 

Muhlert,  F.     14:  309. 

Muller,  J.  W.    I  5  :  318;  II  5  :  10. 

Mummenhoff,   E.      II   I  :  67;    2:  29  a  ; 

4b  :9,  13,  84;  IV  8e:14. 
Muncker,  F.     I  1:26,   65;    6:89,  142; 

117:13;   IVla:14;    2b:67/8,    293; 

3:1,  31,  71/2,  80;  6:2;  8d:  5;  8e:  78, 

117;  9:39,  50. 
Muralt,  E.  de.     IV  lb:183. 
Murau,  Karoline.     I  9  :  94. 
Müsiol,  R.     1  10:109. 
Muther,  R.     19:  95,  276. 
Mutzenbecher,  A.     IV  3:312,  317. 

Naaf,  A.     15: 23. 

Nagel,  Joh.     II  3  :  10. 

Nageler,  G.     15: 166. 

Nagl,  J.  W.     I  7:67;  II  3:15. 

Nathansen,  W.     I  4:231,  238a. 

Nathusius,  M.  v.     IV  3:484. 

Natorp,  0.     I  12  :  48;  IV  5  :  251. 

—  P.    IV  5  :  237. 

Natzmer,  Gn.  E.  v.     III  5  :  35;  IV  lb  : 

323,  336. 
Naude,  A.     III  1  :  136,    146,    176,    200; 

IV  1  b  :  59-60,  66/7. 

—  W.    II  1  :  45. 

Naumann,  E.  I  6  :  65;  IV  7  :  23,  29,  31. 

—  F.     IV  5  :  573. 
Nebe,  A.     I  12 :  18. 
Nebel ung,  A.     I  12  :  197. 

Necker,  M.  II:  18,  20,  37 ;  9:17; 
II  4b  :  59;  IV  1  a  :  39;  1  c  :  49,  51,2, 
54,  60,  66;  2b :  128,  177,  249-50,  363; 
3  :  10,  78,  188,  273,4,  279-80,  296/7, 
375/6,  464,  509,  533,  559;  5  :  469. 

Needon,  R.     15: 147. 

Neff,  J.    I  12:56. 

Neidhart,  R.     III  5 :  39. 

Nentwig,  H.     13:  99. 

Nenzioni,  E.     II  1:78. 

Nerrlich,  P.   I  1  :  26;  IV  3  :  87 ;  5  :  397. 

Nestle,  E.     IV  5  :  241  a. 

Netoliczka,  0.     I  6:64. 

Neubauer,  Fr.    IV  1  b  :  147. 

Neuberg,  A.     II  6  :  133;  IV  3  :  410. 

Neubarger,  E.  I  2:25;  4:141;  8:36; 
IV  3 :  603. 

—  F.    I  10  :  226. 
Neubnrger,  A.     13:  140. 
Neuhöffer,  R.    IV  9:78. 
Neukamp,  E.     13: 227. 
Neuling,  E.     19: 4. 
Neumann,  C.     19: 1. 

—  E.     I  8:13;  IV  5:78. 

—  Franz.     I  6 :  112 ;  IV  3  :  406. 

—  H.     I  10 :  241. 

—  Karl.     IV  5:409. 

—  K.  J.     IV  3:77. 

—  W.     I  3:26;  II  6:78. 

—  -Hofer,  0.     IV  8a:  32. 

—  -Strela,  K.     IV  lb:13;  3:23. 
Neuwirth,  J.    I  9  :  135  a,  159,  169,  170  a, 

234;  II  1:142. 
Ney,  J.    II  6  :  248,  251. 
Nicklas,  J.     I  6:12,  18. 
Nicoladoni,    AI.      II    4b  :  92/3;    6:189, 

199,  271. 
Nicot,  L.     IV  lb:461. 
Nida,  C.  A.  v.    IV  2b  :  494,  512. 
Niederegger,  A.     IV  2a:  61. 
Niedergesass,  R.    III  3  :  12. 
Niejahr,  J.     18:27;    IV  8a:  62;    8e  : 

124. 
Niemann,  A.     IV  1  d  :  50;  5  :  466. 
Niemeyer,  Ed.     IV  6:16  a. 
Nietschmann,  H.     III  5 :  32. 
Nietzsche,  F.    IV  2b  :  268;  5  :  181. 
Niggli,  A.     I  10 :  282. 
Nissel,  Caroline.     IV  lc:  51. 
Nithack,  A.     III  5 :  59. 
Nitzsch,  F.    IV  9:4. 
Nobbe,  H.     II  6 :  177. 
Noe,  H.     I  4:121. 
Nöeldeke,    W.     I    6  :  77 ;     IV    1  b  :  72; 

2a:  63. 
Nörrenberg,  C.     I   3 :  253,    263,   323/4; 

7:7. 
Nordau,  M.    IV  3  :  563. 


Autorenregister. 


Nostitz-Rieneck,  R.     IV  5  :  605. 

Nottbeck,  E.  v.     I  4:444. 

Nover,  J.     I    11:21;   113:38;   5:111; 

IV  8e:72. 
Nusch,  A.     16: 120. 

©berbreyer,  M.    IV  lb:15. 

Oberdörffer,  P.     I  3:225. 

Obser,  K.    I  2  :  18:  IV  1b  :  427:  5:  401  a. 

Ochs,  S.     I  10:255. 

Oechelhäuser,  A.  v.     I  9:364  a. 

Oechsli,  W.    II  3  :  46. 

Oelsner,  Elise.     I  4:492. 

Oergel,  G.     I  4  :64;5;  12:102. 

Oertel,  E.  G.  J.     IV  lb:177. 

Oesterreich,  H.     14:  214. 

Oetker,  F.     I  3:422. 

Oetter,  P.     IV  5  :  414. 

Offner,  M.     IV  5  :  68. 

Ohorn,  A.  IV  lb  :  124,  271,445;  2a  :  138. 

Oidtmann,  E.  y.     I  4  :  22a;  9  :  361. 

Olinda,  Alex.     I  9:345. 

Ollendorf,  Irene.     IV  2b:  291. 

Omont,  H.     13: 264. 

Ompteda,  L.  Frhr.  v.     IV  Ib:451. 

Oncken,  W.    III  1 :  152,  156 ;  IV  1  b  :  18, 

20,  180. 
Ondrusch.  K.     15: 412. 
Ongania,  F.     I  3  :  66. 
Opel,  J.  O.    I  4:461;   III  1:14;  5:64, 

Opitz,  R.     I  1:26:  IV  2a:86;  2b:13; 

3  :  282,  287,  463. 
Oppenheimer,  F.     IV  2b:  330. 
d'Orleans,  Th.     IV  9 :  127. 
Ortjohann,  F.     14:  21. 
Ortner,  H.     I  6:  15. 
Osborn,  M.   I  1 :  86;  9  :  169:  II  4b  :  18; 

5:989;  IV  8a:  32. 
Osten,  Jenny  v.  d.     IV  lb:442. 
Ostermann,  W.     I  12:4;  IV  5:135. 
Ostini,  F.  v.     I  9  :  311. 
Oswald,  J.  G.     IV  2b:  257. 
Osztoya,  A.  II.  v.     111:  42. 
Ott  (Baurat).     I  9  :  142. 

—  E.     I  5:35. 
Ottens,  J.     16:6. 
Ottmann,  V.     13: 208. 
Otto,  E.     14:  32,  199. 

—  F.     IV  2  b -.470. 

—  G.     13:  340. 

Paehler,  R,     I  12  :  187. 
Paetow,  W.     IV  3  :  302, 
Pahner,  R.    112:  237. 
Pallmann,  J.     IV  Se  :  12 

—  K.     II  1  :  62. 

Panizza,  0.     15:  58,  227 ;  9  :  16,  65. 

Pannier,  K.     13:  421. 

Pantenius,  Th.  H.     IV  lc  ;  13,   27,  32, 

46,  49,  69:  3:301. 
Tänzer,  F.     I  10  :  103. 
Paoli,  Betty.     IV  2  b  :  37;  3  :  472. 

—  C.     I  3  :  23:  II  1  :  78. 
Pappritz,  R.     III  1  :  52. 
Papudoff,  C,    IV  1  b  :  394. 
Pardellian,  P.     IV  1  b  :  461. 
Parey,  P.     I  3  :  186. 
Paris,  G.     12: 27. 
Pariser,  L.     III  2:24;  3:6. 
Parisius,  A.     II  6:225. 
Parmentier,  J.     IV  1  d  :  3 ;  8  a  :  86. 
Partsch,  J.     14: 464. 

Pasch,  K.     IV  5  :  462. 
Pastor,  L.     I  4:9;   5:140;   II   1:77; 
6:2;  IV  lb:4,  452;  5:373. 

—  W.     I  10:280. 

Faudler,  A.     I  5:01,  179,  418a. 
Paul,  A.     II  4b:  11. 

—  H.     I  2:10;  7:136. 

—  W.    II  6 1  143. 
Pauler,  J.     14:  390. 
Paulig,  F.  R.     IV  lb:399. 
Pauls,  E.     14: 441. 

Paulsen,  F.     I  4  :  82;  II  6  :  2:  IV  5:68, 

599 
Paulus,  N.     II  1:102;  5:12/3,    18,    20, 

22/3,  30;    6:9,    22-30,  45,6,123,  192. 
Pawel,  .1.    IV  2  a  :  34/5.  40;  3  :  44 ;  5  :  9. 
Pawlecki,  J     IV  2b: 461  2. 
Payer,  O.     I  10:37,  191. 

—  R.  v.    IV  8c: 46. 
Pazaurek,  E.     19:  472. 
Pearson,  E.  St.     IV  9 :  85. 
Pech,  T.     I  3:210. 
Pechmann,  W.  v.     IV  5  :  245. 

Pecht,  F.     I    4:468;    9:17,    288,    337; 
IV  lc:66. 


Peiser,  K.    I  10 :  97. 

Parier,  G.    II  1  : 5. 

Perktold,  F.     I  6:115. 

Perlbach,  M.     13: 267. 

Perles,  M.     I  3:400. 

Perlsv  A.     I  1  :  93. 

Pesch,  T.     IV  5:341. 

Peschel,  W.  E.     IV  2a:  149. 

Peschkau,  E.     I  4:137;   IV  2b:  230. 

Pestalozzi,  F.  0.     IV  1  c  :  28. 

Petelenz,  K.     I  6:124. 

Peter,  A.     I  4:  389;  9:372. 

—  J.     15: 267. 
Peters,  Th.     14: 223. 
Petersdorf,  A.     IV  3  :  516. 
Petersdorff,  H.  v.    III  1 :  155;  IV  1  c  :  68; 

2  b  :231;  5:366. 
Potersen,  R.     IV  9  :  188. 
Petri,  E.     I  3:270:  II  0:172. 

—  F.     IV  2a:  58;  3:28. 

—  J.     I  4:497;  IV  3:10. 
Petzendorfer,  L.     I  3:130. 
Petzet,  E.     III  3:8;  IV  5:10. 
Petzhold,  G.     I  3:257. 
Petzsch,  G.     14: 202. 

Pey,  A.     IV  9 :  170. 

Pfaff,  F.    15: 14,  258;  II  2  :  29;  4a  :  21. 

Pfeiffer,  Th.     1  10  :  200. 

Pfeilschmidt,  H.     III  5  :  4. 

Pfister,  A.     IV  9 :  17. 

—  Ch.     I  4:346a. 

—  H.  v.     17:  72. 

—  M.     IV  5:346. 

Pfleiderer,  0.     I  1  : 4 ;   IV  6  :  236,   238, 

307,  663. 
Pflngk-Harttnng,  J.  v.     IV  1  b  :  138/9. 
Pfohl,  F.     I  10:57,    161,  167,  221. 
PfQlf,  0.     IV  9  :  89. 
Pfungst,  A.     I  3:335. 
Philippi,  A.     I  1:19;  4:489. 

—  Fr.     III  1 :  95. 
Philippson,  M.     IV  1  b  :  363. 
Pichler,    A.      I    5:308;    II    2:56;    IV 

2b:  199-200. 

—  F.    III  1  :  161. 
Pichtos,  N.  M.     IV  10  : 8. 

Pick,  A.     IV  1  a :  32 ;    1  b  :  164 ;  1  c  :  31 ; 

2a:  156:  5:345;  8b:  7. 
Piekosiiiski,  F.  I  3:139. 
Pieper,  A.    II  1 :  17. 

—  J.     I  12:54. 
Pierson,  W.     IV  1  b  :  397. 
Pietsch,   J.  E.     I  4:322  a. 

—  L.     I    9:441;    lVlb:30;     lc:65; 
2b:  236. 

—  P.     I  4:277;  7:211. 
Piger,  F.    15:  72. 
Pihan,  Abbe.     IV  9  :  142. 
Pilz,  H.     IV  2b:  83. 
Pinelli,   s.  A.  v.  Freiberg. 
Pirenne,  H.     13:  3;  II  1  :  52. 
Pischel,  R.     14: 438. 
Pistor,  J.     III  1  :  11. 

Pitre,  G.     13: 178. 

Pituckowski,  M.     IV  5:413. 

Planck,  M,     I  10  :  21. 

Pleasants,  Mary  M.     IV  3  :  492. 

Plew,  J.     IV  1  b  :  121. 

Plöhn,  R.'   IV  2b:  13. 

Pniower,  0.    II  7  :  10;  IV  3  :  369,  375/6; 

8e:117. 
Poelchau,  A.     I  3:176. 
Pölzl,  J.    I  6:58,  70;  IV  8e:48. 
Poeschel,  J.    17: 118. 
Pötsch,  J.  A.     II  6  :  151/2. 
Pohl,  R.     I  10:187;  IV  lc:59. 
Pohler,  J.     I  3:226  a. 
Poli-Hardmeyer,  Maria.     IV  3  :  389. 
Politicus.     I  3  :  423. 
Polko,  Elise.     IV  2b: 479,  530. 
Pommer,  J.     II  2  :  57. 
Poole,  W.  F.     13:  252. 
Popek,  A.     I  11 :  23;  IV  9  :  173. 
Popp,  K.    15: 144 

Poppe,  G.    I  4:319;  II  1:26;  6:267. 
Poppenberg,    F.      IV    2a  :  87:    3  :  59a, 

307,  309,  478,  553,  571,   616;   5:527, 

620;  6:38;  10:9,  43,  115. 
Popper,  M.     14: 435.  483. 
Porchat,  J.     IV  8d:3. 
Porges,  H.     I  10  :  80,  169.  220,  234. 
Portig,  G.     IV  8a  :44;  8b:  33;  9:  4. 
Poruck,  J.     IV  5  :  62. 
Poschinger,   H.  Ritter  v.     IV  1  b  :  282, 

293;  lc:22c;  5:577. 
Post,  A.  II.     I  5  :343:  II  2:16. 
Poten,  B.     IV  1  b  :  159,  216,  312. 
Powell,  G.  H.     I  3:280. 


Prato.  St.     I  11:5. 

Preger,  K.    II  1 :  61. 

Prem,    S.    M.      I  5:312,  357  8;    6:91; 

II  4  b  :  21 ;  IV  1  a :  40;  2a :  48;  2b:  203, 

208,    353;    8a  :  6;    8d  :  24:    8e:29; 

9:56. 
Preser,  K.     IV  2b: 4. 
Pressel,  P.     II  6  :  193. 
Preuss,  G.     III  1  :  128 ;  IV  1  b  :  55. 
Preyer,  W.     I  3:40;  IV  8a:  05. 
Pribram,  A.     III  1:9,   1146,  120,  196; 

IV  lb:18. 
Priebatsch.  F.     II  1  :  52. 
Priebsch,  D.     I  3:34. 

—  R.     I  5:131;  II  5:119. 
Prieger,  E.     I  10  :  101,  103. 
Primer,  P.     IV  8e:44. 
Primozic,  A.    I  6 :  84. 
Prinz,  P.     IV  lb:395. 
Prochäzka,  R.  Frhr.  v.     I  10:198. 
Procyk,  A.     17:  106. 

Pröhle,    H.      I,    12:51:    III    5:S16: 

IV  lb:84;    2a:94;    2b:306,    424  5, 

428;  5:8,  31,  286  7. 
Proll,    K.     I  4:393,    519;    12:21;    IV 

2b:  137,  204;    3:272,  462,  509,  528; 

10:40. 
Proelss,  .T.     19:  280,  345. 

—  R.     IV  lb:  96;  2a:  88. 
Proescholdt,  L.     I  11  :  14,   37,   40,   45; 

IV  1  d  :  42,  44. 
Prosch,  F.   I7:170;IV2b:134;8a:96. 
Proschke,  Hermine.     I  5:162. 
Prümers,  R.     IV  2a  :  6. 
Pruner,  J.    II  5 :  2. 
Prutz,     H.       I    4  :  60:    12:134,    137; 

HI  1 :  78. 
Prybila,  P.     IV  lb:131. 
Pucsko,  A.     IV  2b:  117. 
Pudor,  H.     I  9:340  a. 
Puglisi-Pico,  M.    II:  34. 
Puls,  A.     IV  2b:  148. 
Puntschert,  J.     I  4:3S0a. 
Pusch,  K.    n  5  :  127. 
Putnam,  G.  H.     13:  353. 
Puttkammer,  Alberta  v.     IV  2b:  403. 
Pyl,  Th.     19: 299. 

©.uaritch,  B.  I  3  :  24. 
Quilling,  P.  15: 397. 
Quistorp,  B.  v.    IV  lb:174. 

Raadt,  J.  de.     14:  240. 

Rabus,  L.     IV  5  :  79,  90,  234. 

Rache,  P.     I  12  :  125. 

Rachel,  M.     II  4b:  74. 

Rachfahl,  F.     14: 161. 

Rademacher,  C.  I  5:7.63,78;  1112:75. 

Rades,  P.  y.     19: 114. 

Radlkofer,  M.     I  4:52;  II  5:46. 

Radulescu-Motru,   Const.     IV  5  :  107. 

Raeder,  A.     14: 40. 

Rahden,  A.  v.     II  1 :  149. 

Rahn,  J.  R.     I  9:213. 

Raible,  G.  F.     IV  1  b  :  423. 

Raich,  J.  M.     IV  lb:378. 

Ramann,  Lina.     I  10:187. 

Rambaldi,  C.  Graf  t.     14:  363. 

Ramberg,  G.     I  10:266. 

Rank,  J.     15: 24. 

Ransohoff,  G.     IV  5 :  194. 

Ranzoni,  E.     1  9:386. 

Rapsilber,  M.     I  9:376. 

Baschdorff,  0.     14:  222. 

Raseg,  A.  v.    14:  525. 

Rathgeber,  Jul.     IV  1  b  :  415,  418. 

Rathlef,  G.     IV  1  b  :  242. 

Rathmann.     IV  5:278. 

Ratzel,  F.     III  5  :  49. 

Rausch,  A.     I  12:27. 

Ranschenplat,  A.     IV  lb:275. 

Raynal.     IV  9  :  137. 

Reuleaux,  F.    I  7: 179a. 

Reber,  J.     I  10:71;  12:15. 

—  F.  v.     I  9:18. 
Rebros,  0.     15:  1768. 
Rccolin,  N.     II  6  :  147. 
Redgrave,  G.  R     13:  67. 

Redlich,  K.  Chr.  IV  2  a  :  62;  3:1: 
8  a  :  52f3,  66;  8b:  1/2;  8c  :  3,  47 ; 
8d:  1,  33. 

—  0.     I  4:239;  II  6:  178 
Ree,  P.  J.    19:  205,  216. 
Regener,  Fr     IV  5  :  607. 
Regling,  H.     II  1  :  138. 
Regnier,  A.     IV  9  :  116. 
Rehorn,  F.     IV  9  :  66. 

—  K.     I  7  :  85. 


(4)35* 


Autorenregistef. 


Rehsener,  Maria.    I  5  :  28. 

Reichel,  R.     16:  G6. 

Reichenbach,  A.     11:  82, 

Reit-hl,  Ed.    15:  421. 

Reicke,  R.     IV  5  :  85. 

Reiffenstein,  C.     14:  333. 

Reifferscheid,  A.    II  6  :  51. 

Reimann,  H.     I  10  :  20,  25,  57,  77,  124, 

187,  197,  251. 
Reiraar,  S.     19:  355. 
Rein,  B.     IV  9  :  72. 

—  W.     IV  5  :  136. 
Reinach,  S.     19:  185. 
Reinecke,  A.     13:  132. 
Reinhardstöttner,  K.  v.  II  1  :  87;  3  :  21; 

5  :  124. 
Reinhardt,  H.     III  1  :  107. 

—  K.    I  12  :  17. 

Reinitz,  E.    IV  5  :  104;  9:58. 
Reinle,  K.  E.     I  5  :  321;  8  :  32. 
Reinstein,  Th.     I  11  :  15. 
Reis.  E.    IV  5  :  132. 

—  H.    I  7  :  50.  116. 
Reischel,  G.     I  4  :320;  5  :  428. 
Reiser,  A.     I  10  :  56. 

—  J.  ß.     II  6  :  46. 
Reissmann,  A.    I  10  :  15. 
Reiterer,  K.     15:  74,  99  a,  164. 
Rells,  E.  W.     IV  5  :  88. 
Remer,  P.    IV  lb  :  357;  5  :  529. 
Remus,  E.    14:  207. 

Renatus,  Joh.,  s.  J.  Frhr.  v.  Wagner. 

Renier,  R.     II  4a:  2. 

Renonard,  Ph.    13:  77. 

Rentzeil,  v.    IV  lb:335. 

Resch,  C.    I  10  :  252. 

Rethwisch,  K.     I  12  :  1. 

Ren,  M.    II  6  :  86. 

Rensch,  F.  H.     I  4:412;    II  5:20,  98; 

6:21,  36/7,40;  IVlb:234;  2a:  160; 

5 :  385. 

—  G.  A.     I  1:61;  5:37. 
Reuss,  L.  v.     IV  1  c  :  36. 

—  R.     I  3:36g. 

Reuter,  W.     I  1  :  47 ;  6  :  143. 

Rex,  Emma.     IV  2b:  18. 

Reyer,  E.     13:  320,  327. 

Reyher,  0.     I  3:250;  IV  1  b  :  367. 

Rezek,  A.    III  1 :  109. 

Rhoades,  A.     IV  9 :  102. 

Ribbeck,  W.     III  1  :  174. 

Ricchetti,  A.     1  10 :  149. 

Richter,   A.     I    4:55;    5:435;    7:140, 

161;     12:36;   II4b:98/9;    7:2;    IV 

5 :  200. 

—  Fr.    I  9:234. 

—  H.    I  9:272;   IV  lc:62. 

—  K.     I  12  :  36. 

—  0.    I  12:180;  IV  2a:  11,  132. 

—  P.  E.     I  3:298. 

—  R.    IV  10 :  101. 

—  Wilh.     I  12:242,  244. 
Rieber,  X.     IV  2  b :  507. 
Rieder,  0.     14: 22. 
Riedl,  F.     IV  9 :  93. 
Rieffel,  F.     19: 276. 
Riegl,  A.     I  4:191;  9:445. 
Riehmann,  J.     IV  3  :  77  a. 
Riehl,  B.     19: 127. 

—  W.  H.  v.     IV  lb:472;    5:43. 
Rieker,  K.    II  6 :  142. 

Riemann,  H.     I  10:3,  92;  IV  5:274. 

Rienäcker,  Fr.     III  1 :  54. 

Ries,  J.     17:113. 

Riese,  A.    IV  la:19. 

Rietschel,  G.     II  6 :  136. 

Rieu,  W.  N.  du.     13: 35. 

Riggenbach,  B.     II  6  :  245. 

Ringholz,  0.     IV  1  b  :  426. 

Rinn,  H.     II  6  :  68,  145. 

Ritschel,  A.    17: 66. 

Ritter,  Eng.     IV  5  :  434. 

—  F.    19: 457. 

—  H.     14:3. 

—  M.     III  1 :  6. 

Rittner,  K.  H.     IV  1  b  :  462 ;  1  c  :  24. 

Rivet,  Abbe.    IV  9  :  124. 

Rivoli,  Duc  de.     13:  115a. 

Robert,  A.     I  10  :  223. 

— tornow,  W.     I  1:91. 

Roberts,  W.    13: 295. 

Robertson,  J.  G.     IV  3  :  7. 

Robolsky,  H.     IV  lb:245. 

Robran,  P.     IV  3 :  506. 

Rochette,  A.     IV  9  :  130. 

Rochlich,  E.     I  10:6,  97,  132,  200. 

Rockinger,  L.  v.    I  3:361,  276;  4:98. 

Rod,  Ed.     19:  275. 


Rodenberg,  J.  I  10  :  225,  246;  IV  5  :  514. 

Röckner,  H.     I  10:11,  238. 

Roeder,  E.     I  10  :  110;  IV  2b  :  79,  163, 

349 ;  3  :  547,  568. 
Roediger,  M.    I  5  :  92;  7  :  95,  175,  204; 

8:4;  IV  8  a, :  52/3,  66 ;  8b:l/2;8d:l; 

8e:l/2. 
Röhrich,  W.     14:  470 :  IV  5  :  554. 
Röhricht,  R.     II  1 :  152;  IV  9  :  67. 
Roll,  L.     I  4:51. 
Römer,  A.     IV  3  :  246. 
Römheld,  F.     IV  5  :  618. 
Roempler,  R.     110: 143. 
Rönnecke,  C.     II  6  :  150/a. 
Roeschen,  A.     15:  285. 
Rösel,  L.     I  4:369;  II  4b:  23. 
Röseler,  W.     14:  305. 
Rösemeier,  H.     II  1 :  19. 
Rosiger,  F.     IV  3:30. 
Rössler,  A.     IV  2a:  133. 

—  C.     IV  lb:  161,  469;  5:144. 
Rössner,  0.     17: 157. 

Roethe,  G.     I  2:38;   12:24;    II  2:47; 

3:35;   5:25,  34,  45.  55;  III  2:10/1; 

IV   lb:206;    8a:  52/3,    66;    8b:  12; 

8c:  4;  9:166. 
Roetteken,  H.    IV  3:98. 
Rogge,  B.     III  1 :  55/6;  IV  1  b  :  360. 
Rohde,  0.     I  11:8. 
Rohrscheidt,  K.  v.     I  4:201. 
Rollet,  H.     IV  8b:6/6a. 
Roloff,  G.     IV  Ib:295,  402. 

—  0.     IV  lb:171. 
Rooses,  M.    13: 84. 
Roqnette,  A.     I  3:300. 

—  0.  IV  1«:50;  3:296. 
Rosegger,  P.  K.     IV  5  :  439. 
Rosenbaum,  R.  IV  3  :  32/3,  35/8;  5:11/4; 

8  a  :93. 
Rosenberg,  Ad.    19:  3,  17,  71,  73,  286, 

330a,  353,  404;  lc:66. 
Rosenburg,  H.     IV  2b:  146. 
Rosonhagen,  II.     19:1,  55,  70,  283. 
Rosenstein,  A.     I  7:139. 
Rosenthal,  G.     111  1  :  46/7. 

—  L.     IV  5  :  106. 

—  M.     I  10:16, 
Roser,  II.     II  6 :  105. 
Rost,  A.     13: 398. 

—  R.     IV  6  :  33. 
Roth,  E.     IV  3  :  208. 

—  Elise     IV  2b:  536. 

—  F.  W.  E.  13:  56,  105,  153.  355, 417 ; 
4:459  a;  II  1:92,  146,  153;  2:44; 
4:17;  5:14,  31;  6:44;  7:28;  III 
2:  18;  IV  5:521. 

y     15;  99. 

Rothan,  G.     IV  1  b  :  225. 

Rothe,  B.     I  6:49;  IV  9:62. 

Roustan,  L.     IV  2b:  134. 

Rouy,  H.     IV  9  :  141. 

Rowe,  E.     IV  10  :  70. 

Roy,  B.     IV  lc:  100. 

Rubensohn,    M.     II    2:4S;  III    1:27; 

2  :  4,  26. 

Rubinstein,  Susanna.     IV  5  :  156. 

Rüde,  A.    I  12  :  172. 

Rudel,  K.     III  1  :  192. 

Rudolph,    L.    I  4:522/4;    7:92,    216; 

IV  2b:  459;  5:213. 
Rudow,  W.     IV  1  a  :  3. 
Rübsam,  J.    I  4  :  260. 
Rücker,  A.  W.     IV  5  :  510. 
Rücklin.    I  9  :  431. 
Rüdiger,  0.     I  4  :  69. 
Rühl,  F.     IV  5  :  369,  406. 
Rühle,  P.     IV  2a:  89. 
Rümelin,  G.  I  7  :  167/8,  194 ;  IV  5 :  476 ; 

10  :  118. 
Ruepprecht,  Chrn.     I  3  :  21 ;  4  :  125. 
Rüthling,  P.     IV  5  :  370. 
Rüthning,  G.     III  1 :  94,  97. 
Rüttenauer,    B.     IV    la:24;    3:340b, 

457. 
Ruland,  C.  II  4  b  :  54;  IV  8  a  :  21,  26,  41. 

—  W.    15:  174. 
Rummelsberger,  I.     I  12  :  175  a. 
Runge,  F.     II  3  :  58. 

Runkel.  F.     IV  2  a  :  90 ;  2  b  :  86,  88,  97 ; 

3  :378;  5:  222,  526;  9:4. 
Runze,  F.  W.     III  1  :  57. 

—  M.     I  10:126/7;  12:77. 
Russell,  A.     I  3  :  184 
Ruthardt,  A.     I  10  :  93. 
Ryssel,  V.    I  11  :  7. 

Saalfeld,  G.  A.     17: 172,  182. 
Sabin,  S.     IV  lb:314. 


Sacher-Masoch,   L.     IV   2b:  130,    157, 

170,  299. 
Sachs,  K.     I  2:  28;  IV  5:437. 
Sachse,  R.     112:  25/6 ;  III  5  :  50. 
Sachsen- Weimar,    Prinz   Bernhard    v. 

IV  1  c  :  1 5  a. 
Sack,  E.     I  5  :  299;  IV  2  b  :  444. 
Sacken,  Ed.     I  9:81. 
Sackur,  E.     1  5:252. 
Saenger,  S.     IV  8a: 77. 
Saeuberlin,  L.    14: 457. 
Safford,  Mary  ,T.     IV  3  :  204,  503. 
Sahr,  J.     I  7:19-20,  202a;  9:106;   IV 

2a:  91,  123. 
Saint-Saens,  C.     I  10 :  195. 
Saintonges,  J.  C.     I  5:173. 
Saitschik,   R.   M.     IV  1  a  :  43 ;    3  :  359, 

377    S8S 
Sauger,  VV.     15:  245;  6 :  10/1,  36,  115; 

II  4  :  33 ;  IV  3  :  26. 
Salis,  A.  v.     IV  1  c  :  80. 
Sallmann,  K.     II  6  :  110;  IV  5:  325. 
Sallwürck,  E.  v.  I  1  :  28;  3  -.328;  4  :  505; 

IV  ld:37,  53;  5:611 
Salonion,  L.    IV  lb:197;  2b:  64,  134; 

3:294,  319,  443,  574;  5:587. 
Salpius,  F.  v.     IV  1  b  :  231. 
Saltarino,    Signor.     I  4  :  160. 
Salzmann.     I  9:364. 

—  E.    I  6 :  20. 
Samhaber,  E.    II  3  :  27. 
Samson,  H.  v.     IV  2b:  277. 
Samter,  N.     14: 436. 
Sanchez  y  Moguel.     IV  8e:75. 
Sandberger,  A.     I  10  :  76. 
Sanden,  A.  v.     IV  6:30. 
Sander,  D.    IV  5 :  33. 

—  F.     I  1:70;  11:2;  116:132,7:26; 
IV  lb:454;  5:263,  308. 

—  H.     II  1:27;  IV  2b:  210. 
Sanders,  D.     17:  24,  121 ;  IV  2  b  :  272 ; 

9 '  29    65 

Sandler,  Chr.     I  3:365. 

Santen-Kolff,  .1.  van.    I  10 :  174. 

Sarrazin,  J.     I  12:245;  IV  3:356. 

Sarre,  F.     19:  150,  241. 

Sartori,  P.     15: 103,  349. 

Sattler,  ,T.     13: 339. 

Sauer,  A.  I  1:86,  98;  3:141;  4:462 
113:16;  1115:70,  76;  IV  1  c  :  42. 
45,  50;  2a  :  59,  102,  105,  145;  2b  :  20 
3:1,  17,  375/6,  498;  5:24,  29,  461 
8a  :  52/3,  66;  8b  :  1/2;  8d  :  3,  35 
8e:l/2,  27/8,  71,  77,  84,  109;  9:26 
10:18,  36/7. 

—  B.     IV  5  :  402. 

—  M.     IV  8b:  37. 
Saul,  D.     IV  5:  82/2  a. 

Sa?igny  de  Moncorps,  V*«5,  de.    13:  456. 
Say,  L.     I  4:474  a. 
Sayous,  E.     19:  175. 
Schaarschmidt,  E.     13: 96. 

—  P.     IV  5  :  258. 
Schacht,  A.    I  5  :  196. 

—  H.     IV  2b:  328. 
Schack,  D.  Th.  v.     IV  5 :  171. 
Schädel,  L.     II  1  :  47,  65. 
Schäfer,  D.     II   I  :  28. 

—  H.     16: 108/9. 

—  3.  Vf.    I  8:5. 

—  Karl.     I  9  :  139. 

—  P.     I  12  :  69. 

—  R.     II  6:164;  7:30a;  IV  8e:  84. 

—  Th.     14:  92;  8:5. 
Schaeffer,  P.     15:7. 
Schaeffle,  A.     IV  5  :  480. 
Schafheitlin,  A.     IV  2b:  396. 
Schalk,  J.     IV  8a:  39. 

Schall,  J.     II  6 :  35;  IV  2a  :  106;  9  :  53. 
Schaller,  J.     IV  8c  :  15. 
Schanz,  Frida.     IV  2 b  :  202,  485. 

—  Pauline.     IV  2b:  486. 
Scharf,  L.     IV  2b:  393. 
Schar  wächter,  Fr.     I  4 :  478. 
Schauberg,  F.     I  5:233. 
Schaumkell,  E.     II  1 :  108. 
Scheel,  J.  J.     I  12  :  246. 
Scheffler,  H.     1  7  :  174. 

—  K.     I  7:108,  141,  176,  209-10. 
Scheich],  F,     II  6  :  49,  264;  III  1 :  162/3. 
Schell,  0.    I  5  :  104/5,  109-10,  142,  335; 

II  2 :  65. 
Schemann,  L.     IV  5  :  139. 
Schendel,  R.     IV  5:68. 
Schenk  zu  Schweinsberg,  Frhr,  G.    IV 

8a:  9. 
Schenk,  K.    IV  3:361. 
Schenkendorff,  E.  t.    I  4:622a. 


Autorenregister. 


Schenker,  H.    I  10  :  232,  284. 
Scherdlin,  E.     I  5:235. 
Scherenberg,  E.    IV  1  b  :  278 ;  2  b  :  352  3. 
Scherer,  C.    IV  3  :  40. 

—  K.     IV  2a:  39;   8b:  17,  53;   8c:  19. 
Scherling,  E.     IV  3  :  116,  123. 
Schermaim,  L.     II  2:67. 

Schettler,  P.     IV  3:551. 

Schiemann,  Th.     I  2  :  36 ;  II  0  :  231 ;  I V 

lo:27;  IV  5:639;  8c:10;  8e:76. 
Schiff,  E.     IV  5:468,  495,  515. 
Schild,    E.      I   4:290a,     322,     332a; 

9:125a:  II  6:122. 

—  P.    17: 60/2. 
Schilde,  Fr.     19: 474. 
Schilder,  A.     I  1  :  15. 

Schiller,  H.  I  6:57,  78,  110;  9:133; 
IV  6 :  28. 

—  Jul.     IV  5:671. 
Schilling,  G.     IV  6:31. 

—  L.     14: 179. 

—  M.    I  3:271. 
Schillmann,  H.     IV  2b:  467. 
Schimpff,  G.  v.     IV  1  b :  176,  437. 
Schindler,  F.     IV  5:230. 

—  K.    I  12:53. 

Schirren,  C.     III  1:155;  IV  lb:458. 
Schischmänov,  J.  D.     IV  2a:  120. 
Schlegel,  B.     15:  149. 
Schlegelmich,  Fr.     IV  5:248. 
Schleicher,  A.     I  5:31. 
Schieiden,  R.    IVlb:288. 
Schienther,    P.      IV    2a:  98;    2b:  386; 

3:297;  8a:  3>. 
Schlesinger,  0.     IV  1  b  :  319. 
Schley,  F.    13:6. 
Schlieben,  A.     14: 135. 
Schliepmann,  H.     19:  379. 
Schlier.     II  6  :  76. 
Schling,  E.     II  6  :  207. 
Schütter,  H.     I  4  :  377 ;  IV  1  b  :  189-90, 

232,  381. 
Schlobach,   0.     I  4:249. 
Schlögl,  Fr.     I  4:375;  IV  2b:  111. 
Schloener.     I  2  :  45.    ; 
Schlösser,  R.   I  8  :  29    IV  2a  :30  a,  69; 

3:34;  5:10. 
Schlossar,    A.     I  3:306:    5:299,    315; 

112:42;  4a:  6;  4b  :86a;  IVla:14; 

2b:  46,  112,  123,151,166  7,173,196, 

310;  3:405,  408,  436,  448,  456. 
Schlosser,  J.  v.     19:  465. 
Schmarsow,  A.     19:8. 
Schmeisser,  R.     IV  2b:  59. 
Schmelzer.     1  6  :  104. 
schmid,  Charlotte.     IV  2b:531. 

—  Heinr.  Alfr.     I  9  :  194,  198,  201. 

—  Max.  I  9:17,  45,  48  a,  94,  98,283, 
322;  IV  5:25. 

—  0.     I  10:258. 

—  Th.     I  10  :  70,  79. 

—  Wilh.     I  9  :  199,  202. 
Schmidkunz,  H.     I  4 :  394 ;  I V  2  b  :  391 : 

5:146,  660. 
Schmidt,  A.     II  2  :  44  a ;   III  2  :  23 ;  IV 
8b:  39;  8d:4. 

—  Ad.     II  3:35;  5:93,  117a. 

—  Aug.     I  7:19;  III  1:193;  5:3. 

—  B.     I  7  :  47. 

—  Erich.  I  1:21,  86;  2:66;  5:1, 
284;  8:37;  II  2:37;  4b  :48;  III 
2:38,41;  IV  la:33;  lc:49;  2b:258, 
339;  -3:42,  61,  81,  297,  310,  375/6, 
509;  6:12;  8a:52/3,  66;  8b:l/2; 
8c:  4,  35/6;  8d:l;  8e  :  25,  81,  108; 
9:59;  10:117. 

—  Ferd.     IV  1  b  :  152,  270,  302,  435. 

—  Friedr.     I  12  :  97. 

—  F.   A.     14:  522  a. 

—  K.  A.     16:  84. 

—  Maxim.     IV  3  :  181. 

—  Max  C.P.  IV  2a:45;  3:35;  5:35; 
6:38. 

—  R.     I  4:432a;    II  4b:  90. 

—  Rud.     IV  3  :  60. 

—  Wilh.    19:221,  251,  417/8;  lVü:  150. 

—  Willi.     I  9  :  16. 

Neuhans,  P.     14:  27. 

—  -Treptow  a/R.  II  7:9. 
Schmit,  Karl.  I  12  :  224. 
Schmitt,  F.  J.     14:  410. 

—  Heinr.     I  6  :  25. 

—  L.  116:217;  IV  8b  :  24,  28;  8e:52; 
9  :  57,  91,  105,  115,  161;  10  :  135. 

—  -Kassel.     IV  9  :  60. 
Schmitz,  J.  P.     15  :  392 ;  7  :  144. 

—  M.     II   6:2;    IV  lb:238;    2b: 527. 

—  W.    I  5:26;  7:46;  9: 131;  II  1:76. 


Schmoller,  G.     14: 148,    161,   210 ;   II 
1  :  33 ;  III  1 :  146/7 ;  I V  1  b  :  85,  437  b. 
Schnedermann,  F.     IV  9:4,  177. 
Schneider,  A     IV  2b: 223, 

—  C.  M.     IV  5 :  487. 

—  F.     IV  5:113. 

—  G.    IV  8e:59. 

—  G.  H.     I  12:160. 

—  Phil.     I  9:180;  II  6:201a. 

—  R.  I  6:56,  142;  II  4a:  1;  4b:  66; 
IV  2b: 457. 

—  W.     IV  5:229. 

Schneidewin,  M.     IV  2b  :  349;  8e  :  78; 

9  :  74. 
Schneiderwirt,  F.     I  3:36 f. 
Schneidt,  K.     IV  5  :  573. 
Schneller,  Chr.     I  4:383;  5:423. 
Schnorr   v.   Carolsfeld,    F.       II    2:3; 

5:113;  IV  lb:229. 
Schnürer,  F.     IVla:4;    2b:  205;    3: 

456. 
Schnütgen,  A.     19: 194. 
Schöber,  L.    I  12:217. 
Schölermann,  W.     I  9:42. 
Schoen,  H.     IV  5:320. 
Schönaich,   G.      I    10:133,     144;    IV 

3 :  459. 
Schönbach,  A.  E.     I   1:22,   73;   2:16; 

IV  lc:46. 
Schöne,  A.     IV  2  b  :  249,  255;  6  :  17. 
Schöner,  G.     I  5:419. 
Schönlank,  B.     I  4:158;  II  1  :  22. 
Schoepke,  0.     IV  9 :  167. 
Schöttner,  Ad.     IV  10:80. 
Scholtze,  A.     I  12:209. 
Scholz,  E.     I  10 :  40. 

—  Fr.    13: 45. 

—  G.     IV  lb:337. 
Schonecke,  W.     I  12:29. 
Schorbach,    K.       13:  53,     102,     106; 

3:2    7 
Schott,  Th.     III  1 :  170;  IV  5 :  281. 
Schrador,  H.      I    4:97,    112;    5:372  4, 

382,3;  7:159,  162/5;    IV  8c:  2;   8e: 

1201;  10:74. 

—  Th.     14: 301. 

—  W.     III  5  :  67. 
Schräm,  W.     I  9  :  412. 
Schramm,  H.     IV  2b:  484. 

Macdonald,  H.     IV  5 :  567, 

Schrattenthal,  K.     IV  2b;  401,  497. 
Schrauf,  A.     II  5  :  58. 

—  K.     IV  3  :  422. 

Schreck,  E.     I  12:31;   IV  5:336,  612. 
Schreiber,  Charlotte.     I  3  :  52. 

—  H.     II  1 :  21. 

—  W.     I  3  :  51. 

Schrempf,  Ch.     IV  8a  :43a.    - 
Schrey,  F.     I  3  :  12/3. 
Schröder,  A.     II  5:21;  6:16. 

—  Carl.     I  1:59;  II  1:83. 

—  E.     IV  1  b  :  276,  365. 

—  Edw.  I  1:42;  2:39;  II  3:4,  20; 
5:107,  120;  IV  5:425;  8a: 52/3,  66, 
8b:l/2;  8c:4;  8d:l. 

—  E.  A.     14:8. 

—  F.     III  3  :  61. 

—  H.     II  1 :  148. 

—  K.    III  1 :  208. 

—  R.    I  2  :  31 ;  5  :  253. 

—  Rieh.     I  11:50;  IV  lb:205. 

—  W.     I  6:33/4. 

Schroer,  A.     IV  ld:37,  42;  7:30. 

—  K.  J.     IV  8a:  6,  30;  8c:  34. 
Schröter,  A.    14: 159;  II  2 :  22;  5  :  98 

IV  la:16;  IV  2b:71,  217,  227;  3 
484;  5:563,  601,  661;  8e:  72,  82 
10 :  69. 

—  0.     IV  3  :  25. 
Schröttner,  A.     IV  3 :  334,  587. 
Schubert,  A.    I  4:488. 

—  Ed.    II  5:53. 

—  -Feder,  Kläre.     I  4  :  481. 
Schubin,  Ossip.     IV  3:504. 
Schuch,  H.     14:  274. 
Schucht,  J.     I  10:8. 
Schücking,  Theo.     IV  3  :  472. 
Schüddekopf,  C.     II  2  :  51 :   IV  1  c :  41 ; 

2a:41,  49,  112;  3:76;  6:10;8e:24. 
Schürer,  E.     IV  5:369. 
Schüssler.   M.     II  4b:  59;   III  1:194; 

IV  3:251;  5:353. 
Schütze,  E.  Th.     II  6:88. 
Schugay,  E.    IV  lb:97. 
Schulenburg,  0.     IV  lc:101. 

—  G.,  v.  d.    IV  lb:327. 

—  W.,  v.     15:  64,  156,  198. 
Schullerus,  A.     I  5  : 8 ;  IV  5  :  3. 


Schulte,   A.    v.    II  4a:  30;    6:33;    III 

1:98,  120;  5:16,  351. 
Schnltess,  F.    IV  3 :  106. 

jj     15: 252 

Schnitheiss,  A.'  IV  3:12. 

—  F.   G.     I    4:126,    467;    II    1:127; 
3:63;  IV  5:627. 

Schultz,  Alwin.     I  9:86. 

—  0.    I  2:32:  IV  3:590;  5:433. 
Schnitze,  Fr.     14: 217. 

—  Marie.     IV  1  b :  413. 

—  Otto.     IV  5:419. 

—  Sigmar     IV  Sc:  8;  9b: 31. 

—  V     IV  6:38. 

—  W.     13:  354. 
Schulz,  Bernh     I  6:111. 

—  E.    14: 146,  234. 

—  Ernst.     IV  8e:63. 

—  F.    15: 186. 

—  Hans.    II  1  :  36. 

—  R.     III  1:58. 

Schulze,  Adolf.    IV  2b: 448. 

—  E.  0.    14: 163. 

—  Otto.     I  6:21/2;  9:476. 
Schumann,  A.  I  12  :  22/3,  92;  III  2  :  16/7 ; 

IV  2a:  33;   5:384,  489.  617. 

—  C.     I  5:429;  II  4a:  13. 

—  G.     II  4b:  14. 

—  P.  I  9  :  31,  169,  350. 
Schuppe,  W.  IV  5:217. 
Schuster,  A.     16: 108/9. 

—  G.     I  4:95;  IV  1  b  :  37. 
Schwalb,  M.     II  6  :  111;  IV  5  :  267. 
Schwalm,  .1.     14: 261. 

Schwan,  E.     IV  3:8. 

Schwann,  M.     I  4  :  355;  IV  2  b  :  324. 

Schwartz,  F.     19:  150. 

—  P.     I   4:142,    298;    1112:40;    IV 
1  b :  73. 

—  Rnd.     II  4a:  24. 
Schwartzkoppen,  v.     14: 300. 

—  Clotilde  v.    IV  3:481. 
Schwarz,  C.     I  11:36. 

—  H.     I  3  :  447. 

—  W.     IV  9b  :  51. 
Schwarze,  Th.     13: 61. 
Schwebel,  0.    14:  15. 
Schweichel,  R.   1 V  2  b  :  169,  378 ;  3  :  416. 
Schweiger-Lerchenfeld,  A.   Frhr.  v.     I 

4 :  224. 
Schweinburg,   S.     I  5:36. 
Schweitzer,  Ch.    II  4b: 89. 
Schweizer,?.     I  3  :  361;  IV  5:  382. 
Schwemann,  A.     I  4 :  172 ;  IV  1  b  :  91  a. 
Schwenk,  R.     17: 108,  131. 
Schwenke,  P.     I  3  :  269 ;  9 :  456. 
Schwering,  J.     IV  2  b  :  250,  255. 
Schwill,  F.     IV  lb:26. 
Sebastian,  F.     19:1. 
Seeber,  J.     I  5:160;  11:16. 
Seeberg,  R.    IV  5  :  255/6. 
Seeley,  J.  P.    IV  8a:  78. 
Seelmann,  W.     I  8:30a;   II  5:9,  37/8. 
Seemüller,  J.    II  1:72;   2:52;   6:271. 
Seemann,  A     19: 330. 
Seibt,  R.     IV  2b:  276. 
Seidel,  H.    IV  2b:  355;  3:277/8. 

—  P.     19:  245/7,  400;  IV  1  b  :  39. 
Seidensticker,  Osw.     I  3  :  87  b. 
Seidl,  Ant.    I  10 :  159. 

—  Armin.     I  4  :  192;  IV  lb  :416b. 

—  Arth.     I  10:160. 

Seiffert,'  M.     I  10 :  6,  22,  25,  74,  78,  82, 

89,  97,  119,  247. 
Seitz,  E.    17: 173. 

—  K.     I  4:77;  12:203;  IV  2b:471. 
Seliger,  P.     IV  lc:50;   2b: 46;  9:26; 


10 :  46 
Sello,  G.  I 
Semler,  Chr 
Semmig,  H. 
Semper,  H. 
-  M.     19: 


12 :  179. 

II  3:24;  4b:  103. 
IV  9:19-21. 
I  4:382/2a;  9:158a. 
382. 


Senckler,  Hauptmann.     IV  1  b  :  92. 
Sepet,  M.     II  4a: 8;  IV  9:144. 
Sepp,  J.  N.    I  5:113;  9:176. 
Seraphim,  E.     14: 398. 

J.  W     IV  2a:  27 

Serviles,'  F.      19:  48  b,    53,    442;     IV 

2b:318;  3:570,  604. 
Seuffert,  B.  1 1 :  65;  II  4a :  21;  III  5  :  75 

IV  lc:39;    2a:  104;    2b:  156,    416 

3:65,  67,  75;  5:29-30;  6:38;  7:22 

8a:  72;  8d:40. 
Setzepfandt,  R.     I  4:420. 
Sevin,  L.     IV  3:50. 
Seydlitz,  W.  v.    19:9,   187,  194,  20S, 

214,  243,  425. 


Autorenregister. 


Seyfert,  B.     I  10:45. 

Seyler,  A.     I  3:113;  4:449. 

Shairps,  J.     14: 508. 

Sharp,  W.    IV  3  :  556,  609. 

Shedlock,  .1.  S.   I  10  :  36,  186;  IV  5  :  511. 

Shumway,  D.  B.    I  7  :  10;  II  4b:  88. 

Siech,  P.     IV  2  b  :  362. 

Siepman.    IV  3  :  214. 

Siercke,  E.     I  4:309  a 

Siering,  E.    IV  2b:  452. 

Sieroka,  0.    IV  8e:45. 

Sievers,  E.     18:3,  12,  15. 

Sigwart,  Chph.     IV  5:216. 

Siking,  F.    IV  3  :  440. 

Silbergleit,  H.     14: 182. 

Sillem,  W.     I  9:301. 

Simmel,  6.     IV  5 :  559. 

Simmet,  L.     I  10:96. 

Simon,  P.     I  10  :  189. 

Simond,  Ch.     IV  lb:25. 

Simons,  E.     II  6  :  256/7. 

Simonsfeld,  H.     II  1  :  115. 

Simpson,  A.     I  10  :  141. 

Singer,  H.  W.     19:  77,  329. 

—  L.     IV  3  :  66. 

—  R.     I  4:304. 

—  S.  I  5:167;  11:14;  II  4a:  25. 

—  W.     19: 410. 
Sintenis,  Fr.     IV  la:22. 
Sinzheimer,    S.       IV    8a:  84;     8b:  61; 

8e:96. 
Sittard,  J.     I  10:222. 
Sitzen,  G.     14: 400. 
Skowronnek,  Fr.     112:139. 
Skranp,  K.    I  8  :  14  a. 
Slee,    J.  C.  van.     II  6:259-62;    III  5: 

17/8,  40. 
Siezair,  A.     IV  3 :  395. 
Smend,  ,T.     I  10 :  10. 
Smital,  A.     IV  3  :  396,  398. 
Smolian,  A.     I  10:143. 
Smolle,  L.     IV  3:393. 
Snell,  0.     I  4:251. 
Socin,  A.     I  7  :  56/7;  IV  5  :  241  a. 
Sodenr,  G.     IV  5:238  c. 
Sohns.     I  4:111;  6:110;  7:93;  IV  3: 

105;  9:3. 
Sohnrey,  H.     I  5:42, 
Sokal,  Cl.     I  9:351. 

—  Ed.     IV  5  :  492. 
Sommer,  0.     I  4  487. 

—  W.  IV  2b:  360. 
Sommervogel,  C.  13: 
Somogyi,  Ed.  IV  lb: 
Sonden,  P.  III  1  :  105. 
Sondheim,  M.  19: 411. 
Sonnenburg,  E.     IV  5  :  501. 

—  F.     IV  1  b  :  269. 
Sophns.     IV  5:  168. 

Sosnoslcy,  Th.  v.    I  7  :  210;  IV  1  b  :  357 ; 

2b: 311,   384;   3:188,  306,   540,  613. 
Sozonovic.     IV  2a:  121. 
Spanier,  M.     II  5:80,  83/5;  6:13;   III 

2 :  35. 
SpannVgel,  C.    I  4  :  190;  III  1  :  13,  144, 

204;  IV  5:86. 
Spannenberg,  L.     III  1 :  59. 
Sparfeld,  E.    III  1:60. 
Specht,  F.     IV  5 :  524. 

—  F.  A.     19: 134. 
Speier,  M.     IV  3  :  434. 
Sperling,  H.  0.     13:  246. 
Speyer  F.     IV  10 :  105. 
Spiegel,  D.     I  4:500. 
Spielhagen,  F.     IV  2b:  339. 
Spielmann,  C.     14:422;     IVlb:181. 
Spier,  Anna.     I  9  :  278/9,  323. 

Spies,  Minna.     I  10:255. 
Spiess,  B.     I  12  :  188. 

I  1:273;  IV  5: 
10  :  34,    39,    73, 


66. 


:392. 


Spitta,  II. 
-  Ph.  I 
II  2 :  54. 
Spitzer,  S. 
Spreer,  L. 


109. 
117, 


197; 


I  5:106. 
IV  5 :  225. 

Sprenger,  R.  I  5 :  53,  117,  247,  248, 
287/8;  7:152/3;  II  2:52,  64,  79-80; 
3:11/2;  5:128;  6:82,  84,  107;  IV 
2a:  155;  2b:  147,  418.  446;  3:70, 
210,  230,  255 ;  8  c :  25,  27,  39 ;  8  d  :  20 ; 
8e:97;   9:70,  99;  10:108,  110,  112. 

Sprösser.     III  1:5;  IV  lb:  17. 

Stacke,  L.     III  1  :  4;  IV  lb  :  12. 

Stäbelin,  H.    I  9  :  467. 

Stalin,  P.  v.     III  1  :  87. 

Stage,  C.    IV  5  :  252,  264,  309-10. 

Stahl,  F.     19:  72. 

Stamm,  A.     III  1  :  106. 

Stammhammer,  J.  V.  I  3 :  226 ;  IV 1  b :  474. 


Stammler,  J.     19: 395. 

Stanley-Little,  J.     IV  3:525. 

Starcke,  E.     IV  ld:33. 

Starzer,  A.     II  7  :  12. 

Staub,  M.     II  6  :  134. 

Stauber,  A.    II  1:117. 

Staudenmeyer,  H.     IV  5  :  242. 

Steck,  J.     IV  3  :  182. 

Steffen,  G.  F.     13:  250. 

Steffenhagen,  E.     I  3:171/2,  274/4  a. 

Stehle,  B.     15:  29,  300. 

Steichele,  A.  v.     I  4:356  a. 

Steiff,  K.     13:  68,  70,  82/3,  89,  385. 

Steig,  R.     I  2:4;   7:127;   IV  5:240b, 

645;  7:28;  8c:  48,  51;  8e:112;  10: 

41,  52,  114. 
Steiger,  J.     16:  79. 
Stejskal,  K.    18:  134. 
Stein,  A.     IV  9  :  174. 

—  Armin.     Siehe  H.  Nietschmann. 

—  H.     I  3  :79;  IV  1  b  :  200. 

—  L.     II  5:7;  7:  13;  IV  3:  13. 

—  Ph.    I  10:  94;  IV  lb:417;  2a:92; 
3:109,  439;  7:13. 

—  T.     II  1  :  103. 

—  W.     II  1:  126;  IV  9:63. 
Steinberger,  A.    I  4 :  358 ;  5  :  157. 
Steinecke,  V.     I  7:82a. 

Steiner,  R.     IV   3:541;    5:207.    516; 

6:147;  8a:51/3,  66,68;  8b:  1/2, 13; 

8e:78. 
Steinhäuser,  W.     I  10:261. 
Steinhausen,  G.     14:1,  25,  68,  86,  111, 

116/7,  261a;  12  :  243;    II  1  :  112;  III 

1  :  207 ;   IV  1  d  :  12 
Steinke.  A.     III  1  :  62. 
Steinmeyer,  J.     IV  5  :  163. 
Steinschneider,  J.     111: 14. 

—  M.     I  4  :  81,  437. 
Steinthal,  H.    IV  5 :  133. 
Stelter,  K.    IV  2b:  35. 

Stengel,  E.     12:7,  22/3,  29-30;  IV  5  : 

432. 
Stenglin,  F.  v.     IV  1  c  :  97. 
Stephens,  T.  A.     IV  8e  :  26. 
Stern,  Ad.     I  1 :  43;  II  5  :  114;  IV  1  a: 

4;  lc:  21;  3:22,  58,  113. 

—  Alfr.     IV  1  b :  3,  148,  196,  208. 

—  Bernh.     IV  2b:  64/5. 

—  Fr.     IV  8a:  16. 

—  J.     IV  5  :  477,  569. 

—  M.     14:  432. 

—  M.  R.  v.     IV  3  :  373 ;  5  :  44. 
Sterne,  C.     15: 46,  238. 
Sternfeld,  R.     I  10:208. 
Stettenheim,    L.     I    5:268;    9:21;    IV 

8  a  :32. 
Stettiner,  P.     I  4  :  61;  12: 143. 

—  R.    19: 244. 

Steude,  E.  G.     IV  2b: 332. 
Steusloff.     I  12:206. 
Stiassny,  R.     I  9:194/5,   200. 
Stichler,  K.     14: 290. 
Stickelberger,  H.    I  5:301. 
Stieda,  L.     III  5  :  21;  IV  2a:  162. 

—  W.     I    3:361;    4:26,   209,    303;   II 
1 :  118. 

Stiefel,    A.    L.      I    11  :  28;    II    2  :  27; 

4b  :47  a,  60,  68,  74/5. 
Stier,  E.    18: 10. 

—  G.     14: 315. 
Stieve,  F.     III  1  :  20. 
Stinkelberg,  E.     19:  292, 
Stock,  M.     IV  2b:  80. 
Stoddard,  F.  H.     IV  5:436. 
Stöcker,  Ad.     IV  5  :  295. 
Stöckl,  A.     II  5 : 1 :  IV  5 :  76. 
Stoeckle,  J.    IV  2b:  239. 
Stöcklein,  J.     I  4:115;  7:98. 
Stoessel,    A.     I    1:77,   81;    10:59;    IV 

2b:  395;  3:465. 
Stoffel,  3.    I  6:47;  IV  8d:  9. 
Stoklaska,  0.     IV  2b:  115. 
Stoll,  A.     IV  5  :  357. 
Stolle,  0.     I  5:180  a. 
Stolz,  F.     I  7  :  113. 
Stoy,  G.    IV  5  :  655. 
Strack,   H.  L.     III  1  :  182. 
Straeter,  B.  T.     IV  8e:77. 

—  E.     II  4h:  22. 
Straganz,  P.     14:  381. 
Strassburger,  E.     14:  313. 
Strassen,  M.  zur.     I  3  :  467;   9  :  473. 
Straub,  J.     12:  64. 

—  L.  W.     I  6:31. 
Strauch,  Ph.     II  5  :  41/2,  125. 

—  v.     IV  2a:  22. 
Straumer,  F.    15:  83. 


Strauss,  Ad.     IV  1  d  :  72. 

Strehlke,  F.     IV  2b  :  454. 

Streinz,  F.     II  2  :  28,  30. 

Streiter,  R.    I  9:375. 

Streitberg,  W.     15:  420. 

Strele,  R.  v.     15:  44/5. 

Strickler,  J.     II  6  :  233. 

Strodtmann,  Ad.     II  la  :  3;  IV  10  :  2. 

Strohmayer,  H.     II  4  a  :  9. 

Strohschneider,  J.    II  3  :  18. 

Strombeiger.     II  6  :  256/7. 

Struck,   F.     IV  9  :  84. 

Struve,  W.     14: 257. 

Studnitz,  F.  v.     IV  1  b  :  343. 

Stückelberg,  E.  A.     19:  117. 

Stühlen.    I  6:122;  II  1:8;  IV  lc:87; 

3  :  418. 
Stümcke,    H.     IV    2b:  226/7;    3:340; 

8c:  21. 
Stüve,  G.    IV  5  :  566. 
Stumvoll,   R.     15:  195. 
Sturm,  A.     IV  2b  :  366,  510. 

—  J.     IV  2b:  364/5. 
Sturmfeder.     IV  8e  :  107. 
Sturmhoefel,    K.     111:2;    IV  5  :  584, 

631. 
Sudhoff,  K.     1    3:151/la;    II   1:95/6; 

5  :  53/4. 
Sütterlin,  A.    13:  373. 

—  L.     I  7  :  49. 

Suphan,  B.  II  4b  :  64,  100;  IV  2b  :  43; 
3:1;  7:15;  8a  :  28,  52/3,  64,  66, 
76;  8b  :  1/2,  4,  22  a,  40-40a,  60,  75 ; 
8c:  1,  4;  8d  :  1;  8e  :  66;  9  :  11 

Sutermeister,  0.'    IV  3  :  361. 

Suttner,  Bertha  v.     IV  2b  :  474. 

—  G.  v.     II:  68. 
Svatek,  J.     III  1  :  109. 
Swanwick,  Anna.     IV  8  o  :  43,  53. 
Sybel,  H.  v.     IV  lb  :  24,  240/1. 
Sychowski,  St.  v.     II:  32. 
Sydow,  Marie.     IV  5  :  290. 
Symonds,  Margarethe.     IV  3  :  609. 
Szafranski,  T.   I  4  :  130  a;  IV  1  b  :  246. 
Szamatölski,  S.     I  1  :  86  a;  III  4  :  29. 
Szczepariski,  P.  v.  IV  2b  :  174 ;  3  :  296/7, 

479,  509,  575/6;  9  :  26;  10  :  20. 

Tafel,  E.     IV  3  :  501,  513,  557. 
Tanera,  C.     IV  1  b  :  107. 
Tangermann,  W.     IV  5:46. 
Tannen,  K.     II  3  :  13/4. 
Tarneller,  J.     15: 413. 
Tarnowski,  St.,  Graf.     II  4a:  2. 
Taube,  Helene  v.    IV  lc  :  26;  5  :  66. 
Taubert,  E.  Ei     I  10:210,  253. 

—  0.     II  1:133;  4a:  19;  5:105. 
Tausch,  E.    II  5  : 8. 

Taussig,  E.     13: 127. 

Tebbe,  H.     IV  3:426. 

Teitge,  L.     II  6  :  90. 

Telmann,  K.     IV  2b  :64  a. 

Tenhagen,  F.     I  5:251. 

Tenot,  F.     II  5  :  92. 

Tepe,  Leo,  s.  L.  v.  Hemstede. 

Terey,  G.  v.     19: 194,  196,  415. 

Tesch,  P.     I  6:96. 

Tesdorpf,  0.     I  4:262  a. 

Teske,  C.     I  3  :  341 ;  9 :  210. 

Tetzner,  F.     11:62;    4:21a;    5:399; 

7:82,  129-30;  IV  2a  :1;  2b:  2. 
Teuber,  D.    IV  ld:71, 
Teutsch,  F.     IV  5  :  271/4. 

—  G.     14: 392. 

Teweles,  II.     IV  1  a  :  13 ;  2  b  :  113. 

Tewes,  H.    16: 54. 

Tews,  .1.     13: 331. 

Thaler,   K.   v.     14:495;    IV  lb:163; 

1  c  :  76;  2 b  :  185 ;  3  :  577/8,  605. 
Thalheim,  Dr.    II  6  :  152. 
Thalmayr,  F.     I  7  :  26;  IV  3  :  64. 
Thamm,  A.     IV  1  b  :  249. 
Thaussig,  E.     I  3:293. 
Theden,  D.     IV  3  :  133. 
Theen,  II.     I  5 :  190. 
Theer-Söby,  H.     15:111. 
Thiel,  P.  J.    IV  2b:  3. 
Thiele,  E.    I  4:421. 

—  R.    IV  2a:  141;  5:563. 
Thikötter,  Jul.     I V  1  c  :  84 ;  5 :  333. 
Thimm,  R.    12:12;    4:31;    II  4b:  51; 

IV  lb:187;  2a:  119;  5:619. 
Thimme,  Fr.     IV  1  b  :  143. 
Thoemes,  N.     I  4:416;  III  1:148. 
Thoma,  A.     III  1 :  63. 
Thomas,  C.     13:  396. 

—  R.    17: 138. 
Thomassin,  Ch.     IV  9:148. 


Autorenregister. 


Thompson,  E.  M.     13  :  2. 

Thomson,  A.  F.  ü.  L.     IV  lb:408. 

Thorel,  J.    IV  10  :  73. 

Thormälen,  G.     13:  369. 

Thräraer,  Ed.     I  12:95. 

Thudichnm,  Fr.     II  5  :64;   IV  lh  :  65; 

5:441. 
Thümmel,  W.     II  6  :  255. 
Thüna,  L.  Frhr.  v.     IV  1  b:  71. 
Thürling,  A.     II  6 :  160. 
Tienken,  Chr    G.     I  3:411;  4:514. 
Tille,  A.     I  4  -.29-30,  34a,  35a;   5:22, 

237:    11:9;    II  5:98;    III  3:5:    IV 

5:160;  8e:116. 

-  J.     I  5:181. 
Tischer,  G.  A.     III  1  :  64. 
Titchener.     IV  5:221. 
Titze,  Betty.     IV  2b:  27.5. 

Tobler,  A.       12:26;     7:113;    11:17; 
IV  lc:74;  5:429-31;  6:20 

-  G.     15:  201/2;  II  2  :  43. 

-  L.    I  4:32a;  7:4. 

Meyer,  W.     I  4  :  20;  5  :410. 

Tocco,  F.     III  5  :  60. 

Todt.     IV  5:263. 

Tönnies,  T.     IV  5  :  238  a. 

Toeppe,  Margarete.     I  10  :  66. 

Toeppen,  M.     III  5  :  41 ;  IV  5  :  395. 

Toews,  P.     IV  8e:60. 

Toldo,  P.     I  11 :  51. 

Tollin,  H.     I  4:420;    III  1:1689:    IV 

lb:405. 
Tomanetz,  K.     I  7:289,  114. 
Tomberger,  F.     14: 504. 
Torchi,  L.     I  3:314;   10:129. 
Totzke,  A.     III  1 :  46. 
Touchet.     IV  9:131. 
Toula,  F.     IV  5  :  63. 
Tourneux,  M.     13:  212,3,  286,  382. 
Tournier,  G.     II  1:49. 
Trapp-Ehrenschild,  v.     IV  lb:325. 
Trandt,  V.     I  10: 152:  IV  2b  :  85,  319. 
Traumann,  E.     IV  ld:28. 
Trautmann,  K.    I  9  :  128;  III  4  :  5. 
Treichel,  A.  1 5  :  101, 112, 128, 193|4,  345. 

jj_     jy  2a  :  5. 

Treitschke,  H.  v.    IV  1  a  :  6 ;  1  b  :  194/5 ; 

10  :  3. 
Treuenfeld.  B.  v.     IV  1  b  :  116. 
Treuheit,  II.     I  11  :  53. 
Treutier,  M.     IV  2b  :  243. 
Treutsch   v.   Buttlar,  K.      III   1:151; 

IV  lb:442. 
Trinius,  A.     14:  269-70,  310,  343 ;   IV 

2b  :  253;  3  :  245. 
Trinks,  F.     IV  1  b  :  450. 
Tripet,  M.     13:  351. 
Trippenbach.  M.     IV  2  b  :  51. 
Trog,  C.    15:  172. 
Troschke,  Th.  Frhr.  v.     IV  1  b  :  328. 
Trost,  K.     I  11  :25;IV  la:36;8a:43. 

—  L.  t.  IV  lc:  90;  10:  119. 
Trützschler,  II.  v.  IV  1  b  :  54. 
Truxa,  H.  M.     III  1  :  119;   IV  la  :  38: 

2b:  178. 
TrXeschtik,  L.     19:  396. 
Tschackert,  P.   II  1  :  140;  5:  26;  6  :  155, 

169,  215,   222  3,   228,   235,   247,   266; 

III  5  :  20,   29 ;    IV  5  :  244,   247,   288, 

317,  319;  7  :  17. 
Tscherny,  A.     15:  1S2. 
Tschirch,  0      14:  131,  420;  III  1  :  18, 

168,  171. 
Tschudi,  Gilg.     I  4  :  397. 

—  H.  v.     19:  402. 
Tschuprow,  A.     14:  507. 
Tümpel,  H.     I  4  :  19:  5:  401. 

—  W.     II  6  :  170. 
Tümpling,  W.  v.     14  :  440. 
Tuer,  A.  W.    19:  177. 

Türck,   H.      IV  1  d  :  25/5c,  27 ;   5  :  164, 

198/9. 
Türk,  G.     IV  lb:351. 
Tumlirz,  K.     I  6  :  82;  IV  9  :  155. 
Tnpetz,  Th.    III  1  :  15,  159. 
Turban.  T.     IV  5  :  182. 
Tuxen,  A.     III  1  :  203. 

Ueberschaer,  M.    III  1 :  65. 
Uechtritz.  0.  v.     IV  2b:  226. 
Uellner,  V.     IV  3  :  50. 
Uhl,  W.     II  5  :  47. 
Uhlbach,  F.     IV  2b  :  245. 
Uhle,  Th.     IV  2a. 93. 
Uhlhorn,  0.     IV  5  :  266. 
Uhlig,  G.     I  12  :  174. 
Uhlmann-Bixterheide.       IV    la  :  12; 
2b:  90. 


Ullrich,  II.     I    11:50;    III  3  :  17;    IV 
8e  :  33. 

-  T.     I   9:20;    IV    5:116,    368,   449; 

10  :  30. 

Ulm  A.     13:  384. 

Ulmann,     H.      II    1:34,    44,    73;    IV 

1  b :  207. 
Ulrich,  F.     IV  2  b  :  456. 
ünbescheid,    H.     I    2  :  42;    6:14.    46; 

IV  8e :  94,  9  :  4,  26  7,  49,  179,  186. 
Unger,  .1.     IV  5  :  473. 

-  Th.    n  2:  21;  6  :  274. 
Ungem-Sternberg,     E.     Frhr.     v.      IV 

la:  9. 
Unseld,  W.     15:  388. 
Uphues,  G.  K.     IV  5  :  214. 
Urban,  M.     15:  182a,  306. 
Ursini-Scuderi,  S.     I  10  :  150. 
Usener,  H.     14:4,  24a. 

Vachon,  M.     13:  455. 

Vahlen,  F.     13:  185. 

Valdardini,  A.     IV  5 :  96. 

Valentin,  V.     I  6:57,  69;   9:178,  268; 

11  4b:59,  110;  IV  5:  447;  6  :28;  8a: 
1/2,  32;  8e:47,  78;  9:151. 

Valentine.  W.  W.     17: 104. 
Vallee.     IV  9:143. 
Vanden  Berghe,  R.     13: 112. 
Vander  Haeghen,  F.     13: 112. 
Vanderlinden,  Ch.     19: 347. 
Vanderstetten,  E.     II  4b: 45. 
Vanselow,  J.     IV  2b:  319. 
Varnhagen,  H.     I  3:29;  11  :  41. 
Varrentrapp,  C.     I   4:57;   12:98;   III 

1  :  198,  200. 
Veeck,  0.    IV  1  c  :  84. 
Veesenmeyer,  G.     19: 394. 
Veith,  J.     I  10 :  29. 
Velde,  A.  v.  d.     III  4  :  6. 
Vende,  N.  E.     IV  ld:73a. 
Venturi,  A.    II  1 :  79. 
Verena,  Sophie.     IV  2b:  532 
Vermeulen,  G.     I  9:169;   II  6:2001b. 
Vernaleken,    Th.      17:184,    197,    222; 

IV  3 :  200. 
Vernes,  M.     IV  5:320. 
Verriele,  A.    IV  5  :  94. 
Versenyi,  G.    15: 305. 
Verwey,  A.    III  4 :  30  1. 
Vetter,  B.    14: 501. 

—  Ferd.      I    4:219:    IV    2b:  217;    3: 
375,6. 

—  K.     I  10:5;  12:46;  IV  5:130. 

—  Th.     111:24;  III  4:8;  IV  ld:  60; 
3:25;  9:100, 

Vicaire,  G.     I  3:2123. 

Viereck,   L.     II    1:42,    52;    III    1:15, 

195 
Vietor,  W.     I  7  :  93  4. 
Vignols,  L.     14: 184. 
Villa,  K.     I  3  :  145. 
Villinger,  Hermine.     I  9  :  308. 
Vincenti,  K.  v.     I  9:282;  IV  8a  :  12. 
Vingtrinier,  A.     13:  69. 
Vinycomb,  J.     I  3:348. 
Violet,  F.     IV  2b:  296:  10:47. 
Virck,  H.     II  1:34:  5:26. 
Vischer,  B.     IV  2b:  256. 
Vockeradt,  H.     I  6 :  71 ;  IV  8  e  :  50. 
Völker.     I  12  :  214. 
Vogel,  A.    II  2  :  5. 

—  B.     I  10  :  122,  209,  236. 

—  E.     I  3:2S4;  10:1,  248. 

—  0.     IV  8c:  45 

—  Th.     IV  8c: 32. 

Vogel  v.  Glarus.     I   11:54;   IV  9  :  71. 
Vogelsang,  W.     I  12:83. 
Vogl,  E.    I  6  :  55. 
Vogt,  Fei.     IV  ld:20. 

—  Friedr.     I  5: 18,  49,   95;  8  :  23,  63; 
II  4a:  2;  5:60. 

—  O.     15:  184. 

—  W.     n  1:71. 
Voigt,  A.     IV  8b:  3. 

—  L.    18:6. 
Volkelt,  J.    IV  5 :  73. 
Volkmer,  F.     15: 253. 
Volksmann,  H.    I  5  :  56,  250. 
Vollbehr,  Th.     19:  477. 
Vollmer,  F.     IV  8e:40. 
Voltelini,  H.  v.     19:  231. 
Volz,  B.     IV  1  b  :  199,  363,  456. 
Vorbeck,  0.    IV  3:346  c,  546. 
Vorbrodt,  G.     IV  5  :  205. 
Voretzsch,  C.     I  5:282. 

—  M.    IV  5:188. 
Vorländer,  K.    IV  3  : 1 ;  5  :  86. 


Vormeng,  K.     IV  1  b  :  356. 
Vorster,  J.    I  4  :  474. 
Voss,  G.     I  9  :  165,  291 ;  IV  2b  :  72. 
Votteler,  F.     II  6  :  194. 
Voullieme,  E.     I  3  :  96,  148. 
Vrchlicky,  J.     IV  ld:70. 
Vulpinus,  Tb.     II  7  :  31. 

Wachler,  H.  E.     IV  2b:  329. 
Wächter,  F.     14:  982. 
Wackernagel,  R.     19:  116. 
Wackernoll,  J.  E      I  5:316:  8:11;   II 

2:41a;    3:1:    4a:l,   4;    IV  8e:83; 

9  :  31. 
Waddell,  P.  II.     I  10 :  179. 
Wächtler,  W.     IV  lb:387. 
Wagner,  Ad.     14:  166a. 

—  C.     IV  5  :  363. 

—  E.     16: 146. 

—  F.     III  1:181. 

—  H.     I  12  :  141. 

—  J.     I  5:19;  6:39. 

—  J.  A.  v.     I  5:256. 

—  J.  Frhr.  v.     II  1 :  60. 

—  K.     I  5:360;  IV  2b: 477. 

—  P.     IV  5  :  394. 

—  R.     IV  lb:297. 

Wähle,  J.     IV  8a:  523,    66;   8b:  12; 
8c:4;  8d:l;  8e:l/2. 

—  R.     IV  5:2112. 
Waitz,  S.     14: 484. 
Waizer,  R     I  9:352. 
Walcker,  K.     I  1 :  29,  I  3  :  424. 
Waldberg,  M.  v.     HI  2 :  13. 
Waiden,  B.     IV  5  :  464. 
Waldraann,   F.      IV    lc:42;   2a:  125: 

8b:  19. 

—  W.     I  10:199. 
Waldow  A.     13:  442,  445. 
Walesch,  M.     15:  108. 
Wallace,  W.     IV  5:118  9,  121. 
Wallat,  G.     IV  lb:48. 
Walle,  P.     19: 235,  359. 
Walion,  H.     IV  9  :  145. 
Walter,  C.     I  10:72. 

—  F.     II  1:41;  IV  9:23. 

—  Fred.     I  9  :  341. 

—  G.     II  6  :  57. 

—  K.    I  10 :  28. 

—  Karoline.     IV  2b:  279. 
Walther,  Ch.     II  5:121. 

—  HI  4:111. 

—  W.     II  1 :  75:  6  :  146:  IV  6  :  3S. 
Walzel,   0.   F.     13:237;    11:19;    III 

5:75;  IV  2a  :  60:  5:  534:  IV  8c:  37; 

8e:78,  81;  10:13. 
Waniek,  G.     IV  2  a  :  46 ;  2  b  :  126. 
Warfleid,  B.  B.     II  6  :  52. 
Warker,  N.     15:  199. 
Warnecke,  F.    I  3:337-40;  9:186,211. 

—  G.     I  9  :  83. 
Warschauer,  A.     14: 204. 
Waser,  Hedwig.     IV  5:240. 
Wasielewski,  W.  J.  v.     I  10  :  116. 
Wasserzieher,  E.     I  4:112a;   5:3;    7: 

221;  II  4a:  11;  IV  2b:429. 
Wassmannsdorf,  K.     IV  2a:  139. 
Wattenbach.  W.     I  3:265:   IV  5:424. 
Wattendorff,  L.     IT  3:222. 
Waugh,  Mrs.     IV  3  :  512. 
Wauwermans,  P.     I  3:436.. 
Weber,  A.     I  9  :  180;  II  6:200. 

—  C.  I  9 :  389. 

—  E.     II  7:6;  III  1:183. 

—  F.    I  4 :  70. 

—  H.     I  4:200. 

—  Hans      IV  1  d  :  52. 

—  Heinr.     I  10:29. 

—  Lndw.    IV  3  :  209. 

—  M.     I  5:218;  IV  3:149. 

—  0.     14:  241 ;  III  1 :  120. 

—  P.     II  4a :  16. 

—  R.     I  10:42. 

—  Bob.     IV  2b:  221. 

—  S.     I  5  :  124. 

Wechsler,  E.    IV  10  :  125,  127. 
Weckerling,  A.     III  1 :  124. 
Wedde,  J.    IV  2b:  414. 
Weddigen,  0.  v.     I  1 :  80:  II  1 :  88 ;  2  : 

22;  IV  5:340. 
Weech,  F.  t.     14:144;    12:101;    IV 

5:357. 
Wegele,  F.  X.     II  7  :  18;  EU  5 :  40a. 
Wegener,  L.    111:4. 

—  W.  A.    n  6 :  15. 
Wegern,  H.  v.     IV  3 :  124,  490. 
Wehrmann,  K.     14: 255. 

—  M.  I  12  :  192, 194 ;  II 1 :  131 ;  III 4  :  10. 


Autorenregister. 


Weichelt,  H.  G.  B.     IV  2b:  159. 

Weidling,  F.     I  7  :  11 ;  II  5  :  39. 

Weiffenbach,   W.     II  6  :  244. 

Weigall,  Lady  Rose.     IV  lb:179. 

Weigand,  W.     IV  5  :  463. 

Weigel,  II.     III  1  :  164. 

Weilen.  A.  v.     I  5  :  51;  II  3  :  23;  4b  :  3, 

16;  III  3:8;  4:3,  22,  28;  IV  ld:5; 

2a:103;  2b:118;   3:1,  78;   8c:34; 

8d:5;  8e  :11. 
Weimer.     IV  1  b  :  80. 
Weingart,  M.     115: 33. 
Weinhold,   K.     1    2:13;    4:29,    177a; 

5: 1,  6,  15,  38,  50,  60,  102,  166,  183, 

299,  310.  330,  395 :  7  :  4,  55;  II  2  :  61; 

4b:  61;  IV  lo:75;  2b:  211:  8a:  34 '5; 
Weis,  L.     IV  3  :  85;  5  :  46,  64,  105,  140, 

184. 
Weise,  0.     I  5:409. 
Weiss,  A.     IV  3  :  399,  403. 

—  A.  M.     III  1 :  13. 

—  J.     111  1:113. 

—  J.  B.  v.     IV  lb:I0. 

—  K.     I  3:277;  9:397;  IV  5:387. 
Weissenfeis,  R.     IV  9  b  :  32. 
Weissenturn,  B.     14:  235. 
Weitbrecht,  C.     II  4  b  :  46. 

—  G.     IV  5  :  335. 

—  R.  116:148;  1111:66;  IV  2b:  330, 
352,  396,  403,  414;    5:342,  593,  662. 

Weizsäcker,  H.     19:  332. 

—  P.    I  4:354;  IV  lb:440;  3:63. 
Weller,  K.    IV  2b:  19. 

Welti,  H.     I   10:201:  IV  2b:  14. 
Weltner,  A.  J.     IV  2b:  207. 
Weltrich,  R.     IV  2b:  310. 
Wenclc,  K.     II  1 :  72. 
Wendland,  P.     I  2:63;  11:6. 
Wendlandt,  W.     14:  522 ;  IV  5  :  665. 
Wendt,  H.     IV  5:325. 
Weniger,  L.     14: 411. 
Wenley,  R.  M.     I  1 :9;  IV  5  :  154/5. 
Wenzig,  K.     IV  9 :  69. 
Werckshagen,  C.     IV  5  :  264,  269. 
Werlhof,  B.  v.     I  4:430. 
Werner,  C.     IV  2b:  132. 

—  E.    I  12:201. 

—  J.    I  4  :  10. 

—  K.    IV  2b:  286. 

—  R.  M.  I  1:24;  6:124;  II  1:84; 
5:79;  IV  2b:  164,181;  8a:  52/3,  66; 
8b:  1/2  ;  8c:  4,  18;  8d:l;  8e:l/2. 

Wernersdorf,  0.  T     IVlb:340. 
Wernicke,  A.     IV  5:55a,  89. 

—  E.     19:  122. 

—  F.    I  11:56;  IV  2  b  :  13. 
Wernly,  R.     IV  3  :  341. 
Werra,  E.  v.     I  10 :  69. 
Wertheimer,  Ed    I  4  :  391  a;  IV  lb  :  178, 

384;  lc:7:  ld:19. 
Werther,  W.     IV  3  :  148. 
Weryho,  L.     IV  1  b  :  488. 
Weskamp,  A.     III  1  :  13. 
Wessely,  J.  E.     I  7  :  128;  9  :  206. 
Westarp,  A,  Graf  v.     IVlb:268. 
Westenberger,  G.     IV  5  :  26. 
Westerberg,  I  4  :  233. 
Westermayer,  G.     II  7  :  33. 

—  H.     II  6  :  203. 
Westphal,  0.     14: 346. 
Wetzel,  0.     13: 195. 
Weyler,  Th.     IV  3:488. 
Wichmann,  F.    IV  3  :  380;  8d  :  23. 

—  H.     I  10  :  227. 
Wichner,  J.     I  5:  162;  9:220. 
Widdern,  G.  v.     IV  1  b  :  330. 
Widmann,  J.  V.  IV  3  :  375/6 ;  IV  2  b  :  404. 

—  S.     I  1  :  56. 

—  S.  P.    IV  8d  :  19. 
Wiegand,  W.     1  2  :  37 ;  IV  1  b  :  27. 
Wiehr,  E.    IV  lb  :  34,  173. 
Wiemer,  K.     14: 330. 

Wiener,  E.     13:  440. 

—  L.     13:  138. 
Wierzbowski,  Th.     I  3  :  181. 
Wieser,  F.  R.  v.     15:  130. 
Wigand,  P.     I  4  :  104 ;  5 :  350. 


Wiggermann,  P.     IV  10:55. 
Wilckens,  R.     IV  1  b  :  344. 
Wildenbrnch,  E.  v.     IV  2b  :  371. 
Wildermuth,  Adelheid.     IV  3  :  522. 
Wilhelmi,  H.     IV  2b  :  237. 
Wilke,  E.     I  7:108. 
Wilkens.  C.   A..     I  10  :  124. 
Wille,  B.     IV  5  :  208  a.  651. 

—  Eliza.     I  10:  131. 

—  J.     I  12  :  63. 

—  R.     IV  1  b  :  133  ;  1  c  :  34. 
Willkomm,  0.  H.  Th.     II  6  :  70. 
Willmann,  0.     IV  5  :  397. 
Willomitzer,  F.     IV  2a  :  135. 
Wilmowski,  Gust.  v.    IV  lc  :  15. 
Wimmers.     I  12  :  32. 
Winckelmann,  0.     I  12  :  12;    II  1:69; 

6  :  239. 

Winckler,  G.     IV  2b:  64a. 
Windelband,  W.     I  1:5;  IV  5:  70,  229. 
Windhaus,  G.     I  4:  76;  12:  218. 
Winkel,  G.     14:  299. 
Winkler,  M.     IV  2a:  126. 
Winkworth,  Susanna.     II  5:3. 
Winter,  G.     I  4  :  13;   III  1 :  15,  67  ;  IV 
1  b :  61,  68,  195,  197,  230,  237,  410/1 ; 

I  c  :  16,  27. 

—  0.     IV  3  :  125/6. 

Wintera,  L.     II  5  :  20;  III  1 :  158. 
Winterfeld,  A.  v.     III 1 :  177 ;  IV  7  : 1 1 ; 
VVintterlin,  A.     19:  93,  256. 
Wintzingeroda-Knorr,   L.   Frhr.    v.     II 

1 :  51 ;  III  1 :  165. 
Wippermann,  C.     IV  1  b  :  228,  373. 
Wirth,  A.     I  12  :  173. 

—  Chrn.     IV  5  :  108. 

—  M.     I  4:429;  10:106. 
Witkowski,  G.     I  1 :  86;  IV  2a  :  23;  5  : 

34/5;    8b:26;    8e:7,    68,77-80,102, 

117. 
Witt,  A.     IV  2b:  129. 
Witte,  E.  A.     IV  lb:280 

—  H.     17:  51/2 ;  IV  1  b  :  463. 

—  L.    II  6  :  75. 
Wittenhaus.     I  12  :  223. 

Wittich,  K.     III  1 :  25,  32,  92,  94,  97. 

—  W.     I  12  :  222. 
Wittmann,  C.  Fr.     II  4  b  :  108. 

—  H.     II  4b:28;  IV  8  a  :  15. 

—  P.     IV  9  :  107. 
Wittmer,  G.     1  10 :  145. 
Wlislocki,  H.  v.     I  5:119,  127. 
Wölfflin,  H.     19: 8. 

Woermann,   K.     19:1,    32,    189,    249, 

270. 
Wörndle,  H.  v.     IV  5  467. 
Woeter,  E.    IV  1  d  :  74. 
Wohlbrück,  Olga.     IV  2b  :  537. 
Wohlwill,  A.     14:  301  a. 
Wolf,  G.     II  1  :  18. 

—  K.     14:  280. 

—  M.     14:  496. 

Wolff,  Eug.     I  7  :  17/8,    185,   196,  202 ; 

II  6:163;  III  5:72/3;  IV  2a  :  36; 
2b:288,  290;  5:1;  7:22;  8a:43; 
8b: 33;  9:  6. 

—  F.     III  1  :  179. 

—  H.     II  7  :  41. 

—  H.  L.     16:  127. 

—  Jul.     IV  3  :  229. 

—  Th.      I    9:96,    319;      IV    2b  :  265; 
3  :  297,  472. 

—  W.     I  10  :  6 

Wolfgang.     IV  3  :  197,  205,  558. 

Wolfrum,  L.     15:  342. 

Wolfsgruber,  C.     IV  1  b  :  385. 

Wolgast,  H.     13:  222. 

Wolkan,  R.     II  1  :  82;    6  :  182a,  271. 

Wolter  E.     IV  9  :  4. 

Woltersdorff,  H.     1  9:274;   IV  3:355. 

Wolzogen,   H.   v.     I   10  :  135,    157 ;    IV 

lc:56;    10:85. 
Worp,  J.  A.     I  11  :  47. 
Wossidlo,  R.     15:  10/1,  387. 

—  W.     I  10  :  125. 

Wotke,  K.     17:1;    12:55;    111:72; 

7  :2a,  7,  9. 


Wrede,  A.     I  1  :  71;    IV  5  :  380. 

—  F.     17:  37. 

Wülcker,  R.     IV  1  d  :  22/3,  42. 
Wünsche,  A.     I  5:261/2. 

—  0.     IV  8  a  :  55. 
Wünschmann,  M.     12:  53. 
Wulckow,    R.      I    1:86;     IV    ld:25; 

10  :  41. 
Wunderlich,  G.     I  5  :  366;  6  :  53. 

—  II.    1  7:31,  124/5;  II  4b  :71;  7:5, 
10. 

Wunderer,  W.     19:  109. 
Wundt,  W.     IV  5:  217. 
Wundtke,  M.     IV  2  b  :  191. 
Wunschmann,  E.     I  9  :420;  II  5  :  56. 
Wurm,  H.     14:  401 ;   II  5  :  16. 
Wurth,  L.     IV   1  d  :  38. 
Wurzbach,  A.  v.     19:  162. 
Wustmann,    G.     13:  58,    367/8,    370; 

5:364;  7:200,207;  10:91;  116:11; 

IV  2a:  18. 
Wutke,  K.     14:  170/1. 
Wuttke,   R.     I  4  :  169;    III  1  :  101;   IV 

1  b  :  437  b. 
Wychgram,   J.     I   4  :  522;    6  :  137;    IV 

5:  38;  9:  24,  184. 
Wylie,  J.  W.     IV  2b:  400. 
Wyss,  G.  v.     II  5  :  43. 

Zabel,    E.     I    10:203/5;    IV    la:42; 

2b:  64;  5:421. 
Zahn,  J.     II  2:6;  6.278. 

—  W.     14: 453. 
Zaiss,  J.    IV  1  b  :  346. 
Zapf,  L.     17:  77. 
Zehrt,  K.     IV  5  :  349. 
Zeidler,  .1.    III  4  :  15. 

Zeissberg,  II.  v.    III  1 :  118;  IV  1  b  :  382. 

Zeitz,  K.     IV  1  b  :  347. 

Zell,  B.  W.     IV  2b:  402. 

Zenker,  E.  V.     IV  1  b  :  219. 

Zernial,  U.     16:  110. 

Zernin,  G.     IV  2b:  246;  3:215/6. 

Zeschan,  W.  v.     II  1:123. 

Zetsche,vE.     I  4:378. 

Zibrt,    C.     III  2:5. 

Ziegert,  M.     IV  1  d  :  62. 

Ziegler,  C.     IV  3 :  198,  304. 

—  Th.     I    12:13;     115:36;     6:240; 
IV  8e:78;  10:29. 

Ziehen,  J.     IV  1  d  :  73. 

Ziehn,  B.     I  10:192. 

Ziel,  E.     IV  la:23;  2b:  327. 

Zieler,  G.     II  4b:  38. 

Zielinski,  Th.     IV  5  :  399. 

Ziemer,  H.    I  7  :  84,  112/3,  134;  II  6  :  54 ; 

IV  2b:  456. 
Zimmer,  F.     IV  2b:  493. 

—  H.     IV  2a:  148. 

Zimmermann,  A.     II  1  : 9-10;  6:6;   III 
1:9. 

—  H.     I  9:405. 

—  J.  N.     17:  92. 

—  0.     II  7  :  34. 

—  P.     I   12:43,    45;    113:5;    6:210; 

III  4:19;   IV  lb:455;   5:316;  6:6. 
Zingerle  A.     15:  242. 

Zinke,  A.  15:  125. 
Zipper,  A.  II  1 :  84. 
Zobeltitz,  H.  v.   I  3  :  342;  4  :  285a;  III 

1:68;  IV  2a:  10. 
Zöckler,  0.     I  4  :  412;  IV  5  :  259. 
Zöge  v.  Manteuffel,  H.     I  4:444. 
Zöpfl,  G.     IV  lb  :416a. 
Zsohech,  F.   IV  8a:  91;  8b:  18;  8d:32. 
Zschommler,  M.     IV  3:111. 
Zuckertort,  A.     18:  35. 
Zürn,  L.     I  6:59,  85;  IV  3:48. 
Zumbini,  B.     IV  3  :  27. 
Zunk,  P.     IV  8  b  :42  b. 
Zupitza,  J.    I  5:395;  11:32;  II  1:81; 

IV  3:25,  467;  7:30. 
Zurbonsen,  Fr.     I  6  :  135. 
Zweig,  E.     IV  8a:  32. 
Zweybrück,  F.     IV  3:460. 
Zwiedineck-'Südenhorst,  H.  v     13  :  278; 

III  1:10,  175;  IV  lb:19,  27. 


Sachregister. 


Aachen.    I  4:340;  7:46. 
Abälard,  P.     IV  lc  :  77. 
Abbt,  Th.    IV  5  :  224. 
Abdinghof.    I  4:401. 
Alexis,  H.    IV  3  :  10,  102. 
Abel,  0.    IV  1  a :  6. 
Abendland.     14:6. 
Aberglaube.      14:133-44;     5:89-91, 
96-101,  136.     (S.  auch  Volksglauben  ) 
Abraham  a  S.  Clara.    III  4  :  22;  5  :  13/5. 
Abschlussprüfung.     I  6 :  29. 
Abstemius,  L.     I  11:5a. 
Accentlehre.    I  8:1,  2,  18-23,  25,  30. 
Accidenz-Ausstattung.     I  3  :  447. 
Acerbi,  G.     IV  1  c :  96. 
Ackermann,  B.    IV  2b  :  57. 

—  H.    II  5:112. 

—  K.  E.    III  4:24;  IV  3:65;  6:14. 
Adalbert,  Prinz  v.  Bayern.    IV  10 :  113. 
Adam,  F.  G,     19:  245. 

—  J.    19:  338. 

Adamberger,  Antonie.     IV  2  a :  152. 

Addison,  J.     III  5  :  79. 

Adel.    I  1:63;  4:  446. 

Adelang,  J.  Chr.    IV  3  :  66. 

Adler,  Fr.     IV  1  a :  13 ;  2  b  :  363. 

Admont.    I  9 :  220. 

Aerzte.    II  5 :  63/7. 

Aerztin.     I  4 :  254/5. 

Aeschy los.    IV  1  c  :  20,  90 ;  6  :  27 ;   8  e  : 

124. 
Aesop.    I  5:236. 
Aesthetik.  I  6  :  76, 145;  IV  5  :  224,  226/7. 

—  Psychologische.     19:7. 
Afrika.     I  6  :  117/8. 
Agrargeschichte.    14:  173/7  a. 
Agricola,  G.    I  12  :  8;  II  1 :  92;  5  :  58  j 

6:20;  7:6. 

—  Joh.    H  2:3;  4a:19;  III  5:  1. 

—  Rud.    II  7  :  32. 

—  —  junior.    II  7 :  40. 
Agrimensoria,  de.     I  3  :  26. 
Ahlefeldt,  D.  v.     III  1 :  133. 

—  Elise  Gräfin  v.    IV  3  :  106. 
Ahmed,  Kari  (Buchbinder).     13:478. 
Ailly,  P.  d\    III  5  : 1. 

Aisse,  Demoiselle  de.    IV  8d:42. 
Akademie  s.  Schule. 

—  der  Wissenschaften,   Berliner.    IV 
5:  352,  601. 

Akademisches  Leben.    I  4:  47/9  a. 
Akustik.    I  10:21. 

Albert,  König  t.  Sachsen.    IV  lb:  432/7; 
2b:83. 

—  Mich.    IV  2b:  187. 

—  E.  d\    I  10:  275. 
Alberti,  C.    IV  3  :  212. 
Albertini,  J.  B.  v.     IV  10:1. 
Alberlinus,  Aeg.    II  1 :  87. 
Alberus,  Erasmus.    II  2:3/5;  5:114/6; 

6:163. 
Albrecht,  Erzherzog.    lVlb:123. 

—  V.,  Herzog  v.  Bayern.     II  1  :  87. 

—  Herzog  v.  Mecklenburg.    I  12  :  148. 
v.  Preussen.    13:269;   9:456; 

116:228. 

—  v.  Mainz.     II  6:  12,  118. 

—  Kaiserlicher  Münzpächter.    I  4:  168. 
Albumblätter.    IV  2b:  529-36. 
Aleander,  G.    II  1 :  17. 
Alethophilen.     III  5  :  72/3. 
Alexander,   Graf  v.   Württemberg.     IV 

2b:  10/1. 

—  I..  Kaiser  v.  Bussland.     IV  lb  :  120. 

—  IL,  Kaiser  t.  Russland.    IV  1  b  :  298, 
377. 

—  de  Villedieu.    II  7 :  16. 
Alexandriner.     I  8:23,  30;   IV  2a:  24. 
Alexis,  W.    IV  la:  6;  10:82. 
Alfred ,    Herzog   v.   Sachsen  -  Koburg- 

Gotha.    IV  lb:449. 
Allers,  C.  W.    19:  345. 
Allitteration.    I  8:33,  35;  IV  3:29. 
Allmers,  H.    IV  2b:  342/8;  3:313a/3b. 
Almanache.  14:  132;  IV  la:  14/6;  2b: 

310/4. 
Almlieder.    I  6  :  283 ;  II  2  :  38. 


Alpensage.    IV  3  :  466. 

Alphabete.    I  3:115,  128-30. 

Alphen,  H.  van.     IV  lc:93. 

Alsleben,  A.     II  5:88/9. 

Altenstein,  K.  Frhr.  v.  Stein  z.  IV 
1  b :  208. 

Altdorf.    I  4:36. 

Altertumswissenschaft.   IV  10  :  1,41,94. 

Altewerder.    I  4 :  308. 

Althaus,  F.    IV  lc:69a. 

Althus,  J.    II  7:31. 

Altmark.     I  4  :  299. 

Altmühl.    IV  8d:19. 

Alurokriomachie.    IV  3:1. 

Alvensleben,    Albr.   Graf.     IV  lb:402. 

Amadeus  IX.,  Herzog  v.  Mailand.  I 
3  :  28. 

Araalfi,  Herzogin  v.     I  11  :  48. 

Amandus,  P.     II  6:228. 

Amateure.     I  9:439. 

Amberger,  Chr.    I  9:  197,  199,  203. 

Ambrosius,  Johanna.    IV  2b:  401. 

Ambühl.    IV  9 :  166. 

Amelonghi.    I  11:51. 

Amerika.    IV  9:182. 

Amis,  Pfaffe.     II  3  :  20. 

Amman,  J.     I  3  :  337/8  ;  H  3  :  35. 

Amphibrachys.     I  8  :  12/3. 

Amsler  &  Ruthardt.     I  9  :  25,  84. 

Amyntor,  Gerhardt  v.  IV  1  c  :  35;  4  :  583. 

Anakreon.     IV  2a :  56. 

Anakreontik.    IV  lc:  41;  6  :27;  9  :77. 

Anapäst.     I  8  :  23,  27. 

Andernach.     I  4:216. 

Andersen,  H.  Ch.    I  5  :  235;  IV  10  :  125. 

Andlau,  P.  v.     II  1 :  105. 

Andre.  Joh.    I  10:45. 

Anemüller,  G.    IV  lb:  150. 

Angeler,  J.    19:  355. 

Anhalt     I  9  :  151. 

Anhorn,  B.     II  3  :  44. 

Anna  Amalia,  Herzogin  v.  Sachsen- 
Weimar-Eisenach.  IV  lb  :  440;  lc  : 
41;  8c:  29. 

—  Dorothea    y.  Kurland.     IV  2a  :  152. 

—  Marie  v.  Preussen.    I  3  :  269. 
Annalen,  Zwickauer.     II  3  :  57: 
Anneke,  Franziska.     IV  1  a  :  44. 
Anschütz,  R.    IV  8e  :  32. 
Anseimus,  St.     II  4a:  18. 
Anshelm,  Th.     13:  115. 
Antependien.     I  3  :  51. 
Anthologien.     IV  la:  10/3;    2a:  1,62; 

2b:  314-22. 

Anthropologie.    I  1  :  48. 

Antiquariat.     I  3  :  384. 

Antiquarkataloge.    I  3  :  108,  217. 

Antiquaschrift.     I  3  :  132/3. 

Anzengruber,  L.  IV  ld  :  49;  3  :  10, 
188/9,  447,  464;  5:539. 

Aphorismen.    IV  2  b  :  535. 

Apiarius  s.  Biener. 

Apotheken.    I  4  :  252. 

Appel,  J.  W.    IV  3  :  16. 

Arbeiterbibliotheken.    I  3  :  225. 

Arbeiterlyrik.     IV  2  b  :  407-12. 

Archaioplutos.    I  11  :  38. 

Archenholz,  J.  W.  y.  IV  8e  :  31;  9  :  31; 
8d  :27. 

Archiv  d.  Arnimschen  Familien.  IV 
10:41. 

Archive  (s.  Briefwechsel  u.  Hand- 
schriften). III  1:171.  In:  Ander- 
nach 13:36  d.  Berlin  13:  36b,  36 n. 
Dankerode  a.  H.  IV  3  :  25.  Dresden 
IV  2a  :  149.  Duisburg  I  3  :  36 d. 
Krankreich  I  3:36  m,  325.  Graz  I 
3:361.  HarffI3:36e.  Haseldorf 
III  1  :  133.  Ingweiler  IV  2a  :  20. 
Kempten  I  3:  36  f.  Köln  I  3:36  c. 
Leipzig  I  3  :  58.  Linz  a.  Rh.  I  3  : 
36 d.  Mirbach  I  4  :  442.  München  IV 
10  :  119.  Reval  II  2  :  46.  Rom  I  3: 
48.  Rothenburg  o.T.  III  4  :  5.  Strass- 
burg  i.  E.  II  7  :  19.  Weimar  I  3  :  36 n. 
Wien  I  3  :  36  h.  Wolfenbüttel  IH  4  : 
19.    Zürich  I  3:361. 


Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte.    V. 


Archiv wesen.    I  3  :  36a-36n. 

Aretin,  P.    III  5  :  1. 

Argens,  Marquis  d\    IV  1  b  :  36. 

Ariodante  u.  Ginevra.     III  4  :  3. 

Ariost,  L.    111:47. 

Aristophanes.    IV  6  :  27. 

Aristoteles.    III  6  :  50;  IV  6  :  27. 

Armeeordnung.    I  4  :  259a. 

Arminianer.     III  5:1. 

Arminius,  J.    III  5  :  1. 

Arndt,  E.  M.  16  :  104;  IV  lb  :  144/5, 
203;  lc  :  21,  84;  2a  :  138-42;  6  :  289, 
345,  377,  563/5, 600,  608,  627 ;  10  :  36. 

—  J.    II  6:211. 

—  W.     IV  8a:  66. 
Arndts,  L.  v.    IV  5  :  467. 

Arneth,  A.  v.    IV  1  b  :  5,  68,  390 ;  1  c  : 

67;  2a:  152;  5:272. 
Arnim,  Bettina  v.    IV  lc  :  93;  5  :  131; 

10:  1,  41,  4^,  58-62,  65. 
H.  G.  v.    HI  1  :  16/7. 

—  L  A.  v.  15:  298;  11 :  46;  II  2  :  36; 
IV  lc:20;  5:601;  10:  1,41-52,  61, 
82,  102,  118. 

—  S.  v.    IV  8  c -.51. 
Arnold.    IV  3  :  172. 

—  Gottfr.    III  5  :  62. 
Arnstein,  Henriette  v.    IV  3  :  80. 
Arnswald,  B.  v.    IV  3  :  215. 
Artisten.     I  4  :  160. 
Aschersleben.     14:313. 
Astrologie.    I  4  :  142. 

Atelier,  D.  (Zeitschrift).    I  9  :  25. 
Atlantis.     I  11  :  2. 

Auber,  D.  F.  E.    I  10  :  25;  IV  1  c  :  60. 
Auerbach,  B.     IV   1  a  :  6 ;  1  c  :  27,  60, 

60,  65/6,  93;  3:183/7,  447;  5:352, 

539;  10:113. 
Auersperg,  Graf  A.  A.  v.  s.  Anast.  Grün. 
Auffenberg,  J.  v.    IY  1  c  :  33. 
Aufklärung.    I  6  :  94;  12  :  145;  III  5  : 

54-66;  IV  5:86,  140,  236. 
Aufsatz,  Deutscher.     16:2,  18,  21/2, 

29-39    105/7. 
Augsburg.    I  4  :  192,  356a;  9  :  466;  II 

1:71;  5  :  46. 
Augsburger  Allianz.     III  1:  120. 
August,  Herzog  v.  Gotha.    IV  1  c  :  4/5. 

—  Kurfürst  v.  Sachsen.  I  3  :  64 ;  II  2  :  6. 

—  IL  d.  Starke,  Kurfürst  v.  Sachsen. 
IV  lb:  437b. 

—  III.,  Kurfürst  v.  Sachsen.  IV  2  a :  7/8. 
Augusta  Victoria,    Kaiserin.     IV   1  b  : 

371. 
Augustin,  Chr.  F.  B.    17:  80. 
Augustinus.    II  2  :  2 ;  IV  1  c  :  77. 
Aurbacher,  L.    I  66  :  128;  III  3  :  1/2. 
Aurifaber,  J.    II  6  :  127. 
Ausbuttern.    I  6  :  55. 
Ausonius.    IV  8  c  :  33. 
Aussprache  d.  Deutschen.    I  7  :  90/4. 
Ausstellungsberichte.    I  9  :  25. 
Ausstellungsjury.    I  9  :  38. 
Ausstellungswesen.     I  9  :  33. 
Austerlitz,  R.    IV  1  a  :  13. 
Auswanderung.     I  4  :  184. 
Aaszählung  d.  Sprache.     I  7  :  216/7. 
Autobiographien.     I  1  :  1 ;  IV  2  b  :  362. 
Autographen.    I  3:37-41»,  291;  10:2. 
Autonomie  d.  Vernunft.    III  6  :  1. 
Avenarius,  F.     19:  345. 
Av entin,  J.    II  1  :  106;  7  :  19. 
Ay renhoff,  K.  v.    IV  lb:46. 
Ayrer,  J.    1  11:30;  IV  ld:3. 

Baader,  F.  v.    IV  lc  :  17;  5  :  238,  352, 

658,  600. 
Bach,  J.  S.    13  :  5;  10  :  16,  9I/3;  261. 
Bacharach,  J.  C.    III  1  :  182. 
Bachgesellschaft.    I  3:5. 
Bacon,  F.    I  11:2;  HI  5  :  1. 
Badeleben.    I  4  :  41/2. 
Baden.  I  4  :  351/2a;  7  :  76;  9: 137,  366; 

IV  2  a  :  54. 
Bächel,  E.    I  9  :  259. 
Baechtold,  J.    IV  3  :  371,  378. 
Bahr,  K.    IV  5  :  139. 

(4)36 


Sachregister. 


Bahr,  P.     IV  1  a  :  12. 
Bären  aufbinden.    I  7  :  158. 
Bahnsen,  J.    IV  5  :  149. 
Bahr,  H.    IV  3:564/5;  5:651. 
Bahrrecht,  I  4:  101;  5:53. 
Baisch,  H.    19:  286. 

—  0.    IV  2b  :274. 
Balbronn.    I  4  :  350. 

Baidung,  Hans,  gen.  Grien.    I  9  :  194/6. 
Ballade.    I  6  :  108/9,  142;  10  :  34,  125/7; 

IV  2a:  116;  2b:  156,  161,  460;  3 :  20; 

8e:13. 
Ballettmusik.    I  10  :  108. 
Balsambüchlein.     1  4  :  253  a. 
Baltische  Dichter.    IV  1  a  :  10,  42;  2b  : 

226-38. 
Baltz,  Johanna.     IV  la  :  12. 
Bamberger,  L.     IV  5  :  590. 

—  W.    IV  3  :  139. 
Bandello,  M.    I  11  :  39,  48. 
Baner,  J.     III  1 :  89. 
Bannbegang  (Bonn).     I  4  :  109. 
Barclay,  Alex.    II  5  :  76. 
Barden.     IV  2a:  59-61. 
Barlaam  u.  Joasaph.    I  11:6. 
Barmen.    I  7  :  74. 

Barock.    I  9  :  127,  149,  160,  222. 

Bartels,  Ad.    IV  1  a :  37. 

Barth,  K.  t.    III  5  :  51/2. 

Barthelemy  de  la  Gorge.     I  3  :  72. 

Bartholdi,  J.  S.    IV  8d  :  32. 

Bartsch,  K.    15:  10/1. 

Basedow,  J.  B.    I  12  :  43/4. 

Basel.    I  4  :  395;  7  :  60/2. 

Bass,  Bezifferter.    I  10  :  261. 

Bastlösereime.    I  5  :  332/5. 

Bathori  (Kardinal).     I  9  :  149. 

Bauch,  H.    IV  3  :  26«. 

Baucher  (Buchdrucker).     I  3:71. 

Baudissin,  Graf  Wolf  v.      IV   1  c  :  50. 

Bauer,  Chrn.     IV  2b  :  19a-20. 

—  J.     IV  1  a  :  27. 
Bauern.    III  1  :  10. 
Bauernbau.    I  9  :  366. 
Bauernbefreiung.    I  4  :  173/4. 
Bauernfeld,  B.  v.     IV  1  c  :  61,  58,  60. 
Bauernhaus.     I  9  :  365-70. 
Bauernhochzeit.    IV  3:1. 
Bauernkriege.     II  1:20/2,   25-30;    III 

1  :  108. 
Bauernlied.    IV  3  :  41. 
Bauernpoeten.     IV  2h  :  19a-20. 
Baukunst.    I  6  :  110;  9  :  8,  377-80. 
Baumbach,  Rud.    I  1 1  :  32 ;  IV  1  a  :  20 ; 

3  :  466/7. 
Baumgärtner,  fl.     II  1  :  140/1. 
Baumgart,  H.    IV  8d  :  39;  8e  :  77. 

—  J.    II  4  a  :  29. 

Baumgarten,  H.  II  1  :  55;  IV  lb  :  3 ; 
5  :  269,  376/7,  558. 

—  W.    IV  3  :  367. 
Baumkult.    I  5:  113,  118. 
Bauopfer.     I  5  :  56. 

Baur,  F.  Chr.     I  12  :  151;  IV  5  :  238  a, 

245,  308. 
Bauzeitung,  Deutsche.    I  9:373  b. 
Bayern.     I  4:98.    198,   249  a,   356-73; 

7:64,  70;  9:127;  II  1:87. 
Bayersdorf.     I  4  :  368. 
Bayreuther     Festspiele.         I    10 :  128, 

176-84. 
Beamtentum.    I  4  :  148-53;  III  1 :  146. 
Beaumarchais,  P.  A.  Caron  de.  IV  8  e  :  25. 
Beaumont,  F.     III  4  :  7;  IV  9  :  158. 
Bebel,  A.     IV   1  b  :  191;  5:558. 
Bechstein,  L.    I  5:230/5. 

—  E.    12:  60/1. 
Beck,  H.    IV  6  :  600. 

—  J.  v.    II  1 :  24. 

—  K.    IV  2b:  1;  9:18. 
Becker,  H.    IV  8a:  57. 

—  K.  F.     IV  3:  173. 
Beckerath,  H,  v.     IV  5  :  563. 
Beckh,  W.    IV  2b:  107. 
Beckmann,  Fr.     IV  5:416. 
Beckmesser,  S.    I  10:277. 
Bedjan,  P.    I  11:7. 
Bedeutungswandel.    I  6  :  140;  7 :  137-55. 
ßeeke,  Joost  van  der.     I  9:  161. 
Beer,  F.    II  2  :  33. 

—  Mich.    IV  2b:  22. 

Beethoven,  L.  van.  I  3  :  284 ;  10 :  6, 
11,  101/8,  137;  IV  lc:23,  93;  5: 
398;  8  b  :55;  10:82. 

Befreiungskriege.    IV  ld:3;  10:93. 

Begas,  R.    IV  1  c  :  65 ;  5  :  398. 

Beham,  Barthel.    I  3  :  337/8. 

—  S.    I  3:337/8;  9:199. 


Beiträge,  Bremer.    IV  ld:3. 
Bekker,  F.    IV  5  :  398. 
Bellamy,  E.    IV  1  a  :  22;  3  :  16. 
Bellarmin,  R.    II  1 :  15. 
Belieferest,  F.    I  11:48. 
Bellermann,  L.    IV  1  a :  29. 
Belustigungen  d.  Verstandes  u.  Witzes. 

IV  3 :  32. 
Bender,  W.    IV  5  :  228. 
Bendixen,  J.    IV  1  a :  37. 
Benediktbeuren.     I  9  :  127. 
Benediktiner.    I  4:401/4;  12:149. 
Benedix,  R.    IV  1c:  61. 
Bengel,  J.  A.    IV  5:241. 
Benn,  Alf.     IV  8a:  79. 
Bennigsen,  R.  v.      IV   lb:120,  313/4; 

6 :  584/9. 
Benzel-Sternau,  K.  Chr.  E.  Graf  v.     IV 

3 :  270. 
Beowulf,  I  6  :  130. 
Berchtentag.     1  4:30  a. 
Berg.    I  4:211. 

—  Ad.     II  1 :  87. 

—  Leo.    IV  2b:  394. 
Bergbau.    I  4  :  194/5,  197. 
Bergk,  Th.    IV  5  :  398. 
Bergmann.     I  5  :  424,  427/8. 
Berk,  Ad.     IV  1a:  14. 
Berkholz,  G.    IV  1  c  :  103. 
Berlepsch,  Goswina  v.    IV  3:546. 
Berlichingen,  G.  v.     IV  8e:  12. 
Berlin.      I    4:193/3a,    282-96;    9:104, 

232,   236,   238,   276,   440,   444,   448; 

IVla:29;  3:57;  5  :  366,  416;  10:  82. 
Berlinismus.     IV  6:236,  421. 
Berlioz,    H.      I    10:220;    IV    lc:60; 

2b:  46. 
Bern.    I  4:167;  7:60/2;  9:159. 
Bernadotte,  J.  B.  J.  Marschall  v.    IV 

1  b :  173/4. 
Bernauer,  Agnes.     I  11 :  19. 
Bernays,  M.    I  1 :  65 ;  IV  5  :  398. 
Bernburg.     I  9:151. 
Bernegger,  Kasp.    1111:189-90. 
Bernhard  II.,  Erzbischof.    I  3  :  264. 
Bernhardi,  Th.  v.    IV  1  b  :  230 ;  1  c  :  27 ; 

10:5. 

—  W.  v.    IV  5  :  65. 
Bernhardy,  G.    IV  5  :  398. 
Beroaldus,  Ph.    II  4b:  75. 
Beromünster.  I  4  :  228. 
Bertha  (Göttin).     I  5:64. 
Berthold,  A.    III  2  :  16. 

Beruf  (im  Volksmunde).    I  5  :  379. 
Berzelius,  J.  J.  v.    IV  lc:91. 
Beschwörungen  (s.  auch  Segen).     I  5  : 

124,  129,  132,  134. 
Bessel,   Fr.  W.     112:134;    IV  6  :  523. 
Besser,  J  v.    IV  1  a  :  42. 
Bethlen,  Gabor.     III  1  :  106. 
Betzel,  G.    IV  2b:  109-10. 
Beulwitz,  Karoline  v.     IV  9  :  4. 
Beuthen.     I  9:121. 

Bevölkerungsstatistik.     I  4  :  180/7,  351. 
Bewegung  (im  Metrum).    I  8  :  26. 
Beyschlag,  W.    IV  2  b  :  367 ;  5  :  337. 
Bibeln  (s.  auch  Luther).    I  3:49,  103, 

107,   114,   144,    146;    6:384;    6:94, 

133;  7:34;  IV  8e:88;  9:177. 
Bibelerklärnng.  I  12  :  145. 
Bibelkritik.  III  5:1. 
Bibellitteratur.  13:143/6. 
Bibelrevision.  II  6  :  69-72. 
Bibelsprüche.  IV  2b:  478. 
Bibelübersetzung.       II    3  :  19;    6:2, 

66/8. 
Bibliographie.      I    3:14/5,    141-226a; 

12:3;  II  1:153/4;  IV  3:1/5. 
Bibliophilen.     I  3  :  282,  285,  294. 
Bibliosophie.    I  3  :  258. 
Bibliotheca  Hassiaca.    I  3  :  169. 

—  philologica.     I  3  :  218. 
Bibliothek  d.  schönen  Wissenschaften. 

IV  5 :  34. 

Benutzungsstatistik.   I  3  :  299,  303. 

Einrichtung.     I  3  :  259,  266. 

Bibliotheken  (s.  auch  Gesindebibliothek, 
Magazin  bibliothek ,  Schulbibliothek, 
Volksbibliothek)  I  3 :  225, 26 1 ,  264-335 ; 
4  :  84.  In:  Amerika  I  3  :  319-24.  Bam- 
berg I  3  :  276.  Basel  II  4a :  30.  Berlin 
I  3  :  18,  309;  IV  10  :  41.  Canada  I 
3  :  319.  Chainbery  I  3  :  28.  Chicago 
I  3  :  321.  Dresden  II  4  b  :  53.  Frank- 
furt a.  M.  I  3  :  283.  Frankreich  I  3 : 
36m.  Graz  I  3:278.  Greifswald  III 
2:  1.  Italien  I  3  :  48,  311/3.  Ithaka 
(Amerika)  I  3  :  321.    Karlsruhe  I  3: 


20.  Kiel  I  3  :  274  a.  Köln  I  3  :  36  c. 
Krakau  I  3  :  139.  Lauban  I  12  :  9. 
Leipzig  I  3  :  58,  284,  321.  Madrid 
I  3  :  27.  München  I  3  :  21,  302;  4: 
125;  II  4b  :  53.  Nürnberg  II  4b  :  9, 
55.  Oesterreich  I  3  :  277.  Paris  I 
3  :  28.  Schweden  I  3  :  316.  Strass- 
burg  i.  E.  I  3  :  265,  385.  Stuttgart 
IV  10 :  34.  Trier  I  3:19.  Tübingen 
I  3  :  272.  Venedig  I  3  :  66.  Weimar 
IV  8  e  :  117.  Wien  I  3  :  310;  IV  3  :  78. 
Windsor  13:317.  Wolfenbüttel  I 
3  :  274,  305.  Zellerfeld  I  3  :  270. 
Zürich  IV  3:381.  Zwickau  I  3:271. 

Adressbuch.    I  3  :  260,  325. 

Kunde.    I  3  :  257. 

Bibliotheks-Gesetze.    I  3  :  322/3. 

Ausstellung.    I  3  :  262. 

Katalog.    I  3  :  268,  301. 

Statistik.     I  3  :  325. 

Technisches.    I  3  :  258/9. 

Wesen.    I  3:257-335. 

Bidenbach,  B.    II  6  :  193. 

Biedermann,  W.  v.    IV  8a  :  67,  95. 

Bienenzauber     I  5:111. 

Biener  (Apiarius,  Buchdrucker).  I  3 :  356. 

Bier.    I  4  :  237. 

Bierbaum,  0.  J.  I  9  :  29,  48a;  IV  la: 
16;  2b:  390/1. 

Bierdorf.    I  9  :  149. 

Biester,  J.  E.    IV  5  :  86. 

Bild,  Veit.    II  5:21;  6:16,  195. 

Bilddruck.     I  3  :  30,  öl. 

Bilderbogen.    III  3  :  2. 

Bilderbücher.  '13:  222. 

Bilderhandschriften.     I  3  :  24,    26,    28. 

Bilderschmuck.    1  3  :  120/1. 

Bildersprache.    I  3  :  30. 

Bildkunst.     IV  8  a  :  41. 

Bildung.    I  4:81/2;  II  1:  112. 

Bildungsdichter.    IV  3  :  273. 

Bildungsvereine.    I  12  :  53. 

Billroth,  Th.  110:272;  IV  1  c  :  50 
60/1;  6:496-501. 

Bindemann,  E.  Chrph.     IV  3  :  19. 

Bing,  Just.     IV  10  :  28. 

Binzer,  A.     IV  2a:  1. 

-  D.  A.  v.    IV  2b:  434. 
Biologie.    IV  7  :  22. 
Birk,  S.     II  4  a  :  29. 

Birken,  Sigm.  v.     I  7  :  16;  III  1  :  193; 

2:  23;  5:4. 
Bischofschronik,     Niederdeutsche.      II 

3:68. 
Bischofsspiel.    112:  205. 
Bismarck,    Adam  Aug.  v.      IV  2a  :  4". 

-  Karl  Alex.  v.     IV  1  b  :  289. 

—  Fürstin  Johanna.    IV  lb:  287/8. 

—  0. Fürst.  I  7  :  32;  12 :  166 ;  IV  1  b  :  191, 
202/3,  238,  240,  242,  244,  254-89,  292/4, 
306,  363,  367,  373,  376/7,  410,  465; 
lc:14,  22b,  26,  84;  2a:46;  5  :  65, 
398,  575,  647. 

Bistorius,  0.    IV  3:1. 

Bistritz.    I  7  :  68/9. 

Bitaube.    IV  8  b  :  2. 

Bitzius,  A.    IV  5  :  297. 

Blaas,  C.  v.    19:  287. 

Blätter,  Fliegende.    I  4  :  137/7a;  9 :  341. 

Blanc,  L.    IV  3  :  14. 

Blankenburg,  Chrn.  Frdr.  v.  IV  2a:  132. 

-  Mor.  v.    IV  5 :  575,  590. 
Blaumäntelchen.    I  6  :  246. 
Bleibtreu,  K.    IV  3  :  566,  584. 
Blieskastel.    I  9  :  136. 
Blondel,  F.    19:  233. 

Blücher,  Fürst.    IV  1  b  :  168,  179,  181. 
Blum,  J.  Chrn.     IV  2  a  :  49. 

—  R.    IV  lb:  5,214;  6  :  563;  9:18. 
Blume,  L.    IV  8o:6. 

Blumen  auf  Gräbern.     I  5  :  116. 
Blumenbach,  J.  F.    IV  1  a  :  33;  3  :  61; 

5  :  224,  658. 
Blumengedichte.    IV  2  b  :  19  a. 
Blumenorden,  Fegnesischer.     I  7  :  16; 

III  2:22;  6:3/9;  IV  2b:  107. 
Blumenthal,  0.    IV  1  a  :  27. 
Bluntschli,  J.  K.  v.    IV  1  c  :  13. 
Blutsegen.    I  5  :  125. 
Boccaccio,  G.    I  11  :  50;  II  4b  :  72;  IV 

lo:41. 
Boccalini,  T.    I  11  :  61. 
Book,  Ed.    112:  89. 
Bodenstedt,   F.  v.     IV  1  c  :  48,  58,  60, 

66,  76;  1  d  :  3;  2b  :  32/6,  66/6;  5  :  416. 
Bodin,  J.    III  5  :  1. 
Bodmer,   J.  J.     16:142;    IVlo:78; 

3:29,  65;  5:384;  9:166. 


Sachregister. 


Boeckh,  A.    IV  5  :  354,  398,  558. 
Böcklin,  A.      I   9:16,   19,   3U/4;   IV 

lc:65.  n    ln 

Böhlendorff,  K.  TJ.  v.     IV  1  a :  10,  42. 
Böhm,  Chr.    I  12:96. 

—  K.    IV  8»:W. 
Böhme,  J.     IV  5  :  242. 

Böhmen.    14:241,    387/8;    7:65/7;  II 

1:82;  IV  2  b  :  1 16. 
Böhmer,  J.  Fr.     IV  5  :  389. 
Böhnhasen.     I  4:200  a. 
Boek,  J.  M.    IV  9  :  23. 
Börne,  L.     IV  5  :  558. 
Boethius.     I   12:7. 
Boettge,  A.    IV  2a: 7. 
Böttger,  Clementine  =  S.  Meiner. 
Böttiger,    K.  A.     I  12:74;   IV  la:29; 

3:58;  5:615;  9:31. 
Bohn,  K.     IV  3:278. 
Boie,   H.  Ch.     IV    lo:42;    2a:  39,  69, 

95. 
Boisseree,  M.     IV  5:3r>4. 

—  Sulpiz.     I  9:408;  IV  5:389. 
Bojardo,  M.  M.  Graf.     III  3  :  10. 
Bokelmann,  L.     I  9:291/2. 
Bonapart  ist  nimmer  stolz.    IV  2a:  13. 
Bonifacius  Britannus.     II  6 :  27. 
Bonitz,  H.    I  12:67/8,  212. 

Bonn.    I  4:109,  418;  Ilt   I:  122. 

—  F.    IV  2b:  357;  &:n4& 
Bonstetten,  Albr.  v.     II  7  :  12. 
Bopp,  Fr.    IV  5:398;  10:  L 
Bormann,  Edw.     IV  la:27. 

Borne,    Theodorich   v.    (Dirk    Borne). 

I  3  •  83 
Bomeinann,  W.    IV  2b:  306. 
Bornemissa,  P.     II  7:  41. 
Borstell,  K.  H.  L.  v.    IV  lb:23l. 
Bossuet,  J.  B.   IV  8  c :  23. 
Bote,  H.    II  5:  128/9. 
Botero,  Giov.     III  5  :  1. 
Bothe,  F.  H.    IV  8d:9. 
Bottmarsdorf.    I  4:317;  III  1:2t. 
Bouchet,  E.    IV  8  a :  85. 
Boulanger.  E.     IV   lb:331. 
Bourget,  P.     IV   1  d  :  4. 
Bouy er  (Buchdrucker).    13:71. 
Boxberger,  R.     IV  3  :  27. 
Boy-Ed,  Ida.    IV  3  :  528,  547. 
Bozen.    I  9 :  164. 
Bozius.    II  6  :  128. 
Brachmann,  J.     I  12  :  195. 

—  Luise.    IV  1  d :  3. 

Brackel,  Ferdinande  v.     IV  1  a  :  12. 

Bradford,  W.    13: 87. 

Brahm,  0.     IV  3  :  16. 

Brahms,    J.       Phantasien.      I    9:326; 

10:271;  IV  1  c  :  60. 
Branconi,  Frau  v.     IV  8c:  19. 
Brandenburg.        I    4:131;     282-300  a; 

7:90. 

—  F.  W.  Graf  v.    14:  149. 

—  Wilhelm  v.     II  2  :  46. 
Brandes,  G.    I  2 :  59 ;  IV  5 :  469-70. 
Brandis,  Chr.  Aug.     IV  2a:  140. 
Brandstetter,  H.    IV  3 :  432/3. 
Brandt,  F.  H.     IV  8a: 22. 

Brant,  Seb.    II  1 :  105;  2  :  45;  5:  73/6, 

83/4,  95. 
Brantöme,  P.  de.    IV8d:40. 
Brantsch,  Sim.    IV  2a: 27. 
Brater,  K.    IV  5  :  377. 
Bratianu.     IV  lb:377. 
Braun,  Karl.    IV  1  b  :  322 ;  5  :  59  . 

—  v.  Braunthal,  K.  J.     IV  3:414. 
Braunau.     I  4  :  107. 
Braunsberg.    I  9  :  149. 
Braunschweig.    I  4  :  150,  309  a ;  9  :  120 ; 

IV  la:28. 
Brautsuppe.    I  5 :  83. 
Bray,  0.  C.  H.  Graf  v.    IV  lb:410. 
Bredero,  G.  A.    III  4*30. 
Breitkopf,  Gregorius.    I  3  :  58. 
Breitkopf   &    Härtel.       1   3:371;    IV 

1  o :  58. 
Brekling,  F.    III  5  :  30. 
Brendel,  Frz.    IV  1  c  :  58. 
Brennecke,  J.  A.     IV  3  : 1 . 
Brenner-Enkervoerth,  A.  J.  v.  19:  199. 
Brenning,  E.     IV  3:370. 
Brentano,  Bettina  s.  Bettina  v.  Arnim. 
Brentano,   Cl.    15:298;   112:36;  IV 

lc:50;  5:131;  10:1,  41/8,  52/7,  61, 

102,  118. 

—  Lujo,    IV  5 :  486. 

—  Sophie.    IV  la:33;  3:80;  10:41. 

Busmann,  Auguste.     IV  10:41,  43. 

— -Mereau,  Sophie.    IV  10:41,  43,61. 


Brenz,  Joh.    II  6 :  193. 

Breslau.   I  4:  152,  279;  IV  2b:  317. 

Bret-Hiirte,  F.    IV  la:  22;  3  :  412. 

Breu,  Jörg.    I  9  :  200. 

Briefe.      I   4:261a,    469;    II    1:122, 

133-46;  7:6;  III  1:183;  IVlb:117. 
Briefmarken.    I  4  :  264/5. 
Briefwechsel.    IV  1  c.  —  II  5 :  21,  28; 

IV  2a:  34/5,  40;  3:41. 
Brieg.  I  4:281;  9:123. 
Brieger,  Ad.  IV  3:531. 
Brienz.     I  7  :  60/2. 

Brinckmann,  J.    IV  2b:  308;  3:259. 
Brink,  B.  ten.    I  2  :  39;  IV  5  :  425. 

—  J.  ten.    IU  3:  16. 
Brinon,  Mm«  de.     I  10 :  50. 

Brion,  Friederike.    IV  8b:  34,  44/8,  91. 

Brix.    IV  1  c  :  66. 

Brockes,   B.  H.     I  6  :  130;  8 :  30;   IV 

2a:  58;  3:28;  5:288. 
Bronner,  F.  X.    IV  8a:  97. 
Brooke,  St.  A.    IV  6 :  39. 
Broxtermann,  Th.  W.    IV  3:77  a. 
ßrubach,  P.     13:  356. 
Brückner,  A.     I  10  :  274. 
Brüdergemeinde.     III  5  :  37. 
Brüder,  Mährische.    II  1 :  24. 
Brügge.    I  4  :  207. 
Brugsch,  H.    IV  lc:76;  5:416-21. 
Brunetiere,  F.     IV  ld:4. 
Brunfels,  O.     II  7  :  28;  IV  5  :  521. 
Bruni,  Lionardo.     II  7:7. 
Brunn,  H.  v.     IV  5 :  402. 
Brunner,  H.     IV  5  :  558. 

—  Leonh.    II  6  :  244. 
Brunner,  Seb.    IV  2a:  42. 
Brunnmylleus,  G.     II  3:21. 
Bruno,  Giord.     III  5:1. 
Brunold,  F.    IV  2b:  77-81. 
Brnyn,  B.    I  9:212/4. 
Bucer,  M.     II  6:237;  7:7,  19. 
Buchbinderkunst.     I  3 :  467-478. 
Buchdruck.      I   3:48-113,    381,   451; 

6:94;  II:  77.  In :  Amerika  I  3  :  87  a. 
Augsburg  I  3  :  54/5.  Bearn  I  3  :  74. 
Berlin  I  3:62.  Belgien  I  3:84/5. 
Biedenkopf  I  3:63.  Cambridge  I 
3  :  180.  Cettinje  I  3  :  90.  Chalons- 
sur-Marne  13  :  75.  Dyernfurthl  3  :  65. 
England  I  3  :  86/7,  45«.  Frankfurt  a.  0. 
13:61.  Frankreich  13:69-80.  Frei- 
berg I  3  :  64.  Fulda  I  3  :  63.  Genf  I 
3  :  81.  Hamburg  I  3  :  308.  Hanau  I 
3  :  63.  Hersfeld  I  3  :  63.  Hessen  I 
3  :  63.  Italien  I  3  :  66,  97.  Kassel 
I  3  :  63.  Konstantinopel  I  3  :  93. 
Krakau  I  3  :  90.  Kroatien  I  3  :  90. 
Limoges  I  3:  73/4  b.  Lübeck!  3:57. 
Lyon  I  3:69-70.  Mailand  I  3:66. 
Mantua  I  3  :  68.  Marburg  i.  H.  I 
3  :  63.  Mecklenburg  I  3  :  361.  Modena 
I  3  :  68.  New-York  I  3  :  87.  Nieder- 
lande I  3  :  82/3.  Oesterreich  I  3  :  91/2. 
Oxford  I  3  :  86.  Palermo  I  3  :  i>6. 
Paris  I  3  :  70,  76/7,  97.  Poitiers  I 
3  :  71.  Portugal  I  3  :  88.  Rheims  I 
3: 78/8  a.  Rinteln  I  3:63.  Rom  I 
3  :  66.  Schmalkalden  I  3  :  63.  Rostock 
13:361.  Sedan  I  3:79.  Spanien  I 
3:88/9.  Speier  I  3:56.  St.  L6  I 
3:74  a.  Strassburg  i.  E.  I  3:54. 
Torgau  I  3  :  60.  Ulm  I  3  :  54.  Venedig 
I  3  :  66/7.  Wien  I  3  :  366.  Zürich  I 
3:111. 

Buchdruckerfachzeitschriften.  1 3 :  442/9. 

Buchdruckermarken,  s.  Druckermarken. 

Buchdruckertarif.   I  3  :  440. 

Buchdruckerverein.   I  3  :  440. 

Bnchdruckerzeichen.    I  3:63,  111. 

Bucher,  L.    IV  5  :  43,  571-80. 

Buchgewerbe.    I  3 :  437-66. 

Bnchgewerbemuseum.     I  3  :  437. 

Buchhändler,  s.  Buchhandel. 

Buchhändleradressbuch.     I  3:393,  400. 

Buchhändlerbörsenblatt.    I  3 :  394. 

Buchhändlerkataloge.     13:211/5. 

Buchhändlermesse.     I  3  :  362. 

Buchhändlersperre.    I  3  :  362. 

Buchhändlervereinigung.    I  3  :  380. 

Buchhändlerzeitschriften.  I  3  :  378, 
390/1,  394/8. 

Buchhandel.  13:183/4,353-413.  In: 
Amerika  I  3 :  392.  Berlin  I  3 :  399. 
Böhmen  I  3  :  377.  Dänemark  I  3 :  379. 
Dyernfurth  I  3  :  65.  England  I 
3  :  389-92.  Frankreich  I  3  :  381/4. 
Genf  I  3:81.  Grenoble  I  3:72. 
Hessen   I   3:63.     Italien   I   3:375. 


Leipzig   I   3  :  362,    398.     London   I 

3:387.    Mecklenburg  I  3  :  361.   Paris 

I  3:76. 
Bnchhandlungsdeputierte.     I  3 :  363. 
Buchherstellung.    I  3  :  22. 
Buchillustration.     I  3:117,  122/7. 
Buchmalerei.    I  3 :  30. 
Buchner,      Hans     (Meister      Hans    v. 

Konstanz).     I  10:69. 
Buchstaben.     I  3  :  134. 
Buchta,  R.     IV  5:519. 
Buchwald,  G.    II  1 :  139. 
Buchwesen.     I  3.  — 
Bück,  Mich.     IV  2b:  300/3. 
Bücherausstellung.     I  3 :  4^6. 
Bücherentleihgeselze.    I  3:280. 
Bücherkataloge.    I  3:216,  267. 
Bücherlexikon.     I  3  :  194/5. 
Büchersammler.    I  3  :  285,  294,  392. 
Bücherschmuck.    13:114-27,180. 
Bücher  verböte.    I  3:415. 
Bücherversteigerungen.         I    3  :  215, 

289-91,  388. 
Bücherverzeichnis.     I  3  :  188-93,  300. 
Bücherzeichen    (s.   auch  Ex-libris).    I 

3:111,  336-52. 
Büchmann,  G.    IV  8d:42. 
Büchner,  L.     IV  5  :  49-51,  139. 
Bühel,  Hans  vom.    112:  222. 
Bühne  s.  Schauspiel,  Theater 
Bühneneinrichtung.     III  4  :  6. 
Bühnensprache.    I  7  :  93. 
Bühnenstücke,  Kathol.    I  3  :  225. 
Bülow,  Frieda  v.     IV  3  :  546. 

—  Fr.  W.  v.  Dennewitz,  General. 
IV  1  b  :  167,  173/4. 

—  Gabriele  v.  IV  1  b  :  237,  403;  1  c  :  21. 

—  Hans  v.  I  10 :  200-29 ;  IV  1  c  :  59-60, 
66:  2b:  46;  5:571. 

—  Hein.  v.    IV  1  b  :  237,  327. 
Bünderlin,  Joh.     II  6:271. 

Bürger,  Auguste  (Molly),  geb.  Leonhart. 
IV  2a:  98,  111,  116. 

—  Dorette,  geb.  Leonhart.  IV  2a  :  98, 
116. 

—  Elise,  geb.  Hahn.  IV  2  a  :  98,  106, 
108. 

—  G.  A.  16:  104;  7:19,  202a;  11:33; 
IV  ld:  3;  2a:  21,  73-124;  3:20; 
8b:  58;  8o:8;  9:52/3,  77. 

Denkmal.     IV  2a  :  109- 10a. 

Bürgerkunde.    I  4  :  522. 
Bürgerschule  siehe  Schulen. 
Bürgertum.     I  4  :  11,  15,  31/2. 
Büsching,  J.  G.    IV  5  :  560;  10  :  41. 
Bugenhagen,  J.  I  12  :  172;  II  6  :  60,  85, 

155/6. 
Bulthaupt,  H.    IV  2b:  359. 
Bulwer,  J.    IV  3  :  268. 

—  Lord  L.     IV  8  d  :  29. 

Bunsen,    Chr.    K.    Josias  Frhr.    v.     rV 

1b:233;  2a:  141;  5:352. 
Bunyan,  J.     IV  ld:  1. 
Bunzlau.     I  4  :  179. 
Buondelmonti,  Ipolito.     111:  38. 
Burckhardt  (Familie).     I  4  :  457. 

—  Jak.     I  1  :  46. 
Burdach,  K.    II  1  :  72. 

Burgen.    I  4  :  335,  389,  396;   9  :  371/2. 

Burger,  Ant.    I  9 :  277/9. 

Burgverliess.     IV  3  :  16. 

Burgi,  Jost.    I  9  :  455. 

Burgkmair,   Hans,   d.   J.     13:  337/8; 

9  :  199. 
Bursa  animi.     I  12  :  11. 
Burschenschaft.    I  12  :  160/5. 
Burschensprache.    I  12  :  169. 
Busch,  Wilh.    I  9  :  342;  IV  1  a  :  27. 
Busche,  Herrn,  v.  d.    II  7  :  32. 
Busi,  Ipolito.    III  2  :  6. 
Busse,  C.  IV  1  a  :  14 ;  2  b :  386/7 ;  5  :  652. 
Butzbach.     I  4  :  199. 
Buxtorf,  J.     HI  5  :  1. 
Byron,  Lord.    IV  lo  :  58;  5  :  128,  465, 

634;  8b:  21,  61;  8e:96,  124. 

Caballero,  Fernan.    IV  la:  38. 

Caesar.    13:1. 

Cäsur.    18:1,  12,  23,  27,  31. 

Cagliostro,   B.    I  4  :  146;  IV  8e  :  62/3. 

Calame,  AI.    19:  274. 

Calderon  de  a  Barca,  P.     IV  1  d  :  64 ; 

8e:75. 
Calixt,  G.    III  5  :  1. 
Callenbach,  F.    I  8  :  30;  HI  4  :  22. 
Callot,  J.    IV  10  :  82. 
Calvin,  J.    II  6 :  161,  238;  IU  5  :  1. 
Calvinisten.    II  1 :  112. 

(4)36 


Sachregister, 


Calvisius,  Seth.    I  10:87. 

Calvör,  K.    13;  270. 

Camerarins,  J.    II  7  :  7. 

Cainmerlander,  J.     II  3  :  7. 

Campanella,  Th.     111:2. 

Campe,  J.  H.   I  6  :  04  ;  7  :  21 ;  12  :  43/5 ; 

IV  3:78;  7:26;  9:  176. 
Campeggio,  L.    II  1 :  17. 
Canisins,  P.    II  1:16;  6  :  39,  45/6. 
Canitz,   F.  R.  v.    18:  30;  IV  1  a  :  18. 
Cantiuncula,  CI.     II  7  :  2. 
Capito,  W.    II  6:194;  7:28. 
Caprivi,  L.  Graf.     IV  5  :  592. 
Cardillac,  R.     IV  10  :  82. 
Careno,  Teresa.     I  10  :  275. 
Carlstadt,  A.  R.    II  6  :  156,  18-»a. 
Carlyle,  Th.   IV  1  b  :  20;  3  :  255 ;  8  d  :  36. 
Carmen    Sylva,   Königin   v.  Rumänien. 

IV  lb:377;   lc:  9,  26;   3:499-501; 

5:65. 
Carmina  academica.    IV  2  b  :  456. 
Carolina  Augusta,    Kaiserin  v.  Oester- 

reich.    IV  lb  :  385. 
Carpzow,  J.  B.    I  5  :  139;  III  5  :  50. 
Carriere,  M.     IV  1  c  :  93 ;  5  :  188. 
Cartesianer.    III  5  :  57. 
Casati,  Alfonso.    III  1  :  107. 

—  Girolamo.    III  1 :  107. 
Caspari,  K.     IV  6  :  301/3. 
Castagna,  G.  B.    II  1  :  15. 
Cato.    1  12  :  7. 

Cats,  J.    III  4  :  24. 

Catull.     13:1. 

Cauer,  R.    I  9  :  353. 

Censnr.    I  3  :  63,  104,  417,  425;  4  :  89; 

IV  2a:  21;  2b:  132,  156;  5  :  86. 
Cervantes,  M.    I  11 :  49. 
Chabrier,  E.    I  10  :  62. 
Chamisso,  A.  v.     I  1  :  22;  6  :  104,  136; 

IV  3:  103;  10:  1,  74-82. 
Chapelain,  J.     IV  1  d  :  13. 
Chardin,  Chevalier.     IV  8  c  :  46. 
Charron,  P.     III  5  :  1. 
Chasot  (General).    IV  lb  :  35,  52/3. 
Chenier,  A.    IV  Id  :17  a. 
Cherbury  s.  Herbert. 
Chezy,    Helmina   v.     IV   2b  :  1,  102/3; 

10 :  113. 
Chiavacei,  V.    IV  3  :  465. 
Chicago.    I  9  :  429-30,  433. 
Chiffern.     I  3  :  117. 
Chillingworth,  W.    III  5  :  1. 
Chinesentum.    14:5. 
Chilori,  D.    I  3  :  325. 
Chodowieoki,  D.    IV  3:310. 
Cholevius,  L.    IV  8d  :  4. 
Chrestien  de  Troyes.     IV  ld:  11. 
Christ,  J.  Fr.    IV  1  c  :  78. 
Christen,  Ada.    IV  2b:  177;  3:533. 
Christentum.     III  5  :  1. 

—  Franziskanisches.    III  5 : 1. 
Christian  d.  J.,  Fürst  v.  Anhalt-Bern- 
burg.    III  1:188. 

—  IV.,  König  v.  Dänemark.    III  1 :  14. 

—  Friedrich,  Herzog  v.  Augustenburg. 
IV  9:31. 

Christoph,     Herzog     v.     Mecklenburg 

(Koadjutor).    II  2  :  46. 

v.  Württemberg.    I  12:11. 

Chroniken.    I  3  :  30/1,  114 ;  II  1 :  29;  3: 

48/8 a,  61;  IV  3:217. 
Chryseus,  J.  II  5  :  98. 
Chur.    I  9  :  470. 

Cicero.    I  3  : 1;  12  :  24;  HI  5  : 1. 
Cisterzienser.    I  12  :  147. 
Citatensammlungen.    I  1:91/5;  IV  2b: 

529-36. 
Civilisation.     14:7. 
Claar,  E.    IV  2b:  369. 
Clairobscur-Druck.    I  9:204. 
Clajus,  J.     I  7:11;  II  5:39-40. 
Clarendon-Press.    I  3  :  86. 
Claudius,  M.    I  6  :  104,  128 ;  IV  1  a :  37 ; 

lc:17;  ld:3;  2a:71/2;  3:51/5. 
Clauren,  H.  (=  Heun).    IV  10  :  125. 
Clausevitz,  K.  v.    IV  5  :  380. 
Clausius.     IV  2a:  21. 
Clavijo,  J.    IV  8e:25. 
Clodius.    IV  8c:  19. 

—  C.  A.  H.    IV  3 :  24. 
Clüver,  Ph.    14: 464. 
Cocay,  J.     17:  14. 
Coccius,  H.    II  6:245. 
Cochlaeus,  J.    II  1 :  87;  6: 123. 
Coloma,  B.  L.    IV  1  a :  38. 

Colines,  Simon  de  (Verleger).    I  3  :  77. 
Collin,  J.    IV  8  e  :  109. 
Columbus- Ausstellung.     I  3  :  27. 


Columbus-Bibliographie.  I  3:150. 
Comenius,   A.     I    12:15-23,    175,    181, 

200;  IV  lb:233. 

Feier.    I  12:20. 

Litteratur.     I  12:19. 

Como,  Kardinal  v.     II  1  :  15. 
Company  of  stationers  of  London.    I  3  : 

386. 
Conches,  W.  v.     II  3 :  7. 
Conrad,  M.  G.    IV  la:  16;  3  :  310. 
Conradi,  H.     IV  2b:  383. 
Conrady,  E.  v.     IV  3  :  233. 
Conring,  H.     III  5  : 1. 
Consciruco,  H.     IV  ld:  65. 
Constant,  B.    IV  9:101. 
Contractus,  H.     I  12  :  87. 
Contessa,  K.  W.    IV  10  :  82. 
Conz,  K.  Ph.     IV  10:118. 
Cooper,  J.  F.    IV  3:403  a. 
Coornhert,  D.     III  5:1. 
Cordus,  Eur.     II  7  :  29-30. 
Corneille,  P.     III  4  :  24;  IV  1  c  :  93. 
Cornelius,    P.    (Komponist).     I  10:57; 

IV  1c:  58;  2b:  46. 

—  P.  v.  (Maler).  I  9:20,  44,  267; 
IV  5  :  398. 

Corpus  scriptorum  ecclesiasticorum.    I 

3:1. 
Corrodi,  A.    IV  la  :  43. 
Cotta,  J.  G.     IV  8b:  2;  9:14. 
Cottasche  Karten-Almanache.     I  3  :  52. 
Coulin,  A.  J.     111:  38. 
Court,  A.    III  1 :  170. 
Crambambuli,  Lied  vom.     IV  2a:  19. 
Cramer,  J.  A.     IV  lc  :  78;  5  :  9. 

—  K.  G.    IV  3  :  16. 

Cranach,  L.  d.  Ae.  13:  337/8,  341 ;  9  : 
84,  208/9;  12:  104;  II  6:51. 

Crane,  W.     I  9  :  431. 

Cranz,  A.  F.     IV  3  :  1. 

Creizenach,  W.     II  4a:  16. 

Creuz,  F.  K.  Kas.  v.  IV  2a  :  30a;  5  : 
7,  224. 

Creuzer,  G.  Frd.    IV  10  :  61,  63/4. 

Crispi,  F.    IV  1  b  :  285. 

Croissant-Rust,  Anna.  IV  1  a  :  16 ;  3  : 
543/4. 

Cromwell,  0.    I  11  :  26. 

Cronegk,  J.  F.  Frhr.  v.     I  8  :  30. 

Cruciger,  K.    II  6  :  156. 

Crusianer.    I  12  :  145. 

Crusius,  Ph.     IV  la:  11. 

Curtius,  E.     I  6  :  29,  104  ;  IV  5  :  404/8. 

—  G.    IV  5  :  398. 
Czerny,  K.     IV  1  C  :  58. 

Dahlen.     I  9  :  165. 

Dahlmann,  K.  F.     IV   la  :  6;    lb  :  191 ; 

5  :  563. 
Dahn,  F.    I    6:117/8;   IV    lc:  13,    52, 

53;3a;     2a  :1;     2b  :  336/7;     3:10, 

195/7;  5:558. 

—  Therese.    IV  1c:52. 
Daktylus.     I  8  :  1/2,  13,  16,  23,  25/7. 
Dalberg,  J.  v.     II  7  :  7. 

—  K.  Th.  v.    IV  las  36;  5:345. 
Danneker,  Frau.     IV  9  :  35. 
Danse  macabre  s.  Totentänze. 
Dante.    IV  1c:  68,  77;  3:27. 
Dantebibliothek.     I  3:321. 

Danzel,   Th.   W.     1115:72/3;    IV  lc: 

60;  5:398. 
Danzig.     I  4  :  274/5  a;  9:413. 
Darbes,  F.     IV  2a:  152. 
Darjes.     IV  5:601. 
Darmesteter.    I  7  :  138. 
Darwin,  Ch.     IV  5  :  65,  149. 
Daudet,  A.    IV  1  c  :  60. 
Daum,  Chr.    III  5:51/2. 
Daumen  halten.     I  7  :  159. 
Daumer,  F.    IV  5:558. 
Dann,  Feldmarschall.    I  9:223. 
David,  J.  J.    IV  2b:  377. 
Davout,  L.  N.,   Marschall    v.    IV  lb: 

138,  174. 
Dawidowsky,  F.     IV  3  :  436. 
Dawison,   B.    IV   lc:58,    93;   2b:  46. 
Daxelhofen  (Hauptmann).    IV  2b:  220. 
Dee,  J.    14: 143. 
Deecke,  E.    IV  lb:134. 
Defoe,  D.    III  3:11/5;  IV  3:10. 
Defregger,  Fr.    I  9  :  19,  337. 
Dehmel,  R.    IV  2b:  384/5. 
Dejaure  (Komponist).    IV8d:27. 
Deinhardstein,  J.  L.     II  4  b  :  108/9;  IV 

2b:  1,  119;  10:68. 
Deisinger,  U.    I  11 :  29;  II  4b  :  80. 
Deismus.    III  6  : 1,  33. 


Deklamationsstücke.     IV  2b  :  537/8. 

Delaroche,  P.    19:  20. 

Delphi.    IV  8e:55. 

Demant,  Chrph.    I  12:14. 

Demetrius.    I  11  :  23. 

Denck,  J.     III  5  :  1. 

Denis,  J.  N.  CM.    IV  2a:  61. 

Denk,  J.    II  6  :  16. 

Denkmäler.    I  9  :  118-20;  III  1  :  146. 

Denkwürdigkeiten.     III  1  :  151. 

Denzinger,  F.  J.  v.  I  9  :  389. 

Derfflinger,  G.  III  1  :  142. 

De  Sanctis,  Fr.     IV  1  c  :  93. 

Descartes,  R.     III  5  :  1. 

Des  Periers,  B.    IV  8  c  :  33. 

Detroit,  Elvira  IV  2  b  :  46. 

Deutsch  im  Unterricht.    112:  22/3,  71, 

89,  93,  95,  187.  195,  201,  204,  214. 
Deutsche  Treue  I  4  :  112  a. 
Deutschland.    I  4  :  269-72;   IV  2b  :  2. 
Deutschtum.     IV    2b  :  113/6,    149-50; 

7:  24. 

—  in    d.    Ostfeeprovinzen.     IV    2b  : 
226-37. 

Deyra,  F.,  Graf.     IV  lb:5. 
Devrient,  Ed.    IV  1  c  :  59,  66. 

—  Ludw.    IV  10:82. 

—  0.    IV  8a:  107. 
Dialekt  s.  Mundarten. 
Dialektdichtung.    IV  2b  :  84/6,  92/3,  95, 

193/9,  284-3U9;  3  :  231-67. 
Dialog.     II  4a:  17. 
Dichter,  norddeutsche.     I  6  :  134. 

—  österreichische.    I  6  :  133/4. 

—  süddeutsche.    I  6  :  134. 
Dichteralbum,  Internationales.    IV  2b  : 

314. 
Dichterinnen.    IV  2b:  174-81,  397-406. 
Dichtung,  christliche.    IV  2  b  :  480. 

—  orientalische.    IV  2b  :  28-30. 

—  politische.  I  1 :  22;  IV  2b  :  156,  161. 

—  socialistische.     IV    2b  :  237,    408, 
410/1. 

—  symbolische.    IV  2b  :  405. 

—  tendenziöse.     IV  2b  :  3. 

—  vaterländische.    IV  2b  :  53,  466-74. 
Dichtungsgattungen.     I  6  :  126,  142. 
Dickens,  Ch.    IV  1  c  :  60;  3  :  10,  208. 
Dictionary  of  national  biography.     IV 

ld:  1. 
Diderot,  D.     IV  1  d  :  1 ;  10  :  82. 
Didaktik.     II  5.  —  III  5.  -  IV  5. 
Diebsglauben.     I  5  :  136. 
Diesterweg,  J.  W.  A.     I  6  :  94;  12  :  70. 
Dieterich.     IV  2a  :  102/3. 
Dietrich  (Goldschmied).    I  9  :  453. 

—  V.    II  6  :  155. 

—  v.  Bern.  I  3  :  1C6. 
Dietz,'A.  IV  8a:  25. 
Dietzsch,  E.     IV  la:  44. 

Diez,  Fr.    12:  19-35;  IV  1  c  :  73/4;  5  : 
430/7,  440. 

—  R.    19:  350. 

Dilettantismus.    I  9  :  438;   IV  5  :  147, 

398. 
Dilherr,  J.  M.    III  2  :  22. 
Dillingen.    I  9  :  135;  II  1:  15. 
Dillmann,  Aug.     IV  5  :  410. 
Dilthey,  W.    II  1  :  74;  IV  7  :  22. 
Dincklage,  Eramy  v.     IV  3  :  534. 
Dingelstedt,  Fr.    IV  1  a  :  6 ;  1  c  :  13, 58, 

60,  66;  2b:  46. 
Diplomatik.    13:3. 
Dipodien.    I  8  :  12. 
Dirnböck,  J.     IV  2b  :  112. 
Disputationen.   I  3  :  165/6;  12  :  98,  153, 

193. 
Disputationshändler.    13:361. 
Distel,  K.    II  5:  14;  6:44. 
Dithmar  (Familie).    I  4  :  458. 
Docen,  B.  J.    IV  10 :  41. 
Doebbelin,  Th.  IV  9  :  85. 
Döderlein,  L.  Ch.  W.    IV  5  :  398. 
Döhnert.     IV  2a  :  2t. 
Döllinger,  I.  v.    IV  5  :  361/3,  558. 
Doelsch,  J.    II  6  :  169. 
Döring,  J.  v.     IV  2a:  112. 
Dörpfeld,  Fr.  W.    I  6  :  94;  12  :  80/5. 
Dörr,  Fr.    IV  1  a  :  37. 
Donein,  C.    19:  362. 
Dogmenkritik.     III  5  :  1. 
Dohme,  R.    I  9  :  400/1. 
Dohna,  Graf.    IV  1  b  :  137. 
Doktorpromotion.     I  12  :  153. 
Doktrinale.     II  7  :  16. 
Domanig,  K.     IV  3  :  585. 
Dominikaner  1  4  :  411;  12  :  145. 
Dominikus,  J.    IV  la  :  32;  5  :  345. 


Sachregister. 


Donaueschingen.    19:413. 

Donebauer,  F.    110:  2/3. 

Don  Jnan.     III  4  :  29. 

Donner,  J.  0.  E.     IV  8d  :  35. 

Don  Quixote    IV  3  :  232. 

Dop.    IV  lb:62f. 

Dorat,  C.     IV   tc  :  40/1. 

Dore,  G.    IV  l  c  :  65. 

Dorer,  E.    IV  2b  :  267;  5  :  461/8. 

Dorfgeschichte.    IV  3  :  183/9. 

Dorfschnlruatrikel.     I  12  :  236. 

Dorfschulwesen.  I  12  :  231,  236/7,  213. 
(S.  auch  Volksschnlwesen.) 

Dorgelo,  II.     I  12  :  7. 

Dornavius,  K.     II  ö  :  95. 

Dornröschen.     I  5  :  238;  11  :  26. 

Dorsch,  E.     IV  1  a  :  44. 

Dortmund.     I  9  :  146. 

Dostojewski,  F.     IV  la  :  21;  3  :  10. 

Dove,  A.    IV  lb:l;  3:586. 

Drachen.     I  5  :  198. 

Drachenfels.    I  4  :  373. 

Drachmann,  H.     I  5:  263. 

Drama.  II  4.  III  4.  IV  8  e.  —  I  6  :  40/6, 
68,  130,  133/4,  136.  (S.  auch  Schau- 
spiel, Theater.) 

—  bürgerliches.    IV  9  :  176. 

—  französisches.    I  6  :  126. 

—  humanistisches.     I  3  :  149. 

—  lateinisches.    I  3  :  149. 

—  phantastisches.     IV  10:1. 
Dramatik.     I  6  :  40. 
Dramatisches  in  d.  Musik.  I  10 :  60,  158. 
Dramaturgie.     IV  6  :  32. 
Dramenschlüsse.    IV  9  :  83. 
Dranmor.    IV  la:  43. 

Drechsel,   J.  de  Nurenberga.     I   3  :  70. 

Dreikönigsbrauch,  Nürnberger.  I  3 :  70. 

Dreisinger,  H.     II  2  :  33. 

Drescher,  K.    II  4b  :  74. 

Dresden.    I  4  :  326;  9  :  31/2,  105,  364  b, 

462/3. 
Dreyer,  M.     IV  la:  16. 
Droste-Hülshoff,  Annette  v.    IV  la:6, 

12;  lc:46,  52;  2b  :  37;  3:42,472/3. 
Droysen,    J.   G.     II   1:10;    IV   la:6; 

1b:  50;  1c:  1. 
Druck,  ältester.  I  3  :  105.  (S.  auch  Buch- 
druck.) 
Druckereien.     I  3  :  79. 
Druckermarken.    I  3 :  66,    69,    71    75, 

109-13. 
Druckerrerantwortlichkeit.     I    3  :  426. 
Druckschrift.    I  3  :  128-37. 
Drucksprache.    I  7  :  fi,  7. 
Drucktypen.     I  3  :  117. 
Druiden.    III  5  :  81/6. 
Du  Bois-Reymond,  E.     IV  10  :  76. 
Dübi,  II.    IV  5  :  401  a. 
Dühr,  A.    IV  3  :  261/5. 
Dühring,  E.     IV  5  :  42,  113,  558. 
Düntzer,     H.      IV    1  b  :  439;     lc:60. 
Dürbach,   Anna   Luise,    s.   Anna   Luise 

Karsch. 
Dürer,  A.    I  3  :  337/8;  9  :  84,   169-90, 

333,    397,    417;    II   1:1,    140,    142; 

6  :  200/2. 
Dürow,  J.  v.    IV  3  :  547. 
Düsseldorf.     I  7  :  46;  9  :  143. 
Dnifhuis,  H.     III  5  :  1. 
Duisburg.     I  4  :  339. 
Dulon  (Pastor).    IV  5  :  249. 
Dumeiz  (Domdechant).  IV  3  :  59 ;  8 b :  25. 
Dnmouriez,  Ch.  F.     IV  lc  :  17. 
Duncker,  M.     IV  1  b  :  2/3,  191. 
Durchdenbach,  J.    II  6  :  64. 
Duyse,  P.  van.     IV  1  d  :  65. 
Dy  By,  Familie.    I  4  :  128;  IV  3  :  39. 

Kbeling,  Fr.  W.    IV  3  :  19. 
Ebenau,  K.     IV  1  c  :  73. 
Eber,  P.    II  1:140;  6:15t). 
Eberhard,  A.  G.    IV  3  :  177/8. 

—  L.    H  6  :  137. 
Eberle,  Chr.  G.    II  6  :  58. 
Eberlein,  G.    IV  2b:  376. 

Ebers,  G.    IV  1  a:  20;  1  c  :  54:  Id  :  3; 

3  :  198-206,  579. 
Ebert,  J.  A.    IV  5  :  9. 
Ebner-Eschenbach,  Marie  v.  IV  1  a  :  20, 

39; 2b:  111,174/5;  3:  10,480,508-13, 

579. 
„Ecce!  Schubart  v.  Ala".    IV  2a:  130. 
Eck,  L.  v.    U  7  :  33. 
Eckart  (Familie).     I  4  :  456. 
Eckensteher.     I  4  :  263  a. 
Eckermann,  J.  P.   IV  lb:439;  1  c  :  27. 
Eckstein,  E.    IV  1  a  :  20;  3  :  587. 


Edda.    I  6  :  130. 

Edelsheim,  G.  L.  Frhr.  v.     IV   l  b  :  75. 

Eder,  G.    II  1 :  15. 

—  (Verleger).    II  1:87. 
Edler,  K.  E.    IV  la:39. 
Egelhaaf,  G.     II  1:  11. 
Eggers,  Fr.    IV  lc:50;  3:278. 
Eggert,  Ed.    IV  2b: :  451. 
Egidy,  M.  v.    IV  5 :  558,  657-60. 
Egl,  St.     III  4  :  2. 

Egloffstein,  v.  (Familie).     I  4  :  445. 
Egranus,  J.  S.     II  6:  182  a. 
Ehe.    I  4  :  16. 

—  u.  Liebe.     II  5:110. 

—  -Litteratur.     II  3  :  37. 
Ehrhard,  H.     IV  3  :  402. 
Eichelin,  W.     III  4  :  5. 
Eichendorff,  J.  v.    I  6  :  104 ;  IV  1  c  :  50, 

65,  87;  10:1,  91/2. 
Eichhorn,  J.     13:61. 

—  J.  G.     IV  la  :  34;  5:289,  354,  558. 
Eichrodt  (Hauptmann).     IV  lb:325. 

—  L.    IV  2b  :  259-62. 
Eichsfeld.    II  1 :  51. 
Eichstädt.    I  9:  131;  IV  8b:  2. 
Eierlesen  zu  Ostern.    I  5  :  67. 
Eierspiele  z.  Osterzeit.     I  4:31a. 
Eigennamen     als     Gattungsnamen.       I 

4:  18. 

—  (s.  auch  Vornamen).     I  5 :  399,  406. 
Einbeck.    I  4:237,  310a. 

Einem,  Charlotte  v.   IV  2a:  65;  3:42. 

Eingemauerte.     15:1. 

Einsiedler  u.  Engel.    I  11  :  8. 

Einspänniger.     1  4  :  258. 

Einzug,  Fürstlicher.     I  4  :  44/4  a 

Eisenach.    I  4  :  411. 

Eisenbahn.     I  1 :  64. 

Eisenhart,  A.  v.     IV  lb  :  410;  lc:  13. 

Ekhof,  K.     IV  6  :  33. 

Ekkehard.     IV  3:217. 

Elberfeld.    I  4  :  190;  7  :  74;  9 :  143. 

Elenson,  A.     III  4  :  19. 

Eleonore,    Herzogin    v.    Braunschweig. 

IV  lb:454. 
Elgardus,  N.  R.    II  1  :  15. 
Eliot,  George.    IV  lc:93. 
Elisabeth,    Königin   v.   Preussen.     IV 

lb:401. 

—  v.  Schönau.    IV  1  c  :  77. 
Elischer,  R.     IV  Sa:  36. 
Elsass-Lothringen.    I  7  :  55/7;  9  :  140, 

191. 
Elster,  K.     IV  la:21. 
Elwert,  A.     IV  10:41. 

—  J.  G.    IV  9:14. 
Emerson,  R.     IV  5  :  180. 
Emmerich,  Katharina.     IV   IOl:  55. 
Eramy    v.  Württemberg.     IV  1  b  :  140. 
Empfindsamkeit.    IV  2  a  :  65 ;  3:41. 
Empirie.     I  1  :  23. 

Enciso,  Don  Ximenes  de.    IV  9 :  88. 
Encke,  J.  F.    IV  5  :  522. 
Encyklopädisten.    IV  l  c  :  2. 
Endrulat,  B.  F.  J.    IV  1  o  :  50. 
Engel,  Ed.    IV  3  :  589-90. 

—  J.  J.    I  6:128;  IV  5:6,  652. 

—  K.    III  4  :  26,  29. 
Engelbach,  G.    19: 296. 
Engelhardt,  Helene  v.     IV  1  a  :  10. 
Engelsgesänge.     IV  2  b  :  452. 
Engstatt.    I  9 :  166. 
Enjambement.    I  8  :  29,  33. 
Enckendorf  (Schloss).     I  4  :  305. 
Enkomien,  ironische.     II  5 :  95. 
Enqueten.    I  1 :  77. 

Ensisheim.     II  4a:  30. 
Entwicklung,  geistige.    I  4:57-U0a. 
Epiktet.     IU  5  :  1. 

Epistolographie,  humanistische.  II  7 :  2. 
Epos.    II  3.    IU  3.    IV  3.  -  I  6  :  16, 
65,  107. 

—  Mittelalterliches.    IV  3  :  328. 

—  Althochdeutsches     u.     mittelhoch- 
deutsches.   I  6 :  110. 

—  Höfisches.    I  6 :  120. 

—  Komisches.    IV  3  :  1,  32/8. 
Erasmus,  D.  II  1 :  106,  140;'  5  :  95, 100; 

6:23;  7:22/3,  32,  42;  III  4:1;  5:1; 

IV  3 :  59. 
Erast,  Th.    II  6  :  246. 
Erbauungsliteratur.     II  2:2. 
Erbunterthänigkeit.    I  4  :  175/7. 
Erdkunde.    I  6 :  108-10. 
Erdmann,  E.  E.     IV  5:126. 

—  W.    IV  1  c :  72. 
Erfurt.    I  4  :  320;  9  :  367. 

Erk,  L.   I  5:299,319;  10:38;  112:  39. 


Erkel,  F.    I  10:273. 
Erläuterungsschriften.    I  6  :  40/8,  50/5. 
Ernesti,  J.  A.    IV  1  o  :  78. 
Ernestianer.     I  12:145. 
Ernst,  Herzog  v.  Schwaben.   IV  tO :  107. 

—  d.  Fromme,  Herzog  v.  Gotha.  I  12 : 2  <. 

—  IL,   Herzog   v.    Koburg-Gotha.     IV 
lb:222,  238,  444/8;  lc:27. 

—  August  Konstantin,  Herzog  v.Weimar. 
IV  ic:2. 

—  0.    IV  2b:  388. 
Ernsthausen,  A.  E.  v.     IV  1  c  :  23. 
Erthal,  Fr.  L.  v.    IV  5:313/4. 
Eryngk,  H.     I  9:4i3. 
Erziehnngsideal  d.  Hofmanns.  I  12 :  243. 
Erziehungswesen.    I   12.  —  Christlich- 
deutsches.   I   12 :  4. 

Eschenmayer,  Ch.  A.  v.     IV  10:  118. 
Eschenburg,   J.   I.    IV2a:tl6;    3:65. 
Esel  in  d.  Litteratur.    I  4 :  135. 
Esmarch,  R.     IV  1  a :  37. 
Essenwein,  A.  v.    IV  5 :  424. 
Esslair,  F.     IV   lc:66. 
Estherdramen.     II  4a:  24. 
Estiennes,  Annalen  d.    13:  77. 
Ethik.    T  1:  18,  33;  IV  5:228-32. 
Ethische  Bewegung.    IV  5 :  664-70. 
Ethos  d.  Versfüsse   u.  Verse.    I  8:26. 
Ettal.    I  9 :  127. 

Eulenburg,  Ph.  Graf.     IV  2b:  373. 
Eulenspiegel.    II  3  :  8/9  b,    11,  13,  15; 

5-  121;  III  3:3;  IV  3:229. 
Euripides.    I  6  :  70;  11 :  1:  IV  6  :  27; 

8e:51,  124. 
Eutin.    I  4:306. 
Evers,  Fr.    IV  1  a  :  16. 
Evrard.    II  4a:  29. 
Ewald,  H.  A.    IV  5:591,  634. 
Ex-libris  (s.  auch  Bücherzeichen). 

—  I  3:316,  336-52;  9:211. 
Exner,  Ad.     IV  5:473. 

—  Fr.    I  12:67/8,  212. 
Ester,  Jnl.     I  9 :  35. 
Extra-Illustrationen.    I  3 :  127. 
Eyb,  A.  v.     II  7  :  10/1. 

Eyck,  Jan  van.     I  9 :  188/9. 
Eylert,  R.  F.    IV  1  c  :  82. 
Eysell,  Klara.    IV  3 :  526. 
Eythra.    I  9:124. 

Fabel.    16:105/7,    126,    140,    142;   II 

5:114/6;  IV  2a:  61. 
Faber,  Felix.   II  7  :  5. 
Fabliaux.     I  11:10. 
Fabricins,  Andr.    II  5  :  28. 

—  Georg.    II  7  :  6, 37. 

—  Jac.    in  5  :  24. 

—  Joh   Montanus.     II  7:31. 
Fahimer,  Johanna.    IV  8b: 49. 
Faisst,  Em.    I  10 :  259. 

Falb,  Rud.    IV  3  :  436,  447. 
Falck,  A.  (Minister).    IV  lb:282. 
Falieri,  Marino.    IV  9 :  176. 
Falk,  Adalb.     IV  5  :  558. 
Falke,  D.    I  11:50. 

—  G.    IV  3:591. 

Falkenegg.  Baron  t.     IV  5:598a. 
Falkland.     III  5  :  1. 

Fallmerayer,    Ph.  J.     IV    5  :  352,    409. 
Falstaff.    IV  3:232. 
Familienchroniken.    I  4:2,  273. 
Familiengeschichten.    14:  440-59 a. 
Familiennamen.    14:17/8,20;   5:400, 

407-12. 
Familienroman.    IV  3:12. 
Farben.     I  4:111a,  157. 
Farbendruck.    I  3:461. 
Fastelabend.    14:26. 
Fastnacht.     I  4  :  33. 
Fastnachtsbräuche.    15:40/1,62. 
Fastnachtsspiele.     II  4b:  52,  £6,  72. 
Faust,  B.  Chrph.    III  3  :  5. 

—  Faustsage.  Faustdichtung.  13:154; 
4:83;  6:45;  11:21/2;  U  3:38-42; 
m  3:5;  4:25/8. 

Faustausstellung.     I  3:  154;   II  3  :  42; 

IV  8a:  25. 
Faustbearbeitungen.     I  3 :  155. 
Faustbuch.    I  3  :  155;  5  :  117;  II  2:  33. 
Fechner,  H.  Th.    IV  lb  :  27;  5  :  226. 
Feder,  J.  G.  H.    IV  5 :  224. 
Federzeichnung.    I  3 :  30. 
Fehrs,  J.  H.    IV  l  a :  38. 
Feilner,  Chrph.    I  9 :  448. 
Felbiger,  J.  y.    I  12:70,  226,  231. 
Feller,  J.    HI  5  :  51/2. 
Fellinger,  Joh.  Gg.    IV  2b:  112,  117. 
Feiner,  M.    IV  lb:131. 


Sachregister. 


Ferdinand  I.,  Kaiser,    II  7  :  40. 

—  Herzog  v.  Braunschweig.  IV  1  b : 
69  f. 

—  Albrecht  v.  Braunschweig.  III  4  :  19. 
Fergusson,  J.    19:7. 

Ferreri,  Zachar.    II  6  :  62. 
Festzeiten.    I  4:  29-30 a.  33/5 a. 
Fenchtersleben,  E.  v.     IV  2b:  127. 
Feuerbach,  A.     I  9  :  19,  16,  276. 

—  L.    IV  lc:93;  5:182,  233. 
Feuerbestattung.     14:  23a. 
Feuerordnung.     I  4  :  259. 
Feuersegen.    I  5  :  125/6. 
Feuillet,  0.    IV  1  d  :  4. 
Feyerabend     (Buchhändler).     I  3  :  361. 
Fibel.    I  6:94;  II  5:37. 

Fichte,  J.  G.  I  12  :  99,  163;  IV 
lb:144f.,  191;  ld:3;  5:110/3,  140, 
228,  352,  558,  601,  652;  IV  ob:  13; 
8e:65;  9:31;  10:1. 

Fielding,  H.    IV  td:63;  3:6/7. 

Fignralgesang.    I  10  :  73. 

Fieltsch,  Eng.     IV  8a: 42. 

Finck,  F.  A.  v.     IV  1  b  :  67. 

Finckenstein,  Finck  v.     IV  1  b  S  402. 

Fircks,  K.  v.     IV  la:  10,  42;  2b  :  235. 

Firdosi.    IV  2b:  28-30. 

Firks,  Alma  v.     IV  2b:  51. 

Firmenschilder.     I  7:207. 

Fischart,  Joh.  111:15,112;  3:31/7; 
5 :  86-97. 

Fischer,  Alex.    IV  la:10. 

—  Chrph.  Andr.    II  1 :  24. 

—  Kuno.  I  2:56;  IV  5;  194/9;  8e:46, 
58,  80. 

—  W.  G.    IV  3:1. 

—  v.  Erlach,  J.  B.    19:  222. 
Fischerlieder.    IV  2b:  515. 
Fitger,  A.    IV  1  c  :  66 ;  2  b  :  312,  360. 
Flachsland,  Karoline  (s.  auch  Herder). 

IV  8e:30. 
Flacius,  M.     III  5:  1. 
Flaischlen,  C.    IV  1  a  :  16 ;  3  :  650. 
Flaubert,  G.     IV  5  :  463. 
Fleming,  P.    III  2:13,  27;  IV  la:  10, 

42. 
Fletcher,    J.     I  11:49;    III  4:7;   IV 

9 :  158. 
Flintzer,  H.    IV  1  b  :  441. 
Florido.    IV  2a:  21. 
Flötner,  P.    I  9:199. 
Flotow,  F.  t.    I  10:196. 
Flottwell,  C.  Chrn.    III  5  :  76. 
Flugschriften.     I  3  :  271. 
Flurnamen.    I  4  :  177  a;  5  :  425/6. 
Flussmann.     I  5 :  424. 
Folklore  (s.  auch  Volkskunde).  I  5  :  22; 

IV  10:41. 
Folien,  A.  A.    IV  Je:  73. 

—  K.    IV  3:109;  5:427. 
Folter.    I  4  :  106. 

Fonk.    I  4  :  106. 

Fontane,  Th.  IV  1  a  :  20;  1  c  :  49-50,  76 ; 

3:10,  20,  297-303;  10:82. 
Forer,  Laur.     II  1  :  87. 
Form.    19:9. 
Formenlehre  I  7  :  109-12. 
Formey,  J.  H.  8.    IV  5:224. 
Formschneider  I  3  :  114;  9  :  414/6. 
Formulare    u.    deutsch.    Ehetorica.     II 

6  :  65. 
Forster,  Gg.  IV  1  c  :  88/9,  93;  2a  :  132; 

5:22/7;  8a:  29. 

—  Joh.    II  6  :  195/6. 
Forstwesen.    I  4  :  180. 
Fortunatus.    III  3:4;  4:3. 
Foscolo,    Ugo.      IV    8a:  90;    8b:  18; 

8d:32. 
Fouque,   F.   de   la  Motte.    II  4b:  71; 

IV  1  c :  50;  3 :  99;  10 : 1,  71/3, 82, 103. 
Fourier,  F.  M.  Ch.     IV  3  :  14. 
Fränkel,  S.    111:5. 
Frakturschrift.    I  3  :  132/3. 
Franchetti,  A.    I  10  :  62. 
Franciscus  Pipinus.     IV  9  :  67. 
Franck,  Seb.    II  3  :  43;  4  b  :  75;  5:5/8, 

59-50,  127;  III  5  : 1. 
Francke,   Aug.    Herrn.    I   12 :  28,    129, 

227;  III  5  :  32/3,  63. 

—  H.  G.  B.    IV  2a:  111. 
Franckenstein,  E.  A.  Frhr.  t.     IV  1  b  : 

319. 
Francois,  Louise  Marie  v.  IV  3 :  474-83; 

8a:  108. 
Francquet,  E.  v.     19:  30. 
Frank,  D.  v.    IV  5 :  254/8. 

—  Ulrich.    IV  3  :  546. 
Frankenstein,  Chr.    III  5  :  51/2. 


Frankenthal.    I  4  :  372. 

Frankfurt  a.  M.    1    4:90,   333/3  a;    6: 

78;  IV  8d:  4. 
Frankh.  Luise.     IV  9  :  35. 
Frankl,  L.  A.  v.     IV  2b:  111,  163/5. 
Frankreich.   I  1  :  48/9;  4  :  86,  127/8;  IV 

1  d :  2-20. 
Fransecki,  F.  v.     IV  1  b  :  311. 
Frantzen,  J.  J.  A.  A.    II  5  :  90. 
Franz  I.,  Kaiser.     IV  10  :  12. 

—  IL,  Kaiser.    IV  1  b  :  189,  384. 

—  L,  König  v.  Frankreich.    I  3  :  20. 

—  IL,  Räköczy.    III  1  :  126. 

—  Joseph,  Kaiser  v.  Oesterreich.  IV 
lc:8. 

—  Rob.    I  10:  198/9;  IV  1  c  :  68. 
Franzos,  K.  E.    IV  la  :  20;  3  :  579. 
Frapan,  Ilse.     IV  3  :  525/6. 

Frau,  D.  weisse.    I  5  :  15,  183. 
Frauenarbeit.     I  9  :  442. 
Frauenberg.     I  9  :  149. 
Frauenbildung.     I  12  :  241;  IV  2a  •  29. 
Frauenchiemsee.     I  4  :  406. 
Frauendichtung.     IV  2b  174-181. 
Frauenfrage.     I  4  :  479-98  a. 
Frecht,  M.    II  6  :  156. 
Freiberger,  Joh.    II  5: 12;  6  :  45. 
Freiburg  i.  B.     19:  139,  196. 
Freidanks  Bescheidenheit.     IV  1  d  :  3. 
Freienwalde.    I  4  :  300. 
Freiheitsdiohtung.     IV  2b:  117/8,  139. 
Freiheitskämpfer.     IV  3  :  92. 
Freiligrath,    F.      I    1:22;     IV    la:6; 

lc:44,  47;   2b:  39-42;    3:  367;   6: 

39;  10:113. 
Freimaurerei.    I  4  :  91/6;    IV  2a  :  116. 
Freischütz,  D.     IV  3  :  109. 
Freiwaldau.     I  4  :  194. 
Fremdwörter.     I    6  :  30,    140;    7  :  17, 

167-200;  II  1  :  112;  IV  5  :  627. 
Frensdorff,  F.     IV  1  b  :  21. 
Frenzel,  K.     IV  3  :  566. 
Fresenius,  A.    IV  8  :  66. 
Freudenstadt.     I  4  :  354  a. 
Freundschaftsschwärmerei.     I  4  :  119. 
Freycinet,  Ch.  L.  de.    19:  401. 
Freytag,   G.    I   1:22;    5:315;    6:40, 

104,  117/8;  7:201;  12:201;   IV  la: 

6;    lb:3;    lc:27,  60,  65/6;   ld:3; 

2b  :  157;  3  :  10,  207-14,  480;  5  :  272, 

397;  9:109. 

—  L.    16:  107,  117/8. 
Frick,  0.    I  6  :  40. 

Frieden,  ewiger.    IV  5  :  398,  655/6,  663. 

Friedensband.     IV  2  a  :  5. 

Friederich,  Matth.     II  5  :  98. 

Friederike  Sophie  Wilhelmine  Mark- 
gräfin v.  Bayreuth.     III  1:151. 

Friederikenalbum  (s.  Friederike  Brion). 
IV  2b:  91. 

Friedländer,  Dav.     IV  8d:9. 

—  Helene.    IV  2b:  179. 
Fridolin,  Stephan.     II  6:9. 
Friedrich    III.,    Kaiser.      IV    1  b  :  298, 

359-63,  377,  410. 

—  IL,  D.  Gr.,  König  v.  Freussen.  I  1 : 
50;  4:95,  154;  9:240,  245/8,  263/5, 
267;  10:251;  1115:80;  IV  1  b  :  10, 
23-85,  403;  lc:l,  2,  68;  2a:21,  37; 
3:255;  6:68,  224. 

—  König  v.  Württemberg.  I  12  :  150; 
5  :  476. 

—  III.,  Kurfürst  v.  Brandenburg.  III 
5 :  63/4. 

—  d.  Weise,  Kurfürst  v.  Sachsen.  II 
I:  152. 

—  Landgraf  v.  Hessen.     IV  1  b  :  452. 

—  August,  König  v.  Sachsen.  III  5 :  63 ; 
IV  1b:  177;  2a:  11. 

—  Eugen,  Herzog  v.  Württemberg.  IV 
lb:418;  9:35. 

—  Franz  IL,  Grossherzog  v.  Mecklen- 
burg-Schwerin.   IV  1  b  :  456. 

—  Jacob,  Landgraf  v.  Hessen-Homburg. 
III  2 :  18. 

—  Wilhelm  L,  König  t.  Prenssen.  I 
4:105,  153;  IV  lb:18. 

IL    IV  lb:91/2. 

III.,  König  v.  Preussen.  IV  1  a :  29 ; 

lb:208,  226,  400,  402/3. 
IV., König v. Preussen.  IV  lb:  191, 

194,  222/3,  226,  227,  230,  257,  401; 

2b:  26. 

—  —  L,  d.  Gr.,  Kurfürst  y.  Branden- 
burg. I  4:57,  67;  12:98;  III  1  : 
129-45,  200. 

—  Herzog  y.  Braunschweig.  IV  1  b : 
156/7. 


Friedrich,  Herzog  y.  Sachsen- Altenburg 
(1596).    I  3  :  60. 

—  Woldemar.    I  9  :  346. 

Friedrike    Sophie    Wilhelmine,    Mark- 
gräfin v.  Bayreuth.     III  1  :  151. 
Fries,  Augustin.     I  3  :  111. 

—  J.  F.    IV  5  :  224,  238. 
Friesen,  K.  Fr.     I  12  :  160,  165. 
Fritsch,  K,  E.  0.    19:  357,  373  b. 
Fritzhans,  Joh.    II  6:213. 
Frohen,  Joh.    IV  3  :  59. 
Frobenius,  Anr.    II  1  :  15. 
Froböse  (Rektor).     I  12:206. 
Fröbel,  Fr.    IV  3  :  200;  5  :  530. 

—  Jul.  I  10:  138;  IV  lb:214;  1  c  :  66. 
Frohschammer,  J.    IV  5  :  183/6,  238. 
Frommel,  E.    IV  1  c  :  85/6;  3  :  180. 
Froschauer  (Buchdrucker).     I  3  :  111. 
Froschiade,  D.    IV  3  :  1. 
Froschmäusler,  D.     IV  3  :  1. 
Frühlingsbräuche.    I  5:44/9,63,82,84. 
Frundsberg,  G.  y.     II  1  :  64. 
Frydag  s.  Theophilus. 

Füger,  Friedr.     IV  3 :  63. 
Führich,  Jos.  y.    19:  273. 

—  L.  v.  IV  5  :  467. 
Fürbitte.  I  4  :  101. 
Fürstenberg,  Franz.     I  12:225. 

—  (Diplomat).     IV  1  b  :  55. 
Fürstenerziehung.     I  12  :  97. 
Fürstenfeld.     I  9  :  128. 
Fürstenschule  s.  Schulen. 
Fürstenwerth,  L.     II  1  :  35. 
Füssener  Frieden.     III  1  :  128. 
Fugen.    I  10:92. 

Fugger,  D.     14: 194,  454. 

—  Graf  Friedr.    IV  2  b  :  26. 
Fuhse,  F.     I  9  :  169. 

Fulda,  L.   IV  1a:20;  2b:  374;  3:559. 
Funcke,  0.    IV  5  :  294. 
Funk,  K.  W.  F.  y.    IV  9  :  33. 
Furtmeyr,  Perchtold.     I  3  :  30/1. 
Fuss  im  Volksglauben.     I  5  :  103. 
Fux,  J.  J.    I  10  :  22. 

Gabelsberger,  F.  X.    16:9,  15. 

Gade,  Niels  W.     I  10  :  197. 

Gagern,  H.  y.    IV  1  b  :  191 ;  5  :  563. 

Galanteria.     III  5  :  2. 

Galilei,  Gal.    III  5  :  1. 

Gallait,  L.     19:  20. 

Gallmeyer,  Josefine.     IV  3  :  447. 

Gallus,  Joh.     II  6  :  180. 

Garcaeus  (Pfarrer).    I  4  :  13t ;  III  1 :  18. 

Garmisch.     I  9  :  127. 

Garnier,  Claude.    I  3  :  73. 

Gartenbau.     I  9:426/8. 

Gartenlaube,  D.     IV  3  :  192. 

Garwe,  Chr.     IV  5  :  224,  558. 

Gasser,  Hans.     I  9  :  352. 

Gaudeamus  igitur.  IV  2  a :  2 1 ;  2  b :  435/7. 

Gaudy,   F.  L.  H.   W.   v.     IV  3  :  103/4; 

10:82. 
Gaunersprache.     I  7  :  81,  87/8. 
Gazette  de  la  France.    I  3  :  228. 
Gebetbücher.    I  3:148  a. 
Geburtstagsgedichte.    IV  2  a  :  25. 
Gedichte,  Berliner.    IV  2b:  416. 

—  Historische.     1  1 :  62. 

—  Neulateinische.    IV  2a: 61. 

—  Niederdeutsche.     III  2  :  2. 

—  Religiöse.    IV  2b:  475-80. 
Gedichtsammlungen.    IV   2  b  :  467-538. 
Gedike,  F.     IV  1  a  :  29. 

Geffcken,  J.     IV  1  b  :  363. 
Gefühlsleben.    I  4  :  116-23. 
Gegenreformation.    II  1  :  15,  42,  51,  87; 

III  1:6,  15,  165,  159-64. 
Geibel,  E.    I  6  :  104,  108/9;  II  4  b  :  71 ; 

IVla:6;  1  c:  13,58,  66,  76;  2b:51/3, 

64a,  57;  10:113. 

—  Johannes.    IV  2b:  52. 

—  Paul.    IV  2b:  86. 
Geigenbau.     I  10:32. 
Geiger-Schauenberg,  M.  I  3:373. 
Geisteswissenschaften.     III  5  :  1. 
Geizkofler,  Luk.    II  1 :  122;  6  :  39. 
Gelaze.    II  1  :  132/5. 

Geld.    I  4:122;  5:381. 
Gelegenheitsgedichte.      IV    2a  :  25/8; 

2b:  646. 
Geliert,  Chr.  F.    I  6:104,   128;  11:8; 

12:216;  IV  lc:72,  78;  2a:  31,  61; 

3:7;  5:2/5,  9,  34,  43,  630. 
Geizer,  H.    IV  5  :  298/9. 
Genast,  E.    IV  9  :  187. 
Genöe,  R.    II  4b  :  52,  56;  IV  5:  444. 
Genelli,  B.    IV  2b:  46. 


Sachregister. 


Genie.    I  1 :  15. 
Geniebriefe.    IV  2  a :  67. 
Genlis,  Mme.  de.    IV  10:61. 
Gennep,  Jaspar  v.    17:5. 
Genealogie.     I  4  :  447,  455. 
Gentz,  F.  t.    IV  1  b  :  232 ;  5  :  600. 

—  H.    IV  8b :1. 

Georg,  Herzog  v.  Sachsen.  I  12:  144; 
IV  1b:450. 

—  Markgraf  v.  Brandenburg.   II  6  :  204. 
Gerber,  Chrn.    IV  2a:  28. 
Gerhardt,  D.  v.,  s.  Gerhard  v.  Amyntor. 

—  P.  I  6  :  104;  II  6 :  163;  III  2 :  144/5. 
Gerlach,  L.  v.   IV  1  c :  22  a/2b ;  5 :  558.' 
Gerok,  K.  IV  1  c:  85;  2b:  58-60;  5:272. 
Gerson,  J.  Ch.    HI  5:1. 

Gersoner  Landavus.     II  6:27. 
Gerstaecker,  F.    IV  3  :  592. 
Gerstenberg,  Heinr.  Wilh.    IV  2  a  :  26, 

67;  3:44;  6:6. 
Gervasius  v.  Tilbury.     IV  9  :  67. 
Gervinus,    G.  G.    12:18;   IV  la:6; 

lb:5;  lo:50,  6t^,  69/9a,  93;  2e:98; 

5:15. 
Gesang.    I  8:1,  12/3;  10:73. 
Gesangbuch.    I  6  :  94 ;  10  :  40;  II  2  :  7. 
Gesangskunst.    110:19. 
Gesangsmethoden.    I  10  :  19. 
Gesangschule.    I  10 :  19. 
Gesangsunterricht.     I  10  :  46. 
Geschichte.  11:50/7;  3:149:  6:97-100, 

108-11,    117/8;    12:79;    IV    2a:  1; 

7  :  19. 
Geschichtsforschung.      III    5  :  41 ;   IV 

5  :  65,  324. 
Geschichtslitteratur.    I  3  :  176. 
Geschichtsphilosophie.     I  1:8-11;  IV 

5:224,  238  a,  398. 
Geschichtsschreibung.  II 1 :  77 ;  3: 43-63 ; 

7:18,  20/1;  in  5:40a/3. 
Geschichtsunterricht.     112:53. 
Geschmack.    I  4 :  85 ;  III  6 :  2. 
Geselligkeit.    I  4  :  511/3. 
Gesellenwesen.    14:158. 
Gesellschaft      d,      Alethophilen.      III 

5 :  72/3. 

—  Berlinische  für  deutsche  Litt.  I 
3 :  275. 

—  Deutsche.    I  12:23. 

—  Fruchtbringende.  17:15;  1115:3-10. 
Gesellschaftsdramen.    IVld:U. 
Gesellschaftslieder.    I  10  :  45 ;  U  2 :  82 ; 

7:40;  IV  3:41. 

Gesenius,  W.    I  12 :  129. 

Gesetzessprache.    I  7:187,  214/5. 

Gesinnungsdichter.     IV  2b:  156. 

Gesner,  Andr.     I  3:111. 

Gespenster.    I  5  :  198. 

Gespräch  zwischen  Gott  u.  d.  mensch- 
lichen Seele.    II  4  a :  17. 

Gespräche  im  Reiche  d.  Toten,  D. 
IV  3 :  33. 

Gessler,  F.    IV  2b: 91. 

—  Graf  Karl  v.    IV  2a:  132;  9:4. 
Gessner,  H.    IV  3 :  62. 

—  Salomon.  I  12:23;  IV  lc:72,  96; 
3:62;  5:384. 

Gesta  Bomanorum.     II  3:3. 
Gesundheitswesen.    I  4  :  250/7. 
Gevatter  Tod.    I  11:30. 
Gewerbe.    I  4  :  199-205;  12 :  175. 
Geyser,  Chr.  G.    IV  3  :  63. 
Gherardi,  E.    I  11:49. 
Giesebrecht,  L.     I    10:126/7;    12:77; 
IV  2b :57a. 

—  W.  v.    I  1:46;  6:104;  IV  5:398. 
Giesecke  s.  Schelter. 
Giftmädchen,  D.    I  5  :  237. 

Gigerl.    I  7:146/7. 
Gildemeister,  0.    IV  5  :  590. 
Giliberti.    UI  4  :  29. 
Gilm,  H.  v.    IV  2b:  213. 
Ginderich,  Matth.     II  6  :  207. 
Giraldi,  Lilio  Gregorio.    II  7:7. 
Giseke,  L.    IV  5  :  9. 
Gizycki,  G.  v.    IV  5 :  672. 
Gladbach.     I  7  :  46. 
Glagau,  0.    IV  3:233. 
Glapthorne,  H.    I  11 :  24;  III  4  :8. 
Glaser,  Ad.     IV  3  :  207,  566. 
Glasmalerei.     I  9  :  466-70. 
Glassius,  S.    III  5  :  1. 
Glauner,  W.     I  12  :  94. 
Gleichen-Busswurm,  Emilie  v.  IV  9  :  35. 
Gleim,  J.  W.  L.    I  6:106;  IV  lc:40/1, 

78;  2a :  1,  21,  23,  34-44,  116;  3:44; 

5:9;  6:6;  8e:24. 
Gl  ei  witz.    I  9:121. 


Gleyre,  G.    IV  1  o  :  65. 

Glinka,  Mich.    I  10:25. 

Glocke.    I  4:249a;  5:198;  10:52. 

Glockenkunde.    I  9 :  458/9. 

Glockentaufe.    IV  9:10. 

Glockner,  Thomas.     I  3  :  89. 

Glöckner,  G.    IV  3  :  356. 

Glottau.    I  9  :  149. 

Gluck,  C.  W.  v.  I  10:60,  98;  IV  2a: 54; 

10:82. 
Glück  (Propst),    m  1  :  157. 

—  J.  L.  F.    I  10:114. 

—  u.  Unglück.    15:1. 
Glückwunschbrief.    IV  2a:  50. 
Gneisenau,    N.    v.      IV    lb:14,     161, 

162/(5,  180;  1c:  31;  2a:  157. 
Gneist,  Eud.    IV  1  b  :  292. 
Gnomisches.    IV   2b:  529-36. 
God  save  the  King.     IV2a:9-il. 
Göben,  A.  v.     IV  1  b  :  310. 
Goeckingk,  L   F.  G.  v.    IV  2a:  116. 
Goedeke,  K.    IV  2  a  :  141 ;  3  : 1,  16,  78, 

190;  8a:  69. 
Görres,  J,    IV  1  c  :  66;  1  d  :  3;  5 :  114; 

10:13,  41. 
Görtz,  Graf.    IV  3  :  59. 
Göschen,  G.  J.     IV  9  :  33. 
Goethe,  Alma  v.     IV  8  h  :  35. 

—  Aug.  v.     IV  1  c  :  20,  27. 

—  Catharina  Elisabeth  IV  8a  :  3, 
8b  :  3,  35,  38/9;  10:61. 

—  Christiane  v.     IV  8b  :  2. 

—  Cornelie.  IV2a:26;  8a  :  25  ;8b:35a. 

—  Friedr.  Georg.    IV  8  b  :  35. 

—  Hans  Chrn.     IV  8b  :  35. 

—  Elisabeth.    IV  8d  :  4. 

—  Joh.  Casp.  IV  8h  :  35;  8d  :  4. 

—  J.  W.  v.  IV  8.  —  I  1  :  22/3,  46,  49; 
2:36;  6:32,  48,  70/7,  101,  108/9, 
117/8,  128,  130,  133/5,  137, 142;  8  :  2, 
12/3,  23/4,27,30,33;  10:5;  12:145; 
II  4  b  :  99-101 ;  IV  1  a :  17,  21,  31,  33/4 ; 
lb:75,  113,  386,  439;  lc:4,  11,  13, 
17,  20,  27,  32,  41/2,  50  58,60/1,65/6, 
68,  72/3,  93,  96;  1  d  :  3;  2a  :  22,  26, 
100,  126;  2b:  112,  126,  134,  138; 
3:6/7,61,  215;  5:102/3,  139,  224, 
238,  352,  354,  398,  442,  463,  489,  513, 
536,  558,  600/1,  627,  647,  652;  6  :  16; 
7:13,  15,  19,  21,  24;  9:4,9,31,83; 
10 :  5,  9,  36,  41,  48,  61. 

—  Lyrik  IV  8o.  —  I  6  :  31;  IV  1  c  :  93; 
2a:  127;  8b:  32;  9:4.  Adler  u. 
Taube  IV  8  c  :  8.  Alexis  u.  Dora 
IV  8c  :  38.  An  d.  Mond  IV  8c  :  9. 
An  Werther  IV  8  c  :  49.  Aussöhnung 
IV  8c  :  49.  Bürgerpflicht  IV  8o  :  51. 
Cantate  z.  Beformationsjubiläum  IV 
8e  :  2.  Chinesisch-deutsche  Jahres- 
und Tageszeiten  IV  8  c  :  50.  D.  Gött- 
liche IV  8c  :  10,  32.  Demoiselle 
Schmehling  IV  8c:  19.  Deutscher 
Pamass  IV  8c  :  12.  Elegien  IV 
1  c  :  96.  Epigramme  IV  5  :  224.  Epi- 
phanias IV  8  c :  25.  Epilog  zu  Schillers 
Glocke  IV  8c:  43/4.  Episteln  IV 
8c:  3.  Erlkönig  I  8  :  24 ;  8c:  13,  26. 
Friederikenlieder  IV  8  c  :  20.  Fischer 
18:12.  Ganymed  IV  8c  :  9-10. 
Geheimnisse  IV  8e:2.  Gesang  d. 
Geister  IV  8o:  9-10,  32.  Grenzen 
d.  Menschheit  IV  8  c  :  10,  32.  Hans 
Sachsens  poetische  Sendung  II  4b :  54  ; 
IV  8b:4l;  8c:  4;8e:2.  Harzreise 
im  Winter  IV  5:345;  8c:  10,  32. 
Heidenröslein  IV  8c  :  21.  Ilmenau 
IV  8c:  28-31;  9:75.  Invektiven  IV 
8  c  :  12.  Kaiserin  Marie  Louise  IV 
la:  2.  Karlsbader  Gedichte  v.  1810 
IV  8c:  4;  8e:2.  König  v.  Thule 
I  1  :  49-50;  8c  :  9.  Künsters  Erden- 
wallen IV  5:  139.  Künstlers  Morgen- 
lied IV  8c  :  8.  Legende  IV  8c  :  2,  4. 
Leipziger  Lieder  IV  8c  :  18.  Letztes 
Gedicht  IV  8c  :  51/3.  Mahomets  Ge- 
sang IV  8c  :  8,  23.  Mailied  IV  8c  :  11. 
Marienbader  Elegie  IV  8c  :  49.  Mas- 
kenzug v.  1818  IV  8e:2.  Meine 
Göttin  IV  8  c  :  10,  32.  Metamorphose 
d.  Pflanze  IV  8  c  :  30.  Miedings  Tod 
IV  8b:  41;  8c:  4;  8e  :  2.  Mignon 
IV  8c  :  9.  Müllerin  Verrath  IV 
1  c  :  74.  Musen  u.  Grazien  in  d.  Mark 
IV  8  c  •  12,  39.  Neuer  Alkinoos  IV 
10:9.  Parabel  IV  8c.  4;  8e  :  2. 
Pindar  IV  8  c  :  8.  Prometheus  IV 
8  c :  9,  32.  Pseudogoethesche  Gedichte 
IV  8c:  1/2.    Sänger  18:  31;  8c:  27. 


Seefahrt  IV  8  c  :  10.  Sprache  IV 
8o  :  8.  Sprüohe  IV  8o  :  42.  Trilo- 
gie  d.  Leidenschaft.  IV  8  c  :  49.  War' 
nicht  d.  Auge  sonnenhaft  IV  8c:  41. 
Wandelnde  Glocke  IV  9  c  :  45.  Wan- 
derers Sturmlied  IV  8c  :  9,  11,  32. 
West-östl.  Divan  IV  9c:  46.  Will- 
kommen u.  Abschied  IV  8c:  11.  Xenien 
IV  8c  :  12,  35/8,  48.  Zueignung  IV 
8c:  33. 
Goethe,  J.W.v.  Epos  IV  8d.—  Falke  IV  8e : 
32/3.  Guten  Weiher  IV8d:  3,  40.  Her- 
mann u.  Dorothea  I  6 :  16,  47, 75/6, 128 ; 
IV  3  :  45;  5 :  605;  8b  :  2,  39;  8d  :  4-21. 
Märchen  IV  8  d  :  39.  Novelle  IV 
8  d  :  3,  4 1 .  Beineke  Fuchs  IV  8  d  :  38. 
Unterhaltungen  deutscher  Ausgewan- 
derter IV  8d  :  3.  Wahlverwandt- 
schaften IV  8b  :  33;  8d  :  42.  Werther 
IV  le  :  17,  27,  41/2,  58,  60,96:  3:41; 
8b  :  20;  8d  :  22-32.  Wilhelm  Meister 
I  6:  134;  IV  lc  :  17,  60;  5:377; 
8c:  41;  8d:3,  29,  33/7;  10:7. 

—  Drama IV 8 e.  -  IV8h:32.  Claudina 
v.  Villa  Bella  I  8  :  23;  IV  lc  :  10. 
Clavigo  IV  8e:6,  13,  25/9.    Egmont 

I  6  :  73/4;  IV  8e  :  6,  37-43.  Epime- 
nides  Erwachen  IV  8  e  :  67.  Elpenor 
IV  8  e  :  36.  Fastnachtspiele  IV  8  e  :  8. 
Fautt  I  2  :  36;  3  :  155;  6  :  W/4,  45/6; 
8  :  12;  12  :  222;  II  3  :  38;  IV  lc  :  27, 
60,  93;  3:110;  5:128,  238,  398; 
8b  :  20,  61 ;  8c  :  41 ;  8e  :  6,  8,  68-125; 
9:4,  166.  Fischerin  IV  8e:34/5. 
Geschwister  IV  8  e  :  f>.  Götz  I  6 :  128; 
III:  62;ni5:80;IVla:2;  lc:27; 
2a:  116;  3:16,  60;  8b:  32;  8e  :  6, 
12-23,  25.  Grosskophta  IV  8e  :  b2/4. 
Iphigenie  auf  Tanris  I  6  :  »19-72; 
IV  lc:96;  8c:  6,  44-55.  Jahr- 
marktsfest zu  Plundersweilern  IV 
8e  :  8.  Laune  d.  Verliebten  IV 
lc:96;  8e  :'6,  11.  Mitschuldigen 
IV  8e:  6.  Natürliche  Tochter  IV 
8  e  :  6,  65.  Neuste  aus  Plundersweilern 
IV  3  :  69;  8e  :  8.  Pandora  I  8  :  27. 
Pantomimisches  Ballett  v.  1782.  IV 
8e  :  2.  Eequiem  für  d.  Fürsten  v. 
Ligne  IV  8e  :  2.  Satyros  IV  8e  :  24. 
Schillers  Totenfeier  IV  8b :  43;  8  e  :  2, 
66;  9:11.  Stella  IV  5:  37;  8b  :  49; 
8e  :  6,  30/1.   Tasso  I  8  :  23;  12  :  222; 

II  1  :  78;  IV  lc:  96;  8b:50;8e:6, 
56-61. 

—  Antikes  Theater  IV  8b:  14.  Dich- 
tung u.  Wahrheit  I  6  :  78;  IV  8b: 23/7. 
Campagne  in  Frankreich  IV  8b:  28, 
52.  Farbenlehre  I  2  :  36;  IV  8a  :  52;  (. 
Homerische  Frage  IV  8  b  :  14.  Italie- 
nische Reise  I  6:77;  IV :8b:  14/6, 
29-30.  NachlassIV3:58.  Paulinzelle 
IV  8b  :  1.  Propyläen  IV  lc  :  96. 
Rameau  IV  10 :  82.  Schweizer  Reise 
IV  8b:  4.  Tagebücher  IV  8b:  1,  12. 
Tag-  u.  Jahreshefte  IV  8a-67 ;  8  b  :  1. 

—  Ottilie  v.    IV  lc:27. 
Bibliothek.    I  3:157/8. 

—  Bildnisse.  I  9  :  255;  IV  3 :  63 ;  8  a :  5, 
21/2. 

Biographien.    IV  8b:  31/3. 

Denkmäler.    IV  8a:  11/7. 

Erinnerungsstätten.    IV  8a:  19-24. 

Feier.  IV  8a:  34. 

Gedenktafel.     IV  8a:7-t0. 

Gesellschaften    u.    -Vereine.      IV 

8  a :  25-32,  35.    England  IV  8  a :  80/1. 
Haus  zu  Frankfurt.    IV  8a:  19,21. 

—  -Litteratur.  I  3  :  159;  IV  8a:  25,  74. 

Museum.    IV  8a  :  16;  8b  :  46. 

National- Museum.     IV  8a:  21. 

Schiller- Archiv.       I    3  :  36  n;    U 

4b:  54,  100;  IV  8a:  29. 
Götschen,  Frau.     IV  3  :  59. 
Göttingen.     I  4  :  309. 
Göttinger  Hainhund.    IV    1  d  :  3 ;    2a: 

62/9;  3:41-63. 
Göttling,  K.     III  4  :  8. 
Götz  v.  Berlichingen.     II  1  :  62/3. 

—  J.  N.    IV  lc:39;    2a:  34,  45/6. 
Goeze,  J.  M.    IV  6  :  38. 

Gogol,  N.    IV  3  :  10. 
Gohlis.    IV  9  :  18. 
Goldencron  (Stift).    U  3  :  51. 
Goldmarck,  K.     I  10  :  57. 
Goldschmidt,  A.  v.    IV  2  b  :  190. 
Goldschmiede.      I     4  :  204/5;     9  :  190, 

449-57. 
Goldsmith,  0.    IV  1  d  :  62. 


Sachregister. 


Goltz,  Bognmil.    IV  1c:  50. 
Goncourt,  Ed.  u.  J.  äe.    IV  5  :  463. 
Gontard,  Snsette.    IV  10  :  34. 
Goslar.    I  4  :  110,  259,  310. 
Gossembrot,  Sigism.    I  3  :  268. 
Gotha.     I  9  :  413. 

Gotter,  F.  W.  IV  2a  :  69;  5  :  459. 
Gottfried  v.  Strassburg.  I  6  :  107. 
Gotthelf,  Jer.     IV   1  a  :  43  ;   3  :  359-66, 

402,  413. 
Gottschall,  E.V.    IV  2b  :  340;  3:573; 

5 :  450. 
Gottsched,  J.  Chrph.    I  7:17,  185,  196, 

202,    221;    8  :  30,   33;    12  :  22,    146; 

1114:24;  5:51/2,  72-80;    IVla:17; 

lc:78;    2a:  33,   53;     3:22;    5:1, 

224,  446. 

—  Wilhelmine  Albertine.    IV    1  a  :  17. 
Goulart,  S.     I  11  :  48. 

Gounod,  Ch      I  10  :  193/6. 

Grab  auf  d.  Heide.     IV    2b:  77,    81. 

Grabbe,  Chrn.  D.     IV  1c:  58;    9:52; 

10  :  82. 
Grabschriften.     I  5  :  357/9. 
Grabsteine.     I  4  :  22  a. 

Gracian,  B.    I  4  :  85;  III  1  :  206;  5  : 2, 

70,  70  a. 
Graesse,  J.  G.  Th.     I  9 :  446. 
Grammatik.    16:2,  19,  21/2,  120,  146; 

7:102/8;  12:  27. 
Grammatiker.     I    7:11/2,  14/7,   19,   21. 
Gramont,  Herzog  v.    IV  1b':  240/1. 
Gramsbergen,  P.     III  4  :  24. 
Graphologie.    I  3  :  40/7. 
Grafs,  K.  Th.     IV  1  a  :  10. 
Gratulationsgedichte.     IV  2a:  27. 
Grau,  K.     IV  5  :  259-31. 
Graudenz.    I  9  :  148. 
Grauert,  H.     IV  1  b  :  205,  416  b. 
Grebel,  K.    III  5  :  1. 
Greflinger,  G.    IV  10:41. 
Gregor  XIII ,  Papst.    II  1:15. 

—  v.  Tours.    I  11  :  7. 
Gregorovius,  F.  I  7:201;  IVlc:67a/8; 

2  b  :66,  264;  5:366/8. 
Greif,  M.    II  4  b  :  52;  IV  2  b  :  358. 
Greinz,  R,  H.     IV  1  a  :  40. 
Grenzbegehung  im  Volksbrauch.  15:71. 
Griechisch.     I  12  :  25/6;  12  :  214. 
Griechenlieder.    IV  2  b  :  14,  17. 
Grien  s.  Baidung,  Hans. 
Griepenkerl,  F.  K.  K.     I  12  :  178. 

—  W.  E.    IV  1  c  :  58. 
Gries,  J.  D.    IV  10  :  1. 
Griesbach,  J.  G.    IV  1  a  :  33. 
Grillparzer,    F.     I     6  i  134  ;      7:28/9; 

8  :33;  10:  64;   IV  lc:68;    Id. -64; 
2b:  124/8;  5  :  463,  536;  8b:  20/1. 
Grimm,  Fr.  Jlelch.     IV  Id  :  1. 

-  Herrn.  I  11  :  23;  IV  5:366,  649; 
8a:  30;  8e:46;  9:9. 

-  J.  I  2:3/7,  11/2;  5  :  200-29,  233/5, 
247;    6:  104,    126;   7:  126;    12:93/5; 

11  2:36;    IV   lb:191:   lc:27;    3: 
170/1;  5:398,  647;  7:26;  10:1,  102. 

—  W.  12:3,  11/2;  5 :  200-29,  233<5, 
247;  6:104,  126;  7:  126;  II  2:36; 
IV  3  :  170/1 ;  10: 1. 

Grimmeishausen,  H.  J.  Chr.  v.   15:5; 
7:  183;  III  3:7/9;  4:22;  IV  3:  12. 
Grimminger,  Ad.    IV  2  b  :  334 ;  3  :  286. 
Grisebach,  E.    13: 282. 
Grobian,  St.    I  5:296. 
Grobianus.     II  5  :  100/2. 
Gröllhesel,  P.    15:  267. 
Groningen.    I  4  :  208. 
Groot,  H.  de.    III  5:1. 
Groschlag,  Frhr.  v.     IV  3  :  59. 
Grosse,  J.    IV  1  c :  50,  66. 

—  K.    IV  10  :  82. 
Grossenhain.     I  9  :  462. 
Grossmann,  G.  F.  W.     IV  2a: 21. 
Grosssortiment.     I  3  :  403. 

Groth,  Kl.   IV  la:37;  lc:60;  2a:l; 

2b:  256-90;  3:257/8. 
Grotius,  H.     III  6:1. 
Grotthuss,  J.  F.  v.    IV  1  a  :  10. 
Grün,   Anast.    IV    lc:58;      2b  :  112, 

156-60;  3:447;  5:442. 
Grünhagen,  C.     IV  1  b  :  60. 
Grünewald,  Matth.    I  9  :  198. 
Grünwald,  Mart.     I  12  :  236. 
Gruber,  C.    IV  lb:  22;  8d:6. 
Grüner,  Just.  v.    IV  1  a:  29;  1  b  :  137; 

1  c :  21. 
Gruppello,  Gabriel  de.    19: 143. 
Gruppe,  0   F.    I  11:23. 
Gruter,  Janus.    II  7 : 6;  III  1 :  183. 


Gryphius,   A.     I   8:30;    12:192;    III 

4 : 9,  14. 
Guardian,  Pater.    15:330/1. 
Guben.    I  4:88;  7:44. 
Gudrun.    T  6:107,  120,  142;  8  :  31. 
Gümpel,  Mart.    II  2:30. 
Günderode,  Karoline  v.    IV  10:61/7. 
Günther,  J.   Chrn.    I   6:130;    8:30/1; 

10:51/3;    III  2:33/6;     IV    2a -.21; 

8c:  11. 

—  v.  Eeutlingen  (Buchdrucker)  I 
3:53. 

Güssfeldt,  P.    IV  5  :  397. 
Guhrauer,  G.  E.     IV  1  c  :  60. 
Guicciardini,  Fr.     III  5  :  6. 
Guilbert  v.  Nogent.    IV  1  c :  77. 
Guitarre.     I  10:41. 
Gumppenberg,  Ambr.  v.     II  1 :  36. 

—  H.  v.     IV  la:16. 

Gurlitt,  Corn.  19:7,  160,  276,  362, 
430. 

—  L.    19:  236. 

Gustav  III.,  König  v.  Schweden.  IV 
lb:77. 

—  Adolf,  König  v.  Schweden.  III  1  : 
37-88. 

Gustaviade,  D.     IV  3  :1. 
Gustel  v.  Blasewitz.    IV  9 :  22. 
Gutenberg-Bibeln.     I  3:49. 

Denkmal.     I  3  :  50,  439. 

Drucke.    I  3  :  94. 

Gesellschaft.    I  3  :  94/5. 

-Halle.     I  3  ■  439. 

Guts  Muths,  J.  Chr.  F.     I  6  :  94. 
Gutschmid,  A.  v.     IV  5  :  369,  398. 
Gutzkow,  K.    IV  1a:6;   lc:27,  50/!, 

58/9,66;  3  :402;  5  :  139,  397;  9: 10. 
Gymnasium  s.  Schulen. 

Haarhaus,  J.     IV  1a:  14. 
Haas,  K.  de.     IV  la:  44. 
Haberfeldtreiben,    I  5  :  58/9. 
Hackel,  H.     I  12  :  71. 
Hackenschmidt,  Chrn.     IV  2b  :  100. 
Hackert,  Ph.     IV  8b:  2. 
Hackländer,    F.    W.      IV    1  c  :  58,    94; 

3  :  26-S  402,  593. 
Haeckel,  E.    IV  6  :  52/;*,  558. 
Hähnel,  E.  J.    I  9  :  23;  IV  1  o  :  63. 
Händel,  G.  F.     I  10  :  94/5. 
Händelhaus  in  Halle.     I  10  :  94. 
Händelklavier.     I  10  :  95. 
Härtel  s.  Breitkopf  u.  Härtel. 
Häusser,  L.  IV  t  b  :  451 ;  1  c :  50;  5  :  380. 
Hafftitz,  P.   I  3  :  177;  II  3:62;  6:227. 
Hagbart  u.  Signe.     II  4  b  :  70. 
Hagedorn,    F.    v.      I    6:104,    130;    III 

2:39;  IV  la:18;  1  c:  72;  2a:  21,  29. 
Hagel,  Christine  (Bibi).    IV  1  c  :  40. 
Hagemann,  Laura.     IV  2a  :  63. 

—  Lucie  Juliane  (verm,  Meister).  IV 
2a:  63. 

Hagen,  A.     IV  2a  :  155/6. 

—  K.    IV  2b:  197. 

—  F.  H.  v.  d.    12:  17;  IV  10:  1,  41. 
Hager,  G.    I  11  :  29;  II  2  :  23,  31/2. 

—  H.  I  3:  111. 

—  J.    13:  469. 

Hahn  im  Volksbrauch.     I  5  :  57. 

—  Elise  (verm.  Bürger).     IV  2a:  106. 
Hahn,  Ida  Gräfin.  IV  1  a  :  6 ;  1  c  :  66 ; 

3:471. 
Hailmann,  L.    II  2  :  39. 
Haimonskinder.     III  3:1. 
Hainhofer,  Ph.    II  1  :  143. 
Hainich.     I  4  :  323. 
Halbe,  M.     IV  la:  16. 
Halberstadt.     I  4  :  252. 
Haies,  J.     III  5  :  1 . 
Hallart,  General  v.     III  1  :  156. 
Halloren.     I  4  :  439. 
Haller,   A.   v.     III   6:80;   IV   la:  18; 

1c:  60;   2a:  30,  58;  3:  13,  28;   IV 

5:6. 

—  L.    IV  5  :  558. 
Hallervord,  J.    I  3  :  361. 
Halle  a.  S.     I  4:312;  7  :  80/1. 
Halm,  F.  s.  E.  Frhr.  v.  Münoh-Belling- 

hausen. 
Hals,  F.     I  9  :  23. 
Halsbandprozess.    IV  8e:64. 
Hamann,  J.  G.    IV  1  c  :  79;  5  :  238,  261, 

622;  7:  18. 

—  H.  0.     IV  2a:  67. 
Hambach,  J.     II  6  :  155. 

Hamburg.  I  4  :  66,  147,  213,  231,  258, 
301/4  a;  9:438/9,  443;  IV  5:288: 
7 :  15. 


Hamel,  E.    IV  3  :  29. 

Hamerling,  E.  16:134;  IV  lc:51; 
ld:66;  2b:  66,  169-73;  3:416-34; 
5  :  67,  544. 

Hammer-Pnrgstall,  F.  v.     IV  2b  :  112. 

Hammerstein,  Burggrafen  v.    I  4:441. 

Handel.    I  4  :  213/6. 

Handelsakademie,  Wiener.     I  3  :  310. 

Handarbeiten,  weibliche.    I  12  :  92. 

Handelssprache.    I  7  :  190/1. 

Handschriften  (s.  auch  Archive,  Biblio- 
theken, Briefwechsel).  I  3  :  16-36, 
44,  284;  IV  2a:  25.  In:  Amsterdam 
II  2  :  49-50.  Aurich  II  6  :  207.  Augs- 
burg 116:16.  Berlin  13: 18;  11:29; 
II  2  :  32/3,  48.  Dresden  II  2  :  3.  Dnr- 
lach  I  3  :  20.  Erlangen  I  11  :  29;  II 
2  :  32.  Erlau  II  4  a  :  6.  Ettenheim- 
münsterI3:20.  Freiburg i.B.  II 2 :29a. 
Göttingen  I  3  :  16/7;  II  6  :  155,  167. 
Gotha  II  6  :  195;  IV  1  c  :  2.  Heidel- 
berg I  3  :  32.  Helmstädt  II  4a:  8. 
Hildesheim  I  3  :  99.  Jena  II  6  :  53, 
65.  Kassel  III  4  :  3.  Lichtenthai  I 
3:20.  München  I  3:21;  4: 125;  II 
3:3;  6:9,  23/4,  29-30;  III  4:2t; 
IV  1  c  :  90.  Münster  II  6  :  269.  Pest 
II  2  :  23;  4b  :  82.  Pirna  II  6  :  173. 
Eastatt  I  3  :  20.  Eeichenau  I  3  :  20. 
Eiga  IV  1  c  :  42.  Salzburg  III  4  :  29. 
St.Blasien  13:20.  St.  Gallen II  4  a: 6. 
Strassburg i.E.  II 6  :  251.  Trier I  3: 19. 
Villingen  I  3  :  20;  Weimar  II  2  :  32, 
34,  48.  Wien.I  11  :  29.  Zellerfeld  II 
6:172.    Zürich  IV  1  c  :  42,  78. 

Handschriftenbeurteilung.     I  4  :  123. 

Handschriftenherstellung.     I  3  :  30. 

Handschriftenillustration.     I  3  :  30. 

Handschriftenvervielfältignng.  13 : 3'i/6. 

Handschriftenverzierungen.     I  3  :  25. 

Hango,  H.     IV  1  a  :  39. 

Hannover.    I  4:  308-11. 

Hansa.     I  4  :  206/3 ;  III  1  :  90. 

Hansjakob,  H.     IV  1  c  :  87;  3  :  694. 

Hanslick,  E.     I  10  :  12,  272;  IV  5:  499. 

Hanswurstspiel.     I  5  :  279. 

Hardenberg,  K.  A.  Fürst  v.     IV  5  :  601. 

—  F.  v.  (Novalis).  IV  lc  :  27,  50,  68; 
5  :  149,  238;  10: 1,  27/9,  35,  41,  61,  82. 

Hardt,  H.  v.  d.     III  5  :  53. 
Harfe,  D.  sprechende.    15:1. 
Harkort,  F.     IV  1  b  :  316/7. 
Harms,  0.     IV  5  :  269. 
Harnack,  Ad.     IV  5  :  558. 

—  0.     IV  8a:  62. 

Harrer    (Sächsischer    Kammermeister). 

I  4:  162. 

Harries,  H.     IV  2a:  10. 

Harsdörffer,  G.  Ph.  I  7  :  15  ;  III 1 :  191/2; 

2:22;  5:3-10. 
Hart,  H.    IV  la:12,  16. 

—  J.    IV  la:12,  16. 
Hartenfels.     14:  332a. 
Hartfelder,  K.  I  12  :  55-66;  II  7 :  8, 19. 
Hartlaub,  W.    IV  2b:  6,  8. 
Hartleben,  0.  E.     IV  1  a  :  16. 
Hartmann,  A.     II  4  a :  37. 

—  E.  v.  I  10:12;  IV  5:149,  151,352, 
556. 

—  Isr.    112:  227. 

—  M.    IV  lc:66;  2b:162;  5:590. 
Härtung,  G.  L.    IV  9:31. 
Harzgendorf.     I  4:319. 

Hase,  K.  A.     IV  10:4. 

—  K.  B.    I  4:469;  IV  lc:72;  5:398. 

—  K.  v.    IV  lc:  83;  5:272,  314/5,  350. 
Hasemann,  W.    19:  308. 
Hasenauer,  K.  v.    19:  381/8. 
Hasner,  L.  v.     IV  lb:3-<9. 

Hass,  J.  (Hasse.)     II  1 :  92 ;  6  :  20. 

—  M.    IV  8a:  33. 

Hassenstein,   Bohuslous   Lobkowitz    v. 

II  1  :  82. 

Hauenschild,   R.  G.  Sp.  v.    IV  lc:58. 
Hauff,  W.    I  10:51/3;  11:5;  II  2:40; 

IV  3:314/5;  10:82,  125-40. 
Hang,  J.  Chr.  Fr.     IV  2a:  131;  2b:  1; 

9:32. 
Haugwitz,  A.  A.  v.     III  4:11. 

—  Chr.  A.  v.    IV  1  b  :  402. 
Haupt,  M.    IV  1  c  :  74 ;  6  :  398. 
Hauptmann,    G.      IV    la:21;    ld:7; 

3:560/1,  580;  5:536. 
Haus,  deutsches.     I  4  :  220. 

—  Lützelburger.    I  9:204. 
Hausbau.    I  4:217-223. 
Haushofer,  M.     IV  la:14, 
Hausindustrie.    14:188,191. 


Sachrejj-  ister. 


Hansmalerei.    I  9 :  373. 

Hausmarken.     I  4:110a. 

Haus-  u.   Hofmarken.     I  6  :  65. 

Hausmusik.    I   10:  10. 

Haussprüche.     I  4:133. 

Hauteroche     (Französ.    Dichter).       III 

4  :24. 
Hao  kin  tschuen    (Chines.  Roman).    IV 

J<d:33. 
Haydn,  J.    IV  8e:93. 

—  M.     I  10:55. 

Haym,  R.    IV  7:22;  10:4,  8. 
Haymann,  Chph.     IV  2a:  52. 
Hebbel,  Christine.     IV  8a:  25. 

—  Fr.  I  1:22;  7:22;  IV  la:6,  37; 
to:27,  51,  58;  1  d  :  3,  49;  2b:  153/5; 
3:95/7;  5:558;  Sa: 25,  29;  10:6,  «2. 

Hebel,  J.  P.    16: 104,  126,  128;  7 :  27; 

IV  2a:  134/7;  3:51/5. 
Hecht,  W.    19:  422. 
Hechtel  (Buchdrucker).    I  3:361. 
Hecker,  J.  J.    16:  94. 
Heckscher.     IV  5  :  564. 
Hederich,  Fr.     IV  3  :  599. 
Hedio,  K.     11  6  :  17. 
Hedwig,    Herzogin    v.   Schwaben.      IV 

3:217. 
Heermann,  J.     II  2  :  2;  6  :  163. 
Hegel,  G.  F.  W.     I  1  :  4;  IV  lb  :  114; 

lc:68,    93;    ö  :  118-26,    140,    208, 

238a,  352,  397/8,  558;  8b:  2;  8c:  47, 

10  :  34. 

Hegeler,  W.  IV  1  a  :  16. 
Hegner,  Ulr.  IV  5  :  210. 
Hehn,  V.    I  2  :  36;  5  :  640/8,  558;  8c  : 

10;  8d:  5;  8e:76. 
Heiberg,  H.     IV  3  :  566,  595. 
Heideck,  F.  Herr  zu.     II  5  :  26. 
Heidelberg.     I  4  :  351;  II  1  :  1. 
Heidnecker.  V.    II  6  :  59. 
Heidt,  K.  H.    IV  >e  :  16. 
Heigel,  K.  Th.    IV  lb  :  130,  416b. 
Heil,  G.     IV   I  b:  441. 
Heil  dir  im  Siegerkranz.     IV  2a  :  9-10. 
Heilbronn.    I  4  :  175. 
Heilmagnetismus.     I  4  :  144. 
Heimburg,  G.     III  5  :  1. 

—  W.    IV  3  :  523/4. 
Hein,  Freund.    I  5  :  147. 

Heine,  H.      15:290;    7:201;     8:23; 

11  2:  63;  IV  la:6,  8;  lb:  194; 
lc:50,  58,  66;  2b:  64,  161/2;  3: 
17;  5  :  352,  442,  471,  540,  558,  590; 
9:52,  180;  10  :  82. 

Heinefelsen.    IV  1  a  :  40. 
Heinesage.     I  5  :  245. 
Heinitz,  Minister  t.     14:  172. 
Heinrich  d.  Löwe.    II  3  :  7. 

—  Prinz  v.  Preussen  (Bruder  Friedrichs 
d.  Grossen).    IV  1  b  :  67. 

—  —  (Bruder  Kaiser  Wilhelms  II.). 
IV  1  b  :  372. 

—  Julius  t.  Braunschweig.    III  4  :  5,  7. 

—  —  v.  Nördlingen.     IV   lc:77. 
Heinrichs  Buch.     II  3:1. 

Heinse,  J.  J.  W.    IV  lc:41,  93;    2a: 

40;    3:74/7;    5:398,    471;    8e:24; 

10:  34,  56,  61. 
Heinsius,  M.    III  3  :  16. 
Heinz,  J.    19:  188,  204. 
Heinzelmännchen.     I  5  :  196. 
Heinzelmann,  W.    IV  8a  :  45. 
Heiding,     AI.     (Sidonius).       II     5  :  13; 

t> :  26. 
Helena.     I  11  :  t;  IV  8e:  123. 
Helene,  Herzogin  v.  Orleans.     IV    1  b  : 

439. 
Hell,  Th.    1  10:  137;  IV  2a:  11. 
Heller,  St.    IV  1  c  :  60. 
Helm,  G.    IV  3:414. 
Helraer  (Bildhauer).    IV  8a  :  12/7. 
Helmholtz,   H.  v.      IV  5  :  503-17,   652; 

8a:  99-102. 
Helmstetter  (General).    IV  1  b  :  103. 
Hemd  d.  Glücklichen.     15:1. 
Hemmerli,  F.    IV  2b  :  223. 
Henckell,  K.    IV  U:  16;    2b:  3,   413. 
Hendrich,  H.    I  9  :  347. 
Hengstenberg,  E.  W.     IV  5  :  252,  269, 

325. 
Hennings,  K.    IV  5  :  600. 
Hensel,  Luise.    IV  ld  :  3;  10  :  1. 

—  W.    19: 300. 

—  Wilhelmine.    IV  2b  :  18. 
Henrici  (Architekt).    I  9  :  373  a. 
Henricus,  N.    II  1  :  87. 
Henricus  I,   Stephanus.    I  3  :  77. 
Henzi,  S.    IV  9  :  166. 


Heraldik.     I  3  :  338/9;  4  :  447,  450a/i. 

Herbart,  J.  F.  I  6:94;  12:30,  49, 
83,  134,  157;   IV  6:133/6,  238,   397. 

Herbartianer.    I  12  :  178. 

Herbert  v.  Cherbury.    II  [  5  :  1. 

Herbst,  Magnus.     I  3  :  89. 

Herchner,  H.    IV  3  :  68. 

Herder, J.G.v.  IV  7.  -  1 1  :  50;  6  :  135; 
8:24;  IV  la:2,  10,  33;  lo:4,  41, 
79;  5  :  37,  102/3,  224,  377,  440,  558; 
6:30;  8a:  29;  8b:  32;  8c:  2t;  8e: 
24;  9:97;  <0:61,  102.  Adrastea 
I  6  :65;  IV  7:24,  31.  Auch  e. 
Philosophie  z.  Gesch.  d.  Menschheit 
IV  7  :  24.  Briefe  z.  Beförderung  d. 
Humanität  IV  7  :  2u,  24.  Christliche 
Schriften.  IV  6  :  21.  Cid  1  6  :  65/7; 
IV  Ic:  32;  7:31.  Denkmal  Winckel- 
manns  IV  7  :  23.  Eduard  IV  3  :  20. 
Erzählungen  I  6  :  235.  Ideen  I  6  : 
134;  IV  7:  1/7,  19,  22/1.  Iduna  IV 
7:21.  Journal  meiner  Reise  I  12: 
214.  Kalligone  IV  7:21.  Kritische 
Wälder  IV  7  :  24.  Legenden  IV  7  : 
1/7  Metakritik  IV  7  :  21.  Seereise 
IV  7  :  15.  Stimme  d.  Völker  IV  7  : 
24,  29.     (S.  auch  Flachsland.) 

—  -Bildnis.    I  6  :  136. 

Denkmal.     IV  7:1/7. 

Geburtshaus.    IV  7  :  1/7. 

—  -Wortschatz.    IV  7  :  26,  31. 
Heredia,  R.  Graf,  v.  Benaharis.  I  3  :  291. 
Herford,  C.  H.     II  1  :  90. 
Hergenroether  (Kardinal).  IV  5  :  558. 
Hermann,  Fr.  L.     II  4b  :  71. 

—  Nik.    II  1:82;  6:  163. 

—  W.    IV  6  :  228. 

—  Wolfg.  (Kyriander).    II  6  :  192. 
Hermannstadt.     I  9  :  188. 
Hermenentik.     III  5  :  1. 
Hermes,  Dan.     IV  5  :  86. 

—  G.    IV  5  :  69. 

—  J.  Th.    IV  3  :  7,  278. 
Hero  u.  Leander.    I  11:3. 
Uerodol.     IV  1  c  :  68. 
Herold,  H.     IV  1  a  :  13. 

—  (Verein).    I  4  :  448. 
Herrfurth,  0.     IV  lb  :  441. 
Herrig,  H.    IV  5  :  149. 
Herrmann,  C.  F.     IV  5  :  398. 

—  G.    IV  5  :  398. 

—  M.    II  7:  19;  4b:  12. 
Hertz,  H.  (Physiker).     IV  5  :  517. 

—  M.    IV  5  :  398. 

—  W.  IV  la:  14;  lc:  13;  3:  328; 
8a:  100. 

Hertzka,  Th.     IV  3  :  14. 
Herwegh,  Emma.     IV  1c:  93.. 

—  G.  I  10:  131;  IV  la:6;  1  c  :  56, 
59,  93;  2b:  1,  6/7,  44/5;  5:567. 

Herzen,  A.     IV  2  b  :  33/4. 

Herzfabel.     I  5  :  241. 

Hess,  K.  A.  H.    19:  136. 

Hessus,  Eob.  (Hess,  Hesse).    II  1:140; 

6:  155;  7:6. 
Hessen.    I  4:  261,  331/2*.  451 ;    7:72; 

9:137;  III  1:100. 
Hettner,   H.     12:41;    1111:205;    IV 

lc:58,  93;  3:367. 
Heizer,  L.    III  5:1. 
Heumann,  A.     IV  3:67. 
Heupold,  B.    II  5 :  46. 
Hexameter.    1  8:1/2,  25/6,  30. 
Hexen.     II  3  :  62. 

Hexenverfolgnngen.     14:9,  138-41. 
Hexenprozess.     II  6:2,  37,  246. 
Hexenwahn.     15:138-44,ly8. 
Hey,  W.    IV  5:617. 
Heydendorff,  D.  K.  v.    IV  2a:  27. 

—  M.  v.,  d.  Ae.    IV  2a: 27. 

—  (Familie).     IV  2a:  27. 
Heyer,  M.    IV  1  c  :  99. 

Heyne,  Ch.  G.  112:186;  IV1a:l7; 
lc:88;  2a:  I05;  3:61;  6:3. 

—  Therese.    IV  1  a  :  34. 
Heyse,  J.  Chr.  A.    I  12:222. 
-Paul.    1  1:46;  6:127;   7:201;  8: 

33;  IV  1a:  20;  lc:13,  50,  68,60, 
66,  76;  2b:  333/4;  3  :  255,  332/8,680; 
5:398;  8a: 32. 

Hiatus.    I  7:  13;  8:2,  29,  35. 

Hiecke,  R.  H.    16:  94. 

Hieronymus.     I  1  :  32. 

Hildeberley  Turonensis.     IV  6:12. 

Hildebrand,  Ad.     19:  8. 

—  (Architekt).    I  9  :  223. 

—  R.  I  1:70;  2:42-55;  6:  I,  3/4 ;  12 
93;  IV  8a:  107. 


Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litterat  Urgeschichte.     V. 


Hildebrandslied.    I  1  :  49;   IV  2b  :  95. 
Hildebrandston.    I  8:31. 
Hildegard  v.  Bingen.    IV  1  o  :  77. 
Hildesheim.     I  4  :  133,  261. 
Hilfsmittel,    litterarische.     I  1  :  86-97. 
Hille  (Familie).     I  4:4i>8a. 

—  Peter.    IV  la:12,  16. 
Hillebrand,  K.     IV  5  :  590. 
Hiller,  F.     IV  2b:4ß. 

—  J.  A.    I  10 :  45,  97. 

Hillern,  Wilhelmine  v.    IV  3  :  579. 

Hilverding,  J.     IU  4  :  22. 

Himmel,  F.  H.     I  10  :  45. 

Hippel,  Th.  G.  v.    IV  1  a  :  10 ;    l  c  :  79. 

Hirsch,  A.     IV  5  :  502. 

Hirssfelder,  B.     I  7  :  7a ;  II  5  :  65. 

Hirt,  A.     IV  8b  :  3a,  8a,  15/6;  8d  :  9. 

Hirtenlieder.     I  5  :  304. 

Hirtenorden.     UI  5  :  3/9. 

Hirtz,  D.    IV  2  b  :  99-103. 

Hirzel,  G     IV  3  :  103. 

—  L.    IV  3  :  67. 

Histori  v.  d.  schönen  Elisa.     II  3  :  6. 
Historiker.  III  5  :  40a/3;  IV  5:  354-96. 
Hitzig,  J.  Ed.     IV  10  :  82. 
Hobrecht,  M.    IV  3  :  596. 
Hochstift,   Freies   deutsches.    IV    8a: 

19,  25,  33. 
Hochzeiten.    II  l  :  129-31. 
Hochzeitsbräuche.     I   5  :  66,    68/9,   79, 

83,  88. 
Hochzeitslieder.     III  2  :  2. 
Hock,  A.    13:  154. 
Hoeck,  Th.    II  1  :  82. 
Hölderlin,  F.    IVld:3;   5:418;    10: 

34-40. 
Höllenbau.     I  5  :  240. 
Hölty,  L.    I  6  :  104;  11 :  3;  IV  ld  :  3; 

2a:  63/4. 
Hökel,  Ed.    13:  374. 
Höpfner  (Leipziger  Professor).    1Y  8  b  : 

27  a. 
Höpli,  U.    I  3  :  376. 
Hörmann,  Angelica  v.     IV  2b  :  180/1. 
Hofdichtung.    III  2  :  37. 
Hofer,  A.    IV  l  b  :  124-30. 
Hoffmann,  A.     13:  359. 

—  E.  T.  A.   IV  1  c  :  32;  3  :  106;  5  :  627; 
9:52;  10:82-90,  125. 

—  F.    IV  3  :  170/1,  174. 

—  G.    I  12  :  2t0. 

—  H.  (Struwelpeter).    IV  5  :  620/1. 

—  Hans.    IV  2b:  361/3. 

—  Herrn.    U  1  :  28. 

Donner,  H.    IV  2b  :  283;  3  :  597. 

—  v.  Fallersleben,  F.     IV  la:6;    lc : 
44,50,58;  rd:  3;  2b:  46-60;  3:367. 

—  -Rorer,  Micheline.     IV  10  :  82. 
Hoffmeister,  J.     II  6  :  5. 
Hoffory,  J.     I  11:11, 
Hoffstätter.    IV  lb:99. 
Hofkalender,  Gothaischer.    IV  1  b  :  7. 
Hof  leben.    I  4  :  26;  II   I  :  112. 
Hoflied,  bürgerliches.    I  4:  118. 
Hoflitteratur.     III  1  :  206;  5  :  2. 
Hofmann,  A.    I  9:373  b. 

—  L.  v.    19:  36. 

—  L.  A.    IV  lb:99. 
Hofmannswaldau,    Chrn.  v.     III  2:31. 
Hofmeister,  Ad.     II  ö:  107;  IV   3  :  254. 
Hofmeisterwesen  im  18.  Jh.    I  12:34. 
Hofnamen.     1  5:413. 

Hoftänze.    I  10 :  65. 

Holienheim,  Franziska  v.     IV  9 :  17. 

Hohenlohe-Schillingsfürst,  Fürst  v.  IV 

1  b :  282. 
Hohenstaufen.    I  4  :  354. 
Hohenzollernsagen.     I  5  :  192. 
Holbeiu,  H.     I  9  :  81,  191. 

—  d.  J.    I  9:204. 

Holberg,  L.    I  11:49;  IV  la:21. 
Holcroft.    IV  8b:  2. 
Holland,  W.  L.     IV  10:102. 
Holstein-Mengersen,    M.  Gräfin    v.     IV 

la:12. 
Holtei,  K.    IV  lc:49;  ld:3;  2b:51. 
Holzbau.    I  4  :  221/3. 
Holzbock,  J.    II  2 :  23. 
Holzmann,  D.    112:  23,  26. 
Holzschneidekunst.     I  3:115a. 
Homann,  J.  B.    I  3:365. 
Hornberger,  H.     IV  5 :  590. 
Homer.    I  6:16<7,  60,  83/4,  142;  11:1; 

IV  lc:  17,  27,  96;  2a:  102;  5:600; 

8d:2,  7;  9:31. 
Homerübersetzung.    IV  3  :  49. 
Homej  er,  J.  M.    I  10  :  1'61. 
Homilius  (Kantor).     I  10  :  27. 

(4)37 


Sachregister. 


Hormayr,  J.  v. 
Hörn,  K.  I  12 
Horschelt,  Th. 
Horst,  P.  van. 


Honorius  Augustodunensis.     II  3  :  7. 

Hooft,  J.  P.    III  4  :  30. 

Hopfen,  H.     IV    la:20;    lc:60;    3: 

340a-40d. 
Horawitz,  A.    II  7  :  19. 
Horaz.    I  3  :  1;  6  :  32;  12  :  7;  II  7  :  2; 

IV  1c:  78,  96;  2a:  56. 
Horazflbersetzungen.     IV  2a:  56. 
Horbnrg.    I  4  :  348. 

IV  2b:  t. 
:  161. 
I  9 :  289. 
III  5  :  1. 
Hotham,  Ch.    IV  tb:20. 
Hotomanus,  Fr.  (Hotniann,  Hottomann). 

III  5  :  1. 
Houwald,  B.  v.    16: 128. 
Hoven,  F.  W.  v.    IV  9 :  14. 
Hoverbeck,  J.   t.     III   1:137;    IV   5: 

590. 
Hovesch,  N.    II  6:163. 
Hoym,  Minister  v.    I  4:216. 
Hroswitha.    I  11 :  39. 
Hnber,  F.    IV  9 :  31,  33,  158,  176. 
^_    I  9  :  199. 

Hubroaier,  B     II  2:19-20;  in  1:167; 

5:1. 
Hüningen.    III  1:121. 
Hürnen  Seyfrid.    I  7  :  105. 
Hneter,  Chrph.    II  2:21;  6  :  274. 
Hüterichsche  Gemeinschaft.    II   1 :  24 ; 

III  1  :  167. 
Hufeisen.    I  4  :  246. 
Hufeland,  Chr.  W.     IV  5  :  354. 
Hufnagl,  J.    IV  2b  :  39-41. 
Hugenotten.     14:419-22;    1111:10. 
Hugenpoet.    I  9  :  143. 
Humanismus  II  7.   —   II  1  :  1,  82,  84; 

III  5  :  1. 

—  älterer.    II  7  :  10. 

—  in  Spanien.     II  7  :  42. 

—  in  Ungarn  u.  Siebenbürgen.  II  7  :  40. 
Humboldt,    A.  v.     IV  1  c  :  14,    76,   90, 

93;  3  :  402;  5  :  39,  398,  416,  522,  601. 

—  Karoline  v.    IV  lb  :  237;  1  c  :  18,  31. 

—  W.  v.  I  8  :  27;  IV  1  b  :  207,  237, 
403;  1c:  16a/8,  20/1,  88,  90;  3: 
402;  5  :  113,  287,  364,  377,  398,  463, 
602/4,  606;  8e:92,  124;  9:30,  66, 
176;  10:49. 

Hume,  D.  III  2  :  39. 

Hummel,  3.  N.    I  10  :  62. 

Humor.    1  4:  135/7  a,  296. 

Hunold,  Chr.  F.    I  8  :  23   30. 

Huschke,  Ph.  E.    IV  5  :  576, 

Huther,  A.    IV  8e:16. 

Hütten,  U.  t.    II  7  :  24/6,  28;  III  5  :  1. 

Hyrtl,  J.    IV  5  :  491/5. 

Ibsen,  H.    IV  1c:  60/1;  5:224. 
Ichinger,  G.     II  2  :  30. 
Ickelsamer,  V.    n  6  :  57. 
Ickstadt,  A.  t.    IV  6  :  380. 
Idealismus.     I  6:  104;  III  5  : 1. 
Ideal  d.  Humanität.    IV  1  a :  2. 
Ideen,  angeborne     III  5:1. 
Ideenbildung,     III  5  : 1. 
Idyllendichtung.     IV  3  :  45. 

Iffland,  A.  W.    IV  lo:17,  88;   5:600; 
9:98. 

Ihering,  R.  v.    IV  lb:  258/9;   5:471/2, 
558. 

Ikonographie,  christliche.     I  3:120. 

Hg,  A.    I  9  :  190. 

Ilgen,  K.  D.     IV  lc:20;  5:601. 

-  Th.    IV  lb:141,  143. 

Illesy,  J.     I  11  :42. 

Illuministen.    IV  5 :  380. 

Illustrationen.     IV  2a:  31. 

Imbroich,  Th.  (=  v.  Truden).    I  3:59. 

Immermann,    K.     I   1:22;    6:128;   IV 
3 :  106/8  a;  5:287. 

Impressionisten.    I  9 :  22. 

Index  librorum  prnhibitorum.    n  6 :  22. 

Individualismus.     II  1:1. 

Individualität.    IV  7:22. 

Industrie.    I  4  :  188-98. 

Ingang  der  hymel.     I  3 :  105. 

Ingolstadt.     I  9:163. 

Ingweiler.     IV  2a:  20. 

Initialen.    I  3:116,  129-30. 

Inkunabeln  (s.  auch  Wiegendrucke).   I 
3:69,  71,88,96;  113:2. 

Inquisition.     I  3  :  69. 
Inscriptiones.     I  12  :  104. 

Instruktionen  für  LehTer.     I  12:177. 

Instrumentalgeschichte.     I  10:30/3. 

Interpunktion.    I  7  :  225;  IV  6  :  36. 


Intoleranz.     III  1 :  124. 

Irenische     Bestrebungen.      III    1  :  166, 

171. 
Irrenwesen.     I  4  :  252  a. 
Irrlichter.     I  5:198. 
Irving,  H.    IV  8e:98. 
Iselin,  J.  J.    IV  5 :  224,  384. 
Israel,  G.     II  6 :  276. 
Italianismus  im  Opernwesen.     I  10:65. 

Jachmann.    Magdalena    Eleonora.     III 
2 :  34. 

—  -Wagner,  Johanna.    I  10:253/4;  IV 
10:60,1. 

Jackson,  Helen.    IV  3:401. 
Jacobi,  Fr.  H.    III  5  :  1 ;  IV  lo  :  16a/7, 
40,  79;  5:128,  238,  354,  600. 

—  J.  G.    IV  1  c  :  40/t ;  2a :  21,  24,  40. 
Jacobs,  Fr.     I  6: 128;  IV  2a:  33. 
Jacobson,  J.  P.    IV  la:21;  10:35. 
Jacoby,  L.     IV  2b:  378. 
Jägerlatein.     I  5  :  398. 
J'igerlieder.     IV  2  b  :  46. 
Jagdrecht.     I  4  :  367. 

Jagdwesen.     I  4  :  178. 
Jahn,  F.  L.    14:  467;    12  :  160/1,  164; 
IV  5:31,  630,  627,  631/3;  10:82. 

—  M.    IV  3  :  178. 

Jahrbücher,  Hallische.     IV  5  :  126,  397. 

Jahresberichte.    I  1  :  86/8. 

Jakob,  L.  H.    IV  1  c :  82. 

Jambus,  fünffüssiger.    18:2,  23,  28/9 ; 

IV  3 :  34. 
Jan  v.  Leyden.    IV  3  :  426. 
Janitschek,  H.     I  9:402. 

—  Maria.     IV  1  a :  16;  2b:  405/6. 
Janssen,  J.  II  1:  77;  4a  :29;  IV  lb  :  4, 

8,  10. 
Jean  Paul  s.  J.  P.  F.  Richter. 
Jeanne  d'Arc.    I  3:62;   11:20;  IV  9: 

111-49. 
Jer  a.     IV  9  :  9. 
Jenatsch,  G.     IV  3  :  390/2. 
Jensen,  Wilh.    IV  1  a  :  25,  37;  2b  :  334  ; 

3  :  283/7. 
Jentsch,  K.     IV  1  b  :  203;  8a  :  47. 
J6rome,   König  v.  Westfalen.     IV  1  b  : 

140f,  451. 
Jerusalem  (Abt).     I  12  :  186. 

—  J.  F.  W.    IV  6  ;  36. 
Jerzembsky,  M.    IV  2a  :  127;   8c  :  20. 
Jesuiten.    I  3  :  416;  4  :  415/8;  12  :  195; 

II  1  :  15;  6:  40;  III 1 :  181 ;  IV  5  :  380. 
Jesuitendramen.   I  12  :  242;  II  4a  :  24; 

III  4  :  9,  14/5. 
.Tesuitenstil.     I  9  :  135. 

Joachim  II.,  Kurfürst  v.  Brandenburg. 

II  6  :  224. 
Joachimsthal.     II  1  :  82. 
Jodler.    I  5  :  283,  310. 
Johann,    Erzherzog    (Reichsverweser). 

IV  1  b  :  5. 

—  Herzog  v.  Mecklenburg.    I  12  :  148. 

—  Markgraf  v.  Küstrin.     I  4  :  142. 

—  v.  Moers-Sarwerden.     IV  9  :  68. 

—  Georg  IV.  v.  Sachsen.    III  5  :  63. 

—  Wilhelm,  Kurfürst  v.  Sachsen.    I  9  : 
143. 

Johannesname.     I  4  :  19. 
Johannisberg.     I  6  :  47. 
Johnson,  S.     13:  292. 
Jökai,  M.     IV  3  :  468-70. 
.Toliphus,  G.    HI  4  :  6. 
Jonas,  J.    II  6:  155/6. 
Jonast,  D.     13:  382. 
Jordan,  S.     IV  lb:  211. 

—  W.    IV  2b:  338,  .372. 
Josefl-Gspiel.     1  6  :  304. 

Joseph    IL,    Kaiser.      IV     1  b :  1 0,    14, 
378-81;  2a:  27. 

—  im  Drama.     II  4a:  19. 
Josua-Rotel.    I  3  :  26. 
Joukowsky,  W.  A.     IV  1c:  27. 
Journale.    I  12:43/5;  IV  5:34. 
Journalistenhandbuch.     I  3  :  249. 
Journalistik     (s.    auch    Zeitungen).     I 

3:237;    IV  6:625-48. 
Journalkatalog.    I  3  :  247. 
Judä,  J.     II  7  :  31. 

—  L.    n  7 :  31. 

Jude,  D.  ewige.    I  11  :14. 

Juden.    14:296,424-37;    5:36,    187, 

;'.41;  II  4a:  8;  III  1:10;  IV  5:352, 

366. 
Jögel.    IV  10:34. 
Jülioh.    I  4:161,  337. 
Jünglingsverein.     IV  7  : 1/7. 
Jürs,  H.    IV  2b:  307;  3:260. 


Jugenddichtungen.    IV  2b:  76. 
Jugendlitteratur.     I  3  :  370. 
Jugendschriften.    1   3:170,   220,   222; 

6  :  26/8. 
Jugendschriftsteller.    I  12  :  87 ;  IV  3  : 

113-82,  436. 
Jngendspiele  s.  Volksspiele. 
Julian,  D.  heil.    I    11:9. 
Junge  Deutschland,  D.    I  6:  134;    IV 

la:  3;  3:56. 
Jungfrau  Maria.     II  4a  :  18. 
Jungfrau  v.  Orleans   s    Jeanne  d'Arc. 
Junggesellen.     I  4:21a,  418. 
Jung-Stilling,  J.  H.     IV  1  o  :  79-80. 
Junker,  H.     IV  8a:  20. 
Juristendeutsch.     IV  2a  :  124. 
Jus«,  C.    IV  5  :  398. 
Justinus,  0.     IV  3  :  272. 
Jutten,  Frau.     II  4  a  :  36. 

Kachelofen.    I  3  :  64. 
Kärnten.     I  5  :  166;  9  :  152. 
Kästner,  Abr.  G.     IV  6  :  9,  224. 
Kaftan,  J.     IV  5  :  558. 
Kahnis,  K.  Fr.  A.     IV  5  :  558. 
Kainz-Hutzler,   Sara.     IV  3 :  536. 
Kaiser  u.  Abt.     I  11  :  33. 
Kaisersage.     I  5  :  253,  255. 
Kaiserlieder.     IV  2b:466.  468,  471. 
Kaisertum.     I  1  :  56. 
Kalb,  Charlotte  v      IV  9  :  4. 
Kalbeck,  M.     IV  1  a  :  27. 
Kaloher  (Organist).     IV  lc:  13. 
Kaienberg,  Pfarrer  vom.     I  3:103;   II 

5:  117a-20;  IV  2b:  156 
Kalender.     I   1:89-90;    3:14/5,    114; 

4:132;  6:94;  II  1  :  15;  5:47-52. 
Kamann,  J.     IV  8e  ;  14. 
Kamerun      I  6  :  117/3. 
Kamptz,  K.  A.  Chr.  H.  v.     IV  10:82. 
Kamyn  (Goldschmiedfamilie).    I  4  :  204. 
Kanne,  A.     IV  5  :  339. 
Kanoldt,  E.     I  9  :  290. 
Kant,    I.      I    9:6:    12:134;    II    1:1; 

III  5  :  1;   IV  1  c  :  20,  26,  53,  79,   88; 

ld:17;  5:37,    65,   69,   83-109,  113, 

123,  224.  238c,  601,  669;  7  :  19,  21/2, 

24;  9:31,  44,  49. 
Kanzelhumor.     I  4  :  136. 
Kanzlei,  Böhmische.     17:1. 
Kanzleibeamte.     17:1. 
Kanzleihandbuch.    I  7:7a. 
Kanzleisprache.     I  7  :  1/7. 
Kapp,  Chrn.     IV  3  :  367. 

—  Fr.     IV  5  :  590. 

—  Johanna.     IV  2b  :  46;  3  :  367. 
Kapf  (Lieutenant).     IV  9  :  15. 
Kapuziner.     I  4  :  405. 
Karadschitsch,  Vuc.     IV  8b  :  6a. 
Karl  V.,   Kaiser.     II   1  :  34/9,   55/7,  78, 

112;  IV  lb:  3;  8e  :  12. 

—  König  v.  Rumänien.  IV  1  b  :  377; 
lc:16. 

—  XII.,  König  v.  Schweden    III  1  :  155. 

—  Alexander,  Grossherzog  v.  Sachsen- 
Weimar.     IV  1  b  :  441. 

—  Erzherzog  v.  Oesterreich.  IV  1  b :  123. 

—  IL,  Herzog  v.  Münsterberg-Oels.  I 
12:201. 

—  Anton,  Fürst  v.  Hohenzollern.  IV 
1  b :  238. 

—  August,  Herzog  v.  Sachsen-Weimar. 
I  4:466;  IV  lb:  76,  438;  lc:  2,  11, 
40;  3:59,  215;  8a:22;  8b:8,  52; 
8  c  :28,  31. 

—  Eugen,  Herzog  v.  Württemberg.  IV 
lb:  417;  9:  14. 

—  Friedrich,  Markgraf  v.  Baden.  IV 
lb  -.427-30,  439;  2a:  54. 

Herzog  v    Holstein.     I  3:274  a. 

—  Konstantin,  Prinz  v.  Hessen- Roten- 
burg.    IV  1  b  :  101. 

Karlsakademie.     IV  9  :  17. 
Karlsbad.     IV  9  :  31. 
Karlsruhe.     I  9  :  413. 
Karlstadt,  A.  R.     III  5  :  1. 
Karoline,     Prinzessin     v.    Wales.      IV 
lb:451. 

—  Luise,  Prinzessin  v.  Sachsen- Weimar. 
IV  lb:439. 

Karolinger.    I  3  :  30. 

Karneval  in  Köln.     I  5  :  62. 

Karnickel.     I  5  :  372. 

Karsch,  Anna  Luise.  IV  2a  :  50/1 ;  3  :  40. 

Karten.     I  3  :  52. 

Kartenspiel  im  Volksglauben.  I  5 :  101. 

Kartoffel.     I  4  :  238 

Kastropp,  G.     IV  3:598. 


Sachregister. 


Kataloge.     I  3  :  185-213. 
Katechismen,    I  3:147,8a;   II  5:11/6; 

6  :  28,  4;i  6. 
Katechismusunterricht.    I  12  :  234. 
Katharine,   Königin    v.  Westfalen.     IV 

lb  :  140;  1  o  :  6. 
Kauffmann,  Herrn.     I  9:279. 

—  Jon.  II  6  :  166. 

Kaufmann,  Alex.  IV  1  c  :  47,  52; 
2  b  -.55/7. 

—  Chr.    IV  lc:42. 
Kaufmannsgilden.     I  4  :  209-10. 
Kaufmannsstand.     II  1  :  114/9. 
Kaufringer.     111:8. 
Kaulbach,  W.  v.     IV  1  c  :  58. 
Kavaliererziehnng.     I  12  :  243. 
Kayser.  P.  C.     IV  3e:62. 

Keck,  K.  H.     IV  la:37;  2b  .  341. 
Keil,  Rob.    IV  8a:  103. 
Keiter,  H.     IV  1  a  :  12. 
Keller,  Alb.     I  9  :  340. 

—  Ferd.     I  9  :  46. 

—  Gottfr.  I  1:46:  6:127:  9:280; 
10:  131;  11  :  6:  IV  la:43;  lc:  28, 
50,  59-60,  66,  93:  ld  :  3;  3  :  10,  359, 
367-87,  508;  5  :  397;  6  :  19;  10  :  82. 

—  G.  V.     IV  3  :  344. 

—  -Jordan,  Hermino.     IV  1  a  :  14. 
Kempen.     I  4  :  277. 
Kennerschaft.     I  9  :  16. 

Kepler,  J.     III  5  :  1. 

Keramik.     I  9  :  446/8. 

Kerkener  (Dechant).     I  4  :  84. 

Kern,    F.     I    2:62,3:    IV    8e:  44,    61. 

Kerner,  Friederike.     IV  10:113,  118,9. 

—  Just.     IV  5  :  312,  476;  10  :  113-20. 
Kerssenbroick,  H.  v.     IV  3  :  426. 
Ketteier,  E.  v.    IV  5  :  558. 
Kettenreim.     I  5  :  324. 

Kettner,  Vf.  d.  „Moralischen  Robinson." 

III  3  :  16. 
Keyserling,    A.    Graf   v.     IV    lc  :  26; 

5:  65. 

—  Karoline  Charlotte,  Gräfin.  IV 
1  c  :  26. 

Kiel.     I  4  :  307.  432. 
Kielland,  A.     IV  la:21. 
Kierkegaard,  S.     IV  5  :  140. 
Kiesewetter,  K.    I   11:21;   IV  8e:70. 

—  M.     IV  1  a  :  14. 
Kietz,  E.  B.     IV  lc:66. 
Kind,  J.  Fr.     IV  3 :  109. 
Kinder.     IV  2b  :  530. 

—  im  Volksglauben.     I  5  :  107,9. 
Kinderbibliothek.     112:87. 
Kinderlieder  (s.  auch  Kinderspiele).    I 

5 :  179, 320-43;  10 :  45,  97 ;  II  2:  56-60, 

62;  IV  2b:  365. 
Kinderreime.     I  8  :  31/2. 
Kinderspiele.    I  5  :  73,  80,  86,  320,  329, 

343. 
Kindleben,  Chr.  W.     I  7  :  80;    12  :  114, 

169:  IV  2a:  21. 
Kinkel,  H.    1 1 :  22:  12  :  204;  IV  1  c  :  23, 

51;  2b:  57,  66;  5:563. 

—  Johanna.     IV  2b:  57. 

Kipper    u.    Wipper.      I    4:1689;     III 

1  :  101/2. 

Kirche  u.  Synagoge.    II  4a  :  16. 
Kirchenbau.    I  9  :  143, 147.  232,  362/4  a. 
Kirchengebete.     IV  2b  :  476,  478. 
Kirchengesang.     I  10  :  28,  39. 
Kirchengesangbücher.     I  10  :  28. 
Kirchengeschichte.     11:6. 
Kirchenlied.     II    1:87;    2:1-21;    III 

2  :  7-21 ;  IV  5  :  37,  352. 
Kirchenpauer,  G.  H.     IV  2b  :  277. 
Kirchensperre,  Braunauer.     III  1 :  158. 
Kirchhoff,  W.     IV  5  :  398. 
Kirchspielschule  s.  Schule. 
Kirschner,  Lola,  s.  Ossip  Schubin. 
Kissling,  R.    IV  9  :  165. 

Kitte  Risch.    IV  3  :  234. 

Kiy,  V.     II  4  b  :  11. 

Kl  aar,  A.     IV  la:13. 

Klagenfurt.    I  9 :  168. 

Klaiber,  J.     I  2  :  64. 

Klassik,  Deutsche.     IV  10:4,5. 

Klassiker.  13:1;  6:  108/9, 126;  12:25/6; 

IV  2a:l. 
Klassikerverlag.     I  3  :  367. 
Klassisches  Altertum.  *  I  1  :  26/9,  48. 
Klavier.     I  10  :  31. 
Kleinkindererziehung.     1  12  :  34. 
Kleist,  Chr.  E.  v.    I  6  :  142;  IV  1  c  :  78; 

5:8. 

—  H.  v.  I  6:15;  IV  ld:  49;  3:  95/7; 
5:627;  10:41. 


Klemens  Wenzelaus,  Kurfürst  v.  Trier. 

IV  3  :  59. 
Klenze,  Gl.     IV  1  c  :  75. 
Kletke,  H.     IV  1  c  :  65. 
Kleve.     I  7  :  46. 
Kliefoth.  Th.  F.  D.     IV  5  :  269. 
Kling,  K.    II  6  :  25. 
Klinger,  F.  M.  v.     14  :  44;  IV  10  :  41. 

—  Max.     I  9:31,  35,  324-30 a. 
Klöster.     I  4:401-14;  II  1:53. 
Klopffleisch   (Disputationshändler).      I 

3  :  361. 
Klopstock,  F.  G.  I  6  :  134/5,  140,  142 ; 
7:  18,  26;  8:13,  24,  33;  10:93; 
12  :  22:  IV  1  c  :  17,  41,  78. 96;  ld  :  59 ; 
2a  :  42,4,  52/8;  3  :  19,  22-31,  44;  5:9, 
34,  377,  472,  531.  600;  10  :  118. 

—  Meta.    IV  3  :  24. 
Kloster-Bergen.    III  5  :  81/6. 
Klosterdichtungen.     IV  3  :  42. 
Kluckhohn,  A.     IV  5  :  380. 
Klnghardt,  A.     I  10  :  279. 
Knaus,  L.     I  9  :  20;  IV  lc  :  65 
Knebel,  Henriette  v.     IV  1  b  :  439. 

—  K.  L.  v.     IV  2a:  34;  9  :  31. 
Kneiplieder.     I  10  :  48/9. 

Knigge.  Frhr.  Ad.  v.  IV  1  c  :  88;  5  :  380. 

Knittelvers.     18:1,  13,  30. 

Knoblechtzer,  H.    13:  106. 

Knortz,  K.     IV  1  a  :  44. 

Knutsen,  N.     III  5  :  19. 

Knutzen,  M.     111  5  :  72  3. 

Kobell,  Frz.  v.  IV  1  c :  13,  66;  2b  :  291/2. 

—  Ferd.   v.       IV     1  b  :  410;     lc  :  13. 
Koberger,  H.     13:  115. 
Koberstein,  A.     IV  1  c  :  50. 

Kobnrg.     I  7  :  91. 

Koch,  M.     IV  3  :  105. 

Kochlewski      (Schüler     d.     Comenius). 

I  12  :  15. 
Köchly,  H.     IV  lc:  50;  5:397. 
Köhler,  K.  F.     13:  403. 

—  L.     IV  1  c  :  58. 

—  R.     II  2:37;  IV  7:31;  8a:  106. 
Köler,  Chrph.     III  2  :  26. 

Köln.     I  7  :  5/7 ;  9  :  92,  145;   IV  10  :  3. 

—  Paul  v.     13:  89. 
König,  Eva.     IV  6  :  4. 

—  Heinr.     IV  3  :  268. 
Königsberg  i.  N.     14:  298. 

—  i.  Pr.     19:  239. 
Könitz  (Schloss).     I  9  :  126. 
Köpken,  F.  v.     IV2a:40. 
Koepping,  K.    19:  422. 

Körner,  Chrn.  G.     IV   2a  :  132,   150/1; 
8b  :  33;  9  :  4,  34. 

—  Joh.  (Hans).     IV  2a  :  151. 

—  Joh.  Gottfr.     IV  2a:  151. 

—  Sophie  Margarethe.     IV  2a  :  151. 

—  Th.       I    10  :  109-10;      IV    lb  :  5; 
2a  :  143-53;  2b  :  112,  118;  10  :  36. 

Museum.     IV  2a:  152. 

Körte,  K.  G.     IV  2a:  35. 

Köselitz,  H.     IV  2  b  :  309;  3  :  267. 

Köstlin,  K.  R.     IV  5  :  448;  8a  :  107. 

Kohlhase,  M.     II  3  :  62. 

Kohlmayr,  F.     IV  lc  :  25. 

Kohlrausch,  H.  F.  Th.    IV  5  :  601. 

Kollewijn,  R.  A.     III  4  :  9. 

Kollmann,  I.     IV  2b:  112. 

Kolmar.     I  4  :350  a. 

Kolon.     I  8  :  31. 

Kolonien,  deutsche.     I  6  :  103/9,  117/8. 

—  französische.     III  1  :  168. 
Kolportagebuchhandel.     I  3  :  406-12. 
Kommersbuch.    I  10:49;  IV  2b:  518, 

518. 
Kommerslieder.    I  10  :  49;  IV  2a  :  21 ; 

2b:  456. 
Kommunismus.      13:226;     111:24; 

IV  3  :  13. 
Komödie,  aristophanische.     IV  2b:  26. 

—  lateinische.     I  3  :  149. 
Komödianten,  englische.     III  4  :  3/6. 
Komponisten.     I  10  :  7/8,  11. 
Koneberg,  H.    I  12  :  87. 

Konfekt,  Leipziger.     I  3  :  271. 
Kongresse.     I  1  :  S3. 
Konkordienbuch.     II  1  :  15. 
Konrad  v.  Würzburg.     IV  2a  :  116. 
Kontrapunkt.     I  10  :  16. 
Konzil  zu  Konstanz.     I  3  :  30  I. 
Konzilbeschlüsse.     15:4. 
Koornhert  s.  Coornhert. 
Kopernicus,  N.     III  5  :  1. 
Kopisoh,  A.    IV  2a:  1;  2b:  26. 
Korbach,  J.    II  6  :  178. 
Koreff,  J.  Ferd.    IV  10  :  82. 


Korner,  J.    IV  1  c  :  51. 

Kosegarten,  L.  Th.      IV  lc  :  17;   3  :  1; 

5  :  600 ;  9  :  31. 
Kospoth-Stiftung.     I  12  :  201. 
Kossuth,  L.     IV  1  b  :  392. 
Kotzebue,  AT.     IV  1  a  :  33;  8d  :  42. 
Krämer,  H.     IV  1  b  :  279. 
Kräuter  (Goethes  Diener).    IV  1  c  :  27. 
Krafft  (Pfarrer).     IV  5  :  339. 
Kramer,  Charlotte.     IV  3  :  24. 

—  J.  A.     IV  3  :  24. 
Krautz,  A.     II  4b  :  70. 

—  Camille.     I  3  :  465. 
Kranewitter,  F.     IV  la:  40. 
Krasicki.  I.  v.     IV  3  :  1. 
Kraus,  V.     IV  8a  :  93. 

Krause,   K.   Chr.  F.     I  10  :  5;    12  :  46; 

IV  5  :  129-31,  234. 
Krau  ss,  F.  X.     19:  140. 
Kraut,  Marie  v.     IV  lb  :  179. 
Krebs-Michalesi,  Aloyse.     I  10  :  258. 
Kreditverhältnisse,  deutsche.  III  1:103. 
Kretz,  K.    IV  1  a  :  44. 

—  Matth.     II  1  :  106;  6:  23. 
Kreutzer,  Jules.     IV  8d:27. 
Kreutzlieder.    IV  2a:  21. 
Kreuzauffindung.     I  11  :  7. 
Kreyssig,  F.    I  12  :  222. 

Krieg,  30j.     I  3  :  271;  4:  131,  317/8a; 
6  :  140;  12  :  189,  201;  III  1  :  12-103. 

—  Niedersächsischer.    III  1 :  14. 

—  v.  1870/1.     IV  lb:  324/8;  ld:21. 
Kriegk,  G.  L.     IV  5  :  390. 
Kriegsgeschichte.     I  3 :  226  a. 
Kriegslieder.    I  5  :  315:  IV  2b  :  420/2. 
Kriegswissenschaft.     I  3:226a. 
Kriminalpolizei.    I  4  :  147. 
Kriminalroman.     IV  3:271. 

Kritik.     I  1  :  33/7 ;  10  :  14/6 ;  IV  5  :  444  f. 

Kroger  (Lübeck).     IV  lb:52/3. 

Krossen.     I  9  :  149. 

Krüdener,  Juliane  v.    IV  5  :  558. 

Krüginger,  J.     II  1 :  82. 

Kruse,  H.    IV  2  b :  335;  3  :  600:  8  c  :  20. 

Krusenstern,  A.  J.     IV  1  b  :  230. 

Kuckuck.    I  5  :  287. 

Küchler,  C.     IV  8e:71. 

Küferlied.     IV  2a: 20. 

Kükelhan,  L.     IV  3:43. 

Kühne,  G.     IV  Ic:66. 

Kühnemann,  E.     IV  7:13. 

K  ünstlerlexicon.     I  9  :  77. 

Küntzel,  G.     IV  lb:171. 

Kürnberger,  F.    IV  2b  :  149-50;  3  :  447, 

463/5;  5:539. 
Kugler,  Frz.    IV  1  c  :  50. 
Kultur,  deutsche.     I  4  :  9-15. 

—  moderne.     I  4 :  499-502,  508. 
Kultureinfluss,  französischer.  II  1 :  112. 
Kulturentwicklung.     I  4:3. 
Kulturgeschichte.    I  4.  —  IV  8  b  :  2. 

—  Zeitschrift  für.    I  4:8. 
Kulturideal.     14:3. 
Kulturpflanzen.     14:6a. 
Kulturpoesie.    IV  2b:  64. 
Kunersdorf.    I  6  :  142. 

Kunst,  Bildende.    I  9.  —  II  1 : 1, 143; 
IV  8a:  1/5. 

—  Berliner.     I  9:20,  42,3. 

—  Münchener  19: 15/7, 43  a,  48  b,  65, 73, 

—  für  Alle.    I  9  :  29. 
Kunstakademien.     1  9  :  41. 
Kunstballade.    IV  2a:  118 
Kunstgeschichte.     I  6  :  126. 
Kunstgewerbe.    II  1 :  143. 
Kunsthandel.     I  9:190. 
Kunstlehre.    IV  5: 444  f. 
Kunstlieder.     I  10:38. 
Kunstmusik.     I  10 :  11. 
Kunstrichtungen.    19:1. 
Kunstsalon.     I  9 :  26. 
KnnstschmiedeTei.     I  9  :  472. 
Kunstwart,  D.     19: 24/5. 
Kunstwebereien.    I  4  :  240. 
Kunstwissenschaft.    I  1 :  25. 
Kunz,  K.  F.     IV  10 :  82. 
Kupferdruck.     I  3  :  78  a. 
Kupferstich.     I  3  :  116;  9  :  104,  410/1. 
Kuranda,J.     IV  lb:219. 

Kurfürst  v.  Hessen.     I  5  :  314. 
Kurs,  V.    IV  1  b :  174. 
Kurz,  H.     I  2:40. 

—  Isolde.     IV  la:14. 
Kurzschrift.     I  3 : 6-15. 
Kuss,  D.    IV  2b: 481/2. 
Kutzbach  (Familie).     IY2a:94. 
Kyd,  E.     I  11:47. 
Kyffhäusersage.    15:254. 


(4)37' 


Sachregister. 


li,  schwaches,  nebentoniges.     I  8  :  23. 
Laas,  E.     I  6:30. 
Labadie,  .Toh.  de.     III  1  :  175. 
Lachmann,   K.     I    2:13/6;    IV   lc:75; 

5:398.  440;  10:1 
Länderkunde.     I  6 :  105/7. 
LaFayette,  La  Princesse  de.   IV  9:176. 
Lafontaine.  J.     I  6:65;  11:4. 
Lagarde.    P.    de.      IV    5  :  352,     397/8, 

413,  558,  634/8.  652. 
Lago  Maggiore.     IV  8  d  :  34. 
Laistner,  L.    IV  1  c  :  50. 
Lalli,  G.  B.     I  11  :51. 
Lamai     (Türkischer     Schriftsteller     d. 

16.  Jh.).    I  11  :5a. 
Lambert,  F.     116: 140. 

—  J.  H.     IV  5:224. 

La  Mennais,  F.  R.  de.     IV  5  :  175,  652. 
La  Mettrie,  J.  0.  de.     IV  1  d  :  1. 
Lampert,  F.     IV  lb:411. 
Landau.     I  4  :  371. 

—  I.     II  6  :  123. 
Landauer,  G.     IV  3  :  569. 
Landeskunde.    I  3  :  173/5;  II  3  :  49. 
Landesvater.    IV  2a  :  21. 
Landkarten.     I  3  :  195,  365. 
Landolt,  J.    IV  1  c  :  29. 

—  Margarete.    IV  1  c  :  28. 

—  Sal.    IV  1  c  :  28. 
Landrechte.     II  5  :  63, 
Landschaftsmaler.     I  9  :  274/5. 
Landschulwesen.    I  4:78-80.  (S.  auch 

Volksschulwesen.) 
Landshut.     I  9:132. 
Landsknechte.     19:199. 
Landsmannschaften.     I  12  :  161. 
Landwehr,  H.     IV  8  e  :  10. 
Landwirtschaft.     I  12:219:  III  1:10. 
Landwirtschaftsschule.     I  12  :  175. 
Lange,  Friedr.     IV  1  b  :  468. 

—  F.  A.    IVlb:476;  5:609-10. 

—  K.    19: 169. 

—  S.  G.    IV  lc:78. 
Langenberg.     I  9:  143. 
Langendijk,  P.     III  4:24. 
Langewische,  W.     IV  2  b  :  88. 
Langnet,  H.     III  5  :  1. 

Lanz  (Bildhauer).  IV  3  :  341. 
Lappe  (Journalist).  IV  3  :  92. 
La  Roche,  G.  M.  Frank  v.     IV  lo  :  40. 

—  Maximiliane.     IV  3  :  59. 

—  Sophie  v.     IV  1  c  :  40;  3:7,  59. 

—  (Hofrat).     IV  3  :  59. 

Lasker,  Ed.     IV   1  b  :  315,   318 ;    5  :  05, 

590. 
Laski,  J.     I  4:143;  II  6:276. 
Lassalle,  F.     I  10  :  229;  IV  lb  :  293/4, 

477-86;  5:113,  416,  558,  570/2. 
Lassberg,  J.  Frhr.  v.     IV  10:1. 
Lasso  s.  Orlando, 
Latein  im  Unterricht.     I  12 : 7,  17,  52, 

192,  195,  214,  234. 
Lateinschulen.     I  12  :  174-213. 
Laternenlieder.     I  5 :  337. 
Laube,  H.     I    11:23;    IV   la:6;    lc: 

50/1,  60,  66. 
Lanber,  Dieb.     I  3  :  30/1. 
Lauchstädt.     IV  3:1. 
Laudon,  G.  E.  Frhr.  v.     IV  2a  :  1. 
Lauenburg.    I  4  :  108. 
Laukhard,  Fr.  Chr.     I  7  :  81 ;  IV  5  :  562. 
Lauremberg,  P.    I  9:428. 
Laurentius  Albertus.     I  7  :  12. 
Lausitz.     I  4: 110  a,  324. 
Lautensack,  H.  S.     13:  337/8. 
Lauterbach,  J.     II  7  :  2. 
Lavater,  J.  K.     I  4 :  144 ;  IV  1  b  :  428/9 ; 

lc:42,  79;  5  :37,  224,  236-42,  884, 

438;  8b:  19. 
Lazarus,  M.     IV  5  :  191/3,  398. 
Lazlus,  W.     II  3:52;  7:20. 
Lebel,  J.     II  7  :  41. 
Leben,  Häusliches.     I  4:  16- 23a. 
Lebensideale.    III  5:1. 
Lechleitner,  F.     IV  1  a :  40. 
Le  Clerc,  Jeannette  Philippine.  IV  3 :  39. 
Leconte  de  Lisle,  Ch.  M.     IV  1  d  :  20. 
Ledeganck,  K.     IV  ld:65. 
Legende.     I  5  :  191 ;  II  3  :  18. 
Legerlotz,  G.    16: 117/8. 
Legion,  Deutsche.     IV  2  b  :  44. 
Lehnwörter.    I  6  :  140. 
Lehrbücher.     I  12  :  43,  91,  192. 
—  d.  Kunstgeschichte.    I  9  :  78-85. 
Lehrer.     I  12:34,  197,  245. 
Lehrerbesoldung.    I  12  :  205. 
Lehrerbildung.    1  12:230/1. 
Lehrerbildungsanstalten.     I  6  :  133. 


Lehrerbildungswesen.     I  12  :  225/7. 
Lehrerdichtungen.     IV  2b:  461/2. 
Lehrerkonferenzen.     I  12  :  227. 
Lehrerprüfung.     I  12  :  236. 
LehrerseminaT.     I  12  :  75. 
Lehrerverein.     I  12  :  246. 
Lehrerversammlungen.     I  12:92. 
Lehrpläne.     I    6:5/6,    108/9,   120;   12: 

17,  195,  221. 
Lehrs,  K.     IV  lc:7l;  5:398. 
Leibniz,  G.  W.    v.     III    5:51/3,    58-61, 

71/3;  IV  5:140,  224;  9:48. 
Leichenbegängnis,  fürstliches.     I  4  :  45. 
Leinengewerbe.     I  4  :  188-90,  192. 
Leipzig.      1    4:325,   431;    9:124;    IV 

8  b  :  27. 
Leipziger  Dichterverein.     IV  1  d  :  3. 

—  Musenkrieg.     IV  1  a  :  31. 
Leisewitz,  J.  A.     I  6:44;  IV  3:42. 
Leisinger,  Elisabeth.     I  10:278. 
Leitner,  A.  v.    IV  2b  :  112. 

—  K.  G.  v.     IV  2b:  112,  128,  166/7. 

—  Quirin  v.     19:  405. 

Leixner,  0.  v.     IV  3  :  209;   5  :  44,  661. 
Lektionspläne.     I  12  :  181. 
Lektionssystem.     I  12  :  197. 
Lektüre.     16:2,  20,  26,  78,  140, 
Lemierre  (Dichter  d.  „Guillaume  Teil"). 

IV  9:166. 
Lemm,  Fr.  W.     IV  3  :  278. 
Lemmermayer,  Fr.     IV  8a  :  25. 
Lenau,  N.     IV    la:6:    lc:49,  51,  58; 

2b:  10.    129-50;    3:416;  5:39,442; 

10  :  113. 
Lengefeld,  Charlotte  v.     IV  9:4. 
Lenker,  E.     I  9:451. 
Lenorenmotiv.     I  5  :  168,  243. 
Lentner,  Fr.     IV  1  c  :  66. 
Lenz,  J.  R.  M.     IV  la  :  2,  10,  42;  lc: 

42;   2a:  125/6;    5:236;   8b:  19;  8c: 

20;  9:52. 
Leo.  H.     IV  1  c  :  70 ;  5  :  398,  647. 

—  XIII.,  PapBt.     IV  1  b  :  320. 
Leonard,  N.  G.     IV  8  d  :  32. 
Leoncavallo,  R.     I  10:284. 
Leonhart  (Familie).     IV  2a:  101, 

—  G.     IV  2a:  101. 
Leontios  v.  Neapolis.     1  11:6. 
Leopardi,  G.  Graf.     IV  lc:69a. 
Leopold  V.,    Erzherzog   v.   Oesterreich. 

III  1 :  107. 

—  Fürst  v.  Anhalt-Dessau.     1  12  :  133. 

—  I,  Kaiser.    I  9:206;   III  1:109-28. 

—  Prinz  v.  Hollenzollern.    IV  1  b  :  377. 
Le  Passes.     I  8:30. 

Lepsius,  R.     IV  5  :  416. 

Lermontoff,  M.     IV  la:21. 

Lesebücher.    I  6:10,  50/1,  94-126,  130. 

Lesehalle  8.  Volkslesehalle. 

Lesen.     I  1 :  73/4 

Lesser,  F.  C.    15: 175. 

Lessing,  C.  F.     19:  20. 

—  G.  E.  IV  6.  -  I  1  :  46,  50;  6  :  49, 
104,  133,  135;  8:23,  33;  10:60; 
12:30;  III  5:80;  IVlb:10;  lc:17, 
60;  ld:64:  2a:  34;  3:7,34;  5:34/5, 
37,  224,  238,  377,  531,  540,  558;  7  : 
15,22;  8e:6;  9:83,87.  Abhand- 
lungen über  d.  Fabel  I  6:65,  142. 
Alcibiades  IV  6 :  27.   Antiquar.  Briefe 

IV  6:2;  Emilia  Galotti  IV  2a:  152; 
6:15,  17;  8e  :  25.  Ernst  u.  Falk 
IV  6  :  40.  Erziehung  d.  Menschen- 
geschlechts IV  lb:  10;  5:324,  523. 
Fabeln  I  6  :  64.  Faust  I  6 :  45.  Guel- 
ferbytana  IV  6  :  7.  Hamburgisohe 
Dramaturgie  16:62:  IV  6:2,  31, 
36/7.  Homer  IV  6  :  27.  Horoskop  IV 
6  :  12/3.  Kleonnis  IV  6 :  27.  Laokoon 
16:57/8,  60/1;  IV  lc:23:  6:27/9, 
36/7;    8d  :  38.     Litteraturbriefe    IV 

5  :  37.  Lyrik  IV  6  :  27.  Minna  v.  Barn- 
helm I  6  :  128;  12  :  201 ;  IV  6  :  14. 
Nathan  I  6  :  64;  III  5  :  80;  IV  1  a :  28; 
lb:10;  lc:60;  5:37;  6:20/6.  Oden 
IV  6:27.  Philotas  IV  6:11.  Ret- 
tungen d.  Horaz  IV  6 :  27.  Sara 
Sampson    IV    6  :  10.      Spartacus    IV 

6  :  27.  Theatralische  Beiträge  IV 
lc:78.  Theologische  Schriften  IV 
1  c :  79 ;  6  :  38.  Voltaire-Uebersetzung 
IV  6:9.  Wie  d.  Alten  d.  Tod  ge- 
bildet IV  6  :  27.  Wolfenbütteler 
Fragmente  IV  1  b :  10. 

—  -Bibliothek.     I  3  :  156. 

—  -Haus.     IV  6  :  7. 

Lessingiana  (Pseudolessing.  Schriften). 
IV  6:2,  8/9. 


Lessingstudien.     IV  6 :  27. 

Lettern,  Glagolitische.     I  3  :  90/1. 

Letternlexikon.     I  3 :  94. 

Leu,  St.,  Graf  (Ludwig,  König  v.  Hol- 
land).    IV  8b:  60. 

Leuthold,  H.  IV  la:43:  lc:66;  2b: 
217/9. 

Leutsch,  K.  v.     IV  5  :  3P8. 

Leutze,  E.     19:  20. 

Levesque,  J.  S.     IV  Se:  11. 

Levetzow,  Ulrike  v.  IV  8a:  18,  21; 
8c  :49. 

Levi,  H.    I  10:276. 

Lewald,  A.     IV  ld  :  3. 

—  Fanny.  IV  1  a  :  6;  lc  :  27,  65,  93; 
3:491/2. 

Lewalter,  J.    IV  2  b  :  84/5. 
Lewes,  G.  H.     IV  lc:  93. 
Lewinsky,  J.     IV  3  :  466. 
Lexikographie.     IV  2  b  :  105/6. 
Leyden,    ,T.    v.     II    6  :  268.      (S.    auch 

Johann   v.  Leyden.) 
Liberalismus.     I  12:78. 
Lichtdruck.    I  3:448. 
Lichtenberg,    G.    Oh.     IV    1  c  :  88 ;    5  : 

28/9,  224,  238,  531,   540.   558;    9:70. 
Lichtenberger  Konvent.     I  3  :  270. 
Lichtenburg.     I  4  :  322  a. 
Lichtenstein,     Josephine       Fürstin    v. 

I  10  :  105. 
Lichtwer,  M.  G.     I  6:104;    IV  2a:  61. 
Liebenstein,  G.  v.     IV  1  c  :  41. 

—  Herr  v.     IV  3  :  74. 
Lieber,  Fr.     IV  1  a  :  44. 
Liebermann,  M.     19: 318-21. 
Liebesdichtung.     I  4:118;   6:126;  IV 

2b  :  117,   481/2. 
Liebig,  J.  v.     IV  1  c  :  13,  58,  91, 
Liebstöckl,  H.     IV  1  a  :  13 
Lieder.     I  3 :  373 ;  10  :  38-56 ;  II  5  :  85 ; 

IV  2a:  6. 

—  Czechische.     III  2  :  5. 

—  Deutsche,  in  latein.  Uebersetzung. 
IV  2b:  454. 

—  Geistliche  (s.  auch  Kirchenlied).  I 
6  :  126,  140;  10  :  38,  41 ;  II  2  :  1-19; 
6:274;  IV  2b: 450/3. 

—  Historische.     IV  2a:  3-14. 

—  Serbische.    IV  8b:  6  a. 

—  Volkstümliche  (s.  auch  Volkslied). 
I  5:280;  10:51/4;  IV  2a  :  17,8. 

Liederbücher.  I  10:38;  IV  2b:508-28. 
Liedersammlungen.     I  10 :  42/3. 
Liegnitz.     I  9:122. 
Lier,  L.    IV  lb:442. 
Liga,  deutsche,     III  1 :  20. 
Lignerolles,  Graf  v.     13:  288/9. 
Lilien,  drei.     1  6:285/6. 
Liliencron,  D.  v.    IV  1  a :  16 ;  2 b : 379-82 ; 

3 :  566. 
Linck,  W.     II  6  :  197. 
Lind,  Jenny.     I  10  :  124. 
Lindau,  P.     IV  lc:60;    IV  3:276;  5: 

540. 

—  R.     13: 274/5. 

Linde,  Philander  v.  d.     IS:  30. 
Lindenschmiedstrophe.     18:31. 
Lindenschmit,  W.  v.    19:  288. 
Lindpaintner,  P.  J.  v.     I  10  :  37. 
Lingg,  H,     IV  lc:13,  66;    2a:  1,  152; 

2b:  334;  3:286. 
Liotard,  J.  E.     19:  247. 
Lippmann,  F.     19:  191. 
Lipps,  Th.     I  6  :  142. 
Lipsius,  Const.     I  9:390. 

—  Just.     III  5:1,  39. 

—  R.  M.     IV  5:327/8. 
Liscow,  Oh.  L.    IV  1  c  :  78. 
Lisola,  F.  P.  v.     III  1 :  115. 
List,  F.     IV  lb:  194;  5:475. 
Listn,  Hof  rätin.     IV  2b:  95,  106. 
Liszt,  Ed.     IV  lc:58. 

—  F.  I  10 :  17/8,  185/9,  220,  231 ;  IV 
lb:446;  2b: 46;  lc:27,  50,  58-60, 
68,  93. 

Lithographen.     I  3  :  444,  459. 
Lithographie.    I  9:423. 
Litterarkonvention.     I  3  :  430. 
Litteratur,  Bulgarische.    IV  1  d  :  72. 

—  Chinesische.    IV  8d  :  33;  8e  :  36. 

—  Czechische.     IV  ld:  70/1;  3:78. 

—  Deutsohböhmische.     IV  3:413/4. 

—  Deutsche.  I  3:305;  im  Auslande 
IV  ld.  —  In  Frankreich  IV  ld:2/9; 
in  Bulgarien  IV  1  d  :  72;  in  Holland 
ld  :  66/7;  in  Russland  IV  ld  :  68. 

unter  fremdem  Einfluss.   IV  1 :  10. 

—  Englische.    IV  1  d  :  22-63 ;  3  :  10, 


Sachregister*. 


Litteratur,  französische.    I  3:305:  III 

I  :  207;   IV  ld  :  la.  10-21;  3:  10. 

—  Frauen-.     IV  3  :  471-549. 

—  Geistliche.    III  5  :  1. 

—  in  der  Schale.     I  6. 

—  Littauische.     IV  ld:  74. 

—  Niederländische.     IV  1  d  :  65/6. 

—  Oesterreichische.     IV  3  :  399-470. 

—  Populärwissenschaftliche.    I  3:224. 

—  Russische.     IV  ld  :  68/9;  3  :  10. 

—  Schwäbische.  IV  2  b  :  5-20 ;  3  :  314-27 ; 
10 :  94-140. 

—  Schweizerische.     IV  3  :  341-92 

—  Spanische.     IV  1  d  :  64. 

—  Ungarische.     IV  ld:  73, 3  a. 

—  Unsittliche.     I  3  :  411. 
Litteraturarchive.     I  1  :  96/7. 
Literaturgeschichte.    I  1.    II  1.  III  1. 

IV  la.  IV  ld.  —  I  6  :  126,  130-42. 

—  Leitfaden  d.    16:  133-46. 

—  Lokale.     I  1:58-60;   IV  la:  28-44. 
Litteraturströmungen,  moderne.  IV  2b: 

328. 
Litteraturzeitungen.    IV  8b  :  2. 
Liturgischer  Gesang.     I  10  :  28. 
Litzmann,  B.     IV  la  :  2. 

—  C.  0.  T.    IV  10  :  34. 
Livland.     IV  7  :  15. 
Livres  d'Heures.     I  3  :  28. 
Lobkowitz,   Bohuslous,   v.  Hassenstein. 

II  1 :  83. 

Lobeck,  Ch.  A.     IV  1  c  :  71 ;  5  :  398. 
Loeper,  G.  v.     IV  1  a  :  30. 
Löher,  F.  v.     IV  lb  :4U. 
Löhlein  (Hauptmann).     IV  1  b  :  325. 
Löscher.  K.     III  5  :  51/2. 

—  V.     III  5  :  51/2. 
Löschhorn,  H.     IV  1  b  :  437  b. 
Lösung  d.   Zungenbändchens.    I    5:54. 
Löwe,    K.     I    10:125/7;     12:77;     IV 

2b  :57a. 
Loewenberg,  J.     IV  la:  12. 
Löwenstein,  Rud.     IV  1  b  :  263. 
Löwenstern,  M.  A.  v.     III  2:12. 
Löwenthal,  Sophie.    IV  2b:  134,5,  137. 
Löwy,  Mor.     IV  1  c  :  51. 
Logau,  F.  v.     III  2  :  28. 
Logik.     IV  5  :  216/8. 
Lommatsch,   Chrn.  Gotth.     IV  2  a :  7/8. 
London.     I  9  :  193  a. 
Longfellow.  H.  W.     IV  2  b  :  105. 
Loosbräuche.     I  5  :  52. 
Loosbuch.     II  5  :  46.  107. 
Lope  de  Vega.     I   11  :  48;   IV  1  d  :  64. 
Loreleilegende.     IV  3 :  170  1. 
Lorenz,  K.     II  1  :  83. 

—  Ottok.     IV  5  :  558;  8d  :  39. 
Lorichius  (Familie).  I  3  :  153;  4  :  459a; 

II  1  :  92. 

—  Gerh.     II  6  :  28. 

—  Jodocus.    II  6  :  45. 

—  Joh.    II  5  :  12. 

Lorm,  H.     IV  la  :  38;   2b  :  351:  5  :40. 
Lornsen,  Uwe  Jens.     IV  1  b  :  407/8. 
Lortzing,  G.  A.     IV  2b  :  340;  10  :  82. 
Loschwitz.     IV  9  :  22. 
Lose,  J.  Chrn.     III  2  :  40. 
Lothar.  R.    IV  2b:  191. 
Lothariustype.    I  3  :  102. 
Lothringen.     I  7  :  51/4. 
Loti,  Pierre.     IV  3  :  499. 
Lotichius,  P.,  Sekundus.     II  7  :  31. 
Lotther,  M.    II  7  :  32. 
Lotze,  H.     I  7  :201;    IV  5  :  203/6,  220, 

226,  235. 
Louis  Eugen,  Herzog  v.  Württemberg. 

IV  9  :  35. 

—  Ferdinand,   Prinz    v.  Preussen.     IV 
lb:1189. 

Louise  v.  Savoyen.    I  3  :  20. 
Louvier,  F.  A.     IV  8e:83. 
Lucidarius.     II  3  :  7. 
Luden,  H.     16:  29. 
Ludlamshöhle.     IV  3  :  278. 
Ludwig  d.  Bayer.     IV  10  :  107. 

—  I.,   König  v.  Bayern.     I  9  :  136;   II 
4b:  53;  IV  lc:  7a,  13;  10  :  119. 

—  IL,  König  t.    Bayern.     I   10  :  138; 
IV  lb  :  4102;  lc  :  13,  66;  5  :  366. 

—  XVL,  König  v.  Frankreich.    IV  1  c  :  4. 

—  König    t.    Holland.      IV    2b:  112; 
8b:  60. 

—  Prinz  v.  Bayern.    IV  lb:  414. 

—  Herzog  v.  Mailand.     I  3  :  28. 

—  Eugen,  Herzog  v.  Württemberg.    IV 
9:  17. 

—  Gruno,   Prinz   t.   Hessen-Homburg. 
111  1  :  154. 


Ludwig,  Julie.    IV  3  :  535. 

—  Otto.  I  1  :  22;  IV  lc  :  50,  66;  ld  : 
3,  49;  10:  82. 

Ludwigsburg.     IV  9  :  14. 

Lübeck.     1  4:  248;  II  5:9. 

Lübke,   W.     13:119;  9:95,   160;    IV 

lc  :  50. 
Lücke,  F.     IV  5  :  308. 

—  H.    19:  105. 
Lüsching,  E.     19:  103. 

Lützow,  L.  A.  W.  Frhr.  t.    IV  I  b  :  14. 
Luise,    Grossherzogin    v.    Baden.      IV 
lb:431. 

—  Herzogin  v.  Sachsen- Weimar.  IV 
lc:  11;  8a:  22:  9:31. 

—  Königin  v.  Preussen.     I  6  :  128;  IV 

I  b  :  150/5. 

—  Kurfürstin  v.  Brandenburg.  III  2  : 
15;  IV  lb:401. 

—  DoTothee,  Herzogin  v.  Koburg-Gotha. 
IV  lb:442;  lc:  2,  4. 

—  Henriette  r.  Oranien.     III  1  :  139. 

—  Ulrike  v.  Schweden.     IV   1  b  :  77/8. 
Lukas,  J.     I  12  :  70. 

Lukaris,  Cyr.     I  3  :  93. 

Lukrez      13:1. 

Lully,  G.  B.    110:  50. 

Luren  (Musikinstrumente).     I  10  :  33. 

Lustspiel.     IV  2a:  24. 

Luther,  M.  16:104,  107;  8:31;  9: 
180;  II  1:1,  87,  122;  5:98;  7:7, 
16;  IU  5:1;  IV  5:37,  269,354,441, 
55S,  652;  8c:  42,  53;  10:41.  An  d. 
christlichen  Adel  II  6  :  54.  Bibel- 
übersetzung 116:69-80;  IV  2a:  434, 
68:  5:354.  Brief  an  d.  Fürsten  zu 
Sachsen  v.  d.  aufrührerischen  Geist 
H  6:57.  Briefe  I  6:128;  II  6:62/4. 
Commentar  z.  Galaterbrief  II  6  :  51. 
Convocatio  concilii  liberi  II  6  :  61. 
Deutsche  Messe  II  6  :  140.  Entwurf 
e.  Schreibens  an  d.  Papst  II  6  :  51. 
Katechismus  17:33;  II  6:85-107. 
Lieder  I  6  :  140;  II 6  :  81/4.   Predigten 

II  6  :  51.  Sakraraentsschriften  I  3 : 
270.  Schraalkaldischer  Artikel  II  6  : 
60.  Sermon  vom  ehelichen  Stand  II 
6  :  51. 

Lutherana.     17:8. 

Luther-Bildnisse.    I  12:104;  II  6:116. 

Denkmal.     I  9  :  266. 

Luttermerck,  B.     IV  1  a  :  37. 

Luttringhansen.     I  9  :  143. 

Lux,  A.     IV  8  d  :  19. 

Luxemburg.     IV  2b  :  225. 

Luzern.     17:3. 

Lyon,  0.     IV  3  :  601. 

Lyrik.     II  2.     III  2.     IV  2a:  2  b. 

—  Arbeiter-.    IV  2b  :  407-12. 

—  Baltische.     IV  2  b  :  226-31. 

—  Bardische.     IV  2  a  :  59-60. 

—  Frauen-.     IV  2  b  :  897-406. 

—  Geistliche.  II  2:1-21;  III  2  :  7-19; 
IV   2a:33;  2b:  4503. 

—  Höfische.     I  6  :  120. 

—  Modernste.     IV  2b  :  370-96. 

—  Politische     IV  2b:   17.  126. 

—  Revolutionäre.     IV  3  :  41. 

—  Schwäbische.  IV2b:5-20;  10:94-140. 

—  Socialistische.     IV  2b  :  408,  411  2. 

—  Volksmässige  (s.  auch  Volkslied). 
IV  2b  :  13. 

Macarius  v.  Montenegro.     I  3  :  90. 

—  J.     I  11:42. 

Macaulay,  Th.  B.     IV  5  :  65,  271. 
Macchiavelli,  N.     II  1  :  19;  III  5  :  1. 
Macciucca,  Marquis  v.     13:  280. 
Macdonald,  E.  J.  J.  A.     IV  1  b  :  175. 
Mackay,  J.  H.     IV  la  :  16;  3  :  607;  5: 

651,2. 
Mao  Mechan,  Arch.     II  4  b  :  73. 
Macque,  G.  di.     III  2  :  6. 
Madjera,  K.     19:  273. 
Madrigal.     I  10  :  34,  73. 
Mädchenlitteratur.    I  3  :  223.- 
Mädchenschule  s.  Schulen. 
Mädchenunterricht.     I  12  :  241. 
Mähren.     I  9  :  153,  412;  II  1  :  24. 
Männergesang.     I  10  :  55/6. 
Märchen.     15:1,  2646;  6  :  104,7,  126. 
Märchenstoffe.    I  5  :  258-63. 
Märtyrerlieder,  täuferische.   II  2 :  19-20. 
Mässigkeitsbestrebungen.     I  12  :  53. 
Magdeburg.     I  4  :  70,    181,    223,   420,1, 

459;    9:475;    112:48;    1111:914, 

134. 
Magelone.    II  3  :  16/7. 


Magenau,  R.  F.  H.  v.    IV  10  :  34. 
Maglione,  B.     13:  290. 
Magnetismus.     I  4  :  144. 
Magnus,  Ed.     IV  1  c  :  65. 
Mahlmann,  Aug.    IV  2a:  11. 
Maier,  J.  J.     I  10  :  28. 
Maifeste.     I  5  :  64. 
Maimon,  S.     IV  5  :  106. 
Mainländer,  Ph.     IV  5  :  156. 
Major,  G.     II  6  :  154. 

—  Joh.     II  6  :  186. 
Majuskelfrage.     I  3  :  134. 
Makart,  H.     I  9  :  19,  282,  435. 
Malersobule,  Baseler.    I  9  :  191. 

—  Brixener.     I  9  :  158  a. 

—  Kölner.     I  9  :  160/2,  212/4. 

—  Ulmer.     I  9  :  167. 
Malherbe,  F.  de.     IV  8c:  23. 
Mallinckrodt,  K.  v.  IV  1  b  :  319;  5:  591. 
Malm,  J.  J.     IV  1  a  :  10. 

Maltitz,  G.  A.  Frhr.  v.     IV  2  b  :  45. 
Maine.  A.     13:  383. 
Manchester.     I  9  :  192. 
Mandruzzo,  L.     II  1  :  15. 
Mannfeld,  B.     19:  293. 
Mannheim.     I  4  :  352. 
Mansfeld.     I  4  :  195. 
Manteuffel,  E.  v.     IV  1  b  :  253. 

—  0.  Th.  v.     IV  1  b  :  257. 

—  Zöge  v.     14:  444. 

Mara,  Mme,  geb.  Schmehling.  IV  8  c :  19. 

Marc  Aurel.     III  5:1. 

March,  0.     19:  362,3. 

Mari,  Prof.  (Japaner).    IV  8  a  :  94. 

Marie,  Königin  v.  Bayern.    IV  lb  :  413. 

—  Herzogin  v.  Braunschweig-Lüneburg. 
IV  lb:455. 

—  Herzogin  v.  Mailand.     I  3  :  28. 

—  Landgräfin  v.  Hessen.     IV  lb:452. 

—  Amalie  v.  Brandenburg.    III  5  :  63. 

—  Beatrix,    Mutter    d.  Kaiserin  Maria 
Ludovica.     IV  1  b  :  386. 

—  Feodorowna,    Kaiserin   v.  Russland. 
IV  lb:  419-20. 

—  Louise,  Kaiserin  v.  Frankreich.    IV 
1  b  :  140. 

—  Ludovika,    Kaiserin    v.  Oesterreich, 
IV  lb:386;  8b:  59;  10:  12. 

—  Paulowna,  Grossherzogin  v.  Sachsen- 
Weimar.     IV  lb  :  439;  3  :  63. 

—  Theresia,    Kaiserin    v.    Oesterreich. 
IV  lb:5,  87  9. 

— Hymne.     IV  2a  :  4. 

Marienklänge.    IV  2  b  :  452. 

Marienlieder.     II  2  :  17,8. 

Marius,  Viktor.     13:1. 

Markgrafen  v.  Brandenburg.     II  1  :  52. 

Marlitt,  Elise.     IV  3  :  514;  5  :  398. 

Mario.     IV  5  :  113. 

Marlowe,    C.     I  11  :  21,    55;    II  3  :  38; 

III  4:25,  28;  IV  8e  :  73  4. 
Marnef,  Gebr.  v.     13:  71. 
Marriot,  E.     IV  3  :  540. 
Marsan,  Graf  St.     IV  la  :  29. 
Marschner,  H.     I  10  :  87;  IV  10  :  82. 
Marschrhythmen.     I  10  :  41. 
Marseillaise.     IV  2  b  :  419. 
.Marston,  J.     III  4  :  5. 
Marterln.     I  5  :  357/8. 
Martin  (Architekt).     I  9  :  136. 

—  Th.  H.     111:2. 

Marx,    K.      IVlb:355,    487;    5:113, 

238  a,  477,  569. 
Mascagni,    P.     I  10  :  57,    62,    152,  2S5. 
Masius,  H.    I  6  :  104. 
Massmann,  H.  F.     IV  lb:  158;  5:422. 
Masson,  D.     IV  3  :  26. 
Massow,  C.     IV  5  :  574. 

—  (Familie  v).     IV  lc  :  41;  3  :  7... 
Materialismus.    I  1  :  10/1. 
Materialsammlung.     I  1  :  18. 
Mathematik.     II  5  :  49-52. 
Mathesius,  J.    II  1  :  82;  6  :  183  5. 
Matrikeln.    I  12  :  191.  —  In:  Dillingen 

112:101.  Greifswald  14:62:  12:103. 
Matthäi,  A.     IV  la:  14. 

—  K.   IV  2a:  38;  8b:  17,  53;  8c:19. 
Matthisson,    F.  v.     IV  2a:  63;    9:31; 

10  :  41. 
Matthy,  K.     IV  lb  :  3. 
Manch.  D.     II  6:34. 
Maupassant,  Guy  de.  IV  1  a :  21 ;  3  :  10; 

5:463. 
Manrenbreoher,  W.     IV  5:378. 
Mauthner,  Fr.     IV  3:412,  602. 

—  J.    IV  2b:  168. 

Max,    Herzog   in    Bayern.     IV  lc:13; 
10:113. 


Sachregister. 


Max.  Gabr.     I  9:336. 
Maximilian  I.,  Kaiser.     I  9  :  464 ;  II  1  : 
I,  19:  3:53/5;  IV  8e:12. 

—  II..  Kaiser.    II  1 :  15.  40/1. 

—  Kaiser  v.  Mexiko.     IV  1  c  :  8. 

—  II.,  König   v.  Bayern.     IV  lb:  410; 
1  c  :  13,  66,  90. 

—  Kurfürst  v.  Bayern.     I  3 :  272. 

—  I.    Joseph,    König    v.    Bayern.     IV 

1  c :  13. 

May,  0.     IV  10 :  10. 
Mayer,  Joachim.     I  10  :  90. 

—  K.     IV  10:113. 

—  Wolfg.     II  6:30. 
Mayerpeck,  W.     I  3:64. 
Mecklenburg.     I  9 :  210;  II  1 :  83. 
Meditationen.     1115:1. 
Meersburg  i.  B.     17: 92. 
Meibom.     II  7  :  32. 

Meier    (Vf.  d    Grenadiriade).     IV  3 : 1. 
Meineke,  Aug.     IV  5:393. 
Meiner,  C.     IV  1  b  :  35. 
Meinhardt,  Ad.     IV  3  :  548/9. 
Meiningen.    I  9 :  133. 
Meissen.     I  4  :  242/3;  9  :  243. 
Meissner,    A.     I    6:128,    138;    IV  1  c : 
58-60,  66,  93;  3 :  78,  413,  599. 

—  A.  G.     IV  la:41;  3:78/9. 

—  R.    IV  9 :  166. 

Meister    d.  Amsterdamer    Kabinets.    I 
9 :  191. 

—  d.  Todes  Mariae.     I  9  :  161. 

—  ES.     19: 449. 

—  MZ.     19 :  456. 

—  F.     IV  1  b  :  364. 

—  J.  K.     IV  2a:  63. 

—  Lucie  Juliane.     IV  2a:  63. 
Meistergesang.     II    2:22-30;    4b  :  10, 

54/6,  82/4. 
Meute rlieder.     II  3  :  19. 
Meistersinger.       I    8:23;     11:29;    IV 

2  b  :  92/3,  99. 

Meixner,  Aug.     IV  2b:  275. 
Melac,  Graf  v.     I  4:371. 
Melanchthon,  Ph.  I  3  :  37 ;  12  :  104,  172 ; 

II  6:56,  60,    156,  161,  164/7;   7:7/8, 

31,  34;  III  5:1;  IV  5:325. 
Meli,  Giov.     IV  lc:69a. 
Melissus,  P.     II  7:6;  III  1:183. 
Melnec,  S.     IV  3  :  546. 
Melodie.     I  8:1,  12,  19,  20/1 ;  10 :  39. 
Melusine.       I    5:259-60;     11:12;     II 

3:16a. 
Memmingen.     I  4:  365;  9  :  163. 
Memoiren.     II  1 : 1,  148-52;  IV  3  :  80. 
Mencken,  A,  L.     IV  1  b  :  77. 
Mendelssohn,    M.     IV    lo:20;    5:32/3, 

224,  558,  601;  6:36. 
Bartholdy,    F.      I    10 :  115/9,    197 ; 

IV  1  c :  55,  60,  66,  79. 
Meneval,  C.  F.  de.     IV  lc:ll. 
Mengs,  A.  Raph.    I  9  :  249. 

—  Ismael.    I  9  :  249. 
Menius,  J.     II  6  :  59. 
Menken,  G.    IV  5:293. 
Mennoniten.     I  4 :  422. 
Mensurbild.     I  12  :  171. 

Mentzel,  Elisabeth.    IV  2b  :  84/5;   8  a: 

25. 
Menzel,  A.     IV  lc:65. 
Mercier,  L.  S.    IV  9  :  176. 
Merck,  J.  H.    IV  5 :  531. 
Merkantilsystem.     1  9 :  151. 
Merkel,  Garlieb.    IV  10:9. 
Merope.    IV  6:35. 
Meseritz.    I  4  :  278. 
Mesmer,  Fr.  A.     IV  10 :  113,  119. 
Messkataloge.     II  1 :  112. 
Messneramt.     I  12:238. 
Metapher.     I  6 :  140 ;  IV  5  :  225. 
Metastasio,    P.   A.   D.  B.      IV    lc:41; 

3:65. 
Methode.    I  1:18-32:  4:11. 
Methodik.    I  6:40;    12:5/7,    89;    IV 

9:78. 
Methodologie.    I  6 : 1-50. 
Metoxa,  N.     I  3:93. 
Metrik.     I  8.  -  I  6 :  136,  142,  146;  IV 

2a:  27,  56,  61;  5:398,  600. 

—  Begriff  d.    18:1,  12/3. 

—  d.  Volksliedes.    IV  10:41. 
Metrum,  anapaestisches.     I  6  :  142. 

—  iambisches.     I  6 :  142. 

—  trachäisches.    I  6  :  142. 
Metternich,  C.  W.,  Fürst.   IV  1  b  :  231/2 ; 

2b:  132. 
Metz.     I  4:346;  7:54. 
Metzger,  A.    I  11 :  29. 


Metzger,  Ambros.    II  2 :  23,  33. 
Meurer,  Wolfg.    II  7:6. 
Meusebach,  Gertrud  v.     IV  2  b  :  4C. 
Mensebachsche  Sammlung.     III  2  :  4. 
Meyer,  Aug.  Ferd,     IV  2b:  77. 

—  Elise.     IV  3  :  402. 

—  Fl.     IV  6  :  95. 

—  Frdr.  Ludw.  Wilh.    IV  2a:  116. 

—  Heinr.     IV  3:63. 

—  Jak.     IV  3  :  60. 

—  Jenny.     I   10 :  257. 

—  Jürgen  Bona     IV  lb:42,    466. 

—  Julius.     I  9  :  403. 

—  Konr.    Ferd.     I  7  :  201 ;   IV   1  a :  20, 
43;  2b:  220;  3:388-92,  480. 

—  Nik.     IV  8b:  2. 

—  R.  M.     IV  8  c  :  8. 
Meyerbeer,  G.     IV  lc:14. 
Michaelis  (Buchhändler).    IV  9:36. 

—  J.  B.     IV  lc:40;  2a: 40. 

—  .T.  D.     IV  3  :  65. 

—  de  Vasconcelles,   Carol.    IV  5  :  438. 
Michalesi  s.  Krebs. 

Michel,  D.  deutsche.    I  4  :  112. 

—  S.  Fr.     I  9  :  245. 
Michelet,  J.     I  1  :  13/4. 

—  K.  L.     IV  5  :  187. 
Michels,  V.     II  4b  :  10. 
Mickwitz,  J.     IV  2  b  -.236. 
Micraelius,  J.     I  11  :  24;  III  4  :  8. 
Migerka,  Helene.    IV  1  a  :  39. 
Mikado.     IV  1  a  :  27. 

Miles  gloriosus.     III  4  :  7. 

Milesius,  D.     II  I  :  140;  6  :  155. 

Militärwesen.     I  4  :  154/7. 

Miller,  Joh.  M.    IV  2a:  65,  106;  3:41. 

Milow,  St.     I  6:130. 

Milton,   J.     111  5  :  1,  72/3;  IV  ld  :  59; 

3:26,  29,  34;  5:34. 
Miltitz,  K.  v.    II  6  :  19,  119. 
Mimbach.     I  9  :  136. 
Minckwitz,  J.     IV  1  c  :  90. 
Minden.     III  1  :  144. 
Miniaturen.     1  3  :  25/6. 
Miniaturbibel.     I  3  :  146. 
Mjnlede.     I  7  :  154. 
Minnesang.     I  6  :  142. 
Minnesinger.     IV  1  c  :  41 ;  2a  :  40,  116. 
Minor,  J.     I   6:142;  IV  3:29;  10:5. 
Minucci,  M.    II  1  :  15. 
Miqnel,  Joh.  v.    IV  1  b  :  210. 
Mirus,  M.     II  2  :  5. 
Missalalphabete.     I  3  :  115 
Missale.     I  3:  115  a;  4:249. 
Mistere    du   viel   testnment.     II  4  :  25. 
Mitsommer.     I  5  :  48. 
Mittelalter.     1  1  :  48;  4  :  7,  10,  14. 

—  n.  Neuzeit.     III  5  :  1. 
Mittenwald.     I  4  :  126;  9  :  127. 
Mittscherlich,  Fürst.     I  5  :  256. 
Mode.     I  4  :  227  a. 
Modegesang.     I  10  :  45. 
Möller,  Greg.     I  12  :  181. 

—  J.  A.     IV  5  :  350. 

—  L.  K.    IV  5  :  283/4. 
Mörchingen.     I  4  :  345. 

Mörike,E.  IV  lc:  65/6;  2b  :  5/9;  3  :  316. 
Mörlin,  Joach.    II  6  :  155. 
Moser,    Alb.      I    6:138;    IV    la:14; 
2a:  1;  2b:  349-50. 

—  Justus.     IV   5  :  21,  377,  525/7.  538, 
624/6,  651. 

Mohnike,  G.  Chr.  Fr.     IV  5  :  565. 
Mohr,  J.  J.     IV  3  :  603. 

—  L.     IV  2b:  84/5. 
Mohrungen.    IV  7  :  1/7. 
Mohrungsee.     IV  7  :  1/7,  16. 
Moldenhauer,  F.    IV  lb  :  192. 
Moleschott,  J.     I  10  :  131 ;  IV  1  c  :  93 ; 

5  :  490. 

—  Sophie.     IV  1  c  :  93. 

Moliere,  J.  L.  P.  III  5  :  80;  IV  1  d  :  14/6. 

Moller,  M.     II  2  :  2. 

Molmann,  F.     I  12  :  54. 

Molsdorf.     I  4  :  330. 

Molschieben.     I  4  :  328. 

Moltke,   H.  Graf.     I   6:117/8;   7:201; 

IV  lb:  222,   295-308,  324/3;  lc:32; 

2b:  271/2;  5:558,  634. 

—  Marie  Gräfin.    IV  1  b  :  307,  308. 
Mommsen,  Th.    16:  29,  117/8;  10  :  131 ; 

IV  5  :  364/5,  397/8,  647. 
Mond  im  Volksglauben.    I  5  :  104,  250. 
Moniteur.     IV  9  :  176. 
Monod,  G.    IV  lb:  140. 
Monogramme.     I  3  :  117. 
Monopodien.    I  8  :  12,  271. 
Mont,  P.  de.    IV  1  d  :  69. 


Mont  S.  Michel.     I  4  :  127. 
Montaigne,  M.  E.  de.   I  4 :  126;  III  5:  1. 
Montesquieu,  Chr.  de.   IV  1  d  :  1;  5  :  113. 
Montez,  Lola.     IV  lb:221. 
MontfleuTy,  A.  J.     III  4  :  24. 
Montgelas,  M.  J.  Graf  v.    IV  lb  :  4101. 
Monti,  V.     IV  1  c  :  96. 
Monumenta  Germaniae  historicu.  13:1. 
Monteverdi,  Cl.     I  10  :  60,  88. 
Moralphilosophie.    III  5  :  1/2,  71/3. 
Mordspektakel.     IV  1  d  :  3. 
Moreau,  J.  V.     IV  lb:  111. 
Morgenland  u.  Abendland  in  d.  Kunst. 

14:6. 
Morillot,  P.    I  11  :  51. 
Moritz  v.  Sachsen.    II  2  :  4. 

—  Wilhelm  v.  Zeitz.    III  5  :  63. 
Moriz,    K.  Ph.     18:  14,  23;  IV  3  :  57; 

5:224. 
Morone,  G.     II  1  :  15,  17. 
Morsch,  H.     IV  8  e  :  46. 
Morus,  Th.     I  11  :  2;  III  5  :  1. 
Moscheies,  J.    I  10  :  122/3. 
Mosen,  J.    IV  lc:45,  49,66;  3:111/2; 

10:  113. 

—  R     IV  3  :  111. 

Mosengeil  (Konsistorialrat).     IV  8b:  8. 
Moser,  Fr.  K.  v.     IV  3  :  56;  5  :  11. 

—  Karl.     IV  9  :  49. 
Moses  Germanus.     I  4  :  437. 
Mossmann,  X.     I  3  :36g. 
Motherby.  Johanna.   IV  lc:19;  2a:  141. 
Motivgeschichte.    IV  2a:  56. 

Mottl,  F.    IV  8e:67. 
Moucoutour,  Schlacht  v.     II  2  :  47. 
Moyses,  D.     13:  364. 
Mozart,  K.     I  10  :  99. 

—  W.  A.     I  10  :  99-100,  251,  272;  IV 
lc:23,60;  8e  :  93;  10  :  82. 

Mozner,  J.  G.     II  2  :  23. 
Mucedorus.     IV  10  :  24. 
Mügge,  Th.    IV  3  :  268. 
Mühlbach  (Ingenieurhauptmann).  IV 1  b : 
297. 

—  Luise.     IV  1  c  :  65,  76;  3  :  529-30. 
Mühlen,  A.     IV  1  b  :  122. 
Mühlhausen.     II  1  :  49. 

Müldener  (Hofrat).     I  8  :  30. 
Mühlpfort,  H.     III  2  :  32. 
Muelich,  H.     19:9,  202. 
Müllenhoff,  K.     II  2  :  49-50. 
Müllensiefen,  J.     IV  5  :  292. 
Müller,  C.  H.     IV  3  : 1. 

—  F.     IV  3  :  60. 

—  Friederike.     IV  2a:  105. 

—  Friedr.  v.    IV  1  b  :  439. 

—  Heinr.     IV  2  b  :  450. 

—  Joh.  y.     IV  1  c  :  71  a. 

—  Joh.    G.      I   9:395/6;    IV   la:34; 
lc:71a;  5:239,  377. 

Gottwerth.     IV  1  a  :  37 ;  5 :  270. 

—  Karl.     IV  2  a  :  105;  2  b  :  356. 

—  L.  Karl.     I  9  :  294. 

—  Nik.     I  9:362;  IV  la:44. 

—  0.     IV  3  :  319-22. 

—  Thr.     IV  5  :  398. 

—  W.  16:104;  IV  la:44;2b:14,17,82. 
Strübing,  Aug.     IV  5  :  398. 

H.     IV  1  b  :  209. 

Müllner,  Ad.  17: 186. 
Münch,  Fr.  IV  1  a  :  44. 
Müuch-Bellinghausen,  E.  Frhr.  v.  (=  F. 

Halm).     IV  la:6,  38;  2b:  112. 
München.     1  4  :  125,    362/4;    9:134/5; 

10:28;  II  1  :  87. 
Münchener  Dichterkreis.  IV  3  :  328-40  d. 
Münster.    I  4  :  33. 

—  E.  Fr.  H.  Graf.    IV  lb:  157. 

—  Seb.    II  5  :  61. 

Münzer,  Th.   II  6 :  57,  156,  267 ;  III  5 : 1. 
Muffat,  G.    I  10 :  22. 
Muncker,  Fr.     16:  142;   IV  3  :  26,  29. 
Mundarten  (s.  auch  Dialekte).    I  1  :46; 

7  :  19,  35,  36-79,  195  a;  II  1  :  27;  IV 

2  b  :  84/6. 

—  im  Volksliede.     I  5  :  2S3. 
Mundartenforscilnng.     I  7  :  36-79. 
Mundt,  Th.    IV  2b:  21. 
Munckaczy,  Mich.     I  9  :  313. 
Munzinger,  K.     I  10  :  282. 
Murmellius,  J.   I  12  : 8;  II  7  :  15a  7. 
Murner,  Th.   II  5  :  78-85,  121 ;  6: 13,  16. 
Musaeus,  J.  K.  A.     15:  235;    6  :  104; 

IV  2a:  64;  3:7,  113-20,  170/1;   10: 

25,  41,  125. 
Musculus,  A.     II  5  :  98/9. 
Musenalmanache.     IV    2  a  :  62,    102  3, 

116;  2b:  810/3;  IV  3:19. 


Sachregister. 


Musenkrieg.    IV  Sb  :  88/T. 

Museum,  Germanisches.     IV  8e  :  122. 

Musik.     I  8:12,  12/3,  16/7,  Ǥ,  31,  34; 

10  :  73:  II  1  :  57;  IV  3  :  420;   5:465, 

472,  499.  634;  8h:  37-40. 
Musikästhetik.    I  10:6,7,  123,  19. 
Musikalien.     I  3  :  284. 
Musikalienhandel.    I  3  :  400. 
Musikalienkatalog.     1  10  :  1. 
Musikbibliographie.     I  10:1. 
Musikbibliothek.    I  3  :  2S4,  314;  10  :28. 
Musikdrama      I  10  :  58. 
Musikgeschichte.     I  10  :  22-37 
Musikhandschriften.     I  10  :  22. 
Musikinstrumente.     I  10  :  29,  33. 
Musikkritik.     I  10  :  4-20,  57. 
Musiklexikon.     I  10  :  3. 
Musikphilosophie      I  10  :  4-20. 
Musikverlag.     I  3  :  371. 
Muskate.     I  7  :  151. 
Musterstucke.     I  6  :  126/8. 
Muther,  B.     19:  49. 
Mutian.     III  5  :  1. 
Mutler,  W.     IV  5:647. 
Myconius,  F.    II  1  :  140;  6  :  155/6,  178. 
Mylius,  Christi      IV  1  c  :  78 

—  Rosita.     IV  1  a  :  19. 

Mystik.     I  3  :  20;  II  2  :  21 ;  5  :  1/8;  III 

5:  1. 
Mystizismus.     IV  5  :  128,  140. 
Mythologie.     I   3  :  149;    5  :  64 ,    92/4; 

6  :  104,  107-10. 

Nachdrucke.     1  3  :  362,  366,  429. 
Nachlasslitteratur.     I  1  :  76. 
Nachtwächterlieder.     I  5  :  300. 
Nägelsbach,  K.  F.     IV  5  :  398. 
Nahrung.     I  4  :  2S5/8 
Namen.     I  5  :  412,  422. 
Namengebung.    I  4:  17-21  a;  5:429-36. 
Namenkunde.     I  7  :  143. 
Namensagen.     I  5  :  179,  198. 
Naogeorgus,  Th.     II  4  a  :  24. 
Napoleon  I.     I   6  :  15;   IV  lb  :  115-43, 

190,    194,   240/1;    1  c  :  4,    11,    21;    5: 

175;  8b  :22a;  9:  101. 

—  EL,   Herzog  v.  Reichstadt.     IV  1  b  : 

—  III.     IV  lb  :  318,  377;  lc  :  58. 
Narrenspiegel.     I  3  :  114. 
Narva,  Schlacht  bei.     III  1  :  156. 
Nas,  J.     II  1  :  15,  87;  6  :  39. 
Nassau.     I  4  :  229,  422. 
Nathusius,  G.     IV  3  :  106. 

—  Marie.     IV  3  :  484-90. 
„Nation,  D."     19: 25. 
Nationaldenkmäler.     I  9  :  359  9  a. 
Nationalgalerie.     I  9  :  276. 
Nationalgefühl.    I  4  :  111/3. 
Nationalhymne,  preussische.    I  10:50; 

IV  2a:  9-10. 
Nationalhymnus.     IV  2b  :  423,  426,7. 
Nationalitäten  d.    Universität   Leipzig. 

I  12  i  145. 
Nationallied,  schlesw.- holsteinsches.  IV 

2b:  429-30. 
Nationalmuseum,    Germanisches.       IV 

3:  60. 
Natorp,  B.  Chr.  L.    I  12  :  48;  IV  5  :  251. 
Naturbetrachtung,     dichterische.       IV 

2b:  80. 
Naturforscher.     II  5  :  53-62. 
Naturgefühl.     1  4  :  1 20-20  a. 
Naturgeschichte  u.  Symbolik.    I  4  :  97. 
Naturkunde.     16:1 09  9. 
Naturpoesie.     IV  2b  :  117. 
Naturrecht.     III  5  :  1. 
Naturschilderungen.     IV  2  b  :  463  5. 
Naturstndiura.    I  9  :  434. 
Naturwissenschaft.      1    1:5;    IV    8a: 

49-57. 
Naubert,  B.     IV  10  :  41. 
Nauck,  Aug.     IV  5  :  398/9 
Naumann,  Fr.     IV  5  :  330  2.  558,  573. 

—  J.  G.     IV  2a:  132;  9  :  189. 
Naumburg.     1  4  :  314. 
Naundorff.     I  4  :  465. 
Naunheim.     I  7  :  48. 
Neander  (Kantor).     1  10  :  27. 

—  Aug.     IV  5  :  558. 

—  Joach.     II  6  :  168 
Neefe,  Chrn.  G.    I  10  :  45. 

Nees  t.  Esenbeok,  Chr.  G.     IV  10  :  61. 

—  Lisette.     IV  10  :  61. 
Negker,  Jost  de.     19:  203. 
Nekrassow,    Nik.    Alexejewitsch.      IV 

1  o :  95. 
Nemo.    I  11  :  46. 


Neologisches  Wörterbuch.     IV  2a:  36. 
Neologismen.     IV  5  :  398,  614. 
Nering,  J.  A.     19:  232  3. 
Nerrlich,  P.     IV  3  :  80,  87. 
Nervosität      I  4  :  49'.). 
Nesihet-ul-Muluk.     IV  Sc  :  46. 
Nettelbeck,  J.     16:  128. 
Nettesheim,  AgTippa  v.     II  7  :  2. 
Nenber,  Joh.    IV  I  b  :  81. 

—  Karoline.     III   4:23/4:   IV  la:17. 
Neuffer,  Chr.  L.     IV  10  :  34 
Neuhaldensleben.     1  4  :  37. 
Neujahrswünsche.     I  4  :  27/7a. 
Neuland.     IV  1  a  :  16;  3:550. 
Neulateiner.    117.  —  II  1  :  77. 
Neumann,  Balth.     I  9  :  136. 

—  Franz.     IV  5  :  398. 

—  K.  G      IV  2a:  22. 

—  K.  Waldemar.     IV  2b  :  108  9. 
Nenmark.     I  4  :  297  S. 

—  G.     II  6  :  163. 
Neumarkt,  Joh.  v.     17:1. 

Neun  im  Volksglauben.     I  5  :  102. 

Neunkirchen.     I  4  :  379. 

Neuzeit.     II  1  :  1. 

Nevils,  Henry,  Isle  of  Pine.     III  3:11. 

Newton,  I.     IV  2a  :  42;  5  :  107. 

Nibelungenlied.     11:48;    6:16.   107, 

110,  117/8,  142;  IV  lc:26;7;  ld:3. 
Nibelungenvers  u.  -strophe.    I  8  :  31. 
Nicolai,  Fr.     I  9  :  73.  232:   IV  lc  :  42; 

2a:  37,  132:  5:34,5,  562. 

—  Phil.     II  6  :  163. 

Nicolovius.  G.  H.  L.    IV  1  c  :  20;  5  :  601. 
Niebuhr,  B.  G.     IV   lb  :  1,  451;    lo  : 

75;  2a  :  68;  3  :  127,9;  5  :  289,  3545. 
Niederdeutsch.    I  12  :  7,  24;  II  5  :  9-11, 

37  8,  63,  68-70,  99,  118-20,  121,  126/9. 
Niederdeutsches  Schauspiel.  II  4  a :  22. 
Niederdeutschland.     I  5  :  283,  317,  363, 

390    395 
Niederlande.     1  5:224,   317/8,  395;   II 

1  :  15/6. 
Niederrhein     I  7:74,5. 
Niemand  u.  Jemand.     I  11 :  46. 
Niendorf-Suckow,  Emma.     IV  2b:  132; 

10: 113/3  a. 
Nier,  Frieda.    IV  3  :  547. 
Nieritz,  G.     IV  3 :  130  1. 
Niethammer,  F.  J.     IV  8b:  2.    • 
Nietzsche ,    Fr.     IV   1  a :  21  ;    1  c  :  60  1 : 

2b:  268;    5:62,    158-80,   238,   558  9, 

860/L 
Niklas  im  Volksbrauch.    I  5  :  64. 
Nikolaus   I.,    Kaiser    v.    Russland.     IV 

lb:230. 

—  v.  Cusa.     III  5:1. 

—  v.  Lüttich.     II  5 :  19. 
Nimptsch,  Leocadia  v.     IV  2b: 46. 
Ninive,  Herr  v.     15:  324. 
Nissel,  Frz.    IV  1  c  :  51 ;  3 :  464. 
Nitzsch,  J.  W.     IV  5 :  325. 
Nomsy,  J.    I  11:46. 
Nonnenlieder.     IV  3 :  41. 
Noidau,  M.     IV  3:561/3;  5:  62S/9. 
Nordhausen.     1  4:316. 
Normalschulen.     I  12:226. 
Normen  d.  Poesie.     I  1 :  18. 
Nostiz,  K.  v.    I  12  :  201 ;  IV  1  b  :  77. 
Noten.     18:1,  12  3. 
Notmünzen.     I  4:371. 

Novalis  s.  Fr.  v.  Hardenberg. 
Novela  picaresca.     IV  3  :  12. 
Nürnberg     I  4  :  15S,   369-70a.  432;  7: 
10;  II  1 :  44,  85,  91 :  4b  :  9,  13,  56-60. 
Nuhe,  K.     IV  2b: 84 5. 
Numerus  curreus.    I  3  :  278. 
Nuntiaturberichte      II  1:13  5,  17. 
Nyenborgh,  J.  v.     I  11:38. 
Nympbenburg.     I  9  :  128. 
Nythard,  H.    II  7  :  5. 

Oberkirch,  Baronin  v.     IV  1  c  :  10. 
Oberammergau.     I  9  :  127. 
Oberländer,  Ad.     19: 343. 
Oberseebach.     I  4  :  349. 
OchB,  P.     IV  2b: 417. 
Ochsenbach,  N.     IV  2b:  23-30. 
Octoechos.    I  3:90. 
Oecolampadin«,  J.     II  6 :  16;  7:7. 
Oehlenschläger,  A.     IV  1  a  :  21. 
Oelbermann,  H.     IV  2b: 88,  91. 
Oelinger,  A.     17: 12. 
Oertzen  (Familie  v.).     IV  2a:  69. 

—  Margarethe  Marie  v.     IV  3:547. 
Oeser,  A.  F.     IV  1  a  :  17. 

—  F.  H.     IV  2b:  222. 

—  Friederike.    IV  3  :  65. 


Oesterley,  H.    I  11:8. 
Oesteren,  Laska  v.     IV  1  a  :  13. 
Oesterreich.    I  4:96.  164,  187,  374-94; 

7:65/7;  9:  152,  222. 
Oesterreicher,  A.     II  4b:  94. 
Offenbach,  J.     IV  lc  :  60:  IV  10:S2. 
Ohr  in  Gleichnissen.     I  5  :  383. 
Oken,  L.     IV  5:  601. 
Olbrich,  C.     IV  8a  :  59;  8e  :  9. 
Oldenbarneveldt,  J.  van.     III  5:1. 
Oldendorp,  Joh.    II  6:219. 
Olearius,  G.     IV  2a  :  151. 
Olfers,  Hedwig  v.     IV  2b:  12. 
—  Marie  v.     IV  3:  521. 
Olivier  (Philanturopinist).     I  12  :  39. 
Ollapotrida  Fuchsraundi.     III  4  :  22, 
Olnhausen,  M.    IV  9 :  14 
Olympia.    I  9  :  23. 
Ompteda,  G.  v.    IV  3:552. 
Ondermark,  M.    II  6:207. 
Oper.     I  10:57-67,  88. 
Operntextdichter.    I  10  :  59. 
Opitz.  M.     16:  126,  140;    7  :  13;   8  :  2, 

23,  30. 
Oppeln.     I  9:121. 
Oppen    M.  v.     14: 165. 
Oppenheim,  H.  B.     IV  lc:93. 
Oratorium.     I  10:67. 
Orden.     I  4:450. 
Ordenserziehung.     I  12  :  244. 
Orgeln.     I  4:247/8;  10:30. 
Orgelkompositionen.     I  10:251. 
Orgelmeister.     I  10:89-90. 
Orgelsonate.     I  10:20. 
Orgelvirtuosen.     I  10  :  261. 
Orientreise.  I  4  :  125 
Originalgenies.    IV  5  :  446. 
Orlando   di   Lasso.     I    10:70/3,    76-85; 

II  4b:  53. 
Ornamentstich.     I  3  :  117 ;  9  :  444. 
Orosius.     I  3:1. 
Orsbeck,  J.  H.  v.    I  12  :  231. 
Orth  (Architekt).     I  9  :  362. 
Orthodoxie.     I  12  :  145. 
Orthographie.     13:135/6;    6:212:    7: 

15,  185,  218-24. 
Ortlepp,  E.  0.     IV  9  :  18. 
Ortsnamen.     I  5:414-23,  425/6. 
Ortsneckereien.     I  5  :  396. 
Orvieto  s.  Ugolino. 

Osiander,  A.    II  1  :  15,  87  ;  6  :  155,  203. 
Osnabrück.     I  4  :  217 ;  III  1 :  95. 
Ossian.     IV  2a:  111. 
Osterbräuche.     I  5  :  42  3,  67. 
Osterspiel.     I  4  :  35. 
(ist friesisch.     I  7:195a. 
Ostpreussen.     I  9  :  149. 
Ostschweiz.     I  4 :  20. 
Ostseeprovinzen.  I  4:399-400;  12:95/6. 
Otfried  v.  Weissenburg.     IV  1  d  :  3. 
Otloh.    IV  lc:77. 

Otmar  (-Nachtig  il),  J.  K.  Chr.  IV  10:41. 
Otthofer,  S.     II  2  :  30. 
Otto,  Luise.     IV  2b:  334;   3:286,  542. 
Otway,  Th.     IV  9  :  176. 
Otzen,  J.     19: 362. 
Oudinot,  N.  Ch      IV  lb:  174. 
Overberg.  B.     I  12:226. 
Ovid.    1  3  : 1 ;  II  7  :  5. 
Overhage,  H.     IV  2b:  452. 
Oyre,  d\    IV  1  b  :  108. 

Fächer,    M.     I  9  :  158  a,  167  a. 
Pachler,  F.     IV  la  :  38;  2  b  :  112. 
Pädagogik.    I  12.   —   I  6  :  94,  107,  110. 

126;    IV  5:  136,   224,    265,  380,  397, 

601,  606-21,  627. 
Pädagogium.     I  12  :  187. 
Paf  raet,  R.     13:  82. 
Paganini.     IV  1  c  :  32. 
Painter,  R.     I  11  :  48. 
Paläographie.     I  3  :  1,5,  23/4. 
Palaprat.     111  4  :  24. 
Palestrina,  G.  da.    I  10  :  70/5,  80,2:  IV 

1  c  :  60. 
Palthen,  J.  F.  v.    IV  2a:  25. 
Pan.     II  9  :  425. 
Pantenius,  Th.  H.     IV  1  c  :  26. 
Pantheismus.     III  5  :  1. 
Paoli,  Betty  (=  Elisabeth  Glüok).    IY 

lc:66;  2b:  176. 
Pape,  J.     IV  la:12. 
Papier.     I  3  :  138  8a,  381,  455;  4  :  198. 
Pappenheim,    G.  H.  Graf.     J1I  1  :  33  4. 
—  Jenny  v.     IV  5  :  65. 
Paperdoff,  C.     IV  1  b  :  394. 
Parabel.  I  6  :  126, 142;  II4a:28:  5:117. 
Paracelsisten.     I  3 :  151 ;  II  6 :  54. 


Sachregister. 


Paracelsus,   Th.     13:62,    151a;    III: 

94-100;  5:53;  III  5:1. 
Paradeisspiel.  I  5  :  274. 
Paris.     I  9:63,  461;  IV  7:15. 

—  G.     I  11  : 8,  14. 
Pariser,  L.     II  1 :  86. 

Parlaghi,  Vilraa.     I  9:40;    IVlb:283. 
Parlament,  Frankfurter.     I  9:469. 
Parodien.     II  2:39;  IV  9:78. 
Partita,  P.    III  5:1. 
Pascal,  B.     IV  1  c  :  26;  5 :  65,  128. 
Passionslieder.    II  2:2. 
Psssionsspiele    in:    Höritz  1  5:267-73; 

Krain  I  5:275;  Tirol  II  4a:  4 
Passon,  Fr.     IV  5  :  627. 
Pastor,  W.     IV  1  a  :  16. 
Pater  Guardian.     I  11 :  34. 
Pathos.     I  10:62. 
Patzke.  J.  S.    IV  5:34. 
Paul  IV.,  Papst.     II  7  :  31. 

—  H.     16: 142. 

Pauli,  H.  Reinh.    III  1:176;  IVlb:2l. 

—  J.     I  11:5a,  29,  32;  II  3:21. 

—  K.     IV  5  :  370. 
Paulus,  N.     IV  5:39;% 
Pavierton.     I  8  :  31. 

Pecht,  F.  I  4  :  468;  9  :  1,  29,  282;    IV 

I  c :  66. 

Pegnitzschäfer.     III  2  :  22;  IV  2  b  :  107. 

Pegnizer,  J.,  v.  Nürnberg.     I  3:89. 

Pellico,  S.     IV  3  :  236. 

Fennalismus.     I  4:57;  12:98. 

Pentameter.     18:1. 

Percy,  Th.     IV  ld:58;  7:30. 

Periode  (rhythmisch).     I  8:31. 

Pernetty,  A.  J.     IV  5 :  224. 

Perrin,  P.     IV  8d:32. 

Perücke.     I  4:231/2. 

Perthes,  Frdr.     IV  lb:45I. 

Pervigilium  Veneris.     IV  9:77. 

Pessimismus.     IV  Id:4. 

Pestalozzi,  J.  H.  13:  160;  6:94;  12: 
35/7;  IV  lc:20;  5:601. 

Pestalozzianer.     I  12 :  38/9. 

Peter  Friedrich  Ludwig,  Herzog  v. Olden- 
burg.    IV  lb:460. 

Peters,  Ed.     I  3:284;  10:1. 

—  K.     IV  5 :  157. 
Petersen,  J.  W.     IV  9:17. 
Peterson,  K.  F.  L.     IV  la:10. 

-  L     IV  la:42. 
Petöflgesellschaft.     IV  3  :  468. 
Petrarca,    Fr.     IU  5  : 1 ;  IV  1  c :  41,  77. 
Petrejus  (Buchhändler).     13:356. 
Petri,  J.     IV  1  a  :  12 ;  2  b  :  392. 
Petrioh,  H.     IV  3:19;   10:82. 
Petronius.     IV  lo:41;  2a:  40. 
Petrus,  d.  Himmelspförtner.     15:1. 

—  t.  Memel.     III  3:6 
Peutinger,  K.     I  3  :  268:  II  1  :  71. 
Pfäfflin-Baumgartner,  Frau.   IV  3  :  371. 
Pfalz      I  9  :  136. 

Pfau,  L.     IV  5  :  451/9. 
Pfauser  (Theolog).     II  6:39. 
Pfeffel,  G.  K.    16: 104. 
Pfefferkorn,  J.     II  7  :  14. 
Pfeiffer,  F.    IV  1  c  :  44 
Pfeilschmidt,  H.     IV  2b:  107. 
Pfeilschrifter,  Julie  v.     I  10:283. 
Pfenninger,  J.  K.     IV  2a:  116. 

—  Magdalena.     IV  8b:  54. 
Pfingstlied.     I  5:63. 
Pflster,  F.  v.     IV  2a:  158. 
Pflanzenknltus.     15:47. 
Pflanzenwelt.     1  4  :  120. 
Pflanzmann,  J.     13: 103. 
Pfleiderer,  0.     IV  5:558. 

Pflichten  des  Literarhistorikers.  I  1 :  21. 
Pflichtexemplare.     I  3:274a. 
Pfordten,  0.  y.  d.     I  10 :  138. 
Pfranger,  J.  G.     IV  5:36/7;  6:23. 
Philanthropie.     IV  2a:  29. 
Philanthropinismus.    I  12  :  34,  42/5,  175. 
Philipp,  Landgraf  T.Hessen.    I  12:12; 

II  1  :  39,  57. 

Philologie.      13:218;    6:1;    12:50/1; 

III  5 : 1. 
Philosophie.     IV  7  :  22. 
Photographie.     19:441. 
Phototypographie.     I  3:35/6. 
Physiologie.     18:1,  13. 

—  d.  Schreibens  s.  Graphologie. 
Piaristendramen.    III  4  :  16. 
Picander-Henrici,  Chr.  Fr.     I  8:30. 
Pichler,  Ad.   IV  la:14,  40;  2b:204/6; 

3:419. 

—  Karoline.     IV  2b:  207;  8:516/8. 

—  Luisa.    IV  3  :  545. 


Picoolomini.     III  l  :  35. 
Pick,  A.     IV  2b:  100,  105/6. 
Pico  v.  Mirandola.     II  7:7. 
Pedoll,  H.     19:  332. 
Pierlala,  Volkslied  vom.     II  2  :  49-50. 
Pierson,  W.     16:  104. 
Pietismus.   I  12  :  129,  145 ;  III  5  :  62,  68. 
Pietsch,  J.  V.     III  5:75;    IV  2a:  58; 
3  *  28 

—  L.    I  9:19,  21:  IV  lc:  65;  5:468. 
Pigage,  N.  de.     19: 136. 

Piglhein,  B.     19:  284  5. 

Pilze,  In  die,  gehen.     I  7  :  157. 

Pincier.     II  2  :  5. 

Pindar.     IV  1  c  :  90. 

Pinzgau.     I  9  :  368. 

Pirkheimer,  W.     II  5:95;   6:16;    III 

5:1. 
Pistorius.    IV  8e  :  18. 
Pitaval.     IV  9  :  176. 
Pins,  Probst.     IV  1  b  :  381. 
Platner,  E.     IV  5  :  105. 
Planck,  K.  Ch.     IV  5  :  201. 
Planitz,  C.  v.  d.     IV  1  a  :  27. 
Platen,A.  Grafv.    11:22;  IVlc:C9a; 

ld:  6;  2b  :  22/6,  64;  5  :  423. 
Plato.     I  4  :  129;  11  :  2;  IV  9  :  48. 
Plattnergewerk.     I  4  :  203. 
Plautus.  13:1,  149;  11  :44;  II  4a:  19; 

IV  6  :  27. 
Plautin-Moretus.     I  3  :  84/5 
Plestjeschew,  AI.    IV  1  d  :  69. 
Plettenberg,  W.  v.     II  5  :  26. 
Plinins.     I  3  :  115. 
Plotin.     III  5  :  1. 

Pluymer  (holländ.  Dichter).     III  4  :  24. 
Poach,  A.     II  6  :  180. 
Poe,  E.  A.    IV  3  :  10. 
Poesie,  Gesetze  d.     II:  18. 

—  nationale.     IV  7  :  24. 

Poetik.  I  1:47;  6:132,  1424.  146;  III 

5:1. 
Pötzl,  Ed.     IV  3  :  465. 
Poggio,  F.     I  11  :  5  a. 
Pohl,  R.     IV  1  c  :  59. 
Poiret,  P.     III  2  :  19. 
Pokorny,  Ed.     IV  3  :  412. 
Polemik,     ultramontane.       II    6  :   148, 

150  a/1. 
Polen.     I  5  :  185. 
Polenz,  W.  v.     IV  3  :  604. 
Politico.     III  5  :  2. 
Polko,  Elise.     IV  3  :  527. 
Polling.     I  9  :  127. 
Pols,  Schwertfegerfamilie.     I  4  :  202. 
Polyphonie.     I  10  :  73. 
Pommern.     I  4  :  99;  9  :  147,  190. 
Pomponatus,  s.  Pomponazzi. 
Pomponazzi,  P.     III  5  :  1. 
Poole,  W.  F.     13  :  253. 
Poppeisdorf.     I  9  :  144. 
Porträts,  historische.     II  1  :  12. 
Porträtwerk.     I  9  :  106. 
Porzellanindustrie.     I  4  :  241/3. 
Posch,  Joh.  Ch.     IV  2a:  31. 
Posen.     I  4  :  204,  276/8;  9  :  459. 
Postel,  K.  =  Charles  Sealsfield. 
Postwesen.     I  4  :  260/5. 
Poth,  S.  F.     IV  5  :  398. 
Potocki,  Graf  t.     IV  8b  :  2. 
Poyvre,  H.     13:  74. 
Prachtwerke.     IV  2  b  :  483-96. 
Prades,  de,  Vorleser  Friedrichs  d.  Gr. 

IV  1  b  :  43. 
Präger,  F.     I  10  :  134/5;  IV  lc:  57,60. 
Prämonstratenser.     I  4  :  410. 
Prätendenten.     I  4  :  465. 
Prag.     I  4:205,  435;  7  :  66. 
Prangerl.     IV  1  c  :  13. 
Prasch,  A.     IV  3  :  440. 
Praun,  N.     II  4b:  91. 
Predigten.    1  3  :  19;  II  1 :  77;  5  :  17-20; 

IV  2  b  :  478. 
Prell,  H.    I  9  :  343. 
Preller,  Fr.  19:20;  IV  2b  :  46;  5  :  398. 
Preser,  C.     IV  2  b :  84/5. 
Presse.     I  3  :  243,  251/7,  420,  425a;   s. 

a.  Zeitungswesen. 
Pressfreiheit.    I  3  :  406  7,  420,  424. 
Pressge;etz.     I  3:  421,  425. 
Pressmandate      I  3  :  419. 
Pressrecht.     I  3  :  414. 
Preussen.    I  4  :  180 ;  1 2  :  48 ;  III  1 :  179. 

—  Nation   d.,    an   d.  Univ.  Leipzig.     I 
12:146. 

—  Provinz.  I  4:  273/5  a. 
Preussenhymne.  I  8  :  23. 
Preussenlied.    IV  2  a :  10;  2  b  :  424/5. 


Priameln.     II  6:125. 
Pribitzer-Lied.    116:274. 
Pribram,  A.     IV  Ib. 18. 
Prinz  v.  Arkadien.     III  4  :  21. 
Prinzenerziehung.     I  12:11. 
Pritschmeister.     I  8  :  30. 
Privatbibliotheken.      1     3  :  297 ;     s.    a. 

Bibliotheken. 
Privatlektüre.     I  6  :  26/8. 
Privatschule.     I  12:229. 
Probst,  A.     IV  2b:  340. 
Pröhle,  H.     IV  2a: 40. 
Programme.     I  3 :  168. 
Programm-Musik.     I  10:17/8. 
Prokesch,  A.     IV  2b:  112. 
Proletarierdichtung.     IV  2  b  :  407.  410. 
Promotionen.     I  12 :  105. 
Properz.     I  3:1;  IV  9:31. 
Prosa.     IV  5  :  175. 

—  gereimte.     IV  2b:  4. 
Prosaauflösungen.     II  2  :  29. 
Protestanten,  Salzburger.     III  1  :  180. 
Protestantismus.     I    12  :  104,   145;    III 

1 :  170. 
Protokolle  u.  Relationen.    III  1 :  129. 
Pruss,  J.     II  3:20. 
Prntz,  R.     IV  lc:27,  50. 
Psalter.    I  3:90. 
Psychologie.      I    8:13/6,    31,    34;    III 

1  :183;  5:54;  IV  5:219-25. 

—  des  Schreibens  s.  Graphologie. 
Psycho-Physiologie    d.    Handschriften. 

I  3:46/7. 
Publizistik.     III  1  :  10,  295/7. 
Pudor,  H.     I  9:340a;  IV  2b: 395. 
Pückler-Muskau.  Fürst.    IV  lc:27,  7ö. 
Pntzgen      I  4  :  339. 
Pufendnrf,  S.    III  1 :  198;  5  :  44/5  b,  62; 

IV  lb:291. 
Puff,  Rud.  Gnst.     IV  2b:  112. 
Puisegur,  Marquis  v.     14:  144. 
Pumpernickel.     I  7  :  145. 
Puschkin,  A.     IV  la:21. 
Puschmann,  A.     I  8:23;  II  4  b  :  95. 
Pustkuchen,  F.     IV  3:91. 
Putlitz,  G.  v.     IV  1  c  :  60. 
Puttkamer,  Alberta  v.     IV  2b:  403,4. 
Pygmalionmotiv.     IV  3  :  65. 
Pyra,  J.  J.    IV  2a:  58;  3:28,32;  5:34. 

«fcuandt  (Buchhändler).     IV  3  :  233. 
Quantität.     1  8 : 1/2,  12/3,  18,  23. 
Quedlinburg.     1    4:221,     318/Sa;     III 

1 :  23  a. 
Querbammer,  C.     II  6 :  163. 
Quintilian     IV  6  :  13. 
Quirini,  V.    II  1  :  19. 

Raabe,  W.     IV  3  :  323/7. 

Rabe  u.  Fuchs.     I  11  : 4. 

Rabelais,  J.     III  5  : 1 

Rabener,    G.    W.     IV    lc  :  78;  2a  :  35; 

59. 
Rachel,  Elisa.     IV  I  c  :  93. 
Racine,  J.  de.     IV  1  c  :  27,  33. 
Racknitz,  J.  F.  v.     IV   1  a :  17. 
Radbertus,  J.  v.     IV  5:  113. 
Riidetzky,  J.  A.  Graf.     IV  1  b  :  180,  387  ; 

2a:  1. 
Radnitzky,  Aug.     IV  2b:  198. 
Radowitz,  J.     IV  5  :  563. 
Radulfus  v.  Anjou.     I  11:46. 
Radziwill,   Anton    Fürst.      IV    8a:  38; 

8  e  :  93. 
Rätsel.     I  4:134;  5:389-95. 
Raff,  J.     I  10 :  192. 
Rahden,  Edith  v.     IV  I  c  :  103. 
Rahl,  K.     IV  8  a :  25. 
Raimund  v.  Sabunde.     III  5:1. 
Raimund,  Ferd.     IV  lc:  66. 
Rainer,    Erzherzog.     IV  1  c  :  7 
Rambach.  Fr.  E.     IV  3  :  16. 
Ramler,  1.  W.     I  8  :  27;  IV  lc  :  41,  78  ; 

2a:  40,  46,  49;  3:65;  6:2. 
Rank,  J.     IV  3  :  413. 
Ranke,  L.  v.     I  6:117/8;  IV  lb:l,  58, 

194,  240;  lc:l.  68;  5:271,  358,366, 

377.  380,  397. 
Rantzau,  J.     III  1 :  105. 
Rappolt,  F.     III  5  :  51  2. 
Raspe,  R.  E.     IV  3:40. 
Rassenkampf.     14:5. 
Rasser,  J.     II  4  a :  30 ;  5  :  35. 
Ratdolt,  E.     13: 67, 
Ratherius.     IV  lc:77. 
Ratibor.     I  9:  121. 
Ratingen,  J.  v.     II  2  :  51. 
Rationalismus.     I    6:94;    12:129;    III 


Sachregister. 


5:72/3;    IV  5:86,  113,  140;   s.   anch 

Aufklärung. 
Ratschky,  J.  F.  v.     IV  2»:  103. 
Rattenfänger  v.   Hameln.     IV  3:229. 
Ratthey  (Ratjen?).     IV  2a  :  9">. 
Ratz,  J      II  5  :  27. 
Rauch,  Chrn      I  9 :  254,  264,  267. 
Raufjodl.     I  5:310. 
Raumann,  K.     II  2:82. 
Raumer,    F.    v.      16:  117/8;    IV  1  b : 

20. 

—  K.  v.     IV  5:339. 

—  Rud.  v.     IV  lc:44. 
Raumwirkung.     I  9  :  8. 
Raupach,  E.     I  5  :  263;  II  4b  :  71. 
Rauscher,  Kardinal.     I  12  :  69. 
Rauaohoff,  G.     IV  3  :  66. 
Ravensberg.     I  4 :  335. 

Realien.     I  6:97-100;  12:27,  106,9. 

Realienbücher,     l  6  :  94. 

Realismus.     I    9:44;    12:209;  II  1:1; 

III  5  :  70  a. 
Realisten.     IV  2a:96'8. 
Realschultypus.     I  12:86. 
Rebhun,  P.     II  4  :  26. 
Rechenaufgaben.     1   12  :  9. 
Rechenunterricht.     I  12:9. 
Rechnungen.     I  4  :  212. 
Recht.     I  4:98-110a;  III  1:10. 
Rechtfertigungslehre,  Panlinische.     III 

5:1. 
Rechtsbräuche      I  5  :  60/1.  100. 
Kechtsbücher.     II  5 :  63-72. 
Rechtsgeschichte,  vergleichende.  14:4. 
Rechtsleben.     III  1 :  10. 
Rechtspflege.     I  3  :  404  5  ;  s.  a    Censur, 

Pressrecht. 
Recke,    Elise    v.   d.      IV    la:10;    2a: 

132:  8e  :  62. 
Reddemer,  Th.     I  12  :  192. 
Rede-Aktos.     I  12:1069. 
Redensarten  (s    a.  Sprichwörter).   I  5  : 

364,5,  367-88;  7:156-66. 
Redepausen.     18:1,29,33. 
Reder,  H.  v.     IV  2b:  103-10. 
Redmger,  J.     1  12  :  175. 
Redwitz,  0.  v.    II  1:66;  IV  lc:8,  13, 

50,  58 ;  3  :  605. 
Ree,  P.     IV  5  :  175. 
Reflexionspoesie.     IV  2b:  3. 
Reformation.     II  6.    -  I  6 :  94,  140;  II 

12,  9;  III  5:1;  IV  5:634. 
Reformationsgeschichte.     13:271. 
Regensburg.     II  1 :  15. 
Regulative.     I  9  :362;  12  :  75. 
Rehberg,  Fr.    IV  3  :  63. 
Rehfues,  P.  J.  v.     IV  5  :  398. 
Reich,  M.     IV  3  :  413. 
Reichard,  H.  A.  0.     IV  8e  :  7. 
Reichardt,  J    F.     I    10:45,  55;    IV  5  : 

489;  8b:  2;  10:41 
Reichel,  Chrph.  K.     IV  3  :  22. 

—  J.  G.     IV  3  :  22. 
Reichenberg.     I  9  :  472. 
Reichensperger,  P.     IV  1  b  :  319. 
Reichenstein.     I  4 :  194. 
Reichersbeuren.     I  9  :  127. 
Reichsdruckerei.     I  9 :  104. 
Reichsfarben.     I  4:111a. 
Reichshaus.     I  9  :  374-80. 
Reichslande.     I  4:343-50a. 
Reichstag,  Humor  im.     I  4:136  a, 
Reichstage.     II  1  :  15;  7:19. 
Reid,  Mayne      IV  3:401. 
Reihing,  J.     II  6  :  35. 

Reim.     I  8  :  1.  30,  33/4. 
Reimams,  Elise.     IV  1  c  :  17. 

—  Familie.     IV  5  :  600. 

—  H.  S.     IV  5:  18-20,  224:  6:36  7. 
Reimer.  Betty.     IV  6:11. 
Reimpredigt.     II  5  :  19. 
Reinbeck,  Emilie.     IV  2b  :  136. 
Reinecke.  K.    IV  1  c  :  58. 

—  Fuchs.     II  1:83;    3 :  10/a,    12,  14/5; 

IV  ld  :3. 

Reinhard,  F.  V.     IV  5  :  291. 

—  Fr.     IV  5  :  600. 

Reinick,  R.     IV  2b  :75;   3:  1325,  278. 
Reinke  de  Vos  s.  Reinecke  Fuchs. 
Reinwald,  Chrph     IV  5  :  37. 
Reisebeschreibung.     IV  3:36,  39. 
Reiselitte ratur.     I  4:1248. 
Reisen.     I  4  :  81 ;  II  1  :  112,  126  8. 
Reissiger,  K.  G.     IV  lb:446. 
Reissner,  Ad.     II  1  :36. 
Reiter,  J.    IV  2  a  :  53. 
Reiterdenkmale.     I  9:264. 
Reiterleben.     I  10  :  52. 


Religion.     I  4:508-10;  III  5:1.  12-38; 

IV  lb:20I. 
Religionsphilosophie.     IV  5  :  234/8. 
Religionsunterricht.     I  12:5  6. 
Rellach,  J.     II  6  :  66. 
Rembrandt  als  Erzieher.    IV  3  :  87,  261, 

418;  5:65. 
Remscheid-Solingen.    I  7  :  74. 
Remusat,  J.  P.  A.     IV  8c  :  50. 
Renaissance.  II  1:12,  78-81;  1115:1/2. 
Renan,  E.     II:  18/4. 
Renaudot,  Th.     I  3:228  9,  239. 
Renner,  K.  Fr.     18:  30. 
Rennschub,  Sophie.     IV  9:87. 
Restaurierungen.     I  9  :  136. 
Retz.     I  4:3S0a. 
Reuber,  J.     IV  1  c  :  30. 
Reuchlin,  J.     II  7  :  145;  III  5  :  l. 
Reuling,  C.     IV  1  a  :  16. 
Reumont,  A.  v,     IV  5:366 
Reuter,    Fritz.     I    4:49;     IV    lc:65; 

2b:  64,  285;    3:232-56;    5:467;    9: 

194. 

—  Luise.     IV  3  :  233-46. 

Reutern,  G.  v.    I   9:305;    IV    5:599; 

8b:  10. 
Reval.     I  4:253. 

Revolution,  französische.     IV   7  :  20. 
Revolutionskämpfe.     IV  2b  :  57. 

Lieder.    IV  2b:  3. 

Litteratur.     IV  2b  :  409. 

Reygenlied  vom  heil.  Grobian.  II  2 :  45. 
Reynmann,  L.     II  5:48. 
Reynolds,  J.     19:  102. 
Rhegius,  ürbanus.     I  12  :  8. 
Rheinlande.     I  4  :  222,  336-42 ;     6  :  97; 

7:5;  9:143. 
Rhenanus,  Beatus.      II  7  :  19. 
Rhetorik.     I  6  :  142. 
Rhodomannus,  L.     II  7  :  37, 
Rhythmen,  freie.     18:1,  13. 
Rhythmik      I  8  :  1,2,  12,3. 
Rhythmus.   I  5  :  320 ;  8  :  24.  26 ;  10  :  41. 
Rhytlimuswechsel.     I  8  :  12. 
Richardson,  S.     IV  3:6/7,  16. 
Richenthal,  U.     I  3:30. 
Richey,  M     18: 30. 
Richter    (Jugenderzähler).     IV    3  :  120. 

—  G.  K.  A.     IV  2a:  11. 

—  J.  P.  F.  (Jean  Panl)  I  12:145; 
IVla:33;  1  c  :  17.  50,52,  73,  96; 
3:80'8,  270,  410;  5  :  15'7,  39,  397,8, 
606;  10:25,  35.  61,  82. 

—  Ludw.    I  9:272;  IV  lc:62;  5:466. 

—  R.    IV  8e:87. 
Richtschwerter.     I  4  :  202. 
Richtung,  Moderne.     I  1  :  43,  48. 
Rickert,  H.     IV  5:558. 

Riedel,   F.    J.     I    8:30;    IV    lc:40/l; 

2a:54. 
Riederer,  Fr.     I  8  :  30. 
Riehl,  H.  W.  v.    IV  3:175;  5:43,  352, 

471. 
Riemer,  F.  W.     IV  8e  :  46,  62. 
Ries,  Adam.    I  4:464  a;  II  1 :  124. 
Riesensagen.     I  5  :  261/2. 
Rietschel,   E.    I    9:266;     IV    2b:  46; 

9:  12. 
Riga.     IV  7  :  15. 
Rimicius.     I  11  :  5a 
Rinaldini,  R,     IV  3 :  16. 
Rinckhart,  M.     II  4  a  :  37 ;  6  :  163. 
Ring,  Hofrat.     IV  2  a  :  54. 
Ringseis,  Emilie.     IV  3  :  538. 
Ringwaldt,  Barth.     II  6  :  163 
Rippoldsau.     I  4  :  352  a. 
Rist,  J.  G.     IV  la:37:  8  e  :  25 
Ritschi,  Allr.     IV  5  :  228,  320  6. 

—  Fr.    IV  5  :  398. 

Ritter,  A.     I  10  :  260:  II  5  :  117  a. 
Ritterkrieg,  Der.     II  5  :  55. 
Ritterroman.     IV  3  :  16;  9  :  176. 
Rittershaus,  E.    IV  lc:44;   2b:  41a  b, 

—  N.    II  2:43;  III  2:4. 
Robert,  U.     13: 325 
Robert  Guiskard.     IV  9:31. 

—  L.    I  9:461. 

Roberts,  A.  Baron    IV  3  :  606. 

Robertson,  F.  W.     IV  6  :  39. 

Robinson  u.  Robinsonaden.   III  3 :  11/7. 

Rochlitz,  F.     IV  3:58;  8b:  2. 

Rochow,  Fr.  E.  v.     I  6:94;  12:40  2. 

Rockenberger,  Andr.     I  9:463. 

Rococo.     I  4  :  25 

Rode,  Chr.  B.    I  9:260. 

Rodenberg.  J.     IV  lc  :  60;  2b  :  845. 

Röber,  F.     19: 349. 


Röohel,  M.    I  5  :  40. 

Röckel,  A.    I  10:131,3;  IV  1  c  :  56. 

Römhild,  C.  Jol.     IV  5:618. 

Rössler,  Konst.     IV  lb:469. 

Rötscher,  H.  Th.     IV  lc:50. 

Roggenbach,  F.  Frhr.  v.     IV  1  b :  3. 

Roggensau.     I  5  :  73. 

Rohr,  Joh.  Chrph.     IV  2a: 3. 

Rokelt  (?)  oder  Rokett.     IV2a:21. 

Roland  de  Lassus  s.  Orlando  di  Lasso. 

Rnlevinck,     Fasciculus     tempornra       I 

3:104 
Rollenhagen,  G.     IV  2a:  102. 
Rollet,  H.     IV  2b:  182. 
Roloff,  G      IV  1  b  :  171,  295,  402. 
Rom.    III  5:1. 
Roman.    I  12  :  222;  IV  3  :  2/3,  17. 

—  historischer.     IV  3  :  190-219, 

—  moderner.     IV  3:6-11. 

—  pädagogischer.    I  12:34. 

—  romantischer.     IV  10:7. 
Romangruppen.     IV  3  :  12/8. 
Romanhelden.     IV  3  :  11. 
Romanlitteratur,      moderne.        IV     3  : 

550-616. 
Romansammlnngen.     IV  3  :  19-21. 
Romantik.    IV  10.  —  I  6 :  135 ;  10 :  35/6 ; 

IV  la:3:    lc:27,  50,  73;    2a:  162; 

3:98-112. 
Romanus,  J.  B.     II  6  :  43. 
Romanze.     I  6  :  142. 
Romanzenepos.     IV  7:31. 
Roquette,  0.    IV  1  c  :  50.  58;  3:288-95. 
Röscher,  W.     IV  5:478-85.  487. 
Rosegger,  P.  K.     IV  3  :  434-54. 
Rosenfest.     IV  2b:  57. 
Rosenkranz,  K.     IV  lc:69a. 
Rosimunda.     II  4  b  :  70. 
Rosner,  F.     III  4:  15. 
Rossini,  G.     IV  lc:60. 
Rost,  A.     IV  lc:58. 

—  Ch.     18: 30. 

—  J.  Ch      IV  lc:78:  3:32. 
Rostock.     I  4  :  209,  252  a;  II  1:1. 
Rot  in  Gleichnissen.     I  5 :  382. 
Rotenburg.     I  4:366. 

Roth,  K.  v.     IV  5:414. 

—  St.    II  1 :  122. 
Rothe,  G.     I  12:181. 
Rothinann,  J.    IV  2a:  101. 
Rotkäppchen.     I  5:238. 
Rotieck,  K.  v.    IV  lc:51,  66. 
Rotten  hamra  er,  J.     I  9:190. 
Rotting,  Mich.     II  6 :  155. 
Rotwälsch.     I  7:87/3. 
Rouget  de  llsle.     IV  2b:  417. 

IV    lb:291; 
14,   65; 


lo:2, 
11,    113, 


Rousseau,    J.   J. 

47,    68:    3:6/ 

224,  463,  652. 
Rowe,  Elisabeth.     IV  ld:60. 
Rubinstein,    A.     I    10:66,   230-45;    IV 

lc:14:  2b:  46. 
Rudbek,  0      I  11:2. 
Rudolf  v.  Habsburg      I  11 :  18. 

—  IL     Kaiser.    I  9  :  170a,  454;  II  1  : 
15. 

Rudolstadt.     I  9  :  126. 
Rückblicke.    IV  3 :  14. 
Rückert,    Fr.      16:104,    136;    IV  lb: 
158,  205,  444. 

—  H.    IV  2b:  27-31. 

Rüdiger,  Andr.     III  5 :  71 ;  IV  5  :  231/2. 

Rüdinger,  Ed.  v.     II  7  :  6. 

Ruef.  J.    IV  9 :  166. 

Rügger,  H.     13:  111. 

Rüling  (Kantor).     I  10:27. 

Rümelin,  G.  v.    IV  5 :  476. 

Rufus,  Blutianus.     II  7  :  29. 

Rüge,  A.     IV  5 :  126.  563,  590. 

Rulman  Merswin.     IV  1  c  :  77. 

Rumänisches.     IV  2a:  122. 

Rum  ohr,  W.  v.     IV  10 : 1. 

Rumpelstitzchen.     I  5  :  247. 

Rumpf,  K.     IV  Sa:!^. 

Runge,  Ph.  0.     IV  10:41. 

Russland.    I  4  :  185. 

Rust.  F.  W.     I  10 :  101,  108. 

Rüstige,  H.     IV  la:12. 

Rustringer  Heimatsbund.     IV  2  b  :  343. 

Rutze,  Nik.    II  3 :  60. 

Saadi.     IV  2  b  :  28-31. 

Saale.     1  7  :  77. 

Saar,   F.    v.     I   6:130;   IV   2b:  183/6; 

3  :  457-62. 
Saarbrücken.     I  4  :  342. 
Sabatier,  F.     IV  8e  :  104. 
Sabatke  (Buchhändler).    I  3  :  364. 


Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.     V. 


(4)38 


Sachregister. 


Sabbatai  (Buchhändler).    I  3  :  364. 

Sabbatharier.    I  4  :  423. 

Sabinus,  G.     I  12  :  143. 

Sacer,  G.  W.    18:  30. 

Sacher-  Masoch.  L.  t.     IV  3  :  436. 

Sachs,  Hans.  II  4b.  —  I  8  : 1,  23,  301 ; 
11  :8,  27-30,  32;  II  2:23;  3:19,27; 
6:198/9;  IV  ld  :  3;  5  :  444;  8b  :  40/1 ; 
8e  :  8.  Beschreibung  aller  Stand  II 
4  b  :  79  Ch  risti  Geburtsspiel  II 4  a  :  6. 
Drama  II  4b  :  85/6.  Fabeln  und  Mär- 
chen II  4  b  :  68/9.  Fahrend  Schüler 
im  Paradeis  II  4b  :  7,  52,  58.  Fast- 
nachtsspiele II  4b  :  5,  7,  12,  72. 
Frau  Wahrheit  II  4b:  7,  52,  110. 
Gespräch  e.  evang.  Christen  114  b :  92  a. 
Hagbart  u.  Signe  II  4b  :  70.  Heiss 
Eisen  II  4b  :  5.  Hester  (Drama)  II 
4  a  :  24.  Krämerskorb  II 4  b  :  58.  Lieder 
II  2:44a;  4b:  77.  Lobspruch  d. 
Stadt  Salzburg  II  3:26;  4b  :  8, 
Meisterlieder  II  2:23,  29,  32,  34; 
4b:  9,  41,  53,  80/4,  95.  Narren- 
schneiden II  4b:  5,  86.  Nibelnngen- 
drama  II  4b  :  71.  Pura  II  4b  :  86. 
Rosimunda  II  4  b  :  70.  Sanct  Peter 
mit  der  geiss  II  4b  :  51.  Schmied 
zu  Rom  II  4b:  68  Schwanke  II 
3  :  22/5;  4b  :  68/9,  80/4,  104.  Spruch- 
bücher  II  4b:  78.  Spruchgedichte  II 
4b  :  6.  Sprüchwörter  II  4b  :  89. 
Teufel  mit  d.  alten  Weib  II  4b:  52. 
Tod  im  Stock  II  4b  :  52.  Toter  Mann 
II  4b:  5.  Uebersetzungen  II  4b:  75. 
Unnütz  fraw  Sorg  II  4  b  :  86.  Vor- 
rede zu  N.  Prauns  Dialogen  II 
4b  :  91.  Wach  auf  meines  Herzens 
Schöne  II  4b  :  46a.  Wunderbariich 
träum  II  4b  :  12.  Zipperlein  u.  d. 
spinn  II  4b  :  51. 

Ausstellungen.     II  4b  :  53. 

Dichtungen.     II  4  b  :  105-12. 

Feier.     II  4b:  15,  56. 

Litteratur.     I  3  :  152;  II  4b  :  667. 

—  Jul.     IV  8a:  49 

—  Mich.     IV  5  :  353. 

Sachsen  (Königreich).  I  4  :  163,  192  a, 
197,  324.7;  9:  124. 

—  (Kurfürstentum).     I  4  :  162,  169. 

—  (Provinz).  I  4  :  312-23. 
Sachsenhymne.  IV  2a:  11. 
Sack,  Aug.  Fr.  W.     IV  5  :  246. 

—  F.  F.  A.     IV  5  :  289. 

—  F.  S.  G.     IV  5  :  275. 
Sächsische  Schweiz.     IV  2a  :  132. 
Sächsisch-Regen.     I  7  :  68. 
Säkkingen.     I  4 :  397. 

Saenger,  S.     IV  8a  :  77. 

Sagen  (s.  auch  Beschwörungen).  I 
5:125/6,  131,  133,  149-99,  239,  242, 
353;  6:104,  108/9,  120,  126,  142;  IV 
2a:  116;  7:24. 

Sagenkreise.     I  6  :  120. 

Sagensammlungen.   15:149-51. 

—  aus  Mitteldeutschland.    I  5  :'  169-88. 

—  aus  NiedeTdeutschland.    I  5  :  189-99. 

—  aus   Oberdentschland.     I   5  :  152-67. 
Sahlmann,  F.     IV  3  :  256. 

Sailer,  Gereon.     II  7  :  19. 

—  S.     IV  2b:  304. 
Saintfoix.     IV  9  :  176. 
St.  Cyr.    I  10:50. 

St.  Leu,    Graf   (=  Ludw.    Bonaparte). 

IV  2b:  112. 
St.  Pierre,  B.  de.     IV  3:403  a. 
St.- Real.    IV  9:176. 
Saint  Simon     IV  3  :  14. 
Saladin  (Sultan).     I  11 :  17. 
Salchow  (Stadtsekretär).     IV    1  b  :  187. 
Saldörfer,  Konr.     I  3:337/8. 
Säle,  Antboine  de  la.     13:  282. 
Salis,  t.  (Familie).     IV  2a:  133. 
Salimbene.     IV  9:67. 
Sallust.     13:1,  114. 
Salus,  H.     IV  la:13;  2b:  113/6. 
Salutato,  L.    III  5 : 1. 
Salzburg.     II  3  :  26 
Salzmann,    Chr.   G.     I   6  :  94;  12  :  31  4: 

IV  5:612 
Salzwesen.    I  4  :  170/2. 
Sam,  Konr     II  6  :  194. 
Sander,  Cl.     II  3:48  a. 

—  F.    IV  5:268. 

—  J.  S.     IV  8b:  11. 
Sanders,  D.    12: 57/8. 
Sandersleben.     I  9  :  151. 
San  Marte,  A.     I  6:117/8. 
Sannazaro,  J.     III  2  :  41. 


Sanseverino,  F.     IV  3  :  78. 

Saphir,   M.  G.    IV  lc  :  51,  58;   3  :  278. 

Sarcey,  Fr.     IV  1  b  :  338/9. 

Saros  Patak.     112: 15. 

Sarpi,  P      III  5  :  1. 

Sartor,  J.     II  1  :  87. 

Satinagedruck.     I  3  :  140. 

Satire.     II  5  :  73-109. 

Satiriker.     I  6:140. 

Sattel.     I  9:465. 

Sattler,  Jos.     I  9  :  333. 

Satzpausen.     18:1,  29,  33. 

Sauer,  A.     IV  3  :  19. 

—  W.     IV  lb:181. 
Sauerkraut.     I  4  :  236. 
Sauppe,  C.     IV  5:400. 

Savigny,    F.    K.    v.      IV    5:352,   471; 

10:1,  49,  61. 
Scarron,  P.     I  11:51;  III  4:24. 
Schaafhausen,  H.     IV  5  :  518. 
Schuck.  A.  F.  Graf  v.  1 6  :  89 ;  8  :  36 ;  11 : 2 : 

IV  lc:50,  66.  68;  2b -.28-30,  64-75; 

3:330/1;  5:460,  464;  8a:  104. 
Schackothek.     IV  2b:  73. 
Schade,  Job.  Kasp.     III  5:33. 
Schadow,   J.   G.     I   9:254;    IV   8a:  4; 

8  b :  9 ;  8  e  :  65. 
Schäfer,  Anny.     IV  2b:  296. 

—  Arnold.     IV  lb:57. 

—  Karl      IV  2h:  87. 
Schäferspiele.     I  12:24. 
Schäffler.     IV  2b:  281. 

Schärtlin,  Seb  ,  v.  Burtenbach.  II  1  :  36. 
Schäufelin,  H.     I  3:337/8. 
Schaf heitlin,  A.     IV  2b:  396. 
Schallenberg,  Chrph.  v.     III  2  :  6. 
Schan,  Jörg.     I  11 :  46. 
Schanz,  Frieda.     IV  2b:  402. 

—  G.     IV  lb:416a. 
Scharf,  L      IV  2  b  :  393. 
Scharffenberg,  Albr.  v.     13:20. 
Siharfsinnsproben.     I  11:5. 
Soharnhorst,   G.   J.  D.  v.     IV  lb:  149, 

166. 
Scharzfels,  Burg.     I  4  :  311. 
Schatzger,  Kasp.     II  1  :  87. 
Schatzsagen.     I  5 :  179,  198,  240. 
Schaumberger,  H.     IV  3:608. 
Schaumburg,  M.     13: 373. 
Schauspiel  s.  Drama  u.  Theater. 
Schauspieler,   holländische.     III   4  :  24. 
Schedel,  Hartm.     II  3  :  63 ;  5  :  65. 

—  Herrn.    II  7:2. 

Scheffel,  J.  V.  v.  I  6  :  127;  7  :  201 ;  IV 
lc:  13,26.58.66;  1  d  :  3;  2b  :  239-53; 
3:215/9;  5:398,  535,  558. 

—  Joseflne.     IV  2b:  254/5. 

—  Marie.     IV  1  c  :  13. 
Scheffler,  J.  s.  Angelus  Silesius. 
Scheffner,  J.  G.     IV  2a:  150. 
Scheiben  treiben.     I  5  :  49. 
Scheit,  Kasp.     II  1:112. 
Srhelhamer,  Jak.     II  6  :  155. 
Schelling,  P  W.  J.  v.  IV  1  c  :  66 :  3  :  110; 

5:115/7.    140,   354;    8b:  2;    10  : 1,  3  , 
14,  30,2,  34,  61. 

—  Karoline.     IV  10:14. 
Schellhammer.    IV  1  b  :  131. 
Schelmenroman.     IV  3  :  12.  16. 
Schelmuffsky.     IV  10:41. 
Scholz.     1  11:8. 

Schenk,  Ed.  v.    IV  2b:  22. 
Schenkendorf,  G.  H.     IV  2a:  154. 

—  Maxv.  IVlb:386;2a:154/6;5:345; 
10:36 

Schenkendorff,  Karl  Oswald  v.  IV 2  a :  154. 
Scheerbart,  P.     IV  1  a  :  16. 
Scherenberg,  Ch.  F.     IV  1  c  :  49. 

—  E.     IV  2  b  :  352-4. 
Kchernberg,  Th.     II  4a:  36. 
Scherer,  A.     IV  8a:  78 

—  W.  I  1:66;  6:40;  112:36;  IV 
la:30;  lc:60;  5:397;  8e:68. 

Scherr,  J.     IV  2b: 66. 
Schicksalstragödie.     IV  5  :  627. 
Schiebeier,  D.     IV  3  :  65. 
Schiessprügel.     I  7  :  144. 
Schiff,  Herrn.    IV  la:37. 
Schiffahrt.     I  4:  267/7  a. 
Schikaneder,  Em.    II  1 :  66. 
Schiida.     I  7  :  81. 
Schildbürgerbuch.     IV  3:253 
Schildbürgergeschichten.     I  5:396/7. 
Schiller,  Carl  v.     IV  9  :  35. 

—  C.  G   W.    IV  3  :  78. 

—  Charlotte  v.   IV  1  b  :  439 ;  9  :  35, 176. 
--  Christophine.     IV  9  :  14,  24. 

—  Elisabeth  Dorothea.     IV  9:27. 


Schiller,  Ernst  v.  IV  lc  :  47;  9  :  26. 

—  F.  v.  IV  9  —  I  1  :  46;  6  :  32,  40/4, 
79-82,  104,  117/8,  135,  142:  8  :  23,  33; 
IV  1  b  :  100,  291 ;  1  c  :  17,  20,  27,  31, 
50,  53,  65,  72,  76,  93,  96;  2a:  89, 
97/8,  106;  2b:  138;  5:37,  89,  104, 
140.  224,  345,  558,  600,  652;  6  :  16; 
7  :13,  21;  8a:  25;  8b  :  33;  10  :  5,  9, 
34/6,  41,  48,  61,  102,  109,  118.  Hören 
IV  7  :21,  24;  8b  :  42. 

—  Lyrik.  IV  9  :  54-77.  —  16:31, 
108  9;  IV  1  c  :  49;  3  I  20.  Bürgschaft 
IV  9  :  63.  Deutsche  Muse  IV  9  :65. 
Gang  nach  d.  Eisenhammer  IV  9  :  67/8. 
Glocke  I  6  :  79;  8:3;  IV  9  :  69-73. 
Götter  Griechenlands  IV  lc  :  17; 
9  :  74.  Ideal  und  Leben  IV  9  :  62. 
Ideale  IV  9  :  189.  Kampf  mit  dem 
Drachen  IV  9  :  64,  151.  Künstler 
IV  9  :  61.  Laura-Lieder  IV  9:4. 
Lied  au  d.  Freude  IV  lc:17,  96; 
9  :  18/9.  Mädchen  aus  d.  Fremde 
IV  lc  :  26  Resignation  IV  2a  :  132. 
Schlacht  I  8  :  24.  Spaziergang  IV 
8c:  30;  9:75/6.  Tabalae  votivae 
IV  9  :  31.  Triumph  d.  Liebe  IV 
2a:  1 17 ;  9  :  77.  Waschweibergedicht 
IV  9  :  22.  Würde  d.  Frauen  IV 
lc:17:  9:66.  Xenien  IV  lc:82; 
9:31,   176. 

—  Epos.  Geisterseher  IV  10  :  82. 
Vergilübersetzung  IV  1  c  :  96. 

—  Drama  IV  9  :  79-168.  -  1  6  :  2,  40. 
Braut  v.  Messina  I  6:40,  44,  82; 
IV  9  :  153/7;  10  :  41.  Demetrins  I 
6:401:  11  :  23;  IV  9:  1714.  Don 
Carlos  IV  1  c  :  96;  3  :  78;  5 :  37;  9  :  88, 
176.  Fiesco  IV  lc  :  96;  5  :  634; 
9  :  176  Jungfrau  v.  Orleans  I  6  :  40, 
42:  8:  23;  IV  9:  4,  83,  111-49.  Kabale 
u  Liebe  IV  9  :  86/7.  Kinder  d.  Hauses 
IV  9  :  82.  Macbeth  IV  2a  :  98.  Mal- 
theser  IV  9  :  176  Maria  Stuart  I 
6  :  40;  IV  9  :  102/8.  Neffe  als  Onkel 
IV  9  :  170.  Polizey  IV  9  :  175, 6. 
Prinzessin  v.  Celle  IV  9  :  176.  Räuber 
IV  lc:96;  3:16;  9:845.  Teil  1 
6  :  40,  42,  81,  128;  IV  ld  :  3;  3  :  78; 
9:  159-64;  10  :  48.  Wallenstein  I 
6  :  80,  128;  III  4  :  8:  IV  9  :  90/7. 

—  Antrittsvorlesung.  IVla:33.  Briefe 
über  ästhetische  Erziehung  IV  1  c :  17 ; 
7.21.  D.  Erhabene  I  6  :  40.  Historische 
Schriften  IV  9  :  31.  Memoire  über 
Ludwig  XVI  IV  9: 176.  D. Pathetische 
I  6  :  40.      Trngische   Kunst   1  6  :  40. 

—  Nanette.     IV  9  :  25,  37. 

—  Kasp.     IV  9  :  14,  35/6. 

Archiv.     I  3  :  36  n;  IV  9  :  35. 

—  -Feier.     I  12  :  178. 

Litteratur.     IV  8a  :  25. 

Preis.     IV  9  :  192,3. 

Stittung.     IV  3  :  248. 

Uebersetzung.     IV  2b  :  104. 

Schilling,  W.     IV  3:1. 
Schindler,  AI.     IV  3  :  464. 
Schink.  J.  F.     IV  8e:115. 
Schinkel,  K    Fr.     I  9:264. 
Schinkell,  Joh.  Friedr.     IV  2a:  25. 
Schirmer,  Mich.     III  2 :  15. 
Schlaf,  J.    IV  1  a :  16. 

—  im  Volksmunde.     I  5  :  380. 
Schlagwort-Katalog.     I  3  :  196,8. 
Schlaun.     I  9  :  136. 

Schlegel,  A.  W.  v.  I  8:12,  14,  23;  IV 
lb  :  386;  ld  :  18|19;  2a:114/5;  5: 
238;  10:1/5,  8-12,  61;    6:27;   8b:  2. 

—  Dorothea  (vorher  Dor.  Veit).  IV 
lc:43:  10:14,  41. 

—  Friedr.  IV  1  c  :  72;  1  d  :  64  ;  5  :  140, 
238;  9:166;  10:1/5.  13,  41,  56,  61. 

—  Joh.  Adolf.     IV  lc:78;  5:9. 

—  J.  E     I  8  :  27 ;  IV  5  :  9. 

—  Karoline.     IV  1  c  :  43. 
Schlehdorf.     I  9 :  127. 
Schleiermacher,  F    D.  E.     IV  lb:144; 

lc:27,    43,    75;    3:110;    5:15,    228, 
262/7,    275,   289,  354,  440,  558,    575; 
10:1,  4,  14 
Schleifer,  L.  M.     IV  2b:  138/9;  3:419. 

—  Moritz     IV  3  :  419. 

Schlesien.  I  4 :  161 ;  4 :  170  1, 215, 279-81  ; 
6  :  99 ;  7 :  73,  372 :  9 :  121 ;  III  2  :  25-33. 

—  Oesterr.     I  4  :  389. 
Schlesinger,  Sigm.     IV  lo:51. 
Schleswig-Holstein.     I  4:3057a. 
Schletterer,  H.  M.    IV  lc:44. 
Schlez,  J.  F.    I  6 :  94. 


Sachregister*. 


Schliemann,  II.     IV  5  :  366. 
Schliepmann,  H.    IV  la:16. 
Schlick  (Kanzler).     II  7:2. 

—  A.     II  2  :  82. 

Schlippenbach.  ülr.  v.     IV  1  a :  10. 
Schlittschuhlaufen.     I  12:206. 
Schlögl.  Fr.     IV  3:447,  456,   465;    5: 

537, 8. 
Schloenbach,  A.     IV  lc:59. 
Schloe/.er,  K.  v.     IV  5:356,  393. 
Schlosser,  Kr.  Ch.     IV  lc:50,  93. 

—  .T.  Chr.    IV  5  :  390. 

—  J.  G.    IV  lc:17,42;  2a:26;  5:600: 
8a:  25. 

—  H.  P.     IV  2a:  26. 

—  Ad.     IV  5  :  304. 
Schlu,  J.     III  4:1a 

Schlüter,  A.     19:143.215  6,239. 
Schraalkaldia  litterata.  I  4 :  S7;  III 1 :  184. 
Schneller,  J.  A.     IV  10  : 1. 
Schmerling,  A.,  Ritter  v.    IV  lb:390; 

lc:94;  2b:  158 
Schraeykal,  F.     IV  1 b  :  391 :  5:597. 
Schraid,  Chrph    v.     IV  3  :  136-69. 

—  Hermann.     IV  1  c  :  66. 

—  Konr.  Arnold.     IV  lc  :  7S  ;  5  :  9. 

—  zu  Rom.     II  4  b  :  68. 
Schmidlin,  K.     IV  2b:  19. 
Schmidt,  Ad.     IV  la:6. 

—  Ch.  U.     IV  5 :  334/5. 

—  Erich.     IV  3:6:  8e:46,  124. 

—  Friedr.     I  9  :  399. 

—  Georg.     IV  8a:  60:  Se:  28. 

—  Hans  W.     IV  lb:441. 

—  Joh.  Christoph.     IV  lc:78. 

—  Julian.    IV  1  a  :  30;  1  c  :  65;  3  :  207 ; 
5 :  398. 

—  K.    IV  8e:85. 

Cabanis.  R.     IV  la:27. 

Wartenberg.     II  4a:  4. 

Schmied  er,  B.  F.     112:106,9. 
Schmierer,  Jos.     II  2  :  30. 
Schminken  I  4  :  234. 
Schmolin.    I  9  :  147. 
Schmoller,  G.     IV  1  b  :  85,  437  b. 
Schmuck.     1  4  :  244. 
Schnaase,  K      I  9  :  95. 
Schnabel,  Joh.     II  6  •  137. 
Schnadahüpfl.     I  5:283,  303,  307  8;  II 

2  :  38,  56. 
Schneideck,  G.  H.     IV  3:569. 
Schneider,  Eulog.     IV  5:561. 
Schnell,  J.  v.    IV  2b:  208. 

—  wie  der  Gedanke.     I  11:35. 
Schneller,  Jul.    IV  2b:  112. 
Schnellpresse.     I  3  :  446. 

Schnorr    v.    Carolsfeld,    Julius.      I  9  : 
268-71. 

—  Lud  ir.  IV  1  c  :  59. 
Schobser,  H.  Hl:  87. 
Schoen,  H.  Th.  v.     IV  5 :  398. 

—  Barthel.     I  3  :  337/8. 

Schönaich,  Chr.  0.  Frhr.  v.    IV  2  a  :  36; 

3 :  22 
Carolath,   Emil   Prinz  v.     IV    2b: 

370;  3:609. 
Schönemann.  J.  F.     III  4  :  24. 
Schönheit.     19:6. 
Schöning,  K.  W.  v.     IV  1  b  :  309. 
Schönkopf,  Kätchen.     IV  8b:  32. 
Scbönthan,  P.     IV  3  :  465. 
Scholte-Nollen,  J.    IV  Se:18,  23. 
Scholtz,  J.    IV  lb:152. 
Scholz,  G.     IV  lb:337. 

—  J.  Sigism.     I  10:34;  II  2:54. 

—  W.  IV  1  b  :  262. 
Schonaus,  J.  III  5  :  50. 
8chopenhauer,  A.  I  2  :  36 :  7  :  201,  211 ; 

III  5:2;  IV  1  c  :  50,  56,  58,  87;  5  :  40, 

138-50,  224,  238,  558,  607,  652;  8b: 

14. 
Schoppe,  C.  s.  Scioppius. 
Schottel,  J.  G.     17:15;  8:23. 
Schradin,  H.     II  6  :  194. 
Schrandolph,  J.     I  9:136. 
Schreib-    u.    Rechenmeister.     I  12 :  29, 

179. 
Schreiber.  F.  v.     IV  5:346. 

—  M.     m  5:21. 
Schreibsachverständige.     I  3  :  46. 
Schreibvorlagen.     I  3  :  117. 
Schrempf,  Chr.     IV  5:305. 
Schrey-Johnen-Socin-System.     I  3:12. 
Schreyer,  H.     IV  8a:  98;  8d  :  2. 
Schreyvogel,  Josef.     IV  1  b  :  99. 
Schrift,  Gesch.  d.     13: 24. 
Schriftgiesserei.    I  3  :  450. 
Schriftproben.     I  3:66,  71. 


Schriftsprache.  I  7.  —  13:91:  5:283. 
Schriftsteller,    .Mecklenburgische.     III 
1  :  208. 

—  Französische.     III  l  :  209. 
Schriftstellerlektüre.     I  6  :  16/18. 
Schriftstellertura.     I  1  :  73-85. 
Schriftwesen.     I  3. 

Schröder,  F.  L.     I  11:49;  IV  6:5,  34. 

—  Rieh.    IV  3  :  233. 

Dement,  Wilhelmine.     IV  lc:66, 

93. 
Sohröer,  K.  J.     IV  8e:79,  97. 
Sclirökinger,  K.     IV  2b:  112 
Schubart,  Dr.     I  9:203. 

—  Chr.    F.    D.      18:30;    10:96;    IV 
la:2;  2a:  128-30. 

W    E      IV  8  c  :  48 

Schubert,  F.     I  10:272;  IV  2b:  138. 

—  G.  H.  v.     I  6:128;  IV  10:82. 

—  Joh.  E.     IV  2a:  2). 

—  R.     IV  la:13. 

Schubin,  0.     IV  la:20;   3:502/4,  547. 

Sohuch.  F.     III  4:2t. 

Schuckraann,  F.  Frhr.  v.     IV  5:601. 

Schücking,  L.     IV  1  c  :46;   2b  :  37;   3  : 
472. 

Schüddekopf,  K.     IV  2a:  34/5. 

Schule,  Joh.    14:192. 

Schüleraufführungen.     112:201. 

Schülerball.     I  12  :  197. 

Schülerbibliothek     I  3  :  326. 

Schülerregeln.    II  5  :  32,3. 

Schülertracht.     I  12:197. 

Schütz,  H.    I  10:34. 

Schugay,  E.     IV  lb:97. 

Schuh  im  Volksglauben      I  5 :  103. 

Schulabschluss.     I  6  :  107. 

Schulaktus.     I  12  :  24. 

Schulausgaben.     I  6  :  56-93,  137 

Schulbibel.     I  12  :  5/6;  II  6  :  75-80. 

Schulbibliothek.     I  3  :  322,3;  12  :  92. 

Schulbücher.     I  3  :  360;  12  :  216. 

Schuldisputationen.     I  12  :  153. 

Schuldrama.    II  1  :  77. 

Schulen  (Akademie,  Bürgerschule, 
Fürstenschule,  Gymnasium,  Hoch- 
schule, Jesuitenschule,  Lateinschule, 
Lyceum,  Mädchenschule,  Normal- 
schule, Pädagogium,  Philanthropin, 
Piaristenschule,  Privatschule,'  Real- 
gymnasium, Ritterakademie,  Seminar, 
Universität,  Volksschule)  I  12.  — 
1  4  :  1/1  a,  57- 66  a,  69-80;  6  :  1,  18-20, 
50/5,  95,  102-13,  116-26,  132,  136;  II 
1  :  77;  IV  5  :  397,  599-601.  Baden  I 
12  :  174,  215,  228.  Bayern  I  6  :  18, 
130;  12  :  175/7,  229.  Berlin  1  6:94; 
12 :  99, 180,  220 ;  I V  1  c :  20.  Bingen  a.R. 
I  12  :  205.  Bonn  I  12  :  100,  204. 
Brandenburg  I  12  :  180,4.  Braun- 
schweig I  12  :  178,  216,  225.  Burg 
I  12  :  196.  Crossen  I  4  :  74;  12:  181. 
Danzig  I  12  :  191.  Dillingen  1  12  : 
101.  Dorpat  I  12  :  96.  Dramburg  I 
12  :  190.  Duisburg  I  12  :  98.  Erfurt 
I  4  :  64/5;  12  :  102,  234.  Frankenthal 
I  12  :  175.  Frankfurt  a.  0.  I  12  :  93. 
Fraustadt  I  4:71;  12:195.  Frei- 
buTg  i.  B.  II  1  :  15.  Freistadt  I  12  : 
210.  Friedberg  i.  H.  14:  76;  12: 
218.  Georgenburg  (Ostpr.)  I  12 : 
230.  Gera  I  12  :  47.  Göttingen  I 
12  :  24,  185.  Greifswald  I  4  :  62;  12  : 
103;  IV  2a:  25.  Grimma  I  12:47; 
III  2:15.  Grossstrehlitz  I  12:202. 
Grossumstadt  i.  H.  I  12  :  219.  Guben 
I  12  :  53.  Günzburg  I  12  :  175a. 
Halle  a.  S.  I  4:47.  49,9a,  58/9; 
12:28,104-33;  III  5  :  63,7;  IV  2a:21. 
Hamburg  I  4:69;  12:10,  43.  Han- 
nover I  12:185/6,  217.  Heidelberg 
I  4  :  48;  12 :  174.  Herford  112:  206. 
Hessen  I  12:187,9,  218/9,  221/2. 
Hetterscheid  i.  Westf.  I  12:233. 
Ilfeld  I  12:186.  Itzehohe  I  4:77; 
12  :  203.  Jena  I  12  :  27.  Jülich  I 
12  :  207.  Karlsruhe  I  12  :  215.  Kassel 
I  12  :  222.  Koblenz  I  12  :  231/2. 
Königsberg  i/Pr.  I  12  :  78,  98,  134-43. 
Königslutter  I  12  :  216.  Krakau  I 
12  :  53.  Landsberg  i.  Bay.  1  12 :  229. 
Laubau  I  12:200.  Leipzig  I  4:63; 
6:78;  9:8;  12:256,  144,6,  237:  II 
6:10;  III  5:63;  IV  2a:22/4.  Lüne- 
burg I  12:8.  Magdeburg  I  4:70; 
12  :  51,  132,  197.  Mühlhausen  I  4  :  72 
München  I  6:18.  Münster  i.  W.  I 
12  :  226.     Nauen   112:  182.      Neu- 


hauseri  bei  Worms  I  12  :  175.  Neu- 
stettin I  12  :  191.  Oels  I  12  :  201. 
Oesterreich  I  6:13;  12:210/3,224. 
Paderborn  112:  242.  244.  Pforta  I 
12 :  199.  Pommern  I  12  :  190,4.  Posen 
I  12 :  195.  Prag  I  12 :  147 ;  IV  3  :  78. 
Prenzlau  I  12  :  183.  Preussen  I 
12  :  180-207,  220  3.  Regensburg  I 
12:176  7.  Rheinlande  I  12:204/7. 
Rheydt  I  12  :  223.  Rossleben  1 4  :  73 | 
12  :  198.  Rostock  I  12  :  7.  148.  Kgr. 
Sachsen  I  12  :  208/9.  Prov.  Sachsen 
I  12  :  196,9.  Salzburg  I  12  :  149. 
Saros  Patak  I  12:15.  Siebenbürgen 
I  12  :  239.  Schlaggenwald  i.  Böhmen 
I  12  :  211.  Schlesien  I  12  :  200  2. 
Schleswig-Holstein  I  12  :  203.  Star- 
gard  i.  P.  I  12  :  192.  Steinheim  a.  M. 
I  12:232.  Stettin  I  4:75;  12:77, 
191,  193.  Strassburg  i.  E.  I  12 :  12/3, 
156.  Trier  I  12  :  231.  Tübingen  I 
6  :  142:  12  :  150/2.  Uelzen  I  12  :  217. 
Waidhofen  a.  d.  Thaya  I  12:224. 
Wenden  i.  Livland  I  12  :  96.  Wien  I 
12  :  213  Wiesbaden  I  12  :  187/9. 
Wildeshausen  i.  Oldenburg  I  12:179. 
Wintzingerodo  I  12  :  235.  Witten- 
berg I  9:346;  12:98,  144;  II  1:122; 
6  :  154.  Wittstock  I  12  :  184.  Wolken- 
stein I  12  :  208.  Wolfenbüttel  I 
12  :  43.  Württemberg  I  12  :  227. 
Zittau  I   4:79-80;   12:236.     Zürich 

I  12  :  240. 

Schulfeiern.   I  12  :  106,9;  IV  2b  :  468/9, 

471. 
Schulgeld.    I  12:205. 
Schnlgeschichte.     I  12  :  2. 
Schulgesetze.     I  12  :  8,  239. 
Schulkomödie     (s.     auch     Schuldrama, 

Jesnitenkomödie).     I  12  :  242. 
Schulkonferenzen.     I  12  :  227. 
Schullektüre.     I    12  :  25/6. 
Schuller,  P.    15:  291/2. 
Schullern,  H.  t.     IV  1  a :  40. 
Schulmeisterei.    I  12  :  232. 
Schulordnungen.     I    6:94;    12:8,    17, 

172  3,  181,  206,   216,   218,    236,   239; 

II  1 :  24. 

Schulprogramme.     I  6  :  4,6,  10/1,  13,  15, 

29,  41,  44,  115;  12  :  187/9. 
Schulräume.     I  12  :  182. 
Schulreform.     IV  5  :  65. 
Schultheis  v.  Unfried.     I  9:239. 
Schulthess,  Barbara,     IV  8b:  4,  49. 

—  (Schuldheiss),  Joh.  Gg.    IV  1  o  :  78. 
Schults,  Ad.     IV  2b:8S. 

Schultz,  Alw.     II  1 :  110. 
Schulversäumnis.     I  12  :  240. 
Schulwesen.      II    1:24,    77,    82,    120; 

6:47;  IV  5:380. 
Schulz,  Friedr.     IV  9:176. 

—  v.  Gielsdorf.     IV  5:247. 
Schulze,  A.  M.     I  12  :  92;  IV  5:  617. 

—  Ernst.     IV  10  : 1,  93. 

—  Joh.     IV  5  :  634. 

—  Leop.  IV  5:276/9. 
Schulzucht.  I  12:244. 
Schumacher    (Vf.    d.    Preussenhymne). 

IV  2a:  9-10. 

—  G.  F.     IV  1  a  :  37. 

—  Ph.     IV  3:585. 
Schumann,  G.     IV  la:27. 

—  Clara.     I  10:121;  IV   lc:58,  66. 

—  Rob.     I  10:34,  115/7,  120,197,272; 
IV  lc:58,  66;  10:82. 

—  Val.     II  2:29;  3:19. 
Schundlitteratur.     I  1 :  85. 
Schurle-Murle.     I  7  :  148/9. 
Schurz,  A.     IV  2b:  138/9. 
Schwab,  Frida.     IV  2b:  282. 

—  Gust.    IV   3:1216,    170/1;    10:113, 
1214. 

Schwabe,  s.  Suevus. 

—  v.  d.  Heyde,  E.    17: 18. 
Schwaben.     I  7  :  58  9;  IV  2b  :  5-20. 
Schwabenberg,  Henriette  v.    IV  2  b  :  46. 
Schwanke.    113:19-30. 
Schwaiger,  H.     I  9:335. 
Schwanenservice.     I  4  :  242. 
Schwankbücher.     II  5  :  117a-24. 
Schwanritter.     I  11 :  11. 
Schwanthaler,  L.  M.     IV  Sa:  11. 
Schwartz,  Marie  Sophie.     IV  3  :  515. 
Schwartzenberg,  Adam  Graf  v.     III  1  : 

129-30. 
Schwarz,  Sophie  v.    IV  1  a :  10. 
Schwarzburg.     I  9:126. 
Schwarzenberg,  Steph.  v.    II  5 :  22/3. 


(4)38* 


Sachregister. 


Schwarzenberg,  3.  v.  II  1 :  60, 87 ;  5 :  22. 
Schwarzerloh.     IV  7  :  16. 
Schwarzkopf,  G.     IV  1  a :  27,  39. 
Schwarzwald.     I  4  :  218,  230. 
Schweden.     III  1 :  21/3,  85,  87/8. 
Schweher,  Chr.  S.     116:163. 
Schweinichen.  H.  v.     II  1 :  148 
Schweiz.     I   4:20,  219,  395  7;    7:60  3, 

71;  9:204;  IV  2b:  214/5. 
Schwenckfeld,  Kasp      III  5:1. 
Schwerin.     I  9:  474. 

—  Otto  v.     I  4:67;  III  1  :  141. 
Schwerttanz.     I  5  :  70. 

Schwind,  M.  v.    I  9 :  16;  IV  2b  :  8. 
Schwindel,  G.  J.     II  4a:  26. 
Schwur  unter  d.  Käsen.     I  5  :  60/1. 
Scippius,  Kas-p.     III  5 : 1. 
Scott,     W.      IV     lc:50;    3:10,     208; 

10:41. 
Sealsneid,  Ch.     IV  3  :  393-404. 
Seokau.    I  4 :  403. 
Secession  d.  Künstler.     I  9:73. 
Seckendorf,    F.    H.    Reichsgraf   v.     IV 

1  b  :  55. 

—  K.  S.  t.    IV  3  :  22 

—  L.  v.     IV  10:41. 
Sedulius  s.  Wolfg.  Seidl. 
Seebach,  Joh.  Wilh.  v.     IV  2a:  33. 

—  Joh.  Gottfr.     IV  2a:  69 
Seele,  Schöne.    III  5:2. 
Seelenkult.     I  5  :  38. 
Seibt,  F.     IV  2  b  :  276. 

Seidel,    H.     IV    la:22;     2b:355;     3: 

277-82    287 
Seidenbender,'  J.  F.     IUI:  124. 
Seidenindustrie.     I  4  :  193a. 
Seidl,  J.  G.     IV  2b:  112,  167. 

—  Wolfg.     II  6:29,  123,  128. 
Seifert,  J.     II  5  :  76. 
Seinsheim  (Familie).     I  4  :  443. 
Seitz,  A.     II  4 :  28. 

Seivert,  J.     II  7:41. 
Selbstbiographie.      II  1 :  147. 
Seid,  A.  v.    I  12  :  53. 
Selkirk,  Alex.     III  3  :  12. 
Seinecker,  N.    II  1 :  15  ;  6  :  172. 
Seemannslieder.     IV  2b  :  515. 
Semler,  J.  L.    I  12:129. 
Semper,  G.  I  9  :  381/8 ;  IV  1  c :  50,  66,  93. 
Seneca.     13:149;     117:5;     1115:1; 

IV  6 :  27. 
Senfl,  Ludw.    II  6  :  29. 
Senn,  Joh.     IV  2b:  151. 
Sentenzen.     IV  2b:  535. 
Septemcastrensis,  Th.     I  3  :  68. 
Serao,  Mathilde.     IV  3  :  611. 
Sercambi,  G.    111:5. 
Sesenheim.     IV  8b:  46. 

—  Friederike  v.,  s.  Friederike  Brion. 
Sette,  Camillo  Ansei.     I  9:373  a. 
Seuberlich,  K.     IV  1  a  :  10. 
Seuffert,  B.    IV  3  :  60. 

Seume,  G.    16: 128. 

Seutter,  Matth.     I  3  :  365. 

Sevres.    I  9:243. 

Seyb  (Hauptmann).     IV  1  b  :  325. 

Seydlitz,  Fr.  W.  v.     IV  1  b  :  64. 

Shaftesbuiy,  A.  A.  C.  y.  III  2:39; 
5:1. 

Shakespeare,  W.  13:  161/4;  6  :  40, 
86,  126,  135;  11  :  38-44,  49;  III  4 :  3, 
5, 19 ;  IV  1  c :  27, 50/1, 58, 93 ;  1  d :  21-35, 
37-41,  48-57;  3  :  59;  5  :  476,  634,  647; 
6:16;  7:24;  8e:6;  9:4,  83,  98, 
109;  10  :  109. 

Shelley,  B.  S.    IV  8e:96. 

Siber,  Ad.     II  7  :  6. 

Sibmacher,  Joh.     I  3  :  337/8. 

Sicherheitswesen.     I  4  :  258/9a. 

Sidney,  Ph.    111:  44. 

Sidonia  u.  Theagenes.     III  4  :  19. 

Siebel,  C.    IV  2b:  88. 

Siebenbürgen.    I  4  :  393/4 ;  7  :  68/9. 

Siebengestirn,  Alchimistisch.  IV  8e :  1 16. 

Siebenschläfer.     1  11:7. 

Sieben  Schwaben.    I  11  :  31. 

Siegel.     I  3  :  113. 

Siegen.     I  4  :  341. 

Siegerland.     I  7  :  47. 

Siegeslied.    IV  2a  :  23. 

Siegfriedsage.     I  6  :  110. 

Siegling,  E.     IV  2a:  157. 

—  J.  B.    IV  lo:  31;  2a:  157. 
Siemens,  W.  v.    IV  1  c  :  92/2a. 
Siemienski,  L.    IV  8e  :  32. 
Sievers,  E.     16:  142. 

—  0.     I  11::8;  IV  2b  :  273. 
Sifridus  (Rector).    I  12  :  218. 


Sigenot,  D.  jüngere.    II  3  :  2. 
Sigismund  I.  t.  Polen.     II  7  :  40. 

—  Berth.    IV  5  :  613. 
Sigmaringen.     I  9  :  413. 
Signete.     I  3  :  109. 
Silben.    I  8  :  12. 
Silberkammer.     I  4  :  239. 
Silbertechnik.     I  3  :  269. 
Silesius,  Angelus.     II  6  :  163. 
Silvester  II.     I  11  :  9. 
Silvestersage.     I  5  :  252. 
Silvio,  Enea.     II  7  :  2. 
Shnanowitz,  Ludovike.     IV  9  :  14. 
Simm,  F.     19:  339. 

Simms,  W.  G.     IV  3  :  401. 
Simon,  H.     IV  5  :  563. 

—  L.     IV  5  :  563. 

—  K.    III  5  :  1. 

Simplicissimus  s.  H.  J.  Chr.   v.    Grini- 

molshausen. 
Simrock,  K.  I  6  :  107,  117/8;  IV  1  c  :  75; 

ld:3;  2a:  1;  2b:  57;  3:  170/1. 
Sinding,  Chrn.     1  10  :  280. 
Singspiel.     I  10  :  45,  97:  III  4  :  4. 
Sinngedichte.     IV  2a:  27. 
Sinnsprüche.     IV  2b:  274. 
Sismondi,  J.  C.  L.  de.     IV  1  d  :  19. 
Sittengeschichte.     14:4,  43-56  a. 
Sittenroman.     IV  3  :  12. 
Sitzen,  D.     I  4  :  24. 
Sivers,  J.  v.     IV  2b  :  233. 
Sixtussage.     I  5  :  251. 
Skaldengesänge.     IV  2  b  :  373. 
Skalenverse.    I  8  :  12. 
Sleidan,  J.     I  12  :  12;  II  1  :  15. 
Sleupner,  D.    II  6  :  155,  203. 
Smetana,  F.     I  10  :  57,  190/1. 
Smets,  W.     IV  la  :  42;  2b  :  232. 
Sneewittchen.     I  5  :  238. 
Soccus.    I  3  :  19. 
Socialdemokratie.     IV  3:373;    s.  auch 

Socialismus. 
Sociale  Entwicklung.     I  4  :  148-60. 

—  Frage.     IV  2b:  408. 
Socialismus.  1  3:226;  4:474/8,  484,  510; 

IV  3:  13;  5:113,  652. 
Socialwissenschaft.    I  4  :  470/3. 
Socinianer.     III  5  :  1. 
Sociologie.    I  1  :  8,  11. 
Sodalität.     I  4  :  418. 
Söhne  Giaffers.    I  11  :  5. 
Sömmering,  S.  Th.  v.    IV  8  b  :  2 ;  5  :  131. 
Soest.     I  4  :  334. 
Soetheer,  A.     IV  5  :  590. 
Söffe,  E.    IV  8  e  :  27. 
Sokrates.     IV  8e:  59. 
Soldat,  D.  sterbende.     I  5  :  309. 
Soldatenlieder.    I  5  :  302,  318;  IV  2a  :  3; 

2  b  :  108,  417/8,  420/2,  512,  517. 
Solger,  K.  W.  F.    IV  10  :  1. 
Soliloquien.     III  5  :  1. 
Solingen.     I  4  :  202. 
Solls,  V.     13:  337/8. 
Solitüde  (Stuttgart).     IV  9  :  36. 
Soltan,  D.  W.     18:  30. 
Sommer,  Hans.     I  10:281. 

—  H.  H.     IV  2b:  76. 

—  Joh.    II  5  :  112. 

—  0.     I  9:391/2. 
Somnambulismus.     I  4 :  144. 
Sonate.     I  10:20. 
Sonnenleiter,  Joh.     I  9  :  422. 
Sonnennlärchen.     I  5 :  238. 
Sonntagsschule.     I  12  :  53. 

Sophie,    Kurfürstin    v.   Hannover.    III 
1 :  204. 

—  Erzherzogin  v.  Oesterreioh.  IV  1  c  :  8. 

—  Grossherzogin  v.  Sachsen.  IV  lb :  441 ; 
8a :  66. 

—  Friederike  Wilhelmine,    Markgräfin 
v.  Bayreuth.    IV  lc:l/2. 

Sophokles.     IVlc:32;    6:27;    9:152, 

176. 
Sorg,  Ant.     I  3  :  104. 
Soriano,  F     I  10:86. 
Sortimentsbuchhandel.     I  3:357/9. 
Sotheby  (Buchhändler).     I  3:388. 
Soto,  D.    II  6:22. 
Soyaux-Schanz,  Frida.     IV  2b: 402. 
Spach,  L.    IV  1  c  :  23. 
Spalatin,  G.     I  9 :  180;  II  6  :  16,  156. 
Spalding,  J.  J.     IV  1  c  :  40/1 ;  5  :  224. 
Spamer,  0.     I  3:370. 
Spangenberg,  Cyr.     II  5 :  28. 

—  J.     II  1 :  140. 

—  Wolfhart.  II  2:  30;  5: 112. 
Speckbacher,  Jos.  IV  1  b  :  130. 
Spectator.    III  5  :  79. 


Spee,  F.    II  6:163;  ill  2:7. 
Spencer,  H.     II:  7. 

-  J.     III  4  :  5. 

Bibliothek.     I  3:293. 

Spener,  Ph.  J.     I  6:123;    III  1:175a; 

5:12,  53;  IV  2a:  28. 
Spengel,  F.     IV  5:398. 
Spengelbuch.     I  5  :  78. 
Spengler.  L.     11  6:156. 
Speratus,  P.     II  6  :  163. 
Sperontes  s.  Scholz. 
Speyer.     I  9:136. 
Sphinx  locuta  est.     IV  1  d  :  49. 
Sphragistik.     I  3  :  113;  4  :  447.  449. 
Spiegel    z.  Desenberg,    Graf  F.  A.     IV 

1  b  :  234. 
Spiel.     II  5  :  106/7. 

—  vom  reichen  Mann  u.  Lazarus.  II 
4:19. 

Spielhiigen,  F.    I  1  :  46 ;  IV  1  a :  20 ;  1  c : 
60;  2b:339;  3  :  10,  208,304/7;  5  :  565. 
Spielkarten.     I  3  :  52. 
Spiess,  Chrn.  H.     IV  3  :  16. 

—  Hermine.     I  10:255  6. 
Spindler,  A.  K.  K.     IV  3  :  190. 
Spinnrad.     I  4:245. 

Spinoza,  B.    III  5:1,  55/6;  IVlb:275; 

lc:79,  93;  5:15,  149,  651;  9:48. 
Spiritismus.     I  5  :  141 ;  IV  10  :  116. 
Spiritualisten.     III  5  : 1. 
Spitta,  K.  J.  Ph.     IV  2b:  58. 

-  Ph.  110:246-51;  12:76;  IV  8a: 
105. 

Spitteler,  K.     IV  2  b  :  375 ;  3  :  610. 

Spitzen.     I  9:473. 

Spitzer,  Dan.     IV  la:27;  5:540/4. 

Spitzweg,  K.     19: 279. 

Spörlin,  Margareta.     IV  3  :  531. 

Spohr,  L.     I  10  :  102. 

Spondens.     18:1,  13,  26. 

Spottlieder.  I  3  :  271 ;  5  :  326/7 ;  IV  2  a : 
13. 

Sprache.  I  7.  —  I  6:94/5,  140,  142; 
12:27,  206;  IV  2b  :  92/3;  5:  224,  352; 
7  :  25.  Bisinarck  I  7  :  32.  Goethe  I 
7:23/5;  IV  8a:  58-60.  Grillparzer  I 
7  :  28/9.  Hebel  17:27;  IV  2  a :  136. 
Herder  I  6  :  65.  Kant  IV  5  :  89.  Krause 
IV  5  :  131.  Lehrs  IV  5  :  398.  Luther 
17:8,  33;  II  6:108/9;  IV2a:40. 
Nietzsche  IV  5  :  175.  Hans  Sachs 
17:9-10;  II  4b:  87/9.  Schiller  IV 
9:69.  K.  Wagner  I  7:30.  Welcker 
IV  5:398.     Wieland  I  7:29. 

Sprachatlas.     I  7:37. 

Sprachdumroheiten.     I  7: 200a-15. 

Sprachentwicklung.     I  1  :46. 

Sprachgebiet.     I  6  :  95. 

Sprachgebrauch.     I  7  :  201/3. 

Sprachgeschichte.    I  7.  —  I  6 :  142. 

Sprachgesellschaften  (s.  auch  Gesell- 
schaften, Deutsche).  I  7:15,6;  HI 
5:10. 

Sprachinseln.    I  5  :  283 ;  7  :  53 ;  II  2  :  38. 

Sprachmengerei.     I  6  :  94. 

Sprachreinigung.    I  7:16,  167-215. 

Sprachscherze.    15:344/9. 

Sprachverderber,  deutscher.  I  7  :  14 ; 
III  5:11. 

Sprachwissenschaft.     I  1 :  25,  69. 

Sprecher  v.  Bernegg,  J.  A.    IV  3  :  358. 

Sprechtakte.     18:1. 

Sprechvers.    18:1,  12/3. 

Sprickmann,  A.  M.     IV  3  :  42. 

Springborn.    I  9  :  149. 

Springer,  R.  G.  M.     IV  3  :  269. 

Springinklee,  G.     I  9:417. 

Spruchsprecher.     I  8 :  30. 

Sprüche.    I  5  :  350/9;  IV  2  b  :  529. 

Sprüchwörter  (s.  auch  Redensarten). 
I  5:179,  3604,  366,  387  8;  6:2;  II 
5 :  126/7. 

Sprungikten.    I  8  :  12. 

Spukgeister.     I  5  :  148. 

Spyri,  Johanna.    IV  3:532. 

Staat,  J.  H.  v.     II  3 :  44. 

Staatsbewusstsein.     I  1  :  16. 

Stadelmann,  H.     IV  2b: 63. 

Stadion,  Graf  F.  v.    IVlc:40. 

Stadius,  G.     II  5:52. 

Stadtrechte,  Deutsche.    I  4  :  100. 

Städtegedichte,  neulateinische.  117:41. 

Stael,  Anna  Louise  Germaine  v.  IV 
lc:58;  ld:  18/9;  5:605. 

Ständeverhandlungen.     III  1 :  132. 

Ständewesen.     1  4 :  153. 

Stäudlin,  G.  F.     IV  10 :  34. 

Stagel,  Elsbeth.    IV  1  c  :  77. 


Sachregister*. 


Stahl,  F.  J.     IV  lb:l94:  5:558. 
Stahr,  A.     IV    1  c  :  27,    58,   60,   65,  93. 
Stamm,  R.     IV  5  :  416. 
Stammbuch.     I    4:129-30;    II    1:149; 

IV  8c:  47. 
Stammbuchverse.     IV  2  b  :  529,  535. 
Stammel,  E.     I  9:220. 
Standeserziehung.     I  12:243. 
Standessprachen.     I    7:74,    81,   S2aS, 

93  4,  187,  190  1.  193/5,  214  5. 
Stanley,  H    M.     IV  lc:68. 
Stanzen.     IV  3:74;  9:78. 
Starklof,  K.  Chrn.  L      IV  3:317. 
Statistik.    I  3  :  14/5. 
Stauner-Bern,  K.    I  9:309-10;  IV  2b: 

266. 
Steche,  R.     19: 124. 
Steffens,  H.      IV    3:110:    5:627;    8b: 

57;  10:1. 
Steffensen,  K.    I  1:8. 
Stegmacher.     IV  8  b  :  8. 
Stegmann,  Josua.     II  6  :  163. 
Stegmannsdorf.     I  9  :  149. 
Steig,  R.    IV  10  :  61,  65. 
Stein,  Charlotte   v.     IV    2b  :  134;   8b: 

12,  50/1;    Sc  :  5;  8d  :  40;    8e  :  58; 

9:4. 

—  Fritz  v.     IV  2a: 48. 

—  H.     IV  lb:200. 

—  K    F.  H.  Frhr.  v.     IV  lb:U4,  144, 
146/8;  1  c :  21 ;  IV  5  :  385,  398. 

—  Marq.  v.     II  5 :  84. 

—  u.  Bein  klagen.     I  7 :  160. 
Steinauer,  Joh.  Wilh.     III  1 :  210. 
Steindrucker.     I  3  :  444. 
Steiner,  R.     IV  5 :  207. 
Steingaden.     I  9  :  130. 
Steinhart,  H.  Ch.     IV  3  :  270. 
Steinhausen,  W.     19:  332 
Steinheuer,  H.     IV  2b:  263. 
Steinhöwel,  H.     115: 41/2. 
Steinlein,  Hans.     II  2:23. 
Steinmetz,  Joh.     III  2:  10. 

—  K.  F.  v.     IV  lb:312. 
Steinsagen.     I  5:105,  156,  186,  193 
Stelter,  K.     IV  2b  :  88,  334;  3 :  286. 
Stelzhamer,  F.     IV  2b:  196;  5:539 
Stengel.     IV  3 :  1. 

—  Franziska  v.     IV  3:493 
Stenographie  s.  Kurzschrift. 
Stephani,  Cl.     II  1:82. 
Stern,  Ad.     IV  1  a  :  14. 

—  Fr.     IV  8a:  16. 

—  K.  W.  v.     IV  2b:  234. 

—  R.  M.  v.     IV  la:10;  2b:237. 
Sterne,  Lanr.     IV  5 :  596. 
Sternhals.  Joh.     II  5:55. 
Stettenheim,  J.     IV  1  a  :  27 ;  1  c  :  60. 
Stettin.     III  1 :  135. 

Steub,  L.     I    5  :  410;     IV    1  c  :  13,    66  ; 

3 :  329. 
Steuerwesen.     I  4  :  166. 
Stiborius,  A.     II  5  :  49. 
Stichelberger,  M.     IV  3:455. 
Stieff,  Christ.     III  3  :  16. 
Stieglitz,  Charlotte.     IV  2b:  21. 

—  H.     IV  lc:66;   2b  :  21. 
Stieler,  K.     IV  2b  :  293/4 ;  5  :  467. 
Stifel,  Mich.    II  5  :  51. 

Stifte.    I  12  :  156/7. 

Stifter,  Ad.     IV3:403a-ll. 

Stigel,  Joh.    II  6 :  155. 

Stil.     I  6:126;  9:95;    IV   2a:  56,  58, 

136;   5:413. 
Stilistik.        I    6:142,     146;     7:121/2, 

200a-15. 
Stillleben,  Fr.  =  Chrn.  F.  Strackerjan. 
Stimmer,  Tob.     II  3  :  37 ;  4  a  :  31. 
Stinde,  J.     IV  la:27;  3:287. 
Stipendien.     I  12:163. 
Stirner,  Max.     IV  5  :  238,  650,  652. 

—  Sophie    MaTgarethe,    verm.   Körner. 
IV  2a:  151. 

Stoa.     III  5  : 1. 
Stock,  Dotb.     IV  la:41. 
Stock  im  Eisen.     I  4:380. 
Stockfleth,  H.  A.     IV  8d:37. 
Stockhausen,  Joh.  Chr.     IV  5  :  35. 
Stöber,  Ad.     IV  2b:  92/8. 

—  Aug.     IV  2b:  92/3. 

—  Ehrenfried.     IV  2b:  92/3. 

—  K.     IV  3  :  179-82. 
Stöffler,  Joh.     II  5  :  50. 
Stoffgeschichte.     I    11.    —    II    2:301; 

IV  2  a  :40,  64,  116,  120/2. 
Stolberg  am  Vichtbach.    I  4  :  196. 

—  Graf  Ch.   v.      IV    lc:17;    2a  :  67; 
3:44;  5:354,  600. 


Stolberg.  F.  L.  Graf  zu.  IV  1  d :  3 ;  2a :  66/3, 
132;  3:44;  9:74. 

—  Sophie  Gräfin.     IV  2a  :  132. 
Stoll.  Joh.  L.    IV  2b  :  120. 
Stolle,  L.  F.     IV  3 :  192. 
Stolp.     I  9  :  147. 

Stolpen.     I  9  :  125. 

Stolterfoth,  Adelheid  v.     IV  2b:  89. 

Stoltze,  F.    IV  2b  :  297/9. 

Stolz,  Alban.     IV  2  a  :  136 ;  5  :  352. 

—  J.  J.     IV  5  :  240. 
Stolze,  Fr.     IV  5  :  524. 
Stoppe,  Daniel.     I  7  :  73. 
Storch,  L.    IV  3 :  193. 
Storck,  W.    IV  la:  12. 

Storm,  Th.    IV  la:37;  lc:65;  ld:3; 

2b:25S;  3  :  310]  1 ;  10:82. 
Strachwitz,    M.    Graf  t.     IV    2b:  122; 

5  *  398 

Strack,  Ad.     IV  8c:  18. 
Strackerjan.  Chrn.  F.     IV  3:312. 
Strafrecht.     I    4 :  105. 
Stralsund.    III  1:90. 
Stranitzky,  J.  A.     III  4  :  22. 
Strassburg    i.    E.       I    4:347,7a,    433; 

7:2;  9:142,  148,  194;  12:12;  II  1: 

46/8;  IV  7:15. 
Strassenbau.     I  4  :  266. 
Strassenbezeichnungen.     I  7  :  207. 
Stratner,  Jak.     II  6:225. 
Strato,  R.     IV  3:611 
Straube,  E.     IV  3:415. 
Strauss,  D.  F.     IV  la  :  6;    lc  :  50,  66, 

93:   5:238,  310/3,  398,  590;    8c:  49; 

9:98;  10:  113. 

—  Joh.     I  10  :  262-71. 
Strecker,  W.     IV  5  :  295. 
Strehlke,  H.     IV  8e:81. 
Streiter,  J.     IV  2b  :  152. 
Streitgedichte.    II  4a  :  16. 
Stricker,  D.    I  3  :  20. 
Strindberg,  A.     IV  la:21. 
Strobel,  W.    I  2  :  37. 
Strodtmann,   A.     IV   lo:44;    2a  :  102, 

112. 
Stromer,  Heinr.,  v.  Auerbach.     I  3  :  58. 
Strophenbuu.     18:1,  12,  31  f. 
Strubberg,  F.  A.     IV  3  :  313. 
Struensee,  G.  K.  0.  v.     IV  3  :  268. 
Strunck,  D.     I  10  :  89. 
Struve,  G.  v.     IV   1  b  :  228. 
Stuck,  F.     I  9  :  322/3. 
Studenten      I  12  :  99,   105/9,   134,    150, 

238;  IV  2a  :  22/4;   3  :  111;  8b  :  26/7. 
Studentenauszug.     I  12  :  167. 
Studentenleben.    I  12  :  158/9;  II  1 :  122. 
Studentenlexikon.    I  12  :  169. 
Studentenlieder.     1    10:  45,-  48/9;    12: 

169;  IV  2  a  :  21/3;  2  b  :  415-49. 
Studentensprache.  I  7  :  80/1 ;  12  :  169-70. 
Studententum.     1  12  :  158-71 ;  IV  3  :  33. 
Studentenverzeichnisse.     I  12:101. 
Studium  generale.     I  12  :  102. 
Stümperei.     I  9  :  1,  7. 
Stürmer,  K.  B.     19:  302. 
Stukkatoren.    I  9  :  225. 
Stumpf,  Jfth.     II  5  :  43. 
Stundenpläne.     I  12  :  208,  218. 
Sturm,  C;isp.     II  3  :  55. 

—  Chrph.  Arn.     IV  5  :  288. 

—  Jak.      19:420;    12  :  12;    II  1  :  69; 

6  *  239  *  7  *  19 

—  Joh.    I   12:13;    II  5:36;   6:240; 
7:7. 

—  Jul.    IV  2b  :  364/6. 

—  J.  Chr.    III  5  :  57. 

—  Nik.    IV  2b:  295. 

—  u.  Drang.     I  6  :  45:   IV  la  :  2;  lc  : 
42;  2a:  116. 

Sturtz,  Georg  II  6  :  179. 
Sturz,  F.  W.     I  12  :  47. 

—  H.  P.     IV  2a:  116;  5:531. 

—  J.  J.     IV  5  :  567. 
Stuss,  H.     112:  22. 

—  Just.  Chrn.     I  12  :  23. 
Stutzmann,  J.  J.     IV  5 :  114. 
Stuve,  Hermann.     II  7  :  17. 

—  J.     I  12  :  45. 

—  J.  K.  B.     IV  5  :  566. 
Stymmelius,  Chr.     II  7  :  36. 
Suarinus,  Abr.     II  2  :  15. 
Subjektivismus.    II  1  : 1. 
Suckow,  Fr.  J.  Ph.  v.    IV  3  :  92. 

—  K.  Ad.     IV  5  :  465. 

—  Emma  v.,  s.  Emma  Niendorf. 
Sucro  (Familie).    I  4  :  459;  III  5:81/6. 

—  Ch.  J.    IV  5 : 8. 

—  Christoph.    IV  5  :  8,  286. 


Sucro,  F.  W.  K.    I  12  :  51. 

—  J.  G.     IV  5:8,  287. 

—  Joh.  Jos.     IV  5:31. 
Sudendorf,  H.  F.  M.     IV  5  :  392. 

—  Jul.     IV  5  :  393. 
Sndermann,  Heinr.     II  1  :  70. 

—  Herrn.  IV  1  a  :  20/2;  1  d  :  66;  3  :  10, 
553/8. 

Sudhoff,  K.  J.     IV  5  :  338. 
Sue,  Eugen.     IV  1  c  :  51 ;  3  :  412. 
Sünderreuter,  G.     II  2  :  10. 
Süpfle,  K.  F.     I  12  :  52. 

—  Th.     IV  8e  :  31. 
Süssmilch,  J.  P.     IV  5  :  474. 
Suvern,  J.  W.     IV  5  :  601;  8d  :  9. 
Suevus,  Sigm.     1  12:9:  II  6:182. 
Sufficienz  (d.  hl.  Schrift).     III  5:  1. 
Suffrian,  Ch.  W.  L.  Ed.     I  12  :  86. 
Sugenheim,  S      IV  5  :  371. 

Suhr,  Christ.     I  9  :  301. 

—  Lucie  Henriette  v.     IV  3  :  494. 
Suhrland,  R.  Fr.  K.     19:  299. 
Salzer  (Familie).     IV  5  :  489. 

—  F.  J.     IV  5  :  384. 

—  Joh.  Ant.     IV  2a  :  161. 

—  J.  G.  I  6:94;  12:201;  IV  lc:  78; 
5  :  224,  446. 

—  Simon.     II  6:235. 
Suntheim,  Lad.  v.     II  3  :  54. 
Suppantschitsch,    J.    A.      IV  2b:  112, 

123. 
Suppig.     III  4  :  23. 
Suppius,  Chph.  Enreb.     IV  2a:  33. 
Surgant,  Joh.    II  6  :  8. 
Surius,  Laur.     II  6  :  36 
Suso,  H.     IV  1  c  :  77. 
Sustris,  F.     19:  206. 
Sutellius,  Joh.     II  6  :  203. 
Sutermeister,  0.    IV  2b  :  221. 
Suttner,    Bertha  v.     IV  3  :  505/7 ;    547. 
Swain,  John.     I  3  :  460. 
Swanwick,  Anna.     IV  8e  :  103. 
Swedenborg,  E     I  3:273;  IV  5:108/9, 

242. 
Swerinckhuizen,  Kasp.     II  6  :  259. 
Swift,  J.     IV  3  :  10. 
Swieten,  G.  Frhr.  v.     13:  277. 

—  H.  van.     I  4  :  89. 
Swoboda,  Ad.     IV  3  :  436. 

Sybel,  H.  v.  I  6  :  104 ;  IV  1  b  :  3, 
191,  194,  207,  242/4,  281,  313,  321, 
377;  5:377,  634. 

Sycoram,  E.     111:  47. 

Sydow,  F.  v.     IV  3  :  93/4 ;  5  :  300. 

—  K.  L.  A.     IV  5  :  267. 

—  Wilhelmine   v.     IV  3  :  495 
Sylburg,  F.     II  7  :  37. 

Sylva,  Carmen.     IV  2  b  :  393-400. 
Sylvanus,  Joh.     II  6  :  247. 
Symanski,  J.  D.    IV  5:532. 
Symbol.    I  3  :  30. 
Symonis,  D.     III  4  :  10. 
Sympathiemittel.     I  5  :  119-21. 
Synagoge.     II  4a  :  16. 
Syntax.     I  7  :  113-20. 
Syrlin,  Jörg,  d.  Aelt.     I  9  :  218. 

—  Jörg,  d.  Jung.     I  9  :  219. 
System,  D.  natürliche.     III  5  :  1. 

—  theologisch-metaphysisches.  1115:1. 
Szamatolski,  S.     12:  66. 

Tabak.     I  4  :  238  a. 
Tabernaeroontanus,  J.     II  5  :  56. 
Tacitus.     III  5  :  1. 
Taddel,  Chrn.  Ludw.     IV  2a  :  32. 
Tadey,  K    Chrn.     I  12  :  90;  IV  5  :  616. 
Tafel,  J.  F.  L.   13:  273;  IV  5  :  109,  409. 

—  d.  christl.  Lebens.    II  5:  11. 
Tafellieder.    17:81. 
Tannger,  J.  A.     IV  5  :  244. 
Tagebücher.     14:2,  131,  165,  460;   II 

1  :  148-52. 
Tagesblätter.     I  3  :  246. 
Taine,  H.     I  1  :  13/4:  IV  1  b  :  93. 
Takt  (im  Vers).    I  8  :  1/2,  12/3,  16,  31. 
Talitz,  Joh.,  v.  Lichtensee.     III  3  :  6. 
Talleyrand,  Ch.  M.  de.     IV  8b  :  22a. 
Talvj     (Therese    Albertine    Louise     v. 

Jacobs).     12:4. 
Tandler,  J.    IV  5  :  39. 
Tangl,  II.     IV  5  :  386. 
Tanner,  A.     II  6  :  37. 

-  K.  R.     IV  2b:  216. 
Tanz.     I  8:1,  14;  II  5:85. 

-  im  Volksmunde.     I  5  :  10. 
Tanzrhythmen.     I  10  :  41. 
Tappe,  D.     III  5  :  49. 

-  E.     I  2:1/2;  II  5:  127. 


Saclireo-istei' 


Tarlarotli,  G.     IV  5  :  385. 
Tarnow,  Fanny  v.     IV  3  :  496. 

—  Joh.     II  6  :  223. 

—  P.     II  6  :  222. 

Tarnowski,  F.  W.  L.     IV  3  :  194. 
Tasca.  P.     I  10  :  57. 
Taschentücher.     I  3  :  51. 
Tassaevt,  J.  P.  A.    19:  245,  254. 
Tasso,  T.     II  1  :  78;  IV  lc  :  41;  3  :  27; 

8e  :  56. 
Tassoni,  A.     IV  2a:  116. 
Tast,  H.     II  6  :  216. 
Tasteninstrumente.     I  10  :  31. 
Tatins,  Marens  Alpinns.    II  7  :  33. 
Taube,  F.  W.  v.     IV  5  :  560. 
Tauber.  3.  S.     IV  2b:  162. 

—  K.     II  6  :  189. 
Tanbergrnnd.     I  7  :  76. 
Taube  rt,  G.     19:  298. 

—  W.     I  10  :  118. 
Taubmann,  F.     II  7  :  39. 
Taucha.    I  9  :  124. 

Tauchnitz,  K.  Chrph.  T.     I  3  :  367. 

Tauenzien,  F.  B.  G.  Graf  v.    IV  lb  :  79. 

Taufe.     I  3  :  59. 

Tauffkirchen,  Franzisita  v.     IV  3  :  497. 

Taulow,  Th.,  v.  Eosentbai.    I  3  :36  h. 

Taunus.     I  4  :  178. 

Taurellus,  Nik.     II  5  :  57. 

TaurinuB,  Jak.     II  6  :  260. 

Tausen,  Joh.     II  6  :  217. 

Tausend  u.  e.  Nacht.     IV  2a:  102. 

Taute,  G.  F.     IV  5  :  137. 

Taxis  (Familie).     I  4  :  260. 

Taylor,  B.     IV  Id  :  1. 

—  J.     III  5  :  1. 
Techen,  H.     II  6  :  220. 
Teclcier,  J.     II  4a  :  34;  III  4  :  1. 
Teelinck,  E.    III  5  :  17. 

—  W.    III  5  :  18. 
Teerens,  G    van.     III  5  :  40. 
Tegernseer  Antichrist.     II  4a  :  16. 
Teichmann,  J.  E.    III  5:  22;  IV  5  :  391. 
Teichmüller,  G.     IV  5  :  202. 
Teirich.  Val.     I  9  :  406. 

Teling,  N.     III  5  :  19. 
Teildenkmal.     IV  9  :  165 
Teildramen.     IV  9  :  166. 
Teller,  Abrah.     II  2  :  16;  IV  5  :  247. 
Tellkampf,  Ad.    IV  3  :  233. 
Tellsage.     I  5  :  244;  IV  3:360. 
Temme,  J.  D.  H.     IV  3  :  271. 
Tempeltey,  E.    IV  1  c  :  50. 
Tempo  d.  Rede.     18:1,  33. 
Tendenzdichtung.     IV  2b  :  3,  407-12. 
Tengler,  Ulr.     II  5  :  66. 
Tennemann,  W.  G.     IV  5  :  80. 
Tenner,  K.  Gh.     IV  2  b  :  74. 
Tennert,  W.     IV  2b:  280. 
Tennhart,  Joh.     III  5  :  29. 
Tensdorpff    (Lübecker    Familie).        IV 

2  a  :  95. 
Tentzel,  W.  E.     III  5:40  a. 
Tentzl,  E.     III  5  :  47. 
Tepelius,  J.     III  2  :  24. 
Terentius,  G.,  s.  Teerens. 
Terenz.  I  3 : 1,  26, 149 ;  12  :  7 ;  II  4a  :  19 ; 

7  :  4/5. 
Terstegen,  G.     III  2  :  19. 
Tertiarier.     I  4  :  409. 
Teschenmacher,  W.     III  5  :  23. 
Tessin,  K.  Gust.  Graf.     IVlb:  47. 
Testament  d.  Hundes.     I  11  :  5a. 

—  Neues.    I  12  :  25/6. 
Testi,  F.    III  4  :  8. 

Tetens,  Joh.  Nik.     IV  5  :  224. 

Tethinger,  J.    II  7  :  21. 

Tettenborn,  Fr.  K.  Frhr.  v.   IV  lb  :  138. 

Tetzel,  J.     II  6:14,  20,  118. 

Teubner,  B.  G.    13:  368. 

Teuerdank.     I  8  :  23. 

Teufel.      15:145/6,    165/6,    179,    198, 

261/2;  11  -.55;  II  5:98/9. 
Teuffei,  Hans  Chph.  v.     II  5  :  25. 

—  W.  S.     IV  5:401. 
Teuthorn,  G.  F.     IV  5:390  a. 
Teutsch,  G.  D.    112:  72/3;  IV  5  :  271/4. 
Teutsches  Labyrinth.     III  6  :  11. 
Teweleg,  H.     IV  1  a  :  13. 

Textor  (Familie).   IV  2  a  :  26;  8  b  :  35/7. 

—  Joh.     IV  8b:  37. 

—  J.  W.     IV  8a:  25;  8b  :  36. 
Thackeray,  W.  M.     IV  3  :  10. 
Thadden,  W.  y.     IV  5 :  575. 
Thaer,  A.     IV  5 :  523. 

Thaler,  Anna  Antonie  v.     IV  3  :  498. 

—  Jos.     IV  5:347. 
Thalheimer,  Chr.    II  2:9. 


Tham,  Mich.    II  2:7;  6  :  277. 

Thamer,  Theob.     II  6  :  32. 

Tharam,  B.     II  4a: 35. 

Thanner,  Jak.     1  3  :  58;  II  6  :  11. 

Tharäus,  A.     111  4  : 1. 

Thaulow,  G.  V.     IV  5 :  125. 

Thaurer,  Bened.     II  2  :  12 

Thausing,  M.     I  9:407. 

Theater  i  s  aucn  Drama,  Niederdeutsch, 
Oper,  Schauspiel,  Schulkomödie).  I  4: 
3S-40;7:31;  IV  5  :  465.  In:  Augsburg 
III  4  :  22.  Aunai  II  4a  :  8.  Bayreuth 
HO:  175;  II  4a:  5  Berlin  I  4  :40;  III 
4:8;  IV  9:98.  Bevern  III  4:19 
Bonn  III  4 :  21.  Bozen  II  4a :  4.  Bremen 
III  4  :  8.  Chur  II  4a :  20.  Danzig  III 
4  :  17.  Darrostadt  IV  9 :  81.  Elber- 
feld  I  4  :  39.  Frankfurt  a./M.  IV  9:S6. 
Hamburg  III  4  :  18,  24.  flartenfels 
III  4:13.  Hörn  III  4:16.  Laufen 
1114:29.  Leipzig  IV  2a:  24;  8b: 
27;  8e:  5.  London  IV  8d:30;  8e: 
98-100.  Lüneburg  III  4  :  20.  Luzern 
II  4a:  38.  Mannheim  IV  9: 87  München 
II  4u:  24:  4b:  52;  III  4:20.  Nörd- 
lingen  III  4:5.  Nürnberg  II  4b: 52. 
Oldenburg  IV  3  :  317.  Posen  I  4  :  38. 
Prag  III  4:27.  Salzburg  IV  8e:29. 
Sterzing  II  4a :  4,  6.  Stralsund  IV  9  : 
84.  Torgau  II  4a :  19.  Weimar  II 
4b:52.  WienII4b:52;  III  4:22 
Zürich  II  4a  :  24. 

Theatorkatalog.     I  3:219. 

Theaterzettel.     I  3  :  308. 

Thebesius,  G.    III  5  :  43. 

Thedering,  Herrn.     II  7:6. 

Theile,  Ch.  W.     IV  5:317. 

Theiler,  Barthol.  (=  Reygell,  Bartli.) 
II  2:47. 

Theiner,  A.    IV  5  :  351. 

Theismus.     III  5  : 1. 

Theokrit.    IV  9  :  152. 

Theologia  deutsch.     II  5:3. 

Theologie.  I  1:4;  3  :  20 ;  12  :  129,  145, 
151;  III  5:1;  IV  10:4. 

—  Metaphysische.     III  5  :  1. 

—  Spekulative.     III  5:1. 

—  Transcendentale.     III  5:1. 
Theophilus  (Frvdag?).     I  12  :  10. 

—  Joh.     II  7  :  35. 
Sage.    II  4a  :  8. 

Thesaurus    d.    deutschen     Sprache    d. 

18.  Jh.     IV  9  :  69. 
Thibaut,  A.  F.  J.     IV  5  :  471,  601. 
Thiele,  H.     IV  5:316. 

—  H.  v.     IV  5  :  366. 
Thieme,  Cl.     III  2  :  20. 
Thiersch,  B.     IV  2a  :  10:  2b:  424. 

—  Fr.  Th.     I   12:50;  IV  1  c  :  13. 

—  H.    IV  5  :  245,  558. 
Thiess,  J.    IV  5  :  270. 
Thikötter,  Jul.     IV  1  c  :  84. 
Thile,  Chr.  A.     IV  5:336. 

—  Hermann  v.     IV  1  c  :  68. 
Thilo,  G.  W.  M.     I  12  :  75. 

—  Joh.     IV  5:319. 

—  Val.     II  2  :  14. 
Thiloninus  Philymnus.     117:30. 
Tholde,  K.    II  6:205. 

Tholuck,  F.  A.  G.    I  12  :  129;  IV  5  :  253. 
Thoma,  H.     19:  19,  331. 
Thoraae,  Marc.     II  6  :  266. 

—  Nik.     II  6:251. 
Thoman,  P.     IV  5 :  348. 

Thomann    v.    Hagelstein    (Familie).     I 

9 :  251. 
Thomas,  Calv.     IV  8e:  102. 

—  Jan.     I  9:207. 

—  J.  G.  Chrn.     IV  5  :  389. 

—  K.  G.  Ad.     19:  303. 

—  L.     I  12:91. 

—  v.  Imbroich.   II  6:275. 

—  a  Kempis.     II  5:4;  III  5:31. 
Thomasarchiv  (Strassburg  i.  E.).  II 7: 19. 
Thomasius,    Chrn.     I    4:461/3;    12:27, 

110;  III  5:2,  62-70a;  IV  5:231/2. 

—  H.     III  2  :  11. 

—  Jak.     I  12:25/6;  111  5:50/2. 

—  v.  Zirclaria.     I  3:20. 

Thomsen.  J.  H.    IV  la:37;  IV  2a:  70. 
Thorn.     I  4  :  214,  275. 
Thorwaldsen,  A.  B.     19:  261/2. 
Thouret,  F.    I  9:256. 
Thrän,  F.     I  9:394. 
Thrändorf.     I  4  :  96. 
Thrämer,  Th.  v.     I  12:95. 
Thudichum,  G.     IV  5  :  441. 
ThOmen,  Davida  v.    IV  2b: 46. 


Thümig,  V.     Ht  2:9 
Thümmel,  A,  W.  v.    IV  5:14. 

—  H.  Ad.    IV  5:11. 
H.  W.  v.     IV  5  :  13. 

—  M.  A.  v.     IV  3:35/8.  78;  5:11/2. 
Thümmig.  L.  Ph.     III  5  :  72/4. 
Thünen,  J    H.  v      IV  5  :  113 
Thüngen,  Joh.  Karl  Reichsfrhr.  v.    III 

1 :  123. 
Thüring  v.  Ringoltingen.    I  11 :  12. 
Thüringen.     I  4  :328-3<>;  9  :  126,  367. 
Thürmer,  Ivo.     I  9  :  393. 
Thugut,  J.  G.  v.     IV  1  b  :  382. 
Thulemeier,  W.  H.  v.     III  1 :  153. 
Thulemeyer.  H.  G.  v.     III  5 :  42. 
Thumann.  P.     IV  3:430. 
Thumm.  Th.     HI  5:1. 
Thun,  Gräfin  Christiane.     IV  3:464. 
Hohenstein,  Leo  Graf  v.    I  12:67/8, 

212;  IV  5:605. 
Thurn,  Fidel  v.     III   I  :  127. 
Thurneisser,  Leonh.,z.  Thurn.    I  3:62: 

II  1:101:  3:63. 

—  Joh.     I  9  :  418. 

Thym,  G.     I  11  :  32;  II  7  :  34. 
Thymm,  G.     II  3  :  5. 
Thysius,  A.     II  6  :  261. 
Tiaden,  E.     IV  5:394. 
Tibull.     13:1. 
Tidemand,  A.     19:  304. 
Tieck,  Dorothea.     IV  10  :  26. 

—  Friedr.     I  9  :  307. 

—  L.  I  6:104;  11:46;  IV  la:6;  lc: 
27,50.  65/6,  73;  ld:64;  3:98-101, 
120,  170/1 ;  5  :  39,  65,  354,  398:  10 : 1, 
3,  5,  9,  15-26,  34,  41-56,  61.  82,  125. 

Tieckmann,  Gust.     IV  1  b  :  '.'16. 
Tiedge,  Chrph.  A.    IV  3:89-91. 
Tieffenbrucker,  K.     I  10:32. 
Tiefurt.     IV  la:28. 
Tielke  (Artilleriehauptmann).     IV  1  a  : 
17 

—  Joh.  Joach.     IV  2a:  25. 
Tierdichtnng.     II  5  :  111/2. 

Tiere  im  Volksglauben.  15:  110/1,  124. 
Tierepos.     II  1  :  83. 
Tiernaraen.     I  5:430/3. 
Tiersage.     IV  1  d  :  3. 
Tiesenhausen,  H.  v.     II  1  :  68. 

—  P.  v.     19:  306. 
Tiffernus,  Mich.     I  12  :  11. 

Tileman  gen.  Schenck,  J.  Ph.  III  5  :  31. 

Tilesius,  H.     II  4a  :  36. 

Tilgner,  V.     I  9  :  351 ;  IV  8  a  :  12/6. 

Tilisch,  El.     II  5:45. 

Till  Eulenspiegel.     IV  3:229;  s.  auch 

Eulenspiegel. 
Tilli-h,  E.  G.  A.     I  12:39. 
Tillier,  Jh.     IV  5  :  381. 
Tilly  (Theaterprinzipall.     IV  9:84. 

—  J.  T.  Graf  v.     I  3  :  271;    III  1  :  32. 
Timann.  Joh.     II  6:215. 

Tirol.    14:3816:  7:373;  9:158a,  371. 

Tirolerlieder.     IV  2a:  1. 

Tischbein  (Künstlerfamilie).   I  9  :  2534. 

Tischgebet.     I  4:28  a. 

Tischler,  A.     I  9:419. 

Tischsitten.     I  4:28  a. 

Titelius,  Joh.     II  7:38. 

Tittmann.  F.  J.     12:  38. 

Titz,  J.  P.     I  11:39;  III  2:29. 

Toaste.     I  4 :  28. 

Tobin,  J.    111:  49. 

Tobler,  G.  Ch.     IV  5:440. 

—  J.     IV  5  :  439. 
-JG.     I  12:38. 

—  Sal.     IV  3  :  357. 
Tocqueville,  A.     IV  lb:2l2. 
Tod.     I  5  :  380,  387/8 ;  10 :  155. 
Todaustragen.     I  5  :  82. 

Todi,   S.   Maria   della   Consolazione.     I 

9 :  232. 
Töltschig,  J.    III  5 :  38. 
Tölz.     I  9  :  127. 

Toepffer,  R.     I  9  :  274;  IV  3:  355      /«. 
Toppen,  M.    112 :  79. 
Told,  F.  X.     IV  2b:  118. 
Toleranz.     III  1 :  171 ;  5 : 1. 
Toll,    Karl  Ferd    Graf  v.     IV  1  b  :  180, 

230. 

—  R.  v.    IV  5:396. 
Tolle,  H.    I  12:24. 

Tolstoi,    Graf  L.     110:11;    IV  1  a :  21 ; 

3:10;  5:62.  651/2. 
Toltz,  Joh.     II  6:169. 
Tonkunst.     I  10:22. 
Tonmalerei      I  10:6. 
Tonnenabschlagen.     I  5  :  85. 


Sachregister. 


Tousor,  .T.  H.     II  6  :  206. 
Torgau.     I  4  : 322;  9 :  125a:    II  5 :  105. 
Torqnatus,  Georg.     II  5:62;  6:214. 
Torres.ini,  K    Baron  v.    IV  8:613. 
Tossanus,  Daniel.    II  6:249. 

—  P.     11  6:250. 
Totenbestattung.     I  4 :  SS  B. 
Totenbretter.     I  4  :  22 ;  5 :  38. 
Totenroahl.     1  5:39. 
Totenschau.     IV  8a:  99  108. 
Totentänze.     II  5:9-10. 
Tonr-Landry.  G.  de  1*.     II  5:34. 
Tovote,  H.     IV  la:  16;  3:10,  551/2. 
Trach,  J.     II  7  :  15 

Trache,  Joh      II  2:11 
Trachten.     I  4  :  224-30,  23:5. 
Tragik.     I  6:40:  IV  5:175 
Tragödie.     13:149;   6:40,43;    IV  9 : 

176. 
Tralles,  B.  L.     111  5:30. 

—  J.  G.     IV  5:601. 

Trapp,  E.  Ch.    I  12:43,  45;  IV  5:397. 

Trappisten.     I  4  :  408 

Trattner,   Joh    Th.   Edler  v.     I  3:366. 

Tratziger,  A.     II  5  :  44 

Trauergedicht.     IV  2a:  25. 

Traumdeutung.     I  5  :  137. 

Traun,  Jul.  v.  d.  s.  AI.  Schindler. 

Traunfellner,  J.    I  9:250. 

Traut,  W.     19: 205. 

Trautmaii  n,  F.     IV  5:388. 

—  Joh      I  9  :  228. 
Trautmannsdorff,  Ferd.  Fürst  v.  IV  1  b  : 

383. 
Travemünde.     14:255. 
Trechsel,  Balth.     I  3:70. 

—  Joh.     I  3  :  70. 

—  Melch.     I  3:70. 
Treitschke,  G.  F.     IV  2a:  162 

—  H.  t.    1  7:201:  IV  1  b :  3,  208.  240, 
318,  451;  5:373/6,  476,  558,  590. 

Treitz-Sauerwein.  Max      II  3:53. 
Trekel.  G.     III  2  :  10. 
Tremellius.  Joh.     II  6:248. 
Tremoille,    H?nri    Charles    do    la.     III 
1  :  139. 

—  Charlotte  Amelie  de  la.    III  1  :  203. 
Trench.     1  7  :  138. 

Trenck,  Friedrich  t.  d.     IV  lb-82f. 
Trendelenburg,  F.     IV  5:200. 
Trescho,  S.  Fr.     IV  7  :  16  7. 
Tressau,  Graf.     IV  lc:40. 
Tretsch,  A.     I  9:398. 
Tren,  M      DI  4:20. 
Tribauer,  Es.     II  2  :  13. 
Tribbechow,  A      III  2  :  17. 

—  J.     III  2  :  16. 
Tribrachys      I  8  :  27. 
Trier.     1  4:78. 
Triller,  D.     III  2:41. 

—  Val      II  2:6;  6:278. 
Trimeter.     I  8  :  23,  27 
Trinius,  K.  B.     IV  2a:  163. 
Trinkerorden.     I  5  :  295. 
Trinkhorn  v.  Oldenburg.     I  5:248. 
Trinklieder.     IV  2  a  :21. 
Trinklitteratur.     115:103  5. 
Trinksprüche.     IV  2b:  46. 
Trinkstubenordnung.     II  5  :  105. 
Trippel,  A.     1  9:258. 
Tristandichtungen.     IV  10:41. 
Trithemius,  Joh,     II  7  :  IS. 
Triumphlied  d.  Mesen.     IV  2a:  24. 
Trochäus.     I  8:12,  13. 
Troemer,  J.     III  2  :  38. 

Troger,  P.    I  9:227. 

—  S.     I  9:221. 
Trojan,  J.     IV  3  :  176. 

Tromlitz,  A.  v.  (eigentl.  Witzleben).  IV 

1  c  :  66. 
Trommer,  D.     III  2:  13. 
Tross,  E.     I  3:384. 
Trost,  Joh.     I  9  :  409. 

—  K.     19: 295. 
Trostlieder      IV  2a:  21. 
Trotzendorf     1   12:  172 
Trozka,  A.  E.  Graf.     III   1:31. 
Trüber,  P.     I  3 :  91 :  II  6  :  190 
Truchsess,  Thoma6  v.  Wetzhausen.    II 

7:14. 
Trubel,  Eckhart  z      II  5:24. 
Trübner,  J    V.     I  3:385. 
Trunkenheit      I  5:385. 
Tschabuschnigg,  Ad.  v.     IV  2b:  161. 
Tschaikowsky,  P.     110: 862. 
Tscharner,  V.  B.  v.     III  5:87. 
Tscherbe,  H.     19:  397. 
Tscherning,  A.    III  2:25. 


Tschirnhaus,  W.  E.  v.     III  5:58. 
Tschischka,  F.     IV  5:387. 
Tschudi,  Aeg.     II  3:46. 
Tucher,  Ant.    II  1:67. 
Tuckermann.  P      II  6:210. 
Tübingen.     II  5  :  64. 
Täropling.  t.  (Familie).     I  4:440. 
Türkengefahr.     III  1:117  9. 
Tugend  u.  Iäebesstreit      III  1  :  19. 
Tulichiui,  H.     I  12:8;  II  7:32 
„Tunnel  über  d.  Spree".     IV  3  :  278. 
Tunnicius,  A.     II  5:126  7. 
Turck,  Joh.     II  3:61 
Turgenjew,  J.     IV  1  c  :  60.  65;  3  :  10. 
Tarnen.     I  4:  256.7;  12:92.  197. 
Turnliederbücher.     IV  2b:  46,  514. 
Turretin.  J.  A.     III  5:1. 
Twain,  Mark.     IV  la:22. 
Twardowski.     I  11:55. 
Tychsen.  Adelheid.     IV  10:93. 

—  C&cilie.     IV  10:93 
Typen,  Cyrillische.     I  3:901 
Tyräus,  P.     III  ö  :  16. 

ITebersetzungen.  I  1:49;  IV  2b:  69-71, 

454/6. 
üechtTitz.  F.  v.     IV  10 :  26. 
Ugolino  da  Civitavecchia     I  10:68. 

—  v.  Orvieto.     I  10:68 
Dhde,  Fritz  t.     I  9:315/7. 
Uhland,  J.  L.     IV  lc:32,  44. 

—  L.  I  5  :  287;  6  :  501.  87  8,  104, 
108-10,  135,  142;  7:201:  II  46:71; 
IV  1  b:  191:  2b:  1024,  156;  3:230, 
367;  10:1,  94-113,  117/8. 

Uhlich,  A.  G.     III  4  :  24. 

Uhsen,  Erdmann      IV  10:52. 

Ukerl,  Fr.     IV  5:614. 

Ulenberg.  Kasp.     II  6:163. 

Ulftla.     I  6:133:  12:22. 

Ullrich.  Titus.     IV  2b:  269;  5:449. 

Ulm.     I  7:7a;  9:218  9 

Ulrich,  Herzog  v.  Mecklenburg.  I  3:341. 

—  Herzog  v.  Württemberg.     II  7  :  21. 

—  v.  Lichtenstein,    IV  2a:  40. 

—  Joh      II  2:30. 
Ulrikh  d.  Busant.     I  3:20 
Ultramont.inismus.     11:30/2,56. 
Umfried,  0.  L.     IV  Se:84. 
Umgangssprache      I  7:75.  123  4. 
Umlauft,  J.     I  10:62 

Ungarn.     I  4  :  390/3. 

Unger,  Karoline.     IV  2b:  137. 

—  W.     I  9:422. 
Uniform.     I  4 :  155/6. 
Union.     IV  5:325,  575. 

Universal -Universität.      I  12:98;    III 

1 :  200. 
Universitäten  s.  Schulen. 
Universitätsgerichtsbarkeit.    I  12  :  150. 
Universitätslehrer- Gehälter.   1 12: 105. 
Universitätsvorlesnngen.    IV  8b:  13. 
UnTuh.  H.  V.  v.     IV  lc:  22  c. 
Unterricht.     I  1 :  16,7. 

—  Deutscher.    I  6:14,  50,1,56-146. 
Unterrichtswesen.     I  6. 

Urbas,  Wilh.     IV  3:466. 
Urhebergesetz.     13:421,430/1. 
Urheberrecht.     1  3  :  427,  432,4,  436. 
Urkunden.     I  3  :  33. 
Urkundenlehre.     13:3. 
Urville.     I  4  :  344. 
Usener,  H.     IV  5:397. 
Utopien.     I  4:472:  IV  3:14. 
Uz,  J.  P.     IV  lc:41,   72;   2a:  21,   40, 
47/8:  3:35. 

Vademecum.     112: 54. 

Vahlen.  J.     IV  5:397. 

Valabrega,  P.     IV  3  :  389. 

Valdek,  R.     IV  5  :  535/6. 

Valentin,  V.  16:46,  142;  IV  8a  :  25,62. 

Valla,  L.     II  1  :  81 ;  III  5  : 1. 

Yalory,    Marquis    v.       14:  154;     IV 

1  b  :  56. 
V.-m  den  sali  boenen.     II  5  :  67. 
Varnbfiler,  F.  Frhr.  v.     IV  1  b  :  282. 
Varnhagen.  K.  A.,  v.  Ense    IV  1  b  :  158; 

lc:50.  93;  3:106;  10:34,  41. 
Varrentrapp,  C.     IV  1  b  :  3. 
Varro.     13:1. 
Vater,  J.     IV  5:601. 
Vaterland.     I  6:97-100,  110.  129  7. 
Vaterlandsdichter.     I  6 :  135. 
Vaterlandsliebe.     1    .  :61. 
Vaterunser.     IV  5  :  43. 
Vaudal,  A.     IV  1b:  120. 
Vecchi,  Orazio.     III  2  : 6. 


Veckinchmen,  n.     II  1 :  118. 

Veiten,  .1.     III  4  :  19. 

Veme.     I  4 :  102/4. 

Verbrechen.     I  4 :  145  7. 

Verden.     I  4  :  336 

Verdeutschung.     IV  5:131. 

Verdi,  G.     I  10:57  ;  IV  1  c  :  14,  60. 

Vereinswesen.     I  3  :  145 

Verfassungsgeschiohte.     I  4 :  12. 

Vergil.      13:1.   26:    6:60;    12:7;    II 

7:5;  IV  lc:96:  2a:58;  9:78,  179. 
Vergnügungen,  Oeffentliche.    I  4:31/2. 
Verkehr,  Geselliger.     I  4:24  8a. 
Verkehrswesen.     I  4:260  8 
Verlagskataloge      I  3  :  184  7. 
Verlagsrecht.     I  3:427  9. 
Verlagsvertrag.     I  3  :  435. 
Vermählungen,  Fürstliche.     I  4:43,3a, 

46. 
Vermehren,  B.     IV  10:41. 
Vernazza,  G.     IV  3  :  77. 
Vernuläus.  N.     I  11  :20,  24;   III  4:8; 

IV  9 :  100. 
Vernunftheiraten.     14:117. 
Verordnungssprache.     17:187,   2145. 
Vers    1 5  :  320 : 6 :  142 :  8  :  1.  12,  24  ff,  31 . 
Versbau.     I  1 :  46. 
Versfüsse.     18:1,  12. 
Verskunst.     IV  9  :  77. 
Versschluss     18:1. 
Vesque  v.  Püttlingen.     I  10  :  120. 
Vetter,  Konr.     II  1 :  87. 
Vettori.  F      II  1  :  19 
Vexierkarten.    I  3 :  52. 
Vianden.     I  4 : 445  a 
Vianen,  Paulus  v      19:  454. 
Viardot.  Pauline.     IV  1  c  :  65. 
Vieweg,  F.,  &  Sohn.     I  3:372. 
Vigano,  S      I  10:108. 
Vigne  d'Octon.     IV  1  d  :  8. 
Villanellen.     II  2:82. 
Villaume.  P.     I  12:44 
Villingen.     I  3:20 

Vilmar,  A,  F.  C.     16: 110;  IV  5  :  261. 
Vincennes      I  9:244. 
Vincke,  E.  Fr.  Gg.  Frh.  v.     IV  1  b  :  191, 

194,  235/6;  5:564 
Vingles,  J.  de.     13:  74. 
Vintler.  H.  v.    I  11:8;  IV  2b:  209-12. 
Vischer,  F.  Th.  IV  1  c  :  58.93:  2  b  :  256/7; 

5: 15,  175,  398,  447,  634;  10:  113. 
Visitationsausschreiben.     I  12 :  23+ 
Vives.  .1.  L    II  6  :  178;  7  :  42:  III  5:1. 
Vögelin,  E.     I  3:358 
Völcker,  G.     I   12:88 
Völderndorff,  0.  v.     IV  lc:  13. 
Völkerkunde.     I  6:105  7. 
Vogel,  Christine.     IV  3:59. 
Vogelhuber,  G.     II  2  :  82. 
Vogesen.     1  4:342. 
Vogl,  J.  N.     IV  2a  :1. 
Vogler,  G.  J     IV  lc:13. 
Vogt,  K      IV  5:398. 
Voigt,  Gottl.     IV  9:31. 
Voigt-Rhetz,  Konst  B.  v.   IV  1  b  :  3323. 
Voigts,  Fr.     IV  1  a  :  37. 
Voith,  V.     II  4a:2">. 
Vokale.    I  8:17. 
Vokalmusik.     I  10:21. 
Volkert  (Volchardus)  s.  Coornhert. 
Volkmann,  R.     IV  5:491. 
Volksballaden.     15:1,284,315. 
Volksbibliotheken.     I  3 :  320,  327-35. 
Volksbildung.     I  4  :  503/7,  514  6. 
Volksbräuche.     I  5:37,  52,7.  66-&S. 
Volksbücher.  I  3  :  114;  II  3  :  6-17,  40  1 : 

III  3:14;  IV  2b:  31;  10:19,  41. 
Volkscharakter     I  4  :  1145. 
Volksepos.     1  6:107. 
Volsfeste.     I  4:32  a. 
Volksgedicht.     I  12:239. 
Volksgesang.     I  10 :  45. 
Volksglauben    (s.    auch    Aberglauben). 

I  5:95,  102-17,  147,8;  II  6:49. 
Volkskunst.     I  9:445. 
Volkskunde     I  5.  —  In:  Baden  I  5: 14/5. 

Bayern  15: 16.    Bern  I  5  :  34.  Böhmen 

I  5:20,  23  4,  36.      Butzbach  I  5:35. 

Klsass  I  5  :  29-30.     Geldern  I  5  :  25. 

Italien  1  3  :  178.       Mähren  1  5  :  32. 

Mecklenburg  I  5  :  103.      Meiningen 

I  5  :  31.     Oesterreich  I  5  :  21     Paris 

13:179.  Pommern  15 :22a.  Schlesien 

I  5  :  178.     Siebenbürgen  15:8,  19, 

33,  283.     Tirol  I  5  :  27. 
Volksleben.     I  4:32. 
Volkslesehalle.     I  3:334. 
Volkslied.      I    5  :  280-96;    10  :  38;    II 


Sachregister. 


1:24;  2:36-81;  III  2:3;  IVlc:84; 
2a:  15-21,  116;  2b:415-49;  5:442; 
8c:13;  9:31;  10:41,102,112  Alt- 
bielitz  I  5  :  312.  Bayern  I  5  :  303. 
Bulgarien  IV  2a:  120.  Burglc  I  5:  311. 
Elsass  I  5 :  300.  Flandern  I  5  :  297. 
Gottschee  I  5  :  283  Hessen  I  5  :  313 ; 
10:44;  II  2:40.  Kroatien  I  10:107. 
Livland  I  5:319  Meissen  1  5:338. 
Mitteldeutschland  I  5  :  283,  311/2. 
Niederdeutschland  I  5  :  283,  316. 
Niederlande  15:317.  Oberdeutsch- 
land I  5  :  2S3,  3009.  Oesterreich  I 
5:283,  304/6;  II  2:38  Ostpreussen 
I  5  :  316;  11  2  :  41a.  Schweiz  I 
5:301/2,321.  Siebenbürgen  15:283, 
297.  Steiermark  I  5:309-10.  Tirol 
I  5  :  309.     Ungarn  I  5  :  283. 

Volksliedersammlungen.  I  5  :  297-309, 
311/5,  317/9. 

Volkslitteratur.     I  1 :  84. 

Volksmärchen.     IV  10:41. 

Volksmedizin.     I  5:118-24. 

Volksmelodie.     I  10:40/1,  47. 

Volksschauspiele.    I  4  :  36/7;  5  :  267-79. 

Volkt-schriftsteller.  II  1  :  87;  IV 
3:113  82,  435. 

Volksschulbücher.     I  12  :  91. 

Volksschulwesen     I  12:225-40. 

Volksspiele.     1  4  :  521/1  a.  522a  4. 

Volkstrachten.     1  4  :  229-30. 

Volkstum,  Deutsches.  1 4  :  516-20,  5256. 

Volksweisen.     II  2  :  49-50. 

Volkswirtschaft.     14:9,163/7. 

Volkswitz.    I  5  :  396/8. 

Vollmar,  F.  v.    IV  lb:191. 

Voltaire,  P.M.  A  de.  I  4:427;  11:5; 
IV  lb:35,  45,  442/3;  1  c  :  2,  27,  68, 
96;  3:19;  5:38,  140,  238;  6:9. 

Vondel,  J.  van  den.     III  4  :  24,  30. 

Vornamen  (s.  auch  Eigennamen).  I 
4  :  19,  21 ;  5  :  401  5. 

Vorstellungskreise.     I  0:97-100. 

Vortrag,  Deutscher.  16:2,  21/2;  8  : 1/2, 
12/4a,  16. 

Vos,  Isaak.     I  11:46;  III  4:24. 

Voss,  J.  H.  16  :  83  5;  8  :  23:  11  :  3; 
IV  lc:17,  27,  96;  2a  :  64/5;  3  : 43-51 ; 
5:398,  600:  8b:  56;  8d:7. 

—  Rieh.     IV  la:20;  3:392,  579. 

—  Sophie  Marie  Gräfin  v.     IV  1  c  :  12. 
Vrchlkki,  Jar.     IV  1  d  :  70. 
Vulpius,  Chrn.  A.     IV  3:16. 

—  Christiane.     IV  8d:  4. 

Wachstein,  E.  M.  v.     IV  lc:64. 
Wackenroder,  W.     IV  10  : 1,  35,  82. 
Wackernagel,  Ph.     IV  3:300. 

—  W.     I  6  :  94. 
Wächter,  L.     IV  3  :  16. 
Waffenkunde.     I  9  :  460,  465. 
Wagner,  Ad.     IV  5:558. 

—  Chrn.     IV  2b  :19a,  20;  3:318 

—  Gabr.     III  5:70  a. 

—  H.  L.    IV  8e:118. 

—  Jos.  Maria.     IV  1  c  :  44. 

—  Rieh.  I  7:30;  10:11,  19,  25,  27, 
57,  59-60,  62/3,  106,128-83,  185,220, 
234,  277,  284/5;  II  4b: 71,  105;  IV 
lb:411;  lc:13,  23,  27,  50,  56-61, 
66,  68;  2b:  46;  5:149,179,366,  398, 
499;  7:  24;  9:  69;  10:82,  85. 

Motive.     I  10:126,7. 

Museum.     I  10  :  153. 

Nachahmung.     I  10:159. 

Theater.  -I  10:184. 

—  Siegfr.    I  10:181/2. 

—  S.  anch  Jachmann. 
Wahrzeichen.     I  4:321,  380. 
Waidhofen.     II   4:26 
Waitz,  G.     IV  5  :  380. 
Walasser,  Ad.     II  1 :  87. 
Walcli,  K.  F.     IV  1  a :  34. 

—  J.  G.     IV  5  :  37. 

Waldig,  B.     I  8:30:  II  4a:3l;  6:165; 

IV  la:10;  ld:3. 
Waldeck,  Reichsgraf  G.  Fr.  v.  III  1 :  136. 
Waldmärchen.     I  4:367. 
Waldmüller,  R.     IV  3  :  273, 
Waldnnmen.     I  5  :  428. 
Wi.llenstein,  A.  v.    I  6:65;  11:24;    II 

2:48;  III  1:25-30;   4:8;   IV  7:31. 

—  -Festspiel.     I  4  :  36. 
Wallfahrtskirchen.     I  9  :  149. 
Wallmoden,  Thedel  v.     II  3  :  5. 
Wallonisch-Reformierte.     14:421. 
Wallot,  P.     19:  374-80. 

—  W.  IV  2  b  :  389 ;  3  :  566. 


IV  lb:3. 


:212. 
I  7:83. 


Wallpach,  Arth.  v.     IV  1  a  :  40. 
Wal  pole,  H.     IV  8e:96. 
Walter,  F.     IV  2b:  279. 
Walther,  W.     II  6  :  2. 

—  v.  d.  Vogelweide.     I  6:  16,  107;  IV 
ld  :  3;  2b:  107. 

Walzel,  0.  F.     IV  10  : 5,  74,  82. 
Wandgemälde.     19:163/4,166,469. 
Wartburg,  D.     IV  3  :  215. 
Wasen,  Hans  v.     13:  111. 
Wasserdichter,    Dresdener.     IV  10  :  82. 
Wasserjungfrauen.     I  5 :  198. 
Wasserkunst.     I  4:  316. 
Wasserzeichen.     I  3  :  66,  138-40. 
Watt,  B  v.     I  11:29;  II  2:32 
Weber,  Barthel.     II  4b:  9. 

—  Beda.     IV  5:352. 

—  Fr.  W.     IV  3:220/8;  5:593/5. 

—  K.  M.  t.     I  10:37,   64,   111/3,   272; 
IV  lc:  13;  8e:93;  10:82. 

—  Paul  s.  Barthel  Weber. 

—  Veit.     IV  9  :  166. 
Webster,  J.     I  11 :  48 
Wecker,  J.  J.    II  3  :  40. 
W.-dde,  J.     IV  2b:  414 
Weddigen,  0.     IV  3:614. 
Wegele,  F.  X.     II  8  :  19. 
Wehrenpfennig,  W 
Weib,  D.     14: 145. 
Weidensee,  E.     II  6  : 
Weidmannssprache. 
Weigel,  Erh.     I  12:27. 

—  Rud.     I  3  :  118. 

Weihnachten.     I   4:  29 -30  a,   35/5  a;    5: 

50/1,  71a,  75. 
Weihnachtskataloge.     I  3  :  202,8. 
Weihnachtslied.     IV  2b  : 448.  476/7 
Weihnachtssingen  (d.  Dorfschullehrer). 

D.     I  12:245. 
Weihnachtsspiel.     I   5:277;    II  4a:  6. 
Weilen,  Jos.  v.     IV  1  c  :  60. 
Weiler,  Nik.    I  9  :  452. 
Weilheim.     I  9  :  127. 
Weimar.    IV  1  a  :  33;  7  :  21;  8  b  :  1/2. 
Wein.    I  10:52. 
Weinleben.     II  6:225,6. 
Weingartner,  F.     I  10  :  159. 
Weinhold,  K.     IV  1  a :  2,  33. 
Weinlig,  Ch.  Th.     I  10:27. 
Weise  (  =  Melodie).     1  8:30,  33. 

—  Chrn.     III  3:9;  5:2. 
Weishaupt,  Ad.     IV  5  :  330. 
Weiss,  Jul.     IV  la:27;  1  d  :  4. 
Weisse,  Chrn   F.    I  12  :  106,9:  III  5  :  80; 

IV  1  d  :  61 ;  3  :  35. 
Weissenborn  (Verleger).     II  1  :  87. 
Weissmann,  H.     IV  2b:  278, 
Weitling,  W.     IV  5:113.  562 
Weitzmann,  C.     IV  2b  :  305. 
Weizsäcker,  J.    IV  5:380. 
Wekhrlin,  L.     IV  5  :  528,9,  601. 
Welcker,  Fr.  G.     IVlb:  191;    lc:73; 

5 :  398,  440. 
Wellington,  A.  W.  Herzog   v.     IV  1  b  : 

162,  179. 
Wellmer,  A.     IV  10:82. 
Welser,  Philippine      II  1  :  66. 
Weltanschauung.     IV  10  :  6. 
Weltbildung     III  5:2. 
Weltgeschichte.     1  9:89. 
Weltherrschaft  (Roms).     1115:1. 
Weltlitteratur.    I  1:38- 40  a;  IV  3:330. 
Wenden.     I  5  :  197. 
Wendler,  Joh.     IV  2  a -.31. 
Wenzel,  Cl     I  12:231. 

—  v.  Olm  ütz.     I  9  :  412. 
Werder,  D.  v.  d.    III  3  ;  10. 

—  K.     IV  2b:  265. 
Werner,  A.  M.    16: 142. 

—  Elise.     IV  3  :  519-20. 

—  Zach     IV  10  :  1,  41,  68-70,  82. 
Wernicke,  Chrn.     I  8  :  30. 
Wernigerode.     I  4:84,  247,  321. 
Wertheroper.    IV  8d:27. 
Wessel,  Wilh.     I  3:63. 
Wessobrunn.     I  9:127.  225. 
Westenrieder.  L.  IV  1  c  :  13. 
Westfalen.     14:334/5;    6:98;   9:146; 

IV  la:12. 
Westkirch,  Luise.    IV  3:539. 
Westphal,  R.    I  8:1;  IV  5:  398. 
Westpreussen      I  9:148. 
Wetstein,  J.  R.     III  5:1. 
Wette,  W.  M.  L.  de.    IV  5  :  601 ;  10  :  4. 
Wettlauf.     1  5:70. 
Wettringen.     I  5  :  76 
Weygand  (Verleger).     IV  1  c  :  42. 
Weyrauch,  A.  H.  v.     IV  la:  10,  42. 


Weyssenbach,  R.     I  3:  111. 
Wicherley,   W.     IV  ld:61. 
Wiehert,  E.     IV  la:20;  3:615. 
Wichlinghusen.     I  9  :  143. 
Wichtelmännchen     I  5  :  247. 
Wickenburg,  Albr.  Graf  v.     IV  la:39; 

2b:  138. 
Wickram,    G.     I    11:32;    II    3:28-30 

5:122;  6:28.     , 
Widebram,  Friedr.     II  2  :  5. 
Widmann,  Ach.  J.     II  5:123 

—  J.  V.     IV  1  a :  14.  43. 
Wiedemunn,  Th.     IV  lb:l. 
Wiedertäufer.     I  3:59,  83;   II  1:23  4; 

6:  266-75;  III  1  :  167;  IV  3  :  426. 

Wiegand,  W.     IV    1  b  :  27. 

Wiegendrucke  (s.  auch  Inkunabeln).  I 
3  :  94-108. 

Wiegenlieder.     I  5:  336. 

Wieland.  Chrph.  M.  I  6  :  135 ;  7  :  26;  8  : 
23,  27 ;  III  5  :  81/6;  IV  1  a :  33/4;  1  c  : 
4,  11,  17,  40/2,  72,  96;  2a  :  24,  36, 
104;  3:59-73,  77a;8,  80;  8b:  14; 
8c:  29;  10:125.  Agathon  17:26; 
IV  lc:96;  3:7.  Aristipp  IV  1  c  :  96. 
Comische  Erzählungen.  IV  3  :  36. 
Diogenes  IV  1  c  :  40,  96.  Don  Sylyio 
IV  1 :40;  3  :  7.  Erzählungen  IV  1  c  : 
40.  Grazien  IV  lc:40.  Idris  IV 
1  c  :  27,  40.  Musarion  I  7  :  2^>.  Neuer 
Amadis  IV  lc:  40.  Oberon  I  7:26; 
8:24;  IV  la:34;  lc:  96.  Teutscher 
Merkur  IV  1  c  :  4,  10.  Ueber- 
setznngen  IV  1  c  :  96. 

Wien.     I  4  :  375,8 ;  9  :  222,  382/3,  460. 

—  jüngstes.    IV  2b:  192. 
Wienbarg,  L.     IV  1  a  :  37. 
Wier,  Joh.     II  6:  246. 
Wiesenmayer,  B.     III  2:  15. 
Wigalois.     II  3:4. 
Wigand,  G.    13:  369. 
Wilamnwitz-Möllendorf.  U.  v.  IV  5: 442. 
Wilbrandt,  A.     IV    lc:50;    3:339;  5: 

398;  10:36. 
Wilcken,  P.     IV  lb:134. 
Wild,  Joh.     II  5:20:  0:22. 
Wilda,  Ed.     IV  la:37. 
Wilde,  S.     I  12:158;  II  1  :  122. 
Wildenbruch,  E.  v.     16:  130;   IV  2b: 

371;  3:308,9. 
Wlldermuth,  Ottilie.     IV  3  :  522. 
Wildschiitzenlieder.     I  5:283. 
Wilhelm  I.,  Kaiser  v.  Deutschland.     I 

6:128;  IV  1  b  :  213,  238,240-53.295, 

3i9,  377,  410;  lc:15,  85;  2b:  270. 

—  IL,  Kaiser  v.  Deutschland.  I  9  :  46, 
374;  IV  lb:245,  359,  364-72. 

—  L,  König  v.  Württemberg.  IV  10  : 
102. 

—  II      IV  lb:422. 

—  Prinz  v.  Bayern.     I  12:97. 

—  Erzherzog.     IV  1  b  :  123 

—  IX.,  Landgraf  v.  Hessen.  IV  lb:452. 

—  -Nationaldenkmal.     I  9:357-61. 
Wilken,  F.     IV  5  :  357. 
Willamovius,  Ch.  R.     IV  7  : 1/7. 
Wille,  Br.    IV  5:661/3. 

—  Eliza.     I  10:131. 

—  J.  G.    IV  8d:22. 
Willemer,  J.  v.     IV  5  :  388. 

—  Marianne  v.     IV  8a:  20. 

Häuschen.     IV  8a:  20. 

Williams,  Roger.     III  5:1 
Willomitzer,  Jos.     IV  la:  13. 
Wilmowski,   K.  v.     IV  lc:15. 
Wilmsen,  Fr.  Ph.     I  6:94. 
Wimpheling,   J.     I  12  :  12;   II  4  b  :  75; 

7  :  2a. 
Wimpina.  C.     II  6:10,  17. 
Winckelmann,  J.  J.     IV  3  :  77. 
Wind  u.  Menschen.     I  4:121. 
Windeck,  E.     II  3:  50-50  a. 
Winder,  H.     II  2  :  23. 
Windischgrätz,  A.  C.  F.,    Fürst  v.     IV 

1  b  :  219,  388. 
Windthorst,  L  v      IV  lb  :  319:  5  :  590. 
Winkelmann,  Aug      IV  10:41. 
Winkelsohulen.     I  12  :  29,  237. 
Winklcr,  K.  G.  Th.     I  10 :  137. 
Winteler,  Jost.     IV  2  l> :  224. 
Winter,  Matth.     II  3  :  57. 

—  Peter  v.     IV  1  c  :  13. 
Winterfeldt,  H.  K.  General  v.    IV  1  b  : 

59-60. 
Winterhalter,  K.     I  9:356. 
Winzler,  J      II  6  :  24. 
Wirtshäuser.     I  4  :  268. 
Wirtshaussprüche.     1  5  :  356. 


Sachregister. 


Wissenschaft,  Historische.     I  1  :  1-17. 

Wissenschaftslehre.     IV  7:22. 

Witkowski,  ö      III  3  :  10. 

Witt,  K.     I  12:78. 

Witte,  K.     IV  5:614 

Witteisbacher.  D.    I  12:97;  II  1:145. 

Wittenberg     I  4  :  203.  315 ;  9  :  209,  463; 

II  4a:  19,  2ß;  6:153 
Wittgenstein,  Fürstin.     IV  1  c  :  27. 
Wittwer,  W.     II  3  :  43. 
Witzel,  G.     II  6  :  27,  163. 
Witzenhausen,  Josel.    II  3  :  4 
Wochenschrift,  Stralsunder.     IV  3  :  92. 
Wochenschriften,  Moralische.  13:308; 

IV  5 :  530. 
Wölffle,  J.     19: 297. 
Wöllner,    J.   Chr.    v.     I    12:106  9;    IV 

3:1;  5:86,  248,  275 
Woermann,  K.     I  9  :  6;  IV  la  :  14. 
Wörterbücher.     I   2:8-10;    II    1:112; 

IV  3  :  28 ;  7  :  25. 
Woeter,  E.     IV  ld:74. 
Wohlbrück,  Olga.     IV  3:526. 
Wohlgemuth,  M.     I  9:168. 
Woite,  0.     IV  3:132. 
Wolf,  Chrn.    I  12  :  129;  III  5  :  72/4. 

—  Ferd.     IV  la:3S. 

—  Frd.  Aug   I  12  :  110:  IV  1  c  :  17,  20: 
5:398,  601;  8  b  :  2,  14. 

—  Hedwig.     IV  la:38;  2b:  17S. 

—  Heinr.     II  2  :  23,  34. 

—  Hugo.     IV  8a:  39;  8c:  15. 

—  Joh.     I  3:111. 

—  Nanette.     IV  2  b  :  138. 
Wolfenbüttel.     IV   1  a :  28. 

—  Heinz  v.     II  1  :  122 

Wolff,  Chr.  v.     IV  1  c  :  20;  5  :  113,  140, 
224,  238,  474. 

—  Eug.     IV  8d:24. 

—  Franz.     IV  3 :  569. 

—  Heinr.     I  11 :  30. 

—  Jul.     IV    la  :  20;    lc  :  26,    44;    3: 
229-30;  5:65,  398, 

—  Olla  s.  Ulrich  Frank. 

—  W.     IV  7  :  1/7. 

Wolfram  v.  Eschenbach.     I  6:107;  IV 

ld;3,  11. 
Wolke,  Chr.  H.    16:  91. 
Wollenweber,  L.  A.     IV  la:44. 
Wolzogen,  E.  v.    IV  3  :  616. 

—  Karoline  v.     IV  la  :  33;  9  :  35. 

—  W.  r.     IV  8b:  2;  9:35,  176. 
Worterklärung.     I  7  :  137-60. 
Wortfüsse.     18:1. 


Wortschatz.     I  7  :  70/9,  126-36. 
Wouthers,  D.     III  4  :  24. 
Würfel,  Chr.     IV  3:28. 
Würfelspiel.     II  5:106. 
Würfl,  Chrph.     IV  2a:  58. 
Württemberg.     I   4:183,    353/4 a;   9: 
137/8. 

—  Alex.  Graf  v.    IV    2b:  10:   10:113. 
Würzburg,  Konr.  v.     IV  8c:  27. 
Wunderhorn.     IV  10:41,  102,  118. 
Wundt,  W.     IV  5  :  558. 
Wupperfeld.     I  9  :  143. 

Wussow,  Alex.  v.    IV  1  c  :  65. 

Wutke-Biller,  Emma.     IV  3:537. 

Wuttke,  H.     IV  9  :  18. 

Wyl,  W.     IV  3:579. 

Wyle,  N.  v.     I  7:7a;  II  5:65. 

Wyss,  G.  v.     IV  5:382/3. 

Xenien.     I  12:34;  IV  2a:  58 

York.  H  D.  L.  Graf  v.  IV  1  b  :  14, 
171/2. 

Zabel,  E.     IV  3  :  183. 

Zachariä,   J.   F.  W.       18:  28,   30 ;    IV 

lc:72;  3:32/4;  5:9-10. 
Zainer,  Joh.     I  3  :  53. 
Zannen,  sich  zauen.     I  7 :  152. 
Zarncke,  Fr.      13:321;    112:45;    IV 

3:34,  63;  5:398 

—  -Sammlung.     IV  8a:  5. 
Zauberei.    I  5  :  127/8,  130,  135,  198. 
Zaubergeld.     I  5  :  135. 
Zaubersagen.     I  5  :  179. 

Zedlitz,  Heinr.  v.     II  1 :  152. 

—  J.  Ch  Frhr.  v.  IV  2  b  :  121:  3  :  300; 
5 :  86. 

Zeitblom,  B.     19: 167. 
Zeitler.    I  8 :  30. 
Zeitschriften-Adressbuch.     I  3  :  246. 

—  -Inhaltsangabe.     I  3 :  248. 
Katalog.     I  3  :  252. 

Zeitungen  (s.  auch  Journalistik).  II  1:2, 
36,  77.  Dresden  IV  3  :  109  Hamburg 
I  3  :  308.  Leonberg  IV  3 :  318.  New- 
Y'ork  1 3  :  87.  Sondershausen  IV  3  :  93. 
Torgau  I  3 :  60.     Wien  IV  1  b  :  219. 

Zeitungs-Amt  (Berlin).     I  3:244. 

Jubiläen.     I  3:2305 

Preislisten.     I  3:244/5. 

Zeitungswesen.     I  3:227-56;  II  1:77. 

Zell  b.  Oberstaufen      1  9  :  163. 

Zeller,  Luise  =  Luise  Pichler. 

—  Ed.     IV  5:812,  601. 


Zenger,  M.     I   10:2;7. 
Zesen,  Ph.  v.     I  7:183;  8:23 
Zeugdruck.    I  9  :6L 
Zeughans.    I  4:868. 
Zeune,  Aug.     IV  5:423. 
Zevecote,  J.    III  4  :  24. 
Ziegert,  M.     IV  Sa:  25. 
Ziegler,  Jak.     II  1:36 

—  Luise  v.     IV  8e:30. 
Ziehenaus,  Chrph.     I  3  :  357. 
Zielstrebigkeit.     11:7 
Zierbuchstaben.     I  3:115. 
Zierfiguren.     I  3  :  6ö. 

Zierotin,  K.  v.     I  4:460;  II  1:150. 
Zierrat  in  Handschriften     I  3:25. 
Zigeuner    14:438:  IV  2a:  116;  2b- 33/4. 
Zigno,  Giac.     IV  1  c  :  96. 
Ziller,  T.     16:9;. 
Zilling  (Spezial).     IV  9:  14. 
Zimmer,  H.     IV  3:32. 
Zimmermann,  H.  v.     I  11:23. 

—  J.  G.     IV  1  c  :  42,  88;  5  :  224,  236. 

—  J.  J.     IV  9  :  166. 

—  Roh.     IV  8  b  :21. 
Zincgref,  J.  W.     IV  8e:  112. 
Zingerle,  I.  v      IV  2b:  203 
Zink,  B.     113:  48. 

Zinzendorf,  N.  L.  Graf  v.     III  5  :  34/5 

Zither.    I  10:41. 

Zoll,  E.  IV  la:21;  lb:358;  lc:  60/1: 
3:10,  12,  453;  5:463,  652. 

Zollikofer.  G.  J.     IV  1  a :  17. 

Zollner,  M.     II  2  :  43. 

Zolltarif.     I  4:211 

Zolner,  Jobst.     II  2  :  21. 

Zschille  (Warfensammler'.     I  9:462. 

Zschokke,  H.  I  6 :  128 ;  IV  3:16,  341-55 ; 
5  :  271,  398. 

Zucker,  M.     19:  180. 

Zündt,  H.  U     13:  337,8. 

-  M.     I  3:337/8;  9:457. 

Zürich.     I  4:20;  IV  2a:  23. 

Zumsteeg,  J.  R.     IV  2  b  :  138. 

Zunftleben.     I  4:200/1. 

Zungenbändchen  s.  Lösung. 

Zungenübungen.     15:343/5. 

Zunz,  L.     IV  5:411/3. 

Zustände,  Gesellschaftliche,  Deutsch- 
lands.    14:9. 

Zwickau.     I  4  :  138;  II  3:57. 

Zwingli,  U.  II  6 :  134,  161 ;  III  5  :  1  ; 
IV  5 :  325 

Zymmermann,  Ant.     II   1:87. 


Jahresberichte  für  neuere  deutsche  Litteraturgeschichte.    V. 


(4)39 


Siglenregister. 


a)  Siglen  für  einzelne  Zeitschriften. 

AAALA.  Atti  della  r.  Accademia  di  Archeolo- 

gia,  Lettere  e  belle  Arti 
AAW.     Aus  allen  Weltteilen 
Ac.     The  Academy 
AChrK.  Archiv  für  christliche  Kunst 
ADA.      Anzeiger    d.    Zeitschrift    für    Deutsches 

Altertum 
ADß.     Allgemeine  Deutsche  Biographie 
ADLZg.     Allgemeine  Deutsche  Lehrerzeitung 
AELKZ.    Allgemeine  Evangelisch-Lut.  Kirchen- 
Zeitung 
AGNM.     Anzeiger    d.    Germanischen    National- 
museums 
AHVN.     Annalen   des  Historischen  Vereins  für 

den  Niederrhein 
AJPh.  American  Journal  of  Philology 
AkBll.     Akademische  Blätter 
AltprMschr.     Altpreussische  Monatsschrift 
ALVKS.     Archiv   für  Landes-  und  Volkskunde 

d.  Provinz  Sachsen 
AMZ.     Allgemeine  Missionszeitschrift 
AMZg.     Allgemeine  Militär-Zeitung 
AnnELScPol.      Annales    de    l'ecole     libre     des 

sciences  politiques 
AnzSchwG.     Anzeiger  für  Schweiz.  Geschichte 
AÖG.     Archiv  für  Oesterreichische  Geschichte 
APC.     Annales  de,  Philosophie  Chretienne 
APT.     Archiv  für  Post  und  Telegraphie 
ASNS.      Archiv    für    d.    Studium    der    neueren 

Sprachen 
ASPb.     Archiv  für  Slavische  Philologie 
ASTP.     Archivio  per  lo  Studio  delle  Traditioni 

Popolari 
Ath.     The  Athenaeum 
AZgB.     Beilage  d.  Allgemeinen  Zeitung 

BAUBay.  Beiträge  zur  Anthropologie  und  Ur- 
geschichte Bayerns 

BBG.  Blätter  für  d.  Bayerische  Gymnasial- 
schulwesen 

BBRW.   Blätter  für  d.  Bayerische  Realschulwesen 

BBSW.  Besondere  Beilage  d.  Staatsanzeigers 
für  Württemberg 

BCChrSchw.  Bibliographie  und  litterarische 
Chronik  d.  Schweiz 

BECh.     Bibliotheque  de  l'Ecole  des  Chartes 

BFDH.    Berichte  d.  Freien  Deutschen  Hochstifts 

BGDS.  Beiträge  z.  Geschichte  d.  Deutschen 
Sprache 

BG1.     Der  Beweis  des  Glaubens 

BGLIA.  Bibliothek  der  Gesamt-Litteratur  des 
In-  u.  Auslandes. 

BHLPFr.  Bulletins  Historiques  et  Litteraires 
de  la  Societe  du  Protestantisme  Francais 

BiogrJbA.  Biographisches  Jahrbuch  für  Alter- 
tumskunde (Iwan  Müller) 


BKELK.     Beiträge   z.    Kunde   Esth-,   Liv-    und 

Kurlands 
BLChrSchw.       Bibliographie     und    litterarische 

Chronik  d.  Schweiz 
BllHSch.     Blätter  für  das  Höhere  Schulwesen 
BllThPBBibl.     Blätter  z.  Theorie  und  Praxis  d. 

Bibliothekswesens 
BLU.     Blätter  für  Litterarische  Unterhaltung 
BLVSt.     Bibliothek    des  Litterarischen   Vereins 

in  Stuttgart. 
BPhWS.     Berliner  Philologische  Wochenschrift 
BScFB.     Bulletin   scientifique   de   la   France   et 

de  la  Belgique 
BSCMHAlsace.     Bulletin   de    la  Societö  pour  la 

Conservation      des      Monuments     Historiques 

d'Alsace 
BURS.   Bibliotheque  Universelle  et  Revue  Suisse 
B  WKG.     Blätter  für  Württembergische  Kirchen- 
geschichte 

CAC.    La  Chronique  des  Arts  et  de  la  Curiositö. 
CBIBibl.     Centralblatt  für  Bibliothekswesen 
CBlUVPreussen.     Centralblatt  für   die  gesamte 

Unterrichts- Verwaltung  in  Preussen 
ChrJGImpr.     Chronique    du   Journal  general  de 

l'Imprimerie  et  de  la  Librairie 
ChWGV.     Chronik  d.  Wiener  Goethe- Vereins 
CMC.     Casopis    Musea    Krälovstvi  Ceskeho 
COIRW.      Centralorgan    für    d.    Interessen    d. 

Realschulwesens 
CR.     Corpus  Reformatorum 
CRPhThL.     Critical  Review  of  theological  and 

philosophical  Litterature 

DBUEU.  Deutsche  Blätter  für  Erziehung  und 
Unterricht 

DEBIL     Deutsch-Evangelische  Blätter 

DEKZ.     Deutsche  Evang.-Kirchenzeitung 

Didask.  Didaskalia  (Beiblatt  z.  Frankfurter 
Journal) 

DLD.     Deutsche  Litteraturdenkmale 

DLZ.     Deutsche  Litteraturzeitung 

DNB.     Deutsche  Nationalbühne 

DNJb.     Deutschnationales  Jahrbuch 

DNL.     Deutsche  Nationallitteratur 

DPB1.     Deutsches  Protestantenblatt 

DR.     Deutsche  Revue 

DRs.     Deutsche  Rundschau 

DSB11.     Deutsch-sociale  Blätter 

DWB1.     Deutsches  Wochenblatt 

DZG.  Deutsche  Zeitschrift  für  d.  Geschichts- 
wissenschaft 

DZKR.     Deutsche  Zeitschrift  für  Kirchenrecht 

DZg.     Deutsche  Zeitung  (Wien) 

DZSF.    Deutsche  Zeit-  und  Streitfragen 

EHR.     English  Historical  Review. 
EKZ.     Evangelische  Kirchenzeitung 


Siglenregister. 


EPL.     Entretiens  Politiques  et  Litteraires 
ERPHLB.      Etudes    religieuses,    philosophiques, 
historiques  et  litteraires.  Partie  bibliographique. 
Euph.     Euphorion. 

FBPG.  Forschungen  z.  Brandenburgischen  u. 
Preussischen  Geschichte 

FDLV.  Forschungen  zur  deutschen  Landes-  u. 
Volkskunde. 

FFFGAV.  Für  d.  Feste  nnd  Freunde  d.  Gustav- 
Adolf- Vereins 

FKLB.  Forschungen  z.  Kultur-  u.  Litteratur- 
geschichte  Bayerns 

FrB.     Freie  Bühne  für  modernes  Leben 

FrBlw.     Wiener  Fremdenblatt. 

FrSchZ.     Freie  Schulzeitung 

FZg.     Frankfurter  Zeitung 

GBA.     Gazette  des  Beaux  Arts. 
GDL.     Gesellschaft  für  Deutsche  Litteratur 
Geg.     Die  Gegenwart 
Ges.     Die  Gesellschaft 

GFröO.    Geschichtsfreund  (Mitteilungen  d.  Histo- 
rischen Vereins  d.  5  Orte) 
GGA.     Göttingische  Gelehrte  Anzeigen 
GJb.     Goethe-Jahrbuch 

HBGF.       Hallische     Beiträge     zur     Geschichts- 
forschung 
HJb.     Historisches  Jahrbuch  (Grauert) 
HPBU.     Historisch-Politische  Blätter 
HT.     Historisk  Tidsskrift  (Dänemark) 
HTB.     Historisches  Taschenbuch 
HZ.     Historische  Zeitschrift  (v.  Sybel) 

IllZg.     Illustrierte  Zeitung 

JbbPTh.  Jahrbücher  f.  protestantische  Theologie 

JBG.    Jahresberichte  der  Geschichtswissenschaft 

JBGPh.  Jahresbericht  über  Germanische 
Philologie 

JBHSW.  Jahresberichte  für  d.  höhere  Schul- 
wesen 

JBL.  Jahresberichte  für  neuere  deutsche 
Litteraturgeschichte 

JbPSTh.  Jahrbuch  für  Philosophie  und  speku- 
lative Theologie. 

JbSAK.  Jahrbuch  d.  kunsthistorischen  Samm- 
lungen d.  Allerhöchsten  Kaiserhauses 

JbSchwG.     Jahrbuch    für  Schweizer  Geschichte 

JDTh.     Jahrbuch  für  deutsche  Theologie 

JEc.     Journal  des  Economistes 

JEd.     Journal  of  Education 

JGGPO.  Jahrbuch  d.  Gesellschaft  für  Geschichte 
d.  Protestantismus  in  Oesterreich 

JG VV.  Jahrbuch  für  Gesetzgebung,  Verwaltung 
und  Volkswirtschaft 

JHGA.  Jahrbuch  d.  Heraldischen  Gesellschaft 
Adler 

JKSAK.  Jahrbuch  d.  Kunsthistorischen  Samm- 
lungen d.  Allerhöchsten  Kaiserhauses 

JllZg.     Illustrirte  Zeitung 

JNS.  Jahrbücher  für  Nationalökonomie  und 
Statistik 

JPrK.  Jahrbuch  der  Preussischen  Kunst- 
sammlungen 

JSav.     Journal  des  Savants 

KAW.     Kirchlicher  Anzeiger  für  Württemberg 
KBGV.     Korrespondenzblatt  des  Gesamtvereins 
der    Deutschen    Geschichts-    und    Altertums- 
vereine 
KB1GRW.   Korrespondenzblatt  für  d.  Gelehrten- 
u.  Realschulen  Württembergs 


KB1WZ.  Korrespondenzblatt  d.  Westdeutschen 
Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst 

KM.     Kirchliche  Monatsschrift 

KRÖ.     Kritische  Revue  aus  Oesterreich 

KunstUZ.     D.  Kunst  unserer  Zeit 

KVZg.     Kölnische  Volkszeitung. 

Kw.     Kunstwart 

KwH.     Kwartalnik  Historyczny 

KZEU.  Katholische  Zeitschrift  für  Erziehung 
und  Unterricht 

KZg.     Kölnische  Zeitung 

LBIGRPh.  Litteraturblatt  für  Germanische  u. 
Romanische  Philologie 

LBIHSch.  Litteraturblatt  für  d.  Höhere  Schul- 
wesen (Beil.  zu  BllHSch.) 

LCB1.     Litterarisches  Centralblatt 

LChR.     The  Lutteran  Church  Review 

LHw.     Litterarischer  Handweiser 

LJb.  Litterarisches  Jahrbuch  für  die  Interessen 
der  Deutschen  Nordwestböhmens  (A.  John) 

LLB.     Leipziger  Litteraturberichte 

LLD.  Lateinische  Literaturdenkmäler  d. 
16./ 17.  Jh. 

LRs.  Litterarische  Rundschau  für  d.  katholische 
Deutschland 

L&K.     Literatur  og  Kritik 

LZ?B.  Wissenschaftliche  Beilage  d.  Leipziger 
Zeitung 

MA.     Le  Moyen-Age 

MADSpr.  Mitteilungen  d.  Allgemeinen  Deutschen 
Sprachvereins 

MD.     Moderne  Dichtung 

MGESchG.  Mitteilungen  d.  Gesellschaft  für 
deutsche  Erziehungs-  u.  Schulgeschichte 

MGNM.  Mitteilungen  aus  d.  Germanischen 
Nationalmuseum 

MGP.     Monumenta  Germaniae  Paedagogica 

MHL.  Mitteilungen  aus  d.  Historischen  Litteratur 

MIÖG.  Mitteilungen  d.  Instituts  für  Oester- 
reichische  Geschichtsforschung 

ML.  Magazin  für  Litteratur  d.  In-  und  Aus- 
landes 

MLLG.  Mitteilungen  d.  Littauischeu  littera- 
rischen Gesellschaft 

MLN.     Modern  Language  Notes 

MLWJ.  Monatsschrift  für  Litteratur  und  Wissen- 
schaft d.  Judentums 

MNEKR.  Mitteilungen  u.  Nachrichten  für  d. 
Evangelische  Kirche  in  Russland 

MNLGATJ.  Mitteilungen  d.  Niederlausitzer 
Gesellschaft  für  Anthropologie  u.  Urgeschichte 

MusG      Museum  (Groningen) 

MVGDB.  Mitteilungen  d.  Vereins  für  Geschichte 
d.  Deutschen  in  Böhmen 

MVVB1.     Militär- Wochenblatt 

NAnt.     Nuova  Antologia 

NAR.     North  American  Review 

Nation8.     Nation  (Berlin) 

NationNY.     Nation  (New- York) 

NB11EU.    Neue  Blätter  aus  Süddeutschland  für 

Erziehung  und  Unterricht 
NDL.     Neudrucke  deutscher  Litteraturwerke  d. 

16.  und  17.  Jh. 
NedSpect.     De  Nederlandsche  Spectator 
NFPr.     Neue  Freie  Presse 
NHJbb.     Neue  Heidelberger  Jahrbücher 
NJbbPh.     Neue  Jahrbücher   für  Philologie  und 

Pädagogik 
NKZ.     Neue  Kirchliche  Zeitschrift 
NLB11.     Neue  Litterarische  Blätter 
NQ.     Notes  and  Queries 

(4)39* 


Siglenregister. 


N&S.     Nord  u.  Süd 
NYCritic.     New-York-Critic 
NZ.     Neue  Zeit  (Stuttgart) 

OEKZ.     Oesterreichische   evangelische  Kirchen- 

zeitung_ 
ÖLB1.      Österreichisches    Litteraturblatt 
ÖUR.     Österreichisch-Ungarische  Revue 

Päd.     Pädagogium. 

PBUKHS.  Pastoralblätter  für  Katechetik,  Ho- 
miletik und  Seelsorge 

PEGS.  Publications  of  the  English  Goethe- 
Society 

PKZ.     Protestantische  Kirchenzeitung 

PMLA.  Publications  of  the  Modern  Language 
Association  of  America 

PPSA.  Publikation  aus  d.  Kgl.  Preufsischen 
Staatsarchiven 

PrJbb.     Preussische  Jahrbücher 

PZSF.     Pädagogische  Zeit-  und  Streitfragen 

QF.    Quellen  u.  Forschungen  z.  Sprach-  u.  Kultur- 
geschichte d.  germanischen  Völker 
QR.     Quarterley  Review 

RAFr.     Revue  de  l'Art  Francais 

RB.     Revue  Bleue 

RBibl.     Revue  des  Bibliotheques 

ROr.    Revue  Critique  d'histoire  et  de  litterature 

RDM.     Revue  des  deux  Mondes 

RepKunstw.    Repertorium  der  Kunstwissenschaft 

RESS.  Revue  de  l'Enseignement  Seoondaire  et 
Superieure 

RH.     Revue  Historique 

RhBllEU.  Rheinische  Blätter  für  Erziehung  u. 
Unterricht 

RhGBll.     Rheinische  Geschichtsblätter. 

RiCrLI.    Rivista  Critica  della  Letteratura  Italiana 

RIE.     Revue   Internationale    de  l'Enseignement 

RPL.     Revue  Politique  et  Litteraire 

RQChrA.  Römische  Quartalschrift  für  Christ- 
liches Altertum  und  Kunst 

RSIt.     Rivista  Storica  Italiana. 

RThPh.     Revue  de  Theologie  et  de  Philosophie 

RTP.     Revue  des  Traditions  Populaires 

SammlerA.  D.  Sammler  (Tägliche  Beilage  d. 
Augsburger  Abendzeitung) 

SammlerB.     D.  Sammler  (Berlin) 

SBB.     Sammlung  Bernischer  Biographien 

SB11HU.  Süddeulsche  Blätter  für  die  höheren 
Unterrichtsanstalten. 

SchlZg.     Schlesische  Zeitung 

SchwäbKron.  Schwäbische  Kronik  (Beiblatt  z. 
Schwab.  Merkur) 

SGV.  Sammlung  gemeinnütziger  Vorträge  (Prag). 

SGWV.  Sammlung  gemeinverständlicher  wissen- 
schaftlicher Vorträge 

SÖMZ.  Streffleurs  Oesterreichische  Militärische 
Zeitschrift 

StMBCO.  Studien  u.  Mitteilungen  aus  d.  Bene- 
diktiner- u.  d.  Cistercienser-Orden 

StML.     Stimmen  aus  Maria  Laach 

StNPhl.  Studies  and  Notes  in  Philology  and 
Litterature 

TglRsB.        Unterhaltungsbeilage     d.     Täglichen 

Rundschau  (Berlin) 
ThJB.     Theologischer  Jahresbericht 
ThLBl.     Theologisches  Litteraturblatt 
ThLZ.     Theologische  Litteraturzeitung 
ThQ.     Theologische  Quartalschrift 
ThStK.     Theologische  Studien  u.  Kritiken 


ThT.     Theologische  Tijdschrift. 

ThZSchw.      Theologische     Zeitschrift     aus     der 

Schweiz 
TNTLK.   Tijdschrift  voor  Nederlandsche  Taal-  en 

Letterkunde 
TRHS.      Transactions    of  the  Royal   Historical 

Society 

ÜB.     Universal-Bibliothek 
ÜB&T.     Über  Berg  u.  Thal 
ÜL&M     Über  Land  u.  Meer 
UZ.     Unsere  Zeit 

VGAnthr.     Verhandlungen    d.   Gesellschaft    für 

Anthropologie 
VHSG.     Vierteljahrsschrift  für  Heraldik,  Sphra- 

gistik  und  Genealogie 
VLG.    Vierteljahrsschrift  f.  Litteraturgeschichte 
VVPK.     Vierteljahrsschrift  für  Volkswirtschaft, 

Politik  u.  Kulturgeschichte 
V WPh.     Vierteljahrsschrift  für  wissenschaftliche 

Philosophie 

WFrBl.     Wiener  Fremdenblatt 

WIDM.        Westermanns      Illustrirte      Deutsche 

Monatshefte 
WKK.     Wiener  Kommunalkalender 
WRDK.       Wochenrundschau     für     dramatische 

Kunst,  Litteratur  und  Musik 
WSKPh.  Wochenschrift  für  Klassische  Philologie 
WTB1.     Wiener  Tagblatt 

WWKL.     Wetzel  u.   Walters  Kirchenlexikon. 
WZ.     Westdeutsche    Zeitschrift    für    Geschichte 

u.  Kunst 

ZADSprV.  Zeitschrift  des  Allgemeinen  Deutschen 

Sprachvereins 
ZBK.     Zeitschrift  für  Bildende  Kunst 
ZDA.     Zeitschrift  für  Deutsches  Altertum 
ZDKG.  Zeitschrift  für  Deutsche  Kulturgeschichte 
ZDM(t.  Zeitschrift  d.  Deutschen  Morgenländischen 

Gesellschaft 
ZDPh.     Zeitschrift  für  Deutsche  Philologie 
ZDS.     Zeitschrift  für  Deutsche  Sprache 
ZDU.     Zeitschrift  für  d.  Deutschen  Unterricht 
Zeitgeist.    D.  Zeitgeist  (Montagsbeilage  z  Berliner 

Tageblatt) 
ZERIT.     Zeitschrift   für   d.    evangelischen   Reli- 
gionsunterricht 
ZFChrVL.   Zeitschrift  d.  christlichen  Volkslebens 
ZFSL.     Zeitschrift  für  neufranzösische  Sprache 

u.  Litteratur 
ZGORh.     Zeitschrift  für  d.  Geschichte  d.  Ober- 
rheins 
ZKG.     Zeitschrift  für  Kirchengeschichte 
ZK.WL.    Zeitschrift  für  kirchliche  Wissenschaft 

u.  kirchliches  Leben 
ZLIHSch.       Zeitschrift     für     lateinlose     höhere 

Schulen 
ZOG.    Zeitschrift  für  d.  Oesterreichischen  Gym- 
nasien 
ZPrGL.     Zeitschrift  für  Preussische  Geschichte 

und  Landeskunde 
ZPTh.     Zeitschrift  für  Praktische  Theologie 
ZSchlH.     Zeitschrift  d.  Gesellschaft  für  Schles- 
wig-Holstein-Lauenburgische  Geschichte 
ZSRG6.     Zeitschrift    der    Savigny-Stiftung    für 

Rechtsgeschichte.  Germanistische  Abteilung 
ZVK.     Zeitschrift  für  Volkskunde 
ZVLR.    Zeitschrift  für  Vergleichende  Litteratur- 
geschichte u.  Renaissance-Litteratur 
ZV  Volksk.  Zeitschrift  des  Vereins  für  Volkskunde 
ZWTh.  Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Theologie 


Siglenregister. 


b)  Abkürzung  zur  Bezeichnung  der  übrigen 
Zeitschriften. 

A.  Archiv,  Archives,  Arkiv.  —  AbhAk.  Ab- 
handlungen d.  Akademie  (d.  Wissenschaften). 

—  AbhL.  Abhandlungen  für  Landeskunde.  — 
AG.  Archiv  für  Geschichte.  —  Alm.  Almanach. 

—  Ann.  Annalen,  Annales.  —  Ant.  Antiqua- 
risch. —  Anz.  Anzeiger.  —  A V.  Altertums- 
verein 

B.  Beiträge.    —    BAc.    Bulletin  de  l'Academie. 

—  BB1.  Börsenblatt.  —  Bblgr    Bibliographie. 

—  BG.  Beiträge  z.  Geschichte.  —  BHV. 
Bericht  d.  Historischen  Vereins.  —  Bibl. 
Bibliothek.  —  BK  Beiträge  z.  Kunde.  — 
Bl.,  Bll.  Blatt,  Blätter.  —  BLVA.  Berichte. 
d.  Landesvereins  für  Altertumskunde.  — 
BMH.  Bulletin  du  Musee  Historique.  — 
BVGW.  Berichte  über  d.  Verhandlungen  d. 
Gesellschaft  d.  Wissenschaften.  —  BVL.  Blätter 
d.  Vereins  für  Landeskunde 

CB1.  Centralblatt.  —  Chr.  Chronik.  —  Cr. 
Critique.  —  COI.  Centralorgan  für  d.  In- 
teressen 

D.  Deutsch 

E.  Erdkunde.  —   Erz.    Erziehung 

F.  Forschungen 

Gr.  Geschichte.  —  GBl.,  GB11.  Geschichtsblatt., 
Geschichtsblätter.  —  Ges.  Gesellschaft.  —  GFr. 
Geschichtsfreund.  —  GV.  Geschichtsverein.  — 
GQ.  Geschichtsquellen  —  GW.  Gesellschaft 
d.  Wissenschaften 

H.  Historisch,  Histoire,  Historique  usw.  — 
HG.  Historische  Gesellschaft.  —  HT.  Historisk 
Tidsskrift.  —  HV.    Historischer  Verein 

I.    Institut.  —  It.    Italia,  Italiano 

J.    Journal.  —  JB.  Jahresbericht,  Jahresberichte. 

—  Jb.  Jahrbuch.  —  «Jbb.  Jahrbücher.  — 
JbHV.  Jahrbuch  d.  Historischen  Vereins.  — 
JbVG.     Jahrbuch  d.  Vereins   für  Geschichte. 

—  JHh.     Jahreshefte 

K.B1.  Korrespondenzblatt.  —  KB1VL  Korre- 
spondenzblatt d.  Vereins  f.  Landeskunde.  — 
KG.  Kirchengeschichte.  —  KL.  Konversations- 
lexikon 

Li.  Litteratur,  Litterarisch  usw.  —  LB.  Littera- 
turbericht.  —  LB1.  Littet  aturblatt.  —  LK. 
Landeskunde.  —  LVA.  Landesverein  für  Alter- 
tumskunde 

Bf.  Mitteilungen,  Memoires.  —  JMA.  (MAlich.) 
Mittelaller  ( —  lieh).  —  MAc.  Memoires  de 
l'Academie.  —  Mag.  Magazin.  —  MBL,  MBU. 
Monatsblatt,  Monatsblätter.  —  MDG.  Mit- 
teilungen der  deutschen  Gesellschaft.  —  MDSH. 
Memoires   et  Documents    de  la  Societe  Histo- 


rique. —  MGG.  Mitteilungen  d.  Gesellschaft 
für  Geschichte.  —  Mh.  Monatshefte.  —  Mschr. 
Monatsschrift.  —  MSH.  Memoires  de  la  Societe 
Historique.  —  Mus.  Museum,  Musik.  —  MusV. 
Musealverein.  —  MVG.  Mitteilungen  d.  Ver- 
eins für  Geschichte 

Bf.  Neu,  Nouveau,  Nuovo  usw.  —  NF.  Neue 
Folge.  —  Njbl.,  Njbll.  Neujahrsblatt,  Neujahrs- 
blätter. —  NN.    Neueste  Nachrichten 

Ö.    Oesterreich,  Oesterreichisch 

P.  Preussisch.  —  Paed.  Pädagogik,  pädagogisch. 

—  PAV.  Publicationen  des  Altertums-Vereins. 

—  Ph.  Philologie.  —  Philos.  Philosophie.  — 
Pr.    Presse 

Q.  Quartalschiift.  —  QB.  Quartalsblatt.  — 
QuBllHV.  Quartalsblätter  des  historischen 
Vereins 


ft.  Revue,  Review. 
Rhein,  Rheinisch, 
schau 


Rep.  Repertorium.  —  Rh. 
Ri.  Rivista. —  Rs.  Rund- 


SB.  Sitzungsbericht,  Sitzungsberichte.  —  SBAk. 
Sitzungsberichte  d.  Akademie  (d.  Wissen- 
schaften). • —  Sbnbg.  Siebenbürgen.  —  Seh. 
Schule.  —  SchlH.  Schleswig-Holstein-Lauen- 
burg. —  Schw.  Schweiz,  Schweizerisch.  —  Soc. 
Societe,  Society,  Sociedad  —  Spr.  Sprache, 
Sprachforschung.  —  St.  Studien.  —  SVG. 
Schriften  d.  Vereins  f.  Geschichte 

T.  Transactions.  —  Tb.  Taschenbuch.  —  TBL 
Tageblatt  (Tagblatt) 

V.  Verhandlungen.  —  Vjh.  Vierteljahrshefte.  — 
Vjs.  Vierteljahrsschrift.  —  Vt.  Vaterländisch. 
—  Ver.    Verein 

WB1.  Wochenblatt 

Z.  Zeitschrift.  -  Zg.  Zeitung.  —  ZGG.  Zeit- 
schrift d.  Gesellschaft  für  Geschichte.  —  ZÜV. 
Zeitschrift  d.  Historischen  Vereins 

Beispiele  für  Verbindungen: 

JbMünchG.    Jahrbuch  für  Münchener  Geschichte 

BVGW  Leipzig.  Berichte  über  d.  Verhandlungen 
d.  Gesellschaft  d.  Wissenschaften  in 
Leipzig 

TJngR.     Ungarische  Revue 

MVAnhaltG.  Mitteilungen  d.  Vereins  für  An- 
haltische Geschichte  u.  Altertumskunde 

MhMusikG.     Monatshefte  für  Musikgeschichte 

SVGBerlin.  Schriften  d.  Vereins  für  d.  Geschichte 
Berlins 

NASächsG.  Neues  Archiv  für  Sächsische  Ge- 
schichte 

ZVHambG.  Zeitschrift  d.  Vereins  für  Ham- 
burgische Geschichte  —  usw. 


Bemerkungen  für  den  Gebrauch. 

An  dieser  Stelle  sei  nochmals  das  „Handbuch  zu  Litteraturberichten"  von  J.  Jastrow 
(Berlin,  Gaertner  1891)  rühmend  genannt,  dem  die  technische  Einrichtung  sich  im  wesentlichen 
anschliesst. 

1.  Die  Disposition  ist  jedem  einzelnen  Abschnitte  vorangedruckt  und  im  Text,  auf 
den   allein  sie  sich  bezieht,  durch  Absätze  und  Sperrung  der  Stichwörter  kenntlich. 

2.  Die  Stellung  der  Anmerkungsziffer  vor  oder  hinter  dem  Punkt  am  Ende  eines 
Satzes  charakterisiert  die  nähere  oder  fernere  Zugehörigkeit  des  unten  angeführten  Buches  zum  Text. 

3.  Neben  den  "Werken  des  Berichtsjahres  sind  nur  in  Ausnahmefällen  Schriften  des 
unmittelbar  vorhergegangenen  Jahres  besprochen.  Die  Litteratur  der  auf  das  Berichtsjahr  folgenden 
Zeit  blieb  durchweg  ausgeschlossen,  ausser  wo  es  sich  um  einzelne  Recensionen  der  189  4  erschienenen 
Arbeiten  handelt.  Als  Jahreszahl  ist  zu  jeder  in  den  Anmerkungen  citierten  Schrift  die  des 
Berichtsjahres  (für  Bd.  5  also  1894)  hinzuzudenken,  insofern  eine  andere  nicht  ausdrücklich  genannt 
ist.  Wo  bei  Lieferungswerken,  Zeitschriften  usw.  Lieferungstitel  und  Bandtitel  verschiedene  Jahres- 
zahlen tragen,  ist  der  letztere  als  massgebend  betrachtet  worden. 

4.  Die  Bedeutung  der  Zeichen  in  den  Anmerkungen  sind  folgende: 

X  Hier  sei  dem  Titel  nach  angeführt 
X  X  Hier  sei  angeführt  unter  Vorbehalt  genauerer  Besprechung  im  nächsten 
Jahrgang 
o   Unzugänglich  blieb 
(IV  8  a  :  10)  Hier  ist  ein  Titel  einer  Arbeit  bezw.  ein  Bericht  ausgefallen  zu  Gunsten 
von  IV,  8  a  N.  10. 
|[]|  schliesst  das  Verzeichnis  der  Recensionen  ein. 

5.  Ein  Verzeichnis  der  zur  Abkürzung  von  Zeitschriften-  und  Zeitungstiteln 
verwendeten  Siglen  findet  sich  hinter  dem  Sachregister.  Ausserdem  sind  folgende  Abkürzungen 
angewendet:  Hs.,  Hss.  =  Handschrift,  Handschriften;  hs.  =  handschriftlich;  Ms.,  Mss.  =  Manuskript, 
Manuskripte;  Vf.  =  Verfasser,   Verfasserin;  Jh.,  Jhh.  =  Jahrhundert,  Jahrhunderte. 

6.  Das  Autorenregister  verzeichnet  nur  die  Verfasser  der  besprochenen  Arbeiten, 
zu  denen  auch  die  Recensionen  gerechnet  werden.  Die  Art  der  angeführten  Werke  wird  durch  die 
Kapitelzahl  einigermassen  gekennzeichnet. 

7.  Im  Sachregister  beachte  man  überall  Zusammenstellungen  wie  Bibliotheken,  Drama, 
Schulen,  Sprache. 

8.  Die  Zahlen  in  den  Registern  usw.  sind  aus  folgenden  Beispielen  zu  verstehen: 
II  3  :  4  =  II,  3  N.  4.  —  II  3  :  4-5  =  II,  3  N.  4-5.  —  II  3  :  4;  6  :  7  =  II,  3  N.  4;  II,  6  N.  7. 

9.  Die  Verfasser  von  selbständigen  Werken  wie  auch  namentlich  von  Dissertationen, 
Programmen,  Festreden  usw.  sowie  von  Zeitschriftenaufsätzen  werden  dringend  ersucht,  ein  Exemplar 
an  die  JBL.  einzusenden  oder  die  Einsendung  seitens  ihres  Verlegers  zu  veranlassen.  Bei  Ab- 
handlungen, die  an  entlegenen  Stellen  veröffentlicht  sind,  wäre  die  Redaktion  schon  für  den  blossen 
Hinweis  (vielleicht  mit  kurzer  Angabe  des  Inhalts)  dem  Autor  zu  Dank  verpflichtet. 

10.  Die  Adresse  der  Redaktion  findet  sich  am  Schlüsse  der  Vorrede,  die  der  Verlags- 
handlung auf  dem  Titelblatt,  die  der  einzelnen  Mitarbeiter  im  Inhaltsverzeichnis. 


Druckfehlerberichtigung. 

I  1  :86  Note  lies  R.  Wulckow.  —  I  3 :  61  Note  lies  R.  Schwarze.  —  I  4:  122 
Note  lies  J.  Gillhoff.  —  14:  138a  Note  lies  Carinthia  S.  7-15,  43-51.  —  I  4  :  218 
lies  Kossmann.   —  I  4  :  311  Note  lies  Schwarzfels.  —  14:  420  Note  lies  Tschir  c  h. 

—  I  4  :  522  Note  lies  Wendland  t.  —  16:45  Note  liess  (=  N.  13.).  —  I  6  :  46 
Note  lies  (=  N.  14.).  —  I  7  :  129  Zeile  1  lies  Tetzner.   —  I  9:9  Note  lies  Seidlitz. 

—  I  9:30  Zeile  1  lies  Francquet.  —  I  9  :  157  Note  lies  MB1  Alt  V  Wien.  —  I  9:203 
Zeile  1  lies  de  Negker.  —  I  9  :  204  Zeile  2  lies  Heinz.  —  I  9  :  243  Zeile  1  bezw. 
Note  lies  Seidlitz.  —  I  10  :  260  Zeile  1  bezw.  Note  lies  Hofraillcr.  —  I  12 :  12  Zeile  3 
lies  Winckelraann.  —  I  12:104  Zeile  2  lies  Naetebus.  —  II  5  :  65  Zeile  7  lies 
B.  Hirssfelder.  —  II  6  Inhaltsverzeichnis  Zeile  12  lies  Sachsen  N.  164.  — 
II  7  :  9  Note  lies  K.  Wotke.  —  IV  la  :  37  Zeile  22  lies  H.  Schiff.  —  IV  1  b  :  357 
Note  lies  Sosnosky.  —  IV  1  b  :  442  Note  lies  Treutschv.  Buttlar.  —  IV  1  d  Inhalts- 
verzeichnis Zeile  2  lies  Chenier  und  Loconte.  —  IV  2b  Inhaltsverzeichnis  Zeile  7  u. 
N.  119  Zeile  2  lies  J.  B.  Deinhardstein.  —  IV  2b  Inhaltsverzeichnis  Zeile  7  lies 
A.  von  Tschabuschnigg.  —  Ebda.  Zeile  9  lies  F.  v.  Saar  N.  183.  —  Ebda.  Zeile  17 
lies  S.  Sailer.  —  Ebda,  lies  H.  Jürs.  —  IV  3  :  456  Zeile  2  bezw.  Note  lies  Lern me r- 
mayer.  —  IV  5  :  64  Note  lies  Weis.  —  IV  5  :  170  Zeile  1  bezw.  Note  lies  Göring.  — 
IV  5  :  261  Note  lies  H.  Jo3ephson.  —  IV  5  :  335  Note  lies  Weitbrecht.  —  IV  5  :  375 
Note  lies  W.  S.  Lyon.  —  JBL.  1893  IV  8a  :  31  Zeile  5  lies  A.  Riese.  —  IV  8a  :  34 
Note  lies  K.  Wein  ho  Id.  —  Im  Autorenregister  fohlt:  Heuer,  O.  IV  8a  :  25;  8e  :  69. 


Druck  von  C.  H.  Schulze  &  Co.  in  Gräfenhainichen. 


Für  die  bereitwillige  und  liebenswürdige  Unterstützung  bei  den  vorbereitenden 
Arbeiten  ist  die  Redaktion  den  folgenden  Herren  zu  lebhaftem  Danke  verpflichtet : 


Hermann  Alsberg-Bexlin, 

Dr.  Hans  Bodmer-Znrieh, 

cand.  phil.   Coym-Berlin, 

Dr.  Friedr.  Düsel-Berlin, 

cand.  phil.  Ü^cß-München, 

Prof.  Dr.  Ernst  Elster-Leipzig, 

cand.  phil.  Karl  .Fmss-München, 

Dr.  Fritz-Berlin, 

Dr.  Rudolf  Fürst-Vra,g, 

cand.  phil.   Goldschmidt-Mnnchen, 

cand.  phil.'  Montague  Jacoos-Berliu, 

cand.  phil.   Kurt  Jahn-Berlin, 

cand.  phil.   H.  Lachmanski, 

Geh.  Justizrat  C.  R.  Lessing, 


Prof.  Dr.  F.  Muncker-München, 

cand.  phil.   Otto-München, 

Dr.  Ludwig  Pariser-München, 

cand.  phil.   Petsch-Berlin, 

Prof.  Dr.  S.  M.  Prem-Bielitz, 

Bibliothekar  Dr.  Richard  Preuss-  Berlin, 

Freiherr  Alfred  von  Rentz-Bres\a.n, 

Dr.  Richard  Rosenbaum-Br&g, 

Dr.   Eduard  «Sac£-Frankfurt  a.  M., 

cand.  phil.  Hjalmar  Schacht, 

Oberbibliothekar  Dr.  Willi.  Seelmann-Berlin, 

Dr.   Oskar  F.    Walzel-Wien, 

Dr.  Alexander  von    Weilen-Wien, 

Prof.  Dr.  R.   M.    Werner-Lemberg. 


Ferner    den  Verwaltungen 
der  Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin,        i   derKöniglichenUniversitätsbibliothekznBerlin, 

sowie    den  Redaktionen 
der  Augsburger  Abendzeitung,  der  Kölnischen  Volkszeitung, 


der  Bohemia  in  Prag, 

des  Fränkischen  Kurier  in  Nürnberg, 

des  Frankfurter  Journal, 

der  Frankfurter  Zeitung, 

der  Kölnischen  Zeitung, 


der  Magdeburgischen  Zeitung, 

der  Münchener  Neuesten  Nachrichten, 

der  Neuen  freien  Presse  in  Wien, 

der  Weser-Zeitung  in  Bremen, 


und   den   Buchhandlungen 


G.  Fock-Leinzig, 


Nicolai  (Borstell  §  Reimarus)-Berlin, 


endlich  der  Buchdruckerei 

von 

C.  IL  Schulze  fy  Co.-Gräfenhainichen. 


BINDIN6  SECT.  FEB  2     1968 


Z      Jahresbericht  für  neuere 

2231     deutsche  Literaturgeschichte 

J25 

Bd.  5 


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